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German Pages 136 Year 1989
HANNO ZIEHM
Die Störerverantwortlichkeit für Boden- und Wasserverunreinigungen
Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. M i c h a e I K I o e p f e r , Trier
Band 12
Die Störerverantwortlichkeit für Boden- und Wasserverunreinigungen Ein Beitrag zur Haftung für sogenannte Altlasten
Von Dr. Hanno Ziehm
Duncker & Humblot · Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Ziehm, Hanno: Die Störerverantwortlichkeit für Boden- und Wasserverunreinigungen: ein Beitrag zur Haftung für sogenannte Altlasten I von Hanno Ziehm. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1989 (Schriften zum Umweltrecht; Bd. 12) Zug!.: Hannover, Univ., Diss., 1988 ISBN 3-428-06662-6 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten
© 1989 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41
Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-06662-6
Für Britta
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1988 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Hannover als Dissertation angenommen. Neue Literatur konnte noch bis September 1988 berücksichtigt werden. Ziel der Ausarbeitung war es nicht, eine mögliche Gesamtlösung der Altlasten-Problematik aufzuzeigen, es ging vielmehr um die Auseinandersetzung mit den Fragen, die sich bei einer Anwendung des heutigen Polizei-, Abfall- und Wasserrechtes auf die unterschiedlichen denkbaren Fallkonstellationen bestehender Altlasten ergeben. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden in diesem Zusammenhang die verschiedenen in Literatur- und Rechtsprechung vertretenen Auffassungen einander gegenübergestellt. Herr Prof. Dr. Franz-Joseph Peine hat die Arbeit betreut und stand als Erstgutachter zur Verfügung. Hierfür und für die zahlreichen während der Bearbeitung gegebenen Hinweise und Anregungen möchte ich ausdrücklich danken. Das Zweitgutachten erstattete freundlicherweise Herr Prof. Dr. Georgios Magoulas. Mein Dank gilt darüber hinaus meinen Eltern, Frau Renate Nette, Frau Britta Schmidt und Herrn Thomas Wnuck, die in unterschiedlicher Form Anteil an der Entstehung dieser Arbeit hatten. Herr Prof. Dr. Michael Kloepfer und das Verlagshaus Duncker & Humblot haben dankenswerterweise die Veröffentlichung in der vorliegenden Schriftenreihe ermöglicht. Hannover, Oktober 1988
HannoZiehm
Inhaltsverzeichnis
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Störerverantwortlichkeit für Umweltbeeinträchtigungen nach dem Allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1. Der Staat und seine Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
2. Individualgüter, wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Vermögen
19
3. Die gesamte Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
B. Störung oder konkrete Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 C. Handlungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Legalisierungswirkung öffentlich-rechtlicher Genehmigungen . . . . . 26 a. Ausschluß der Störereigenscharten durch bestehende Genehmigungen ... . . . ...... . ... . . . .. ..... . .. . . .. . . ..... . .... . . . . 26 b. Sachliche Grenzen der Legalisierungswirkung von Genehmigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 c. Zeitliche Reichweite der Legalisierungswirkung von Genehmigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 d. Legalisierungswirkung ursprünglich rechtswidriger Genehmigungen .. . . ....... ... ... . .. . ... . . . . . . . . .... ........... . . e. Änderung der Sachlage, der Rechtslage oder des wissenschaftlichen Kenntnisstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Legalisierungswirkung behördlicher Duldungen . . . . . . . . . . . . . . 2. Polizeirechtliche Störerverantwortlichkeit für ungenehmigtes Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32 34 36 37
a. Handlungshaftung bei konkretem Normverstoß . . . . . . . . . . . . . . . 38 b. Handlungsver antwortlichkeit bei ungenehmigtem, aber nicht gegen konkrete Verhaltenspflichten verstoßendem Verhalten . . . . 39 c. Auswirkungen von Änderungen der Sachlage, der Rechtslage oder des wissenschaftlich technischen Kenntnisstandes auf die Handlungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3. Unterlassen als Anknüpfungspunkt für die Handlungshaftung . . . . . 48 a . Handlungsinanspruchnahme für Unterlassen bei Verstoß gegen konkrete Handlungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 b. Handlungsinanspruchnahme für Unterlassen ohne Verletzung konkreter Handlungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
Inhaltsverzeichnis
10
D. Zustandshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auswirkung behördlicher Genehmigungen auf die Zustandsverant-
wortlichkeit
50
...............................................
55
a. Ausschluß der Störereigenschaft durch behördliche Genehmigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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b. Sachliche, persönliche und zeitliche Reichweite der Legalisierungswirkung von Anlagegenehmigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
c. Legalisierungswirkung ursprünglich rechtswidriger Genehmigungen ......................... . . . ............. . .... .. .
58
d. Auswirkungen von Änderungen der Sachlage, der Rechtslage oder des wissenschaftlichen Kenntnisstandes auf die Zustandshaftung
59
e. Legalisierungswirkung behördlicher Duldungen . . . . . . . . . . . . . .
61
2. Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit für nicht durch Genehmigungen sanktionierte Sachzustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
E. Mehrheit von Störern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
1. Auswahlermessen bei einer Mehrheit von Störern · . . . . . . . . . . . . . . . .
69
2. Ausgleichsansprüche zwischen mehreren Verantwortlichen
73
ll. Störerverantwortlichkeit für Umweltbeeinträchtigungen nach Abfallrecht
77
A. Anwendungsbereich des Abfallgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
B. Einzelregelungen des Abfallrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
1. § 3 AbfG- Verpflichtung zur Beseitigung von Abfällen . . . . . . . . . . .
80
2. § 4 Abs. 1 AbfG- geordnete Entsorgung von Abfällen . . . . . . . . . . . .
80
3. § 11 AbfG- Anzeigepflicht des Abfallbesitzers, Überwachung durch die Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
4. § 8 Abs. 1 Satz 3 AbfG -nachträgliche Nebenbestimmungen bei genehmigten Abfallentsorgungsanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a . Anwendungsbereich der Vorschrift
81
.........................
81
b. Rechtmäßigkeit nachträglicher Regelungen - Eingriff in den Bestand der Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
c. Einschränkung der Zulässigkeit nachträglicher Auflagen und Nebenbestimmungen durch § 17 Abs. 2 BimSchG . . . . . . . . . . . . .
84
5. § 9 AbfG- Eingriffe in vor Inkrafttreten des AbfG angelegte Anlagen a. Anwendungsbereich der Vorschrift
85
.................. .......
85
..............................
86
aa. Eingriff des § 9 AbfG in bestehende Genehmigungen oder die Rechtsstellung des ungenehmigt legalen Betriebes der Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
bb. Kein Eingriff in bestehende Rechte bei bereits bestehender Eingriffsmöglichkeit nach anderen Vorschriften . . . . . . . . . . .
87
cc. Rechtmäßigkeit der Eingriffe nach § 9 AbfG in bestehende Genehmigungen bzw. Rechtspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
(1) Bei Inkrafttreten des AbfG abgeschlossene genehmigte Ablagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
b . Rechtmäßigkeit des § 9 AbfG
Inhaltsverzeichnis
11
(2) Bei Inkrafttreten des AbfG andauernde genehmigte Ablagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
(3) Genehmigte Ablagerungen allein nach Inkrafttreten des AbfG . . . ... . . .. . .. . .. . . ........................ . .
93
(4) Ablagerungen auf vor Inkrafttreten des AbfG angelegten genehmigungsfreien legalen Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
(5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
dd. Ermessensreduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
6. § 10 AbfG- Sanierungspflicht der Inhaber stillgelegter Abfalldeponien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Adressat der Verfügung nach§ 10 Abs. 2 AbfG
97
...............
97
b. Zeitpunkt der Stillegung der Abfallbeseitigungsanlage . . . . . . . . .
98
c. Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Abfallbeseitigungsanlage . . . .
98
7. Landesrechtliche Regelungen .......... . .......... . ... . .. . .. . . 100 a . Pflicht zur Duldung von Sanierung und Rekultivierung . . .... .. 102 b. Pflicht des Eigentümers zum Ausgleich der sanierungsbedingten Wertsteigerung .... . ...... .... . .. ... . .. .. . . . . ... .. .. . .... 103 c. Sanierungs- und Rekultivierungspflicht des Eigentümers nach Bayerischem Abfallrecht ......... . ... ... ............ . . . ... 105 d. Kostentragungspflicht für Sanierung und Rekultivierung des ehemaligen Betreibers und des Eigentümers nach Bayerischem und Bremischem Abfallrecht ... . ........... . . ............ . . .... 105 e. Rechtmäßigkeit der landesrechtliehen Regelungen- Zusammenfassung- . . .. ... . . ...... . . .. . . . . ... . . ...... . . . .... ... ... 106
m. Störerverantwortlichkeit für Umweltbeeinträchtigungen nach Wasserhaus-
haltsgesetz/WHG ........ . . . ................... . ............ .. . ... 108 A. Anwendungsbereich des WHG
.......... . .... . . . . . . . ..... . . .... . 108
1. Zeitlicher Anwendungsbereich des WHG .. . . . .......... . . . ..... 108
2. Sachlicher Anwendungsbereich des WHG .. .. ..... .. . . ... . .. ... 108 B. Einzelregelungen des WHG . ....... . .. ... .... . .. . . .... . . . . . . . . . . 110 1. § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 4 und 5 WHG- Verbot un-
genehmigter Gewässerbenutzung durch Einbringen oder Einleiten . .. 111
2. § 2 Abs.l in Verbindung mit§ 3 Abs. 2 WHG- allgemeines Verbot von Gewässerbenutzungen durch gewässerbeeinträchtigende Maßnahmen . . ........... .. . ... . .. . ..... . ..... .. .. ........ .. . .. 113 3. § 19 g WHG- Anforderungen an Anlagen zum Lagern, Abfüllen und Umschlagen wassergefährdender Stoffe . . .... ..... .... . .. . .. . . . 116 4. §§ 26 Abs. 2, 34 Abs. 2 WHG- Lagerung und Ablagerung von wassergefährdenden Stoffen . ............. . ... . . . ............ . . . . . . 116 5. § 1 a Abs. 2 WHG- allgemeine Sorgfaltspflicht ...... . ... .. ... . . . 117 6. § 22 Abs. 2 WHG- zivilrechtliche Gefährdungshaftung . . . ...... . . 119
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Inhaltsverzeichnis
IV. Haftung für Umweltbeeinträchtigungen nach den zivilrechtliehen Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag- öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch ....... . ................. . .. . . ......... . .... . ...... 122 A. Geschäftsführung ohne Auftrag
122
B. Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch
124
V. Zusammenfassung ......... . . . ............. . . . ............ . ..... . . 127
A. Störerverantwortlichkeit nach Allgemeinem Polizei- und Ordnungsrecht ... .. . . .... .. ..... . .............. .. ......... . ... . . ..... . 127 B. Störerverantwortlichkeit nach Abfallrecht
128
C. Störerverantwortlichkeit nach Wasserrecht
129
D. Verantwortlichkeit nach Zivilrecht und nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs 130 Literaturverzeichnis .... . . .. .. . . . .. . . ... . . .... . .. ... .... .. ... . . . . . .. .. 131
Einführung Diese Arbeit befaßt sich mit dem Problem der Haftung für die Beseitigung von Umweltbeeinträchtigungen. Die Anregung, sich mit diesem Problemkreis näher auseinanderzusetzen, ergab sich aus verschiedenen Fällen im Rahmen meiner anwaltliehen Praxis. Gemeinsam war diesen Fällen, daß Industriebetriebe durch Ordnungsbehörden zur Sanierung von auf den jeweiligen Betriebsgrundstücken vorgefundenen Boden- oder Wasserverunreinigungen in Anspruch genommen werden sollten. Das Vorantreiben der Sanierung verunreinigten Untergrundes zur Verhinderung einer fortschreitenden Gewässerbelastung ist eine vordringliche öffentliche Aufgabe. Technisch ist die Sanierung in der Regel machbar, die Kosten sind jedoch sowohl in Bezug auf jeden Einzelfall als auch in der Summe erheblich. Die Frage, unter welchen Umständen eine Inanspruchnahme des einzelnen möglich ist und wie weit sie reichen kann, ist wegen der enormen Sanierungskosten nicht nur für den einzelnen Betrieb, sondern auch gesamtwirtschaftlich von entscheidender Bedeutung. In der Regel werden die anstehenden Fragen unter dem Stichwort "Altlasten" diskutiert. Dieser Begriff vermittelt den Eindruck, als ginge es hier nur um Probleme, die aus den "Sünden der Vergangenheit" resultieren. Richtig ist jedoch, daß durch einen sich kontinuierlich verbessernden wissenschaftlichen Kenntnisstand und steigende umweltpolitische Sensibilität immer mehr Sachverhalte rückschauend zur Umweltbeeinträchtigung werden, ohne daß dies zur Zeit der Entstehung schon erkennbar war. Solange diese Entwicklung anhält, werden neue Altlasten produziert. Auch davon abgesehen entstehen immer neue Altlasten durch Emissionen aus Betriebsunfällen, die infolge menschlicher Unzulänglichkeit niemals ganz auszuschließen sind. Der zeitliche Bereich für die Entstehung von Altlasten, oder allgemein gesagt Umweltbeeinträchtigungen, ist damit der gesamte vor dem jeweiligen Beobachtungszeitpunkt liegende Zeitraum. Nicht sachgerecht erscheint es, eine Differenzierung nach dem Alter der vorgefundenen Umweltbeeinträchtigung vorzunehmen. Der Entstehungszeitpunkt könnte zwar im Hinblick auf die speziellen Regelungskomplexe des Wasserhaushaltsgesetzes und Abfallgesetzes, die 1960 bzw. 1972 in Kraft getreten sind, Bedeutung erlangen; diese Spezialgesetze decken jedoch nur Teilbereiche des gesamten Problemkreises ab, so daß eine grundlegende Zäsur zwischen Umweltbeeinträchtigungen, die vor Inkrafttreten
Einführung
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dieser Gesetze entstanden sind, und neueren Umweltbeeinträchtigungen nicht sinnvoll ist. In sachlicher Hinsicht gibt es verschiedene, teilweise stark voneinander abweichende Versuche, den Begriff "Altlasten" zu definieren1 . Hingewiesen sei auf folgende: Nach dem Runderlaß des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26. 3. 19802 sind Altlasten: "Schadstoffanreicherungen in Boden und Grundwasser, die auf umweltgefährdende Nachwirkungen der industriellen Produktion und Nachwirkungen aus beiden Weltkriegen zurückgehen" . Diese Definition erscheint ohne zwingenden Grund als zu eng. Eine Beschränkung auf Kriegseinwirkungen und industrielle Produktion ist nicht sachgerecht. Menschliches Leben und Wirtschaften in der heutigen Form ist mit Emissionen verbunden, die möglicherweise oder bewiesen umweltschädlich sind. Die Frage der Haftung für die Folgen solcher Emissionen kann nicht auf die genannten Teilbereiche beschränkt werden, sondern sie stellt sich allgemein. Nicht zwingend ist letztlich auch die Begrenzung in der Definition auf Boden- und Wasserverunreinigungen. Gefährliche Schadstoffanreicherungen aufgrund von Emissionen treten z. B. auch in der Luft auf. Die bei der Inanspruchnahme des Verantwortlichen insoweit entstehenden tatsächlichen Schwierigkeiten rechtfertigen keinesfalls ihre grundsätzliche Ausklammerung aus dem Problemkreis. Ebenfalls zu eng erscheint die Definition Schinks3, nach der Altlasten Schadstoffanreicherungen aufgrund menschlichen Verhaltens sind. Die Frage der Verursachung kann zwar im Rahmen der Verpflichtung zur Beseitigung einer vorliegenden Störung bzw. der Kostentragungspflicht für Sanierungsmaßnahmen von Bedeutung sein, sie kann jedoch keinen Einfluß auf das Vorhandensein einer Umweltbeeinträchtigung haben. Im Rahmen der Feststellung von Störungen darf die Verantwortlichkeit für sie nicht von Bedeutung sein. Die bisherigen Versuche einer Definition des Begriffs "Altlast" bergen allesamt die Gefahr einer nicht gerechtfertigten Einengung des Problemkreises. Eine Beschränkung der Untersuchung auf bestimmte Emissionen aus bestimmten Zeiträumen erscheint nicht sinnvoll und ist nicht erforderlich. Weder das besondere noch das allgemeine Ordnungsrecht kennen den Begriff "Altlast", so daß die rechtlichen Konsequenzen aus bereits eingetretenen Umweltbeeinträchtigungen sich für jeden konkreten Fall nur aus der 1 2
3
Hunting, Definition des Begriffes Altlasten, 2 ff. II1 A 2 - 863 - 28815, Min.Blatt NW 1980, 769. Schink, DVBl. 1986, 161.
Einführung
15
Subsumtion unter die entsprechende Eingriffs- oder Anspruchsgrundlage ergeben können. Ziel der bisherigen Bemühungen um eine Definition des Begriffs .,Altlast" war dementsprechend auch nicht eine Eingrenzung des Problemkreises, sondern eine Beschreibung der bisher relevant gewordenen Fälle mit einem Schlagwort. Der Schwerpunkt des Problems liegt bis heute tatsächlich bei Emissionen aus alten Abfalldeponien und kontaminierten Standorten industrieller Produktion. Die vorliegende Untersuchung orientiert sich daher exemplarisch an diesen faktisch relevanten Fallgruppen, ohne daß sich dadurch von vomherein eine Begrenzung der gewonnenen Ergebnisse auf sie ergibt. Gemeinsamer Ausgangspunkt ist in allen Fällen, daß ein Gefahrenpotential zum Zeitpunkt der Ursachensetzung in der Regel nicht gesehen wurde, entweder, weil die Gefahren nicht bekannt waren, oder aber nicht als gravierend eingestuft wurden. Unter besonderer Berücksichtigung der genannten Gesichtspunkte soll nachfolgend zunächst auf die Inanspruchnahmemöglichkeiten nach den allgemeinen polizeirechtlichen Vorschriften eingegangen werden. Nach der Feststellung, unter welchen Umständen von einer polizeirechtlich relevanten Störung der öffentlichen Sicherheit auszugehen ist, ist zu untersuchen, wer für die vorliegende Störung in Anspruch genommen werden kann. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Handlungshaftung liegt der Schwerpunkt der Darstellung in der Beantwortung der Frage, wie sich eine vorliegende behördliche Genehmigung auf die Inanspruchnahmemöglichkeit auswirkt und ob eine Änderung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes bei der Störungszurechnung von Bedeutung ist. Im Rahmen der Zustandshaftung werden die gleichen Gesichtspunkte relevant, zusätzlich ist jedoch auf die Reichweite der Haftung einzugehen, und es ist zu untersuchen, ob sich im Interesse eines wirksamen Eigentumsschutzes Einschränkungen der Zustandsverantwortlichkeit ergeben. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem allgemeinen Polizeirecht ist abschließend zu klären, welche Konsequenzen sich für die einschreitende Behörde aus dem Vorhandensein einer Mehrheit von Störern ergeben und ob unter mehreren Störern interne Ausgleichsansprüche bestehen. Bei der sich anschließenden Auseinandersetzung mit den speziellen Regelungskomplexen des Abfall- und Wasserhaushaltsgesetzes ist zu klären, inwieweit diese Spezialgesetze als Eingriffsgrundlage oder Rechtmäßigkeitsmaßstab für behördliches Einschreiten herangezogen werden können und wie weit durch sie die allgemeinen polizeirechtlichen Vorschriften verdrängt werden. Abschließend wird untersucht, ob behördliche Maßnahmen auch auf zivilrechtliche Vorschriften gestützt werden können.
16
Einführung
Zur finanziellen Lösung bzw. Begrenzung der Altlastenproblematik werden mittlerweile unterschiedliche Fondsmodelle diskutiert, wobei sowohl der Frage der Rechtsform wie die der Mittelbeschaffung kontrovers diskutiert wird4 . Dies soll jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sein. Selbst wenn in verschiedenen Bundesländern die Beteiligten sich über Altlastenfonds einigen, werden hierdurch zwar möglicherweise besonders schwerwiegende Altlastenfälle praktisch gelöst, die Klärung der hier angesprochenen Fragen wird jedoch nicht überflüssig. Über Fonds kann nicht die Sanierung sämtlicher Altlasten bzw. die Beseitigung sämtlicher Umweltbeeinträchtigungen finanziert werden, da ein Fonds nur sinnvoll eingesetzt werden kann, wenn sowohl von der Größe als auch von der Art der Umweltstörung eine Einschränkung auf bestimmte Sachverhalte gemacht wird. Die verbleibenden "kleineren" Fälle können allein durch die zuständigen Ordnungsbehörden nach jetzt geltendem materiellen Recht gelöst werden. Für über Fonds sanierte Altlasten ist die materielle Rechtslage möglicherweise insoweit relevant, als bei eindeutiger Verantwortungszuweisung Rückgriff bei dem Verantwortlichen genommen werden könnte.
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Die verschiedenen Modelle sind dargestellt bei Breuer in NVwZ 1987, 751, 756 ff.
I. Störerverantwortlichkeit für Umweltbeeinträchtigungen nach dem Allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht Das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht kann als Grundlage behördlicher Inanspruchnahme immer dann herangezogen werden, wenn in dem konkreten Fall keine spezialgesetzliche Regelung eingreiftl. Werden in Spezialgesetzen zwar Regelungen, anhand derer sich die Rechtmäßigkeit bestimmter Zustände oder Verhaltensweisen ermitteln läßt, getroffen, finden sich in diesen Vorschriften aber keine konkreten Eingriffsgrundlagen, kommt das Allgemeine Polizeirecht insoweit ergänzend zum Tragen2 . Das Allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht kennt neben den speziellen Eingriffsgrundlagenüber "Standardmaßnahmen", die sich für die Inanspruchnahme eines Umweltstörers nicht eignen, die polizeirechtliche Generalermächtigung. In Anlehnung an den Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes3 bestehen in 8 Bundesländern4 inhaltlich weitgehend übereinstimmende Vorschriften 5 . Aber auch in den verbleibenden 3 Länderns, die ihr Ordnungsrecht noch nicht an den Musterentwurf angepaßt haben, bestehen polizeirechtliche Generalklauseln. Voraussetzung behördlichen Eingreifens ist nach allen polizeirechtlichen Generalklauseln, daß im konkreten Fall die öffentliche Sicherheit oder Ordnung7 gestört oder gefährdet ist. Bei den Begriffen öffentliche Sicherheit und Ordnung handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe8 • Nachfolgend wird unter A. auf die unterschiedlichen Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit eingegangen - die öffentliche Ordnung ist für den hier untersuchten Problemkreis ohne Bedeutung -, unter B. wird untersucht, unter welchen Umständen eine Störung bzw. eine 1 Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 194; Götz, Rn. 446; Drews/Wacke/Vogel/ Martens, 154 f. 2 Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 194, 198; Götz, Rn. 447; Drews/Wacke/Vogel/ Martens, 155; Osterloh, JuS 1il83, 280 ff.; BVerwG, NJW 1980, 1970; OVG Münster, DÖV 1975, 284. 3 Vgl. hierzu Drews/Wacke/Vogel/Martens, 18 f. 4 Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein. 5 § 8 Abs. 1 d. Musterentwurfs: "Die Polizei kann die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, soweit nicht die§§ 9- 24 die Befugnisse der Polizei besonders regeln." (§§ 9 - 24 ME = Standardmaßnahmen). s Saarland, Hessen, Hamburg. 7 Die rechtliche Zulässigkeit des Schutzes der öffentlichen Ordnung ist zweifelhaft, vgl. Peine, Die Verwaltung 1979, 25 ff.; Götz, Rn. 98; Drews/Wacke/Vogel/Martens, 246m. w. N. ; im Brem. PolG fehlt der Begriff der öff. Ord. vollständig. e Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 196m. w. N.
2 Ziehm
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I. Störerverantwortlichkeit nach Allg. Polizei- und Ordnungsrecht
Gefährdung dieser Schutzgüter angenommen werden kann. Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für eine Verfügung zur Gefahrenabwehr ist darüber hinaus die Ordnungspflicht des Verfügungsadressaten. Auf die Verantwortlichkeit aus bestimmten Verhaltensweisen- Handlungshaftung- wird unter C. eingegangen, unter D. wird untersucht, unter welchen Umständen eine behördliche Inanspruchnahme auf den Zustand von Sachen- Zustandshaftung- gestützt werden kann; die Rechtslage bei einer Mehrheit von Störern wird unter E . untersucht. A. Die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit Die polizeirechtlichen Generalklauseln geben unabhängig von den nach dem jeweiligen Landesrecht unterschiedlichen Formulierungen der zuständigen Ordnungsbehörde das Recht, zum Schutz der öffentlichen Sicherheit einzugreifen. Was unter dem Begriff der öffentlichen Sicherheit zu verstehen ist, wird ausdrücklich nur in § 2 Nr. 2 des Bremer Polizeigesetzes geregelt. Die Regelung im Bremischen Recht entspricht jedoch der Rechtsprechung des Preußischen OVG zu§ 14 PrPVG. Die jeweiligen Landesgesetzgeber haben bei der Fassung der Polizeigesetze den Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ohne Veränderung übernommen, so daß kein Anlaß zu der Annahme besteht, daß inhaltlich etwas an der hergebrachten Bedeutung hätte verändert werden sollen9 • Damit sind die Schutzgüter der landesrechtlichen polizeilichen Generalklauseln nicht nur im Bremischen Recht, sondern in allen Polizeigesetzen der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, Individualgüter des einzelnen, wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Vermögen, sowie nach herrschender Meinung die Gesamtheit aller Rechtsvorschriften1o. 1. Der Staat und seine Einrichtungen als Schutzgut der öffentlichen Sicherheit
Geschützt wird der Staat als Ganzes in seinem Bestandll. Dazu zählen neben der Verfassung und den Einrichtungen des Staates im engeren Sinne auch "kollektive Rechtsgüter", deren Schutz im Interesse des Lebens in der Gemeinschaft dringend erforderlich ist12. Diese Ausdehnung der zum Schutzbereich des Staates zählenden Güter geht im wesentlichen zurück auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zum Wasserrecht aus Drews/Wacke/Vogel/Martens, 232. Drews/Wacke/Vogel/Martens, 236; Götz, Rn. 75 f., 82; Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 198, OVG Münster, DVBl. 1975, 588 f.; DÖV 1984, 80. 11 Drews/Wacke/Vogel/Martens, 233 ; Götz, Rn. 75, 84; Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 198. 12 Drews/Wacke/Vogel/Martens, 233; Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 198. 9
10
A. Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit
19
dem Jahre 19731a. Hier wird zutreffend dargelegt, daß die Lebensfähigkeit der staatlichen Gemeinschaft die Möglichkeit eines Lebens in der Gemeinschaft voraussetzt. Letzteres wiederum setzt jedoch zwingend die Erhaltung menschlicher Lebensgrundlagen voraus. Hierzu zählt zumindest zu einem gewissem Grade auch die Erhaltung von Natur und Umwelt. Das Wasser hat diese grundlegende Bedeutung für das menschliche Leben, so daß es zutreffend erscheint, die Sauberkeit allen Wassers dem Schutz des Polizeirechtes, unabhängig vom Vorliegen konkreter Gesundheitsgefahren, zu unterstellenl4. Inwieweit die Reinhaltung des Bodens ähnlich zu beurteilen ist, ist im juristischen Schrifttum noch nicht abschließend behandeltl5 • Letztendlich handelt es sich hierbei aber um eine auch naturwissenschaftliche Frage. Zu klären ist, ob Bodenverunreinigungen oder bestimmte Arten von Bodenverunreinigungen geeignet sind, die Lebensgrundlage des Staates bzw. der Menschen zu gefährden. Von den "Erdwissenschaften" werden u. a. folgende Funktionen des Bodens genanntl 6 : - Produktionsgrundlage für die Erzeugung von Bio-Masse (z. B. Nahrungsund Futtermittel, Holz, Naturfasern) - Filter zur Entfernung von Staub und anderen Teilen aus der Luft, die durch Regen in den Boden gelangen, aber vom Grundwasser ferngehalten werden. Diese Funktionen machen die grundlegende Bedeutung der Reinhaltung des Bodens deutlich, so daß es angemessen erscheint, dem Bodenschutz eine der Wasserreinhaltung vergleichbare Stellung als Schutzgut der öffentlichen Sicherheit zuzumessen. Unabhängig hiervon bedarf es jedoch einer Einordnung des Bodens als Schutzgut im konkreten Fall dann nicht, wennwas regelmäßig der Fall sein dürfte- einhergehend mit der Bodenverunreinigung eine Versehrnutzung des Grund- oder Oberflächenwassers vorliegt oder wenn durch die Bodenverunreinigung eine Gefahr für Gewässer verursacht wird. 2. Individualgüter, wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Vermögen als Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit
Vom Begriff der öffentlichen Sicherheit ist ferner der Schutz aller privaten Rechte umfaßt, insbesondere Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Vermögen 17 • Eingriffe zum Schutze der genannten Individualgüter können 13
BVerwG, ZfW 1974, 296 f. = DÖV 1974, 207 = MDR 1974, 338 = DVBI. 1974, 297
= BayVbl. 1974, 348 = VR 25 Nr. 196, 861.
14 BVerfG, NJW 1982, 745, 751; Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 197; Martens, DÖV 1975, 297; Drews/Wacke/Vogel/Martens, 236; Röper, ZfW 1975, 37, 38 f.; Schink, DVBI. 1986, 161, 165; Czychowski, DVBI. 1970, 379, 381; Breuer, Rn. 551. 15 Peine, UTR 3. 201 ff. 16 Peine, UTR 3, 201, 204. 17 Drews/Wacke/Vogel/Martens, 235; Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 197.
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I. Störerverantwortlichkeit nach Allg. Polizei- und Ordnungsrecht
mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung kollidieren und damit im Einzelfall unzulässig sein. Eingriffe in materielle Rechtsgüter können die betroffenen Bürger auf dem Zivilrechtsweg, in eiligen Fällen auf dem Weg über einstweilige Verfügungen, abwenden. Wird die Ordnungsbehörde lediglich im Interesse des einzelnen Bürgers tätig, stellt dies regelmäßig einen rechtswidrigen Eingriff in die Zuständigkeit der Zivilgerichte darta. Der Schutz von Individualgütern mit Hilfe des Polizeirechtes ist jedoch immer dann möglich, wenn die Behörde nicht allein im Interesse eines konkret betroffenen Einzelbürgers, sondern auch im öffentlichen Interesse vorgehtl9. Ein öffentliches Interesse am Schutz bestimmter Individualgüter besteht immer dann, wenn die konkrete Gefahrenlage Ausstrahlungen in die Öffentlichkeit erzeugt20 • Dies ist der Fall, wenn eine Vielzahl von Individualrechtsträgern betroffen wird oder aber die letztendlich Betroffenen noch gar nicht feststehen, also eine Individualgutsverletzung noch zu verhindern ist. Denkbar ist die Erfüllung dieser Kriterien zwar auch bei materiellen Individualgütern, der Schwerpunkt des polizeirechtlichen Individualgüterschutzes liegt jedoch bei den immateriellen Rechtsgütern, wie Leben, Gesundheit und Freiheit2 1 . Eine Verletzung dieser Güter, insbesondere der Gesundheit, kann durch bestehende Umweltbeeinträchtigungen vorliegen. Sowohl Bodenund Grundwasser- als auch Luftverunreinigungen können die Gesundheit einer unbestimmten Vielzahl von Menschen gefährden und beeinträchtigen. Ob eine konkrete Umweltbeeinträchtigung tatsächlich einen Eingriff in die Gesundheit oder andere zu schützende Individualgüter darstellt, kann nur anband des jeweiligen Einzelfalles ermittelt werden. 3. Die gesamte Rechtsordnung als Schutzgut der öffentlichen Sicherheit
Wie bereits eingangs dargelegt, ist die Rechtsordnung als Ganze sowohl nach der Legaldefinition des Bremischen Rechtes als auch nach der herkömmlichen Auslegung des § 14 PrPVG von dem Schutzbereich der polizeirechtlichen Generalklausel umfaßt. Die dogmatische Einordnung bereitet Schwierigkeiten und wird deshalb nicht einheitlich vorgenommen. So will Klein die Rechtsordnung als Ganze nicht der öffentlichen Sicherheit, sondern der öffentlichen Ordnung unterstellen22 • Andererseits wird die gesamte Rechtsordnung teilweise systematisch nicht als selbständiges Schutzgut geführt. Die Verletzung geschriebenen Rechtes stellt in diesem Falle eine konkrete Ausprägung einer Verletzung der Schutzbereiche "Staat" oder 18 19
2o 21
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Drews/Wacke/Vogel/Martens, 235 ff.; Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 197. Drews/Wacke/Vogel/Martens, 229; Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 197 f. Drews/Wacke/Vogel/Martens, 228 f.; Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 198. Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 197 f. m. w. N.; Klein, DVBl. 1971, 233. Klein, DVBl. 1971, 233, 238.
A. Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit
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"Individualgüter" dar23. Diese Überlegungen sind freilich für den zu untersuchenden Einzelfall regelmäßig nicht von entscheidender Bedeutung. Eine grundsätzlich abweichende Auffassung vertritt lediglich Denninger24, der den globalen Schutz aller Rechtsvorschriften ablehnt, weil so jede neue, noch nicht normierte Rechtsentwicklung unterdrückt werde. Dieser Einwand erscheint nicht tragfähig; wenn die öffentliche Sicherheit den Schutz des Staates umfaßt, so muß sie auch die Beachtung der Rechtsordnung als Voraussetzung der Funktionsfähigkeit des Staates einschließen. Die Gesamtheit aller Rechtsnormen ist der Ausdruck des Willens des Gesetzgebers und damit wesentliches Element der Staatlichkeit25. Eine Verletzung der öffentlichen Sicherheit liegt damit nicht nur bei konkreten Normverstößen vor, sondern auch dann, wenn - ohne daß eine bestimmte Vorschrift verletzt ist- eine Beeinträchtigung oder Verletzung von Gütern gegeben ist, deren umfassenden Schutz ein Gesetz bezweckt26. Hier wird wiederum die Verbindung der Schutzgüter "Staat" und "Rechtsordnung" deutlich. Die Verletzung des Schutzzwecks eines gesamten Gesetzes ohne konkrete Normverletzung ist insbesondere- wie bereits oben angesprochen -auf dem Gebiet des Wasserrechtes bedeutsam. Im Wasserrecht findet sich bei bestehenden Umweltbeeinträchtigungen nur teilweise eine konkret verletzte Vorschrift; trotzdem besteht Einigkeit darüber, daß jede Verunreinigung des Grund- oder Oberflächenwassers eine Verletzung der öffentlichen Sicherheit darstellt. Die Lückenfüllungsfunktion des allgemeinen Polizeirechts ergibt sich damit bereits aus der Systematik der Schutzgüter. Bei Fehlen spezieller Zuständigkeitsnormen wird die allgemeine Ordnungsbehörde aufgrund spezialgesetzlicher Eingriffsgrundlagen tätig. Fehlen auch spezielle Eingriffsgrundlagen, ist die allgemeine Ordnungsbehörde bei materiellen Rechtsverstößen in jedem Falle zuständig und zum Eingriff nach den allgemeinen polizeirechtlichen Regelungen befugt. Die Frage, ob auch Verstöße gegen rein zivilrechtliche Vorschriften ein ordnungsbehördliches Einschreiten rechtfertigen, wird in der Literatur im Rahmen der Störungszurechnung diskutiert27 . Auf die logisch an sich vorrangige Frage, ob eine Verletzung des Zivilrechtes eine Störung der öffentlichen Sicherheit zu begründen vermag, kommt es für den hier zu untersuchenden Problemkreis nicht entscheidungserheblich an, da bei Vorliegen eines Umweltschadens in der Regel eines der bereits genannten Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit verletzt ist. Davon abgesehen scheitert eine ordnungsbehördliche Inanspruchnahme zur Beseitigung von Störungen, die Drews/Wacke/Vogel/Martens, 236; s. Wortlaut§ 14 PrPVG. Denninger, JZ 1970, 145, 149. 25 Drews/Wacke/Vogel/Martens, 236; Schenke in Steiner, Bes. VerwR., Rn. 23. 26 BVerwG, ZfW 1974, 296 ff. (s.o. Fn. 13); Drews/Wacke/Vogel/Martens, 236; Czychowski, DVBl. 1970, 379, 381. 27 s. u. I.C.2.a., bei Fn. 86 ff. 23
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I. Störerverantwortlichkeit nach Allg. Polizei- und Ordnungsrecht
sich allein aus der Verletzung zivilrechtlicher Vorschriften ergeben, an dem in einzelnen Polizeigesetzen teilweise ausdrücklich verankerten2B, aber in jedem Fall allgemein anerkannten Subsidiaritätsprinzip. Danach kann die Ordnungsbehörde nur dann tätig werden, wenn das spezielle Sachgebiet nicht anderen Behörden oder Institutionen zugewiesen ist29. Die Verfolgung privatrechtlicher Ansprüche kann nach den eindeutigen Zuständigkeitsregeln allein über Zivilgerichte bzw. deren Vollstreckungsorgane erfolgen. Jeder Verstoß gegen die Zuständigkeitsteilung ist gleichzeitig ein unzulässiger Eingriff in die Gewaltenteilung. Eine ordnungsbehördliche Inanspruchnahme, begründet allein durch Verletzung zivilrechtlicher Verhaltenspflichten, ist damit im Ergebnis ausgeschlossen. B. Störung oder konkrete Gefahr
Voraussetzung eines Einschreitens der zuständigen Behörde auf Grundlage der polizeirechtlichen Generalklausel ist in jedem Falle das Vorliegen einer Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder das Bestehen einer konkreten Gefahr. Eine Störung liegt immer dann vor, wenn die Schutzgüter des Polizeirechtes im Einzelfall nicht unerheblich verletzt sind3°. Unerheblich ist die Verletzung nur dann, wenn es sich um bloße Belästigungen oder Unbequemlichkeiten für den/die Betroffenen handelt. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein; in aller Regel jedoch wird man Umweltbeeinträchtigungen, die zu Gesundheitsgefahren oder Verstößen gegen das Wasserrecht oder andere Normen führen, nicht als bloße Belästigungen abtun können. Ein Normverstoß, wenn er denn vorliegt, stellt unabhängig von seiner Intensität immer eine Störung der öffentlichen Sicherheit dar. Gesundheitsgefahren können lediglich dann als unerheblich eingestuft werden, wenn sie ihre Ursache im wesentlichen in einer besonderen Empfindlichkeit des/der Gestörten haben. All das, was objektiv geeignet ist, bei Menschen von nicht außergewöhnlich schwacher körperlicher Konstitution Gesundheitsschäden zu bewirken, kann damit als Störung der öffentlichen Sicherheit eingestuft werden31 • Größere Schwierigkeiten ergeben sich bei der Subsumtion unter den Begriff Gefahr. Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines nicht unerheblichen Schadens32 • Ein Schaden liegt bei Verletzung § 1 Abs. 1 Hess. SOG; § 171 SHLVwG; § 3 BW PG. Drews/Wacke/Vogel/Martens, 237; Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 195 f.; Götz, Rn. 77. 30 Drews/Wacke/Vogel/Martens, 221 ; PrOVG 72, 380; BVerwG, DVBl. 1969, 586. 31 Drews!Wacke/Vogel/Martens, 222. 32 Drews/Wacke/Vogel/Martens, 223; Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 201m. w. N. 28 29
B. Störung oder konkrete Gefahr
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der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit vor. Eine bestehende Gesundheitsgefahrist damit eine Störung der öffentlichen Sicherheit und nicht eine Gefahr im Sinne des Polizeirechtes. Zum Merkmal der Unerheblichkeit gilt das zur Störung Gesagte entsprechend. Nicht erforderlich ist das unmittelbare Bevorstehen eines Schadens. Es reicht aus, wenn in überschaubarer Zukunft mit einem Schadenseintritt gerechnet werden kann33. Für eine "hinreichende" Wahrscheinlichkeit müssen objektive Anhaltspunkte sprechen. Das Merkmal der hinreichenden Wahrscheinlichkeit verlangt nicht Gewißheit, daß der Schaden eintreten wird, andererseits ist nicht allein die bloße Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichend34 . Es muß eine nach der Lebenserfahrung begründete Befürchtung der Gefahrverwirklichung bestehen. Die Anforderungen an den Grad der Wahrscheinlichkeit sind unter Berücksichtigung der Bedeutung des gefährdeten Gutes einerseits und der Rechtsgüter des Störers andererseits stets neu zu bestimmen. Je größer die Bedeutung des gefährdeten Rechtsgutes ist, um so geringer sind die Anforderungen an die Schadensgeneigtheit3 5 . Drohen besonders schwerwiegende Schäden- hierzu zählen neben einer Beeinträchtigung des Wasserhaushaltes sicher auch konkrete Gesundheitsgefahren -, reicht die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintrittes zur Bejahung der Gefahr aus. Nicht ausreichend ist jedoch eine bloß theoretische Möglichkeit eines Schadenseintritts ohne jeden Realitätsbezug3 6. Letztendlich kann eine allgemein verbindliche Aussage, wann das Vorliegen einer Gefahr zu bejahen ist und wann nicht, nicht getroffen werden. Die Beurteilung hat allein anband des konkreten Einzelfalles zu erfolgen. Indes wird sich für die hier zur Untersuchung stehenden Fälle der Haftung für Umweltbeeinträchtigungen die Ordnungsbehörde regelmäßig nicht auf das Bestehen einer Gefahr für die Schutzgüter des Polizeirechtes berufen müssen, weil eine Störung bereits vorliegt. Im Einzelfall ist es jedoch denkbar, daß eine bestimmte Umweltbeeinträchtigung noch nicht die Intensität erreicht hat, die es gestattet, sie schon jetzt als Störung einzustufen, andererseits jedoch, resultierend aus dieser Umweltstörung, sich eine konkrete Gefahr für polizeirechtliche Schutzgüter ergibt. Beurteilungszeitpunkt ist in jedem Fall der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung. Eine behördliche Maßnahme wird daher auch dann nicht nachträglich rechtswidrig, wenn der objektiv als gefährlich zu beurteilende Sachverhalt im nachhinein nicht zu einem Schaden führt37 . 33 BVerwG, DÖV 1970, 713, 715; DVBl. 1973, 857, 859; NJW 1970, 1980, 1982; Drews/Wacke/Vogel/Martens, 225; Götz, Rn. 115. 34 OVG Lüneburg, E 15, 383; E 24, 413; Ule/Rasch, § 1 Rn. 8; Drews/Wacke/Vogel/ Martens, 223; Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 202. 3~ Drews/Wacke/Vogel/Martens, 224; Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 202; ausführlich Hansen-Dix, 35 ff. m. umfangr. w. N. 36 BVerwG, DÖV 1970, 715 ; OVG Lüneburg, E 15, 383; E 24, 413; Ossenbühl, DÖV 1976, 466; Drews/Wacke/Vogel/Martens, 223; Hansen-Dix, 37.
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I. Störerverantwortlichkeit nach Allg. Polizei- und Ordnungsrecht
C. Handlungshaftung
Neben dem Vorliegen einer Störung oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit (oder Ordnung) ist Voraussetzung ordnungsbehördlicher Inanspruchnahme die polizeirechtliche Verantwortlichkeit des Inanspruchgenommenen. Kriterium für die Zurechnung einer bestimmten Gefahr oder Störung kann neben Eigentum und tatsächlicher Sachherrschaft über die störende Sache die Verursachung der Störung sein. Unter welchen Voraussetzungen ein Verhalten des Handlungsstörers als ursächlich für die Störung anzusehen ist und unter welchen Voraussetzungen an eine ursächliche Handlung Haftungsfolgen geknüpft werden können, ist umstritten. Einigkeit besteht allein insoweit, als nicht jede äquivalent kausal gesetzte Ursache Haftungsgrundlage sein kann3s. Um eine sachgerechte Zuordnung bemüht sich eine Vielzahl von Lehren. Verschiedene in der Literatur stark vertretene und im Vordringen befindliche Auffassungen wollen- bei allen Unterschieden im einzelnen- dem Verursacher einer Gefahr dieselbe ordnungsrechtlich nur zurechnen, wenn die Gefahrenverursachung selbst- für sich allein gesehen- rechts- oder pflichtwidrig warJ9. Herrschend ist hingegen noch die Unmittelbarkeitstheorie4o: Sie betrachtet allein dasjenige Verhalten als polizeirechtlich relevant, welches selbst die konkrete Störung bzw. Gefahr darstellt. Störende Ursache ist danach jedes Verhalten, das unmittelbar den Gefahrenherd birgt. Ein Widerspruch zur Rechtswidrigkeitslehre besteht hier insoweit nicht, als jeder Normversteiß entsprechend dem o. G. den Schutzbereich der öffentlichen Sicherheit verletzt und damit jeder, der unmittelbar gegen Rechtsnormen verstößt, für sein Verhalten auch nach der Unmittelbarkeitslehre polizeirechtlich verantwortlich ist. Im Straf- und Zivilrecht wird eine grenzenlose Inanspruchnahme all derer, die einen Erfolg (mit-) verursacht haben, durch Korrektive wie Vorsatz und Schuld ausgeschlossen. Im Polizeirecht dagegen sind derartige Zurechnungsgrenzen nicht vorhanden. Um aus der im Einzelfall möglicherweise großen Zahl derjenigen, die einen ursächlichen Beitrag zur Entstehung einer Gefahr erbracht haben, denjenigen bzw. diejenigen zu ermitteln, 37 Drews/Wacke/Vogel/Martens, 223; Hansen-Dix, 34; Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 203. 38 Drews/Wacke/Vogel/Martens, 311; Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 212. 39 Schnur, DVBl. 1962, 1; Erichsen, VVDStRL 35 (1977), 205 f.; Vollrnuth, VerwArch. 68 (1977), 45 ff., Koch, Kostentragung, 13; ders., Bodensanierung, 51 f.; Pietzcker, DVBl. 1984, 457 m. w. N. in Fn. 13; Gantner, 133 ff.; Breuer, Wasserrecht, Rn. 553; ders., JuS 1986, 359, 362; Klaudat, 17 ff., 27 ff. 40 PrOVG 31, 409; 78, 261, 267 ; 80, 177; 82, 343, 351; 89, 238; 103, 139; OVG Münster E 5, 185; 14, 265; DVBl. 1964, 683; 1973, 924 ; UPR 1984, 279; OVG HH, DÖV 1983, 1016; Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 212; Götz, Rn. 191 ff.; Wolff/Bachof III, 66; Brandt/Lange, UPR 1987, 11, 14.
C. Handlungshaftung
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denen die Gefahr tatsächlich zuzurechnen ist bzw. zugerechnet werden soll, müssen daher Kriterien geschaffen werden, durch die eine sachgerechte Eingrenzung der Verursachereigenschaft möglich ist. Das Polizeirecht gibt hier ausdrücklich nur insoweit eine Hilfe, als Voraussetzung des Einschreitens eine konkrete Gefahr ist. Konkret wird eine Gefahr nicht durch jedes weit zurückliegende Glied einer die Gefahr mitverursachenden Kausalkette, sondern erst durch den Verursachungsbeitrag, der im Einzelfall zu einer Überschreitung der Gefahrengrenze führt41. Soweit durch das Unmittelbarkeitserfordernis mittelbare Störungsverursachungen ausgeschlossen werden, erscheint das angewendete Kriterium sachgerecht und gesetzeskonfonn. Gegen die generelle Geeignetheit des Kriteriums der Unmittelbarkeit wird jedoch verschiedentlich vorgebracht, es könne ausnahmsweise sinnvoll und damit erforderlich werden, auch weiter zurückliegende Ursachen, die aber die eigentliche Grundlage der Gefahr seien, als Grundlage der Inanspruchnahme heranzuziehen42 • Diese Kritik verkennt aber, daß, soweit das Unmittelbarkeitserfordernis nicht rein technisch, sondern wertend herangezogen wird, hierdurch gerade das die Gefahrengrenze überschreitende und damit tatsächlich ursächliche Verhalten zur Grundlage der Inanspruchnahme gemacht wird. In Frage zu stellen ist damit nicht das Kriterium der Unmittelbarkeit, entscheidend ist allein, welche Gesichtspunkte bei der Subsumtion unter das Merkmal zu berücksichtigen sind. Werden neben der rein technischen Unmittelbarkeit der Verursachung nicht weitere Beurteilungsgesichtspunkte hinzugezogen, ergeben sich Zweifel, ob die Unmittelbarkeitslehre allein zur sachgerechten Eingrenzung der Polizeipflicht auf Grundlage von Handlungen geeignet ist. Die Frage, welches für die Störung ursächliche Verhalten zur Störerhaftung führt, ist durch einfache Entscheidung für eine von zwei Auffassungen nicht beantwortet. Es ist vielmehr exemplarisch festzustellen, welche Auswirkungen die einzelnen Auffassungen bei bestimmten Fallkonstellationen haben können und inwieweit sie möglicherweise gegen grundrechtlich geschützte Positionen verstoßen. Zu klären ist im Rahmen der Feststellung der Inanspruchnahmemöglichkeiten das Problem, ob bzw. welche weiteren Anforderungen an ein Verhalten neben der Unmittelbarkeit der Verursachung zu stellen oder welche Kriterien wertend im Rahmen der Feststellung der Unmittelbarkeit der Verursachung heranzuziehen sind. Im Mittelpunkt des Interesses steht die Frage, welche Auswirkung die Legalität eines ursächlichen Verhaltens auf die Störerinanspruchnahme hat und wann von Legalität ausgegangen werden kann. Der Problemkreis läßt sich unterteilen in ausdrücklich genehmigtes und ungenehmigtes Verhalten. Unter (1.) wird auf die Legalisierungswirkung behördlicher Genehmigungen eingegangen, u Drews/Wacke/Vogel/Martens, 313; Pietzcker, DVBl. 1984, 457, 459 . 42 Gantner, 137.
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I. Störerverantwortlichkeit nach Allg. Polizei- und Ordnungsrecht
unter (2.) auf die Verantwortlichkeit desjenigen, der ohne Genehmigung handelt. Letztlich bleibt zu klären, inwieweit Unterlassen zur Handlungshaftung führen kann (3.). 1. Legalisierungswirkung öffentlich-rechtlicher Genehmigungen
Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Legalisierungswirkung öffentlich-rechtlicher Genehmigungen werden verschiedene Einzelfragen relevant, die gesondert untersucht werden sollen. Soweit öffentlich-rechtlichen Gestattungen überhaupt eine Legalisierungswirkung beizumessen ist (a), ist zu untersuchen, wie weit die legalisierende Wirkung in sachlicher (b) und zeitlicher (c) Hinsicht reicht. Fraglich bleibt weiterhin, ob auch ursprünglich rechtswidrigen Genehmigungen eine die Störereigenschaft ausschließende Wirkung beizumessen ist (d), wie sich eine Änderung der Sachlage, des Kenntnisstandes oder der Rechtslage nach Genehmigungserteilung auswirkt (e) und ob behördlichen Duldungen eine ähnliche oder gleiche Wirkung wie ausdrücklichen Genehmigungen beigemessen werden kann (f).
a. Ausschluß der Störereigenschatten durch bestehende Genehmigungen Für die Vertreter der Rechtswidrigkeitslehren ergibt sich die grundsätzliche Legalisierungswirkung von Anlagegenehmigungen und anderen Gestattungen von selbst. Aber auch im Rahmen der herrschenden Unmittelbarkeitslehre ist es sowohl in der Rechtsprechung4a als auch in der Literatur44 anerkannt, daß ein behördlicherseits genehmigtes Verhalten nicht Grundlage der Störerinanspruchnahme sein kann. Dies wird damit begründet, daß eine Genehmigung jeden Sinn verlöre, wenn sie im Wege der polizeirechtlichen Inanspruchnahme gegenstandslos gemacht werden könnte45 • Dogmatisch wird die Legalisierungswirkung unterschiedlich eingeordnet; entweder wird sie als ausdrückliche Ausnahme oder Ergänzung des Unmittelbarkeitskriteriums46 angesehen oder es werden im Rahmen einer wertenden 43
BVerwGE 55, 118, 120 f.; 45, 23, 27; 38, 209, 218 f.; OVG HH, DÖV 1983, 1016 f.
44 Drews/Wacke/Vogel/Martens, 313; Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 212; Götz,
Rn. 194 f.; Wolff/Bachof III, 65 f.; Papier, Altlasten, 27; ders., DVBl. 1985, 873, 876; ders., NVwZ 1986, 256, 258; ders., UTR 1, 59, 66; K.loepfer, Altlasten, 41; ders., NuR 1987, 7, 13 = UTR 1, 17, 33 ff.; Schink, DVBl. 1986, 161, 166; Breuer, JuS 1986, 359, 362; ders., NVwZ 1987, 751, 755; Kothe, ZRP 1987, 399, 401; Schenke in Steiner, Bes. VerwR., Rn. 90; Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, Anh. § 10 Rn. 32; Staupe, DVBl. 1988, 606, 609 f.; a. A. Brandt, Altlasten, 41 ff. 45 BVerwGE 55, 118, 120 f. 46 OVG HH, DÖV 1983, 1016 f.; Drews/Wacke/Vogel/Martens, 316; Papier, Altlasten, 27 ; ders., DVBl. 1985, 873, 876; ders., NVwZ 1986, 256, 258; ders., UTR 1, 59, 66.
C. Handlungshaftung
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Beurteilung diejenigen Ursachen nicht als unmittelbar eingeordnet, die eine Ausübung ausdrücklicher rechtlicher Befugnisse darstellen47 . Schon das Preußische Oberverwaltungsgericht hatte es 1927 als "anerkannten Rechtes" bezeichnet, daß eine Anlage, für die eine gewerbepolizeiliche Genehmigung erteilt ist, gegen nachträgliche polizeirechtliche Eingriffe geschützt ist48 . Allein das OVG Münster4 9 läßt behördliche Genehmigungen nicht grundsätzlich die Störereigenschaft ausschließen. Es wird zwar nicht bestritten, daß eine" von der Rechtsordnung vorgesehene sozialübliche Möglichkeit der Rechtsausübung im Normalfall die Störerhaftung nicht zu begründen vermag". Bei einer im Verhältnis zum Normalmaß erhöhten Gefahrentendenz schließe eine Genehmigung die Störerinanspruchnahme jedoch nicht aus. In den Fällen, in denen das Genehmigungserfordernis Mittel der präventiven Gefahrenabwehr sei, wirke die Genehmigung nicht legalisierend50. Das OVG Münster schließt damit die Legalisierungswirkung bei bestimmten Arten von Genehmigungen von vornherein aus. Als Handlungsstörer kann damit auch derjenige in Anspruch genommen werden, dessen die Störung verursachendes Verhalten auf Grundlage einer behördlichen Genehmigung erfolgt. Eine solche Auslegung der polizeirechtlichen Eingriffsgrundlage könnte gegen das verfassungsrechtliche Verbot rückwirkender Regelungen verstoßen, wenn mit der Inanspruchnahme in den geschützten Bestand der Genehmigungen eingegriffen wird. Das Rückwirkungsverbot wird - soweit keine spezialgesetzlichen Regelungen vorliegen - aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet 51 . Vorliegen kann jedoch auch ein Verstoß gegen Art. 14 GG, der dem Rechtsstaatsprinzip nach h. M. als speziellere Grundrechtsnorm vorgeht. Art. 14 GG wurde vom Bundesverfassungsgericht zunächst nicht als vorrangiger, die Grenzen der Zulässigkeit der Rückwirkung regelnder Tatbestand gesehen52 . Heute jedoch stehen Rechtsprechungs3 und herrschende Lehre 54 übereinstimmend auf dem Standpunkt, daß Art. 14 GG im Falle der Verletzung des Schutzbereichs der einschlägige verfassungsrechtliche Maßstab sei.
Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 212 f. OVGE 82, 351 ff. 49 OVG Münster E 16, 289 ff. (Kühlturm); UPR 1984, 279 f.; UPR 1985, 250. 50 OVG Münster, UPR 1984, 279; UPR 1985, 250. 51 BVerwGE 11, 139; BVerwG, DVBL 1971, 651, DVBl. 1975, 373; DÖV 1972, 232; Seewald, DÖV 1976, 228. 52 Pieroth, Rückwirkung, 68 f.; ders., Jura 1983, 122, 125. 53 BVerfG, NJW 1972, 145; NJW 1977, 2024; NJW 1982, 155. 54 Pieroth, Rückwirkung, 69 f.; ders., Jura 1983, 122, 125; Kimminich, BK Art. 14 Rn. 86 ff. m. w. N.; vgl. aber v. Mutius, in Börner, Umwelt, Verfassung, Verwaltung, 203, 219; Peine, Systemgerechtigkeit, 264. 47
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I. Störerverantwortlichkeit nach Allg. Polizei- und Ordnungsrecht
Der Schutzbereich des Art. 14 GG umfaßt nach heute allgemeiner Ansicht zwei Komponenten55 : die Inhaltsgarantie sichert den Bestand privaten Eigentums für die Zukunft, die Rechtsstellungsgarantie schützt die in der Vergangenheit entstandenen Rechtspositionen. Öffentlich-rechtliche Genehmigungen können nach h. M. der Rechtsstellungsgarantie des Art. 14 GG unterfallen5 6 • Zwischen Literatur und Rechtsprechung besteht Einigkeit, daß unter den Eigentumsschutz nicht nur konkrete Gegenstände fallen, sondern auch öffentlich-rechtliche Rechtspositionen, soweit sie Äquivalent einer eigenen Leistung sind57 • Ob und inwieweit diese Voraussetzung erfüllt ist, kann nur anhand des jeweils zur Prüfung anstehenden Einzelfalles untersucht werden. Aufgrund einer bestandskräftigen Genehmigung werden regelmäßig umfangreiche eigenverantwortliche und zielgerichtete Tätigkeiten bzw. Investitionen vorgenommen. Sieht man unter diesen Umständen die Genehmigung als Äquivalent einer eigenen Leistung an, stellt ein Eingriff in den Bestand einer gewerberechtlichen, wasserrechtlichen, abfallrechtlichen, immissionsschutzrechtlichen oder sonstigen Anlagegenehmigung einen Eingriff in den Schutzbereich des Rechtes aus Art. 14 GG dar. Kein Eingriff in den Bestand der Genehmigung liegt vor, wenn die nachträgliche Einschränkung bei Genehmigungserteilung bereits gesetzlich vorgesehen war. Gegen eine Anwendung des Art. 14 GG als verfassungsrechtlichen Maßstab für die Ermittlung der Zulässigkeit von Eingriffen in Genehmigungen spricht, daß die erwähnten Tätigkeiten und Investitionen nicht Grundlage, sondern Folge der erteilten Genehmigung sind; nicht die Genehmigung ist Folge der Investition, sondern umgekehrt, die Investition ist Folge der Genehmigung. Folgt man dieser Betrachtungsweise, liegt keine Verletzung des Schutzbereichs des Art. 14 Abs. 1 GG vor, so daß allein das Rechtsstaatsprinzip der anzulegende verfassungsrechtliche Maßstab wäre. Bei Vorliegen einer Verletzung des Schutzbereichs von Art. 14 GG ergibt sich die Zulässigkeit von Eingriffen in das Grundrecht allein aus den Schrankenbestimmungen der Art. 14 Abs. 2 und 3 GG. Das allgemeine Polizeirecht enthält bei der Störerinanspruchnahme eine nach Art. 14 Abs. 3 GG erforderliche Entschädigungsregel nicht, so daß Eingriffe in das Eigentum nicht zulässig sind, soweit ein Sonderopfer vorliegt. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit der Eingriffsgrundlagen ist damit allein, ob sich die 55 Pieroth, Rückwirkung, 293 ff.; ders., Jura 1983, 122, 125; Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, GG, Art. 14 Rn. 355; Kimminich, BK Art. 14 Rn. 86 ff. m. w. N. 56 BVerfG, NJW 1982, 155; BVerfGE 14, 288, 294; 18, 392, 397; 22, 241, 253 ; 22, 220, 226; 45, 142, 160; 48, 403, 412; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 14 Rn. 355; Kimminich, BK Art. 14 Rn. 68 ; v. Mutius in Börner, Umwelt, Verfassung, Verwaltung 203, 215; Jarass, 81 ff. 57
s. o. Fn. 56.
C. Handlungshaftung
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durch sie erlaubten Eingriffe im Rahmen der Sozialbindung nach Art. 14 Abs. 2 GG halten. Der Sozialbindung unterfallen alle Regelungen, die eine funktionsgerechte Nutzung des Eigentums sicherstellen wollen5s. Dazu zählen Begrenzungen des Eigentums, die sich aus dessen besonderer Situation rechtfertigen59. Hierunter fallen u. a. Maßnahmen im Interesse des Natur- und Landschaftsschutzes60. Der Staat ist damit berechtigt, laufend regelnd im Interesse der genannten Rechtsgüter einzugreifen. Dies ist jedoch für die Frage der Zulässigkeit des Eingriffs in bestehende Genehmigungen nicht allein entscheidungserheblich, da auch Regelungen, die für die Zukunft den verfassungsrechtlichen Erfordernissen des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG entsprechen, unter dem Gesichtspunkt desselben Grundrechts verfassungswidrig sein können, soweit sie in Rechtspositionen eingreifen, die in der Vergangenheit entstanden sind61 . Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind rückwirkende Eingriffe nur dann Ausdruck der Sozialbindung und damit zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses und unter Berücksichtigung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind62. Die in der früheren Rechtsprechung unter dem Stichwort "Vertrauensschutz"gebildeten Schranken der Rückwirkung sind nach der heutigen Rechtsprechung auch im Rahmen der Spezialregelung des Art. 14 Abs. 1 GG anwendbars3. Unabhängig davon also, ob Maßstab der Zulässigkeit von Eingriffen in den Bestand rechtskräftiger Genehmigungen das spezielle Grundrecht des Art. 14 GG oder das allgemeine Rechtsstaatsprinzip ist, kommt es für die Beurteilung der Zulässigkeit von in die Vergangenheit wirkenden Regelungen allein darauf an, ob die Rechte, in die eingegriffen wird, bereits in der Vergangenheit entstanden sind oder eine Beeinträchtigung zukünftig entstehender Rechtspositionen vorliegts4. Grundsätzlich unzulässig sind rückwirkende Eingriffe in abgeschlossene Sachverhalte, d. h. Fälle der echten Rückwirkung65 . Ein solcher Fall der echten Rückwirkung liegt jedoch bei Eingriffen in bestandskräftige Verwaltungsakte durch Inanspruchnahme für Handlungen immer vor, da das Verhalten, an das die Haftung ss BVerwGE 1, 2 ff.; Kimminich, BK Art. 14 Rn. 114. 59 BGH, JZ 1979, 98, 99; Kimminich, BK Art. 14 Rn. 114. 6o BGH, JZ 1979, 93; Maunz, DÖV 1975, 3. 61 BVerfG, NJW 1982, 155. 62 BVerfG, NJW 1972, 145, 147; NJW 1976, 2024, 2025 f. 63 BVerfG, NJW 1972, 224, 226; Pieroth, Jura 1983, 122, 255; Jarass, 89. 64 BVerfGE 24, 367, 388 ff., ggü. 393; 25, 112, 117 ff., ggü. 121 ff.; Pieroth, Rückwirkung, 60, 301; ders., Jura 1983, 122, 126. 65 BVerfGE 25, 403 ; 13, 270; 14, 297; 15, 324; 18, 39; 21, 131 f.; Maunz/Dürig/ Herzog/Papier, GG, Art. 14 Rn. 333; Pieroth, Rückwirkung, 54; ders., Jura 1983, 121, 132.
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I. Störerverantwortlichkeit nach Allg. Polizei- und Ordnungsrecht
geknüpft werden soll, in jedem Falle vor Erlaß der gleichzeitig die Genehmigung einschränkenden polizeirechtlichen Verfügurig liegen muß. In bestandskräftige Verwaltungsakte darf daher bei Beachtung des Eigentumsschutzes aus Art. 14 GG bzw. des Rechtsstaatsprinzips nur unter Ausgleich des dem Betroffenen entstehenden Vertrauensschadens eingegriffen werden. Dieser allgemein gültige Grundsatz wird in den Vorschriften der §§ 48, 49 VwVfG normiert. Eine polizeirechtliche Inanspruchnahme als Störer für ausdrücklich genehmigtes Verhalten scheitert daher grundsätzlich an einem damit einhergehenden Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip bzw. an einem unzulässigen Eingriff in das Recht aus Art. 14 Abs. 1 GG. Die Auffassung des OVG Münster, wonach bestimmten Arten von Genehmigungen von vornherein keine Legalisierungswirkung zukommt, ist daher abzulehnen. Im Ergebnis vertritt K.loepferss eine der des OVG Münster ähnliche Auffassung. K.loepfer bejaht zwar, anders als das OVG Münster, die Legalisierungswirkung prinzipiell, will sie jedoch bei besonders gefährlichen Verhaltensweisen einschränken. Dies wird, ebenfalls abweichend von der Auffassung des OVG Münster, mit dem vom Genehmigungsempfänger zu tragenden, aus dem gefährlichen Verhalten resultierenden Risiko begründet. Entsprechend dem o. G. wäre eine solche Risikozuweisung nur dann möglich, wenn eine Verletzung schützenswerten Vertrauens des Betroffenen bei besonders gefährlichen Verhaltensweisen nicht eintreten könnte. Für K.loepfers Auffassung spricht, daß im Einzelfall bei bestimmten Genehmigungen, wegen der bekannten besonderen Gefährlichkeit des Verhaltens, das Vertrauen in den langfristigen Bestand der Genehmigung als weniger schützenswert anzusehen sein könnte als im NormalfalL Dagegen muß jedoch angeführt werden, daß - eher als der Genehmigungsempfänger- die sachkundige Fachbehörde die besondere Gefährlichkeit hätte erkennen und diesem Umstand durch Auflagen bzw. Rücknahmevorbehalte im Rahmen der Genehmigung Rechnung tragen können. Angesichts dieser für die Behörde bestehenden Möglichkeit kann es in der Regel nicht Sache des Genehmigungsempfängers sein, von sich aus die Reichweite und die Bestandskraft einer Genehmigung selbst zu ermitteln. Die Verletzung schützenswerten Vertrauens kann daher auch bei Eingriffen in Genehmigungen für besonders gefährliche Verhaltensweisen nicht als ausgeschlossen angesehen werden. Das allgemeine POR ist im Rahmen der Handlungshaftung in keinem Falle geeignet, Grundlage eines Eingriffs in bestandskräftige rechtmäßige Verwaltungsakte zu sein. Es ist mit der ganz herrschenden Meinung die legalisierende und eine Inanspruchnahme als Handlungsstörer ausschließende Wirkung behörd66
Kloepfer, Altlasten, 41; ders., NuR 1987, 7, 13
=
UTR 1, 17, 33 ff.
C. Handlungshaftung
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licher Genehmigungen und Gestattungen anzuerkennen. Inwieweit sich die Legalisierungswirkung auch auf den Zustand von Sachen erstreckt und damit die Zustandshaftung ausgeschlossen werden kann, wird nachfolgend im Rahmen der Untersuchung der Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit detailliert zu klären seins7.
b. Sachliche Grenzen der Legalisierungswirkung von Genehmigungen Eine Inanspruchnahme des Verursachers einer Störung kann durch legalisierende öffentlich-rechtliche Genehmigungen nur so weitgehend ausgeschlossen werden, wie die Genehmigung selbst reicht. Grenzen der Legalisierungswirkung ergeben sich einerseits aus der Genehmigungsverfügung in Verbindung mit ihrer Rechtsgrundlage, wenn dort nachträgliche Eingriffe oder Einschränkungen ausdrücklich zugelassen sindss. Soweit Auflagenvorbehalte bestehen oder die Einschränkung bzw. Rücknahme der Genehmigung unter bestimmten Umständen für möglich erklärt wird, kann sich kein Vertrauen in den unabänderlichen Bestand der Genehmigung bilden. Die Auflagen bzw. Einschränkungen können jedoch nur so weit reichen, wie dies aus der Genehmigungsverfügung bzw. der gesetzlichen Grundlage ersichtlich ist. Soweit spezialgesetzlich Inhalt, Umfang und Ziel von Auflagen geregelt wird, können Auflagen nur aufgrunddes Spezialgesetzes und nicht aufgrunddes allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechtes ergehen, ohne in unzulässiger Weise Schützenswertes Vertrauen des Genehmigungsinhabers zu verletzens9. Andererseits ergibt sich die sachliche Grenze der Legalisierungswirkung aus der Reichweite der Genehmigung selbst. Eine Genehmigung kann nur für die Sachverhalte legalisierend wirken, die der Genehmigungserteilung zu Grunde zu legen waren 70. Außerhalb der Genehmigung liegende Umstände werden von der legalisierenden Wirkung nicht umfaßt. Die Genehmigung bezieht sich regelmäßig allein auf den Teil eines Sachverhaltes, der gerade die Genehmigung erforderlich macht71. Dementsprechend legalisiert auch eine gewerberechtliche Genehmigung nicht sämtliche mittelbaren und unmittelbaren Folgen des genehmigten Verhaltens. Neben der s. u. I.D. Zustandshaftung. Kloepfer, Altlasten, 39; ders., NuR 1987, 7, 14 = UTR 1, 17, 35; Papier, Altlasten, 28 ff. 69 Drews/Wacke/Vogel/Martens, 161 ; Kloepfer, Altlasten, 37; ders., NuR 1987, 7, 13 = UTR 1, 17, 35. 70 Kloepfer, NuR 1987, 7, 14 = UTR 1, 17, 36; Breuer, NVwZ 1987, 751, 756 ; Staupe, DVBL 1988, 606, 610; Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, Anh. § 10 Rn. 33. 71 BGHZ 45, 23, 27; BVerwGE 38, 209, 219; Pietzcker, JZ 1985, 209 ff. 67
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gewerberechtlichen Genehmigung waren schon von jeher für bestimmte Anlagen andere (z. B. feuerpolizeiliche) Genehmigungen erforderlich. Darüber hinaus ist auch die Ausübung eines genehmigten Gewerbes nicht in jedem Fall von der Legalisierungswirkung gedeckt, z. B. dann, wenn ein Nachtbetrieb, der in der Genehmigung nicht ausdrücklich zugelassen ist, zu Lärmbelästigungen bei Nachbarn führt7 2 . Soweit jedoch eine Umweltbeeinträchtigung direkte Folge des ausdrücklich genehmigten Verhaltens ist, kann an das genehmigte Verhalten als Störungsverursachung nicht die Folge einer Handlungshaftung geknüpft werden. c. Zeitliche Reichweite der Legalisierungswirkung
von Genehmigungen
Eine Genehmigung entfaltet ihre Wirkung gemäß § 43 Abs. 1 VwVfG mit Zugang des Bescheides beim Betroffenen, wenn nicht ausdrücklich der Tag des Inkrafttretens geregelt ist. Das Ende der Wirkungsdauer kann sich entweder aus einer ausdrücklichen zeitlichen Beschränkung der Verfügung oder durch äußere Ereignisse, wie z. B. Beendigung der genehmigten Tätigkeit, ergeben. Liegt kein Beendigungsgrund vor, gilt die Genehmigung unbeschränkt. Im Rahmen der Handlungshaftung kommt es damit für die zeitliche Reichweite der Legalisierungswirkung allein darauf an, ob die die Störung verursachende Handlung im zeitlichen Geltungsbereich der Genehmigung vorgenommen wurde oder nicht. Sind zeitlich gestaffelte störungsverursachende Handlungen teilweise genehmigt, teilweise nicht, ergibt sich eine legalisierende Wirkung der Genehmigung nur für die unter den zeitlichen Geltungsbereich der Genehmigung fallenden Handlungen. Voraussetzung einer rechtmäßigen Inanspruchnahme des Handlungsstörers ist hier dann jedoch, daß eindeutig die Störung, oder ein Teil davon, als von der nicht legalen Handlung verursacht eingeordnet werden kann.
d. Lega.l isierungswirkung ursprünglich rechtswidriger Genehmigungen Nach § 43 VwVfG sind auch rechtswidrige Verwaltungsakte grundsätzlich wirksam. Unwirksam sind allein nichtige Verwaltungsakte. Unter welchen Voraussetzungen von der Nichtigkeit ausgegangen werden kann, ist detailliert in § 44 VwVfG geregelt. Eine nicht nichtige Anlagegenehmigung entfaltet damit bis zu ihrer Rücknahme die gleiche legalisierende Wirkung wie jede rechtmäßige Verfügung. Ein ordnungsbehördliches Einschreiten gegenüber dem Inhaber einer rechtswidrigen Anlagegenehmigung ist jedoch insoweit denkbar, als in der Ordnungsverfügung gleichzeitig eine Rückn BVerwGE 38, 209, 219.
C. Handlungshaftung
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nahme der ursprünglichen Genehmigung gesehen werden kann. Hier ist jedoch die Zuständigkeitsordnung insoweit zu beachten, als allein die Genehmigungsbehörde befugt ist, die Genehmigung zurückzunehmen. Unabhängig davon werden jedoch auch bei rechtswidrigen Genehmigungen die schon oben angesprochenen Fragen des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbotes relevant73 • Das subjektive Vertrauen des Inhabers einer rechtswidrigen Genehmigung in deren Bestand kann im Einzelfall als im gleichen Maße schützenswert angesehen werden wie bei rechtmäßigen Genehmigungen. Hat die Rechtswidrigkeit der Genehmigung jedoch beispielsweise ihren Grund in bewußt unwahren Angaben des Antragstellers, ist ein Schützenswertes Vertrauen nicht erkennbar. In§ 48 VwVfG werden die Voraussetzungen der Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte detailliert geregelt. § 48 VwVfG ist im Rahmen der polizeirechtlichen Inanspruchnahme vollen Umfangs anwendbar, da die Vorschrift letztlich konkret normierter Ausdruck des allgemeinen Rückwirkungsverbotes ist74 und die polizeirechtliche Inanspruchnahme aufgrund genehmigten Verhaltens einen Eingriff in den Bestand der Genehmigung darstellt. Ohne einen dem allgemeinen Polizeirecht im Rahmen der Störerinanspruchnahme fremden Vertrauensschadensausgleich ist nach § 48 VwVfG eine Rücknahme und damit letztlich auch eine Einschränkung der ursprünglichen Genehmigung nur möglich, wenn 1. der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Beste-
chung erwirkt ist;
2. der Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt wurde, die in wesentlicher
Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3. die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes dem Antragsteller bekannt
oder lediglich infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war.
§ 48 VwVfG geht jedoch, wie sich aus Abs. 2 Satz 4 entnehmen läßt, regelmäßig von einer Rücknahme nur mit Wirkung für die Zukunft aus. Nur eine Rücknahme mit "ex tune" Wirkung kann jedoch die Legalisierungswirkung entfallen lassen, da nur so dem die Störung verursachenden Verhalten das Merkmal der behördlich festgestellten Legalität entzogen werden kann. Zu rückwirkender Rücknahme soll es im Normalfall dann kommen, wenn der Betroffene die Rechtswidrigkeit des Bescheides kannte oder lediglich infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Die im Gesetz vorgenommene, aber nicht zwingende, sondern einer behördlichen Ermessensentscheidung überlassene Differenzierung zwischen den verschiedenen Rücknahmeformen macht deutlich, daß letztendlich Vertrauensschutzerwägungen für die 73
74
s. o. I.C.l.a., bei Fn. 43 ff. Kopp, VwVfG § 48 Rn. 1.
3 Ziehm
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I. Störerverantwortlichkeit nach Allg. Polizei- und Ordnungsrecht
Frage, mit welcher Reichweite ein Bescheid zurückgenommen wird, ausschlaggebend sind. Zutreffend ist hier die gesetzliche Wertung, wonach das Vertrauen desjenigen, der die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes kannte oder lediglich infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, in aller Regel nicht als schützenswert angesehen werden kann. Aber auch demjenigen, der einen Verwaltungsakt z. B. durch Täuschung, Drohung oder unrichtige Angaben erwirkt hat, ist die materielle Rechtswidrigkeit des hierauf beruhenden Verwaltungsaktes regelmäßig bekannt. Ohne die in jedem Einzelfall erforderliche Abwägung vorwegzunehmen, läßt sich zusammenfassend sagen, daß in all' den Fällen, in denen die Rechtswidrigkeit einer Anlagegenehmigung ihre Ursache in vom Antragsteller zu vertretenden Umständen hat oder in denen der Antragsteller eine aus anderen Gründen gegebene Rechtswidrigkeit kannte, mit rückwirkenden Eingriffen in den Bestand der Genehmigung nicht gleichzeitig Schützenswertes Vertrauen verletzt wird. Rechtswidrige Verwaltungsakte vermögen daher eine vor ordnungsbehördlicher Inanspruchnahme schützende Legalisierungswirkung in aller Regel nur soweit zu entfalten, als die Ursache der ursprünglichen Rechtswidrigkeit des Bescheides im Risikobereich der Behörde liegt und dem Genehmigungsempfänger unbekannt war. e. Änderung der Sachlage, der Rechtslage oder des wissenschaftlichen Kenntnisstandes
Bei einer Änderung von Sachlage, Rechtslage oder wissenschaftlichem Kenntnisstand ergibt sich die Situation, daß ein Verhalten, das ursprünglich nicht als störend eingestuft werden konnte, nachträglich zur Störung wird. Hier stellt sich wiederum die Frage, inwieweit eine Legalisierungswirkung der Genehmigung für vor der Änderung vorgenommene Handlungen besteht. Soweit es um eine Änderung der Sach- oder Rechtslage geht, war die ursprüngliche Genehmigung zur Zeit ihrer Erteilung rechtmäßig, so daß jede Maßnahme, die den Bestand der Genehmigung berührt, eine teilweise Rücknahme eines ursprünglich rechtmäßigen Verwaltungsaktes ist. Nach § 49 VwVfG, der letztendlich als konkret normierter Ausdruck des Bestandsschutzprinzips und des Verbotes echter rückwirkender Regelungen7s anzuwenden ist, können rechtmäßige Verwaltungsakte nur mit Wirkung ex nunc, nicht aber rückwirkend zurückgenommen werden. Die Legalisierungswirkung einer Genehmigung kann jedoch nur mit rückwirkender Rücknahme entfallen. Eine nachträgliche Änderung von Sach- oder Rechtslage hat damit keinen Einfluß auf eine einmal eingetretene Legalisierungswirkung. 75
s.o. I.C.l.a., nach Fn. 65; Kopp, VwVfG § 48 Rn. 1.
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Fraglich ist jedoch, wie in diesem Zusammenhang eine Änderung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes zu beurteilen ist. Kloepfer76 ist der Auffassung, das Risiko einer Änderung des Kenntnisstandes treffe allein den Genehmigungsinhaber, da die Behörde im Rahmen der umfassenden Sachverhaltsprüfung nach § 24 VwVfG die Änderung nicht habe voraussehen können. Dem kann entgegengehalten werden, daß unabhängig von der Änderung des Kenntnisstandes die Genehmigung weiter besteht und das Einschreiten auf Basis der Generalklausel gegen das genehmigte Verhalten einen Eingriff in den Bestand der Genehmigung darstellt. Ein solcher Eingriff ist entsprechend dem o. G. 77 an den Vorschriften der§§ 48, 49 VwVfG zu messen. Welche der beiden Normen anzuwenden ist, hängt davon ab, ob man bei durch nachträgliche Änderung des Kenntnisstandes verursachter Rechtswidrigkeit von anfänglicher oder erst später entstehender Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ausgehen will. Für eine anfängliche Rechtswidrigkeit spricht, daß aus Sicht eines objektiven Beobachters die Genehmigung von Anfang an rechtswidrig war, ohne daß Genehmigungsempfänger oder Behörde dies hätten wissen können 78. Richtiger dagegen erscheint es, von einer ursprünglichen Rechtmäßigkeit und erst später entstehender Rechtswidrigkeit auszugehen. Eine Änderung des Kenntnisstandes führt zu einer gegenüber der ursprünglichen Lage geänderten Beurteilungssituation. Das Gesetz sieht als denkbare Möglichkeit für die Rechtswidrigkeit eines ursprünglich rechtmäßigen Verwaltungsaktes nur die Möglichkeit einer Änderung von Sach- oder Rechtslage. Genaugenommen ist bei Änderung des Kenntnisstandes beides nicht der Fall. Für die Unterscheidung zwischen anfänglicher oder erst späterer Rechtswidrigkeit ist jedoch auf die Situation zur Zeit des Erlasses des Verwaltungsaktes abzustellen79. Zum damaligen Zeitpunkt war der Erlaß der Verfügung rechtmäßig, denn die Behörde konnte bei Würdigung aller erkennbaren Gesichtspunkte keine andere Entscheidung fällen bzw. hätte sogar im Rahmen einer Verpflichtungsklage zum Erlaß der Genehmigung oder zumindest zur korrekten Ermessensausübung gezwungen werden können. Der z. Zt. des Erlasses der Genehmigung bestehende Wissensstand ist gewissermaßen Teil der zu dieser Zeit existierenden Sach- bzw. Rechtslage. Letztendlich ist aber die Knüpfung von Haftungsfolgen an erst durch Änderung des Kenntnisstandes rückwirkend betrachtet störendes Verhalten weder bei Anwendung des § 48 VwVfG (anfängliche Rechtswidrigkeit) noch des § 49 VwVfG (ursprüngliche Rechtmäßigkeit) möglich. § 49 VwVfG ver76 Kloepfer, Altlasten 41; ders., NuR 1987, 7, 14 = UTR 1, 17, 37; Kothe, ZRP 1987, 399, 401; ähnlich auch Brandt, Altlasten, 45. 77 s.o. I.C.l.a., nach Fn. 65; vgl. auch Pietzcker, JZ 1985, 209, 211. 78 Schink, DVBl. 1986, 161, 169. 79 Kopp, VwVfG § 48 Rn. 24.
3*
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bietet grundsätzlich eine rückwirkende Rücknahme, die allein die Legalisierungswirkung entfallen ließe. Nach § 48 VwVfG ist eine Rücknahme nur möglich, wenn der Genehmigungsinhaber mit der Rechtswidrigkeit rechnen konnte und sein Vertrauen in den Bestand der Genehmigung daher nicht schützenswert ist. Das ist bei Änderung des Kenntnisstandes regelmäßig nicht der Fall; der Genehmigungsempfänger kann die Änderung des Kenntnisstandes im Normalfall gerade nicht voraussehen. Das Vertrauen des Genehmigungsinhabers kann auch nicht dann als gegenüber dem Normalmaß weniger schützenswert eingeordnet werden, wenn es sich um besonders gefährliche Verhaltensweisen handelt, da es gerade das Wesen von Veränderungen des Kenntnisstandes ist, daß diese auch bei der Gefährlichkeit angemessenen, sorgfältigen Prüfungen nicht vorhersehbar sind. Hätte bei Erlaß der Genehmigung bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine spätere Änderung der Beurteilung der Gefährlichkeit des genehmigten Verhaltens bestanden, hätte die sachkundige Genehmigungsbehörde dies eher als der Antragsteller erkennen und dem im Rahmen der Genehmigung durch Auflagen oder Bedingungen Rechnung tragen können. Soweit also das störungsverursachende genehmigte Verhalten vor Änderung der Sachlage, der Rechtslage oder des Kenntnisstandes liegt, ist eine Handlungshaftung aus Vertrauensschutzgründen, insbesondere aufgrund des Verbotes echter rückwirkender Regelungen, ausgeschlossen. Für die Zeit nach Änderung des Kenntnisstandes gilt das oben zur rechtswidrigen Anlagegenehmigung Gesagte entsprechendso.
f. Legalisierungswirkung behördlicher DuZdungen Hat die zuständige Behörde ein bestimmtes, an sich eine Genehmigung voraussetzendes Verhalten oder ein an sich genehmigungsfreies, aber im konkreten Fall öffentlich-rechtlichen Vorschriften widersprechendes Verhalten geduldet, stellt sich die Frage, ob eine solche Duldung gleich oder ähnlich einer ausdrücklichen öffentlich-rechtlichen Gestattung einzuordnen ist. Der Grund, öffentlich-rechtlichen Genehmigungen eine Legalisierungswirkung beizumessen, war der Vertrauensschutz. Bei behördlicher Untätigkeit kann sich Schützenswertes Vertrauen in das Andauern dieses Zustandes nicht bilden, es besteht aus Sicht des Betroffenen allein eine mehr oder weniger begründete Hoffnung, auch in Zukunft unbehelligt zu bleiben. Selbst wenn im konkreten Fall aus einer behördlichen Untätigkeit im Zusammenhang mit anderen Umständen der direkte Wille, nicht einschreiten zu wollen, erkennbar wird, kann dies nicht einer ausdrücklichen Genehmigung gleichgestellt werden. Im Rahmen von ausdrücklichen so s. o. I.C.l.d.,
bei Fn. 73.
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Genehmigungen werden zum einen Belange möglicherweise betroffener Dritter auch formell berücksichtigt, zum anderen werden durch die Genehmigung selbst ihre Grenzen und Reichweite etwa durch Zulassung nachträglicher Auflagen bestimmt. All dies entfällt bei Duldungen, so daß sich bei den Betroffenen kein dem bei ausdrücklichen Genehmigungen vorhandenen vergleichbares schützenswertesVertrauen bilden kann81 • Papier weist in diesem Zusammenhang jedoch darauf hin, daß sich im Einzelfall aus langdauernder Duldung durch die Ordnungsbehörde eine Reduzierung des Eingriffsermessens der Behörde ergeben könnes2. Im Rahmen der bei jeder ordnungsbehördlichen Inanspruchnahme vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung sind die Interessen des Störers gegen die Interessen des/der Gestörten abzuwägen. So hat das BVerwG die Untersagung einer seit 30 Jahren ohne behördliche Genehmigung erfolgten Inanspruchnahme öffentlicher Gewässer wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für rechtswidrig erachtetB3. Zutreffend ist sicherlich, daß das bei jeder Entscheidung zu berücksichtigende Privatinteresse des Störers höher als im Normalfall zu bewerten ist, wenn eine Behörde trotzbestehender Eingriffsmöglichkeit über lange Jahre ein rechtswidriges Verhalten geduldet hat. Liegen jedoch, wie dies bei der Haftung für Altlasten regelmäßig der Fall sein wird, erhebliche Gefahren für die Allgemeinheit vor, so wird im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung das öffentliche Interesse an einer sachgerechten Schadensbeseitigung in der Regel höher als das Privatinteresse des Störers an weiterer Duldung einzuordnen sein. Unabhängig davon jedoch ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung immer zu untersuchen, ob die Kosten einer Sanierung zu dem angestrebten Effekt in einem vertretbaren Verhältnis stehen. 2. Polizeirechtliche Störerverantwortlichkeit für ungenehmigtes Verhalten Im Rahmen der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit für ungenehmigtes Verhalten sind die Fälle zu unterscheiden, in denen gegen konkrete Rechtsnormen verstoßen wird (a) und in denen kein konkreter Normverstoß vorliegt (b). Letztlich ist zu untersuchen, wie sich eine Änderung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes nach Abschluß des relevanten Verhaltens auf die Haftung des Verursachers auswirkt (c).
81 Papier, Altlasten, 42; ders., DVBL 1985, 873, 877; ders., NVwZ 1986, 256, 259; ders., UTR 1, 59, 69; Wolff/Bachof I, 418, 364; Randelzhofer/Wilke, 56 ff. 82 Papier, Altlasten 42; ders., DVBL 1985, 873, 877 ; ders., NVwZ 1986, 256, 259; ders., UTR 1, 59, 69; Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, Anh. § 10 Rn. 35. 83 BVerwG, DVBL 1979, 67, 69; ZfW 1978, 371.
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a. Handlungshaftung bei konkretem Normverstoß Einigkeit besteht in Literatur und Rechtsprechung zur Zurechenbarkeit von Handlungen im Rahmen der Verhaltensverantwortlichkeit insoweit, als ein Verstoß gegen spezielle gesetzliche Verhaltenspflichten immer die Handlungshaftung auslösts4. Fraglich ist, ob hierzu auch zivilrechtliche Regelungen zählen. Damit wird die oben angesprochene Frage der Bedeutung zivilrechtlicher Vorschriften im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Störerhaftung relevant85 • Wie bereits dargelegt, vermag ein Verstoß allein gegen zivilrechtliche Verhaltenspflichten aufgrunddes Subsidiaritätsprinzips die Störerhaftung nicht zu begründen. Liegt jedoch eine Verletzung der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit vor, die sich nicht allein aus einer Verletzung des Zivilrechts ergibt, stellt sich die Frage, ob die Verursachung der Störung dem Handelnden zugerechnet werden kann, wenn sie unter Verletzung zivilrechtlicher Handlungs- oder Unterlassungspflichten geschah. Gegen eine Einbeziehung von sich aus dem Zivilrecht ergebenden Handlungs- bzw. Verhaltenspflichten wird angeführt86 , daß zivilrechtliche Verpflichtungen auf das Verhältnis zwischen zwei oder mehreren untereinander gleichrangigen Rechtsträgern abgestimmt seien und nicht auf das Über-/ Unterordnungsverhältnis Staat/Bürger. Im übrigen existiere im Zivilrecht eine Haftungsbegrenzung durch die Kriterien Rechtswidrigkeit und Schuld, die dem öffentlichen Recht fremd sei; eine Transformation deliktsrechtlicher Verhaltenspflichten in die polizeirechtliche Verantwortlichkeit sei demnach willkürlich und unstatthaft. Für eine Berücksichtigung des Zivilrechts als Rechtmäßigkeitsmaßstab im Rahmen der Zurechnung von Störungen der öffentlichen Sicherheit spricht dagegen, daß weder die ausdrückliche Definition im Bremischen Recht87 noch die hergebrachte polizeirechtliche Definition eine Unterscheidung der Verstöße nach zivil- und öffentlich-rechtlichen Handlungsverpflichtungen kennt. Geht man ferner davon aus, daß die Rechtsordnung als Ganze deshalb als Schutzgut der öffentlichen Sicherheit zugeordnet wird, weil sie Manifestation der Staatlichkeit ist, muß jeder Verstoß als Mißachtung staatlicher Autorität gleichzeitig eine Verletzung des Schutzgutes "Staat" sein. Auch unter diesem Gesichtspunkt besteht daher kein Anlaß, zivilrechtliche Verhaltenspflichten anders als öffentlich-rechtliche einzuordnen88 . Zivils. o. I.C., nach Fn. 40. s.o. I.A.3., bei Fn. 27. 86 Papier, Altlasten, 32; Breuer, JuS 1986, 359, 363; Selmer, Gedenkschrift für Martens, 483, 496. 87 § 2 Nr. 2 Brem. PG. 88 Koch, Kostentragung, 13 ff.; ders., Bodensanierung, 51 ff.; Kloepfer, Altlasten, 104 ff.; Vollmuth, VerwArch. 68, 45, 53; Herrmann, DÖV 1987, 666, 671. 84
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rechtliche Regelungen können damit im Rahmen der Störerbestimmung nicht als grundsätzlich bedeutungslos angesehen werden. Zu weitgehend erscheint es jedoch, jede Verletzung dieser Verhaltenspflichten ohne weiteres die Störerhaftung auslösen zu lassen. Wenn die Verhaltenspflichtverletzung - wie dargelegta9 - die Störerinanspruchnahme allein nicht auszulösen vermag, kann sie bei Vorliegen einer anderweitigen Störung der öffentlichen Sicherheit eine Beseitigungsverpflichtung nur begründen, wenn Schutzzweck der verletzten Norm zumindest auch die Verhinderung der eingetretenen Störung ist. Ist der Grund für die Rechtswidrigkeit eines bestimmten Verhaltens nicht gleichzeitig auch die Ursache der eingetretenen Störung, ist die Verletzung geschriebenen Zivilrechts nicht der geeignete Anknüpfungspunkt für die Begründung der Störerhaftung. Für die Feststellung, ob eine zivilrechtliche Regelung eine auch im Rahmen der polizeirechtlichen Handlungszurechnung anwendbare Pflichtenzuweisung enthält, kommt es darauf an, ob die Norm Gemeinwohlbezug hat bzw. neben dem Schutz privater Rechte auch den Interessen der Allgemeinheit zu dienen bestimmt ist9o. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, kann nur anhand der konkreten Störung in Verbindung mit der dafür ursächlichen Verhaltenspflichtverletzung festgestellt werden. Bei einer so durchgeführten Einbeziehung zivilrechtlicher Regelungen kann es nicht zu der von Papier befürchteten Störerinanspruchnahme all derer, die nach zivilrechtliehen Vorschriften Schadensersatz zu leisten haben, kommen. Dies gilt um so mehr, wenn man mit Pietzcker Pflichtwidrigkeits-und Risikogesichtspunkte allein im Interesse einer sachgerechten Eingrenzung der sich aus der alleinigen Anwendung des Unmittelbarkeitskriteriums ergebenden umfassenden Störerhaftung heranzieht9 1 .
b. Handlungsverantwortlichkeit bei ungenehmigtem, aber nicht gegen konkrete Verhaltenspflichten verstoßendem Verhalten Die Vertreter der Unmittelbarkeitstheorien gehen im Rahmen der Zurechnung ursächlichen Verhaltens in der Regel nicht ausdrücklich auf das Kriterium der Legalität ein. Es besteht jedoch im wesentlichen Einigkeit, daß ausdrücklich genehmigtes und damit legales Verhalten nicht haftungsbegründend wirken soll92 . Darüber hinaus ist anerkannt, daß die Ausübung 89 90 91
92
s. o. I.A.3., bei Fn. 28. Herrmann, DÖV 1987, 666, 671; Kloepfer, Altlasten, 105 f. Pietzcker, DVBl. 1984, 457 ff. s.o. I.C.l.a., bei Fn. 43 ff.
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einer rechtlichen Befugnis nie die Störereigenschaft zu begründen vermag93. Einen Schritt weiter gehen Wolff94 und Götz95, die die Erfüllung des Unmittelbarkeitskriteriums wertend, u. a. anhand der Rechtslage, ermitteln wollen. Friauf96 schließlich sieht ein Verhalten nur dann als unmittelbar im Sinne des Polizeirechtes an, wenn es bereits für sich wiederum eine Polizeiwidrigkeit darstellt. Unter welchen Voraussetzungen im konkreten Fall von Polizeiwidrigkeit des Verhaltens ausgegangen werden kann, klärt Friauf jedoch nicht. Die genannten Gesichtspunkte zur Korrektur einer rein technischen Wertung der Unmittelbarkeit ergeben sich aus der zutreffenden Feststellung, daß ein nicht vertretbarer Wertungswiderspruch vorläge, wenn man bestimmten Verhaltensweisen bei Berücksichtigung sämtlicher Umstände das Zeugnis der Legalität ausstellte, andererseits sie zur Grundlage schwerwiegender Haftungsfolgen machen wollte. Nicht geklärt ist jedoch, welche Kriterien im Rahmen der wertenden Einschränkung des Unmittelbarkeitskriteriums heranzuziehen sind, oder ob neben dem Kriterium der Unmittelbarkeit zusätzliche Schranken für die Zurechnung von störungsverursachendem Verhalten aufzustellen sind. Einigkeit besteht in der Literatur dahingehend, daß es eine zu weitgehende Einschränkung der Verhaltenshaftung bedeuten würde, wollte man nur bei Vorliegen konkreter Normverstöße die Handlungsverantwortlichkeit bejahen97 . Eine Beschränkung des Kreises für die Störung in Anspruch zu Nehmender auf diejenigen, die konkret gegen die Rechtsordnung verstoßen haben, ließe den polizeirechtlichen Schutz des "Staates und seiner Einrichtungen" sowie der "Individualgüter" teilweise leerlaufen. Sinn der polizeirechtlichen Generalklausel ist es aber gerade, ein Vorgehen auch gegen diejenigen zu ermöglichen, die Störungen verursachen, ohne gegen bestimmte Verhaltenspflichten zu verstoßen9s. Wollte man eine Verantwortlichkeit nur bei Verstößen gegen das geschriebene Recht annehmen, wäre es widersinnig, neben der Rechtsordnung als Ganze im Rahmen der polizeirechtlichen Schutzgüter den Staat und die Individualgüter aufzunehmen. Die Generalklausel könnte unter diesen Umständen die ihr zugedachte Auffangfunktion für nicht ausdrücklich normierte Verstöße gegen die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit nicht erfüllen. Unter welchen Umständen aber ein Verhalten, das einerseits nicht Ausübung einer ausdrücklichen Befugnis ist, andererseits nicht gegen beste93 z. B.: Kündigung eines Mieters ist nicht haftungsbegründende Verursachung der Obdachlosigkeit; Drews/Wacke/Vogel/Martens, 316 f. 94 Wolff/Bachof III, 66. 95 Götz, Rn. 193. 96 · Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 212 f. 97 Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 212 ff.; Drews/Wacke/Vogel/Martens, 293, 313; Pietzcker, DVBl. 1984,457 ff. m. w. N.; Herrmann, DÖV 1987, 666,670. 98 Drews/Wacke/Vogel/Martens, 313; Gantner, 117.
C. Handlungshaftung
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hende außerpolizeirechtliche Rechtssätze verstößt, zurechenbar ist, ist umstritten. Die Vertreter der verschiedenen Rechtswidrigkeitslehren wollen ein Verhalten dem Verursacher polizeirechtlich zurechnen, wenn es selbst rechtswidrig ist99. Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens soll, wenn nicht gegen spezielle Normen verstoßen wird, sich aus der Generalklausel des Polizeirechtes ermitteln lassen. Eine solche Betrachtung führt zwangsläufig zu einem Zirkelschluß100 , da so bei Vorliegen einer Störung sich deren Verursachung immer als rechtswidriges Verhalten darstellt. Eine konsequente Verfolgung des gedanklichen Ansatzes der Rechtswidrigkeitslehren führt zu der allgemeinen, jedermann treffenden Verpflichtung, keine Störung verursachen zu dürfen. Dies widerspricht jedoch dem o. G., wonach ein durch behördliche Genehmigung oder auch Gesetz legalisiertes Verhalten zwar Ursache einer Störung sein kann, jedoch gleichwohl eine Störerinanspruchnahme ausgeschlossen ist. Verschiedentlich wird versucht, diesen Schwierigkeiten zu entgehen, indem das Merkmal der Rechtswidrigkeit durch das der Polizeiwidrigkeit ersetzt wirdlOI. Nach dieser Auffassung ist nicht die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens Zurechnungskriterium, sondern allein die Polizeiwidrigkeit der Erfolgsverursachung. Hier wird der Zirkelschluß der Rechtswidrigkeitslehren (Störung zurechenbar, wenn Verhalten rechtswidrig,- Verhalten rechtswidrig weil Störung verursacht) vermieden. Einen wesentlichen Fortschritt stellen diese Auffassungen jedoch insoweit nicht dar, als hier zwar nicht die Rechtswidrigkeit des Verhaltens, letztlich aber auch wieder allein die Verursachung einer polizeirechtlich relevanten Störung zur Grundlage der Inanspruchnahme gemacht wird1D2. Auch die Polizeiwidrigkeitslehren bewegen sich damit, soweit sich die Polizeiwidrigkeit allein aus einem Verstoß gegen die Generalklausel ergeben kann, im Kreise. Zutreffend erscheint es dagegen, wenn man mit dieser Auffassung feststellt, daß nicht die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens allein Zurechnungsmaßstab sein kann103 . Diese Feststellung widerspricht auch nicht dem o. G. zur Legalisierungswirkung behördlicher Genehmigungen. Das Vertrauen des ohne Genehmigung Handelnden darauf, daß sein Verhalten nicht zur Haftung führt, ist sicherlich nicht in gleichem Maße als schützenswert einzustufen, wie das desjenigen,
99 Schnur, DVBL 1962, 1 ff.; Erichsen, VVDStRL 35, 204 ff.; Vollmuth, VerwArch. 68, 45; Beye, 90 ff. {Handlungshaftung nur bei Verstößen gegen außerhalb der Generalklausel liegenden Normen). 100 Drews/Wacke/Vogel/Martens, 313; Pietzcker, DVBL 1984, 457, 459. 1o1 Gantner, 150 ff. ; Klaudat, 17 ff. 102 So aber Klaudat, 17 ff. 103 Neben den Vertretern der Unmittelbarkeitslehre so auch Pietzcker, DVBL 1984, 457,459.
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I. Störerverantwortlichkeit nach Allg. Polizei- und Ordnungsrecht
der auf eine gewissenhafte behördliche Überprüfung und Bestandskraft einer Genehmigung vertrauen kann. Fraglich ist jedoch, welche Kriterien geeignet sind, um festzustellen, ob im Einzelfall (wenn auch ohne ausdrückliche behördliche Genehmigung) eine definitive rechtliche Befugnis ausgenutzt wird und damit eine Inanspruchnahme auszuscheiden hat, oder ein gefährliches Verhalten vorliegt, das zwar nicht ausdrücklich verboten ist, aber erkennbar und zwangsläufig zur Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führt. Von Gantnerl04 und Pietzcker10o werden hier die Gesichtspunkte .,Pflichtwidrigkeit und Risikosphäre" eingeführt. Gedanklicher Ansatz dieser Lehre ist, daß nicht jedes ausdrücklich verbotene und damit in der Regel von Art. 2 Abs. 1 GG gedeckte Verhalten aufgrundseiner Legalität eine Handlungsinanspruchnahme ausschließt und daß sich andererseits aus der polizeirechtlichen Generalklausel keine allgemeine unbegrenzte Nichtstörungspflicht ableiten läßtl06. Die "Pflichtwidrigkeit" eines die Störung verursachenden Verhaltens läßt sich daher nur durch ein Zusammenwirken zwischen Generalklausel und sonstiger Rechtsordnung ermitteln. Die Handlungshaftung auslösend wirkt ein bestimmtes Verhalten dort, wo die Rechts- oder Freiheitsausübung in pflichtwidrige Gefährdung umschlägt. Die Grenze kann hier nicht ohne weiteres verbindlich gezogen werden, sondern ist anhand jedes Einzelfalles wertend zu ermitteln. Hierbei ist neben dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit der Gesichtspunkt der Risikosphäre mit einzubeziehenlo7. Dies ergibt sich daraus, daß das gesellschaftliche Leben nicht denkbar ist, wenn jeder verpflichtet wäre, alles zu unterlassen, was anderen oder der Allgemeinheit schaden könnte. Der Grad einer Schadenswahrscheinlichkeit ist jedoch für jedes Verhalten ein anderer, so daß dann, wenn der Schaden tatsächlich eintritt, die Höhe des eingegangenen Risikos im Rahmen der Zurechnung mit zu bewerten istl 08 • Eine ähnliche Auffassung vertritt Selmer, der sich jedoch entschieden gegen das Zurechnungskriterium der Risikosphäre wendetlo9. Selmer plädiert für eine abgestufte Mitwirkungspflichtdes Bürgers bei gebotener Störungsbeseitigung nach Eigenart des Verursachungsbeitrages und Umfang des Verantwortungsbereichs, was letzten Endes auch zu einer nur partiellen Störerstellung und Inanspruchnahmemöglichkeit führen kann. Im Rahmen der Bestimmung von Risiko- bzw. Verantwortungssphäre mit einzubeziehen sind hier die gesetzlichen Risikozuweisungen, z. B. die zivilGantner, 150 ff. Pietzcker, DVBl. 1984, 457 ff.; zustimmend, Breuer, JuS 1986, 359, 362; Herrmann, DÖV 1987, 666, 671 ff. 1os Pietzcker, DVBl. 1984, 457, 459; Kloepfer, NuR 1987, 7, 11 = UTR 1, 17, 28. 101 Pietzcker,DVB1.1984, 457,459 f.; Kloepfer,NuR 1987,7,11 = UTR 1, 17,27 ff. 1os Pietzcker, DVBL 1984,457, 462; Herrmann, DÖV 1987, 666, 673 f. 1o9 Selmer, Gedenkschrift für Martens, 483, 498 ff. 104
1os
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rechtliche Gefährdungshaftung nach § 22 WHG. Abweichend von Papier, Selmer und Breuer110 und mit Kloepfer111 kann nicht von einer Bedeutungslosigkeit dieser Vorschrift im Rahmen des Polizeirechts ausgegangen werden. Wie bereits dargelegt112, kann ein Verstoß gegen zivilrechtliche Regelungen mit der Maßgabe zur Störerinanspruchnahme führen, daß nicht allein ein einzelner, sondern die Allgemeinheit betroffen ist und insbesondere auch die verletzte Norm dem Schutz von Allgemeininteressen dient. Ein Normverstoß im eigentlichen Sinne liegt bei Eingreifen des§ 22 WHG zwar nicht vor, da kein Verhalten ausdrücklich verboten, sondern eine Gefährdungshaftung statuiert wird113; eine Risikozuweisung läßt sich jedoch erkennen. Die Vorschrift dient auch nicht allein dem Schutz von Privatinteressen, da mit der Schaffung der Gefährdungshaftung ein Appell zur Unterlassung gemeinschädlicher Wasserverunreinigungen verbunden ist. Die Allgemeinbezogenheit der Norm ergibt sich darüber hinaus nicht zuletzt aus der Einbettung in den öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhang des WHG. Zu einer von Papier befürchteten Haftungall derer, die nach Zivilrecht Schadensersatz zu leisten hätten, kommt es nicht, da der Gesichtspunkt der Risikosphäre nur zum Tragen kommt, wenn das Kriterium der Unmittelbarkeit erfüllt ist. Gegenüber einer rein technischen Anwendung der Unmittelbarkeitslehre liegt eine Einschränkung und keine Ausweitung der Haftung vor. Die von Gantner und Pietzcker angesprochenen Abgrenzungskriterien erlauben im Grenzbereich keine wirklich klare und schnell zu treffende Störerbestimmung. Dies spricht jedoch nicht gegen diese Auffassung, da der Grund der Schwierigkeit der Störerbestimmung nicht in dieser Lehre, sondern in der unbestimmten Fassung der polizeirechtlichen Generalklausel zu suchen ist. Ohne eine fallbezogene Abwägung der Rechte und Pflichten von Störerund Gestörtem läßt sich eine gerechte Bestimmung der letztendlich Verantwortlichen nicht durchführen. Eine Anwendung der genannten Gesichtspunkte macht schließlich ein rasches ordnungs- oder polizeibehördliches Einschreiten, wie sich einwenden ließe, auch nicht unmöglich, da die handelnde Behörde, wenn einerseits Eile geboten ist, andererseits aber 110 Papier, Altlasten, 32 f.; ders., NVwZ 1986, 256, 260; ders., UTR 1, 59, 77; Breuer, JuS 1986, 359, 363; Selmer, Gedenkschrift für Martens, 483, 496. 111 Kloepfer, Altlasten, 104 ff. , ders., NuR 1987, 7, 11 = UTR 1, 17, 28 ff.; Koch, Kostentragung, 13 ff.; ders., Bodensanierung, 51 ff.; Vollmuth, VerwArch. 68, 45, 53. 112 s. o. I.C.2.a., nach Fn. 85. 113 Für einen Verbotscharakter der Norm spricht die Möglichkeit der vorbeugenden Unterlassungsklage nach § 1004 BGB (Gieseke/Wiedemann/Czychowski, § 22 Nr. 4), dagegen spricht jedoch der Ausschluß der Haftung bei Vorliegen einer Bewilligung nach § 8 WHG (Salzwedel, Rn. 725) sowie die Bedeutungslosigkeit einer Erlaubnis nach§ 7 WHG (Gieseke/Wiedemann/ Czychowski, § 22 Rn. 26). Wollte man § 22 WHG Verbotscharakter beimessen, dürfte eine wasserrechtliche Bewilligung die Haftung nicht ausschließen bzw. eine Erlaubnis nicht von einer Verletzung der Vorschrift unbeeinflußt bleiben.
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I. Störerverantwortlichkeit nach Allg. Polizei- und Ordnungsrecht
eine eindeutige Störerbestimmung nicht ohne weiteres erfolgen kann, ihre Verfügung hilfsweise auf die Rechtsgrundlage für eine Inanspruchnahme des Notstandspflichtigen stützen oder selbst im Rahmen der unmittelbaren Ausführung handeln kann. Nach alledem ist festzustellen, daß derjenige, der eine polizeirechtlich relevante Störung verursacht, ohne dabei gegen konkrete Normen zu verstoßen, als Störer in Anspruch genommen werden kann, wenn und soweit sein Verhalten unter Berücksichtigung der Gesamtrechtsordnung, seiner Individualrechte und der verletzten Rechte der Gestörten seiner Risikosphäre · bzw. seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen ist. c. Auswirkungen von Änderungen der Sachlage, der Rechtslage oder des wissenschaftlich technischen Kenntnisstandes auf die Handlungshaftung
Die Frage, wie sich eine Änderung der Sachlage, der Rechtslage oder des Kenntnisstandes auf die Inanspruchnahmemöglichkeit des Handlungsstörers auswirkt, ist im Rahmen der Zurechenbarkeit der die Störung verursachenden Handlungen zu untersuchen. Eine Änderung der Sachlage, der Rechtslage oder des Kenntnisstandes kann für die Frage, ob eine Störung vorliegt, nicht von Bedeutung sein, da dies immer nur zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung ermittelt werden kann. Führen Änderungen der Sachlage oder der Rechtslage nach Abschluß eines für die Störung ursächlichen Verhaltens zur Entstehung der Störung, scheidet bei Anwendung des Unmittelbarkeitskriteriums die Störerinanspruchnahme aus. Hier verursachen gerade nicht das Verhalten, sondern die später hinzutretenden Umstände die Störung. Das Verhalten selbst überschreitet nicht die Gefahrengrenze. Etwas anderes könnte im Rahmen der verschiedenen Rechtswidrigkeitslehren gelten, soweit hier nicht, wie es Pietzcker vorschlägt114, das Unmittelbarkeitskriterium ergänzend herangezogen wird. Erfolgt die Störungszurechnung allein nach dem Kriterium der Rechtswidrigkeit, stellt sich die Frage, welcher Zeitpunkt der Beurteilung zugrunde gelegt wird. Vollmuth 115 als Vertreter der Polizeiwidrigkeitslehre begründet seine Auffassung, wonach für die Feststellung der Zurechenbarkeit von Handlungen allein auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung abzustellen sei, nicht. Er scheint aber wie Schnurus im Rahmen der Zurechnung von 114 115
Pietzcker, DVBL 1986, 457 ff.
Vollmuth, VerwArch. 68, 45, 55.
C. Handlungshaftung
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ursächlichen Handlungen nicht auf die Pflicht- bzw. Rechtswidrigkeit des Verhaltens abstellen zu wollen, sondern orientiert sich allein am eingetretenen Erfolg. Beye, der im Rahmen der Zurechnung von störungsverursachenden Handlungen auf die Rechtswidrigkeit der Ursache abstellt, will für die Feststellung der Rechtswidrigkeit allein den Zeitpunkt der Handlung heranziehen117. Dies wird damit begründet, daß der einzelne durch das Polizeirecht zu rechtmäßigem Verhalten bestimmt werden solle, was nur möglich sei, wenn der Inhalt der Verpflichtung zur Zeit der Handlung zumindest erkennbar sei. Eine ähnliche Auffassung vertritt Gantner118 , der darauf hinweist, daß es im Rahmen der Zurechnung von Handlungen zwar um polizeiwidrige Erfolgsverursachung gehe, dies aber nichts daran ändere, daß Anknüpfungspunkt das Verhalten sei und hier vom Pflichtigen nur das verlangt werden könne, was er auch erfüllen kann. Koch11 9 vertritt einen differenzierenden Standpunkt unter Anknüpfung an Pietzckers Vorschlag der Zurechnung nach Pflichtwidrigkeit und Risikosphäre120. Soweit die Pflicht- bzw. Rechtswidrigkeit eines Verhaltens Zurechnungsgrund ist, soll auf die Sachlage z. Zt. der Handlung abgestellt werden; wenn aber durch die Zuordnung einer Gefahr zur Risikosphäre des Handelnden die Haftung ausgelöst sei, sei allein der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebend. Im Rahmen der verschiedenen Rechtswidrigkeitslehren erscheint die Auffassung von Beye und Gantner zutreffend. Will man allein das Kriterium der Rechtswidrigkeit bzw. Polizeiwidrigkeit eines Verhaltens zur Grundlage der Haftung machen, ist es nur konsequent, wenn man auch dem Handelnden die Chance einräumt, sich in seinem Verhalten auf die angelegten Maßstäbe einzustellen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn man allein auf den Zeitpunkt der Vornahme der Handlung zur Beurteilung von Rechtswidrigkeit bzw. Polizeiwidrigkeit abstellt. Der Auffassung von Koch, wonach bei Zurechnung von Handlungen in der Risikosphäre des Verursachers auf den Zeitpunkt der behördlichen bzw. gerichtlichen Entscheidung abzustellen sei, begegnen Bedenken; der Grund der Zurechnung von Risiken im Rahmen der Handlungshaftung ist der, daß derjenige, der bereit ist, mit seiner Handlung ein erhöhtes Risiko zu tragen, im Schadensfalle dafür einzustehen hat. Ist das Risiko z. Zt. der Handlung 11s 117 11s 119
120
Schnur, DVBL 1962, 1 ff. Beye, 96 ff. Gantner, 144 ff., 165. Koch, Kostentragung, 14 ff.; ders., Bodensanierung, 19, 54 ff. Pietzcker, DVBI. 1984, 457 ff.
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nicht erkennbar, entfällt auch die Grundlage für die Zurechnung dieses Risikos121 . Sowohl nach der Unmittelbarkeitslehre als auch bei zutreffender Anwendung des Rechtswidrigkeitskriteriums ist die Inanspruchnahme als Handlungsstörer ausgeschlqssen, wenn die Störung erst aufgrundeiner nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage entsteht. Fraglich bleibt jedoch, wie eine Änderung des Kenntnisstandes rechtlich einzuordnen ist. Genaugenammen handelt es sich hier weder um eine Änderung der Rechtslage noch um eine Änderung der Sachlage. Papier122 sieht gleichwohl im Anschluß an Breuerl23 und das OVG NW124 eine Änderung des Kenntnisstandes als eine der Änderung der tatsächlichen Sachlage vergleichbare Situation an. In diesem Falle sei das ursächliche Verhalten nach dem damaligen Kenntnisstand objektiv nicht gefährlich gewesen und habe daher die Gefahrengrenze auch nicht überschreiten können. Nach Selmer ist objektive Vorhersehbarkeit der Schadensfolgen Voraussetzung der Störerhaftungt25. Kloepfer, Schink und Brandt dagegen126 sind der Auffassung, eine Veränderung des Kenntnisstandes sei bei Anwendung der polizeirechtlichen Generalklausel unbeachtlich. Im Rahmen der Störerinanspruchnahme sei allein der aktuelle Kenntnisstand maßgebend, da die anzuwendende Norm und die objektive Sachlage gleich geblieben seien. Die durch neue Erkenntnisse veränderte Beurteilung der Gefährlichkeit eines Verhaltens sei damit nichts anderes als eine geänderte Subsumtionspraxis. Hierdurch werde das Kriterium der Unmittelbarkeit nicht verletzt. Das Risiko einer Kenntnisstandsänderung liege allein beim Handelnden und sei von diesem zu tragen. Eine gewisse Einschränkung dieses Standpunktes ergibt sich nach Kloepfers Auffassung allein dadurch, daß Grundlage der Handlungshaftung die Zurechnung der Störung zur Risikosphäre des Handelnden sei; eine solche Zurechnung setze zwar nicht Erkennbarkeit einer bestimmten Gefahr, aber eines allgemeinen Risikopotentials voraus127. Im Ergebnis zutreffend erscheint dagegen die Auffassung Papiers128 , der die Erfüllung des Unmittelbarkeitskriteriums grundsätzlich verneint, wenn Herrmann, DÖV 1987, 666, 678. Papier, Altlasten, 36 ff.; ders., DVBL 1985, 873, 876 f.; ders., NVwZ 1986, 256, 259; ders., UTR 1, 59, 70. 123 Breuer, DVBL 1981, 300, 307. 124 OVG NW, DVBL 1984, 896 f .; im Erg. gleich OVG HH, DÖV 1983, 1016 ff. 12s Selmer, Gedenkschrift für Martens, 483, 496. 126 Kloepfer, Altlasten, 41; ders., NuR 1987,7, 10 = UTR 1, 17,26 ff.; Schink, DVBL 1986, 161, 169; Brandt, Altlasten, 45. 127 Kloepfer, NuR 1987, 7, 11 = UTR 1, 17, 30; differenzierend auch Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, Anh. § 10 Rn. 26 f. 12 8 Papier, Altlasten, 36 ff.; ders., DVBL 1985, 873, 876 f.; ders., NVwZ 1986, 256, 259; ders., UTR 1, 59, 70 ff. 121
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sich erst nachträglich die konkrete Gefährlichkeit eines Verhaltens herausstellt. Eine nachträgliche Änderung des Kenntnisstandes im Rahmen der Handlungshaftung ist, aus Sicht des Handelnden, entweder, wie Papier meint, gleichzusetzen mit der Änderung der Sachlage- was dazu führt, daß nicht das Verhalten als solches, sondern die Änderung der Umstände die unmittelbare Ursache für die Entstehung der Gefahr ist - oder mit einer Änderung der Rechtslage. Für letzteres spricht, daß bei Anwendung der polizeirechtlichen Generalklausel als "offener Norm" bei der Feststellung von Störungen jeweils der aktuelle Kenntnisstand zugrunde zu legen ist. Eine flexible Anwendung der Generalklausel ist geboten, da der Gesetzgeber nicht in der Lage ist, jede Änderung des Kenntnisstandes so schnell, wie es zur umfassenden Störungsabwehr erforderlich wäre, in entsprechende Ge- und Verbote umzusetzen. Das äußerlich unveränderte Bestehenbleiben der Eingriffsgrundlage ändert jedoch nichts daran, daß sich letztlich aus Sicht des Pflichtigen die Rechtslage bzw. der Norminhalt mit jeder Änderung des Kenntnisstandes ändert. Hätte sich der Gesetzgeber der Mühe unterzogen, auf den allgemeinen Begriff der Störung der öffentlichen Sicherheit zu verzichten und hätte er jede einzelne Störung und Gefahr konkret normiert, hätten bei jeder Änderung des Kenntnisstandes neue Eingriffsgrundlagen geschaffen werden müssen, die an den Maßstäben der Zulässigkeit rückwirkender Normen zu messen gewesen wären. Nichts anderes kann bei einer Änderung des Kenntnisstandes und damit verbundener Änderung des Inhaltes der Generalklausel gelten. Das BVerwG hat zutreffend festgestellt, daß die polizeirechtliche Generalklausel dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitserfordernis trotz der unbestimmten Formulierung nur deshalb entspricht, weil Inhalt und Grenzen der Regelung durch jahrelange verwaltungsgerichtliche Entscheidungspraxis festliegen 129. Die Praxis der Normanwendung ist damit bei der Generalklausel Teil des Norminhalts geworden. Eine Ausweitung der Normanwendung aufgrund einer Änderung des Kenntnisstandes ist daher praktisch gleich einer Rechtsänderung zu beurteilen und an den dafür entscheidenden Maßstäben zu messen. Ein Vorhaben, das ursprünglich den Vorgaben des Polizeirechts entsprach, nachträglich als polizeirechtlich relevante Gefahrenverursachung einzustufen, stellt einen Verstoß gegen das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitende Verbot "echter Rückwirkung" 130 dar. Der Handelnde, der sich z. Zt. des ursächlichen Verhaltens auf die bestehende Sach- und Rechtslage einstellt, wird in unzulässiger Weise in Schützenswertern Vertrauen verletzt, wenn die Handlung nachträglich als haftungsbegründend eingestuft wird131. BVerwG, DVBL 1970, 504 ff. s. o. I.C.l.a., Fn. 65. 131 Papier, Altlasten, 38; ders., DVBl. 1985, 873, 877; ders., NVwZ 1986, 256, 259; ders., UTR 1, 59, 71; a. A. Brandt, dertrotzabgeschlossener Ablagerung wegen der andauernden Umweltbeeinträchtigung die Rückwirkung verneint, Altlasten, 45. 129
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Zusammenfassend ist festzustellen, daß, unabhängig davon, ob man der Unmittelbarkeitslehre oder den verschiedenen Rechts- bzw. Polizeiwidrigkeitslehren zuneigt, bei der Beurteilung, ob ein Verhalten die Handlungshaftung auslöst, immer allein auf die Situation z. Zt. des Handeins abzustellen ist. Eine nachträgliche Änderung des Kenntnisstandes kann sich daher nicht zu Lasten des Handelnden auswirken. 3. Unterlassen als Anknüpfungspunkt für die Handlungshaftung
Das Unterlassen als Anknüpfungspunkt für die Handlungshaftung kann sowohl im Rahmen der Entstehung von Störungen als auch im Rahmen ihrer Zurechnung von Bedeutung sein. Grundsätzlich zu unterscheiden sind Verstöße gegen konkrete Handlungspflichten (a) und die Fälle, in denen nicht gegen Verhaltensgebote verstoßen wird (b).
a. Handlungsinanspruchnahme für Unterlassen bei Verstoß gegen konkrete Handlungspflichten Bestehen bestimmte, ausdrücklich gesetzlich normierte Handlungspflichten, stellt jeder Verstoß hiergegen selbst eine Störung der öffentlichen Sicherheit in der Form des Verstoßes gegen geschriebenes Recht dar. Zur Beseitigung dieses Verstoßes kann jeder, der es unterläßt, Handlungspflichten nachzukommen, herangezogen werden. Führt der Verstoß gegen die Handlungspflicht zu weiteren, über die Normverletzung hinausgehenden Störungen der öffentlichen Sicherheit, ist das pflichtwidrige Unterlassen Anknüpfungspunkt für die Handlungshaftung auch in bezugauf die weiterreichende Störung. Wird beispielsweise durch das Unterlassen gebotener gewässerschützender Maßnahmen eine Wasserverschmutzung verursacht, kann der Unterlassende nicht nur zur Nachholung der Maßnahmen, sondern auch zur weiterreichenden Störungsbeseitigung in Anspruch genommen werden. Nach den Rechts- bzw. Pflichtwidrigkeitslehren ergibt sich die Störereigenschaft des Unterlassenden direkt aus dem konkreten Normverstoß. Nach der Unmittelbarkeitslehre ist im Rahmen der wertenden Beurteilung das pflichtwidrige Unterlassen als die Gefahrengrenze unmittelbar überschreitende Störungsverursachung einzustufen.
b. Handlungsinanspruchnahme für Unterlassen ohne Verletzung konkreter Handlungspflichten Stellt ein Unterlassen keinen Verstoß gegen konkrete gesetzliche Regelungen dar, liegt hierin selbst auch keine Störung der öffentlichen Sicherheit. Trotzdem stellt sich die Frage, ob bei anderweitig entstandenen Störungen
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ohne Verstoß gegen konkrete Verhaltenspflichten die Handlungshaftung ausgelöst sein kann. Angesprochen wird diese Frage u. a. im Tanklastzugfall132. Hier wurde eine Wassergefahr durch aus einem verunfallten Tankwagen ausgelaufenes Öl verursacht. Für eine Inanspruchnahme des Fahrers stellt sich die Frage, ob -gesetzt den Fall, es bestünde keine konkrete wasserrechtliche Handlungspflicht- allein aufgrundder Untätigkeit nach dem Unfall eine Schadensbeseitigungspflicht entsteht. Hat der Fahrer den Unfall unter Verstoß gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verursacht, ist er nach allen Auffassungen Handlungsstörer in bezug auf das Unfallgeschehen selbst, so daß es der Konstruktion zusätzlicher Schadensbeseitigungspflichten aufgrund unterlassener Schadensverhinderung nicht mehr bedarf. Ist der Unfall durch höhere Gewalt (z. B. Blitzschlag, Achsbruch) verursacht, ist ebenfalls allein das Unfallgeschehen selbst und nicht das nachfolgende Untätigsein geeigneter Anknüpfungspunkt. Mit Pietzcker133 ist hier die Frage zu stellen, ob der Fahrer zwar nicht aufgrundder Rechts- oder Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens in Anspruch zu nehmen wäre, aber aufgrund des dem Transport von Öl innewohnenden erhöhten Risikos. Führt die Abgrenzung im konkreten Fall dazu, daß an das dem Unterlassen vorangehende aktive Tun keine Haftungsfolge aufgrund der Risikolage geknüpft werden kann, ergibt sich auch beim nachfolgenden schlichten Untätigbleiben kein Ansatzpunkt für die Begründung von Handlungspflichten134. Kann das vorangegangene Tun dagegen Grundlage der Inanspruchnahme als Handlungsstörer sein, bedarf es eines Verstoßes gegen Schadensbeseitigungspflichten als Haftungsbegründung nicht. Zu klären bleibt damit allein, ob auch in den verbliebenen Fällen, in denen weder ein Verstoß gegen konkret normierte Handlungspflichten vorliegt noch ein für die Entstehung der Störung unmittelbar ursächliches Verhalten, eine Handlungshaftung aufgrund unterlassener Störungsverhinderung denkbar ist. Fraglich ist also, ob sich Schadensabwendungspflichten auch ohne eine für die Entstehung des Schadens ursächliche Handlung ergeben können. Das allgemeine Unterlassen von Schadensbeseitigungsmaßnahmen kann trotzseiner Ursächlichkeit für das Fortbestehen einer Störung nicht als Verstoß gegen Handlungspflichten gewertet werden, da so jeder zur Störungsbeseitigung verpflichtet wäre, der tatsächlich hierzu in der Lage ist. Liegt einerseits keine Handlung vor, andererseits kein Verstoß gegen konkrete Handlungspflichten, ergibt sich außer Eigentum und Sachherrschaft an der 132 BVerwG, ZfW 1974, 296 = DÖV 1974, 207 (S. 861) = BayVBl. 1974, 348. 133 Pietzcker, DVBl. 1984, 457, 460. 134 BVerwG, ZfW 1974, 296, 299 (= Fn. 132). 4 Ziehm
= DVBL 1974, 297 = VR 25 Nr. 196
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störenden Sache kein Kriterium, anhand dessen zwischen Störer und Nichtstörer unterschieden werden könnte. Eine Handlungshaftung aufgrund unterlassener Schadensbeseitigung ist damit ausgeschlossen, soweit nicht konkret in Spezialgesetzen normi·~rte Handlungspflichten verletzt sind. Ob und inwieweit sich aus dem Abfallbzw. Wasserrecht solche Handlungspflichten ergeben können, ist im Rahmen der Auseinandersetzung mit den konkreten Normen dieser Gesetze zu untersuchen. D. Zustandshaftung
Neben der Verantwortlichkeit für Verhalten kennt das allgemeine Polizeiund Ordnungsrecht die Zurechnung von Störungen durch die Zustandshaftung. Anknüpfungspunkt für die Zustandsverantwortlichkeit sind Eigentum und tatsächliche Sachherrschaft an der störenden Sache.
Eigentümer im Sinne des Polizeirechts ist derjenige, dem nach bürgerlichem Recht das Eigentum an der störenden Sache zusteht135 . Neben dem Eigentümer ist der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft verantwortlich. Hierbei ist es nicht von Bedeutung, auf welcher Rechtsgrundlage die Sachgewalt beruht. In Frage kommt damit neben dem unmittelbaren Besitzer im Sinne des§ 854 BGB auch der Besitzdiener im Sinne des§ 855 BGB. Unerheblich für die Zustandshaftung ist darüber hinaus die Klärung der Frage, ob die tatsächliche Sachherrschaft zu Recht oder zu Unrecht ausgeübt wird. Eine Inanspruchnahme des tatsächlichen Sachherrn als Zustandsstörer ist nur solange möglich, als dieser die tatsächliche Sachherrschaft ausübt. Mit Ende des die tatsächliche Sachherrschaft vermittelnden Rechtsverhältnisses erlischt auch die Zustandshaftungl36. Soweit die Zustandshaftung auf dem Eigentum beruht, erscheint es daher konsequent, mit der Beendigung der Eigentümerstellung ebenfalls die Haftung enden zu lassen. Für den Fall der Übereignung der störenden Sache ist dies allgemein anerkannt. Im Falle der Dereliktion bestand Streit137 ; dieser Streit ist jedoch, soweit die neuen Polizeigesetze im Anschluß an § 5 Abs. 3 ME PG einer Haftung des Derelinquierenden begründen138 , entschärft bzw. entschieden. Der Gesetzgeber hätte keinen zusätzlichen Haftungstatbestand einführen müssen, wenn er nicht davon ausginge, daß durch Dereliktion die Zustandshaftung entfiele. 135 136 13 7
819.
Drews/Wacke/Vogel/Martens, 326; OVG HH, DÖV 1983, 1016. Drews/Wacke/Vogel/Martens, 330. Darstellung des Streitstandes bei Schmidt-Jortzig, Festschrift für Scupin 1983,
138 § 7 Abs. 3 Nds. SOG; § 6 Abs. 3 Brem. PG; § 5 Abs. 3 NW PG; § 18 Abs. 3 NW OBG; § 8 Abs. 3 Bay. PAG; § 5 Abs. 3 3 RhPf. PVG.
D. Zustandshaftung
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Sowohl beim Eigentümer als auch beim Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft findet die Zustandshaftung ihre Grenzen in der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit des verlangten Verhaltens. Ist beispielsweise die störende Sache vermietet oder verpachtet, werden regelmäßig durch störungsbeseitigende Maßnahmen des Mieters oder Vermieters in Rechte des jeweils anderen eingegriffen. Hier ist ggf. durch gesonderte Duldungsverfügungen die rechtliche Möglichkeit des geforderten Verhaltens herzustellen. Im Rahmen der Haftung für Umweltbeeinträchtigungen ist in der Regel Grundlage der Störerinanspruchnahme eine Verunreinigung des Bodens bzw. Grundwassers. Soweit eine Bodenverschmutzung vorliegt, kommt entsprechend dem eingangs Gesagten eine Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers sowie des Erbbauberechtigten, Mieters, Pächters oder sonstigen Nutzers des Grundstücks in Betracht. Gehen Umweltgefahren dagegen von einer Grundwasserverunreinigung aus, kann hieran nach heute allgemeiner Ansicht die Zustandshaftung nicht geknüpft werden139 . Das Bundesverfassungsgericht hat im "Naßauskiesungsfall" 140 ausführlich dargelegt, daß das Grund- und Oberflächenwasser nicht vom Eigentum an Grund und Boden umfaßt werde, sondern zur Sicherung einer funktionsfähigen Wasserbewirtschaftung ausgegliedert sei. Im Anschluß hieran haben Rechtsprechung und Literatur konsequent eine Zustandshaftung allein auf Grund von Grundwasserverunreinigungen verneint. Dem entgegenzustehen scheint zunächst die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg aus dem Jahre 1985141, in der festgestellt wurde, daß der Eigentümer eines kontaminierten Grundstücks nicht allein zur Beseitigung des verschmutzten Erdreichs, sondern darüber hinaus zur Reinigung von abgepumptem Grundwasser verpflichtet sei. Das Gericht knüpft bei der Haftungsbegründung jedoch einzig und allein an die der Wasserverunreinigung zugrundeliegende Bodenverunreinigung an, so daß die Inanspruchnahme für die Wasserverunreinigung nicht auf einer Zustandsverantwortlichkeit für das Grundwasser beruht, sondern auf der Verursachung der Wasserverunreinigung durch die Bodenverschmutzung. Ob eine solche über die Beseitigung des störenden Sachzustandes selbst hinausgehende Zustandsverantwortlichkeit begründet werden kann, ist nachfolgend gesondert zu untersuchen; es ändert jedoch nichts an der Feststellung, daß eine Verunreinigung des Grund- oder Oberflächenwassers allein die Zustandshaftung nicht auszulösen vermag. Die Frage ist im übrigen von geringerer praktischer Bedeutung als dies zunächst den Anschein hat, da regelmäßig neben einer Grundwasser- zumindest auch eine Bodenverunreinigung vorliegt142. 139 Drews/Wacke/Vogel!Martens, 326; Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 215 Fn. 61; Papier, Altlasten, 47; ders., DVBL 1985, 873, 878; OVG HH, DÖV 1983, 1016; VGH Bad.-Württ., NVwZ 1983, 294. 140 BVerfGE 58, 300 ff. = NJW 1982, 745 ff. ; zust. Rittstieg, NJW 1982, 721 , 723. 141 VGH Bad.-Württ., NVwZ 1983, 294.
4•
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I. Störerverantwortlichkeit nach Allg. Polizei- und Ordnungsrecht
Zu klären ist, ob zur Begründung der Zustandsverantwortlichkeit die Sache selbst stören muß oder es ausreicht, wenn die Störung von einer bestimmten Sache verursacht ist. Die Zustandshaftung tritt ein, wenn eine Gefahr oder Störung vom Zustand einer Sache ausgeht. Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, wie die Sache in den störenden Zustand gekommen istl43. Zustand ist zum einen die Beschaffenheit der Sache selbst, zum anderen ihre Lage im Raumi44. Nach Friaufs Auffassung verursacht der polizeiwidrige Zustand einer Sache nicht die Gefahr, sondern er bildet sie selbst145. Kausalitätserwägungen haben nach seiner Auffassung im Rahmen der Zustandshaftung keinen Platz. Unstreitig ist dies, soweit es um die Entstehung des Sachzustandes geht. Zweifellos sind die Fallkonstellationen häufig, in denen der Zustand einer Sache gleichzeitig die Störung darstellt; gerade bei Umweltbeeinträchtigungen kann diese Betrachtensweise jedoch zu Schwierigkeiten führen, da auch Situationen denkbar sind, in denen die Störung lediglich Folge eines bestimmten Sachzustandes ist. In dem bereits erwähnten vom VGH Baden-Württembergi46 entschiedenen Fall hatte das Gericht die Zustandshaftung des Grundstückseigentümers auch für die aus der Bodenverunreinigung resultierende Gewässerverunreinigung bejaht. Das Gericht leugnet dabei nicht die Feststellung, daß das Grundwasser grundsätzlich nicht von der Zustandshaftung umfaßt sei, es stellt vielmehr darauf ab, daß die Verschmutzung des Grundwassers unmittelbare Folge des polizeiwidrigen Grundstückszustands ist. Hier spielen also Ursächlichkeitserwägungen im Rahmen der Zustandshaftung sehr wohl eine Rolle. Die Auffassung des VGH Baden-Württemberg zugrunde gelegt, ist es sogar denkbar, daß für ein und denselben störenden Zustand einer Sache die Eigentümer unterschiedlicher Grundstücke Zustandsstörer sind. Dehnt sich die Bodenverunreinigung von einem Grundstück durch weitere Versickerung über die Grenze zum Nachbargrundstück aus, ist der Inhaber des Nachbargrundstücks unzweifelhaft Zustandsstörer, durch den Grenzübertritt endet jedoch nicht automatisch die Haftung des Eigentümers des ursprünglich verunreinigten Grundstücks, da der weitere Versickerungsvorgang unmittelbar aus dem ursprünglich verunreinigten Grundstück resultiert. Diese Betrachtungsweise mag zunächst befremdlich erscheinen, sie ist jedoch im Rahmen der Systematik polizeirechtlicher Störerinanspruchnahme konsequent. Auch im Rahmen der Handlungshaftung wird der Störer nicht lediglich zur Beendigung der störenden Handlung, sondern zur Beseitigung der durch die HandBreuer, Rn. 555; s.o. I.A.l. Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 217; Drews/Wacke/Vogel/Martens, 320 jeweils m. w. N.; Ule/Rasch, § 5 Rn. 11. 144 Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 215 ; Drews/Wacke/Vogel/Martens, 318. 145 Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 215. 146 VGH Bad.-Württ., NVwZ 1983, 294. 142 143
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lung verursachten Störung herangezogen. Ob diese Betrachtungsweise auch im Rahmen der Zustandshaftung zulässig und materiell geboten ist, läßt sich nur durch Auseinandersetzung mit der Rechtsgrundlage der Zustandshaftung klären. Was der eigentliche materielle Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit ist, ist bisher in Rechtsprechung und Literatur nicht abschließend geklärt bzw. nach wie vor umstritten. Das PrOVG hatte in einer Entscheidung sinngemäß ausgeführt, die Polizeipflicht folge daraus, daß dem Eigentümer Grenzen gezogen seien und naturgemäß Grenzen gezogen sein müßten, weil der Mensch nicht für sich allein, sondern innerhalb einer größeren Gemeinschaft lebe147 • In anderen, auch neuen Entscheidungen wurde von der Rechtsprechung zur materiellen Grundlage der Zustandshaftung nicht Stellung genommen. Das OVG Rheinland-Pfalzgebrauchte beispielsweise die Formel, die Zustandshaftung ergäbe sich allein aus der Tatsache des EigentumsHs. Das BVerwGH9 hat nunmehr jedoch ausdrücklich klargestellt, daß die Zustandsverantwortlichkeit die Kehrseite der sich aus der Eigentümerstellung ergebenden Nutzungsmöglichkeit sei. Dementsprechend weist nun auch der BayVGH ausdrücklich darauf hin, daß die Zustandshaftung Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums seil5o. In der Literatur wird verschiedentlich ausgeführt, daß der die Inanspruchnahme des Zustandsstörers rechtfertigende Grund die Macht des Eigentümers sei, die Sache in einen gefahrenfreien Zustand zu versetzenlsl. Teilweise wird jedoch die Auffassung vertreten, daß die Verfügungsmacht zwar- technisch betrachtet- Grundlage der Zustandshaftung sei, die rechtliche Grundlage jedoch in der Sozialbindung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 GG liegels2.
Dieser Auffassung könnte entgegengehalten werden, daß die Zustandshaftung gerade nicht allein den Eigentümer, sondern auch den tatsächlichen Sachherrn trifft. Richtig erscheint jedoch die Feststellung, daß die Tatsache des Eigentums bzw. der Verfügungsmacht zwar wegen der sich daraus ergebenden tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache Anknüpfungspunkt für die Zustandshaftung ist, aber letztendlich nicht den materiellen Rechtsgrund der Störungszurechnung darstellt. Ordnungsverfügungen gegen den Eigentümer als Zustandsstörergreifen regelmäßig in seine Rechte aus Art. 14 Abs. 1 GG ein; die Rechtfertigung eines solchen Eingriffs kann PrOVG 8, 327, 329 f. OvG RhPf., DÖV 1954, 216. 149 BVerwG, DÖV 1986, 286. 1so BayVGH, DÖV 1986, 976. 151 Götz, Rn. 209 f. ; Drews/Wacke/Vogel/Martens, 319; Gantner, 13; Schink, DVBl. 1986, 161, 170; Schenke in Steiner, Bes. VerwR., Rn. 95. 152 Pietzcker, DVBl. 1984, 457, 462; Friauf, Festschrift für Wacke 293, 298; Wolff/ Bachof III, 67. H7
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sich damit allein aus der Sozialpflichtigkeit des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 GG ergeben. Soweit der tatsächliche Sachherr als Zustandsstörer in Anspruch genommen wird, kann bei ihm keine Verletzung des Rechtes aus Art. 14 Abs. 1 GG vorliegen. Die Inanspruchnahme des Sachherrn ist jedoch, ebenso wie beim Eigentümer, die Kehrseite der sich aus der Sachherrschaft ergebenden Nutzungsmöglichkeit der Sache. Insofern beruht sowohl beim Eigentümer als auch beim tatsächlichen Sachherrn die Zustandshaftung auf dem Gedanken, daß derjenige, der die Nutzungsvorteile aus einer Sache zu ziehen berechtigt oder tatsächlich in der Lage ist, auch die sich aus dem Sachzustand für die Allgemeinheit ergebenden Gefahren zu beseitigen bzw. Nachteile zu tragen hat. Dies zugrunde gelegt, erscheint es nur konsequent, die Zustandshaftung nicht allein auf die störende Sache selbst zu begrenzen, sondern grundsätzlich eine Verantwortlichkeit für die Folgen des störenden Sachzustandes zu bejahen. Wenn Grundlage der Zustandshaftung der Gedanke ist, da derjenige, der den Vorteil aus Eigentum bzw. Verwendungsmöglichkeit einer Sache zieht oder ziehen kann, auch für die negativen Folgen aus dem Sachzustand einzustehen hat, ist kein Grund erkennbar, die Haftung von vornherein auf den Sachzustand selbst zu begrenzen. Damit ist auch bei der Zustandshaftung- wie schon bei der Handlungshaftung-zwischenStörung und haftungsauslösendem Tatbestand zu unterscheiden. Die Verursachung einer Gefahr oder Störung durch den Zustand einer Sache stellt jedoch nur die äußere Grenze des haftungsbegründenden Tatbestandes dar. Fraglich bleibt damit, ob jede durch einen Sachzustand begründete Störung der öffentlichen Sicherheit die Störerinanspruchnahme rechtfertigt. Nach wohl herrschender Meinung ist das Kriterium der Unmittelbarkeit bei der Zustandshaftung wie bei der Handlungshaftung anzuwendeni53. Neben der Unmittelbarkeitslehre werden auch für die Zustandsverantwortlichkeit die verschiedenen Rechtswidrigkeitslehren vertreten 154 . Das Unmittelbarkeitskriterium ist entsprechend den Ausführungen im Rahmen der Handlungshaftung in jedem Fall sachgerecht und gesetzeskonform, soweit lediglich mittelbare Störungsverursachungen ausgeschlossen werden. Ein Widerspruch zu den Rechtswidrigkeitslehren besteht auch insoweit nicht, als bei Vorliegen eines nach den Rechtswidrigkeitslehren die Haftung auslösenden Normverstoßes in jedem Falle das Unmittelbarkeitskriterium erfüllt istlss. Entsprechend dem o. G.Iss ist der Nachteil der Rechtswidrigkeitslehren der, daß sie, soweit man nur außerhalb der Ein153
402.
154 155 156
Drews/Wacke/Vogel!Martens, 319; Wolff/Bachof III, 68; OVG Münster, E 14, s. o. I.C., Fn. 39. s. o. I.C., nach Fn. 40. s. o. I.C.2.b., Fn. 100.
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griffsgrundJage stehende Rechtsnormen als Maßstab für die Zurechnung von Störungen oder Gefahren heranzieht, zu Lücken führen, soweit man die Rechtswidrigkeit eines Sachzustandes auch allein aus der Generalklausel herleitet, die Gefahr eines Zirkelschlusses bergen. Das Kriterium der Unmittelbarkeit dagegen gibt nicht ohne weiteres ausreichend darüber Auskunft, wie sich beispielsweise die durch Anlagegenehmigungen erwirkte Legalität eines Zustandes auf die Haftung auswirkt oder wer beim Zusammentreffen unvereinbarer Raumnutzungen als Störer anzusehen ist. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Handlungshaftung wurde die von Gantner und Pietzcker entwickelte Zurechnungslehre nach den Gesichtspunkten von Pflichtwidrigkeit und Risikosphäre als zutreffend herausgestellt. Das Kriterium der Pflichtwidrigkeit kann im Rahmen der Zustandshaftung, bei der es gerade nicht um Handlungen geht, keine Bedeutung gewinnen. Das Kriterium der Risikosphäre dagegen könnte geeigneter Zurechnungsmaßstab auch im Rahmen der Zustandshaftung sein. Soweit Pietzcker von einer Zustandsverantwortlichkeit lediglich dann ausgeht, wenn der störende Zustand in der Risikosphäre des Eigentümers oder Sachherrn liegt, sind hierdurch die angesprochenen Fragen jedoch noch nicht geklärt; es wird lediglich ein Beurteilungsmaßstab aufgezeigt, anhand dessen im Rahmen der konkreten Einzelfallsubsumtion die Zurechnung erfolgen kann. Dieser Beurteilungsmaßstab erscheint sachgerecht, da so die eigentliche materielle Grundlage der Zustandshaftung im Rahmen der Störungszurechnung im Einzelfall herangezogen wird. Entsprechend dem Vorgehen im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Handlungshaftung soll jedoch eine Entscheidung zwischen den einzelnen Zurechnungslehren nicht abstrakt erfolgen. Es soll vielmehr auf unterschiedliche für den zur Untersuchung stehenden Problemkreis relevante Fallkonstellation im einzelnen eingegangen werden. Zu untersuchen ist dabei zunächst die Frage, ob und inwieweit öffentlich-rechtliche Genehmigungen die Zustandsverantwortlichkeit auszuschließen vermögen (1.). Nachfolgend wird auf die Reichweite der Haftung für nicht ausdrücklich legalisierte Zustände eingegangen (2.). 1. Auswirkung behördlicher Genehmigungen
auf die Zustandsverantwortlichkeit
Wie im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Handlungshaftung, ist auch hier zu klären, ob öffentlich-rechtlichen Gestattungen eine Legalisierungswirkung beizumessen ist (a) und wie weit diese in sachlicher, persönlicher und zeitlicher Hinsicht reicht (b). Fraglich bleibt weiterhin, ob auch ursprünglich rechtswidrigen Genehmigungen eine die Störereigenschaft ausschließende Wirkung beigemessen werden kann (c), wie sich eine Ände-
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I. Störerverantwortlichkeit nach Allg. Polizei- und Ordnungsrecht
rung der Sachlage, der Rechtslage bzw. des Kenntnisstandes nach Genehmigungserteilung auswirkt (d) und welche Wirkung behördlichen Duldungen beizumessen ist (e).
a. Ausschluß der Störereigenschaft durch behördliche Genehmigungen Zu klären ist zunächst, ob Anlage- oder Betriebsgenehmigungen im Rahmen der Zustandshaftung überhaupt eine die Verantwortlichkeit ausschließende Wirkung zukommen kann. Im Rahmen der Handlungshaftung wurde dies bejaht mit der Begründung, daß eine Genehmigung jeden Sinn verlöre, wenn derjenige, der sich im Rahmen der Genehmigung hält, gerade aufgrund des genehmigten Verhaltens in Anspruch genommen werden könnte15 7 • Die Anerkennung der Legalisierungswirkung von Genehmigungen ist damit letztlich Ausfluß von Vertrauensschutzerwägungen15B. Diese Argumente gelten gleichermaßen im Rahmen der Zustandshaftung, so daß auch hier von der grundsätzlichen Möglichkeit eines Haftungsausschlusses durch vorliegende Genehmigungen auszugehen istJ59. Bei der spezialgesetzlich geregelten Materie des Baurechts hat dieser Grundsatz in der umfangreichen Rechtsprechung zum Bestandsschutz Ausdruck gefundeniso. Im Rahmen des allgemeinen Polizeirechts kommen die Vertreter der Rechtswidrigkeitslehren161 ohne weiteres zur haftungsausschließenden Wirkung von Genehmigungen. Aber auch die Anwendung der Unmittelbarkeitslehre schließt eine Legalisierungswirkung nicht aus. Ein durch Genehmigung ausdrücklich als rechtmäßig erklärter Zustand ist bei der gebotenen wertenden Betrachtung gerade nicht Ursache der Störung oder Gefahr. Soweit mit Pietzcker auf das Kriterium der Risikosphäre abgestellt wird, ergibt sich der Haftungsausschluß daraus, daß durch die erteilte Genehmigung das Risiko der Störungsverursachung nicht mehr beim Pflichtigen, sondern bei der Genehmigungsbehörde liegt. Im Rahmen der konkreten Risikoabwägung erscheint es jedoch denkbar, das Risiko insoweit beim Eigentümer oder Sachherrn zu belassen, als sich eine Störerinanspruchnahme auf Duldung von Sanierungsmaßnahmen richtet und so eine entschädigungspflichtige Inanspruchnahme als Notstandspflichtiger ausscheiden kann. s.o. I.C.l.a., bei Fn. 43 ff. Kloepfer, Altlasten, 39; ders., NuR 1987, 7, 13 = UTR 1, 17, 34; Papier, Altlasten, 27; Breuer, JuS 1986, 359; Schenke, JuS 1977, 789, 792; BVerwGE 55, 118, 120 f. 159 Papier, Altlasten, 31; ders., DVBL 1985, 873, 876; ders., NVwZ 1986, 256, 258; ders., UTR 1, 59, 67; Kloepfer, NuR 1987, 7, 16 = UTR 1, 17, 43; Schink, DVBL 1986, 161, 166; Breuer, JuS 1986, 359, 362. 1so Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 480, 512 mit umfangr. Nachw. 1s1 s. o . I.C., Fn. 39. 157 158
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b. Sachliche, persönliche und zeitliche Reichweite der Legalisierungswirkung von Anlagegenehmigungen Grundsätzlich gilt hier das im Rahmen der Handlungshaftung Gesagte entsprechend162. Es ist jedoch genau zu prüfen, ob eine vorliegende Genehmigung den an sich störenden Zustand legalisiert oder ob der Zustand nur von der Genehmigung nicht umfaßte Folge eines genehmigten Verhaltens istl63. Der richtige Ansatzpunkt für die erforderliche Einzelfallabwägung kann nur der der Legalisierungswirkung zugrundeliegende Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes sein. Führt beispielsweise, für jedermann erkennbar, eine bestimmte gewerberechtliche Produktion zwangsläufig zu bestimmten Umweltbeeinträchtigungen und hätte die Behörde dies als Grund für eine Verweigerung der Genehmigung heranziehen können, kann später der aufgrund der Produktion an sich störende Zustand des Betriebsgrundstückes nicht haftungsauslösend wirken. Wird dagegen beispielsweise mit einer Genehmigung nur ein Teilbereich eines Verhaltens abgedeckt, kann sich kein Schützenswertes die Störerinanspruchnahme ausschließendes Vertrauen bilden. Wie im Rahmen der Handlungshaftung eine gewerberechtliche Betriebsgenehmigung z. B. nicht nächtlichen Lärm sanktioniert, kann auch eine Baugenehmigung beispielsweise nur den baulichen Zustand, nicht jedoch die Folgen jeder auch mit dem Baurecht übereinstimmenden Nutzung des Grundstücks legalisierenl64. Die Legalisierungswirkung kann nur so weit reichen, wie die Behörde bei der Genehmigungserteilung den Sachverhalt zu überprüfen hatte. In persönlicher Hinsicht wirkt eine legalisierende Genehmigung nicht nur zugunsten des Genehmigungsempfängers. Wird durch eine Genehmigung nicht nur eine Handlung, sondern der damit zwangsläufig verbundene Erfolg legalisiert, gilt dies allgemein. Der Eigentümer eines Grundstücks, auf dem ein anderer beispielsweise durch industrielle Produktion eine Störung oder Gefahr geschaffen hat, für die er aufgrundeiner legalisierenden Genehmigung nicht in Anspruch zu nehmen ist, kann nicht weitergehend als der Handelnde herangezogen werden; eine Betriebsgenehmigung, die die Produktion ausdrücklich sanktioniert, kann nicht allein zugunsten des Handelnden wirken, sondern muß, weil die Umweltbeeinträchtigung zwangsläufig Folge der Produktion ist, den Zustand mit umfassen. Jede andere Betrachtungsweise würde zu dem abwegigen Ergebnis führen, daß derjenige, der durch seine genehmigte Produktion die Nachbargrundstücke verunreinigt, nicht in Anspruch zu nehmen ist, die "unbeteiligten" Nachbarn dagegen haften. Hier zeigt sich jedoch wiederum, wie wichtig eine genaue 162 163 164
s.o. I.C.l.b., bei Fn. 68 ff. Kloepfer, NuR 1987, 7, 14 = UTR 1, 17, 36. BGHZ 45, 23, 27; BVerwGE 38, 209, 219.
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Eingrenzung der sachlichen Reichweite der Legalisierungswirkung von Anlage- oder Betriebsgenehmigungen ist. In zeitlicher Hinsicht wirkt eine Genehmigung haftungsausschließend von ihrem Inkrafttreten bis zu ihrem Unwirksamwerden. Das bedeutet jedoch nicht, daß Genehmigungen, die durch Wegfall der genehmigten Tätigkeit obsolet oder durch Zeitablauf unwirksam geworden sind, keine Legalisierungswirkung mehr beizumessen ist. Eine Baugenehmigung beispielsweise erlaubt einerseits die Tätigkeit des Bauens, andererseits wirkt sie aber auch nach Abschluß der Baumaßnahme insoweit fort, als der genehmigte Gebäudezustand rechtmäßig ist. Für Betriebsgenehmigungen muß Entsprechendes gelten. Entfallen kann damit eine einmal eingetretene Legalisierungswirkung nur bei Wegfall der Genehmigung ex tune. c. Legalisierungswirkung ursprünglich rechtswidriger Genehmigungen
Fraglich bleibt, inwieweit rechtswidrige Genehmigungen eine Legalisierungswirkung zu entfalten vermögen. Auch hier gilt das oben zur Handlungshaftung Gesagte entsprechend165 • Nach§ 43 VwVfG sind rechtswidrige Verwaltungsakte grundsätzlich wirksam. Unwirksam sind allein nichtige Verwaltungsakte. Soweit keine Nichtigkeit vorliegt, entfaltet der rechtswidrige Verwaltungsakt bis zum Zeitpunkt seiner Rücknahme die gleichen Wirkungen wie der rechtmäßige. Eine Zustandsinanspruchnahme aufgrund bzw. trotz eines ausdrücklich genehmigten Sachzustandes stellt in jedem Fall eine Rücknahme der ursprünglich erteilten Genehmigung dar. Entsprechend den Regelungen der §§ 48, 49 VwVfG können ursprünglich rechtswidrige Verwaltungsakte entschädigungslos nur zurückgenommen werden, wenn dadurch entweder kein schützenswertes Vertrauen des Genehmigungsempfängers verletzt wird oder dieses Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme nicht schützenswert ist. Grundlage der ursprünglichen Rechtswidrigkeit kann nach der hier vertretenen Ansicht (Änderung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes= Änderung der Sach- oder Rechtslage) nur ein Fehler der Behörde bei der Sachverhaltsermittlung oder der Rechtsanwendung sein. Sind Grundlage der fehlerhaften behördlichen Entscheidung unrichtige Angaben des Antragstellers oder war diesem aus anderen Gründen die Rechtswidrigkeit der Genehmigung bekannt, ist das Vertrauen in den Bestand der Genehmigung nicht schützenswert, so daß die mit der Inanspruchnahme als Zustandsstörer verbundene entschädigungslose Genehmigungsrücknahme rechtmäßig ist. Ist Grundlage der Rechtswidrigkeit dagegen falsche Sachverhaltsermittlung oder Rechtsanwendung durch die Behörde, wird in der Regel das öffentliche 1ss s.o. I.C.l.d.,
bei Fn. 73.
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Interesse an einer entschädigungslosen Genehmigungsrücknahme hinter das schützenswerte Vertrauen des Genehmigungsinhabers zurückzutreten haben.
d. Auswirkungen von Änderungen der Sachlage, der Rechtslage oder des wissenschaftlichen Kenntnisstandes auf die Zustandshaftung Ändert sich bei Vorliegen einer ursprünglich rechtmäßigen Genehmigung nachträglich die tatsächliche Sachlage oder die Rechtslage, führt dies dazu, daß die Genehmigung nachträglich rechtswidrig wird. Führt eine Veränderung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes zu einer abweichenden Fallbeurteilung, wäre dies entsprechend dem o. G.166 wie eine Änderung der Rechtslage einzuordnen. Ordnungsrechtliche Eingriffe aufgrund veränderter Sach- oder Rechtslage stellen damit einen Eingriff in den Bestand eines ursprünglich rechtmäßigen Verwaltungsaktes dar. Ein solcher Eingriff ist an den Regeln des§ 49 VwVfG zu messen, da jeder nachträgliche Eingriff in den Bestand der Genehmigung der Sache nach nichts anderes ist als ein zumindest teilweiser Entzug der Genehmigung. Nach§ 49 VwVfG können bestandskräftige Verwaltungsaktenur mit Wirkung ex tune zurückgenommen werden. Im Rahmen der Handlungshaftung hätte eine solche Rücknahme nicht ausgereicht, eine Störerinanspruchnahme zu ermöglichen. Bei der Zustandshaftung dagegen reicht es zur Beseitigung der Legalisierungswirkung aus, wenn die Genehmigung zur Zeit des behördlichen Einschreitens nicht mehr besteht. Bei Änderung der Sachlage ist nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG die Rücknahme ursprünglich rechtmäßiger Verwaltungsakte dann möglich, wenn die Behörde nicht verpflichtet wäre, den gleichen Verwaltungsakt erneut zu erlassen und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Führt eine Änderung der Sachlage zur Entstehung polizeirechtlich relevanter Störungen oder Gefahren, besteht keine Verpflichtung der Genehmigungsbehörde, einen erneuten, den störenden Zustand legalisierenden Genehmigungsbescheid zu erlassen. Ein öffentliches Interesse am Widerruf der Genehmigung ist bei Vorliegen einer Störung oder Gefahr für die öffentliche Sicherheit regelmäßig gegeben, da die Verhinderung von Störungen oder Gefahren immer im öffentlichen Interesse liegtl 67 • Bei Änderung der Rechtslage und bei einer gleich zu behandelnden Änderung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes kommt ein Eingriff in den ursprünglichen Bestand der Genehmigung nicht nach § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist bei Änderung der Rechtslage 166 167
s. o. I.C.2.c., bei Fn. 129. Kopp, VwVfG § 48, Rn. 57.
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die Rücknahme eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes nur möglich, wenn der Begünstigte von der Genehmigung noch keinen Gebrauch gemacht hat. Ein mit der Ordnungsverfügung verbundener Eingriff in den Bestand der Genehmigung ist daher nur nach§ 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG möglich, der eine Rücknahme ursprünglich rechtswidriger Verwaltungsakte zur Vermeidung oder zur Beseitigung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl zuläßt. Eine Störung der öffentlichen Sicherheit ist in jedem Fall ein Nachteil für das Gemeinwohl. Wie schwer dieser Nachteil jeweils wiegt, kann nur anhand des zur Untersuchung stehenden Einzelfalles geklärt werden. Bei Boden- oder Wasserverunreinigungen von nicht unerheblicher Intensität wird jedoch in der Regel, wegen der besonderen Bedeutung dieser Güter für das ökologische System und damit auch das menschliche Leben, ein schwerer Nachteil für das Gemeinwohl anzunehmen sein. Nach § 49 Abs. 5 VwVfG ist sowohl eine Rücknahme nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 als auch eine nach § 49 Abs. 2 Nr. 5 nur zulässig, soweit hierdurch kein Schützenswertes Vertrauen in den unveränderten Fortbestand der Genehmigung verletzt wird. Ist Grundlage der Rücknahme eine Änderung der Sachlage, ist der Genehmigungsempfänger zumindest soweit schützenswert, als er darauf vertraut, daß die zuständige Behörde bei Genehmigungserteilung sämtliche auch nur entfernt vorhersehbaren Sachverhaltskonstellationen berücksichtigt hat. Ein Schützenswertes Vertrauen des Genehmigungsinhabers auf den Bestand der Genehmigung kann daher nur in den Fällen fehlen, in denen vollständig unvorhersehbare Sachverhaltsentwicklungen, zusammenwirkend mit dem Sachzustand, die Störung hervorrufen. Liegt eine solche von keiner Seite vorhersehbare Änderung der Sachlage vor, kommt der Genehmigung keine Legalisierungswirkung zu, so daß die Grenze der Zustandsverantwortlichkeit wie in den Fällen, in denen keine Genehmigung vorliegt, zu ermitteln isvsa. Bei Änderung der Rechtslage ist das Vertrauen des Genehmigungsempfängers in den derzeitigen Rechtszustand, mit Ausnahme der Fälle einer unmittelbar bevorstehenden Gesetzesänderung oder bei unklarer Rechtslage, in der Regel schützenswert. Etwas anderes könnte bei Änderungen des wissenschaftlichen Kenntnisstandes gelten. Das Vertrauen des Genehmigungsempfängers in die Bestandskraft der Anlage- oder Betriebsgenehmigung gründet sich darauf, daß die Behörde zur Zeit der Genehmigungserteilung sämtliche für die Genehmigung relevanten Umstände anhand des geltenden Rechts untersucht hat. Soweit Umstände jedoch im Moment der Genehmigungserteilung gar nicht erkennbar waren, kann sich hierauf auch das Vertrauen des Genehmigungsempfängers nicht beziehen. Der Genehmigungsempfänger ist daher, nicht was das genehmigte Verhalten169, sondern was 168
s. u. I.D.2.
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den genehmigten Zustand betrifft, gegenüber Änderungen des wissenschaftlichen Kenntnisstandes nicht schützenswerter als derjenige, der für die Anlegung oder den Betrieb seiner Anlage keiner Genehmigung bedurfte und nach damaligem Kenntnisstand auf die Rechtmäßigkeit des von ihm geschaffenen Zustandes vertraute. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß Änderungen der Rechtslage im Regelfall nicht zu einer Durchbrechung der Legalisierungswirkung behördlicher Anlagegenehmigungen führen. Änderungen der Sachlage schließen die Legalisierungswirkung nur dann aus, wenn die Sachverhaltsänderung unvorhersehbar war. Bei Änderung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes dagegen sind nachträgliche polizeiliche Anordnungen zur Abwendung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl regelmäßig nicht durch legalisierende Genehmigungen ausgeschlossen, da insoweit kein schützenswertes Vertrauen in den Bestand der Genehmigung verletzt wird. Unabhängig davon ist jedoch bei fehlender Legalisierungswirkung einer Genehmigung, wie in jedem anderen Fall der Zustandshaftung, die Grenze der Haftung zu untersuchen.
e. Legalisierungswirkung behördlicher Duldungen Bereits im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Handlungshaftung wurde dargelegt, daß behördliche Duldungen in keinem Falle die gleichen Wirkungen wie ausdrückliche Genehmigungen zu entfalten vermögenl 70 • Bei behördlicher Untätigkeit kann sich Schützenswertes Vertrauen in das Andauern dieses Zustandes nicht bilden. 2. Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit für nicht durch Genehmigungen sanktionierte Sachzustände
Ist der Zustand einer Sache unmittelbare Ursache einer Störung der öffentlichen Sicherheit, ohne daß eine legalisierende Genehmigung vorliegt, wird hierdurch im Normalfall nach allen Störungszurechnungslehren die Zustandshaftung ausgelöst. Nicht nur das Kriterium der Unmittelbarkeit, sondern auch das Kriterium der Rechtswidrigkeit führt hier gewissermaßen von selbst zur Störerinanspruchnahme. Zeitlicher Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des der Störung zugrundeliegenden Sachzustandes kann allein der Zeitpunkt des behördlichen Einschreitens sein. Zieht man zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Sachzustandes auch die polizeirechtliche Generalklausel heranl 71, führt dies dazu, daß 169 Auswirkungen einer Änderung des Kenntnisstandes auf die Handlungshaftung s.o. I.C.l.e., bei Fn. 75 ff.; I.C.2.c., bei Fn. 114 ff. 110 s.o. I.C.l.f., bei Fn. 81. 171 So der überwiegende Teil der Rechtswidrigkeitslehren, s. o. I.C., Fn. 39.
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jeder Sachzustand, der Ursache der Störung, d. h. des rechtswidrigen Erfolges ist, die Zustandshaftung auslöst. Änderungen der Sachlage, der Rechtslage oder des naturwissenschaftlichen Kenntnisstandes haben weder nach der Unmittelbarkeitstheorie noch nach den Rechtswidrigkeitslehren Einfluß auf die Störungszurechnung, da die Zurechnung, anders als bei der Handlungshaftung, im Moment des behördlichen Einschreitens zu erfolgen hat. Es sind jedoch Fallkonstellationen denkbar, in denen eine schematische Anwendung der herkömmlichen Zurechnungslehren zu unbilligen Ergebnissen führt. Anerkannt von der herrschenden Meinung ist dies in den Fällen, in denen unterschiedliche Ursachen, die jede für sich gesehen nicht störungsverursachend wirkt, kumulativ eine Störung erzeugen. Zu dieser Gruppe wurden auch Fälle gerechnet, in denen die Störung durch nicht der Risikosphäre des an sich Zustandspflichtigen zuzurechnende Umweltveränderungen verursacht wurde. Die Fallgruppen sind insoweit gleich zu beurteilen, als die Umweltveränderung ebenfalls einen störungsmitverursachenden Umstand darstellt. Von der herrschenden Meinung wird hier mit dem Kriterium der "latenten Gefahr" gearbeitet. Danach kann allein die Ursache einer Störung zur Inanspruchnahme als Zustandsstörer führen, die von Anfang an latent im Verhältnis zum Normalmaß eine erhöhte Gefahrtendenz aufwies, so daß es nur einer absehbaren Umweltveränderung bedurfte, damit sich die Gefahr aktualisiert1 72 . Das Vorliegen einer solchen latenten Gefahr wurde beispielsweise verneint im Tankstellen- 173 und im Heckenfall174. In beiden Fällen führte die Zunahme des Straßenverkehrs im Zusammenwirken mit dem Grundstückszustand-Tankstellenausfahrt bzw. sichtbehindernde Hecke- zu Verkehrsgefahren. Diese waren dem Grundstückseigentümer nicht zuzurechnen, da die jeweiligen Grundstückszustände, separat betrachtet, keine erhöhte Gefahrtendenz aufwiesen und damit Ursache der Störung allein die gewandelte Verkehrssitution war. Im Westgiebelfall175 wurde die latente Gefahr bejaht. Durch Abbruch des Nachbarhauses wurde ein grob verunstalteter Giebel sichtbar. Der Inhaber des Hauses konnte als Zustandsstörer zur Reparatur in Anspruch genommen werden, da sich durch den Abbruch die schon vorher latent bestehende Gefahr aktualisiert hat. Gegen die herrschende Meinung führen Bachof und Rasch1 76 an, daß mit dem Kriterium der latenten Gefahr kein sicheres und 172 Drews/Wacke/Vogel/Martens, 322; OVG Münster E 11, 250; 16, 289; BGHZ 45, 23 ff.; PrOVG 40, 391 ff.; kritisch, Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 204 ff.; Wolff/ Bachof III, 68; Ule/Rasch, § 5 Rn. 17; Götz, Rn. 219 f. m OVG Lüneburg E 14, 396. 174 OVG Lüneburg E 17, 447. 11s PrOVG 40, 391. 176 Wolff/Bachof III, 68; Ule/Rasch, § 5 Rn. 16 f .
D. Zustandshaftung
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sachgerechtes Abgrenzungskriterium geschaffen sei. Es sei beispielsweise nicht nachvollziehbar, wenn einerseits in den Schweinemästerfällen177 das Vorliegen einer erhöhten Gefahrtendenz bejaht werde, im Ahnenbrühefalll 78 dagegen eine Haftung des Friedhofbetreibers verneint werde. Es ist in der Tat schwierig zu begründen, warum eine Schweinemästerei in ihrer natürlichen Umgebung, dem Außenbereich, von vornherein latent gefährlich ist, eine Hecke, die aber von selbst ohne weiteren Einfluß wächst und durch die eine Gefahr (mit-)verursacht wird, nicht von vornherein eine erhöhte Gefahrtendenz aufweist. Richtig erscheint die Zurechnung latent gefährlicher Zustände jedoch immer dann, wenn einer der kumulativ zu Störungen führenden Umstände von vornherein die Grenzen des an sich polizeilich Zulässigen überschritt, wegen besonderer, nunmehr weggefallener Umstände jedoch zunächst zu dulden war- Westgiebelfall-179 • Für die Fälle, in denen ein objektiv nicht störender und rechtmäßiger Zustand allein aufgrund einer nachträglichen Änderung der Sachlage eine Störung mitverursacht, erscheint allein das Prioritätsprinzip der sachgerechte Zurechnungsmaßstab zu seinlso. Dies entspricht auch einer konsequenten Anwendung der Unmittelbarkeitslehre. Rückt beispielsweise Wohnbebauung immer näher an eine legale, im Außenbereich errichtete, emitierende Anlage heran, wird allein durch das Näherkommen der Bebauung die Gefahrengrenze überschritten, da hierin die gefahrverursachende Sachverhaltsänderung liegt. Im Rahmen des hier zu untersuchenden Problemkreises ist jedoch eine Entscheidung zwischen den unterschiedlichen Auffassungen zur Haftungszurechnung bei Gefahrmitverursachung nicht erforderlich, da im Falle des Vorliegens von Boden- oder Wasserverunreinigungen ohne zusätzliche Umstände (z. B. Gesundheitsgefahr für Nachbarn) regelmäßig von einer durch den Sachzustand selbst verursachten Störung ausgegangen werden kann. Der Streit macht jedoch deutlich, daß nach ganz überwiegender Ansicht zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse eine Begrenzung der Zustandshaftung zu erfolgen hat. Letztendlich handelt es sich sowohl beim Kriterium der latenten Gefahr als auch bei dem der Priorität um nichts anderes als eine Abgrenzung von Risikosphären. Wenn in Rechtsprechung und Literatur auch mit dem Modell des latenten Störers im Rahmen der Zustandshaftung gearbeitet wird, kann hieraus jedoch nicht der Schluß gezogen werden, es bestehe Einigkeit darüber, daß der Zustandsstörer allein für Störungen aus seiner Risikosphäre hafte. Wegen der offenbar unbilligen Folgen einer uneingeschränkten Zustands1n 178 179 180
OVG Münster E 11, 25. Abgedruckt bei Vogel, Gerichtsentscheidungen zum Polizeirecht 1971, 123 ff. PrOVG 40, 391. Ule/Rasch, § 5 Rn. 17; wohl auch Wolff/Bachof III, 68.
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I. Störerverantwortlichkeit nach Allg. Polizei- und Ordnungsrecht
Verantwortlichkeit werden jedoch seit einiger Zeit unterschiedliche Möglichkeiten der Haftungsreduktion diskutiertl81. Als Anknüpfungspunkt für eine Haftungsbegrenzung wird in der Regel das Recht des Eigentümers aus Art. 14 Abs. 1 GG herangezogen. Nach der bisher herrschenden Meinung mußte eine Verletzung des Rechtes aus Art. 14 Abs. 1 GG bei Inanspruchnahme als Zustandsstörer in jedem Falle ausscheiden. Dies wurde entweder damit begründet, daß störendes Eigentum ausnahmslos nicht dem Eigentumsschutz gemäß Art. 14 Abs. 1 GG unterfalle, da durch die Schrankenregelung des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nach den polizeirechtlichen Vorschriften störendes Eigentum aus dem Schutzbereich ausgeklammert sei oder weil die Beseitigung von vom Eigentum ausgehenden Störungen grundsätzlich als Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums einzuordnen sei!B2 . Sowohl in der Literatur wie auch in der Rechtsprechung wird dieser Auffassung, soweit sie absolute Geltung beansprucht und keine Ausnahmen zuläßt, zunehmend widersprochen, da ein durch Verwirklichung des Tatbestandes der polizeirechtlichen Generalklausel generell bewirktes Herausfallen einer störenden Sache aus dem Schutzbereich des Art. 14 GG der heute allgemein anerkannten Wechselwirkungslehre widersprichvaa. Hiernach sind auch dann, wenn sich die Grenzen grundrechtlich geschützter Positionen aus den allgemeinen Gesetzen ergeben, diese Gesetze wiederum gemäß dem Regelungszweck der individualrechtsschützenden Grundrechtsnorm auszulegen. Die Wechselwirkungslehre ist unzweifelhaft zutreffend, da ansonsten jedes Grundrecht durch einfache bundesgesetzliehe Regelungen vollständig entwertet werden könnte. Der früher herrschenden Meinung ist daher zu widersprechen, soweit die Möglichkeit einer Eigentumsverletzung durch Zustandshaftung unter Hinweis auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums grundsätzlich verneint wird. Zweifellos ist es in der Regel zutreffend, den Eigentümer im Rahmen der Sozialpflichtigkeit 181 Friauf, Festschrift für Wacke 293, 300 ff.; ders., in v. Münch, Bes. VerwR., 218; Gantner, 210; Reiland, VerwArch. 1975, 255, 264; Pietzcker, DVBl. 1984, 457, 462 ; Ule/Rasch, § 5 Rn. 12 ff.; Wolff/Bachof III, 68; Götz, Rn. 237; Baur, JZ 1964, 354, 356; Schenke, JuS 1977, 789 ff.; Schink, DVBL 1986, 161, 169 f.; Hohmann, DVBl. 1984, 997 ff.; Seibert, DVBl. 1985, 328 ff.; Papier, Altlasten, 47 ff.; ders., NVwZ 1986, 256, 261; ders., DVBl. 1985, 873, 876; ders., UTR 1, 59, 75; Kloepfer, Altlasten, 33 f. ; ders., NuR 1987, 7, 17 = UTR 1, 17, 44; Breuer, JuS 1986, 359, 363; Czychowski, DVBl. 1970, 379, 384; Drews/Wacke/Vogel/Martens, 320 f.; Erler, 117; Kunig/Schwerner/Versteyl, AbfG, Anh. § 10 Rn. 29 f.; Selmer, Gedenkschrift für Martens, 484, 502; VGH Freiburg, NJW 1952, 1311 ff.; BayVGH, DÖV 1986, 976, 978. 182 Drews/Wacke/Vogel/Martens, 320 f.; Hess. VGH, ESVGH 2, 59; OVG Münster E 5, 185, 188 f. ; OVG Berlin, DÖV 1954, 214; Götz, Rn. 184. 183 Erler, 114 ff.; Kloepfer, Altlasten, 33; ders., NuR 1987, 7, 17 = UTR 1, 17, 44; Papier, Altlasten, 50; ders., NVwZ 1986, 256, 261; ders., DVBl. 1985, 873, 876 ; ders., UTR 1, 59, 75 ; Hohmann, DVBL 1984, 997 ff.; Pietzcker, DVBl. 1984, 457, 462 ; Ule/ Rasch,§ 5 Rn. 12 f.; Schenke, JuS 1977, 789, 791 ; Reiland, VerwArch. 1975, 255, 264; Friauf, Festschrift für Wacke 293.r 301; ders. in v. Münch, Bes. VerwR., 218; BVerwQE 38, 209 = DVBl. 1971, 751 = DOV 1972, 54 = BayVBl. 1972, 610; Herrmann, DOV 1987, 666, 674; Breuer, NVwZ 1987, 751, 756.
D. Zustandshaftung
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mit der Pflicht, seine Sache in einem nicht störenden Zustand zu erhalten, zu belasten; dies bedeutet jedoch nicht, daß bei jeder nur denkbaren Fallkonstellation ein Sonderopfer logisch ausgeschlossen ist. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 24. 6. 71184 entgegen früheren Entscheidungen deutlich gemacht, daß ein Vorgehen gegen den Störer ausnahmsweise eine Enteignung darstellen könne. Die Zustandshaftung kann jedoch nur insoweit mit den Rechten aus Art. 14 Abs. 1 GG kollidieren, als der Eigentümer und nicht der tatsächliche Sachherr in Anspruch genommen wird. Es erscheint jedoch keinesfalls gerechtfertigt, beispielsweise den Pächter einer Abfalldeponie härteren polizeirechtlichen Eingriffen auszusetzen als den Grundstückseigentümer, der selber die Deponie betreibt und damit selbst Sachherr ist. Letztendlich ist sowohl die Sachherrschaft des Eigentümers als auch die einem Dritten übertragene Sachherrschaft Ausfluß der in Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentümerstellung. Der materielle Rechtsgrund der Zustandshaftung ist, wie o. g., entsprechend der Regelung des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG der Gedanke, daß derjenige, der den Nutzungsvorteil aus einer Sache zu ziehen berechtigt oder in der Lage ist, auch die sich aus dem Sachzustand für die Allgemeinheit ergebenden Gefahren zu beseitigen bzw. Nachteile zu tragen hat. Dies zugrunde gelegt, ist ein zutreffender Ansatzpunkt für die Haftungsbegrenzung geschaffen. Nicht geklärt ist jedoch, wie weit die Haftungsbegrenzung im Einzelfalle reicht und in welcher Form sie rechtstechnisch zu erfolgen hat. Die überwiegende Zahl derjenigen, die eine Einschränkung der Zustandshaftung für erforderlich halten, zieht als Abgrenzungskriterium wiederum Art. 14 GG heran. Ist die Störerinanspruchnahme Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums, ist sie zulässig; führt die Inanspruchnahme zu einem Sonderopfer im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, hat sie zu unterbleiben. Als Kriterium zur Abgrenzung zwischen Sozialbindung und Sonderopfer wird ganz überwiegend das Merkmal der "Risikosphäre" gewähltlS5 • Als weitere Kriterien werden die "Opfergrenze" 1S6 , das Prinzip der ZumutbarkeitlS7 und der Verhältnismäßigkeitiss sowie das Merkmal der "gestörten Privatnützigkeit" 1S9 eingeführt. Die genannten Gesichtspunkte können BVerwGE 38, 209 = DVBl. 1971, 751 = DÖV 1972, 54 = BayVBl. 1972, 610. Ule/Rasch, § 5 Rn. 12 ff.; Friauf, Festschrift für Wacke, 297, 300 ff.; ders. in v. Münch, Bes. VerwR., 218; Baur, JZ 1964, 354 ff.; Pietzcker, DVBl. 1984, 457 ff.; Czychowski, DVBl. 1970, 379, 384; Schink, DVBl. 1986, 161, 169; Kloepfer, Altlasten, 33; ders., NuR 1987, 7, 17; Hohmann, DVBl. 1984, 997 ff. ; Gantner, 210; Erler, 117 ff.; Breuer, Wasserrecht, Rn. 556; ders., NVwZ 1987, 751, 756; v. Mutius, Jura 1983, 298, 307; Schenke in Steiner, Bes. VerwR., Rn. 97. 186 Scholler/Broß, 210; BayVGH, DÖV 1986, 976, 978. 187 Drews/Wacke/Vogel/Martens, 320 f.; Gantner, 210. 188 Schink, DVBl. 1986, 161, 169 f. 184 185
5 Ziehm
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zwar allesamt im Rahmen der durchzuführenden Abwägung hilfreich sein, durch sie wird jedoch nicht ohne weiteres definitiv festgelegt, unter welchen Umständen die Inanspruchnahme als Zustandsstörer beim Eigentümer ein Sonderopfer gemäß Art. 14 Abs. 3 GG auslöst. Zutreffend erscheint es, entsprechend den Ausführungen zur materiellen Grundlage der Haftungsreduktion diese, unabhängig davon, ob der Eigentümer oder Inhaber der Sachherrschaft in Anspruch genommen werden soll, immer dann eingreifen zu lassen, wenn eine Störerinanspruchnahme das Maß überschreitet, das dem Eigentümer als Eingriff gemäß Art. 14 Abs. 2 GG zuzumuten ist. Im Rahmen dieser für jeden Einzelfall separat vorzunehmenden Abgrenzung erscheint es entsprechend dem oben zur materiellen Rechtsgrundlage der ZustandshaftUng Gesagten richtig, den Zustand dann der Risikosphäre des Eigentümers oder Inhabers der Sachherrschaft zuzurechnen, wenn dieser in irgendeiner Beziehung zur Nutzung oder Nutzungsmöglichkeit des Eigentums steht. Ist unmittelbare Ursache der Störung dagegen ein von der Sachnutzung unabhängiges, von außen hinzutretendes Ereignis, realisiert sich hierin nicht die Kehrseite des Nutzungsvorteils, so daß die Zustandshaftung einzuschränken ist. Nach Papier handelt es sich bei der zuletzt genannten Konstellation um den Fall der gestörten Privatnützigkeit. Diese Abgrenzungskriterien zugrunde gelegt, müßte bei Krieg, Flugzeugabsturz oder Tankwagenunfall die Zustandshaftung begrenzt werden, bei Folgen von nicht vollständig unvorhersehbaren Unwettern oder Erdrutschen wäre die Verantwortlichkeit zu bejahen. Das Risiko der Entstehung störender Zustände durch Unwetter ergibt sich aus der Lage des Grundstücks in der natürlichen Umwelt, es ist gewissermaßen die Kehrseite der speziellen Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks. Im Rahmen der Haftungsbegrenzung kann die finanzielle Leistungsfähigkeit des Störers keine Rolle spielen. Grundlage für Begründung und Begrenzung der Zustandshaftung ist, wie bereits dargelegt, der Gedanke, daß derjenige, der die Vorteile aus einer Sache zu ziehen berechtigt ist, auch verpflichtet sein muß, die sich für die Allgemeinheit aus dieser Nutzungsmöglichkeit ergebenden Nachteile zu tragen. Im Rahmen dieser Abwägung kann der konkreten Leistungsfähigkeit des Pflichtigen ersichtlich keine Bedeutung zukommen190 . Die wirtschaftliche Unmöglichkeit berührt nicht die Frage der Störerhaftung, sondern allein die Fähigkeit des Störers, die Gefahr zu beseitigen. Sind Umweltbeeinträchtigungen Folge einer früheren oder laufenden industriellen Produktion, wird daher vorbehaltlich einer in jedem Fall 189 Papier, Altlasten, 50 f.; ders., NVwZ 1986, 256, 261; ders., DVBl. 1985, 873, 876; ders., UTR 1, 59, 76; Breuer, JuS 1986, 359, 362; ders., NVwZ 1987, 751, 756; Erler, 114 f . t9o Gantner, 211; Ule/Rasch, § 5 Rn. 13.
D. Zustandshaftung
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erforderlichen Einzelfallabwägung die Haftung des Grundstückseigentümers oder Sachherrn regelmäßig dann einzuschränken sein, wenn die Störung oder Gefahr nicht Folge einer Produktion auf dem Grundstück bzw. einer Nutzung des Grundstücks ist. Liegt die Ursache des störenden Grundstückszustandes allein in äußeren Einflüssen, z. B. fremder industrieller Produktion oder Ablagerung, ist die Haftung des Grundstückseigentümers oder Sachherrn zu begrenzen, da er selber durch äußere Einflüsse gestört wird und diese Einflüsse nicht seiner Risikosphäre zuzurechnen sind. Zu klären bleibt, wie weit die Haftungseinschränkung im Einzelfall reichen soll. Nach einem Teil der in der Literatur vertretenen Ansichten soll der Eigentümer bzw. Sachherr in jedem Falle auf Duldung der Störungsbeseitigung in Anspruch genommen werden könnenl91. Gedanklicher Ansatzpunkt für die Haftungsbegrenzung war, daß der Eigentümer nicht durch ordnungsbehördliche Maßnahmen im Ergebnis enteignet werden darf. Der Eigentümer muß dagegen nicht von allen Risiken für die Erhaltung seines Eigentums von der öffentlichen Hand freigestellt werden. Im Falle eines Tankwagenunfalls beispielsweise kann eine behördlich angeordnete Sanierung nur insoweit in die geschützten Rechte des Eigentümers eingreifen, als er hierdurch nicht andererseits einen Vorteil erlangt. Führt aus einem Tankwagen ausgelaufenes Öl zu Unfruchtbarkeit oder Ertragsminderung eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks, liegt durch die Ordnungsverfügung materiell keine Eigentumsverletzung vor, soweit die Kosten der Sanierung nicht den damit verbundenen Ertragswertvorteil für den Eigentümer übersteigen. Eine Reduktion der Zustandsverantwortlichkeit kann nicht zum Ziel haben, den Eigentümer von den Folgen einer von außen kommenden, unverschuldet erlittenen Eigentumsverletzung freizustellen, es soll lediglich ein Eigentumseingriff durch die behördliche Sanierungsverfügung verhindert werden. Eine Haftungsbegrenzung muß daher aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht schon dann zum Tragen kommen, wenn der Eigentümer "Opfer" der Störung ist, sondern allein dann, wenn er "Opfer" einer allein im Allgemeininteresse vorgenommenen Sanierung wäre. Im Rahmen der hier wiederum vorzunehmenden Abwägung wird man regelmäßig (aber nicht zwangsläufig) zu dem Ergebnis kommen, daß zumindest die Duldung der Sanierung nicht enteignend wirkt bzw. in die Risikosphäre des Eigentümers fällt. Zu klären bleibt letztendlich, in welcher Form die Haftungseinschränkung konstruktiv durchgeführt werden soll. Hier werden wiederum unterschiedliche Auffassungen vertreten.
191 Papier, Altlasten 50 f.; ders., NVwZ 1986, 256, 261 ; ders., DVBl. 1985, 873, 876; ders., UTR 1, 59, 71 ; Gantner, 215 ; Hohmann, DVBL 1984, 997 ff.
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I. Störerverantwortlichkeit nach Allg. Polizei- und Ordnungsrecht
Im Anschluß an Friauf und Rasch19 2 ist nach Ansicht eines Teiles der Literatur die Haftungsbegrenzung bereits auf der Störerebene durchzuführen. Nach dieser Auffassung ist für den Fall, daß nach dem o. G. eine Inanspruchnahme auszuscheiden hat, der Eigentümer nichtStörerund kann im Rahmen der Störungsbeseitigung nur als Notstandspflichtiger in Anspruch genommen werden. Die sich hieraus ergebende Haftungsreduktion halten Rohmann und Papier193 für zu weitreichend, da aufgrund der Einstufung des Eigentümers als Notstandspflichtiger die verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässige Statuierung einer entschädigungslosen Duldungspflicht ausgeschlossen werde. Dieses Ergebnis werde dadurch vermieden, daß der Eigentümer oder Sachherr zwar Störer bleibe, die Inanspruchnahmemöglichkeit jedoch verfassungskonform auf die Verpflichtung zur Duldung behördlicher Sanierung reduziert werde. Gegen eine Reduzierung der Haftung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Störereigenschaft wendet sich Seibert mit dem Hinweis, daß so primäre und sekundäre ordnungsrechtliche Verpflichtungen auseinanderfielen194 . Es erscheint tatsächlich zweifelhaft, die sich aus der Störereigenschaft ergebende direkte Ordnungspflicht des Eigentümers oder Sachherrn bestehen zu lassen und allein die Ersatzpflicht für behördliche Maßnahmen einzuschränken. Dadurch könnte im Einzelfall derjenige materiell besser stehen, der sich seinen unmittelbaren polizeirechtlichen Verpflichtungen entzieht. Diesem Widerspruch versuchen Papier und Gantner zu entgehen, indem sie nicht allein die sekundäre Ausgleichspflicht, sondern auch die primäre Ordnungspflicht auf "Duldung" beschränken195 • Gegen eine solche Lösung spricht jedoch, daß die Polizeigesetze eine "teilweise" Störerstellung nicht vorsehen. Dementsprechend wird von dieser Auffassung auch nicht deutlich gemacht, an welchem Tatbestandsmerkmal genau die verfassungskonforme Reduktion anzusetzen hat. Nicht zwingend erscheint es auch, wenn diejenigen, die die Störereigenschaft bejahen, dies damit begründen, daß bei Verneinung der Störereigenschaft die Inanspruchnahme grundsätzlich auszuscheiden habe. Richtig ist zwar, daß nach dem eindeutigen Gesetzestext jeder nur entweder Störer oder Notstandspflichtiger sein kann, hieraus ergibt sich jedoch nicht notwendigerweise die Konsequenz, daß bei einem komplexen Störungssachverhalt die Einstufung als Störer oder Notstandspflichtiger einheitlich zu gelten hat. Denkbar und mit dem Gesetzestext ver192 Friauf, Festschrift für Wacke, 297, 303; ders. in v. Münch, Bes. VerwR., 218; Ule/ Rasch, § 5 Rn. 13; Selmer, Gedenkschrift für Martens, 484, 491 f., 502. 193 Hohmann, DVBL 1984, 997 ff.; Papier, Altlasten, 50 f.; ders., NVwZ 1986, 256, 261; ders., DVBl. 1985, 873, 876; ders., UTR 1, 59, 71. 194 Seibert, DVBl. 1985, 328 ff.; so auch Selmer, Gedenkschrift für Martens, 484, 491 f. 195 Gantner, 215; Papier, Altlasten, 50 f.; ders., NVwZ 1986, 256, 261; ders., DVBl. 1985, 873, 876; ders., UTR 1, 59, 71.
E. Mehrheit von Störern
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einbar erscheint eine Einstufung des Eigentümers der störenden Sache partiell als Störer, partiell als Notstandspflichtiger. Nach dem Wortlaut der Polizeigesetze kommt es zur Zustandshaftung immer dann, wenn von einer Sache eine Gefahr ausgeht. Dieses Merkmal erscheint einer wertenden Subsumtion zugänglich. Es ist zwar der Begriff der Gefahr nicht ohne weiteres teilbar, zu einer Haftung des Eigentümers oder Sachherrn führt ihr Vorliegen jedoch nur insoweit, als sie von der Sache ausgeht bzw. verursacht wird. Wird bei wertender Beurteilung der Ursachenzusammenhang zwischen Sache und Gefahr immer nur dann und insoweit bejaht, als die Störung entsprechend dem o. G. Kehrseite der Nutzungs- oder Verwendungsmöglichkeit ist bzw. als die Störungsbeseitigung die Nutzungs- und Verwendungsmöglichkeit wiederherstellt, ergibt sich ohne weiteres eine Begrenzung der Störerhaftung in der gewollten und verfassungsrechtli~h erforderlichen Weise. Nach der hier vertretenen Ansicht ist damit der Eigentümer oder Inhaber der Sachherrschaft ausnahmsweise insoweit nicht Störer, als Ursache des störenden Sachzustandes von außen kommende, nicht in der Risikosphäre des Eigentümers liegende Umstände sind. In der Risikosphäre des Eigentümers liegt dabei die Störungsbeseitigung unabängig von der Störungsursache immer insoweit, als der Eigentümer aus wirtschaftlichen Gründen die Störungsbeseitigung vernünftigerweise selbst hätte vornehmen müssen. E. Mehrheit von Störern Sind für ein und dieselbe Störung mehrere Störer verantwortlich, stellt sich die Frage, wer von ihnen in Anspruch zu nehmen ist (1.) und ob dem in Anspruch Genommenen gegen den/die Mitstörer ein Ausgleichsanspruch zuwächst (2.). Beide Fragen stehen miteinander im Zusammenhang, da ein Bedürfnis für einen Ausgleichsanspruch des zunächst in Anspruch Genommenen um so mehr besteht, als die Ordnungsbehörde bei der Auswahl des in Anspruch zu Nehmenden frei ist bzw. sich bei ihrer Auswahl nicht nach den Kriterien der materiellen Verantwortlichkeit zu richten hat. 1. Auswahlermessen bei einer Mehrheit von Störern
Ist für dieselbe Störung mehr als ein Störer verantwortlich, ist zu klären, inwieweit die handelnde Ordnungsbehörde unter den Störern frei auswählen kann. Aus dem Gesetzestext ergibt sich ein eindeutiger Hinweis auf eine etwa einzuhaltende Rangfolge nicht. Dementsprechend wurde von der früher herrschenden Meinung die von der Ordnungsbehörde zu treffende Auswahlentscheidung als nicht oder nur sehr begrenzt nachprüfbare Ermessensentscheidung angesehenl96.
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I. Störerverantwortlichkeit nach Allg. Polizei- und Ordnungsrecht
Im Rahmen der Nachprüfung behördlicher Ermessensentscheidungen nach§ 114 VwGO wurden jedoch in der Folgezeit immer weitergehende und immer härtere Anforderungen an eine sachgerechte Ermessensausübung gestellt. Danach ist bei der Störerauswahl hauptsächlich entscheidender Gesichtspunkt die Schnelligkeit und Effektivität der behördlichen Maßnahme197. Gleichzeitig wurden für die Störerauswahl auch zunehmend materielle Gerechtigkeitskriterien in den Vordergrund gestellt. So soll nach neuerer Rechtsprechung von mehreren Handlungsstörern derjenige vorrangig in Anspruch genommen werden, der die zeitlich letztel98 und schwerwiegendste Ursache gesetzt hatl 99 ; bei Handlungs- und Zustandsstörern soll vorrangig der Handlungsstörer, unter mehreren Handlungsstörern2oo vorrangig der sogenannte Doppelstörer201 in Anspruch genommen werden. In der Literatur hat diese Rechtsprechung teilweise Zustimmung gefunden. Zur Begründung wird das Prinzip der materiellen Gerechtigkeit bzw. der Gleichheitsgrundsatz202, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz2os, das allgemeine Rechtsgefühl204 sowie das Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs2os herangezogen. Ohne hier die sehr umfangreichen Darstellungen der Literatur zu diesem Thema vollständig würdigen zu können, erscheint gerade der zuletzt genannte Gesichtspunkt beachtenswert. Legt man den Satz zugrunde, daß eine behördliche Eingriffsentscheidung nur dann rechtmäßig ist, wenn durch sie zur Erreichung des gewollten Zwecks so gering wie möglich in private Rechte eingegriffen wird, ist die Behörde bei einer Mehrheit von Störern stets gehalten, die materielle Letztverantwortlichkeit zu berücksichtigen. Zutreffend erscheint eine vorrangige Inanspruchnahme des Letztverantwortlichen in jedem Falle, solange die Effektivität oder Schnelligkeit der Gefahrenbeseitigung nicht unter der behördlichen Auswahlentscheidung zu leiden hat. In den von der Rechtsprechung entschiede196 PrOVG 36, 400; 65, 368, 375; 77, 484, 486; 105, 229, 231; OVG HH, DVBL 1955, 542; Franzen, 246; Jellinek, 443 f. 197 PrOVG 70, 419, 422; OVG RhPf., VR 19, 849; OVG Münster, DVBL 1973, 924, 928; Wolff/Bachof III, 71; Schenke in Steiner, Bes. VerwR., Rn. 100. 198 PrOVG 90, 326, 334; VGH Stg., DVBL 1950, 475, 477. 199 OVG Münster, DVBL 1973, 924, 928. 20o OVG RhPf., VR 19, 848; VG Schleswig, NJW 1976, 820; BayVGH, BayVwBL 1974, 342; 1984, 16 = NJW 1984, 1196; OVG Münster, DVBL 1964, 683; 1971, 828; Drews/Wacke/Vogel/Martens, 305; Schenke in Steiner, Bes. VerwR., Rn. 100; Ule/ Rasch,§ 5 Rn. 21; Scholler/Broß, 212; Fleischer, 68 ff.; Kloepfer, NuR 1987, 7, 18 = UTR 1, 17, 48. 201 BayVGH, BayVwBl. 1978, 340; 1984, 16 = NJW 1984, 1196 f. ; Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 219; Drews/Wacke/Vogel/Martens, 305; Ule/Rasch, § 5 Rn. 22; Scholler/Broß, 212; Schenke in Steiner, Bes. VerwR., Rn. 100; Kloepfer, NuR 1987, 7, 18 = UTR 1, 17, 48. 202 Ule/Rasch, § 5 Rn. 21; vgl. Schwabe, UPR 1984, 7, 8; Brandt, Altlasten, 57 f. 2oa VG Schleswig, NJW 1976, 820. 204 BayVGH, BayVwBl. 1984, 16 = NJW 1984, 1196 f. 2os Fleischer, 68 ff.; OVG RhPf., VR 19, 849, 850.
E. Mehrheit von Störern
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nen Fällen20 6 war die behördliche Auswahlentscheidung beanstandet worden, weil sich die Ordnungsbehörde nicht der Mühe unterzogen hatte, neben dem ihr bekannten Zustandsstörerauch den Handlungsstörer zu ermitteln, um so eine vollständige Sachentscheidungsgrundlage zu haben. Auch soweit in der Literatur materielle Gerechtigkeitskriterien in den Vordergrund gestellt werden, findet sich kein ausdrücklicher Hinweis, wonach die Effektivität der Störungsbeseitigung als Kriterium zurückzutreten hätte. Tatsächlich stände eine solche Einschränkung der behördlichen Auswahlmöglichkeiten im direkten Widerspruch zum Sinn und Zweck des Ordnungsrechtes, der schnellen und umfassenden Gefahren- und Störungsbeseitigung. Ist jemand nach dem o. G. Störer und damit polizeipflichtig, kann diese Polizeipflicht nicht dadurch faktisch erlöschen, daß ein anderer Störer materiell vorrangig verantwortlich ist. Die Inanspruchnahme eines Störers, der nach den Kriterien Pflichtwidrigkeit und Risikosphäre für eine Störung einzustehen hat, kann nicht dadurch zwangsläufig rechtswidrig werden, daß ein anderer Störer materiellletztendlich vorrangig haftet. Bei Beachtung der Zielsetzung der Polizeigesetze, einer schnellen und effektiven Störungsbeseitigung, erscheint es sogar konsequent, materielle Gerechtigkeitskriterien nur nachrangig zu berücksichtigen2o7. Dies stellt auch keine Verletzung des Prinzips des geringstmöglichen Eingriffs dar, da hierdurch nur solche Maßnahmen ausgeschlossen werden, die über das zur Erreichung des Zieles der schnellen und effektiven Störungsbeseitigung Notwendige hinausgehen. Ohne Beeinträchtigung des Erfolges der ordnungspolizeilichen Maßnahmen ist jedoch eine vorrangige Inanspruchnahme des materiell Letztverantwortlichen bei Störungsbeseitigungen im Wege der unmittelbaren Ausführung durch Ersatzvornahmen möglich. Diese Fallkonstellation wird bei Altlastensanierungen vergleichsweise häufig vorliegen. Aber auch hier kann eine Einschränkung des behördlichen Auswahlermessens nicht soweit gehen, daß die Behörde durch Inanspruchnahme nicht leistungsfähiger Störer mit ihren Ersatzansprüchen ausfällt und der leistungsfähige nachrangige Verantwortliche frei wird. Fraglich bleibt, wie die Behörde zu verfahren hat, wenn mehrere gleichrangig anteilig verantwortlich sind. Hier erscheint eine Inanspruchnahme pro rata materiell sachgerecht. Auch wenn das Gesetz eine solche Möglichkeit nicht ausdrücklich vorsieht, spricht dies nicht gegen eine anteilige 206 BayVGH, BayVwBl. 1974, 342; 1984, 16 = NJW 1984, 1196 f.; VG Schleswig, NJW 1976, 820. 207 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Bes. VerwR., 305; Götz, Rn. 234 ff.; Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 219; Schenke in Steiner, Rn. 100; Scholler/Broß, 212 ; Pietzcker, JuS 1986, 719, 722; Papier, Altlasten, 77 f.; ders., DVBl. 1985, 873, 879; ders., NVwZ 1986, 256, 262; Kloepfer, Altlasten, 111 ff.; ders., NuR 1987, 7, 18 = UTR 1, 17, 47 ; Kormann, UPR 1983, 281 ; Schwabe, UPR 1984,7, 8.
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Kostenverteilung208 . Wenn die Behörde zwischen mehreren Störern frei auswählen kann, erscheint es widersinnig, ihr die Inanspruchnahme mehrerer Störer gleichzeitig zu untersagen. Entsprechend dem o. G. ist jedoch dann, wenn die Leistungsfähigkeit eines Mitstörers zweifelhaft ist, der vorrangig in Anspruch zu nehmen, der letztlich leistungsfähig ist. Im Rahmen der Begrenzung des Auswahlermessens wie auch bei der Inanspruchnahme für Kosten der Ersatzvornahme dürfen keinesfalls zu hohe Anforderungen an die behördliche Ermessensausübung gestellt werden. Die Behörde hat, wie bei jeder Entscheidung, das Verhältnismäßigkeitsprinzip und den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, so daß eine willkürliche, offenbar materiell verfehlte Inanspruchnahme auszuscheiden hat. Die Ordnungsbehörde ist jedoch weder verpflichtet noch in der Lage, zwischen den Beteiligten letztendlich materielle Gerechtigkeit herzustellen. Die Frage, wer von mehreren an einer Störung Beteiligten materiell letztverantwortlich ist, kann endgültig nur zwischen den Beteiligten und nicht durch Hoheitsakt entschieden werden. Abgesehen davon, daß die Behörde regelmäßig die zwischen den verschiedenen Beteiligten möglicherweise bestehenden Vertragsbeziehungen nicht kennt und auch nicht befugt und in der Lage ist, hieraus rechtsverbindliche Schlüsse zu ziehen, ist sie in einer Vielzahl von Fällen auch außerdem nicht fähig, verbindlich festzustellen, wer von mehreren Verantwortlichen vorrangig haftet. Selbst der zunächst einleuchtende Satz, daß bei gleicher Eignung zur Schadensbeseitigung der Handlungsstörer vorrangig vor dem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen sei, erscheint bei näherer Betrachtung nicht zwingend. Grundlage der Zustandshaftung ist die Zurechnung einer Gefahr zur Risikosphäre des Eigentümers bzw. Sachherrn; Grundlage der Handlungshaftung ist entweder die Pflichtwidrigkeit des störungsverursachenden Tuns oder dessen Zurechnung zur Risikosphäre des Handelnden. Sind beispielsweise Abfälle, wie sich erst nach der Ablagerung herausstellt, giftverseucht, kann der Ablagernde als Handlungsstörer nicht aufgrund einer Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens, sondern allein deshalb in Anspruch genommen werden, weil der störungsverursachende Umstand in seiner Risikosphäre lag. Der Deponieeigentümer oder -Betreiber ist als Zustandsstörer ebenfalls aus dem Gesichtspunkt der Risikosphäre haftbar. Hier erscheint es keinesfalls·so, daß der Handelnde materiell der Gefahr näher steht als der Inhaber oder Betreiber der Deponie209. Für beide Seiten gilt, daß sie als Kehrseite für die gezogenen wirtschaftlichen Vorteile einen sich nachträglich hieraus ergebenden Nachteil zu tragen haben. In einem solchen Fall die 2os Wolff/Bachof III, 71; Schwabe, UPR 1984, 7, 8; Kormann, UPR 1983, 281, 284; Friauf in v. Münch, Bes. VerwR., 218; VGH Stg., DVBI. 1950, 475; VG Ffm., DVBl. 1965, 779 f . 209 a . A. Schwabe, UPR 1984, 7, 8.
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Ordnungsbehörde zu der Abwägung, wer materiell letztverantwortlich ist, zu zwingen, wäre sicherlich verfehlt. Will man im Rahmen der Störerauswahl Gründe der materiellen Gerechtigkeit einfließen lassen, erscheint es allein gerechtfertigt und für die Behörde handhabbar, wenn sie bei gleich effektiver Störungsabwehr zunächst denjenigen in Anspruch zu nehmen hat, der die Störung durch pflichtwidriges Verhalten verursacht hat. Handeln mehrere pflichtwidrig oder ist die Störung der Risikosphäre mehrerer zuzurechnen, wird es in der Regel nicht möglich sein, das Kriterium der materiellen Gerechtigkeit bzw. Letztverantwortlichkeit zur Grundlage einer ermessensfehlerfreien Störerauswahlentscheidung der Ordnungsbehörde zu machen. 2. Ausgleichsansprüche zwischen mehreren Verantwortlichen
Unabhängig davon, wie weitgehend die Ordnungsbehörde bei ihrer Auswahlentscheidung zwischen mehreren für eine Störung Verantwortlichen durch das Kriterium der materiellen Gerechtigkeit eingeschränkt wird, sind immer Fälle denkbar, in denen nicht der Letztverantwortliche in Anspruch genommen wurde und so das Bedürfnis für einen Rückgriffsanspruch entsteht. Entsprechendes gilt, wenn unter mehreren gleichrangig Verantwortlichen allein ein Störer in Anspruch genommen wurde. Oft wird sich ein solcher Ausgleichsanspruch aus vertrags-oder deliktsrechtlichen Vorschriften ergeben, so daß es hier eines allein aus der ordnungsbehördlichen Inanspruchnahme resultierenden Anspruchs nicht bedarf. Es sind jedoch Fallkonstellationen denkbar, in denen zwischen mehreren Störern weder vertrags- noch deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen eingreifen. In dem bereits geschilderten Fall einer Ablagerung von Abfällen, die, wie sich erst später herausstellte, vergiftet waren210 , ist der Ablagernde Handlungsstörer, der Deponieeigentümer Zustandsstörer. Es ist jedoch auf keiner der beiden Seiten ein schuldhaftes, Schadensersatzansprüche begründendes Verhalten erkennbar. Ein Ausgleichsanspruch des in Anspruch Genommenen gegenüber dem von der Behörde verschonten Störer könnte sich daher allein aus den Vorschriften über eine Geschäftsführung ohne Auftrag oder als Gesamtschuldausgleich nach§ 426 BGB ergeben. Ein Ausgleichsanspruch aus GoA §§ 677, 683, 670 BGB wird regelmäßig nicht zum Tragen kommen. Unabhängig von der Frage, ob es zur Begründung eines solchen Anspruchs ausreicht, wenn der Geschäftsherr "auch" in fremdem Interesse handelt, wird es in der Regel am Fremdgeschäftsführungswillen fehlen. Wird einer von mehreren Störern in Anspruch genommen, liegt kein objektiv fremdes, sondern ein objektiv eigenes oder neutrales Geschäft vor, so daß der erforderliche Fremdgeschäftsführungswille sich 21o
BGH, NJW 1984, 2457 f.
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nach außen manifestieren muß211 • Dies wird sowohl bei einer Störungsbeseitigung durch den Störer selbst als auch bei dem Ausgleich von Ersatzvornahmekosten nicht der Fall sein, da nach außen erkennbar allein die Ordnungsverfügung Grundlage der Handlung ist und eine Verpflichtung zum Handeln objektiv allein den in Anspruch genommenen Störer trifft21 2. Ein Bereicherungsanspruch gemäߧ§ 812 ff. BGB zugunsten des als Störer in Anspruch Genommenen muß in jedem Falle ausscheiden, da eine Leistung in bezugauf die Behörde und nicht an den begünstigten Mitstörer vorliegt. Ein Bereicherungsanspruch scheitert damit am Grundsatz des Vorrangs der Leistungsbeziehung213. Nach noch herrschender Meinung ist auch eine Anwendung des § 426 BGB bei einer Mehrheit von Störern ausgeschlossen2 14. Die Rechtsprechung begründet ihren Standpunkt damit, daß die für die Gesamtschuld charakteristische Gleichstufig- und Gleichartigkeit der Verbindlichkeit nicht vorliege215. Darüber hinaus wird auf die Gefahr der Statuierung im Gesetz nicht vorgesehener Gefährdungshaftungstatbestände im Zivilrecht hingewiesen. Papier ist der Auffassung, die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit konkretisiere sich erst durch die polizeirechtliche Verfügung, so daß gar keine Schuldnermehrheit vorliege216. Die herrschende Lehre dagegen hält eine Anwendung des § 426 BGB für möglich217 . Begründet wird dies damit, daß die Voraussetzungen einer Gesamtschuld eben doch vorlägen, da alle diejenigen, die zur vollständigen Beseitigung einer Störung verpflichtet seien, dieselbe Leistung ganz schuldeten, die Behörde diese Leistung jedoch nur von einem Verantwortlichen einmal verlangen könne. Der herrschenden Lehre ist zuzustimmen. Das von der herrschenden Meinung zur Begründung ihres Standpunktes angeführte Argument der mangelnden Gleichrangigkeit ist weder dogmatisch zwingend noch materiell gerechtfertigt. Die Gleichrangigkeit der Verpflichtung der einzelnen Schuldner ist, wie Koch, Kloepfer und Seibert zutreffend darlegen, nach § 421 BGB nicht Voraussetzung, sondern in der Regel Folge der GesamtPalandt, Thomas, § 677, Anm. 3 b. Kloepfer, Altlasten, 126. 213 Palandt, Thomas, § 812, Anm. 5 B b. 214 BGH, NJW 1981, 2457 f. ; Papier, Altlasten, 73; ders., DVBL 1985, 873, 79 ; ders., NVwZ 1986, 256, 263; ders., UTR 1, 59; Ule/Rasch, § 5 Rn. 21 f.; Fleischer, 83. 21s BGH, NJW 1981, 2457 f. 2 16 Papier, Altlasten, 73; ders., DVBL 1985, 873, 879; ders., NVwZ 1986, 256, 263; ders., UTR 1, 59 80. 217 Seibert, DÖV 1983, 964 ff.; Kormann, UPR 1983, 281, 285; Schwabe, UPR 1984, 7 ff.; Kloepfer, Altlasten, 135 ff.; ders., NVwZ 1987, 7, 18 = UTR 1, 17, 49; Koch, Kostentragung, 18 f .; Bodensanierung, 71; Breuer, JuS 1986, 359, 364; ders., NVwZ 1987, 751, 756; Pietzcker, JuS 1986, 719, 722; Drews/Wacke/Vogel/Martens, 302; Brandt, Altlasten, 59. 211
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schuld218. Die Beschränkung der Behörde in der Störerauswahl durch besondere öffentlich-rechtliche Vorgaben läßt, wie bereits dargelegt219, die Störereigenschaft des nicht vorrangig in Anspruch zu Nehmenden nicht entfallen, die Beschränkung des Auswahlermessens legt nur die Rangfolge der Inanspruchnahme fest, sie führt nicht zum Erlöschen der materiell bestehenden Polizeipflichtigkeit. Die Bindung der Behörde an eine bestimmte Rangfolge schließt daher dogmatisch nicht die Anwendung der Gesamtschuldvorschriften aus. Materiell erschiene es zudem widersinnig, die Anwendung des § 426 BGB, die letztendlich eine gerechte Haftungsaufteilung zum Ziele hat, daran scheitern zu lassen, daß man aus denselben Gerechtigkeitserwägungen die handelnde Ordnungsbehörde in ihrem Auswahlermessen beschränkt hat. Entsprechend dem o. G. ist es sicherlich zutreffend, die Behörde in ihrem Auswahlermessen insoweit einzuschränken, als die materielle Letztverantwortlichkeit offensichtlich ist220; ist dies jedoch nicht der Fall, oder mußte die Behörde im Interesse einer raschen und effektiven Störungsbeseitigung einen nachrangig Verantwortlichen in die Pflicht nehmen, darf das nicht dazu führen, daß das der Beschränkung des Auswahlermessens zugrundeliegende Ziel der materiellen Gerechtigkeit letztendlich vereitelt wird. Das von der herrschenden Meinung im Rahmen der Beschränkung des Auswahlermessens angestrebte Ziel der materiellen Gerechtigkeit kann letzten Endes nicht zufriedenstellend von einer unter Zeitdruck handelnden und nicht umfassend informierten Ordnungsbehörde, sondern allein auf dem Zivilrechtswege erreicht werden. Soweit der BGH durch Anerkennung eines Ausgleichsanspruchs die Gefahr der Schaffung einer gesetzlich nicht geregelten zivilrechtliehen Gefährdungshaftung sieht, ist dem entgegenzuhalten, daß durch Anwendung des § 426 BGB keine neuen Ansprüche geschaffen werden, sondern materielllediglich das Erlöschen einer Verpflichtung durch zufällige Inanspruchnahme Dritter verhindert werden soll. Der Auffassung Papiers221, der unter Hinweis auf eine erst durch die Ordnungsverfügung konkretisierte Handlungspflicht die für eine Gesamtschuld erforderliche Störermehrheit verneint, kann mit Peine222 entgegengehalten werden, daß die Ordnungspflicht ohne polizeirechtliche Inanspruchnahme bestehe und die Polizeiverfügung lediglich Vollstreckungsgrundlage sei. Voraussetzung für den Erlaß einer Polizeiverfügung ist die aus der Störerstellung folgende materielle Pflicht zur Beseitigung der Störung. Die Ordnungsverfügung ist Grundlage und Voraussetzung der polizeirechtlichen 21s
18 f.
219 220
221 222
Seibert, DÖV 1983, 964, 973; Kloepfer, Altlasten, 135 f .; Koch, Kostentragung, s. o. I.E.l., bei Fn. 207. s.o. I.E.l., bei Fn. 206. Papier, 74; a. A. Pietzcker, JuS 1986, 719, 722. Peine, DVBL 1980, 941, 948.
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Vollstreckungsmaßnahmen und entspricht damit dem Titel im Zivilrecht. Die Situation vor Erlaß der Verfügung ist der zivilrechtliehen Situation vor Erlangung des Titels vergleichbar. Auch wenn man dagegen mit Papier eine qualitative Veränderung der Stellung des Störers mit Erlaß der Ordnungsverfügung annimmt, ändert dies nichts daran, daß sämtliche Störer nach den polizeirechtlichen Vorschriften zumindest mit der Inanspruchnahme zu rechnen hatten. Eine direkte Anwendung des § 426 Abs. 1 BGB mag unter Zugrundelegung dieser Auffassung ausgeschlossen sein, allein das Fehlen des formellen Aktes der Polizeiverfügung nimmt der Störereigenschaft jedoch nicht die Vergleichbarkeit mit der direkten Schuldnerstellung; zumindest eine analoge Anwendung des § 426 Abs. 1 BGB auf sämtliche für eine bestimmte Störung Ordnungspflichtigen, ist damit geboten. Zutreffend erscheint es dagegen, wenn mit Papier eine Anwendung des § 426 Abs. 2 BGB auf öffentlich-rechtliche Verpflichtungen ausgeschlossen wird. Der durch polizeiliche Verfügung konkretisierte Anspruch auf Störungsbeseitigung kann in dieser Form allein von der Ordnungsbehörde geltend gemacht und durchgesetzt werden. Ein Anspruchsübergang auf private Mitstörer ist damit ausgeschlossen. Der Gesamtschuldausgleich zwischen mehreren Störern ist auf den jedem Störer zustehenden originären Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB beschränkt. Hierdurch nicht geklärt ist jedoch die Höhe des von jedem einzelnen Störer zu tragenden Haftungsanteils. Die Regelung des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Zweifelsregelung, die bei einer Mehrheit von Störern lediglich dann zur Anwendung kommt, wenn materiell tatsächlich gleichrangige Verantwortlichkeit vorliegt. Bei unterschiedlichen Verursachungsbeiträgen sind die Haftungsanteile in analoger Anwendung des§ 254 BGB festzulegen 223 • Derjenige, der pflichtwidrig handelt, wird in jedem Falle vor demjenigen, der nur aus dem Gesichtspunkt der Zuordnung zur Risikosphäre verantwortlich ist, in Anspruch zu nehmen sein. Haben mehrere pflichtwidrig gehandelt, ist der Grad des Verschuldens gegeneinander abzuwägen. Liegt die Störung, ohne daß diese durch pflichtwidriges Verhalten verursacht wäre, in der Risikosphäre mehrerer, muß hieranhandder Gesichtspunkte, die zur Zuordnung der Störung zur Risikosphäre geführt haben, abgewogen werden.
223
Seibert, DÖV 1983, 964, 974; Kloepfer, Altlasten, 137; Koch, Kostentragung, 19.
II. Störerverantwortlichkeit für Umweltbeeinträchtigungen nach Abfallrecht Nachfolgend wird zunächst unter A. auf die Grenzen der Anwendung des AbfG eingegangen. Anschließend werden unter B. die einzelnen Normen des AbfG auf ihre Bedeutung als haftungsbegründende Vorschriften hin untersucht. A. Anwendungsbereich des Abfallgesetzes
Die Regelung der Abfallbeseitigung unterliegt nach Art. 74 Nr. 24 GG der konkurrierenden Gesetzgebung. Von seiner Befugnis hat der Gesetzgeber durch Erlaß des AbfG im Jahre 1972 Gebrauch gemacht. Soweit die speziellen Regelungen des AbfG sachlich reichen, werden die allgemeinen polizeirechtlichen Vorschriften verdrängt. Sachlich wird durch § 1 AbfG geklärt, auf welche Stoffe und Ablagerungen sich das AbfG bezieht. Danach sind Abfälle "bewegliche Sachen, derer sich der Besitzer entledigen will oder deren geordnete Beseitigung zur Wahrung des Wohles der Allgemeinheit geboten ist. " Der Subsumtion unter den Abfallbegriff kommt damit im Rahmen der Anwendung des AbfG zentrale Bedeutung zu. Zur Zeit der Entstehung des Abfalls macht die Einschränkung auf bewegliche Sachen regelmäßig keine Schwierigkeiten. Wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks und damit unbewegliche Sache kann der Abfall jedoch durch Versickerung und Vermischung mit Boden und Grundwasser im Laufe der Zeit werden1 • Die Folgen von Abfallablagerungen sind damit nicht zwangsläufig selbst Abfall, auch wenn hier gerade die Schutzgüter des Abfallgesetzes besonders betroffen sein können. Dieser Tatsache trägt das AbfG jedoch Rechnung, indem es Regelungen über den ordnungsgemäßen Betrieb und die Sanierung von stillgelegten Deponien aufstellt. Die Versikkerung und Vermischung von Abfall mit Boden und Wasser führt mithin nicht zu einer sachlichen Regelungslücke im Abfallrecht.
Subjektiv ist all das Abfall, dessen sich der Besitzer entledigen will. Unabhängig von Qualität und Wert sollen Gegenstände, die der Besitzer zu Abfall erklärt, einer ordnungsgemäßen Entsorgung zugeführt werden2 • 1 2
Schink, DVBl. 1985, 1149, 1151. Schink, DVBl. 1985, 1149, 1152.
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li. Störerverantwortlichkeit nach Abfallrecht
Nach der objektiven Komponente der Definition sind Abfallall die Gegenstände, deren geordnete Beseitigung im Interesse des Wohls der Allgemeinheit geboten ist. Der objektive Abfallbegriff setzt damit anders als der subjektive keine Willensäußerung des Besitzers voraus. Der Wille des Besitzers ist hier ohne Bedeutung3 • Wegen der entscheidenden und weitreichenden Wirkung dieser Definition wird ergänzend hierzu nach überwiegender Ansicht das Kriterium des Wertes und der Wiederverwendbarkeit eingeführt. Danach ist all das Abfall, was objektiv geringwertig oder wertlos ist und keinem vernünftigem Zweck mehr dient und dem damit ein Gebrauchswert nicht mehr zukommt4 • Diese Auffassung ist freilich nicht unbestritten. Schink ist der Meinung, daß die genannten Kriterien mit der Abfalldefinition entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes nichts zu tun haben5 • Er will jedoch wiederum beide Kriterien wertend im Rahmen der konkreten Subsumtion unter den Abfallbegriff heranziehen, weil sie im Hinblick auf die Zulässigkeit eines Grundrechtseingriffs durch gegen den Willen des Abfalleigentümers erfolgte Entsorgung Beurteilungskriterien darstellten. Eine ähnliche Auffassung vertreten Hösel/v. Lersner, die ebenfalls der Meinung sind, die überwiegende Rechtsprechung schränke den Abfallbegriff ohne Grundlage im Gesetz zu weit ein6. Im Ergebnis wird hier, ähnlich Schinks Auffassung, einer "fallbezogenen Beurteilung" der Vorzug gegeben. Schink ist insofern zuzustimmen, als das Gesetz ausdrücklich über Wert und Wiederverwendbarkeit nichts sagt. Die genannten Kriterien sind darüber hinaus heute noch unschärfer als früher. Ob eine Sache keinem ver,nünftigen Zweck mehr dient und damit keinen Gebrauchswert mehr hat, läßt sich in Zeiten, in denen das sog. "Recycling" einen immer breiteren Raum einnimmt, immer schwerer beurteilen. Es ist jedoch mit dem Wortsinn von Abfall nicht vereinbar, wenn man darunter grundsätzlich alle Stoffe faßt, deren geordnete Beseitigung im Interesse des Wohls der Allgemeinheit liegt. Der Gesetzgeber setzt bei dem Definitionsversuch in § 1 AbfG bereits einen festen Wortsinn voraus7 • Schon begrifflich kann Abfall nur dann vorliegen, wenn durch Änderung der Beschaffenheit einer Sache der ursprüngliche Verwendungszweck entfällt oder im Rahmen von Lebensvorgängen Stoffe an- bzw. abfallen, ohne daß dies das Ziel der jeweiligen Handlung ist. Legt man diese Kriterien bei der Definition von Abfall im Sinne des AbfG zugrunde, ergibt sich ohne weiteres eine von der herrschenden Meinung gewollte Beschränkung der ausdrücklichen gesetzlichen Definition. Hösel/v. Lersner, AbfG § 1 Rn. 9. BayOLG, NJW 1974, 156; NJW 1974, 157; NJW 1975, 397; OLG Hamm, NuR 1980, 134; BayVGH, Gew. Arch. 1981, 233 ; Hoschützky/Kreft, AbfG § 1, 1.2. s Schink, DVBL 1985, 1149, 1152. s Hösel/v. Lersner, AbfG § 1 Rn. 9. 7 Hösel/v. Lersner, AbfG § 1 Rn. 9. 3 4
A. Anwendungsbereich des Abfallgesetzes
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Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist gleichwohl entsprechend der o. g. Auffassung Schinks und Hösel/von Lersners8 für jeden Einzelfall anhand von Kriterien wie "Stärke des Eingriffs ins Eigentum", aber z. B. auch "Wert" und "Wiederverwendbarkeit", zu ermitteln, ob Abfall vorliegt. Nur im Rahmen einer zutreffenden zurückhaltenden Subsumtion unter den Abfallbegriff können rechtswidrige Eingriffe in das durch Art. 14 GG geschützte Eigentum vermieden werden, da das Gesetz im Falle des Vorliegens von Abfall zwingende Folgen festsetzt, die bei unzutreffender Subsumtion unter den Abfallbegriff zu einem unzulässigen Eingriff in das Eigentum führen 9 . Kommt es im Zusammenhang mit Ablagerungen von Abfall zu Wasserverunreinigungen, stellt sich die Frage, ob das AbfG oder aber das WHG Anwendung findet. Durch§ 1 Abs. 3 Nr. 5 AbfG wird klargestellt, daß ausschl. das WHG Anwendung findet, wenn Stoffe in Gewässer, Kanalisation oder Kläranlagen eingeleitet oder eingebracht werden. Im Falle einer zielgerichteten, gewässerbezogenen Maßnahme 10 sind damit allein die Regelungen des WHG einschlägig. Fraglich bleibt jedoch die Abgrenzung bei wassergefährdenden Abfallablagerungen, die nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 5 AbfG erfüllen. Beide Gesetze sind als Bundesrecht gleichrangig, so daß bei einer möglichen Überschneidung der Anwendungsbereiche sich nicht zwingend der Vorrang des einen oder anderen Gesetzes ergibt. In § 2 AbfG ist jedoch die Nichtbeeinflussung der Gewässer eines der aufgezählten Beispiele für die Nichtbeeinträchtigung des Wohles der Allgemeinheit, dem Schutzgut des AbfG. Der Gesetzgeber unterstellt damit dem AbfG, welches nach dem WHG in Kraft getreten ist, die Antwort auf wasserwirtschaftlich relevante Fragen. Die herrschende Meinung11 zieht daraus den Schluß, daß der Gesetzgeber den Geltungsbereich des WHG bewußt relativiert habe und das AbfG daher die vorrangigen spezielleren Bestimmungen enthalte. Aber auch wenn man dieser Auffassung nicht folgtl 2 , läßt sich aus § 2 AbfG zumindest der Schluß ziehen, daß die Anwendung des AbfG nicht durch Eingreifen von Vorschriften des WHG ausgeschlossen sein kann. Die zeitliche Grenze für die Anwendbarkeit des AbfG ergibt sich aus dem Zeitpunkt des Inkrafttretens am 11. 6. 72 und aus der inhaltlichen Ausgestaltung der einzelnen Vorschriften. Übergangsvorschriften existieren nicht. s Schink, DVBl. 1985, 1149, 1152; Hösel/v. Lersner, AbfG § 1 Rn. 9. 9 Schink, DVBl. 1985, 1149, 1153. 1o Zu den Begriffen: "einleiten" und "einbringen" i. S. d. WHG s. u. III.B.l., bei
Fn. 11.
11 BVerwG, NJW 1984, 2427; Sautter, ZfW 1974, 213, 216 f. ; Schink, DVBl. 1986, 161; Hösel/v. Lersner, AbfG § 2 Rn. 17; Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG § 26 Rn. 15; Schreier, ZfW 1984, 333; Brandt/Lange, UPR 1987, 11, 13; Salzwedel, ZfW 1983, 84, 89. 12 Kloepfer, Altlasten, 27 ; Sieder/Zeitler/Dahme, WHG § 26 Rn. 2 b.
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li. Störerverantwortlichkeit nach Abfallrecht B. Einzelregelungen des Abfallrechts 1. § 3 AbfG- Verpflichtung zur Beseitigung von Abfällen
Nach§ 3 Abs. 1 AbfG ist der Besitzer von Abfällen verpflichtet, diese dem Entsorgungspflichtigen zu überlassen. Der Abfallbesitzer ist damit nicht selbst zur Abfallbeseitigung verpflichtet. § 3 Abs. 1 AbfG verdrängt aufgrundseiner Spezialität im Rahmen seines Geltungsbereichs das allgemeine Polizeirecht. Derjenige, der nach den allgemeinen Vorschriften als Zustandsstörer zur Beseitigung von Abfallablagerungen hätte herangezogen werden können, ist nach § 3 Abs. 1 AbfG lediglich zur Überlassung der Abfälle an den Beseitigungspflichtigen verpflichtetl3. In § 3 Abs. 4 wird jedoch unter Verweis auf§ 3 Abs. 3 AbfG festgelegt, daß bei Vorliegen von Sondermüll der Besitzer selbst zur Abfallbeseitigung verpflichtet ist. Das Gesetz geht zwar davon aus, daß es sich bei Abfall nur ausnahmsweise um Sondermüll handelt; Umweltbeeinträchtigungen, hervorgerufen durch Abfall, sind jedoch in der Regel die Folge der besonderen Gefährlichkeit des gelagerten Abfalls, so daß für die hier zur Untersuchung stehenden Fälle in der Regel von Sondermüll ausgegangen werden kann und damit die Beseitigungspflicht dem Abfallbesitzer selbst obliegt. Eine Eingriffsgrundlage zur Durchsetzung der bestehenden Verpflichtung enthält das AbfG nicht, so daß, soweit nicht in einzelnen Landesabfallgesetzen eine spezielle Eingriffsgrundlage besteht, die allgemeinen polizeirechtlichen Eingriffsgrundlagen zum Tragen kommen. Derjenige, der der sich aus § 3 Abs. 4 AbfG ergebenden Handlungspflicht nicht nachkommt, ist Handlungsstörer und kann als solcher zur Beseitigung der in dem Verstoß liegenden Störung in Anspruch genommen werden. Ist eine Boden- oder Wasserverunreinigung Folge einer pflichtwidrigen Nichtbeseitigung, hat der Pflichtige eine nach dem allgemeinen Polizeirecht zurechenbare Ursache auch für diese Störung gesetzt und kann als Handlungsstörer zur Beseitigung der Folgen seines rechtswidrigen Verhaltens herangezogen werden. 2. § 4 Abs. 1 AbfG -geordnete Entsorgung von Abfällen
In § 4 wird festgelegt, daß Abfälle nur in dafür zugelassenen Anlagen behandelt, gelagert oder abgelagert werden dürfen. Eine ordnungsrechtliche Eingriffsgrundlage zu Lasten des unrechtmäßig Lagernden bzw. Ablagernden stellt die Vorschrift nicht dar. Sie kann jedoch Grundlage eines Einschreitens nach den landesabfallrechtlichen Eingriffsgrundlagen sein oder im Rahmen der polizeirechtlichen Generalklausel als Rechtmäßigkeitsmaßstab Bedeutung gewinnen. Jede Abfallablagerung auf nicht zugelasse13
BVerwGE 67, 8 = DVBI. 1983, 637 = NuR 1983, 233.
B. Einzelregelungen des Abfallrechts
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nen Anlagen stellt damit selbst einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit dar. Der Abfallerzeuger, der die von ihm produzierten Abfälle vorschriftswidrig lagert oder ablagert, verstößt gegen geschriebenes Recht und verursacht so eine polizeirechtlich relevante Störung. Er kann damit nicht nur auf Beendigung der rechtswidrigen Lagerung, sondern, soweit weitere Störungen unmittelbare Folge der Lagerung sind, auch auf deren Beseitigung in Anspruch genommen werden. Voraussetzung für eine Verletzung des § 4 Abs. 1 ist es jedoch, daß die normwidrige Behandlung, Lagerung oder Ablagerung nach lokrafttreten des Abfallgesetzes im Jahre 1972 geschah. Bei der Lagerung handelt es sich um eine Dauerhandlung, so daß hier allein entscheidend ist, daß die Lagerung auch in der Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes noch andauerte. Bedient sich der Abfallproduzent eines Dritten zur Beseitigung der Abfälle, kann ihm dessen Verhalten nur zugerechnet werden, wenn der Dritte als Vertreter des Abfallproduzenten ablagert. Ansonsten verstößt allein der Dritte gegen die sich aus § 4 ergebende Rechtspflicht. 3. § 11 AbfG- Anzeigepflicht des Abfallbesitzers, Überwachung durch die Behörde
Bei dieser Vorschrift handelt es sich wiederum nicht um eine behördliche Eingriffsgrundlage. Es werden jedoch Duldungs- und Auskunftspflichten des Abfallbesitzers im Interesse einer umfassenden behördlichen Überwachung statuiert. Durch das "4. Gesetz zur Änderung des AbfG" 14 sind Verschärfungen der bisherigen Regelung durch Ausdehnung der Überwachung auf stillgelegte Anlagen und Erweiterung des auskunftspflichtigen Personenkreises eingetreten. 4. § 8 Abs. 1 Satz 3 AbfG -nachträgliche Nebenbestimmungen bei genehmigten Abfallentsorgungsanlagen
a. Anwendungsbereich der Vorschrift Nach der Vorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 3 AbfG kann die zuständige Behörde den Betrieb von genehmigten Abfallbeseitigungsanlagen durch Befristungen, Bedingungen oder Auflagen reglementieren, um Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit zu verhindern. § 8 Abs. 1 dient damit erkennbar in erster Linie dazu, den Eintritt von Umweltbeeinträchtigungen von vornherein zu verhindern. Auf den hier zur Untersuchung stehenden Problemkreis der Haftung für bereits eingetretene Umweltbeeinträchtigungen ist die Vorschrift jedoch gleichwohl anwendbar, da durchaus Fälle denkbar sind, in denen z. B. durch Versickerungen Umweltbeeinträchtigun14
Vom 27. August 1986.
6 Ziehm
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genbereits eingetreten sind, aber gleichwohl (weitere) Beeinträchtigungen der Schutzgüter des AbfG durch Befristungen, Bedingungen oder Auflagen verhindert werden können. Solche nachträglichen Nebenbestimmungen können jedoch allein im Hinblick auf nach Inkrafttreten des AbfG angelegte und genehmigte Anlagen ergehen. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang mit Satz 1 des § 8 Abs. 1 AbfG, der sich seinerseits auf § 7 AbfG und das darin mit Inkrafttreten des AbfG neu geschaffene Planfeststellungsverfahren bezieht. Gerichtet werden können Anordnungen nach § 8 Abs. 1 Satz 3 an den Inhaber der Abfallbeseitigungsanlage, also denjenigen, der die tatsächliche Sachherrschaft ausübt. Hierzu zählt in jedem Falle der Betreiber der Anlage, aber auch der Eigentümer des Grundstücks. Voraussetzung für die Verhängung von Auflagen oder sonstigen Nebenbestimmungen ist nach§ 8 Abs. 1 Satz 1 deren Erforderlichkeit zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit. Unter welchen Umständen eine Verletzung des Wohls der Allgemeinheit gegeben ist, läßt sich der abschließenden Aufzählung des § 2 AbfG entnehmen. Die Voraussetzungen zum Einschreiten nach dem AbfG sind danach nicht nur bei Gesundheitsgefährdungen für Menschen ~d anderen Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gegeben, sondern darüber hinaus bei Gefährdung von Tieren, der schädlichen Beeinflussung von Gewässern, Boden und Pflanzen, schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Lärm und bei Verletzungen der Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege und des Städtebaues. Das Abfallrecht stellt damit erheblich schärfere Anforderungen an den ordnungsgemäßen Betrieb von Abfallbeseitigungsanlagen als das allgemeine Ordnungsrechtl5. Inhaber und Betreiber von noch in Betrieb befindlichen Abfalldeponien können damit grundsätzlich bei aus der Lagerung von Abfall resultierenden Umweltschäden aufgrund der spezialgesetzlichen Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 3 AbfG in Anspruch genommen werden. Soweit eine solche Inanspruchnahme möglich ist, ist kein Raum mehr für die Anwendung der allgemeinen polizeirechtlichen Vorschriften.
b. Rechtmäßigkeit nachträglicher Regelungen Eingriff in den Bestand der Genehmigung Fraglich ist jedoch, ob gegen den Betreiber bzw. Eigentümer einer genehmigten Abfalldeponie gerichtete nachträgliche Nebenbestimmungen nicht wegen eines damit verbundenen Eingriffs in die bestandskräftige Anlagegenehmigung rechtswidrig sind. Es geht damit wiederum um die Frage, ob und inwieweit öffentlich-rechtlichen Genehmigungen Legalisierungswirkung 15
Papier, Altlasten, 7; Hösel/v. Lersner, AbfG § 9 Rn. 2.
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zukommen soll. Entsprechend dem o. G.1 6 ist eine solche Legalisierungswirkung grundsätzlich anzuerkennen. Nachträgliche Eingriffe in den Bestand der Genehmigung sind an den Vorschriften der§§ 48 f. VwVfG zu messen. Wurden beim Erlaß der Anlagegenehmigung erkennbare Tatsachen übersehen, die schon nach damaliger Rechts- und Sachlage eine Auflage zur Wahrung der Belange des Allgemeinwohls (§ 2 Abs. 1 AbfG) erforderlich gemacht hätten, stellt sich die Anlagegenehmigung als rechtswidriger Verwaltungsakt dar. Rechtswidrige Verwaltungsakte können auch mit Wirkung für die Vergangenheit unter den Voraussetzungen des§ 48 VwVfG zurückgenommen werden. Nach § 48 Abs. 3 VwVfG kann ein rechtswidriger, begünstigender Verwaltungsakt jederzeit zurückgenommen werden, jedoch allein unter Ausgleich des dem ursprünglich Berechtigten entstandenen Vertrauensschadens. Ein im konkreten Fall Schützenswertes Vertrauen des Inhabers einer Genehmigung nach dem AbfG könnte vorliegend fehlen, weil die Möglichkeit des Erlasses von nachträglichen Nebenbestimmungen in§ 8 Abs. 1 Satz 3 gerade vorgesehen ist. Entsprechend der Regelung des § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG, die auch auf rechtswidrige Verwaltungsakte entsprechend anwendbar istl 7 , ist eine Rücknahme begünstigerlder Verwaltungsakte bei entsprechendem Vorbehalt im Verwalttingsakt oder der zugrundeliegenden Norm möglich. Gegen eine Rücknahmemöglichkeit spricht jedoch der Anspruch des Betreibers darauf, daß die Genehmigungsbehörde entsprechend ihrer Verpflichtung nach § 24 VwVfG den Sachverhalt von Amts wegen vollständig ermittelt und damit alle z. Zt. derErteilungder Genehmigung erkennbaren Tatsachen berücksichtigt. § 8 Abs. 1 Satz 3 hat damit weder aus der Sicht des Betroffenen noch nach dem Willen des Gesetzgebers18 den Sinn, Nachlässigkeiten der Behörden auszugleichen. Gewollt ist, daß die Anpassung bestehender Anlagen an die technische und wissenschaftliche Entwicklung sichergestellt wird19 . Nur so konnte der Genehmigungsempfänger den Auflagenvorbehalt verstehen. Soweit der Betreiber also bei Antragstellung die Behörde nicht getäuscht hat und auch ansonsten die Rechtswidrigkeit der Genehmigung nicht kannte, ist eine entschädigungslose Rücknahme oder Änderung der Anlagegenehmigung, ohne daß dies auf Änderung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes beruht, wegen Fehlenseiner Entschädigungsregel in§ 8 Abs. 1 Satz 3 nicht möglichzo. Werden Auflagen und Nebenbestimmungen dagegen erst durch ein Fortschreiten des Kenntnisstandes erforderlich, ist unabhängig von der Frage nach der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Anlagegenehmigung2 1 deren 16 17
1s 19
2o 21
s.o. I.C.l.a., bei Fn. 43 ff.; I.D.l.a., bei Fn. 157 ff. Kopp, VwVfG § 49 Rn. 7. Kloepfer, Altlasten, 41. Vgl. Schenke, DVBl. 1976, 740, 748; Kloepfer, Altlasten, 40 f. I. Erg. gleich, Kloepfer, Altlasten, 41. s.o. I.C.l.d., nach Fn. 73 ; I.D.l.c., bei Fn. 165.
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Verhängung nach§ 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG möglich, da der Auflagenvorbehalt im Gesetz z. Zt. der Genehmigungserteilung bestand. Auflagen und Nebenbestimmungen sind damit nach § 8 Abs. 1 Satz 3 AbfG insoweit zulässig, als ihr Grund in Tatsachen liegt, die bei Genehmigungserteilung noch nicht vorlagen bzw. erkennbar waren. c. Einschränkung der Zulässigkeit nachträglicher Auflagen und Nebenbestimmungen durch § 17 Abs. 2 BlmSchG
§ 17 Abs. 2 BimSchG verbietet nachträgliche Anordnungen, wenn diese unverhältnismäßig sind, insbesondere der mit der Erfüllung der Anordnung verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem angestrebten Effekt steht. Fraglich ist, ob § 17 Abs. 2 BimSchG auf Auflagen und Nebenbestimmungen nach dem AbfG Anwendung findet 22 • Ursprünglich war in § 8 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz, ausdrücklich klargestellt, daß § 25 Abs. 3 GewO, der Vorläufer des § 17 Abs. 2 BlmSchG, anzuwenden sei. Mit Inkrafttreten des BimSchG wurde diese Regelung gestrichen. Als Begründung hierfür wurde vom Innenausschuß des BT angeführt, daß eine Anwendung des § 17 Abs. 2 BimSchG auf Abfallbeseitigungsanlagen ohnehin klar sei23 • Zwei Jahre zuvor bei Erlaß des AbfG war der 2. Halbsatz des § 8 Abs. 1 Satz 3 eingeführt worden, um die Voraussetzungen für nachträgliche Auflagen bei allen nach§ 16 Gewü genehmigungspflichtigen Anlagen gleichzufassen24. Hierin sehen Hösel/v. Lersner einen Widerspruch25 . Nach ihrer und Schinks Auffassung ist § 17 Abs. 2 BimSchG auf Abfallbeseitigungsanlagen nicht anzuwenden, da das AbfG in § 3 von dem Primat öffentlich-rechtlicher Abfallbeseitigung ausgehe und damit in der Regel die Kosten der Abfallbeseitigung und der durch Auflagen verursachten Mehrkosten durch öffentlich-rechtliche Gebühren gedeckt würden26. Mir scheint jedoch der von Hösel/v. Lersner gesehene Widerspruch nicht zu bestehen. Die Streichung des 2. Halbsatzes des § 8 Abs. 1 Satz 3 AbfG führt entsprechend der Auffassung, die zur Zeit des Inkrafttretens des AbfG vertreten wurde, zu einem Wegfall der Anwendbarkeit des § 17 Abs. 2 BlmSchG auf die Auflagen nach dem AbfG. In der späteren BundestagsDrucksache27 wurde lediglich klargestellt, daß § 17 Abs. 2 unabhängig von 22 Bejahend: Hoppe, 125 f.; NJW 1977, 1849 ff.; verneinend: Schink, DVBL 1985, 1149, 1155; Hösel/v. Lersner, AbfG § 8 Rn. 11, § 9 Rn. 19; Meßerschmidt, NVwZ 1984,
565 f.
23 BT-Drs. 7/1513, S. 9; vgl. auch Feldhaus, BimSchG § 17, III; Hösel/v. Lersner, AbfG § 8 Rn. 1, 2, 11. 24 BT-Drs. VI/3154, S. 4, 13; vgl. Hösel/v. Lersner, AbfG § 8 Rn. 1, 2, 11. 25 Hösel/v. Lersner, AbfG § 8 Rn. 2, 11. 26 Schink, DVBL 1985, 1149, 1155; Hösel/v. Lersner, AbfG § 8 Rn. 11. 27 BT-Drs. 7/1513, S. 9.
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der Streichung auf Abfallbeseitigungsanlagen Anwendung finden könne. Beide Aussagen stehen im Einklang, wenn man bei Abfallbeseitigungsanlagen, die dem BlmSchG unterfallen, sowohl Auflagen nach AbfG als auch nach BlmSchG für möglich hält. Für diese Betrachtungsweise spricht, daß das AbfG und das BlmSchG unterschiedliche Zielrichtungen haben2s und Auflagen unter unterschiedlichen Voraussetzungen ergehen können. Nach § 17 Abs. 1 BlmSchG sind Auflagen u. a. möglich, wenn sich "herausstellt", daß Nachbarn oder die Allgemeinheit nicht ausreichend geschützt sind. Voraussetzung für den Erlaß von Auflagen ist damit nicht, wie bei§ 8 Abs. 1 Satz 3 AbfG, eine "Änderung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes". Andererseits sind Auflagen nach § 17 Abs. 1 BlmSchG nur möglich bei nicht ausreichendem Schutz vor Umweltbeeinträchtigungen oder sonstigen Gefahren bzw. bei erheblichen Nachteilen oder Belästigungen. Die Eingriffsvoraussetzungen des BlmSchG sind damit teilweise enger, teilweise weiter als die des AbfG. Beide Vorschriften nebeneinander anzuwenden erscheint damit sachgerecht und dogmatisch richtig. Geht man somit von einer unabhängigen Geltung beider Gesetze nebeneinander aus, führt eine Anwendung des § 17 Abs. 2 BlmSchG auf Abfallablagerungen nur zu einer Einschränkung von Auflagen nach § 17 Abs. 1 BlmSchG, nicht jedoch von Auflagen nach dem Abfallrecht. 5. § 9 AbfG -Eingriffe in vor Inkrafttreten des AbfG angelegte Anlagen
a. Anwendungsbereich der Vorschrift Entgegen der Regelung des§ 8 Abs. 1 AbfG bezieht sich die Vorschrift des § 9 AbfG auf vor Inkrafttreten des Gesetzes angelegte Anlagen. Die Vorschrift entspricht inhaltlich § 9 Abs. 2 AbfG in der bis 1986 geltenden Fassung. Nach§ 9 AbfG kann der Betrieb dieser "Altanlagen" bei Gefährdung des Allgemeinwohls (§ 2 Abs. 1 AbfG) durch Bedingungen, Befristungen oder Auflagen eingeschränkt werden bzw. bei erheblichen Beeinträchtigungen des Allgemeinwohls untersagt werden. Bei den genannten Bedingungen und Befristungen handelt es sich, anders als bei§ 8 Abs. 1, um selbständige Verwaltungsakte, da ein abfallrechtlicher Genehmigungsbescheid gerade nicht vorliegt 29 • Im Rahmen der Anwendung des § 9 AbfG wird, wie schon bei § 8 Abs. 1 Satz 3 AbfG, die Auffassung vertreten, daß, soweit eine Deponie zugleich eine Anlage im Sinne des BimSchG darstelle, sie nur nach Maßgabe des § 17 2s 2s
Hoschützky/Kreft, AbfG § 9, 2.4. Hösel/v. Lersner, AbfG § 9 Rn. 18.
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Abs. 2 BlmSchG mit Auflagen belegt werden dürfe30 . § 9 AbfG hat jedochgenau wie § 8 Abs. 1 Satz 3 AbfG - einen von § 17 Abs. 1 BlmSchG abweichenden Anwendungsbereich31. Sowohl die Eingriffsvoraussetzungen als auch die jeweils zu treffenden Maßnahmen sind entsprechend der unterschiedlichen Zweckrichtung beider Gesetze bei § 9 AbfG und bei § 17 Abs. 1 BlmSchG unterschiedlich32. Sachgerecht erscheint damit eine voneinander unabhängige Anwendung beider Rechtsgrundlagen für Auflagen auf den jeweiligen Lebenssachverhalt Nach jedem Gesetz- einzeln betrachtet- muß die Anlage zulässig sein. Dies ist nur sichergestellt, wenn jedes Gesetz einzeln angewendet wird. Liegt ein Verstoß gegen eines der Gesetze vor, ist allein mit dem Instrumentarium des verlEitzteri Gesetzes gegen den Störer vorzugehen. Das abfallrechtliche Eingriffsinstrumentarium kann damit nicht den einschränkenden Regeln des BlmSchG unterstellt werden33. b. Rechtmäßigkeit des § 9 AbfG
Fraglich ist, inwieweit die Regelung des § 9 AbfG rechtmäßig ist. § 9 AbfG könnte wegen der durch Zugrundelegung der Schutzgüter des § 2 Abs. 1 AbfG gegenüber früherem Recht verschärften Anforderungen mit höherrangigen verfassungsrechtlichen Grundsätzen kollidieren. Zunächst ist zu untersuchen, ob (aa) und inwieweit (bb) durch § 9 AbfG in bestehende Rechtspositionen eingegriffen wird. Nachfolgend (cc) wird anhand der unterschiedlichen denkbaren Fallkonstellationen die Zulässigkeit dieser Eingriffe untersucht.
aa. Eingriff des § 9 AbfG in bestehende Genehmigungen oder die Rechtsstellung des ungenehmigt legalen Betriebes der Anlage Eine Kollisionslage könnte sich insoweit ergeben, als durch Einführung des § 9 AbfG bei bestehenden legalen Anlagen die Anforderungen an den ordnungsgemäßen Betrieb gegenüber der früheren Rechtslage verschärft wurde. War für die vor Inkrafttreten des§ 9 AbfG angelegten Anlagen eine Genehmigung erteilt, könnte ein Eingriff bereits aus dem Grundsatz der Legalisierungswirkung öffentlich-rechtlicher Genehmigungen unzulässig sein34. Die Legalisierungswirkung öffentlich-rechtlicher Genehmigungen Jo Hoppe, NJW 1977, 1849 ff. 31 Hoschützky/Kreft, AbfG § 9, 2.4. 32 . s.o. II.B.4.c., nach Fn. 28. 33 Schink, DVBL 1985, 1149, 1155; Hösel!v. Lersner, AbfG § 10 Rn. 15, § 8 Rn. 2, 11. 34 s. o. I.C.l.a., bei Fn. 43 ff.; I.D.l.c., bei Fn. 165.
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ist entsprechend dem o. G. unabhängig davon, ob man sie aus dem Rechtsstaatsprinzip oder im Einzelfall aus dem durch Art. 14 GG geschützten Eigentum herleiten will, Ausdruck des Rückwirkungsverbotes. Zu klären ist daher, ob durch die nach § 9 möglichen Auflagen Schützenswertes Vertrauen des Anlagehetreibers in den rechtmäßigen Bestand der ursprünglichen Genehmigung verletzt wird. Auch bei ungenehmigt legalen Altanlagen wurde durch Einführung des § 9 Abs. 2 AbfG (a. F. entspr. § 9 n. F.) in Rechtspositionen eingegriffen. Zu klären ist, ob und inwieweit ein solcher Eingriff in den ungenehmigt legalen Bestand der Anlage zulässig ist. Auch hier wird damit zu klären sein, inwieweit durch die Rechtsänderung Schützenswertes Vertrauen in unzulässiger Weise verletzt wurde. bb. Kein Eingriff in bestehende Rechte bei bereits bestehender Eingriffsmöglichkeit nach anderen Vorschriften Die gegenüber dem allgemeinen Polizeirecht schärferen Regelungen des Abfallbeseitigungsgesetzes greifen nur insoweit in bestehende Rechtspositionen ein, als nicht schon nach altem Recht Eingriffe möglich waren.
Bei genehmigungslos legalen alten Abfallablagerungen war von jeher ein Eingreifenaufgrund allgemeinen Polizeirechts möglich. Ein Schützenswertes Vertrauen des Anlagenbetreibers, das ein Einschreiten zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verbietet, ist bei diesen Anlagen nicht erkennbaras. Bei nach Gewerberecht genehmigten Abfallablagerungen war vor Geltung des AbfG eine entschädigungslose Entziehung der Genehmigung ausgeschlossen. Es war allein die entschädigungspflichtige Rücknahme nach§ 51 GewO vorgesehen36 • Nachträgliche Anordnungen wurden ausdrücklich erst durch die Einführung des § 25 Abs. 3 GewO im Jahre 1959 zugelassen37 • Nach dieser Vorschrift konnten Anordnungen getroffen werden zur Vermeidung von Nachteilen und Belästigungen für die benachbarten Grundstücke und des Publikums überhaupt. § 25 Abs. 3 GewO war die Konkretisierung der allgemeinen Polizeipflicht auch für genehmigte Anlagenas. Die Regelung enthält dementsprechend nicht wie das Abfallrecht gegenüber den allgemeinen Polizeigesetzen geringere Eingriffsvoraussetzungen. § 25 Abs. 3 GewO Vgl. Papier, Altlasten, 7 f.; Schenke, DVBl. 1976, 240, 243. Vgl. §51 GewO; Schenke, DVBl. 1976, 240, 242; v. Mutius in Börner, Umwelt, Verfassung, Verwaltung, 203, 215. 37 Rohlfing/Kiskalt/Wolff, GewO 3. Aufl., § 25 Rn. 3; v. Mutius in Börner, Umwelt, Verfassung, Verwaltung, 203, 228. 38 v. Mutius in Börner, Umwelt, Verfassung, Verwaltung, 203, 229. 35 36
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II. Störerverantwortlichkeit nach Abfallrecht
deckt damit nur einen Teil des Anwendungsbereichs der abfallrechtlichen Eingriffsgrundlagen ab. Soweit die Regelung des § 25 Abs. 3 GewO reichte, ist durch Einführung des § 9 Abs. 2 AbfG für den Betreiber einer Anlage keine Verschärfung eingetreten, so daß insoweit auch kein Eingriff in bestehende Rechtspositionen vorliegen kann. Fraglich ist jedoch, ob nachträgliche Anordnungen nach § 25 Abs. 3 GewO für sämtliche Fälle, in denen sich nachträglich das Erfordernis von Auflagen herausstellte, möglich waren. Zu unterscheiden sind hier wiederum die Fälle, in denen von vornherein eine Auflage erforderlich gewesen wäre, also beim Erlaß der Genehmigung erkennbare Tatsachen übersehen wurden und die Fälle, in denen sich die Eingriffsvoraussetzungen erst durch nachträgliche Änderung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes ergaben39 . Bestand das Auflagenerfordernis schon von vornherein, war die Genehmigung ursprünglich rechtswidrig. Ein nachträglicher entschädigungsloser Eingriff in diese Genehmigung war ausgeschlossen, wenn der Genehmigungsinhaber in seinem Vertrauen auf den Bestand der Genehmigung schützenswert war. Das ist, mit Ausnahme von Täuschungen durch den Antragsteller im Genehmigungsverfahren, regelmäßig der Fall, da er auf eine vollständige Überprüfung des Sachverhaltes durch die Genehmigungsbehörde vertrauen konnte40 • Entsprechend der insoweit vergleichbaren Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 3 AbfG kann es nur Sinn des § 25 Abs. 3 GewO gewesen sein, der Behörde die Möglichkeit zu eröffnen, auf nachträgliche Veränderungen von Sachverhalt und Kenntnisstand entsprechend zu reagieren. Nicht Sinn des§ 25 Abs. 3 GewO ist es indes gewesen, das Risiko behördlicher Nachlässigkeiten und Fehler entschädigungslos auf den Betreiber einer Anlage abzuwälzen. Ein Eingriff nach § 25 Abs. 3 GewO war damit ausgeschlossen, soweit die Eingriffserfordernisse bei Genehmigungserteilung bereits bekannt bzw. erkennbar waren. Ist eine Auflage oder Nebenbestimmung durch einen fortentwickelten wissenschaftlichen oder tatsächlichen Kenntnisstand erforderlich geworden, stellt sie einen nachträglichen Eingriff in den Bestand eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes dar. Ein solcher Eingriff ist nach § 49 VwVfG, der letztlich lediglich eine Ausprägung des schon vor lokrafttreten der Vorschrift grundrechtlich geschützten Rückwirkungsverbotes ist41 , entschädigungslos nur möglich, wenn entweder die Rücknahmemöglichkeit bereits bei Erlaß des Verwaltungsaktes durch Rechtsvorschrift vorgesehen war (§ 49 II Nr. 1 VwVfG) 39 40
41
s. o. I.C.l.e., nach Fn. 75. s.o. I.C.l.d., nach Fn. 73. Kopp, VwVfG § 48 Rn. 114.
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oder bei nachträglichen Tatsachen(§ 49 II Nr. 3 VwVfG) oder Rechtsänderungen (§ 49 II Nr. 4 VwVfG) ohne Eingriff in den Bestand der Genehmigung öffentliche Interessen gefährdet wären und keine Verletzung schützenswerten Vertrauens vorläge. Bei nach Inkrafttreten des § 25 Abs. 3 GewO genehmigten Anlagen verstieß der nachträgliche Erlaß von Auflagen, die ihre Grundlage in Tatsachen haben, die bei Genehmigungserteilung noch nicht vorlagen bzw. erkennbar waren, nicht gegen verfassungsrechtliche durch den Vertrauensschutz begründete Schranken, da in diesen Fällen der Auflagenvorbehalt bei Genehmigungserteilung bekannt war. Bei vor 1959 genehmigten (Ur)Altanlagen könnten Zweifel an der Anwendbarkeit des § 25 Abs. 3 GewO bestehen. Mit der Einführung des § 25 Abs. 3 GewO ist eine der durch Einführung des § 9 Abs. 2 AbfG a. F. entstandenen vergleichbare Situation eingetreten. In beiden Fällen wurden Eingriffe in bestehende genehmigte Anlagen ennöglicht, die vor Inkrafttreten der jeweiligen Vorschrift nicht möglich waren. Wie dies bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des § 9 AbfG nachfolgend zu geschehen hat, ist damit im Rahmen der Prüfung der Anwendbarkeit des§ 25 Abs. 3 GewO auf vor 1959 genehmigte (Ur)Altanlagen zu überprüfen, ob mit Einführung der Vorschrift in unzulässiger Weise in den schützenswerten Bestand der Genehmigung für die (Ur)Altanlage eingegriffen wurde bzw. Schützenswertes Vertrauen in den unbeschränkten Fortbestand der Genehmigung verletzt wurde. Für die Unzulässigkeit einer Anwendung des § 25 Abs. 3 GewO auf vor 1959 genehmigte Anlagen spricht, daß die Betreiber solcher Anlagen mit
einer entschädigungslosen Beschränkung oder Entziehung ihrer Genehmigung nach den Regeln der Gewerbeordnung nicht zu rechnen brauchten. Die Regelung des§ 25 Abs. 3 GewO wurde jedoch in der Vergangenheit gleichwohl für verfassungsgemäß gehalten42 , da die Schaffung einer entschädigungslosen Eingriffsmöglichkeit zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums sei. Hiergegen ließe sich anführen, daß die Tatsache, daß § 25 Abs. 3 GewO Konkretisierung der Sozialpflicht des Eigentums sei, zwar eine Anwendung der Vorschrift auf nach ihrem Inkrafttreten angelegte Anlagen rechtfertige, nicht jedoch einen Eingriff in bestehende Genehmigungen ermögliche. Für eine Anwendung des § 25 Abs. 3 GewO auf (Ur)Altanlagen spricht jedoch, daß in dieser Vorschrift ausdrücklich das Kriterium der wirtschaftlichen Vertretbarkeit aufgenommen ist. Hierdurch wird der Behörde die Möglichkeit gegeben, im Rahmen einer zutreffenden Ermessensausübung die Allgemeininteressen gegen die Interessen des einzelnen abzuwägen. Es kann 42 v. Mutius in Börner, Umwelt, Verfassung, Verwaltung 203, 229; Schenke, DVBL 1976, 740, 742.
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letztlich kein Zweifel daran bestehen, daß auch bei noch so alten Anlagen über kurz oder lang eine Anpassung an den derzeitigen Stand der Technik möglich sein muß. Dies darf aber nicht übergangslos und abrupt unter Eingriff in bestehende Rechte geschehen; das Bundesverfassungsgericht fordert in vergleichbaren Fällen43 einen schonenden Übergang vom alten zum neuen Recht. Die Möglichkeit eines solchen schonenden Übergangs wird durch das Kriterium der wirtschaftlichen Vertretbarkeit ermöglicht, so daß es vertretbar erscheint, den § 25 Abs. 3 GewO auch auf vor seinem Inkrafttreten genehmigte Anlagen anzuwenden. Nach § 25 Abs. 3 GewO waren damit nachträgliche Anordnungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei genehmigten gewerberechtlichen Anlagen unabhängig von deren Alter möglich, soweit der Grund der Anordnung in einer Änderung der Tatsachen oder des Kenntnisstandes lag und nicht in Fehlern der Behörde bei Genehmigungserteilung.
Bei Vorliegen einer wasserrechtlichen Genehmigung waren seit Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes Auflagen nach§ 5 WHG möglich44. Nachträgliche Auflagen nach § 9 AbfG greifen, soweit sie auch schon nach allgemeinem Polizeirecht, Gewerberecht oder Wasserrecht möglich waren, nicht in bestehende Rechtspositionen ein. Soweit nach § 9 Auflagen im Interesse des Wohls der Allgemeinheit im Sinne des§ 2 Abs. 1 AbfG ergehen, die in ihrer Tragweite über das nach bisher geltendem Recht Zulässige hinausgehen, liegt dagegen ein Eingriff in bestehende Rechtspositionen vor. cc. Rechtmäßigkeit der Eingriffe nach§ 9 AbfG in bestehende Genehmigungen bzw. Rechtspositionen Der Zulässigkeitsmaßstab für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Eingriffen in bestandskräftige Genehmigungen ergibt sich entweder aus dem Rechtsstaatsprinzip, oder, wenn die Genehmigung im Einzelfall dem Eigentumsschutz unterfällt, aus der Spezialregelung des Art. 14 GG. Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 14 sind zulässig allein im Rahmen der Schrankenbestimmungen der Art. 14 Abs. 2 und 3 GG. Das AbfG enthält eine nach Art. 14 Abs. 3 GG erforderliche Entschädigungsregel nicht, so daß abfallrechtliche Eingriffe in das Eigentum nicht zulässig sind, soweit ein Sonderopfer vorliegt45. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit der Eingriffsgrundlagen ist damit allein, ob sich die durch sie erlaubten Eingriffe im Rahmen der Sozialbindung nach Art. 14 Abs. 2 GG halten. 43 44 45
BVerfGE 53, 336, 350; 43, 242, 288m. w. N. Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG § 5 Rn. 1. Hösel/v. Lersner, AbfG § 9 Rn. 21; Hoschützky/Kreft, AbfG § 9, 2.3.
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Der Sozialbindung unterfallen alle Regelungen, die eine funktionsgerechte Nutzung des Eigentums sicherstellen sollen46 . Dazu zählen Begrenzungen des Eigentums, die sich aus dessen besonderer Situation rechtfertigen47. Hierunter fallen u. a. Maßnahmen im Interesse des Natur- und Landschaftsschutzes48. Das Recht des Staates, in den Betrieb von laufenden Abfalldeponien zum Schutze der in § 2 AbfG aufgezählten Rechtsgüter einzugreifen, ist damit, soweit es sich um nach lokrafttreten des AbfG angelegte Deponien handelt, in der Regel Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Dies ist für die Frage der Zulässigkeit des Eingriffs in Altanlagen jedoch nicht allein entscheidungserheblich, da auch Regelungen, die für die Zukunft den verfassungsrechtlichen Erfordernissen des Art. 14 I GG entsprechen, unter dem Gesichtspunkt desselben Grundrechts verfassungswidrig sein können, soweit sie in Rechtspositionen eingreifen, die in der Vergangenheit entstanden sind49. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind rückwirkende Eingriffe nur dann Ausdruck der Sozialbindung und damit zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind50. Die in der früheren Rechtsprechung unter dem Stichwort "Vertrauensschutz" gebildeten Schranken der Rückwirkung sind nach der Rechtsprechung zu Art. 14 GG ebenfalls Ausdruck dieser Spezialregelung5l. Für die Beurteilung der Zulässigkeit rückwirkender Regelungen kommt es damit der Sache nach allein darauf an, inwieweit Schützenswertes Vertrauen verletzt wurde und nicht, welche Norm als Rechtmäßigkeitsmaßstab heranzuziehen ist. Grundsätzlich unzulässig sind rückwirkende Eingriffe in abgeschlossene Sachverhalte, d. h. Fälle der echten Rückwirkung52. Nur in eng umrissenen Ausnahmefällen, in denen sich aus unterschiedlichen Gründen kein Vertrauen des Betroffenen in die Bestandskraft der alten Rechtslage bilden konnte oder in denen zwingende Gründe des gemeinen Wohls dem Gebot der Rechtssicherheit übergeordnet sind, können abgeschlossene Sachverhalte durch rückwirkende Regelungen einer neuen Beurteilung unterzogen werden. Anders ist die Situation dann zu beurteilen, wenn eine "unechte Rückwirkung" vorliegt. Hiervon ist auszugehen, wenn ein Gesetz nur auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt53. Unzulässig ist die unechte Rückwirkung dann, wenn zum einen in Vertrauenstatbestände einBVerwGE 1, 2 ff.; Kimminich, BK Art. 14 Rn. 114. BGH, JZ 1979, 98, 99; Kimminich, BK Art. 14 Rn. 114. 48 BGH, JZ 1979, 93; Maunz, DÖV 1975, 3. 49 BVerfG, NJW 1982, 155. so BVerfG, NJW 1972, 145, 147; NJW 1976, 2024, 2925 f. 51 BVerfG, NJW 1972, 224, 226; Jarass, 85. 52 BVerfGE 25, 403 ; 13, 270; 14, 297; 15, 324; 18, 39; 21, 131 f.; Maunz/Dürig/ Herzog/Papier, GG, Art. 14 Rn. 333; Pieroth, Jura 1983, 121, 132. 53 BVerfGE 11, 139, 145 f.; Pieroth, Jura 1983, 121, 130. 46
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gegriffen wird und wenn zum anderen, nach einer Abwägung zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens des einzelnen und der Bedeutung der gesetzgeberischen Regelung für das Allgemeinwohl, die Vertrauensschutzgesichtspunkte schwerer wiegen54. Eine Abwägung kann hier nur für den jeweils zur Untersuchung stehenden Einzelfall bzw. für bestimmte Fallgruppen vorgenommen werden.
(1) Bei Inkrafttreten des AbfG abgeschlossene, genehmigte Ablagerungen Soweit ohne Vorliegen einer Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Auflagen an konkrete Abfallablagerungen anknüpfen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits beendet waren, wird in abgeschlossene Sachverhalte nachträglich eingegriffen. Der Inhaber der Anlage muß zum Zeitpunkt der Ablagerung, nicht zuletzt wegen der bestandskräftigen Genehmigung, nicht mit negativen Konsequenzen aus der rechtmäßig erfolgten Altablagerung rechnen. Sein Vertrauen in das Fortbestehen der Genehmigung ist schützenswert, da er vor Bekanntmachung des Regelungsinhaltes des AbfG nicht mit Eingriffen, die über das hinausgehen, was nach § 25 Abs. 3 GewO gefordert werden konnte, rechnen mußte. Diese Verletzung schützenswerten Vertrauens erfolgte, ohne daß dies durch das Vorliegen vorrangiger öffentlicher Interessen gerechtfertigt wäre. Zur Wahrung der Allgemeininteressen unter der Schwelle einer gleichzeitig vorliegenden Störung der Sicherheit und Ordnung reicht in jedem Falle eine Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers nicht als Störer, sondern in der Form eines Notstandspflichtigen, d. h. konkret ohne Kostentragungspflicht, aus.
(2) Bei Inkrafttreten des AbfG andauernde genehmigte Ablagerungen Erfolgten die Ablagerungen, die ein Vorgehen nach den hier zu prüfenden Normen rechtfertigen, sowohl vor als auch nach Inkrafttreten des AbfG, ist eine differenzierende Betrachtung erforderlich. Soweit die Verfügungen anteilig ihre Ursache in Altablagerungen haben, gilt hier das oben Gesagte entsprechend. Allein die Tatsache, daß nach Änderung der Rechtslage die ehemals zulässige und vor allem konsequenzlose Nutzung fortgesetzt wird, rechtfertigt im Hinblick auf die Altablagerungen keine abweichende Beurteilung. Jede andere Regelung würde in unverhältnismäßiger Weise in die Rechte des Eigentümers eingreifen. Derjenige, der nach Inkrafttreten des AbfG eine Deponie anlegt, kann sowohl bei der Investitionsentscheidung als auch bei der Gebührengestaltung die auf ihn mit der Neuregelung zukom54
Pieroth, Jura 1983, 121, 132 f. m. w. N.; Jarass, 87 .
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menden höheren Kosten einkalkulieren. Dies ist für denBetreibereiner Altdeponie nicht möglich. Soweit das AbfG keine Möglichkeit schafft, Ablagerungen vor Inkrafttreten und Ablagerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zu unterscheiden, ist damit ein Einschreiten der zuständigen Behörde immer dann ausgeschlossen, wenn Ursache für die Verfügung neben neueren Ablagerungen auch vor Inkrafttreten des Gesetzes erfolgte Ablagerungen sind und nicht auch ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorliegt, der ein ordnungsbehördliches Einschreiten direkt oder über § 25 Abs. 3 GewO gerechtfertigt hätte.
(3) Genehmigte Ablagerungen allein nach Inkrafttreten des AbfG Fraglich bleibt letztendlich, wie der Fall zu beurteilen ist, daß eine Deponie nach altem Recht angelegt und genehmigt wurde, die Ablagerungen, die Grundlage einer Verfügung im Sinne des§ 9 AbfG sind, jedoch allein nach Inkrafttreten des AbfG erfolgten. Hier ist, abweichend von von Mutius55 und mit Kloepfer56 , nicht von einer echten, sondern von einer unechten Rückwirkung auszugehen. Das Genehmigungsverfahren bzw. die Anmeldung wurde zwar vor Inkrafttreten des AbfG abgeschlossen, die Ablagerung selbst jedoch erfolgte, als die Regelungen des Abfallrechtes bereits bekannt waren. Eine unechte Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig, sie muß sich jedoch im Rahmen dessen halten, was zur Wahrung der öffentlichen Interessen dringend erforderlich ist5 7 • Hierbei sind die öffentlichen Interessen und die schützenswerten Belange des Betreibers der Abfalldeponie gegeneinander abzuwägen. Soweit eine abfall- oder wasserrechtliche Genehmigung vorliegt, können zur Abgrenzung zwischen Sozialbindung und Sonderopfer wiederum die Regeln des VwVfG herangezogen werden. Die nach dem neuen Abfallrecht zusätzlich möglichen Auflagen stellen einen teilweisen Entzug der ursprünglich auflagenfrei erteilten rechtmäßigen Genehmigung dar. Nach § 49 VwVfG ist ein auf einer Rechtsänderung beruhender Eingriff entschädigungslos nur hinzunehmen, wenn eine Gefahr für die öffentlichen Interessen vorliegt und das Vertrauen in den Bestand der Genehmigung nicht schützenswert ist. Eine Gefährdung öffentlicher Interessen ist mit Vorliegen der Eingriffsvoraussetzungen des§ 9 AbfG zu bejahen. Gegen ein Schützenswertes Vertrauen in den Bestand der Genehmigung spricht hier, daß zur Zeit der Ablagerung die Rechtsänderung bereits eingetreten war und daß es nicht sachgerecht erscheinen mag, denBetreibereiner unmittelbar vor lokrafttreten des AbfG genehmigten Anlage auf die Dauer 55
56 57
v. Mutius in Börner, Umwelt, Verfassung, Verwaltung, 203, 220. Kloepfer, Altlasten, 40; vgl. Schenke, DVBl. 1976, 740, 748. Pieroth, Jura 1983, 121, 132.
II. Störerverantwortlichkeit nach Abfallrecht
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besser zu behandeln, als denjenigen, der seine Anlage nach Inkrafttreten des AbfG angelegt hat. Zumindest insoweit jedoch ist das Vertrauen des Betreibers schützenswert, als er im Vertrauen auf die Bestandskraft der Genehmigung Investitionen getätigt hat, die er im Falle eines Wissens um die Rechtsänderung nicht vorgenommen hätte. Zur Vermeidung von Vertrauensverletzungen bei unechter Rückwirkung verlangt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung58 bei Fällen, in denen durch Rechtsänderungen in grundrechtlich geschützte Positionen eingegriffen wird, die Schaffung von Übergangsregelungen. Danach ist der Gesetzgeber verpflichtet, zur Vermeidung von Grundrechtsverletzungen durch Überleitungsvorschriften einen schonenden Übergang vom alten ins neue Recht zu ermöglichen. Durch eine Übergangsregelung wäre vorliegend vermieden worden, daß die im Vertrauen auf die Genehmigung vorgenommenen Investitionen im Einzelfall nutzlos werden können. Durch die Schaffung von Übergangsregelungen hätten letztlich auch die Interessen der Allgemeinheit im Sinne des § 2 Abs. 1 AbfG vollständig gewahrt werden können, so daß es nicht darauf ankommt, ob man diese im Rahmen einer Güterahwägung dem Vertrauensschutz des einzelnen überordnen will oder nicht. Eine Inanspruchnahme des Betreibers als Notstandspflichtiger, d. h. mit Duldungs-, aber ohne Kostentragungspflicht, hätte zu einer Sicherung der Schutzgüter des AbfG ohne Verletzung schützenswerten Vertrauens geführt. Der Eingriff nach § 9 hält sich damit, soweit der Bestand der Genehmigung zum Eigentum zurechnen ist und wenn Aufwendungen im Vertrauen auf die alte Sach- und Rechtslage gemacht wurden, die in Kenntnis der späteren Änderung nicht erfolgt wären, nicht im Bereich dessen, was jeder im Rahmen der Sozialpflichtigkeit entschädigungslos hinzunehmen hat, sondern stellt ein Sonderopfer dar. Fällt der Bestand der Genehmigung nicht unter den Schutzbereich des Art. 14 GG, liegt unter den genannten Umständen ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip vor. Die Anwendung des § 9 AbfG kann damit bei allen nach altem Recht genehmigten Anlagen zu Verstößen gegen Art. 14 Abs. 1 GG bzw. das Rechtsstaatsprinzip führen, wenn im Rahmen der Normanwendung über das hinausgegangen wird, was nach GewO und allgemeinem POR möglich war.
58
BVerfGE 53, 336, 350; 43, 242, 288m. w. N.; vgl. auch Maunz/Dürig/Herzog, GG,
Art. 29 Rn. 70.
B. Einzelregelungen des Abfallrechts
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(4) Ablagerungen auf vor Inkrafttreten des AbfG angelegten genehmigungsfreien legalen Anlagen Bei Ablagerungen auf ungenehmigt legalen Anlagen gilt grundsätzlich das zu genehmigten Anlagen Gesagte entsprechend, soweit auch hier im Vertrauen auf die bestehende Rechtslage Investitionen vorgenommen wurden, die bei Kenntnis einer bevorstehenden Rechtsänderung nicht oder nicht in dieser Form vorgenommen worden wären. Andererseits jedoch kann das Vertrauen in den Bestand der Rechtslage nicht als in dem Maße schützenswert angesehen werden wie das Vertrauen in den Bestand einer rechtmäßigen Anlagegenehmigungs9. Folgt man der oben dargelegten Schadenszurechnungslehre Pietzckersso von Pflichtwidrigkeit und Risikosphäre, ist festzustellen, daß die ungenehmigte Altablagerung zwar nicht pflichtwidrig war, sich eine Zurechnung jedoch aus dem Gesichtspunkt der Risikosphäre ergeben kann. Sicherlich nicht dem Risiko des Anlagenbetreiberg zuzurechnen ist eine nachträgliche Rechtsänderung für abgeschlossene Ablagerungen. Erfolgten die Ablagerungen auf einer nach altem Recht genehmigungslos legal angelegten Anlage jedoch allein nach Inkrafttreten des AbfG, erscheint eine Zurechnung der Störung auch bei Beachtung des Vertrauensschutzprinzips vertretbar. Bei dem Betreiber einer solchen Anlage konnte sich zum Zeitpunkt der Anlegung regelmäßig kein Schützenswertes Vertrauen dahingehend bilden, daß er auf unabsehbare Zeit entsprechend dem ursprünglichen Rechtszustand die Anlage würde weiter betreiben können. Eine Entscheidung kann hier nur im Rahmen einer fallbezogenen Interessenabwägung erfolgen6 I; liegen keine Umstände vor, die das Vertrauen des Anlagenbetreibers in eine fortgesetzte, unveränderte Ablagerungsmöglichkeit als besonders schützenswert erscheinen lassen, sind nachträgliche Auflagen, die an Ablagerungen nach Inkrafttreten des AbfG anknüpfen, regelmäßig zulässig.
(5) Ergebnis Im Ergebnis ist festzustellen, daß Eingriffe auf Grundlage des § 9 AbfG immer dann in grundrechtlich geschützte Positionen eingreifen, wenn Anknüpfungspunkt ganz oder teilweise vor Inkrafttreten des AbfG abgeschlossene Ablagerungen sind. Machen Ablagerungen nach Inkrafttreten des AbfG Auflagen im Interesse des Allgemeinwohls erforderlich, kann allein im Rahmen einer Einzelfallabwägung geklärt werden, ob Vertrauensschutzgesichtspunkte oder der Schutzzweck des § 9 AbfG höher zu bewer59
s. o. II.B.5.b.cc., bei Fn. 45 ff.
61
Jarass, 85; ähnlich auch Kunig/ Schwermer/Versteyl, AbfG § 9 Rn. 20.
so Pietzcker, DVBL 1984, 457.
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ten sind. Wurden auf Grundlage einer erteilten Genehmigung für spätere Ablagerungen Investitionen vorgenommen, die in Kenntnis der Änderung der Rechtslage nicht gemacht worden wären, wird dem Vertrauen des Anlagenbetreibers im Rahmen einer Güterahwägung der Vorrang einzuräumen sein, da die Wahrung des Allgemeinwohls auch ohne die für den einzelnen Kosten verursachende Störerinanspruchnahme denkbar ist. dd. Ermessensreduktion Fraglich bleibt, ob hieraus der Schluß zu ziehen ist, daß § 9 AbfG in der bestehenden Form verfassungswidrig ist oder ob eine verfassungskonforme Auslegung dieser Vorschrift möglich ist. Hösel/v. Lersner62, die die Frage einer unzulässigen Rückwirkung nur im Zusammenhang mit einer Entziehung der Genehmigung nach § 9 AbfG ansprechen, lösen das Problem, indem sie die vom Gesetz zur Voraussetzung einer Stillegungsverfügung gemachten "erheblichen Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit" nur dann als gegeben ansehen, wenn eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegt. Dieser Weg ist nach der hier vertretenen Auffassung, wonach auch nachträgliche Nebenbestimmungen in unzulässiger Weise in die Grundrechte des Betreibers eingreifen können, nicht möglich, da das Erfordernis der Erheblichkeit nach dem eindeutigen Gesetzestext nur für die Stillegungsverfügung, nicht aber für nachträgliche Auflagen gilt. § 9 AbfG eröffnet in der Rechtsfolge jedoch ein Ermessen, indem es für die zuständige Behörde bei Verletzungen der Rechtsgüter des§ 2 AbfG die Möglichkeit, nicht jedoch die Pflicht eröffnet, einzugreifen. Sinn einer Ermessensentscheidung ist es, der Behörde die Möglichkeit zu geben, jeden einzelnen Fall nach den besonderen dort anzutreffenden Kriterien zu beurteilen und besondere Belange des Pflichtigen in die Entscheidung mit einfließen zu lassen. Nicht Sinn einer Ermessensnorm kann es dagegen sein, bestimmte Merkmale, die zunächst zu einer Verwirklichung des Eingriffstatbestandes führen, auf der Rechtsfolgenseite wieder auszuklammern. Ein solches Vorgehen stellt eine unzulässige Vermengung von Normgeltungs- und Normanwendungsbereich dars3.
Nach alledem erscheint eine Reduzierung des Eingriffsermessens auf Fälle, in denen auch nach alter Rechtslage hätte eingegriffen werden können, kaum vertretbar. Im Ergebnis ist die Entscheidung dieser Frage hier jedoch nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, da sowohl bei einer Erklärung des § 9 AbfG für verfassungswidrig als auch bei einer verfas62 63
Hösel/v. Lersner, AbfG § 9 Rn. 2. v. Mutius in Börner, Umwelt, Verfassung, Verwaltung, 203, 224.
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sungskonformen Interpretation der Eingriff sich letztendlich an den vor Inkrafttreten des § 9 AbfG geltenden allgemeinen polizeirechtlichen, gewerberechtlichen oder wasserrechtlichen Vorschriften messen lassen muß. 6. § 10 AbfG- Sanierungspflicht der Inhaber stillgelegter Abfalldeponien
§ 10 Abs. 1 AbfG normiert die Pflicht des Betreibers einer Abfalldeponie, eine beabsichtigte Schließung der Behörde anzuzeigen. Im Anschluß hieran legt § 10 Abs. 2 AbfG fest, daß die Behörde den Inhaber verpflichten soll, das Deponiegelände zu rekultivieren und zu sanieren und weitere Vorkehrungen zu treffen, die "erforderlich sind, Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit zu verhindern".§ 10 Abs. 2 AbfG setzt damit wiederum über die Gemeinwohldefinition des§ 2 AbfG, wie schon oben dargelegt64, erheblich schärfere Anforderungen an den ordnungsgemäßen Zustand einer stillgelegten Deponie als dies nach allgemeinem Ordnungsrecht der Fall gewesen wäre. Eine vollständigeRekultivierunggeht regelmäßig über das hinaus, was zur Gefahrbeseitigung erforderlich istss. a. Adressat der Verfügung nach§ 10 Abs. 2 AbfG Nicht einheitlich beurteilt wird im Rahmen des § 10 AbfG, wer Inhaber der stillgelegten Anlage im Sinne dieser Norm ist. Im allgemeinen wird im Recht als Inhaber der Eigentümer oder derjenige behandelt, der die tatsächliche Sachherrschaft ausübt. Damit entspräche die Regelung des Abfallgesetzes der polizeirechtlichen Zustandsverantwortlichkeit66 . Schink jedoch möchte unter Berufung auf Götz67 die Haftung für die Erfüllung der Sanierungs- und Rekultivierungspflicht auch dem ehemaligen Betreiber auferlegen68. Dies wird damit begründet, daß derBetreiberwährend der Dauer der Sachherrschaft zur Gefahrbeseitigung verpflichtet war und sich dieser nur später aktualisierten Verpflichtung nicht durch Besitzaufgabe entziehen könne. Für den Fall der Dereliktion will auch Kloepfer69 die Zustandshaftung aus § 10 Abs. 2 AbfG fortbestehen lassen. Die Auffassung Schinks ist wenig praktikabel und entspricht nicht dem Wortlaut des Gesetzes. Der ehemalige Besitzer ist in der Regel zur Störungsbeseitigung nicht in der Lage, da ihm die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache fehlt. 64
65
s. o. II.B.4.a., Fn. 15.
Papier, Altlasten, 7 f.; Höselfv. Lersner, AbfG § 9 Rn. 2; Brandt, Der Landkreis
1986,205,207. 66 67
ss 69
Vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, 291. Götz, 7. Aufl., S. 99, jetzt eindeutig, Rn. 213. Schink, DVBl. 1985, 1149, 1152. Kloepfer, NuR 1987, 7, 18 Fn. 111 = UTR 1, 17, 46 Fn. 111.
7 Ziehm
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Il. Störerverantwortlichkeit nach Abfallrecht
Ferner erscheint die Berufung auf Götz zweifelhaft. Götz hat zutreffend angemerkt, daß im allgemeinen Polizeirecht die Störereigenschaft bisweilen durch Eigentumsaufgabe nicht erlösche, da der frühere Zustandsstörer oft auch Handlungsstörer sei, wobei ihm diese Eigenschaft durch die Dereliktion nicht verlorengehe. Eine Verantwortlichkeit des ehemaligen Zustandsstörers ergibt sich damit allein aus dessen Handlungshaftung. Gerade eine Handlungshaftung sieht das AbfG im Zusammenhang mit stillgelegten Deponien jedoch nicht vor. Durch § 5 Abs. 3 MEPOG wird darüber hinaus klargestellt, daß im Falle der Dereliktion die Zustandshaftung nicht fortbesteht, da es ansonsten dieser, die Haftung des Derelinquierenden begründenden Vorschrift nicht bedurft hätte70 . Es bleibt damit bei der Haftung des Eigentümers bzw. Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft.
b. Zeitpunkt der Stillegung der Abfallbeseitigungsanlage Die Haftung ist nach allgemeiner Ansicht zeitlich begrenzt auf Deponien, die nach Inkrafttreten des AbfG stillgelegt wurden 71 • Dies ergibt sich aus dem Sinnzusammenhang der Absätze 1 und 2 des § 10 AbfG. Da in § 10 Abs. 1 AbfG von einer Pflicht, die Stillegung von Anlagen unverzüglich anzuzeigen, gesprochen wird, kann sich dies ausschließlich auf nach Inkrafttreten des Gesetzes stillgelegte Anlagen beziehen. Abs. 2 des § 10 AbfG bezieht sich seinerseits eindeutig auf Abs. 1, so daß sich eine Sanierungspflicht bei früher stillgelegten Deponien nicht aus dem AbfG ergibt. Ein solches Verständnis des § 10 führt keinesfalls zu irgendwelchen ungewollten Gesetzeslücken. Für vor 1972 geschlossene Deponien gelten zumindest die allgemeinen wasser- und ordnungsrechtlichen Eingriffsgrundlagen72. c. Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Abfallbeseitigungsanlage
Eine zeitliche Grenze der Anwendung des§ 10 Abs. 2 AbfG im Hinblick auf die Inbetriebnahme der Anlage läßt sich der Vorschrift nicht entnehmen. Die Sanierungspflicht nach§ 10 Abs. 2 AbfG trifft damit nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut die Inhaber aller nach Inkrafttreten des AbfG stillgelegten Anlagen, unabhängig vom Zeitpunkt der Inbetriebnahme. Insoweit könnten sich entsprechend dem zu § 9 AbfG Gesagten Zweifel an der verfassungsrechtlichen Vertretbarkeit dieser Vorschrift ergeben. Betreiber von vor lokrafttreten des AbfG genehmigten Abfalldepoiüen konnten bei Ertei1o s. o. I.D ., Fn. 137.
n Papier, Altlasten, 3; Koch, Kostentragung, 6; ders., Bodensanierung, 35; Hösel/ v. Lersner, AbfG § 10 Rn. 15; Schink, DVBI. 1985, 1149, 1157; Schreier, ZfW 1984, 333, 335; Kothe, ZRP 1987, 399, 400; Brandt, Der Landkreis 1986, 205. 72 Papier, Altlasten, 6.
B. Einzelregelungen des Abfallrechts
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lung der Genehmigung regelmäßig darauf vertrauen, daß sie nach Schließung der Anlage nicht über das hinausgehend in Anspruch genommen werden, was zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Anlage zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nach allgemeinem Polizeirecht, Gewerberecht oder Wasserrecht erforderlich war. Auch hier liegt mithin, wie schon oben73 dargestellt, ein Eingriff in die subjektiv öffentlichrechtliche Position des legalen Betriebs der Anlage vor, soweit Grundlage der Rekultivierungs- und Sanierungsverfügung zumindest teilweise Ablagerungen sind, die vor Inkrafttreten des AbfG vorgenommen wurden. Dieser Eingriff stellt ebenfalls entsprechend dem oben Gesagten74 eine unzulässige echte Rückwirkung dar. Es liegen abgeschlossene Sachverhalte vor, so daß sich ein Schützenswertes Vertrauen des Betreibers darauf gründen durfte, daß er nicht über das nach dem zum Zeitpunkt der Ablagerung geltendem Recht Mögliche hinaus in Anspruch genommen werde. Aber auch soweit die Ablagerungen, die eine Sanierung des Grundstücks erforderlich machen, allein nach Inkrafttreten des AbfG erfolgt sind, kann ein unzulässiger Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen vorliegen. Bei Anlegung der Anlage nach altem Recht, aber Ablagerungen ausschl. zum Zeitpunkt der Geltung des neuen Rechts, stellt eine Sanierungsverfügung einen Fall der unechten Rückwirkung dar75 . Eine solche unecht rückwirkende Regelung ist jedoch, im Falle einer Verletzung schützenswerten Vertrauens beim Pflichtigen, nur dann zulässig, wenn ein vorrangiges Interesse des Gemeinwohls den Eingriff rechtfertigt. Auch im Zusammenhang mit § 10 Abs. 2 gilt, daß der Betreiber der Anlage vor der Inbetriebnahme im Vertrauen auf die bestehende alte Rechtslage möglicherweise erhebliche Investitionen tätigte. Dieses Vertrauen wird bei nachträglicher Statuierung von Sanierungs- und Rekultivierungsverpflichtungen verletzt. Die Verletzung dieses Vertrauens ist wiederum nicht zur Wahrung der öffentlichen Interessen erforderlich. Es hätte ohne weiteres durch Übergangsvorschriften eine Inanspruchnahme des Eigentümers als Notstandspflichtiger bzw. eine Sanierungs- und Rekultivierungspflicht der öffentlichen Hand statuiert werden können7s. Nach alledem bleibt festzustellen, daߧ 10 Abs. 2 AbfG, soweit er weitergehende Eingriffe zuläßt, als dies nach § 25 Abs. 3 GewO bzw. den allgemeinen polizeirechtlichen Vorschriften möglich war, und soweit er sich auf vor Inkrafttreten des AbfG erfolgte Ablagerungen bezieht, gegen das Verbot der echten Rückwirkung verstößt. Bei Anlage der Deponie nach altem Recht, s. o. II.B.5.b .cc. (1), (2), nach Fn. 54. s. o. II.B.5.b.cc. (1), (2), nach Fn. 54. 75 s.o. II.B.5.b.cc. (3), nach Fn. 56; vgl. auch Kloepfer, Altlasten, 10; Schenke, DVBl. 1976, 740, 748. 76 s. o. II.B.5.b.cc. (3), nach Fn. 58. 73
74
7•
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II. Störerverantwortlichkeit nach Abfallrecht
Ablagerungen aber allein nach neuem Recht, liegt eine unechte rückwirkende Regelung vor, die unzulässig ist, soweit vom Betreiber der Anlage im Vertrauen auf die bestehende Sach- und Rechtslage investiert wurde. Ohne die erforderliche Einzelfallabwägung vorwegzunehmen, wird dieses Vertrauen bei genehmigten Ablagerungen zu bejahen, bei ungenehmigt legalen Ablagerungen in der Regel zu verneinen sein. § 10 Abs. 2 AbfG eröffnet, wie auch§ 9 AbfG, für die Behörde Ermessen. Es stellt sich damit wiederum77 die Frage, ob die hier angestellten Erwägungen in die erforderliche Ermessensentscheidung einfließen können, so daß eine Erklärung des§ 10 Abs. 2 AbfG als verfassungswidrig vermieden werden kann. Gegen eine Ermessensreduktion zum Zwecke der Verhinderung eines Grundrechtsverstoßes spricht der Wortlaut des § 10 Abs. 2 AbfG. Nach der Vorschrift soll die Behörde den Inhaber verpflichten, auf seine Kosten das Gelände zu sanieren und alle Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich sind, Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit zu verhindern. Wenn bei Ablagerungen allein vor Inkrafttreten des Abfallbeseitigungsgesetzes Beeinträchtigungen des Wohles der Allgemeinheit, z. B. in der Verletzung landschaftspflegerischer Belange, vorliegen, kann schwerlich mit der Begründung, daß nicht auch eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliege, von einem Einschreiten abgesehen werden. Unabhängig davon jedoch, ob man letztlich von einer Verfassungswidrigkeitdes § 10 Abs. 2 AbfG ausgeht oder eine verfassungskonforme Anwendung der Vorschrift durch Ermessensreduzierung für möglich hält, kommtso wie bei § 9 AbfG - auch bei den stillgelegten Altdeponien materiell ein Eingreifen nur dann in Betracht, wenn es nach den allgemeinen polizeirechtlichen, gewerberechtlichen oder wasserrechtlichen Vorschriften möglich gewesen wäre. 7. Landesrechtliche Regelungen
Das Abfallrecht ist Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 Nr. 24 GG). Die Länder haben damit die Gesetzgebungskompetenz, soweit keine abschließende bundesgesetzliche Regelung vorliegt. § 10 Abs. 2 AbfG stellt, insbesondere was den zeitlichen Geltungsbereich betrifft, keine abschließende Regelung dar7 s. Die Länder Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalzund Bayern haben den ihnen verbliebenen gesetzgeberischen Spielraum zur spezialgesetzlichen Regelung der Sanierung und Rekultivierung von Altdeponien genutzt. n s. o. II.B.5.b.dd., nach Fn. 62. 78 Hösel/v. Lersner, AbfG § 10 Rn. 16; Papier, Altlasten, 4.
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Die am weitesten gehende Regelung wird in Art. 14 BayAbfG getroffen: Die ehemaligen Betreiber von Abfallbeseitigungsanlagen, die vor dem Inkrafttreten des BayAbfG stillgelegt worden sind, haben das Gelände, das für die Abfallbeseitigung verwendet worden ist, auf ihre Kosten zu rekultivieren oder sonstige Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich sind, "Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit" zu verhindern. Hilfsweise besteht eine entsprechende Verpflichtung des Eigentümers. Ist auch hier eine erfolgversprechende Anordnung nicht möglich, kann der Landkreis die erforderlichen Maßnahmen auf Kosten des Betreibers bzw. Eigentümers durchführen. Nach§ 13 AG AbfG Bremen besteht eine Sanierungspflicht der Gemeinden und die Möglichkeit, Ersatz der angefallenen Kosten vom Eigentümer oder letzten Betreiber zu verlangen. Daneben besteht die Verpflichtung des Eigentümers, den mit der Sanierung verbundenen Mehrwert des Grundstücks auszugleichen. Vergleichbar ist die Regelung in§ 15 LAbfG Nordrhein-Westfalen. Auch hier besteht eine Rekultivierungspflicht der Gemeinde und eine Vorteilsausgleichungspflicht des Grundstückseigentümers. § 11 Abs. 3 LAbfG Rheinland-Pfalz regelt ebenfalls eine öffentliche Rekultivierungspflicht; die Vorteilsausgleichung "kann" verlangt werden. In§ 4 AG AbfG Niedersachsen ist sowohl das Einschreiten der Behörden als auch ihre Möglichkeit, einen Vorteilsausgleich zu verlangen, in das Ermessen der Behörde gestellt; Harnburg und Hessen verzichten in§§ 10 HA AbfG und 15 Hess. AbfG gänzlich auf Vorteilsausgleichung. Gemeinsam ist allen landesrechtliehen Vorschriften, außer der bayerischen, daß ausdrücklich die außerhalb der jeweiligen Gesetze bestehenden Verpflichtungen vonBetreiberund Eigentümer nicht berührt werden. Die Normen stehen damit der Inanspruchnahme eines Störers nach allgemeinem Polizei- und Ordnungsrecht nicht im Wege. Im Rahmen der oben dargelegten Überlegungen zum zeitlichen Geltungsbereich des§ 10 Abs. 2 AbfG79 besteht allgemein Einigkeit darüber, daß eine Rückbeziehung der dort festgelegten Sanierungs- und Rekultivierungsverpflichtungen auf vor Inkrafttreten des AbfG stillgelegte Deponien einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot bzw. einen unzulässigen Eingriff in das Eigentum darstellt 80 . So gesehen, müssen sich auch verfassungsrechtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der landesgesetzlichen Regelungen ergeben.
79
s.o. II.B.6.b., bei Fn. 71.
Papier, Altlasten, 3; Hösel/v. Lersner, AbfG § 10 Rn. 15; Koch, Kostentragung, 6; ders., Bodensanierung, 34 f., Schink, DVBL 1985, 1049, 1057. 80
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II. Störerverantwortlichkeit nach Abfallrecht a. Pflicht zur Duldung von Sanierung und Rekultivierung
Sämtliche Landesabfallgesetze erlegen dem Grundstückseigentümer ausdrücklich oder inzident die Pflicht auf, eine behördliche Sanierung und Rekultivierung zu dulden. Der Grundstückseigentümer ist damit in seiner Verfügungsmacht eingeschränkt. Ein Eingriff in das Eigentum liegt vor. Fraglich ist, ob dieser Eingriff Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 2 GG ist oder ein Sonderopfer abverlangt wird. Wie bereits dargelegt, sind Maßnahmen des Natur- und Landschaftsschutzes regelmäßig als Konkretisierung der Gemeinnützigkeit des Eigentums hinzunehmens1 . Die Verpflichtung zur Hinnahme solcher Maßnahmen ist jedoch insoweit eingeschränkt, als in bestehende Rechtspositionen eingegriffen wird82. Durch eine gewerberechtliche oder wasserrechtliche Genehmigung bzw. auch bei genehmigungslos legalem Verhalten konnte derBetreiberund Eigentümer darauf vertrauen, daß sein Verhalten legal ist und bleibt und er gerade wegen dieses Verhaltens nicht Adressat behördlicher Inanspruchnahme werden kann. Ein Vertrauen darauf jedoch, daß von seitendes Staates ein Zustand als unabänderbar hinzunehmen ist, besteht nicht. Schützenswert kann das Vertrauen des Eigentümers nur insoweit sein, als er mit einer Inanspruchnahme für früheres legales Verhalten nicht mehr zu rechnen braucht. Vorliegend geht es zum einen nicht um früheres Verhalten, sondern um einen aktuell bestehenden Zustand, und zum anderen handelt es sich auch nicht um eine Inanspruchnahme, sondern lediglich um eine Verpflichtung zur Duldung behördlichen Tätigwerdens. Darauf, daß jegliches behördliches Tätigwerden ausbleibt, konnte sich auch nach Erteilung einer Genehmigung kein schützenswertes Vertrauen bilden. Im übrigen ist der Sanierungs- und Rekultivierungseingriff nach dem Gesetzestext nur insoweit zulässig, als dies z. B. aus städtebaulicher oder landschaftspflegerischer Sicht notwendig ist. Die Behörde ist damit nicht berechtigt, etwa aus einer Müllkippe einen Erholungspark zu machen. Zulässig im Rahmen der Sanierung und Rekultivierung ist allein das, was erforderlich ist, eine Einpassung des Grundstücks in die Umgebung sicherzustellen83 . Die behördliche Maßnahme greift damit weder in schützenswertes Vertrauen ein, noch wird vom Eigentümer etwas verlangt, was mit der Situation und Umgebung des Eigentums, d. h. hier konkret des Grundstücks, nicht vereinbar wäre. Bedenken gegen die behördliche Sanierung und Rekultivierung bestehen damit nicht. Der Eigentümer ist rechtmäßig zur Duldung verpflichtet. BGH, JZ 1979, 93 ; Maunz, DÖV 1975, 1, 3. BVerfG, NJW 1982, 155; NJW 1972, 145, 147; NJW 1976, 2024, 2025 f.; s. o. II.B.5.b.cc., Fn. 49; I.C.l.a., Fn. 61. 83 Hösel!v. Lersner, AbfG §10 Rn. 12. 81
82
B. Einzelregelungen des Abfallrechts
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b. Pflicht des Eigentümers zum Ausgleich der sanierungsbedingten Wertsteigerung Über die Sanierungs- und Rekultivierungspflicht hinaus wurde in den Ländern Bremen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und RheinlandPfalz ein Anspruch des Staates gegen den Grundstückseigentümer auf Ausgleich des sich aus der Sanierung bzw. Rekultivierung ergebenden Mehrwertes des Grundstücks statuiert. Diese Regelung könnte einen rechtswidrigen Eingriff in das grundrechtlich geschützte Eigentum des Pflichtigen darstellen, da er, wie bereits dargelegt, unabhängig von seinem eigenen Willen zur Duldung der Sanierung und Rekultivierung verpflichtet ist. Unter den Schutzbereich des Art. 14 GG fallen sämtliche vermögenswerten Gegenstände84 • Unabhängig von der Streitfrage, inwieweit die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Abgaben im allgemeinen an Art. 14 GG zu messen ist, besteht Einigkeit darüber, daß dies jedenfalls dann der Fall ist, wenn diese ihre Grundlage in der Innehabung und Nutzung des Eigentums haben 85 . Bei dem Wertausgleichsanspruch handelt es sich nicht um eine Steuer, sondern nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtsaa um eine beitragsähnliche Zahlungspflicht. Charakter dieser konkreten Zahlungspflicht ist es, abweichend von Steuern den Pflichtigen nur insoweit zu belasten, als er andererseits einen Vorteil erlangt hat. Auszugleichen ist lediglich der tatsächlich vorliegende Wertzuwachs beim Grundstückseigentümer. Der Eingriff in das Eigentum am Grundstück liegt damit regelmäßig nicht vor. Dies setzt jedoch voraus, daß der Wertausgleich nur insoweit verlangt werden kann, als es dem Eigentümer ohne Veräußerung des Grundstücks möglich ist, ihn auch tatsächlich zu realisieren. Die Differenz zwischen dem Wert des Grundstücks vor Sanierung und Rekultivierung und dem aktuellen Wert muß sich daher an dem orientieren, was der Eigentümer bei üblicher Nutzung des Grundstücks an laufenden Einnahmen mehr erzielen kann als vor der Sanierung. Wird nicht die Ertragswertsteigerung als Obergrenze des möglichen Wertausgleichs festgelegt, könnte dies im Einzelfall dazu führen, daß der Eigentümer zur Erfüllung des Anspruchs das Grundstück veräußern müßte, um die auszugleichende Wertsteigerung auch zu realisieren. Dies jedoch würde einen nach Art. 14 GG unzulässigen Eingriff in die Substanz des Eigentums darstellen. Die landesrechtliehen Wertausgleichsvorschriften verstoßen damit, soweit sie, wie dargelegt, angewendet werden, nicht gegen Art. 14 GG. 84
8s 86
Kimminich, BK Art. 14 Rn. 57-67 m. umfangr. w. N. Kimminich, BK Art. 14 Rn. 58 ff.; BVerfG, NJW 1976, 101. BVerfGE 18, 274, 279.
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II. Störerverantwortlichkeit nach Abfallrecht
Bei Fehlen eines Verstoßes gegen spezielle Grundrechte könnte sich die Rechtswidrigkeit der Festlegung von Wertausgleichsansprüchen aus dem allgemeinen Rückwirkungsverbot ergeben. Wie dargelegt, ergibt sich das allgemeine Rückwirkungsverbot aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes, der wiederum Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips ists7. Durch die Schaffung der Verpflichtung zur Duldung der Sanierung in Kombination mit der sich daraus ergebenden Wertausgleichspflicht könnte in unzulässiger Weise in Schützenswertes Vertrauen eingegriffen werden. Entsprechend dem oben Gesagten besteht ein Schützenswertes Vertrauen auf die Unabänderlichkeit eines bestehenden Zustandes nicht. Die Pflicht zur Duldung von Sanierung und Rekultivierung durch den Staat ist Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums88 . Die Wertausgleichspflicht ist mittelbar verursacht durch die ursprüngliche Ablagerung. Direkt auslösender Faktor jedoch ist die staatliche Rekultivierung und Sanierung und die damit für den Grundstückseigentümer verbundene Wertsteigerung. Die Gesetze, durch die die Wertausgleichspflicht festgelegt wird, greifen damit nicht in vollständig abgeschlossene Sachverhalte ein. Aufgrund der andauemden Beeinträchtigung der Interessen der Allgemeinheit(§ 2 Abs. 1 AbfG) erfolgt die behördliche Sanierung und Rekultivierung zulässigerweise. Diese allein ist unmittelbar ursächlich für Wertsteigerung und Ausgleichsanspruch. Ein Fall der unzulässigen echten Rückwirkung liegt damit nicht vor. Ob man vorliegend wegen der mittelbaren Verknüpfung zur zurückliegenden Ablagerung eine unechte Rückwirkung bejahen will oder allein im Hinblick auf die letzte Ursache ein Vorliegen jeder Rückwirkung vemeint, kann dahinstehen; entscheidend ist allein, ob in unzulässiger Weise in schützenswertes Vertrauen eingegriffen wird8 9. Tatsächlich greift die gesetzliche Regelung nicht unverhältnismäßig in geschaffene Vertrauenstatbestände ein. Ein Vertrauen darauf, daß ohne eigene Leistung erzielte Wertsteigerungen auch behalten werden dürfen, kann nicht geschützt werden. Regelungen zur Abschöpfung vergleichbarer Werterhöhungen bestehen in den Landesaufbaugesetzen und im BauGB9o. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser Regeln ist allgemein anerkannt9 1 . Die landesrechtlich festgelegten Wertausgleichsansprüche sind damit, soweit sie in dem beschriebenen Rahmen angewendet werden, nicht verfassungswidrig.
87 88
89 90
91
Pieroth, Jura 1983, 122, 123. s.o. I.D.2., nach Fn. 191. Pieroth, Jura 1983, 122, 132. § 24 Aufbaugesetz NRW; §§57-59, 154 BauGB. Bielenberg, StBauFG § 41 Rn. 25 ff.; Breuer, Die Bodennutzung, 436 ff.
B. Einzelregelungen des Abfallrechts
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c. Sanierungs- und Rekultivierungspflicht des Eigentümers nach Bayerischem Abfallrecht Nach Art. 14 des BayAbfG sind ehemaligeBetreiberund Eigentümer einer stillgelegten Deponie selbst zur Sanierung und Rekultivierung verpflichtet. Diese Verpflichtung verstößt- soweit sie sich auf den Eigentümer beziehtgegen Art. 14 GG, - soweit der ehemalige Betreiber verpflichtet wird gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete allgemeine Rückwirkungsverbot. Sowohl aus Art. 14 GG als auch aus dem Rechtsstaatsprinzip ergibt sich das Verbot echter rückwirkender Regelungen92 . Die Ablagerungen, auf die sich Art. 14 des BayAbfG bezieht, sind sämtlichst vor Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen gewesen, so daß eine Sanierungsverfügung, die an diese Ablagerungen anknüpft, eine echt rückwirkende Regelung darstellt. Diese Rückwirkung ist vorliegend auch weder durch das Fehlen eines schützenswerten Vertrauens noch durch vorrangige öffentliche Interessen gerechtfertigt93 . Der Eigentümer hatte keinen Grund, mit der Statuierung von Sanierungs- und Rekultivierungsverpflichtungen nach Abschluß der Ablagerung zu rechnen. Die öffentlichen Interessen hätten durch Regelungen, vergleichbar mit den in anderen Bundesländern getroffenen, gewahrt werden können. Die Regelung des Art. 14 BayAbfG ist damit, soweit sie eine Sanierungsund Rekultivierungspflicht des Eigentümers und ehemaligen Betreibers statuiert, verfassungswidrig94.
d. Kostentragungspflicht für Sanierung und Rekultivierung des ehemaligen Betreibers und des Eigentümers nach Bayerischem und Bremischem Abfallrecht Wie ausgeführt, besteht sowohl nach Art. 14 des BayAbfG als auch nach § 13 des AG AbfG Bremen die Verpflichtung des Eigentümers bzw. ehemaligen Betreibers, die behördlicherseits veranlaßten Sanierungs- und Rekultivierungskosten zu tragen. Diese Kostentragungspflicht stellt, wie schon die Sanierungs- und Rekultivierungspflicht selbst, einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot dar95 . Wenn oben unter b. dargelegt wurde, daß der Wertausgleichsanspruch an die behördliche Sanierung anknüpft und damit keine echte Rückwirkung vorliegt, gilt dies bei Kostentragungsansprüchen nicht. Eine Inanspruch92 93 94 95
Pieroth, Jura 1983, 122, 131. Vgl. Aufzählung der Ausnahmetatbestände bei Pieroth, Jura, 1983, 122, 131. So auch Papier, Altlasten, 7. Papier, Altlasten, 7.
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11. Störerverantwortlichkeit nach Abfallrecht
nahme des Pflichtigen auf die vollen Kosten einer Sanierung hat nichts mit einer im Moment der Sanierung aktualisierten Wertverbesserung des Grundstücks beim Eigentümer zu tun und findet ihre Grundlage dementsprechend auch nicht in dem erzielten Wertzuwachs, sondern allein in der Ablagerung, die zu einer Beeinträchtigung der Schutzgüter des § 2 Abs. 1 AbfG führte. Diese Ablagerungen waren jeweils vor Inkrafttreten der landesgesetzlichen Kostentragungsregelungen abgeschlossen, so daß eine echte Rückwirkung vorliegt. Gründe, eine solche echte Rückwirkung ausnahmsweise für zulässig zu halten, sind - wie auch bei der direkten Sanierungsund Rekultivierungsverpflichtung des Eigentümers bzw. des Betreibers im Bayr. Recht- nicht erkennbar. Die öffentlichen Belange hätten durch Regelungen, wie in den anderen Landesabfallgesetzen, ohne weiteres gewahrt werden können.
e. Rechtmäßigkeit der landesrechtliehen Regelungen - Zusammenfassung Die landesrechtliehen Regelungen sind, soweit sie den Eigentümer einer stillgelegten Deponie verpflichten, eine behördliche Sanierung und Rekultivierung zu dulden, rechtmäßig. Soweit darüber hinaus in einigen Ländern die Möglichkeit oder Verpflichtung geschaffen wird, vom Eigentümer einen Ausgleich für eingetretene Wertsteigerungen zu verlangen, ist dies ebenfalls unter dem Gesichtspunkt von möglichen Grundrechtsverstößen unbedenklich, soweit sich der Ausgleichsanspruch im Rahmen dessen hält, was der Eigentümer ohne Substanzaufgabeaus der aufgrundder Sanierung verbesserten Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks an Erträgen erzielen kann. Eine unzulässige Rückwirkung stellen dagegen die Regelungen des bayerischen Abfallrechtes dar, soweit dort Eigentümer oder ehemaliger Betreiber selbst zur Sanierung und Rekultivierung verpflichtet werden bzw. die hierfür anfallenden Kosten in voller Höhe zu tragen haben. Entsprechendes gilt für die Bremische Regelung, soweit hiernach der Eigentümer für die Sanierungs- und Rekultivierungskosten aufkommen muß. Die Geltung der bisherigen ordnungs- und wasserrechtlichen Vorschriften bleibt durch die landesrechtliehen Regelungen unberührt. Lediglich im BayAbfG fehlt ein ausdrücklicher Hinweis auf die Geltung des allgemeinen Ordnungsrechts. Wird jedoch im speziellen Ordnungsrecht eine abschließende Regelung nicht getroffen, gilt das allgemeine Ordnungsrecht fort96. Zumindest durch die Verfassungswidrigkeit der Regelung des Art. 14 des 96 Götz, Rn. 447; Drews/Wacke/Vogel/Martens, 154 ff.
B. Einzelregelungen des Abfallrechts
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BayAbfG liegt auch hier eine abschließende Regelung des Sachverhaltes nicht vor. Eine Anwendung der allgemeinen ordnungsrechtlichen Vorschriften auch auf alte Abfalldeponien ist damit in keinem Bundesland durch spezielle landesrechtliche Vorschriften ausgeschlossen.
Iß. Störerverantwortlichkeit für Umweltbeeinträchtigungen nach Wasserhaushaltsgesetz/WHG Nachfolgend wird zunächst unter A. die grundsätzliche Anwendbarkeit des WHG sowohl in sachlicher als auch in zeitlicher Hinsicht untersucht. Anschließend wird unter B. geklärt, inwieweit die einzelnen Normen des WHG als haftungsbegründende Vorschriften herangezogen werden können. A. Anwendungsbereich des WHG 1. Zeitlicher Anwendungsbereich des WHG
Das WHG ist am 27. 6. 57 vom Bundestag verabschiedet worden und am
1. 3. 60 in Kraft getreten. Das WHG ist älter als das AbfG und damit auch
auf Abfallablagerungen vor Inkrafttreten des AbfG anwendbar. In verschiedenen Vorschriften des WHG werden Konsequenzen an das Lagern und Ablagern wassergefährdender Stoffe geknüpft. Dabei wird das Lagern, das sich vom Ablagern durch eine bestehende Wiederverwendungsabsicht unterscheidet, als Dauerhandlung angesehen, so daß nach einhelliger Auffassung1 der Lagernde während der gesamten Lagerzeit verantwortlich ist für sämtliche sich aus der Lagerung ergebenden Gefahren. Das WHG gilt damit grundsätzlich auch für Lagerungen, die vor seinem Inkrafttreten begonnen wurden und in den Geltungszeitraum hinein andauern. Auf vor Inkrafttreten des WHG abgeschlossene Ablagerungen findet das WHG dagegen keine Anwendung. 2. Sachlicher Anwendungsbereich des WHG
Die Regelung des Wasserhaushalts unterliegt nach Art. 75 Abs. 4 GG der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes, lediglich bestimmte Wasserstraßen unterstehen nach Art. 74 Nr. 21 GG der konkurrierenden Gesetzgebung. Das WHG enthält im wesentlichen Rahmenvorschriften, die der Ausfüllung durch detaillierte landesrechtliche Regelungen bedürfen. Die Länder haben diesen ihnen verbliebenen Regelungsspielraum durch die Landeswassergesetze ausgeschöpft. Unabhängig hiervon ist das WHG nicht an den Landesgesetzgeber gerichtet, sondern direkt an den Bürger adressiert und 1
Schink, DVBl. 1986, 161 f .; Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG § 26 Rn. 21.
A. Anwendungsbereich des WHG
109
damit unmittelbar bundeseinheitlich geltendes Recht2 • Neben den öffentlich-rechtlichen Rahmenregelungen enthält das WHG auch zivilrechtliche (§ 22) und strafrechtliche (§§ 38, 39, 41) Regelungen, die aufgrund Art. 74 Nr. 1 GG ergehen durften. Für den Bereich der Wasserwirtschaft enthält das WHG Spezialregelungen, die dem allgemeinen Ordnungsrecht vorgehen. Nach§ 1 bezieht sich das WHG auf alle oberirdischen Gewässer, Küstengewässer und das Grundwasser. Ausgeschlossen ist nach h. M. die direkte Anwendung des WHG, soweit das speziellere AbfG3 sachlich und zeitlich anwendbar ist. Die m. A.4 dagegen hält eine ergänzende Anwendung des WHG auch auf Abfallablagerungen neueren Datums für möglich, weil in Einzelfällen, etwa bei allein vorliegender Gewässergefahr, sich aus einer Spezialität des Abfallrechtes eine den Prinzipien umfassender Gefahrenabwehr widersprechende Einschränkung des Gewässerschutzes ergäbe. Der u. a. von Kloepfer vertretenen Minderansicht ist grundsätzlich zuzustimmen. Das AbfG bezieht zwar Gesichtspunkte des Gewässerschutzes mit ein, die Anwendung wasserrechtlicher Regelungen ist hierdurch jedoch nicht logisch ausgeschlossen. Die Regelungen des WHG können im Rahmen des zu untersuchenden Problemkreises sowohl als Rechtmäßigkeitsmaßstab für die Feststellung von Störungen als auch bei Festlegung von Verhaltensregeln für wasserwirtschaftlich relevante Vorgänge Bedeutung gewinnen. Soweit anhand von Regelungen des WHG Feststellungen über das Vorliegen einer Störung getroffen werden können, liegt keine Spezialität des Abfallrechtes vor. Eine unter wasserrechtlichen Gesichtspunkten vorliegende Störung der öffentlichen Sicherheit kann und darf nicht im Einzelfall durch Anwendung möglicherweise weniger weitreichender Vorschriften des Abfallrechtes zu einem ordnungsrechtlich gebilligten Zustand werden. Kommt es dagegen bei der Feststellung der Verantwortlichkeit für Störungen auf die Pflichtwidrigkeit eines bestimmten Verhaltens an, ist die Verdrängung wasserrechtlicher Vorschriften durch das Abfallrecht denkbar. Eine abfallrechtliche Genehmigung zum Anlegen einer Deponie umfaßt die wasserrechtliche Zulässigkeit der Anlage, so daß es nicht möglich ist, im Einzelfall ein abfallrechtlich genehmigtes Verhalten wegen eines damit verbundenen Verstoßes gegen wasserrechtliche Vorschriften als haftungsauslösende Störungsverursachung einzustufen.
Salzwedel in v. Münch, Bes. VerwR., 659. s. o. II.A., bei Fn. 11 f.; BVerwG, NJW 1984, 2427 ; Sautter, ZfW 1974, 213, 216 f.; Schink, DVBL 1986, 161; Hösel/v. Lersner, AbfG § 2 Rn. 17; Gieseke/Wiedemann/ Czychowski, WHG § 26 Rn. 15; Schreier, ZfW 1984, 333, 336; Salzwedel, ZfW 1983, 84, 89; Brandt/Lange, UPR 1987, 11, 13. 4 Kloepfer, Altlasten, 27; Sieder/Zeitler/Dahme, WHG § 26, Rn. 2 b. 2
3
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III. Störerverantwortlichkeit nach Wasserhaushaltsgesetz B. Einzelregelungen des WHG
Das WHG enthält keine spezielle polizei- bzw. ordnungsrechtliche Eingriffsgrundlage. Es werden zwar in den Einzelvorschriften Ge- und Verbote für wasserwirtschaftlich relevante Handlungen ausgesprochen. Eine Ermächtigungsgrundlage zum behördlichen Einschreiten liegt indessen in diesen Vorschriften nicht. Eine Eingriffsgrundlage zur Beseitigung wasserrechtlicher Verstöße besteht teilweise in den Landeswassergesetzens. Soweit dort eine entsprechende Regelung fehlt, ist auf die insoweit inhaltlich gleichlautende landesrechtliche polizeiliche Generalklausel zurückzugreifen6. Sowohl in den speziellen landeswasserrechtlichen Eingriffsgrundlagen als auch in den polizeirechtlichen Generalklauseln ist das Vorliegen einer Störung der öffentlichen Sicherheit (oder Ordnung) Eingriffsvoraussetzung. Unstreitig stellt die Verletzung materiellen Rechts eine solche Störung dar, so daß die Einzelregelungen des WHG als Rechtmäßigkeitsmaßstab im Rahmen der Inanspruchnahme für Umweltschäden von Bedeutung sein können. Bei den nachfolgend einzeln aufgeführten wasserrechtlichen Vorschriften handelt es sich im wesentlichen um spezielle Verhaltensge- und -verbote. Die konkreten Normen eignen sich daher nur sehr begrenzt zur Feststellung von Störungen der öffentlichen Sicherheit, da unmittelbar mit der Einstellung des verbotenen Verhaltens der Normverstoß und die sich daraus ergebende Störung wegfallen. In Literatur und Rechtsprechung besteht jedoch Einigkeit, daß der Gesetzgeber durch Schaffung des Wasserhaushaltsgesetzes den hohen Stellenwert der Reinheit des Wassers festgelegt hat. Hierdurch ist es gerechtfertigt, unabhängig von der Verletzung konkreter Einzelnormen, die öffentliche Wasserversorgung als Ganze dem Schutz des Polizeirechts zu unterstellen 7 . Konkret bedeutet das, daß jede Verletzung der Werteordnung des Wasserrechtes eine Störung der öffentlichen Sicherheit ist. Wann diese Werteordnung verletzt ist, läßt sich aus den einzelnen wasserrechtlichen Vorschriften, auf die teilweise nachstehend eingegangen wird, entnehmen. Dabei kommt es nicht darauf an, daß konkret gegen die Vorschrift verstoßen wird; wichtig ist allein ein Verstoß gegen den Schutzzweck der Regelung. Allgemein läßt sich sagen, daß jede schädliche Verunreinigung oder sonstige nachteilige Veränderung der Eigenschaften des Wassers einen Verstoß gegen 5 z. B. § 74 Abs. 3 Hess. WG; § 64 Abs. 2 Hbg. WG. s Schink, DVBl. 1986, 161 f.; Czychowski, DVBl. 1970, 379, 384; Drews/Wacke/ Vogel/Martens, 165; BVerwG, ZfW 1974, 296 == DÖV 1974, 207 == BayVBl. 1974, 348 == VR 25 Nr. 196 (S. 861) == DVBL 1974, 297 == MDR 1974, 338; BayVGH, DÖV 1986, 976. 7 BVerwG, ZfW 1974, 296, 300; BayVGH, DÖV 1986, 276 f.; Czychowski, DVBL 1970, 379, 381; Götz, Rn. 335; Schink, DVBL 1986, 161, 164; Salzwedel, R. d. Wasserwirtschaft, Heft 13, 35, 44; Breuer, Wasserrecht, Rn. 551 ; Drews/Wacke/Vogel/Martens, 236.
B. Einzelregelungen des WHG
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die materielle Werteordnung des Wasserrechts darstellt. Erforderlich ist nicht, daß das Wasser unmittelbar zum Ge- oder Verbrauch bestimmt ist; es genügt zur Verletzung der Werteordnung des Wasserrechtes wegen der potentiellen Nutzbarkeit des Wassers allein die Verunreinigungs. Das Wasserrecht als Ganzes stellt damit, auch ohne daß konkrete Tatbestände verletzt sein müssen, im Rahmen der Haftung für Umweltbeeinträchtigungen einen Rechtmäßigkeitsmaßstab für den Zustand des Grund- und Oberflächenwassers auf, der sowohl im Rahmen des allgemeinen Polizeiund Ordnungsrechtes als auch bei den inhaltlich gleichlautenden landeswasserrechtlichen Eingriffsgrundlagen zu Begründung einer Störung der öffentlichen Sicherheit herangezogen werden kann. Unabhängig vom Vorliegen einer Störung kann jedoch das Wasserrecht darüber hinaus im Rahmen der Störungszurechnung von Bedeutung sein. Wie dargelegt9 , ist ein für eine Störung ursächliches Verhalten dem Handelnden immer dann zurechenbar, wenn einerseits durch das Verhalten die Gefahrengrenze überschritten wird und es sich andererseits als pflichtwidrig bzw. der Risikosphäre des Handelnden zurechenbar darstellt. Pflichtwidrig ist ein die Gefahrengrenze überschreitendes Verhalten in jedem Falle dann, wenn spezielle, den Schutz des gestörten Rechtsgutes bezweckende Verhaltensnormen verletzt werden. Schutzzweck der nachfolgend einzeln aufgeführten wasserrechtlichen Regelungen ist in jedem Falle die Reinhaltung des Grund- oder Oberflächenwassers, so daß bei Verletzung einer dieser Regelungen eine Inanspruchnahme als Handlungsstörer für die eingetretene Wasserverunreinigung erfolgen kann. 1. § 2 Abs. 1 in Verbindung mit§ 3 Abs. 1 Nr. 4 und 5 WHGVerbot ungenehmigter Gewässerbenutzung durch Einbringen oder Einleiten
Nach§ 2 WHG ist die Benutzung eines Gewässers grundsätzlich nur mit einer behördlichen Erlaubnis oder Bewilligung zulässig. Bei genehmigter Gewässerbenutzung ist damit ein Verstoß gegen § 2 WHG ausgeschlossen. In§ 3 Abs. 1 WHG ist geregelt, was "Benutzungen" im Sinne des Gesetzes sind. Nach Abs. 1 Nr. 4 zählt dazu das Einbringen und Einleiten von Stoffen in oberirdische Gewässer, nach Nr. 5 das Einleiten von Stoffen in das Grundwasser. Die Vorschriften der§§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 4 und 5 WHG stellen damit klar, daß die Tätigkeit des ungenehmigten Einleitens bzw. Einbringens rechtswidrig ist. Czychowski vertritt die Auffassung, daß ein Verstoß gegen die §§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 4 u. 5 WHG nur dann denkbar sei, wenn das wassergefährdende Verhalten grundsätzlich genehmigungsfähig nach§ 2 WHG s 9
BVerwG, ZfW 1974, 296, 301. s.o. I.C., nach Fn. 40.
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III. Störerverantwortlichkeit nach Wasserhaushaltsgesetz
seF 0 • Diese Auffassung vermag letztendlich nicht zu überzeugen, da unabhängig von der Genehmigungsfähigkeit des Sachverhaltes die Rechtswidrigkeit der ungenehmigten Einleitung bestehen bleibt. Einbringen ist die Zuführung von Feststoffen in oberirdische Gewässern. Einleiten ist die Zuführung von flüssigen oder gasförmigen Stoffenl2. Nicht erforderlich ist eine Rohrleitung oder ein Graben, auch durch Versickerung oder Verrieselung kann der Tatbestand des Einleitens erfüllt werden 13 • Erforderlich ist jedoch in jedem Fall ein auf das jeweilige Gewässer zweckgerichtetes Verhalten14 . Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortsinn der Vorschriften, sondern auch aus der Gesetzessystematik. In§ 22 WHG wird deutlich zwischen Einbringen und Einleiten einerseits und Hineingelangen, ohne eingebracht bzw. eingeleitet zu sein, andererseits unterschieden. Eine Umweltbeeinträchtigung in der Form der Gewässerverunreinigung kann ihre Ursache haben in den Folgen industrieller Produktion, d. h. Emissionen aus Industriebetrieben, Betriebsunfällen außerhalb oder auf dem jeweiligen Betriebsgelände oder Lagerungen bzw. Ablagerungen von Stoffen. Bei Folgen industrieller Produktion ist ein bewußtes Einleiten bzw. Einbringen denkbar, beispielsweise die Ableitung verunreinigten Kühlwassers. In der Regel jedoch wird hier kein auf Gewässerbenutzung zielgerichtetes Verhalten, sondern eine unbeabsichtigte Nebenfolge der Produktion gegeben sein. Bei Betriebsunfällen liegt schon begrifflich kein zielgerichtetes Verhalten vor. Bei .Lagerungen bzw. Ablagerungen liegt ein auf ein Gewässer zielgerichtetes Verhalten nur dann vor, wenn das Versickern bestimmter Stoffe beabsichtigt ist. Wenn durch die Ablagerung eine Grundwasserverunreinigung allein verursacht wird, ohne daß das Ziel eine Einwirkung auf das Gewässer ist, kann ein Verstoß gegen§§ 2 I, 3 I, Nr. 4 und 5 WHG nicht vorliegen. Sind grundwassergefährdende Stoffe bereits in den Boden gelangt, ohne daß hierdurch der Verbotstatbestand der §§ 2 Abs. 1, 3 Nr. 4 und 5 WHG verletzt ist, stellt sich die Frage, ob das schlichte Belassen versickerter Stoffe im Boden unter die Begriffe Einbringen bzw. Einleiten zu subsumieren ist. Die Frage, ob die Vorschrift des§ 2 Abs. 1 WHG durch Unterlassen Czychowski, DVBL 1970, 379, 382. Sieder/Zeitler/Dahme, WHG § 3 Rn. 17. 12 Sieder/Zeitler/Dahme, WHG § 3 Rn. 17. 13 Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG § 3 Rn. 33; Sieder/Zeitler/Dahme, WHG § 3, Rn. 17. 14 Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG § 3 Rn. 5; BVerwG, ZfW 1974, 296 f.; Storz, ZfW 1974, 302; Schink, DVBL 1986, 161, 163; Czychowski, DVBl. 1970, 379, 382. 1o 11
B . Einzelregelungen des WHG
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verwirklicht werden kann15 , mag hier dahinstehen, da sich in der Regel nicht wird belegen lassen, daß das Unterlassen zielgerichtet und planvoll auf ein Gewässer gerichtet geschieht. Das voluntative Moment kann nicht oder nur sehr schwer bewiesen werden. Sollte dies im Einzelfall möglich sein, wäre weiter zu untersuchen, ob das Unterlassen ohne zusätzliche Anforderungen aktivem Tun gleichzustellen ist1 6 . 2. § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 WHGallgemeines Verbot von Gewässerbenutzungen durch gewässerbeeinträchtigende Maßnahmen
Weitere nach § 2 Abs. 1 WHG genehmigungspflichtige Einwirkungen auf ein Gewässer sind die "unechten Benutzungstatbestände" des § 3 Abs. 2 WHG. Nach§ 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG gelten sämtliche Maßnahmen, die geeignet sind, dauernd in einem nicht unerheblichen Ausmaß schädliche Verunreinigungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Wassers herbeizuführen, als genehmigungspflichtige Benutzungen. Die Regelung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG ist weiter als die übrigen Benutzungstatbestände des § 3 WHG und gilt daher als Auffangtatbestand nur dann, wenn nicht die speziellen wasserrechtlichen Erlaubniserfordernisse eingreifen1 7 • Voraussetzung für ein Eingreifen der Vorschrift ist zunächst das Vorliegen von "Maßnahmen". Nach dem Wortsinne wird hier- wie auch in den Nr. 4 und 5 des§ 3 Abs. 1 WHG- ein zweckgerichtetes Verhalten vorausgesetzt. Abweichend ist lediglich, daß sich dieses Verhalten nicht auf das Gewässer selbst zu richten brauchtlS. Eine "Maßnahme" im Sinne der Vorschrift kann damit sowohl in industrieller Produktion als auch in einer Lagerung bzw. Ablagerung gesehen werden. Keine Maßnahme ist dagegen in jedem Falle ein- wie auch immer gearteter - Betriebsunfall. Sind wassergefährdende Stoffe in den Boden oder das Grundwasser gelangt, ohne daß dies für sich bereits den Verbotstatbestand erfüllt, stellt sich wiederum die Frage, ob das Belassen der Stoffe im Boden oder Grundwasser als Gewässerbenutzung im Sinne des § 3 Abs. 2 WHG eingestuft werden kann. 15 BVerwG, ZfW 1974, 296 f.; vgl. auch Czychowski, DVBl. 1970, 379, 382; BGH, NJW 1986, 2312; NJW 1976, 291; Schink, DVBl. 1986, 161, 163; Gieseke/Wiedemann/ Czychowski, WHG § 3 Rn. 7; Storz, ZfW 1974,302 f.; Ehle/Drabe, ZfW 1983, 143, 145; offengelassen von OVG Münster, ZfW 1983, 180, 183. 16 Auf diese Frage wird nachfolgend unter III.B.2. detailliert eingegangen. 17 Sieder/Zeitler/Dahme, WHG § 3 Rn. 29; Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG §3Rn.67. 1a Czychowski, DVBL 1970, 379, 382; Schink, DVBl. 1986, 161, 163; Storz, ZfW 1974, 302 f.; Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG § 3 Rn. 60, 70; Salzwedel in v. Münch, Bes. VerwR., 668 f.; Röper, ZfW 1975, 35; Ehle/Drabe, ZfW 1983, 143 f.
8 Ziehm
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III. Störerverantwortlichkeit nach Wasserhaushaltsgesetz
Voraussetzung, diesen Tatbestand als genehmigungspflichtige Gewässerbenutzung einzustufen, ist es, das Belassen von gefährlichen Stoffen im Boden unter dem Begriff "Maßnahme" im Sinne des Gesetzes zu subsumieren. Das BVerwG hat die Frage, ob der Wortlaut eine solche Auslegung zuläßt, ausdrücklich offengelassen 19 . Der BGH geht in Übereinstimmung mit der Literatur von der Möglichkeit einer Tatbestandsverwirklichung durch Unterlassen aus 20 . Für die grundsätzliche Möglichkeit einer Tatbestandsverwirklichung durch Unterlassen spricht, daß es unter Wasserhaushaltsgesichtspunkten unbedeutend ist, ob die Beeinträchtigung auf aktiven Handlungen oder auf einem schlichten Untätigsein beruht. Regelmäßig wird sich das zur Tatbestandsverwirklichung erforderliche Merkmal des gewollten und zielgerichteten Verhaltens nicht oder nur sehr schwer beweisen lassen. Das BVerwG hat dementsprechend im Tanklastzugfall ausgeführt, das Belassen im Boden sei keine Ablagerung durch Unterlassen, sondern das Versäumnis einer Schadensbeseitigung durch aktives Handeln2 1. Das BVerwG macht damit das Bestehen einer Beseitigungspflicht zur Voraussetzung für das Vorliegen eines Verstoßes gegen das Verbot unzulässiger Ablagerungen. Nichts anderes wird jedoch von der herrschenden Lehre gesagt22, wenn dort der Verstoß gegen das Verbot ungenehmigter Gewässerbenutzung durch Unterlassen nur bei Vorliegen einer materiellen Pflichtenlage zur Beseitigung der bestehenden Verunreinigung als gegeben angesehen wird. Dieser zur objektiven Tatbestandsverwirklichung zusätzlich erforderliche Verstoß gegen bestehende Handlungspflichten entspricht der Regelung des § 13 StGB, wonach ebenfalls eine Gleichsetzung von Tun und Unterlassen nur möglich ist, wenn gegen Handlungspflichten verstoßen wird23. Es würde einen Zirkelschluß bedeuten, wollte man die Handlungspflicht aus der Verwirklichung des Tatbestandes des § 3 Abs. 2 WHG selbst herleiten. Dementsprechend wird von der herrschenden Lehre eine Handlungspflicht auch nicht aus dieser Vorschrift abgeleitet, sondern aus§ 1 a WHG24, aus der sich aus dem gesamten Wasserrecht ergebenden materiellen Pflichtenlage25 und aus der ursprünglichen Verursachung der Versickerungza. Wenn sich aus diesen Gesichtspunkten aber eine Handlungspflicht ergibt, rechtfertigt ein BVerwG, ZfW 1974, 296 f.; vgl. auch Czychowski, DVBL 1970, 379, 382. BGH, NJW 1986, 2312; NJW 1976, 291; Schink, DVBl. 1986, 161, 163; Gieseke/ Wiedemann/Czychowski, WHG § 3 Rn. 7; Storz, ZfW 1974, 302 f.; Ehle/Drabe, ZfW 1983, 143, 145; offengelassen von OVG Münster, ZfW 1983, 143, 145. 21 BVerwG, ZfW 1974, 296, 299 = DÖV 1974, 207 = MDR 1974, 338 = DVBL 1974, 297 = BayVBl. 1974, 348 = VR 25 Nr. 196, 861. 22 Storz, ZfW 1974, 302, 305; Czychowski, DVBL 1970, 379, 383; Schink, DVBL 1986, 161, 164; Ehle/Drabe, ZfW 1983, 143, 145; Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG § 26 Rn. 15. 23 Schönke/Schröder, StGB § 13 Rn. 7. 24 Ehle/Drabe, ZfW 1983, 143, 145; Schink, DVBl. 1986, 161, 164. 2s Storz, ZfW 1974, 302, 305. 2s Ehle/Drabe, ZfW 1983, 143, 145; Storz, ZfW 1974, 302, 305. 19
2o
B. Einzelregelungen des WHG
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Verstoß hiergegen es jedoch schon für sich allein, eine zurechenbare Störung der öffentlichen Sicherheit anzunehmen; der Konstruktion eines Verstoßes gegen §§ 2, 3 Abs. 2 WHG bedarf es damit nicht mehr. Jeder Verstoß gegen materiell-rechtlich gegebene Verpflichtungen führt ohne weiteres zu einer Verletzung der öffentlichen Sicherheit und ist dem Verursacher zuzurechnen. Dieses von der strafrechtlichen Systematik abweichende Ergebnis ist damit zu begründen, daß Voraussetzung für ein strafrechtlich relevantes Verhalten die Verwirklichung eines bestimmten gesetzlichen Tatbestandes ist. Die Handlungshaftung bei Vorliegen einer Störung der öffentlichen Sicherheit wird jedoch ohne weiteres durch Verstoß gegen Handlungspflichten ausgelöst. Wo im Strafrecht zur Bejahung eines Unterlassungsdeliktes Tatbestandsverwirklichung plus Verstoß gegen eine Handlungspflicht erforderlich ist, genügt im Ordnungsrecht wegen der bestehenden polizeirechtlichen Generalklausel allein der Verstoß gegen die konkrete Handlungspflicht. Soweit die Handlungspflicht aus bestehenden wasserrechtlichen Vorschriften herzuleiten ist, wird hierauf im folgenden noch weiter einzugehen sein. Soweit die Handlungspflicht allein aus der ursprünglichen Störungsverursachung hergeleitet oder an die sich aus dem gesamten Wasserrecht ergebende Pflichtenlage angeknüpft wird, kann auf die obigen Ausführungen zur Handlungshaftung verwiesen werden27 • Nach der hier vertretenen Auffassung kann mit Pietzcker allein auf die Gesichtspunkte Pflichtwidrigkeit und Risikosphäre abgestellt werden, so daß die rein technische Ursächlichkeit eines Verhaltens für die eingetretene Störung als Haftungsgrundlage auszuscheiden hat. Auch ein Anknüpfen an die dem gesamten Wasserrecht zugrundeliegende Wertentscheidung scheint kein gangbarer Weg zu sein, da das Wasserrecht zwar insgesamt Maßstäbe und Regelungen über den einzuhaltenden ordnungsgemäßen Zustand des Wassers aufstellt, sich aus der Gesamtheit der Vorschriften aber keine allgemeine Pflichtenlage zur Beseitigung von Wasserverunreinigungen ableiten läßt28 . § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG ist damit im Falle des Nichteingreifens des § 3 Abs. 1 Nr. 4 und 5 WHG bei gewolltem und zielgerichtetem Verhalten als Ursache einer Umweltstörung durch Beeinträchtigung der Wasserqualität geeignet, die Handlungshaftung auszulösen. Zur Begründung der Handlungshaftung im Falle der Untätigkeit bei bereits eingetretenen Boden- oder Wasserverunreinigungen bedarf es dieser Vorschriften indessen nicht.
s. o. I.C.3.a . BVerwG, ZfW 1974, 296, 299; Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG § 1 a Rn. 13; Sieder/Zeitler/Dahme, WHG § 1 a Rn. 21. 27
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a•
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III. Störerverantwortlichkeit nach Wasserhaushaltsgesetz 3. § 19 g WHG- Anforderungen an Anlagen zum Lagern, Abfüllen und Umschlagen wassergefährdender Stoffe
§ 19 g WHG legt fest, in welcher Form wassergefährdende Stoffe zu lagern sind und welchen Anforderungen Abfüllung und Umschlag dieser Stoffe entsprechen müssen. Anlagen zum Lagern und Abfüllen wassergefährdender Stoffe müssen nach§ 19 g Satz 1 WHG so beschaffen, eingebaut, aufgestellt und betrieben werden, daß eine Verunreinigung der Gewässer oder eine sonstige nachhaltige Veränderung ihrer Eigenschaft nicht zu besorgen ist. Nach Abs. 2 des§ 19 g WHG müssen Anlagen zum Umschlagen wassergefährdender Stoffe so beschaffen sein, daß der bestmögliche Schutz der Gewässer erreicht wird. Abs. 3 legt fest, daß zumindest die allgemein anerkannten Regeln der Technik einzuhalten sind. Zielrichtung des § 19 g ist damit wiederum ein wirksamer Gewässerschutz. Ein Verstoß gegen den konkreten Regelungsinhalt der Norm liegt vor, wenn bzw. solange die Lagerung und das Abfüllen oder der Umschlag wassergefährdender Stoffe in Anlagen nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Liegt eine Umweltbeeinträchtigung durch Versickerung von Stoffen vor, die ihre Ursache in einem Verstoß gegen§ 19 g WHG hat, ist dieser Verstoß als Anknüpfungspunkt für die Handlungshaftung heranzuziehen. 4. §§ 26 Abs. 2, 34 Abs. 2 WHG- Lagerung und Ablagerung von wassergefährdenden Stoffen
§ 26 Abs. 2 WHG schreibt vor, daß Stoffe an einem Gewässer nur so gelagert oder abgelagert werden dürfen, daß eine nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften nicht zu besorgen ist. § 34 Abs. 2 WHG regelt Entsprechendes für das Grundwasser. Die Vorschriften der §§ 26 Abs. 2 und 34 Abs. 2 WHG unterscheiden sich von der spezielleren des § 19 g WHG dadurch, daß einerseits die Lagerung in einer Anlage vorliegen muß und andererseits auch Ablagerungen erfaßt sind. Die§§ 26 Abs. 2 und 34 Abs. 2 WHG können als Grundlage ordnungsbehördlichen Einschreitens immer dann herangezogen werden, wenn nicht ordnungsgemäß gelagert bzw. abgelagert wurde. Lagerung ist die Aufbewahrung zwecks späterer Wiederverwendung; Ablagerung ist die Niederlegung von Stoffen mit dem Ziel, sich ihrer unter Umständen für immer zu entledigen 29 • In jedem Falle ist zur Tatbestandsverwirklichungein auf den jeweiligen Erfolg abzielendes Verhalten erforderlich30 . Umweltschäden als Folge von bewußten und gewollten Lagerungen bzw. Ablagerungen können mit Ordnungsverfügungen, die ihre 29 BVerwG, ZfW 1974, 296, 299, Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, § 26 Rn. 18, § 34 Rn. 165; Sieder/Zeitler/Dahme, WHG § 34 Rn. 13. ao BVerwG, ZfW 1974, 296, 299, Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG § 26 Rn. 15, § 34 Rn. 6; Schink, DVBL 1986, 161, 164; Ehle/Drabe, ZfW 1983, 143, 146.
B. Einzelregelungen des WHG
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Grundlage in einer Störung der wasserrechtlichen Ordnung haben, insoweit begegnet werden, als Ursache der Störung eine nicht den §§ 28 Abs. 2 und 34 Abs. 2 WHG entsprechende (Ab)Lagerung ist. Sind wassergefährdende Stoffe bereits in den Boden oder das Oberflächen- bzw. Grundwasser gelangt, ohne daß an den Versickerungsvorgang selbst Haftungsfolgen geknüpft werden können, können die §§ 26 Abs. 2 und 34 Abs. 2 WHG als Grundlage der Handlungshaftung nur herangezogen werden, wenn sich im konkreten Fall die im Boden oder Wasser befindliche Ansammlung gefährlicher Stoffe selbst als eine Ablagerung im Sinne des WHG darstellt. Werden Stoffe bewußt mit dem Ziel der Versickerung ausgebracht, ist der Tatbestand der Ablagerung bereits durch das Ausbringen der Stoffe erfüllt, so daß es einer Anknüpfung an das Belassen im Boden regelmäßig nicht mehr bedarf. Bei den häufigen Fallkonstellationen der Umweltschäden als Folge von Betriebsunfällen, früherer industrieller Produktion oder durch Emissionen aus Industriebetrieben liegt dagegen regelmäßig keine bewußte Entledigungshandlung vor. Hier wiederum ist eine Verletzung der §§ 26 Abs. 2, 34 Abs. 2 WHG als Rechtmäßigkeitsmaßstab nur denkbar, wenn man eine Ablagerung durch Belassen versickerter Stoffe im Boden bzw. im Grundwasser für denkbar hält. Entsprechend dem oben Gesagten31 sind sich das BVerwG und die herrschende Lehre trotz der unterschiedlichen Ergebnisse darin einig, daß ein Verstoß gegen§§ 26 Abs. 2 und 34 Abs. 2 WHG bei unterlassener Schadensbeseitigung nur dann anzunehmen ist, wenn gegen materielle Handlungspflichten verstoßen wird. Uneinigkeit besteht allein über das Bestehen und die Grundlage dieser Handlungspflichten. Liegt im konkreten Fall ein Verstoß gegen Handlungspflichten vor, ist dieser Verstoß für sich allein schon eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, so daß es der Konstruktion einer Verletzung der§§ 26 Abs. 2 und 34 Abs. 2 WHG nicht mehr bedarf. Selbst wenn man bei vorliegender Verletzung einer konkreten Handlungspflicht den "Umweg" über §§ 26 Abs. 2 und 34 Abs. 2 WHG gehen möchte, liegt ein Verstoß immer nur dann vor, wenn eine außerhalb dieser Norm liegende Handlungspflicht verletzt wird. Die§§ 26 Abs. 2 und 34 Abs. 2 WHG sind damit ohne Verletzung weiterer Handlungspflichten nicht geeignet, eine Störung der öffentlichen Sicherheit allein aufgrund des Belassens wassergefährdender Stoffe im Boden oder Grundwasser zu begründen. 5. § 1 a Abs. 2 WHG- allgemeine Sorgfaltspflicht
Die Vorschrift wird von der Literatur verschiedentlich zur Begründung einer Beseitigungspflicht bei eingetretenen Bodenverunreinigungen heran31
Vgl. o. III.B.2., bei Fn. 22.
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III. Störerverantwortlichkeit nach Wasserhaushaltsgesetz
gezogen32 . Nach§ 1 a Abs. 2 WHG ist jedermann verpflichtet, bei Maßnahmen, mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können, die nach den Umständen des Einzelfalles erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um eine Verunreinigung des Wassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften zu verhüten. § 1 a Abs. 2 WHG ist damit gegenüber den spezielleren§§ 19 g, 26 Abs. 2 und 34 Abs. 2 WHG Auffangtatbestand33. Es wird weder das Vorhandensein einer Anlage vorausgesetzt, noch müssen Stoffe eingeleitet oder eingebracht werden. Statuiert wird ganz allgemein eine Pflicht zur Vermeidung von Gewässerverunreinigungen. Liegen Umweltschäden durch Gewässerverunreinigungen oder durch Bodenverunreinigungen, die wiederum die Gefahr von Gewässerverunreinigungen bergen, vor, die ihre Ursache in einer Verletzung des§ 1 a Abs. 2 WHG haben, kann der Verursacher wegen einer Verletzung der Norm als Handlungsstörer in Anspruch genommen werden. Voraussetzung für eine Verletzung der Norm ist jedoch das Vorliegen einer Maßnahme, d. h. eines bewußten Verhaltens, so daß nicht ohne weiteres vorhersehbare Betriebsunfälle als Verletzungshandlung ausscheiden. Teilweise wird die Auffassung vertreten, daß § 1 a Abs. 2 WHG bei einer Grundwassergefährdung durch in den Boden eingedrungene Stoffe den Verursacher verpflichte, den Boden abzutragen, um ein weiteres Eindringen in das Grundwasser zu verhüten3 4 . Durch Untätigsein wird nach dieser Auffassung der Tatbestand des § 1 a Abs. 2 WHG verletzt. Dies darf jedoch nicht dahingehend mißgedeutet werden, daß unabhängig von der Schadensverursachung sich aus § 1 a Abs. 2 WHG eine allgemeine, jedermann treffende Pflicht zur Schadensbeseitigung ergebe. Anknüpfungspunkt bleibt in jedem Falle die ursprüngliche, dem § 1 a Abs. 2 WHG zuwiderlaufende störende oder gefahrverursachende Handlung. Das Untätigsein allein stellt keinen Verstoß gegen§ 1 a Abs. 2 WHG dar, da die Norm lediglich verlangt, wassergefährdende Maßnahmen mit der erforderlichen Sorgfalt vorzunehmen. Bei Unterlassen ist die Anwendung von Sorgfalt schon begrifflich ausgeschlossen. Dies zugrunde gelegt, ergibt sich aus der postulierten Beseitigungspflicht jedoch nichts anderes als bei den o. g. Vorschriften. Wird durch eine Handlung, die gegen bestimmte wasserrechtliche Gebote verstößt, eine Wasserverunreinigung verursacht, ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Ordnungsrecht eine Pflicht zur Störungs- oder Gefahrbeseitigung. Wenn Schink 32 Schink, DVBl. 1986, 161, 164; Sieder/Zeitler/Dahme, WHG § 1 a Rn. 21; Engelhardt/Ruchay, WHG § 1 a Rn. 5; Ehle/Drabe, ZfW 1983, 143, 146; vgl. OVG Münster, ZfW 1983, 180, 183. 33 Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG § 1 a Rn. 13. 34 Sieder/Zeitler/Dahme, WHG § 1 a Rn. 21; Engelhardt/Ruchay, WHG § 1 a Rn. 5; Ehle/Drabe, ZfW 1983, 143, 146; Schink, DVBl. 1986, 161, 164.
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beispielsweise bei Tankwagenunfällen aus § 1 a Abs. 2 WHG eine allgemeine Schadensbeseitigungspflicht herleitet, erscheint dies weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn der Norm vereinbar. Ist das Unfallgeschehen selbst kein bewußtes und zweckgerichtetes Verhalten, so hat es als Anknüpfungspunkt im Rahmen dieser Norm auszuscheiden. Das Belassen der Stoffe im Boden, isoliert betrachtet, stellt keinen Verstoß gegen§ 1 a Abs. 2 WHG dar, da es, selbst wenn man es unter den Begriff der Maßnahme subsumiert, nicht unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt geschehen kann. Sinn des § 1 a Abs. 2 WHG ist es, denjenigen, der wassergefährdende Maßnahmen vornimmt, zu verpflichten, dies mit der ausreichenden Sorgfalt zu tun. Nur durch unsorgfältiges Verhalten kann gegen § 1 a Abs. 2 WHG verstoßen werden. Scheidet das Unfallgeschehen im Rahmen der Subsumtion als Zurechnungsgrundlage aus, ist nicht erkennbar, unter welchen Gesichtspunkten ein Unterlassen als unsorgfältige, haftungsbegründende Maßnahme eingestuft werden könnte. 6. § 22 Abs. 2 WHG - zivilrechtliche Gefährdungshaftung
Bei § 22 WHG handelt es sich um eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage auf Schadensersatz. Es wird, ohne daß es eines Verschuldens bedarf, eine Gefährdungshaftung des Verursachers von Gewässerverunreinigungen statuiert. Dabei geht es in Abs. 1 der Vorschrift um die Haftung desjenigen, der einbringt oder einleitet, also des zielgerichtet Handelnden. In Abs. 2 wird die Haftung desjenigen begründet, aus dessen Anlage wasserverunreinigende Stoffe in ein Gewässer gelangen, ohne eingeleitet bzw. eingebracht zu sein. Fraglich ist, ob und inwieweit die zivilrechtliche Gefährdungshaftung des § 22 WHG geeignet ist, die öffentlich-rechtliche Störerhaftung zu begründen. In den Fällen des bewußten Einleitens wird durch die genannten öffentlich-rechtlichen Vorschriften eine umfassende Regelung getroffen, so daß es eines Rückgriffs auf § 22 Abs. 1 WHG nicht bedarf. Etwas anderes gilt jedoch bei nicht zielgerichteten gewässergefährdenden Vorgängen, beispielsweise bei (Betriebs-) Unfällen. Hier trifft das WHG keine öffentlichrechtliche Regelung. Ob unter diesen Umständen auf die zivilrechtliche Vorschrift des § 22 Abs. 2 WHG zurückgegriffen werden kann, erscheint zweifelhaft. Papier35 verneint die Anwendbarkeit des § 22 Abs. 2 WHG im Rahmen des Polizeirechts mit der Begründung, dies führe zu einer dem Bestimmtheitserfordernis öffentlich- rechtlicher Eingriffsgrundlagen widersprechenden, undifferenzierten Heranziehung des Verursachers.
35 Papier, Altlasten 33; ders., NVwZ 1986, 256, 260; UTR 1 59, 72; ebenso Breuer, JuS 1986, 359, 363.
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III. Störerverantwortlichkeit nach Wasserhaushaltsgesetz
Koch36 und Kloepfer3 7 dagegen halten eine zumindest analoge Anwendung in Anknüpfung an Pietzckers Lehre von Pflichtwidrigkeit und Risikosphäre38 für denkbar. Nach dieser auch hier vertretenen Auffassung ist der Gesichtspunkt der Risikosphäre bei der Bestimmung der Verantwortlichkeit für Störungen sowohl im Rahmen der Handlungshaftung wie auch bei der Zustandshaftung dann heranzuziehen, wenn sich aus anderen Rechtsnormen nicht auf die Pflichtgemäßheit oder Pflichtwidrigkeit eines ursächlichen Verhaltens schließen läßt. Gegenüber einer rein technisch verstandenen Unmittelbarkeitslehre stellt die Einbeziehung der Risikogesichtspunkte eine Einschränkung und nicht eine Ausweitung der Inanspruchnahmemöglichkeit dar. Bei der Bestimmung der Kriterien, ob eine Störung der Risikosphäre des Handelnden oder der Allgemeinheit zuzurechnen ist, ist kein Grund ersichtlich, zivilrechtliche Normen grundsätzlich auszugrenzen39. Eine Anwendung des § 22 Abs. 2 WHG im Rahmen der Störerbestimmung ist entsprechend dem o. g. zulässig, da die Vorschrift nicht nur individualrechtsschützenden Charakter hat, sondern auch öffentlichen Interessen dient40 . Eine Verletzung des § 22 Abs. 2 WHG setzt das Vorhandensein einer Anlage voraus. Hierzu zählen sowohl Produktions- und Beförderungsanlagen als auch Lagereinrichtungen. Gelangen aus einer solchen Anlage, ohne daß ein zielgerichtetes Verhalten vorliegt, Stoffe in das Wasser, die die Wasserqualität beeinträchtigen, ist der haftungsbegründende Tatbestand des § 22 Abs. 2 WHG erfüllt. Auf die unterschiedlichen Auffassungen zu der Frage, ob zur Haftungsbegründung unmittelbares Hineingelangen von Stoffen in das Grundwasser erforderlich ist oder mittelbares ausreicht, braucht entsprechend dem o. G. 41 nicht eingegangen zu werden, da im Rahmen der polizeirechtlichen Störerinanspruchnahme ohnehin nur an unmittelbar ursächliches Verhalten anzuknüpfen ist. Die geforderte Unmittelbarkeit liegt nicht vor, wenn weitere Ursachen, z. B. Transport durch Dritte, zum Schaden führen. Unschädlich für die Störerhaftung ist es dagegen beispielsweise, wenn auslaufende Stoffe zunächst in das Erdreich und dann ohne Hinzutreten weiterer Umstände in das Grundwasser gelangen. Es kann demnach derjenige, auf dessen Betriebsgelände es zu unbeabsichtigten Versickerungen oder einem Betriebsunfall gekommen ist, wie der Betreiber einer Deponie oder wie der Inhaber eines verunglückten Tanklastzuges, aufgrunddes § 22 Abs. 2 WHG bei durch den Vorgang unmittelbar Koch, Kostentragung, 13 ff.; ders., Bodensanierung, 52 ff. Kloepfer, Altlasten 104ff.; ders., NuR 1987,7,11 = UTR 1,17, 28f., vgl. auch Vollmuth, VerwArch. 1977, 45, 53. 38 Pietzcker, DVBl. 1984, 457 ff. 39 s . o. I.C.2.a ., bei Fn. 85 ff. 40 s . o. I.C.2.b., bei Fn. 112 f . 41 s. o. I.C., Fn. 41. 36
37
B. Einzelregelungen des WHG
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verursachter Gewässergefahr polizeirechtlich nach Maßgabe des oben zur Handlungs- und Zustandshaftung Gesagten in Anspruch genommen werden. Eingeschränkt wird die Risikozuweisung jedoch durch § 22 Abs. 2 S. 2 WHG, wonach eine Ersatzpflicht bei höherer Gewalt auszuscheiden hat. Höhere Gewalt ist nach der Rechtsprechung des BGH nur ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist und mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch die äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden oder unschädlich gemacht werden kann42 . Hierdurch wird letztendlich deutlich, daß in § 22 Abs. 2 WHG eine gerechte Verteilung des Risikos zwischen demVerursachereiner Gewässerverunreinigung und der Allgemeinheit vorgenommen wird, die eine umfassende, nicht nur auf zivilrechtliche Schadensersatzansprüche beschränkte Anwendung der Norm rechtfertigt.
42
Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG § 22, Rn. 58.
IV. Haftung für Umweltbeeinträchtigungen nach den zivilrechtliehen Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag- öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch A. Geschäftsführung ohne Auftrag
Mit der Frage, ob und inwieweit gegenüber dem Polizeipflichtigen die von der Ordnungsbehörde oder der Polizei zur Störungsbeseitigung aufgewendeten Kosten nach den zivilrechtliehen Vorschriften über eine Geschäftsführung ohne Auftrag geltend gemacht werden können, hat sich im Jahre 1964 Baur detailliert auseinandergesetztl. Baur vertrat hier zunächst die Ansicht, von der Behörde veranlaßte Kosten für die Beseitigung von Gewässergefahren wären nicht nach polizeirechtlichen Vorschriften, sondern nach den Regeln der GoA von denjenigen zu tragen, die nach Zivilrecht den aus der Gewässergefahr resultierenden Schaden zu ersetzen gehabt hätten. Demgegenüber wiesen zunächst Hurst2 und Ule/Rasch3 darauf hin, daß im Normalfall ein Kostenersatz nach GoA-Vorschriften aufgrund der spezielleren Regeln über die Ersatzvornahme ausgeschlossen sei. Die Behörde handele nicht gegenüber dem Pflichtigen ohne Berechtigung, wie es für die GoA Voraussetzung sei, sondern aufgrund der polizeirechtlichen Eingriffsbefugnis berechtigt. Etwas anderes gelte jedoch bei rechtswidrigem Verwaltungshandeln, etwa wenn eine unzuständige Behörde handele. Hier seien die Vorschriften über die Ersatzvornahme nicht anwendbar, so daß gegenüber dem an sich Pflichtigen keine Berechtigung vorläge und damit GoA-Vorschriften anwendbar seien4 • Hurst sieht zwar eine Schwierigkeit in der Anwendung der GoA-Vorschriften in einem möglicherweise damit verbundenen Verstoß gegen die "Formstrenge" des Polizeirechts, will sie jedoch zumindest bei rechtswidrigen, aber nicht nichtigen Verfügungen anwenden. Weiter eingeschränkt wird ein Ausgleichsanspruch aus GoA durch Klein5 , der die Spezialität der Ersatzvornahme grundsätzlich auch bei rechtswidrigen Maßnahmen anerkennt. Lediglich wenn ein Kostenausgleich allein aufgrund örtlicher Unzuständigkeit der handelnden Behörde nach polizeirechtlichen Vorschriften nicht erfolgen könne, sei aus Billigkeitsgründen die AnwenBaur, JZ 1964, 354, 357. Hurst, DVBI. 1965, 757, 759. a Ule/Rasch, Allg. POR 1965, 211 . 4 Hurst, DVBL 1965, 757, 759. s Klein, DVBl. 1968, 129, 167. 1
2
A. Geschäftsführung ohne Auftrag
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dungder GoA-Vorschriften geboten. Baur stimmt der an seiner Auffassung geäußerten Kritik insoweit zu, als er die Spezialität der polizeirechtlichen Ersatzvornahme gegenüber der GoA anerkennt6, er bleibt aber gleichwohl bei ihrer grundsätzlichen Anwendbarkeit; die Ersatzvornahme sei lediglich ein Spezialfall der GoA, und ein Rückgriff von "Spezialtyp" auf den "Grundtyp" sei im Interesse einer gerechten Haftungsverteilung geboten. Alledem wird heute von der herrschenden Meinung widersprochen. Teilweise wird dies mit dem Fehlen eines für die Anwendung der GoA-Vorschrift erforderlichen Gleichordnungsverhältnisses begründet7 • Andere lehnen eine Geschäftsführung des Staates für den Bürger ab, da die Maßnahmen zur Störungsbeseitigung in den öffentlich-rechtlichen Tätigkeitsbereich der Behörden fielen. Hier sei eine Unterordnung unter den Willen Privater nicht möglich, der Behörde fehle daher der erforderliche Fremdgeschäftsführungswille8. Im wesentlichen wird jedoch die Unanwendbarkeit der GoA-Vorschriften mit der Spezialität der polizeirechtlichen Regelungen begründet9 • Die Subsidiarität der GoA führt unabhängig davon, ob man sie privat oder öffentlich-rechtlich einstuft, dazu, daß eine Anwendung nur bei Vorliegen einer Lücke denkbar ist. Allein das Nichtbestehen von Aufwendungsersatzansprüchen bei rechtswidriger Ersatzvornahme stellt hingegen keine Lücke dar. Hätte der Gesetzgeber eine über die geltenden Vorschriften hinausgehende Regelung gewollt, hätte er sie ohne weiteres treffen können. In den Fällen, in denen ein Kostenersatz wegen der Rechtswidrigkeit der Ersatzvornahme ausscheidet, widerspricht es der gesetzlichen Regelung, auf anderem Wege ein in der Rechtsfolge gleiches Ergebnis zu erzielen. Die Maßstäbe für die Rechtmäßigkeit von polizeirechtlichen Eingriffsentscheidungen sind in den Polizeigesetzen verbindlich festgelegt. Die Bejahung einer berechtigten GoA in Fällen von polizeirechtswidrigen Maßnahmen würde der Polizei faktisch eine zusätzliche generalklauselartige Erngriffsgrundlage bescheren10 • Die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag läuft dem Polizeirecht zuwider und ist daher aufgrundder Spezialität des Ordnungsrechtes ausgeschlossen.
s Baur, DVBl. 1965, 893, 895. 7 Rietdorf, DÖV 1966, 253 f. s Maurer, JuS 1970, 561, 563. 9 Rietdorf, DÖV 1966, 253f.; Maurer, JuS 1970, 561, 563; Würtenberger, NVwZ 1983, 192, 193 f.; Wollschläger, 83; Erichsen in Erichsen/Martens, Allg. VerwR., 614; Drews/Wacke/Vogel/Martens, 679; Wolff/Bachof I, 340; Schenke in Steiner, Bes. VerwR., Rn. 235; Ule/Rasch, Allg. POR § 30 Rn. 9; im Fall der rechtmäßigen Ersatzvornahme auch: Hurst, DVBl. 1965, 757, 759; Klein, DVBl. 1968, 129, 167; Koch, Kostentragung, 21; ders., Bodensanierung, 72. 10 Maurer, JuS 1970, 561, 564.
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IV. Haftung nach GoA-Vorschriften I ö.-r. Erstattungsanspruch B. Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch
Fraglich bleibt jedoch, ob und inwieweit zu Lasten des durch rechtswidrige Ersatzvornahme von seinen Verpflichtungen Befreiten ein öffentlichrechtlicher Erstattungsanspruch besteht. Bei gleichzeitiger Ablehnung eines Ausgleichsanspruchs aus GoA-Vorschriften wird von Maurer11 und Wollschläger12 ein Ausgleich nach den Vorschriften des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs für möglich gehalten bzw. gefordert. Götz und Schenke dagegen schließen eine Anwendung unter Hinweis auf die Spezialität der polizeirechtlichen Regelungen aus 13. Gleichzeitig wird von ihnen jedoch im Anschluß an Klein die Kostentragungspflicht für eine von der örtlich unzuständigen Behörde durchgeführte Ersatzvornahme bejaht. Dieser Auffassung liegt der Gedanke zugrunde, daß es unbillig sei, einen Störer nur wegen Verletzung der Zuständigkeitsordnung von einer materiell bestehenden Pflicht freiwerden zu lassen. Eine Anwendung der Ersatzvornahmevorschriften in diesen Fällen erscheint jedoch entsprechend dem o. G. mit der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nicht vereinbar. Richtig ist jedoch, daß die materielle Gerechtigkeit im Einzelfall einen Ausgleich erforderlich erscheinen lassen kann. Dabei kann es jedoch nicht auf die Art des der Behörde bei Durchführung der Ersatzvornahme unterlaufenen Fehlers ankommen. Es sind Fälle denkbar, in denen die örtlich zuständige Ordnungsbehörde gegen Formvorschriften verstößt und es so durch die daraus resultierende Nichtanwendbarkeit der speziellen Kostenerstattungsregelungen zu einer ebenfalls materiell nicht gerechtfertigten Entlastung des an sich verantwortlichen Störers kommt. Für die Frage, ob in diesen Fällen ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch eingreifen kann, kommt es darauf an, ob die polizeirechtlichen Vorschriften über die Kostenerstattung als Spezialgesetze die Anwendung der Grundsätze des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs ausschließen. Nach dem o. G. erscheint es im Hinblick auf die Formstrenge des Polizeirechts ausgeschlossen, bei Nichteingreifen der speziellen Kostenerstattungsvorschriften die auf die gleiche Rechtsfolge gerichteten GoA-Vorschriften anzuwenden. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs geht es dagegen nicht um den Ersatz tatsächlich aufgewendeter Kosten, sondern allein um den Ausgleich unberechtigter Vermögensverschiebungen. Das Ziel, einen solchen Ausgleich zu verhindern, läßt sich weder aus dem Text des Gesetzes noch aus Sinn und Zweck der Regelung herleiten. Das Gesetz bestimmt allein positiv, unter welchen Voraussetzungen der Behörde tatsächlich entstandene Kosten auszugleichen sind. Eine 11
Maurer, JuS 1970, 561, 565 Fn. 27.
!3
Götz, Rn. 327; Schenke in Steiner, Bes. VerwR., Rn. 235.
12 Wollschläger, 83 ff.
B. Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch
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darüber hinausgehende Regelung dahingehend, daß Vorteile aufgrund rechtswidrigen Verwaltungshandeins behalten werden dürfen, ist nicht erkennbar. Grundsätzlich steht der Anwendung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs bei formell rechtswidriger Ersatzvornahme damit nichts im Wege. Wenn auch bis heute die Auffassungen über die materielle Grundlage des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs auseinandergehen14, so sind doch Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen im wesentlichen unstreitigls. Voraussetzung für das Eingreifen des Erstattungsanspruchs ist das Vorliegen einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung durch Leistung oder in sonstiger Weise. Gerichtet ist der Anspruch auf Rückgewähr des rechtsgrundlos Erlangten bzw. auf Wertersatz. Durch eine formal rechtswidrige Ersatzvornahme wird der Störer, soweit die Störung durch die Ersatzvornahme entfallen ist, von seiner bis dahin bestehenden Verpflichtung zur Störungsbeseitigung befreit. Dies geschah nicht durch Leistung, sondern in sonstiger Weise direkt auf Kosten der rechtswidrig handelnden Behörde, da die Behörde nicht zielgerichtet das Vermögen des Störers mehren wollte, sondern einer vermeintlich eigenen Verpflichtung zum Einschreiten nachgekommen ist. Die Bereicherung müßte darüber hinaus rechtsgrundlos geschehen sein. Keinen Rechtsgrund zum Behaltendürfen des Vorteils stellt entsprechend dem o. G. das Nichteingreifen der polizeirechtlichen Ersatzvornahmevorschriften dar16 • Nach herrschender Meinung ist jedoch eine auf einem rechtswidrigen Verwaltungsakt beruhende Vermögensverschiebung nur dann rechtsgrundlos im Sinne des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs, wenn der Bescheid unwirksam ist bzw. aufgehoben wurde. Hiernach wäre die Behörde, die die rechtswidrige Ersatzvornahme durchgeführt hat, vor Geltendmachung eines Ersatzanspruchs gehalten, ihre Verfügung zurückzunehmen. Grundsätzlich ist damit über den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ein Ausgleich der Vorteile möglich, die durch rechtswidrige Ersatzvornahme erlangt wurden. Speziell normiert wird ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in § 48 Abs. 2 Satz 5 VwVfG. Nach dieser Vorschrift sind teilbare Sachleistungen, die aufgrundeines rechtswidrigen Verwaltungsaktes gewährt wurden, nach dessen Rücknahme zurückzugewähren, es sei denn, es besteht ein schutzwürdiges Vertrauen in die Bestandskraft des zurückgenommenen Bescheides. Wenn der Adressat einer rechtswidrigen Polizeiverfügung an deren Bestandskraft glaubt, ist hierin kein die Rücknahme ausschließendes 14
15
1s
Maurer, 611. Maurer, 612; Erichsen in Erichsen/Martens, Allg. VerwR., 317. Wollschläger, 84.
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IV. Haftung nach GoA-Vorschriften I ö.-r. Erstattungsanspruch
Schützenswertes Vertrauen zu erblicken, da im Falle der Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahmeverfügung die vollen Kosten vom Pflichtigen zu tragen gewesen wären. Sachlich weicht damit die spezielle Regelung des § 48 Abs. 2 Satz 5 VwVfG vom allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nur insoweit ab, als die Gewährung einer teilbaren Sachleistung zur Anspruchsvoraussetzung gemacht wird. Ob eine behördliche Maßnahme im Rahmen der Ersatzvornahme als teilbare Sachleistung eingestuft werden kann, kann nur anhand des Einzelfalles untersucht werden. Entscheidungserheblich ist diese Frage jedoch wegen des Eingreifens des allgemein öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs nicht.
V. Zusammenfassung A. Störerverantwortlichkeit nach Allgemeinem Polizei- und Ordnungsrecht 1. Die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit sind:
- der Staat und seine Einrichtungen - verschiedene Individualgüter - die gesamte Rechtsordnung; hierzu zählen grundsätzlich auch zivilrechtliche Vorschriften, es ist jedoch die gerichtliche Zuständigkeitsordnung zu beachten. 2. Grundlage der Handlungshaftung ist die bei wertender Beurteilung unmittelbare Verursachung einer Störung oder Gefahr. 3. Die Handlungshaftung kann durch legalisierende Genehmigungen ausgeschlossen sein. Die sachliche und zeitliche Reichweite der Genehmigung ist genau zu ermitteln. Rechtswidrige Genehmigungen entfalten Legalisierungswirkung, soweit der Genehmigungsempfänger die Rechtswidrigkeit nicht kannte oder kennen mußte. Eine nachträgliche Änderung von Sachlage, Rechtslage oder Kenntnisstand läßt die Legalisierungswirkung nicht entfallen. Behördliche Duldungen entfalten keine Legalisierungswirkung. 4. Ungenehmigtes Verhalten führt bei Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Normen regelmäßig zur Handlungshaftung. Ein Verstoß gegen zivilrechtliehe Vorschriften führt nur dann zur Handlungshaftung, wenn Schutzzweck der verletzten Norm zumindest auch die Verhinderung der konkret eingetretenen Störung ist. Ohne konkreten Normverstoß ist nach den Kriterien Pflichtwidrigkeit und Risikosphä,re die Störerbestimmung durchzuführen. Beurteilungszeitpunkt ist die Vornahme der störenden Handlung, nachträgliche Änderungen von Sachlage, Rechtslage oder Kenntnisstand sind unbeachtlich. 5. Die Handlungshaftung wird durch ein Unterlassen nur ausgelöst, wenn gegen konkret normierte Handlungspflichten ·verstoßen wird. 6. Die Zustandshaftung ist ausgelöst, wenn eine Sache stört oder sie bei wertender Betrachtung die Störung unmittelbar verursacht. 7. Die Zustandsverantwortlichkeit kann durch legalisierende Genehmigungen entfallen. Auch rechtswidrigen Genehmigungen kann Legalisie-
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V. Zusammenfassung
rungswirkung beigemessen werden, wenn das Vertrauen in den Bestand der Genehmigung schützenswert ist. Das Risiko einer unvorhersehbaren Sachverhaltsänderung oder Änderung des Kenntnisstandes liegt beim Genehmigungsempfänger, Änderungen der Rechtslage lassen dagegen regelmäßig die Legalisierungswirkung nicht entfallen. 8. Die Störerstellung und damit die Zustandshaftung findet ihre Grenze dort, wo die Inanspruchnahme nicht mehr Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums ist, sondern ein Sonderopfer darstellt. Ein Sonderopfer wird immer dann anzunehmen sein, wenn die Störung nicht der Risikosphäre des Grundstückseigentümers oder Sachherrn zuzurechnen ist. Eine Einschränkung der Störerverantwortlichkeit führt regelmäßig nicht zu einer völligen Freistellung des Zustandsstörers, sondern nur zu einer Begrenzung der Haftung durch Begrenzung der Störereigenschaft 9. Bei der Störerauswahl sind materielle Gerechtigkeitskriterien von der handelnden Ordnungsbehörde nur insoweit zu beachten, als dadurch nicht die Schnelligkeit und Effektivität der Störungsbeseitigung eingeschränkt wird. Zwischen mehreren Störern besteht ein Ausgleichsanspruch entsprechend § 426 Abs. 1 BGB.
B. Störerverantwortlichkeit nach Abfallrecht 1. Abfall im Sinne des Abfallrechts liegt nur dann vor, wenn durch Ände-
rung der Beschaffenheit einer Sache der ursprüngliche Verwendungszweck entfällt oder im Rahmen von Lebensvorgängen Stoffe an- bzw. abfallen, ohne daß dies Ziel der jeweiligen Handlung ist. Die Anwendung des Abfallrechtes wird durch wasserrechtliche Vorschriften nur insoweit ausgeschlossen, als Stoffe in Gewässer, Kläranlagen oder die Kanalisation eingeleitet oder eingebracht werden.
2. § 8 Abs. 1 Satz 3 AbfG schafft für nach Inkrafttreten des AbfG genehmigte Anlagen die Möglichkeit der Verhängung nachträglicher Nebenbestimmungen im Interesse des Wohles der Allgemeinheit, soweit bei Genehmigungserteilung das Erfordernis der Auflage noch nicht vorlag oder erkennbar war. Durch § 17 Abs. 2 BlmSchG wird die Möglichkeit der Verhängung von Nebenbestimmungen nach dem Abfallrecht nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt. 3. § 9 AbfG erlaubt die Verhängung von Auflagen zur Absicherung von Altanlagen im Interesse des Allgemeinwohls. Diese Auflagen dürfen jedoch regelmäßig nicht über das hinausgehen, was bereits nach alter Rechtslage zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hätte verfügt werden können.
C. Störerverantwortlichkeit nach Wasserrecht
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4. § 10 Abs. 1 AbfG verpflichtet den Betreiber einer Altanlage, deren Schließung der Behörde anzuzeigen. § 10 Abs. 2 AbfG ermächtigt die Behörde, bei nach Inkrafttreten des Gesetzes geschlossenen Anlagen, zur Anordnung von Sanierungsmaßnahmen. Die Grenzen der Zulässigkeit solcher Anordnungen entsprechen bei vor Inkrafttreten des AbfG angelegten Anlagen denen für Auflagen nach § AbfG (s. o. 3.). 5. Die Statuierung einer Pflicht zur Duldung von Sanierungs- und Rekultivierungsmaßnahmen in landesabfallrechtlichen Regelungen ist zulässig. Darüber hinaus dürfen die Länder grundsätzlich eine Abschöpfung von sanierungsbedingten Wertzuwächsen regeln. Unzulässig ist dagegen die Einführung einer Sanierungs- und Rekultivierungsverpflichtung für vor Inkrafttreten der jeweiligen Regelung geschlossene Deponien, soweit über das nach allgemeinem Polizeirecht Zulässige hinausgegangen wird.
C. Störerverantwortlichkeit nach Wasserrecht 1. Das Abfallrecht geht dem Wasserrecht grundsätzlich nicht als speziellere
Regelung vor; eine abfallrechtliche Genehmigung schließt dagegen ein Vorgehen gegen den Genehmigungsempfänger aus, der durch das abfallrechtlich genehmigte Verhalten gegen das materielle Wasserrecht verstößt.
2. Das Wasserrecht selbst enthält keine ordnungsrechtliche Eingriffsgrundlage; die materiellen Regelungen lassen sich jedoch durch die landeswasserrechtlichen Eingriffsgrundlagen bzw. die polizeirechtliche Generalklausel durchsetzen. Der einzelnen wasserrechtlichen Vorschriften bedarf es dabei zur Begründung einer Störung der öffentlichen Sicherheit nicht, da die Reinheit allen Grund- und Oberflächenwassers ohne weiteres Schutzgut der öffentlichen Sicherheit ist. Eine Verletzung wasserrechtlicher Vorschriften begründet dagegen die Störerhaftung. 3. Ein Verstoß gegen das Verbot ungenehmigter Gewässerbenutzung gemäß § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 4 und 5 WHG kann nur bei einem auf ein Gewässer zielgerichteten Verhalten vorliegen. 4. Ein Verstoß gegen das Benutzungsverbot gemäߧ 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 WHG setzt ein zweckgerichtetes gewässerbeeinträchtigendes Verhalten voraus. Liegt bloße Untätigkeit vor, bedarf es dieser Vorschriften zur Begründung der Störerhaftung nicht. 5. § 19 g Satz 1 WHG schafft die Verpflichtung, Anlagen zum Lagern und Abfüllen wassergefährdender Stoffe so zu betreiben, daß eine Gewässerverunreinigung nicht zu besorgen ist. 9 Ziehm
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V. Zusammenfassung
6. §§ 26 Abs. 2, 34 Abs. 2 WHG schaffen die Verpflichtung zu einer die Gewässer nicht gefährdenden Lagerung bzw. Ablagerung wassergefährdender Stoffe. 7. Nach§ 1 a Abs. 2 WHG ist jedermann verpflichtet, bei Maßnahmen, mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können, die zur Vermeidung von Verunreinigungen erforderliche Sorgfalt anzuwenden. Eine Verpflichtung zur Beseitigung bereits eingetretener Umweltbeeinträchtigungen läßt sich aus § 1 a Abs. 2 WHG nicht herleiten. 8. § 22 Abs. 2 WHG begründet eine zivilrechtliche Gefährdungshaftung desjenigen, aus dessen Anlage wasserverunreinigende Stoffe in ein Gewässer gelangen, ohne eingeleitet bzw. eingebracht zu sein. Für die Störungszurechnung im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht hat die Vorschrift als Risikozuweisung Bedeutung. D. Verantwortlichkeit nach Zivilrecht und nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs 1. Ein Anspruch auf Ersatz der für die Störungsbeseitigung aufgewendeten
Kosten ergibt sich allein aus den öffentlich-rechtlichen Regeln über die Ersatzvornahme. Daneben scheiden Ansprüche aus GoA aus.
2. Kommen die Ersatzvornahmevorschriften wegen Rechtswidrigkeit der behördlichen Maßnahme nicht zur Anwendung, ist die rechtswidrig handelnde Behörde berechtigt, Ausgleich der beim Störer durch die Beseitigung der Störung entstandenen Bereicherung nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zu verlangen.
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