Die Sterbe- und Ewigkeitslieder in deutschen lutherischen Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts 9783666564024, 9783525564028, 9783647564029


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German Pages [740] Year 2012

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Die Sterbe- und Ewigkeitslieder in deutschen lutherischen Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts
 9783666564024, 9783525564028, 9783647564029

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© 2012, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525564028 — ISBN E-Book: 9783647564029

Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Herausgegeben von Volker Henning Drecoll und Thomas Kaufmann

Band 104

Vandenhoeck & Ruprecht

© 2012, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525564028 — ISBN E-Book: 9783647564029

Lukas Lorbeer

Die Sterbe- und Ewigkeitslieder in deutschen lutherischen Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts

Vandenhoeck & Ruprecht

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Für Karina und Birgit

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-56402-8 ISBN 978-3-647-56402-9 (E-Book)

© 2012, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. – Printed in Germany. Satz: PTP-Berlin, Protago TEX-Production GmbH (www.ptp-berlin.de) Druck und Bindung: A Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im April 2011 von der Evangelisch-theologischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Sie wurde mit dem Promotionspreis der Fakultät ausgezeichnet. Für den Druck wurde sie geringfügig überarbeitet. Herzlich danken möchte ich zuallererst Herrn Prof. Dr. Volker Drecoll. Er hat die Entstehung der Arbeit mit großer Geduld und wachem Interesse gefördert. Meine Ideen hat er stets konstruktiv weiterentwickelt und bei der Erarbeitung des Konzepts entscheidende Impulse gegeben. Besonders möchte ich für die Freiräume danken, die ich zur eigenständigen Forschung erhielt: Während der Zeit als landeskirchlicher Assistent am Lehrstuhl hatte ich die Möglichkeit, das Thema genau zu entwickeln; als ich mich zur Ausarbeitung um ein Stipendium bemühte, wurde ich auch darin unterstützt. Herrn Prof. Dr. Volker Leppin danke ich für sein gehaltvolles Zweitgutachten, aus dem einige Anregungen Eingang in die Druckfassung gefunden haben. Das Evangelische Studienwerk Villigst hat die Entstehung der Arbeit durch ein Promotionsstipendium großzügig gefördert. Für finanzielle Förderung danke ich auch dem Land Baden-Württemberg. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands gewährten jeweils einen Druckkostenzuschuss, für den ich herzlich danke. Die Bibliothekarinnen und Bibliothekare der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Abteilung Historische Drucke, und der Universitätsbibliothek Tübingen haben mich bei meiner Arbeit sehr unterstützt. Besonders danken möchte ich dem Team des Historischen Lesesaales in Tübingen, der mir über längere Zeit zu einer Art Lebensraum wurde. Stets anregend und weiterführend waren die Rückmeldungen in der ‚Werkstatt‘ des Doktorandenkolloquiums von Herrn Prof. Dr. Andreas Holzem. Frau Prof. Dr. Elke Axmacher hat mir zu Beginn der Arbeit umfangreiches Material zur Verfügung gestellt. Ihnen allen sei hier herzlich gedankt. Besonders um die Arbeit verdient gemacht hat sich Frau PD Dr. Anne Käfer. Sie hat nicht nur die Entstehung mit klugem Rat begleitet, sondern sich auch auf die Mühe eines überaus gründlichen, konzentrierten, feinsinnigen und verständigen Korrekturlesens eingelassen, dem ich zahlreiche wichtige Anregungen und Verbesserungen verdanke. Dafür gebührt ihr großer Dank. Herrn Prof. Drecoll und Herrn Prof. Dr. Thomas Kaufmann danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte“, Frau Silke Hartmann vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht für die sachkundige verlegerische Betreuung.

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Vorwort

Meine Mutter Katharina Lorbeer und mein Vater Dr. Hans Lorbeer haben mich auf vielfältige Weise unterstützt. Für diesen treuen und verlässlichen Rückhalt möchte ich ihnen hier von Herzen danken. Meiner Familie verdanke ich auch die Liebe zu den Liedern des Gesangbuchs, ohne die ich nie auf die Idee gekommen wäre, diese Arbeit zu schreiben. Anteil daran haben, je auf ihre Weise, auch meine Großmutter Ursel Werner und mein Patenonkel Jörg Werner, an die ich mich in Liebe und Dankbarkeit erinnere, sowie seine Frau Brigitte Werner, die meine Arbeit voll freundschaftlichem Interesse verfolgte. Ohne die Begleitung und Bestärkung durch viele andere hätte ich die lange Strecke kaum bewältigt. Herrn Reinhold Ott danke ich für unerschütterliche Geduld, Evi Schulze für eine erfreuliche Unterkunft, Silke Schöttle für täglichen Austausch und fachkundigen Rat, Marion Mattaurch und vielen anderen für ihren Beistand aus der Nähe oder Ferne. Karina Beck und Birgit Mattausch danke ich für ihre treue Freundschaft, für etliche Korrekturen (auch wenn ich aus pragmatischen Gründen auf die angemahnte inklusive Sprache verzichtet habe), für unzählige Stunden am Telefon, für wesentliche Verschönerung meines Daseins. Ihnen beiden möchte ich dieses Buch widmen. Balingen-Engstlatt, am Sonntag Kantate 2012

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Lukas Lorbeer

Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

I.

16

II.

III.

Die Auswahl der zu untersuchenden Liedtexte (Teil A) . . . . . . . . . . . . . . . 1. ‚Sterbe- und Ewigkeitslieder‘ als Inhalt bestimmter Gesangbuchrubriken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fragestellung und Methode in Teil A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswahl der als Quellen zugrunde gelegten Gesangbücher . . . . . . Fragehinsichten für die Untersuchung der Liedtexte (Teil B) . . . . . . . . . . 1. Die ‚Sprach- und Vorstellungswelt‘ als konstruiertes Ergebnis aus drei Fragestellungen an die Liedtexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Thematische Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16 18 20 23 23 27

Zur Untersuchung des Kontextes der Lieder anhand exemplarischer Quellen (Teil C) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

Zitierweise – Editionsrichtlinien – Textnachweise der Lieder . . . . . . . . . .

30

Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

I.

33 35

IV.

II.

Evangelische Gesangbücher bis 1560 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die ältesten reformatorischen Gesangbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Gesangbuch der Böhmischen Brüder von Michael Weisse (Jungbunzlau 1531) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Babstsche Gesangbuch (Leipzig 1545). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Eichornsche Gesangbuch (Frankfurt/O. 1558) . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Braunschweig-Lüneburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Lüneburger Gesangbuch von 1625 . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lüneburger Bibeln mit Liedanhang (1633–1704) . . . . . . . . . . c) Hannoverisches Gesangbuch (1660) und Cellisches Gesangbuch (1661/1696/1706) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Lüneburgische Gesangbuch (1695/1702) . . . . . . . . . . . . . e) Überblick über die Liedauswahl der ausgewerteten Stern-Gesangbücher. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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8

Inhalt

3.

4.

5.

III.

Kurbrandenburg (am Beispiel Berlin) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Johann Crügers Newes vollkömliches Gesangbuch (1640) . . b) Die Praxis Pietatis Melica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Reformierte Gesangbücher aus dem Umkreis der Praxis Pietatis Melica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Peter Sohrens Musicalischer Vorschmack (Hamburg 1683) . Kursachsen (am Beispiel Leipzig und Dresden) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Leipziger Gesangbücher aus der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Cantional von Johann Hermann Schein (1627), das Neu Leipziger Gesangbuch von Gottfried Vopelius (1682) und das Gothaer Cantionale Sacrum (1648) . . . . . . . . . . . . . . c) Gesangbücher aus dem Umkreis des Dresdner Hofes . . . . . . d) Überblick über die kursächsischen Gesangbücher . . . . . . . . . Nürnberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geistliche Psalmen, Hymnen, Lieder und Gebet . . . . . . . . . . . b) Neue Lieder in den Gesangbüchern ab 1650 . . . . . . . . . . . . . .

Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch: Auswertung . . . . . . . . . . 1. Die Gesangbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Redaktion und Entstehungsbedingungen von Gesangbüchern im 17. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typologie der Gesangbuchdrucke nach Initiativen . . . . . . . . . Tendenzen der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesangbuchgebrauch im 17. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesangbücher im Gottesdienst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesangbücher in der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesangbücher in der Hausandacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rubrizierung und Zusammensetzung der Liedauswahl . . . . . . . . . . a) Rubrizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sterbe- und Begräbnislieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Speziellere Rubriken von Jüngstem Tag, Auferstehung, Hölle, Himmel und ewigem Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zusammensetzung der Liedauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgewertete Gesangbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die häufigsten Lieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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158 160 160 161 162 164 166

Inhalt

9

Teil B: Die Sprach- und Vorstellungswelt des Sterbe- und Ewigkeitsliedes . . . . 169 I.

Vergänglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Flüchtigkeit des menschlichen Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kürze des Lebens und Allgemeinheit des Todesschicksals. . . b) Was ist doch des Menschen Leben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bilder der Vergänglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Contemptus mundi: Verachtung und Verabschiedung der Welt . . a) Welt versus Wahrheit: Frau Welt als „Ertz=Betriegerin[n]“. . b) Die Welt ein Haus: „Du, o schönes Weltgebäude“ . . . . . . . . . . c) Leid als Grunderfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die verkehrte Haltung der Weltkinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Absage an die Welt: „O Welt, ich mus dich lassen“ . . . . . . 3. Die Nichtigkeit irdischer Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Die Welt vergeht mit ihrer Lust“ (1Joh 2,17) . . . . . . . . . . . . . b) Schönheit, Jugend, Stärke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Reichtum, Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wertschätzung durch die Mitmenschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Kunst und Weisheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Vergänglichkeit der gesamten Schöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vergänglichkeit und Sterblichkeit aus theologischer Sicht . . . . . . . . a) Die Ursachen der Vergänglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schlangengift und Adams Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gottes Zorn (Ps 90,7f) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

169 170 171 173 174 180 181 182 184 186 188 191 192 194 195 198 200 201 202 203 203 204 206 209

II.

Der Weg des Lebens als Pilgerreise und als ritterlicher Kampf . . . . . . . . . 1. Peregrinatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geleit auf dem Weg in das Vaterland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Sehnsucht nach der himmlischen Heimat . . . . . . . . . . . . . c) Ausspannen vom Joch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Meerfahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Der letzte Abschnitt der Pilgerreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Militia Christi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vor dem Kampf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nach dem Kampf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

210 211 213 214 217 218 220 223 224 227 230

III.

Memento mori: Die Todesmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Memento: Das ‚Denken an‘ den Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen (Ps 90,12) . . . b) Memento: O Mensch, bedenke stets dein End . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

2.

Die Rede von der Todesstunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ungewissheit und potentielle Nähe der Todesstunde . . . . . . . b) Lob und Gegenwart der Todesstunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Tod als Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Tote als Repräsentant des Todes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Totentanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Tod als Verfolger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Tod als schreckliches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Vom Tod als besiegtem Feind zum Tod als Freund . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

239 240 243 245 245 248 250 252 255 258

IV.

Die Bereitung zum Sterben und die Bitte um ein seliges Ende . . . . . . . . . 1. Bereitung zum Sterben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ars moriendi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Bitte um ein seliges Ende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das selige Ende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

259 259 263 266 267 272

V.

Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes . . . . . . 1. Die Todesnot als Sprechsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Anrufung Gottes in der letzten Not . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der körperliche Anteil der Todesnot: Krankheit, Schmerz und Schwäche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EXKURS: Pestlieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Krankheitslieder, ihr ‚doppelter Ausgang‘ und ihre Deutung der Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Körperliches Erleben der Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Soziale Isolation in Krankheit und Sterben . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Versagen der körperlichen und geistigen Funktionen. . . 3. Der seelische Anteil der Todesnot: Angst und Anfechtung . . . . . . a) Angst vor dem Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anfechtung durch Teufel und Hölle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anfechtung durch die Sünde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum Sündenverständnis in der Todesnot . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wirkung der Sünde auf das Gewissen . . . . . . . . . . . . . . . . d) Trost in der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebung in Gottes Willen und Commendatio animae . . . . . . . . . . a) Ergebung in Gottes Willen: Kontexte und Liedbestand . . . . . b) Ausdrucksformen der Ergebung in Gottes Willen . . . . . . . . . c) Providenz: Von der Güte des göttlichen Wollens und Tuns . . d) Commendatio animae (Ps 31,6; Lk 23,46) . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Freudiges Sterben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

272 273 275

3.

4.

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Inhalt

6.

11

Sterbesehnsucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Bitte um Erfüllung der Sterbesehnsucht . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Äußerungen der Sterbesehnsucht . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Sterbesehnsucht nach Ps 42 und Phil 1,23 . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

338 340 345 347 350

VI. Christus der ist mein Leben: Christologische Aspekte des Sterbetrostes 1. Christus der Leidende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Trost als Wirkung der Betrachtung des Leidens Christi . . . . . b) Heil als Wirkung des stellvertretenden Sühnetodes Christi . . Die Heilswirkung des Blutes Christi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Heilswirkung der Sakramente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Wunden Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Christus der machtvolle Überwinder des Todes . . . . . . . . . . . . . . . . a) Christi Kampf mit dem Tod: „Der Tod ist verschlungen in den Sieg“ (1Kor 15,54) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Befreiung aus der Gefangenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausdrucksformen der persönlichen Christusbeziehung . . . . . . . . . a) Die Christusbeziehung als räumlich-körperliche Nähe . . . . . b) Die Christusbeziehung als einseitiges oder gegenseitiges Eigentumsverhältnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Christusbeziehung als Liebesbeziehung . . . . . . . . . . . . . . Verlangen nach dem Bräutigam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exemplarische Motive der Brautmetaphorik . . . . . . . . . . . . . . Die Liebesbeziehung zum Bräutigam als Gegenwart des Himmels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

353 355 357 364 368 371 373 379

VII. Abschied und Trauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Ich des Toten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschied – Segen – Anbefehlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Angehörigen und ihre Beziehung zu den Verstorbenen . . . . . . a) Die Anrede der Angehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zum Tod von Ehepartnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gottes Fürsorge für Witwen und Waisen . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zum Tod von Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Trauer und Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Lob des Verstorbenen und seines Lebens . . . . . . . . . . . . . b) Trauer als Ringen des Ich mit Gott und mit sich selbst . . . . . 5. Die Aufforderung, nicht zu trauern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Biblische Bezugstexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Aufforderung zur Ergebung und das Vorbild Hiobs . . . .

414 416 421 423 423 425 430 433 437 439 441 447 448 452

7.

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379 384 388 389 393 398 398 402 408 412

12

Inhalt

6.

7.

Trost in der Trauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Trost aus dem fürsorglichen Handeln Gottes . . . . . . . . . . . . . . b) Trost aus dem postmortalen Ergehen der Verstorbenen . . . . Kontrastierung des postmortalen Ergehens mit dem leidvollen Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Positive Schilderung des postmortalen Ergehens . . . . . . . . . . c) Trost aus der Hoffnung auf die Fortdauer der Beziehung mit den Verstorbenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VIII. Leib und Seele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Weg der Seele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Leib im Grab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Leib als Behausung der Seele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Ruhe des Leibes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zerfall, Verwandlung und Bewahrung des Leibes . . . . . . . . . . Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auferstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ (Hiob 19,25) . . . . . . . . . . . b) Weitere Vorstellungen von der Zusammensetzung des Auferstehungsleibes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verklärung des Leibes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

456 457 463 464 468 473 480 482 483 493 493 497 501 502 505 509 512 515 521 527 532

Teil C: Der Sitz im Leben des Sterbe- und Ewigkeitsliedes . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 I.

Vorausgreifendes Sterbegedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lieder zum Sterbegedenken im Kirchenjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Perikopenordnung und Detempore-Lied . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Festregister als hymnologische Quelle für das sonntägliche Proprium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lieder aus Evangelien- und Epistelliedzyklen . . . . . . . . . . . . . 2. Lieder zum Sterbegedenken in der privaten Frömmigkeitsübung a) Sterbelieder als Zeugnisse des Sterbegedenkens der Verfasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die private Sterbeandacht der Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt . . . . . . . . . . . b) Sterbelieder als Anleitung zum Sterbegedenken in der privaten Gesangspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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535 536 536 537 541 544 545 546 550

Inhalt

3. II.

III.

13

Johann Rist, Himlische Lieder (1641/42), Neue Himlische Lieder (1651) u. a. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 Heinrich Albert, Arien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560

Am Sterbebett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorgaben für die pastorale Praxis der Sterbeseelsorge . . . . . . . . . . . a) Kirchenordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anleitungen für die pastorale Praxis: Entwicklungsstationen und ein Beispiel (1603) . . . . . . . . . . . . 2. Der Sterbebericht in der Leichenpredigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Sündenbekenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fragen an den Sterbenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abschied von den Angehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bibelverse und Gebete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Lieder am Sterbebett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Lieddichtung und -gesang in tödlicher Krankheit. . . . . . . . . . b) Lieder am Sterbebett als pastorale Praxis und als literarische Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beispiele für Auswahl und Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Liedauswahl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiele für die Verwendung von Liedern und Liedtexten beim Sterben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

561 561 562

Das Begräbnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Verständnis des Begräbnisses im Luthertum . . . . . . . . . . . . . . . a) Polemik gegen die Vorstellung des Dienstes an den Toten . . . b) Das Begräbnis als dreifacher Dienst an den Lebenden . . . . . . 2. Der äußere Rahmen des Begräbnisses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Leichenpredigt und das Lied in der Leichenpredigt . . . . . . . . . a) Zur Textwahl der Leichenpredigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Liedtexte in der Leichenpredigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Gesang beim Begräbnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begräbnisgesänge in den Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Personalisierte Gelegenheitswerke im 17. Jahrhundert . . . . . Entstehung und Aufführung der personalisierten Gelegenheitswerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezüge zu Namen, Lebens- und besonderen Todesumständen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

596 597 597 600 606 611 613 617 621

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564 569 569 571 574 576 583 583 584 587 587 588 595

622 626 628 630 635

14

Inhalt

Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647 I.

Abkürzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647

II.

Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649

III.

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676

IV.

Nachweise der Liedtexte in tabellarischer Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683

V

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Register der Liedanfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bibelstellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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694 694 702 717 734

Einleitung Sterben und Singen gehören zusammen. In vielen Kulturen hat die Auseinandersetzung mit dem Ende des menschlichen Lebens gesungene Ausdrucksformen gefunden, die den Stellenwert und die Deutung des Todes innerhalb der jeweiligen Gesellschaft widerspiegeln. Das gilt auch für das Luthertum im deutschsprachigen Raum bis 1700. Die Beschäftigung mit dem Sterben überhaupt und insbesondere mit dem eigenen Ende bildet in dieser Zeit einen zentralen Gegenstand der Frömmigkeit. Als Medium dieser Frömmigkeit entsteht eine große Zahl von Sterbegesängen in deutscher Sprache, deren Texte in der vorliegenden Arbeit einer genauen Untersuchung unterzogen werden. Grundlage der Untersuchung sind Gesangbücher des 17. Jahrhunderts. Gesangbücher sind eine Quellengattung, die durch ihre permanente praktische Verwendung eine besondere Prägekraft für die Frömmigkeit besitzt. Der gewählte Zeitabschnitt stellt dabei keinesfalls eine geschlossene Größe dar: Die Auswahl reicht von 1591 bis 1706, also von der Zeit nach der Konkordienbildung bis in die Zeit des Pietismus hinein. In doppelter Weise wird auch die dem eigentlichen Untersuchungszeitraum vorangehende Zeit berücksichtigt: Zum einen werden die Anfänge des lutherischen Gesangbuchs in der Reformationszeit anhand einiger bedeutender Beispiele wahrgenommen; zum anderen erweisen sich die Sterbelieder dieser Zeit als Kernbestand der Gesangbücher im 17. Jahrhundert und sind insofern ebenfalls ein wesentlicher Gegenstand der Untersuchung. Aufgrund der Liedtexte, die in den Gesangbüchern zu finden sind, fragt die Untersuchung nach den prägenden Vorstellungen von Sterben, Tod und ewigem Leben, nach der sprachlichen und literarischen Umsetzung der Beschäftigung mit dem Tod und nach dem allmählichen Wandel im Verlauf des Untersuchungszeitraums. Da die Gesangbuchlieder ihrem Wesen nach nicht nur zum leisen Lesen, sondern zu einer gesprochenen oder gesungenen Performanz bestimmt sind, wird schließlich auch die Frage nach ihrem ‚Sitz im Leben‘ gestellt. Dabei gilt: Nicht nur das Trauern, sondern auch das Sterben selbst gehören zum ‚Leben‘ dazu. In einem ersten Schritt wird eine umfangreiche Auswahl von Liedtexten aus den Sterbeliedrubriken zeitgenössischer Gesangbücher getroffen und begründet, die zugleich über die Entstehung und Verwendung von Gesangbüchern im 17. Jahrhundert Aufschluss gibt (Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch). Der zweite Schritt – zugleich der Hauptteil der Untersuchung – widmet sich in acht thematischen Einzelabschnitten den Vorstellungen von Sterben, Tod und ewigem Leben, die in den Liedtexten zum Ausdruck kommen, und der Funktionsweise, mit der sie durch textinterne, vorgeprägte literarisch-rhetorische Konventionen auf die Frömmigkeit der Rezipienten wirken (Teil B: Die Sprach- und Vorstellungswelt des

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Einleitung

Sterbe- und Ewigkeitsliedes). In einem dritten Schritt wird über die Ebene des Textes hinaus nach dem Kontext oder dem Sitz im Leben gefragt, in dem die Lieder zur Zeit ihrer Entstehung verwendet wurden (Teil C: Der Sitz im Leben des Sterbe- und Ewigkeitsliedes).

I. Die Auswahl der zu untersuchenden Liedtexte (Teil A) 1. ‚Sterbe- und Ewigkeitslieder‘ als Inhalt bestimmter Gesangbuchrubriken

Bei der Auswahl der zu untersuchenden Liedtexte wird eine Kombination von inhaltlichen und funktionalen Kriterien angewandt: Untersucht werden sollen solche Texte, in denen Sterben, Tod und ewiges Leben die zentralen Themen bilden und die ihren Sitz im Leben am Sterbebett oder beim Begräbnis haben. Dieselbe Kombination von inhaltlichen und funktionalen Faktoren liegt auch der Rubrizierung der Gesangbücher zugrunde; an ihr kann sich die Auswahl deshalb orientieren. Die Gesangbuchrubrizierung hat sich im 16. Jahrhundert herausgebildet und kennt zwar eine gewisse Variationsbreite; aber insgesamt kehren die typischen Kategorien immer wieder. Sie sind zu einem guten Teil funktional bestimmt: Rubriken wie ‚Vom Tod und Sterben‘ oder ‚Vom Begräbnis‘ spiegeln den entsprechenden Sitz im Leben wider; die Rubrizierung (formale Zuordnung) korrespondiert mit dem intendierten Buchgebrauch (funktionale Zuordnung). Offenbar nicht funktional, sondern inhaltlich bestimmt sind Rubriken wie ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘, ‚Von der Ewigkeit‘ oder ‚Von der Hölle‘. Ihnen ist noch nicht per definitionem ein bestimmter Sitz im Leben zugeordnet. Die in den genannten Rubriken enthaltenen Lieder werden im Folgenden mit dem Terminus ‚Sterbe- und Ewigkeitslieder‘ bezeichnet. Bei dieser Gruppe handelt es sich freilich nicht um einen geschlossenen Bestand, weder im Sinne einer grundsätzlichen Begrenztheit noch im Sinne einer Exklusivität gegenüber anderen Rubriken. Die Geschlossenheit in diesem letzteren Sinne ist bei unterschiedlichen Rubriken unterschiedlich ausgeprägt: Relativ geschlossen ist etwa die Gruppe der Weihnachtslieder. Umgekehrt verhält es sich mit Abteilungen wie ‚Bet-Lieder‘, ‚Trost-Lieder‘, ‚Vom christlichen Leben und Wandel‘ usw. Die in ihnen enthaltenen Lieder können in verschiedenen Gesangbüchern unter ganz unterschiedlichen Überschriften auftauchen. Häufig sind auch Sammelrubriken wie „Allerhand schöne Lehr= Bett= Trost= Lob= und Danck=Gesänge. Wie auch Himmlische Liebes=Lieder“1, die von der Verlegenheit der Redaktoren zeugen, solche offenen Gruppen voneinander abzugrenzen. Die Gruppe der Sterbe- und Ewigkeitslieder ist zwar nicht ganz geschlossen, aber doch so weit, dass sinnvollerweise von einer Gruppe gesprochen und diese der Untersuchung zugrunde gelegt werden kann. Manche Lieder wie Freu dich sehr, o meine Seele sind fast ausschließlich hier zu finden, andere – etwa Was mein Gott will, 1

S-1704, 315.

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I. Die Auswahl der Liedtexte

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das gscheh allzeit – auch in (mehr oder weniger) verwandten oder benachbarten Abteilungen. Es gibt also eine Art Kern von Liedern, der hinsichtlich der Rubrizierung (nicht des Bestandes) weitgehend invariant ist. Um diesen Kern lagert sich eine nach außen lockerer werdende Peripherie von immer weniger eindeutig zugeordneten Liedern. Insofern ist es sinnvoll, von einer ‚offenen‘ Gruppe zu sprechen. Das Sterben (‚Todesnot‘) und das Begräbnis sind einerseits Situationen von einer hohen äußeren, u.U. auch liturgischen Signifikanz, die der Gruppe eine gewisse Geschlossenheit gibt. Doch andererseits ist der ‚Sitz im Leben‘ dieser Gruppe nicht nur hier zu suchen, sondern auch in anderen, weniger anlassbezogenen Zusammenhängen: Die Betrachtung des Todes und der Ewigkeit ist ganz allgemein ein Grundzug der lutherischen Frömmigkeit des 16. und 17. Jahrhunderts, sei es als Meditation, als Bußübung oder als quasi ‚prophylaktische‘ Vorbereitung auf die eigene Sterbestunde. Der Tod ist in dieser Zeit durch hohe Sterblichkeit, Krieg, Seuchen und Hungersnöte allgegenwärtig; und doch lässt sich die Todesbetrachtung nicht ausschließlich an solche äußeren Situationen knüpfen. Der Sitz im Leben ist also in gewisser Weise ebenso ‚offen‘ strukturiert wie die Gruppe der Sterbe- und Ewigkeitslieder selbst: Wie diese besitzt er einen fest umrissenen Kern (Todesnot und Begräbnis) und eine schwieriger abgrenzbare Peripherie (Todesbetrachtung). In dieser letztlich wohl nie ganz auszuräumenden Unschärfe liegen die Grenzen des funktionalen Kriteriums. Obwohl sich Abteilungen wie ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘, ‚Vom ewigen Leben‘ usw. funktional nicht eindeutig zuordnen ließen, sollen auch diese Rubriken und die in ihnen enthaltenen Lieder bei der Auswertung der Gesangbücher berücksichtigt werden. Von Interesse sind diese Lieder weniger für den Zusammenhang des Sitzes im Leben,2 sondern für die thematische Untersuchung. Insgesamt werden thematische und funktionale Kriterien also miteinander kombiniert, wie auch die Gesangbucheinteilung teils eher dem einen, teils eher dem anderen Prinzip folgt. Zusammenfassend ist festzuhalten: Sterbe- und Ewigkeitslieder sind diejenige offene Gruppe von Gesangbuchliedern, deren Sitz im Leben im Umkreis des Todes zu finden ist und die deshalb Eingang in die entsprechenden Rubriken der Gesangbücher gefunden haben. Neben den in diesem Sinne funktionalen Rubriken ‚Vom Tod und Sterben‘ und ‚Vom Begräbnis‘ sollen auch die inhaltlich bestimmten vom Jüngsten Tag und vom Jenseits ausgewertet werden. Beide Aspekte kommen in dem Sammelbegriff ‚Sterbe- und Ewigkeitslieder‘ zum Ausdruck: Handelt es sich beim ‚Sterben‘ um die Performanzsituation – also den Sitz im Leben – der Lieder, so bezeichnet ‚Ewigkeit‘ den jenseitigen, mithin außerhalb des Lebens liegenden und allein in einer inhaltlichen Vorstellung bestehenden Aspekt des Gegenstandes.

2

Einen festen Sitz im Leben hat die Rubrik ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘ freilich an bestimmten Sonntagen im Kirchenjahr, vgl. S. 537–544.

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Einleitung

2. Fragestellung und Methode in Teil A Der erste Teil der Arbeit konkretisiert diese Vorüberlegungen mit Hilfe einer ausführlichen Quellenuntersuchung, die zeigt, welche Lieder in den Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts unter den Rubriken ‚Vom Tod und Sterben‘, ‚Vom Begräbnis‘ und ‚Vom Jüngsten Tag‘ vorkommen und wann und wo sie verbreitet sind. Zugrunde liegt dieser Untersuchung eine repräsentative Auswahl von Gesangbüchern (vgl. S. 20). Der erste der beiden Fragenkomplexe, die in Teil A bearbeitet werden sollen, betrifft die Gesangbücher als den Kontext, in dem die Sterbe- und Ewigkeitslieder betrachtet werden; der andere bezieht sich auf die Lieder selbst – mit dem Ziel, für die weitere Untersuchung eine Textauswahl zu treffen. 1. Zunächst sollen aufgrund der einzelnen Gesangbücher differenzierte Aussagen über Geschichte, Status und Gebrauch der lutherischen Gesangbücher im 17. Jahrhundert gemacht werden. Die nächstliegenden Quellen hierfür sind die Titel und Vorreden der Gesangbücher selbst, ihre Ausstattung und ihr Zustand (Gebrauchsspuren). Aus ihnen können zweierlei Informationen über die Gesangbücher gewonnen werden: zum einen über ihren Entstehungskontext, zum anderen über ihre Verwendung. Was die Entstehung betrifft: Es macht einen Unterschied, ob ein Verleger, ein Autor oder ein Landesherr die Herausgabe eines Gesangbuches veranlasst hat – der Verleger wird stärker wirtschaftlichen, der Autor stärker geistlich-religiösen und der Landesherr stärker politischen Interessen verpflichtet sein. Dabei ist jeder Komplexitätsgrad von gemischten Interessen und Kooperation verschiedener Personen denkbar. Schwierigkeiten bereitet immer wieder die Einschätzung der Frage, ob es sich bei einem Buch um ein ‚offizielles‘ Gesangbuch handelt.3 Damit gemeint sind Gesangbücher, die von einem offiziellen Kirchenvertreter redigiert und im Auftrag der Obrigkeit zum öffentlichen Gebrauch in Schulen und Kirchen des jeweiligen Herrschaftsbereiches herausgegeben wurden; als ältestes Gesangbuch dieser Art gilt das von Pfalz-Zweibrücken 1557,4 Württemberg folgt 1583 (vgl. S. 42). Noch im 17. Jahrhundert sind offizielle Gesangbücher die Ausnahme. Auch wenn der Name der Stadt oder des Landes im Titel genannt wird (Nürnbergisches Gesangbuch), bedeutet das meist nicht, dass es sich um ein offizielles Gesangbuch handelt. Unabhängig davon ist die häufig anzutreffende Ausstattung eines Gesangbuchs mit einem fürstlichen Privileg, einer staatlichen Protektion, die einem Verleger im Herrschaftsgebiet den Absatz eines bestimmten Buches sicherte und es vor Nachdrucken schützte. – Schließlich verrät die Zahl und die Abfolge der Vorstufen und Auflagen, der Konkurrenten, Nachdrucke und Nachfolger eines Gesangbuchs manches über seinen Absatz und damit über seine Wirkung. Neben dem Entstehungskontext der Gesangbücher ist auch der Kontext ihrer Verwendung von Interesse. Es geht hier noch nicht um den Sitz im Leben der Sterbe3

4

Die Schwierigkeit dieser Einschätzung spiegelt sich in der Literatur in diffusen Formulierungen (vgl. z. B. S. 109 Anm. 245). Faksimileausgabe hg. von Klaus Bümlein, Heidelberg u.a. 2007.

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I. Die Auswahl der Liedtexte

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und Ewigkeitslieder (dazu vgl. Teil C), sondern um den der Gesangbücher, in denen die Lieder enthalten sind. Aus den Titeln und Vorreden der Bücher selbst lässt sich meist ansatzweise rekonstruieren, an welchen Gebrauch die Herausgeber eines Werkes gedacht haben. Dabei handelt es sich freilich stets um eine fiktive, konstruierte Nutzung. Inwieweit die tatsächliche Nutzung damit übereinstimmt, ist letztlich nur aus externen Quellen oder aus eindeutigen Gebrauchsspuren zu erheben, die nicht überall vorhanden sind. Grundsätzlich zu unterscheiden sind privater und gottesdienstlicher Gebrauch. Offenbar ist der private Gebrauch der unspezifischere; der liturgische Gebrauch umfasst zunächst einen viel kleineren Liedbestand. Im Zusammenhang mit dem Gottesdienst stellt sich die Frage, ob vom Chor oder von der Gemeinde gesungen wurde. 2. Zum anderen geht es darum, eine Textauswahl zu treffen. Das geschieht mit Hilfe der Ebene zwischen dem gesamten Gesangbuch und dem einzelnen Lied, also mit Hilfe der Rubrizierung. Ausgewählt werden diejenigen Lieder, die unter einer der genannten Rubriken verzeichnet sind. Dabei werden jene Rubriken berücksichtigt, in deren Titel ‚Sterben‘, ‚Tod‘, ‚Begräbnis‘, ‚Auferstehung der Toten‘, ‚Jüngstes Gericht‘, ‚Himmel‘, ‚Hölle‘ oder ‚Ewiges Leben‘ genannt werden. Ausgeklammert werden zum einen die Lieder ‚Von der Eitelkeit‘ oder ‚Vom menschlichen Elend‘: Sie sind den eigentlichen Sterbe- und Ewigkeitsliedern zwar inhaltlich verwandt und überschneiden sich z. T. mit ihnen (manche Lieder tauchen regelmäßig bald in der einen, bald in der anderen Rubrik auf); aber sie sind als Gruppe weniger geschlossen und auch thematisch weniger scharf umrissen. Meist finden sie sich innerhalb der Gliederung des Gesangbuchs an einem anderen Ort als die Sterbe- und Ewigkeitslieder, etwa unter ‚Vom christlichen Leben und Wandel‘. Umgekehrt liegt der Fall bei den Pestliedern (‚Von Pestilenz und Sterbensläufften‘), die ebenfalls nicht berücksichtigt werden: Ihr thematischer Fokus ist nicht weiter, sondern enger als der der übrigen Sterbe- und Ewigkeitslieder und überschneidet sich ebenfalls nur zum Teil mit ihm. In einem Exkurs soll in Teil B auf die Eigenarten dieser Liedgruppe eingegangen werden (vgl. S. 278–288). Die Auswertung der Rubriken betrifft vorwiegend die Auswahl der in ihnen enthaltenen Lieder, daneben aber auch quantifizierbare Faktoren: Wie viele Sterbe- und Ewigkeitslieder kommen unter welcher Überschrift vor und wie groß ist ihr Anteil an der gesamten Liedzahl des Buches? Bei der Klassifizierung der Lieder ist zunächst zwischen Liedern des 16. und solchen des 17. Jahrhunderts zu unterscheiden; die Zahl der neueren im Verhältnis zu den älteren Liedern ist aufschlussreich für die Kriterien der jeweiligen Gesangbuchredaktion. Außerdem können die Lieder – insbesondere die wachsende Produktion ab 1625 – nach Autoren und Herkunftsregionen zu Gruppen zusammengefasst werden. Angaben über Ort und Jahr der Entstehung oder Erstveröffentlichung finden sich häufig bereits in der älteren hymnologischen Forschung, sind aber in manchen Fällen zu korrigieren. In mehrfacher Hinsicht geht die Untersuchung über die Grenzen der älteren Forschung hinaus: Zum einen berücksichtigt sie (anders als Wackernagel und Fischer/ Tümpel) die Rubrizierung der Gesangbücher und macht sie – unter Konzentration auf

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Einleitung

die Sterbe- und Ewigkeitsrubriken – ausdrücklich zum Untersuchungsgegenstand. Zum anderen ermöglicht sie innerhalb der untersuchten Rubriken Aussagen über die Verbreitung jedes einzelnen der erfassten Lieder. Und zum dritten berücksichtigt sie zahlreiche Texte, die in der älteren Forschung nicht dokumentiert sind; als frühester Beleg gilt hier jeweils der älteste innerhalb des untersuchten Quellenbestandes. Die ursprüngliche Herkunft dieser Texte ließ sich nicht in allen Fällen ermitteln. Wo nicht, wird der Liedanfang durch * gekennzeichnet.

3. Auswahl der als Quellen zugrunde gelegten Gesangbücher Aufgrund der Territorialstruktur des Heiligen Römischen Reiches wird geradezu von einer „Zersplitterung des Gesangbuchwesens“5 gesprochen. Eine Berücksichtigung sämtlicher Gesangbücher des 17. Jahrhunderts ist angesichts ihrer großen Zahl kaum möglich.6 Abgesehen davon zeigt der Vergleich verschiedener Ausgaben bei aller Unterschiedlichkeit so viele Wiederholungen, dass eine Auswahl nicht nur vertretbar, sondern auch sinnvoll erscheint. Wie aber können Zeit und Raum so eingegrenzt werden, dass die Untersuchung dennoch aussagekräftige Ergebnisse liefert? Zunächst soll die Vorgeschichte der lutherischen Gesangbücher des 17. Jahrhunderts nicht übergangen werden. Sie wird anhand dreier prominenter und wirkmächtiger Beispiele aus dem 16. Jahrhundert untersucht. Dies sind zum einen das Gesangbuch der Böhmischen Brüder (Jungbunzlau 1531), zum anderen das Babstsche Gesangbuch (Leipzig 1545). Für das Eichornsche Gesangbuch (Frankfurt/O. 1558), das besonders für die Entwicklung der Rubrizierung bedeutsam ist, kann auf die Untersuchung von Walther Lipphardt zurückgegriffen werden.7 Der Untersuchungszeitraum selbst ist mit den Grenzen des 17. Jahrhunderts noch nicht ganz hinreichend bestimmt: Diese Grenzen markieren ja letztlich einen zufälligen Zeitabschnitt, keine abgeschlossene Epoche. Für das Luthertum bedeutsame Zäsuren sind die Konkordienformel 1577, der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648 sowie das Erscheinen von Speners Pia desideria 1675, das klassischerweise als Beginn des Pietismus angesehen wird.8 Mit einer Auswahl von Gesangbüchern aus den Jahren 1591 bis 1706 setzt die Untersuchung ein ‚langes‘ 17. Jahrhundert an, in dem sich die Frömmigkeitsentwicklung der Epoche umfassend abbildet: Der Untersuchungszeitraum beginnt in der Zeit nach der Konkordienbildung und zeigt so einerseits Beispiele der frühen Orthodoxie. Andererseits überschreitet das Ende des Zeitraums bewusst die übliche Epochengrenze zum Pietismus. Damit wird ein Beitrag dazu geleistet, diese Phase nicht in Abgrenzung zur Orthodoxie, sondern aus ihr bzw. ihrer Frömmigkeit heraus zu verstehen und allzu rasche Etikettierungen zu vermeiden. Da einige der untersuchten Gesangbücher unmittelbar nach der Jahr5 6 7 8

Blankenburg, Einfluss, 74. Die Online-Datenbank der GBB ergibt für den Zeitraum zwischen 1600 und 1700 über 2400 Treffer. Lipphardt, Eichorn, in: JLH 13 (1968), 161–170. Zur Debatte um dieses Datum vgl. Anm. 13.

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I. Die Auswahl der Liedtexte

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hundertwende eine erweiterte Neuauflage erlebten, wird die Grenze nicht scharf im Jahr 1700 gezogen, sondern 1706. In räumlicher Hinsicht erscheint eine Konzentration auf bestimmte wichtige Territorien des lutherischen Raumes sinnvoll. Die ausgewählten Territorien sollten dabei eine gewisse Bandbreite abdecken: Regionen mit unterschiedlicher Stellung zur Konkordie, Bevölkerungsstruktur (Stadt/Land) und verschiedenen liturgischen Traditionen sollten ebenso darunter vertreten sein wie bedeutende Verlagsorte, Universitätsstädte, Zentren der Musikkultur und der Sprachgesellschaften. Ausgewählt wurden die Herzogtümer Württemberg und Braunschweig-Lüneburg, die Kurfürstentümer Sachsen und Brandenburg sowie die Reichsstadt Nürnberg. Während Kursachsen, Kurbrandenburg, Württemberg und Braunschweig-Lüneburg positiv zur Konkordie stehen und schon bei ihrer Entstehung eine wichtige Rolle spielten, gehört Nürnberg zu denjenigen Reichsständen, die ihr nicht beitraten. Kurbrandenburg stellt insofern einen Sonderfall dar, als der Kurfürst hier 1613 persönlich einen Wechsel zum reformierten Bekenntnis vollzog, während die Bevölkerung lutherisch blieb. Hinsichtlich der Liturgie beschreitet Württemberg mit der oberdeutschen Tradition einen eigenen Weg. Wichtige Verlagsorte sind Nürnberg und Leipzig, aber auch die Rolle des Verlagshauses Stern im Herzogtum BraunschweigLüneburg verdient besondere Beachtung. Als Universitätsstädte sind Leipzig und Tübingen im Blick, für eine hoch entwickelte städtische bzw. höfische Musikkultur Leipzig bzw. Dresden. Nürnberg ist seit 1644 Sitz einer wichtigen Sprachgesellschaft, des Pegnesischen Blumenordens. In den genannten Territorien lassen sich auch ganz unterschiedliche Formen der Gesangbuchpolitik beobachten: Während Württemberg schon 1583 ein Gesangbuch mit landesherrlicher Approbation einführt – erhalten ist ein Exemplar von 1591 –, entwickelt sich das Brandenburger Erfolgsmodell der Praxis Pietatis Melica erst viel später und auf ganz anderer Basis, nämlich ohne Beteiligung des Landesherrn. So besitzt jedes der Territorien auch in der Gesangbuchfrage seine Besonderheiten – im Verlauf der Untersuchung wird Gelegenheit sein, sich näher mit ihnen zu befassen. Welche Gesangbücher sollen nun aus jedem dieser Territorien ausgewertet werden? Was im 17. Jahrhundert unter den Begriff ‚Gesangbuch‘ gefasst werden kann, ist sehr vielfältig. Nach der Definition von Martin Rößler gehören zu einem Gesangbuch: Volkssprachigkeit; Lieder „in metrischer Form und strophischem Bau“; Verbindung von Poesie und Musik; Bestimmung zu geistlichem Gebrauch in Gottesdienst oder Privatandacht durch Gemeinden, Gruppen oder Einzelpersonen.9 All dies trifft immer noch auf zu viele und zu unterschiedliche Bücher zu, als dass sie in dieser Arbeit alle berücksichtigt werden könnten; die Auswahl muss weiter spezifiziert und eingegrenzt werden. Zunächst können jene Werke ausgeklammert werden, in denen ausschließlich der Psalter oder Teile davon in die Form von Strophenliedern gebracht sind, die sogenannten Liedpsalter, die meistens auf einen bestimmten Autor zurückgehen. Auch andere geschlossene Zyklen, etwa Evangelienlieder zu den 9

Vgl. Rößler, MGG-Art. Gesangbuch, 1289.

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wöchentlichen Perikopen durchs ganze Kirchenjahr, werden nicht berücksichtigt. Dasselbe gilt für Erbauungsbücher, in denen die Lieder mit anderen Texten wie Gebeten, Bibelversen, Reimstrophen oder Katechismusabschnitten kombiniert sind. Relevant sind all diese Gruppen in der Regel als Fundorte von Erstbelegen einzelner Lieder, die dann den Weg in Sammelwerke gefunden haben. Positiv gesprochen, soll die Auswahl vom Interesse an den Gesangbuchrubriken ‚Vom Tod und Sterben‘, ‚Vom Begräbnis‘ und ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘ ausgehen. Um eine gewisse Vergleichbarkeit der untersuchten Gesangbücher zu gewährleisten, ist das Vorhandensein einer derartigen oder ähnlichen Rubrizierung Voraussetzung. Sie geht im wesentlichen auf die drei genannten Gesangbücher des 16. Jahrhunderts zurück und ermöglicht das Auffinden von Liedern „auff mancherley Fälle“, stellt also im Sinne des oben Gesagten funktionale Kategorien bereit, die mit einem bestimmten Sitz im Leben korrespondieren. Diese Lebensvollzüge sind zwar nicht nur kirchlicher, sondern auch privater Natur, aber ihre Standardisierung und Normierung durch die weitgehend ähnliche Gesangbucheinteilung in immer wieder dieselben Rubriken enthalten doch ein vergemeinschaftendes Moment. Die Gesamtstruktur dieser Einteilung ist formal an kirchlichen Abläufen wie dem Kirchenjahr und dem Katechismusunterricht orientiert. Selbst wenn solche Gesangbücher im Gottesdienst keine Rolle gespielt haben und ausschließlich in der Hausandacht benutzt worden sind, besitzen sie doch in ihrer Rubrizierung eine standardisierte, kirchennahe Struktur.10 Erkennbar sind solche ‚kirchennahen‘ Gesangbücher zu Beginn des 17. Jahrhunderts oft am Titel (typisch etwa: Geistliche Lieder, Psalmen und Kirchengesäng D. Martin Luthers o.ä.) zusammengesetzt sein kann. Im weiteren Verlauf des Untersuchungszeitraums kann sich der Titel von solchen kirchlichen Signalen entfernen und individueller werden: Musicalischer Vorschmack der Jauchtzenden Seelen im ewigen Leben (H-1683). Das zweite positive Kriterium für die Auswahl der Quellen lautet: Betrachtet werden sollen Sammelwerke, also solche Gesangbücher, deren Inhalt bereits eine redaktionelle Bearbeitung, ein Auslese- und Kompilationsverfahren durchlaufen hat. Die sich wiederholende Rubrizierung entspricht einer Schematisierung dieses Redaktionsvorgangs. Damit sind die zahlreichen Werke, die Lieder nur von einem Autor enthalten, ausgeschlossen. Wo ein Redaktionsprozess zwischen Primärquelle und Gesangbuch eingeschaltet ist, ändert sich der Status des einzelnen Liedes: In einem redaktionell bearbeiteten Gesangbuch werden die meisten Lieder aus anderen Quellen übernommen, also sekundär (bzw. tertiär usw.) rezipiert. Das ist deshalb interessant, weil dieser Vorgang nicht nur auf die Wirkung beim lesenden und singenden Publikum zielt, sondern selbst schon die erste Stufe einer solchen Wirkung darstellt. Nicht jedes Lied aus einem Autorengesangbuch findet Eingang in ein (ggf. für den breiteren Gebrauch bestimmtes) Sammelwerk. Die Aufnahme in ein solches Werk zeigt, dass ein Lied die Redaktion überzeugen konnte. Die quantitative Erhe10

Zur unterschiedlichen Rubrizierung von Kirchen- und Hausgesangbüchern vgl. Scheitler, Lied, 89. Die Rubrizierung nach Kirchenjahr und Katechismus weist demnach auf einen kirchlichen Kontext hin.

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II. Fragehinsichten für die Untersuchung

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bung der Verbreitung bestimmter Lieder in redaktionell bearbeiteten, ‚kirchennah‘ rubrizierten Gesangbuchdrucken kann damit zumindest Indizien für die Breite ihrer tatsächlichen Rezeption liefern. In diesem Sinne ist jeweils auch nach der Wirkung des ganzen Gesangbuches zu fragen. Auf einen Blick sind die 50 ausgewerteten Gesangbücher auf S. 160 zusammengestellt. Im Quellenverzeichnis (ab S. 649) sind sie anhand der vorangestellten Kürzel kenntlich gemacht.

II. Fragehinsichten für die Untersuchung der Liedtexte (Teil B) Für die Untersuchung der Liedtexte wurde ein Verfahren gewählt, das sich nicht an der exemplarischen Analyse von Einzeltexten orientiert, sondern an der vergleichenden Analyse aller Texte der in Teil A getroffenen Auswahl. Aufgrund dieser Analyse wurden acht Themen herausgearbeitet, anhand deren rekonstruiert werden soll, was als ‚Sprach- und Vorstellungswelt‘ der Liedtexte bezeichnet werden kann. Dieser Begriff wird hier zunächst expliziert, so dass die Fragestellungen transparent werden, die der thematischen Kategorisierung zugrunde liegen (a); anschließend werden die acht Themen benannt und ihre Auswahl begründet (b).

1. Die ‚Sprach- und Vorstellungswelt‘ als konstruiertes Ergebnis aus drei Fragestellungen an die Liedtexte Der Begriff ‚Sprach- und Vorstellungswelt‘ bezieht sich ausdrücklich nicht auf ein geschlossenes System. Ein solches Verständnis würde dem großen Reichtum an sprachlichen, bildlichen und gedanklichen Variationen nicht gerecht. Bei der dargestellten ‚Sprach- und Vorstellungswelt‘ der Lieder handelt es sich vielmehr um ein Konstrukt, das aus zahlreichen Einzelbeobachtungen zusammengetragen ist. Gleichwohl wird sich dieses Konstrukt frömmigkeitsgeschichtlich als höchst aufschlussreich erweisen: Es zeigt, welche Vorstellungen vom Leben, Sterben, von der Auferstehung und vom ewigen Leben in den Liedtexten transportiert werden – und mit Hilfe welcher textinternen Mittel sich diese Vorstellungen in der Frömmigkeit der Rezipienten performativ einprägen. Die beiden Komponenten ‚Sprache‘ und ‚Vorstellungen‘ entsprechen genau diesen beiden Fragestellungen. Aufgrund der besonderen performativen Zweckbestimmung und Funktionsweise der Liedtexte sind die beiden Ebenen eng miteinander verflochten; daher erscheint es berechtigt, sie begrifflich zusammenzufassen. Eine dritte Fragestellung – die der Diachronie – liegt schließlich quer zu den beiden ersten. Der bewusst offen gewählte Begriff ‚Vorstellungen‘ ist zunächst auf die in den Liedern angesprochene Sachebene bezogen. Er bezeichnet ganz unterschiedliche Konzepte, die auf intellektueller, aber auch auf emotionaler Ebene angesiedelt sein können: Bilder, Theologumena, Normen und Überzeugungen, aber auch Erwartun-

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gen, Befürchtungen und Gefühle, die dann einen bestimmten typischen Ausdruck finden. Der Begriff ‚Vorstellungen‘ ist deswegen von Vorteil, weil er die Subsumierung von Konzeptionen mit sehr unterschiedlichem Normativitäts-, Abstraktions- und Reflexionsgrad erlaubt. Darin wird er nicht nur der Heterogenität des Quellenmaterials gerecht, sondern auch dem frömmigkeitsgeschichtlichen Interesse der Untersuchung, das weniger der Verbindlichkeit orthodoxer Lehraussagen gilt als der gelebten Religion. Anhand bildlicher Vorstellungen, etwa vom Himmel, lässt sich die Eigenart der in den Liedern zum Ausdruck kommenden Vorstellungswelt in verschiedener Hinsicht deutlich machen: Zum einen zeigen die Bilder, dass die gedanklichen Konzepte der Vorstellungswelt auch einen geringeren Abstraktionsgrad besitzen können. In der Schwebe bleibt bei der Verwendung solcher Bilder zum anderen oft nicht nur die Verhältnisbestimmung zu abstrakteren Theologumena, sondern auch der Grad ihrer Reflexion. Die Rede von der Unvergleichlichkeit des Himmels (z. B. mit Hinweis auf 1Kor 2,9) verrät allerdings ein Wissen um die Vorläufigkeit und Gleichnishaftigkeit der Bilder. Und schließlich wird im Zusammenhang der bildlichen Vorstellungen besonders deutlich, wie eng außersprachliche Konzepte letztlich doch an die Ebene ihrer sprachlichen Vermittlung und damit an die andere Seite des Komplexes ‚Sprach- und Vorstellungswelt‘ gebunden sind. Bildliche Vorstellungen sind entscheidend durch metaphorische Redeweisen auf Ebene des Textes bestimmt, die ihrerseits in einer bestimmten literarischen Tradition stehen. Die wichtigste literarische Tradition, die in der Untersuchung daher besondere Berücksichtigung findet, ist die der Bibel. Oft haften bestimmte Vorstellungen am Wortlaut einer bestimmten Stelle, insbesondere der Lutherübersetzung; diese Zusammenhänge gilt es in der Untersuchung aufzuzeigen. Die biblischen Anspielungen beschränken sich freilich nicht auf den Bereich konkreter Vorstellungen; vielmehr erscheint überhaupt die Sprache vieler Lieder an der Sprache der Lutherbibel orientiert. Für die Diktion der geistlichen Lieddichtung typische Redeweisen sind insbesondere durch die Sprache des Psalters geprägt, etwa in Ichaussagen und Gebetsbitten. Damit ist eine weitere Eigenart der in den geistlichen Liedern verwendeten Sprache angedeutet, die bei der Untersuchung der ‚Sprach- und Vorstellungswelt‘ Gegenstand sein muss: Es handelt sich um eine geprägte Sprache, die sich gerade nicht durch Originalität, sondern durch die Wiederkehr ihrer Formulierungen auszeichnet. Diese Geprägtheit steht im Zentrum der Analyse: Gefragt wird nach biblischen Vorbildern, nach formelhaften und wiederkehrenden Elementen und nach deren Korrespondenz mit der Vorstellungswelt. Die Liedtexte legen sich dabei auf Wort-, Satz- und Textebene gegenseitig aus. Wortfeldanalysen – insbesondere bei den Verben – zeigen, welche Terminologie für einen bestimmten Vorgang üblich ist und wie er verstanden wird. In manchen Kontexten treten bestimmte Satztypen gehäuft auf, etwa imperativische Bitten oder rhetorische Fragen. Literarische Tradition und rhetorische Konvention reichen zudem über einzelne Formulierungen hinaus: Auch was als Ausdruck einer bestimmten inneren Haltung oder eines subjektiven Fühlens und Erlebens daherkommt, folgt in Wahrheit fast immer einem geprägten literari-

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II. Fragehinsichten für die Untersuchung

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schen Muster (das das Erleben dann seinerseits stark prägt; vgl. S. 272–353). In alledem ist die geprägte Sprache nicht etwa monoton, sondern ungeheuer vielseitig, wie die Untersuchung zeigen soll. Dieser Ansatz trägt nicht nur der Machart der Texte, sondern auch dem frömmigkeitsgeschichtlichen Interesse an ihrer Wirkungsweise Rechnung: Aufgrund des performativen Charakters der Liedgattung bzw. ihrer performativen Zweckbestimmung lassen sich einige der typischen Redeweisen geradezu als ‚Sprechakte‘ verstehen, die im lauten Singen oder Rezitieren des Liedtextes vollzogen werden. Freilich handelt es sich bei ihnen nicht um spontane, sondern eben um literarisch geprägte Äußerungen. Solche Sprechakte sind etwa die Lossagung von der Welt, die Verabschiedung von den Angehörigen oder das Gott-Anbefehlen der Seele. Letztlich lassen sich viele Texte überhaupt als Aneinanderreihung ähnlicher, wenn auch oft unspezifischerer Sprechakte lesen: Ermahnung und Bitte, Klage und Lob folgen einerseits einem jeweils viel gebrauchten rhetorischen Schema, können bei der performativen Umsetzung eines Textes aber dennoch zu einer aktuellen Äußerung des jeweiligen Rezipienten werden. Die performative Zweckbestimmung der Sterbe- und Ewigkeitslieder zeigt sich schon darin, dass die Texte selbst in vielen Fällen aufgrund interner Merkmale eine bestimmte Kommunikations- oder Sprechsituation nahe legen. Diese Situation ist jeweils gekennzeichnet durch die an ihr beteiligten Personen, durch Zeit- und gelegentlich durch Ortsangaben („HIe lieg ich“). Je konkreter diese textinternen Merkmale auf eine bestimmte Sprechsituation – etwa die der ‚Todesnot‘ oder des Begräbnisses – hindeuten, desto deutlicher scheint auch die Performanz des Liedes auf den entsprechenden Kontext festgelegt. Das allerdings kann sich als Trugschluss erweisen. Darum ist eine für das Verständnis der Liedtexte grundlegende Unterscheidung zu treffen: Die textinterne Sprechsituation kann in der Performanz mit der kontextuellen Sprechsituation zur Deckung kommen, ist aber nicht mit ihr identisch. Wie durch die Adjektive ‚textintern‘ und ‚kontextuell‘ angedeutet, ist die erste allein auf der Textebene verortet und damit Gegenstand von Teil B; die zweite gehört zum performativen Kontext oder Sitz im Leben und wird damit vorwiegend in Teil C behandelt. Anhand zweier Textmerkmale lässt sich die Frage nach der textinternen Sprechsituation gezielt untersuchen: anhand der beteiligten Personen und anhand der Angaben zum Zeitpunkt. Die zentrale personale Instanz in der Mehrzahl der Texte ist ein Ich; indem es seine Situation schildert, verweist es auf unterschiedliche zeitliche Phasen der Sterbebereitung, des Sterbens oder des Abschieds. Tempusformen und Zeitadverbien machen die je unterschiedliche zeitliche Nähe zum Tod deutlich; die Hinweise sind allerdings nicht immer eindeutig. Neben dem Ich taucht in vielen Texten eine weitere personale Instanz auf, ein ‚Du‘ oder ‚Ihr‘. Damit wird der Text zum Formular einer Kommunikation, die performativ tatsächlich realisiert werden kann. Welche textinternen Sprechsituationen aufgrund der beiden Merkmale im Arsenal der rhetorischen Konventionen der Liedtexte erkennbar sind, gehört zu den Fragestellungen von Teil B.

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Keiner näheren Erläuterung bedarf die dritte der genannten Fragestellungen, die quer zu den beiden anderen liegt: Sowohl die in den Liedern zum Ausdruck kommenden Vorstellungen als auch die geprägte Sprache und die typisierten Sprechsituationen sollen nebenbei unter dem Aspekt der Diachronie betrachtet werden, so dass deutlich wird, wo im Lauf des Untersuchungszeitraums Veränderungen eintreten und wo Kontinuität herrscht. Eine wertende Beurteilung der Entwicklung, etwa im Sinne eines Dekadenzmodells,11 wird dabei ausdrücklich vermieden. Zugunsten einer fein abgestimmten Wahrnehmung einzelner Phänomene soll auch auf die blockartige Zuordnung der gängigen Epocheneinteilung verzichtet werden. Eine schematisierende Zuordnung von Autoren zu den Bereichen ‚Orthodoxie‘ oder ‚Pietismus‘ birgt die Gefahr, den ungetrübten Blick auf die Texte zu verstellen, zumal die Abgrenzung der beiden Bereiche gerade in der Frömmigkeit keinesfalls trennscharf zu ziehen ist. Darauf verweist bereits die ältere Rede von der verinnerlichten ‚Reformorthodoxie‘, die längst vor Spener eine Intensivierung der lutherischen Praxis pietatis forciert habe.12 Auch die Kontroverse von Johannes Wallmann und Martin Brecht um die Frage nach dem Beginn des Pietismus, insbesondere um die Zuordnung von Johann Arndt, zeigt die Problematik der Grenzziehung.13 In der neueren Diskussion hat Thomas Kaufmann auf die Schwierigkeit schlagwortartiger Epochalisierungsbegriffe wie ‚Orthodoxie‘ und ‚Pietismus‘ hingewiesen. Sie vermögen nach Kaufmann die dynamische Entwicklung nicht abzubilden, die mit dem Dreißigjährigen Krieg verstärkt einsetzt: die Pluralisierung der lutherischen Konfessionskultur.14 Die vorliegende Studie möchte in diesem Sinne anhand eines zentralen Themas einen Beitrag leisten zur differenzierten Erschließung der Vielfalt, durch die die lutherische Konfessionskultur bereits im 17. Jahrhundert gekennzeichnet ist.

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Gerade in der älteren Kirchenliedforschung ist diese Deutung immer wieder anzutreffen, etwa in der Untersuchung von Röbbelen, Theologie und Frömmigkeit, die besonders in den Rubriken ‚Von der Buße‘, ‚Von der Rechtfertigung‘ und ‚Vom christlichen Leben und Wandel‘ „tiefgreifende Abweichungen von der ursprünglichen, reformatorischen Glaubenshaltung“ (ebd. 400) konstatiert. So könne die wachsende Bedeutung des Providenzgedankens im 17. Jahrhundert (vgl. dazu S. 326; S. 462) „nicht mehr als der Ausdruck einer reformatorischen Glaubensgewißheit gewertet werden“ (ebd. 403); „eigenmenschliche ‚Frömmigkeit‘“ ersetze kirchliche „Theologie“ (ebd. 426). Das Konzept geht letztlich zurück auf Hans Leube, Reformideen, der aber den Begriff ‚Reformorthodoxie‘ nicht verwendet; als Impulsgeber nennt er Johann Arndt (Leube, Reformideen, 36–45). Zeller, Protestantische Frömmigkeit, 107f bezeichnet eine Phase im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts als ‚Reformorthodoxie‘ und nennt Heinrich Müller und Christian Scriver als wichtige Vertreter. Zur Problematik des Begriffes ‚Reformorthodoxie‘ vgl. Wallmann, Pietismus-Studien, 9–12. Während Brecht sich dafür entscheidet, die Geschichte des Pietismus mit dem Autor des Wahren Christentums (1605–10) zu beginnen (vgl. Brecht, Pietismus, 6; Brecht, Konzeption, 226f), plädiert Wallmann für die Unterscheidung zwischen einem ‚weiteren‘ Pietismusbegriff, der Arndt einbezieht (Pietismus als Frömmigkeitsrichtung), und einem ‚engeren‘, spezifischen, der mit Spener einsetzt (Pietismus als sozial greifbare Bewegung); vgl. Wallmann, Pietismus und Orthodoxie, 372, aber auch schon Wallmann, Pietismus-Studien, 60–66. Zur Debatte vgl. auch Schuster, Aemilie Juliane, 166f. Vgl. Kaufmann, Dreißigjähriger Krieg, 140–150. So suggeriere die Rede von einer ‚Epoche‘ des Pietismus fälschlich die geistige Vorherrschaft einer Strömung, die nur eine von mehreren ist, ebd. 148.

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II. Fragehinsichten für die Untersuchung

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2. Thematische Gliederung Die thematische Gliederung der Untersuchung soll mit Hilfe der drei skizzierten Fragestellungen aus den Quellen heraus entwickelt werden. Die zugrunde liegenden Fragen sind so eng miteinander verflochten, dass ihre getrennte Behandlung weder möglich noch sinnvoll erscheint. Primär orientiert sich die Kategorienbildung an der Frage nach den ‚Vorstellungen‘. Die Frage nach der Wortwahl, biblischen Anspielungen und sonstigen typischen Formulierungen schließt aber jeweils unmittelbar an. Je nach Thema hat sie einen unterschiedlichen Stellenwert, da die Themen – ebenso wie die Konzeptionen, auf die sie sich beziehen – sich hinsichtlich ihres Abstraktionsgrades und hinsichtlich ihrer Gebundenheit an die konkrete Formulierung deutlich voneinander unterscheiden. Eine quellennahe Möglichkeit der thematischen Kategorisierung ergibt sich aus der Rubrikeinteilung der untersuchten Gesangbücher, die auch für die Auswahl der zu untersuchenden Liedtexte maßgeblich ist: Nacheinander wären demnach etwa die Themen ‚Vom Tod und Sterben‘, ‚Vom Begräbnis‘, ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘, ‚Von der Hölle‘ sowie ‚Vom Himmel und ewigen Leben‘ zu untersuchen. Wie ausgeführt, entsprechen besonders die ersten beiden Punkte dieser Gliederung – der Zahl der in ihnen enthaltenen Lieder nach sind sie wesentlich umfangreicher als die drei anderen – einem bestimmten Sitz im Leben und damit den funktionalen Anforderungen der Gesangbuchbenutzung. Außerdem folgt die Reihe von Tod, Auferstehung, Himmel und Hölle aber auch einem gängigen thematischen Schema: Sie spiegelt die typische Viererstruktur der ‚letzten Dinge‘ wider, von der nicht nur die Dogmatik, sondern auch das Erbauungsschrifttum geprägt ist. Mehrere Gründe sprechen allerdings dafür, die Kategorien der Rubrizierung nicht unmittelbar zu übernehmen, sondern aus den Liedtexten selbst Kategorien zu entwickeln. Zunächst soll nicht durch die Gliederung unterstellt werden, für ein bestimmtes Thema seien nur die in der entsprechenden Rubrik enthaltenen Lieder relevant; die Rubrizierung ist mit der Behandlung bestimmter Themen keinesfalls deckungsgleich. Die Rubrizierung ein und desselben Liedes variiert oft von Gesangbuch zu Gesangbuch. Ein Lied kann Aufschluss über ganz unterschiedliche Themen geben und darum auch für unterschiedliche Teile der Untersuchung von Interesse sein. Vor allem aber ist gerade die Kategorie ‚Vom Tod und Sterben‘ nicht präzise genug, um das in der entsprechenden Gesangbuchrubrik enthaltene weite thematische Spektrum zu erfassen. Die anderen Rubriken lassen sich sowohl im Liedbestand als auch thematisch klarer abgrenzen. Die Grundidee für eine präzisere Kategorisierung, die den Befund an Vorstellungen bereits aufnimmt, schließt an die oben getroffene Feststellung an, dass die Sprechsituation der Texte häufig auf die zeitliche Dimension des leiblichen Todes bezogen ist, also auf die Todesstunde oder den Moment, in dem Leib und Seele sich voneinander trennen. Dieser entscheidende, dem lebenden Menschen letztlich unbegreifliche Moment bildet den zeitlichen Bezugspunkt der Liedtexte, auf den voraus- oder zurückgeblickt oder der im Text als gegenwärtiges Ereignis in-

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szeniert wird. Anhand eines imaginären, aus den Texten abstrahierten zeitlichen Ablaufs lässt sich eine Struktur von acht Themen entwickeln (I.–VIII.), in denen sich ein Großteil der in den Liedern getroffenen Aussagen wiederfindet. Gewisse Überschneidungen sind dabei zwar ebenso unvermeidlich wie manche Lücken; ein annähernd zutreffendes Bild der Sprach- und Vorstellungswelt lässt sich mit ihrer Hilfe aber dennoch konstruieren. Der erste Abschnitt (I.) nähert sich dem Gegenstand ‚Von Tod und Sterben‘ gleichsam aus der Totale: Hier werden allgemeine Aussagen über die menschliche Vergänglichkeit und über deren theologische Begründung gebündelt. Der zweite Abschnitt (II.) ist zwei bildlichen Redeweisen gewidmet, die in den verschiedensten Kontexten immer wieder auftauchen und das gängige Verständnis des menschlichen Lebens und Sterbens illustrieren: der Weg des Lebens wird als ‚Pilgerreise‘ und als ritterlicher ‚Kampf ‘ gedeutet. Der dritte Abschnitt (III.) behandelt diejenigen Aussagen, die die allgemeine Vergänglichkeitsbetrachtung im Sinne eines Memento mori, einer Mahnung an das eigene Ende konkretisieren; untersucht werden dabei nicht nur explizite Aufforderungen zum Bedenken des eigenen Endes, sondern auch dessen Vergegenwärtigung in der Rede von der Todesstunde und die Mahnung durch den Tod als personifizierte Gestalt. Ein vierter Abschnitt (IV.) untersucht die Verhaltensmaßregeln, die sich als Konsequenz aus der Todesmahnung ergeben, also die Normen der Sterbebereitung, die typischerweise in Form von Bitten vorgetragen werden und auf das Ideal des ‚seligen Endes‘ ausgerichtet sind. Sie betreffen bestimmte Verhaltensweisen im Leben, aber auch in unmittelbarer Todesnähe. Damit ist der zeitliche Bezugspunkt der Todesstunde schon nahe herangerückt. Noch mehr gilt das für den fünften Abschnitt (V.), der danach fragt, welche Optionen der subjektiven Haltung zum eigenen Sterben in den Texten zu finden sind. Als literarische Muster sind verschiedene solcher Optionen vorgegeben; auf der Textebene sind sie zumeist in der Sprechsituation der unmittelbaren Todesnähe angesiedelt. Das Thema des sechsten Abschnitts (VI.) gehört ebenfalls in den Zusammenhang des eigentlichen Sterbeereignisses. Es fällt aus dem zeitlichen Schema des abstrahierten Sterbeprozesses aber insofern heraus, als in ihr nicht der sterbende Mensch im Zentrum steht, sondern Christus als derjenige, der dem Menschen Trost im Sterben sein soll. Mit dem Thema Abschied und Trauer (VII.) rücken nach der Gottesbeziehung die zwischenmenschlichen Beziehungen in den Vordergrund; neben der Person des Sterbenden bzw. Verstorbenen treten hier besonders seine nächsten Angehörigen in den Blick. Der Todeszeitpunkt ist im Text bereits häufig überschritten. Der letzte Abschnitt (VIII.) untersucht anhand des Ergehens von Leib und Seele die Vorstellungen davon, was nach dem Tod mit dem Menschen geschieht. Ergebnisse werden jeweils am Ende eines Teilabschnitts in einer Zusammenfassung gebündelt; eine Zusammenschau der drei Fragestellungen unter Berücksichtigung der Ergebnisse von Teil C erfolgt zum Abschluss der Arbeit.

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III. Zur Untersuchung des Kontextes

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III. Zur Untersuchung des Kontextes der Lieder anhand exemplarischer Quellen (Teil C) War in Teil B die textinterne Sprechsituation der Sterbe- und Ewigkeitslieder Gegenstand der Untersuchung, so nimmt Teil C ihren Kontext oder Sitz im Leben in den Blick, also diejenigen Situationen, in denen sie tatsächlich gelesen, rezitiert oder gesungen wurden. Wie die textinterne Sprechsituation sind auch diese Situationen definiert durch die an ihnen beteiligten Personen, ihren Ort und ihren Zeitpunkt, der wiederum durch sein Verhältnis zum Zeitpunkt des Todes bestimmt ist – nur dass sich all dies nicht auf literarischer Ebene, sondern gleichsam in Echtzeit ereignet. Die drei Situationen, aus denen heraus vom Tod gesprochen werden kann – Todesbetrachtung im Leben, aktuelle Todesnot sowie Trauer als Reaktion auf den Verlust eines Angehörigen –, finden sich auf beiden Ebenen wieder, im Text wie im Kontext. Dennoch sind die beiden Ebenen voneinander unterschieden, nämlich schon durch ihren unterschiedlichen ‚Realitätsgehalt‘: Handelt es sich bei den Optionen für die textinterne Sprechsituation um typisierte rhetorische Konstrukte, richtet sich die Frage nach dem Sitz im Leben auf eine äußere historische Realität (deren Feststellung freilich mit Schwierigkeiten verbunden ist). Die Berücksichtigung der kontextuellen Ebene ist für das Verständnis der Liedtexte insofern wesentlich, als sie bei allen Unterschieden doch sämtlich – schon durch ihre Aufnahme in Gesangbücher – als Liedtexte ausgezeichnet, also zur Performanz bestimmt sind. Die Frage nach dem Sitz im Leben der Sterbelieder wird in Teil C konkretisiert, indem zum einen nach dem Entstehungskontext der Lieder gefragt wird (in dessen Nähe sie wohl häufig zum ersten Mal gesungen wurden), zum anderen nach ihrem Verwendungskontext. Stärker als in Teil A und Teil B muss sich die Untersuchung hier auf eine exemplarische Quellenauswahl stützen, an der sich freilich wichtige Tendenzen zeigen lassen. Umfassendere Studien müssen anderen Untersuchungen vorbehalten bleiben. Welche Quellen ermöglichen nun einen Zugriff auf die ‚äußere historische Realität‘, auf den Sitz im Leben der untersuchten Lieder? Erste Anhaltspunkte sind bereits durch die Auswahl der Quellen gegeben: Entscheidendes Kriterium war der Fundort der Lieder in bestimmten Gesangbuchrubriken. Auf einen bestimmten Sitz im Leben bezogen waren vor allem die Titel ‚Vom Tod und Sterben‘ und ‚Vom Begräbnis‘. Die Texte selbst enthalten neben den in Teil B herausgearbeiteten literarischen Stilisierungen der Sprechsituation nur selten konkrete Hinweise auf biographische, liturgische oder sonstige performative Umstände. Bei einigen Liedern lassen sich aber an ihrem ursprünglichen Fundort Hinweise auf den Sitz im Leben ausmachen; diese Hinweise, etwa im Titel zu den Erstdrucken, in Überschriften, Vorreden oder sonstigen Paratexten, sind nach den Liedtexten selbst die erste und nächstliegende Gruppe von Quellen. Zur Ergänzung solcher Angaben ist der umgekehrte Weg zu gehen: Nicht nur einzelne Lieder sind auf ihre Verwendung zu befragen, sondern auch die entspre-

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Einleitung

chenden Kontexte (Sterben und Begräbnis) auf die an ihnen verwendeten Lieder. Zwei Quellengattungen kommen hierfür vor allem in Betracht: Leichenpredigten und Kirchenordnungen. Die aus der Zeit zwischen 1550 und 1750 in riesiger Zahl erhaltenen gedruckten deutschen evangelischen Leichenpredigten enthalten im Anschluss an die Auslegung des Leichtextes regelmäßig einen sogenannten Personalia- oder Ehrengedächtnis-Teil, in dem das Leben des Verstorbenen dargestellt wird; der letzte Abschnitt ist dabei dem Sterben gewidmet. Zwar sind diese Sterbeberichte stark schematisiert und folgen der Tendenz, das berichtete Sterben dem Ideal des seligen Endes anzugleichen; aber trotz der Überformung ist in ihnen der individuelle Kasus noch erkennbar, anders als in den meisten Liedtexten. Häufig ist der Prediger identisch mit dem Sterbeseelsorger und kann daher aus erster Hand berichten, was sich am Sterbebett zugetragen hat, das heißt auch, ob – und wenn ja, was – gesungen wurde. Entsprechende Empfehlungen finden sich auch in Handreichungen für Seelsorger, dann freilich nicht narrativ, sondern präskriptiv. Was das Begräbnis betrifft, so machen Kirchenordnungen, Agenden u.ä. Angaben zu seinem jeweils vorgeschriebenen Ablauf. Dabei wird auch auf die Rolle des Gesangs, die Ausführenden und die Wahl der Lieder eingegangen. Greifbar sind mit dem ‚Sehling‘ vor allem die evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts; Stichproben zum 17. Jahrhundert ergänzen das Bild, wobei die alten Kirchenordnungen vielerorts noch Gültigkeit besitzen. Mindestens ebenso bedeutsam wie Todesnot und Begräbnis dürfte als Sitz im Leben der Sterbelieder die private Sterbemeditation sein. In Teil A wird deutlich, dass der Gesangbuchgebrauch sich im 17. Jahrhundert in neuer und stetig wachsender Weise besonders auf diesen privaten Bereich erstreckte. Für viele Lieder ist ein entsprechender Sitz im Leben anzunehmen. Als Quellen hierzu werden die Werke einiger Lieddichter exemplarisch herangezogen. Liturgische Vollzüge des Sterbegedenkens im Kirchenjahr sind in Agenden und Perikopenordnungen dokumentiert. Damit zeichnet sich bereits ab, was angesichts der großen Zahl der Lieder, ihrer unterschiedlichen Herkunft und auch den Unterschieden in der Verwendung der ausgewerteten Gesangbücher keineswegs verwundern kann: Die Bandbreite ihrer Verwendung ist beträchtlich – vor, im und nach dem Sterben, öffentlich und privat, liturgisch und nichtliturgisch. In Teil C werden die drei wichtigen Sitze im Leben anhand exemplarischer Quellen untersucht: das vorausgreifende Sterbegedenken (I.), das Sterben selbst (II.) und das Begräbnis (III.).

IV. Zitierweise – Editionsrichtlinien – Textnachweise der Lieder Auf die Lieder wird bei Zitat durch die Nennung von Autor und Liedanfang verwiesen. Ein diesem Liedanfang beigegebenes * verweist auf die ungeklärte Herkunft eines Textes (s. o.), ein ° auf ergänzendes Material (zusätzlich zu dem in Teil A gesammelten).

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IV. Zitierweise – Editionsrichtlinien – Textnachweise

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Diejenigen Liedtexte, die bereits bei Wackernagel (W) oder Fischer/Tümpel (FT) ediert sind, werden in der Regel nach der dortigen Textfassung zitiert. Die Großund Kleinschreibung ist in dieser Fassung gelegentlich angepasst, die Interpunktion durchweg modernisiert. Die Liedtextzitate aus den älteren Editionen sind daher auf den ersten Blick erkennbar (etwa am Komma statt der Virgel /). Liedtexte, die bisher nicht ediert sind und darum aus Original- oder Faksimiledrucken übernommen wurden, werden dagegen diplomatisch getreu wiedergegeben; das gilt auch für andere Zitate aus Originaldrucken. I und J werden allerdings – anders als in den meisten Originaldrucken – grundsätzlich unterschieden, Ligaturen nicht abgebildet. Auslassungen sind durch […], sonstige Eingriffe in den Text durch eckige Klammern gekennzeichnet; das gilt auch für die Auflösung von Abbreviaturen oder Verdopplungsstrichen. Die Strophenzählung ist einheitlich in alle Liedzitate eingetragen, ggf. also stillschweigend ergänzt. Die Druckgestalt der Strophen wurde ebenfalls vereinheitlicht, indem nach jedem Vers ein Zeilenumbruch eingefügt wurde (viele Originaldrucke geben die Strophen fortlaufend wieder). Im Anmerkungsapparat erscheinen die Liedtexte dann ohne Zeilenumbruch; hier sind die Einzelverse durch | getrennt, Strophen durch ||. Ansonsten wird durch den senkrechten Strich | ein Zeilenumbruch angezeigt, allerdings nur bei Werktiteln (im Quellenverzeichnis) oder Überschriften. Alle erwähnten bzw. zitierten Liedtexte sind im Anhang unter IV. mit Nachweis der gemachten Angaben verzeichnet. Dabei wird zwischen zwei Arten von Liedtexten unterschieden: Tabelle 1 (großformatige Beilage zum Buch) dokumentiert die Texte, die in mindestens einem der ausgewerteten Drucke unter einer der berücksichtigten Rubriken vorkommen. Ihr zu entnehmen sind Liedanfang, Autor, Hinweise auf Ort und Jahr der Entstehung bzw. des Erstdrucks sowie auf die Verbreitung und Rubrizierung (im Rahmen der untersuchten Rubriken). Jedem der ausgewerteten Gesangbücher entspricht eine Spalte. Damit enthält Tabelle 1 das zusammengefasste Ergebnis von Teil A. Ihr sind auch die Angaben darüber zu entnehmen, welche Fassung der bisher unedierten Texte zitiert wird: Für Texte mit bekannter Herkunft ist der angegebene Originaldruck maßgeblich (Spalte „Quelle“). Texte, deren Originaldruck nicht zugänglich war oder deren Herkunft nicht geklärt werden konnte, werden nach der in Tabelle 1 durch Fettdruck hervorgehobenen Textfassung zitiert. Weitere Erläuterungen zu Tabelle 1 vgl. auf S. 683. Tabelle 2 (S. 687) verzeichnet alle weiteren in der Untersuchung erwähnten bzw. zitierten Liedtexte, also diejenigen, die zusätzlich zu den in Teil A recherchierten herangezogen wurden. Sie sind im untersuchten Ausschnitt des Quellenmaterials nicht nachgewiesen. Um dies zu kennzeichnen, werden die Anfänge dieser Texte bei einer Erwähnung innerhalb der Untersuchung mit ° versehen (s. o.).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch Anhand der Gesangbuchrubrizierung soll in diesem Teil eine Auswahl von Liedtexten als Quellen für die weitere Untersuchung getroffen werden. Als Grundlage dienen einige evangelische Gesangbücher aus der Zeit von 1524 bis 1560 (I.) und vor allem zahlreiche lutherische Gesangbücher aus der Zeit von 1591 bis 1706 (II.) aus fünf bedeutenden Territorien (Württemberg, Braunschweig-Lüneburg, Kurbrandenburg, Kursachsen, Nürnberg). Bei der Auswertung der Gesangbücher wird neben der Liedauswahl auch nach der Entstehung und Verwendung von Gesangbüchern im 17. Jahrhundert gefragt. Die Ergebnisse werden ausführlich im Abschnitt III. dargelegt. Nähere Erläuterungen zu Fragestellung und Methodik von Teil A enthält die Einleitung (Abschnitt 1.).

I. Evangelische Gesangbücher bis 1560 Für die Reformation hatte die Musik von Anfang an einen hohen Stellenwert, sowohl zum Gotteslob als auch als Medium der Verkündigung.1 Luthers Weggefährte Johann Walter, von dem auch das Lied Herzlich tut mich erfreuen stammt, verstand sie als Gottesgabe, die der Theologie gleich zu achten sei: Sie ist mit der Theologj Zugleich von Gott gegeben hie / Gott hat die Music fein bedeckt In der Theologj versteckt / Er hat sie beid im fried geschmuckt Das kein der andern ehr verruckt / Sie sind jnn freundschafft nahe verwandt Das sie fur schwestern wern erkandt.2

Zahlreich sind auch die Zeugnisse von Melanchthons Wertschätzung der Musik; insbesondere rühmt der ‚Praeceptor Germaniae‘ ihre didaktische Wirkung, die darauf beruht, dass sie tiefer ins Herz dringt und sich besser einprägt als bloße Worte.3 Allen voran schätzte Martin Luther selbst die Musik besonders hoch – eine 1

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Insbesondere in Städten dienten die deutschen Lieder als ebenso spontan wie gezielt eingesetztes „Kampfmittel“ bei der Auseinandersetzung mit den Altgläubigen (vgl. Mager, Lied und Reformation, 27f.31f.36). Walter, Lob vnd preis, fol. B 2v. Blankenburg, Gedanken, 32–34 expliziert Walters Theologiebegriff als von dem Luthers geprägt: Auf die in der Theologie bzw. im Evangelium erfahrene Güte Gottes seien Lob und Dank in der Musik „die einzig mögliche Reaktion“. So Melanchthon in der Vorrede zu einem Wittenberger Musikdruck von 1545 (zit. nach Krummacher, Gryphius, 117): „Non dubium est praecipuam caussam [!] esse, cur Musicae initia humano generi diuinitus

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

persönliche Präferenz, die zugleich theologisch begründet war und die sich in der Folge sowohl auf die Art der Verbreitung der reformatorischen Theologie als auch auf die Prägung der protestantischen Frömmigkeit entscheidend auswirkte: Die Lieder Martin Luthers, in denen wie auch in den Liedern anderer protestantischer Dichter wesentliche theologische Inhalte bündig greifbar waren, verbreiteten sich rasch. Zu den ‚urlutherischen‘ Wittenberger Liedtraditionen kamen schon früh die oberdeutschen Traditionen aus dem Umkreis von Straßburg und die Traditionen der Böhmischen Brüder hinzu. So bestimmten Gesang und Gesangbuch von Anfang an das Leben in den evangelischen Kirchen, Schulen und Familien. „Weichen mus alles hertzeleid“4 – nämlich dort, wo gesungen wird –, das lässt Luther in der Gesangbuchvorrede Frau Musica selbst sagen. Über die ureigene Funktion des Gotteslobes und auch über die pädagogisch-didaktische Funktion der Belehrung hinaus, die im Unterricht ebenso wirksam wurde wie im Gottesdienst, wird hier eine weitere Dimension angesprochen: der Trost, den der Gesang in sich birgt, also seine affektive und seelsorgliche Qualität. Dank dieses Verständnisses einer dem Singen inhärenten tröstlichen Kraft sollten die ‚Kreuz- und Trost-Lieder‘ in der Geschichte des evangelischen Kirchenliedes zu einer der wichtigsten Rubriken werden.5 Diese Rubriken im Sinne von funktionalen Liedtypen, die auf bestimmte Lebenssituationen zugeschnitten waren, begannen sich freilich erst allmählich zu entwickeln. Von Anfang an waren jedoch eben diese Lebenssituationen, sowohl das „hertzeleid“ allgemein als auch Tod und Sterben im besonderen, als Orte des Liedgesangs im Blick. An drei Beispielen soll die Rolle von Sterbeliedern in reformatorischen Gesangbüchern gezeigt werden. Die Tradition der Böhmischen Brüder wird anhand des Gesangbuches von Michael Weisse (Jungbunzlau 1531) dargestellt, die Wittenberger Tradition anhand des Babstschen Gesangbuches (Leipzig 1545). Im dritten wichtigen Traditionsstrang, der oberdeutschen Tradition aus Straßburg und Konstanz, spielen die Rubriken von Tod und Sterben zunächst keine Rolle.6 Bedeutsam für die Entwicklung der Rubriken ist vielmehr das Eichornsche Gesangbuch (Frankfurt/O. 1558), auf das hier daher eingegangen werden soll.

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insita, & postea ars excitata sit, vt doctrina celestis inclusa Harmonijs & cantilenis latius propagaretur, & longiori posteritatis memoriae traderetur.“ Zu Melanchthons Wertschätzung der Musik insgesamt vgl. Krummacher, Gryphius, 116–122. Luther, Vorrhede auff alle gute Gesangbücher, in: Walter, Lob vnd preis, fol. A 2r. Zur Entwicklung dieser Rubrik von der Reformation bis ins 18. Jahrhundert vgl. Piper, Kreuz- und Trostlieder. Charakteristisch für diese Tradition sind vor allem die zahlreichen Psalmlieder, die später auch den Gemeindegesang im reformierten Bereich prägen sollten. Das große Straßburger Gesangbuch von 1541 (Faksimileausgabe Stuttgart 1953) ist dreifach gegliedert nach liturgischen Gesängen, Liedern zum Kirchenjahr und Psalmliedern. Neben Luthers Mit Fried und Freud ich fahr dahin enthält es eine weitere Liedfassung des Nunc dimittis: Johannes Englisch, Mit Frieden dein, o Herre mein; die ursprüngliche Fassung (Straßburg 1530) beginnt In Frieden dein, o Herre mein (vgl. W III 820.), sie wurde offenbar später an den Text des Lutherliedes angepasst. Das Lied hat im lutherischen Bereich kaum nachgewirkt.

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I. Evangelische Gesangbücher bis 1560

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1. Die ältesten reformatorischen Gesangbücher Ganz am Beginn der reformatorischen Gesangbuchgeschichte stehen die Drucke des Jahres 1524, zunächst das Nürnberger Achtliederbuch,7 dann das Erfurter Enchiridion8 und schließlich das Geistliche Gesangbüchlein Johann Walters, das erste reformatorische Chorgesangbuch, das wohl von Joseph Klug in Wittenberg gedruckt wurde.9 Bereits unter den 26 Gesängen des Erfurter Enchiridion befindet sich an vierter Stelle der „Lobsanck“ Mitten wir im Leben sind, eines der beiden Lutherlieder, die in der weiteren Entwicklung zu den am weitesten verbreiteten Sterbeliedern werden sollten; es geht zurück auf die mittelalterliche Antiphon Media vita in morte sumus.10 Das andere der beiden Lieder, Mit Fried und Freud ich fahr dahin, steht als Nr. 27 erstmals im Walterschen Gesangbüchlein, das bereits 24 der 36 heute bekannten Lutherlieder enthält.11 Den vier Strophen liegt der Simeonsgesang (Lk 2,29–32) zugrunde. Die beiden Lutherlieder gehören fortan zum Kernrepertoire des reformatorischen Liedes: Sie sind in vielen weiteren Drucken der zwanziger Jahre enthalten, etwa im Nürnberger Enchiridion bei Hans Hergot von 152512 oder im Zwickauer Enchiridion von 152813.

2. Das Gesangbuch der Böhmischen Brüder von Michael Weisse (Jungbunzlau 1531) J-1531. Das älteste deutschsprachige Zeugnis der Liedtradition der Böhmischen Brüder liegt mit dem New Geseng buchlen vor, das 1531 von Michael Weisse in Jungbunzlau (Böhmen) herausgegeben wurde.14 Es ist mit 157 Liedern wesentlich umfangreicher als die Gesangbücher zuvor. Als Quellen nennt Weisse in seiner Vorrede „ewer alt sampt d[er] behmischen brüd[er] Cancional“15, aus denen er die (ursprünglich lateinischen und tschechischen) Texte im Auftrag der Ältesten der deutschen Gemeinden zu Landskron und Fulnek übertragen habe. Weisse hat sich dabei offenbar vor allem sehr genau an den Melodien orientiert, während sich nur von 16 Texten direkte tschechische Vorlagen ausmachen lassen; zu ihnen gehört das Begräbnislied Nun lasst uns den Leib begraben.16 7 8

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Faksimileausgabe hg. von Konrad Ameln, in: JLH 2 (1956), 89ff. Das Enchiridion von 1524 liegt in zwei Ausgaben konkurrierender Drucker aus Erfurt vor, Johann Loersfelt (im Haus „zum Ferbefaß“, daher auch „Ferbefaß-Enchiridion“) und Mathes Maler. Nach Konrad Ameln kommt „dem Druck von J. Loersfelt die Priorität“ zu (Ameln, Geleitwort zur Faksimileausgabe, Kassel u.a. 1983, 6). Vgl. Blankenburg, Johann Walters Chorgesangbuch, 41f. Ein Faksimile des Zweitdruckes Worms 1525, hg. von Walter Blankenburg, erschien in Kassel u.a. 1979. Nach AHMA 49, 388 stammen die ältesten Textzeugnisse des Media vita aus dem 11./12. Jahrhundert. Vgl. Blankenburg, Johann Walters Chorgesangbuch, 50. Vgl. Wölfel, Gesangbuchgeschichte, 22. Faksimileausgabe Leipzig 1979. Faksimileausgabe hg. von Konrad Ameln, Kassel/Basel 1957. Weisse, Vorrede, in: J-1531, fol. A 2r. Gemeint sind damit offenbar ein lateinisches („alt“) Gesangbuch und das tschechische der böhmischen Brüder, vgl. Ameln, Geleitwort, in: Faksimile J-1531, 3. Vgl. Ameln, Geleitwort, in: Faksimile J-1531, 4.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Bei Weisses Gesangbuch handelt es sich, sicher auch wegen des gewachsenen Umfangs, um „das erste durchgängig nach seinem Inhalt gegliederte Gesangbuch“17. Es umfasst 18 Rubriken: Auf acht Rubriken zum Kirchenjahr,18 auf „Lob-“, „Beth-“ und „Leergeseng“, Tagzeiten-, Kinder- und Bußlieder folgen gegen Ende unter anderem auch zwei Überschriften zu den letzten Dingen: „Zum begrebnis d[er] todte[n]“ (5 Lieder) und „Vom jüngsten tag“ (3 Lieder).19 Am Ende stehen die Rubriken „Von den rechten heiligen“ und „Von dem Testament des herren“. Unter den Begräbnisliedern20 befindet sich Nun lasst uns den Leib begraben,21 das wie die beiden Lutherlieder zu den am weitesten verbreiteten Liedern in den untersuchten Rubriken gehört. Das Lied Preis sei dem allmächtigen Gott ist gegenüber den übrigen Begräbnisgesängen durch die Überschrift „Zum begrebnis der kinder“ ausgezeichnet; einige der anderen sind „Beym grabe“ überschrieben. Die sich anschließende Rubrik „Vom Jungsten tag“ enthält drei Lieder,22 von denen Es wird schier der letzte Tag herkommen die breiteste Nachwirkung entfaltet hat. Das deutsche Gesangbuch der Böhmischen Brüder, das 1544 seine zweite und später weitere Auflagen erlebte, wurde in den Dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts über den unmittelbaren Umkreis der Brüdergemeinde hinaus bekannt und rezipiert.23 Einige der Lieder Weisses fanden Eingang in den sich rasch weiter ausbreitenden reformatorischen Liederschatz.24

3. Das Babstsche Gesangbuch (Leipzig 1545) Auch aus der Wittenberger Tradition gingen allmählich umfangreichere Sammlungen hervor. Die Einteilung in Rubriken ist hier allerdings weniger klar und einheitlich als bei Weisse und den Böhmischen Brüdern; sie richtet sich hauptsächlich nach dem 17 18

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Ameln, Geleitwort, in: Faksimile J-1531, 3. „Von der Menschwerdung Christi“, „Von der Geburt“, „Von der Beschneidung“, „Von der Erscheinung“, „Vom Wandel vnd Leiden Christi“, „Von der Auferstendung“, „Von der Himmelfarth“, „Vom Heiligen geiste“. So die Titel im Register (J-1531, fol. A 3r); vgl. den ausführlicheren Titel der ersten Rubrik im Gesangbuch selbst: „Folgen sonderliche gesenge zum Begrebnis d[er] todten. Vnd zum ersten derer / die nach angeno[m]mener vn[d] getzeugter gnad jm[m] bund des gutten gewissens mit got / verscheide[n]“ (fol. M 2v). O Vater, Herre Gott, groß ist deine Genad (10 Str.); Nun loben wir mit Innigkeit Gott, den Vater der Gütigkeit (19 Str.); Nun lasst uns den Leib begraben (7 Str.); Preis sei dem allmächtigen Gott, der alle Ding geschaffen hat (15 Str.); So lasst uns den Leib behalten (4 Str.). J-1531, fol. M 5r. Die achte Strophe, mit der das Lied meist rezipiert wird, findet sich erst bei Babst 1545. O ihr Christen, wacht, denn der letzte Tag wird schier kommen (13 Str.); Es wird schier der letzte Tag herkommen (20 Str.); O ihr alle, die ihr euch dem Herrn vereiniget (8 Str.). Frühe Nachdrucke sind etwa aus Straßburg (veranlasst durch Katharina Zell) und Ulm belegt, vgl. Ameln, Geleitwort, in: Faksimile J-1531, 5. Konrad Ameln verzeichnet im Babstschen Gesangbuch 12 Übernahmen aus dem Brüdergesangbuch von 1531. Unter ihnen nimmt wiederum Nun lasst uns den Leib begraben eine prominente Rolle ein: Es taucht bei Babst als einziges der zwölf Lieder im 1. Teil auf, der inhaltlich mit dem Klugschen Gesangbuch von 1543 nahezu übereinstimmt und ansonsten eher die Wittenberger Tradition repräsentiert. Das Lied wird zudem von Luther in seiner Vorrede besonders hervorgehoben, vgl. Anm. 33.

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I. Evangelische Gesangbücher bis 1560

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Ursprung und (wenn überhaupt) erst in zweiter Linie nach Inhalt und Verwendung der Lieder. Das zeigen die beiden wichtigsten Werke dieser Familie, das Klugsche und das Babstsche Gesangbuch, in denen die Lieder des Reformators Luther jeweils gesondert zu Beginn abgedruckt sind. Die Rubrizierung spiegelt hier also anders als bei Weisse noch nicht den intendierten kirchlichen Gebrauch des Gesangbuchs, sondern die hohe Wertschätzung Luthers und seiner prominent gestellten Gesänge. Bis 1545 gilt das Klugsche Gesangbuch, von dem Wittenberger Buchdrucker Joseph Klug in vier Auflagen25 gedruckt, als wichtige Ausgabe. Es enthält keine Einteilung, in der Sterbe- oder Begräbnislieder eigens aufgeführt wären. In der ältesten erhaltenen Auflage von 1533 sind nun schon 28 Lieder Luthers enthalten, daneben 5 (teils lateinische) Gesänge der „Alten“, 17 Lieder zeitgenössischer Autoren neben Luther sowie 17 „lieder aus der heiligen schrifft“ in vierstimmigen Sätzen von Johann Walter, darunter das deutsche Nunc dimittis.26 Babst. Das Babstsche Gesangbuch von 1545 schließlich ist ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte der lutherischen Gesangbücher.27 Prachtvoll in der Ausstattung mit Holzschnitten und Schmuckleisten, versammelt es insgesamt 129 Lieder (1. Teil: 89; 2. Teil: 40 Lieder). Nur der erste Teil, der aus dem Klugschen Gesangbuch von 1543 hervorgegangen ist, ist durchgängig gegliedert, freilich anders (und auch weniger übersichtlich) als bei Michael Weisse: Die 13 Lutherlieder zum Kirchenjahr am Anfang (darunter: Mit Fried und Freud zu Mariä Reinigung) machen nur einen geringen Teil des Umfangs aus; Rubriken für Luthers Katechismus-,28 Psalm- und sonstige Lieder29 schließen sich an. Ähnlich wie im Klugschen Gesangbuch und anders als in späteren Werken spielt die Autorschaft als Gliederungskriterium also auch hier eine Rolle. Nach den von Lutherliedern dominierten ersten Abschnitten folgen „andere der unsern lieder“30 (von Zeitgenossen), „geistliche Lieder / von fromen Christen gemacht / so vor vnser zeit gewesen sind“31 und „die heiligen Lieder / aus der heiligen schrifft / so die lieben Patriarchen und Prophete[n] vorzeiten gemacht vnd gesungen haben“32. 25

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1529 (verschollen), 1533 (Faksimileausgabe hg. von Konrad Ameln, Kassel u.a. 1983 [unveränderter Nachdruck der Ausgabe 1954]), 1535 und 1543. Fol. 175v–176v. Zur Gliederung des Gesangbuchs vgl. Ameln, Geleitwort, in: Faksimile des Klugschen Gesangbuchs von 1533, 12f. Faksimileausgabe hg. von Konrad Ameln, Kassel u.a. 21966. Vgl. Babst, fol. E 2r: „NV folgen geistliche Gesenge […]“ usw., Nr. 14–21: Lieder zu den Geboten, zu Credo, Vaterunser, Taufe und Abendmahl. Nicht von Luther stammt nur einer der Texte (Nr. 19: dt. Bibeltext von Ps 111). Vgl. Babst, fol. G 6v: „Folgen nu […]“ usw., Nr. 22–39. Neben Luthers Psalmliedern (Nr. 22–28) stehen hier das ‚deutsche Sanctus‘ (°Jesaja dem Propheten das geschah), das deutsche Te deum, die deutsche und die lateinische Litanei, das Sterbelied Mitten wir im Leben sind u.a. Babst, fol. N 2r (Nr. 40–51). Babst, fol. Q 4v (Nr. 52–63). Babst, fol. S 3r (Nr. 64–79). Als Texte dienen biblische Gesänge in deutscher Sprache, meist von außerhalb des Psalters: Ex 15,1–19; Dtn 32,1–43 (Moselied); Ri 5,2–31 (Deboralied); 1Sam 2 (Lied der Hanna); Jes 12,1–6; Jes 26,1–21; Jes 38,10–20 (Lied des Hiskia); Jes 61,10f; Jes 63,7–64,11; Jon 2,3–10; Hab 3,2–19; Lk 1,46–55 (Magnificat); Lk 1,68–79 (Benedictus); Lk 2,29–32 (Nunc dimittis); Lk 2,14 (Gloria in excelsis); Ps 114.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Umso bemerkenswerter ist es angesichts der etwas unsystematischen Einteilung, dass gerade die Begräbnislieder dennoch eine eigene Abteilung bilden. Sie findet sich ganz am Ende des ersten Teils: Unter Nr. 80 steht zunächst Weisses Nun lasst uns den Leib begraben,33 erst dann folgt ganzseitig der Titel: „Nu folgen Christliche Geseng / Lateinisch vnd Deutsch / zum Begrebnis. D. Martinus Luther.“34 Der Inhalt stimmt mit dem Klugschen Begräbnisliederbuch von 1542 überein: Nach der Vorrede daraus sind unter den Nummern 81 bis 89 neun lateinische Begräbnisgesänge meist biblischen Ursprungs mit Choralnoten abgedruckt.35 Den Abschluss bilden vier kurze deutsche Dichtungen ohne Nummerierung und auch ohne komplexere Strophenform – die Melodie ist jeweils einem Verspaar zugewiesen –, denen ebenfalls Bibeltexte zugrunde liegen.36 Besonders aufschlussreich ist eine Liste von sechs Gesängen, „so bey dem begrebnis gesungen werde[n]“37: Martin Luther, Aus tiefer Not schrei ich zu dir (Babst Nr. 28) Martin Luther, Mitten wir im Leben sind (Babst Nr. 35) Martin Luther, Wir glauben all an einen Gott (Babst Nr. 16) Martin Luther, Mit Fried und Freud ich fahr dahin (Babst Nr. 7) Michael Weisse, Nun lasst uns den Leib begraben (Babst Nr. 80) Martin Luther, Nun bitten wir den Heiligen Geist (Babst Nr. 12) Die Dominanz der Lutherlieder in dieser Reihe fällt auf; die einzige Ausnahme bildet Weisses Nun lasst uns den Leib begraben. Als einziges der sechs Lieder ist es in unmittelbarer Nachbarschaft zu den lateinischen Begräbnisgesängen abgedruckt; die anderen verteilen sich auf verschiedene Abschnitte: Unter den Liedern zum Kirchenjahr wird nicht nur Nun bitten wir den Heiligen Geist (Pfingsten), sondern auch Mit Fried und Freud (Mariä Reinigung) aufgeführt. Das Credo-Lied Wir glauben all an 33

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Betitelt ist es: „Ein fein Christlich Lied zu singen / zum begrebnis der verstorbenen / Durch D. Mart. Luth.“ (fol. Y 5r) Die fehlerhafte Autorangabe wird von Luther in seiner Vorrede richtiggestellt: „Ich mus aber das auch vermanen / das lied / so man zum grabe singet / Nu last vns den Leib begraben / füret meinen name[n] / aber es ist nicht mein / vn[d] sol mein name hinfurt da uon gethan sein / Nicht das | ichs verwerffe / denn es gefellet mir sehr wol / vnd hat ein guter Poet gemacht / genant Johannes Weis / on das er ein wenig geschwermet hat am Sacrament / Sondern ich wil niemand sein erbeit / mir zu eigen.“ (fol. A 4r|v) Die Autorangabe „Johannes Weis“ (statt Michael Weisse) findet sich im Gefolge Luthers auch in den meisten Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts. Babst, fol. Z 2v. Credo quod redemptor meus vivit, et in novissimo resurgam (Nr. 81, nach Hi 19,25; Ps 145 [146],1f); Ecce quomodo moritur iustus, et nemo percipit corde (Nr. 82, nach Jes 57,2f; Ps 16 [17],15); Cum venisset Jesus in domum principis et vidisset tibi cines (Nr. 83, nach Mt 9,23–25); Ecce mysterium magnum dico vobis, non omnes quidem dormiemus (Nr. 84, nach 1Kor 15,51f.54f); Stella enim differt a stella in claritate, sic et resurrectio mortuorum (Nr. 85, nach 1Kor 15,41–45); Nolumus autem vos fratres ignorare de dormientibus (Nr. 86, nach 1Thess 4,13f); Si credimus quod Jesus Christus mortuus est et resurrexit (Nr. 87, nach 1Thess 4,14.13; 1Kor 15,22); Prudentius, Iam moesta quiesce querela (Nr. 88, 10 Str.); Si enim credimus quod Jesus mortuus est et resurrexit (Nr. 89, nach 1Thess 4,14; 1Kor 15,22; Sir 44,14; Media vita; Ps 4,9; Röm 14,7f). Im Fried bin ich dahin gefahrn; Mit Fried und Freud in guter Ruh (beide nach Lk 2,29–32); Christ ist die Wahrheit und das Leben (nach Joh 11,25f); In meinm Elend war dies mein Trost (nach Hi 19,25). Babst, fol. b 2v.

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I. Evangelische Gesangbücher bis 1560

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einen Gott steht unter den Katechismusgesängen, das auf dem Bußpsalm 130 (De profundis) fußende Aus tiefer Not schrei ich zu dir unter den Psalmliedern Luthers und Mitten wir im Leben sind unter den übrigen Lutherliedern. – Abschließend folgt eine ähnliche Aufstellung von acht (lateinischen und deutschen) Gesängen, die gesungen werden können, „wenn man vom begrebnis heim gehen wil“38. Wenig geordnet präsentiert sich der zweite Teil des Babstschen Gesangbuchs: Überschriften, die ausdrückliche Rückschlüsse auf den Sitz im Leben der Lieder zuließen, fehlen hier. Ganz unterschiedliche Liedtraditionen sind berücksichtigt,39 darunter die der Böhmischen Brüder, aber auch solche, die ihrer Herkunft nach aus lutherischer Sicht nicht ganz unbedenklich sind, etwa weil sie von Täufern oder Schwenckfeldianern stammen.40 Zwei Lieder aus der Gesamtauswahl der Untersuchung tauchen im zweiten Teil ohne Rubrizierung auf: Weisses Es wird schier der Jüngste Tag herkommen (Nr. 36) und Es war einmal ein reicher Mann (Nr. 17) nach Lk 16.

4. Das Eichornsche Gesangbuch (Frankfurt/O. 1558) FfO-1558. Die Tradition des Eichornschen Gesangbuchs aus Frankfurt an der Oder – es wurde 1556 bei Johann Eichorn erstmals gedruckt und bis 1604 immer wieder aufgelegt – ist nicht zuletzt für die Frage der Rubrizierung bedeutsam. Das Werk umfasst anfangs 128, in späteren Ausgaben bis 179, 1604 sogar 190 Liedtexte sowie anfangs über 100, später ca. 60 Melodien.41 Die erste Ausgabe mit der neuartigen Rubrizierung in 25 Abteilungen ist nicht die von 1556,42 sondern erst die von 1558. Laut Titel sind die Lieder darin „auff alle Fest des gantzen Jars geordnet“; in späteren Ausgaben lautet die Angabe: „nach ordnung der Jarzeit / New zugericht“43.

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Babst, fol. b 7r: Von den deutschen Gesängen werden hier nochmals genannt Mit Fried und Freud ich fahr dahin; Wir glauben all an einen Gott; Nun bitten wir den Heiligen Geist; Nun lasst uns den Leib begraben. Daneben stehen vier lateinische Gesänge: Iam moesta quiesce querela; Si enim credimus; Corpora sanctorum; In pace sumus (vielleicht für: In pace simul dormiam et requiescam aus Ps 4,9?). Die drei letztgenannten Stücke sind alle in Nr. 89 des Babstschen Gesangbuchs enthalten (vgl. Anm. 35), das Iam moesta des Prudentius steht unter Nr. 88. Vgl. die detaillierte Aufstellung von Konrad Ameln in der Faksimileausgabe, 10–12. Z. B. das Lied °Nun höret zu, ihr Christenleut (Nr. 24) des Täufers Hans Witzstat von Wertheim, das einen Streit zwischen Leib und Seele bzw. (so die Überschrift) zwischen Fleisch und Geist im Blick auf den herannahenden Tod und das nachfolgende Gericht wiedergibt. Noch im 17. Jahrhundert wurde das Lied aufgrund seines Autors und seines Inhalts beargwöhnt. In L-1673 wurde es bewusst weggelassen, „weil der Verfasser den jenigen Streit / welcher sich in dieser Schwachheit bey denen Wiedergeborenen ereignet / nicht dem Fleisch und Geist nach der Lehre des Apostels [Rom VII.] sondern dem Leib und der Seele gantz irrig beygeleget“ (L-1673, Vorrede fol. d 2v). Vgl. Lipphardt, Eichorn, 170; Reckziegel, Cantional, 22–25. Die von Reckziegel, Cantional, 22 für 1556 angesetzte Ausgabe wird bei Lipphardt, Eichorn, 168 erst um 1560 datiert. Dafür hat Lipphardt im British Museum eine Ausgabe von 1556 nachgewiesen, die aber noch nicht die spätere Rubrizierung aufweist (vgl. Lipphardt, Eichorn, 161–164). So im Titel der in Anm. 42 genannten Ausgabe um 1560, zit. nach Lipphardt, Eichorn, 168 und Reckziegel, Cantional, 22.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

In seiner Vorrede weist Eichorn auf die Notwendigkeit der neuen Gliederung eigens hin: NAch dem die gemeinen Gesangbüchlein […] nunmehr durch offt verbessern oder mehrung gar in vnordnung hin vnd wider vermischet / Hab ich durch einen gelehrten Mann dieselbigen in eine richtige Ordnung / nach den Festen der Jahrzeit / lassen zusammen bringen / damit auff ein jedes Fest alle Lieder / darauff gehörig / mit den Gebeten / nach einander gefunden werden / vnd nicht hin vnnd wider von nöthen zu suchen.44

Der Grundgedanke ist die Anordnung der Lieder nach der „Jarzeit“. Lieder, die zur selben Kirchenjahreszeit, allgemeiner: zum selben Sitz im Leben gehören, sollen beieinander stehen, um den Gebrauch des Gesangbuchs zu erleichtern und unnötiges Blättern und Herumsuchen zu vermeiden. Das betrifft letztlich nicht nur die Lieder zum Kirchenjahr, sondern auch die Sterbe- und Ewigkeitslieder. Das Prinzip der Rubrizierung ist also letztlich ein funktionales: Die Handhabbarkeit des zum praktischen Gebrauch bestimmten Buches, seine Anwendungsfähigkeit soll verbessert werden; damit entsteht auch „ein deutlich abgrenzbares Repertoire für Totenmessen und Begräbnisse“45. Die Einteilung in 25 gleichberechtigte, nummerierte Rubriken unterscheidet sich deutlich vom 18-fachen Gliederungsvorschlag aus Michael Weisses Brüdergesangbuch. Am Anfang stehen sieben Titel zum Kirchenjahr46 und ebenso viele zu den Stücken des Katechismus47 (wenn die zu Babst ergänzten Themen Buße und Rechtfertigung mitgerechnet werden). Als vier weitere Bereiche folgen „Dancksagung“, „Vom Christlichen leben vnd wandel“, „Vom Creutz, verfolgung vnd anfechtung“ und „Von der Christlichen Kirchen“. Die Sterbe- und Ewigkeitslieder umfassen die Rubriken XIX. bis XXI.: „Vom Todt vnd sterben“ (1 Lied), „Vom Begrebnis“ (4 Lieder) sowie „Vom Jünsten [!] Tag vnd aufferstehung“ (5 Lieder). Vier Rubriken Morgen-, Abend- und Tischlieder, also für den häuslichen Gebrauch geeignete Gesänge („Früe so man auffstehet“), und die deutsche Litanei – ohne nummerierten Rubriktitel – schließen den Aufbau ab.48 Der Liedbestand der Ausgabe von 1558, der ersten mit Rubrizierung nach der „Jarzeit“, setzt sich nach Lipphardt aus drei Komponenten zusammen: Neben dem 44

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Zit. nach dem Faksimile der Ausgabe von 1604 bei Reckziegel, Cantional, 60 (vgl. a. Lipphardt, Eichorn, 164). Um wen es sich bei dem erwähnten „gelehrten Mann“, dem Urheber des Eichornschen Rubrizierungssystems, handelt, ist umstritten. Möglicherweise ist es Andreas Musculus oder Sigismund Schwob (vgl. Reckziegel, Cantional, 55f). Reckziegel, Cantional, 57. „Von der Menschwerdung Christi“, „Von der geburt Jesu Christi“, „Vom leiden vnd sterben Jesu Christi“, „Von der aufferstehung Christi“, „Von der Himelfart Christi“, „Vom heiligen Geyst“, „Von der heiligen Dreyfaltigkeit“. Gegenüber Weisse (vgl. S. 36 Anm. 18) fehlen die Rubriken von der Beschneidung und von der Erscheinung Christi, neu ist die Trinitatis-Rubrik. Die Rubrik vom „Leiden“ Christi umfasst bei Weisse auch noch seinen „Wandel“. „Von zehen Gebotten“, „Vom Glauben“, „Vom Vater vnser“, „Von der Tauff “, „Von der Buß“, „Von der Rechtfertigung“, „Vom Abendmahl des Herrn“. Bei Weisse fehlt sowohl die Mehrzahl dieser Themen als auch deren katechismusartige Anordnung. Die einzigen Entsprechungen sind „Für die Gefallenenn“ (Buße) und „Von dem Testament des herren“ (Abendmahl). Hier zitiert nach Lipphardt, Eichorn, 165–167 (nach der Erstausgabe 1558).

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I. Evangelische Gesangbücher bis 1560

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Babstschen Gesangbuch und der Tradition der Böhmischen Brüder wird auch Sondergut aus der noch unrubrizierten Ausgabe von 1556 verwendet. Unter den zehn Sterbe- und Ewigkeitsliedern (6,2% von 16249 Liedern insgesamt) sind die zwei üblichen Lutherlieder sowie vier der Böhmischen Brüder – alle von Michael Weisse –, von denen zwei bereits bei Babst vorkommen und zwei neu hinzugesetzt wurden.50 Drei Lieder vom Jüngsten Tag stammen aus dem Sondergut der Ausgabe von 1556: Erasmus Alber, Ihr lieben Christen, freut euch nun (Wittenberg 1546) Erasmus Alber, Gott hat das Evangelium (1548) M. R. Müntzer, Ach Gott, tu dich erbarmen (Nürnberg 1550) Ganz weggefallen ist aus der Ausgabe von 1556 Caspar Löners Sterbelied O wie selig ist der Tod (Wittenberg 1538). Schon zehn Jahre nach seinem ersten Erscheinen hat das Eichornsche Gesangbuch Filialdrucke in Nürnberg, ab 1580 auch in Leipzig hervorgebracht (eine Ausgabe von 1605 wird an späterer Stelle ausgewertet, vgl. S. 97). Mit dem Gesangbuch ist auch seine neue Rubrizierung vielfach rezipiert worden; sie wirkt – z. T. in erweiterter Form – bis weit ins nächste Jahrhundert hinein. Ergänzt wurden später vor allem Lieder ‚In mancherlei‘ bzw. ‚gemeiner Not‘, auch speziell für Krieg, Hungersnot, Teuerung, Unwetter oder Pest, sowie Reise- und gelegentlich Wiegenlieder.

5. Zusammenfassung Von den verschiedenen Strängen der reformatorischen Liedtradition haben sich besonders zwei als ergiebig für die Geschichte der Gesangbuchrubriken vom Sterben, vom Begräbnis und vom Jüngsten Tag erwiesen: die Wittenberger Tradition, vertreten durch das Babstsche Gesangbuch (Leipzig 1545), und die der Böhmischen Brüder, vertreten durch Weisses New Geseng buchlen (Jungbunzlau 1531). Aus der Wittenberger Tradition stammen besonders die Lutherlieder Mit Fried und Freud und Mitten wir im Leben sind, von Weisse das Begräbnislied Nun lasst uns den Leib begraben. Während das Babstsche Gesangbuch nur eine Rubrik vom Begräbnis kennt – in ihr sind überwiegend lateinische Gesänge mit biblischen Texten enthalten, daneben aber auch der Verweis auf sechs deutsche Lieder –, kommt im Gesangbuch der Böhmischen Brüder zusätzlich eine Rubrik vom Jüngsten Tag mit drei Liedern vor; Es wird schier der letzte Tag herkommen ist später das verbreitetste. Die dritte Rubrik ‚Vom Tod und Sterben‘ schließlich geht auf das Eichornsche Gesangbuch zurück, das Wittenberger und böhmische Traditionen aufgreift und um weitere Lieder ergänzt, etwa zwei zum Jüngsten Tag von Erasmus Alber. Seine Rubrizierung „nach 49 50

Vgl. Lipphardt, Berichtigung, 204 (zuvor irrtümlich angegeben: 159 Lieder). Bereits bei Babst: Nun lasst uns den Leib begraben (B); Es wird schier der letzte Tag herkommen (JA). Neu bei Eichorn: So lasst uns den Leib behalten (B); O ihr Christen wacht, denn der letzte Tag wird schier kommen (JA).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

ordnung der Jarzeit“ mit den Titeln ‚Vom Tod und Sterben‘, ‚Vom Begräbnis‘ und ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘ prägt die Struktur der Lieder von den letzten Dingen in lutherischen Gesangbüchern bis ins 17. Jahrhundert hinein.

II. Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts 1. Württemberg

T-1591. 1583 erschien bei Georg Gruppenbach in Tübingen das erste landeskirchliche Gesangbuch für das Herzogtum Württemberg. Erhalten ist eine Ausgabe von 1591 unter dem Titel Außerlesne / Reine / Geistliche Lieder vnnd Psalmen, die von Martin Rößler umfassend ausgewertet wurde. Das offizielle Gesangbuch für das Herzogtum erschien im Vergleich zu anderen Territorien sehr früh.1 Der Gemeindegesang, der im Herzogtum seit der Reformation einen hohen Stellenwert besaß, war zwar durch die Kirchenordnungen von 1536 und 1553/1559 geregelt;2 verwendet wurden zunächst aber unterschiedliche Gesangbücher von auswärts.3 Besonders einflussreich, auch für das Gesangbuch von 1583, waren die Straßburger Gesangbücher. Die meisten Parallelen zum Gesangbuch von 1583 konnte Rößler in einem bei Theodosius Riehel erschienenen Straßburger Gesangbuch von 1569 nachweisen, in dem fast alle Lieder des württembergischen Gesangbuchs (und viele weitere) enthalten sind.4 Das erste offizielle Württembergische Gesangbuch entstand im Zusammenhang mit einer Neufassung der Kirchenordnung von 1582 im Anschluss an die Vollendung des Konkordienwerks 1580.5 An seiner Erstellung war der Theologe Lucas Osiander maßgeblich beteiligt. Die Vorrede verfasste Herzog Ludwig; sie wurde ein

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Noch älter ist das landeskirchliche Gesangbuch von Pfalz-Zweibrücken (1557), vgl. S. 18. Vgl. Sehling XIV, 104f (1536). 265 (1553, so auch in der Großen Kirchenordnung 1559 und 1582; erste Erwähnung des Gesangbuchs: in der Großen Kirchenordnung von 1582). Der Kirchengesang soll danach in deutscher, für die Schüler auch in lateinischer Sprache gehalten werden; die Kirchendiener sollen das Volk zum Erlernen der Gesänge anhalten, weil jedermann „durch das gsang Gottes wort, so darin verfaßt, erinnert und darauß […] gebessert werde“. Vgl. Rößler, Gesangbuch-Geschichte, 37–42. Vgl. Rößler, Württemberg, 27; Kolb, Geschichte, 49. Vgl. Reckziegel, Cantional, 26; Rößler, Gesangbuch-Geschichte, 63. Übereinstimmung besteht auch in der Rubrizierung (vgl. Reckziegel, Cantional, 59; ähnlich die Rubrizierung in L-1616, vgl. S. 99). Von den sechs Teilen des Straßburger Gesangbuchs fehlt im Württemberger Gesangbuch nur der letzte (Morgen-, Abend- und Tischgesänge). Die Vorrede von Herzog Ludwig berichtet kurz und begründet dabei die Zugehörigkeit des Kirchengesangs zur Kirchenordnung: „Wann wir dann verschinen Jars vnser Kirchenordnung widerumb verbessern lassen: vn[d] aber Christliche Gesang / so bey der Predigt des Euangelij / vnd außspendung der H. Sacrament sollen gebraucht werden / zu den Kirchen Ceremonien gehörig / vnnd also ettlicher massen derselben anhengig: Haben wir die versehung gethon / daß die besten vnnd reinesten Geistliche Gesang (wie die vor diser zeit in Teutsche Sprach gesangsweiß gebracht / vnd / Gott lob / biß daher in vnserm Fürstenthumb in übung gewesen) zusamen getragen / vnnd wo die ettwa vor diser zeit / in mancherley Gesangbüchlin / im Truck ettwas | mangelhafftig außgangen / corrigiert vnd verbessert wurden / vnd also selbige für die Kirchen vnnd Schule[n] Vnsers Fürstenthumbs / zusamen trucken lassen“ (T-1591, Vorrede, 4|5). Vgl. Rößler, Gesangbuch-Geschichte, 44.

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II. Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts

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Jahrhundert lang immer wieder unverändert abgedruckt. Seine Aufgabe als christlicher Fürst versteht der Herzog so, daß einer Christlichen Gottsförchtigen Obrigkeit nicht allein oblig / die Cantzel mit der reinen Lehr Göttlichs worts / neben dem rechten Gebrauch der heiligen Sacrament / wol zubestellen: sonder auch die versehung zuthun / daß der Allmächtig für seine so vil him[m]lische vnd jrrdische Gutthaten / mit reinen Geistlichen Liedern vnd Psalmen / gelobt und | gepreiset / vnnd durch solche gute Gesäng die Christliche Gemein gebessert vn[d] erbawen werde. Wie vns dann nicht zweiffelt / da die Christen solche gute Gesang lernen / und täglich gebrauchen / daß dardurch vil böser anfechtungen verhindert / vnd vilerley Sünden vermitten bleibe[n].6

Es ist also ein im besten Sinne des Wortes seelsorglicher Auftrag, den der Landesherr durch die Bereitstellung des Gesangbuchs wahrnimmt. ‚Seelsorge‘ verstanden als Sorge um das Seelenheil gewinnt im Kontext des Sterbens eine besondere Bedeutung. In der Vorrede heißt es weiter: Wie es auch die erfahrung gibt / daß sich offtermalen from[m]e Christen in jren todsnöte[n] nicht weniger auß den Teutschen Psalmen / so sie vor vilen Jaren gelernet / als auß den Predigten / so sie gehört / zutrösten wissen.7

Damit ist bereits ein Hinweis auf die Sterbekunst gegeben, die zu fördern der Landesherr durch sein neues Gesangbuch für richtig hält. Das Hauptaugenmerk liegt aber auf dem gottesdienstlich eingebundenen Gesang „bey der Predigt des Euangelii / vnd außspendung der H. Sacrament“8. Vorbild sind Davids Psalmen, durch die „der Allmächtig in seiner Gemein bey den Gottesdiensten / vnnd sonsten gelobt vnd gepreiset wurde“9; eine außergottesdienstliche Verwendung ist mit „vnnd sonsten“ immerhin angedeutet. Zum offiziellen landesherrlichen Charakter der Sammlung paßt die kleine, konstante Liedauswahl: Sie umfasst nur 108 Lieder (gegenüber 227 in der Straßburger Vorlage) und blieb über 150 Jahre gleich – bis zum Pietistischen Gesangbuch von 1741. Offenbar ging es darum, den Liedbestand unter Rückgriff auf unverdächtiges und bewährtes Material zu normieren und dadurch die Entwicklung einer Frömmigkeit zu fördern, die der orthodoxen lutherischen Lehre möglichst konform war.10 Rößler bringt die Art der Auswahl auf den Begriff: „Die Entscheidung fiel für ein 6 7

8 9 10

T-1591, Vorrede, 2|3. T-1591, Vorrede, 3. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass „Psalmen“ hier gleichbedeutend ist mit ‚geistliche Lieder‘ (vgl. auch den Titel Außerlesne Reine Geistliche Lieder vnnd Psalmen): Die Christen sollen „solche gute Gesang lernen / vnd täglich gebrauchen“, um dadurch Sünde und Anfechtung zu vermeiden; Paulus habe deshalb „den Christe[n] sich in Geistlichen Liedern fleissig zuüben / mehrmalen befohlen“ (vgl. Eph 5,19; Kol 3,16). T-1591, Vorrede, 4. T-1591, Vorrede, 1|2. Die Intention der Gesangbuchplaner drückt sich bei der Überarbeitung der Kirchenordnung im Jahr 1582 so aus: „Damit auch nicht mit der zeit / ettliche Gsang / so nicht allerdings rein / bey vnsern Kirchen heimlich möchten einschleichen / seind wir bedacht / fürderlich / ettliche der bessern vnnd reinesten Teutschen Gsang zusammen trucken zulassen / derer sich bißher die Kirchendiener vnd Schulmeister /

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

‚Kerngesangbuch‘, nicht für ein ‚Sammelgesangbuch‘.“11 Entsprechend ergeht in der Vorrede der Befehl zum exklusiven Gebrauch dieses verbindlichen Liedkanons: Vnnd ist hierauff Vnser Beuelch / daß all Vnsere Superatte[n]denten / Pfarrer / Kirchendiener vnnd Schulmeister dise Gesang (nach gelegenheit vnd gewonheit einer jeden Kirchen) auch fürohin gebrauchen / vnd nicht eigens gefallens newe Lieder / vnnd vngewohnliche Compositiones (welche nit allwegen allerdings rein / oder bey der Gemein Gottes erbawlich) einführen.12

Das neue Gesangbuch wird als Instrument verstanden, die in der Konkordie fixierte reine Lehre dem Kirchenvolk einzuprägen und eine entsprechende Frömmigkeit einzuüben. Daher wird Pfarrern und Schulmeistern der Gebrauch des Buches „ernstlich aufferlegt“13. Die 108 Lieder (mit 92 Melodien) sind in fünf Abteilungen gegliedert: 29 Lieder auf die Fest- und Feiertage des Kirchenjahres,14 13 Katechismusgesänge, 38 Psalmlieder, 22 Lob-, Lehr- und Betgesänge und fünf „Christliche Gesang / zum Begrebnus“, gefolgt von der deutschen Litanei.15 Der hohe Anteil der Psalmlieder verweist auf das Erbe der Straßburger bzw. oberdeutschen Gesangbuchtradition. Eine eigene Abteilung für den Jüngsten Tag gibt es nicht. Ein Fehler bei der Abgrenzung der Rubrik wurde in allen Auflagen reproduziert – offenkundig gehören bereits die beiden letzten Lieder der vorausgehenden Rubrik eigentlich schon zu den Begräbnisliedern,16 insgesamt sind es also sieben (6,5%). Sie alle stammen aus der Zeit von 1524 bis 1563: (Nicolaus Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist, Wittenberg 1562) (Paul Eber, Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott, Frankfurt/M. 1563) Martin Luther, Mitten wir im Leben sind (Erfurt 1524) Michael Weisse, Nun lasst uns den Leib begraben (Jungbunzlau 1531) Martin Luther, Mit Fried und Freud ich fahr dahin (Wittenberg 1524) Nicolaus Herman, Sankt Paulus die Korinthier (Kulmbach 1551) Erasmus Alber, Ihr lieben Christen, freut euch nun (Wittenberg 1546) Um den gottesdienstlichen Gemeindegesang weiter zu befördern, hatte Osiander die Idee, einen Auszug aus dem Gesangbuch von 1583 in eigenen, vierstimmig homophonen Sätzen mit Melodie in der Oberstimme herauszubringen, die zugleich für den Chor und für das Mitsingen der Gemeinde geeignet waren (Fünfftzig Geistliche

11 12 13 14

15 16

vnsers Fürstenthumbs / bey den Christlichen Gemeinen gebraucht / auch fürauß gebrauchen sollen.“ (handschriftlicher Zusatz, zit. nach Rößler, Gesangbuch-Geschichte, 44). Vgl. Rößler, Gesangbuch-Geschichte, 50. T-1591, Vorrede, 5. T-1591, Vorrede, 6. Zu „Lichtmeß“ (Mariä Reinigung) erscheint hier das Lied Im Frieden dein, o Herre mein, die alte Straßburger Fassung des Nunc dimittis von Johannes Englisch aus dem Jahr 1530 (W III 820.). Vgl. die genaue Aufstellung bei Rößler, Gesangbuch-Geschichte, 51–62. Möglicherweise wurde aus der Liedüberschrift zu Mitten wir im Leben sind, wie sie in der Straßburger Vorlage von 1569 steht, in der Württemberger Ausgabe von 1583 versehentlich eine Kapitelüberschrift, die dadurch an die falsche Stelle rückte (vgl. Rößler, Gesangbuch-Geschichte, 70).

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II. Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts

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Lieder vnd Psalmen, 1586).17 Dieses Konzept sollte bald auch andernorts Schule machen; nach Scheins gleichnamigem Werk von 1627 ist dafür der Terminus ‚Kantional‘ gängig geworden (vgl. S. 103). Von den Begräbnisgesängen hat Osiander hier nur Mitten wir im Leben sind und Mit Fried und Freud aufgenommen.18 Alle obrigkeitlichen Bemühungen um Regulierung des Liedbestandes konnten nicht verhindern, dass schon bald der Wunsch nach der Aufnahme weiterer Lieder laut wurde.19 Anfangs wusste die Kirchenleitung die Bestrebungen wirksam zu verhindern: Als der Stuttgarter Drucker Johann Weyrich Rößlin sich 1606 anstelle des mittlerweile bankrott gegangenen Gruppenbach darum bemühte, das herzogliche Privileg zum Gesangbuchdruck zu erhalten, regte er an, den schmalen Bestand um solche Lieder zu erweitern, die es mittlerweile zu Popularität im Kirchenvolk gebracht hatten. Mit diesem Vorschlag, der dem strengen Konzept des Württembergischen Gesangbuchs zuwiderlief, hatte er keinen Erfolg – das Privileg wurde ihm verweigert.20 Langfristig ließ sich jedoch nicht verhindern, dass weitere Lieder aufgenommen wurden. Die konsistoriale Maßgabe war dabei aber, die 1583 approbierten Gesänge separat zu drucken, neu hinzukommende Lieder vorher theologisch begutachten zu lassen und sie in einem Anhang beizufügen.21 T-1631. Die älteste bekannte Ausgabe eines solchen „Anhang-Gesangbuchs“22 wurde 1631 in Tübingen bei Johann Conrad Geyßler gedruckt. In der Vorrede erläutert Geyßler die Unterscheidung zwischen den Liedern aus dem offiziellen Gesangbuch von 1583, die als Teil des Bekenntnisses aufzufassen seien („ein Stuck vnserer Christliche[n] Glaubens Bekandtnuß“), und sonstigen Liedern, die aber „nit ohne besondern Nutzen / zu Hauß vnd ausser der Kirchen / von Gottseeligen Leuten / gebraucht vnnd gesungen werden mögen“; der Unterschied zwischen beiden liegt also zum einen in ihrer theologischen Verbindlichkeit, zum anderen in ihrem Gebrauch (in der Kirche vs. zu Hause). Da die beiden Gruppen auch im Gesangbuch „richtig vnd gantz vnvermenget verbleiben“ müssten, habe er die Ergänzungen „nach den wolverordneten vnnd approbierten KirchenGesangen / Absönderlich / als einen Appendicem / hinnach setzen vnd anhencken wöllen“.23 Die 91 Lieder des Anhangs sind alphabetisch nach Liedanfängen, nicht nach Rubriken geordnet; insofern ist die Zuordnung der Sterbe- und Ewigkeitslieder nicht ganz eindeutig. Trotzdem wird deutlich, dass ihre Zahl im Anhang der „zu Hauß vnd ausser der Kirchen“ gesungenen, neu hinzugekommen Lieder ungleich höher ist als im Stammteil; die Auswahl zeigt, dass Sterbebereitung und Sterbekunst in der 17

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Vgl. Rößler, Württemberg, 27; Rößler, MGG-Art. Gesangbuch, 1302; Garbe, MGG-Art. Gemeindegesang, 1177f. Laut Titelblatt sind die Lieder hier „also gesetzt / das ein gantze Christliche Gemein durchauß mit singen kan“. Vgl. Rößler, Gesangbuch-Geschichte, 75 Anm. 116. Etwa durch Johann Valentin Andreae 1619, vgl. Graff, Auflösung, 256; vgl. auch Kolb, Geschichte, 53. Vgl. Rößler, Württemberg, 28. Vgl. Kolb, Geschichte, 53. Rößler, Württemberg, 28. Die kleine Gesangbuch-Geschichte in Württemberg im Württembergischen EG nennt über 20 unterschiedliche Ausgaben (vgl. EG für Württemberg, 1632f) der Anhang-Gesangbücher. Zitate aus T-1631, Vorrede fol. A 4v–5v.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Privatfrömmigkeit bereits einen prominenteren Platz einnehmen als im Gottesdienst. Mindestens 28 Lieder (30% des Anhangs; einschließlich Stammteil bleibt immer noch ein Anteil von 17% Sterbe- und Ewigkeitsliedern) lassen sich teilweise oder ganz diesem Bereich zuordnen.24 Aufgenommen wurden etwa alle vier Lieder aus Nicolais FrewdenSpiegel des ewigen Lebens (Frankfurt/M. 1599), zahlreiche ältere Lieder wie Walters Fröhlich ich pfleg zu singen (Wittenberg 1552), O Welt, ich muss dich lassen (Nürnberg 1555), O Herr Gott hilf, zu dir ich gilf (Zürich 1560), Herr Gott, mein Jammer hat ein End (Nürnberg 1563) u.v.a., aber auch neuere: Aus dem Jahr 1613 stammen die Lieder Ich weiß ein ewigs Himmelreich und Ach wie soll mir geschehen; zwei Lieder lassen sich sonst nirgends belegen;25 der bei Wackernagel genannte älteste Beleg für das Lied Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (W V 1557: Nürnberg 1631) stammt aus demselben Jahr wie der Beleg in T-1631; und für Mein Herr und Gott, wann ich muss fort nennt Fischer/Tümpel nur einen deutlich jüngeren (FT II 143.: Altenburg 1648). Die Sammlung von T-1631 ist für ihre Zeit im Raum Württemberg also sehr offen für Neues. T-1665/1669. Zwei Drucke, deren Anhänge mit dem von T-1631 in der Liedauswahl verwandt sind und sich untereinander stark ähneln, zeigen ebenfalls ein besonderes Interesse an Sterbe- und Ewigkeitsliedern: das Würtembergische Kirchen=Gesangbuch (Tübingen 1665 bei Gregorius Kerner) und das Wirtembergische Kirchen= und Hauß=Gesang=Buch (Tübingen 1669 bei Johann Heinrich Reiß26). Der Titel verrät die beabsichtigte Nutzung: Während der Stammteil für die „Kirchen“, also den Gottesdienst bestimmt ist, haben die Lieder der Anhänge ihren Ort in der Hausandacht.27 Die Anhänge (119 bzw. 128 + 13 Lieder) sind hier bereits auf einen größeren Umfang angewachsen als der Stammteil (108 Lieder), enthalten aber anders als dieser keine Noten. Der gemeinsame Anhang der beiden Ausgaben besitzt eine Rubrizierung, darunter „Vom letzten End vnd Begräbnuß“ und „Vom Jüngsten Tag“ (T-1669 erweitert um: „Vom ewigen Leben“). Dazu kommt in T-1669 ein weiterer, 24 25

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Anstelle einer Auflistung aller dieser Lieder sei auf Tabelle 1 verwiesen (Beilage zum Buch). Ach Gott, dir tu ich’s klagen* (Nr. 1); Warum sollt ich mich fürchten sehr* (Nr. 86; „Trostlied in Todtsnöthen“). Das auf dem Titel des Anhangs angegebene Druckjahr ist 1670, nicht wie beim Stammteil 1669. Das Exemplar der WLB ist zusammengebunden mit einer Christlichen Evangelischen Kinder=Lehr (Tübingen 1675 bei Johann Heinrich Reiß), einem Württembergischen Katechismus (Tübingen 1669 bei Johann Heinrich Reiß), einem deutschen Psalter (Stuttgart 1664 bei Matthias Kautt), einem Biblischen Spruchbüchlein […] Für die Vlmische Teutsche Schulen (Ulm 1668 bei Christian Balthasar Kühn) und einem Kleinen Katechismus (Stuttgart 1663 bei Johann Weyrich Rößlin). Es weist Spuren eines intensiven privaten Gebrauchs auf; handschriftlich sind auf den ersten Seiten mehrere lange Gebete notiert: Gebet für die Obrigkeit; Der 20. Psalm; Ein sonderbahr Gebett; Ein anders. Offenbar handelt es sich bei der Benutzerin um eine Frau: Die beiden letzten Gebete sind die Bitten einer Schwangeren. Der Titel Würtembergisches Kirchen=Gesangbuch in T-1665 bezieht sich im näheren Sinne nur auf den Stammteil; der Anhang ist betitelt: Christliches Hauß=Gesangbuch […] Nach Ordnung der offentlichen Kirchen=Gesänge / auch in gewisse Classes gebracht / vnd zu rechtschaffener frommer Christen Hauß=Kirchen / auff diese letzte beschwerliche Zeiten gerichtet. T-1669 nennt Kirchen- und Hausandacht dann summarisch im Titel wie oben zitiert; der Titel des Anhangs wiederum erwähnt nur „Hauß=Gesänge“.

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kleinerer Anhang (a2) ohne Rubrizierung, in dem aber fünf weitere Sterbe- und Ewigkeitslieder enthalten sind. Folgende 18 Lieder sind unter dem Titel „Vom letzten End vnd Begräbnuß“ verzeichnet: Albrecht von Preußen, Was mein Gott will, das gscheh allzeit (Nürnberg 1554) Anon., O Welt, ich muss dich lassen (Nürnberg 1555) Anon., Herr Gott, mein Jammer hat ein End (Nürnberg 1563) Johann Gigas, Ach wie elend ist unser Zeit (Nürnberg 1566) Caspar Bienemann, Herr, wie du willt, so schick’s mit mir (Altenburg 1582) Bartholomäus Ringwaldt, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl (Frankfurt/O. 1586) Martin Moller, Ach Gott, wie manches Herzeleid (Görlitz 1587) Bartholomäus Frölich, Ein Würmlein bin ich, arm und klein (Leipzig 1587) Johannes Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Nürnberg 1589) Anon., Auf meinen lieben Gott (Lübeck 1603) Anon., Christus der ist mein Leben (Jena 1609) (T-1669: erst a2) Christoph Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Görlitz 1611) Anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Freiberg 1620) Anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Nürnberg 1631) Ludwig von Hörnigk, Mein Wallfahrt ich vollendet hab (Frankfurt/M. 1633) Anon., Sag, was hilft alle Welt* (Gotha 1648) (T-1669: erst a2) Michael Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Coburg 1652) (T-1669: erst a2) Leonhard Sturm, Ich fahr dahin mit Freuden (Tübingen 1665)28 Dazu kommen ohne Rubrizierung: Christian Keimann, Meinen Jesum lass ich nicht (1658) (nur T-1669 a2) Greiff, Meine Kraft ist hin, dann ich elend bin*29 (nur T-1669 a2) „Vom Jüngsten Tag“ und „Vom ewigen Leben“ (T-1669) handeln folgende fünf Lieder: Erasmus Alber, Gott hat das Evangelium (1548) Bartholomäus Ringwaldt, Es ist gewisslich an der Zeit (Frankfurt/O. 1586) Jeremias Nicolai, Herr Christ, tu mir verleihen (Frankfurt/M. 1599) Philipp Nicolai, Wachet auf, ruft uns die Stimme (Frankfurt/M. 1599) (nur T-1669) Anon., Ich weiß ein ewigs Himmelreich (1613) Die Zahl der neueren Lieder aus der Zeit nach 1600 (zwölf einschließlich des mit * gekennzeichneten) hat nun die der älteren (13) fast erreicht. Mit den Liedern Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Coburg 1652) und Meinen Jesum lass ich nicht (1658) sind sogar zwei sehr junge Lieder vertreten; es folgen Sag, was hilft alle Welt* (Gotha 1648), Mein Wallfahrt ich vollendet hab (1633), Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (1631) und Freu dich sehr, o meine Seele (1620). Eine Öffnung zur Erneuerung ist 28

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T-1665 bietet einen älteren Beleg als FT V 226. (Nördlingen 1676), der dem Autor, dem Nördlinger Kantor Leonhard Sturm, allerdings räumlich näher ist. Das außerdem in S-1688, S-1691 und S-1704 belegte Lied wird in T-1669 Friedrich Greiff zugeschrieben: „Tröstliches Sterb=Gesang / Auffgesetzt von Friderich Greiffen“.

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also festzustellen, auch wenn die neueren und neuesten Lieder bei weitem nicht so zahlreich sind wie anderswo zu dieser Zeit. S-1664. Das Groß Kirchen=Gesang=Buch von 1664, gedruckt in Stuttgart bei Johann Weyrich Rößlin d. J., enthält einen bis hin zum Seitenumbruch getreuen Nachdruck der prächtigen Folioausgabe des Gesangbuchs von 1583, die 1596 unter demselben Titel bei Georg Gruppenbach in Tübingen erschienen war.30 Dazu kommt ein Anhang von 44 weiteren Liedern, allerdings wieder ohne Rubrizierung. Etwa ein Drittel dieser zusätzlichen Lieder gehört zu denjenigen, die andernorts fast immer als Sterbe- und Ewigkeitslieder rubriziert sind. Gegenüber T-1631 und T-1665/1669 sind Auswahl und Offenheit für Neues deutlich reduziert; hinzu kommt nur Herbergers Valet will ich dir geben (Leipzig 1614). Das jüngste der als Sterbelieder in Frage kommenden Lieder ist Ludwig von Hörnigks Mein Wallfahrt ich vollendet hab (Frankfurt/M. 1633); vielleicht handelt es sich bei S-1664 um den unveränderten Nachdruck eines älteren Anhang-Gesangbuchs. Jedenfalls macht die große Zahl der Sterbe- und Ewigkeitslieder auch hier deutlich: Offenbar bestand gerade für sie ein besonderer Nachholbedarf, wurde die schmale Auswahl des herzoglichen Gesangbuchs gerade für das Sterben als besonders ungenügend empfunden. Parallel zum offiziellen Gesangbuch entstehen gegen Ende des 17. Jahrhunderts vermehrt Drucke ohne landesherrliche Approbation, um die Bedürfnisse einer gesteigerten Privatfrömmigkeit zu bedienen.31 Auch wenn viele dieser Werke sich im Titel als „württembergisch“ bezeichnen, ist der Stammteil von 1583 hier nicht geschlossen überliefert. Die alten Lieder stehen in anderer Anordnung, neben ihnen tauchen neue auf. Wo eine Rubrizierung existiert, erinnert sie aber häufig mit dem Dreischritt ‚Kirchenjahr – Katechismus – Psalmlieder‘ an die Einteilung des Stammteils von 1583. S-1688. Bisweilen kommt es zu chaotisch anmutenden, offenbar recht achtlos zusammengestellten Ausgaben wie im Falle des Neu-vermehrten Lob- und Dankopfers (Stuttgart 1688 bei Paul Treu).32 Melodieverweise sind hier nur spärlich vorhanden, Noten keine. Unter ca. 130 Liedern im Hauptteil stehen nur 10 Lieder „Sterb= und Begräbnuß=Gesänge“, eines „Vom Jüngsten Tag“ (Es ist gewisslich an der Zeit) und eines unter „Himmels=Gesänge“ (Wachet auf, ruft uns die Stimme). Die Auswahl dieser Lieder ist eher an den bisherigen Anhängen orientiert (Ach wie elend ist unser Zeit, Christus der ist mein Leben, Mein Wallfahrt ich vollendet hab u.a.) – allerdings gar nicht vollständig – als am Stammteil von 1583, aus dem zunächst nur Nun lasst uns den Leib begraben und Wenn mein Stündlein vorhanden ist abgedruckt sind. Gleich 30

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Vgl. Kolb, Geschichte, 51f. Vorbild für den mehrfach wieder aufgelegten Druck von 1596 war wohl das große Straßburger Gesangbuch von 1541 (Faksimile Stuttgart 1953), aus dem der Schülerchor gemeinsam singen konnte (vgl. Ameln, Gestalt, 342). Die Verwendung des württembergischen Folio-Gesangbuchs ist etwa für Göppingen 1601 belegt (vgl. Kolb, Geschichte, 59). Die kurze „Gesangbuch-Geschichte in Württemberg“ nennt diesen Abschnitt den des „Privat-Gesangbuchs“, vgl. EG für Württemberg, 1633–1636. Der vollständige Titel lautet: Neu-vermehrtes recht-glaubiger Christen Jubel-stimmendes Lob- und Dankopfer oder Würtembergisches Gesangbuch.

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das erste Sterbelied ist sogar ganz neu unter den verglichenen Württemberger Drucken: Alle Menschen müssen sterben von Johannes Rosenmüller (Leipzig 1652). Genau dasselbe Lied erscheint dann gleich noch einmal in einem der beiden Anhänge, die ansonsten viele der zunächst ausgelassenen Lieder doch noch aufnehmen – allerdings ohne Rubrizierung und im wesentlichen ohne erkennbare Ordnung. Doppelt aufgenommen ist auch Selneckers Allein nach dir, Herr Jesu Christ. Insgesamt bietet die Ausgabe fast alles, was bisher genannt wurde (wenn auch unstrukturiert), aber wenig Neues – erst im zweiten der beiden Anhänge. Hier finden sich Ewigkeits- und Höllenlieder von Johann Rist (O Ewigkeit, du Donnerwort, 1642; Kommt her, ihr Menschenkinder, 1651) und auch ganz junge Dichtungen wie Peter Sohrens Gute Nacht, du eitles Leben (Frankfurt/M. 1676) oder Christian Scrivers Jesu, meiner Seelen Leben (Hamburg 1684). S-1691. Drei Jahre jünger ist ein Buch mit ähnlichem Titel (Neu-vermehrtes Würtembergisches Gesangbuch, Stuttgart 1691 bei Melchior Gerhard Lorber), das bei ähnlicher Auswahl eine deutlich sinnvollere Struktur besitzt. Allerdings sind hier die zwei der neun Rubriken, die Sterbe- und Ewigkeitslieder enthalten (6. und 8.), durch den Abschnitt mit den Tischliedern getrennt. Die umfangreichere erste Rubrik (33 Lieder) trägt den Titel „Christliche Sterbens=Gedancken und Begräbnuß-Lieder“; die zweite Rubrik „Von den letzten Zeiten dieser Welt“ (9 Lieder) ist unterteilt in „Vom Jüngsten Gericht“, „Vom Himmel“ und „Von der Hölle“. Bei insgesamt 231 Liedern bilden die 42 enthaltenen Sterbe- und Ewigkeitslieder einen beachtlichen Anteil (18,2%). Fast alle Lieder sind mit Melodieangaben, einige wenige auch mit Noten versehen.33 Das betrifft zum einen alte Gesänge aus dem Gesangbuch von 1583, zum anderen neuere wie Rosenmüllers Alle Menschen müssen sterben oder Christian Keimanns Meinen Jesum lass ich nicht (hier irrtümlich Johann Rist zugeschrieben). Neu aufgenommen wurden an älteren Liedern Ach Gott, tu dich erbarmen (Nürnberg 1550) und Mein junges Leben hat ein End (Magdeburg o.J.), an jüngeren Johann Heermanns Zion klagt mit Angst und Schmerzen (Leipzig 1636, nur selten als Sterbelied rubriziert), Simon Dachs O wie selig seid ihr doch, ihr Frommen (Danzig 1635) und Johann Rists Höllenlied Ich will für allen Dingen (Lüneburg 1651). In der Vorrede von Daniel Speer wird auf Gottesdienst und Hausandacht als Sitz im Leben der Lieder verwiesen. Dabei legt der Autor Wert auf die in der Reformation begründete Muttersprachigkeit der Lieder und betont in diesem Zusammenhang besonders den außergottesdienstlichen Liedgebrauch: also daß anitzo die deutsche Nation auch in ihrer Muttersprach mit gutem Verstand und rechter Andacht nicht allein bey öffentlichem GOttesdienste mit singen / GOtt den HErrn loben und ehren / sondern auch zu Hause bey der Arbeit / sich selbsten in allen Nothfällen damit erquicken / un[d] […] zu ewigem Seelen=Heyl erbauen kan.34

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In der Vorrede heißt es, in der Sammlung seien „die eigentlichen bey der Kirch brauchbarsten Gesänger Melodeyen im Notensatz […] zu finden“ (fol. 4r). S-1691, Vorrede fol. 3v.

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Zugleich erkennt er in der mittlerweile allgemeinen gedruckten Verfügbarkeit von Liedern und Gesangbüchern einen Fortschritt für die Liedrezeption: Und zu mehrer Fördernuß dienet auch dieses / daß bey Vermehrung der Gesänger / so bey einigen hundert Jahren durch fromme Christen so Mann als Weibes=Personen geschehen / daß solche zusammen getragen uns in allerhand Form und Schrifften gedruckt worden / also daß anitzo ein ieder nach seinem Belieben umb ein geringes Gelt ein Gesangbuch haben kan.35

Handschriftliche Eintragungen (Lieder und Gebete) verraten, dass das benutzte Exemplar sich im Gebrauch der Klosterschule zu Bebenhausen befand.36 S-1704. Als letztes Beispiel sei die Würtembergische Hauß= und Kirchen=Andacht genannt (Stuttgart 1704 bei Bernhard Michael Müller); die Vorrede vom 20.8.1698 stammt aus der älteren zweiten Auflage.37 Titel und Vorrede verweisen programmatisch auf Kirche und Haus als die beiden Orte der Andacht: Einerseits wird das Anknüpfen der Sammlung an die schon bestehende Gesangspraxis „bey Fürstlicher Hof=Capell / wie auch in denen Stadtkirchen allhier / u. sonsten in Christlichen Haußhaltungen“38 betont; andererseits soll das Buch seine Benutzer ihrerseits dazu bringen, diese Praxis fortzusetzen und so | wohl öffentlich in der Kirchen / als auch sonderlich zu Hauß / wie nicht weniger zu Feld / auf Räisen / und über der Arbeit / ihrem GOtt zu dienen / und mithin ihre Seelen zu erbauen.39

Dass in Kirche und Haus ein „reiner gedoppelter Gottesdienst“ gehalten werden solle, gehe auch auf „die heilsame schriftmässige Verordnungen“ der evangelischen Kurfürsten und Stände in der Reformationszeit zurück; wesentlich für die Reform des Gemeindegesangs sei dabei zum einen dessen Schriftgemäßheit, zum anderen seine Muttersprachigkeit („nach der Richtschnur deß göttlichen Worts in jedermans bekannter Sprache“).40 Autorangaben und Noten sind hier keine, Melodieangaben nur wenige zu finden. Die Lieder „Vom Tod und Sterben und andern letzten Dingen“ stehen als siebte Rub35 36

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S-1691, Vorrede fol. 4r. „Studenten Gebett“: „Ich dancke deiner milden güthe, daß du mich nach deiner göttlichen Vorsehung zu den Studiis gewidmet und hieher zu dieser Closter=Sul befördert hast. […] Verleihe mir deinen H. Geist, […] daß ich die Zeit meiner Jugend wol anlege, meinen Lieben Eltern, Vorgesetzten und Praeceptoribus jederzeit gehorche“; „Kinder Gebett“; „Hymnus de pace D[omi]ni Hochstettetteri [sic] Praesulis Bebenhusani“. „Welches gute werck und schönen Gottesdienst dann auch an diesem Ort um | so mehr zu befördern / der Verleger und Drucker allhier / dieses neuen u. zum andern mal gedruckten Gesang= und Gebet=Buchs / sich keine Mühe noch Unkosten bedauren lassen“ (S-1704, Vorrede fol. A 6v|7r). S-1704, Vorrede fol. A 7r. Auf den höfischen Kontext – gleichsam anstelle einer fürstlichen Approbation – verweist auch der Titel: „Denen beygefüget die jenige neue Lieder und Gesänge / so in allhiesiger Fürstlicher Hof=Capell gesungen werden.“ S-1704, Vorrede fol. A 7r|v; „sonderlich“ meint im Gegensatz zu „öffentlich“: ‚abgesondert, einzeln, für sich‘; vgl. fol. A 6r: „so wol in öffentl. Kirchen=Versam[m]lungen / als auch sonderlich zu Hauß“. Zitate aus S-1704, Vorrede fol. A 6r.

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rik am Schluss. Sie sind unterteilt in 17 „Bet- und Trost-Gesänge / wider die Forcht deß Todes“ (Kolumnentitel: „Begräbnuß-Lieder“), 8 „Leich- und Grabgesänge“ (was mit dem Kolumnentitel der vorigen Rubrik letztlich eine Dopplung ergibt), je ein Lied von der menschlichen Eitelkeit und – etwas erratisch – von den heiligen Engeln sowie je zwei Lieder vom Jüngsten Tag und zwei von der Ewigen Himmelsfreude. Ein „Neuer Anhang“ enthält fünf Lieder, von denen drei sich mit Tod und Ewigkeit befassen,41 allerdings ohne Rubrizierung; werden sie dennoch mitgerechnet, kommt man auf 34 Sterbe- und Ewigkeitslieder. Bei insgesamt 276 Liedern sind sie mit 12,3% nicht so stark vertreten wie S-1691. Einige ältere wurden ausgeschieden: Erstmals fehlen zwei Lieder aus dem Stammteil, nämlich Hermans Sankt Paulus die Korinthier und Ihr lieben Christen, freut euch nun. Aus den Anhang-Gesangbüchern fehlen u.a. Gigas’ Ach wie elend ist unser Zeit und Selneckers Allein nach dir, Herr Jesu Christ. In die Rubrik der Trostlieder gewechselt sind Ich weiß ein ewigs Himmelreich, Sag, was hilft alle Welt* und Was mein Gott will, das gscheh allzeit. Neu hinzugekommen sind Es vergehen alle Zeiten* und Gleich wie ein Hirsch nach frischem Wasser schreit* (nach Ps 42) sowie Michael Walthers Spann aus, spann aus, ach frommer Gott (Frankfurt/O. 1658), dazu Ludwig Helmbolds Engelsgesang Es stehn vor Gottes Throne (1594). Welche Lieder ein einfaches Gemeindeglied in Württemberg singen konnte, ist schwer zu ermitteln. Die von Kolb gesammelten Belege zur Sangesfreude und -fähigkeit in Württemberger Gemeinden fallen „wenig günstig“ aus.42 Wie Rößler zeigte, kann auch die Kernsammlung von 1583 nicht als allgemeiner Grundstock vorausgesetzt werden; je nach Verwendung werden daraus noch einmal Lieder ausgewählt, meist etwa die Hälfte; einige wenige können je nach Ort auch von extern dazukommen.43 Mitten wir im Leben sind ist immer dabei, die anderen Begräbnislieder mehr oder weniger häufig. Eine Folioausgabe des württembergischen Gesangbuches von 1711,44 die bei der Gemeinde Salach in liturgischem Gebrauch war, enthält bei 14 Liedern Merkzeichen und Gebrauchsspuren, die sich als Hinweise auf häufigen liturgischen bzw. schulischen Gebrauch deuten lassen. Darunter sind fünf Sterbe- und Ewigkeitslieder, aber auffälligerweise keine aus dem ursprünglichen Stammteil:45 41

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Heinrich Albert, Einen guten Kampf hab ich (Königsberg 1638); Johann Rist, O Ewigkeit, du Donnerwort (Lüneburg 1642); Johann Christoph Kohlhans, Ach wann werd ich dahin kommen (Gotha 1666). Vgl. Kolb, Geschichte, 58–67 (hier: 58–62). Demnach fehlte es oft schon an kompetenter Anleitung des Gemeindegesangs, wenn etwa auf dem Dorf der Schulmeister, in der Stadt der Lateinpräzeptor die Lieder zu hoch anstimmte, den Ton nicht halten konnte oder mit der Leitung des Knabenchors – der auch bei den Leichen sang –überfordert war. Andernorts (Hengen; Göppingen) wird der Gesang im Sommer nach dem Mittagsgottesdienst durch Pfarrer oder Schulmeister eingeübt; dort funktioniert er auch besser. Abträglich sind dem Gemeindegesang auch das zu späte Erscheinen und das zu frühe Verschwinden der Gottesdienstbesucher. Vgl. Rößler, Gesangbuch-Geschichte, 75f. Als Beispiele nennt Rößler die Auswahl des Lucas Osiander für seine Kantionalsätze (1586), die des Tübinger Professors Martin Crusius für seine Liedpredigten (1598) oder die von Pfarrer Johannes Dürr für den Gottesdienst in seiner Gemeinde Wain bei Ulm (1595/96). Nach Ameln ist hier auch der Stammteil in gewissen Rubriken signifikant erweitert; statt 5 sind 10 Sterbeund Begräbnislieder enthalten. Zu den 117 Liedern im Stammteil kommen 93 im Anhang (vgl. Ameln, Gestalt, 346.348). Vgl. Ameln, Gestalt, 350f.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Johannes Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Nürnberg 1589) Philipp Nicolai, Wachet auf, ruft uns die Stimme (Frankfurt/M. 1599) („Von der Zukunft Christi“) Anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Freiberg 1620) Johannes Rosenmüller, Alle Menschen müssen sterben (Leipzig 1652) Johann Christoph Arnschwanger, Zwei Ort, o Mensch, hast du für dir (Nürnberg 1659) („Lied von der Verdammnis“) Die Entwicklung in Württemberg zeigt, wie nachhaltig landesherrliche Steuerung im Sinne der lutherischen Orthodoxie die Liedrezeption im Territorium prägen konnte. Die Vorherrschaft des Gesangbuchs von 1583 bestimmt das Bild über das ganze 17. Jahrhundert hinweg. Neben der unveränderlichen herzoglich vorgegebenen Sammlung und ihren fünf bzw. sieben Begräbnisliedern entstehen im 17. Jahrhundert die Anhang-Gesangbücher und weitere Sammlungen zum häuslichen Gebrauch. Der Privatgebrauch wird von den Autoren der Vorreden oft besonders empfohlen und schlägt sich in persönlichen Gebeten nieder, die handschriftlich im Gesangbuch eingetragen werden. Zugleich wird häufig die kirchliche Einbindung und damit die theologische Rechtmäßigkeit der Gesangbücher hervorgehoben, indem die Kirchenneben der Hausandacht im Titel genannt oder auf die Herkunft der Gesänge aus der fürstlichen Hofkapelle verwiesen wird. Auch in den Klosterschulen wurden die Gesangbücher verwendet. Mit gut 70 Sterbe- und Ewigkeitsliedern ist die Württemberger Auswahl unter denen der untersuchten Territorien bei weitem am kleinsten.46 Sowohl die Anhänge an den Stammteil als auch neue Sammlungen reagierten weit weniger rasch auf Neuentwicklungen und nahmen weit weniger neue Lieder auf als in anderen Regionen. Etwa die Hälfte der gefundenen Lieder stammen aus dem 16. Jahrhundert, während neun zwischen 1600 und 1625 und immerhin gut 20 nach 1625 entstanden. Sterbelieder von den Berliner Dichtern um Paul Gerhardt oder den Nürnberger Pegnitzschäfern finden sich allerdings gar nicht, solche von den Königsbergern um Simon Dach, von Johann Heermann oder Johann Rist erst vereinzelt ab S-1688. In den Ergänzungen war jeweils ein gegenüber dem Stammteil deutlich verstärktes Interesse an den Themen Sterben, Tod und Ewigkeit erkennbar; der Anteil der Sterbe- und Ewigkeitslieder konnte statt 6,5% 1583 bis zu 18,2% betragen (S-1691). Die Zeugnisse seit 1631 zeigen außerdem die allmähliche Etablierung eines bescheidenen wiederkehrenden Liedbestandes außerhalb des Stammteils:47 Anon., O Welt, ich muss dich lassen (Nürnberg 1555) Caspar Bienemann, Herr, wie du willt, so schick’s mit mir (Altenburg 1582) 46

47

Das Rubrizierungskriterium ist im Falle der württembergischen Gesangbücher etwas unscharf, da manche der Anhänge keine Rubriken besitzen; zur Zählweise vgl. Anm. 47. Genannt sind die Lieder, die in den sieben ausgewerteten Drucken (T-1631, T-1665, T-1669, S-1664, S-1688, S-1691, S-1704) durchweg oder bis auf eine Ausnahme vorkommen. Berücksichtigt wurden bei der Auswertung der Anhänge entweder (falls vorhanden) die Rubriken der Sterbe- und Ewigkeitslieder oder (bei fehlender Rubrizierung des Anhangs) der gesamte Anhang.

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II. Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts

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Bartholomäus Ringwaldt, Es ist gewisslich an der Zeit (Frankfurt/O. 1586) Bartholomäus Ringwaldt, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl (Frankfurt/O. 1586) Johannes Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Nürnberg 1589) Jeremias Nicolai, Herr Christ, tu mir verleihen (Frankfurt/M. 1599) Anon., Christus der ist mein Leben (Jena 1609) Christoph Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Görlitz 1611) Ludwig von Hörnigk, Mein Wallfahrt ich vollendet hab (Frankfurt/M. 1633)48

2. Braunschweig-Lüneburg Die Geschichte der Gesangbücher im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg ist eng mit der des Hauses der Lüneburger Druckerfamilie Stern verbunden. Nach einem einleitenden Überblick über die Entwicklung des Verlags und die Gesangbuchgeschichte im Territorium sollen eine Reihe von wichtigen Drucken verglichen werden, die aus der Druckerei von Johann (1582–1656) und Heinrich Stern (1592–1665) und ihren Nachfolgern stammen. Mit dem gelehrten Herzog August von Braunschweig-Lüneburg standen die ‚Sterne‘ ebenso in enger Verbindung wie mit dem Lieddichter Johann Rist, von dem die meisten Werke im Sternverlag erschienen sind.49 Auf Betreiben von Herzog August wurden beide Brüder 1634 in den Adelsstand versetzt, von Ferdinand III. erhielten sie 1645 schließlich sogar einen kaiserlichen Adelsbrief.50 Auch nach dem Tod des jüngeren Bruders Heinrich 1665 blieb die Druckerei, die in Lüneburg eine Art Monopolstellung besaß, im Familienbesitz.51 1625 wurde den Gebrüdern Stern vom Herzog ein Druckerprivileg für die braunschweigischen Territorien verliehen; dazu kam 1627 ein Privileg des Kurfürsten von Sachsen und 1645 sogar ein Privileg des katholischen Kaisers Ferdinand III.52 In dieser Einbindung zeigt sich das politische und wirtschaftliche Geschick der Brüder, das ihrem Geschäft eine machtvolle Position auf dem norddeutschen Buchmarkt sicherte.53 Das Privileg für Buchdruckerfirmen oder bestimmte Einzel48

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Mit jeweils fünf Belegen sind außerdem drei von den neueren Liedern relativ häufig: Anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Freiberg 1620); Michael Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Coburg 1652); Leonhard Sturm, Ich fahr dahin mit Freuden (Tübingen 1665). Vgl. Raabe, Herzog August, 157.160. Vgl. Raabe, Herzog August, 158; Dumrese, Sternverlag, 59.283. Zur Geschichte der Druckerei Stern vgl. Dumrese, Sternverlag; vgl. auch Grotefend, Buchdruckereien, fol. E 4r–E 6r; Reske, Buchdrucker, 571f. Wichtige Quellen für die Buchproduktion der „Sterne“ im 17. Jahrhundert sind die Kataloge von 1650 und 1677 sowie das Rechnungsbuch 1666–1676, vgl. Raabe, Herzog August, 160f. Vgl. Dumrese, Sternverlag, 58f; Oertel, Bibeln, 179. In der Widmungsvorrede an Herzog Rudolf August aus der Bibelausgabe von 1633 (datiert am 25.3.1633) verteidigen Hans und Heinrich Stern die wirtschaftliche Notwendigkeit ihrer Anbindung an das Haus Braunschweig-Lüneburg: „Wenn aber etliche Auffklauber Vrsach nemen wolten / vns zu tadeln / in dem wir uns bemühen / ein gnädige Herrschafft vnd Patrocinium vnserer Druckerey zuschaffen / muß mans geschehen lassen / Sollen aber wissen / daß kein florirend Druckerey ohn Patronen lang bestehen kan“ (fol. a 4v).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

werke sorgte für die Ausschaltung der Konkurrenz und ein Verbot von Nachdrucken innerhalb des jeweiligen Herrschaftsbereiches.54 Mit dieser Handhabe konnten die ‚Sterne‘ 1629 beim Nürnberger Rat Beschwerde gegen Nachdrucke ihres dortigen Konkurrenten Wolfgang Endter führen.55 Bedeutsam ist das Privileg auch für die Gesangbuchdrucke: Es zeigt, dass Drucker und Landesherr bzw. -kirche kooperieren. Ohne dass es sich um ein offizielles Gesangbuch handelt, genießt der privilegierte Druck fürstliche Billigung und Unterstützung. Ein offizielles Gesangbuch gab es in Braunschweig-Lüneburg nicht. 1611 erschien im Sternverlag ein erstes niederdeutsches Gesangbuch; ein erstes hochdeutsches, mit 850 Liedern sehr umfangreiches, aber nicht offizielles Lüneburger Gesangbuch erschien 1625 (Lü-1625, vgl. S. 55).56 Das Hannoverische Gesangbuch von 1646 wurde auch in Lüneburg verwendet und ab 1657 von den Sternen nachgedruckt57 (zur Ausgabe Lü-1660 vgl. ab S. 62). Auf der Grundlage dieses Werkes wurde dann für das Herzogtum Lüneburg das erste offizielle Gesangbuch entwickelt: Es entstand ursprünglich für den Hof in Celle, wird daher auch als Cellisches Gesangbuch bezeichnet und erschien 1661 (vgl. ab S. 62 und S. 66);58 eine 1665 erschienene verbesserte Auflage wurde 1667 im Herzogtum Lüneburg (außerhalb der Stadt Lüneburg) als Gesangbuch eingeführt. Die Auflage war gewaltig; sie lag im fünfstelligen Bereich.59 Zur Bekanntmachung der Liedtexte wurde die wöchentliche Verlesung eines Textes von der Kanzel und Auswendiglernen in der Schule dekretiert; die Me54

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Vgl. Golpon, LGB2-Art. Privileg, 109f. Grotefend, Buchdruckereien, fol. E 4r zitiert aus dem Privileg Herzog Christians vom 14.7.1625: „daß gedachte Gebrüdere die Stern, vnd deren Eheleibliche Nachkommen, in Vnsern Fürstenthumben, Graff= und Herrschafften, die Wir anjtzo haben, oder hernechst durch gnädigen göttlichen Segen ferner überkommen möchten, Es sey in Vnsern Städten Braunschweig, Lüneburg, Vltzen, Zell, oder sonsten, oder auff dem Lande, eine Buchdruckerey, aber keine mehr, anordenen, Auch an dem Orte, da Sie die haben, aller Bürgerlichen Vnpflicht, wie die Namen haben mögen, auch des Abschusses enthoben vnd benommen, vnd bemächtiget seyn sollen, Ihre von Ihnen gedruckte oder verlegte Bücher in= und ausserhalb der Märckte, jhrer guten Gelegenheit nach, für Sich, oder durch Andere öffentlich zu verkauffen, oder zu vertauschen“. Vgl. Reske, Buchdrucker, 571. Demselben Endter unterlagen die Sterne 1637 im Wettbewerb um einen prominenten Druckauftrag, nämlich für die Kurfürstenbibel Herzog Ernsts von Weimar (vgl. Dumrese, Sternverlag, 55). Vgl. Dumrese, Sternverlag, 19.29; FT VI, 184.; Stalmann, Gesangbücher, 185. Dumrese nennt noch weitere Sternsche Gesangbuchdrucke zwischen 1630 und 1650, allerdings ohne Nachweis: Ein Vollständiges Gesangbuch von 1637 und eines von 1648, außerdem Geistliche Lieder und Psalmen von 1644 sowie ein undatierter Lobwasser-Druck, der im lutherischen Lüneburg für Unmut sorgte (vgl. Dumrese, Sternverlag, 56f.87.283). Zwischen 1667 und 1674 wurden im Sternverlag 18000 Exemplare des Hannoverischen Gesangbuchs gedruckt (Dumrese, Sternverlag, 130; offenbar fehlerhaft ist die Angabe 1800, ebd. 94). Verantwortlich für die Redaktion waren der Hofprediger Nikolaus von der Horst (für die theologische Richtigkeit) und der Konrektor Ernst Sonnemann (für die literarische Qualität). Der Cellische Hoforganist Wolfgang Weßnitzer veröffentlichte dazu ein Choralbuch mit 100 Chorälen; in die Gemeindeausgabe wurden zu den neu aufgenommenen Liedern Melodien von Weßnitzer und anderen (zweistimmig) eingerückt, vgl. Röbbelen, Geschichte, 454. Laut dem Rechnungsbuch der Firma Stern, in dem die Lagerbestände des Hauses zum Zeitpunkt des Todes von Heinrich Stern im Jahre 1665 aufgelistet sind, sind zu diesem Zeitpunkt 7733 Exemplare des Cellischen Gesangbuches am Lager (vgl. Raabe, Herzog August, 161). Zwischen 1667 und 1674 wurde es 30500 Mal gedruckt (vgl. Dumrese, Sternverlag, 94.130), also noch öfter als das Hannoverische (vgl. Anm. 57). Aus der hohen Auflage kann auf die enorme Verbreitung des landeskirchlich approbierten Werkes im Herzogtum geschlossen werden.

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II. Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts

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lodien sollten von den Kantoreien auf die Straßen getragen werden.60 Auch auswärts wurde das Cellische Gesangbuch verkauft und nachgedruckt.61 Ohne die Erstausgabe ganz zu ersetzen, erschien 1696 parallel eine veränderte und verbesserte Auflage (vgl. S. 66). Die Stadt Lüneburg selbst erhielt 1686 ein eigenes Gesangbuch, das von Johann Stern II. selbst zusammengestellte Lüneburgische Gesangbuch mit über 2000 Liedern (vgl. S. 67). Das Hannoverische, das Cellische und das Lüneburgische Gesangbuch wurden zur gleichen Zeit alle in der Druckerei Stern gedruckt und immer wieder neu aufgelegt. Gesangbücher, deren permanenter Absatz per definitionem nahezu garaniert war, waren für den Verlag „eine der besten und regelmäßigsten Einnahmequellen“62. Der Vergleich einiger Sternscher Gesangbuchdrucke zeigt, wie die Lieder immer wieder neu ausgewählt, gemischt und angeordnet, aussortiert und ergänzt wurden. Folgende Ausgaben lagen mir vor: (a) das Gesangbuch von 1625; (c) ein Exemplar des Hannoverischen Gesangbuches von 1660, drei des Cellischen Gesangbuches von 1661, 1696 und 1706; (d) zwei Exemplare des Lüneburgischen Gesangbuches von 1695 und 1702. Dazu kommen (b) zahlreiche Liedsammlungen, die sich im Anhang zu Lutherbibeln befinden. a) Das Lüneburger Gesangbuch von 1625 Das erste hochdeutsche Gesangbuch aus der Druckerei Stern versammelt in seinem ersten Teil laut Titel „Fünffhundert vnd sechtzig Geistliche Lieder vnnd KirchenGesänge / so in der Christlichen Gemeine vnd Versamblung / bey der Predigt des Göttlichen Worts / vnd Außtheilung der Hochwürdigen Sacrament oder sonsten gesungen werden“, proklamiert also gottesdienstliche Herkunft und Verwendung der in ihm enthaltenen Lieder.63 Ebenfalls im Titel findet sich die Angabe, der Inhalt sei „Aus vielen Gesangbüchern zusammen gezogen“ worden. Das Exemplar der Sammlung Wernigerode enthält einen handschriftlichen Vermerk noch aus dem Jahr des Druckes 1625, der das Buch in den Besitz der Markgräfin Sophie von Brandenburg verweist, einer geborenen Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg. In der herzoglichen Familie ist wohl auch jene „vornehme Person“ zu suchen, die das Buch nach den Angaben des Titels „zum Druck befodert“ hat. Das von der Markgräfin eingetragene Motto (Ps 90,12) macht deutlich, wie zentral die Sterbebetrachtung als Thema für ihre persönliche Frömmigkeit war. Unter den 560 Liedern des ersten Teiles sind 65 Sterbe- und Ewigkeitslieder (11,6% des ersten Teiles bzw. 7,6% des Gesamtbestandes von 850 Liedern); die Rubrizierung des ersten Teiles „nach Ordnung der Jahrzeit“ ist an Eichorn orientiert. 34 Lieder handeln vom Tod und Sterben, 13 vom Begräbnis und 18 vom Jüngsten Tag und 60 61

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Vgl. Röbbelen, Geschichte, 454. Dumrese, Sternverlag, 108 erwähnt den Verkauf von 1000 Exemplaren nach Hamburg und Nachdrucke in Goslar. Dumrese, Sternverlag, 106. Zum gesamten Abschnitt vgl. Stalmann, Gesangbücher, 185–194. Trotz dieser liturgischen Zweckbestimmung bezweifelt Stalmann „eine gottesdienstliche Benutzung oder gar kirchenamtliche Approbation“ dieses Werkes (Stalmann, Gesangbücher, 186).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Auferstehung; die letztere Rubrik ist damit relativ prominent. Die Auswahl der Lieder ist ungewöhnlich: Sie unterscheidet sich grundlegend von der in den späteren Stern-Gesangbüchern64 und ähnelt in manchem der der älteren Nürnberger Gesangbücher.65 Die beachtliche Zahl von 12 Liedern (sechs davon vom Jüngsten Tag [JA]) war sonst in gar keinem der untersuchten Gesangbücher zu finden66 – sie tauchen nur hier auf und verschwinden wieder vollständig; dem im weiteren Verlauf des 17. Jahrhunderts steigenden literarischen Anspruch hätten einige dieser Texte auch kaum standgehalten. Neben der Offenheit für Neues67 – bemerkenswert im Vergleich mit Württemberg, aber auch mit den konservativen Liedanhängen in Lüneburger Bibeldrucken – bestimmen vor allem Lieder aus dem 16. Jahrhundert die drei ausgewerteten Rubriken (49 von 65 Liedern, davon 25 zwischen 1550 und 1575). Die meistgenannten Autoren sind Nicolaus Herman mit sieben68, Michael Weisse mit fünf69 und Nicolaus Selnecker mit vier70 Liedern. Auch von dieser Auswahl wird in späteren Lüneburger Gesangbüchern kaum etwas übernommen. Nicht ausgewertet wurde der 290 Lieder umfassende zweite Teil von Lü-1625, der keine der hier interessierenden Rubriken enthält (lediglich drei „Gesänge zur Zeit der Peste“).71

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So fehlen noch die in späteren Stern-Gesangbüchern (und auch sonst) besonders häufigen Lieder: Eber, Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott; Behm, O Jesu Christ, meins Lebens Licht; Knoll, Herzlich tut mich verlangen. Lü-1625 enthält z. B. den einzigen Beleg des Liedes Es woll ihm Gott genädig sein von Georg Grünewald außerhalb Nürnbergs. Blarer, Es ist ein Freud dem gläubgen Mann (Nürnberg 1550) [JA]; Policarius, Kein Gotteswort ist nicht erhort (Dresden 1557) [JA]; Selnecker, Mein Gott und Heiland Jesu Christ (Nürnberg 1564); anon., Weil du für mich den bittern Tod (Hamburg 1592); Alardus, Wacht auf, betrübte Herzen (Hamburg 1607) [JA]; anon., Herr Jesu Christ, meins Lebens Licht, ich bitt (Hamburg 1612) [JA]; anon., Tut Buß, ihr Menschen alle (Hamburg 1612) [JA]; anon., Mein Gott und Herr, steh du mir bei (1613); anon., Ach Jesu, du treuer Heiland mein (Coburg 1621); anon., Es geht jetzt gegen dem Ende (Lüneburg 1625) [JA]; anon., Herr Jesu Christ, der du hast*; anon., O Jesu Christ, wahrer Gottessohn*. Vgl. die Aufnahme von Freu dich sehr, o meine Seele (Freiberg 1620), einen der ältesten mir bekannten Belege dieses beliebten Sterbeliedes, das in Lüneburg danach erst wieder 1686 auftaucht. Vgl. auch die neueren Lieder in Anm. 66. Lieder von Nicolaus Herman in Lü-1625: Sankt Paulus die Korinthier [JA]; Gleich wie ein Weizenkörnelein [B]; Der Mensch wird von einm Weib geborn; Weil in der argen bösen Welt [JA]; Wenn mein Stündlein vorhanden ist; O Mensch, mit Fleiß anschaue mich; Freut euch, ihr Christen, alle gleich [JA]. Lieder von Michael Weisse in Lü-1625: Wir waren in großem Leid [B]; Nun lasst uns den Leib begraben [B]; So lasst uns den Leib behalten [B]; O Jesu Christe, Gottes Sohn [BKi]; Es wird schier der letzte Tag herkommen [JA]. Ebenfalls aus dem Bereich der Böhmischen Brüder: Herbert, Lob sei dir, gütiger Gott (1566). Lieder von Nicolaus Selnecker in Lü-1625: Herr Jesu Christ, in deine Händ; Herr Jesu Christe, Gottes Sohn; Mein Gott und Heiland Jesu Christ; Allein nach dir, Herr Jesu Christ. Das Lied Hilf, Helfer, hilf in Angst und Not wird ebenfalls Selnecker zugeschrieben, wurde aber wohl von Martin Moller (Görlitz 1593) nach einer Vorlage von Selnecker gestaltet. Der zweite Teil enthält „etzliche Geistliche Gesänge / so auff hohe vnd nieder Standespersonen / jhre Namen vnd Reimen / zum Theil von sich selbst auch durch andere gemacht worden“ sowie zahlreiche Psalmlieder, die sich als Politikum erwiesen: Die Brüder Stern wurden ihretwegen des Calvinismus verdächtigt (vgl. Stalmann, Gesangbücher, 185f). Psalmlieder hatten seit dem französischen Genfer und den deutschen Lobwasser-Psalter in den reformierten Kirchen einen besonderen Stellenwert.

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II. Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts

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b) Lüneburger Bibeln mit Liedanhang (1633–1704) Die Zahl der Bibeldrucke aus der Sternschen Druckerei ist gewaltig. Auch wenn diese Tradition bis ins 19. Jahrhundert anhält, ist das Verdienst der Sterne um den Druck der Lutherbibel in Deutschland vor allem im 17. Jahrhundert bedeutsam.72 Widmungen an verschiedenste Fürsten und Reichsstädte zeigen das weit gespannte Netzwerk der Sterne.73 Der erste Sternsche Bibeldruck, eine niederdeutsche Bibel, die freilich bei Stern nur verlegt und noch bei Johann Vogt in Goslar gedruckt wurde, stammt aus dem Jahr 1614.74 Auch die bewegten Zeitumstände spiegeln sich im Bibeldruck wider.75 Dass bei den Bibeldrucken auch an eine gottesdienstliche Verwendung der Bibeln durch Gemeindeglieder gedacht war, verrät die Dedicatio der Sterne aus der Bibel von 1633: Haben […] wir durch göttliche Hülffe / die Gottesfurcht zu befordern / gegenwertige Bibel […] damit auch der gemeine deutsche Man[n] / gleich wie man in Franckreich / Engelland vn[d] Holland sihet / daß / wer nur lesen kan / seine Bibel mit zur Kirch tragen / vnd fleissig den citirten Sprüchen / damit er weißlich handeln lerne / nachschlage / abermal in so schwerer Zeit zu End gebracht / auch vmb vielerhand Vrsach willen / nicht vnterlassen mögen noch sollen.76

Dazu passt, dass zahlreichen Bibeln ab 1627 eine Zusammenstellung von Liedern (ohne Noten) angefügt ist.77 Meist lautet der Titel Geistliche Lieder vnd Psalmen / D. M. Luth. vnd anderer from[m]er Christen o.ä. Angesichts der Bedeutung und Verbreitung der Sternschen Bibeln ist – gleichsam als Nebenprodukt – auch mit einer überregionalen Wirkung dieser hymnologischen Anhänge zu rechnen. Fünfzehn Ausgaben wurden verglichen.78 Alle enthalten neben dem Gesangbuch weitere 72

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Vgl. Dumrese, Sternverlag, 16: Der Sternverlag „wurde und blieb für zwei Jahrhunderte in erster Linie Bibelverlag, womit sich dann die Pflege der religiösen […] Volksliteratur zwanglos verband“; vgl. auch Oertel, Bibeln, 171. So ist die sogenannte Osianderbibel von 1650 den Fürsten von Sachsen, Württemberg, Wolfenbüttel, Celle, Calenberg und Oldenburg sowie den Städten Lübeck und Hamburg gewidmet (vgl. Oertel, Bibeln, 178). Vgl. Oertel, Bibeln, 171f; Reinitzer, Biblia deutsch, 295.297f. Auf dem Titelblatt eines Druckes von 1633 heißt es: „Als man im Jahr dreyssig drey Deutschland thät verheern / Zu Lünburg druckten mich in gutem Fried die Stern.“ Die Widmungsvorrede schärft dem jungen Herzog Rudolf August im Anschluss an Jos 1,8 die Notwendigkeit der Besinnung auf Gottes Gesetz ein. Erst sie ermögliche jene Weisheit des politischen Handelns, die in den Kriegswirren in Deutschland so schmerzlich vermisst werde. Lü-1633, Dedicatio fol. a 4r. Vgl. Oertel, Bibeln, 175. Häufig erschien eine Bibelausgabe parallel in verschiedenen Formaten; die Gesangbücher wurden dann den handlichen Oktavausgaben beigegeben (vgl. Dumrese, Sternverlag, 55). Die Ausgaben stammen aus den Jahren 1633, 1640, 1646, 1654, 1659, 1683, 1685, 1689, 1690, 1691, 1696, 1697, 1699, 1701 und 1704. In zwölf der fünfzehn Exemplare ist ein Privileg vermerkt; in allen Fällen handelt es sich um ein kurfürstlich sächsisches, in zehn zusätzlich um ein landesfürstlich braunschweigischlüneburgisches, in fünf um ein kaiserliches und einmal zu der Zeit, als der sächsische Kurfürst zugleich König von Polen war, ein königlich polnisches Privileg (1704). Nur 14 bzw. 19 Lieder enthalten die Anhänge zu den Bänden von 1654, 1685 und 1699, die für den Gebrauch auf Reisen bestimmt sind; sie wurden daher nicht weiter berücksichtigt. In die dem Buch beigefügte großformatige Tabelle 1 wurden exemplarisch aufgenommen: Lü-1640; Lü-1659; Lü-1691.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Anhänge wie Gebetbücher u.a.,79 die den regen Gebrauch der Bibeln im täglichen Leben bezeugen. Eine Benutzung der Bibeln und damit auch der Gesangbuchanhänge im Gottesdienst ist nach dem oben Gesagten nicht nur denkbar, sondern offenbar gewollt.80 Freilich lässt sich daraus keine allgemeine Praxis folgern; vielmehr dürften Bibel und Gesangbuch einzelnen Gemeindegliedern zur persönlichen Erbauung und Lektüre während des Gottesdienstes gedient haben. Das 1659 gedruckte Exemplar zeigt auch, wozu die Bibel noch benutzt wurde: Der Diakonus von Stadtoldendorf hat hier zwischen 1673 und 1681 die Geburt von drei und den Tod von vier Kindern verzeichnet. Die Liedauswahl – die Zahl der Lieder schwankt zwischen 123 (1646) und 176 (1640) und liegt meist um 150 – bietet viel Althergebrachtes, wenig Neues. Bei einem Gesangbuch von kleinerem Umfang wurde zunächst eher auf die althergebrachten ‚Kernlieder‘ aus dem Reformationsjahrhundert zurückgegriffen. Was Rubrizierung, Auswahl und Abfolge der Sterbe- und Ewigkeitslieder in den Bibel-Gesangbüchern betrifft, lassen sich zwei Phasen unterscheiden. Dabei fällt das Ende der ersten Phase in etwa mit einem äußeren Einschnitt in der Verlagsgeschichte zusammen, nämlich mit dem Tod des jüngeren Bruders der Gründergeneration, Heinrich, im Jahr 1665. Nachdem zwischenzeitlich eine zerstrittene Erbengemeinschaft die Geschicke des Hauses gelenkt hatte, übernahm 1677 Johann Stern II. (1633–1712), der Sohn des älteren Bruders, das Geschäft.81 Aus der Zwischenphase sind weniger Drucke vorhanden; anschließend verändert sich die Gesangbuchredaktion, offensichtlich infolge der Einführung des Hannoverischen und dann des Cellischen Gesangbuchs ab 1661 (1667) als landeskirchliches Gesangbuch im Herzogtum. Wie sehen Einteilung und Inhalt der fraglichen Rubriken aus? Große Übereinstimmung besteht zwischen den Ausgaben der ersten Phase (Lü-1633, -1640, -1646 und -1659). Auch wenn der Liedbestand nie genau deckungsgleich ist, steht die Reihenfolge der Sterbe- und Ewigkeitslieder hier relativ fest. Die meisten Lieder zum Thema finden sich in der Sammlung von 1640 mit 22 Titeln, 1659 sind es 17, 1633 16 und 1646 14. Präsentiert werden die Lieder in den drei Eichornschen Rubriken: 79

80 81

Folgende Schriften sind enthalten: Bei den Gebetbüchern handelt es sich meist um Fassungen des Betbüchleins von Johann Habermann; vgl. dazu Koch, Betbüchlein. Vollständig wiedergegeben zu sein (mit allen acht Gebeten zu jedem Tag der Woche) scheint das Büchlein in den Bibeln von 1633 und 1640, später nicht mehr – in den Ausgaben von 1646, 1683 und 1685 sind nur noch die „Morgen= und Abendsegen/auff alle Tage in der Wochen“ enthalten. In der Bibel von 1689 sind sie um Gebete „anderer geistreichen Männer“ ergänzt. Das Gebetbuch in der Bibel von 1659 schließlich enthält ebenfalls „Morgen= und Abend=Gebet/ In gemein und auff alle Tage in der Wochen“ und einige weitere, die aber alle nicht von Habermann stammen. Daneben enthält die Ausgabe von 1633 15 Bußpsalmen von Cornelius Becker (Lieder zu Ps 1, 3, 6, 8, 20, 23, 33, 48, 62, 70, 76, 84, 91, 121 und 142), diejenige von 1640 Luthers kleinen Katechismus („Catechismus Lutheri“), die von 1689 (und später) unter anderem zwei kleine Werke Johann Gerhards, in denen er Bibelverse zu bestimmten Themen zusammengestellt hat – einmal zum Katechismus, im anderen Fall als „Trost=Büchlein“ zu verschiedenen Themen. In den Ausgaben von 1690 und einigen späteren kommt noch Gerhards Einteilung der Psalmen hinzu. – Vorreden zu den Bibeln verfassten u.a. prominente Theologen wie Johann Arndt (1620) – damals Generalsuperintendent in Celle –, Matthias Hoë von Hoënegg (1641), Johann Valentin Andreae (1654), Jakob Weller (1664) oder Abraham Calov (1683); vgl. Oertel, Bibeln 175.171. Vgl. auch Dumrese, Sternverlag, 55. Vgl. Reske, Buchdrucker, 572.

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II. Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts

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‚Vom Tod und Sterben‘ (insgesamt 12 Lieder), ‚Vom Begräbnis‘ (6 Lieder), ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘ (9 Lieder). Folgende Lieder sind unter ‚Vom Tod und Sterben‘ aufgeführt: Anon., O Welt, ich muss dich lassen (Nürnberg 1555) (fehlt Lü-1659) Nicolaus Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Wittenberg 1562) Paul Eber, Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott (Frankfurt/M. 1563) Johann Gigas, Ach wie elend ist unser Zeit (Nürnberg 1566) (nur Lü-1640) Nicolaus Selnecker, Allein nach dir, Herr Jesu Christ, verlanget mich (Basel 1568) Bartholomäus Ringwaldt, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl (Frankfurt/O. 1586) Bartholomäus Frölich, Ein Würmlein bin ich, arm und klein (Leipzig 1587; nur 1659) Johannes Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Nürnberg 1589) Anon., Ich stund an einem Morgen heimlich an einem Ort*82 (nur Lü-1640) Anon., Auf meinen lieben Gott trau ich in Angst und Not (Lübeck 1603) Anon., Christus der ist mein Leben (Jena 1609) (nur Lü-1659) Christoph Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Görlitz 1611) Vorangestellt (bis auf 1633) wird jeweils der lateinische Text des Nunc dimittis. ‚Vom Begräbnis‘ handeln folgende Lieder: Prudentius, Iam moesta quiesce querela (nur Lü-1640) Media vita in morte sumus (nur Lü-1640) Michael Weisse, Nun lasst uns den Leib begraben (Jungbunzlau 1531) Martin Luther, Mit Fried und Freud ich fahr dahin (Wittenberg 1524) Martin Luther, Mitten wir im Leben sind (Erfurt 1524) Anon., Hört auf mit Trauren und Klagen, ob dem Tod (Frankfurt/O. 1561) (nur Lü-1640) Auffällig ist bei dieser Rubrik die Nähe zu Babst (vgl. S. 38). Hinzu kommen in der Ausgabe von 1640 zwei lateinische Bibeltexte, die als gesungene liturgische Stücke (Responsorien) verwendet wurden: Credo quod redemptor meus vivit (Hi 19,25) und Si bona suscepimus (Hi 2,10).83 Die meisten Varianten im Liedbestand gibt es unter der Überschrift ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘:

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Zu diesem Lied vgl. S. 208. Gerade das Si bona suscepimus wird in Gesangbüchern immer wieder als Responsorium genannt, etwa in Erneuertes Frankfurter Gesangbuch (Frankfurt/M. 1664); Neues vollständiges Eisenachisches Gesangbuch (Eisenach 1673); L-1673 („Responsorium ex Jobo, c.2. ante funerum aedes“). Eine Fassung mit Noten von Credo quod redemptor meus vivit findet sich bei Babst unter Nr. 81. Zur Verwendung als Responsorien vgl. S. 624.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Michael Weisse, Es wird schier der letzte Tag herkommen (Jungbunzlau 1531) (nur Lü-1640) Anon., Wacht auf, ihr Christen alle, wacht auf mit ganzem Fleiß*84 (niederdt. Lübeck 1545) Erasmus Alber, Ihr lieben Christen, freut euch nun (Wittenberg 1546) (nur Lü1640) Erasmus Alber, Gott hat das Evangelium (1548) (fehlt Lü-1659) M. R. Müntzer, Ach Gott, tu dich erbarmen (Nürnberg 1550) (nur Lü-1633 und -1640) Johann Walter, Herzlich tut mich erfreuen (Wittenberg 1552) (nur Lü-1633 und -1640) Bartholomäus Ringwaldt, Es ist gewisslich an der Zeit (Frankfurt/O. 1586) (fehlt Lü-1659) Philipp Nicolai, Wie schön leuchtet der Morgenstern (Frankfurt/M. 1599) (nur Lü1659) Jeremias Nicolai, Herr Christ, tu mir verleihen (Frankfurt/M. 1599) (nur Lü-1659) Die beiden letztgenannten Gesänge – sie stammen aus Philipp Nicolais FrewdenSpiegel deß Ewigen Lebens (1599) – waren auch in den vorangegangenen Ausgaben enthalten, freilich jeweils in einer eigenen Abteilung. 1659 werden zwei von ihnen einmalig in die Abteilung ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘ aufgenommen, deren Titel nun lautet: „Vom jüngsten Tage / aufferstehung und ewigen leben“. In der zweiten Phase der Bibel-Gesangbücher85 ab 1680 ändert sich nicht nur die zuvor feststehende Abfolge, sondern auch die Liedauswahl und die Rubrizierung. Die meisten Änderungen stammen wohl aus dem Hannoverischen bzw. dem daraus hervorgegangenen, mittlerweile im Herzogtum eingeführten Cellischen Gesangbuch: Die Lieder zum Kirchenjahr werden zu Neujahr um Lieder ‚Vom Namen Jesu‘ ergänzt – ein Indiz für die wachsende Jesus-Frömmigkeit.86 Neu sind auch Abteilungen wie ‚Um göttliche Regierung‘ oder ‚In gemeiner Not‘; aus ‚Vom Christlichen Leben und Wandel‘ wird ‚Vom heiligen Leben‘. Die Sterbe- und Ewigkeitslieder werden nicht nur zahlenmäßig reduziert, mit der Überschrift ‚Vom Begräbnis‘ fällt auch eine ganze Rubrik weg. Zwei der darin enthaltenen Lieder – Mit Fried und Freud und Nun lasst uns den Leib begraben – werden nun mit unter ‚Vom Tod und Sterben‘ gefasst (1689/1690 „Vom zeitlichen Tode“), Mitten wir im Leben sind wandert unter die Bußgesänge (1683, 1691) oder fällt ganz weg (1697). Aus ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘ wird ‚Vom Jüngsten Gericht‘. Diese Änderung lässt sich ebenso wie

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Dies ist das einzige der genannten Lieder, das auch unter den 14 (19) Gesängen der drei Reisebibeln von 1654, 1685 und 1699 enthalten ist, auch hier unter der Überschrift ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘. Zugrundegelegt werden die Ausgaben von 1683, 1689, 1690, 1691, 1696, 1697, 1701 und 1704. Lü-1683: J. Franck, Jesu, meine Freude (Berlin 1653); Keimann, Meinen Jesum lass ich nicht (1658); anon., °O Jesu süß, wer dein gedenkt (Magdeburg 1612); Lü-1689: Heermann, °Ach Jesu, dessen Treu im Himmel und auf Erden (Breslau/Leipzig 1630); J. Franck, Jesu, meine Freude.

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II. Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts

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das Fehlen der Rubrik ‚Vom Begräbnis‘ aus dem Hannoverischen und dem Cellischen Gesangbuch herleiten.87 Insgesamt sind nur 14 von den 27 Sterbe- und Ewigkeitsliedern der ersten Phase übriggeblieben. Es fehlen genau diejenigen Lieder, die auch in den entsprechenden Rubriken des Hannoverischen und des Cellischen Gesangbuchs nicht enthalten sind.88 Nur zwei Lieder sind neu dazugekommen: zum einen Behms O Jesu Christ, meins Lebens Licht (Wittenberg 1610); zum anderen rückt Nicolais ebenfalls aus dem FrewdenSpiegel stammendes Lied Wachet auf, ruft uns die Stimme in den Drucken von 1691 und 1696 in die Rubrik ‚Vom Jüngsten Gericht‘. Damit sind es in Phase 2 nur noch 16 Sterbe- und Ewigkeitslieder, zwölf ‚Vom Tod und Sterben‘ und vier ‚Vom Jüngsten Gericht‘. Hinsichtlich des Liedbestandes lassen sich in Phase 2 drei Varianten ausmachen: Variante A (1683) umfasst elf Lieder, Variante B (1689, 1690, 1701; 1697, 1704)89 fünf Lieder, von denen nur eines – Christus der ist mein Leben – in Variante A nicht vorkommt. Variante C (1691, 1696) kombiniert Auswahl und Abfolge der zwölf Lieder aus A und B und ergänzt sie um vier weitere Lieder. Zwei Befunde sind festzuhalten. Zum einen: Die Auswahl der Sterbe- und Ewigkeitslieder in den Lüneburger Bibel-Gesangbuchanhängen des 17. Jahrhunderts berücksichtigt fast ausschließlich Lieder des 16. Jahrhunderts. Die Lieder ‚Vom Begräbnis‘ (nur in Phase 1) und ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘ stammen sogar fast alle aus der ersten Jahrhunderthälfte. Die wenigen Lieder, die im 17. Jahrhundert erstmals nachgewiesen sind, sind schon 1633 nicht mehr ganz neu – und es kommen auch keine neuen mehr hinzu. Das jüngste Lied ist Christoph Knolls Herzlich tut mich verlangen (1611), gefolgt von O Jesu Christ, meins Lebens Licht (1610), Christus der ist mein Leben (1609) und Auf meinen lieben Gott (1603). Dann folgen die Lieder Philipp und Jeremias Nicolais (1599). Neuere Entwicklungen finden also kaum Eingang; statt dessen wurde das vorhandene Material offenbar einfach immer wieder in unterschiedlichen Kombinationen nachgedruckt. Das hat sicher nicht nur programmatische, sondern auch pragmatische Gründe. Das Gesangbuch war in diesen Drucken eben doch nicht die Haupt-, sondern die Nebensache. Dennoch ist der Verzicht auf Neuerungen auffällig, gerade in Phase 2, die mit dem Hannoverischen und Cellischen Gesangbuch sonst so viele Ähnlichkeiten aufweist. Doch die dort enthaltenen neuen Lieder fehlen in den Bibeldrucken. Zum anderen: Die Zahl der Sterbe- und Ewigkeitslieder innerhalb der BibelGesangbücher nimmt ab; sie liegt in der ersten Phase fast doppelt so hoch wie in der zweiten. Besonders viele (22) sind es in der Ausgabe von 1640; vier der Lieder sind nur hier abgedruckt. In der Mehrzahl der Drucke der zweiten Phase (Gruppe B) sind dagegen nur noch fünf Sterbe- und Ewigkeitslieder enthalten; auch die anderen 87

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Dort gibt es auch noch die Rubriken ‚Vom Himmel‘ und ‚Von der Höllen‘, die aber nur neuere Lieder enthalten und daher in der für Neues weniger offenen Auswahl der Bibel-Gesangbücher automatisch wegfallen. Einige wurden in andere Rubriken verschoben (z. B. Mitten wir im Leben sind zu den Bußliedern, ebenso im Hannoverischen und Cellischen Gesangbuch), andere fehlen ganz. Innerhalb der Gruppe B sind nach Liedzahl noch einmal zwei Typen zu unterscheiden: Die Fassungen von 1689, 1690 und wohl auch 1701 (Expl. unvollst.) enthalten 150 (151) Lieder, die von 1697 und 1704 nur 142 und zudem eine sonst nicht enthaltene Bibelvorrede von Abraham Calov.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

haben die Auswahl deutlich reduziert. Das deutet darauf hin, dass für Phase 2 eine andere Vorlage benutzt wurde. Dabei dürfte es sich um das Hannoverische und das Cellische Gesangbuch handeln,90 aus denen die neuen Lieder einfach weggelassen wurden. Übrig blieben die älteren, verbreiteteren Lieder, die allerdings weniger zahlreich waren als die aus Phase 1. Ähnlichkeit mit dem Bestand der Bibel-Gesangbücher hat ein bisher nicht erwähnter Lüneburger Gesangbuchdruck ähnlichen Umfangs von 1671, der nicht ausführlich ausgewertet wurde und unter 170 Liedern 21 Sterbe- und Ewigkeitslieder enthält. Vier von ihnen kommen in den Bibel-Gesangbüchern allerdings nicht vor.91 Der Titel D. Martin. Luth. und anderer gottseliger Leute Geistreiche Lieder / Psalmen und Lob=Gesänge sowie Auswahl und Reihenfolge der Lieder – insbesondere das seltene °Es traur, was trauren soll von Urban Störner – verweisen auf die Sammlung D. Marth. Luthers vnd Anderer Gottseeliger Leuth GEistreiche Lieder / Psalmen vnd Lobgesänge (Danzig 1629), die als Vorlage gedient haben dürfte.

c) Hannoverisches Gesangbuch (1660) und Cellisches Gesangbuch (1661/1696/1706) Die Lüneburger Gesangbuchdrucke für Hannover und Celle bzw. das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg haben – wie eingangs skizziert – eine gemeinsame Geschichte: Das Cellische92 (Lüneburg 1661) ist eine Überarbeitung und Erweiterung des Hannoverischen Gesangbuches (Hannover 1646 bei Johann Friedrich Glaser; die mir vorliegende Stern-Ausgabe stammt aus Lüneburg 166093) für das Herzogtum Lüneburg. Beide enthalten vereinzelt zweistimmige Noten (nicht mehr in den Ausgaben des Cellischen Gesangbuchs 1696 und 1706). Im Aufbau fast identisch, ist das jüngere Cellische Gesangbuch allerdings deutlich umfangreicher (421 Lieder) als das Hannoverische (300 Lieder). Die Zahl der Sterbe- und Ewigkeitslieder hat sich dabei von 22 auf 41 fast verdoppelt, ihr Anteil von 7,3% auf 9,7% erhöht. Zwei weitere Exemplare des Cellischen Gesangbuchs stammen von 1696 und 1706. Während die Ausgabe von 169694 etwa auf diesem Stand verharrt (40 Lieder von 428), kommen 1706 in einem Anhang nochmals einige Lieder hinzu: Von 451 Liedern 90

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Dabei weist Variante A (Lü-1683) eine besondere Verwandtschaft mit dem Hannoverischen Gesangbuch auf, Variante C (Lü-1691/96) mit dem Cellischen Gesangbuch. Dies sind: Weisse, Weltlich Ehr und zeitlich Gut (Jungbunzlau 1531); Ringwaldt, Geliebten Freund, was tut ihr so verzagen (Frankfurt/O. 1577); Moller, Ach Gott, wie manches Herzeleid (Görlitz 1587); Störner, °Es traur, was trauren soll (Danzig 1627). Die Erstausgabe trägt wie auch die zweite Ausgabe von 1665 noch nicht den Titel Cellisches Gesangbuch, sondern Voll=ständiges Gesangbuch. Da es sich letztlich um verschiedene Ausgaben desselben Gesangbuchs handelt, wird hier der Einfachheit halber durchweg vom Cellischen Gesangbuch gesprochen. Weitere Ausgaben: Braunschweig (Andreas Duncker)/Lüneburg (Martin Lamprecht) 1648, 1652, 1653; Lüneburg (Johann und Heinrich Stern) 1657, 1659, 1672; Göttingen (Joachim Heinrich Schmidt) 1676; vgl. FT VI, 453.–461. In der Ausgabe von 1646 sind nach Drömann, Das Hannoversche Gesangbuch, 169 unter 222 Nummern 16 ‚Von den letzten Dingen‘; 1648 unter 250 Nummern 18 Lieder; 1657 unter 300 Nummern 22 Lieder (jeweils 7%). Zur Neubearbeitung des Cellischen Gesangbuches von 1696 vgl. Röbbelen, Geschichte, 455. Im Titel der Ausgabe heißt es: „Jetzo nach schon längst gewesenem Abgang der ersten Exemplarien / auff vielfältiges Begehren und Verlangen von neuem wieder auffgeleget / an vielen Orten verbessert / geändert und vermehret“.

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sind 47 Sterbe- und Ewigkeitslieder (10,4%). Besonders hoch ist der Anteil in dem Anhang von 23 Liedern, der nach 1696 ergänzt wurde (7 Sterbe- und Ewigkeitslieder). Einerseits herrscht also Kontinuität, andererseits kommen permanent weitere Lieder hinzu. Am Thema der Sterbe- und Ewigkeitslieder besteht dabei offenbar ein verstärktes Interesse. Aufschlussreich ist jeweils die Angabe des Verwendungszwecks im Buchtitel: Beim Hannoverischen Gesangbuch ist in den Ausgaben ab 1648 „Zur Befoderung der PrivatAndacht“ angegeben; von 1657 an heißt es ausdrücklich „zur Befoderung der Privat- und öffentlichen Andacht“.95 Die Privatandacht ist hier also trotz des offiziellen Status der primäre Verwendungszweck; eines der Register am Ende des Buches teilt die Lieder sogar so ein, dass man sie „zu hause mit den Seinigen in seiner Hauß=Kirchen“96 alle sieben Wochen einmal durchsingen kann. Dass dem Herausgeber Justus Gesenius, Hofprediger in Hannover, die Förderung der Hausandacht am Herzen lag, geht auch aus seiner Praxis devotionis (1648) hervor.97 Die Aufgeschlossenheit für neuere und neueste Lieder, die zu den sehr traditionell bestückten Liedanhängen in Stern-Bibeln im Gegensatz steht (vgl. S. 58), hat wohl mit genau dieser Verortung des Gesangs in der Privatandacht zu tun. In der Vorrede erläutert Gesenius,98 er habe bei der Redaktion bewusst solche Lieder jüngerer Autoren berücksichtigt, mit denen diese „ihre eigene und anderer frommen Christen Privat=Andacht […] erwecken und befordern“ wollten.99 Gesenius nennt hier insbesondere Johann Heermann, dessen Trostlieder gerade im Krieg den Nerv der Zeit getroffen hatten und daher besonders beliebt, aber im darniederliegenden Handel kaum erhältlich waren. Mit dem Hannoverischen Gesangbuch sollten diese Lieder nicht nur zugänglich gemacht, sondern auch zum weiteren Gebrauch in eine sinnvolle Ordnung gebracht werden.100 Ähnliches gilt im Gefolge auch für das Cellische Gesangbuch. Nach dem Titel der Erstausgabe sind darin „nicht allein di gewohnliche alte Kirchen=Lider / sondern auch vihl neue / nützliche Gesänge / auf mancherlei Fälle zu befinden“. Insbesondere für die neuen Lieder ist damit ein außerkirchlicher Kontext im Alltag angedeutet 95

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Vgl. FT VI 454.457. Graff, Auflösung, 243 paraphrasiert die Anweisungen der Praxis devotionis: „Man solle nicht nur alle andern Tage morgens und abends eine Zeit auf Gebet und Schriftlesung verwenden, sondern auch besonders Sonntags vor dem Gottesdienst zur Vorbereitung, und ebenfalls nachmittags nach dem Gottesdienst, z. B. von der Predigt reden, geistliche Lieder singen, ‚aus dem Katechismus fragen‘, Gottes Wort lesen u.a.“ Lü-1660, Vorrede fol. 6v. Vgl. Graff, Auflösung, 243. Zu Gesenius’ Autorschaft der Vorrede vgl. Röbbelen, Geschichte, 395; vgl. auch Stalmann, Gesangbücher, 187f. Lü-1660, Vorrede fol. 3r. Vgl. Lü-1660, Vorrede fol. 3r|v: „Weil man sie [Heermanns Lieder] aber wegen der leidigen Krieges=Zei=|ten nicht allezeit zu kauffe haben können / so ist von etlichen […] begehret worden / nicht allein dasselbe Buch wieder aufzulegen / sondern auch damit man die in unsern Kirchen bekandte lieder dabey hätte / und nicht von einem Gesangbuche zum andern lauffen dürffte / die gemeinste Kirchen=Gesänge / und was sich sonsten aus den öffentlichen Gesang=Büchern darzu schickte / zugleich mit drucken zu lassen / und alles zusammen / weil Heermanns Gesänge fast ohn einige Ordnung gesetzet seyn / unter die gebräuchliche Rubricken und Titul zu bringen.“

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

(„auf mancherlei Fälle“). Der Verweis auf den Gemeindegottesdienst wird auch hier erst nachträglich eingefügt; in der Ausgabe von 1696 heißt es ergänzend: „in öffentlicher Gemeine und sonsten in allerley Fällen zu gebrauchen“.101 Dass neue Lieder hinzukommen, wird 1696 und 1706 betont. Nicht nur über die private, sondern auch über die gottesdienstliche Gesangspraxis lässt sich aus der Vorrede zum Hannoverischen Gesangbuch einiges erfahren. Gesenius hebt zweierlei Funktionen des Gesangs hervor: eine didaktische und eine erbauliche, die Andacht steigernde.102 Um der Andacht willen empfiehlt er, die Lieder ganz und nicht nur auszugsweise zu singen.103 Das angefügte Gebetbuch soll auch während des Gottesdienstes zur Privatandacht benutzt werden, etwa während instrumental musiziert wird104 – eine Praxis, die Gesenius kritisiert, weil die Gemeinde daran nicht aktiv teilnehmen kann, was wiederum zu Laxheit beim Gottesdienstbesuch führte.105 Er rechnet jedenfalls damit, dass manche Gemeindeglieder – um „einfältige Leute“106 wird es sich dabei nicht gehandelt haben – ihr Gesangbuch in die Kirche mitbringen, allerdings nicht, um daraus zu singen, sondern um sich während des Gottesdienstes still zu erbauen. Die Rubrizierung des Hannoverischen und des Cellischen Gesangbuchs, an der sich auch die der späteren Bibel-Gesangbücher orientiert, weist einige Besonderheiten auf: Der Beginn mit den Lob- statt mit den Festgesängen stammt nach Gesenius aus einem Nürnberger Gesangbuch;107 die Einführung einer Rubrik für die Kriegszeit sei 101

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Noch deutlicher ist die kirchliche Orientierung im Titel der Ausgabe von 1706: Das Buch sei „zu besserem Gebrauch der Kirchen des Fürstenthumbs Lüneburg und dazu gehöriger Lande“ bestimmt. Lü-1660, Vorrede fol. 2v: „Denn es gibts die Vernunfft / und bezeugets die tägliche Erfahrung / daß einfältige Leute das jenige / was in deutliche Reimen und gewisse Mensur gefasset wird / leichtlich lernen und wol behalten / sonderlich wenn eine anmuhtige dienliche Melodey dabey ist. Und kann nicht allein die Mensur und Melodey / sondern auch der Gesang an sich selbst die Andacht darumb nicht wenig befördern / weil man fast nach einer jeglichen Zeile / in dem man stille hält / etwas Zeit und Gelegenheit hat / demselben / was man gesunge[n] hat / und fortsinge[n] wil / ein wenig nachzudencken / un[d] dadurch sein Hertz und Gemüte zu Gott im Himmel desto besser zu richten und auffzumuntern“. Mit der didaktischen Anmerkung zu den mnemotechnischen Vorzügen der geistlichen Lieder knüpft Gesenius an die reformatorische Tradition an, besonders an Melanchthon (vgl. S. 33); mit dem Plädoyer für die Ausrichtung des Herzens auf Gott vollzieht er eine für das 17. Jahrhundert typische Verinnerlichungsbewegung. Lü-1660, Vorrede fol. 5r: „Die meisten kan man dennoch gar wol auf einmal aussingen / und also die Andacht besser beysammen behalten / welche sich sonsten / wenn man sie theilet / oder dazwische[n] orgelt / leichtlich zu verlieren pfleget“. Lü-1660, Vorrede fol. 5v: Das Gebetbuch enthalte Gebete von Habermann, Arndt und Gerhard, „welche sonsten ins gemein zu hause und auff der Reise / oder auch in der Kirche / wenn etwa georgelt oder musiciret wird / nachdem einen jeglichen seine Privat=Andacht treibet / nit unbequemlich gebetet werden können.“ Lü-1660, Vorrede fol. 5v: „Es wäre wol zu wünschen  / daß beim sontäglichen und festtägigem Gottes=Dienst an manchem Orte nicht so viel orgelns und unverständlichen musicirens oder lateinischen singens geschehe; weil dadurch sonderlich in den stätten dieses verursachet wird / daß sich viel Leute deswegen […] gar spät zu dem Gottesdienst / ja wol erst gegen die Zeit / da man die Predigt anzufangen pfleget / einstellen / und nach Endigung derselbe[n] bald wieder davon gehen“. Keinesfalls dürfe man im Gottesdienst „müssig seyn oder mit frem[b]den Gedancken oder Geschwätze daselbst ümbgehen und die Zeit liederlich zubringen“ (fol. 6r). Vgl. Anm. 102. Vgl. Lü-1660, Vorrede fol. 4r.

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der leidvollen Erfahrung der vorangegangenen Jahrzehnte geschuldet.108 Besonders auffällig ist die Neueinteilung der Sterbe- und Ewigkeitslieder: Statt der Eichornschen Dreiteilung findet sich im Hannoverischen Gesangbuch neu die der menschlichen Vergänglichkeit gewidmete Überschrift ‚Vom menschlichen Elend‘, die quasi am Rande zu den Sterbe- und Ewigkeitsliedern gehört, bei der Auswertung aber nicht berücksichtigt wurde.109 Sie wird gefolgt von der in Gesangbüchern eher seltenen, aus der Dogmatik stammenden Einteilung ‚Von den vier letzten Dingen‘ (ähnlich L-1673, vgl. S. 119) mit Abschnitten zu Tod und Sterben [TS], Jüngstem Gericht [J], Himmel [H] und Hölle [Hö]. Das Cellische Gesangbuch ergänzt schließlich die Überschrift ‚Von der Ewigkeit‘ [Ew]; ‚Vom Begräbnis‘ fehlt.110 Das Hannoverische Gesangbuch von 1660 besitzt außerdem eine Art sekundäre Rubrizierung: Im Register werden nicht nur alle Rubriken und die in ihnen enthaltenen Lieder der Reihe nach aufgelistet, sondern zu jeder Rubrik gibt es auch kleingedruckte Verweise auf passende, quasi sekundär indizierte Lieder aus anderen Abschnitten.111 Wie bereits erläutert, weisen das Hannoverische und das Cellische Gesangbuch in Rubrizierung, Auswahl und Abfolge viele Ähnlichkeiten mit Phase 2 der Bibel-Gesangbuchanhänge auf (vgl. S. 60). Im Gegensatz zu den Bibeln enthalten die Gesangbücher jedoch nicht nur ältere, sondern auch zahlreiche neue Lieder. Im Hannoverischen Gesangbuch von 1660 sind es elf von 22 Liedern unter der Überschrift ‚Von den vier letzten Dingen‘.112 Mehr als die Hälfte von ihnen dürften von Justus Gesenius und David Denicke stammen, den Herausgebern des Hannoverischen Gesangbuchs: Martin Opitz, Das blinde Volk der Heiden (Leipzig 1628) [J] Johann Heermann, O Mensch, bedenke stets dein End (Breslau/Leipzig 1630) [TS] Johann Heermann, Wach auf, o Mensch, o Mensch, wach auf (Breslau/Leipzig 1630) [Hö] Georg Werner, Mein Lauf, gottlob, ist bald vollbracht113 (Königsberg 1639) [TS] 108

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Lü-1660, Vorrede fol. 3v|4r: „Also hat ja der langwierige Kriegesjammer einen jeglichen / auch in seinem Privat=Beten und Singen / des | grossen Elends und so vieler bedrängter Leute zum öfftern zugedencken angereitzet : Und denn seinen GOtt und HErrn / auch deswegen insonderheit zu loben und zu preisen / wen[n] er noch etliche / es sey in grossen Städten oder sonsten an andern Orten / ein Jahr nach dem andern behütet hat.“ Diese Abteilung fehlt sowohl in den Bibelgesangbüchern als auch im Lüneburgischen Gesangbuch; das letztere Werk bringt die darin enthaltenen Gesänge unter der größeren Rubrik ‚Vom heiligen Leben und Christlichem Wandel‘, nun ganz außerhalb des Kontextes der Sterbe- und Ewigkeitslieder, was den nicht ganz eindeutigen Status der Abteilung deutlich macht. Auf die Parallelen der Rubrizierung zu Phase 2 der Bibel-Gesangbücher wurde bereits eingegangen (vgl. S. 60). Das Lied °O Jesu süß, wer dein gedenkt, eine anonyme Übersetzung (1612) des lateinischen Hymnus Jesu dulcis memoria von Bernhard von Clairvaux, taucht eigentlich in der Rubrik ‚Vom Namen Jesu‘ auf. Ein Verweis findet sich jedoch auch unter der Rubrik ‚Vom Himmel‘. Neueren Datums sind auch einige Lieder aus der Rubrik ‚Vom menschlichen Elend‘, z. B. Heermann, °Was bin ich, o Herr Zebaoth (1630; Verfasserschaft mit Fragezeichen nach Bode, Quellennachweis, 342 Nr. 743); Dach, Du, Gott, bist außer aller Zeit (Königsberg 1641); Gerhardt, °Mein Gott, ich habe mir gar fest gesetzet für (Berlin 1647); Gesenius/Denicke, °Hilf, Gott, wie hat die Eitelkeit uns Menschen so vernichtet (Lüneburg 1657). Die originale Textfassung (FT III 45.) beginnt: Ich hab gottlob das Mein’ vollbracht.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Valentin Thilo, Der große Tag des Herren Königsberg 1642) [J] Justus Gesenius/David Denicke, O Gott, wenn ich bei mir betracht (Hannover 1646) [TS] Justus Gesenius/David Denicke, O Vater, Sohn und Heilger Geist (Hannover 1646)114 [TS] Justus Gesenius/David Denicke (?), Es sind die Zeichen nunmehr da (Hannover 1646)115 [J] Justus Gesenius/David Denicke, Ob ich einschlafe oder wach (Hannover 1646)116 [J] Justus Gesenius/David Denicke, O Gott, wer dieses Leben wohl (Hannover 1646) [H] Justus Gesenius/David Denicke, Wie lieblich sind daroben (Braunschweig/Lüneburg 1652) [H] Eine beträchtliche Erweiterung des Hannoverischen Gesangbuches von 1660 bietet das Cellische Gesangbuch von 1661. Neu unter den Liedern von den ‚Vier letzten Dingen‘ sind nicht nur fünf bisher unberücksichtigte ältere Lieder,117 sondern auch 14 jüngere: Christoph Wilkow, Wie ist der Mensch doch so betört (Königsberg 1640) [TS] Simon Dach, Du siehest, Mensch, wie fort und fort (Königsberg 1640) [J] Simon Dach, Ich steh in Angst und Pein (Königsberg 1641) [J] Heinrich Albert, Dass alle Menschen sterblich sein (Königsberg 1642) [TS] Johann Rist, Lasst ab von Sünden alle (Lüneburg 1651) [J] Johann Rist, O Gottes Stadt, o güldnes Licht118 (Lüneburg 1651) [H] Johann Rist, O Ewigkeit, du Donnerwort (Lüneburg 1641) [Ew] Daniel Wülffer, O Ewigkeit, o Ewigkeit (Nürnberg 1648) [Ew] Michael Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Coburg 1652) [TS] Ernst Christoph Homburg, Ach was ist unser Leben (Jena 1659) [TS] Ernst Christoph Homburg, Herr Jesu Christ, mein Leben (Jena 1659) [TS] Anon., O Mensch, bedenke wohl, dass du einmal musst sterben* [TS] Anon. (L. B.), O Flüchtigkeit, o Eitelkeit* [TS] Anon., Es vergehen alle Zeiten* [Ew] Weitere Ergänzungen, allesamt neueren Datums, bringt die Ausgabe von 1696 und 1706, die erstmals Autorangaben enthält. Drei Lieder tragen die kaum noch ‚Kürzel‘ zu nennende Autorangabe „H. A. U. Z. B. U. L.“ für den ab 1704 regierenden Landesherrn Herzog Anton Ulrich zu Braunschweig und Lüneburg: 114 115 116 117

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Vgl. Bode, Quellennachweis, 371 (Nr. 895). Vgl. Bode, Quellennachweis, 381 (Nr. 938). Vgl. Bode, Quellennachweis, 385f (Nr. 959). Alber, Gott hat das Evangelium (1548) [J]; Walter, Herzlich tut mich erfreuen (Wittenberg 1552) [J]; anon., O Welt, ich muss dich lassen (Nürnberg 1555) [TS]; Gigas, Ach wie elend ist unser Zeit (Nürnberg 1566) [TS]; Ph. Nicolai, Wachet auf, ruft uns die Stimme (Frankfurt/M. 1599) [J]. In der Originalfassung von Rist lautet der Textanfang: O Gottes Stadt, o himmlisch Licht (Rist, HL 3,10).

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Anton Ulrich, Ach Gott, wann werd ich sterben* [TS] Anton Ulrich, Es ist genug, mein matter Sinn (Nürnberg 1667) [TS] Anton Ulrich, °Nach dir, o Gott, verlanget mich (1665) [‚Vom menschlichen Elend‘] Neu sind 1696 auch zwei Lieder vom Jüngsten Tag: Christoph Runge, Herr Christ, der Jüngste Tag (Berlin 1672) [J] Heinrich Müller, Kommt herbei, ihr Menschenkinder119 (Rostock 1674) [J] Im angehängten Zusatz von 1706 finden sich drei sehr verbreitete ältere Lieder, die man im Hauptteil wohl vermisst hatte: Philipp Nicolai, So wünsch ich nun ein gute Nacht (Frankfurt/M. 1599) [TS] Valerius Herberger, Valet will ich dir geben (Leipzig 1614) [TS] Anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Freiberg 1620) [TS] Dazu kommen noch zwei etwas jüngere Gesänge: Johann Rosenmüller, Alle Menschen müssen sterben (Leipzig 1652) [TS] Paul Gerhardt, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, das soll (Berlin 1667) [TS] Mit den Ausgaben von 1696 und 1706 ergibt sich insgesamt eine Zahl von 50 Sterbeund Ewigkeitsliedern (dazu kommen elf Lieder ‚Vom menschlichen Elend‘). Erwähnenswert ist das dem Cellischen Gesangbuch jeweils angebundene Gebetbuch, in dem Sterbegebete einen breiten Raum einnehmen. Das Exemplar von 1696 zeugt von regem Gebrauch: Mehr als die Hälfte der enthaltenen 31 „Kurtze[n] Stoß=Gebetlein / bey und von Sterbenden insonderheit zu gebrauchen“ sind ein- oder mehrfach mit Tinte angekreuzt. Das Gebetbuch gibt auch eine Liste von Liedern an, die mit den Sterbenden gesungen werden sollen.120 d) Das Lüneburgische Gesangbuch (1695/1702) Das Gesangbuch für die Stadt Lüneburg erschien 1686 mit fürstlich braunschweiglüneburgischem Privileg. Mit 2000 Liedern ist es eines der umfangreichsten, die aus dem 17. Jahrhundert erhalten sind. In seiner am 28.2.1686 datierten Vorrede macht der Lüneburger Superintendent Caspar Hermann Sandhagen den umfas119

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Der Text des Liedes von Müller beginnt nach FT V 543.: „KOmpt herbey, ihr MenschenKinder, / Kompt, mit Schrekken angethan, / Kompt, ihr rauhen, frechen Sünder, / Schauet diesen Jammer an“. Im Cellischen Gesangsbuch ist der Text leicht abgewandelt. Darunter sind einige Lutherlieder: °Vater unser im Himmelreich; °Gott der Vater wohn uns bei; Aus tiefer Not schrei ich zu dir; Nun bitten wir den Heiligen Geist; °Komm, Heiliger Geist, Herre Gott. Außerdem: Agricola, °Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ (Erfurt 1531). Neben den häufigsten Sterbeliedern (Mit Fried und Freud; Mitten wir im Leben sind; Wenn mein Stündlein vorhanden ist; Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott; Herzlich lieb hab ich dich, o Herr) stehen auch einige alte Vertrauenslieder (Auf meinen lieben Gott; Was mein Gott will, das gscheh allzeit; °Von Gott will ich nicht lassen).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

senden Anspruch deutlich, der mit dieser umfangreichen Ausgabe verbunden ist: Zwar habe „fast eine jede vornehme Stadt“ ihr eigenes Gesangbuch, aber in jedem von ihnen fehle „eine ziemliche Anzahl geistlicher Lieder […] so bald hie bald da in der Evangelischen Kirche in Teutschland gebrauchet werden“. Der Drucker und Verleger Johann Stern II. hatte sich persönlich um Sammlung und Redaktion des gewaltigen Corpus gekümmert, was von Sandhagen gewürdigt und in die Tradition der Familie gestellt wird.121 Zu verwenden sei das Werk „so wol in der Christlichen Versammlung / als in ihren Häusern und auff Reisen“122. Weitere Auflagen erschienen 1694, 1695, 1702 und 1703;123 mir lagen ein Exemplar von 1695 und eines von 1702 vor, in denen die Zahl der Lieder auf 2055 bzw. 2101 angewachsen ist. Darunter sind 235 bzw. 240 Sterbe- und Ewigkeitslieder (jeweils 11,4%), unter denen wiederum die Lieder „Vom Tode und Begräbniß“ mit 190 bzw. 195 Titeln (9,2% bzw. 9,3%) und die „Gerichts= Himmels= und Höllen=Lieder“ mit je 45 Titeln (2,2% bzw. 2,1%) vertreten sind. Die Rubrizierung der Lieder ist insgesamt der im Hannoverischen Gesangbuch sehr ähnlich und ihr offenbar nachempfunden; durch die viel größere Zahl der Titel kommt es aber in vielen Abteilungen zu einer Binnendifferenzierung.124 Nicht so bei den Sterbe- und Ewigkeitsliedern: Die ihnen nahestehende Abteilung ‚Vom menschlichen Elend‘ samt den in ihr enthaltenen Liedern ist in der umfassenderen Rubrik „Vom heiligen Leben und christlichem Wandel“ aufgegangen; weitere Rubriken trennen nun diese von den Sterbe- und Ewigkeitsliedern. Dort wiederum wird nicht mehr nach den vier letzten Dingen unterschieden, sondern im Anschluss an die Gesänge „Vom Tode und Begräbniß“ [TB] werden die „Gerichts= Himmels= und Höllen=Lieder“ [GHHö] zu einer Kategorie zusammengefasst. Innerhalb jeder Abteilung sind die zahlreichen Lieder nun alphabetisch nach ihren Anfängen angeordnet (ähnlich auch: T-1631). Ein alphabetisches Gesamtregister erschließt den Gesamtbestand. Knappe Melodie- und Autorangaben sind beinahe zu jedem Lied vorhanden. Anstelle von Noten wird als Melodie meist ein bekanntes Lied angegeben: „Mel. Hertzlich thut mich verl[angen]“. Oft heißt es auch: „In eigener Melodey“ oder „In bekannter Melodey“, ohne dass diese abgedruckt wäre. Nur bei fünf Liedern sind tatsächlich Noten vorhanden, dann als zweistimmiger Satz mit Diskant und Bass.125 Von den Autoren sind oft nur Initialen angegeben; häufig ist die Zuschreibung feh-

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Nach Sandhagen hat Stern „nach der grossen Geneigtheit / so er hat / der Evangelischen Kirche zu dienen / und welche in dieser Familie von vielen Jahren her nicht fremd ist […] eine solche Anzahl geistlicher Lieder lassen zusammen bringen / als bißher in keinem Buche zu finden sind.“ Alle Zitate aus Sandhagens Vorrede von 1686 sind wiedergegeben nach Lü-1702, fol. 4v. Vgl. Stalmann, Gesangbücher, 193. Da das Lüneburgische Gesangbuch später nicht mehr aufgelegt wurde, wird vermutet, dass das Cellische Gesangbuch dann auch in der Stadt Lüneburg verwendet wurde (ebd.). So finden sich unter den Lobgesängen auch solche für Wochentage, Jahreszeiten und Geburtstag, bei den Liedern zum Kirchenjahr sind die Flucht nach Ägypten und andere sehr spezielle Anlässe berücksichtigt. Ach was ist doch unser Lebn; Mach’s mit mir, Gott, nach deiner Güt; Mein Wallfahrt ich vollendet hab; Sag, was hilft alle Welt*; Es wird schier der letzte Tag herkommen.

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lerhaft. Wo die Verfasserschaft nicht zu klären war, finden sich die Kürzel „anon.“ oder „Inc[erti] Aut[oris]“. Nur wenige Sterbe- und Ewigkeitslieder aus den unter b) und c) beschriebenen Gesangbüchern fehlen im Lüneburgischen Gesangbuch.126 Die große Vielfalt der fast 200 neu aufgenommenen Sterbe- und Ewigkeitslieder zeigt, wie gründlich sich der Herausgeber Johann Stern mit den Gesangbüchern seiner Zeit beschäftigt hat; neben den genannten Werken lag ihm offenkundig u.a. eine Ausgabe der Praxis Pietatis Melica vor.127 Zu den älteren Gesängen der bisherigen Ausgaben kommen weitere: Ambrosius Blarer, Mag ich dem Tod nicht widerstahn (Nürnberg 1550) Valentin Triller, O Mensch, bedenk zu dieser Frist (Breslau 1555) Anon., O Herr Gott hilf, zu dir ich ruf (Zürich 1560)128 Anon., Herr Gott, mein Jammer hat ein End (Nürnberg 1563) Ludwig Helmbold, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt (1575) Von den vier Liedern Ringwaldts sind die beiden erstgenannten schon in den vorangegangenen Gesangbüchern vertreten, die beiden anderen sind neu: Bartholomäus Ringwaldt, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl (Frankfurt/O. 1586) Bartholomäus Ringwaldt, Es ist gewisslich an der Zeit (Frankfurt/O. 1586) Bartholomäus Ringwaldt, Geliebten Freund, was tut ihr so verzagen (Frankfurt/O. 1577) Bartholomäus Ringwaldt, Herr Jesu Christ, weil ich empfind (Frankfurt/O. 1587) Zwei Lieder stammen aus Mollers Manuale de praeparatione ad mortem (vgl. S. 584): Anon., O Jesu, Gottes Lämmelein (Görlitz 1593) Martin Moller (nach Nicolaus Selnecker), Hilf, Helfer, hilf in Angst und Not (Görlitz 1593) Aus den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts sind folgende der hinzugekommenen Lieder belegt: Cornelius Becker, Lasset die Kindlein kommen (1605) Martin Behm, Herr Christ, wenn ich bedenke (Wittenberg 1611) Martin Behm, Ich armer Erdenkloß (Wittenberg 1611) Sigismund Schwab, O Jesu, lieber Herre mein (Leipzig/Breslau 1611) 126

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Von den Bibeln mit Gesangbuchanhang bietet nur Lü-1640 einen minimalen Überschuss (Ich stund an einem Morgen*, Iam moesta quiesce querela und die anderen lateinischen biblischen Gesänge). Aus dem Hannoverischen und dem Cellischen Gesangbuch fehlt nur Heermanns O Mensch, bedenke stets dein End. Zur Praxis Pietatis Melica vgl. S. 80; zum Zusammenhang mit dem Lüneburgischen Gesangbuch vgl. S. 78 Anm. 146. Die Züricher Originalfassung liest „gilf “ statt „ruf “; dieses im Schwäbisch-Alemannischen bekanntere Wort war anscheinend in Norddeutschland nicht geläufig (vgl. DWB 7, 7503).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Anon., Christus wird mich nicht lassen (Hamburg 1612) Anon., Jesulein, du bist mein, weil ich lebe (Altenburg 1613) Die meisten Lieder stammen aus den Jahren 1620–1670. Um die große Zahl etwas zu strukturieren, sollen sie hier – unter schwerpunktmäßiger Berücksichtigung der zuvor noch nicht genannten Lieder – nach Herkunftsregionen präsentiert werden. Sächsischen oder Thüringer Ursprungs sind einige Lieder aus der Zeit des beginnenden Dreißigjährigen Krieges: Anon., Ach mein herzliebes Jesulein (Freiberg 1620) Anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Freiberg 1620) Anon., Herr Jesu Christ, ich schrei zu dir (Freiberg 1620)129 Anon., Herr Jesu Christ, mein Herr und Gott, lass mich (Freiberg 1620)130 Anon., Ich war ein kleines Kindlein geborn auf diese Welt (Freiberg 1620) Johann Hermann Schein, Ich will still und geduldig sein (1625) Johann Hermann Schein, Mein Gott und Herr, ach sei nicht ferr (Leipzig 1627) Johann Hermann Schein, Mach’s mit mir, Gott, nach deiner Güt (Leipzig 1628) Michael Ziegenspeck, Ade, ich muss dich lassen (Altenburg 1627) Johann Kempff († 1625), Wenn ich in Todesnöten bin (Gotha 1648; vgl. S. 107) Die fünf erstgenannten Lieder stammen aus dem Begräbnisliederbuch Threnodiae des Freiberger Kirchenmusikers Christoph Demantius,131 die drei Lieder Scheins aus dessen Cantional (Leipzig 1627/1645, vgl. ab S. 103). Das Lied von Michael Ziegenspeck steht erstmals in Clauders deutsch-lateinischer Psalmodia Nova, das von Johann Kempff im Gothaer Cantionale Sacrum (vgl. S. 111). Von den schlesischen Dichtern sind sowohl Opitz als auch Gryphius vertreten. Dazu kommen neun Lieder von Johann Heermann – unter ihnen vier ‚Gerichts-, Himmels- und Höllenlieder‘ – sowie eines von dem Görlitzer Diakonus Gregorius Richter aus der benachbarten Lausitz: Martin Opitz, Auf, auf, mein Herz, und du, mein ganzer Sinn (Breslau 1625) Martin Opitz, Das blinde Volk der Heiden (Leipzig 1628) Johann Heermann, Ach Gott, ich muss in Traurigkeit (Breslau/Leipzig 1630)

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In der Originalfassung Freiberg 1620 (FT I 574.): Herr Jesu Christ, ich schrei zu dir mit ganz betrübter Seele. Dieses Lied wird hier wie auch sonst immer wieder Ringwaldt zugeschrieben, stammt aber wohl nicht von ihm. Der Beleg aus den Threnodiae (Freiberg 1620) steht bei Reckziegel, Cantional, 198. Der aus Reichenberg gebürtige Freiberger Kantor Christoph Demantius hatte die Threnodiae 1620 als Begräbnisgesangbuch herausgegeben, nachdem er bemerkt hatte, dass man beim Singen auf Begräbnissen „keinen Abwechsel habe für den Thüren, im gehen und auf dem Gottesacker, da man in allen kaum ein Lied achte oder neune gehabt, welche man mit verdruss oftmals zu zwey und dreymalen, sonderlich bei Chur- und Fürstlichen Leichbegängnissen repetiren und widerholen müssen“ (zit. nach Dibelius, Geschichte, 236). Zwei weitere Lieder aus Demantius’ Threnodiae sind: Anon., Fahr hin, du liebste Seele mein (D-1656); anon., Hie lieg ich in der Erden Schoß (D-1656; L-1682).

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Johann Heermann, Wach auf, o Mensch, o Mensch, wach auf (Breslau/Leipzig 1630) [GHHö] Johann Heermann, Gottlob, die Stund ist kommen (1632) Johann Heermann, Lasset ab, ihr meine Lieben (Breslau/Leipzig 1636) Johann Heermann, Höret, o ihr Kinder Gottes, höret (Breslau/Leipzig 1636) [GHHö] Johann Heermann, Wenn des Menschen Sohn wird wiederkommen (Leipzig 1636) [GHHö] Johann Heermann, Ach wie schnelle wird verkehret (Breslau/Leipzig 1644) Johann Heermann, Lasset Klag und Trauren fahren* Johann Heermann, Wollt ihr euch nun, o ihr fromme Christen* [GHHö] Andreas Gryphius, Ade, verfluchtes Tränental (Frankfurt/M. 1650) Andreas Gryphius, Die Herrlichkeit der Erden (Frankfurt/M. 1650) Gregorius Richter († 1633), Lasset ab von euren Tränen (Leipzig 1658) Besonders auffällig ist die Dominanz der Königsberger Dichter. Die Blütezeit dieser Texte liegt etwa zwischen 1635 und 1650. 15 Lieder allein von Simon Dach enthalten die beiden einschlägigen Rubriken, wobei nur Ich steh in Angst und Pein zur Rubrik der Gerichtslieder gehört: Simon Dach, Ach lasst uns Gott doch einig leben (1638) Simon Dach, Du, o getreue Mutter Erde (1645) Simon Dach, Du siehest, Mensch, wie fort und fort (Königsberg 1640) Simon Dach, Es vergeht mir alle Lust (Königsberg 1639) Simon Dach, Gleichwohl hab ich überwunden (Königsberg 1639) Simon Dach, Gott herrschet und hält bei uns Haus (Königsberg 1641) Simon Dach, Herr, es mangelt nicht an dir (1640) Simon Dach, Ich bin ja, Herr, in deiner Macht (Königsberg 1648) Simon Dach, Ich steh in Angst und Pein (Königsberg 1641) [GHHö] Simon Dach, Lass sterben, was bald sterben kann (1641) Simon Dach, Mein Abschied aus der bösen Welt (Königsberg 1636) Simon Dach, O wie selig seid ihr doch, ihr Frommen (Danzig 1635) Simon Dach, Raffet auch der Tod die greisen Haare (Königsberg 1640) Simon Dach, So gänzlich ist auf nichts allhier zu bauen (1643) Simon Dach, Was hat ein frommer Christ doch Not (Königsberg 1639) Dazu kommen ebenso viele Lieder aus dem Königsberger Umkreis von Simon Dach: Anon., Christo hat mein Leben sich nun ganz ergeben (Königsberg 1643) Andreas Adersbach, O der trüben Trauertage (Königsberg 1645) Heinrich Albert, Einen guten Kampf hab ich (Königsberg 1638) Heinrich Albert, Dass alle Menschen sterblich sein (Königsberg 1642) Heinrich Albert, Zum Sterben ich bereitet bin (Königsberg 1645)

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Georg Mylius, Herr, ich denk an jene Zeit (Königsberg 1639) Robert Roberthin, Dass alle Menschen sterben müssen (Königsberg 1640) Robert Roberthin, Des Lebens kurze Zeit (Danzig 1638) St. Sass (?), Wie frei und selig seid ihr doch*132 Georg Weissel, Kurz ist die Zeit, kurz sind die Jahr (Königsberg 1634) Georg Weissel, Gar wohl mein Herz entschlossen ist (Berlin 1648) Georg Weissel, Ich bin dein satt, o schnöde Welt (Königsberg 1650) Georg Werner, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl, dass ich (Danzig 1636) Georg Werner, Ich hab gottlob das Mein’ vollbracht (Königsberg 1639) Christoph Wilkow, Wie ist der Mensch doch so betört (Königsberg 1640) Nicht ganz so zahlreich und meist in die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg zu datieren sind die Lieder Berliner Herkunft. Ihr wichtigster Vertreter ist Paul Gerhardt, der mit folgenden Liedern vertreten ist: Paul Gerhardt, Du bist zwar mein und bleibest mein (Berlin 1650) Paul Gerhardt, Mein herzer Vater, weint Ihr noch (Berlin 1650) Paul Gerhardt, Die Zeit ist nunmehr nah (Berlin 1653) (GHHö) Paul Gerhardt, Nun sei getrost und unbetrübt (Wittenberg 1664) Paul Gerhardt, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, das soll (Berlin 1667) Paul Gerhardt, O Tod, o Tod, du greulichs Bild (Berlin 1667) Paul Gerhardt, Was trauerst du, mein Angesicht (Berlin 1667) Von den acht weiteren Liedern Berliner Ursprungs stammen sechs von Christoph Runge, dem Verleger der Praxis Pietatis Melica (zu ihr vgl. ab S. 80): Christoph Runge, Was ist der Mensch auf dieser Welt (Berlin 1647) Christoph Runge, Nun will auch ich abscheiden (Berlin 1664) Christoph Runge, Herr Jesu, weil ich itzo soll (Berlin 1664) Christoph Runge, Dein Wort gib rein in unser Herz (Berlin 1666)133 Christoph Runge, Ich will gar gerne sterben (Berlin 1671) Christoph Runge, Herr Christ, der jüngste Tag (Berlin 1672) (GHHö) Michael Schirmer, Nun lieg ich armes Würmelein (Berlin 1647)134 Joachim Pauli, So hab ich nun vollendet (Berlin 1664)

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Das „St. Sass“ zugeschriebene Lied (möglicherweise Stephan Saß, vgl. FT III S. 40) findet sich erst in der Ausgabe von 1702. Nach Bachmann, Geschichte, 274f stammt das Lied von Runge. Zuerst abgedruckt ist es in der Berliner Praxis Pietatis Melica von 1666, steht dort aber nicht unter den Sterbe- und Ewigkeitsliedern, sondern als letztes Lied am Ende des Buches (Nr. 641) nach der Litanei. Schirmers Namenskürzel M. M. S. steht auch bei dem Lied Nun hör auf, alles Leid, Klag und Sehnen*, einer Übersetzung von Iam moesta aus der Berliner Praxis Pietatis Melica von 1666, die dort aber mit dem unaufgelösten Kürzel M. M. R. – offenbar ein Übertragungsfehler. Bachmann, Geschichte, 320f hat den Beleg 1666 übersehen, nach seinen Angaben taucht das Lied erstmals in der Praxis Pietatis Melica von 1672 (16. Berliner Auflage) auf.

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Aus der unmittelbaren räumlichen Nähe zum Lüneburger Sternverlag ist Johann Rist derjenige Autor, der im Lüneburger Gesangbuch mit den meisten Sterbe- und Ewigkeitsliedern hervortritt; seine Werke waren ebenfalls im Sternverlag erschienen, auch die Himlischen Lieder (Lüneburg 1641/42) und der Neüen Himlischen Lieder Sonderbahres Buch (Lüneburg 1651), aus denen die meisten der hier verwendeten Lieder stammen (vgl. zu beiden auch S. 550–556). Eine Besonderheit von Rists Beitrag besteht in der Verteilung auf die beiden Rubriken – es sind nur drei Lieder ‚Vom Tod und Begräbnis‘, dafür aber fünf ‚Gerichts-, Himmels- und Höllen-Lieder‘: Johann Rist, O Ewigkeit, du Donnerwort (Lüneburg 1641) [GHHö] Johann Rist, O Vater aller Gnaden, reich von Barmherzigkeit (Lüneburg 1651) Johann Rist, Erschrecklich ist es, dass man nicht (Lüneburg 1651) [GHHö] Johann Rist, Es nahet sich der letzte Tag (Lüneburg 1651) Johann Rist, Ich will für allen Dingen (Lüneburg 1651) [GHHö] Johann Rist, Kommt her, ihr Menschenkinder (Lüneburg 1651) [GHHö] Johann Rist, Lasst ab von Sünden alle (Lüneburg 1651) [GHHö] Johann Rist, Mein Gott, erbärmlich lieg ich hier (Lüneburg 1654) Neben den Liedern Rists stammen die sechs auf S. 66 genannten von Gesenius/ Denicke aus dem Hannoverischen Gesangbuch (1646), die zwei von Herzog Anton Ulrich135 (vgl. S. 67) sowie einige weitere aus der Region ‚mittleres Norddeutschland‘ (einschließlich Holstein): Anon., Allenthalben, wo ich gehe (Braunschweig 1661) Franz Joachim Burmeister, Es ist genug, so nimm, Herr, meinen Geist (Sondershausen/Mühlhausen 1662) Gottfried Wilhelm Sacer, Komm, Sterblicher, betrachte mich (Stralsund 1665) Justus Georg Schottelius, Was ist doch unser Lebenszeit (Frankfurt/M. 1666) Christoph Gensch, Je länger hier, je später dort (Plön 1675) Christian von Stöcken (?), Ihr Seufzer, ach haltet doch innen*136 Die fränkischen Lieder des 17. Jahrhunderts stammen fast alle aus dem Nürnberger Raum und aus der Zeit ab Ende des Dreißigjährigen Krieges. Zeitlich ist Johann Sauberts Ach wie sehnlich wart ich der Zeit früher anzusetzen; räumliche Ausnahmen bilden Jerusalem, du hochgebaute Stadt aus Johann Matthäus Meyfarts Tuba Novissima (Coburg 1626) und zwei weitere Lieder: 135 136

Die Lieder von Anton Ulrich stehen aber erst in der Ausgabe von 1702. Burmeister (1633–1672), gebürtiger Lüneburger, war dort ab 1670 Pfarrer (vgl. FT IV S. 436). Sacer (1635–1699) wirkte ab 1670 als Advokat in Braunschweig und Wolfenbüttel (vgl. FT IV S. 485). Schottelius (1612–1676) war Mitglied der Nürnberger Pegnitzschäfer, zugleich aber seit 1642 Gerichtsbeamter in Wolfenbüttel (vgl. FT V S. 38). Christoph Gensch Edler von Breitenau (1638–1732) war 1675 Hofrat des Herzogs von Holstein-Plön (vgl. FT IV S. 534). Christian von Stöcken (1633–1684) war ab 1666 Hofprediger in Eutin, ab 1674 Dr. theol., ab 1677 Propst zu Rendsburg (vgl. ADB 36, 284f; FT IV S. 454). Die Autorangabe „Christ. v. Stôck. D.“ in Lü-1695 (Lü-1702: „C. v. St. D.“) dürfte wohl auf ihn verweisen.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Johann Saubert d. Ä., Ach wie sehnlich wart ich der Zeit (Nürnberg 1623) Johann Matthäus Meyfart, Jerusalem, du hochgebaute Stadt (Coburg 1626) [GHHö] Michael Franck, Welt, gute Nacht mit deiner Pracht (Coburg 1654) Anon., Welt, ade, ich bin dein müde (Bayreuth 1668) Von den späteren Nürnberger Autoren zählen Harsdörffer, Birken, Omeis und Klaj zum Pegnesischen Blumenorden (vgl. S. 132; ebenso der bereits oben erwähnte Justus Georg Schottelius): Georg Philipp Harsdörffer, Wer denket an der Höllen Glut (Nürnberg 1648) [GHHö] Georg Philipp Harsdörffer, O Sündenmensch, bedenk den Tod (Nürnberg 1649) [GHHö] Johann Klaj, Ich hab ein guten Kampf gekämpft (Nürnberg 1651)137 Sigmund von Birken, Herr Jesu Christe, Gottes Sohn, ich red zu dir wie Simeon (Nürnberg 1663) Sigmund von Birken, Was soll dies zage Klagen sein* Magnus Daniel Omeis, Ich hab Bescheid, zu scheiden von der Welt (Nürnberg 1673) Magnus Daniel Omeis, Es ist nun aus mit meinem Leben (Nürnberg 1673)138 Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von anderen Liedern von Nürnberger Autoren, unter denen der den Pegnitzschäfern nahe stehende Pfarrer Johann Michael Dilherr139 und der Jurist Erasmus Finx (alias Francisci) die meist genannten sind. Johann Michael Dilherr, Gehab dich wohl, du schnöde Welt (Nürnberg 1646) Johann Michael Dilherr, Wenn ich nicht würd damit getröst (Nürnberg 1646) Johann Michael Dilherr, Ach wie lang muss ich mich schlagen (Nürnberg 1653) Johann Michael Dilherr, Erschrecken ich ja billig sollt (Nürnberg 1653) Johann Michael Dilherr, Was ich begehr, das kann ich nicht (Nürnberg 1653) Johann Michael Dilherr, Warum sollt ich bekümmert sein (Nürnberg 1677) Johann Jakob Rude, Ach wann soll es denn geschehen (Nürnberg 1648) Daniel Wülffer, O Ewigkeit, o Ewigkeit (Nürnberg 1648) Johann Christoph Arnschwanger, Zwei Ort, o Mensch, hast du für dir (Nürnberg 1659) Christoph Titius, Was ist unser Leben (Nürnberg 1663) 137 138

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Vgl. dazu S. 136 Anm. 350. Erst Lü-1702; Textanfang dort: „NUn ist es auß mit meinem leben“. Die beiden Lieder von Omeis stammen aus Der Geistlichen Erquickstunden […] Poetischer Andacht=Klang (Nürnberg 1673), in dem Nürnberger Dichter die Betrachtungen aus Heinrich Müllers Geistlichen Erquickstunden poetisch verarbeiten. Von sechs im Lüneburgischen Gesangbuch belegten Texten Dilherrs sind bei FT nur die zwei ersten enthalten (FT V 188.; 192.); Dilherr ist dort überhaupt nur lückenhaft berücksichtigt. Die drei nächsten Belege (Nürnberg 1653) beziehen sich auf Dilherrs Engelfreude (vgl. S. 132), der letzte auf das Nürnbergische Gesangbuch (vgl. S. 133).

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Erasmus Finx, Mir vergeht zu leben länger alle Lust (Nürnberg 1668) Erasmus Finx, Wie selig ist ein frommer Christ (Nürnberg 1668) Erasmus Finx, Ein Tröpflein von den Reben (Nürnberg 1668) Johann Saubert d.J., Nun, ihr abgelebte Glieder (Nürnberg 1676) Anon., Zu dir erheb ich meine Sinnen (Nürnberg 1680) Auch aus den sächsischen Gebieten verzeichnet das Lüneburgische Gesangbuch zahlreiche Sterbe- und Ewigkeitslieder aus der Zeit nach Kriegsende: Georg Neumark, Ich bin müde, mehr zu leben (Hamburg 1652) Johann Rosenmüller, Alle Menschen müssen sterben (Leipzig 1652) Justus Sieber, Welt, packe dich, ich sehne mich (Dresden 1658) Ernst Christoph Homburg, Ach was ist unser Leben? (Jena 1659) Ernst Christoph Homburg, Herr Jesu Christ, mein Leben (Jena 1659) Ernst Christoph Homburg, Nun, mein Gott, ich bin’s zufrieden* Johann Rosenthal, Ach was ist doch unser Lebn (Altenburg 1659) Benjamin Prätorius, Sei getreu bis an das Ende (Leipzig 1659) Johann Olearius, Lobe, mein Herz, deinen Gott (Leipzig 1661) Johann Olearius, Gottlob, die Welt ich lasse (Leipzig 1671) Johann Olearius, Herr Jesu, mein Trost, Hilf und Rat (Leipzig 1671) Johann Olearius, Mein Lauf ist nun vollendet (Leipzig 1671)140 Jakob Ritter, Ich fahr und weiß gottlob wohin (Leipzig 1666) Jakob Ritter, Wie selig ist der Mensche doch (Leipzig 1666) Johann Niedling, Von Herzen ich mich freue (Naumburg 1668) Die Jahrgänge ab 1670 schließlich, die der Publikation des Lüneburgischen Gesangbuchs 1686 unmittelbar vorausgehen, sind naturgemäß weniger stark vertreten als jene, deren Liedproduktion sich schon über einige Jahre länger hatte verbreiten können. Doch auch aus den Siebziger und Achtziger Jahren haben schon zahlreiche Sterbe- und Ewigkeitslieder Aufnahme gefunden. Das jüngste dieser Lieder – Wer weiß, wie nahe mir mein Ende – ist erst in der Auflage von 1702 berücksichtigt. Zu dieser Gruppe gehören neben den schon zuvor Genannten: Ahasverus Fritsch, Ach wann kommen doch die Stunden (Jena 1670) Georg Sigismund Vorberg, Ist meine Wallfahrt nun vollbracht (Frankfurt/M. 1676) Johann Quirsfeld, Ihr Eltern, gute Nacht (Leipzig 1679) Jeremias Gerlach, Treuer Gott, lass den Tod mich nicht fällen (Nürnberg 1680) Ludämilie Elisabeth von Schwarzburg-Rudolstadt, Ach wer schon im Himmel wäre (Rudolstadt 1685) [GHHö] Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, O du dreieinger Gott (1682)

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Die drei letztgenannten Lieder Olearius’ stammen aus dessen Geistlicher Singekunst (Leipzig 1671).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, Wer weiß, wie nahe mir mein Ende (1688) Philipp Jacob Spener (?), So ist’s an dem, dass ich mit Freuden* Für einen Gesamtüberblick über den Anteil von Liedern aus den verschiedenen Zeitabschnitten am Gesamtbestand wurden auch solche Lieder berücksichtigt, die im Lüneburgischen Gesangbuch zwar mit einer Autorangabe versehen sind, für die aber (noch) kein externer Beleg ermittelt werden konnte; sie sind gekennzeichnet mit *. Da die Autorangaben sich als nicht ganz zuverlässig erwiesen haben, können die folgenden Zahlen nur als ungefähre Werte verstanden werden, die von den Größenordnungen aber doch einen Eindruck vermitteln können: Demnach stammen 32 Lieder aus der Zeit vor 1600, 15 aus der Zeit bis 1624 und 144 aus der Zeit ab 1625, wobei die Zeit vor und die nach 1650 etwa gleich stark berücksichtigt sind. Nicht zugeordnet werden konnten 53 Lieder, die vermutlich ebenfalls überwiegend jüngeren Datums sind. Johann Sterns Lüneburgisches Gesangbuch erweist sich damit als riesiges Kompendium vor allem der zeitgenössischen Gesangbuchliteratur. Zugleich ist es ein erstes und besonders umfangreiches Beispiel für ein Phänomen, das gegen Ende des 17. Jahrhunderts um sich greift und für das im Folgenden auch noch weitere Beispiele begegnen werden – ein Beispiel für die Sammelwut, mit der Lieder in Gesangbüchern angehäuft wurden und die den Benutzern eine kaum überschaubare Fülle bot. Dass das Gesangbuch dennoch verwendet wurde, zeigen handschriftliche Markierungen im Exemplar von 1702.141 e) Überblick über die Liedauswahl der ausgewerteten Stern-Gesangbücher Insgesamt umfasst die Liedauswahl der ausgewerteten Gesangbücher 285 Sterbe- und Ewigkeitslieder. Davon sind 35 ausschließlich in Lü-1625 zu finden, 177 ausschließlich im Lüneburgischen Gesangbuch (Lü-1695/-1702). Der Anteil der Sterbe- und Ewigkeitslieder an den Liedern insgesamt liegt zwischen 7,3% (Hannoverisches Gesangbuch 1660) und 12,5% (Bibel 1640), ohne dass eine steigende oder fallende Tendenz erkennbar wäre. Der Hauptakzent in der Liedauswahl verlagert sich deutlich zugunsten der Rezeption neuer Erbauungslieder vornehmlich von Autoren wie Dach, Heermann, Rist, Gerhardt, Dilherr, Runge u.a., während viele der 1625 schwerpunktmäßig vertretenen Lieder des 16. Jahrhunderts (Weisse, Selnecker, Herman) weggefallen sind. Eine thematische Verschiebung lässt sich in Art und Umfang der spezielleren Rubriken neben ‚Vom Tod und Sterben‘ erkennen: Lag der Schwerpunkt in Lü-1625 auf der Betrachtung des universalen Endes (‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘), so richtet sich das Interesse seit dem Hannoverischen Gesangbuch auf das individuelle Ergehen im Jenseits (‚Himmel‘, ‚Hölle‘). Parallel vollzieht sich der 141

Angekreuzt sind: O Herr Gott hilf, zu dir ich ruf (Zürich 1560); Lucas Backmeister, O Herr, gedenk in Todespein nicht meiner schweren Sünden (Rostock 1617); Johann Hermann Schein, Mein Gott und Herr, ach sei nicht ferr (Leipzig 1627); anon., Mein Lebensend hat sich zu mir gewendet*; anon., Nun hat mich auch gewähret mein allerliebster Gott*; anon., O du Leben meiner Seele, Jesu, Jesu, liebstes Licht*.

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II. Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts

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Wandel des im Titel erklärten Gebrauchs: War 1625 eine liturgische Herkunft und Verwendung der Lieder behauptet worden, so kommt mit dem Hannoverischen und in der Folge auch dem Cellischen Gesangbuch eine privaterbauliche Zielsetzung ins Spiel (Hauskirche). Gerade den neuen Liedern scheint vornehmlich ein derartiger Sitz im Leben zuzukommen. Spätere Auflagen fügen die liturgische Verwendung dann – unter Beibehaltung der neuen Lieder – zusätzlich wieder ein. Durchweg oder fast durchweg vertreten sind in den ausgewerteten Lüneburger Drucken folgende Sterbelieder und folgende Lieder vom Jüngsten Tag [J]: Martin Luther, Mit Fried und Freud ich fahr dahin (Wittenberg 1524) Martin Luther, Mitten wir im Leben sind (Erfurt 1524)142 Michael Weisse, Nun lasst uns den Leib begraben (Jungbunzlau 1531) Nicolaus Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Wittenberg 1562) Paul Eber, Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott (Frankfurt/M. 1563) Bartholomäus Ringwaldt, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl (Frankfurt/O. 1586) Bartholomäus Frölich, Ein Würmlein bin ich, arm und klein (Leipzig 1587) Johannes Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Nürnberg 1589)143 Christoph Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Görlitz 1611) Anon., Wacht auf, ihr Christen alle, wacht auf mit ganzem Fleiß (niederdt. Lübeck 1545) [J] Erasmus Alber, Gott hat das Evangelium (1548) [J] Bartholomäus Ringwaldt, Es ist gewisslich an der Zeit (Frankfurt/O. 1586) [J] Dass die Auswahl der häufigsten Lieder ihren Schwerpunkt so deutlich im 16. Jahrhundert hat, zeigt, wie fest im kirchlichen Leben etabliert einige der alten Lieder waren und wie nachhaltig sie die Frömmigkeit prägten.

3. Kurbrandenburg (am Beispiel Berlin) Im Kurbrandenburg des 17. Jahrhunderts nimmt Johann Crügers Gesangbuch Praxis Pietatis Melica für den lutherischen Bereich eine Art Monopolstellung ein. Als Vorstufe erschien 1640 Johann Crügers Newes vollkömliches Gesangbuch (a), die Praxis Pietatis Melica selbst (b) ab 1647. Allein in Berlin kamen bis 1736 45 Auflagen heraus; doch Crügers Gesangbuch wirkte auch weit darüber hinaus: Seit 1656 wurde es in Frankfurt/M. immer wieder nachgedruckt und stark rezipiert; Nachdrucke existieren auch aus Stettin.144 Die Zahl der Auflagen und Nachdrucke verweist auf die Beliebtheit und die ungewöhnliche Verbreitung dieses neuartigen Gesangbuchs, das mit jeder Auflage weiter anwuchs. In Berlin wurde es erst allmählich vom pietistischen 142

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Das Lied findet sich allerdings in der Hälfte der untersuchten Lüneburger Drucke unter den Buß- statt unter den Sterbeliedern. Im Hannoverischen und Cellischen Gesangbuch steht das Lied in der Abteilung ‚Vom menschlichen Elend‘, nicht unter den ‚Vier letzten Dingen‘. Das DKL verzeichnet sechzehn Frankfurter und drei Stettiner Auflagen (vgl. Bunners, Frömmigkeit, 10).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Gesangbuch Johann Porsts abgelöst (Erstausgaben 1708 und 1713). Ausgewertet wurden zwei Berliner Ausgaben (B-1666 und B-1703) und eine Ausgabe aus Frankfurt/M. (F-1666). Ein offizielles Gesangbuch gab es in Berlin und Kurbrandenburg nicht: Neben der lutherischen Mehrheit existierte seit der Konversion von Kurfürst Johann Sigismund 1613 auch eine reformierte Minderheit, deren oberste Repräsentanten die Angehörigen der kurfürstlichen Familie waren.145 Gleichsam als reformiertes Pendant zur Praxis Pietatis Melica brachte Johann Crüger bei Christoph Runge 1657/58 die Psalmodia Sacra heraus, die ebenfalls mehrfach aufgelegt wurde und die hier als (wenn auch konfessionsfremdes) Mitglied der Gesangbuchfamilie kurz gestreift werden soll (c). Ein letzter Blick gilt Peter Sohrens Musicalischem Vorschmack (Hamburg 1683), einem umfangreichen Gesangbuch in der Tradition der Frankfurter Drucke der Praxis Pietatis Melica (d). Ein gutes Beispiel für den weit reichenden Einfluss von Crügers Gesangbuch ist auch das Lüneburgische Gesangbuch (vgl. ab S. 67): Hier wurden fast alle Sterbe- und Ewigkeitslieder der Praxis Pietatis Melica übernommen.146 a) Johann Crügers Newes vollkömliches Gesangbuch (1640) Die Berliner Gesangbuchgeschichte beginnt erst spät: 1640 erscheint bei „Georg Rungens Witwe“ ein vom Nikolaikantor Johann Crüger herausgegebenes Newes vollkömliches Gesangbuch Augspurgischer Confession.147 Welche Gesangbücher in Berlin zuvor verwendet worden sind, ist schwer zu sagen.148 Dass die Lieder der lutherischen Reformation, besonders die Wittenberger Tradition, den Gemeindegesang auch in Berlin geprägt haben, ist anzunehmen. Außerdem ist ein hymnologischer Einfluss aus dem nahe gelegenen Frankfurt/O. denkbar, wo nicht nur das Eichornsche Gesangbuch, sondern auch die Werke des produktiven Liederdichters Bartholomäus Ringwaldt (um 1530–1599) erschienen. An Crügers Gesangbuch von 1640 fällt dreierlei auf: Es ist zunächst laut Titel für den kirchlichen Gebrauch in Berlin-Brandenburg bestimmt („Auff die in der Chur= vnd Marck Brandenburg Christliche Kirchen, Fürnemlich beyder Residentz Städte Berlin vnd Cölln gerichtet“); es enthält sowohl alte wie neue Gesänge („nicht 145

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Zum historischen Kontext des kurfürstlichen Konfessionswechsels und der reformierten Konfessionalisierung in Brandenburg vgl. Rudersdorf/Schindling, Kurbrandenburg, 52–62. Nur eines von 74 Sterbe- und Ewigkeitsliedern aus der Praxis Pietatis Melica von 1666 fehlt im Lüneburgischen Gesangbuch (Johann Heermanns Der Tod klopft itzund bei mir an). Acht sind in andere Rubriken gewechselt, etwa zu den Osterliedern (Peter Hagen, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, ob schon viel Feind), „Vom Creutz und Unglück“ (Simon Dach, Was soll ein Christ sich fressen) und vor allem „Vom heiligen Leben und Christlichem Wandel“ (Michael Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig; Simon Dach, Du, Gott, bist außer aller Zeit; Martin Schalling, Herzlich lieb hab ich dich, o Herr u.a.). Nur auf den ersten Blick fehlt Johann Siegfrieds Ich hab mich Gott ergeben, dessen vier Strophen sich als Str. 3–6 unter dem Lied Herr Christ, wenn ich bedenke verbergen. Hier dargestellt aufgrund von Bachmann, Geschichte, 20–29; Vorrede zit. nach Bunners, Paul Gerhardt, 294. Vor 1640 verzeichnet die GBB lediglich ein Gebet- und Liederbuch von Andreas Mauritius um 1611 (Kurtze andechtige Gebet und Christliche Gesenge … umb abwendung der wolverdienten Pestilentzischen Strafruthen) und eine Lobwasser-Ausgabe bei Martin Guth (1623).

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allein […] Lieder, so bißhero in Christl: Kirchen bräuchlich gewesen: sondern auch viel schöne newe Trostgesänge“), von denen die „des vornehmen Theol: vnd Poeten Herrn Johan Heermans“ schon im Titel besonders hervorgehoben werden; und es ist durch Crüger musikalisch besonders anspruchsvoll und aufwendig ausgestattet: 137 Melodien sind zweistimmig mit Noten abgedruckt (Diskant und Bass); Alt- und Tenorstimmen, in gesonderten Heften erhältlich, vervollständigen jeweils die vierstimmigen Sätze. Was lässt sich aus diesen Beobachtungen für den Gottesdienst an der Nikolaikirche und für den Gebrauch des Werkes folgern? Die Unterscheidung von alten und neuen Liedern ist deutlich an unterschiedliche Funktionsbestimmungen gebunden: Die alten sind „bißhero in Christl: Kirchen bräuchlich gewesen“, während die neuen „Trostgesänge“ offenbar eine ganz andere Kategorie bilden. In der fromm an Jesus Christus selbst gerichteten Dedikation gibt Crüger an, die musikalische Gestaltung sei dazu gedacht, „fromme Liebhaber deines Namens zu mehrer devotion und Andacht damit anzumahnen und aufzumuntern“149. Anders als im Titel wird in der Vorrede nicht mehr so eindeutig gesagt, wo diese Andacht stattfinden solle. Einerseits wird hier die Kirche als Braut Christi angesprochen und dabei aufgefordert, wie die Taube in Hld 2,14 ihre Stimme zu erheben; die Aufforderung zur Andacht hat aber auch einen individuellen, persönlichen Charakter. Ein Bezug zum Landesherrn fehlt; gewidmet ist das Werk keinem Fürsten, sondern Jesus Christus. Die 248 Lieder sind in 29 Rubriken aufgeteilt, von denen die letzten beiden „Vom Tod und Sterben“ (20 Lieder) und „Vom jüngsten Tage und Auferstehung der Todten“ (7 Lieder) handeln; der Anteil der Sterbe- und Ewigkeitslieder beträgt 10,9%. Darunter sind auch Bartholomäus Ringwaldts Geliebten Freund, was tut ihr so verzagen (Frankfurt/O. 1577) und Bartholomäus Frölichs Ein Würmlein bin ich, arm und klein (Leipzig 1587); etwas jüngeren Datums sind Auf meinen lieben Gott (Lübeck 1603) und Herzlich tut mich verlangen (Görlitz 1611). Erst fünfzehn Jahre alt ist Ich will still und geduldig sein von Johann Hermann Schein (Leipzig 1625). Besonders zu nennen sind die drei enthaltenen Sterbelieder von Johann Heermann, der insgesamt mit 35 Liedern vertreten ist: Johann Heermann, Ach Gott, ich muss in Traurigkeit (Breslau/Leipzig 1630) Johann Heermann, Gottlob, die Stund ist kommen (1632) Johann Heermann, Lasset ab, ihr meine Lieben (Breslau/Leipzig 1636) Ohne auf die reformatorische Überlieferung zu verzichten oder sie zu beschneiden, setzt Crüger gerade mit der ausgiebigen Berücksichtigung Heermanns schon zu Beginn der Berliner Gesangbuchgeschichte neue Akzente. b) Die Praxis Pietatis Melica Das Gesangbuch von 1640 stellt eine wichtige Vorstufe zur Praxis Pietatis Melica dar, die 1647 bei Christoph Runge zum ersten Mal erschien. Der Titel verweist aus149

Zit. nach Bunners, Paul Gerhardt, 294.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

drücklich auf beide Verwendungskontexte: Das Buch ist „zu Befoderung des so wohl Kirchen= als Privat=Gottesdienstes“ bestimmt. Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang die von Christian Bunners gesammelten Hinweise darauf, dass auch die neueren Lieder Eingang in den lutherischen Gottesdienst gefunden haben – jedenfalls unter den Berliner Kirchenmusikern Crüger und Ebeling.150 Dabei wurden die Lieder durchaus nicht nur vom Chor,151 sondern auch von der Gemeinde gesungen,152 so dass Paul Gerhardts Lieder schon zur Zeit seiner Auseinandersetzung mit dem Großen Kurfürsten sehr bekannt waren. Für die überregionale Wirkung von Crügers Gesangbuch ist der Gebrauch im „Hauß=Gottesdienst“ wohl aber noch bedeutender. Dass Crüger sein Buch auch für diesen Sitz im Leben konzipiert hat, geht nicht nur aus dem Titel hervor, sondern auch aus der Rubrizierung, die neue Prioritäten setzt: Die ‚Festlieder‘ zum Kirchenjahr bilden hier erst den zweiten Abschnitt. Ihnen voraus gehen Rubriken, die weniger eindeutig liturgisch zuzuordnen sind – Morgen- und Abendlieder sowie Lieder zu Buße und Rechtfertigung. B-1666. Für die Frage, welche Sterbe- und Ewigkeitslieder in der Praxis Pietatis Melica enthalten waren, soll hier zunächst die 12. Berliner Auflage herausgegriffen werden, die 1666, drei Jahre nach dem Tod Crügers, bei Christoph Runge erschien. Runge hatte das Buch „von seinem Auctore [Crüger] erblich erkauffet“ und das Privileg des reformierten Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm zum Nachdruck erhalten.153 Dem Kurfürsten ist diese Auflage auch zugeeignet. Durch die Wahl des Quart- statt des Oktavformats und durche die große Schrift sollte der Gebrauch in Haus und Kirche erleichtert werden.154 Auf einem Exemplar dieser Ausgabe basiert die nachfolgende Aufstellung, die zudem auch Bachmanns Auswertung weiterer Auflagen berücksichtigt.155 Insgesamt 641 Lieder in fünf Rubriken enthält die Ausgabe von 1666; angehängt sind 65 Epistellieder Opitz’ in der Vertonung von Jacob Hintze sowie ein Habermannsches Gebetbuch. Der fünfte und letzte Abschnitt „Sterbegesänge. Item / Von der Auferstehung der Toten“ enthält 74 Lieder (11,5%), davon 63 Sterbelieder und 11 „Vom Jüngsten Tage und Auferstehung der Todten“ [JA].156 32 Lieder sind mit Noten (Diskant und Bass) 150 151

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Vgl. Bunners, Frömmigkeit, 16–18; Bunners, Lieder, 161–163; Bunners, Gebrauch, 274–277. Mehrstimmige Chorsätze zu liturgischem Gebrauch brachte Crüger schon 1649 heraus, vgl. Bunners, Lieder, 162. In der Vorrede zur Ausgabe von 1656 äußert sich Crüger darüber, wie „die Gemeine in der kirchen zugleich mitsingen kann“ (zit. nach Bunners, Frömmigkeit, 18). Nach der Zueignungsschrift umfasst das Privileg nicht nur ein Verbot von Nachdrucken innerhalb des Kurfürstentums, sondern auch ein Einfuhrverbot für „anderswo [also in Frankfurt] gedruckte Exemplaria“ (B-1666, fol. A 4r). Die Neuauflage geschieht „in einem sothanen Format / und mit solcher Schrifft / dergleichen vor nie heraus kommen / daß es so ein fügliches Kirchenbuch / oder auch für alte Leute / und bey dem Hauß=Gottesdienste hätte sein können“ (B-1666, fol. A 4r). Bachmann verwendet neben der Berliner Auflage von 1666 auch eine Frankfurter von 1656 sowie weitere Berliner Auflagen von 1661 (10. Aufl.), 1664 (11. Aufl.), 1672 (16. Aufl.) und 1712 (35. Aufl.). Lieder, die in der nachfolgenden Aufstellung nicht weiter gekennzeichnet sind, finden sich laut Bachmann in allen von ihm verwendeten Auflagen; wo nicht, ist dies im Folgenden durch einen Zusatz vermerkt (z. B. „PPM ab 1664“); die Angaben stammen aus dem Liedverzeichnis bei Bachmann, Geschichte, 262–351. Daneben sind auch im vierten Teil („Christliches Lebens und Wandels / Wie auch Gemeiner Noth Lieder“) Lieder enthalten, die sich mit der menschlichen Vergänglichkeit beschäftigen – etwa J. Francks Du,

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abgedruckt, 42 Mal wird auf eine bekannte Melodie verwiesen. Das Niveau und die Sorgfalt der musikalischen Gestaltung, für die Crügers Name steht, knüpfen an das Gesangbuch von 1640 an. Bei vielen Liedern sind Verfasser angegeben, manchmal allerdings fehlerhaft.157 Der Anteil der Sterbe- und Ewigkeitslieder aus dem 17. Jahrhundert ist mit 43 Liedern deutlich größer als der der Lieder aus dem 16. Jahrhundert, die mit 29 Liedern aber ebenfalls gut vertreten sind.158 Nur zwei Lieder waren nicht zu datieren.159 Besonders hoch ist der Anteil der älteren Lieder unter denen vom Jüngsten Tag. Mit sechs von elf Nummern bilden sie mehr als die Hälfte: Michael Weisse, Es wird schier der letzte Tag herkommen (Jungbunzlau 1531) [JA] Erasmus Alber, Ihr lieben Christen, freut euch nun (Wittenberg 1546) [JA] Erasmus Alber, Gott hat das Evangelium (1548) [JA] M. R. Müntzer, Ach Gott, tu dich erbarmen (Nürnberg 1550) [JA] Bartholomäus Ringwaldt, Es ist gewisslich an der Zeit (Frankfurt/O. 1586) [JA] Jeremias Nicolai, Herr Christ, tu mir verleihen (Frankfurt/M. 1599) [JA] Drei Dichtungen von Johann Heermann, eine von Johann Rist und eine von Paul Gerhardt (zu ihnen s. u.) machen die Gesänge zum Jüngsten Tag komplett. Im Gegensatz zu ihnen stammt von den ‚Sterbeliedern‘ nur ein gutes Drittel (22) aus dem 16. Jahrhundert: Martin Luther, Mit Fried und Freud ich fahr dahin (Wittenberg 1524) Martin Luther, Mitten wir im Leben sind (Erfurt 1524) Michael Weisse, Nun lasst uns den Leib begraben (Jungbunzlau 1531) Ambrosius Blarer, Mag ich dem Tod nicht widerstahn (Nürnberg 1550)

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o schönes Weltgebäude (Berlin 1653) und Gerhardts Herr Gott, ich habe mir gar fest gesetzet für (Berlin 1647). Eine eigene Unterabteilung des vierten Teils bringt schließlich sieben Lieder „In Pestzeiten“. In der Gesamtauswahl wurden diese Belege nicht berücksichtigt. Dies ist in der folgenden Aufstellung nur dort eigens vermerkt, wo es auch bei Grützner, Jenseitsvorstellungen, zu fehlerhaften Angaben geführt hat. Das von Grützner, Jenseitsvorstellungen, 106 aufgrund ungenauer Datierungen festgestellte Verhältnis von 1:2 zwischen den Liedern aus dem 16. und dem 17. Jahrhundert ist also zugunsten der Lieder aus dem 16. Jahrhundert zu korrigieren: Es liegt etwa bei 2:3. Die nachfolgende Aufstellung ergibt außerdem, dass auch Grützners Angabe nicht stimmt, die Lieder aus der ersten Hälfte des 16. seien ebenso stark vertreten wie die aus der zweiten (Jenseitsvorstellungen, 106) – nur 6 von 29 sind vor 1550 entstanden. Grützners Vorgehen ist insofern nicht transparent, als sie für ihre Einteilung der Lieder zwar Datierungen benutzt, diese aber nicht benennt – wie sie auch die Quellen, aus denen sie ihre Angaben bezieht, nur pauschal angibt. In ihrem Liedverzeichnis (Jenseitsvorstellungen, 110f) landen letztlich nur diejenigen Lieder, die sie für Produkte des 17. Jahrhunderts hält, wobei sich hier sowohl Fehler als auch Lücken eingeschlichen haben, vgl. die folgenden Anmerkungen. Wie ein gejagtes Hirschelein (Nr. 594; nach Psalm 42; laut Bachmann, Geschichte, 347 bereits in der ihm vorliegenden Ausgabe von 1656 enthalten); Nun hör auf, alles Leid, Klag und Sehnen* (Nr. 619; mit der Autorangabe M.M.R. und der Überschrift „Der deutsche Prudentius“; nach dem lateinischen Iam moesta quiesce querela).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Valentin Triller, O Mensch, bedenk zu jeder Frist (Breslau 1555) (PPM ab 1661)160 Anon., O Welt, ich muss dich lassen (Nürnberg 1555) Anon., Hört auf mit Trauren und Klagen (Frankfurt/O. 1561) Nicolaus Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Wittenberg 1562) Paul Eber, Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott (Frankfurt/M. 1563) Johann Gigas, Ach wie elend ist unser Zeit (Nürnberg 1566) Nicolaus Selnecker, Allein nach dir, Herr Jesu Christ, verlanget mich (Basel 1568) Martin Schalling, Herzlich lieb hab ich dich, o Herr (Nürnberg 1571)161 Ludwig Helmbold, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, ob ich schon (1575) Bartholomäus Ringwaldt, Geliebten Freund, was tut ihr so verzagen (Frankfurt/O. 1577) Bartholomäus Ringwaldt, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl (Frankfurt/O. 1586) Bartholomäus Ringwaldt, O Gott, der du die Menschenkind (Frankfurt/O. 1586) Bartholomäus Ringwaldt, Herr Jesu Christ, weil ich empfind (Frankfurt/O. 1588) Caspar Bienemann, Herr, wie du willt, so schick’s mit mir (Altenburg 1582) Bartholomäus Frölich, Ein Würmlein bin ich, arm und klein (Leipzig 1587) Johannes Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Nürnberg 1589)162 Anon., Hie lieg ich armes Würmelein, kann regen (Görlitz 1593) Anon., O Jesu, Gottes Lämmelein (Görlitz 1593)163 Nur wenige Jahre nach 1600 sind folgende Lieder entstanden: Anon., Auf meinen lieben Gott (Lübeck 1603)164 Martin Behm, O Jesu Christ, meins Lebens Licht (Wittenberg 1610) Martin Behm, Herr Christ, wenn ich bedenke (Wittenberg 1611) (PPM ab 1664) Martin Behm, Ich armer Erdenkloß (Wittenberg 1611) Christoph Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Görlitz 1611) Von den Dichtern des 17. Jahrhunderts sind auch hier wieder besonders die Königsberger um Simon Dach mit insgesamt 15 Sterbeliedern vertreten. Folgende Lieder stammen aus Dachs Feder: 160

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Bei Grützner, Jenseitsvorstellungen, 110 – wohl aufgrund der Initialen D.H. – dem Dichter David Elias Heidenreich (1638–1688) zugeschrieben (vgl. FT IV S. 361) und damit ca. ein Jahrhundert zu spät datiert (vgl. W IV 121.). Bei Grützner, Jenseitsvorstellungen, 110 fälschlich Johann Weißenborn zugeschrieben, wohl aufgrund der Autorangabe „Joh. Weiß“ im Gesangbuch; widersprüchlich sind Grützners doppelte Angaben zu Weißenborns Lebenszeit (einmal †1700 [S. 110], einmal 2. Hälfte 16. Jahrhundert [S. 111 Anm. 9]). Mit „Joh. Weiß“ ist aber wohl eher Michael Weisse gemeint, dessen Vorname schon in Luthers Vorrede zum Babstschen Gesangbuch falsch angegeben ist (vgl. S. 38 Anm. 33). Zur Autorschaft Martin Schallings vgl. W IV 1174. Von Grützner, Jenseitsvorstellungen, 111 Anm. 9 offenbar Johann Pappus zugeschrieben, ein in den barocken Gesangbüchern fast durchweg anzutreffender Irrtum; zur Autorschaft Leons vgl. W IV 712. Bei Bachmann, Geschichte, 329 irrtümlich Georg Weissel zugeschrieben. Das Gesangbuch gibt „Mart. Müller“ [Moller] als Autor an (übernommen bei Grützner, Jenseitsvorstellungen, 111 Anm. 9). In der Tat stammt das Lied aus Mollers Manuale de praeparatione ad mortem (Görlitz 1593), seine Autorschaft gilt Wackernagel jedoch nicht als gesichert (W V 458.). Von Grützner, Jenseitsvorstellungen, 111 Anm. 9 im Anschluss an Bachmann, Geschichte, 271 u.a. Sigismund Weingärtner zugeschrieben. Die Autorschaft gilt heute aber als nicht gesichert, vgl. EG 345.

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O wie selig seid ihr doch, ihr Frommen (Danzig 1635) Mein Abschied aus der bösen Welt (Königsberg 1636) Was soll ein Christ sich fressen (Danzig 1639; PPM ab 1661) Gleichwohl hab ich überwunden (Königsberg 1639; PPM ab 1661) Du siehest, Mensch, wie fort und fort (Königsberg 1640) Du, Gott, bist außer aller Zeit (Königsberg 1641) Gott herrschet und hält bei uns Haus (Königsberg 1641) Acht weitere Sterbelieder kommen ebenfalls von Königsberger Verfassern: Georg Weissel, Kurz ist die Zeit, kurz sind die Jahr (Königsberg 1634) Georg Weissel, Gar wohl mein Herz entschlossen ist (Berlin 1648) Georg Werner, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl, dass ich von hinnen (Danzig 1636) Georg Werner, Ich hab gottlob das Mein’ vollbracht (Königsberg 1639) Robert Roberthin, Des Lebens kurze Zeit (Danzig 1638)165 Heinrich Albert, Einen guten Kampf hab ich (Königsberg 1638) Peter Hagen, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, ob schon (Königsberg 1643) (PPM ab 1661) Christoph Wilkow, Wie ist der Mensch doch so betört (Königsberg 1640) Wie Simon Dach ist auch der Schlesier Johann Heermann, dessen Bedeutung schon im Titel des Gesangbuchs von 1640 gerühmt wurde, mit sieben Sterbe- und Ewigkeitsliedern vertreten; drei von ihnen finden sich unter den Liedern vom Jüngsten Tag und der Auferstehung [JA]: Johann Heermann, Ach Gott, ich muss in Traurigkeit (Leipzig/Breslau 1630) Johann Heermann, Gottlob, die Stund ist kommen (1632) Johann Heermann, Höret, o ihr Kinder Gottes, höret (Leipzig/Breslau 1636) [JA] Johann Heermann, Lasset ab, ihr meine Lieben (Leipzig/Breslau 1636) Johann Heermann, Wenn des Menschen Sohn wird wiederkommen (Leipzig 1636) [JA] Johann Heermann, Der Tod klopft itzund bei mir an (Berlin 1661 = PPM ab 1661) Johann Heermann, Wollt ihr euch nun, o ihr fromme Christen* [JA] Dazu kommt als weiterer Schlesier wieder Martin Opitz mit Das blinde Volk der Heiden (Leipzig 1628), allerdings nur in den Ausgaben 1661–1672. Nur sechs Lieder sind dagegen von Berliner Autoren enthalten, darunter nur eines von Paul Gerhardt, der sonst in B-1666 gut vertreten ist; dieses eine ist kein Sterbelied, sondern eines vom Jüngsten Tag. Christoph Runge, der die Praxis Pietatis

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Bei Grützner, Jenseitsvorstellungen, 110 aufgrund der (falschen) Autorangabe im Gesangbuch irrtümlich Simon Dach zugeschrieben; vgl. aber FT III 54.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Melica auch gedruckt hat, hat dagegen immerhin drei Lieder beigesteuert, ohne sie allerdings namentlich zu kennzeichen. Michael Schirmer, Nun lieg ich armes Würmelein (Berlin 1647 = PPM ab 1647) Paul Gerhardt, Die Zeit ist nunmehr nah (Berlin 1653 = PPM ab 1653) [JA] Christoph Runge, Was ist der Mensch auf dieser Welt (Berlin 1647 = PPM ab 1647) Christoph Runge, Herr Jesu, weil ich itzo soll (Berlin 1664 = PPM ab 1664) Christoph Runge, Nun will auch ich abscheiden (Berlin 1664 = PPM ab 1664) Joachim Pauli, So hab ich nun vollendet (Berlin 1664 = PPM ab 1664) Ebenfalls nur sechs Lieder ab 1620 stammen aus Sachsen: Anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Freiberg 1620) Anon., Herr Jesu Christ, mein Herr und Gott, lass mich (Freiberg 1620)166 Johann Siegfried, Ich hab mich Gott ergeben (Altenburg 1625) Johann Hermann Schein, Ich will still und geduldig sein (1625) Johann Hermann Schein, Mein Gott und Herr, ach sei nicht ferr (Leipzig 1627) Anon., In Christi Wunden schlaf ich ein (Leipzig 1638) Dazu kommen schließlich vier weitere Lieder aus dem 16. Jahrhundert: Lucas Backmeister, O Herr, gedenk in Todespein167 (Rostock 1617) Johann Rist, O Ewigkeit, du Donnerwort (Lüneburg 1641) [JA] Michael Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Coburg 1652) (PPM ab 1661) Johann Michael Dilherr, Was ich begehr, das kann ich nicht (Nürnberg 1653) (PPM ab 1664) Simon Dach und Johann Heermann sind in dieser Ausgabe also die meistberücksichtigten Dichter aus dem 17. Jahrhundert. F-1666. Im selben Jahr 1666 erschien auch in Frankfurt/M. bei Balthasar Christoph Wust eine Ausgabe von Crügers Gesangbuch, die dritte der in Frankfurt gedruckten, die nicht nur mit Crügers Sätzen, sondern auch mit 21 feinen Kupferstichen ausgestattet ist. Ausgehend von dem Psalmvers „Singet dem Herrn ein neues Lied“ hebt der Verleger Wust in seiner Dedikation an den Frankfurter Bürgermeister und Rat die Bedeutung gerade der neuen Lieder hervor – und zwar nicht nur in der Hausandacht, sondern auch in der Kirche: Also klingets auch in der Kirchen und zu haus sehr wol / wenn man neue / geistliche Lobgesänge Gott dem HErrn zur Dancksagung anstimmet / besonders / so wir eine neue wolthat von ihm erhalten haben.168

166 167 168

Zur irrtümlichen Zuschreibung dieses Liedes an Ringwaldt (auch in B-1666) vgl. S. 70 Anm. 130. Vgl. zu dieser Autorzuschreibung Koch III, 135. F-1666, Dedikation fol. † 3r.

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Die nachfolgende Vorrede ist am 5. September 1666 in Frankfurt datiert und mit „Sämtliche Evang. Prediger daselbst“ unterzeichnet. Sie gibt Aufschluss über die umfassende Bedeutung, die dem frommen Gesang in jeder Situation des täglichen Lebens beigemessen wurde. Mit der Veröffentlichung seines Gesangbuches habe Crüger Sorge getragen, dass den Christenmenschen in allen Ständen / hoch und niedrig / reich und arm / zu allen zeiten / an Fest=Sonn=Feyer=und Wercktägen / morgens / mittags und abends / an allen orten / in der Stadt / auff dem Lande / in der Studierstuben / in dem Gewölbe und Kram / in der Werckstatt / auff der Reise / auff dem Acker / in dem Garten / und wo eines jeden beruff hingehet / ja in allen fällen / zum lernen / beten / zur klag und trost / zum leben und sterben möge gedienet werden.169

Daneben verrät die Vorrede etwas über die theologische Aufsicht, der die Ausgabe unterlag: Wan[n] nu mit diesem Gesangbuch anders nichts / dann allein Gottes ehr und der Christl. Kirchen wolfahrt / gesucht wird / auch vorige beyde editiones wir vermercket nicht wenig nutzen geschafft zu haben; hingegen fleissigen Seelenwächtern obligt / ihre anbefohlene Pfarrkinder anzumahnen / daß sie nicht allein die hohe wolthaten Gottes im wort anhören / sondern auch in den geistlichen Psalmen und Liedern dieselbige rühmen und preisen: Als haben wir solches hiermit auch bey dieser dritten edition, zu welcher viele neue Gesänge über die vorige hinzu gethan worden / verrichten / und zugleich notificiren und andeuten wollen / daß wir in unserm Collegio, in durchsehung dieser Gesäng / Psalmen und Lieder / nichts anders befunden / als was dem H. wort Gottes / der ungeänderten und in Anno 1530. übergebenen Augspurg. Confession gemäß / auch zu anstellung eines gottseligen lebens und wandels sehr dienlich ist.170

Die Sammlung war vom Pfarrkollegium durchgesehen, auf Konfessionstreue und ‚Lebenstauglichkeit‘ geprüft und für gut befunden worden. Zudem sind die vorigen Auflagen anscheinend schon rege gebraucht worden. Mit 96 von 731 Liedern (13,1%, davon 80 ‚Sterbelieder‘ und 16 ‚Von der Auferstehung der Toten‘ [A]) liegen sowohl die Zahl als auch der Anteil der Sterbeund Ewigkeitslieder in F-1666 höher als in B-1666. Aus der Berliner fehlen in der Frankfurter Ausgabe nur zwei Lieder;171 dafür kommen 23 hinzu. Die Redaktion der Ergänzungen hat recht klare Schwerpunkte. Vor allem Lieder aus dem Nürnberger Bereich wurden hier verstärkt berücksichtigt (9 Lieder): Anon., Herr Gott, mein Jammer hat ein End (Nürnberg 1563) Johann Saubert d. Ä., Ach wie sehnlich wart ich der Zeit (Nürnberg 1623) Anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Nürnberg 1631) Johann Michael Dilherr, Gehab dich wohl, du schnöde Welt (Nürnberg 1646) 169 170 171

F-1666, Vorrede fol. † 8r. F-1666, Vorrede fol. † 8v. Anon., Nun hör auf, alles Leid, Klag und Sehnen*; Christoph Runge, Herr Jesu, weil ich itzo soll (Berlin 1664).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Johann Michael Dilherr, Wenn ich nicht würd damit getröst (Nürnberg 1646) Johann Michael Dilherr, Ach wie lang muss ich mich schlagen (Nürnberg 1653) Johann Michael Dilherr, Erschrecken ich ja billig sollt (Nürnberg 1653) Johann Jakob Rude, Ach wann soll es denn geschehen (Nürnberg 1648) Sigmund von Birken, Was soll dies zage Klagen sein* Daneben sind einige Lieder von Dichtern aus Norddeutschland dazugekommen, unter denen die drei Höllenlieder von Rist besonders hervorstechen: Johann Rist, Erschrecklich ist es, dass man nicht (Lüneburg 1651) [A] Johann Rist, Ich will für allen Dingen (Lüneburg 1651) [A] Johann Rist, Kommt her, ihr Menschenkinder (Lüneburg 1651) [A] Johann Rist, Nun, Welt, du musst zurücke stehn (Lüneburg 1651) Michael Walther, Spann aus, spann aus, ach frommer Gott (Frankfurt/O. 1658) Justus Georg Schottelius, Was ist doch unser Lebenszeit (Frankfurt/M. 1666) Schottelius, Prinzenerzieher und Verwaltungsbeamter in Wolfenbüttel, hat als Mitglied der Pegnitzschäfer ebenfalls Verbindung nach Nürnberg; von ihm wurden auch in der Rubrik der Pestlieder mehrere Gesänge ergänzt (vgl. den Exkurs S. 278–288). Die übrigen Ergänzungen in der Frankfurter Praxis Pietatis Melica von 1666 sind diese: Philipp Nicolai, So wünsch ich nun ein gute Nacht (Frankfurt/M. 1599) Philipp Nicolai, Wachet auf, ruft uns die Stimme (Frankfurt/M. 1599) (A) Anon., Hie lieg ich armes Würmelein und schlaf (Frankfurt/O. 1607) Anon., Christus der ist mein Leben (Jena 1609) Valerius Herberger, Valet will ich dir geben (Leipzig 1614) Ludwig von Hörnigk, Mein Wallfahrt ich vollendet hab (Frankfurt/M. 1633) Gottfried Finckelthauß, Wie lange soll es währen (Leipzig 1638) Gregorius Richter, Lasset ab von euren Tränen (Leipzig 1658) B-1703. Im Verlauf der weiteren Auflagen auch in Berlin wurden nur selten Lieder ausgeschieden; dafür kamen immer neue hinzu, so dass jede Auflage umfangreicher als die vorige. Mit der 23. Auflage 1688 überschritt der Umfang die Marke von 1000 Liedern. Dahinter stand auch ein wirtschaftliches Interesse: Wenn das Berliner Gesangbuch die Lieder auswärtiger Gesangbücher einfach übernahm, war damit die Konkurrenz von außerhalb ausgeschaltet.172 In ähnlicher Weise bedienten sich andere, z. B. das Lüneburgische Gesangbuch, bei der Praxis Pietatis Melica.173 Zunächst liefen die Ergänzungen noch nach Rubriken geordnet ab – wohl bis zur Ausgabe 1679, der letzten, die noch von Christoph Runge selber verantwortet und deren Vorrede in den späteren Auflagen immer wieder abgedruckt wurde. Danach 172 173

Vgl. Bachmann, Geschichte, 107. Vgl. S. 78 Anm. 146.

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II. Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts

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wurden die hinzukommenden Lieder jeweils in einem unsortierten Anhang gesammelt, der mit jeder Ausgabe wuchs. Die Sterbe- und Ewigkeitslieder lassen sich daher nicht mehr klar abgrenzen. In der 30. Berliner Auflage von 1703 kommen zu 98 Sterbe- und Ewigkeitsliedern in den entsprechenden Rubriken ca. zwölf weitere ohne Rubrik im Anhang (unten gekennzeichnet durch [a]). Bei 1194 Liedern insgesamt ist ihre Quote deutlich gesunken (9,2%). Paul Gerhardt ist mittlerweile besser vertreten; alle 120 Lieder der Geistlichen Andachten (Berlin 1667) wurden nach und nach in die Praxis Pietatis Melica aufgenommen, einige schon 1672, andere später. 1703 finden sich bei den Sterbeliedern: Paul Gerhardt, Du bist zwar mein und bleibest mein (Berlin 1650) Paul Gerhardt, Mein herzer Vater, weint Ihr noch (Berlin 1650) Paul Gerhardt, Nun sei getrost und unbetrübt (Wittenberg 1664) (PPM ab 1672) Paul Gerhardt, Was traurest du, mein Angesicht (Berlin 1667) (PPM ab 1672) Paul Gerhardt, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, das soll (Berlin 1667) Paul Gerhardt, O Tod, o Tod, du greulichs Bild (Berlin 1667) (PPM ab 1672) Dazu kommen Ergänzungen aus Thüringen und Sachsen, aus Königsberg, verschiedenen Regionen Norddeutschlands, aus Franken und zwei nicht zuzuordnende: Johann Rosenmüller, Alle Menschen müssen sterben (Leipzig 1652) Michael Hunold, Nichts betrübter ist auf Erden (Dresden 1652) [a] Ernst Christoph Homburg, Herr Jesu Christ, mein Leben (Jena 1659) Ahasverus Fritsch, Hast du denn, Jesu, dein Angesicht gänzlich verborgen (Jena 1668) [a] Ahasverus Fritsch, Ach wann kommen doch die Stunden (Jena 1670) Johann Olearius, Herr Jesu, mein Trost, Hilf und Rat (Leipzig 1671) Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, Wer weiß, wie nahe mir mein Ende (1688) [a] Simon Dach, Es vergeht mir alle Lust (Königsberg 1639) Simon Dach, Ich bin ja, Herr, in deiner Macht (Königsberg 1648) Georg Mylius, Herr, ich denk an jene Zeit (Königsberg 1639) [a] Johann Rist, O Vater aller Gnaden, reich von Barmherzigkeit (Lüneburg 1651) Heinrich Müller, Ade, du süße Welt (Rostock 1659) Gottfried Wilhelm Sacer, So hab ich obgesieget (Stralsund 1665) [a] Georg Philipp Harsdörffer, O Sündenmensch, bedenk den Tod (Nürnberg 1649) [JA] Sigmund von Birken, Sag, was ist diese Welt? (Nürnberg 1656) [a] Anon., Welt, ade, ich bin dein müde (Bayreuth 1668) [a] Michael Franck, Kein Stündlein geht dahin (Schleusingen 1688) [a] Anon., Es ist gewiss ein große Gnad* [a] Anon., Auf, meine Seel, dein End ist hier* [a]174 174

Die beiden übrigen der mitgezählten zwölf Lieder aus dem Anhang sind: Ph. Nicolai, Wachet auf, ruft uns die Stimme; Ph. Nicolai, So wünsch ich nun ein gute Nacht (beide Frankfurt/M. 1599).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Außerdem enthalten ist das auch im Lüneburgischen Gesangbuch überlieferte Sterbelied: Philipp Jacob Spener (?), So ist’s an dem, dass ich mit Freuden* c) Reformierte Gesangbücher aus dem Umkreis der Praxis Pietatis Melica Parallel zu Crügers lutherischen Gesangbüchern erschienen in Berlin auch reformierte, ebenfalls bei Christoph Runge: Die Geistlichen Lieder und Psalmen von 1653,175 der brandenburgischen Kurfürstin Luise Henriette gewidmet, enthielten unter 375 Nummern 48 Sterbe- und Ewigkeitslieder (12,8%). Die Sterbelieder aus der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts sind hier schon stark vertreten. Freu dich sehr, o meine Seele fehlt ebenso wenig wie Lieder von Schirmer und Gerhardt, von Opitz und Rist, von Dach, Albert und Wilkow. Das Gesangbuch besitzt eine ähnliche Struktur wie die Praxis Pietatis Melica (vgl. S. 79), beginnt also ebenfalls mit den Liedern zur Haus-, nicht zur Kirchenandacht und trägt damit dem Bedürfnis der frommen Fürstin Rechnung. B-1658. Als reformiertes Gesangbuch für Berlin fungierte dann die 1657/58 bei Runge erscheinende und mehrfach wieder aufgelegte Psalmodia Sacra, die wie die Praxis Pietatis Melica von Crüger herausgegeben und mit Vokal- und Instrumentalsätzen versehen war.176 Der Haupttitel datiert von 1658. Unerlässlich für ein reformiertes Gesangbuch ist als erster Teil der Lobwassersche Psalter; als zweiter Teil folgen D. M. Luthers wie auch anderer gottseligen und Christlichen Leute Geistliche Lieder und Psalmen, deren Zwischentitel mit 1657 datiert ist und die für die Untersuchung ausgewertet wurden. Sie enthalten 319 Lieder (hier in der kirchlich ausgerichteten Abfolge, beginnend mit den Festliedern), davon 47 Sterbe- und Ewigkeitslieder (14,7%), unter denen wiederum 35 „Sterbens Lieder“ und zwölf „Vom jüngsten Tage und Aufferstehung zum ewigen Leben“ zu finden sind. Der Heidelberger Katechismus schließt das Buch ab. Kaum eines der hier erscheinenden Sterbe- und Ewigkeitslieder findet sich nicht auch in der Praxis Pietatis Melica von 1666. Anders als in Crügers Gesangbuch von 1653 ist auch Heermann mit Sterbeliedern vertreten, die Königsberger Lieder sind seit 1653 um solche von Werner und Weissel ergänzt; Dach fehlt auffälligerweise. Das Lied Jesus, meine Zuversicht, erstmals im Gesangbuch von 1653 belegt, steht hier unter den Gesängen vom Jüngsten Tag. Dort steht auch ein altes Lied der Böhmischen Brüder, die insgesamt auffällig stark berücksichtigt sind, Johannes Geletzkys Ei nun seht, all ihr Christenleut (1566), für das unter den ausgewerteten lutherischen Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts keine Belege zu finden waren. Insgesamt ist der Liedbestand der dem Buch beigefügten Tabelle 1 zu entnehmen.

175 176

Vgl. Bachmann, Geschichte, 30–45. Das einzige bekannte Exemplar ist laut GBB verloren. Vgl. Bachmann, Geschichte, 63–86. Weitere Auflagen demnach 1676, 1700, 1704.

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d) Peter Sohrens Musicalischer Vorschmack (Hamburg 1683) H-1683. Als letztes, wieder dezidiert lutherisches Beispiel für ein Gesangbuch aus dem Umkreis der Praxis Pietatis Melica sei hier Peter Sohrens Musicalischer Vorschmack Der Jauchtzenden Seelen im ewigen Leben genannt, der 1683 in Hamburg bei Hinrich Völcker erschien (gedruckt in Ratzeburg bei Niclas Nissen). Der sprechende Titel wird im Buch zwar nirgends expliziert, macht aber den eschatologischen Horizont von Sohrens Verständnis des geistlichen Gesangs deutlich: In Musik und Gesang erfährt die Seele einen „Vorschmack“ des ewigen Lebens. Letztlich handelt es sich um einen Abkömmling der Frankfurter Ausgaben der Praxis Pietatis Melica bei Balthasar Christoph Wust. Sohren, Kantor und Organist in den preußischen Städten Elbing und Dirschau,177 hatte eine dieser Ausgaben 1668 unter dem Titel Johann Crügers […] Neu zugerichtete Praxis Pietatis Melica herausgegeben und sie dabei grundlegend überarbeitet: Sie war nicht nur beträchtlich auf 888 Lieder erweitert, sondern enthielt unter 354 Melodien mit beziffertem Bass auch über 200 von Sohren selbst. Damit hatte er das Buch letztlich zu einem eigenen Werk gemacht. Dass Crügers Name zunächst trotzdem im Titel stehen blieb, sorgte für Missverständnisse und Kritik: Sohren – so der Vorwurf – habe sich als „eines andern Vermehrer seiner Arbeit“ betätigt und damit aus Crügers Arbeit Kapital geschlagen; dass auch sein eigener Name auf dem Titelblatt stand, wurde ihm ebenfalls vorgehalten, denn schließlich sei das Gesangbuch ja Crügers Werk.178 1683 zieht Sohren aus den Querelen die Konsequenz: Er bringt das nochmals stark erweiterte Werk in Hamburg heraus, also an anderem Ort,179 unter neuem Titel – und nur noch unter eigenem Namen.180 Er schließt die Vorrede mit einem trotzig-polemischen Gedicht „An den mißgünstigen Tadeler“. Der Gebrauch des Buches wird im Titel „Allen Christlichen Hertzen“ empfohlen, „in Freud und Traurigkeit / in der Kirchen und zu Hause / sich damit auffzurichten“. Dass Sohren tatsächlich auch an kirchlichen Gebrauch gedacht hat, zeigen die weni177

178

179

180

Im Titel der beiden Werke von 1668 und 1683 wird Elbing als Wirkungsort angegeben, im Titel des 1683 angehängten Gebetbuchs Dirschau; vgl. auch die Angaben bei FT III, S. 142 und bei Popinigis, MGG-Art. Sohren. Sohren verteidigt sich: „[…] denn ich mein Lebetag des Sinnes nicht gewesen / eines andern | Vermehrer seiner Arbeit zu seyn / zudem / da es zum andernmahl herauskommen / ungeachtet es vorigem gleich / mit meinem Nahmen im Titel=Blad unterleget / so nennet man es doch nicht meine / sondern Krügeri Arbeit […]“ (H-1683, Vorrede fol. a 6r|v). „Wolte mich aber jemand hierinnen einer unrechtmässigen That beschuldigen / daß ich dieses an einem anderen Orth und nicht wo voriges im Verlag gegeben / dem sey unverhalten / daß ich vielfältige Uhrsachen dazu habe“ (H-1683, Vorrede fol. a 6r). Wie es zu der Veröffentlichung gerade in Hamburg kommt, ist unklar; die Widmungsvorrede des Verlegers legt nahe, dass der Druck von der Hansestadt gefördert wurde. Die Hamburger Gesangbuchgeschichte des 17. Jahrhunderts ist aufgrund der vielen verlorenen Quellen besonders schwer bzw. nur lückenhaft zu rekonstruieren (vgl. Schade, Zu Gottes Lob, 103–106.152f). Sohrens Buch taucht bei Schade allerdings nicht auf. „Nun es mag jenes in GOttes Nahmen Krügers=Gesang=Buch bleiben / ich wil mich so fern dessen nicht mehr annehmen; Dieses aber soll Sohrens seyn“ (H-1683, Vorrede fol. a 6v). Vgl. auch Bachmann, Geschichte, 61f. Sohrens Name taucht freilich in den bei Balthasar Christoph Wust gedruckten Frankfurter Ausgaben der Praxis Pietatis Melica weiterhin auf, z. B. 1676, 1680, 1700 (vgl. Bachmann, Geschichte, 62f; FT III, S. 142).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

gen Seiten „Versicul und Collecten […] in der Christlichen Kirchen zu gebrauchen“; dagegen weisen die Liedauswahl, in der die neuen Lieder bei weitem überwiegen (s. u.), und das umfangreiche Gebetbuch, für das Sohren Texte vielerlei Ursprungs zusammengetragen hat,181 auf eine schwerpunktmäßige Rezeption in der häuslichen Andacht hin. Zur Meditation leiten Kupferstiche „mit 32. Schrifftmässigen Sinnen=Bildern“ an; mehrere Register (nach Gliederung, nach Sonntagen und nach Liedanfang) erschließen das umfangreiche Material. In der Vorrede weist Sohren darauf hin, dass er das Buch auch in musikalischer Hinsicht (die Lieder sind „mit Discant und Bass überzeichnet“) nochmals überarbeitet und deutlich verbessert hat, seien doch in der ersten Ausgabe „die Melodien so gar tunckel“182 gewesen. Das Werk enthält nun 1117 Lieder,183 davon die hohe Zahl von 170 zu Sterben, Tod und Ewigkeit (15,2%). Genauer sind es: XIV. Vom Tod und Sterben und Begräbniß 41. Vom Tod und Sterben [TS] 42. Vom Begräbniß [B] XV. Vom Jüngsten=Tag / Aufferstehung / Höllen= und Himmels=Lieder / Auch vom ewigen Freuden=Leben 43. Vom Jüngsten Tag und Auferstehung [JA] 44. Von der Höllen [Hö] 45. Von dem Himmel und der ewigen Freude [HE‘] Anhang (ohne Rubrik) [a]

125 Lieder 98 Lieder 27 Lieder 41 Lieder

11,2%

15 Lieder 9 Lieder 17 Lieder 4 Lieder

0,4%

insgesamt

170 Lieder

15,2%

3,7%

Mehr als ein Drittel der Lieder (66 von 170) ist mit Noten versehen. 26 dieser Sätze sind mit P.S. unterschrieben, stammen also von Sohren. 18 Sätze sind nicht namentlich gekennzeichnet; daneben gibt es zehn von Heinrich Scheidemann (bei Liedern von Johann Rist184), fünf von Nicolaus Hassenius (bei Liedern von Heinrich Müller), drei von Johann Schop und zwei von Heinrich Albert. Bei jeweils einem Satz sind 181

182 183

184

Unter den angegebenen Autoren der Gebete sind Johann Arndt, Georg Rost, D. G. Zaeman, Sigismund Schererz, J. Eichorn, J. Embdenius, B. Faber, Caspar Melissander [Bienemann], Augustinus, J. Minsinger, Martin Moller, Dionysius, P. Sohren („Tägliches Gebet eines Christlichen Schul=Lehrers“). H-1683, Vorrede fol. a 6r. Die Rubrizierung unterscheidet sich von der der Praxis Pietatis Melica in der Abfolge der Themen, aber auch in der Gesamtaufteilung: I. (1.–14.) „Fest- und Feyer=Lieder“; II. (15.–20.) „Catechißmuß=Lieder“; III. (21.–26.) „Vom Gebeth in aller Noth“; IV. (27.) „Lob und Danck=Lieder“; V. (28.) „Von der Schrifft“; VI. (29.) „Von dem Wort GOTTES und der Christlichen Kirchen“; VII. (30.) „Rechtfertigung“; VIII. (31.) „Vom Christlichen Leben und Wandel“; IX. (32.) „Vom Creutz, Verfolgung und Anfechtung“; X. (33.) „Trost frommer Christen“; XI. (34.) „Die Psalmen Davids“; XII. (35.–38.) „Morgen=Mittag=Abend=und Sonntags=Lieder“; XIII. (39.–40.) „Die Tisch=Lieder“; XIV. (41.–42.) „Vom Tod und Sterben und Begräbniß“; XV. (43.–45.) „Vom Jüngsten=Tag / Aufferstehung / Höllen- und Himmels-Lieder / Auch vom ewigen Freuden-Leben“; XVI. (46.) „Reise=Lieder“; Anhang. Der Hamburger Organist Heinrich Scheidemann (1595–1663) war mit Johann Rist befreundet und hat zu Rists Texten insgesamt 34 Melodien geschrieben, vgl. Dirksen, MGG-Art. Scheidemann. Zwei weitere Rist-Vertonungen in H-1683 stammen vom Hamburger Ratsmusiker Johann Schop, eine vom Breslauer Organisten Tobias Zeutschner.

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Johann Stobaeus,185 Tobias Zeutschner und „Waldenser“ als Ursprung angegeben. Johann Crüger fehlt – entsprechend Sohrens Vorrede – ganz, jedenfalls in den ausgewerteten Rubriken. Fast alle Sterbe- und Ewigkeitslieder aus der Berliner Praxis Pietatis Melica von 1666 stehen auch in Sohrens Werk.186 Freilich sind viele dazu gekommen; die Zahl hat sich mehr als verdoppelt. Die nachfolgende Übersicht verzeichnet die Zusätze gegenüber der Referenzausgabe B-1666. Einige wurden zwar bereits bei F-1666 und B-1703 genannt; insgesamt erweitert Sohren das Spektrum aber nochmals beträchtlich. Neu gegenüber B-1666 sind bei Sohren etwa folgende Lieder des 16. Jahrhunderts: Anon., Wacht auf, ihr Christen alle, wacht auf mit ganzem Fleiß (niederdt. Lübeck 1545) Johann Walter, Herzlich tut mich erfreuen (Wittenberg 1552) Nicolaus Herman, Mit Todesgdanken geh ich um (Wittenberg 1562) Nicolaus Selnecker, Was tun wir doch, wir arme Leut? (Nürnberg 1564) Nicolaus Selnecker, Herr Jesu Christ, in deine Händ (Leipzig 1578) Georg Berckenmayr, O Herr, bis du mein Zuversicht (Straßburg 1568)187 Auch einige wenige Lieder vom Anfang des 17. Jahrhunderts hat Sohren hinzugefügt: Anon., Hier lieg ich armes Würmelein und ruh (Hof 1608) Anon., Christus wird mich nicht lassen (Hamburg 1612) Johannes Timäus, Wenn mein Gesundheit leidet Not (Leipzig 1614) Signifikant sind vor allem die Zuwächse aus dem späteren 17. Jahrhundert. Sohren bringt Lieder bevorzugt aus seiner Heimat Preußen und aus dem westlicheren norddeutschen Raum, wo er sein Gesangbuch drucken lässt. Von Johann Rist etwa nimmt er unter die Sterbe- und Ewigkeitsliedern diese 13 Gesänge auf (in B-1666 war es nur einer – O Ewigkeit, du Donnerwort –, in F-1666 bereits vier weitere, vgl. S. 86): Johann Rist, O Ewigkeit, du Donnerwort (Lüneburg 1642) [Hö] Johann Rist, O Gottes Stadt, o himmlisch Licht (Lüneburg 1642) [HE‘] 185

186

187

Wie sein Schüler Heinrich Albert war Stobaeus (1604–1651) Musiker in Königsberg; wie Albert war auch er mit dem Königsberger Dichter Simon Dach verbunden, dessen Werke beide vertonten. Sechs Sterbe- und Ewigkeitslieder sind in andere Rubriken gewandert (anon., Auf meinen lieben Gott; Schalling, Herzlich lieb hab ich dich, o Herr; Helmbold, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, ob ich; Behm, O Jesu Christ, meins Lebens Licht; Dach, Was soll ein Christ sich fressen; Hagen, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, ob schon), sechs fehlen ganz. Die Berliner Ausgabe, auf die Sohrens Vorlage zurückgeht, dürfte vor 1664 erschienen sein: Unter den sechs sind drei Lieder, die 1664 zum ersten Mal in der Berliner Praxis Pietatis Melica auftauchen: Pauli, So hab ich nun vollendet; Runge, Herr Jesu, weil ich itzo soll; Runge, Nun will auch ich abscheiden. Die übrigen drei Vermissten sind: Schein, Mein Gott und Herr, ach sei nicht ferr; anon., Nun hör auf, alles Leid, Klag und Sehnen*; anon., Wie ein gejagtes Hirschelein. Ein weiteres Lied wurde durch eine stark abweichende Variante ersetzt: Statt Herr Jesu Christ, mein Herr und Gott, lass mich doch nicht verderben (vgl. S. 70 Anm. 130) heißt es nun Herr Jesu Christ, mein Herr und Gott, dein Zittern, Zagen, Angst und Not (Nr. 1016; eine Variante des Liedes von Leon, vgl. W IV 678.). In H-1683 wird dieses Lied Paul Eber zugeschrieben und beginnt Ach Herr (statt O Herr).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Johann Rist, Erschrecklich ist es, dass man nicht (Lüneburg 1651) [Hö] Johann Rist, Frischauf und lasst uns singen (Lüneburg 1651) [HE‘] Johann Rist, Ich will für allen Dingen (Lüneburg 1651) [Hö] Johann Rist, Kommt her, ihr Menschenkinder (Lüneburg 1651) [Hö] Johann Rist, Lasst ab von Sünden alle (Lüneburg 1651) [JA] Johann Rist, Nun, Welt, du musst zurücke stehn (Lüneburg 1651) [HE‘] Johann Rist, O Blindheit, bin ich denn der Welt (Lüneburg 1651) [HE‘] Johann Rist, Wie magst du dich so kränken (Lüneburg 1651) [HE‘] Johann Rist, Ach Gott, wann kommt die liebe Zeit (Lüneburg 1651) [HE‘] Johann Rist, Muss dir, o Mensch, die schnöde Welt (Lüneburg 1651) [Hö] Johann Rist, So sei nun wohl zufrieden (Lüneburg 1651) [HE‘] Alle Rist-Lieder sind mit einem Notendruck versehen.188 Bei der Rubrizierung fällt auf, dass sich kein einziges der Ristschen Lieder in der viel umfangreicheren Abteilung XIV. („Vom Tod und Sterben und Begräbniß“) findet, sondern alle in Abschnitt XV., der Auferstehung, Hölle sowie Himmel und ewige Freude behandelt. Dagegen stehen die sechs Lieder des ebenfalls aus Norddeutschland stammenden Gottfried Wilhelm Sacer sämtlich im Abschnitt XIV.: Gottfried Wilhelm Sacer, Bis hieher ist mein Lauf vollbracht (Stralsund 1665) Gottfried Wilhelm Sacer, Dich, mein Gott, will ich nun erhöhn (Stralsund 1665) Gottfried Wilhelm Sacer, Freunde, stellt das Weinen ein (Stralsund 1665) [B] Gottfried Wilhelm Sacer, Gott, du suchst mich mit Krankheit heim (Stralsund 1665) Gottfried Wilhelm Sacer, Komm, Sterblicher, betrachte mich (Stralsund 1665) Gottfried Wilhelm Sacer, So hab ich obgesieget (Stralsund 1665) [B] Auf das Hannoverische Gesangbuch (vgl. S. 66) gehen folgende Lieder zurück: Justus Gesenius/David Denicke (?), Es sind die Zeichen nunmehr da (Hannover 1646) Justus Gesenius/David Denicke, O Gott, wenn ich bei mir betracht (Hannover 1646)189 Justus Gesenius/David Denicke, O Vater, Sohn und Heilger Geist (Hannover 1646) Justus Gesenius/David Denicke, Wie lieblich sind daroben (Braunschweig/Lüneburg 1652) Von den weiteren Autoren aus Norddeutschland ist der Rostocker Lucas Backmeister noch einer älteren Generation zuzurechnen.190 Mit Heinrich Müller – ebenfalls Rostock – hat aber auch ein jüngerer Vertreter Eingang gefunden hat, wobei die 188 189 190

Zu den Komponisten vgl. Anm. 184. Sohrens Autorangabe lautet: „L. B.“ (vgl. Anm. 190). Nach Koch III, 135 geht das Lied O Herr, gedenk in Todespein, bei Sohren mit „L. B.“ bezeichnet, auf den Rostocker Autor Backmeister zurück. Dieselbe Autorangabe setzt Sohren auch zu den Liedern O Gott,

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ihm zugeschriebenen Gesänge z. T. auch auf Johann Scheffler zurückgehen (s. u.). Müllers Lieder – drei davon stammen aus dessen Geistlicher SeelenMusik (Rostock 1659) – hat Sohren fast alle dem ‚Himmel und der ewigen Freude‘ zugeordnet und dazu Sätze von Nicolaus Hassenius abgedruckt.191 Lucas Backmeister, O Herr, gedenk in Todespein (Rostock 1617) Anon., Allenthalben, wo ich gehe (Braunschweig 1661) Heinrich Müller, Lebt jemand so wie ich (Frankfurt/[O.?] o.J.) [HE‘] Heinrich Müller, Ich lauf dir nach mit stetem Ach (Rostock 1659) [HE‘] Heinrich Müller, Ich wall auf Erden hin und her (Rostock 1659) Heinrich Müller, Jesu, wie süß ist deine Liebe (Rostock 1659) [HE‘] Wie schon im Lüneburgischen Gesangbuch, so ist auch in Sohrens Musikalischem Vorschmack der Anteil der Sterbe- und Ewigkeitslieder aus Königsberg bzw. Preußen besonders groß: Bei einer deutlich geringeren Gesamtzahl von Liedern enthält Sohrens Buch sogar noch mehr Sterbe- und Ewigkeitslieder aus seiner Heimatregion. Dabei unterscheidet sich die Auswahl deutlich von der des Lüneburgischen Gesangbuchs, gerade was die Lieder Dachs betrifft. Fast alle der Lieder kommen unter ‚Vom Tod und Sterben‘, wenige unter ‚Begräbnis‘ und eines unter ‚Hölle‘: Peter Hagen, Ich schlaf in meinem Kämmerlein (Königsberg 1617) [B] Peter Hagen, Mein Leben sich hie endet (Königsberg 1650) [B] Robert Roberthin, Wer sein Wesen überlegt (Königsberg 1637) Simon Dach, Wer weiß Bescheid, der Sterblichkeit (Danzig 1638) Simon Dach, Es vergeht mir alle Lust (Königsberg 1639) Simon Dach, O wer doch überwunden hätte (Königsberg 1639) Simon Dach, Was hat ein frommer Christ doch Not (Königsberg 1639) Simon Dach, Die große Nichtigkeit (Königsberg 1640) Simon Dach, Herr, du tust, was dir gefällt (Königsberg 1640) Simon Dach, Was willst du armes Leben (Königsberg 1640) Simon Dach, Ich steh in Angst und Pein (Königsberg 1641) Simon Dach, Nimm mich weg, Gott, für dem Jammer (Königsberg 1642) [B] Simon Dach, Was stehn und weinen wir zuhauf (Königsberg 1647) Simon Dach, Ich bin ja, Herr, in deiner Macht (Königsberg 1648) Simon Dach, Ich bin bei Gott in Gnaden (Königsberg 1651) Simon Dach, Wer wird nach diesem Leben (Königsberg 1652) Simon Dach, Entschlag dich aller Ding auf Erden (1665) Simon Dach, In dieser meiner letzten Not (1653) Simon Dach, O eitle Welt, o kurze Zeit (1657) [B]

191

wenn ich bei mir betracht (nach FT II 392. von Gesenius/Denicke, s. o.) und O Flüchtigkeit, o Eitelkeit* (in Lüneburger Gesangbüchern ohne Autorangabe). Nicolaus Hasse oder Hassenius (1605–1670) war Organist an der Rostocker Marienkirche und steuerte zu Müllers Geistlicher SeelenMusik (Rostock 1659) zahlreiche Generalbasslieder bei, u.a. zu Texten von Heinrich Müller und Johann Scheffler. Vgl. Bellotti, MGG-Art. Hasse.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Simon Dach, Wenn Gott von allem Bösen in dieser Lebensnot (1675) Georg Mylius, Herr, ich denk an jene Zeit (Königsberg 1639) Valentin Thilo, Herr, unser Gott, wenn ich betracht (Danzig 1639) Heinrich Albert, O wie mögen wir doch unser Leben (Königsberg 1640) Heinrich Albert, Zum Sterben ich bereitet bin (Königsberg 1645) Anon., Christo hat mein Leben sich nun ganz ergeben (Königsberg 1643) Georg Weissel, Ich bin dein satt, o schnöde Welt (Königsberg 1650) Georg Weissel (?), Wenn meiner Seelen bange wird*192 Wenn man dazu noch die aus der Praxis Pietatis Melica übernommenen Lieder rechnet, so ergibt sich die beträchtliche Anzahl von 41 Liedern aus Preußen – das entspricht etwa 25% der 166 Sterbe- und Ewigkeitslieder. Davon wiederum stammt mehr als die Hälfte von Dach (23 Lieder). Die Reihe der von Sohren neu aufgenommenen Lieder aus dem sächsisch-thüringischen Raum beginnt mit denen aus Clauders Psalmodia nova (Altenburg 1627/1631); dann folgen Lieder aus den fünfziger und sechziger Jahren: Michael Ziegenspeck, Ade, ich muss dich lassen (Altenburg 1627) [B] Zachäus Faber, Herr, ich bin ein Gast auf Erden (Altenburg 1627) Anon., Groß Freud in meinem Herzen (Altenburg 1631) [B] Johann Rosenmüller, Alle Menschen müssen sterben (Leipzig 1652) [a] Michael Hunold, Nichts betrübter ist auf Erden (Dresden 1652) [a] Johann Rosenthal, Ach was ist doch unser Lebn (Altenburg 1659) [B] Johann Olearius, Lobe, mein Herz, deinen Gott (Leipzig 1661) [HE’] Ahasverus Fritsch, Hast du denn, Jesu, dein Angesicht gänzlich verborgen [Jena 1668] Ernst Christoph Homburg, Nun, mein Gott, ich bin’s zufrieden* [A] Von Nürnberger Autoren hat Sohren sechs, von schlesischen fünf aufgenommen; darunter sind prominente Namen: aus Nürnberg Dilherr, Harsdörffer und Birken, aus Schlesien Heermann und nun auch Scheffler (Angelus Silesius). Johann Michael Dilherr, Wann ich nicht würd damit getröst (Nürnberg 1646) Johann Michael Dilherr, Ach wie lang muss ich mich schlagen (Nürnberg 1653) Johann Michael Dilherr, Erschrecken ich ja billig sollt (Nürnberg 1653) Georg Philipp Harsdörffer, Wer denket an der Höllen Glut (Nürnberg 1648) [Hö] Johann Jakob Rude (Rüde), Ach wann soll es denn geschehen (Nürnberg 1648) Sigmund von Birken, Was soll dies zage Klagen sein* [B] Johann Heermann, Wach auf, o Mensch, o Mensch, wach auf (Breslau/Leipzig 1630) [Hö] Johann Heermann, Lasset Klag und Trauren fahren* 192

Dass mit der Abkürzung „G. W.“ nicht Georg Werner, sondern Georg Weissel gemeint sein dürfte, ergibt sich aus den Angaben zu diesem Lied in anderen Gesangbüchern, z. B. L-1673.

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Johann Scheffler, Liebster Bräutgam, denkst du nicht (Breslau 1657)193 Johann Scheffler, Nun will ich mich scheiden von allen Dingen (Breslau 1657) [HE’] Heinrich Held, Hör, mein herzliebes Seelichen*194 Dazu kommen Gregorius Richter, Lasset ab von euren Tränen (Leipzig 1658) und das anonyme Welt, ade, ich bin dein müde (Bayreuth 1668). Von Sohren selbst stammen vier der von ihm hinzugefügten Sterbe- und Ewigkeitslieder: Peter Sohren, Gute Nacht, du eitles Leben (Frankfurt/M. 1676)195 Peter Sohren, Auf, auf, mein Herz, zu Gott dich lenk Peter Sohren, Ich gehe, sitze, was ich tu, so ruft mir diese Stimme zu Peter Sohren, Nun ade, du Weltgetümmel, ich verlach all deine Freud Schließlich gibt es auch in diesem Gesangbuch eine größere Zahl (18) von nicht näher gekennzeichneten Liedern, zu denen sich keine weiteren Informationen ermitteln ließen. Der Anteil der Lieder aus dem 16. Jahrhundert ist von immerhin noch etwa 40% in B-1666 auf unter 20% in H-1683 gesunken. Es wird zwar kaum auf die älteren Stücke verzichtet, dafür kommen aber immer größere Mengen an neuem Material hinzu. Diese Tendenz lässt sich zusammenfassend auch für die anderen untersuchten Gesangbücher aus dem Umkreis der Praxis Pietatis Melica festhalten. Schon 1640 spielen die neueren Lieder eine wichtige Rolle, die von Crüger eigens hervorgehoben wird. Das betrifft zunächst Johann Heermann; nach und nach kommen viele weitere Autoren hinzu, unter denen Dach, Dilherr, Rist sowie bei Sohren Müller und Sacer die meistgenannten sind. Paul Gerhardts Sterbe- und Ewigkeitslieder tauchen ebenfalls auf, aber erst in den späteren Auflagen der Praxis Pietatis Melica. Mit der zweistimmigen Schreibweise in Diskant- und Bassstimme setzt Crüger auch musikalisch Maßstäbe und prägt so eine für die neueren Lieder typische musikalische Form. Was die Verwendung der Gesangbücher betrifft, so weisen Titel, Vorreden und z. T. auch Rubrizierung auf die häusliche Andacht hin. Besonders Crüger setzt sich aber – wie Bunners gezeigt hat – zugleich dafür ein, dass auch die zahlreich vertretenen neueren Lieder im Gottesdienst gesungen werden, und gibt entsprechend als Verwendung seines Gesangbuches die „Beförderung beydes des Kirchen= als Hauß=Gottesdienstes“ an. In der frühen liturgischen Einbindung der neuen Lieder nimmt Crügers Berliner Praxis eine Sonder- und Vorreiterrolle ein. Doch auch in der Frankfurter Ausgabe und bei Sohren gibt es Hinweise darauf, dass neben der privaten auch an eine kirchliche Verwendung gedacht ist.

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Die beiden Lieder Schefflers schreibt Sohren Heinrich Müller zu, ebenso ein weiteres Lied Schefflers in der Rubrik ‚Vom Christlichen Leben und Wandel‘: °Fahr hin, du schnöde Welt mit deinem Gut und Geld (Breslau 1657). Die Autorangabe stimmt mit L-1673 überein (vgl. S. 122). Der bei FT III 180. genannte Beleg stammt aus der Frankfurter Ausgabe der Praxis Pietatis Melica von 1676. Ein weiterer Beleg (ohne Rubrizierung) ist der Anhang von S-1688 (vgl. S. 49).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Insgesamt umfasst die Auswahl der Sterbe- und Ewigkeitslieder in den untersuchten Ausgaben aus dem Umkreis der Berliner Praxis Pietatis Melica ca. 220 Lieder (ohne Pestlieder). Auf der Liste der in allen fünf untersuchten Gesangbüchern belegten Lieder aus dem 16. Jahrhundert stehen u.a. Mit Fried und Freud; Mitten wir im Leben sind; Nun lasst uns den Leib begraben; Wenn mein Stündlein vorhanden ist usw., sowie vom Jüngsten Tag: Es wird schier der letzte Tag; Ihr lieben Christen, freut euch nun; Gott hat das Evangelium; Es ist gewisslich an der Zeit usw. Dazu kommen Lieder von Frölich, Leon, Selnecker, Bienemann, drei von Ringwaldt u. a. Von den durchweg belegten Liedern aus dem 17. Jahrhundert sind die ältesten: Martin Behm, O Jesu Christ, meins Lebens Licht (Wittenberg 1610) Christoph Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Görlitz 1611) Anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Freiberg 1620) Von den Liedern der Berliner Autoren sind am häufigsten: Michael Schirmer, Nun lieg ich armes Würmelein (Berlin 1647) Paul Gerhardt, Die Zeit ist nunmehr nah (Berlin 1653) [JA] Die Königsberger Dichter sind mit fünf Liedern in allen fünf Gesangbüchern vertreten: Georg Weissel, Kurz ist die Zeit, kurz sind die Jahr (Königsberg 1634) Georg Werner, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl, dass ich (Danzig 1636) Georg Werner, Ich hab gottlob das Mein’ vollbracht (Königsberg 1639) Heinrich Albert, Einen guten Kampf hab ich (Königsberg 1638) Robert Roberthin, Des Lebens kurze Zeit ist voller Herzeleid (Danzig 1638) Von Johann Rist findet sich durchgängig O Ewigkeit, du Donnerwort (Lüneburg 1642), von Martin Opitz Das blinde Volk der Heiden (Leipzig 1628). Johann Heermann schließlich kommt mit zwei Sterbeliedern und zwei Liedern vom Jüngsten Tag [JA] in allen fünf Werken vor: Johann Heermann, Gottlob, die Stund ist kommen (1632) Johann Heermann, Höret, o ihr Kinder Gottes, höret (Leipzig/Breslau 1636) [JA] Johann Heermann, Lasset ab, ihr meine Lieben (Leipzig/Breslau 1636) Johann Heermann, Wenn des Menschen Sohn wird wiederkommen (Leipzig 1636) [JA]

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4. Kursachsen (am Beispiel Leipzig und Dresden) Aus der kursächsischen Gesangbuchgeschichte sollen schwerpunktmäßig Drucke aus der Buch196- und Musikstadt Leipzig und ergänzend aus der Residenzstadt Dresden herangezogen werden. Zunächst (a) werden einige ältere Leipziger Gesangbücher (1605, 1616, 1627, 1638) gesichtet, anschließend (b) die Leipziger Kantionalien von Schein 1627/1645 sowie von Vopelius 1682; ein ergänzender Blick über Kursachsen hinaus gilt dem räumlich nahe gelegenen Cantionale Sacrum (Gotha 1648), in dem die Begräbnisgesänge eine besonders prominente Rolle spielen. Schließlich (c) folgen einige mit dem Dresdner Hof in Verbindung stehende Gesangbücher (1608, 1625, 1656, 1676/78 sowie ausführlich der Leipziger Vorrath von 1673). a) Leipziger Gesangbücher aus der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts Die Gesangbuch-Tradition der Druck- und Verlagsstadt Leipzig reicht bis in die Anfänge der Geschichte der lutherischen Gesangbücher zurück. 1539 waren hier zunächst die Geistlichen Lieder bei Valten Schumann erschienen, 1545 gefolgt vom Babstschen Gesangbuch (vgl. S. 36), das in Leipzig bis 1580 vorherrschte.197 Aus demselben Jahr stammt auch eine kurfürstliche Bestimmung, die ganz ähnlich wie zwei Jahre später das württembergische Gesangbuch eine klare lutherisch-orthodoxe Linie im gottesdienstlichen Liedgesang vorschreibt.198 Erst dann greift der Drucker Johann Beyer die Tradition des Eichornschen Gesangbuchs „nach ordnung der Jarzeit“ aus Frankfurt/O. auf (vgl. S. 39). Die ersten erhaltenen Leipziger Drucke stammen aus den Jahren 1580, 1582 und 1583. Die Ausgaben von 1580 und 1583 stimmen in der Zahl der Liedtexte recht genau mit den zehn Jahre älteren Frankfurter Ausgaben überein (167/ 169 Texte statt 172 bei Eichorn 1568); Beyer hat aber zahlreiche Melodien hinzugefügt (82 statt 63 Melodien bei Eichorn 1568). Die Ausgabe von 1582 sieht etwas anders aus: Sie enthält keine Melodien, dafür aber mit 228 deutlich mehr Liedtexte. 1593 wurde sie geringfügig erweitert (234 Liedtexte) und in dieser Fassung 1605 unverändert wieder aufgelegt.199 L-1605. Ein Exemplar dieser unter dem Titel Geistliche Lieder und Psalmen / Durch D. Martinum Lutherum bei Abraham Lamberg erschienenen Auflage lag mir vor. Es beginnt mit der auf S. 40 bereits zitierten Vorrede von Eichorn. Die Eichornsche Rubrizierung ist nicht nur am Ende um Wiegen- und Reiselieder ergänzt, sondern auch um eine spezielle Kategorie von Sterbeliedern: „Von Pestilentz vnnd Sterbens leufften“. Hier finden sich – neben vier teils längeren Gebeten – zwei Lieder: Sebald Heyden, Wer in dem Schutz des Höchsten ist (Nürnberg 1544) nach Ps 91 und Caspar 196 197 198

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Reske, Buchdrucker, 527–546 nennt allein für das 17. Jahrhundert über 60 Buchdrucker in Leipzig. Vgl. Reckziegel, Cantional, 64. Aus den sächsischen Generalartikeln vom 1. Januar 1580, zit. nach Dibelius, Geschichte, 241: „Damit das Volk im Singen nicht irre gemacht werde, sollen die Custodes keine andere denn D. Luthers Gesänge, und die er ihm gefallen lassen, in der Kirchen singen, damit sie dieselbigen wohl lernen und eins das andre desto leichter lehren könne.“ Nach Graff, Auflösung, 255 (vgl. Scheitler, Lied, 86) wurde noch 1624 durch ein Synodaldekret die Zahl der im Gottesdienst zu singenden Gemeindelieder auf 32 beschränkt. Vgl. Reckziegel, Cantional, 40; zu den vorangegangenen Angaben ebd. 22f, 35–37 und 64–67.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Stolzhagius, Ach treuer Gott, Herr Jesu Christ (Leipzig 1582).200 Dazu kommen drei in der Auswertung berücksichtigte Rubriken mit 23 Sterbe- und Ewigkeitsliedern (9,8% von 234 Liedern), deren Titel von Eichorn deutlich abweichen: acht Lieder „Vom Tode vnd Sterben“, neun „Vom Begräbnüß der verstorbenen / vnd von der Aufferstehung“ und sechs „Vom Jüngsten Gericht vnd ewigen Leben“. Gebete schließen die Abschnitte jeweils ab. Einige Lieder seien genannt: Das erzählende Ich stund an einem Morgen*, in dem ein junger Mann vom Tod aufgefordert wird mitzukommen, findet sich in Leipzig auch später noch oft unter den Sterbeliedern, während sich das Begräbnislied Gott schuf Adam aus Staub und Erd von Johann Mathesius (Nürnberg 1559) nicht mehr lange halten kann. Zum lateinischen Iam moesta quiesce querela des Prudentius sind gleich zwei Übersetzungen abgedruckt: Hört auf, alles Leid, Klag und Sehnen und Hört auf zu trauren und klagen. Zum Jüngsten Gericht ist u.a. das eher seltene Weil in der argen bösen Welt von Nicolaus Herman (Wittenberg 1560) enthalten. L-1616. Ein weiterer Druck vom Beginn des 17. Jahrhunderts trägt den Titel Geistliche Lieder vnd Psalmen / D. Martini Lutheri (1616 bei Henning Große d. Ä.). Der ausführliche Titel, aber auch der Inhalt zeigen, dass es sich um eine spätere Ausgabe der 1589 von Zacharias Berwaldt gedruckten und ebenfalls bei Henning Große erschienenen Geistlichen Lieder Doct. Martini Lutheri handelt, in denen die Eichornsche Tradition mit der Babstschen zusammengeführt wird.201 Weitere Auflagen dieses Gesangbuchs stammen aus den Jahren 1592, 1602 und 1607.202 Im Titel wird ausdrücklich auf den liturgischen Gebrauch Bezug genommen.203 Charakteristisch sind der Anhang der lateinischen Cantica sacra veteris ecclesiae selecta204 und die gegenüber Eichorn geänderte Aufteilung: Sie umfasst sechs große Abschnitte, von denen die Sterbe- und Ewigkeitslieder den letzten bilden.205 Voraus gehen Fest-, Katechismus-, Psalmlieder, im vierten Abschnitt Lieder zur christlichen Kirche, zur Buße und zum christlichen Leben, im fünften Morgen-, Abend- und Tischlieder. Der Ursprung dieser Sechser-Aufteilung liegt in Straßburg, genauer in jenem Gesangbuch, das 1569 unter dem Titel Psalmen / geystliche Lieder vnd Gesänge bei Theodosius Riehel erschienen war.206 Das Schema desselben Gesangbuchs liegt Rößler

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Neben dem Beleg aus den Geistlichen Liedern und Psalmen (Leipzig 1582) mit der Autorangabe Stolzhagius (vgl. W V 51.) nennt Wackernagel eine frühe, aber anonyme Fassung dieses Liedes (Magdeburg 1585; vgl. W III 1146.). Vgl. Reckziegel, Cantional, 38f.66. Vgl. Reckziegel, Cantional, 39f.67. Die Ausgabe von 1616 kennt Reckziegel offenbar nicht. „Wie die auff einen jeden Sontag / vnd fürnembste Fest / durchs gantze Jahr vber / in der Christlichen Kirchen ordentlich gebraucht werden“ (ebenso das bei Reckziegel, Cantional, 38f genannte Gesangbuch von Zacharias Berwaldt, Leipzig 1589). Darin enthalten sind biblische Gesänge (Psalmen), Symbola sowie Introiten und Responsorien, teilweise auch Antiphonen, Hymnen, Sequenzen usw. durch das gesamte Kirchenjahr hindurch, einschließlich der Heiligenfeste; es folgen lateinische Kollekten („Orationes ecclesiasticae“) für alle einzelnen Sonntage. L-1616, 237: „Der sechste Theil / darinnen die Klag vnd Trost Gesenge / Item / vom Todt / Sterben / Begräbniß vnnd Jüngsten Tage begrieffen.“ Vgl. Reckziegel, Cantional, 26.59.

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zufolge auch den fünf Abteilungen des Württembergischen Gesangbuchs von 1583 zugrunde (vgl. S. 42). Das Buch von 1616 ist nicht besonders sorgfältig gedruckt: Die Nummerierung der Lieder ist fehlerhaft, die feinere Rubrizierung innerhalb der sechs großen Abschnitte uneinheitlich (meist nur in den Kopfzeilen angegeben). Von den Liedern werden nur die Texte wiedergegeben. Das Buch enthält 28 Sterbe- und Ewigkeitslieder unter 216 Liedern insgesamt (12,9%), davon eines „Vom reichen Man und armen Lazaro“, 18 „Klag vnd Todtgesenge“, fünf207 „Vom Begrebniß“ und vier „Vom Jüngsten Tage“. Die Liedauswahl unterscheidet sich deutlich von L-1605. Auf die Babstsche Tradition verweist der biblische Erzählgesang zur Geschichte vom armen Lazarus (Es war einmal ein reicher Mann), der im 6. Teil prominent an erster Stelle steht. Aus Michael Weisses Gesangbuch der Böhmischen Brüder von 1531 stammt Aus tiefer Not lasst uns zu Gott (bei Weisse unter den Bußliedern). Etwas neuer sind: Joachim Magdeburg, Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut (Erfurt 1572)208 Anon., Zu dir, Herr Christe, setz ich all mein Vertrauen (Leipzig 1602) Cornelius Becker, Lasset die Kindlein kommen (1605) Anon., Wenn dich Unglück tut greifen an (Jena 1609) In der Begräbnis-Rubrik steht auch Ecce quomodo moritur iustus nach dem lateinischen Text von Jes 57,1 und Ps 75,3 (Vulgata-Zählung)209; einen etwas anderen Zuschnitt hat der Text desselben Gesanges bei Babst: Jes 57,1f und Ps 16,15 (Ps 17,15). L-1627a. 1627 erschienen die von Gregorius Ritzsch gedruckten Geistlichen Lieder / So von dem Hocherlauchten Manne […] Luthero, die sowohl in der Anlage (34 Rubriken) als auch im Liedbestand deutlich erweitert sind. Unter 407210 Liedern sind 43 Sterbe- und Ewigkeitslieder (10,6%), davon drei mit Melodie; dazu kommen noch 10 Pestlieder. Georg Weinrichs Vorrede vom 12.5.1606 verweist auf die Erstausgabe des Gesangbuchs 1606 bei Michael Lantzenberger.211 Weinrich mahnt, den äußeren Vollzug des Singens auch mit innerem Leben zu erfüllen: Es erfordert aber der heilige Geist von Christlichen Hertzen / daß jhre Geistliche Lieder vnd Psalmen nicht bloß sollen auff der Zungen wachsen / sondern aus | dem innerlichen

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Doppelt gezählt: die lateinische und die deutsche Fassung von Iam moesta, die hier strophenweise alternierend unter derselben Nummer abgedruckt sind Die in L-1616 abgedruckte dreistrophige Fassung ist sogar noch jünger: Sie findet sich nach W III 1214. erst in Seth Calvisius’ Kirchengesängen (Leipzig 1597, vgl. S. 104 Anm. 255). Im Wortlaut: „ECce, quomodo moritur justus, & nemo pericipit corde. Viri justi tolluntur, & nemo considerat. A facie iniquitatis sublatus est justus. Et erit in pace memoria ejus. In pace factus est locus ejus: & in Sion habitatio ejus.“ Deutsch: „DEr Gerechte kömbt vmb / vnd niemand ist / der es zu Hertzen neme: Vnd heilige Leute werden auffgerafft / vnd niemand achtet drauff. Denn die Gerechten werden weggerafft / für dem vnglück. Vnd die richtig für sich gewandelt haben / kommen zum friede / vnd ruhen in jhren Kammern.“ Zählung nach Register im Gesangbuch; Reckziegel, Cantional, 41 zählt nur 371 Texte. Davon laut GBB je ein Exemplar in der FLB Gotha (Cant.spir. 8° 00083) und in der HAB Wolfenbüttel (Tl 172).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Geiste herfliessen / vnd des Hertzens Grund vnd Boden rühren / vnd das auch Leben vnd Wandel mit dem jenigen sollen gleichstimmig seyn / was mit dem Munde gesungen wird.212

Als Orte des Singens (nicht der Gesangbuchbenutzung) nennt er dabei gleichermaßen Kirche, Haus und auch die berufliche Arbeit: Derowegen so offt wir in Christlicher Kirch vnd Gemein zusammen kommen / vnd mit einander Geistliche Lieder singe[n] / oder auch dergleichen zu Hause thun / bey Verrichtung vnserer Amptswerck vnd Gescheffte was einem jedern in seinem Beruff obliget vnd anbefohlen ist / sollen wir vns solchen | Gottesdienst mit eim rechten Ernst angelegen seyn lassen / damit nicht der blosse Mund singe / vnd das Hertz vnter dessen anderswo vmbher spatziere / oder mit jrrdischen vnd vergeblichen Sachen vmbgehe / denn solches ist ein Grewel vor Gott.213

Zum angestrebten Ziel der inneren Bewegung des Menschen ist die Musik nach Ansicht Weinrichs ein probates Mittel. Die unmittelbare Wirkung des Gesangs auf das menschliche Herz beschreibt er mit dem Bild des Magneten: Es gehet aber solch singen der Geistlichen Lieder ohne Nutz vnd Frucht nicht ab / sondern hat eine besondere Krafft / der Menschen Hertzen anzuzünden vnd zu bewegen / ja gleichsam | an sich zu ziehen / wie der Magnet Stahl vnd Eysen an sich zeucht.214

Die Auswahl der Sterbe- und Ewigkeitslieder ist recht konservativ und wurde vermutlich nach der ersten Auflage von 1606 kaum verändert. Immerhin drei Lieder sind nach 1600 entstanden: Anon., Wenn dich Unglück tut greifen an (Jena 1609) Christoph Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Görlitz 1611) [JE] Valerius Herberger, Valet will ich dir geben (Leipzig 1614) Mit vier Liedern ist Nicolaus Herman der am besten vertretene Textdichter: Nicolaus Herman, Gleich wie ein Weizenkörnelein (Kulmbach 1551) [JE] Nicolaus Herman, Es war ein gottsfürchtiges und christlichs Jungfräulein (Wittenberg 1560) Nicolaus Herman, Mit Todesgdanken geh ich um (Wittenberg 1562) Nicolaus Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Wittenberg 1562) Weisse ist mit drei, Alber, Ringwaldt, Selnecker und Philipp Nicolai sind mit je zwei Liedern vertreten. Nicolais Wachet auf, ruft uns die Stimme hat dabei die ungewöhn-

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L-1627a, Vorrede fol. 2v|3r. Weinrichs Forderung nach einer inneren Motivation äußerer Frömmigkeitsvollzüge und nach dem Einklang von Glaube und Leben erinnert an das zeitgleich entstandene Programm Johann Arndts. L-1627a, Vorrede fol. 3r|v. L-1627a, Vorrede fol. 3v|4r.

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liche Rubrizierung ‚Vom Tod und Sterben‘ (sonst: ‚Vom Jüngsten Tag‘ o.a.). Nicht unter den Sterbe-, sondern unter den Neujahrsgesängen steht Luthers Mit Fried und Freud. L-1638. Betont orthodox gibt sich ein New-Zugerichtetes Gesang Büchlein (Leipzig 1638), das vom Leipziger Nikolaipfarrer Jeremias Weber im Auftrag des Verlegers Gottfried Große herausgegeben wurde. Weber stellt dem Werk Luthers Gesangbuchvorreden voran und setzt dann eine eigene hinzu (datiert am 29.9.1638), in der er einen scharfen polemischen Ton gegen Papisten und Calvinisten anschlägt. Dabei pocht er wiederholt auf die „absonderung“ des rechtgläubigen Luthertums. Die sich allmählich durchsetzende Praxis, die Lieder namentlich zu kennzeichnen, ist für Weber ein Instrument zur Sicherstellung der Rechtgläubigkeit; daher habe er zur Feststellung der Autorschaft und der ursprünglichen Textgestalt vieler Lieder jahrelang recherchiert.215 Kirchengesang ist für Weber Bekenntnisakt, Losungswort im Kampf der ecclesia militans. Umso perfider ist es für ihn, dass die Papisten in den Text der lutherischen Lieder eingreifen, wie er am Beispiel eines der beliebtesten Sterbelieder zeigt: Sie vnterstehen sich aber auch wol gar in | vnser Gesangbuch zu rumpeln / vnd die bey vns breuchliche / theils alte / theils H. Lutheri Lieder zu ändern / vnd jhre abgöttische gesetze mit einzuflicken. […] | […] Es wird auch jhrem Gesangbuch einverleibt befunden / das schöne sterblied D. Pauli Eberi: HErr Jesu Christ wahr mensch vnd Gott / etc. (vielleicht wollen die Leute bey jhnen den durst vnd hunger nach göttlichem trost jhnen sonst nicht stillen lassen) aber verlestert / denn sie folgende wort gantz Gottsdiebischer weise auff die Jungfraw Mariam bringen: Wenn ich nun kom in sterbensnoth / Vnd ringen werde mit dem tod / etc. So kom Maria mir behend Zu hülff an meinem letzten end. Damit sie den Leuten das vorgestackte ziel / nemblich / die krafft des Leydens Christi / bößlich verrücken.216

Die Heilswirkung des Liedes zu einem seligen Sterben wird so nach Weber in geradezu heimtückischer Absicht („bößlich“) durchkreuzt. Webers Gesangbuch enthält 56 Sterbe- und Ewigkeitslieder (11,1% von 505 Liedern), genauer 36 vom Tod und Sterben, sieben vom Begräbnis, sieben vom Jüngsten Tag und Auferstehung, nochmals zwei von der Auferstehung sowie vier vom 215

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L-1638, Vorrede fol. b 2v: „Vn[d] deuchtet mich ein mittel / zu solcher absonderung wol dienend / zu seyn / wen[n] man vber die Lieder der rechten Autorum Namen setzet / vn[d] wer sie gewesen / was für ein zeugniß sie von der Kirchen haben.“ Als Beispiel nennt Weber das Lied °Nun höret zu, ihr Christenleut des angeblichen Wiedertäufers Hans Witzstat, das er theologisch habe begutachten lassen und darum „mit wissen vnd willen vbergangen“ habe (fol. b 2r; ob der missliebige Autor tatsächlich Wiedertäufer war, ist allerdings fraglich, vgl. ADB 43,677f). Jedenfalls „ist in gegenwertiger Edition von mir mit fleiß dahin gearbeitet worden / daß darinnen alle bräuchliche Lieder / vnd (so viel zuerfahren müglich) die Autores und Tichter namentlich  / auch wer sie jhres standes vnd orts nach gewesen / darüber gesetzet würden“ (fol. b 3r). Vgl. L-1638, fol. a 10r|10v|11r.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Ewigen Leben. Herman (5 bzw. 3 Lieder217), Ringwaldt (5 Lieder) und Selnecker (4 Lieder) sind die meistgenannten Autoren, von denen auch einige seltenere Lieder abgedruckt sind: Nicolaus Herman, O Mensch, mit Fleiß anschaue mich (Wittenberg 1562) Nicolaus Selnecker, Herr Jesu Christe, Gottes Sohn, der du sitzt (Nürnberg 1565) [E] Bartholomäus Ringwaldt, Ihr Christen, tut nicht zagen so höchlich in Gebärd (Frankfurt/O. 1587) Bartholomäus Ringwaldt, Ach lieben Christen jung und alt, ihr Armen (Frankfurt/O. 1588) [JA] Wie schon das Babstsche Gesangbuch und viele andere sächsische Gesangbücher enthält auch Webers Gesangbuch von 1638 unter den Sterbe- und Begräbnisliedern mehrere lateinische Gesänge, neben der Antiphon Media vita in morte sumus und dem Hymnus Iam moesta auch einige biblische Responsorien: Credo quod redemptor meus vivit Ecce dominus veniet et omnes sancti eius cum eo Ecce quomodo moritur iustus Si bona suscepimus de manu domini

(Hi 19,25) (Sach 14,5f)

„In regressu à funere.“

(Jes 57,1; Ps 75,3) (Hi 2,10; 1,21)

wie L-1616, vgl. S. 99 „ante funerum aedes.“

Nur elf der Lieder, etwa 20%, sind nach 1600 erstmals belegt, davon drei nach 1625: Paul Röber, O Tod, o Tod, schreckliches Bild (Leipzig 1625) Anon., In Christi Wunden schlaf ich ein, die machen mich von Sünden rein (Leipzig 1638) Johann Schelius, O Herre Gott, aus tiefer Not schrei ich jetzund zu dir (Leipzig 1638) Das Lied von Röber, das im ausgewerteten Material sonst nur noch in L-1673 vorkommt, wurde später Vorbild für Paul Gerhardts O Tod, o Tod, du greulichs Bild (Berlin 1667). In sächsischen, Lüneburger, Berliner und Nürnberger Gesangbüchern verbreitet ist dagegen In Christi Wunden schlaf ich ein, das seit N-1677 (vgl. ab S. 133) Paul Eber zugeschrieben wurde. Für dieses Lied wie für das seltenere von Johann Schelius bietet L-1638 den ältesten Beleg.

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Die zweite Hälfte von Sankt Paulus die Korinthier und Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Gleich wie ein Weizenkörnelein bzw. Da nun Elias seinen Lauf) ist jeweils als eigenes Lied aufgeführt.

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b) Das Cantional von Johann Hermann Schein (1627), das Neu Leipziger Gesangbuch von Gottfried Vopelius (1682) und das Gothaer Cantionale Sacrum (1648) Eine besondere Gesangbuchgattung, nach der auch eine bestimmte Art des Satzes benannt ist, ist das Kantional (‚Kantionalsatz‘); es wird meist auf Lucas Osiander zurückgeführt (dazu s. u.). Der wohl berühmteste Vertreter ist das Cantional von Johann Hermann Schein (Leipzig 1627). 1682 folgte ihm das Neu Leipziger Gesangbuch von Gottfried Vopelius. Ergänzend neben den beiden Leipziger Kantionalien soll im folgenden Abschnitt auch das bedeutende Gothaer Cantionale Sacrum Beachtung finden. L-1627b/1645. Scheins Cantional erschien 1627, also im selben Jahr wie das oben genannte Gesangbuch von Ritzsch (L-1627a, vgl. S. 99). 1645, fünfzehn Jahre nach Scheins Tod 1630, erschien eine zweite, von Tobias Michael herausgegebene Auflage. Zusätzlich zu den 286 Liedern von 1627 enthält sie einen Anhang von weiteren 27 Liedern – ausschließlich Begräbnisgesänge („Christliche Grabelieder“). Schein hat das Cantional nach seinen Angaben auf mehrfaches Drängen hin veröffentlicht. Als Leipziger Thomaskantor und Generalmusikdirektor war Schein einer der prominentesten Kirchenmusiker seiner Zeit. Selbstbewusst listet er in der Dedicatio an Bürgermeister und Rat zu Leipzig vom 11.8.1627 die Stationen seines beruflichen Werdegangs auf, die ihn für ein Unternehmen wie das Cantional mehr als hinreichend qualifizieren.218 Zugleich polemisiert er gegen „Vnverständige Musicastellos vnd Componistellos ̝̰̯̫̠̥̠̘̦̯̫̰̭“, die er „wenig oder gar nichts“ achte. Anlass zu der Veröffentlichung hätten ihm nicht zuletzt die Mängel vorhandener Gesangbücher gegeben, die ebenso in „Defect vnnd Excess“ des Liedbestandes (dazu s. u.) wie in „eingerissenen Irrthümen“ vor allem bei Melodien bestünden; durch Einsichtnahme in die Quellen habe er sie zu korrigieren versucht.219 Bedeutsam ist das Cantional in dreierlei Hinsicht: musikalisch, liturgisch sowie besonders im Blick auf die Sterbe- und Ewigkeitslieder. 1. Seine musikalische Bedeutung liegt in den 228 meist vierstimmigen Sätzen, die fast alle von Schein selbst stammen.220 Schein stellt sich damit in die Tradition der mehrstimmigen Chorgesangbücher, die Johann Walter 1524 mit seinem Geist218

219 220

L-1645, Dedicatio fol. 2v–4r: „Dieweil ich dann nicht allein verruckter Zeit in ChurFürstl. Sächs. HoffCapellen zu Dreßden / in meiner Jugend für einen Discantisten 4. Jahr vnterthänigst; Seit dessen aber in Fürstl. Sächs. HoffCapellen zu | Weinmar für einen Capellmeister ins andere Jahr vnterthänig; Nunmehr ferner in beyden Kirchen allhier zu Leipzig für einen General=Directorn der Music ins eilffte Jahr vnterdienstlich auffgewartet vnd gedienet; vnnd mich ieder Zeit / vermittelst Göttlicher Assistentz / sonder Ruhms / eusserstes Fleisses dahin bemühet / wie voraus dem allmächtigen GOtt zu Lob vnnd Ehren / ich die liebe Music / so viel an mir / conserviren, perfectioniren vnnd auff vnsere liebe Posteritet propagiren helffen möchte […] Als habe ich mich vnter andern / auff vieler Cantoren freundliches Zuschreiben / vnd der Music fautorn, Liebhaber vnd Liebhaberin inständiges suchen auch über ein Christ=|liches Gesang=Buch Augspurgischer Confession machen […] | […] wollen.“ Zitate aus L-1645, Dedicatio fol. 3v und 4r. Vgl. Reckziegel, Cantional, 136–138. Als Komponisten der 13 nicht von Schein stammenden Sätze nennt Reckziegel u.a. die Thomaskantoren Seth Calvisius, Scheins Vorgänger und Herausgeber der Kirchengesänge (vgl. Anm. 225), sowie Tobias Michael, Scheins Nachfolger und Herausgeber des Cantionals von 1645.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

lichen Gesangbüchlein begründete (vgl. S. 35).221 Neuartig an den ‚Kantionalien‘222 ist die Verbindung mit dem Gemeindegesang. Derselbe Lucas Osiander, der auch beim Württembergischen Gesangbuch von 1583 federführend war, hatte als erster 1586 ein ähnliches Werk herausgebracht, in das er 50 Lieder aus dem Gesangbuch in eigenen Sätzen aufnahm (vgl. S. 44). Kennzeichnend für den ‚Kantionalsatz‘ ist eine schlichte, homophone Kompositionsweise (Contrapunctus simplex) mit Cantus firmus im Diskant (zuvor: im Tenor), die an die Sänger nicht zu hohe Ansprüche stellte und Männern wie Frauen das Mitsingen der Melodiestimme erlaubte, während der Chor den mehrstimmigen Satz intonierte.223 Dass Osianders Modell der Aufwertung und Stärkung des Gemeindegesangs durch die Zusammenlegung mit dem Chorgesang Erfolg hatte, zeigt die relativ große Zahl ähnlicher Werke, die ihm bald folgten.224 Direkter Vorläufer von Scheins Cantional sind die Kirchengesänge (Leipzig 1597) von Seth Calvisius,225 in deren Auswahl nach Scheins Ansicht allerdings wichtige Gesänge fehlen, ein Mangel, den er beheben will.226 Auch an die instrumentale Begleitung hat Schein gedacht: Erstmals ist die Bassstimme mit Ziffern für den Generalbass (z. B. Orgel) ausgestattet, was sich in späteren Gesangbüchern als Standard etablieren sollte.227 2. In seiner liturgischen Zweckbestimmung, die mit der musikalischen Form des kunstlosen Contrapunctus simplex verbunden ist, liegt die zweite Bedeutung von Scheins Cantional: Nach Scheins Vorrede ist es für den Gottesdienst in der Leipziger Thomas- und Nikolaikirche bestimmt,228 und dort kam es mit Sicherheit zum Einsatz. Der Gemeinde lag das Gesangbuch im Gottesdienst allerdings nicht vor, obwohl es für die Idee des Kantionals konstitutiv ist, dass sie den Cantus firmus mitsingen kann. 221

222 223 224 225

226

227

228

Ob Walter selbst als „Wegbereiter des späteren homophonen Kantionalsatzes mit Diskant-Cantus firmus“ zu bezeichnen ist, ist umstritten; Walter Blankenburg votiert dagegen (vgl. Blankenburg, Einleitung zur Faksimileausgabe des Walterschen Chorgesangbuches, 11f). Vgl. Rößler, MGG-Art. Gesangbuch, 1302–1304. Vgl. Messmer, MGG-Art. Kantionalsatz, bes. 1773.1778; Reckziegel, Cantional, 125f. Vgl. Blankenburg, Liedgesang, 600. Weitere Auflagen: 1598, 1605, 1612, 1622; vgl. Reckziegel, Cantional, 130. Vollständiger Titel der 3. Auflage (1605) nach VD17: Harmonia Cantionum Ecclesiasticarum. Kirchengesänge / und Geistliche Lieder / D. Lutheri und anderer frommen Christen. Welche in Christlichen Gemeinen dieser Landen auch sonsten zu singen gebreuchlich / sampt etlichen Hymnis, &c. Mit Vier Stimmen contrapuncts weise / richtig gesetzt / und in gute Ordnung zusammen gebracht / Durch Sethum Calvisium Cantorem zu S. Thomas in Leipzig. Scheins Ziel bei der Edition ist nach seinen Worten die „Auslassung vnnöthiger vnd vngebräuchlicher / vnnd Hineintragung andächtiger / nützlicher / gebräuchlicher des Herrn Lutheri vnnd anderer geistreichen Autorn, wie auch / auff sonderbares Anhalten / meiner eigenen / […] Lieder= vnd Psälmlein“ (L-1645, Dedicatio fol. 3v). L-1645, Dedicatio fol. 3v: „worbey auch sonderlich / mit darzu gehörigen Vberzeichnungen / für die Organisten / Instrumentalisten vnd Lautenisten etc. auff dem General-Baß gesehen worden“; vgl. Reckziegel, Cantional, 134. Die später standardisierte Form – Reckziegel nennt die Praxis Pietatis Melica – besteht freilich nur in einem zweistimmigen Notendruck mit Diskant und beziffertem Bass. L-1645, Dedicatio fol. 4r|v: „Vnd weil solches mein Cantional oder Gesangbüchlein vornemlich auff | beyde Kirchen vnd Gemeinen / als zu S. Thomas vn[d] zu S. Niclas / allhier in Leipzig / iedoch caeteris paribus, angsehen vnnd gemeynet / So habe ich auch solches billich denenselben […] consecriren vnnd zuwiedemen wollen vnd sollen […] zu Beförderung des Gottesdienstes in ietzt angeregten ihren beyden Kirchen“. Von der liturgischen Zweckbestimmung zeugen auch die zu Ende jeder Rubrik angefügten Versikel und Kollekten.

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Sie konnte vielmehr in bekannte Gesänge einstimmen und durchs Zuhören weitere erlernen. Aus dem Gesangbuch gesungen wurde vom Chor der Schüler; Schein hatte als Thomaskantor ja auch an der Thomanerschule zu unterrichten. Darauf verweisen auch die zehn „Gesänge für die Gregorianschüler“ am Ende der ersten Auflage. 3. Eine besondere Rolle kommt innerhalb des Cantionals den Rubriken der Sterbe- und Ewigkeitslieder zu. Zunächst fällt auf, dass hier einige fünfstimmige Sätze auftauchen, während in den übrigen Abteilungen ausschließlich vierstimmige vorkommen:229 Fünf fünfstimmige Sätze sind es in der Ausgabe von 1627, 21 weitere kommen im Anhang der zweiten Auflage 1645 hinzu.230 Es handelt sich um Gelegenheitswerke Scheins für Begräbnisse, zu denen er auch die Texte selbst verfasst hat. Der formalen Besonderheit der Stücke entspricht also eine Besonderheit ihres Ursprungs, die ihre Aufnahme in ein Kirchengesangbuch doppelt auffällig macht. Einige weitere ursprünglich fünfstimmige Begräbnislieder aus eigener Feder hat Schein für das Cantional vierstimmig umgeschrieben.231 Die fünf Lieder, die er 1627 bereits auf den Tod eigener Familienangehöriger gedichtet und komponiert hatte, beließ er aber in der fünfstimmigen Fassung und gab ihnen damit eine besonders herausgehobene Stellung. In dem 1645 postum herausgegebenen Anhang, der auch Stücke zum Tod von drei weiteren Kindern Scheins enthält, sind alle neu hinzugekommenen Stücke in der fünfstimmigen Fassung abgedruckt. Insgesamt stammen 38 der Texte zu den 75 Liedern des Cantionals ‚Vom Tod und Sterben‘ von Schein, 17 aus der ersten und 21232 aus dem Anhang zur zweiten Auflage. Nicht mitgerechnet sind dabei zwölf Stücke der Rubrik ‚Psalmen Davids‘, die ebenfalls für Trauerfeiern entstanden, und vier weitere, bei denen ein Namensakrostichon einen solchen Sitz im Leben sehr wahrscheinlich macht.233 Eine Verwendung aller dieser Lieder im Sonntagsgottesdienst ist wohl eher nicht zu erwarten. Zwar empfiehlt das Festregister des Cantionals, in dem für jedes Fest und jeden Sonntag passende Gesänge vorgeschlagen sind, am 16. Sonntag nach Trinitatis alle Lieder ‚Vom Tod und Sterben‘ zu singen.234 Angesichts der Tatsache, dass mit Abstand keine andere Gruppe so groß ist, ist gerade hier aber wohl kaum jedes einzelne Lied gemeint. 229

230 231

232

233

234

Ausnahmen bilden lediglich das sechsstimmige Osterlied Heut triumphieret Gottes Sohn mit Satz von Seth Calvisius sowie sieben zusätzliche fünfstimmige Choralmotetten zu Liedern, zu denen vorher auch ein einfacherer vierstimmiger Satz im Contrapunctus simplex abgedruckt ist (vgl. Reckziegel, Cantional, 137.138f). Vgl. Reckziegel, Cantional, 140.216–220. Reckziegel, Cantional, 141f gibt einen Überblick über diejenigen vierstimmigen Stücke zum Begräbnis, von denen eine fünfstimmige Erstfassung überliefert ist bzw. war. Für das Lied Christe Jesu, Gottes Sohn (Nr. 295) fehlt zwar ein Nachweis in Reckziegels Aufstellung der von Schein selbst stammenden Texte (Reckziegel, Cantional, 198–201); im Gesangbuch selbst ist es aber mit „Joh. Herm. Schein“ gekennzeichnet. Das entspricht der Kennzeichnung bei den 20 nachgewiesenen Stücken. Vgl. Reckziegel, Cantional, 199–202 (Verzeichnis der Texte Scheins) und 210–213 (Inhalt der PsalmliederRubrik). Zwölf Psalmlieder für Begräbnisse: Cantional Nr. 141; 143; 145; 149; 150; 153; 154; 165; 166; 171; 172; 178. Vier Psalmlieder mit Akrostichon: Cantional Nr. 168; 170; 182; 185. Explizit genannt sind im Festregister („Kirchen=Ordnung Dieser Christlichen Lieder etc. auff die Jahr=Fest vnd Sontage gerichtet“) der Auflage von 1645 nur zwei: Mitten wir im Leben sind und °Wenn wir in höchsten Nöten sein (Rubrik ‚Vom Kreuz, Verfolgung und Anfechtung‘); für die anderen ist summarisch auf die Rubrik ‚Vom Tod und Sterben‘ verwiesen.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Viel wahrscheinlicher ist, dass Scheins Sterbe- und Ewigkeitsliedern eine andere Verwendung zugedacht ist, nämlich – wozu sie ursprünglich gemacht wurden – für den Chorgesang beim Begräbnis.235 Insgesamt gibt es 37 Rubriken, die Eichornsche Gliederung ist inzwischen vielfach erweitert und ergänzt.236 Quantitativ ist das Übergewicht der Sterbe- und Ewigkeitslieder beträchtlich: Schon unter den 286 Stücken der Ausgabe von 1627 machen die 48 Sterbelieder 16,8% aus; nur die 54 Psalmlieder bilden eine noch größere Gruppe. Die sieben Lieder vom Jüngsten Tag eingerechnet, sind es 19,2%. Mit den 27 zusätzlichen Stücken der 313 Lieder umfassenden Zweitauflage von 1645 wird gar ein Anteil von 24,0% erreicht (mit den Liedern vom Jüngsten Tag 26,2%), die höchste Quote unter den ausgewerteten Gesangbüchern. 17 der Sterbelieder Scheins stehen gesammelt am Ende der Rubrik ‚Vom Tod und Sterben‘ (Nr. 245–260 und 262), beginnend mit Sei fröhlich, meine Seele, dem Lied zum Tod von Scheins erster Frau Sidonia, und vier weiteren fünfstimmigen Sätzen zum Tod seiner Kinder. Unter den Stücken, die dem Gesangbuch 1645 unter dem Titel ‚Christliche Grabelieder‘ angehängt wurden, sind 21 weitere Texte Scheins (Nr. 287 und 289–308). Nachfolgend die Aufstellung sämtlicher 38 Sterbelieder Scheins aus dem Cantional:237 Liedanfang

Nr.

Stim.

Jahr

Widmungsträger/in

Ausg.

Sei fröhlich, meine Seele

245

5

1624

1627

So fahr ich hin mit Freuden

246

5

1619

Seligkeit, Fried, Freud und Ruh

247

5

1623

Ich will still und geduldig sein

248

5

1625

Ist denn fürn bittern Tod

249

5

1626

Freut euch, ihr lieben Kinderlein Ich hab mein Lauf vollendet Trau deinem lieben Gott

250 251 252

4 4 4

Scheins Gattin Sidonia Scheins Tochter Susanna Scheins Tochter Susanna Sidonia Scheins Tochter Johanna Judith Scheins Tochter Johanna Elisabeth „Fridricus“ Johannes Rothäupt Thomas Michael Schürer

235

236

237

1626 1626

1627 1627 1627 1627 1627 1627 1627

Nach dem Festregister sind folgende Lieder „Bey Begräbnissen“ zu singen: Psalmlied: In dich hab ich gehoffet, Herr; „Vom Kreuz, Verfolgung und Anfechtung“: Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut; °Wenn wir in höchsten Nöten sein; Wenn dich Unglück tut greifen an; Mag es denn je nicht anders sein; sowie die Lieder der Rubrik „Vom Todt vnd Sterben“. Als Psalmen sind genannt: Ps 6; 13; 15; 23; 25; 30; 31; 39; 42; 51; 84; 88; 90; 112; 116; 121; 126; 130; 142; 146. (Vielleicht ist diese Angabe auf die Psalmlieder bezogen: Zu allen der hier genannten 20 Psalmen enthält das Cantional Liedfassungen.) Im Kirchenjahr etwa um Lieder zu Neujahr, den Weisen aus dem Morgenland, Mariä Reinigung, dem Johannistag, Mariä Heimsuchung, Michaelis und Aposteltagen; dazu kommen Gesänge „Um schön Wetter“ und ganz am Ende „Die teutsche Meß“, ein Wiegen- und ein Kinderlied sowie die „Gesänge für die Gregorianschüler“. Jahres- und Namensangaben zur Entstehung nach Reckziegel, Cantional, 198–202.

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II. Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts Die Zeit nunmehr vorhanden ist In Fried und Freud ich fahr dahin Nun scheid ich ab in Fröhlichkeit Mit Freuden fahr ich hin zu Gott Mein Herz ruht und ist stille Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, wenn ich Klagt mich nicht mehr, ihr lieben Leut Eva durch ihr begangne Schuld Mein Gott und Herr, ach sei nicht ferr Mein Zeit nunmehr vorhanden ist Lass dir, o mein Herr Jesu Christ In Sünden und in Gottes Zorn Klagen, Trauren, Weinen Stellt ein eur Klag und Weinen Meine Freund, nicht so weint Zwing dich, o liebe Seele mein Christe Jesu, Gottes Sohn (vgl. Anm. 232) Hin ist des Lebens Zeit Ihr lieben Trauerleut Klagt nicht so, geliebte Leut Als anfangs in dem Paradeis Mit Seufzen und mit Tränen Ich heul und wein in meiner großen Not In Seufzen tief, in Traurigkeit

253 254 255 256 257 258

4 4 4 4 4 4

259

1622 1620 1620

107

1624 1626

Dorothea Mosbach Jakob Griebel Nicolaus Selneccer Melchior Weinrich Maria Höpner Johannes Welsch

1627 1627 1627 1627 1627 1627

4

1620

Katharina Pose

1627

260 262

4 4

1621

Euphrosina Kramer „Margarita“

1627 1627

287 289 290 291 292 293 294 295

5 5 5 5 5 5 5 5

M. Andreas Schneider

1645 1645 1645 1645 1645 1645 1645 1645

296 297 298 299 300 301

5 5 5 5 5 5

302

5

1628

Mach’s mit mir, Gott, nach deiner Güt Herr, Herr, wie lang, wie lang

303

5

1628

304

5

1630

Sei gnädig, Herr, sei gnädig, Herr Mit Lust ein Röselein Es kränkt ein Vatr- und Mutterherz Mit Trauren, Weinen, Klagen

305 306 307 308

5 5 5 5

1628 1628

Christoff Schultz Simon Ritz

1629

Zacharias Schürer

1629 1629

Hermann Hütte Johannes Elfeld

1628

Concordia Seidelin

1627

Scheins Tochter Johanna Susanna Scheins Sohn Johannes Zacharias Margarita Werner Scheins Sohn Hieronymus

1645 1645 1645 1645 1645 1645 1645 1645 1645 1645 1645 1645 1645

Nur wenige Texte anderer Autoren haben sich zwischen die Scheins gemischt. Im Cantional von 1627 sind dies:

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Bartholomäus Ringwaldt, Geliebten Freund, was tut ihr so verzagen (Frankfurt/O. 1577) (Nr. 261) Gregorius Ritzsch, Der frömmste Mensch, ja Gottes Sohn (Leipzig 1621) (Nr. 263) Dazu kommen im Anhang von 1645 sechs weitere: Maria Rothäupt, Ach Herr, erzeige Gnade mir (1625) (Nr. 288) Tobias Michael, O große Freud und Wonne (Leipzig 1645) (Nr. 309) Tobias Michael, Wo ist denn hin mein Leiden (Leipzig 1645) (Nr. 310) Tobias Michael, Ach wende dich doch, Herr, zu mir (Leipzig 1645) (Nr. 311) Anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Freiberg 1620) (Nr. 312) Martin Behm, O Jesu Christ, meins Lebens Licht (Wittenberg 1610) (Nr. 313) Der Text von Maria Rothäupt wurde von Schein zu ihrem eigenen Begräbnis vertont, diejenigen von Tobias Michael sind wie einige Lieder Scheins eigenen Kindern gewidmet. Anders als Freu dich sehr, o meine Seele ist ein anderes Lied aus den Threnodiae von Demantius (Freiberg 1620), Herr Jesu Christ, ich schrei zu dir, bereits 1627 im Cantional enthalten. Den einzigen Beleg in den ausgewerteten Rubriken enthält das Cantional für Ach Gott und Herr, wie groß und schwer (Jena 1613), das sonst meist unter den Bußliedern zu finden ist (z. B. N-1677). Dass es in der Sterbeseelsorge eine wichtige Rolle spielte, zeigt die Auswertung von Leichenpredigten (vgl. S. 587). L-1682. Das Cantional wurde offenbar über lange Zeit benutzt. Nach der Auflage von 1645 gibt es sogar Nachrichten über eine weitere im Jahre 1677, die aber möglicherweise nie gedruckt wurde.238 Laut der Dedikation zum Neu Leipziger Gesangbuch von 1682 ist das Cantional zu diesem Zeitpunkt vergriffen und bedarf daher eines Nachfolgers, der mit dem Neu Leipziger Gesangbuch vorliegt.239 Herausgeber war der Verleger Christoph Klinger, für den musikalischen Teil war der Nikolaikantor Gottfried Vopelius. Georg Moebius, Dekan der theologischen Fakultät zu Leipzig und Verfasser der Vorrede, hat die Texte überprüft, kommentiert und gab schließlich als Theologe sein Placet.240 Das Neu Leipziger Gesangbuch gehört ebenfalls zum Typ ‚Kantional‘, der dann aufgrund der zunehmenden instrumentalen Begleitung des Gemeindegesangs allmählich wieder verschwinden sollte.241 In den mehrstimmigen Sätzen242 für den gottesdienstlichen Chorgesang wird – etwa bei der 238 239

240

241

242

Vgl. Reckziegel, Cantional, 53. Vgl. Grimm, Vopelius, 15. Ein Exemplar des Neu Leipziger Gesangbuchs konnte leider nicht benutzt werden; die Untersuchung und Dokumentation von Grimm bietet aber eine hinreichende Grundlage für die notwendigen Angaben. Eine Vorstellung von der Arbeitsweise bei der Erstellung des Werks gibt ein Passus im Titel, wonach Moebius „auch nach der Vorrede viel nützliche Anmerckungen hinzu gethan / und darinnen gewiesen / wie in unterschiedlichen Liedern an gewissen Orten falsch und unrecht gesungen / und wie darneben viel dunckele und undeutliche Redensarten recht sollen verstanden werden“. Rößler, MGG-Art. Gesangbuch, 1309 nennt das Neu Leipziger Gesangbuch als einen der „letzten wichtigen Repräsentanten“ der Kantionalien. Trotz mehrfacher Neuauflagen (1693 und 1707; ohne Noten) konnte es langfristig keine herausragende Bedeutung mehr gewinnen (vgl. Grimm, Vopelius, 279). Das Gesangbuch enthält 261 mehrstimmige Sätze, davon 90 unverändert von Schein übernommen und einige weitere abgewandelt (vgl. Grimm, Vopelius, 113–116); dazu kommen 55 einstimmige Melodie-

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Bearbeitung aus anderen Quellen übernommener Sätze – ein „Streben nach einem vierstimmigen ‚Normalsatz‘“ und „nach möglichst einfachen Verhältnissen melodischer, harmonischer und rhythmischer Natur“243 erkennbar. Auch die lateinischen Gesänge244 und die Versikel und Kollekten, mit denen jede Rubrik – wie schon im Cantional – abgeschlossen wird, weisen auf die gottesdienstliche Verwendung hin. Inweweit angesichts einer Verlegerinitiative von einem „amtlichen Charakter“245 des Buches zu sprechen ist, erscheint allerdings offen. Eher dürfte dem Neu Leipziger Gesangbuch ein ganz ähnlicher Status zugedacht sein wie jenem Werk, in dessen Nachfolge es sich sieht: dem Cantional von Johann Hermann Schein. Wie dieses dürfte es auch nicht nur im Gottesdienst, sondern ebenso im Schulunterricht verwendet worden sein.246 Die Rubrizierung des Neu Leipziger Gesangbuchs ist mit der des Cantionals nahezu identisch.247 Unter insgesamt 429 Liedern sind 65248 Lieder ‚Vom Tod und Sterben‘ (15,2%; davon 43 mehrstimmig, 23 ohne Noten) und sieben Lieder „Vom Jüngsten Tage / Aufferstehung der Todten und ewigen Leben“ (1,6%; davon fünf mehrstimmig, zwei ohne Noten). Die Quote ist damit noch immer recht hoch, aber niedriger als im Cantional. Anders als im Cantional ist der Abschnitt „Vom Tod und Sterben“ 1682 mit Abstand zur umfangreichsten Rubrik geworden.249 Beim Vergleich mit dem Liedbestand des Cantionals fällt zuallererst auf, dass von den 38 Sterbeliedern Scheins nur noch eines übrig geblieben ist: So fahr ich hin mit Freuden – und dies ohne Noten.250 Damit erhärtet sich der Eindruck, dass diese Lieder tatsächlich auch im Cantional eine Sonderrolle einnehmen und in den Bestand nicht ganz integriert sind. Von 82 Sterbe- und Ewigkeitsliedern bei Schein übernimmt Vopelius nur 32; die Übereinstimmung mit dem zeitlich näher liegenden

243 244

245

246

247 248

249 250

noten, während 113 Lieder ohne Noten bleiben (vgl. Grimm, Vopelius, 100). Schein ist der mit Abstand am besten vertretene Komponist; ihm folgen Johann Crüger (9 Sätze), Andreas Hammerschmidt (7), Melchior Franck (3), Johann Schop (3), Gottfried Vopelius (3), Joachim à Burgk, Michael Prätorius, Erhard Bodenschatz (je 2) u.a. (vgl. Grimm, Vopelius, 277). Grimm, Vopelius, 279. Nach Klingers Zuschrift sind die lateinischen Gesänge vor allem in der Stadt üblich, zur Erziehung der Jugend wie zur Erbauung der lateinkundigen Gemeindeglieder (vgl. Grimm, Vopelius, 16). Grimm, Vopelius, 15. Schon etwas weniger überzeugt klingt denn auch die abschließende Formulierung, L-1682 sei „das erste halb-amtliche offiziöse Leipziger Stadt-Gesangbuch“ (Grimm, Vopelius, 275). Vgl. S. 105, darauf verweisen die zahlreichen lateinischen Stücke und die abschließende Rubrik „Gesänge für die Schüler am Schul=Fest=Tage Gregorii“. Als Nikolaikantor (seit 1676) hatte auch Vopelius, der schon seit 1671 Lehrer an der Nikolaischule war, sowohl liturgische wie pädagogische Aufgaben zu versehen. Eine kritische Einschätzung seiner pädagogischen Fähigkeiten durch den Rektor erfuhr er 1692 bei der Visitation: „Der Kantor informiere gut, wenn er wolle, habe aber oftmals andere Gedanken, könne bisweilen fleißiger sein, hege gegen die Knaben Groll, […] lasse sich bisweilen wenn es heiß sei, in die Schulstube eine Kanne Bier kommen […], sei importun und eigensinnig.“ (Zit. nach Grimm, Vopelius, 34). Bei Vopelius fehlt nur der Cantional-Abschnitt „Die deutsche Meß“. Im Druck sind es 66 Nummern, da das Lied Herr Jesu Christ, mein Herr und Gott zwei Mal vorkommt; insgesamt enthält das Gesangbuch drei solcher Fälle (432 Nummern, aber nur 429 Lieder), vgl. Grimm, Vopelius, 99. Vgl. Grimm, Vopelius, 101. Es folgen die Psalmlieder mit 34 und die Weihnachtslieder mit 32 Nummern. In der zweiten und dritten Auflage des Neu Leipziger Gesangbuchs wird dann das Schein-Lied Mach’s mit mir, Gott, nach deiner Güt wieder berücksichtigt (vgl. Grimm, Vopelius, 105).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Vorrath (L-1673, vgl. S. 118) ist größer. 21 Lieder schließlich sind in den ausgewerteten Rubriken nur bei Vopelius, nicht aber bei Schein und im Vorrath enthalten: Bartholomäus Ringwaldt, Ach lieben Christen, trauret nicht (Frankfurt/O. 1571) Caspar Bienemann, Herr, wie du willt, so schick’s mit mir (Altenburg 1582) Anon., Hie lieg ich in der Erden Schoß (Freiberg 1620) Anon., Ich war ein kleines Kindlein (Freiberg 1620) Johann Rist, O Ewigkeit, du Donnerwort (Lüneburg 1642) [JA] Johann Rist, O Gott, der du mit großer Macht (Lüneburg 1642) Johann Rist, Mein Gott, erbärmlich lieg ich hier (Lüneburg 1654) Michael Schirmer, Nun lieg ich armes Würmelein (Berlin 1647) Anon., Mein Herr und Gott, wann ich muss fort (Altenburg 1648) Johann Franck, Du, o schönes Weltgebäude (Berlin 1653) Johann Scheffler, O treuer Jesu, der du bist (Breslau 1657) Christian Keimann, Meinen Jesum lass ich nicht (1658) Johann Rosenthal, Ach was ist doch unser Lebn (Altenburg 1659) Johann Flittner, Ach was soll ich Sünder machen (Greifswald 1661) Franz Joachim Burmeister, Es ist genug, so nimm, Herr, meinen Geist (Mühlhausen 1662) Anon., Aus der Tiefen rufe ich (Nürnberg 1674) Anon., Jesu, dein will ich sein*251 Friedrich Rappolt, Mein Leben war ein Streit* Christoph Kirchenbitter, Jesum hab ich mir erwählet* Anon., Es ist doch in diesem Leben* Anon., Was ist doch der Menschen Leben* Unter den Liedern vom Jüngsten Tag wurde gegenüber dem Cantional lediglich das alte Sankt Paulus die Korinthier (einschließlich der Fortsetzung Gleich wie ein Weizenkörnelein) gegen neuere Lieder von Johann Rist ausgetauscht (Frischauf und lasst uns singen und O Ewigkeit, du Donnerwort). Die übrigen fünf Lieder – alle aus dem 16. Jahrhundert – bleiben gleich.252 Wieder einmal zeigt diese Rubrik nicht nur einen kleineren Umfang, sondern auch eine stärkere Kontinuität als die Rubrik ‚Vom Tod und Sterben‘. Diese erweist sich im Neu Leipziger Gesangbuch als besonders offen für Neues: Während andere Rubriken fast immer nur ein, höchstens drei Lieder aus der Zeit nach 1650 enthalten – Grimm spricht deshalb vom „konservativen Geist“253 des Repertoires –, sind es in der Rubrik ‚Vom Tod und Sterben‘ mindestens 14, Grimm zählt sogar 17.254 Für die vier Letztgenannten in der obigen Liste war neben L-1682 251

252

253 254

Das Lied ist im ausgewerteten Material erstmals in D-1656 zu finden, bildet aber wohl eine Textvariante zum älteren Jesulein, du bist mein (Altenburg 1613). Ach Gott, tu dich erbarmen; Es ist gewisslich an der Zeit; Es wird schier der letzte Tag herkommen; Gott hat das Evangelium; Herzlich tut mich erfreuen. Vgl. Grimm, Vopelius, 278. Vgl. Grimm, Vopelius, 104.

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II. Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts

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kein weiterer Beleg zu finden; auch sie sind daher wohl den jüngeren Liedern zuzurechnen. Dazu kommen neun Lieder aus der Zeit zwischen 1625 und 1650 und zwölf aus der Zeit nach 1600. Immerhin 24 Texte stammen aus dem 16. Jahrhundert, das ältere Iam moesta quiesce querela nicht mitgerechnet Go-1648. Ein bedeutendes Kantional aus dem sächsischen Raum ist das Gothaer Cantionale Sacrum von 1648. Als besonderes Zeugnis der Frömmigkeitsgeschichte, in dem die Sterbe- und Ewigkeitslieder eine hervorgehobene Rolle spielen, wurde dieses Werk ergänzend zu den genannten kursächischen Gesangbüchern ausgewertet. Auf den spezifischen frömmigkeitsgeschichtlichen Kontext im Umkreis Ernsts des Frommen kann hier allerdings nicht näher eingegangen werden. Entstanden ist das Cantionale Sacrum im Zusammenhang mit der Schulreform Herzog Ernsts des Frommen im ernestinischen Fürstentum Sachsen-Gotha; es war „Für die Fürstliche Land- und andere Schulen im Fürstenthumb GOTHA“ (Titel), genauer: für die „Mittlere Classes hiesiger Fürstlichen Land-Schul“ (Vorrede) bestimmt.255 Die Sätze wurden von den Schülern im Unterricht, im Gottesdienst oder bei Begräbnissen gesungen. Beim Cantionale sacrum handelt sich insofern nicht um ein Kantional im engeren Sinn (vgl. S. 104), als es im Gottesdienst wohl nicht zum Gemeindegesang, sondern zum Figuralgesang des Chores verwendet wurde.256 Darauf weist auch die größere Bandbreite an musikalischen Formen hin: Neben den üblichen schlichten Kantionalsätzen, die auch hier vorherrschen, enthält das Werk einige aufwändigere Sätze bis hin zu kleineren Motetten; die Zahl der Stimmen, im Kantionalsatz vier oder fünf, kann hier in einigen Fällen auch bei drei, sechs oder acht liegen. Auch die Auswahl der Texte ist nicht am Gemeindegebrauch orientiert: Die ‚kanonischen‘ Detempore-Lieder der Reformationszeit fehlen großenteils257 (allerdings gilt dies weniger für die Begräbnisgesänge, s. u.); dagegen sind zahlreiche neuere Lieder aus der Zeit ab 1600 enthalten. Das Werk ist dreigeteilt: Der erste Teil enthält „Fest=Gesänge“ (123 Nummern), der zweite „Christliche Kirchen- und Schul-Gesäng / Nach der Ordnung des heiligen Catechißmi eingetheilet“ (138 Nummern) und der dritte Teil „Geistliche Gesänge […] Welche Bey Christlichen Leichbestattungen tröstlich können gebrauchet werden / auch guten theils allbereit im Brauch sind“ (62 Nummern). Diese wiederum sind aufgeteilt in 46 Nummern „Begräbnis-Gesäng“ [B], zehn Nummern „Bey Begräbnis der Kinder“ [BKi] und sechs „Bey anfallenden Seuchen“. Bei einer Gesamtzahl von 323 Nummern ergibt sich ein stattlicher Anteil von 19,2% Bestattungsgesängen. Dabei weicht die Zahl der Sätze und die der Texte etwas voneinander ab, da unter einer Nummer teils zwei Sätze zu ein und demselben Text, teils zwei Texte zu ein und demselben Satz abgedruckt sind.258 So verbergen sich je nach Zählung hinter den 62 Nummern bis zu 72 Texte. Während bei vielen Texten die Autorangabe fehlt, sind die Sätze fast alle mit den Namen der Komponisten versehen: Je dreizehn Mal werden Johann Hermann Schein und 255 256 257 258

Vgl. Blankenburg, Cantionale sacrum, 148f. Vgl. Blankenburg, Cantionale sacrum, 151. Vgl. ebd. Beispiele aus dem dritten Teil: Nr. 15 (Satz von Johann Hermann Schein; Texte: Behm, O Jesu Christ, meins Lebens Licht und anon., In Christi Wunden schlaf ich ein); Nr. 16 (Satz von Melchior Vulpius; Texte: Prudentius, Iam moesta quiesce querela und die anonyme deutsche Fassung Hört auf mit Trauren und Klagen); Nr. 34 (Satz von Christoph Demantius; Texte: O Welt, ich muss dich lassen und Heermann, Es nahet sich zum Ende). Den umgekehrten Fall (zwei Sätze zum gleichen Text) hat Nr. 3 (Sag, was hilft alle Welt*, vgl. Anm. 263); vgl. Blankenburg, Cantionale sacrum, 147.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Melchior Vulpius genannt, zwölf Mal Melchior Franck, sechs Mal Christoph Demantius und je zwei Mal Michael Altenburg, Johann Dilliger und Bartholomäus Gesius. Weitere Namen sind Jacob Gallus, Joachim von Burck, Bartholomäus Helder, Gottfried Scheid und [Michael?] Sigillus. Bei den Texten überwiegen deutsche Liedtexte. Daneben stehen lateinische Dichtungen259 sowie Bibeltexte in lateinischer und deutscher Sprache.260 Unter den deutschen Liedtexten des dritten Teils spielen sowohl die alten als auch ganz neue Sterbelieder eine gleichermaßen bedeutsame Rolle. Anders als Blankenburg es für das gesamte Werk ermittelt hat (s. o.), stammen immerhin achtzehn Texte aus der frühen Phase bis 1575, darunter Mitten wir im Leben sind; Mit Fried und Freud ich fahr dahin; Nun lasst uns den Leib begraben; O Welt, ich muss dich lassen; Wenn mein Stündlein vorhanden ist; Herzlich lieb hab ich dich, o Herr. Zehn Texte – darunter drei von Martin Moller – stammen aus der Zeit bis 1600, fünfzehn aus der Zeit bis 1625. Die meisten der übrigen achtzehn deutschen Liedtexte dürften aus der jüngsten Zeit bis 1648 stammen; sieben von ihnen waren schon vor Go-1648 nachzuweisen. Einige Stücke lassen erkennen, auf welche jüngeren Quellen das Cantionale sacrum zurückgreift, etwa auf Demantius’ Threnodiae (Freiberg 1620) und auf Scheins Cantional (Leipzig 1627/1645): Nr. Rubr. Autor

259 260

261

38

B

33

B

37 39 49 5

B B BKi B

15

B

10 51

B BKi

53

BKi

54 34

BKi B

Textanfang

Bartholomäus Helder anon.

Ach Gott, wie schnöd und ganz vergänglich ist Herr Jesu Christ, mein Herr und Gott, lass mich anon. Ach mein herzliebes Jesulein anon. Fahr hin, du liebste Seele mein anon. Ich war ein kleines Kindlein Paul Röber Ach wie ein kleinen Augenblick anon. In Christi Wunden schlaf ich ein Joh. H. Schein Mit Trauren, Weinen, Klagen V. T. Marold Ach das quält Vater- und (nach Schein261) Mutterherz Joh. H. Schein Freut euch, ihr lieben Kinderlein Joh. H. Schein So fahr ich hin mit Freuden Joh. Heermann Es nahet sich zum Ende

Quelle Erfurt 1620

}

Christoph Demantius, Threnodiae, Freiberg 1620 Joseph Clauder, Psalmodia nova (Altenburg 1627) L-1638 (vgl. S. 102)

}

Johann Hermann Schein, Cantional, Leipzig 1627/1645 (vgl. S. 106) M. Martin Rinckarts Catechismus (Leipzig 1645)

Neben Iam moesta ein lateinisches Reimgedicht nach Ps 42,6 und Ps 25,1.7 (Tantis quid ergo curis). Lateinisch: Nr. 31 (Jes 57,1/Ps 75,3 [Vulgata-Zählung]; Text wie S. 99, Anm. 209); Nr. 46 (Hi 2,10/1,21). Deutsch: Nr. 1 (Joh 11,25f); Nr. 4 (Röm 14,7f); Nr. 25 (Apk 7,13–17); Nr. 43 (Jes 35,10); Nr. 45 (Hi 2,10/1,21); Nr. 48 (Jes 57,1). Der Text ist eine kunstvolle Nachdichtung zu Scheins Es kränkt ein Vatr- und Mutterherz, bei der das ursprüngliche Akrostichon „Euphrosina“ (5 Str.) durch „Anna Margreta“ (6 Str.) ersetzt wurde.

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II. Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts

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Von den in Go-1648 erstmals belegten Texten seien genannt: Nr. Rubr. Autor

Textanfang

Weitere Belege // Nachweis

2

B

Joh. Kempff 312

Wenn ich in Todesnöten bin

3

B

anon. (Meyfart?) 313

Sag, was hilft alle Welt*

8

B

anon.

L-1673; Lü-1695/1702 // FT I 36. T-1665/69; S-1688; S-1691; S-1704; N-1677/90; H-1683; Lü-1695/1702 // – –

9 17 52 55 56

Ach, ach du mein liebstes Jesulein* B anon. Betracht ich recht das Leben B anon. Mit Freuden will ich fahrn dahin BKi anon. Ach Gott, du liebster Vater mein* BKi anon. Jesu, du liebstes Herrlein mein* BKi Andreas Kesler Als Job, der fromme Gottesknecht

– // FT II 139. – // FT II 140. – – – // FT II 61.

Die Auswertung zeigt, dass das Gothaer Cantionale Sacrum einen bedeutenden Beitrag zu den Begräbnisgesängen des 17. Jahrhunderts geliefert hat: in musikalischer Hinsicht insofern, als es eine beachtliche Sammlung von Sätzen namhafter Komponisten enthält; in literarischer Hinsicht insofern, als darin auch viele jüngere, oft literarisch anspruchsvollere Texte gesammelt sind (Röber, Schein, Kempff ). Unter diesen Texten befindet sich einiges Sondergut, das z. T. in anderen Gesangbüchern weiter gewirkt hat.

c) Gesangbücher aus dem Umkreis des Dresdner Hofes Als Residenzstadt war Dresden seit 1580 zugleich Sitz der obersten Kirchenbehörde in Kursachsen (weitere Konsistorien existierten in Leipzig und Wittenberg). Unter den einflussreichen Dresdner Hofpredigern sind prominente Namen wie der auch als Liederdichter bedeutende Nicolaus Selnecker (1557–1565), Polykarp Leyser d. Ä. (1594–1610), Matthias Hoë von Hoënegg (1613–1645) oder Jakob Weller (1646–1664); sie besaßen eine theologisch und politisch prominente Position im

262

263

Der Autor Johann Kempff ist bereits 1625 verstorben; Go-1648 enthält zwar den ältesten bekannten Beleg, das Lied muss aber – wenn die Zuschreibung stimmt – über 20 Jahre älter sein. Das im ausgewerteten Material mit elf Mal recht häufig belegte Lied ist in den hymnologischen Quellenwerken nicht vertreten. Go-1648 enthält den ältesten mir bekannten Beleg (mit zwei unterschiedlichen Kantionalsätzen, einem vier- und einem fünfstimmigen), dabei die Angabe „1. à 4. Text. D. Meyfarti. 2. Mel à 5. Sigilli“. Demnach stammen der Text und der erste Satz von Meyfart (Johann Matthäus oder Heinrich?), der zweite von Sigillus (nach Koch, Geschichte III, 277 der Thumer Kantor Michael Siegel; vgl. ebenso ADB 34, 194). Auch in Lü-1702 steht der Name „Mich. Siegel“ bei dem Lied; die Melodie des zweiten Satzes aus Go-1648 (f g a b g a; bei Koch in anderer Tonart wiedergegeben: d e fis g e fis) wird hier – wie auch in N-1677 und H-1683 – variiert (a g a b g a).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Kurfürstentum, teils auch darüber hinaus.264 Auch die Dresdner Musikkultur265 war stark vom Hof geprägt; bedeutende Hofkapellmeister waren Johann Walter (1548–1554), Rogier Michael (1587–1611), Michael Prätorius (1613–1616), Heinrich Schütz (1615–1672) oder Christoph Bernhard (1680–1692). Neben der höfischen existierte die städtisch-bürgerliche Musikpflege mit Zentrum an der Kreuzkirche.266 Die Titel der Dresdner Gesangbücher zeigen, dass auch die Gesangbuchkultur höfisch geprägt war: Hier wird fast immer auf den Gottesdienst in der Schlosskirche verwiesen. Im 16. Jahrhundert war er zunächst durch das Babstsche Gesangbuch und Johann Walters Geistliches Gesangbüchlein (Wittenberg 1524, 51551) geprägt.267 Aus dem Jahr 1581 gibt es erste Aufstellungen über die allsonntäglich im Schlossgottesdienst gesungenen Lieder (‚Festregister‘, vgl. S. 537), die in erweiterter Form noch in den Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts zu finden sind.268 Ein erster Dresdner Gesangbuchdruck bei Hieronymus Schütz, geprägt vom Kryptocalvinismus unter Christian I., entstand 1589.269 Weitere Drucke aus Dresden 1593 und 1597 bemühen sich demgegenüber um eine ostentative Wende zur Leipziger bzw. lutherischen Liedtradition.270 Der Liedpsalter des suspendierten Leipziger Nikolaipfarrers Cornelius Becker (1602) wurde in der Vertonung von Heinrich Schütz (1619) am Dresdner Hof unter Johann Georg II. (1656–1680) verbindlich eingeführt271 und bekam in späteren Dresdner Gesangbuchdrucken einen herausgehobenen Rang.272 Ausgewertet wurden Dresdner Gesangbuchdrucke von 1608, 1625 und 1656 ([Dreßdenisch] Gesangbuch Christlicher Psalmen), von 1676/78 (Geistreiches Gesang=Buch) sowie der Leipziger Vorrath (1673) „zum Gebrauch der Churfl. Sächs. Hoff=Capell zu Dreßden“. D-1608. Die erste verwendete Ausgabe ist das Gesangbuch Christlicher Psalmen / vnd Kirchen Lieder (1608 bei Christian Berg). Die musikalische Ausstattung richtet sich laut dem Titel dieser und der beiden folgenden Ausgaben nach den Gepflogenheiten am Dresdner Hof: „Allesampt mit den Noten / vnd jhren rechten 264 265 266 267

268

269

270 271

272

Vgl. Hasse, Kirche, 515–523. Vgl. dazu Steude, Musikkultur; Steude, MGG-Art. Dresden, bes. 1522–1534. Vgl. Steude, Musikkultur, 581–584; Blaschke, Kreuzschule, 605. Das ergibt die Auswertung der Kompositionen der Dresdner Kapellmeister nach 1550 (vgl. Schmidt, Gottesdienst, 125–128). Vgl. Schmidt, Gottesdienst, 41–62; Dibelius, Geschichte, 223–229. Als Graduallieder gesungen wurden die beiden Lutherlieder Mit Fried und Freud und Mitten wir im Leben sind jeweils am 16. Sonntag nach Trinitatis, das erstere auch an Mariä Reinigung, das letztere auch am 24. Sonntag nach Trinitatis. Vom Jüngsten Tag sang man das böhmische Es wird schier der letzte Tag herkommen am 2. Advent und an den letzten Sonntagen des Kirchenjahres (25., 26., 27. nach Trinitatis). Vgl. Dibelius, Geschichte, 229–235; Reckziegel, Cantional, 34; Schmidt, Gottesdienst, 128–131. Der kryptocalvinistische Einfluss wird durch die Liedauswahl und die Dreiteilung (Festlieder – Katechismus – Psalm- und Loblieder) deutlich. Unter den letzteren sind 13 Lieder „Vom Tod und Sterben“, 8 „Vom Begräbnis und der Auferstehung“ und 5 „Vom Jüngsten Gericht und ewigen Leben“, eine ähnliche Rubrizierung wie in L-1605 (vgl. S. 97; vgl. Dibelius, Geschichte, 229f; Reckziegel, Cantional, 71f). Bei 326 Texten insgesamt entspricht das einem Anteil von 8,0%. Vgl. Reckziegel, Cantional, 34f.73; Schmidt, Gottesdienst, 131f. Einen festen Ort hatten die Becker-Schützschen Psalmlieder vor allem in Nebengottesdiensten wie werktäglichen Frühpredigten oder nachmittäglichen Betstunden, vgl. Schmidt, Gottesdienst, 78. In D-1676 steht er komplett an erster Stelle.

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Melodeyen / wie solche in der Churfürstlichen Sächsischen Schlosskirchen zu Dreßden gesungen werden.“ Davon zeigen auch die zahlreichen liturgischen Gesänge in deutscher und lateinischer Sprache und die Kollektengebete. Der Titel verweist aber auch auf die gemeinschaftliche Hausandacht in der Familie: „Allen Christlichen from[m]en Haußvätern vnd Hauszmüttern mit jhren Kinderlein / so wol in Heusern / als in Kirchen vnd Schulen / sehr Nützlich vnnd dienstlich“. Mit Schmuckleisten und Holzschnitten sind D-1608, D-1625 und D-1656 reich verziert. Neben Luthers Vorrede zum Babstschen Gesangbuch ist unmittelbar vor der Begräbnis-Rubrik auch seine Vorrede zu den Begräbnisgesängen abgedruckt (fehlt nur in D-1656). Die Ausgabe von 1608 enthält 23 Sterbe- und Ewigkeitslieder (8,9% von 259 Liedern in 35 Rubriken): fünf vom Tod und Sterben, zehn vom Begräbnis, neun vom Jüngsten Tag und ewigen Leben; nicht mitgerechnet sind sieben Pestlieder. Für die Dresdner Gesangbücher ist es charakteristisch, dass nicht wie sonst die Lieder vom Tod und Sterben, sondern die Begräbnislieder die größte Gruppe bilden. Acht von ihnen sind mit Noten versehen, ebenso drei vom Jüngsten Tag und vier vom Tod und Sterben. Fünf Begräbnisgesänge stehen in lateinischer Sprache, davon sind drei biblischen Ursprungs;273 dazu kommen Iam moesta und Media vita, zu denen jeweils auch deutsche Textfassungen enthalten sind. Selten unter den Liedern vom Tod und Sterben ist Caspar Löner, O wie selig ist der Tod dem, der verstirbt in Gott (Wittenberg 1538), eher selten unter denen vom Jüngsten Tag Nicolaus Herman, Weil in der argen bösen Welt (Wittenberg 1560). Vorherrschend ist die WittenbergLeipziger Tradition, Lieder der Böhmischen Brüder und aus Frankfurt/O. spielen aber ebenfalls eine Rolle (Weisse, Nun lasst uns den Leib begraben; Weisse, So lasst uns den Leib behalten). D-1625. Die Ausgabe von 1625 (der genaue Nachdruck einer Ausgabe von 1622274) enthält dieselben 35 Rubriken, ist aber um 17 Lieder erweitert, davon 14 Begräbnisgesänge (vier mit Melodie) und ein Pestlied; ‚Vom Tod und Sterben‘ und ‚Vom Jüngsten Tag und ewigen Leben‘ sind im Bestand dagegen unverändert. Der Anteil der 37 Sterbe- und Ewigkeitslieder hat sich damit schlagartig auf 13,4% erhöht.275 Die neuen Lieder stammen aus der Zeit zwischen 1544 (Michael Weisse, O Jesu Christe, Gottes Sohn, Herr und König im höchsten Thron) und 1611 (Christoph Knoll, Herzlich tut mich verlangen), das jüngste ist Herr Jesu Christ, ich schrei zu dir (Freiberg 1620), das auch zwei Jahre später in Scheins Cantional auftaucht (vgl. S. 108). 273

274

275

Credo quod redemptor meus vivit (Hi 19,25 und Ps 145(146),1); Si enim credimus, quod Iesus mortuus est (1Thess 4,14 und 1Kor 15,22); Si bona suscepimus de manu domini (Hi 2,10 und Hi 1,21; nicht bei Babst). Vgl. Reckziegel, Cantional, 35. Das Exemplar stammt laut einer handschriftlichen Eintragung von „Martinus Friederich Custos zu St. Moriz“, muss also außerhalb von Dresden verwendet worden sein, wo es keine Moritzkirche gibt. Möglicherweise besteht ein Zusammenhang mit der zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges in der Stadt grassierenden Pest. Den Höhepunkt erreichte die Pest in Dresden aber erst im Jahr 1632; ca. 6900 Menschen erlagen ihr in diesem Jahr, vgl. Blaschke, Dresden, 363.624. Zwischen 1626 und Kriegsende hat sich die Bevölkerung Dresdens von 17000 etwa halbiert, weniger durch direkte Kriegsopfer, sondern vor allem durch Pestepidemien (vgl. Groß, Dresden, 22).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

D-1656. Die nächste erhaltene Ausgabe wurde 1656 gedruckt. Sie enthält mehr als doppelt so viele Lieder (683), nun in 39 statt bisher 35 Rubriken. Keines der 37 Sterbe- und Ewigkeitslieder von 1625 wurde weggelassen, 55 kamen neu hinzu, davon 40 vom Begräbnis, neun vom Tod und Sterben und fünf vom Jüngsten Tag und ewigen Leben. Insgesamt sind das 92 Sterbe- und Ewigkeitslieder, davon 37 mit Noten; die umfangreichste Rubrik ist die vom Begräbnis (64 Lieder). Hier mag sich die Erfahrung des hohen Bevölkerungsverlustes durch die Pest im Dreißigjährigen Krieg276 niedergeschlagen haben. Zusätzlich sind 15 Pestlieder enthalten, sechs davon von Ringwaldt (vgl. S. 279). Bei den Sterbe- und Ewigkeitsliedern hat sich das Spektrum deutlich erweitert. Zwar hat sich auch die Zahl der älteren Lieder (vor 1600) stark vermehrt; unter den 18 neuen sind u.a. zwei von Philipp Nicolai und nochmals fünf von Ringwaldt: Bartholomäus Ringwaldt, Geliebten Freund, was tut ihr so verzagen (Frankfurt/O. 1577) [B] Bartholomäus Ringwaldt, O Gott, der du die Menschenkind (Frankfurt/O. 1586) [TS] Bartholomäus Ringwaldt, Herr Jesu Christ, weil ich empfind (Frankfurt/O. 1587) [B] Bartholomäus Ringwaldt, Ihr Christen, tut nicht zagen (Frankfurt/O. 1587) [JE] Bartholomäus Ringwaldt, Ach lieben Christen jung und alt (Frankfurt/O. 1588) [JE] Mindestens elf der neuen Lieder sind aber nach 1600, 20 sogar erst nach 1625 entstanden. Dabei wurden als Quellen viele der schon mehrfach genannten (vgl. z. B. Go-1648, S. 112) sächsischen Gesangbücher verwendet. Vier Lieder stammen aus Demantius’ Threnodiae277 (Freiberg 1620), drei aus Scheins Cantional, drei aus Altenburger Gesangbüchern (u.a. Joseph Clauders Psalmodia nova von 1627) und eines aus Jeremias Webers Leipziger Gesangbuch von 1638: Anon., Fahr hin, du liebste Seele mein (Freiberg 1620) [B] Anon., Hie lieg ich in der Erden Schoß (Freiberg 1620) [B] Anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Freiberg 1620) [B] Anon., Ich war ein kleines Kindlein (Freiberg 1620) [BKi] Johann Hermann Schein, So fahr ich hin mit Freuden (1619) [B] Johann Hermann Schein, Seligkeit, Fried, Freud und Ruh (1623) [B] Johann Hermann Schein, Ich will still und geduldig sein (1625) [B] Johann Siegfried, Ich hab mich Gott ergeben (Altenburg 1625) [B] Christoph Adolph, Als ein Hirsch hat Verlangen (Altenburg 1627) [B] Paul Röber, Ach wie ein kleinen Augenblick (Altenburg 1627) [B] Anon., In Christi Wunden schlaf ich ein (Leipzig 1638) [B] 276 277

Vgl. Anm. 275. Weitere Lieder aus den Threnodiae (vgl. S. 70) stehen im Lüneburgischen Gesangbuch.

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II. Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts

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Dazu kommen Lieder aus Quellen anderer Regionen, die sich bereits in den vorigen Abschnitten als besonders ergiebig erwiesen haben – Werke von Heermann und Rist sind ebenso darunter wie solche von Königsberger Dichtern und aus der Berliner Praxis Pietatis Melica: Johann Heermann, Gottlob, die Stund ist kommen (1632) [B] Johann Heermann, Lasset ab, ihr meine Lieben (Breslau/Leipzig 1636) [B] Johann Heermann, Lasset Klag und Trauren fahren* [B] Johann Rist, O Ewigkeit, du Donnerwort (Lüneburg 1642) [JE] Johann Rist, Helft mir mit Freuden singen (Lüneburg 1651) [JE] Robert Roberthin, Des Lebens kurze Zeit (Danzig 1638) [B] Heinrich Albert, Einen guten Kampf hab ich (Königsberg 1638) [B] Simon Dach, Gleichwohl hab ich überwunden (Königsberg 1639) [B] Georg Werner, Ich hab gottlob das Mein’ vollbracht (Königsberg 1639) [B] Peter Hagen, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, ob schon (Königsberg 1643) [TS] Georg Weissel, Gar wohl mein Herz entschlossen ist (Berlin 1648) [B] Christoph Runge, Was ist der Mensch auf dieser Welt (Berlin 1647) [B] Michael Schirmer, Nun lieg ich armes Würmelein (Berlin 1647) [B] Paul Gerhardt, Die Zeit ist nunmehr nah (Berlin 1653) [JE] D-1676/1678. Im Umfang und auch im Anteil der Sterbe- und Ewigkeitslieder deutlich reduziert ist die Ausgabe von 1676, die unter dem Titel Geistreiches Gesang=Buch / An D. Cornelij Beckers Psalmen und Lutherischen Kirchen=Liedern erschien. Sie enthält zunächst den Becker-Psalter und im Anschluss daran 349 Lieder, davon 31 Sterbe- und Ewigkeitslieder (8,9%). Wieder übertrifft die Zahl der Begräbnislieder (22) die der Lieder vom Tod und Sterben (4) und vom Jüngsten Tag und ewigen Leben (5) bei weitem. Gewidmet ist das Buch den sächsischen Herzögen Johann Georg (später Kurfürst Johann Georg IV., 1668–1694) und Friedrich August (später Kurfürst Friedrich August I. der Starke, 1670–1733). Die Dedikation stammt von Christoph Bernhard, dem Musiklehrer („Informator“) der Prinzen und späteren Hofkapellmeister (1681–1692), der die Redaktion des Buches mit zu verantworten hat. Entstanden ist es in kurfürstlichem Auftrag für den Gebrauch bei Hofe („Auf Chur=Fürstl. Durchl. zu Sachsen etc Hertzog Johann Georgens des Anderen / gnädigste Verordnung und Kosten / für die Churfl. Häuser und Capellen aufgeleget und ausgegeben“). Ein prächtiges zweiseitiges Titelkupfer zeigt eine Gruppe von Sängern in der Dresdner Hofkapelle.278 Noten sind nun allen Liedern zweistimmig beigegeben. Eine weitere Ausgabe entstand 1678; sie ist kleiner im Format und enthält keine Noten. Von den insgesamt 29 hinzugekommenen Liedern steht nur eines in der Rubrik „Begräbnis“: Christian Keimann, Meinen Jesum lass ich nicht (1658); ansonsten ist der Bestand der Sterbe- und Ewigkeitslieder identisch mit D-1676. 278

Eine Deutung dieses Stiches als exemplarisch für das liturgische Raumverständnis der lutherischen Orthodoxie vgl. bei Blankenburg, Der Conradsche Stich von der Dresdner Hofkapelle.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Gegenüber D-1656 sind in beiden Ausgaben radikale Einschnitte vorgenommen: 66 der dortigen 92 Sterbe- und Ewigkeitslieder wurden gestrichen, bevorzugt die neueren; hinzu kommen nur fünf (D-1678 als sechstes Keimann). Die Gruppe der nach 1625 entstandenen Lieder ist den Streichungen fast vollständig (bis auf vier Ausnahmen279) zum Opfer gefallen; damit ist die Auswahl schlagartig wieder ganz konservativ. Zu seiner Reserviertheit gegenüber den neuen Liedern mit dem gehobenen literarischen Anspruch bekennt sich der Herausgeber Bernhard in der Dedicatio ganz offen: Zumahl ist die ungereimte Reimrichtigkeit mit so grossem Fleisse von mir gemieden / als sehr solche zeither von einigen gesuchet worden: Deren / wie sie meinen / verbässerte Poësia die Einstimmigkeit unserer Gemeinen nicht wenig zerrüttet / welches man zu ihrer Verantwortung gestellet seyn lässet. Wie die ältesten Exemplaria, in Worten und Weisen / mir vohr gegangen so habe ich ihnen treulich gefolget; Und das üm so viel desto mehr / weil solches dem Gnädigsten Befehl und Ruhmwürdigster Intention Seiner Chur-Fürstl. Durchl. E. E. Fürstl. Fürstl. Durchl. Durchl. Gnädigen Groß=Herrn Vaters / meines Gnädigsten Herrns / etc. gemäß ge=|schehen sollen.280

Bernhard fürchtet also die ‚zerrüttende‘ Wirkung der auf ‚Reimrichtigkeit‘ bedachten, nach Opitzschen Regeln gemachten neueren Lieder. In seiner Bevorzugung der „ältesten Exemplaria“ weiß er sich mit dem Vater der Prinzen einig, dem späteren Kurfürsten Johann Georg III. (1647–1691, Kurfürst ab 1680). L-1673. Das letzte in diesem Abschnitt zu behandelnde Gesangbuch gehört nicht in die Reihe der genannten fünf Dresdener Gesangbücher, ist aber laut Titel gleichfalls „zum Gebrauch der Churfl. Sächs. Hoff=Capell zu Dreßden“ bestimmt: Der Vorrath von alten und neuen Christl. Gesängen (Leipzig 1673), nur drei Jahre vor Bernhardis Geistreichem Gesang=Buch erschienen, hat bei der Liedauswahl eine diesem genau entgegengesetzte Tendenz. Statt auf neuere Lieder zu verzichten, wird hier eine besonders große Zahl von ihnen zusammengetragen; insgesamt enthält das Werk 1520 Lieder. Inwieweit dem Vorrath ein offizieller Status für das ganze Land zukommt, ist fraglich. Einerseits geht aus der Widmungszuschrift an Kurfürstin Magdalene Sibylle und Prinzessin Anne Sophie hervor, dass sich das Buch einer Initiative des Kurfürsten Johann Georg II. (1613–1680, Kurfürst ab 1656) verdankt.281 Es liegt nahe, diese 279

280 281

Davon neu in der Rubrik: Heermann, Zion klagt mit Angst und Schmerzen (Leipzig 1636); J. Franck, Jesu, meine Freude (Berlin 1653). D-1676, Dedicatio fol. 3v|4r. Vgl. L-1673, Zuschrift fol. b 2v: „Wann denn bey dem Hohen Churhause Sachsen […] iederzeit dergleichen rühmlicher Eifer umb Vermehrung göttlicher Ehre zu verspüren gewesen / auch noch neuligst bey ietzo=regierender Churfürstl. Durchl. unserm gnädigsten Herrn und Landesvater / ein absonderlich Verlangen nach einem beqvemen Gesangbuch sich herfürgethan / als haben wir Endesbenante nach erhaltenem Entwurf zusammen getragener Alten und Neuen Gesänge / (derer an der Zahl bey 1520. seyn mögen) samt beygefügten Kirchen Collecten und andern Fest=Andachten / solch Werck in Druck zu befördern uns unterfangen […] ein Werck / das ihrem Churfürstl. hohen Gemahl und Herrn Vater für geraumer Zeit beliebt hat“.

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II. Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts

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Information mit seiner Ankündigung vom September 1673 in Verbindung zu bringen, „ein gewisses von Unserm Ober-Consistorio oder einer Theologischen Fakultät dieser Lande censirtes Gesangbuch förderlichst herausgeben und in alle Kirchen zum Gebrauch schaffen zu lassen“282. Tatsächlich enthält das Werk eine Vorrede der theologischen Fakultät zu Leipzig; überdies rechnen die Verleger damit, dass künftig die „gantze Evangelische Kirche […] sich dieses Buches bedienen wird“283. Andererseits hatte sich der Kurfürst – zusammen mit der Ankündigung eines allgemeinen Gesangbuchs – weiterhin dagegen ausgesprochen, „andere Lieder, als die in Herrn Lutheri Gesangbüchlein stehen, zu führen“284. Seine Skepsis gegen die neueren Lieder scheint sich mit der konservativen Haltung Bernhards durchaus zu decken und steht im Widerspruch zu dem aufgeschlossenen Konzept des Buches, das sich ausdrücklich als Vorrath von „alten und neuen“ Liedern versteht.285 Sollte es sich tatsächlich um die Realisierung der kurfürstlichen Pläne für ein offizielles Gesangbuch handeln, so scheint es sich doch nicht für längere Zeit durchgesetzt haben, vielleicht schon aufgrund seines Umfangs.286 Spätere Auflagen sind jedenfalls nicht bekannt. Dass für den Vorrath auch eine liturgische Verwendung – jedenfalls in der Hofkapelle, vermutlich auch darüber hinaus – indentiert war, zeigt die Aufnahme zahlreicher lateinischer Gesänge.287 Allerdings wurden im Hofgottesdienst noch zur Zeit Johann Georgs II. fast ausschließlich dieselben Lieder gesungen wie 1581;288 für die vielen neuen Lieder des Vorraths dürfte also ein anderer Sitz im Leben vorgesehen sein – Nebengottesdienst, Hausandacht oder Privaterbauung. Hinsichtlich der Rubrizierung bietet der Vorrath eine neue Variante: Es besitzt nur zwei große Abschnitte, Fest- und Katechismuslieder. Alle nicht eindeutig einem Anlass im Kirchenjahr289 zuzuordnenden Lieder werden danach eingeteilt, mit welchem Gegenstand der christlichen Lehre sie in Verbindung zu bringen sind; vielleicht hängt das auch mit dem Einfluss der Leipziger theologischen Fakultät zusammen. Z. T. dienen dabei die klassischen Katechismus-Rubriken als ‚Aufhänger‘ für die 282 283 284 285

286

287

288 289

Zit. nach Dibelius (Geschichte, 242), der diese Ankündigung direkt auf den Vorrath bezieht. L-1673, Zuschrifft fol. b 2v. Zit. nach Dibelius, Geschichte, 241. Das Titelkupfer illustriert dieses Konzept: Gottes Hand schenkt vom Himmel Wein in einen Kelch, um den in zwei Reihen – so erläutert die Inschrift – ein „Vorrath“ von Fässern mit altem und neuem Wein lagert. Die Vorrede der theologischen Fakultät zu Leipzig hebt „der neuen Lehrer ihre Geistreiche Compositiones“ eigens hervor, von denen „etliche nunmehro auch unter uns / und anderst wo haben angefangen bekandt zu werden“. Mögliche Vorbehalte gegen die Neuerungen sollen durch die Versicherung zerstreut werden, „daß wissentlich keine verdächtige Arbeit darzu gebrauchet oder genommen worden“ (fol. d 2v). Vgl. Dibelius, Geschichte, 242: „So war denn nicht nur die solcher Zentralisation abgeneigte Zeitströmung, sondern auch die starke Zumutung, die einen Kodex mit 1520 Liedern jeder Gemeinde zum Gebrauch oktroyieren wollte, an dem Misslingen des Planes schuld.“ Nach Scheitler, Lied, 305 Anm. 94 können die Textfassungen der lateinischen Gesänge als „für die liturgische Praxis repräsentativ“ gelten; vgl. auch Schmidt, Gottesdienst, 137. Vgl. Schmidt, Gottesdienst, 85–88. Zwischen Weihnachts- und Osterfestkreis befindet sich hier eine Rubrik zu „Christi Leben und Wandel“ (ähnlich J-1531, vgl. S. 36 Anm. 18).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Unterbringung bestimmter weiterer Liedgruppen,290 z. T. werden über die gängigen Katechismusstücke hinaus neue Überschriften hinzugefügt, die dann eher an eine dogmatische Darstellung der christlichen Lehre erinnern.291 Die achte und letzte Abteilung der Katechismuslieder trägt in diesem dogmatisch-systematisierenden Sinne die Überschrift „Von letzten Dingen“292 und umfasst vier Unterabschnitte: „Vom Tod und Begräbniß“ (160 Lieder), „Von der Aufferstehung und Jüngsten Gericht“ (17 Lieder), „Von der Hölle“ (5 Lieder) und „Vom ewigen Leben“ (19 Lieder). Das systematische Interesse wird auch darin deutlich, dass der erstgenannte Abschnitt zusätzlich „Vom Beschluß des Lebens“ überschrieben ist, der zweite kontrastierend „Vom Beschluß der Welt“. Insgesamt machen die 201 Lieder 13,2% des Vorraths aus, die Tod- und Begräbnis-Lieder allein 10,5%. Nicht eingerechnet sind 22 Pestlieder (unter 3.: Vaterunser bzw. Gebet/Bitte) und zehn Lieder „Wider Eitelkeit“ (unter 5.: Buße – Beichte – Rechtfertigung). Aus dem 16. Jahrhundert stammen mindestens 49, also knapp 25% der Sterbeund Ewigkeitslieder des Vorraths, darunter drei von Michael Weisse; von Luther wurde aus dem Babstschen Gesangbuch auch das kurze In meinm Elend war dies mein Trost übernommen (nach Hi 19,25, vgl. S. 38 Anm. 36). Nicolaus Herman ist mit fünf Liedern vertreten – darunter O Mensch, mit Fleiß anschaue mich (Wittenberg 1562) –, Nicolaus Selnecker mit vier und Bartholomäus Ringwaldt mit sieben Liedern. Neben den gängigen Liedern von Erasmus Alber, Paul Eber, Johann Gigas, Martin Schalling, Johannes Leon, Bartholomäus Frölich, Jeremias und Philipp Nicolai fallen unter den älteren Liedern diese auf: Johann Gigas, Ich armer Mensch gar nichtes bin293 (Frankfurt/O. 1564) Georg Berckenmayr, O Herr, bis du mein Zuversicht (Straßburg 1568) Caspar Stolzhagius, Ach treuer Gott, Herr Jesu Christ (Leipzig 1582) Wolfgang Striccius, Ich weiß, dass mein Herr Jesus Christ (Nürnberg 1588) Anon., Herr Jesu Christ, du treuer Hort (Görlitz 1593) Christian Thalheimer, Gott sei gelobt, ich empfind wohl (Nürnberg 1605) Im weiteren Verlauf sind wieder die üblichen Lieder von Martin Behm, Christoph Knoll und Valerius Herberger sowie anonyme Dichtungen wie Auf meinen lieben Gott, Christus der ist mein Leben  und weitere enthalten. Die Sterbe- und Ewigkeitslieder aus der Zeit ab 1620 sollen wieder nach Herkunftsregionen geordnet werden. Zahlreiche Lieder kommen etwa aus der sächsischen und thüringischen Nachbarschaft des Vorraths. Aus den Threnodiae (Freiberg 1620) ist nicht nur Freu dich sehr, o meine Seele vorhanden, sondern auch Ach mein herzliebes 290

291

292 293

Nicht nur Bitt- und Gebetslieder (auch: Lieder für bestimmte Nöte wie Pest, Teuerung usw.), sondern auch Morgen-, Abend-, Tisch- und Danklieder werden so dem Vaterunser zugeordnet. Z. B. „Von der Christlichen Kirche und deren drei Hauptständen“ mit den Unterabschnitten Lehrstand (Kirche/ Schule), Wehrstand (Obrigkeit), Nährstand (Untertanen: Eheleute, Witwen, Jünglinge/Jungfrauen, Handelsleute). Eine ähnliche Einteilung fand sich im Hannoverischen und im Cellischen Gesangbuch, vgl. S. 65. Hier wie in Mollers Manuale (Görlitz 1593) in der Textfassung: Ich armer Sünder gar nichts bin.

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Jesulein; aus Go-1648 stammt Kempffs Wenn ich in Todesnöten bin (vgl. S. 113). Von den zahlreichen Liedern aus Scheins Cantional sind in L-1673 immerhin noch einige mehr übrig geblieben als in L-1682 (vgl. S. 109): Johann Hermann Schein, Ich will still und geduldig sein (1625) Johann Hermann Schein, Ist denn fürn bittern Tod (Leipzig 1626) Johann Hermann Schein, So fahr ich hin mit Freuden (1619) Tobias Michael, Wo ist denn hin mein Leiden (Leipzig 1645) Aus der Psalmodia nova von Joseph Clauder (Altenburg 1627/1631) stammen vier Lieder: Paul Röber, Ach wie ein kleinen Augenblick (Altenburg 1627) Michael Ziegenspeck, Ade, ich muss dich lassen (Altenburg 1627) Zachäus Faber, Herr, ich bin ein Gast auf Erden (Altenburg 1627)294 Anon., Groß Freud in meinem Herzen (Altenburg 1631) Röber ist zudem auch mit dem Lied O Tod, o Tod, schreckliches Bild (Leipzig 1625) vertreten. Dazu kommen u.a. ein Lied von Johan Schelius aus L-1638, eines von Ahasverus Fritsch und eines ohne sonstigen Beleg, das dem sächsischen Pfarrer David Peck295 zugeschrieben wird. Johann Schelius, O Herre Gott, aus tiefer Not (Leipzig 1638, vgl. S. 102) Ahasverus Fritsch, Hast du denn, Jesu, dein Angesicht gänzlich verborgen (Jena 1668) David Peck, Wenn ich bei mir betrachte die große Himmelsfreud* Der am besten vertretene neuere Autor der Region ist Johann Olearius mit acht Liedern aus seiner Geistlichen Singekunst (Leipzig 1671), die jeweils mit „D. J. O.“ gekennzeichnet sind; ein anonymes Lied ist aus demselben Werk übernommen: Johann Olearius, Herr Jesu, mein Trost, Hilf und Rat (Leipzig 1671, Nr. 1374) Johann Olearius, Herr Jesu, deine Traurigkeit (Nr. 1376) Johann Olearius, Wollst du für dem Tod erschrecken (Nr. 1377) Johann Olearius, Gott gibt, Gott nimmt, was Gott genommen (Nr. 1379) Johann Olearius, Weil der Erstling Gott gebühret (Nr. 1380) Johann Olearius, Was Gott tut, das ist recht und gut (Nr. 1381)

294

295

Als eigenes Lied (Nr. 1360) taucht in L-1673 noch eine Textvariante von Str. 5 und 6 dieses Liedes (Nr. 1387) auf. Sie beginnt: Hilf mir, mein Gott, überwinden alle Furcht und Traurigkeit. Die Biogramme in FT I, S. 493 und im Pfarrerbuch der Kirchenprovinz Sachsen stimmen zwar nicht in Pecks Geburtsdatum überein (1601–1666 bzw. 1610–1666; richtig dürfte die erstgenannte Angabe – FT – sein), aber in den Stationen seines Dienstes: ab 1626 Diakonus zu Mittweida, ab 1635 Pfarrer zu Pehritzsch.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Johann Olearius, Eins ist sehr schwer, zwei kränken mehr (Nr. 1382)296 Johann Olearius, Gottlob, mein Heil, die Freudenzeit (Nr. 1514) [E] Anon., Herr, lass mich deinen werten Geist bis an mein End regieren Folgende Lieder stammen von Coburger Autoren oder aus Coburger Gesangbüchern: Anon., Herr Jesu Christ, du treuer Gott (Coburg 1630) Michael Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Coburg 1652) Michael Franck, Freud über alle Freude (Coburg 1653) Peter Franck, In Christo will ich sterben (Coburg 1655) Johann Höfel, O süßes Wort, das Jesus spricht (Coburg 1655) Andreas Kesler, An Tod gedenk, o frommer Christ (Coburg 1655) Johann Christoph Kohlhans, Ach wann werd ich dahin kommen (Gotha 1666/Coburg 1667) Von Autoren aus Nürnberg kommen sieben der neueren Lieder, drei davon von Dilherr und je eines von Saubert d. Ä., Rude und Birken. Bisher nicht genannt wurde nur Ach Gott, erhör mein Seufzen und Wehklagen (Nürnberg 1648) von Jakob Peter Schechs. Kaum rezipiert sind die Berliner Dichter, nur Paul Gerhardt (Die Zeit ist nunmehr nah) und Christoph Runge (Was ist der Mensch auf dieser Welt297) sind mit je einem Lied vertreten. Unter den neun Liedern schlesischer Herkunft dominiert Johann Heermann mit acht Titeln. Dazu kommt Hör, mein herzliebes Seelichen*, das Heinrich Held zugeschrieben wird, einem aus Guhrau/Schlesien gebürtigen Juristen und Dichter.298 Von den norddeutschen Autoren ist zum einen Gottfried Wilhelm Sacer mit fünf Liedern in der Rubrik „Vom Tod und Begräbniß“ vertreten, die mit den sechs bei H-1683 genannten fast identisch sind (vgl. S. 92); nur Gott, du suchst mich mit Krankheit heim steht unter den Betliedern (speziell „Gebet in Kranckheit“, S. 709). Zum anderen ist Johann Rist zu nennen, der mit insgesamt 24 Liedern häufigste Autor in den untersuchten Rubriken des Vorraths: [TB] Herr, meinen Geist befehl ich dir (Lüneburg 1642)299 Herr Jesu, mein Trost, lass mich nicht (Lüneburg 1651)300 Weg mit der Welt, mit Gut und Geld (Lüneburg 1651)301 296

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298 299 300

301

Die Lieder aus der Geistlichen Singekunst Nr. 1379–1382 gehören zu Olearius’ siebenteiligem Zyklus „Absonderlicher Trost der Eltern“ (vgl. dazu die tabellarische Aufstellung S. 436). Dazu kommt als eigene Nummer die separierte Str. 4 von Runges Lied (Incipit: Wer täglich stirbt, eh er noch stirbt, Nr. 1362.; das ganze Lied steht an späterer Stelle unter der Nr. 1414.). Zu ihm vgl. FT I, S. 360; Koch, Geschichte I, 55; ADB 11, 680; DBE 4, 556. Str. 13–14 von Rist, O Gott, der du mit großer Macht (HL 3,9). Textvariante zu Str. 11 von Rist, Es nahet sich der letzte Tag (NHL 4,3): „Alßden Herr Jesu laß Mich nicht“ usw.; das vollständige Lied folgt später unter der Nr. 1450. Textvariante zu Str. 10 von Rist, Lebt doch ein jeder Mensch im Streit (NHL 4,2): „Ade du Lasterreiche Welt / | Du Lusthauß aller Schande“ usw.

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Erleuchte mich, o treuer Gott (Lüneburg 1642)302 Wenn die Zeit ist vorhanden, dass ich abscheiden soll (Lüneburg 1651)303 Mein Gott und Vater, der du nicht (Lüneburg 1651) In deinen Willen geb ich mich (Lüneburg 1651)304 Es nahet sich der letzte Tag (Lüneburg 1651) Mein Seelichen, wenn willt du doch (Lüneburg 1651) Herr Jesu Christ, mein Trost und Licht (Lüneburg 1651) [AJ] Lasst ab von Sünden alle, lasst ab und zweifelt nicht (Lüneburg 1651) [Hö] Erschrecklich ist es, dass man nicht (Lüneburg 1651) Muss dir, o Mensch, die schnöde Welt (Lüneburg 1651) Kommt her, ihr Menschenkinder (Lüneburg 1651) Ich will für allen Dingen vergessen dieser Zeit (Lüneburg 1651) [E] O Gottes Stadt, o himmlisch Licht (Lüneburg 1642) O Gott, was ist das für ein Leben (Lüneburg 1642) Ach Gott, wann kommt die liebe Zeit (Lüneburg 1651) Frischauf und lasst uns singen, ihr Kinder Gottes allzumal (Lüneburg 1651) Helft mir mit Freuden singen, ihr Christen allzumal (Lüneburg 1651) Nun, Welt, du musst zurücke stehn (Lüneburg 1651) O Blindheit, bin ich denn der Welt (Lüneburg 1651) So sei nun wohl zufrieden, mein liebstes Seelichen (Lüneburg 1651) Wie magst du dich so kränken, mein Seelichen, sag an (Lüneburg 1651) Auffälligerweise fehlt hier das sonst beliebte Rist-Lied O Ewigkeit, du Donnerwort. Weiter bestätigt sich die Tendenz, dass Rists Sammlung Neüer Himlischer Lieder Sonderbahres Buch (Lüneburg 1651) die bevorzugte Quelle für die Rubriken von der Hölle und vom ewigen Leben bildet. Fast die Hälfte der Lieder in der letztgenannten Rubrik stammt von Rist, und die kleine Rubrik von der Hölle besteht fast ausschließlich aus seinen Texten (neben Heermanns Wach auf, o Mensch, o Mensch, wach auf, Leipzig/Breslau 1630). Bei den sieben erstgenannten der zehn Rist-Lieder vom Tod und Begräbnis (Nr. 1367–1373 des Vorraths) griffen die Herausgeber aus längeren Texten eine oder wenige Strophen heraus, meist unter Weglassung des eigentlichen Liedanfangs; die Reihe beginnt mit Herr, meinen Geist befehl ich dir unter der Überschrift „Joh. Rists Seuffzer“, die anderen folgen jeweils unter dem 302

303 304

Str. 14 von Rist, °So wünsch ich mir zuguterletzt (HL 5,10); das Incipit lautet in L-1673 fälschlich nur „ERleuchte mich / O GOtt“ (statt „o treuer Gott“ wie im Original der Himlischen Lieder). Textvariante zu Str. 10–12 von Rist, O Vater aller Gnaden (NHL 4,1): „Und wen die Zeit fürhanden“ usw. Str. 3 und 11–16 von Rist, Herr Jesu Christ, mein Trost und Licht (NHL 4,6); das vollständige Lied folgt später unter der Nr. 1452.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Titel „Noch aus J. Rists Andacht“. Zweimal kommt es dadurch zu Dopplungen mit später abgedruckten Liedern.305 Insgesamt bilden die 39 Lieder von Danziger und Königsberger Autoren die größte Gruppe. 21 davon stammen von Simon Dach, 4 von Georg Weissel, 3 von Peter Hagen, je 2 von Georg Werner und Robert Roberthin und je eines von Heinrich Albert, Georg Mylius, Christoph Wilkow, Fabian von Ostau und Michael Albinus; dazu kommen zwei anonyme Lieder. Genannt seien hier nur diejenigen Lieder, die bisher keine Erwähnung gefunden haben. Peter Hagen, Trauret nicht, ihr Christen gut (Königsberg 1639) Michael Albinus, Auf, du mein Geist, mein Sinnenlicht (Danzig 1641) [E] Anon., Der jüngste Tag ist vor der Tür (Königsberg 1643) [AJ] Fabian von Ostau, Ach Gott, wie kurz ist unser Zeit (Coburg 1655) Anders als Rists Lieder stehen fast alle Lieder aus Königsberg in der großen Rubrik „Vom Tod und Begräbniß“. Die beiden einzigen Ausnahmen sind in der Liste markiert [E, AJ]. Einige Lieder ließen sich räumlich und zeitlich nicht zuordnen.306 d) Überblick über die kursächsischen Gesangbücher Die Liedauswahl aus den dreizehn sehr unterschiedlichen ausgewerteten kursächsischen Gesangbuchausgaben307 umfasst ca. 330 Sterbe- und Ewigkeitslieder; der Bestand ist damit der umfangreichste aus den untersuchten Regionen. Der Anteil der Sterbe- und Ewigkeitslieder ist meist recht hoch, oft um 13% oder mehr (in Scheins Cantional liegt er bei 25%). In allen der berücksichtigten Drucke aus Kursachsen erscheinen diese sechs Lieder: Prudentius, Iam moesta quiesce querela [meist B] Martin Luther, Mitten wir im Leben sind (Erfurt 1524) [B/TS] Michael Weisse, Nun lasst uns den Leib begraben (Jungbunzlau 1531) [meist B] Michael Weisse, Es wird schier der letzte Tag herkommen (Jungbunzlau 1531) [JA] Erasmus Alber, Gott hat das Evangelium (1548) [JA] Nicolaus Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Wittenberg 1562) [TS] Mit Fried und Freud steht fast durchweg unter den Liedern zu Neujahr oder Mariä Reinigung. Ein sächsisches Spezifikum ist die durchgängige Berücksichtigung von Iam moesta; der prudentianische Hymnus taucht auch bei Babst auf, sonst nur ver305

306

307

Die gedoppelten Lieder sind die mit Anm. 300 und 304 bezeichneten. Ein ähnliches Phänomen ist der Strophenauszug aus Fabers Herr, ich bin ein Gast auf Erden unter der Nr. 1360 (vgl. Anm. 294) und aus Runges Was ist der Mensch auf dieser Welt unter der Nr. 1100. Von einigen unter ihnen enthält L-1673 den einzigen gefundenen Beleg: Nun gottlob, es ist vollbracht aller Jammer, Angst und Schmerzen*; O Herre Gott, in meiner Not tu ich mich zu dir wenden* (nach Selnecker, O Herre Gott, in meiner Not ich ruf zu dir); O Welt, muss ich dich lassen, muss mein Gesicht erblassen*. L-1605; L-1616; L-1627a; L-1638; L-1627b; L-1645; L-1682; D-1608; D-1625; D-1656; D-1676; D-1678; L-1673.

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einzelt, während seine deutschen Übersetzungen sehr verbreitet sind. Auch die biblischen Responsorien in lateinischer Sprache sind in kursächsischen Gesangbüchern häufiger vertreten als andernorts. Sehr häufig in den Rubriken von Tod, Sterben und Begräbnis sind weiter diese Lieder: Martin Schalling, Herzlich lieb hab ich dich, o Herr (Nürnberg 1571) 12x, fehlt nur L-1605 Anon., Hört auf mit Trauren und Klagen (Frankfurt/O. 1561) 11x, fehlt nur D-1676/78 Anon., O Welt, ich muss dich lassen (Nürnberg 1555) 10x, fehlt in den ältesten Ausgaben Ludwig Helmbold, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, ob ich (1575) 10x Christoph Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Görlitz 1611) (B/TS) 10x, fehlt in den ältesten Ausgaben Johannes Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Nürnberg 1589) 9x Aus den Rubriken vom Jüngsten Tag, von der Auferstehung und vom ewigen Leben sind in den sächsischen Gesangbüchern diese Lieder am häufigsten: Bartholomäus Ringwaldt, Es ist gewisslich an der Zeit (Frankfurt/O. 1586) (JA) 12x, fehlt nur L-1605 Erasmus Alber, Ihr lieben Christen, freut euch nun (Wittenberg 1546) 10x Johann Walter, Herzlich tut mich erfreuen (Wittenberg 1552) 10x Nicolaus Herman, Sankt Paulus die Korinthier (Kulmbach 1551) 10x Einige Lieder,308 die in Leipzig (fast) immer unter ‚Vom Tod und Sterben‘ vertreten sind, tauchen in Dresden unter den Pestliedern auf und wurden daher in den Dresdner Gesangbüchern nicht als Belege mitgezählt. In den älteren Drucken L-1605, L-1616, L-1627a und L-1638 überwiegen Lieder aus dem 16. Jahrhundert; dasselbe gilt für D-1608 und D-1625. Am besten vertreten ist dabei jeweils der Zeitraum zwischen 1550 und 1575; die Lieder vor 1550 sind in den früheren, die zwischen 1575 und 1600 in den späteren Drucken besser repräsentiert. Größere Offenheit gegenüber Neuem besitzen die Ausgaben D-1656 und L-1682 (hier ist die Berücksichtigung neuer Lieder eine Besonderheit der Sterbelieder-Rubrik). In D-1676/1678 wird die Öffnung dagegen wieder zurückgenommen. Übermäßig viele neue Lieder enthalten schließlich Scheins Cantional von 1627/45 und der Vorrath von 1673. Im Falle des Cantionals sind dies fast ausschließlich Scheins eigene Gelegenheitswerke, während der Vorrath aus den unterschiedlichsten Quellen schöpft (Autoren: Dach, Rist, Heermann, Olearius, Sacer). Aus den Zeit-

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Albrecht von Preußen, Was mein Gott will, das gscheh allzeit; Gigas, Ach wie elend ist unser Zeit; Ringwaldt, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl, dass ich einmal muss sterben.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

abschnitten bis 1625 enthält der Vorrath je ca. 20 Lieder, zwischen 1625 und 1650 sowie zwischen 1650 und 1673 je ca. 60. Was den Gebrauch der Gesangbücher aus Kursachsen betrifft, so weisen viele von ihnen Merkmale auf, die auf eine liturgische Verwendung hindeuten: Kollektengebete, liturgische Gesänge und die zur Förderung des Gemeindegesangs bestimmten Kantionalsätze. Andererseits gibt es zahlreiche Belege für eine stark ausgeprägte Skepsis gegenüber neueren Liedern im Gottesdienst. So wünscht sich der Dresdner Hofprediger Polykarp Leyser in seiner Vorrede zum Beckerschen Liedpsalter von 1602, „das der Herr Lutherus mit seinen Gesengen, sonderlich in den Kirchen, den preiß und vorzug behalte“309, und noch 1676 klagt der kurfürstliche Informator Bernhard in scharfem Ton darüber, wie die „verbässerte Poësia [der neuen Lieder, L.L.] die Einstimmigkeit unserer Gemeinen nicht wenig zerrüttet“ (vgl. S. 118). Auch wenn der Dresdner Hofgottesdienst aufgrund seiner speziellen Situation sicher keinen repräsentativen Charakter besitzt, so ist doch bemerkenswert, dass die Zahl der hier gesungenen Lieder tatsächlich weit kleiner ist als die der im dazugehörigen Gesangbuch abgedruckten: Ihre Auswahl bleibt über ein Jahrhundert fast konstant.310 Auch in Leipzig lässt sich seit der Vollendung des Konkordienwerks eine entsprechende konservativ-orthodoxe Tendenz ausmachen. Der frühere Dresdner Hofprediger und Leipziger Superintendent Nicolaus Selnecker schreibt 1587 in der Vorrede zu seinen Kirchengesengen: IN vnsern Kirchen behalten wir D. Lutheri Gesenge / vnnd singen dieselben sampt den andern in seinem Gesangbüchlein / mit frewden mit einander / vnd lassen andere newe Gesenge anstehen / das wir (wie es sonst leichtlich geschicht) der alten Lehr / Trost / Danck / vnnd Lobgesenge nicht | vergessen / wie wir derwegen allhie zu Leipzig eine gewisse Christliche gute Ordnung haben / was man für Christliche Lieder alle Sontag vnd Fest / die zu eim jeden Sontags Euangelio auffs best sich schicken / mit der gemein zusingen pflegt / wie dieselbige Ordnung biß auf diese stund gehalten worden.311

Mit „Ordnung“ meint Selnecker die Zuordnung der deutschen Gesänge312 zu den Festen und Sonntagen des Kirchenjahres, die in Leipzig etwas anders aussieht als in Dresden 1581,313 aber in ihrer Verbindlichkeit vergleichbar ist. Für diejenigen Lieder und Gesänge, die nicht in dieser Ordnung enthalten sind, gibt es nach Selnecker 309 310 311 312

313

Zit. nach Schmidt, Gottesdienst, 136. Vgl. Schmidt, Gottesdienst, 88. Selnecker, Kirchengesenge, fol. :/: 1v|2r. Die lateinischen Gesänge des choralen und figuralen Chorgesangs im Nebengottesdienst (Vesper, Katechismusgottesdienst, Fastengottesdienst) nimmt Selnecker von seinen Überlegungen aus, betont allerdings auch hier die gute liturgische „Ordnung“, mit der der gottesdienstliche Gesang in Leipzig geregelt sei: „allein das ich dennoch rühmen mus / das besser ordnung mit den Gesengen nicht leichtlich kan gestifftet werden.“ (fol. :/: 3r) Vgl. S. 114 Anm. 267. Den letzten Sonntagen des Kirchenjahres sind bei Selnecker 1587 nicht wie in Dresden 1581 ausdrücklich Lieder vom Jüngsten Tag zugeordnet. Die Tage, an denen Sterbelieder gesungen werden, sind aber dieselben: Mariä Reinigung (Mit Fried und Freud), 16. So. n. Trin. (Mit Fried und Freud; Mitten wir im Leben sind), 24. So. n. Trin. (dasselbe und Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott). Vgl. zu Detempore und Festregister S. 536–544).

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II. Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts

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auch außerhalb des Gottesdienstes, nämlich sowohl zu Hause wie auf der Straße, ausreichend Verwendungsmöglichkeiten: Sonsten aber nemen wir in Heusern / zur arbeit / vnd sonderlich die Schüler auff der Gassen auch mit / andere Gesenge / welche Christlich / richtig vnd rein sind. Vnd sind vnsern Knaben numehr wol bekant des alten Nicolai Hermans Euangelia / die sie für den Thüren singen / Gott lob.314

Noch Jeremias Weber bezieht sich in seinem Leipziger Gesangbuch von 1638 (vgl. S. 101) auf Selneckers Lob der guten Leipziger „Ordnung“, in deren Tradition er seine eigene Arbeit sieht: Es ist sonderlich lobens werth / daß an diesem ort die Kirchenlieder in guter Ordnung gesungen vnd mit fleiß getrieben werden / welches Herr D. Selneccerus sel. weiland Superin=|tendens allhier / in der vorrede seines Gesangbuchs / von vnser Stadt besonders gerühmet: Zu dero weiterer fortstellung diese vnd dergleichen Arbeit gar dienlich seyn wird / darinnen alle Lieder / auch die / so wir in vnsern Belägerungen vnd Kriegsnöthen bißhero gebraucht / befunden werden.315

Einerseits geht Weber auf die aktuellen Bedrängnisse der Kriegszeit ein, aber zugleich betont er die Kontinuität des gottesdienstlichen Gesangs. Trotz der aufwändigen Musikpflege am Dresdner Hof und in den Leipziger Kirchen kam der Reichtum der dortigen Gesangbücher also im Gottesdienst nicht unbedingt zur Geltung, zumal für ein einfaches Gemeindeglied, das kein Gesangbuch vor sich hatte. Um wieviel weniger Lieder ein Gemeindeglied in einer sächsischen Landgemeinde noch im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts mitsingen konnte und durfte, belegt das Zeugnis des 1660 geborenen Christian Gerber. Gerber schreibt über die Gottesdienste in seiner Kinderzeit: Ich erinnere mich, daß ich in meiner Kindheit und Knaben=Alter, Sonntags Wechsel=weise nur die Lieder gehört habe: Vater Unser im Himmelreich. O HErre GOtt dein göttlich Wort. Ach GOtt vom Himmel sieh darein. Wo GOtt der HErr nicht bey uns hält. Es spricht der Unweisen Mund wol. Ich ruff zu dir HErr JEsu Christ. Von GOtt will ich nicht lassen. Erhalt uns HErr bey deinen Wort. An denen drey Haupt=Festen wurden nun die Fest=Lieder, so viel damals vorhanden, gesungen. Alle diese Lieder sind nun gut und erbaulich, zumal die Lutherus gemacht hat; Wenn sie aber nun stets gesungen werden, zumal ohne Buch, so geschicht es von vielen mit schlechter Andacht.316

Im Gottesdienst Kursachsens waren Gesangbücher den Funktionsträgern Pfarrer, Küster und Kantor und natürlich dem Chor vorbehalten; zumindest beim Gemeindegesang dürften die neueren Lieder im 17. Jahrhundert noch keine große Rolle gespielt haben. Auf dem Begräbnis erklangen offenbar häufig neue Lieder, etwa jene 314 315

316

Selnecker, Kirchengesenge, fol. :/: 3v. L-1638, fol. b 4r|v. Zur Verarbeitung des Krieges in den Liedern von L-1638 vgl. Veit, Musik und Frömmigkeit, 514—518. Gerber, Kirchen=Ceremonien, 256.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Gelegenheitswerke, die Schein zahlreich ins Cantional aufgenommen hat; gesungen wurden sie aber vom Chor.

5. Nürnberg Schon im Jahrhundert der Reformation war die Reichsstadt Nürnberg als Gesangbuchzentrum hervorgetreten. Bei Katharina Gerlach in Nürnberg gedruckt wurde 1586 das württembergische Chorgesangbuch des Lucas Osiander (vgl. S. 44); der Beginn der Nürnberger Gesangbuchgeschichte liegt freilich viel weiter zurück. Seine Bedeutung konnte Nürnberg auch im 17. Jahrhundert behaupten.317 Ähnlich wie in Leipzig liegt ein Grund dafür in der großen Zahl überregional bedeutender Druckereien und Verlage am Ort.318 Bedeutend für den Gesangbuchdruck ist neben anderen über viele Generationen hinweg die Druckerei Endter. Mit dem Achtliederbuch (vgl. S. 35), das 1523/24 bei Jobst Gutknecht erschien, stammt das überhaupt älteste reformatorische Liederbuch aus Nürnberg. 1525 erschien bei Hans Hergot das 38 Lieder umfassende Enchiridion oder handbüchleyn, der „Grundstock aller in späterer Zeit herausgegebenen großen Nürnberger Gesangbücher“319. Für die Jahre zwischen 1525 und 1570 hat Siegfried Braungart 293 Liederbücher und Einzeldrucke mit insgesamt 1020 Liedern gezählt.320 Fast immer handelt es sich um Drucker- und Verlegerinitiativen; ein amtliches Gesangbuch wurde in Nürnberg nicht gedruckt – die Gemeinde sang ihr schmales Repertoire auswendig.321 Von 77 Liedern hält Braungart eine liturgische Verwendung für wahrscheinlich, weil sie entweder vermehrt in vom Rat herausgegebenen Drucken oder in einem handschriftlichen Chorbuch aus der Nürnberger Frauenkirche auftauchen; auch in Nürnberg stützte sich der gottesdienstliche Gesang offenbar wesentlich auf den Chor. Unter den genannten 77 Liedern sind Mit Fried und Freud, Mitten wir im Leben sind, Nun lasst uns den Leib begraben und Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott.322 Mitten wir im Leben sind ist auch unter den vier in Nürnberg am häufigsten gedruckten Liedern (27 Mal) aus Braungarts Untersuchungszeitraum.323 Aus dem 16. Jahrhundert sind auch einige Nürnberger Liedflugschriften mit Begräbnisgesän317

318 319 320 321 322 323

Die nachfolgende Darstellung stützt sich weithin auf Dieter Wölfel, Nürnberger Gesangbuchgeschichte (1524–1791) von 1971, auch wenn diese einige Schwächen aufweist: Die Liste der in der Bibliographie erwähnten Drucke stimmt mit den im Text erwähnten nicht überein (so fehlt im Text das Nürnberger Gesangbuch von 1650); Text und Bibliographie ergeben noch nicht einmal zusammengenommen eine vollständige Aufstellung (vgl. Will, Bibliotheca Norica; Reckziegel, Cantional; GBB). Trotz einiger Hinweise (vgl. Wölfel, Gesangbuchgeschichte, 83) ist die Typologie der Drucke nicht ganz deutlich (z. B. „Sammelausgaben“ vs. „reformatorische Gesangbücher“); eine systematische Untersuchung des Buchgebrauchs wäre hier ebenso angebracht wie klärend. Vgl. Reske, Buchdrucker, 654–748. Wölfel, Gesangbuchgeschichte, 22; darin auch Mit Fried und Freud und Mitten wir im Leben sind. Vgl. Braungart, Verbreitung, 9. Vgl. Wölfel, Gesangbuchgeschichte, 33; vgl. auch S. 138 Anm. 355. Vgl. Braungart, Verbreitung, 17–19. Die anderen sind: Aus tiefer Not schrei ich zu dir; Nun bitten wir den Heiligen Geist; Wir glauben all an einen Gott. Alle wurden nach Babst auch als Begräbnisgesänge verwendet (vgl. S. 38).

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gen erhalten, die im Liedbestand genau entweder am Gesangbuch der Böhmischen Brüder von 1531 oder an Babst 1545 orientiert sind.324 Stark rezipiert wurde in Nürnberg nicht nur das Babstsche Gesangbuch (Nachdrucke 1557–1579),325 sondern auch das Eichornsche Gesangbuch (Nachdrucke ab 1566).326 Ab 1584 tauchen darin Straßburger Einflüsse in Gestalt der Vorrede des schon mehrfach genannten Gesangbuches von Theodosius Riehel 1569 und zahlreicher Psalmlieder auf,327 ab 1597 wird die Eichornsche Rubrizierung umgebaut: Aus den 25 Rubriken bei Eichorn werden zunächst 28, dann werden die Psalmlieder als eigene Abteilung ausgegliedert; ab dem 524 Liedtexte umfassenden Gesangbuch von Alexander Dieterich 1599 etabliert sich eine ganz neue Vierergliederung mit Unterrubriken (Psalmlieder, Festlieder, Katechismuslieder, Tröstliche Gesänge) unter dem Titel Geistliche Lieder und Psalmen.328 Diese Auflage enthält auch erstmals ein „Festregister“ zum Detempore im Kirchenjahr. Dem Titel wird jeweils die Zahl der Lieder vorangestellt, die sich mit jeder der zahlreichen Neuauflagen (17 Auflagen bis 1639) steigert,329 vor allem durch Psalmlieder – etwa aus Straßburg und ab 1611 aus dem Becker-Psalter.330 a) Geistliche Psalmen, Hymnen, Lieder und Gebet N-1594, N-1599, N-1607, N-1617, N-1626, N-1637, N-1654. Für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden die sieben Drucke exemplarisch ausgewertet, die im vorangegangenen Abschnitt durch Fettdruck gekennzeichnet sind; weitere Ausgaben 324

325

326

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328 329

330

Vgl. Nehlsen, Liedflugschriften 1, 29–32. Zwei Drucke mit dem Titel Christliche Gesänge und Psalmen welche zu Nürnberg und in anderen christlichen Kirchen bei der Leiche und Begräbnis gesungen werden (1560 und 1563) enthalten die sechs bei Babst genannten deutschen Begräbnislieder (vgl. S. 38). Der Druck von 1563 enthält zusätzlich den Erstbeleg (vgl. W IV 296.) von Herr Gott, mein Jammer hat ein End; das Lied ist auch in allen untersuchten Nürnberger Gesangbüchern aus dem 17. Jahrhundert enthalten. Zwei weitere Drucke mit dem Titel Schöne christliche Gesänge zum Begräbnis der Toten (um 1535 und um 1570) enthalten die fünf Begräbnislieder aus Weisses New Geseng buchlen (Jungbunzlau 1531). Nachdrucke bei Gabriel Hain 1557 und 1558, bei Valentin Neuber 1567, 1570, 1579 (vgl. Wölfel, Gesangbuchgeschichte, Xf.34f). Laufend erweiterte Nachdrucke bei Nicolaus Knorr 1566 und 1568 (173 Liedtexte), bei Valentin Fuhrmann 1569 (210 Liedtexte; Nachdruck bei Katharina Gerlach 1580) und bei Dietrich Gerlatz 1571 (204 Liedtexte, Nachdruck bei Valentin Neuber 1580); vgl. Reckziegel, Cantional, 28f.64. Abweichende Angaben zu der Ausgabe von Fuhrmann 1569 bei Wölfel, Gesangbuchgeschichte, 35f. Der Titel lautet jetzt Psalmen / Geistliche Lieder vnd Kirchengesenge. Drucke bei Valentin Neuber 1584 (269 Liedtexte); bei Valentin Fuhrmann 1585, 1594 und 1597 (zuletzt 330 Liedtexte; vgl. Reckziegel, Cantional, 29f.67f). Vgl. Reckziegel, Cantional, 30f.68f. Drucke bei Katharina Dieterich 1601 und 1604 (zuletzt im Titel angezeigt 576 Lieder); bei Valentin bzw. Leopold Fuhrmann 1603, 1607, 1611 und 1614 (zuletzt im Titel angezeigt 758 Lieder); bei Abraham Wagenmann 1605, 1609, 1611, 1614, 1622, 1625 und 1626 (zuletzt im Titel angezeigt 836 Lieder); bei Georg Endter 1617, 1618 und 1620 (zuletzt im Titel angezeigt 827 Lieder); bei Wolfgang Endter 1637 (im Titel angezeigt 864 Lieder) und 1654. Vgl. Reckziegel, Cantional, 32f; Wölfel, Gesangbuchgeschichte, XI.84; Will, Bibliotheca Norica 2, 168f; GBB. Fett gedruckt: ausgewertete Drucke. Vgl. Reckziegel, Cantional, 69–71. Auch einige Nürnberger Vertreter der aufkommenden neuen geistlichen Dichtung im 17. Jahrhundert bemühten sich besonders um die Psalmendichtung, etwa Ambrosius Metzger (Der Psalter David, 1630 bei Wolfgang Endter) und Johann Vogel (Psalmen Davids, 1638 bei Jeremias Dümler); vgl. Wölfel, Gesangbuchgeschichte, XIf.43–45; Will, Bibliotheca Norica 2, 169.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

aus derselben Zeit zeigen eine sehr ähnliche Liedauswahl. Der Titel lautet zunächst Geistliche Psalmen vnd Lieder, ab 1607 meist Geistliche Psalmen / Hymnen / Lieder vnd Gebet. Die Rubrizierung der Sterbe- und Ewigkeitslieder entspricht dem gängigen Schema von Eichorn: ‚Vom Tod und Sterben‘, ‚Vom Begräbnis‘, ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘; die erstgenannte Rubrik ist jeweils die größte. Der Anteil der Sterbe- und Ewigkeitslieder an der Gesamtzahl liegt zwischen 6,6% und 10,4% (Ausnahme: 1607 nur bei 4,2%), ihre Zahl zwischen 28 (1594) und 81 (1637). Wie immer ist der Stamm der ältesten Lieder (Luther, Weisse, Alber, Müntzer, Blarer, Walter usw.) sehr stabil. Dazu gehört in Nürnberg auch ein Lied von Johann Stigelius, O Mensch, willt du vor Gott bestahn (Nürnberg 1550), das aber nach 1650 wegfällt. Reduziert werden im Laufe der Zeit die Lieder der Böhmischen Brüder (Weisse, Herbert): Von acht Liedern 1599 sind in der Ausgabe von 1654 nur noch zwei übrig (Nun lasst uns den Leib begraben; Es wird schier der letzte Tag herkommen). Herman (7 Lieder), Selnecker (4) und Ringwaldt (6) sind wieder die meist vertretenen Dichter aus dem 16. Jahrhundert. Johann Gigas, Johann Mathesius und Johannes Leon sind mit je zwei Liedern vertreten. Unter den durchgängig belegten Liedern fehlen auch Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott und O Welt, ich muss dich lassen nicht. Dazu kommen die deutsche Fassung von Iam moesta und das anonyme Herr Gott, mein Jammer hat ein End (Nürnberg 1563). Aus den Jahren unmittelbar nach 1600 findet sich in den Nürnberger Gesangbüchern neben Auf meinen lieben Gott und Hier lieg ich armes Würmelein einiges an regionalem Sondergut, etwa in N-1617: Georg Grünewald, Es woll ihm Gott genädig sein (Nürnberg 1599) Valentin Episcopus, Ach Gott, du höchster starker Hort (Nürnberg 1611) Caspar Policarius, Du, Gottes Sohn, Herr Jesu Christ (Nürnberg 1611) Bis N-1626 werden vor allem ältere Lieder von Herman, Selnecker, Ringwaldt und Leon hinzugefügt. Ab N-1637, das mit 81 Titeln (9,4%) von den untersuchten Nürnberger Durcken die meisten Sterbe- und Ewigkeitslieder enthält, verändert sich die Liedauswahl deutlich. Laut Titel wurde die Sammlung „mit vielen Anmutigen newen Liedern auß newen Autoribus vermehrt“, und in der Vorrede des Nürnberger Predigers M. Cornelius Marci von 1631 (wohl dem Jahr des Erstdrucks dieser Ausgabe), werden die Neuerungen u.a. mit den bedrängten Zeitläuften begründet: Dieweil aber hierinn viel from[m]e Christen Hertzen H. Luthero auß Göttlichem Eifer nachgeahmet / bevorab zu diesen vnsern zeiten die schwere Verfolgungen / die langwierige Kriegspressuren vnd allerhand Trübsal vielen Creutzbrüdern tieffe Seufftzerlein außgetrieben / vnd geistreiche Lieder vnd Psalmen abgezwungen / deren theils in vnterschiedenen kleinen Gesangbüchern zu finden / theils aber noch nie gedruckt worden; Als hat der Achtbar vnd Vorneme Herr Wolffgang Endter jhm vorgenommen / nicht allein die Psalmen vnd Lieder D. Mart. Luth. vnd anderer / wie sie in dem hiebevorn gedruckte[n] Gesangbuch ordentlich zusam[m]en getragen worden / vffs new wider auffzulegen; Sondern auch mit

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etlichen Geistreichen Gesängen D. Philippi Nicolai, Bartholomaei Ringwalts / vnd anderer Gottliebenden Hertzen zu vermehren.331

Erst hier tauchen die Lieder Jeremias und Philipp Nicolais von 1599 auf (Herr Christ, tu mir verleihen; So wünsch ich nun ein gute Nacht; Wachet auf, ruft uns die Stimme), und auch die verbreiteten Lieder Christus der ist mein Leben (Jena 1609), O Jesu Christ, meins Lebens Licht (Wittenberg 1610) und Herzlich tut mich verlangen (Görlitz 1611) werden erst jetzt hinzugefügt. Dazu kommen außerdem: Anon., Ach wie soll mir geschehen (Leipzig 1613) Anon., Jesulein, du bist mein, weil ich lebe (Altenburg 1613) Anon., Meinm lieben Gott allein (Magdeburg 1613) Anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Freiberg 1620) Anon., Herr Jesu Christ, du treuer Gott (Coburg 1630) Anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Nürnberg 1631)332, sowie eine ganze Reihe von Liedern, die nur hier auftauchen und später wieder verschwinden. Die Ausgabe N-1654333 hat sich noch weiter den neuen Liedern geöffnet, dabei aber die Zahl der älteren deutlich reduziert. Blarer, Herman, Ringwaldt, Selnecker, Böhmische Brüder (Weisse, Herbert) und andere sind hier mit weniger Liedern oder gar nicht mehr vertreten. Die Vorrede stammt von Johann Michael Dilherr, der im Jahr zuvor seine Engelfreude (N-1653; vgl. S. 132) veröffentlicht und darin die neue „Poeterey“ ausführlich hatte zu Wort kommen lassen; diese Auswahl hat sich auch auf N-1654 ausgewirkt. Laut Titel ist das Werk „mit vielen Liedern / so nach kunstgründiger Richtigkeit / der / heut zu Tage üblichen / Poeterey gesetzt sind / vermehrt“, laut Vorrede um „viel neüe / schöne und bewegliche [bewegende, rührende] Lieder“334 ergänzt. Den weltlichen „Mißbrauch der Music“335 nennt Dilherr eine der ‚schändlichen Töchter‘ der „Sicherheit“; seinen erbaulichen Anspruch macht er durch seine Ermahnung zum geistlichen Gebrauch des Gesanges deutlich, der allein dem Gotteslob als ursprünglicher Bestimmung der Musik entspreche. Unter den 63 Sterbe- und Ewigkeitsliedern (8,0%) repräsentieren vor allem die vielen neu hinzugekommenen Lieder von Johann Rist sowie zwei von Johann Heermann die neue „Poeterey“. Von Rist werden zehn Himmels- und Höllenlieder (meist Lüne331 332

333

334 335

N-1637, Vorrede fol. a 5v. Nach Wackernagel (W V 1557.) stammt dieses Lied aus dem katholischen Cornerischen Gesangbuch (Nürnberg 1631). In lutherischen Gesangbüchern sind allerdings drei Belege ähnlichen Alters zu finden: in der 2. Auflage von Joseph Clauders Psalmodia nova (Altenburg/Leipzig 1630), in T-1631 (vgl. S. 46) und eben in N-1637 (der Datierung der Vorrede nach dürfte es sich ja um den Nachdruck einer verschollenen Ausgabe von 1631 handeln, s. o.). Weitere Belege sind T-1665/69; F-1666; N-1677. Der Titel Bey 1000 Alte und Neue Geistliche Psalmen / Lieder und Gebete ist irreführend, die Sammlung enthält nur knapp 800 Lieder. Die Öffnung für ‚neue‘ Lieder wird aber im Titel schon signalisiert. Eine weitere Ausgabe unter demselben Titel erschien 1657. N-1654, Vorrede fol. ):( 4v. N-1654, Vorrede fol. )( 3v.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

burg 1651) aus der Engelfreude übernommen, dazu kommen sechs vom Tod und Sterben. Heermann ist unter ‚Tod und Sterben‘ mit Wohlauf, mein Herz, ermunter dich (Leipzig 1639) und O Mensch, bedenke stets dein End (Breslau/Leipzig 1630) vertreten. Die Rubrizierung hat sich im Anschluss an die Engelfreude ausdifferenziert und umfasst nicht mehr nur drei, sondern fünf Kategorien: Tod und Sterben (32 Lieder), Begräbnis (10), Jüngster Tag und Auferstehung (10), Hölle (4), Himmel und ewiges Leben (7). Voraus gehen sechs Lieder von der Krankheit (bei N-1654 nicht mitgezählt, in N-1637 aber alle noch unter ‚Vom Tod und Sterben‘). b) Neue Lieder in den Gesangbüchern ab 1650 Um 1650 war Nürnberg zum Sitz einer der bedeutenden deutschen Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts geworden, des 1644 begründeten Pegnesischen Blumenordens. Unter dem ‚Oberhirten‘ Georg Philipp Harsdörffer und nach dessen Tod unter Sigmund von Birken bemühten sich die ‚Pegnitzschäfer‘ im Dichterwettstreit um eine nach der Opitzschen Poeterey erneuerte Dichtung; Geistliches bildete dabei einen wichtigen Schwerpunkt. Bedeutende Vertreter neben Harsdörffer und Birken sind Johann Klaj und Justus Georg Schottelius, theologische Mentoren der Nürnberger Prediger Johann Michael Dilherr und der Rostocker Theologieprofessor Heinich Müller, aus dessen Geistlichen Erquickstunden die Blumengenossen 50 Prosaandachten in Liedform brachten und 1673 als Der Geistlichen Erquickstunden Poetischer AndachtKlang veröffentlichten.336 Die Impulse aus der literarischen Produktion der ‚Blumengenossen‘ erneuern und verändern auch die Nürnberger Gesangbücher: Zum einen entstehen Autorengesangbücher, in denen einzelne Dichter ihre eigenen geistlichen Dichtungen vorstellen, z. T. vertont von Nürnberger Musikern. 1649 und 1652 etwa erscheinen bei Wolfgang Endter Harsdörffers Hertzbewegliche Sonntagsandachten.337 Zahlreiche Werke ähnlicher Art gibt es auch von Autoren wie Johann Vogel oder Johann Christoph Arnschwanger, die dem Blumenorden nicht angehörten. N-1653. Daneben existieren Sammlungen mit neuen Liedern und Gedichten, die zugleich die reformatorischen und älteren Lieder weiter überliefern. Als Beispiel hierfür sei Johann Michael Dilherrs Der Irdischen Menschen / himmlische Engelfreude (1653 bei Wolfgang Endter) genannt.338 Das Titelkupfer illustriert die im Titel angedeutete Gegenüberstellung von Irdischem und Himmlischem: Links sind Menschen zu sehen, die in einer irdischen Landschaft gemeinsam aus einem großen Gesangbuch singen, rechts musizierende Putten im Himmel, in ihrer Mitte die Dreieinigkeit als Dreieck. Eine Legende zu bestimmten Details der Darstellung verweist auf entsprechende Bibelstellen (Harfen, Zimbeln usw.). Die Engelfreude enthält insgesamt 271 Lieder, und zwar „nicht allein die gewöhnliche alte Kirchenlieder der vorigen / sondern auch viel neue der itzigen Reinen Lehrer / und anderer Gottsgelehrten 336 337

338

Vgl. Wölfel, Erquickstunden, 371–373. Vgl. Jürgensen, Melos conspirant, 33. Auf Jürgensens ‚Repertorium bio-bibliographicum‘ zur Geschichte des Blumenordens sei zur Orientierung über den Kreis der Mitglieder und über ihr umfangreiches Schrifttum ausdrücklich verwiesen. Weitere Auflagen erschienen 1660 und 1671.

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II. Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts

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Männer“: Neben 29 Lutherliedern stehen zahlreiche von Dilherr, Harsdörffer, Klaj, Birken, Rist und anderen.339 Von den Sterbe- und Ewigkeitsliedern stammen 19 aus dem 16. und 27 aus dem 17. Jahrhundert, darunter elf von Rist und sechs von Dilherr; weitere Autoren sind Johann Saubert d. Ä., Josua Wegelin und Johann Jakob Rude. Von den älteren Liedern aus den zuvor besprochenen Gesangbüchern fällt ein Großteil weg (Lieder von Weisse, Herman, Selnecker, Ringwaldt). Die Lieder sind insgesamt in 18 „Classes“ eingeteilt, die sich von den Rubriken der Geistlichen Psalmen, Hymnen, Lieder und Gebet deutlich unterscheiden (außer in der von der Engelfreude beeinflussten Ausgabe 1654). Signifikant ist zum einen die Zusammenfassung der Sterbelieder mit denen zum Thema Krankheit (zusammen 28 „Krancke[n]= vn[d] Sterb=Lieder“), zum anderen die Ergänzung der Lieder vom Jüngsten Tag (5 Lieder) durch solche von der Hölle (4) sowie vom Himmel und ewigen Leben (7). Mit der Begräbnis-Rubrik (2) ergibt sich die Zahl von 46 Sterbe- und Ewigkeitsliedern in fünf Rubriken. Der Anteil liegt mit 17,0% ungleich höher als in den zuvor verglichenen Drucken. Dilherrs Engelfreude also hebt sich deutlich von den vorausgegangenen Veröffentlichungen ab – durch den poetischen Titel und die Rubrizierung, durch Liedauswahl und den hohen Anteil der Sterbeund Ewigkeitslieder. Die Sammlung verrät ein wachsendes Interesse an erbaulicher neuer Dichtung, in der sich ein gesteigerter literarischer Anspruch mit dem geistlichen Anliegen der Andacht verbindet. Wie auf dem Titelkupfer wird man den Ort dieser Andacht sicher in der Privatfrömmigkeit gebildeter Kreise zu suchen haben. N-1677. Das Nürnbergische Gesangbuch, das mir in einer Ausgabe von 1677 vorlag, war 1676 bei Christoph Gerhard und Sebastian Göbel erschienen.340 Trotz des offiziell klingenden Titels handelt es sich nicht um ein amtliches Gesangbuch, sondern verdankt sich einer Initiative des Verlegers Sebastian Göbel, der schon vorher Gesang- und Gebetbücher herausgebracht hatte.341 Der Titel Nürnbergisches Gesangbuch wird in der Vorrede von Johann Saubert vielmehr damit erklärt, dass vieler geistreicher Nürnbergischer Lehrer und anderer berühmten Leute / Bedienten und Unterthanen der Stadt Nürnberg / so theils noch im Leben / theils vor langer oder kurtzer Zeit in GOtt seelig entschlaffen / ihre | Seelenerbauliche Lieder / welche bißhero in andern Gesangbüchern entweder gar nicht / oder zerstreuet / […] zu finden gewesen / gegenwärtigem Buch so reichlich sind einverleibet worden. So haben gleichfals zu obenberührten Liedern / welche keine bekante Sangweisen gehabt / die fürnehmste Nürnbergische Musici die neuen Melodien zum künstlichsten 339 340

341

Vgl. Wölfel, Gesangbuchgeschichte, 58f. Vgl. Wölfel, Gesangbuchgeschichte, 76–80. Ausführlich lautet der Titel: „Nürnbergisches Gesang=Buch / Darinnen 1160. außerlesene / so wol alt als neue / Geist= Lehr= und Trostreiche Lieder / auf allerley Zeit= Freud= und Leid=Fälle der gantzen Christenheit gerichtet / und mit Voransetzung der Autorum Namen / auch theils vortreflich=schönen Melodien / Noten und Kupffern gezieret / zu finden. Deme beygefüget ein Christliches Gebet=Büchlein“ usw. N-1677, Vorrede fol. ):( 6r: „Denen [die Lieder sammeln und Gesangbücher herausgeben, ist] nunmehr abermal […] bejzuzählen Sebastian Göbel […] also hat er mehrmalen in Heraußgebung verscheidener [!] Gesang= und Gebetbücher ein feines Werck gethan und manches guts gestifftet“. Sebastian Göbel hatte schon bei den ersten Altdorfer Gesangbuchdrucken (ab 1663) als Verleger fungiert. Ab 1680 betrieb er eine Offizin in Schleusingen (vgl. Reske, Buchdrucker, 825; Wölfel, Gesangbuchgeschichte, 110f).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

componiret und erfunden. Und ist also vollends das gantze Werk in Nürnberg worden gedruckt und außgefertiget durch Christof Gerhards […] Arbeit […] auch dann ungesparte Mitverlags=Kosten deß Autoris und Collectoris; welcher dann in so vielfältigem Respect der löblichen Stadt Nürnberg billich stracks auff dem Titelblat gedencken / und dieses das Nürnbergische Gesangbüchlein bejnamen wollen.342

Göbel hat nicht nur Autoren und Komponisten aus Nürnberg bevorzugt aufgenommen, sondern das Buch auch in Nürnberg drucken lassen; er widmet es Bürgermeister und Rat der Stadt. Sauberts Vorrede gibt nicht nur Aufschluss über die editorische Sorgfalt, auf die Göbel besonders hinsichtlich der Quellentreue der älteren Lieder Wert legte,343 sondern auch über den Kontext, für den er seine Sammlung zusammengestellt hat: Damit man auch neben alten Kirchengesängen auff hohe und gemeine Fest= und Feiertäge / und in allerlei sonderbaren Freud= und Leidfällen zu frischer und munterer Andacht eine angenehme Abwechselung möchte haben; als hat Er eine zimliche Anzahl außerlesener neuer Lieder auß vielen Geist= und Lehrreichen Büchern / theils auch noch unaußgegangenen Schrifften und Concepten reiner Evangelischer Lehrer und Christen wolbedächtiglich zusammen gezogen / selbige unter Kunstfündigen Titeln und Auffschrifften in gewiesse Classes abgetheilet.344

Die Berücksichtigung neuerer Lieder, die Saubert hier für das neue Gesangbuch als wesentlich hervorhebt, soll also die „alten Kirchengesänge“ um solche „zu frischer und munterer Andacht“ ergänzen. Als Anlässe der Andacht kommen sowohl „gemeine“ Kirchenfeste wie „sonderbare“, also einmalige oder individuell-lebensgeschichtliche Gelegenheiten in Frage (ähnlich im Titel: „allerley Zeit= Freud= und Leid=Fälle der gantzen Christenheit“). Die Rubrizierung in „Classes“ fällt bei Göbel mit 331 Unterabteilungen besonders diffizil aus. Das Gesangbuch umfasst 1160 Liedtexte, dazu 177 Melodien mit Generalbass, die z. T. eigens dafür komponiert wurden;345 eine zweite Auflage mit 1230 Liedtexten erschien 1690 bei Johann Michael Spörlin (N1690). Als Illustrationen sind feine Kupferstiche beigefügt; nach dem umfangreichen Liedteil folgt ein Gebetbuch unter dem Titel Himmelaufsteigende Herzensflamme „zu Beförderung frommer Christen Hauß= und Kirchen=Andachten“. 342 343

344 345

N-1677, Vorrede fol. ):( ):( 1r|v. N-1677, Vorrede fol. ):( 6r|v: „Welches alles Ihn [Göbel] dann schon vor geraumer Zeit auffgemuntert ein Neues / überauß reiches / außerlesenes und vollständiges Gesangbuch / mit reiffem Bedacht und eingeholtem bestmüglichsten Bejrathen / einzurichten / und / wie nun gegenwärtig zusehen / an das Liecht und in den Druck zugeben: Darinnen Er nebenst zierlicher und schicklicher Erfindung der Titel / darunter unterschiedliche Materien gehörig / zuförderst dahin gesehen / daß die alte / erbauliche und aller Orten in unser Evangelischen Gemeinden bekannte Kirchgesänge / wie | sie anfangs von ihren Meistern gedichtet / unverändert möchten allhier heraußgegeben werden. In welchem Absehen Er die erste und beste Editionen ungespartes Fleißes auffgeschlagen und collationiret“. N-1677, Vorrede fol. ):( 6v. N-1677, Vorrede fol. ):( ):( 1r: „Zu denen gantz neuen aber haben auff freundliches Ansinnen und Ersuchen unterschiedliche fürnehme und treffliche Musici günstig beliebet / außerlesene und gar schicklich klingende Melodien darzu zumachen / welche mit ihrer Ober= und Grundstimme gleichfals bejgesetzet worden.“

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II. Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts

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Tatsächlich ist die Zahl der aufgenommenen neueren Lieder groß. Insgesamt 160 stammen nach Wölfel von Mitgliedern des Pegnesischen Blumenordens (am häufigsten: Harsdörffer und Birken). Das Buch als „das Gesangbuch des Pegnesischen Blumenordens schlechthin“346 zu bezeichnen, erscheint aber übertrieben: Der am besten vertretene Autor ist der Berliner Pfarrer Paul Gerhardt mit 76 Liedern.347 Unter den Autoren der Sterbe- und Ewigkeitslieder ist Johann Rist derjenige, der am häufigsten vorkommt. Jedes Lied ist namentlich gekennzeichnet; ein Autorenregister verzeichnet über 200 Namen. Neuartig ist die Aufteilung in 7 Teile mit langen Überschriften, in denen jeweils mehrere der Eichornschen Überschriften zusammengezogen sind. Auf die Lieder zu Festen und Jahreszeiten folgen zunächst Lob- und Danklieder, dann Lieder zu Katechismus, Wort Gottes und christlicher Kirche. Den vierten Abschnitt bilden die Lieder vom christlichen Leben, den fünften die Klagund Trostlieder von Kreuz und Verfolgung. Die Sterbe- und Ewigkeitslieder stehen in den beiden letzten Teilen: „Von deß menschlichen Lebens Eitelkeit / Kranckheit / Sterben / Begräbniß / Asuferstehung der Toden und jüngstem Gericht“ (63 Lieder) und „Von der Himmels=Freud / Höllen=Leid und Ewigkeit“ (10 Lieder). Ein knapper Anhang (4 Lieder) schließt das Gesangbuch ab. Die Sterbe- und Ewigkeitslieder nehmen vergleichsweise wenig Raum ein: Es sind 73, mit drei Liedern ohne Rubrik aus dem Anhang [a] 76 (6,5%). Auffällig ist die feine, wenngleich nicht sehr systematische Untergliederung: Rubrik „6. Von deß menschlichen Lebens Eitelkeit / Kranckheit / Sterben / Begräbniß / Auferstehung der Toden und jüngstem Gericht.“ (Nr. 1084–1146) „Von der Mühseelig= und Eitelkeit menschlichen Lebens / auch Unvollkommenheit zeitlicher Dinge.“ „Von Absagung der Welt.“ „Todes=Erinnerungen.“ „Wider die Forcht deß Todes.“ „Testament eines Christen.“ „Krancken= Sterb= und Begräbniß=Lieder.“ „Bey Begräbnissen schöner junger Personen und kleiner Kinder.“ „Bey Begräbnissen insgemein.“ „Von der Aufferstehung der Toden und jüngstem Gericht.“398 „Von den Zeichen deß jüngsten Tages / auß dem 24. Cap. Matth.“ „Von dem Proceß deß jüngsten Gerichts.“ 346

347

348

Ldr. 63 4 3 5 2 1 35 8 1 3 1

Wölfel, Gesangbuchgeschichte, 76 (Hervorhebung im Original gesperrt; Druckfehler korrigiert). Es bleibt unklar, ob mit dieser Formulierung die Initiative zum Gesangbuch, seine Zusammensetzung oder seine Verwendung (etwa bei Zusammenkünften der Gesellschaft) gemeint ist; keine dieser Möglichkeiten erweist sich jedoch als zutreffend. Vgl. Wölfel, Gesangbuchgeschichte, 76.79. Eine Nürnberger Ausgabe von Gerhardts Geistlichen Andachten erschien 1683 (vgl. auch S. 138 und S. 148). Unter dieser Überschrift wird lediglich auf Lieder aus anderen Rubriken verwiesen, nämlich auf: Otto von Schwerin, Jesus, meine Zuversicht (Berlin 1653); J. Franck, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, trotz Sünde,

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

„7. Von der Himmels=Freud / Höllen=Leid und Ewigkeit.“ (Nr. 1147–1156) „Von der Stimme zu Mitternacht / und den klugen Jungfrauen / etc. Auß Matth. 25.“ „Vom Himmel und ewigen Leben.“ „Von der Höll und ewigen Verdamniß.“ „Von der Ewigkeit.“

10 1 4 2 3 73

Nur noch ein Viertel der Lieder (19) sind vor 1600 entstanden. Von den neueren Liedern ab 1620 stammen neun aus Nürnberg; sie bilden damit die größte Gruppe: Johann Saubert d. Ä.,349 Ach wie sehnlich wart ich der Zeit (Nürnberg 1623) Anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Nürnberg 1631) Johann Jakob Rude, Ach wann soll es denn geschehen (Nürnberg 1648) Daniel Wülffer, O Ewigkeit, o Ewigkeit (Nürnberg 1648) Johann Klaj, Ich hab ein guten Kampf gekämpft (Nürnberg 1651)350 Christoph Titius, Was ist unser Leben (Nürnberg 1663) Magnus Daniel Omeis, Ich hab Bescheid, zu scheiden (Nürnberg 1673) Johann Saubert d.J., Nun, ihr abgelebte Glieder (Nürnberg 1676) Johann Michael Dilherr, Warum sollt ich bekümmert sein (Nürnberg 1676) Aus Coburger Gesangbüchern stammen vier Lieder: Michael Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Coburg 1652) Michael Franck, Welt, gute Nacht mit deiner Pracht (Coburg 1654) Johann Höfel, O süßes Wort, das Jesus spricht (Coburg 1655) [a] Andreas Kesler, An Tod gedenk, o frommer Christ (Coburg 1655) Unter den sieben Liedern aus Thüringen und Sachsen sind die neueren: Christian Keimann, Meinen Jesum lass ich nicht (1658) Jakob Ritter, Ich fahr und weiß gottlob wohin (Leipzig 1666) Johann Olearius, Gottlob, die Welt ich lasse (Leipzig 1671)

349 350

Tod und Höllen*; „andere Oster=Lieder“; Helmbold, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, ob ich schon hie auf Erden (1575). Saubert d. Ä. zugeschrieben wird in N-1677 auch das anonyme Jesulein, du bist mein (Altenburg 1613). FT V 42. nennt das Nürnbergische Gesangbuch als ersten Beleg für dieses Lied. Einen deutlich älteren Beleg – einen Funeraldruck von 1651 mit sechsstimmiger Vertonung des Textes durch Johann Erasmus Kindermann – hat Wolfgang Reich nachgewiesen und ediert (vgl. Reich, Threnodiae sacrae, 45f.136 = Nr. 26).

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II. Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts

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Etwas älter sind die vier Lieder aus Schlesien, drei von Johann Heermann und eines von Martin Opitz. Dazu kommen zwei Lieder des Görlitzer Diakonus Gregorius Richter: Gregorius Richter, Steh doch, Seele, steh doch stille (Görlitz 1630) [a] Gregorius Richter, Lasset ab von euren Tränen (Leipzig 1658) Aus Berlin sind Michael Schirmer, Paul Gerhardt und Joachim Pauli mit je einem Lied vertreten. Unter den acht Liedern von Königsberger Autoren sind fünf von Simon Dach und wieder je eines von Heinrich Albert, Georg Mylius und Georg Werner. Von Johann Rist sind sechs Sterbe- und Ewigkeitslieder abgedruckt, unter denen wieder die Themen Himmel, Hölle und Ewigkeit dominieren. Von den übrigen neueren Liedern seien genannt: Michael Walther, Spann aus, spann aus, ach frommer Gott (Frankfurt/O. 1658) Johann Flittner, Menschenhilf ist nichtig (Greifswald 1661) [a] Joseph Beckh (?), Lass uns doch nicht begehren, o liebste Seel*351 N-1690. Die zweite Auflage von 1690 fügt einen Anhang von 70 Liedern hinzu. Sie sind in 15 Rubriken unterteilt, darunter „Flüchtigkeit Menschliche[n] Lebens“ [aEi’], Sterb- und Grablieder [aSB’], Gerichts-, Himmels- und Höllenlieder [aGHHö]. Folgende Lieder kommen dabei neu hinzu: Paul Martin Alberti, Ach freilich weiß der Mensch nicht seine Zeit* [aEi’] Philipp Nicolai, So wünsch ich nun ein gute Nacht (Frankfurt/M. 1599) [aSB’] Anon., Herr Jesu Christ, ich schrei zu dir (Freiberg 1620) [aSB’] Christoph Titius, Heute werd ich sterben und den Himmel erben* [aSB’] Johann Christoph Arnschwanger, Zwei Ort, o Mensch, hast du für dir (Nürnberg 1659) [aGHHö] Aufmerksamkeit verdient schließlich die Vorrede zur zweiten Auflage von Conrad Feuerlein, Prediger an Sankt Sebald, vom 24.9.1690. Darin wird die geistliche Liedproduktion des 17. Jahrhunderts kritisch gesichtet. Feuerleins Beurteilungskriterium ist der Beitrag der Lieder zur „Andacht“ der Zeitgenossen. Er entdeckt dabei viel Licht, aber auch viel Schatten: Ist je eine Zeit gewesen / da man die Andacht / mit geist-reichen Liedern / zu befördern / sich bemühet hat; so ist es warlich diese unsre Zeit / da so manches schönes Lied / ja so manches Buch voll Lieder / öffentlich am Tage lieget. Zwar / ist auch nicht zu laugnen / daß nicht mancher Mißbrauch der Lieder und des Lieder-machens (zumal bey uns) mit unterlauffe. Manche unterstehen sichs / die weder Geist noch Geschick dazu haben; in Meinung / wenn sie ein paar Wörter wunderlich zusammen-knüpfen / und irgend was / 351

Beckhs Autorschaft kann nicht allein aufgrund der Zuschreibung an dieser Stelle als gesichert gelten. Unsicher ist auch, ob der hier Genannte mit dem Straßburger Juristen Johann Joseph Bekkh identisch ist, dem Autor der 1660 veröffentlichten Geistlichen Echo (vgl. FT IV, S. 413; FT VI 678.).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

mit Müh und Angst / zusammen flicken / sticken und reimen können (es klinge gleich so abgeschmack es wolle) so müsse man sie schon für einen teutschen Assaph, Heman und Jedithun gelten lassen / unerachtet weder Kraft noch Saft / weder Trost der Schrift / oder etwas / so zum Christlichen Leben und Wandel dienet / in ihrem verderbten Papier zu finden; sonderlich in denen eine Zeit-hero hiesiges Ortes eingerissenen / und allzugemein gemachten / vielmals liederlichen Leichen-Liedern / welche öfters nichts als Personalia, nicht aber eine Zeil / die zur Andacht dienete / in sich haben.352

Bei Gelegenheitswerken zum Kasus der Beerdigung vermisst Feuerlein die geforderte andächtige Wirkung besonders häufig. Der Hauptkritikpunkt besteht in der Tendenz, dass ähnlich wie in manchen Leichenpredigten auf die Person des Verstorbenen mehr Wert gelegt wird als auf den geistlichen Inhalt. Inbegriff der „Andacht“ sind für Feuerlein dagegen die Lieder Paul Gerhardts, deren Gesamtausgabe (Geistliche Andachten, Berlin 1667) in Nürnberg 1683 mit einer Vorrede Feuerleins nachgedruckt worden war. Alte und neue Lieder nimmt auch Feuerlein als zwei unterschiedliche Gruppen wahr. Ohne sie gegeneinander auszuspielen, betont er Skeptikern gegenüber besonders die Bedeutung der neueren Lieder, die er als zeitgenössischen Beitrag zur fortschreitenden Geschichte der geistlichen Lieddichtung sieht: Zu wün=|schen wäre nur / daß so manche gute / Christliche und geist-reiche Lieder (insonderheit des unvergleichlichen Paul Gerhardts seine) fleissiger gebraucht / und Gott sein schuldigs Lob=Opfer / sowol mit alt- als neuen / öfters gebracht würde! Die Alten sind wol zu behalte[n] / und haben nunmehr ihren Preiß: die Neuen aber sind deswegen gar nicht auszuschliessen / weil sie neu; sondern eben wol zu brauchen / wenn sie nur dem Glauben ähnlich und erbaulich sind: Mittlerzeit werden sie schon ebenmässig alt / und in ihrer lehr-reichen Kraft / gleich jenen / käntlich werden. Ein solches Buch / voll alt- und neuer Lieder / sonderlich voll Gerhardischer / ist auch dieses / nun zum zweyten-mal wieder aufgelegtes / so genantes Nürnbergisches Gesang-Buch.353

Das erste offizielle Kirchengesangbuch für den Nürnberger Gottesdienst sind schließlich die 1700 erschienenen Nürnbergischen / Alt= und Neuen / Kyrchen=Lieder.354 Mit 347 Liedtexten ist es für den Gemeindegebrauch gegenüber dem Nürnbergischen Gesangbuch im Umfang deutlich reduziert. Vieles spricht dafür, dass in Nürnberg erst ab der Einführung dieses offiziellen Gesangbuchs mit einer breiten gottesdienstlichen Rezeption der neuen Lieder zu rechnen ist.355

352 353 354

355

N-1690, Vorrede fol. ):( 6v. N-1690, Vorrede fol. ):( 6v|7r. Bereits 1698 kamen – quasi als Vorstufe – die Zusamm=getragene / Alt= und Neue / Kyrchen=Lieder heraus; zu beiden Werken vgl. Wölfel, Gesangbuchgeschichte, 90–108. Im Zuge der Erarbeitung des neuen Gesangbuchs erklärte der St.-Jakobs-Prediger Georg Böhmer, „daß er im Gottesdienst eigentlich nur Lieder singen lasse, die bekannt seien und die man auswendig singen könne“; der Pfarrer an der Heiliggeistkirche, Johann Wülfer, mahnte an, im neuen Gesangbuch „die alten Lieder um des ‚gemeinen Mannes‘ willen beizubehalten“ (zit. nach Wölfel, Gesangbuchgeschichte, 95–97). Beim ‚gemeinen Manne‘ bekannt war demnach sicher eher das schmale, orthodoxe Liedcorpus aus der Reformationszeit als die neuen Erbauungslieder. Zum Versuch der Etablierung neuer Lieder von Paul Gerhardt über den Schulunterricht vgl. S. 148.

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II. Lutherische Gesangbücher des 17. Jahrhunderts

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Zum Rückblick auf die Entwicklung in Nürnberg ist an die drei untersuchten Gesangbuchfamilien zu erinnern: Eine erste Phase bilden die zahlreichen Ausgaben der Geistlichen Psalmen, Hymnen, Lieder und Gebet, die – wie schon der Titel andeutet – eine recht traditionelle, ‚kirchliche‘ Liedauswahl bieten; 1654 finden aber auch Lieder von Rist Aufnahme. Eine grundlegende Erneuerung der Liedauswahl durch den Einfluss der Pegnitzschäfer verrät dann Dilherrs Engelfreude (1653), eine offenbar für die Privatandacht bestimmte Sammlung kleineren Umfangs, in der die Sterbe- und Ewigkeitslieder aber eine besonders wichtige Rolle spielen. Das Nürnbergische Gesangbuch (1676/1690) setzt die Erneuerungstendenz fort, indem es weitere ältere Lieder weglässt, viele neue hinzufügt und die Gesamtzahl der Lieder um ein Vielfaches vermehrt; die Sterbe- und Ewigkeitslieder bilden hier aber einen verhältnismäßig kleinen Anteil. Auch insgesamt enthält die Nürnberger Auswahl vergleichweise wenige, nämlich 180 Sterbe- und Ewigkeitslieder. In den zehn verglichenen Nürnberger Gesangbüchern kommen sechs Sterbeund Ewigkeitslieder durchweg vor (die Rubrikkürzel beziehen sich auf die älteren Drucke): Martin Luther, Mitten wir im Leben sind (Wittenberg 1524) [B] Michael Weisse, Nun lasst uns den Leib begraben (Jungbunzlau 1531) [B] Erasmus Alber, Gott hat das Evangelium (1548) [JA] Nicolaus Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Wittenberg 1562) [TS] Anon., Herr Gott, mein Jammer hat ein End (Nürnberg 1563) [B] Johann Gigas, Ach wie elend ist unser Zeit (Nürnberg 1566) [TS] Sieben fehlen nur in einem der ausgewählten Drucke: Erasmus Alber, Ihr lieben Christen, freut euch nun (Wittenberg 1546) [JA] Anon., O Welt, ich muss dich lassen (Nürnberg 1555) [TS] Paul Eber, Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott (Frankfurt/M. 1563) [TS] Nicolaus Selnecker, Allein nach dir, Herr Jesu Christ, verlanget mich (Basel 1568) [TS] Bartholomäus Ringwaldt, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl (Frankfurt/O. 1586) [TS] Bartholomäus Ringwaldt, Es ist gewisslich an der Zeit (Frankfurt/O. 1586) [JA] Johannes Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Nürnberg 1589) [TS] Das durchweg vertretene Herr Gott, mein Jammer hat ein End ist ein ausgesprochenes Nürnberger Spezifikum. Mit Fried und Freud fehlt nur in N-1677 und N-1690 in der Rubrik der Sterbelieder (statt dessen: ‚Mariä Reinigung‘). In jedem der Gesangbücher findet sich mindestens eine deutsche Fassung von Iam moesta. Die JüngstenTages-Lieder Es wird schier der letzte Tag herkommen, Ach Gott, tu dich erbarmen und Sankt Paulus die Korinthier fehlen sowohl in N-1653 als auch in N-1677/90; Herzlich tut mich erfreuen ist in N-1653 noch enthalten. Bartholomäus Frölichs

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Ein Würmlein bin ich, arm und klein (Leipzig 1587) taucht erst ab N-1617 auf, wird dann aber beibehalten.

III. Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch: Auswertung Die Ergebnisse von Teil A werden – entsprechend den in der Einleitung aufgeworfenen Fragestellungen (vgl. S. 18) – in zwei Abschnitten zusammengefasst. Ein erster Abschnitt versucht diejenigen Fragen zu beantworten, die die Gesangbücher und damit den äußeren Rahmen betreffen, aus dem die Auswahl der Sterbe- und Ewigkeitslieder gewonnen wurde (1.): Wie und in welcher Absicht sind Gesangbücher im 17. Jahrhundert entstanden (a), und wie wurden sie benutzt (b)? Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit der gewonnenen Auswahl und einer vorläufigen quantitativen Auswertung (2.): Wie ist der Themenkreis Sterben, Tod und Ewiges Leben strukturiert, wie entwickelt sich diese Struktur im Lauf des Untersuchungszeitraums und welche Lieder von welchen Autoren kommen darin besonders häufig vor?

1. Die Gesangbücher a) Redaktion und Entstehungsbedingungen von Gesangbüchern im 17. Jahrhundert Typologie der Gesangbuchdrucke nach Initiativen Die Initiative zu einem Gesangbuch kann von verschiedenen Personen ausgehen: von Fürsten, Verlegern, Kirchenmusikern, Autoren. Je nach Personenkreis unterscheidet sich die Motivation. Einen amtlichen oder offiziellen Status haben in der Regel diejenigen Gesangbücher, die auf eine fürstliche Initiative zurückgehen. Für Herzog Ludwig von Württemberg ging es 1583 darum, seinen Untertanen ein Gesangbuch zur Verfügung zu stellen, das sie in der lutherischen Lehre unterweisen und festigen sollte. In diesem Interesse blieb der Kernbestand trotz Erweiterungsbestrebungen bis ins 18. Jahrhundert unangetastet. Der Wunsch nach Normierung und Regulierung bewog auch die sächsischen Kurfürsten, das gottesdienstliche Liedrepertoire klein zu halten und auf Lieder aus der Reformationszeit zu beschränken. Ein offizielles Gesangbuch gab es hier im 17. Jahrhundert nicht. Geprägt wurde die Herausgabe landeskirchlicher Gesangbücher durch die Theologen des jeweiligen Konsistoriums, allen voran durch Hofprediger wie Lucas Osiander in Württemberg oder Justus Gesenius in Hannover. In größeren Städten wie Nürnberg wurde ein offizielles Gesangbuch durch einen kirchlichen Beauftragten wie Johann Conrad Feuerlein erarbeitet, der 1700 im Anschluss an seine Redaktionstätigkeit die Abstimmung sämtlicher Prediger am Ort zu koordinieren hatte.1 Ein 1

Vgl. Wölfel, Gesangbuchgeschichte, 97f.104.

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III. Auswertung

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ähnliches Abstimmungsverfahren verrät auch die Vorrede zur Frankfurter Praxis Pietatis Melica von 1666 (vgl. S. 85). Die weitaus größere Zahl der im 17. Jahrhundert entstandenen Gesangbuchdrucke verdankt sich aber nicht fürstlichen oder kirchlichen, sondern privaten Initiativen. An erster Stelle sind dabei die Verleger zu nennen, deren Motivation ein geschäftliches Interesse war. Durch Verlegerinitiativen kamen so bedeutende Drucke wie das Eichornsche Gesangbuch zustande; freilich ließ auch Johann Eichorn die Gesänge „durch einen gelehrten Mann“ (vgl. S. 40), also vermutlich einen Theologen, in jene sinnvolle Reihenfolge bringen, die sich dann so nachhaltig auf viele spätere Gesangbücher auswirken sollte. Den Geschäftsinteressen der Drucker sind auch die Raubdrucke zu verdanken, die von vielen Gesangbüchern im Umlauf waren und gegen die mit fürstlichen Privilegien vorgegangen wurde. Wo sich wie in Nürnberg zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu viele Drucker Konkurrenz machten, die immer wieder dieselben oder ähnliche Gesangbücher nachdruckten, ging dies bisweilen auf Kosten der Qualität. Um Verlegerinitiativen, bei denen der Verleger auch als Sammler und Herausgeber fungierte, handelt es sich sowohl beim Nürnbergischen Gesangbuch von 1676 als auch beim Lüneburgischen Gesangbuch von 1686. Sebastian Göbel und Johann Stern haben sich beide intensiv in vielfältiges Material eingearbeitet und gewaltige Sammlungen angehäuft. Ähnliches gilt für die späteren Jahrgänge der Praxis Pietatis Melica nach dem Tod von Johann Crüger und Christoph Runge, in denen allerdings nach dem Prinzip ‚viel hilft viel‘ einfach immer weitere Lieder ohne inhaltliche Rücksichten hinten angehängt wurden. Durch die Massierung von Liedern sollten konkurrierende Drucke ausgeschaltet werden. Sehr viel sorgfältiger haben Göbel und Stern ihre Editionen strukturiert. Göbel hat sich sogar – wie vor ihm Schein – darum bemüht, im Verlauf der häufigen Nachdrucke „eingeschlichene“ Fehler durch Quellenstudium zu korrigieren. Beide Verleger konnten schließlich für die theologische Begutachtung ihrer Werke in der Vorrede berufene Gewährsleute gewinnen: Bei Göbel ist es Johann Saubert, bei Stern der Lüneburger Superintendent Caspar Hermann Sandhagen. Drucker und Verleger sind außerdem in manchen Gesangbüchern auch als Lieddichter vertreten wie Gregorius Ritzsch in Scheins Cantional und Christoph Runge in der Praxis Pietatis Melica. Die beiden letztgenannten Gesangbücher wiederum gehen auf die Initiative von Kirchenmusikern – Schein und Crüger – zurück; Ähnliches gilt für den Musicalischen Vorschmack (H-1683), zu dem der Kirchenmusiker Peter Sohren Crügers Gesangbuch aus- und umbaute. Alle drei haben ihre Sammlungen mit Melodien und Generalbass oder mit vier- bis fünfstimmigen Sätzen ausgestattet. Dabei sind die Intentionen durchaus unterschiedlich: Ging es Schein um die Verbesserung lückenund fehlerhafter älterer Kantionalien und damit um die Aufwertung des Chor- und Gemeindegesangs im Gottesdienst der Thomas- und der Nikolaikirche zu Leipzig, setzt Crüger mit seiner seit 1640 begonnenen Berücksichtigung von „vielen neuen Trostgesängen“ und der dazugehörigen Musik einen anderen Akzent: Durch den frommen Gesang will er die (private wie öffentliche) Andacht mehren. Eine ähnliche

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Intention, vielleicht noch stärker auf die Hausandacht ausgerichtet, steht wohl auch bei dem preußischen Kirchenmusiker Peter Sohren im Hintergrund, der Crügers Sammlung zahlreiche neue Lieder und viele eigene Kompositionen hinzufügt. Sohren und besonders Schein sind in ihren Gesangbüchern aber nicht nur als Herausgeber und Komponisten, sondern auch als Textdichter präsent. Gerade Scheins Cantional gewinnt damit abschnittsweise – und dies betrifft vor allem die Sterbe- und Ewigkeitslieder – nahezu den Charakter eines Autorengesangbuchs.2 Aus solchen Veröffentlichungen mit Werken nur eines Autors stammen ursprünglich viele der gesammelten Lieder (z. B. Heermann, Rist). Daneben gibt es private Liedsammlungen, in denen ein Herausgeber eigene Texte mit denen von anderen Autoren gemischt hat. Exemplarisch wurde Dilherrs Engelfreude (N-1653, vgl. S. 132) ausgewertet. Zwei weitere Beispiele, aus denen jeweils mehrere der gesammelten Texte stammen, sind Heinrich Müllers Geistliche SeelenMusik (Rostock 1659) und Johann Olearius’ Geistliche Singe=Kunst (Leipzig 1671). Angesichts der Fülle und der Vielfalt derartiger Werke sind sie nur schwer zu kategorisieren und oft kaum direkt zu vergleichen. Fast kurios mutet heute etwa die Idee an, die der Altenburger Schulrektor Joseph Clauder seiner Psalmodia nova (Altenburg 1627) zugrunde legte: 100 Liedern meist neueren Datums von unterschiedlichen Autoren stellte er jeweils eigene Übersetzungen in lateinischer Sprache gegenüber – in derselben Strophenund Reimform. Die Idee war so erfolgreich, dass schon 1630 eine zweite Auflage sowie 1631 und 1636 zwei Fortsetzungsbände gedruckt werden konnten. Auch aus diesem Werk sind einige Texte in der gesammelten Auswahl enthalten, freilich nur die deutschen Originaltexte, nicht Clauders Übesetzungen. In den Vorreden findet sich manchmal der Hinweis, dass die Sammlungen zum privaten Gebrauch „in allerley Nöhten“ angelegt und nur auf Drängen von Bekannten im Druck herausgegeben wurden. Der private Charakter von Clauders Psalmodia nova zeigt sich wiederum darin, dass explizit kirchlich konnotierte Rubriken wie Festlieder zum Kirchenjahr oder Katechismusgesänge fehlen; enthalten sind dagegen zur Privatandacht geeignete Rubriken wie Tageszeiten, Tischlieder, Reiselieder, ‚Kreuz und Verfolgung‘ sowie zahlreiche Sterbelieder. Tendenzen der Entwicklung Für die Entwicklung der Gesangbuchredaktion im 17. Jahrhundert lassen sich vier Tendenzen festhalten: 1. Die durchschnittliche Zahl der Lieder je Gesangbuch nimmt zu. Gesangbücher, die mehrfach aufgelegt wurden, wurden meist jedesmal etwas erweitert – auch wenn zugleich ältere Lieder weggelassen wurden. Das gilt für die Leipziger und Nürnberger Gesangbücher klassischen Zuschnitts vom Ende des 16. und dem Beginn des 17. Jahrhunderts ebenso wie für die innovativere Praxis Pietatis Melica in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts. Ab 1650 wurden neue Gesangbuchunternehmungen wie der 2

Weil solchen Werken die redaktionelle Bearbeitung durch Dritte fehlt, waren sie von der Quellenauswahl zunächst ausgeschlossen worden (vgl. S. 22); wie sich zeigt, sind aber Mischformen möglich, die für den Untersuchungsbereich interessante Randerscheinungen bilden.

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III. Auswertung

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Leipziger Vorrath, das Nürnbergische und das Lüneburgische Gesangbuch oft schon in erster Auflage mit mehr als 1000 Liedern gedruckt. Selten ist eine gegenläufige Tendenz zu beobachten: In D-1676 wurde programmatisch auf viele der neueren Lieder aus D-1656 verzichtet, weil man deren ‚zerrüttende Wirkung‘ fürchtete; und in Nürnberg wurde 1700 ein allzusehr angeschwollenes Gesangbuch durch ein schmaleres ersetzt. 2. Bei der Ausstattung mit Noten etabliert sich neben oder anstelle der einstimmigen eine zweistimmige Notierung mit Diskant und Bass, häufig ergänzt durch Ziffern für die Begleitung mit Generalbass. Diese Notation kommt dem heimischen Musizieren entgegen und entspricht darin der Tendenz zum Singen der neueren Lieder in der häuslichen Andacht (vgl. S. 149). Andere Werke enthalten vierstimmige Chorsätze für den Gottesdienst (Kantionalien, z. B. Osiander 1586; Schein, L-1627b; Go-1648) oder erscheinen in getrennten Heften für die verschiedenen Stimmen (z. B. Crüger 1640). Keine Noten enthält dagegen der Leipziger Vorrath (L-1673). Der Usus, für ein Lied ohne abgedruckte Melodie den „Thon“ eines Liedes mit derselben Strophenform anzugeben, findet sich aber auch in Gesangbüchern, die sonst Noten enthalten. Durchgängig mit Noten versehen sind meist nur die Kantionalien. 3. Die Zahl der offiziellen, kirchenregimentlichen Gesangbücher nimmt nur sehr langsam zu. Der württembergische Herzog Ludwig hatte 1583 mit den Außerlesnen Reinen Geistlichen Liedern vnnd Psalmen als einer der ersten Fürsten den gottesdienstlichen Liedgebrauch durch ein Gesangbuch reguliert. Im Lauf des 17. Jahrhunderts folgten einige andere Fürsten und Städte nach. Das Hannoverische (1646) und in seinem Gefolge das Cellische Gesangbuch (1661) haben offiziellen Charakter, sind aber anders als das württembergische primär zur Privatandacht bestimmt, erst in zweiter Linie für den Gottesdienst. Das Cellische Gesangbuch war zunächst für den Hof in Celle gedacht und wurde erst einige Jahr später im ganzen Herzogtum Lüneburg eingeführt. In anderen Territorien dauerte es bis zur Durchsetzung eines einheitlichen Gesangbuches wesentlich länger: in Nürnberg und in Hamburg3 bis 1700; in Sachsen führten einzelne Gemeinden seit 1700 ihr jeweils eigenes offizielles Gesangbuch ein, ein landesweit einheitliches gab es nicht.4 Manchenorts kam es auch im 18. Jahrhundert gar nicht zur Herausgabe eines offiziellen Gesangbuchs; in Berlin etwa setzte sich neben und nach der Praxis Pietatis Melica das pietistisch geprägte Porstsche Gesangbuch durch, das bis ins 19. Jahrhundert im Gebrauch war.5 Der im 17. Jahrhundert vorherrschende Gesangbuchtyp ist trotz der z. T. offiziell klingenden Titel (Nürnbergisches Gesangbuch) privaten Ursprungs (siehe oben). Die weithin übliche Beschränkung des gottesdienstlichen Liedgesangs auf die ‚orthodoxen‘ Kernlieder der Reformationszeit ist also nicht die Folge der Regulierung durch ein offizielles Gesangbuch, sondern durch andere Instrumente (Kirchenordnungen), durch Gewohnheit und die Begrenztheit des auswendig gesungenen Liedrepertoires. 3 4

5

Vgl. Schade, Zu Gottes Lob, 159–177. In Dresden das Börnersche Gesangbuch ab 1700 (offiziell erst ab 1724); in Leipzig das Hofmannsche Gesangbuch ab 1734; das Chemnitzer Gesangbuch ab 1713 usw.; vgl. Dibelius, Geschichte, 243–248. Vgl. Bachmann, Geschichte, 164–186.231–260.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

4. Die Bereitschaft zur Aufnahme neuerer Lieder nimmt zu. Wenig verwunderlich erscheint die Reserve, die offizielle Gesangbücher gegenüber Neuerungen zeigen, etwa in Württemberg. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstanden zwar viele geistliche Lieder; bis auf bestimmte Ausnahmen wurden sie aber zunächst nur von wenigen Gesangbüchern berücksichtigt – maßgeblich blieben die Lieder aus der Reformationszeit. In Scheins Cantional sind die Sterbelieder diejenige Rubrik, über die neue Lieder massiv in das Gesangbuch eindringen. Ähnlich verhält es sich 1682 mit dem Nachfolger des Cantionals, dem ansonsten eher traditionellen Neu Leipziger Gesangbuch. Ab 1640 entsteht ein verstärktes Interesse an den „Trostgesängen“ von Johann Heermann u.a., etwa bei Johann Crüger und im Hannoverischen Gesangbuch. Ihren Sitz im Leben hatten diese Lieder zunächst eher in der Privatandacht als im Gottesdienst. b) Gesangbuchgebrauch im 17. Jahrhundert Die grundlegende Alternative für den Gesangbuchgebrauch im 17. Jahrhundert lautet: Gottesdienst oder Hausandacht? Beide Kontexte sind hier näher zu beleuchten. Gesangbücher im Gottesdienst Aus heutiger Sicht gehört das Gesangbuch untrennbar zum sonntäglichen Gottesdienst. Die liturgiegeschichtliche Forschung hat jedoch gezeigt, dass dieser Konnex für die frühe Neuzeit so noch nicht gegeben war. Seit der Reformation wurden zwar im evangelischen Gottesdienst deutsche Gemeindelieder gesungen, aber deswegen benutzte die singende Gemeinde noch lange keine Gesangbücher – sie sang vielmehr auswendig.6 Nach Gesenius profitieren besonders leseunkundige „einfältige Leute“ vom auswendigen Singen;7 es wurde aber überhaupt im Interesse der Andacht hoch geschätzt.8 Angeleitet wurde die Gemeinde dabei vom Kantor oder vom Chor; Orgel- und sonstige Instrumentalbegleitung war weithin unüblich.9

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7 8

9

Schon die Ausbreitung der deutschen Lieder in den ersten Jahren der Reformation geschah auf dem Wege des Auswendiglernens, die auch Analphabeten die Aneignung der reformatorischen Lehre erlaubte (vgl. Mager, Lied und Reformation, 27). Vgl. Graff, Auflösung, 255; Blankenburg, Liedgesang, 599.608; Scheitler, Lied, 86f; Korth/Blankenburg, MGG-Art. Gemeindegesang B I, 1165; Garbe/Blankenburg, MGG-Art. Gemeindegesang B III, 1175. Vgl. S. 64 Anm. 102. So schon bei Melanchthon, vgl. S. 33; auf Augustinus bezieht sich Georg Weinrich in seiner Gesangbuchvorrede von 1606 (zit. nach L-1627a, fol. 4v|5r): „So haben auch die Geistlichen Lieder diese Krafft / daß sie tieffer ins Hertz sincken / vnd leichter behalten werden / denn andere Text vnd Schrifften / so aus der Propheten vnd Apostel Bücher werden zusammen gefast / in massen solches die Erfahrung an den Kindern vnd anderen einfeltigen Leuten bezeuget. Dahero der alte Lehrer Augustinus spricht: Das viel Leute / so in der Kirchen zusammen kommen / weder der Propheten hohe Lehre / noch der Apostel Schrifften leichtlich lernen vnd verstehen können / oder wenn sie es gleich lernen / so können sie es doch im Gedechtnis nicht behalten. Die Psalmen | vnd Lieder aber / so in liebliche Melodeyen gefasset seyn / die können sie in öffentlicher Kirchsamlung vnd zu Hause daher singen / ohne alle Müh vnd Arbeit / vnd können sich domit selber vnterweisen / erfrewen vnd lustig machen.“ Eine Ausnahme bildet die im Melodeyen Gesangbuch von 1604 belegte Praxis in Hamburg, nach der bereits um 1600 der Chor von der Orgel abgelöst wurde; vgl. Schade, Zu Gottes Lob, 119f.

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Zu unterscheiden sind der sonntägliche Hauptgottesdienst und Nebengottesdienste (Früh-, Mittags- und Wochentagspredigt, Bußgottesdienste), Horen (Mette und Vesper) und Betstunden (öffentliche Morgen- und Abendandachten sowie Betstunden an bestimmten Bußtagen).10 Je nach Art des Gottesdienstes variierte nicht nur die Zusammensetzung der Gemeinde,11 sondern auch der Gesang. Im Hauptgottesdienst, der aus der lateinischen Messe hervorging, wurden Ordinariums- und Propriumsgesänge allmählich durch deutsche Gesänge ersetzt; im wöchentlichen Wechsel wurde anstelle des Graduale ein deutsches Gemeindelied gesungen (vgl. S. 536–537). Die Auswahl dieser Detemporelieder stammt überwiegend aus dem ältesten Bestand der Reformationszeit und ist sehr begrenzt. In Nebengottesdiensten und den sich allmählich entwickelnden Betstunden konnten dagegen mehr und neuere Gemeindelieder gesungen werden. Ein Gesangbuch hatten im Gottesdienst nur wenige Personen vor sich: Pfarrer, Kantor und Chorsänger (in Städten wie Leipzig meist die Lateinschüler). Auf einer Straßburger Abbildung von 1562 ist zu sehen, wie die Chorsänger ein großes aufgeschlagenes Gesangbuch umstehen;12 ähnlich wurde wohl die zweifarbig gedruckte, prächtig ausgestattete Folioausgabe des württembergischen Gesangbuchs verwendet, die 1596 unter dem Titel Groß Kirchengesangbuch erschien und bis ins 18. Jahrhundert nachgedruckt wurde (1664, 1686, 1711). Zwar rechneten die Herausgeber schon im 17. Jahrhundert vereinzelt damit, dass manche Gemeindeglieder eine Bibel oder ein Gesangbuch mit in den Gottesdienst brachten.13 Damit konnte auch die persönliche Andacht im Gottesdienst gesteigert werden, etwa durch das Lesen von Liedern und Gebeten während des Orgelspiels oder der Kommunion. Derartige Praktiken setzen aber nicht nur Lesefähigkeit voraus, sondern auch Buchbesitz und Teilhabe an der Lesekultur.14 Damit kann in den Gottesdienstgemeinden dieser Zeit noch nicht auf breiter Basis gerechnet werden.

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Vgl. Graff, Auflösung, 206–236. So war bei den täglichen Metten und Vespern der Lateinschüler in der Regel keine Gemeinde zugegen (vgl. Graff, Auflösung, 213f.217). Im Straßburger Gesangbuch von Thiebolt Berger von 1562, Abdruck mit Nachweis: Einführung zur Stuttgarter Faksimileausgabe (1953) des Straßburger Gesangbuchs von 1541; ohne Nachweis: Möller, Kirchenlied, 89. Vgl. die Beispiele aus Lüneburg (Bibel, S. 57) und Hannover (Gesangbuch, S. 64). Vgl. die Verordnung Herzog Ernsts des Frommen von Gotha für seine Kinder (1654): „Wann nun bey dem Gottesdienst die Choral=Gesänge gesungen, die Episteln und Evangelien verlesen und die gebräuchlichen Kirchengebete gesprochen werden, sollen Unsere geliebte Kinder, welche lesen können, jedesmahl den gedruckten Text vor sich haben, damit sie desto andächtiger mit singen und beten, auch auf die Worte desto besser aufmerken mögen: den Kleinern aber sollen jederzeit die Bedienten die Worte eines jeden Commatis vorsagen, damit sie auch den Gesang richtig mit singen lernen.“ (Gelbke, Herzog Ernst 3, 215). Für die frühe Neuzeit gilt allgemein: „Zwischen Lesefähigkeit und tatsächlicher regelmäßiger Lektüre besteht eine große Kluft, die nur in Ausnahmefällen geschlossen wird“ (Schön, Geschichte des Lesens, 37; zit. nach Gauger, Kulturen, 37). Noch im 18. Jahrhundert gilt für das Lesepublikum in Deutschland: „Viele potentielle Leser der Unterschichten konnten sich wegen der Buchpreise diesen Schritt [zu einer regen Lesetätigkeit] nicht leisten […]. Viele andere Angehörige derselben Schichten waren des Lesens und des Schreibens unkundig oder verfügten über so rudimentäre Kenntnisse, dass sie ohnehin nicht als Leser in Frage kamen“ (Goetsch, Einleitung, 4).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Zur Unterstützung des auswendigen Gemeindegesangs wurde noch im 16. Jahrhundert das ‚Kantional‘ entwickelt. Es wurde zuerst 1586 von dem württembergischen Theologen Lucas Osiander im Anschluss an die vierstimmigen Psalmengesänge der Reformierten konzipiert; das Prinzip des Kantionals überdauerte in vielen Regionen fast das gesamte 17. Jahrhundert, bis zur Einführung der Orgelbegleitung und des breiteren Gesangbuchgebrauchs. Das neuartige Prinzip bestand darin, die Gemeinde den in der Oberstimme (zuvor: im Tenor) geführten Cantus firmus mitsingen zu lassen, zu dem der Chor schlichte, vier- oder fünfstimmige Sätze sang (Contrapunctus simplex). Auch wenn das Kantional nur dem Chor vorlag, war der Gemeindegesang dadurch besser in den Gottesdienst eingebunden. Je nach Liedauswahl war die Möglichkeit der Gemeindebeteiligung unterschiedlich: Während das Osiander nur die bekannten Lieder aus dem landeskirchlichen Gesangbuch aufnahm, enthält Scheins Cantional gerade unter den Sterbeliedern auch zahlreiche neue Texte. Die besondere Bedeutung der Kantionalien bei der Beerdigung im mitteldeutschen Raum zeigen auch das Gothaer Cantionale sacrum von 1648 und das Eisenacher Begräbniskantional von 1653,15 die an die Tradition Scheins anknüpfen. Nur was vom Chor bei vielen Gelegenheiten wiederholt wurde, konnte sich allmählich einprägen. Die Liedform galt als didaktisch besonders wertvoll, da sich die metrisch gegliederten, gereimten Strophen gleichsam von selbst einprägten. So heißt es in der Vorrede zum Leipziger Vorrath, bezogen auf das Singen auch neuerer Lieder: Es hat sich auch in Warheit befunden / daß diese Art gantzen Gemeinen / absonderlich denen / die entweder auß Mangel der Mittel / oder gemeiniglich auß Nachlässigkeit nicht zur Schulen gangen / vorträgliche Sachen beyzubringen / sehr beqvem und geschickt sey / so wohl weil die Rede in Reime eingeschrencket leichter zu fassen / als auch wegen ofter Wiederholung in unverrucktem Gedächtniß zu behalten ist.16

Im Herzogtum Lüneburg wurde bei Einführung des Cellischen Gesangbuchs angeordnet, dass wöchentlich ein Lied von der Kanzel verlesen wurde, damit die Gemeinde die Texte kennenlernte; die Melodien sollten durch den Chor auch auf die Straßen getragen werden.17 Ob Maßnahmen wie das Vorsingen durch den Chor oder das Vorlesen von der Kanzel für das auswendige Singen immer fruchtbar waren, ist freilich zu bezweifeln. Ein einfaches Gemeindeglied verfügte sicher trotzdem nicht über ein allzu großes auswendiges Liedrepertoire.18 Oft wurde das Gesungene akustisch und inhaltlich gar nicht richtig verstanden. Die „eingeschlichene Irrthümer“, die viele Gesangbuchredaktoren durch ihr Quellenstudium auszuschalten versuchten, betreffen nicht

15 16 17 18

Vgl. Braun, Begräbniskantional, 273–282. L-1673, Vorrede fol. b 1v; „vorträgliche“: nützliche, zuträgliche. Vgl. Röbbelen, Geschichte, 454. Walter Blankenburg schätzt die Zahl der bekannten Lieder/Melodien auf etwa 60: Zu ca. acht allsonntäglich wiederholten Gesängen kommt im Schnitt jeden Sonntag ein Detempore-Lied; vgl. Blankenburg, Liedgesang, 608.

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III. Auswertung

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nur Fehler im Druck, sondern auch im gesungenen Text. So schreibt der Leipziger Nikolaipfarrer Jeremias Weber in der Vorrede zu seinem Gesangbuch von 1638: Dafern sonsten auch noch jemand nachricht haben wolte / wie die teutschen Lieder recht vnd vnverfelscht zu singen / sonderlich an denen orten / da sie von den gemeinen Leyen vnd vnverstendigen / offt aus lauter gewonheit / vnd daß sie die Lieder mehr von dem gehör / als aus den büchern erlernet / verstümmelt / verdrehet vnd verkehret werden […] So sol / wer darnach begierig ist / in dieses Gesangbüchlein verwiesen seyn.19

Aus dem Gesangbuch sollen die Lieder also nicht nur gesungen, sondern auch auswendig gelernt werden können, wie Weber „An die Christliche Leser vnd Herren Buchführer“ schreibt: Wollen sie / so viel möglich / sich vnd die jhrigen daran gewehnen / daß nicht von blossen hören sie die Lie=|der fassen / sondern sie aus diesem auffgeschlagenen Büchlein erlernen / so wird mancher jrrung vorgebeuget werden.20

Immer wieder wird in den Vorreden betont, wie bedeutsam die reformatorische Errungenschaft des volkssprachlichen Gesanges sei: Sie erst ermöglichte das Verstehen. Conrad Feuerlein schreibt 1690 in seiner Vorrede zur 2. Auflage des Nürnbergischen Gesangbuchs: Was kan und mag es sonst für Nutzen geben / wenn man in der Kirche singet / was nicht jederman verstehet? Wo bleibt die Andacht und Ermunterung / bey einem unvernemlichen Gesang und Gebet? was Paulus davon halte / wenn man Psalmen singet und segnet im Geist / das ist / mit Zungen / oder in einer fremden Sprache / auf welche der Laje nit Amen sagen könne / weil er nicht wisse / was der ander sage? mag ein jedes selber lesen / in der I. Cor. 14.14–16.21

Solche Erinnerungen lassen darauf schließen, wie sehr es am Verständnis der Gemeinde doch oft gemangelt haben muss. Die Klagen über verballhornte, im Unverstand gesungene Lieder geben ein Bild davon, welche Blüten die Praxis des Auswendigsingens oft hervorbrachte. 1661 beschwert sich Johann Balthasar Schuppius, Hamburger Hauptpastor an St. Jacobi: Ich vermercke / daß viel einfältige Leute / die gemeine Kirchen=Gesänge nicht verstehen […] Die Ohren thun mir weh / wann ich höre die Knaben bey der Leiche singen / Jam moesta quiesta querula.22

Der lateinische Gesang diente zur altsprachlichen Unterweisung der Lateinschüler und gehörte in Städten wie Hamburg, Nürnberg oder Leipzig fest zum Gottesdienst.

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L-1638, Vorrede fol. b 3v. L-1638, fol. b 5v|6r. N-1690, Vorrede fol. ):( 5r. Zit. nach Schauer, Johann Balthasar Schupp, 84.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Am Textverständnis mangelte es dabei offenbar nicht nur lateinunkundigen Gemeindegliedern, sondern manchmal auch den Schülern selbst. Erst ab 1700 begann sich die Praxis allgemein durchzusetzen, dass auch Gemeindeglieder ihr Gesangbuch in den Gottesdienst mitbrachten. Verschiedene Faktoren trugen dazu bei: die steigende Alphabetisierung, die sich allmählich durchsetzende Einführung kirchenregimentlicher Gesangbücher, die erneuerte Frömmigkeit im Pietismus. Nun gab es auch Nummerntafeln für die Lieder. Doch Christian Gerber berichtet noch 1732 von einem Pfarrer, der einen Bauern mit Gesangbuch deshalb kritisiert, weil es nur dem Schulmeister und ihm selbst zukomme, ein solches zu benutzen. Ein Gesangbuch in den sonntäglichen Gottesdienst mitzubringen, galt nach Gerber noch zu dieser Zeit in vieler Augen als „Scheinheiligkeit“23. Gesangbücher in der Schule Der Ort der Liedvermittlung war also nicht nur der Gottesdienst, sondern auch die Schule, und zwar nicht nur die städtische Lateinschule, sondern auch die Landschulen. Hier wurden sowohl liturgische Gesänge als auch die auswendig zu singenden Kernlieder gelehrt; einen entsprechenden Befehl an Lehrer und Pfarrer enthält z. B. die Gesangbuchvorrede Herzog Ludwigs von Württemberg von 1583 (vgl. S. 44). Doch auch wo die Kirchen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts begannen, sich neueren Gesängen zu öffnen – wie im Herzogtum Lüneburg mit dem Cellischen Gesangbuch –, war die Schule der Ort, an dem diese Lieder vermittelt werden sollten.24 Das ging freilich nicht immer so rasch vor sich wie von manchen gewünscht; zu groß waren die Vorbehalte gegen das Neue oder vielleicht auch nur die Trägheit, bei der etablierten Auswahl zu bleiben.25 Doch solange noch auswendig gesungen wurde, erschien die Schule Konservativen wie Erneuerern des Gemeindegesangs als der geeignete Ort, von dem aus Lieder in die Gemeinde hineingetragen werden sollten. Conrad Feuerlein stellt daher 1683 in seiner Vorrede zur Nürnberger Ausgabe von Paul Gerhardts Geistlichen Andachten fest: In der Kirche ist der Überfluß so groß noch nicht / daß nicht zu mancher Fest= und Jahrs=Zeit der Lieder mehr vonnöthen wären. Denn wie wenig haben wir der Passions=Lieder / die in öffentlicher Kirch=Gemein gesungen werden? Wie viel weniger der Himmelfahrts= und Pfingst=Lieder? mit einem / und aufs höchst mit zweyen / muß man sich wol mancher Orten meists behelffen: da doch der Mangel nicht so wol in Büchern / als in unserm eignen Willen ist / in dem wir nicht der guten Lieder mehrers einführen / und dieselbe / nach dem Vorgang unserer Vorfahren / zuerst in den Schulen / hernach auch in der Kirch=Versammlung / bekandt machen. Man hätte sich deshalb über keine Neuerung zu beschweren. Denn diese Lieder / die wir jetzt singen / und unsere Vätter in der Kirche eingeführet / sind zu ihren Zeiten auch neu gewesen / und doch bishero wol bekandt und 23

24 25

Vgl. Gerber, Kirchen=Ceremonien, 256: „Und ich habe es gehört und erfahren, daß wenn einer ein Gesang=Buch mit sich [in die Kirche] nahm, ihm solches von Unverständigen als eine Scheinheiligkeit ausgelegt ward.“ Vgl. Röbbelen, Geschichte, 454. Vgl. etwa S. 138 Anm. 355 zur Haltbarkeit der hergebrachten Liedauswahl im Nürnberger Gottesdienst noch um 1700.

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III. Auswertung

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gebrauchet worden. So könte manches gutes Lied / welches rein und unverdäch=|tig ist / noch ferner eingeführet werden / wenn man dieselbe erstlich in den Schulen denen Kindern / […] hernach durch solche Jugend auch wol den Ihrigen zu Hause (wie schon mehr geschehen) endlich aber auch der gantzen Kirch=Gemein (als bei hiesiger Communion und H. Abendmahls-Handlung / mit einem und dem anderen guten Lied / gar füglich practiciret worden) bekandt machen […] wollte.26

An Büchern, an neuen Liedern mangelt es – so Feuerlein – weniger als an Kenntnis und Andacht.27 Angesichts dessen ist für ihn der sinnvolle, für einige Abendmahlslieder auch bereits bewährte Weg der Liedvermittlung: von den Schulen in die Familien, von dort in die Kirchen. Feuerleins Sohn Johann Conrad verbindet schließlich die Forderung nach dem schulischen Lernen von Gesangbuchliedern mit der nach dem allgemeinen gottesdienstlichen Gesangbuchgebrauch. In der Vorrede zu dem von ihm redigierten ersten offiziellen Nürnberger Gesangbuch von 1700 fragt er, was Lieder und Gesangbücher nützen, wann man sie nicht lernen / und in den Schulen / zumal in teutschen / nicht üben / noch irgend einiges Gesang=Buch in die Kyrche mit sich nehmen / und darin gebrauchen mag? Sie sind ja zu solchem Ende da!28

Die Gesangbücher wirklich in der Schule und der Kirche benützen, wo sie hingehören – diese Praxis möchte Feuerlein befördern und dadurch endlich eine breitere Gesangbuchrezeption anregen. Offenbar erkennt er diesbezüglich einigen Nachholbedarf in der Praxis der Gesangbuchbenutzung seiner Zeit. Gesangbücher in der Hausandacht Dass der Gesang im 17. Jahrhundert neben Gebet und Lektüre als konstitutiver Bestandteil häuslicher Frömmigkeitspflege gilt, zeigt schon ein Blick in die Lebensbeschreibungen der Leichenpredigten.29 Oft folgt die Hausandacht einem liturgischen Formular, das dem der kirchlichen Morgen- und Abendbetstunden sehr ähnlich ist; die häufige Rede von der „Hauskirche“ hat also durchaus ihren Grund. Bekannt ist etwa die Verordnung Herzog Ernsts des Frommen von Sachsen-Gotha aus dem Jahr 1654, nach der für die tägliche Abendandacht in der herzoglichen Familie folgender Ablauf vorgesehen ist: Detempore-Lied, Lesung, Auslegung aus der Postille, Abfrage der Kinder, Schlusslied und Schlussgebet.30 Die Verantwortung für die Durchführung der Hausandachten übernahm der Landesherr im Sinne des Kirchenregiments; bei 26 27

28 29 30

PAULI GERHARDI Geistreiche Andachten (Nürnberg 1683), fol. )( 4v|5r. Vgl. PAULI GERHARDI Geistreiche Andachten, fol. )( 4r: „Unsere Gesang=Bücher haben sich bey unterschiedenen Jahren her / um ein merckliches vermehret / und sind gewiß mit vielen schönen Liedern gezieret; wenn nur auch die Andacht und Lust zu diesem schönen Gottesdienste / bey vielen wäre mit vermehret […] worden.“ Zit. nach Wölfel, Gesangbuchgeschichte, 105. Vgl. Veit, Private Frömmigkeit, 276. Vgl. Gelbke, Herzog Ernst 3, 210–213; Graff, Auflösung, 244; Scheitler, Lied, 91.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Hausvisitationen durch Geistliche wurde kontrolliert, ob die Andachten durchgeführt wurden.31 In Analogie zur kirchlichen Betstunde nahm der Hausvater die Position des Pfarrers ein; in der herzoglichen Familie zu Gotha konnten sie stellvertretend auch Bediente übernehmen, wenn der Herzog nicht zugegen war.32 Die Unterweisung der Kinder und des Gesindes war ein wichtiges Anliegen der Hausandacht wie vieler kirchlicher Nebengottesdienste.33 Ein wesentlicher Unterschied zur kirchlichen Andacht scheint im Gebrauch der Bücher zu liegen: Bei der Hausandacht kamen nicht nur die vielen Gebet- und Erbauungsbücher zum Einsatz,34 denen oft ebenfalls ein bestimmter liturgischer Ablauf entnommen werden kann, sondern auch die Gesangbücher. So bestimmt Ernst der Fromme 1654 für die Abendandacht in der Familie: Ehe zu singen angefangen wird, sollen Cammerdiener oder Pagen und dergleichen Bediente alle zum Singen gehörige Bücher herbeygeschafft haben, damit jedes von Unsern geliebten Kindern, auch die den Gesang können, aus selbigen singen mögen, zu welchem Ende dann das Lied, welches gesungen werden soll, vorher anzudeuten, damit entweder Unsere geliebten Kinder selbst, oder denen, die solches nicht können, die Bedienten es aufsuchen mögen.35

Gesungen werden sollte aber auch zu anderen Gelegenheiten, etwa „nach der Mahlzeit“ oder „Bey An= und Ablegung der Kleider“; da das Singen „nichts anders als eine Art des Gebets ist“, galten für die Kinder des Herzogs beim Singen dieselben strengen Vorschriften wie beim Gebet.36 Dabei ist der Gebrauch des Gesangbuchs für den Herzog erforderlich, um die Konzentration auf das Gesungene zu gewährleisten. Demnach Sollen diejenigen von Unsern geliebten Kindern, welche Lesen können zu desto besserer Aufmerkung allezeit […] den vorhabenden Gesang, ungeachtet ihnen derselbe sonst bekannt, in ihrem eigenen Gesangbuche, welches zu dem Ende ein jedes zur Hand haben soll, aufschlagen, und daraus singen.37

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Solche Visitationen wurden etwa 1637 von Sigismund Evenius gefordert, einem Mitarbeiter Herzog Ernsts des Frommen; 1651 erließ der Herzog ein entsprechendes Dekret. Auch in Oldenburg und reformierten Regionen war die Andacht Thema bei Hausvisitationen, vgl. Graff, Auflösung, 242.244. In der Verordnung Herzog Ernsts: „Darauf dann der Bediente, welcher von Uns hierzu gnädig verordnet, das Lied, wie es die Sonn= und Festtage, oder Jahrszeit erfordert, anfangen […] soll[…]. […] solle derjenige, der die Betstunde hält, eine Erforschung anstellen […]. […] soll derjenige Bediente, der die Betstunde hält, fein deutlich vorlesen […]“ (Gelbke, Herzog Ernst 3, 211). Vgl. Graff, Auflösung, 206. Genannt werden u.a. für die Morgenandacht „Hauskirchbüchlein, Arends [Arndts] Paradiesgärtlein, Habermann [Gebetbüchlein] oder Wasserquelle“ (Gelbke, Herzog Ernst 3, 209). Gelbke, Herzog Ernst 3, 211. Zitate: Gelbke, Herzog Ernst 3, 207f. Die Kinder sollen sich „feiner, sittsamer und demüthiger Gebehrden befleißigen, die Hände recht falten und aufheben, hergegen aller Ungebehrden, als Herumgaffens mit den Augen, Reibens und Kratzens des Haupts, unnöthigen Jähnens und Raufferns, bald nahe bald ferne vom Tisch zu treten, Händespielen oder Niedersinkens, Stossung eines andern, unfreundliches Ansehens, Achselhängens und dergleichen sich enthalten“ (Gelbke, Herzog Ernst 3, 206). Gelbke, Herzog Ernst 3, 207.

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III. Auswertung

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Sicher ist die Praxis am Hof in Gotha, dessen Herzog nicht von ungefähr den Beinamen „der Fromme“ trägt, nicht repräsentativ für jede bürgerliche Familie. Dass die Hausandacht der hauptsächliche Ort der Gesangbuchbenutzung war, geht aber auch aus vielen anderen Zeugnissen hervor38  – schon allein aus zahlreichen Gesangbuchtiteln (‚Hausgesangbuch‘). Dass das Liedrepertoire der Hausandachten wesentlich umfangreicher, flexibler und offener für Neues war als das im kirchlichen Gottesdienst, zeigen T-1665 und T-1669 aus der Zeit der Württemberger Anhang-Gesangbücher: Während der Stammteil von 1583 die „offentlichen Kirchen=Gesänge“ bereithält, sollen die Anhänge mit den neu hinzugekommenen Liedern „zu rechtschaffener frommer Christen Hauß=Kirchen“ verwendet werden.39 Das Hannoverische Gesangbuch besitzt eine Einteilung zum häuslichen Durchsingen aller enthaltenen Lieder innerhalb von 6 bzw. 7 Wochen. Manchmal erweitert sich der Zweck im Laufe von mehreren Ausgaben: Das Hannoverische Gesangbuch ist in der Ausgabe von 1648 „Zu Befoderung der Privatandacht“, ab 1657 „zur Befoderung der Privat- und öffentlichen Andacht“ bestimmt (vgl. S. 63); bezeichnend ist die Reihenfolge: erst Privatandacht, dann Gottesdienst. Dieselbe Tendenz zeigt das Cellische Gesangbuch: Hier findet sich erst 1706 der Titelzusatz „zu besserem Gebrauch der Kirchen des Fürstenthumbs Lüneburg und dazu gehöriger Lande“. Die Berliner Praxis Pietatis Melica ist dagegen laut Titel von Anfang an für beide Kontexte bestimmt. Eine besonders ausführliche Aufzählung von privaten Verwendungsmöglichkeiten enthält die Vorrede der Frankfurter Ausgabe von 1666 (vgl. S. 85). In der Hausandacht hatten auch viele der bei der Auswertung nicht berücksichtigten Autorengesangbücher ihren Platz, etwa mit Epistel- oder Evangelienliedzyklen für die sonntägliche Hausandacht (vgl. S. 541–544); entsprechende Werke gibt es von Herman, Heermann, Rist40 und anderen. Ein Nürnberger Autorengesangbuch, Johann Vogels Psalmen / Geistliche Lieder und Haus=gesänge (1653), weist eine klassische Rubrizierung nach Eichornschem Vorbild („Nach Art und Ordnung deß Evangelischen Gesangbuchs“) auf, wird jedoch in Dedikation und Vorrede ebenfalls der Hausandacht zugeordnet. Johann Michael Dilherr schreibt in der Vorrede, er lebe der guten Zuversicht; es werden Gottseelige Haus=vätter und Haus=mütter sich / neben ihren lieben Kin=|derlein / dieser wolgemeinten Arbeit wol zugebrauchen haben.41 38

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41

Vgl. das Titelkupfer von Rists Alltäglicher Hausmusik (1654): Eine Familie feiert Andacht; dabei singen mehrere Mitglieder aus Gesangbüchern. T-1665, Zwischentitel. Rist schreibt in der Zuschrift zu seiner Sabbahtischen Seelenlust (Lüneburg 1651), in der Lieder zu allen Sonntagsevangelien abgedruckt sind: „Ich halte Mich gäntzlich versichert / daß / dafern diese unsere Sabbahtische Lider / nicht eben der Würden sind / daß sie öffentlich in der Kirchen mügen gesungen oder gespielet werden (wiewol solches ins Werk stellen zu lassen / grosse Theologen Sich haben erbohten;) Sie doch zum weinigsten bei vielen Christlichen Haußvättern und Haußmüttern einen günstigen Platz finden“ (S. 16). Die liturgische Verwendung ist also eine Auszeichnung, die private eher ‚niederschwellig‘. Vogel, Psalmen, Vorrede von Dilherr fol. b 1r|v. Ursprünglich handle es sich um Gelegenheitsdichtung, die „zu unterschiednen Zeiten und Gelegenheiten gesungen“ worden sei (fol. a 9r) und nun auf verschiedentlichen Wunsch hin als Sammlung herausgebracht werde.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

In Vogels Dedikation kommt noch ein weiterer wichtiger Aspekt zum Ausdruck: die Verbindung von Hausandacht und Hausmusik. Die Rede von der „Hausmusik“ ist etwa seit den Jahren nach 1600 gängig.42 Die Zueignung an die Nürnberger Ratsmitglieder, so Vogel, geschehe in Ansehung / daß derselben wolbestelltes Haus=wesen und Christenthum aus sonderbarer Beliebung deß Gottesdienstes / welcher auch gutes theils in fleissiger Lesung deß Worts Gottes / und beliebicher Ubung der Hauß=music bestehet / männiglich bekan[n]t.43

„Ubung der Hauß=music“ ist also neben der Schriftlektüre konstitutiver Bestandteil des (Haus-) Gottesdienstes. Dieses häusliche Musizieren konnte durchaus nicht nur im Kreis der Familie, sondern auch im Freundes- und Bekanntenkreis stattfinden; die Teilhabe an einer derartigen privaten Musikkultur war freilich an einen gehobeneren Bildungsgrad gebunden. Neben der Andacht war auch die Geselligkeit ein wesentliches Ziel.44 Für solche Zusammenkünfte ist mit einer freieren Form der Andacht zu rechnen. Form und Schwierigkeitsgrad der Musik richteten sich jeweils nach Fähigkeit und Bedürfnissen der Teilnehmer.45 Die in Italien aufgekommene Form des monodischen Komponierens als der „begleiteten solistischen Vokalmusik“ ermöglichte eine freiere, stärker affektbetonte Textbehandlung als der bis dahin übliche Kontrapunkt.46 In einfacher Machart, die auch den Kindern das Mitsingen erlaubte, wurde das Sololied, die monodische Aria mit Generalbassbegleitung, zur vorherrschenden Form der neueren geistlichen Lieder für den Hausgebrauch.47 Daneben wurde auch im häuslichen Bereich mehrstimmig gesungen. So ist Heinrich Schütz’ vierstimmige Vertonung des Becker-Psalters von 1628 nach Angaben des Komponisten zunächst „für meine HaußMusic / vnd zu deren mir vntergebenen CapellKnaben frühe vnd AbendGebet“ bestimmt.48 Fazit Die Entwicklung des Gesangbuchgebrauchs im 17. Jahrhundert stellt sich also vereinfacht gesprochen wie folgt dar: Im Gottesdienst werden Gesangbücher anfangs nur vom Pfarrer, vom Schulmeister, vom Küster und vom Kantor sowie vom Chor benutzt; zur besseren Einbindung der auswendig singenden Gemeinde dient die Gesangbuchform des Kantionals. Insbesondere seit der Erneuerung der „Deutschen 42 43 44 45

46 47 48

Zunächst bei Bartholomäus Gesius und Samuel Besler, vgl. Busch-Salmen, MGG-Art. Hausmusik, 228. Vogel, Psalmen, Dedicatio fol. a 9r. Vgl. Scheitler, Lied, 94f.403f; Busch-Salmen, MGG-Art. Hausmusik, 230. Im Vorbericht zu seinen Neüen Musikalischen Fest=Andachten (Lüneburg 1655) erläutert Rist, warum er für seine Lieder sowohl alte als auch neue Weisen anbietet (Letztere eigens vom Hamburger Musiker Thomas Selle komponiert, der sich „sehr wol und gahr vernünftig nach dem Text und Wohrten hat gerichtet und geschikket“): „Die Alte sind in unseren Evangelischen Kirchen von vielen Jahren hero üblich / und biß auf gegenwärtige Stunde in täglichem Gebrauche; Dise nun / dienen so wol den Jenigen / welche der Singekunst unerfahren sind / als denen / welche die Musik aus ihrem Grunde verstehen. Die Neüen gehören eigentlich für die Gelehrte und Musikverständige“ (fol. B 4r). Vgl. Palisca, MGG-Art. Monodie, 466.468. Vgl. Graff, Auflösung, 243; Scheitler, Lied, 92f.410; Rößler, MGG-Art. Gesangbuch, 1304. Zit. nach Busch-Salmen, MGG-Art. Hausmusik, 229.

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III. Auswertung

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Poeterey“ durch Martin Opitz (1624) entstehen vermehrt geistliche Lieder neuen Typs, die zunächst in Gedichtbänden der Autoren und Privatsammlungen veröffentlicht werden und für den Hausgebrauch bestimmt sind. Ab etwa 1640 (Crüger, Gesenius) kommen Gesangbücher auf, die im Aufbau den bisherigen kirchlichen Gesangbüchern ähneln, in die aber die neuen Lieder zur Hausandacht vermehrt Eingang finden und die in der Regel zunächst auch selbst für den Hausgebrauch bestimmt sind (Hannoverisches Gesangbuch). Häusliche Frömmigkeit und Andacht sind also mehr als der Gemeindegesang der Motor der Erneuerung des geistlichen Singens im Barock: Hier wurden – im Vergleich mit dem Gemeindegesang – zuerst Gesangbücher benutzt; hier wurden zuerst die neuen Lieder gesungen.49 Die Trägergruppe dieser Frömmigkeit ist besonders unter gebildeten und wohlhabenden Bürgern und Adligen zu suchen, die Zugang zur Lese- und Musikkultur besaßen. Ob Scheitlers klärende Trennung von privatem ‚Geistlichem Lied‘ und gottesdienstlichem ‚Kirchenlied‘ sich in der Praxis so strikt und so lange durchhalten lässt, muss aufgrund des hier festgestellten Befundes hinterfragt werden: In den Gesangbuchtiteln finden sich „Kirchen- und Hausgesänge“ immer häufiger so nebeneinander, dass die Unterscheidung von Kirchen- und Hausgesangbuch sich in einigen Regionen schon lange vor 1700 zu nivellieren beginnt. Während im Nürnberger Gottesdienst noch Ende des 17. Jahrhunderts ein recht schmales, konservatives Repertoire vorzuherrschen scheint, bieten Crügers Berliner Gesangbücher ein prominentes Gegenbeispiel: Ihnen war von Anfang an eine Doppelfunktion „zu Befoderung des so wohl Kirchen= als Privat=Gottesdienstes“ zugedacht, die von Crüger und Ebeling auch in der liturgischen Praxis umgesetzt wurde.50 Kirchenund Hausgesänge beginnen sich also allmählich zu vermischen: Einerseits werden die alten Kirchengesänge auch in der Hausandacht verwendet; andererseits finden die neuen Hausgesänge allmählich Eingang in den Gottesdienst,51 wenn auch zunächst eher in die Neben- als in die Hauptgottesdienste. Diese Bewegung beschreibt die Vorrede von S-1704: Zu diesem Ende hat nicht allein gleich zu Anfang der Reformation […] | Doct. Martin Luther seel. wie auch andere geistreiche gottseel. Männer unterschiedlich viel geistliche Lieder u. Psalmen / wie auch Gebette auffgesetzet / und durch die Edle Buchdruckerey der Evangelischen Christenheit zum öffentlichen und sonderlichen Gebrauch mitgetheilet / sondern es sind bey wenig Jahren her / nachdem die Teutsche Poesie oder Tichterkunst in mehrere und zierlichere Ubung und Aufnahm gebracht worden / viel schöne geistliche Lieder und Psalmen dergestalt aufkommen / daß sie nit allein zu Hauß von gottseeligen 49

50 51

Vgl. Scheitler, Lied, 90: „Wie wir gesehen haben, finden die meisten der im 17. Jahrhundert entstandenen geistlichen Lieder ihren Sitz im Leben nicht im öffentlichen Gottesdienst, sondern in der privaten Frömmigkeitsübung.“ Vgl. Bunners, Frömmigkeit, 15–18. So im Falle der Lieder Paul Gerhardts vgl. Bunners, Gebrauch. Greifswalder Theologen warnen 1669, dass Gerhardts Lieder die alten Luthers verdrängen könnten, und mahnen, dass man „nicht die rechte sonderbare Geistliche Lieder des Mannes Gottes Lutheris verkleinern / oder auß der Kirchen allmählich außzumustern suchen möchte / wie leyder! an etlichen Orten fast wil erspüret werden“ (zit. nach Bunners, Gebrauch, 275).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Leuten / Gott zu Ehren / und zu Erbauung der Seelen / öffters gesungen / sondern auch in den öffentlichen Kirchen=Gebrauch gebracht worden.52

Das Zitat gibt die skizzierte Bewegungsrichtung vom Haus in die Kirche genau wieder: Die primäre Rezeption der neuen geistlichen Lieder in der Hausandacht kommt hier ebenso zum Ausdruck wie der sich daraus ergebende „Kirchen=Gebrauch“. Wie vollzog sich dieser Übergang vom Haus in die Kirche? Eine vermittelnde Rolle könnte die Schule sowie, sich damit teilweise überschneidend, die Chormusik gespielt haben, so dass neuere Lieder im Gottesdienst zunächst vom Chor gesungen und dadurch allmählich bekannt wurden.53 Die Chormusik war ja ihrerseits, wie das Modell des Kantionals zeigt, mit dem Gemeindegesang verknüpft. Dass dieser Zusammenhang auch für die neuen geistlichen Lieder greift, muss an dieser Stelle allerdings eine Vermutung bleiben. Dafür wird es in Teil C dieser Arbeit noch darum gehen, die beiden genannten Sitze im Leben, Gottesdienst und Hausandacht, speziell im Kontext von Sterben und Trauer darauf zu untersuchen, welche Lieder dort wann, wie und von wem gesungen wurden.

2. Rubrizierung und Zusammensetzung der Liedauswahl a) Rubrizierung Untersucht wurden unterschiedliche Gesangbücher mit vergleichbarer, ‚kirchennaher‘ Rubrizierung.54 Die Anordnung der Gesangbuchlieder in Rubriken, wie sie sich im 16. Jahrhundert entwickelt hat, ist für den praktischen Gebrauch des Buches eine wichtige Voraussetzung: Das erste Gesangbuch mit durchgehender, einheitlicher Rubrizierung ist das der Böhmischen Brüder von 1531. Im Babstschen Gesangbuch vermischen sich zwei Gliederungskriterien: Autor und Inhalt. Prototypisch erscheint dann die im Eichornschen Gesangbuch entwickelte, oft nachgeahmte und erweiterte Gliederung „nach ordnung der Jarzeit“ mit 25 gleichgeordneten Rubriken. In manchen späteren Gesangbüchern werden mehrere davon durch eine übergeordnete Einteilung zusammengefasst, zumal wenn es inzwischen mehr geworden sind. Zuallermeist, so auch bei Weisse, Babst und Eichorn, beginnt die Gliederung mit den Liedern zum Kirchenjahr. Gegenbeispiele wie die Praxis Pietatis Melica, die mit Morgen- und Abendliedern beginnt, bilden die Ausnahme. Üblich sind die Stationen von der Menschwerdung, der Geburt, vom Leiden und Sterben, von der Auferstehung und Himmelfahrt Jesu Christi, vom Heiligen Geist und von der Dreifaltigkeit; daneben gibt es je nach Zeit und Region Rubriken zu Neujahr (schon bei Weisse: ‚Beschneidung Christi‘; ab etwa 1650, z. T. zusätzlich: ‚Vom Namen Jesu‘), zu 52 53

54

S-1704, Vorrede fol. A 6r|v. Vgl. schon Scheitler, Lied, 410: „Die Grenzen zwischen konzertanter kirchenmusikalischer Aufführung und häuslicher Liedpraxis sind, was das Geistliche Lied anbetrifft, weit durchlässiger als diejenigen zwischen Haus- und Gemeindegesang.“ So gebe es Belege, „daß Geistliche Lieder bisweilen auch während eines Gottesdienstes oder Kirchenkonzertes solistisch vorgetragen wurden“ (ebd. 94). Zu den Kriterien dieser Auswahl vgl. ab S. 20.

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III. Auswertung

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Epiphanias, Mariä Reinigung, Verkündigung oder Heimsuchung, zum Johannis- und Michaelistag (‚Von den heiligen Engeln‘). Den ‚Festliedern‘ folgen meist Lieder zu den Themen des Katechismus: Gebote, Credo, Vaterunser, Sakramente; auch der Komplex Buße/Beichte/Rechtfertigung taucht manchmal bereits hier auf. Psalmlieder, weder bei Weisse noch bei Eichorn enthalten, bilden in Straßburger, Württemberger und Nürnberger Gesangbüchern eine gewichtige eigene Rubrik. Allgemeinere Rubriken schließen sich an: Lob und Dank; ‚Vom christlichen Leben und Wandel‘ (darunter häufig: ‚Von Eitelkeit‘); ‚Von der christlichen Kirchen‘ (oft auch: ‚Vom Wort Gottes und der christlichen Kirchen‘); ‚Von Kreuz, Verfolgung und Anfechtung‘ (oder: ‚Vom Kreuz und Unglück‘); Trostgesänge; Betgesänge (Bittlieder), bisweilen separat: ‚In gemeiner Not‘ (mit Abteilungen für Bittlieder in Hunger, Teuerung, Krieg, Türkengefahr, Unwetter, Dürre, Pestzeiten u.a.). Eine weitere Gruppe bilden die Rubriken zu Tagzeiten (Morgen und Abend) und zum Essen (‚Vor/nach dem Essen‘), manchmal gefolgt von Reise- und selten von Wiegenliedern. Nach den Sterbe- und Ewigkeitsliedern folgt am Schluss häufig Luthers deutsche Litanei. So unterschiedlich die Glieder dieser Aufzählung sein mögen, so unterschiedlich die Gesangbücher, denen sie entnommen sind: Sie dienen nicht dazu, einen gegebenen Gesamtinhalt wie ein Lehrbuch sachgemäß, schlüssig und logisch zu gliedern,55 sondern vielmehr dazu, Lieder für eine bestimmte Situation auffindbar zu machen. Sie sind also oft nicht primär vom Inhalt, sondern von Situation und Funktion her bestimmt; sie orientieren sich nicht an Loci, sondern an Kasus. Zuallererst sind hier die liturgischen Vollzüge zu nennen (Kirchenjahr, Litanei, Gotteslob), dann aber auch der Unterricht (Katechismus) sowie äußere Vorgänge des Alltags (Morgen, Abend, Tisch, Reise, Arbeit) und der ‚gemeinen Not‘ (Krieg, Seuchen, Verfolgung, Kreuz und Unglück). Die Rubrizierung differenziert sich dabei immer weiter aus und dringt in immer mehr Lebensbereiche vor. Eine Kategorie wie die der Psalmlieder, die zunächst nicht funktional, sondern durch ihre Quellentexte bestimmt ist, wird in Nürnberger Gesangbüchern durch eine Untergliederung in Buß-, Trost-, Bet-, Dank- und Lehrpsalmen aufgeschlüsselt. Am wenigsten deutlich auf einen bestimmten äußeren oder inneren Lebenskontext bezogen sind lehrhafte Überschriften wie ‚Vom christlichen Leben und Wandel‘ oder ‚Von der christlichen Kirchen‘. Sie verweisen eher auf Inhalte, bleiben darin aber etwas diffus. Die Rubriken sind also dazu da, die Lieder des Gesangbuchs ‚auf mancherlei Fälle‘ zu erschließen, wie es bisweilen im Titel heißt. Die Lebenskontexte die Sterbe- und 55

Gesangbücher, die wie eine Dogmatik gegliedert sind, bilden die Ausnahme. Eine solche ist etwa die Dortmunder Psalmodia sacra von 1666. Das Schriftprinzip der lutherisch-orthodoxen Dogmatik setzt sie um, indem sie wie diese mit dem Abschnitt „Vom Wort Gottes“ beginnt. Die Gliederung des Liedbestandes wird soweit als möglich den dogmatischen Loci angepaßt. Es folgen Gotteslehre („Von dem ewigen und unendlichen Gott“), Schöpfungslehre („Von der Erschaffung und Erhaltung aller Creaturn“), Anthropologie und Hamartiologie („Vom Zustand des Menschen vor und nach dem Fall“), Christologie („Von CHRISTO“, hier die Festlieder zu den Hauptfesten des Kirchenjahres bis Christi Himmelfahrt), Pneumatologie („Von der Sendung des H. Geistes“, hier die Pfingstlieder), Rechtfertigungslehre und Ethik („Vom Zustand des Menschen in der Bekehrung“), Ekklesiologie und Sakramentenlehre („Von der christlichen Kirchen, derselben Sakramenten und dreien Ständen“), „Vom Kreuz und Strafen Gottes“ (Bitt- und Trostlieder), Eschatologie („Von den vier letzten dingen“), „Morgen- und Abendgesänge“.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Ewigkeitslieder werden in Teil C noch untersucht. An dieser Stelle wird zunächst der Befund aus den untersuchten Gesangbüchern zusammengefasst. Grundsätzlich sind zwei Typen von Rubriken zu unterscheiden. Der eine Typ enthält Lieder zum Ende des individuellen Lebens (Sterbe- und Begräbnislieder) und ist damit stärker funktional ausgerichtet. Diese Rubriken sind inhaltlich allgemeiner, sie umfassen eine größere thematische Bandbreite und sind außerdem meist umfangreicher als die des anderen Typs. Der zweite Typ ist stärker auf bestimmte Einzelthemen fokussiert, die dem individuellen Tod zeitlich nachgeordnet sind: Jüngster Tag und Auferstehung sowie später Hölle, Himmel und ewiges Leben (daher: ‚Ewigkeitslieder‘). Diese Rubriken sind also weniger funktional als vielmehr thematisch begründet und dank ihres spezifischen Themas meist weniger umfangreich als die des ersten Typs. Sterbe- und Begräbnislieder Die Lieder zum Ende des individuellen Lebens sind im Anschluss an die Rubrizierung bei Eichorn typischerweise in eine etwas größere Abteilung ‚Vom Tod und Sterben‘ und eine etwas kleinere ‚Vom Begräbnis‘ gegliedert. Nicht überall findet sich freilich diese Unterscheidung: Bei Weisse und Babst, im württembergischen Gesangbuch von 1583 und in Go-1648 gibt es nur eine Begräbnislieder-Rubrik. Prominent ist diese Rubrik auch in Dresdner Gesangbüchern, wo sie deutlich umfangreicher ist als ‚Vom Tod und Sterben‘. Ein eigener Hinweis auf Kinderbegräbnisse steht manchmal bei einzelnen Liedern (Bartholomäus Frölich, Ein Würmlein bin ich, arm und klein) oder gelegentlich in einer gesonderten Unterabteilung.56 In anderen Gesangbüchern fällt wiederum gerade der Hinweis aufs Begräbnis weg, so in der Praxis Pietatis Melica („Sterbelieder“) oder in Scheins Cantional von 1627 („Vom Tod und Sterben“; der Anhang von 1645 ist dann mit „Christliche Grabelieder“ überschrieben). Beide Aspekte unter einer Überschrift (‚Vom Tod und Begräbnis‘) finden sich im Leipziger Vorrath und im Lüneburgischen Gesangbuch. Obwohl zwischen Sterbe- und Begräbnisliedern nicht immer unterschieden wird und sich der Inhalt der beiden Rubriken in weiten Teilen überschneidet, ist der Bestand doch keinesfalls ganz austauschbar. Das dürfte mit den unterschiedlichen funktionalen Bestimmungen bzw. Sitzen im Leben zusammenhängen, auf die die Überschriften verweisen. Die Begräbnisrubrik ist wohl deshalb die etwas ältere, weil sie sich auf einen Sitz im Leben von konkreter liturgischer Signifikanz bezieht. Aufgrund der Rubrizierung sind Weisses Nun lasst uns dem Leib begraben, aber auch der prudentianische Hymnus Iam moesta quiesce querela eindeutig den Begräbnisund nicht den Sterbeliedern zugeordnet. Zwei andere der häufigsten Lieder tauchen dagegen erst auf, als die Rubrik ‚Vom Tod und Sterben‘ schon existiert, und sind auch meist hier aufgeführt: Hermans Wenn mein Stündlein vorhanden ist (1562) und Ebers Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott (1563). 56

Z. B. N.1677: „Bey Begräbnissen schöner junger Personen und kleiner Kinder“. Ein Liedzyklus aus Johann Olearius’ Geistlicher Singe=Kunst (Leipzig 1671) unterscheidet sieben besondere Todesfälle von Kindern (vgl. S. 436).

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III. Auswertung

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Offener und darum schwerer abzugrenzen als die Gruppe der Begräbnislieder ist die der Sterbelieder. In der Offenheit dieser Gruppe drückt sich die geringere äußere Signifikanz ihres Sitzes im Leben aus, der ja nicht nur die Sterbestunde umfasst, sondern auch das unspezifischere Sterbegedenken mitten im Leben (vgl. S. 535–561). Schwierig ist insbesondere die Abgrenzung von zwei bzw. drei Rubriken, die in der Regel nicht berücksichtigt werden konnten: Zum einen sind dies Lieder von der Eitelkeit oder vom menschlichen Elend, zum anderen solche in Pestzeiten oder in Krankheit. In den meisten Gesangbüchern – von Ausnahmen abgesehen – haben sie einen anderen Ort als die Sterbe- und Ewigkeitslieder; deshalb und aufgrund ihrer thematischen Unterschiedenheit erschien es gerechtfertigt, sie bei der Auswertung nicht zu berücksichtigen. Das Thema ‚Eitelkeit‘ taucht ab der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts gelegentlich als Unterabteilung der Rubrik ‚Vom christlichen Leben und Wandel‘ auf, so in L-1673. Teils finden sich die darin enthaltenen Lieder in anderen Gesangbüchern auch unter den Sterbeliedern (Ach wie flüchtig, ach wie nichtig), teils ganz unspezifiziert unter ‚Vom christlichen Leben und Wandel‘. Manche dieser Lieder besitzen auch nur einen vagen Bezug zum Thema der menschlichen Vergänglichkeit. Anscheinend handelt es sich um eine Art Übergangsrubrik, die in Bestand und Funktion zwischen der geschlosseneren Rubrik der Sterbelieder (mit der sie sich vielfach überschneidet) und der sehr viel offeneren, allgemeineren Rubrik ‚Vom christlichen Leben und Wandel‘ steht. Zum Sitz im Leben der Sterbelieder – das zeigt die Übergangsrubrik – gehören auch Betrachtung, Belehrung und Mahnung ohne unmittelbare Nähe zu Tod (memento mori). – Ausgewertet wurde die Rubrik ‚Eitelkeit‘ dort, wo sie mit den Sterbe- und Ewigkeitsliedern in einer gemeinsamen Abteilung zusammengefasst ist.57 Eine Variante ist der Titel ‚Vom menschlichen Elend‘ im Hannoverischen und im Cellischen Gesangbuch, der im Lüneburgischen Gesangbuch wieder in der Rubrik ‚Vom christlichen Leben und Wandel‘ aufgeht. Trotz Nachbarschaft zu den Sterbeliedern wurde sie nicht ausgewertet; die Sterbe- und Ewigkeitslieder sind durch den Titel ‚Von den vier letzten Dingen‘ deutlich abgegrenzt.58 Anders liegt der Fall bei den Pest- und bei den Krankheitsliedern. Taucht eine Überschrift mit dem Stichwort ‚Krankheit‘ auf, so meist im engsten Umfeld der Sterbelieder, oft sogar in derselben Unterrubrik;59 entsprechend wurden die Lieder auch berücksichtigt. Hier scheint ein anderer, der ‚Todesnot‘ verwandterer Kasus vor 57

58

59

Z. B. N-1677, Teil 6: „Von deß menschlichen Lebens Eitelkeit / Kranckheit / Sterben / Begräbniß / Auferstehung der Toden und jüngstem Gericht“; S-1704, Teil 7: „Vom Tod und Sterben und andern letzten Dingen“, darunter: „Von der Menschl. Eitelkeit“). Eine ähnliche Aufteilung wie N-1677 hat das Neue vollständige Eisenachische Gesangbuch (Eisenach 1673), wo im 5. Teil „SterbLieder“ als eine von vier Rubriken auch „Eitelkeitlieder“ enthalten sind. Die Nähe zu den Sterbeliedern kommt allerdings wiederum darin zum Ausdruck, dass im Register für die gesamte Rubrik ‚Vom menschlichen Elend‘ alternativ auf ‚Vom Tod und Sterben‘ verwiesen wird. So in N-1653 („Krancke[n]= vn[d] Sterb=Lieder“) und N-1677 („Krancken= Sterb= und Begräbniß=Lieder“ unter Teil 6, „Von deß menschlichen Lebens Eitelkeit / Kranckheit / Sterben / Begräbniß / Auferstehung der Toden und jüngstem Gericht“). Vgl. wiederum Neues vollständiges Eisenaches Gesangbuch von 1673 („Krankheitlieder“ neben „Eitelkeitlieder“, „Begräbnißlieder“, „Gerichtslieder“ unter Teil 5 „SterbLieder“).

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Augen zu stehen60 als im Falle der wesentlich häufiger auftretenden Rubrik ‚In Pestilentz und Sterbensläufften‘. Diese geht gelegentlich der Rubrik ‚Vom Tod und Sterben‘ unmittelbar voraus;61 ihr üblicher Kontext sind aber die Bittlieder ‚in mancherlei Not‘ wie Krieg, Hungersnot, Teuerung usw.62 Überschneidungen mit der Rubrik ‚Vom Tod und Sterben‘ gibt es aber auch hier. Das betrifft meist ältere Lieder wie: Albrecht von Preußen, Was mein Gott will, das gscheh allzeit (Nürnberg 1554) Johann Gigas, Ach lieben Christen, seid getrost (Frankfurt/O. 1561) Johann Gigas, Ach wie elend ist unser Zeit (Nürnberg 1566) Nicolaus Herman, O Mensch, mit Fleiß anschaue mich (Wittenberg 1562) Caspar Stolzhagius, Ach treuer Gott, Herr Jesu Christ (Leipzig 1582) Bartholomäus Ringwaldt, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl (Frankfurt/O. 1586) In den älteren Nürnberger Gesangbüchern fehlt die Rubrik der Pestlieder; sie finden sich hier unter den Sterbeliedern. Der Vergleich mit anderen Regionen zeigt aber recht deutlich, um welche Lieder es sich handelt;63 trotz Verwandtschaft und Überschneidungen sind die Pestlieder demnach eine relativ deutlich umgrenzte Gruppe. Mit sechs Liedern ist Ringwaldt unter ihnen der meistgenannte Dichter. Die Frankfurter Praxis Pietatis Melica von 1666 enthält auch mehrere neue Pestlieder – darunter sieben von Justus Georg Schottelius –, die in der Berliner Ausgabe vom selben Jahr nicht enthalten sind. Zu den Pestliedern vgl. auch S. 278–288. Speziellere Rubriken von Jüngstem Tag, Auferstehung, Hölle, Himmel und ewigem Leben Die Rubriken, die sich speziell mit den Dingen nach dem individuellen Tod befassen, enthalten ebenfalls eine kleinere, besser umgrenzte Liedmenge als die Sterbelieder. Diese Geschlossenheit verdankt sich weniger einem eindeutig zuzuordnenden Sitz im Leben, sondern den klar umgrenzten Themen. Bei Babst oder im Württemberger Gesangbuch von 1583 ist eine solche Rubrik noch nicht enthalten. Überschrieben sind die Rubriken klassischerweise mit ‚Vom Jüngsten Tag‘ (Weisse) oder ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘ (Eichorn). In Gesangbüchern der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts erweitert sich das Spektrum entscheidend um einige kleinere Abteilungen. Zunächst taucht immer wieder eine Gesamtgliederung der Sterbeund Ewigkeitslieder auf, die sich nun doch an die Loci-Ordnung der Dogmatik 60

61 62

63

Vgl. die 21. Rubrik im altgläubigen Leisentritschen Gesangbuch (Bautzen 1567): „In Todes nöthen / kranckheiten vnd dergleichen“. Z. B. in L-1605, L-1627a oder in den Dresdner Gesangbüchern. Vgl. Lü-1625; Lü-1660; Lü-1661/1696/1706; Lü-1695/1702; B-1666; F-1666; L-1673; H-1683. Vgl. ähnlich: D. Martin Luthers […] geistreiche Lieder, Psalmen und Lobgesänge (Danzig 1629); Erneuertes Frankfurter Gesangbuch (Frankfurt/M. 1664); Psalmodia sacra (Dortmund 1666); Neues vollständiges Eisenachisches Gesangbuch (Eisenach 1673). Heyden, Wer in dem Schutz des Höchsten ist (Nürnberg 1544); Ringwaldt, O frommer und getreuer Gott aller, die auf dich hoffen; ders., Nicht trauret übrig, lieben Leut, wegen der Pestilenze; ders., Lobt Gott den Herrn aus Herzensgrund (alle Frankfurt/O. 1577); Episcopus, Ach Gott, du höchster starker Hort (Nürnberg 1611).

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III. Auswertung

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anlehnt: ‚Von den vier letzten Dingen‘64. Neben ‚Tod und Sterben‘ und ‚Jüngstem Tag und Auferstehung‘ weitet sich der Blick nun auch über die Endzeit hinaus, und es kommen auf das Jenseits bezogene Rubriken hinzu: ‚Himmel und ewiges Leben‘ sowie ‚Hölle‘. Da es sich um kleine Rubriken mit wenig Liedern handelt, werden die Rubriken manchmal wieder in einer zusammengefasst (‚Gerichts-, Himmels- und Höllen-Lieder‘).65 Als letzte Zutat kommt schließlich in manchen Gesangbüchern66 die Rubrik ‚Von der Ewigkeit‘ hinzu, in der nicht etwa das ewige Leben besungen wird, sondern die Schrecken der unendlichen Dauer nach zeitlichem Tod und Gericht. Den Kern dieser Rubrik bildet Johann Rists Lied O Ewigkeit, du Donnerwort, das ansonsten auch unter ‚Jüngster Tag‘ oder ‚Hölle‘ auftauchen kann und oft unter einer eigenen Überschrift („Betrachtung der Ewigkeit“) steht. Der Liedbestand der Rubrik ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘ ist auch in den umfangreicheren Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts deutlich weniger hypertrophem Wachstum ausgesetzt als der der Sterbelieder. Gleichsam zur Grundausstattung gehören einige alte, verbreitete Lieder: Michael Weisse, Es wird schier der letzte Tag herkommen (Jungbunzlau 1531) Erasmus Alber, Ihr lieben Christen, freut euch nun (Wittenberg 1546) Erasmus Alber, Gott hat das Evangelium (1548) M. R. Müntzer, Ach Gott, tu dich erbarmen (Nürnberg 1550) Nicolaus Herman, Sankt Paulus die Korinthier (Kulmbach 1551) Johann Walter, Herzlich tut mich erfreuen (Wittenberg 1552) Bartholomäus Ringwaldt, Es ist gewisslich an der Zeit (Frankfurt/O. 1586) Vor allem zwei Autoren sind von zentraler Bedeutung für die Erweiterung des Liedbestandes zum Thema Endzeit und Jenseits im 17. Jahrhundert: Philipp Nicolai und Johann Rist. Die vier Lieder aus Philipp Nicolais FrewdenSpiegel deß ewigen Lebens (1599) sind allerdings so vielschichtig, dass sie sich dem schematisierten Zugriff der Gesangbuch-Rubrizierung entziehen.67 Am eindeutigsten ist noch Herr Christ, tu mir verleihen dem ‚Jüngsten Tag‘, dem ‚Himmel‘ oder dem ‚Ewigen Leben‘ zuzuordnen. Wachet auf, ruft uns die Stimme findet sich dagegen gelegentlich auch unter ‚Tod und Sterben‘; für So wünsch ich mir ein gute Nacht gilt das überwiegend. Ganz 64

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Explizit unter dieser Überschrift stehen die Sterbe- und Ewigkeitslieder in diesen Gesangbüchern: Lü-1660; Lü-1661/1696/1706; Erneuertes Frankfurter Gesangbuch (Frankfurt/M. 1664); Psalmodia sacra (Dortmund 1666); L-1673. Die Einteilung nach den ‚vier letzten Dingen‘ findet sich in vielen Gesangbüchern auch ohne explizite Bezeichnung, etwa in: N-1653; Rechtschaffener Christen erwünschte Seelen=Lust (Tübingen 1676); H-1683). Die Vierzahl wird z. T. wohl deshalb nicht genannt, weil sich mit den Begräbnisliedern eine fünfte Rubrik dazwischenschiebt. So in Heinrich Müllers Geistlicher SeelenMusik (Rostock 1659); Der Kinder GOTTes Jubel Schall (Nürnberg 1686); Lü-1695/1702. Geistliche SeelenMusik (Rostock 1659) unter „Lehrlieder“; Lü-1661/1696/1706; N-1677. Das letztere fasst wiederum die drei im 17. Jahrhundert neu hinzugekommenen Rubriken (Himmel, Hölle, Ewigkeit) zu einem gemeinsamen Abschnitt zusammen (Teil 7: „Von der Himmels=Freud / Höllen=Leid und Ewigkeit“), ebenso wie die vorausgegangenen Themen von der Eitelkeit bis zum Gericht (Teil 6). In einigen der Gesangbuch-Anhänge zu Lüneburger Bibeln tauchen sie sogar in einer eigenen NicolaiRubrik auf.

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

vereinzelt findet sich sogar das berühmte Wie schön leuchtet der Morgenstern unter der Rubrik vom Jüngsten Tag.68 In den neuen Rubriken zu Himmel, besonders aber zu Hölle und Ewigkeit kommt vor allen anderen Autoren Johann Rist mit seinen Neüen Himlischen Liedern (Lüneburg 1651) zu Wort69 (z. B. von der Hölle: Erschrecklich ist es, dass man nicht; Muss dir, o Mensch, die schnöde Welt; Kommt her, ihr Menschenkinder; Ich will für allen Dingen). Seine Sterbelieder haben dagegen viel weniger Verbreitung gefunden. Neben Rist spielt unter den neuern Liedern vom Jüngsten Tag auch Heermann eine Rolle (Wach auf, o Mensch, o Mensch, wach auf; Höret, o ihr Kinder Gottes, höret; Wenn des Menschen Sohn wird wiederkommen). Dazu kommen das Jüngsten-Tages-Lied Die Zeit ist nunmehr nah (Paul Gerhardt), das Himmelslied Wie lieblich sind daroben (Gesenius/Denicke) und weitere je nach Region. Die Gesangbuchrubriken definieren also keine völlig geschlossenen Liedgruppen; Varianten finden sich sowohl in ihren Bezeichnungen wie in ihrer Zusammensetzung. Zwischen den ausgewerteten Rubriken (‚Sterbe- und Ewigkeitslieder‘) und den anderen findet ein reger Austausch statt. Querverweise innerhalb der Gesangbücher zeigen, dass die Rubriken flexibel gehandhabt und einzelne Lieder ganz unterschiedlich verwendet wurden. Das Babstsche Gesangbuch verweist unter den deutschen Begräbnisliedern auch auf das Pfingstlied Nun bitten wir den Heiligen Geist und auf das Psalmlied Aus tiefer Not. Mit Fried und Freud hatte im Kirchenjahr seinen Ort zu Mariä Reinigung und wird immer wieder hier aufgeführt. Nicolaus Hermans Erzähllied von der heiligen Dorothea (Es war ein gottsfürchtiges und christlichs Jungfräulein) kann als Sterbe- oder als Wiegenlied gesungen werden,70 Cornelius Beckers Lasset die Kindlein kommen als Tauf- oder als Begräbnislied für Kinder.71 b) Zusammensetzung der Liedauswahl Ausgewertete Gesangbücher Folgende 50 Ausgaben wurden bei der Auswertung der Rubriken und in der dieser Arbeit beiliegenden Tabelle 1 berücksichtigt: Frühphase der evang. Gesangbücher: Ein New Geseng buchlen (Weisse/Böhmische Brüder, Jungbunzlau 1531); Babstsches Gesangbuch (Leipzig 1545); Eichornsches Gesangbuch (Frankfurt/O. 1558). Württemberg: Gesangbuchdrucke aus Tübingen (1591, 1631, 1665, 1669) und Stuttgart (1664, 1688, 1691, 1704). 68

69 70

71

In Lü-1659 steht das Lied unter der Rubrik ‚Vom Jüngsten Tag, Auferstehung und ewigen Leben‘, ansonsten häufig unter ‚Vom Wort Gottes und der christlichen Kirchen‘ (Lü-1625; L-27b/38/82; N-1637/54; D-1656), Lob- und Dank-Liedern (N-1653; Lü-1691), Trostliedern (L-1627a) oder der neu entstehenden Rubrik der ‚Himmlischen Liebes- und Freudenlieder‘ o.ä. (N-1677/90). V.a. N-1653; N-1654; N-1677/90; L-1673; H-1683; Lü-1695/1702; weniger in der Praxis Pietatis Melica. Als Sterbelied z. B. in L-1627a, als Wiegenlied in D-1676. In Daniel Scheurmans Geistlichen Psalmen / Hymnen vnd Gebet (Rothenburg ob der Tauber 1630) ist das Lied der Rubrik vom Jüngsten Tag zugeordnet. Als Begräbnislied z. B. in L-1616, L-1627b und L-1682, als Tauflied in D-1676.

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III. Auswertung

161

Braunschweig-Lüneburg und Hannover: Lüneburg 1625; Liedanhänge zu SternBibeln (Lüneburg 1640, 1659 und 1691); Hannoverisches Gesangbuch (Lüneburg 1660); Cellisches Gesangbuch (Lüneburg 1661, 1696 und 1706); Lüneburgisches Gesangbuch (Lüneburg 1695 und 1702). Kurbrandenburg: Reformierte Psalmodia Sacra (Berlin 1658); Praxis Pietatis Melica (Berlin 1666 und 1703). Ergänzend für die überregionale Wirkung der Praxis Pietatis Melica: Praxis Pietatis Melica (Frankfurt/M. 1666); Musicalischer Vorschmack (Hamburg 1683). Kursachsen: Gesangbuchdrucke aus Dresden (1608, 1625, 1656, 1676, 1678) und Leipzig (1605, 1616, 1627a, 1638) sowie besonders Scheins Cantional (Leipzig 1627b und 1645), der Vorrath von alten und neuen Christl. Gesängen (Leipzig 1673) und das Neu Leipziger Gesangbuch (Leipzig 1682). Ergänzend für das ernestinische Sachsen: Cantionale sacrum (Gotha 1648). Nürnberg: Gesangbuchdrucke von 1594, 1599, 1607, 1617, 1626, 1637 und 1654; Dilherrs Der Irdischen Menschen himmlische Engelfreude (Nürnberg 1653); Nürnbergisches Gesangbuch (1677 und 1690). Im Verlauf der Auswertung hat sich eine Liste von knapp 600 Textanfängen ergeben. Gemäß der Eingangsdefinition fallen alle Texte weg, die sich nur unter allgemeineren Rubriken wie ‚Vom menschlichen Elend‘, ‚Von Eitelkeit‘ oder unter spezielleren wie ‚Von Pestilenz und Sterbensläuften‘ fanden; berücksichtigt werden solche Titel nur dann, wenn sie (wie in N-1677) mit den übrigen Sterbe- und Ewigkeitsliedern unter einer übergeordneten Rubrik zusammengefasst sind. Damit sind 577 Texte übrig (Tabelle 1), darunter 16 lateinische und deutsche Bibeltexte. Außerdem sind einige Dopplungen enthalten: Nicht immer ist es leicht zu entscheiden, ob ein Text als Variante eines anderen oder als eigenständig gewertet werden soll; und manche Lieder erweisen sich als Strophenauszüge aus anderen. Entstehungszeit Wie sind diese Texte ihrem Alter nach einzuordnen? Eine Schwierigkeit besteht zunächst darin, dass von gut 90 Texten (etwa 16% der Gesamtauswahl) kein gesonderter Erstnachweis gefunden werden konnte. In einigen Fällen sind die Autorangaben bei den gefundenen Belegen glaubwürdig genug, um den Textbeleg als authentisch gelten zu lassen (z. B. bei den Liedern Dilherrs aus der von ihm herausgegebenen Engelfreude, N-1653, oder bei denen Sohrens aus H-1683). Bei den mit * gekennzeichneten Liedern sind die Autorangaben – wenn vorhanden – dagegen ungesichert; in fragwürdigen Fällen wurden sie eingeklammert. Als vorläufiges Datum wurde hier jeweils das des ältesten gefundenen Belegs angesetzt. Der größere Teil dieser Lieder stammt aus der späteren Phase des Untersuchungszeitraums, insbesondere aus den drei umfangreichsten der untersuchten Gesangbücher: L-1673, H-1683 und Lü-1695/1702.

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162

Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Auch insgesamt ergibt sich ein deutliches Übergewicht der Lieder aus dem 17. Jahrhundert: Fast vier Mal so viele (76%) stammen aus dieser Zeit wie aus dem 16. Jahrhundert (21%). Etwas genauer sieht die zeitliche Verteilung wie folgt aus: Zeitraum ältere Texte (v.a. Bibel) 1524–1550 1551–1575 1576–1600 1601–1625 1626–1650 1651–1675 1676–1704

Zahl der Texte 18 32 47 40 61 153 154 68

Anteil 3% 5,5% 8% 7% 10,5% 27% 27% 12%

Im 16. Jahrhundert ist der Anfangszeitraum am schwächsten vertreten; darunter sind aber mit Nun lasst uns den Leib begraben, Mitten wir im Leben sind und Gott hat das Evangelium drei der fünf häufigsten Lieder überhaupt. Am produktivsten ist der Zeitraum zwischen 1551 und 1575 (u.a. Lieder von Nicolaus Herman und Nicolaus Selnecker), das Jahrhundertende etwas weniger (Bartholomäus Ringwaldt, Philipp Nicolai). Besonders aufschlussreich ist die Verteilung im 17. Jahrhundert: Im ersten Viertel setzt sich die Liedproduktion zunächst in etwa fort wie bisher, ab 1620 ist bereits eine deutliche Steigerung erkennbar (neben den Liedern Scheins sieben Texte aus Demantius’ Threnodiae, Freiberg 1620). Dann folgt ein signifikanter Sprung: Aus dem Zeitraum bis 1650 stammen ca. 27% (nochmals Schein, außerdem Heermann, Dach, die weiteren Königsberger Dichter), aus dem Folgezeitraum wieder rund 27% der gesammelten Texte (Rist, Paul Gerhardt, Olearius). Unter den Liedern des letzten Zeitabschnitts überwiegen – wie gesagt – die nicht edierten aus H-1683 und Lü-1695/1702. Autoren Entsprechend diesem Befund stammen auch die Autoren, die in der Auswahl am häufigsten vertreten sind, aus dem 17. Jahrhundert: Es sind Johann Hermann Schein (1586–1630) mit 38 Liedern (nur sieben sind auch außerhalb des Cantionals belegt), Simon Dach (1605–1659) mit 30 und Johann Rist (1607–1667) mit 2672 Texten. Mit größerem Abstand folgen Johann Heermann (1585–1647), von dem 14 Lieder enthalten sind, und Johann Olearius (1611–1684) mit zwölf Liedern, davon sechs nur in L-1673. Die übrigen mehrfach genannten Autoren sind:

72

In der Übersicht erscheinen zwar 31 Titel von Rist; sechs von ihnen sind aber lediglich Auszüge aus anderen Liedern, die in L-1673 als eigene Nummern gezählt werden (vgl. S. 122f. Anm. 299–304).

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III. Auswertung

11 Tx.

Michael Weisse (1488–1534) Nicolaus Herman (1500–1560) Bartholomäus Ringwaldt (1530–1599)

8 Tx.

Paul Gerhardt73 (1607–1676)

7 Tx.

Nicolaus Selnecker74 (1530–1592) Johann Michael Dilherr (1604–1669)

6 Tx.

Christoph Runge (1619–1681) Heinrich Müller (1631–1675) Gottfried Wilhelm Sacer (1635–1699)

5 Tx.

Martin Luther (1483–1546)

4 Tx.

Johannes Leon († 1597) Peter Hagen (1569–1620) Georg Weissel (1590–1635) Robert Roberthin (1600–1648) Justus Gesenius (1601–1673) / David Denicke (1603–1680) Heinrich Albert (1604–1651) Michael Franck (1609–1667) Johann Scheffler (1624–1677) Peter Sohren († 1692)

3 Tx.

Ambrosius Blarer (1492–1564) Johannes Mathesius (1504–1565) Johann Gigas (1514–1581) Petrus Herbert (1530–1571) Philipp Nicolai (1556–1608) Martin Behm (1557–1622) Georg Werner (1589–1643) Tobias Michael (1592–1657) Andreas Kesler (1595–1643) Ernst Christoph Homburg (1605–1681) Johann Franck (1618–1677) Sigmund von Birken (1626–1681) Erasmus Finx (1627–1694)

73

74

163

Das verbreitetste Lied Gerhardts ist das Jüngsten-Tages-Lied Die Zeit ist nunmehr nah, sechs Sterbelieder tauchen erst sehr spät in den ausgewerteten Gesangbüchern auf (Lü-1695, B-1703). Selnecker zugeschrieben wird außerdem oft Hilf, Helfer, hilf in Angst und Not (Görlitz 1593), wohl von Martin Moller nach Selneckers °Hilf, Herr, mein Gott (Leipzig 1587; vgl. W IV 344./345.). Eine erweiterte Variante zu Selneckers O Herre Gott, in meiner Not ich ruf zu dir ist O Herre Gott, in meiner Not tu ich mich zu dir wenden* (nur L-1673).

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164

2 Tx.

Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Erasmus Alber (1500–1553) Ludwig Helmbold (1532–1598) Martin Moller75 (1547–1606) Christoph Knoll (1563–1650) Paul Röber (1587–1651) Johann Saubert d. Ä. (1592–1646) Martin Opitz (1597–1639) Gregorius Richter (1598–1630) Josua Wegelin (1604–1640) Georg Philipp Harsdörffer (1607–1658) Valentin Thilo d. J. (1607–1662) Andreas Gryphius (1616–1650) Johann Flittner (1618–1678) Jakob Ritter (1627–1669) Ahasverus Fritsch (1629–1701) Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (1633–1714) Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt (1637–1706) Christoph Titius (1641–1703) Magnus Daniel Omeis (1646–1708)

Die übrigen Autoren sind mit je einem Lied vertreten. Die häufigsten Lieder Bisher hat die Auswertung jeweils ein deutliches Übergewicht der Lieder bzw. der Autoren aus dem 17. Jahrhundert gezeigt. In einer entscheidenden Hinsicht ist es jedoch genau umgekehrt: Die Lieder, die am häufigsten in den Gesangbuchrubriken ‚Vom Tod und Sterben‘, ‚Vom Begräbnis‘ und ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘ vorkommen, stammen aus dem 16. Jahrhundert. Der ‚Vorsprung‘, den die reformatorischen, kirchlich eingeführten und von orthodoxen Theologen und Landesherren befürworteten Kernlieder besitzen, ist durch die neuen geistlichen Lieder nicht aufzuholen. Hier seien die 35 Lieder aufgeführt, die in den ausgewerteten Rubriken am häufigsten belegt sind. Neben der Zahl der Belege ist dabei auch die häufigste Rubrizierung mit angegeben (in eckigen Klammern eine abweichende Rubrizierung, die nicht gezählt wurde):

75

Mollers Autorschaft an den ihm zugeschriebenen Liedern, etwa Ach Gott, wie manches Herzeleid (vgl. aber S. 405 Anm. 259) oder den Gesängen aus dem von ihm herausgegebenen Manuale de praeparatione ad mortem (vgl. S. 584), gilt in einigen Fällen als ungesichert bzw. umstritten.

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III. Auswertung Liedanfang Nun lasst uns den Leib begraben Wenn mein Stündlein vorhanden ist Mitten wir im Leben sind Gott hat das Evangelium Es ist gewisslich an der Zeit Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott O Welt, ich muss dich lassen Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl Ein Würmlein bin ich, arm und klein Ich hab mein Sach Gott heimgestellt Ihr lieben Christen, freut euch nun Ach wie elend ist unser Zeit Herzlich tut mich verlangen Mit Fried und Freud ich fahr dahin Es wird schier der letzte Tag herkommen Allein nach dir, Herr Jesu Christ Hört auf mit Trauren und Klagen, ob dem Tod Christus der ist mein Leben Freu dich sehr, o meine Seele Sankt Paulus die Korinthier

165

Autor Weisse, Michael Herman, Nicolaus Luther, Martin Alber, Erasmus Ringwaldt, Barth. Eber, Paul

Ort Jungbunzlau

Jahr 1531

Belege 50

Rubrik B

Wittenberg

1562

47

TS

Erfurt Frankfurt/O.

1524 1548 1586

44 43 43

B, [Buß] JA JA

Frankfurt/M.

1563

41

TS

Anon. Ringwaldt, Barth. Frölich, Bartholomäus Leon, Johannes Alber, Erasmus

Nürnberg Frankfurt/O.

1555 1586

37 37

TS, B TS, [P]

Leipzig

1587

37

TS, B, BKi

Nürnberg

1589

37

TS, [El]

Wittenberg

1546

36

JA

Gigas, Johann Nürnberg Knoll, Görlitz Christoph Luther, Martin Wittenberg

1566 1611

36 36

TS, [P] TS, B

1524

34

B, TS, [MarR]

Weisse, Michael Selnecker, Nicolaus

Jungbunzlau

1531

31

JA

Basel

1568

29

TS

Frankfurt/O.

1561

27

B

Jena Freiberg Kulmbach

1609 1620 1551

27 26 24

TS, B TS, B JA

1571

24

TS

1550 1552 1603 1550

23 23 23 22

JA JA TS TS

1599

22

JA, H, E

Herman, Nicolaus Herzlich lieb hab ich dich, Schalling, Nürnberg o Herr Martin Ach Gott, tu dich erbarmen Müntzer, M. R. Nürnberg Herzlich tut mich erfreuen Walter, Johann Wittenberg Auf meinen lieben Gott Lübeck Mag ich dem Tod nicht Blarer, Nürnberg widerstahn Ambrosius Herr Christ, tu mir Nicolai, Frankfurt/M. verleihen Jeremias

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166

Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

Liedanfang

Autor

Herr Gott, mein Jammer hat ein End O Jesu Christ, meins Lebens Licht Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, ob ich Wachet auf, ruft uns die Stimme Hie lieg ich armes Würmelein, kann regen Valet will ich dir geben

Ort

Jahr

Belege

Rubrik

Nürnberg

1563

21

B

Behm, Martin Wittenberg

1610

21

TS, B

Helmbold, Ludwig Nicolai, Philipp

1575

20

1599

20

JA, E

1604

18

TS

1614

18

TS

1642

17 16 16

B TS JA, Ew, Hö

Herberger, Valerius Iam moesta quiesce querela Prudentius Ich stund an einem Morgen* O Ewigkeit, du Donnerwort Rist, Johann

Frankfurt/M.

Leipzig

Lüneburg

Ausnahmslos in jedem der untersuchten Gesangbücher ist Nun lasst uns den Leib begraben enthalten, das Begräbnislied schlechthin. Wenn mein Stündlein vorhanden ist fehlt nur in den drei Büchern, die älter sind als das Lied selbst (Weisse, Babst, Eichorn). Die beiden Lutherlieder sind ebenfalls durchgängig belegt; sie sind nur deshalb etwas weiter hinten plaziert, weil sie gelegentlich abweichend rubriziert werden (v.a. Mit Fried und Freud unter ‚Mariä Reinigung‘). Einige interessante Aspekte ergeben sich auch, wenn die Liste der häufigsten Lieder nach dem Alter sortiert wird: Sechs Lieder sind älter als 1550, je zwei von Luther, Weisse und Alber. Auffällig ist, dass sich unter den zehn ältesten Liedern überproportional viele vom Jüngsten Tag befinden. Diese Beobachtung verweist erneut auf die ganz andere Zusammensetzung der Rubrik vom Jüngsten Tag: Sie enthält weniger Lieder und variiert in ihrem Bestand längst nicht so stark wie die vom Tod und Sterben. – Das häufigste der Lieder aus dem 17. Jahrhundert ist Herzlich tut mich verlangen, dann folgt Freu dich sehr, o meine Seele im Ranking noch vor den Nicolai-Liedern, deren Beliebtheit sich in der Liste freilich nicht spiegelt, weil sie oft in andere Rubriken einsortiert wurden. Das bei weitem jüngste Lied in dieser Liste, Rists O Ewigkeit, du Donnerwort, nimmt zwar den letzten Platz ein, was aber unter den neueren der untersuchten Gesangbücher immer noch eine enorme Verbreitung bedeutet. Fazit Die quantitative Auswertung der Sterbe- und Ewigkeits-Rubriken war in zwei Richtungen signifikant: Besonders verbreitet sind die alten, besonders zahlreich die neueren Lieder. Auf breiter Ebene geprägt ist die kirchliche Landschaft sicher eher von den ersteren; die letzteren spiegeln dafür die Vitalität und die Vielfalt der geistlichen

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III. Auswertung

167

Erneuerung, mit der sich die lutherische Frömmigkeit im 17. Jahrhundert entwickelt hat. Beides wird die Untersuchung im weiteren Verlauf zu berücksichtigen haben. Für den quantitativen Sprung im Zeitraum ab 1625 gibt es unterschiedliche Erklärungsmöglichkeiten. Zum einen verändern sich – wie gezeigt – Funktion und Charakter der Gesangbücher: Neben der liturgischen Verwendung durch Pfarrer, Kantor, Chor und Küster rückt die Privatandacht zunehmend ins Zentrum. Die u.a. von Johann Arndt geforderte verinnerlichte Frömmigkeit bringt nicht nur ein neues Verständnis der Andacht, sondern auch neue Lieder hervor. Kirchenjahresunabhängige, auf die individuelle Lebensdeutung bezogene Themen wie die Sterbebetrachtung kommen hier verstärkt zum Tragen. Innerhalb der Hausandacht – und entsprechend in den dazugehörigen Gesangbüchern – kann das Liedrepertoire rascher geändert und erneuert werden als im Gottesdienst, wo infolge der landesherrlich-orthodoxen Regulierung zunächst noch ein konservativerer Geist herrscht. Bei alledem handelt es sich freilich eher um sukzessive Entwicklungen, die sich nicht an einem signifikanten Einschnitt festmachen lassen. Für die Veränderung der literarischen Produktion besitzt dagegen das Erscheinen von Opitz’ Buch von der Teutschen Poeterey (1624) Signalcharakter. Die Opitzsche Dichtungsreform mit ihren neuen poetologischen Qualitätsmaßstäben wirkt sich unmittelbar auf die geistliche Dichtung und mittelfristig auch auf die Gesangbücher aus. Ein Effekt dieser Veränderung ist die Aufwertung oder vielfach überhaupt erst die Präsenz einer wichtigen literarischen Kategorie innerhalb der Gesangbücher: der Kategorie der Autorschaft. Während sie in vielen älteren Gesangbüchern nicht interessierte und nicht verzeichnet wurde (mit Ausnahme der Lieder Luthers), gewinnt sie mit der Steigerung des literarischen Anspruchs einen hohen Stellenwert. Das hat nicht nur zur Folge, dass die Textdichter (und oft auch die Komponisten) in den neueren Gesangbüchern vermerkt werden, sondern auch, dass größere Mengen von Texten eines Autors – ggf. direkt aus einem seiner gedruckten Werke – auf einmal in ein Gesangbuch übernommen werden können. Für die sprunghafte Vermehrung vor allem der Sterbelieder ab 1625 sind derartige Vorgänge zu einem guten Teil mit verantwortlich. Eine weitere Beobachtung betrifft einen Teil dieser Sterbelieder: Hier fällt auf, dass die Texte von zwei der am häufigsten vertretenen Autoren, Schein und Dach, ursprünglich fast alle für die Trauerfeier bestimmter Verstorbener aus dem persönlichen Bekanntenkreis bestimmt waren und erst dann aufgrund ihrer allgemeinen Aussagekraft auch in Gesangbücher aufgenommen wurden. Dasselbe gilt auch für viele andere der Lieder aus Königsberg, das geradezu als Hochburg der Sterbelieder bezeichnet werden muss. Die Häufung von Gelegenheitswerken zeichnet sich allerdings erst im Lauf des Untersuchungszeitraums ab; auf die wachsende Tendenz zur Personalisierung wird im weiteren Verlauf noch eingegangen (vgl. S. 415; S. 626–635). Auffällig ist schließlich die Koinzidenz des sprunghaften Anwachsens der Entstehung von Sterbe- und Ewigkeitsliedern mit dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Allerdings steigen die Anteile der Sterbe- und Ewigkeitslieder innerhalb

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Teil A: Das Sterbe- und Ewigkeitslied im Gesangbuch

der Gesangbücher nicht im selben Maße wie die Liedproduktion; sie liegen liegen gleichbleibend zwischen 9% und 13% der Gesamtliedzahl (mit einzelnen, z. T. sehr markanten Abweichungen nach oben und unten). Das Thema des Todes ist bereits vor dem Krieg ein prominenter Gegenstand der Frömmigkeit, und das bleibt es auch nach dessen Ende. Damit soll nicht gesagt sein, dass der Krieg sich nicht auf die Sichtweise und das Erleben von Sterben und Tod und auf die entsprechenden Lieder ausgewirkt hat; dass die Kriegserfahrung noch Jahrzehnte nachwirkt, ist zudem mehr als wahrscheinlich. Quantitativ lässt sich dieser Effekt anhand der Gesangbuchrubriken aber nicht nachweisen. Immerhin zeigte sich in einigen Fällen, dass in die Rubrik der Sterbelieder bevorzugt neue Gesänge aufgenommen werden (L-1627b, L-1682), oder dass die landeskirchlich vorgegebene Zahl von Sterbeliedern im Vergleich zu anderen Rubriken in besonderem Maße als ungenügend empfunden wird (Württemberg). Um solche Beobachtungen verallgemeinern zu können, müsste allerdings der Liedbestand jedes berücksichtigten Gesangbuchs insgesamt auf seine Zusammensetzung untersucht werden, was im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich ist. Interessanter erscheint es, die Eigenart und den Wandel der Sterbefrömmigkeit im 17. Jahrhundert anhand des Sitzes im Leben der Lieder (Teil C), vor allem aber anhand der Liedtexte selbst (Teil B) herauszuarbeiten.

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Teil B: Die Sprach- und Vorstellungswelt des Sterbe- und Ewigkeitsliedes Die in Teil A gesammelten Liedtexte sollen nun genauer untersucht werden. Anhand von acht Themen wird in einer Zusammenschau ihre ‚Sprach- und Vorstellungswelt‘ rekonstruiert. Drei Fragehinsichten sind dabei entscheidend: Zum einen wird nach den Vorstellungen von Tod und Sterben, Auferstehung und ewigem Leben gefragt, also nach den gedanklichen Konzeptionen, Theologumena, Normen, Überzeugungen, Bildern, Erwartungen und Gefühlen, die in den Liedern einen Ausdruck finden. Diese Vorstellungen sind oft an bestimmte Bibeltexte und sonstige fest stehende Formulierungen gebunden. Daher soll zum anderen die geprägte Sprache der Sterbe- und Ewigkeitslieder untersucht werden, sofern sie nämlich diese Vorstellungen betrifft – und sofern sie die performative Zweckbestimmung der Lieder widerspiegelt, etwa durch eine bestimmte textinterne Sprechsituation. Zum dritten sollen beide Seiten der Sprach- und Vorstellungswelt auch unter einem diachronen Aspekt betrachtet werden. Die Abfolge der Themen – von ‚Vergänglichkeit‘ (I.) bis ‚Leib und Seele‘ (VIII.) – folgt dem abstrahierten Ablauf eines Sterbens, der sich zeitlich am Bezugspunkt der Todesstunde orientiert. Nähere Erläuterungen zur Vorgehensweise von Teil B enthält die Einleitung in Abschnitt 2.

I. Vergänglichkeit Vergänglichkeit und Sterblichkeit gehören zur menschlichen Grundverfassung: Sie bilden eine anthropologische Konstante, die in vielen der untersuchten Lieder bedacht und im Licht des christlichen Gottesglaubens gedeutet wird. Die Betrachtung der Vergänglichkeit alles Irdischen, der barocke Gedanke der Vanitas oder Eitelkeit, ist – trotz fließender Übergänge – vom Memento mori im engeren Sinne zu unterscheiden: Während sich das Memento mori explizit an den Einzelnen richtet und ihn zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Ende auffordert, sind die Aussagen der Vergänglichkeitsbetrachtung allgemeiner gefasst. Zwei Gegenstände sind es vor allem, deren Nichtigkeit und Vergänglichkeit hier betrachtet wird: zum einen der Mensch und das menschliche Leben (1.), zum anderen die Welt als Komplex seiner menschlichen wie nichtmenschlichen Umgebung (2.). Sie wird als Inbegriff des Falschen und Verlogenen charakterisiert; daher vollziehen viele Lieder eine rhetorisch konventionalisierte Abkehr von ihr (contemptus mundi): ‚Ade, Welt!‘ Beide Bereiche, Leben und Welt, können expliziert und konkretisiert werden in einer stereotypen Reihe von Gütern, anhand deren die Eitelkeit alles Irdischen

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

exemplarisch verdeutlicht wird (3.). Im Anschluss an diese drei Themenbereiche zeigt ein letzter Abschnitt dieses Teilkapitels theologische Konzepte, die die Tatsache der Vergänglichkeit begründen sollen (4.). In einigen der untersuchten Gesangbücher wird der umrissene Themenbereich durch eine eigene Rubrik vertreten, meist: ‚Von der Eitelkeit‘.1 Dieser Abschnitt steht teils bei den Sterbe- und Ewigkeitsrubriken (N-1677/90, S-1704), teils separat, etwa unter ‚Vom christlichen Leben und Wandel‘ (L-1673).

1. Die Flüchtigkeit des menschlichen Lebens „Ach wie flüchtig, | Ach wie nichtig | Ist der Menschen Leben!“ Im Ton der Klage und im Affekt der Trauer umkreist Michael Francks berühmtes und schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verbreitetes Lied das Thema der Flüchtigkeit des Lebens.2 Die Emphase des „Ach“ wird durch die Verdopplung und den Reim „flüchtig“ – „nichtig“ ebenso unterstrichen wie durch den exklamativen Charakter des in jeder Strophe neu variierten Satzes. Der Grundtenor von Klage und Trauer kennzeichnet auch viele andere, weniger bekannte und literarisch weniger ausgereifte Lieder zum Grundthema der Eitelkeit; aber auch das heute wohl berühmteste Vanitas-Gedicht des 17. Jahrhunderts – Gryphius’ Die Herrlichkeit der Erden3 mit dem Motto „Vanitas! Vanitatum Vanitas!“ (vgl. Koh 1,2) – ist unter den gefundenen Texten. Belegt ist es freilich erst im Lüneburgischen Gesangbuch (Lü-1695/1702), interessanterweise mit zwei unterschiedlichen Melodieangaben, Nun ruhen alle Wälder und O Welt, ich muss dich lassen. Meist aus der zweiten Jahrhunderthälfte stammen diejenigen Lieder, in denen die ‚Eitelkeit‘ als prominentes Thema gesetzt wird, von O Flüchtigkeit, o Eitelkeit* (ab Lü-1661) bis hin zum anonymen Es sind doch nur Eitelkeiten* (nur Lü-1695/1702), wo das Wort ‚eitel‘ in 32 Versen sinnigerweise bis zum Überdruss – nämlich 22 Mal – wiederholt wird.4 Eine häufige Antwort auf die Frage nach dem Wesen des menschlichen Lebens ist die Eitelkeit (vgl. S. 173).5

1

2

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Vgl. S. 157. Das Äquivalent dazu im Hannoverischen und im Cellischen Gesangbuch ist der Titel „Vom menschlichen Elend“. Vgl. EG 528; FT IV 254. Die ältesten gefundenen Belege sind Lü-1661, T-1665, B-1666 und F-1666. Die Zuordnung zu den Sterbe- und Ewigkeitsrubriken schwankt: Neben der allgemeinen Rubrizierung unter ‚Vom Tod und Sterben‘ o. ä. findet sich das Lied auch in der unterschiedlich verorteten Rubrik ‚Von der Eitelkeit‘ (L-1673, N-1677/90, S-1704). T-1669 und S-1688 steht das Lied unrubriziert im Anhang, H-1683 und Lü-1702 unter dem allgemeinen Titel ‚Vom christlichen Leben und Wandel‘. Die Beliebtheit des Franckschen Liedes zeigt sich auch darin, dass es von anderen Autoren gerne aufgegriffen und auch parodiert wird, vgl. Titius, Was ist unser Leben (Str. 2,1–3): „Ach wie ist so flüchtig, | Ach wie ist so nichtig | Unser Lebens=Zeit!“ Parodie: Arnschwanger, °O wie fröhlich, o wie selig ist das Himmel-Leben. Frankfurt/M. 1650; vgl. EG 527. Anon., Es sind doch nur Eitelkeiten* (Str. 1): „ES sind doch nur eitelkeiten / | Die das eitele begleiten / | Eitel ist des menschen leben / | Eitel / die sich dem ergeben.“ Vgl. z. B. Schottelius, Was ist doch unser Lebenszeit (Frankfurt/M. 1666); Titius, Was ist unser Leben (Nürnberg 1663). Ein etwas älteres Beispiel für dieses Schema findet sich bei Josua Stegmann: °Was ist doch unser Lebenszeit als lauter Müh und Eitelkeit (Rinteln 1627, vgl. FT II 469.).

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I. Vergänglichkeit

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a) Kürze des Lebens und Allgemeinheit des Todesschicksals Die Rede von der ‚Flüchtigkeit‘ des menschlichen Lebens bezieht sich zuallererst auf die Begrenztheit seiner Dauer. Mehrere Lieder von Königsberger Dichtern setzen denn auch die Tatsache der ‚Vita brevis‘ an die Spitze ihrer Betrachtungen.6 In dieselbe Reihe gehört Paul Röbers etwas älteres Ach wie ein kleinen Augenblick währt doch des Menschen Leben (Altenburg 1627), das freilich durch eine theologisch wie literarisch besonders originelle Gestaltung besticht (vgl. S. 194). Zugemessen ist dem Menschen seine kurze Zeit von Gott selbst.7 Das Verrinnen dieser Zeit beklagt Michael Franck: 2. Ach wie nichtig, Ach wie flüchtig Sind der Menschen Tage! Wie ein Strohm beginnt zu rinnen Und mit lauffen nicht helt innen, So fährt unsre Zeit von hinnen!8

Den „Strohm“ hat Franck aus dem 5. Vers von Ps 90 entlehnt, einem der klassischen biblischen Bezugstexte der Sterbe- und Ewigkeitslieder, in dem das ‚Dahinfahren‘ und ‚Davonfliegen‘ des Lebens Thema ist (Ps 90,10). Auf Ps 90,9 spielt Jakob Ritter an, wenn er die kurze Lebenszeit als „Geschwätz“ bezeichnet.9 Paul Röber kombiniert den Strom aus Ps 90,5 und die Nachtwache aus Ps 90,4 mit Ps 39,6, einem weiteren Locus classicus für die Kürze des Lebens: 1. […] Einr Hand breit vnsre Tage sind, Ja wie gar nichts zu achten, Verfliessen wie ein strom geschwind Vnd wie des Nachts die wachten.10

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Vgl. Weissel, Kurz ist die Zeit, kurz sind die Jahr (Königsberg 1634); Roberthin, Des Lebens kurze Zeit ist voller Herzeleid (Danzig 1638); Dach, Die große Nichtigkeit der kurzen Lebenszeit (Königsberg 1640); Ostau, Ach Gott, wie kurz ist unser Zeit (Coburg 1655). Vgl. anon., Herr, es ist mir nicht verborgen* (Str. 5): „Lehre mich daß du dem Leben / | schon von aller Ewigkeit / | weißlich habest zu gegeben / | sein bestim[m]tes Ziel und Zeit / | dem kein Menschen=Kind vermag | zuzusetzen einen Tag“ (nach Ps 90,12; vgl. Mt 6,27: „Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte?“). M. Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Str. 2). Ritter, Wie selig ist der Mensche doch (Str. 3,1–3): „Die Zeit ist kurtz, sie ist ein Schaum: | Wir bringen zu diß Leben | Als ein Geschwätz und einen Traum.“ Auf die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes bezieht sich auch Johann Rist, O Vater aller Gnaden (Str. 3,1–4): „Wie Rauch und Dampf verschwindet | In einem Augenblikk’ / | Auch man kein Wöhrtlein findet / | Das wieder komt zurükk’“. Vgl. ähnlich Rist, °Wie bin ich doch so gar betrübet (Str. 2,7f): „Ein Rauch / den man kaum findet / | Ein Wort / das schnell verschwindet.“ Vgl. Röber, Ach wie ein kleinen Augenblick (Str. 1,5–8). Bei Paul Gerhardt lautet die entsprechende Stelle (°Mein Gott, ich habe mir, Str. 4): „Die Tage meiner Zeit | Sind einer Hande breit / | Und wenn man diß mein bleiben | Sol recht und wol beschreiben / | So ists ein Nichts: und bleibet / | Ein Stäublein das zerstäubet.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Ps 39 und insbesondere Ps 9011 gehören aufgrund ihrer Thematik zum bevorzugten Textreservoir der Sterbe- und Ewigkeitslieder. An Liedfassungen zu beiden Psalmen fehlt es schon deshalb nicht, weil Psalmlieder als biblische Gesänge seit dem Beginn der Reformationszeit zum festen Bestand der Gesangbücher zählten und der gesamte Psalter immer wieder Gegenstand von Liedbearbeitungen war, vom Genfer Psalter und dem Lobwasser-Psalter über den lutherischen Liedpsalter von Cornelius Becker (1602) bis zu den Liedpsaltern der Barockdichter wie Martin Opitz und vielen anderen. In vielen Gesangbüchern stehen die Psalmlieder in einer eigenen Rubrik; einige Fassungen von Ps 90 tauchen aber auch unter den hier untersuchten Rubriken auf.12 Für Paul Gerhardts Liedfassungen von Ps 39 und Ps 90 fanden sich in den ausgewerteten Gesangbuchrubriken keine Belege; sie sind aber in den Geistlichen Andachten (Berlin 1667) direkt hintereinander unter dem Kolumnentitel „Vom Tod und Sterben“ abgedruckt.13 Aussagen über die Allgemeinheit des Todesschicksals stehen in vielen Liedern an erster Stelle: Alle Menschen müssen sterben.14 Zu diesem Themenkreis gehört auch das Totentanz-Motiv (vgl. S. 248), das die Gleichheit aller Menschen vor dem Tod hervorhebt. Die Rede davon, dass ‚alles Fleisch‘, also alles Geschaffene der Sterblichkeit unterworfen sei, stammt aus dem Hebräischen (rf'B'h;-lK', vgl. Jes 40,6): „Alles Fleisch vergehet“; „alles Fleisch verdirbet“; „Alles Fleisch ist gleich wie Heu“.15 Bei Schein ist gelegentlich davon die Rede, der Tod ‚klebe‘ an allen Menschen.16 Für die Unentrinnbarkeit des allgemeinen Todesschicksals steht die sprichwörtliche Erkenntnis, dass „Fürn tod kein kraut gewachsen ist“17, die sich, beginnend mit Johannes Leon, in vielen Texten findet; das ‚Kraut‘ steht für all diejenigen Dinge, die gegen den Tod 11

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Weitere wichtige Themen von Ps 90, auf die die Liedautoren Bezug nehmen, werden im Folgenden noch behandelt: die Ewigkeit Gottes im Gegensatz zur Sterblichkeit des Menschen (Ps 90,2); die Sünde als Ursache der Sterblichkeit (Ps 90,7.9); die Auseinandersetzung mit der Sterblichkeit durch die ‚Lehre‘ und das ‚Bedenken‘ (Ps 90,12). Gefundene Liedfassungen von Ps 90: Gigas, Ach wie elend ist unser Zeit (Nürnberg 1566); Ringwaldt, O Gott, der du die Menschenkind (Frankfurt/O. 1586); Dach, Du, Gott, bist außer aller Zeit (Königsberg 1641). Vgl. Gerhardt, Geistliche Andachten, 158–161. Das Lied °Mein Gott, ich habe mir (nach Ps 39; erstmals Berlin 1647) ist in einigen der untersuchten Gesangbüchern unter anderen Rubriken vertreten: so in T-1669 unter den Psalmliedern; in Lü-1660/61 unter den Liedern vom menschlichen Elend; in B-1666, F-1666, N-1677, H-1683 und Lü-1702 unter ‚Vom christlichen Leben und Wandel‘. Gerhardts Liedfassung von Ps 90 (Herr Gott, du bist ja für und für, Berlin 1667) taucht im Anhang von B-1703 ohne Rubrizierung auf. Johannes Rosenmüller (in den meisten Gesangbüchern Johann Georg Albinus zugeschrieben, vgl. FT IV 311.; Leipzig 1652); vgl. anon., Wir müssen alle sterben, o Mensch, das recht bedenk* (Nürnberg 1599); Roberthin, Dass alle Menschen sterben müssen (Königsberg 1640); Albert, Dass alle Menschen sterblich sein (Königsberg 1642); anon., Wir müssen alle sterben, der Tod ist uns gewiss* (Stuttgart 1691). Schein, Klagen, Trauren, Weinen (Str. 1,5); Gesenius/Denicke, O Gott, wenn ich bei mir betracht (Str. 1,2); Rosenmüller, Alle Menschen müssen sterben (Str. 1,2). Vgl. Schein, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, wenn ich gleich itzt (Str. 1,3): „d[er] tod vns alln anklebt“; Eva durch ihr begangne Schuld (Str. 7,5): „Den[n] solcher an vns allen klebt“. Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 5,3). Zitiert wird der Vers auch in der Leichenpredigt für eine Apothekersfrau aus Giengen (LP Sabina Bachmeierin 1674, 33): „iedannoch war in ihrer gantzen Apotheck kein Kräutlein / keine Artzney / weder zubereitete noch einfache zu finden / welche diese unheylsame Kranckheit heylen konte. Contra vim mortis non crescit gramen in hortis [folgt Zitat des Liedes von Leon, Str. 5,3–5]“.

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nicht helfen, darunter auch „der Weisen Stein“18 und der Reichtum als irdisches Gut schlechthin.19 Schein wendet die nüchterne Feststellung des fehlenden Heilmittels gegen den Tod in einem seiner Begräbnislieder in eine flehende, an Gott gerichtete Frage, die ohne Antwort bleibt: 1. Ist denn fürn bittern Todt kein einig Kräutelein? O lieber HErre GOtt / Laß dirs geklaget seyn / Ist denn auff Erd kein Artzeney / Die für den Todt recht kräfftig sey?20

b) Was ist doch des Menschen Leben? Eine der häufigsten Formeln, mit denen die Nichtigkeit des menschlichen Lebens ausgedrückt wird, ist die rhetorische Frage nach seinem Wesen und seiner Beschaffenheit (vgl. Jak 4,14): „ACh! Was ist unser Leben?“ „WAs ist doch unser lebenszeit?“ „O Was ist doch das menschlich leben?“ „MEnsch / sag an / was ist dein leben?“21 Manche Autoren wie Weissel, Runge oder Michael Walther stellen auch die Frage nach der Welt oder nach dem Menschen: „Denn was ist doch die schnöde Welt“, „SAg / was hilfft alle welt“, „WAs ist der Mensch auf dieser Welt“ oder auch „Was ist die Welt? Was ist ihr Ruhm? | Was ist der Mensch darinnen?“22 Die Antwort auf all diese rhetorischen Fragen steht längst fest und ist jedem Rezipienten bekannt, der auch nur annähernd mit den rhetorischen Gepflogenheiten seiner Zeit vertraut ist. Es ist trotz vieler Varianten letztlich stets dieselbe: ein Nichts, ein Traum, eitel Eitelkeit. Diese Antwort muss gar nicht explizit gegeben werden – manche Lieder wie das anonyme O was ist doch das menschlich Leben* reihen Strophe um Strophe rhetorische Fragen aneinander und kommen dabei ganz ohne die auf der Hand liegende Antwort aus. Andere geben sie in allgemeiner Form, indem sie das Leben charakterisieren als „Ein nichtig nichts, das nicht gefält“, „Ein eyteles beginnen“, als „eine phantasie der zeit“ usw.,23 wieder andere, indem sie die 18

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Von dem Werder, °Es ist gesetzt, es ist gesagt (Str. 4,4–6): „Die Kräuter seynd ohne alle Krafft und Safft, | Auch hilfft selbst nicht der Weisen Stein; | Der Spruch steht da: Es muß gestorben seyn.“ Vgl. auch anon., Wo kommt es here, dass zeitlich Ehre* (Str. 11,1–4): „Da hilfft kein weinen / | kein Medicinen / | kein Kraut / kein Steine / | fürn bittern Todt“. Vgl. Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 5); Homburg, °Ach höret auf zu weinen (Str. 5,5–8): „Es wird kein Kraut gefunden, | So heilet in der Welt | Die tieffen Todes=Wunden, | Es hilft kein Gold noch Geld.“ Schein, Ist denn fürn bittern Tod (Str. 1). Homburg, Ach was ist unser Leben (Str. 1,1); Schottelius, Was ist doch unser Lebenszeit (Str. 1,1); anon., O was ist doch das menschlich Leben* (Str. 1,1); anon., Mensch, sag an, was ist dein Leben* (Str. 1,1). Die Liste ließe sich beliebig erweitern, etwa um Beispiele von Josua Stegmann, Johann Rist, Andreas Gryphius, Joachim Pauli, Gottfried Wilhelm Sacer, Johann Michael Dilherr, Johann Rosenthal, Christoph Titius und vielen anderen. Walther, Spann aus, spann aus, ach frommer Gott (Str. 2,1); anon., Sag was hilft alle Welt* (Str. 1,1); Runge, Was ist der Mensch auf dieser Welt (Str. 1,1); Weissel, Gar wohl mein Herz entschlossen ist (Str. 2,1f). Walther, Spann aus, spann aus, ach frommer Gott (Str. 2,1); Weissel, Gar wohl mein Herz entschlossen ist (Str. 2,4); Gryphius, Die Herrlichkeit der Erden (Str. 2,6).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Eitelkeit durch bestimmte Bilder („Ein Schatten, Schaum und Wiesenblum“24 usw.) oder durch eine ihrerseits schon topische längere Aneinanderreihung solcher Bilder illustrieren (vgl. u.). Eine weitere Gruppe versucht, die äußere und innere Befindlichkeit des Menschen in der Welt etwas konkreter anzugeben und das ‚Nichts‘ der Eitelkeit im Sinne eines ‚Nichts als‘ zu qualifizieren; das Leben gilt als „Nichts dann nur Angst und Noht“, „Nichts als lauter Eitelkeit / | Sorge / Kummer / Hertzele[i]d“, „Nichts als Gefahr | Und immerdahr | In tausend Sorgen schweben“ usw.25 Im Anschluss an Ps 90,10 lautet die Antwort manchmal auch: „Wenn es gut gewesen ist, | Ist es Müh zu jeder Frist“26. Als ‚Unruhe‘ wird die Lebensbefindlichkeit des Menschen nach Ps 39,7 und Hi 14,1 charakterisiert.27 Immer wieder begegnet auch die scharfe Paradoxie, wonach das irdische Leben mit dem Tod identifiziert wird: „ACh! Was ist unser Leben? […] Ein angeseelter Tod.“28 Auch wenn es für kurze Zeit ‚angeseelt‘, mit einem Lebenshauch versehen ist, bleibt das menschliche Leben in seinem Wesen doch nichtig, vergänglich, dem Tod zugehörig. c) Bilder der Vergänglichkeit Die meisten der vielfältigen und doch immer wiederkehrenden Bilder für die Hinfälligkeit des Menschen29 stammen aus der Bibel, vielfach aus den weisheitlichen Teilen des AT. Einige der bildhaften Vergänglichkeitsaussagen beziehen sich im poetischen oder prophetischen Kontext des AT zunächst nur auf die Feinde oder

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Weissel, Gar wohl mein Herz entschlossen ist (Str. 2,3). Homburg, Ach was ist unser Leben (Str. 1,2); anon., Nun gottlob, es ist vollbracht* (Str. 2,5f); anon., O Flüchtigkeit, o Eitelkeit* (Str. 1,3–5). Rosenthal, Ach was ist doch unser Lebn (Str. 1,3f); vgl. ähnlich Pauli, So hab ich nun vollendet (Str. 3,1–4). Vgl. Homburg, Ach was ist unser Leben (Str. 3): „Gleich wie zum Flug erkohren | Der wilden Vögel Schaar, | So ist der Mensch gebohren | Zur Arbeit gantz und gar.“ Herman, Der Mensch wird von einm Weib geborn (Str. 3,1f): „Sein leben ist nichts denn vnrhu, | welchs er mit angst vnd not brengt zu“; vgl. Richter, Steh doch, Seele, steh doch stille (Str. 2,1f): „Weistu denn, wohin du rennest, | Warumb du dir Vnruh machst?“ Der „Vnruh“ wird in diesem Lied aktiv die Aufforderung zum ‚Stillestehen‘ (Str. 1,1) und zu „des Gemüttes Ruh“ entgegengesetzt (Str. 10,1–4): „Achte dich nicht so geringe, | Du bist viel zu gutt dazu, | Daß dir solten solche [irdischen, vergänglichen] dinge | Nehmen des Gemüttes Ruh.“ Homburg, Ach was ist unser Leben (Str. 1,1.4); vgl. Dilherr, Ach wie lang muss ich mich schlagen (Str. 3,7; ohne Frage): „Mir ein tod ist dieses leben“. Eine zeitgenössische Zusammenstellung mit biblischen Belegen findet sich z. B. in der umfangreichen Sammlung von Leichenpredigttexten bei Bidembach, Manuale, 510–514 (vgl. S. 565–568): „1. Homo nihil. [Ps 39,6; 144,4; Jes 40,15–17] 2. Comparatur autem vita hominis: & ipse etiam homo Vmbrae. [Hi 8,9; 14,2; Ps 102,12; 109,23; 144,4; Koh 6,12; 1Chr 29,15] 3. Vento. [Hi 7,7; Ps 78,39] 4. Cadaueri putrescenti. 5. Vesti consumptae à tineis. [Hi 13,28] 6. Nauiculae textoris. [Hi 7,6] 7. Cursori. 8. Nauibus transeuntibus. 9. Aquilae volanti. [Hi 9,25f] 10. Torrenti decurrenti. 11. Somnio. 12. Gramini arescenti. 13. Fabulae, siue Colloquio. [Ps 90,5f.9] 14. Fumo. [Ps 102,4] 15. Vapori. [Jak 4,14] 16. Gramini. 17. Floribus. 18. Foeno. [Ps 103,15f; 102,12; Jes 40,6–8] 19. Pulueri. 20. Cineri [Ps 103,14; Gen 18,27; Sir 10 (Stellenangabe falsch, Text –„Was erhebt sich die arme Erde vnnd Asche?“ – nicht zuzuordnen)] 21. Filo textentis rupto. 22. Tuguriolo destructo. [Jes 38,12] 23. Nubeculae. 24. Nebulae. [Weish 2,4]“

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Gottlosen, nicht auf die conditio humana schlechthin; in den Liedern werden sie aber in diesem Sinne aufgegriffen.30 Der Mensch ist ein „erdenkloß“31, aus Erde geschaffen, und muss wieder zu Erde werden (Gen 3,19); er ist Staub und muss wieder zum Staub zurückkehren (vgl. a. Hi 10,9; Ps 103,14; 104,29; Koh 3,20; Sir 17,31). Damit rückt er in die Nähe von Dreck, Kot und Mist. Selnecker zählt auf: 2. Ein schatten sind wir, staub vnd kot, Mist, Leim vnd Schleim, Läth, Sand, Vnflat.32

Noch drastischer und konkreter erinnert Bartholomäus Ringwaldt an die erdgebundene Verfasstheit des Menschen, indem er die einzelnen Körperteile mit „koth“ in Verbindung bringt.33 Für Johann Heermann drückt sich die unentrinnbare Erdverhaftung des Menschen in vierfacher Weise aus: Er besteht aus Erde, geht auf der Erde umher, ernährt sich von den Erträgen der Erde und wird nach seinem Tod wieder zu Erde (vgl. S. 502).34 Dass die Tage des Menschen und der Mensch selbst dahinfahren wie ein Schatten, ist ebenfalls ein verbreiteter Topos im AT (vgl. 1Chr 29,15; Hi 14,2; Ps 39,7; 102,12; 109,23; 144,3f; Koh 6,12; Weish 2,5). Der Vergleichspunkt zwischen dem Leben des Menschen und dem Schatten ist die Unbeständigkeit – zum einen im Sinne fehlender gegenständlicher Fassbarkeit, zum anderen im Sinne fehlender zeitlicher Dauer (Ps 102,12: die Tage fahren dahin „wie ein Schatten“). Dieser Vergleichspunkt ist auch für viele der untersuchten Lieder maßgebend: Bei Schein gleicht das Leben „Eim Schatten / der bald weicht“35; der kurze Zusatz genügt, um die Analogie anzudeuten. Breiter und differenzierter führt Rist in zwei unterschiedlichen Beispielen das Bild aus: „11. Der David nennt dich [Mensch] einen Schatten / Dem ja der Leib nicht wil gestatten / Daß er sich jhm vergleichen sol / Dieweil der Schatt’ ist unbeständig / 30

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Vgl. z. B. das Bild der ‚Spreu, die der Wind zerstreut‘ in Hi 21,18; Ps 1,4; Jes 17,13 usw. mit Triller, O Mensch, bedenk zu dieser Frist (Str. 1,6); oder das Bild vom Rauch (vgl. S. 177), den der Wind verweht (Weish 5,15). Vgl. Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 4,1): „Was ist der mensch? ein erdenkloß“; anon., Hört auf mit Trauren und Klagen (Str. 7,1); Behm, Ich armer Erdenkloß (Str. 1,1); Heermann, °Was willt du armer Erdenkloß. Selnecker, Was tun wir doch, wir arme Leut (Str. 2,1f); „Läth“ = Lett = Lehmerde. Ringwaldt, °Mein lieber Christ, steh doch was still (Str. 7–8): „Behüte Gott, wie gehstu rein! | koth solt wol nicht dein Vater sein, | Aus welchem du doch bist geborn | vnd hast jhn teglich hindern Ohrn! || Ja in den Ohren, in der Nas, | im Magen, Mundt vnd in der Blas, | Darzu an andern orten mehr, | noch prangstu, armer stümpffer, sehr!“ Heermann, O Mensch, bedenke stets dein End (Str. 7,3–6): „Du bist Erd, | Trittst Erd vnd wirst von Erd genehrt; | Zur Erden wirst du nach dem Todt | Auch werden, gleich wie Mott vnd Koth.“ In der anonymen Bearbeitung O Mensch, bedenke wohl, dass du einmal musst sterben* (z. B. Lü-1661) findet sich der Vierschritt in Str. 9,1f. Schein, Ich heul und wein in meiner großen Not (Str. 7,6).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt Der Nacht Gesell’ / auch schwartz un[d] wendig. Und wie der Mond bald klein / bald voll; So ist O Mensch in dieser Zeit Auch all dein’ Ehr und Herrligkeit.“36 „2. Unser Leben gleicht dem Schatten / der uns zwar zu folgen pflegt / wann man aus den grünen Matten sich bey heisser Sonne regt / ist doch häßlich anzusehen / kan auch nimmer fäst bestehen / wird gar plötzlich abgelegt.“37

Im ersten Beispiel klingt der menschliche Widerstand gegen den entehrenden Vergleich an; denn ergänzend zur fehlenden Dauer tritt bei Rist die Dimension der Dunkelheit, die den Menschen auch moralisch ins Zwielicht rückt: „schwartz“ ist der Schatten und „der Nacht Gesell’“. Der Sphäre der Nacht wiederum ist auch der unbeständige Mond zugehörig, der dem Schatten hier als Vergleichsbild zur Seite tritt. Das zweite Beispiel fügt als weiteren Vergleichspunkt die Hässlichkeit des Schattens hinzu und expliziert seine zeitliche Unbeständigkeit auch als Uneigenständigkeit, als mindere ontologische Qualität, ist der Schatten doch stets an einen Gegenstand gebunden, der auch dann fortbesteht, wenn er den Schatten „abgelegt“ hat. Verbreitet sind Bilder aus dem Pflanzenreich, Gras, Blumen und Blüten, an denen das rasche Dahinwelken des zerbrechlichen Geschöpfs sinnfällig wird: Nur einen Tag, vom Morgen bis zum Abend, währt nach Ps 90,5f die kurze Lebensdauer des Grases.38 Weitere Belegstellen sind Hi 14,239 (Blume, #yci) sowie Ps 103,15 und Jes 40,6(–8), wo beide, das Gras (rycix') und die Blume des Feldes (hd,F'h; #yci), Äquivalente innerhalb des hebräischen Parallelismus membrorum bilden. Für die Blumen des Feldes aus den alttestamentlichen Texten können im Liedtext auch die Lilien der Bergpredigt (Mt 6,28) eintreten;40 diese werden in Mt 6,30 ihrerseits als „Gras“ bezeichnet, „das heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird“. Statt des verdorrenden Grases ist manchmal auch gleich vom Heu die Rede: „Alles Fleisch ist gleich wie Heu“41 (vgl. Jes 40,6). Nicht biblischen Ursprungs, in den Liedern als Exempel der Vergänglichkeit aber gleichwohl sehr beliebt sind Rosen.42 In Scheins Begräbnisliedern steht das

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Rist, °O Sicherheit, du Pest der Seelen (Str. 11). Rist, Ach was ist doch unser Leben* (Str. 2). Vgl. Gryphius, Die Herrlichkeit der Erden (Str. 8); Gerhardt, Herr Gott, du bist ja für und für (Str. 4). Nach dieser Stelle ist das Lied von Herman, Der Mensch wird von einm Weib geborn gedichtet (vgl. Str. 2). Rist, °O Sicherheit, du Pest der Seelen (Str. 9,1–6): „Was ist wol schöner anzusehen | Als Lilien die im Felde stehen | Viel prächtiger als Salomon? | Wie plötzlich aber kan ein Regen | Und rauher Wind sie niederlegen | Ihr’ Herrligkeit fährt bald davon“. Rosenmüller, Alle Menschen müssen sterben (Str. 1,2); vgl. Triller, O Mensch, bedenk zu dieser Frist (Str. 1,5). Vgl. Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 6,3); Gryphius, Die Herrlichkeit der Erden (Str. 8); Rist, °O Sicherheit, du Pest der Seelen (Str. 9,7f); anon., Hie lieg ich in der Erden Schoß (Str. 3,1).

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„Röselein“ immer für ein verstorbenes Kind,43 wie die welkende Blüte überhaupt oft auf einen Tod in jugendlichem Alter verweist. Während es nach Jes 40,7 der „Odem JHWHs“ (hw'hy> x:Wr) ist, der Gras und Blume welken lässt, nennt Ps 103,16 nur den „Wind“ (x:Wr), der sie fast unmerklich zum Verschwinden bringt.44 Auch die meisten Lieder machen das Wirken Gottes an dieser Stelle nicht explizit; wenn der Wind – gerne in barock-poetischer Verstärkung zum ‚Sturm‘ o. ä. – ausdrücklich gedeutet wird, so wird er eher allgemein mit dem Tod identifiziert: „des todes sturm“45 ist es bei Gryphius, und Schottelius deutet „deß windes kälte“, der die „zarte blum | Auff grün=gesätem felde“ zu Fall bringt, als „tod und unglückswetter“46. Das Lied Mit Lust ein Röselein führt den „Todt“ dagegen als „die heisse Sonn“ ein, die die Pflanze rasch welken lässt.47 Außerhalb des biblischen Vorstellungskreises liegt das Bild vom Sensenmann oder ‚Schnitter Tod‘, wie es im populären Lied aus dem Dreißigjährigen Krieg geprägt wurde.48 Bilder für die Flüchtigkeit des Lebens sind häufig auch materiell flüchtige Substanzen: Luft, Windhauch, Rauch, Dampf, Nebel. Der letzte lädt immer wieder zu Wortspielen mit dem Anagramm bzw. Palindrom ‚Leben‘ – ‚Nebel‘ ein.49 Im hebräischen Original zur „Vanitas vanitatum“ (Koh 1,2) steht der Ausdruck lb,h, (~ylib'h] lbeh)] , Windhauch; der Prediger kombiniert ihn immer wieder mit der Erkenntnis, dass alles Tun unter der Sonne ein „Haschen nach Wind“ sei, wobei hier für ‚Wind‘ x:Wr eintritt (x:Wr tW[r>W lb,h,, vgl. Koh 1,14.17; 2,11.17.26; 4,4.6.16). Die Verwandtschaft der flüchtigen x:Wr mit dem menschlichen Lebensatem (Gen 2,7: ~yYIx; tm;v.n;I vgl. Gen 7,22: ~yYIx; x:Wr-tm;v.n)I ist unübersehbar.50 So kann Gottfried Wilhelm Sacer mit dem Ausatmen die Vorstellung vom allmählichen Verfliegen des menschlichen Lebens verbinden: „So oft du athmest, muß ein Theil | Des Lebens von dir wehen“51. Zugleich ist der Wind eine Kraft, die – obwohl nur schwach – ausreicht, flüchtige Phänomene wie Rauch und Dampf einfach davonzuwehen: „Das Lebn verschwind | wie rauch im Wind“52 (vgl. Ps 102,4; Weish 5,15; Jak 4,14 usw.). 43 44

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Durchgängig verwendet er das Bild etwa in dem Lied Mit Lust ein Röselein im Sommer man ansiehet. Paul Gerhardt greift den in Ps 103,15 genannten Aspekt des Verschwindens der Pflanze von ihrer „Stätte“ auf: „Wir sind ein Kraut / das bald verdort / | Ein Graß / daß itzt auffgehet / | Wird aber schnel von seinem Ort | Entführet und verwehet“ (Gerhardt, Herr Gott, du bist ja für und für, Str. 4,1–4). Gryphius, Die Herrlichkeit der Erden (Str. 9,6). Schottelius, Was ist doch unser Lebenszeit (Str. 2). Vgl. Schein, Mit Lust ein Röselein (Str. 2; 4, besonders 4,3f). Vgl. Runge, Was ist der Mensch auf dieser Welt (Str. 1,3): „Schnitter“; anon., Was ist doch der Menschen Leben* (Str. 2,3): „Meder“ [= Mähder]; anon., Hie lieg ich in der Erden Schoß (Str. 3,3): „mit der Sense kam der Tod“. M. Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Str. 1,4–6): „Wie ein NEBEL bald entstehet | Und auch wieder bald vergehet, | So ist unser LEBEN, sehet!“ Flittner, Ach was soll ich Sünder machen (Str. 4,1f): „Ich weiß wol, daß unser Leben | Nichts alß nur ein Nebel ist“. An anderen Stellen (Gen 1,2 usw.) ist die x:Wr dagegen identisch mit dem Geist Gottes. Sacer, Komm, Sterblicher, betrachte mich (Str. 5,1f). Anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Str. 1,5f); vgl. anon., Sag, was hilft alle Welt* (Str. 1); Rist, °O Sicherheit, du Pest der Seelen (Str. 13): „O Mensch / wie darffstu dich erheben / | Ist doch nur Rauch dein kurtzes Leben / | Ein Rauch / der so vergänglich ist? | Zwar / wenn ich offt den Dampff ansehe | So steigt er zierlich in die Höhe / | Verschwindet doch in schneller frist / | Er kan nicht vor dem Winde stehn; | So muß dein Leben auch vergehn.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Die genannten Bilder verbinden sich mit vielen weiteren in zahlreichen Liedtexten zu langen Reihen und Aufzählungen: Das ‚Gras‘ wird gereimt mit dem brüchigen ‚Glas‘ oder der rasch zerplatzenden ‚Wasserblas‘, die andernorts zum ‚Schaum‘ wird und sich wieder auf den ‚Traum‘ reimt (vgl. ‚Schlaf ‘, Ps 90,5). Der Flug des Vogels hinterlässt wie der Mensch keine bleibende Spur,53 ebenso der Pfeil, der schnell dahinschießt54 und in anderem Zusammenhang auch die Waffe des Todes sein kann (vgl. S. 252). Der (Lebens-)Faden reißt ebenso wie das Spinnennetz oder das alte Kleid; Schnee, Eis und Tau vergehen in der Sonne; Morgenröte, Blitz und Regenbogen sind kurzlebige Himmelserscheinungen, Saitenschall und Echo55 rasch verklungen. Die Kumulation dieser Bilder verweist auf die Omnipräsenz der Vergänglichkeit, die letztlich an jeder beliebigen Anschauung erwiesen werden kann. So leitet Heinrich Albert eine Reihe von Bildern ein: 4. […] Sein [des Todes] Bildnüß stelt Gott stündlich dir An allen Creaturen für Wo du dich hin magst wenden.56

Einzeln sind viele der Motive auch in älteren Liedern zu finden; ihre opulent-kumulative Aneinanderreihung ist typisch erst für das 17. Jahrhundert. Ein frühes Beispiel von Bartholomäus Ringwaldt (1587) bringt die Reihe noch in zwei Versen unter: „O Wasserblas, Venedisch glas, | staub, schatten, asch vnd grünes gras!“57 Bei späteren Autoren ist die Kette der Bilder zum einen oft um einige Glieder länger: 7. Dein Leben ist ein Rauch, ein Schaum, Ein Wachs, ein Schnee, ein Schatten, Ein Thau, ein Laub, ein lehrer Traum, EIn Graß auf dürren Matten.58

Zum anderen sind die Bilder oft durch erläuternde Kommentare ausführlicher gestaltet und zugleich formal streng parallelisiert, was ihre Austauschbarkeit (‚alles ist eitel‘) noch unterstreicht. Eines der ältesten gefundenen Beispiele stammt von Gregorius Richter: 5. Wem vergleicht sich dieses Leben? Einem übergüldten Glaß, Einer zarten Spinnenweben, 53 54

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Vgl. Triller, O Mensch, bedenk zu dieser Frist (Str. 2); Albert, Dass alle Menschen sterblich sein (Str. 5,4–6). Vgl. Herbert, °Lasst uns ansehn die Sterblichkeit (V. 5f): „Denn vnser end | kümpt vns wie ein pfeil sehr schnell vnd behend“; Krentzheim, °Mein Leben in der Eil (Str. 1,1f): „MEin leben in der eyl | Fleucht dahin wie ein pfeil“; Rist, Ach was ist doch unser Leben* (Str. 5): „Unser Leben gleicht den Pfeilen / | die deß Schützen schnelle Hand | von den Bogen lässet eilen / | hinzufliegen / übers Land / | dessen Weg doch nicht zu finden; | so muß auch der Mensch verschwinden: | Hier ist gäntzlich kein Bestand!“ Vgl. Stegmann, °Was ist doch unser Lebenszeit (V. 17): „Ein Wiederschall der Stimm in Eyl“; Schottelius, Was ist doch unser Lebenszeit (Str. 5,6): „Ein Echo in den krüfften“. Albert, Dass alle Menschen sterblich sein (Str. 4,4–6, die Bildreihe folgt in Str. 5–6). Ringwaldt, °Mein lieber Christ, steh doch was still (Str. 9,1f). Sacer, Komm, Sterblicher, betrachte mich (Str. 7,1–4).

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I. Vergänglichkeit

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Einer dünnen Wasserblas, Einem nichtswürdigen schaum, Einem anmuthigen Traum, Einem Gräßlein auff der Heyde, Einem langgebrauchten Kleide, 6. Einem Faden schwach gesponnen, Einem Bau, der knackt und bricht, Einem Stäublein in der Sonnen, Einem ausgehenden Liecht, Einem kurtzen Seitenschall, Einem schnellen Wasserfall, Einer Lufft, so nicht zu haschen, Einem Füncklein in der Aschen.59

In Fabian von Ostaus Lied Ach Gott, wie kurz ist unser Zeit sind jedem Bild zwei (bzw. drei) Verse gewidmet (Str. 2–3,4), in Johann Rists Ach was ist doch unser Leben* eine ganze Strophe. Andere Beispiele, in denen Vergänglichkeitsbilder aufgezählt werden, verfahren formal weniger streng.60 Nur selten rücken die Bilder der Vergänglichkeit aus dem Kontext der Ermahnung oder der allgemeinen Klage über das menschliche Schicksal heraus und werden wie im Psalter (Klage des Einzelnen) auf die aktuelle Notsituation eines Ich angewandt. Dies kann die Situation der Krankheit sein wie im folgenden Beispiel bei Sacer (vgl. Hi 7,6; Ps 102,4.12) oder die unmittelbare Todesnähe wie im zweiten Beispiel (Omeis), das den Bestand der Bilder stärker variiert: „3. Ich wad’ jetzt in dem Todten=Pfuel, Die Tage sind verflogen Gleich einer leichten Weberspuel; Sie sind dahin gezogen Als wie ein Rauch, als wie ein Schaum, Als wie ein Schatten oder Traum: Ich bin wie Graß verdorret.“61 „1. Es ist nun aus mit meinem Leben; GOtt nimt es hin, der es gegeben: Kein Tröpflein mehr ist in dem Faß. Es will kein Fünklein mehr verfangen, Das Lebens=Liecht ist ausgegangen, Kein Körnlein lauft mehr in dem Glaß. 59

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Richter, Lasset ab von euren Tränen (Str. 5–6). Der Erstbeleg stammt zwar erst aus dem Jahr 1658 (Leipzig, vgl. FT I 309.), aber sofern die dort und in zahlreichen Drucken (F-1666; L-1673; N-1677; H-1683; Lü-1695) enthaltene Zuschreibung an Gregorius Richter zutrifft, liegt sein terminus ad quem in dessen Todesjahr 1633. Noch etwas älter ist eine Bildreihe bei Josua Stegmann, °Was ist doch unser Lebenszeit (Rinteln 1627, FT II 469.). Vgl. Dach, Du, Gott, bist außer aller Zeit (Str. 3, in Erweiterung von Ps 90,5); Schottelius, Was ist doch unser Lebenszeit (Str. 3–6). Sacer, Gott, du suchst mich mit Krankheit heim (Str. 3). Zum Kontext der Strophe vgl. S. 294.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt Es ist nun aus! Es ist vollbracht! Welt, gute Nacht!“62

2. Contemptus mundi: Verachtung und Verabschiedung der Welt „Welt, gute Nacht!“ Diese Abschiedsworte, die sich nicht erst bei Magnus Daniel Omeis, sondern schon bei vielen Autoren vor ihm finden, kennzeichnen eine Grundhaltung der barocken Sterbe- und Ewigkeitslieder. Der Abschied an die Welt ist zugleich eine Absage, die aus einer zutiefst kritischen, ablehnenden Haltung gegenüber der Welt resultiert. Nicht überall ist diese Ablehnung gleich stark ausgeprägt, aber sie ist rhetorisch-literarisch typischerweise an die Form des Abschiedsliedes mit direkter Anrede eines Ich an die Welt geknüpft. Durch die Ich-Perspektive und die Aussagen über den unmittelbar bevorstehenden Abschied ist hier das eigene Ende des Menschen viel deutlicher im Blick als in den unter 1. genannten Texten und Textpassagen. Zwei Beispiele für einen solchen Abschied stehen auch auf der Liste der 35 am häufigsten gefundenen Sterbe- und Ewigkeitslieder: O Welt, ich muss dich lassen und Valet will ich dir geben. Was wird in den Liedern unter ‚Welt‘ verstanden? Nicht in erster Linie die Schöpfung an sich; die Welt ist vielmehr immer insofern ‚Welt‘, als sie auf den Menschen bezogen ist. Sie ist sein vorübergehender Aufenthaltsort, innerhalb dessen er während seiner Lebenszeit starken widrigen Einwirkungen ausgesetzt ist. Diese Einflüsse werden einerseits auf einer Erfahrungsebene, andererseits auf einer theologischen Deutungsebene beschrieben und beklagt. Die Ebene der Erfahrung umfasst nicht nur das persönliche, sondern auch das gesellschaftliche Umfeld; diese lebensweltliche Perspektive wird gelegentlich mit dem Begriff der jeweils gerade zu erlebenden ‚Zeit‘ ausgedrückt,63 die immer von Streit, Krieg und Krankheit gekennzeichnet ist (vgl. auch die ‚Läufte‘ wie ‚Kriegsläufte‘, ‚Sterbensläufte‘ = Pest usw.).64 Auf theologischer Ebene gehört die ‚Welt‘ mit Teufel, Sünde, Hölle, Tod in eine Reihe. Erfahrungen von Leid und Verfolgung, wie sie die ‚Zeit‘ mit sich bringen mag, werden theologisch als Nachstellen durch den „Teuffel vnd die Welt“ gedeutet.65 Mit der Welt als personaler, allegorischer Größe können auch die ‚Kinder dieser Welt‘ gemeint sein, 62

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Omeis, Es ist nun aus mit meinem Leben (Str. 1); in der untersuchten Auswahl nur in Lü-1702, dort mit der geänderten Anfangszeile Nun ist es aus mit meinem Leben. Textvorlage ist die 254. Betrachtung aus Heinrich Müllers Geistlichen Erquickstunden (S. 731: „Von der Lust zu sterben. Welt / Gute Nacht“): „COnsummatum est [vgl. Joh 19,30], Gott lob! es ist auß. Es ist auß mit meinem Leben. Kein Körnlein mehr ist im Glaß / kein Tröpflein im Faß / kein Füncklein unter den Am[m]ern. Das Liechtlein ist auß und verloschen.“ Vgl. DWB s.v. ‚Ammer‘: Funke bzw. Glut unter der Asche; hier wohl eher für die Kohlen oder die Asche selbst. So v.a. in zahlreichen Beispielen aus dem 16. Jahrhundert: Gigas, Ach wie elend ist unser Zeit; Moller, Ach Gott, wie manches Herzeleid (Str. 1,1f): „ACh Gott, wie manches hertzeleydt | begegnet mir zu dieser zeit!“ Entsprechend zur ‚Welt‘: anon., Welt, ade, ich bin dein müde (Str. 1,5): „Welt, bey dir ist Krieg und Streit“. Behm, Herr Christ, wenn ich bedenke (Str. 1,5–8): „Weil mir im gantzen leben | der Teuffel vnd die welt, | mein fleisch vnd blut darneben, | gantz grimmiglich nachstellt.“

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I. Vergänglichkeit

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also all diejenigen Menschen, die statt an Gott verkehrterweise an der Welt orientiert und auf sie ausgerichtet sind (vgl. Joh 1,10; 17,25 usw.). In alledem bildet die Welt das antithetische Gegenstück zum Himmel als Ort Gottes und damit zu Gott selbst. Vor allem die Abschiedsrufe an die Welt gehen zwar über die Vergänglichkeitsbetrachtung oft deutlich hinaus und gehören zur direkten Sterbebereitung in unmittelbarer Todesnähe eines Ich; da in ihnen die Welt als Sphäre der Vergänglichkeit oft sehr prägnant charakterisiert wird, sollen sie trotzdem in diesem Teilkapitel berücksichtigt werden. a) Welt versus Wahrheit: Frau Welt als „Ertz=Betriegerin[n]“ Ihrem Wesen nach ist die Welt eine „Ertz=Betriegerin[n]“, eine „Triegerinne“66. Die Klage darüber, dass Betrug, Heuchelei und Unwahrhaftigkeit das menschliche Verhalten und Zusammenleben bestimmen, ist literarisch nicht auf die Anklage der Welt als einer angeredeten Person beschränkt; sie findet sich auch in Form allgemeinerer Klagen67 – insbesondere im Zusammenhang mit den Vorzeichen des Jüngsten Tages, zu denen die Verleugnung der Wahrheit wesentlich hinzugehört (vgl. die falschen Propheten Mt 24,24 usw.). Gedeutet wird dies besonders im 16. Jahrhundert als Unterdrückung des wahren Evangeliums – auch streng konfessionell verstanden. Ähnliches gilt im engeren Sinn von der Behandlung der Welt als allegorischer Person. Hier ist viel von ihrem „falschen Wesen“68 die Rede; die Falschheit ist ihr wesenhaft zu eigen, kein bloßes Attribut. Sie äußert sich in der Unbeständigkeit und Unberechenbarkeit, mit der sie die Menschen behandelt.69 Dabei ist die Welt, ‚Frau Welt‘, weiblich: Sie ist die Verführerin, die dem Menschen „mit geschmünkten Wangen“70 „an allen Enden […] [d]er Wollust falschen Schein“71 vorgaukelt, bis er erkennt: „Du hälst nicht Stich“72 – ihre Versprechungen sind falsch und hohl, von den erhofften und in Aussicht gestellten Gütern (vgl. S. 191) bleibt ihm letztlich nichts. Gregorius Richter verwendet dafür das Bild eines Anglers, der dem Fisch den Köder, mit dem er ihn gefangen hat, schließlich doch vorenthält: 6. Wie ein Fischer in den Fliessen, Der mit Angeln Fische fängt, Wann er dem den Wurm entrissen, 66 67

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Anon., Die Welt, die Erzbetrügerin* (Str. 1,1); Sieber, Welt, packe dich (Str. 2,3). Dach, Nimm mich weg, Gott, für dem Jammer (Str. 2,3–8): „Mündlich lieben, Hertzlich hassen, | Wird für grosse Kunst geschätzt; | Glaube findet nirgends statt, | Trew vnd Liebe sind erfroren, | Daß Betrug die Herrschafft hat | Vnd für Tugend wird erkohren.“ M. Franck, Welt, gute Nacht mit deiner Pracht (Str. 1,1–3): „Welt, gute Nacht | Mit deiner Pracht | Und deinem falschen Wesen!“ Anon., Die Welt, die Erzbetrügerin* (Str. 1,1–3): „DIe Welt  / die Ertz=Betriegerin[n] / | bezaubert vielmahl unsern Sinn / | mit ihrem falschen Wesen“. Anon., Die Welt, die Erzbetrügerin* (Str. 2): „Bald reitzt sie an / bald wieder ab / | sie gibt und nim[m]t bald / was sie gab / | erfreut / und schrecket wieder: | Itzt hält sie an / itzt stösst sie hin / | itzt bringt sie Mangel / bald Gewinn / | ihr Rad läufft auff und nieder.“ Scheffler, °Fahr hin, du schnöde Welt (Str. 1,4); vgl. Runge, Was ist der Mensch auf dieser Welt (Str. 5,3): „In dieser nur geschminckten Zeit“. Dach, Was willst du armes Leben (Str. 3,1–3). Sieber, Welt, packe dich (Str. 2,2).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt Ihn für einen andern senckt Vnd doch keinen lest verschlingen: So gehts auch mit solchen Dingen. 7. Dir wirds heute fürgestrewet, Biß du dich gefressen todt; Bald ein ander daran kewet, Biß er komm in gleiche Noth. Viel diß Aaß ins Netze treibet Vnd doch entlich keinem bleibet.73

Arglistig wie ein Henker74 hat es die Welt letztlich auf den Tod des Menschen abgesehen; denn durch ihren Betrug wird er – so schon O Welt, ich muss dich lassen – „vonn Gott abzogen“75 und damit um die ewigen Heilsgüter gebracht, allen voran um das ewige Leben. b) Die Welt ein Haus: „Du, o schönes Weltgebäude“ Viele der Bilder, die zur Charakterisierung der Welt verwendet werden, entstammen dem Bereich der Architektur: die Welt als Haus. Die vermeintliche Schönheit des Weltgebäudes76 wird bei Johann Franck zugunsten des „schönsten Jesulein“ zurückgewiesen.77 Nach dem anonymen Wie, Seelchen, magst du länger kleben* verstellt die Welt als „schwaches Bau=Gerüste“ (Str. 10,1) den Blick auf den Himmel als das wahre und eigentliche „Hauß“ (Str. 10,1f).78 Was der Mensch im ‚Haus‘ der Welt zu gewärtigen hat, zeigen Komposita wie „Angst= vnd Marter=hauß“ und „vnglücks Hauß“79, aber auch „Laster=Haus“ und „Lusthauß aller Schande“80. Die soziale Dimension (̫Ѩ̦̫̭) des Lebens in der Welt kommt in Bezeichnungen wie „rechte Mörder=gruben“ und „Stall voll böser Buben“81 zum Ausdruck, in der die Mitbewohner im Haus der Welt als schlechte Gesellschaft entlarvt werden. Ähnlich wie das ‚Gebilde‘ des Leibes, für das architektonische Bilder ebenso geläufig sind, kann die Welt auch als „Kercker“, als Haus der Gefangenschaft, bezeichnet werden.82 Im selben Sinne

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Richter, Steh doch, Seele, steh doch stille (Str. 6–7). Vgl. S. 184 Anm. 92. Anon., O Welt, ich muss dich lassen (Str. 3,1–3): „Ob mich gleych hat betrogen | die welt, vonn Gott abzogen | durch schand vnd büberey“. Vgl. Fritsch, Hast du denn, Jesu, dein Angesicht gänzlich verborgen (Str. 11,1; Zitat S. 189 Anm. 124). Vgl. J. Franck, Du, o schönes Weltgebäude (Str. 1): „DV, o schönes weltgebäude, | Magst gefallen, wem du wilt; | Deine scheinbarliche freude | Ist mit lauter angst um[b]hüllt. | Denen, die den himmel hassen, | Wil ich jhre weltlust lassen: | Mich verlangt nach dir allein, | Allerschönstes Jesulein.“ Vgl. anon. (J. C. F.), Wie, Seelchen, magst du länger kleben* (Str. 2): „Wie ein Gerüst’ hier steht gerichtet / | vor einem auffgeführten Bau / | der erst / wenn jenes ist zernichtet / | sich herrlich zeiget: Also / schau: | Steht uns die grosse Welt im Licht / | daß wir den Himmel kennen nicht.“ Ziegenspeck, Ade, ich muss dich lassen (Str. 2,6); Gryphius, Ade, verfluchtes Tränental (Str. 1,3). Omeis, Es ist nun aus mit meinem Leben (Str. 3,3); Rist, Lebt doch ein jeder Mensch im Streit (Str. 10,2). Ziegenspeck, Ade, ich muss dich lassen (Str. 2,5.7). Vgl. Dach, O wie selig seid ihr doch, ihr Frommen (Str. 1,3–2,1). Zum Leib als Haus bzw. Kerker vgl. S. 496.

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werden bei Magnus Daniel Omeis auch Ägypten und Babel als biblische Orte der Gefangenschaft Israels genannt, daneben Sodom: 3. GOtt Lob! iezt kan ich recht genesen. Mein Sodom bist du mir gewesen, O Sünden=Welt, du Laster=Haus! Der Tod soll mir ein Engel heißen, Der mir wie Loth den Weg kan weißen. Ich folg mit Freuden: Nur hinaus! Hinaus! eh GOttes Donner kracht! Welt, gute Nacht! 4. Du warest mir auch mein Egypten, Da mich viel Creuzes=Henker wippten Bos auf die Threnen und das Blut. Der Tod will aus den Dienstbarkeiten Mit Israel mich ausbegleiten. Wie komst du, Freyheit! mir so gut! Nach dir hab ich schon lang getracht: Welt, gute Nacht! 5. Wie gerne will ich von dir scheiden, Von dir und deinem Jammer=Leiden. O Welt! mein Babel warest du, Die manchen Handel mir verwirret, Daß ich wie eine Taub gegirret Durch Weinen, Seufzen immerzu. Nun ist es aus! Es ist vollbracht! Welt, gute Nacht!83

Sodom als Ort der Sünde, Ägypten als Ort der Sklaverei („Dienstbarkeiten“), Babel als Ort der verzehrenden Sehnsucht nach der Heimat im Exil (vgl. Ps 137)84 – so wird die Welt hier angesprochen. Auch Babel kann für die Sündhaftigkeit der Welt stehen,85 dann eher im Anschluss an die Apokalypse; Babel wie Sodom fungieren

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Omeis, Es ist nun aus mit meinem Leben (Str. 3–5). Str. 4,2: ‚wippen‘ meint die Folter mit dem Wippgalgen (vgl. DWB s.v. ‚wippen‘ 3b). Vgl. die Textvorlage in Heinrich Müllers Geistlichen Erquickstunden (254. Betrachtung, S. 732|733): „Mein Sodom bist du gewesen / und hast mit deinen ungerechten Wercken meine arme Seele offt biß auff den Tod geängstiget; […] Mein Egypten bist du gewesen / hast mit deinen Drangsalen mir manch Seuffzerlein auß dem Hertzen / manch Thränlein auß den Augen gedrun=|gen; […] Mein Babel bist du Welt gewesen / wie manchen verwornen Handel hast du wider mich angesponnen / wie manchen Thränenfluß mir zugerichtet.“ Ausführlich gestaltet hat dieses Motiv etwa Quirinus Moscherosch im Lied °Die Fröhlichkeit der Erden, vgl. S. 216. Vgl. etwa den Bußruf im anonymen Was hilfet doch in Sterbensnot* (Str. 9,5–7): „Geh auß von Babel / leide dich / | Thu busse / streite ritterlich / | Und bleib in Gottes schrancken.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

als Antipoden des himmlischen Jerusalem.86 Aus dem ‚Haus‘ der Welt wird dabei jeweils eine ganze Stadt, ein ganzes Gemeinwesen. Besondere Häuser, mit denen die Welt verglichen wird, sind z. B. das Theater, das Spital und das Gasthaus. Auf dem Welttheater hat der Mensch die Rolle auszufüllen, für die Gott ihn vorgesehen hat („Dein Amt und dein Beruff “); dabei soll sein „Trauerspiel“ nicht der Welt, sondern Gott zum Gefallen dienen.87 Im Bild des Spitals88 erscheint die Welt als Ort des Leidens und der Qualen, durch die der Mensch für seine Sünden büßt.89 Die Vorläufigkeit des Aufenthalts in der Welt zeigt das Bild vom Wirtshaus, das in den Umkreis der Pilgerschafts-Metaphorik gehört (vgl. S. 211). Das Lied °Was ist die Welt mit all ihr’ Macht hebt die Statusunterschiede der einquartierten Gäste hervor, die doch aber alle weiterreisen müssen.90 Zugleich ist die Herberge ein ‚böser‘ Ort,91 an dem der Mensch leicht übervorteilt wird; dabei ist sie falsch und zeigt erst zum Ende ihr wahres Gesicht. In einer Liedstrophe wird dies anhand zweier Personifikationen verdeutlicht (ähnlich dem ‚Angler‘ Gregorius Richters), in denen sich die Welt nicht nur als Wirt, sondern noch bedrohlicher auch als Henker zeigt: 4. Sie ist ein Hencker / der dich führet / durch eine Wiese / zu dem Grab; und wann er mit dir gnug spatzieret / dir schlägt zuletzt den Schädel ab. Ein Wirth / der mit dir spielt und lacht / biß er zuletzt die Zeche macht.92

c) Leid als Grunderfahrung Die meistgenannte Bezeichnung für die Welt macht deutlich, was das Leben in der Welt nach dem Verständnis der Autoren bedeutet: „Jammerthal“ (vgl. Ps 84,7: Tränental; vgl. auch Ps 23,4), häufig antithetisch mit dem Reimwort ‚Freudensaal‘ 86

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Sodom (als Hölle) z. B. bei Meyfart, Sodoma; Babel z. B. bei Moscherosch, °Die Fröhlichkeit der Erden (Str. 8–9). Vgl. Birken, Sag, was ist diese Welt? Ein Schau- und Spielgezelt (Str. 2,2; 12,1); berücksichtigt wurde dieses Lied (Nürnberg 1656, vgl. FT V 78.) aufgrund eines unrubrizierten Belegs im Anhang zu B-1703. Ein Gedicht Birkens aus dem Jahr 1667 mit gleichem Anfang und gleicher Strophenform steht in seinen Todten-Andenken (Nr. 205; Neuedition Tübingen 2009 S. 270–272; Kommentar S. 809). Hier wird die Welt als „Narrenhaus“ beschrieben: „Sag, was ist diese Welt? | ein grosses NarrenZelt: | ihr Thun ist Lapperey; | ihr Dichten, Fantasey.“ Selnecker, °Die Welt ist nichts zu unser Zeit (Str. 1,1f): „DIe Welt ist nichts zu vnser zeit | denn ein Spital voll armer Leut“; Timäus, Wenn mein Gesundheit leidet Not (Str. 7,1–4): „Wo solte mir nu besser seyn: | In diesem Hospitale, | Da ein jeders [!] beklagt das seyn, | Oder ins Himmels Saale?“ Rist, Ach Gott, wann kommt die liebe Zeit (Str. 2,1f): „Dis Leben ist ein Siechen Hauß / | Darin wir stets uns quählen“. Vgl. Wilkow, Wie ist der Mensch doch so betört (Str. 2,5–8): „Die Welt ist nur ein Hospital, | Darin wir krancken müssen | An Leibes vnd der Seelen Quahl | Vnd vnsre Sünden büssen“. Vgl. anon., °Was ist die Welt mit all ihr’ Macht (Str. 2–3). Vgl. Gerhardt, °Ich bin ein Gast auf Erden (Str. 11,1). Anon. (J. C. F.), Wie, Seelchen, magst du länger kleben* (Str. 4). Ins Innere des Menschen, nämlich ins Herz, verlegt Simon Dach das todbringende Wirken der Welt als „Hencker“, vgl. Dach, Ach lasst uns Gott doch einig leben (Str. 2,1–4): „Der argen Welt verkehrtes Schertzen | Vnd was durch Tücke mancher=hand | Vns bringt vmb Vrtheil vnd Verstand | Vnd offt zum Hencker wird im Hertzen.“

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oder ‚Himmelssaal‘ verbunden. Welche Erfahrung welcher Sphäre vorbehalten ist, ist in dieser geradezu inflationär und oft nur kurz und formelhaft93 gebrauchten Gegenüberstellung klar zugeordnet. Johann Hermann Schein gibt eine typische Explikation des ‚Jammertals‘ als Ort des Leidens: 3. Hier ist doch nur ein Jam[m]erthal / Voll Seufftzen / Trawren / Threnen / :/: Creutz / Marter / Angst / Noth überal / Wer wolt sich denn nicht sehnen.94

Groß ist die Zahl der Begriffe, mit denen äußere und innere Leiderfahrung in der Welt umschrieben werden kann: Trübsal, Traurigkeit, Kummer, Sorge, Mühe, Angst,95 Plage, Qual, Schmerz, Gefahr, Kreuz, Jammer, Elend, Not, Leid, Herzeleid, Herzensfressen96 usw.; wie die Vergänglichkeitsbilder treten auch diese Begriffe oft gehäuft auf und erscheinen bisweilen austauschbar. Biblischen Ursprungs ist die Rede vom Tränenbrot (vgl. Ps 42,4; 80,6; 102,10), mit der die Leiderfahrung in der Welt oft umschrieben wird: „Vnser Threnen sind das Brot, | So wir essen früh vnd spot“; „Quaal, Jammer, Noth | Ist unser Brod, | Dessen wir stets geniessen.“97 Der Tod erscheint deshalb begehrenswert, weil er das Ende des unentrinnbaren Leides in der Welt verheißt.98 Der Mensch bewegt sich auf seinem Weg in einer manchmal nahezu räumlich vorgestellten Sphäre von Trübsal und Traurigkeit: „Der schmale Weg ist Trübsal voll | den ich zum Himel wandeln soll.“ „Meine gröste Lebenszeit | Leufft dahin in Traurigkeit.“ „Weil ich hie bin vmbfangen | mit Trübsal vnd Elend.“99 Und wieder antithetisch: „Aus Trübsal vnd grossem Leid | Soltu fahren in die Frewd“100. Entsprechend ist auch die Musik in der Welt auf Klage gestimmt: 3. Dieses Lebens kurtze Freuden / Sind vermischt mit Klag und Leid /

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Z. B. Episcopus, Ach Gott, du höchster starker Hort (Str. 10,4–7): „Ein seligs End beschere | Vnd führ vns auß dem Jammerthal | Zu dir in deinen Frewdensaal | Durch Jesum Christum, Amen.“ Schein, Ich will still und geduldig sein (Str. 3,1–4). Vgl. Dach, Du, Gott, bist außer aller Zeit (Str. 5,4–6): „Angst ist, was vns zur Welt gebiert, | Angst, was vns leitet, trägt vnd führt, | Angst, was vns heisset scheiden.“ Anon., Auf, meine Seel, dein End ist hier* (Str. 6,3): „unser Leid und Hertzensfressen“; vgl. Dach, Was soll ein Christ sich fressen. Vgl. DWB s.v. ‚fressen‘ 11: sich plagen, sich quälen. Anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Str. 5,5f); Ostau, Ach Gott, wie kurz ist unser Zeit (Str. 1,5–7). Vgl. auch: Rist, °So wünsch ich mir zuguterletzt (Str. 11,5–8); Müller, Lebt jemand so wie ich (Str. 2); Homburg, Nun, mein Gott, ich bin’s zufrieden* (Str. 3,5–8); Neumark, Ich bin müde, mehr zu leben (Str. 3): „Ich verschmachte fast für Sorgen; | Meine milde Thränenfluth | Und des Kreutzes heiße Gluht | Sind mein Frühstük alle Morgen. | Furcht, Betrübnüs, Angst und Noht | Sind mein täglichs Speisebrodt.“ Anon., Ach Seele, nimm doch wohl in acht* (Str. 6,5–8): „Denn ist ein leiden dieser zeit / | So wirds nicht lange können währen / | Sollts gleich im leben nicht auffhören / | Der tod dich doch davon befreyt.“ Moller, Ach Gott, wie manches Herzeleid (Str. 1,3f); Neumark, Ich bin müde, mehr zu leben (Str. 1,5f); Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Str. 1,3f). Anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Str. 1,5f).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt Unser Music / Klang und Seiten / ist ein Thon der Traurigkeit.101

Das Beispiel aus L-1682, dem ein Kantionalsatz zum vierstimmigen Chorgesang beigefügt ist, deutet zugleich knapp das Selbstverständnis barocker Trauermusik an. Ein Synonym für das Leid mit christologischer Implikation ist das ‚Kreuz‘: „Weil mich stets viel Creutz betroffen […] Lauter Creutz sind vnser Tag“102; „Das Kreutz sich alle Stunden | Verjüngt nach Adlers Art: […] Wir sind nie Kreutzes leer.“103 Auch wenn der christologische Bezug meist nicht weiter ausgeführt wird, wurde er von den Zeitgenossen mitgehört. Indem das Leben in der Welt durchweg vom Leiden gezeichnet ist, wird es zur Kreuzesnachfolge und damit zur imitatio Christi.104 In diesem Sinne ist auch die Klage eines Ich zu verstehen, das sein Leiden an der Welt als Gallentrank (vgl. Mt 27,34) begreift.105 Viele Gesangbücher enthalten eigene Rubriken zur Bewältigung des Leides als einer Grunderfahrung der Welt; klassisch ist die schon auf Eichorn zurückgehende Rubrik ‚Vom Kreuz, Verfolgung und Anfechtung‘.106 Diese Rubriken enthalten jeweils ebenfalls ein riesiges Arsenal von Gesängen; gerade die ‚Kreuz- und Trostlieder‘ entwickelten sich im 17. Jahrhundert zu einer prominenten Gruppe, nicht zuletzt durch Paul Gerhardt. Leidens- und Leiderfahrungen im Umkreis von Tod und Sterben sollen im weiteren Verlauf noch genauer untersucht werden: zum einen die angstvolle Erfahrung von Verzweiflung und Anfechtung angesichts des eigenen Todes (vgl. ab S. 300); zum anderen die Trauer um eine verstorbene Person (vgl. ab S. 437). Zunächst jedoch zu den ‚Weltkindern‘ und dazu, was sie in ihrer inneren Haltung auszeichnet. d) Die verkehrte Haltung der Weltkinder Solange der Mensch innerlich auf die Welt ausgerichtet ist, ist er ein Kind dieser Welt (vgl. Lk 16,8).107 Insbesondere Johann Heermanns Lied O Mensch, bedenke stets dein End macht diesen Status ausführlich zum Thema.108 Den nichtigen welt101

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Anon., Es ist doch in diesem Leben* (Str. 3). Das Lied steht nur in L-1682 (mit vierstimmigem Kantionalsatz). Anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Str. 2,3; 4,6). Homburg, Ach was ist unser Leben (Str. 2,1f; 4,4). In Luthers Sermon von der Betrachtung des heiligen Leidens Christi folgt diese Deutung als letzte Konsequenz aus der Passionsbetrachtung (WA 2, 141): „Wan alßo deyn hertz in Christo bestetiget ist unnd nu den sunden feynd worden bist auß liebe, nit auß furcht der peyn, ßo soll hynfurter das leyden Christi auch eyn exempel seyn deynes gantzen lebens“. Vgl. z. B. Ziegenspeck, Ade, ich muss dich lassen (Str. 1,5–8; an die Welt gerichtet): „Hast mich auch wol gekräncket, | Mir manch vntrew erweisst, | Mit Gallen mich geträncket, | Mit Wermut mich gespeisst.“ Vgl. Lipphardt, Eichorn, 167. Vgl. auch N-1677: „Klag= und Trost=Lieder / von Creutz und Anfechtung“ usw. Auch bei Petrus Herbert (Wer in guter Hoffnung will, Str. 4,1) wird der unbußfertige, sorglose Sünder als „weltkind“ bezeichnet; zu diesem Lied vgl. ausführlich ab S. 307. Das Lied stammt aus Heermanns Devoti musica cordis (Leipzig/Breslau 1630, vgl. FT I 320.). Vorlage ist ein bernhardinischer Text in der deutschen Fassung von Martin Mollers Meditationes Sanctorum Patrum I. I. III., 4r–5v. In einigen der untersuchten Gesangbücher steht es unter der Rubrik ‚Vom christlichen Leben und Wandel‘ (B-1658/1666, H-1683), in anderen unter ‚Vom Tod und Sterben‘ (N-1654, Lü-

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lichen Gütern (vgl. S. 191) sind die „Kinder dieser Welt“ in „Wollust“, „Vppigkeit“ und „Vbermuth“ zugetan.109 Gekennzeichnet sind sie durch „jhr stoltz vnd freches Hertz“ und auch durch ihren „stoltzen Leib“, mit dem sie umher-„stoltzier[en]“.110 Ihre verkehrte Ausrichtung auf die Welt ist eine verblendete „Welt=Lieb“111, von der Dach abqualifizierend zu sagen weiß, sie hätten „sich an der Welt vergafft“112. Das ‚Kleben‘ an der Welt113 zeigt die fehlende Bereitschaft, die Welt zu ‚lassen‘, sich von ihr abzuwenden, ihr abzusagen – und damit eine grundsätzliche Unbußfertigkeit, die die Kinder dieser Welt nach Heermann in die Hölle führen muss: 5. Dann weil sie [Leib und Seele] hier mit Vppigkeit Gedient dem Satan haben beyd, An jhre Busse nie gedacht Vnd an die finstre TodesNacht, So ists auch recht, daß sie zugleich Dort leiden Qual ins Teuffels Reich.114

Schon im frühen Lied O Welt, ich muss dich lassen ergeht daher an die Welt der Ruf zu Buße und Umkehr115 (‚Welt‘ ist hier synonym mit den Mitmenschen, den ‚Weltkindern‘). Das Schicksal derjenigen Weltkinder, die aufgrund ihrer verkehrten Haltung zur Hölle gefahren sind, wird von Heermann als warnendes Beispiel hervorgehoben.

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1660/1661/1696/1706, L-1673). Eine anonyme bearbeitete Fassung in geänderter Strophenform beginnt O Mensch, bedenke wohl, dass du einmal musst sterben* und findet sich in zahlreichen Stern-Gesangbüchern (Lü-1661/1696/1706/1695/1702). Heermann, O Mensch, bedenke stets dein End (Str. 2,1; 3,5; 5,1; 6,2). Vgl. Mollers Vorlage (Meditationes Sanctorum Patrum I, 4r): „Sie assen vnd truncken / sie waren guter dinge / vnd brachten jhre Zeit zu in Wollüsten / Aber in einem Augenblick / sind sie zur Hellen gefahren.“ Heermann, O Mensch, bedenke stets dein End (Str. 2,3f; 6,4; 10,1); vgl. O Mensch, bedenke wohl, dass du einmal musst sterben* (Str. 3). Vgl. auch Selnecker, Was tun wir doch, wir arme Leut (Str. 1,2): „warumb stoltziren wir doch heut?“; anon., Wo kommt es here, dass zeitlich Ehre* (Str. 1,1–4): „WO kompt es here / | daß zeitlich Ehre / | so hoch stoltziret / | in dieser Welt“. Z. Faber, Herr, ich bin ein Gast auf Erden (Str. 5,3). Str. 5–6 dieses Liedes stehen in L-1673 auch als eigenes Lied anonym unter Hilf mir, mein Gott, überwinden. Dach, Herr, es mangelt nicht an dir (Str. 4,5); vgl. ebenfalls in abwertendem Sinne „in die Welt verliebt“: Neumark, Ich bin müde, mehr zu leben (Str. 4,2); vgl. Dach, Es vergeht mir alle Lust (Str. 2,1f). Dach kann das Verblendete dieser Haltung auch direkt als ‚Blindheit‘ bezeichnen, vgl. Dach, Die große Nichtigkeit (Str. 2,1–6): „Vnd dennoch, dennoch sind | Wir tolles Volck so blind | Vnd geben nichts darauff: | Wir bawen in die Welt, | Alß wer vns hie bestellt | Der Ewigheiten Lauff “. Vgl. Richter, Steh doch, Seele, steh doch stille (Str. 1,3–6): „Dencke doch, wo dich dein Wille, | Der so gar im Eyteln ist, | Der so gar klebt an der Erde, | Entlich hinverleyten werde“; Dach, Es vergeht mir alle Lust (Str. 1,3f): „An der Erden Koht vnd Wust | Mag ich nicht mehr kleben“; Homburg, Ach was ist unser Leben (Str. 13,1f): „So last uns nicht so kleben | An dieser Sünden=Welt“; anon. (J. C. F.), Wie, Seelchen, magst du länger kleben an dieser schnöden Eitelkeit*. Das Pendant besteht in der entgegengesetzten Bitte, im Leben wie im Sterben an Christus zu ‚kleben‘, vgl. S. 392 Anm. 52.53. Heermann, O Mensch, bedenke stets dein End (Str. 5); Mollers Vorlage (Meditationes Sanctorum Patrum I, 4v) lautet: „Denn / weil beyde Leib vnd Seele gesündiget haben / vnd in Sünden gestorben sind / müssen sie auch beyde die ewige Straffe leyden.“ Das von Heermann eingeführte Motiv des Teufelsdienstes findet sich auch in Str. 11,2. Anon., O Welt, ich muss dich lassen (Str. 8,2–5): „o welt, thu dich besin[n]en, | wan[n] du must auch hernach. | Thu dich zu Gott bekeren | vnd von im Gnad begeren […]“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

e) Die Absage an die Welt: „O Welt, ich mus dich lassen“ In einer großen Zahl von Sterbe- und Ewigkeitsliedern bildet die emphatische Absage an die Welt (und in ähnlicher Funktion auch an das ‚Leben‘116) mit direkter Anrede in der zweiten Person einen wesentlichen Textbestandteil, der als Anfangszeile117 einem ganzen Lied sein Gepräge geben kann; durch die wiederholte Verwendung am Strophenbeginn118 oder als Kehrreim119 wirkt er strukturbildend. Bei diesem sprachlichen Akt, der einen deutlich performativen Charakter besitzt, handelt es sich zunächst um eine Verabschiedung von der Welt („Ade“, „Gute nacht“, „zu tausend guter Nacht“, „Valet“, „Gehab dich wohl“, „Gesegene dich Gott“120), zugleich aber – und darin besteht der entscheidende Unterschied zur Verabschiedung von den Angehörigen, die sich derselben Formeln bedient (vgl. S. 421) – um eine Lossagung. Variabel ist dabei zum einen der Grad der Abwertung, mit der die Welt bedacht wird – was wiederum Konsequenzen für das Verständnis des sprachlichen Aktes nach sich zieht –, zum anderen die Verortung zwischen allgemeiner Vergänglichkeitsbetrachtung und konkreter eigener Sterbebereitung. 1. Zum ersten Punkt, der unterschiedlichen Bewertung der Welt: Durch die Abschiedsformeln an die Welt wird performativ genau jener entscheidende Schritt vollzogen, den die Kinder dieser Welt nicht gegangen sind – die Unterbrechung des ‚Klebens‘ an der Welt und die Überwindung der „Welt=Lieb“, der inneren Ausrichtung auf ihre Güter. Dieser Akt kann einen eher schmerzlichen, einen abgeklärten oder einen triumphierenden Charakter haben; analog dazu variiert die Bewertung der Welt. Schmerzliche Töne, in denen die Schönheit der Schöpfung zum Abschied gepriesen wird, sind auffallend selten.121 Der schmerzliche Abschied von den schö116

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Vgl. Sohren, Gute Nacht, du eitles Leben (Frankfurt/M. 1676); anon., Gute Nacht, du falsches Leben* (folgt in H-1683 [einziger Beleg] unmittelbar auf das Lied von Sohren). Vgl. auch Joh. Franck, Jesu, meine Freude (Str. 5,9f). Die meisten Beispiele stammen aus der Zeit ab 1650. Zu nennen sind anon., O Welt, ich muss dich lassen (Nürnberg 1555 als Kontrafaktur zu der auch sonst bei geistlichen Liedern beliebten Melodie Innsbruck, ich muss dich lassen, vgl. Ameln, Kirchenliedmelodien, 63f.70f); Ph. Nicolai, So wünsch ich nun ein gute Nacht (Frankfurt/M. 1599); Herberger, Valet will ich dir geben (Leipzig 1614); Ziegenspeck, Ade, ich muss dich lassen (Altenburg 1627); Stegmann, °So wünsch ich nun ein gute Nacht (Lüneburg 1630); Dilherr, Gehab dich wohl, du schnöde Welt (Nürnberg 1646); Gryphius, Ade, verfluchtes Tränental (Frankfurt/M. 1650); Weissel, Ich bin dein satt, o schnöde Welt (Königsberg 1650); Rist, Nun, Welt, du musst zurücke stehn (Lüneburg 1651); J. Franck, Du, o schönes Weltgebäude (Berlin 1653); M. Franck, Welt, gute Nacht mit deiner Pracht (Coburg 1654); Sieber, Welt, packe dich (Dresden 1658); anon., Welt, ade, ich bin dein müde (Bayreuth 1668); anon., O Welt, muss ich dich lassen* (Leipzig 1673); Sohren, Gute Nacht, du eitles Leben, gute Nacht, du schnöde Welt (Frankfurt/M. 1676); Müller, Ade, du süße Welt (Rostock 1659); Sohren, Nun ade, du Weltgetümmel (Hamburg 1683). Vgl. z. B. Sohren, Gute Nacht, du eitles Leben („Gute nacht“ am Beginn des 1., 2. und 5. Verses jeder Strophe). Vgl. z. B. Omeis, Es ist nun aus mit meinem Leben („Welt, gute Nacht!“ am Ende jeder Strophe). Vgl. Anm. 117; „Welt / zu tausend guter Nacht“: anon., Nun gottlob, es ist vollbracht* (Str. 1,3); „Gesegene dich Gott, du schnöde Welt“: anon., Mein Gott und Herr, steh du mir bei (Str. 7,1). – Eine Umschreibung des Abschiednehmens ist ‚der Welt Urlaub geben‘, vgl. Rist, Es nahet sich der letzte Tag (Str. 12,1f): „Inmittelst hilf / daß Ich der Welt | Bei Zeiten uhrlaub gebe“. Vgl. ein früheres anonymes Beispiel (Straßburg 1569): °O Welt, du sollt Urlaub han (Titel: „Vrlaub der Welt“). Zu dieser Bedeutung vgl. DWB s.v. ‚Urlaub‘ B 3c. Z. B. °O Sonnen schön, edler Planet, vier Strophen, die im katholischen Cornerischen Gesangbuch (1631) dem Lied Der grimmig Tod mit seinem Pfeil in derselben komplexen Strophenform vorgeschaltet, aber

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nen Weltdingen wird vielmehr durch „das ewig Jubel=jahr“ überboten.122 Solcher Gegenüberstellung mit dem ‚Himmel‘ kann die Welt mit all ihren Reizen nicht standhalten.123 Bei positiven Attribuierungen wie in Ade, du süße Welt (Heinrich Müller) oder Du, o schönes Weltgebäude (Johann Franck) schwingt meist die Erkenntnis mit, dass die Süßigkeit der Welt ohnehin nicht von Dauer ist. Ahasverus Fritsch relativiert die positive Bewertung gleichsam im selben Atemzug: Ade! ô Erde, du schönes, doch schnödes Gebäude, Ade! ô Wollust, du süsse, doch zeitliche Freude!124

Johann Olearius macht aus dem Lied O Welt, ich muss dich lassen ein freudiges Gottlob, die Welt ich lasse (vgl. S. 326); die direkte Anrede an die Welt fehlt, eine Lossagung von ihr, der längst überwundenen, ist gar nicht mehr nötig.125 Wie es also scheint, verstärkt sich die ablehnende Haltung gegenüber der Welt in den Liedern des 17. Jahrhunderts. Zum Ausdruck kommt sie etwa in Epitheta: „Du arge, falsche Welt“ oder „Du schnöde, böse Welt“126. Negative Affekte gegenüber der Welt sind Hass, Gram und Verachtung: „Dich, O Welt, ich hasse“; „Der Welt ich werde gram“; „O Welt! Was acht ich dein?“127 Die erwünschte Haltung des contemptus mundi wird freilich auch als Werk Gottes verstanden, die der gefallene und weltverhaftete Mensch nicht von sich aus erlangen kann. Bei Heermann heißt es: 13. Verleyh, daß ich aus aller Macht Die Welt mit jhrer Lust veracht.128

Im direkten Bezug auf das Lebensende wird die entsprechende Haltung zur Welt dann als ‚satt‘ und ‚müde‘ beschrieben, so in den Anfangsversen einiger Lieder.129 Satt und

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wohl kaum gleichen Ursprungs sind (vgl. S. 197 Anm. 178). Das Ich verabschiedet sich angesichts seines nahen Todes von den Dingen der nichtmenschlichen Schöpfung wie Gestirnen, Elementen, Gärten und Blumen mit den Worten „ade, ich muß euch lassen“ (Str. 1,4). Der Begriff ‚Welt‘ fällt in diesem positiv konnotierten Zusammenhang bezeichnenderweise nicht. – Vgl. anon., Mein junges Leben hat ein End (Str. 9,1–4): „Gesegne dich Gott Stern, Sonn vnd Mond, | deßgleichen Laub vnd Graß | Vnd alles auff der Erden Grund | vnd was der Him[m]el beschloß“. Vgl. anon., O was ist doch das menschlich Leben* (Str. 12,1–4): „Ade / ade / du helle sonne / | Ade / ihr wolcken=lichter schar / | Ade all zeitlich freud und wonne / | Ich halt das ewig Jubel=jahr“. Vgl. Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Str. 5): „Ob mich die Welt auch reitzet | lenger zu leben hier, | Vn[d] mir auch jmmer zeiget | Ehr, Geld, Gutt, al jr Zier, | Doch ich das gar nicht achte, | es wehrt ein kleine zeit: | das Himlisch ich betrachte | das bleibt in ewigkeit.“ Fritsch, Hast du denn, Jesu, dein Angesicht gänzlich verborgen (Str. 11,1f). Vgl. Str. 1,1. Aus der Mahnung an die Welt in den Schlussstrophen (Str. 8–10; z. B. „o welt, thu dich besinnen“, „Thu dich zu Gott bekeren“) wird bei Olearius eine freudige Perspektive auf den Himmel (Str. 8–10, z. B. „Gott Lob / ich seh das Leben / | das mir mein Gott wird geben“). Herberger, Valet will ich dir geben (Str. 1,2); Ziegenspeck, Ade, ich muss dich lassen (Str. 1,2). Titius, Was ist unser Leben (Str. 4,1); Knoll, Im Leben und im Sterben (Str. 9,2); Siegfried, Ich hab mich Gott ergeben (Str. 2,2). Heermann, O Mensch, bedenke stets dein End (Str. 13,1f). Vgl. Rists Überschrift zu °Wie bin ich doch so gar betrübet: „Andächtiges Gebet zu Gott / Umb Verschmähung der Welt und aller deroselben Eitelkeiten.“ Vgl. Weissel, Ich bin dein satt, o schnöde Welt; anon., Welt, ade, ich bin dein müde. Vgl. Ph. Nicolai, So wünsch ich nun ein gute Nacht (Str. 10,1): „Darumb bin ich der Welt so müd“; Walther, Spann aus, spann aus, ach frommer Gott (Str. 1,5–7): „Der Welt und Lebens bin ich satt, | Für Angst der Seelen müd und

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müde macht ebenso das (irdische) ‚Leben‘130 (vgl. Gen 25,8). Auf die Spitze getrieben wird die Weltverachtung angesichts des Todes in den Aussagen des Überdrusses und der Lebensunlust: „Drum / welt / laß mich zu frieden / | Ich hab dein überdruß“131. Der Abbruch der inneren Verbindung zur Welt vollzieht sich im sprachlichen Akt der Lossagung, der durch die rhetorische Konvention vorgegeben ist und in den der Textrezipient einstimmt. Als Ausdruck einer inneren Abkehr von der Welt besitzt dieser Akt wesentlich einen büßerischen Grundzug. 2. Zum zweiten Punkt, also zur Frage der Verortung der Lossagung zwischen Vergänglichkeitsbetrachtung und Sterbebereitung, ist damit schon einiges gesagt. Die radikale innere Abkehr von der Welt ist ein Grundzug der Barockfrömmigkeit, der nicht auf den Kontext des Sterbens beschränkt ist. Durch die genannten Abschiedsformeln wird dann ein rein geistliches, büßerisches Abschiednehmen vollzogen, mit dem das Ich sich auf die Nichtigkeit irdischer Werte besinnt und sich innerlich auf den Himmel als das ewige Gut ausrichtet. In Martin Opitz’ Selbstaufforderung zur Weltabkehr („Wirff alles das, was Welt ist, von dir hin“132) ist keine Abschiedsformel enthalten, es handelt sich um eine Meditationsanleitung, einen „Gesang zur Andacht“. Die abschließende Verheißung „So wird Gott dich vnd du wirst Gott erlangen“ ist nicht ausdrücklich aufs Dies- oder Jenseits bezogen. Im Angesicht des Todes gewinnt der Akt des Abschiednehmens demgegenüber nochmals eine besondere Brisanz und Aktualität. Einerseits wird der Mensch in der barocken Frömmigkeit typischerweise permanent daran erinnert, dass er sich jederzeit in unmittelbarer Todesnähe befinden kann. Andererseits ist er durch die Vollzüge dieser Frömmigkeit darauf vorbereitet, sich in unmittelbarer Todesbedrohung mit Hilfe der gewohnten Abschiedsformeln zum Sterben zu schicken. Eines der ältesten und verbreitetsten der gefundenen Lieder, in denen der Abschied von der Welt formuliert wird, ist Valerius Herbergers Valet will ich dir geben. Einem frühen Druck zufolge ist es in einer Situation der unmittelbaren Todesbedrohung entstanden. Es ist überschrieben: VALET VALERII HERBERGERI, Das er der Welt gegeben, Anno 1613. im Herbst, da er alle stunden den Tod für augen gesehen, aber dennoch gnediglich, vnd ja so wünderlich als die drey Männer im Babylonischen Fewrofen erhalten worden.133

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matt, | Daß ich begehr zu sterben.“ Vgl. auch im Zusammenhang mit dem Bild von der Pilgerschaft S. 214. Vgl. anon., Hie lieg ich armes Würmelein, kann regen (Str. 1,6): „meins Lebens bin ich müd vnd satt“; Neumark, Ich bin müde, mehr zu leben; Müller, Lebt jemand so wie ich (Str. 10,1f): „Ich bin deß Lebens satt, | Von vielem Creutze matt“; anon., In Gottes Namen fahr ich hin* (Str. 1,2): „Weil ich deß lebens müde bin“; ebenso anon., Nun fähret mein Geist mit Freuden dahin* (Str. 6,2). Anon., Nun hat mich auch gewähret* (Str. 3,1f). Opitz, Auf, auf, mein Herz, und du, mein ganzer Sinn (Str. 1,2); gefundene Belege: N-1677/90 unter ‚Eitelkeit‘, Lü-1695/1702 unter ‚Tod und Sterben‘. Herberger, Der Dritte Theil Der Geistlichen Trawrbinden (Leipzig 1614), fol. l 4, zit. nach FT I, S. 98.

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In diesem Fall ist eindeutig, dass der sprachliche Akt des Abschiednehmens von der Welt seinen Ort nicht nur in einer büßerischen Meditationsübung, sondern in unmittelbarer Todesnähe hatte.

3. Die Nichtigkeit irdischer Güter Anhand einer relativ fest stehenden Reihe von Elementen wird in vielen Liedern die Nichtigkeit irdischer Güter besungen. Diese Reihe dokumentiert die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens (1.) und den trügerischen Charakter der Welt (2.) gleichermaßen. Die in ihr enthaltenen Elemente sind die Güter Lust (Freude), Schönheit, Stärke, Macht, Ehre, Reichtum und Weisheit, von denen jeweils gilt: Der Mensch kann sie maximal für die Dauer seines irdischen Lebens genießen; sie sind zeitlich begrenzt und daher letztlich nichtig – keine verlässlichen Größen, auf die der Mensch dauerhaft vertrauen könnte. Die Reihe der nichtigen irdischen Güter kann summarisch zusammengefasst sein wie bei Schein: 1. […] Der Welt Macht / Ehr / Gut / Schönheit / Kunst / Was ists? Ein Rauch / Wind / Schatten / Dunst.134

Oft werden einzelne Elemente näher ausgeführt oder die Reihe insgesamt gibt einem ganzen Lied Strophe für Strophe die Struktur, indem die nichtigen Güter eines nach dem anderen betrachtet werden. Das bekannteste Beispiel für ein solches Lied ist wohl Ach wie flüchtig, ach wie nichtig, das ausgehend vom Begriff des ‚Lebens‘ eine ganze Reihe von konkreten Begriffen durchbuchstabiert. Ihm treten weitere Beispiele zur Seite: Anon. (Meyfart?) Michael Franck Johann Rosenthal Heinrich Müller Anon. Anon.

Sag, was hilft alle Welt* (Str. 1–8) Welt, gute Nacht mit deiner Pracht Ach was ist doch unser Lebn? (Str. 1–7) Ade, du süße Welt (Str. 2–6) Mensch, sag an, was ist dein Leben* (Str. 1–6) O was ist doch das menschlich Leben* (Str. 1–9)

(Gotha 1648)134 (Coburg 1654) (Altenburg 1659) (Rostock 1659) (Lüneburg 1695) (Lüneburg 1695)

Der parallele Strophenbau von Ach wie flüchtig, ach wie nichtig und verwandter Lieder unterstreicht die Allgemeingültigkeit der Aussagen über die irdischen Güter, deren sprachliche Position im Vers stets dieselbe bleibt, auch wenn die Besetzung in jeder Strophe variiert.

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Schein, Zwing dich, o liebe Seele mein (Str. 1,7f). Zur Verwandtschaft der ‚Kunst‘ mit der ‚Weisheit‘ vgl. S. 201. Vgl. zu diesem Lied S. 113 Anm. 263.

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a) „Die Welt vergeht mit ihrer Lust“ (1Joh 2,17) Eines der meistgenannten Elemente aus der Reihe der nichtigen Güter ist die ‚Lust‘ oder die Freude, sofern sie nach 1Joh 2,17 der Welt zugeordnet und daher als trügerisch zu entlarven ist. Anders als die ihr entgegengesetzte ‚Lust abzuscheiden‘ (Phil 1,23, vgl. S. 347) und die Lust nach dem Himmel besitzt die „weltlust“136 eine verkehrte Ausrichtung und ist nicht von Dauer. Sie kann sowohl die Lust nach der Welt insgesamt als auch diejenigen Lüste bezeichnen, die die Welt für den Menschen bereit hält. Im Anschluss an 1Joh 2,16 ist auch näher von „Augenlust“137 oder von „Fleisches / Welt und Augenlust“138 die Rede. Die Ausrichtung auf die weltliche Lust, die oft durch das Verb ‚streben nach‘ ausgedrückt wird,139 wird in den Texten als fehlgeleiteter Impuls erkennbar; die Lust nach der Welt ist statt dessen vielmehr zu „verachten“140. Das gilt zunächst deshalb, weil die weltlichen Freuden kaum von Dauer sind: 10. Kein Lust, wie lieblich sie auch dünckt, Ist hie, die nicht noch endlich stinckt. Die Freüd der Erden und ihr Glück Währt offt kaum einen Augenblick.141

Entsprechend werden Lust und Freude gerne als ‚kurz‘142 oder wie in Ach wie flüchtig, ach wie nichtig als wechselhaft und unbeständig143 charakterisiert. Vom ‚Glück‘, dessen Unbeständigkeit mit den Mondphasen oder einem rollenden Rad verglichen wird, ist etwas seltener die Rede.144 Der eigentlich trügerische Charakter, das falsche Versprechen der weltlichen Freuden – daher auch „Schein=Lust“145 – liegt aber nicht in ihrer Unbeständigkeit, sondern darin, dass sie letztlich das genaue Gegenteil von 136

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J. Franck, Du, o schönes Weltgebäude (Str. 1,5–8): „Denen, die den himmel hassen, | Wil ich jhre weltlust lassen: | Mich verlangt nach dir allein, | Allerschönstes Jesulein.“ Ringwaldt, °Mein lieber Christ, steh doch was still (Str. 10); Schein, Mein Zeit nunmehr vorhanden ist (Str. 7,2); Müller, Lebt jemand so wie ich (Str. 3). Rist, O Blindheit, bin ich denn der Welt (Str. 3,1). Vgl. anon., Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, was widerstrebt (Str. 6,6) u. a. Triller, O Mensch, bedenk zu dieser Frist (Str. 5,3f): „Die lust der Welt geht gar zu grundt, | die sollen wir verachten“. M. Franck, Freud über alle Freude (Str. 10,5–8). Vgl. anon., Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, was widerstrebt (Str. 6,9); Weissel, Ich bin dein satt, o schnöde Welt (Str. 2,2); Gryphius, Die Herrlichkeit der Erden (Str. 6,1); anon., Wo kommt es here, dass zeitlich Ehre* (Str. 12,1f). M. Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Str. 3): „Ach wie flüchtig, | Ach wie nichtig | Ist der Menschen Freü de! | Wie sich wechseln Stund und zeiten, | Licht und Dunckel, Fried und streiten, | So sind unsre Fröligkeiten!“ Vgl. aber anon., Entreißt euch, meine Sinnen* (Str. 2–3), wo beide an die Carmina burana gemahnenden Bilder erwähnt werden. Das Auf und Ab des Rades als Bild für den unberechenbaren Lauf der Welt nennt anon., Die Welt, die Erzbetrügerin* (Str. 2,6; vgl. S. 181 Anm. 69); Johann Rist verwendet das Zu- und Abnehmen des Mondes für die Unbeständigkeit menschlicher Ehre und Herrlichkeit (°O Sicherheit, du Pest der Seelen, Str. 11,6–8; vgl. S. 176 Anm. 36). – Das Glück als Element in der Reihe der irdischen Güter findet sich noch bei M. Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Str. 6); anon., Wir leben wie ein Wandersmann (Str. 2,1). Roberthin, Des Lebens kurze Zeit (Str. 1,5).

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I. Vergänglichkeit

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Freude hervorbringen: „Eckel“146, „hohn vnd schmach“147, „Angst“148, „Angst vnd Quahl“149, „Angst vnnd Noth“150, „ewiges leid“151, „ewig Unlust“152 sind ihr Ergebnis. Das kann sich entweder auf den innerweltlichen Bereich beziehen, innerhalb dessen die Lust nicht andauert, oder auf die ewige Strafe im Jenseits. Die endgültige Scheidung von Gott wird ausdrücklich auch auf die Hingabe an weltliche Freuden zurückgeführt.153 Indem das Trachten nach weltlicher Freude im Lied als fehlgeleiteter und trügerischer, ja verderblicher Impuls erkannt wird, wird zugleich häufig ein umgekehrter Impuls gesetzt, ein ‚Suchen‘ oder ein ‚Warten‘, das wahre und andauernde Freude verspricht: „2. Wer an der Welt sich hat vergafft, Sehr kurtze Lust vnd Frewd sich schafft Vnd wird dort ewig müssen Die Lust mit Angst verbüssen. Wer aber sucht mit Innigkeit Allein in Christo Lust und Frewd, Der hat Gewinn am Sterben, Muß ewigs Heil ererben.“154 „3. Gute nacht, ihr eitlen freuden, Gute nacht mit eurem tand: Ihr seyds, die von Gott zu scheiden Mich offt habet angemahnt. Gute nacht: ich wart der freud, Welche bleibt in ewigkeit.“155

Dem fälschlich auf weltliche Dinge gerichteten Affekt der Lust wird durch das Lied eine entgegengesetzte Orientierung verpasst, die seine dauerhafte Erhaltung und unvergleichliche qualitative Steigerung erst ermöglicht: die „ewige Freude“ (Jes 35,10) des Himmels. Damit liegt das erste Beispiel für ein wesentliches Strukturmoment der Sterbe- und Ewigkeitslieder vor: die Kontrastierung von Welt und Himmel, die mit einer affektiven Wirkungsabsicht verbunden ist. Nachdem die Abkehr der Lust von der Welt hier nur angedeutet werden konnte, soll an späterer Stelle die im Lied 146

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M. Franck, Welt, gute Nacht mit deiner Pracht (Str. 7): „Die höchste Freüd | Bringt Reü und Leid, | Die, wie man Sie auch wendet, | Offt mehr betrübt | Als Lachen gibt | Und sich mit Eckel endet.“ Gryphius, Die Herrlichkeit der Erden (Str. 6,6). Weissel, Ich bin dein satt, du schnöde Welt (Str. 2,4). Roberthin, Des Lebens kurze Zeit (Str. 1,5f): „Vnd wo wir Schein=Lust finden, | Ist Angst vnd Quahl dahinden.“ Anon., Wo kommt es here, dass zeitlich Ehre* (Str. 12,4). Anon., Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, was widerstrebt (Str. 6,10). Anon. (J. C. F.), Wie, Seelchen, magst du länger kleben* (Str. 5,5f): „[…] biß ihre Lust dich dorthin führt / | wo ewig Unlust wird gespührt.“ Anon., Wo kommt es here, dass zeitlich Ehre* (Str. 12,5–8): „weltliche Frewden / | thun vns verleiten / | vnd gantz abscheiden / | vom ewign Gut.“ Vgl. auch Sohren, Gute Nacht, du eitles Leben (Str. 3,1–4). Weissel, Ich bin dein satt, o schnöde Welt (Str. 2,1–8). Sohren, Gute Nacht, du eitles Leben (Str. 3).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

angestrebte entgegengesetzte, also positive Ausrichtung der Affekte Lust und Freude auf Gott, auf das Sterben und auf den Himmel dargestellt werden. b) Schönheit, Jugend, Stärke Die vergängliche Schönheit fehlt ebenfalls in kaum einer strophischen Aufzählung der hinfälligen Güter des Menschen.156 Sie wird häufig anhand des menschlichen Antlitzes mit seinen glänzenden Augen, dem rotem Mund und den roten Wangen gerühmt und beklagt.157 Paul Röbers Lied Ach wie ein kleinen Augenblick158 konzentriert sich sogar ganz auf die Klage um die Schönheit und beschränkt sich dabei nicht auf das Antlitz (auch hier: Augen, Mund und Wangen), sondern nennt auch „Fleisch vnd Beine“ sowie die Gliedmaßen. Das Attribut der Schönheit taucht hier immer wieder auf, für jeden der genannten Körperteile wird ein vergleichendes Bild (Sterne, Edelstein, Purpurkleid, Schiff, Palmbaum [vgl. Hld 7,8]) gefunden, das die Schönheit und Kostbarkeit unterstreicht, und schließlich immer wieder die Frage gestellt: Warum muss diese von Gott gegebene und in der Gottebenbildlichkeit begründete Schönheit vergehen? Die Antwort gibt Str. 7: „O Sünd, O Sünd, du Schlangengifft, | Du, du tilgst vnsre Schöne“. Im letzten Abschnitt wird die Schönheit des Menschen im Himmel restituiert, zunächst an der Seele, dann auch am Leib; die zuvor ausgeführten irdischen Bilder werden dabei überboten.159 Wo nicht die Schönheit des Menschen, sondern die der Welt im Fokus der Betrachtung steht, erfährt sie eine stärkere Abwertung: Hier werden ihre bloße Äußerlichkeit und ihr Scheincharakter hervorgehoben.160 Verwandt und daher in den Liedern oft benachbart zur Betrachtung der menschlichen Schönheit sind Jugend, Stärke, Gesundheit – alles Begriffe, die sich wie der der Schönheit auf die körperliche Integrität des Menschen beziehen. Die Jugend ist das Lebensalter der körperlichen Stärke und Frische, die sich wiederum im Rot der Wangen161 und im Bild der Blüte162 ausdrückt. Die Hinfälligkeit dieser Blüte, die Bedrohung der körperlichen Integrität durch den Tod steht den Autoren drastisch vor Augen – auch die Jugend ist vor dem 156

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Vgl. z. B. M. Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Str. 4); M. Franck, Welt, gute Nacht mit deiner Pracht (Str. 6); anon., Sag, was hilft alle Welt* (Str. 3); anon., Mensch, sag an, was ist dein Leben* (Str. 5); anon., O was ist doch das menschlich Leben* (Str. 5–6) usw. Vgl. anon., O was ist doch das menschlich Leben* (Str. 5,1–4): „O was ist doch all pracht und prangen? | Was ist der schönsten äuglein glantz? | Was rohter mund? was lieblich wangen? | Sie sind doch wie ein rosen=krantz“. Altenburg 1627, vgl. FT I 537. Vertreten in Go-1648, D-1656, L-1673, N-1677/90. Zit. u. S. 492 (Str. 9–10) und S. 526 (Str. 11–12). M. Franck, Welt, gute Nacht mit deiner Pracht (Str. 6): „Dein schöner Schein | Trifft gar nicht ein | Dem eüsserlichen gläntzen, | Der offt schmiltzt eh’, | Als leichter Schnee | Zerschmiltzet in dem Lentzen.“ Gerhardt, °Mein Gott, ich habe mir (Str. 11,1–4; nach Ps 39,12): „Der schönen Jugend Krantz / | Der rothen Wangen Glantz | Wird wie ein Kleid verzehret | So hier die Motten nehret.“ Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 6,3f): „Heut blühen wir wie Rosen rot, | bald kranck vnd tod“; M. Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Str. 4,4–6): „Wie ein Blümlein bald vergehet, | Wenn ein rauhes Lüfftlein wehet, | So ist unsre Schöne, sehet!“; anon., Mensch, sag an, was ist dein Leben* (Str. 6,1–4): „Was ist jugend / frische jahre / | In der besten blühte stehn? | Junger muht und graue hare | Müssen mit dem tode gehn“. Die Rosenblüte ist bei Schein ein häufig verwendetes Bild in Begräbnisliedern für Kinder, vgl. S. 177.

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Tode nicht gefeit, und schon ein kleines Pestgeschwür reicht aus, um einen starken Mann zu Fall zu bringen: 5. Ach wie flüchtig, Ach wie nichtig Ist der Menschen Stärcke! Der sich wie ein Löw erwiesen, Überworffen mit den Riesen, Den wirfft eine kleine Drüsen!163

Der hinfälligen Stärke des Menschen, die keinen Halt besitzt, stellt Gryphius kontrastierend den Halt durch Gott als „die stärcke selbst“, als Ursprung und Inbegriff alles menschlichen Vermögens gegenüber: 11. Weil vns die lust ergetzet Vnd stärcke freye schätzet, Vnd jugendt sicher macht, Hat vns der todt gefangen Vnd jugendt, stärck vnd prangen Vnd standt vnd kunst vnd gunst verlacht. […] 15. Wol dem, der auff jhn trawet! Er hat recht fest gebawet; Vnd ob er hier gleich fält, Wirdt er doch dort bestehen Vnd nimmermehr vergehen, Weil jhn die stärcke selbst erhält.164

c) Reichtum, Besitz Am Besitzdenken lässt sich in vielen Liedern die Vergeblichkeit irdischen Mühens besonders deutlich plausibel machen. Im Hintergrund steht dabei die synoptische Tradition, etwa Jesu Kritik an der Herrschaft des Mammon. Der reiche Mann aus Lk 16, das Gegenüber des Lazarus, ist eine immer wieder genannte biblische Bezugsfigur.165 Dass das Hängen am irdischen Besitz den Menschen überhaupt an der Erde haften lässt, erhellt nach Auffassung vieler Texte aus der Natur der Schätze: Geld und Gold seien ihrer Herkunft nach letztlich nichts als Kot und Erde.166 In 163 164 165

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M. Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Str. 5). Gryphius, Die Herrlichkeit der Erden (Str. 11; 15). Vgl. Eyring, °O Mensch, gedenk der letzten Stund (Augsburg 1611; Str. 2,1–6): „Der Reiche Mann all tag wol aß, | Darbey vergaß | Vor seiner Thir der Armen; | Er ward getragen in die Höll, | Drinn leidt Er quell, | Im fewr mußt Er erwarmen.“ Ähnlich Heermann, O Mensch, bedenke stets dein End (Str. 11); anon., Wo kommt es here, dass zeitlich Ehre* (Str. 8–9). Richter, Steh doch, Seele, steh doch stille (Str. 3,2): „Gold ist nichts denn rote Erd“; anon., Sag, was hilft alle Welt* (Str. 5,3f): „Gold ist nur rothe Erd / | die Erd ist nicht viel werth“; Sohren, Gute Nacht, du eitles Leben (Str. 2,1f): „Gute nacht, ihr eitlen schätze, | Gute nacht, du güldner koth“; anon., Mensch, sag an, was ist dein Leben* (Str. 4): „Was ist reichthum? was sind schätze / | Nur ein gläntzend gelber koht.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Gregorius Richters Lied Steh doch, Seele, steh doch stille erscheinen sie als einer der Faktoren, die die Seele im wahrsten Sinne des Wortes so beschweren, dass sie an der Erde ‚kleben‘ bleibt, erdverhaftet, anstatt sich gen Himmel aufzuschwingen.167 Aussagen wie die von Rist, das Geld trenne von Gott,168 lassen an Jesu Mahnung denken, niemand könne zwei Herren dienen (Mt 6,24); die Analogie zur ‚Weltlust‘, die ebenfalls von Gott trennt, ist deutlich. An die Stelle von Gold und Geld kann bei der Zurückweisung des nichtigen Reichtums, die auch eine sozialkritische Komponente hat, die gesamte irdische Prachtentfaltung (‚Prangen‘) treten: Zierat, Edelsteine,169 reiche Kleidung.170 Samt, Seide und Purpur können nicht dauern; im Falle der Königsfarbe Purpur wird die Sozialkritik implizit durch Herrschaftskritik ergänzt.171 Purpur und Seide, Produkte von Schnecken und ‚Würmern‘ (Raupen), verweisen zudem wieder auf die Zugehörigkeit der materiellen Güter zur Erde und auf Zerfall und Verwesung. Wenn dieser Zusammenhang in dem verbreiteten Lied Sag, was hilft alle Welt* betont wird, so mag darin auch der Appell an den Ekel der Rezipienten enthalten sein, der seinerseits ein Element des erwünschten Weltüberdrusses darstellt: 6. Was ist das roth Gewand / das Purpur wird genant? Von Schnecken aus dem Meer / kom[m]t aller Purpur her. 7. Was ist die Seiden=Pracht? Wer hat den Pracht gemacht? Es haben Würm gemacht / den gantzen Seiden=Pracht. 8. Was seynd dann solche Ding / die wir schätzn nicht gering?

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Vgl. Richter, Steh doch, Seele, steh doch stille: Str. 1,3f: „dein Wille, […] Der so gar klebt an der Erde“; Str. 4,5f: „Schwing dich, Seele, von der Erden, | Soll dir doch der Himmel werden.“ Str. 10,5f: „Wilstu auff der Erden liegen? | Kanstu doch in Himmel fliegen!“ Str. 11,1f: „Wilstu dich in Kott so sencken, | So du bist zum Reich erkorn?“ Str. 13,1: „Wirff doch hin, was dich beschweret!“ Rist, O Gott, der du mit großer Macht (Str. 8,3f): „Was sol mir das verfluchte Geld | Als mich von Gott zu trennen?“ Anon., O was ist doch das menschlich Leben* (Str. 9,1–4): „O was ists doch mit edelsteinen? | Was ist smaragd / was hyacinth? | Der welt sie wol gar köstlich scheinen / | Doch von dem tod nicht köstlich sind?“ Ringwaldt, °Mein lieber Christ, steh doch was still (Str. 10,3f): [Untergehen musst du] „Sampt allen deinen Kleiderlein, | die nichts als haderlumpen sein“. Der Tod wird als Strafe nicht für die prächtige Kleidung („Federn“) verstanden, sondern für die hoffärtige Haltung, die sich darin ausdrückt (Str. 11): „Vnd zwar dein Federn straff ich nicht, | sondern die Hoffart die dich sticht, | Vor welcher du nicht weist gar ebn, | wie hoch du solt die Nase hebn.“ M. Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Str. 12): „Ach wie nichtig, ach wie flüchtig | Ist der Menschen Pran gen! | Der im Purpur hoch vermessen | Ist als wie ein Gott gesessen, | Dessen wird im Todt vergessen!“

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Erd / Würm / Koth / Schnecken=Blut / ist / das uns zieren thut.172

Die Unbeständigkeit des irdischen Besitzes erweist sich nicht erst angesichts des Todes: Schon vorher kann er durch Unfälle und Unwägbarkeiten, durch „Gluht und Fluth“, verloren gehen.173 Erst recht gilt das angesichts des Todes: Der Reichtum bietet keinen Schutz vor dem Tod;174 er ist hier, so der häufig begegnende Gedanke, gar nichts mehr nütze.175 Besitz kann der Mensch zwar anhäufen, aber nicht in den Tod mitnehmen176 – er muss ihn auf Erden zurücklassen.177 ‚Davontragen‘ lassen sich allenfalls immaterielle Güter, nämlich die guten Werke: „Hast viel guts thon, | so trags darvon, | sonst wird man dir nichts lassen.“178 Exemplarisch ist der Topos des ‚letzten Hemdes‘, Leichenkleides oder Leichentuches, des einzigen Besitzes, dessen der Mensch im Tod nicht beraubt wird. So spricht der Tote zum Lebenden: 6. Von all deim Reichthumb gibt man dir nicht gern ein altes Leylach schier, Dann ist dein Pracht vnd Ziert dahin vnd wirst gestalt wie ich jetzt bin.179

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Anon., Sag, was hilft alle Welt* (Str. 6–8). M. Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Str. 10): „Ach wie nichtig, | Ach wie flüchtig | Sind der Menschen S chätze! | Es kan Gluht und Fluth entstehen, | Dadurch, eh wir uns versehen, | Alles muß zu trümmern gehen!“ Vgl. Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 5): „Es hilfft kein Reichthumb, gelt noch gut | kein kunst noch gunst, auch stoltzer mut: | Fürn tod kein kraut gewachsen ist, | mein from[m]er Christ, | alles was lebet sterblich ist.“ Dach, Raffet auch der Tod die greisen Haare (Str. 3,1f): „Trotzt jhr Reichen nur auff ewre Schätze; | Könnt jhr auch entgehn des Todes Netze?“ Vgl. Gryphius, Die Herrlichkeit der Erden (Str. 5): „Dis alles wirdt zerrinnen, | Was müh vnd fleis gewinnen | Vnd sawrer schweis erwirbt. | Was Menschen hier besitzen, | Kan für dem todt nicht nützen; | Dis alles stirbt vns, wenn man stirbt.“ Gerhardt, °Mein Gott, ich habe mir (Str. 6,1–4 nach Ps 39,7): „Sie gehen in der Welt | Und suchen Gut und Geld | Der Schatten einen Schemen: | Und können nichts mit nehmen“. Vgl. z. B. anon., Mensch, sag an, was ist dein Leben* (Str. 10,3): „Alles must du andern lassen“; Gesenius/ Denicke, Wie lieblich sind daroben (Str. 6,7): „Ich muß es alles lassen“; anon., °O Mensch, bedenk jetzunder mich (Str. 5,3f): „Das alles must du lassen hie, | als wann du hie werst gwesen nie.“ Anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Str. 2,8–10). Die Bedeutung, die den ‚Werken‘ in diesem Zitat zukommt, wirft die Frage nach dem konfessionellen Ursprung des Liedes auf. Wackernagel (W V 1557.) entnimmt es dem katholischen Cornerischen Gesangbuch (1631), wobei die Autorangabe Petrus Franciscus unsicher und die Textfassung um vier vorgeschaltete Strophen erweitert ist (vgl. S. 188 Anm. 121). Drei von mir gefundene Belege ähnlichen Alters stammen allerdings aus dem lutherischen Bereich, nämlich aus der 2. Auflage von Joseph Clauders Psalmodia nova (Altenburg/Leipzig 1630), aus T-1631 und N-1637 (laut Vorrede dem Nachdruck einer verschollenen Ausgabe von 1631). Die vier im Cornerischen Gesangbuch vorgeschalteten Strophen sind hier nirgends enthalten. Anon., °O Mensch, bedenk jetzunder mich (Str. 6); „Leylach“ = Leintuch. In anderen Liedern ist es „nur ein Schweißtuch“ (Grünewald, Es woll ihm Gott genädig sein, Str. 6,6), „ein tuch ins grab“ (Gesenius/ Denicke, Wie lieblich sind daroben, Str. 6,8), eine „leynen wath“ [Tuch] (anon., Wir müssen alle sterben, o Mensch*, Str. 6,4), die der Mensch stellvertretend für seinen gesamten Besitz mit ins Grab bekommt – „vnd hett ers Keysers gut“ (Wir müssen alle sterben, o Mensch*, Str. 6,7).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

An anderer Stelle kann nicht einmal mehr dieses letzte Besitztum gehalten werden, so dass der Mensch ebenso nackt in die Grube fährt, wie er vom Mutterleibe kam (vgl. Hi 1,21): „Alles must du andern lassen / | Nackt zur grube kriechen ein“180. d) Wertschätzung durch die Mitmenschen Ein weiterer Bereich von irdischen Gütern, deren Nichtigkeit der Tod erweist, betrifft Ruhm und Ehre, also all das, was der Mensch in der Öffentlichkeit aufgrund seiner Stellung oder seiner Taten bei den Mitmenschen gilt. Dazu kommen zwischenmenschliche Beziehungen wie Gunst, Freundschaft und Liebe. Die Flüchtigkeit des Ruhmes, dessen großer Feind das Vergessen ist,181 betonen schon die Liedautoren des 16. Jahrhunderts (Triller, Leon): aus den Augen, aus dem Sinn.182 Sobald der Mensch gestorben ist, erlischt auch das Interesse der Mitmenschen an seinen vormals gerühmten Taten.183 Indem sie ihn mit Füßen treten, entlarven sie die ihm zuvor erwiesene Ehre als Heuchelei,184 die Liebe als falsch.185 Verlässlicher und dauerhafter als die öffentliche Wertschätzung durch Ruhm und Ehre seien auch ihre privateren Formen wie Freundschaft und Liebe nicht. Der Begriff der ‚Gunst‘, der in diesem Zusammenhang häufiger auftaucht, ist im Sinne der Vorteilsvergabe durch einen Überlegenen zu verstehen, gelegentlich aber auch im Sinne von gleichberechtigtem freundschaftlichem Wohlwollen oder Zuneigung:186 6. Ach was ist doch Menschen Gunst? Nur ein blauer Nebel=Dunst. Lieber, trau dem Freunde nicht, Auch der Bruder Glauben bricht.187

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Anon., Mensch, sag an, was ist dein Leben* (Str. 10,3f). Vgl. Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 4): „Was ist der mensch? ein erdenkloß, | vom muterleib kom[m]t er nackt vnd bloß, | Bringt nichts mit jm auf dise welt, | kein gut noch gelt, | nimmt nichts mit jm, wenn er hinfellt.“ Zu Hi 1,21 vgl. unten S. 454. Triller, O Mensch, bedenk zu dieser Frist (Str. 1,1f; 2,7): „O Mensch, bedenck zu dieser frist, | was dein rhum ist auff Erden […] sein thun wird bald vergessen.“ Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 7): „Man tregt eins nach dem andern hin, | wol auß den augen vnd den Sin, | Die Welt vergisset vnser bald, | sey jung oder alt, | auch vnser ehren manigfalt.“ Dieselbe Wendung auch in Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Str. 13,3), s. u. Gryphius, Die Herrlichkeit der Erden (Str. 3): „Der ruhm, nach dem wir trachten, | Den wir vnsterblich achten, | Ist nur ein falscher wahn. | Sobald der Geist gewichen | Vnd dieser mundt erblichen, | Fragt keiner, was man hier gethan.“ M. Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Str. 5): „Ach wie flüchtig, | Ach wie nichtig | Ist der Menschen E h re ! | Über den, dem man hat müssen | Heüt die Hände höflich küssen, | Geht man morgen gar mit Füssen!“ Müller, Ade, du süße Welt (Str. 6): „Fahr hin mit deiner Gunst / | falsch lieben ist die Kunst / | dadurch man wird betrogen / | bist du mir nicht gewogen? | Was frag ich nach den Lieben / | das endlich muß betrüben?“ Vgl. DWB s.v. ‚Gunst‘ B 1; pejorativ B 5. Rosenthal, Ach was ist doch unser Lebn? (Str. 6); vgl. anon., O Flüchtigkeit, o Eitelkeit* (Str. 4): „Was Menschen=Gunst? | Nuhr Schatten / Dunst“.

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Auf die ‚Gunst‘ der Mitmenschen ist so wenig Verlass wie auf das „Aprillen=Wetter“188. Auch die nächsten Angehörigen, so zeigt sich im Tod, sind in ihrer Zuneigung eigennützig; ihre Trauer ist rasch vergessen, wenn es an die Verteilung der hinterlassenen Besitztümer geht: 6. Bald nach dem Todt mit deinem Leib wird man dem Grab zueylen, Der letzte Trost von Kind vnd Weib ist weynen vnd groß heulen. Ein halben Tag wert dann jhr Klag, biß Morgen werdens lachen, Man wirfft dich nein, es muß nur seyn, man thuts keim anders machen. […] 8. Dein Freundschafft wird ein kleine zeit vmb deinen Tod sich klagen, Ein mantel vnd ein schwartzes Kleyd ein halbes Jährlein tragen, Dann spricht die Rott ‚genad jm Gott‘, deinr hat sie schier vergessen, Theilen dein Haab, so du im Grab von Würmen wirst gefressen. […] 13. Wann dann du bist genommen hin kein Mensch wird nach dir fragen: ‚Was aus den Augen auß dem Sinn‘ thut das gmein Sprichwort sagen. All Lieb vnd trew wird man ohn Schew mit dir ins Grab nein scharren: Weh, wem die Welt so sehr gefellt! jhr Freund seynd lauter Narren.189

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Anon., O Flüchtigkeit, o Eitelkeit* (Str. 4): „Was Menschen=Gunst? | Nuhr Schatten / Dunst / | Und wi di Rosen=Blätter: | Si ändert sich Oft wochentlich | Wi das Aprillen=Wetter.“ Anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Str. 6; 8; 13). Vergleichbare Schilderungen finden sich etwa in anonymen Liedern aus Nürnberger Gesangbüchern: Wir müssen alle sterben, o Mensch* (Nürnberg 1599 u.ö., Str. 7,5–7): „Die freundt theilen das Gut behend / | offt mit greinen vnd zancken / | dardurch Gott wirdt geschendt.“ Ich weiß nicht, wann ich sterben muss* (Nürnberg 1637, Str. 5,3–6,4): „[…] vnd wen[n] die Glock verleurt jhren Thon | so haben die Freund meiner vergessen schon. || Ehe daß verfault mein Leib vnd Blut / | ehe jhn ein Würmlein angreiffen thut / | so theiln die Freund mein Gut mit zanck / | vnd sagn mir doch nicht einmal Danck.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Die didaktisch motivierte Ausmalung der Treulosigkeit der Freunde im Vorfeld des Todes steht freilich im Gegensatz zu der literarischen Tradition des Lobes, mit dem Verstorbene in Begräbnisliedern bedacht werden (vgl. S. 439); nach dem Tod ist positives Erinnern also durchaus möglich. e) Macht Der herrschaftskritische Einschlag der Vergänglichkeitsbetrachtung ist bereits angeklungen und wird auch in der Totentanzthematik nochmals Erwähnung finden; in der Reihe der nichtigen irdischen Güter sind weltliche Macht und militärischer Erfolg190 ebenfalls ein klassisches Element. Thronen, Kronen und Szeptern als den Insignien der Macht wird ebenso wie anderen Besitztümern die Fähigkeit abgesprochen, Schutz vor dem Tod zu bieten.191 Der König liegt nach seinem Tod in einem engen Sarg statt im weiten Königssaal, sein Palast wird niedergerissen, die Herrschaft übernimmt ein anderer.192 Indem der Tod auch den Mächtigsten und Höchstgestellten zur Erde erniedrigt, kehrt er die weltlichen Verhältnisse um (vgl. Lk 1,52).193 Der vergänglichen, dem Tode verfallenen weltlichen Macht, die vor dem Tod nicht schützt, wird bei Gryphius wieder die ewige Königsherrschaft Gottes gegenübergestellt und dem Menschen als Zuflucht empfohlen: 7. Du must vom ehren Throne, Weil keine macht noch krone Kan vnvergänglich seyn. Es mag vom Todten reyen Kein zepter dich befreyen, Kein Purpur, Gold noch Edler stein. […] 14. Verlache welt vnd ehre, Furcht, hoffen, gunst vnd lehre Vnd fleuch den HERREN an, Der jmmer König bleibet, Den keine zeit vertreibet, Der einig ewig machen kan.194

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Vgl. anon., O was ist doch das menschlich Leben* (Str. 2–3) mit Alexander dem Großen als Beispielfigur. Vgl. z. B. anon., Sag, was hilft alle Welt* (Str. 2): „Was hilfft der hohe Thron / | das Scepter und die Kron?“ Vgl. anon., Entreißt euch, meine Sinnen* (Str. 5,5–8): „Der scepter und die krone / | Deß königs purpurkleid / | Kriegt doch den tod zum lohne / | Und ist nur eitelkeit“; anon., Es sind doch nur Eitelkeiten* (Str. 2,1f): „Eitel ist des scepters würde / | Eitel ist der kronen bürde“; Gryphius, Die Herrlichkeit der Erden (Str. 7, s. u.). Vgl. anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Str. 11–12). Vgl. M. Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Str. 11,4–6): „Der durch Macht ist hoch gestiegen, | Muß zu letzt aus unvermügen | In dem Grab erniedrigt ligen!“ Gryphius, Die Herrlichkeit der Erden (Str. 7; 14). Zum „Todten reyen“ vgl. S. 248.

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I. Vergänglichkeit

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f) Kunst und Weisheit Ein letztes Element unter jenen Gütern, die regelmäßig als nichtig eingestuft werden, ist die ‚Weisheit‘. Damit kann eine langjährige Lebenserfahrung gemeint sein: Angesichts des Todes „Hilfft nicht alle Weißheit vieler Jahre“, so Dach.195 Biblischer Patron der Weisheit ist Salomo, den der Tod ebenso ereilt hat wie alle anderen Menschen auch.196 Im Zusammenhang mit der Weisheit fällt häufig der Begriff der ‚Kunst‘: Während „hochgelahrte kunst“197 den Konnex zur wissenden Gelehrsamkeit ausdrückt, betont die Verbindung „kunst und geschicklichkeit“198 den Aspekt des ‚Könnens‘, des Beherrschens bestimmter Fertigkeiten. Das kann die Fähigkeit sein, gewandt zu reden,199 sich schöpferisch zu betätigen200 oder spekulativ und abstrakt zu denken – so buchstabiert ein anonymes Lied „weise seyn“ aus als „tieff speculieren“ und „subtil philosophiren“201. Ein anderes exemplifiziert die gelehrten Fertigkeiten etwas unbeholfen an berühmten Beispielen aus der Antike: 6. Wo ist Virgilius / auch Aristoteles / Plato / Empedocles / mit jhrer Kunst / jhr hoch studiren / jhr speculiren / jhr trefflich lehren / ist alls vmbsonst. 7. Von Cicerone / hab ich vernom[m]en / daß er hab können / wol reden fein / jhn halff kein reden / kein Klag noch beten / kondt sich nicht retten / von Todtes Pein.202

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Dach, Raffet auch der Tod die greisen Haare (Str. 1,2). Vgl. Gryphius, Die Herrlichkeit der Erden (Str. 4,1): „Es hilfft kein weises wissen“; anon., Mensch, sag an, was ist dein Leben* (Str. 3,6): „Nichts hilfft klug und weise seyn.“ Dach, Raffet auch der Tod die greisen Haare (Str. 2,1f): „Wo ist Salomon der weyse blieben? | Ist er durch den Tod nicht auffgerieben?“ Anon., Mensch, sag an, was ist dein Leben* (Str. 3,2). Anon., O was ist doch das menschlich Leben* (Str. 4,4). M. Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Str. 8): „Ach wie nichtig, | Ach wie flüchtig | Ist der Menschen Wiss en! | Der das Wort kunt prächtig führen | Und vernünfftig discurriren, | Muß bald alle Witz verlieren!“ M. Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Str. 9): „Ach wie flüchtig, | Ach wie nichtig | Ist der Menschen Ti ch te n ! | Der, so Kunst hat lieb gewonnen | Und manch schönes Werck ersonnen, | Wird zu letzt vom Todt erronnen!“ Anon., O was ist doch das menschlich Leben* (Str. 4,1–3). Anon., Wo kommt es here, dass zeitlich Ehre* (Str. 6–7).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Beim Tod stößt die Weisheit der Welt auch insofern an ihre Grenze, als sie über den Verbleib der Seele nach dem Tod keine Auskunft zu geben vermag; die Antwort („Bey Christo“) ist nur aufgrund von Gottes Wort möglich.203 Eine besondere ‚Kunst‘ freilich zielt auf den Erwerb einer Fertigkeit, die sich gerade auf diesen menschlichem Wissen entzogenen Bereich erstreckt: die Ars moriendi oder Sterbekunst (vgl. S. 263). g) Vergänglichkeit der gesamten Schöpfung Alle Elemente aus der Reihe der nichtigen irdischen Güter explizieren letztlich entweder die Rede von der Nichtigkeit und Vergänglichkeit des menschlichen Lebens oder die von der Eitelkeit der Welt. Dabei kann entweder die Klage über den Verlust der Güter oder die Abwertung der irdischen Verhältnisse (contemptus mundi) stärker im Vordergrund stehen, je nachdem, ob die Güter eher dem Menschen selbst als mit dem Leben verbundener Besitz zugeordnet sind oder eher der ohnehin von vorneherein als ‚falsch‘ apostrophierten Welt. So macht es einen Unterschied, ob etwa ,deine‘, ‚unsere‘ oder ‚der Menschen‘ Schönheit bedacht wird oder die Schönheit der Welt, die nicht am Leben eines Einzelmenschen haftet und nicht direkt auf den Menschen bezogen ist. Dass die Vergänglichkeit nicht nur den Menschen, sondern auch ausnahmslos seine nichtmenschliche Umgebung und damit den gesamten geschaffenen Kosmos bis zum geschaffenen Himmel und seinen Gestirnen204 betrifft, hat die lutherisch-orthodoxe Dogmatik in der Lehre von der radikalen ‚annihilatio mundi‘ besonders hervorgehoben.205 Entsprechendes findet sich auch in vielen Liedern, die von der Eitelkeit handeln: Gryphius’ Formulierung „DIe Herrlichkeit der Erden | Mus rauch vnd aschen werden“206, in der ein finaler Weltbrand angedeutet wird, ist nur das berühmteste Beispiel; auch bei Michael Franck heißt es: „Alles, alles, was wir sehen, | Das muß fallen und vergehen“ – ergänzt um den hoffnungsvoll gestimmten, paränetischen Schlussvers des ganzen Liedes: „Wer GOtt fürcht, wird ewig stehen“207.

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Störner, °Es traur, was trauren soll (Str. 2; 3,13). Das Lied Urban Störners (nach FT I 220. Danzig 1627; nach Kessler, Gesangbücher, 108 bereits Danzig 1626) ist nicht nur in zeitnahen Folgeauflagen des Erstbelegs nachzuweisen (z. B. D. Marth. Luthers […] geistreiche Lieder, Psalmen und Lobgesänge, Danzig 1629), sondern auch in einem Lüneburger Stern-Druck von 1671 mit ähnlichem Titel, der von der Danziger Gesangbuchtradition offensichtlich abhängig ist, wie die Auswahl und Abfolge der Lieder und Rubriken zeigt. Vgl. anon., O was ist doch das menschlich Leben* (Str. 7,1–4): „O was ist doch die blaue decken | Der welt / was ist das güldne rad / | So uns thut fort den tag erwecken / | Wenn der bey uns geschlaffen hat?“ Vgl. Stock, Annihilatio mundi. Vgl. Gryphius, Die Herrlichkeit der Erden (Str. 1). M. Franck, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (Str. 13,4–6). Vgl. anon., Es ist doch in diesem Leben* (Str. 6): „Muß nicht selbst einmahl verschwinden / | Diese Welt so weit und breit / | Ja zum Grabe muß sich finden | Auch die Schönheit dieser Zeit“; anon., Entreißt euch, meine Sinnen* (Str. 1,7f): „Zu nichts muß alles werden / | Und sterben mit der zeit.“

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I. Vergänglichkeit

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4. Vergänglichkeit und Sterblichkeit aus theologischer Sicht Zur zeitlich begrenzten Dauer des Menschen und der Welt bildet Gottes Ewigkeit einen fundamentalen Kontrast, der in den Präexistenz- und Ewigkeitsaussagen von Ps 90 deutlich zur Geltung kommt: Gott ist von Ewigkeit her, noch ehe die Welt geschaffen wurde (Ps 90,2). Paul Gerhardts Liedfassung von Ps 90 rühmt ihn als den „Anfang aller Dinge“208, und die Fassung von Simon Dach ergänzt zur Ewigkeit Gottes im Anfang diejenige am Ende, „wenn alles nichts mehr ist“; die menschliche Vergänglichkeit wird ihr direkt gegenübergestellt („Hergegen, ach! wir Menschen sind“ usw.).209 Bartholomäus Ringwaldt dehnt in seiner Fassung die Ewigkeitsaussage über Gott von Ps 90,2 insofern auch auf die Menschen aus, als er sie im Sinne der Providenz umzudeuten weiß: Von Ewigkeit her hat Gott nicht nur existiert, sondern auch die Seinen ausersehen, gewusst und gekannt.210 Eine andere Bezugsstelle für den Kontrast von Vergänglichkeit und Ewigkeit, freilich nicht in Bezug auf Gott selbst, sondern auf sein Wort, ist Jes 40,6.8 (vgl. 1Petr 1,24f): Des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit. Etwa Harsdörffer spielt darauf an und stellt dem Wort des Herrn wiederum die Vergänglichkeit der Welt gegenüber.211 a) Die Ursachen der Vergänglichkeit In den vorangegangenen Abschnitten wurde untersucht, wie die Flüchtigkeit des Lebens, der Welt und der irdischen Güter in den Liedtexten dargestellt wird. Tatsächlich steht oft die Klage über die Vergänglichkeit im Vordergrund, ohne dass über ihre Ursachen ausdrücklich reflektiert würde. Die bisher behandelten Texte und Textpassagen bieten dabei keine reine Beschreibung der Phänomene der Vergänglichkeit, keine bloße Phänomenologie. Ihr theologischer Deutungsgehalt ist vielmehr in der negativen Beurteilung dieser Phänomene zu sehen, wie sie sprachlich im Gestus der Klage zum Ausdruck kommt: Die Welt als das „Jammerthal“ ist die Gott grundsätzlich entgegengesetzte Sphäre, die durch ihre nichtigen Güter die Menschen von Gott trennt, sie um seine Wahrheit betrügt und dem Tode anheimgibt. Zuweilen wird jedoch auch die Frage nach der Ursache der Vergänglichkeit gestellt; damit wird eine weitere, tiefere theologische Dimension berührt. Die Frage kann rein von Gott her oder auch vom Menschen her beantwortet werden: Als Ursachen der Vergänglichkeit werden einerseits der souveräne und dem Menschen bisweilen undurchdringliche Wille Gottes, andererseits – und dies vor allem – die Sünde des Menschen genannt. Was den souveränen Willen Gottes betrifft, so bezieht sich etwa Simon Dach gelegentlich darauf – etwa in dem Lied Herr, du tust, was dir gefällt 208

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Gerhardt, Herr Gott, du bist ja für und für (Str. 1,3–7): „Du bist gewesen eh allhie[r] | Gelegt der Grund zur Erden: | Vnd da noch kein Berg war bereit | Da warst du in der Ewigkeit | O Anfang aller Dinge!“ Dach, Du, Gott, bist außer aller Zeit (Str. 1–2). Vgl. Ringwaldt, O Gott, der du die Menschenkind (Str. 1): „O Gott, der du die menschenkind | so deinen Son bekennen | Ehe denn die berg geschaffen sind | hast wissen fein zu nennen, | Vnd sie gesehn im Gnadenbund | ehe denn da ist der erden grund | durchs Wort geleget worden“. Vgl. Harsdörffer, °Jerusalem, du Friedensstadt (Str. 6,7–10): „Die Welt muß bald vergehen | Mit jhrem überstoltzen Pracht, | Mit jhrer Frevelvollen Macht; | Mein Hort, dein Wort bestehet!“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

oder in Was stehn und weinen wir zuhauf212. Die getroste Zuversicht in die Güte des Gotteswillens, wie sie sich etwa in Dachs Was soll ein Christ sich fressen ausdrückt, fehlt vor allem in dem zuerst genannten Lied; umso nachdrücklicher wird hier auf seiner Souveränität beharrt. Im Zusammenhang mit den Begräbnisliedern wird noch Gelegenheit sein, diese Problematik zu vertiefen (vgl. ab S. 452). Im Folgenden sollen dagegen einige Aspekte der menschlichen Sünde als Ursache der Sterblichkeit untersucht werden. b) Schlangengift und Adams Fall Besonders eindringlich wird die Frage nach der Ursache der Sterblichkeit in Paul Röbers Lied Ach wie ein kleinen Augenblick gestellt: Sie drängt – in Form der Frage nach dem Grund für die Vergänglichkeit menschlicher Schönheit – über viele Strophen hin bis zur Auflösung: „O Sünd, O Sünd, du Schlangengifft, | Du, du tilgst vnsre Schöne“ (vgl. S. 194). Indem zunächst die Schönheit in die Nähe der Gottebenbildlichkeit gerückt (vgl. Gen 1,27) und anschließend die Schlange erwähnt wird, ist der Locus classicus für die Begründung der Sterblichkeit präsent: die Erzählung vom Sündenfall und der vorausgegangenen Warnung, vom Baum der Erkenntnis zu essen (Gen 2,17). Daneben sind die paulinische Aussage vom Tod als „der Sünde Sold“ (Röm 6,23) und die des Psalters von Gottes Zorn zu nennen, der die Menschen sterben lässt (Ps 90,7f; vgl. S. 206).213 Damit zunächst zu „Adams Fall“, wie er im Lied schlechthin zu diesem Thema genannt wird, in Lazarus Spenglers °Durch Adams Fall ist ganz verderbt (Wittenberg 1524). Ringwaldt greift in seiner Liedfassung von Ps 90 auf das Incipit des reformatorischen Liedes zurück und appliziert damit die Sündenfallerzählung quasi in den Psalm: 2. Sih doch, wie wir durch Adams fall so schendlich sind verderbet, Der todt der folgt vns vberall vnd ist vns angeerbet, Er steckt in vnserm fleisch vnd bein vnd nagt die menschen, gros vnd klein, biß das er sie vertreibet.214

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Vgl. Dach, Was stehn und weinen wir zuhauf (Str. 2): „Der Mensch, sein schönes Meisterrecht, | Sein Wunsch, sein Nachbild, sein Geschlecht, | Der nicht ohn Ihn kan werben | Dies Tageliecht, | Solt’ er auch nicht | Nach seinem Willen sterben?“ Ein frühes Beispiel aus dem 16. Jahrhundert (Nürnberg o.J.) ist das anonyme Herr Gott, dein Gwalt (Str. 1,10f): „Vnd ob das leben mit vergeet, | so gschichts nach deynem willen.“ Vgl. Hutter, Comp. 29,2: „Quae est causa Mortis? Causa primaria est peccatum, Genes. 2,17. […] Rom. 6,23. […] Rom. 5,12. Per unum hominem peccatum in mundum intravit, & per peccatum mors.“ Ringwaldt, O Gott, der du die Menschenkind (Str. 2). Die Strophe bildet den Kontrast zu Str. 1, in der Gottes ewiger Heilswille geschildert wird (vgl. Anm. 210).

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Weitere Bezugnahmen auf Adams Fall als Ursache der Sterblichkeit gibt es bei Schein, Werner und Albert.215 Eine originelle Variante des Motivs bietet Rist, der den Sündenfall als ‚Bund‘ des Menschen mit dem Tod interpretiert: 7. Wir wissen / waß für einen Bund Der Tod mit uns getroffen / Er meldet weder Zeit noch Stund / Umsonst ist alles Hoffen / Wir haben selbst den Bund gemacht Alß Adams Fall uns hat gebracht Das wolverdiente Sterben.216

Während Ringwaldt die Sterblichkeit als ererbte Folge von Adams Fall darstellt, betont Rist in dieser Strophe die verantwortliche Beteiligung jedes einzelnen Menschen, die damit auch die Liedrezipienten inkludiert: „Wir haben selbst den Bund gemacht“. Ganz narrativ behandelt Schein den Stoff vom Sündenfall, aber diesmal nicht auf Adam, sondern aus gegebenem Anlass auf Eva bezogen: Das Lied Eva durch ihr begangne Schuld ist von ihm auf den Tod der Sechswöchnerin (Kindbetterin) Euphrosina Kramer gedichtet und komponiert worden. Nach der Schilderung des Sündenfalls und der Strafen für Schlange, Eva und Adam (Str. 1–4) folgt die applicatio in die Gegenwart: 1. EVa durch ihr begangne schuld / zwar von der Schlang betrogen / Verschertzet hatte Gottes huld / Sein zorn auf sich gezogen / Indem sie wider sein Verbot / Des Apffels thet geniessen / Daher vns noch Creutz / Jam[m]r vn[d] Not Zur straff d[er] sünd thut fliessen. […] 5. Rührt vns nun itzt dergleichen Noth / Darffs vns nicht wundern eben / :/: Als vngerecht wer vnser Gott / Straff vnverschuldt thet geben: Denn weil wir all sind Evae Kind / So müssn wir vns bescheiden / Daß wir ererbet han die Sünd / Darumb wir müssen leiden.217

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Schein, Mit Trauren, Weinen, Klagen (Str. 3,1f): „Rührt alles von der Sünde / Vnd Adams ersten Fall“; Werner, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl (Str. 1); Albert, Dass alle Menschen sterblich sein (Str. 1,1–3): „DAß alle Menschen sterblich seyn, | Das macht die Sünde nur allein, | Die Adam hat begangen.“ Rist, Lebt doch ein jeder Mensch im Streit (Str. 7,1–7). Schein, Eva durch ihr begangne Schuld (Str. 1; 5).

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Ähnlich wie Ringwaldt verweist Schein auf den ererbten Charakter der Sünde; dabei tritt er ausdrücklich dem Vorwurf entgegen, diese von Gott verhängte Strafe sei „vngerecht“, da sie Menschen „vnverschuldt“ treffe. Offenbar hielt er die dargebotene Lehre nicht aus sich heraus für so plausibel, dass sie keiner derartigen Erläuterung bedurfte. Der paulinischen Rede vom Tod als „der Sünde Sold“ ist die Vorstellung inhärent, Sünde und Tod bildeten zueinander eine Art wirtschaftlichen Gegenwert: Mit dem Tod bezahlt der Mensch für die Sünde, er erwirbt den Tod durch die Sünde, Gott lohnt ihm die Sünde mit dem Tod; an all dies erinnert er sich in der Todesstunde, um nun den Preis für seine Sünde bereitwillig zu zahlen.218 Ein verwandtes Bild ist das des Zolls, der im Tod zu entrichten sei, entweder an den Tod selbst oder an Gott.219 Dieser Gedanke steht nicht ausdrücklich mit der Sünde in Verbindung, sondern gehört eher in den Vorstellungsbereich der Peregrinatio und des Übergangs – den Ausgang aus dem irdischen Leben muss der Mensch mit eben diesem Leben bezahlen. c) Gottes Zorn (Ps 90,7f) Dass die Sünde letztlich den Tod nach sich zieht, wird auch mit dem Zorn Gottes begründet, den sie auslöst. An vielen Stellen ist davon die Rede, dass Gott über die Sünde zürnt; auch das lateinische Media vita fleht zum Herrn als demjenigen, „qui pro peccatis nostris iuste irasceris“220. In Ps 90,7f wird dieser Gedanke ausdrücklich in einen Zusammenhang mit der Sterblichkeit des Menschen gebracht, den zahlreiche Lieder aufgreifen. Zu unterscheiden ist bei der Rede vom Zorn Gottes allerdings, ob er in der Welt, im (zeitlichen) Tod oder in der Ewigkeit wirksam wird. Üblicherweise wird auch die typische Reihe von innerweltlichen Plagen mit dem Zorn Gottes über die menschlichen Sünden erklärt: Krieg, Pest, Teuerung, Hunger, Dürre, Überschwemmung und ähnliche Heimsuchungen werden als Schläge mit Gottes ‚Zornesrut‘ empfunden. In diesem Sinne ist der Zorn nicht ursächlich für die Sterblichkeit,221 denn die Sünde wird ja noch in der Welt verbüßt. Daher taucht eine ganz bestimmte Bitte in einer Vielzahl von Texten auf. Sie hat die Grundstruktur ‚Strafe hier, schone dort‘: Es ist besser, wenn Gottes Zorn den Menschen in diesem Leben trifft als in der Ewigkeit; daher wird für die Gegenwart gerade nicht um Verschonung, sondern nur um „Geduld im Creutze“222 gebeten – vielleicht wird 218

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Vgl. Vorberg, Ist meine Wallfahrt nun vollbracht (Str. 2,1–4): „Legt euch nun hin, mein fleisch und bein: | Der zoll und sold der sünden | Muß doch einmal erleget seyn, | Der tod wird ihn wol finden.“ Weissel, Kurz ist die Zeit, kurz sind die Jahr (Str. 2): „GOTT lesset zwar die Menschen=Kind | Absterben wegen jhrer Sünd; | Die Sünde also lohnet. | Die Sünd den Tod | Geworben hat, | Der keines nicht verschonet.“ Vgl. Dach, Wer weiß Bescheid, der Sterblichkeit (Str. 3,1–3): „Wenn ich nun soll | Des Lebens Zoll | Durch meinen Todt dir reichen“; Schottelius, Was ist doch unser Lebenszeit (Str. 7,1–4): „Wol dem, der dieses recht betracht | Und so bestellt sein leben, | Daß er sich stündlich fertig macht, | Dem tod den zoll zu geben“. Media vita in morte sumus (V. 4f); vgl. Luther, Mitten wir im Leben sind (Str. 1,6f): „uns rewet unser missethat, | die dich Herr erzurnet hat.“ So z. B. in Ph. Nicolai, So wünsch ich nun ein gute Nacht (Str. 9,1f; nach Ps 42,5): „Ich sehe / daß dein Zorn / wie ein Flut | Dem gantzen Land begegnet“. Homburg, Nun, mein Gott, ich bin’s zufrieden* (Str. 6,8).

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sein Zorn, so die Logik des Gedankens, durch die büßerische Haltung besänftigt. Einige Beispiele: „4. Sols ja so seyn, Daß Straff vnd Pein Auff Sünde folgen müssen, So fahr hier fort Vnd schone dort Vnd lass mich ja wol büssen.“223 „3. […] Ach HErr züchtige meinen Leib / In dieser Zeit / Spare mirs nicht auff mein Seele“224. „6. Nun / Herr / hie seng / brenn immer fort / Vmb vnser Sünden willen / :/: Schon aber nur an jenem Ort / Laß deinen Zoren stillen: Daß er nicht brenn in Ewigkeit […]“225 „9. Darüm laß die Straf ’ ergehen, Schlage zu und steupe fort, Liebster Gott, und schone dort. Doch damit Ichs auß=kan=stehen, So verleihe Mir Geduld Nach verborgner Vaterhuld.“226 „21. Gieb meinem Jammer keine Ruh, Ich schliesse meinen Mund dir zu. Wil nichts dawieder sagen. Fahr jmmer fort! Nur laß mich dort, O Vater, vngeschlagen.“227 „17. O Ewigkeit, O Ewigkeit, wie lang bist du, o Ewigkeit! Als dich Sanct Augustin betracht, ‚hie brenn, hie schneid’ zu Gott er sprach, ‚Straff hie nach der Gerechtigkeit, verschon allein in Ewigkeit‘.“228 223 224 225

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Rutilius, Ach Gott und Herr, wie groß und schwer (Str. 4). Anon., O Jesu Christ, wahrer Gottessohn* (Str. 3,4–6). Schein, Ich will still und geduldig sein (Str. 6,1–5); vgl. auch Schein, Mein Herz ruht und ist stille (Str. 3,5f; 1624): „Drumb brenn vnnd seng hier immer fort / Schon nur / O Herr / an jenem Ort.“ Neumark, Ich bin müde, mehr zu leben (Str. 9). Dach, °Wie lang soll deine Zornflut sich (Str. 21). Anon., °O Ewigkeit, o Ewigkeit (Str. 17). Das Lied stammt ursprünglich aus einem Kölner Gesangbuch von 1625 (vgl. W V 1509., so hier zitiert) und wird in der Ewigkeits-Rubrik lutherischer Gesangbücher (z. B. N-1677) in einer veränderten Fassung von Daniel Wülffer verwendet (Nürnberg 1648, vgl. FT III

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Einen Konnex zwischen innerweltlicher Strafe und zeitlichem Tod stellt dagegen das anonyme Lied Ich stund an einem Morgen* her.229 Für „ewr sündlichs Leben / | vnnd Boßheit mancherley“ hat Gott manche zeitliche Heimsuchung geschickt: Franzosenplage, Teuerung und Streit. Damit will er die Menschen noch rechtzeitig, also vor dem leiblichen Tod, zu Buße und Umkehr bewegen. Doch Hoffart, Wucher und Unkeuschheit dauern an; darum kommt der Tod nun selbst und droht: „ich wil nicht lenger warten / | denn kommen ist der Tag […] Daß ich euch selbst wil würgen“. Zum Schluss wird dann noch einmal zur Buße aufgerufen, denn „So wird Gottes zoren minder“. In dem Lied Ich stund an einem Morgen* wird der Zorn Gottes also durch konkrete Verfehlungen ausgelöst, für die die angeredeten Menschen mit dem Tod büßen müssen, wenn sie nicht schon vorher ausreichend Buße getan haben. Anderen Texten zufolge bezieht sich der für den Tod ursächliche Zorn auf die Erbsünde und damit auf das ganze Menschengeschlecht nach dem Fall. Der Reim ‚Zorn‘ – ‚[in Sünd] geborn‘ taucht dabei häufiger auf. Ist der Mensch in Sünde geboren, so ist er auch im Zorn geboren; und da das nach dem Fall für alle gilt, sind auch alle sterblich, denn es ist – so Schein mit Ps 90,7 – der Zorn, der den Menschen dahinfahren lässt.230 Ringwaldt sieht den gerechten Zorn Gottes, der die Menschen sterben lässt, konkret in der Übertretung der Gebote begründet, die aber ihrerseits aus der Erbsünde resultiert.231 Darüberhinaus ist die Furcht vor dem Zorn Gottes ein wesentlicher Bestandteil der Anfechtung durch die Sünde, die angesichts des Todes in besonderer Weise virulent werden kann (vgl. S. 307). In der Bedrängnis dieser Anfechtung hat die Erinnerung an Christus, der den Zorn stellvertretend erlitten und damit den Tod überwunden hat, ihren eigentlichen Ort (vgl. ab S. 353).232

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276.; dort fehlt der Hinweis auf Augustinus, vgl. Str. 15,3f: „Wer dich besinnt, zu Gott so spricht: | Hier brenn! hier schneid! hier straff und richt!“). Der narrative Einstieg Ich stund an einem Morgen heimlich an einem Ort, bei dem das Ich heimlich ein Gespräch belauscht, stammt aus einem weltlichen Lied, zu dem es zahlreiche geistliche Kontrafakturen gibt (vgl. W III 792., 1255., 1258., 1259., 1260.; W IV 444., 1173.; W V 1008., 1133.; Gespräche zwischen Gott und Christ, Adam und Eva, Satan, gesundem und kranken Menschen usw.). Die im 17. Jahrhundert am weitesten verbreitete Fassung ist jedoch bei W und FT nicht enthalten. Sie findet sich 16 Mal im ausgewerteten Material, vorwiegend in den älteren Nürnberger und in den Leipziger Gesangbüchern (ältester Beleg: N-1594; vermutlich gibt es noch ältere). Schein, Lass dir, o mein Herr Jesu Christ (Str. 3,8–10): „Kein Mensch kan ihm [dem Tod] entgehen / | Das macht die Erbsünd vnnd dein Zorn / | Darinn wir alle sind geborn.“ Ringwaldt, O Gott, der du die Menschenkind (Str. 3,5–7): „Das macht, HErr, dein gerechter zorn, | dieweil wir seind in sünd geborn | vnd dein gebot nicht halten.“ Schein, In Sünden und in Gottes Zorn (Str. 1): „IN Sünden vnd in GOttes Zorn | Sind wir geborn / | Vnd weren all verdorben / | Wen[n] Jesus Christus Gottes Sohn | vons Himmels Thron | Nicht wer für vns gestorben / | Aus grosser Lieb / | Die ihn so trieb / | Den Zorn gestillt / | Das Gsetz erfüllt / | Vnd vns das Heyl erworben.“

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5. Zusammenfassung Die Kürze und Vergänglichkeit des Lebens und das allgemeine Todesschicksal gelten als Teil der conditio humana, der durch Adams Fall bedingt ist, und werden in einer Vielzahl von Liedern betrachtet. Der Begriff der ‚Eitelkeit‘ (vanitas, vgl. Koh 1,2), der in einigen Gesangbüchern einen eigenen Rubriktitel bildet, hat sich dafür ab 1650 verstärkt etabliert. Eingeleitet werden entsprechende Betrachtungen sehr häufig von einer Form der rhetorisch zu verstehenden Frage: „Was ist doch des Menschen Leben?“ Bilder, die wie Erde, Schatten, Gras, Blumen und viele andere die Vergänglichkeit dieses Lebens illustrieren, werden in den Liedern des 17. Jahrhunderts oft kumulativ aneinandergereiht. Sie wirken dadurch austauschbar, was den Gedanken der allgemeinen Nichtigkeit unterstreicht: Letztlich ist alles Sichtbare nur ein Ausdruck und Spiegel der Vergänglichkeit. Theologisch wird die Sterblichkeit des Menschen einerseits mit Gottes Souveränität (vgl. Ringwaldt: Providenz), andererseits mit seinem Zorn über die Sünde begründet (Ps 90,7f). Der menschlichen Vergänglichkeit steht die Ewigkeit Gottes gegenüber (Ps 90,2). Die Welt als Ort des menschlichen Lebens ist die Gott entgegengesetzte Sphäre, die ihrem Wesen nach falsch und verlogen ist und der als solcher Verachtung (contemptus) und Abwertung entgegengebracht wird. Sie umfasst den Bereich der nichtmenschlichen, vor allem aber der menschlichen Schöpfung. Im Verlauf des Untersuchungszeitraums zeichnet sich eine Steigerung der Abwertung und zugleich der positiven Bewertung des Abschieds von der Welt ab. Einerseits ist das Leben im ‚Jammertal‘ der Welt durchweg von der Erfahrung des Leides bestimmt und erfordert vom Christen insofern schon per se die Kreuzesnachfolge. Andererseits weiß sich die Welt ihrem Bewohner durch eine Vielzahl in Wahrheit nichtiger Güter wie Lust, Schönheit, Macht, Ehre, Reichtum und Weisheit attraktiv zu machen: ‚Kinder dieser Welt‘ sind die Menschen, die diesen Attraktionen noch in Verblendung erlegen sind. Im Lied wird wie in anderen Frömmigkeitsübungen die ablehnende Haltung gegenüber der Welt und die Buße im Sinne einer Ablösung von ihrer Anziehung eingeübt. Zum einen geschieht dies – häufig in der Form einer strophischen Aufzählung – in der Belehrung über das Wesen der irdischen Güter, die darin Inbegriff der Welt sind, dass das Trachten nach ihnen von Gott trennt. Ihre Nichtigkeit erweist sich schon während des Lebens, spätestens aber im Tod. Alle Güter werden im Himmel unvergleichlich überboten: die irdische durch himmlische Lust, die irdische durch himmlische Schönheit usw. Der Loslösung von der Welt dient zum anderen die verbreitete Abschiedsrhetorik, bei der das Ich die Abkehr von der Welt performativ vollzieht. Die gedankliche Nähe zum eigenen Tod wird dabei stärker explizit als bei der allgemeinen Vergänglichkeitsbetrachtung; ihren Sitz im Leben dürfte die Abschiedsrhetorik nicht nur in der büßerischen Weltabkehr haben, sondern auch in unmittelbarer Todesnähe. Das Ich wendet sich direkt an die Welt als Person, deren Wesen es als grundlegend falsch und wahrheitsfeindlich durchschaut hat. Auch in anderen Liedern wird die Welt mit Personen verglichen (Henker, Fischer, Wirt); die zentrale Metapher ist allerdings das

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Haus (auch Gefängnis, Theater, Gasthaus usw.). Dass Weltabkehr und Buße nicht als Werk des Menschen, sondern als Gabe Gottes verstanden werden, zeigen die Bitten um eine entsprechende Haltung.

II. Der Weg des Lebens als Pilgerreise und als ritterlicher Kampf Christlicher Wandel in einer Welt, die den Menschen durch ihre trügerischen Verlockungen von Gott zu trennen sucht, kann ohne göttliche Hilfe nicht gelingen und stellt an den Menschen zugleich einen hohen Anspruch: Leidensbereitschaft in der Nachfolge Christi, Buße als Abwendung und innere Ablösung von der als trügerisch erkannten Welt sowie die daraus resultierende äußere Heiligung des Lebens, das so als gottgeweiht und nicht mehr weltverhaftet erkennbar wird. Die Aufforderung zur Buße1 und die Warnung vor dem ‚Sparen‘ oder ‚Verziehen‘ der Buße2 gehören ebenso wie die Bitte um eine reuige, büßerische Haltung3 und um das Gelingen eines guten Lebens4 zum Programm vieler Liedtexte. Die Gesangbuchrubriken, in denen diese Themen im Zentrum stehen, sind zum einen ‚Von der Buße‘, zum anderen ‚Vom christlichen Leben und Wandel‘ (oder auch wie N-1677 „Lehr=Psalmen und Tugend=Lieder / vom heiligen Leben und Christlichen Wandel“ usw.). In den Liedern der Rubriken vom Tod und Sterben spielen Bekehrung, christlicher Wandel und heiliges Leben freilich ebenfalls eine zentrale Rolle, gehören sie doch – gleichsam als erste Schritte einer Ars moriendi – wesentlich zur Vorbereitung des seligen Sterbens: „In dem du lebest, lebe so, | Daß du kanst selig sterben.“5 Zwei zentrale Bildmotive, die nicht nur das Verständnis, sondern auch den Zusammenhang von Leben und 1

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Vgl. anon., Ich stund an einem Morgen* (Str. 13,1–4): „Darumb jr Menschen Kinder / | last ab von ewer Sünd: | So wird Gottes zoren minder / | rüfft an Marien Kind“; Heermann, O Mensch, bedenke stets dein End (Str. 1,3f): „Gehorche Gott vnd dich bekehr, | Mit Sünden nicht dein Hertz beschwer“; anon., Wir müssen alle sterben, o Mensch* (Str. 3,1–3): „Dein sünd solt du ablegen / | durch ein hertzliche rew :/: | Vnd rechte buß darneben“ usw. Vgl. anon., O Mensch, bedenke wohl* (Str. 12): „Leg’ alle Hoffahrt ab Und las di Sünde fahren / | Denn wo du / liber Mensch / Wirst deine Buhsse sparen / | So ist Gott so gerecht / Das er dort nach Gebühr | Di Menschen strahffet ab / Wi er si findet hihr.“ Vgl. Ritter, Wie selig ist der Mensche doch (Str. 5,1f): „Wer seine Busse spart auffs End, | Muß in Gefahre leben“; Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, Wer weiß, wie nahe mir mein Ende (Str. 3,4); anon., Wir müssen alle sterben, o Mensch* (Str. 4,1f). Vgl. Herbert, Wer in guter Hoffnung will (Str. 16): „O Jhesu Christ, Gottes Son, | frist mir noch mein leben, | Das ich rechte buss mög thun | vnd mich dir ergeben“; Schramm, °Das weiß ich, dass ich sterben muss (Str. 1,3f); anscheinend nach diesem Vorbild: anon., Ich weiß wohl, dass ich sterben muss (Str. 1,3–5): „Drumb hilff, O GOtt, daß ich mit Buß | Mich kehr zu deinem Bunde, | Daß meine Sünd ich stets bewein’“; Niedling, Von Herzen ich mich freue (Str. 1,3f): „Ach GOtt, gib Buß und Reue, | Eh die Zeit kömpt herein“ usw. Vgl. Bienemann, Herr, wie du willt, so schick’s mit mir (Str. 2): „Zucht, Ehr vnd Trew verleih mir, Herr, | vnd lieb zu deinem Worte. | Behüt mich, HErr, vor falscher Lehr, vnd gib mir hier vnd dorte | Was mir dienet zur Seligkeit, | wend ab all vngerechtigkeit | in meinem gantzen leben.“ Anon., O Jesu Christ, wahrer Gottessohn* (Str. 4,1–4): „Deinen heiligen Geist / theil mit HErr / | Der mich thut lehren / | Vnd halten deinen Sitt / | Daß ich mag halten deine Gebot“; Flittner, Menschenhilf ist nichtig (Str. 2,1–6): „Daß ich die Welt hasse | Vnd die Lüste lasse | Vnd mein Fleisch bezwing, | Gäb mir Gott die Stärcke, | Daß ich Glaubens Wercke | Williglich vollbring“ usw. Sacer, Komm, Sterblicher, betrachte mich (Str. 8,1f).

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II. Der Weg des Lebens

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Sterben deutlich machen, sind das der Pilgerschaft und das des ritterlichen Kampfes. Ihre Verwendung in den Liedtexten soll in diesem Abschnitt untersucht werden.

1. Peregrinatio Das Leben als Pilgerreise (peregrinatio), die sich auf einem wechselvollen Weg von der Unbehaustheit in der ‚Fremde‘ der Welt auf das Ziel des Himmels als ‚Vaterland‘ zubewegt: dieses Bild, an das auch allgemeine Redeweisen wie die vom ‚christlichen Wandel‘ usw. anknüpfen, hat in vielen Liedern eine breite Ausgestaltung erfahren. Ebenso reichhaltig wie die Verwendung des Bildes sind seine Wurzeln in der biblischen Tradition; ein zentraler Bezugspunkt ist der Abschnitt vom wandernden Gottesvolk in Hebr 11. Grundlegend für diese Vorstellung ist wieder die Dichotomie von Himmel und Erde: Während die Erde nur der Ort eines unsteten, vorläufigen und vorübergehenden Aufenthalts ist, eben einer Reise, gilt für die himmlische ‚Heimat‘ das Gegenteil. Eine berühmte zeitgenössische Adaption der Vorstellung von der Erdenpilgerschaft ist in England John Bunyans weit verbreitetes Erbauungsbuch The Pilgrim’s Progress (1678). Je nach Verwendungskontext besitzt das Peregrinatio-Motiv eine unterschiedliche Funktion: Während die Mahnung, auf dem rechten Weg zu bleiben, eine ethische Stoßrichtung enthält, kann die Betrachtung der Mühsal des irdischen Weges eine ähnliche Funktion haben wie die ausdrückliche Absage an die Welt, nämlich die büßerische Lösung von ihrer Attraktion und die tröstliche innere Ausrichtung auf den ‚Himmel‘. Die unstete irdische Existenz des Menschen gleicht der eines Wanderers, der sich nirgends niederlassen kann, denn in der Welt, in der er sich bewegt, hat kein Ding Bestand: 1. WIr leben wie ein Wandersmann, der alle tag stets muß fortgahn, Den[n] alle ding nemen ein end, was die Welt hat vergeht behend.6

Gleichbedeutend ist die Selbstbezeichnung des Menschen als „Pilgrim“, der durch die Trübsal wandert7 und der um rechten Wandel in der Welt8 und göttliches Geleit9 auf dem Weg ins Vaterland bittet. So wie die Welt eine böse Herberge (vgl. S. 184) ist, 6

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Anon., Wir leben wie ein Wandersmann (Str. 1); vgl. Z. Herberger, °Ein Wandersmann bin ich allhier; Alardus, °Warum sollt ich betrübet sein (Str. 9,1f): „Wir lebn hie wie ein Wandersman, | Weil wir auff Erdn kein bleiben han.“ Vgl. anon., O Wonn, o Freud, o Herrlichkeit* (Str. 10,1f): „Ich bin ein pilgrim hier im land / | Mein trübsal ist dir wol bekannt“. Vgl. Fritsch, Ach wann kommen doch die Stunden (Str. 7,1–4): „Nun, Herr Jesu, gib, ach!, Gnade, | Daß ich als ein Pilgrim hir | Wandle auf dem rechten Pfade; | Laß mich kleben stets an dir.“ Vgl. anon., Ich weiß ein ewiges Himmelreich (Str. 3): „Ein armer Bilgram bin ich genandt, | muß wandern meine Strassen | In das ewige Vaterlandt: | bitt, wolst mich nicht verlassen.“

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so besitzt der Mensch darin lediglich Gaststatus.10 „Gäste und Fremdlinge“ sind die Menschen nach 1Chr 29,15, Ps 39,13, Eph 2,19 und Hebr 11,13; in Ps 119,19 heißt es: „Ich bin ein Gast auf Erden“. Paul Gerhardts Lied gleichen Anfangs, eine weit ausgreifende Meditation über den Psalmvers, ist bestimmt von der Spannung, die mit der Vorläufigkeit des Gaststatus am Anfang gesetzt wird. In der letzten Strophe wird sie durch das ‚Wohnen‘ im Himmel aufgelöst: 1. ICh bin ein Gast auff Erden / Und hab’ hier keinen Stand: Der Himmel soll mir werden / Da ist mein Vaterland. […] 14. Da wil ich immer wohnen / Und nicht nur als ein Gast / Bey denen / die mit Kronen Du außgeschmücket hast.11

Zachäus Fabers Lied verbindet Ps 119,19 mit Hebr 13,14: „HErr, ich bin ein Gast auff Erden, | hab allhier kein bleibend stadt.“12 Dass der Mensch auf Erden ‚nicht bleiben‘ kann, ist ein häufiger Gemeinplatz.13 Der Weg oder die „strassen“, die er auf seiner Pilgerschaft zu bewältigen hat, wird als lang und beschwerlich geschildert: „ach daß ich doch bin behafft | mit so langer Pilgrimschafft!“14 Es ist ein Weg voller Dornen,15 „Blitz / Donner / Wind und Regen“16, voll Leid und Gefahr. Was über das Leid als Grunderfahrung des Lebens gesagt wurde (vgl. S. 184), über die räumlich vorgestellte Sphäre der Trübsal und Traurigkeit, in der sich der Mensch in der Welt bewegt, wird auch im Bild des beschwerlichen Lebensweges ausgedrückt. Eine wesentliche Gefahr, die wiederum der Falschheit der Welt geschuldet ist, besteht darin, vom rechten Weg abzukommen, in die Irre zu gehen, wie bei Michael

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Vgl. schon in älteren Liedern: Triller, O Mensch, bedenk zu dieser Frist (Str. 3,1): „Gedenck, du bist nur hie ein gast“; Selnecker, °Die Welt ist nichts zu unser Zeit (Str. 2,1f): „Was zeihstu dich denn, als ein Gast, | weil du kein bleibend wesen hast“; Behm, O Jesu Christ, meins Lebens Licht (Str. 1,3): „Auff erden bin ich nur ein Gast“ etc. Gerhardt, °Ich bin ein Gast auf Erden (Str. 1,1–4; 14,1–4). Vgl. Axmacher, Ein Lied gegen den Tod, 179: „Die Zukünftigkeit des Ruhens ‚in meinem Erbtheil‘, die Perspektive des Wandernden also, bleibt bestimmend, aber in der meditativen Vergegenwärtigung ist der Gegensatz zwischen Heimat und Fremde bereits überwunden.“ Z. Faber, Herr, ich bin ein Gast auf Erden (Str. 1,1f); vgl. Hebr 13,14 auch bei Schein, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, wenn ich gleich itzt (Str. 3,1f): „Hie ist doch keine bleibende Statt / Die künfftige wir suchen“. Vgl. Triller, O Mensch, bedenk zu dieser Frist (Str. 3,2): „[…] vnd kanst nicht lange bleiben“; Anon., O Welt, ich muss dich lassen (Str. 2,4): „Kein bleyben ist auff erden“; Heermann, O Mensch, bedenke stets dein End (Str. 1,5): „Hier bleibstu nicht, du must davon“ usw. Müller, Ich wall auf Erden hin und her (Str. 2,7f). Vgl. anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Str. 3,1–4): „Dann gleich wie die Rosen stehen | Vnter Dornen spitzig gar, | Also auch die Christen gehen | In lauter Angst vnd gefahr.“ Sacer, Freunde, stellt das Weinen ein (Str. 4,1–3): „Sagt, Was dieses Leben sey?  | Ist es nicht ein Weg zu nennen, | Der von Dörnern niemals frey?“ Gerhardt, °Ich bin ein Gast auf Erden (Str. 3,3).

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II. Der Weg des Lebens

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Ziegenspeck geschildert.17 Hier erhält die Wegmetapher einen deutlich ethischen Einschlag, ähnlich wie im Bild vom schmalen Weg und der engen Pforte, die zum Leben führen (Mt 7,13f). Auch auf dieses Bild greifen viele Sterbe- und Ewigkeitslieder zurück, indem sie mahnend an den schmalen Weg erinnern,18 indem sie um Gottes Geleit auf dem rechten Weg und Bewahrung vor der breiten „sünden=bahn“ bitten19 oder dieses Geleit dankbar zur Kenntnis nehmen.20 a) Geleit auf dem Weg in das Vaterland Schon Luthers Nun bitten wir den Heiligen Geist, nicht nur Pfingst-, sondern auch häufig verwendetes Begräbnislied, erinnert an den „trewen Heyland, | der uns bracht hat zum rechten vaterland“21. Durch das Christusgeschehen ist das Vaterland für die Christen demnach bereits präsentische Realität. In vielen Sterbeliedern wird der Weg dorthin dagegen als erst noch bevorstehend beschrieben, wobei Christus als „beleyter“22 oder „Gleitzman“23 fungiert. Er „Recket mir seine hand“24 und „Führet mich die rechte strassen“25, schon in der Welt und dann auf der letzten Reise. Eine besondere Variante enthält das Lied Sag, meine Seele, recht*: Hier ist der Begleiter nicht Christus, sondern der Tod, der als Gottes „knecht“ die Seele „von der welt abholen“ (Str. 1,4) und ins Vaterland (Str. 4,3) führen soll. Im Kehrreim zu jeder Strophe bekräftigt das Ich auf die Frage, ob es mit dem Tod ziehen wolle und sich nicht fürchte: „Ja / ja / ich will mit ihm.“26 17

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Vgl. Ziegenspeck, Ade, ich muss dich lassen (Str. 3,1–4; an die Welt gerichtet): „Lang bin ich vmbgezogen | Recht in der jrr bey dir: | Offt hastu mich betrogen, | Vor Frewd Leid geben mir. | Jetzt bin ich auff dem Wege, | Der mich zum Leben tregt, | Auff rechtem Himmels=stege; | Drümb sich all trawren legt.“ Vgl. auch Rist, O Blindheit, bin ich denn der Welt (Str. 10,1f): „Waß irr’ Ich hier im Jammerthal’ | In disem fremden Lande […]?“ Vgl. Geletzky, Ei nun seht, all ihr Christenleut (Str. 2,1–4): „Der weg, die pfort, so euch einfürt, | ist eng vnd schmal | im jamerthal, | so viel müh gebiert“; Ringwaldt, Lobt Gott den Herrn aus Herzensgrund (Str. 10): „Hofft auff den HErrn, jr lieben Leut, | halt fest an seinem worte, | Vnnd fürcht jn Kindlich allezeit, | dringt nach der engen pforte“; Rist, °Ist etwas in der großen Welt (Str. 11,1–4): „Ach gehet durch die enge Pfort | Den schmalen Weg zum Leben / | Weit ist die Thür und breit der Ort | Wo grosse scharen schweben.“ Rothäupt, Ach Herr, erzeige Gnade mir (Str. 2,3f): „[…] Vn[d] führ mich auff den schmalen Steg | Mit deinen frommen allen“; Gesenius/Denicke, Wie lieblich sind daroben (Str. 15,1f): „Gib auch, daß mich nicht ziehe | Auff breite sünden=bahn“ usw. Ritzsch, °Nun geh ich hin zum Vater mein (Str. 2,5–7): „Er weiset mir in seinem Wort | Den schmalen Weg zur engen Pfort | In die Himlische Freude“; Olearius, Mein Lauf ist nun vollendet (Str. 2): „GOtt Lob / der mich geführet / | durch seinen Geist regieret / | daß ich gerade zu / | zur rechten Himmels Strassen / | den breiten Weg verlassen / | bin kommen itzt in diesem nu.“ Luther, Nun bitten wir den Heiligen Geist (Str. 2,3f). Anon., Herr Gott, mein Jammer hat ein End (Str. 5,6). Sachse, °Mein liebe Seel, was fürchstu dich? (V. 10); Friccius, °Hör, Mensch, du seist groß oder klein (Str. 5,1); Weissel (?), Wenn meiner Seelen bange wird* (Str. 5,5) usw. Helmbold, °Von Gott will ich nicht lassen (Str. 1,5). Anon., Christus wird mich nicht lassen (Str. 1,1–4): „CHristus wird mich nicht lassen, | wann ich von hinnen scheidt, | Führet mich die rechte strassen, | gibt mir sicher geleit.“ Vgl. Helmbold, °Von Gott will ich nicht lassen (Str. 1,3f): „Führt mich durch alle strassen, | da ich sonst jret sehr“; Ziegenspeck, Ade, ich muss dich lassen (Str. 6,7f): „Führ mich die rechte Strassen, | Führ mich zum Leben ein.“ Das Lied Sag, meine Seele, recht* ist im untersuchten Material nur in Lü-1695/1702 belegt, außerdem aber auch in Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadts Sammlung Täglicher Umgang mit Gott, 190 (für die

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Die Bitte um das Geleit Christi in der letzten Stunde – auch im Sinne von Beistand und Hilfe – gehört zum Standardrepertoire der zahlreichen Gebetslieder um ein seliges Ende, wie hier in einem der ältesten und verbreitetsten: 1. WEnn mein Stündlein furhanden ist vnd sol hinfarn mein strasse, So gleit du mich, HErr Jhesu Christ, mit hülff mich nicht verlasse […].27

Zugleich ist Christus nach Joh 14,6 selbst der Weg, der zum Vater führt,28 oder nach Joh 8,12 das Licht, das dem in der Dunkelheit Umherirrenden den Weg weist. In diesem Sinne kann aber auch sein Wort als „Geleitesmann“29 dem Verfehlen des rechten Weges entgegenwirken: „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege“ (Ps 119,105).30 Das Ignorieren dieses Lichtes kann – so die Warnung mancher paränetischer Lieder – dauerhaft nur in die Irre und in die Dunkelheit führen.31 b) Die Sehnsucht nach der himmlischen Heimat Die Rede vom Himmel als dem besseren Vaterland stammt aus Hebr 11,16. Dieses Vaterland wird in vielen Liedern als Ziel der Lebensreise angegeben.32 Schon im Hebräerbrief ist dieses Ziel mit einem positiven emotionalen Wert besetzt: Es ist Gegenstand der Sehnsucht des wandernden Gottesvolkes. Innerhalb des weit ausgreifenden Bildbereiches der Pilgerschaft vertritt sie den Wunsch nach dem Lebensende und die Sehnsucht nach dem Himmel, die auch an anderer Stelle und in anderer Form begegnet (vgl. S. 338). Im Bild der Reise ausgedrückt, sind es die Müdigkeit

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Andacht am Samstagabend, unter der Überschrift: „Von der Willigkeit zu sterben“). Eine Autorschaft der Gräfin ist denkbar, aufgrund der fehlenden Autorangaben in der Sammlung aber nicht nachzuweisen. Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Str. 1,1–4). Vgl. anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Str. 6,7f; 8,5f): „Ach sey du mein Liecht vnd Strasse, | Mich mit Beystand nicht verlasse. […] Bistu doch mein Liecht, mein Wort, | Das Leben, der Weg, die Pfort“; Werner, Ich hab gottlob das Mein’ vollbracht (Str. 2,2f): „Er ist die Bahn, | Die Wahrheit vnd das Leben.“ Vgl. Z. Herberger, °Ein Wandersmann bin ich allhier (Str. 5,1–4): „Leit mich, O HErr, auff rechter bahn, | Vnd laß mich ja nicht jrren; | Dein Wort sey mein Geleitesman, | Der mich zu Christo führe“. Vgl. Heermann, Wollt ihr euch nun, o ihr fromme Christen* (Str. 3); anon., O du Leben meiner Seele* (Str. 2,7f): „Warlich / dieser irret nicht / | Der zur leuchte hat dein licht.“ Anon., Wacht auf, ihr Christen alle, wacht fleißig* (Str. 5): „O wer der nicht geboren / | der Gottes Wort veracht / | Das Liecht hat er verloren | vnd wandert inn der Nacht / | Er fehlt der rechten strassen / | muß jmmer jrre gehn / | Denn Gott hat jhn verlassen / | Wie kan er denn bestehn?“ Triller, O Mensch, bedenk zu dieser Frist (Str. 3,5); anon., O Welt, ich muss dich lassen (Str. 1,1–3): „O Welt, ich mus dich lassen, | ich far dahin mein strassen | ins Ewig Vatterland“; Behm, O Jesu Christ, meins Lebens Licht (Str. 2,3): „Da ist mein rechtes Vaterland“; anon., Ich weiß ein ewigs Himmelreich (Str. 3,3): „In das ewige Vaterlandt“; Meyfart, Jerusalem, du hochgebaute Stadt (Str. 2,7f; über die Seele): „Daß Sie mit Heyl anlende | Bey jenem Vaterland!“ Heermann, Der Tod klopft itzund bei mir an (Str. 16,5–10): „Hie bin ich nur ein Wandersmann, | Der nichts erbeignes haben kan; | Dort aber werd ich haben | Das vaterland | Mir zugewandt | Mit allen seinen gaben.“

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II. Der Weg des Lebens

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und Erschöpfung des mit schwerem Gepäck beladenen Wanderers, die ihn nach einer Rast und nach der Ruhe des Himmels verlangen lassen:33 „2. […] Wie sich sehnt ein Wandersman, Das sein Weg mög Ende han, So hab ich gewüntzschet eben, Daß sich enden mög mein Leben.“34 „4. […] Es ist doch nur Unbestand; Ach heim, heim ins Vaterland, Heim aus diesem Welt=Getümmel Zu der Ruhe in dem Himmel.“35 „6. Im Himmel ist mein Vaterland, Hier bin ich in dem Pilger=Stand; Der Wander=bündel dieser Erd Mich hart beschwert. Ach! meine Seel nach Haus begehrt!“36 „4. Wie offt hab ich geklaget Gleich wie ein wandersmann: Ach hätt ich rast! – gefraget: Wann komm ich himmelan? Werd ich noch lange gehen Auf eitler erden tand? Ach werd ich nicht bald sehen Das rechte vaterland?“37 „8. […] Ich wandre meine Strassen Die zu der Heymat führt / Da mich ohn alle massen Mein Vater trösten wird. 9. Mein Heymat ist dort droben / Da aller Engel Schaar Den grossen Herrscher loben / 33

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Ein anderes Bild für das Verlangen nach Ruhe ist das der Arbeiter, die sich nach einen heißen und mühsamen Tag auf die Erquickung der abendlichen Ruhe freuen (vgl. Hi 7,2f), z. B. bei J. Franck, Du, o schönes Weltgebäude (Str. 2): „Mühde, die der arbeit menge | Vnd der heisse strahl beschwert, | Wündschen, daß des tages länge | Werde durch die nacht verzehrt, | Daß sie nach so vielen lasten | Können sanft und süsse rasten: | Ich wündsch jtzt bey dir zu seyn, | Allerschönstes Jesulein.“ Vgl. Rist, Lebt doch ein jeder Mensch im Streit (Str. 4); Birken, Herr Jesu Christe, Gottes Sohn (Str. 5); Anton Ulrich, Es ist genug, mein matter Sinn (Str. 1–2). Anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Str. 2,5–8). Ludämilie Elisabeth von Schwarzburg-Rudolstadt, Ach wer schon im Himmel wäre (Str. 4,5–8). Birken, Herr Jesu Christe, Gottes Sohn (Str. 6). Pauli, So hab ich nun vollendet (Str. 4); vgl. ähnlich Pauli, °So geb ich mich zufrieden (Str. 2): „Wie offt hab’ ich geklaget | In dieser Welt, gefraget: | Wo ist denn meine Rast? | In allen meinen Stunden | Hab’ ich noch Müh gefunden, | Ich Pilger, müder Erdengast.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt Der alles gantz und gar In seinen Händen träget / Und für und für erhält / Auch alles hebt und leget / Nach dems ihm wolgefällt. 10. Zu dem steht mein Verlangen / Da wolt ich gerne hin: Die Welt bin ich durchgangen / Daß ichs fast müde bin“38.

Während die meisten Beispiele mit Begriffen wie „nach Haus“ oder „heim, heim ins Vaterland“ das menschliche Verlangen nach Gott als dem Ursprung eher indirekt zum Ausdruck bringen, wird im letzten Beispiel von Paul Gerhardt der tröstende Vater selbst als Ziel der Wanderung genannt. Der Hinweis auf Gottes umfassendes erhaltendes Handeln lässt den Weg zudem weniger leidvoll erscheinen. Biblisch vorgebildet ist die Sehnsucht nach dem Vaterland auch durch das Weinen des Volkes Israel im babylonischen Exil (Ps 137); Quirinus Moscheroschs Lied °Die Fröhlichkeit der Erden versteht sich als dichterisch-musikalischer Ausdruck einer entsprechenden Klage.39 Im Bild des Auszuges aus Ägypten tritt weniger das Moment der Sehnsucht hervor, dafür das der Wanderung, des Überganges („Der Tod der ist mein rohtes Meer“40) und des von Jesus als dem „rechte[n] Josua“41 angeführten Einzuges im „gelobten Lande / | Da Milch und Wein Stets fleust herein“42. Statt vom gelobten Land wird auch vom ‚Lande der Lebendigen‘ (Ps 27,13; 116,9 u. a.) gesprochen, etwa in Zacharias Herbergers °Ein Wandersmann bin ich allhier, das ganz von diesem Gedanken her konzipiert ist. Christus wird als „Landes HErr“ (Str. 3,9; Str. 6,1) angesprochen, das Ich versteht sich als „Bürger“ (Str. 3,8), als „Landes Mann | Vnd Vnterthan“ (Str. 1,5f). In Eph 2,19 wird der Gaststatus der Christen durch den Status als „Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen“ abgelöst; in Phil 3,10 wird ihr Bürgerrecht im Himmel proklamiert – ein Gedanke, der in vielen Liedern auftaucht.43

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Gerhardt, °Ich bin ein Gast auf Erden (Str. 8,5–10,4). Vgl. Moscherosch, °Die Fröhlichkeit der Erden (Str. 2–3); vgl. auch S. 183: die Welt als Babel bei Omeis, Es ist nun aus mit meinem Leben (Str. 5). Gerhardt, Was traurest du, mein Angesicht (Str. 17,1). Rist, °Wach auf, wach auf, du sichre Welt (Str. 9,5), hier auf den gemeinsamen Einzug in das „gelobte Vatterland“ am Ende der Zeiten bezogen. Gerhardt, Was traurest du, mein Angesicht (Str. 17,4f). Vgl. P. Franck, In Christo will ich sterben (Str. 3,1f). Vgl. Finx, Mir vergeht zu leben (Str. 4,1–4): „Was solt’ ich entfernen | Länger meinen Sinn | Von dem Reich der Sternen, | Da ich Bürger bin?“ Anon., O Welt, muss ich dich lassen, muss mein* (Str. 3,4–6): „Was könte mich mehr trösten / | als daß bey den Erlösten | im Himmel ist mein Bürgerrecht.“ Triller, O Mensch, bedenk zu dieser Frist (Str. 3,5); Dach, Die große Nichtigkeit (Str. 3,4–6); Gerhardt, °Mein Gott, ich habe mir (Str. 14); anon., O Wonn, o Freud, o Herrlichkeit* (Str. 15,2) usw.

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II. Der Weg des Lebens

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c) Ausspannen vom Joch Nicht direkt in dem Bereich des Pilgerschaftsmotivs gehört das Bild vom Ausspannen des Jochs. Beide sind sich aber darin verwandt, dass von einer beschwerlichen Last die Rede ist, die der Mensch zu tragen hat, die ihn ermüdet und endlich nach Ruhe verlangen lässt. Neben der Rede von der durch Gott auferlegten Lebenslast als ‚Joch‘ begegnet gelegentlich auch die vom zu ziehenden ‚Karren‘ oder ‚Pflug‘.44 Im AT steht das Joch häufig für die Knechtschaft, etwa in Ägypten (Lev 26,13) oder Babel (Jer 27,8.11f usw.) – was sich wieder in die Einschätzung der Welt als Ort der Gefangenschaft einfügt. Als allen Menschen zugemutete schwere Last taucht der Begriff in Sir 40,1 auf, während Christi Joch als „sanft“ und seine Last als leicht gilt (Mt 11,29f). In der Nachfolge Christi wird dieses Joch aber dennoch wieder zum Kreuz, das auf sich zu nehmen der Christ nach Mt 16,24par gehalten ist.45 So wird in den alten Begräbnisliedern Michael Weisses rechtes Glauben und rechtes Leben als Tragen von „christi joch“ oder „gotes joch“ verstanden, das nicht leicht, sondern beschwerlich ist („arbeit, trübsal vnd elend“); „gros lohn“ und Erleichterung warten erst nach dem Tod.46 Das Leben an sich kann als beschwerliches Joch erscheinen,47 insbesondere aber der Leib als Joch für die Seele.48 Daneben werden auch die Sünden, in anderen Liedern als drückende ‚Last‘ beschrieben,49 zum schweren „Sünden=Joch“.50 Das Verlangen nach ‚Entbindung‘, ‚Befreiung‘ oder ‚Erlösung‘ (vgl. S. 343) vom unterschiedlich verstandenen Joch des Lebens kehrt in vielen Texten geradezu stereotyp in Form der drängenden Bitte nach dem ‚Ausspannen‘ wieder: „SPann aus, spann aus, ach frommer GOtt, | Spann mich aus meinem Karren“51. 44

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Vgl. Ph. Nicolai, So wünsch ich nun ein gute Nacht (Str. 4,1–4): „Mein Seel hat noht / vnd leidet Qual / | Daß ich so lang muß harren / | Gespannet auff dem Jammerthal / | Als zög ich schwere Karren.“ Walther, Spann aus, spann aus, ach frommer Gott (Str. 1,2): „Spann mich aus meinem Karren“; Anton Ulrich, Es ist genug, mein matter Sinn (Str. 2,4): „Erlös mich, HErr, spann aus den Pflug“. Zur emblematischen Verknüpfung von Kreuz und Joch in Bachs Kreuzstabkantate (BWV 56) vgl. R. Steiger, Gnadengegenwart, 113f. Vgl. Weisse, O Vater, Herre Gott, groß ist deine Genad (Str. 7,7f): „Denn wer recht glaubt, tragt christi joch, | der stirbt vnd lebet dennost noch.“ Nun lasst uns den Leib begraben (Str. 4): „Sein arbeit, trübsal vnd elend | jst kommen zu eim gutten ennd, | Er hat getragenn christi joch, | jst gestorben vnd lebet noch.“ Preis sei dem allmächtigen Gott (Str. 14): „Wol dem menschen, der gotes joch | auf sich nimpt vnd tregts christo nach, | Feht an bald jnn seiner kintheit, | denn ein gros lohn jst jhm bereit.“ Ebenso O Jesu Christe, Gottes Sohn (Str. 11). Vgl. Rude, Ach wann soll es denn geschehen (Str. 3,6): „Hilff mir von deß Lebens Joch“; Müller, Lebt jemand so wie ich (Str. 9,1–3): „Diß quälet mich annoch, | Daß ich vom Lebens=Joch | Nicht kan erlöset werden.“ Vgl. Rist, Mein Seelichen, wenn willt du doch (Str. 1,1f): „MEin Seelichen / wen wilt du doch | Entreissen dich des Leibes Joch“; vgl. auch Finx, Wie selig ist ein frommer Christ (Str. 3,1–3): „Wir andre müssen krümmen noch | Uns unter einem harten Joch | Im Kercker unsres Leibs“. Vgl. Behm, O Jesu Christ, meins Lebens Licht (Str. 1,3f): „Auff erden bin ich nur ein Gast | vnd drückt mich sehr der Sünden last“. Homburg, °Ach wie sehnlich wart ich doch (Str. 1,1–4; 7,5f): „ACh! wie sehnlich wart’ ich doch, | Jesu, grosser Lebens=Fürst, | Wann du von dem Sünden=Joch | Mich einmal entbinden wirst.“ „Jesu, komm, ich warte noch, | Löse mich vom Sünden=Joch!“ Vgl. Anton Ulrich, °Nach dir, o Gott, verlanget mich (Str. 4,1f). Michael Walther, Spann aus, spann aus, ach frommer Gott (Str. 1,1f). Vgl. Schein, Mein Herz ruht und ist stille (Str. 3,1–4): „Ruh wirst du mir bescheren | Nach meinem Elend groß / | Annehmen mich mit Ehren / | Vom Joch gespannet loß“; Dach, Entschlag dich aller Ding auf Erden (Str. 7,2): „Herr Jesu,

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

d) Meerfahrt Eine Variante des Motives der Pilgerschaft oder doch zumindest eine verwandte Vorstellung ist die Darstellung der Lebensreise als Schifffahrt auf dem Meer.52 Die beiden Pole der Dichotomie zwischen Welt und Himmel, zwischen Gefährdung und Sicherheit sind hier nicht Fremde und Vaterland, sondern Sturm und Wellen einerseits, der sichere ‚Port‘ oder Hafen andererseits. Dem Meer als dem Element der Bedrohung werden dabei – ähnlich wie dem ‚Joch‘ im vorigen Abschnitt – ganz unterschiedliche Deutungen zugeschrieben: Es steht nicht nur für das Leben des Menschen oder für die Erde, es heißt auch das „bleiche Sorgenmeer“, ein „Meer voll Plagen“, „Auff den Wassern der Trübsal“, „der Sünden See“ oder „Zorn= und Sünden=Meer“.53 Diesem Element ist „Des schwachen Schiffes Bau“54 schutzlos ausgeliefert – auch hier taucht das Motiv der Irrfahrt auf: Es wird ziellos „Bald her, bald dorthin geführt“55 und droht an Felsen zu zerschellen. Bisweilen werden die Wellen ausdrücklich ins Innere des Menschen verlagert: 3. […] Ach, Ach wie gar manch Angst=Welle Schlägt auff mich vnd meine Seele!56

In einem Kinderbegräbnislied, das sich ebenfalls des Bildes vom Schiff im Sturm bedient, stehen „Die Welln in meinem Hertzen“ für die Trauer der Mutter, die mehrere Kinder verloren hat.57 Die zuversichtliche Aussage des Ich auf „der Sünden See“, „Daß mir Christ die rettungsZeichen | Wird in ängsten reichen“58, ist ein Akt der Selbstvergewisserung. – Eine andere Konsequenz des Sturms neben der der äußeren oder inneren Erschütterung nennt Rist: Der Sturm bläht die Segel und sorgt dafür, dass das Leben buchstäblich in Windeseile vorüberzieht.59

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komm und spann mich auß“; Dach, O wie selig seid ihr doch, ihr Frommen (Str. 6,1): „Komm, o Christe, komm vns außzuspannen, | Löß vns auff, vnd führ vns bald von dannen“; offenbar nach dem Vorbild des letzten Beispiels: Behme, °O wie selig seid ihr doch (Str. 7,1–4); Homburg, Nun, mein Gott, ich bin’s zufrieden* (Str. 1,1f): „NUn / mein GOtt / ich bins zu frieden / | spanne mich nur einmahl aus“; Finx, Wie selig ist ein frommer Christ (Str. 9,1f): „Komm, Christe! komm und spann uns aus! | Führ uns in dein Saphirnes Haus“; Burmeister, Es ist genug, so nimm, Herr, meinen Geist (Str. 5,2): „So spanne mich doch aus!“; anon., °Ach wie selig sind die allein (Str. 12,1). Vgl. dazu R. Steiger, Gnadengegenwart, 95–101, die Texte zum Schifffahrtsmotiv von Heinrich Müller und Martin Luther für das Verständnis von Bachs Kreuzstabkantate fruchtbar macht. A. F. Werner, °Wer will dem Unheil wehren (Str. 2,2); M. Franck, °Wer unserm armen Leben (Str. 1,5); anon., °Wie ein Hirsch nach frischem Wasser (Str. 3,6); anon., Christo hat mein Leben (Str. 4,3); Fritsch, Ach wann kommen doch die Stunden (Str. 2,2). A. F. Werner, °Wer will dem Unheil wehren (Str. 2,5–8): „Bald wil der Mastbaum beben, | Bald reist das Anckertau; | Indessen muß doch schweben | Des schwachen Schiffes Bau.“ ‚Schweben‘: auf dem Wasser treiben, vgl. °Wie ein Hirsch nach frischem Wasser (Str. 3,5f): „Also schweb ich auch gleichfals | Auff den Wassern der Trübsal“. Anon., °Wie ein Hirsch nach frischem Wasser (Str. 3,2). Anon., °Wie ein Hirsch nach frischem Wasser (Str. 3,7f). Schererz, °Soll denn so klein das Schifflein mein (Str. 5,3). Anon., Christo hat mein Leben (Str. 4,9f). Vgl. Rist, Ach was ist doch unser Leben* (Str. 4): „Unser Leben gleicht den Schiffen / | die so schnell die Fluth durchgehn / | wann ein Sturm sie hat ergriffen / | und die Segel schwülstig stehn. | Ehe man sich recht besinnet / | ja zu Leben kaum beginnet / | ist es schon mit uns geschehn.“

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II. Der Weg des Lebens

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Das Ziel der Schiffsreise ist der ‚Port‘ des Himmels. Wie dem Vaterland auf der Pilgerschaft gilt auch ihm nicht nur die Hoffnung,60 sondern die Sehnsucht der Reisenden:61 6. Komm, o tod, du schlafesbruder, Komm und führe mich nur fort, Löse meines schiffleins ruder, Bringe mich in sichern port.62

Nicht nur Erleichterung über die gebannte Gefahr, sondern Freude über die Ankunft am „himmlischen Gestat“63 wird dort empfunden, wo der Port am Lebensende in Sichtweite gerät: 4. Die Freude, die sich reget Bey einem Wanders=mann, Wenn er die Reyse leget Und kömmet glücklich an; Die Freude, die empfindet Ein Schiffer, wenn sich schier Ein sicher Hafen findet, Die spür ich itzt bey mir.64

In der rückblickenden Bilanz vom Standpunkt der endlich gewonnenen Ruhe aus kann der Mensch die überstandene Reise insofern als ‚glücklich‘ bezeichnen,65 als er nun „der Quaal entnommen | Und alles Jammers frey“66 ist. Eine eindrucksvolle Gestaltung des gesamten Meerfahrt-Motivs, deren Protagonist ähnliche Fährnisse zu bewältigen hat wie Odysseus, bietet Ahasverus Fritsch: 2. Werd ich doch herumb getrieben Auf dem Zorn= und Sünden=Meer Und von Creutz= und Unglücks=Hieben Immer fort verletzet sehr. Wie sein Schiff, so Seegel=loß, Hir und dort krigt einen Stoß,

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Vgl. Dach, Was willst du armes Leben (Str. 7,4–6): „Vnd [ich werde] mit der Schaar der Frommen | Auß Sturm vnd Wellen kommen | Zu dem gewünschten Port.“ Vgl. Müller, Ich wall auf Erden hin und her (Str. 1): „ICh wall auff Erden hin und her / | gleich wie ein Schiff im Meer: | mich verlanget einzulauffen | in den sichren Seelen-port: | da man Friede findt mit haufen / | u. sich fürcht für keinem Mord; | mich verlangt mit grosser Pein | JEsu Christ bey dir zu sein.“ Vgl. auch Michael Walther, Spann aus, spann aus, ach frommer Gott (Str. 3). J. Franck, Du, o schönes Weltgebäude (Str. 6,1–4). M. Franck, °Wer unserm armen Leben (Str. 4,3). Sacer, So hab ich obgesieget (Str. 4). Vgl. Kaldenbach, °Mein letztes Hoffen wird erfüllt (Str. 3,7–12): „Wie wann ein Schiff durch strengen Nord | In seine Sicherheit vnd Port | Itzt glücklich ist getrieben, | So bin ich auff der wüsten See | Der Welt entgangen allem Weh | Vnd ruhe nach belieben.“ Zur Autorschaft dieses Textes vgl. S. 471 Anm. 280. M. Franck, °Wer unserm armen Leben (Str. 7,2f).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt So werd ich herumb gejaget Und mit Angst und Noht geplaget. 3. Hir sind Klippen, hir Sirenen, Hir ein Strudel und Abgrund: Diese können sich beschönen, Daß man nicht der List wird kund. Hört, wie süß die Wollust sing’t, Biß sie uns zum Netze bring’t Und zur Klipp’ und Wirbel drehen, Denn so ist es gar geschehen. 4. O wohl dem, der schon gelanget An den sichern Ruhe=Port Und in stoltzer Freude pranget Dort bey Jesu, seinem Hort. Der ist ausser der Gefahr, Darff nicht sorgen immerdar: Jetzo wird ein Sturm entstehen Und das Schiff zu scheitern gehen.67

e) Der letzte Abschnitt der Pilgerreise Schon im Leben kennt die Pilgerreise nur ein Ziel, auf das sie ausgerichtet und durch das sie definiert ist: das himmlische Vaterland. Ist mit dem Ende des Lebens auch das Ende dieser Wallfahrt oder erst das letzte Zwischenziel erreicht? Beide Varianten kommen vor: einerseits das Sterben als Aufbruch zur „letzten reis“68, andererseits der Tod als Vollendung der Lebenswallfahrt. Die letztere Vorstellung begegnet in Liedern wie Mein Wallfahrt ich vollendet hab oder Ist meine Wallfahrt nun vollbracht; das Ende der Wallfahrt ist – wie die Erwähnung der Beerdigung verrät69 – retrospektiv auf das Sterben bezogen. Vereinzelt kommen präsentische oder futurische Aussagen über den Tod als bevorstehendes Ende der Wanderschaft vor: „Ich werd weggerafft / | meine Wanderschafft / | hat ihr End erlangt.“70 Der anderen Vorstellung zufolge bedeutet das Sterben nicht das Ende der Reise, sondern seinerseits einen letzten Aufbruch. Als ‚Dahinfahren‘ wird es etwa nach Luthers Übersetzung des Nunc dimittis bezeichnet: „Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren“ (Lk 2,29), in Luthers Lied: Mit Fried und Freud ich fahr dahin. In der Vorstellung vom Sterben als Trennung von Leib und Seele (vgl. S. 482) ist es die Seele, die ‚dahinfährt‘. Die explizite Verknüpfung mit der Wegmetapher 67 68 69

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Fritsch, Ach wann kommen doch die Stunden (Str. 2–4). Gerhardt, °Geh aus, mein Herz (Str. 15,2). Vgl. Hörnigk, Mein Wallfahrt ich vollendet hab (Str. 1,3): „Jetzund legt man mich in das Grab“; Vorberg, Ist meine Wallfahrt nun vollbracht (nach der Melodie Mein Wallfahrt ich vollendet hab; Str. 1,3): „Mein sarck und grab ist außgemacht“. Anon., Meine Kraft ist hin, dann ich elend bin* (Str. 3,1–3); vgl. Rist, °Wach auf, wach auf, du sichre Welt (Str. 10,5f): „Geduldet Eüch / bald wird sich enden | Des Lebens schwehre Pilgrimschaft“.

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II. Der Weg des Lebens

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lautet: „ich far dahin mein strassen“71. Für diesen Aufbruch muss der Mensch sich „wegfertig“ machen,72 sich „geben drein | zu reysen frembde strassen“73, denn in der Todesstunde ergeht die Aufforderung: „auff ! du must wandern.“74 Zwar haben Aufbruch und Abschied durchaus einen freudigen Charakter, denn „Es ist der zeitlich Todt | Ein Gang zum ewign Leben“75, „Der Richtsteig zu den frewden“76, aber gerade dieser letzte Abschnitt erscheint vorausblickend doch besonders mühevoll und beschwerlich. Eines der häufigsten Sterbelieder, Martin Behms O Jesu Christ, meins Lebens Licht, versteht sich als „Gebet vmb eine selige heimreise“ und blickt furchtsam auf den Abschied: 2. Ich hab für mir ein schwere reiß zu dir ins Himmels Paradeiß, Da ist mein rechtes Vaterland, darauff du hast dein Blut gewandt. 3. Zur Reiß ist mir mein Hertz sehr matt, der Leib gar wenig kräfften hat, Allein mein Seele schreyt in mir ‚HErr, hol mich heim, nim mich zu dir!‘77

Die christologischen Bezüge spielen gerade in diesem letzten Reiseabschnitt eine wichtige Rolle, gilt doch die christologische Betrachtung als Inbegriff des Sterbetrostes (vgl. S. 353). Behms „Gebet“ ist daher „gerichtet auff Christi Leiden“, mit dem das schwache Ich gestärkt werden soll. Immer wieder werden konkrete Elemente aus der Passionsbetrachtung herausgegriffen und dem Sterbenden auf die letzte Reise mitgegeben: „9. Dein Creutz laß sein mein wanderstab, mein Ruh vnd Rast dein heiligs Grab, […] 10. […] Durch deine auffgespaltne Seit mein arme Seele heim geleit.“78 „8. Fahr endlich ab, du müde Seel, Aus deines Leibes Marter=höl! Dein Wanderstab sey CHristi Blut, 71

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Anon., O Welt, ich muss dich lassen (Str. 1,2). Zur „strassen“ innerhalb und jenseits des Lebens vgl. Anm. 25. Vgl. Siegfried, Ich hab mich Gott ergeben (Str. 2,3–6): „Der Himmel ist mir lieber, | Da muß ich trachten ein, | Mich nicht zu sehr beladen, | Weil ich wegfertig bin“. Anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Str. 6,6f). Leon, Dein Leib wollen wir nun begraben (Str. 2,3f): „Wenn eins jeden stündlein verhanden, | so heist es […]“. Schein, Hin ist des Lebens Zeit (Str. 2,1f). Dach, Mein Abschied aus der bösen Welt (Str. 3,6). Behm, O Jesu Christ, meins Lebens Licht (Str. 2–3). Behm, O Jesu Christ, meins Lebens Licht (Str. 9,1f; 10,3f).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt Dein Pilger=Hut. Der liebe Todt macht alles gut.“79 „7. In dein Seyte wil ich fliehen An meim bittern Todes gang, Durch dein Wunden wil ich ziehen Ins Himlische Vaterland. In das schöne Paradeyß, Drein der Schächer thet sein Reiß, Wirstu mich, HErr Christ, einführen, Mit ewiger Klarheit zieren.“80

Kreuz und Blut Christi dienen dem Menschen als „Wanderstab“ auf einem Weg, der wiederum durch die Seitenwunde des Heilandes hindurchführt – gerade durch sein Leiden erweist sich Christus mithin als der Weg (Joh 14,6), über den bzw. die Tür (Joh 10,7.9), durch die der Mensch zum Vater gelangt.81 Das mystische Bild der geöffneten Seitenwunde changiert zwischen zwei Deutungen der Heilswirkung des Todes Jesu: Einerseits hat dieses Leiden stellvertretend für alle den Weg zum Vater frei gemacht, so dass sie nun durch die Wunde ins Vaterland einziehen können; andererseits ist dieser Weg ein Leidensweg in der Nachfolge Christi. Am Ende des Weges steht das ‚Durchdringen‘ ans Ziel, das Passieren eines letzten Übergangs. „Drumb / so geh hindurch mit Freuden“82, heißt es bei Olearius, und das Ich bei Paul Gerhardt resümiert in retrospektiver Richtung: „Nun bin ich durch.“83 Nach Joh 5,24 ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen, wer Jesu Wort hört und dem glaubt, der ihn gesandt hat – Leonhart Hutter leitet daraus den Trost vor den Schrecken des Todes schlechthin ab: Der Tod ist demnach kein Tod, sondern eine Tür zum Leben;84 Dilherr greift eben dies in einem Lied auf.85 Die geöffnete Tür als letzter Übergang zur Ankunft im Himmel begegnet auch bei anderen Autoren.86

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Birken, Herr Jesu Christe, Gottes Sohn (Str. 8). Anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Str. 7). Vgl. anon., O du Leben meiner Seele* (Str. 7,5–8): „Ach! so zieh an deine seite / | JEsu! durch dieselbe leite | Meinen armen schwachen geist / | Wenn er / JEsu! zu dir reist.“ Zur vielschichtigen Symbolik der Wunden vgl. S. 373, zur Seitenwunde als „LebensThür“ (Olearius) S. 376. Olearius, Wollst du für dem Tod erschrecken (Str. 3,1). Vgl. Schein, Zwing dich, o liebe Seele mein (Str. 2,7f): „Hindurch / hindurch / O Seele mein / | Zu GOtt dem Herrn vnd Vater dein.“ Vgl. zum ‚ritterlichen Durchdringen‘ auch S. 226 Anm. 101. Gerhardt, Mein herzer Vater, weint Ihr noch (Str. 3,1). Vgl. Hutter, Comp. 29,5: „Cùm Mors malorum omnium sit terribilissimum: quod quaeso, solatium ipsius terroribus pii opponere possunt? Pii sive credentes in Christum, sciunt, Mortem sibi non esse mortem: sed januam sive transitum ad vitam.“ [Folgt das Zitat von Joh 5,24.] Vgl. Dilherr, O Seel, du Leibseinwohnerin (Str. 23,4f): „Er ist kein Tod / dieweil er nur | zum rechten Leben: ist ein Thor“; vgl. anon., O Vater, Sohn und Heilger Geist* (Str. 15,1f): „Und wenn ich so nuhn sterb’ alhihr / | Ist mihr der Tod di Lebens=Tühr“. Vgl. Gryphius, Ade, verfluchtes Tränental (Str. 10,1f): „Das reiche Schloß der Ewigkeit | Geht auff. Ich bin ankommen“; J. Gerlach, Treuer Gott, lass den Tod (Str. 6): „Da ist mir | Schon die Thür | Aufgeschlossen | Zu der rechten Himmels=Freud, | Die du, HErr, mir hast bereit, | Mir als deinem Reichsgenossen.“

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II. Der Weg des Lebens

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2. Militia Christi Ähnlich umfassend wie im Bild der Pilgerschaft lassen sich sowohl das menschliche Leben als auch das Sterben im Bild des Kriegsdienstes (militia) beschreiben. Krieg und Kampf bilden dabei die bipolare und antithetische Grundstruktur der Beziehung von Gott und Welt ab, wie sie in den vorangegangenen Abschnitten herausgearbeitet wurde, indem sie sie auf eine radikale Konfrontation zuspitzen. Innerhalb dieses Widerstreits der Mächte nimmt der Mensch die Position eines miles Christianus oder christlichen Ritters ein. Dabei kann er auch selbst zum Schauplatz des Kampfes werden, etwa zwischen Fleisch und Geist (vgl. Gal 5,17), und muss täglich gegen sein Fleisch ankämpfen.87 In diesem Sinne wollte auch das alte Lied °Nun höret zu, ihr Christenleut („Von dem streyte des fleysches wider den geyst“) von Hans Witzstat verstanden werden.88 An die Stelle von ‚Fleisch‘ und ‚Geist‘ traten im Text jedoch ‚Leib‘ und ‚Seele‘, die strophenweise im Wechsel ein Streitgespräch miteinander führen. Die Gegenüberstellung auch dieser beiden Instanzen wird in zahlreichen Texten wiederholt.89 Die Hauptgegner des christlichen Ritters, sofern sie denn als Mächte außerhalb seiner selbst dingfest gemacht werden, sind der Tod und der Teufel (vgl. Dürers Stich „Ritter, Tod und Teufel“). Zusammen mit ‚Sünd‘ und Hölle‘ sind diese Mächte auch die wesentlichen Urheber der im Leben wie im Sterben auftretenden Anfechtung (vgl. S. 304), deren Bezeichnung ja selbst ein kriegerisches Moment enthält. Im ritterlichen Kampf des Menschen gegen das Fleisch, gegen Tod und Teufel wird also nicht zuletzt der Kampf mit Anfechtungen verbildlicht. Vorbild für den Kampf des christlichen Ritters ist der Kampf Christi, der über die Mächte der Anfechtung und insbesondere über den Tod seinen triumphalen österlichen Sieg errungen hat (vgl. S. 379). Einer der zentralen biblischen Bezugstexte für die Kampfmetapher ist Eph 6,11–17, eine Aufforderung an die Christen, sich gegen die Anschläge des Teufels und der finsteren Mächte mit der „Waffenrüstung Gottes“ zu wappnen, so mit dem Panzer der Gerechtigkeit, dem Schild des Glaubens, dem Helm des Heils und dem Schwert des Geistes, nämlich dem Wort Gottes.90 Noch wesentlich häufiger finden sich in den Liedtexten Verarbeitungen von 2Tim 4,6–8: 87

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Vgl. Saubert, Ach wie sehnlich wart ich der Zeit (Str. 5,1–4): „Hie bin ich mit der Sünd befleckt, | Muß streitn mit fleisch vn[d] blut, | Dort wird es alls seyn weggelegt | Bey dir, du höchstes Gut.“ M. Franck, Freud über alle Freude (Str. 2,1f; 3,1f): „Hier muß ich täglich streiten | Mit meinem Fleisch und Blut […] Dort hat der Kampff ein Ende | Der fleischlichen Begierd“. Zum Ende des Kampfes im Himmel vgl. Gesenius/Denicke, Wie lieblich sind daroben (Str. 3,1f): „Dort wird nicht mehr entpfunden | Des fleisch= und geistes krieg; | Dann hab ich überwunden | Durch Christi tod und sieg.“ Enthalten auch bei Babst; zur Diskussion um die Unbedenklichkeit des Liedes vgl. S. 39 Anm. 40. Vgl. anon., Herr Jesu Christ, meins Lebens Licht, ich bitt (Str. 2,1f): „Es ist doch hie ein schwere zeit, | der Leib ist mit der Seel im streit“; Sacer, Freunde, stellt das Weinen ein (Str. 2): „Da mein Leib danieder fiel, | Fiel auch mit mein Feind danieder. | Meiner Seelen höchstem Ziel | Wäre ja mein Fleisch zuwieder. | Weil mein Leib nun weggerafft, | Ist mir süsse Ruh geschafft.“ Eine lateinisch-deutsche Versfassung dieses Textes (Qui Christianus vult vocari/°Wer will ein Christ genennet sein) von Nicolaus Selnecker erschien im Andern Buch des Psalters Davids (Nürnberg 1564, vgl. W IV 321.).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Denn ich werde schon geopffert / vnd die zeit meines abscheidens ist furhanden. Jch hab einen guten Kampff gekempffet / Jch hab den Laufft volendet / ich hab glauben gehalten. Hinfurt ist mir beygelegt die Kron der gerechtigkeit / welche mir der HErr an jenem tage / der gerechte Richter / geben wird / Nicht mir aber allein / sondern auch allen die seine Erscheinung lieb haben. (Luthertext 1545)

Vom ‚guten Kampf ‘ des Glaubens spricht auch der 1. Timotheusbrief (1Tim 1,18; 6,12). Anders als Eph 6 betont der Text aus 2Tim 4 weniger den kriegerischen (½̷̧̡̨̫̭) als den sportlichen Aspekt des Kampfbegriffs (к̴̟̩): Der Kampf ist ein Wettkampf, ein Wettlauf,91 der schließlich vom Kampfrichter mit der Siegerkrone belohnt wird (vgl. auch 1Kor 9,24f; Hebr 12,1). Wie der Pilgerweg wird auch der Kampf gleichermaßen im Leben wie im Sterben verortet: Der Kampf des christlichen Ritters gegen Tod und Teufel findet jederzeit statt. Aufs Lebensende hin ergibt sich jedoch eine entscheidende und dramatische Zuspitzung, indem der Ritter gegen den Tod als letzten Feind antritt: Ungeachtet der Tatsache, dass dieser durch Christus bereits vernichtet ist (1Kor 15,26), wird das Sterben als letzte Bewährungsprobe des christlichen Ritters gedeutet. Ähnlich wie bei der Pilgerschaft können zwei verschiedene Haltungen im Blick auf den Kampf eingenommen werden, eine pro- und eine retrospektive. Vor dem Kampf stehen Elemente mit performativer Wirkung wie Aufforderung und Ermutigung sowie die Bitte um göttlichen Beistand im Mittelpunkt, letztere der Bitte um göttliches Geleit entsprechend. Die rückblickende Perspektive auf den Kampf (oft 2Tim 4,7f) hat dagegen eher berichtenden Charakter. a) Vor dem Kampf In seinem Lied Lebt doch ein jeder Mensch im Streit stellt Johann Rist den Kampf mit dem Teufel als Grundgegebenheit des menschlichen Lebens vor, der sich jeder zu stellen hat: 1. LEbt doch ein jeder Mensch im Streit’ / Es gilt zu Felde ligen / Vom Kampf ist niemand hie befreit / Man muß im Fried auch kriegen / Der Feind’ ist eine grosse Schaar: Der Satan pflegt uns immerdar Erschreklich zu zusetzen / Der Welt Hass / Neid und frecher Muht / Auch unser eignes Fleisch und Bluht Die wollen uns verletzen. 2. Auf lieber Christ / und wehre dich / Ergreiffe bald die Waffen / Damit der Höllen wühterich 91

Das Bild des Laufs oder Wettlaufs wird allerdings sehr viel seltener als das des Kampfes ausgeführt. Vgl. Spener (?), So ist’s an dem, dass ich mit Freuden* (Str. 3,1–4): „Hie galt es schwitzen / galt es schnauffen / | Die lang und rauhe renne=bahn | Mit ehren endlich durchzulauffen / | Wie ich nun seliglich gethan.“

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II. Der Weg des Lebens

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An Dir nichts müge schaffen / Auf / auf du must gerüstet sein / Da nim des Glaubens Schild allein Den starken Schutz zu handen / Gührt’ an das Geist geschärfte Schwehrt / Des Herren Wohrt / das wol bewehrt Die Feinde macht zuschanden.92

Neben dem Satan und der Welt wird hier „Auch unser eignes Fleisch und Bluht“ als Gegner genannt. Der Mensch hat seinen Kampf also mit außerhalb liegenden Mächten auszufechten und kämpft zugleich gegen sich selbst – die äußeren Mächte wirken auch in ihm. Die Aufforderung zur Wehrhaftigkeit in der zweiten Strophe bedient sich der genannten Requisiten aus Eph 6. Das Lied steht zwar bereits im Originaldruck unter den ‚Sterbensliedern‘, das Kampfmotiv ist hier aber ganz aufs diesseitige Leben, weniger auf Anfechtung im Todeskampf bezogen. Stärker auf den Tod gerichtet ist die Perspektive von Benjamin Prätorius’ Sei getreu bis an das Ende (nach Apk 2,10). Gegner sind auch hier ebenso die „Teuffel“ wie „das Sünden=Fleisch“; die Ermutigung zum Durchhalten „in Todes=kämpffen“ erstreckt sich bis auf den „letzten Ruck“.93 Der Kampf mit dem Tod selber, von dem ein besonderer Schrecken ausgeht, kann in älteren Liedern als Kampf des Lebens mit dem Tode geschildert werden: „Vor Angst mein Hertz im Leib zerspringt, | mein Leben mit dem Tode ringt“94. Vorbild hierfür ist Luthers Osterlied °Christ lag in Todesbanden, das allerdings gerade keinen individuellen Todeskampf, sondern einen endgültigen Kampf zwischen Tod und Leben als überpersonalen Mächten beschreibt, der schon in der Vergangenheit vom Leben gewonnen wurde.95 Diese mythische Vorstellung wird nun individualisiert und wieder in die Gegenwart verlegt. Seinen Schrecken verliert der bevorstehende Kampf mit dem Tod jedoch in dem Moment, in dem der Sterbende sich nach Eph 6 mit den Waffen des Glaubens rüstet (also auch mit der Erinnerung an den österlichen Sieg Christi): „4. O was für grosse Herrligkeit Ist vns bereit / Die wir im Herrn entschlaffen / :/: Wenn wir vns rüstn auffs allerbest / 92

93

94 95

Rist, Lebt doch ein jeder Mensch im Streit (Str. 1–2). Str. 1,10 „Hass /“: emendiert aus „Hass /’“. Das Lied stammt aus den Neuen Himlischen Liedern (Lüneburg 1651), 4. Teil (Sterbenslieder), 2. Lied, und trägt dort die Überschrift: „Betrachtung der Nichtigkeit / Flüchtigkeit / Trübsahls und Elendes des gantzen Menschlichen Lebens“. In den ausgewerteten Gesangbuchrubriken ist es nur einmal vertreten (N-1654 unter ‚Vom Tod und Sterben‘). Prätorius, Sei getreu bis an das Ende (Str. 1; 9). Jede Strophe beginnt: „Sey getreu“, das Kampfmotiv umrahmt mit den beiden genannten Strophen den Text, der im untersuchten Material nur in Lü-1695/1702 vertreten ist. Anon., Hie lieg ich armes Würmelein, kann regen (Str. 1,3f). Vgl. Luther, °Christ lag in Todesbanden (Str. 4,1–4): „Es war eyn wunderlich krieg, | da todt vnd leben rungen: | Das leben behielt den sieg, | es hat den tod verschlungen“.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt Ergreiffen fest Im Geist des Glaubens Waffen: Trotz sey fortan Dem schwartzen Mann / Daß er vns zwar Nur krümm ein Haar / Gar nichts er mehr kan schaffen.“96 „6. Im Fried laß mich sanfft einschlaffen, Leg mir an des Glaubens Schild, Helm des Heils vnd Geistlich waffen, Das mich schreck kein Todesbild.“97 „5. Drum deiner Sünden grosser Schein Dir itzt nicht mehr kan schädlich seyn / Weil in des Glaubens hellen Waffen Du sanfft und selig ein=kanst=schlaffen.“98

In der Zuversicht „Mein Kampff wird glücklich lauffen ab“99 offenbart sich dann die wahre kämpferische Tugend des christlichen Ritters, seine Tapferkeit und Unerschrockenheit: eben Ritterlichkeit gegenüber dem Tod, die ihn sich „frey Ritterlich | mit jm in Kampff begeben“100 lässt und ihn dazu bringt, – so eine häufige Redeweise – „zu letzt auch durch den Todt | Ritterlich zu dringen“101. Solche Glaubensstärke kann er freilich nicht aus eigener Kraft aufbringen, sie muss erbeten sein. Die Bitte um Stärkung zum Kampf und göttlichen Beistand im ritterlichen Ringen gehört denn auch zum notorischen Vorrat der Sterbegebete: „10. O heilger Geist, mit deiner krafft die sterben sollen stercke, Das man des glaubens Ritterschafft an jhrem endt vormercke“102. „II. […] DEin TodesKampff / dein Schweiß / dein Blut giebt mir im Tode Krafft und Muth / hilff Jesu / hilff mir jetzt auch ringen / durch Tod und Leben zu dir dringen.“103 96 97 98 99 100 101

102 103

Schein, In Sünden und in Gottes Zorn (Str. 4). Z. Faber, Herr, ich bin ein Gast auf Erden (Str. 6,1–4). Anon., Auf, meine Seel, dein End ist hier* (Str. 5). Timäus, Wenn mein Gesundheit leidet Not (Str. 9,5). Anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Str. 17,6f). Roberthin, Wer sein Wesen überlegt (Str. 5,7f). Vgl. die folgenden Beispiele im Text sowie Rist, O Vater aller Gnaden (Str. 10,3–5): „So reiß mich aus den Banden | Des Todes / daß Ich wol | Und ritterlich durchdringe“; Luther, Komm, Heiliger Geist, Herre Gott (Str. 3,7f): „Das wyr hye ritterlich ringen, | durch tod und leben zu dyr dringen.“ Ringwaldt, O frommer und getreuer Gott (Str. 10,1–4). Olearius, Herr Jesu, deine Traurigkeit („II. Auß dem Todes=kampf und blutigen Schweiß JEsu Christi“). Die Strophe ist einer von 34 meist einstrophigen Texten aus der Geistlichen Singekunst, in denen unter

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II. Der Weg des Lebens

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„11. Hilff, das ich gar nicht wancke von dir, HErr Jesu Christ, Den schwachen Glauben stercke in mir zu aller frist. Hilff mir ritterlich ringen, dein Hand mich halte fest, das ich mag frölich singen das consummatum est.“104

Theologisch aufschlussreich ist insbesondere der von Johann Olearius im zweiten Beispiel hergestellte Zusammenhang: Es ist Jesu Todeskampf, der letztlich die Stärkung des Menschen in seinem eigenen Ringen mit dem Tod wirkt. Im Kampf gegen das feindliche Heer wird das Blut Jesu zur Fahne, auf die der Christ bereits in der Taufe „geschworen“ hat, hinter der sich Jesu „Ritters=Leute“ versammeln und in die sie sich sogar schützend einwickeln.105 Die Taufe auf Jesu Tod (Röm 6,3) kommt dem Menschen demnach weniger als Teilhabe an dessen stellvertretender Überwindung des Todes zugute, sondern vielmehr als apotropäischer Schutz im eigenen Todeskampf, dessen er trotz des österlichen Triumphes Christi nicht enthoben ist. b) Nach dem Kampf Für den Rückblick auf den schon überstandenen Kampf des Lebens und Sterbens sind die zitierten Verse aus 2Tim 4,7f der klassische Bibeltext. Ein spektakuläres Zeugnis für die große Bedeutung dieses Textes in der Sterbefrömmigkeit des 17. Jahrhunderts bietet die so genannte Nürtinger Blutbibel: Die Blutspur, die ihr Besitzer im Moment seiner Ermordung durch spanische Truppen im Dreißigjährigen Krieg im Buch hinterlassen hat, verweist genau auf diese Stelle.106 Die im untersuchten Material am häufigsten belegte Fassung stammt von Heinrich Albert: 1. EInen guten Kampff hab’ ich Auff der Welt gekämpffet, Denn GOtt hat genädiglich All mein Leid gedempffet, Daß ich meines Lebens Lauff

104

105

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der Überschrift „D. J. O. Hertzerqvickender Trost in Todesnoth“ einzelne Elemente aus der Passionsbetrachtung herausgegriffen und mit Blick auf das eigene Ende meditiert werden (als Lied mit 40 Str. enthalten in L-1673). Die Melodieangabe O Jesu Christ, meins Lebens Licht verweist auf ein älteres Lied, das ähnlich verfährt, wenn auch bei weitem nicht so ausführlich (vgl. S. 221). Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Str. 11, Schluss der Fassung Görlitz 1611). Vgl. Homburg, Herr Jesu Christ, mein Leben (Str. 2,3f): „Wann Noht und Tod herdringen, | Hilff ritterlich mir ringen.“ Dach, In dieser meiner letzten Not (Str. 2,7f): „Komm steh auff meiner Seiten | Vnd hilff mir sieghafft streiten.“ Z. Herberger, °Ein Wandersmann bin ich allhier (Str. 6,7): „Hilff mir ritterlich kämpffen“ usw. Vgl. anon., °Wie ein Hirsch nach frischem Wasser (Str. 10–11, hier Str. 11): „Ja, HErr, wie die Ritters=Leute | Allzeit auff den Fendrich sehn, | Also wil ich gleichfals heute | Auch nicht ferne von dir stehn. | Ich wil alß ein Ritters=Mann | Mich wickeln in deine Fahn. | Ach, Ach laß mich frey drinn streiten | Vnd mich wehrn zu allen seyten.“ Dokumentiert bei Ernst, Verwüstet, 56f; vgl. Krusenstjern, Seliges Sterben, 481. Eine Abbildung ist auf der Homepage der WLB unter www.wlb-stuttgart.de/sammlungen/bibeln/bestand/kostbarkeiten/nuertblutbibel/ zu finden.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt Seeliglich vollendet Vnd die Seel im Himmel nauff GOtt dem HErrn gesendet. 2. Forthin ist mir beygelegt Der Gerechten Crone, Die mir wahre Frewd erregt In des Himmels Throne. Forthin meines Lebens Licht, Dem ich hie vertrawet, Nemlich Gottes Angesicht, Meine Seele schawet.107

Das Lied ist 1632 für einen verstorbenen Freund Alberts geschrieben, und auch weitere Belege zeigen:108 Der Bibeltext ist geeignet, in Beerdigungsliedern an die Stelle eines Berichtes über das Leben des Verstorbenen zu treten – ohne das Rühmen konkreter Taten, das in den weitschweifigen Abdankungsreden zum Programm gehörte und manchen Zeitgenossen als Unsitte galt, und ohne individuelle Bezüge, die der gattungsüblichen Forderung nach überpersönlicher Gültigkeit widersprächen. Dem Verstorbenen die apostolische Rede aus 2Tim 4 in den Mund zu legen, bedeutete eine unverdächtige und dennoch ehrende Stilisierung seiner Person nach dem Ideal des christlichen Ritters, dem nachzueifern ohnehin jedem Christen aufgetragen war. Viele weitere Liedanfänge109 und Einzelstrophen belegen Verbreitung und Beliebtheit des Textes. Eine Fassung von Simon Dach verarbeitet auch den seltener berücksichtigten Vers 6b („Die Zeit meines Hinscheidens ist gekommen“). Damit nimmt das Ich auf der Textebene eine Position ein, von es zwar auf das Leben zurückblickt, in der ihm das Sterben aber scheinbar noch bevorsteht: 1. MEin Abschied auß der bösen Welt Vnd auß den schweren Banden Ist nun einmal vorhanden, Ich bin dem Tode vorgestellt, Vnd muß das Reich zu erben 107

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Albert, Einen guten Kampf hab ich (Str. 1–2). Das Lied stammt aus dem ersten Teil von Alberts Arien (Königsberg 1638), ist aber schon 1632 zum Tod von Alberts Freund Johann Ernst Adersbach entstanden. Das lateinische Motto verweist ebenfalls auf die Tapferkeit des Kämpfers, der sich seine Krone verdient hat: „Non qui certamina segnes [träge, untätig] Aspiciunt, sed qui pugnant, meruere coronas“. Eine bearbeitete Fassung ist bei Bonifatius Stölzlin (Ulm 1676) erhalten: °Einen guten Kampf hab ich (FT III 362.). Schein, Hin ist des Lebens Zeit (Str. 3–4): „Recht wol hab ich allhie | Ein guten Kampff gekämpffet“ usw. (1629 zum Tod von Hermann Hütte); Schein, Mein Zeit nunmehr vorhanden ist (z. B. Str. 2,5–8): „Den guten Kampff ich in der Welt | gekämpffet hab mit Fleiß / | Gantz Ritterlich / gleich als ein Held / | Daß mir ausdrang der Schweiß“ (zum Tod von M. Andreas Schneider). Vgl. z. B. Schein, Ich hab mein Lauf vollendet; Sturm, °Einen guten Kampf gekämpft ich hab; Olearius, Mein Lauf ist nun vollendet; anon., Vollzogen hab ich meinen Lauf*; Pauli, So hab ich nun vollendet den schweren Lebenslauf; Klaj, Ich hab ein guten Kampf gekämpft; Sacer, So hab ich obgesieget, mein Lauf ist nun vollbracht (Lü-1695/1702 anon. mit der Textvariante Nun hab ich obgesieget usw. und nur 10 statt 13 Str.).

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II. Der Weg des Lebens

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Gleich wie ein Opffer sterben. Ich habe ritterlich gekämpfft Vnd meinen Lauff vollendet, Der Feinde wütten ist gedempfft, Vnd alle Noht geendet. 2. In diesem Lauff vnd harten Streit Hat mir der Feind den Glauben Dennoch nicht können rauben. Die Krone der Gerechtigkeit, Die jenes Leben heget, Ist mir schon beygeleget, Got, der im letzten Welt=Gericht Das Richter=Ampt wird führen, Wird selbst mich in dem wahren Liecht Mit solcher Krone zieren.110

Auch dieses Lied ist aber erst für die Beerdigung entstanden;111 der Moment des Todes, der auf der Textebene noch in unmittelbarer Zukunft zu liegen scheint, ist in der Realität schon vergangen. Das zeigt, dass der vom Text implizierte Zeitpunkt nicht mit dem der Performanz übereinstimmen muss, ja dass beide Größen klar zu unterscheiden sind. Das Sterben im Text hängt dem realen Todeszeitpunkt häufig etwas hinterher; der im ersten Vers erwähnte „Abschied“ bekommt bei Verwendung des Textes auf der Trauerfeier eine andere Bedeutung, nämlich nicht im Sinne des leiblichen Todeszeitpunktes, sondern des kirchlichen Verabschiedungsrituals. Im Rückblick wird der ‚Sieg‘ über Tod und Teufel konstatiert, etwa mit einem einfachen Siegesruf112 oder einer Rekapitulation des turbulenten Kampfgeschehens113. Friedrich Rappolts „Triumphs=Lied“ Mein Leben war ein Streit*, das 2Tim 4 nicht wörtlich aufgreift, hebt im Kehrreim gegenüber Kampf und Streit besonders den im Tod erlangten „Frieden“ hervor: 1. Mein Leben war ein Streit mit Sünd / Welt Todt und Hölle / Ich bin des Streites qvit und hab Ruh an die Stelle / [Kehrreim:] Ich habe nun Frieden durch JEsum erlanget durch JEsum in Friede die Seele nu pranget. […] 4. Der gröste Streit war der / ich solt des Todes sterben / Es war durch kein Verdienst das Leben zu erwerben […]. 110 111

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Dach, Mein Abschied aus der bösen Welt (Str. 1–2). Nachgewiesen in SDG III, S. 462: „auff das Leichenbegängnis des Hn. Hanß Truchseß von Wetzhausen“ (Königsberg 1636). Vgl. Finx, Wie selig ist ein frommer Christ (Str. 2,4f): „Er hat vollendet seinen Krieg! | Er hat den lang=gewünschten Sieg!“ Anon., Zum Frieden und zur Ruh* (Str. 9,1–4): „9. Zu frieden und vergnügt! | Wird alsdenn ruffen mein gemühte: | Nun hat den tod besiegt | Die arme seel auß Gottes güte“. Vgl. Dach, Gleichwohl hab ich überwunden (Str. 1,1): „GLeichwol hab’ ich vberwunden, | Gleichwol seelig obgesiegt! | Aber weh den Hellen=Hunden, | Die so feindlich mich bekriegt! | Des erwürgten Lammes Blut | Hat verlescht der Pfeile Glut, | Welche von des Sathans Scharen | In mein Hertz geschossen waren.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt 5. Der Höllen Rachen stund mich zu verschlingen offen / Es hatte mich daher Furcht / Schrecken / Angst getroffen […]. 6. Der Glaube war der Sieg / der alles überwunde In JEsu nun allein ich Ruh und Frieden funde […].114

Entscheidend für den Ausgang des Kampfes war nach 1Joh 5,4 der Glaube, so Rappolt im Anschluss an die reformatorische Tradition, nicht etwa das Verdienst der Werke. Im Glauben, dem ‚Schild‘ von Eph 6, sind die feindlichen Mächte überwunden, ist dauerhafter Friede gewonnen.

3. Zusammenfassung Zwei Bilder – oder vielmehr ganze Bildbereiche – veranschaulichen das in den untersuchten Liedtexten vorherrschende Verständnis des Lebens und Sterbens: das Bild der Pilgerschaft (peregrinatio) und das des Kriegsdienstes (militia) oder ritterlichen Kampfes. Gemeinsam ist beiden Bildern ihre biblische Verankerung, ihre skeptische, kritische Sicht der Lebensumstände des Menschen in der Welt, ihre teleologische Ausrichtung (‚Ankunft‘ bzw. ‚Überwindung‘) und ihre Vielseitigkeit. Damit ist zunächst allgemein die Offenheit für die Verwendung in unterschiedlichen Kontexten und die Anschlussfähigkeit für immer detailliertere Ausgestaltungen gemeint; im Besonderen erweist sich diese Offenheit in der Anwendung nicht nur auf das Leben, sondern auch auf das Sterben. Diese doppelte Anwendung illustriert zugleich die Zusammengehörigkeit von Leben und Sterben im Verständnis der Lieddichter: Beide lassen sich mit denselben Bildern beschreiben. Indem der Rezipient sich selbst lesend und singend in die Rolle des Pilgers oder des christlichen Ritters begibt, leisten beide Bilder einen wichtigen Beitrag zur Sterbebereitung, zur Lösung von der Welt und zur Ausrichtung auf den Himmel. Ein grundlegender Bibeltext für den Bildbereich der Peregrinatio ist der Abschnitt vom wandernden Gottesvolk in Hebr 11, in dem die Vorläufigkeit der Erdenexistenz zum Ausdruck kommt. Daneben spielt auch die weisheitlich geprägte Rede vom ‚Wandel‘ eine gewisse Rolle (vgl. die Gesangbuchrubrik ‚Vom heiligen Leben und christlichen Wandel‘): Gutes und geheiligtes Leben gilt vielen Autoren schon als Bereitung zum seligen Sterben. Nach der Peregrinatio-Vorstellung ist die menschliche Erdenexistenz durch eine Reihe von Bildmotiven gekennzeichnet: Das Leben entspricht einem Aufenthalt in der Unbehaustheit der Fremde, im Exil; der Mensch ist nur „Gast auf Erden“ (Ps 119,19). Eine häufige Variante beschreibt das Leben als Schiffsreise, die durch den Sturm auf den rettenden ‚Port‘ zusteuert. Der Weg (oder die ‚Straße‘) der Erdenreise ist – darin zeigt sich wieder die unter I. konstatierte negative Bewertung der Welt – leidvoll, gefahrvoll und beschwerlich; der Pilger ist daher im Leben und insbesondere im Ster114

Rappolt, Mein Leben war ein Streit* (Str. 1; 4–6); einziger Beleg für dieses Lied ist L-1682.

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III. Memento mori: Die Todesmahnung

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ben auf den ‚Geleitsmann‘ Christus angewiesen, der ihm den Weg mit seinem Wort erleuchtet. Als positiv konnotiertes Ziel der Lebensreise, das der irdischen Mühsal entgegengesetzt ist, und als eigentlicher Bestimmungsort des Menschen steht ihm das himmlische Vaterland (Hebr 11,16) vor Augen, das ‚Land der Lebendigen‘. Die innere Ausrichtung auf dieses Vaterland wird manifest als Äußerung der Sehnsucht oder des Verlangens, die der Sehnsucht nach dem Sterben entspricht (vgl. S. 338). Erhofft wird darin zum einen die Befreiung vom ‚Joch‘ der irdischen Beschwernis, zum anderen die Aufhebung des Fremdlingsstatus durch die Gottesgemeinschaft. Mit der Todesstunde hat der ‚Pilgrim‘ den letzten Abschnitt seiner Reise erreicht. Dabei kann der Tod als Moment der Ankunft, aber auch als Moment des letzten Aufbruchs, der „letzten reis“ gedeutet werden (zum postmortalen Weg der Seele vgl. S. 483). Insbesondere auf diesem Abschnitt bedarf der Mensch des Geleites Christi. Am Ende des Weges stehen das ‚Durchdringen‘ oder der letzte Übergang, der häufig durch eine Tür markiert ist. Im Bild des christlichen Ritters werden Leben und Sterben des Menschen nicht als Weg, sondern als Kampf gedeutet. In der Frontstellung zwischen Gott und Welt kämpft der miles Christianus auf Seiten Christi manchmal gegen sich selbst, vor allem aber gegen die Mächte der Sünde, des Todes, des Teufels und der Hölle, von denen er im Leben wie im Sterben angefochten ist (vgl. S. 300). Christus als der Auferstandene hat sich seinerseits im Kampf gegen diese Mächte als siegreich erwiesen (vgl. S. 379). Seinem Gefolgsmann ist die Teilhabe an diesem Sieg verheißen, etwa kraft der Taufe; des Kampfes ist er gleichwohl nicht enthoben. Leben und Sterben können sowohl im Vorgriff als auch im Rückblick als Kampf gedeutet werden. Vorausblickend geschieht dies z. B. in Form einer Ermutigung zu Unerschrockenheit, Zuversicht und zur Zurüstung mit geistlichen Waffen (vgl. Eph 6,11–17). Für den retrospektiven Blick auf den geistlichen Lebens- und Todeskampf ist 2Tim 4,6–8 ein wichtiger Bezugstext. Häufig ist sein Sitz im Leben in Leichenpredigten oder Begräbnisliedern zu finden, dessen Ich dem Toten in den Mund gelegt wird (vgl. S. 416). Der Tote wird damit nach dem Ideal des christlichen Ritters stilisiert. Als wesentlich für den Ausgang des Kampfes gilt in jedem Fall der Glaube an Christus als den Überwinder des Todes (vgl. Eph 6,16; 2Tim 4,7; 1Joh 5,4).

III. Memento mori: Die Todesmahnung Die besondere Erinnerung an den eigenen Tod greift über die allgemeine Vergänglichkeitsbetrachtung hinaus: „ALle Menschen müssen sterben“ hat einen anderen, weniger scharfen Fokus als „O Mensch, bedencke stets dein End“. Im einen Fall steht die Klage, im anderen die Ermahnung im Vordergrund; im einen Fall ist keine direkte Anrede enthalten, im anderen ist sie konstitutiv: „Mensch! du mußt sterben auch“1. Freilich wohnt der allgemeinen Vergänglichkeitsbetrachtung immer 1

Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, O du dreieinger Gott (Str. 2,7).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

auch ein implizites Memento mori inne. Zudem begegnen viele Aussagen und Bilder zur Vergänglichkeit in beiden Formen, weshalb bei der Untersuchung dieser Bilder in Abschnitt I. auch beiderlei Beispiele berücksichtigt wurden. Eine Todesmahnung ist im Verständnis von Simon Dach jedes Begräbnislied,2 ob es die Rezipienten nun direkt anspricht oder nicht. Die direkte Todesmahnung bildet dennoch eine eigene, feste literarische Tradition. Zunächst sollen in diesem Abschnitt ihre Erscheinungsformen untersucht werden (1.): In welchen Formen begegnet die Mahnung? Welches Vokabular wird verwendet, und welche Konsequenzen für das Leben und Sterben im Sinne einer Ars moriendi sind bereits impliziert? Im Anschluss an das Memento mori im engeren Sinne werden zwei weitere literarische Traditionen untersucht, deren Verwendung ebenfalls die Funktion einer Todesmahnung übernehmen kann: Eine besondere Rolle bei der Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod spielen einerseits die Rede von der Todesstunde (2.), andererseits die Vorstellung des Todes als Person (3.), gleichsam ein bildliches Memento mori im Sinne einer persönlichen Konfrontation.

1. Memento: Das ‚Denken an‘ den Tod a) Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen (Ps 90,12) Das Bedenken des eigenen Endes begegnet in den Liedtexten nicht nur in Form des imperativischen ‚Memento‘, sondern auch in Form einer an Gott gerichteten Bitte: der Bitte, Gott möge den Menschen das Bedenken des eigenen Endes lehren, wie sie in Ps 90,12 oder in Ps 39,5 vorgebildet ist. „Ach lehr’ uns Herr bedenken“, so oder ähnlich lautet die Bitte in vielen Liedern; Simon Dach intensiviert sie in seiner freien Umsetzung von Ps 90 zu der deutlicheren Formulierung: „Schrey vnserm Ohr’ vnd Hertzen ein“3. Die Notwendigkeit der Belehrung ergibt sich aus der Scheu oder Unfähigkeit der ‚Kinder dieser Welt‘, sich mit den letzten Dingen und insbesondere mit ihrem Tod auseinanderzusetzen; in der erbetenen Belehrung stiftet Gott die zum Gelingen eines seligen Endes notwendige Erkenntnis. Dem Text des Psalters nach ist der Inhalt der Belehrung nach Ps 39,5 die Faktizität der eigenen Sterblichkeit, nach Ps 90,12 ihre Reflexion, die auch die Betrachtung ihrer Folgen und eine Akzeptanzforderung einschließt. In den Liedadaptionen vermischen sich beide Ebenen; die Reflexionsebene („bedencken“, vgl. S. 234) wird in den meisten Fällen ausdrücklich genannt.4 Zugleich zeigen die einschlägigen Liedstrophen5, dass in der göttlichen 2 3

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Dach, Herr, es mangelt nicht an dir (Str. 3), zit. S. 605. Dach, Du, Gott, bist außer aller Zeit (Str. 6): „Schrey vnserm Ohr’ vnd Hertzen ein | Des eiteln Lebens Flucht vnd Pein, | Daß wir die Boßheit fliehen, | Rath suchen bloß bey deinem Sohn, | Vnd Lebens=satt, wie Simeon, | Zu dir von hinnen ziehen.“ Vgl. z. B. Gerhardt, °Mein Gott, ich habe mir (nach Ps 39,5: Str. 3,1–4): „Herr lehre mich doch wol | Bedencken / daß ich sol | Einmal von dieser Erden | Hinweg geraffet werden“. Z. B. Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 8); Ringwaldt, O Gott, der du die Menschenkind (Str.  7); Schein, Ich will still und geduldig sein (Str. 4); Schein, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, ob ich gleich itzt (Str. 4); Dach, Du, Gott, bist außer aller Zeit (Str. 6); Rist, O Vater aller Gnaden (Str. 4–5); Rist,

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III. Memento mori: Die Todesmahnung

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Belehrung über das Dass der Sterblichkeit eine ganze Reihe von Konsequenzen enthalten ist, die eine Gestaltung des Sterbens als gutes Sterben ermöglichen. Nach Ps 90,12 ist eine erste Folge der göttlichen Belehrung und der Reflexion über die menschliche Sterblichkeit, „dass wir klug werden“, oder in den Worten der Lieder: dass wir „klugheit werden vol“, „uns zur Klugheit lencken“, „Weislich und mit klugem sinn | Dencken stets ans ende hin“.6 Solche Klug- und Weisheit unterscheidet sich selbstredend von der nichtigen Klugheit der Welt (vgl. S. 201), denn sie führt den Menschen gerade über die Erkenntnis der Sterblichkeit hinaus und zur Teilhabe am Ewigen. Das wird zum einen durch rechtzeitige Buße, zum anderen durch die Bereitung zum Sterben ermöglicht. Buße als erste Konsequenz wird nicht nur im allgemeinen Sinne gefordert – „daß wir hie noch büssen“7, „Daß wir uns bey zeit bekehren“8 –, sondern auch dahingehend expliziert, „daß wir uns bey Zeiten lencken | hin zu Dir“9, „Daß wir die Boßheit fliehen“10 oder „Daß wir mit allen Sinnen | Den Himmel lieb gewinnen“11. Die andere Konsequenz der durch Gottes Belehrung vermittelten Klugheit ist die Sterbebereitung im engeren Sinne: dass wir „vns zum todt bereiten fein“12 und „schicken uns zum selign End“13, „Daß wir auch alle Sachen | Bereit und fertig machen“14. So kann es gelingen, dass die Christen „entgehn der seelen=noht“15 (und zwar sowohl derjenigen im als auch derjenigen nach dem Tode), und dass sie „eingehen zu den Freuden […] | der ewign Seeligkeit“16. Im Zusammenhang können die Strophen zum „Lehre uns bedenken“ etwa lauten: „7. O HErr, lehr vns bedencken wol das wir absterben müssen, Auff das wir klugheit werden vol, in zeit der gnaden büssen, Vnd vns zum todt bereiten fein, damit wir selig schlaffen ein auff Christum vnsern HErren.“17

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Ach was ist doch unser Leben* (Str. 8); anon., Mensch, sag an, was ist dein Leben* (Str. 12); anon., Wir müssen alle sterben, der Tod ist uns gewiss* (Str. 4); anon., Es ist gewiss ein große Gnad* (Str. 6) u. a. Ringwaldt, O Gott, der du die Menschenkind (Str. 7,3); anon., Es ist gewiss ein große Gnad* (Str. 6,4); anon., Mensch, sag an, was ist dein Leben* (Str. 12,5). Vgl. Gerhardt, Herr Gott, du bist ja für und für (Str. 9,1–4): „Lehr uns bedencken / frommer GOtt | Das Elend dieser Erden: | Auf daß wir / wenn wir an den Tod | Gedencken / Klüger werden.“ Schein, Ich will still und geduldig sein (Str. 4,4); vgl. Ringwaldt, O Gott, der du die Menschenkind (Str. 7,4): „in zeit der gnaden büssen“. Anon., Mensch, sag an, was ist dein Leben* (Str. 12,3). Rist, Ach was ist doch unser Leben* (Str. 8,3f). Dach, Du, Gott, bist außer aller Zeit (Str. 6,3). Rist, O Vater aller Gnaden (Str. 4,5f). Ringwaldt, O Gott, der du die Menschenkind (Str. 7,5). Anon., Es ist gewiss ein große Gnad* (Str. 6,5). Rist, O Vater aller Gnaden (Str. 5,5f). Anon., Mensch, sag an, was ist dein Leben* (Str. 12,4). Anon., Wir müssen alle sterben, der Tod ist uns gewiss* (Str. 4,6f); vgl. Schein, Ich will still und geduldig sein (Str. 4,6). Ringwaldt, O Gott, der du die Menschenkind (Str. 7).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt „4. Ach Herr lehr vns bedencken wol / Daß wir all sterben müssen / :/: Der Leib zur Erden werden sol / Hilff / daß wir hie noch büssen: Zu sterben wir geboren seyn / Vnnd gehn dardurch ins Leben ein / Solchs laß vns doch recht wissen.“18 „12. Ach! HErr Jesu! wollst uns lehren / Wie / woher / wen[n] kömmt der tod / Daß wir uns bey zeit bekehren / Und entgehn der seelen=noht: Weislich und mit klugem sinn Dencken stets ans ende hin.“19

Die beiden ersten Beispiele – von Ringwaldt und Schein – sind sich auffallend ähnlich. Das dritte Beispiel bringt eine Variation: Erbeten wird nicht eine Belehrung über die Sterblichkeit, sondern über die näheren Umstände des Todes; die rechtzeitige Buße gewinnt in diesem Kontext noch eine größere Konkretion. In wieder anderen Fällen fehlt das Dass der Sterblichkeit gleich ganz in der erbetenen Belehrung; sie soll vielmehr im Sinne der Anweisung zur Ars moriendi gleich über das Wie des seligen Sterbens Auskunft geben („Wie ich zuletzt recht sterben soll“20). Näheres dazu wird im Kapitel über die Bereitung zum Sterben zu sagen sein (vgl. S. 259). b) Memento: O Mensch, bedenke stets dein End Ein literarisch ebenso fester Topos wie das „Lehre uns bedenken“ und noch häufiger als dieser ist die Mahnung des eigentlich imperativischen ‚Memento‘: „O Mensch, bedencke stets dein End“. Der Mensch erbittet hier nicht die heilsame Reflexion über das Sterben, sondern wird direkt zu ihr aufgefordert. In Sir 7,40 heißt es entsprechend: „Was du auch tust, so bedenke dein Ende, dann wirst du nie etwas Böses tun.“ Die Pointe des Bibelverses ist eine moralische. Zwar ist das ‚Ende‘ schon hier eschatologisch zu verstehen: Gemeint ist das individuelle Lebensende des Menschen, nicht nur die unmittelbaren Folgen seiner Handlung (̨̨̥̩ӫ̮̦̫̰ ̯Қ ъ̮̲̝̯қ ̮̫̰); aber das Bedenken dieses Endes steht im Dienste des guten Lebens, auf dem der eigentliche Akzent liegt – die Mahnung will das Leben im Diesseits verbessern. Das barocke Memento mori setzt die Pointe dagegen umgekehrt: Hier steht das gute Leben im Dienste des seligen Endes. Alle ethischen Forderungen, die sich aus der Reflexion über das eigene Ende ergeben, dienen letztlich der Verwirklichung dieses allein ausschlaggebenden Ziels. Der Weg dorthin führt freilich über das „Bedencken“, über eine Form der inneren Auseinandersetzung, die von Gott ihren Ausgang nimmt („Lehre uns bedenken“), 18 19 20

Schein, Ich will still und geduldig sein (Str. 4). Anon., Mensch, sag an, was ist dein Leben* (Str. 12). Zeißold, °Herr Jesu Christe, Gottes Sohn, tu meine Bitt (Str. 1,7).

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III. Memento mori: Die Todesmahnung

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die den Menschen dann zur Buße führt und schließlich ein seliges Ende nach sich zieht. Entscheidend in diesem Prozess zwischen göttlicher Initiative und tätiger Anwendung ist der innere Akt der aneignenden Reflexion, in der der Mensch seine eigene Sterblichkeit und damit die Notwendigkeit der Vorsorge für ein gutes Ende erkennt. Dieses ‚Klugwerden‘, Aneignung und Erkenntnis, kann zwar letztlich nur von Gott gewirkt sein; aber der Mensch ist doch gehalten, ihm durch die Praxis der Sterbebetrachtung Raum zu geben, etwa im Lesen und Singen von Liedern. Durch diese Praxis wird die Möglichkeit der Erkenntnis wesentlich befördert – einfach dadurch, dass Leser, Sänger und Hörer mit dem Thema des eigenen Todes konfrontiert werden, und insbesondere dadurch, dass sie zur inneren Auseinandersetzung ausdrücklich ermahnt und aufgefordert werden. Solche Ermahnung oder „erinnerung“21 setzt meist mit einer direkten Anrede ein: „O Mensch!“22 lautet sie häufig oder „O frommer Christ!“; durch die Anrede der eigenen Seele erhält der Text den Charakter eines Selbstgesprächs. Auf die Anrede folgt ein Imperativ. Die Art der Auseinandersetzung kann dabei ebenso variieren wie ihr Inhalt. Zunächst zu den unterschiedlichen Arten der inneren Auseinandersetzung, wie sie sich im Gebrauch unterschiedlicher Verben widerspiegelt (auch über die rein imperativische Verwendung hinaus). Damit der Prozess der inneren Auseinandersetzung beim in der Welt befangenen Menschen in Gang kommen kann, bedarf es zunächst des Innehaltens: „STeh doch, Seele, steh doch stille | Vnd besinn dich, wo du bist.“23 Im geforderten ‚Sich-Besinnen‘ schwingt ein Zur-Besinnung-Kommen mit, eine Art Erwachen oder Bewusstwerden über die eigene Situation als sterblicher Mensch, deren Wahrnehmung innerhalb des atemlosen Laufs in der Welt verstellt ist. Aufmerksame Wahrnehmung impliziert das ‚In-Acht-Nehmen‘, ein wahrhaftes Ernstnehmen der Sterblichkeit, das sich aufs Leben konkret auswirkt: 1. ACh! seele / nimm doch wol in acht / Wie so vergänglich sey diß leben / Damit / wenn du nun gute nacht Dem leibe durch den tod must geben / Du so gelebet jederzeit / Daß / da du must von hinnen gehen / Den tod du nicht dort mögest sehen / Den mit sich bringt die ewigkeit.24

Auch das ‚Erwägen‘ der eigenen Sterblichkeit muss zu dem Ergebnis führen, Buße zu tun und sich zum Sterben „fertig“ zu machen.25 Mit dem etwa von Selnecker 21

22

23 24 25

Z. B. Stigelius, O Mensch, willt du für Gott bestahn (Überschrift): „Ein Christliche erinnerung an Jung vnd Alt.“ Vgl. auch anon., Mensch, sag an, was ist dein Leben*: „Menschen töchter / menschen söhne / | Lasst euch diß gesaget seyn“ (Str. 7,1f); „Menschen=kind / nimm diß zu hertzen“ (Str. 9,1). Richter, Steh doch, Seele, steh doch stille (Str. 1,1f). Anon., Ach Seele, nimm doch wohl in acht* (Str. 1). Vgl. anon., Mensch, sag an, was ist dein Leben* (Str. 11): „Wer diß klüglich wird erwegen / | Der wird als ein rechter Christ | Falsch= und bosheit von sich legen / | Dencken auch zu jeder frist | Wie er möge

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

geforderten ‚Sich-Erkennen‘ ist natürlich ebenfalls die Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit gemeint.26 Stärker meditativen Charakter haben Verben wie ‚betrachten‘ oder ‚sich versenken‘, von denen vor allem das erstere sehr verbreitet ist. Die ‚Betrachtung‘ findet sich häufig in den Liedüberschriften Johann Rists;27 als ihr Gegenstand kommen Tod, Sterblichkeit, Hölle oder die Eitelkeit der Welt in Frage.28 In Liedern wie Komm, Sterblicher, betrachte mich (vgl. S. 247) von Gottfried Wilhelm Sacer wird ‚Betrachtung‘ ganz wörtlich als bildliche Anschauung des Todes- oder Totenbildes verstanden. Die ‚Versenkung‘ gilt dagegen in der Regel heilsamen Inhalten, etwa der Gnade oder ganz bildlich den Wunden Jesu.29 Hier ist die meditative Bedeutung am deutlichsten greifbar. Am häufigsten finden sich jedoch die Imperative „denck“, „bedenck“ und „gedenck“, deren letzterer dem lateinischen ‚Memento‘ genau entspricht und die dem Menschen sein Ende dergestalt in Erinnerung rufen wollen, dass es ihm innerlich in jedem Moment präsent ist; entsprechende Liedanfänge sind zahlreich.30 Falsche Gedanken werden durch verneinte Imperative zurückgewiesen: „Gedencke nicht in deinem Sinn, | Daß du nicht dörffest sterben […] Ach! denke nicht, es hat nicht Noht, | Ich wil mich schon bekehren“31. Wie bei der Buße darauf zu achten war, dass sie „bey Zeiten“ stattfindet, so wird der Christ aufgefordert, mit dem Gedanken an seinen Tod umzugehen, „Weil du noch gsund am Leben bist“32. Die letzte Lebenszeit, auf die der Gedanke gerichtet ist, wird von Johann Rist plastisch ausgemalt, um das Gedenken zu befördern: 10. Gedenk O Hertz an jene Zeit / Wen Krankheit dich einst plaget / Wen dein Gemüht empfindet Streit /

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fertig seyn / | Wenn sein letzter tag bricht ein.“ Den alten Imperativ ‚erwig!‘ hat Eyring, °O Mensch, gedenck der letzten Stund (Kehrreim): „Das wol erwig: | Lang nit ewig, | Ewig ist lang, | Die Buß anfang | Vnd thu das Böse meiden.“ Vgl. Selnecker, Herr Jesu Christ, in deine Händ (Str. 6): „O selig ist, der sich erkennt | vnd tracht stets nach eim guten end, | Furchtsam, ohn falsch vnd heucheley, | demütig vnd getrost dabey.“ Vgl. die Aufstellung aus den Himlischen Liedern und den Neüen Himlischen Liedern, S. 554f. Vgl. z. B. Gesenius/Denicke, O Gott, wenn ich bei mir betracht, dass alles Fleisch verdirbet; Gesenius/ Denicke, O Gott, wer dieses Leben wohl betrachtet, der wird finden usw. Selnecker, Herr Jesu Christ, in deine Händ (Str. 4,1f): „HERR, schaff, das ich stets solchs bedenck | vnd mich in deine gnade senck“; Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, Wer weiß, wie nahe mir mein Ende (Str. 3): „Herr, lehr mich stets mein End bedencken | Und, wenn ich einsten sterben muß, | Die Seel in Jesu Wunden sencken […]“ Vgl. anon., Wir müssen alle sterben, o Mensch, das recht bedenk* (Nürnberg 1599); anon., O Mensch, bedenk mit Fleiß all Stund* (Leipzig 1616); Heermann, O Mensch, bedenke stets dein End (Breslau/Leipzig 1630; davon abgeleitet: anon., O Mensch, bedenke wohl, dass du einmal musst sterben*, Lüneburg 1661); Harsdörffer, O Sündenmensch, bedenk den Tod (Nürnberg 1649; vgl. ders., Wer denket an der Höllen Glut, Str. 7,1: „O Sünden=Mensch, bedenck die Höll“); Kesler, An Tod gedenk, o frommer Christ (Coburg 1655). Vgl. Eyring, °O Mensch, gedenk der letzten Stund (Augsburg 1611); Arnold, °Bedenk allzeit dein letztes End (Altenburg 1631) usw. Sacer, Komm, Sterblicher, betrachte mich (Str. 1,6f; 10,1f). Kesler, An Tod gedenk, o frommer Christ (Str. 1,1f): „AN Tod gedenck, O frommer Christ, | Weil du noch gsund am Leben bist“; „weil“: derweil, solange. Vgl. schon Eyring, °O Mensch, gedenk der letzten Stund (Str. 1,1–3): „O Mensch, gedenck der letzten stund, | WEYL DV BIST gsunt | Vnd lebst in allen freiden“.

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III. Memento mori: Die Todesmahnung

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Wen Satan dich verklaget / Wen dir Gesicht und Witz vergeht Gehör und Sprache nicht besteht / Wenn dein Gewissen zaget.33

Das letzte Stündlein (vgl. dazu S. 239) ist also bevorzugter Gegenstand des ‚Gedenkens‘. Es ist von körperlichem Verfall, Anfechtung und Gewissenskonflikten bestimmt, auf die sich das „Hertz“ schon zu einem Zeitpunkt einstellen sollte, zu dem sie noch nicht eingetreten sind. Das Memento mori kann auch darin bestehen, dass nicht imperativisch zum Todesgedenken aufgerufen, sondern direkt indikativisch an den Tod erinnert wird, und zwar ebenfalls in der zweiten Person, so dass der Adressat auf seine eigene Betroffenheit direkt angesprochen wird: „Heute bist du herr im haus / | Morgen trägt man dich hinauß.“34 Besonders ausführlich geschieht dies in dem Lied Der grimmig Tod mit seinem Pfeil, in dem über viele Strophen hinweg das Sterben, die Verwesung und das Vergessenwerden futurisch in der zweiten Person geschildert werden und schließlich die Erinnerung erfolgt: „Vielleicht ist diß der letzte Tag | den du noch hast zu leben“35. Zuguterletzt tritt der anonyme Autor selbst in Erscheinung, und zwar als Toter: 19. Der dieses Liedlein hat gemacht, von newen hat gesungen, Der hat gar offt den Todt betracht vnd letzlich mit jhm gerungen, Ligt im hol, es thut jhms wol, tieff in der Erd verborgen: Sich auff dein sach, du must hernach, es sey heut oder Morgen.36

Das Lied ist damit zum einen als Vollzug der Todesbetrachtung seines Autors stilisiert; daraus wird wiederum die Ermunterung an den Leser, Sänger usw. abgeleitet, sie ebenfalls zu vollziehen. Ähnlich kann in einem Beerdigungslied von Schein die Mahnung direkt dem Verstorbenen in den Mund gelegt werden.37 Einen Schritt weiter gehen die Texte, in denen an den Tod nicht im Sinne eines ‚Memento‘ erinnert werden muss, weil das Ich (in das der Adressat schließlich einstimmen kann) die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit und das To33

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Rist, Es nahet sich der letzte Tag (Str. 10); ähnlich formuliert (‚jene Zeit‘) bei Mylius, Herr, ich denk an jene Zeit. Anon., Mensch, sag an, was ist dein Leben* (Str. 10,5f). Anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (16,1f). Vgl. zu diesem Lied S. 197 Anm. 178. Anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Str. 19). Schein, Mein Zeit nunmehr vorhanden ist (Str. 7,7f; 9,5–8): „Drumb frommer Christ dich wol bedenck / | Nicht laß verführen dich. […] | Das hab ich all erfahren nun / | Bin dessen wol ergetzt / | Drumb magst du wol dergleichen thun / | Das laß ich dir zuletzt.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

desgedenken selbst vollzieht. Diese Texte befinden sich meist bereits im fließenden Übergang zum Bereich der Sterbebereitung und des Sterbegebets. Allerdings lassen sich in der textimmanenten, also von den Texten implizierten Sprechsituation unterschiedliche Grade der Todesnähe unterscheiden. Das Todesgedenken „WEYL DV BIST gsunt“ ist gerade noch kein Sterbegebet mit Abschiedscharakter. Ein sehr häufiges Beispiel ist Bartholomäus Ringwaldts Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl, dass ich einmal muss sterben (Frankfurt/O. 1586).38 Das ‚meminisse‘ selbst klingt noch an in Titeln wie Herman, Mit Todesgdanken geh ich um (Wittenberg 1562); Behm, Herr Christ, wenn ich bedenke (Wittenberg 1611); Mylius, Herr, ich denk an jene Zeit (Königsberg 1639). Dass der letztgenannte Autor – wie empfohlen – sein „Christliches Sterb=Lied […] bey gesunden Tagen, Anno 1639 […] verfertiget“ hat, geht aus dem Titel des bei FT nachgewiesenen Drucks hervor.39 In einer Strophe von Sohren lässt sich der Augenblick der Aneignung des Todesgedenkens vom externen ‚Memento‘ zur eigenen Beschäftigung mit der Todesmahnung beispielhaft ausmachen: 1. ICh gehe / sitze / was ich thu / so rufft mir diese Stimme zu / Mensch dencke an dein Sterben / drümb meine Seele sey bereit / und schick dich zur Bußfertigkeit / wilt du den Himmel erben  / schaustu gleich itzt des Tages=Licht / wer weiß / stirbst du vor Abend nicht.40

Zunächst wird das ‚Memento‘ von einer nicht näher klassifizierten, aber omnipräsenten und dadurch außerordentlich dringlichen „Stimme“ von außen an das Ich herangetragen. Kennzeichnend für diese Konstellation ist hier wie in anderen Liedern die Anrede ‚[O] Mensch‘. Dann folgt eine Art Internalisierung: Als Reaktion auf die gehörte „Stimme“ – die realiter auch mit Totengeläut oder gesungenen Begräbnisliedern identisch sein könnte, wie Simon Dach in Herr, es mangelt nicht an dir vorschlägt (vgl. S. 605) – kommt es zu der Selbstaufforderung, sich auf das eigene Ende vorzubereiten. Dem entspricht die interne Anrede an die eigene „Seele“. Das Memento mori, so lässt sich zusammenfassend festhalten, ist die explizite oder implizite Aufforderung zum Todesgedenken, zur (heils-) notwendigen inneren Reflexion oder Meditation der eigenen Sterblichkeit. Der Liedtext hat dabei nicht bloß Aufforderungscharakter, sondern ist selbst Medium des Gedenkens. Mit Ps 90,12 wird die Bereitschaft zum heilsamen Todesgedenken von Gott erbeten. In Form von Imperativen, aber auch indikativischen Schilderungen in der zweiten Person, sowie der Anrede „O Mensch“ ergeht die Aufforderung durch eine externe Instanz. Eine Art Internalisierung wird durch die Anrede an die eigene Seele oder durch die Ichform 38 39 40

Vgl. anon., Herr, es ist mir nicht verborgen, dass ich endlich sterben soll* usw. Zit. nach FT III, S. 22. Weitere Angaben zu diesem Lied vgl. S. 545. Sohren, Ich gehe, sitze, was ich tu (Str. 1).

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III. Memento mori: Die Todesmahnung

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angezeigt. Es ist ein typischer Grundzug der geistlichen Barocklieder, dass sie auf ein ‚meminisse‘ aus sind, auf ein inneres Gewahrwerden und meditatives Ventilieren bestimmter Themen wie Sünde, Himmel und Hölle. Im Falle der Todesbetrachtung sind praktische Konsequenzen dabei immer mit intendiert: christliches, gutes Leben, eine büßerische Haltung und die Vorbereitung auf das eigene Sterben.

2. Die Rede von der Todesstunde Die Erinnerung an die allgemeine Vergänglichkeit und an die eigene Sterblichkeit (Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl, dass ich einmal muss sterben) hat also die Funktion, christlichen Wandel, Buße und Sterbebereitung „anzureitzen“ und so letztlich ein seliges Ende zu ermöglichen. In der Rede von der Todesstunde, die schon in den Liedern des 16. Jahrhunderts prominent auftritt, wird dieser Impuls intensiviert, indem der Gedanke an den eigenen Tod konkretisiert wird: Nicht mehr von der Sterblichkeit an sich ist hier die Rede, sondern vom konkreten Todeszeitpunkt. Die Rede von der letzten Stunde dient stärker als die bloße Sterblichkeitserinnerung der tatsächlichen Vergegenwärtigung des eigenen Todes. Indem der Mensch seinen letzten Tag und sein letztes Stündlein vor Augen hat, trifft ihn das Memento mori – nun in der Form: „O Mensch, gedenck der letzten Stund“41 – mit noch größerer Wucht. „Die letzte stund fürcht iederman“42, ist sie doch derjenige Zeitpunkt, an dem sich entscheidet, ob das selige Ende und damit ein Ende zur Seligkeit gelingt: Sie wird dem Menschen persönlich zum Jüngsten Tag.43 Ein „seliges Stündelein“ oder „seliges Valetstündlein“ ist Gegenstand der Bitten etwa bei Nicolaus Selnecker, wo es auch heißt: „verlaß mich nicht zur letzten stund“44. Die Vergegenwärtigung der letzten Stunde erfolgt über das „Dencken“45, angestoßen durch den Liedtext, dessen Lesen oder Singen den Menschen sich in sein letztes Stündlein hineinversetzen lässt: „Wann dir das letzte Stündlein kompt“46 oder „WEnn mein Stündlein furhanden ist“47. Aber auch in der Gegenwart kann jeder Moment der verrinnenden Zeit zur Mahnung an das letzte Stündlein werden: „So offt der Seiger schlagen thut, | Die letzte stund nim zu gemüth.“48 Das Lied O Mensch, bedenk 41 42 43

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Eyring, °O Mensch, gedenk der letzten Stund (Str. 1,1). Anon., °Die letzte Stund fürcht jedermann (Str. 1,1; in Johann Walters Gesangbüchlein 1551). Vgl. Suevus, °Herr Christ, gib, dass im Wandel mein (Str. 5,4–6): „Dieses Stündlein, da ich abscheid, | Mein Jüngster Tag ist, drauff Bescheid | Wird folgn, Hilff Gott! ohn Leiden.“ Selnecker, Herr Jesu Christe, Gottes Sohn, der du sitzt (Str. 1,4). Das Lied ist überschrieben: „Ein Lied vnd Gebett, vmb ein seliges Stündelein“, Selneckers Lied Herr Jesu Christ, in deine Händ: „Ein Lied vmb ein seliges Valetstündlein aus diesem Jammerthal.“ Vgl. Mylius, Herr, ich denk an jene Zeit (Str. 1,1–4): „HERR, ich denck’ an jene Zeit, | Wan ich diesem kurtzen Leben | Wegen meiner Sterbligkeit | Gute Nacht sol geben“; zum Lied vgl. S. 238. Anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Str. 2,1). Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Str. 1,1); der Vers findet sich gleichlautend drei Jahre später bei Selnecker, Herr Jesu Christe, Gottes Sohn, der du sitzt (Str. 2,1). Vgl. Rist, O Vater aller Gnaden (Str. 10,1f): „Und wen die Zeit fürhanden | Daß Ich abscheiden sol […]“ Friccius, °Hör, Mensch, du seist groß oder klein (Str. 4,3f). Das Wort „Stündlein“ kommt in jeder der 9 Strophen einmal vor; das Lied ist überwiegend (Str. 1–7) als Memento-mori-Ermahnung in der 2. Ps. Sg.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

mit Fleiß all Stund* erweitert das Prinzip ähnlich dem Nachtwächterlied Hört ihr Herrn und lasst euch sagen: Hier steht jeder einzelne Stundenschlag für ein anderes Meditationsthema, an das imperativisch erinnert wird („gedenck“, „bedenck“, „vergiß auch nicht“), darunter die Eins für die Todesstunde,49 die Drei für die Dreieinigkeit, die Vier für die Schrift (vier Evangelisten), die Zehn für die Gebote usw. Neben den wesentlichen Heilstatsachen wird zuallererst die entscheidende Bedeutung der Todesstunde mit Hilfe der zahlensymbolisch-emblematischen Meditationstechnik jederzeit präsent gehalten – so wie der Tod jederzeit eintreten kann. a) Ungewissheit und potentielle Nähe der Todesstunde Mors certa, hora incerta – so gewiss der Tod jedem einzelnen Menschen ist, so ungewiss die Stunde, da er eintritt. Die sprichwörtliche Antithese von Wissen und Nichtwissen wird in vielen Liedern aufgegriffen und dient ebenfalls dazu, die dringliche Notwendigkeit der Todesbetrachtung und der sich aus ihr ergebenden Forderungen (christlicher Wandel, Buße, Sterbebereitung) herauszustellen. Hilfe zur Buße wird etwa in folgenden Strophen erbeten, deren auffällige Ähnlichkeit für eine Verwandtschaft sprechen könnte (die Strophenform ist identisch, freilich gängig; auch sind unterschiedliche Melodien angegeben): „2. Ich weis wol, daß ich sterben mus, Doch nicht, zu welcher stunden. Drum hilff, daß ich in wahrer Buß Werd jedesmahl erfunden, Auff daß ich jetzt vnd allezeit Zu meiner Heimfart sey bereit, So bald du mich abforderst.“50 „1. DAs weiß Ich, daß ich sterben muß, Weiß aber nicht die Stunde. Drumb hilff, mein GOtt, daß Ich ohn Buß Niemalen werd erfunden. Wo Busse ist, da hats nicht noth; Man lebet Gott, Drumb muß der Tod Zum sanfften Schlaffe werden.“51 „1. ICh weiß wol, daß ich sterben muß, Weiß aber nicht die Stunde;

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gefasst. Ähnlich Bellinckhausen, °Ein Stündlein ist verlaufen: Anlass, sich der Stunde der Bekehrung und der Todesstunde zu erinnern, ist das Verstreichen einer Zeitstunde (Titel: „Eine kurtze geistliche betrachtung der Stunde“). Anon., O Mensch, bedenk mit Fleiß all Stund* (Str. 2,1f): „Wenns Eins schlegt so gedenck daran / | wie du einmahl must sterben“. Einziger gefundener Beleg: L-1616 unter der Rubrik „Klag vnd Todtengesenge“. Gesenius/Denicke, O Gott, wenn ich bei mir betracht (Str. 2), Hannover 1646 (Melodieangabe dort: Ach Gott, vom Himmel sieh darein). Gefundene Belege: Lü-1660 bis 1706, H-1683. Schramm, °Das weiß ich, dass ich sterben muss (Str. 1), Lissa 1655 (Melodieangabe: Ach lieben Christen, seid getrost).

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III. Memento mori: Die Todesmahnung

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Drumb hilff, O GOtt, daß ich mit Buß Mich kehr zu deinem Bunde, Daß meine Sünd ich stets bewein’, Jedoch auch deiner TodesPein Mich tröst aus HertzensGrunde!“52

Die Aussagen über die Ungewissheit der Todesstunde werden häufig auf die anderen Todesumstände ausgedehnt, nämlich auf Ort und Art des Todes. Heermanns „Wann, wie und wo“ zeigt die mögliche Allgegenwart und die Unentrinnbarkeit des Todes, Andreas Kesler stellt das Nichtwissen der Todesart heraus. Beide betonen das „sey bereit“ als Konsequenz des Nichtwissens: „9. Gewiß ists, daß du sterben must; Wann, wie vnd wo, ist vnbewust. An allem Ort, all Augenblick Wirfft aus der Tod sein Netz vnd Strick. Bistu nu klug, so sey bereit Vnd warte sein zu jederzeit.“53 „2. Nun ist sehr ungewiß die Zeit, Drümb mach dich alle Stund bereit: Im Augenblick muß mancher dran Und kein Aufschub haben kan. 3. Die Art und Weiß auch du nicht weist, Wie du aufgibest deinen Geist: Der Tod hat Mittel mancherley, Daß er dem Menschen komme bey.“54

Wer die Ungewissheit des Todeszeitpunkts recht bedenkt, für den ergibt sich rasch die Folgerung, dass der Tod ihm zumindest potentiell immer nahe ist: „WEr weis, wie nahe mir mein Ende?“55 Im Bewusstsein des Menschen sollte das Ende daher jederzeit ganz nahe sein, damit der Tod ihn nicht unvorbereitet treffen kann. Von dieser Erkenntnis sind viele der Texte gerade des 17. Jahrhunderts durchdrungen: „Es kan vor Nachts leicht anders werden, | Als es am frühen Morgen war“56; „Wir leben heut / und morgen sind wir todt“57. Ob der nächste Abend oder der nächste

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Anon., Ich weiß wohl, dass ich sterben muss (Str. 1), Schleusingen 1672 (Melodieangabe: Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl). Gefundene Belege: nur Lü-1695/1702. Heermann, O Mensch, bedenke stets dein End (Str. 9); vgl. die anonyme Fassung O Mensch, bedenke wohl, dass du einmal musst sterben* (Str. 11) und Sacer, Komm, Sterblicher, betrachte mich (Str. 8,1–4): „In dem du lebest, lebe so, | Dass du kanst selig sterben. | Du weist nicht, wann, wie oder wo | Der Todt umb dich wird werben.“ Kesler, An Tod gedenk, o frommer Christ (Str. 2–3). Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, Wer weiß, wie nahe mir mein Ende (Str. 1,1). Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, Wer weiß, wie nahe mir mein Ende (Str. 2,1f). Alberti, Ach freilich weiß der Mensch nicht seine Zeit* (Str. 4,1).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Morgen noch erlebt werden, ist jedesmal offen; und wenn das eine Ziel erreicht ist, gilt für das nächste wieder dieselbe Ungewissheit: 2. Bist du doch fast in keinem nu Noch augenblick vom tod befreyet / Legst du dich gleich gesund zur ruh / Vielleicht der schlaff dir so gedeyet / Daß / eh noch geht die nacht vorbey / Der tod dich schon dahin gerissen / Da du wirst ewig bleiben müssen / Und es mit dir geschehen sey. 3. Erlebst du aber gleich den tag / Stehst frisch am morgen auß dem bette / Weisst du auch gleich von keiner plag Die dich die nacht getroffen hätte / Vielleicht / eh du noch gehst zur ruh / Und eh die sonne weggewichen / Da kömmt der tod herein geschlichen / Und drücket dir die augen zu.58

Im „Vielleicht“ ist die Todesstunde potentiell nah. Performativ sind alle Aussagen immer auf denjenigen Augenblick bezogen, in dem der Text gelesen oder gesungen wird: „Vielleicht ist diß der letzte Tag, | den du noch hast zu leben“?59 „Vielleicht möcht es noch heute seyn“?60 Vielleicht kommt der Tod „in der nechsten Stund“, „noch diese Stund“ oder „gahr itzund“?61 Ungewiss ist die Todesstunde freilich nur dem Menschen: Gott kennt sie, denn er ist es, der sie bestimmt hat. Wie er dem Menschen seine Zeit zugemessen hat, so hat er ihm die Sterbestunde gesetzt – auch dem früh verstorbenen Kind.62 Insofern bleibt dem Menschen nichts, als sich mit dem Eingeständnis des Nichtwissens zugleich der göttlichen Fügung anzuvertrauen, wie es Bartholomäus Ringwaldt oder Jakob Ritter tun: „1. HErr Jesu Christ, ich weis gar wol, das ich einmal mus sterben: Wenn aber das geschehen sol vnnd wie ich werd verderben 58

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Anon., Ach Seele, nimm doch wohl in acht* (Str. 2–3; Str. 3,3 „Weisst“: emendiert aus „Weissst“). Vgl. anon., Wo kommt es here, dass zeitlich Ehre* (Str. 14,5–8): „kurtz ist dein Leben / | du weist nit eben / | ob du solt leben / | die Morgenstund“; Sohren, Ich gehe, sitze, was ich tu (Str. 1,7f): „schaustu gleich itzt des Tages=Licht / | wer weiß / stirbst du vor Abend nicht“. Anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Str. 15,1f). Heermann, O Mensch, bedenke stets dein End (Str. 8,4). Arnschwanger, °Ein Tag geht nach dem andern hin (Str. 6,1); Heermann, O Mensch, bedenke stets dein End (Str. 8,6); anon., O Mensch, bedenke wohl, dass du einmal musst sterben* (Str. 10,4). Vgl. anon., Ich war ein kleines Kindlein (Str. 1,1–4): „Ich war ein kleines Kindlein | Geborn auff diese Welt; | Aber mein Sterbestündlein | Hat mir Gott bald gestelt.“ Zur zugemessenen Lebenszeit vgl. S. 171 Anm. 7.

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III. Memento mori: Die Todesmahnung

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Dem Leibe nach, das weis ich nicht es steht allein in deim Gericht, du sichst mein letztes ende.“63 „2. Der Tod ist uns zwar wol gewiß Und daß wir sterben alle; Wenn aber soll geschehen diß Und wie es Gott gefalle, Das weiß kein Mensch auff dieser Welt: GOtt unser Ziel Ihm vorbehält, Das Er uns hat bestimmet.“64

b) Lob und Gegenwart der Todesstunde Die Rede von der Todesstunde ist allerdings nicht auf den mahnenden Kontext des Memento mori und verwandter Aussagen beschränkt, wo sie dazu dient, die Notwendigkeit der Sterbebereitung und -bereitschaft zu unterstreichen. Gerade in jüngeren Belegen kann ihr Kommen ganz im Gegenteil auch in Fragen und Aufforderungen ungeduldig herbeigesehnt werden (vgl. S. 346):65 „O schöner Tag v. noch viel schönste Stund, | Wenn wirstu kommen schier“66, fragt das Ich bei Meyfart; bei Rist bittet es: „Kom liebstes Stündlein / daß Mich mag | Zum HimmelsFürsten weihen“67 und bekennt: „O lieblichs / seligs Stündelein | Wie trag’ ich doch so groß Verlangen | Nach dir allein / bey Gott zu seyn“68. Anders als in den zuvor zitierten Texten steht hier bereits fest, dass es sich in der Todesstunde nur um ein ‚seliges Ende‘ handeln kann – eben weil die Bereitschaft zu sterben durch das Verlangen danach andauernd gegeben, weil die Todesstunde erwartet und erwünscht ist. Statt eines Jüngsten Gerichts, das erst über die Seligkeit entscheidet, bedeutet die Todesstunde hier den unmittelbaren Eingang in den Himmel. Ihr Näherrücken und ihre Gegenwart werden denn auch nicht nur konstatiert,69 sondern oft auch freudig kommentiert, mit Lobpreis und Willkommen bedacht. Schon in einem Begräbnislied von Michael Weisse heißt es: „O ein lieblicher tag, |

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Ringwaldt, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl, dass ich einmal (Str. 1). Ritter, Wie selig ist der Mensche doch (Str. 2). Zur musikalischen Darstellung dieser Ungeduld in der Arie Ach schlage doch bald, sel’ge Stunde, den allerletzten Glockenschlag aus der Kantate Christus, der ist mein Leben (BWV 95) vgl. R. Steiger, Idiomatik, 38–40: Die gezupfte Streicherbegleitung kann als Ticken des Uhrwerks, als Glockenschlag und Schlag des Herzens gedeutet werden. Meyfart, Jerusalem, du hochgebaute Stadt (Str. 2,1f); vgl. Keulisch, Ach wann kommet doch die Stunde; Fritsch, Ach wann kommen doch die Stunden; anon., O Jesu, wie lässt du so lang* (Str. 4,1f.7): „O übermachter Freuden=Tag / | O Tag / wann wirst du kommen […] Ach! möcht er heut einbrechen.“ Rist, Nun, Welt, du musst zurücke stehn (Str. 14,3f); ‚Komm‘ vgl. bei Finx, Mir vergeht zu leben (Str. 7,5– 8): „Komm, gewünschtes Stündlein“; Omeis, Es ist nun aus mit meinem Leben (Str. 2,1–3): „Komm, Todes=Tag, du Lebens=Sonne! | Du bringest mir mehr Lust und Wonne | Als mein Geburts=Tag bringen kan“. Rist, °So wünsch ich mir zuguterletzt (Str. 3,1–3). Vgl. etwa die Liedanfänge: Heermann, Es nahet sich zum Ende; Rist, Es nahet sich der letzte Tag.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

den man wol loben mag“70, und die jüngeren Lieder verstärken diesen Tenor: „Gebenedeyt sey ewig dieser tag“71, „Drauf sey willkomm / du letzter Tag“72, „GOtt lob, die Stund ist kommen“73, „GOtt sey globt, ich empfinde wol, | Mein Stündlein ist vorhanden“74. Die Ungewissheit der Todesstunde ist in dem Moment vorüber, in dem sie eintritt. In einigen Liedern rückt die Zeit des Liedtextes immer enger mit ihr zusammen („Nun fehlen etwa wenig stunden / | So bin ich in der ewigkeit“75), bis beide in einem ‚heute‘, einem ‚jetzt‘ oder ‚zu dieser Stund‘ fast zur Deckung kommen. Noch futurisch blickt das Ich in einem Lied von Christoph Titius auf den unmittelbar bevorstehenden Moment des Todes voraus, der noch vor dem nächsten Glockenschlag eintreten wird: 1. HEute werd’ ich sterben / und den Himmel erben / heute seh’ ich GOtt: Eh die Uhr wird schlagen / soll man von mir sagen / N. N. ist todt. Er ist hin / begrabet ihn / deckt den Leib mit kühler Erden / Erde soll er werden.76

Noch einen Schritt weiter geht Johann Rist, dessen Lied Mein Gott und Vater, der du nicht den Sterbeprozess in der Todesstunde genau nachbildet. Überschrieben ist es als das Lied „Eines Christen / welcher mit Todesängsten hefftig wird gedrükket“; und das Ich gibt schon in der ersten Strophe der physisch empfundenen Todesnähe präsentischen Ausdruck: „mein Hertz das bricht / | Ich fühle schon an Mir den Tod“77. Nach zahlreichen Strophen einer insgesamt trinitarisch strukturierten Anrufung aus „Todesnöthen“ (Str. 8) steuert es ganz zuletzt auf den durch mehrfaches „itz“ gekennzeichneten Todeszeitpunkt zu, bis es ihn – und damit das Sein bei Gott – ganz am Ende erreicht hat: 12. Du Heilige Dreifaltigkeit / Gedenk’ an deinen Gnadenbund / Ich scheid’ auß diser kurtzen Zeit / Ach hilff / ach hilff zu diser Stund’ / 70

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Weisse, O Vater, Herre Gott, groß ist deine Genad (Str. 6,1f); weiter: „Wenn du zum menschen kömpst | vnd seine sele nimpst | Mit dir jns himmelreich, | wo sie den engeln gleich | Mit freuden wirt ohn vnterlas | anschawen deine klarheit blos!“ Anon., Die Zeit geht an, die Jesus hat bestimmt* (Str. 3,1). Anon., Mein junges Leben hat ein End (Fassung N-1677, Str. 8,1). Heermann, Gottlob, die Stund ist kommen (Str. 1,1). Thalhaimer, Gott sei globt, ich empfinde wohl (Str. 1,1f). Spener (?), So ist’s an dem, dass ich mit Freuden* (Str. 4,1f). Titius, Heute werd ich sterben* (Str. 1); das Lied ist nur in N-1690 belegt. In einigen Strophen klingt gegenüber dem Futur in Str. 1 bereits eine präsentische himmlische Existenz an (Str. 3,4: „Ich bin wo ich solte“; Str. 5,1: „Ich bin wol ankom[m]en“). Vgl. zum Verständnis dieser Zeitstruktur S. 420. Rist, Mein Gott und Vater, der du nicht (Str. 1,3f).

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III. Memento mori: Die Todesmahnung

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In deine Händ’ ergeb’ Ich Mich / Itz schlaff ’ Ich sanft und selig ein / Mein Augen schliess’ Ich säuberlich / Mein GOtt / itz werd Ich bei Dir sein.78

Hier ist der Moment des Todes im Text gegenwärtig; die Funktion dieses Kunstgriffes scheint es zu sein, dem Rezipienten eine geprägte Form für den Moment seines eigenen Todes zu liefern. Zeitgenössische Sterbeberichte zeigen, welch hoher Stellenwert geprägten Texten beim Sterben auch faktisch als Sprechhilfe zukam (vgl. S. 576). In einer anderen Art von Vergegenwärtigung der Todesstunde, nämlich in ihrer prospektiven Ausmalung durch die ‚Bitte um ein seliges Ende‘ (vgl. S. 266), kommen reale Zeit und Zeit des Textes dagegen nicht zur Deckung. Ihre Funktion ist auch eine andere: Im Gespräch mit Gott wird hier die Bereitschaft zu sterben evoziert. Von der Todesnot als literarischer Sprechsituation wird ebenfalls noch die Rede sein (vgl. S. 273)

3. Der Tod als Person Die Betrachtung des Todes als Person, die dem Menschen gegenübertritt und ihn an sein eigenes Sterben erinnert, dient ebenfalls als Memento mori. Vor allem in älteren Liedern kann der Tod durch einen (anonymen) Toten repräsentiert werden, der den lebenden Betrachter anspricht und zum „Gedencken“ aufruft. Im Totentanzmotiv tritt der Betrachter nicht selbst in Kontakt mit dem Tod, sondern beobachtet ihn lediglich in seinem Wirken, das auf Stand und Herkunft keine Rücksicht nimmt. Der Tod schleicht umher, stellt dem Menschen mit verschiedensten Waffen nach und klopft schließlich an seiner Tür. Sein Anblick ist schrecklich – doch dieser Anblick kann als bloßes ‚Bild‘, der Tod als überwunden entlarvt werden. Schließlich – und hierbei wird das mahnende Memento mori wieder transzendiert – wird der Tod sogar als Freund angesprochen und herbeigesehnt. Zur Figur des Todes als mythischer Größe im Kampf mit Christus vgl. S. 379. a) Der Tote als Repräsentant des Todes Das verbreitetste Lied des Typs, bei dem ein Toter als Repräsentant des Todes dem Lebenden das Memento mori zuruft, ist Nicolaus Hermans O Mensch, mit Fleiß anschaue mich.79 Die Überschrift „AD IMAGINEM MORTIS. Das Todtenbild spricht“, die sich nicht nur im Originaldruck von 1562, sondern noch in L-1673 findet, kennzeichnet die Sprechsituation des Textes genau: Der Rezipient des Textes wird zum Betrachter eines Bildes, des Bildnisses eines Toten, das zugleich imago mortis ist, 78 79

Rist, Mein Gott und Vater, der du nicht (Str. 12). Das Lied O Mensch, mit Fleiß anschaue mich (Wittenberg 1562) ist vor allem in älteren Gesangbüchern belegt, so in Lü-1625, in sechs Ausgaben aus Nürnberg (1607/17/26/37/54), in Leipzig noch etwas später (1627a/38/73). Verschiedene Textvarianten (Wolfenbüttel 1596; Nürnberg 1604; Nürnberg 1618) sind unter W III 1449.–1451. mit abgedruckt.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

also des Todes selbst.80 Wie dieses Bild aussieht, verrät die Überschrift in einem Nürnberger Gesangbuch: „Vom Todtenkopff.“81 Während der Betrachter bei diesem Bild („AD IMAGINEM“) steht, spricht es zu ihm: 1. O Mensch, mit vleis anschawe mich! wie du jtzt bist, gleich so war ich, Jung, schön vnd starck, vffs hübscht geziert, gleich wie ein Bild artig formirt. 2. Itzund bin ich nur asch vnd staub, mein fleisch die würm han zu eim raub, Adel, Kunst, ehr, gelt, gut vnd pracht der Tod hat alls zu nicht gemacht. 3. Wer ist, der mich jtzt kennen kan, ob ich sey gwest ein Edelman, Ein Fürst, ein Graff, Herr oder Knecht, ein Bürger oder Bawer schlecht? 4. Nach dem tod werden arm vnd reich, Fürsten vnd Bawern alle gleich, Man kent ein fur dem andern nicht, denn da ist gar kein vnterschied. […] 6. Bistu heut frisch, gsund, stoltz vnd reich, morgen bistu ein arme Leich; Helt man dich heut schön, lieb vnd werd, morgen legt man dich in die erd. 7. So ist dein pracht vnd zier denn hin vnd wirst gestalt wie ich jtzt bin: Drumb weil du noch jung vnd starck bist bedenck das end vnd traw auff Christ. […]82

Unversehens wird der Textrezipient zum Protagonisten einer Gegenüberstellung, deren anderer Teil ihm als Bild des Totenkopfs aus dem Text gleichsam entgegengrinst. 80

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Allerdings ist die Gestalt des Leichnams als eines Repräsentanten des Todes, der den Betrachter an die eigene Sterblichkeit erinnert, entwicklungsgeschichtlich ursprünglicher als die Personifikation des Todes selbst. In der Personifikation des Todes, etwa seit Johann von Tepls Ackermann aus Böhmen und den spätmittelalterlichen Totentanzdarstellungen, begegnet der Mensch jeweils dem eigenen Tod, dessen „Individualisierung im Zusammenhang mit einer stärker subjektiven Todeserfahrung gesehen werden muss“ (vgl. Grasmück, Schaubühne, 51). Nürnberger Gesangbuch von 1618, gedruckt von Johann Lauern, zit. nach W III 1451. Eine ähnliche Konstellation gibt es bei Ringwaldt, °Mein lieber Christ, steh doch was still (Frankfurt/O. 1588) unter der Überschrift: „APOSTROPHE, | Oder gewandte Rede, eines abgemahlten [!] Todtenkopffs, Zu einem jedern Menschen, seine Sterbligkeit zuerkennen.“ Auch im Text wird auf den Bild- oder „gemahlten“ Charakter des Totenkopfs angespielt (Str. 18): „Sih, solches wird in kurtzen Jahrn | dir auch, mein Bruder, widerfahrn, | das du wirst kriegen mein gestalt | wie du mich jetzt siehst abgemahlt.“ Herman, O Mensch, mit Fleiß anschaue mich (Str. 1–4; 6–7).

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III. Memento mori: Die Todesmahnung

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Die Gegenüberstellung lebt von der Spannung zwischen totaler Unähnlichkeit und Schicksalsidentität der Beteiligten. Einerseits könnte der Kontrast zwischen ihnen kaum größer sein: hier das Bild des Lebenden, „Jung, schön vnd starck“ (und zwar ‚bildschön‘, „gleich wie ein Bild“), dort das „Todtenbild“, „nur asch vnd staub“ und von Würmern zerfressen. Andererseits verhalten sich diese Bilder wie Spiegelbilder zueinander: Der Tote erkennt sich in dem lebenden Betrachter, der damit selbst zum Betrachteten wird, wieder („wie du jtzt bist, gleich so war ich“); er fordert ihn auf, vice versa dasselbe zu tun, indem er ihn schließlich daran erinnert, dass ihn das gleiche Schicksal erwartet: „wirst gestalt wie ich jtzt bin“. Unterstützt wird die Relativierung der Unähnlichkeit zusätzlich durch den Umstand, dass der Tod die Person unkenntlich macht: Es ist ein anonymer Toter, der hier die Todesmahnung ausspricht. Ähnlich wie im Totentanzmotiv ist letztlich aber nicht das Verwischen der individuellen, sondern die Nivellierung der Standesunterschiede entscheidend: Aufgrund des skelettierten Leichnams ist nicht mehr erkennbar, welcher gesellschaftlichen Gruppe der Verstorbene angehört hat. Der Appell zum Todesgedenken ist deshalb auch hier verbunden mit der Empfehlung, nichtigen weltlichen Gütern wie „Adel, Kunst, ehr, gelt, gut vnd pracht“ kein Vertrauen zu schenken. Trost in der erschreckenden Anschauung des Totenbildes verspricht vielmehr die Ermutigung „traw auff Christ“.83 Das rund 100 Jahre jüngere Lied Komm, Sterblicher, betrachte mich von Gottfried Wilhelm Sacer ist ebenfalls einem Verstorbenen in den Mund gelegt, allerdings nicht dem gemalten Bildnis eines Totenkopfs, sondern einem „abgelebten Menschen“84. Die spiegelbildliche Gegenüberstellung ist hier auf die erste Strophe beschränkt: „Was du jtzt bist, das war auch ich, | Was ich bin, wirst du werden.“ Weiter als in dieser zeitlichen Hinsicht wird der Kontrast nicht ausgeführt, weder die Verwesung noch die Gleichheit der Stände im Tod spielt eine Rolle, und das Ich des Verstorbenen tritt ganz zurück. Im Vordergrund steht das Du, die imperativische Mahnung zur Todes- und Vergänglichkeitsbetrachtung: „Gedencke“, „Bereite dich“, „mache dich geschickt“, „lerne sterben“ usw. Nur an einer Stelle taucht das Ich des Verstorbenen noch auf: „Es ist die Reye heut an mir; | Wer weiß, vielleicht gilts morgen dir“. Das könnte – zusammen mit der Überschrift „Betrachtung eines Todten“ – ein Indiz dafür sein, dass es ein konkreter Verstorbener ist, dem diese Worte in den Mund gelegt werden (zur literarischen Praxis, den Toten in Beerdigungsliedern selbst zu Wort kommen zu lassen, vgl. S. 416). Auch das Motiv ‚Betrachtung der Leiche‘ taucht in Beerdigungsliedern des 17. Jahrhunderts auf.85 Gegen die Zuordnung des Textes zu einem konkreten Toten sprechen freilich nicht nur die Dominanz der 83

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Vgl. die hier nicht abgedruckten Schlussstrophen 8–9; der Rahmen zu Str. 1,1 wird in Str. 9,1 geschlossen: „Des tröst dich, wenn du anschawst mich“. Überschrieben ist das Lied in L-1673: „Anredung eines abgelebten Menschen / an die sichere und noch lang zu leben hoffende Welt=Hertzen“. Die Überschrift im Erstdruck, einem Stralsunder Gesangbuch von 1665, lautet nach FT IV 609.: „Betrachtung eines Todten.“ Gefundene Belege: L-1673, H-1683, Lü-1695/1702. Vgl. Schein, Klagt nicht so, geliebte Leut (Str. 1,5–9): „Ob ihr zwar ansehet / | Wie vor euch da stehet / | Eine toden Leich / | Starrend / kalt vnd bleich / | Gottes Will ergehet.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Du-Form und das weitgehende Zurücktreten des Ich, sondern auch der Verzicht auf Trostargumente und der mahnende Grundton. Auch Sacers Text ist also vor allem als Memento mori zu lesen. b) Totentanz Die Allgemeinheit des Todesschicksals und die Gleichheit aller Menschen vor dem Tod finden einen populären Ausdruck im Bild des Totentanzes, in dem der Tod ebenfalls als Person auftritt – in der Bildtradition dargestellt als Knochenmann, der die Menschen ungeachtet ihrer Standeszugehörigkeit in seinen Tanz zwingt. Nicht nur in der Kunst des 17. Jahrhunderts bleibt diese mittelalterliche Bildtradition lebendig,86 sondern auch in den untersuchten Liedtexten wird über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg darauf angespielt: „Niemand ist hie außgenommen / | an den Todten=Tantz zu kommen.“87 Im weiteren Sinne gehören dazu auch all diejenigen Belege, in denen der ‚Reihen‘ des Todes nicht ausdrücklich Erwähnung findet, wohl aber die mit einer personalen Todesvorstellung verbundene Tatsache, dass er zwischen den Menschen keine Unterschiede macht: Er holt Frau und Mann, Jung und Alt, Arm und Reich, wobei das letztere Gegensatzpaar bevorzugt mit dem Reim versehen wird, der Tod sei „allen gleich“, ihm gelte „alles gleich“ o. ä., so bei Herman und bei Schein: „4. Derselbige kömpt vns allen gleich, wir sind jung, alt, arm oder reich, Den[n] vber vns das recht er hat durch Adams schuld vnd missethat.“88 „1. MIt Trawren / Weinen / Klagen / Fürwar man nichts ausricht: Der Todt nichts nach thut fragen / Er schont keins Menschen nicht / Thut eins nachm andern holen / Vnd Gott es wieder giebt / Jedoch wenn ers befohlen / Vn[d] ihms also beliebt. 2. Also hat ers getrieben Von Anfang her der Welt / :/: Kein Mensch ist sicher blieben / Er hat sie all gefellt / Er nimmt an keinen Bürgen / Es sey Arm oder Reich /

86 87 88

Vgl. Knauer, Bedenke das Ende, 93–104. Anon., Herr, es ist mir nicht verborgen* (Str. 1,7f). Herman, Der Mensch wird von einm Weib geborn (Str. 4).

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III. Memento mori: Die Todesmahnung

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Er thut sie sämptlich würgen / Es gilt ihm alles gleich.“89

Die Nichtigkeit irdischer Güter wie Jugend und Reichtum (vgl. ab S. 191) wird anhand der entsprechenden Personengruppen formelhaft exemplifiziert, etwas ausführlicher in dem Lied Ich stund an einem Morgen*, in dem der Tod „einem jungen stoltzen Man[n]“ mit seinem Tanz droht: 2. Wol auff / wol auff mit eyle: sprach der todt grimmiglich: Ich schieß dir viel der pfeile / biß ich dir das Leben triff. Du must mit mir an meinen Tantz / daran gehörn manch tausend / biß das der Reyen wird gantz.90

Alles Rechten des jungen Mannes in den folgenden Strophen, das Argumentieren mit seiner Jugend ändert nichts an dem, was der Tod hier zu verstehen gibt. Die von ihm genannte Zahl der Tänzer („manch tausend“) wirkt noch geradezu untertrieben; letztlich ist es ja eine unabsehbare Menge von Menschen, die den Reigen erst vollständig macht. Typisch im Sinne des Totentanzes ist – wie gesagt – insbesondere die Irrelevanz der Standesunterschiede angesichts des Todes, eine gesellschaftskritische Sicht, die in der Gleichheit aller Menschen vor dem Jüngsten Gericht91 ein Äquivalent besitzt. Am häufigsten genannt wird der Unterschied zwischen Fürst (Kaiser, König, auch der Papst92) und Untertan (Ackermann, Bettler): „Der Todt den Keyser greiffet an | So bald als einen Ackersmann.“93 Für die Personen können wieder Amts- und Berufsrequisiten eintreten, Szepter und Krone für die Herrschenden (vgl. S. 200), Karst (Hacke) und Pflug für die Bauern: „10. […] Er nimbt mit Gwalt hin Jung vnd alt, thut sich vor niemand schewen, Des Königs Stab bricht er bald ab vnd führt jhn an den Reyen.“94 89 90 91

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93 94

Schein, Mit Trauren, Weinen, Klagen (Str. 1–2). Anon., Ich stund an einem Morgen* (Str. 2); vgl. zu diesem Lied S. 208 Anm. 229. Vgl. Heermann, Wenn des Menschen Sohn wird wiederkommen (Str. 2): „Dann wird alle welt für ihm erscheinen / | Reich und arme / grosse mit den kleine[n] / | Da wird niemand sicherlich | Können bergen sich.“ Anon., Was hilfet doch in Sterbensnot* (Str. 3,1–4): „Da müssen köng und fürsten bloß | Von purpur / gold / und leinen / | Als wie ein armer erdenkloß / | Sammt groß und klein erscheinen“. Vgl. anon., Wo kommt es here, dass zeitlich Ehre* (Str. 10,1–4): „Der Pabst andächtig / | der Keyser mächtig / | der König prächtig / | gehn all daher“; einziger gefundener Beleg: N-1637. Werner, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl (Str. 3,5f). Anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Str. 10,5–10); vgl. zur Einreihung der Szepterträger in den Totentanz Gryphius, Die Herrlichkeit der Erden (Str. 7,4–6), zitiert auf S. 200.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt „3. Scepter / und die güldne Kron / mögen nicht dem Tod entlauffen! Kriegen eben solchen Lohn / wie der arme Bettlers Hauffen / Klein und Groß hat seine Noth / Jung und Alt erwischt der Tod / Kömmet die Stunde / gehen zu Grunde / alle zugleiche / Arme und Reiche.“95 „10. Bey ihm ist kein Verschonen, Es muß dran Arm und Reich; Es gilt ihm Karst und Krohnen, Pflug, Scepter, alles gleich.“96

Bei Schein wird darüberhinaus eigens genannt der „Krieges=Held | Mit Kraut vnd Loth“, d.i. mit Pulver (Zündkraut) und Blei, zugleich Sinnbild des christlichen Ritters, der trotz größter Tapferkeit schließlich vom Tod geholt wird.97 Und nicht nur die Vertreter der politischen bzw. militärischen Macht, sondern – entsprechend den Erkenntnissen über die Nichtigkeit der irdischen Güter  – auch die der Gelehrsamkeit werden dem Todesreigen einverleibt: „Doctor vnd Schuler alle gleich | müssen an Todes reyen“98. Es gibt keinerlei materiellen oder geistigen Besitz, keine gesellschaftliche Position, die einem Menschen den Totentanz ersparen könnten. c) Der Tod als Verfolger In der personifizierten Gestalt des Todes wird die Bedrohung des menschlichen Lebens noch auf andere Weise anschaulich gemacht. Er erscheint als Verfolger, der dem Menschen vom ersten Augenblick seines Lebens an nachstellt: „Gebohren sein bringt dises mit / | Daß dir der Tod folgt auf den Schrit“99. Wie ein Schatten ist er omnipräsent und haftet dem Menschen unweigerlich an: „Der Tod sich deine[m] Schatten gleicht, | Der niemals Haar=breit von dir weicht | Vnd folgt dir aller Enden“100. Die Heimlichkeit der Bedrohung kommt im ‚Schleichen‘ des Todes zur Geltung: „Es schleicht der Tod uns auf der Socken nach / | zu bringen an den letzten 95 96 97

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Anon., Nun gottlob, es ist vollbracht* (Str. 3); das Lied ist nur in L-1673 belegt. Homburg, Ach was ist unser Leben (Str. 10). Schein, Lass dir, o mein Herr Jesu Christ (Str. 4,5–10): „Trotzt noch so sehr ein Krieges=Held | Mit Kraut vnd Loth  / | Was achts der Todt? | Er thut gerad zu dreschen / | Es sey ein Fürst oder Edel=Mann / | Gar keinen Stand er sihet an.“ Anon., °Des Herren unsers Gottes Wort (Str. 3,1f); weiter: „Der arme Man vnd auch der reich, | gelerte sampt den Leyen.“ Der „Doctor“ am Strophenbeginn bildet zugleich einen Bestandteil des Akrostichons, das dem Lied (Nürnberg 1569) seinen Titel gibt: „Des Herrn Doctor Justus Jonas Seliger Abschied“. Voraus geht eine Art positiver Totentanz, in dem allen, die Gottes Namen anrufen, zugesagt wird, dass ihnen der Tod „ein lautter schlaff “ werden soll. Das gilt für „Herrn vnd auch knecht, frawen und man, | alt, Jung, groß vnd auch kleine“ (Str. 2,1f). Rist, Mein Seelichen, wenn willt du doch (Str. 6,1f). Albert, Dass alle Menschen sterblich sein (Str. 4,1–3).

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III. Memento mori: Die Todesmahnung

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Würge=Schlag.“101 Sobald die Lebenszeit abgelaufen ist, kommt er plötzlich näher102 und klopft schließlich beim Menschen an die Tür: 2. […] Er nimbt des Segers eben war: wenn er ist ausgeloffen gar, 3. Denn wird er mir lassen kein frist, ich sey wol oder vbl gerüst: Bald er begint zu klopffen an, ist jhm die Thür schon auffgethan.103

Besonders dieses finale ‚Anklopfen‘ des Todes ist ein verbreitetes Motiv.104 Mit welchen Waffen der Verfolger den Menschen zur Strecke bringt, ist unterschiedlich. Selten ist von der ‚Rute‘ des Todes die Rede;105 dieses Bild ist eher der allen Zeitgenossen nur zu gut bekannten ‚apokalyptischen Trias‘ von Krieg, Teuerung und Pest (vgl. S. 280f) vorbehalten. Wie ein heimlicher Fallensteller verhält sich der Tod, wo er „Netz vnd Strick“106 auswirft. Fallstricke und Schlingen gehören zu den Mitteln, mit denen die Feinde dem Ich im Psalter nachstellen (vgl. z. B. Ps 10,9; 35,7; 57,7; 140,6), oder die Gottlosen verfangen sich selbst darin (Ps 9,16; 57,7; 141,10). Von den „Stricken des Todes“ ist im AT ebenfalls die Rede (2Sam 22,6; Ps 18,6; 116,3; Prov 13,14). Auch das Bild vom Garn, in dem Vögel gefangen werden, ist in Koh 9,12 auf den Tod des Menschen und seinen unabsehbaren Zeitpunkt bezogen: „Auch weiß der Mensch seine Zeit nicht“ usw. Dieser Vers liegt dem Lied Ach freilich weiß der Mensch nicht seine Zeit* zugrunde, in dem es heißt: „Und wie das Garn der Vögel=Schaar bestrickt / | So werden wir auch plötzlich hingerückt.“107 Die Blitzartigkeit, mit der der Vogelfänger sein Netz fallen lässt, entspricht der Plötzlichkeit des Todes. 101

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Alberti, Ach freilich weiß der Mensch nicht seine Zeit* (Str. 3,1f). Vgl. Arnschwanger, °Ein Tag geht nach dem andern hin (Str. 1,2–4): „Je länger Ich je näher bin | Dem Tode, den Ich leiden muß | Und der mir nachschleicht auf dem Fuß.“ Anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Str. 14,1f): „Der Todt vrplötzlich als ein Dieb | thut gähling einherschleichen“; Schein, Lass mir, o mein Herr Jesu Christ (Str. 3,5): „Alsbald geschlichen kommt der Todt“. Herman, Mit Todesgdanken geh ich um (Str. 2,3–3,4). „Segers“: Zeigers. Vgl. Richter, Lasset ab von euren Tränen (Str. 9,1f): „Denn wer selig dahin fähret, | Da kein Todt mehr klopffet an“; Heermann, Der Tod klopft itzund bei mir an (Str. 1,1); Dach, Ich steh in Angst und Pein (Str. 6,4–6): „Der Tod ist vor der Thür, | Vnd klopffet an bey mir, | Mich schon dorthin zu laden.“ Vgl. anon., Mensch, sag an, was ist dein Leben* (Str. 8,5f); anon., O Mensch, bedenke wohl, dass du einmal musst sterben* (Str. 15); Albert, Zum Sterben ich bereitet bin (Str. 5). Vgl. aber anon., Ich weiß wohl, dass ich sterben muss (Str. 8,5–7): „Und wenn vorhanden ist mein Ziel, | So hilff, daß ich nicht lange fühl’ | Des strengen Todtes Ruthe!“ Heermann, O Mensch, bedenke stets dein End (Str. 9,3f): „An allem Ort, all Augenblick | Wirfft aus der Tod sein Netz vnd Strick.“ Alberti, Ach freilich weiß der Mensch nicht seine Zeit* (Str. 2,1f). Vgl. Röber, Ach wie ein kleinen Augenblick (Str. 1,3f): „Stets sind wir mit des Todeß Strick | Wie Vögelein vmbgeben“. Auch das bei Alberti begegnende Bild vom Fischfang stammt aus Koh 9,12 (Str. 1,3f: „wie man siht die Fische fangen / | die Wind=geschwind am Fischer=Hamen [ein Haken] hangen“). – Das Bild von der plötzlich zuschnappenden Vogelfalle kann auch auf das Eintreten der Parusie bezogen werden; im anonymen O Mensch, bedenk mit Fleiß all Stund* heißt es von der Wiederkunft des Herrn (Str. 14,5–7): „Er wil kommen im Augenblick / | wie vbern Vogel der Fallstrick / | drumb ist die stund verborgen.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Tritt der Tod als ‚Schnitter‘ auf, ist seine Waffe die Sense.108 Der ‚Stachel‘ des Todes (1Kor 15,55) wird zumeist im Zusammenhang mit dem Triumph über den Tod erwähnt, wie es dem biblischen Vorbild entspricht.109 Daneben kann auch einmal ein ‚Speer‘ oder ‚Spieß‘ Erwähnung finden: „Wenn der tod mit seinem spiesse | Auff das krancke hertze sticht“110, ein Gedanke, der entweder Zittern und Zagen auslöst oder mit ritterlicher Unerschrockenheit ins Auge gefasst wird.111 Die meistgenannten Waffen sind Pfeil und Bogen, die der Tod auf das Leben gerichtet hält: „DEr grimmig Todt mit seinem Pfeil | thut nach dem Leben zielen“112, beginnt ein schon mehrfach zitiertes Lied. Im Bild von Pfeil und Bogen wird wieder die mögliche Plötzlichkeit des jederzeit zu gewärtigenden Angriffs sinnfällig: „Den Bogen hat er schon gespant | vnd hat den Pfeil in seiner Handt“113, heißt es mahnend bei Nicolaus Herman. In dem Lied Ich stund an einem Morgen* wird dieselbe Vorstellung dahingehend gesteigert, dass der Tod seine Pfeile andauernd abschießt und nur die Lebenden noch nicht getroffen hat: „Ich schieß dir viel der pfeile / | biß ich dir das Leben triff “, droht er dem jungen Mann.114 Paul Röber und in seinem Gefolge Paul Gerhardt spotten dagegen nur mehr über die durch Christus „verbrochnen Pfeile“ des Todes.115 In alledem wird der Tod als Verfolger dargestellt, dessen der Christ jederzeit eingedenk sein muss, um sich ihm nach dem Ideal des christlichen Ritters im Kampf zu stellen. d) Der Tod als schreckliches Bild Das „Bildnüß“ des Todes, so Heinrich Albert, steht dem Menschen in „allen Creaturen“ und ihrer tagtäglich zu beobachtenden Vergänglichkeit vor Augen und mahnt

108 109

110 111

112

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114 115

Vgl. S. 177 Anm. 48. 1Kor 15,55 ist enthalten bei Babst Nr. 84 (Ecce mysterium magnum dico vobis). Vgl. anon., Zu dir erheb ich meine Sinnen (Str. 6,5): „Was kan mir hie dein Stachel schaden?“ Gerhardt, Was traurest du, mein Angesicht (Str. 3,1–4): „Ja Herr / du tratst ihm an das Hertz / | Brachst seines Stachels Spitzen: | Numehr ist er ein lauter Schertz / | Und kan uns gar nicht ritzen“; Rist, °Getrost ist mir, o Gott, mein Herz in Nöten (Str. 4,7f): „Todt was darff ich deiner Gnaden | Deinen Stachel fürcht ich nicht.“ Vgl. Thalhaimer, Gott sei globt, ich empfinde wohl (Str. 18,1f). Anon., O du Leben meiner Seele* (Str. 7,1f). Vgl. Behm, Herr Christ, wenn ich bedenke (Str. 4,1–4): „Drumb wenn ich werde zittern | als denn vnd zagen sehr, | Weil sich bey mir wird wittern | der Todt mit seinem speer“; Adolph, Als ein Hirsch hat Verlangen (Str. 4,1–4): „Laß den Todt jmmer kommen | Zu mir mit seinem Speer: | Sein Macht ist Ihm genommen [vgl. 2Tim 1,10], | Kan mir nicht schaden sehr.“ Anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Str. 1,1f). Die Fortsetzung lautet: „Sein Bogen scheust er ab mit eyl | vnd läst mit sich nit spielen“; vgl. auch Str. 14,5–7: „Sein Pfeil ist Gifft, | wann er dich trifft | so must dich bald auffmachen“. – Die Strophe mit der Bitte „Mein Gott vnd Schöpffer, zu mir eyl, | Wenn mein hertz trifft des Todtespfeil“ stammt aus Georg Werners Lied Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl, dass ich von hinnen scheiden soll (Str. 5,1f). Sie taucht in Lü-1695/1702 auch als eigenständiges Lied auf. Herman, Mit Todesgdanken geh ich um (Str. 2,1f). Ähnlich Richter, Steh doch, Seele, steh doch stille (Str. 8,1–4): „Ah, der Todt hat seine pfeile | Auff dich längest außgewetzt. | Eile, dich zu schicken, eile, | Ehe er grimmig an dich setzt“; Arnschwanger, °Ein Tag geht nach dem andern hin (Str. 3): „So ist doch keine Stund auch nicht, | Darinn er nicht auf mich gericht | Das Eisen, das vom Bogen fährt | Und mir des Lebens Krafft verzehrt.“ Anon., Ich stund an einem Morgen* (Str. 2,3f). Röber, O Tod, o Tod, schreckliches Bild (Str. 1,7); Gerhardt, O Tod, o Tod, du greulichs Bild (Str. 1,7).

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III. Memento mori: Die Todesmahnung

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ihn so an sein eigenes Ende.116 Auch die Betrachtung eines anonymen Toten, eines Totenkopfes oder wiederum eines Bildnisses davon konnte, so wurde am Lied O Mensch, mit Fleiß anschaue mich gezeigt, als Memento mori wirken, als Erinnerung des Rezipienten daran, dass er selbst einmal so aussehen wird wie der dargestellte Tote. Der personifizierte Tod kann nun ebenfalls als ‚Bild‘ vor Augen geführt werden, das ans Ende mahnt und zu Bereitschaft und Wachsamkeit aufruft.117 Oft jedoch ist mit der Anschauung des Todesbildes mehr verbunden als bloß eine Ermahnung – oft sind es Schrecken und Entsetzen.118 Das Aussehen dieses Schreckensbildes wird im Lied nur selten beschrieben. Rist spricht einmal vom „Knochernmann | Fleisch= Haut= und Zähnloß / der doch kan | Die gantze Welt bezwingen“119, einmal vom „starke[n] Menschenfresser“120; Krentzheim nennt ihn ein „grewlichs thier“121, das den Menschen verschlingt. Sein Ausdruck wird als „grimm“ oder „grimmiglich“ beschrieben.122 Wesentlich ist weniger das genaue Aussehen der Todesgestalt, das ikonographisch durchaus variieren mag, als die Wirkung des Schreckens, die sich bei seiner Betrachtung insbesondere im Sterben entfaltet. Mag sie im Leben noch die heilsame Wirkung des Memento mori haben, so wird sie im Sterben zur gefährlichen Anfechtung. Die Bitte, Gott möge gerade in diesem entscheidenden Moment dem Schrecken wehren, findet sich daher in mehreren Liedern: „5. […] im Leben mein Geleitsmann bleib / im Sterben Todts=Gestalt abtreib / daß mich betreff kein Schmertze.“123 „6. Im Fried laß mich sanfft einschlaffen, Leg mir an des Glaubens Schild, Helm des Heils vnd Geistlich waffen, Das mich schreck kein Todesbild.“124 „14. Wolan so laß Mich das Gesicht Des Menschenwürgers Schrekken nicht / Wen mein Gesicht verschwindet / Laß sehend sein

116 117

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119 120 121 122

123 124

Vgl. Albert, Dass alle Menschen sterblich sein (Str. 4,4–6), zitiert S. 178. Vgl. Dach, Raffet auch der Tod die greisen Haare (Str. 5): „Darumb lasst vns all’ in allen fällen | Stets des Todes Bild vor Augen stellen! | Auch stehn vnd wachen, | Vns in Christo von der Welt zu machen.“ Vgl. Dilherr, O Seel, du Leibseinwohnerin (Str. 1): „O Seel! du Leibs Einwohnerin / | warum verwirstu so mein Sin[n] / | wenn ich den Tod betracht? | stelts [stelst] mir für so ein greulich Bild / | Damit du mich erschrecken wilt.“ Rist, Es nahet sich der letzte Tag (Str. 8,5–7). Rist, Lebt doch ein jeder Mensch im Streit (Str. 8,2). Krentzheim, °Mein Leben in der Eil (Str. 3,1). Vgl. Spaiser, °O Tod mit deiner Gstalte (Str. 1,1f): „O Todt mit deiner G’stalte, | Wie bist du nur so gar grimm!“ Weissel (?), Wenn meiner Seelen bange wird* (Str. 5,5–7). Z. Faber, Herr, ich bin ein Gast auf Erden (Str. 6,1–4).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt Mein Hertz allein Daß Dich im Glauben findet.“125

Mit ‚Gestalt‘, ‚Bild‘ und ‚Gesicht‘ ist jeweils genau jene Schreckensvision des Todes gemeint, die dem Sterbenden bildlich vor Augen steht. Besonders kunstvoll spielt im dritten Beispiel Johann Rist mit den unterschiedlichen Dimensionen des Gesichtssinns: Während die physische Funktion des Sehens bereits schwindet, kann sich der Sterbende entweder durch das „Gesicht | Des Menschenwürgers“ schrecken lassen oder mit dem sehenden Herzen des Glaubens nach Gott und damit nach seinem Heil suchen. Als heilsames Gegenmittel dient insbesondere die Betrachtung des Bildes Christi (vgl. S. 363f). Der Schrecken, der vom Betrachten des Todesbildes ausgeht, kann auch genau dabei wieder überwunden werden. Die Grundidee besteht darin, das Bild als Bild zu entlarven, also als bloßes Schreckgespenst und Phantasma, dem aufgrund des Christusgeschehens keine Wirkmacht und damit letztlich keine Wirklichkeit, keine Realität mehr zukommt: 4. […] Wer wolt sich fürchten vor dem Todt, weil er kein macht mehr an vns hat? 5. Es ist kein Todt, sondern ein Bild, welchs, ob es gleich sicht sawr vnnd wild, Muß es vns doch zufriden lan, das macht alls Gottes warer Son.126

Paul Röbers Lied O Tod, o Tod, schreckliches Bild bietet insgesamt eine solche ‚Entlarvung‘ des Todes, der denn auch als „ungehewre Larve“ angesprochen wird. Sprachlich vollzogen wird sie – so auch der Titel des Liedes – als „Verspottung“ des Todes wie in 1Kor 15,55 und in einer literarischen Tradition, die sich quer durch die Sterbelieder zieht.127 Nicht „meyn schlaff “ wie in Luthers Mit Fried und Freud, sondern „Ein Spott“ ist bei Röber aus dem Tod geworden.128 „Hier ist ein Hertz, das dich nichts acht | Vnd spottet deiner schnöden Macht“, kann der Sänger dem entmachteten ‚Menschenfresser‘ entgegenschleudern; und die Aufforderung „Kom nur mit deinem Bogen bald | Vnd auff mein Leben ziele“ geschieht ebenfalls in der Gewissheit, dass 125 126 127

128

Rist, Herr Jesu Christ, mein Trost und Licht (Str. 14). Anon., Wir leben wie ein Wandersmann (Str. 4,3–5,4). Bei Herman, Der Mensch wird von einm Weib geborn (Str. 9) am Jüngsten Tag: „Was hilfft sein würgen den[n] den todt? | er wird doch jederman ein spott | Sein an dem selben grossen tag, | keim Christen er nit schaden mag.“ Schein legt den Spott einer Verstorbenen in den Mund, vgl. Klagt mich nicht mehr, ihr lieben Leut (Str. 3,1–6): „Todt / Teuffel / Höll vnd alle Feind / | Was gilt nun ewer Trutz / :/: | Damit ihr mich so böß gemeynt? | Was bringt er euch für Nutz? | Ja wol in Spott seyd ihr gebracht / | Daß ihr nun werd von mir verlacht“. Zum österlichen Verlachen des Todes vgl. Rist, O Gott, der du mit großer Macht (Str. 14,1f): „Gib meiner Seelen Stärck’ und Krafft | Daß ich den Todt verlache“; Otto von Schwerin, Jesus, meine Zuversicht (Str. 9,1–4): „Lacht der finstern erden kluft, | Lacht des todes un[d] der höllen, | Denn ihr solt euch durch die luft | Eurem heyland zugesellen.“ Röber, O Tod, o Tod, schreckliches Bild (Str. 3,7): „Ein Spott auß dir ist worden“.

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III. Memento mori: Die Todesmahnung

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die Pfeile des Todes ihm nichts mehr anhaben können.129 Nicht nur die Pfeile, auch die Schlösser und Riegel des Todes sind zerbrochen; sein Haus ist das eines Königs, ein Palast, aber er ist der Gefangenen beraubt, die von Christus hinausgeführt wurden.130 Eine Strophe von Paul Gerhardt demonstriert die Entlarvung des Todesbildes ebenfalls ganz wörtlich. Im Bild der sich häutenden Schlange sind dabei auch zwei andere überwundene Feinde – Sünde und Teufel – präsent: 2. Vors erste / zeuch die Larven ab Der alten rothen Schlangen: Sih’ an / daß sie kein Gifft mehr hab’ / Es ist ihr abgefangen Durch Jesum Christ / Der vor uns ist Ins Grab und Tod gegangen.131

e) Vom Tod als besiegtem Feind zum Tod als Freund Unter den Liedern, in denen der Tod als Person direkt angesprochen wird, gibt es freilich auch eine entgegengesetzte Deutung, die noch häufiger anzutreffen ist: Der Tod ist nicht mehr der besiegte Feind, sondern der Freund. So wird in dem Moment, in dem der Schrecken des Todes überwunden ist, aus dem greulichen ein tröstlicher Anblick wie hier bei Rist: 6. O vielbegehrter lieber Todt Du bist zwar greulich anzusehen / Mir aber nicht / weil du in Noth Mich länger nicht wirst lassen stehen / Ich weis / die Reichen fürchten dich / Die Könige der Welt erschrecken / Ich nicht also du tröstest mich / Weil du mich friedlich wilt bedecken.132

War der Tod zuvor noch als „schreckliches Bild“ angeredet worden, ist er nun ein „vielbegehrter lieber Todt“, der die „Noth“ des Lebens beendet. Immerhin eine Erinnerung daran, dass andere ihn fürchten – es sind die Reichen und die Könige, die durch ihn ihr Gut verlieren –, ist bei Johann Rist noch vorhanden. Ähnlich heißt es bei Johann Franck: „Es mag, wer da wil, dich scheuen, | Du kanst mich vielmehr erfreuen“. Die Begründung dafür ist bei Franck nicht rückblickend auf das Ende des 129

130 131 132

Vgl. Röber, O Tod, o Tod, schreckliches Bild (Str. 1,2.5f; 2,1f). Das Lied, für das zwei Belege gefunden wurden (L-1638; L-1673), wurde von Röbers Schüler Paul Gerhardt bearbeitet, seine Fassung beginnt: O Tod, o Tod, du greulichs Bild. Sie taucht um 1700 in den Gesangbüchern auf (Lü-1695/1702; B-1703). Entsprechenden Spott über den abgebrochenen ‚Stachel‘ des Todes (vgl. 1Kor 15,55) gibt es bei Gerhardt auch in Was traurest du, mein Angesicht (Str. 3,1–4): „Ja Herr / du tratst ihm an das Hertz / | Brachst seines Stachels Spitzen: | Numehr ist er ein lauter Schertz / | Und kan uns gar nicht ritzen“. Vgl. Röber, O Tod, o Tod, schreckliches Bild (Str. 3–5), zit. S. 385. Gerhardt, Was traurest du, mein Angesicht (Str. 2). Rist, °So wünsch ich mir zuguterletzt (Str. 6).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Leides, sondern nach vorne auf den Eingang zum ewigen Leben gerichtet, den der Tod eröffnet: „Denn durch dich komm ich herein | Zu dem schönsten Jesulein.“133 Aufschlussreich ist das Bedeutungsspektrum der an den Tod gerichteten Aufforderung, bald zu kommen. Wo der Tod zum Freund geworden ist, der zum schönsten Jesulein in den Himmel führt, wird diese Aufforderung zur sehnlichen und flehentlichen Bitte, wie bei Johann Franck („Komm, o tod, du schlafesbruder, | Komm und führe mich nur fort“134) oder bei Herzog Anton Ulrich: „Ach! eile / liebster tod“; „Verweil / o tod / nicht länger / | Komm bald / mein liebster gast! | […] Drum komm / ach tod / zu mir.“135 Bei Röber war die Aufforderung zu kommen dagegen noch Herausforderung und Triumph: „Kom nur mit deinem Bogen bald“. Hier ist der Tod der überwundene Feind, der durch seinen Machtverlust der Lächerlichkeit preisgegeben ist. In Versen aus dem Lied Zu dir erheb ich meine Sinnen ist einerseits noch etwas mehr kämpferisches ‚Trutz, Tod‘ enthalten, andererseits erscheint der überwundene Tod bereits als ein wenn auch widerwilliger Wegweiser zum Himmel, eine Rolle, die bei Röber noch Christus zukommt: 5. […] Komm, Tod, ich scheu mich nicht, komm an, Du must mir doch mein Leben enden. 6. Du must mich doch zum Himmel führen, Wo mein geliebter Heyland ist, Wo stetes Wolseyn ist zu spüren Und du, o grimmer Tod, nicht bist. Was kan mir hie dein Stachel schaden? Werd ich von deiner Hand ermord, So sterb ich hie und lebe dort Bey meinem liebsten Gott in Gnaden.136

Der Tod kann den Zugang zu Gott nicht nur nicht hindern, sondern er fördert ihn geradezu, ganz gegen seine eigentliche Intention. Regelrechtes Mitleid mit dem Tod, dem seine Beute entgangen ist, begegnet bei Tobias Michael: „O Todt O armer Todt!“137 Weitere Belege zeigen den Tod als Freund gerade darin, dass er den Menschen nun nicht mehr widerwillig, sondern im Auftrag Gottes das letzte Stück seiner Pilgerreise zum Himmel führt. Das Lied Sag, meine Seele, recht*, das bereits im Zusammenhang mit dem Peregrinatio-Motiv genannt wurde, erweist den Tod in dieser Funktion geradezu als „knecht“ Gottes (vgl. S. 213). Er wird deshalb ersehnt, weil er den Weg zum himmlischen Geliebten frei macht: „O tod / ach komm und zeige 133 134 135

136 137

J. Franck, Du, o schönes Weltgebäude (Str. 6,5–8). J. Franck, Du, o schönes Weltgebäude (Str. 6,1f). Anton Ulrich, Ach Gott, wann werd ich sterben* (Str. 1,2; 2,1f.8). Weitere Beispiele: Keulisch, Ach wann kommet doch die Stunde (Str. 3,6): „Ach komm doch, du süsser Todt“; Pauli, So hab ich nun vollendet (Str. 1,5–8): „Sehr matt bin ich von thränen, | Mein hertz ist schwach von noth, | Von seufftzen un[d] von stehnen: | Drumb komm, o lieber tod.“ Anon., Zu dir erheb ich meine Sinnen (Str. 5,7–6,8); gefundene Belege: nur in Lü-1695/1702. Michael, Wo ist denn hin mein Leiden (Str. 5,5–8): „Was hast du denn erworben / | O Todt O armer Todt! | Bin ich doch nicht gestorben / | Ich ruh vnd leb in Gott.“

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III. Memento mori: Die Todesmahnung

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mir | Den meine seele liebet“138. Ganz ausnahmsweise kann der Tod sogar selbst zum Geliebten werden: 4. […] Tod! Dich wil ich mir erlesen / dem sich trauen sol mein Geist. Du solst mir / ich wieder / dein außerwehlter Buhle seyn.139

Als Gottes Abgesandter ist der Tod ein Engel: „Der Tod soll mir ein Engel heißen, | Der mir wie Loth den Weg kan weißen“140 – nämlich, so Omeis, hinaus aus dem Sodom der Welt. Aber ist der Tod dann noch der Tod? Schon dem entmachteten, entlarvten Todesbild war die Todeswirklichkeit abgesprochen worden („Es ist kein Todt, sondern ein Bild“141). Für den Tod als Freund oder als Engel gilt das nach Ansicht vieler Autoren erst recht. Sigmund von Birken stellt fest: „Dein Engel ists und nicht der Tod, | Der mich hinführt aus aller Noht“142. Bei Gryphius wird der Tod als „süsser lebens Bott“ emphatisch begrüßt – sofern ihm die Bezeichnung ‚Tod‘ überhaupt noch zukommt: „Wilkommen, offt gewündschter Todt, | Wo du ein Todt zu nennen!“143 Bei Dilherr wird dem Tod, der zum Leben führt, sein Tod-Sein rundweg abgesprochen; vielmehr sei er eine ‚Lebenstür‘ (vgl. S. 222). Ob der Tod dem Menschen als Feind oder als Freund begegnet, hängt wesentlich von der Frage der Sterbebereitung ab. Wer sich nicht vom Memento mori hat mahnen lassen, dem Tod also „vngerüst“ gegenübertritt, wird ihn anders erleben als der zum Sterben Bereite. In einem Lied von 1609 stellt David Spaiser die Optionen gegenüber: 2. O Todt, wie gar bitter bist Dem, der jetzund sterben mueß Vnd ist auch noch vngerüst, Daß er nit gethan hat Bueß […] 3. O Todt, wie lieblich du bist Dem, der Armm vnd stettigs Kranck, Welcher sich auff dich gerüst! Der empfecht dich jetzt mit danck.144

Spaiser formuliert damit eine Art positives Memento mori, das mit seinem guten Ausgang einen positiven Anreiz zur Sterbebereitung setzt, darin aber noch einen mahnenden Unterton enthält. Wo der Tod als Freund dargestellt wird, ist ein solcher Unterton meist nicht mehr festzustellen. Die Sichtweise scheint sich über das 17. Jahr138 139 140 141 142

143 144

Anon., Wie ein gejagtes Hirschelein (Str. 2,1f). Anon., Gute Nacht, du falsches Leben* (Str. 4,3–6). Das Lied ist nur in H-1683 belegt. Omeis, Es ist nun aus mit meinem Leben (Str. 3,4f). Anon., Wir leben wie ein Wandersmann (Str. 5,1). Birken, Herr Jesu Christe, Gottes Sohn, ich red zu dir (Str. 4,1f). Vgl. zum Geleit der Engel (Lk 16,22) S. 485. Gryphius, Ade, verfluchtes Tränental (Str. 2,1–3). Spaiser, °O Tod mit deiner Gstalte (Str. 2,1–4; 3,1–4).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

hundert hinweg zu verändern: Einerseits bleibt das Memento mori als wichtige Funktion der Sterbelieder erhalten, bei manchen Autoren wird es gar zu drastischen Aussagen über den „Knochernmann“ (Rist) gesteigert. Andererseits entwickelt sich eine positive Sicht der Todesgestalt, ausgehend von der Überwindung durch Christus. Der Tod wird begrüßt als derjenige, der dem Leid ein Ende setzt, vor allem aber als der Führer und Begleiter zum Himmel. Durch die Gewissheit des unmittelbar bevorstehenden ewigen Lebens ist die Anfechtungserfahrung in manchen Liedern einfach aufgehoben.

4. Zusammenfassung Direkter als in der allgemeinen Betrachtung der Vergänglichkeit wird der Mensch im Memento mori auf sein eigenes Ende angesprochen, wird er darin seines eigenen Todes erinnert. Untersucht wurden drei Spielarten der Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit im Medium des Liedes: Die Rede vom ‚Denken an‘ das eigene Ende, die Rede von der Todesstunde und die Rede vom Tod als Person. Das ‚Bedenken‘ des eigenen Endes ist in Ps 90,12 und Sir 7,40 vorgeprägt. Die Bitte des Psalms, Gott möge das Bedenken des eigenen Endes ‚lehren‘, verweist darauf, dass der Mensch in seiner Torheit die Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben scheut und daher der Anleitung dazu bedarf; diese wird ihm von Seiten Gottes zuteil und lässt ihn „klug werden“. In Sir 7,40 wird der Mensch zum Todesgedenken direkt aufgefordert. Als Konsequenz des Gedenkens nennt der Text ein gutes Leben; in den Liedern lassen sich im Wesentlichen drei Früchte des Todesgedenkens ausmachen: ein christlicher Wandel, eine büßerische Haltung und die aktive Bereitung zum Sterben. Der rechte Vollzug des Todesgedenkens wird als Zusammenspiel von göttlicher Initiative einerseits sowie Aneignung und Verinnerlichung durch die menschliche Erkenntnis andererseits vorgestellt. Die drei genannten Früchte des Memento mori können nur aufgrund dieses Zusammenspiels erbracht werden; das Lied fungiert dabei in seiner Performanz als Medium der Aneignung. Die Komplexität des Aneignungsvorgangs zwischen externem Erkenntnisimpuls und eigener meditativer Einübung spiegelt sich in der Vielfalt der Sprachformen: Neben der Bitte um Belehrung und imperativischen Aufforderungen begegnen auch indikativische Feststellungen (vgl. Jes 38,1: „Du musst sterben“) sowie Vollzüge des Sterbegedenkens in Ichform. Noch konkreter wird das Sterbegedenken in der Rede von der Todesstunde, die – gerade in der Performanz – der tatsächlichen Vergegenwärtigung des eigenen Todes dient. Daraus ergibt sich, ebenso wie aus der oft wiederholten Tatsache der Ungewissheit des Todeszeitpunkts, die Einübung in jenes Bewusstsein der andauernden potentiellen Todesnähe, das für das barocke Lebensgefühl so bestimmend ist. An die Seite der Mahnung im Sinne des Memento mori tritt im Verlauf des Untersuchungszeitraumes vermehrt eine Variante der Rede von der Todesstunde, die diese Todesnähe bejaht und den Todeszeitpunkt herbeisehnt; er kann sogar innerhalb des Textes präsentisch als seliges Ende inszeniert werden.

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IV. Die Bereitung zum Sterben

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Ein ähnlicher Bedeutungswandel ist auch in der Rede vom Tod als Person festzustellen: Zunächst dient die personifizierte Todesgestalt als literarisch-ikonographischer Protagonist der Todesmahnung. Ein anonymer Toter konfrontiert den Menschen als Repräsentant des Todes mit dem Bild des Zerfalls, das er selbst einmal abgeben wird. Das Totentanzmotiv zeigt ihm die Gleichheit aller Menschen vor dem Tod, der die Standesunterschiede nivelliert. Jedem Einzelnen folgt der Tod auf dem Fuß, bis er schließlich bei ihm anklopft oder ihn mit Strick, Pfeil, Speer, Spieß, Sense oder Stachel zu Fall bringt. Auf dem Sterbebett steigert sich die Mahnung zur gefährlichen Anfechtung durch das ‚Bild‘ des personifizierten Todes, das dem Sterbenden als Schreckensvision vor Augen steht. Wo dieses Bild wiederum als Bild entlarvt wird, dem dank der Überwindung des Todes durch Christus keine Wirkmacht mehr zukommt, kann die Gestalt des Todes verspottet werden (vgl. 1Kor 15,54f). Schließlich verliert die Todesgestalt allen Schrecken: Aus dem schrecklichen „Knochernmann“ wird ein Engel, ein Abgesandter Gottes, der den Sterbenden abholt und auf dem Weg zum Himmel begleitet. Damit wird die ältere Sicht des Todes freilich nicht vollständig abgelöst; vielmehr bleibt die Bewertung der Todesgestalt kontextabhängig.

IV. Die Bereitung zum Sterben und die Bitte um ein seliges Ende Aus dem Memento mori – der Ermahnung, das Ende zu „bedencken“ –, ergibt sich eine weitere Ermahnung: sich zum Tod bereit zu machen. Diese innere Bereitung zum Sterben bildet zusammen mit dem christlichen Wandel und der Buße die Voraussetzung für ein seliges Ende: „Bereite dich, auf daß dein Todt | Beschliesse deine Pein und Noht.“1 Ein wesentliches Medium der Sterbebereitung ist die bittende Vergegenwärtigung der Sterbestunde, die die zahlreichen Texte des Typs ‚Bitte um ein seliges Ende‘ prägt. Bevor darauf eingegangen werden kann (3.), sollen jedoch die Terminologie der Sterbebereitung (1.) und ihr Verhältnis zum Begriff der ‚Sterbekunst‘ erläutert werden (2.).

1. Bereitung zum Sterben Oft ist in einem Atemzug vom Memento mori und der Bereitung zum Sterben die Rede, z. T. scheinen die beiden Ausdrücke nahezu synonym zu sein: den Tod bedenken – sich zum Tod bereiten.2 Sie lassen sich aber durchaus unterscheiden. Während das ‚Bedenken‘, ganz wörtlich verstanden, eine innere Beschäftigung mit der Tatsache der eigenen Sterblichkeit meint – mit allen ausgeführten Implikationen –, geht die ‚Bereitung‘, die sich daraus ergibt, einen Schritt weiter: Sie zieht Konsequenzen aus dem Todesgedanken und richtet sich konkret auf den Tod aus. Sie rechnet nicht 1 2

Sacer, Komm, Sterblicher, betrachte mich (Str. 13,5f). Vgl. z. B. Sacer, Komm, Sterblicher, betrachte mich (Str. 2,1f): „Bereite dich, stirb ab der Welt, | Denck auf die letzten Stunden“.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

nur mit dem Ende, sondern trifft Vorkehrungen, um es zu einem guten Sterben, zu einem seligen Ende zu machen. Auch dieser Schritt wird von Liedtexten in unterschiedlicher Form aufgegriffen: Er wird zumeist einem Du mahnend empfohlen, gelegentlich aber auch durch ein Ich entweder von Gott erbeten3 oder als Absicht deklariert wie bei Georg Weissel: 1. GAr wol mein Hertz entschlossen ist, Mit Ernst sich zu bewerben, Bey meinem Heyland Jesu Christ Zu leben und zu sterben.4

Ein ‚Memento‘, eine Erinnerung an die Tatsache des Todes ist hier nicht mehr nötig, sie wird selbstverständlich vorausgesetzt. Entscheidend ist die daraus gezogene Konsequenz, der Entschluss, bei Christus zu bleiben, der sich sowohl auf das Leben wie auf das Sterben bezieht. Häufig verwendet werden die Verben ‚sich bereiten‘ oder ‚bereit sein‘, ‚sich rüsten‘ oder ‚gerüstet sein‘, ‚sich fertig machen‘ oder ‚fertig sein‘, ‚sich schicken‘, ‚sich geschickt machen‘ oder ‚geschickt sein‘. Wozu und woraufhin genau soll der Mensch sich nun ‚schicken‘ und ‚bereiten‘? Zunächst zum Tod als dem Ende seines Lebens: „Drumb lebe so, daß du allzeit | Zum Tod seyst fertig vnd bereit“5. Entscheidend ist, ob der Tod den Menschen im Status der Bereitschaft vorfindet, wenn er bei dem ‚anklopft‘, dessen Zeit gekommen ist. Nach Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt ist durch Gottes Willen festgelegt, wie rechte Sterbebereitschaft aussehen soll: 3. […] Weck mich nur stetig auf, Daß ich bereitet sey, Wie du mich haben wilt, Wenn mein End komt herbey.6

Der Mensch, den der Tod in diesem Status antrifft, ist selig zu preisen: „Wol dem, der alle Stunden | Wird in Bereitschafft funden“7; „Wol wird dir seyn in Ewigkeit, | So dich der Todt findet bereit“8 oder ausführlicher bei Jakob Ritter: 1. WIe seelig ist der Mensche doch, Der sich bey Zeiten schicket Zum Sterben, weil er sündigt noch, Und allzeit unverrücket 3

4

5 6 7 8

Vgl. z. B. Backmeister, O Herr, gedenk in Todespein (Str. 3,4–7): „Und daß ich guten samen | Der früchte trage / für und für / | Zum tod bereit sey / hilff du mir / | Ach Gott / durch Jesum / Amen“. Weissel, Gar wohl mein Herz entschlossen ist (Str. 1,1–4). Vgl. Schein, Hin ist des Lebens Zeit (Str. 1,5–7): „Bereit ich bin | Zu fahren hin / | Bey mir ist gar kein Zagen“; anon., Mein Gott und Herr, steh du mir bei (Str. 6,1f): „Kan es denn jetzt nicht anders sein, | so wil ich mich bereiten“ u. a. Albert, Dass alle Menschen sterblich sein (Str. 7,1f). Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, O du dreieinger Gott (Str. 3,5–8). Heermann, Es nahet sich zum Ende (Str. 1,4f). Friccius, °Hör, Mensch, du seist groß oder klein (Str. 7,1f); vgl. Str. 6,1f: „Weh wird dir seyn in ewigkeit, | So dich der Todt trifft vnbereit“. Vgl. ähnlich Spaiser, °O Tod mit deiner Gstalte (Str. 2–3), vgl. S. 257.

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IV. Die Bereitung zum Sterben

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Gedenckt an seines Lebens Ziel; Es komme nun gleich, wenn Gott will, So ist er wol bereitet.9

Dieser Seligpreisung entspricht die Mahnung, sich „zu einem seligen Abscheide“10 bereiten. Der positive Ausblick auf ein ‚seliges‘ Ende als Begegnung mit Christus führt zu der frohen Bereitschaft, ihn „freudig zu empfangen“11 und „Zu sterbn in Christo seliglich“12. Der Blick über die Grenze des Todes hinaus schließlich lässt die Bereitung zum Sterben als Vorbereitung einer Reise erscheinen, nämlich des letzten Abschnitts der irdischen Pilgerreise (vgl. S. 220): „6. Kan es denn jetzt nicht anders sein, so wil ich mich bereiten Zu wandern nach des Himmels Thron in die ewige frewde“13. „11. Drumb lasst uns die Threnen sparen Vnd uns schicken auch mit Fleiß, Daß wir selig mögen fahren Die gewündschte Himmelsreis Vnd des Lebens kurtze Zeit Geben ümb die Ewigkeit.“14 „7. Lasst ihn derwegen schlaffen / Nach ihn nicht mehr thut gaffen / Stellt euch nicht vngebertig / Macht euch dergleichen fertig / Vnd schickt euch auff die Reiß / Zu wandern gleicher weiß.“15

Im zweiten und im dritten Beispiel ist auch der konkrete Anlass der Bereitung zur letzten Reise erkennbar: Sie ergibt sich hier aus dem Memento mori eines Begräbnisses, im einen Fall ablesbar an der Aufforderung zur Mäßigung der Trauer, im anderen an der Aufforderung, den Toten schlafen zu lassen. Die Erfahrung des Sterbens im unmittelbaren Umfeld erweist sich einmal mehr als der lebensweltliche Haftpunkt der eigenen Sterbebereitung. Für den richtigen Zeitpunkt der Sterbebereitung gilt 9 10

11

12 13 14 15

Ritter, Wie selig ist der Mensche doch (Str. 1). Titel von Rists Mein Seelichen, wenn willt du doch: „Eines Gott ergebenen Christen. Treühertzige Ermahnung an seine Seele / daß sie sich nunmehr freüdig zu einem seligen Abscheide solle schikken und bereit machen.“ Vgl. den Titel von Rist, O Vater aller Gnaden: „Christliche Betrachtung und Vorbereitung zum Seligen Abscheide aus disem / in das andere und ewige Leben“. Runge, Nun will auch ich abscheiden (Str. 7,1–4): „Nu komm, o mein verlangen, | Denn itzt ich bin bereit | Dich freudig zu empfangen; | Itzt laß ich alles leid“. Kesler, An Tod gedenk, o frommer Christ (Str. 5,1f): „Drumb, weil du lebst, so rüste dich, | Zu sterbn […]“ Anon., Mein Gott und Herr, steh du mir bei (Str. 6,1–4). Richter, Lasset ab von euren Tränen (Str. 11,1–6). Schein, Stellt ein eur Klag und Weinen (Str. 7). Vgl. ähnlich Weisse, Nun lasst uns den Leib begraben (Str. 7,3f): „Nu […] schicken [wir] vns auch mit allem fleiß, | denn der todt kömpt vns gleicher weiß.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

auch sonst dasselbe wie für den des Memento mori: Da die Todesstunde ungewiss ist, muss die Bereitung „allzeit“ stattfinden, also schon „weil du lebst“.16 Ist der Tod dann tatsächlich in absehbare Nähe gerückt, so sind rechtzeitig auch noch die äußeren, zeitlichen Dinge zu ordnen,17 ‚das Haus zu beschicken‘ oder zu ‚bestellen‘ (vgl. Jes 38,1 u.ö.): „1. WEnn mein Gesundheit leidet Noth Vnd Kranckheit mich thut drücken, So gib mir zeit, O frommer Gott, daß ich mein Hauß beschicke“18. „4. Laß mich bey zeit mein Hauß bestellen, Daß ich bereit sey für und für Und sage frisch in allen Fällen: Herr, wie du wilt, so schicks mit mir.“19

Der letzte Vers des zweiten Beispiels ist seinerseits der Anfang eines verbreiteten, ca. hundert Jahre älteren Sterbeliedes von Caspar Bienemann. Er bringt in einer Bitte zum Ausdruck, worin die Bereitschaft (als Ergebnis der Bereitung) zum Sterben nach theologischem Verständnis besteht: in der Ergebung in Gottes Willen. Dieser wichtige Punkt, der in einer großen Zahl von Sterbeliedern eine entscheidende Rolle spielt, wird im Zusammenhang verschiedener Optionen der inneren Einstellung zum eigenen Sterben noch behandelt werden (vgl. S. 317). Und noch ein weiterer Punkt greift über den hier zu verhandelnden Kontext hinaus. Die Aufforderung ‚Bereite dich‘ kommt noch in anderem Zusammenhang vor: Nicht nur der Tod als individuelles, sondern auch der Jüngste Tag als universales Ende kann jederzeit eintreten. Die Aufforderung zur Bereitschaft gilt hier deshalb genauso,20 sowohl im Sinne des inneren Gewärtigseins und der Buße wie auch im ethischen Sinne als Aufforderung zu einem christlichen Leben. Anders als bei der Bereitung zum Sterben ist hier aber häufiger von ‚Wachsamkeit‘ die Rede; der Appell richtet sich außerdem bevorzugt nicht an eine Einzelperson, sondern an eine Mehrzahl – entsprechend der Unterscheidung von individuellem und universalem Ende.

16 17

18 19 20

Vgl. Anm. 5.12. Vgl. Luther, Sermon von der Bereitung zum Sterben (WA 2, 685): „Die weyl der todt eyn abschid ist von dißer welt und allen yhrer hendellen, ist not, das der mensch seyn zceytlich gut ordenlich vorschaffe, wie es soll oder er gedenckt zu ordenen, das nit bleybe nach seynem todt ursach zanck, hadderß oder sonst eyns yrthumbs unter seynen nachgelaßen freunden, und diß ist eyn leyplicher oder eußerlicher abschied von dißer welt“. Zum ‚Zank‘ der Freunde vgl. S. 199 Anm. 189. Timäus, Wenn mein Gesundheit leidet Not (Str. 1,1–4). Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, Wer weiß, wie nahe mir mein Ende (Str. 4,1–4). Vgl. anon., O Vater, Sohn und Heilger Geist* (Str. 4,3f): „So mus ich sein / wenn kommt di Zeit / | Zum Tod’ und zum Gericht bereit.“

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IV. Die Bereitung zum Sterben

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2. Ars moriendi Die Literaturgattung der Ars moriendi nach dem Vorbild des Pariser Theologen Johannes Gerson und dem dritten Teil seines Opus tripartitum (1408) war ursprünglich direkt für die Seelsorge an Sterbenden bestimmt. Sie diente als Handreichung zunächst für Priester und dann auch für Laien, um den Sterbenden in der Stunde seines Todes durch katechetische Fragen, wie sie schon in der Anselm von Canterbury zugeschriebenen Admonitio morienti enthalten sind, sowie durch Ermahnungen und Gebete zu unterstützen (vgl. S. 564). Erst allmählich verlagerte sich das Verständnis der Ars moriendi auf den Kontext der langfristigen und eigenverantwortlichen Bereitung zum Sterben: Sterben wird demnach verstanden als eine ‚Kunst‘, eine Praxis, die erlernt werden kann und muss, und zwar bereits im Leben, damit der Sterbende sie im Ernstfall, in der Todesstunde, zu seinem eigenen Heil einsetzen kann. Zwischen dieser Kunst und den Künsten der Welt, deren Nutzen niemals von Dauer sein kann, besteht ein grundsätzlicher Unterschied: „3. Was hilfft alle Weißheit wissen / wann ich nicht zu sterben weiß? Künste / mit der Witz verflissen; Eine Kunst nur hält den Preiß / die mich von der Welt abkehrt / die mich lebend sterben lehrt / ja / die mir nach diesem Leben / kan das wahre Leben geben.“21 „5. Der Künste solt erfinden Mit Klugheit und Verstand Und alles wolt ergründen, Was wircket Gottes Hand, Erkaltet und erblasset In seiner LebensBrunst, Da er noch nicht gefasset Die kleine SterbeKunst.“22

Ars moriendi, die Kunst, die „lebend sterben lehrt“ – eine vieldeutige Bestimmung: Zum einen ist sie die Kunst, die den Menschen lehrt, metaphorisch schon im Leben zu sterben, also zu sterben, ehe er stirbt. Zum anderen ist sie die Kunst, die den Menschen schon im Leben darüber belehrt, wie er einst recht sterben soll; und zum dritten ist sie die Kunst, so zu sterben, dass er schließlich das „wahre Leben“ erhält.

21 22

Anon., Gute Nacht, du falsches Leben* (Str. 3). Maukisch, °Ach Herr, lehr uns bedenken (Str. 5). Das Lied, gedichtet „Bey dem seligen Hintrit Der […] Fr. CORDULAE geb. von der Linde“, gestorben 26.11.1655, bestattet 1.12.1655 (Danzig 1657, vgl. FT III 157.), enthält auch viele Anspielungen auf Ps 90 und seine ‚Belehrung‘ über die Sterblichkeit (vgl. Str. 1,1).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Zunächst zum ersten, zur metaphorischen Rede vom ‚Sterben, eh man stirbt‘.23 Damit gemeint ist ein Vorgang, der sich – wie die Angabe ‚eh man stirbt‘ verrät – schon aufs Leben bezieht, und zwar auf die Lebensführung. Es ist eine büßerische Lebensführung, „die mich von der Welt abkehrt“, wie es in der oben zitierten Liedstrophe heißt, die sich also schon im Leben von der Welt verabschiedet (vgl. S. 188) und ‚der Welt abstirbt‘.24 Das bedeutet auch, dass der Mensch ‚der Sünde abstirbt‘ (vgl. Röm 6,2.11) und darin zu seiner Taufe zurückkehrt. Der gesamte Vorgang dieses Absterbens kann entweder als allmählicher Prozess verstanden werden oder als solcher, der täglich wiederholt werden muss: Während der Mensch nach Jakob Ritter „in der Sterbligkeit | Bey Zeit anfahn zu sterben“25 soll, damit er bis zum Lebensende die Verabschiedung der Welt hinreichend eingeübt hat, beginnt ein anderes Lied: „WEr täglich stirbt / eh er noch stirbt / | Wird nimmermehr verderben“26, und in einem wieder anderen ergeht die Bitte: 5. O Hilff / JEsu! mein Erlöser! Daß ich ab den Sünden sterb: Doch in from[m] seyn werde grösser / täglich sterb / und nicht verderb!27

Freilich ergibt auch das tägliche Sterben letztlich einen kontinuierlichen Prozess, wie die parallele Aussage über das Wachsen in der Frömmigkeit zeigt. Ein ‚seliges Ende‘ kann dann erfolgen, wenn dieser Prozess der Sterbebereitung – das Erlernen der Ars moriendi – abgeschlossen, der Mensch also der Welt bereits abgestorben ist. In diesem Sinne ist die Liedstrophe Christoph Runges zu verstehen, die Aufschub bis zum endgültigen ‚Absterben‘ erbittet: 1. NUn wil auch ich abscheiden, Doch laß mich sterben nicht, Bis daß ich allen freuden Der welt, o frommes licht, Bin gäntzlich abgestorben.

23

24 25 26

27

Vgl. Sacer, Komm, Sterblicher, betrachte mich (Str. 11,5): „Drumb lerne sterben, eh du stirbst“; Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, O du dreieinger Gott (Str. 2,3–8): „Ach! lehre du mich stets | Gedencken an mein Ende, | Auch sterben, eh ich sterb, | Und hören alle Stund: | Mensch! du mußt sterben auch, | Es ist der alte Bund.“ Beide Beispiele sind insofern wieder doppeldeutig, als sie nicht nur das ‚Sterben, eh man stirbt‘, sondern auch das ‚Sterbenlernen, eh man stirbt‘ beinhalten. Vgl. Sacer, Komm, Sterblicher, betrachte mich (Str. 2,1): „Bereite dich, stirb ab der Welt“ usw. Ritter, Wie selig ist der Mensche doch (Str. 6,6f). Anon., Wer täglich stirbt, eh er noch stirbt (Str. 1,1f). Einziger gefundener Beleg ist L-1673; das Lied wurde offenbar zusammen mit einigen anderen aus Olearius’ Geistlicher Singekunst (Leipzig 1671, dort Nr. 1100, S. 1401f) entnommen. Es besitzt – neben einer doxologischen Schlussstrophe – nur eine Textstrophe, die eindeutig der 4. Strophe von Christoph Runges Lied Was ist der Mensch auf dieser Welt nachgebildet ist. Im Unterschied zu der späteren Variante ist im Text von Runge ist freilich noch nicht vom täglichen Sterben die Rede; der Beginn der Strophe lautet hier: „Vnd wer auch stirbet, eh er stirbt, | Wird nimmermehr verderben“. Anon., Gute Nacht, du falsches Leben* (Str. 5,1–4).

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IV. Die Bereitung zum Sterben

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Laß mich nicht seyn verdorben Noch kommen ins Gericht.28

Das Lied Nun will auch ich abscheiden gibt dem Sterbenden die letzten Schritte dieses Absterbens vor: Auf die erste Strophe folgen ein Sündenbekenntnis, die Bitte um Vergebung und der Ausdruck des Vertrauens, bevor der Prozess der Bereitung mit den folgenden Worten für abgeschlossen erklärt werden kann: „Nu komm, o mein verlangen, | Denn itzt ich bin bereit“29. Damit zum zweiten Punkt: Die Ars moriendi enthält nicht nur die Lehre zu ‚sterben, eh man stirbt‘, sondern auch, „Wie ich zuletzt recht sterben soll, | Daß ich fein sanfft einschlaff vnd scheide wol“30 – und sie tut das bereits mitten im Leben. Das tut sie nicht zuletzt deshalb, weil sie schon das Leben betrifft: Zur Ars moriendi gehört die Ars bene vivendi untrennbar hinzu. Ludämilie Elisabeth von Schwarzburg-Rudolstadt bittet in einem Atemzug um Belehrung in beiderlei Hinsicht: „Weiß mir, wie ich leben soll, | Wie ich sterbe sanfft und wohl“31. Analog ist David Behmes Lied °In dem Leben hier auf Erden mit den Worten überschrieben: „Kurtzer Unterricht, Christlich zu Leben, und selig zu Sterben“; es schärft ein: „Laß auß deinem Hertzen nicht | Diesen trewen Unterricht.“32 Der Unterricht besteht in Ermahnungen zu gutem Handeln, Weltabkehr, „Lust am HErren“ und Passionsgedenken. Eng zusammen gehört das Erlernen der Sterbekunst auch mit dem festen oder reinen Glauben, wie schon Ambrosius Blarer im alten Lied Mag ich dem Tod nicht widerstahn erklärt; Johann Arnold fügt noch das reine Gewissen und damit ein Plädoyer für gutes Handeln hinzu: „2. […] recht sterben will ich lernen, Vnd schicken mich mit glouben vest vffs allerbest vnd ganz zu Christo keren.“33 „2. […] Wer Glauben vnd Gewissen rein Bewahrt, der wird wol seelig seyn: Die Sterbenskunst nur lerne.“34

Zusammenfassend: Die Sterbekunst ist die schon im Leben vermittelte Lehre von alledem, was ein gutes Sterben ermöglicht – nicht nur die Lehre davon, dass wir sterben müssen (Ps 90,12, vgl. S. 232), sondern von allem, was sich an Empfehlungen 28 29 30

31 32

33 34

Runge, Nun will auch ich abscheiden (Str. 1). Runge, Nun will auch ich abscheiden (Str. 7,1f). Zeißold, °Herr Jesu Christe, Gottes Sohn, tu meine Bitt (Str. 1,7f). Vermittler der ‚Lehre‘ ist hier der Heilige Geist. Ludämilie Elisabeth von Schwarzburg-Rudolstadt, Ach wer schon im Himmel wäre (Str. 9,5f). Behme, °In dem Leben hier auf Erden (Str. 2,5f). Das Lied (FT I 403.) steht in den Frankfurter Ausgaben der PPM (F-1666; nach FT I, S. 357 schon in der Ausgabe von 1656), aber nicht unter den Sterbeliedern, sondern unter der Rubrik ‚Vom Christlichen Leben und Wandel‘. Blarer, Mag ich dem Tod nicht widerstahn (Str. 2,3–6). Arnold, °Bedenk allzeit dein letztes End (Str. 2,4–6).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

und Ermahnungen daraus ergibt. Dazu gehören christliches Leben, Glaube, Buße und Sterbebereitung. Das Sterbelied stellt ein wesentliches Medium dar, diese Kunst einzuüben und sie sich anzueignen.

3. Die Bitte um ein seliges Ende Alle Ermahnungen zum Memento mori, zur Sterbebereitung und zum Erlernen der Sterbekunst zielen letztlich auf ein seliges Ende: Indem der Mensch ihnen nachkommt, schafft er wichtige Voraussetzungen dafür, dass ein solches Ende gelingen kann. Das Gelingen selbst kann nur Gott gewähren. Diese schlichte, aber zentrale Glaubenstatsache bildet die theologische Grundlage eines der wichtigsten und häufigsten Typen von Sterbeliedern: der Bitte um ein seliges Ende. Zu den ältesten und verbreitetsten Beispielen zählen Nicolaus Hermans Wenn mein Stündlein vorhanden ist, Paul Ebers Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott und Ringwaldts Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl. Johann Rist schließt mit der Bitte um ein seliges Ende seine erste Liedsammlung ab, die Himlischen Lieder von 1641/42. Das letzte Lied trägt die Überschrift „Beschluß=Lied zu Gott / Umb ein seliges Sterb=Stündelein“; die letzte Strophe lautet: 14. Erleuchte mich O treuer Gott / Daß ich in meiner letzten Stunde Bey dir ja werde nicht zu Spott Auch mich der Satan nicht verwunde / Reiß du mich aus des Todes Pein / Nimb meine Seel’ in deine Hände / Mein letzter Wundsch sol dieser seyn HErr gib mir doch ein seligs ENDE.35

Auch die Bitte um ein seliges Ende ist ein Gedenken an die Todesstunde, ein ‚meminisse‘, ein Meditieren des eigenen Todes und damit auch Sterbebereitung, aber in einer theologisch besonders qualifizierten, da ausdrücklich an Gott gerichteten Sprachform. Sie wendet sich einerseits an den, in dessen Hand die Todesstunde und ihr Ausgang liegen, andererseits dient sie dem Menschen dazu, sich auf die Todesstunde einzustellen, indem er sich die bedrängenden Zustände der ‚Todesnot‘ prospektiv ins Bewusstsein ruft: körperliche Schwäche und seelische Anfechtung. Im nächsten Teilkapitel (V.) wird auf diese Zustände ausführlich eingegangen. Oft sind es dieselben oder ähnliche Bitten, die in der Bereitung zum Sterben und im Sterben selbst an Gott gerichtet werden – unmittelbar vor dem Tod erscheint die Notwendigkeit des seligen Endes besonders dringlich –, so dass viele Texte zu 35

Rist, °So wünsch ich mir zuguterletzt (Str. 14). Während für die vollständige Fassung des Liedes kein Beleg gefunden wurde, taucht die zitierte letzte Strophe in L-1673 als selbständiges Lied auf. Ähnliche Überschriften gibt Rist etwa den Liedern O Vater aller Gnaden und O Gott, der du mit großer Macht (vgl. S. 554f).

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IV. Die Bereitung zum Sterben

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beiden Zeiten geeignet erscheinen. Bei aller Varianz enthalten die Texte eine große Zahl von wiederkehrenden, häufig formelhaften Elementen. Einige wurden schon genannt: die Bitte um das Geleit auf der letzten Reise, die Bitte um Beistand im Kampf; dazu kommen etwa die Bitte um Verschonung vor einem schnellen Ende und um Verkürzung des Leidens (vgl. S. 268), die Bitte um Bewahrung bei Versagen der körperlichen und geistigen Funktionen (vgl. S. 296) und in der Anfechtung durch Sünde, Teufel und Hölle (vgl. S. 307). Eine erschöpfende Typologie der vielfältigen und sich doch vielfach ähnelnden Bitten ist kaum möglich und auch nicht notwendig. Sinnvoller erscheint eine Berücksichtigung der wichtigsten Bitten in ihrem jeweiligen thematischen Zusammenhang. Einen Sonderfall bildet die Commendatio animae, bei der die Seele in der Sterbestunde nach Ps 31,6 in Gottes Hand befohlen wird. Dieser Vorgang selbst (vgl. S. 331) ist nicht nur eine Bitte, sondern vielmehr ein performativer Akt. Er wird aber oft bereits im Zusammenhang mit der Bitte um ein seliges Ende erwähnt und kann dann selbst den Charakter einer Bitte annehmen: „1. […] Mein Seel an meinem letzten end befehl ich dir in deine Hend, du wolst sie mir bewahren.“36 „5. Gib mir doch ein selig ende / Und nimm meine arme seel Auff in deine gnaden=hände / Dahin ich sie dir befehl“37.

Auf den Gegenstand der einzelnen Bitten – vor allem Trost und Beistand in Anfechtung – wird im Abschnitt V. noch ausführlich eingegangen. An dieser Stelle soll noch untersucht werden, was genau unter einem ‚seligen Ende‘ verstanden wird. Das selige Ende Mit dem ‚seligen Ende‘ wird dem Sterben eine Art Ideal vorgegeben. Was aber ist damit gemeint, wenn bekannte Sterbelieder die Bitte formulieren: „Laß mich selig abscheiden“38, „ein seliges Ende mir bescher“39 oder „Gieb mir ein seligs ende“40? Welche Vorstellung vom guten Ende steckt hinter Scheins Version von ‚Ende gut, alles gut‘ („Ist alles gut / wenn gut das End“41) oder hinter der Bitte „Machs nur mit meinem Ende gut“42 von Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt? Paul Gerhardt und Christoph Runge halten bündig fest, dass seliges Sterben gleichbedeutend ist

36 37 38 39 40 41 42

Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Str. 1,5–7). Anon., Komm, o Jesu, wie so lange* (Str. 5,1–4). Herberger, Valet will ich dir geben (Str. 2,7). Anon., O Jesu, Gottes Lämmelein (Str. 5,4). Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Str. 10,3). Schein, Mach’s mit mir, Gott, nach deiner Güt (Str. 1,6). Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, Wer weiß, wie nahe mir mein Ende (Kehrreim). Vgl. dieselbe, O du dreieinger Gott (Str. 10,7f): „Ich weiß, GOtt macht es schon | Mit meinem Ende gut.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

mit der Überwindung, ja der Verneinung des Todes: „Wer selig stirbt, stirbt nicht“43. Das Adjektiv ‚selig‘ bezieht sich nicht erst auf die Seligkeit als gewünschtes Ergebnis der Todesstunde, sondern schon auf das Sterben selbst. Darum ist die Frage zu präzisieren: Welchen Verlauf muss die Sterbestunde idealerweise nehmen, damit von einem seligen oder guten Ende gesprochen werden kann? Zunächst kann es nach allem, was bereits über die Sterbebereitung festgestellt wurde, nicht verwundern, dass sie die erste Voraussetzung für ein seliges Ende darstellt. Erbeten wird demgemäß nicht nur – wie schon erwähnt – die rechtzeitige Bereitung, sondern auch die Verschonung vor einem plötzlichen Eintreten des Todes, das diese Bereitung gefährden könnte: „Laß mich nicht plötzlich sterben | In unerkanter Sünd“44. Das ändert freilich nichts an der Tatsache, dass auch für einen plötzlichen Tod Vorsorge zu tragen ist: Es besteht, so Ringwaldt, immer die Möglichkeit, „inn dem Feld, | durch Raub auff frembder grentze, | In wassers noth, hitz oder kält, | oder durch Pestilentze“45 hinweggerafft zu werden. Ist entgegen dem Ideal ein Todesfall plötzlich eingetreten, so muss das bisweilen ausdrücklich hervorgehoben, die Vereinbarkeit von schnellem und gutem Tod nachträglich versichert werden. Strophen wie die folgenden von Dach und Gerhardt dienen einer derartigen Vergewisserung: „4. Selig [!] ist, der sich von hier Kan bey zeiten zu Dir wenden, Vnd nimbt seinen Tod von Dir Wie mit außgestreckten Händen, Nicht sich an der Welt vergafft, Vnd wird plötzlich weggerafft!“46 „6. Wer plötzlich stirbt und stirbt nur wol, Der nimbt ein Ende, das man soll Gewündscht und selig [!] preysen: Ists Hertze gut und Glaubens voll, Was schadt das schnelle Reisen?“47

Doch nicht nur der schnelle Tod widerspricht dem Ideal des seligen Endes, sondern auch ein Sterben, das sich durch allzu langes Siechtum unerträglich hinzieht. Hier droht insbesondere die Gefahr, dass der Sterbende, durch anhaltendes Leiden zer43

44 45 46

47

Der Vers bildet den Anfang eines Trostgedichtes von Paul Gerhardt zum Tod von Johann Adam Preunel (1668) und wurde von Runge 1671 wohl dorther übernommen (Runge, Ich will gar gerne sterben, Str. 1,2). Niedling, Von Herzen ich mich freue (Str. 1,5f). Ringwaldt, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl, dass ich einmal (Str. 5,1–4). Dach, Herr, es mangelt nicht an dir (Str. 4); „Todesgedanken bey seligem Hintrit Hn. Wilhelm Perssen“ (1640), vgl. SDG III, S. 466. Gerhardt, °Erhebe dich, betrübtes Herz (Str. 6); „Trost-Gesang Vber den unversehenen [!] Todesfall Des Wollseligen Herrn Johannis Bercovii“ (1651); Text im Anhang zur Faksimileausgabe von Gerhardt, Geistliche Andachten, 17. Die ausdrückliche Umdeutung eines plötzlichen Todesfalles als seliges Ende ist auch in Leichenpredigten gang und gäbe, vgl. Lenz, Leichenpredigt und Epitaph, 115–123; LP Ferdinand Crafft 1714, 43f (zit. S. 592).

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IV. Die Bereitung zum Sterben

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mürbt, schließlich der Anfechtung erliegt. Die Bitte „verkürtz mir fein deß Todes Pein“48 gehört deshalb ebenso wie die Bitte um Verschonung vor einem zu schnellen Tod zum Standardrepertoire. In Bittliedern von Ringwaldt und Gesenius/Denicke werden die beiden Extreme direkt nebeneinandergestellt: „9. So las mich ja nicht lange liegn wider den letzten Feindt zu kriegn, Das ich möchte in Fleisch geberdn die leng was vngedüldig werdn. 10. Doch nim mich auch nicht all zu schnell von hinnen durch ein vngefell, In welchem ich den gnaden Bundt von hertzen nicht betrachten kundt.“49 „3. […] Auß lauter vnverdienter Güt Für vielen Schmertzen mich behüt Vnd langwirigem Lager. 4. Doch aber auch bewahre mich Für schnellem, bösen Ende.“50

Vor allem jedoch gilt für das gute Sterben zweierlei: Es soll ‚sanft und still‘ und es soll ‚vernünftig‘ sein. Schon Luther formuliert in seinem Nunc-dimittis-Lied Mit Fried und Freud ich fahr dahin das Ideal des ‚sanften‘ Todes, der dem Schlaf gleicht: 1. Myt frid und freud ich far do hin ynn Gotts wille. Getrost ist myr meyn hertz und syn sanfft und stille. Wie Gott myr verheyssen hat, der tod ist meyn schlaff worden.“51

Das sanfte Einschlafen ist auch Gegenstand der Bitte um ein seliges Ende: „Als denn fein sanfft vnd stille, | Herr, laß mich schlaffen ein“52. Als Ideal gilt das sanfte und stille 48

49 50 51 52

Anon., Mein Herz mit Lieb verwundet ist* (Str. 3,10). Vgl. Eber, Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott (Str. 3,6): „verkürtz mir auch des Todes qual“; Backmeister, O Herr, gedenk in Todespein (Str. 3,3): „Verkürtze mir die todespein“; Herberger, Valet will ich dir geben (Str. 2,5): „Verkürtz mir alles Leiden“; anon., Herr, lass mich deinen werten Geist (Str. 2,5): „verkürtz mir alle Angst und Pein“ usw. Ringwaldt, °Hilf mir, Herr Jesu, weil ich leb (Str. 9–10). Gesenius/Denicke, O Gott, wenn ich bei mir betracht (Str. 3,5–7; 4,1f). Luther, Mit Fried und Freud ich fahr dahin (Str. 1). Anon., Christus der ist mein Leben (Str. 6,1f). Vgl. auch anon., Herr Jesu Christ, mein Herr und Gott, lass mich (Str. 3,5–7): „Schlaff also ein | Im namen dein | Sanfft / selig und fein stille“. Das häufig belegte Lied wird mehrfach Ringwaldt zugeschrieben (z. B. B-1666; Lü-1702). Nach Reckziegel, Cantional, 198 ist die Primärquelle des Textes in den Threnodiae des Christoph Demantius (Freiberg 1620) zu finden; weitere Belege sind D-1625/56; L-1627b; Go-1648; B-1658; F-1666; B-1703.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Sterben deshalb, weil in ihm die Freiheit von körperlichem und seelischem Leiden zum Ausdruck kommt, einerseits die Befreiung von Schmerz und Krankheit, andererseits die Erlösung von Angst und Anfechtung. Ringwaldt formuliert die Hoffnung, „das ich ohne vbrig weh | im rechten Glauben sanfft vorgeh“53, und zeigt dabei die Antithese des erhofften sanften Vergehens zum übermäßigen, unnötigen körperlichen Schmerz, dem „vbrig weh“. Einem anonymen Autor gilt das sanfte Sterben als Überwindung der Angst als seelischer Pein. Die Bitte lautet hier: „Das durch ein sanft vernünftig End’ | All’ Angst mit mihr sich selig wend’.“54 Wer „sanfft und stille“ stirbt, hat im äußeren wie im inneren Todeskampf bereits als ‚christlicher Ritter‘ gesiegt. Nach demselben Ideal sind auch viele der Sterbeberichte in den Leichenpredigten des 17. Jahrhunderts gestaltet (vgl. S. 569–583). Das sanfte, stille Sterben ‚ohn einiges Rucken und Zucken‘ lässt nach Auffassung der Zeitgenossen darauf schließen, dass Kampf und Anfechtung bereits überwunden sind, der Sterbende also friedlich zu seinem Herrn eingegangen ist. Entsprach das Sterben nicht diesem Ideal, wurde dies oft im Sterbebericht vermerkt, verbunden mit dem erklärenden Hinweis, warum es sich dennoch um ein seliges Ende gehandelt habe. Damit zum zweiten Punkt, der Bitte um ein vernünftiges Ende. Mit ihr verbindet etwa Ringwaldt im ersten Beispiel die Bitte um ein sanftes Ende; im zweiten Beispiel gibt ein anonymer Autor eine Art Definition des seligen Endes, in der er ebenfalls beide Merkmale nennt: „4. Kans sein, so gib durch deine hand mir ein vernünfftig ende, Das ich mein Seel fein mit verstand befehl in deine hende, Vnd so im glauben sanfft vnd fro auff meinem bettlein oder stroh aus diesem elend fahre.“55 „1. ES ist gewiß ein grosse Gnad / wenn Gott einm Menschen gewähret / daß er ein sanfft Sterb=Stündlein hat / und wie im Schlaf hinfähret / daß er sich an seinm letzten End vernünfftig zu seinm Heyland wend / solchs GOtt allein dem giebet / der Ihn recht hat geliebet.“56

53

54 55 56

Ringwaldt, Herr Jesu Christ, weil ich empfind (Str. 11,1f). Vgl. die Parallelstelle beim selben Autor, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl, dass ich einmal (Str. 7,3–6): „Vnd hilff, das mir das hertze mein | fein sanfft gebrochen werde | Vnd wie ein liecht ohn vbrig weh | auff dein vnschüldig blut vergeh“. Anon., O Vater, Sohn und Heilger Geist* (Str. 1,3f). Ringwaldt, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl, dass ich einmal (Str. 4). Anon., Es ist gewiss ein große Gnad* (Str. 1). Inhalt und Rubrizierung des nur zwei bzw. drei Mal belegten Liedes legen nahe, dass hier ursprünglich das selige Ende eines gerade Verstorbenen besungen wurde.

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IV. Die Bereitung zum Sterben

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Wie der Kontext und viele weitere Beispiele57 zeigen, bezieht sich das Adjektiv „vernünfftig“ auch bei attributiver Zuordnung zum „ende“ nicht auf den Vorgang des Sterbens, auch nicht auf eine bestimmte ‚vernünftige‘ Gestaltung des Endes, die der Mensch selbst bestimmen könnte, sondern vielmehr auf den unverfügbaren Geisteszustand des Menschen bei seinem Tod. „[V]ernünfftig von der Welt zu scheidn“58 bedeutet, bis zum letzten Augenblick geistige Klarheit zu besitzen, ein Wunsch, den der Mensch sich offenkundig nicht selbst erfüllen, sondern nur von Gott erbitten kann: „Kans sein, so gib durch deine hand“. Wo der Verstand gewichen ist, kann der Mensch nicht mehr gezielt das Leiden Jesu oder die himmlische Herrlichkeit betrachten, wie es ihm zur Überwindung der Anfechtung empfohlen ist; er hat dann auch den vorher durchaus gegebenen Eigenanteil der Kontrolle über die ihm vor Augen stehenden ‚Bilder‘ verloren. Schreckliche Truggebilde wie der grausige Knochenmann oder die Hölle könnten sich vor sein geistiges Auge drängen. In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn Gesenius/Denicke um die Abwendung von ‚Wahnwitz‘ bitten: „Wahnwitz vnd Jammer gnädiglich, | O trewer Gott, abwende.“59 Die erbetene Bewahrung des Verstandes ist die Voraussetzung dafür, die im Leben erlernten Übungen der Sterbekunst einzusetzen und mit ihrer Hilfe den Kampf gegen die Anfechtung bestehen zu können: 9. Erhalte mir auch die vernunfft / Verstand / sprach und gedancken / Das ich auff meiner feind ankunfft Im glauben nicht darff wancken: Daß ich mag streiten ritterlich Mit beten / und erlangn den sieg / Die kron deß ewgen lebens.60

Die „feind“ sind im Kontext dieses Liedes „meine sünd“ und „die höll mit ihrem heer“ (Str. 8), denen der „glauben“ in unerschütterlichem Kampfesmut (vgl. wieder 2Tim 4,7f) entgegengehalten wird. Neben „vernunfft“, „Verstand“ und „gedancken“ wird in diesem Beispiel auch die Erhaltung der „sprach“ erbeten. Damit wird deutlich, dass es sich nicht nur um innere Vorgänge handelt, die in der Sterbekunst eingeübt wurden, sondern auch um Äußerungen und Ausdrucksformen, um die Performanz bestimmter Bitten und Gebete, von denen eine positive Wirkung für das selige Ende erhofft wird. Freilich muss auch mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass Sprache und Verstand noch vor dem Eintreten des leiblichen Todes verloren gehen, selbst wenn dies nicht dem Idealbild entspricht. Diese Möglichkeit kommt in vielen Liedern im Zusammenhang mit der detaillierten Darstellung des Verfalls geistiger und körperlicher Funktionen zur Sprache. Für den Fall des Verlustes dieser Funktionen wird 57

58 59 60

Z. B. vgl. Schreiber, °Ein selig End aus Liebe (Str. 3,3f): „Ach ein vernünfftig Ende | Auß Gnaden mir bereit.“ Ringwaldt, Herr Jesu Christ, weil ich empfind (Str. 10,2). Gesenius/Denicke, O Gott, wenn ich bei mir betracht (Str. 4,3f). Anon., Wie ein gejagtes Hirschelein (Str. 9). Vgl. Schreiber, °Ein selig End aus Liebe (Str. 3,5–7): „In tödtlicher Gefahre | Mir mein Verstandt bewahre | Zur Seelen Seligkeit.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Gottes besonderer Beistand erbeten. Zugleich dient die vorausgreifende Darstellung einer solchen Entwicklung in der Todesstunde der meditativen Vergegenwärtigung der Todesnot und damit letztlich der Bereitung zum Sterben. Sie wird im folgenden Teilkapitel noch ausführlicher behandelt (vgl. S. 296).

4. Zusammenfassung Die Bereitung zum Sterben markiert den Schritt, der aus dem ‚Bedenken‘ des eigenen Endes die Konsequenzen zieht, mit dem Ende also nicht nur rechnet, sondern auch entsprechende Vorkehrungen trifft: Der Tod, der jederzeit eintreten kann, muss den Menschen ‚bereit‘ antreffen, damit das Ideal des ‚seligen Endes‘ zu verwirklichen ist. Ein plötzlicher Tod widerspricht diesem Ideal deshalb, weil er zur Sterbebereitung zu wenig Zeit lässt. Zeit für die Sterbebereitung ist aber nicht erst auf dem Sterbebett – auch wenn sie dort nochmals gefordert ist –, sondern schon im Leben, eben damit der Tod niemals zu einem Zeitpunkt fehlender Bereitschaft eintreten kann; der Mensch hat sich daher jederzeit zu ‚rüsten‘ und ‚sein Haus zu bestellen‘ (Jes 38,1), also seine weltlichen Angelegenheiten zu ordnen. Zur Sterbebereitung gehört auch das rechtzeitige – also schon im Leben zu verortende – Erlernen der Ars moriendi, die den Menschen „lebend sterben lehrt“. Sie ist zum einen Ars bene vivendi: Gutes Leben ist ein wesentliches Stück Sterbebereitung. Zum anderen lehrt sie den Menschen, schon vor seinem Ende zu ‚sterben‘, indem er sich in Buße von der Welt abkehrt. Zum dritten erlernt der Mensch in ihr konkrete Handlungsanweisungen für die Todesstunde, die ihm ein seliges Ende ermöglichen soll, etwa durch bestimmte Gebete oder durch die Betrachtung der Passion. Letztlich ist das ‚selige Ende‘ jedoch unverfügbar, auch wenn der Mensch rechtzeitig ‚sein Haus bestellt‘ und sich um das Erlernen der Sterbekunst bemüht hat. Ideal verläuft die Todesstunde erst dann, wenn neben der gründlichen Sterbebereitung zwei weitere Bedingungen gegeben sind: ein Zustand geistiger Klarheit, der die ‚vernünftige‘ Anwendung der erlernten Sterbekunst auch ermöglicht, und die Freiheit von Schmerz und Anfechtung, die den Menschen ‚sanft und still‘ einschlafen lässt. Da der Mensch auf diese Bedingungen keinen Einfluss hat, muss er sie von Gott erbitten. Dazu sind ihm im Gesangbuch zahlreiche ‚Bitten um ein seliges Ende‘ vorgegeben, die viele formelhaft wiederkehrende Elemente enthalten. Diese Lieder sind insofern ihrerseits ein Beitrag zur Sterbebereitung, als sie dem Leser oder Sänger den Verlauf der Todesstunde schon vorab vor Augen führen.

V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes Die Themen des vorangegangenen Abschnitts – Sterbebereitung, Ars moriendi und die Bitte um ein seliges Ende – sind häufig in einer Sprechsituation angesiedelt, die dem Tod vorausgreift: Das Ich rüstet sich, ohne dass er bereits konkret absehbar

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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wäre. Thema des folgenden Abschnitts ist dagegen die Todesnot, also die Situation in unmittelbarer Nähe des Todes. Die eigentliche Not besteht dabei im subjektiven Erleben dieser Situation. Doch mag das Erleben auch individuell verschieden sein, so folgt die Ausdrucksform in Lied- und Gebetstexten dennoch bestimmten vorgegebenen Mustern. Gemein ist ihnen in der Regel eine subjektive Sicht auf das eigene Ende, die aber mit Hilfe feststehender rhetorischer, literarischer und theologischer Topoi gestaltet ist. Bei der Untersuchung sind mehrere Fragen zu unterscheiden, von denen sich nur die erste ausschließlich auf jene Texte bezieht, die aus der Situation der Todesnot heraus zu sprechen scheinen. Antworten auf die beiden anderen Fragen lassen sich aus allen Texten gewinnen, die diese Situation zum Thema haben. Zum einen also: Welche Merkmale besitzen die Texte, deren Sprechsituation in der Todesnot angesiedelt ist? Zum anderen: Worin besteht die Todesnot? Und zum dritten: Durch welchen Trost wird sie überwunden? Zur ersten Frage wurden im Zusammenhang mit der näherrückenden Todesstunde schon einige Hinweise gegeben, die die Zeitstruktur der Lieder betreffen (vgl. S. 244), dort allerdings in positiver Wertung der Todesstunde. Im Zusammenhang mit dem Erleben der Todesnot müssen hier einige Aspekte ergänzt werden (1.). Insbesondere die Anrede an Gott gewinnt dabei den dringlichen Charakter einer flehentlichen Anrufung. – Die Antwort auf die zweite Frage, worin die Todesnot besteht, wurde ebenfalls schon angedeutet: Sie besitzt eine Komponente körperlichen und eine Komponente seelischen Erlebens. Krankheit, Schmerz und Schwäche bilden den körperlichen Anteil der Todesnot (2.), Angst und Anfechtung den seelischen Teil (3.). – Auf die dritte Frage nach dem Trost und der Überwindung der Todesnot werden die inhaltlich entscheidenden Antworten im nächsten Teilkapitel (VI.) gegeben: Christus ist die Zentralfigur, an die sich der Sterbende in seiner Not wenden und auf die er sich in unterschiedlicher Weise beziehen kann. Im vorliegenden Teilkapitel soll es zunächst um die subjektiven Haltungen gehen, mit denen auf die Todesnot reagiert werden kann. Von ihnen ist die Ergebung in Gottes Willen (4.) die traditionell empfohlene und theologisch grundlegende. Die Ergebung in Gottes Willen, zunächst gekennzeichnet durch das Hintanstellen des eigenen Willens, wird im Lauf des 17. Jahrhunderts mit immer stärkeren positiven menschlichen Eigenaffekten besetzt, so dass die Freude auf und über das Sterben (5.) sowie die Sehnsucht und der Wunsch nach dem Sterben (6.) immer deutlicher als Haltung hervortreten.

1. Die Todesnot als Sprechsituation Die erste der eingangs gestellten Fragen lautete: Welche Merkmale tragen diejenigen Texte, die unmittelbar aus der Situation der Todesnot heraus zu sprechen scheinen? Wieder ist zu betonen, dass es sich dabei um eine rein textimmanente, literarische Sprechsituation handelt; möglicherweise schlüpft ein Rezipient in anderem Kontext – etwa zur Andacht, zur eigenen Sterbebereitung oder bei der Totenwache – performa-

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

tiv in die Rolle eines Sterbenden. Gleichwohl ist diese Rolle auf literarischer Ebene an die Situation der Todesnot gebunden, bei der es sich naturgemäß um eine der typischen Sprechsituationen für Sterbelieder handelt und handeln muss. Literarisch kennzeichnend sind auf formaler Ebene zwei Merkmale: die Verwendung der Ichform – meist im Gegenüber zum Du Gottes oder Christi – sowie die Verwendung des Präsens1 für Todesnot und Sterben; dies im Unterschied zur ‚Bitte um ein seliges Ende‘, bei der sie noch in der Zukunft liegen. Allerdings sind beide Gruppen von Liedern nicht strikt voneinander abzugrenzen, etwa weil die Sprechsituation eines Textes bei imperativischen Bitten zeitlich nicht eindeutig ist; und daraus lässt sich wohl doch schließen, dass nicht nur die Texte, sondern auch die beiden zugehörigen Verwendungskontexte Sterbebereitung und Todesnot eng verwandt sind. Gelegentlich können Verben wie ‚fühlen‘ und ‚empfinden‘ den subjektiven Charakter der erlebten Todesnähe zum Ausdruck bringen. Ein Lied von Bartholomäus Ringwaldt macht dies konkret am körperlichen Empfinden fest: „HErr Jesu Christ, weil ich entpfindt | das mir all leibes krafft verschwindt“2. Ein Empfinden für die Gegenwart der Todesstunde hat das Ich bei Christian Thalhaimer: „GOtt sey globt, ich empfinde wol, | Mein Stündlein ist vorhanden“3, während es bei Rist den Tod an sich fühlt: 1. MEin GOtt und Vatter / der du nicht Dein arme Kindlein in der Noht Verlassen wilt / mein Hertz das bricht / Ich fühle schon an Mir den Tod.4

Von der Gegenwart der Todesstunde im Sterbelied war bereits die Rede. Die genannten Beispiele bildeten aber insofern nicht das ganze Spektrum ab, als sie das Herannahen der Todesstunde entweder neutral konstatierten oder sogar begrüßten, so wie das eben zitierte Beispiel von Thalhaimer („GOtt sey globt“, vgl. S. 244). Wo der Todesstunde ein Willkommen entgegenklingt, ist die eigentliche Not schon überwunden. Die Gegenwart der Todesnot erregt andere Töne: die flehentliche Anrufung Gottes.

1

2 3 4

Vgl. z. B. Liedanfänge bei Schein: Die Zeit nunmehr vorhanden ist, dass ich von hinn soll scheiden; Mein Zeit nunmehr vorhanden ist, dass ich soll scheiden hin. Ringwaldt, Herr Jesu Christ, weil ich empfind (Str. 1,1f). Thalhaimer, Gott sei globt, ich empfinde wohl (Str. 1,1f). Rist, Mein Gott und Vater, der du nicht (Str. 1,1–4). Vgl. in der Vorausschau der ‚Bitte um ein seliges Ende‘ anon., Ich weiß wohl, dass ich sterben muss (Str. 8,5–7): „Und wenn vorhanden ist mein Ziel, | So hilff, daß ich nicht lange fühl’ | Des strengen Todtes Ruthe!“

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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Die Anrufung Gottes in der letzten Not Charakteristisch für die Todesnot als Sprechsituation ist die nachdrückliche Sprechweise des Rufens oder Schreiens: Aus tiefer Not schrei ich zu dir; O Herr, Gott, hilf, zu dir ich gilf; Herr Jesu Christ, ich schrei zu dir usw. So wird beim Singen aus der sprachlich und musikalisch vorgeformten Lautgestalt des Gesangs ein existenzieller Ruf. Manchmal bringt ein Text diesen Ruf allerdings nicht als emphatisch lauteres, sondern als ein durch die Todesnot bereits geschwächtes Singen zum Ausdruck: „für das Singen ich nur stehne“5. Wo kein Singen mehr möglich ist, wird es zum ersterbenden ‚Stehnen‘. Die Aufnahme in den himmlischen Chor, die in der letzten Strophe wieder in Form eines Rufes erbeten wird, bildet dazu einen hoffnungsvollen Kontrast.6 Der Sprachgestus der Anrufung Gottes in der Not stammt aus dem Psalter. Der Notleidende hofft oder ihm wird verheißen, dass Gott seine Ohren zu ihm neigt (hjn hif.), ihn erhört (hn[), ihm hilft ([vy), ihn herausreißt und errettet (#lx, lcn), wenn er ihn in der Not (hr'c', rc;) anruft (arq).7 Dabei findet die Anrufung teils im Text selbst statt, teils wird rückblickend von ihrer Erhörung berichtet. In Ps 116,3f wird die Not, aus der heraus der Psalmbeter Gott anruft, ausdrücklich mit den Stricken des Todes und den Schrecken des Totenreiches lAav. identifiziert. „Auß dem 116. Psalm genommen“ ist auch Nicolaus Selneckers Lied „O HErre Gott, in meiner not | ruff ich zu dir, du hilffest mir“, das in vielen Gesangbüchern als Sterbelied aufgeführt wird.8 Wie einige andere Lieder des Typs ‚Anrufung in der letzten Not‘ besitzt dieses Sterbegebet eine trinitarische Struktur: Dem Vater wird in der Commendatio animae die Seele anbefohlen, dann wird an das Sterben Christi „mir zu gut“ erinnert und schließlich der Heilige Geist um Trost und Beistand in der Anfechtung gebeten.9 Ein weiteres Lied nach einer Vorlage von Selnecker zeigt den Ruf aus der Not als Hilferuf: Hilf, Helfer, hilf in Angst und Not.10 In der letzten Not ist die göttliche Hilfe 5 6

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9

10

Anon., Rufst du nicht, o Heiland, mich* (Str. 1,4). Vgl. anon., Rufst du nicht, o Heiland, mich* (Str. 6): „Darümb ruff [!] ich noch wie vor: | Kom[m] mein JEsu mich zusetzen / | von hier in den Himmels=Chor / | da ich ewig mich ergetzen / | und mit Freuden dir allein / | mit Lob werd ergeben seyn.“ Vgl. z. B. Ps 50,15; 81,8; 86,7; 91,15; 102,3; 107,6.13.19; 116,3f; 120,1. Der im Liedtitel zitierte Mottovers Ps 116,9 (Selnecker, Psalter in kurzen Summarien, Leipzig 1578, zit. nach W IV 397. [nach Reckziegel, Cantional, 192 bereits 1572]) wird im Liedtext nicht nochmals aufgegriffen. Das Lied ist vor allem in den Leipziger sowie in einigen früheren Nürnberger Gesangbüchern als Sterbe- und Begräbnislied vertreten. In L-1673 ist auch eine überarbeitete Fassung enthalten, in der nach jedem Vers des Ausgangsliedes ein zusätzlicher Vers eingeschoben ist, vgl. Str. 1: „O HErre GOtt / in meiner Noth | thu ich mich zu dir wenden / | ruffe zu dir / du hilffest mir | an allem Ort und Enden.“ Aus den 3×6 Versen des Originals (ohne Melodieangabe) werden in der überarbeiteten Fassung 9×4 Verse (Melodie: Ach Gott und Herr, wie groß und schwer). Vgl. Selnecker, O Herre Gott, in meiner Not (Str. 1–3). Schelius, O Herre Gott, aus tiefer Not (Str. 1: Vater; Str. 2: Jesus Christus; Str. 3: Heiliger Geist; Str. 4: Dreifaltigkeit); Henrici, °O starker Gott, in letzter Not (Str. 1–3); Rist, Mein Gott und Vater, der du nicht (Str. 1–4: Vater; Str. 5–10: Sohn; Str. 11: Heiliger Geist; Str. 12: Dreifaltigkeit). Die Vorlage °Hilf, Herr, mein Gott, dieser Not stammt aus Selneckers Christlichen Psalmen, Liedern und Kirchengesängen (Leipzig 1587). Das Lied selbst ist in Martin Mollers Manuale de praeparatione ad mortem (Görlitz 1593) sowie in zahlreichen der untersuchten Gesangbücher enthalten, in denen immer wieder Moller als Autor angegeben ist (z. B. L-1638/82 [vgl. Grimm, Vopelius, 86]; Go-1648; Lü-1695/1702); so

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

ein wesentlicher Gegenstand des menschlichen Flehens. Johann Rist schreibt in seinem „Sterbeliedelein Eines Todkranken Menschen“: 1. O Schöpffer aller Dinge / Du Väterliches Hertz / Merk auf wie hart Ich ringe / Was für ein schwehrer Schmertz Mich Armen hat ümfangen In dieser letsten Noht / Wo sol Ich Hülff ’ erlangen? Sehr nah’ ist Mir der Tod!11

Todeskampf und Todesnähe werden hier im Präsens geschildert. In der flehentlichen Frage „Wo sol ich Hülff ’ erlangen?“ klingen nicht nur Psalmverse an (Ps 121,1b: „Woher kommt mir Hilfe?“), sondern auch die Frage des lateinischen Media vita in morte sumus: „Quem quaerimus adiutorem nisi te Domine“, die in Luthers Verdeutschung auch zur Frage nach der Gnade wird: „Wen suchen wyr der hulffe thu, | das wyr gnad erlangen?“12 Die Hilfe wird immer von Gott als demjenigen erhofft, der Not und Anfechtung selbst verhängt hat.13 Bereits in den ältesten Liedern der Reformationszeit ist die Anrufung Gottes aus der Not häufig anzutreffen. Gleichsam das Urbild einer solchen Anrufung ist ein Lied, das in den meisten Gesangbüchern unter der Rubrik ‚Von der Buß‘ zu finden ist, das aber auch als Sterbe- und Begräbnislied verwendet wurde:14 Aus tiefer Not schrei ich zu dir, Luthers Liedfassung des De profundis (Ps 130). Den Begriff der „not“ hat Luther nach dem Vorbild anderer Psalmen zur Explikation der ‚Tiefe‘ in den Text eingefügt. Der Begriff wird – an der Vorlage des Bußpsalms orientiert – seinerseits gedeutet als Anfechtung des Gewissens durch die Sünde: 1. Aus tieffer not schrey ich zu dyr, Herr Gott erhor meyn ruffen. Deyn gnedig oren ker zu myr und meyner bitt sie offen. Denn so du willt das sehen an, was sund und unrecht ist gethan, wer kan Herr fur dyr bleyben?

11 12

13

14

auch EKG 287. Einen ähnlichen Ruf artikuliert im Kontext einer ‚Bitte um ein seliges Ende‘ das ältere O Herr, Gott, hilf, zu dir ich gilf (Zürich 1560; Beleg: L-1605). Rist, O Schöpfer aller Dinge (Str. 1). Luther, Mitten wir im Leben sind (Str. 1,3f). Vgl. Dach, Ich bin ja, Herr, in deiner Macht (Str. 2): „Wen hab’ ich nun als dich allein, | Der mir in meiner letzten Pein | Mit Trost und Raht weiß zu zu springen? | Wer nimmt sich meiner Seelen an […] Thust du es GOTT, mein Heiland, nicht?“ Vgl. anon., Herr Jesu Christ, ich schrei zu dir (Str. 1,3f; 9,5–7): „Dein Allmacht laß erscheinen mir | Vnd mich nicht also quele.“ „Wenn es dir denn nu je gefelt, | Das ich also sol seyn gequelt, | So gieb mir Krafft vnd Stärcke.“ Vgl. Babst (fol. b 2v); vgl. S. 619; S. 623.

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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Solche Anfechtung stellt jederzeit eine Gefährdung des menschlichen Heils dar. Rechtzeitige Buße war schon in der Sterbevorbereitung ein dringliches Ziel; in der Todesnot gewinnt sie durch die Kürze der verbleibenden Zeit besondere Brisanz. Die gesungene Überwindung der Anfechtung nimmt in Luthers Lied denn auch einen viel breiteren Raum ein als die Schilderung der Not: „Bey dyr gillt nichts den gnad und gonst“; „Darumb auf Gott will hoffen ich“; „Doch sol meyn hertz an Gottes macht | verzweyfeln nicht noch sorgen.“15 Von der ‚allgemeinen Not‘ ist die Todesnot qualitativ nicht unterschieden; diese wird in ihr nur radikal zugespitzt. Ein altes Lied von Justus Jonas, das in einigen älteren der ausgewerteten Gesangbücher noch enthalten ist, ist überschrieben: „ein gebet, in allerley not auch am letzten ende zubeten“, beginnt dann aber doch eindeutig mit den Versen: „HERR Jhesu Christ, O warer Gott, | hie sichstu mich in letzter not“16. In den Sterbeliedern ist mit dem Ruf aus der letzten Not häufig ausdrücklich die auf die Sünde bezogene Gewissensnot gemeint.17 Umgekehrt tauchen allgemeine Buß- und Anfechtungslieder, in denen Gott aus der Not heraus angerufen wird, häufig in den Sterbelied-Rubriken auf – auch dann, wenn der Text selbst nur marginale oder gar keine Hinweise auf das Sterben enthält. Nicht nur die Verwendung von Luthers Aus tiefer Not zeigt die Todesnot als besonderen, zugespitzten Fall der allgemeinen Gewissensnot. Ein weiteres frühes Beispiel ist Michael Weisses Fassung von Ps 130 (Aus tiefer Not lasst uns zu Gott), das in J-1531 und vielen anderen Gesangbüchern unter den Bußliedern, in L-1616 aber unter den Sterbeliedern zu finden ist.18 Das anonyme Herr Jesu Christ, ich schrei zu dir stammt zwar ursprünglich aus einem Sterbeliederbuch und fand sich in den untersuchten Gesangbuchrubriken mehrfach, bezieht sich aber im Text nicht ausdrücklich auf die Todesnot.19 Hier ist die erfahrene Not nicht einmal theologisch als Anfechtung des Gewissens qualifiziert; sie scheint vielmehr allein im Affekt der Angst und Traurigkeit zu bestehen. In dem Lied Herr Jesu Christ, du treuer Gott (Coburg 1630) ist die Not, aus der heraus das Ich Gott anruft, dagegen ausdrücklich als Gewissensnot gekennzeichnet; das Sündenbekenntnis steht zentral, die Bitte um ein seliges Ende erst in der Schlussstrophe.20 Trotz der Unterschiede im Verständnis der ‚Not‘ zeigen diese Beispiele, dass die Todesnot von anderen Noterfahrungen nicht grundsätzlich unterschieden ist, sondern nur durch ihren Zeitpunkt eine besondere, geradezu ultimative Dringlichkeit besitzt. 15 16

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Luther, Aus tiefer Not schrei ich zu dir (Str. 2,1; 3,1; 4,3f). Jonas, Herr Jesu Christ, o wahrer Gott (Str. 1,1f; die Überschrift stammt aus einem undatierten Druck, zit. nach W III 65.). Gefundene Belege: N-1594, N-1599, Lü-1625. Anon., Auf, meine Seel, dein End ist hier* (Str. 10): „Dir ruff ich in der letzten Noth / | Befreye mich vom ewgen Tod / | Und allen meinen schweren Sünden: | Ach laß mich ewge Gnade finden.“ Ebenfalls an Ps 130 angelehnt sind Schelius, O Herre Gott, aus tiefer Not (Leipzig 1638); Schwämlein (?), Aus der Tiefen rufe ich (Halberstadt 1673). Die ursprüngliche Quelle ist nach FT I 574. (vgl. Reckziegel, Cantional, 198) die Sammlung Threnodiae von Christoph Demantius (Freiberg 1620). Belege für das Lied unter den Rubriken ‚Vom Tod und Sterben‘ sowie ‚Vom Begräbnis‘ sind D-1625/56/76/78, L-1627b/45/82, N-1690, Lü-1695/1702. Das Lied ist enthalten in N-1637 und L-1673, außerdem in N-1654 unter den Krankheits-Liedern.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

2. Der körperliche Anteil der Todesnot: Krankheit, Schmerz und Schwäche Was den Menschen auf dem Sterbebett subjektive ‚Not‘ erleben lässt, sind aber nicht nur die Sünde und das Gewissen (vgl. 3.), sondern auch die körperlichen Empfindungen von Krankheit, Schmerz und Schwäche. Bei diesem Thema ist die Gruppe der Sterbelieder z. T. offen in Richtung der Gruppe Krankenlieder. In der Schilderung des Krankheitserlebens stimmen beide Gruppen überein; in der Perspektive unterscheiden sie sich: Für die Krankenlieder ist das Sterben nur eine von zwei Optionen, für die Sterbelieder die einzige. Trotzdem tauchen einige Lieder der erstgenannten Gruppe in der Rubrik ‚Vom Tod und Sterben‘ auf. Eine weitere Gruppe unterscheidet sich etwas deutlicher: die Pestlieder, meist in der Rubrik ‚Von Pestilenz und Sterbensläuften‘, die bei der Textauswahl nicht berücksichtigt wurde. Ein Exkurs soll diese Gruppe und ihre Unterschiede zu den Sterbeliedern beleuchten. EXKURS: Pestlieder 1. Liedbestand: Legt man die Rubrizierung zugrunde – ‚Vom Tod und Sterben‘ einerseits, ‚Von Pestilenz und Sterbensläuften‘ andererseits –, so gibt es zwischen Pest- und Sterbeliedern im Liedbestand der untersuchten Gesangbücher nur wenige Überschneidungen. In der einen Richtung fällt auf: Die untersuchten Dresdner Gesangbücher bringen einige Lieder, die ansonsten unter ‚Vom Tod und Sterben‘ zu finden sind, unter der Überschrift ‚Von Pestilenz und Sterbensläuften‘.21 In der anderen Richtung sticht die Gruppe der älteren Nürnberger Gesangbücher (1594–1637) hervor: Hier sind einige typische Pestlieder unter ‚Vom Tod und Sterben‘ verzeichnet.22 Die Überschneidung kommt dadurch zustande, dass diese Nürnberger Gesangbücher gar keine eigene Pest-Rubrik besitzen. Relativ gemischt ist nur die Rubrizierung von Johann Gigas’ Lied Ach lieben Christen, seid getrost.23 Lieder, die nur unter „Pest“ zu finden waren, wurden nicht in die Liste der Sterbelieder aufgenommen (sie sind gekennzeichnet mit °). Obwohl die Pest auch im 17. Jahrhundert immer wieder im Reich grassierte, sind die meisten der gefundenen Pestlieder älteren Datums, stammen also noch aus dem 16. oder vom Anfang des 17. Jahrhunderts. Zwei Gruppen treten unter ihnen besonders hervor. Der einen Gruppe liegt als Bibeltext Ps 91 zugrunde; die andere Gruppe stammt aus einer oft rezipierten Sammlung von Pestliedern Bartholomäus Ringwaldts (Frankfurt/O. 1577). 21

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Dies sind etwa die Lieder: Albrecht von Preußen, Was mein Gott will, das gscheh allzeit; Gigas, Ach wie elend ist unser Zeit; Ringwaldt, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl, dass ich einmal. Eine weitere Gruppe von Pestliedern in den Dresdner Gesangbüchern ist ansonsten unter nochmals anderen Rubriken zu finden, z. B. anon., °Wie mir’s Gott schickt, so nehm ich’s an; anon., °Ich hab mein Sach zu Gott gestellt; Helmbold, °Von Gott will ich nicht lassen. Z. B. Heyden, Wer in dem Schutz des Höchsten ist; Ringwaldt, O frommer und getreuer Gott; Ringwaldt, Nicht trauret übrig, lieben Leut; Ringwaldt, Lobt Gott den Herrn aus Herzensgrund; Episcopus, Ach Gott, du höchster starker Hort. Unter ‚Pest‘ steht das Lied in D-1656; B-1666; F-1666; N-1677; H-1683; unter ‚Krankheit‘ N-1654; unter ‚Tod und Sterben‘ L-1616; L-1627b/45; L-1682; N-1617/26/37; D-1676/78.

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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Auf Ps 91 gehen diese Lieder zurück (mit Belegangaben zu den untersuchten Gesangbüchern): Sebald Heyden

Wer in dem Schutz des Höchsten ist (Nürnberg 1544)

Ambr. Lobwasser

°Wer in des Allerhöchsten Hut (Leipzig 1576) °Wer unterm Schirm des Höchsten sitzt (Frankfurt/O. 1577) °Ach lieber Herr im höchsten Thron (Hamburg 1598) °Wer sich des Höchsten Schirm vertraut (Leipzig 1602) °Wer unterm Schirm des Höchsten sitzt (Berlin 1653)

Barth. Ringwaldt Lucas Backmeister Cornelius Becker Paul Gerhardt

N-1594; N-1677; L-1605; D-1608–1678; B-1666; F-1666 L-1627a (keine Belege) D-1656 L-1627a; F-1666 B-1666; F-1666; N-1677

Durch die Zusage von Gottes Schutz gegen die „Pfeile“ der „verderblichen Pest“, „die im Finstern schleicht“ (Ps 91,3.5f) wird Ps 91 zum einschlägigen Text für die Zeit der Bedrohung durch die Pest; auch viele der anderen Pestlieder enthalten Motive aus Ps 91.24 Das Beispiel von Paul Gerhardt zeigt, dass diese Zuordnung bis ins 17. Jahrhundert gültig war. – Nur das erstgenannte Lied ist in einem Fall den Sterbeliedern zugeordnet (N-1594). Aus dem Becker-Psalter begegnet neben Ps 91 auch noch die Liedfassung von Ps 121 als Pestlied.25 Folgende Pestlieder stammen aus Bartholomäus Ringwaldts Sammlung Der 91. Psalm neben Sieben andern schönen Liedern, vnd etlichen Gebetlein, in Sterbensleufften zu gebrauchen (Frankfurt/O. 1577):26 °Wer unterm Schirm des Höchsten sitzt Ach lieben Christen, trauret nicht O frommer und getreuer Gott Nicht trauret übrig, lieben Leut °O Herr, dein Ohren neig zu mir Lobt Gott den Herrn aus Herzensgrund °Freut euch, all die ihr Leide tragt Geliebten Freund, was tut ihr so verzagen

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(keine Belege) L-1627a; L-1682; D-1656; B-1666; F-1666; H-1683 N-1599/17/26/37/54; L-1627a; D-1656; B-1666; F-1666 N-1599/17/26/37; L-1627a; D-1656 B-1666 N-1599/17/26/37; L-1627a; D-1656 (keine Belege) L-1627b/45; L-1673; L-1682; Go-1648; D-1656; B-1658; B-1666/1703; F-1666; H-1683; Lü1695/1702

Z. B. die Erwähnung der „Pfeile“ (Ps 91,5) bei Ringwaldt, O frommer und getreuer Gott (Str. 2; 8); „Wenn auch zehntausend fallen zu deiner Rechten“ usw. (Ps 91,7) bei Ringwaldt, Ach lieben Christen, trauret nicht (Str. 9). Becker, °Ich heb mein Augen sehnlich auf (Leipzig 1602), belegt in L-1627a. Angaben nach W IV 1339.–1346.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Eine Ausnahme bildet das letztgenannte, verbreitetste Lied der Gruppe, ein Begräbnislied, das nirgends in der Rubrik der Pest-, sondern stets in der der Begräbnislieder auftaucht. Bei den übrigen überwiegt die Berücksichtigung unter den Pestliedern, sofern diese Kategorie vorhanden ist. Bartholomäus Ringwaldt zugeschrieben wird auch das Lied °Ach Gott, in Gnaden von uns wend, das mehrfach in den Pest-Rubriken auftaucht.27 Aus den Nürnberger Gesangbüchern stammt das Lied Ach Gott, du höchster starker Hort von Valentin Episcopus, das auch in die Dresdner Gesangbücher Eingang gefunden hat.28 In der Frankfurter Praxis Pietatis Melica von 1666 ist schließlich eine ganze Reihe Pestlieder von Justus Georg Schottelius enthalten,29 die wie das Beispiel Paul Gerhardts die Aktualität des Themas auch im 17. Jahrhundert unterstreichen. Da die Rubrik der Pestlieder offensichtlich von der der Sterbelieder unterschieden ist, wurde sie nicht in allen Gesangbüchern vollständig ausgewertet. Worin ihre Eigenart und damit auch die Unterscheidung von den Sterbeliedern besteht, soll nun exemplarisch herausgearbeitet werden. 2. Zur Eigenart der Pestlieder: Neben Krieg und Teuerung zählen die ‚Sterbensläufte‘ oder Pestzeiten zur ‚apokalyptischen Trias‘, also zu den Anlässen der so genannten ‚gemeinen Not‘, in denen das Gemeinwesen als ganzes durch Gottes Strafgericht bedroht ist. Das zeigt auch die häufige Nachbarschaft der Pestlieder zu den Liedern für Kriegs-, Hunger- und sonstige Notzeiten. Auch das Bußlied Ach Gott und Herr, wie groß und schwer von Martin Rutilius, das nur in Scheins Cantional unter ‚Vom Tod und Sterben‘ zu finden ist, wurde in ‚gemeiner Not‘ gesungen: Ein früher Druck (Jena 1613) findet sich in einer gedruckten Predigt Johann Majors „Von dem grawsamen Gewitter, vnd schräcklichem Gewässer, darmit Thüringen [am 29. Mai 1613] heimgesuchet worden“30. Besondere Bußgottesdienste, in denen die Gemeinde Gottes Gnade erflehte, waren die kirchliche Antwort auf die Not.31 Vermutlich hatten manche Pestlieder in solchen Gottesdiensten ihren Ort. Dass das große Sterben, das mit der Pest einherging, auch Anlass persönlicher Sterbebetrachtung und -bereitung war, ist dessen unbeschadet: Philipp Nicolais Freudenspiegel des ewigen Lebens ver-

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Als Pestlied in D-1656; B-1666; F-1666; Go-1648 Nr. 61 in der Variante Ach Gott Vater, mit Gnaden wend. Bachmann, Geschichte, 262f gibt (ohne Beleg) Ringwaldt als Autor und vor 1582 als Entstehungszeit an; die Autorangabe konnte nicht verifiziert werden. Erstmals ist es belegt Nürnberg 1611 (vgl. FT I 180.); gefundene Belege: N-1617/26/37 und D-1625/56. Folgende der Pestlieder stammen nach Angabe von F-1666 von Schottelius: °Ist, Jesu, es dein Wille; °Vater, der du dich vernehmen; °Alles hat für uns ein Grauen; °O großer Gott von Ewigkeit; °Gott Lob und Dank, dass ich nicht krank; °Weil ich nun ganz verlassen bin; °Gott, der uns diesen Tag bewacht. In einigen Fällen wurden die Lieder von Schottelius auch in andere Gesangbücher übernommen, z. B. N-1677; H-1683. Zit. nach FT I, S. 39. Zur Autorangabe vgl. EG 233. Betstunden und Bußgottesdienste wurden regelmäßig abgehalten – je nach Zeit und Ort an bestimmten Wochentagen, einmal monatlich oder zu bestimmten Zeiten im Kirchenjahr –, aber aus Anlass plötzlich hereinbrechender Ereignisse konnten zusätzlich weitere („extraordinariae“, „repentinae“) angeordnet werden, etwa in Seuchen-, Kriegs- und Hungersnot, vgl. Graff, Auflösung, 221–236, bes. 223. 226.

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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dankt sich bekanntermaßen einer Pestepidemie in Unna 1597/98;32 Johann Niedling nahm 1633 die Pest in Altenburg zum Anlass, sich selbst ein Grablied zu schreiben.33 Der Zusammenhang mit den anderen Gliedern der apokalyptischen Trias wird auch in den Pestliedern selbst hergestellt: Bartholomäus Ringwaldt erinnert in einem Pestlied daran, dass neben der Pest „noch viel scherpffer Ruthen sind | die vnser Gott kündt brauchen“34, nämlich Hunger und Krieg. Schon in den Unheilsprophetien des Jeremia- und Ezechielbuches wird Bestrafung des ungehorsamen Volkes durch die Trias von „Schwert, Hunger und Pest“ angekündigt (rb,D,b;W b['r'b'W br,x,B;; vgl. Jer 14,12; 21,7.9; Ez 5,12.17 u. a.); bei den Synoptikern wird sie in apokalyptischem Kontext wieder aufgegriffen (vgl. Lk 21,9f; Mt 24,6f). Auch die Johannesoffenbarung nimmt im Zusammenhang mit drei Pferden der apokalyptischen Reiter auf die drei Plagen Bezug (Apk 6,3–8). Demnach steht das rote Pferd für den Krieg, das schwarze für die Teuerung und das fahle für die Pest. Für die Zeitgenossen des 16. und 17. Jahrhunderts wird diese Trias zu einem gebräuchlichen Interpretament, um die alltäglich real erfahrenen Bedrohungen mit Hilfe des biblischen Zeugnisses als apokalyptisches Geschehen einzuordnen.35 Die äußeren Bedrohungen der ‚gemeinen Not‘ werden also als Strafe des zürnenden Gottes verstanden. Diese Vorstellung soll im Folgenden etwas ausführlicher entfaltet werden. Die Pest stellt ein apokalyptisches ‚Gericht‘36 innerhalb der Welt oder eine ‚Heimsuchung‘37 dar, der mit dem Aufruf zur Buße begegnet wird. In der Sterblichkeit des Menschen findet Gottes Zorn über die menschliche Sünde ganz allgemein seinen Ausdruck (Ps 90,7, vgl. S. 206), in der Pest und anderen Heimsuchungen wird er konkret und aktuell, richtet er sich gegen ein ganz bestimmtes Gemeinwesen und dessen Sünden.38 Philipp Nicolai deutet in einem Wortspiel die 32

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Vgl. Ph. Nicolai, FrewdenSpiegel, fol. a 4r: „In solchem Jammer vnd Elend (als es hie zu Vnna in allen Gassen rumorte / vnd offtmals etliche Tage an einander / vber die zwantzig […] vnd biß in die dreissig Todten / nicht weit von meiner Wohnung / auff dem Kirchhoffe / vnter die Erden verscharret worden) hab ich mit Todtes Gedancken mich jmmer schlagen müssen“; fol. b 1r: „Da war mir nicht süssers / nichts liebers / vn[d] nichts angenemmers als die Betrachtung deß edlen hohe[n] Artickels vom ewigen Leben […] Ließ denselben Tags vn[d] Nachts in meinem Hertzen wallen / vnd durchforschete die Schrifft […] auch deß alten Lehrers Sanct Augustini liebliche Tractätlein […] Brachte darnach meine meditationes, von Tage zu Tage in die Feder […] vnd nam für / denselbe[n] verfasseten Frewdenspiegel (da mich Gott von dieser Welt abfordern würde) als ein Zeugnuß meines friedlichen / frölichen vnd Christseligen Abschieds zu hinderlassen / oder aber (da er mich gesundt sparete) anderen nohtleidenden Christen […] damit zu dienen / vnd gleich als mit gegenwärtigem Trost beyzuwohnen.“ Vgl. Niedling, °Nun fahr ich hin mit Freuden in Niedlings Manuale Meditationum (Zwickau 1635): „Des Autoris Nunc Dimittis oder fröliche Hinfahrt, so er Anno 1633 in wärender Pest zu Altenburg […] jhm selber zu seinem Grablied gemacht hat“ (zit. nach FT II 80.). Ringwaldt, Ach lieben Christen, trauret nicht (Str. 2,6f). Dies hat Volker Leppin anhand von Flugschriften aus dem 16. und 17. Jahrhundert gezeigt; vgl. Leppin, Antichrist, 96–101.151–159. Vgl. Ringwaldt, O frommer und getreuer Gott (Str. 2,1); Ringwaldt, Nicht trauret übrig, lieben Leut (Str. 5,4). Vgl. Gigas, Ach lieben Christen, seid getrost (Str. 1,3); Ringwaldt, Nicht trauret übrig, lieben Leut (Str. 4,5–7): „So mus Gott vnser sicherheit | wegen seiner gerechtigkeit | mit schwerer hand heimsuchen.“ Vgl. Ringwaldt, O frommer und getreuer Gott (Str. 1,5–7): „Dein zorn der druckt vns mit gewalt | vnd wirfft die Menschen jung vnd alt | mit Pestilentz darnider.“ Episcopus, Ach Gott, du höchster starker Hort (Str. 2): „Das macht allein dein Zorn vnnd Grimm | Von wegen vnser Sünden. | Niemand gehorchet

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Pest (hebr. rb,D,) als göttliche Bußpredigt, nämlich als (Predigt-) „Wort“ (hebr. rb'D').39 Von Ringwaldt bis Schottelius werden immer wieder die ägyptischen Plagen als biblischer Deutungshintergrund verwendet. Insbesondere begegnen Anspielungen auf den Würgeengel oder „Verderber“ (Ex 12,23), der an den Türen vorübergeht und vor dessen Zugriff die Bewohner nach Schottelius durch das Blut Christi als des Passalammes geschützt sein sollen. „3. Wie über gantz Egyptenland Erfolgen solche Straffen, So mächtig starck ist deine Hand, Der niemand kan entlauffen. Du hast aber Befehl gethan, Dich inn der Noht zu ruffen an, So wöllest du erretten.“40 „8. O Jesu Christe, vnser heil, thu alles vbel wenden! Nim doch den bogen vnd die pfeil aus deines Vaters henden! Heis den vorderber hören auff, das er nicht so geschwinde lauff, zu würgen deine Brüder.“41 „8. Breite deine gnadenflügel Uber unser hauß und gut Und bestreiche thor und riegel Mit des lämbleins Jesu blut, Auff daß es der würger seh Und bey uns vorüber geh.“42

Auch wo vom „vorderber“ die Rede ist, ist doch immer klar, dass das Strafhandeln von Gott selbst ausgeht. Unterschiedlich fallen dagegen die Angaben darüber aus, woher Hilfe und Beistand zu erwarten sind. Im ersten Beispiel (Episcopus) ist die Hilfe desselben Ursprungs wie die Strafe: Nur der, der sie verhängt hat, kann sie auch lockern. Nach dem Vorbild des Psalters wird daher die Anrufung Gottes in der Not empfohlen (vgl. S. 275). Auch im dritten Beispiel (Schottelius) wird die

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deiner Stimm | Vnnd wil sich zu dir finden. | Darumb dein Wort vns drohen thut: | Schwulst, Fieber, Pestilentz vnd Blut | Soll vnter euch vmbgehen.“ Vgl. Ph. Nicolai, FrewdenSpiegel, fol. a 3v: „Die Ebreer heissen [die Pest] in jhrer Sprache Deber / welchs so viel ist / als ein Wort oder Predigt / sintemal vns Gott hiedurch von seinem gerechten Zorn / vnd vber der Welt Boßheit angestecktem vnd brennendem Grimm vnnd Eyffer / öffentlich predigt / vnd zur Busse vermahnet“. Episcopus, Ach Gott, du höchster starker Hort (Str. 3). Ringwaldt, O frommer und getreuer Gott (Str. 8). Schottelius, °Vater, der du dich vernehmen (Str. 8). Ähnlich heißt es in einem Pestlied aus Johann Rists Neuen himlischen Liedern (Lüneburg 1651), das u. a. in die Pestrubrik von F-1666 und N-1677 aufgenommen wurde (°Wie tröstlich hat dein treuer Mund, Str. 13,1–4): „Nun, HERR, bezeichne Tohr und Thür | Mit Christi Bluht und Sterben, | Daß, wen der Würger geht herfür, | Wir nicht durch ihn verderben.“

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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Rettung gleich der Strafe von Gott erhofft; allerdings gewinnt hier das Blut Christi entscheidende heilswirksame Bedeutung. Im zweiten Beispiel (Ringwaldt) erscheint das Wirken Christi schließlich als dem Wirken Gottes, das mit dem des ‚Verderbers‘ identifiziert wird, entgegengesetzt. Die Pestpfeile kommen unmittelbar „aus deines Vaters henden“ – hier schießt nicht der Tod, hier schießt Gott selbst,43 der das „Vater angesicht“ von seinen Kindern abgewendet hat.44 Die Gerechtigkeit der Bestrafung wird dabei nicht in Frage gestellt, sondern hervorgehoben; doch dass er am Liedanfang als „Frommer vnd getrewer Gott“ angeredet wird, geschieht wohl vor allem „vmb deines Sones wille[n]“45, der dem Vater die Pfeile entwinden soll. Während die „Pfeile“ auch zu den oben genannten Waffen des Todes gehören (vgl. S. 251), wird die Pest gleich den übrigen Heimsuchungen der gemeinen Not zudem häufig mit einem anderen Instrument der Bestrafung verglichen: mit der Rute.46 So heißt es bei Ringwaldt: 1. Ach, lieben Christen, trauret nicht, thut euch nicht so entsetzen, Darumb das vns der Vater richt vnd etwas thut verletzen Mit seiner Veterlichen Ruth, die hin vnd wider schleichen thut, genandt die Pestilentze.47

Im Unterschied zu den Waffen des Todes wirkt die Rute nicht tödlich;48 sie soll dem Gotteskind vielmehr zum Besten, nämlich zu Besserung und Umkehr dienen,49 und zwar beizeiten, also noch in diesem Leben. (Der leibliche Tod kann insoweit als strafende ‚Rute‘ bezeichnet werden, als sein williges Erdulden vor dem ewigen Tod bewahrt.) Die Züchtigung ist daher letztlich ein Ausdruck väterlicher Liebe (vgl.

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Vgl. im selben Lied: Ringwaldt, O frommer und getreuer Gott (Str. 2,5–7): „Ja vnser grosse missethat | dich so gar wol bewogen hat | dein Pfeil in vns zu schiessen.“ Ringwaldt, O frommer und getreuer Gott (Str. 3,3f): „Kher doch das Vater angesicht | zu deinem lieben Kinde!“ Ringwaldt, O frommer und getreuer Gott (Str. 1,1; 3,7). Zugespitzt lässt sich die theologische Problematik eines solchen Verständnisses vom strafenden und zürnenden Gott auf eine Formel bringen, die HansGeorg Kemper für Liedtexte des 17. Jahrhunderts geprägt hat: „damit drohte sich das dogmatische Kernstück der Rechtfertigungs- und Erlösungslehre aus seiner historischen Verankerung im ‚ephapax‘ des Kreuzesopfers zu lösen und in ein mythisch-agonales Geschehen zwischen ‚Vater‘ und ‚Sohn‘ zurückzuverwandeln“ (vgl. Kemper, Krisen-Zeit, 100); ungeachtet dessen war die Deutung Gemeingut auch unter lutherisch-orthodoxen Theologen. Lat.: ‚flagellum‘, vgl. °Aufer immensam, Deus, aufer iram (Str. 1,2): „et cruentatum cohibe flagellum“. Ringwaldt, Ach lieben Christen, trauret nicht (Str. 1). Vgl. Ringwaldt, O frommer und getreuer Gott (Str. 6,1f): „Laß ab von vns mit deiner Ruth, | nim sie von vnsern rücken!“ Schottelius, °Vater, der du dich vernehmen (Str. 2,1–4): „Schau nun, über deine Schaafe, | Die ohn hirten sind und hut, | Kommet solch verdiente straffe, | Solche eingebeitzte ruth“ usw. Vgl. Prov 23,13f: „Lass nicht ab, den Knaben zu züchtigen; denn wenn du ihn mit der Rute schlägst, so wird er sein Leben behalten; du schlägst ihn mit der Rute, aber du errettest ihn vom Tode.“ Vgl. Ringwaldt, Ach lieben Christen, trauret nicht (Str. 7,6f): „dadurch er vns von böser that | zur bessrung wil bewegen.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Prov 13,24; Sir 30,150) und als solcher Anlass zur Dankbarkeit, wie insbesondere Ringwaldt betont: „6. Vnd weil denn Gott den Kindern sein zu nutz vnnd jrem frommen Sein Veterliches Rütelein lest auff die bane kommen, So nempt es an mit danckbarkeit vnnd ja nicht vngeduldig seidt vber der straff des HErren.“51 „6. Ich danck dir auch, das du mich hast als dein Kind auffgenommen Vnnd auff mich deiner ruten last genedig lassen komen, Dadurch ich dich so wol auch mich hab lernen recht erkennen: Nuhn kan mein mund von hertzen grund dich alzeit Vater nenne[n].“52

Während das erste Beispiel noch aus der Pestzeit selbst heraus gesprochen ist, erkennt das zweite, eine rückblickende „dancksagung vor die so bewaret oder errettet“53, im Nachhinein die heilsame Wirkung der göttlichen ‚Rute‘, nämlich die Wiederherstellung der Gotteskindschaft. Zur Buße gehört auch die Erkenntnis, dass die Strafe eine verdiente ist: „Die straff wir wol verdienet han“, heißt es bei Gigas.54 Auch die ins Leiden ergebene Haltung des ‚Strafe hier, schone dort‘ (vgl. S. 206f) taucht auf: Ein noch so schweres Leiden kann ertragen werden, wenn es nur zeitlich befristet ist und nicht in die ewige Qual mündet. Damit sind die wichtigsten Aspekte des Strafgedankens benannt. Neben ihm taucht gelegentlich die Deutung auf, dass es sich bei Heimsuchungen wie der „Pestilentze“ auch um eine Glaubensprüfung handle, um eine Bewährungsprobe der Christen wie des Goldes im Feuer.55 50

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Vgl. Ringwaldt, Freut euch, die ihr all Leide tragt (Str. 2,1–4): „Der HErr hat an sich einen brauch, | thut jhn offt widerholen: | Wen er lieb hat, denn strafft er auch | vnd zeucht jn durch die kolen“. Ringwaldt, Nicht trauret übrig, lieben Leut (Str. 6). Ringwaldt, Lobt Gott den Herrn aus Herzensgrund (Str. 6). Zit. nach W IV, S. 911. Gigas, Ach lieben Christen, seid getrost (Str. 1,5). Vgl. Förster, °Ach treuer Gott, Herr Jesu Christ („Ein Christlich Lied. Vor Gottselige Haußväter vnd Haußmütter mit jhren Kinden vnnd Gesinde, in den gefährlichen Sterbensleufften täglich zu singen“; Str. 2,5–8): „Wir […] hetten freylich wol verdient | Mit vnsern grossen Sünden, | Das sich nun jtzt die Straffe find | Bey vns vnd vnsern Kinden“; Schottelius, °Vater, der du dich vernehmen (Str. 5): „Zwar wir haben diese plage, | Diese ruth und bösen gifft, | Diese grosse niederlage, | So uns leider jetzo trifft, | Wol verdient und sind nicht werth, | Daß wir gehen auff der erd“. Ringwaldt, Nicht trauret übrig, lieben Leut (Str. 9,4–7): „[…] denn er wil euch probieren | Ob jhr auch wolt | wie reines golt | im fewr bestendig bleiben“; Ringwaldt, Freut euch, die ihr all Leide tragt (Str. 3,7–10):

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Dass hinter der Bestrafung oder Glaubensprüfung letztlich eine gute Absicht und ein dem Menschen heilsamer Wille Gottes verborgen ist, wird etwa in Ringwaldts Pestliedern als Trost und Hoffnung herausgestellt. Die Schläge mit der väterlichen Rute sind demnach nicht ernst gemeint, sondern bloßes „schertzen“. Sie sind nur scheinbar Ausdruck des ewigen göttlichen Zorns; in Wahrheit verweisen sie auf Gottes verborgenen guten Ratschluss, seinen als gut vorauszusetzenden Willen, sein vorsorgendes und erhaltendes Handeln zugunsten der Seinen. Einige Textausschnitte verdeutlichen dies: „3. Aber, jhr Christen, mercket frey, es geht jm nicht von hertzen, Sein gantzer ernst ist nicht darbey, er thut nur mit euch schertzen, Sich nur so stelt, sein hertz vorhelt, wil euch ein wenig vben […]“56 „7. Darumb, jhr Christen, zaget nicht, halt Gott dem Vater stille, Vnd wist, was vns jetzund geschicht, sey sein verborgner wille Vnd sein beschlossner weiser Rath, dadurch er vns von böser that zur bessrung wil bewegen.“57 „8. Ohn seinen willen nicht ein har die Pestilentz euch schwechen thar, vnd wer sie noch so böse.“58 „10. Kein Sperling auff die Erden felt, das es Gott nicht solt wissen: Wie gar viel mehr der HErr erhelt die auff jn seind geflissen, Vnd vor sie sorget tag vnd nacht, das jhnen nichts werd bey gebracht ohn seinen guten willen.“59 „1. […] Der HErr wil damit wecken auff die Christen von der Sünden lauff darin sie sein versuncken.“60

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„[Er] wil euch ein wenig vben | Vnnd mit der zucht | als vnuersucht, | in euch den Glauben prüfen.“ Es folgen einige biblische Beispiele, u. a. die Glaubensprüfung Abrahams. Ringwaldt, Freut euch, die ihr all Leide tragt (Str. 3,1–6). Ringwaldt, Ach lieben Christen, trauret nicht (Str. 7). Ringwaldt, Ach lieben Christen, trauret nicht (Str. 8,5–7). Ringwaldt, Ach lieben Christen, trauret nicht (Str. 10). Vgl. Mt 10,29. Ringwaldt, Nicht trauret übrig, lieben Leut (Str. 1,5–7).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt „11. Was nuh mein Schöpffer hat ersehn, dismal an mir zu vben, Das wirdt mir auch gewis geschehn: solt ich mich denn be[t]rüben?“61

Die zahlreichen Varianten dieser Denkfigur erlauben eine Überbrückung des Hiats zwischen einer negativen, nämlich leidvollen Erfahrung einerseits und einer positiven, nämlich vertrauensvollen Deutung andererseits. Dieses Vertrauen gilt insbesondere der göttlichen Providenz – auch wenn damit impliziert wird, dass Gott etwas tut, was „jm nicht von hertzen“ geht und sein wahrer Wille ein „verborgner“, jedenfalls nicht aus seinem aktuellen Handeln zu erschließender ist. 3. Sprechhaltungen: Die Klage, die Ermahnung und die Bitte sind auch in diesem Liedtyp die vorherrschenden Sprechhaltungen. Die Klage bringt Affekte wie Angst und Trauer zum Ausdruck, schildert also die Wirkung, die durch die Bedrohung der „Pestilentz“ ausgelöst wird: 1. Sie ist was schröcklich, das ist war, vnd thut vns forchtig machen, Das vnser Fleisch erzittert gar als vor des todes rachen.62

Auch das Sündenbekenntnis gehört in den Bereich der Klage.63 Neben der pluralischen Wir-Klage, in der die kollektive Bedrohung durch die ‚gemeine‘ Not formal aufgenommen wird,64 kommt auch die Einzelklage des betrübten Ich vor.65 Die ermahnenden oder ermutigenden Appelle sind häufig mit einer kollektiven Anrede verbunden: Ach lieben Christen, seid getrost; Ach lieben Christen, trauret nicht; Nicht trauret übrig, lieben Leut usw. Aufgefordert werden die Christen etwa zur Überwindung von Angst und Trauer, zur Ergebung in Gottes Willen,66 zur Geduld67, zum Vertrauen68 und zum Gebet69. 61 62 63

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Ringwaldt, °O Herr, dein Ohren neig zu mir (Str. 11,1–4). „t“ emendiert, wohl Druckfehler bei W IV 1343. Ringwaldt, Ach lieben Christen, trauret nicht (Str. 2,1–4). Vgl. Episcopus, Ach Gott, du höchster starker Hort (Str. 4,1–4): „Auff solche Zusag kommen wir | Mit gantz betrübtem Hertzen, | Erkennen vnser Sünd vor dir | vnd fühlen grosse schmertzen.“ Vgl. Ringwaldt, O frommer und getreuer Gott (Str. 4,1–4): „Sih, HErr, wie wir betrübet gehn, | krafftlos, mit furcht vmbgeben, | In angst vnd grossen sorgen stehn | vnd in viel kummer schweben“ (zu V. 1 vgl. Ps 42,10; 43,2). Vgl. Ringwaldt, °O Herr, dein Ohren neig zu mir (Str. 2,1–4): „Mein arme Seel vol jammer ist, | der Geist ist mir vorschmachtet, | Mein hertz im leib sich nagt vnd frist, | viel sinnet vnd betrachtet“. Vgl. Ringwaldt, Ach lieben Christen, trauret nicht: „Halt Gott dem Vater stille“ (Str. 7,2); „thut euch jhm ergeben“ (Str. 8,2); „Darumb so gebt euch willig drein“ (Str. 14,1); „Thut bus vnd schickt euch zu dem todt“ (Str. 15,1). Vgl. Ringwaldt, Lobt Gott den Herrn aus Herzensgrund (Str. 10,7); Ringwaldt, Nicht trauret übrig, lieben Leut (Str. 7,6). Vgl. Ringwaldt, Nicht trauret übrig, lieben Leut (Str. 8, nach Ps 37,5: „Befiehl dem Herrn deine Wege“ usw.); Ringwaldt, Ach lieben Christen, trauret nicht (Str. 14,1). Vgl. Ringwaldt, Nicht trauret übrig, lieben Leut (Str. 9,5); Ringwaldt, Ach lieben Christen, trauret nicht (Str. 15,2); Ringwaldt, Lobt Gott den Herrn aus Herzensgrund (Str. 10,5).

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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Trotz der Appelle zum Erdulden der verdienten Strafe steht unter den Bitten der Pestlieder (ebenso wie in anderen Bußliedern in ‚gemeiner Not‘) eine im Vordergrund: die Bitte um Vergebung, um Aufhebung des Zorns – der als Erklärung für die Heimsuchung durch die Pest eine bedeutende Rolle spielt – und um Abwendung der Strafe: „O HErr, vergib vnd straff vns nicht | im zorn so gar geschwinde!“70 °Aufer immensam, Deus, aufer iram beginnt ein beliebter lateinischer Hymnus aus dem 16. Jahrhundert, der zunächst auf die Türkengefahr bezogen ist, später aber auch für andere ‚Geißeln‘ wie die Pest verwendet wird; der Text liegt auch in verschiedenen deutschen Bearbeitungen vor.71 Auch wenn die genannten Bitten wie viele Sterbelieder als ‚Anrufung in der Not‘ (vgl. S. 275) zu verstehen sind, unterscheiden sie sich darin von ihnen, dass sie sich zunächst auf das Diesseits beziehen. Von Ringwaldt wird den gesungenen Bitten eine direkte Wirkung auf den göttlichen Zorn zugesprochen: 7. […] [Du] bist ein Gott von warheit fest, der seinen zorn leicht faren lest wenn man dich hertzlich bittet.72

Dass Gottes Ohr die Bitten hört und erhört, wird ebenfalls erbeten: „O HERR, dein Ohren neig zu mir“73. Andere Bitten betreffen Trost, Beistand, Errettung vom Tode und – hier ganz analog den Liedern zur Sterbebereitung – ein seliges Ende. 4. Zusammenfassender Vergleich mit den Sterbeliedern: Gemeinsam ist den Pestliedern mit vielen Sterbeliedern die bittende Anrufung um Hilfe aus der Not. Dabei ist allerdings sowohl eine andere Art der Not als auch eine andere Art der Hilfe im Blick. Die Not ist hier eine ‚gemeine‘ Not, die – ähnlich Hunger und Krieg – das ganze Gemeinwesen bedroht. Typisch ist die Deutung dieser Not als äußere Heimsuchung durch Gottes Zorn und Strafe für die Sünden. Auch die Rede vom ‚Gericht‘ ist in den Pestliedern auf ein konkretes äußeres Geschehen in der gesellschaftlichen Gegenwart bezogen, nicht auf innere Vorgänge (Gewissen) oder auf das künftige Endgericht. Im Begräbnislied kann seit dem 17. Jahrhundert (Schein) der Verlust eines nahen 70

71

72 73

Ringwaldt, O frommer und getreuer Gott (Str. 3,1f). Vgl. Ringwaldt, Nicht trauret übrig, lieben Leut (Str. 10). Der lateinische Text ist zuerst belegt in einem Druck belegt mit dem Titel Vermanung an gantze Deudsche Nation, widder den Türckischen Tyrannen (Wittenberg 1541) und wird in einer Hymnensammlung von Georg Thymus (1552) diesem zugeschrieben (vgl. W I 460., vgl. W I, S. 415.438). Vgl. die deutschen Fassungen: anon., °Wend ab deinen Zorn, lieber Herr, mit Gnaden (Berlin 1583); Moller, °Nimm von uns, Herr, du treuer Gott (Görlitz 1584); anon., °Wende von uns ab deinen Zorn, o Herre (Eisleben 1598); Vetter, °Lass, Herr, vom Zürnen (1606); anon., °Herr, von uns nimm dein Zorn und Grimm (Hamburg 1612); alle Angaben nach Wackernagel. In Lü-1660 wird das Lied °Nimm von uns, Herr, du treuer Gott mit der Angabe „Aufer immensam, auff andere Art“ unter der Rubrik „In gemeiner Noht“ aufgeführt, in einem beigegebenen Liedverzeichnis aber auch alternativ der Rubrik „Von der Höllen“ zugewiesen; die Unterscheidung von diesseitiger und jenseitiger Strafe wird damit relativiert. Ringwaldt, O frommer und getreuer Gott (Str. 7,5–7). Vgl. Ringwaldt, °O Herr, dein Ohren neig zu mir (Str. 1,1); entsprechend gilt nach Ringwaldt, Lobt Gott den Herrn aus Herzensgrund (Str. 4,1–4) die Zusage: „Der HErr ist from, getrew vnd gut, | helt seine ohren offen | Denen so mit geengstem mut | ohn wancken auff jn hoffen“.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Angehörigen als individuelle Bestrafung und Glaubensprüfung verstanden werden; das entspricht einer Individualisierung des Gedankens der ‚Heimsuchung‘, ohne dass dessen rein diesseitiges Verständnis transzendiert würde, denn der von der Heimsuchung Betroffene lebt ja weiter. Auffällig ist auch, dass das Pestlied vor allem die soziale, weniger die körperliche Dimension der Pest thematisiert; Letzteres bleibt dem individuellen Krankheitslied (vgl. u.) vorbehalten. In der ‚gemeinen‘ Not ist die ganze Gemeinde zur Buße aufgerufen. Sie kommt dieser Notwendigkeit im öffentlichen Bußgottesdienst nach. Dessen unbeschadet muss der Einzelne – wie stets, nur jetzt in verstärkter Weise – eines möglichen Endes gewärtig sein. Die erhoffte Hilfe besteht nicht wie im Sterbelied in Gottes Beistand und Geleit während des Sterbens und durch den Tod hindurch, sondern in einer Begnadigung und Aufhebung des Zornes noch im Diesseits, konkret in Abwendung der als Strafe verstandenen Pest. Anschaulich wird dies am Bild der ‚Rute‘, die kein Werkzeug zum Töten, sondern lediglich zur Züchtigung darstellt. (Ende des Exkurses „Pestlieder“) a) Krankheitslieder, ihr ‚doppelter Ausgang‘ und ihre Deutung der Krankheit Die Krankheitslieder besitzen eine größere Nähe zu den Sterbeliedern als die Pestlieder: Pestepidemien werden als apokalyptische Geißel verstanden und betreffen das ganze Gemeinwesen; entsprechend zeichnen die Pestlieder ein Szenario kollektiver Bedrohung. Die körperliche Schwächung durch eine Krankheit betrifft dagegen den Einzelnen; sie geht fast jedem natürlichen Tod voraus, auch beim ‚seligen Sterben‘. Die Lage des Kranken und die des Sterbenden gleichen sich, auch wenn der Kranke später wieder gesund wird: Beide liegen geschwächt und unter Schmerzen im Bett. Diese Lage haben die Krankheits- wie die Sterbelieder im Blick. Für Pestlieder gibt es fast in allen Gesangbüchern eine eigene Rubrik (meist im Zusammenhang der ‚gemeinen Not‘), für Krankheitslieder nur selten. Die Verwandtschaft zu den Sterbeliedern äußert sich auch darin, dass die Krankheit manchmal mit in die Überschrift der Sterbelieder-Rubrik aufgenommen wird (N-1653; N-1677). In einigen der gefundenen Lieder ist das Thema der Krankheit so zentral, dass sich aus ihnen innerhalb der Gruppe der Sterbelieder eine Gruppe von Krankheitsliedern bilden lässt. Bis auf Martin Behms Ich armer Erdenkloß sind sie im untersuchten Material alle nur wenige Male belegt: Martin Behm Ich armer Erdenkloß (Wittenberg 1611)

Johann Rist Johann Rist

D-1656; L-1673; F-1666; B-1666/1703; H-1683; Lü-1695/1702 B-1658; L-1682 L-1682; Lü-1695/1702

O Gott, der du mit großer Macht (Lüneburg 1642) Mein Gott, erbärmlich lieg ich hier (Lüneburg 1654) Josua Wegelin Ach Gott, lass dein Heil kommen her* N-1653 (Nürnberg 1653) Josua Wegelin Erheb dich, Seel, zu deinem Gott* (Nürnberg 1653) N-1653

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes Gottfried W. Sacer Gottfried W. Sacer Anon.

Gott, du suchst mich mit Krankheit heim (Stralsund 1665) Dich, mein Gott, will ich nun erhöhn (Stralsund 1665) Mein Gott, du schickst mir Krankheit zu (Plön 1675)

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H-1683 L-1673; H-1683 Lü-1695/1702

Das letztgenannte Lied ist insofern nicht ganz eigenständig, als es lediglich sechs der zehn Strophen des ersten Liedes von Sacer (Gott, du suchst mich) herausgreift und variiert. Jeweils ein Paar bilden die beiden Lieder von Wegelin und von Sacer: Während jeweils im ersten Lied Gesundheit erbeten wird, spricht das jeweils zweite als „Danck=Psälmlein nach erlangter Gesundheit“ (Wegelin) oder „Dancklied nach weggenommener Kranckheit“ (Sacer) Dank für die Genesung aus; als Pendant zum ersten bleibt es jeweils in der Rubrik der Sterbelieder stehen. Auffällig ist, dass die Lieder bis auf das erste eher jüngeren Datums sind. Die Krankheit scheint sich im Zuge der Privatisierung der Frömmigkeit als eigener Anlass und eigenes Thema des geistlichen Liedes allmählich gegenüber dem Sterbelied zu verselbständigen, wo sie von jeher Thema war – eben als körperliche Komponente der Todesnot. An einigen Liedüberschriften lässt sich der Prozess im Kleinen ablesen: Martin Behms Lied ist überschrieben als „Täglich Gebet vmb ein seliges Ende“ ohne Bezug zur Krankheit (der im Text gleichwohl vorhanden ist); das ältere der beiden Lieder von Rist – O Gott, der du mit großer Macht – ist noch primär als Sterbe- oder Sterbebereitungslied (Bitte um ein seliges Ende) deklariert, sekundär bereits als Lied für Schwerkranke;74 das jüngere Mein Gott, erbärmlich lieg ich hier ist dann wie auch Wegelins Ach Gott, lass dein Heil kommen her* als reines Krankheitslied ausgezeichnet.75 Drei wesentliche Charakteristika der Krankheitslieder sind ihr ‚doppelter Ausgang‘ zum Leben oder Sterben, der von ihnen beschriebene Zusammenhang von Krankheit und Sünde sowie die Kontrastierung von irdischer Krankheit und himmlischer Gesundheit. Während der erste Punkt ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber den Sterbeliedern darstellt, sind die beiden anderen exemplarisch auch für andere Texte zu verstehen. Zum ersten: Die in den Krankheitsliedern formulierten Bitten besitzen eine Art ‚doppelten Ausgang‘. Er besteht in der Verknüpfung der Bitte um Genesung mit der alternativen um ein seliges Ende. So heißt es bereits im Lied von Martin Behm: 5. Du hilffst in Nöten gern, drumb sey von mir nicht fern. Zu dir thu ich mich kehren, 74

75

„Andächtige Hertzen=Seufftzer zu Gott / umb ein seliges Ende. Dieses Lied kan auch in sehr schweren Kranckheiten gesungen oder gebetet werden.“ Rist, Mein Gott, erbärmlich lieg ich hier: „Andächtiges Lied Eines Kranken, In welchem GOTT hertzlich wird angeruffen, daß Er nach seinem gnädigen Willen die verlohrne Gesundheit wolle wieder geben“; Wegelin, Ach Gott, lass dein Heil kommen her*: „Bet=Gesänglein eines Krancken.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt du wolst dem vbel wehren, Mir meine Sünd verzeihen, von kranckheit mich befreyen. 6. Doch wo die kranckheit groß mir geb ans Hertz einn stoß, Der mir mein Hertz abrennet, das Leib vnd Seel sich trennet, So wollst mir beystand leisten, das hilfft am allermeisten.76

Beide Optionen für den Ausgang der Krankheit, Leben und Sterben, bedürfen gleichermaßen des göttlichen Beistandes. Die Bereitschaft, aus Gottes Hand beides anzunehmen, konkretisiert die in vielen Sterbeliedern artikulierte Ergebung in Gottes Willen (z. B. Herr, wie du willt, so schick’s mit mir; vgl. S. 317). Rist und Sacer verbinden die beiden Perspektiven daher mit Formeln der Ergebung: „6. HErr, wenn du wilt, so kanst du leicht Mich dergestalt erquikken, Daß alle Krankheit von Mir weicht Und Mich hinfohrt nicht drükken Die Schmertzen, die Mir Mark und Bein Schon auffgezehrt; du kanst allein Mir Hülff ’ und Lindrung schicken. 7. Doch wil Ich auch die letste Noht, O treüer GOtt, nicht scheüen, Demnach ein selig=sanffter Tod Uns ewig kan erfreüen, Als welches Tag zur jeden frist Viel besser als des Lebens ist, Drin wir so kläglich schreien.“77 „9. Wilst du, HErr, daß ich von der Welt Itzt noch nicht ab sol scheiden, Mein GOtt, es sey dir heim gestellt. Hilff mir aus meinem Leyden […]. 10. […] Sols aber itzt gestorben seyn, Ich gebe meinen Willen drein: GOtt sey mir Sünder gnädig.“78

76 77 78

Behm, Ich armer Erdenkloß (Str. 5–6). Rist, Mein Gott, erbärmlich lieg ich hier (Str. 6–7). Sacer, Gott, du suchst mich mit Krankheit heim (Str. 9,1–4; 10,5–7); ähnlich anon., Mein Gott, du schickst mir Krankheit zu (Str. 5,1–4; 6,5–7).

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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Entscheidend ist der Wille Gottes („HErr, wenn du wilt“; „Wilst du, HErr“) – ihm wird der eigene Wille ‚dreingegeben‘, der Ausgang der Krankheit „heim gestellt“. Hinter solcher Ergebenheit verbirgt sich wieder das Vertrauen in die Güte des göttlichen Ratschlusses. Zum zweiten: Krankheit und Sünde stehen in einem Zusammenhang. Er reicht über die vielfach anzutreffende metaphorische Rede für die Gewissensnot hinaus, nach der die Sünde den Menschen ‚kränkt‘. Der Zusammenhang besteht einerseits in einer Parallelität, andererseits in einer Kausalität. Parallel sind Sünde und Krankheit insofern, als die Krankheit den Leib angreift, so wie es die Sünde mit dem Gewissen bzw. der Seele tut; analog dazu sind Krankheit und Anfechtung als körperliche und seelische Komponente der Todesnot zu verstehen. Konsequent lässt Martin Behm die Parallele aufscheinen – in der Klage „Mein Sünd das Hertze naget, | den Leib die Kranckheit plaget“ oder in der Bitte, Gott wolle „Mir meine Sünd verzeihen, | von kranckheit mich befreyen“.79 Die Anrede Christi als „Artzt“ (vgl. Ex 15,26; Mt 9,12par) wird entweder wörtlich in Bezug auf die Krankheit oder metaphorisch in Bezug auf die Sünde verstanden.80 Der Gedanke einer Kausalität zwischen Sünde und Krankheit entspricht einer Individualisierung der in den Pestliedern ausgedrückten kollektiven Vorstellung. Wie die Seuche für das Gemeinwesen, so stellt die Krankheit für das Individuum eine ‚Heimsuchung‘ dar: „GOTT, du suchst mich mit Kranckheit heim“, beginnt das Lied von Sacer; allein durch dieses Verb wird ein ursächlicher Zusammenhang mit menschlichem Fehlverhalten angedeutet. Ausdrücklich konstatiert das Ich den Zusammenhang bei Johann Rist: „Dem Artz’, HERR, bin Ich in die Hand | Durch Meine Sünden kommen“, um danach zu bitten: „Wirff Meine Fehler hinter dich | Und hindre das Verderben“81. Der äußeren Situation des krank im Bett liegenden Ich korrespondiert ein im ‚Herzen‘ angesiedeltes, quälendes ‚Fühlen‘ des verfehlten Seins, das wohl mit dem Bewusstsein der Sünde im Gewissen identifiziert werden darf: 1. MEin Gott, erbärmlich lig’ Ich hier, Mit Krankheit schwehr beladen. Mein Hertz, das bebet für und für, Es fühlet hart den Schaden, Der Mich im Bette hält so fest, 79

80

81

Behm, Ich armer Erdenkloß (Str. 3,3f; 5,5f); vgl. Str. 1,3–6: „Mein Leib, durch Sünd verderbet, | viel schwacheit hat geerbet, | Manch Kranckheit mus ich leiden, | eh ich hier kan abscheiden.“ Vgl. Rist, O Gott, der du mit großer Macht (Str. 2,1–4): „Dich ruff ’ ich an mein Auffenthalt | Der du mir hilffst von Sünden | Und heilest meine Schwacheit bald | Daß sie nicht mehr zu finden“. Vgl. Behm, Ich armer Erdenkloß (Str. 4,1f): „Kein Artzt bewehrter ist | als du, HErr Jesu Christ“; Rist, Mein Gott, erbärmlich lieg ich hier (Str. 5,5–7): „Mein Artz und Meister sei bereit, | Du bist ja, der zur rechten Zeit | Uns retten kan vom Sterben“; Sacer, Gott, du suchst mich mit Krankheit heim (Str. 7,5–7): „Ist hoch die Noht, so weiß ich doch, | GOtt, mein Artzt, ist viel höher noch | Als alle Noht auf Erden.“ Vgl. anon., Ach Jesu, du treuer Heiland mein (Str. 3,1f): „Herr Jesu Christ, die Wunden dein | Meiner Sünd heilsam Pflaster sein“; Anton Ulrich, Ach Gott, wann werd ich sterben* (Str. 7,1–4): „Ach GOtt! der welt gesinde | Hat mich geschlagen wund / | Mein freund / mich bald verbinde / | Komm bald / mach mich gesund.“ Rist, Mein Gott, erbärmlich lieg ich hier (Str. 3,1f; 5,1f).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt Ja weder Macht noch Ruhe läst. Wenn wirst du Mich begnaden?

Ausführlich geht auch Wegelins Lied Ach Gott, lass dein Heil kommen her* auf den Zusammenhang von Sünde und Krankheit ein und greift dabei explizit auf Kategorien wie Gotteszorn und Bestrafung zurück.82 Für den Fall der Genesung gelobt das Ich Besserung seines Lebens, getreu der Ermahnung Jesu, hinfort nicht mehr zu sündigen.83 Insgesamt taucht die Deutung der Krankheit als individuelle Sündenstrafe aber weniger häufig und weniger massiv auf als die entsprechende Kollektivvorstellung in den Pestliedern. Zum dritten: Die Krankheit des irdischen Leibes wird in Krankheits- und Sterbeliedern kontrastiert mit der Gesundheit des unverweslichen, verklärten Auferstehungsleibes im Himmel.84 Diese typisch barocke Antithese wird an späterer Stelle noch einmal aufgegriffen (vgl. S. 530). Als Fazit für die Krankheitslieder und ihre Verwandtschaft mit Pest- und Sterbeliedern bleibt festzuhalten: Die Krankheitslieder sind als verselbständigte Abspaltung der Sterbelieder anzusehen, in der ein glimpflicher Ausgang des Leidens als primäre Option erbeten wird. Als theologisches Deutungsmuster für die Krankheit wird das büßerische Schema der Pestlieder – meist in etwas abgemilderter, differenzierterer Form – aufs Individuum übertragen. b) Körperliches Erleben der Krankheit Schmerz und zunehmende Schwäche kennzeichnen das körperliche Erleben der Krankheit und der Todesnot: „MEine Krafft ist hin / | dann ich elend bin“, beginnt ein nur in Württemberg belegtes Sterbelied. Dass beide, Schmerz und Schwäche (oft: ‚Blödigkeit‘), eine ähnliche Gefährdung darstellen können wie die seelische Anfechtung, thematisiert ein altes Nürnberger Lied: Dort wird darum gebeten, „Das leiblich schmertz noch blödigkeit | vns von dir nit abiagen.“85 Für das körperliche Erleben der Krankheit werden vielfach dieselben Bilder herangezogen wie in der allgemeinen Sterblichkeitsbetrachtung (vgl. S. 174). Die Sprechsituation ist aber eine andere: Hier spricht ein Ich über seine eigene, aktuelle und individuelle Not. War bei der Vergänglichkeitsbetrachtung davon die Rede, dass das menschliche Leben dem Wind oder Windhauch (lb,h,, x:Wr; vgl. S. 177), dem welken Blatt oder dem Staub gleicht, und heißt es in Jes 40,7 „Das Gras verdorrt, die Blume 82

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Vgl. Wegelin, Ach Gott, lass dein Heil kommen her* (Str. 2): „Ich bitte dich / gedencke nicht / | Wie ich zubracht mein Leben :/: | Da ich mich nit hab selbst gericht / | Noch allein dir ergeben / | Sondern / mit meiner Missethat / | Erweckt dein Zorn und Ungenad / | Daß du mich müssest straffen.“ Vgl. Wegelin, Ach Gott, lass dein Heil kommen her* (Str. 7,1f; 8,1–5): „Deß tröst ich mich / und versprich dir | Gehorsam / neues Leben :/: […] 8. Und nit vergeß deß Herren Wort / | Das er sagte zum Krancken :/: | Geh hin und sündig nit hinfort / | denn also sollst mir dancken / | Für die erlangte Gesundheit“ (vgl. Joh 5,14). Vgl. Wegelin, Ach Gott, lass dein Heil kommen her* (Str. 10); vgl. M. Franck, Freud über alle Freude (Str. 4,1–4; 5,1–4): „Hier muß mein Leib sich tragen | Mit mancher Kranckheit Pein, | Die Seel hat größ’re Plagen, | Davon der Muth wird klein […] || Dort kan kein Schmertzen wüten | Noch meine Glieder mir | Durch stets Quaal ermüden, | Wie mir geschieht alhier.“ Anon., Herr Gott, dein Gwalt (Str. 2,10f).

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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verwelkt; denn des HERRN Odem bläst darein“, so werden diese Aussagen nun vom Ich auf sein Erleben der eigenen Gegenwart angewandt. Bei Rist kann das so aussehen: 3. Ach Herr ich bin jetzt hefftig kranck Die Stärck’ ist mir verschwunden / Es hilfft mir weder Kraut noch Tranck Die Zung ist mir gebunden / Mein Fleisch verwelcket wie ein Laub Ich bin vertrocknet wie der Staub Der Fewr und Hitz’ empfunden. 4. Gleich wie der Wind von hinnen fährt So muß auch ich vergehen / Dein Odem hat mich gantz verzehrt Ich kan ja nicht mehr stehen / Du gibst mir einen harten Blick / Ach Herr’ ich kan ja nicht zurück’ Es ist umb mich geschehen.86

Als ‚verzehrender Odem‘ und ‚harter Blick‘ Gottes ist die Krankheit wieder Ausdruck des göttlichen Zornes. Ein weiterer zentraler und vielschichtiger, bis jetzt aber noch nicht erwähnter Bezugstext klingt im zweiten, vierten und sechsten Vers der zitierten dritten Strophe des Rist-Liedes an: Ps 22, der Leidenspsalm Christi (in diesem Fall der 16. Vers), in dem die Bilder körperlicher Destruktion – die vertrockneten Kräfte, die am Gaumen klebende Zunge, das Liegen im Todesstaub – zugleich Ausdruck der Gottverlassenheit und damit des existenziellen Kerns der Todesnot sind. Das körperliche Leiden verweist mit der Deutungshilfe des 22. Psalms sowohl auf die innere Not als auch in besonderer Weise auf das beispielhafte Leiden des Gottessohns, aus dem heraus die Not letztlich zu überwinden ist. Bei jeder Anspielung auf Ps 22 sind diese Subtexte mit zu hören, ob bei Böhmischen Brüdern des 16. Jahrhunderts wie Petrus Herbert („wenn […] mein krafft wie wachs zerfleusst | in den letzten zügen“87) oder ambitionierten geistlichen Dichtern des 17. Jahrhunderts wie Rist („Mir ligen fast die Knochen bloß“88). In Sacers Lied Gott, du suchst mich mit Krankheit heim wird die desolate körperliche Verfassung des Kranken in drei Strophen auf unterschiedliche Weise beschrieben: zunächst mit Hilfe einer drastischen Schilderung der körperlichen Auflösung, die sich eher frei an Ps 22 orientiert, in der zweiten mit Bezügen zu Ps 22,15f, in der dritten (Zitat vgl. S. 179) mit Hilfe einer typischen Vergänglichkeits-Bildreihe. 1. GOTT, du suchst mich mit Kranckheit heim, Ich liege hart darnieder. Ich bin nichts mehr als Koht und Schleim, 86 87 88

Rist, O Gott, der du mit großer Macht (Str. 3–4). Herbert, Lob sei dir, gütiger Gott (Str. 4,3f), vgl. Ps 22,15. Rist, Mein Gott, erbärmlich lieg ich hier (Str. 2,6), vgl. Ps 22,15.18.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt Es kräncken alle Glieder. Das Marck in Beinen ist dahin, Weil ich so gar zuschlagen bin; Es scheut mich, wer mich sihet. 2. Ich bin wie Wasser ausgeleert, Getrennt sind die Gebeine, Mein Hertz im Leib ist abgezehrt, Es kränckt fast einem Steine. Ich bebe wie ein Espenlaub, Du legst mich in des Todtes Staub, Mir eckelt für mir selber.89

Auch eine weitere häufige Redeweise bietet einen Anklang an Ps 22: Der Mensch, so ist in vielen Liedern zu hören, liegt auf dem Sterbebett „wie ein armes Würmelein“.90 Wehrlosigkeit, Armseligkeit und ein Verlust an vollwertiger Körperlichkeit und Menschlichkeit werden in diesem Bild ausgedrückt: „Ich bin ein Wurm und kein Mensch“ (Ps 22,7). Besonders prominent, da in kaum einem Gesangbuch fehlend, ist das Lied Ein Würmlein bin ich, arm und klein von Bartholomäus Frölich (Leipzig 1587), in dem die christologische Dimension des Bildes nicht nur zur Sprache kommt, sondern auch als besonders tröstlich gewürdigt wird: 1. EIn Würmlein bin ich arm vnd klein, mit todes noth vmbgeben; Kein trost weis ich in Marck vnd Bein im sterben vnd im leben, Denn das du selbst, HErr Jesu Christ, ein armes Würmlein worden bist: ach Gott, erhör mein Klagen!91

Das Lied Hie lieg ich armes Würmelein, das in mehreren Varianten und zahlreichen Belegen vorliegt, stammt ursprünglich aus Martin Mollers Manuale de praeparatione ad mortem (Görlitz 1593); eine strophische Fassung ist nach Wackernagel erstmals 1604 belegt. Während die innere Sprechsituation dieser Fassungen die Todesnot ist, bei der das Ich auf dem Kranken- oder Sterbebett liegt („HIe lige ich armes Würmelein, | kan regen weder Handt noch Bein“), verschiebt sich die Bedeutung bald 89 90

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Sacer, Gott, du suchst mich mit Krankheit heim (Str. 1–2). Vgl. anon., Wir leben wie ein Wandersmann (Str. 6,3f): „Ein armes Würmlein bin ich, Herr, | den Athem ich kaum hole mehr“; Werner, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl, dass ich von hinnen (Str. 5,3f): „Ach laß mich armes Würmelein | In Jesu Namen schlaffen ein“; Sacer, Gott, du suchst mich mit Krankheit heim (Str. 7,1): „Ich liege wie ein armer Wurm“, ähnlich anon., Mein Gott, du schickst mir Krankheit zu (Str. 3,1). Frölich, Ein Würmlein bin ich, arm und klein (Str. 1). In der Passionsbetrachtung bearbeitet Johann Heermann die christologische Bedeutung des Bildes ausführlich in dem Lied °O Mensch, merk auf, was ich dir sag („JESVS CHRISTVS, Das Purpurrote BlutWürmlein“, Breslau/Leipzig 1630). Der Wurm des Psalms wird in dieser Meditation mit dem ‚Purpurwurm‘ überblendet, der sein Blut gibt, um dem Menschen den Königsmantel zu färben. Daneben werden auch der „HertzensWurm“ der Anfechtung sowie die Würmer genannt, denen der Leib im Grab zur Speise dient.

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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weiter zum Liegen (und ‚Schlafen‘) des Toten im Grab (vgl. S. 497): „HIe lieg ich armes Würmelein | vnd schlaff in meim Ruhbettelein“ (Frankfurt/O. 1607).92 Dass mit dem ‚Würmlein‘ insbesondere auf die Hilflosigkeit eines Kindes angespielt sein kann (vgl. S. 435), zeigt die Rubrizierung unter den Kinderbegräbnisliedern (D-1625). c) Soziale Isolation in Krankheit und Sterben Das Erleben der Krankheit hat neben der körperlichen auch eine soziale Dimension, die bereits im Psalter geschildert wird: Die Nächsten, Angehörigen und Freunde sind vom körperlichen Zerfall – vielleicht gar Gestank (vgl. Ps 38,6) – des Kranken abgestoßen und fürchten sich vor Ansteckung, scheuen daher seine Nähe und wenden sich von ihm ab (vgl. Ps 38,12; 88,9; Hi 19,19). Die Folge ist eine soziale Isolation in der äußersten Not, in der der Beistand der Angehörigen gerade notwendig wäre und der Beistand Jesu darum umso sehnlicher erfleht wird.93 Prospektiv mahnend malt das Lied Der grimmig Tod mit seinem Pfeil diese Isolation aus: 4. Dem du zuvor warst lieb vnd werth, dem bringst jetzund ein grausen, Der vor bey dir all Tag einkehrt, der bleibt jetzund wol draussen, Schleicht heimlich für bey deiner Thür, kein Gsell will dich mehr kennen, Du ligst im Beth vnnd seufftzest stät, das Gwissen thut dich brennen. 5. Das Fleisch wird stincken wie ein Aaß, kein Mensch mag bey dir bleiben, Mann wird verstopffen Mund vnd Naß, dich auß der Gmein vertreiben: Nur bald hinauß mit dir zum Hauß, die Leut an dir erschrecken, Man deckt dich zu, du schläffst mit Ruh, niemand wird dich auffwecken.94

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In einer ebenfalls verbreiteten Variante: „HIe lieg ich armes Würmelein | vnd ruh in meim Schlaffkämmerlein“ (Hof 1608); vgl. auch: Helmbold, °Hie lieg ich armes Würmelein, Herr Christe seh mich an (eigene Grabschrift Helmbolds, Mühlhausen 1599, W IV 1008.); Hagen, Ich schlaf in meinem Kämmerlein (Str. 1,1f): „ICH schlaff in meinem Kemmerlein | Gleich wie ein armes Würmelein“; Schirmer, Nun lieg ich armes Würmelein (Str. 1,1f): „NV lieg ich armes Würmelein | Vn[d] ruh in meinem Kämmerlein“. Vgl. Schottelius, °Ist, Jesu, es dein Wille (Str. 2): „Wann meine blutesfreunde | Sind meiner kranckheit feinde | Und ihnen ich ein scheu, | Wan sich da findet keiner, | Der sich erbarmet meiner: | So steh mir, Jesu, bey.“ Anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Str. 4–5); vgl. Str. 2,3f: „All Freund verlassen dich zur stund, | niemand will mit dir komme[n]“.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Deutlicher ist die Abscheu der Mitmenschen wohl kaum auszudrücken. Ringwaldt beschreibt eine ähnliche Wirkung der Krankheit in seinen Pestliedern – präsentisch und in der ersten Person: 4. Ich bin den lieben Nachparn mein in meinem schweren orden Vnd den bekandten gros vnd klein ein schmach vnd scheussel worden: Wer mich von fernen gehn ersicht, fleucht vnd verhült sein angesicht, als ob ich heßlick stüncke.95

Besonders deutlich werden die krankheitsbedingte Isolation und Verlassenheit in den oben zitierten Strophen von Sacer (vgl. S. 294), wo die Abwehrreaktion auf den Verfall des Körpers schließlich von der Umwelt auf das Ich selbst überspringt. Heißt es am Ende der ersten Strophe „Es scheut mich, wer mich sihet“, so folgt in der zweiten die Aussage: „Mir eckelt für mir selber.“96 Darin erscheint die menschliche Angewiesenheit auf göttliche Zuwendung nochmals zugespitzt. d) Das Versagen der körperlichen und geistigen Funktionen Ein literarischer Topos, der im Zusammenhang mit der körperlichen Seite der Todesnot häufig begegnet, ist schließlich die aufzählende Beschreibung des Versagens unterschiedlicher körperlicher und geistiger Funktionen. Sie ist meist nicht in denjenigen Texten zu finden, die unmittelbar aus der Todesnot heraus gesprochen sind, sondern in solchen, die sich aus einer vorausschauenden Perspektive damit beschäftigen – insbesondere in Texten des Typs ‚Bitte um ein seliges Ende‘. In einer Art Simulation der eigenen Sterbestunde wird das Nachlassen des Gesichts- und Gehörsinns, der Atmung, des Sprach- und Denkvermögens vor weggenommen, dazu kommt als seelische Komponente das geängstete Herz. Es bleibt nicht beim allgemeinen „Wenn mein Stündlein vorhanden ist“, die Sterbemeditation wird vielmehr konkretisiert: Im Lied vergegenwärtigt sich der Beter, welche körperlichen Prozesse in der Sterbestunde tatsächlich ablaufen werden.97 Diese Konkretisierung dient der Ars moriendi, der Einübung ins Sterben: Wenn die Sterbestunde dann tatsächlich gekommen ist, soll der Beter bereits in allen Einzelheiten mit der Situation vertraut sein, so dass ihm ein ‚seliges Ende‘ leichter gelingen kann. Insbesondere hat er bereits Vorsorge für den Fall getroffen, dass er aufgrund des fortschreitenden körperlichen 95

96 97

Ringwaldt, °O Herr, dein Ohren neig zu mir (Str. 4). Vgl. auch Dach, °Wie lang soll deine Zornflut sich (Str. 12): „Der Artzt verzweiffelt gantz an mir, | Die Freunde sind bißweilen hier, | Zu sehen, wie es stehe; | Doch auff der Flucht, | Ein jeder sucht | Nur wie er von mir gehe“; im Plural: Ringwaldt, O frommer und getreuer Gott (Str. 4,5–7): „Die Nachbarschafft sich vor vns scheucht, | ein jeder vor vns leufft vnd fleucht | als weren wir verbannet.“ Sacer, Gott, du suchst mich mit Krankheit heim (Str. 1,7; 2,7). Vgl. Mylius, Herr, ich denk an jene Zeit (Str. 4): „Meine Füsse werden Eiß,  | Bey den harten Hertzens=Schlägen | Laß ich kalten Todes=Schweiß, | Alles wil sich legen. | Meiner welcken Zungen Bandt | Ist gespannt | Vnd kan sich nicht regen.“

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und geistigen Verfalls nicht mehr Herr seiner selbst, dass er zu schwach oder gar nicht mehr bei Bewusstsein sein könnte. Sinneswahrnehmungen, Bitten, Worte und Lieder, die zu einem ‚seligen Ende‘ gehören, hat er daher schon im Voraus von Gott erbeten oder an Gott gerichtet. Beispiele für den beschriebenen Topos lassen sich in reicher Zahl aus dem gefundenen Material durch den gesamten Untersuchungszeitraum hindurch zusammentragen. Zu den ältesten Belegen, nämlich aus den 1560er Jahren, zählen die Texte von Eber, Selnecker und Berckenmayr: „2. Wann ich nuh komm in sterbens noth vnnd ringen werden mit dem Tod, Wann mir vergeht all mein Gesicht vnd mein Ohren hören nicht, Wann meine Zunge nichts mehr spricht vnd mir vor angst mein Hertz zerbricht, 3. Wann mein verstand sich nicht versinnt vnd mir all Menschlich hilff zerrint: So komm, HERR Christe, mir behend zu hilff an meinem letzten end Vnd führ mich auß dem jammerthal, verkürtz mir auch des Todes qual!“98 „2. Wenn mein stündlein fürhanden ist, mein Seel vom Leib wil scheiden jetzt, Mein Hertz zubricht, mein Gsicht vergeht, auß meinem Mund kein Odem fehrt, 3. Mein Gliedmaß fallen gar dahin, verfallen sind auch all mein sinn, Vernunfft ist weg, der leib stirbt ab vnd muß hinunter in das Grab: 4. So gleit mich, HErr, auß dieser Welt, für mich in dein Himlisch Gezelt Vnd in das ewig Vaterland, nim meinen Geist in deine Hand.“99 „O Herr, biß du mein zuuersicht, so auch mein mund kein wort mehr spricht, Ja so die ohren nicht mehr hören, durch deinen geist thu du mich lehren.“100

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Paul Eber, Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott (Str. 2–3,4). Selnecker, Herr Jesu Christe, Gottes Sohn, der du sitzt (Str. 2–4). Berckenmayr, O Herr, bis du mein Zuversicht (V. 1–4).

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Die detaillierte Ausmalung des körperlichen Verfalls begegnet hier noch in einer knappen, formelhaften Gestaltung; in späteren Liedern wird sie breiter ausgeführt. Die Texte zeigen beispielhaft, wie die Schilderung in die Bitte um ein seliges Ende eingebunden ist.101 Im ersten Beispiel (Eber) ist sie mit einer allgemeinen Bitte um Beistand verknüpft,102 im zweiten (Selnecker) mit der Bitte um Geleit und der Commendatio animae. Im dritten Beispiel (Berckenmayr) ist die kurze Aufzählung mit der spezielleren Bitte verbunden, Gott möge sich mit seinem heilsamen Wort beim Sterbenden kraft seines Geistes auch dann noch inneres Gehör verschaffen, wenn die organische Funktion des Gehörs bereits versagt hat.103 Auch das Gehör kann nämlich Einfallstor der Anfechtung sein, etwa „Wenn die sünde summt und brummt“104. Dass für das Auge dasselbe gilt, dass auch ihm ein schädliches ‚Bild‘ vorschweben kann, wurde bereits im Zusammenhang mit dem ‚Todesbild‘ erwähnt (vgl. S. 252). Dem soll die Bitte vorbeugen, dass das Herz durch das Licht des Glaubens sehend werden soll (vgl. Eph 1,18), wenn das Augenlicht verloren geht.105 Ein weiteres Gegenstück zum Versagen des Gehörs ist das der ‚Zunge‘ oder des Sprachvermögens. Für den Moment, in dem die Zunge den Dienst versagt, wird von Gott das Annehmen unartikulierter Laute oder gar unhörbarer, rein innerlicher Seufzer als Gebet erhofft: „6. […] Vnnd wenn ich nicht mehr reden kan, so nim den letzten seuffzer an durch Jesum Christum, Amen.“106 „4. Und wenn ich nicht mehr sprechen kan Noch meinen Mund bewegen,

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Anders anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Str. 3): Hier fehlt die Bitte; die Ausmalung der körperlichen Vorgänge in der Todesstunde dient als vorausgreifendes Memento mori. Rist führt das Thema in mehreren Strophen seines Liedes Es nahet sich der letzte Tag durch. Es trägt den Titel „Ernstliche Betrachtung des Elenden Zustandes Menschlichen Leibes im Tode und Absterben / auch wen Er in die Erde ist verscharret“ und dient der Vertiefung des Gedankens, „Wie grausahmlich der Würger kan | Uns alle Sinnen binden“ bzw. wie „alle Macht | Uhrplötzlich wird verschwinden“ (Str. 2); nacheinander wird der Verfall von Augen, Zunge, Verstand, Angesicht, Gliedern, Ohren, Händen und Füßen geschildert (Str. 3–5). Die Bitte um Beistand folgt erst in den Schlussstrophen (Str. 11–12). Vgl. Homburg, Herr Jesu Christ, mein Leben (Str. 3–5). Vgl. anon., O Vater, Sohn und Heilger Geist* (Str. 8): „Wenn mich di Krankheit schwächt so sehr / | Das mihr vergehet mein Gehör / | So las mich innerlich das Wort | Des Lebens hören fort und fort.“ Anon., O du Leben meiner Seele* (Str. 6): „Wenn der mund nicht mehr kan ruffen / | Und die zunge mir verstummt: | Wenn mir wird das hertze puffen / | Wenn die sünde summt und brummt | Für den fast verschlossnen ohren / | Und will machen mich verlohren / | Ach! so ruffe du mir zu / | JEsu! bringe mich zur ruh.“ Vgl. J. Franck, Jesu, meine Freude (Str. 3,9f): „Erd und abgrund muß verstummen, | Ob sie noch so brummen.“ Vgl. anon., O Vater, Sohn und Heilger Geist* (Str. 7): „Wenn mihr wird dunkel das Gesicht | Und meine Augen sehen nicht / | So zünd’ in mir den Glauben an / | Das dich mein Herz erkennen kan.“ Frölich, Ein Würmlein bin ich, arm und klein (Str. 6,5–7). Vgl. anon., Christus der ist mein Leben (Str. 4): „Wenn meine Kräffte brechen, | mein Athem geht schwer auß, | Vnd kann kein Wort mehr sprechen, | Herr, nim mein Seufftzen auff.“ Anon., O Vater, Sohn und Heilger Geist* (Str. 9): „Wenn sich di Zunge nicht mehr regt / | Und sich di Sprache gänzlich legt / | So las mein Seufzen führ dihr stehn | Und mich zu deiner Ruh’ eingehn.“

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So nihm die schwachen Seuffzer an, Die sich im Hertzen regen“107.

Daraus lässt sich auf den Sitz im Leben ein vielleicht nicht überraschender, dafür aber umso eindeutigerer Rückschluss ziehen: Der Normal- oder Idealfall eines guten Sterbens sah ein lautes Beten, ein artikuliertes Sprechen mit Gott vor – und vielleicht auch ein Singen. Genau für den Fall, dass der Kranke sich selber nicht mehr äußern kann, ist im Lüneburgischen Gesangbuch Vorsorge getroffen: Das Lied Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott existiert hier in einer Fassung „Für die Krancken zu beten oder zu singen“, die anstelle des Kranken stellvertretend von den Angehörigen gesungen werden soll (vgl. S. 588). Idealerweise sollten Hören und Sprechen also möglichst bis ganz zuletzt erhalten bleiben; das ist deshalb wichtig, damit die Verbindung zu Gott nicht abreißen kann. Allerdings ist auch ein Fall denkbar, in dem dies trotz Erhalt des Sprachvermögens nicht gegeben ist, nämlich wenn Verstand und Bewusstsein verloren gehen. Für diesen Fall bittet Ringwaldt: 8. Vor allem aber bit ich dich, wenn ich nu in dem letzten stich Werd sollen meinen Mundt beschlissn vnd wenig von mir selber wissen, 9. So las mir ja nichts fallen ein das grewlich möcht zu hören sein, Als mancher mit dem Todt belegt bißweilen was zu albern pflegt.108

Im Idealfall mündet der Bewusstseinsverlust in ein sanftes Einschlafen;109 nicht so hier. Bei Ringwaldt weiß das Ich nichts mehr von sich, bei Michael Franck geht der Zerfall noch einen Schritt weiter. „Wenn Sprach, Verstand und Sinn | Auf einmal fällt dahin“, bedeutet dies nicht nur einen Verlust des Bewusstseins, sondern auch der Identität und der Persönlichkeit – es bedeutet, dass „ich nicht mehr bin, der ich bin“. Das Ich wird durch den Tod hindurch allein mit Hilfe der von Gott selbst aufrechterhaltenen Gottesbeziehung bewahrt, die sich wieder in der Kommunikation, im Zurufen ereignet: „Wer schreyt mir zu, | Wenn mir der Schmertz lässt keine Ruh?“ Die Hoffnung besagt: Gott tut es.110 Hoffnung und Vertrauen, dass die Gottesbeziehung das Versagen aller körperlichen und geistigen Funktionen überdauert, äußern sich bisweilen so zuversichtlich, dass gar nicht mehr darum gebeten werden muss. Die erwartete Kontinuität in der

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Scheffler, O treuer Jesu, der du bist (Str. 4,1–4). Ringwaldt, Herr Jesu Christ, weil ich empfind (Str. 8–9). Vgl. anon., Christus der ist mein Leben (Str. 5); Behm, Herr Christ, wenn ich bedenke (Str. 4–5; 8). M. Franck, Kein Stündlein geht dahin (Str. 7); auf die zitierte Frage antwortet der Kehrreim: „Ach GOTT, wenn alles mich verlässt, | So thue du bey mir das Best.“

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Beziehung liegt dabei teils auf Seiten Gottes (erstes Beispiel), teils aber auch auf Seiten des Menschen (zweites Beispiel): „8. Ob mir schon die Augen brechen, Das Gehöre gar verschwind Vnd mein Zung nicht mehr kan sprechen, Mein Verstand sich nichts versint, Bistu doch mein Liecht, mein Wort, Das Leben, der Weg, die Pfort“111. „3. Laß vergehen das Gesicht, Hören, schmekken, fühlen weichen, Laß das letzte Tages=licht Mich auf dieser Welt erreichen; Wenn der Lebens=faden bricht: Meinen Jesum laß ich nicht.“112

Während sich das Vertrauen im ersten Beispiel (Freu dich sehr, o meine Seele) darauf stützt, dass Gott dem Ich auch über den Verlust des Verstandes hinaus derselbe bleibt, proklamiert das zweite Beispiel (Keimann, Meinen Jesum lass ich nicht) einen eigenen Vorsatz des Menschen: Was auch geschehen mag – „Meinen Jesum laß ich nicht“ (vgl. S. 390). Mit einem Selbstverlust wie bei Michael Franck angedeutet scheint dieses Ich nicht zu rechnen: Im Festhalten an der Jesusbeziehung kann es zur vollständigen Auflösung der Persönlichkeit gar nicht kommen.

3. Der seelische Anteil der Todesnot: Angst und Anfechtung Schon bei der Untersuchung der Krankheit als körperlicher Komponente der Todesnot haben Verweise und Parallelen gezeigt, dass beide Bereiche, Körper und Seele, im Erleben der Todesnot zusammengehören, dass sie darin aufeinander bezogen und miteinander verwandt sind. Wie der Körper von Krankheit und Schwäche angegriffen ist, so die Seele von Angst und Anfechtung. Zu einem ‚seligen Ende‘ bedarf es in solcher Todesnot der göttlichen Hilfe und des Trostes. Was das Gewissen in Bedrängnis bringt, was Angst und Anfechtung in ihm auslöst, wird unterschiedlich benannt: Tod, Teufel, Hölle, Sünde – und Erwählung. Dabei erweist sich die Sünde als der tiefere Grund der Todesnot, gehen Tod und Hölle doch letztlich auf sie zurück. Ohne die Sünde wäre die Angst vor dem Tod gegenstandslos; denn der eigentliche Gegenstand der Angst ist nicht der leibliche, sondern der ewige Tod, die Hölle, die den Menschen dauerhaft von Gott trennt und die in der verfehlten, sündigen Weltexistenz wurzelt. In Luthers Sterbesermon ist – ebenso wie in seinem Lied Mitten wir im Leben sind – die Trias der Anfechtungen von Tod, Hölle und 111 112

Anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Str. 8,1–6). Keimann, Meinen Jesum lass ich nicht (Str. 3).

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Sünde strukturbildend. Entsprechend soll hier in drei Schritten nach dem Umgang mit der Anfechtung in den gesammelten Liedtexten gefragt werden, zunächst nach der Angst vor dem Tod, dann nach der Anfechtung durch Hölle und Teufel und schließlich ausführlich nach der durch die Sünde. Ausgehend von Petrus Herberts Lied Wer in guter Hoffnung will wird die Frage nach dem Verständnis der Sünde speziell in der Todesnot gestellt und anschließend ihre Wirkung auf das Gewissen untersucht. Ein letzter Blick soll dem ‚Trost‘ als Gegenbegriff zur Anfechtung gelten. Nicht ausführlich eingegangen werden kann auf eine Art der Anfechtung, die nur in wenigen Liedern eine Rolle spielt und sich von der durch die Sünde nochmals grundlegend unterscheidet: auf den Erwählungszweifel. In ihm wird dem Menschen das Bestehenkönnen vor Gott nicht aufgrund der Sünde fraglich, sondern aufgrund der göttlichen Gnadenwahl. Einschlägig sind vor allem zwei Lieder: Dilherrs Ach wie lang muss ich mich schlagen113 und – besonders lebhaft und gründlich – Sacers Bis hieher ist mein Lauf vollbracht („Sterbe=Lied, in welchem die bekümmerte Seele wegen der ewigen Gnaden=Wahl aufgerichtet wird“114). a) Angst vor dem Tod So sehr auch in vielen Sterbeliedern die Betrachtung der Sterblichkeit und des eigenen Endes mahnend eingefordert wird, so sehr wird doch zugleich gegen die Angst vor dem Tod vorgegangen. Sie wird als menschliche Reaktion auf den Todesgedanken beschrieben und auch im Lied selbst ausgedrückt; aber die Perspektive des Sterbeliedes liegt in der Überwindung der Angst, und zwar im Leben wie im Sterben. Wo die Angst vor dem Tod artikuliert wird, ist sie – auch wenn das selten ausdrücklich zur Sprache kommt – nicht in erster Linie als Angst vor dem leiblichen, sondern vor dem ewigen Tod zu verstehen. Neben der Angst gehören auch Schrecken und Trauer zum Spektrum der negativen Affekte, die vom Gedanken an den Tod ausgelöst werden. Der Schrecken ist eine Wirkung etwa des personifizierten Todesbildes, solange es noch nicht als ‚Larve‘ enttarnt ist (vgl. S. 252); dahinter steckt freilich auch der Schrecken über das durch

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Das Lied ist bei FT nicht, im untersuchten Material mehrfach belegt: N-1653; F-1666; L-1673; H-1683; Lü-1695/ 1702. Möglicherweise handelt es sich bei der von Dilherr herausgegebenen Engelfreude (N-1653) um den ersten gedruckten Beleg. In der ersten Strophe scheint es dem Ich, „als ob ich wär erkohren / | Zu seyn ewiglich verlohren.“ Nach weiteren Klagen über „angst und schmertz“ erinnert es sich in der vierten und letzten Strophe an die Erwählungszusage, die auch darin zum Ausdruck kommt, dass es bereits in der Gegenwart im Himmel doppelt repräsentiert ist: Zum einen ist ihm „fürlängsten worden | Zugesagt ein räumelein“, zum anderen ist sein Name dort „wol bekant / | Mit dem blut deß HErrn geschrieben“. Daher kann es getrost fordern: „Thut euch auff / ihr himmelspforten / | Lasst mich ungehindert ein“. Zit. nach FT IV 608.; gefundene Belege: L-1673; H-1683. „Die zweiffels volle Lehre plagt“ (Str. 1,5) das Ich an seinem Ende (Str. 2): „Es fallen mir Gedancken ein, | Ob ich auch werde selig seyn? | Ob ich auch sey erwehlet? | Ob dann des HErren JEsus Blut | Auch mir vergossen sey zu gut? | Ach! diß ist, so mich qvälet.“ Fraglich wird ihm dies aufgrund von Mt 22,14 („Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt“). Die Wende zur Erinnerung an die Heilszusage erfolgt in Str. 8: „Halt inne, Hertz, und sprich so nicht; | Was dir der Höheste verspricht, | Das hält er: Du solst leben“, und zuletzt ähnlich wie bei Dilherr: „Mein Seelichen, sey unverzagt: | Der Himmel ist dir zugesagt“ (Str. 19,4f).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

die Sünde verdiente Todesschicksal.115 Trauer und Traurigkeit beziehen sich dagegen meist auf die Welt und rühren daher, dass der Mensch in seiner „Welt=Lieb“ noch nicht erkannt hat, dass er für den Verlust der weltlichen Güter durch ungleich größere himmlische entschädigt wird: 5. Hilff mir kräfftig vberwinden Alle Furcht vnd Trawrigkeit. Alle Welt=Lieb laß verschwinden; Hilff durch dein Barmhertzigkeit, Daß ich ja nicht fürcht den Todt, Der durch deine Gnad, mein Gott, Allen meinen Jammer endet Vnd mir nur dein Reich zu wendet.116

Körperlich wirkt sich die Todesangst im ‚Erzittern‘ oder ‚Beben‘ aus,117 seelisch im ‚Sich-Kränken‘.118 Besonders in der Todesnot ist es das Herz, das von Angst bedrängt wird: „Vor Angst mein Hertz im Leib zerspringt, | mein Leben mit dem Tode ringt“119. Einige Lieder aus dem 17. Jahrhundert nehmen dagegen eine distanziertere Haltung zur Todesangst ein. Nicht aus der Todesnot heraus, sondern im Stil einer grundsätzlichen Betrachtung, die eher an den Duktus der Begräbnislieder erinnert, wird die negative Reaktion vieler Menschen auf das Sterbenmüssen hinterfragt. Dies geschieht in einem Gestus der Verwunderung über die menschliche Torheit, die im Tod nicht das Gut erkennt, sondern ihn scheut und fürchtet. „1. WIe ist der Mensch doch so bethört, Daß er das Sterben schewet, Vnd wenn er von dem Leben hört, So inniglich sich frewet! Er liebet, was man hassen soll, Er fürchtet Fried, sucht Leiden, 115

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Dilherr, Erschrecken ich ja billig sollt (Str. 1): „ERschrecken ich ja billich solt / | So mich der tod wegreissen wolt: | Dieweil ich als ein böses kind | Hab nichts gethan / als eitel sünd.“ Z. Faber, Herr, ich bin ein Gast auf Erden (Str. 5; in L-1673 ist die Strophe als eigenes Lied Hilf mir, mein Gott, überwinden aufgenommen). Vgl. anon., Mein Gott und Herr, steh du mir bei (Str. 2,2f): „nun trawr ich hefftig sehre, | Wann ich die Welt verlassen sol“; vgl. Gerhardt, Was traurest du, mein Angesicht (Str. 16), zit. s. u. In dem Lied Ich muss jetzt allzeit trauren* (Str. 1; 12) ist die Traurigkeit in der Todesnot dagegen weniger deutlich spezifiziert, sie bietet lediglich eine Explikation von „Angst vnd Noth“ angesichts des Todes. Vgl. Dilherr, Erschrecken ich ja billig sollt (Str. 3): „Solt ich dann nun erzittern nicht? | Wenn ich den tod / das jüngst gericht / | Und auch der höllen=pein / betracht. | Ach / hätt zuvor ichs stets bedacht.“ Vgl. Albert, Zum Sterben ich bereitet bin (Str. 5,4); zit. s. u. Vgl. anon., Ach wie soll mir geschehen (Str. 3): „Wenn ich daran gedencke | Manch Augenblick vnd stund, | Thut es mein Hertze krencken, | Das in der Erden grund | Mein Leib begraben werd, | Von Würmern soll werden verzehrt, | Die Haut, Fleisch vnd all Adern mein | Sollen werden zu Staub vnd Erd.“ Vgl. Albert, Zum Sterben ich bereitet bin (Str. 5,2); zit. s. u. Anon., Hie lieg ich armes Würmelein, kann regen (Str. 1,3f). Vgl. Eber, Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott (Str. 2,6): „Wann […] mir vor angst mein Hertz zerbricht“; anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Str. 3,1.3): „Dein Angesicht wird fallen ein, […] Das Hertz in schweren ängsten sein“ usw.

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Vn[d] was jhn drückt, gefellt jhm wol, Wil von der Welt nicht scheiden.“120 „4. Wie daß ihr Menschen dieser Zeit / ob eurem Tod so furchtsam seyd? Ihr seht ihn so gar bitter an / daß euch nichts mehr erschrecken kan. 5. So offt man seines Nahmens denckt / wird euer Hertz und Sinn gekränckt; und klopfft er nur an eure Thür / der gantze Leib euch bebt dafür.“121 „1. WAs traurest du mein Angesicht / Wann du den Tod hörst nennen? Sey ohne Furcht; er schadt dir nicht: Lern ihn nur recht erkennen. Kennst du den Tod / So hats nicht Noht / All’ Angst wird sich zertrennen. […] 16. Ach GOtt mein Herr / was wil ich doch Mich vor dem Tode scheuen? Er ists ja / der mich von dem Joch Des Elends wil befreyen; Er nimmt mich auß Dem Marter=Hauß: Das kan mich nicht gereuen.“122

Nicht nur das Sterben selbst, sondern schon seine sprachliche Repräsentation löst, wenn sie laut ausgesprochen wird, beim Menschen Trauer und ‚Kränkung‘ aus, so das zweite und dritte Beispiel; die Nennung des Lebens stimmt ihn dagegen – dem ersten Beispiel zufolge – freudig. Diese aus Sicht der Autoren grundverkehrte Einschätzung wird durch die Lieder hinterfragt und die Perspektive auf den Tod umgekehrt. In einem „Trost=Gesang. Daß der Tod nicht zu fürchten sey“ erklärt Jakob Ritter, wie Jesus durch seinen eigenen Tod „die Furcht verjagt“ und damit auch für das Ich unwirksam gemacht hat, sofern es ihn „in dem Hertzen hält“: 1. ICh fahr, un[d] weiß Gott Lob wohin, Nach diesem Jammer=Leben; Ich bleibe GOtt ergeben, Darumb ich auch nicht traurig bin. Es kan des Todes Scheiden Mir keine Angst verleiden; 120

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Wilkow, Wie ist der Mensch doch so betört (Str. 1). Typisch für ein Begräbnislied ist auch die Anspielung auf 1Thess 4,13 (Str. 2,1f): „Ein solcher Wahn ist Heyden=tand, | Die keinen Himmel gläuben“; vgl. S. 449. Albert, Zum Sterben ich bereitet bin (Str. 4–5). Gerhardt, Was traurest du, mein Angesicht (Str. 1).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt MEin JEsus hat die Furcht verjagt, Da Er für mich gestorben: Drumb leb und sterb ich unverzagt Vnd scheide unverdorben. 2. Groß ist die Furcht der schnöden Welt, Die für dem Tod erschüttert Vnd fährt dahin erzittert. Wer aber in dem Hertzen hält JEsum, das Heyl der Sünder, Des Todes Uberwinder, Der wird vom Tode nicht erschreckt; Er wendet seine Sinnen Zu jener grossen Seeligkeit, Darein er fährt von hinnen.123

b) Anfechtung durch Teufel und Hölle Die größte Gefahr, die dem Menschen in der Todesstunde droht, ist die der Anfechtung seines Glaubens, der wachsende Zweifel, Gott könne ihm aufgrund seiner Sünden nicht gnädig gestimmt sein – ein Zweifel, der schlimmstenfalls zum „verzagen“124, zur Verzweiflung anwachsen kann. Dabei steht mehr auf dem Spiel als nur der innere Frieden in der Sterbestunde; die Gewissensqual auf dem Sterbebett findet ja spätestens mit dem Eintreten des leiblichen Todes ihr Ende. Ob der Mensch der Anfechtung erliegt und an seinem Heil verzweifelt, entscheidet nämlich auch über sein postmortales Ergehen. Insofern hängen am ‚seligen‘ Ende, am inneren Frieden auf dem Sterbebett, auch die ewige Seligkeit und der ewige Frieden – Grund genug, von Gott ein solches Ende nachdrücklich zu erbitten. Der Schauplatz der Anfechtung ist im Inneren des Menschen zu suchen, nämlich im Gewissen.125 Dennoch geht sie einer verbreiteten Vorstellung zufolge von einer Instanz aus, die außerhalb seiner selbst liegt, von bösen Mächten, vor allem vom Teufel. Die räumliche Anwesenheit dieser Mächte der Anfechtung im Sterbezimmer wurde in der mittelalterlichen Bilderars bildlich umgesetzt. Welche Reflexe sich darauf in den untersuchten Sterbeliedern finden, soll im Folgenden beleuchtet werden. Im Anschluss daran (c) wird es um Darstellung und Funktion der inneren Anfechtungsquellen und damit um die Sünde als Kern der Anfechtungsproblematik gehen.

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Ritter, Ich fahr und weiß gottlob wohin (Str. 1–2). Vgl. Luther, Mitten wir im Leben sind (Str. 2,12): „las uns nicht verzagen fur der tieffen hellen glut.“ Vgl. Albrecht von Preußen, Was mein Gott will, das gscheh allzeit (Str. 4,4), zit. Anm. 126. Nicht näher expliziert ist die Unterscheidung zwischen innerlichen und äußerlichen Anfechtungen in der Überschrift zu Caspar Stolzhagius’ Lied Ach treuer Gott, Herr Jesu Christ: „Ein Gebet eines Krancken, in geschwinden Sterbensleufften: Wider jnnerliche vnd eusserliche anfechtungen. Welchs ein gesunder singen kan“ (in: Geistliche Lieder vnd Psalmen, Leipzig 1582, zit. nach W V 51.).

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Damit zur Anfechtung durch böse Mächte, durch den Teufel oder „böse[n] Geist“126, der keinesfalls als bloßes Bild für menschliche Seelenkräfte, sondern als äußere Realität verstanden wird. Selnecker nennt die Anfechtung durch den Teufel zusammen mit derjenigen durch die schreckliche „Todes gstalt“.127 Häufig tritt der ‚Rachen‘ der Hölle als Bedrohung auf; schon in Luthers Mitten wir im Leben sind heißt es: „Mitten ynn dem tod anficht | uns der Hellen rachen“128; Johann Francks Jesu, meine Freude gibt sich kämpferisch: „Trotz dem alten drachen, | Trotz dem todesrachen, | Trotz der furcht dazu!“129 Was ängstigt und in Anfechtung setzt, wird auch als ‚Gebrüll‘ aus diesem Rachen bezeichnet (vgl. 1Petr 5,8).130 In anderem Zusammenhang, etwa bei Heermann, wird der Zugriff des Teufels durch seine Hand oder „Klaw“ gefürchtet; die Commendatio animae, bei der die Seele im Gegensatz dazu in die Hand Gottes befohlen wird (vgl. Ps 31,6), bietet ein Gegenmittel.131 Die tiefe Angst, die als zentrales Moment der Anfechtung auftritt, ist „Angst der Höllen“132. Das Wirken des Feindes besteht in den „bösen Gedancken“, die er dem Menschen schickt und durch die er seinen Glauben ins Wanken bringen will:133 Er versetzt ihn in Schrecken und weckt sein Gewissen, indem er ihn an seine Sünde erinnert und ihm damit „Gottes Zorn verkündt“.134 Für diesen Vorgang 126

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Vgl. Albrecht von Preußen, Was mein Gott will, das gscheh allzeit (Fassung Nürnberg 1554, Str. 4,3f): „Wenn mich der böse Geist anficht, | laß mich, Herr, nicht, verzagen!“ Vgl. Paul Eber, Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott (Str. 4,1): „Die bösen Geyster von mir treib“. Selnecker, O Herre Gott, in meiner Not (Str. 3,3f): „Verlas mich nicht, wenn mich anficht | des Teuffels gwalt vnnd Todes gstalt.“ Zur „Todes gstalt“ vgl. die Ausführungen über das ‚schreckliche Bild‘ des Todes, S. 252. Luther, Mitten wir im Leben sind (Str. 2,1f). Vgl. Berckenmayr, O Herr, bis du mein Zuversicht (V. 14): „o Herr, reiß mich auß seinem rachen“; Behm, Herr Christ, wenn ich bedenke (Str. 10,1–4): „HErr, treib auch ab den Trachen | vnd die hellische schaar, | Die mich mit jhrem Rachen | wollen verschlingen gar“; Rist, Es nahet sich der letzte Tag (Str. 8,1f): „Die Hölle schnappet grausahmlich | Ihn geitzig zu verschlingen“; Rappolt, Mein Leben war ein Streit* (Str. 5,1f): „Der Höllen Rachen stund mich zu verschlingen offen / | Es hatte mich daher Furcht / Schrecken / Angst getroffen“; Kohlhans, Ach wann werd ich dahin kommen (Str. 7): „Klafft mich an der Höllen=Rachen, | Ohne Schaden geh ich ein. | Wenig kan die Sünde machen, | Weil ich CHRISTI eigen bin.“ J. Franck, Jesu, meine Freude (Str. 3,1–3). Vgl. anon., Hie lieg ich armes Würmelein, kann regen (Str. 2): „Darümb, HERR JEsu, zu mir eil, | vertreib des Teufels Fewrig Pfeil, | Der vmb mich jetzt thut brüllen her | gleich wie ein Löw vnd grewlich Beer, | Das mich von deiner Lieb nicht scheid | sein Anfechtung, mein Angst vnd Leid.“ Vgl. Heermann, Es nahet sich zum Ende (Str. 3,4–6): „Wil mich der Satan schrecken | Vnd sein Klaw ausstrecken, | Schleuß meine Seel in deine Hand.“ Vgl. J. Gerlach, Treuer Gott, lass den Tod (Str. 1): „TReuer GOtt, | Laß den Tod | Mich nicht fällen, | Wenn an meinem letzten End | Sich nun Leib und Seele trennt, | Wenn mich quält die Angst der Höllen.“ Mylius, Herr, ich denk an jene Zeit (Str. 2,1–4): „Was für Hellen=Angst vnd Quahl, | Was für Furcht vnd grosses Schrecken, | Leid vnd Trawren ohne zahl | Wird sich da erwecken!“ Ein Beispiel für die Koinzidenz von Höllenangst, -anfechtung und Hölle ist Mein junges Leben hat ein End (Str. 6). Vgl. anon., Mein Gott und Herr, steh du mir bei (Str. 2,4–8): „durch deinen Geist mich lehre, | Das ich dem Sathan widerstreb | vnd meinen bösen Gedancken | damit der Feind setzet an mich, | hilff, Herr, das ich nicht wancke.“ Vgl. Behm, Herr Christ, wenn ich bedenke (Str. 6,1–4): „Auch wenn mich wil erschrecken | der Teuffel mit der Sünd, | Das gwissen auff thut wecken, | mir Gottes Zorn verkündt“; Mylius, Herr, ich denk an jene Zeit (Str. 2): „Sathan, du wirst jmmer zu | Ohne Ruh’ | Meine Sünd auffdecken.“ Dach, In dieser meiner letzten Not (Str. 1,5–8): „Die Sünde lässt mir keine Ruh, | Auch Sathan setzt mir grausam zu | Vnd drewt in seinem Fewer | Mir tausend Vngehewer.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

ist auch eine forensische Metaphorik verbreitet, der zufolge Teufel und Hölle den Menschen mit einer Anklage wegen seiner Sünde konfrontieren.135 In Verbindung mit dieser Metaphorik gewinnt die Seelennot der Anfechtung in der Todesstunde bereits die Qualität eines individuellen Jüngsten Gerichts wie in einem Lied von Simon Dach. Der Machtanspruch des Teufels wird in einer Art Selbstexorzismus zurückgewiesen, indem das Ich sich ganz dem göttlichen Machtbereich unterstellt, wie sowohl der Liedanfang (Ich bin ja, Herr, in deiner Macht) als auch der Anfang der sechsten Strophe zeigen. 3. Mich dünckt, da lieg’ ich schon vor mir In grosser Hitz ohn Krafft, ohn Zier Mit höchster Hertzens=Angst befallen, Gehör und Rede nehmen ab, Die Augen werden mir ein Grab, Doch kränckt die Sünde mich fur allen: Des Sathans Anklag’ hat nicht Rhu, Setzt mir auch mit Versuchung zu. 4. Ich höre der Posaunen Thon Vnd seh’ auch den Gerichts=Tag schon, Der mir auch wird ein Vrtheil fällen, Hier weiset mein Gewissens=Buch Da aber des Gesetzes Fluch Mich Sünden=Kind hinab zur Hellen, Da wo man ewig, ewig: Leid! Mord! Jammer! Angst! vnd Zetter schreyt! […] 6. Der Teuffel hat nicht Macht an mir, Ich habe bloß gesündigt dir, Dir, der du Missethat vergiebest, Was masst sich Sathan dessen an Der kein Gesetz mir geben kan, Nichts hat an dem, was du, HERR, liebest, Er nehme das, was sein ist, hin, Ich weis daß ich des Herren bin.136

„Des Sathans Anklag’“ fällt hier in einer visionären (bzw. auditiven) Vorwegnahme des Jüngsten Tages zusammen mit der des Gewissens und der des Gesetzes;137 das Ge-

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Vgl. Schein, Ihr lieben Trauerleut (Str. 2,5f): „Der Teuffel in der Welt mich plagte / Für Gottes Richter=Stul anklagte.“ Roberthin, Des Lebens kurze Zeit (Str. 7,3f): „Wenn vns im letzten Zagen | Die Helle wil verklagen“ usw. Dach, Ich bin ja, Herr, in deiner Macht (Str. 3–4; 6). Ganz ähnlich, wenn auch ohne Posaunen des Jüngsten Tages, M. Franck, Kein Stündlein geht dahin (Str. 6): „Wenn mein Gewissens=Buch, | Wenn des Gesetzes Fluch, | Wenn Sünd und Satan zum Versuch | Tritt wider mich, | Wer ist, der mein erbarmet sich? | Ach GOtt, wenn alles mich verlässt, | So thue du bey mir das Best.“

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wissen wird zugleich zu jenem Buch, nach dem beim Jüngsten Gericht alle Menschen beurteilt werden, ein Motiv, das bei den Liedern vom Jüngsten Tag sehr verbreitet ist. Seinen Trost findet das Ich schließlich darin, dass nicht die Anklage des Satans Gültigkeit besitzt, sondern die Vergebung dessen, der auch das Gesetz gegeben hat. In dem Schritt zur Überwindung der Anfechtung fehlt fast nie der Verweis auf Christi Blut, das den Menschen von der Sünde freigekauft hat und im Schrecken des Todes den Grund getroster Gewissheit bildet (vgl. S. 368).138 In der zweiten Strophe von Jesu, meine Freude setzt Johann Franck die Anfechtung mit zerstörerischen „stürmen“ gleich und erklärt, dass Jesus selbst mit seinem Leib den Menschen vor den Schrecken von Hölle und Teufel abschirmt: „Jesus will mich decken“139; bei Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt: „Er laß sein Blut mich decken“140; oder in einem anonymen Lied: „Jesus ist dafür“, stellt sich also zwischen das Ich und die bösen Mächte der Anfechtung, so dass der Mensch „im tode sicher“ ist.141 c) Anfechtung durch die Sünde „Mitten ynn der Hellen angst | unser sund uns treyben“142, heißt es bei Luther: Grund der Höllenangst wie überhaupt der Anfechtung ist die Sünde des Menschen, die ihm sein Heil fraglich macht. Beispielhaft wird die Anfechtung durch die Sünde auf dem Sterbebett in einem alten Lied von Petrus Herbert dargestellt, das zum ersten Mal im Gesangbuch der Böhmischen Brüder von 1566 unter der Rubrik ‚Vom Tod und Sterben‘ und im untersuchten Material noch zwei Mal in älteren Nürnberger Gesangbüchern belegt ist. Das Lied Wer in guter Hoffnung will mahnt im Sinne einer Ars moriendi als Ars bene vivendi zu rechtzeitiger Buße und betrachtet dann exemplarisch das Ergehen eines ‚Weltkindes‘, das demgegenüber nur kurzsichtig danach trachtet, „wie jm wolgeschicht | hie auff dieser erden“143. Erst als der Tod herannaht, ändert sich seine Perspektive: 8. Ob er gleich sein lust hie hat in sündlichem leben, Mus er doch zu letzt dem Tod sich selbs vber geben. 138

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Vgl. Dach, Ich bin ja, Herr, in deiner Macht (Str. 7,1–3): „HERR JEsu, ich dein thewres Gut | Bezeug’ es mit selbs deinem Blut, | Daß ich der Sünden nicht gehöre“; vgl. anon., Fahr hin, du liebste Seele mein (Str. 2–3): „Dich [Seele] hat erlöst HErr Jesus Christ, | Der vnser Heyl vnd Mitler ist. | Mit seinem Blut erkaufft du bist | Von Hell, vom Tod, vons Teuffels List. || Darumb soltu nicht fürchten dich, | Für Hell, für Tod, fürs Teuffels schlich, | Sondern auff Gottes Gnad vnd Huld | Setzen dein Hoffnung vnd Gedult.“ J. Franck, Jesu, meine Freude (Str. 2): „Unter deinen Schirmen | Bin ich für dem stürmen | Aller feinde frey. | Laß den Satan wittern, | Laß den feind erbittern: | Mir steht Jesus bey. | Ob es jtzt | Gleich kracht und blitzt, | Ob gleich sünd und hölle schrecken: | Jesus wil mich decken.“ Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, O du dreieinger Gott (Str. 7,1–4): „Vor Sünden, Höll und Tod | Und vor des Satans Schrecken | Mein Jesus stelle sich, | Er laß sein Blut mich decken“. Anon., Nun fähret mein Geist mit Freuden dahin* (Str. 4): „Nun fähret mein geist mit freuden dahin / | Weil ich im tode sicher bin: | Tod / höll und teuffel können mir | Nicht schaden / Jesus ist dafür“. Luther, Mitten wir im Leben sind (Str. 3,1f). Dass die Sünde und die von ihr verursachte subjektiv empfundene Not überhaupt ein zentrales anthropologisches Moment in Luthers Liedschaffen darstellen, hat Patrice Veit herausgearbeitet (vgl. Veit, Gottes Bild, 19). Herbert, Wer in guter Hoffnung will (Str. 4,3f).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt 9. Wen[n] nu der sein boten schickt, schmertzen vnd wehtagen, Bald sein sündlich hertz erschrickt vnd begin[n]t zuklagen: 10. Ah meins leids, wie thu ich nu? mich verdampt mein gwissen. Fur der sünd hab ich kein rhu, Gott hat dran verdriessen. 11. Hellenangst sie mir gebiert, drinn ich bin verloren, Dieweil niemand selig wird, den[n] der newgeboren. 12. Ah, ich hab leider veracht die heilsame warheit, Mein leben böslich zubracht in sünd vnd in bosheit. 13. Mein vngleubig hertz allein vnd weltlich gehetze Lies mich nicht gehorsam sein Göttlichem gesetze. 14. Erst erken[n] ich mein jrthum vnd mein grosse thorheit: Guts wissen, darnach nicht thun, ist ein schmach der warheit. 15. O du vnsterblicher Gott, sih doch an mich armen! Wilt je nicht des sünders tod, drumb thu dich erbarmen. 16. O Jhesu Christ, Gottes Son, frist mir noch mein leben, Das ich rechte buss mög thun vnd mich dir ergeben. 17. Tröst mich, o heiliger Geist, jtzt in meim betrübnis: Christi heiligkeit mir leist, hilff mir vom verdamnis. 18. Verley ein frölich gemüt, wenn ich werd verscheiden,

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Vnd hilff mir durch deine güt zur himlischen freuden.144

Herberts Darstellung der Sündenanfechtung in der Todesnot besitzt exemplarische Qualität. Beispielhafte Elemente sind etwa die Erkenntnis der Sünde angesichts des Todes als ‚Erschrecken‘ (Str. 9); die Verurteilung durch das Gewissen (Str. 10); die Höllenangst (Str. 11); das Sündenbekenntnis (Str. 12–14); die – hier trinitarische – Anrufung aus der letzten (?) Not mit der Bitte um Gnade und um ein seliges Ende (Str. 15–18). Aufgrund weiterer Lieder ist allerdings zu ergänzen: Der Anfechtung ist nicht nur – wie hier – das „weltkind“ (Str. 4,1) ausgesetzt, das sich nicht durch Buße auf den Tod vorbereitet hat; sie kann vielmehr auch den Gläubigen betreffen, und das nicht erst im Sterben, sondern schon im Leben. Glaube ist vor Anfechtung nicht gefeit; ja die Anfechtung erscheint als unweigerliche Begleiterscheinung des Glaubens. Genau in der Mitte des Liedes, nach der neunten der achtzehn Strophen, wird ein Sprecherwechsel vollzogen: Vom lehrhaften Ton des Erzählers geht die Rede auf das Ich des reuigen Weltkindes über. Damit ändert auch der Liedsänger beim Singen oder Lesen seine Rolle: Er wechselt von der Außen- in die Innenperspektive, wird vom Beobachter zum Betroffenen, der er als Mensch ohnehin ist. Durch die Struktur des Liedes lenkt Petrus Herbert seine Aufmerksamkeit auf genau diesen Umstand.145 Unweigerlich wird der Rezipient in die Sterbebereitung eines Todverfallenen hineingeführt. Auf der Erzählebene bleibt ein wichtiger Punkt freilich offen: Ob das „weltkind“, von dem im Text die Rede ist, seine Sünde „zu spat gerewet“, weil es sich nicht rechtzeitig – so die einleitende Ermahnung – „zu Gott bekeren“ wollte „Vnd bessern das leben sein“146, oder ob die Reue noch rechtzeitig kommt, wenn sie nur vor dem leiblichen Tode eintritt, wird nicht ausdrücklich gesagt. Es wird allerdings angedeutet: Der Abschluss des Textes mit der „himlischen freuden“ hat zwar die Form einer Bitte, aber doch einen tröstlichen Klang. Von Herberts Text ausgehend, soll im Folgenden untersucht werden, in welcher Weise die Sünde im Gewissen während der Todesnot präsent ist und welche Wirkung ihre Präsenz auf das Gewissen hat. Ein letzter Teilabschnitt (d) beschäftigt sich mit der Frage, welcher Trost der Sündenanfechtung entgegengesetzt werden kann. Zum Sündenverständnis in der Todesnot Die Anfechtung des Menschen durch die Sünde in seiner Todesnot ergibt sich daraus, dass er sich an die tatsächliche Sünde in seinem Leben erinnert, sie als Sünde erkennt und darüber, so Herbert, gerade angesichts des nahen Todes „erschrickt“. Von einer übergeordneten Perspektive aus, wie sie in den ersten Strophen von Herberts Lied eingenommen wird, ist auch der im Wesen des Menschen liegende tiefere Grund 144 145

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Herbert, Wer in guter Hoffnung will (Str. 8–18). Die von Wackernagel eingefügte, von mir bereinigte Interpunktion – Str. 10–14 sind von ihm in Anführungszeichen gesetzt – verkennt diese Struktur und ist damit auch sinnentstellend. Zwischen Str. 14 und 15 einen Sprecherwechsel anzunehmen, ist durch nichts gerechtfertigt; die innere Folgerichtigkeit der Abfolge von Klage und Bitte geht ganz verloren. Herbert, Wer in guter Hoffnung will (Str. 2–3).

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der tatsächlichen Sünde erkennbar. Wie von einem Erzähler wird hier die verkehrte Grundausrichtung des exemplarischen Protagonisten beschrieben, die in seinem Herzen als dem Innersten seiner Person angesiedelt ist: 6. Das sündlich fleisch lesst jm nicht rechte buss verbringen, Sein hertz, zu sünden gericht, kan er nicht bezwingen.147

Die Sünde wird hier als unverfügbare und unbezwingbare Verstrickung des Herzens verstanden, die mit der fleischlichen Verfassung des Menschen gegeben und gegen die nicht anzukommen ist. In späteren Strophen werden das „sündlich hertz“ (Str. 9,3) und das „vngleubig hertz“ (Str. 13,1) genannt, alles Erinnerungen daran, dass das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens von Grund auf böse (vgl. Gen 6,5; 8,21), die Sünde also ein über die konkrete Verfehlung hinausreichendes menschliches Grundübel ist. Die mit dem Menschsein gegebene Veranlagung und Hinneigung zur Sünde äußert sich als concupiscentia, als Lust zum Bösen und am Bösen, die nach Verwirklichung strebt und in der ‚Weltlust‘ – eben jener, die in der Sterbebereitung zu verabschieden ist (vgl. S. 192) – eine Entsprechung hat. Herberts Lied spielt darauf lediglich an;148 ausdrücklicher ist die Sünde als böse Begierde später bei Gesenius/Denicke Thema: 2. Hier muß ich jmmer streiten, Weil bey mir böse lust Einschleicht von allen seiten Offt ohne mein bewust; Die setzt mir denn so zu, Daß ich mich unterweilen Von jhr laß übereilen Und manche sünde thu.149

Der Kontext ist allerdings in diesem wie auch in anderen jüngeren Beispielen ein anderer als der der reuigen Sündenbetrachtung in der Todesnot; vielmehr geht es hier um die meditative Kontrastierung von irdischem und himmlischem Leben, die an die ernüchternde Erfahrung des Versagens gegenüber der bösen Lust anknüpft.150 Die Reflexion über die Sünde als menschliches Grundübel, auch diejenige, die ein Ich auf sich selbst bezieht, hat also eher in betrachtenden Kontexten mit übergeordneter Perspektive ihren Ort. Die Anfechtung in der Todesnot geht dagegen – wie schon gesagt – von der tatsächlichen Sünde aus, von der memoria peccatorum, der 147 148

149 150

Herbert, Wer in guter Hoffnung will (Str. 6). Vgl. Herbert, Wer in guter Hoffnung will (Str. 8,1f): „Ob er gleich sein lust hie hat | in sündlichem leben, | Mus er doch zu letzt dem Tod | sich selbs vbergeben.“ Gesenius/Denicke, Wie lieblich sind daroben (Str. 2). Vgl. ähnlich Rist, So sei nun wohl zufrieden (Str. 8), über den Himmel: „Es wird da niemand klagen | Daß Ihn die Welt verführ | Und böse Lüst Ihn plagen | Mit schändlicher Begier.“

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Erinnerung an die Tatsünden, also an die konkreten Verfehlungen, aus denen das Wesen der eigenen Sündigkeit erst in einem zweiten Schritt entwickelt wird.151 Der dazu gehörige Sprechakt, der sich nicht nur in den Liedtexten spiegelt, sondern als zentraler Vollzug der Sterbeseelsorge auch in fast allen Sterbeberichten auftaucht (vgl. S. 569), ist der des Sündenbekenntnisses; in der Sterbeseelsorge geht es dem Krankenabendmahl voraus. Das Bekenntnis der Sünde in Gedanken, Worten und Werken aus der Abendmahlsliturgie begegnet auch in Dilherrs Lied Erschrecken ich ja billig sollt.152 In anderen Liedern überwiegt der Blick auf die Werke, auf die Tatsünde. Herberts „weltkind“ erkennt seine Verfehlung im bösen Tun wider besseres Wissen.153 Das Ich des Liedes Mein junges Leben hat ein End klagt: „was hab ich doch gethan!“; es wird von der im Leben begangenen Sünde wie von einem Räuber überwältigt und getötet.154 In Rists Lied Es nahet sich der letzte Tag wird „die vergangne Zeit“ mit den bösen Taten in der Erinnerung des Sterbenden so quälend lebendig, dass sie wie eine ‚traurige‘ Person voll Vorwurf an seinem Bett zu stehen scheint: 6. Bald kommet die vergangne Zeit Gleich traurig für mein Bette / Man fühlet einen harten Streit / Man wünschet daß man hette Die Tag’ in Frömmigkeit verbracht / Da steht des Geist= und Fleisches Macht / Das kämpfet in die Wette. 7. Das Guhte so wir nicht gethan / Das Böse so begangen / Bringt Satan alles auf die Bahn / Und solches Unterfangen / Das machet er so schwehr und groß / Daß mancher Sünder wünschet bloß / Er were längst erhangen!155

Der Wunsch, das Getane ungeschehen zu machen, ist umso quälender, als er vergeblich bleiben muss. Meist bleibt unausgesprochen, dass die erinnerte Sünde nicht einfach in bösen Taten besteht, sondern nach lutherischem Verständnis aus einem Gefangensein in Verblendung, aus dem die bösen Taten erst folgen und aus dem nur 151

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Johann Niedlings Lied Von Herzen ich mich freue konstatiert zunächst: „Je länger ich hier lebe, | Je mehr ich übels thu“, um dann die bösen Taten zu explizieren wie folgt: „Deim Wort ich widerstrebe“ (Str. 2,1–3), ein Widerstreben, das Gott „erzü[r]net hat“ (Str. 3,8; [r] ergänzt, Erratum bei FT). Vgl. Dilherr, Erschrecken ich ja billig sollt (Str. 2): „Mein sinnen unrein ist gewest / | Die wort auch waren nicht auffs best / | Die tahten all mit sünd befleckt: | Dieweil nichts gutes in mir steckt.“ Vgl. Herbert, Wer in guter Hoffnung will (Str. 14): „Erst erken[n] ich mein jrthum | vnd mein grosse thorheit: | Guts wissen, darnach nicht thun, | ist ein schmach der warheit.“ Anon., Mein junges Leben hat ein End (Str. 5,2); vgl. Str. 4,3–7: „Allein mein hertz ist trawrens voll | daß mich mein Sünde vberfellt | Die ich mein Tag begangen hab: | die hilfft mir von meinem Leben ab | vnd bringet mein Hertz ins Grab.“ Rist, Es nahet sich der letzte Tag (Str. 6–7).

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die Erkenntnis durch den Heiligen Geist befreien kann. Plastischer und mit Händen zu greifen sind aus der Perspektive der Todesnot die Taten selbst, auch wenn sie aus theologischer Sicht sekundär sind. Deutlicher als in vielen anderen Liedern wird die Frage nach dem Wesen der Sünde in dem alten und sehr verbreiteten Lied Herr Gott, mein Jammer hat ein End (Nürnberg 1563) aufgegriffen. Hier gilt die Sünde nicht nur als Auslöser von Gottes Zorn; ihrem Wesen nach richtet sie sich vielmehr ausdrücklich gegen den göttlichen Heilswillen zugunsten des Menschen. Das Sündenbekenntnis beginnt mit dem üblichen allgemein gehaltenen Verweis auf die zu Lebzeiten begangenen Tatsünden,156 mündet dann aber in das tiefer gehende Eingeständnis des Ich, es habe Gottes „Vätterlich barmhertzigkeit | nicht danckbarlich vmbfangen“157. Verbunden ist dieses Bekenntnis mit dem Ausdruck der Reue (vgl. dazu den folgenden Teilabschnitt) und mit einer Gnadenbitte, die dem geäußerten Tatbestand der Sünde als Zurückweisung der göttlichen Barmherzigkeit genau entgegengesetzt ist.158 Insofern erreicht die Gnadenbitte, die zum Sündenbekenntnis in aller Regel dazugehört,159 in diesem frühen Beispiel einen besonders hohen Reflexionsgrad. Die Wirkung der Sünde auf das Gewissen Die memoria peccatorum lässt also die im Leben begangenen Sünden – insbesondere verstanden im Sinne böser Taten oder eines schlechten, nicht gottgefälligen Wandels – in der Sterbestunde gegenwärtig werden. Die eigentliche Anfechtung besteht aber in der Wirkung dieses Erinnerungsvorgangs auf das Gewissen: Angesichts seiner Sünden empfindet es – noch vor und neben der Höllenangst – Reue, lateinisch contritio.160 Genau darauf spielt die häufige Rede von den Sünden an, die das Gewissen „krencken“: „Mein Sünd ist groß vnd krencket mich“, heißt es bei Selnecker;161 bei 156

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Vgl. anon., Herr Gott, mein Jammer hat ein End (Str. 2,1f): „Weil ich lebt hie in diser zeit | hab ich vil Sünd begangen“. Anon., Herr Gott, mein Jammer hat ein End (Str. 2,3f). Vgl. anon., Herr Gott, mein Jammer hat ein End (Str. 2,5–7): „Solchs rewt mich, HErr, von hertzen grund | all augenblick vnd alle stund, | las mich, Herr, gnad erlangen.“ Weitere Beispiele: Anon., Mein junges Leben hat ein End (Str. 5,7; 6,4–6): „vmb gnad ruff ich dich an […] wolst mir verzeihen all mein schuld | Vn[d] mich nemen zu gnaden an: | den gefasten Zorn setz jmmer hindan“; Backmeister, O Herr, gedenk in Todespein (Str. 1,1f.7): „O HErr / gedenck in todespein | Nicht meiner schweren sünden / | […] Ach laß mich gnade finden.“ Schein, Mein Gott und Herr, ach sei nicht ferr (Str. 3): „Richt ja nicht mich / | Nach dem ich dich | Erzürnet in meim Leben / :/: | Mit Sünd vnd Schuld | Zur Vngedult | Dir offtmals Vrsach geben: | Herr ich erkenne meine Sünd / | Schaff / daß ich bey dir Gnade find.“ Niedling, Von Herzen ich mich freue (Str. 3,5–8): „Mein Hertz ist matt von Sorgen: | Verzeih all Missethat, | Vergib mir, was verborgen, | Das dich erzü[r]net hat“ usw. Vgl. anon., Herr Gott, mein Jammer hat ein End (Str. 2,5), zit. Anm. 158. Selnecker, Herr Jesu Christe, Gottes Sohn (Str. 2,1). Vgl. auch Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Str. 2,1f): „Mein Sünd mich werden krencken sehr, | mein Gwissen wird mich nagen“; anon., Herr Jesu Christ, du treuer Hort (Str. 2,5f): „Mein Sünd mich krencken Nacht vn[d] tag, | ach tröst mich, das ich nicht verzag“; Roberthin, Wer sein Wesen überlegt (Str. 2,5–8): „Ja, was meistlich kräncket, | Ist, das ein Gemüht erschrickt, | Wenn es auff sein Ende blickt | Vnd der Sünden dencket“; Weissel (?), Wenn meiner Seelen bange wird* (Str. 1,1–5): „WEnn meiner Seelen bange wird / | wen[n] drob das Hertz sich kräncket / | wenn die Sünd das Gewissen rührt / | da sie die Straff bedencket / | hilff Gott was geht da an für Noth!“

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Schein: „Mein Sünd betrübten mich“162. Entsprechend ist gelegentlich von der ‚Trauer‘ die Rede, in die das Herz durch die Sünde gestürzt wird;163 in den Liedern des 17. Jahrhunderts werden metonymisch die darüber vergossenen „Thränen“164 genannt. Dass die Sünde „bange“ macht, „als wolt sie mich entseelen“, ist häufig dem Gedanken an die Höllenstrafe geschuldet.165 Die ‚Anklage‘ durch Sünde und Gewissen ähnelt – wie auch die durch Hölle und Teufel (vgl. S. 306) – dem Jüngsten Gericht, dessen Erlebnis durch die Anfechtungserfahrung quasi vorweggenommen wird.166 Das Verb ‚anfechten‘ selbst kommt im Zusammenhang mit der Sünde ebenfalls immer wieder vor: „Vnd ob mich schon mein sünd anficht, | dennoch will ich verzagen nicht“167; die Sünde wird damit zu einer eigenen Streitmacht, der es nach dem Ideal des christlichen Ritters (vgl. S. 223) auch im letzten Kampf noch standzuhalten gilt. Dass gerade die Erinnerung an die Sünde auf dem Sterbebett zum letzten und entscheidenden Mal „einen harten Streit“ zwischen „des Geist= und Fleisches Macht“ heraufbeschwört, beschreibt auch Rists Es nahet sich der letzte Tag.168 In der Anfechtung wird die Sünde so groß und übermächtig, dass der Mensch ihre Last nicht mehr bewältigen kann: „Meine Sünde sind schwer vnd vber groß“169, „Die mir der feind so groß thut machen“170, „Das machet er so schwehr und groß“171; ja häufig heißt es, die Sünden (wieder also: Tatsünden) seien so unüberschaubar zahlreich wie der Sand am Meer,172 eine Menge, die den Menschen zur Verzweiflung bringen muss. Nach Röm 5,20 wird die Sünde dort mächtig, wo der Mensch unter dem Gesetz steht; und nach Hutter und König ist die contritio derjenige Teil der Buße, in dem das Gesetz wirksam ist, während im anderen Teil, der fides, bereits 162 163 164

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Schein, Ihr lieben Trauerleut (Str. 2,4). Vgl. anon., Mein junges Leben hat ein End (Str. 4,3), zit. Anm. 154. Niedling, Von Herzen ich mich freue (Str. 2,5–8): „ein verletzt Gewissen, | Das quält mich Nacht und Tag, | Daher mein Augen fliessen | Von Thränen: dir ichs klag.“ Vgl. Schein, In Fried und Freud ich fahr dahin (Str. 3,3): „Mit Threnen netzet ich mein Nest“. Anon., O Jesu, wie lässt du so lang* (Str. 1): „O Jesu! wie läst du so lang | mich in dem Eitlen qvälen / | indem die Sünd mir machet bang / | als wolt sie mich entseelen. | Die Welt / der Teuffel / sammt der Höll | bemühen sich / zu stürtzen schnell | mich hin in ihr Verderben.“ Vgl. Weissel (?), Wenn meiner Seelen bange wird* (Str. 1), zit. Anm. 161. Vgl. anon., Mein junges Leben hat ein End (Str. 5,3f): „Alle meine Sünde vnd Missethat | klagen mich hefftig an“; Flittner, Ach was soll ich Sünder machen (Str. 1): „ACH! was sol ich Sünder machen? | Ach! was sol ich fangen an? | Mein Gewissen klagt mich an, | Es beginnet auff zu wachen. | Dies ist meine Zuversicht: | Meinen JESVM laß ich nicht.“ Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 11,1f). Vgl. ähnlich anon., Auf meinen lieben Gott trau ich in Angst und Not (Str. 2,1f): „Ob mich mein Sünd an ficht, | will ich verzagen nicht“ (Fassung Nürnberg 1611: „Ob mich der Todt anficht“); Schein, Lass dir, o mein Herr Jesu Christ (Str. 5,1–4): „Ob mich nun schon mein Sünd anficht / | Weil niemand rein | Für GOtt kan seyn / | Wil ich drumb nicht verzagen“. Vgl. Rist, Es nahet sich der letzte Tag (Str. 6), zit. S. 311; zum ‚Streit‘ von Fleisch und Geist vgl. S. 223. Anon., O Jesu Christ, wahrer Gottessohn* (Str. 2,1). Berckenmayr, O Herr, bis du mein Zuversicht (V. 13). Rist, Es nahet sich der letzte Tag (Str. 7,5), im Zusammenhang zit. S. 311. Vgl. Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Str. 2,1.3): „Mein Sünd mich werden krencken sehr, […] Denn jr sind viel wie Sandt am Meer“; Walliser, Am End hilf mir, Herr Jesu Christ (Str. 2,1f): „Wann schon gleich meinr Sünd seind so vil | wie Sand am Vfer Smehren“; anon., °O Herre Gott, ich klage dir (kath. Sterbelied bei Corner 1631, Str. 12,1): „Mein Sünd seynd groß wie Sand am Meer“; im Passionslied: Gerhardt, °O Welt, sieh hier dein Leben (Str. 4,1–3): „Ich, ich und meine Sünden, | Die sich wie Körnlein finden | Des Sandes an dem Meer“.

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die Heilszusage des Evangeliums greift.173 In der Tat empfindet der Angefochtene auch im Sterbelied immer wieder „des Gesetzes Fluch“.174 Die contritio äußert sich nicht zuletzt in der Sorge, angesichts der großen Zahl der Sünden vor Gott nicht bestehen zu können: „hab doch der Sünd so viel gethan / | hab sorg ich werd vor Gott nicht bestahn.“175 d) Trost in der Anfechtung Der Gegenbegriff zur ‚Anfechtung‘ ist der ‚Trost‘; die Anfechtung selbst besteht in der Abwesenheit des Trostes, wie Simon Dachs bange Frage zeigt: „Sol ich ohn Trost erkalten, | Die Sünde lässt mir keine Ruh“176. Als Vermittler des Trostes in Anfechtung wird häufig der Heilige Geist erbeten;177 in der Lutherübersetzung wird der johanneische ½̧̝̬̘̦̣̯̫̭ als „Tröster“ wiedergegeben (Joh 14,16.26; 15,26; 16,7). Dass die Bitte um den Beistand des Heiligen Geistes zum Standardrepertoire vieler ‚Bitten um ein seliges Ende‘ gehört, hat hierin seinen tieferen Sinn. Auch bei Schottelius wird deutlich, dass die Bitte um Trost sich insbesondere auf die Gewissensnot bezieht: „Wann tod und hell mich plagen | Und mein gewissen nagen, | So gib mir trost und krafft“178. Dass der Trost im Glauben liegt, ist dabei offensichtlich. Der Glaube – seinerseits eine Gabe des Heiligen Geistes – ist es umgekehrt auch, der durch die Anfechtung torpediert und ins Wanken gebracht wird; und der Glaube ergreift als zweiter Schritt der Buße nach der contritio das Wort des Evangeliums. Als Trost dient der Glaube einerseits als fides qua creditur, als Glaubens- oder Vertrauensakt selber, andererseits – als fides quae creditur – durch den Glaubensgegenstand. Als ‚fides qua‘ ist der Glaube etwa in der Schlussbitte von Luthers Mitten wir im Leben sind im Blick: „las uns nicht entfallen von des rechten glaubens trost.“179 Hier liegt im Glauben selbst der Trost; er ist freilich durch den Kontext christologisch bestimmt. Als Trost spendender Glaubensgegenstand kommt zum einen die Auferstehung der Toten, zum anderen das Christusgeschehen in Frage. In Heermanns Erzähllied Wohlauf, mein Herz, ermunter dich, das in N-1654 den

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Vgl. Hutter, Comp. 15,9: „Woher kan und sol wahre Reu und Leid über die Sünde genommen werden? Allein auß dem Gesetz / welches eigentliche Summa und Ampt ist / die Sünde zu straffen und anzuklagen.“ König, Theol. pos. 3,532: „Contritio est actus poenitentialis prior, quo homo peccator legis fulmine perculsus, & irae divinae sensu percitus, ob admissa secundum DEUM tristatur & expavescit, illaque serio detestatur & odit“. Vgl. Schein, In Fried und Freud ich fahr dahin (Str. 3,5): „Der Fluch des Gsetzes schrecket mich“; Dach, Ich bin ja, Herr, in deiner Macht (Str. 4,5), zit. S. 306; M. Franck, Kein Stündlein geht dahin (Str. 6,2), zit. S. 306 Anm. 137. Anon., Ich weiß nicht, wann ich sterben muss* (Str. 1,3f). Dach, In dieser meiner letzten Not (Str. 1,4f). Vgl. Backmeister, O Herr, gedenk in Todespein (Str. 2,4–7): „Und wann an meinem ende | Geschrecket wird und schwach mein muht | So stärcke mich dein theures blut / | Den Trostgeist / HErr / mir sende.“ Anon., Ach wie soll mir geschehen (Str. 9,1f; der Kranke spricht): „Dein reichen Trost mir schreibe | Ins Hertz, heiliger Geist.“ Schottelius, °Ist, Jesu, es dein Wille (Str. 3,1–3). Luther, Mitten wir im Leben sind (Str. 3,12).

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Sterbeliedern zugeordnet ist, gibt einer der gemarterten Brüder dem bösen König Antiochus Auskunft über seinen Sterbetrost (vgl. 2Makk 7,14): 10. […] Diß ist / spricht er / in Todes=Noht mein Trost: Ich hoff / es werde Gott vns wider aufferwecken. 11. Er werd vns zu der Herrlichkeit der Außerwehlten führen: Von dir vnd deiner Qual befreit / mit Himmels=Klarheit zieren.180

Der in großer äußerer Bedrängnis gemeuchelte jüdische Märtyrer wird im Kontext der Sterbelied-Rubrik zum Vorbild für ein unangefochtenes Sterben: Der erwarteten inneren Anfechtung des Liedrezipienten durch Sünde und Gewissen entspricht in der Logik der Erzählung der äußere Feind Antiochus, über dessen Brutalität der Auferstehungsglaube des Delinquenten triumphiert. Häufiger als der Auferstehungsglaube ist es allerdings der Christusglaube, auf den sich die Rede vom Trost in der Anfechtung durch Sünde, Tod und Hölle bezieht; Trost ist zuallermeist eine dezidiert christologische Kategorie. Im Abschnitt VI. wird dies noch zur Sprache kommen. Gegeneinander abzuwägen bleibt die Frage der Wertigkeit von Reue einerseits und Trost andererseits für das Ideal des seligen Endes. Diesbezüglich sind im Anschluss an Luise Klein zwei Traditionen zu unterscheiden: Die eine entspricht einer pastoralen Anweisung für Besuche bei Sterbenden. Ziel der Seelsorge ist es demzufolge, Reue zu wecken und dadurch Buße zu ermöglichen, damit keine Sünde ungebüßt bleibt und dem Kranken letztlich zum Verderben wird. Daher wird nicht von Anfechtung gesprochen, sondern nur von contritio und Sündenerkenntnis als heilsnotwendigem Schritt. Im Interesse des Kranken wird sie eher noch unterstützt – im Sinne einer Infragestellung des Kranken, die im äußeren Ablauf der Befragung durch den Priester entspricht. Beispielhaft hierfür ist nach Klein Gersons Opus tripartitum (1408). – Einer zweiten Tradition zufolge liegt in diesem Vorgehen eine Gefahr: Die memoria peccatorum führt leicht zur Verzweiflung und gefährdet damit das Seelenheil des Kranken. Es kommt vielmehr darauf an, ihm ein getrostes Sterben zu ermöglichen, indem er die unterschiedlichen Anfechtungen durch entsprechenden Trost zu parieren lernt. Typischerweise geschieht dies in Form einer Reihe von Anfechtungen, die nacheinander bearbeitet und besiegt werden, etwa in der schon erwähnten Bilderars (um 1450/60).181 In diese Tradition gehört auch Luthers Sterbesermon: Die hier 180

181

Heermann, Wohlauf, mein Herz, ermunter dich (Str. 10,8–11,4). Bei Marschalch, °Herr Jesu Christ, das ist mein Trost (Str. 6,1–4) heißt es über den Gedanken an die Auferstehung: „Das ist die rechte Artzeney | Auß Himlscher Apoteke, | So wehrt des Tods Melancholey | Sampt Hellenangst vnd schrecken.“ Vgl. Klein, Bereitung, 14–16; vgl. 37: „Die ‚recta contritio‘ entsteht nicht aus der ‚memoria peccatorum‘, die allein nur zur Verzweiflung führt, sondern aus der Liebe zu Christus.“ Vgl. zur Bilderars Rudolf, Ars moriendi, 69–74.

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genannten Anfechtungen – Tod, Sünde und Hölle, dieselben wie in Mitten wir im Leben sind – müssen deshalb bekämpft werden, weil sie bewirken, dass der Mensch im Sterben „gottis vorgesse“ und also im letzten Moment „vngehorsam“ werde.182 Wie die genannten Beispiele dieses Abschnitts zeigen, sind auch in den untersuchten Liedtexten beide Tendenzen zu finden, Anfechtung oder Reue einerseits, Trost andererseits. Das Ideal scheint dabei aber fast durchweg im Gefolge Luthers auf Seiten des Trostes zu liegen: Ein ‚seliges Ende‘ kann demnach nur ein getrostes Sterben sein. Die Mahnung zu Buße und Sündenerkenntnis ist zwar ein wesentlicher und notwendiger Bestandteil der Sterbebereitung, bezieht sich aber nicht auf die Todesstunde selbst. An den Bitten um ein bestimmtes ‚Empfinden‘ lässt sich der Unterschied darlegen: Eine Bitte wie „Laß uns empfinden Reu und Schmertz“183 ist für die Bereitung im Leben, nicht für die Todesnot formuliert, in der sich die Gewissensqual ganz unaufgefordert und von selbst einzufinden pflegt. Für diesen Zeitpunkt muss die Bitte lauten: „Laß mein gewissen auch entpfinden | das ich rein sey von meinen sünden“184, wie es ein Lied proleptisch formuliert; oder mit Johann Niedling, der die Sprechsituation in der Todesnot selbst ansiedelt: 5. […] Hilff meiner armen Seelen, Wenn sie jetzt scheiden sol: Laß mich mein Sünd nicht quälen, Damit ich fahre wol 6. Zu dir ins himlisch Leben, Da auß ich Gnad für Sünd, Die du mir hast vergeben, Die ewig Freud empfind.185

Das freudige Empfinden über die Vergebung ist hier zwar in den Himmel verlegt; aufschlussreich ist aber der Satz: „Laß mich mein Sünd nicht quälen, | Damit ich fahre wol“. Damit ist zum einen gesagt: Gott kann die Gewissensqual zulassen und beenden; letztlich ist er es, der das heilsentscheidende ‚Empfinden‘ kontrolliert. Und zum andern: Das Ende der Gewissensqual ist erforderlich, damit das Ich ‚wol fahren‘, also gut sterben kann. Viele weitere Beobachtungen sprechen für die These vom Vorrang des Trostes vor der Sündenerkenntnis in der Sterbestunde. Die häufige Formel ‚Ich will nicht verzagen‘ oder ‚Lass mich nicht verzagen‘ versucht in der Anfechtung durch die Sünde der Verzweiflung einen Riegel vorzuschieben.186 Manche Begräbnislieder enthalten 182 183 184 185 186

Vgl. Luther, Sermon von der Bereitung zum Sterben (WA 2, 687). Runge, Dein Wort gib rein in unser Herz (Str. 1,3). Berckenmayr, Ach Herr, bis du mein Zuversicht (Str. 5,1f). Niedling, Von Herzen ich mich freue (Str. 5,5–6,4). Vgl. Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Str. 2,1.4): „Mein Sünd mich werden krencken sehr, […] | doch wil ich nicht verzagen“; Walliser, Am End hilf mir, Herr Jesu Christ (Str. 2,1–4): „Wann schon gleich meinr Sünd seind so vil | wie Sand am Vfer Smehren, | Dennoch ich nit verzage[n] will, | du würst mich noch erhören“; anon., Herr Jesu Christ, du treuer Hort (Str. 2,5f): „Mein Sünd mich krencken Nacht vn[d] tag, | ach tröst mich, das ich nicht verzag“; anon., Mein junges Leben hat ein End (Str. 5,3–5): „Alle

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einen narrativen Sterbebericht – wohl auch als Exempel für die Nachfolgenden –, in dem die Sündenanfechtung zunächst stark betont187 und dann auf flehendes Bitten hin beendet188 oder schlicht mit Hilfe der christologischen Erlösungsbotschaft überwunden wird,189 um den Kranken schließlich getröstet sterben zu lassen.190 Die These trifft auch auf das Lied Wer in guter Hoffnung will zu, von dem die Betrachtung der Sündenanfechtung ausging und mit dem der Bogen wieder geschlossen werden soll: Wer selig sterben oder, in den Worten Herberts, „in guter hoffnung wil | von hinnen verscheiden“191, sollte sich durch Buße und Besserung des Lebens rechtzeitig bereiten. Die contritio hat ihren Platz im Leben, nicht im Sterben; kommt die Anfechtung erst in der Todesnot, kann das nach Herbert sogar bedeuten, dass die Sünde „zu spat gerewet“192. Die meisten Lieder für die Todesnot nehmen eine solche Option allerdings gar nicht in den Blick. Entscheidend ist letztlich, dass der Sterbende „in guter hoffnung“ und „getrost“ dahinfährt und dass Gott ihm die „betrübnis“ des gequälten Gewissens in „ein frölich gemüt“ wendet.193 Mit einem seelischen Erleben von Not in der Todesstunde, sprich: mit der Anfechtung ist zu rechnen; aber zu einem seligen Ende muss der Trost das letzte Wort behalten.

4. Ergebung in Gottes Willen und Commendatio animae In Kreuz und Anfechtung ist dem Menschen die Ergebung in Gottes Willen empfohlen; für die Todesnot als äußerste Anfechtung gilt das in besonderer Weise. In vielen Liedern wird die zum Ideal des seligen Endes gehörende ergebene Haltung mit bestimmten Formeln deklariert und so durch einen sprachlichen Akt hergestellt. Oft

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meine Sünde vnd Missethat | klagen mich hefftig an. | Dennoch wil ich verzagen nicht“. Weitere Beispiele vgl. S. 313 Anm. 167. Vgl. Ziegenspeck, Ade, ich muss dich lassen (Str. 4): „Zwar fand sich angst vnd schmertze, | Weil ich ein sündlich Kind, | Da brechen wolt mein Hertze; | Gethan hab ich viel Sünd, | Sprach ich, das thut mich nagen, | Ist mir ein schwere Last. | Sollst drümb nicht gar verzagen, | Sagt bald meins Hertzens Gast.“ Vgl. Schein, In Fried und Freud ich fahr dahin (Str. 2–3, hier Str. 2): „Ach Gott im Elend war mir bang / | Nach Trost ich seufftzet sehr / | Dieweil es wäret eben lang / | Nam zu je mehr vnd mehr / | Mein Sünde giengen vbr mein Häupt / | So schwer / wie eine Last / | Die Angst der Hellen mich sehr kneupt / | Ich hatt kein Ruh noch Rast.“ Vgl. Schein, In Fried und Freud ich fahr dahin (Str. 6): „Gar weit warff er mein Sünd zurück / | So druckten mich zuvorn / | In einem kleinen Augenblick | Vergessn war all sein Zorn / | Er sprach zu mir: Fürcht dich nicht mehr / | Du hast gefunden Gnad / | Hettst du gestrauchelt noch so sehr / | Dir solches doch nicht schadt.“ Vgl. Ziegenspeck, Ade, ich muss dich lassen (Str. 5), die Trostrede des ‚Herzensgastes‘ (Str. 4,8) bzw. Heiligen Geistes: „JESUS hat dich erlöset | Vom Feind, Todt, Hell vnd Sünd; | Sein Blut hat Er geflösset | Vor alle Adams=Kind. | Vor dich ist er gestorben, | Hat dir Gnad, Heil vnd Frewd, | Das Ewig Lebn erworben: | Des tröst dich in deim Leid.“ Vgl. Ziegenspeck, Ade, ich muss dich lassen (Str. 6): „Diß mich Krancken ermeyet [erfreut] | In meiner Noth so tieff, | Mein zagend Hertz erfrewet. | JESU, seufftzend ich rieff, | Du wollst mich nicht verlassen, | Dein bin ich, Du bist mein: | Führ mich die rechte Strassen, | Führ mich zum Leben ein.“ Herbert, Wer in guter Hoffnung will (Str. 1,1f). Herbert, Wer in guter Hoffnung will (Str. 3,4). Herbert, Wer in guter Hoffnung will (Str. 1,1.3; 17,2; 18,1); vgl. die Ausführungen zum ‚freudigen‘ Sterben ab S. 335.

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gerät bei dieser formelhaften Vorgehensweise gar nicht ausdrücklich in den Blick, dass der Begriff der ‚Ergebung‘ zunächst eine Unterscheidung zwischen dem eigenen und dem göttlichen Willen impliziert, die eben im Akt der Ergebung zugunsten des Letzteren aufgegeben werden muss; diese Akzentsetzung entspricht dem Ziel, den Widerstand des eigenen Willens zu verneinen und sich ganz auf den Willen Gottes zu konzentrieren: „nicht wie ich will, sondern wie du willst“ (Mt 26,39). Das Vorbild Christi, der sich in sein Leiden fügt, steht dabei stets im Hintergrund, auch wenn es oft nicht eigens erwähnt wird; sprechend ist in diesem Zusammenhang die Rede vom ‚Kreuz‘ für die innerweltliche Leid- und Anfechtungserfahrung des Menschen, die nicht nur in der Gesangbuchrubrizierung,194 sondern auch in der theologischen Literatur195 ihren festen Ort hat. Auch als Explikation der dritten Vaterunserbitte lassen sich die Texte lesen. Gelegentlich äußert das Ich einen eigenen Willen, der mit dem Willen Gottes nicht deckungsgleich ist und darum zunächst mit ihm in (ggf. verdeckten) Konflikt gerät. In aller Regel wird dieser Eigenwille schließlich überwunden; im Verlauf des Untersuchungszeitraums tritt das Motiv aber immer häufiger auf. Die Güte von Gottes Willen wird dabei nicht in Frage gestellt, sondern besonders hervorgehoben, etwa mit Hilfe der Lehre von der Providenz. Die existenziellen Nöte in der Auseinandersetzung mit dem zunächst als unerbittlich erlebten und dann für gut erklärten Gotteswillen lassen sich aufgrund solcher tröstlichen Argumentationsmuster nur erahnen; deutlicher werden sie etwa in Scheins Trauerliedern artikuliert (vgl. S. 441). Heinrich Alberts Lied °Der raue Herbst kommt wieder zeigt die Nähe zwischen Sterbebereitschaft und Ergebung. Es entstand im Herbst 1648 anlässlich des Todes einer Königsberger Ratstochter; die Sprechsituation ist aber zwischen allgemeiner Vergänglichkeitsbetrachtung und Todesmahnung angesiedelt. Die Reihe von Naturbildern ist teils der herbstlichen Entstehungszeit entnommen; die „Rose“ verweist auf das jugendliche Alter der Verstorbenen (vgl. S. 177). Die Bildreihe präseniert hier nicht (nur) verschiedene Exempel der Vergänglichkeit (vgl. S. 178), sondern ausdrücklich „stumme Lehrer“ der Ergebung: 2. Du, GOtt und HErr der Zeiten, Wilst, daß wir uns bereiten Zu unsrer wahren Ruh; Stets zeigst Du dein Gemüte, Schickst uns aus milder Güte Auch stumme Lehrer zu: 3. Ein Gräschen wil uns sagen, Ein Blat uns vor=wil tragen, Was unsre Pflicht sol seyn: Wir sollen GOtt dem HErren

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Üblicherweise in der bei Eichorn 1558 geprägten Kombination ‚Vom Kreuz, Verfolgung und Anfechtung‘. Vgl. Hutter, Comp. 24 („De cruce et consolationibus“); König, Theol. pos. 3,932–944 („De cruce“).

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Stets Thür und Thor auffsperren, Wann Er kehrt bey uns ein. 4. Die Rose lässt sich brechen, Wird niemals wiedersprechen Des Garten=HErren Hand; Der Apffel, zu geniessen, Fällt selbs zu deinen Füssen, Lässt willig seinen Standt: 5. Vnd du, Mensch, wolst nicht eben Dich deinem GOtt’ ergeben? Was ist dein gröster Ruhm? Daß Er dich hat erschaffen, Geziehrt mit Glaubens=Waffen Zu seinem Eigenthum.196

Es ist eher ungewöhnlich, dass zur Ergebung in Gottes Willen so ausführlich aufgefordert wird; typisch ist eher die Aufforderung zur Sterbebereitung, während die Ergebung meist direkt von einem Ich erklärt wird. Dieser Akt gehört freilich zu den Standardbausteinen der Sterbelieder. Das Thema Ergebung ist allerdings nicht auf den Kontext der Todesnot und auch nicht auf die Sterbelieder beschränkt; daher werden zu Beginn parallele Kontexte und einige Lieder genannt, die oft nicht eindeutig zu den Sterbeliedern, aber doch zum typischen Liedbestand im Zusammenhang mit dem Thema Ergebung gehören (a). Die Terminologie und sonstige typische Ausdrucksformen für die Ergebung in Gottes Willen werden im darauffolgenden Teilabschnitt untersucht (b). Dem theologischen Fragekomplex nach der Güte des Gotteswillens und der Providenz ist ein weiterer Teilabschnitt gewidmet (c). Ein der Ergebung verwandter Akt ist schließlich die so genannte Commendatio animae (d), bei der die Seele in Gottes Hand befohlen wird (vgl. Ps 31,6); der Vorstellungsbereich, dem sie zugehört – die Gottes- bzw. Christusbeziehung als Eigentumsverhältnis –, wird an späterer Stelle noch behandelt (vgl. S. 393). a) Ergebung in Gottes Willen: Kontexte und Liedbestand Die Ergebung in Gottes Willen ist eine Grundhaltung, die dem Christen im Verständnis des frühneuzeitlichen Luthertums nicht nur im Sterben, sondern auch im Leben geboten ist, nämlich in jeder Erfahrung von Leid, von ‚Kreuz‘ und Anfechtung. Entsprechend prominent ist das Thema auch in den diesbezüglichen Gesangbuchrubriken vertreten (‚Von Kreuz, Verfolgung und Anfechtung‘). Auch ‚In gemeiner Noth‘, etwa in den Pestliedern, wird den Christen nahe gelegt, sich unter die Rute des göttlichen Zorns zu fügen, wie sie sich in den äußeren Nöten von Krieg, Hunger und Seuchen zeigt.197 Für die Krankheitslieder hatte sich die 196 197

Albert, °Der raue Herbst kommt wieder (Str. 2–5). Vgl. Ringwaldt, Ach lieben Christen trauret nicht (Str. 7), zit. S. 285.

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Bereitschaft als charakteristisch erwiesen, aus Gottes Hand beides anzunehmen: Leben oder Sterben (vgl. S. 290). Im Zusammenhang mit Tod und Sterben sind zwei Kontexte der Ergebung in Gottes Willen zu unterscheiden, einerseits der eigene Tod, mit dem der Gedanke aus den Krankheitsliedern fortgeführt wird, andererseits der Tod eines Angehörigen; im einen Fall ist die Sprechsituation die Todesnot, im anderen die Trauer. Da der erstere Fall – Ergebung in den eigenen Tod – der häufigere ist, soll die Ergebung in den Willen Gottes an dieser Stelle behandelt werden; Besonderheiten des zweiten Falles werden im Kapitel über die Begräbnislieder noch bedacht. Die Ergebung in den eigenen Tod wird manchmal schon zu einem Zeitpunkt bekundet, zu dem der Lebenswille des Ich noch erkennbar ist und zu dem sein Leben noch nicht ans Ende gekommen scheint. So kann auch die büßerische Bitte um ein gottgefälliges, besseres Leben schließlich mit der Erklärung der Sterbebereitschaft abgeschlossen werden – für den Fall, dass Gott den Tod bereits will.198 In den meisten Beispielen fehlt die Bitte um Verlängerung des Lebens; die Ergebenheit besteht darin, dass die von Gott bestimmte ungewisse Todesstunde geduldig erwartet wird, ganz gleich, ob sie noch fern oder schon nah scheint: „Mein zeit vnnd stund ist wenn Gott will“199. Die Angleichung des eigenen an den göttlichen Willen muss jedenfalls darin bestehen, dass alles ‚Widerstreben‘ (so ein häufiger Reim auf ‚ergeben‘) gegen das Sterbenmüssen aufgegeben wird.200 An seine Stelle kann dann entweder der Wille Gottes treten und gleichsam den freigewordenen Platz im menschlichen Streben einnehmen; oder der Mensch stimmt in den Willen Gottes aktiv ein und eignet sich ihn an, indem er ihn zu seinem eigenen macht und den Tod mit positiven Affekten wie Sehnsucht (im Voraus) und Freude (im Sterben selbst) besetzt. Dieser eigene Wille kann sich in der umgekehrten, nun positiven Bewertung des Sterbens schließlich so weit verselbständigen, dass die geduldige Ergebung, wenn von ihr denn überhaupt noch die Rede ist, sich eher als Bezwingung des Sterbe- denn des Lebenswunsches äußert.201 Diese Verselbständigung ist jedoch eher ein Merkmal von jüngeren Liedern. In den älteren Liedern gilt das Gegenteil: Ergebung in Gottes Willen bedeutet hier die Aufgabe alles eigenen Wollens, an dessen Stelle die göttliche Fügung gesetzt wird. In einer Reihe von Liedanfängen wird das schon syntaktisch ausgedrückt, indem Gottes Wille, Schickung, Vorsehung oder Wohlgefallen dem eigenen Streben des Ich vorangestellt werden; dies eigene Streben folgt der göttlichen Vorgabe seinerseits dann nicht nur syntaktisch, sondern auch inhaltlich.

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Vgl. anon., Dieser Leib, den du geschaffen* (Str. 6): „Was die jugend hat versäumet / | Soll das alter bringen ein / | Wenn mich nur der tod nicht räumet | Auß der welt ins grab hinein: | Sollt es aber ja so gehen / | HErr! so mag dein will geschehen.“ Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 2,1). Vgl. unten S. 323 Anm. 220. Vgl. anon., Die Zeit geht an, die Jesus hat bestimmt* (Str. 9): „Jedoch / damit ich dir nichts schreibe für / | So will ich gern und willig bleiben hier: | Biß kömmt die zeit / in welcher ich als braut | Dir meinem GOtt und bräutgam werd getraut.“

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes Ambrosius Blarer Anon. Albrecht von Preußen Caspar Bienemann Anon.

Wie’s Gott gefällt, so gfällt’s mir auch °Wie mir’s Gott schickt, so nehm ich’s an Was mein Gott will, das gscheh allzeit Herr, wie du willt, so schick’s mit mir Hat’s Gott versehn, wer will es wehrn

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(Zürich 1562202) (Nürnberg 1550) (Nürnberg 1554) (o. O. 1582) (Nürnberg 1597)

Offenbar sind die programmatischen Liedanfänge dieser Form eher charakteristisch für Lieder aus dem 16., nicht mehr aus dem 17. Jahrhundert. Die Texte gehen meist auch auf das eigene Sterben ein, drücken aber sonst eine grundsätzliche Haltung aus, die sich aufs Leben wie aufs Sterben beziehen kann. Entsprechend variabel ist ihre Rubrizierung: Was mein Gott will, das gscheh allzeit ist zwar häufig den Sterbe- und Begräbnisliedern zugeordnet, oft aber auch den Liedern ‚Vom christlichen Leben und Wandel‘ oder gelegentlich den Pest- oder Trostliedern.203 Das ursprünglich oberdeutsche Lied Wie’s Gott gefällt, so gfällt’s mir auch wird nur in einigen Württemberger Gesangbüchern als Sterbelied geführt, während es in den meisten Gesangbüchern unter den Liedern ‚Von Kreuz, Verfolgung und Anfechtung‘ auftaucht.204 Herr, wie du willt, so schick’s mit mir findet sich recht häufig unter den Sterbeliedern, Hat’s Gott versehn, wer will es wehrn nur in L-1627a. °Wie mir’s Gott schickt, so nehm ich’s an ist nirgends unter den Sterbeliedern vertreten, in einigen Dresdner Gesangbüchern aber unter den Pestliedern. Das Verspaar „Wer Gott vertrawt, | hat wol gebawt“, in dem die Ergebung zum Vertrauen in die Güte des göttlichen Willens führt und das zwei Verse aus dem Lied Was mein Gott will, das gscheh allzeit variiert,205 wird verschiedentlich als Motto hervorgehoben: Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut (Erfurt 1572) als Liedanfang und in Frischauf, mein Seel, verzage nicht (Dresden 1593) als Kehrreim. Gerade diese beiden Lieder weisen ihrerseits eine ähnlich uneinheitliche Rubrizierung zwischen Sterbe-, Kreuz- und Trostliedern auf wie die genannten Lieder von der Ergebung in Gottes Willen, einschließlich des Ursprungsliedes Was mein Gott will, von dem Frischauf, 202 203

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Wackernagel vermutet noch einen Beleg aus dem Jahr 1526 (W III 651.). Rubrizierung von Was mein Gott will, das gscheh allzeit: ‚Vom Tod und Sterben‘, ‚Vom Begräbnis‘ o. ä.: L-1605/1616/1627a; L-1627b/45; L-1682; Go-1648; T-1665/69; S-1691. ‚Vom christlichen Leben und Wandel‘ o. ä.: N-1599/1607/37/54; N-1677/90; Lü-1625; L-1638; S-1688. Pestlieder: D-1608/25/56/76/78. Trostlieder: S-1704. Rubrizierung von Wie’s Gott gefällt, so gfällt’s mir auch: Begräbnislieder: S-1691. ‚Von Kreuz, Verfolgung und Anfechtung‘: L-1627a; L-1627b/45; L-1638; L-1682; N-1599/1654; D-1656. Trostlieder: N-1653. „Klag= und Trost=Lieder in Creutz und Anfechtung“: N-1677/90. Glaubenslieder: T-1665. Albrecht von Preußen, Was mein Gott will, das gscheh allzeit (Str. 1,8–10): „Wer Gott vertrawt, | fest auff jn bawt, | den wil er nicht verlassen.“ Vgl. anon., Auf meinen lieben Gott (Str. 2,3f): „Auff Christum will ich bawen | vnd jhm allein vertrawen“. Auf meinen lieben Gott ist, wie die meisten der in diesem Abschnitt genannten Lieder (vgl. Anm. 203.204.206), ein Beispiel für die unterschiedliche Verortung des Komplexes Not–Ergebung–Vertrauen im Gesangbuch. Den zahlreichen Belegen als Sterbelied (vgl. die ausdrücklichen Bezüge zum Sterben in Str. 3) stehen andere Rubrizierungen gegenüber, v.a. unter den Anfechtungsliedern. Rubrizierung von Auf meinen lieben Gott: Sterbe- und Begräbnislieder: N-1617/26/37/54; D-1625/56/76/78; L-1627b/45; L-1638; Lü-1640/59; T-1665/69; B-1658/66/1703; F-1666. Krankheit und Sterben: N-1653. Trostlieder: S-1704. Kreuz, Verfolgung und Anfechtung: N-1607; Lü-1625; L-1627a; L-1682. „Klag= und Trost=Lieder in Creutz und Anfechtung“: N-1677/90 u. a.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

mein Seel auch die Melodie übernimmt.206 Ähnliche Übernahmen von griffigen, formelhaften Versatzstücken aus dem Text sind bei dieser Gruppe von Liedern häufiger zu beobachten.207 Ihre sentenzhaften Ergebungsformeln und programmatischen Anfänge sind als Zitatpool zur weiteren Verarbeitung offenbar besonders geeignet. Programmatisch sind auch die Anfänge einiger verwandter Lieder, in denen die Ergebung als bereits geschehen proklamiert wird: Anon. Johannes Leon Johannes Leon Johann Siegfried Johann Michael Dilherr

°Ich hab mein Sach zu Gott gestellt Ich hab mein Sach Gott heimgestellt Ich hab mich Gott ergeben Ich hab mich Gott ergeben °Ich hab mein Sach Gott heimgestellt

(o. O. 1554) (Nürnberg 1589) (Erfurt 1624 und früher209) (Altenburg 1625) (Nürnberg 1653)

Auch in diesen Fällen wird dasselbe Material immer wieder aufgegriffen und als Ausgangspunkt für ein neues Lied verwendet. Das erstgenannte dieser Lieder kommt zwar recht häufig vor, aber nirgends unter den Sterbe-, allenfalls unter den Pestliedern (D-1608/25). Leons Ich hab mein Sach Gott heimgestellt gehört dagegen mit 35 Belegen zu den am häufigsten genannten Sterbeliedern, während das von Dilherr nur einige Male in anderen Rubriken auftaucht. Der zweite Vers lautet in der alten Fassung: „der wirts wol machen wie es jm gefelt“, bei Leon: „er machts mit mir, wies jm gefellt“, bei Dilherr: „Der machs mit mir, wies ihm gefällt“.209 Alle drei Lieder besitzen eine je unterschiedliche Strophenform; trotzdem scheint es evident, dass hier bekanntes Material immer wieder verwendet wurde. Ähnliches gilt auch 206

207

208

209

Rubrizierung von Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut: Sterbe- und Begräbnislieder: L-1616/27a; S-1691. Glaubenslieder: T-1665. Kreuz, Verfolgung und Anfechtung: L-1627b/45; L-1682. „Klag= und Trost=Lieder in Creutz und Anfechtung“: N-1677 u. a. Rubrizierung von Frischauf, mein Seel, verzage nicht: Begräbnislieder: Go-1648. Kreuz, Verfolgung und Anfechtung: L-1627a; L1627b/45; L-1638; L-1682; N-1599/1607/37/54; D-1656. Trostlieder: N-1653. „Klag= und Trost=Lieder in Creutz und Anfechtung“: N-1677/90 u. a. So wird der Anfang des Liedes Herr, wie du willt, so schick’s mit mir von Ämilie Juliane von SchwarzburgRudolstadt in ihrem Sterbelied Wer weiß, wie nahe mir mein Ende aufgegriffen (Str. 4,1–4): „Laß mich bey zeit mein Hauß bestellen, | Daß ich bereit sey für und für | Und sage frisch in allen Fällen: | Herr, wie du wilt, so schicks mit mir.“ Auch wenn die verschiedenen Fassungen des Liedes erst seit 1624 belegt sind (W IV 715.; W V 667.), ist das darin verarbeitete Material älter: zwei Strophen desselben Anfangs aus Leons Trostbüchlein (1611 und früher; vgl. W IV, S. 509) und drei Strophen aus dem anonymen Lied Christus der ist mein Leben (Jena 1609, vgl. W V 665.) usw. Die in vielen Gesangbüchern angegebene Autorschaft Leons trifft also nur für die ersten beiden Strophen zu, die von einem späteren Redaktor mit den drei anderen verbunden wurden. Vgl. ähnlich anon., Wie mir’s Gott schickt, so nehm ich’s an (Str. 1,5): „Er machts mit mir, wies jhm gefelt“; Timäus, Wenn mein Gesundheit leidet Not (Str. 2,1f): „Gott machs mit mir, wies Ihm gefellt, | Ich hab mich Ihm ergeben“; anon., Ich muss jetzt allzeit trauren* (Str. 4,5): „mach dus mit mir / wie dirs gefällt“. – Vgl. Helmbold, °Von Gott will ich nicht lassen (Str. 3,5–8): „Im sey es heim gestelt, | mein Leib, mein Seel, mein leben | sey Gott dem Herrn ergeben, | er schafft, wies jhm gefellt.“ Was ihm gefällt, wird gemäß der Lehre von der Providenz (vgl. u. ab S. 326) in der folgenden Strophe ausschließlich als das expliziert, „was mir nützlich ist“. Das Lied ist trotz weitreichender Berührungspunkte mit den Sterbeliedern nirgends in der Rubrik enthalten, in den Dresdner Gesangbüchern aber als Pestlied (entsprechend der Angabe im Originaltext Nürnberg 1569: „In sterbens leufften tröstlich zu singen“, vgl. W V 904.) und im Gebetbuch zu Lü-1661, 190, auf einer Liste mit 14 Liedern für Sterbende.

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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für den mehrfach verwendeten Liedanfang Ich hab mich Gott ergeben, dem liebsten Vater mein. Die beiden Lieder, als deren Autor Johannes Leon gilt, zeigen auch darüber hinaus ein Montageverfahren aus verschiedenerlei Versatzstücken: Beide sind Kompilationen aus Strophen unterschiedlicher Lieder dieses Autors oder sind in unterschiedlichen Fassungen überliefert, in die z. T. auch noch Strophen anderer Herkunft Eingang gefunden haben.210 b) Ausdrucksformen der Ergebung in Gottes Willen Bei der Deklaration der Ergebung in Gottes Willen kommen neben ‚sich ergeben‘211 viele weitere Verben zum Einsatz: ‚sich fügen‘, ‚sich drein geben‘212, ‚sich drein schicken‘213, ‚seinen Willen drein geben‘214, ‚sich in den Willen Gottes geben‘215‚ ‚sich in den Willen Gottes befehlen‘216, Gott oder seinem Willen ‚stillehalten‘217. Die entsprechende Haltung wird als ‚geduldig‘218, als ‚willig‘219 oder ‚bereit‘ charakterisiert. Die Aufgabe des dem Gotteswillen entgegengesetzten eigenen Willens kommt in der Absage an alles ‚Widerstreben‘ zum Ausdruck.220 Der Wille Gottes selbst wird auch durch knappe Formeln umschrieben („WIeß Got gefelt“, „wies jm gefellt“, „WIe mirs Gott schickt“, „HErr, Wie Du Wilt“, „Wenn mein Gott will“, „WAs mein Gott wil“221 usw.), die sich oft dadurch auszeichnen, dass sie nicht inhaltlich gefüllt sind. Genau darin sind sie Ausdruck der Ergebenheit: Sie umschreiben das von Gott Gewollte 210

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Die Herkunft der Strophen von Leons Ich hab mein Sach Gott heimgestellt wird bei Wackernagel aufgeschlüsselt (vgl. W IV 712., besonders S. 520). In fast allen Gesangbüchern wird irrtümlich D. Johannes Pappus als Autor genannt. Zu Ich hab mich Gott ergeben vgl. Anm. 208. Vgl. Leon/Siegfried, Ich hab mich Gott ergeben (Str. 1,1); Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 1,5): „seim willen thu ich mich gantz ergeben“; anon., Christus der ist mein Leben (Str. 1): „CHristus der ist mein Leben, | sterben ist mein Gewin. | Dem thu ich mich ergeben, | mit Fried fahr ich dahin.“ Vgl. Blarer, Mag ich dem Tod nicht widerstahn (Str. 1,1–3.11; 2,1f): „Mag ich dem tod nit widerstan | vnd muß ich dran, | so will ich mich drin geben.“ Vgl. Dilherr, °Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 3,4): „Wol dem, der sich nur schicket drein.“ Vgl. Dilherr, °Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 2,2): „So geb ich meinen Willen drein.“ Vgl. Rist, Herr Jesu Christ, mein Trost und Licht (Str. 3,1–3), in L-1673 als eigenes Lied In deinen Willen geb ich mich: „IN deinen Willen geb ich mich / | HErr JEsu / hilff mir gnädiglich | diß Stündlein überwinden“. Vgl. anon., Wenn dich Unglück tut greifen an (Str. 5,1f): „Trag nur Gedult im Leiden dein | vnd bfihl dich stets in Willen sein“. Vgl. Ringwaldt, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl, dass ich einmal (Str. 8,3); Ringwaldt, Ach lieben Christen, trauret nicht (Str. 7,2); Schottelius, °Ist, Jesu, es dein Wille (Str. 1,1–3): „ISt, Jesu, es dein wille, | Halt ich geduldig stille, | Daß ich sol schlaffen gehn“. Vgl. Schottelius, °Ist, Jesu, es dein Wille (Str. 1,2), zit. Anm. 217. Vgl. Homburg, Nun, mein Gott, ich bin’s zufrieden* (Str. 2,1f): „Ich wil gern und willig sterben / | wenn / mein GOtt es dir gefällt“; Albert, Zum Sterben ich bereitet bin (Str. 8,3): „Drüm[b] ich zum Tod gantz willig bin“. Vgl. Blarer, Mag ich dem Tod nicht widerstahn (Str. 1,11–2,2): „solt ich dem [nämlich der Verklärung des Leibes und all dem Guten, was dem Tode folgt] widerstreben? || Das sy von mir gantz verr vnd wyt | zu aller zit“; Albrecht von Preußen, Was mein Gott will, das gscheh allzeit (Str. 2,3f): „Was mein Gott wil, das mir geschicht, | wil ich nicht wider streben“; Weissel, Ich bin dein satt, o schnöde Welt (Str. 3,7f): „Ich wil den Geist auffgeben | Ohn alles wiederstreben.“ Vgl. auch Albert, °Der raue Herbst kommt wieder (Str. 4,1–3), zit. S. 319. Blarer, Wie’s Gott gefällt (Str. 1,1); Leon, Ich hab mein Sach (Str. 1,2); anon., Wie mir’s Gott schickt (Str. 1,1); Bienemann, Herr, wie du willt (Str. 1,1); Leon, Ich hab mein Sach (Str. 10,3); Albrecht von Preußen, Was mein Gott will (Str. 1,1).

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rein formal und ohne es zu kennen, aber im Vertrauen darauf, dass es als Wille Gottes gut ist (vgl. S. 326). Besonders konsequent wird auf dieser Haltung in dem alten Lied Wie’s Gott gefällt, so gfällt’s mir auch von Ambrosius Blarer beharrt. Jede Strophe beginnt mit den Worten „WIeß Got gefelt“: „WIeß Got gefelt, so gfelts mir ouch“; „Wies Got gefelt, ich zfriden bin“; „Wieß Got gefelt, wils gschehen lan“; „Wieß Got gefelt, so wöls ergon“; „Wieß Got gefelt, da louffts hinuß“; „Wieß Got gefelt, so nim ichs an“;222 und ebenso stereotyp kehrt in jeder Strophe der Ruf wieder: „sols sin, so siß!“223 All das geschieht in dem Vertrauen, Gott werde das Ich bewahren und schließlich gar vom Tode erretten.224 Die aus vertrauensvoller Gottergebenheit resultierende Haltung der Gleichgültigkeit gegenüber dem, was geschieht, weil es immer Gottes Wille ist, kommt besonders deutlich in der fünften Strophe zur Geltung: 5. Wieß Got gefelt, so wöls ergon in lieb vnd ouch in leide! Dahin min sach will gstellet hon, das sy mir söllent beide Glich gfallen wol, darumb mich sol ja oder nein nit schrecken: Schwartz oder wiß! sols sin, so siß! denn wirt Got gnad erwecken.225

Liebe oder Leid, Ja oder Nein, Schwarz oder Weiß – so legt das Lied es dem Sänger selbst in den Mund – sind gleichwertig und daher gleichermaßen willkommen, solange nur Gottes Wille geschieht: Der eigene geht im göttlichen Willen auf. In etwas neueren Liedern erscheint es nicht mehr ganz so unproblematisch, den eigenen und den göttlichen Willen zur Deckung zu bringen. Insbesondere im Falle von Bitten, die der Mensch aus einem bestimmten Wünschen und Wollen heraus an Gott richtet, wird fraglich, ob sie mit Gottes Willen oder Plan vereinbar sind. Für den Fall, dass sie es nicht sind (was der Mensch nicht wissen kann), hält der Sprachvorrat der Sterbelieder eine Figur bereit, die dem göttlichen Willen Vorrang vor der menschlichen Bitte einräumt, eine Art Vorbehalt in Form der Beteuerung, Gott nichts vorschreiben zu wollen: „Doch bit ichs nicht mit frechem muth, | ich stels in deinen willen“226, heißt es bei Ringwaldt; und bei Leon: „Mein zeit vnnd stund 222 223 224 225 226

Blarer, Wie’s Gott gefällt, so gfällt’s mir auch (Str. 1,1; 2,1; 4,1; 5,1; 6,1; 8,1). Blarer, Wie’s Gott gefällt, so gfällt’s mir auch (Str. 1,10; 2,9f; 3,9; 4,9f; 5,9; 6,9; 7,9; 8,9). Vgl. Blarer, Wie’s Gott gefällt, so gfällt’s mir auch (Str. 8); vgl. Str. 1,7: „Got wirts zu letst wol richten“. Blarer, Wie’s Gott gefällt, so gfällt’s mir auch (Str. 5). Ringwaldt, °O Herr, dein Ohren neig zu mir (Str. 8,1f); vgl. Ringwaldt, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl, dass ich einmal (Str. 8,1–4): „Jedoch ich dich nicht lehren wil, | noch dir mein end beschreiben, | Sondern dir allweg halten still, | bey deinem Wort verbleiben“. Ein jüngeres Beispiel, das in umgekehrter Richtung funktioniert (das Ich bittet um den Tod und stellt dann diese Bitte unter Vorbehalt) vgl. S. 320 Anm. 201.

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ist wenn Gott will, | ich schreib jhm nicht vor maß vnd ziel“227. In diesem Sinne ist auch der ‚doppelte Ausgang‘ der Krankheitslieder zu verstehen, die um Genesung bitten, aber zugleich die Bereitschaft zu sterben signalisieren, falls Gott dies denn schon will (vgl. S. 290). Noch deutlicher treten göttlicher und menschlicher Wille in einer weiteren Variante auseinander, die in der Entwicklung wiederum ein wenig später einzusetzen scheint und nun insbesondere die Sterbelieder betrifft: Gottes Wille ist hier kein mutmaßlicher oder verborgener mehr, sondern dem Menschen ist – anders als in den vorigen Beispielen – bereits eindeutig erkennbar, dass er nach Gottes Willen sterben soll. Dem setzt er zunächst noch Widerstand entgegen; dann fügt er sich im Akt der Ergebung. Das Lied Ach wie soll mir geschehen (Altenburg/Leipzig 1613) bildet einen solchen Prozess beispielhaft ab, indem es den kranken Menschen strophenweise im Wechsel mit Christus zu Wort kommen lässt. Während ihm sein Abschied von der Welt anfangs „nicht gefellt“ und der Gedanke daran sein „Hertze krencken“ muss, vollzieht er in der letzten Strophe die Ergebung: „Ich ergeb mich nun willig drein“.228 Einen tatsächlichen Unterschied zwischen menschlichem und göttlichem Willen zeigt auch das Beispiel aus Christoph Knolls Lied Herzlich tut mich verlangen: 3. Wenn gleich süß ist das Leben, der Todt sehr bitter mir, Wil ich mich doch ergeben zu sterben willig dir.229

Der Tod erscheint dem Menschen auch dann noch bitter, nachdem er erkannt hat, dass er sterben soll. Im Akt der Ergebung ordnet er sich diesem erkannten Willen Gottes dennoch unter. Das geschieht häufig auch ausdrücklich deshalb, weil im Erleiden des zeitlichen Todes das kleinere Übel gegenüber der unendlichen Gottverlassenheit des ewigen Todes erkannt wird. Diese Prioritätensetzung zeigt sich etwa in manchen Gebeten, die mit der Bereitschaft, nach Gottes Willen alles Leiden zu erdulden, entsprechende Bitten verbinden: „Nur wie du wilt / geschehe mir / | Doch laß mich nicht verderben“230. In einem letzten Schritt kommen göttlicher und menschlicher Wille wieder zur Deckung – aber nicht mehr in dem oben beschriebenen Sinne, dass der menschliche im göttlichen aufgeht und in gleichmütig-passivem Erdulden der göttlichen 227

228 229

230

Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 2,1f). Vgl. anon., Wenn dich Unglück tut greifen an (Str. 6,1–3): „Nicht setz jhm für Ziel oder Maß, | denn er weiß wol wie, wenn odr was | Dir nützlich ist zu dieser Frist“; ähnlich bei Schein für die Trauer um einen Angehörigen: Stellt ein eur Klag und Weinen (Str. 2,1–4): „Richt euch nach Gottes Willen / | Denselben zu erfüllen / | Was wolt ihr widerstreben / | Gott Ziel vnnd Masse geben?“ Anon., Ach wie soll mir geschehen (Str. 1,6; 3,3; 11,3). Gefundene Belege: Lü-1625, N-1637. Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Str. 3,1–4). Der innere Widerstand bildet einen gewissen Kontrast zu der in Str. 1 ausgedrückten Sterbesehnsucht (vgl. dazu S. 339). Rist, O Gott, der du mit großer Macht (Str. 13,3f); ähnlich Dach, Wenn Gott von allem Bösen (Str. 5,5–8): „Doch wil ich alles leiden, | Wenn du, O GOtt, nur nicht | Dich wollest von mir scheiden | Mit deinem Angesicht.“

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Schickung harrt. Vielmehr bleibt eine aktive eigene Haltung zum Willen Gottes erkennbar, die nun aber inhaltlich mit ihm übereinstimmt. Im Sterbelied äußert sich diese Übereinstimmung in positiven Affekten zum eigenen Ende, etwa in der Freude. Das Ende wird zum guten Ende, indem der Mensch selbst es bejahen kann und nicht wider seinen Willen sterben muss. Johann Olearius hat deshalb an der allzu schmerzlichen Formulierung des Sterbeliedes O Welt, ich muss dich lassen Anstoß genommen, das ihm zufolge „von einer Person gemacht worden / so umb ihrer Mißhandlung willen einen gewaltsamen Todt erleiden / und die sündliche Welt endlich wieder ihren Willen hat verlassen müssen“. Weil es sich daher „gar nicht ohne allem Unterscheid auff aller Leute Zustand schicket“, hat er es zu einer Fassung umgedichtet („tröstlich wiederholet“), in der der mahnende einem freudigen Charakter gewichen ist: Gottlob, die Welt ich lasse.231 Mehr noch als in der Freude über das Sterben wird in der Sehnsucht nach dem Sterben die selbständige Regung des eigenen Willens erkennbar. In der Sehnsucht nach Jesus als dem Geliebten wird aus der Ergebung der Wunsch nach gegenseitiger Hingabe: „Kom[m] / JEsu! gib dich mir / | Dir will ich mich ergeben“232. Auf beide, Freude und Sehnsucht, wird zum Abschluss des Kapitels über das subjektive Erleben des Todes noch eingegangen. c) Providenz: Von der Güte des göttlichen Wollens und Tuns Getragen ist die Ergebung in Gottes Willen von dem Vertrauen, dass dieser Wille gut ist – nicht nur für sich selbst genommen, sondern auch für den Menschen: Oft wird auf die biblische Aussage angespielt, dass Gott keinen Gefallen am Tod des Sünders habe (vgl. Ez 18,23; 33,11), dass er diesen Tod nicht wolle.233 Ganz grundsätzlich heißt es in den älteren Liedern von der Ergebung in Gottes Willen: „WAs mein Gott wil, das geschehe allzeit, | sein wil der ist der aller beste“, oder: „HErr, Wie Du Wilt, so schicks mit mir […], denn dein Will ist der beste.“234 Johann Olearius führt ein Jahrhundert später in seinen Kinderbegräbnisliedern aus: Was Gott will und was Gott tut, ist allein dadurch gut, dass er es ist, der es will und tut. Eines der Lieder beginnt: „WAs GOtt thut / das ist recht und gut in allen Sachen | solts auch dem Hertzen noch so schwere Sorge machen“235. Genau darum ist es auch ein Trost, 231

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Alle Zitate: Olearius, Geistliche Singekunst, 1422; im untersuchten Material ist das Lied in N-1677/90 (einschließlich der zitierten Erläuterung aus der Geistlichen Singekunst) und in Lü-1695/1702 vertreten. Anon., O Jesu, wie so lang* (Str. 6,1f). Vgl. Blarer, Ein Freud ist’s dem gläubigen Mann (Str. 13): „‚So war ich leben‘ [sic], schweret Got, | ‚mir ist nit wol ans sünders tod, | das er ewig verderbe: | Min wille ist, das er nun sich | zu mir beker vnd ewigklich | das leben von mir erbe.‘“ Selnecker, Herr Jesu Christe, Gottes Sohn (Str. 2,4): „des Sünders Todt wilstu ja nicht“; Herbert, Wer in guter Hoffnung will (Str. 15,3): „Wilt je nicht des sünders tod, | drumb thu dich erbarmen.“ Grünewald, Es woll ihm Gott genädig sein (Str. 3,6f): „Er hat nicht lust ans Sünders Tod, | Noch daß er jhn soll schmecken“; Sacer, Bis hieher ist mein Lauf vollbracht (Str. 16,1–3): „GOtt wil ja nicht des Sünders Todt, | Ihm jammert hertzlich unser Noht: | Wie solt er mich doch hassen?“ Albrecht von Preußen, Was mein Gott will, das gscheh allzeit (Str. 1,1f); Bienemann, Herr, wie du willt, so schick’s mit mir (Str. 1,1.7). Olearius, Was Gott tut, das ist recht und gut in allen Sachen (Str. 1,1f); einziger gefundener Beleg: L-1673. Vgl. ähnlich Olearius, °Was Gott tut, das ist gut; beide Lieder stammen aus der Geistlichen Singekunst (Leipzig 1671). Vgl. Heermann, Gottlob, die Stund ist kommen (Str. 9,6, zit. S. 327) sowie zwei Lieder, von denen jede Strophe mit der Sentenz „Was Gott thut, das ist wolgethan“ beginnt: Altenburg, °Was

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wenn das Ich sich in einem anderen Kinderbegräbnislied desselben Autors erinnert: „Gott lob / was mir geschicht / das hat mein Gott gethan!“236 In der Dogmatik wird solches Vertrauen in die göttliche Fügung begründet in der Lehre von der Providenz.237 Sie besagt zum einen, dass Gott alles weiß, was geschieht, und zwar im Voraus; zum anderen, dass all dies von ihm nicht nur vorhergesehen und -gewusst, sondern auch durch seinen Plan und Ratschluss selbst festgesetzt und bestimmt ist; zum dritten, dass es nach der Planung letztlich auch durch seine Lenkung und Regierung in die Tat umgesetzt wird; und zum vierten, dass Gott in alledem für alle Kreatur, insbesondere aber für das Heil seiner Auserwählten Vorsorge trägt, sie bewahrt und beschützt, so dass alles, was geschieht, zu ihrem Besten dient (vgl. Röm 8,28238). Wie tief die Lehre von der Providenz mit allen Aspekten der göttlichen Vorsehung, Fürsorge und Regierung in das Schaffen der Lieddichter des 17. Jahrhunderts hineinreicht, hat Elke Axmacher anhand von Paul Gerhardts °Befiehl du deine Wege exemplarisch gezeigt.239 Auch in vielen Texten der hier untersuchten Auswahl wird die Zusage der Providenz in das Leben und Sterben des Einzelmenschen hinein gesprochen, etwa in Heermanns Gottlob, die Stund ist kommen: 9. GOtt zehlet alle Stunden; Er schlägt vnd heilet wunden, Er kennet Jederman. Nichts ist jemalß geschehen, Daß er nicht vor gesehen, Vnnd waß er thut, ist recht gethan.240

Dass Gott den Menschen kennt – „Er kennet Jederman“ –, ruft er ihm in einem Heinrich Held zugeschriebenen Lied gar selbst als Begründung dafür zu, im Leid standhaft zu sein: „halt aus / weil ich dich kenn“! Mit diesem Ruf korrespondiert der

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Gott tut, das ist wohlgetan, kein einig Mensch ihn tadeln kann (Nordhausen um 1635); Rodigast, °Was Gott tut, das ist wohlgetan, es bleibt gerecht sein Wille (1675). Olearius, °Was Gott tut, das ist gut (Str. 2,4). Vgl. Hutter, Comp. 7,2–3: „Providentia Dei est talis actio, quâ Deus non tantùm nudè omnia scit, quae fiunt & geruntur, tum bona, tum mala: sed etiam quâ res à se conditas sustentat & conservat: praecipuè autem salvandorum salutem procurat: actiones hominum bonas praecipit, juvat, promovet: malas prohibet, & detestatur: easque vel impedit; vel ita permittit, ut tamen ratione finis eas dirigat, etiam contra voluntatem Diaboli & impiorum, ad suam gloriam, & Electorum salutem. […] Providentia autem praeter notitiam rerum, etiam efficacem earum curam, dispositionem & ordinationem complectitur.“ König, Theol. pos. 1,250: „[Providentia] omnia tria haec ½̷̴̬̟̩̮̥̩, ½̷̡̬̤̮̥̩ & ̛̠̥̫̦̣̮̥̩ complectitur“ [d.i. Vorherwissen, Vorherbestimmung und Durchführung]; 1,251: „Esse aliquam Dei providentiam, seu curam rerum creatarum, patet inter alia ex dictis, Ps 139,7.8.9.10 [etc.]“; 1,260: „Specialissimum autem objectum ejus sunt homines pii & fideles“. Mit barocker Antithetik ist der Gedanke aus Röm 8,28 zugespitzt bei Dach, Was soll ein Christ sich fressen (Str. 9): „Bedenckt was dort geschrieben, | Vns, die wir Gott recht lieben, | Nutzt alles Creutz und Pein, | Das Leid muß vnsre Wonne, | Der Regen vnsre Sonne, | Der Todt das Leben seyn.“ Vgl. J. Franck, Jesu, meine Freude (Str. 6,4–6): „Denen, die Gott lieben, | Muß auch jhr betrüben | Lauter zucker seyn.“ Vgl. Axmacher, Providenz, 117–126. Heermann, Gottlob, die Stund ist kommen (Str. 9).

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Ruf beim Namen nach Jes 43,1.241 Gottes persönliche Kenntnis von jedem Menschen wird häufig durch die Versicherung beschrieben, dass die Haare gezählt seien (vgl. Mt 10,30; Lk 12,7): „Es seind gezelt all härlein mein, | beyd groß vnd klein, | fellet keines on den willen sein.“242 Die Aussage, dass kein Haar fallen könne, ohne dass Gott es wolle (vgl. Lk 21,18),243 führt über die bloße Kenntnis des Menschen durch Gott hinaus. Es zeigt zudem, dass nichts von dem, was dem Menschen geschieht, nicht schon vorher durch Gottes Willen und Ratschluss festgelegt ist. Bei Heermann heißt es: „Nichts ist jemalß geschehen, | Daß er nicht vor gesehen“ (s. o.), in anderen Liedern: „es gschicht dir nichts on wille[n] sein“244, „es geschicht mir nichts on gfehre“245 usw. Am Ratschluss der Vorsehung etwas ändern zu wollen, wäre müßig: „Was Got fursehen hat einmal, | wer kan das anderst machen?“246 „Hats Gott versehn, wer wil es wehrn?“247 Der eigentliche Trost der Lehre von der Providenz liegt aber darin, dass Gott nicht nur weiß, plant und veranlasst, was geschieht, sondern dass er damit eben zu Wohl und Nutzen des Menschen agiert. Gott weiß, was dem Menschen nützt; und gerade in dem, was er geschehen lässt, setzt er es um und sorgt damit für den Menschen: „Es thut jm nichts gefallen | denn was mir nützlich ist“248. Auch wenn dem Menschen das angesichts seiner leidvollen Erfahrung „wunderlich“ vorkommen mag, ist die schwere göttliche Fügung keine „arge List“, sondern väterliche Fürsorge. Auf Pest, Hunger, Krieg und Krankheit bezogen, bedeutete das, die konkrete äußere Not als Züchtigung mit der Rute des liebenden Vaters zu verstehen, der seine Kinder vor dem ewigen Verderben schützen will (vgl. S. 283). Seine verstorbene Frau Sidonia lässt Schein im Rückblick auf ihr Leiden erkennen, dass Gott sich nur „zornig stellt“249:

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Held, Hör, mein herzliebes Seelichen* (Str. 1,1f): „Hör mein hertzliebes Seelichen / | Gott rufft: halt aus / weil ich dich kenn“; vgl. Str. 3,1–4 „O schließ es fest in deinen Sinn / | daß ich ja dein Erlöser bin / | der dich geruffen hat mit Nahmen / | von welchen dir viel Güter kamen“. Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 2,3–5). Vgl. anon., Wenn dich Unglück tut greifen an (Str. 7,1): „All Haar deins Heupts gezehlet seynd“; Schein, Trau deinem lieben Gott (Str. 1,5f): „all deines häuptes härelein | bey ihm genau gezehlet seyn“; Dach, Was stehn und weinen wir zuhauf (Str. 3): „Wir sind ja Vögeln vorzuziehn, | Nun fällt kein Sperrlingk hin ohn Ihn, | Wofern die Schrifft nicht fehlet; | Nach der Er gar | Auch selbs das Haar | Auff vnser Häuptern zehlet.“ Vgl. Timäus, Wenn mein Gesundheit leidet Not (Str. 2,5–7): „Kein Haar fellt mir von meinem Häupt, | Es sey denn, daß es Gott erläubt, | Doch alls zu meinem besten.“ Schein, Ich heul und wein in meiner großen Not (Str. 11): „Ach Herr / ach Herr / | Dein Will gescheh allzeit / | Von dir kömmt her / | Es sey Frewd oder Leid / | All vnsre Härelein | Bey dir gezehlet seyn / | Keins fället ab vom Häupt / | Du hast es denn erleubt.“ Dach, Was soll ein Christ sich fressen (Str. 2): „Ohn Gott vermag vns allen | Kein Härchen zu entfallen, | Kein Finger weh zu thun, | Er kan nicht mehr als wachen | Für seiner Herde Sachen | Wie vormals so auch nun.“ Anon., Wenn dich Unglück tut greifen an (Str. 2,4). Anon., Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, was widerstrebt (Str. 1,4–11): „Ohn meinen Gott sie [die Welt] nichts vermag | mit jhrer Plag, | es geschicht mir nichts on gfehre: | Hat es denn Gott | in seinem Rath | also mir bstelt, | ey wies jhm gefelt, | nur das ichs mög ertragen.“ Blarer, Wie’s Gott gefällt, so gfällt’s mir auch (Str. 3,3f). Anon., Hat’s Gott versehn, wer will es wehrn (Str. 1,1). Helmbold, °Von Gott will ich nicht lassen (Str. 4,1f). Schein, Sei fröhlich, meine Seele (Str. 3,7); vollständiges Zitat vgl. Anm. 254.

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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2. Ich zag nicht in meim Schmertzen / Den mir Gott aufferlegt / Er meynts doch nicht von Hertzen / Wenn er gleich wol zuschlägt / Wir seynd nichts desto minder Sein trawte liebe Kinder / Drumb wil ich halten aus In seinen Vater Armen / Er wird sich mein Erbarmen / Sein Hertz lan brechn heraus.250

Allgemeiner gefasst, sind es vor allem Verweise auf das gute Regiment Gottes, die nicht nur die Lieder von der Ergebung in Gottes Willen, aber gerade diese wesentlich prägen: „6. Nicht setz jhm für Ziel oder Maß, denn er weiß wol wie, wenn odr was Dir nützlich ist zu dieser Frist, Er braucht an dir kein arge List.“251 „1. HErr, vnser Gott, wenn ich betracht Dein ewiges regieren, Vnd wie durch deine wundermacht Du mich pflegst offt zu führen, Verwundert sich mein hertz vnd spricht: HErr, deiner weißheit recht gericht Ist Sonnenklar zu spüren.“252 „2. […] Gott hat so lang gesorgt für mich, Wird ferner auch nicht endern sich. 3. Er weiß, was mir ist nutzbarlich: Obs gleich offt gehet wunderlich […]“253

„Sonnenklar zu spüren“ ist das wundersame Regiment Gottes dort, wo statt Anfechtung Bewahrung erfahren wird; anderswo mag nicht nur die gute Absicht nicht erkennbar sein, sondern sogar der Eindruck entstehen, Gott habe als Deus absconditus im Zorn sein Angesicht verborgen (vgl. Jes 54,8). Bei Simon Dach heißt es: „Jetzt hält er sich verborgen, | Als wiss’ er nichts vmb dein Beschwer“254; der Konjunktiv verrät aber, dass dem nicht so ist, dass Gott, der Lehre von der Providenz 250

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Schein, Sei fröhlich, meine Seele (Str. 2). Vgl. Dach, Gott herrschet und hält bei uns Haus (Str. 4,5–7): „Er züchtigt, als ein Vater, dich, | Jedoch mus seine Gnade sich | Nicht darumb von dir scheiden.“ Anon., Wenn dich Unglück tut greifen an (Str. 6). Thilo, Herr unser Gott, wenn ich betracht (Str. 1). Dilherr, °Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 2,3–3,2). Dach, Gott herrschet und hält bei uns Haus (Str. 3,2f). Vgl. Schein, Sei fröhlich, meine Seele (Str. 3,5–10): „Wenn er sich schon verborgen / | Lest mich ein wenig sorgen / | Vnd sich gar zornig stellt / | Bald wend er meinen Schaden | Mit ewigen Genaden / | Jedoch wenns ihm gefellt.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

entsprechend, das Leid des Menschen sehr wohl kennt.255 „HAstu denn, Jesu, dein Angesicht gäntzlich verborgen“, beginnt Ahasver Fritsch die Zwiesprache zwischen der Seele und Jesus in einem Lied, in dem er auch auf Jes 54,7 zurückgreift: „Und ich empfinde, daß du mich ein Zeitlang verlassen“. Jesus selbst gesteht hier sogar zu, „Daß ich ein wenig zu lange bin aussen geblieben“ – ähnlich dem Bräutigam in Mt 25,5 –, um gleich darauf – hier in Form einer individuellen Liebeserklärung des Bräutigams – die Unverbrüchlichkeit seiner Heilszusage zu betonen: „Weistu denn nicht, | Wie ich mich habe verpflicht, | Liebste! dich ewig zu lieben?“256 Zum Trost in der Gottverlassenheit und in der Erfahrung des Gotteszorns gehört nicht nur bei Fritsch, sondern häufig auch bei anderen der Hinweis, dass dieser Zustand zeitlich begrenzt ist, dass die vermeintliche oder tatsächliche Abwesenheit Gottes gar nur einen kleinen Augenblick währt,257 auch wenn sie dem Herzen vielleicht unerträglich lange erscheint.258 Ähnliche tröstliche Erinnerungen finden sich neben Jes 54,7 auch in Ps 30,6; Jes 10,25; Joh 16,16; Hebr 10,37. Gerade in der Zeit der Anfechtung erneuern die Lieder ihren Rezipienten die Zusage, dass sie ihnen zum Besten dient, auch wenn ihnen der Nutzen verborgen ist und das Leid womöglich übermächtig scheint. In diesem Fall gilt immer noch das in vielen Liedern genannte tröstliche Prinzip, dass Gott keinem Menschen mehr Leid auferlegt, als er tragen kann, da er ja stets ein gutes Ende mit ihm anstrebt: „Denn er legt mir ja nicht mehr auf, | Als mein Hertz kan ertragen“259. Dieses Prinzip wird ebenso auf das in einer aktuellen Krankheit erlittene Leid angewandt260 wie auf das überstandene Leid eines Verstorbenen, der damit als standhafter, aufrechter und zugleich besonders frommer und gottgefälliger Mensch gerühmt werden kann.261 255 256

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Vgl. ausdrücklich z. B. Wenn dich Unglück tut greifen an (Str. 2,3): „Denn Er weiß all das Vnglück dein“. Fritsch, Hast du denn, Jesu, dein Angesicht gänzlich verborgen (Str. 1,1; 3,2; 2,2; 2,3–5). Die dialogische Form der Zwiesprache zwischen Christus und der gläubigen Seele war in der geistlichen Dichtung ein beliebtes literarisches Schema (vgl. außerdem: anon., Ach wie soll mir geschehen als Dialog des Kranken mit Christus; Ritzsch, Der frömmste Mensch, ja Gottes Sohn, Str. 3, als Dialog mit dem Gekreuzigten), das auch in der geistlichen Musik gerne aufgegriffen wurde (vgl. Blankenburg, Einfluss, 82f zu Hammerschmidts Dialogi oder Gespräche zwischen Gott und der gläubigen Seele, Dresden 1645, und Bachs Dialogkantaten BWV 32, 49, 57, 58, 60 und 66). Vgl. Schein, Sei fröhlich, meine Seele (Str. 3,1–4): „Der Herr hat zwar verlassen | Mich ein klein Augenblick / | Will mich darumb nicht hassen / | Wers Leiden noch so dick“. Vgl. Schein, Sei fröhlich, meine Seele (Str. 4,1–4): „O wie war mir so bange | Im Creutz nach Gottes Trost / | Meim Herzten dauchts sehr lange / | Briet gleich als auff eim Rost“. Timäus, Wenn mein Gesundheit leidet Not (Str. 9,1f). In Krankheitsliedern: Wegelin, Ach Gott, lass dein Heil kommen her* (Str. 3,1–5): „Drum wil ich auch itzt deine Zucht | Gehorsamlich ertragen: | Allein mein Hertz auch dich ersucht / | Wöllst mir nit mehr aufladen / | Als Fleisch und Blut erdulten kan“; Sacer, Gott, du suchst mich mit Krankheit heim (Str. 8,1–4): „Mein Trost ist, daß Gott bleibt getreu; | Er wird mir so auflegen, | Daß meine Last erträglich sey, | Nicht über mein Vermögen.“ Vgl. Gerhardt, °Nun, du lebest, unsre Krone (Str. 4–5): „Gott weiß wohl, was wir vermögen, | Vnd wie starck die Schulter sey, | Da Er will sein Creutz hinlegen. | Dessen Huld und Vatertrew | Hat auch dir die schwere Last, | Die du außgestanden hast, | Vber dein Häupt lassen gehen. | Wer viel kan, muß viel außstehen. || Wärst du einer aus dem Orden, | Denen Hertz und Muth entfällt, | Wenn sie nur berühret worden | Von des rauhen Vnglücks Kält: | Ey so würde nimmermehr | Ein so grosses Jammer-Herr [sic] | Gott der Gäber aller Gaben | Vber dir verhenget haben.“ Anon., Nunmehro ist vollendet* (Str. 3,1–6): „Ich ward zwar sehr betrübet / | wann ich ansah das / was mich liebt? | Doch wer sich GOtt ergiebet / | demselben er auch Kräffte giebt / | zu setzen aus dem Hertzen | das / was ihm angenehm.“

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Dass das Unerträgliche der Kreuzes- und Leidenslast erträglich wird, lässt sich auch explizit christologisch begründen;262 der Providenzgedanke stellt diesen Bezug meist nicht ausdrücklich her. Dennoch sind es häufig gerade dieser Gedanke und das ihm entspringende Vertrauen, die die Ergebung in den trotz allem Leid als heilsam geglaubten Gotteswillen auch in der Todesnot erleichtern. d) Commendatio animae (Ps 31,6; Lk 23,46) Ein sprachlicher Akt, der zum Grundrepertoire fast aller Sterbegebete gehört und dem der Ergebung strukturell ähnlich ist, ist die so genannte ‚Commendatio animae‘. Eine typische Formulierung ist die von Nicolaus Selnecker: 1. HERR Jesu Christ, in deine hend befehl ich an meim letzten end Mein Seelichen, nimb dus zu dir vnd es zu deinem Vater für.263

Noch stärker als die Ergebung in Gottes Willen ist die Commendatio animae durch geprägte Formeln bestimmt, die ebenfalls auf das Vorbild Christi zurückgehen, nämlich auf eines von Jesu letzten Worten am Kreuz (Lk 23,46; vgl. Ps 31,6264); mit ihm befiehlt er seinen Geist in die Hände des Vaters. Das Verb ‚befehlen‘ (oder ‚anbefehlen‘) hat innerhalb der biblischen Erzählung wie auch im Psalter (dqp hif.) und in den Liedtexten eine performative Qualität: Indem das Verb in der ersten Person laut gesprochen wird, wird der Akt der Commendatio vollzogen. Jesu letztem Wort verwandt sind die Gebete des Elia (1Kön 19,4; vgl. S. 342) und des Stephanus (Apg 7,59), die beide auch als Leichtexte Verwendung fanden (vgl. S. 616). War es bei der Ergebung der eigene Wille, der Gott hingegeben wird, so ist es nun die Seele (oder der ‚Geist‘), deren Trennung vom Leib den Augenblick des zeitlichen Todes markiert (vgl. S. 482). Während die Ergebung in Gottes Willen noch zur Phase der Vorbereitung auf das Sterben gehört, ist der Akt der Commendatio streng genommen gleichbedeutend mit dem eigentlichen Ende, wie an dem Ausdruck ‚den Geist aufgeben‘ ablesbar ist.265 Freilich muss die Äußerung dieses Akts dem Zeitpunkt des Todes faktisch vorausgehen, wenn sie noch möglich sein soll. Das Ich stellt sich auch im Gebet darauf ein, schon bevor die Todesstunde eintritt.266 Zur ‚Bitte um ein seliges Ende‘ gehört eine entsprechende vorausgreifende Bitte oft 262

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Olearius, Herr Jesu, deine Traurigkeit („XXIII. Auß dem unbarmhertzigen Aufflegen und Tragen deß Creutzes“): „WIe schwer war doch die CreutzesLast / | die du für mich getragen hast / | HErr Jesu / weil du bey mir bist / | wird leicht was unerträglich ist.“ Selnecker, Herr Jesu Christ, in deine Händ (Str. 1). Vgl. Selnecker, Allein nach dir, Herr Jesu Christ (V. 17f): „Ach meyn Herr Jesu Christe, | meyn sehele nimb in deyne hende.“ Frölich, Ein Würmlein bin ich, arm und klein (Str. 6,1f): „Drauff will ich nu befehlen dir | mein Seel in deine Hende“. Die Stelle ist auch als Text für Leichenpredigten (vgl. S. 577) und Sarginschriften (vgl. Sörries, Erlöser, 94) beliebt. Vgl. anon., O Welt, ich muß dich lassen (Str. 1,4). Vgl. Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Str. 1,5–7): „Mein Seel an meinem letzten end | befehl ich dir in deine Hend, | du wolst sie mir bewahren.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

hinzu.267 In einem weiteren Sinne umgreift der Akt des ‚Anbefehlens‘ das Leben und das Sterben gleichermaßen.268 Ganz wörtlich genommen, fällt die Übergabe der Seele an Gott jedoch mit der Trennung von Leib und Seele, also mit dem Moment des Todes, zusammen. Deutlich wird das etwa in Meyfarts Jerusalem, du hochgebaute Stadt, wo die Übergabe der Seele in „Gottes trewe Hände“ die ersehnte „schönste Stund“ des Todes bezeichnet (vgl. S. 490). In anderen Texten wird die Todesstunde quasi präsentisch ‚inszeniert‘, die Commendatio animae zur letzten Handlung des Sterbenden stilisiert und ganz ans Ende gesetzt.269 Eine postmortale Commendatio animae, stellvertretend vollzogen durch die Angehörigen, begegnet in manchen Begräbnisliedern.270 Über die Vorstellungen, die den weiteren Weg der Seele betreffen, wird noch zu berichten sein (vgl. S. 483). In einer erweiterten Fassung der Commendatio wird ungeachtet der Trennung nicht nur die Seele, sondern auch der Leib in Gottes Hand befohlen271 (andere Lieder tragen der Trennung dergestalt Rechnung, dass sie den Leib der Erde anbefehlen,272 vgl. S. 510). Damit vollzieht die Commendatio eine Rückerstattung der Gaben des Schöpfers an ihren Ursprung: Leib und Seele sind von Gott empfangen273 und werden ihm in der Commendatio als einem Akt der Übereignung zurückgegeben. Die Commendatio gehört damit in den Kontext jener Vorstellungen, die den Trost im Sterben aus einer als Eigentumsverhältnis gedachten Gottesbeziehung folgern (vgl. Hld 2,16; 6,3; Röm 14,7; vgl. S. 393). Bildlichen Ausdruck findet diese tröstliche Vorstellung in der Rede von der Bewahrung in Gottes „Händen“ (Ps 31,6; vgl. Weish 3,1). Mit barocker Gründlichkeit zu Ende gedacht, führt das Verständnis der Commendatio als geradezu juristisch verstandener Übereignungsakt zu einer Sprachform, die

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Vgl. Anon., Komm, o Jesu, wie so lange* (Str. 5,1–4): „Gib mir doch ein selig ende / | Und nimm meine arme seel | Auff in deine gnaden=hände / | Dahin ich sie dir befehl“. Schein, Laß dir, o mein Herr Jesu Christ (Str. 1,1–4): „LAß dir / O mein HErr JEsu Christ / | Die Seele mein Befohlen seyn / | Wenn ich von hinn muß scheiden“. Schein, Mach’s mit mir, Gott, nach deiner Güt (Str. 1,4–6): „Wenn sich mein Seel wil scheiden / | So nimm sie HErr / in deine Händ / | Ist alles gut / wenn gut das End.“ Rist, O Gott, der du mit großer Macht (Str. 13,1f): „Herr / meinen Geist befehl’ ich dir | Im Leben und im Sterben“. Diese und die folgende Str. finden sich in L-1673 auch als eigenes, separates Lied. Vgl. anon., Meine Kraft ist hin, dann ich elend bin* (Str. 19): „Nun / HErr / ich befehl / | itzund meine Seel / | deiner Gnaden Händ / | nimb sie auff mit Freuden / | und sie zu begleiten / | deine Engel send.“ Vgl. Schein, Ich will still und geduldig sein (Str. 11,1–4): „In dessen ich dein Seelelein | Befehl in Gottes Hände / :/: | O allerliebstes (Söhnelein) Töchterlein / | Zu ewigr Frewd ohn Ende“. Vgl. Selnecker, O Herre Gott, in meiner Not (Str. 1,3–6): „Mein Leib vnnd seel ich dir befehl | in deine hend, dein Engel send, | Der mich bewar, wenn ich hinfar | von dieser Welt, HERR, wenn dirs gefelt.“ Bienemann, Herr, wie du willt, so schicks mit mir (Str. 3,5–7): „Mein Leib vnd Seel befehl ich dir, | O HErr, ein seligs End gib mir | durch Jesum Christum, Amen.“ Schein, Hin ist des Lebens Zeit (Str. 7,1–4): „Hiermit zu Gott ich wend: | Herr Christ ich dir befehle / :/: | In deine Gnaden Händ / | Mein Leib vnd meine Seele.“ Vgl. anon., Hier lieg ich armes Würmelein und schlaf (Str. 1,3–6): „Mein leib bescheid ich dieser Erd, | biß er widr aufferwecket werd, | Mein Selichen geb ich dir, HErr Christ, | das mit deim Blut besprenget ist.“ Vgl. Schalling, Herzlich lieb hab ich dich, o Herr (Str. 2,1–3): „Es ist ja, Herr, dein gschenck vnd gab | mein leib vnd Seel vnd was ich hab | inn disem armen leben“; Rist, O Gott, der du mit großer Macht (Str. 1,1–4): „O Gott der du mit grosser Macht / | beherrschest Todt und Leben / | der du zur Welt uns hast gebracht / | ja Seel’ und Leib gegebe[n]“. Vgl. auch Anm. 277.

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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vor allem im 17. Jahrhundert274 immer wieder auftaucht: zur Form des ‚Testaments‘. Als „Testament eines Christen“ ist etwa das Lied Ich hab Bescheid, zu scheiden von der Welt von Magnus Daniel Omeis (Nürnberg 1673) überschrieben;275 keine Belege im untersuchten Material gab es für °O Jesu, liebster Schatz („Das richtigste Testament eines gläubigen Christen“, Leipzig 1658). Der Gedanke, dass der Mensch vor dem Tod nach dem Vorbild des Königs Hiskia ‚sein Haus bestellen‘ (Jes 38,1), also seine äußere, zeitliche Hinterlassenschaft ordnen und verbliebene Schuldigkeiten regeln muss (vgl. S. 573), wird unmittelbar auf die Person des Sterbenden selbst übertragen. Entsprechende Verfügungen betreffen also nicht nur sein „Gutt“, sondern auch „Leib“ und „Seel“: 7. An meinem letzten end sey diß mein Testament: Mein Gutt sol andern werden, mein Leib gehort der Erden, Mein Seel thu ich bescheiden ins Himmelreich mit frewden.276

Anders als im zitierten Beispiel von Behm ist der Übereignungsakt des ‚Anbefehlens‘ meist ausdrücklich an Gott gerichtet, mit der oben schon angedeuteten Begründung, dass das Ich ja nicht nur Leib und Seele, sondern überhaupt alles aus Gottes Hand empfangen hat;277 es ist also nur rechtens, wenn er dies alles zurück erhält. Neben Leib und Seele werden vor allem die Angehörigen häufig Gott anbefohlen, nicht nur im ‚Testament‘, sondern überhaupt in Liedtexten (vgl. dazu S. 422) und analog dazu in den Sprechhandlungen am Sterbebett, wie sie in Leichenpredigten

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Bei Ringwaldt (Frankfurt/O. 1588) ist die Rede vom ‚Testament‘ noch auf die Sterbebereitung außerhalb des Liedes bezogen: Das Ich bittet darum, dass es genug Zeit bekommt, seine materiellen und sozialen Angelegenheiten zu ordnen, vgl. Ringwaldt, °Hilf mir, Herr Jesu, weil ich leb (Str. 12): „Damit ich fein vor meinem endt | verordnen müg mein Testament | Vnd jederman mit gut bedacht | im glauben geb ein gute Nacht.“ In Thalhaimers Gott sei globt, ich empfinde wohl wird angesichts des nahenden Todes die in 20 Strophen gebotene „Summa deß Christlichen Glaubens“ als „Geistlich Testament“ bezeichnet, also als eine Art geistliches Vermächtnis in Form eines persönlichen Glaubensbekenntnisses. Textvorlage des Liedes, das aus Der Geistlichen Erquickstunden […] Poetischer Andacht=Klang stammt, ist die 81. Betrachtung aus Heinrich Müllers Erquickstunden. Die oben genannte Überschrift findet sich auch bei beiden gefundenen Belegen; im Originaldruck steht daneben das Zitat aus Jes 38,1: „Bestell dein Haus; du must sterben.“ Behm, Ich armer Erdenkloß (Str. 7). Vgl. anon., °O Jesu, liebster Schatz (Str. 1,5–8): „Leib, Seel und was ich hab, | Hab ich von dir allein; | Du bist mein HERR, ich bin | Todt und lebendig dein.“ Vgl. Magdeburg, Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut (Fassung Eisleben 1598, Str. 2,1–6): „Ich befehl dir | alls was du mir | auß gnaden hast gegeben, | Hertz, sinn vnd muth, | leib, ehr vnd gut, | darzu mein gantzes leben.“ Ämilie Juliane von SchwarzburgRudolstadt, O du dreieinger Gott (Str. 5): „So lang allhier ich leb | Und wenn ich werd entschlaffen, | Geb ich, GOtt Vater! dir | Das, was du hast erschaffen; | GOtt Sohn! das du erlöst, | Das geb ich wieder dir; | GOTT heilger Geist! was du | Geheilget, nimm von mir.“ Sohren, Auf, auf, mein Herz, zu Gott dich lenk (Str. 1,1–3): „AUff auff mein Hertz zu GOtt dich lenck / | und deinem Schöpffer wieder schenck / | was Er dir hat gegeben“. Anon., Die Zeit geht an, die Jesus hat bestimmt* (Str. 5,1f): „Ich gebe dir von gantzem hertzen hin / | Was du erlöst / und was ich durch dich bin“.

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berichtet werden.278 Die detaillierteste Vermächtnisregelung enthält das Lied von Omeis, dem eine Betrachtung Heinrich Müllers zugrunde liegt. Hier wird die Seele dem Vater vermacht, die Sünden Jesus; den letzten Blick erhält der Heilige Geist, die Engel erben die Bußtränen, der Teufel jene guten Werke, die nicht aus gutem Herzen getan wurden, und die Erde den Leib. In den letzten Strophen werden nicht etwa – wie sonst üblich – die Angehörigen Gott anbefohlen, sondern umgekehrt wird Gott ihnen als Vermächtnis hinterlassen: der Ehefrau der „Witwen Richter“, den Kindern der „Waisen=Vatter“ und den Freunden der ‚gute Gott‘. Nach einer Redeweise vieler Sterbelieder ‚erbt‘ der Mensch auch selbst etwas, nämlich das ewige Leben.279 Sterbend gibt er alles hin und vermacht es seinem Gott, der ihm umgekehrt durch Christi Heilshandeln ein himmlisches Erbe überlässt. Das Lied Mein Jesu, neige her dein Ohr* stellt diesen Vorgang als „theilung“ dar, als eine Art Tausch oder ‚fröhlichen Wechsel‘ zwischen Jesus und dem Ich: Der materielle Besitz des Ich wird „in der welt“ verteilt; der Leib, die Seele und die Angehörigen werden Jesus anbefohlen.280 Damit ist das Ich ganz in den Besitz Jesu übergegangen („Du hast mich ja mit leib und seel | Zu deinem theil bekommen“281) – und erhält ihn seinerseits für sich: „Du bist mein gut und mein erbtheil“282; „Ich hab dich durch deß vaters lieb | Dich kan mir niemand rauben“283. In der Teilhabe an Jesus gewinnt das Ich auch Anteil an jenem Heil, das durch Jesu „theures blut“ gewirkt ist (vgl. S. 368). Die Teilhabe, die bei der Commendatio ihren Ausgang nimmt und tatsächlich als gegenseitiges „eigenthum“ gedacht wird (vgl. dazu S. 396), kann auch durch den Tod nicht geschieden werden (Röm 8,38) und erweist sich genau darin als Trost im Sterben.284

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Wie eine Reihe solcher ‚Commendationes‘ aussehen konnte, zeigt der Bericht aus der LP Christoph Lindenmeier 1666, 39: „Hiernechst befehle Er die Heil. Christliche Kirche / seinen Gnädig. LandesHerren und dessen Hoch=Fürstliches Hauß / die gantze Landschafft und Hertzogthumb / das Hirschaugische Closter und Collegium, und dann seine hertzliebe Angehörige / Freunde Wohlthäter / und Gönner / in Gottes Allmächtigen Schutz / Gnade und Segen; Seine durch Christum erkauffte Seele aber seinem getreuem Schöpffer“. Vgl. Selnecker, O Herre Gott, in meiner Not (Str. 2,5f): „Dein leiden vnd sterben mach mich zum erben | in deinem reich dein Engeln gleich.“ Anon., Meine Kraft ist hin, dann ich elend bin* (Str. 15): „Hier bin ich ein Gast / | und trag manche Last / | nun / wann ich itzt sterb / | werd ich auffgenommen / | und soll dort bekommen / | das beständig Erb.“ Anon., O Wonn, o Freud, o Herrlichkeit* (Str. 15,3f): „Schenck mir umsonst das himmlisch erb / | Daß ich nicht mit der welt verderb.“ Vgl. anon., Mein Jesu, neige her dein Ohr* (Str. 4): „Das ander theil soll deine seyn: | Mein leib und meine seele / | Die meinen alle groß und klein / | Schütz / was ich dir befehle / | Mein gut / das ich laß in der welt / | Das theile auß / wie dirs gefällt / | Doch / wenn du willt / den meinen.“ Anon., Mein Jesu, neige her dein Ohr* (Str. 7,1f). Anon., Mein Jesu, neige her dein Ohr* (Str. 5,6). Anon., Mein Jesu, neige her dein Ohr* (Str. 8,1f). Anon., Mein Jesu, neige her dein Ohr* (Str. 6): „Es soll und muß in ewigkeit | Bey dieser theilung bleiben: | Es kan uns auch kein lieb / noch leid / | Kein creatur abtreiben / | In dem / GOtt lob! schon beyde wir | Zum eigenthum ergreiffen hier | Frey den besitz der güter.“

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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5. Freudiges Sterben Schon im Vorfeld kann ein freudiger Affekt auf das eigene Sterben gerichtet sein: „VOn Hertzen ich mich freue | Auff mein sterbstündelein.“285 Wo die Todesstunde schon vor ihrem Eintreten als Anlass zur Freude betrachtet wird (vgl. S. 244), sind Sterbebereitung und innere Ablösung von der Welt offenbar zu rechter Zeit gelungen. Häufig gilt die Vorfreude besonders der verheißenen ewigen Himmelsfreude, die sie bereits als irdischer ‚Vorschmack‘ andeutungsweise vorwegnimmt: „Mein Hertz / Gott wallet mir vor Frewden | Im Fall’ ich nur gedencke dran“286, heißt es in einem Himmelslied von Rist. Über die zur Sehnsucht gesteigerte Vorfreude auf den Tod wird der nachfolgende Abschnitt Auskunft geben (vgl. S. 338). Zunehmend bedeutsam wird die Freude aber nicht nur im Vorfeld des Todes, sondern auch im Sterben selbst bzw. in seiner literarischen Stilisierung als Sprechsituation. Das fröhliche oder freudige Sterben wird zum grundlegenden Bestandteil des ‚seligen Endes‘. In ihm zeigt sich die Verwirklichung der in den beiden vorangegangenen Abschnitten skizzierten Erfordernisse: zum einen die Überwindung der Anfechtung, zum anderen die tatsächliche Ergebung in Gottes Willen. Petrus Herbert schließt – zum ersten – seine Liedbetrachtung der Anfechtung im Sterben mit der Bitte: „Verley ein frölich gemüt, | wenn ich werd verscheiden“; ähnliche Bitten enthalten auch die Sterbelieder von Herman, Bienemann oder das anonyme Freu dich sehr, o meine Seele.287 In der Bitte erkennt der Mensch an, dass die erhoffte freudige Haltung von Gott gewirkt und geschenkt ist. Gott tut dies darin, so Rist, dass er den Menschen vom Grund der Anfechtung befreit, nämlich von der Sünde.288 Schließlich wird der Befreier von der Anfechtung, der Gegenstand des sie überwindenden Trostes, selbst als „Freude“ angeredet: „JEsu, meine freude“289. Zum zweiten ist das freudige Sterben ein Ausdruck der Ergebung in den Willen Gottes, und es ist mehr als das: Die positive Affektbesetzung zeigt die Aneignung des Gotteswillens, die persönliche Übereinstimmung mit der göttlichen Fügung. Nicht nur ‚willig‘ und ‚ergeben‘, sondern ‚gerne‘ nimmt der Mensch den Tod aus Gottes Hand an, wenn er derart positiv konnotiert ist: „ICh wil gar gerne sterben“, beginnt 285 286

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Niedling, Von Herzen ich mich freue (Str. 1,1f). Rist, O Gott, was ist das für ein Leben (Str. 3,1f); der Titel des Liedes lautet: „Sehnliches Verlangen / Nach der himlischen und unaußsprechlichen Herrligkeit des zukünfftigen ewigen Lebens.“ Herbert, Wer in guter Hoffnung will (Str. 18,1f). Ein größerer Textzusammenhang ist zitiert auf S. 307; zur Stelle vgl. auch S. 317. Vgl. Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Str. 10,1–3 der Fassung Bonn 1575, deren Autorschaft evtl. nicht gesichert ist; vgl. W III 1415.): „Ist nun die stundt meins todts nicht weith, | so thu dich zu mir keren, | Gib mir deines Geistes freüdigkeit“; Bienemann, Herr, wie du willt, so schick’s mit mir (Str. 3): „Sol ich denn einmal nach deim Rath | von dieser Welt abscheiden, | Verleih mir, HErr, nur deine Gnad, | das es gescheh mit frewden.“ Anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Str. 6,5f): „Hilff, das ich mit Fried vnd Frewd | Mög von hinnen fahren heut“ (in Variation zu Mit Fried und Freud ich fahr dahin; dazu s. u. in diesem Abschnitt). Vgl. Rist, Mein Gott und Vater, der du nicht (Str. 5,6–8): „Herr mache mich erst Sünden frei / | Damit Ich Trost und Glaubens vol | Zum Sterben frisch und freüdig sei.“ J. Franck, Jesu, meine Freude (Str. 1,1); vgl. Str. 6,1–3: „Weicht, jhr trauergeister, | Denn mein Freudenmeister, | Jesus, trit herein.“ Vgl. anon., Herr Jesu Christ, du treuer Hort (Anrede Christi in Str. 1,3f): „Mein Trost, mein Heyl vnd ware Frewd | in meiner Angst vnd grossem Leyd“.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

ein Lied des Berliner Buchdruckers Christoph Runge.290 Angesiedelt ist die Freude, ob sie nun unter dem Aspekt der überwundenen Anfechtung oder unter dem der Ergebung betrachtet wird, wie auch die Anfechtung selbst, im „gemüt“, der „Seele“ oder dem „Hertzen“ des Menschen. So wird die Selbstaufforderung zur Freude angesichts des nahen Endes in einem verbreiteten Sterbelied an die Seele gerichtet: 1. FRew dich sehr, O meine Seele, Vnd vergieß all Noth vnd Qual, Weil dich nun Christus, der HErre, Rufft aus diesem Jammerthal.291

Die Seele, die beim Sterben vom Leib getrennt wird, ist im Sterben Sitz der Freude und bleibt es auch danach. Der „Krancke“, der im Lied Ach wie soll mir geschehen durch den Dialog mit Christus von einer widerwilligen zur positiven Haltung zu seinem eigenen Tod gelangt ist, äußert am Ende des Liedes (kurz vor dem Sterben, als sich die Seele noch im Leib befindet): „Für Frewden mein Seel im Leibe | Hüpfft und springt allermeist.“292 Für Schein ergibt sich die in der Seele verortete Todesfreude gerade aus deren Trennung vom Leib. Mit eben dieser Aussicht wird die Selbstaufforderung zur Freude in seinem Begräbnislied Sei fröhlich, meine Seele begründet, auch wenn der Trennungsvorgang selber als schmerzhaft bezeichnet wird: 1. SEy frölich meine Seele / Frew dich in deinem Gott / numehr dich selbst nit quele / Er hilfft dir heut aus noth / ob schon viel schmertz vn[d] Leiden Vom Leibe du must scheiden / Er meynts gar gut mit dir / itzund wirst du getragen / (Ach warumb wollst du zagen) In Abrhams schos von hier.293

Analog dazu ist die Freude der Seele in einem anderen Begräbnislied Scheins durch die Befreiung „vons Leibes Banden“294 motiviert. Das wohl prominenteste Beispiel für freudiges Sterben steht in Luthers Liedfassung des Nunc dimittis: In seiner Formulierung „Myt frid und freud ich far do hyn“ fügt der Reformator dem Text von Lk 2,29, in dem nur vom „Frieden“ die Rede ist, die 290

291

292 293 294

Runge, Ich will gar gerne sterben (Str. 1,1); vgl. Schein, Als anfangs in dem Paradeis (Str. 8,6): „Wer wolt nicht gerne sterben“; Dach, O wie selig seid ihr doch (Str. 5,1): „Ach wer wolte dan nicht gerne sterben […]?“ Anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Str. 1,1–4). Die beiden ersten Verse haben in abgewandelter Form auch in das Himmelslied Groß Freud in meinem Herzen (Altenburg 1631) Eingang gefunden (Str. 2,1f): „Nun frew dich auch, mein Seele, | Vergiß allr Noth vnd Quaal.“ Anon., Ach wie soll mir geschehen (Str. 9,3–4); vgl. zu diesem Lied auch S. 325. Schein, Sei fröhlich, meine Seele (Str. 1). Schein, Hin ist des Lebens Zeit (Str. 1,1–4): „HIn ist des Lebens Zeit / | Mein Abschied ist verhanden / | Des sich mein Seel erfrewt / | Erlöst vons Leibes Banden“.

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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Freude als ähnlich lautende Charakterisierung des inneren Zustandes eines Ich beim seligen Sterben hinzu (vgl. Lk 2,10.14).295 Diese Prägung hat sich als so zwingend und wirksam erwiesen, dass sie – wohl nicht zuletzt durch die Omnipräsenz des Liedes in Gesangbüchern, auf Begräbnissen usw. – einen geradezu sprichwörtlichen Status erlangte und in anderen Liedern dutzend-, wenn nicht hundertfach aufgegriffen und wiederverwendet wurde. Wörtlich zitiert wird der Eingangsvers von Luthers Lied etwa in Sterbeliedern der Königsberger Peter Hagen und Heinrich Albert.296 In Leons Ich hab mich Gott ergeben und auch in dem z. T. textgleichen anonymen Sterbelied Christus der ist mein Leben wird die Aussage in zwei unmittelbar aufeinander folgenden Varianten wiederholt.297 Johann Siegfrieds neue Fassung von Ich hab mich Gott ergeben formt den Satz zum Kehrreim um: „In Gottes Fried vnd Gnaden | Fahr ich mit Frewd dahin“, während Scheins In Fried und Freud ich fahr dahin (1620) den Anfang fast unverändert übernimmt. Aus einer Predigt zum Sonntag Kantate über Joh 16 – in den Abschiedsreden spricht Jesus über sein Hingehen zum Vater – macht Gregor Ritzsch „ein geistlich Sterbeliedlein“ mit dem Anfangsvers °Nun geh ich hin zum Vater mein. Entsprechend ersetzt er das Verb des Lutherzitats: „Mit Fried vnd Frewd geh ich nun hin | In das ewige Leben.“298 In vielen Liedanfängen ist der „Friede“ aus Lk 2,29 schließlich ganz durch die „Freude“ ersetzt: Johann Hermann Schein So fahr ich hin mit Freuden, verlass die schnöde Welt Johann Hermann Schein Mit Freuden fahr ich hin zu Gott Johann Niedling °Nun fahr ich hin mit Freuden Martin Rinckart °So fahr ich hin mit Freuden aus diesem Jammertal Anon. Mit Freuden will ich fahrn dahin Leonhard Sturm Ich fahr dahin mit Freuden Anon. Nun fähret mein Geist mit Freuden dahin*

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(1619) (Leipzig 1627) (Zwickau 1635) (Leipzig 1637) (Gotha 1648) (Tübingen 1665) (Lüneburg 1695)

Anders als Luthers Formulierung hat die in Georg Hermann Wagenhebers Nahrhafftem Bedencken (Sülzbach 1603), fol. a 3v–b 1r, vorgetragene Auffassung, den inneren Attributen des seligen Endes sei überdies die im Verdauungsapparat und damit im Leib zu verortende Stärkung durch einen oder mehrere Eierkuchen hinzuzufügen, keinen weiteren Nachhall gefunden. Vgl. Hagen, Mein Leben sich hie endet (Str. 1,3–6): „Sterben ist mein Gewinn; | Denn Christus wird mir geben | Aus Gnad das ewig Leben: | Mit Fried vnd Frewd ich fahr dahin.“ Albert, Zum Sterben ich bereitet bin (Rahmung des Liedes in Str. 1,1f und 8,3f): „ZUm Sterben ich bereitet bin / | mit Fried und Freud ich fahr dahin […] Drüm[b] ich zum Tod gantz willig bin / | und fahr in Fried und Freud dahin.“ In der W IV 715. abgedruckten Fassung von Leon, Ich hab mich Gott ergeben (Erfurt 1624) heißt es zwei Mal „mit Frewdn“ (Str. 2,4–3,2): „[…] mit Frewdn fahr ich dahin. || Mit Frewdn fahr ich von dannen | zu Christ, dem Bruder mein“; ebenso: anon., Christus der ist mein Leben (Fassung Hamburg 1612, W V 666., Str. 1,4–2,2). Dagegen nennt die Fassung W V 667. (o. O.u.J.) je einmal „fried“ und „Frewdn“; ebenso: Christus der ist mein Leben (Fassung Jena 1609, W V 665.). Zu Leons Autorschaft von Ich hab mich Gott ergeben vgl. S. 322 Anm. 208. Ritzsch, °Nun geh ich hin zum Vater mein (Str. 5,6f).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

6. Sterbesehnsucht Als subjektive Haltung zum eigenen Tod gehört auch die Sterbesehnsucht noch in den Zusammenhang des Teilkapitels VI. Mit der Bezeichnung als ‚subjektive Haltung‘ ist freilich nicht gesagt, dass sie direkt in einem subjektiven Erleben wurzelt; die Bezeichnung bezieht sich auf die literarische Ebene. Bei der in den Liedtexten ausgedrückten Empfindung der Sterbesehnsucht handelt es sich – ebenso wie bei Anfechtung und Ergebung – um einen literarischen Topos, der in einer literarischen Tradition gründet. Der Topos kann allerdings das subjektive Erleben der Rezipienten sowohl über die sprachliche als auch über die musikalische Performanz prägen und bestimmen. Wie für die Sterbesehnsucht galt auch für Todesangst und Ergebung, dass ihr Erleben nicht auf die Todesstunde beschränkt war; beide markieren vielmehr eine bestimmte (vorgegebene) subjektive Haltung gegenüber dem eigenen Sterben, die bereits im Leben eingenommen werden kann. Die Sterbesehnsucht ist nun diejenige Haltung, die Empfindungen wie der Todesangst, auch dem ‚Kleben‘ an der Welt usw., am weitesten entgegengesetzt ist. Jenseits der in beide Richtungen offenen Ergebung bezeichnet die Sterbesehnsucht den weitesten Pendelausschlag in die andere Richtung. Der Wille Gottes ist dabei als maßgebliche Kategorie oft gar nicht mehr im Blick. Nicht nur gilt dem Tod eine bejahende Haltung; vielmehr wird auch diese Haltung selbst oft gar nicht mehr hinterfragt: Während in Angst und Anfechtung darum gerungen wird, die verkehrte Haltung mit Gottes Trost und Hilfe zu überwinden („Alle Welt=Lieb laß verschwinden“299), verlangt die Sterbesehnsucht – wenn auch ebenfalls mit Gottes Hilfe – nach Erfüllung. Im Mittelpunkt steht nicht der Wille Gottes, sondern der eigene Wunsch, der sich freilich auf ein frommes Ziel richtet: auf das selige Ende, auf den Himmel und damit letztlich auf Gott selbst. Zur geforderten Ergebung bildet die immer häufiger ausgedrückte Ungeduld in der Erwartung des Todes geradezu einen Widerspruch. Sie kann gelegentlich durch die Bitte oder Selbstaufforderung zur Geduld gemildert werden, aber ihr Ort und Ursprung bleibt das Ich. Sehnsucht impliziert das Leiden am Getrenntsein von einer gewünschten Sache, einer Person oder einem Zustand. In den untersuchten Sterbeliedern lassen sich drei Gegenstände der Sehnsucht unterscheiden, die doch unmittelbar miteinander zusammenhängen: Es gibt die Sehnsucht nach dem Himmel und der himmlischen Heimat (vgl. S. 214), die Sehnsucht nach Gott oder Jesus als dem Geliebten (vgl. S. 398) und die Sehnsucht nach dem Sterben, nach dem Tod als eigenem Wert. Diese Sehnsucht kann wiederum unterschiedlich spezifiziert sein, etwa als Sehnsucht nach der Todesstunde (vgl. S. 243) als dem Zeitpunkt, zu dem die Trennung von Gott aufgehoben wird und zu dem der Mensch bei Gott oder Gott beim Menschen ankommt, oder als Sehnsucht nach dem Grab und der darin zu findenden Ruhe.

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Z. Faber, Herr, ich bin ein Gast auf Erden (Str. 5,3).

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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Während Peregrinatio und Jesusminne bereits auf eine mittelalterliche Tradition zurückgreifen, erscheint die verselbständigte Sterbesehnsucht als Novum im 17. Jahrhundert, die im Lauf des Untersuchungszeitraums stetig an Bedeutung gewinnt. Immer stärker in den Vordergrund treten aber auch die Sehnsucht nach dem Himmel und die nach dem himmlischen Bräutigam. In dieser Entwicklung spiegelt sich eine zumindest partielle Verselbständigung des menschlichen Wunsches gegenüber der Autorität des göttlichen Willens. Entscheidend ist letztlich nicht mehr die Aufgabe des eigenen zugunsten des göttlichen Willens, sondern seine Erhaltung und Ausrichtung auf Gott – und dann vor allem das Zum-Ziel-Kommen dieser Ausrichtung, also die Erfüllung des menschlichen Wunsches. Indem Gott stärker als bisher zum Ziel der menschlichen Sehnsucht erklärt wird, hat sich seine Rolle ein ganzes Stück von der des aktiv Handelnden weg bewegt. Eines der ersten und mit 35 Belegen im untersuchten Material verbreitetsten Beispiele, in denen ausdrücklich der Wunsch nach dem Sterben artikuliert wird, ist Christoph Knolls Herzlich tut mich verlangen (Görlitz 1611). Die für das Thema Sterbesehnsucht entscheidenden Aussagen hat Knoll an die Spitze seines Liedes gestellt. Die erste Strophe lautet: 1. HErtzlich thut mich verlangen nach einem seligen End, Weil ich hie bin vmbfangen mit Trübsal vnd Elend. Ich hab lust abzuscheiden von dieser argen Welt, sehn mich nach ewiger frewden: O Jesu, kom nur bald!300

Dreierlei in dieser Strophe ist kennzeichnend für die literarische Gestaltung der Sterbesehnsucht, wie sie sich seit Knoll immer häufiger in den Sterbeliedern findet. Zum einen ist es der Ausdruck des Verlangens nach dem Tod (hier genauer: nach dem seligen Ende) in Ichform, mit Hilfe von Verben wie ‚verlangen‘ und ‚sehnen‘ sowie dem Zitat von Phil 1,23, in dem Paulus die „Lust“ (griech. ц½̨̛̥̤̰̝) zum Ausdruck bringt, „abzuscheiden“, „aus der Welt zu scheiden“ oder „aufgelöst zu sein“ (ж̧̩̝ԉ̮̝̥) und „bei Christus zu sein“. Zum anderen ist es die Abwendung von der „argen Welt“, die nur als Ursache von „Trübsal vnd Elend“ erfahren wird; auf dieses Moment, das mit dem Sterbewunsch häufig gemeinsam auftritt,301 wurde bereits eingegangen (vgl. S. 184; S. 188). Und zum dritten ist es die aus dem Verlangen nach dem Ende resultierende Bitte „O Jesu, kom nur bald“, mit der das Ich auf eine rasche Erfüllung seines Sterbewunsches drängt.

300

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Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Str. 1). Eine entgegengesetzte Haltung kommt in Str. 3 zum Ausdruck, vgl. S. 325. Vgl. Walther, Spann aus, spann aus, ach frommer Gott (Str. 1,5): „Der Welt und Lebens bin ich satt, | Für Angst der Seelen müd und matt, | Daß ich begehr zu sterben.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Im folgenden Teilabschnitt sollen zunächst diese Bitten untersucht werden, wie sie in immer wiederkehrender Form in vielen Sterbeliedern begegnen. Im Anschluss werden die dabei erkennbaren Merkmale der Sterbesehnsucht anhand von Ichaussagen nach Phil 1,23, Ps 42,2 u. a. weiter verfolgt und ergänzt. a) Die Bitte um Erfüllung der Sterbesehnsucht In der eingangs zitierten Strophe aus dem Lied Christoph Knolls wird die Sterbesehnsucht zunächst als Verlangen nach dem seligen Ende eingeführt. Weitere Beispiele zeigen, wie sich der Todeswunsch unmittelbar mit der Bitte um ein seliges Ende verbinden kann.302 Die Bitte um ein seliges Ende ist mit der Bitte um Erfüllung der Sterbesehnsucht also zwar einerseits kompatibel, aber der Fokus ist ein anderer: Galt die Sorge des Beters in der Bitte um ein seliges Ende ganz dem (‚guten‘ oder ‚seligen‘) Modus oder Wie des Sterbens, dessen Zeitpunkt in Gottes Ermessen gestellt wurde, so ist der Sterbesehnsucht das ‚selige‘ Sterben oft gar nicht mehr fraglich. Sie richtet sich vielmehr auf das Dass, auf die Tatsache des Sterbens an sich, besonders auf sein möglichst baldiges Eintreten. In Relation zu allem „Trübsal vnd Elend“, das für das Leben in der Welt steht, erscheint der Tod nicht mehr als Übel, sondern als Gut; je früher er daher kommt, desto besser. Genau darauf bezieht sich der Anfangs- und Schlussvers eines Sterbeliedes von Christoph Gensch: „JE länger hier, je später dort“303; und darauf bezieht sich auch die oft drängende Bitte um Erfüllung der Sterbesehnsucht. Die typischen Bitten um ein seliges Ende lauteten etwa: ‚Steh mir bei‘, ‚Hilf mir‘, ‚Tröste mich‘, ‚Sei mir gnädig‘. In alledem erscheint der Tod als schreckliches und gefahrvolles Ereignis; die ‚Todesnot‘ kann der Mensch nur durch göttliche Hilfe und Glaubensstärkung bestehen, zumal er durch Sünde und Hölle heftig angefochten wird. Auch die Commendatio animae ‚Nimm meine Seel in deine Händ‘ ist oft in diesem Sinne zu verstehen: Wenn sich beim Tod Leib und Seele trennen, soll Gott sich der Seele annehmen und damit dem Teufel zuvorkommen. Die Bitte um Erfüllung der Sterbesehnsucht markiert demgegenüber einen ganz anderen Typ. Der Tod hat in doppelter Hinsicht seinen Schrecken verloren: Zum einen befreit er den Menschen vom Leid der Welt, stellt also lediglich den Übergang in ein besseres Leben dar; zum anderen ist er kein eigenständiges Geschehen mehr, in das Gott zum Heil des Menschen erst noch eingreifen müsste, sondern er ist selbst heilsames Handeln Gottes am Menschen, das als transitus ad patrem die Trennung zwischen beiden aufhebt. Das zeigt sich auch in den verwendeten Verben, die hier nacheinander betrachtet werden sollen: ‚Komm‘, ‚Nimm mich‘, ‚Hole mich‘, ‚Mach mich los‘.

302

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Vgl. Rothäupt, Ach Herr, erzeige Gnade mir (Str. 3): „Ich wil viel lieber bald seyn todt / | Denn hier noch länger leben / | Vnd bey dir seyn mein Herre Gott / | Hilff mir vnd thu mir geben / | Ein seligs Sterbe=Stündelein / | Wol an dem letzte[n] Ende mein / | Daß ich mit Frewden scheide.“ Gensch, Je länger hier, je später dort (Str. 1,1; 5,4; 6,4); gefundene Belege: nur Lü-1695/1702

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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Den Auftakt der Bitten bildet häufig ‚Komm‘, gefolgt von einer der anderen Bitten: „Komm, Christe! komm und spann uns aus“304; „Ach wie sehnlich wart ich auf dich: | O komb, o komb vnd hole mich“305 usw. Die Dringlichkeit der Bitte wird durch die Wiederholung des Imperativs gesteigert;306 eine andere Möglichkeit besteht in der Ersetzung durch ‚Eil‘: „Nun eyl doch fort / mein trawter Hort / | Vnd nim mich hin in Frieden.“307 Das vielfach beschworene ‚Kommen‘ Jesu ähnelt seiner ‚Zukunfft‘ am Ende der Zeit, von der sich die Gläubigen das Ende ihres Elends erhoffen. Bezogen auf das Sterben, ist das Kommen Jesu gleichbedeutend mit dem Kommen des Todes und wird gleichermaßen ersehnt; genauer: Der Tod wird ersehnt, weil er dem Kommen Jesu entspricht, was wiederum bedeutet, dass die Trennung von ihm ein Ende hat. Das im untersuchten Material mehrfach belegte Lied Ach wann soll es denn geschehen von Johann Jakob Rude (Nürnberg 1648) fügt dem Imperativ „Komm“ die Bitte „Ruffe“ hinzu – sieben Mal in zwei Strophen, also in massiv gesteigerter Dringlichkeit: 2. Komm, O komm, du Hertzelieber, Ruffe mir, du werthes Hertz, Ruffe und laß mich hinüber: Hier ist nichts als Hertzensschmertz. Lieber heiland, du bist fromm, Komm und ruffe, daß ich komm. 3. Komm un[d] ruff, ô Freund der Freunde, Christe, ruff doch deiner Braut. Ruff mir: Ich hass deine Feinde, Weil du mich dir hast vertraut. Ich will kommen; ruffe doch, Hilff mir von des Lebens Joch.308

In dieser Konstellation besteht der Tod darin, dem Ruf Christi zu folgen; den letzten Schritt „hinüber“ zum „Freund der Freunde“ muss das Ich selber gehen, und es verlangt auch danach. Möglich wird dieser Schritt aber erst dann, wenn der Ruf ergangen ist – auf den es bis dahin sehnlich warten muss.309 Etwas anders ist die Vorstellung hinter dem zweiten Typ der oben genannten Bitten, ‚Nimm mich‘ oder ‚Hole mich‘: „Komm / du süsser todes=stich. | JEsu! JEsu! hole mich!“310 Das Kommen Jesu geht hier über einen Ruf hinaus, es wird geradezu 304 305 306

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Finx, Wie selig ist ein frommer Christ (Str. 9,1). Saubert, Ach wie sehnlich wart ich der Zeit (Kehrreim). Vgl. die häufigen Wiederholungen in dieser Strophe: Anon., O Jesu, wie so lang* (Str. 6): „Kom[m] / JEsu! gib dich mir / | Dir will ich mich ergeben / | Ach! komm / du hertzens=zier / | Kom[m] / JEsu! du mein leben! | Komm / komm / du himmels =kron / | O JEsu / meine wonn / | Laß mich an dir stets kleben.“ Ph. Nicolai, So wünsch ich nun ein gute Nacht (Str. 10,5f). Rude, Ach wann soll es denn geschehen (Str. 2–3). Dass dem Tod ein Ruf Gottes an die Seele vorausgeht, ist eine gängige Vorstellung, vgl. anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Str. 1,3f): „[...] Weil dich nun Christus, der HErre, | Rufft aus diesem Jammerthal.“ Heermann, Es nahet sich zum Ende (Str. 11,3–6): „Herfür! Getrost herfür | Aus deiner Schmertzens=Höhle! | Gott rufft: komm, liebe Seele, | Der Himmel steht schon offen dir.“ Anon., O du Leben meiner Seele* (Str. 8,7f).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

handgreiflich, ähnlich wie bei der Commendatio animae (‚Nimm meine Seel in deine Händ‘). Anders als dort ist hier jedoch nicht davon die Rede, dass der ‚Geist‘ oder die ‚Seele‘ von Gott geholt werden soll; es geht vielmehr um das ‚Ich‘ selbst. Damit ist freilich kein leibhaftes Ergriffenwerden durch Jesus gemeint, sondern lediglich ein anderer Aussageakzent: Während es bei der Commendatio animae oft darum geht, dass die Seele durch die Gefahr des Todes hindurch in Gottes Hand bewahrt bleibt, streben die hier gemeinten Bitten nach Aufhebung der als schmerzlich erlebten Trennung von Gott. Oft wird erwähnt, von wo das Ich weg- und wohin es mitgenommen wird, etwa bei Scheffler: 6. Ey nu so komm zu deinem Lamm, Mein Hirte, Trost und Leben, Mein bester Freund und Bräutigam, Dem ich mich gantz ergeben: Komm bald zu mir, Nihm mich mit dir Auß diesem See der Leiden Ins Reich der ewgen Freuden.311

Das erhoffte Ziel nennt auch Philipp Nicolai: „Wenn holst du mich ins Himmelreich?“ „Ey nim mich in den Freuwdensaal“312. Michael Franck versteht das Ziel weniger lokal als relational, bezogen auf die Christusbeziehung: „HERR JESU, meine Zier, | Ach! hohle mich zu Dir!“313 Ebenfalls in diesen Zusammenhang gehört das ‚Heimholen‘, das schon bei Martin Behm auftaucht.314 In ihr klingt nicht nur die Sehnsucht nach der himmlischen Heimat (Hebr 11,16) an, sondern auch das Motiv der himmlischen Hochzeit, bei der der Bräutigam seine Braut heimführt.315 Mit dem Ruf des Lebens- und Weltüberdrusses („Es ist genug“) und zugleich mit einer Art Commendatio animae ist der Todeswunsch des Elia verbunden; er richtet sie unter einem Wacholderstrauch in der Wüste an Gott (1Kön 19,4): „Es ist genug, so nimm nun, Herr, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter.“ Mehrere Lieder greifen das „Es ist genug“ refrainartig auf, am ausführlichsten Franz Joachim Burmeister; „genug“ ist hier „des Kreützes“ und „des Jammers, der mich drückt“, überhaupt alles dessen, „[w]z kläglich mich von Gotte trennet“ – doch das Ich muss sich so lange gedulden, bis auch Jesus befindet: „Es ist genug“, und es befreit.316 311 312

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Scheffler, O treuer Jesu, der du bist (Str. 6). Ph. Nicolai, So wünsch ich nun ein gute Nacht (Str. 3,5; 6,1). Vgl. Dach, Entschlag dich aller Ding auf Erden (Str. 7,4): „Nimm mich in deines Vaters Hauß!“ M. Franck, Freud über alle Freude (Kehrreim). Vgl. Neumark, Ich bin müde, mehr zu leben (Str. 1,1f): „ICh bin müde mehr zu leben, | Nim mich, liebster Gott, zu Dir“. Vgl. Behm, O Jesu Christ, meins Lebens Licht (Str. 3,3f): „Allein mein Seele schreyt in mir | ‚HErr, hol mich heim, nim mich zu dir!‘“ Das DWB hat keinen eigenen Eintrag zum Verb ‚heimholen‘, nennt aber Belege für diese Bedeutung (DWB 6,5350; 12,1124; 25,2266). Vgl. die Lutherübersetzung von Dtn 20,7; Mt 1,18. Vgl. Burmeister, Es ist genug, so nimm, Herr, meinen Geist (zit. Str. 2,1.5; 3,1); vgl. Anton Ulrich, Es ist genug, mein matter Sinn („Es ist genug“ in jeder Strophe als 5. Vers). Vgl. anon., Nun fähret mein Geist

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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In der häufigen Variante ‚Reiß mich heraus‘ klingt die Rettungsterminologie des Psalters an (vgl. Ps 91,15; S. 275). Anders als im Psalmtext ist es nicht die ‚Not‘ des Todes, sondern die Welt, von der das Ich weggerissen wird: „Ach reiß mich von der Erden“317. In einem Lied von Dach ist es wieder der ‚Jammer‘: „NImm mich weg, Gott, für dem Jammer | Vnd für meiner Feinde List“318. Mit der Frage, wovon Gottes Handeln im Tod befreien soll, ist schließlich die dritte Gruppe von Bitten angesprochen, in denen der Tod ausdrücklich als Befreiung gedeutet wird: ‚Mach mich los‘, ‚Erlöse mich‘, ‚Spann aus‘. Vom ‚Ausspannen‘ aus dem Joch des Leibes oder der Sündenlast war bereits die Rede.319 „Herr, kom bald vnd mach mich loß, | Auf daß ich mit dir lebe“320, heißt es in Leonhard Krentzheim zugeschriebenen Versen, die mit der Befreiung die Hoffnung auf eine ungetrübte Christusbeziehung im Himmel verbinden. „Erlöß mich von der schnöden Welt“321, lautet die Bitte bei Georg Weissel; und immer wieder begegnet auch in den Bitten das Verb ‚auflösen‘ aus Phil 1,23, das auf den Zerfall des Leibes und die Trennung von Leib und Seele zu beziehen ist.322 Die letzte Strophe des schon erwähnten Liedes von Christoph Gensch verbindet diese Bitte mit dem Ausdruck des ‚Verlangens‘: 6. Komm, mein Gott, löse mich bald auff, Ich warte mit verlangen drauff. Ach eile, du getreuer hort: Je länger hier, je später dort.323

Der drängende Charakter der Bitten um die Erfüllung der Sterbesehnsucht steigert sich in einigen Liedern aus der Zeit ab 1650 zu einer verzweifelt-fordernden Haltung. Immer wieder kommt die Frage auf, wie Gott auf das Sehnen, Drängen und Bitten des Ich nicht eingehen kann; aus den Verben im Imperativ werden Fragen, die die gewünschten Vorgänge unter dem Thema der ‚Erhörung‘ problematisieren. In Anspielung auf die nächtlichen Tränen von Ps 6,7 erinnert das Ich in Johann Heinrich

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mit Freuden dahin* (Str. 6,3f): „Es ist genug / HErr! lös mich auff / | Und nimm mich in den himmel auff.“ Zu Elia vgl. S. 487. Als mottoartiges „Sufficit deß Propheten Eliae“ taucht die Stelle in der LP für Johann Valentin Andreae 1654, 49 auf: „[Er hat] sich gesöhnet / daß der getrewe Gott / auff den er sich von Jugend an verlassen / nach seinem gnädigen Willen / einmal ein seliges Ende an sein schmertzhafftes Leben und tägliches Sterben wölle machen / wie er dann / zu Bezeugung solches seines gottseligen desiderii und Verlangens / noch ein ander Symbolum ihme erwehlet [neben dem Leichtext Ps 71,1] / nämlich das Sufficit deß Propheten Eliae / da derselbige / deß Lebens satt / im ersten Buch der Könige c. 19. in der Wüsten under einer Wachholdern gebetten / daß seine Seele stürbe“. Müller, Lebt jemand so wie ich (Str. 9,4). Vgl. Ph. Nicolai, So wünsch ich nun ein gute Nacht (Str. 5,5): „Ey komm doch bald / Mein Auffenthalt / | Vnd reiß mich von der Erden“; Neumark, Ich bin müde, mehr zu leben (Str. 10,5f): „Kom, mein Gott, wenn Dirs gefällt, | Und reiß Mich von dieser Welt.“ Dach, Nimm mich weg, Gott, für dem Jammer (Str. 1,1). Vgl. ab S. 217, z. B. die Bitten S. 217 Anm. 51. Zusatzverse zu Krentzheim, °Mein Leben in der Eil (V. 11f). Weissel, Ich bin dein satt, o schnöde Welt (Str. 3,9f). Vgl. anon., °Wenn nun mein Leben hat ein End (Str. 9,6f): „Löß mich ja bald aus solcher Pein | Vnd nimb mich hin mit Fried.“ Schein, Die Zeit nunmehr vorhanden ist (Str. 1,3f): „Ach löß mich auff / H. Jesu Chr[ist] | verkürtz mein Qual vnd Leiden“; anon., Nun fähret mein Geist mit Freuden dahin* (Str. 6,3): „Es ist genug / HErr! lös mich auff “. Gensch, Je länger hier, je später dort (Str. 6).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Keulischs Lied Ach wann kommet doch die Stunde Gott an seine zahlreichen Gebete um die Erlösung seines ‚Geistes‘ vom todverfallenen Leib (vgl. Röm 7,24), mit dem nicht nur Tod, sondern auch Sünde und überhaupt alles Böse in Verbindung gebracht werden. 4. Ach wie offt hab ich gebethen, Ach wie manche lange Nacht Ist mein Geist für dich getretten Und hat heisse Seuffzer bracht, Daß du, JESV, woltest ihn Aus des Todes Leibe ziehn, Von der Sünd und allem Bösen Aus dehm Leibe zu erlösen. 5. Wie viel heisse Herzens=Thränen Haben mich doch schon befeucht; Von dehm grossen Seelen=Sähnen Bin ich ganz und gar verbleicht, – Und du hörest mich noch nicht? O du schönes Himmel=Licht, Wenn werd ich dich doch anschauen In dehn schönen Sternen=Bauen?324

Nicht nur seine Gebete, auch „Seuffzer“ und „Thränen“ haben dem Ich die Erhörung der Bitten, die vom Tode erhoffte Erlösung nicht verschaffen können: „Und du hörest mich noch nicht?“ „Erhöre mich, O JEsu Christ“, lautet die entsprechende Bitte in Dilherrs Lied Gehab dich wohl, du schnöde Welt, dessen Fragen ähnlich verzweifelt gestellt sind wie bei Keulisch: „Wie kömpts denn“, heißt es da, „Daß du mich nicht nimbst hin zu Dir“ – ist das nicht gerade angesichts der Zusage, „Daß Du mich hertzlich liebest“, schlechterdings nicht nachvollziehbar? Demgegenüber kann nur um ein beschleunigtes Ende gebeten werden, in dem ein Erweis dieser Zusage zu sehen wäre: „Laß doch, HErr, so’s zu bitten ist, | Bald seyn mein letzte Stunde.“325 Johann Scheffler nennt es in seinem Lied Liebster Bräutgam, denkst du nicht gar Jesu „theure Liebes=Pflicht“326, die Seele als seine Braut heimzuholen. Auf dieser dem Verlöbnis gleichgestellten Verpflichtung beharrt das Ich wieder mit bohrenden Warum-Fragen: 4. Bin ich dir als eine Braut Schon verlobet und vertraut, Warumb läst du meine Seele In deß Leibes Trauer=Höle? 324 325 326

Keulisch, Ach wann kommet doch die Stunde (Str. 4–5). Dilherr, Gehab dich wohl, du schnöde Welt (Str. 7,3; 5,3; 6,1; 5,2; 7,1f). Scheffler, Liebster Bräutgam, denkst du nicht (Str. 1,2).

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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5. Bin ich dein und bist du mein, Warumb läst du mich allein? Warumb wilst du mich, mein Leben, Nicht alsbald zu dir erheben?327

Hier werden die Eigenständigkeit der menschlichen Sicht und die Beharrlichkeit im Ringen mit Gott besonders deutlich: Die mystische Hochzeit ist für die Braut mehr als nur ein Versprechen („verlobet“), sie ist bereits Wirklichkeit („vertraut“). Umso spannungsreicher wird die Abwesenheit des Bräutigams erlebt – und die Spannung wird nicht aufgelöst. Bei Keulisch fügt sich das Ich dagegen zum Ende wieder in eine Haltung der Ergebenheit („Ich wil nur gedultig leiden“328), während das Ende des Textes bei Dilherr mit der Erhörung, also wohl mit dem Todeszeitpunkt zusammenfällt: „Mein HErr hat mich erhöret.“329 Der gleichlautende Stimmungsumschwung im Klage- und Leidenspsalm 22 (Ps 22,22: „Du hast mich erhört!“) ist hier mitzuhören; indem Dilherr seinen Text mit diesem Ruf enden lässt, der das zuvor aufgeworfene existenzielle Problem auflöst, gibt er ihm ein besonderes Gewicht. b) Weitere Äußerungen der Sterbesehnsucht Die Sehnsucht nach dem Sterben äußert sich auch auf andere Weise als durch an Gott gerichtete Bitten – etwa indem der Wunsch zu sterben in der Ichform ausgedrückt wird, entweder mit Verben wie ‚verlangen‘, ‚wünschen‘, ‚sehnen‘ und ‚begehren‘ („HErtzlich thut mich verlangen“) oder mit Hilfe eines entsprechenden exklamativen Satztyps: „Ach würd ich ins grab getragen, | Ey so käm ich ja zur ruh!“330 Das Zitat von Johann Franck zeigt zudem, dass oft nicht nur der Himmel, sondern auch die Ruhe des Grabes Gegenstand der Sehnsucht sein kann.331 Die Vorzüge sind dabei so zwischen Leib und Seele aufgeteilt, dass dem Leib die Ruhe im Grab zukommt, der Seele dagegen die himmlische Gottesgemeinschaft.332 Wo besonders der Vorzug der Ruhe im Grab hervorgehoben wird, liegt die Vermutung nahe, dass das Lied –

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Scheffler, Liebster Bräutgam, denkst du nicht (Str. 4–5). Keulisch, Ach wann kommet doch die Stunde (Str. 7,1). Dilherr, Gehab dich wohl, du schnöde Welt (Str. 10,4). Vgl. als Beispiel der Koinzidenz von Textende und Todeszeitpunkt: Rist, Mein Gott und Vater, der du nicht (Str. 12; vgl. S. 244). J. Franck, Du, o schönes Weltgebäude (Str. 5,3f). Vgl. Richter, Lasset ab von euren Tränen (Str. 3,1–4): „Eine wahre Christenseele | Wünscht ihr täglich nach dem Todt | Vnd begehrt des Grabes Höle, | Da der Cörper wird zu Koth“; Dach, O wer doch überwunden hätte (Str. 1,1–4): „O Wer doch vberwunden hette, | Vnd lege todt dahin gestreckt, | Empfinde Rhue in seinem Bette | Mit frischer Erde zugedeckt!“ Anon., Zum Frieden und zur Ruh* (Str. 1): „ZUm frieden und zur ruh | Wünsch ich mich in die kühle erden: | Wenn es GOtt liesse zu / | Daß mir es bald so gut möcht werden / | Daß ich mein ruhe=bett | Sanfft in der erden hätt / | Und schlaffend / ohne sorgen / | Für allem haß und neid / | Leg in dem grab verborgen.“ Die Fortsetzung des Zitats von J. Franck, Du, o schönes Weltgebäude lautet (Str. 5,5–8): „Vnd mein bestes theil, das würde | Frey von dieser leibesbürde, | Je und ewig umb dich seyn, | Allerschönstes Jesulein.“ Vgl. Richter, Lasset ab von euren Tränen (Str. 1,5–8); Dach, O wer doch überwunden hätte (Str. 1,9f); anon., Zum Frieden und zur Ruh* (Str. 5,1–4).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

wie im Falle von Dachs O wer doch überwunden hätte 333 – primär im Kontext des Begräbnisses angesiedelt ist. Die geradezu ungeduldige Erwartung des Todes, die sich schon in den Bitten zeigte, wird auch in den zahlreichen ‚Wann‘-Fragen deutlich. Im Zusammenhang mit der Todesstunde war bereits vom Wandel in der Bewertung dieses entscheidenden Zeitpunkts die Rede (vgl. S. 243). Dass das Ziel der christlichen Hoffnung jenseits des Todeszeitpunkts liegt, ist unstrittig; dass es in der ungetrübten Gottesgemeinschaft besteht, ebenfalls. Umso brennender wird die dutzendfach gestellte Frage nach der vorher ungewissen ‚Stunde‘ der Erfüllung dieser Hoffnung, die oft mit emphatischem ‚Ach‘ eingeleitet am Anfang vieler neuerer Sterbelieder steht:334 Johann Jakob Rude Johann Rist Johann Heinrich Keulisch Johann Christoph Kohlhans Ahasverus Fritsch Anton Ulrich

Ach wann soll es denn geschehen Ach Gott, wann kommt die liebe Zeit Ach wann kommet doch die Stunde Ach wann werd ich dahin kommen [Ps 42,3] Ach wann kommen doch die Stunden Ach Gott, wann werd ich sterben*

(Nürnberg 1648) (Lüneburg 1651) (Stuttgart 1654) (Gotha 1666) (Jena 1670) (Lüneburg 1696)

Was durch die ersehnte Stunde erlangt werden soll, wird unterschiedlich charakterisiert. In einigen Beispielen wird zunächst eher der Aspekt der Befreiung betont – bei Rist von „Des Fleisches Last“, bei Fritsch von „Aller Pein und aller Plag“ –, während andere eher das Ziel der Himmelsreise und damit das Bei-Gott-Sein in den Blick nehmen: Bei Rude richtet sich das Begehren darauf, „Daß ich möge zu Dir gehen, | Daß ich in dem Himmel wohn“, bei Kohlhans darauf, „Daß ich Gottes Angesicht | Schau“ (nach Ps 42,3335; vgl. u.). Neben den ‚Wann‘- sind es häufig die aus der Sprache der Klagepsalmen vertrauten ‚Wie-lange‘-Fragen, mit denen das Ende der sich unerträglich dehnenden Zeitspanne bis zur Erfüllung herbeigesehnt wird.336

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Das Lied – im Königsberger Gesangbuch bereits 1650 vertreten, unter den ausgewerteten Werken in L-1673 und H-1683 – entstand 1639 zum Tod der Königsbergerin Anna von Weinbeer, wurde von Johann Stobaeus vertont und wohl bei ihrer Trauerfeier in der Königsberger Domkirche gesungen: vgl. SDG III, S. 464; FT III, S. 60.67. Weitere Beispiele lassen sich beliebig in Binnenstrophen finden, vgl. Dilherr, Was ich begehr, das kann ich nicht (Str. 2,3f; 3,4): „Ach HErr / wenn werd ichs doch gewährt / | dein völlig zu geniessen [...] wenn soll ich / HErr / dich haben?“ Anon., O Jesu, wie lässt du so lang* (Str. 4,1f.7): „O übermachter Freuden=Tag / | O Tag / wann wirst du kommen [...] Ach! möcht er heut einbrechen“; usw. Vgl. dazu auch Sudermann, °Ach wann werd ich einst kommen (1590; Str. 1,2: „[...] für Gottes Angesicht?“); Scheffler, °Ach wann kommt die Zeit heran (Breslau 1657; Str. 1,2f: „[...] Daß ich möge schauen an | Meinen liebsten JEsum Christ“ usw.); Fritsch, °Ach wann werd ich schauen dich (Jena 1668). Vgl. Finckelthauß, Wie lange soll es währen (Str. 1,1–4): „WIe lange soll es wehren, | Mein zartes Jesulein, | Daß ich kan nach begehren | Bey dir, mein Heyland, seyn?“ In anderen Liedern sind die ‚Wie-lange‘Fragen eher auf das Leiden bezogen, vgl. anon., O Jesu, wie so lang* (Str. 1,1f): „O JEsu / wie so lang | Soll ich allhier noch leben?“ Anon., O Jesu, wie lässt du so lang* (Str. 1,1f): „O Jesu! wie läst du so lang | mich in dem Eitlen qvälen“.

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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c) Die Sterbesehnsucht nach Ps 42 und Phil 1,23 Vor allem zwei Bibeltexte werden bevorzugt zum Ausdruck der Sterbesehnsucht herangezogen: Phil 1,23 und Ps 42,2f. Während der Paulustext mit dem Verb ж̧̩̝ԉ̮̝̥ ausdrücklich auf das Sterben Bezug nimmt, fehlt dem Psalm, der auch über die Sterbelieder hinaus überhaupt zu den am häufigsten in geistliche Dichtung gefassten Bibeltexten der Barockzeit gehört, ein solcher expliziter Bezug. Gemein ist beiden Texten jedoch die in der Ichform ausgedrückte innere menschliche Ausrichtung auf das Ziel des Seins bei Gott. „Bei Christus zu sein“, wünscht sich Paulus, der Psalmist: „dass ich Gottes Angesicht schaue“337. Beide Texte sind auch als Predigttexte für Leichenpredigten äußerst beliebt (vgl. S. 577). Das auf Gott gerichtete Bedürfnis des Menschen wird von beiden unterschiedlich bezeichnet. Paulus nennt das Begehren nach dem Sein bei Christus ц½̨̛̥̤̰̝; Luther übersetzt: „Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christus zu sein.“338 Der Psalmbeter bedient sich dagegen eines Vergleichs: Wie der Hirsch nach Wasser lechzt, so schreit die Seele zu Gott. Damit erhält das menschliche Sehnen nach Gott einen somatischen Vergleichspunkt: den Durst nach Wasser, das für den Hirsch so überlebensnotwendig ist wie für den Menschen die Schau von Gottes Angesicht. Was ihn nach Gott schreien lässt, ist der Mangel, der in der empfundenen Trennung von dem „lebendigen Gott“ liegt. Jesus erweist sich in seinem Kreuzeswort „Mich dürstet“ (Joh 19,28) zugleich selbst als teilhaftig an diesem Mangel. In der Bezeichnung der Sehnsucht steht der ‚Lust‘ aus Phil 1,23 also der ‚Durst‘ aus Ps 42 gegenüber. Was die zahlreichen Bezugnahmen auf Phil 1,23 betrifft, so scheint Knolls Herzlich tut mich verlangen von 1611 (Str. 1,5; zit. S. 339) tatsächlich den ältesten Beleg unter den gefundenen Texten zu bieten; das stützt die These, dass die Sterbesehnsucht seit dem 17. Jahrhundert an Bedeutung gewinnt. Die meisten Belege sind formelhaft, die Bezugnahmen durch die feste Wortwahl aber immer erkennbar: „Ich hab nur lust zu scheiden ab“339; „Ich habe lust gleich abzuscheiden“340 usw.341 Gelegentlich wird statt des in der Lutherübersetzung verwendeten Verbs ‚abscheiden‘ ‚auflösen‘ verwendet, auch in der imperativischen Bitte ‚lös mich auf ‘ (s.o.).342 Mehrere Belege kennzeichnen den Satz ausdrücklich als Apostelwort, das mit der Person des Paulus biographisch verknüpft ist und insofern erst recht als Ausdruck 337 338

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Vgl. dazu die Belege in Anm. 335. In der Übersetzung ergibt sich damit eine Parallele zu 2Kor 5,8: „Wir haben vielmehr Lust [εὐδοκοῦμεν], außer dem Leibe zu wallen und daheimen zu sein bei dem Herrn.“ Anon., Mein Gott und Herr, steh du mir bei (Str. 7,3). Anon., Ich mag nur, was ich will, beginnen* (Str. 5,3). Vgl. Heermann, Ach Gott, ich muss in Traurigkeit (Str. 4,1–4): „Fürwar mir geht ein scharffes Schwerdt | Jetzund durch meine Seele, | Die abzuscheiden offt begehrt | Auß jhres Leibes Höle.“ Anon., Ob ich einschlafe oder wach* (Str. 12,9): „Ich habe Lust zu scheiden.“ Hecht, °Nun auf, mein Geist, aus dieser Welt (Str. 3,12): „Solt ich nicht mit Lust abscheiden?“ usw. Vgl. Suevus, °Herr Christ, gib, dass im Wandel mein (Str. 5,1–3): „Ich begehr auffgelöst zuseyn, | In Christi Armn zuschlaffen ein, | Der löß mich auff mit frewden“; Dach, Nimm mich weg, Gott, für dem Jammer (Str. 4,1f): „Mach es, HErr, mit mir ein Ende, | Ich wil auffgelöset seyn“; Sass, Wie frei und selig seid ihr doch* (Str. 6,3f): „Wir wünschen auffgelöst zu seyn / | Zu gehn auß diesem jammer“; als Bitte ‚lös mich auf ‘: vgl. S. 343 Anm. 322.323.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

einer vorbildlichen Haltung gewertet werden kann. Eine Strophe von Rist verbindet dies mit der Erinnerung an die paulinische Himmelsvision von 2Kor 12,2–5, durch die die Autorität des Apostels in dieser Frage weiter unterstrichen wird: 14. Ich habe Lust zuscheiden / Spricht Paulus / aus der Welt: Daß nun den Tod zu leiden So hertzlich Ihm gefält / Das macht / Er ist gewesen An einem Ohrt / da wir In Ewigkeit genesen Und jauchtzen für und für.343

Die ‚Lust abzuscheiden‘ ist jene Haltung, die die ‚Weltlust‘ (vgl. S. 192) überwunden hat, und bildet zu ihr das Gegengewicht. Deutlich wird das im einem Lied von Erasmus Finx, das mit den an Simon Dach angelehnten Versen beginnt: „MIr vergeht zu leben | Länger alle Lust“, um dann einige Strophen weiter den Philippervers aufzugreifen: 4. [...] Ich hab’ abzuscheiden Brünstig=heisse Lust Und an dir zu weiden, JEsu, Aug’ und Brust.344

In Finx’ „Brünstig=heisse“ Steigerung der ‚Lust abzuscheiden‘ mischt sich die Brautmetaphorik. Von Ps 42 bietet Lobwassers °Wie nach einer Wasserquelle die am weitesten verbreitete Fassung – allerdings unter den Psalm- oder Anfechtungs-, nie unter den Sterbeliedern. Die Melodie zur Lobwasserschen Fassung gehört aber zu den beliebtesten der Zeit und wird auch bei zahlreichen Sterbe- und Ewigkeitsliedern angegeben, in N-1677 dreimal, in H-1683 viermal, in L-1673 fünfmal und in Lü-1695 sogar neunmal.345 Das verbreitetste Sterbelied nach Ps 42 ist Philipp Nicolais So wünsch ich nun ein gute Nacht, im Erstdruck von 1599 überschrieben: „Der Welt Abdanck / 343

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Rist, Wie magst du dich so kränken (Str. 14). Vgl. Alardus, °Warum sollt ich betrübet sein (Str. 7): „Als Pauli Sterben war nicht weit, | Abzuscheiden war er bereit | Vnd bey Christo zu leben: | Also, wenn wir sterbn seliglich, | Lebn wir bey Christo ewiglich. | Solt vns diß nicht Trost geben?“ Finx, Mir vergeht zu leben (Str. 4,5–8); Vorlage des Liedes: Dach, Es vergeht mir alle Lust, länger hie zu leben. Welche Melodiefassung jeweils genau gemeint ist, geht aus den Angaben nicht hervor, die in der Regel die abgekürzte Form haben: ‚Im Thon: Wie nach einer Wasserquelle‘ o.ä. Besonders häufig genannt wird die Melodie bei Freu dich sehr, o meine Seele (in der Urfassung Freiberg 1620 noch mit eigener Melodie, vgl. FT I 572.). Auch bei vielen Liedern Johann Heermanns wird die Melodie entweder ursprünglich oder nachträglich angegeben, etwa bei Lasset ab, ihr meine Lieben; Zion klagt mit Angst und Schmerzen; Ach wie schnelle wird verkehret; Lasset Klag und Trauren fahren*. Weitere Beispiele sind Keulisch, Ach wann kommet doch die Stunde (L-1673; Lü-1695/02); Saubert, Nun, ihr abgelebte Glieder (N-1677); Dilherr, Ach wie lang muss ich mich schlagen (F-1666; L-1673; H-1683) usw. Ein Sterbelied nach Ps 42 zur selben Melodie ist °Wie ein Hirsch nach frischem Wasser (Breslau 1644).

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für eine himmeldürstige Seele“. Der schon im Titel genannte ‚Durst‘ der Seele nach dem Himmel resultiert nach den Worten der zweiten Strophe aus dem zehrenden Wirken der Welt; sie wird hier wie sonst der Teufel als „alte Schlang“ bezeichnet, die den Hirsch „angesteckt“, geschwächt und in Not gebracht hat.346 Den drängenden Klagen und Bitten um Aufnahme in den himmlischen „Freuwdensaal“ stellt Nicolai immer wieder die Bitte um das „Kräutlein patientia“ zur Seite,347 um die Balance zur Ergebenheit zu wahren. Einige weitere Lieder führen den „Hirsch“ aus Ps 42 gleichsam als Wappentier des Verlangens nach Gott im Liedanfang: Chr. Adolph Anon. Anon.

Als ein Hirsch hat Verlangen Wie ein gejagtes Hirschelein Gleich wie ein Hirsch nach frischem Wasser schreit*

(Altenburg 1627) (Berlin 1656) (Stuttgart 1704)

Anders als bei Nicolai und erst recht bei Lobwasser ist der Bezug zum Bibeltext hier und in vielen anderen Liedern348 oft nur noch punktuell und assoziativ, um das ‚Verlangen‘, ‚Sehnen‘ oder eben ‚Dürsten‘349 der Seele nach Gott und dem Sein bei Gott zum Ausdruck zu bringen. Im Text von Christoph Adolph ist das „Verlangen“ ebenso platziert wie in jenem Lied, von dem es sich die Melodie geliehen hat (Herzlich tut mich verlangen). Nicht nur diese Melodie, sondern auch den emphatischen Kehrreim „Ach wer schon da die zeit!“ hat es mit Gottfried Finckelthauß’ Wie lange soll es währen gemein. Das „Verlangen“ gilt bei Adolph zunächst „der Ewigen Frewden, | Glori vnd Herrligkeit“, in der letzten Strophe dann „dir, O JESULEIN“.350 Aus der Praxis Pietatis Melica stammt das Lied Wie ein gejagtes Hirschelein, das in der Wiedergabe des Psalmverses eine merkwürdige Vorliebe für Diminutive zeigt und den Hirsch in ein Jagdszenario versetzt, „gehetzt von hündelein | An heisser mittags=sonnen“. Hier „sehnt“ er sich nach dem Wasser; ebenso „sehnt sich mein seelelein | Bey seinem Schöpffer bald zu seyn“.351 In einigen Liedern wird die Rede vom Wasser schließlich explizit auf Gott oder Christus übertragen, also auf das „lebendige Wasser“, das „in das ewige Leben quillt“ (Joh 4,10.14), sind kein Zufall. So

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Ph. Nicolai, So wünsch ich nun ein gute Nacht (Str. 2,1–4): „Ein Hirsch von Schlangen angesteckt / | Nach frischem Wasser schreyet / | Also hat mich zum Durst erweckt / | Die Welt vermaledeyet“. Vgl. Ph. Nicolai, So wünsch ich nun ein gute Nacht (Str. 7,1–4; 12): „Das Kräutlein patientia, | Wächst nicht in allen Garten / | Ach Gott / schaff du mirs jmmerdar / Daß ich könn deiner warten. [...] Gedult / Gedult du trawrige Seel / | Gedult ist hie von Nöhten / | Biß vns der lieb Immanuel | Von diesen argen Kröten / | Wol zu sich reiß ins Paradeiß. | Da werden wir jhm dancken.“ Vgl. z. B. Schein, Mit Seufzen und mit Tränen (Str. 1): „MIt seufftzen vn[d] mit Threnen | Thet ich in meiner Noth / | Nach dir mich hertzlich sehnen / | O lieber trewer GOtt / | Gleich wie ein mattes Hirschelein / | In seinem Durst vnd Vngefell [Unglück, Mißgeschick] / | Schreyt nach eim Wasserbächelein | Aus einem frischen Brunnen Quell.“ Vgl. Anton Ulrich, Ach Gott, wann werd ich sterben* (Str. 3,1f): „Es dürstet meine seele | Nach dir / o liebster GOtt!“ Adolph, Als ein Hirsch hat Verlangen (1,5f; 5,2). Anon., Wie ein gejagtes Hirschelein (Str. 1).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

heißt es in einer Liedfassung von Ps 42, die die dringliche Frage aus dem 3. Psalmvers an die Spitze gestellt hat, in Kohlhans’ Ach wann werd ich dahin kommen: 2. Wie nach einem WasserBrunnen Ein Hirsch schreyet mit Begier, Also auch mit meiner Zungen Lechs ich, O HErr GOtt, zu dir. 3. Ihren Durst begehrt zu stillen Meine matte Seel allhier Aus dem Brunnen, der thut qvillen LebensWasser für und für.352

In einem späteren Zusatz zu diesem Lied werden Leib und Blut Christi im Abendmahl als vorläufige Erquickung gepriesen.353 In vielen Beispielen wird als eigentlicher Inhalt der Sterbesehnsucht also die Himmels- und darin die Gottes- oder Christussehnsucht erkennbar. Das vorhandene Reservoir von biblischen und sonstigen Ausdrucksformen dient dazu, „all meins Hertzens Wunsch / Lust und Begier“354 auf Gott ausgerichtet zu zeigen – oder im Gebrauch des reichen Vorrats an Liedern und Liedtexten auf ihn auszurichten.

7. Zusammenfassung Welche subjektive Haltung das Ich zum eigenen Sterben einnehmen und wie es dieses Sterben erleben kann, wird in den Liedern mit Hilfe feststehender literarischer Muster dargestellt. Das individuelle Erleben des Sterbens wird also durch bestimmte formelhafte Wendungen, rhetorische Konventionen und inhaltliche Vorgaben gebündelt und durch deren performative Umsetzung entscheidend geprägt. Die Verwendung der Ichform und des Präsens, durch die die Sprechsituation der Texte oft unmittelbar im Sterbekontext verortet wird, tragen zu diesem Effekt wesentlich bei. Grundlegend ist das Erleben der Situation der unmittelbaren Todesnähe: Sie wird als ‚Not‘ bzw. ‚Todesnot‘ gekennzeichnet. Die ihr entsprechende Redeweise ist die im Klagepsalm vorgebildete Anrufung Gottes in der Not, für die Luthers Aus tiefer Not schrei ich zu dir (nach Ps 130) ein prägendes Beispiel ist. Näher bestimmt ist die Todesnot als Zustand, der einerseits den Leib, andererseits die Seele betrifft: Während der Leib durch Krankheit, Schmerz und Schwäche geplagt ist, setzen der Seele 352

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Kohlhans, Ach wann werd ich dahin kommen (Str. 2–3). Vgl. anon., Gleich wie ein Hirsch* (Str. 1): „GLeich wie ein Hirsch nach frischem Wasser schreyt / | also mein Seel zum Herren rufft allzeit / | diese Quell / | und Wasser hell / | mein matte Seel erfreut.“ Scheffler, Nun will ich mich scheiden von allen Dingen (Str. 3,4–6): „Du bist mein Labsal, mein Getränke, | Mein Wuntsch und was ich nur gedenke, | Mein Lebens=Brunn und süsses Meer.“ Kohlhans, Ach wann werd ich dahin kommen (Zusatz Gotha 1683, Str. 6,1f; vgl. FT II 94.): „Ich wil mich so lang erqvicken | Hier mit CHristi Leib und Blut“. Anon., Gleich wie ein Hirsch nach frischem Wasser schreit* (Str. 3,2).

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V. Literarische Muster für das subjektive Erleben des eigenen Todes

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bzw. dem Gewissen Angst und Anfechtung zu. Diesem stark negativ konnotierten Erleben werden alternative Haltungen entgegengesetzt, in denen die innere Not der Todesstunde überwunden ist: die Ergebung in Gottes Willen, die Freude über das Sterben und die Sehnsucht nach dem Sterben. Das körperliche Leiden ist nicht nur durch Schmerzen, Schwäche und Bettlägerigkeit bestimmt, sondern oft auch durch soziale Isolation. In die Darstellung des Leidens werden durch die Bezugnahme auf Ps 22 immer wieder Anspielungen auf das exemplarisch verstandene Leiden Jesu eingeflochten. Für die theologische Deutung der Krankheit spielt ihr Zusammenhang mit der Sünde eine Rolle: Krankheit und Sünde entsprechen einander auf der Ebene des Leibes bzw. der Seele; zugleich bildet die Sünde insofern eine Ursache der Krankheit, als sie Gottes Zorn angereizt hat, dessen Folge die Krankheit sein kann. Für die Lieder von der Krankheit, die sich im Verlauf des Untersuchungszeitraums gegenüber den Sterbeliedern als Gruppe verselbständigen, ist die doppelte Möglichkeit des Ausgangs charakteristisch: Genesung oder Tod; die Wahl wird Gott anheimgestellt. Ein typischer Zug der vorausgreifenden Vergegenwärtigung der Todesstunde in der ‚Bitte um ein seliges Ende‘ (vgl. S. 266) ist die Darstellung des schrittweisen Ausfalls der Körperfunktionen, der im Sinne der Ars moriendi rechtzeitig eingeprägt werden soll. Ziel ist es, die Kommunikation mit Gott im Gebet möglichst lange aufrechtzuerhalten und damit die Bedrohung der Gottesbeziehung durch die Nähe des Todes zu minimieren. Das Leiden der Seele besteht in der Anfechtung des Gewissens durch Tod, Teufel, Hölle und letztlich durch die Sünde. Als biographisch exponierter Sonderfall der Gewissensnot verweist die seelische Todesnot auf die Sünde als Grundproblem des Menschseins und die Anfechtung als Grundproblem des Glaubens. Was den Tod betrifft, so ist es nicht der leibliche oder zeitliche Tod – die temporäre Trennung von Leib und Seele –, der Angst, Schrecken und Trauer auslöst, sondern der ewige Tod, die Möglichkeit der ewigen Trennung von Gott. Die Anfechtung durch Gericht, Hölle und Teufel kann als Angst vor der zukünftigen Verdammnis, aber auch als präsentische Erfahrung der Anklage durch das Gewissen gedeutet werden. Insbesondere die Erinnerung an seine Sünde wird dem Menschen auf dem Sterbebett zur Anfechtung, nämlich vor allem an die Tatsünden (memoria peccatorum), in denen er letztlich gegen Gott gerichtete Handlungen erkennen muss. Ihretwegen verdient er die gefürchtete Verdammnis und erfährt in der ihn überwältigenden Reue (contritio) „des Gesetzes Fluch“. Trost in der Anfechtung wird ihm dagegen durch den Glauben (fides) zuteil, besonders durch die Artikel vom Werk Christi (vgl. VI.) und von der Auferstehung der Toten. Der Trost des Glaubens als ‚fides qua creditur‘ liegt im Vertrauen darauf, dass die Fortdauer der Gottesbeziehung das Ich durch den Tod hindurch rettet. Getrostes Sterben in diesem Sinne gewinnt als Sterbeideal im Anschluss an Luther den Vorrang vor der Notwendigkeit der contritio. Feststehende Äußerungen des Ich, die dem Nebeneinander von contritio und fides entsprechen, sind das Sündenbekenntnis einerseits und das Bekenntnis des Glaubens oder Vertrauens andererseits. Beide sind auch aus Leichenpredigten als typisch für den Sterbekontext überliefert (vgl. S. 569; S. 571).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Nicht erst in der Todesnot, aber hier besonders wird die Ergebung in Gottes Willen als die richtige Haltung gegenüber dem eigenen Ende empfohlen. Der Akt der Ergebung wird als performativer Vollzug durch den Liedtext selbst nahegelegt, vorgegeben in formelhafter Sprache (Was mein Gott will; Herr, wie du willt usw.) oder durch Formulierungen in der Nachfolge Jesu, z. B. Gethsemane (Mt 26,39) oder im Vaterunser (Mt 6,10). Die Ergebung bedeutet die Aufgabe des eigenen Willens zugunsten des Gotteswillens. In der Lehre von der Providenz, nach der die göttliche Regierung den Weg des Menschen vorher weiß und zu seinem Heil und Nutzen vorherbestimmt hat, findet das Vertrauen in die Güte des Gotteswillens seine theologische Grundlegung. Gottes Wille ist dem Menschen teils verborgen, teils erkennt er die Fügung seines unmittelbar bevorstehenden Endes als Gottes Willen. Dieser Fügung hält er in williger, geduldiger Ergebung ‚stille‘; zunehmend wird sie aber auch aktiv bejaht. Dabei geht der eigene Wille nicht mehr so bruchlos im göttlichen auf wie zuvor. Überhaupt tritt die Unterschiedenheit von göttlichem und menschlichem Willen im Verlauf des Untersuchungszeitraums deutlicher zutage; das führt dahin, dass der menschliche Wunsch nach dem Sterben die göttliche Fügung kaum noch abwarten kann. Der Ergebung in Gottes Willen verwandt ist der performative Akt der Commendatio animae (Ps 31,6; Lk 23,46), der aber nicht mehr in der Bereitung zum Sterben zu verorten ist, sondern den Zeitpunkt des Todes selbst markiert: die Trennung der Seele vom Leib. Auch in der freudigen oder sehnsüchtigen Haltung zum eigenen Ende sind Angst und Anfechtung überwunden; mehr noch als in der Haltung der Ergebenheit, die ja gerade durch die Aufgabe des Eigenwillens gekennzeichnet war, kommt in diesen den Tod aktiv bejahenden Regungen die eigene Position des Ich zur Geltung. Noch stärker als für die Freude, die im Vorfeld des Sterbens ebenso wie im Sterben selbst empfunden werden kann, gilt dies für die Sterbesehnsucht, die mit großem Nachdruck auf Erfüllung drängt und den leiblichen Tod nur noch als letzten Schritt zum Ziel der ersehnten Gottesgemeinschaft versteht (vgl. Phil 1,23). Ähnlich wie die ‚Bitte um ein seliges Ende‘ besitzt die Sprechsituation der Sterbesehnsucht meist noch einen gewissen zeitlichen Abstand zur Todesstunde, nur erscheint der Tod hier nicht mehr als Mahnung, sondern als Verheißung, deren Erfüllung mit ungeduldigen Imperativen und ‚Wann‘-Fragen herbeigewünscht wird. In der Performanz dürften die bisweilen schwärmerischen Ausdrucksformen der Sterbesehnsucht eine besonders suggestive Wirkung entfaltet, die Wünsche der Leser und Sänger also nicht nur zum Ausdruck gebracht, sondern auch geprägt haben. Das Verlangen nach dem eigenen Ende tritt vermehrt seit 1600 auf und steigert sich bis 1700 immer weiter. In doppelter Hinsicht erweist es sich als charakteristisch für die Frömmigkeit des 17. Jahrhunderts, wie sie auch in anderen Kontexten festgestellt wurde: In der Sehnsucht des Ich, die Welt zu verlassen, kommt zum einen wieder die Abwertung der Welt zum Ausdruck. Gegenüber älteren Texten hat sich zum anderen die Ich-Perspektive von göttlichen Forderungen unabhängig gemacht: Im Zentrum steht hier allein der als brennend erfahrene Wunsch des Ich nach der Gottesgemeinschaft.

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VI. Christus der ist mein Leben

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VI. Christus der ist mein Leben: Christologische Aspekte des Sterbetrostes Die zentrale Bezugsgröße des Sterbetrostes, wie er sich in den lutherischen Sterbeliedern des 16. und 17. Jahrhunderts findet, ist Christus. Der in den Liedern viel zitierte Vers Phil 1,21 bringt das Zentrum dieses Trostes auf einen knappen Nenner: „Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn“ (griechisch: ь̨̫Ҡ ̟Қ̬ ̯Ң ̢Ӭ̩ ̬̥̮̯̓Ң̭ ̦̝Ҡ ̯Ң ж½̡̫̤̝̩Ӻ̩ ̦̙̬̠̫̭). Die vielfältigen christologischen Aspekte des Sterbetrostes lassen sich in drei unterschiedlichen, aber zusammenhängenden Christusbildern darstellen: Christus der Leidende (1.), Christus der machtvolle Überwinder des Todes (2.), Christus der Freund und Geliebte (3.). Steht bei den beiden ersten Bildern die Heilswirkung des Christusgeschehens durch Passion und Auferstehung im Vordergrund, so ist es im dritten Fall, der im 17. Jahrhundert verstärkt zutage tritt,1 der persönliche, ja mystische Charakter der individuellen Christusbeziehung. Vor der ausführlichen Betrachtung dieser drei Christusbilder sollen einige Beobachtungen zu Phil 1,21 und zur Verwendung des Begriffes ‚Trost‘ als dezidiert christologischer Kategorie an die Thematik heranführen. Die paulinische Aussage aus Phil 1,21 hat eine doppelte Verweisfunktion, die durch die Vertauschung von Subjekt und Prädikat des ersten Satzteils in der auch für die Lieder maßgeblichen Lutherübersetzung etwas ins Unklare gerät: Sie verweist zum einen auf Christus als Zentralfigur, zum anderen auf einen Nutzen des Menschen bzw. des Ich. Die beiden dazugehörigen Subjekte ‚Leben‘ und ‚Sterben‘ sind im ursprünglichen Kontext parallel gestellt und bezeichnen alternative Optionen für den Fortgang des individuellen Geschicks (ähnlich wie in den Krankheitsliedern): Christus soll, so Paulus, auf jeden Fall an meinem Leibe verherrlicht werden, geschehe dies nun durch Leben oder durch Sterben (vgl. Phil 1,20). Bleibe ich am Leben, so wird dieses Leben weiterhin dem Wirken für Christus gewidmet sein; sterbe ich, kann mir das nur umso mehr nützen. Aus dem Kontext herausgenommen, sind die beiden Infinitive dann nicht mehr als Alternativen der Verherrlichung Christi erkennbar, wobei vor allem der erste Halbsatz einen Bedeutungswandel erfährt und den zweiten begründet: Weil Christus für mich gestorben ist und nun für mich lebt, bedeutet der Tod keine Gefahr mehr für mich, sondern vielmehr einen Gewinn. In diesem Sinne wird der Satz zumeist von den Liedern aufgegriffen.2 Auch über die direkte Bezugnahme hinaus wird Christus immer wieder mit ‚Leben‘ oder ‚mein Leben‘ angesprochen.3 1 2

3

Vgl. Kemper, Krisen-Zeit, 103–106. Ausdrücklich in diesen Zusammenhang gebracht wird der Vers bei Weissel, Kurz ist die Zeit, kurz sind die Jahr (Str. 3,4–4,3): „Dann JEsus Christ | Gestorben ist | Zum Lebn vnd Heyl der Sünder. || In dem ist Sterben mein Gewinn; | Denn rafft mich gleich der Tod dahin, | Ist Christus doch mein Leben.“ Vgl. z. B. Runge, Ich will gar gerne sterben (Str. 2,1–4): „Herr Jesu, du mein Leben, | Der du das Leben mir | Erworben, laß mich schweben | Im Himmel dort bey dir“; Homburg, Herr Jesu Christ, mein Leben (Str. 1): „HErr Jesu Christ, mein Leben, | Der du dich hingegeben, | Der du vor mich gestorben | Und mir das Heil erworben“; Dilherr, Warum sollt ich bekümmert sein (Str. 4,3f): „Ich halte / Heiland / mich an Dich / | Du Leben aller Frommen“; anon., O du Leben meiner Seele* usw.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Das paulinische Diktum aus Phil 1,21 lässt sich aufgrund seiner knappen, parallel strukturierten Form besonders leicht in Verse fassen; es gehört zu den meistzitierten Bibelstellen im untersuchten Material. Dabei bleibt es meist bei der knappen Form; erläuternde Ausschmückungen sind selten. Anders als der nachfolgende Vers 23 (vgl. S. 347) ist es gerade in den älteren Liedern präsent. Schon in der bei Babst abgedruckten deutschen Grabspruchsammlung Luthers ist ein Zitat des Verses enthalten, ebenso in häufigen Sterbeliedern wie O Welt, ich muss dich lassen, Ringwaldts Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl, Knolls Herzlich tut mich verlangen und vielen anderen4 – oft noch weiter verkürzt zum bloßen Zitat der zweiten Vershälfte (‚Sterben ist mein Gewinn‘) und damit auf den durch Christus gewonnenen Nutzen des Todes konzentriert. Sehr verbreitet ist das Lied Christus der ist mein Leben (Jena 1609), das den Paulusvers mottoartig voranstellt;5 seltener ist Christus wird mich nicht lassen (Hamburg 1612), in dem der Vers nicht nur sechsmal als Kehrreim, sondern auch als Akrostichon der Strophenanfänge enthalten ist.6 Das paulinische „Christus ist mein Leben“ benennt Christus als Zentralfigur christlichen Sterbetrostes. Christus ist derjenige, der in der Anfechtung der Todesnot angerufen wird und zu dem der Angefochtene seine Zuflucht nehmen kann. Die Rede vom ‚Trost‘ in der Todesnot, die der von der ‚Anfechtung‘ entgegengesetzt ist, ist in aller Regel christologisch bestimmt: „Du bist der Trost alleine / | der uns tröst allgemeine / | wan[n]s End vorhanden ist.“7 Dass Christus persönlich als ‚Trost‘ angesprochen wird, ist biblisch insbesondere in Ps 73,26 begründet: „Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.“ Das ‚Verschmachten von Leib und Seele‘ lässt sich ohne weiteres auf die Todesnot in ihrer leiblichen und seelischen Ausprägung (Krankheit und Anfechtung) beziehen, in der der Mensch unbedingt des Trostes bedarf. Daher taucht der Psalmvers in einer Vielzahl von Sterbeliedern als Trostspruch auf, zusammen mit Vers 25 („Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde“8). 4

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6

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Vgl. anon., O Welt, ich muss dich lassen (Str. 2,3); Ringwaldt, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl (Str. 9,3f); Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Str. 3,8). Vgl. Leon, Ich hab mich Gott ergeben (Str. 2,2); Siegfried, Ich hab mich Gott ergeben (Str. 1,5f); Schein, Klagt mich nicht mehr, ihr lieben Leut (Str. 4); Schein, Mein Gott und Herr, ach sei nicht ferr (Str. 7); anon., Mein Herz mit Lieb verwundet ist* (Str. 4,9); anon., Meine Kraft ist hin, dann ich elend bin* (Str. 9,4–6) u.v.a. Vgl. Fischer/Schmidt, Testament, 72: „Christus, der ist mein Leben kann als biblisches Motto-Lied bezeichnet werden: Der erste Vers formuliert die Devise, die dann in den folgenden Versen und Strophen entfaltet wird.“ Die Anfänge der Strophen 1–5 ergeben den Satz „CHristus [...] Ist [...] Mein Leben [...] Sterben [...] Ist mein Gewinn“; in Str. 6 steht er nochmals ganz am Strophenanfang. Vgl. Peter Francks Lied °Christus, Christus, Christus ist: Jede Str. endet mit „Christus ist mein Leben“, die letzte mit „Sterben ist nur mein Gewinn, | Christus ist mein Leben.“ Dieser Satz wird der Anfechtung durch Tod, Grab, Welt und Teufel entgegengehalten. Anon., Wir müssen alle sterben, der Tod ist uns gewiss* (Str. 1,5–7). Vgl. anon., Wir leben wie ein Wandersmann (Str. 9): „Du bist des Todts vnnd Lebens Herr, | wenn ich dich hab, such ich nichts mehr, | Wenn ich dich hab, such ich nichts mehr, | du bist des Todes vnd Lebens Herr.“ Selnecker/Moller, Hilf, Helfer, hilf in Angst und Not (Str. 2): „Ich traw auff dich, O Gott, mein HERR! | wenn ich dich hab, was wil ich mehr? | Ich hab ja dich, HERR Jesu Christ, | du mein Gott vnd Erlöser bist.“ Anon., Mein Herz mit Lieb verwundet ist* (Str. 2,2f): „wenn ich dich hab / so frag ich nicht / | nach Welt und Höll“. Vgl. a. S. 410 mit Anm. 289.

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VI. Christus der ist mein Leben

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Der bekannteste Beleg dürfte der aus Schallings Lied Herzlich lieb hab ich dich, o Herr sein; ihm sei ein Beispiel von Johann Hermann Schein zur Seite gestellt. „1. [...] Die gantze welt nit frewet mich, nach himmel vnd erd nit frag ich, wen[n] ich dich nur kan haben. Vnd wenn mir gleich mein hertz zerbricht, so bist doch du mein zuuersicht, mein theil vnd meines hertzen trost, der mich durch sein blut hat erlöst.“9 „2. Ob mir gleich Leib vnnd Seel verschmacht / Von iederman verlassen / :/: Dennoch ich solches gar nicht acht / Fahr frölich meine Strassen: Wenn du / O JEsu Christ / Nur ümb vnd bey mir bist / So gibst du Trost meim Hertzen / :/: Du bist allein mein Theil / Mein Seligkeit vnd Heyl / Nimst hin all meine Schmertzen.“10

1. Christus der Leidende Nach Ps 73 ergibt sich der Sterbetrost aus der persönlichen Nähe des Gottes, der „allezeit meines Herzens Trost“ ist: „Herr, wenn ich nur dich habe“. Ein weiteres zentrales Trostmotiv in vielen Sterbeliedern, das mit dem Trost aus der Gottesnähe korrespondiert, ist das Leiden Jesu.11 9 10

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Schalling, Herzlich lieb hab ich dich, o Herr (Str. 1,4–10). Schein, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, wenn ich gleich itzt (Str. 2). Einen längeren Abschnitt des Psalms (Ps 73,23–26) hat Schein verarbeitet in Mein Herz ruht und ist stille (Str. 2–5). Weitere Belege: Selnecker, Herr Jesu Christe, Gottes Sohn (Str. 11–12); Moller, Ach Gott, wie manches Herzeleid (Str. 5,1–4): „Ob mir gleich Leib vnd Seel verschmacht, | so weistu, HERR, das ichs nicht acht. | Wenn ich dich hab, so hab ich wol | was mich ewig erfrewen sol.“ (Axmacher, Mystische Frömmigkeit, 45 deutet die Anspielung auf Ps 73 als Beleg für die Abhängigkeit der Strophe von einem Gebet aus Mollers Meditationes Sanctorum Patrum.) Anon., Ach mein herzliebes Jesulein (Str. 4): „Wenn mir gleich Leib vn[d] Seel verschmacht, | Mein Sinn vnd Krafft mich nicht mehr acht, | So bistu doch meins Hertzens Trost, | HErr Jesu, der du mich erlöst.“ Weissel, Ich bin dein satt, o schnöde Welt (Str. 1,9–13): „Mein HErr vnd Heiland JEsus Christ | Mir fest ins Hertz gepflantzet ist; | Der ist mein Theil, den ich erwehlt, | Der ist mein Trost, der mich erhelt: | Was könt’ ich mehr erbitten?“ M. Albinus, Auf, du mein Geist, mein Sinnenlicht (Str. 3,4–6): „[...] du meines Hertzen Theil, | Mein steter Trost, mein ewigs Heyl, | Läst mich nicht seyn verlohren.“ Titius, Was ist unser Leben (Str. 5): „HErr, wenn ich nur habe | Dich zur Morgengabe, | O so sey und bleib | Die Welt ungeachtet; | Ob mir schon verschmachtet | Meine Seel und Leib: | Bist du doch, | O JEsu, noch | Meines Hertzen Lust und Freude, | Mein Theil, Heil und Weyde.“ Vgl. Leon, Herr Jesu Christ, mein Herr und Gott, dein Leiden groß (Str. 1): „HERR Jhesu Christ, mein HErr vnd Gott, | dein Leyden groß, dein Wunden roth, | Dein Thewres Blut, dein bitter Todt | sol sein mein Trost in Sterbens not.“ Variante zu V. 2 aus H-1683: „dein Zittern Zagen / Angst und Noth“ usw. Das Lied, nach W IV 678. im Originaldruck (einer Leichenpredigt von 1582) in 6 Str. à 4 V. gegliedert,

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Auf dreierlei Weise soll hier das Verständnis des Leidens Jesu entfaltet werden. Alle drei besitzen die Qualität des Trostes. (a) Christus ist zum einen der exemplarisch Leidende. Die detaillierte und konkrete Betrachtung seiner Passion wird dem Menschen insofern zum Trost, als der Herr in seiner Gottverlassenheit dieselbe (oder eine noch ins Unermessliche gesteigerte) Anfechtung erlitten hat wie das Ich. Mensch und Erlöser sind in ihrem Leiden wechselseitig aufeinander bezogen. (b) Zum zweiten ist Christus der stellvertretend Leidende, der durch sein einmaliges Leiden und sein Blut das Heil wirkt. Er erbringt für alle Menschen die vor Gott nötige Sühne und befreit sie von Tod und Sünde.12 Mit diesem Punkt ist also insbesondere der menschliche Nutzen, der soteriologische „Gewinn“ (Phil 1,21) oder ‚verdienstliche Zweck‘13 des Leidens Christi angesprochen. (c) Zum dritten wird der gemarterte Leib des Gekreuzigten selbst zum meditativen Zufluchtsort des angefochtenen Sünders: Dieser flüchtet sich in die ‚Wunden‘ Jesu, sucht also Trost14 in der intimen körperlichen Nähe zu Christus, der von Tod und Leiden gezeichnet ist. Die persönliche Christusbeziehung gewinnt hier bisweilen eine brautmystische Färbung. Nur selten gibt es Hinweise auf eine compassio-Frömmigkeit in den Sterbeliedern – beim Sterben steht der Trost des Menschen durch den Gekreuzigten im Zentrum, weniger der Trost des leidenden Christus durch den ihm sich zuwendenden Menschen.15

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begegnet zumeist in 4 Str. à 6 V. (H-1683 nach der Melodie °Vater unser im Himmelreich). Eine häufig Ringwaldt zugeschriebene ausführlichere Variante des Liedes in anderer Strophenform (in F-1666, Lü1695/1702 nach der Melodie °Durch Adams Fall ist ganz verderbt) stammt nach Reckziegel, Cantional, 198 aus den Threnodiae von Demantius (Str. 1,1–4): „HErr Jesu Christ / mein HErr und Gott / | Laß mich doch nicht verderben / | Dein theures blut / deinn bittern tod | Laß seyn mein trost im sterben.“ – Vgl. anon., Ich weiß wohl, dass ich sterben muss (Str. 1,3–7): „Drumb hilff, O GOtt, daß ich mit Buß | Mich kehr zu deinem Bunde, | Daß meine Sünd ich stets bewein’, | Jedoch auch deiner TodesPein | Mich tröst aus HertzensGrunde!“ Roberthin, Wer sein Wesen überlegt (Str. 4,6–5,3): „JEsu Christi Gnaden=Flut, | GOttes Sohnes heylig Blut | Macht vns rein von Sünden. || Dieser Trost ist vnser Licht | In des Lebens Wegen | Vnd im Tod ein Segen.“ Den „verdienstlichen Zweck der vornehmsten Stück“ der Passion zeigt en detail Johann Olearius in Herr Jesu, deine Traurigkeit, einer Passionsbetrachtung mit zahlreichen Stophen, überschrieben „Hertzerqvickender Trost in Todesnoth“; dazu vgl. S. 361. Zum ‚Trost‘ in den Wunden vgl. etwa Rosenmüller, Alle Menschen müssen sterben (Str. 2,5–8): „[...] Denn in meines JEsu Wunden | Hab ich nun Erlösung funden, | Vnd mein Trost in Todes Noth | Ist des HERREN Jesu Todt.“ Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, Wer weiß, wie nahe mir mein Ende (Str. 7,1–4), zit. u. S. 375 Anm. 104. Vgl. aber Ritzsch, Der frömmste Mensch, ja Gottes Sohn (Überschrift: „Trawer=Gesang / über des Herrn JEsu Hinfahrt vnd heiliger Begräbnis“, nur L-1627b/45, erstmals Leipzig 1621). Das Ich im Lied nimmt verschiedene Rollen biblischer Personen ein, die für den Leichnam Christi Fürsorge übernehmen: Joseph von Arimathäa, Nikodemus, Maria. Die compassio mit dem Gekreuzigten äußert sich hier also in tätiger Zuwendung zu seinem Leichnam. Dabei werden die äußeren Handlungen der biblischen Personen durch Verinnerlichung angeeignet: Gesalbt wird der Leichnam mit Bußtränen, gebettet auf das Herz des Ich (vgl. die Dialogsequenz zwischen dem Ich und Christus Str. 3,3–7). Eine weitere Dimension des Textes öffnet sich durch die begründete Annahme, dass das Lied – von Schein unter die Sterbegesänge des Cantionals aufgenommen – tatsächlich als Beerdigungsgesang verwendet wurde. Dann gewinnt der Vorgang der Grablegung Christi wieder direkten Vorbildcharakter für den Abschied eines Verstorbenen

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VI. Christus der ist mein Leben

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a) Trost als Wirkung der Betrachtung des Leidens Christi Der Passionsbetrachtung, also der Meditation über die konkret vorgestellten Leiden Jesu, wird in den untersuchten Texten oft schon an sich eine Trostwirkung zugetraut – auch ohne dass die Heilswirkung des Todes Jesu als stellvertretende Sühne eigens reflektiert würde. Darin unterscheiden sich die untersuchten Liedtexte immer wieder von der Position Luthers, für den die soteriologische Sicht des Leidens im Zentrum der Passionsbetrachtung stehen muss.16 Dazu gehört noch bei Johann Gerhard „das Erschrecken über die Größe und Schwere der eigenen Sünde“, die dem Menschen in der Betrachtung des Gekreuzigten vor Augen steht und die er als ursächlich für dessen Leiden erkennt.17 Für viele Autoren besteht dagegen zwischen exemplarischer und soteriologischer Passionsbetrachtung kein Widerspruch, auch kein Wertgefälle. Zunächst sei eine Art der konkreten Passionsbetrachtung genannt, in der der Stellvertretungsgedanke noch durchscheint. Sie besteht in der Anwendung eines Prinzips, das als ‚gegenwirksam‘ bezeichnet werden könnte. Strukturell ähnelt dieses Prinzip Luthers ‚fröhlichem Wechsel‘: Indem das Ich sich die einzelnden Leiden des Herrn vor Augen hält, wird es selbst jeweils von genau diesen Leiden befreit. Der zugrunde liegende Gedanke, dass Jesus durch seine Todespein den Menschen von der ewigen Pein befreit, gerät dabei manchmal aus dem Blick – zumal die erleichternde Wirkung nicht ins Jenseits projiziert, sondern bereits in der Gegenwart der Todesstunde konstatiert wird. Damit wird der Blick von der soteriologischen Wirkung des Leidens Jesu auf die Gemeinsamkeit des Todesschicksals zwischen Mensch und Erlöser gelenkt. Die ‚gegenwirksame‘ Passionsbetrachtung ist von einer ‚exemplarischen‘ also gar nicht so weit entfernt, wie es zunächst scheinen könnte: Die Gemeinsamkeit zwischen Mensch und Erlöser steht in beiden Fällen im Zentrum. Beide erleiden die Todesnot, erdulden Angst und Schmerz und ergeben sich in Gottes Willen. Dass Jesus vor ihm schon dasselbe erlitten hat, ist dem Menschen ein Trost;18 Jesu Leiden und menschliches Leiden legen sich gegenseitig aus.

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im Hier und Jetzt. – Vgl. außerdem Gerhardt, °O Haupt voll Blut und Wunden (Str. 6): „Ich wil hie bey dir stehen, | Verachte mich doch nicht; | Von dir wil ich nicht gehen, | Wann dir dein hertze bricht. | Wann dein hertz wird erblassen | Im letzten todesstoß, | Alsdan wil ich dich fassen | In meinen arm und schoos.“ Luther kritisiert die Haltung, die schon der bloßen oder ‚blinden‘ Passionsbetrachtung einen Nutzen zuschreibt, ohne die eigentliche soteriologische Wirkung des Leidens Christi zu durchdringen. Vgl. Luther, Sermon von der Betrachtung des heiligen Leidens Christi (WA 2, 136): „Darzu geht yrre eyn spruch, S.  Albert zu geschrieben, das es besser sey, Christus leyden eyn mal oben hyn uber dacht, dan ob man eyn gantz jar fastet, alle tag eyn Psalter bettet etc. Dem folgen sie blind da hyn und geratten eben widder die rechte frucht des leydens Christi, dan sie das yhre darynnen suchen.“ Vgl. zu Gerhard J. A. Steiger, Christus pictor, 101f; zu der bei Luther, Gerhard und August Pfeiffer begegnenden Tradition der Passionsdeutung als ‚Doppelspiegel‘, in dem gleichermaßen Gottes Zorn und Gottes Liebe angeschaut wird, vgl. ebd. 119–127. Die Erkenntnis der eigenen schuldhaften Verstrickung in das Leiden Christi taucht in Form einer Selbstbezichtigung des Ich als Topos in vielen Passionsliedern auf; vgl. Anm. 46. Vgl. Babzien, °Jesu, der du selbsten wohl (Str. 1, 1–4): „JEsu, der du selbsten wol | Hast den Tod geschmecket, | Hilff mir, wann ich sterben sol, | Wann der Tod mich schrecket.“ Als Trost für das angefochtene Gewissen werden hier in den beiden ersten Versen weder Sühne noch Stellvertretung genannt, sondern nur die Gemeinsamkeit des Erlittenen. Vgl. Axmacher, Der Mensch vor dem Gekreuzigten, 205: „Mit der

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Eine Passionsbetrachtung, die Jesu Leiden als exemplarisch versteht, hat aber nicht nur eine tröstliche, sondern auch eine mahnende Funktion: Der Mensch ist in die Kreuzesnachfolge gerufen (vgl. Mt 10,38; 16,24par). Sie ist ebenso wie die Liedrubrik ‚Von Kreuz und Anfechtung‘ nicht erst eine Sache des Sterbens, sondern des ganzen Lebens. Schon wenn er zur Welt kommt, ist jedem Einzelnen sein Kreuz vorherbestimmt;19 es ist von Gott auferlegt, der darum auch immer wieder gebeten wird, es tragen zu helfen.20 Den guten Christen zeichnet die Bereitschaft aus, sich nach Gottes Willen in sein Kreuz zu fügen,21 und die Beharrlichkeit, es bis zum Ende zu tragen.22 Dem Sterbenden wird das Kreuz immer schwerer; er seufzt nach Befreiung von der Last ähnlich wie nach dem Ausspannen vom ‚Joch‘ (vgl. S. 217; S. 343).23 Der Verstorbene sieht bei Paul Gerhardt sein Leben im Rückblick unter dem Zeichen des Kreuzes – sowohl des eigenen wie auch des Kreuzes Christi: 2. [...] Es gieng mir wie es pflegt zu gehn / All denen die bey Christo stehn Vnd von der Welt sich scheiden: Wer Christo folgt / der muß mit ihm Daß Creutz und alles Vngestüm Auf seinen Wegen leiden.24

Die paulinische Verheißung, dass jene, die mit Christus gestorben sind, auch mit ihm leben werden (Röm 6,8), bezieht sich in ihrem ursprünglichen Kontext nicht auf den leiblichen Tod, sondern auf den Tod der Sünde in Christus, der dem Menschen mit der Taufe übertragen wird. Nach lutherischem Verständnis beginnt aber bereits mit der Taufe der „transitus ex hoc mundo ad patrem“, der mit dem leiblichen Tod zum Ende kommt.25 In einem Lied aus den Threnodiae (Freiberg 1620) wird die Aussage daher ohne weiteres auf das eigene leibliche Sterben angewandt: „Drumb ich mit dir

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Erinnerung an das, woraufhin diese Hilfe erfleht wird, nämlich die von Jesus selbst durchlittene ‚angst und pein‘ [...], kommt das angstvolle Bitten zur Ruhe.“ Auch Luther betont die Trostwirkung der Tatsache, dass Christus die Anfechtung selbst durchlitten hat. Erst ihre Überwindung macht allerdings die Trostwirkung komplett, vgl. Luther, Sermon von der Bereitung zum Sterben (WA 2, 691): „Zu ubirfluß hatt er nit allein yn yhm selbs die sund, todt, hell ubirwunden und unß furgehalten zu glauben, Sondern zu mehrem trost auch selbst die anfechtung erlitten und ubirwunden, die wir yn dißen bilden haben.“ Vgl. anon., Es ist doch in diesem Leben* (Str. 2): „Werden wir zur Welt gebohren / | Tritt zugleich mit auff den Plan / | Unser Creutz dem wir erkohren / | Von der zarten Kindheit an.“ Vgl. anon., Herr Jesu Christ, du treuer Gott (Str. 4,1–4): „Groß Creutz, Trübsal vnd Hertzenleyd | Muß ich jetzunder tragen | In der Trübsal vnd Trawrigkeit, | Ach Gott, hilff mirs ertragen.“ Schechs, Ach Gott, erhör mein Seufzen und Wehklagen (Str. 1,5): „Hastu mirs auffgelegt, so hilff mirs tragen.“ Vgl. Moller, Ach Gott, wie manches Herzeleid (Str. 11,1–4): „Drumb wil ich, weil ich lebe noch, | das Creutz dir frölich tragen nach. | Mein Gott, nach mich dazu bereit, | es dient zum besten allezeit.“ Vgl. anon., Herr Jesu Christ, du treuer Gott (Str. 4,5–9): „Ich bleib frü vnd spät | In meinm Gebet, | Biß sich mein Creutz thut enden: | Herr, nach deim Wort wolst du mir dort | Mein Creutz inn Frewden wenden.“ Vgl. Burmeister, Es ist genug, so nimm, Herr, meinen Geist (Str. 3): „Es ist genug des Kreützes, das mir fast | Den Rücken wund gemacht. | Wie schwer, O Gott, wie hart ist diese Last! | Mein hartes Lager durch mit Thränen; | Wie lang, wie lange muß ich sehnen? | Wenn ists genug?“ Gerhardt, Mein herzer Vater, weint Ihr noch (Str. 2,5–10). Vgl. Luther, De captivitate Babylonica (WA 6, 534,38f).

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VI. Christus der ist mein Leben

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gern sterben wil, | Auch mit dir aufferstehen wil“26. Damit ist zum einen auf die einmalige Heilswirkung von Jesu Tod angespielt (zuvor: „dein herber Tod [...] verdient vns das Leben“), zum anderen aber wird der eigene Tod in die Nachfolge Jesu gestellt. Ähnlich verhält es sich mit einem der am häufigsten aufgegriffenen Momente der Leidensbetrachtung, der Todesangst. Einerseits wird der Todesangst Jesu immer wieder ein stellvertretend soteriologischer Nutzen zugunsten des Gläubigen zugeschrieben wie in Paul Gerhardts berühmten Versen: „So reiß mich aus den ängsten | Krafft deiner angst und pein“27. Andererseits lindert schon der Gedanke an Jesu exemplarische Angst die Todesangst des Menschen. Dies gilt etwa für Martin Behms Lied Herr Christ, wenn ich bedenke, ein Bittgebet „Vmb einen seligen abscheid, auff die Gartenangst Christi gerichtet“: 4. Drumb wenn ich werde zittern als denn vnd zagen sehr, Weil sich bey mir wird wittern der Todt mit seinem speer, […] 5. [...] HERR Christ, so laß mich dencken ans kläglich zittern dein, das mich zu sehr nicht krencken die Todtes schmertzen mein.28

Neben dem ‚Zittern und Zagen‘ (Str. 4f) werden noch zwei weitere Elemente mit Erfahrungen des eigenen Endes parallelisiert, nämlich der „schweiß“ (Str. 6f) und das „Todtringen“ (Str. 8f) Christi. Hier liegt wieder ausdrücklich ein soteriologischer Gewinn für das Ich in dem, was Christus erlitten hat: Es hofft darauf, im eigenen Angstschweiß zu „geniessen | deines Blutschweisses werd“29 und „krafft des Todtringens dein“ den eigenen Tod zu überwinden. Solche Aussagen lassen sich auf die Heilswirkung des als stellvertretende Sühne verstandenen Todes Jesu beziehen (vgl. dazu den folgenden Teilabschnitt b). Auf der anderen Ebene ergibt sich ein Gewinn allein aus dem Vorgang der Betrachtung von „Gartenangst vnd schmertzen“, von „Schweiß und Not“ Christi; er besteht schlicht darin, „das ich dadurch im Hertzen | erquicket würd im Todt“30. Der Nutzen des Leidens Jesu für das selige Ende ist also ein doppelter: Aus dem Leiden selbst erwächst das Heil, aus seiner Betrachtung der Trost. Tröstlich ist das Leiden Jesu dabei einerseits als exemplarisches, andererseits

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Buchholzer, °Ach liebe Seel, gesegne gern (Str. 3,4f). Vgl. Str. 5,4–6: „Wolan, ich nu mit Christo sterb, | Auch mit jhm auffersteh zum Erb | Der Ausserwehlten Kinder.“ Gerhardt, °O Haupt voll Blut und Wunden (Str. 9,7f). Vgl. Schwab, O Jesu, lieber Herre mein (Str. 2,1–4): „HERR Christ, du edler Ehrenpreyß, | du wolst mein Hertz bewaren, | Durch deine[n] heilgen Angestschweiß | laß mich nicht vbel fahren“. Behm, Herr Christ, wenn ich bedenke (Str. 4,1–4; 5,5–8). Vgl. anon., O Vater, Sohn und Heilger Geist* (Str. 10): „Wenn drauf in meiner Angst an mihr | Der Todes= Schweis gahr bricht herführ / | So las mihr kommen da zu guht’ / | HErr / deine[n] Todes=Schweis und Bluht.“ Behm, Herr Christ, wenn ich bedenke (Str. 3).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

als stellvertretend-‚gegenwirksames‘. Das Lied leitet zur tröstlichen Betrachtung an; der Trost vollzieht sich in seiner Performanz. Weitere Lieder treiben das Verfahren auf die Spitze, die unmittelbare Heilswirkung konkreter Leidensschritte auf das Sterben und das künftige Leben des Menschen darzulegen und darin eine exemplarische mit einer soteriologischen Perspektive zu verbinden. Zu nennen sind vor allem ein weiteres Lied von Martin Behm, O Jesu Christ, meins Lebens Licht (Wittenberg 1611), und Johann Olearius’ Herr Jesu, deine Traurigkeit aus der Geistlichen Singekunst (Leipzig 1671). Das erste Lied verbindet die Bilder der Passion mit solchen der Peregrinatio (vgl. S. 220). Das ermattete Ich bittet um Stärkung für die Reise, vielleicht auch mit Blick auf ein letztes Abendmahl als ‚Wegzehr‘: 4. Drumb stärck mich durch das leiden dein in meiner letzten Todtes Pein, Dein Blutschweiß mich tröst vnd erquick, mach mich frey durch dein band vnd strick. 5. Dein Backenstreich vnd Ruhten frisch die Sünden striemen mir abwisch, Dein hohn vnd spot, dein dornin Cron laß sein mein Ehr, mein frewd vnd wonn. 6. Dein durst vnd Gallentranck mich lab wenn ich sonst keine stärckung hab, Dein Angstgeschrey kom mir zu gut, bewahr mich für der hellen glut. […] 8. Dein letztes Wort las sein mein liecht, wenn mir der Todt das Hertz absticht, Behüte mich für vngeberd wenn ich mein häupt nu neigen werd. 9. Dein Creutz laß sein mein wanderstab, mein Ruh vnd Rast dein heiligs Grab, Die reinen Grabetücher dein laß meinen sterbekittel sein. 10. Laß mich durch deine Nägelmahl erblicken die Genadenwahl, Durch deine auffgespaltne Seit mein arme Seele heim geleit.31

Detailliert wird in immer zwei Versen jeweils ein Moment des Leidens Jesu, eingeleitet durch „Dein“, mit seinem ‚gegenwirksamen‘ Effekt für das Ich zusammengekoppelt: die Fesseln Jesu wirken die Freiheit des Menschen, die Verspottung Jesu seine Ehre, 31

Behm, O Jesu Christ, meins Lebens Licht (Str. 4–6; 8–10).

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VI. Christus der ist mein Leben

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der Durst Jesu seine Stärkung32. Auch von den weiteren einzelnen Leiden der Passion, die diesem Schema nicht genau eingepasst sind, wird jeweils genau gesagt, worin sie „mir zu gut“ kommen, etwa das „Angstgeschrey“33. Dabei wird die soteriologische Funktion des Leidens Jesu nicht nur für die Todesstunde, sondern auch für das künftige Leben deutlich – und zugleich ist mit der Konkretion des Durchgangs durch die einzelnen Leidensschritte auch wieder die andere Perspektive präsent: die meditative, tröstliche Vergegenwärtigung des exemplarischen Leidens Jesu in der eigenen Todesnot; am deutlichsten zur Deckung kommen die beiden Sphären im Falle der „Grabetücher“ Jesu, in die sich in der Nachfolge nun auch das Ich hüllen will. Der Text von Olearius, eine lange Passionsmeditation ausdrücklich für den Sterbekontext,34 folgt noch konsequenter demselben ‚gegenwirksamen‘ Prinzip, das zugleich eine detaillierte Passionsbetrachtung der einzelnen Leiden Jesu erlaubt. Als Melodie wird O Jesu Christ, meins Lebens Licht angegeben, eine ausdrückliche Anknüpfung an Behm, die sich auch inhaltlich widerspiegelt. In 33 kurzen Stücken mit insgesamt 39 Strophen35 werden konkrete Einzelschritte der Passion Jesu von „der Traurigkeit deß Herrn im Garten“ (bei Behm: „Gartenangst“) bis zum „Begräbnis deß HErrn“ betrachtet. Eine Refrainstrophe am Schluss jedes Einzelstückes wiederholt die Bitte, dass „alle deine Noth | mein Hertz erquick in Noth und Tod“; damit gewinnt der Text den in der Überschrift angekündigten Status („Hertzerqvickender Trost in Todesnoth“). Die Betrachtung ist jeweils „auf den verdienstlichen Zweck der vornehmsten Stück gericht“, also auf den heilsamen Nutzen, den der Beter aus jedem Einzelschritt des Passionsgeschehens gewinnt. Dabei wird durchgespielt, wie das Leiden Jesu die Not des Beters ins Gegenteil verkehrt, sowohl was sein Sterben als auch was das zukünftige Leben betrifft. Von den drei ersten Motiven ist das zweite, das des Todeskampfes und blutigen Schweißes, schon von Behm bekannt, die beiden anderen verdeutlichen dasselbe Prinzip. Die Stücke lauten (ohne den Refrain jeweils in Str. 2): I. Auß der Traurigkeit deß Herrn im Garten. […] 1. HErr Jesu deine Traurigkeit vertreibt mir alles Hertzeleid / dein Trauren bringt mir Trost und Freud / dein Leid giebt mir die Seeligkeit. […]

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Vgl. anon., O du Leben meiner Seele* (Str. 5,1–3): „Laß durch deinen bittern gallen= | Scharff gesäurten essig=trunck | Mich nicht ungeträncket fallen“. Vgl. dazu auch Anon., O du Leben meiner Seele* (Str. 5,7f): „Hilff / HErr! daß dein angst=geschrey | Meine himmels=leiter sey.“ In der Geistlichen Singekunst unter den „Gesänge[n] so bey den Sterbenden in gemein zu wiederholen“. Die Refrainstrophe, die am Ende jedes der 33 Stücke wiederholt wird, ist nur einmal gerechnet. Ein 34. Stück (Wollst du für dem Tod erschrecken) schließt sich mit fortlaufender Nummerierung an; es besitzt aber eine andere Strophenform, wiederholt auch die Refrainstrophe nicht und wird daher in L-1673 als eigene Nummer im Anschluss an Herr Jesu, deine Traurigkeit geführt, während die übrigen Strophen dort zu einem Lied zusammengefasst sind.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt II. Auß dem Todes=kampf und blutigen Schweiß JEsu Christi. […] 1. DEin TodesKampff / dein Schweiß / dein Blut giebt mir im Tode Krafft und Muth / hilff Jesu / hilff mir jetzt auch ringen / durch Tod und Leben zu dir dringen. […] III. Auß der Verkauffung deß HErrn umb 30. Silberlinge. […] 1. DU bist verkaufft drum bin ich frey / daß ich dein Kind und Erbe sey / dein Lösegeld dein theures Blut / tilgt Sünde Tod und Höllenglut.“

Der Autor wendet sich insbesondere den „schmählichen“ Momenten des Passionsgeschehens zu (Geißelung und Verspottung),36 die sich dem Menschen – wie bei Behm – in himmlische Ehre verkehren: „HErr Jesu deine Schmach und Hohn | schenckt mir des Himmels Ehren Kron“37. Während er den meisten der 33 Einzelschritte der Passion nur je eine Strophe widmet, geht Olearius auf die letzten Worte am Kreuz mit vier Strophen ausführlicher ein. XXX. Auß den sieben Worten am Creutz. […] 1. DU bittest ja am Creutz vor mich / du sorgst / du versprichst gnädiglich das Paradieß / eröffne mir auch itzt / mein Gott / die HimmelsThür! 2. Ich bin verlassen / laß mich nicht / wenn mir sonst alle Hülff gebricht / mein Labsal sey dein Durst und Schmertz / wenn sich nach Labsal sehnt mein Hertz! 3. Daß ich geb frölich gute Nacht / und sag getrost / es ist vollbracht / weil du hast alles wol gemacht / so schadt mir nichts des Todes Nacht. 4. HERR Jesu hilff / dein letztes Wort bring mich zur Himmels Freuden Pfort / in deine Händ befehl ich mich / dir leb und sterb ich seliglich. [folgt Refrainstr.] 36

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Vgl. Olearius, Herr Jesu, deine Traurigkeit: „X. Auß dem schmählichen Backenstreich deß HErrn“; „XII. Auß dem unschuldigen Verspotten“; „XIV. Auß der schmählichen Verspottung vor Herode“; „XXI. Auß den schmählichen Schlägen im Richthause“; „XXIX. Auß der schmählichen Verspottung am Creutz“. In XXIX., Str. 1,1 zitiert Olearius den zweiten Vers aus Ebers Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott: „DU leidest Marter / Angst und Spott / | daß mich nicht spott der Höllen Rott“ usw. Vgl. Olearius, Herr Jesu, deine Traurigkeit (X., Str. 1,1f).

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VI. Christus der ist mein Leben

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Die letzten Worte Jesu werden dabei in ganz unterschiedlicher Weise aufgegriffen. Einen Zuspruch Jesu entnimmt das Ich aus der Zusage des Paradieses an den Schächer (Lk 23,43), vielleicht auch aus der Bitte „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34), auf die mit dem Satz „DU bittest ja am Creutz vor mich“ angespielt sein könnte. Das Wort „Mich dürstet“ (Joh 19,28) wird dagegen im Sinne der unmittelbaren Trostwirkung aus Jesu Leiden gedeutet: Der Durst Jesu stillt ‚gegenwirksam‘ den Durst des Menschen, der als Durst oder ‚Sehnen‘ des Herzens gedeutet wird (vgl. Ps 42,3; S. 347). Der Stillung des Durstes entspricht die im Titel des Zyklus sowie in der Refrainstrophe erhoffte ‚Erquickung‘ des Herzens durch den Trost des Leidens Christi. Die dritte Art der Bezugnahme besteht im direkten Einstimmen in Jesu letzte Worte, so dass Christus wieder als Exempel fungiert: „Ich bin verlassen“ (vgl. Mt 27,46); „es ist vollbracht“ (vgl. Joh 19,30); „in deine Händ befehl ich mich“ (vgl. Lk 23,46). Das Nachsprechen der letzten Worte Jesu ist freilich keine bloße Nachahmung, sondern auch eine Erinnerung an das durch Jesu Tod gewirkte Heil: Mit den Worten „Es ist vollbracht“ auf den Lippen kann der Mensch nur deshalb sterben, „weil du hast alles wol gemacht“; und im Anschluss an die Klage „Ich bin verlassen“ drückt sich durch die Bitte „laß mich nicht“ die Hoffnung aus, dass die Gottverlassenheit Jesu die des Menschen überwunden hat. Auch viele andere Lieder stimmen in Jesu letzte Worte ein, oft ohne dass der Passionskontext ausdrücklich genannt würde. Dass die Commendatio animae nach Lk 23,46 zum festen Bestand der Sterbegebete gehört, wurde bereits betont (vgl. S.  331).38 Immer wieder begegnet aber auch der Nachvollzug von Jesu „Es ist vollbracht“, besonders prominent in lateinischer Sprache am Ende des mehrfach erwähnten Herzlich tut mich verlangen von Christoph Knoll: 11. […] Hilff mir ritterlich ringen, dein Hand mich halte fest, das ich mag frölich singen das consummatum est.39

Ebenso sinnig wie die Platzierung des Jesuswortes ganz am Ende des Sterbeliedes ist der Hinweis darauf, dass es ‚gesungen‘ werden soll. Damit empfiehlt der Text selbst die tröstliche Wirkung gerade seiner musikalischen Performanz; zugleich verweist er auf den nachfolgenden himmlischen Gesang, von dessen Warte aus das Geschehene dann tatsächlich als vollendet betrachtet werden kann. Schließlich sei eine letzte Möglichkeit des meditativen Trostes aus dem Leiden Jesu wenigstens genannt: Tröstlich wirkt die Anschauung des ‚Bildes‘ Christi als des Ge38

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Vgl. mit ausdrücklichem Bezug zur Passion anon., O Vater, Sohn und Heilger Geist* (Str. 14): „Ach las dis sein mein Sterb=Gebet | Was du zulezt am Creuz geredt: | Das ich mit Seufzen meine Seel’ | In deine Hände dihr befehl’.“ Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Str. 11,5–8). Vgl. Olearius, Herr Jesu, mein Trost, Hilf und Rat (Str. 2): „Nun ist vollbracht der Sünden Macht / | des Todes Nacht ich gar nicht acht / | weil ich betracht / daß JEsus Macht | den Feind verlacht / es ist vollbracht.“ Omeis, Es ist nun aus mit meinem Leben (Kehrreim): „Es ist nun aus! Es ist vollbracht! | Welt, gute Nacht!“ Anon., Nun gottlob, es ist vollbracht* (Str. 1,1f): „NUn / GOtt Lob! es ist vollbracht | aller Jammer / Angst und Schmertzen“.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

kreuzigten;40 schon in Luthers Sterbesermon wird darauf ausführlich eingegangen.41 Neben der jeweiligen Deutung des Todes Jesu ist dabei auch die Unmittelbarkeit der Betrachtung entscheidend, die der Anfechtungswirkung des schrecklichen ‚Todesbildes‘ (vgl. dazu S. 252) entgegengesetzt ist. b) Heil als Wirkung des stellvertretenden Sühnetodes Christi In jeder der drei parallel gebauten Strophen von Luthers Mitten wir im Leben sind wird aus der Anfechtung durch Tod, Hölle und Sünde heraus auf Christus hingewiesen. Christus wird dabei als Helfer (Str. 1), Befreier (Str. 2) und Zuflucht (Str. 3) in der Gewissensnot angesprochen. Strophenweise wird Schicht für Schicht der Kern des im letzten Vers beschworenen ‚Glaubenstrostes‘42 freigelegt, vom Zorn Gottes auf die Sünde (Str. 1) über seine Barmherzigkeit (Str. 2) bis zum Sühnetod Jesu als dem Geschehen, das im eigentlichen Sinne die Sünde tilgt und damit das Heil wirkt (Str. 3): „Vergossen ist deyn thewres blut, | das gnug fur die sunde thut.“43 Das Sterben des Hirten „für die Schafe“ (Joh 10,11), das ‚pro me‘ seines Todes, kommt gerade in den älteren Sterbeliedern immer wieder zum Ausdruck;44 es hat eine doppelte Bedeutung: Jesus stirbt einerseits an des Menschen Statt und 40

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Vgl. Herberger, Valet will ich dir geben (Str. 3): „In meines Hertzen grunde | Dein Nam vnd Creutz allein | Fünckelt allzeit vnd stunde, | Drauff kan ich frölich seyn. | Erschein mir in dem Bilde | Zu trost in meiner noth, | Wie du, HErr Christ, so milde | Dich hast geblut zu tod.“ Vgl. daraus Gerhardts Passionslied °O Haupt voll Blut und Wunden (Str. 10): „Erscheine mir zum schilde, | Zum trost in meinem tod | Unnd laß mich sehn dein bilde | In deiner creutzesnoth. | Da wil ich nach dir blicken, | Da wil ich glaubensvoll | Dich vest’ an mein hertz drücken. | Wer so stirbt, der stirbt wol.“ Vgl. außerdem Scheffler, O treuer Jesu, der du bist (Str. 2,5–3,4): „In aller Noth | Sey mir dein Tod | Und unverschuldtes Leiden | Ein Anblik grosser Freuden. || Erscheine mir zur selben Zeit | Mit deinen offnen Wunden, | Die du, daß ich soll seyn befreyt, | Auß lauter Lieb erfunden“ u.v.a. Bei manchen Barockdichtern wird das ‚Bild‘ des Gekreuzigten auch dem zürnenden Gott vorgehalten, um ihn an die versprochene Gnade zu erinnern, etwa bei Birken; vgl. Steiger, Christus pictor, 114–117. – Österlich ist das tröstliche Christus-‚Bild‘ in Hermans Der Mensch wird von einm Weib geborn (Str. 19): „Für Hellen angst, für sünd vnd todt | dein Osterbildt inn letzter not | Vns scheinen las ins hertz vnd sinn, | vff das wir frölich farn von hinn.“ Vgl. Luther, Sermon von der Bereitung zum Sterben (WA 2, 691): „Am Creutz […] hatt er unß sich selbs bereyt eyn dreyfeltig bild unßerm glauben furzuhalten widder die drey bild, da der böße geyst und unßer natur unß mit anficht auß dem glauben zu reyßen. Er ist das lebendig und unsterblich bild widder den tod […] Er ist das bild der gnaden gottis widder die sund [...] Er ist das hymelisch bild, der vorlassen von gott, alß eyn vordampter, und durch seyn aller mechtigist liebe die hell ubirwunden“. Die „besondere Rolle des Bild-Begriffs“ ist für Elke Axmacher ein Hinweis darauf, dass Gerhardt (vgl. Anm. 40) Luthers Sterbesermon verwendet hat (vgl. Axmacher, Der Mensch vor dem Gekreuzigten, 201). Vgl. Luther, Mitten wir im Leben sind (Str. 3,12): „las uns nicht entfallen von des rechten glaubens trost.“ Luther, Mitten wir im Leben sind (Str. 3,6f). Wie sich der Dreischritt Leben – Tod – Höllenangst bzw. Zorn – Barmherzigkeit – vergossenes Blut jeweils als räumlicher Abstieg verstehen lässt, erläutert Grasmück, Schaubühne, 56f. Patrice Veits Untersuchung zeigt, dass die Christologie der Lieder Luthers überhaupt soteriologisch ausgerichtet ist: Im Zentrum steht das Heilswerk ‚für uns‘ (also für die Singenden), während die Betrachtung des Leidens an sich nur eine untergeordnete Rolle spielt – ein Passionslied von Luther gibt es nicht (vgl. Veit, Gottes Bild, 14–18). Vgl. Blarer, Mag ich dem Tod nicht widerstahn (Str. 3,1–6): „Der vatter hat mir Christum gschenckt, | ans crütz gehenckt, | für mich mußt er ouch sterben, | Vff daß ich ewigs tods nit sturb | vnd nit verdurb, | das müßt sin son erwerben“; Eber, Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott (Str. 1,3f): „Für mich am Creutz auch endtlich starbst | vnd mir deins Vatters huld erwarbst“; Schein, Christe Jesu, Gottes Sohn (Str. 1,4–6): „[…] Wardst an das Creutz geschlagen / | Vnd solches alls ümb meinet willn / | Deins lieben Vaters Zorn zu stilln.“ Nach Joh 10,11: Herman, Der Mensch wird von einm Weib geborn (Str. 20,4–21,1): „du bist jo vnser trewer Hirt, || Der für sein Schaff das leben gab“; anon., Mein Gott und Herr, steh du

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VI. Christus der ist mein Leben

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andererseits zu seinen Gunsten. Indem er die Stellvertretung übernimmt, verschafft er dem Menschen jenen soteriologischen Nutzen, der ihm schließlich auch das Sterben zum „Gewinn“ macht. Jesu Tod besiegelt als äußerste Konsequenz seines Leidens dessen soteriologische Wirkung. Ihm voran gehen – so heißt es in Paul Ebers viel gesungenem Sterbelied – „marter, angst vnnd spott“45, die zahlreichen Leidensstationen, die bei Behm, Olearius und anderen Gegenstand der Betrachtung sind; für Luther ergibt sich aus dieser Betrachtung zunächst sogar eine Verschärfung der Gewissensqual, da der Mensch hier dessen ansichtig wird, was ihm eigentlich selbst als gerechte Strafe für seine Sünden gebührt.46 In seinem Gewissen muss er dieselbe Qual erleiden wie der Gekreuzigte an Leib und Seele.47 Das soteriologische „Es ist vollbracht“ schließlich gilt in Jesu Tod. Nach Joh 3,16 ist es der Vater, der seinen Sohn aus Liebe zur Welt diesen Tod erleiden lässt, ihn also zugunsten des ewigen Lebens der Gläubigen in den Tod dahingibt. Die Liebe zur Welt, zu seinem Geschöpf bildet damit den tiefsten Beweggrund des göttlichen Handelns; und letztlich lässt sich auch nach Luther aus der Passionsbetrachtung diese Liebe ablesen, lässt sich hier „das gotlich gutt vatter hertz“ erkennen. An genau diesem Punkt schlägt die Passionsbetrachtung vom Erschrecken um in den Trost des Glaubens;48 und als tröstlich und befreiend erweist sich dieser Glaube auch im eigenen Abschied von der Welt. So lässt Schein seine eben verstorbene Frau versichern:

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mir bei (Str. 3,5f) [Christus spricht dem angefochtenen Ich zum Trost von seiner Höllenfahrt]: „Da wil ich als ein tapffer Heldt | für meine Schäfflein sterben“ usw. Paul Eber, Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott (Str. 1,2); zum Zitat dieser Formulierung bei Olearius vgl. Anm. 36. Vgl. ähnlich Schein, Christe Jesu, Gottes Sohn (Str. 1,1f): „CHriste JEsu Gottes Sohn / | Der du liedest Schmach vnd Hohn“ usw. Vgl. Luther, Sermon von der Betrachtung des heiligen Leidens Christi (WA 2, 137): „Die bedenckenn das leyden Christi recht, die yhn alßo ansehn, das sie hertzlich darfur erschrecken und yhr gewissen gleych sincket yn eyn vorzagen. Das erschrecken sol da her kummen, das du sihest den gestrengen zorn und unwanckelbarn ernst gottis uber die sund und sundere, das er auch seynem eynigen allerliebsten sun hat nit wollen die sunder loß geben, er thette dan fur sie eynn solche schwere puß, als er spricht durch Isaiam 53 [Jes 53,3]: Umb der sund willen meyns volcks hab ich yhn geschlagen.“ In den berühmten Passionsliedern des 17. Jahrhunderts wird dieser Gedanke unmittelbar vom Ich angeeignet, vgl. Heermann, °Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen (Str. 3): „Was ist doch wol die Vrsach solcher Plagen? | Ach meine Sünden haben dich geschlagen. | Ach HERR JESV, ich hab diß wol verschuldet, | Was du erduldet.“ Gerhardt, °O Welt, sieh hier dein Leben (Str. 3,1–3; 5): „Wer hat dich so geschlagen, | Mein Heyl, Vnd dich mit Plagen | So übel zugericht? […] Ich bins, ich solte büssen, | An Händen und an Füssen | Gebunden in der Höll; | Die Geisseln und die Banden | Vnd was du außgestanden, | Das hat verdienet meine Seel.“ Gerhardt, °O Haupt voll Blut und Wunden (Str. 4,1–4): „Nun, was du, HERR, erduldet, | Ist alles meine last: | Ich hab es selbst verschuldet, | Was du getragen hast.“ Vgl. Luther, Sermon von der Betrachtung des heiligen Leidens Christi (WA 2, 138): „das eygene naturlich werck des leydens Christi ist, das es yhm den menschen gleych formig mache, das wie Christus am leyb unnd seel jamerlich in unsern sunden gemartert wirt, mussen wir auch ym nach alßo gemartert werden im gewissen von unßernn sunden.“ Schritt für Schritt werden von Luther die Beweggründe hinter dem Passionsgeschehen ausgeforscht: Hinter dem Leiden wird Christi „fruntlich hertz“ erkennbar, hinter diesem wiederum Gottes Vaterherz. Vgl. Luther, Sermon von der Betrachtung des heiligen Leidens Christi (WA 2, 140f): „Magst dich aber da zu reitzen, Zum ersten, nit das leyden Christi mehr an zusehen (dan das hatt nu seyn werck gethan und dich erschreckt), sundern durch hyn dringen und ansehen seyn fruntlich hertz, wie voller lieb das gegen dir ist […]. Darnach weyter steyg durch Christus hertz zu gottis hertz und sehe, das Christus die liebe dir nit hette mocht erzeigen, wan es gott nit hett gewolt yn ewiger liebe haben […]. Da wirstu finden das

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt 7. Also hat Gott geliebet Die arge böse Welt / Daß er sein Sohn dargibet Zu einem Lösegeld / Daß niemand wird verlohren / In Christo wiedr geboren Das gläub ich festiglich / Drumb wil ich mich nun scheiden / Vnnd fahren hin in Frewden / Bey GOtt seyn ewiglich.49

Für das Opfer des Sohnes setzt der Autor in den johanneischen Vers das „Lösegeld“ ein, das der Menschensohn nach Mk 10,45 mit seinem eigenen Leben für das der vielen zu zahlen hat; in anderen Liedern wird dieser Begriff meist für das „Blut“ Jesu verwendet (vgl. ab S. 368). An die reformatorische Erkenntnis, dass dieses Geschehen kein menschliches, sondern Christi Verdienst ist und damit ein unverdientes Gnadengeschenk, wird nur in wenigen Sterbeliedern so dezidiert erinnert wie in dem alten O Welt, ich muss dich lassen: 5. Die sünd mag mir nit schaden, erlößt bin ich auß gnaden, vmb sonst, durch Christi blut: Kein werck kumpt mir zu frummen, so ich wil zu jm kummen, allein der Christlich Glauben gut. 6. Ich bin ein vnnütz knechte, mein thun ist vil zu schlechte dann das ich jm bezal Darmit das Ewig leben, vmb sonst wil er mirs geben vnnd nitt nach meim verdienst vn[d] wal.50

Dass das ewige Leben für den Menschen „vmb sonst“ zu haben ist, sola gratia und sola fide, wird in diesen Strophen zum Sterbetrost. Eine noch schärfere Zurückweisung erfährt die Werkgerechtigkeit in Georg Weissels Lied Gar wohl mein Herz entschlossen ist: Statt der „Wercke Triegerey“ werden Christi „Verdienst un[d] theures Blut“ zu „Trost, Hülff und Sieg [...] In meiner Todesstunden“.51

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gotlich gutt vatter hertz [...] da wirstu dann vorsteen den spruch Christi: Also hat got die welt geliebt, das er seynen eynigen sun ubir geben hat etc. Das heist dann got recht erkennet, wan man yhn nit bey der gewalt ader weyßheit (die erschrecklich seynd), sundernn bey der gute und liebe ergreifft, da kan der glaub und zuvorsicht dan besteen und ist der mensch alßo warhafftig new ynn got geporen.“ Schein, Sei fröhlich, meine Seele (Str. 7). Anon., O Welt, ich muss dich lassen (Str. 5–6). Vgl. Weissel, Gar wohl mein Herz entschlossen ist (Str. 3–4): „O nein, wer ausser JEsu Christ | Den Weg zum Leben suchet | Durch Werck, Verdienst, ja was es ist, | Muß ewig seyn verfluchet. | Nie hat ein Mensch, sey wer er sey, | Durch seiner Wercke Triegerey | Das Heyl GOtt abgepuchet. || Mein Jesus ist

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VI. Christus der ist mein Leben

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Der tröstlichen Vergewisserung dieser Heilstatsachen dient oft eine ganz bestimmte Rhetorik, aus der nur ein Beispiel herausgegriffen sei. Es handelt sich um die Frage nach dem Sinn des Opfers Jesu für den Fall, dass es dem Menschen nicht zugute kommt. Aus der subjektiven Sicht des Ich im Sterbelied kann kein Zweifel bestehen: Ohne dieses ‚pro me‘, ohne den soteriologischen Nutzen und die Heilswirkung des Todes Jesu bliebe der Akt des Selbstopfers am Kreuz vergeblich; von einem Opfer im Sinne der liebevollen Hingabe wäre dann auch gar nicht zu sprechen, sondern nur von sinnlosem Leiden. Dieser Gedanke kann dazu dienen, direkt an Christus zu appellieren, um ihn gnädig zu stimmen und an das ‚pro me‘ zu erinnern.52 Öfter wird er freilich in die Form einer rhetorischen, manchmal auch indirekten Frage gebracht, um aus der Tatsache des Todes Christi heraus argumentativ zu erweisen, dass die Heilswirkung dieses Todes geradezu notwendig ist.53 Auch in dieser Frage kann eine indirekte Bitte oder Forderung an Christus mitschwingen;54 meist scheint sie allerdings ausschließlich der tröstenden (Selbst-)Vergewisserung zu dienen. Zwei Beispiele können dies verdeutlichen, eines aus Mollers Manuale de praeparatione ad mortem (Görlitz 1593) und eines von Rist: „2. Denn was wer sonst dein Sterbens noth, so viel Striemen vnd Wunden roth, Wenn ich auch nicht der Seligkeit geniessen solt in Ewigkeit? 3. Warvmb hetstu dein Leib vnd Leben im Grab verschlossen vnd auffgegeben? Wenn nicht mein todt durch deinen todt verjagt solt werdn, du trewer Gott?“55 „11. Waß dörfte Christus leiden / Waß hett’ auß diser Welt So schmertzlich müssen scheiden Der theüre Wunde Held /

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mein höchstes Gut | Mit seinen heilgen Wunden, | An sein Verdienst un[d] theures Blut | Mein Glaub vest bleibt gebunden: | Das ist mein Stecken, Stärck und Stab | Da ich Trost, Hülff und Sieg her hab | In meiner Todesstunden.“ Vgl. anon., Herr Jesu Christ, der du hast* (Str. 3): „Ich ruffe zu dir in meiner Noth / | Ach HErr gedenck an deinen Todt / | Vnd las ja nicht das Leyden dein / | An mir Sündern verloren seyn.“ Ähnlich argumentiert Dach mit der Inkarnation, vgl. Dach, Wer weiß Bescheid, der Sterblichkeit (Str. 5,1–6): „Sonst weiß ich nicht, | HErr Christ, mein Liecht, | Warumb du hier auff Erden | Das, was wir sind, | Ein schwaches Kind, | Ohn schuld hast wollen werden“. Vgl. Gerhardts Weihnachtslied °Fröhlich soll mein Herze springen (Str. 3): „Solt uns Gott nun können hassen, | Der uns gibt, | Was er liebt | Vber alle massen? | Gott gibt, unserm leid zu wehren, | Seinen Sohn | Aus dem thron | Seiner macht und ehren.“ Vgl. Dach, Ich bin ja, Herr, in deiner Macht (Str. 7,6–8): „Komm, rette deines Leidens=Ehre, | Was giebest du mich frembder Handt | Vnd hast so viel an mich gewandt?“ Anon., O Jesu, Gottes Lämmelein (Str. 2–3). Sehr ähnlich eine Strophe von Stölzlin (Ulm 1660), vgl. Stölzlin, °Dein bin ich, o Herr Jesu Christ (Str. 2): „Denn was wär sonst dein Angst uns Noth, | Dein Marter, Wunden, Blut un[d] Sterben, | Wann nicht dein Tod mir für den Tod | Das ewig Leben solt erwerben, | Wann nicht dein Auferstehung mir | Erbrechen solt des Lebens Thür?“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt Wen wir nun [sic] solten leben In diser Zeit? Ach nein! Er ist drumb hingegeben / Wir solten Ewig sein.“56

Die Heilswirkung des Blutes Christi Zur zentralen Chiffre des soteriologischen Verständnisses von Jesu Tod als Sühnetod wird der Hinweis auf das ‚Blut‘ Christi. Die Nennung dieses Stichwortes genügt, um pars pro toto den gesamten Wirkzusammenhang aufzurufen. Mit dem Bild des ‚Blutes‘ lässt sich die Heilswirkung von Jesu Tod gleichsam materiell veranschaulichen; in der Betrachtung erscheint es als unmittelbar heilsame Substanz. Zunächst ist diese Substanz von unermesslichem Wert; sie dient als „Lösegeld“,57 mit dem die Gläubigen aus ihrer Sünde „thewr erkaufft“ sind (vgl. 1Kor 6,20; 7,23).58 War es bei Schein Christus selbst (vgl. S. 366), so sind es bei Dilherr „Christi tod, | Sein striemen und sein wunden roth“, die als „Lösegeld“ verstanden werden, freilich unorthodoxerweise als eines, das dem Vater vom Menschen dargebracht wird, nachdem es zuvor vom Ratschluss desselben Vaters angeordnet wurde.59 Weiter ist das Blut dazu in der Lage, den Zorn des Vaters zu stillen,60 die Sünde zu ersticken,61 die Höllenglut auszulöschen62 – und damit letztlich auch die Qual des durch diese Mächte angefochtenen Gewissens zu überwinden. Dem Blut Jesu wird eine apotropäische Wirkung zugeschrieben wie dem Blut des Passalammes, ebenso eine kultisch reinigende Wirkung wie dem Blut des hohepries-

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Rist, Wie magst du dich so kränken (Str. 11); V. 5 muss wohl „nur“ statt „nun“ stehen. Ebenfalls bei Rist, O Vater aller Gnaden (Str. 11): „Auß Lieb hast du dein Leben | O JEsu Gottes Lamm | Für Mich dahin gegeben | An deines Kreützes Stamm / | Wie köntest du Mich hassen / | Wen Ich die Welt sol lassen | Mein liebster Bräutigam?“ Vgl. Olearius, Herr Jesu, deine Traurigkeit (III.,3f): „dein Lösegeld dein theures Blut / | tilgt Sünde Tod und Höllenglut.“ Vgl. Ziegenspeck, Ade, ich muss dich lassen (Str. 7,8–8,2): „Hast mich sehr thewr erkaufft. || Du hast mich ja erworben | Mit deinem thewren Blut“; anon., Mein Jesu, neige her dein Ohr* (Str. 7,5–7), zit. Anm. 81. Vgl. Dilherr, Erschrecken ich ja billig sollt (Str. 5,1–7,2): „Vergib / o HErr / vergib die schuld / | Ach habe HErr / mit mir gedult / | Ich bring ein grössers lösegeld | Für mich / und für die gantze welt. || Mein lösegeld ist Christi tod / | Sein striemen und sein wunden roth | Die er / nach deinem eignen rath / | Für meine sünd gelitten hat. || Ach / laß damit vergnügen dich / | Und bald erbarm dich über mich“. Vgl. anon., Herr Jesu Christ, meins Lebens Licht, ich bitt (Str. 7): „HErr Christ, dein thewr vergossen Blut | deines Vaters zorn stillen thut: | Das ist meins lebens vnd sterbens grundt, | des tröst ich mich zu aller stundt“; anon., Kein Schatz auf Erden soll mir lieber werden (Str. 3): „Mit deinem Blutte, | Jesu, mir zu gutte | Hastu alls erfüllt, | Deins Vaters zorn gestillt“. Vgl. Gerhardt, Nun sei getrost und unbetrübt (Str. 4,5–7): „Nun ist die Sünd’ in Jesu Bluth | Ersäufft / erstickt / getilgt / und thut | Fort gar nichts mehr zur Sachen.“ Vgl. Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 12,4f): „Derselbig mein HERR Jesus Christ | für all mein sünd gestorben ist | Vnd aufferstanden mir zu gut, | der höllen glut | gelescht mit seinem theuren blut.“

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VI. Christus der ist mein Leben

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terlichen Sühnopfers. Das ‚Besprengen‘ des Menschen63 bzw. seiner Seele64 mit dem Blut Jesu bewirkt Schutz vor den Mächten der Sünde und des Todes, wie sie etwa im „würger“ aus der Exoduserzählung verkörpert sind (Ex 12,23; vgl. S. 282),65 und wird daher in vielen Sterbeliedern erbeten. Es gibt sogar die Vorstellung, dass die Seufzer und Gebete des Sterbenden eher zu Gott durchdringen, wenn sie mit dem Blut Christi besprengt sind.66 Auch durch das ‚Waschen‘ mit Christi Blut wird die Seele entsühnt,67 nämlich von der Sünde gereinigt und damit ‚zum Tode geheiligt‘68. Aus Apk 7,14 stammt das Bild vom Waschen der Kleider im Blut des Lammes, die dadurch weiß werden (vgl. S. 528). Johannes Leon übernimmt dieses Bild und nennt dieselbe Farbe als Ergebnis des Waschens im Blut: 2. Ich gleub das du am Creutz für mich dein Blut vergossen mildiglich, Darmit von allen Sünden mein gewaschen mich schnee weiß vnd rein.69

In einem anonymen Lied werden Blut und Verdienst Christi, nachdem die Sünden im Blut abgewaschen sind, wohl ebenfalls in Anlehnung an Apk 7,14, zum „Hochzeitskleid“;70 in einem anderen bleibt die rote Farbe erhalten, hier wird das Blut – ähnlich wie im Blutstrahl bildlicher Passionsdarstellungen – „Zum rohten seile“, mit dem das 63

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Vgl. anon., Herr Jesu Christ, du treuer Hort (Str. 3,1f): „Bespreng mich, HErr, vn[d] mach mich rein | mit dem Rosenfarben Blute dein“; anon., Wir leben wie ein Wandersmann (Str. 8,3f): „Mit deinem Blut ich besprengt bin | vnd fahr allzeit mit freuden hin.“ Vgl. Selnecker, Herr Jesu Christ, in deine Händ (Str. 2,1): „Es [‚Mein Seelichen‘] ist besprengt mit deinem Blut“; anon., Hie lieg ich armes Würmelein und schlaf (Str. 1,5f): „Mein Selichen geb ich dir, HErr Christ, | das mit deim Blut besprenget ist“; anon., Meine Kraft ist hin, dann ich elend bin* (Str. 7): „Wann mein Hertz dran denckt / | daß es ist besprengt / | mit deß Heylands Blut / | hoch es sich erfreuet / | und den Tod nicht scheuet / | stirbt mit gutem Muth.“ Vgl. Mathesius, O Jesu Christ, wahr Gottes Sohn, mein Heiland (Str. 18–19): „Wenn leib vnd seel sich scheiden thut, | bespreng mich, Herr, mit deinem Blut: || Der würger hat an mir kein teil, | auff dir allein steht all mein heil.“ Vgl. anon., Herr Jesu Christ, ich schrei zu dir (Str. 13, Fassung bei Jeremias Weber L-1638): „HERR JEsu Christ, die seufftzer mein, | So ich jetzt für dich bringe, | Bespreng doch mit dem Blute dein, | Damit sie hindurch dringen | Vnd erweichen das Vaterhertz,  | Daß er abwend all noth vnd schmertz, | Die vns von dir will trennen.“ Vgl. Selnecker, Mein Gott und Heiland Jesu Christ (Str. 16,2f): „mein arme Seel ich zu dir send: | Nimb sie auff, wasch sie mit deim Blut“; anon., O Jesu, Gottes Lämmelein (Str. 4,3f): „Verlaß den nicht, HERR Jesu Christ, | der mit deim Blut gewaschen ist“; anon., Herr Jesu Christ, mein Herr und Gott, lass mich (Str. 1,5–10): „Denn gwiß gläub ich / | Daß du für mich | Am creutz dein blut vergossen / | Von sünden mein | Mich gwaschen rein / | Den himmel auffgeschlossen.“ Vgl. Schramm, °Das weiß ich, dass ich sterben muss (Str. 3,1f): „Ach! eh Ich sterb, so wasch du mich, | HErr Christ, mit deinem Blutte.“ Anon., Nun fähret mein Geist mit Freuden dahin* (Str. 3): „Nun fähret mein geist mit freuden dahin / | Weil ich zum tode heilig bin / | Von sünden hat mich Christi blut / | Rein abgewaschen mir zu gut / | Drum fähret etc.“ Leon, Herr Jesu Christ, mein Herr und Gott, dein Leiden groß (Str. 2); zum Lied vgl. S. 355 Anm. 11. Vgl. anon., °O Jesu, liebster Schatz (Fassung Nürnberg 1684, Str. 10): „Dein teurvergoßnes Blut, | Das sie vom Koht der Sünden | Rein abgewaschen hat, | Daß nichts an ihr zu finden, | Das mehr verdammlich sey: | Dein Blut und teur Verdienst | Soll seyn mein Hochzeitskleid, | Mein Erbrecht und Gewinst.“ Vgl. anon., In Christi Wunden schlaf ich ein (Str. 1,3f): „Ja Christi Blut vnd Herrligkeit | ist mein ornat vnd ehrenkleid.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Ich sich umschlingt und absichert (vgl. Jos 2,18.21 das rote Seil der Rahab, mit dem die Kundschafter sich aus Jericho retten).71 Bei Petrus Herbert gibt es schließlich die Forderung, den Glauben im Blut Jesu zu „ferben“.72 Aus der Tradition des Physiologus stammt das Bild des Pelikans, der seine Jungen mit dem eigenen Blut wiederbelebt. In ihm fasst Simon Dach die heilsame Wirkung des Blutes Christi für seine todkranke „Muhme“ zusammen: 23. HErr JEsu, wahrer Pelican! Komm, frisch mein durstig Hertz doch an, Gieb Kühlung meiner Zungen! Wirff mich nicht hin, Weil ich auch bin Ein kleines deiner Jungen. 24. Auch ich bin dir ein thewrer Kauff. Ich sperre meinen Mund dir auff, Laß nur ein Tröpfflein fliessen Von deinem Blut, Es lescht die Glut Der brennenden Gewissen.73

Ein „thewrer Kauff “ ist für den Pelikan sein Junges, dem er sein Leben opfert, damit es überleben kann. Die Wirkung des Blutes Christi besteht weiter darin, dass es die Glut des Gewissens löscht, jene „jnnerliche Pein“, die zuvor74 als „meine Helle“ bezeichnet wird. Denselben Effekt der Linderung innerer Qual beschreibt auch das bekannte Bild des Durstes (Ps 42,2f; vgl. S. 348), der laut Dach ausdrücklich durch das Blut Jesu gestillt wird, mithin durch das „Gnaden=Bächlein“ (Str. 1,6) statt durch „Der Hellen Bäche“ (Str. 22,675). Letztlich dient der von Jesus am Kreuz erlittene Durst (Joh 19,28) also wieder dazu, ‚gegenwirksam‘ den Durst des sterbenden Menschen zu stillen – nämlich ganz real durch das von Christus als dem Pelikan vergossene Blut. Was den Menschen betrifft, lässt sich das sowohl auf den Leib als auch auf die Seele beziehen: Einerseits geht seine Krankheit mit quälendem Durst einher,76 andererseits verlangt auch das „durstig Hertz“ nach erquickendem Trost durch die Gewissheit der Verschonung vor der ewigen Pein. Auch ein sakramentales Verständnis der Verse ist 71

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Vgl. anon., Mein Jesu, neige her dein Ohr* (Str. 9,3f): „Dein blut / das ich / dein kind / um mich / | Zum rohten seile binde“. Herbert, Lob sei dir, gütiger Gott (Str. 3,3f): „Hilff den glauben halten rein | vnd in deim blut ferben“. Dach, °Wie lang soll deine Zornflut sich (Str. 23–24). Das Lied hat Dach im April 1641 für seine Tante Hedwig Vogler verfasst, die wenige Tage später starb (vgl. SDG III 56./57. und ebd. S. 468). Vgl. Dach, °Wie lang soll deine Zornflut sich (Str. 22): „Laß hie die jnnerliche Pein, | Die Hitze, meine Helle seyn, | Hie mag der Durst mich kräncken, | Wenn mich nur nicht | Nach diesem Liecht | Der Hellen Bäche träncken.“ Zum Löschen der Höllenglut durch das Blut Christi ohne ausdrückliche Deutung des Gewissens als Hölle bei Johannes Leon vgl. Anm. 62; zur Argumentationsfigur des ‚Strafe hier, schone dort‘ vgl. S. 206. Vgl. Anm. 74. Vgl. Dach, °Wie lang soll deine Zornflut sich (Str. 3,3; 22,3; 23,3): „Ich lieg’ in Durst vnd Schmertzen“; „Hie mag der Durst mich kräncken“; „Gieb Kühlung meiner Zungen!“

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VI. Christus der ist mein Leben

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nahe liegend; die große Bedeutung der Sakramente für den Sterbetrost soll an dieser Stelle zumindest noch angedeutet werden. Die Heilswirkung der Sakramente Die Teilhabe des Gläubigen an der Heilswirkung des Todes Christi ist nach lutherischem Verständnis grundlegend mit dem Empfang der Sakramente Taufe und Abendmahl verknüpft. Der Reformator selbst hat zwar auf dem Sterbebett demonstrativ auf das Abendmahl verzichtet. Die lutherische Konfessionskultur folgt ihm darin aber nicht; sie setzt im Gegenteil ganz auf die Vergewisserung durch das Abendmahl, das ein zentrales Element der Sterbeseelsorge bildet.77 Das Abendmahl und neben ihm auch die Erinnerung an die Taufe vermögen Sünde und Anfechtung zu überwinden, die dem Gewissen des sterbenden Menschen zusetzen.78 Dies geschieht dadurch, dass der Gläubige an der Heilswirkung des als göttliche Selbsthingabe erlittenen Sühnetodes (auch hier oft: des Blutes) Jesu Anteil gewinnt. Sakramentaler Trost in der Todesnot ergibt sich schon aus der Passionsbetrachtung, genauer – so Olearius – „Auß der Eröffnung der Seite deß HErrn“ nach Joh 19,34: „hier seh ich Tauff und Abendmal / | Blut / Wasser / und des HimmelsSaal.“79 Indem er sich an seine eigene Taufe erinnert, tröstet sich der angefochtene Mensch, dass er durch Christus80 oder vielmehr durch sein Blut81 „erkaufft“ ist. Darauf kann er sich auch bei der Bitte um Sündenvergebung berufen.82 Das Blut Christi hat bereits in der Taufe eine Verbindung geschaffen, die den Menschen der Ankunft des Todes getrost entgegenblicken lässt: 5. Sollt meinen JEsum ich / Der durch sein blut un[d] wunden Am brunn der tauffe sich Schon fäst mit mir verbunden / Nicht wünschen bald zu sehen /

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Vgl. S. 561; 569 u. ö. Schon in den Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts wird das Abendmahl als Bestandteil der Sterbeseelsorge im Luthertum fest implementiert; vgl. Grün, Beerdigung, 139f. Vgl. Luther, Sermon von der Bereitung zum Sterben (WA 2, 686): „Die tugend der sacrament zu erkennen, muß man vor wissen die untugent, da widder sie fechten und unß geben seynd. Der seyn drey: die erste das erschrockliche bild des todts, die ander das graulich manichfeltig bilde der sund, die dritte das untreglich und unvormeydliche bild der hellen und ewiges vordamnüß.“ Olearius, Herr Jesu, deine Traurigkeit (XXXII., Str. 1,3f). Weitere Anspielungen auf Joh 19,34 im Zusammenhang mit der Seitenwunde bei Kempff, Wenn ich in Todesnöten bin (Str. 6, zit. S. 377); Babzien, °Jesu, der du selbsten wohl (Str. 3, zit. S. 375). Zum Eintritt in „des HimmelsSaal“ durch die Tür bzw. über den Weg der Seitenwunde vgl. S. 221; zu den Wunden Jesu vgl. auch den folgenden Abschnitt c). Vgl. Ziegenspeck, Ade, ich muss dich lassen (Str. 7,5–8): „Wer wil mich denn verklagen? | Auff dich bin ich getaufft. | Wie könt ich denn verzagen? | Hast mich sehr tewr erkaufft.“ Vgl. anon., Mein Jesu, neige her dein Ohr* (Str. 7,5–7): „Und hast mich noch dazu erkaufft | Durch dein blut / darauff ich getaufft / | Darauff ich leb und sterbe.“ Vgl. Schein, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt (Str. 6,1–6): „Nimm mich zu deinen Gnaden an / | Sih nicht an meine Sünde / :/: | Wormit ich wider dich gethan / | Verzeih mir deinem Kinde / | Ich bin auff dich getaufft / | So thewr vnd werth erkaufft“ usw.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt Und mit dem tode gehen? Ja / ja / ich will mit ihm.83

Eine ähnlich enge, unauflösliche und damit verlässliche Verbindung entsteht nach Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt dadurch, dass der Mensch im Abendmahl Fleisch und Blut Jesu in sich aufnimmt.84 Beide Sakramente sind auch dazu geeignet, die Sünde ‚abzuwaschen‘,85 während die Vermittlung der Gotteskindschaft und das ‚Anziehen‘ Christi nach Gal 3,27 der Taufe vorbehalten bleiben.86 Insbesondere sind beide Sakramente aber Zeichen der Verheißung des ewigen Lebens.87 Durch die Taufe wird nach Johann Klaj der Weg des Erdenpilgers gen Himmel ‚geländet‘ (gewendet);88 und das Abendmahl, mit dem er auf dem Sterbebett „genehret“89 wird und von dem er sich „die Seel’ erquicken“90 lässt, ist ihm auf diesem letzten Weg Stärkung und Wegzehr: „Sein Abendmal kömmt vns zu gut / | Sein Leib vnnd Blut | Vns stärckt zum ewgen Leben“91. Das Abendmahl auf dem Sterbebett als ‚Zehrpfennig‘, als stärkende Mahlzeit für die letzte Reise begegnet auch in vielen Leichenpredigten (vgl. S. 571). In den Sterbeliedern spielt aber auch die Taufe eine große Rolle; sie scheint sogar noch etwas häufiger erwähnt zu werden. Das Abendmahl dient dem Sterbetrost, indem es Teilhabe an der Heilswirkung des Sühnetodes Christi vermittelt; im Fall der Taufe wird an die schon geschehene Vermittlung tröstlich erinnert. Das sakramentale ‚Abwaschen‘ der Sünde durch Christi Blut überwindet die Anfechtung des Gewissens. Zugleich macht es den Gläubigen bereits mitten im Sterben des ewigen Lebens teilhaftig.

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Anon., Sag, meine Seele, recht* (Str. 5). Vgl. Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, Wer weiß, wie nahe mir mein Ende (Str. 10,1–4): „Ich habe Jesu Fleisch gegessen, | Sein Blut hab ich getruncken hier; | Nun kan er meiner nicht vergessen, | Ich bleib in ihm und Er in mir.“ Vgl. anon., Ich weiß nicht, wann ich sterben muss* (Str. 2): „Ach Herr verleih mir so viel Gnad / | daß ich das heilig Sacrament empfah / | das heilig Sacrament hat so viel Krafft / | das wäscht mir all mein Sünde ab.“ Schein, In Sünden und in Gottes Zorn (Str. 6, 7–11): „Die heilge Tauff | Vns nimmet auff | Zu GOttes Kind / | Wäscht ab die Sünd / | Sein Gnad vns thut darreichen.“ Vgl. Schein (zit. Anm. 85); Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, Wer weiß, wie nahe mir mein Ende (Str. 9,1–4): „Ich habe Jesum angezogen | Schon längst in meiner heilgen Tauf; | Du bist mir daher auch gewogen, | Hast mich zum Kind genommen auff.“ Vgl. Schein, In Sünden und in Gottes Zorn (Str. 6,1–6): „Vnd daß wir des [der Auferstehung] gesichert seyn / | Setzt Christus ein | Zwey sichtbarliche Zeichen / :/: | Versteh die heilgen Sacrament / | Zu diesem End / | Daß wir von ihm nicht weichen.“ Vgl. Klaj, Ich hab ein guten Kampf gekämpft (Str. 1,3–5): „Das Sünden=Bad, die heilge Tauff, | Lendt meinen Lauff | Nun Erden=ab und Himmel=auff.“ Vgl. Ziegenspeck, Ade, ich muss dich lassen (Str. 6,7–7,4): „Führ mich die rechte Strassen, | Führ mich zum Leben ein. || Dein Wort, so ich gehöret, | Dasselbe mir verheisst; | Leib vnd Blut mich genehret, | Starcke versichrung leist.“ Vgl. Rist, °Getrost ist mir, o Gott, mein Herz in Nöten (Str. 10,5f): [Gott will,] „Daß wir auch die Seel’ erquicken | Durch des HErren Fleisch und Blut“. Schein, In Sünden und in Gottes Zorn (Str. 7,1–3).

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VI. Christus der ist mein Leben

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c) Die Wunden Jesu Der Rede von den ‚Wunden‘ Jesu, mit der sich die Sterbelieder an mittelalterliche Literartraditionen anschließen,92 kommt bei der Deutung seines Todes häufig eine ähnliche Rolle zu wie der Rede von seinem Blut: Die Wunden stehen als Bild pars pro toto für den Sühnetod und seine Heilswirkung. Gerade die etwas älteren Lieder nennen die ‚fünf Wunden‘ oft gemeinsam mit dem Blut93 und in ähnlicher Funktion: Die Wunden haben „ausgelescht der Hellen Glut“94, oder: „Durch sein heylig fünff Wunden | bin ich versöhnt mit Gott.“95 Während die Rede vom Blut durch ihre kultischen Konnotationen stets eng an die Vorstellung des Sühnetodes gebunden bleibt, kann sich die von den Wunden Jesu verselbständigen. Auch in der Rede von den Wunden geht es um die Errettung aus Sünde, Anfechtung und Todesnot, aber oft eher durch die subjektive, meditative Tröstung als durch die Frage nach der präzisen Funktion des Heilserwerbs. Das Blut Jesu erscheint in den Bildern vom Loskaufen und Abwaschen der Sünden als eine unmittelbar heilswirksame Substanz; im Bild der Wunden wird dagegen eher die individuelle Beziehung zum Erlöser – oft durch die intime körperliche Nähe – als tröstlich hervorgehoben. Durch diese Konnotationen ist das Bild der Wunden besonders dazu geeignet, eine individuelle Aneignung des Todes Jesu zu leisten und daraus den Sterbetrost zu entfalten. Biblisches Vorbild hierfür ist der Jünger Thomas, der darauf besteht, die Nägelmale des Auferstandenen zu sehen und seine Hand in dessen Seitenwunde zu legen (Joh 20,24–29).96 Zu unterscheiden sind drei Arten der meditativen Konzentration auf Christi Wunden, drei Arten ihrer individuellen Aneignung, deren Sicht sich schrittweise von der reinen Sühnetoddeutung auf die persönliche körperliche Nähe zum Gekreuzigten zubewegt: Zunächst liegt im einfachen ‚Gedenken‘ an die Wunden als Chiffre für den Sühnetod ein wichtiger Trost in der Sündenanfechtung. Auf der zweiten Stufe wird daraus eine stärker bildlich-visuelle und auch räumliche Vorstellung: Besonders die Seitenwunde eröffnet den Blick des Betrachters in den Innenraum des Leibes Jesu, in dem auf unterschiedliche Weise Tröstliches erkennbar wird. Auf der dritten 92 93

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Vgl. Ohly, Süße Nägel, 23–25. Vgl. Selnecker, Herr Jesu Christe, Gottes Sohn, zu dir in deinem (Str. 8,3f): „Durch dein Blut vnd fünff wunden rot, | errette mich auß Todtes not.“ Anon., °Wenn nun mein Leben hat ein End (Str. 5): „Du hast [...] Vergossen da dein thewres Blut | Vnd ausgelescht der Hellen Glut | Mit den fünff Wunden dein.“ Vgl. Selnecker, Allein nach dir, Herr Jesu Christ (Str. 3,9–11): „laß dir mein arme Seel befolhen seyn, | bhüt sie vor Hellen peyn | durch dein heylig fünff wunden“. Anon., Christus der ist mein Leben (Str. 3,3f). Vgl. anon., O Mensch, bedenk mit Fleiß all Stund* (Str. 6): „Wenns Fünffe schlegt gedenck auch dran / | wie Christus müssen leiden: | Fünff Wunden roth ans Creutzes Stamm / | ward gstochen in sein Seiten. | Durch welches wir sind worden heil / | dadurch erlangt ewigs Erbtheil / | dafür solln wir Gott dancken.“ In Leichenpredigten kann die Rede von den fünf Wunden in die Formel für das selige Sterben integriert werden, vgl. LP Nicolaus Myler von Ehrenbach 1677, 40: Der Verstorbene ist „in der Krafft der Heiligen Fünff Wunden seines Heilandes Christi JESU / sanfft und seelig eingeschlaffen“. Vgl. Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, Wer weiß, wie nahe mir mein Ende (Str. 8,1–4): „Nichts ist, das mich von Jesu scheide, | Nichts, es sey lebend oder tod. | Die Hand leg ich in Jesu Seite | Und sage: Mein Herr und mein Gott.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Stufe tritt der Mensch selbst zu seinem Trost und Heil in diesen Innenraum ein; die Heilswirkung der Wunden nimmt damit mystische Züge an. 1. Unter dem Motto des Gedenkens oder Erinnerns (lat. recordatio), der ersten Stufe in der Betrachtung der Wunden Jesu, steht das häufigste aller Sterbelieder, Hermans Wenn mein Stündlein vorhanden ist. Die Bitte um ein seliges Ende ist nicht nur im Originaldruck, sondern auch in etlichen Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts mit dem pseudaugustinischen Spruch überschrieben: „Turbabor, sed non perturbabor, quia vulnerum Christi recordabor.“97 In der zweiten Strophe wird das „Gedencken“ an die „Wunden rot“, die „mich erhalten“ können, als Trost für die Gewissensqual durch die Sünde empfohlen.98 Anders als auf den weiteren Stufen ist der Ort der meditativen Erinnerung der Wunden das eigene Innere, nämlich das angefochtene Herz (vgl. lat. recordari); die Heilswirkung von Jesu Tod wird verinnerlicht, also angeeignet. 2. Auf der zweiten Stufe wird der Leib Jesu nicht mehr durch die recordatio ins Innere des betrachtenden Ich geholt, sondern selbst als Innenraum entdeckt, in dem bestimmte Dinge enthalten sind und der über das Medium der Wunden mit dem ihn umgebenden Raum in eine Art Austausch tritt. Manches tritt daraus hervor, die Wunden eröffnen den Blick des Menschen in Jesu Inneres, manches verschwindet darin und lässt sich darin versenken. Urbild des Hervorbrechens aus dem Innenraum des Leibes durch die Wunden ist die Ergießung von Blut und Wasser beim Lanzenstich, deren sakramentale Bedeutung bereits gewürdigt wurde (vgl. Joh 19,34; S. 371). In einer Strophe von Michael Babzien wird Jesus ähnlich wie in der Thomas-Erzählung darum gebeten, seine Seitenwunde zu zeigen; dabei wird sie zur Quelle des Heils („nützen“) und zugleich des labenden Trostes im individuellen „Todes=Durst“: 2. JEsu, zeige mir die Seyt Und die rothen Wunden In dem letzten scharffen Streit Meiner Todesstunden. Laß mir deinen bittern Tod, Blut und Angstschweiß nützen, Wenn ich in der letzten Noth Vor dem Tod soll schwitzen.

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Die Herkunft des Zitates konnte nicht ermittelt werden. Zur spätmittelalterlichen Wunden-Frömmigkeit vgl. etwa das pseudaugustinische Manuale 22 (PL 40,960f), wo sich in die recordatio der Wunden weitere Stufen der Betrachtung mischen: „Cum me pulsat aliqua turpis cogitatio, recurro ad vulnera Christi. Cum me premit caro mea, recordatione vulnerum Domini mei resurgo. Cum diabolus mihi parat insidias, fugio ad viscera misericordiae Domini mei, et recedit a me. Si ardor libidinis moveat membra mea, recordatione vulnerum Filii Dei exstinguitur. In omnibus adversitatibus non invenio tam efficax remedium, quam vulnera Christi: in illis dormio securus, et requiesco intrepidus. Christus mortuus est pro nobis. Nihil tam est ad mortem, quod morte Christi non salvetur.“ Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Str. 2,5–7): „Gedencken wil ich an dein todt, | HErr Jhesu, vnd dein Wunden rot, | die werden mich erhalten.“

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VI. Christus der ist mein Leben

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3. Von dem Speer der letzte Stich Geht dir zu dem Hertzen; Ach HERR JEsu, denck an mich, Fühlt mein Hertz auch Schmertzen. Blut und Wasser von dir fleust; Laß mich dieses laben, Wenn mein schwacher, matter Geist Todes=Durst wird haben.99

Durch den Lanzenstich, der Jesus „zu dem Hertzen“ geht, wird zugleich eine Öffnung zu diesem Herzen gebahnt, durch die es sichtbar und zugänglich wird. Was das Ich durch die Seitenwunde zu sehen bekommt, ist ein Herz voller „Lieb und Trewe“, das nur auf das Heil des Menschen sinnt;100 insofern kann der bei der Eröffnung der Seite sichtbar werdende Innenraum des Leibes Jesu gar als „HimmelsSaal“ gedeutet werden.101 Bei Behm und in seinem Gefolge bei Heermann und Zinzendorf wird durch die „Nägelmahl“ Jesu seine „Genadenwahl“ erblickt, die ihrerseits als Ausdruck des göttlichen Heilswillens zu verstehen ist.102 Neben dieser Herz-Jesu-Frömmigkeit gibt es auch die Vorstellung, nach der die Wunden ein unergründliches Meer darstellen, in das die Sünde versenkt werden kann (vgl. Mi 7,19): 3. Mein JEsu! dir vermach ich meine Sünd: Bey dir allzeit ein Sünder Gnade findt. Wirf sie ins Meer, Lamm Gottes! deiner Wunden, In welchem schon viel Sünde sind verschwunden.103

3. Auf der dritten Konkretionsstufe der Annäherung tritt das Ich des Menschen nun selbst durch die vom Speer des Longinus gebahnte Öffnung in den Innenraum des Leibes Jesu ein. In den Wunden versenkt werden nicht die Sünden, sondern die Seele selbst – nämlich im Sinne einer meditativen Versenkung, auch auf dem Sterbebett. „Die Seel in Jesu Wunden sencken“, nennt dies Ämilie Juliane von SchwarzburgRudolstadt.104 „Hertz“ und „Seel“ des Menschen sind beim Sterben in Jesu Wunden 99 100

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Babzien, °Jesu, der du selbsten wohl (Str. 2–3). Vgl. Kempff, Wenn ich in Todesnöten bin (Str. 6), zit. S. 377. Vgl. Kempff, Wenn ich in Todesnöten bin (Str. 3,5–7). „Sein Seiten Er eröffnen ließ, | Daß ich darin mög schawen süß | Sein Hertz, sein Lieb und Trewe.“ Heinrich Müller verknüpft diesen Gedanken mit dem Zitat von Jer 31,20: „Sihe / mein Hertz / so thut Jesus sein Hertz offen / du kanst hinein blicken / und sehen seine hertzliche Barmhertzigkeit. Was siehest du anders darinn / als diese Worte? Mein Hertz bricht mir / daß ich mich dein erbarmen muß. (Jerem. 31 / 20.)“ (Zit. nach R. Steiger, Gnadengegenwart, 199.) Vgl. Olearius, Herr Jesu, deine Traurigkeit (XXXII., Str. 1): „DEin treues Hertz voll Lieb und Treu | macht meine Hoffnung immer neu / | hier seh ich Tauff und Abendmal / | Blut / Wasser / und des HimmelsSaal.“ Vgl. Behm, O Jesu Christ, meins Lebens Licht (Str. 10,1f; zit. S. 360); zur Wirkungsgeschichte bei Heermann und Zinzendorf vgl. Zell, Untersuchungen, 205; Schade, Bildlichkeit, 49–51. Omeis, Ich hab Bescheid, zu scheiden von der Welt (Str. 3). Dieselbe Funktion übernimmt bei Ritzsch das Grab in der meditativen Betrachtung von Christi Begräbnis; vgl. Ritzsch, Der frömmste Mensch, ja Gottes Sohn (Str. 10,5–7): „Doch dein Begräbnis / wahrer GOTT / | All meine Sünd vnnd Schuld Blutroth | Ins tieffe Meer versencket.“ Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, Wer weiß, wie nahe mir mein Ende (Str. 3,1–4): „Herr, lehr mich stets mein End bedencken | Und, wenn ich einsten sterben muß, | Die Seel in Jesu Wunden sen-

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

am besten aufgehoben.105 Die Wunden bieten einen Rückzugsort, zu dem das Ich wie zu einer ‚Burg‘ vor den Mächten der Sünde und Anfechtung ‚fliehen‘,106 an dem es sich ‚einschließen‘ oder ‚einhüllen‘ kann107 und an dem es ‚Ruhe‘ findet.108 Gerade der Aufenthalt in den Wunden, die äußerste körperliche Nähe zum Gekreuzigten, lässt den Menschen die Gefahr umgehen, die besonders im Sterben von der Sünde ausgeht: In ihnen wird er „von sünden rein“109 und findet „Hülff und Rath“ gegen die Mächte der Anfechtung.110 Ein ‚gegenwirksamer‘ Gedanke ist die Bezeichnung der Wunden Jesu als „heilsam Pflaster“ für die Sünde, die damit selbst als Wunde erscheint.111 Das sich gläubig versenkende Eintreten des sterbenden Menschen in die Wunden Jesu wird in Johann Kempffs Lied Wenn ich in Todesnöten bin (Gotha 1648) in vielfältiger Weise weiter ausgedeutet. 4. Das ist die Thür der Gnaden fest, Die uns stets offen stehet, Gleichwie GOtt Noa bawen lässt Ein Kasten, drein er gehet Zur Sündflut groß mit all den Seinn: Also sind Christi Wunden rein Die Thür zum Gnadenthrone.

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cken | Und ja nicht sparen meine Buß.“ Vgl. auch Str. 7,1–4: „Ich weis, in Jesu Blut und Wunden | Hab ich mich recht und wohl gebett; | Da find ich Trost in Todes=Stunden | Und alles, was ich gerne hätt’.“ Vgl. Herberger, Valet will ich dir geben (Str. 4,1–4): „Verbirg mein Seel aus Gnaden | In deiner offnen seit, | Rück sie aus allem schaden | Zu deiner Herrligkeit.“ Anon., Ach Jesu, du treuer Heiland mein (Str. 8): „Ach nim doch auff das seufftzen mein | Vnd laß mein Gbet erhöret sein, | Daß ich in meiner letzten Stunde | Mein Hertz leg in dein tieffe Wunden.“ Vgl. Dach, Entschlag dich aller Ding auf Erden (Str. 2,3–8): „Sucht sich die Sünd an dir zu reiben, | Bekümmert dich der Höllen List, | Schau Christus offne Seiten, | Fleuch gläubig da hinein, | So wird dich nichts bestreiten | Und du wirst sicher seyn.“ Anon., °Wie ein Hirsch nach frischem Wasser (Str. 12): „Werd ich in die Flucht geschlagen | Von dem grimgen Erb=Feind mein, | Er sol nirgend mich hinjagen, | Alß nur in die Wunden dein. | Ja, HErr, deine Wunden roth | Solln mein Burg sein in der Noth. | Ach, Ach laß mich drinnen bleiben, | Laß mich niemand darauß treiben.“ Vgl. Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 17,3): „Ach, schleuß mich in die Wunden dein“; Sohren, Ich gehe, sitze, was ich tu (Str. 3,7f): „Hüll mich in deine Wunden ein / | so kan ich nicht verlohren seyn.“ Vgl. anon., O Welt, muss ich dich lassen, muss mein* (Str. 10,4–6): „Flieht in den Todes=Stunden | zu eures JEsu Wunden / | so habt ihr ewig sichre Ruh.“ Weissel (?), Wenn meiner Seelen bange wird* (Str. 4): „Sein heilig Wunden sind bereit / | wid’r alle Last der Sünden / | den Gläubigen zur Sicherheit / | da solln sie Ruhe finden / | wol dem der sich beschleust darein / | sein Hertz hält sauber / rein und fein / | der wird alls überwinden.“ Anon., In Christi Wunden schlaf ich ein (Str. 1,1f): „IN Christi Wunden schlaff ich ein, | die machen mich von sünden rein“. Das verbreitete Sterbelied, erstmals L-1638 belegt, wird laut W IV 9. erst seit N-1677 (bzw. 1676) Paul Eber als Verfasser zugeschrieben. Kempff, Wenn ich in Todesnöten bin (Str. 1,5–7). „Darinnen find ich Hülff und Rath | Widr GOttes Zorn und Missethat, | Auch wider Tod und Hölle.“ Vgl. Albert, O wie mögen wir doch unser Leben (Str. 8,1f): „Darumb schließ ich mich in deine Wunden, | Da ich meinen Sünden Raht gefunden.“ Vgl. anon., Ach Jesu, du treuer Heiland mein (Str. 3): „Herr Jesu Christ, die Wunden dein | Meiner Sünd heilsam Pflaster sein: | Schleuß mich darein, daß ich bleib dein, | Vnd laß mich ewig bey dir sein.“

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VI. Christus der ist mein Leben

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5. Darein will ich mich finden fein Vnd mich darein verdecken, Gleichwie ein klein Wald=Vögelein Im holen Baum verstecken, Biß Vngewittr fürüber geht: Also wil ich mich finden stet Zu Christ, dem Baum des Lebens. 6. Moses schlug einen Felsen hart, Daß Wasser draus thät fliessen: Also ward CHristi Seite zart Mit einem Speer gerissen, Daraus viel Blut und Wasser floß, Der Gnaden=Brunn sich da ergoß, Der mich im Tod erqvicket.112

Die Seitenwunde als Gnadentür, durch die der Eintritt in den lebensrettenden Kasten des Noah und die Bewahrung in der „Sündflut“ der Anfechtung und des Gerichts möglich wird (Str. 4); die Seitenwunde als Versteck für das Waldvöglein im Baum des Lebens (Str. 5); die Seitenwunde als sakramentale Gnadenquelle auf der Wüstenwanderung (Str. 6) – der Reichtum, ja Überfluss an Bildern und Anspielungen ist enorm. Fügt die letzte der zitierten Strophen der bereits behandelten sakramentalen Thematik mit dem Verweis auf Num 20 eine weitere Facette hinzu, so sind die Anspielungen der beiden anderen Strophen noch etwas zu vertiefen. Dass sich mit der „Eröffnung der Seite deß HErrn“ eine „rechte LebensThür“ auftut, betont wie Kempff auch Olearius, für den sich mit dieser Erkenntnis zudem ein Gefühl des Trostes verbindet: „nun fühl ich Fried und Trost in mir“.113 Mit dem Bild der Tür, die den Zugang zum Himmelssaal eröffnet, ist zugleich die letzte Station des Peregrinatio-Motivs genannt: Am Ende seiner Reise muss der christliche Erdenpilger die Himmelstür passieren. Sowohl das Weg- als auch das Tür-Motiv sind in den Ich-bin-Worten des Johannesevangeliums christologisch bestimmt (vgl. Joh 10,7.9; 14,6); und beide werden im Anschluss an ihre christologische Bestimmung von den untersuchten Sterbeliedern via Seitenwunde auf den Leib Jesu bezogen. Durch die Himmelstür der geöffneten Seitenwunde hindurch führt der Weg ins Paradies (vgl. S. 221), das – wird der Gedanke zu Ende gedacht – im Inneren des gekreuzigten Leibes Jesu zu finden oder doch zumindest wie in der 4. Strophe bei Kempff nur über den rettenden „Kasten“ dieses Leibes zu erreichen ist. In der verbliebenen 5. Strophe verknüpft Kempff zwei alttestamentliche Bilder, die er ebenfalls auf den Leib Christi bezieht: zum einen das Bild vom Baum des Lebens, dessen Früchte ewiges Leben verheißen (Gen 3,22; vgl. Apk 2,9; 3,22), zum anderen das Bild der Taube, die sich in der Felskluft verbirgt (Hld 2,14). Die christologische Deutung des ersten Bildes – Christus als Baum des Lebens – besitzt einen österlichen 112 113

Kempff, Wenn ich in Todesnöten bin (Str. 4–6). Olearius, Herr Jesu, deine Traurigkeit (XXXII., Str. 2,1f)

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Charakter und ist in vielen Liedern, auch Sterbeliedern, zu finden.114 Das Bild von der Taube, die sich in der Felskluft, ‚Höhle‘ oder ‚Ritze‘ verbirgt, wird auf die Zuflucht der Seele in der Seitenwunde Christi vielfach angewandt.115 In einigen Fassungen von Ach Gott und Herr, wie groß und schwer sind die folgenden Strophen überliefert: [7.] Gleich wie sich fein Ein Vögelein In hole Bäum verstecket, Wenns trüb hergeht, Die Lufft vnstet Menschen vnd Vieh erschrecket: [8.] Also, HErr Christ, Mein Zuflucht ist Die Höle deiner Wunden; Wenn Sünd vnd Todt Mich bringt in Noth, Hab ich mich drein gefunden. [9.] Darinn ich bleib; Ob hie der Leib Vnd Seel von ander scheiden: So werd ich dort Bey dir, mein Hort, Seyn in ewigen Frewden.116

Bei Kempff sucht das Vöglein in der Fels- oder vielmehr Holzspalte Schutz vor stürmischer Witterung („Biß Vngewittr fürüber geht“); auch dafür gibt es weitere Beispiele.117 Blitz und Donner können dabei als Bild für die Anfechtung verstanden werden.118 Entscheidender für das Verständnis des Bildes der Taube ist jedoch 114

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Vgl. Weissel, Ich bin dein satt, o schnöde Welt (Str. 2,9–13): „O lieber Mensch, wehl doch das best, | Ergreiff im Glauben Christum fest, | Das ist der rechte Lebens Bawm, | Ohn jhn ist alles nur ein Trawm, | Ohn jhn ist nur Verderben.“ Vgl. anon., °O Jesu Christe, Gottes Sohn, du grüner Baum des Lebens; anon., °Wie schön grünt uns der Tannenbaum (nach Hos 14): „Ein Geistlich Liedt von Christo Jesu, dem grünen Tannenbaum“. Eine Verknüpfung der beiden Bäume aus der Paradieserzählung mit der Adam-ChristusTypologie aus Röm 5 bei Buchholzer, °Ach liebe Seel, gesegne gern (Str. 2): „Von dem Bawm ist kommen der Tod, | Der Bawm das Leben auch wieder gab: | Ein Adam hat erstattet | Das Leben sampt der Seligkeit, | Welchs der ander verderbet hat; | Es ist vns wolgerathen.“ Vgl. S. 392 Anm. 181. Belege aus Erbauungsschriften von Heinrich Müller, Johann Gerhard, Johann Heermann und Martin Moller in ihrer Bedeutung für Bach bei R. Steiger, Gnadengegenwart, 192–197. Rutilius (?), Ach Gott und Herr, wie groß und schwer (Str. 7–9 in der Fassung von Scheins Cantional; Str. 7–8 ursprünglich Jena 1613, Str. 9 Leipzig 1625; zur unterschiedlichen Herkunft der Strophen vgl. FT I 52.). Vgl. anon., Mein Jesu, neige her dein Ohr* (Str. 9,5f): „Ich habe deinen seiten=ritz / | Da ich / dein täublein / sicher sitz“. Vgl. Dach, Ich bin ja, Herr, in deiner Macht (Str. 8,1–6): „Nein, nein, ich weis gewiß, mein Heil, | Du lässest mich dein wahres Theil | Zu tieff in deinen Wunden sitzen, | Hie lach’ ich aller Macht und Noht, | Es mag Gesetz, Hell’ oder Todt | Auff mich her donnern oder blitzen“; Pauli, °So geb ich mich zufrieden (Str. 6) [von der Seele]: „Die Ruhe hat sie funden | In Jesu Christi Wunden, | Wie eine Taube pflegt | In vester Felsen Ritzen | In Sicherheit zu sitzen, | Bis sich das Ungewitter legt.“ Vgl. J. Franck, Jesu, meine Freude (Str. 2), zit. S. 307 Anm. 139.

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VI. Christus der ist mein Leben

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der Kontext des Hoheliedes: Dort ist ‚Taube‘ der Name für die Geliebte (freilich identifiziert sich ihr Freund nicht mit dem Versteck in den Felsklüften). Die innige Verbindung, die die Seele mit Jesus eingeht, ist also in mystischer Tradition nach dem Vorbild der Liebenden des Hoheliedes gestaltet. In der Adaption des Vorbildes kommt der Seitenwunde als körperlichem Moment in dieser Beziehung eine entscheidende Rolle zu: Die Vereinigung der Liebenden wird erst ermöglicht durch die Öffnung im Leib des Gekreuzigten, die zugleich als Gnadenquell und Himmelstür verstanden wird und sich seinem aufopfernden Leiden verdankt. Im verwundeten Körper des Geliebten findet der angefochtene Mensch Zuflucht vor den Mächten der Sünde und des Todes.

2. Christus der machtvolle Überwinder des Todes Neben dem Bild des leidenden ist auch das des triumphierenden Christus maßgeblich für den Trost der Sterbelieder. Liegt der Schwerpunkt des Trostes bei der Betrachtung des Leidenden auf der Überwindung der Sünde, etwa durch die Sühnefunktion des vergossenen Blutes, so zeigt die österliche Betrachtung des siegreichen Christus ihn vor allem als Überwinder des Todes. Ähnlich wie im Motiv der Militia Christi (vgl.  S.  223) sind es vor allem kriegerische Bilder, die das Geschehen veranschaulichen, nur dass ihr Akteur nicht der christliche Ritter ist, sondern Christus selbst. Als ‚Kriegesfürst‘ und ‚Kriegesheld‘ nimmt Christus den mythischen Kampf mit dem Tod auf, macht ihn zu Spott und Schanden und sprengt als Befreier Ketten und Schlösser der durch Sünde und Tod gefesselten Menschen. Gegeneinander ausspielen lassen sich die beiden Christusbilder freilich nicht, wird in vielen Liedern doch allzu deutlich, dass der heldenhafte Kampf Christi gerade in seinem Erleiden der Todesnot am Kreuz besteht. Auf die Gestalt des Todes, des Kontrahenten Jesu im Kampf, wurde bereits eingegangen (vgl. ab S. 245). An dieser Stelle sollen nacheinander Kampf und Sieg Christi sowie dessen befreiende Wirkung behandelt werden. a) Christi Kampf mit dem Tod: „Der Tod ist verschlungen in den Sieg“ (1Kor 15,54) In der berühmten vierten Strophe von Luthers Osterlied °Christ lag in Todesbanden wird der Kampf des Lebens mit dem Tod als Kampf zweier mythischer Mächte geschildert; der Name ‚Christus‘ ist durch ‚das Leben‘ ersetzt. Die Strophe lautet: 4. Es war eyn wunderlich krieg, da todt vnd leben rungen: Das leben behielt den sieg, es hat den tod verschlungen: Die schrifft hatt verkundet das,

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt wie eyn tod den and’n fraß, ein spot aus dem tod ist worden.119

Das ‚Verschlingen‘ des Todes durch das Leben, seine Überwindung und Verspottung verkündet die „schrifft“ in Jes 25,8 und 1Kor 15,54f120; im Lied wird der Hergang dieses Verschlingens auf die paradoxe Formulierung zugespitzt, dass „eyn tod den and’n fraß“, will sagen: Der Sieg im Kampf des Lebens gegen den Tod ist seinerseits einem Tod zu verdanken, dem Tod Christi, mit dessen Erleiden er dem „wunderlich[en] krieg“ die entscheidende Wende gegeben hat. Jesus hat den Tod besiegt, indem er ihm erlegen ist – und ihn dann in der Auferstehung überwunden hat. Eine Art juristische Begründung für den Ausgang des Kampfes liefert Nicolaus Herman in dem Lied Der Mensch wird von einm Weib geborn (Leipzig 1555), das von der Betrachtung der allgemeinen Sterblichkeit nach Hi 14,1f seinen Ausgang nimmt. Das ‚Recht‘ des Todes – „der Sünden soldt“ – über die Menschen ist begründet in „Adams schuld vnd missethat“.121 Indem er nun allerdings Jesus als denjenigen angreift, „Der doch an Sünd was vnd gerecht“, ist sein hergebrachtes ‚Recht‘ auch an den Sündern nicht mehr aufrechtzuerhalten.122 Im Kampf Jesu gegen den Tod ist bei Herman also der Tod der Aggressor, dessen Recht zu „würgen“ aufgrund der Unrechtmäßigkeit seines Angriffs bis zum Jüngsten Tag befristet wird und der dadurch bereits „geschwechet“ ist.123 Auch die endgültige Überwindung des Todes, die demnach noch aussteht (vgl. 1Kor 15,26), wird von Herman als Kampf geschildert, bei dem Christus sich als „stercker“ erweisen und den Tod nicht nur seiner Beute, sondern auch all seiner Waffen (vgl. S. 251f) berauben und damit unschädlich machen wird: 10. Er sey so greslich als er wöll, doch lenger er nit herschen soll Denn bis kommen wird Christ der HErr, der wird jm nemen harnisch vnd wehr. 119

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Luther, °Christ lag in Todesbanden (Str. 4). Luther greift hier mit dem Motiv des ‚Duellum mirabile‘ zwischen Tod und Leben auf eine Wipo von Burgund zugeschriebene Ostersequenz zurück, die sich auch im Missale Romanum findet (vgl. Rieske-Braun, Duellum mirabile, 237). Das Osterlied ist im Horizont von Luthers lebenslanger Beschäftigung mit dem Motiv des Kampfes Christi zu sehen. Neben dem Tod tritt eine ganze Reihe weiterer Verderbensmächte als Gegner des letztlich siegreichen Streiters auf: Gesetz, Sünde, Hölle, Teufel, aber auch der Zorn Gottes und das Gewissen. Welche dieser Mächte als ‚Leitmacht‘ anzusehen ist, lässt sich jeweils nur im Kontext beantworten (vgl. Rieske-Braun, Duellum mirabile, 11.248f). Als zukünftiger Siegesruf bei der Auferstehung der Toten wird die Stelle 1Kor 15,54f in Blarers Auferstehungslied Ein Freud ist’s dem gläubigen Mann (Str. 20) genannt, allerdings mit der Stellenbezeichnung Hos 13,14, ebenfalls einem Triumphruf über den Tod, aus dem Blarer bestimmte Stichworte übernimmt (‚Gift‘, ‚Rache‘). Herman, Der Mensch wird von einm Weib geborn (Str. 3,3; 4,3f): „Den[n] vber vns das recht er hat | durch Adams schuld vnd missethat.“ Herman, Der Mensch wird von einm Weib geborn (Str. 5): „Do er aber greiff Christum an | vnd würget jn wie sonst ein Man, | Der doch an Sünd was vnd gerecht, | verlor sein recht der hellen knecht.“ Herman, Der Mensch wird von einm Weib geborn (Str. 6): „Vnd blieb jm nichts den[n] todesgstalt, | jm wurd geschwechet all sein gwalt, | Die wert nur bis an Jüngsten tag, | dar nach er nichts mehr würgen mag.“

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VI. Christus der ist mein Leben

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11. Den[n] kompt ein stercker vber jn, der wird sein raub jhm nemen hin, Sein stachel, spies, sein bogen vnd seinns, gelt, ob jn werd der helffen eins!124

Den Spott über den besiegten Tod aus 1Kor 15,55 gestaltet Herman aus, indem er dem entrissenen Stachel viel weitere „wehr“ hinzufügt, vom „harnisch“ bis zur „seinns“ [Sense], und schließlich triumphiert: „darumb du, Todt, bist gar schabab“125. Andere Autoren erwarten Jesu Kampf mit dem Tod nicht erst am Jüngsten Tag, sondern betrachten ihn bereits als geschehen – im Todeskampf am Kreuz. Das alte und verbreitete Sterbelied Herr Gott, mein Jammer hat ein End (Nürnberg 1563) nennt das Leiden am Kreuz gemeinsam mit Kampf und Sieg über „Todt, Teufel und Hell“; Rists O Vater aller Gnaden (Lüneburg 1651) terminiert den Kampf mit dem Tod „In deiner [Jesu] höchsten Noht“, macht aus der Passion also „deines Leidens Krieg“, der dann wieder in den Sieg nach 1Kor 15,54f mündet: „4. Christus hat für mich gnug gethan, am stamm des Creutzs gelitten, Den siehe ich mit glauben an, für mich hat er gestritten, Den Todt, Teufel und Hell verwundt vnd sie vertilget gar zu grundt, jr macht gentzlich zerschnitten.“126 „8. Hastu doch selbst gekämpfet Herr Jesu mit dem Tod’ Und dessen Macht gedämpfet In deiner höchsten Noht / Hast du doch gantz erhitzet Dein theüres Blut geschwitzet Gleich wie Rosin so roht! 9. Dieweil den nun verschlungen Der Tod ist in dem Sieg’ Und Satan gantz bezwungen Durch deines Leidens Krieg / Nichts hat an mir zu finden / So hilff mir überwinden Daß Ich nicht unten lig’.“127

Die Macht des Todes wird im einen Lied „zerschnitten“, im anderen „gedämpfet“. Während die ältere Liedstrophe zwei Mal das ‚pro me‘ des Leidens wie des Streitens 124 125 126 127

Herman, Der Mensch wird von einm Weib geborn (Str. 10–11). Herman, Der Mensch wird von einm Weib geborn (Str. 21,2). Anon., Herr Gott, mein Jammer hat ein End (Str. 4). Rist, O Vater aller Gnaden (Str. 8–9).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Jesu hervorhebt, muss das Ich bei Rist dem Kampf des Heilands als christlicher Ritter nacheifern; es ist dabei auf die Hilfe Jesu angewiesen, um im Kampf nicht zu unterliegen. Andere Lieder wie das anonyme Mein Gott und Herr, steh du mir bei (1613) lokalisieren den Kampf Christi erst in der Hölle, also beim Descensus ad inferos am Karsamstag.128 Traditionell endet diese Höllenfahrt mit einem Triumphzug, bei dem die befreiten Gefangenen aus der Unterwelt heraufgeführt werden (vgl. S. 384). Bei Johann Klaj kann der Empfang des siegreichen Helden im Himmel zu einem martialischen Spektakel werden.129 Eine häufige Formel für die Überwindung der Todesmacht – jenseits der Rede von Christus als siegreichem Kämpfer – ist die Rede von „des Todes Tod“, mit der auch die Person Christi selbst bezeichnet werden kann. Damit verbunden ist die Vorstellung, dass die Macht des Todes im Tod Christi selbst gestorben ist. Gerade diese Vorstellung erweist sich in der Todesnot als besonders tröstlich, wie etwa die folgende Strophe von Paul Gerhardt zeigt: 3. Zwar heist’s ja Todt und Sterbens=noth / Doch ist da gar kein sterben: Denn Jesus ist des Todes Tod Und nimmt ihm das Verderben / Das alle seine Stärck und Krafft Mir wenn ich itzt werd hingerafft Nicht auff ein Härlein schade.130

Auch in Heermanns Der Tod klopft itzund bei mir an ist die Vorstellung des durch Jesu Tod getöteten Todes enthalten. Hier wird sie nicht von der Todesmacht im allgemeinen, sondern vom eigenen Tod ausgesagt und gewinnt in dieser Aneignung erst recht tröstlichen Charakter: Gegen den Schrecken des unmittelbar nahen Todes hilft der Gedanke an den, „Der meinen tod durch seinen tod | Getödtet hat“131. Bei Sacer geht die Aneignung schließlich so weit, dass der Tod des Todes nicht mehr mit dem Tod Jesu, sondern mit dem eigenen Tod zusammenfällt: „Stirbt ein Christ, so stirbt sein Leid, | Auch sein Todt stirbt mit dem Sterben.“132 128

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Vgl. anon., Mein Gott und Herr, steh du mir bei (Str. 3): „‚Betrübt euch nicht‘, spricht Jesus Christ, | ‚warumb thut jhr so zagen? | Ich will hinunter zu der Hell, | mich mit dem Satan schlagen: | Da wil ich als ein tapffer Heldt | für meine Schäfflein sterben | vnd euch auch führen in mein Reich | zu dem ewigen Leben.‘“ Dazu und zur Verwandtschaft mit der jesuitischen Ausmalung der ecclesia militans vgl. Wiedemann, Himmel, 242–246.252f. Gerhardt, Nun sei getrost und unbetrübt (Str. 3). ‚Des Todes Tod‘ auch bei Dach, Ich bin ja, Herr, in deiner Macht (Str. 5,7f): „Wer hilfft mir sonst in solcher Noht, | Wo du nicht GOTT, du Todes=Todt?“ Olearius, Herr Jesu, deine Traurigkeit (XXXI. „Auß dem unschuldigen Creutztode deß HErrn“, Str. 1,1f): „DEin Tod / mein GOtt / des Todes Tod / | hilfft mir im Tod aus aller Noth“; Sohren, Ich gehe, sitze, was ich tu (Str. 3,1): „O JEsu / O du Todes=Tod“; anon., Komm, o Jesu, wie so lange* (Str. 4,6): „JEsu! du / deß todes tod / | Steh mir bey in dieser noht.“ Heermann, Der Tod klopft itzund bei mir an (Str. 1,1–7): „DEr tod klopfft itzund bey mir an, | Das zeigen meine schmertzen; | Doch ist nichts, das mich schrecken kan. | Ich trage den im hertzen, | Der meinen tod durch seinen tod | Getödtet hat und mir bey Gott | Gnad, hülf und heyl erworben.“ Sacer, Freunde, stellt das Weinen ein (Str. 9,1f).

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VI. Christus der ist mein Leben

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Damit zurück zur Kampfmetaphorik. An welchem Ort auch immer Jesu Kampf mit dem Tod festgemacht wird – am Kreuz, an der Hölle oder erst am Jüngsten Tag –, so besteht doch darin Einigkeit, dass Triumph und Sieg über den Tod in seiner Auferstehung zum Ausdruck kommen. Mit dem österlichen Vers „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ (Hi 19,25), der nicht weniger als sieben der gefundenen Lieder einleitet (vgl. S. 516), verbindet sich oft das Bild des im Kampf über die Todesmacht triumphierenden Helden, etwa bei Paul Gerhardt und Johann Franck: „1. [...] Er lebt fürwar der starcke Held / Sein Arm / der alle Feinde felt / Hat auch den Tod bezwungen.“133 „1. ICh weiß daß mein Erlöser lebt / trotz Sünde / Tod und Höllen / wie grausam sie sich stellen! Trotz allem was mir widerstrebt! Mein JEsus hat gesieget / und ihre Macht bekrieget.“134

Die vollständige Fassung der Hiobstelle enthält in der Lutherübersetzung auch die Verheißung der leiblichen Auferstehung des Menschen; das Zitat hält damit die Hoffnung auf die eschatologische Teilhabe am Triumph über den Tod wach. In der häufigen Anrede Jesu als „Lebens Held“135, „Lebens=Fürst“136, „Sieges Held“137, „Siegesfürst“138 usw. ist nicht nur das Bild des österlichen Triumphators in formelhafter Verdichtung enthalten, sondern auch die christliche Hoffnung auf Teilhabe an dessen Sieg: Der dem siegreichen Streiter Christus nacheifernde Miles christianus wird selbst zum ‚Helden‘, indem er sich dessen Kampf anschließt und in der Taufe zu seinem Fähnlein schwört: „8. [...] Ich wil durch dringen als ein Held mit dein heiligen fünff Wunden,

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Gerhardt, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt (Str. 1,5–7). J. Franck, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt* (Str. 1,1–6). Vgl. Schein, Die Zeit nunmehr vorhanden ist (Str. 1,7–9): „O Lebens Held / | Aus dieser Welt / | Führ mich zu deinen Frewden.“ Dilherr, Warum sollt ich bekümmert sein (Str. 3,3f): „Ich werde gnug / O Lebens=Held! | in Deinem Tode finden.“ Vgl. Ringwaldt, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl, dass ich einmal (Str. 8,5f): [Ich will] „gleuben das du als ein Fürst | des Lebens mich erhalten wirst, | ich sterb gleich wie ich wölle.“ Sieber, Welt, packe dich (Str. 5,4f): „Ich suche den Himmel, das freudige Leben, | Das wolle mir JEsus, der Lebens=Fürst geben.“ Dilherr, Warum sollt ich bekümmert sein (Str. 5,3f): „Getrost will ich / O Lebens=Fürst! | auf Deinen Tod erkalten.“Olearius, Herr Jesu, deine Traurigkeit (XXXIII., Str. 1,1): „Der LebensFürst erwürgt den Tod“. Vgl. Schein, Die Zeit nunmehr vorhanden ist (Str. 5,1–4): „Todt / Teuffel / Höll / Die Sünd / die Welt | Hast du all überwunden / :/: | Durch dich / den thewren Sieges Held / Erlösung ist erfunden“. Vgl. anon., Mein Gott und Herr, steh du mir bei (Str. 8,5–8); anon., °Wie ein Hirsch nach frischem Wasser (Str. 10), beide zit. unmittelbar im Anschluss.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt dardurch du als ein Siegesfürst dem Todt sein Gewalt genommen.“139 „10. In der Tauff hab ich geschworen Zu deinem Blutt=Fähnelein; Drumb muß ich nicht sein verlohren, Du wirst mein Beschützer sein. Mein bestr Kriegß= vnd Siegeß=Fürst Du, HErr JEsu, bleiben wirst. Ach, Ach wie könt ich verzagen? Du wirst meinen Feind wol jagen.“140

In der Auferstehung erweist sich der im Tod Jesu – verkörpert in „Blutt“ und „Wunden“ – ausgefochtene Kampf als siegreich. Der Christ hat in der Taufe Teil am Tod Christi und darin am Triumph der Auferstehung (vgl. Röm 6,4). „Weil du vom Tod erstanden bist, | werd ich im Grab nicht bleiben“, heißt es in Hermans Wenn mein Stündlein vorhanden ist;141 und nach Scheins Fassung von Ich weiß, dass mein Erlöser lebt ist Christus das „Bild“ für die Auferstehung des Menschen: „Wenn ich denn nun nach deinem Bild | Einst wieder werd auffwachen“142. Nach der Adam-ChristusTypologie in 1Kor 15,22 werden in Christus alle wieder lebendig gemacht, so wie in Adam alle gestorben sind – ein wichtiger Bezugstext, den das Babstsche Gesangbuch wie auch die Dresdner Gesangbücher des 17. Jahrhunderts in lateinischer Sprache (und meist gemeinsam mit dem vorausgehenden Zitat von 1Thess 4,14) unter den Begräbnisgesängen aufführen: „Sicut in Adam omnes moriuntur, ita et in Christo omnes vivificabuntur.“143 b) Befreiung aus der Gefangenschaft Dass Jesu Triumph über die Todesmacht eine befreiende Wirkung hat, wird besonders deutlich in einem Bild, das sich traditionellerweise mit dem des karsamstäglichen Descensus ad inferos verbindet, dem Bild des Heraufführens der Gefangenen aus der Unterwelt.144 Jesus beraubt den Tod beim Kampf nicht nur seiner Waffen, sondern 139

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Anon., Mein Gott und Herr, steh du mir bei (Str. 8,5–8). Vgl. schon das anonyme, z.T. Johann Walter zugeschriebene °Die letzte Stund fürcht jedermann (1551; Str. 1,3; 2,1–4): „Wer aber new geboren ist [...] Tod, Teuffel, Hell vnd auch die Sünd | er wie ein Held als vberwindt, | Dann jm sein Herr die ban gemacht, | drumb solche Feind er gar veracht“; vgl. anon., Herr Gott, mein Jammer hat ein End (Str. 6,5–7): „Denn ich mit Christo ewigklich | vnd allen Heylgen seligklich | des todts macht wil obsiegen.“ Anon., °Wie ein Hirsch nach frischem Wasser (Str. 10). Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Str. 4,1f); nachfolgend wird zusätzlich zur Auferstehung besonders Christi Himmelfahrt als Sterbetrost hervorgehoben: „Mein höchster trost dein Auffart ist, | tods furcht kan sie vertreiben“. Schein, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, wenn ich gleich itzt (Str. 9,1f). Vgl. Babst Nr. 87 (mit 1Thess 4,14.13); Nr. 89 (mit Sir 44,14; Ps 4,9; Röm 14,7f). Auch Schein greift die Adam-Christus-Typologie auf, vgl. Schein, In Sünden und in Gottes Zorn (Str. 2,1–6): „Also wir nun vom ewgen Tod / | Der Höllen Noth / | Sind wiederumb befreyet / :/: | Die wir in Adam warn verlohrn / | Sind wiedrgeborn | In Christo gantz vernewet“. Vgl. Schein, Die Zeit nunmehr vorhanden ist (Str. 5). Ein beliebtes und im 17. Jahrhundert immer wieder aufgelegtes Werk zu diesem Thema war die umfangreiche Schrift des Nürnberger Juristen Jacob Ayrer (Ayerer) mit dem Titel Historischer Processus IVRIS In welchem sich Lucifer vber Jesum / darumb daß er jhme die Hellen zerstört / eingenomen / die gefangene

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zerbricht auch die Schlösser und Riegel, mit denen dieser die Menschen gefangen hält. In Röbers Spottlied O Tod, o Tod, schreckliches Bild (und in Gerhardts Nachdichtung) ist der Palast des Todes darum entleert, die Gefangenen sind befreit durch „Des starcken Jesus Helden=Hand“ (Gerhardt). In der Fassung von Röber heißt es: 3. Dein Schloß dir jo zubrochen ist, Zerschlagen deine Riegel Durch meinen Heyland Jesum Christ; Der brach des Grabes Siegel Vnd führt dich im Triumph zur schaw, Daß niemand ferner für dir graw; Ein Spott auß dir ist worden. 4. Sih dich doch vmb in deim Pallast Vnd forsch mit gantzen fleisse, Ob du noch all Gefangne hast, Daß dir keiner entreisse. Wie ist Moses entkommen dir, Daß er auff Thabor tritt herfür Mit dem Mann Gotts Eliâ? 5. Wo ist der alten Heilign Schar, In Palestin begraben? Sie sind kommen auß deiner Gwar, Ewiges Lebn sie haben. Jesus, der HErr, mit starcker Hand Zurissen hat all deine Band, Da er mit dir thet ringen.“145

Die Erscheinung von Mose und Elia am Berg der Verklärung (Mt 17par) wird als Vorgriff auf die Befreiung „der alten Heilign“ aus den Banden des Todes durch den Kampf Jesu in der Hölle gedeutet.146 Die aus menschlicher Sicht unüberwindbar

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darauß erlößt / vnd hingegen jhnen Lucifern gefangen vnd gebunden habe / auff das aller hefftigest beklaget (Frankfurt/M. 1597). Der Prozess Lucifers gegen Jesus wird in mehreren Instanzen ausführlich durch sämtliche Akten und Protokolle der Gerichtsverhandlung dokumentiert. Eine der vielen Neuauflagen (Frankfurt/M. 1691) wurde von dem in der getroffenen Liedauswahl mehrfach vertretenen Liederdichter Ahasverus Fritsch herausgegeben. Röber, O Tod, o Tod, schreckliches Bild (Str. 3–5). Vgl. Röber, O Tod, o Tod, schreckliches Bild (Str. 4,5–7). Schon nach Herman, Da nun Elias seinen Lauf (Str. 3) belegt die Erscheinung des Elia auf dem Tabor die Gewissheit des ewigen Lebens („Ein ewigs leben ist gewis“), in dem sich Elia schon befindet; vgl. Hermans Lied zur Verklärung °Unser Herr Christ die Herrlichkeit (Str. 15–16) sowie Rists „Fröliche Betrachtung der Gewißheit [!] des zukünftigen ewigen Freüden=Lebens“, Wie magst du dich so kränken (Str. 12,1–3; 13): „Noch besser zu verstehen | Was uns bereitet ist / | Lasst uns auf Tabor gehen [...] Der Herr stund zwischen Beiden / | Auch war Elias da / | Und Moses kahm mit Freüden | Den dreien Jüngern nah’ / | Auch GOtt rief selbst von Oben; | Ei solten wir den nicht | Auch werden aufgehoben | Wie Sie zum HimmelsLicht?“ Nach Hutter, Comp. 29,4 ist der lebendig zum Himmel gefahrene Elia (vgl. 2Kön 2,11) neben Henoch einer der wenigen Menschen, die von der Sterblichkeit ausgenommen sind. Zu ihm vgl. auch S. 487.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

scheinenden Attribute der Gefangenschaft („Schloß“, „Riegel“, „Siegel“, „Band“) hat Jesus mit der überlegenen Macht des Gottessohnes „zubrochen“, „Zerschlagen“ und „Zurissen“. Die besiegten Mächte können nun ihrerseits in Ketten gelegt werden wie in einem selten belegten Lied von Finckelthauß.147 Die Karsamstagserzählung von der kollektiven Befreiung der Gefangenen beim Descensus ad inferos ist Vorbild und Analogie jenes Geschehens, das das Individuum für den Moment seines Todes erhofft. Die göttliche Verheißung des ‚Herausreißens‘ aus Ps 91,15 wird in Ebers Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott auf das Band des Todes bezogen: „Sonder ich will mit starcker Hand | ihn reissen auß des Todes band“148. Bei Rist folgt dasselbe Bild in Form einer Bitte unmittelbar auf die Schilderung von Jesu eigenem „Leidens Krieg“, ausdrücklich auf die Todesstunde des Ich bezogen.149 Bei Homburg sind es „des Todes Ketten“150, aus denen das Ich herausgerissen wird, Fritsch spricht von „des Todes gefänglichen Schrancken“, denen er die „Himmlische Freyheit“ entgegensetzt.151 Hier hat sich allerdings ein entscheidender Bedeutungswandel vollzogen: Die Todesschranken werden in einem Atemzug genannt mit dem „betrübeten zeitlichen Leben“152. Die erhoffte Befreiung bezieht sich hier nicht mehr oder nicht mehr nur auf das Sterben, aus dem das Ich heraus- oder durch das es hindurchgerettet werden will, sondern auf das Leben – das irdische, todverfallene Leben in der Welt (vgl. I.). Befreit wird nicht mehr vom Tod, sondern vom Leben. Auf den Tod selbst fällt plötzlich ein ganz anderes Licht: Er wird vom Unterdrücker zum Befreier, aus der finsteren Todesmacht ist durch den Sieg Christi (oder, ‚gegenwirksam‘, durch die Bande Christi153) ein Freund geworden, der den Menschen zum Leben geleitet (vgl. S. 255). Befreien kann der Tod vom ‚Joch‘ bzw. der ‚Last‘ der Sünde oder der Beschwernis des irdischen Daseins (vgl. S. 217). Als Ort der Gefangenschaft oder als ‚Kerker‘ wird insbesondere der Leib verstanden: „Mein Trost, durch dich | Befrey’ ich mich | Der schweren LeibesKetten.“154 Bei 147

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Vgl. Finckelthauß, Wie lange soll es währen (Str. 3): „Weg, Teuffel, Höll vnd Sünden, | Ihr seyd gantz abgethan. | Euch kan mein Jesus binden | Vnd Ketten legen an. | Ihr könnet nimmer toben, | Ich bin von euch befreyt. | Gott ich wil schawen oben: | Ach wer schon da die Zeit!“ Vgl. Apk 20,1–3. Eber, Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott (Str. 7,1f). Vgl. Rist, O Vater aller Gnaden (Str. 10,1–5): „Und wen die Zeit fürhanden | Daß Ich abscheiden sol / | So reiß Mich aus den Banden | Des Todes / daß Ich wol | Und ritterlich durchdringe“ usw. Diese und die beiden folgenden Strophen werden in L-1673 unter Wenn die Zeit ist vorhanden als eigenständiges Lied geführt. Homburg, Herr Jesu Christ, mein Leben (Str. 11,1f): „Du, Jesu, wilst ihn retten | Bald aus des Todes Ketten“; vgl. anon., Auf, meine Seel, dein End ist hier* (Str. 3): „Von dieser schwartzen Todes=Macht / | Gefahr und ihrer finstern Nacht / | Von ihren grossen schweren Ketten | Kan bloß dein Heyland dich erretten.“ Fritsch, Hast du denn, Jesu, dein Angesicht gänzlich verborgen (Str. 7): „Muß ich in diesen betrübeten zeitlichen Leben | Gleich in des Todes gefänglichen Schrancken stets schweben, | So wirst du dort, | Liebster HErr Jesu, mein Hort, | Himmlische Freyheit mir geben.“ Vgl. Anm. 151. Vgl. Olearius, Herr Jesu, deine Traurigkeit (VI. „Auß den Unschuldigen Banden Christi“, Str. 1): „DEin Strick und Banden macht mich loß / | ich bleib in GOttes Gnaden Schooß / | wenn sich zertrennt das Lebens Band / | so bleibt mein Geist in Gottes Hand.“ Dach, Wer weiß Bescheid, der Sterblichkeit (Str. 2,7–9).

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der Bitte um Erfüllung der Sterbesehnsucht werden Befreiungsverben wie ‚ausspannen‘, ‚losmachen‘, ‚auflösen‘, ‚erlösen‘ usw. verwendet (vgl. S. 343). All dies ist im Blick, wenn Rist konstatiert: „Und fragst du den waß Sterben sei? | Nichts anders alß nur werden frei / | Ja Sterben nenn’ Ich Leben“155, oder wenn Schein Verstorbenen kleine Sätze in den Mund legt wie: „Nun bin ich quit vnd loß“ oder „Heut bin ich durchgewischt“.156 Biblisches Vorbild für die Gefangenschaft in der Welt ist die Geschichte Israels, seiner Knechtschaft in Ägypten und besonders im babylonischen Exil;157 eine Verwandtschaft besteht auch mit dem Descensus-Motiv. Dachs Lied Wenn Gott vor allem Bösen arbeitet mit Metaphern der Gefangenschaft, denen auf subtile Weise der Exilspsalm 126 unterlegt wird. Die „Bande“ und „Ketten“ der Sünden, fleischlichen Wünsche und des Leibes halten das Ich gefangen: 3. HErr, wende mein Verlangen, Daß ich der Bande frey, Darin ich bin gefangen Und gantz mein eigen sey: So lang ich hie muß leben, So bin ich immerzu Mit Sünden nur umbgeben Und finde keine Ruh. 4. Was dein Gesetz mir zeiget, Belustigt meinen Geist, Doch ist mein Fleisch geneiget Zum Argen allermeist, Ich kann mich offt nicht retten Für Wünschen und Begier, Und schrey in diesen Ketten: Ach GOtt, wer hilffet mir. 5. Vom Jammer den ich treibe, Von meines Fleisches Streit, Und dieses Todes Leibe Ist niemand der mich freyt? Doch wil ich alles leiden, Wenn du, O GOtt, nur nicht Dich wollest von mir scheiden Mit deinem Angesicht.158

Gefangen ist der Mensch im Konflikt von Fleisch und Geist (Gal 5,17), innerlich zerrissen zwischen entgegengesetzten Neigungen: hier der Neigung zum Gesetz, 155 156 157 158

Rist, Mein Seelichen, wenn willt du doch (Str. 8,1–3). Schein, Ich hab mein Lauf vollendet (Str. 1,5); Schein, Ihr lieben Trauerleut (Str. 3,1). Vgl. Omeis, Es ist nun aus mit meinem Leben (Str. 4–5), zit. S. 183. Dach, Wenn Gott von allem Bösen (Str. 3–5).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

dort der „Zum Argen“, also zur Sündentat. Derart im „Streit“ mit sich selbst, sehnt er sich nach Befreiung aus „dieses Todes Leibe“ (Röm 7,24), um „gantz mein eigen“ zu werden. Die Worte, mit denen Dach die erhoffte Befreiung schildert, leiht er aus Ps 126 und interpretiert die kollektive Befreiung Israels aus dem Exil im Sinne einer individuellen Befreiung der Seele: Sind es im Psalmtext die „Gefangenen Zions“ (vgl. Ps 126,1), so ist es bei Dach „meine Seel’“, die ‚erlöst‘ wird – und zwar „Durch einen selign Tod“. Im Gegensatz zum beklagenswerten Istzustand der Gefangenschaft wird dann, so hofft das Ich, sein Mund voll Lachens und seine Zunge voll Rühmens sein (Ps 126,2), und für die mit „Thränen vieler Pein“ gestreuten Samen darf es schließlich „Wonne meyen“ [mähen, ernten] (Ps 126,5f).159 Aus der Befreiung der Gefangenen durch Christus bei seinem Descensus hatte sich die individuelle Hoffnung ergeben, dass der Christ im Sterben von den Ketten und Banden des Todes befreit wird. In dieser Perspektive kann der Tod im 17. Jahrhundert schließlich selbst von der Bedrohung zur ersehnten Befreiung werden, nämlich zur Befreiung von einem irdischen Leben, das in seiner Todverfallenheit seinerseits als „angeseelter Tod“ betrachtet wird (vgl. S. 174).

3. Ausdrucksformen der persönlichen Christusbeziehung „Bey Christo zu sein“ (Phil 1,23): auf dieses erhoffte Ziel steuern implizit oder explizit alle Sterbelieder zu, ganz gleich, ob sie im Tod den Feind oder den Freund erblicken, ob sie ihn fürchten oder ersehnen, ob in ihnen innere Not oder Friede dominiert. In dieser Formulierung wird die erhoffte Gemeinschaft mit Christus ins Bild der räumlichen, oft auch der körperlichen Nähe gefasst. Dass die Nähe in der gefahrvollen, angefochtenen Situation des Sterbens nicht abreißen möge, ist die zentrale Bitte der Sterbegebete; dass sie sich nach der Überwindung des Todes vollends erfüllt, ihre zentrale Hoffnung. Bei der fundamentalen Trennungserfahrung des Todes – hier scheidet nicht nur der Mensch von der Welt und von seinen Angehörigen, sondern auch seine eigene Person wird geschieden in Leib und Seele (vgl. S. 482) – liegt im Andauern der Christusbeziehung ein ebenso fundamentaler Trost. Der nachfolgende Abschnitt, der das Teilkapitel über die christologischen Aspekte des Sterbetrostes abschließt, stellt die Ausdrucksformen für die persönliche Christusbeziehung des sterbenden Menschen in den Mittelpunkt; die räumliche Nähe des „bey Christo sein“ stellt dafür eine zentrale Kategorie dar. Nach einigen Bemerkungen zu ihr (a) soll es um die Eigentumsmetapher gehen, mit der die Beziehung häufig charakterisiert wird (b), dann um die Bezeichnung Jesu als Geliebter oder „Bräutigam“ (c).

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Vgl. Dach, Wenn Gott von allem Bösen (Str. 2,1–4; Str. 7,1–4): „Mein Mund wird nichts als lachen, | Und meiner Zungen Klang | Wird nichts als Lieder machen, | GOtt unserm Heyl zu Danck“; „Hie muß ich Samen streuen | Mit Thränen vieler Pein, | Dort werd’ ich Wonne meyen, | Der Ende nie wird seyn“.

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VI. Christus der ist mein Leben

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a) Die Christusbeziehung als räumlich-körperliche Nähe Die quasi-räumliche Nähe Jesu ist einerseits essentiell während des Sterbens selbst, andererseits bildet sie das Ziel, auf das es zusteuert. Für das Sterben selbst enthalten viele der typischen Bitten den Wunsch nach der Herbeikunft oder der Anwesenheit Christi (‚Steh mir bei‘160, ‚Sei nicht fern‘161, ‚Komm nur bald‘162 usw.). Oft ist es dabei Christus, der in die Nähe des Menschen kommt oder bei ihm steht.163 In umgekehrter Richtung kann der Mensch seinerseits im Sterben Christus aufsuchen und sich zu ihm flüchten, nicht nur in der Seitenwunde (vgl. S. 377), sondern überhaupt in seiner Nähe.164 Dieselbe Figur der Gegenseitigkeit, bei der der Mensch eine Zusage Gottes zunächst empfängt und sie dann mit einer entsprechenden Eigenaktivität beantwortet, ist beim ‚Lassen‘ oder ‚Verlassen‘ zu beobachten: Helmbolds „VOn GOtt wil ich nit lassen, | dann er lest nit von mir“ bringt das Prinzip auf eine Formel;165 bei Sacer lautet es: „Getreuer GOtt, dich laß ich nicht, | Du wirst mich auch nicht lassen.“166 Während Jesus in Gethsemane von seinen Jüngern verlassen wurde, kann der Christ gewiss sein, dass er von Jesus nie verlassen wird – diesen ‚gegenwirksamen‘ Trost zieht Johann Olearius „Auß dem betrübten Verlassen der Jünger“: WEnn mich verlässt die gantze Welt / weiß ich / daß Jesus bey mir hält / weich nicht von mir / ich glaube fest / daß du die Deinen nicht verläst.167

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Vgl. anon., Mein Gott und Herr, steh du mir bei (Str. 1,1f): „MEin GOtt vnd HErr steh du mir bey | weil ich sol scheiden von hinnen“; anon., O Jesu, Gottes Lämmelein (Str. 4,1f): „Darumb, o Jesu, steh mir bey, | gewissen Trost vnd Hülff verley“ usw. Vgl. Schalling, Herzlich lieb hab ich dich, o Herr (Str. 1,2f): „ich bit, wölst sein von mir nicht ferr | mit deiner güt vnd gnaden“; Behm, Ich armer Erdenkloß (Str. 5,1f): „Du hilffst in Nöten gern, | drumb sey von mir nicht fern“; anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Str. 6,3): „Sey von mir jetzund nicht ferne“; Schein, Mein Gott und Herr, ach sei nicht ferr usw. „Sei nicht fern“ auch in Ps 22,12.20; 35,22; 38,22; 71,12. Vgl. S. 340f. Vgl. Schwab, O Jesu, lieber Herre mein (Str. 1,1–4): „O JEsu, lieber HErre mein, | ich bit von Hertzen grunde, | Du wolst ja selbs nah bey mir seyn | in meiner letzten Stunde“; Dach, Wer weiß Bescheid, der Sterblichkeit (Str. 3,1–3; 4,1–3): „Wenn ich nun soll | Des Lebens Zoll | Durch meinen Todt dir reichen, [...] || Wirst Du allein | Noch vmb mich seyn, | Mir Rhat vnd trost beybringen“; anon., Scheuet ihr, ihr matten Glieder* (Str. 2,4–8): „Er / der retter in gefahr / | Ist mir hier / und dort / und da | Aller orten eben nah: | Ihn wird auch von meiner seiten | Keine zeit / kein ort nicht scheiden.“ Vgl. anon., Christo hat mein Leben sich nun ganz ergeben (Str. 1,4–6): „Ich wil bey Ihm stehen, | Solt auch drüber gehen | Ich auß diesem Licht.“ Helmbold, °Von Gott will ich nicht lassen (Str. 1,1f). Das Lied taucht nirgends in den Sterbeliedrubriken auf, in den Dresdner Gesangbüchern allerdings als Pestlied (vgl. S. 278 Anm. 21) und in dem Lü-1661 angegliederten Gebetbuch, 190, unter den Liedern, die mit Sterbenden zu singen sind. Sacer, Bis hieher ist mein Lauf vollbracht (Str. 17,2f); vgl. J. L. Faber, °Ich lass ihn nicht, der sich gelassen (Str. 3,1): „Ich laß ihn nicht, der mich nicht lässet“; umgekehrt in Müllers Erquickstunden, 300. Andacht, S. 907: „Ey / ich weiß / er lässt mich nicht / weil ich ihn nicht lasse.“ Eine entsprechende Empfehlung an die Hinterbliebenen gibt das Ich in Omeis’ Lied Ich hab Bescheid, zu scheiden von der Welt (Str. 10,1–3): „Euch Freunden laß’ ich einen guten GOtt, | Der euch bewahr für eurer Feinde Spott. | Last nicht von ihm: Er wird von euch nicht lassen.“ Olearius, Herr Jesu, deine Traurigkeit (VII., Str. 1).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Vor allem ist es aber Jesu Gottverlassenheit am Kreuz (Mt 27,46), die dem Menschen erspart bleibt, wenn er sagen kann: „Ich weis mein Gott du läst mich nicht“168. Ergebenes Vertrauen ist die Haltung, die aus dieser und ähnlichen Aussagen spricht. In umgekehrter Richtung, die im 17. Jahrhundert verstärkt anzutreffen ist, wird dagegen eine größere Aktivität erkennbar, eine Art Suchbewegung, die sich bis zum körperlich-haptischen Ergreifen oder ‚Fassen‘ Jesu169 oder bis zum fordernden, ja ringenden „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn“ (Gen 32,27170) steigern kann. Damit in Verbindung steht die berühmte Formel ‚Meinen Jesum lass ich nicht‘, in der das Ich sich den Namen Jesus durch das Possessivpronomen regelrecht angeeignet hat und die als letztes Wort des sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. (1585–1656) überliefert ist.171 Von einer Vielzahl von Autoren wurde der Satz aufgegriffen; der Fürst und sein Sterben wurden damit literarisch zu einem vielfach rezipierten Vorbild stilisiert. Neben den beiden im untersuchten Material belegten Fassungen von Keimann und Flittner,172 die zugleich die ältesten mir bekannten sind, gibt es zahlreiche weitere Adaptionen: Christian Keimann Johann Flittner Ahasverus Fritsch

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Meinen Jesum lass ich nicht, weil er sich Ach was soll ich Sünder machen °Meinen Jesum lass ich nicht, denn er ist

(1658) (Greifsw. 1661) (Jena 1668)

Rist, O Gott, der du mit großer Macht (Str. 5,6); vgl. Schmucker, Frischauf, mein Seel, verzage nicht (Str. 5): „Ob sichs bißweilen schon anließ, | als wolt mich Gott nicht schützen, | Vnd hett die Welt mein vberdrüß, | wolt mich auch darzu trützen, | So weiß ich doch, | er wird mich noch | zu seiner zeit nicht lassen: | Wer Gott vertrawt, | hat wolgebauwt, | wie könt er mich denn hassen?“; anon., Christus wird mich nicht lassen (Str. 1,1f): „CHristus wird mich nicht lassen, | wann ich von hinnen scheidt“; Dach, Ich bin bei Gott in Gnaden (Str. 5,6–8): „Ihn flieh ich gläubig an, | Der mich sein Kind und Erben | Nicht lassen wil noch kan.“ Vgl. Beckh (?), Lass uns doch nicht begehren* (Str. 4,9–12): „laß mich die Welt nur hassen / | ich will / mit Lieb und Treu / | nur meinen JEsum fassen / | so bleib ich Sorgen=frey.“ Anon., Scheuet ihr, ihr matten Glieder* (Str. 4,7f): „Dich wil ich nun fäst umfassen / | Und den leib der erden lassen.“ Vgl. Schein, Lass dir, o mein Herr Jesu Christ (Str. 2,5–8): „Nicht laß ich dich / Herr Zebaoth / | Du segnst mich denn / | Dein Namn ich kenn / | Nach deim Wort mich erfrewe“; J. L. Faber, °Ich lass ihn nicht, der sich gelassen (Str. 5): „Ich laß ihn nicht! will Jacob werden, | Er habe dann gesegnet mich. | Und müst ich drüber von der Erden, | Mein Glaube zieht ihn doch an sich. | Ob mir Gelenk und Hüft zerbricht | Und gar vergehet mein Gesicht: | Ich laß ihn nicht.“ Vorbild für dieses Lied aus der Nürnberger Sammlung Der Geistlichen Erquickstunden [...] Poetischer Andacht=Klang (1673) ist Müllers 300. Andacht der Erquickstunden, 905f (Ausg. 1694), die ganz um den Satz ‚Meinen Jesum lass ich nicht‘ kreist: „Jacob kämpffete mit ihm von allen Kräfften / daß ihm auch das Gelenck seiner Hüffte über dem Ringen | verrencket ward / und sprach dannoch / Obgleich Leib und Leben gar drüber zu trümmern gehen möchte / HERR / ich laß dich nicht / du segnest mich dann / Genes. 32/26. Ob mich der HErr gleich tödten würde / wil ich doch von ihm nicht absetzen / sondern getrost sagen: Meinen Jesum laß ich nicht / ich muß gesegnet seyn.“ – Vgl. auch Rist, O Gottes Stadt, o himmlisch Licht (Str. 5,3f): „Ich halt’ ihn’ fäst’ ich laß’ jhn nicht | Biß er mich schlaffen führet“. Vgl. die bei Fischer, Kirchenlieder=Lexicon 2, 52 zitierte Leichenpredigt; vgl. Gerber, Historia derer Wiedergebohrnen 1, 171: „da nun die Schwachheit zunahm, kam sein Ober=Hof=Prediger, Herr D. Weller zu Ihm, und tröstete den todt=krancken Herrn gar kräfftig aus GOttes Wort. Und als er unter andern des alten Jacobs Seuffzer anführte: HErr ich lasse dich nicht / du seegnest mich denn; antwortete der theure Chur=Fürst gantz freudig: Meinen JEsum laß ich nicht.“ Die Fassung von Keimann ist als Sterbe- oder Begräbnislied enthalten in: N-1677/90; D-1678; L-1682; S-1691. Die Fassung von Flittner ist nur enthalten in L-1682.

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VI. Christus der ist mein Leben (Nic. Gerlach zugeschr.) Johann Ludwig Faber Johann Franck Joh. Chr. Arnschwanger Caspar Stieler Wolfgang Chr. Deßler

°Jesus ist und bleibt mein Leben °Ich lass ihn nicht, der sich gelassen173 °Meinen Jesum will ich lieben °Meine Seele, halte fest °Weg mit der Eitelkeit der Welt °Ich lass dich nicht

391 (Nürnberg 1670) (Nürnberg 1673) (Guben 1674) (Nürnberg 1680) (Nürnberg 1684) (Nürnberg 1692)

Mit seinem hohen Wiedererkennungs- und Identifikationswert wurde dieser Satz gleichsam zu einem vorgeformten Mittel gegen die Anfechtung174 und zur Signatur der Ars moriendi. Quasi als wiedererkennbares Siegel wurde er den Texten zahlreicher Lieder in immer neuen Varianten aufgeprägt – in Umkehrungen, als Akrostichon, als Strophenrahmung, vor allem aber als Kehrreim.175 Elfmal in sechs Strophen taucht der Satz in Christian Keimanns berühmter Fassung auf. Johann Franck unterstreicht den Vorsatz, an der innigen Beziehung festzuhalten, zusätzlich durch die notorische Wiederholung des Satzes „MEinen JEsum wil ich lieben“, ihren quasi-literarischen Charakter durch die geprägte Wendung: „Er bleibt mir ins Hertz geschrieben“176 (vgl. Jer 31,33). Dem Prozess des Schreibens kommt dabei die Funktion zu, die persönliche Verbindung zu Christus unauflöslich (und damit auch über den Tod hinaus) in der Person des Ich zu verankern. Diesen nach innen gerichteten Schreibvorgang wendet Franck, bezogen auf das Kurfürstenwort, schließlich wieder nach außen: „Mir werd’ auf den Sarg geschrieben: | JEsus ist mein Heil und Licht, | Meinen JEsum laß ich nicht.“177 Viele der Lieder zeichnen sich durch die beschwörende und kumulative Wiederholung des Namens Jesu aus. In Gesangbüchern tauchen sie oft nicht mehr unter den Sterbeliedern, sondern in den ab 1650 neu aufkommenden Rubriken der ‚Jesuslieder‘, ‚Himmlischen Liebeslieder‘ o. ä. auf, in denen meist die auf gegenseitiger Teilhabe beruhende, als Liebesbeziehung vorgestellte individuelle Christusbeziehung im Zentrum steht. Die bleibende Zugehörigkeit zu Christus wird weiter in einer ganzen Reihe von Bildern ausgedrückt, die eine räumlich-körperliche Nähe zeigen. Das ekklesiologische Bild vom Leib und den Gliedern (vgl. 1Kor 12,27; Eph 5,30 usw.) wird im Sterbekontext aufs Individuum bezogen: „Ich bin ein Glied an deinem Leib“178; 173 174

175

176

177 178

Vgl. zu diesem Lied Anm. 170. Vgl. Flittner, Ach was soll ich Sünder machen (Str. 2,5f): „Drümb ob mich die Sünd anficht, | Meinen JESVM laß ich nicht.“ J. Franck, °Meinen Jesum will ich lieben (Str. 2,5f): „Ob mich Sünd’ und Höll’ anficht | Meinen JEsum laß’ ich nicht.“ Akrostichon: Keimann; Strophenrahmung: J. L. Faber („Ich laß ihn nicht“), Deßler („ICh laß Dich nicht“); Kehrreim: Keimann, Flittner, J. Franck, N. Gerlach, Arnschwanger. J. Franck, °Meinen Jesum will ich lieben (Str. 1,4). Vgl. Kirchenbitter, Jesum hab ich mir erwählet* (Str. 6): „Ein gedächtnis will ich stifften | Und im hertzen führen auff / | Selbsten soll mit güldnen schrifften | Dieses seyn gestochen drauff: | JEsus / Jesus soll allein | Meine höchste freude seyn.“ J. Franck, °Meinen Jesum will ich lieben (Str. 5,4–6). Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Str. 3,1); vgl. Selnecker, Herr Jesu Christe, Gottes Sohn (Str. 6,4); Ph. Nicolai, Wie schön leuchtet der Morgenstern (Str. 3,4–6); Walliser, Am End hilf mir, Herr Jesu Christ (Str. 3,1).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Ähnliches gilt für das Bild des Weinstocks und den Reben (Joh 15,5).179 Mit beiden verwandt ist die Variante des ‚Zweigleins am Stamm‘,180 in der das Bild vom Baum des Lebens181 aufgegriffen und zugleich die messianische Tradition des Reises weitergesponnen wird, das aus der Wurzel Jesse hervorgeht (Jes 11,1.10). Verbreitet ist auch das biblisch nicht belegte Bild von der Klette am Kleid („Vnd laß mich an dir kleben | wie eine Klette am Kleid“182); die häufige Rede vom ‚Kleben an‘ Christus183 bildet das Gegenstück zum Kleben an der Welt, von der es sich im Sterben ja gerade zu lösen gilt.184 Die räumlich gedachte Nähe Christi ist nicht nur entscheidend für das Gelingen des seligen Sterbens; vielmehr ist „bey dir zu seyn“185 auch das ersehnte Ziel der Pilgerreise: „Der Todt bringt mich zu dir.“186 Zumeist ist damit Christus angesprochen, gelegentlich Gott Vater; seltener sind trinitarische Aussagen.187 „Denn wo du bist, 179

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Vgl. Ringwaldt, °Mein lieber Christ, steh doch was still (Str. 21): „Auff das du fein in jhm bekleibst | vnd an dem Weinstock ewig bleibst“; anon., Mein Jesu, neige her dein Ohr* (Str. 9,1f): „Ich hab dein creutz / an welches ich | Als eine reb mich winde“. Vgl. Gigas, Ich armer Mensch gar nichtes bin (Fassung Görlitz 1596, Str. 7–8): „HERR JEsu Christe, hilff du mir, | daß ich ein Zweyglein bleib in dir, || Vnd nachmahls mit dir aufferstehe | zu deiner Herrligkeit eingehe [...]“; Frölich, Ein Würmlein bin ich, arm und klein (Str. 2,1f; 3,5f): „Laß mich, HErr Christ, an deinem Leib | ein grünes Zweiglein bleiben“; „Denck, das ich bin am Leibe dein | ein glied vnnd grünes Zweigelein“; anon., Ich weiß wohl, dass ich sterben muss (Str. 3,3–7): „Laß ja mein Hertz zu keiner Frist | Der Welt und ihrem Prangen, | Stets aber dir ergeben seyn | Und als ein fruchtbar Zweigelein | An deinem Leibe hangen!“ Anders als in der EG-Fassung von Nicolais Wie schön leuchtet der Morgenstern ist das Bild in der Originalfassung nicht enthalten. Vgl. S. 378 Anm. 114. Eine anonyme Gestaltung dieses Motivs verwendet alle der hier genannten Bilder (°O Jesu Christe, Gottes Sohn, du grüner Baum des Lebens, Str. 3): „Pfropff mich auff diesen deinen Stamm, | Du bist der Baum deß Lebens, | Vnd laß mich fein bekleiben dran | Vnd seyn deß Weinstocks Reben, | Ein Reißlein vnd ein Zweigelein, | Ein Ast vnd glied am Leibe, | So werd ich denn auch leben fein | An Leib vnd Seel beyde.“ Anon., Christus der ist mein Leben (Str. 7,1f). Vgl. Schein, Trau deinem lieben Gott (Str. 11,5f): „Der sich von Hertzn auff ihn verlest / | Klebt wie ein Klett an ihme fest“; Keimann, Meinen Jesum lass ich nicht (Str. 1,1–4): „MEinen JEsum laß ich nicht; | Weil Er sich vor mich gegeben, | So erfordert meine Pflicht, | Klettenweiß an Ihm zu kleben.“ J. L. Faber, °Ich lass ihn nicht, der sich gelassen (Str. 6,5f): „Wie eine Klette klebt und sticht, | So ist mein Sinn an ihn gepicht.“ Offenbar auf Keimanns Formulierung bezieht sich der Sterbebericht in der LP Christina Aulber 1666, 35: „Wie Sie nun Ihren JEsum hertzlich geliebet / Klettenweiß an Ihm geklebet / und nur nach dem seligen Anschauen ihres HErrn JEsu ein Verlangen getragen [...]“ Vgl. Rist, Mein Gott und Vater, der du nicht (Str. 1,8; 6,7): „An dir Herr kleb Ich gantz allein“; „Ich glaub / Ich hoff / Ich kleb’ an Dir“; Fritsch, Ach wann kommen doch die Stunden (Str. 7,4): „Laß mich kleben stets an dir“; anon., O Jesu, wie so lang* (Str. 6,6f): „O JEsu / meine wonn / | Laß mich an dir stets kleben.“ Vgl. S. 187 Anm. 113. Vgl. Moller, Ach Gott, wie manches Herzeleid (Str. 12,5): „Jesu, mein Trost, hör mein begir, | O mein Heylandt, wer ich bey dir!“ Anon., Ach mein herzliebes Jesulein (Str. 1): „ACh mein hertzliebes Jesulein, | Wie gern wolt ich bald bey dir seyn!“ J. Franck, Du, o schönes Weltgebäude (Str. 2,7f): „Ich wündsch jtzt bey dir zu seyn, | Allerschönstes Jesulein“. Dilherr, Ach wie lang muss ich mich schlagen (Str. 3,1–4): „Und / ach / daß doch möchte kommen | Bald das letzte end herbey / | Damit ich / der last entnommen / | Ohn auffhören bey dir sey?“ Müller, Ich wall auf Erden hin und her (Str. 1,7f; 4,7f): „mich verlangt mit grosser Pein | JEsu Christ bey dir zu sein“; „hole mich erfreulich ein / | laß mich ewig bey dir seyn.“ Heermann, Es nahet sich zum Ende (Str. 2,3). Vgl. z. B. anon., Ich mag nur, was ich will, beginnen* (Str. 2): „Gott lob! ich weiß / wohin ich gehe / | Dahin / wo mir am besten ist / | Zu meinem Vater in der höhe / | Zu meinem bruder JEsu Christ / | Und zu dem werthen heilgen Geist / | Der mir stets trost und hülffe leist.“ Die drei Folgestrophen wiederholen die trinitarische Struktur.

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VI. Christus der ist mein Leben

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da kom ich hin“188, heißt es bei Herman. Das Lied °Es traur, was trauren soll (Danzig 1627) kreist in drei weitschweifigen, komplex gebauten Strophen ganz um die Frage „Wo fehrt doch hin die seele zart, | Wenn der leib wird verwart?“189 Die Antwort („Bey Christo werd ich sein“190), aus der Christusrede in Joh 17,24 abgeleitet,191 wird in der letzten Strophe gegeben. Der Himmel ist als Ort definiert durch die ungeteilte und ‚ungeschiedene‘192 Gottesgemeinschaft, in der die Trennungserfahrung des Todes aufgehoben und überwunden ist: „ACh! wer schon im Himmel wäre, | Liebster GOtt, bey dir, bey dir!“ beginnt ein Sterbelied von Ludämilie Elisabeth von Schwarzburg-Rudolstadt, um später fortzufahren: „Ich muß ja seyn, wo du bist, | Wo mein Schatz, mein JESUS ist“.193 Im Vergleich zu den älteren Beispielen hat der Wunsch hier einen noch drängenderen Charakter bekommen, der sich auch in der Brautmetaphorik ausdrückt. b) Die Christusbeziehung als einseitiges oder gegenseitiges Eigentumsverhältnis Ausdruck der engen persönlichen Christusbeziehung ist nicht nur die Kategorie der räumlichen Nähe, die körperliche Zugehörigkeit als Glied an Christi Leib oder auch nur der Wunsch nach Aufenthalt an einem Ort, an dem sich auch Jesus aufhält. Vielmehr wird die gegenseitige Teilhabe und Zugehörigkeit häufig auch in der Kategorie des Eigentums gefasst. Dazu zählen zunächst diejenigen Aussagen, in denen der Mensch sich einseitig als Eigentum Gottes erkennt oder eine entsprechende Zugehörigkeit erklärt. Oft haben diese Aussagen einen soteriologischen Hintergrund, am deutlichsten die Rede von der Übereignung des Menschen an Gott durch das Kreuzesgeschehen, im Zusammenhang mit dem Sterben aber auch der Bezug auf Röm 14,7f. Einen Sonderfall stellt der Texttyp des geistlichen ‚Testaments‘ dar, mit dem der Mensch sich Gott gleichsam ‚vermacht‘ (vgl. S. 332). Eine Form der Übereignung der eigenen Person an Gott wird auch in Gestalt von bereits behandelten Sprechakten wie der Ergebung in Gottes Willen und der Commendatio animae vollzogen. Daneben gibt es auch solche Aussagen, in denen eine gegenseitige Zugehörigkeit oder gar eine Art Inbesitznahme des Erlösers durch das Ich ausgedrückt wird. Hier spielt die Dimension der persönlichen Liebesbeziehung eine größere Rolle. Das betrifft etwa die Bezugnahmen auf Hld 2,16; 6,3 in der Form ‚Dein bin ich, du bist mein‘. Zunächst jedoch zur erstgenannten Spielart des Eigentumsverhältnisses in der Beziehung von Gott und Mensch: Indem sich der Mensch einseitig als Gottes Eigentum 188 189 190 191

192

193

Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Str. 4,5). Störner, °Es traur, was trauren soll (Str. 2,3f). Störner, °Es traur, was trauren soll (Str. 3,13). Störner, °Es traur, was trauren soll (Str. 3,6–10): „Vatter, ich wil, | Das, wo ich bin, | Da sein in still | All, die du mir hast geben | Vnd an mich gläubn.“ Vgl. Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Str. 3,3f): „Von dir ich vngescheiden bleib | in Todes nöten vnd schmertzen“; Gerhardt, Nun sei getrost und unbetrübt (Str. 7,5–7): „In dir steh ich / und du in mir / | Und wie wir stehn / so bleiben wir / | Hier und dort ungeschieden.“ Ludämilie Elisabeth von Schwarzburg-Rudolstadt, Ach wer schon im Himmel wäre (Str. 1,1f.5f); vgl. Anton Ulrich, Ach Gott, wann werd ich sterben* (Str. 5,1f): „Denn wo mein heiland bleibet / | Da wünsch ich mich nur hin“.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

und damit Gottes Herrschaft untergeben begreift, weiß er sich den verderblichen Mächten der Sünde und des Todes entzogen. Begründet ist dieses Verhältnis zunächst in der Schöpfung, vor allem aber im Kreuzesgeschehen, das ja auch als ‚Loskauf ‘ aus der Sünde durch Jesu Blut verstanden wird (vgl. S. 368). Heermann spricht in einem Liedtext vom „Eigenthumb“ Jesu, zu dem der Mensch durch dessen Tod geworden sei; nach Röm 6,3f wird ihm dieser Status durch die Taufe übertragen: „9. [...] Ich bin sicher ewiglich In des HErren Hand, der mich Ihm zum Eigenthumb erworben, Da er ist am Creutz gestorben.“194 „3. Du hast mich theur und hoch erkaufft / auff dein Geheiß wurd ich getaufft; Drümb kan es auch nicht anders seyn / HErr Christ ich bin und bleibe dein.“195

Johann Ludwig Faber nimmt beide Perspektiven des Eigentumsverhältnisses wahr, macht aber ebenfalls ihr Begründetsein im Kreuzesgeschehen deutlich: 2. Ich laß ihn nicht! der mich erworben, Den werb ich mir: ich sein, er mein! Der für mich an dem Creutz gestorben, Deß will ich auch im Sterben seyn.196

Der Kreuzestod Jesu bedeutet einerseits den Übergang des Ich in das Eigentum Jesu; daher kann es sich nun in umgekehrter Richtung auch auf ihn ausrichten und ihn für sich erwerben, mit dem Ergebnis des gegenseitigen Besitzes im Sinne des verknappten Hld-Zitats: „ich sein, er mein!“ Andererseits liegt im ‚pro me‘ des Kreuzestodes auch eine Hingabe oder Selbstaufgabe, durch die Jesus sich gleichsam in den Eigentumsbereich des Menschen begibt. Die aktive Umkehrung im eigenen Sterben, die das gegenseitige Eigentumsverhältnis nach sich zieht, lautet hier: „Deß will ich auch im Sterben seyn“ – nämlich ebenso, wie er in seinem Sterben mein war. Dass der Mensch auch in seinem Sterben ‚des Herrn‘ ist – nämlich weil dieser ihn in seinem eigenen Sterben ‚erworben‘ hat –, ist die tröstliche Aussage einer Stelle aus dem Römerbrief, deren Diktion in kaum einem gerade der älteren Sterbelieder fehlt, oft freilich in knapper oder formelhafter Weise. Röm 14,7–8(9) ist in Luthers deutscher Grabspruchsammlung ebenso enthalten wie in lateinischen Begräbnisgesängen aus dem Babstschen Gesangbuch.197 Im dritten, dem Begräbnis gewidmeten Teil des Cantionale sacrum (Gotha 1648) begegnet der Text in vierstimmiger Vertonung durch Melchior Franck. Die verknappten Aufnahmen in den Sterbeliedern greifen 194 195 196 197

Heermann, Lasset ab, ihr meine Lieben (Str. 9,5–8). Anon. (in Lü-1702 Heinrich Albert zugeschrieben), Zum Sterben ich bereitet bin (Str. 3). J. L. Faber, °Ich lass ihn nicht, der sich gelassen (Str. 2,1–4). In Babst Nr. 89 als letzter von sechs verschiedenen Textbausteinen; in der Grabspruchsammlung fol. a 1r.

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VI. Christus der ist mein Leben

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aus dem Bibeltext meist entweder die dativische Wendung ‚dem Herrn leben‘ bzw. ‚sterben‘ (̯ԗ ̛̦̰̬Ԕ ̢Ӭ̩/ж½̫̤̩ӫ̡̮̦̥̩) oder das genitivische ‚des Herrn sein‘ (̯̫ԉ ̛̦̰̬̫̰ ̡Ѩ̩̝̥) auf; in beiden Formulierungen wird die Leben und Sterben überdauernde Beziehung zum Herrn hervorgehoben. Bei Herman und Selnecker heißt es gleichlautend dativisch: „Wenn ich gleich sterb, so sterb ich dir“198, bei Herman in der dritten Person: „Denn sterben wir, so sterben wir jm“199, bei Leon: „Dem leb vnd sterb ich allezeit, | von jhm der bitter tod mich nicht scheidt“200, beim späteren Dilherr elaborierter: „Leb ich / so leb ich / JEsu / Dir: | Dir sterb ich auch deßgleichen“201. Die genitivische Wendung gebrauchen etwa Gigas und Ringwaldt: „6. Wir warten hie oder schlaffen ein, sind wir doch ja des Herren.“202 „12. [...] Wir seind des HErren alle zeit im leben vnd im sterbe[n]“203.

Ein neueres, im untersuchten Material nicht belegtes Trostlied von Dietrich von dem Werder (Leipzig 1653) insistiert auf derselben Formulierung, indem es sie in den Kehrreim setzt und durch den Einschub „Ich weiß“ subjektiv bekräftigt: „Dann lebe oder sterb’ ich hin, | Ich weiß, daß ich des HErren bin.“ Im Anschluss an Röm 8,38f wird zunächst die Untrennbarkeit der Gottesbeziehung wider alle Gewalten betont; dem folgt ein ausgiebiges spielerisches Hin- und Herwenden der Worte aus Röm 14,8: 5. Dem HErren leb’ ich, wann ich leb’, Ihm, HErren, sterb’ ich auch im Sterben. Ich kan, weil ich mich ihm ergeb’, Im Leb= und sterben nicht verderben. Drümb leb’ ich oder [sterb’ ich hin, Ich weiß, daß ich des HErren bin]. 6. Dem HErren sterb’ ich, wenn ich sterb’, Ihm, HErren, leb’ ich auch im Leben, Im sterben bleib ich Christi Erb’, Im Leben ihm allein ergeben. Drümb leb’ ich oder [sterb’ ich hin, Ich weiß, daß ich des HErren bin].204 198 199 200

201 202

203 204

Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Str. 3,5) = Selnecker, Herr Jesu Christe, Gottes Sohn (Str. 7,3). Herman, Der Mensch wird von einm Weib geborn (Str. 21,3). Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 13,1f); vgl. Moller, Ach Gott, wie manches Herzeleid (Str. 12,3f): „Erhalt mein Hertz im Glaube[n] rein, | so leb vnd sterb ich dir allein.“ Dilherr, Warum sollt ich bekümmert sein (Str. 2,1f). Gigas, Ach lieben Christen, seid getrost (Str. 6,1f). Vgl. Kesler, An Tod gedenk, o frommer Christ (Str. 5,3f): „Du lebest oder schläffst nun ein, | Wirst du in Gottes Händen seyn.“ Ringwaldt, Ach lieben Christen, trauret nicht (Str. 12,3f). Von dem Werder, °Was, was zerquälst du dich, mein Geist (Str. 5–6; in eckigen Klammern der aus Str. 1 ergänzte Refrain). Dieselbe Formulierung schon bei Dach, Ich bin ja, Herr, in deiner Macht (Str. 6,4–8): „Was masst sich Sathan dessen an | Der kein Gesetz mir geben kan, | Nichts hat an dem, was du, HERR, liebest, | Er nehme das, was sein ist, hin, | Ich weis daß ich des Herren bin.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Die dutzendfache Wiederholung und Vertauschung der Verben ‚leben‘ und ‚sterben‘, die die Gestalt des Bibeltextes in übersteigerter Weise nachahmt, erzeugt den Eindruck, dass beides tatsächlich einerlei ist; dafür bekräftigt der Refrain, wo in diesem Verwirrspiel der entscheidende Fixpunkt liegt: in der als Besitzverhältnis vorgestellten Beziehung zum Herrn. Bei Leon wird der Genitiv ‚des Herren‘ durch das Possessivpronomen ersetzt: „Ich leb oder sterb, so bin ich sein“205; in vielen weiteren Liedern in der zweiten Person: „O Jesu, Gottes Lämmelein, | ich leb odr sterb, so bin ich dein“206. Bei Rist heißt es: „Dein wil Ich sein und bleiben.“207 Damit ist eine Intimität erreicht, die Züge der Liebesbeziehung aus dem Hohelied annehmen kann, vor allem, wenn sie erwidert und auf die Basis der Gegenseitigkeit gestellt wird: „Mein Freund ist mein und ich bin sein“ (Hld 2,16; 6,3). Dieselbe Intimität entsteht bei Ludämilie Elisabeth von Schwarzburg-Rudolstadt schon durch einseitige Hingabe: „Komm, mein Bräutgam! komm behende, | Ich wil deine seyn allein.“208 Das anonyme Jesulein, du bist mein (Altenburg 1613) bedient sich noch im weiteren Sinne der Diktion von Röm 14,8, wandelt sie aber zu einer Art konsekutiver Gegenseitigkeit ab: Im Leben bist du mein, im Sterben bin ich dein. Eine später belegte Variante konzentriert sich dagegen einseitig auf die Übereignung an Jesus. „1. JEsulein, Du bist mein, Weil ich lebe. Sterb ich denn, so bin ich dein, Bey dir ich stets bleib vnd bin, Ich denck nirgends anders hin.“209 „1. JESU / Dein will ich seyn / weil ich lebe: Sterb ich; Dein allein ich bin: Nur zu Dir steht all mein Sinn: Ich denck nirgend anders hin.“210 205 206

207 208 209

210

Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 13,3). Anon., O Jesu, Gottes Lämmelein (Str. 1,1f); vgl. Stolzhagius, Ach treuer Gott, Herr Jesu Christ (Str. 1,3): „Dein bin ich, ich Sterb oder Leb“; Walliser, Am End hilf mir, Herr Jesu Christ (Str. 3,5): „Ei, stirb ich dann, so bin ich dein, | dieweil du wilt mein Heyland sein“. Rist, Lebt doch ein jeder Mensch im Streit (Str. 10,10). Ludämilie Elisabeth von Schwarzburg-Rudolstadt, Ach wer schon im Himmel wäre (Str. 11,3f). Anon., Jesulein, du bist mein (Str. 1); gefundene Belege: N-1637/54, N-1677/90; Go-1648; Lü-1695/1702. Eine niederdeutsche Fassung ist bereits Hamburg 1611 belegt (vgl. W V 728.). Anon., Jesu, dein will ich sein* (Str. 1); gefundene Belege: D-1656, N-1677/90; L-1682; Lü-1695/1702. In N-1677 wird als Autor N. Ostermann angegeben. Beide Autorangaben aus N-1677 werden auch in Lü-1695/1702 übernommen. – Vgl. auch Ach, ach du mein liebstes Jesulein* (Text einer vierstimmigen Motette von Melchior Franck, nur Go-1648): „ACh / Ach du mein liebstes JEsulein / | Mein Hülff un[d] Trost bistu allein / | Du holdseliges Brüderlein / | Im Tod und Leben bin ich dein / | An meinem letzten Stündelein / | Laß dir mein Seel befohlen seyn / | So schlaff ich sanfft / und frölich ein / | Vnd wil ewiglich bey dir seyn / | Dich lobn mit allen Engelein / | Das sol gewiß und Amen seyn.“

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VI. Christus der ist mein Leben

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Gemeinsam ist beiden Varianten die für den Fokus der Sterbelieder entscheidende Aussage, dass das ‚Dein-Sein‘ gerade im Sterben nicht abreißt. In Dachs Lied Ich bin ja, Herr, in deiner Macht, das mit dem Stichwort ‚Macht‘ (im Sinne von ‚Machtbereich‘) einen wesentlichen Bedeutungsaspekt der Eigentumsmetapher benennt, sind sowohl der Tod als auch die ihn überschreitende Kontinuität in der Eigentumsbeziehung Gegenwart innerhalb des Textes: „Dieweil ich lebte war ich dein, | Jetzt kan ich keines frembden seyn.“211 Die gegenseitige Teilhabe zwischen Christus und dem Sterbenden nach dem Modell des Hoheliedes wird in der Regel in zwei symmetrischen Aussagen ausgedrückt. Damit wird deutlich, dass die gegenseitige Zugehörigkeit zwischen Christus und dem Ich nicht nur als Eigentums-, sondern als Liebesbeziehung gedacht und empfunden ist. Die beiden symmetrischen Aussagen sind im frühen Beispiel von Blarer eng mit dem Tod Jesu verknüpft und in ihm begründet: „Dann er ist min | vnd ich bin sin, | sin blut vnd tod | hilfft mir vß not“212; Gigas und Selnecker verbinden sie mit dem Wunsch nach der Nähe Christi und mit dem Bild des Leibes und der Glieder. „6. Denn du bist mein vnd ich bin dein, wie gern wolt ich bald bey dir sein.“213 „6. [...] du bist ja mein vnd ich bin dein, an deinem leib ein Gliedmaß klein.“214

In chiastischer Form heißt es bei Ziegenspeck: „Dein bin ich, Du bist mein“215. Christoph Kirchenbitter bindet die Eigentumsaussagen ausdrücklich in die Brautmetaphorik ein: „JEsum hab ich mir vermählet / | Er ist mein / und ich bin sein.“216 Gegenseitige Hingabe und Ergebung erscheinen als Ausdruck der ersehnten Gemeinschaft mit dem Bräutigam – der eigenen Hingabe wird die Bitte um die Hingabe Jesu zur Seite gestellt: „Kom[m] / JEsu! gib dich mir / | Dir will ich mich ergeben“217; bei Scheffler wird der Bräutigam schmerzlich und ungeduldig zur Einlösung seines Versprechens aufgefordert: „Bin ich dein und bist du mein, | Warumb läst du mich allein?“218 In der drängenden Frage schwingt auch Jesu eigenes ‚Warum hast du mich verlassen?‘ mit, das nun – unter Berufung auf die Zusage der gegenseitigen Zugehörigkeit – an ihn selbst gerichtet ist. Diese Zusage besagt nämlich nichts anderes, als dass die Verbindung mit dem himmlischen Bräutigam, anders als die irdische Ehe, auch im Sterben andauert und durch den Tod nicht geschieden werden kann. Dementsprechend lautet eine Strophe Paul Gerhardts: 211 212 213 214 215 216 217

218

Dach, Ich bin ja, Herr, in deiner Macht (Str. 8,7f). Blarer, Mag ich dem Tod nicht widerstahn (Str. 2,7–10). Gigas, Ich armer Mensch gar nichtes bin (Str. 6). Selnecker, Herr Jesu Christe, Gottes Sohn (Str. 6,3f). Ziegenspeck, Ade, ich muss dich lassen (Str. 6,6). Kirchenbitter, Jesum hab ich mir erwählet* (Str. 1,3f). Anon., O Jesu, wie so lang* (Str. 6,1f). Vgl. anon., Wie achtet ihr Menschen das zeitliche Leben* (Str. 5,2.4): „Ach! nim[m] und behalte mein hertze zu dir: [...] Und schenck dich / mein JEsu! auch ebenfalls mir.“ Scheffler, Liebster Bräutgam, denkst du nicht (Str. 5,1f).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt 3. Herr Jesu, du bist mein! Du hast dich selber mir geschencket, Auch bin ich dir gantz eingesencket, Ich leb und sterbe dein. Uns sol kein Creutz, kein Schmertz, kein Leiden, Ja uns sol auch der Tod nicht scheiden.219

Zur komplexen gegenseitigen Teilhabe in dem Lied Mein Jesu, neige her dein Ohr* vgl. S. 334. c) Die Christusbeziehung als Liebesbeziehung Dass von der Christusbeziehung auch und gerade in Sterbeliedern häufig in den Kategorien einer Liebesbeziehung geschrieben, gesprochen und gesungen wird, ist bereits an vielen Stellen deutlich geworden: Hinter der ab 1600 auftretenden Haltung der Sterbesehnsucht wurde immer wieder die Sehnsucht nach der Ankunft des Bräutigams erkennbar; die Zuflucht zu den Wunden Jesu hatte ebenso eine Dimension der körperlichen Intimität wie überhaupt die Sehnsucht nach der Nähe Christi; und in der Metaphorik der einseitigen oder gegenseitigen Zugehörigkeit als Eigentum kommt eine innige Verbindung von Mensch und Christus zum Ausdruck, die ebenfalls Züge einer Liebesbeziehung aufweist. Der Vorstellungskomplex ist in den untersuchten Liedern also an vielen Stellen und auf vielerlei Weise präsent. Seine Wurzeln reichen zurück in die Tradition der mittelalterlichen Mystik, für die etwa die Hoheliedauslegung des Bernhard von Clairvaux entscheidende Bedeutung besitzt: Hier wird die Beziehung von Braut und Bräutigam aus dem Hohelied als Liebesbeziehung von zwischen Gott und der Seele gedeutet.220 Ausdrückliche Bezüge zum Hohelied finden sich immer wieder auch in den lutherischen Sterbeliedern. Im folgenden Teilabschnitt soll untersucht werden, wie hier diese Deutung der Christusbeziehung gestaltet wird. Dabei kommt zunächst dem schon erwähnten ‚Verlangen‘ oder ‚Sehnen‘ nach Christus eine wichtige Bedeutung zu. Ausdrückliche Bezüge zur Brautmotivik bieten die untersuchten Liedtexte aber wieder erst ab etwa 1600 (Nicolai, Wie schön leuchtet der Morgenstern, 1599); sie mehren sich im Verlauf des Untersuchungszeitraums. Wiederkehrende Topoi in der Gestaltung der Liebe zum himmlischen Bräutigam sind neben vielen anderen das Attribut der Süßigkeit, das Bild des Feuers und literarische Bezüge auf das Hohelied. Unterschiede gibt es schließlich in der Verortung der Liebesbeziehung zum himmlischen Bräutigam: Während sie nach Rist im Vollsinne nur im Himmel möglich ist, kann sie bei Müller den Himmel ganz ersetzen. Verlangen nach dem Bräutigam Verlangen, Sehnen und Begehren als auf Christus ausgerichtete Regungen des menschlichen Herzens gehören grundlegend zum Verständnis der Christusbezie219

220

Gerhardt, °Wer selig stirbt, stirbt nicht (Str. 3). Vgl. Albinus, Auf, du mein Geist, mein Sinnenlicht (Str. 7,1 3): „Du bist ja mein, mein Auffenthalt, | Vnd ich bin dein; in der gestalt | Ist kein Feind, der vns scheide“ usw. Vgl. Ohly, Hohelied-Studien, 135–157, hier: 153.

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VI. Christus der ist mein Leben

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hung als Liebesbeziehung. Diese Regungen sind in den Liedern früher anzutreffen als die ausdrückliche Brautmetaphorik und auch früher als das Verlangen nach dem Sterben. „ALleyn nach dir, Herr Jesu Christ, verlanget mich, | weyl ich hie leb auff erden“, beginnt ein in unterschiedlichen Fassungen sehr verbreiteter „gesangh“ von Nicolaus Selnecker, „in Todes nöthen zusprechen vnd zubethen“ (Basel 1568).221 Mit der Forderung des ‚Solus Christus‘ korrespondiert die Exklusivität („ALleyn“) des an vielen Stellen zum Ausdruck kommenden Verlangens: 5. Nach dir / O mein Herr JEsu Christ / Thut mich allein verlangen / :/: Allein mein Trost vnd Frewd du bist / An dir ich stets bleib hangen.222

Neben seiner Exklusivität eignet dem Verlangen nach Christus eine alle Lebensvollzüge umfassende Totalität: „Quocunque loco fuero, | mecum Jesum desidero“, heißt es in dem bernhardinischen Hymnus °Jesu dulcis memoria.223 Der Gedanke wird in zahlreichen Liedern aufgegriffen und expliziert: Gehen, Sitzen und Liegen, Essen und Trinken, Schlafen und Wachen, eben sämtliche Lebensvollzüge sind vom Verlangen nach Christus bestimmt.224 Besonders ausführlich gestaltet ein Sterbelied von Michael Franck diese Tradition aus: 14. Zu Dir steht mein Verlangen: Wann werd’ Ich, Liebster, Dich Umbhalsen und umbfangen? Ach! komm’ und hohle mich! Ich ess’, ich trinck’, ich schlaff ’, ich wach’, 221 222

223

224

Selnecker, Allein nach dir, Herr Jesu Christ (Str. 1,1). Schein, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, wenn ich gleich itzt (Str. 5,1–4). Vgl. Bienemann, Herr, wie du willt, so schick’s mit mir (Str. 1,3): „Allein zu dir steht mein begir“; Müller, Ich lauf dir nach mit stetem Ach (Str. 4,1–6): „Allein nach dir | steht mein Begier. | Nach dir brennt Leib und Seele: | dir soll allein | stets offen seyn | des armen Hertzens Höle“ usw. °Jesu dulcis memoria (Str. 29,1f). Die Rezeption dieses Textes spielt ansonsten vor allem in jenen Liedern eine Rolle, die den süßen Namen Jesu preisen (Moller, Ach Gott, wie manches Herzeleid; anon., °O Jesu süß, wer dein gedenkt usw., vgl. u. S. 405). Bei der deutschen Fassung von Heupold (Augsburg 1626, vgl. Anm. 224) steht die Textvariante: „Jesum meum desidero“. Vgl. Heupold, °In allen Orten, wo ich geh (V. 1–4): „Jn allen Orten, wo ich geh | Ob ich gleich eß, trinck, schlaff vnd steh, | Hab ich doch, Jesu, mit begir | Allzeit mein verlangen nach dir.“ Anon., Allenthalben, wo ich gehe (Str. 1): „Allenthalben, wo ich gehe, | Sitze, lige oder stehe, | Sehn ich mich nach Jesum Christ, | Der für mich gestorben ist.“ In ähnlicher Weise wird in anderem Zusammenhang die Omnipräsenz der Mahnung zum Bedenken des Jüngsten Tages ausgedrückt, vgl. Rhost, °Wenn ich des Morgens früh aufsteh (Str. 1–3; hier Str. 1): „WEnn ich des Morgens früe auffsteh | Oder des Nachts zur ruhe geh; | Ich schlaff, ich wach, trinck oder eß: | Des Jüngsten Tags ich nicht vergeß.“ Ähnlich anon., Ob ich einschlafe oder wach* (Str. 1). Vgl. Rist, °Wach auf, wach auf, du sichre Welt (Str. 3,1–6): „Ich schaff und würke waß Ich wol’ | Im essen / trinken / schlaffen / wachen / | So hör Ich Angst und Schrekkens vol | Luft / Him[m]el / Erd’ und Wasser krachen / | Ich höre schon die Stimm erschallen: | Steht auf Ihr Todten / geht herfür“. Dach, Ich steh in Angst und Pein (Str. 4,1f): „Ich ess’, ich wach’, ich ruh’, | Ich thu auch was ich thu, | Sey, wo ich wil, zu spüren, | So müssen fort vnd fort | Mir diese Donner=Wort | Hertz, Geist vnd Seele rühren.“ Übertragen auf das individuelle Memento mori: Sohren, Ich gehe, sitze, was ich tu (Str. 1,1–3): „ICh gehe / sitze / was ich thu / | so rufft mir diese Stimme zu / | Mensch dencke an dein Sterben“.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt Ich dicht’, ich sing’, ich wein’, ich lach’, Ich nehm’ mir, was ich will, auch für, So ist mein Hertz doch stets bey Dir.225

Die Texte sind offenbar darauf angelegt, das Verlangen nach Christus performativ zu wecken und zu verstärken – und zwar in einer Exklusivität und Totalität, die nach dem Verständnis der Zeitgenossen gerade im Kontext des Sterbens nur tröstlich und heilsam wirken kann. Wie bereits ausgeführt, erstreckt sich das Verlangen darauf, „bey Christo zu sein“,226 genauer: einerseits auf den Tod als Ankunft Christi beim Menschen,227 andererseits auf den Himmel als Ort des Menschen bei Christus.228 Das Bild Jesu als des himmlischen Bräutigams, das ab etwa 1600 das schon früher artikulierte ‚Verlangen‘ der menschlichen Seele nach Christus konkretisiert, hat seine Wurzeln nicht nur in der Bildwelt des Hoheliedes, sondern auch in den eschatologischen Texten des Neuen Testaments. Christus ist der Bräutigam, den die klugen und törichten Jungfrauen nach Mt 25,1–13 erwarten, und er ist das Lamm, für dessen Hochzeit das neue Jerusalem nach Apk 19,7.9; 21,2.9 geschmückt ist wie eine Braut.229 Eine der ältesten und mit die prominenteste Verwendung der Brautmetaphorik unter den gefundenen Liedtexten230 greift unmittelbar auf einen weiteren Bibeltext zurück: Philipp Nicolais Wie schön leuchtet der Morgenstern, überschrieben als „Geistlich Braut=Lied der gläubigen Seelen / von Jesu Christo jrem him[m] lischen Bräutgam“, ist „Gestellt vber den 45. Psalm deß Propheten Dauids“. Nur in einer peripheren Liedsammlung ist das Lied unter den ausgewerteten Rubriken von Sterbe- und Ewigkeitsliedern verzeichnet; es ist für viele Verwendungskontexte offen und sprengt das übliche Schema der Rubrizierung (vgl. S. 160 Anm. 68). Schon die Herkunft aus Nicolais Freudenspiegel des ewigen Lebens (Frankfurt/M. 1599) zeigt, dass die Beziehung zum himmlischen Bräutigam im ewigen Leben eine mögliche Lesart ist – und ebenso das aus den Sterbeliedern bekannte ungeduldige Warten auf ihre Erfüllung: „Deiner wart ich mit Verlangen“, lautet der letzte Vers. Der zugrunde liegende Psalm 45 – in V. 1 als „Brautlied“ gekennzeichnet – preist in V. 3–10 die Macht, die Gerechtigkeit und Prachtentfaltung des königlichen Bräutigams. Nicolais freie Adaption des Textes, in der Christus ebenfalls als „Mein König vnd mein Bräu-

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M. Franck, Freud über alle Freude (Str. 14). Vgl. Müller, Ich wall auf Erden hin und her (Str. 1,7f): „mich verlangt mit grosser Pein | JEsu Christ bey dir zu sein.“ Zu entsprechenden Bitten wie ‚Komm und hole mich‘ vgl. S. 340; zur Nähe Christi als Inbegriff des seligen Sterbens vgl. S. 389. Christus selbst kann dabei als „mein verlangen“ angesprochen werden, vgl. Runge, Nun will auch ich abscheiden (Str. 7,1–4): „Nu komm, o mein verlangen, | Denn itzt bin ich bereit | Dich freudig zu empfangen; | Itzt laß ich alles leid“. Vgl. S. 393. Weitere christologische Aussagen über den Bräutigam (̨̛̩̰̱̫̭) vgl. Mt 9,15par; Joh 3,29. Etwas älter ist etwa Mollers Lied Ach Gott, wie manches Herzeleid (Görlitz 1587) (vgl. dazu unten S. 405 incl. Anm. 260); Jesus wird hier einmal als „edler Breutgam werd“ angeredet (Str. 9,1), im Zentrum steht aber der Trost aus „dem süssen Namen Jhesu“. Anders als der bernhardinische Hymnus Jesu dulcis memoria ist Moller mit der Verwendung erotisch konnotierter Ausdrücke zurückhaltend (vgl. Axmacher, Mystische Frömmigkeit, 40).

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VI. Christus der ist mein Leben

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tigam“231 angesprochen wird, wendet diesen Lobpreis in jene Richtung, die im Psalm selbst noch am ehesten im Preis der Schönheit des Bräutigams (V. 3) zum Ausdruck kommt. Die Bühne, auf der der König auftritt, ist nun nicht mehr die Welt, auf der die Völker vor ihm fallen (V. 6), sondern die glühende individuelle Liebesbeziehung mit der Seele, der dabei „Milch vnd Honig“ des Evangeliums sowie die „Die Flamme deiner Liebe“ eingeflößt werden.232 Rühmt der Psalm die Prachtentfaltung des Königs in Kleidern, Schmuck und Wohlgerüchen als Attribute seiner Herrschaft (V. 9f), verbindet die „Braut“, deren Rolle bei Nicolai das Ich einnimmt, solche Attribute unmittelbar mit seiner Person als des Geliebten, indem sie ihn mit „mein Perle / du werthe Kron“ oder „heller Jaspis vnd Rubin“ anredet.233 Dass Nicolai mit seinem Lied einen Ton getroffen hatte, der die Darstellung der Christusbeziehung auch in den Sterbeliedern der kommenden Zeit prägen sollte, lässt sich an einzelnen Motiven zeigen, die bei Nicolai anklingen und später zum Standardrepertoire gehören, etwa den Motiven der Liebeskrankheit, des Feuers, der Süßigkeit und der Umarmung (vgl. dazu den folgenden Abschnitt ab S. 402). Das nächstjüngere Beispiel aus dem untersuchten Material, für das die Brautmetaphorik bedeutsam ist, ist das Lied Meinm lieben Gott allein (Magdeburg 1613); anders als bei Nicolai handelt es sich tatsächlich um ein Sterbelied. Der Bezug zur Brautmetaphorik ist hier durch den Sitz im Leben motiviert: Der Überschrift im Erstdruck zufolge handelt es sich um ein Abschiedslied, das eine junge Frau ihrem Bräutigam kurz vor ihrem eigenen Tod gedichtet hat.234 Die letzten drei Strophen richten sich ausdrücklich an den zurückbleibenden Bräutigam, den die Verlobte „auff dieser Erden | [sich] hett erwehlt ohn schertz“ und dem sie zuletzt den Wunsch mitgibt, „das du werdest bedacht | mit eim Gemahl hoch geacht“.235 Der Grund für den verfrühten Abschied liegt darin, dass der himmlische Bräutigam sie sich bereits selbst als Braut „auserkohren“ hat: 2. Christus mein Bräutigam hat mich jhm auserkohren, das ich gantz tugendsam Ihm werd vertrawt als seine Braut im waren Glauben rein, darzu hat er mich fein im Geist gantz new geboren durch seine Tauffe rein. […] 231

232 233 234

235

Ph. Nicolai, Wie schön leuchtet der Morgenstern (Str. 1,5). Vgl. Str. 5,5f: „Dein Sohn hat mich jhm selbst vertrawt / | Er ist mein Schatz / ich bin sein Braut“; Str. 6,4–6: „Daß ich möge mit Jesulein / | Dem wunder schönen Bräutgam mein / | In stäter Liebe wallen.“ Ph. Nicolai, Wie schön leuchtet der Morgenstern (Str. 2,6; 3,3). Ph. Nicolai, Wie schön leuchtet der Morgenstern (Str. 2,1; 3,2). „Ein schönes Geistliches Lied, Von einer Gottsfürchtigen vnnd Tugendsamen Jungfrawen, acht Tage vor jhrem seligen Abscheid auß dieser Welt, jhrem vertrawten vnd verlobten Bräutigam zum Valeth vnnd guter letzt gedichtet vnnd hinderlassen.“ (Vierblattdruck Zwey schöne Geistliche Lieder, Magdeburg 1613, zit. nach W V 739.) Anon., Meinm lieben Gott allein hab ich mich ganz ergeben (Str. 10,2f; 12,6f).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt 9. Kein frewd kan mich nun mehr in dieser Welt erfrewen, darumb verlangt mich sehr Bey dir zu seyn, o Bräutigam fein, hertzliebster JEsu Christ, dann zu dieser frist mit rechter Lieb vnd trewen mein lieber Bräutgam bist.236

Das Verlangen, „Bey dir zu seyn“, wird hier ausdrücklich mit der Anrede „o Bräutigam fein“ verbunden, das Bild der Brautschaft in den übrigen Strophen in detaillierter Allegorie ausgeführt: Als „Morgengab“ fungiert „das ewig selig Leben“, als „Trawring“ „sein Wort so klare“ (und zwar mit einem „Rupin köstlich gut, | geferbt mit seinem Blut“). Der „Brautrock“ ist – in freier Anwendung von Jes 61,10 (vgl. Hi 29,14; Sir 27,9) – die „Gerechtigkeit“, die Christus der Braut „durch die Vnschuld sein“ anzuziehen vermag; und das „Hochzeitliche Mahl“ steht im himmlischen Leben schon bereit, begleitet – wie schon bei Nicolai – von Engelsmusik und Lobgesang.237 Exemplarische Motive der Brautmetaphorik Vier Motive der Brautmetaphorik sollen nun aus Nicolais Wie schön leuchtet der Morgenstern exemplarisch herausgegriffen und durch eine große Zahl von Liedern hindurch verfolgt werden: Liebeskrankheit, Feuer, Süßigkeit und Umarmung. 1. Aus dem Hohelied stammt der Satz: „Ich bin krank vor Liebe“ (Hld 2,5; vgl. 5,8), der die körperliche und seelische Unerträglichkeit des liebenden Verlangens beschreibt und in den untersuchten Liedern ein vielfältiges Echo findet. Bei Nicolai heißt es: „Nach dir / ist mir / | Gratiosa coeli rosa, | Kranck vnd glümmet | Mein Hertz / durch Liebe verwundet.“238 Auch in den meisten anderen Liedern ist es das „Hertz“, das von der Liebeskrankheit betroffen ist: „MEin Hertz mit Lieb verwundet ist / | gegn dir mein Heyland Jesu Christ“239, beginnt ein anonymes Lied; andernorts heißt es: „Mein hertz ist für liebe kranck“240, „Mein Hertz ist schon vor Liebe kranck“241, „Mein hertz sich kräncket mit begier“242. Dass das Herz für die Person des Ich steht, zeigen weitere Beispiele: „Ich werde für Verlangen kranck“243 oder „Ich bin fast kranck“244. Immer wieder verbindet sich die Krankheit des Herzens aus 236 237 238 239 240 241

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Anon., Meinm lieben Gott allein hab ich mich ganz ergeben (Str. 2; 9). Anon., Meinm lieben Gott allein hab ich mich ganz ergeben (Str. 3–8). Ph. Nicolai, Wie schön leuchtet der Morgenstern (Str. 3,7–10). Anon., Mein Herz mit Lieb verwundet ist* (Str. 1,1f). Zusatzverse zu Krentzheim, °Mein Leben in der Eil (V. 13), vgl. FT I 107. Rist, °So wünsch ich mir zuguterletzt (Str. 5,5–8): „Ach nein ich wil mit grossem Danck’ | Aus dieser Welt zum Himmel eilen / | Mein Hertz ist schon vor Liebe kranck / | Es kan durchaus sich nicht verweilen.“ Anon., Wie ein gejagtes Hirschelein (Str. 2,3). Rist, O Gott, was ist das für ein Leben (Str. 3,5). Anon., Die Zeit geht an, die Jesus hat bestimmt* (Str. 8): „Ich warte schon / mit sehnlichem verdruß / | Auff dich / mein lieb / und deinen ewgen kuß: | Ich bin fast kranck / und mein verliebter geist | Ist gleichsam weg von mir nach dir gereist.“

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VI. Christus der ist mein Leben

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Verlangen nach dem abwesenden Geliebten mit der Suche nach ihm („den meine Seele liebt“) aus Hld 3,1–4: 3. […] Mein hertz viel schmertzen leidet / Wenn man nicht zeiget mir / Wo doch mein freund itzt weidet / Den ich so suche hier.245

2. Mit der Verwundung des Herzens hängt bei Nicolai das Brennen in Liebe zusammen: Das Herz ist „Kranck vnd glümmet“. Vorausgegangen war die Bitte um „Die Flamme deiner Liebe“: „sehr tieff in mein Hertz hineyn“ soll der gepriesene Bräutigam sie gießen. Das Brennen gehört natürlich nicht nur zum festen Bestand des Brautmotivs, sondern überhaupt zur metaphorischen Stilisierung der Liebe. Um das „empfinden der liebe brunst“ bittet Luther schon in Nun bitten wir den Heiligen Geist; Feuer der Liebe und Heiliger Geist gehen dabei eine pfingstliche Verschmelzung ein.246 Auch die Liebesflamme der Sterbelieder ist göttlichen Ursprungs; zugleich ist sie Ausdruck des verzehrenden Verlangens nach der noch nicht voll verwirklichten Gottesgemeinschaft: Sie kommt von Gott und strebt zu Gott. Schon die Bitte um das Entzünden des Feuers bringt das Verlangen nach Gott, nämlich nach der Teilhabe an der göttlichen Liebe zum Ausdruck, etwa bei Dilherr: „Zünd gantz ein Feuer an in mir / | in deiner Lieb zu brennen“247. Nach Michael Albinus erstreckt sich das vom Geist entzündete glühende Verlangen des Herzens auf die Versöhnung mit Gott.248 Wie stark die Empfindung des Brennens sein kann, wird im Lied °Wenn nun mein Leben hat ein End (Leipzig 1613) deutlich: Hier umschließt die sehnsuchtsvolle „Liebes Flamm“ die ganze Person des Ich, sie „schlecht vber mir zusam“249. So stark, 245

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Anton Ulrich, Ach Gott, wann werd ich sterben* (Str. 3,5–8); vgl. Str. 6: „Es will die seele werden | Gantz matt vor ihren freund; | Sie sucht ihn auff der erden / | Ihn da zu finden meynt; | Sie fraget aller enden: | Ach! kön[n]t ihr sagen mir / | Wo ich mich hin muß wenden / | Daß ich ihn finde hier.“ Vgl. anon., Wie ein gejagtes Hirschelein (Str. 2): „O tod / ach komm und zeige mir | Den meine seele liebet / | Mein hertz sich kräncket mit begier / | Un[d] sich auch sehr betrübet / | Biß ich auß diesem jammerthal | Zu Jesu komm in freudensaal | Zu meinem lieben HErren“; Müller, Ich lauf dir nach mit stetem Ach (Str. 1): „ICh lauff dir nach | mit stetem Ach / | mit seufftzen und mit sehnen / | ich suche dich | gantz inniglich | mein liebster Schatz mit Thränen; | denn dein Geruch erwekt in mir | HErr JEsu süsse Liebs=Begier.“ Luther, Nun bitten wir den Heiligen Geist (Str. 3): „Du susse lieb schenk uns deyne gunst, | las uns empfinden der liebe brunst, | Das wyr uns von hertzen eyn ander lieben | und ym friede auff eynem synn bleyben.“ Dilherr, Was ich begehr, das kann ich nicht (Str. 5,1f). Vgl. anon., O himmlische Lieb, o selige Freud* (Str. 1,3–5): „Zünd an in uns die himmelsflamm / | Daß wir dich lieben allzusamm: | O himmlische lieb! o selige freud.“ Vgl. M. Albinus, Auf, du mein Geist, mein Sinnenlicht (Str. 6,1–3): „Mein Hertze Gluht vnd Flamm’ empfindt, | So dein Geist selber angezündt, | Mit dir sich zuversöhnen“. Anon., °Wenn nun mein Leben hat ein End (Str. 9): „Ach HERR, sihe an die Liebes Flamm, | So ich trage allhier, | Welche schlecht vber mir zusam | Vnd sehnet sich nach dir. | Mein Hertz ist wie ein glüender Stein: | Löß mich ja bald aus solcher Pein | Vnd nimb mich hin mit Fried.“ In dem verwandten Lied Mein junges Leben hat ein End (Magdeburg o.J.) begegnet eine fast gleichlautende Strophe (Str. 7), in der die Flamme allerdings als Bild für die Höllenqual des Gewissens verwendet wird: „Ach sih doch an die lebendige Flamm, | Jesu, du König mild, | Welche schleget vber meinem Heupt zusam | vnd mich verzehren wil: | Mein Hertz glüet wie ein glüender Stein | vnd ist bekleidet mit Angst vnd Pein, | ach hilff mir einmal darvon!“ In einer späteren Fassung (N-1677) ist die Feuermetaphorik dann verschwun-

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

dass sie nicht einmal durch die „Sündfluth“ – die Flut der Sünden – gelöscht werden kann, ist die Glut des Herzens bei Ahasverus Fritsch.250 In Heinrich Müllers Jesu, wie süß ist deine Liebe ist die „Liebes=Brunst“ im Gegensatz zu den meisten anderen Beispielen kein Ausdruck der Sehnsucht nach dem Bräutigam, sondern ihrer Erfüllung. Entsprechend wird sie nicht als verzehrende Qual geschildert, sondern als wärmend, „süß“ und lustvoll.251 Verwandt mit der ‚Liebesflamme‘ ist die Flamme der Andacht, die ebenfalls durch den Heiligen Geist entzündet und unterhalten wird.252 3. Die in vielen Belegen gefundene Rede von der ‚Süßigkeit‘ Christi gründet in der Tradition der mittelalterlichen Mystik. So preist der Bernhard zugeschriebene, in der Barockzeit wieder häufig aufgegriffene Hymnus Jesu dulcis memoria die Süße des mystischen Erlebnisses der Gegenwart Jesu.253 Dem Epitheton ‚süß‘ kommt in dieser Tradition nach Friedrich Ohly eine eigene theologische Qualität zu, die über eine bloße Metaphorisierung der sinnlichen Bedeutung hinausgeht und mit der Empfindung unsagbarer Freude verbunden ist. Diese Süße ist „ein theozentrisches Phänomen“254: Sie geht von Gott aus und teilt sich dem Menschen mit, der in der Erfahrung der Süße wiederum auf Gott bezogen ist. Süß wie „lauter Milch vnd Honig“ war bei Nicolai das „Euangelium“ des königlichen Bräutigams.255 In den meisten Liedern bezieht sich das Attribut der ‚Süßigkeit‘, das im Verlauf des Untersuchungszeitraums ebenfalls immer häufiger genannt wird, aber nicht auf den soteriologischen, sondern auf den persönlichen Charakter der Christus- oder nun vielmehr Jesus-Beziehung. Als „Land, das Milch und Honig hat“256, tituliert Scheffler den „Bräutgam“. In Anreden wie „O du süsser JEsu mein“, „Süsser HErr JEsu“257 usw. klingt die ‚Süßigkeit‘ des Namens Jesu aus Jesu dulcis memoria („de nomine Iesu“) nach; dort sind es freilich zunächst die ‚memoria‘ und

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den (Str. 7): „Ach schaue doch / Du GOttes Lamm! | Es gehen meine Sünd | mir häufig ob dem Haubt zusamm: | Errette mich geschwind! | Das thust DU auch. Mein Sünden=Stein | ist Deiner Hand / als Feder=klein / | nicht Dir / nur mir / zu schwer.“ Fritsch, Hast du denn, Jesu, dein Angesicht gänzlich verborgen (Str. 4,3–5): „Keine Sündfluth | Tilget die feurige Gluth | Meines liebbrennenden Hertzen.“ Müller, Jesu, wie süß ist deine Liebe (Str. 2): „Wie süß ist es in deinen Armen | empfinden deines Geistes gunst! | und von der heissen Liebes=Brunst | bey dier du heilge Glut erwarmen! | wie süß ist es bey dir allein | du süsser Bräutgam JEsu seyn!“ Str. 1 und 3–5 zit. unten S. 406. Vgl. Martin Behms Vorrede zu seinen Centuriae Tres Precationum Rhythmicarum (1606): „Diß Feuer sollen alle Jungfrauen / vnd also alle Christgläubige Menschen / welche für Gottes Angesichte sind / in ihren Hertzens=Gefässen tragen vn[d] verwahren […] auff daß wen[n] der Him[m]lische Bräutigam seine Heimführung halten wird / an jenem Tage / sie […] mit zur Hochzeit eingehen […] mögen. […] Weil aber das Feuer der Andacht vn[d] daß [!] Gebets in Gottes Kirch vnd auff dem Altar deß menschlichen Hertzens immerdar brennen vn[d] nimmer verleschen soll: Als habe ich meines theils auch dazu etliche Höltzlein durch diese Gebetlein anlegen wollen.“ (Zit. nach Schade, Bildlichkeit, 53). Vgl. Lausberg, Jesu dulcis memoria, 480; zur Verfasserfrage ebd., 31. Zur Rezeption im 17. Jahrhundert vgl. Anm. 258. Ohly, Süße Nägel, 138. Ph. Nicolai, Wie schön leuchtet der Morgenstern (Str. 2,5f). Scheffler, Nun will ich mich scheiden von allen Dingen (Str. 7,6). Schein, Christe Jesu, Gottes Sohn (Str. 2,1); Fritsch, Hast du denn, Jesu, dein Angesicht gänzlich verborgen (Str. 9,4).

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VI. Christus der ist mein Leben

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die ‚praesentia‘ Jesu, denen honigartige ‚dulcedo‘ zu eigen ist.258 Zumindest in der Überschrift und in einzelnen Anspielungen bezieht sich auch Martin Mollers Lied Ach Gott, wie manches Herzeleid auf den bernhardinischen Hymnus.259 Es stammt aus Mollers Meditationes sanctorum patrum (Görlitz 1587) und preist den süßen Namen Jesu: 4. Jesu, mein HERR vnd Gott allein, wie süß ist mir der Name dein! Es kan kein trawren sein so schwer, dein süsser Nam erfrewt viel mehr; Kein Elend mag so bitter sein, dein süsser Trost der linderts fein.260

Die tröstliche Wirkung und damit den süßen und lieblichen Klang des Namens Jesu261 begründet Heermann damit, dass „JESVS heist so viel | Als Heiland, als ein Held, der selig machen wil“262. Im Kirchenjahr hatte die Feier des Namens Jesu ihren Ort am Neujahrstag, also am Tag der Beschneidung (vgl. Lk 2,21).263 Die sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sprunghaft vermehrenden Lieder vom süßen Namen Jesu sind denn auch in vielen Gesangbüchern in der Rubrik zum Neuen Jahr zu finden, denen manchmal eine Rubrik „Von der Fürtrefflichkeit deß holdseeligsten Namens JESU“ (N-1677) zur Seite tritt, wenn sie sie nicht ganz ersetzt. Unter den Sterbeliedern betont schon Herbergers Valet will ich dir geben (Leipzig 1614) die tröstliche Wirkung des Namens Jesu.264 Johann Scheffler erbittet den süßen Klang

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Vgl. °Jesu dulcis memoria (Str. 1): „IEsu, dulcis memoria, | dans vera cordi gaudia, | Sed super mel et omnia | eius dulcis praesentia.“ In Arndts Paradiesgärtlein (Magdeburg 1612) steht der lateinische Text zusammen mit der deutschen Fassung °O Jesu süß, wer dein gedenkt, die in viele Gesangbücher aufgenommen wurde, und Mollers Ach Gott, wie manches Herzeleid (vgl. Anm. 259) ganz am Ende. Eine weitere Textfassung stammt von Johann Heermann. Die Beliebtheit des Hymnus zeigt sich auch darin, dass die zahlreichen lateinischen und deutschen Fassungen von Musikern wie Heinrich Schütz, Samuel Capricornus u. a. zu unterschiedlichsten Kompositionen verarbeitet wurden (vgl. Blankenburg, Einfluss, 80–82). Den Nachweis der Autorschaft Mollers hat Friedrich Spitta durch den Vergleich mit dem Gedankengut des Mollerschen Manuale de praeparatione ad mortem erbracht (vgl. Spitta, Der Dichter). Die ausdrücklichen Bezugnahmen des Liedes auf den bernhardinischen Text sind recht rar, während sich unmittelbare Quellenbeziehungen zum Text von Mollers Meditationes nachweisen lassen (vgl. Axmacher, Mystische Frömmigkeit, 39–43). Moller, Ach Gott, wie manches Herzeleid (Str. 4). Vgl. Str. 7,3f: „Ich kans doch ja nicht zeigen an, | wie hoch dein Nam erfrewen kan.“ Als Sterbe- und Begräbnislied taucht das Lied in Württemberg auf (T-1665/69; S-1691), ansonsten als Trostlied, Lied in Anfechtung oder (dazu vgl. im Text) als Neujahrslied (N-1653). Vgl. Bernhard, °Jesu dulcis memoria (Str. 2): „Nil canitur suavius, | nil auditur iocundius, | Nil cogitatur dulcius | quam Iesus dei filius.“ Heermann, °Ach Jesu, dessen Treu („Von dem schönen JESVS Namen“, Str. 4,3f). Das bei der Beschneidung vergossene Blut wird von vielen Autoren als Hinweis auf das Blut gedeutet, das Jesus später am Kreuz vergießt. Vgl. Herberger, Valet will ich dir geben (Str. 3,1–4): „In meines Hertzen grunde | Dein Nam vnd Creutz allein | Fünckelt allzeit vnd stunde, | Drauff kan ich frölich seyn.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

dieses Namens im Inneren für den Moment beim Sterben, in dem das Gehör nach außen versagt (vgl. S. 296).265 Süß ist aber nicht nur der Name Jesu, sondern überhaupt die Liebesbeziehung zum Bräutigam. Unter den Autoren des untersuchten Materials ist es Heinrich Müller, der in dem Lied Jesu, wie süß ist deine Liebe die üppigste Ausgestaltung dieser Süßigkeit bietet: 1. JEsu wie süß ist deine Liebe! wie honigflüssend ist dein Kuß! der hätte gnug u. überfluß / wer nur in deiner Liebe bliebe! wie süß ist es bey dir zu seyn / und kosten deiner Brüste Wein! […] 3. Wie süß ist es mit deinen Flammen entzündet werden und durch glüth! und gantz und gar im ewgen Fried mit dir geflossen seyn zusammen! wie süß ists in ein Einges ein mit dir / mein Schatz / geschmoltzen seyn! 4. Wol denen die schon gantz versunken im Meere deiner süssigkeit / sie jauchtzen dir in ewigkeit / un[d] sind von deiner Liebe trunken: wie süsse must du ihnen seyn du Himmelsüsser Liebes=Wein! 5. Wie süsse / JEsu / O wie süsse wirstu mir seyn / wann ich in dir geniessen werden fur und für der ewgen Liebe Zukker=Küsse! wenn ich mit GOtt ein einigs Ein in dir mein Schatz werd ewig seyn.266

Indem er den exklamativen Lobpreis der Süßigkeit Jesu unablässig wiederholt („wie süß ist […]“), versetzt der Text den Leser und viel mehr noch den Sänger oder Hörer in jenen Zustand der Trunkenheit, den er in Str. 4 besingt. Die Darstellung der himmlischen Liebesbeziehung zwischen Jesus und dem Ich gewinnt dadurch eine mehrfach sinnliche Qualität. Müller kombiniert die Süßigkeit von Zucker, Wein und Honig nicht nur mit der Hitze der Liebesflammen, sondern auch mit Bewegungen des Fließens, Zerfließens und Ineinanderfließens. Die wärmenden Flammen lassen die Grenzen zwischen den Liebenden vergehen: Sie verschmelzen sie – das Wortspiel 265

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Scheffler, O treuer Jesu, der du bist (Str. 4,5–8): „Laß für und für | Gar süss’ in mir | Den Nahmen JEsus schallen, | Wenn mir’s Gehör entfallen.“ Müller, Jesu, wie süß ist deine Liebe (Str. 1; 3–5); die fehlende Str. 2 ist zit. in Anm. 251.

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VI. Christus der ist mein Leben

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verweist auf die mystische Unio – „in ein Einges ein“. Der Ausblick auf die Ewigkeit verheißt – zunächst in der Seligpreisung derjenigen, die bereits darin angelangt sind (Str. 4), dann in futurischen Ichaussagen (Str. 5) – ein ozeanisches Versinken „im Meere deiner süssigkeit“ und die Vollendung der Vereinigung mit dem Bräutigam. In dem Maße, in dem die Jesusliebe vermehrt als süß bezeichnet wird, kann auch dem Tod das Attribut der Süßigkeit zugesprochen werden, sofern er diese Liebe schließlich durch den Eintritt in den Himmel vollendet. Zunächst und klassischerweise ist der Tod dem Menschen ‚bitter‘,267 die Welt dagegen ‚süß‘. Der Perspektivwechsel, durch den ihm umgekehrt die Welt vergällt wird, muss erbeten werden.268 Das Festhalten an Christus macht den Tod nach Weissel „vnempfindlich, sanfft vnd süß“269; bei Rist heißt es: „Kom[m] süsser Todt un[d] zeige mir / | wo doch mein Freund in Ruhe weidet“270. In einer Besinnung zum Evangelientext des 24. Sonntags nach Trinitatis (Mt 9,18–26) malt Johann Michael Dilherr ein emblematisches „Sinnbild“ aus, in dem das Motto „Der Tod ist mir / in CHristo / süß“ unmittelbar umgesetzt ist: „ein Todenkopf / zwischen schönen Blumen ligend / darinnen ein Bienschwarm Honig macht: wie in Onesili, deß Königs in Cypern / Schedel geschehen.“271 4. Körperlich manifest wird die Liebe zum himmlischen Bräutigam im Bild der Umarmung. Schon Nicolai bittet: „Nim[m] mich / freundtlich | In dein Arme / Daß ich warme | Werd von Gnaden“272. Wie der Mensch in den ‚Händen‘ Gottes dem Zugriff feindlicher Mächte entzogen ist (vgl. Ps 31,6; Weish 3,1), verleiht ihm die Bewahrung in Gottes Armen Schutz auch durch das Erleiden der Anfechtung hindurch.273 Die eigentliche Umarmung, bei der sich wie oben bei Nicolai die körperliche Wärme direkt überträgt,274 ist indes Ausdruck der Liebesbeziehung; im ‚Umfassen‘ 267

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Vgl. Media vita (Babst Nr. 89; D; L-1638/73; Lü-1640): „amarae morti ne tradas nos“; Luther, Mitten wir im Leben sind (Str. 1,12): „las uns nicht versincken ynn des bittern todes not.“ Vgl. Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Str. 3,1–4): „Wenn gleich süß ist das Leben, | der Todt sehr bitter mir, | Wil ich mich doch ergeben | zu sterben willig dir“. Parallel zur Bitterkeit des Kreuzestodes Jesu vgl. Policarius, Du Gottes Sohn, Herr Jesu Christ (Str. 2,3): „Hilf vns durchs Todtes Bitterkeit“. Zur Abhängigkeit von der Sterbebereitung vgl. Spaiser, °O Tod mit deiner Gstalte (Str. 2–3): Bitter ist der Tod für den, der sich nicht gerüstet, „lieblich“ (süß) für denjenigen, der sich bereitet hat. Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, Wer weiß, wie nahe mir mein Ende (Str. 5,1f): „Mach mir stets zuckersüs den Himmel | Und gallenbitter diese Welt.“ Weissel, Ich bin dein satt, o schnöde Welt (Str. 3,5f). Rist, °So wünsch ich mir zuguterletzt (Str. 1,5f). Vgl. anon., O du Leben meiner Seele* (Str. 8,7f): „Komm / du süsser todes=stich. | JEsu! JEsu! hole mich!“ Dilherr, Hertz= und Seelen=Speise, 995; Abb. S. 982. Nach Herodot 5,114 (vgl. ZUL 25, Sp. 1462) hängten die Einwohner der Stadt Amathus das Haupt des zyprischen Königs Onesilus am Stadttor auf, wo es durch ein Bienenvolk besiedelt und mit Honig gefüllt wurde. Auf Geheiß des Orakels wurde es abgenommen, bestattet und durch jährliche Opfer geehrt. Ein entsprechendes biblisches Bild ist der von Bienen besiedelte Löwenkadaver in Ri 14,8, vgl. 2. LP Johann Eberhard von Stockheim 1676, 33: „Und das ist auch der Trost=Honig / welchen wir im Tod deß Glaubigen / wie Simson im todten Löwen / finden / damit man deß Todes Bitterkeit kan vertreiben.“ Ph. Nicolai, Wie schön leuchtet der Morgenstern (Str. 4,7–9). Vgl. Rude, Ach wann soll es denn geschehen (Str. 5,1–4): „HErr, mein Lieb soll stets antreiben, | Daß ich mitten in der Angst | Mög in deinen Armen bleiben, | Denn mir ist auffs allerbangst“. Vgl. J. Franck, Du, o schönes Weltgebäude (Str. 3,1–3): „Ach möcht ich in deinen armen | So, wie ich mir wündschen wolt, | Allerliebster schatz, erwarmen“; Müller, Jesu, wie süß ist deine Liebe (Str. 2, zit. Anm. 251).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

und ‚Umfangen‘ können sich die Bedeutungsbereiche auch überschneiden.275 Bei Christoph Adolph richtet sich das Verlangen des liebenden Ich darauf, „ümbfangen“ und von Jesu „ärmelein“ in den göttlichen Machtbereich gehoben zu werden.276 Indem der Bräutigam selbst die Arme ausstreckt,277 signalisiert er seinerseits sein liebendes Verlangen nach dem Menschen. Bei Johann Kempff tut er dies vom Kreuze aus, und zwar „Aus hertzlichem Verlangen“278; in einer anonymen Bearbeitung von O Welt, ich muss dich lassen aus L-1673 geschieht es, während ihm die Braut schon entgegen geht (vgl. Mt 25,1.6): 9. Er strecket Händ und Armen aus Göttlichem Erbarmen gleich wie ein Bräutgam auß / die Braut (zwar mit Verlangen) zu küssen / zu ümfangen / zu führen mit sich in sein Haus.279

Das „Verlangen“ des Bräutigams nach der Umarmung der Braut erweist sich hier als Ausdruck des göttlichen Erbarmens. Die Liebesbeziehung zum Bräutigam als Gegenwart des Himmels Die beiden Lieder Wie schön leuchtet der Morgenstern (1599) und Meinm lieben Gott allein (1613) bilden den Auftakt für eine Entwicklung, die sich verstärkt ab 1650 abzeichnet. Wie an den vielen Beispielen bereits deutlich wurde, nimmt die persönliche, mystisch gefärbte Liebesbeziehung zum Bräutigam in den Sterbeliedern stark an Bedeutung zu. Eine große Rolle spielt sie bei Autoren wie Johann Scheffler, Johann Rist und Heinrich Müller. An Beispielen von Rist und Müller lassen sich dabei wichtige Unterschiede in der Verortung der Brautmetaphorik zwischen Himmel und Erde ablesen. Beide nehmen vorzugsweise in Himmelsliedern darauf Bezug, beide machen zugleich präsentische Aussagen darüber. Doch während Rist die endgültige Erfüllung des Liebesverlangens in den jenseitigen Bereich verlegt, kann die Liebesbeziehung zum himmlischen Bräutigam bei Müller und anderen den Himmel ausdrücklich ersetzen: Sie rückt ins Diesseits; die Erfüllung wird nicht mehr nur erhofft, sondern schon jetzt erlebt; der Schrecken des Todes rückt damit ganz aus dem Blick. Unter den Rist-Liedern sind es vor allem diejenigen vom Himmel, in denen die Christusbeziehung als Liebesbeziehung gedeutet wird. Dazu zählt O Gott, was 275

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Vgl. Scheffler, O treuer Jesu, der du bist (Str. 5,1–4): „Darneben bitt ich, treuer Gott, | Du wollst mich gantz umbfassen | Und ja nicht in derselben Noth | Auß deinen Armen lassen.“ Vgl. Adolph, Als ein Hirsch hat Verlangen (Str. 5): „Fürwar, mich thut verlangen | Nach dir, O JESULEIN! | Komm doch, thue mich ümbfangen | Mit deinen ärmelein | Vnd thu mich zu dir heben | Hienauff zur Himmels Frewd. | Lob, Preiß wil ich dir geben: | Ach wer schon da die zeit!“ Vgl. Ludämilie Elisabeth von Schwarzburg-Rudolstadt, Ach wer schon im Himmel wäre (Str. 11,1f): „Strecke deine Arm und Hände | Zu mir aus, ich wil hinein.“ Kempff, Wenn ich in Todesnöten bin (Str. 3,1–4): „Er streckt am Creutz aus Händ und Füß, | Mich freundlich zu umbfahen, | Sein Häupt neigt er zu einem Kuß | Aus hertzlichem Verlangen.“ Anon., O Welt, muss ich dich lassen, muss mein* (Str. 9); weiter heißt es: „Dem geht getrost entgegen“.

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VI. Christus der ist mein Leben

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ist das für ein Leben, in dem zunächst eine irdische Perspektive auf den Himmel ein- und darin die himmlische Liebe vorweggenommen wird: Dem Ich gilt es als „mein’ höchste Frewd’ auff Erden“, zu „fühlen deiner Liebe Brunst“ – „Denn bin ich rechter Wollust voll | Wenn ich dich Liebster küssen sol“280. Die endgültige und eigentliche Erfüllung liegt jedoch erst in der Zukunft.281 Das gilt auch für das Lied Helft mir mit Freuden singen: Ursprünglich ein Evangelienlied aus der Sabbahtischen Seelenlust zum 27. Sonntag nach Trinitatis, taucht es in einigen Gesangbüchern ebenfalls unter den Liedern vom ewigen Leben auf (N-1653/54; D-1656; L-1673). Das Sonntagsevangelium von den klugen und törichten Jungfrauen (Mt 25,1–13) wird zum Ende des Kirchenjahres Anlass einer Betrachtung über die unerwartete Wiederkunft Christi zum Gericht. Warnende Töne (Str. 4–9) werden gerahmt durch die frohe Aussicht der Gemeinde: Sie ist zur Braut erwählt (Str. 2) und erwartet den Eingang zum Hochzeitsmahl (Str. 11).282 Die letzte Strophe, der die performative Funktion der persönlichen Aneignung zukommt, wechselt von der Wir-Form in die individuelle Perspektive und wendet sich mit einer Bitte direkt an den Bräutigam. Die Vereinigung mit ihm erwartet das Ich erst am Jüngsten Tag: 13. O Jesu, Meine Wonne, Mein liebster Bräutigam, Du meiner Seelen Sonne, Mein zukkersüsses Lamm, Laß der gestalt Mich scheiden, Daß Ich am Jüngsten Tag’ In hundert tausend Freuden Dich ewig küssen mag.283

Die Liebe zum himmlischen Bräutigam kommt auch in Rists Lied vom himmlischen Jerusalem zum Ausdruck, O Gottes Stadt, o himmlisch Licht; nach Apk 21 ist die heilige Stadt ja selbst die „allerschönste Braut“ (Str. 1,8) des Lammes. Drei Strophen lang (Str. 3–5) wird die Schönheit des Geliebten in Motiven aus dem Hohelied gepriesen.284 Schon im Vollzug der Andacht („Nun“) ist die Gegenwart des Bräutigams zum Greifen nah. Die himmlische Erfüllung wird in ein Bild gefasst, das kühn die Geschlechtergrenzen sprengt: das Trinken aus den Brüsten des Bräutigams. 280 281

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Rist, O Gott, was ist das für ein Leben (Str. 4). Vgl. Rist O Gott, was ist das für ein Leben (Str. 9,5–8): „O wolte Gott, ich solte mich | Entkleiden durch des Todes Stich | Und, was ich wündsche mit Verlangen, | Die Kron des Lebens bald empfangen.“ Überschrift in den Himlischen Liedern: „Sehnliches Verlangen / Nach der himlischen und unaußsprechlichen Herrligkeit des zukünfftigen ewigen Lebens“. Vgl. Rist, Helft mir mit Freuden singen (Str. 2; 11,1–4): „Er hat Unß längst erkohren | Zu seiner liebsten Braut, | Ja da Wir gantz verlohren, | Hat Er sich Unß vertraut; | Doch sind Wir Ihm vermählet | Nicht nur in diser Zeit, | Er hat Unß auch erwehlet | Zur Braut in Ewigkeit. […] Da werden wir recht prangen | In freuden ohne Zahl, | Ein jeder wird empfangen | Daß köstlich’ Hochzeitmahl.“ Rist, Helft mir mit Freuden singen (Str. 13). Z. B. Hld 2,3 in Rist, O Gottes Stadt, o himmlisch Licht (Str. 3,5–4,4): „Er ist der schönste Baum in Wäldern / | Er ist die beste Frucht in Feldern | Er ist wie lauter Milch so schön / | So ist mein Liebster anzusehn. || Da sitz’ ich unter jhm’ allein | Den Schatten zu erwehlen | Denn sein Frucht wird süsser seyn | Als Honig meiner Kehlen“.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt 5. Nun küß’ ich seiner Augen Liecht Nun hab’ ich jhn berühret Ich halt’ jhn’ fäst’ ich laß’ jhn nicht Biß er mich schlaffen führet / Denn wird er mir im FreüdenLeben Sein’ außerwehlte Brüste geben Denn wird er wunderbarer Weiß’ Erfüllen mich mit HimmelSpeiß’.285

Der mystische Hintergrund einer so ausdrücklich sexuellen Deutung des Todes, nach der die Braut beim Sterben vom Bräutigam ins hochzeitliche Gemach geführt wird, ist offenkundig. Ähnlich fordert auch Scheffler in Liebster Bräutgam, denkst du nicht nachdrücklich die „Liebes=Pflicht“ des Angetrauten ein: „Deine Braut zur Ruh zu führen“286 (vgl. S. 344); und eine Bitte in einem Lied von Herzog Anton Ulrich lautet: „Ach bald bald mich vermähle | Mit dir durch meinen tod“287. Rist erwartet die vollständige Erfüllung des Liebesverlangens in der Zukunft des himmlischen Lebens. Der Himmel ist für ihn ein realer Ort im Jenseits; das zeigen auch andere seiner Himmelslieder, in denen er die „Gottes Stadt“ genau zu beschreiben weiß. Demgegenüber rückt eine andere Traditionslinie betont vom Interesse an diesem Ort ab und relativiert seine Bedeutung. Entscheidend ist demnach vielmehr die Erfüllung des Verlangens nach dem Bräutigam – in der Beziehung zu Christus wird der Himmel Wirklichkeit, ob sie sich nun vor dem Tod, durch das Sterben hindurch oder ebenfalls erst im Anschluss daran ereignet. Entsprechenden Aussagen liegt implizit oder explizit vielfach der Vers Ps 73,25 zugrunde: „Herr, wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde“288, so in Christian Keimanns Meinen Jesum lass ich nicht289 oder in Johann Schefflers Nun will ich mich scheiden von allen Dingen: 12. Ich frage nu wenig mehr nach dem Himmel, Nach Edens Lust und Welt=Getümmel: 285

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Rist, O Gottes Stadt, o himmlisch Licht (Str. 5); vgl. Müller, Jesu, wie süß ist deine Liebe (Str. 1,5f, zit. S. 406). Scheffler, Liebster Bräutgam, denkst du nicht (Str. 7,4). Anton Ulrich, Ach Gott, wann werd ich sterben* (Str. 3,3f). Ein Beleg zum Tod selbst als Geliebtem vgl. S. 257. Zur Verwendung dieser oft zitierten Stelle als Trost in der leiblich-seelischen Todesnot vgl. S. 354f; vgl. ebd. Anm. 10. Vgl. Keimann, Meinen Jesum lass ich nicht (Str. 5): „Nicht nach Welt, nach Himmel nicht | Meine Seele wünscht und stöhnet, | JEsum wünscht sie und sein Licht, | Der mich hat mit Gott versöhnet, | Der mich freyet vom Gericht: | Meinen Jesum laß ich nicht.“ Auch die 300. Betrachtung aus Heinrich Müllers Geistlichen Erquickstunden, 906f, enthält unter der Überschrift „Meinen Jesum laß ich nicht“ einen Passus zu Ps 73,25, der genau diesen Aspekt betont: „Assaph der theure Mann darff aufftretten / und sprechen: HErr / wann ich nur dich habe / so frage ich nichts nach Himmel und Erden / wann mir gleich Leib und Seel verschmacht / (wann gleich wie Kohlen Leib und Seel verschwärtzet / aller Lebens=Safft außgesogen wird / und ich gantz und gar vergehe/) so bist du doch / Gott / allzeit meines Hertzens Trost und mein Theil. Lieber Assaph / nicht so keck. Wo wilt du bleiben / wann auch der Himmel nicht dein seyn sol? Was wilt du seyn / wann Leib und Seel verschmachten? Ey / wo JEsus bleibt / da bleib ich auch / der ist mir mehr dann Leib und Seel. Meinen JEsum laß ich nicht.“

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VI. Christus der ist mein Leben

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Du bist mir eine gantze Welt; Du bist der Himmel, den ich meyne, Das Paradeiß, das mir alleine Für allen andern wolgefällt.290

Folgerichtig werden im weiteren Verlauf Bilder des himmlischen Lebens für den Geliebten gebraucht: die Fülle des Mahls, der blühende Rosengarten, die Musik.291 Nur ein Beleg wurde für dieses Lied gefunden, in H-1683 in der Rubrik der Lieder vom Himmel und ewigen Leben. Es ist auffällig, dass gerade dieses Gesangbuch in derselben Rubrik noch weitere Lieder enthält, die in gleicher Weise die ‚himmlische‘ Liebesbeziehung fokussieren und sie nicht im zukünftigen himmlischen Leben, sondern z.T. ausdrücklich in der Gegenwart verorten. Das betrifft insbesondere Lieder von Heinrich Müller, für die sonst keine Belege zu finden waren,292 etwa Lebt jemand so wie ich: Zunächst wird ein präsentischer Zustand der Seligkeit konstatiert (Str. 1), dann folgt der Bericht des Weges dorthin. Die Suche nach dem Himmel blieb zuerst erfolglos (Str. 2; vgl. Hld 3,1f); mit der Absage an die Welt (Str. 4) wurde die Vereinigung mit dem Bräutigam Gegenwart (Str. 5) – der Himmel kehrt in die Seele ein (Str. 7).293 Die letzte Erfüllung, die Erlösung vom Lebensjoch (Str. 9) und die Aufnahme ins Himmelszelt (Str. 10), steht freilich noch aus. Wie es scheint, übernimmt die Rubrik der Lieder vom Himmel und ewigen Leben in H-1683 damit teilweise eine Funktion, die andernorts der Rubrik der ‚Himmlischen Liebeslieder‘ (S-1704), ‚Heiligen Liebes-, Freuden- und Jesus-Lieder‘ (N-1677) usw. zukommt. Dieser Typus von Rubriken, der ebenfalls in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts aufkommt, ist in der Regel nicht dem Bereich der Sterbe- und Ewigkeitslieder zugeordnet. Die präsentische Darstellung der Jesusliebe ist zwar theoretisch deutungsoffen für eine Verortung im Himmel; das Ich wäre dann das eines Verstorbenen. Ein solches Verständnis der himmlischen Liebeslieder ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich, lebt doch gerade dieser Liedtyp von der performativen Identifikation des Rezipienten mit dem Ich des Textes. Festzuhalten bleibt, dass sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Liedtexte mehren, deren Interesse an der Erfüllung des Liebesverlangens nach Jesus sich weniger auf dessen jenseitige Vollendung erstreckt als vielmehr auf sein nach bestimmten literarischen Mustern (Süßigkeit usw.) gestaltetes Erleben durch das Ich – auch und gerade in der Gegenwart. 290 291

292

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Scheffler, Nun will ich mich scheiden von allen Dingen (Str. 12). Vgl. Scheffler, Nun will ich mich scheiden von allen Dingen (Str. 7; 10; 11). Jesus als „paradeis“ auch bei anon., Die Zeit geht an, die Jesus hat bestimmt* (Str. 6): „Du bist mein ziel / mein ende / ruhm und preis / | Mein mittel=punct / mein süsses paradeis / | In dir allein findt meine seele ruh / | Drum seufftz ich auch dir unauffhörlich zu.“ Vgl. Müller, Ich lauf dir nach mit stetem Ach; Jesu, wie süß ist deine Liebe; Lebt jemand so wie ich. Ein weiteres Lied Müllers steht in H-1683 unter ‚Tod und Sterben‘: Ich wall auf Erden hin und her. Vgl. Müller, Lebt jemand so wie ich (Str. 2,3–6): „Ich ließ das Welt=Getümmel | Und hatt’ hinauff gen Himmel | Mein Hertz und Sinn gericht, | Allein ich fand ihn nicht.“ Weiter Str. 4–5: „Fahr, Welt, fahr immer hin, | Sprach ich in meinem Sinn, | Dann deine Lieblichkeiten | Verblühen mit den Zeiten: | Bey dir ist kein Gewinn, | Fahr, Welt, fahr immer hin. || Kaum war diß Wort gedacht, | Da mirs schon Freude bracht: | Er gab sich zu geniessen | Mit tausend Liebes Küssen, | Den meine Seele liebt, | Der mich vorhin betrübt.“ Str. 7,5f: „Der Himmel tröpffelt ab | Die werthe Seelen=Gab.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

4. Zusammenfassung Als Inbegriff der seelischen Todesnot gilt in den Sterbeliedern des 16. und 17. Jahrhunderts die Anfechtung durch Sünde, Tod und Hölle. Der Gegenbegriff zur Anfechtung ist der Begriff des Trostes. Zentraler Inhalt des christlichen Sterbetrostes sind die Person und das Werk Christi. Das durch Christus gewirkte Heil des Menschen bedeutet die Überwindung von Sünde, Tod und Hölle und damit auch Trost in der Anfechtung. Im Sprechen und Singen, Vorsprechen und Vorsingen der Liedtexte am Sterbebett wird dieser Trost wirksam. Innerhalb der Liedtexte lassen sich drei christologische Aspekte des Sterbetrostes unterscheiden: Passion, Auferstehung und das als individuelle persönliche Beziehung vorgestellte Verhältnis des Ich zu Christus. Die diachrone Entwicklung des Trostverständnisses über das 16. und 17. Jahrhundert hinweg hat ihr Zentrum und ihren Ausgangspunkt in der reformatorischen Deutung des Todes Christi als einmaliger, stellvertretender Sühnetod, dessen soteriologischer Nutzen oder ‚Gewinn‘ (Phil 1,21) dem Menschen unverdient zuteil wird. Dieses Zentrum bleibt zwar grundsätzlich erhalten; ihm treten im Lauf der Zeit aber weitere Deutungen zur Seite. Die grundlegende Deutung des Leidens und Sterbens Christi als stellvertretender Sühnetod verweist zuallererst auf die Überwindung der Sünde. Literarische Chiffre hierfür ist die bildliche Rede vom ‚Blut‘ Christi, das als geradezu materiell heilswirksame Substanz verstanden wird: Es fungiert als Lösegeld (Mk 10,45), wäscht die Sünde ab (Apk 7,14), besprengt den Menschen zum Schutz vor dem Würger (Ex 12,23) und ist beim Heiligen Abendmahl präsent. Beide Sakramente, neben dem Abendmahl auch die Tauferinnerung, spielen in Sterbeliedern wie in der Sterbeseelsorge eine Rolle: Beide vermitteln die Teilhabe an der Heilswirkung des Todes Christi; darin dienen sie dem Trost und der Stärkung des angefochtenen Gewissens auf dem Sterbebett. Bestimmte Formen der Betrachtung entfalten ihre tröstliche Wirkung dann allerdings bereits aus dem Bedenken von Jesu Leiden an sich. Aus dem Gedanken des stellvertretenden Leidens heraus lässt sich die meditative Praxis der detaillierten ‚gegenwirksamen‘ Leidensbetrachtung erklären, die sich im Vollzug verselbständigt und von der ausdrücklichen Anknüpfung an den Stellvertretungsgedanken entfernt: Das von Christus konkret Erlittene bewirkt jeweils, dass dem Ich in seiner eigenen Todesnot genau dieses Einzelmoment erspart bleibt (z. B. Durst, Schmerz, Traurigkeit usw.). Letztlich kann die Parallelisierung von Jesu Leiden und dem Leiden des sterbenden Menschen auch dahingehend eine tröstliche Wirkung entfalten, dass die Passion Jesu als Exempel für das selige Sterben verstanden wird. Im Nachsprechen von Jesu letzten Worten (Lk 23,46; Joh 19,30) vollzieht der Sterbende faktisch eine imitatio Christi. In vielen Fällen wird auch einfach der Betrachtung des ‚Bildes‘ Jesu – als Gegenstück zum schrecklichen ‚Todesbild‘ – eine tröstliche Wirkung zugesprochen. Vereinfacht lässt sich die Verhältnisbestimmung von Trost und Heil auf den Nenner bringen: Aus dem Leiden erwächst das Heil, aus seiner Betrachtung der Trost.

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VI. Christus der ist mein Leben

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An der Betrachtung der Wunden Jesu lässt sich der Wandel in der Passionsbetrachtung exemplarisch ablesen. Diente die Rede von den Wunden zunächst ähnlich wie die vom Blut Jesu pars pro toto als Erinnerung an die Heilswirkung seines Todes, wird sie im weiteren Verlauf bildlich ausgedeutet: Die Wunden gewähren im bildlichen Sinne Einblick ins Innere Jesu und damit in die „Genaden wahl“, in den Heilswillen des göttlichen Herzens. Im Bild der Zuflucht zu den Wunden Jesu wird die Teilhabe an ihrer Heilswirkung auf die Ebene der individuellen Christusbeziehung übertragen. Die Rede von der Taube in den Felsklüften (Hld 2,14) stellt die Zuflucht zu den Wunden in den Kontext des Hoheliedes und deutet sie damit als Ausdruck einer mystischen Liebesbeziehung, der eine leibliche Dimension wesentlich zu eigen ist. Dient der Sühnetod Jesu zunächst vor allem der Überwindung der Sünde, so liegt der Trost seiner Auferstehung in der Überwindung des Todes. Nach der AdamChristus-Typologie aus 1Kor 15,22 hofft der Mensch, der in Christus gestorben ist, auf eschatologische Teilhabe auch an seiner Auferstehung; wenn der Erlöser lebt (Hi 19,25), darf der in seinen Tod Getaufte dasselbe hoffen. Zentrale Metaphern für das Geschehen der Auferstehung Jesu sind sein mythischer Kampf gegen den Tod und sein Sieg als ‚Lebensheld‘, der den Tod zum Spott werden lässt (1Kor 15,55). Unterschiedliche Deutungen gibt es zu der Frage, ob der Sieg über den Tod schon am Kreuz, beim Descensus oder bei der Auferstehung geschehen ist oder ob seine Vollendung noch unter einem eschatologischen Vorbehalt steht (1Kor 15,26). Verbunden mit dem Bild des Triumphs über den Tod ist auch das der Befreiung des Menschen aus den Fesseln des Todes. Vorbild hierfür ist etwa die Karsamstagserzählung vom Heraufführen der Gefangenen aus dem Totenreich, die ihrerseits an die Knechtschaft Israels in Ägypten und das babylonische Exil erinnert. Gegenüber diesen ursprünglich kollektiv zu verstehenden Bildern wird die Rede von der Befreiung im Lauf des untersuchten Zeitraums häufiger individualisiert. Mit der zunehmenden Weltverneinung verändert sich auch das Bild der Befreiung: Befreit wird nicht mehr vom Tod, sondern der Tod selbst befreit aus dem ‚Kerker‘ des Leibes oder der Welt. Der vielseitige dritte Aspekt des christologischen Trostes betrifft die Ausdrucksformen der individuellen Christusbeziehung. Der Trost liegt hier in der Fortdauer der Christusbeziehung auch im Tod als fundamentaler Trennungserfahrung. Neben der grundsätzlichen Asymmetrie der Beziehung zwischen Gott und Mensch kommt dabei zunehmend die Gegenseitigkeit dieser Beziehung zum Ausdruck; der Part des menschlichen Ich gewinnt damit innerhalb der Beziehung an Eigenständigkeit. Drei miteinander verwandte Ausdrucksformen der individuellen Christusbeziehung lassen sich unterscheiden: Aussagen der räumlichen Nähe, Possessivaussagen und die Darstellung der Christusbeziehung als Liebesbeziehung. Die räumliche, oft auch die körperliche Nähe zu Christus ist zum einen das Ziel des Sterbens: Im Himmel, dem Ort der Gottesgemeinschaft, ist sie voll verwirklicht. Zum anderen bedarf der Mensch dieser Nähe schon im Sterben selbst. Als unverfügbare Zuwendung wird sie zunächst in Form von Bitten erfleht; dazu tritt

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

allerdings zunehmend das betonte Festhalten des Menschen an Jesus aus eigenem Antrieb (vgl. Gen 32,27; Meinen Jesum lass ich nicht) und damit eine Dimension der Gegenseitigkeit. Ähnliches gilt für die Possessivaussagen: Stehen anfangs Aussagen der Zugehörigkeit des Menschen zu Christus im Vordergrund – der Mensch ist durch sein Blut erworben, bleibt „des Herrn“ auch in seinem Sterben (Röm 14,7) und übereignet sich ihm sterbend in Commendatio und ‚Testament‘ (vgl. S. 331; S. 333) –, verweist die Gegenseitigkeit späterer Possessivaussagen (vgl. Hld 2,16) auf die Dimension der Liebesbeziehung. Die Brautmetaphorik – in der Mystik des Mittelalters bereits ein gängiger Topos – kommt etwa ab 1600 erneut auf (Wie schön leuchtet der Morgenstern) und steigert sich bis 1700 immer weiter. Schon vorher ist der Ausdruck des ‚Verlangens‘ nach Christus präsent, das alle Lebensvollzüge umfasst. Typische Gestaltungsmotive der Liebesbeziehung sind das Feuer, die Liebeskrankheit (vgl. Hld 2,5; 5,8), die Umarmung und die Süßigkeit. Das letztere Attribut wird insbesondere dem Namen Jesu zugeschrieben; dieser erfährt überhaupt eine zunehmende Verehrung und Verinnerlichung, indem er etwa ‚ins Herz geschrieben‘ wird. Die eschatologische Verortung der Brautmetaphorik (z. B. in den apokalyptischen Texten des NT: Mt 25,1–13; Apk 21,2.9) wird immer öfter individualisiert oder tritt ganz in den Hintergrund: In der individuellen Erfüllung seines Verlangens nach dem Bräutigam erfährt das Ich den Himmel – in seiner individuellen Zukunft post mortem oder sogar schon in der Gegenwart (Heinrich Müller). In der Gesamttendenz lässt sich bei der Entwicklung des christologischen Sterbetrostes also eine Art Wandel von der Christus- zur Jesus-Beziehung beobachten: Stand anfangs das soteriologische Sühnegeschehen im Zentrum, entwickelt sich zusätzlich erst eine losgelöste Leidensbetrachtung, dann eine persönliche, oft mystisch gefärbte Liebesbeziehung. Die Involvierung des Ich wandelt sich vom einseitigen ‚pro me‘ zum gegenseitigen ‚Dein bin ich, du bist mein‘. Jesus als Gegenüber, aus dessen Anrede das Ich performativen Trost im Sterben empfängt, wird bisweilen nicht mehr vorrangig als der göttliche Erlöser wahrgenommen, zu dem kein Mensch von sich aus kommen kann, sondern als der ersehnte Geliebte. Dabei gilt für diese neuen Tendenzen, dass die gewandelten Vorstellungen die älteren nicht ersetzen, sondern ihnen zur Seite treten.

VII. Abschied und Trauer Die Untersuchung ist nun an jenem Punkt angelangt, von dem an das individuelle Ende retrospektiv betrachtet werden soll. Damit ist nicht gemeint, dass hier nur noch Lieder aus der Rubrik ‚Vom Begräbnis‘ behandelt würden oder solche, die nur für Trauer und Begräbnis bestimmt wären. Da es im Sterbelied immer um den Übergang vom Vorher zum Nachher geht, sind die beiden Perspektiven auf den Todeszeitpunkt nie ganz voneinander zu trennen. Die folgenden beiden Kapitel behandeln vielmehr zwei wichtige Themenbereiche, die eher einer rückblickenden Perspektive auf das

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VII. Abschied und Trauer

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Sterben zuzuordnen sind. Die Rede von der retrospektiven Sicht auf das Sterben ist in einem doppelten Sinne zu verstehen: zum einen hinsichtlich der Sprach-, zum anderen hinsichtlich der Vorstellungswelt. Hinsichtlich der Vorstellungswelt geht es vor allem um diejenigen Vorgänge, die nach den im Lied zum Ausdruck kommenden Vorstellungen auf den individuellen Tod unmittelbar folgen. Gezeigt werden soll dies anhand der Vorstellungen, die das separate postmortale Schicksal von Leib und Seele betreffen (VIII.). Sprachlich interessieren die literarischen Muster für diejenigen Sprechakte, deren Sprechsituation rein auf der Textebene im Nachgang des Sterbens angesiedelt ist (VII.). ‚Rein auf der Textebene‘ bedeutet wiederum: Damit ist weder über den Entstehungsnoch über den Verwendungszusammenhang eine Aussage getroffen. Das betrifft einerseits die Sprechakte des Abschieds, der Trauer und der Klage um verstorbene Angehörige (2.–5.), andererseits die Strategien der Tröstung, die der Trauer entgegenwirken (6.). Anhand dieser beiden Bereiche wird deutlich, welche Rolle zwischenmenschliche – und dies betrifft zunächst vor allem familiäre – Beziehungen in den Texten der Sterbe- und Begräbnislieder spielen. Ging es in den bisherigen Kapiteln vorwiegend um den eigenen Tod, so rückt nun der Tod des anderen in den Blick; genauer: War es zuvor die in die Zukunft gerichtete Angst vor dem eigenen Tod (oder eine wie auch immer geartete Haltung zu ihm), so ist es nun die in die Vergangenheit gerichtete Trauer über den Tod des anderen. Dabei erweist sich, dass gerade dieser Bereich im 17. Jahrhundert einem starken Wandel unterworfen ist. Zum einen finden familiäre Beziehungen als Thema überhaupt erst Eingang in die Lieder; zum anderen ist auch die Personalisierung der Lieder – etwa durch Dedikation im Akrostichon – ein Phänomen vor allem des 17. Jahrhunderts. Eine besondere Rolle spielen Kinderbegräbnislieder, in denen sich die hohe Kindersterblichkeit widerspiegelt. Ab etwa 1600 ist in den Liedern ein Wandel in der Wahrnehmung des Todes zu beobachten: Wird der Tod im theologischen Sinne als Ende der Beziehungen des Menschen verstanden, so ging es bisher vor allem um die Bedrohung der Gottesbeziehung durch den Tod, und zwar letztlich durch den ewigen Tod. Die Sterbelieder leiteten dazu an, den zeitlichen Tod so zu gestalten, dass er zum seligen Ende wird, also dass die Gottesbeziehung ihn überdauert – was wiederum gleichbedeutend ist mit dem ewigen Leben. Mit den Trauerliedern neuen Typs rückt zusätzlich eine andere Kategorie von Beziehungen in den Fokus der Betrachtung: die zwischenmenschlichen Beziehungen, die durch den zeitlichen Tod ganz eindeutig unterbrochen und beendet werden. Der Trost, um den es hier geht, betrifft entsprechend nicht die Anfechtungserfahrung der Sterbenden (als Bedrohung der Gottesbeziehung), sondern die Verlusterfahrung der Hinterbliebenen (als Ende der zwischenmenschlichen Beziehung). Diese Zielrichtung spiegelt sich in einem festen Bündel von großteils neu aufkommenden literarischen Merkmalen wider, die tatsächlich eine Art neuen Liedtyp kennzeichnen. Grundlegend ist zunächst die Frage nach der Sprecherrolle, dem Ich der Texte (1.). Unter den Liedern lassen sich einige wenige literarisch fest geprägte,

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Autoren und Ausführenden quasi vorgegebene Sprechakte1 ausmachen: Abschied, Segen und das Gott-Anbefehlen (2.), der Ausdruck von Trauer und Klage (4.) sowie die Aufforderung, nicht zu trauern (5.). Die performative Umsetzung dieser vorgegebenen Akte hat – so ist zu vermuten – den Zweck, die Bewältigung der persönlichen Verlusterfahrung zu unterstützen. Parallel zu diesen Sprechakten ist die Art der Beziehungen zu untersuchen, die vom Tod zerrissen wurden und in die hinein gesprochen wird (3.). Das betrifft vor allem die Beziehung zwischen Ehepartnern sowie die zwischen Eltern und Kindern. Auf der Textebene sind dabei z. B. Anredeformen sowie die Art und Weise von Interesse, in der die jeweilige Beziehung literarisch dargestellt bzw. stilisiert wird. In einem letzten Abschnitt (6.) kommen die wichtigsten Trostargumente zur Sprache, mit denen der Trauer entgegengetreten wird.

1. Das Ich des Toten Viele Trauer- oder Begräbnislieder gerade des 17. Jahrhunderts bedienen sich – etwa bei den unter 2. behandelten Sprechakten – eines literarisch besonders auffälligen Verfahrens: Sie lassen einen tatsächlich schon Verstorbenen in der ersten Person zu Wort kommen. Ebenfalls belegt, aber nicht so häufig, ist der umgekehrte Fall, dass der Verstorbene von den Hinterbliebenen direkt angesprochen wird; gelegentlich wird ihm auch in einer Zusatzstrophe ein „Nachruff der Betrübten“ zuteil, nachdem er vorher selbst ausführlicher zu Wort gekommen ist.2 Aus dem Verfahren, ihn im Lied gleichsam noch einmal zum Leben zu erwecken und ihn selbst beteuern zu lassen, dass sein Todesschicksal sich in Wahrheit als Glück erwiesen hat, resultiert offenbar ein größerer Trost. Die auffällige, im 17. Jahrhundert aber gängige Form suggeriert, dass die Beziehung zum Verstorbenen nicht abgerissen ist. Dabei nimmt die Überlagerung verschiedener Sprecher- und Rollenebenen zwischen Textproduktion, textinternem Zeichen und Performanz komplexe Formen an: Ein Autor legt einem Toten Worte in den Mund, die dann entweder von einem Chor den Trauernden vor- oder vielleicht sogar von diesen selbst gesungen werden. Durch die eindeutige Referenz des Text-Ich auf den Verstorbenen scheint zunächst ausgeschlossen, dass es wie beim Sterbelied mit dem Ich des oder der Ausführenden verschmilzt. Hier gibt der Text vielmehr eine Rolle vor, die vom Ausführenden – den Trauernden zum Trost – nur für die Dauer der Performanz übernommen wird. Be-

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Die terminologische Anleihe aus der Sprechakttheorie ist nicht im Sinne der Unterscheidung verschiedener Teilakte von (spontanen) Sprachäußerungen zu verstehen, sondern in einem weiteren Sinne: Die in den Texten vorgegebenen Äußerungen werden als Typen von sprachlichen Handlungen verstanden, die jeweils in einem bestimmten situativen Kontext von Rezipienten realisiert werden können. So bei Sacer, So hab ich obgesieget (Str. 13: „Nachruff der Betrübten“): „Fahr wol, O liebe Seele! | Geneuß der süssen Lust; | Uns in der Trauer=höle | Ist nichts hievon bewust. […]“; ähnlich anon., Nunmehro ist vollendet* (Str. 8: „Nach=Segen der Traurenden“): „So gehe liebste Seele / | ergötze dich in deinem GOtt / | wir in der Trauer=Höhle | erdulden noch den Hohn und Spott | der Welt […]“.

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VII. Abschied und Trauer

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sonders häufig wird die Form bei Johann Hermann Schein3 oder auch bei Johann Heermann4 verwendet; unter den zahlreichen weiteren Beispielen befinden sich auffälligerweise viele Kinderbegräbnislieder.5 So firmiert Paul Gerhardts Mein herzer Vater, weint Ihr noch in als „Trost=Gesang in der Persohn eines verstorbenen Kindes“6 (während Andreas Adersbachs O der trüben Trauertage „In der Person des Hn. Witbers“ spricht, also aus Sicht eines Hinterbliebenen7). Zu unterscheiden ist die hier bezeichnete Verwendung des Ich etwa von Fällen wie Hermans O Mensch, mit Fleiß anschaue mich, bei denen ein anonymer Toter als Repräsentant des Todes fungiert (vgl. S. 245). Im Gegensatz dazu ist das Ich im vorliegenden Zusammenhang jeweils durch den performativen Kontext klar determiniert, nämlich als derjenige, der gerade zu Grabe getragen wird. Angeredet sind hier zudem die konkreten Trauernden, die getröstet werden sollen, während der ‚redende Tote‘ bei Gryphius ein mahnendes Memento mori an den kontextuell nicht näher bestimmten Leser richtet.8 Aufschlussreich zum Verständnis des Phänomens sind besonders jene Fälle, in denen das Reden des Ich im Text selbst thematisiert wird. So kündigt das Ich der verstorbenen Gattin Sidonia in der letzten Strophe von Scheins Sei fröhlich, meine Seele sein Verstummen an („Hiemit ich nun wil schweigen / Meinn Mund nicht auffthun mehr“9). Das Lied bietet also nicht die Illusion einer andauernden Kontinuität der Beziehung, sondern nur eine gewisse artifizielle Lebensverlängerung im Medium von Text und Musik. Sie geht genau so weit, dass in bestimmten vorgegebenen Formen ein Abschied, also ein (vorläufiger) Abschluss der Beziehung vollzogen werden kann. Im Anschluss daran ist dann auch im Lied ein (nun literarischer oder performativer) Zeitpunkt des Sterbens gekommen, der im Verstummen des Text-Ich seinen Ausdruck findet. Der Text des Liedes Und du auch musst hie eben (Königsberg 1645) inszeniert dagegen nicht das Ende, sondern den Beginn des Sprechens – und zwar in eine familiäre Trauerszene „Rings um die todten=bahr“ (Str. 2,6) hinein, die eine Art Erzähler zuvor breit ausgestaltet hat. Hier handelt es sich offenbar um eine private, keine öffentliche Szene. Ein Ausschnitt mag das Vorgehen verdeutlichen:

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Vgl. Schein, Sei fröhlich, meine Seele; So fahr ich hin mit Freuden, verlass; Seligkeit, Fried, Freud und Ruh; Ich hab mein Lauf vollendet (Str. 2) u.v.a., vgl. z. B. Anm. 18. Vgl. Heermann, Lasset ab, ihr meine Lieben; Gottlob, die Stund ist kommen; Es nahet sich zum Ende. Vgl. anon., Ich war ein kleines Kindlein (Freiberg 1620); Heermann, Gottlob, die Stund ist kommen (Bregae 1632); Michael, O große Freud und Wonne (Leipzig 1645); Sand, Und du auch musst hie eben (Königsberg 1645); Sacer, So hab ich obgesieget (Stralsund 1665); Quirsfeld, Ihr Eltern, gute Nacht (Leipzig 1679); anon., Ich bin von euch geschieden* (Lüneburg 1695). Vgl. Gerhardt, Geistliche Andachten, 166f. Vgl. Albert, Arien 6,8 (Königsberg 1645), fol. F 5v; gefundene Belege: nur Lü-1695/1702. Zum selben Tod der Anna von Mülheim (1643) entstand auch Dachs So gänzlich ist auf nichts allhier zu bauen (ebenfalls in Lü-1695/1702 belegt), vgl. SDG III 75. und Nachweis ebd. S. 470. Vgl. zu Gryphius’ Grabschrifft eines vortrefflichen Juristen, Grabschrifft eines Hochberümbten Mannes, Grabschrifft eines vortrefflichen Redners u. a. Ott, Gryphius, 269–276. Schein, Sei fröhlich, meine Seele (Str. 10,1f).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt 3. Die mutter weint und küsset Den todes=bleichen mund / Der ehegatt vergiesset Die thränen alle stund / Die brüder traurig stehen / Die schwester weint zugleich / Die freund im leide gehen / Und treten um die leich. 4. Ihr freunde / die ihr stehet Und klaget eure noht / Die ihr für augen sehet / Lebt noch und ist nicht todt / Ihr mund ist nicht geschlossen / Ihr zung noch reden kan / Sie redet unverdrossen Euch sämmtlich also an: 5. Weint nicht / ihr meine lieben / Weint nicht / es ist nicht noht / Wollt ihr euch so betrüben / Ach! ich bin doch nicht todt / So kläglich niemand thue / Ich lebe immerdar / Worauff ich itzund ruhe / Ist keine todten=bahr. 6. Ich bin nun neu gebohren / Was ich zur welt gebracht / Ist bey euch unverlohren / GOtt hat es selbst in acht / Ich bin heraus gekrochen Auß diesem schweren leid / Und bin schon auß den wochen / Dort in der ewigkeit.10

Die Wirkung des Verfahrens, die Verstorbene selbst zu Wort kommen zu lassen, wird in diesem Text dadurch gesteigert, dass der Widerspruch ihres Redens gegen den Augenschein ihres Gestorbenseins nicht nur hingenommen, sondern eigens hervorgehoben wird. Damit wird das Vorgehen einerseits ausdrücklich als literarische Inszenierung kenntlich gemacht, zumal es sich um ein sehr kleines, fast noch neugeborenes Kind zu handeln scheint.11 Andererseits wird der Effekt des Trostes 10 11

Sand, Und du auch musst hie eben (Str. 3–6). Vgl. die Kontrastierung der Trauer mit der erst kurz zurückliegenden Freude über das Neugeborene (Str. 1,5.8: „Da kaum ein blick der freuden […] Sich sehen ließ allein“; Str. 2,7f: „Hie ist nur lauter flehen / | Da nichts denn freude war“) und den Vergleich des Todes mit der Geburt (Str. 6). Vgl. dazu Luthers Sterbesermon (WA 2, 685): „Und hie hebt an die enge pforte, der schmale steyg zum leben, des muß sich

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VII. Abschied und Trauer

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durch die Worte der Verstorbenen in den Text selber eingeschrieben, und zwar durch den Stimmungswandel gegenüber der trostlosen Ausgangsszene, die vielleicht den ursprünglichen Sitz im Leben skizziert. Ist zunächst noch vom „todes=bleichen mund“ des verstorbenen Mädchens die Rede, fängt dieser mund, der nun doch „nicht geschlossen“ ist, in der darauf folgenden Strophe plötzlich zu reden an; und der eingangs erwähnten „todten=bahr“ wird in Str. 5,7f dieser Status abgesprochen. Das sowohl vom ‚Erzähler‘ als auch von der Verstorbenen selbst wiederholte Postulat, dass sie „nicht todt“ sei (vgl. Mt 9,24par), sondern lebe, bleibt nicht auf die unüberprüfbare Rede von der himmlischen Existenz beschränkt, die nun bereits für sie angebrochen ist. Es wird vielmehr wie im biblischen Auferweckungswunder ganz wörtlich genommen und in die räumliche, reale Situation der Trauer hinein appliziert. Das wiederum kann nur auf der Ebene des Textes geschehen, freilich in der Hoffnung, dass dem eine himmlische Wirklichkeit entspricht und dass dies den Trauernden zum Trost gereicht. Den Trauernden zum Trost: damit ist die Funktion der Besetzung der Ich-Rolle eines Textes durch den Verstorbenen umrissen. Bei der Untersuchung stellt sich allerdings die Frage: In welchen Fällen ist das Ich eines Textes eigentlich als das eines Verstorbenen zu verstehen? Es gibt eine Reihe von Kriterien, die teils ganze Texte betreffen, teils nur an bestimmten Stellen aufscheinen. Eindeutig ist der Fall dann, wenn aufgrund der Tempusstruktur des Textes deutlich wird, dass das Ich den leiblichen bzw. zeitlichen Tod bereits hinter sich hat. Vor allem drei Arten von Ichaussagen sind in diesem Sinne denkbar: solche, die den Vorgang des Sterbens in einer Vergangenheitsform thematisieren („Heut bin ich durchgewischt“12); präsentische Ichaussagen über das Liegen im Grab („HIe lig ich in der Erden Schoß“13; vgl. S. 497); sowie präsentische Ichaussagen über das Leben nach dem Tod, bei denen sich das Ich des Verstorbenen gleichsam direkt aus dem häufig mit „hie“, „allhier“ usw. bezeichneten Himmel zu Wort meldet („Ich leb in höchster freude“14; „Allhier gut bleiben ist“15; „Hier hab ich nun viel freuden | Bey meinem Jesulein“16 usw.). Die

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eyn yglicher frölich erwegen, dann er ist woll fast enge, er ist aber nit langk, und geht hie zu, gleych wie ein kind auß der cleynen wonung seyner mutter leyb mit gefar und engsten geboren wirt […] Alßo geht der mensch durch die enge pforten des todts auß dißem leben, und wie woll der hymell und die welt, da wir itzt yn leben, groß und weyt angesehen wirt, Szo ist es doch alles gegen dem zukunfftigen hymel vill enger und kleyner, dan der mutter leyb gegenn dißem hymell ist, darumb heyst der lieben heyligen sterben eyn new gepurt“. Schein, Ihr lieben Trauerleut (Str. 3,1); vgl. Heermann, Lasset ab, ihr meine Lieben (Str. 6,1–4): „Niemand sag, ich sey vmbkommen, | Ob ich gleich gestorben bin. | Mein Gott hat mich weggenommen, | Sterben ist jetzt mein Gewinn“; Quirsfeld, Ihr Eltern, gute Nacht (Str. 2,1f; 3,3f): „Betrübt euch nicht zu sehr, | Daß ich entrissen bin. […] Nun hab ich fortgemust | In GOttes Freuden=Reich“; anon., Ich bin von euch geschieden* (Str. 5,1f): „Plötzlich zwar hat genommen | Mich von euch GOtt der HErr […]“ usw. Anon., Hie lieg ich in der Erden Schoß (Str. 1,1). Vgl. Aussagen über das eigene Grab wie bei Sacer, So hab ich obgesieget (Str. 11,1f): „Daß ihr mein Grab müst sehen, | Zeicht unsern schwachen Stand.“ Anon., Nun hat mich auch gewähret* (Str. 5,1). Schein, Seligkeit, Fried, Freud und Ruh (Str. 1,5–8): „Mein HErre Jesus Christ | Thut mich gar freundlich hertzen / | Die Englein mit mir schertzen / | Allhier gut bleiben ist.“ Gerade in Liedern von Kindern werden beim präsentischen Bericht aus dem Jenseits oft die „Englein“ erwähnt, vgl. Schein, So fahr ich hin mit Freuden, verlass (Str. 3,1f; 4): „So thun ümb mich herspringen | Die lieben Engelein“. Anon., Ich bin von euch geschieden* (Str. 1,5).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Aussagen reichen bis zum unmittelbaren Bericht von präsentischer Gottesnähe und Gottesschau („Meine Seele schawet an | Den, der nichts als lieben kan“17). Ist das textinterne Kriterium einer eindeutigen Tempusstruktur nicht erfüllt, kann eine entsprechende Deutung des Text-Ichs aufgrund äußerer Zeugnisse über den Entstehungszusammenhang naheliegend sein: Wenn ein Text von Dach oder Schein einem bestimmten Verstorbenen zugeeignet ist, so können die darin enthaltenen Ichaussagen ggf. so verstanden werden, als seien sie dem Widmungsträger in den Mund gelegt.18 Das gilt auch dann, wenn die Tempusstruktur es nicht auf Anhieb nahezulegen scheint, also etwa wenn die präsentischen Aussagen des Textes nicht das Leben nach dem Tod, sondern das Sterben selbst betreffen. Auch dabei handelt es sich um die literarische Inszenierung der Gegenwart eines Abschieds (etwa durch die Anwesenheit des Engels, der die Seele mitnehmen wird19), der vielleicht tatsächlich schon vorüber ist und nur durch die Performanz des Liedes nachträglich ausgestaltet und scheinbar hinausgezögert wird. Allerdings ist davon nur dann im eigentlichen Sinne zu sprechen, wenn im Text ein ins Geschehen des Sterbens involviertes personales Ich (und nicht nur ein betrachtendes, von außen kommentierendes o.ä.) erkennbar ist; bei Dach ist dies weniger häufig der Fall als bei Schein. In manchen Texten bleibt aufgrund der uneindeutigen Zeitstruktur auch die (interne) Sprechsituation offen – der Todeszeitpunkt steht entweder unmittelbar bevor („HEute werd’ ich sterben“) oder ist gerade vorüber („Ich bin wo ich solte“; „Ich bin wol ankom[m]en“).20 Weiter dürfte auch die Anrede der Angehörigen durch das Ich (vgl. dazu S. 423) in der Regel auf postmortalen Gebrauch hindeuten. Wenn sie, nicht der Sterbende, der Adressat des Trostes sind, ist zu vermuten, dass der Verlust bereits eingetreten ist.21 Auch das Lob des frommen und untadeligen Wandels in der Rückschau (vgl. S. 439) ist nicht als Selbstlob zu verstehen, sondern als eines, das dem bereits Verstorbenen nachträglich zugeschrieben wird. Aus den genannten Überlegungen ergibt sich, dass das Ich auch bei weniger eindeutigen Beispielen in diesem Sinne gebraucht sein könnte. Damit fällt auf den Gegenstand der vorangegangenen Kapitel insgesamt ein anderes Licht; für die Dar17

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Heermann, Lasset ab, ihr meine Lieben (Str. 7,5f); vgl. Schein, Mit Seufzen und mit Tränen (Str. 5,6.8): „Allhier mir nun gar nichts gebricht / […] Schaw GOtt von An= zu Angesicht“; Michael, O große Freud und Wonne (Str. 2,3f): „Nun ich vor GOtt kan stehen | In seinem Himmelreich“ usw. Sehr häufig bei Schein, vgl. Die Zeit nunmehr vorhanden ist („bey Begräbnis eines Ehegattens“, Akrostichon „Dorothea“): für Dorothea Mosbach († 1622; die Verabschiedung von Mann und Kind steht in den Str. 2 und 8); In Fried und Freud ich fahr dahin zu Christo (Akrostichon „Jakob Gribel“): für Jakob Griebel († 1620; Str. 2–8: Bericht von der Überwindung der Sündenanfechtung; Str. 10f: Verabschiedung); Nun scheid ich ab in Fröhlichkeit („Bey Begräbnis eines Seelsorgers“, Akrostichon „Nicolaus“): für Nicolaus Selneccer († 1620; Str. 7f: Verabschiedung) u.v.a.; Einzelnachweise bei Reckziegel, Cantional, 199. Vgl. Heermann, Es nahet sich zum Ende (Str. 9): „Ey nun, seyd Gott ergeben! | Vmb mich seh ich schon schweben | Den Engel, der itzt soll | Die Seel in Himmel führen, | Wo sie kein Angst wird rühren; | Da wird sie seyn Erquickung voll“; Sturm, Ich fahr dahin mit Freuden (Str. 7,1–4): „Nun ist die Stund vorhanden, | Es muß geschieden seyn: | GOtt schickt mir seine Gsandten, | Die lieben Engelein“. Beispiele aus Titius, Heute werd ich sterben* (Str. 1,1; 3,4; 5,1). Zur rein textinternen Darstellung der Gegenwart der Todesstunde vgl. S. 243. Anon., Hie lieg ich in der Erden Schoß (Str. 7); Pauli, So hab ich nun vollendet (Str. 6–8) u.v.a.

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VII. Abschied und Trauer

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stellung des Sterbens in Ichform ergibt sich nachträglich ein alternativer Deutungshorizont. Keineswegs ausgeschlossen ist freilich bei der postmortalen Performanz solcher Beispiele, dass das Text-Ich zusätzlich zum Ich des Verstorbenen auch mit dem Ich des Ausführenden verschmilzt, nämlich im Sinne eines Memento mori, der Einübung einer Ars moriendi und der Sterbebereitung.

2. Abschied – Segen – Anbefehlen Der Sprechakt der Verabschiedung von den Angehörigen bildet insofern einen Sonderfall, als er nicht eindeutig einer postmortalen Sprechsituation zuzuordnen ist. Ganz wörtlich genommen, scheint die vorgestellte Sprechsituation eher die am Sterbebett zu sein: Der Sterbende richtet ein letztes Wort an die um ihn stehende Familie. Dennoch gehört die Verabschiedung von den Angehörigen als literarisches Motiv in den hier zu verhandelnden Zusammenhang der Trauer und des Verlustes zwischenmenschlicher Beziehung durch den Tod. Gerade bei der Anrede der Hinterbliebenen durch Sprechakte wie Abschied, Segen oder die Aufforderung, nicht zu trauern, ist das Ich, wie im vorangegangenen Abschnitt erläutert, wohl in der Regel als das des Verstorbenen zu deuten. Verabschiedungsfloskeln in Sterbeliedern tauchen schon im 16. Jahrhundert auf – zunächst allerdings ohne näher bestimmten Adressaten: „Ade, ade, zu guter Nacht“, heißt es 1564 schlicht bei Nicolaus Selnecker.22 Adressierte Verabschiedungen scheinen in zwei Spielarten ab 1600 aufzukommen: zum einen die Verabschiedung der verächtlich als ‚arg‘ und ‚falsch‘ bezeichneten Welt (vgl. S. 188) – beispielsweise in Nicolais So wünsch ich nun ein gute Nacht (Frankfurt/M. 1599) oder Herbergers Valet will ich dir geben (Leipzig 1614) –, zum anderen die Verabschiedung der Angehörigen, die im Gegensatz dazu nicht den performativen Charakter der Lossagung besitzt, sondern immer deutlicher die Fortdauer der Beziehung über den Tod hinaus beschwört. Oft werden auch in einem Lied beide Adressaten angesprochen;23 die Abschiedsformeln sind jeweils dieselben: „Ade, behüt dich Gott!“, „ade, zu guter nacht“,24 selten „Valeth“25 oder die konstatierende Formel „Es muß geschieden seyn“26. In der Formel „Gesegn euch [dich] Gott“27 wird mit dem Abschied zugleich ein 22

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Selnecker, Herr Jesu Christe, Gottes Sohn, der du sitzt (Str. 12,1), ebenso bei dem 1584 verstorbenen Abraham Buchholzer, °Ach liebe Seel, gesegne gern (Str. 7,1). Z. B. Sturm, Ich fahr dahin mit Freuden: Nacheinander erfolgen der Abschied vom irdischen Leib (Str. 2: „Ade, zu guter Nacht“), von der Welt (Str. 3–5: „O Welt, zu guter Nacht“), von Kindern und Ehefrau (Str. 6–8: „Zu Tausend guter Nacht!“). Anon., Meinm lieben Gott allein hab ich mich ganz ergeben (Str. 12,1.9). In der Überschrift zu Meinm lieben Gott allein hab ich mich ganz ergeben. Siegfried, Ich hab mich Gott ergeben (Str. 1,4); vgl. Schein, Klagt mich nicht mehr, ihr lieben Leut (Str. 8,4); anon., Meim lieben Gott allein hab ich mich ganz ergeben (Str. 10,9): „jetzt muß gescheiden sein“. Beim Abschied vom Verlobten klingt der Gedanke der Ehescheidung durch den Tod an; vgl. dagegen Str. 11,7–9: „alsdann werden wir beyd | nicht mehr gescheiden werden | in alle ewigkeit.“ Vgl. Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Str. 9,1f): „Gesegn euch Gott der HErre, | jhr vielgeliebten mein“; anon., Hie lieg ich armes Würmelein und schlaf (Str. 4,1–4): „Nu gsegn euch Gott der HErre mein, | jhr lieben Brüder vnd Schwestern mein“; anon., Ich war ein kleines Kindlein (Str. 4,1f): „Gott gsegn euch,

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Segen vollzogen, auch in den Varianten: „Ade! Nun seyd gesegnet!“28 oder „Nun ich euch itzt gesegne“29. Wie der Abschied gilt auch der Segen manchmal nicht den Hinterbliebenen, sondern der Welt, wie es die Wendung ‚das Zeitliche segnen‘ noch verrät; das Verb ‚gesegnen‘ wird auch intransitiv für das Sterben verwendet.30 Insgesamt nimmt die Hinwendung zu den Angehörigen zu. Begann die 9. Strophe von Mein junges Leben hat ein End in der ersten Fassung (Magdeburg o.J.) noch mit den Versen „Gesegne dich Gott Stern, Sonn vnd Mond | deßgleichen Laub vnd Graß“, richtet sich der Segenswunsch in der vollständig überarbeiteten Fassung aus N-1677 an die „Christen=Freund“ (Str. 8,3): 9. GOtt segne euch / an Leib und Seel! GOtt segne / was ihr thut / Dem ich euch hertzlich all befehl: Er ist das höchste Gut. Wer Ihm treu bleibt im bittern Tod / mit dem hats ewig keine Noht: Sein ist der Lebens=Krantz.31

Dem Segen verwandt ist das in V. 3 vollzogene ‚Anbefehlen‘ der Hinterbliebenen in Gottes Schutz, dem im Sterbelied die Commendatio animae des Sterbenden in der ersten Person entspricht. Die analoge Formulierung in der ersten Fassung des Liedes lautete noch: „Ich befehl mich nu dem Schutzherrn mein | mit allen lieben Engelein“32. Auch in vielen weiteren Liedtexten werden die trauernden Angehörigen Gott ‚anbefohlen‘, etwa bei Schein vom verstorbenen Töchterlein („Also ich euch / Eltern mein / | Dem lieben Gott befehl“33) oder bei Heermann vom verstorbenen Vater („Nun, ich wil Euch dem befehlen, | Der sich ewren Vater nennt“34). Der Akt des Anbefehlens gilt gerade bei Schein aber auch immer wieder einem weiteren als bloß dem familiären Kontext: Vom Lehrer wird die Schule,35 vom Seelsorger die Gemeinde Gott anbefohlen;36 und mehrfach ist es das ganze Gemeinwesen mit allen

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Vater vnd Mutter, | Mir ist gantz wol geschehn“; anon., Hie lieg ich in der Erden Schoß (Str. 7,1f): „Nu gsegn euch Gott, der HErre mein, | Ihr liebsten Freund auff Erden.“ Heermann, Gottlob, die Stund ist kommen (Str. 12,1). Schein, So fahr ich hin mit Freuden, verlass (Str. 6,1–4): „Nun ich euch itzt gesegne / Mein Vatr vnnd Mütterlein / Kein Vnfall euch begegne / Wie der beniemt [benamt, genannt] mag seyn“. Vgl. Buchholzer, °Ach liebe Seel, gesegne gern. Anon., Mein junges Leben hat ein End (Fassung Nürnberg 1677, Str. 9). Anon., Mein junges Leben hat ein End (Str. 9,5f). Schein, Seligkeit, Fried, Freud und Ruh (Str. 14,1f). Heermann, Lasset ab, ihr meine Lieben (Str. 11,1f). Vgl. Schein, Mit Freuden fahr ich hin zu Gott („Bey Begräbnis eines Schuldieners“, Str. 11,1–4): „Christ meinem Herrn ich nun befehl | Die gantze Schul zusamm / :/: | Vnnd all darinn mit Leib vnd Seele / | Blüht / wachst in Gottes Nam“. Ähnlich Niedling, °Jetzt fahr ich aus der Welt einmal (Str. 8). Vgl. Schein, Nun scheid ich ab in Fröhlichkeit („Bey Begräbnis eines Seelsorgers“, Str. 8): „So bfehl ich Gott in einer Summ | Zu seines Geistes Krafft / :/: | Das gantze Ministerium, | Daß kein böß an ihm hafft: | Darzu all mein Zuhörer / | Die mich geliebt allzeit / | Als ihren trewen Lehrer: | Nun fahr ich hin mit Frewd.“

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VII. Abschied und Trauer

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drei Ständen der lutherischen Ordnung (Obrigkeit, Predigtamt, Hausregiment), das durch den Akt des Anbefehlens von einem Verstorbenen dem göttlichen Schutz unterstellt wird.37 Eine weitere Variante bildet die nicht an die Zurückgebliebenen, sondern an Gott gerichtete Fürbitte: „Du wollest auch den Meinen | Mit Rath vnd Hülff erscheinen | In ihrer Wäysen=Noth.“38 Oft wird auch der Segenswunsch in ähnlicher Weise expliziert, etwa als Wunsch nach Trost und Schutz für die trauernd Hinterlassenen; daneben wird er immer wieder mit einem an sie gerichteten erzieherischen Appell verbunden, der ihre weitere Lebensführung betrifft.39 Gerade dies Letztere ist auch wieder aus dem Mund des Schuldieners40 oder des Seelsorgers zu vernehmen, der sich um seine „Schäffelein“ sorgt.41 Um die Adressaten der genannten Sprechakte soll es im folgenden Teilabschnitt gehen – insbesondere um diejenigen, die am häufigsten genannt werden: um die Ehepartner und die Kinder von Verstorbenen.

3. Die Angehörigen und ihre Beziehung zu den Verstorbenen a) Die Anrede der Angehörigen Die Anrede der Angehörigen wurde bereits als deutliches Indiz dafür gewertet, dass der Text eines Liedes für die Situation der Trauer bestimmt und das Ich als das des Verstorbenen zu verstehen ist. Zu den ersten Liedern, in denen sich das Ich ausdrücklich an die Angehörigen wendet, zählt wieder Knolls Herzlich tut mich verlangen (Görlitz 1611), außerdem Meinm lieben Gott allein (Magdeburg 1613) und Mein junges Leben hat ein End (Magdeburg o.J.; beide anonym). In Meinm lieben Gott allein verabschiedet sich eine junge Frau von ihrem (irdischen) Bräutigam; in 37

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Vgl. Schein, In Fried und Freud ich fahr dahin (Str. 11): „Letzlich befehl ich GOtt mit Fleiß | Die liebe Obrigkeit / | Der schütz sie väterlicher Weis / | Itzt vnd zu aller Zeit / | Damit dieselb nechst seinem Wort / | vnd dem Haus=Regiment / | Floriren mög an diesem Ort / | Darzu an allem End.“ Schein, Klagt mich nicht mehr, ihr lieben Leut (Str. 8,5–10): „Das Predigtampt / die Obrigkeit / | Woll Gott bewahren allezeit / | Das häuslich Regiment / :/: | Darzu die liebe Kinderzucht / | Die Handelung mit Nutz vnd Frucht | Segn Gott an allem End.“ Heermann, Es nahet sich zum Ende (Str. 5,1–3). Vgl. Schein, Hin ist des Lebens Zeit (Str. 7): „Die Liebsten mein / | So viel ihr seyn / | Mit deim Geist wollst regieren / | Daß sie zu gleich / | Dein Segen reich | hier vnd dort ewig spüren.“ Niedling, Von Herzen ich mich freue (Str. 7,1–4): „Wann ich nu bin geschieden | Auß der Welt hin zu dir, | So tröst, O HErr, hienieden, | Die, so zustehen mir“. Vgl. Schein, Sei fröhlich, meine Seele (Str. 9): „Gott gsegn euch allzusamen / | GOtt tröst vnnd schütze euch / | Des Gottes Jacobs Namen / | Mit seinem Segen reich | Woll über euch stets halten / | Sein Gnad übr euch lan walten / | Von nun in Ewigkeit / | Auff Gott allein thut bawen / | Demselben nur vertrawen / | Habt vntr euch Fried allzeit.“ Vgl. Schein, Mit Freuden fahr ich hin zu Gott (Str. 10): „Mein liebste Herrn Collegen all / | Seyd ewrem Gott nur trew / :/: | Er wirds vergelten gwiß einmal | Mit Segen mancherley: | Vnd O du zarte Jugend / | Gwehn dich von Kindheit auff | Zu Gottesfurcht vnd Tugend / | Folg nicht dem bösen Hauff.“ Vgl. ähnlich Niedling, °Jetzt fahr ich aus der Welt einmal (Str. 6–7, z. B. 7,4–6): „Folgt Ewrer Praeceptoren Lahr, | So werdt ihr ietzt und immerdar | Gotts reichen Segen spüren.“ Vgl. Schein, Nun scheid ich ab in Fröhlichkeit (Str. 1,4; Str. 6): „Ach nun / ihr meine Schäffelein / | Lebt in Bußfertigkeit / :/: | Lasst die Erscheinung Christi seyn | All ewer Lust vnd Frewd: | So werd ihr auch dergleichen / | Mit mir aus Christi Grab / | Die Himmels=Kron erreichen / | Welch ich erlanget hab.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Mein junges Leben hat ein End wünscht das Ich, das eine stilisierte Verfasserschaft selbst in den Text einträgt, Frau und Kindern „viel guter Nacht“.42 Bei Knoll wird zunächst der Freunde (Str. 6), dann der „Waiselein“ gedacht (Str. 7): Beiden bringt der Abschied ebenso wie dem Sterbenden selbst „leide“ und „noth“; besonders bangt das Ich um die Versorgung der Kinder. Schließlich wendet er sich direkt an die „armen Waiselein“ (Str. 8) und dann summarisch an die „vielgeliebten mein“ (Str. 9). Der Überschrift nach ist das Lied für die „Sterbens noth“ bestimmt; dennoch werden die Kinder bereits als „Waiselein“ angesprochen. Das ist ein deutliches Beispiel für das Changieren der Sprechsituation. Die beiden kollektiven Anredeformen, mit denen das Ich sich üblicherweise an die Gruppe der Hinterbliebenen wendet, sind die an die ‚Freunde‘ und die an die ‚Lieben‘ oder ‚Liebsten‘: „Gute Nacht, jhr meine Freund’, | Alle meine Lieben!“43 Bei Schein werden auch die „lieben Leut“ oder „lieben Trawer=Leut“ angesprochen.44 Damit sind zuallererst die nächsten Verwandten gemeint, Ehepartner, Kinder und Eltern. „Ihr aber, meine Lieben, | Thut nicht so ängstiglich“45, heißt es zu Beginn von Sacers Kinderbegräbnislied, in dem dann die Eltern erst einzeln und schließlich gemeinsam angesprochen werden. Freundschaft und Liebe der Angehörigen erweisen sich in der von ihnen gezeigten Trauer: 8. Drumb kümmert euch nicht mehr / ihr Kinder / und ihr Lieben / die ihr aus Freundschafft sehr / zu trauren angetrieben.46

Dass Trauer und Teilnahme am Begräbnis als Ausdruck der Liebe zu einem Mitmenschen verstanden und auch gefordert werden, ist eine im Christentum seit alters belegte Tradition.47 ‚Verwandte‘ tauchen gelegentlich in längeren Aufzählungen von zu Verabschiedenden auf, bei Schein meist gereimt auf die ‚Bekannten‘:

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Anon., Mein junges Leben hat ein End (Str. 10,1–4): „Der dieses Liedlein hat erdacht | aus trawrigem Hertzen sein, | Der wünscht hiebey viel guter Nacht | seinem Weib vnd Kindlein klein“. Albert, Einen guten Kampf hab ich (Str. 4,1f). Vgl. anon., Hie lieg ich in der Erden Schoß (Str. 7,1f): „Nu gsegn euch Gott, der HErre mein, | Ihr liebsten Freund auff Erden“; Schein, Klagt mich nicht mehr, ihr lieben Leut (Str. 5,1): „O mein allerliebste Freund“; Heermann, Lasset ab, ihr meine Lieben (Str. 1,1; 10,1): „Ihr meine Lieben“; „meine liebsten Freunde“; Gryphius, Ade, verfluchtes Tränental (Str. 9,1): „Ade, jhr liebsten, ich muß fort“; Pauli, So hab ich nun vollendet (Str. 6,1): „O liebsten, laßt das weinen“; anon., Nun hat mich auch gewähret* (Str. 5,7): „Schickt euch nur / liebe meinen“; Sand, Und du auch musst hie eben (Str. 10,1): „Kommt zu uns / kommt / ihr lieben“ usw. Schein, Klagt mich nicht mehr, ihr lieben Leut; Ihr lieben Trauerleut; vgl. Klagt nicht so, geliebte Leut. Sacer, So hab ich obgesieget (Str. 1,5f). Anon., Viel tausend guter Nacht* (Str. 8,1–4). Formuliert wird diese Forderung auch in Kirchenordnungen, vgl. S. 602.

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VII. Abschied und Trauer

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10. […] Gott gsegn euch liebster Mann / Mein Mutter / Kindr / Verwandten / Mein Brüder / Schwestr / Bekandten / Gott nehm sich ewrer an.48

Martin Rinckart lässt seine 1637 verstorbene Frau Christina in drei aufeinanderfolgenden Strophen Abschied nehmen von „Blut=Verwandten“, „Muth=Verwandten“ und „Bekanten“49; er erweitert damit die ‚Verwandtschaft‘ ausdrücklich über die leibliche Zusammengehörigkeit hinaus. Ein dem Schlesier Karl Ortlob zugeschriebenes Kinderbegräbnislied adressiert sein „GUte nacht“ an „mein fleisch und blut, | Eltern, freund und lieben“50. Mit „fleisch und blut“ wird den ‚Verwandten‘ bei Ortlob ein weniger schematisches, innigeres Gedenken zuteil als bei Schein; auch hier sind „freund und lieben“, nächste Verwandte und sonst Nahestehende, gleichermaßen angesprochen. Auf das sich als inniger begreifende Selbstverständnis familiärer Beziehungen im 17. Jahrhundert deutet auch die Erwähnung körperlicher Zuwendung über die Anrede hinaus.51 Insbesondere die nächsten Angehörigen der Verstorbenen werden in den Liedern zum Abschied angeredet: Ehepartner und Kinder sowie – in den zahlreichen Kinderbegräbnisliedern – die Eltern. Am Beispiel der Ehepartner soll nun untersucht werden, wie die Beziehung zwischen Verstorbenen und Hinterbliebenen und ihre Trennung dargestellt wird. b) Zum Tod von Ehepartnern Das älteste Beispiel aus dem untersuchten Material für ein Lied, in dem ein Ehepartner betrauert wird, ist das 1579 erschienene Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, was widerstrebt. Das Ich, das spricht, ist das der Herzogin Dorothea Susanna von Sachsen-Weimar, die in diesem „Reimgesang, vnd teglich Gebet“ um ihren 1573 verstorbenen Gatten trauert, Herzog Johann Wilhelm. Aus den im Druck hervorgehobenen Buchstaben an Strophen- und Versanfängen ergibt sich der Spruch „Johan Wilhelm Hertzog Zu Sachsen, Das Mein Einiges Lieb, Dorothea Susanna, Ich weis das Mein Erlöser Lebt“. Die Ebene der privaten ehelichen Beziehung („Mein Einiges Lieb“, aber auch „mein Herr“52) ist überlagert von der öffentlichen Funktion: Auch von „meim Fürsten mild“ kann die Witwe sprechen; sie rühmt seine Gottesfurcht 48

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Schein, Sei fröhlich, meine Seele (Str. 10,7–10). Vgl. Schein, So fahr ich hin mit Freuden, verlass (Str. 6,1f; 7,1–4): „Nun ich euch itzt gesegne / | Mein Vatr vnnd Mütterlein […] Auch alle mein Verwandten / | Die mich geliebet han / | Darzu all mein Bekandten / | Die mir han guts gethan“. Rinckart, °So fahr ich hin mit Freuden aus diesem (Str. 2–4). Ortlob, °Gute Nacht, mein Fleisch und Blut (Str. 1,1f). Der Beleg bei FT stammt von 1730, die Zuschreibung an den 1678 verstorbenen Autor erscheint daher nicht gesichert. Vgl. Schein, Nun scheid ich ab in Fröhlichkeit (Str. 7,1–4): „Vnd also ich in Gott beschließ | Das zeitlich Leben mein / :/: | Zu guter letzt ich hertzlich küß | Mein Weib vnd Kinderlein“. Anon., Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, was widerstrebt (Str. 9,7); vgl. Str. 7,7f: „Vnd für mich ein | zum Herren Mein, | ins Himmels thron, | darnach ich han | ach HErr, ein gros verlangen.“ Vgl. die Anrede „Herr“ auch im Abschied von Scheins Frau Sidonia (Schein, Sei fröhlich, meine Seele, Str. 8,1f): „Stellt ein ewr schmertzlich Weinen / | Mein liebster Mann vnd Herr“.

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und Rechtgläubigkeit, sieht in ihm aber zugleich ein „Ebenbild“, eine exemplarische Veranschaulichung, der menschlichen Hinfälligkeit.53 Das 1607 erschienene Lied Wacht auf, betrübte Herzen von Wilhelm Alardus ist dessen verstorbener Ehefrau gewidmet; das erhellt aber nur aus der Überschrift und der Personalisierung durch ein Akrostichon.54 Der Text selbst, der auf die Melodie des Ewigkeitsliedes Herzlich tut mich erfreuen zu singen ist, besingt in allgemeiner Wir-Form die Freuden des ewigen Lebens; im Text präsent sind weder das Ich des Ehemannes noch das der Frau – noch ihre Beziehung. Dagegen wird in dem schon mehrfach erwähnten Lied Meinm lieben Gott allein (Magdeburg 1613) die Liebesbeziehung jenes anonymen Brautpaares thematisiert, dessen Verlöbnis durch den Tod der Braut beendet wird. Die Thematisierung der Beziehung bedarf hier keiner fürstlichen Legitimation mehr. Die Verstorbene stimmt sich auf die Hochzeit mit dem himmlischen Bräutigam ein (vgl. S. 401); zuletzt wendet sie sich aber auch an den Hinterbliebenen („liebes Hertz“; Str. 10–12). Nachdem Christus für sie quasi an die Stelle des irdischen Bräutigams getreten ist, wünscht ihm die scheidende Braut für sein irdisches Leben Entsprechendes, nämlich einen Ersatz für sie selbst: „das du werdest bedacht | mit eim Gemahl hoch geacht, | die dich lib hab jn Ehren“55. Ab Heermann und Schein, also etwa ab der Zeit um 1620, sind die genannten Merkmale dann alle ausgebildet: die Personalisierung, die Verortung im bürgerlichen Kontext und die ausdrückliche Thematisierung der Beziehung aus der Sicht eines der Partner. Dabei scheint unter denjenigen Liedern, die ausdrücklich dem Tod eines Ehepartners („Ehegatten“) gewidmet sind, die männliche Perspektive zu dominieren – nicht auf der Textebene (häufig ist das Ich ja gerade weiblich;56 eine männliche Variante wird zwar teilweise eingetragen, aber erst sekundär57), sondern insofern, als es in diesen Liedern viel häufiger um den Tod der Ehefrau geht als um den des Mannes, gleich aus welcher Sicht er nun betrachtet wird. Das mag zum einen 53

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Anon., Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, was widerstrebt (Str. 3,9–11; 4,1–3): „sih, wie so bald | ein Mensch hinfalt, | nicht anders als ein Blume. || Das hab ich an meim Fürsten mild | ein Ebenbild: | wie bald must er abscheiden!“ ‚Fürst‘ auch in Str. 5,1f: „Mein Edler Fürst dich hie auff Erd | hat hoch geehrt“. Überschrift: „Ein Christlich Liedlein Vom ewigen Leben. Zu Ehrengedechtnuß der Erbaren, Tugetsamen [sic] WOLBER ALARDS seliger: deß Authoris Weiland vielgeliebten Ehefrawen.“ Akrostichon (Strophenanfänge): „WOLBER ALARDS SELIG“. Einziger gefundener Beleg: Lü-1625 unter ‚Jüngster Tag und Auferstehung‘. Anon., Meinm lieben Gott allein hab ich mich ganz ergeben (Str. 12,6–8). Z. B. in folgenden Liedern spricht die verstorbene Ehefrau: Meinm lieben Gott allein (Magdeburg 1613); Schein, Sei fröhlich, meine Seele (1624 für Scheins erste Frau Sidonia: „In obitum Uxoris suae desideratissimae SIDONIAE“); Schein, Die Zeit nunmehr vorhanden ist (1622 für Dorothea Mosbach: „Ein anders bey Begräbnis eines Ehegattens“); Schein, Klagt mich nicht mehr, ihr lieben Leut (1620 für Katharina Pose: „Bey Begräbnis eines Ehegatten“); Rinckart, °So fahr ich hin mit Freuden aus diesem (Leipzig 1637: „Die Teutsche Jobs=Schwester CHRISTINA, (M. Rinckarts Hertzgetrewe Ehe= vnd Creutzgenossin) Vnd jhr Geist=Frewdiges Valet=Lied.“) Vgl. die Reimvarianten bei Schein, Klagt mich nicht mehr, ihr lieben Leut (Str. 5,5f.10; 8,1–4): „Zuförderst du mein liebster Mann (mein liebstes Weib) | Der du mir alles guts gethan / | (Die ich geliebt als meinen Leib) | […] Betrüb dich nicht so gar.“ „Nun gsegn euch Gott / mein liebster Mann / [liebstes Weib /] | Mein liebste Kinderlein / :/: | All Freund / so mich gehören an / [bey euch ich nim[m]er bleib /] | Es muß geschieden seyn“. Vgl. Schein, Die Zeit nunmehr vorhanden ist (Str. 2; 8). Ursprünglich ist der Text jeweils zum Tod einer Frau entstanden.

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VII. Abschied und Trauer

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damit zusammenhängen, dass die Frau oft anders als der Mann ausschließlich in ihrer Rolle als ‚Frau von‘ wahrgenommen wurde. Im Sterbelied für einen Mann wird die Frau zwar selbstverständlich ebenfalls bedacht, aber weniger ausschließlich,58 und das Lied erhält dann in der Regel nicht das Etikett „Bey Begräbnis eines Ehegatten“. Zum anderen rührt der genannte Befund sicher daher, dass es viel eher die Männer waren, die überhaupt schrieben und sich daher auch schreibend mit dem Tod ihres Ehepartners befassten – wie Heermann, Schein, Rinckart.59 Ausnahmen gibt es freilich ebenfalls: In Heermanns nur Lü-1695/1702 belegtem Lied Ach wie schnelle wird verkehret kommt die Sicht einer hinterlassenen Ehefrau ausführlich zur Sprache. Es steht in der dritten Auflage der Devoti Musica Cordis (Leipzig/Breslau 1644) und ist überschrieben als „Trawer=Lied Vber dem vnverhofften Abschiede N. N. im Namen einer Betrübten“. Die Hinterlassene klagt: 1. […] Der sein hertze mir geschenckt / Ach! deß cörper wird versenckt In den schoß der frischen erden / Weher könnte mir nicht werden. 2. Dieses war mein erstes lieben / Dieses war mein erste treu. Sollt ich mich denn nicht betrüben? Ich verwelcke wie das heu. […]60

Wie in diesem Beispiel spielt in der Klage um den verstorbenen Ehepartner die Einmaligkeit der durch den Tod zerrissenen Beziehung seit dem 17. Jahrhundert eine zunehmende Rolle: „mein erstes lieben“, „mein erste treu“ sind eben unwiderruflich. Außerdem kommt die private, zwischenmenschlich-persönliche Dimension der Beziehung vermehrt zur Sprache: ‚Lieb‘ und ‚Treu‘ als besondere Qualitäten dieser zwischenmenschlichen Dimension werden nicht mehr einfach nur genannt, sondern auch expliziert. Neben „Tugend“ und gottesfürchtigem Wandel – teilweise auch an ihrer Statt – wird die liebevolle Beziehung zum „Ehegatten“ beim Lob des Verstorbenen in einigen Fällen zentrales Thema. Was Heermann bei der Klage um seine 1617 verstorbene Frau Dorothea meint, wenn er sie eingangs als „Mein trewes Hertz, der Tugend Schein“61 bezeichnet, erläutert er in der zweiten Strophe des Liedes – um daraufhin in der dritten die Unersetzlichkeit des Verlustes zu beklagen: 58

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So wendet sich der sterbende (verstorbene) Ehemann bei Heermann, Der Tod klopft itzund bei mir an nur in Str. 3–5 von insgesamt 17 Str. an seine Frau. Formelhaft verkürzt ist die häufige Nennung von ‚Weib und Kind‘, vgl. anon., Mein junges Leben hat ein End (Str. 10,3f): „Der wünscht hiebey viel guter Nacht | seinem Weib vnd Kindlein klein“. Vgl. neben den in Anm. 56 genannten Liedern von Schein und Rinckart Heermanns Ach Gott, ich muss in Traurigkeit (für seine 1617 verstorbene erste Frau Dorothea); hier ist das Ich das des hinterlassenen Ehemannes. Vgl. eine ähnliche Konstellation bei Johann Brendel, °O Tod, du hast mit Ach und Weh geschieden unsre gute Eh (erschienen Jena 1692 mit dem Hinweis: „Als Ich Ao. 1641 den so unverhoften Todes=Fall meines vorigen Weibes Sel. bejammert und beklaget“, zit. nach FT II 114.). Heermann, Ach wie schnelle wird verkehret (Str. 1,5–2,4). Heermann, Ach Gott, ich muss in Traurigkeit (Str. 1,5).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt 2. Wann ich an jhre Freundligkeit Gedenck in meinem Hertzen, Die sie mir hat zu jederzeit In Frewd vnd auch in Schmertzen Erwiesen gantz beständiglich, Mein Creutz vnd Weinen mehret sich, Für Angst möcht ich vergehen. 3. Bey wem sol ich auff dieser Welt Rechtschaffne Liebe finden? Der meiste Theil nicht Glauben hält, Die Trew wil gar verschwinden. Ich glaub vnd red es ohne schew: Die best ist doch geträwte Trew, Die muß ich jetzt entrahten.62

Das im ‚Gedencken‘ des ‚Hertzens‘ gezeichnete Bild der Person der Verstorbenen ist gekennzeichnet durch ihre „Freundligkeit“, das Bild der Beziehung durch „Rechtschaffne Liebe“ und „geträwte [vermählte] Trew“. So sehr es sich bei der Klage um die verschwindende „Trew“ in der Welt um einen literarischen Gemeinplatz handelt, so innovativ erscheint doch die Fokussierung der persönlichen Beziehung. Ähnliches gilt für das Lied Johann Brendels auf seine 1641 verstorbene Frau, das nach der Weise Herr Jesu Christ, dich zu uns wend zu singen ist. Ins Herz geschrieben und damit unauslöschlich mit der eigenen Person verbunden wird hier nicht der Name Jesu (vgl. S. 391), sondern der der Verstorbenen: „Dein schöner, werther Nam soll ein | Geschrieben in meinn Hertzen seyn.“63 Als „Kron und Zier“, als „Rieb aus meinem Leib“ wird die Verstorbene bezeichnet, aber auch als „mein alles und mein ich“64 – damit kommt die biblische Tradition mit ihrem Bild für die körperliche Verbindung der Eheleute ebenso zu Wort wie das Arsenal der Liebespoesie, das die enge innere Beziehung zwischen den ‚Ichs‘ der Liebenden hervorhebt. Ein alltägliches Detail des Trauererlebens scheint der unmittelbaren Erfahrung entnommen zu sein: 11. Mir träumt des Nachts, als seh ich dich Geschefftig seyn herumb umb mich, Da freuet sich das Hertze mein; Wenn ich erwach, bin ich allein.65

Ob es für das Erleben der schmerzlichen Diskrepanz zwischen erwünscht-erträumter Anwesenheit der Verstorbenen und realer Einsamkeit ein literarisches Vorbild gibt oder ob der Autor hier tatsächlich seine eigene Erfahrung verarbeitet, ist kaum auszumachen. Fest steht, dass der Text die Leerstelle im Leben des zurückbleibenden 62 63

64 65

Heermann, Ach Gott, ich muss in Traurigkeit (Str. 2–3). Brendel, °O Tod, du hast mit Ach und Weh (Str. 18,3f). Der Name ist im Text zudem ausdrücklich enthalten („Mari“, Str. 17,1). Brendel, °O Tod, du hast mit Ach und Weh (Str. 7,1.4; 8,3). Brendel, °O Tod, du hast mit Ach und Weh (Str. 11).

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VII. Abschied und Trauer

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Ehepartners besonders betont – in dieser Deutlichkeit und auch in der Fokussierung des alltäglichen Umfelds privater häuslicher Zweisamkeit („Geschefftig seyn herumb umb mich“) wohl ein Novum des 17. Jahrhunderts. Eine andere Weise, die eheliche Liebesbeziehung im Sterbelied zu literarisieren, begegnet in einem der beiden Lieder Scheins zum Tode von ‚Sechswöchnerinnen‘. Diese Texte sind Frauen gewidmet, die im Kindbett während des ärztlich vorgeschriebenen Ruhezeitraums von sechs Wochen starben.66 In einer mit narrativen Momenten durchsetzten theologischen Argumentation wird hier das erlittene Leid als Folge des Sündenfalles gedeutet, für den die Frau mit den Schmerzen des Gebärens bestraft wurde (Gen 3,16). Zum Abschied wendet sich die Verstorbene an ihren Mann: 11. Kömmt doch gewiß des Herren Tag / Der wird vns wiedr von newen :/: Zusam ein mal ohn alle Plag Mit Leib vnd Seel erfrewen: Nehmt vnter des das Liebe=Pfand / Welchs mir Gott hat bescheret / Zu guter letzt von meiner Hand / Vnd seyd damit verehret.67

In fester Zuversicht auf das Wiedersehen am Tag des Herrn überreicht sie dem Witwer als einstweiliges Unterpfand ihrer Liebe, was ihr „Gott hat bescheret“: das Kind, dessen Geburt sie selbst das Leben kostete.68 Eine geistliche Dimension der Beziehung zwischen den Ehegatten kommt mit ihrer beider Gottesbeziehung ins Spiel. Deutlich geworden war dies bereits an Meinm lieben Gott allein (vgl. S. 425): Die Braut hatte sich dem himmlischen Bräutigam zugewandt und den irdischen dem göttlichen Schutz anbefohlen – in der Hoffnung, dass er mit Gottes Hilfe eine andere Frau finden würde. Dass Gott an die Stelle des jeweils anderen Partners tritt, ist eine Vorstellung, die sich auch in weiteren Liedern findet – und zwar sowohl für Verstorbene wie auch für Hinterbliebene. Für eine Verstorbene betont etwa Schein die Priorität der Gottes- gegenüber allen menschlichen Beziehungen:

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Das Lied Eva durch ihr begangne Schuld („Bey Begräbnis einer Sechswöchnerin“) ist der 1621 verstorbenen Euphrosina Kramer gewidmet (vgl. S. 205), das Lied Als anfangs in dem Paradies („Bey Beerdigung einer Sechswöchnerin“) der 1628 verstorbenen Concordia Seidelin (vgl. Reckziegel, Cantional, 199.201). Schein, Eva durch ihr begangne Schuld (Str. 11). Schon bei Prudentius werden die Kinder als Pfänder der Liebe bezeichnet; allerdings sind sie es hier selbst, die betrauert werden, vgl. Iam moesta quiesce querela (Str. 1,3): „nullus sua pignora plangat“. Der Sprachgebrauch ist auch gängig in Leichenpredigten, vgl. LP Johann David Cummerell 1675, 33: „Aber nun seufftzen / nun ächtzen / nun klagen alle liebe Hinterlassene / die hoch=bekümmerte Frau Wittib / die 5. hinterbliebene Vatter=lose Wäisen / zusampt dem letzten Liebes=Pfand / noch unter mütterlichen Hertzen verschlossen“.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt 2. Ob Scheiden schon thut ziemlich weh / Wie vns ist angeboren / :/: Wenn ich mein liebsten Mann (liebstes Weib) anseh / Mein Kindlein auserkohren: Mein liebe Freund / So viel der seynd / So bist du doch Mir lieber noch / Ist doch gar nichts verlohren.69

„So bist du doch | Mir lieber noch“, an Jesus gerichtet, relativiert den Stellenwert der menschlichen Beziehung und damit den zum Stropheneingang erwähnten Abschiedsschmerz. c) Gottes Fürsorge für Witwen und Waisen Aufschlussreich ist neben dieser Priorisierung aber auch die stellvertretende Einsetzung Gottes im anderen Part, nämlich bei den Hinterbliebenen70 – und zwar vor allem dann, wenn es sich um ‚Weib und Kind‘ handelt: „Er wird seyn mann an meiner stat“, spricht der sterbende Ehemann in Heermanns Der Tod klopft itzund bei mir an der Frau zu, den Kindern entsprechend: „Doch seyd getrost, an meiner stat | Trit Gott, der groß von thaten“71. Ebenso wie die Angehörigen häufig Gott anbefohlen werden, wird ihnen hier empfohlen, sich an seinen „rath“ zu wenden: „Klag ihm dein creutz, er weiß bald rath | Vnd hilf in allen sachen.“72 Witwen und Waisen, des männlichen Schutzes verlustig, unterstehen in besonderer Weise dem Schutz Gottes. Notwendig ist das etwa schon deshalb, weil die ‚Welt‘ den Waisen auflauert und ihnen „gleich den frembden hunden“ „prügel“ verabreicht.73 Michael Hunold hat zur „Sepultur des weiland […] George Heinrichs von Ende, auff Königsfeld“ auf die Melodie von Freu dich sehr, o meine Seele ein Lied geschrieben, das die bedrängte Situation der Witwen und Waisen ausdrücklich zum Thema macht:74

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Schein, Die Zeit nunmehr vorhanden ist (Str. 2); vgl. Schein, Nun scheid ich ab in Fröhlichkeit (Str. 5,1–3): „Laß ich gleich itzo Weib vnd Kind / | Mir liget nichts daran / :/: | Dort ich einmal sie wieder find“ usw. Das ist nicht nur in Liedtexten, sondern auch in Leichenpredigten zu beobachten, vgl. S. 574. Heermann, Der Tod klopft itzund bei mir an (Str. 5,1; 7,1f). Heermann, Der Tod klopft itzund bei mir an (Str. 5,3f). Entsprechend an die Kinder gerichtet Str. 7,3–10: „Der kein kind je verlassen hat; | Er weiß bald zuzurathen. | Sein vaterhertz, sein mund und hand | Ist euch und aller welt bekandt. | Bleibt nur in seinen wegen; | Kömmt ungestüm, | Auf! klagt es ihm, | Das wetter wird sich legen.“ Als Fürbitte an Gott bei Heermann, Es nahet sich zum Ende (Str. 5,1–3): „Du wollest auch den Meinen | Mit Rath vnd Hülff erscheinen | In ihrer Wäysen=Noth.“ Heermann, Der Tod klopft itzund bei mir an (Str. 6,3.5–10): „Die welt hat einen bösen sinn, […] | Sie lauret, ob sie irgend findt | Ein[n] wäysen, ja ein priesterkind, | Das gleich den frembden hunden: | Wo man sie findt, | Da wird geschwind | Auf sie der prügel funden.“ Ungewöhnlich ist die Wortwahl „priesterkind“, bei der Heermann an seine eigenen Kinder gedacht haben muss. Vgl. Hunold, Nichts betrübter ist auf Erden. Im Druck erschienen ist es FT IV 33. zufolge Dresden 1652; gefundene Belege: in den Anhängen von H-1683 und B-1703 (ohne Rubrizierung).

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VII. Abschied und Trauer

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1. Nichts betrübter ist auff Erden, Nichts kan so zu Hertzen gehn, Als wenn arme Witwen werden, Wenn verlassne Wesen [Waisen] gehn Ohne Vater, ohne Muth, Ohne Freunde, ohne Gut. Witwen sind verlassne Leute, Wesen Gut ist Raub und Beute. 2. Wo die Zäune sind zerdrücket, Jederman hinüber steigt. Auch ein Kind hier Früchte pflücket, Wo die Aeste sind gebeugt. Wenn die Mauren sind zerschellt Denn der Feind die Stadt anfällt. Wo der Schirm und Schatten brechen, Kan die Sonn am meisten stechen.

Schützende Zäune und Mauern, die schädliche Einflüsse fernhalten, sind mit dem Verlust des Familienoberhaupts zerstört; der für die Familie lebensnotwendige Erhalt seiner Hinterlassenschaften ist gefährdet, sie droht anderen zu „Raub und Beute“ zu werden (vgl. Jes 10,2). Das Leid der Witwen und Waisen rührt nicht nur aus dem persönlichen Verlust, auch wenn die sich ausbreitende Rede von den „Threnen“ diesen Aspekt allmählich in den Vordergrund zu rücken scheint.75 Vielmehr ist gerade die reale Sorge um das materielle Auskommen von ‚Weib und Kindern‘, ihre Nahrung und Kleidung in vielen Liedern mit Händen zu greifen: „Wer wird euch armen speisen?“ „Wer wird euch schützen, auferziehn | Vn[d] für die kleidung sorgen?“76 In die Not der Witwen und Waisen tritt Gott als derjenige, der sie durch seine Fürsorge erhält und ihnen ihr „Stücklein Brodt“77 zumisst: „Fragt niemand: Kinder, habt ihr brodt? | Ey, Gott wird für euch sorgen“, „Wie er hat Ismael gethan | Vnd andern armen waysen“ (vgl. Gen 21).78 Wenn Knoll die „Waiselein“ auf die göttliche Fürsorge oder Providenz verweist, stützt er sich auf die Verkündigung Jesu (vgl. Lk 12,24): „Solt euch Gott hülff versagen | der speist die Raben klein?“79 Daneben wird auch die innere Entwicklung der Kinder, ihre Erziehung und Rechtgläubigkeit

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Vgl. Heermann, Lasset ab, ihr meine Lieben (Str. 11,3–6): „Der die Thränen pflegt zu zehlen, | Dem sein Hertz für Liebe brennt. | Der wird euch in ewrem Leid | Trösten […]“; Hunold, Nichts betrübter ist auf Erden (Str. 5,1–4): „Zwar der armen Witwen Threnen | Fliessen wohl von Backen loß; | Aber ihre Seufftzer dehnen | Sich an GOTTES Sternen Schloß“; diese Tränen rühren aber dem Kontext zufolge von dem Unrecht her, das den Witwen widerfährt. Heermann, Der Tod klopft itzund bei mir an (Str. 5,10; 6,1f). Schein, Mit Freuden fahr ich hin zu Gott (Str. 9): „Wolan mein liebes Weib vnd Kind / | Ich bfehl euch Gottes Güt / :/: | Ob man euch schon gar wenig günnt / | Wolt ihr verzagen nit: | Es wird euch nicht vergessen | Der fromm getrewe Gott / | Vnd euch dennoch zumessen | Auch ewer Stücklein Brodt.“ Heermann, Der Tod klopft itzund bei mir an (Str. 8,1f.6f). Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Str. 8,3f).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Gott anheimgestellt.80 Immer wieder mischen sich in den Trost der göttlichen Fürsorge für Witwen und Waisen auch mahnende Töne.81 JHWH wird oft als derjenige angesprochen, der Witwen und Waisen erhält (Ps 146,9) und ihr Recht einfordert (Dtn 10,48; 27,19). Entsprechend gilt er dem Sterbelied als ‚der Witwen Richter‘, der ihnen Recht schafft und den der sterbende Ehemann bei seiner Frau ‚lässt‘, so Heermann und Omeis.82 Die Unterdrückung der Witwen und Waisen durch böse Menschen schreit zu Gott und fordert sein rettendes Eingreifen heraus.83 Bei Dach lautet die Verheißung: „Gott ist der Witwen Auffenthalt, | Der Waisen Schirm und Schatten“84, der Herzogin von Sachsen-Weimar wird die Hoffnung in den Mund gelegt: „O HErr, du bist der Wittwen Gott, | in jhrer Not“85. Als Vater tritt Gott anstelle des Verstorbenen quasi in die Familie ein: „Fromer Widwen vnd Waisen | ist er der Vater trew“86. Zumeist ist es die Rolle als „Waisen=Vatter“87 (vgl. Ps 68,6), die Gott aufgrund ihrer Übereinstimmung mit der trinitarischen Person zugewiesen wird. Gottes „vaterhertz“ werden die Kinder anbefohlen,88 Gott selbst in die Rolle des Vaters eingesetzt: „Biß Vater selbst“89; „der wol hinfort jr Vater sein“90 usw.; auch als „Vormünd“ kann er installiert werden.91 Seltener wird Gott der verlassenen Ehefrau ausdrücklich als „Mann“ empfohlen.92 Gelegentlich kann er sogar die Stelle der Mutter einnehmen. So tröstet Simon Dach den Witwer Sigismund Scharff, der sich nach dem Tod seiner Frau um das

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Vgl. Heermann, Es nahet sich zum Ende (Str. 6,1–3): „Führ auch der Kinder Hertzen, | Daß sie ja nicht verschertzen | Ihr Heyl durch Ketzer=Gifft“. Vgl. Hunold, Nichts betrübter ist auf Erden (Str. 8): „Wenn sie bleiben in den Schranken, die GOTT ihnen fürgesetzt, | Vnd von guten nicht abwancken, | Will sie GOTT zu sich zuletzt | Nehmen in die Himmels Lust, | Da das bittre wird versüst, | Da nicht mehr wird wie auff Erden | Witwen Noth gehöret werden.“ Vgl. Heermann, Der Tod klopft itzund bei mir an (Str. 4,1–6): „Indessen laß ich den bey dir, | Der fromme wittwen kennet, | Der für sie sorget für und für, | Wie er sich denn selbst nennet | Der wittwen Richter, der sie schützt, | Wann teuffel, welt und hölle plitzt“; Omeis, Ich hab Bescheid, zu scheiden von der Welt (Str. 8): „Dir, Weib! dieweil der Tod von dir mich reist, | Laß’ ich den Mann, der Witwen Richter heist; | Und findest du kein Recht mehr auf der Erden, | Bleib ihm nur treu! dir wird das Recht schon werden.“ Vgl. Hunold, Nichts betrübter ist auf Erden (Str. 5,3.5f): „ihre Seuffzer […] Schreyen wider diesen Mann, | Der die Witwen ängsten kann […] Dieser ungerechte Mann | Tastet GOTTES Augen an, | Der die armen Wesen drücket | Vnd der Witwen Hertz bestricket.“ Dach, Entschlag dich aller Ding auf Erden (Str. 1,4f); vgl. „Schirm und Schatten“ auch im obigen Zitat von Heermann, Der Tod klopft itzund bei mir an (Str. 2,7). Anon., Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, was widerstrebt (Str. 7,4f). Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Str. 8,5f). Omeis, Ich hab Bescheid, zu scheiden von der Welt (Str. 9,1–3): „Und was wehl’ ich, ihr liebe Kinder! euch? | Den Vatter, der da lebt im Himmelreich | Und selber sich den Waisen=Vatter nennet.“ Vgl. auch Hunold, Nichts betrübter ist auf Erden (Str. 5,6): „Wesen Vater“. Vgl. Heermann, Der Tod klopft itzund bei mir an (Str. 7,5; 8,3); vgl. Heermann, Lasset ab, ihr meine Lieben (Str. 11,1f): „Nun, ich wil Euch dem befehlen, | Der sich ewren Vater nennt“. Suarinus, °Dem großen Gott im Himmelsthron (Str. 24): „Pfleg vnd wart jhr gantz väterlich, | Biß Vater selbst, theil mildiglich | Deinn Segn jhnn mit, vnd laß sie nicht | Mit Schutz, wenn sie die Welt anficht.“ Anon., Mein junges Leben hat ein End (Str. 10,6). Suarinus, °Dem großen Gott im Himmelsthron (Str. 23): „Laß ich gleich nach mir Weib vnd Kind, | Die meine Freud gewesen sind | Auff dieser Welt, so gleub ich doch, | Du werdst ihr Vormünd bleiben hoch.“ Vgl. Heermann, Der Tod klopft itzund bei mir an (Str. 5,1; zit. S. 430); Omeis, Ich hab Bescheid, zu scheiden von der Welt (Str. 8,2; zit. Anm. 82).

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gemeinsame Kind sorgt: „GOtt aber wird schon jhre Stell’ ersetzen | Vnd jhm für Mutter seyn.“93 d) Zum Tod von Kindern Die Beziehung von Eltern und Kindern kann nicht nur durch den Tod eines Elternteils, sondern auch durch den eines Kindes abrupt beendet werden – und dies geschah im untersuchten Zeitraum besonders häufig. Die hohe Kindersterblichkeit spiegelt sich in der großen Zahl der Lieder, die Bezüge zum Tod von Kindern aufweisen. Diese Bezüge sind ganz unterschiedlicher Art, von Aussagen im Text selbst über Angaben zum Entstehungszusammenhang bis hin zum formalen Kriterium der Rubrizierung. Dass sich in vielen Gesangbüchern eigene Rubriken für Kinderbegräbnislieder (‚BKi‘), sonst aber keine spezielleren Begräbnisliederrubriken finden, macht die Sonderstellung dieses Kasus deutlich. Auf die Besonderheiten der Kinderbegräbnislieder wird in den folgenden Abschnitten laufend eingegangen. Verwiesen sei vor allem auf die Abschnitte zur Trauer als Ringen mit Gott bei Schein, das in seinen Kinderbegräbnisliedern besonders hervortritt (vgl. ab S. 441), sowie auf die besonderen Trostgründe, die beim Tod von Kindern angegeben werden (vgl. S. 460; 464). An dieser Stelle soll lediglich ein Überblick über diejenigen der gesammelten Lieder stehen, die sich ihrem Text, ihrer Entstehung oder ihrer Rubrizierung zufolge ausdrücklich auf den Tod von Kindern beziehen; sie werden in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst. Mt 9,23–25 Prudentius Anon. Anon. Michael Weisse Michael Weisse Bartholomäus Frölich Anon. Cornelius Becker Johann Hermann Schein Johann Hermann Schein Johann Hermann Schein Johann Hermann Schein Johann Hermann Schein Johann Hermann Schein Johann Hermann Schein Johann Hermann Schein

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Cum venisset Jesus in domum principis Iam moesta quiesce querela Hört auf, alles Leid, Klag und Sehnen O Traurigkeit, lass sein dein Klag Preis sei dem allmächtigen Gott O Jesu Christe, Gottes Sohn Ein Würmlein bin ich, arm und klein Hie lieg ich armes Würmelein Lasset die Kindlein kommen So fahr ich hin mit Freuden, verlass † Seligkeit, Fried, Freud und Ruh † Ich will still und geduldig sein † Ist denn fürn bittern Tod † Freut euch, ihr lieben Kinderlein Trau deinem lieben Gott Ich heul und wein in meiner großen Not † In Seufzen tief, in Traurigkeit †

(Leipzig 1545) (Frankfurt/O. 1569) (Straßburg 1569) (Jungbunzlau 1531) (Nürnberg 1544) (Leipzig 1587) (Frankfurt/O. 1607) (bei Calvisius 1605) (1619) (1624) (1625) (1626) (1627) (1626) (1627) (1628)

Dach, So gänzlich ist auf nichts allhier zu bauen (Str. 13,1f).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Johann Hermann Schein Johann Hermann Schein Johann Hermann Schein Johann Hermann Schein Anon. Paul Röber Gregorius Richter Johann Heermann Simon Dach Simon Dach Johann Sand Andreas Kesler Michael Schirmer Tobias Michael Tobias Michael Tobias Michael Paul Gerhardt Paul Gerhardt Gottfried Wilhelm Sacer Johann Olearius Johann Olearius Johann Olearius Johann Olearius Johann Rist Johann Quirsfeld Anon.

Herr, Herr, wie lang, wie lang † (1630) Sei gnädig, Herr, sei gnädig, Herr (Leipzig 1645) Mit Lust ein Röselein (Leipzig 1645) Es kränkt ein Vatr- und Mutterherz (Leipzig 1645) Ich war ein kleines Kindlein (Freiberg 1620) Ach wie ein kleinen Augenblick (Altenburg 1627) Lasset ab von euren Tränen (Leipzig 1658) Gottlob, die Stund ist kommen (Bregae [?] 1632) Lass sterben, was bald sterben kann (1641) Gott herrschet und hält bei uns Haus (Königsberg 1641) Und du auch musst hie eben (Königsberg 1645) Als Job, der fromme Gottesknecht (Gotha 1648) Nun lieg ich armes Würmelein (Berlin 1647) Ach wende dich doch, Herr, zu mir (Leipzig 1645) O große Freud und Wonne † (Leipzig 1645) Wo ist denn hin mein Leiden (Leipzig 1645) Mein herzer Vater, weint Ihr noch (Berlin 1650) Du bist zwar mein und bleibest mein (Berlin 1650) So hab ich obgesieget (Stralsund 1665) Eins ist sehr schwer, zwei kränken mehr (Leipzig 1671) Gott gibt, Gott nimmt, was Gott genommen (Leipzig 1671) Was Gott tut, das ist recht und gut (Leipzig 1671) Weil der Erstling Gott gebühret (Leipzig 1671) Ach was ist doch unser Leben* (Nürnberg 1677) Ihr Eltern, gute Nacht (Leipzig 1679) Ich bin von euch geschieden* (Lüneburg 1695)

Dass die im Babstschen Gesangbuch als Nr. 83 aufgeführte Vertonung des lateinischen Textes von Mt 9,23–25 auch für Kinderbegräbnisse bestimmt war, lässt sich aufgrund des Bibeltextes vermuten, der von der Auferweckung der Tochter des Gemeindevorstehers berichtet. Der lateinische Hymnus Iam moesta quiesce querela des Prudentius spricht von den Tränen der Mütter und der Klage um die „pignora“, die Unterpfänder (der Liebe), was die deutschen Fassungen ebenfalls aufgreifen und meist mit „Kinder“ wiedergeben.94 Mit den beiden Liedern von Michael Weisse aus dem Gesangbuch der Böhmischen Brüder (1531) sind die ältesten eigentlichen 94

Vgl. Prudentius, Iam moesta quiesce querela (Str. 1,2): „Lacrimas suspendite matres“; anon., Hört auf, alles Leid, Klag und Sehnen (Str. 1,3): „Niemand kümmer sich vmb sein Kind“; anon., O Traurigkeit, lass sein dein Klag (Str. 1): „O Trawrigkeyt, laß sein dein klag, | keyn Mutter leyd im hertzen trag, | Keyner bewein sein Kinder kleyn, | die nach dem Tod im Leben sein.“ Ähnlich Cronach, °Was hilft uns Trauren und Zagen (Str. 1). Birken, Was soll dies zage Klagen sein* gibt „pignora“ allgemeiner wieder (Str. 1,3): „Kein Mensch seufftz ob der seinen Tod“.

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VII. Abschied und Trauer

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Kinderbegräbnislieder im untersuchten Material genannt; freilich taucht nur O Jesu Christe, Gottes Sohn in den Gesangbüchern der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts noch auf.95 Die beiden folgenden Lieder (Ein Würmlein bin ich, arm und klein; Hie lieg ich armes Würmelein) sind nur vereinzelt als Kinderbegräbnislieder rubriziert;96 das dem Toten beigegebene Epitheton „Würmlein“ hat diese Deutung sicher begünstigt (vgl. auch Michael Schirmers jüngeres Lied Nun lieg ich armes Würmelein, das durch die Anrede der Eltern eindeutig dem Tod eines Kindes zuzuordnen ist). Beckers Lasset die Kindlein kommen,97 nach der Kindersegnung Mt 19,14par gestaltet, wird auch als Tauflied verwendet (S-1676/78). Von den zwölf aus Scheins Feder stammenden Liedtexten für Kinderbegräbnisse aus seinem Cantional sind sieben für seine eigenen Kinder bestimmt (in der Übersicht gekennzeichnet durch †, Datierung nach Reckziegel S. 198f); auch die anderen fünf sind durch Akrosticha personalisiert.98 Typisch für Schein ist die Bezeichnung des verstorbenen Kindes als „Röslein“ oder „Röselein“. Auch von Scheins Nachfolger Tobias Michael finden sich in der Cantional-Ausgabe von 1645 drei Kinderbegräbnislieder.99 Aus den Threnodiae von Demantius (1620) stammt das anonyme Lied Ich war ein kleines Kindlein. Paul Röbers Ach wie ein kleinen Augenblick, das die Vergänglichkeit der Schönheit besingt (vgl. S. 194), steht in nur einem der Gesangbücher (N-1677) unter der Rubrik „Bey Begräbnissen junger Personen und kleiner Kinder“; das Thema „Schönheit“ legt nahe, dass damit wohl eher die etwas ältere, ‚erblühte‘ Jugend gemeint ist als die kleinen Kinder. Ähnliches gilt für Gregorius Richters Lasset ab von euren Tränen, das gleichfalls nur in N-1677 derselben Rubrik zugeordnet ist;100 das Rist zugeschriebene Ach was ist doch unser Leben* taucht überhaupt nur dort auf und bietet im Text nur einen vagen Hinweis auf einen ‚zeitigen‘ Tod.101 Heermanns 95 96

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N-1599/1617/26/37; Lü-1625; D-1625/56. Frölich, Ein Würmlein bin ich, arm und klein: BKi in B-1658/66; N-1677/90; anon., Hie lieg ich armes Würmelein: BKi in D-1625. Reckziegel, Cantional, 196 nennt die Ausgabe der Kirchengesänge von Seth Calvisius aus dem Jahr 1605 als ältesten Beleg; bei Wackernagel sind die Geistlichen Lieder und Psalmen (Erfurt 1611) angegeben. Kinderbegräbnissen zuzuordnen sind aufgrund der Überschrift die Lieder Freut euch, ihr lieben Kinderlein („bey Begräbnis kleiner Kinderlein“) und Trau deinem lieben Gott (dito), aufgrund des Textes die Lieder Sei gnädig, Herr, sei gnädig Herr (Str. 8,1: „So fahr nun hin mein liebes Kind!“), Mit Lust ein Röselein (Str. 3–4, etwa Str. 4,3–7: „Bald kömmt die heisse Sonn / | Versteh den Todt / gegangen / | Der schonet nicht / | Das Kindlein sticht / | Wenns nur zur Welt geboren“ usw.), Es kränkt ein Vatr- und Mutterherz (Str. 1). Vielleicht ist das Lied Sei gnädig, Herr einem weiteren Todesfall unter Scheins Kindern gewidmet. Zwar fehlt im Gegensatz zu den anderen Liedern ein ausdrücklicher Hinweis; aber zwei früher verstorbene Kinder Scheins trugen ebenfalls den Namen Susanna (Akrostichon hier: „Susanna S.“), und die verzweifelten Fragen des Ich ähneln denen in den anderen Texten, die Schein seinen eigenen Kindern gewidmet hat (vgl. dazu unten ab S. 441). Die Angaben im Cantional verraten, dass es sich in einem Fall (O große Freud und Wonne) um eine Arbeit für einen Trauerfall in der eigenen Familie, in den anderen beiden um Arbeiten für Auftraggeber handelt. Vgl. Richter, Lasset ab von euren Tränen (Str. 8,1–4): „Wol dem, der in seiner Jugend, | In des zarten Alters Blüth, | Jung von Jahren, alt von Tugend, | Seines Jammers Ende sieht“, vgl. auch Str. 2. Vgl. Rist, Ach was ist doch unser Leben* (Str. 7).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Gottlob, die Stund ist kommen ist dem Sohn des Breslauer Buchhändlers David Müller gewidmet, der als Ich die trauernden Eltern direkt anspricht.102 Von den beiden Dach-Liedern, die ursprünglich einem Kind zugeeignet sind, enthält nur Lass sterben, was bald sterben kann auch im Text entsprechende Hinweise.103 Das Vorbild Hiobs wird in Keslers Als Job, der fromme Gottesknecht beschworen. Von Paul Gerhardt finden sich zwei Kinderbegräbnislieder im untersuchten Material; daneben sind aus Einzeldrucken drei weitere bekannt.104 Sacers So hab ich obgesieget hat keine BKiRubrizierung, redet aber die Eltern an und weist für den Tod von Kindern typische Troststrategien auf (vgl. S. 461; S. 467).105 An die Eltern gerichtet ist auch Quirsfelds Ihr Eltern, gute Nacht, das – ebenso wie die beiden letztgenannten anonymen Lieder – nur im Lüneburgischen Gesangbuch enthalten ist. Aus Johann Olearius’ siebenteiligem Liedzyklus „Absonderlicher Trost der Eltern“, der verschiedene Kasus unterscheidet, darin aber immer wieder ähnliche Motive und Formulierungen wiederholt, sind vier Lieder in L-1673 und damit in der gesammelten Textauswahl enthalten. Johann Olearius, „Absonderlicher Trost der Eltern“, in: ders., Geistliche Singe=Kunst (Leipzig 1671), Nr. 1198–1205 Nr. Titel

Incipit

1198 „I. Wenn Kinder sterben ehe sie zur Welt gebohren worden.“ 1199 „II. Wenn erstgebohrne Kinder sterben.“ 1200 „III. Wenn GOtt ein einig Kind weg nimmt.“ 1201 „IV. Wenn GOtt ein wolgerathen Kind wegnimmt.“ 1202 „V. Wen[n] ein Sohn / so andern heraus helffen wollen / selbst im Wasser umbkommen.“ 1203 „VI. Wenn unterschiedliche Kinder / zwey oder drey zugleich sterben.“ 1204 „VII. Wenn GOtt alle Kinder dahin nim[m]t. Auß Hiobs Worten c. 1. Der HErr hats gegeben / der HErr hats genommen.“

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Gott gibt, Gott nimmt, was Gott genommen Weil der Erstling Gott gebühret °Weil mir mein Gott, der alles gibt Was Gott tut, das ist recht und gut in allen Sachen °Der Sohn, dein Sohn ist tot, durchs Wasser hingenommen Eins ist sehr schwer, zwei kränken mehr °Was Gott tut, das ist gut, Gott nimmt, was er gegeben

L-1673 X X – X –

X –

Vgl. FT I 364.; Heermann, Gottlob, die Stund ist kommen (Str. 1,4): „Ihr Eltern dürfft nicht klagen“. Vgl. Dach, Lass sterben, was bald sterben kann (Str. 3,5; 4,1f): „Wer zeitig stirbt, hat minder Noht […] Sein unbeflecktes Vnschuld=Kleid | Wird dort jhn hoch erheben“ usw.; für den 1641 sechsjährig verstorbenen Sigismund von Brandt (vgl. SDG III 58.). Vgl. Gerhardt, °Leid ist mir’s in meinem Herzen (1659); °Liebes Kind, wenn ich bei mir (1660); °Weint, und weint gleichwohl nicht zu sehr (1667); diese nur in Einzeldrucken überlieferten Lieder (Texte im Anhang zur Faksimileausgabe der Geistlichen Andachten, 18.19.21) sind allesamt bestimmten Kindern gewidmet (Elisabeth Heintzelman; Friederich Ludowig Zarlange; Margritgen Zarlange). In Lü-1695/1702 steht eine verkürzte Textvariante mit dem Anfang Nun hab ich obgesieget.

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Zahlreiche weitere Kinderbegräbnislieder sind u. a. bei Fischer/Tümpel zu finden.106

4. Trauer und Klage Der Trauer über den Verlust eines nahen Angehörigen allzu viel Raum zu geben, galt den lutherischen Zeitgenossen des 17. Jahrhunderts als verpönt. Wesentlich häufiger und vielfältiger als der Ausdruck der Trauer sind daher die Aufforderungen, das Trauern einzustellen, und vor allem die dazu bereitgestellten Begründungen; sie sind theologisch vor allem in der Auferstehungshoffnung zu finden, aber auch in der Souveränität und der Providenz Gottes. Trost und nicht Trauer ist es, was die Begräbnislieder in der Regel zum Ausdruck bringen und was sie auch bei ihren Rezipienten – Lesern, Hörern und Ausführenden – bewirken sollen (vgl. ab S. 447). Mit diesen Anmerkungen ist nicht gesagt, dass die Totenklage nicht doch ihren Platz gefunden hätte. Eine maßvolle Trauer um die Toten hält Hutter für erlaubt und mit Sir 38,16 auch für geboten.107 Im Lied fährt der Schmerz dem Trauernden wie ein „scharffes Schwerdt“108 durch die Seele; sein „Hertz im Leibe bricht“109. Die ausdrückliche Bezugnahme auf die Person des Verstorbenen und seine Beziehung zu den Hinterbliebenen hat sich im 17. Jahrhundert vermehrt herausgebildet. Dabei überschreitet die Trauer bisweilen den Rahmen des von Hutter geforderten Maßes. Das Nichtakzeptieren des Verlustes reicht bei Georg Grünewald bis zu dem Wunsch, den verstorbenen und beerdigten Vater wieder auszugraben.110 Schein schreibt in einem Liedtext zum Tod seines Sohnes Johannes Zacharias in Anspielung auf seine Profession: 3. Nun / Herr / was soll ich machen draus? Dir hats also gefallen / :/: Nicht mehr / wie vor / in meinem Haus Die Frewden=Lieder schallen : Mein Harffe werth Ist gantz verkehrt In eitel klagen weynen / 106

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Vgl. Schererz, °Soll denn so klein das Schifflein mein (Lüneburg [?] 1628); Niedling, °Zieht hin, ihr lieben Kinder, zieht; Hildebrandt, °Zeuch hin, mein liebes Kind (Leipzig 1656); Ortlob, °Gute Nacht, mein Fleisch und Blut (Brieg 1730) usw. Die Liedern von Niedling und Hildebrandt basieren auf derselben Bibelstelle Bar 4,19f („Zieht hin, liebe Kinder, zieht hin! Ich aber bin verlassen und einsam. Ich habe mein Freudenkleid ausgezogen und das Trauerkleid angezogen; ich will zu dem Ewigen schreien, solange ich lebe“). Vgl. Hutter, Comp. 29,9: „Licetné lugere mortuos? Licet quidem, sed ita, ut modus in luctu observetur.“ Es folgen das Zitat von Sir 38,16 und biblische Beispiele der Totenklage, etwa um Sara, Jakob, Mose, Aaron und Lazarus. Heermann, Ach Gott, ich muss in Traurigkeit (Str. 4,1f): „Fürwar mir geht ein scharffes Schwerdt | Jetzund durch meine Seele“. Vgl. Schein, Ist denn fürn bittern Tod (Str. 4): „Ach Herr / wie daß du denn | Mich hast erhöret nicht? :/: | Vnd ich so muß ansehn / | (Mein Hertz im Leibe bricht:) | Daß abrmal mir der Todt abhäwt | Ein Röselein / welchs mich erfrewt?“ Vgl. Grünewald, Es woll ihm Gott genädig sein (Str. 5,5f): „Wenn es mir von Gott müglich wer, | Ich wolt jhn scharren auß der Erd.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt Der Pfeiffen Hall vnd Music=Schall In lauter Seufftzen / Greinen.111

Angesichts der Vorbehalte gegenüber der Totenklage ist die Massivität dieser Klage sehr ungewöhnlich. Die Musik ist verstummt, zu hören sind nur noch Klagen, Weinen, Seufzen, Greinen. Die Aufzählung dieser und ähnlicher Verben findet sich ansonsten häufig im Zusammenhang mit der Aufforderung, das Trauern einzustellen.112 Durch die Lokalisierung sowohl der Musik als auch der Klage „in meinem Haus“ wird auf den privat-familiären Kontext des Autors und Komponisten angespielt, der in der Überschrift im Cantional als ‚Pater ipse‘ auftaucht und sich damit selbst als Ich in den Text einträgt.113 Trauer und Weinen werden als allgemein menschliche Äußerung, Leid als menschliche Grunderfahrung verstanden (vgl. S. 184): Das Weinen rahmt und begleitet menschliches Leben von der Wiege bis zur Bahre,114 so lautet die teils ernüchterte, teils bittere Feststellung. Doch trotz Bitterkeit und Ernüchterung und auch trotz Kritik an der übermäßigen Trauer als Widerspruch zur christlichen Hoffnung wird die Berechtigung der Trauer bisweilen ausdrücklich hervorgehoben. „Ihr weinet recht: Wen das nicht wolt erbarmen | Der wär ein Stock vnd Bley“115, bestärkt Simon Dach den frisch verwitweten Sigismund Scharff in seiner Trauer. Von den Angehörigen wird die Klage erwartet und gefordert, um nicht als herzlos und versteinert zu gelten. Das Trauerritual gilt als Ausdruck der Liebe zum Verstorbenen, nach reformatorischem Verständnis freilich gerade nicht mehr zur Linderung seines postmortalen Leides mittels Fürbitten, sondern zum Trost der Hinterbliebenen. Eine Liedstrophe von Paul Gerhardt bringt allerdings den Gedanken zum Ausdruck, dass das Werk der Liebe am Verstorbenen ebenso wie die vorangegangene Fürsorge für den Kranken den Angehörigen im Himmel zugute kommt: 9. Da wil ich eure Treu und Müh Vnd was ihr eurem Krancken Erwiesen habt / im Himmel hie / So bald ihr kommt / verdancken. Ich will erzehlen wie ihr habt Euch selbst betrüb’t und mich gelab’t / Vor Christo und vor allen: Vnd vor den heissen Thränen=Fluß 111 112

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115

Schein, In Seufzen tief, in Traurigkeit (Str. 3). Vgl. Ringwaldt, Geliebten Freund, was tut ihr so verzagen (Str. 1,1f): „GEliebten Freundt, was thut jr so verzagen | mit vielen seufftzen, heulen vn[d] wehklagen?“ Schein, Klagen, Trauren, Weinen (Str. 1,1–3): „Clage[n] / trauren / weine[n] / | seufftze[n] / heule[n] / greine[n] | Ist vmbsonst / ach stellt es ein!“ u.v.a. „In praematurum obitum Puelli elegantiss. Johannis-Zachariae ScheinI, à Patre ipso compos. à 5.“ Anon., Ich weiß ein ewiges Himmelreich (Str. 7): „Weinen war meine erste Stimm, | mit Weinen ward ich geboren, | Mit Weinen tregt man mich wider hin, | den Würmen zur Speise erkohren.“ Vgl. dagegen Schirmer, Nun lieg ich armes Würmelein (Str. 5): „Mit weynen war ich erst geborn, | Zum jauchtzen bin ich nu erkorn. | Ich singe mit der Engelschaar | Das ewig=newe JubelJahr.“ Dach, So gänzlich ist auf nichts allhier zu bauen (für einen Witwer; Str. 7,1f).

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VII. Abschied und Trauer

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Wil ich mit mehr als einem Kuß Vmb euren Hals euch fallen.116

Der Verstorbene selbst will sich – was ihm auf Erden nicht mehr möglich war – im Himmel für die erwiesene Liebe dankbar und erkenntlich zeigen und zum Ruhm der Angehörigen davon „erzehlen“. Darin mag eine späte, sehr abgeschwächte Nachwirkung von Vorstellungen wie der himmlischen Fürsprache durch Heilige und des himmlischen Lohnes für die guten Werke zu sehen sein, die hier freilich ganz ‚privatisiert‘, auf die innerfamiliären Bindungen übertragen sind. Als teils öffentlicher, teils privater Ausdruck der Liebe zum Verstorbenen kann auch der Topos des Lobes gelten, das ihm und seinem Wandel im Lied zuteil wird. Einige Aspekte dazu werden im folgenden Abschnitt genannt. Von theologischem Interesse ist eine bestimmte literarische Tradition im Umgang mit der Trauer, die sich im 17. Jahrhundert verstärkt bemerkbar macht: eine Haltung des Haderns und Ringens mit Gott, bei der Hiob Pate gestanden haben mag und die mit der geforderten Mäßigung der Trauer nicht recht zusammenstimmt. Diesem Thema wird sich der darauf folgende Abschnitt widmen. a) Das Lob des Verstorbenen und seines Lebens In Epicedien (Trauergedichten) steht das Lob des Verstorbenen ganz im Zentrum.117 In den Texten der untersuchten geistlichen Lieder spielt es – insbesondere dort, wo es sich ursprünglich um Gelegenheitsdichtungen handelt – ebenfalls eine gewisse Rolle, insgesamt allerdings eher eine untergeordnete. Die Texte der geistlichen Liedern bedienen sich oft auch hierbei biblischer Sprache. Einige klassische Formulierungen finden sich etwa in einem Vers aus dem Jesajabuch, den das Babstsche Gesangbuch in einem lateinischen Begräbnisgesang verwendet (nach Jes 57,1f): Ecce quomodo moritur iustus, & nemo percipit corde, uiri iusti colliguntur, & nemo considerat, Ante faciem calamitatis colligitur iustus. | Intrat in pacem & quiescit in cubili suo, qui recte ambulauit.118

Die allgemein-exemplarische Aussage über das Schicksal des Gerechten nach seinem Tod wird durch ihre Verwendung als Begräbnisgesang zu einer Aussage über den jeweils Verstorbenen: Er ist selbst ein Gerechter, dessen Wandel als untadelig gerühmt wird („qui recte ambulauit“) und dessen Weggang zu beklagen ist. Die Klage gilt hier insbesondere der Achtlosigkeit in der Umwelt des Verstorbenen, die diesen Weggang nicht zur Kenntnis nimmt („nemo percipit corde“, „nemo considerat“) – dabei wäre genau das des Gerechten würdig und angemessen, um sein Andenken zu ehren. Um 116 117

118

Gerhardt, Mein herzer Vater, weint Ihr noch (Str. 9). Vgl. die von Krummacher, Epicedium, 95f zusammengestellten Belege aus poetologischen Werken des 17. Jahrhunderts, in denen das dreiteilige Schema von Lob, Klage und Trost erkennbar wird. Ecce quomodo moritur iustus (Babst Nr. 82), vgl. Variationen desselben Verses als Begräbnisgesänge auch in L-1616, L-1638, Go-1648 (in einem vierstimmigen Satz von Jacob Gallus) sowie auf Deutsch in Luthers Grabspruchsammlung (bei Babst fol. Z 8r).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

einen Verstorbenen zu trauern, bedeutet in der Tradition der Totenklage auch, ihn zu würdigen, ihm ein ehrendes Andenken zuteil werden zu lassen, die Trauer als Werk der Liebe zu erweisen, indem der Tote gerühmt und gepriesen wird. Dabei ist es aufschlussreich für die jeweilige Zeit, welche Werte es sind, die beim Lob des Verstorbenen hervorgehoben werden. Es war bereits davon die Rede, wie im 17. Jahrhundert die Gestaltung der privaten Beziehung von Eheleuten ins Zentrum der Betrachtung rückt, wie in der angedeuteten intimen Nähe des häuslichen Umfelds „Lieb“, „Trew“ und „Freundligkeit“ des Gatten gezeigt werden (vgl. S. 427). Galt die Stilisierung hierbei vorrangig der Beziehung, so gilt sie häufig auch der Person des Verstorbenen. Im Personalteil der Leichenpredigt, in Abdankungsreden, in Epicedien und Widmungsgedichten, wie sie sich in den Funeraldrucken zahlreich finden, hatte dieses Lob eher seinen Ort als in den untersuchten Sterbeliedern der Gesangbücher. Gewisse Muster lassen sich aber auch in den Liedern erkennen. Die Züge, die dabei zu Tage treten, sind indes keineswegs individuell, sondern stark typisiert. Manche Züge wirken etwas weniger stereotyp als andere, etwa „Des Leibes Pracht“ einer Verstorbenen bei Dach119 oder die Wissbegier eines Knaben bei Paul Gerhardt: „Viel zu lernen, viel zu wissen | Wahr dein edler Geist geflissen.“120 Wie ein Gemeinplatz wirkt dagegen die an beiden gerühmte „Tugend“. Weitere Maßstäbe für das Lob sind ein ethisch richtiger Wandel sowie Gottesfurcht und Frömmigkeit, die Liebe zu Gottes Wort121 usw. Die beiden Aspekte des richtigen Verhaltens gegenüber der Welt und gegenüber Gott fasst Johann Heermanns Lasset ab, ihr meine Lieben in diese beiden Strophen: 4. Richtig hab ich stets gewandelt, Diß Lob jederman mir gibt, Redlich für der Welt gehandelt, Niemals Heucheley geliebt. Ja war Ja bey mir, Nein Nein; Mund vnd Hertze stimmten ein. Das Recht hab ich nicht gebeuget, Wie es mein Gewissen zeuget. 5. GOttes Wort vnd reine Schrifften Liebt ich vber alles Gold. Durch nichts ließ ich mich vergifften, Was damit nicht stimmen wolt. Eigner Witz vnd Menschentand 119

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Dach, So gänzlich ist auf nichts allhier zu bauen (Str. 6,1–4): „Des Leibes Pracht? | Wer sah’ an jhr wol Tadel? | Der güldnen Tugend Zier, | Der Vnschuld Lob, der Menschen bester Adel?“ Gerhardt, °Liebes Kind, wenn ich bei mir (für Friedrich Ludwig Zarlange; Str. 3–4): „Dein Gebehrde, dein Gesicht | Und der beyden Augen liecht | Wahr in Tugend gantz verhüllet | Und mit guter Zucht erfüllet. || Deine Liebe, deine Gunst | Ging und hing nach lauter Kunst, | Viel zu lernen, viel zu wissen | Wahr dein edler Geist geflissen.“ Vgl. Grünewald, Es woll ihm Gott genädig sein (auf das Begräbnis des Vaters; Str. 2,1–4): „Nach Gottes Wort biß an sein end | Hatt er stättigs verlangen, | Darnach das heylig Sacrament | Offtmals vnd recht empfangen.“

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VII. Abschied und Trauer

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Helt in Noth vnd Tod nicht Stand. Christi Wort für allen Dingen Kan in Angst Erquickung bringen.122

Der Verweis auf die Reinheit des Gewissens123 dient ebenso wie die Beteuerung seiner Frömmigkeit nicht nur dazu, das Leben des Verstorbenen zu rühmen, sondern auch zur Beschwichtigung der Sorge um sein postmortales Ergehen. Dass das „Lob“ hier und in vielen anderen Fällen aus dem Munde des Verstorbenen selbst kommt – bei Heermann ursprünglich des adligen Herrn Adam von Kroschnitzki –, unterstreicht einmal mehr den nachträglich zugeschriebenen, künstlichen Charakter der Ichform (vgl. S. 421). Besonders geeignet, um den frommen Wandel eines Toten zu rühmen, ist die Stilisierung seines Lebenslaufes als Kampf des Miles christianus nach 2Tim 4,7f (vgl. S. 223): „Ich hab mit Gott gekämpffet | Gar einen guten Streit“124, lässt Schein seine verstorbene Frau rekapitulieren. Die meisten der oben genannten Anspielungen auf diese Stelle dürften einem solchen Kontext post mortem entstammen. Als letzter Schritt gehört zum frommen Wandel natürlich das ‚selige Ende‘, das dem Verstorbenen ebenfalls nachträglich zugeschrieben werden muss: „Ihm hab ich glebt, hertzlich vertrawt, | Mit Hoffnung fest auff jhn gebawt: | Ihm bin ich selig gstorben.“125 b) Trauer als Ringen des Ich mit Gott und mit sich selbst Scheinbar in krassem Widerspruch zu der nachfolgend noch zu behandelnden notorischen Aufforderung, über einen persönlichen Verlust nicht oder nicht zu sehr zu trauern (vgl. S. 447), steht die Haltung des trauernden Ringens mit Gott angesichts dieses Verlustes. In der Sprache der Klagepsalmen sucht das Ich die Auseinandersetzung und fordert die von Gott verheißene Zuwendung ein, die es durch die erlittene Verlusterfahrung grundsätzlich in Frage gestellt sieht. In den älteren Liedern wird diese Antithese noch kaum thematisiert, jedenfalls nicht anhand der Erfahrung des Verlustes einer Einzelperson. Seit der Zeit und den Liedern Johann Hermann Scheins hingegen ist eine solche Erfahrung häufiger Anlass zu einer individuellen, mit heftigen Affekten versehenen Klage bei Gott. Insbesondere in Kinderbegräbnisliedern kommt es nun verstärkt zu einer ringenden Auseinandersetzung mit ihm. Schein selbst, der sieben seiner eigenen Kinder begraben musste und dazu jeweils Begräbnisgesänge gedichtet und komponiert hat, bietet für diese Haltung besonders viele und reiche Beispiele. Das impliziert letztlich eine literarisch-musikalische Selbstdeutung Scheins als eine Art Hiobfigur.

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Heermann, Lasset ab, ihr meine Lieben (Str. 4–5). Vgl. Schein, Sei fröhlich, meine Seele (Str. 6,5–10): „Ich hab ein gut Gewissen / | Mich allezeit beflissen | Der liebn Auffrichtigkeit / | Niemand mit Willn betrogen / | Meinn Nechsten nicht belogen / | Drumb leb ich nun in Frewd“; Schein, Nun scheid ich ab in Fröhlichkeit (Str. 2,1–4): „Ich hab mein Gwissen wol verwahrt / | Gehalten Glauben rein / :/: | Ob mir der Sathan noch so hart | Thet widersetzig seyn“. Schein, Sei fröhlich, meine Seele (Str. 6,1f). Anon., Hie lieg ich in der Erden Schoß (Str. 2,5–7). Grünewald, Es woll ihm Gott genädig sein (Str. 2,5f), berichtet: „Endlich ist er wie Simeon | Mit Frid vnd Freud allhie davon“ usw.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Dass Gott sich verborgen, den Menschen verlassen, seiner vergessen hat, sind biblische Deutungen des Leides insbesondere aus den Klagepsalmen (Ps 13; Ps 22), die in Jesu letztem Wort bei Mt eine prominente neutestamentliche Nachwirkung gefunden haben (Mt 27,46). Diese Deutung der Abwesenheit Gottes wird nun auf den konkreten Verlust eines bestimmten Menschen ausdrücklich angewandt. Ein in der Barockdichtung häufig rezipierter Bezugstext für die Klage des Gottverlassenen ist neben den Klagepsalmen die Klage Zions aus Jes 49,14–16. Dieser Bibeltext, der in JHWHs Antwort auf die Klage zugleich einen wichtigen Trost enthält (vgl. S. 462), wird in D-1656 ohne Melodie als Begräbnisgesang abgedruckt;126 zudem liegt er einem der bekanntesten und beliebtesten Lieder Johann Heermanns zugrunde, Zion klagt mit Angst und Schmerzen, das zwar ursprünglich kein Begräbnislied ist, aber dennoch verschiedentlich in diese Rubrik aufgenommen wurde (D-1676/78; S-1691). Das Verlassen- und Vergessenwerden durch Gott steht in der Klage der Stadt Zion ganz im Zentrum – und in diese Klage können und sollen auch diejenigen einstimmen, die einen Angehörigen betrauern: 1. ZIon klagt mit Angst vnd Schmertzen, Zion, GOttes werthe Stadt, Die er trägt in seinem Hertzen, Die er jhm erwehlet hat. Ach, spricht sie, wie hat mein GOtt Mich verlassen in der Noth Vnd lest mich so harte pressen! Meiner hat er gantz vergessen.127

Bei Schein begegnet die Kategorie des verborgenen Gottes, der den Menschen vergessen hat, dann schon im Entstehungszusammenhang der Trauer um Verstorbene. „Ach daß du doch so gar | Verbirgst dein Antlitz klar!“128 ruft das Ich im Trauerlied um Scheins Tochter Johanna Susanna aus, und das Lied um den Sohn Hieronymus greift Ps 13,2 auf: „HErr / Herr / wie lang / wie lang | vergistu mein / | lesst mich allein / | machst mir so angst vnd bang?“129 Angesichts des leidvollen Verlustes wird auch die Frage laut: „Wo bistu denn mein Gott?“130, oder doch: „Wo ist dein Vater=Hertz.“131 Das von Schein beschworene „Vater=Hertz“ Gottes verkörpert seinen Heilswillen, wie er in der Zuwendung zu seinen ‚Kindern‘ offenbar wird – nicht aber in der aktuellen Erfahrung des Ich, dessen eigenes „Vater=Hertz“ durch den Verlust seiner 126

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„ZIon spricht / der HErr hat mich verlassen / der HErr hat mein vergessen. Kan auch ein leiblich Mutter ihres Kindes / Kindes vergessen / daß sie sich nicht erbarme / über den Sohn ihres Leibes / und ob sie schon desselben ihres Kindes / Kindes vergesse / so wil ich doch dein nicht vergessen / sihe / in meine Hände :/: hab ich dich gezeichnet.“ Heermann, Zion klagt mit Angst und Schmerzen (Str. 1). Schein, Ich heul und wein in meiner großen Not (Str. 1,5f). Schein, Herr, Herr, wie lang, wie lang (Str. 1,1–4). Schein, Ich heul und wein in meiner großen Not (Str. 1,4). Schein, Ich heul und wein in meiner großen Not (Str. 1,8); vgl. Schein, Sei gnädig, Herr, sei gnädig, Herr (Str. 1,3–5): „Ach wie trittstu von mir so ferr / | Verbirgest deine Gnad / | Wo ist dein liebes Vater=Hertz?“

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VII. Abschied und Trauer

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Kinder gebrochen scheint. Schein baut mit den literarischen Mitteln des Klagepsalms eine extreme Spannung zwischen Verheißung und Erfahrung auf, die in der Auseinandersetzung mit Gott als dem Adressaten der Klage zunächst gerade nicht ausgeglichen, sondern noch besonders betont und gesteigert wird. Mit den erlittenen Schicksalsschlägen steht für das Ich die zugesagte „Gnad“ Gottes grundsätzlich in Frage: „Ist denn gar aus dein Gnad[?]“132 An seine Heilszusage wird Gott nicht nur erinnert, sondern ihre Einhaltung wird regelrecht eingeklagt. Während Heermanns Zion in seiner „Trawrigkeit“ an Gottes versprochenem „Beystand“ zu verzweifeln droht,133 wird bei Schein insbesondere die Zusage der Erhörung fragwürdig. Der Widerspruch dieser Zusage zum eigenen Schicksal erscheint dem Ich und, so darf vermutet werden, wohl auch dem Autor selbst besonders eklatant: 2. Hast du denn gantz vnnd gar Vergessen deine Gnad / :/: Auff die du vns so klar Heist hoffen früh vnd spat? Du sprichst ja: Ruffe mich nur an In Noth / ich wil dich nicht verlan. 3. Nun hab ich in der Noth / Daß mir mein Hertze pufft :/: Nach dir, o frommer Gott / So sehniglich gerufft: Gleich wie ein Hirschlein müd vnd matt Nach frischem Wassr verlangen hat. 4. Ach Herr / wie daß du denn Mich hast erhöret nicht? :/: Vnd ich so muß ansehn / (Mein Hertz im Leibe bricht:) Daß abrmal mir der Todt abhäwt Ein Röselein / welchs mich erfrewt?134

Immer wieder folgt Schein im Ringen des Ich mit der göttlichen Zusage einem ähnlichen Schema: Gottes Aufforderung, ihn anzurufen, und seine Erhörungszusage werden im Wortlaut wiedergegeben (vgl. Ps 91,15);135 mit dem wörtlichen Zitat pocht das Ich aus der Sprechsituation der enttäuschten Hoffnung heraus auf die Verlässlichkeit und Einhaltung des göttlichen Versprechens. Darauf folgt der Be132 133

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Schein, Herr, Herr, wie lang, wie lang (Str. 1,5). Vgl. Heermann, Zion klagt mit Angst und Schmerzen (Str. 2,1–4): „Der GOtt, der mir hat versprochen | Seinen Beystand jederzeit, | Der lest sich vergebens suchen | Jetzt in meiner Trawrigkeit.“ Schein, Ist denn fürn bittern Tod (Str. 2–4). Vgl. Schein, Ich heul und wein in meiner großen Not (Str. 3,1–6): „Hast du denn heut | Vergessen dein Zusag? | Ruff mir im Leid / | Dein Noth allein mir klag / | So wil ich dich erhörn / | Dafür solst du mich ehrn?“ Schein, Herr, Herr, wie lang, wie lang (Str. 4,1–4): „Ye wo bleibt denn dein Wort: | Anruffe mich / | Ich rette dich / | Das ich so offt gehort?“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

richt vom tatsächlich erfolgten Bittgebet oder von der Anrufung in der Not,136 die dann – so der letzte Schritt – entgegen der Zusage nicht erhört wurden: Ein weiteres Kind („Röselein“) wurde vom Tod hingerafft,137 was den Vater mit der verzweifelten Frage zurücklässt, ob das gemachte Versprechen denn „[v]ergessen“ sei.138 Mehrfach wird zudem die stark ichbezogene Wahrnehmung formuliert, dass das Ich in seiner Gottverlassenheit nicht nur ganz allein auf sich gestellt, sondern darin auch noch der einzig und am schwersten Betroffene von allen Menschen sei: „Ach wilst du aus der Menschen Schaar | Mich denn allein betrüben?“139, eine Frage, deren Ichzentriertheit dann wieder durch allgemein menschliche Beobachtungen relativiert werden kann.140 In einigen Liedern Scheins klafft der eklatante Widerspruch zwischen Zusage und Erfahrung, ohne dass der Versuch unternommen würde, ihn aufzulösen; einige andere deuten ihn als Folge der Sünde, die Verlusterfahrung mithin als Strafe oder Rute des zürnenden Gottes.141 Anders als der eigene Tod kann der Tod eines Angehörigen, besonders der eines Kindes, demnach auf das eigene Verschulden des Betroffenen zurückgeführt und als Ausdruck des göttlichen Zornes verstanden werden, der zugleich ein Bußruf zur Besserung des Lebens ist. „Wie hab ichs doch | Verschuld so hoch / | Daß ich so werd geschlagen“142, klagt das Ich beim Tod von Scheins Sohn Johannes Zacharias; in einem anderen Kinderbegräbnislied bittet es um Vergebung für die Sünde, „Mit welcher ich | Vielfältiglich | Dein Straffe wol verdient“143. „Daß er genom[m]en hat mein kind / | Han wol verschuldet meine Sünd“144, heißt es auch in dem Lied zum Tod von Scheins Tochter Johanna Judith, das im übrigen eine in Gottes Zorn ergebene Haltung demonstriert: „ICh wil still vnd gedultig seyn / | Des 136

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Vgl. Schein, Ich heul und wein in meiner großen Not (Str. 3,5f): „Nun hab ich g’ruffen dir / | Daß ich verschmachtet schier.“ Schein, In Seufzen tief, in Traurigkeit (Str. 2,5–10): „Hab ich doch stet | Mein Bitt / Gebet | Vor dir recht ausgeschüttet / | Daß Kind vnd Weib / | Mein eigner Leib | Durch dich mög seyn behütet.“ Vgl. Schein, Ich heul und wein in meiner großen Not (Str. 4): „Aber ümbsonst / | Von mir ist / leider ferr / | Dein Hülff vnd Gunst / | O Vater mein vnd HErr! | Vntr [d]es bricht ab der Todt / | Mein liebe Rößlein roth / | Die mir in diesem Lebn | Trost / Frewd vnd Labsal gebn.“ Vgl. Schein, Ist denn fürn bittern Tod (Str. 2,1f; zit. im Text); Schein, Ich heul und wein in meiner großen Not (Str. 3,1f; zit. Anm. 135); Schein, In Seufzen tief, in Traurigkeit (Str. 2,1f): „Hast du denn / Herr / vergessen gar | Barmhertzigkeit zu üben[?]“ Vgl. Schein, In Seufzen tief, in Traurigkeit (Str. 2,3f); vgl. Schein, Herr, Herr, wie lang, wie lang (Str. 3,1–4): „O Herr / bin ich allein | In Sünd geborn / | Zu [l]eidn erkohrn / | Muß so gestraffet seyn? Vgl. Schein, In Seufzen tief, in Traurigkeit (Str. 5,3f): „Allein ich nicht erfahre Leid | Viel tausend Menschen klagen“; vgl. den Trost bei Heermann, Gottlob, die Stund ist kommen (Str. 12): „Ade! Nun seyd gesegnet! | Was jtzund euch begegnet, | Ist andern auch geschehn. | Viel mußens noch erfahren. | Nun! Gott woll euch bewahren; | Dort wollen wir vns wieder sehn.“ Scheins Kinderbegräbnislied Herr, Herr, wie lang, wie lang ist überschrieben mit „Creutz=Ruthe“, vgl. Str. 2,6–8: „Weil deine Ruth / | Mein Frewd vnd Muth | zu Boden nieder schmeist.“ Vgl. Olearius, Weil der Erstling Gott gebühret (Str. 2,2f): „GOttes Ruthe lehrt allein | hoffen und geduldig seyn“. Schein, In Seufzen tief, in Traurigkeit (Str. 1,8–10). Schein, Herr, Herr, wie lang, wie lang (Str. 5,2–4). Scheins Nachfolger Tobias Michael verwendet in einem Kinderbegräbnislied bei der Vergebungsbitte Bußpsalmverse aus Ps 25 und Ps 51, vgl. Michael, Ach wende dich doch, Herr, zu mir (Str. 4,1–6): „Erlaß mir alle meine Schuld / | Vergib mir meine Sünde / | Vnd wende zu mir deine Huld / | Dami[t] ich Gnade finde / | Verwirff mich nicht in deine[m] Zorn / | Von deinem Angesichte […]“. Schein, Ich will still und geduldig sein (Str. 1,5f).

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VII. Abschied und Trauer

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HErren Zoren tragen“145. In anderen Liedern zum Tod von Kindern nimmt die Bitte um Vergebung dagegen wieder einen ringenden, ja fordernden Charakter an, dem ein eigenes Verschulden der allzu harten Strafe so gar nicht plausibel wird: 2. Vergibstu denn die Sünd nicht mehr / Gleich wie vor alter Zeit? :/: Hab ich allein verletzt so sehr Deins Namens Heiligkeit? Hastu auff mich gar keine acht / Das ich für Elend so verschmacht?146

Eine Art Stimmungsumschwung folgt erst in der nächsten Strophe; aus der geänderten Sicht heraus wird der vermeintliche Zorn als Gnade erkennbar.147 Wie andere Erfahrungen, die als Züchtigung durch die Rute gedeutet werden, wird nun auch der Verlust eines Kindes als Ausdruck von Gottes väterlicher Liebe zum Nutzen des mit ihm ringenden Menschen verstanden: „Denn wenn du [l]iebst / | Viel Streiche giebst / | Das Fleisch damit zu zwingen“148; dafür gebührt ihm sogar Dank.149 Indem die Prämisse, dass Gott aus Liebe handelt, auf die Verlusterfahrung bezogen wird, kann der Schrecken dieser Erfahrung bereits in Ansätzen gebannt werden. Scheins Lieder bringen also nicht nur das Aufbegehren gegen die von Gott geführten ‚Schläge‘ zur Geltung, sondern ebenso das Bezwingen dieses Aufbegehrens – oft durch das Ich selbst. Wie außergewöhnlich weit sich Scheins Ich in seinem Ringen mit Gott und dem Widerspruch zwischen Verheißung und Erfahrung angesichts des Verlustes gerade von Kindern vorwagt, zeigt sich nicht nur im Vergleich mit anderen Liedern; die freizügige Redeweise in der Auseinandersetzung mit Gott wird vielmehr auch in den Liedern selbst problematisiert. Das Ich ist sich der Unangemessenheit des Tones seiner Klage bewusst; es versucht sie mit der „Noth“ seiner Situation zu entschuldigen, die es „zwingt […] zu reden frey“.150 Besonders ausführlich legt das Ich des Liedes Ich heul und wein in meiner großen Not, das zum Tod von Scheins Tochter Johanna Susanna entstanden ist, die Bitte um Verzeihung dar: 5. Nun Herr verzeih / Ach rechne mir nicht zu / Daß ich so frey 145

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Schein, Ich will still und geduldig sein (Str. 1,1f); vgl. Schein, Ist denn fürn bittern Tod (Str. 6,1f): „Ich wil den Zoren dein / | Als eines Vaters tragn“; vgl. Adersbach, O der trüben Trauertage (Str. 6,1–4): „Sondern hilff, daß ich für allen | Deinen Zorn erduld’ vnd trag’, | Vnd laß Dir auch wolgefallen, | Daß ich jetzt mein Leid beklag’.“ Schein, Sei gnädig, Herr, sei gnädig, Herr (Str. 2). Vgl. Schein, Sei gnädig, Herr, sei gnädig, Herr (Str. 3,1; 5,6): „Still / still / O du betrübte Seel! […] Drumb ist es Gnad / vnd kar [sic] kein Zorn.“ Vgl. Schein, In Seufzen tief, in Traurigkeit (Str. 7,1f): „Ach schlägstu mich doch nicht im Zorn / Wie ich vor hab gemeynet“. Schein, In Seufzen tief, in Traurigkeit (Str. 7,5–7). Vgl. Hildebrandt, °Zeuch hin, mein liebes Kind (Str. 5,1–4): „HErr Jesu, habe Danck, | Daß du an mich noch denckest | Und mich nach Vater Art | Aus Lieb ein wenig kränckest.“ Schein, Herr, Herr, wie lang, wie lang (Str. 3,5–8): „Nun Herr / ach Herr verzeih / | O trewer Gott / | Die grosse Noth | zwingt mich zu reden frey.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt Mein Hertz ausschütte[n] thu! Welchs wird so vngemeß Gleich als in einer Preß Gedrucket immer fort / Daß mir entfahrn die Wort. 6. Nicht mehr ich wil So reden Gott zu dir / Wil halten still / Du bist dennoch bey mir / Ob ichs gleich [ni]cht im Werck / wie ich gern wolt / vermerck / Dein Gdancken sind nicht mein / Drumb laß ichs also [se]yn. […] 8. Solt demnach ich Mich den[n] so hart beschwern? Das zeih ich mich / Daß ich dich GOtt den HErrn Wolt schuldigen so bald / Als thetst du mir Gewalt? Nein / nein / das muß nicht seyn / Du bleibst der Vater mein.151

Nachdem es mit Gott gerungen hat, ringt das Ich sich hier gleichsam selbst nieder und verbietet sich das allzu vorwurfsvolle Hadern; nachdem es eben noch Gott zu „schuldigen“ versuchte, „zeih[t]“ es sich nun selbst, und zwar genau jener Grenzüberschreitung. Entgegen dem Augenschein, wie er sich in der schmerzlichen Erfahrung von Gottes Handeln („im Werck“) präsentiert, wird Gottes Heils- und Gnadenzusage für gültig erklärt. Der verzweifelten Frage „Wo ist dein Vater=Hertz“ (Str. 1,8) wird nun die Gewissheit entgegengesetzt: „Du bleibst der Vater mein.“ Die gegensätzlichen Widerfahrnisse von Verheißung und Verlust, die von außen auf das Ich einwirken, führen also auch in seinem Inneren zu einem Widerstreit der Affekte, den der Text wirkungsvoll in Szene setzt, indem er ihn schon in der Überschrift – „Gedultige Vngedult“ – in ein Oxymoron fasst. Dabei geht es letztlich wieder um die Frage nach dem Verhältnis von göttlichem Willen und menschlicher Eigenstrebung, wie oben im Abschnitt über die „Ergebung in Gottes Willen“ beim Sterben angedeutet (vgl. ab S. 317). Die „Vngedult“, die bei Schein so ungewöhnlich viel Raum einnimmt, ist jene Haltung, der die Güte des Gotteswillens aufgrund der eigenen Erfahrung fraglich geworden ist. Aus ihr wieder herauszufinden und zur ‚Geduld‘ zu gelangen, ist das Ziel des Ich im poetischen Ringen mit sich selbst, mit dem es zugleich den in ganz ähnlichen Nöten steckenden Rezipienten des Liedes einen

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Schein, Ich heul und wein in meiner großen Not (Str. 5; 6; 8).

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VII. Abschied und Trauer

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Weg bahnt. Es zwingt sich zur Einsicht: „Dein Gdancken sind nicht mein“152. Gottes Gedanken, sein Wollen, Planen und Handeln sind von den Gedanken des Ich, seinen Wünschen und seinem Wollen unterschieden; und doch sind sie Providenz, Vorsorge und Fürsorge, ist Gott ihm wohlgesonnen. Die übermäßige Trauerbekundung bedeutet – so lässt sich eine Strophe von Adersbach lesen – eine Widersetzlichkeit gegenüber dem guten Willen von Gottes „Vater=Hertz“.153 Mit der Absichtserklärung „Wil halten still“ vollzieht das Ich in Scheins Lied die Unterordnung unter diesen von ihm nicht verstandenen, aber als väterliches Wohlwollen erkannten Gotteswillen.154 Darin entspricht das ‚Stillehalten‘ jener nicht nur bei Schein, sondern in fast allen Trauerliedern begegnenden Forderung, die Klage als laute Äußerung der Trauer und damit auch die Trauer selbst einzustellen. Von dieser Forderung soll im nächsten Abschnitt die Rede sein.

5. Die Aufforderung, nicht zu trauern Viele geistliche Trauer- und Begräbnislieder überspringen (anders als die Epicedien155) die eigentliche Totenklage; die typische Aufforderung, nicht zu trauern und die Klage einzustellen, steht oft schon am Beginn des Liedes. Immer wieder geschieht das in Form einer Selbstaufforderung der Trauernden,156 zumeist jedoch – wenn das Ich mit dem Verstorbenen identisch ist – in Form eines imperativischen Appells. Imperative tauchen etwa in der ersten Strophe des prudentianischen Hymnus Iam moesta quiesce querela auf, der schon bei Babst und später vor allem in den kursächsischen Gesangbüchern durchweg enthalten ist: 1. Iam moesta quiesce querela lacrimas suspendite matres Nullus sua pignora plangat Mors haec reparatio vitae est.157 152

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Schein, Ich heul und wein in meiner großen Not (Str. 6,7). Derselbe Satz steht auch im Kontext des Liedes Ist denn fürn bittern Tod (Str. 7): „Achs wer dir nur ein Wort / | Wenn dus für gut angsehn / :/: | Bald hett der Todt must fort / | Mein Rößlein lassen stehn: | Abr dein Gedancken sind nicht mein / | Drumb hat es also müssen seyn.“ Adersbach, O der trüben Trauertage (Str. 5): „Ach lehr mich nach deinem Willen | So zu leben, daß ich mich | Könn’ in meinem Leide stillen | Vnd mich nimmer wider Dich, | Meinen GOtt vnd Vater, setze | Vnd dein Vater=Hertz verletze!“ Weitere Belege vgl. u. Anm. 177. Für sie ist die Klage konstitutiv; vgl. Krummacher, Epicedium, 95f. Vgl. die unterschiedlichen Formen der Selbstaufforderung in den folgenden Beispielen: Richter, Lasset ab von euren Tränen (Str. 11,1): „Drumb lasst uns die Threnen sparen“; Schein, Sei gnädig, Herr, sei gnädig, Herr (Str. 3,1f): „Still / still / O du betrübte Seel! | Hör auff übr Gott zu klagn“; Dach, Was stehn und weinen wir zuhauf (Str. 1,1f): „WAs stehn vnd weinen wir zu hauff | Bey diesem todten Leichnam? auff !“ Gerhardt, Du bist zwar mein und bleibest mein (Str. 12,1f): „Nun sey es ja / und bleib also / | Ich wil dich nicht mehr weinen.“ Prudentius, Iam moesta quiesce querela (Str. 1). Die zehn lateinischen Strophen dieses im untersuchten Material häufig belegten Hymnus stammen aus dem viel längeren Hymnus circa exequias defuncti des Prudentius (CCSL 126, 53–59); sie begegnen dort in ganz anderer Reihenfolge: Den Str. 1–10 der in

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Die an die Klage selbst sowie an die weinenden Mütter gerichteten Imperative „quiesce“ und „suspendite“ werden durch „Nullus plangat“ ergänzt und mit der Umdeutung des Todes als „reparatio vitae“ begründet. Zahlreich sind die Übersetzungen und freieren Nachdichtungen dieses verbreiteten Textes aus der lateinischen Tradition – allein in der untersuchten Textauswahl sind es neun unterschiedliche Fassungen aus dem 16. wie aus dem 17. Jahrhundert: Anon.

Hört auf mit Trauren und Klagen, ob dem Tod niemand zage Anon. Hört auf, alles Leid, Klag und Sehnen Anon. O Traurigkeit, lass sein dein Klag Anon. Hört auf zu weinen und klagen, weint nicht, als wollt ihr verzagen Anon. Lasst ab von Traurn, ihr Christenleut* Peter Hagen Trauret nicht, ihr Christen gut Sigmund v. Birken Was soll dies zage Klagen sein* Anon. Nun hör auf, alles Leid, Klag und Sehnen* Christian v. Stöcken? Ihr Seufzer, ach haltet doch innen*

(Frankfurt/O. 1561) (Frankfurt/O. 1569) (Straßburg 1569) (Nürnberg 1570) (Leipzig 1627a) (Königsberg 1639) (Frankfurt/M. 1666) (Berlin 1666) (Lüneburg 1695)

An die Stelle von „quiesce“ und „suspendite“ treten die Imperative deutscher Verben des Aufhörens: aufhören, ablassen, lassen, sein lassen, einstellen, innehalten. Dieselben Verben gehören überhaupt zum Repertoire der Liedanfänge: „LAsset ab von euren Threnen | Vnd vergesset euer Leid“ bei Richter; „LAsset ab, Ihr meine Lieben, | Lasset ab von Trawrigkeit“ oder „LAsset Klag und Trauren fahren“ bei Heermann; „STellt ein ewr Klag vnd Weinen“ bei Schein oder „FReunde, stellt das Weinen ein“ bei Sacer. Dazu kommen verneinte Imperative zu den Verben klagen, weinen, trauern – etwa bei Schein: „CLagt nicht so / geliebte Leut“; „CLagt mich nicht mehr / ihr lieben Leut“; „Weint nicht / weint nicht / es geht mir wol“158; „MEine Freund / Nicht so weint“. Bei Paul Gerhardt ist die Aufforderung einmal in Frageform gekleidet: „MEin hertzer Vater weint ihr noch?“ Eines derjenigen Gerhardt-Lieder, die nur als Einzeldruck erhalten sind, weist die Trauer nicht ganz zurück, sondern empfiehlt eine Balance von Äußerung und Mäßigung der Trauer: „Weint, und weint gleichwol nicht zusehr!“159 a) Biblische Bezugstexte In der Erzählung von der Auferweckung des Jünglings zu Nain erklingt der in den Trauerliedern oft wiederholte Imperativ „Weine nicht“ aus dem Mund Jesu (Lk 7,13),

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den Gesangbüchern rezipierten Fassung entsprechen im Original Str. 30; 14; 9–11; 31–35. Vgl. zum vollständigen Text Brockhaus, Prudentius, 94–96; Charlet, Cathemerinon, 39–41; englische Übersetzung von H. J. Thomson in dessen Prudentius-Ausgabe 1, 85–95. Vgl. Schein, Klagt mich nicht mehr, ihr lieben Leut (Str. 7,5). Zur ‚Mäßigung‘ der Trauer vgl. Ortlob, °Gute Nacht, mein Fleisch und Blut (Str. 1,1–4): „GUte nacht! mein fleisch und blut, | Eltern, freund und lieben, | Die ihr kläglich um mich thut, | Mäßigt das betrüben.“

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der sich damit an die Mutter des Verstorbenen wendet. In einigen Liedern des 17. Jahrhunderts wird der kleine Satz daher ausdrücklich als Gottesrede eingeführt. So spricht Gott selbst nach der Hoffnung des Ich bei Johann Olearius sein Wort als Trostwort: „sein Wort bleibt ja mein Trost / | weil Gott spricht / weine nicht.“160 Ein in L-1673 und im Anhang von N-1677 enthaltenes Lied von Johann Höfel greift die neutestamentliche Erzählung sogar direkt auf, indem es „Das süße Wort JEsu: Weine nicht!“ (so die Überschrift) zum Gegenstand seiner Betrachtung macht. Das Ich tritt hier selbst an die Stelle der armen Witwe, deren Geschichte eingangs angedeutet wird: 1. O Süsses Wort, das JEsus spricht Zur armen Witwen: Weine nicht! Es kömmt mir nie aus meinem Sinn, Zumal wenn ich betrübet bin. […] 9. Reisst mir der Tod das Liebste hin, Sagt JEsus: Weine nicht! Ich bin, Der’s wieder gibt; gedencke dran, Was ich in Nain hab gethan! 10. Muß ich selbst ringen mit dem Tod, Ist JEsus da, rufft in der Noth: Ich bin das Leben: Weine nicht! Wer an mich gläubt, wird nicht gericht. 11. O süsses Wort, das JEsus spricht In allen Nöthen: Weine nicht! Ach klinge stets in meinem Sinn! So fähret alles Trauren hin.161

Die beiden Strophen, in denen dem Menschen das „Weine nicht“ im Kontext des Todes zugesprochen wird, bilden lediglich den Abschluss einer langen Reihe von weiteren Widrigkeiten (Not und Armut, Krankheit, Vertreibung, Verrat), in denen der Satz ebenso gilt. Dass er angesichts des Todes zu seinem eigentlichen Ziel kommt, liegt nicht nur aufgrund der Reihung, sondern auch wegen des zugrundeliegenden Bibeltextes nahe – und mit Blick auf die Gesangbuchredaktion von L-1673 auch aufgrund der Rubrizierung („Vom Tod und Begräbniß“). Außerdem wird bei allen Belegen als Melodie die des Sterbeliedes Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott angegeben. Der Trost durch das Jesuswort ereignet sich hier in der Vorstellung von der persönlichen Begegnung mit Jesus nach dem Vorbild der Witwe; zuletzt klingt es als quasi-akustisches Ereignis im Inneren des Ich nach („in meinem Sinn“). Wesentlich älter und verbreiteter als die Vorstellung des individuellen Trostes in der persönlichen Jesus-Begegnung ist der Gedanke aus dem 1. Thessalonicherbrief, 160

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Olearius, Was Gott tut, das ist recht und gut in allen Sachen (Str. 1,4); ähnlich am Ende der übrigen Strophen. Höfel, O süßes Wort, das Jesus spricht (Str. 1; 9–11).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

in dem Paulus an die christliche Urhoffnung appelliert und mit der Erinnerung an die Auferstehung Trost über den Hingang der Entschlafenen spendet. Prominent vertreten ist der lateinische Text von 1Thess 4,13f schon in Luthers Begräbnisliederbuch von 1542: Dreimal findet er sich in unterschiedlichen Konstellationen in den Texten der lateinischen Grabgesänge,162 und Luther beginnt auch seine Vorrede zum Begräbnisliederbuch mit dem Verweis auf die Thessalonicher-Stelle.163 Sind es bei Luther wie bei Paulus noch die „anderen“ (̫ѣ ̧̫̥½̛̫, ceteri), von denen die christliche Auferstehungshoffnung sich abgrenzt, weil sie keine Hoffnung haben,164 verschärfen die späteren Texte die Polemik: Hier sind es durchweg die „Heiden“. Wer als Christ um die Seinen zu sehr trauert, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er sich in ihre Gesellschaft begibt; die fehlende Hoffnung wird geradezu zum Kennzeichen einer ‚heidnischen‘ Einstellung. Schon bei den älteren Autoren wie Herman, Caspar Franck, Ringwaldt, Leon und dann bei Schein lässt sich das belegen: „12. Drumb last vns, o jr Christen leut, solchs wol bedencken allezeit, Vff das wir sein behertzt vnd keck, da mit der Tod vns nit erschreck, 13. Gleich wie er allen Heiden thut, den er nimpt all jr freud vnd muth, Drumb das sie gar kein Hoffnung han, das sie vom tod solln wider auff stan.“165 „1. LAst vns volgen S. Paulus ler, das wir nicht wie die Heiden Vmb vnser freundt trauren zu sehr die von der welt abscheiden“.166 „12. Das wolt jhr, mein geliebte Freundt, bedencken, vnd ewer hertz nicht wie die Heiden krencken Die von den todten, wenn sie die begraben, kein hoffnung haben.“167 „1. DEin Leib wöllen wir nu begraben, jhn nicht wie die Heyden beklagen“.168 162

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Nolumus autem vos fratres (Babst Nr. 86; 1Thess 4,13f); Si credimus quod Iesus mortuus est (Babst Nr. 87; 1Thess 4,14.13 und 1Kor 15,22); Si enim credimus (Babst Nr. 89; 1Thess 4,14 u. a.). Im 17. Jahrhundert sind es die Dresdner Gesangbücher, in denen der lateinische Text der Thessalonicher-Stelle noch als Grabgesang auftaucht. „S. Paulus schreibt denen zu Thessalonich / Das sie vber den todten sich nicht sollen betrüben / wie die andern / so keine hoffnung haben / Sondern sich trösten / durch Gottes wort / als die gewisse hoffnung haben des Lebens vnd der todten aufferstehung“ (zit. nach Babst fol. Z 3r). So auch noch in dem alten Grabgesang von Löner, O wie selig ist der Tod (7f): „Daru[m]b sollen wir nit trawre[n] noch verzagen, | wie die andern thun die keine hoffnu[n]g haben“ (Wittenberg 1538). Herman, Der Mensch wird von einm Weib geborn (Leipzig 1555; Str. 12–13, vgl. Str. 14). C. Franck, Lasst uns folgen St. Paulus’ Lehr (Leipzig 1556; Str. 1,1–4) Ringwaldt, Geliebten Freund, was tut ihr so verzagen (Frankfurt/O. 1577; Str. 12). Leon, Dein Leib wollen wir nun begraben (1582; Str. 1,1f).

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„10. […] Seyd doch nicht auch also gesinnt / Wie die verblendte Heyden / Bey denen sich kein Hoffnung find / Wenn sie sich müssen scheiden.“169 „1. […] Auch im Todt gläubt an Gott / seyd nicht wie die Heyden / Die gar keine Hoffnung habn / Wenn sie ihre Leut begrabn.“170

Alle diese Beispiele haben den Charakter eines Appells, einer Aufforderung, die in der ersten (wie bei Paulus) oder zweiten Person Plural direkt an die Gruppe der Trauernden gerichtet ist, an die „Christen leut“ (Herman) oder die „geliebte[n] Freundt“ (Ringwaldt). Ihnen werden die Heiden als Negativbeispiel – nämlich der Hoffnungslosigkeit – vorgehalten. An weiteren Textbeispielen, die aus dem 17. Jahrhundert stammen, zeigen sich typische Veränderungen in der Verwendung des Textes. Paul Röber schreibt: „Doch, liebes Hertz, verzage nicht | Wie die trostlosen Heyden“171. Zum einen ist hier aus dem Appell an die Gruppe eine individuelle Selbstaufforderung geworden. Das ist kein Beleg für eine Individualisierung des Sitzes im Leben (allenfalls ein Indiz), wohl aber für eine Individualisierung der Vorstellung von der Trauer: Der Trost setzt bei der Trauer des Einzelnen an. Zum anderen ist überhaupt aufschlussreich, dass Röber die Kategorie der ‚Hoffnung‘ durch die des ‚Trostes‘ ersetzt,172 die stärker auf die Gegenwart als auf die Zukunft, stärker auf die innere Befindlichkeit als auf äußere Ereignisse Bezug nimmt. Andere Autoren (Opitz, Wilkow, Dach) verzichten nun ganz auf den Imperativ oder vergleichbare Formen und stimmen den Ton einer allgemeineren Betrachtung an. Über die menschliche Todesfurcht und die verkehrte Haltung, die von der Welt nicht lassen kann, schreibt Christoph Wilkow: „Ein solcher Wahn ist Heyden=tand, | Die keinen Himmel gläuben“173; er wendet damit den Blick vom Vorgang der Auferstehung auf den „Himmel“ als Zielzustand. In ähnlicher Weise beginnt Simon Dach sein Lied Was hat ein frommer Christ doch Not mit der rhetorischen Frage nach der Notwendigkeit des „heydnisch[en]“ Trauerns.174 Am 25. Sonntag nach Trinitatis ist die einschlägige Thessalonicher-Stelle Episteltext; unter Martin Opitz’ Epistelliedern findet sich daher das Lied Das blinde 169 170 171 172

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Schein, Eva durch ihr begangne Schuld (Str. 10,5–8). Schein, Meine Freund, nicht so weint (Str. 1,4–8). Röber, Ach wie ein kleinen Augenblick (Str. 8,1f). Vgl. am Ende der Strophe (Röber, Ach wie ein kleinen Augenblick, Str. 8,5–8): „Denn obs wol muß getrawret seyn, | Weil Fleisch vnd Blut es kräncket, | So laß doch auch den Trost hienein, | Den Christ der HErr dir schencket.“ Wilkow, Wie ist der Mensch doch so betört (Str. 2,1f). Vgl. Dach, Was hat ein frommer Christ doch Not (Str. 1): „WAs hat ein frommer Christ doch Noth | So heydnisch sich zu halten, | Wenn Gott jhm selig durch den Todt | Die Seinen läst erkalten? | Ihm ist ja auß der Schrifft bekant, | Daß, die auff Christum sterben, | Den Himmel vnser Vaterland | Vnwiedersprechlich erben“.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Volk der Heiden, das in verschiedenen Gesangbüchern Eingang in die Rubriken der Sterbelieder oder der Lieder vom Jüngsten Tag gefunden hat – in erstere etwa in der Praxis Pietatis Melica, in letztere im Hannoverischen, Cellischen und Lüneburgischen Gesangbuch. Die reichere poetische Sprache des Normgebers der Barockdichtung stattet die Heiden mit dem Attribut der ‚Blindheit‘ aus (wie zeitgleich Schein mit dem der ‚Verblendung‘, s.o.); dagegen erinnert er an „des Glaubens krafft“ durch die Auferstehung Christi, die für „mich vnd dich“ Vorbild wird – eine individuelle Applikation der paulinischen Formulierung, die sich noch kollektiv auf alle Entschlafenen bezog (1Thess 4,14). b) Die Aufforderung zur Ergebung und das Vorbild Hiobs Übermäßige Trauer um die Verstorbenen bedeutet nicht nur einen Widerspruch zur christlichen Auferstehungshoffnung, sondern auch ein Aufbegehren gegen die göttliche Fügung. Am deutlichsten ist dies – wie gezeigt – in Scheins Texten zur Trauer um eigene Kinder (vgl. ab S. 441); dabei fällt aber auf, dass die Instanz, die den im Aufbegehren liegenden Verstoß verurteilt, zumindest zeitweise außer Kraft gesetzt ist. Gerade bei Schein, aber auch bei anderen Autoren wie Dach wird das Aufbegehren jedoch schon in die Schranken gewiesen, noch bevor es so explizit vollzogen wird wie in den genannten Texten. Die Aufforderung, nicht zu trauern, ist dann eine Aufforderung, sich in Gottes Willen zu fügen. Das Sich-Fügen betrifft hier nicht das eigene Ende (vgl. S. 323), sondern den Tod des anderen, des Mitmenschen, der betrauert wird. „So gebt euch nun drein in Gedult | / Ihr lieben Eltern all“175, lautet die Aufforderung bei Schein, und bei Paul Gerhardt: „So geb’t ihr liebsten / euch doch schlecht [schlicht] | Dahin in Gottes Willen“176. Für die empfohlene Haltung der „Gedult“ wird häufig das Verb ‚stillhalten‘ oder ‚stille halten‘ gebraucht: „Halt ihm gedültig still […] Las machen wie er wil“177. Besonders ausführlich kommt die Haltung der Ergebenheit in den unbegreiflichen oder in seinen Auswirkungen gar als ‚malum‘ (vgl. Hi 2,10; S. 454) empfundenen Gotteswillen in den Liedern Simon Dachs zur Sprache, etwa in Herr, du tust, was dir gefällt, Gott herrschet und hält bei uns Haus oder Was stehn und weinen wir zuhauf. Allerdings ist diesen Texten viel weniger als etwa denen von Schein anzumerken, dass sie der Verarbeitung einer konkreten Verlusterfahrung dienen, obwohl auch sie im Zusammenhang mit konkreten Todesfällen entstanden sind. Eher steht hier eine allgemeine Spekulation über die undurchdringlichen Beweggründe des göttlichen Handelns im Vordergrund. Genauer: Eben weil sie unergründlich sind, können nicht einmal diese Beweggründe selbst im Zentrum der Betrachtung stehen, sondern nur ihre Unzugänglichkeit für das menschliche Verstehen. 175 176 177

Schein, Es kränkt ein Vatr- und Mutterherz (Str. 4,1f). Gerhardt, Mein herzer Vater, weint Ihr noch (Str. 8,1f). Schein, Trau deinem lieben Gott (Str. 2,1.4); vgl. Schein, In Sünden und in Gottes Zorn (Str. 8,7f): „GOtt haltet still | / Es ist sein Will“; Schein, Ihr lieben Trauerleut (Str. 8,5): „Halt GOtt nur still“; Schein, Ich heul und wein in meiner großen Not (Str. 6,3; zit. o. S. 446); Olearius, Eins ist sehr schwer, zwei kränken mehr (Str. 3,5f): „ich halt Gott still / | sprech / wie Gott wil“.

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Anders als andere Autoren verzichtet Dach dezidiert darauf, das Geschehene zu hinterfragen, und insistiert auch nicht auf der Güte des göttlichen Willens im Sinne der Lehre von der Providenz (vgl. ab S. 326). Mag sie auch unausgesprochen im Hintergrund stehen (zum Lied Was soll ein Christ sich fressen vgl. S. 457) – Dach setzt den Akzent anders: Da Gott verborgen und sein Ratschluss unergründlich ist, bleibt nichts, als sich in den Verlust dessen, was er „haben will“, zu fügen und ihm ‚stillezuhalten‘. Als demjenigen, dem einerseits die ganze Welt zu eigen ist und der zugleich seinen eigenen Sohn dahingibt, steht es Gott zu, dem Menschen Dinge abzufordern und wegzunehmen.178 Für den Menschen, der einen Verlust erlitten hat, kann die Empfehlung umgekehrt nur lauten: „Gib gern hin, was GOTT haben will, | Halt seinem weisen Raht=Schluß still“179 oder „Schweig still, laß jhn nur Meister seyn“180. Von Gott eine Rechtfertigung für sein Handeln zu fordern, ist ausgeschlossen: „Kein Mensch thar dich zur Rede stellen“181; wer es dennoch tut, wird an die Aussichtslosigkeit eines solchen Unterfangens angesichts von Gottes Herrschersouveränität erinnert182 und vor möglichen negativen Folgen der „vngedult“ für sein Heil gewarnt.183 Ausdruck der Verborgenheit Gottes ist der unverfügbare Wechsel von Gutem und Schlechtem, der dem Menschen bald Zorn, bald Gnade beschert.184 Da sich auch hinter der Züchtigung Gnade verbergen kann, ist der Mensch „wol […] daran, | Der sich in Gottes Wege | In tieffster demut schicken kan, | Ihm außhält alle Schläge“185. Daran, dass diese Wege für ihn „vnbegreifflich“ sind (vgl. Röm 11,33f), ändert das freilich nichts, wie Dach im Text des Liedes Herr, du tust, was dir gefällt betont: 3. Ach wie vnbegreifflich ist, HErr, dein thun? wird aller Menschen List Auch deiner wege Spur erfahren? Niemand geht mit dir zu Raht, Was dein Sinn beschlossen hat Darffst du, Gott, keinem offenbahren. 178

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Vgl. Dach, Was stehn und weinen wir zuhauf (Str. 4–5): „Sol vns so lieb was seyn allhie, | Daß Er ohn Wiederred’ vnd Müh | Nicht solte von vns heben, | Der seinen Sohn | Zum Gnaden=Thron | Vns Sündern hat gegeben? || So ist auch sein die gantze Welt, | Für vns ist eignes nichts bestellt, | Wir selbs sind blohs des HERREN, | Greifft Er uns ein, | Er nimt was sein, | Was sollen wir uns sperren?“ Dach, Was stehn und weinen wir zuhauf (Str. 7,1f). Dach, Gott herrschet und hält bei uns Haus (Str. 1,5). Dach, Herr, du tust, was dir gefällt (Str. 2,3). Dach, Gott herrschet und hält bei uns Haus (Str. 1,1–4): „GOTt herschet, vnd hält bey vns Hauß, | Was sagstu, Mensch, dawieder? | Was schlägstu seinen Willen aus? | Leg in den Staub dich nieder“. Dach, Gott herrschet und hält bei uns Haus (Str. 2,5–7): „Doch hütte dich für vngedult, | Du möchtest sonst durch diese Schuld | Dein bestes Heil verschertzen.“ Vgl. Dach, Gott herrschet und hält bei uns Haus (Str. 3–4): „Er bleibt schon so von Alters her, | Jetzt hält er sich verborgen, | Als wiss’ er nichts vmb dein Beschwer, | Lässt immer hin dich sorgen, | Hat gegen dich sich hart gemacht, | Dieß währt vom Abend in die Nacht | Vnd wieder an den Morgen. || Jetzt ist er wieder gnädig hier, | Giebt Endschafft deinem Leiden, | Er leget deinen Sack von dir | Vnd gürtet dich mit frewden, | Er züchtigt, als ein Vater, dich, | Jedoch mus seine Gnade sich | Nicht darumb von dir scheiden.“ Dach, Gott herrschet und hält bei uns Haus (Str. 5,1–4).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt 4. Du verstossest Höllen=ab, Öffnest auch das finstre Todten=Grab: Du zürnest vnd erbarmst dich wieder, Hüllst dich wunderseltzam ein In Gestürm, in Sonnen=Schein, Erweckst dort Klag= hie Frewden=Lieder. 5. Dieß ist vns ein tieffes Meer, Fällt vns außzugründen gar zu schwer. Wir wollen deinen Sinn vmbschräncken, Meinen, also soll’ es gehn, Wie wir Thoren es verstehn, Du müssest thun, wie wir gedencken. 6. HErr, nimm diesen Irrthumb hin! Gieb, daß dir sich vnser Will vnd Sinn Stets in Gedult mög’ vntergeben, Laß vns deinen Raht allein, Weiser Gott, gefällig seyn, Wir mögen sterben oder leben.186

Die hilflose Bemühung des Menschen, das „Meer“ des göttlichen Ratschlusses „außzugründen“, muss notwendigerweise in den „Irrthumb“ führen, da der Mensch in den ihm eigenen Denkmaßstäben („wie wir gedencken“) immer befangen bleibt. Letztlich kann er den „Raht“ Gottes nur in „Gedult“ hinnehmen, ob er ihm nun gut oder schlecht erscheinen mag. In beidem, in „Gestürm“ und „Sonnen=Schein“, bleibt Gott letztlich verborgen: Was er beschlossen und gefügt hat, hüllt ihn, so Dach, „wunderseltzam“ und undurchdringlich ein. Vorbild für die Haltung, die sich in Gutes wie in Schlechtes ergibt, ist der biblische Hiob187, der selbst den Verlust seiner Nächsten zu beklagen hat. Vorbild ist er nicht in seinem Rechten und Ringen mit Gott, sondern vielmehr darin, dass er sich auch im tiefsten Leid mit keinem Wort an Gott versündigt (vgl. Hi 1,22 und 2,10: bAYai aj'x'-al{ tazO-lk'B). . Die beiden Stellen, die mit dieser Feststellung schließen, tauchen in Begräbnisliedern häufig auf: aus Hi 1,21 der Ruf dessen, dem Gott alles genommen hat (vgl. S. 461) und der den Namen Gottes dennoch lobt; aus Hi 2,10 der Appell, aus Gottes Hand nicht nur das Gute, sondern auch das Schlimme anzunehmen. Das Lied Als Job, der fromme Gottesknecht, ein Kinderbegräbnislied von Andreas Kesler aus dem Gothaer Cantionale Sacrum von 1648, buchstabiert den Bibeltext von Hi 1,21f sogar narrativ aus, indem es zunächst die Situation des frommen Mannes und seinen Verlust schildert. Dann gibt es in drei Strophen in Ichform seine Klage wieder, in die Trauernde quasi einstimmen können; schließlich wird betont, dass Hiob in alledem „nichts wider GOtt gethan“ habe. Die letzte Strophe vollzieht eine 186 187

Dach, Herr, du tust, was dir gefällt (Str. 3–6). Eine leidgeprüfte Frau wie Martin Rinckarts 1637 verstorbene Gattin Christina kann auch als „Teutsche Jobs=Schwester“ bezeichnet werden (vgl. FT I 515., °So fahr ich hin mit Freuden).

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VII. Abschied und Trauer

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Aneignung, indem das nach Abschluss der Erzählung auftauchende Ich sich mit seiner Bitte um ein „Jobs=Hertz“ direkt an Gott wendet: 6. Mein lieber Gott, lästu mich Schmertz Im Creutz mit Job empfinden, So schencke mir auch ein Jobs=Hertz, Daß ich mich hüt für Sünden Vnd sey demüthig zu der Frist Durch meinen HErren Jesum Christ. Drauff sprech ich frölich: Amen.188

Schon lange vor solch narrativer Bearbeitung und Aneignung wird der lateinische Text von Hi 2,10 und Hi 1,21 in vielen Gesangbüchern als ‚Responsorium‘ angegeben, also als liturgischer Wechselgesang;189 auch in manchen Kirchenordnungen wird das Si bona suscepimus als Begräbnisgesang erwähnt.190 Der Text lautet nach L-1638: Si bona suscepimus de manu Domini, mala autem qvare non sustineamus? Dominus dedit, Dominus abstulit, sicut Domino placuit, ita factum est: Sit nomen Domini benedictum! In omnibus his non peccavit Job labiis suis, neque stultum qvid contra Deum locutus est. Dominus dedit, & c.

Offenbar fungiert das „Dominus dedit“ usw. auf eine nicht weiter gekennzeichnete Art als wiederkehrende ‚Antwort‘ innerhalb des Responsoriums; eine ähnliche Struktur hat auch das deutsche Pendant Haben wir das Gute empfangen*. Zu singen ist das Si bona suscepimus nach den Angaben von L-1638 und D-1656 „ante funerum aedes“, also vor dem Trauerhaus, nach der Lüneburger Kirchenordnung von 1643 zum Leichenzug. Auch unter einem der genannten Lieder Dachs findet sich eine Anspielung auf das Si bona suscepimus.191 Das An- oder Hinnehmen des Gotteswillens (‚suscipere‘) muss dem Trauernden in seiner Auswirkung zunächst als ‚malum‘ erscheinen. Dennoch führt es in vielen Lieder, wie auch in Hi 1,21, zuletzt zum Lobpreis Gottes.192 188 189

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Kesler, Als Job, der fromme Gottesknecht (Str. 6). So in den fünf untersuchten Dresdner Gesangbüchern (mit Noten) sowie L-1638/73; Lü-1640; H-1683 (ohne Noten); vgl. auch Erneuertes Frankfurter Gesangbuch (Frankfurt/M. 1664); Neues vollständiges Eisenachisches Gesangbuch (Eisenach 1673). Eine etwas holprige deutsche Fassung in zwei Strophen, aber ebenfalls ohne Noten, hat das Lüneburgische Gesangbuch (Haben wir das Gute empfangen*). Unter den lateinischen Gesängen bei Babst fehlt das Si bona suscepimus; die Stellen Hi 1,21 und 2,10 fehlen auch in Luthers deutscher Grabspruchsammlung. Etwa in der KO für Kursachsen (Leipzig 1580) und der für Braunschweig-Wolfenbüttel (Wolfenbüttel 1569 und wieder neu Lüneburg 1643, dort unter den Gesängen zum Leichenzug). Vgl. Dach, Was stehn und weinen wir zuhauf (Str. 6): „Vnd ist uns wol dabey zu Muth, | Wenn Er uns so viel guttes thut, | Sind wir so zahrt zu leiden? | Wie können wir | Das Bös’ auch hier, | So Er uns zuschickt, meiden?“ Vgl. Schein, Herr, Herr, wie lang, wie lang (Str. 6): „So stell ich nun zu Fried | Mein trawrigs Hertz | In meinem Schmertz / | Traw fest auff deine Güt | Lob / Preiß vnd Herrligkeit | Gbürt dir dennoch: | Dein Name hoch | Sey stets gebenedeyt.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

6. Trost in der Trauer Von ‚Trost‘ ist in den untersuchten Liedern in zweierlei Hinsicht die Rede. Wie bereits gezeigt, ist ‚Trost‘ zum einen all jenes, was der Anfechtung auf dem Sterbebett entgegenzuwirken vermag, indem es den Glauben stärkt und Erwählungszweifel zerstreut (vgl. S. 314). Im Zentrum stand dabei der Trost durch das Christusgeschehen und die Christusbeziehung (vgl. VI.). Bei der Trauer um Verstorbene kann sich der Begriff von dieser spezifisch theologischen Bedeutung lösen; die allgemeinere Bedeutung entspricht in etwa dem heute gängigen Verständnis. ‚Trost‘ fungiert nun nicht als Gegenbegriff zur ‚Anfechtung‘, sondern zur ‚Trauer‘. Gerade am Beispiel Scheins war zwar zu erkennen, wie sich aus dem Verlust eines Mitmenschen auch eine Art Glaubenskrise entwickeln kann; doch sie bildet nur einen Teil der Trauer. Dazu kommt die Ebene der durch den Tod zerrissenen Beziehung zwischen Verstorbenen und Hinterbliebenen; und dieser Bereich, so wurde bereits in den vorangegangenen Abschnitten deutlich, beginnt im 17. Jahrhundert hervorzutreten und sich zu verselbständigen. Auch im Trost spiegelt sich die Aufteilung zwischen auf Gott bezogenen Aspekten und solchen wider, die eher die Person des Verstorbenen bzw. seine Beziehung zu den Trauernden betreffen. Der Trost setzt dabei jeweils entweder in der Gegenwart an, indem er den leidvoll erfahrenen gegenwärtigen Zustand in tröstlicher Weise umdeutet, oder in der Zukunft, indem er für diese eine Hoffnung formuliert. Hinsichtlich der Gottesbeziehung wird für die Gegenwart die im vorangegangenen Abschnitt charakterisierte Ergebenheitshaltung der Lieder Simon Dachs weitergeführt, und zwar ebenso durch den Rückgriff auf Hi 1,21 wie auf die Lehre von der Providenz (vgl. ab S. 326): Alles Handeln Gottes wird als fürsorgliches Handeln zugunsten des Menschen verstanden, das Gottes gutem Willen und seiner Liebe entspringt. Indem Gott als Urheber auch der Verlusterfahrung erkannt wird, wird ihr gegen den Augenschein ein (evtl. noch unbegreiflicher) positiver Sinn zugeschrieben. Der Trost, der aus dem Verständnis des Todes als Handeln Gottes resultiert, ist Thema des ersten Teilabschnitts (a). Von der Auferstehungshoffnung als zweitem Trostgrund, der im Christusgeschehen begründet und auf die Zukunft bezogen ist, war bereits im Zusammenhang mit 1Thess 4,14 die Rede (vgl. S. 450); damit verbundene Vorstellungen kommen im Teilkapitel „Leib und Seele“ zur Sprache (vgl. S. 512). Was die Beziehung zwischen Verstorbenen und Hinterbliebenen betrifft, lassen sich ebenfalls zwei Typen von Argumenten unterscheiden, die die ersten beiden quasi heilsökonomisch anwenden: Zum einen – dies ist das Pendant der Lehre von der Providenz – versuchen sich die Hinterbliebenen damit zu trösten, dass es dem Verstorbenen gegenwärtig besser geht als vor seinem Tod (b). Der andere Typ (c) – das Gegenstück zur Auferstehungshoffnung – kontert das faktische Ende der Beziehung mit der Zukunftshoffnung, dass dieses Ende nicht endgültig ist.

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a) Trost aus dem fürsorglichen Handeln Gottes Trost für die Trauernden ergibt sich schon daraus, dass im Verlust der Nächsten ein Handeln Gottes erkannt wird – und dieses entspricht seinem ewigen Heilswillen, auch wenn die menschliche Erfahrung zunächst das Gegenteil zu besagen scheint. In seinem Handeln erweist Gott seine Fürsorge zugunsten des Menschen, die wie sein guter Wille in der Liebe zu seinem Geschöpf begründet ist; zugute kommt sie sowohl den Verstorbenen als auch den Hinterbliebenen. Darin liegt letztlich auch der wahrhaft tröstliche Grund für den bisweilen unbegründet vorgetragenen Appell zum Hinnehmen des unbegreiflichen Gotteswillens, z. B. bei Simon Dach (vgl. S. 452). Dass Gott es trotz allen Leides, das der Verlust der Nächsten für einen Menschen bedeutet und das Gott damit selbst verursacht, mit dem Menschen ‚gut meint‘, gehört zu den am häufigsten wiederholten Aussagen gerade derjenigen Lieder, in denen der Trost für Trauernde im Vordergrund steht; und damit, dass er das Gute will, ist zugleich immer gesagt, dass er es auch tut und dass das von ihm Getane als gut zu betrachten ist.193 „Ich weiß / du meynsts dennoch nicht böß / | Ob du mir gleich gibst gute Stöß“, ist sich das Ich bei Schein gewiss.194 „Weils Gott so gut thut meynen“, werden bei anderen Autoren die Hinterbliebenen aufgefordert, nicht länger zu trauern.195 Dass auch Dach in seiner Spekulation über die unerforschlichen Beweggründe des göttlichen Handelns dasselbe Prinzip am Werke sieht, zeigt der Ausschnitt aus dem Lied Was soll ein Christ sich fressen: 3. Solt Er es anders meynen Als gut mit vns den seinen? Das gläub ich ewig nicht: In Trübnüs vns verlassen Vnd vnbarmhertzig hassen, Ist wider seine Pflicht. 4. Er weiß sich anzustellen, Als stürtz Er vns zur Hellen, Vnd wer vns spinnen=feind, 193

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Vgl. Sacer, So hab ich obgesieget (Str. 3,5–8): „Warumb ihr itzo weinet | Und gar zu kläglich thut, | Das ist sehr wol gemeynet. | Gott machet alles gut.“ Olearius, Gott gibt, Gott nimmt, was Gott genommen (Str. 4): „Der mein GOtt ist und all der Meinen | der kans mit mir nicht böse meynen / | der wol weiß / was mir ewig gut / | meynts gut mit mir was er jetzt thut.“ Vgl. Olearius, Was Gott tut, das ist recht und gut; °Was Gott tut, das ist gut. Schein, Ist denn fürn bittern Tod (Str. 6,5f); vgl. weitere Belege bei Schein: Freut euch, ihr lieben Kinderlein (Str. 6,1–4): „Ists Sach / daß GOtt sie haben wil / | Sperrt euch in Vngdult nicht / :/: | Er meynts gar gut / Halt ihm nur still | Im Himml ihm [ihnn?] nichts gebricht“; Klagt nicht so, geliebte Leut (Str. 1,1–4): „Clagt nicht so / geliebte Leut / | Lasset ewer Weinen / | Halt zurück die Trawrigkeit / | Gott nichts böß thut meynen“; Mit Seufzen und mit Tränen (Str. 5,1–4): „Ach / ihr mein liebste Kinder / | Mich nicht zu sehr beweint / :/: | Macht ewer Klagen minder / | GOtt hats gar gut gemeynt“; Sei gnädig, Herr, sei gnädig, Herr (Str. 3,6): „Er meynts mit dir auffs allerbest.“ Vgl. Hörnigk, Mein Wallfahrt ich vollendet hab (Str. 6,1–4): „Darumb last fahrn all Trawrigkeit, | Thut mich nicht sehr beweynen. | In mir ist nichts als lauter Frewd, | Weils Gott so gut thut meynen“; Sturm, Ich fahr dahin mit Freuden (Str. 6,1–4): „Ihr dörfft um mich nicht weinen, | Hertzliebste Kinder mein, | Weils Gott so gut thut meinen: | Was wolt ihr traurig seyn?“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt Bleibt doch in allen Nöhten, Ja möcht Er vns auch tödten, Der allerbeste Freund. 5. Er kan mit tausent Leiden Sich so vnd so verkleiden In wilder Löwen Haut, Ist aber trew an Sinnen, Vnd wird bey jhm von innen Ein Vater=hertz geschawt. 6. Mit vnbekandten wegen Ist Er vns überlegen, Seyn Rath kömpt vns nicht bey, Doch bleibt sein weiser Handel Vnd vnerforschter Wandel Von allem Tadel frey. 7. Er pflegt nur seinen Frommen So grawsam vorzukommen, Wer weiß es was Er sucht? Er leitet vns zum guten, Vnd helt durch scharffe Ruten Vns in der Kinderzucht.196

Während er in den zuvor genannten Texten lediglich auf die Verborgenheit Gottes und die Unergründlichkeit seines Willens verweist, wagt Dach hier einen Blick „von innen“ in Gottes „Vater=hertz“, blickt also hinter die abschreckende Staffage der Verkleidung mit „wilder Löwen Haut“, wie sie dem Menschen ‚von außen‘ – nämlich aus der Sicht seiner leidvollen Erfahrung –„[s]o grawsam vorzukommen“ pflegt: Im Innersten kann Gott es nicht „anders meynen | Als gut mit vns den seinen“, denn er ist „trew an Sinnen“. Er „leitet vns zum guten“, wenn er dies auch auf dunklen und „vnbekandten wegen“ tut; er bleibt auch dann „[d]er allerbeste Freund“, wenn er tötet, und der Vater, wenn er die „scharffe Ruten“ anlegt. Wieder ist es also das Bild Gottes als Vater, das letztlich von seinem guten Willen gegenüber dem Menschen zeugt. Ein weiteres Beispiel findet sich in Paul Gerhardts Lied Du bist zwar mein und bleibest mein, in dem der Tod eines Kindes aus Sicht des leiblichen Vaters reflektiert wird. Das Ich setzt seine eigene Liebe ins Verhältnis zu der Liebe des himmlischen Vaters, die die irdische an Maß und Wirkung bei weitem übertrifft. Der Wunsch, das Kind möge bei ihm bleiben, ist Ausdruck der Liebe, die das Ich als Vater empfindet; im ‚Herzen‘ spricht es den Wunsch auch aus.197 Doch dann heißt es: 196 197

Dach, Was soll ein Christ sich fressen (Str. 3–7). Vgl. Gerhardt, Du bist zwar mein und bleibest mein (Str. 2,5–8): „Ich wolte sagen: bleib bey mir: | Du solst seyn meines Hauses Zier / | An dir wil ich mein Lieben | Bis in mein Sterben üben.“

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3. So sagt mein Hertz / und meynt es gut: Gott aber meynts noch besser. Groß ist die Lieb’ in meinem Muth: In Gott ist sie noch grösser / Ich bin ein Vater / und nichts mehr: Gott ist der Väter Häupt und Ehr / Ein Quel da Alt und Jungen In aller Welt entsprungen.198

Als Schöpfer und „Quel“, aus dem alles „entsprungen“ ist, ist Gott viel mehr als ein Vater – er ist „der Väter Häupt und Ehr“, ist ihr Inbegriff und Urbild und daher auch das Urbild der väterlichen Liebe, die kein irdischer Vater übertreffen oder auch nur erreichen kann. Immer meint er es „noch besser“ als der trauernde Vater.199 Insofern ist dieser nicht nur gezwungen, sich in das Erlittene zu fügen, sondern kann dies auch getrosten Herzens tun. Gegen Augenschein und vermeintliche Erfahrung erweist sich Gott in seinem Handeln also als derjenige, der es mit dem Menschen ‚gut meint‘. Wem aber kommt die Fürsorge dieses Handelns zugute? Sie gilt beiden, den Hinterbliebenen und den Verstorbenen. Die „scharffe Ruten“, die nicht nur in der kollektiven Erfahrung von Hunger, Krieg und Pest, sondern auch im individuellen Verlust eines nahen Angehörigen liegen kann, ist der Erweis väterlicher Liebe, auch wenn sie den Hinterbliebenen zunächst tiefe Wunden schlägt. Nach Johann Hermann Schein stellt Gott ihren Glauben auf die Probe, wie er es bei Hiob getan hat, indem er ihnen das Liebste nimmt.200 In der inneren Logik der Lieder bildet diese Glaubensprüfung jedoch keinen Widerspruch zu seiner Zuwendung, sondern bringt sie nur in einer für den Menschen schwer erkennbaren Weise zum Ausdruck. Dass Gottes Handeln an den Verstorbenen selbst als Erweis seines guten Willens gelten kann, erscheint dagegen offensichtlicher. Das Ende des Verstorbenen wird als Zeichen dafür gewertet, dass Gott ihn „lieb hat“ und ihn zu den „Seinen“ zählt: „Der

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Gerhardt, Du bist zwar mein und bleibest mein (Str. 3). Vgl. Olearius, Was Gott tut, das ist recht und gut in allen Sachen (Str. 2,1–3): „Lieb ists was mir der Tod so schmertzlich hingenom[m]en / | doch ists viel lieber Gott / von welchem alles kommen | auch dieses liebe Kind“. Vgl. den Trostbrief Johann Gerhards an einen trauernden Vater, 1611 (zit. nach Steiger, Johann Gerhard, 279f): „es zweyvellt mier daran gar nicht, daß E. Ehrn sölch liebes Sönhlein [!] sehr hertzlich geliebet vndt also billig sich seiner höchlich erfrewet, aber daß sage ich ohne alles bedencken vndt zweyvell, daß sölches kind Gott dem Hern viell lieber gewesen vndt noch ist, als es E. Ehrn. immer sein könne[n.]“ Im Folgenden führt Gerhard dies anhand zahlreicher Beispiele aus, in denen er die väterliche und die göttliche Fürsorge kontrastiert. Vgl. Schein, Es kränkt ein Vatr- und Mutterherz (Str. 2): „Probiren aber wil darmit | Vns vnser trewer Gott / :/: | Hat drumb gar nicht sein Gnad vnnd Güt | Vergessen in der Noth / | Er weiß / was vnsern Kinderlein | Am besten ist / vnd nütz mag seyn.“ Schein, Meine Freund, nicht so weint (Str. 3,4–8): „Ob er trübt / | Doch er liebt / | Vnd ken[n]t [wo]l die Seinen / | Vnsern Glaubn er prüfen wil / | Ob im Creutz wir halten still.“ Schein, Sei gnädig, Herr, sei gnädig, Herr (Str. 6): „Nehst dem erkenns für eine Prob / | Von Gott dem Vatr allein / :/: | Seim Namen gib Ehr / Preiß vnd Lob / | Vergiß der Sünden dein / | Weil solche dir durch Jesum Christ | Vorlengest schon vergeben ist.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

HERR aber pflegt weg zu raffen | die er lieb hat, vnd legt sie schlaffen“201. Insbesondere gilt der Tod denjenigen als Ausdruck des göttlichen Wohlgefallens, die ihn wie die Kinder frühzeitig erleiden, da er mit ihrem Erdenleben auch ihr Leid beendet:202 „GOtt eylet mit den seinen, | Lest sie nicht lange Weinen | In diesem Threnen=Thal“203. Aus menschlicher Sicht mag ein solcher Tod verfrüht erscheinen; aber er ist von Gott doch immer zur rechten Zeit und den Menschen zunutze gefügt: „Er weiß die rechte Zeit gar wol, | Wann vnser Tod vns nützen soll.“204 Worin dieser Nutzen unmittelbar besteht, wird noch ausführlicher erläutert (vgl. S. 463). Gerade bei den Kindern wird zudem immer wieder die Gottes- gegenüber der Elternbeziehung als vorrangig qualifiziert.205 Diese Priorisierung ist zwar aus Sicht der Eltern sehr bitter; den Kindern aber verschafft ihr früher Tod einen ungehinderten Zugang und ungetrübte Nähe zu Gott als dem Gegenpart in dieser noch grundlegenderen Beziehung. Besonders häufig kommt der Vorrang der Gottesbeziehung in Eigentums- und Zugehörigkeitsaussagen zum Ausdruck: 9. Von dir hab ich [!] Mein liebe Kinderlein: Dein Gschenck vnd Gab Sie all gewesen seyn: Ehr / Gut ja Leib vnd Lebn Hast du mir alls gegebn / Bheltst ab[r] noch dran dein Theil / Leihst mir es nur ein Weil.206

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Leon, Dein Leib wollen wir nun begraben (Str. 8,1f); vgl. Roberthin, Dass alle Menschen sterben müssen (Str. 6,1–4): „So, wenn GOtt einen, den Er liebet, | Auß seinem besten Stande nimbt | Vnd seinen Tod jhm früe bestimt, | Seyn wir mit vnrecht drumb betrüebet“. Vgl. schon das bei Plutarch überlieferte Diktum Menanders (Plutarch, Consolatio ad Apollonium 34): ѵ̩ ̫ѣ ̡̤̫Ҡ ̧̱̥̫ԉ̮̥̩ ж½̫̤̩ӫ̡̮̦̥ ̩̙̫̭. Gerhardt, Mein herzer Vater, weint ihr noch (Str. 6,3–7): „Drumb nimmt Gott was ihm wol gefält / | Bey zeiten in die Höhe / | Und setzet es in seinen Schoß | Da ist es alles Kummers loß / | Darf nicht / wie ihr / sich kräncken“. Heermann, Gottlob, die Stund ist kommen (Str. 5,1–3); ganz ähnlich Pauli, So hab ich nun vollendet (Str. 6,3–5): „GOTT eilet mit den seinen | Durch einen selgen tod, | Eh noch viel trübsal kommen“; Sacer, So hab ich obgesieget (Str. 12,5f): „Er eylet mit den seinen | Zur schönen Himmels=pracht.“ Richter, Lasset ab von euren Tränen (Str. 2,1–6): „Was ist, das iemand auff Erden | Lang zu bleiben halten solt | Vnd zu wündschen alt zu werden? | Welchem Menschen Gott ist hold, | Mit dem eylet Er heraus | In sein schönes Freudenhaus.“ Roberthin, Dass alle Menschen sterben müssen (Str. 6,5f); vgl. dazu auch das lateinische Motto des Liedes: „Mors matura venit, quando beata venit.“ Vgl. die oben zitierte Strophe 3 aus Paul Gerhardts Du bist zwar mein und bleibest mein. Schein, Ich heul und wein in meiner großen Not (Str. 9); in V. 1 muss wohl „ich hab“ statt „hab ich“ stehen.

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Die Kinder sind den Eltern von Gott gegeben und geschenkt,207 freilich ohne dass er sein Anrecht auf sie je aufgeben würde.208 Weiterhin gehören sie ihm: „Solch Eigenthumb | Du dir nicht nehmen lest“209; sie sind nur geliehen210 – weshalb Gott sie jederzeit zurückfordern kann. Den Eltern bleibt dann nichts, als dies zuzugestehen und in Hi 1,21 einzustimmen: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen; der Name des Herrn sei gelobt“211. Besonders häufig variiert Olearius in seinem Liedzyklus die Anspielungen auf Hi 1,21, indem er auf den Wechsel von Geben, Nehmen und ggf. Wiedergeben des Kindes durch Gott eingeht.212 Gegenüber den Eltern bleibt mit alledem nicht nur das Eigentum Gottes, sondern auch die Souveränität seines Handelns unberührt; die Kinder freilich sind „wol versorgt“213. Die besondere Gottesbeziehung der Kinder wird, den Eltern zum Trost, vor allem bei Schein oft hervorgehoben. Doch auch schon Beckers Liedfassung der Kinderperikope (Mt 19,14par), Lasset die Kindlein kommen (Leipzig 1605), wird immer wieder unter den Begräbnisliedern aufgeführt. Indem sich Jesus den Kindern zärtlich zuwendet und sie in seine „Arme“ schließt, „darinn sie finden Ruh“214, werden die Eltern darüber getröstet, dass ihnen selbst diese Zuwendung nicht mehr möglich

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Vgl. Schein, Ist denn fürn bittern Tod (Str. 5,1–4): „Es ist ja dein Geschenck / | Nun / Herr / das weiß ich wol / :/: | Liebs drumb / vnd mich so krenck / | Daß ichs entperen soll“; Kesler, Als Job, der fromme Gottesknecht (Str. 3,3–8; Hiob spricht:): „Ist alls gewesen GOttes Gab, | Durch mein Witz nicht erworben; | Der mir es zuvor hat geschenckt, | Hat nu nach seinem Recht verhängt, | Daß wiedrumb ist hingangen“; Olearius, Gott gibt, Gott nimmt, was Gott genommen (Str. 3): „Der uns zu gut zu uns ist kommen / | der hat itzt sein Geschenck genommen / | der für uns ward ein kleines Kind / | macht daß mein Kind dem Himmel findt.“ Vgl. Gerhardt, Du bist zwar mein und bleibest mein (Str. 1): „DU bist zwar mein und bleibest mein / | (Wer wil mirs anders sagen) | Doch bist du nicht nur mein allein | Der Herr von ewgen Tagen. | Der hat das meiste recht an dir: | Der fodert und erhebt von mir | Dich o mein Sohn mein Wille / | Mein Hertz und Wundsches fülle.“ Schein, Ich heul und wein in meiner großen Not (Str. 10,1f). Vgl. Schein, In Seufzen tief, in Traurigkeit (Str. 6,5–10): „Die Röselein | Sind alle dein / | Du hast sie nur geliehen / | Wenn dirs gefällt / | Aus dieser Welt | Thust eins nachm andern ziehen.“ Sacer, So hab ich obgesieget (Str. 9,1f): „Ich war euch nur gelihen | Auf eine kleine Zeit.“ Weitere Belege zit. Anm. 213. Vgl. Sacer, So hab ich obgesieget (Str. 9,3–8): „Wil Gott mich zu sich ziehen, | So werffet hin das Leid | Und sprecht: GOTT hats gegeben, | Gott, nims, du hast es recht, | Bey dir steht Todt und Leben, | Der Mensch ist Gottes Knecht.“ Vgl. Schein, Trau deinem lieben Gott (Str. 9,1–4): „Christ ist / ders nimmt / ders gibt / | Solchs gar wol merck / | Wir sind sein Werck / | Von Hertzen er vns liebt“. Vgl. Olearius, Gott gibt, Gott nimmt, was Gott genommen (Str. 1,1f): „GOtt giebt / Gott nimmt / was Gott genommen | kan hier nicht wieder zu uns kommen“; Was Gott tut, das ist recht und gut in allen Sachen (Str. 3,1f): „Es lebt in Gottes Hand / Gott wills auch wieder geben / | was er genommen hat / in seinem Freuden=Leben“; °Was Gott tut, das ist gut (Str. 1): „WAs Gott thut / das ist gut / Gott nimmt / was er gegeben / | Gott bringt die Meinen durch den Tod zum Himmels Leben / | wenn er gleich alles nim[m]t / thut er doch wol und recht | der höchste HErr / was bin ich? Sein geringster Knecht.“ °Weil mir mein Gott, der alles gibt (Str. 1): „WEil mir mein GOtt / der alles giebt / | mein einig Kind gegeben / | hat er auch Macht wenns ihm beliebt / | aus diesem JammerLeben | mein einig Kind / den liebsten Sohn / | in seine Freud und Himmels=Thron / | wenn er will / aufzunehmen.“ Schein, Trau deinem lieben Gott (Str. 3): „O wie ist wol versorgt / | Was er nimmt hin / | Ist lauter Gwinn / | Wir hans von ihm geborgt / | Voraus die lieben Kinderlein | Des liebes [!] Gotts Spielvögel seyn“; Schein, Sei gnädig, Herr, sei gnädig, Herr (Str. 8,1–4): „So fahr nun hin mein liebes Kind! | Ich hab dich nur geborgt / :/: | Fahr hin zu deinem GOTT geschwind / | Du bist sehr wol versorgt“. Becker, Lasset die Kindlein kommen (Str. 3,7f).

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ist; auch der biblische Satz „der Him[m]el jr soll seyn“215 gewinnt angesichts des Todes der Kinder eine besondere, unmittelbar jenseitige Bedeutung. In der letzten Strophe wird der frühzeitige Tod der Kinder dann noch ausdrücklich bedacht.216 Auch Schein spielt mehrfach direkt oder indirekt auf die Kinderperikope an, nun im Kontext genuiner Kinderbegräbnislieder.217 Jesu Wort „Wehret ihnen nicht“ wird dabei an die Eltern gerichtet; damit abgewehrt wird hier eine übermäßige Trauer, die sich sträubt, die Kinder herzugeben.218 In dem Lied Freut euch, ihr lieben Kinderlein findet Schein darüber hinaus noch ein weiteres Bild für die besondere Qualität der Beziehung zwischen Christus und den Kindern, indem er die Engel als schützende Zwischeninstanz einschaltet. Sie sollen, von Christus selbst beauftragt, „fleissig darauff mercken / :/: | Wie man mit euch [den Kindern] ümbgeht“ und „GOttes heilgen Ohrn“ Bericht erstatten, „Wenn sich ein Alts vor euch nicht schewt / | Vnd ergerlich euch ist“; denn wer den Kindern „Böß gethan“, hat „Gereitzet Gottes Zorn“219 (vgl. Mt 18,10). Als letzte Bibelstelle, mit der Gottes fürsorgliches Handeln häufig beschrieben wird, sei noch einmal Jes 49,14–16 genannt, jener Text, der zugleich oft für die Klage des Gottverlassenen herangezogen wird (vgl. S. 442). Die Antwort JHWHs auf Zions Klage enthält ebenfalls eine Überbietung der menschlichen Elternbeziehung durch die Gottesbeziehung, hier aber exemplifiziert an der Frau. Selbst wenn sie ihr Kind vergessen mag: JHWH wird Zion niemals vergessen; er ist treuer und verlässlicher als jede menschliche Mutter. Genau diese Zusage gilt bei Schein nicht nur den verstorbenen Kindern, sondern auch ihren Eltern, die damit selbst als Kinder Gottes angesprochen sind.220 Die biblische Redeweise für die wider den Augenschein unauslöschliche Verbindung zwischen JHWH und Zion ist bildlich: „In [meine] Hände habe ich dich gezeichnet“ (Jes 49,16). Im Sinne der Lehre von der Providenz, der vorausschauenden und -planenden Fürsorge Gottes, ist dieses Bild hervorragend einsetzbar. So schließt Freut euch, ihr lieben Kinderlein:

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Becker, Lasset die Kindlein kommen (Str. 2,4). Vgl. Schein, Freut euch, ihr lieben Kinderlein (Str. 1,1–4): „FRewt euch ihr lieben Kinderlein / | Gott ist euch hertzlich hold / | Sein Him[m]elreich soll ewer seyn / | Bey ihm ihr bleiben solt“. Vgl. Becker, Lasset die Kindlein kommen (Str. 4,1f): „Ob sie gleich zeitlich sterben, | jr Seele Gott gefellt“; vgl. Schein, So fahr ich hin mit Freuden, verlass (Str. 1,4): „Mein Seelein Gott gefällt“. Vgl. Schein, Trau deinem lieben Gott (Str. 7): „Mit was für Liebligkeit / | Hieß Christ der HErr | ihm bringen her | Die Kinderlein vor Zeit / | Er sprach: das Himmelreich ist ihr / | Drumb last sie alle kommn zu mir.“ Ausführlicher Schein, Seligkeit, Fried, Freud und Ruh (Str. 5–7). Vgl. Schein, Trau deinem lieben Gott (Str. 8): „Ihr Eltern wehret nicht / | Was GOtt verheist / | Er auch erweist / | Helt / was er einmal spricht / | Gebt hin / alls was er haben wil / | Ehr / Güter / Kind / vnnd halt ihm still.“ Schein, Freut euch, ihr lieben Kinderlein (Str. 3–4). Vgl. Mt 18,10: „Seht zu, daß ihr nicht einen von diesen Kleinen verachtet. Denn ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel.“ Vgl. Schein, Trau deinem lieben Gott (Str. 4–5): „Mit nicht er dein vergist / Ob Zion spricht / Gott acht mich nicht / Mit Gnad er bey ihr ist / Kan auch ein Mutter so geschwind / Vergessen ihr leibeignes Kind? || AUch ob sie des vergeß / Hett keinen Schmertz / Noch Mutter=Hertz / Der Natur vngemäß / So wärt doch GOTtes Gnad ohn End / Wir sind geschriebn in seine Händ.“

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9. […] Wir deine liebe Kind / So auffgezeichnet sind In deine Hand zusamen / Frewn vns des allzumal / Lobsingen dir mit Schall / Vnd sprechen kindlich / Amen.221

Das „Wir“ dieser Strophe ist offen sowohl für die Kinder, die bereits im Himmel lobsingen, die aber zuvor in der zweiten Person Plural angesprochen wurden, als auch für die trauernd Hinterbliebenen, die damit ihrem ‚kindlichen‘ Vertrauen in das fürsorgliche Handeln Gottes als Vater und Mutter Ausdruck geben. Dass diesem Schluss eine in die Strophenform gebrachte Fassung des Vaterunsers vorangeht, ist also ein wohlüberlegter Bestandteil des Gesamtkonzepts. b) Trost aus dem postmortalen Ergehen der Verstorbenen Eine tröstliche Perspektive für die Gegenwart, die durch den Verlust eines Angehörigen als leidvoll erfahren wird, kann sich in den untersuchten Liedtexten also einmal daraus ergeben, dass diese Gegenwart als Ergebnis des guten Gotteswillens und seines fürsorglichen Handelns verstanden wird. Das war an den Beispielen im vorangegangenen Teilabschnitt deutlich geworden. Eine weitere Perspektive ergibt sich, wenn statt des göttlichen Handelns das aktuelle, also postmortale Ergehen der Verstorbenen in den Blick genommen wird. Beide Perspektiven gehören eng zusammen und bilden die beiden Seiten einer Medaille: Weil Gott es gut meint, geht es dem Verstorbenen nun – nach seinem leiblichen Tod – besser als zuvor; das Heil als Maxime des göttlichen Handelns bildet die theologische Grundlage für jede Ausmalung jenseitigen Wohlergehens des Verstorbenen. Das Interesse an seiner Person tritt mit der geänderten Perspektive allerdings stärker in den Vordergrund, während es bei der zuvor geschilderten Perspektive stärker an das göttliche Handeln rückgebunden war. Bei der Fokussierung des Verstorbenen resultiert die tröstliche Wirkung zudem nicht zuletzt daraus, dass die Trauernden für die Dauer der Betrachtung von ihrer eigenen Situation und deren Deutung absehen können. Dass dem Verstorbenen sein Tod zum Besseren gereicht, kann auf zweierlei Weise ausgedrückt werden: zum einen durch die kontrastierende Schilderung der vorausgegangenen leidvollen Lebensumstände (vgl. u.); zum anderen durch die positive Schilderung seines nunmehr seligen Zustands (vgl. ab S. 468). Während der Person des Verstorbenen selbst in vielen Liedtexten Lob und Ehre zuteil wird, etwa durch die Erwähnung seines frommen Wandels und anderer Qualitäten (vgl. ab S. 439), werden die Umstände seines Lebens meist in den düsteren Farben gemalt, die schon eingangs genannt wurden (vgl. S. 184; 188). Daraus ergibt sich ganz zwangsläufig eine positive Deutung des Todes, der das Leid beendet. 221

Schein, Freut euch, ihr lieben Kinderlein (Str. 9,5–10). Vgl. Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, O du dreieinger Gott (Str. 6,5–8): „Er halt mich in der Hand, | Der ich gezeichnet ein, | Und ruffe stets, ich soll | Nicht, nicht verlohren seyn.“

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Kontrastierung des postmortalen Ergehens mit dem leidvollen Leben Für den rückblickend bilanzierenden Berichtstil sind Vergangenheitstempora und die Verwendung der ersten Person Singular kennzeichnend. „Ich bin auf keinen rosen | Gegangen jederzeit“, heißt es bei Joachim Pauli,222 bei Heermann: „Ach ja, wie bin ich doch bisher | In mancher noth durchfressen“. Nur selten öffnet sich im Text ein so konkreter Blick auf die tatsächlichen Lebensumstände wie in Heermanns offenbar autobiographisch gefärbtem Lied Der Tod klopft itzund bei mir an (vgl. S. 632). Schein lässt die Widmungsträgerin des Liedes Mit Seufzen und mit Tränen, von der ansonsten nur das Akrostichon „Maria P.“ greifbar ist, berichten, dass sie in ihrem „Ehstande | Viel Creutz erlitten“ habe: „Durfft keinem Menschn vertrawen nicht / | Mein Leid must in mich fressen ein“223. Aus Scheins Mit Freuden fahr ich hin zu Gott erhellt die (sicher ihrerseits vorgeprägte) „Müh vn[d] Noth“, die mit dem Beruf des „Schuldieners“ verbunden ist: 1. […] Voraus wer laboriret Im staub der schul mit fleiß / Vndanck er mercklich spüret / Gneust wenig seines schweisss [!]. 2. Es wird das arm Schulhäuffelein Ja gar zu gring geacht / :/: Vnnd die darinn am trewsten seyn Werdn desto mehr verlacht […].224

Undank, Verachtung, Hohn und Spott sind für den Lehrer diejenige Form der irdischen Mühsal, der er tagtäglich ausgesetzt ist und der sein Tod ein Ende macht.225 Insgesamt gilt: Wesentlich ist die Überformung des Einzellebens durch das Paradigma der leidvollen Erdenexistenz, durch die ein Text – und dies ist ja Voraussetzung für die Aufnahme in ein Gesangbuch – auf andere übertragbar bleibt. Enthielt die Urfassung eines Textes ausgeprägtere individuelle Bezüge, konnten sie in der Gesangbuchfassung wegfallen (vgl. S. 630). Wo das Leben in solchem Lichte erscheint, ergibt sich für diejenigen, die den Tod bereits als Kind oder in jungen Jahren erleiden, eine ebenso tröstliche wie einfache Schlussfolgerung: Je früher er eintritt, desto besser, oder umgekehrt mit einem Lied von Christoph Gensch: „JE länger hier, je später dort“226. Zwar muss mancher konstatieren, dass er aus seinen Lebensvollzügen herausgerissen wird, „Da ich noch nicht / was ich gewollt / vollendet“227; doch bei der Betrachtung dessen, was ihm er222 223 224 225

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Pauli, So hab ich nun vollendet (Str. 2,5f). Schein, Mit Seufzen und mit Tränen (Str. 2,1f.5f). Schein, Mit Freuden fahr ich hin zu Gott (Str. 1,5–2,4). Vgl. in dem Schein deutlich nachempfundenen Lied von Niedling, Jetzt fahr ich aus der Welt einmal (Str. 5): „Neid, Feindschafft, Rachgier, Spott un[d] Hohn | Ist jetzund der Schuldiener Lohn, | Nichts mehr thut man ihnn geben. | Ein ieder muß sich leiden viel, | Er machs gleich, wie er immer wil: | Man thut ihm widerstreben.“ Gensch, Je länger hier, je später dort (Str. 1,1). Anon., Mein Lebensend hat sich zu mir gewendet* (Str. 1,2).

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spart bleibt, erscheint der Tod nicht nur als kleineres Übel, sondern tatsächlich als die bessere Option. Früher zu sterben, bedeutet dieser Auffassung nach eine bevorzugte Behandlung durch Gott (vgl. S. 460);228 der richtige Zeitpunkt, ‚vollkommen‘ zu werden, ist keine Frage des Alters, solange das Ende nur ‚selig‘ ist.229 Ein wesentlicher Vorzug der früh Verstorbenen besteht darin, dass sie weniger Gelegenheit hatten zu sündigen. Schon Michael Weisse macht dies zum Thema seiner Kinderbegräbnislieder von 1531, wobei die Heilsrelevanz vorgegebener Faktoren wie Erbsünde und Erwählung mit der der Tatsünde in ungeklärte Konkurrenz tritt. Weisse betrachtet es als Vergünstigung für diejenigen, die „jung von hinnen“ mussten, „das sie nicht meer sünd beginnen“ – was ansonsten aufgrund der Erbsünde unweigerlich eingetreten wäre.230 Weisse sieht den Tod also als kleineres Übel gegenüber der Tatsünde an, die sich offenbar zu der vorgegebenen Verderbnis des Menschen zusätzlich auswirkt. Sie kann den Menschen ihrerseits im Laufe eines Lebens noch weiter ‚verderben‘, also ins Verderben führen: „Darümb jst besser jung sterben | denn alt werden vnd verterben.“231 Noch ein weiterer heilsrelevanter Faktor ist dem Menschen vorgegeben, die Erwählung: Gott „nimpt ein kindt an, das ander nicht“232, wobei dem Menschen zunächst nicht erkennbar ist, „welch kindt got | auserwelt vnd begabet hat“.233 Weder die Taufe als bloßer Akt234 noch menschliches „wollen vnd lauffen“ (vgl. Röm 9,16) können die souveräne Wahl Gottes beeinflussen: „am herren liegts allein, | der begabt vnd macht sein volck rein.“235 Für die Erwählten wie für 228

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Vgl. Homburg, Nun, mein Gott, ich bin’s zufrieden* (Str. 2,5–8): „Der ist wol mit GOTT daran / | welcher jung die Todes=Bahn / | treten muß / sein Leyd behende / | nimmet ein erwünschtes Ende.“ Rist, Ach was ist doch unser Leben* (Str. 7): „GOtt / der lässt ja Seine Frommen | zeitig aus der bösen Welt | zu der Himmels=Freude kommen / | weil Ihm treflich wol gefällt / | daß Er mög ein ander Leben  | Seinen liebsten Kindern geben / | welches uns Sein Sohn bestellt.“ Vgl. Schirmer, Nun lieg ich armes Würmelein (Str. 7,3f): „Ich bin vollkommen worden bald: | Wer selig stirbt, ist gnugsam alt.“ Vgl. auch das Motto bei Roberthin, Dass alle Menschen sterben müssen: „Mors matura venit, quando beata venit.“ Vgl. Richter, Lasset ab von euren Tränen (Str. 8,1–4): „Wol dem, der in seiner Jugend, | In des zarten Alters Blüth, | Jung von Jahren, alt von Tugend, | Seines Jammers Ende sieht“. Schein, Klagt nicht so, geliebte Leut (Str. 2,5–9; 3,5–9), betont, „Daß nicht das alt mache / | Wenn man knick vnd krache / | Hab sich lang gequelt / | Viel der Jahr gezehlt / | Anders steh die Sache. […] Vnbeflecktes Leben / | Klugheit auch darneben | Rechtes Altr vorwar | Vnnd recht grawes Haar | Thu den Menschen geben.“ Weisse, O Vater, Herre Gott (Str. 5): „Weyl wir durch die sünd seind verderbt, | der Todt auff vns alle geerbt | Nimbstu etlich jung von hinnen, | das sie nicht meer sünd beginnen.“ Vgl. ähnlich Weisse, Preis sei dem allmächtigen Gott (Str. 2). Weisse, Preis sei dem allmächtigen Gott (Str. 12,3f). Weisse, Preis sei dem allmächtigen Gott (Str. 4,2). Dagegen betont Weisse in dem Kinderbegräbnislied O Jesu Christe, Gottes Sohn nicht den exklusiven Charakter der Erwählung, sondern den universalen der Berufung (vgl. Mt 22,14) und damit den universalen Heilswillen Gottes, für „alle“, für Kinder wie Alte (Str. 3–4): „Du sihst nicht die personen an, | sonder wilt alle menschen han, | Du berüffest sie alle gleich, | kinder vn[d] alte, zu deim reich. || Nimbst sie alle gnedigklich auff | durch den Bund der Heyligen Tauff | Vnd wilt allen inn gleych geben | aus gnad das ewige leben.“ Weisse, Preis sei dem allmächtigen Gott (Str. 7): „Niemant kan wissen, welch kindt got | auserwelt vnd begabet hat, | Bis er an der frucht probire | Obs der geist gotes regire.“ Vgl. Str. 4,3f: „Vnd welchs er begabt weis niemandt, | biss an seinn früchten wirt erkant.“ Vgl. Weisse, Preis sei dem allmächtigen Gott (Str. 5,1f): „Die tauff on geist vnd glaubens bund | macht keines menschen seel gesundt“. Eine positive Sicht auf die Taufe als Ausdruck des universalen Heilswillens vertritt Weisse dagegen in O Jesu Christe, Gottes Sohn (Str. 4, zit. Anm. 232). Weisse, Preis sei dem allmächtigen Gott (Str. 6,3f).

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die Verworfenen ist nach Weisse ein frühzeitiger Tod von Vorteil – selbst wenn das verstorbene Kind „eins vons teufels heer“ ist, wird ihm „die helle nicht so schwer“, als wenn es auf Erden noch viel Gelegenheit gehabt hätte zu sündigen;236 das weniger belastete Sündenregister fällt zu seinen Gunsten ins Gewicht. Texte aus dem 17. Jahrhundert führen den Grundgedanken des Vorzugs der sündlosen Jugend weiter. Ein „Trost=lied über den Hingang der ungetauften Kinder“ (Nürnberg 1653) betont nun sogar Gottes Freiheit, auch ungetaufte Kinder selig zu machen.237 Vor allem aber kommt einem Kind beim frühzeitigen Tod seine Unschuld zugute; die Erbsünde kann hier ganz ausgeklammert werden. „Sein unbeflecktes Vnschuld=Kleid“ wird ihm Dach zufolge im Himmel „für vielen Alten weit | Des Vorzugs Preis […] geben“.238 Heermann, Schein, Gerhardt und Olearius nennen insbesondere die Verführung durch die Welt, von der Gefahr für die Kinder ausgeht und die sie durch „böß Exempel“239 zu „fellen“240 vermag. Mit ihren Stricken stellt sie dem Kind nach, das, so Heermann, zunächst nur „[r]echtschaffne Frömigkeit“ kennt: 6. Wie offters wird verführet Manch Kindt, an dem man spüret Rechtschaffne Frömigkeit! Die Welt voll list vnd Tücke Legt heimlich jhre Stricke Bey Tag vnd Nacht zu jeder Zeit. 7. Ihr Netze mag sie stellen; Mich wird sie nun nicht fellen, Sie wird mir thun kein leid. Den wer kan den verletzen, Den Christus jetzt wird setzen Ins Schloß volkomner Sicherheit?241

Dem Kind droht – je länger, je mehr – „Ergernis“ durch die Verführungskünste der Welt, „Denn Sünd / Betrug vnnd Schand | Die wird noch immer grösser“, je

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Weisse, Preis sei dem allmächtigen Gott (Str. 10): „Stierbt aber eins vons teufels heer, | dem wirt die helle nicht so schwer | Als dem welchs lang auf erden bleibt, | not leidet vnd viel böses treibt.“ Vgl. Vogel, °Gott ist nicht ein gebundner Gott (Str. 4,1–5,2; 12,1f): „Wol aber, daß der HErr nicht sagt: | Wer nicht getauft ist worden, | Der ist vom Himmel ausgejagt | Zu der Verdammten Orden: | Sonst müsten manche Kinderlein | Vom Himmel ausgeschlossen seyn, | Die nicht zur Taufe kommen || Und haben doch daran nicht Schuld, | Daß sie so hingescheiden. […] GOtt hat hierinn die freye Hand, | Er, Er kan alles schaffen“. Dach, Lass sterben, was bald sterben kann (Str. 4,1.3f). Gerhardt, Du bist zwar mein und bleibest mein (Str. 7,3); vgl. Str. 7,1–8,2: „Wie manches junges frommes Bluth | Wird jämmerlich verführet | Durch böß Exempel / das es thut / | Was Christen nicht gebühret. | Da hats denn Gottes Zorn zu Lohn: | Auf Erden nichts als Spott un[d] Hohn: | Der Vater muß mit grämen | Sich seines Kindes schämen. || Ein solches darf ich ja nun nicht | An meinen Sohn erwarten.“ Heermann, Gottlob, die Stund ist kommen (Str. 7,2). Heermann, Gottlob, die Stund ist kommen (Str. 6–7).

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länger das Leben währt.242 Ist das Kind verstorben, kann ihm die „Tücke“ der Welt dagegen gleichgültig sein; und, so Olearius, „was die Welt noch nicht verführet | und beschwert mit Sünden=Last / | ist der liebste Himmels=Gast.“243 Doch das ist nicht die einzige Sorge, der die Eltern enthoben sind. Daran erinnert das Ich eines verstorbenen Kindes den trauernden Vater bei Sacer: 2. Denckt, Vater, wie viel Sorgen, Wie manche wache Nacht, Wie manchen düstern Morgen Ein liebes Kind oft macht. Was ihm kan wiederfahren, Das fürchtet, der ihn liebt. Den Kummer könt ihr sparen, Drum[b] seyd nicht so betrübt.244

Nichts Schlimmes, so das Trostargument, kann dem Kind mehr zustoßen, kein „Vnfall“245, keine „Gefahr“246, keine „Wassersnoth“ oder „lange Quaal“247, denn es ist an einem Ort, wo ihm nur noch Gutes begegnet. Dieses Trostargument taucht freilich nicht nur bei früh Verstorbenen auf; den Tod in allgemeinerer Form als Ende des Leides zu beschreiben, ist überhaupt tröstlich (vgl. S. 184). Am Grab „Endt sich all vnser durfftigkeit, | als leidt wirdt drein geleget“, so Caspar Franck 1556, und weiter: „So leg wir vns zu guter rhu, | all angst wirt hingenommen“248. „HErr Gott, mein jammer hat ein end“, beginnt eines der am häufigsten belegten Lieder (Nürnberg 1563), und Ringwaldts Begräbnislied stellt fest: „Nu hat er alles vnglück vberwunden“249. Mit dem Tod enden Trübsal, Angst, Leid, Jammer, Unglück, Schmerz und der Angriff von Feinden250. Dieses bald in Vergangenheitsform, bald präsentisch konstatierte Resultat kann, so der Trost, nur willkommen sein. Dieselben Begriffe begegnen – um einige weitere vermehrt – auch im 17. Jahrhundert, so bei Schein: „ein End hat all mein Leiden“251; (von einem Kind:) „Ein End hat all sein Schmertzen / :/: | Nun darffs kein Trübsal mehr ausstehn“252; „Harm / 242

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Schein, Seligkeit, Fried, Freud und Ruh (Str. 12): „Nun wie bald ist es geschehn | Vmb kleine Kinderlein / :/: | Wenn solch Ergernis vorgehn / | daß wir verführet seyn: | Denn Sünd / Betrug vnnd Schand | Die wird noch immer grösser / | Drumb ist es ja viel besser / | Wir werdn zu Gott gesandt.“ Olearius, Weil der Erstling Gott gebühret (Str. 1,4–6). Sacer, So hab ich obgesieget (Str. 2). Dach, Lass sterben, was bald sterben kann (Str. 3): „Weil ich nun dieses | Was hab’ ich dessen Frommen, | Ob ich ein Kind, ob ich ein Greiß | Von hie werd’ hingenommen? | Wer zeitig stirbt, hat minder Noht. | Kan vielem Vnfall durch den Todt | Fein aus dem Wege kommen.“ Becker, Lasset die Kindlein kommen (Str. 4,5f): „Sie sind frey aller Gefahr | vnd dörffen hier nicht leyden“. Schirmer, Nun lieg ich armes Würmelein (Str. 11–12): „Wie manches Kind fällt sich zu tod, | Wie manches stirbt in Wassersnoth; | Wie leidet manches lange Quaal, | Eh es kömpt aus dem Jammerthal. || Solt euch dann diß nit tröstlich seyn, | Daß ich so sanft geschlafen ein, | Daß mir das liebe Jesulein | Verkürtzet meine Todespein?“ C. Franck, Lasst uns folgen St. Paulus’ Lehr (Str. 2,3f; 4,3f). Ringwaldt, Geliebten Freund, was tut ihr so verzagen (Str. 5,1). Ringwaldt, Geliebten Freund, was tut ihr so verzagen (Str. 4,1f): „Nu ist er aller seiner Feinde toben | vnd alles jammers frey vnd vberhoben“. Schein, So fahr ich hin mit Freuden, verlass (Str. 1,3). Schein, Ich will still und geduldig sein (Str. 2,2f).

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Kümmernüs vnd Sorgen | Hat nun mehr alls ein End“253; „Mein Seufftze[n] / Threnen hat ein End / | Mein Jam[m]er ist in Frewd versetzt.“254 In der Beendigung des Leides wird nach Heermann wieder das väterliche Handeln Gottes (vgl. S. 459) erkennbar: 6. […] Für dem Vnglück hat Er mich Hingerafft so väterlich. Jetzt kan mich kein Trübsal pressen, Aller Angst ist nun vergessen.255

Paul Gerhardt ersetzt die Rede von Unglück, Angst und Trübsal, denen Gott durch den Tod ein rettendes Ende setzt, durch Bilder wie „das starcke Wetter“, „Ottern / Löwen Wölff und Bäer“ oder den „bösen Lohn“ der Welt.256 Simon Dach schließlich kann den Tod so deuten, dass Gott die im „Creutz“ verhängte Glaubensprüfung für bestanden ansieht, sie darum beendet und den Geprüften „zu sich begehrt“.257 Positive Schilderung des postmortalen Ergehens Die vorangegangenen Seiten haben gezeigt: Durch den Kontrast zu allem Bösen, was dem Verstorbenen auf Erden entweder begegnet ist oder hätte begegnen können, wird sein aktueller postmortaler Zustand als Verbesserung und damit für die Angehörigen als Grund gedeutet, sich angesichts des Verlustes zu trösten. Dieser aktuelle Zustand wird freilich nicht nur kontrastierend, sondern auch positiv geschildert, vor allem in präsentischen Aussagen über den Himmel: „Ich wil betrachten deinen Stand, | Wie Gott dir alles Creutz gewand | In höchste Frewd vnd Wonne“, heißt es bei Heermann, gefolgt von einer ganzen Reihe von Strophen, in denen der himmlische Zustand der Verstorbenen ausgeführt wird.258 Auf die Bilder des Himmels kann an dieser Stelle nicht ausführlich eingegangen werden; dazu kommt aber eine ganze Reihe von fest stehenden Formulierungen, die z.T. den Charakter eigener Sprechakte besitzen. Dazu gehört etwa die Seligpreisung der Toten, die „im Herrn“ gestorben sind (Apk 14,13), die irdische „Noth“ hinter sich gelassen haben und nun in ihm ruhen dürfen. „O Wie selig ist der todt | dem der verstirbt in Got!“259, beginnt ein altes Lied von Caspar Löner (1538); ein Lied 253

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Schein, Ich hab mein Lauf vollendet (Str. 3,1f); welcher Art diese Sorgen sind – nämlich ganz alltäglicher –, führen die übrigen Verse der Strophe aus: „Was thun wir heut? was morgen? | Wie gehts im Regiment? | Wie stehets in dem Haus? | Wie mancher drumb thut schwitzen / | Kan nicht viel stille sitzen / | Bey mir ists alles aus.“ Schein, Mit Seufzen und mit Tränen (Str. 3,7f). Heermann, Lasset ab, ihr meine Lieben (Str. 6,5–8). Gerhardt, Was traurest du, mein Angesicht (Str. 8–10). Vgl. Dach, O wer doch überwunden hätte (Str. 2): „Hie wurdestu zwar sehr betrübet, | Erfuhrest viel vnd grosse Pein; | Doch weil der Höchste dich geliebet, | So kuntt’ es gantz nicht anders seyn, | Creutz, die Zucht der Frommen, | Must auff dich auch kommen, | Biß dich GOtt bewehrt | In Gedult befunden, | Der dich nun entbunden | Vnd zu sich begehrt.“ Die zitierten Verse aus Heermann, Ach Gott, ich muss in Traurigkeit (Str. 5,5–7) finden nach den Ausführungen über die himmlische Gottesnähe eine abschließende Entsprechung (Str. 12,1f): „Diß wil ich stets in meinem Leid | Mir zu Gemühte führen“ usw. Löner, O wie selig ist der Tod (V. 1f); vgl. weiter: „Der nichts thut | dan nur ruht | In Christo Jesu dem Herren, | welcher ist die aufferstehung vnd das leben.“

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aus den Threnodiae von Demantius (Freiberg 1620): „ACh wie selig sind die allein, | So in Gott wol gestorben seyn!“, hier verbunden mit Weish 3,1: „Denn jhre Seelen allesampt | Stehn von nu an in Gottes Hand“.260 Von den späteren Liedern ist Simon Dachs relativ verbreitetes O wie selig seid ihr doch, ihr Frommen261 (Danzig 1635) Vorbild für einige weitere Dichtungen geworden, etwa von David Behme262 (Oels 1655) oder Erasmus Finx263 (Nürnberg 1668). Auch in anderen Liedern wird die Seligpreisung immer wieder ausgesprochen.264 Die Kontrastierung zum Leben in der Welt klingt noch an in der häufigen Redeweise, dass der Verstorbene nach seinem Tod „ein besser Leben“265 oder auch ein „angenehmers Leben“266 findet. Schon Weisse konstatierte von einem Kind, da es keine „trübsal“ mehr sehen muss: „jhm mag nimmer bas [besser] geschehn“267; bei Schein und anderen heißt es: „Mir ist gantz wol geschehn“268. Oft wird das bessere Ergehen der Verstorbenen auch ausdrücklich zur Perspektive derjenigen in Beziehung gesetzt, die um sie trauern und in Liedern Trost suchen. Ihr Zustand wird etwa als die Erfüllung dessen charakterisiert, wonach sich die Lebenden noch sehnen: „Christus wischet ab euch alle Thränen, | Habt das schon, wornach wir vns erst sehnen“269; „Ihr habt und sehet stündlich an | Das / da wir noch nach bangen“270. David Behme, der den Gedanken von Dach aufgreift, expliziert das von 260 261

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Anon., °Ach wie selig sind die allein (Str. 1,1f; 2,1f). Dach, O wie selig seid ihr doch, ihr Frommen (Str. 1): „O Wie Seelig seydt jhr doch, Ihr Frommen, | Die Ihr durch den Todt zu Gott gekommen, | Ihr seydt entgangen | Aller Noth, die vns noch helt gefangen.“ Behme, °O wie selig seid ihr doch (Str. 1): „O wie selig seyd Ihr doch, | Ihr Erlösten Hertzen, | Die Ihr vor bey schwerem Joch | Habt erduldet Schmertzen, | Nu mehr aber durch den Todt | Kommen seyd zum Leben, | Da wir noch mit vieler Noth | Täglich sind umbgeben.“ Finx, Wie selig ist ein frommer Christ (Str. 1): „WIe selig ist ein frommer Christ, | Der in dem HErrn gestorben ist: | Ihn hat der kühle Tod | Aus diesem rechten Jammerthal | Entzogen aller Angst und Qual.“ Vgl. anon., Es ist doch in diesem Leben* (Str. 10–11): „O wie selig sind zu schätzen / | die das schwache Lebenskleid | Abgelegt / und sich ergetzen / | In der schönen Ewigkeit. || Sie sind zu der Ruh gekommen / | Gott hat sie genommen ein / | O wie selig sind die Frommen / | Die in Gott verblichen seyn.“ Sass, Wie frei und selig seid ihr doch* (Str. 1,1–4): „WIe frey und selig seyd ihr doch / | Ihr außerwählte frommen / | Die ihr auß diesem lebens=joch | Zu GOtt seyd auffgenommen“. Vgl. Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Str. 3,5f): „Ich weiß ein besser Leben | da mein Seel fehret hin“; Schein, Mein Freund, nicht so weint (Str. 2,1–6): „Ihr ja wisst / | Daß ein Christ | Findt ein besser Leben / :/: | Wenn er stirbt / | Nicht verdirbt / | Ach bedenckt es eben“; Heermann, Gottlob, die Stund ist kommen (Str. 4,1–3): „Kurtz ist mein Irrdisch Leben; | Ein bessers wird mir geben | Gott in der Ewigkeit“; anon., Nunmehro ist vollendet* (Str. 4,5–8): „[…] Dann ja zum eiteln Leben | uns GOtt nicht aussersehn? | Ein bessers wil er geben | dort / da wir sollen vor ihm stehn.“ Anon., O Welt, muss ich dich lassen, muss mein* (Str. 2,1–4): „Ein angenehmers Leben | wird mir mein JEsus geben / | das hat er durch sein Blut | erworben allen Frommen“. Weisse, Preis sei dem allmächtigen Gott (Str. 9,3f); vgl. ebenso Weisse, O Jesu Christe, Gottes Sohn (Str. 7,3f). Anon., Ich war ein kleines Kindlein (Str. 4,1f): „Gott gsegn euch, Vatr vnd Mutter, | Mir ist gantz wol geschehn“; Schein, Ich will still und geduldig sein (Str. 2): „O wie ist ihm so wol geschehn / | Ein End hat all sein Schmertzen“; Schein, Ich hab mein Lauf vollendet (Str. 2,5f): „Mir ist sehr wol geschehn / | Mein Seel hat Frewd die Fülle“; Schein, Klagt mich nicht mehr, ihr lieben Leut (Str. 1,1f): „CLagt mich nicht mehr / ihr lieben Leut / | Mir ist nun wol geschehn“; anon., Ich bin von euch geschieden* (Str. 3,5f): „O wol ist mir geschehen, | Wie wol thut mir hie seyn“. Dach, O wie selig seid ihr doch, ihr Frommen (Str. 4,1f). Vgl. Gryphius, Ade, verfluchtes Tränental (Str. 9,1–4): „Ade, jhr liebsten, ich muß fort, | Laßt ab von ewren thränen. | Denckt, daß ich auß=steig in den Port, | Nach dem sich alle sehnen.“ Sass, Wie frei und selig seid ihr doch* (Str. 4,3f).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

den Menschen Ersehnte im Kern als Gottesschau: „Was das Hertz gegläubet hat, | Könnet Jhr nu schawen“271. Den Lebenden ist solche Schau verwehrt. Ein Trost wäre es ihnen schon, wenn sie sehen könnten, wie es dem verstorbenen Kind tatsächlich geht. Das zumindest wird dem Kind immer wieder – etwa bei Schein, Tobias Michael und Paul Gerhardt – als Wunsch in den Mund gelegt: „8. Sollt / ihr lieben Eltern / doch Nur einen Blick ansehn / :/: Vnser Wonn vnd Frewden hoch / Wies vns so wol thut gehn: Ihr würd nicht weinen sehr / Drumb wollt euch recht besinnen / Vnnd vns die Frewde günnen / Ach gebet Gott die Ehr.“272 „6. Wenn ihr doch nur solt sehen / Hertzliebste Eltern mein / Wie ümb mich rümher gehen Die heilgen Geisterlein / Wie mich mein Jesus küsset Mit seinem Liebes=Mund / Kein Zähren ihr vergösset / Denn ich bin gantz gesund.“273 „1. […] Ach solt ihr sehen wie mirs geht / Vnd wie mich der so hoch erhöht Der selbst so hoch erhoben / Ich weiß ihr würdet anders thun / Vn[d] meiner Seelen süsses ruhn Mit eurem Munde loben.“274

Das himmlische Leben ist für das Ich jeweils präsentische, sinnliche, sicht- und greifbare Realität, an der es die Angehörigen in ebenso sinnlicher Weise teilhaben lassen möchte. Könnten sie sich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass es ihm „so wol thut gehn“, könnten sie tatsächlich das tun, wozu die Lieder immer wieder auffordern: das Trauern und Weinen einstellen; ja sie würden selbst „für Freuden / | auch wünschen abzuscheiden“275. Der Liedtext substituiert die ihnen mit den Augen 271

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Behme, °O wie selig seid ihr doch (Str. 4): „Jesus Christus, Gottes Sohn, | Wischt ab Ewre Thränen. | Ihr genisset völlig schon, | Wornach wir unß sehnen. | Was das Hertz gegläubet hat, | Könnet Jhr nu schawen | Mit den Augen in der that | Ohn verdruß und grawen.“ Schein, Seligkeit, Fried, Freud und Ruh (Str. 8). Michael, Wo ist denn hin mein Leiden (Str. 6). Gerhardt, Mein herzer Vater, weint Ihr noch (Str. 1,5–10). Anon., Viel tausend guter Nacht* (Str. 5): „Wol mir / ach! sehet doch / | zwar ihr könnts noch nicht sehen / | wie auff das Creutzes Joch / | mir ist so wol geschehen / | wenn ihr nur einen Blick / | jetzt möchtet tun zurück / | so würdet ihr für Freuden / | auch wünschen abzuscheiden.“

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VII. Abschied und Trauer

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nicht zugängliche Welt des Himmels durch Bilder, die das Ergehen des Verstorbenen zeigen und manchmal ihre eigene Beziehung zu ihm widerspiegeln. Wie das zweite der obigen Beispiele (Tobias Michael) und andere zeigen, wird im 17. Jahrhundert etwa das himmlische Wohlergehen der Kinder als zärtliche Zuwendung durch „[v]mbfahen“, „hertzen“ und „küsse[n]“ expliziert. Da es den Eltern entzogen ist, wird dem Kind diese Zuwendung nun durch „Engelein“276, „Geisterlein“277 und Jesus oder das „Jesulein“278 zuteil. Die Beispiele zeigen, dass die Sprache dieser Kinderbegräbnislieder überhaupt reich an Diminutiven ist. Zur Trauer der Angehörigen wird also mit der himmlischen Freude, die der Verstorbene schon jetzt erlebt, ein Gegengewicht gesetzt. In Anbetracht dessen erscheint es geradezu als unangebracht, als Ausdruck von Missgunst und mangelnder Liebe, den Weggang des Toten weiterhin zu beklagen. „Diese Klag’ ohn alle massen | Hat der Mißgunst grossen Schein“279, heißt es bei Dach; und an anderer Stelle mit Verweis auf die himmlische Krone der Ehre, des Lebens oder der Gerechtigkeit (vgl. 2Tim 4,8 u. a.): „Hört endlich auff, es ist genug, | Mißgönt mir nicht den edlen Schmuck | Der Kronen, die mich zieret.“280 Der Appell, ihm die Freude des himmlischen Lebens doch zu ‚gönnen‘, ist mit der Aufforderung zur Beendigung der Klage ausgesprochen häufig verbunden: „Umb mich legt hin das Weinen / | und gönnt mir diese Freud“281. Statt Trauer ist genau dies das Gebot der Liebe, die ja nichts anderes wollen kann als das Wohl der Geliebten und sie, so Roberthin, zur „lang gewünschten ruh“ sogar beglückwünschen muss.282

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Schein, Seligkeit, Fried, Freud und Ruh (Str. 1,7f): „Die Englein mit mir schertzen / | Allhier gut bleiben ist“; Schein, Ich will still und geduldig sein (Str. 2,1.4): „O wie ist ihm so wol geschehn […] All Engelein es hertzen“; Schein, So fahr ich hin mit Freuden, verlass (Str. 3,1f): „So thun ümb mich herspringen | Die lieben Engelein“; Michael, Wo ist denn hin mein Leiden (Str. 4,5f): „Viel tausend Englein schertzen | Mit mir in höchster Frewd“; Niedling, °Zieht hin, ihr lieben Kinder, zieht (Str. 3,5f): „Die lieben Englein ohne Zahl | Vmbfahen euch ins Himmels Saal.“ Michael, Wo ist denn hin mein Leiden (Str. 6,4), zit. oben im Text. Schirmer, Nun lieg ich armes Würmelein (Str. 4,2): „Mein Jesulein mich küßt und hält“; Niedling, °Zieht hin, ihr lieben Kinder, zieht (Str. 3,3f): „Das holdselige Jesulein | Setzt euch nun auff ein Kräntzelein“; anon., Ich bin von euch geschieden* (Str. 1,5f): „Hier hab ich nun viel freuden | Bey meinem Jesulein“; vgl. Schein, Seligkeit, Fried, Freud und Ruh (Str. 1,5f): „Mein HErre Jesus Christ | Thut mich gar freundlich hertzen“. Dach, Gleichwohl hab ich überwunden (Str. 3,3f). Kaldenbach, °Mein letztes Hoffen wird erfüllt (Str. 1,4–6). Das Lied wird von Ziesemer (SDG III 28.) Dach zugeschrieben, von FT III 183. dagegen Christoph Kaldenbach; beide verweisen auf denselben Funeraldruck als Quelle (Danzig 1639 für Hieronymus Scharff ). Die Zuschreibung an Kaldenbach wird durch einen Beleg in Kaldenbachs Deutscher Grab=Getichte Anderes Theil (Elbing 1648), 3. Buch, 91–93 gestützt. Anon., Nunmehro ist vollendet* (Str. 7,5f). Vgl. Schein, Ihr lieben Trauerleut (Str. 8,1–4): „So weint nun doch nicht mehr / Euch baß besinnet / Vnd gerne gönnet Mir solche frewd vnnd Ehr“; Pauli, So hab ich nun vollendet (Str. 7,5–8): „In diesem weltgebäude | Hab ich euch ja geliebt; | Drumb gönnt mir doch die freude, | Die mir mein Heyland gibt.“ Roberthin, Ihr, die ihr euch Christen nennet (Str. 5): „Lasst uns / liebe freund / ihr gönnen / | Was der reiche GOtt ihr gibt / | Haben wir sie vor geliebt / | Ist das beste / daß wir können / | Wünschen ihr noch glück dazu / | Zu der lang gewünschten ruh.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Das Gegengewicht der himmlischen Freude, die mit dem Leid der auf Erden Verbliebenen scharf kontrastiert wird, wiegt in Gryphius’ Lied Ade, verfluchtes Tränental so schwer, dass angesichts der „zähren“ der Trauernden nicht nur die übliche Frage nach der vermeintlichen Missgunst aufbricht, sondern dass es schließlich sogar zu einer Umkehrung des Trauerns kommt – es gilt nun den Hinterbliebenen: 7. Vnd mag noch jemand seyn, der mich Mit zähren rufft zurücke, Denckt, liebsten, wo jhr vnd wo ich. Mißgönt man mir mein Glücke? Ich lach, jhr weynt; ich sieg, jhr kriegt; Ich herrsch, jhr dient; ich steh, jhr liegt; Ich leb, jhr müst verschmachten. 8. Ihr seyd, vmb die man trawern sol, Ich, den die Lust erquicket; Ihr zagt, vnd mir ist ewig wol. GOTT hat mich heim geschicket, Der euch bald ruffen wird zu mir. In dessen lernt die falsche zier Der eiteln Welt verachten.283

Erst wenn sie „die falsche zier | Der eiteln Welt“ überwunden haben und selbst von Gott ‚gerufen‘ werden, endet die Trauer auch für die Hinterbliebenen. Diese Perspektive ist nicht mehr auf die Gegenwart, sondern auf die Zukunft gerichtet; ihr Trost liegt wesentlich darin, dass Gottes Ruf dann auch ein Ruf „zu mir“, also zu dem Betrauerten hin sein wird. Die Trennung ist damit nur eine vorläufige, der Verlust nicht endgültig; er wird an dem Ort aufgehoben, an dem sich der Verstorbene schon jetzt befindet. Dasselbe „zu mir“ begegnet bei Schein: „Ich komm zu ihnn nicht wieder / | Begehr auch nicht hin nieder / | Sie werden kommn zu mir.“284 Die drei Verse greifen drei typische Redeweisen des Trostes auf. Mit der Feststellung, dass der Tote „nicht wieder kommen“285 wird, ist an sich noch kein Trost ausgesprochen; die Unwiderruflichkeit des Todes lässt die Klage aber zumindest nutzlos erscheinen. In der Beteuerung des Toten, dass er ein Wiederkommen gar nicht wünsche – „Obs gleich mir müglich wer“286 –, klingt wieder der eben ausgeführte Trost an, dass es ihm dort, wo er nun sei, besser gehe. Mit der Ankündigung einer Zusammenführung 283 284

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Gryphius, Ade, verfluchtes Tränental (Str. 7–8). Schein, So fahr ich hin mit Freuden (Str. 5,5–7). Vgl. Heermann, Ach Gott, ich muss in Traurigkeit (Str. 10,1–4): „Du kömpst nicht wieder her zu mir | In diß betrübte Leben, | Ich aber komm hinauff zu dir; | Da werd ich mit dir schweben“. Olearius, °Der Sohn, dein Sohn ist tot (Str. 1,1f): „DEr Sohn / dein Sohn ist tod / durchs Wasser hingenommen / | der einig liebste Sohn wird nun nicht wieder kommen“; vgl. Schein, Seligkeit, Fried, Freud und Ruh (Str. 4,1–4): „Ach bey leibe ja nicht weint / | Mein Vatr vnnd Mutter from / :/: | Vnd all mein verwandte Freund / | Zu euch ich nimmer komm“. Niedling, °Nun fahr ich hin mit Freuden (Str. 7): „Nicht wolt ich wieder kommen | Nach der meinen Begehr, | Von denn ich bin genommen, | Obs gleich mir müglich wer. | Wann schon die gantze Welt | Ich hiefür solt empfangen, | Nach jhr ich nicht verlange, | Ihr Thun mir nicht gefelt.“

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VII. Abschied und Trauer

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nicht auf Erden, sondern im Himmel wird für die Ebene der persönlichen Beziehung der eigentlich tröstliche Punkt angesprochen. Diese Hoffnung auf die Fortdauer der Beziehung mit dem Verstorbenen jenseits des Todes, die Hoffnung auf ein Wiedersehen, ist ein gerade im 17. Jahrhundert an Bedeutung gewinnender Trostgrund; sie ist Gegenstand des nächsten Teilabschnitts. c) Trost aus der Hoffnung auf die Fortdauer der Beziehung mit den Verstorbenen Neben den tröstlichen Perspektiven für die Gegenwart – zum einen aus der theologischen Überlegung heraus, dass das göttliche Handeln immer als Fürsorge zu verstehen ist, zum anderen aus der damit zusammenhängenden Folgerung, dass es dem Verstorbenen nach seinem Tod besser geht als zuvor – enthalten die Lieder tröstliche und hoffnungsvolle Perspektiven auch für die Zukunft. Dazu gehört zunächst das Versprechen, dass die Trauer nicht lange andauern und „Nach wenig zeit und stunden“287, „in kurtzer Zeit“288, in einem „Augenblick“289 (Ps 30,6; vgl. Jes 54,7) beendet sein wird. Dieses Versprechen bezieht sich nicht auf die diesseitige Zukunft – etwa in dem Sinne, dass der Schmerz schon bald nachlassen wird –, sondern auf die Ewigkeit, der, so der Trost, auch die Trauernden schon näher sind, als sie glauben.290 Von der Auferstehung der Toten als der zentralen christlichen Zukunftshoffnung, die ihrerseits im Evangelium der Auferstehung Christi von den Toten begründet liegt, wird noch die Rede sein (vgl. S. 512). Aus dieser theologischen Vorgabe ergibt sich eine Folgerung, die die persönliche Beziehung von Verstorbenen und Hinterbliebenen betrifft und damit für die Verarbeitung der Verlusterfahrung relevant wird: eben die Hoffnung darauf, die Verstorbenen im Himmel wiederzusehen,291 die sich in der humanistischen Tradition von Ciceros De senectute schon bei Melanchthon und Zwingli findet.292 Bei Michael Weisse 1531 ist diese Vorstellung noch an das Szenario von der allgemeinen Auferstehung der Toten am Jüngsten Tag gebunden.293 In den Liedern des 17. Jahrhunderts hat sie sich so weit individualisiert und verselbständigt, dass das Wiedersehen schon unmittelbar nach dem Tod stattfinden kann – auch wenn die Auferstehung des Leibes später noch erfolgen soll, ist von ihr in diesem Zusammenhang oft gar nicht mehr die Rede. Das gilt bereits für das Lied Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, was widerstrebt (Jena 1579), in dem Dorothea Susanna, 287

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Pauli, So hab ich nun vollendet (Str. 8,1.3): „Wir werden seyn verbunden […] Nach wenig zeit und stunden“. Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Str. 9,6); vollständiges Zitat vgl. u. Anm. 304. Schein, Die Zeit nunmehr vorhanden ist (Str. 7,1f): „Es wärt das Weinen doch nicht lang / | J[a] nur ein Augenblicken“. Schein, Klagt mich nicht mehr, ihr lieben Leut (Str. 6): „Richt nur dein Leben also fort | Zu GOttes Ehr vnd Preiß / :/: | So wirst du auch an diesen Ort | Bald kommen gleicher Weis: | Vnnd ob dich schon deucht lang die zeit / | Ist sie doch gegn die Ewigkeit | Nur wie ein Augenblick“. Entsprechende Belege aus Leichenpredigten bei Mohr, Leichenpredigten, 421f; aus Selbstzeugnissen zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges bei Krusenstjern, Seliges Sterben, 472. Vgl. Lang/McDannell, Der Himmel, 213; zur Rezeption von Ciceros Schrift im Renaissancehumanismus bei Petrarca und Erasmus vgl. ebd. 171f. Kritischer stand Calvin zur Hoffnung auf ein Wiedersehen (ebd. 214). Vgl. Weisse, So lasst uns den Leib behalten (Str. 2): „Doch hoffen wir vnd vertrawen, | das wir vns noch werden schawen, | Wenn wir aufstehn von der erden | vnd für gericht treten werden.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Witwe des Herzogs von Sachsen-Weimar, schon für den Zeitpunkt ihres eigenen Todes die himmlische Wiedervereinigung mit ihrem „Herren“ erbittet294 – und das ist hier wohl auf den verstorbenen Gemahl bezogen, der im selben Lied auch zum „Himmels Fürst“ erklärt wird.295 Ein weiteres frühes Beispiel für die Vorstellung vom Wiedersehen mit den Angehörigen im Himmel ist Hermans Der Mensch wird von einm Weib geborn296 (Leipzig 1555), knapp auch Leons Dein Leib wollen wir nun begraben297 (1582) oder das anonyme Hie lieg ich armes Würmelein298 (Frankfurt/O. 1607). Ausführlicher kommt das Thema dann in Jeremias Nicolais Herr Christ, tu mir verleihen (Frankfurt/M. 1599) zur Sprache, hier in Verbindung mit einer umfassenderen Beschreibung der himmlischen Gemeinschaft, weiterhin bei Christoph Knoll (Herzlich tut mich verlangen; Im Leben und im Sterben; Görlitz 1611). Vor allem bei Heermann, aber auch bei Schein, Dach, Gerhardt und anderen gehört die Vorstellung zum zentralen Bestand der Trostgründe. Angesichts der Hoffnung auf die Wiedervereinigung im Himmel verliert die Trennung durch den zeitlichen Tod ihren endgültigen Charakter. Die Toten sind dann „nur vorangegangen“ oder „geschickt vorhin“,299 warten bereits auf die Lebenden300 und fordern sie auf nachzukommen: „Ade! folgt nach mit Frewden, | So bald ihr schliesset ewern Lauff.“301 Entsprechend wird von Gott „Gute nachfahrt“ erbeten.302 Die konkrete Erwartung des Wiedersehens wird vor allem auf dreierlei Weise formuliert: als tatsächliches Sehen oder Schauen, als Zusammenkommen oder Zueinanderfinden und als dauerhaftes Ungetrennt-Bleiben – und all dies geschieht fast immer „in Freuden“. Erstens: Mit dem Sehen oder Schauen wird bei Weisse und noch mehr bei Herman, der es gleich drei Mal erwähnt, die körperliche Realität der 294

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Anon., Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, was widerstrebt (Str. 7,4.7–11): „Wenn meine Seel vom leib scheid ab […] für mich ein | zum Herren Mein, | ins Himmels thron, | darnach ich han | ach HErr, ein gros verlangen“. Anon., Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, was widerstrebt (Str. 4,8); vgl. Str. 9,1–3.7f.11: „Steh mir nur bey, das ich, O Gott, | bey deinem Wort | vnd deiner Lehr beharre, […] Gleich wie mein Herr | nicht ohn gefehr […] bstendig dich hat bekennet.“ Zu unterscheiden ist in diesem Text offenbar die Anrede „HErr“ (in der zweiten Person) von der Bezeichnung für den Ehemann „Herr“ (in der dritten Person). Zit. Anm. 303. Vgl. Leon, Dein Leib wollen wir nun begraben (Str. 17): „Der HErr wird auch in jhenem leben | eim jeden die seinn wider geben, | Die wir hie mit schmertzen beleitten | vns dort setzen an vnser seitten.“ Vgl. anon., Hie lieg ich armes Würmelein und schlaf (Str. 4,5f): „Helff GOtt, das wir im Himmelreich | einander wieder sehn zugleich.“ Anon., Welt, ade, ich bin dein müde (Str. 7,1): „Ich bin nur vorangegangen“; Titius, Heute werd ich sterben* (Str. 3,6f): „Threnen sind nicht noth: | Denn ich bin geschickt vorhin“; anon., Nunmehro ist vollendet* (Str. 5,1f): „Voran ich bin geführet | durch meinen liebsten JEsus Christ“; anon., O Welt, muss ich dich lassen* (Str. 11,1): „Ich bin voran gegangen“; Sand, Und du auch musst hie eben (Str. 10,2): „Ich gehe nur vorhin“ usw. Vgl. Michael, Wo ist denn hin mein Leiden (Str. 7,1f): „Ich wart auff euch mit Frewden / | Biß ihr auch kommt hernach“; Heermann, Es nahet sich zum Ende (Str. 12,1–3): „Es stehen mit Verlangen | Die, so voran gegangen, | Vnd warten frölich auff.“ Heermann, Es nahet sich zum Ende (Str. 12,5f); vgl. anon., O Welt, muss ich dich lassen, muss mein* (Str. 8,5f): „schickt euch nachzukommen / | eilt / eilt nach eurem JEsu zu“; anon., Nun gottlob, es ist vollbracht* (Str. 7,7f): „macht es ein Ende / | folgt mir behende!“ Titius, Heute werd ich sterben* (Str. 3,8f): „[…] und ihr alle müst nachwandern / | einer nach dem andern.“ Roberthin, Ihr, die ihr euch Christen nennet (Str. 6,4).

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VII. Abschied und Trauer

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Auferstehung hervorgehoben,303 die bei späteren Autoren oft gar nicht mehr eigens genannt wird; seine Funktion als eine Art Beweis der leibhaftigen Wiedervereinigung verliert das Sehen der anderen dadurch freilich nicht.304 Es bildet die Entsprechung zur Gottesschau als zentralem Inhalt der himmlischen Existenz. Zweitens wird die Überwindung der Trennung durch den Tod durch das Bild des Zusammenkommens oder -findens betont: „Da findet sich beysammen / | Was hie zureißt der Todt“305. Für den Betrauerten ist dies schon in der Gegenwart Realität. Und ebenso wie dieser schon jetzt von denen in Empfang genommen wird, die ihm vorangegangen sind,306 wird er selbst in Zukunft diejenigen begrüßen, die jetzt um ihn trauern.307 Gelegentlich wird auch dieser Vorgang körperlich vorgestellt, etwa als „[V]mbfangen“308 o.ä. Die tröstliche Kraft gerade dieses Gedankens wird von Heermann in dem Lied Ach wie schnelle wird verkehret nachdrücklich hervorgehoben: 6. Eines ist / das mein gemühte Noch in dieser angst erhält: Wenn mein geist deß leibes hütte Wird ablegen in der welt / Und aufffahren in die stadt / Die von gold ihr pflaster hat /

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Vgl. zu Weisse Anm. 293; Herman, Der Mensch wird von einm Weib geborn (Str. 15–17): „Wir wollen dort sehen vnser freund […] Dort werden alle Kinderlein […] Ir Eltern sehen in Gottes reich […] Auch wird ein Vater seine Kindt […] Mit freuden sehen jmmerdar“. Vgl. Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Str. 9,5–8): „Bestendig bleibt im Glauben, | wir werden in kurtzer zeit | einander wider schawen | dort in der ewigkeit.“ Knoll, Im Leben und im Sterben (Str. 7,1f): „Dort werd ich wider schawen, | Die mir der Todt entwand“; Heermann, Es nahet sich zum Ende (Str. 7,1–4): „Ach höre doch mein Flehen! | Laß mich die Meinen sehen | Im Himmel bey der Schaar, | Die für dir selig stehet“; Alardus, Wacht auf, betrübte Herzen (Str. 9,1–4): „ALda wir auch mit Frewden | Die werden schawen an, | So wir mit grossem Leiden | Vorhin geschicket han.“ Anon., Allhie begehr ich länger nicht* (Str. 4,1–4): „Da werd ich wieder lebend stehn / | Und alle meine lieben sehn / | Die mir im leben huld und treu | Verblieben ohne heucheley.“ J. Nicolai, Herr Christ, tu mir verleihen (Str. 8,1f). Vgl. Dach, Gleichwohl hab ich überwunden (Str. 5,1–4): „Ja es wird der Tag sich finden, | Daß auch Ihr, befreyt der Welt | Vnd geschieden von den Sünden, | Mir sollt werden beygesellt“; anon., Nun hat mich auch gewähret* (Str. 6,5–8): „So kommen wir mit freuden | Zusammen nach der zeit / | Wie uns GOtt hat bescheiden | In seiner ewigkeit.“ Vgl. Schein, Ich will still und geduldig sein (Str. 2,5f): „Sein Schwesterlein / Sein Mütterlein | Heissn es zu ihnn wilkommen seyn“; Schein, Nun scheid ich ab in Fröhlichkeit (Str. 5,4–8): „Jtzt treff ich allbreit an | In Himmels=Schmuck vnd Ehren | Die liebn Voreltern mein / | Die auch zu Gott dem Herren | Vor mir gefahren seyn“; Sand, Und du auch musst hie eben (Str. 9,5–8): „Mich hat bereit umfangen | Der vater / der vorauß | An diesen ort gegangen / | Hier sind wir recht zu haus.“ Vgl. Heermann, Gottlob, die Stund ist kommen (Str. 10–11,3): „Wann jhr mich werdet finden | Für Gott, frey aller sünden, | In weisser Seyden stehn | Vnd tragen Sieges Palmen | In händen vnd mit Psalmen | Des Herren Ruhm vnd Lob erhöhn: || Da werdet Ihr euch Frewen; | Es wird euch hertzlich rewen, | Daß jhr euch so betrübt.“ Schein, In Seufzen tief, in Traurigkeit (Str. 9,5–10): „Wenns Gott gefällt / | Aus dieser Welt | Wil ich gar gerne scheiden / | Damit ich dich | Dort ewiglich | Mög wieder sehn in Frewden.“ M. Franck, Freud über alle Freude (Str. 9,1–6): „Hier werden mir die Meinen | Aus dem Gesicht gerückt | Und offt mit heissem Weinen | Ins finst’re Grab geschickt. | Dort werd’ ich sie mit höchster Freüd | Begrüssen in der Herrligkeit“. Vgl. Heermann, Ach Gott, ich muss in Traurigkeit (Str. 11,5–7): „Ach welche Frewde wird denn seyn, | Wann ich dich, die ich jetzt bewein, | Mit Frewden werd vmbfangen.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt Wird uns GOtt in freuden=sprüngen Wiederum zusammen bringen.309

Drittens wird durch die Beteuerung, dass die vom Tod Getrennten nicht nur wieder zusammenkommen, sondern auch in Ewigkeit ungetrennt bleiben werden, die dauerhafte Überwindung des Todes als der Macht unterstrichen, die eine Fortdauer der Beziehung hindern könnte: „Auch wird kein Tod noch höllisch Heer | Uns voneinander trennen mehr!“310 Gott als Urheber der temporären Trennung ist zugleich, so Paul Gerhardt, der Urheber der schlussendlichen Vereinigung.311 Stattfinden kann sie zu der Zeit und dort, wo Gott alles in allen ist (1Kor 15,28).312 Am häufigsten genannt wird die Hoffnung auf das Wiedersehen mit Ehegatten313, Kindern314 und Eltern315; sie betrifft also jene wichtigen Beziehungen zu den allernächsten Angehörigen, die auch besonders häufig angeredet werden (vgl. S. 425). Im Text spricht derjenige, mit dem die Wiedervereinigung stattfinden soll, oft selbst und formuliert die Hoffnung auf das Wiedersehen als eigenen Wunsch oder Versprechen; vorrangiges Ziel ist natürlich dennoch der Trost für die Hinterbliebenen. Gelegentlich sind auch etwas umfassender die ‚Freunde‘ angesprochen, was freilich mit ‚Verwandten‘ gleichbedeutend sein kann.316 Ein erweitertes Personal begegnet in vielen Liedern ‚Vom Himmel und ewigen Leben‘; die Hoffnung auf die Wiederherstellung persönlicher Beziehungen wird hier in das umfassende Bild der himmlischen Gemeinschaft eingepasst. Als eines der älteren Beispiele hierfür seien Strophen aus Jeremias Nicolais Herr Christ, tu mir verleihen zitiert: 8. Da findet sich beysammen / Was hie zureißt der Todt: Die nur auff Christi Namen Entschlaffen sind in Gott: Der Ehemann sein Gemahl / 309 310

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Heermann, Ach wie schnelle wird verkehret (Str. 6). M. Franck, Freud über alle Freude (Str. 9,7f). Vgl. Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Str. 6,4–8): „doch tröst mir meinen muth | Das wir in grössern frewden | zusammen werden komn | vnd bleiben vngescheiden | im Himmelischen Thron.“ Knoll, Im Leben und im Sterben (Str. 7,5–8): „Ich werde sie da finden | In grosser herrligkeit, | Vns sol denn nicht mehr scheiden | Der Todt in ewigkeit.“ Anon., Meim lieben Gott allein hab ich mich ganz ergeben (Str. 11,4–9): „Wann Gott zu mir | wird helffen dir | so nu kömpt deine zeit, | alsdann werden wir beyd | nicht mehr gescheiden werden | in alle ewigkeit.“ Heermann, Ach Gott, ich muss in Traurigkeit (Str. 11,3f): „Da wird vns denn zu keiner zeit | Der bittre Todt mehr trennen“ usw. Vgl. Gerhardt, Mein herzer Vater, weint Ihr noch (Str. 8,8–10): „Es kommt die Zeit / da mich und euch | Vereingen wird in seinem Reich / | Der euch und mich getrennet.“ Vgl. anon., Ich war ein kleines Kindlein (Str. 4): „Dort wollen wir in frewden | Einander wider sehn, | Wenn vnser Gott vnd HERRE | Wird alls in allen seyn, Amen.“ Vgl. z. B. anon., Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, was widerstrebt (Str. 7); Heermann, Ach Gott, ich muss in Traurigkeit (Str. 10–11); Heermann, Ach wie schnelle wird verkehret (Str. 6). Vgl. Herman, Der Mensch wird von einm Weib geborn (Str. 17); anon., Ich war ein kleines Kindlein (Str. 4); Schein, In Seufzen tief, in Traurigkeit (Str. 9); Heermann, Gottlob, die Stund ist kommen (Str. 10). Vgl. Herman, Der Mensch wird von einm Weib geborn (Str. 16); weitere Beispiele vgl. Anm. 306. Vgl. DWB s.v. ‚Freund‘ 2; s.v. ‚Freundschaft‘ 3. Vgl. Herman, Der Mensch wird von einm Weib geborn (Str. 15); Knoll, Im Leben und im Sterben (Str. 7); Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Str. 6).

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VII. Abschied und Trauer

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Söhn / Töchter vnd Bekandten Freundt / Brüder vnd Verwandten / Die lieben allzumal. 9. Darzu viel tausendt Menschen / So wir niemals gesehn: Die alten Patriarchen / Propheten groß vnd klein: Der zwölff Aposteln Zahl: Die Märtrer mit den Kronen / Viel Mann vnd Weibs Personen / Die Gott gedienet all. 10. Die werden vns annemmen Als jhre Brüderlein / Auch werden sich nicht schämen Die Engl hierbey zu seyn. Die frommen Geisterlein Vns werden mit Verlangen Gantz Brüderlich vmbfangen / Vnd mengen mitten eyn. 11. Da dörffen wir nicht fragen / Wer ist der / oder die? Was vnser Augen sehen / Das alles kennen sie. Das Stückwerck höret auff / Wir werden vns wol kennen / Von rechter Liebe brennen / Die nimmer höret auff.317

Jeremias Nicolai nimmt die Gruppe der direkten Angehörigen zum Ausgangspunkt und erweitert von hier aus den Kreis der himmlischen Gemeinschaft der Heiligen in immer höhere Rangstufen: Tausende weiterer, unbekannter Menschen gehören ebenso dazu wie Propheten und Patriarchen (Erzväter), Apostel und Märtyrer und schließlich die Engel.318 Nicolai verwendet dabei Textbausteine aus Johann Walters Herzlich tut mich erfreuen (Wittenberg 1552),319 dem älteren Lied „Von dem Jüngs317 318

319

J. Nicolai, Herr Christ, tu mir verleihen (Str. 8–11). Vgl. Ph. Nicolai, So wünsch ich mir ein gute Nacht (Str. 6): „Ey nim mich in den Freuwdensaal / | Von dir bereitet droben / | Da dich die Patriarchen all / | Mit den Propheten loben: | Vnd da die Schar der Engel klar / | Vmb deinen Thron herschweben.“ Vgl. J. Nicolai, Herr Christ, tu mir verleihen (Str. 9 und v.a. Str. 10,1–3.8) mit Walter, Herzlich tut mich erfreuen (Str. 8–9,4): „Da werden wir mit freuden | den Heiland schawen an, | Der durch sein Blut vnd Leiden | den Himel auffgethan, | Die lieben Patriarchen, | Propheten allzumal, | die Mertrer vnd Aposteln | bey jm ein grosse zal. || Die werden vns annemen | als jre Brüderlein, | Vnd vnser gar nicht schemen, | vns mengen mitten ein“. Vgl. auch Gesenius/Denicke, Wie lieblich sind daroben (Str. 9,5–8): „Die engel selber sich | Mein da nicht werden schämen, | Mich willigst zu sich nehmen, | Um[b] mich seyn ewiglich.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

ten tage, vnd ewigem Leben“, in dem ebenfalls von der himmlischen Gemeinschaft mit Propheten und Patriarchen die Rede ist, außerdem von der Anschauung des Heilandes, noch nicht aber von den individuellen Nächsten. Gemeinsam ist Nicolai mit Walter die Terminierung der freudig erwarteten himmlischen Gemeinschaft am Jüngsten Tag (vgl. Str. 2) und nicht schon nach dem individuellen Ende. Auch der Empfang des Menschen und seine Aufnahme in den Kreis der Seligen erfolgt bei beiden noch nicht wie u. a. bei Schein320 durch diejenigen, die der Mensch persönlich durch den Tod verloren hatte, sondern durch höherrangige Vertreter der himmlischen Hierarchie. Nicolai markiert gleichsam den Übergang von einer universalen in eine individuelle Sichtweise des Vorgangs. Dass sich eine solche Entwicklung abzeichnet, bedeutet nicht den Verlust der universalen Perspektive um 1600 – Lieder vom Jüngsten Tag und vom Kollektiv der himmlischen Gemeinschaft gibt es auch weiterhin –, sondern die zusätzliche Herausbildung einer individuellen Sicht als neuer Option. Sie kann sich auch ohne den Bezug auf die Verstorbenen aus dem eigenen familiären Umkreis auswirken, etwa durch die Fokussierung des Ergehens der Einzelseele und die individuelle Zuwendung der Gemeinschaft der Frommen321 oder der Engel322 zu ihr. Ähnlich wie Jeremias Nicolai erweitert auch Wilhelm Alardus in dem Lied Wacht auf, betrübte Herzen (Hamburg 1607) Schritt für Schritt den Kreis der im Himmel Geschauten von den Nächsten über die ganze „Außerwehlte schar“ bis hin – und damit geht er über Nicolai hinaus – zu Gottes Angesicht selbst, zur Trinität.323 Den umgekehrten Weg geht Christoph Knoll in dem Lied Im Leben und im Sterben (Görlitz 1611): Er geht von der Schau der Trinität als Zentrum aus und beschreibt dann in gleichsam konzentrischen Kreisen die weiteren Rangstufen: „die meng der Englein“, „Die heilgen Väter all“ und schließlich „Die mir der Todt entwand“.324 Damit sind die wesentlichen Gruppen innerhalb der himmlischen Gemeinschaft genannt. In manchen Liedern wird ihre Vielfalt noch stärker aufgegliedert. Ach mein herzliebes Jesulein (Freiberg 1620) spricht von „Engeln vnd Jungfräwlein schön“ und nennt weiter „die lieben Propheten“, „ander heilig Gottes Kind“ und „noch mehr Adliche Personn“.325 Schon bei Walter und Nicolai (s.o.) werden Propheten und Patriarchen gemeinsam genannt, dazu oft Märtyrer und Apostel.326 Die Märtyrer umschreibt Meyfart als „Christen in Gemein, | Die weyland dort trugen des Creut320 321

322 323 324 325 326

Vgl. oben Anm. 306.307. Vgl. anon., Nun endet und wendet sich zeitliches Leiden* (Str. 4,1f): „Wie freudig und frölich da werden die frommen | Mich tröstlich empfahen / auch heissen willkommen?“ Vgl. die Beispiele aus Kinderbegräbnisliedern Anm. 276. Vgl. Alardus, Wacht auf, betrübte Herzen (Str. 9–11). Vgl. Knoll, Im Leben und im Sterben (Str. 4–7). Anon., Ach mein herzliebes Jesulein (Str. 7–8). Vgl. Meyfart, Jerusalem, du hochgebaute Stadt (Str. 6,1): „Propheten groß vnd Patriarchen hoch“; Rosenmüller, Alle Menschen müssen sterben (Str. 5): „Da die Patriarchen wohnen, | Die Propheten alzumal, | Wo auff ihren Ehren Thronen | Sitzet die Gezwölffte Zahl.“ Rist, O Gottes Stadt, o himmlisch Licht (Str. 12,5–8): „Da sind sie frey von allen Nöthen / | Da reden sie mit den Propheten | Da wohnet der Aposteln Zahl | Und denn die Märtrer allzumal.“ Anon., Ob ich einschlafe oder wach* (Str. 10,1–4): „Es werden sein in solcher Reih’ | Erz=Väter und Propheten: | Di treue Märterer dabei / | Di sich hi lassen tödten“.

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VII. Abschied und Trauer

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zes Joch | Vnd der Tyrannen Pein“327, Rist als die, „Die Gott bekennet haben | Und von den Heyden jämmerlich | Getödtet / nicht begraben“328. Bei Rist werden zudem immer wieder „keüsche Jungfräulein“ eigens erwähnt, so in seinem Lied Frischauf und lasst uns singen, das die umfangreichste Aufzählung unter den ausgewerteten Liedtexten enthält.329 In diese Umgebung hinein werden die individuellen Angehörigen versetzt – auch wenn sie in den zuletzt genannten Liedern als Gruppe nicht eigens erwähnt werden. Alle zusammen bilden die große Gemeinschaft der Auserwählten und Heiligen, „Ein edles Volk vn[d] ein sehr werthe Schaar“330, wie Meyfart sie aus Sicht der im Himmel anlangenden staunenden Seele nennt. Mit Aufnahme in „der Engel brüderschafft“331 als der obersten Rangordnung des Himmels werden die Menschen durch die größtmögliche Nähe zu Gott einer häufigen Wendung zufolge selbst ‚den Engeln gleich‘.332 Das gilt für die Einzelpersonen, die „An Schönheit vnd Geberden“333 den Engeln gleichen werden, aber auch für die Gemeinschaft als Ganze: Ihre Engelsgleichheit wird von Ringwaldt expliziert als Liebe untereinander. 11. [Da wir] volkommen vnd gar Engelreine vns lieben in verklertem Fleisch vnd beine Vnd ewiglich Gott loben in seim reiche den Engeln gleiche.334

Die Liebe untereinander als Kennzeichen der himmlischen Gemeinschaft kontrastiert gerade im Bewusstsein der Dichter des 17. Jahrhunderts scharf mit der Einsamkeit oder der bösen Gesellschaft auf Erden.335 327 328 329

330 331 332

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Meyfart, Jerusalem, du hochgebaute Stadt (Str. 6,2–4). Rist, O Gottes Stadt, o himmlisch Licht (Str. 13,2–4). Rist, Frischauf und lasst uns singen (Str. 8,10); ausgehend von „Gott selbst mit seinen Engelein“ nennt Rist außerdem Könige, Propheten, Bekenner und Patriarchen. Vgl. auch Rist, O Gottes Stadt, o himmlisch Licht (Str. 13,5–8): „Da freüen sich die keusche Frauen / | Da lassen sich die Töchter schauen | Die hie jhr Leben Tag und Nacht | In Zucht und Tugend zugebracht.“ Meyfart, Jerusalem, du hochgebaute Stadt (Str. 5,1). Triller, O Mensch, bedenk zu dieser Frist (Str. 4,3). Vgl. anon., Ich war ein kleines Kindlein (Str. 3,1–4): „Er nimpt mich auff mit gnaden | Zum erben in sein Reich. | Der Tod kan mir nicht schaden, | Ich bin den Englein gleich.“ Anon., Ach mein herzliebes Jesulein (Str. 9): „Die an jhn gleuben festiglich | Vnd jhm vertrawen stetiglich, | Die wil er nehmen in sein Reich | Vnd machn den lieben Engeln gleich.“ Rist, Ich wünsch tausendmal zu gehen* (Str. 5,1–4): „Seelig werd ich mich dann schätzen / | wann Du mich / im Himmelreich / | wirst an Deine Tafel setzen / | und den Engeln machen gleich.“ J. Nicolai, Herr Christ, tu mir verleihen (Str. 5,5–8): „Denn dort in jenem Reich / | An Schönheit vnd Geberden | Wir alle sollen werden / | Den lieben Engeln gleich.“ Zur körperlichen Engelsgleichheit der Auserwählten vgl. Rist, Ach Gott, wann kommt die liebe Zeit (Str. 3; 7), zit. S. 530. Ringwaldt, Geliebten Freund, was tut ihr so verzagen (Str. 11). In einem alten Lied der Böhmischen Brüder von Johannes Geletzky wird das Prädikat der Engelsgleichheit im Himmel ebenfalls ausdrücklich auf die Gemeinschaft bezogen, nämlich auf die Kirche, und zwar unmittelbar nachdem die Liebe als „heilig band“ des himmlischen Lebens bezeichnet wurde: „vnd die Lieb, das heilig band, | wird regieren alle zeit | das leben in ewigkeit. […] Da wird sein im himelreich | die Kirche den Engeln gleich“ (Geletzky, Ei nun seht, all ihr Christenleut, Str. 5,6–8; 6,5f). Vgl. Gesenius/Denicke, Wie lieblich sind daroben (Str. 8–9,4): „Hier bin ich offt von leuten | Gantz einsam und allein; | Ich muß auch wol zu zeiten | Bey bösen menschen seyn. | Ist noch ein frommes hertz, | Daß

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Zur Liebe – und damit schließt sich der Bogen zum Zitat von Jeremias Nicolais Herr Christ, tu mir verleihen (Str. 11; vgl. S. 476) – gehört zuletzt auch die vollständige gegenseitige Erkenntnis der Auserwählten, zu der die Schau der anderen im Licht der göttlichen Klarheit führt. Diese gegenseitige Erkenntnis überschreitet bei weitem das irdische Maß: Nicht genug, dass die Auserwählten „Die Menschen werden kennen / | Die wir mit Augen nie gesehn“336 und von den Heiligen ihrerseits selbst erkannt werden337 (vgl. 1Kor 13,12); sogar die Ordnungen der Engel werden ihnen erschlossen sein.338 Doch nicht überall verliert sich das auf Erden Gewesene im Licht der himmlischen Herrlichkeit und im Getümmel der auserwählten Scharen. In einigen Fällen ist es gerade die Beziehung zu den konkreten Verstorbenen im unmittelbaren Umfeld, die durch das himmlische Erkennen vollendet wird. „O wie mit grosser Frewdigkeit | Wolln wir einander kennen!“339 ruft das Ich bei Heermann im Gedenken an die verstorbene Ehefrau aus. In der Trauer über den individuellen Verlust ist es ihm der entscheidende Trost, dass die durch den Tod geschiedene Ehe im Himmel eine auf Dauer gestellte Fortsetzung findet.

7. Zusammenfassung In jenen seit 1600 vermehrt auftretenden Liedern, in denen Abschied und Trauer zum Ausdruck kommen, steht nicht – wie in vielen der zuvor untersuchten Texte – die Vorausschau auf den eigenen Tod im Vordergrund, sondern der Rückblick auf den Tod des anderen. Wird der Tod als Ende der Beziehungen des Menschen verstanden, so kommt mit dem Thema ‚Abschied und Trauer‘ eine neue Dimension in den Blick: Nicht nur die Gottesbeziehung erscheint durch den Tod bedroht, sondern auch die Beziehungen zwischen Menschen; in den Texten thematisiert werden vorrangig die engsten Beziehungen zwischen Kindern, Eltern und Ehepartnern. Diese Dimension ist insofern als neu zu bezeichnen, als sie in den untersuchten Gesangbüchern erst im Verlauf des Untersuchungszeitraums, nämlich im 17. Jahr-

336

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339

ich nicht gern wollt missen [Druckfehler FT II 424.: wissen], | Wirds doch von mir gerissen | Nicht ohne leid und schmertz. || Dort finde ich sie wider, | Die frommen allzumahl; | Da lieben mich wie brüder | Die heilgen ohne zahl.“ Rist, Ach Gott, wann kommt die liebe Zeit (Str. 9,4f); vgl. J. Nicolai, Herr Christ, tu mir verleihen (Str. 11, s.o.). Vgl. Hutter, Comp. 34,4: „cognoscemus etiam nos mutuò, ita ut omnes omnibus, & singuli singulis futuri simus notissimi“. Als biblische Begründung für das gegenseitige Erkennen nennt Hutter die im ewigen Leben wieder hergestellte Gottebenbildlichkeit, durch die auch Adam Eva erkannte (Gen 4,1); ein weiteres biblisches Beispiel ist das Erkennen Moses und Elias durch Petrus (Mt 17,4par). Rists Lied (Str. 9) greift die beiden Beispiele ebenfalls auf und fügt als drittes das Erkennen Jesu durch Stephanus hinzu (wohl Apg 7,55f). Vgl. Schein, So fahr ich hin mit Freuden, verlass (Str. 3,6–8): „All Heiligen mich kennen / | Ihr (Brüderlein) Schwesterlein mich nennen / | In grosser Frewd vor Gott.“ Anon., Viel tausend guter Nacht (Str. 7,5–8): „viel tausend Engelein / | auff mich bestellet seyn / | mich all Erwehlte kennen / | und {ihren Bruder / ihre Schwester nennen.“ Vgl. anon., Ob ich einschlafe oder wach* (Str. 9,1–4): „Kein Mensch kan hi der Engel Zahl | Herrschaft und Trohnen nennen: | Dort werde ich si allzumahl | Stehts sehen und erkennen.“ Heermann, Ach Gott, ich muss in Traurigkeit (Str. 11,1f).

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hundert, auf breiter Basis Thema wird. Das Auftauchen dieses Themas stellt eine der deutlichsten diachronen Veränderungen innerhalb der untersuchten Textauswahl dar. Untersucht wurden typische literarische Formen, in denen vor allem seit 1600 zwischenmenschliche Verlusterfahrungen thematisiert werden, und die dahinter stehenden Vorstellungen. Auf der Textebene finden sich die zwischenmenschlichen Beziehungen zuallererst in der gegenseitigen Anrede von Verstorbenen und Hinterbliebenen wieder. Dabei werden nicht nur die Verstorbenen durch ihre Angehörigen angesprochen, sondern auch – und dies deutlich häufiger – umgekehrt: Der Tote wendet sich in Ichform nochmals an seine Familie, blickt auf sein Sterben zurück und verabschiedet sich ein letztes Mal. Anders als in vielen der bisher untersuchten Lieder ist dieses ‚Ich des Toten‘ durch seine eindeutige personale Determinierung zunächst nicht offen für die Person der jeweils Ausführenden; es bildet vielmehr eine Rolle, die von ihnen übernommen wird. Dennoch wird durch diese nachträgliche Inszenierung ein Andauern der Beziehung über den Tod hinaus suggeriert, zumindest jedoch durch die begrenzte künstliche ‚Lebensverlängerung‘ ein tröstlicher Abschluss unter die Beziehung gesetzt. In vielen Texten ist die Determinierung des Ich indes gar nicht eindeutig; damit bildet die Variante ‚Ich des Toten‘ überhaupt eine weitere, bisher nicht genannte Deutungsmöglichkeit für die Darstellung des Sterbens in Ichform. Die große Zahl der Kinderbegräbnislieder spiegelt die hohe Kindersterblichkeit im 17. Jahrhundert wider. An der Darstellung der Ehe lässt sich die Sichtweise der nun ins Blickfeld gerückten zwischenmenschlichen Beziehungen beispielhaft ablesen. Betraf das älteste Beispiel noch ein Fürstenhaus, sind die späteren im bürgerlichen Kontext verortet, etwa durch die Schilderung häuslicher Zweisamkeit und familiärer Szenen. Immer wieder wird die Beziehung wird aus Sicht eines der Partner näher charakterisiert. Die Betonung der Einmaligkeit und Unersetzlichkeit des oder der Verstorbenen zeigt das hohe Interesse an der individuellen Person. Das führt sogar so weit, dass ihr Name nicht nur im Text als Akrostichon auftaucht, sondern auch – wie sonst der Name Jesu – vom zurückgebliebenen Ehepartner ‚ins Herz geschrieben‘ werden kann. In einer als so innig beschriebenen Beziehung fällt auch die Leerstelle durch den Verlust besonders schmerzlich aus. Von den Verstorbenen wird häufig Gott selbst in diese Lücke befohlen, nicht nur um Witwen ihren Ehegatten zu ersetzen, sondern auch Waisen ihren Vater oder ihre Mutter. Trauer gilt zwar einerseits als Zeichen der Liebe zu den Verstorbenen, ist aber andererseits als unchristlich verpönt und darum selten anzutreffen. Ein maßvoller Ausdruck der Trauer begegnet in Gestalt des idealisierten Lobes des Verstorbenen, seiner Frömmigkeit, Gerechtigkeit (vgl. Jes 57,1) oder Tapferkeit als miles Christianus. Eine herausragende Ausnahme von der betonten Mäßigung der Trauer bildet das verzweifelte Ringen mit Gott in den Liedern Johann Hermann Scheins, in denen er um eigene Kinder trauert. Die Verlusterfahrung, die das Ich als unüberbrückbaren Widerspruch zu den göttlichen Verheißungen erlebt, wird hier zum Ausdruck der Gottverlassenheit und damit zum Auslöser einer Glaubenskrise. Sein hartes Rechten mit Gott wird vom Ich dann aber schließlich doch als unangemessen erkannt.

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Im Anschluss an 1Thess 4,13f wird die übermäßige Äußerung der Trauer schon in den Liedern des 16. Jahrhunderts als ‚heidnisch‘ zurückgewiesen, da sie dem Auferstehungsglauben widerspreche. In Imperativen und Selbstaufforderungen, nicht zu trauern wie die Heiden, und später in freieren Bezugnahmen wird auf diese Stelle immer wieder angespielt. Schon stärker individualisiert ist der später begegnende Trost aus der persönlichen Jesus-Begegnung (Lk 7,13: „Weine nicht“). Als biblisches Vorbild für das ergebene Hinnehmen des Verlustes als Gottes Wille fungiert Hiob (vgl. Hi 2,10); die Unterordnung unter Gottes schöpferische Souveränität gipfelt im Akt des Gotteslobs (Hi 1,21). Die Ergebung in den unverstandenen, aber auch unhinterfragbaren Gotteswillen, den etwa Simon Dach ausführlich reflektiert, ist im Kontext der Trauer ähnlich geartet wie im Kontext des eigenen Sterbens (vgl. S. 317). Sie stützt sich letztlich wiederum auf das Vertrauen in die Providenz, die väterliche Fürsorge Gottes. Trotz des Hinweises auf die göttliche Providenz und natürlich auf die Auferstehung der Toten unterscheiden sich die Trostgründe beim Tod des anderen von denen beim eigenen Tod. Trost ist hier nicht der Gegenbegriff zur Anfechtung (vgl. S. 314), sondern zur Trauer: Widerlegt werden muss nicht die Gefährdung der eigenen Gottesbeziehung durch den Tod, sondern die der Gottesbeziehung des Verstorbenen und außerdem die Gefährdung von dessen Beziehung zu den Angehörigen. Die entsprechenden Trostargumente, die seit dem 17. Jahrhundert begegnen, setzen also ganz auf der Ebene der individuellen Beziehungen an. Die intakte Gottesbeziehung des Verstorbenen wird durch die Versicherung betont, dass er nun im Himmel sei; sein postmortales Leben erscheint überhaupt ungleich besser, gerade im Kontrast mit der irdischen Mühsal, in der vor allem jung Verstorbenen durch die Möglichkeit des Sündigens ständig eine weitere Gefährdung der Gottesbeziehung gedroht hätte. Die besondere Gottesbeziehung der Kinder kommt nicht nur in Jesu Worten zum Ausdruck (Mt 19,14), sondern auch darin, dass sie den irdischen Eltern von ihm nur ‚geliehen‘ sind. Die Restitution der familiären Beziehungen wird durch die Ankündigung eines Wiedersehens in Aussicht gestellt, in dem die Trennung durch den Tod auf ewig überwunden ist. Gegenüber Weisse wird dieses Wiedersehen im 17. Jahrhundert nicht mehr kollektiv, sondern individuell geschildert. Oft geht mit der Individualisierung der Trostargumente auch eine Art ‚Enthistorisierung‘ einher: Die Aufnahme in den Himmel und das Wiedersehen mit den Vorangegangenen findet nicht erst am Jüngsten Tag statt, sondern schon unmittelbar nach dem Tod. Der Himmel weckt größeres Interesse als die Auferstehung; statt der Hoffnung auf die Zukunft steht ein präsentischer Trost im Zentrum.

VIII. Leib und Seele Leib und Seele des Menschen, in der Schöpfung miteinander verbunden, werden dem anthropologischen Modell der lutherischen Theologen des 17. Jahrhunderts zufolge am Ende des Erdenlebens durch den zeitlichen Tod getrennt: „Der Tod der

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VIII. Leib und Seele

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besten Freunde Par / | Leib und die Seel zertrennet gar“1. Was geschieht danach? Die Seele kommt sofort in den Himmel, der Leib ruht zunächst in der Erde; als Schriftbeleg hierfür dient häufig Koh 12,7, etwa bei Hutter: „Der Staub muß wider zur Erden kommen / wie er gewesen ist / und der Geist wieder zu GOtt / der ihn gegeben hat.“2 Am Jüngsten Tag wird der verwandelte, neu erstandene Leib dann wieder mit der Seele vereint und im himmlischen Leben verklärt. Diese Vorgänge, die sich im Zusammenhang des Sterbens um Leib und Seele als die beiden Konstituenten des Menschen abspielen, werden im nachfolgenden Teilkapitel mit Hilfe von Texten aus den untersuchten Gesangbüchern genauer beschrieben. Drei Stationen sind in der als Bitte formulierten letzten Strophe von Martin Schallings Lied Herzlich lieb hab ich dich, o Herr (Nürnberg 1571) genannt, einem der häufigsten Sterbelieder: 3. Ach Herr, laß dein lieb Engelein an meinem end mein Seelelein inn Abrahams schos tragen, Der leib in seim schlaffkemmerlein gar sanfft on einige qual vnd pein ruhe biß an Jüngsten tage. Als dann vom tode erwecke mich, das meine augen sehen dich in aller freud, o Gottes Son, mein heiland vnd mein gnadenthron! Herr Jesu Christ, erhöre mich, ich will dich preisen ewigklich!

Der Weg der Seele in „Abrahams schos“ (vgl. Lk 16,22), an ihren Aufenthaltsort bis zur Auferstehung, ist Thema des ersten der nachfolgenden Abschnitte (1.); der Leib im Schlafkämmerlein, also im Grab, und seine dort stattfindende Veränderung werden im zweiten Abschnitt behandelt (2.), danach seine Auferstehung am Jüngsten Tag und die Wiedervereinigung mit der Seele (3.). Dazu kommt als letzter, bei Schalling nicht erwähnter Punkt die Verklärung des Leibes im himmlischen Leben (4.).

1. Der Weg der Seele Die Seele ist für die Autoren des frühneuzeitlichen Luthertums – und nicht erst für sie – derjenige Teil des Menschen, für den der Tod den unmittelbaren Übergang in ein anderes Leben bedeutet, wo sie die Auferstehung des Leibes erwartet, sei es im Himmel (im Falle der Gläubigen) oder an einem Ort der Qual (im Falle der Gott1

2

Dilherr, O Seel, du Leibseinwohnerin (Str. 2,1f). Vgl. Hutter, Comp. 29,1: „Mors corporis nihil est aliud, quam dissolutio unionis Naturalis, quâ mors ab anima separatur.“ Gerhard, Loc. 26,53: „Cum enim homo constet ex anima et corpore essentiali vinculo invicem unitis, ideo mors hominis nihil aliud est quam animae a corpore ж̧̩̘̰̮̥̭ sive solutio.“ Vgl. Hutter, Comp. 29,6.8.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

losen).3 Dem Leib setzt der Tod dagegen tatsächlich ein Ende, dem Verfall oder zumindest Ruhe folgen. Anders als der vergängliche Leib gilt die Seele den Zeitgenossen als unsterblich.4 Während der Leib für eine Zeit ruht und dabei verwandelt wird, wacht sie unaufhörlich;5 die bei Luther gelegentlich anzutreffende Rede vom ‚Seelenschlaf ‘ wird von den orthodoxen Theologen abgelehnt.6 Der Seele, der „Leibs Einwohnerin“7, kommt daher bei der vorausgreifenden Betrachtung des eigenen Sterbens ein größeres Gewicht zu als dem Leib. Was mit ihm zunächst geschieht, ist der irdischen Anschauung und Erfahrung nicht entzogen und daher nicht Gegenstand der Spekulation; sein Leben nach der Auferstehung liegt noch in fernerer Zukunft. Wie es der Seele ergeht, ist dem Sterbenden dagegen näher, weil es zeitlich unmittelbar vor ihm liegt und weil es, anders als der Zerfall des Leibes, direkt das Heil seiner Person betrifft. Für die Sterbelieder ist daher die Übergabe der Seele an Gott, die Commendatio animae, und die Bitte um ihre gnädige Aufnahme zentral (vgl. S. 331). Im sprachlichen Akt der Commendatio, der in der geprägten Formulierung von Ps 31,6 und Lk 23,46 die Seele in Gottes Hand befiehlt, wird ihre Bereitung zum Abscheiden aus dem Leib und zum Übergang ins postmortale Leben bei Gott formal vollzogen. Dergestalt zur letzten Handlung des Sterbenden stilisiert, finden sich die Commendatio-Formeln vielfach am Schluss der Texte von Sterbeliedern. Ein Weg der Seele an einen anderen Ort spielt in dieser Vorstellung keine Rolle; die Seele wechselt vielmehr direkt und unmittelbar in Gottes Hand. Nach Weish 3,1, einem in den einschlägigen Kontexten der theologischen Schriften, Leichenpredigten usw. sehr häufig zitierten Vers, bleibt sie dort auch auf Dauer: „Der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand, und keine Qual rühret sie an.“8 Ein weiteres, schwer zu verortendes Bild für die Bewahrung der Seele durch Gott ist ihr Eingebunden- oder Eingewickeltsein ins ‚Bündel der Lebendigen‘ (vgl. 1Sam 25,29). Es umfasst die Menge all derjenigen, denen das ewige Leben zuteil wird. 3

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Vgl. Hutter, Comp. 29,7: „Piorum sive in Christum credentium animae sunt in manu Dei, expectantes ibi gloriosam corporis resurrectionem, & plenam aeternae beatitudinis fruitionem. […] Impiorum autem sive Incredulorum animae sunt in loco tormentorum, expectantes ibi cum terrore & cruciatu ignominiosam corporis Resurrectionem, & perfectum aeternae damnationis sensum.“ Vgl. Hutter, Comp. 29,6: „Anné animae unà cum corporibus extinguuntur? Non extinguuntur, sed sunt spiritus immortales, qui postquam ex hoc mortali corpore discesserint, verè manent superstites.“ Vgl. anon., Hört auf zu weinen und klagen (Str. 3,1f): „Der Leib muß ruhen vnd schlaffen, | die Seele aber leben vnd wachen“. Vgl. Kunz, Eschatologie, 51. Schon Calvin wandte sich in seiner Psychopannychia gegen die Annahme des Seelenschlafes, vgl. ebd. 38. Dilherr, O Seel, du Leibseinwohnerin (Str. 1,1). Vgl. anon., °Ach wie selig sind die allein (Str. 1,1f; 2): „ACh wie Selig sind die allein, | So in Gott wol gestorben seyn […] || Denn jhre Seelen allesampt | Stehn von nu an in Gottes Hand: | Da werden sie auch ewig seyn | Zur Ruh ohn alle qual vnd pein.“ Alardus, °Warum sollt ich betrübet sein (Str. 8): „Der Gläubign Seeln in Gottes Hand | Verwahrt seyn wie ein thewres Pfand, | Wenn sie scheiden von hinnen, | Da kein Qual sie mehr rühret an | Vnd d’r Satan jhn nicht nehmen kan | Die Frewd, so sie gewinnen.“ Zit. bei Hutter, Comp. 29,6.7; in Leichenpredigten ist der Vers sowohl als Predigttext wie auch als Zitat in den abschließenden Passagen im Anschluss an die Sterbeberichte beliebt, vgl. LP Johann Ulrich Rümelin 1679, 30: „Die Christliche Liebe hoffet und spricht / seine Seele seye bereits in Gottes Hand / und keine Qual rühre sie an“ usw.

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VIII. Leib und Seele

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Indem Gott die Seele bei der Trennung vom Leib mit anderen in dieses Bündel schnürt und sie dort bewahrt, ist ihr der Eingang in den Himmel gewiss. Auf diese Vorstellung bezieht sich nicht nur die letzte Strophe von Valerius Herbergers Valet will ich dir geben, sondern auch eine Reihe von anderen Liedern.9 Andere Bilder betonen stärker den Übergang und verstehen ihn als letztes Stück der Pilgerschaft zu Gott. Wie das Sterben überhaupt nach dem Canticum Simeonis (Lk 2,29) als ein ‚Dahinfahren‘ verstanden wird (vgl. S. 220 und S. 336), so ist es nun insbesondere ein Dahinfahren der Seele. Zwischen den Abschied der Seele vom Leib und ihrer Ankunft bei Gott wird in der Vorstellung ein räumlich-zeitlicher Abstand eingebaut. Dieser Zwischenraum bietet reiche Möglichkeiten zur barocken Ausgestaltung, von denen nachfolgend drei genannt seien. 1. Auf die Lazarus-Geschichte Lk 16 geht die schon eingangs bei Schalling (vgl. S. 483) erwähnte Vorstellung zurück, dass die Seele von Engeln zum Himmel getragen wird; im neutestamentlichen Text ist allerdings noch nicht von der Seele im besonderen die Rede, sondern davon, dass die Engel den armen Mann selbst in Abrahams Schoß getragen hätten (Lk 16,22). Lazarus ist daher überhaupt ein Patron und Gewährsmann für das selige Ende (für den geizigen Reichen gilt das Gegenteil10), so 1625 bei Wilhelm Alardus: 4. Wie Lazarus zur Frewde gros Geführt ward in Abrahams Schos Von den himlischen Scharen, Also kompt auch ein gläubigr Christ In Abrahams Schos, das ist gewiß, Wenn er selig hinfähret.11

Zuvor wird hier sogar Abraham selbst als Exempel für das selige Ende angeführt.12 Bei Rist verlangt die Seele bei der Betrachtung des Lazarus in Abrahams Schoß danach, sich gleichsam an dessen Stelle zu begeben.13 Die Lazarus-Episode bildet 9

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Vgl. Herberger, Valet will ich dir geben (Str. 5): „Schreib meinen Namn auffs beste | Ins Buch des Lebens ein | Vnd bind mein Seel gar feste | Ins schöne Bündelein | Der, die im Himmel grünen | Vnd für dir leben frey; | So wil ich ewig rühmen, | Daß dein Hertz trewe [süsse] sey.“ C. Franck, Lasst uns folgen St. Paulus’ Lehr (Str. 10,1–4): „Er wicklet vnser sehlen ein, | trewlich er sie bewahret | In der lebenden bündelein | kein vleis er daran sparet“; Z. Faber, Herr, ich bin ein Gast auf Erden (Str. 7): „Mein Seel thue gar wol bewahren | In deim LebensBündelein, | Daß sie mit den Engel Schaaren | Lob vnd preiß den Namen dein.“ Vgl. Finx, Mir vergeht zu leben (Str. 7,5–8): „Komm, gewünschtes Stündlein, | Das mich als ein Kind | GOttes in das Bündlein | Jenes Lebens bindt!“ Vgl. S. 195 Anm. 165. Alardus, °Warum sollt ich betrübet sein (Str. 4). Das Lazarus-Erzähllied Es war einmal ein reicher Mann aus dem Babstschen Gesangbuch findet sich in den untersuchten Gesangbüchern nur einmal unter den Sterbeliedern (L-1616); der Schwerpunkt seiner Schlussmahnung (v.a. Str. 13–15) liegt auf rechtzeitiger Buße und gutem Wandel. Vgl. Alardus, °Warum sollt ich betrübet sein (Str. 2–3): Wie Abraham durch den Tod „Zur Versammlung der Väter sein“ geleitet wurde (vgl. Gen 25,8), kommt jedes „Gotts Kind“ „Zur Versammlung der Gläubigen all, | Die auff jhn wartn ins Himmels Sal | Vnd heissen jhn Willkommen“ (zur himmlischen Gemeinschaft vgl. S. 476). Vgl. Rist, °So wünsch ich mir zuguterletzt (Str. 8,1–4): „O Jesu liebster Bräutigam | Daß meiner Seelen so verlanget / | Das machet der Schoß Abraham | Wo Lazarus in Freuden pranget“.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

auch die Schlussstrophe in Helmbolds Lied zum Michaelistag (1594), in dem das Wirken der Engel an verschiedenen biblischen Personen von wiederum Abraham über Elia bis zu den Hirten auf dem Felde (Lk 2) gezeigt wird. Der Text betont die Nähe der Engel zu Gott, die vor seinem Thron stehen, auf seine Weisung warten und dann „geschwind [die Flügel] regen“, um die Weisung im Interesse der Menschen auszuführen und etwa jemanden wie Lazarus „gen Himel [zu] bringen“.14 Viele Texte weisen nicht ausdrücklich auf Lazarus hin. Die Engel, die die Seele tragen, sind dennoch in jedem Stadium der Todesbetrachtung gegenwärtig – sowohl, wie bei Schalling, in der vorausgreifenden Bitte um ein seliges Ende als auch bei der unmittelbaren oder nachträglichen Verabschiedung der Angehörigen. Die Engel werden zunächst von Gott ausgesandt, um die Seele „heim“ zu bringen.15 Dabei treten bisweilen „Tausend Engel“16 oder ganze „Regimenter“17 von „Englischen Gesandten“, „Himmels =Musicanten“ und „Himlischen Trabanten“18 auf; bisweilen ist es nur ein einzelner,19 der bei Birken zunächst für die Gestalt des Todes gehalten wird, bevor das Ich in ihm den Engel Gottes erkennt.20 In der Todesstunde sind die Engel gegenwärtig, stehen um den Sterbenden herum,21 „warten auff “22, ‚bewachen‘ ihn und sind als Repräsentanten Gottes dessen Antwort auf die Bitte: „verlaß mich nicht zur letzten stund.“23 In einigen Liedern gehören die Engel regelrecht zur präsentischen Inszenierung der Todesstunde. Sie schweben bereits um das Bett, um die Seele zum Himmel zu tragen, während der Sterbende sich noch von den Seinen verabschiedet: 9. Ey nun, seyd Gott ergeben! Vmb mich seh ich schon schweben Den Engel, der itzt soll Die Seel in Himmel führen, 14

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Zu Lazarus vgl. Helmbold, Es stehn vor Gottes Throne (Str. 7; zit. Str. 2,6; 7,5). Das Lied, als MichaelisGesang meist unter den Liedern zum Kirchenjahr zu finden, steht in N-1637 unter der Rubrik ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘. Vgl. Behm, Herr Christ, wenn ich bedenke (Str. 10,5–8): „Dein Englein wolstu senden, | die sich als diener dein | zu meinem seelchen wenden | vnd es dir bringen heim.“ Vgl. Anm. 22. Dilherr, O Seel, du Leibseinwohnerin (Str. 13): „Schon auf die Seel bestellet seyn | viel Regimenter Engelein / | Starck zubegleiten sie: | Biß sie in Abrahammes Schos / | Mög ruhen / aller Sorgen loß.“ Rinckart, °So fahr ich hin mit Freuden (Str. 2,3; 3,3; 4,3). Vgl. anon., Herr Jesu Christ, meins Lebens Licht, ich bitt (Str. 10): „Wenn sich mein Seel vom Leib abscheid | dein heilger Engel sie geleidt.“ Vgl. Birken, Herr Jesu Christe, Gottes Sohn (Str. 4,1f): „Dein Engel ists und nicht der Tod, | Der mich hinführt aus aller Noht“; vgl. dazu im Zusammenhang mit der Todesgestalt auch S. 257. Vgl. anon., Hie lieg ich armes Würmelein, kann regen (Str. 4,1–4): „HERR, wenn mein Stündlein kömpt heran, | so laß dein Engel vmb mich stahn, | Daß sie mein Seel ins Himmels Saal | heim führen aus dem Jammerthal“. Rosenthal, Ach was ist doch unser Lebn (Str. 13,3f): „Tausend Engel warten auff, | Wenn ich schließ meins Lebens Lauff.“ Selnecker, Herr Jesu Christe, Gottes Sohn, der du sitzt (Str. 1,4); vgl. die Schlussstr. 12: „Ade, ade, zu guter Nacht, | der Engel Gottes mich bewacht | Vnd tregt mein Seel zum Gnaden thron, | hilff, Jhesu Christe, Gottes Son.“ Mit einer um zwei eingeschaltete Verse erweiterten Fassung dieser Strophe schließt Abraham Buchholzer das an die Seele gerichtete Sterbelied °Ach liebe Seel, gesegne gern (Freiberg 1620; Str. 7).

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VIII. Leib und Seele

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Wo sie kein Angst wird rühren; Da wird sie seyn Erquickung voll.24

Die im Text von Heermann imaginierte Situation der Todesstunde ist durch die Gegenwart des Engels als solche gekennzeichnet. Als Ziel des Getragenwerdens durch die Engel nennen Heermann und andere den Himmel, Selnecker den „Gnaden thron“25, viele jedoch bleiben mit Lk 16 bei der Rede von Abrahams Schoß.26 Präsentische Aussagen über den Aufenthalt in Abrahams Schoß27 sind als Trost für die Trauernden in dem Sinne zu verstehen, dass die Seele wohlversorgt und daher nicht zu betrauern ist. Weitere Trostargumente dieses Typs sind ab S. 468 zusammengestellt. Gesteigert wird der Effekt in einem älteren Lied (Nürnberg 1569), indem das freudige Leben der Seele in Abrahams Schoß wie bei Lazarus kontrastiert wird mit den Schmerzen des Reichen, der sie aus dem Höllenfeuer heraus betrachtet.28 2. Neben der Begleitung durch die Engel des Lazarus wird der Wagen des Elia als Transportmittel genannt, mit dem die Seele nach ihrer Trennung vom Leib zum Himmel gelangt. Nach 2Kön 2,11 wird Elia von einem feurigen Wagen „im Wetter“ zum Himmel geholt. Wie Lazarus und Simeon gehört auch Elia zu den in den Liedtexten oft genannten biblischen Patronen der Sterbenden. Sein Wunsch, unter dem Wacholderstrauch zu sterben, wird zum Vorbild für die Sterbesehnsucht im 17. Jahrhundert (1Kön 19,4; vgl. S. 342). Sein Auftreten gemeinsam mit Mose am Berg der Verklärung wird als Zeugenschaft für das ewige Leben gedeutet (Mt 17par; vgl. S. 385 Anm. 146). Zudem gilt er als Künder der Endzeit.29 Fast alle dieser Aspekte (bis auf den Todeswunsch in der Wüste) bündelt bereits Nicolaus Herman in seinem Lied Da nun Elias seinen Lauf, das wie Wenn mein 24

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Heermann, Es nahet sich zum Ende (Str. 9). Vgl. Gensch, °Werde munter, liebe Seele (Str. 2,1–4): „Siehe, wie viel engel schweben | Um dein bette, welche dir | Das geleite wollen geben | Hin biß an die himmels=thür.“ – Für die Musicalischen Exequien, seine berühmte Begräbniskomposition, hat Heinrich Schütz eine musikalisch-performative Inszenierung des Weges der Seele zum Himmel vorgesehen; diese betrifft freilich die Trauerfeier selbst, nicht eine vorgestellte Situation der Todesstunde: Die Knabensoprane stiegen als himmlische Kantorei die gestuften Emporen der Geraer Stadtkirche herunter, um die Seele des Verstorbenen gleichsam in Empfang zu nehmen und wieder aufwärts mit ihr zu entschwinden (vgl. Bolín, Nun singen sie wieder, 16f). Vgl. Anm. 23. Vgl. Helmbold, °Von Gott will ich nicht lassen (Str. 7,1f): „Die Seel bleibt vnuerloren, | geführt in Abrahams schoß“; Schein, Sei fröhlich, meine Seele (Str. 1,8–10; angesprochen ist „meine Seele“): „itzund wirst du getragen / | (Ach warumb wollst du zagen) | In Abrhams Schos von hier.“ Vgl. Schein, Seligkeit, Fried, Freud und Ruh (Str. 2,1–4): „Uor ich hatte Schmertzen groß | In meim Siechbettelein / :/: | Itzt lig ich in Abrae Schos / | Vnd werd getröstet fein“; Ziegenspeck, Ade, ich muss dich lassen (Str. 9): „Mein Seel stracks ward losieret | In Abrahami Schoß, | Da Christus residiret, | Ist Jammers gäntzlich loß“; anon., Ich bin von euch geschieden* (Str. 2,5–8): „Gott hat mein seel geführet | Hin in Abrahams schoß / | So kein creutz nun mehr spüret / | Und jammer gantz ist los.“ Vgl. Cronach, °Was hilft uns Trauren und Zagen (Str. 10): „Die Seel ist in Abrahams schoß | vnd lebet in frewden ohn maß, | Der Reiche in tieffer flamme | sicht solchs mit schmertzen ane.“ Vgl. Herman, Da nun Elias seinen Lauf (Str. 4). Vgl. auch das in Nürnberg verbreitete Jüngsten-TagesLied Elias, der prophetisch Mann (o. O. u. J., ältester gefundener Beleg: N-1607); ein akrostichisches Grabgedicht gleichen Anfangs von Bernhard Heupold (Augsburg 1626), dessen Widmungsträger (Elias Ehinger) den Namen des Elia trägt, bezieht sich dagegen wieder auf die Vorstellung vom Wagen.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Stündlein vorhanden ist aus Hermans Historien […] Psalmen und geistlichen Liedern (Wittenberg 1562) stammt und mit diesem später zu einer Art Hybridfassung ‚gekreuzt‘ wurde.30 Elias Himmelfahrt im feurigen Wagen wird hier eine ganz bestimmte, dreifache Funktion zugewiesen: 1. DO nu Helias seinen lauff vnd Wunder hat volendet, Holet jn Gott in Himel hnauff, ein Wagen er jm sendet: Wagen vnd Ross waren wie fewr, darauff fuhr der Prophet gar tewr im Wetter hnauff in Himmel. 2. Mit Leib vnd Seel er dahin fuhr, mit Fewrflammen vmbgeben, Vns zum beyspiel, trost vnd Figur, das wir nach diesem leben Zu Gott auff fahren solln der gleich, mit leib vnd Seel ins Himelreich, wenn Christ der HErr wird komen.31

„Vns zum beyspiel, trost vnd Figur“ soll die Betrachtung des Elia-Bildes dienen, den der feurige Wagen mitnimmt: Es ist Vorbild („beyspiel“), dem zu folgen ist, Trost in der Sterblichkeit und Anschauung („Figur“), die den Rezipienten verdeutlicht, was mit ihnen geschehen wird. Allerdings ist hier ausdrücklich davon die Rede, dass beide, Leib und Seele, zum Himmel auffahren, und das gilt nicht nur für Elia, sondern auch für die übrigen Menschen; die Trennung von Leib und Seele am Ende des individuellen Lebens wird nicht erwähnt. Die endzeitliche Perspektive („wenn Christ der HErr wird komen“) wird auch von den übrigen Strophen des Liedes geteilt und ist vom individuellen Ende („nach diesem leben“) nicht klar unterschieden. Eindeutig zum individuellen Lebensende gehört der Wagen des Elia aber in vielen anderen, neueren Liedern. Nicht immer wird ausdrücklich gesagt, dass es die Seele ist, die er mitnimmt: „Eliae Wagen sende mir, | Drauff ich sanfft fahren mög zu dir“32. Dass mit dem Ich die Seele gemeint sein muss, ergibt sich immer wieder aus dem Zusammenhang, etwa in Freu dich sehr, o meine Seele.33 Manchmal wird der Name des Elia nicht eigens genannt, statt dessen kommt dann der „HimmelWagen“ oder 30

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Aus Wenn mein Stündlein (4 Str.) entstand mit Da nun Elias seinen Lauf (5 Str.) und zwei zusätzlichen neuen Strophen eine elfstrophige Fassung (Bonn 1575, vgl. W III 1415.). In den untersuchten Gesangbüchern sind auch Fassungen mit 5, 9 oder 10 Strophen enthalten. Die letzteren beiden enthalten ebenfalls Strophen des Elias-Liedes (9 Str.: B-1666; H-1683; 10 Str.: Lü-1640; Lü-1695/1702; T-1665/69; S-1691; L-1673). Herman, Da nun Elias seinen Lauf (Str. 1–2). Anon., °Ach wie selig sind die allein (Str. 13,1f). Vgl. anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Str. 9): „Laß dein Engel mit mir fahren | Auff Elias Wagen roth | Vnd mein Seele wol bewahren | Mit Lazro nach seinem Tod. | Laß sie ruhn in deiner Schoß, | Erfüll sie mit Frewd vnd Trost, | Bis der Leib kömpt aus der Erden, | Mit Ehr wird vereinigt werden.“

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VIII. Leib und Seele

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„triumf= und ehren=wagen“.34 Wird bei Dach der Sonnenwagen zur Eile gerufen, so ist damit allerdings nicht auf den Wagen des Elia, sondern auf die griechische Mythologie und damit auf das Vergehen der Zeit in der überdrüssig gewordenen Welt angespielt, um ihr schneller zu entkommen.35 Dass für den Wagen des Elia dagegen gerade die Brückenfunktion ins Jenseits charakteristisch ist, wird auch an den Belegen bei Paul Gerhardt deutlich. Das Lied Was traurest du, mein Angesicht beschreibt und vollzieht einen Veränderungsprozess in der Sichtweise auf den Tod: Furcht und Trauer münden schließlich in „Christliche Todes=Freude“. Den Tod selbst nennt Gerhardt dann „das güldne Himmels=Thor“ – und auch „Eliae Wagen | Darauff mich GOtt zum Engel=Chor | Gar bald wird lassen tragen“.36 Als Wagen des Elia steht der eigene Tod in dem Lied Du bist zwar mein auch für die ersehnte Verbindung zum verstorbenen Sohn. Da der Vater erkennt, dass es weder hilfreich noch angemessen ist, den Sohn wieder herbeizuwünschen, ruft er den Wagen Eliä, um seinerseits zu ihm zu gelangen.37 3. In manchen Liedern wird die Seele nicht als Objekt behandelt, dessen Weg zum Himmel der Text nach den biblischen Vorbildern gleichsam von außen vorhersagt oder mitverfolgt, sondern sie steht pars pro toto für die ganze Person des Menschen – und zwar für denjenigen Teil der Person, dem die Himmelsfreude als erstem zuteil wird. In Liedern wie Freu dich sehr, o meine Seele oder Scheins Sei fröhlich, meine Seele ist daher die Seele die Adressatin, die zum freudigen Sterben aufgefordert wird.38 Ein berühmtes und einzigartiges Beispiel für eine reiche, differenzierte Darstellung dessen, was der Seele nach dem Tod widerfährt, ist Johann Matthäus Meyfarts Lied Jerusalem, du hochgebaute Stadt aus der Predigtsammlung Tuba Novissima (Coburg 1626), das im untersuchten Material allerdings erst spät auftaucht (Lü-1695). Meyfart verbindet eine Fülle von Bildern über den Himmel und das himmlische Leben mit der spezifischen Sichtweise der Seele, die nach und nach in dieses Leben eintritt. Je nach Art der Performanz schlägt Meyfart zwei unterschiedliche Textvarianten vor, die die Identität von Ich und Seele deutlich machen: Im Haupttext, der in den Kontext der Predigt eingebunden ist, wird in Str. 5–7 in der dritten Person von der „Seele“ gesprochen; am Rand sind als Textvariante „im Gesang“ die Formen der ersten Person vermerkt. Mittels der Konzentration auf die 34

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Anon., Ich weiß wohl, dass ich sterben muss (Str. 7,2–4): „Laß auff dem HimmelWagen | Die Seel in starcker Engel Huth | Zu deinem Throne tragen.“ Gensch, °Werde munter, liebe Seele (Str. 2,5–8): „Siehe doch, Gott sendet schon | Her von seinem hohen thron | Den triumf= und ehren=wagen, | Der dich soll gen himmel tragen.“ Vgl. Dach, Es vergeht mir alle Lust (Str. 6,1–4): „Sonne, was verzeugstu viel? | Fleuch mit deinem Wagen! | Eilt jhr Stunden! bringt mein Ziel | Mit euch her getragen“ (Fassung aus Alberts Arien, zit. nach SDG III 34.; anders der bei FT III 86. wiedergegebene Text aus dem Gesangbuch Königsberg 1639, Str. 6,2 dort: „Jage, kanst du jagen“); danach ähnlich Finx, Mir vergeht zu leben (Str. 7,1–4): „Fleuch mit deinem Wagen, | Sonne, bring mein Ziel | Mit dir hergetragen! | Was verweilst du viel?“ Vgl. Gerhardt, Was traurest du, mein Angesicht (Str. 18). Vgl. Gerhardt, Du bist zwar mein und bleibest mein (Str. 11,2–8): „Nun wil ich nicht mehr klagen: | Ach mein Sohn wärst du noch bey mir! | Nein: sondern komm du Wagen | Eliae / hole mich geschwind / | Vnd bring mich dahin / da mein Kind / | Vnd so viel liebe Seelen | So schöne Ding’ erzehlen.“ Vgl. Buchholzer, °Ach liebe Seel, gesegne gern.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

emporstrebende Seele gewinnt die Darstellung des Himmels die außergewöhnliche Dynamik einer Aufwärtsbewegung, die schon in der ersten Strophe mit dem „groß Verlangen“ des Herzens nach der „hochgebawte[n] Stadt“ einsetzt. Das Verb ‚sich [zu Gott, zum Himmel usw.] schwingen‘ bezeichnet häufig eine auf Erden stattfindende Betrachtung des Himmlischen, die aber über das Irdische hinauswächst und es hinter sich lässt. Meyfart verwendet den Ausdruck in genau diesem Sinn, indem er ihn ganz wörtlich nimmt: Das „sehnlich Hertz“ erhebt sich über die irdische Landschaft, „Weit über Berg vnd Thale, | Weit über blache Feld“.39 Der eigentliche Aufstieg der Seele beginnt aber erst in der ersehnten Todesstunde: 2. O schöner Tag v. noch viel schönste Stund, Wenn wirstu kommen schier, Da ich mit Lust, mit Freudenfreyen Mund Die Seele geb von mir In Gottes trewe Hände Zum Außerwehlten Pfand, Daß Sie mit Heyl anlende Bey jenem Vaterland! […] 3. Im Augenblick wird Sie erheben sich Biß an das Firmament, Wann Sie verlest so sanfft, so wunderlich Die Stett der Element, Fehrt auff Eliae Wagen Mit Engelischer Schaar, Die Sie in Händen tragen, Vmbgeben gantz vnd gar.40

Bis zum Augenblick des Todes wird die Ichform verwendet, dann spricht der Haupttext nur noch von der „Seele“, freilich als gleichfalls personaler Instanz, die sich durch die Trennung vom Leib verselbständigt hat. Beim Abgeben der Seele durch den „Freudenfreyen Mund“ hat Meyfart offenbar an ein Aushauchen des Lebensatems gedacht; zugleich ist bei ihrer Übernahme durch „Gottes trewe Hände“ die Commendatio-Vorstellung präsent. Für ihren Weg zum Himmel sorgen neben Gottes Händen auch „Eliae Wagen“ und die „Schaar“ der Engel. Zwischen all den Bildern ist für Meyfarts Darstellung aber vor allem entscheidend, dass all dies „so sanfft, so wunderlich“ vor sich geht: Zum einen gewinnt die Seele mit der Entbindung vom Leib eine Schwerelosigkeit, die sie augenblicklich „sanfft“ „Biß an das Firmament“ aufsteigen lässt; zum anderen bleiben alle Bilder und Worte für das ‚Wunderliche‘ unzureichend.

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Vgl. Meyfart, Jerusalem, du hochgebaute Stadt (Str. 1). Meyfart, Jerusalem, du hochgebaute Stadt (Str. 2–3).

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VIII. Leib und Seele

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Schritt- oder stufenweise41 vollzieht sich die Ankunft der Seele im himmlischen Jerusalem: Sie erblickt die „Ehrenburgk“ zunächst von außen (Str. 4), wird von der ihr entgegen kommenden himmlischen Gemeinschaft in Empfang genommen (Str. 5–642) und gelangt zuletzt „Ins schöne Paradeiß“, wo „höchste Frewd“ und ewiger Lobgesang herrschen (Str. 7–8). Dabei erscheint sie auch insofern als vollständige Person, als sie dies alles sinnlich wahrnimmt. Meyfarts Zwischenkommentar zur 4. Strophe beschreibt die Reaktion der Seele auf den Anblick der himmlischen Stadt, deren innere Bewegung schließlich in die emphatische Äußerung eines Grußes mündet: Mit was frölichem Gesicht / mit was heiligen Gedancken / muß doch die abgeholte Seel die Himmelstadt ansehen / wenn sie derselbigen sich nahet? Sie kan fürwar nicht schweigen / das Hertz schüttet sie aus / der Mund gehet über / Sie spricht: […]43

Das eigenartige Nebeneinander vom „Sinn“ der Seele, der von Freude, und ihrem „Mund“, der von Gotteslob erfüllt ist, erwähnt auch Str. 7; was sie „Sicht“ und „Schawt“, beschreiben die Strophen zuvor. Die Unmittelbarkeit ihrer Himmelserfahrung ist durch ihre Körperlosigkeit offenbar nicht beeinträchtigt: Sie gleicht der sinnlichen Erfahrung des ‚Sehens‘, greift als ‚Schau‘ aber zugleich tiefer. Das ganze Lied gibt sich als „Jubel Klang“ eines Herzens aus, das sich schon aus seinem „Threnen=Land“ zur „hochgebawte[n] Stadt“ emporgeschwungen hat. Hat die Seele ihren Weg zum Himmel im Bündel der Lebendigen, auf Eliä Wagen, getragen von Engeln hinter sich, ist sie in Abrahams Schoß, in Gottes Hand und damit in seine Nähe und Gemeinschaft gelangt, so erfährt sie dort bereits Ähnliches wie der Mensch später nach der Wiedervereinigung mit dem Leib. Die literarische Gestaltung ist kaum zu unterscheiden, und doch ist der Schwerpunkt der Wahrnehmung ein anderer: Während im einen Fall auf eine zukünftige Seligkeit gewartet wird, die erst im Anschluss an die endzeitliche Auferstehung eintritt, ist die Seligkeit, wenn auch nur der Seele, im anderen Fall bereits Gegenwart. Die Ereignisse der Endzeit verlieren in dieser Wahrnehmung weiter an Gewicht. Schon das Jüngste Gericht spielt in den Begräbnisgesängen, die naturgemäß eher die tröstlichen Aspekte der Bilder von der Endzeit hervorheben, gegenüber der Auferstehung kaum eine Rolle – ganz im Unterschied zu vielen anderen Liedern ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘, in denen warnende und zur Buße mahnende Töne dominieren. In den Liedern, die von der Seligkeit der Verstorbenen bereits im Präsens sprechen, ist die Auferstehung der Toten als endzeitliches Ereignis nur mehr ein letzter Schritt in die Vollendung des ewigen Lebens, sofern sie überhaupt noch erwähnt wird. Die alte Vorstellung 41

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In den begleitenden Predigten der Tuba novissima untergliedert Meyfart den Aufstieg der Seele in verschiedene „actus“: actus emigrationis, actus appropinquationis, actus ingressus, actus accessionis ad thronum agni, actus praesentationis, actus clarificationis, actus glorificationis animi, actus redunitionis [animae et corporis], actus ascensionis in occursum Domini, actus benedictionis; vgl. Breuer, Ausblicke, 75–80. Auf ‚redunitio‘ und die ‚clarificatio‘ wird weiter unten noch eingegangen (vgl. S. 523; S. 527). Vgl. zur himmlischen Gemeinschaft auch ab S. 476. Meyfart, Tuba Novissima, 86.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

der Trennung von Leib und Seele macht es möglich, den noch ausstehenden Teil des ewigen Lebens immer weiter zu marginalisieren und unmittelbar präsentischen Trost aus dem postmortalen Ergehen der Verstorbenen zu schöpfen (vgl. S. 463). Mit der Individualisierung der Vorstellung des Lebens nach dem Tod ist demnach eine ‚Enthistorisierung‘ verbunden, eine Sichtweise, in der von der zeitlichen Dimension der allgemeinen Vollendung zugunsten eines individuellen Trostes zunehmend abstrahiert wird. Für Michael Weisse ist 1531 noch „verborgen“, was mit der Seele geschieht. Die Menschen sind gehalten, durch die Bestattung für den Leib Sorge zu tragen; für die Seele übernimmt dies Gott „nach seinem radt“. Was immer das bedeuten mag – Gottes offenbarer Heilswille lässt Gutes hoffen –, es ist den Menschen verborgen.44 Ganz anders sieht das bereits bei Bartholomäus Ringwaldt aus: Der „Geist“ des Verstorbenen, der hier statt der Seele genannt wird, ist ihm zufolge „angethan mit einem weissen kleide“.45 Nach Christoph Knoll ist die Seele im Himmel „gantz reine, | Heilig vnd vnbefleckt“,46 nach Schein ist sie bereits verklärt und mit der „Ehren=Kron“ (vgl. 1Petr 5,4) geziert.47 Paul Röber findet neben diesen gängigen Bildern weitere, mit denen er besonders die Schönheit der Seele im Himmel betont (vgl. S. 194): 9. Ob gleich des Leibes schön gebäw Muß zeitlich hier verderben, Ist doch die edle Seele frey Von aller Angst vnd Sterben. Der Leib ist nicht zu sehen mehr, Die Seel bleibt vnverlohren; Sie ist zu grosser Frewd vnd Ehr Im Himmel außerkohren. 10. Kein Sonnen glantz, kein Edelgstein, Kein Purpur, Schiff noch Palmen Mag jhr an Schönheit ehnlich seyn, Sie lobet Gott mit Psalmen. Der Leib auch in seinm Kämmerlein Ist vnd bleibt vnverdorben; Denn wer in Christo schläffet ein, Ruht auß, ist nicht verdorben.48

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Vgl. Weisse, So lasst uns den Leib behalten (Str. 1): „SO last vns den leib behalten | vnd got seiner selen walten, | Er allein wirt sie besorgen | nach seinem radt, vns verborgen.“ Ringwaldt, Geliebten Freund, was tut ihr so verzagen (Str. 6): „Sein Geist der lebt jetzundt in grosser frewde, | ist angethan mit einem weissen kleide, | Vnd preiset hoch mit Englischem getichte | Gottes Gerichte.“ Knoll, Im Leben und im Sterben (Str. 2,1–4): „Hie bistu, liebe Seele, | Mit Sünden angesteckt: | Dort wirstu sein gantz reine, | Heilig vnd vnbefleckt.“ Schein, Klagt nicht so, geliebte Leut (Str. 6,5–9): „Was die Seel berühret / | Ist sie schon gezieret / | Mit der Ehren=Kron / | Leuchtet wie die Sonn / | Frölich triumphiret.“ Röber, Ach wie ein kleinen Augenblick (Str. 9–10); Go-1648 bessert das letzte Wort in „gestorben“.

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VIII. Leib und Seele

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Ganz ohne den Leib gewinnt die Seele im Himmel bereits alle Vorzüge des ewigen Lebens. Ihre Schönheit, ihre Bekleidung und Krönung greifen der Vollendung des mit ihr wiedervereinigten Leibes voraus.

2. Der Leib im Grab Anlass zur Betrachtung des verstorbenen Leibes ist vor allem die Bestattung, bei der der Leib in die Erde versenkt wird (vgl. S. 606–611). Die Trennung von der Seele ist dabei insofern Thema, als der Leib hier oft als verlassene Behausung der Seele betrachtet wird. Immer wieder wird dabei auch an den Schöpfungsvorgang erinnert, bei dem der Leib von Gott mit der Seele ausgestattet wurde (vgl. Gen 2,7). Gegenstand der Betrachtung ist auch, was mit ihm als Ent-seeltem im Grab geschieht: Der ‚Erdenkloß‘ wird selbst wieder zu Erde (vgl. Gen 3,19), er zerfällt und wird ‚der Würmer Raub‘. Zugleich wird sein Aufenthalt im Grab als eine Zeit der Ruhe und des Schlafs gedeutet (während die Seele im Himmel wacht), das Grab selbst als ‚Schlafkämmerlein‘. Dabei durchläuft er einen Prozess der Verwandlung zu jenem neuen Leib, als der er am Jüngsten Tag auferstehen wird. Ganz anders als im Falle der Seele ist fast immer die Auferstehung (vgl. S. 512) und damit ein überindividuelles heilsgeschichtliches Ereignis die Zielperspektive jener Lieder, die der Betrachtung des Leibes gewidmet sind – wie schon das älteste, am weitesten verbreitete Begräbnislied zeigt: 1. NV last vns den leib begraben, bey dem wir keinn zweifel haben, Er werd am letztenn tag aufstehn vnd vnverrücklich herfür gehn.49

a) Der Leib als Behausung der Seele Seine Bestimmung hat der Leib als derjenige Ort, an oder vielmehr in dem die Seele sich aufhalten kann. Viele Bilder für den Leib greifen auf die dichotomische Struktur von Innen und Außen zurück, nach der Leib und Seele nicht das Außen und Innen derselben Sache, sondern zwei verschiedene Dinge sind, von denen das eine, innere (Seele) im anderen, äußeren (Leib) steckt. Er ist gleichsam definiert als Gefäß der Seele, ohne die er nach der Trennung leblos zurückbleibt; dagegen bleibt die in ihm enthaltene Seele, an welche die eigentliche Identität der Person gebunden ist, von der Trennung unberührt. Bilder, die den Leib als eine Art Hülle zeigen, finden sich auch in der Bibel; freilich ist hier noch nicht von der Seele als Gegenpart die Rede. Eines dieser Bilder ist das des Kleides: Nach Hi 10,11 hat Gott dem Menschen Haut und Fleisch „angezogen“ (vbel'). Einem Kleid ist es eigentümlich, dass es veraltet; ebenso gilt das nicht nur für Himmel und Erde (Ps 102,27; Hebr 1,10f), sondern 49

Weisse, Nun lasst uns den Leib begraben (Str. 1).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

für alles Lebendige – ihm ist gesagt: Du musst sterben (Sir 14,18). Wie ein veraltetes Kleid der Seele kann demnach auch der Leib im Tod getrost abgelegt50 werden: „Es mag der Leib verderben, | Das alte Seelen=Kleid“51. Christliches Leben bedeutet, die Werke der Finsternis abzulegen (Röm 13,12), den alten Menschen mit seinen Werken auszuziehen (Kol 3,9). Der Leib kann daher auch mit der Sünde identifiziert und als „Sünden Kleid“ bezeichnet werden, das mit dem Tod endgültig abgelegt werden soll.52 Im AT ist häufig davon die Rede, dass der Mensch mit der Gerechtigkeit Gottes wie mit einem Rock bekleidet wird (Hi 29,14; Jes 61,10; Sir 27,9; Bar 5,2); bei Paulus sind es Unverweslichkeit und Unsterblichkeit, die das Verwesliche und Sterbliche (̯Ң ̷̤̩̣̯̩) neu kleiden (1Kor 15,53) und den vergänglichen, natürlichen Leib als neuen geistlichen Leib auferstehen lassen sollen. Noch häufiger ist freilich ein anderer Typ von bildlichen Vorstellungen für den Leib, die der Bezeichnung der Seele als „Leibs Einwohnerin“53 entsprechen: der Leib als Behausung der Seele, sei es der natürliche Unterschlupf einer Höhle, sei es ein „Nest“54, sei es ein durch den Schöpfer gefertigtes architektonisches Gebilde. Ein Schlüsseltext für diese Vorstellung ist 2Kor 5,55 wo sich die Aussicht auf das Abbrechen der irdischen Hütte mit der Sehnsucht nach der himmlischen Behausung verbindet. Zugleich wird hier die Analogie der beiden Bilder (Haus und Kleid) ersichtlich: die Sehnsucht richtet sich darauf, mit der himmlischen Behausung ‚überkleidet zu werden‘ (ц½̸̡̩̠̮̝̮̤̝̥), wodurch zugleich das ‚Sterbliche‘ (̯Ң ̷̤̩̣̯̩) verschlungen wird (2Kor 5,2.4). Ähnlich wie in 1Kor 15,53 wird der sterbliche Leib hier nicht erst abgelegt und ausgezogen, sondern vernichtet, und zwar so, dass die neue Hülle des unsterblichen Leibes ihn nicht nur überdeckt, sondern ihn restlos und vollständig verschwinden lässt. Der älteste Beleg in den untersuchten Liedtexten, an dem der Leib als Behausung der Seele bezeichnet wird, stammt aus dem prudentianischen Hymnus Iam moesta quiesce querela. Während der alte Leib zu Grabe getragen wird, wird hier noch vor der Neuschöpfung der erste Schöpfungsakt bedacht, bei dem der Leib als „der seelen heuselein“ aus dem Munde des Schöpfers jene Seele eingehaucht bekam, die sich nun wieder von ihm getrennt hat: „Animae fuit haec domus olim | Factoris ab

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Vom ‚Ablegen‘ des Leibes ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die Kleidmetapher spricht Runge, Nun will auch ich abscheiden (Str. 5,1–4): „Itzt leg ich mein Gebeine, | Mein kranckes fleisch und blut | Von mir, und dich alleine | Ergreiff ich, höchstes Gut“. Finckelthauß, Wie lange soll es währen (Str. 4,5f). Vgl. Rist, Ach Gott, wann kommt die liebe Zeit (Str. 1,1–4): „ACh GOtt / wen komt die liebe Zeit / | In der Ich werd ablegen | Des Fleisches Last / das Sünden Kleid / | Und einst der Ruhe pflegen?“ Dilherr, O Seel, du Leibseinwohnerin (Str. 1,1). Vgl. Ringwaldt, Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl, dass ich einmal (Str. 3,6f): „biß das die seel aus jrem nest | wird in den himmel fahren“; anon., O Vater, Sohn und Heilger Geist* (Str. 6,3; zit. Anm. 61). Auch Jes 38,12, ein Vers aus dem Gebet des Königs Hiskia („Meine Hütte ist abgebrochen“ usw.), wird in diesem Sinne auf den Leib hin gedeutet, vgl. LP Jeremias Pistorius 1605, fol. 7v.

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VIII. Leib und Seele

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ore creatae“56; für einen der Übersetzer ist die Seele „Gottes unsterblicher Odem“.57 Zudem habe durch Christus in den Gliedern die „sapientia“ gewohnt, die von den Übersetzern (zu den verschiedenen Fassungen vgl. S. 448) unterschiedlich wiedergegeben wird.58 Bei Dilherr mischt sich in die Klage um den abgelebten Leib die Erinnerung daran, dass er einst nicht der Seele, sondern dem Heiligen Geist als Tempel gedient habe (vgl. 1Kor 6,19).59 Nicht erst zu seinem Begräbnis, sondern schon vor seiner Trennung von der Seele ist die Betrachtung des Leibes als Haus der Seele Thema der Liedtexte. Wie in 2Kor 5 ist die Aussicht auf den Abschied aus der irdischen Hütte und ihren Beschwerlichkeiten Grund zu Sehnsucht und Freude, zumal sie mit der Verheißung des Auferstehungsleibes als eines neuen, festen und dauerhaften Hauses verbunden ist. Bei Heermann lautet die Reformulierung von 2Kor 5,1 so: 15. Wahr ists, mein irrdisch haus fällt ein, Die schwache hirtenhütte; Dafür wird mir ein neues seyn, Daß Gott aus lauter güte Mir aufgebaut, ein haus, das bleibt, Daraus kein teufel mich vertreibt.60

Die Rede von der „schwache[n] hirtenhütte“ wird durch die zwei Strophen zuvor ergangene Klage über zwanzig Jahre Krankheit drastisch untermalt. Auch in anderen Texten kommt die Geringschätzung für den irdischen Leib aufgrund seiner hinfälligen Struktur schon im Vorfeld des Todes zum Ausdruck. Paulus spricht vom ‚Abbrechen‘ (̸̴̧̦̝̯̝) der irdischen Behausung, in den Liedern ist mit Luthers

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Prudentius, Iam moesta quiesce querela (Str. 8,1f); vgl. die deutschen Fassungen: Anon., O Traurigkeit, lass sein dein Klag (Str. 8,1f): „Der Leib der Seelen wohnung war, | die Gott selbst hat geschaffen zwar“; anon., Hört auf mit Trauren und Klagen (Str. 8,1f): „Er war der seelen heuselein | die blies Gott mit seim Adem drein“; Birken, Was soll dies zage Klagen sein* (Str. 8,1f): „Diß ist der Seelen Hauß gewest / | darein Gott selbst den Athem bläst“ usw. Anon., Nun hör auf, alles Leid, Klag und Sehnen* (Str. 8): „Dieses sind nur des Menschen Gebeine / | Als der Seelen Behausung alleine / | Ihr Wirth ist nicht vom irdischen Bodem / | Sondern Gottes unsterblicher Odem.“ Vgl. Prudentius, Iam moesta quiesce querela (Str. 8,3f): „Fervens habitavit in istis | sapientia principe Christo.“ Wörtlich als „Weisheit“ in Hört auf, alles Leid, Klag und Sehnen (Str. 8,4) und bei Hagen, Trauret nicht, ihr Christen gut (Str. 6,6); nach anon., Lasst ab von Traurn, ihr Christenleut* (Str. 8,4f) ist die Seele, wenn sie sich in ihrem Haus aufhält, „voll Weißheit vnd Verstandes / | Christi vnsers Heylandes“, nach Stöcken (?), Ihr Seufzer, ach haltet doch innen* (Str. 8,3f) ist sie „Geschmücket mit weisheit und gaben / | Die wir von dem himmel nur haben.“ Freier übersetzt die Fassung Hört auf mit Trauren und Klagen (Str. 8,3f): „Ein edel hertz, recht muth vnnd sinn | ward durch die gabe Christi drinn.“ Bei Birken, Was soll dies zage Klagen sein* (Str. 8,3f) wird die Gabe der sapientia als Gegengewicht zu den leiblichen ‚Sinnen‘ verstanden: „Durch JEsu Gnade wohnte drinn / | Vernunfft / der Sinnen Herrscherin.“ Anon., O Traurigkeit, lass sein dein Klag (Str. 8,3f) gibt eher „fervens“ (brennend) als „sapientia“ wieder: „Eyn brinnend lieb zugleich bei jhr | hat gwohnt nach Christlicher begir.“ Vgl. Dilherr, O Seel, du Leibseinwohnerin (Str. 3): „Ach! solle diß gewesen seyn | Ein Tempel für den Herren mein / | Da der Dreyeinig Gott | Sein Residentz gehalten hab: | Und soll nun faulen in dem Grab“. Heermann, Der Tod klopft itzund bei mir an (Str. 15,1–6).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Übersetzung von ihrem ‚Zerbrechen‘61, ‚Einfallen‘ (wie oben bei Heermann) oder ‚Eingehen‘62 die Rede. Direkt entgegengesetzt werden dem Zerfall des derart als überholt und veraltet gezeigten irdischen Leibes unterschiedliche positive Perspekiven: War es bei Heermann mit 2Kor 5 der Gewinn des neuen Leibes, so ist es bei Gryphius der Erhalt der Seele (die er als „werthe[n] Schatz“63 bezeichnet) oder bei Krentzheim die auf Christus als Eckstein sicher gegründete himmlische Existenz.64 Solche Aussicht lässt den Wunsch entstehen, die Seele möge aus ihrem „in der Welt geborgte[n] Hauß“ bald ‚ausziehen‘,65 sowie die an Gott gerichtete Bitte, dieses Haus einzureißen und die Seele herauszuführen.66 Dass die Sicht des ‚alten‘, irdischen Leibes als Behausung für die Seele – die eigentlich wichtigere Konstituente des Menschen – eine pejorative Bedeutung hat, wird in zwei Varianten des Bildes besonders deutlich: Er wird auch als ‚Höhle‘ und als ‚Kerker‘ der Seele bezeichnet; in beiden Fällen bedeutet die Trennung von ihm eine Befreiung für sie. Die Beliebtheit der ‚Höhle‘ in diesem Kontext ist aber wohl nicht zuletzt dem Reim auf ‚Seele‘ zu verdanken, der tatsächlich in kaum einem Fall ungenutzt bleibt. Nähere Bestimmungen als „Marter=höl“67, „Trauer=Höle“68, „dürre […] Leibes=Höle“69 oder die Rede von der „finstern Höle“70 unterstreichen zugleich die negative Wertigkeit des Bildes. Christus kann die „höchstgekränckte seele“ erfreuen, indem er sie aus dieser Höhle holt;71 wenn die Höhle zerbricht, bedeutet dies, „Daß die Seele | Auß kan springen | Und die Wolckenburg durchdringen.“72 61

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Vgl. Gesenius/Denicke, O Gott, wer dieses Leben wohl (Str. 8,4–7): „Ach wenn wird das geschehen! | Daß dieser Hütten jrdisch Hauß | Zerbrochen werd vnd ich darauß | Geh in meins HErren frewde.“ Anon., O Vater, Sohn und Heilger Geist* (Str. 6): „Wenn diser Hütten irrdisch Haus | Zerbrochen wird / und ich mus draus: | So führ di Seel’ aus disem Nest’ | Ins Haus / das ewig bleibet fest.“ Vgl. Gryphius, Ade, verfluchtes Tränental (Str. 3,1–4): „Mein irrdisch Hauß, der Leib, geht eyn, | Der Nothfall meiner Seelen, | Der Stock, die Werckstatt herber pein, | Die enge Marter höhlen.“ Gryphius, Ade, verfluchtes Tränental (Str. 3,5–7): „Der werthe Schatz bleibt vnverletzt, | Den wir, ob schon der Feind nachsetzt, | Dem Höchsten widerbringen.“ Vgl. Krentzheim, °Mein Leben in der Eil (Str. 2): „Auß diesem leimen hauß | Werd ich bald ziehen auß | Zu dir, Herr Christ, dem eckstein, | Darauff ich steh vnd traw, | Das ist ein fester baw.“ Vgl. Rist, Mein Seelichen, wenn willt du doch (Str. 1): „MEin Seelichen / wen wilt du doch | Entreissen dich des Leibes Joch / | Wen wilt du nun verlassen | Diß in der Welt geborgtes Hauß / | Sag an / wen wilt du ziehen aus | Den Himmels Sahl zu fassen?“ ‚Ausziehen‘ auch bei Krentzheim, °Mein Leben in der Eil (Str. 2,1; zit. Anm. 64). Vgl. Hecht, °Nun auf, mein Geist, aus dieser Welt (Str. 13,4f): „Zerbrich diß schwache Leibes=Hauß | Und führe meine Seel herraus“. Birken, Herr Jesu Christe, Gottes Sohn (Str. 8): „Fahr endlich ab, du müde Seel, | Aus deines Leibes Marter=höl!“ Scheffler, Liebster Bräutgam, denkst du nicht (Str. 4,3f; 8,3f): „Warumb läst du meine Seele | In des Leibes Trauer=Höle? || […] Nihm mich auß der Trauer=Höle, | JEsu, Bräutgam meiner Seele.“ Scheffler, Nun will ich mich scheiden von allen Dingen (Str. 4,4–6): „Durch deinen Safft blüht meine Seele | In jhrer dürren Leibes=Höle | Wie eine Blum’ auff grüner Aw.“ Schwarz, °Ach dass mein Haupt von Tränen (Str. 8): „Und wenn nun meine Seele | Auß diser finstern Höle | Des Leibes weichen sol, | So wolst du bey mir stehen | Und nimmer von mir gehen, | So ist mir ewig wol.“ Runge, Nun will auch ich abscheiden (Str. 6,1–4): „Mein höchstgekränckte seele | Erfreuest du, HErr Christ, | Und nimst sie aus der höle | Des leibes, da sie ist“. Hecht, °Nun auf, mein Geist, aus dieser Welt (Str. 13,7–12): „Knalle, | Falle, | Brich, du Höhle, | Daß die Seele | Auß kan springen | Und die Wolckenburg durchdringen.“

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VIII. Leib und Seele

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Der Aspekt der Befreiung, der häufig Gegenstand von Bitten um das ersehnte Ende ist (vgl. S. 343), kommt aber vor allem im Bild des Leibes als Kerker zum Ausdruck. Gregorius Richter sagt über die Seele: „Wenn der Kercker muß zerfallen, | Kan sie frey gen Himmel wallen.“73 Auf Erden heißt es noch: „Mein Seel steckt hie im Gfengniß schwer“74 und „unter einem harten Joch | Im Kercker unsres Leibs“75 (zum ‚Joch‘ vgl. S. 217). Der Wunsch der Seele geht bei Johann Franck dahin, den „leibeskercker“ als Bau der Gefangenschaft gegen eine himmlische Architektur der Freiheit einzutauschen, gegen den „sternenercker“ und das „haus der freuden“.76 Nach Johann Rist bedeutet der Aufenthalt im Kerker des schwachen Fleisches auch eine Schwächung der Seele, der das Versprechen gilt: „So bald du gehst von Ihm’ herauß / | So wirst du Zehnmal stärker“77. Der Moment des Todes wird im Lied als präsentisches Sich-Öffnen78 oder Zerbrechen des Kerkers inszeniert, bei dem nach Gryphius Ketten und Schlösser zerspringen79 – eine österliche Reminiszenz an den Descensus Christi und seine Befreiung der Gefangenen aus der Unterwelt (vgl. S. 384). b) Die Ruhe des Leibes Die bestimmende Vorstellung für den Aufenthalt des Leibes im Grab ist die der Ruhe. Diese Ruhe ist in einem umfassenden Sinne zu verstehen: Die körperliche Unbewegtheit hat den Charakter einer äußeren, die Ungestörtheit den einer inneren Ruhe, eines Friedens. Durch die Abwesenheit der Seele fehlt dem Leib auch das Bewusstsein; damit wird sein Aufenthalt in der Erde zum Schlaf, das Grab zum Bett oder zur Schlafkammer, die Auferstehung zum Wiedererwachen.80 Die äußere Unbewegtheit spiegelt sich etwa in Liedanfängen des Typs ‚Hier liege ich‘, in denen das Ich des Verstorbenen sich anders als in den oben genannten Beispielen nicht auf die Seele, sondern auf den Leib bezieht. Zu nennen wäre hier zum einen das Lied Hie lieg ich armes Würmelein und schlaf in meinm Ruhbettelein, das in zwei anonymen Fassungen (1607/1608) vorliegt81 und ein wenige Jahre älteres Lied gleichen Anfangs umdeutet, dessen textinterne Sprechsituation noch in der Todesnot angesiedelt ist (vgl. S. 294). Lieder ähnlichen Anfangs stammen von Peter 73 74 75 76

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Richter, Lasset ab von euren Tränen (Str. 3,7f). Anon., °Ach wie selig sind die allein (Str. 11,1). Finx, Wie selig ist ein frommer Christ (Str. 3,2f, nach Dach, O wie selig seid ihr doch, ihr Frommen, Str. 2). J. Franck, Du, o schönes Weltgebäude (Str. 7,1–4): „Ach daß ich den leibeskercker | Heute noch verlassen müst | Vnd käm an den sternenercker, | Wo das haus der freuden ist!“ Rist, Lebt doch ein jeder Mensch im Streit (Str. 9,3f). Vgl. Kaldenbach, °Kommt endlich, kommt die güldne Frist (Str. 3,1f): „Itzt thut der Kärcker weit sich auff, | In dem ich lag bißher verschlossen.“ Vgl. Gryphius, Ade, verfluchtes Tränental (Str. 1,5–7): „Ade, mein Kercker bricht entzwey, | Die Kette reißt, mein Geist wird frey, | Die Schlösser sind zusprungen.“ Vgl. Dach, Wer weiß Bescheid, der Sterblichkeit (Str. 2,7–9): „Mein Trost, durch dich | Befrey’ ich mich | Der schweren LeibesKetten.“ Zur musikalischen Darstellung des Todes als Schlaf in den Kantaten Johann Sebastian Bachs vgl. R. Steiger, Idiomatik, 28–30, etwa durch die Form des Wiegenliedes (BWV 82, Arie Schlummert ein, ihr matten Augen; BWV 31, Nr. 8: Arie Letzte Stunde, brich herein) oder Orgelpunkt und stehende Harmonie (z. B. BWV 249, Nr. 7: Arie Sanfte soll mein Todeskummer). Frankfurt/O. 1607; in der Fassung Hof 1608: „vnd ruh in meim Schlaffkämmerlein“.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Hagen und Michael Schirmer.82 Aus Demantius’ Threnodiae von 1620 stammt das Lied Hie lieg ich in der Erden Schoß: 1. HIe lig ich in der Erden Schoß, Davon ich bin genommen. Von Mutterleib gantz nackt vnd bloß Bin ich auff Erden kommen, Nackt vnd bloß fahr ich wider hin. Der Tod ist mir ein grosser gwin, Christus der HErr mein Leben.83

Neben den Bezügen auf Gen 3,19 (V. 2, vgl. S. 502) und Phil 1,21 (V. 6f, vgl. S. 353) wird hier mit Hi 1,21 die Nacktheit des in der Erde liegenden Leibes hervorgehoben, in der sich die Unmöglichkeit ausdrückt, aus dem Erdenleben etwas über die Grenze des Todes mitzunehmen (vgl. dazu S. 198; zu Hi 1,21 auch S. 454).84 Vom ‚Frieden‘ der Grabesruhe handeln schon die lateinischen biblischen Grabgesänge des Babstschen Gesangbuchs, etwa nach Jes 57,2,85 Sir 44,14 oder Ps 4,9: „In pace simul dormiam & requiescam.“86 Der Friede besteht darin, dass der Gerechte nach Jes 57,1 „Ante faciem calamitatis“ hinweggenommen wird; die ‚calamitas‘ vermag ihn im Grab nicht mehr zu behelligen. Dieser Grundgedanke – letztlich eine Variante der so häufig begegnenden Sicht des Todes als Ende des Leides (vgl. S. 184; S. 463) – kehrt in vielen Texten wieder. Variabel ist dabei zum einen der Zeitpunkt bezüglich des Todes, zum anderen die genaue Füllung des hier mit ‚calamitas‘ bezeichneten Sachverhalts. Zum einen ist die Ruhe des Grabes auch schon im Vorfeld des Todes ein Gegenstand der Sehnsucht;87 ihr Pendant im Erdenleben sind die Ermüdung des Erdenpilgers (vgl. S. 214) oder die des christlichen Ritters im Kampf. Genau die Mühsal dieser Kalamitäten ist es zum anderen, vor der der Tod Ruhe verschafft. In Friedrich Rappolts Lied Mein Leben war ein Streit* ist die Ruhe des Leibes eingebettet in den großen Frieden, den das Ich anstelle des lebenslangen ‚Streites‘ „durch JEsum erlanget“ hat.88 „Für allem haß und neid“ will sich 82

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Vgl. Hagen, Ich schlaf in meinem Kämmerlein (Str. 1,1f): „ICH schlaff in meinem Kemmerlein | Gleich wie ein armes Würmelein“; Schirmer, Nun lieg ich armes Würmelein (Str. 1,1f): „NV lieg ich armes Würmelein | Vn[d] ruh in meinem Kämmerlein“. Anon., Hie lieg ich in der Erden Schoß (Str. 1). Vgl. Kesler, Als Job, der fromme Gottesknecht (Str. 2): „Nacket aus meiner Mutter=Leib | Bin ich zur Welt gebohren; | Kein Geld und Gut, kein Kind und Weib | Mir damals war erkohren. | Vnd wie ich nichts gebracht auff Erd, | Also ich nichts mitnehmen werd, | Wenn ich nun muß von hinnen.“ Vgl. Ecce quomodo moritur iustus (Babst Nr. 82): „Intrat in pacem & requiescit in cubili suo, qui recte ambulauit.“ In der Textfassung von Ecce quomodo moritur iustus aus L-1638 und Go-1648 folgt dem Vers Jes 57,1 nicht V. 2, sondern Ps 75,3: „In pace factus est locus ejus, & in Sion habitatio ejus“ (Subjekt im Bibeltext ist eigentlich Gott!). Der Text von Si enim credimus (Babst Nr. 89) ist aus verschiedenen Bibeltexten montiert, darunter neben Ps 4,9 auch Sir 44,14: „Corpora Sanctorum in pace sepulta sunt, & uiuent nomina eorum in æternum Haleluia.“ Ps 4,9 steht auch in Luthers deutscher Grabspruchsammlung Babst fol. Z 7v. Vgl. Dach, O wer doch überwunden hätte (Str. 1,1–4): „O Wer doch vberwunden hette, | Vnd lege todt dahin gestreckt, | Empfinde Rhue in seinem Bette | Mit frischer Erde zugedeckt!“ Vgl. Rappolt, Mein Leben war ein Streit* (Str. 12); zum Lied insgesamt vgl. S. 229.

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VIII. Leib und Seele

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das Ich eines Liedes mit der programmatischen Anfangszeile Zum Frieden und zur Ruh* „in die kühle erden“ zurückziehen.89 Und für das Ich in Heermanns Der Tod klopft itzund bei mir an, dessen Leib von zwanzigjähriger Krankheit gezeichnet ist, bedeutet die Ruhe des Leibes im Grab noch vor der Aussicht auf seine geläuterte Restitution vor allem das Ende von Schmerz und Siechtum: 2. GOTT nimt die seel in seine hand: Wer kan die ehr außsprechen? Den leib bedeckt ein frischer sand, Er weiß nichts mehr von stechen, Daß er hier offte tag und nacht In höchsten schmertzen zugebracht. Wan ihn Gott wird erwecken, Da wird er schön Verkläret stehn. Das wird die feinde schrecken.90

In der Perikope zum 24. Sonntag nach Trinitatis, der Erzählung von Jairi Töchterlein, wird der Tod des Mädchens von Christus als Schlaf bezeichnet (Mt 9,24; vgl. Joh 11,11–13). In Erwartung der Auferstehung sprechen vom Schlaf der Toten auch andere Bibelstellen (vgl. Dan 12,2; 1Thess 4,13–15). Die Vorstellung vom Tod als Schlaf, die in vielen der untersuchten Texte auftaucht, ist meist nicht ausdrücklich auf den Leib bezogen; einen Schlaf der Seelen (‚psychopannychia‘) lehnen die meisten lutherischen Theologen allerdings ab.91 Nicht erst am Grab, sondern schon in der Sterbebereitung spielt die Vorstellung eine wichtige Rolle, etwa in der Bitte um das selige Ende: Das ‚Einschlafen‘92 als Bezeichnung für das Sterben entspricht dem Ideal insofern, als das selige Ende als ein ‚sanftes‘ und ‚stilles‘ vorgestellt wird (vgl. S. 269). Häufig taucht die Rede vom Schlaf auch im Zusammenhang mit jenem tröstlichen Wechsel der Sichtweise auf den Tod auf, die sich durch die christologische Betrachtung in der Anfechtung einstellt: Ist der Tod dem Sünder zunächst bedrohlich und Grund zur Anfechtung, so ‚wird‘ er ihm durch die Ergebung in Gottes Willen und

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Anon., Zum Frieden und zur Ruh* (Str. 1): „ZUm frieden und zur ruh | Wünsch ich mich in die kühle erden: | Wenn es GOtt liesse zu / | Daß mir es bald so gut möcht werden / | Daß ich mein ruhe=bett | Sanfft in der erden hätt / | Und schlaffend / ohne sorgen / | Für allem haß und neid / | Leg in dem grab verborgen.“ Heermann, Der Tod klopft itzund bei mir an (Str. 2). Etwas harmloser nimmt sich Scheins Formulierung aus: Schein, Stellt ein eur Klag und Weinen (Str. 1,5f): „Der Leib sanfft schläfft vnd ruht / | Kein Finger weh ihm thut.“ Vgl. Gerhard, Loc. 26,293–308, z.B. 300: „Ex quibus omnibus manifeste colligitur, animas piorum a corpore separatas non opprimi quodam somno perpetuo, sed beatas apud Deum vivere, frui conspectu Dei et suavissimo consortio Christi“ usw. Anon., O Jesu, Gottes Lämmelein (Str. 5,1f): „Im Friede laß mich schlaffen ein | vnd in dir haben ruhe fein“; anon., Christus der ist mein Leben (Str. 6,1f): „Als denn fein sanfft vnd stille, | Herr, laß mich schlaffen ein“; Schein, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, wenn ich gleich itzt (Str. 8,1f): „So wil ich nunmehr schlaffen ein / | O Herr / in deinem Namen“.

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die Heilswirkung des Todes Christi zum Schlaf („der tod ist meyn schlaff worden“93), oder er wird ihm in Schlaf ‚verkehrt‘94. Ebensowenig wie das Schlafengehen ist dann der Tod noch ein Grund zur Furcht, sondern vielmehr zur Freude: 5. Wie ich mich demnach nimmer scheu, In meinem Bett zu schlaffen, Also von Hertzen ich mich frew, Das du, GOtt, wilt verschaffen, Das nur ein süsser Schlaff sol seyn Der Tod mir, ohne Furcht und Pein, Daß er mich zu dir führe.95

Der Schlaf des Todes wird nicht nur negativ verstanden als Ruhe vor der ‚calamitas‘ des Erdenlebens, vor „Furcht und Pein“; er ist vielmehr ‚süß‘,96 also auch belebend und erquickend, indem er den Menschen gleichsam im Schlaf zu Gott als dem Herrn des Lebens führt, und wird daher ersehnt und herbeigerufen: „Komm, o tod, du schlaffesbruder“97. Vom Schlaf des Leibes im Grab spricht bereits Michael Weisse: Nach seiner Bestattung, so die letzte Strophe von Nun lasst uns den Leib begraben, können die Lebenden nichts mehr tun, als ihn schlafen zu lassen und ihren eigenen Weg zu gehen.98 Der Schlaf des Zurückgelassenen währt bis zum letzten Tag.99 Das Grab als Aufenthaltsort wird zur Schlafkammer des Leibes, zum ‚cubile‘ nach Jes 57,2.100 Vom diminuierten ‚(Schlaf-)Kämmerlein‘ sprechen etwa Schalling, Behm und verschiedene Fassungen von Hie lieg ich armes Würmelein,101 andere vom „Ruhbettelein“, 93

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Luther, Mit Fried und Freud ich fahr dahin (Str. 1,6); vgl. Herbert, Lob sei dir, gütiger Gott (Str. 2,3–7): „Sih an dein fleisch vnd gebein, | hilff mir aus geferden, | Sonderlich in sterbens not, | das der Tod | mir ein schlaff müss werden.“ Schramm, °Das weiß ich, dass ich sterben muss (Str. 1,5–7): „Wo Busse ist, da hats nicht noth; | Man lebet Gott, Drumb muß der Tod | Zum sanfften Schlaffe werden.“ Walther, Spann aus, spann aus, ach frommer Gott (Str. 4): „So bitter kan der Todt nicht seyn, | Ich wil ihn doch ümbfangen, | Weil mein HErr Jesus ist allein | Mit ihm so ümbgegangen, | Daß er ihn biß auffs Häupt erlegt, | Und Krafft in seinen Händen trägt, | Daß er zum Schlaff muß werden.“ Vgl. Schein, Mit Trauren, Weinen, Klagen (Str. 4,4–8): „Wol durch das Leiden sein / | Den Tod es [Jesulein] hat verkehret | In einen Schlaf so süß / | Fried / Frewd vnnd Ruh bescheret / | Das ist war vnd gewiß.“ Anon., Herr, es ist mir nicht verborgen* (Str. 6,1–5): „Laß den Tod sich mir verkehren / | aus der Sünden Sold und Straff / | in die Ruh und mich gewehren / | dessen / was ein süsser Schlaff / | angenehmes bringen kan“. Walther, Spann aus, spann aus, ach frommer Gott (Str. 5). Vgl. Schein, In Sünden und in Gottes Zorn (Str. 3,7–10): „Ein Schläfflein süß | Der Tod gewiß | Nun wird genennt / | Der Angst ein End“; Schein, Christe Jesu, Gottes Sohn (Str. 5,5f): „Der Todt ein süsser Schlaff mir ist / | Das machst du alls Herr JEsu Christ.“ Vgl. Anm. 94. Zur ‚Süßigkeit‘ des Todes vgl. S. 407. J. Franck, Du, o schönes Weltgebäude (Str. 6,1). Vgl. Weisse, Nun lasst uns den Leib begraben (Str. 7,1f): „Nu lassen wir jhn hie schlaffenn | vnnd gehn alsampt vnser strassen“. Vgl. Weisse, O Vater, Herre Gott, wie groß ist deine Gnad (Str. 9,1–6): „Die seele hats nu gut, | auch schleft jhr fleisch vnd blut | Bis an den letzten tag, | an dem es one klag | Mit der selen verfügt | vnd mit klarheit begnügt“; Weisse, Nun lasst uns den Leib begraben (Str. 5,1f): „Die sele lebt on alle klag, | der leib schlefft bis ann letzten tag“. Vgl. Anm. 85. Vgl. Schalling, Herzlich lieb hab ich dich, o Herr (Str. 3,4–6): „Der leib in seim schlaffkemmerlein | gar sanfft on einige qual vnd pein | ruhe biß an Jüngsten tage.“ Behm, Herr Christ, wenn ich bedenke (Str. 11,1–3): „Dem Leib laß in der Erden | als im schlaffkämmerlein | Sein Ruh im frieden werden“; vgl. Anm. 81.82.

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VIII. Leib und Seele

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vom „Schlaf= und Ruhstätlein“102 oder von einem „Schlaf=Gemach, | Worinn nach vieler Müh’ und Ach | Ich ruhig mich vergnüge.“103 Den temporären Charakter des Aufenthalts in der „Erden Kammer“ betont Sacer, der darin eine Durchgangsstation zwischen zwei anderen Behausungen sieht, dem verlassenen „Kercker“ und dem „Himmels Hauß“,104 in diesem Fall wohl eher Metaphern für Welt und Himmel (vgl. S. 182) als für den alten und neuen Leib (vgl. S. 493). Das Grab fungiert in besonderer Weise als Schutzraum vor den widrigen Einflüssen der Welt; ‚Kammer‘ wird daher stets gern auf das entgegengesetzte ‚Jammer‘ gereimt.105 Immer wieder finden sich Anspielungen auf Jes 26,20, der Aufforderung an das Volk, sich in seiner Kammer zu verbergen und die Tür für einen kleinen Augenblick zu schließen, bis Gottes Zorn vorüber ist;106 im unmittelbaren Kontext dieses Verses steht auch eine Auferstehungsverheißung (Jes 26,19107). Bei Simon Dach wird aus der göttlichen Zusage die an Gott gerichtete Bitte eines Ich: 1. NImm mich weg, Gott, für dem Jammer Vnd für meiner Feinde List, Laß mich gehn in meine Kammer, Biß dein Zorn vorüber ist: Schleuß die Thür auch nach mir zu, Daß ich in der lieben Erden Halten möge meine Ruh, Biß ich aufferweckt sol werden.108

c) Zerfall, Verwandlung und Bewahrung des Leibes In der Zeit seiner Ruhe wird der Leib auf die bevorstehende Auferstehung vorbereitet. Dabei sind es drei unterschiedliche Vorgänge, von denen in den Liedtexten berichtet wird: Der Leib zerfällt zu Erde; er wird in den unverweslichen Auferstehungsleib verwandelt; er wird für die Auferstehung bewahrt. Steht im Falle von 102

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Anon., Nun hör auf, alles Leid, Klag und Sehnen* (Str. 7,1f): „Nim hin / Erde / den Leib in sein Bettlein / | Und vergönn ihm sein Schlaf= und Ruhstätlein“. Anon., Ich weiß wohl, dass ich sterben muss (Str. 9,5–7); vgl. Finx, Wie selig ist ein frommer Christ (Str. 4): „Er aber ruht ohn Weh und Ach | In seinem sanfften Schlaff=Gemach, | Von allen Sorgen frey: | Kein Kummer rührt ihm mehr die Brust, | Kein Kreutz vermyrrhet ihm die Lust.“ Sacer, Freunde, stellt das Weinen ein (Str. 3,1–4): „Aus dem Kercker geh ich aus, | Aus der Angst und aus dem Jammer, | Biß mich Gott ins Himmels Hauß | Rufft aus meiner Erden Kammer.“ Vgl. Heermann, Lasset ab, ihr meine Lieben (Str. 7,1–4): „Der Leib schläfft in seiner Kammer | Ohne Sorgen, sanfft vnd wol | Vnd verschläfft den grossen Jammer, | Dessen jetzt die Welt ist voll.“ Titius, Heute werd ich sterben* (Str. 2,1–3): „Geh in deine Kam[m]er / | ruh von allem Jammer / | du entseelter Leib“. Jes 26,20 steht schon in Luthers deutscher Grabspruchsammlung Babst fol. Z 8r. Vgl. Blarer, Ein Freud ist’s dem gläubigen Mann (Str. 4): „Gang hin, min volck, vnd schlaff nun in, | schlüß nach dir zu din kämmerlin | vnd ruw ein kleine wile, | Bis das min zorn fürüber sy: | so wirt das erdrich geben fry | die todten all in ile.“ Etwas variiert bei C. Franck, Lasst uns folgen Sankt Paulus’ Lehr (Str. 9,1–3): „Jetz gehn wir inn das kemmerlein, | darein vns Gott verstecket | Bis alle feind füruber sein“. Nach dieser Stelle: Blarer, Ein Freud ist’s dem gläubigen Mann (Str. 3). Jes 26,19 steht auch in Luthers deutscher Grabspruchsammlung Babst fol. Z 8r. Dach, Nimm mich weg, Gott, für dem Jammer (Str. 1).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Zerfall und Verwandlung eher ein dynamischer Prozess im Vordergrund, so betont das Bewahrungs-Paradigma, das ähnlich der Vorstellung von der Ruhe des Leibes eher statischer Natur ist, die Kontinuität von alt und neu. Zwischen diesen Polen gibt es vielfache Wechselbeziehungen, die im Folgenden anhand einiger Liedtexte aufgezeigt werden sollen. Zerfall Wird der Leib in die Erde gelegt, ist dies Anlass zur Erinnerung an den biblischen Schöpfungsbericht. Der ‚Erden‘-Mensch Adam ist, so Johann Mathesius 1559, „auß staub vn[d] erd“ geschaffen; und da für jeden Menschen dasselbe gilt109 – er ist aus „erden klos“110 gemacht und darum wie Adam ein Erdenkloß (vgl. S. 175) –, muss auch jeder wieder zu Erde, Staub und Asche werden: 1. Gott schuf Adam auß staub vn[d] erd, im grab ich wider zu asch werd, Die sünd mein jrdisch leib aufflöst, Christus allein mein seele tröst.111

Der Ansage, wonach der Mensch wieder zu Erde werden soll (Gen 3,19),112 geht der Sündenfall voraus, darum „Die sünd mein jrdisch leib aufflöst“. Der Leib, so Saubert, ‚gehört‘ also in die Erde: „Immer fort nur in die Erden, | Was der Erden zugehört“113. Von der Erde her soll der Leib schließlich aber auch wieder auferstehen, wie in Nun lasst uns den Leib begraben betont wird: 2. Erd jst er vnnd von der erden, wirt auch zu erd wider werden, Vnd von Erden wider aufstehn, wenn gottes posawn wirt angehn.114

Der Prozess des Übergangs, mit dem der Leib zur Erde zurückkehrt, wird in den Liedern immer wieder aufgegriffen, etwa durch Verben der Zersetzung wie ‚verfaulen‘, ‚vermodern‘, ‚verwesen‘, des Sich-Verflüchtigens wie ‚zerstieben‘, ‚zerstäuben‘115 oder der gewaltsamen Auflösung wie ‚verzehrt‘, ‚zermalmt‘, ‚zerbrochen werden‘. Im 17. Jahrhundert macht sich dabei gelegentlich ein Hang zum Makabren bemerk109

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Vgl. anon., Hie lieg ich in der Erden Schoß (Str. 1,1f): „HIe lig ich in der Erden Schoß, | Davon ich bin genommen.“ Anon., Hört auf mit Trauren und Klagen (Str. 7): „Der Leib, gemacht von erden klos, | soll ligen in der erden schos, | Vnd sol da ruhe[n] ohne leit | bis das er wider auffersteht.“ Vgl. Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 4); Behm, Ich armer Erdenkloß. Mathesius, Gott schuf Adam aus Staub und Erd (Str. 1). Vgl. C. Franck, Lasst uns folgen St. Paulus’ Lehr (Str. 5,1f): „Denn weil wir nichts denn erde sein, | müss wir erd wider werden“. Saubert d.J., Nun, ihr abgelebte Glieder (Str. 3,1f). Weisse, Nun lasst uns den Leib (Str. 2). Anon., °Wenn nun mein Leben hat ein End (Str. 2,3–7): „Mein Leib, trawrig ins Grab gelegt, | Wie Aschen er zusteubt, | Als wenn er nie gewesen wer, | Nimmermehr wer kommen her | Aus meiner Mutter Leib.“

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VIII. Leib und Seele

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bar. Je nach Kontext erfährt der Zerfallsprozess eine unterschiedliche Bewertung. In den Liedern zum Begräbnis dient der Verweis auf diesen Vorgang einerseits zur Beschreibung des Offensichtlichen und situativ Nächstliegenden, andererseits aber auch zur kontrastierenden Hervorhebung der nachfolgenden Auferstehung. Dagegen hat er im Kontext des Memento mori offenbar die Funktion der Abschreckung: 7. Im Grab verborgen warten dein viel Krotten vnd viel Schlangen, Die werden dort dein Haußgsind seyn, dich grüssen mit verlangen: Ihr Gasterey wird da seyn frey, keins darff die Zech bezahlen. Sie schlieffen [schlüpfen] hinein biß auff die Bein, machens nach jhrem gefallen. […] 9. Wann dann verflossen ist ein Jahr, so bistu schon verwesen, Wer dich sucht find kein Haut noch Haar, fragt wer du seyst gewesen, Dein Hirenschal ist worden kaal, dein äuglein seyn gefressen, Man find allein die Todtenbein, die Welt hat dein vergessen.116

Geradezu lustvoll werden hier die Details der Zersetzung durch das Erdengetier („Krotten“ und „Schlangen“117) ausgemalt und der Verlauf der Verwesung als allmählicher Verlust von Haut, Haaren und „äuglein“ nachgezeichnet, entsprechend den nicht weniger makabren zeitgenössischen Abbildungen von halbverwesten Leichnamen, denen dieselben Schlangen aus den leeren Augenhöhlen kriechen. Nicht erst in diesem Lied wird das Fleisch aufgrund seiner hinfälligen, von Würmern bedrohten Beschaffenheit als „schnöder Madensack“ bezeichnet.118 Auch andere Texte schildern die Verwesung des Leibes im Dienste der plastisch-sinnlichen Erinnerung an die eigene Vergänglichkeit. Manche wie Rists Lebt doch ein jeder Mensch im Streit nennen sogar den Verwesungsgeruch:

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Anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Str. 7; 9). Ein anonymes Memento mori setzt die Schlangen als Repräsentanten von Ekel und Zerfall an die Stelle von Rosen als Inbegriff von Lieblichkeit und Leben, vgl. anon., Ich weiß nicht, wann ich sterben muss* (Str. 4,4): „die Schlangen seyn meine Rosen.“ Vgl. anon., Der grimmig Tod mit seinem Pfeil (Str. 16): „O Fleisch, du schnöder Madensack“; vom „armen Madensack“ spricht Herman, Mit Todesgdanken geh ich um (Str. 7,1), vom „Madenfleisch“ Ringwaldt, °Mein lieber Christ, steh doch was still (Str. 11,4); zum „Mottenfleisch“ vgl. Anm. 120.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt 5. […] Der gantze Leib ist matt und krank / Sein mürbes Fleisch wird ein Gestank Ja recht ein Wuhst der Erden / Den weil es nichts alß Asch und Staub / So muß es bald der Schlangen Raub Und Fraß der Würmer werden.119

Im Kontext der Grablieder dagegen fällt die Schilderung bisweilen weniger drastisch aus oder sie wird zumindest durch den Kontrast zur Auferstehungshoffnung abgemildert,120 auf der in vielen Grabliedern der Hauptakzent liegt. Der „Fraß der Würmer“ wird auch in diesem Kontext nicht verschwiegen; „von Schlangen vnd Würmern“121 spricht etwa Leon, „Von Maden / Motten und was mehr | Gehöret zu der Würme Heer“122 Paul Gerhardt. Doch fast immer ist hier das Gegenüber zur Auferstehung mit gedacht, durch die der Zerfall wieder umgekehrt und aufgehoben wird.123 Das gilt insbesondere für die Tradition des prudentianischen Hymnus Iam moesta quiesce querela. In der fünften Strophe wird hier der Blick von den im Grab verwesenden „cadavera“ auf ihre spätere Wiedervereinigung mit den Seelen gelenkt. Dabei wird die Identität von verwesendem und auferstandenem Leib hervorgehoben: 5. Quae pigra cadavera pridem tumulis putrefacta iacebant Volucres rapientur in auras animas comitata priores.124

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Rist, Lebt doch ein jeder Mensch im Streit (Str. 5,5–10). Vgl. von dem Werder, °Es ist gesetzt, es ist gesagt (Str. 3): „Gestorben muß es seyn. Die Haut, | Die Adern, Fleisch itzt von bedecket stehn, | Wird bald den Würmern angetraut, | Drauff mit Gestanck vermodern, gar zergehn | Vnd blössen mein verfault Gebein. | Gewiß, o Mensch! es muß gestorben seyn.“ Ein Osterlied nach Hi 19,25 aus N-1654 betont den Kontrast von Verwesung und Auferstehungsleib recht dezidiert, vgl. anon., °Ich weiß, dass mein Erlöser lebt* (Str. 1,4f; 2,4f): Der Heiland wird „mein vergessnes Mottenfleisch | mit dieser Haut bedecken […] | Obgleich die Würmer Safft und Krafft | aus meinem Leibe saugen.“ Leon, Dein Leib wollen wir nun begraben (Str. 10–11; hier 10,1f): „Der Leib in der Erde gehöret, | wird von Schlangen vnd Würmern verzeret“; vgl. Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Str. 4,1–4): „Der Leib zwar in der Erden | von Würmen wird verzehrt, | Aber erwecket werden | durch Christum schön verklärt“. Gerhardt, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, das soll (Str. 5): „Zwar alles was der Mensche trägt | Das Fleisch und seine Knochen / | Wird / wann er sich hin sterben legt / | Zumalmet und zerbrochen. | Von Maden / Motten und was mehr | Gehöret zu der Würme Heer: | Doch solls nicht stets so bleiben.“ Vgl. anon., Hie lieg ich in der Erden Schoß (Str. 4): „Hier lig ich zwar der Würmlein speiß, | Mus faulen vnd vermodern, | Doch gibt mein Glaub dem HErren preyß, | Der mein Seel thet abfodern. | Er wird auch widr am Jüngsten Tag | Nach seiner tröstlichen zusag | Die Seel dem Leib eingiessen.“ Schein, Christe Jesu, Gottes Sohn (Str. 6): „So der Leichnam in dem Grab | Wird verzehrt vnd nimmet ab / | Von Würmern auffgefressen / | Wirst du ihn nicht vergessen / | Ja ihn erweckn ohn alle Plag | Gantz vnd verklärt am jüngsten Tag.“ Vgl. anon., Ich weiß ein ewiges Himmelreich (Str. 7–8). Prudentius, Iam moesta quiesce querela (Str. 5).

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VIII. Leib und Seele

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In ähnlicher Form ahmen dies nicht nur die ins Deutsche übersetzten Fassungen nach,125 sondern auch andere Texte:126 Was zunächst im Grab verfault, findet dann wieder mit der Seele zusammen. Verwandlung Auf eine weitere Vorstellung, in der die Gegenläufigkeit zwischen dem Einsenken des Leibes in die Erde und seiner Auferstehung aufgegriffen wird, spielt die nächste Strophe bei Prudentius an, die sich damit an den Gedankengang der vorigen genau anschließt und den Prozess des Zerfalls kausal mit dem der Verwandlung verknüpft: das Bild vom Samenkorn, das auf der Analogie zwischen Säen und Sterben bzw. Begraben einerseits sowie Ernte und Auferstehung andererseits beruht. 6. Sic semina sicca virescunt iam mortua iamque sepulta Quae reddita cespite ab imo veteres meditantur aristas.127

Der Tod des Samenkorns ist nach biblischer Vorstellung Voraussetzung dafür, dass es zur Ähre heranwachsen und Frucht für die Ernte bringen kann (vgl. Joh 12,24; 1Kor 15,36); darin wird es zum Bild für das Sterbliche, insbesondere für den Leib. Der Zerfall ist hier notwendige Bedingung für eine qualitative Verwandlung, und zwar eine Verwandlung des Leibes in sein genaues Gegenteil: Nach paulinischer Verheißung wird all das in Unverweslichkeit (ц̩ ж̛̱̤̝̬̮ӛ, in incorruptione), Herrlichkeit (ц̩ ̷̠̪Ӫ, in gloria) und Kraft (ц̩ ̨̡̠̰̩̘̥, in virtute) auferstehen, was zuvor verweslich (ц̩ ̱̤̫̬Ӟ, in corruptione), in Unehre (ц̩ ж̨̛̯̥ӛ, in ignominia) und Schwachheit (ц̩ ж̡̡̛̮̤̩ӛ, in infirmitate) ‚gesät‘ wurde (̮½̡̡̛̬̯̝̥). Der Leib wird als natürlicher (̮Ԗ̨̝ ̷̳̰̲̥̦̩, corpus animale) gesät und ersteht als geistlicher (̮Ԗ̨̝ ½̷̡̨̩̰̝̯̥̦̩, corpus spirituale) auf;128 Hutter folgert aus den paulinischen Aussagen 125

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Vgl. anon., Hört auf, alles Leid, Klag und Sehnen (Str. 5): „Was vor tod gebein vnd verfault war | sol bald aus dem Grab kommen heruor | Vnd dann mit der vorigen Seelen | sich für Gottes angesicht stellen.“ Anon., O Traurigkeit, lass sein dein Klag (Str. 5): „Die längst verfaulet in der Erd | vnd jetzund waren nichts mehr werth | Werden verzucket sein gar schnell | vnd suchen die vorige Seel.“ Birken, Was soll dies zage Klagen sein* (Str. 5): „Der Cörper zwar verweset hier / | sein Wesen fault nicht für und für. | Die Seel auffs neu ihm zugesellt / | schwingt sich mit ihm ins Himmels=Zelt.“ Vgl. Schwab, O Jesu, lieber Herre mein (Str. 5,1–4): „MEin armes Fleisch mus vntergehn, | verfaulen vnd vorwesen | Doch wird es wider aufferstehn | herrlich vnd wol genesen“; anon., Ich weiß wohl, dass ich sterben muss (Str. 10,1–4): „Ob schon mein Leib muß untergehn, | Verfaulen und zerstieben, | Werd’ ich doch wieder aufferstehn, | Wo meine Asche blieben“. Prudentius, Iam moesta quiesce querela (Str. 6); analog Str. 6 in den deutschen Fassungen (Liste vgl. S. 448). Gnilka, Prudentiana II, 100–102 nennt weitere Parallelstellen aus der antiken Literatur, so von Minucius Felix, Paulinus von Nola und von Prudentius, Contra Symmachum 2,195–200 (CCSL 126, 218): „Non desunt exempla meae virtutis in ipsis | seminibus; natura docet revirescere cuncta | post obitum. Siccantur enim pereunte vigore | quo vixere prius; tunc sicca et mortua sulcis | aut foveis mandata latent et more sepulcri | obruta de tumulis redivivo germine surgunt.“ Die Unterscheidung von natürlichem und geistlichem Leib wird aufgegriffen z.B. in: Herman, Sankt Paulus die Korinthier (Str. 13); anon., Meine Kraft ist hin, dann ich elend bin* (Str. 13): „Was natürlich zwar / | schwach / verweßlich gar / | man in Unehrn sät / | wird mit Krafft auffstehen / | Geistlich herfür gehen / | in der Seeligkeit.“ Otto von Schwerin, Jesus, meine Zuversicht (Str. 7; zit. S. 519f).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

über die Beschaffenheit des Auferstehungsleibes vier Attribute: Er ist unverweslich, verklärt, kräftig und geistlich.129 Das Betten des sterblichen Leibes in die Erde ist als Aussaat ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Ernte der Auferstehung. Der entsprechende Passus des Paulustextes (1Kor 15,41–45) findet sich auch in lateinischer Sprache unter den Grabgesängen des Babstschen Gesangbuchs. Ausdrücklich auf die Person des Paulus beziehen sich Nicolaus Herman mit Sankt Paulus die Korinthier (1551) und Caspar Franck mit Lasst uns folgen Sankt Paulus’ Lehr (1556), zwei Lieder zu 1Kor 15, die das Gleichnis vom Weizenkorn ebenfalls aufgreifen.130 In einigen Gesangbüchern (erstmals Nürnberg 1573) wird die zweite Hälfte von Hermans Lied als eigener Titel geführt; sie beginnt mit den einschlägigen Strophen: Gleich wie ein Weizenkörnelein.131 11. Gleich wie ein weitzes kornelein gesehet wird in acker nhein, Stirbt vn[n]d vermodert gantz vn[n]d gar vnd grunt doch widr im selben Jar: 12. So wird der irdisch leib ins grab verschart vnd wird zu asch vnd staub, Vnnd wechst daraus ein Cörper klar der mit Gott lebet immerdar.132

Charakteristisch ist Hermans zweigliedrige Aufteilung des Gleichnisses in eine Bildund eine Deutungsstrophe.133 Bei Caspar Franck werden Bild und Deutung dagegen gleich in eins gesetzt und auf ein Wir bezogen; die christologische Grundlegung der Auferstehung wird direkt ins Bild eingetragen: „Wir sindt die Gottes körnelein, | mit Christi blut besprenget“134. Dem Leib geschieht dasselbe wie dem Weizenkorn: Beide, so die in den Grabliedern aufgenommene biblische Vorstellung, werden in die Erde eingesät und zerfallen dort, lösen sich verwesend auf. Der Leib ist freilich schon tot, wenn er ausgesät wird, während das Weizenkorn erst dadurch stirbt, dass es begraben wird, oder sogar erst durch seinen Zerfall. Es „Stirbt vn[n]d vermodert gantz vn[n]d gar“135, so Herman;

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Vgl. Hutter, Comp. 31,4 (zit. S. 527 Anm. 240). Die Verwandlung des Leibes nach 1Kor 15,42f ohne Bezugnahme auf das Gleichnis vom Weizenkorn ist Thema in Blarers altem Auferstehungslied Ein Freud ist’s dem gläubigen Mann (Magdeburg 1542, Str. 17–18; Str. 19 dann zu 1Kor 15,51f, Str. 20 zu Hos 13,14 bzw. 1Kor 15,54f). Gefundene Belege: unter ‚Begräbnis‘ N-1599; Lü-1625; unter ‚Jüngster Tag und Auferstehung‘ o. ä.: L-1627a; L-1627b/45; L-1638; L-1673; N-1654. Herman, Sankt Paulus die Korinthier (Str. 11–12). In deutlicher Anlehnung an Struktur und Wortlaut von Hermans Fassung ist die 4. Strophe des verbreiteten Liedes Mein Wallfahrt ich vollendet hab von Ludwig von Hörnigk formuliert: „Sondern wie ein Waytzenkörnlein | Gesähet wird mit fleise, | Vermodrt vnd grünt hernach sehr fein, | Also auch gleicher weise | All fromme Christen hier auff Erd | Ein weil verscharret bleiben, | Stehn doch hernach auff ohnversehrt | Mit schönen, klaren Leiben.“ C. Franck, Lasst uns folgen Sankt Paulus’ Lehr (Str. 6,1). Herman, Sankt Paulus die Korinthier (Str. 11,3).

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VIII. Leib und Seele

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nach Ansicht der Übersetzer von Iam moesta wird es „Faul und nichtig“136 oder „Erst safft= und bald krafftlos“137. Ein anderer Übersetzer, Sigmund von Birken, beschreibt den Vorgang dagegen umgekehrt: „Also der todte dürre Saam / | im Acker Seel und Safft bekam.“138 Wenn es in die Erde fällt, ist das Samenkorn dürr (siccus) und tot; in der Erde wird es wieder lebendig, gewinnt „Seel und Safft“. Weil die sterblichen Leiber als „Gottes körnelein“ in die Erde eingesät werden, die Frucht bringen sollen, ist diese „Gottes acker“139 oder „beet“ – so bei Caspar Franck, der das Bild von Aussaat, Wachstum und Ernte überhaupt am ausführlichsten gestaltet und zudem gleich den entsprechenden Jahreszeiten zuordnet: 6. Wir sindt die Gottes körnelein, mit Christi blut besprenget: Wenn wir jhm grab verweset sein, schaubrot man darvon brenget Vff Gottes tisch, ietz werd wir geseet inn Gottes acker, inn vnser beet, den Winter wir da rasten. 7. So bald der Lentz kompt vor die thür vnd die rechte Sonn scheinet, So faseln wir vnd stehn erfür, vnser körnlein auffkeinet, Denn wechst heraus jnn herligkeit ein leib, der vor jnn dürfftigkeit bestetigt wurd zum grabe. 8. Hie leiden wir an vnterlas, sind elend vnd zerstreuet, Fleisch, teuffel, welt vns plagt an mas, dort werden wir erfreuet, Wenn Gottes ernde wirdt angehn, herlich wir werden für jhm stehn, jnn seine scheur versamlet.140

Wie der Winter die Zeit der ‚Rast‘, so ist der „Lentz“ (bei Hagen: das „Vorjahr“141) die Zeit des Wachstums, in dem die neuen, unverweslichen Leiber wie Ähren ergrünen:

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Anon., Nun hör auf, alles Leid, Klag und Sehnen* (Str. 6): „Also lassen wir unter der Erden | Faul und nichtig die Saamkörnlein werden / | Bis sie grünen und blühen und keumen / | Der Herr Jesus wird keines versäumen.“ Stöcken (?), Ihr Seufzer, ach haltet doch innen* (Str. 6): „So pfleget ein korn in der erden | Erst safft= und bald krafftlos zu werden / | Hernacher / so siht man es stehen / | und fruchtbahr in feldern auffgehen.“ Birken, Was soll dies zage Klagen sein* (Str. 6,1f). Vgl. anon., Vollzogen hab ich meinen Lauf* (Str. 2,1f): „Mein Leib der liegt in seinem Bett / | auff GOttes Acker ausgeseet“. C. Franck, Lasst uns folgen Sankt Paulus’ Lehr (Str. 6–8). Vgl. Anm. 144.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Prudenz bezeichnet den Vorgang als ‚virescere‘, ‚faseln‘ und ‚aufkeinen‘142 nennt ihn Caspar Franck; in anderen Liedern ist die Rede vom „grünen und blühen und keumen“143, vom „herfür schiessen“ und „außspriessen“144 des Lebens, das aus den erstorbenen Samenkörnern wächst. Schließlich folgt der Sommer als Jahreszeit der Ernte. Schon das Gleichnis vom Feigenbaum (Mt 24,32par) verwendet den Sommer als Bild für die nahe Endzeit.145 Im Gefolge von Luthers allegorischer Entzifferung des liber naturae146 taucht der Sommer auch in Liedtexten häufig als Gleichnis für die eschatologische Neuschöpfung auf, zuerst in Johann Walters Herzlich tut mich erfreuen die liebe Sommerzeit (Wittenberg 1562). Nicht erst Paul Gerhardts °Geh aus, mein Herz, sondern etwa schon Ringwaldts „Sommerliedt“ °Gottlob, es ist vorhanden (Frankfurt/O. 1588) nimmt die detaillierte Betrachtung des irdischen als „Figure“ des ewigen Sommers, der den „rauche[n] Winter“ auf Erden ablöst.147 Die auch bei Caspar Franck (Str. 7,2) erwähnte Wiederkehr der Sonne ist die Wiederkehr Gottes,148 die Parusie seines Sohnes. Die Ernte, durch die Gott die auferstandenen Leiber bei sich versammelt, beschreibt Franck als Einbringen der neu gewachsenen Ähren in seine Scheune (vgl. Mt 13,30). Die in Str. 6,4f erwähnten Schaubrote auf Gottes Tisch (vgl. Ex 25,30) sind schließlich das Produkt der Ernte: Aus den Leibern der Auferstandenen werden Opfergaben für Gott in seinem Heiligtum, die ewig vor seinem Angesicht bleiben. In weiteren Strophen führt Franck noch andere Bilder für den Leib aus: Ähnlich wie mit dem Bild vom Weizenkorn betont er auch mit dem vom Schatz in irdenen Gefäßen (vgl. 2Kor 4,7) die Notwendigkeit des Leibes zu vergehen, zu „zubrechen“.149 Mit Ausdrücken aus der Bergmannssprache zeigt Franck den Tod schließlich als Bergwerk, in dessen „tiefen schacht“ der Mensch hinabfährt, um dort eine kurze Zeit in 142

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Franck, Lasst uns folgen Sankt Paulus’ Lehr: „faseln“ (Str. 7,3): gedeihen; „auffkeinet“ (Str. 7,4): aufkeimt, hervorbricht. Anon., Nun hör auf, alles Leid, Klag und Sehnen* (Str. 6,3). Hagen, Trauret nicht, ihr Christen gut (Str. 5): „Schawt die Weitzenkör[n]lein, | Wenn sie begraben seyn, | Wie fein sie herfür schiessen | Vnd wie die Ahr außspriessen, | Wie alles in voller blüth stehet, | Wenn das Vorjahr angehet, | Daß jhrs mit lust ansehet.“ In Liedstrophen umgesetzt bei Heermann, Höret, o ihr Kinder Gottes, höret (Str. 8–9); vgl. Rist, °Wach auf, wach auf, du sichre Welt (Str. 11): „Der Frühling ist schon vor der Thür / | Der Feigenbaum wil Laub gewinnen / | Die Blühmlein schiessen auch herfür / | Die Zeit erneüert uns die Sinnen / | Bald komt das rechte Sommer Leben / | In welchem unser Leib wird sein | Verklähret wie der Sonnenschein / | Den uns der Jüngste Tag wird geben.“ Vgl. J. A. Steiger, Geh’ aus, mein Herz, 7–10. Vgl. Ringwaldt, °Gottlob, es ist vorhanden (Str. 17–19): „[…] Vnd Lobet alle Stunden | den HErrn von ewigkeit, | Der vns nach allem kummer | vnd mancher kalten Nacht | den freudenreichen Sommer | hat frölich widerbracht. || Welchs denn ist ein Figure, | das Christus vnser Hirdt | Die hoch verterbt Nature | noch eins Formiren wirdt, | Vnd einen Sommer machen | der Ewig sol bestehn, | in dem wir werden lachen | vnd nimmer vntergehn. || O HErr, vns thut noch frieren | auff Erden manigfalt: | Wil sich denn schier verlieren | der rauche Winter kalt? […]“ Als direkte Vorlage für Gerhardt kommt Ringwaldts Sommerlied nach J. A. Steiger, Geh’ aus, mein Herz, 14 allerdings nicht in Frage. Vgl. J. Nicolai, Herr Christ, tu mir verleihen (Str. 7,5–8): „In jener SommerZeit / | Wirdt Gott mit Frewd vnd Wonne / | Erscheinen wie die Sonne | Der gantzen Christenheit.“ C. Franck, Lasst uns folgen Sankt Paulus’ Lehr (Str. 14,1–4): „Jetz trag wir vnser schetze zwar | inn irdischen gefesen, | Die mussen vor zubrechen gar, | ehe denn wir wider genesen“.

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VIII. Leib und Seele

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Gesellschaft Adams als „gwercken“ (Vorgesetzten oder Kollegen im Bergwerk150) zu verbringen – so lange, bis Christus durch ‚Auspochen‘ und „das letzt glöcklein“ das Zeichen zur Ausfahrt gibt.151 Dass Zerfall und Verwandlung nach dem Modell von 1Kor 15 zusammengehören, wird von Gregorius Richter in ein anderes, nicht mehr biblisches, sondern zeitgenössisches Bild übersetzt: 4. Was verweslich, in der Erden Die Vermoderung verzehrt; Vnverweslich muß ihr werden Wiederumb der Leib gewehrt. Sterblich wird geschmeltzet ein, Was dort vnsterblich soll seyn, Wenn wir werden aufferwachen: Das heist Gold aus Kupffer machen.152

Der Übergang vom Verweslichen zum Unverweslichen (1Kor 15,42) vollzieht sich hier nicht nach dem Bild des Samenkorns, sondern nach dem der alchimistischen Goldmacherkunst. Die qualitative Verwandlung minderen Materials in ein höherwertiges, das als Inbegriff des Edlen gilt, enthält zwar auch einen Aspekt der Kontinuität (die Bestandteile müssen ja in irgendeiner Weise noch dieselben sein); zugleich ist es aber notwendig, so Richter, das „Kupffer“ einzuschmelzen, es also wie den verweslichen Leib aus seinem materiellen Verbund zu lösen – erst aus dieser Schmelze kann das Neue, nun unverweslich, wieder zusammengesetzt werden. Bewahrung In der makabren Darstellung der Verwesung erscheint der Zerfall des Leibes in der Erde als unentrinnbares Schicksal des Vergänglichen, im Gleichnis vom Weizenkorn und verwandten Bildern als notwendige Voraussetzung der Auferstehung. Dagegen betont eine andere Sichtweise, dass der Leib in der Erde von Gott für die Auferstehung bewahrt werde – eine Vorstellung, die sich immer wieder mit der tröstlichen Ansicht verbindet, dass nicht nur die Seele im Himmel, sondern auch der Leib in der Erde allen schädlichen und gefährlichen Einflüssen entzogen sei. Für den Leib selbst bedeutet das, dass er „vnversehrt“153 und „vnverdorben“154 bleibt, also heil und an jedem Teil wohlbehalten; und wenn die Würmer, so Saubert, schon das Fleisch abfressen, so sollen doch wenigstens die Knochen unversehrt erhalten bleiben: 150

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In der Bergmannssprache eigentlich im Sinne von ‚Unternehmer‘, ‚Auftraggeber‘; im poetischen Gebrauch ist die Bedeutung des Übergeordneten aber verwischt (vgl. DWB s.v. ‚Gewerke‘ 2bδ). Vgl. C. Franck, Lasst uns folgen Sankt Paulus’ Lehr (Str. 12–13). Vielleicht hängt die Wahl dieses ungewöhnlichen Bildes mit den ursprünglichen Adressaten zusammen. Richter, Lasset ab von euren Tränen (Str. 4). Schein, Hin ist des Lebens Zeit (Str. 2,8–10): „Wer wol hin[fä]hrt / | Bleibt vnversehrt / | Kein Beinlein ist verdorben.“ Röber, Ach wie ein kleinen Augenblick (Str. 10,5f): „Der Leib auch in seinm Kämmerlein | Ist vnd bleibt vnverdorben“.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt 1. NUn, ihr abgelebte Glieder, Wandert immer nach dem Grab, JEsus wird euch geben wieder, Was die Würmer fressen ab. Liget ihr schon in dem Sand: Über euch hält Gottes Hand Und bewahret alle Knochen, Daß nicht einer werd zerbrochen.155

Häufiger noch als die unversehrte Erhaltung der Gebeine wird ihre Vollständigkeit betont156 – und nicht nur die der Gebeine: Nichts vom Leib des Menschen kann und darf bei seiner sicheren Verwahrung in der Erde für die Auferstehung verloren gehen. „Kein Beinlein, ja kein Stäubelein | Wird dir davon verlohren seyn“157, heißt es bei Heermann; und das Lied Hie lieg ich in der Erden Schoß folgert aus Mt 10,30 (die Haare sind gezählt, vgl. S. 328) und Hi 19,25 (Auferstehung im eigenen Fleisch, vgl. S. 515) die Hoffnung, dass von Haaren, „Bein vnd Adern“ „keins verlohren“ geht.158 Die Bewahrung durch die Erde garantiert die schlussendliche Restitution aller Körperteile, so dass letztlich kein Verlust zu beklagen ist. In Analogie zur Commendatio animae, mit der die Seele Gott anbefohlen wird, wird in vielen Liedern der Leib an die Erde zur Bewahrung übergeben. Oft ist dieser Sprechakt des Anvertrauens, der den äußeren Akt der Bestattung auf der Textebene widerspiegelt, direkt an die Erde gerichtet, die als mütterliche Instanz angeredet wird. Prudenz spricht etwa vom Mutterschoß, der die menschlichen Glieder aufnehmen und warm halten (fovere) soll: 7. Nunc suscipe terra fovendum gremioque hunc concipe molli: Hominis tibi membra sequestro, generosa et fragmina credo.159

Über vier Strophen hinweg wird die Erde immer wieder direkt angesprochen und aufgefordert, den Leib anzunehmen („suscipe“, „concipe“), zu bedecken („tege“) und schließlich wiederzugeben („reddas“); eine der Übersetzungen spricht auch von der 155 156

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Saubert d.J., Nun, ihr abgelebte Glieder (Str. 1). Vgl. Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 15): „Mein lieber, frommer, getreuer Gott | all mein Gebein bewaren thut, | Da wird nicht eins vom leibe mein, | sey groß oder klein, | vmbkommen noch verloren sein.“ Anon., Allhie begehr ich länger nicht* (Str. 3,2–6): „Er tröstet mich / und wird mein  | Bewahren / daß nicht ein gebein | Der meinen soll verlohren seyn / | Biß an den tag / da auß der lufft | Er alle zum gerichte rufft.“ Heermann, Ach Gott, ich muss in Traurigkeit (Str. 8,5f); vgl. anon., Herr Jesu Christ, der du hast* (Str. 6,3f): „Bewahr das Kretz vnd Steubelein klein / | Die Beinlein in dem Grabe mein.“ Anon., Hie lieg ich in der Erden Schoß (Str. 5): „Ich weis, das Gott all meine Haar | Auff meinem Häupt gezehlet, | Dazu die Bein vnd Adern gar: | Die Hoffnung mir nicht fehlet, | Es wird der keins verlohren seyn; | In diesem meinem Fleisch gantz rein | Werd ich Gott ewig schawen.“ Prudentius, Iam moesta quiesce querela (Str. 7), entsprechend in den übersetzten Fassungen, z. B. Birken, Was soll dies zage Klagen sein* (Str. 7): „Nim[m] hin / Erd / den entseelten Leib / | derselb in deinem Schosse bleib / | die Glieder ich dir anbefehl / | die Brechlichkeit / der Grabes=Höhl.“

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VIII. Leib und Seele

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„Erdmutter“160. Die „matten Glieder“ werden in einem jüngeren, anonymen Lied nicht nur „In deß liebsten Vaters hand“, sondern auch „In der treuen mutter schoß“ befohlen.161 Im Kontext eines ‚Testaments‘-Liedes (vgl. S. 333) ist die Erde als Mutter die Empfängerin des Leibes, den ihr der Sterbende als „dein Kind […] verehret“.162 Ganz vom Bild der Erde als Mutter geprägt, die den Leib der Toten treu bewahrt, ist Dachs Lied Du, o getreue Mutter Erde (1645 für Anna von Schlieben): 1. DV, O getrewe Mutter, Erde, Am allerbesten ist es doch, Daß auf des schweren Alters Joch Ein Mensch in dich verscharret werde, Vnd schlaffe stoltz vnd vngeschreckt Bis jhn der Jüngste Tag erweckt. […] 3. Du birgst das Wohnhauß vnsrer Seelen, Den Leichnam, tieff in deinen Schos, Da ruht er aller Sorgen los In den geheiligt=stillen Hölen, Bis jhm der grosse Seelen=Hirt Hoch aus den Wolcken ruffen wird: 4. Ihr Todten, findet euch nun wieder, Kompt, werdet vor Gericht geschawt! Da wirstu, was dir anvertrawt, Haut, Fleisch, Gebein vnd alle Glieder Vns wieder geben also wol Daß auch kein Zahn gebrechen sol. […] 6. Du, Erde, die mich erst geboren Vnd wol genährt, nimbst mein Gebein Von meinen Kindern zu dir ein, Hie bleibt kein Nagel mir verlohren, Wiewol nur über wenig Jahr Vmb mich ist weder Haut noch Haar. […]163

Mütterlich zeigt sich die Erde nicht nur darin, dass sie die Verstorbene „geboren“ und „wol genährt“ hat, sondern auch darin, dass sie sie wieder in ihren „Schos“ birgt. Dies ist das beste, was dem menschlichen Leib als „Wohnhauß vnsrer Seelen“ nach 160

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Anon., Nun hör auf, alles Leid, Klag und Sehnen* (Str. 10): „Komm / o Tod / o du selige Stunde! | Nach des Herren warhafftigen [!] Munde: | So wird unser Erdmutter uns eben | Diesen Leib unverrückt wiedergeben!“ Anon., Scheuet ihr, ihr matten Glieder* (Str. 1,1–5): „Scheuet ihr / ihr matten Glieder / | Itzund erstlich fremden sand? | Ach! begebt euch willig nieder | In deß liebsten Vaters hand / | In der treuen mutter schoß“. Omeis, Ich hab Bescheid, zu scheiden von der Welt (Str. 7): „Dir, Erde! die du meine Mutter bist | Und mich so lang durch vieler Jahre Frist | Nächst Gottes Krafft versorget und ernehret, | Dir sey zur Letz dein Kind, mein Leib, verehret.“ Dach, Du, o getreue Mutter Erde (Str. 1; 3; 4; 6).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

„des schweren Alters Joch“ widerfahren kann: Im Gegensatz zu seinem Erdenleben bleibt er hier ungestört, „vngeschreckt“ und „aller Sorgen los“. Am Jüngsten Tag, so die feste Überzeugung, wird sich die ‚Treue‘ der ‚Mutter‘ darin zeigen, dass sie den Leib – auch wenn er zwischenzeitlich zerfallen ist – erneut hervorbringen wird, unversehrt und so vollständig, dass „kein Zahn“ und „kein Nagel“ fehlen.

3. Auferstehung Das hier zu behandelnde Thema ist für den christlichen Umgang mit dem Sterben so zentral, dass schon im bisherigen Verlauf der Untersuchung fortwährende Bezugnahmen darauf unvermeidlich waren. Das gilt nicht nur für den engeren Kontext, in dem bereits die unverwesliche Beschaffenheit des Auferstehungsleibes (1Kor 15,42) in ihrem Verhältnis zum sterblichen Leib aufgegriffen wurde. Im Ganzen war vor allem deutlich geworden, dass die Auferstehung der Toten in den untersuchten Liedtexten einen der wesentlichen Trostgründe für Sterbende und Trauernde darstellt. In den Trostliedern für Trauernde hatte sich der Verweis auf 1Thess 4,13f, der Appell an die christliche Grundhoffnung, durch die sich Christen von ‚Heiden‘ unterscheiden, als Gemeinplatz erwiesen (vgl. S. 450). Ihre christologische Grundlegung erfährt diese Hoffnung nach 1Thess 4,14 und 1Kor 15,22 in der Auferstehung des Erstlings Jesus;164 diese hat ihrerseits das in den Liedern häufig anzutreffende österliche Triumphbild des strahlenden Siegers über den zum Spott gewordenen Tod geprägt (vgl. S. 379). Die paulinischen Auferstehungstexte aus 1Kor 15 und 1Thess 4 finden sich in den Texten nicht nur unter den lateinischen Begräbnisgesängen des Babstschen sowie der Dresdner Gesangbücher des 17. Jahrhunderts,165 sondern auch in deutschen Liedfassungen,166 von zahlreichen sonstigen Anspielungen ganz abgesehen. Ein wichtiger biblischer Bezugstext zur Verknüpfung der Auferstehung Jesu mit der allgemeinen Auferstehung ist aber auch Hi 19,25f („Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“, vgl. S. 383), der daher an dieser Stelle herausgegriffen und ausführlicher behandelt werden soll. In diesem Abschnitt soll es – entsprechend dem Kontext „Leib und Seele“ – vorrangig um konkrete Vorstellungen gehen, die die Auferstehung des Leibes betreffen. Die christologische Begründung und die tröstliche Funktion der Auferstehungsbezüge sind dabei stets mitzudenken. Es geht hier um jenen Bereich der Rubrik ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘, der auch in der Nachbarrubrik ‚Vom Begräbnis‘ eine Rolle spielt – und damit um denjenigen, dem tatsächlich eine tröstliche Funktion 164

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Vgl. Hutter, Comp. 31,2: „Quodnam est fundamentum Resurrectionis, in quo Fides nostra indubitatò possit acquiescere? Fundamentum est Christus, qui factus est primitiae dormientium, 1. Cor. 15,20. Principium & primogenitus ex mortuis, Col. 1,18. Apoc. 1,5. Imò Resurrectio atque vita ipsa, Joh. 11,25.“ Vgl. Si credimus (Babst Nr. 87; 1Thess 4,14.13 und 1Kor 15,22); Si enim credimus (Babst Nr. 89; 1Thess 4,14 und 1Kor 15,22); Ecce mysterium magnum dico vobis (Babst Nr. 84; 1Kor 51f.54f); Stella enim differt a stella (Babst Nr. 85; 1Kor 41–45). Zu 1Kor 15 (vgl. S. 506): Herman, Sankt Paulus die Korinthier; C. Franck, Lasst uns folgen Sankt Paulus’ Lehr. Zu 1Thess 4: Opitz, Das blinde Volk der Heiden (zum 25. Sonntag nach Trinitatis).

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VIII. Leib und Seele

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zukommt. Das andere der beiden großen Ereignisse des Jüngsten Tages, nämlich das Gericht, besitzt dagegen eher die Funktion der Mahnung und taucht in entsprechenden Liedkontexten auf. Der dazu gehörige Sitz im Leben ist vorwiegend in der Buße zu suchen, etwa anlässlich äußerer Bedrohungen des Gemeinwesens (vgl. ab S. 278) oder anlässlich bestimmter Sonntage vor allem zu Anfang und Ende des Kirchenjahres (2. Advent; 25.–27. Sonntag nach Trinitatis). Eher ein Spezifikum der alten Lieder von Weisse, Alber, Herman usw. scheint es dabei zu sein, in der Gegenwart konkrete Zeichen der Endzeit aus Mt 24 zu entdecken und extensiv auszuführen: gesellschaftliche Missstände ethischer Art wie Unmoral, Ungerechtigkeit und Streit, Erschütterungen der Natur wie Dürren, Erdbeben, Stürme und Finsternisse sowie – im Zeitalter der Glaubensspaltung ist dies von besonderer Aktualität und Brisanz – die Unterdrückung der Wahrheit durch falsche Propheten, die Verachtung von Gottes Wort, Glaubensabfall und das Auftreten des Antichristen.167 Die zeitliche Nähe des Jüngsten Tages wird allerdings auch in Liedern aus dem 17. Jahrhundert häufig betont.168 Durchweg begegnen Schilderungen des Gerichtes selbst, oft als Evangelienlieder im Anschluss an die Darstellung von Mt 25.169 Die typischen Redeweisen der Mahnung an die Endzeit, die eng an den apokalyptischen Texten der Synoptiker orientiert sind, erinnern an die des Memento mori: Aufgerufen wird zur Wachsamkeit,170 zur Bereitung171 und damit zur Buße172; eine strukturelle Analogie liegt in der Betonung der (möglichen) Nähe des Zeitpunktes einerseits und seiner Ungewissheit andererseits – nur dass es im einen Fall um den Anbruch des Jüngsten Tages, im anderen um die individuelle Todesstunde geht. Diese Differenz zwischen universaler und individueller Zugangsweise spiegelt sich auch in den Anredeformen der Mahnung: Während das Memento mori meist an den Einzelmenschen gerichtet ist („O Mensch“, vgl. S. 234), wird in der universaleschatologischen Bußmahnung häufig ein Kollektiv angeredet („Ihr lieben Christen“, „Ihr Menschenkinder“ usw.).173 Im Kontext des individuellen Sterbens begegnet die Rede vom Gericht zuweilen ebenfalls; dabei handelt es sich freilich um eine enthistorisierte, metaphorische Verwendung: Die 167

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Vgl. Weisse, Es wird schier der Jüngste Tag herkommen; Weisse, O ihr Christen, wacht, denn der letzte Tag wird schier kommen; Alber, Gott hat das Evangelium; Alber, Ihr lieben Christen, freut euch nun; Herman, Weil in der argen bösen Welt; Herman, Freut euch, ihr Christen alle gleich; Herman, °Christus wird kommen zu Gericht; Policarius, Kein Gotteswort ist mehr erhort; anon., Die Sonn, die steht am höchsten; anon., Wacht auf, ihr Christen alle, wacht auf mit ganzem Fleiß u. a. Eine futurische Perspektive auf die Zeichen des Jüngsten Tages hat dagegen Heermann, Höret, o ihr Kinder Gottes, höret (nach Lk 21; zum 2. Sonntag im Advent). Vgl. anon., Es gehet jetzt gegen dem Ende; Thilo, Der große Tag des Herren; anon., Der Jüngste Tag ist vor der Tür; anon., Es sind die Zeichen nunmehr da, dass itzt der Jüngste Tag ist nah; Runge, Herr Christ, der Jüngste Tag nun nicht mehr weit sein mag; Gerhardt, Die Zeit ist nunmehr nah u. a. Vgl. Weisse, Es wird schier der letzte Tag herkommen; Herman, Weil in der argen bösen Welt (nach Mt 25 zum 26. Sonntag nach Trinitatis); Heermann, Wenn des Menschen Sohn wird wiederkommen (nach Mt 25) u. a. Vgl. Weisse, O ihr Christen, wacht; anon., Wacht auf, ihr Christen alle (die getroffene Textauswahl enthält drei unterschiedliche anonyme Lieder dieses Anfangs; außerdem gibt es ein Lied mit demselben Anfang von M. Franck, Coburg 1657); Ph. Nicolai, Wachet auf, ruft uns die Stimme; Heermann, Wach auf, o Mensch (Höllenlied); Rist, °Wach auf, wach auf, du sichre Welt u. a. Vgl. Heermann, Wollt ihr euch nun, o ihr fromme Christen, auf des Herren Jesu Zukunft rüsten* u. a. Vgl. anon., Tut Buß, ihr Menschen alle; Rist, Lasst ab von Sünden alle u. a. Vgl. Weisse, O ihr Christen, wacht; Alber, Ihr lieben Christen, freut euch nun; anon., Wacht auf, ihr Christen alle; Ringwaldt, Ach lieben Christen jung und alt; Heermann, Höret, o ihr Kinder Gottes, höret; Heermann, Wollt ihr euch nun, o ihr fromme Christen*; Müller, Kommt herbei, ihr Menschenkinder u. a.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Anfechtung des Gewissens in der Todesnot wird ihrerseits zur inneren Gerichtserfahrung, indem das Gewissen etwa die Funktion des richterlichen Buches übernimmt, in dem das Register der Sünden zu lesen ist (vgl. S. 306).

Das Signal zur Auferstehung gibt nach 1Kor 15,52 und 1Thess 4,16 die Posaune als apokalyptisches Instrument (vgl. Mt 24,31; Apk 8); vom Gericht spricht Paulus in diesem Zusammenhang jeweils nicht, anders als etwa das mittelalterliche Dies irae, demzufolge die ‚tuba‘ alle aus den Gräbern vor den Thron des Richters bringt.174 Nach 1Kor 15,52 ist der Klang der Posaune auch das Signal zur Verwandlung der noch Lebenden, die bei Blarer aufgegriffen wird.175 Für den schlafenden Leib in seiner Kammer ist der Klang der Posaune „süß“, sofern er im Herrn entschlafen ist, vom Richter also nichts zu befürchten hat.176 Neben der Posaune nennen 1Thess 4,16 und daher auch einige Lieder die Stimme des Erzengels, die die Toten weckt;177 in einem Lied Ringwaldts sind es die Glocken.178 Rist, Dach und Harsdörffer erwähnen eine Stimme, die zum Gericht (bei Dach: „Hals=Gericht“) ruft, also einen bedrohlichen Beiklang und eine beängstigende Wirkung hat, bei Dach und Harsdörffer sogar schon in der Gegenwart – in Gestalt einer inneren Stimme oder eines imaginierten Klangs.179 In manchen Liedern ist es schließlich ausdrücklich die Stimme Gottes, mit der er selbst seine Ankunft verkündet180 oder zur Auferstehung ruft.181

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Vgl. Dies irae (Str. 3): „Tuba mirum sparget sonum | Per sepulcra regionum, | Coget omnes ante thronum.“ Vgl. Magdeburg, Es ist gewisslich an der Zeit (Str. 2,1–4): „Posaunen wird man hören gan | an aller Werlet ende | Wird Gott fordern für seinen Thron | all Menschen gar behende“ (so nicht mehr in der von Ringwaldt ‚gebesserten‘ Fassung des Liedes). Vgl. Blarer, Ein Freud ist’s dem gläubigen Mann (Str. 19): „Nit alle werdent wir schlaffen gon | vnd doch züglich mit vfferston | sampt andren menschen allen, | Vnd vor Christo stan offenbar | zur herlicheit verwandlet gar, | wenn sin puson wird schallen.“ Vgl. Striccius, Ich weiß, dass mein Herr Jesus Christ (Str. 3): „Sonder ich schlaff im kämmerlein, | Biß daß die stunde kommt herein, | Da ich die süß Posaun werd hörn: | Ir todten auff, trett für den Herrn, | Die jr in jm entschlaffen seydt! | Deß helff vns Gott in ewigkeit.“ Vgl. Opitz, Das blinde Volk der Heiden (Str. 3,5–8): „Des Engels Wort wird schallen, | Wird sagen: ‚Kompt herfür‘ | Zu denen Menschen allen, | Die jetzt nicht mehr sind hier.“ Vgl. Weisse, Es wird schier der letzte Tag herkommen (Str. 11). Vgl. Ringwaldt, Geliebten Freund, was tut ihr so verzagen (Str. 9,1). Vgl. Dach, Ich steh in Angst und Pein (Str. 1–2): „ICh steh in Angst vnd Pein, | Vnd weiß nicht auß nicht ein, | Der Sinnen Krafft sinckt nieder: | Mein Hertz wil mir zergehn, | Die Zunge bleibet stehn, | Mir starren alle Glieder, || So offt als die Gewalt | Der Stimm’ in mir erschallt: | Ihr Todten in der Erden, | Steht auf, vnd seumt euch nicht, | Kompt vor das Hals=Gericht | So jetzt gehegt sol werden!“ Harsdörffer, O Sündenmensch, bedenk den Tod (Str. 3): „Erschallt in deinen Ohren nicht: | Ihr Todten, kommet zum Gericht? | Ist doch der jüngste Tag nicht weit, | Dann folgen wird die Ewigkeit.“ Vgl. Rist, Helft mir mit Freuden singen (Str. 5): „Wie, wen die Vöglein springen | Dort auf dem Heerd’ herüm | Und bei dem Körnen singen | Mit Frisch erhabner Stimm’, | Alßden die Netze fallen, | Ja machen Sie zu nicht’, | Also wird auch erschallen | Diß: Kommet zum Gericht!“ Vgl. Opitz, Das blinde Volk der Heiden (Str. 3,1–4): „Er selbst, der HErr der Herren, | Wird durch ein Feldgeschrey | Erzeigen weit vnd ferren, | Das er fürhanden sey.“ Vgl. Ringwaldt, Geliebten Freund, was tut ihr so verzagen (Str. 8,1f): „Das wird geschehn wenn jm vnd auch vns allen | die stim des grossen Gottes wird erschallen“.

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VIII. Leib und Seele

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a) „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ (Hiob 19,25) Eine dunkle Stelle im hebräischen Text des Hiobbuches hat letztlich eine große Zahl von barocken Texten und Kompositionen weit über das untersuchte Material hinaus182 zu eindrucksvollen Bildern von der Auferstehung des Leibes inspiriert – genauer allerdings nicht der hebräische Text selbst, sondern Luthers Übersetzung von Hi 19, die sich offenbar an der Vulgata-Fassung orientiert: Vulgata183

Hi 19

BHS

25

ylia]GO yTi[.d;y" ynIa]w: !Arx]a;w> yx" `~Wqy" rp'['-l[; -WpQ.nI yrIA[ rx;a;w> yrIf"B.miW tazO `H:Ala/ hz

26

27

Luther

scio enim quod redemptor Aber ich weis das mein Erlöser lebet / meus vivit et in novissimo vnd er wird mich hernach aus der de terra surrecturus sim Erden auffwecken. et rursum circumdabor pelle mea et in carne mea videbo Deum

Vnd werde darnach mir dieser meiner Haut vmbgeben werden / vnd werde in meinem Fleisch Gott sehen.

quem visurus sum ego ipse Den selben werde ich mir sehen / et oculi mei conspecturi vnd meine Augen werden jn sunt et non alius […] schawen / vnd kein frembder […].

Anders als in der Vulgata-Fassung steht das Prädikat im hebräischen V. 25b nicht in der ersten, sondern in der dritten Person Singular. Indem die Übersetzungen den Halbvers in die Ichform setzen, lässt er sich als kausal abhängige, aber parallele Analogieaussage zum ersten Halbvers deuten, der damit einen christologischen Akzent erhält: Der Erlöser lebt (er ist ja selbst an Ostern auferstanden); daher wird der Mensch ebenfalls von den Toten auferstehen – oder mit der Liedfassung von Hagen: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt; | Weil er lebt, werd ich leben“184. Von den erwähnten Paulusstellen in 1Kor 15,22 und 1Thess 4,14, in denen dieser Zusammenhang ausdrücklich hergestellt wird, unterscheidet sich der Text durch die Wahl der ersten Person, die im Hebräischen im ersten Halbvers bereits vorkommt und durch die er sich zur Rezeption in performativ verwendeten Frömmigkeitstexten besonders eignet: Statt einer allgemeinen Aussage zur Auferstehung aller Entschlafenen ermöglicht die erste Person eine Selbstvergewisserung und Selbstaffirmation der Rezipienten.

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Die Stelle ist auch als Text für Leichenpredigten (vgl. S. 577) und Sarginschriften (vgl. Sörries, Erlöser, 94) beliebt. Eine Variante zum Vulgatatext stellt der lateinische Text zum Grabgesang aus dem Babstschen Gesangbuch dar (vgl. D-1608/25/56/76/78; L-1638; Lü-1640), in dem aus dem Wissen ein Glauben und aus dem Umgeben mit der Haut eine Wiederherstellung der Knochen wird: „Credo quod redemptor meus uiuit, & in nouissimo resurgam. Et renouabuntur denuo ossa mea, & in carne mea uidebo dominum meum.“ (Es folgt als Doxologie Ps 145,1f.) Hagen, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, ob schon (Str. 2,1).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Der markante Ausdruck dieser Gewissheit prägt eine große Zahl von Liedanfängen quer durch das untersuchte Material:185 Martin Luther Ludwig Helmbold Anon. Wolfgang Striccius Johann H. Schein Peter Hagen Johann M. Dilherr Otto von Schwerin Paul Gerhardt Johann Franck Anon.

In meinm Elend war dies mein Trost, ich sprach: Er lebt, der mich erlost Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, ob ich schon hie auf Erden Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, was widerstrebt Ich weiß, dass mein Herr Jesus Christ, der mich erlöst, bei Leben ist Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, wenn ich gleich itzt muss sterben Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, ob schon die Feind mich plagen Wenn ich nicht würd damit getröst, dass dieser lebt, der mich erlöst Jesus, meine Zuversicht und mein Heiland, ist im Leben Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, das soll mir niemand nehmen Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, trotz Sünde, Tod und Höllen* °Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und alles, was nur in mir lebt*186

(Leipzig 1545) (1575) (Jena 1579) (Nürnberg 1588) (1626) (Königsberg 1643) (1644) (Berlin 1653) (Berlin 1667) (Nürnberg 1677) (Nürnberg 1654)

Ähnlich wie der Spruch „Meinen Jesum lass ich nicht“ (vgl. dazu S. 390) hat auch der Satz „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ ein hohes Identifikationspotential, das zusammen mit seiner Prägnanz und seinem Wiedererkennungswert wesentlich zu seiner Beliebtheit beigetragen haben dürfte. In vielen Texten wird er gleich mehrfach verwendet und durch die Wiederholung fest im Bewusstsein der Ausführenden verankert.187 Ausdrücklich als „Trost“ will etwa Helmbold die österliche Gewissheit „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ verstanden wissen („Trostlied wider den Tod“). Auch Luthers knappe Fassung der Stelle in nur acht Versen, der im Babstschen Gesangbuch eine zweizeilige Melodie zugeordnet ist, setzt an: „In meinem elend war dis mein 185

186

187

Daneben wird die Hiob-Stelle auch in manchen Einzelstrophen (vgl. Blarer, Ein Freud ist’s dem gläubigen Mann, Str. 14; anon., Meine Kraft ist hin, dann ich elend bin*, Str. 8) oder in der Anspielung auf bestimmte Formulierungen aufgegriffen. Dieses Lied steht in den ausgewerteten Gesangbüchern nirgends unter den Sterbe- oder Begräbnisliedern; in N-1654 steht es unter der Rubrik ‚Von der Auferstehung Jesu Christi‘. Im Lied von Hagen beginnt jede Strophe mit dem Satz Ich weiß, dass mein Erlöser lebt; Johann Franck verkürzt ihn zu Beginn der zweiten und dritten Strophe auf „MEin JEsus lebt“ und „Mein Heiland lebt“; Paul Gerhardt wiederholt ihn leitmotivisch bzw. mottoartig in Varianten (Str. 1,1.3.5; 3,1) bis zur trotzigen Vergewisserung am Schluss: „Man treib und spanne noch so hoch | Sarg / Grab un[d] Todt / so bleibet doch | Gott mein Erlöser leben.“

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VIII. Leib und Seele

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trost / | Ich sprach / Er lebt / der mich erlost“; und Dilherrs Fassung Wenn ich nicht würd damit getröst ist überschrieben mit „Trost der Seelen“ – das Gedenken an den Erlöser setzt dem „trauren“ ein Ende.188 Die auf der Hand liegende Nähe zum Thema ‚Ostern‘ spiegelt sich bei manchen der Lieder auch in der Rubrizierung.189 Für das Thema ‚Auferstehung des Leibes‘ sind nicht alle Lieder der Aufstellung gleichermaßen einschlägig: Die Fassung von Helmbold (1575), mit zwanzig Belegen im ausgewerteten Material bei weitem die verbreitetste, ist vor allem geprägt von der Zuversicht aus Jesu österlichem Sieg.190 In dem anonymen Text aus Jena 1579 (vgl. S. 425), im 17. Jahrhundert vor allem in Württemberg verbreitet, fehlt eine ausdrückliche Thematisierung der Auferstehung des Leibes ganz. Beiden Liedern ist der Name des einige Jahre vorher (1573) verstorbenen Herzogs Johann Wilhelm von Sachsen-Weimar als Akrostichon eingeschrieben, im zweiten fungiert dessen Gemahlin Dorothea Susanna als Ich. Das Bild von der Auferstehung des Leibes wird aber vor allem von jenen drei Aussagen der Hiob-Stelle geprägt, die dem österlichen „mein Erlöser lebt“ folgen: Das Ich wird aus der Erde auferweckt oder steht auf; es wird mit seiner eigenen Haut umgeben; und es schaut Gott in seinem eigenen Fleisch. Die Fassungen von Helmbold und Schein greifen neben dem prominenten Spitzensatz nur die erste dieser Aussagen auf, die Erwartung des Auferwecktwerdens (die dem hebräischen Text zufolge allerdings – wie angedeutet – nicht auf das Ich, sondern auf den Erlöser zu beziehen ist191). Bei Johann Franck, dessen Fassung entlang der vier genannten Hauptaussagen des Bibeltextes in vier Strophen gegliedert ist, wird das Ich geweckt, indem Jesus seine Hand nach ihm ausstreckt.192 In Scheins Fassung bezieht sich überhaupt nur die erste der neun Strophen ausdrücklich auf die Hiob-Stelle;193 die 188

189

190

191

192

193

Vgl. Dilherr, Wenn ich nicht würd damit getröst (Str. 1): „Wenn ich nicht wird damit getröst, | Daß dieser lebt, der mich erlöst, | So wers umb mich geschehn. | Sobald ich aber denck an jn, | So fällt mein trauren häuffig hin.“ Vgl. J. Franck, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, trotz Sünde* (Str. 1,7–10): „Ich weiß / mein Heiland lebt gewiß / | was wollt ich mich dan[n] quälen? | Kein Angst / kein Schmertz / kein Todes=Biß / | soll mir den Trost nicht stehlen.“ Jesus, meine Zuversicht ist zumeist ein Osterlied, wird aber in B-1658 unter ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘ aufgeführt; in N-1677/90 ist es – wie auch Johann Francks Fassung – durch einen Querverweis von der Oster- in die Rubrik vom Jüngsten Tag doppelt zugeordnet. Nur in der Osterrubrik von N-1654 findet sich das letztgenannte Lied (vgl. Anm. 186). Vgl. Helmbold, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, ob ich (Str. 1,4; 2,8): „All meine Feinde sind erlegt“; „zutretten ist die Schlange“. Ähnlich Hagen, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, ob schon (Str. 1,5.9f): „Die Feinde sind erleget […] Er hat mich durch sein Blut erlöst, | Drumb kan ich selig sterben.“ J. Franck, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, trotz Sünde* (Str. 1,1–6): „ICh weiß daß mein Erlöser lebt / | trotz Sünde / Tod und Höllen / | wie grausam sie sich stellen! | Trotz allem was mir widerstrebt! | Mein JEsus hat gesieget / | und ihre Macht bekrieget.“ Die Lutherbibel 1984 übersetzt: „Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der letzte wird er über dem Staub sich erheben.“ Vgl. J. Franck, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, trotz Sünde* (Str. 2,1–3): „MEin JEsus lebt / der wird zu mir | auch Seine Hand ausstrecken / | und mich vom Tod erwecken“. Vgl. Schein, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, wenn ich (Str. 1): „Ich weiß / daß mein Erlöser lebt / | wen[n] ich gleich itzt muß sterben / | (wie den[n] d[er] tod vns alln anklebt) | werd ich drum[b] nicht verderben / | Er wird am jüngsten tag | Ohn einigs leid vn[d] klag | mich wied[er] aufferwecken. | Ob ich den Tod hie leid / | Werd ich in ewigkeit | Denselben doch nit schmecken“ [vgl. Joh 8,52].

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

nachfolgenden Strophen sind an andere in den Sterbeliedern beliebte Bibelstellen geknüpft (z. B. Ps 73,26; Hebr 13,14; Ps 90,12). Insbesondere die beiden letzteren der vier genannten Aussagen (V. 26) sind jedoch dazu angetan, den körperlichen Vorgang der Auferstehung bildhaft zu veranschaulichen. Bemerkenswert ist vor allem die Hervorhebung der körperlichen Identität und damit der personalen Kontinuität des zukünftig Auferstandenen mit dem jetzigen Ich: Die eigene Haut und das eigene Fleisch haben Teil an den eschatologischen Ereignissen – bis hin zur Gottesschau. Durch die nachgeschobene Bekräftigung ‚ich und kein Fremder‘ (V. 27) wird die Identität des zukünftigen mit dem jetzigen Ich nochmals hervorgehoben. Die Schilderung des ‚Umgebenwerdens‘ mit der eigenen Haut, die den barocken Autoren dabei so eindrucksvoll und anschaulich erschien, beruht freilich auf der oben erwähnten Unklarheit im hebräischen Text: Die Verbwurzel @qn, in der Vulgata mit ‚circumdare‘ und bei Luther entsprechend mit ‚umgeben‘ übersetzt, ist doppeldeutig. Die entsprechende Bedeutung ist im Hebräischen an den Hifǥil-Stamm gebunden, während in Hi 19,26 die Piǥel-Form vorliegt, die zu einer anderen Wurzel mit denselben Radikalen gehört und mit ‚niederschlagen‘ oder ‚abreißen‘ übersetzt werden kann. Der Halbvers 26a nimmt also wohl nicht auf eine körperliche Restitution, sondern auf das körperliche Leiden Hiobs Bezug. Die Übersetzung der Stelle bleibt indes auch nach dieser Klärung schwierig. Unklar ist außerdem, ob der Präpositionalausdruck ‚von meinem [eigenen] Fleisch aus‘ (yrIf'B.m)i im zweiten Halbvers 26b ebenfalls noch auf das Leiden oder bereits auf die erhoffte Gottesschau bezogen ist.194 Die von den Lieddichtern verwendete Lutherübersetzung gibt den hebräischen Text an dieser schwierigen Stelle also nicht genau wieder. Die Identität der alten und der neuen Haut wird in vielen Liedern betont. So formuliert das Lied Jesus, meine Zuversicht die Erwartung: „Denn wird eben diese haut | Mich umbgeben, wie ich gläube“195. Wolfgang Striccius hebt zudem hervor, dass dieser Vorgang ein Handeln Gottes darstellt, und ersetzt das ‚Umgeben‘ des Luthertextes durch das bildhaftere ‚Bekleiden‘: „Ja er wird mich bekleiden than | Mit der haut, die ich ietzt hab an“196; ähnlich Dilherr: „Der wird uffs new umbkleiden mich | Mit meiner haut gantz wunderlich.“197 Durch die Wiederherstellung der Haut wird der Erlöser weiter das im Grab verfaulte „Mottenfleisch […] bedecken“.198 Am ausführlichsten expliziert Paul Gerhardt jenen Halbvers, in dem die Restitution der 194

195

196 197

198

Die Lutherbibel 1984 übersetzt: „Und ist meine Haut noch so zerschlagen und mein Fleisch dahingeschwunden, so werde ich doch Gott sehen.“ Otto von Schwerin, Jesus, meine Zuversicht (Str. 5,1f); diese Strophe fehlt im EKG (Nr. 330) und im EG (Nr. 526). Vgl. schon Engelhard, Elias, der prophetisch Mann (Str. 6): „Die Todten werden aufferstehn, | ein jedes wird werden gesehn | Mit Bein vnd Haut vmbgeben rein | wie er war in dem leben sein“. Striccius, Ich weiß, dass mein Herr Jesus Christ (Str. 2,1f). Dilherr, Wenn ich nicht würd damit getröst (Str. 3,4f). Vgl. Hagen, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, ob schon (Str. 3,1–3): „Ich weiß, das mein Erlöser lebt, | Er wird mich new bekleiden | Zur ewgen Himmelsfrewden.“ Anon., °Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und alles* (Str. 1,4f) : „[Er wird] mein vergessnes Mottenfleisch | mit dieser Haut bedecken.“

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VIII. Leib und Seele

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Haut verheißen wird. Er deutet sie stellvertretend für die Wiederzusammenfügung aller einzelnen Körperteile zum „Leib“ des Ich: 4. Da werd ich eben diese Haut / Und eben diese Glieder / Die jeder itzo an mir schaut / Auch was sich hin und wieder Von Adern und Gelencken findt Und meinen Leib zusammen bind Gantz richtig wieder haben.199

Johann Francks Interesse an dem in Hi 19,26a geschilderten Vorgang ist dagegen ungeachtet seiner konkreten organischen Umsetzung vor allem in seiner Zielrichtung begründet, die er als gemeinsames Leben mit dem Erlöser beschreibt: „Mein Heiland lebt / und wird auch mich | mit dieser Haut umgeben / | daß ich mit Ihm soll leben“200. Damit trägt er diejenige Perspektive bereits in V. 26a ein, die in V. 26b durch die Erwartung der Gottesschau ‚im eigenen Fleisch‘ explizit wird. In verschiedenen Fassungen wird diese Erwartung durch die Wiederholung des „Ich weiß“ aus V. 25 als Gewissheit bekräftigt: „Ich weiß auch, daß dann wird geschehn, | Daß ich in meim fleisch Gott werd sehn“201. Wie zuvor die ‚eigene Haut‘, so dienen in der Schilderung der Gottesschau das ‚eigene Fleisch‘, „das hier stirbt | Und in dem Stanck un[d] Koht verdirbt“202, sowie die ‚eigenen Augen‘, mit denen nach V. 27 Gott geschaut wird, zur Hervorhebung der personalen Identität des zukünftigen mit dem irdischen Ich, das auch dann ‚kein Fremder‘ geworden sein wird – es hat nach 1Kor 15 lediglich die Schwachheit, Armseligkeit und Niedrigkeit des Leibes abgelegt (vgl. S. 505): 6. Dieser meiner augen licht Wird ihn, meinen heiland, kennen; Ich, ich selbst, ein fremder nicht, Werd in seiner liebe brennen. Nur die schwachheit um[b] un[d] an Wird von mir seyn abgethan. 7. Was hie krancket, seuftzt un[d] fleht, Wird dort frisch un[d] herrlich gehen; Irdisch werd ich außgesät, Himmlisch werd ich auferstehen;

199 200 201

202

Gerhardt, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, das soll (Str. 4). J. Franck, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, trotz Sünde* (Str. 3,1–3). Striccius, Ich weiß, dass mein Herr Jesus Christ (Str. 2,3f). Vgl. Hagen, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, ob schon (Str. 2,7–10): „Auff GOtt hab ich allzeit gebawt, | Ich werd den HErren sehen | In meinem Fleisch vnd meiner Haut, | Ich weiß, es wird geschehen.“ Gerhardt, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, das soll (Str. 7): „Das hab ich je und je gegläubt / | Und faß ein fest Vertrauen / | Ich werde den / der ewig bleibt | In meinem Fleische schauen. | In dem Fleisch / ja das hier stirbt | Und in dem Stanck un[d] Koht verdirbt | Da werd ich Gott inn sehen.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt Hie geh ich natürlich ein, Dort da werd ich geistlich seyn.203

„Ich, ich selbst, ein fremder nicht“ soll an der himmlischen Liebe und Gottesschau teilhaben, wie es in Jesus, meine Zuversicht heißt; ähnlich Paul Gerhardt,204 bei dem es auch heißt: „Mein Auge wird sein Angesicht / | Mit grosser Lust erblicken.“205 Die Gottesschau von Angesicht zu Angesicht (1Kor 13,12) ist eine der großen Verheißungen des himmlischen Lebens und zugleich höchster Ausdruck der realen und damit auch leiblichen Gottesgemeinschaft und Gottesnähe. Diese körperliche Realität der Begegnung von Gott und Mensch stellt Dilherr heraus, indem er das ‚Fleisch‘ des auferstandenen Ich dem des inkarnierten Gottes gegenüberstellt: „In meinem Fleisch ich werde seh’n | Mein Gott, der selbst im fleisch wird stehn, | So Er genommen an“206. Aus der Nähe und im Gegenüber zu jenem Gott, der selbst als „Erlöser lebt“, werden die Auferstehung und das ewige Leben des Menschen erst möglich. Das Motiv der Gottesschau drückt dabei nicht nur die Tatsache, nicht nur das Dass dieses ewigen Lebens aus, sondern auch seine besondere Qualität, die dem Ich zugute kommt und in der sein soteriologischer ‚Gewinn‘ letztlich besteht: „Ich werd ihn mir sehn / mir zur Freud“, formuliert Paul Gerhardt diese Erwartung; noch emphatischer schreibt Johann Franck in einer verwandten Strophe: 4. Ach! Ach! wie wol wird mir da seyn! wie wol wird mir geschehen / wann ich GOtt werde sehen in diesem meinem Fleisch und Bein! ja / ja / ich kan drauf bauen / ich werd / ich werd Ihn schauen! Mein Auge wird Sein Angesicht mit grosser Freud erblicken: Mein Aug / und sonst kein Fremder nicht / soll sich an Ihm erquicken.207

Wiederholungsfiguren wie Anapher („wie wol“ – „wie wol“, „Mein Auge“ – „Mein Aug“) und Epanalepse („Ach! Ach!“, „ja / ja“, „ich werd / ich werd“) steigern die Emphase der frohen Erwartung und unterstreichen erneut die Vergewisserungsfunktion des Gesagten. Die „grosse[…] Freud“ des Anblicks, an dem das Ich sich „erquicken“ will, wird damit rhetorisch schon vorab inszeniert. Bei Johann Saubert wird die Erwartung der Gottesschau mit eigenen Augen erkennbar in die Situation des Gegenübers mit dem toten Leib hinein gesprochen: 203 204 205 206 207

Otto von Schwerin, Jesus, meine Zuversicht (Str. 6–7). Vgl. Gerhardt, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, das soll (Str. 8,7): „Ich selber und kein frembder.“ Gerhardt, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, das soll (Str. 8,3f). Dilherr, Wenn ich nicht würd damit getröst (Str. 4,1–3). J. Franck, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, trotz Sünde* (Str. 4). Zu V. 7–10 vgl. Gerhardt, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt (Str. 8,1–4): „Ich selber werd in seinem Licht / | In sehn und mich erquicken. | Mein Auge wird sein Angesicht / | Mit grosser Lust erblicken.“

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VIII. Leib und Seele

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4. Da wirst du den HErren sehen, Du verfallnes Augenliecht; Ihr, ihr Füsse, werdet stehen Da für GOttes Angesicht, Und du nun erstummter Mund Wirst ohn alle Zeit und Stund, Den du hie gelobet, preisen, Heilig, Heilig, Heilig heissen. 5. Ihr nunmehr betäubte Ohren Werdet, von den Banden frey, Wann der Leib wird neugebohren, Hören lauter Lustgeschrey; Lauter Engelische Wort Werdet ihr bald hören dort, Hören Lobgesänge, Psalmen, Und ihr Hände schwingen Palmen.208

Angeredet sind hier nacheinander verschiedene der „abgelebte[n] Glieder“, an die das Lied nach Str. 1,1 gerichtet ist – nach den Augen folgen Füße, Mund, Ohren und Hände. Der Zusammenhang mit der Hiob-Stelle ist hier zwar allenfalls lose; eine wesentliche Gemeinsamkeit besteht aber in der Behauptung der Identität von alten und neuen Körperteilen, also des alten Leibes, der in der Gegenwart des Textes im Grab liegt, und des neuen, der der Gottesschau und des himmlischen Lebens teilhaftig wird. Durch die kontrastierenden Zusätze über den im Tod „verfallne[n]“, „erstummte[n]“ und „betäubte[n]“ Zustand der einzelnen Körperteile wird diese Identitätsbehauptung zusätzlich hervorgehoben. b) Weitere Vorstellungen von der Zusammensetzung des Auferstehungsleibes Das Einkleiden in die eigene Haut nach Hi 19,26 ist nur die meistgenannte und markanteste von verschiedenen konkreten Vorstellungen, mit denen die Wiederherstellung des Leibes in den untersuchten Texten beschrieben wird. Dazu gehört etwa die bereits angedeutete Vorstellung, dass der neue Leib von Gott aus den Zerfallsprodukten Asche, Staub und Kot oder aus den zerstreuten Gebeinen (vgl. Ez 37) zusammengesetzt wird, von denen keines verloren geht (vgl. S. 510). Vielmehr gelingt es dem Schöpfer, die Gebeine und damit – so Saubert – auch die erneut zusammenzusetzende Person des Ich wiederzufinden: „Keines, keines bleib dahinten, | Du wirst mich schon wiederfinden“209. Auch Paul Gerhardt ist sicher: „Gott wird

208 209

Saubert d.J., Nun, ihr abgelebte Glieder (Str. 4–5). Saubert d.J., Nun, ihr abgelebte Glieder (Str. 6,4–8): „Dir befehl ich die Gebein, | Dir, mein Schöpfer, frommer GOtt, | HERR und König Zebaoth! | Keines, keines bleib dahinten, | Du wirst mich schon wiederfinden.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

schon zusammen lesen | Was der Tod zustrewet hat.“210 Nach mancher Darstellung finden und fügen sich die Gebeine gar selbsttätig wieder zusammen.211 Für die Zusammensetzung des neuen Leibes aus dem Staub des zerfallenen alten hat Mathesius ein Bild, das bereits auf die Verklärung des Auferstehungsleibes anspielt (vgl. dazu ab S. 527): 2. Wie ein glaser auß asch vnd sand ein helles glaß formirt zu hand, Also auß meiner asch vnd koth ein newen leyb macht vnser Gott, 3. Ein schönen leyb, rein, hell vnd klar, der mit Gott lebet jmmerdar, In weyßheyt vnd gerechtigkeyt, in freud vnd ewiger herrlichkeit.212

Das Bild des Glasers impliziert die materielle Kontinuität zwischen altem und neuem Leib ebenso wie die qualitative Verwandlung von der schmutzigen Asche, der der stoffliche Zusammenhalt verloren gegangen ist, in das hell leuchtende Glas, das wieder einen zusammenhängenden Körper bildet. Verschiedene jüngere Lieder, die davon sprechen, wie der Schöpfer aus dem Staub des Grabes einen ‚klaren‘ neuen Leib ‚formiert‘, dürften sich auf Mathesius’ Wortwahl beziehen, auch wenn sie das Bild des Glasers nicht explizit aufgreifen.213 Prudenz beschreibt die Rückkehr der Wärme und des Blutes in die Gebeine als ihre vormalige Behausung: 4. Venient cito saecula cum iam socius calor ossa revisat animataque sanguine vivo habitacula pristina gestet.214

210 211

212 213

214

Gerhardt, °Leid ist mir’s in meinem Herzen (Str. 4,3f). Vgl. Leon, Dein Leib wollen wir nun begraben (Str. 12): „Zu gleuben ists schwer vnser sinnen | das sich die Gebein solln wider finden, | Ein jegliches Glied zu dem seinen, | vnd widerumb artlich vereinen.“ Anon., Hört auf mit Trauren und Klagen (Str. 2): „Bald werden diese todten bein | erwarmen vnd sich fügen fein | Zusamen mit krafft vnnd leben, | Gott wirdts herrlich wieder geben.“ Mathesius, Gott schuf Adam aus Staub und Erd (Str. 2–3). Vgl. Marschalch, °Herr Jesu Christ, das ist mein Trost (Str. 4–5,1): „Wenn denn der letzt Posaunen schall | Die Todten wird auffwecken | Vnd sie fürfordern allzumal, | Wirstu mein Grab auffdecken | Vnd auß meim Gbein vnd Staubelein | Ein Leib schön, clar, lauter vnd rein | Formiren gantz geschwinde; || Darzu fügen mein Seelelein“; anon., Ich bin von euch geschieden* (Str. 6,4–8): „Mein grab wird er auffdeckn / | Und auß mein’n gebein’n und stäublein | Gantz lauter rein und klar | Schön formiren mein leiblein / | Drum weg nur trauren fahr.“ Prudentius, Iam moesta quiesce querela (Str. 4). Von den deutschen Übersetzungen vgl. etwa Birken, Was soll dies zage Klagen sein* (Str. 4): „Bald werden diese Todten=Bein / | voll Wärm und Leben wieder seyn: | Blut / Fleisch und Haar sol wieder blühn / | sein alte Hütte neu beziehn.“ Stöcken (?), Ihr Seufzer, ach haltet doch innen* (Str. 4): „Man wird schon in kurtzem vermercken / | Daß wiedrum die knochen sich stärcken / | Wenn wärme den gliedern wird geben | Ihr blut / und ein völliges leben.“

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VIII. Leib und Seele

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‚Habitaculum‘ (oder mit 2Kor 5: ̫Ѣ̛̦̝, ̫Ѣ̦̣̯̬̥̫̩̚) ist der Leib aber vor allem für die Seele (vgl. S. 493); nachdem die alte Behausung abgerissen und in der Auferstehung ein ewiges Haus im Himmel gebaut wurde, kann die Seele dort wieder einziehen.215 Letztlich ist die Auferstehung identisch mit der Wiederbelebung des Leibes durch seine Wiedervereinigung mit der Seele, die in vielen Liedern als wesentlicher Vorgang des Jüngsten Tages genannt wird: „Am Jüngsten tag wird widerumb | mein Leib vnd Seel zusamen kom“216. Die Art und Weise ihrer Zusammenkunft wird mit verschiedenen Verben ganz unterschiedlich charakterisiert: Beide werden von Gott wieder zusammengebracht,217 „verknüpffet“218 oder „verbunden“219; sie „gesellen“ oder „vereinen“ sich220; die Seele wird dem Leib ‚eingegossen‘221 oder kann wieder in ihn, das ‚Haus‘, „einziehen“222. Häufig begegnet auch die Vorstellung, der Leib werde an den Ort gebracht, an dem sich die Seele schon befindet (also in den Himmel): „Der Leib wird auff den Tag der Welt / | der Seelen wieder zugestellt“223, besagt ein anonymes Lied; und nach der Tradition von Iam moesta werden die zunächst verwesten Leiber aus den Gräbern heraus in die Lüfte zu den Seelen emporgerissen: 5. Quae pigra cadavera pridem tumulis putrefacta iacebant volucres rapientur in auras animas comitata priores.224 215

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Eine weitere Übersetzung der lateinischen Strophe nennt statt der Rückkehr der ‚Wärme‘ denn auch ausdrücklich die der ‚Seele‘, vgl. anon., Hört auf, alles Leid, Klag und Sehnen (Str. 4): „Die zeit wird nu bald hie erscheinen | daß die Seel sich mit den gebeinen | Vnnd mit Fleisch vnd Blut wird vereinen, | darumb lasst ewer kleglich weinen.“ Leon, Herr Jesu Christ, mein Herr und Gott, dein Leiden groß (Str. 5,3f). Vgl. Selnecker, Mein Gott und Heiland Jesu Christ (Str. 17–18,2): „Laß sie [die Seele] leben in deiner Schoß, | der Leyb ruh in der Erden bloß, | Biß daß du kompst zum Grichte dein | vnd bringst wider zusammen rein || Die Seel vnd Leib zur Seligkeyt, | zur ewign Frewd vnd Herrligkeyt.“ Vgl. Rist, Nun, Welt, du musst zurücke stehn (Str. 2,1–4): „Mein Seelichen fleügt Himmel an / | Der Leib schläft in der Erden / | Biß daß Er mit der Seelen kan | Wiedrüm verknüpffet werden“; anon., Zum Frieden und zur Ruh* (Str. 5,5–9): „Der leib wird ruhen auß | In seinem todten=haus / | Biß daß er auß der erden | An jenem tag erweckt | Der seel verknüpfft wird werden.“ Vgl. Hagen, Trauret nicht, ihr Christen gut (Str. 4): „Der Leib, welcher so gar | Vorhin verweset war, | Wird sich wieder erheben, | Hoch in den Lüfften schweben | Vnd mit der Seel fest verbunden, | Gantz frey gemacht von Sünden, | Viel tausend Frewd empfinden.“ Vgl. anon., Nun hör auf, alles Leid, Klag und Sehnen* (Str. 4): „Zeit und Stunde sich werden einstellen / | Leib und Seele sich werden gesellen / | Und mit Fleisch / und mit Blut sich vereinen; | Darumb lasset das klägliche weinen.“ Anon., Freu dich sehr, o meine Seele (Str. 9,5–8): „Laß sie ruhn in deiner Schoß, | Erfüll sie mit Frewd vnd Trost, | Bis der Leib kömpt aus der Erden, | Mit Ehr [ihr] wird vereinigt werden.“ Vgl. anon., Hie lieg ich in der Erden Schoß (Str. 4,5–7): „Er wird auch widr am Jüngsten Tag | Nach seiner tröstlichen zusag | Die Seel dem Leib eingiessen.“ Anon., Nun hör auf, alles Leid, Klag und Sehnen* (Str. 5): „Was wir sehen im Grabe verwesen / | Wird man bald wieder sehen genesen / | Und mit Freuden in Lüfften herfliehen / | Wann die Seele wird wieder einziehen.“ Anon. (nach Leon, vgl. S. 355f Anm. 11), Herr Jesu Christ, mein Herr und Gott, dein Zittern, Zagen (Str. 4,1f). Vgl. Saubert d.J., Nun, ihr abgelebte Glieder (Str. 7,3–8): „Du wirst dermalseins erwecken | Mich, O mein HERR JEsu Christ, | Und den Leib hin zu der Seel, | Trautester Immanuel, | Dahin, wo ich möge singen | Ewig Halleluja, bringen.“ Prudentius, Iam moesta quiesce querela (Str. 5).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

In deutschen Texten heißt es entsprechend, der Leib werde „sich wieder erheben, | Hoch in den Lüfften schweben“ oder „unverweßlich durch die lufft | Zu eurer seele ziehen.“225 Um wieder zur Seele zu gelangen, gewinnt der Leib nun jene Leichtigkeit, die der Seele schon vorher zu eigen war.226 Die Wiedervereinigung von Leib und Seele bringt der Jüngste Tag freilich nicht nur denjenigen, denen es beschieden ist, „Gen himmel mit freuden zu fahren“227, sondern auch den ‚Höllenkindern‘, die anschließend in die Tiefe gestürzt werden.228 Leib und Seele bilden ein Paar, dessen Wiedervereinigung – in einem Beleg auch als ‚Paarung‘ bezeichnet229 – gelegentlich in Analogie zu der erneuten Zusammenkunft anderer Paare am Ende der Zeiten betrachtet werden kann. In einem Begräbnislied Scheins tröstet die verstorbene Ehefrau den hinterlassenen Mann zum Schluss mit der Aussicht auf „des HERREN Tag“, der die beiden nicht nur „Zusam“, sondern auch „Mit Leib vnd Seel“ erfreuen wird.230 Johann Timäus stellt in seinem Sterbelied Wenn mein Gesundheit leidet Not noch weitere Bezüge des Leib-Seele-Zusammenhangs her, indem er ihn mit einer Art ‚Bundestheologie‘ in Verbindung bringt: 5. Der alte Bund sey jmmer hin: Wir müssen alle sterben, So bleibt doch sterben mein Gewinn, Denn ich kan nicht verderben. Mein Leib wird ruhn im frischen Sand, Mein Seele kömpt in Gottes Hand Biß zu dem Jüngsten Tage. 6. Da werden die zwey Lieblein trew Einander wiedersehen Vnd jhr Verbündnüß werden new, Das nimmermehr zergehe, Gleich wie jhm Christus seine Braut, Die er jhm hie durchs Wort vertrawt, Einführen wird zur Frewde.231

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Vgl. Anm. 219 sowie Vorberg, Ist meine Wallfahrt nun vollbracht (Str. 3): „Das weitzenkorn bricht nicht herfür, | Es sey denn vor erstorben: | So, meine glieder, seyd auch ihr | Zwar todt, nicht gar verdorben. | Der Herr wird euch auß eurer krufft | Bald wieder lassen blühen | Und unverweßlich durch die lufft | Zu eurer seele ziehen.“ Vgl. auch Otto von Schwerin, Jesus, meine Zuversicht (Str. 9,3f): „Denn ihr [Glieder] solt euch durch die luft | Eurem heyland zugesellen.“ Vgl. Hört auf mit Trauren und Klagen (Str. 5): „Der Leichnam, der jetzt ligt vnnd start, | Der wird gar bald in schneller fart | Schwebe[n] in lüfften vnbeschwert, | gleich wie die Seele leicht hinfert.“ Vgl. Anm. 229. Vgl. Heermann, O Mensch, bedenke stets dein End (Str. 4): „Hier wird jhr Leib der Würme Kost, | Die Seel dort leidet Hitz vnd Frost, | Biß sie der HERR am Jüngsten Tag | Zusammen bringen wird mit Klag | Vnd stürtzen in das Schwefelfewr | Zu allen Teuffeln vngehewr.“ Vgl. Stöcken (?), Ihr Seufzer, ach haltet doch innen* (Str. 5): „Die leiber / so vormals gelegen | Verfaulet / die werden sich regen / | Und drauff mit der seelen sich paren / | Gen himmel mit freuden zu fahren.“ Schein, Eva durch ihr begangne Schuld (Str. 11,1–4): „Kömmt doch gewiß des Herren Tag / | Der wird vns wiedr von newen :/: | Zusam ein mal ohn alle Plag | Mit Leib vnd Seel erfrewen“. Timäus, Wenn mein Gesundheit leidet Not (Str. 5–6).

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VIII. Leib und Seele

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Die irdische Verknüpfung von Leib und Seele entspricht dem ‚alten Bund‘, der von hinfälliger Natur ist und durch den leiblichen Tod zerbrochen wird („hin“ ist) – ein Umstand, der aber durch die Aussicht auf das neue „Verbündnüß“ seinen Schrecken verliert: Wie „zwey Lieblein“ oder zwei durch den Tod getrennten Eheleuten ist Leib und Seele ein Wiedersehen am Jüngsten Tage verheißen, nachdem beide, jedes an seinem Ort, für diesen neuen, immerwährenden Bund bewahrt wurden. Christus, in dem auch heilsgeschichtlich der alte Bund überwunden und ein neuer geschlossen ist, gibt für die innige und anhaltende neue Verbindung darin ein Vorbild, dass er sich seiner „Braut“ in ähnlicher Weise verbindet. Diese Redeweise wird häufig auf die Seele bezogen; nach der Auferstehung und dem neuen Bund von Leib und Seele gilt sie wohl aber dem ganzen Menschen, auch dem Ich, das in den übrigen Strophen des Liedes spricht. Sein Sterben hat sich insofern als „Gewinn“ erwiesen (Phil 1,21), als es den Menschen aus dem alten in eben jenen neuen Bund geführt hat, der ihm in der Ganzheit von Leib und Seele die dauerhafte Nähe des Bräutigams ermöglicht. Ein abschließender Blick zeigt die vielfältigen Analogien der Auferstehung des Leibes zum ersten Schöpfungsakt: Auch hier wurde der Leib aus der Erde, der Asche oder dem Staub genommen (Mathesius: „Gott schuf Adam auß staub vn[d] erd“, vgl. Gen 2,7). Bei der Beschreibung der Auferstehung gehen die Liedtexte freilich oft auf einzelne Teile des Leibes wie Haut, Fleisch und Gebeine ein, die anders als beim ersten Schöpfungsakt vorher schon einmal vorhanden und nur unterdessen in der Erde verschwunden waren. Der Einhauchung des Odems im zweiten Schöpfungsbericht entspricht bei der Auferstehung die Wiedervereinigung mit der Seele. Prudenz schließlich erinnert außerdem an die mit der Schöpfung gegebene Gottebenbildlichkeit des Menschen (Gen 1,27). 9. Tu depositum tege corpus, Non immemor ille requiret Sua munera fictor et auctor Propriique aenigmata vultus.232

Zur Gottebenbildlichkeit des Menschen gehört auch sein Leib; und als Gottes Ebenbild wird der Leib aus der Erde auferweckt. Die Ebenbildlichkeit ist es, die den Schöpfer zur Auferweckung des schlafenden Leibes motiviert – ihn, „Der seins geschöpffs gedencken wirdt, | welchs ward nach seinem bild formirt“233 und welches er daher auch „kent“234. Durch die Auferstehung als göttlichen Akt der Neuschöpfung oder

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Prudentius, Iam moesta quiesce querela (Str. 9). Anon., Hört auf mit Trauren und Klagen (Str. 9,3f); vgl. Birken, Was soll dies zage Klagen sein* (Str. 9,3f): „der des Geschöpffs gedencken wird / | das Er mit seinem Bild geziert.“ Anon., Lasst ab von Traurn, ihr Christenleut* (Str. 9): „Die edle Beylag Erd bedeckt / | biß jhn an jenem Tag erweckt / | der HErr der all sein Werck wol kent / | macht jhn nach seinem Bilde / | aus Gnad vnd Lieb so milde.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Neugeburt235 wird die Ebenbildlichkeit – so geben andere Übersetzer den Zusammenhang wieder – erneuert236 und damit wieder in Kraft gesetzt. Als Erneuerung und nicht als creatio ex nihilo ist die Neuschöpfung des Leibes den untersuchten Liedtexten zufolge denn auch zu verstehen: Nach seinem Zerfall in der Erde wird der Leib bei der Auferstehung zwar „span new“237, er gewinnt eine neue Qualität, die der Unverweslichkeit (1Kor 15,42.52–54); aber es ist doch derselbe Leib mit derselben Haut, demselben Fleisch und denselben Augen (Hi 19,26f), den der Schöpfer als sein Ebenbild „kent“ und wieder zusammenfügt. Die übrige geschaffene Welt wird dagegen nach Ansicht der lutherischen Theologen im 17. Jahrhundert am Jüngsten Tag vor der Neuschöpfung der vollständigen Vernichtung preisgegeben, der annihilatio mundi.238 Die Kontinuität von altem und neuem Leib fasst Paul Röber in Bilder, mit denen er auch den Glanz und die Schönheit (vgl. S. 194) des neuen Leibes zur Geltung bringt: 11. Bald wird er wie der Edlest Stein, So nur beyseyt geleget, Voll Glantz, Tugend vnd kräffte seyn, Wenn das Grab wird gereget. Bald wird der Köngin PurpurKleid, Welchs schön gesaubert worden, Ihr angelegt mit grosser Frewd In der Klugn Jungfrawn Orden. 12. Bald soll diesr schöne Palmenbaum, Durch seine Last erhoben, In Gottes Gärtlein finden raum, In ewigr Zier jhn loben. Drümb, liebe Seel, verzage nicht, Behalt JESUM im Hertzen, So wird allzeit ein Frewden=liecht Dir auffgehen in schmertzen.239

Den Bildern von Edelstein und Purpurkleid ist ihre Zugehörigkeit zu einer königlichen Sphäre gemein. Alle drei, Edelstein, Purpurkleid und Palmenbaum, werden bei der Auferstehung nicht ausgetauscht, sondern bleiben dieselben wie zuvor; im Grab waren sie „nur beyseyt geleget“, sind „schön gesaubert worden“, haben „Glantz, Tugend vnd kräffte“ gewonnen und werden dann zu „ewigr Zier“ „erhoben“. Die Wiedervereinigung mit der Seele betrifft insbesondere das Bild vom Purpurkleid: 235

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Vgl. Helmbold, °Von Gott will ich nicht lassen (Str. 7,1–4): „Die Seel bleibt vnuerloren, | geführt in Abrahams schoß, | Der Leyb wirt new geboren, | von allen sünden loß“; vgl. Saubert d.J., Nun, ihr abgelebte Glieder (Str. 5,3; zit. S. 521). Vgl. anon., Nun hör auf, alles Leid, Klag und Sehnen* (Str. 9,2–4): „Bald wird Gott ihn vom Tod auferwecken / | Und sein Ebenbild herrlich verneuen / | Daß mit ihm wir uns ewiglich freuen.“ Herman, Mit Todesgdanken geh ich um (Str. 7,3); Herman, Sankt Paulus die Korinthier (Str. 16,4). Vgl. Hutter, Comp. 30. Röber, Ach wie ein kleinen Augenblick (Str. 11–12).

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VIII. Leib und Seele

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Die „Königin“ Seele, die sich schon in der Gegenwart als eine der klugen Jungfrauen (Mt 25) erweisen kann, indem sie „JESUM im Hertzen“ bewahrt, erhält das edle Kleid des Leibes in aufgewerteter, nämlich gereinigter Form zurück.

4. Verklärung des Leibes Hutter folgerte aus 1Kor 15,42–44, dass die Beschaffenheit des Auferstehungsleibes durch vier Attribute zu beschreiben sei: Er sei unverweslich, verklärt, kräftig und geistlich, wobei den Gottlosen nur die erstere Qualität gewährt werde, die der Unverweslichkeit, nicht jedoch die zweite Qualität, die der Verklärung, die für die Darstellung des Auferstehungsleibes in den Liedtexten vor allem wesentlich ist und auf die daher abschließend eingegangen werden soll.240 Sie scheint sich in den Texten während des Untersuchungszeitraums gegenüber dem endzeitlichen Vorgang der Auferstehung zu verselbständigen. Vor allem in älteren Liedern wie Nun lasst uns den Leib begraben ist die Verklärung oft direkt mit der Auferstehung verknüpft: 5. Die sele lebt on alle klag, der leib schlefft bis ann letzten tag, An welchem jhn got verkleren vnd der freuden wirt geweren. 6. Hie ist er jnn angst gewesenn, dort aber wirt er genesen, Inn ewiger freud vnd wonne leuchten wie die schöne sonne.241

Selten ist der explizite Hinweis, daß die Auferstandenen schon zum Gericht mit verklärtem Leib erscheinen.242 In dem Maße, in dem das Interesse an der Endzeit im Kontext individueller Andacht und Sterbefrömmigkeit abnimmt, fehlt das Ereignis der allgemeinen Totenauferstehung am Jüngsten Tag häufiger unter den ausdrücklich genannten tröstlichen Zukunftshoffnungen. Die ‚Verklärung‘ des Leibes wird damit zum terminus technicus für die Beschreibung seines himmlischen Status, zu einem Merkmal des ewigen Lebens, wie es häufig in der nun aufkommenden Rubrik der Himmelslieder geschildert wird. Ganz diesem Thema gewidmet sind etwa Rists Ach Gott, wann kommt die liebe Zeit („Liebliche Betrachtung der wunderbahren und herlichen Verklährung unserer Leiber im ewigen Leben“) oder Olearius’ Gottlob, mein Heil, die Freudenzeit („Von dem herrlichen Zustande der verklärten Leiber“),

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Vgl. Hutter, Comp. 31,4f: „Erunt proinde corpora resuscitatorum. 1. Incorruptibilia. 2. Clarificata. 3. Potentia. 4. Spiritualia. […] Solam incorruptibilitatem habebunt impii, sed omni gloria, potentia au spirituali dignitate prorsus destituti“. Weisse, Nun lasst uns den Leib begraben (Str. 5–6). Vgl. Engelhard, Elias, der prophetisch Mann (Str. 6,1f; 7,1.3): „Die Todten werden aufferstehn, | ein jedes wird werden gesehn […] Mit einem Clarificirten Leib […] Vnd erscheinen fürs Jüngst Gericht“.

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

die in den untersuchten Gesangbüchern jeweils unter der Rubrik der Himmelslieder zu finden sind. Eine verwandte Vorstellung in vielen Liedern, die das himmlische Leben beschreiben, ist die weiße Kleidung der Auserwählten nach Apk 7,13f.243 Allerdings ist diese Vorstellung nicht ausdrücklich auf den Leib bezogen.244 Durch Attribute wie Palme245 (Apk 7,9) oder Krone246 sind die weiß Gekleideten eher als die siegreichen Überwinder im christlichen Erdenkampf ausgezeichnet, die, so der Trost der Angehörigen, durch den Tod endlich Frieden erlangt haben. Nach Apk 7,14 hat die weiße Farbe eine christologische Bedeutung: Diejenigen, die sie tragen, haben ihre Kleider im Blut des Lammes gewaschen und hell gemacht (vgl. S. 369);247 nach Schein zieht Christus selbst den verstorbenen Kindern ein in seinem Blut gewaschenes „Hembdlein“ an, dazu ein weißes „Röcklein“ zum Zeichen ihrer „Grechtigkeit / | Vnschuld vnnd Seligkeit“ (zum ‚Rock der Gerechtigkeit‘ vgl. Jes 61,10).248 Gemacht ist dieser Rock „Von weisser Seiden rein“249; er zeigt damit die königliche Ehre, die den Erlösten zuteil wird. Noch näher an der Vorstellung von der Verklärung des Leibes ist die gelegentlich auftauchende Rede von Kleidern aus (Sonnen-) Licht.250 Auch vom Leuchten der himmlischen Auserwählten selbst ist oft die Rede, ohne dass es ausdrücklich auf den Leib bezogen wäre.251 Die biblische Begründung für 243

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In Go-1648 steht auch eine vierstimmige Vertonung des Bibeltextes Apk 7,13–17 (Wer sind diese, mit weißen Kleidern angetan) von Melchior Franck. Dichterische Ausgestaltungen des Textes gibt es etwa von Harsdörffer (°Schau hin, mein ganz entzücktes Herz, V. 9.13–17.12) oder Gerhardt (°Johannes sahe durch Gesicht, V. 9–17). Bei Ringwaldt einmal sogar ausdrücklich auf den „Geist“, also die Seele: Ringwaldt, Geliebten Freund, was tut ihr so verzagen (Str. 6,1f): „Sein Geist der lebt jetzundt in grosser frewde, | ist angethan mit einem weissen kleide“. Vgl. Heermann, Gottlob, die Stund ist kommen (Str. 10,1–4): „Wann jhr mich werdet finden | Für Gott, frey aller sünden, | In weisser Seyden stehn | Vnd tragen Sieges Palmen […]“. Vgl. Rosenmüller, Alle Menschen müssen sterben (Str. 7,3–5): „Itzo werd ich schön geschmücket | Mit dem weissen Himmels=kleid | Vnd der güldnen Ehren Krone“. Vgl. Heermann, Lasset Klag und Trauren fahren* (Str. 5): „Die GOtt auff= und angenommen | aus der Welt / Gefahr und Noth / | sind aus grossem Trübsal kommen / | und gekleidet weiß und roth / | Christi Lämmleins Blut und Fell | machet sie klar / schön und hell / | daß sie vor Gott ewig gläntzen | in dem immer grünen Lentzen.“ Schein, Freut euch, ihr lieben Kinderlein (Str. 7): „Christ selbst ein Hembdlein ihnn anzeucht / | Gewaschn im Blute sein / :/: | Darnebn ein Röcklein ihn darreicht | Von weisser Seiden rein: | Drinn sie in Grechtigkeit / | Vnschuld vnnd Seligkeit | Vor GOtt mit Ehren prangen :/: | Wer wolt nach solchm Ornat | Nicht trachten früh vnd spat / | Vnnd haben groß Verlangen.“ Schein, Freut euch, ihr lieben Kinderlein (Str. 7,4); vgl. Gerhardt, Mein herzer Vater, weint Ihr noch (Str. 7,6f): „[Wer selig stirbt] Zeucht aus das Fleisch und schmückt die Seel | In reiner weisser Seiden“; Gerhardt, Was traurest du, mein Angesicht (Str. 15,1f): „Hier kleid’ ich meiner Christen Zahl | In reiner weisser Seide“; Heermann, Gottlob, die Stund ist kommen (Str. 10,3; zit. Anm. 245). Vgl. Ph. Nicolai, So wünsch ich nun ein gute Nacht (Str. 3,1–4): „Wenn komm ich in dein Paradeiß / | Da schon viel Christen wohnen? | Vnd singen dir Lob / Ehr vnd Preiß / | Bekleidet mit der Sonnen?“ Dach, Es vergeht mir alle Lust (Str. 5,7f): [Ich werde] „Vmb vnd an bekleidet stehn | Mit dem Licht der Sonnen.“ Vgl. Ringwaldt, Ach lieben Christen, seid getrost (Str. 7,5–7): „So werdet jr wie klare Stern | am Jüngsten tag mit diesem HErrn | gehn in die Ewig freude.“ Ringwaldt, Ihr Christen, tut nicht zagen (Str. 5,1–4): „Ach Gott, wie werdt jhr glentzen | dort in der Herrligkeit | In ewern schönen Krentzen, | von Christo euch bereit!“ J. Franck, Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, trotz Sünde* (Str. 2,4–6): „Alsdann werd ich mit neuer Zier | dort an den Him[m]els=Grentzen | gleich hellen Sternen gläntzen.“

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VIII. Leib und Seele

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die Verklärung im ewigen Leben ist zunächst die Verheißung an die Lehrer der Gerechtigkeit (die Gerechten), dass sie wie des Himmels Glanz, wie die Sterne oder wie die Sonne leuchten sollen in ihres Vaters Reich (Dan 12,3; Mt 13,43):252 Sie werden durch die astralen Vergleiche gleichsam selbst zu leuchtenden Himmelskörpern. Dazu kommt als weiteres Vorbild natürlich die Verklärung Christi (Mt 17):253 7. Der Leib wird leuchten hell vnd klar, Wie Christi Leib verkläret; Vnd ob er schon von Würmen war Gefressen vnd verzehret, So wird er doch im Himmelreich Denn Heilgen Engeln Gottes gleich Mehr als die Sonne gläntzen.254

In der Strophe von Gesenius/Denicke wird die himmlische Verklärung nach dem Vorbild Christi also ausdrücklich als Verklärung des Leibes gezeigt. Der Kontrast der Verklärung mit dem Zerfressenwerden durch die Würmer findet sich auch an anderen Orten.255 Der Vergleich der Auferstandenen mit Himmelskörpern wie Sonne oder Sternen zeigt ebenfalls die neu gewonnene himmlisch-unvergängliche Qualität ihres Leibes: Bei Gregorius Richter werden den vergänglichen Blumen, die oft für das irdische Leben der Menschen stehen (vgl. S. 176), die ewigen Sterne gegenübergestellt – und dieser Sternenschein wird auch der konkreten Person des im Lied Betrauerten zugesagt.256 Beliebt sind im Zusammenhang mit der Verklärung wie überhaupt mit der Schilderung des ewigen Lebens Figuren der Steigerung: „Mehr als die Sonne gläntzen“ soll der Leib nach Gesenius/Denicke,257 und nach Rist überstrahlt er nicht nur „das Gold im Tunklen“, sondern auch den „Morgenstern“, so dass „unser Glantz der Sonnen Schein | Am Himmel wird ergäntzen“258. 252

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Vgl. Blarer, Ein Freud ist’s dem gläubigen Mann (Str. 7 zu Mt 13,43; Str. 8 zu Dan 12,3). Zu Dan 12,3 vgl. Rist, Ach Gott, wann kommt die liebe Zeit (Str. 5,1–4): „Da werden alß der Sterne Glantz | Getreüe Lehrer leüchten | Und wie die Sonn’ am Abendtantz / | Wenn Sie sich wil befeüchten“. Hutter zieht die Stelle Dan 12,3 in Comp. 34,6 heran, um die Annahme unterschiedlicher Grade (gradus) von himmlischer Klarheit der Auserwählten zu begründen, zusammen mit 1Kor 15,41, wo die unterschiedliche Helligkeit der Himmelskörper (Sonne, Mond und Sterne) als Vergleichspunkt genannt wird. Die Abstufungen in der himmlischen Gemeinschaft sind nach Hutter freilich „non ex merito aut dignitate laborum, sed ex libero Dei dono & gratia“ begründet. Zur Deutung der Verklärungsperikope mit dem Auftreten von Mose und Elia als Beweis für die Realität des himmlischen Lebens vgl. S. 385 Anm. 146. Gesenius/Denicke, O Gott, wer dieses Leben wohl (Str. 7). Vgl. Saubert, Ach wie sehnlich wart ich der Zeit (Str. 3,1–4): „Hie legt man den Leib in die Erd, | Die Würmer jhn verzehrn, | Dort aber wird er schön verklärt | Durch dich als wie die Stern.“ Vgl. Richter, Lasset ab von euren Tränen (Str. 10): „Wen Gott hat dahin erhoben, | Der verlacht Noth vnd Gefahr. | Ein Tag ist viel besser droben | Denn hier vnten tausend Jahr. | Stehn die zarten Blumen wol, | Sind die Sternen Glantzes voll: | Den wir itzund hier beweinen, | Der wird dort noch heller scheinen.“ Vgl. anon., Ob ich einschlafe oder wach* (Str. 4,3–6): „Der Leib wird herrlich und verklärt | Herführ da können treten: | Er wird mehr leuchten als di Sonn’ / | Und an ihm alle Glider“. Vgl. Rist, Ach Gott, wann kommt die liebe Zeit (Str. 4): „Da werden wir nicht alß ein Licht / | Noch wie das Gold im Tunklen / | Noch alß ein lieblich Angesicht | Der schönsten Weiber funklen / | Ach nein! der helle Morgenstern | Der leüchtet nicht so klahr’ und fern | Alß wir dort werden gläntzen / | Wir werden so verklähret sein / | Daß unser Glantz der Sonnen Schein | Am Himmel wird ergäntzen.“

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

Nicht nur mit den Gestirnen, auch mit den Engeln werden die verklärten Leiber verglichen, wobei die Übereinstimmung hier über einen bloßen Vergleich hinausund bis in eine wesensmäßige Analogie hineinreicht: Dass die Auserwählten im ewigen Leben auch sonst ‚den Engeln gleich‘ sein werden, etwa was die friedliche Gemeinschaft untereinander anbetrifft, war bereits angeklungen (vgl. S. 479). „Denn Heilgen Engeln Gottes gleich“ sollen die verklärten Leiber nach Gesenius/Denicke leuchten; und Alardus nennt die Strahlen der „hellen Seraphim“ und „schönen Cherubim“ als Vergleichspunkt.259 Neben dem Leuchten, so weiß Rist, weist die Körperlichkeit der Auferstandenen auch im Detail noch zahlreiche weitere Ähnlichkeiten mit der der Engel auf: 3. Wir werden sein den Engeln gleich Wie Christus selbst bekennet / Nun ist kein Geist in Gottes Reich Den etwan Krankheit brennet / Ein Engel lebt gesund und stark / So wird auch unser Fleisch und Mark Von keiner Schwachheit wissen / Ein solcher Leib / Frisch / Klahr und Rein Wird dort in jenem Leben sein Von aller Plag’ entrissen. […] 7. Wir werden mit Behändigkeit Den Engeln uns vergleichen / Ja gahr im Augenblik der Zeit Platz / Ohrt und Ziel erreichen / So daß wir fahren in der Luft Viel schneller alß der Donner puft Vom Himmel biß zur Erden / Der Leib gantz hurtig / risch und schlank Sol ohne Brod / Fleisch und Getrank Gahr schön erhalten werden.260

Krankheit (vgl. ab S. 288) ist ein Inbegriff irdischer Plage, mit der der Leib in der Welt geschlagen ist, und zugleich seiner Vergänglichkeit; ihre dauerhafte Abwesenheit (Str. 3), also die immerwährende Gesundheit,261 zeigt, dass der himmlische Leib die Unverweslichkeit tatsächlich angezogen hat, wie Olearius in seinem Lied zur

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Vgl. Alardus, Wacht auf, betrübte Herzen (Str. 8): „LEuchten wird wie die Sonne | Am hellen Firmament | In höchster Frewd vnd Wonne | Allda ein Gottes Kind, | Wird gläntzen wie die Stralen | Der hellen Seraphim, | Vnd so man möchte mahlen | Die schönen Cherubim.“ Rist, Ach Gott, wann kommt die liebe Zeit (Str. 3; 7). Vgl. Olearius, Gottlob, mein Heil, die Freudenzeit (Str. 1,1–7): „GOtt lob / mein Heyl / die Freudenzeit / | wird meinen Leib verneuen / | da wird in alle Ewigkeit | Gesundheit mich erfreuen / | den Engeln gleich / wird für und für | mein Fleisch und Blut voll Sternen=Zier | vor GOttes Throne schweben“.

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VIII. Leib und Seele

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Verklärung hervorhebt.262 Rist macht daraus die konkrete Zusage: „Da findet sich kein Zipperlein / | Kein Schlag / kein Schwindel / Gicht noch Stein / | Noch andre LeibesPlagen.“263 Geradezu beflügelt zeigt sich seine Phantasie von den Möglichkeiten der Bewegung, die der engelsgleiche Auferstehungsleib im Himmel haben muss (Str. 7): Er bewegt sich äußerst schnell und mühelos („mit Behändigkeit“, „hurtig“, „Viel schneller alß der Donner puft“) durch die Luft, so dass er jedes Ziel „im Augenblik […] erreichen“ kann.264 Dieses pfeilschnelle Fliegen, das Rist auch andernorts beschreibt,265 hat wohl ein Vorbild im Emporfahren des Leibes bei der Auferstehung etwa nach der 5. Strophe von Iam moesta (vgl. S. 523). Im himmlischen Leben kann die Bewegung nach Rist dann auch beliebig in umgekehrter Richtung („Vom Himmel biß zur Erden“) verlaufen. Zum himmlischen Zustand des Leibes gehört seiner Beschreibung zufolge weiter die fehlende Notwendigkeit der Nahrungsaufnahme (hierin spiegelt sich sicher die häufige Hungererfahrung der Entstehungszeit; andere Himmelslieder betonen auch – vermutlich aus eben diesem Grund – die Fülle des himmlischen Mahls). Auf das Lied von der Verklärung des Leibes folgt in Rists Neuen Himlischen Liedern noch – gleichsam als Pendant – eine „Fröliche Betrachtung der himlischen Verklährung menschlicher Seelen“ in dem Lied So sei nun wohl zufrieden, das gemeinsam mit dem Vorgängerlied Eingang in vier der ausgewerteten Gesangbücher gefunden hat. Ansonsten ist die Verklärung der Seele ein selten belegter Topos; bei Rist wird die Verklärung des Leibes durch sie noch überboten: 3. Wird doch der Leichnam gläntzen Noch schöner / alß das Licht Der Sonnen thut im Lentzen / Sol den die Seele nicht Mit noch viel grösserm Pracht Und Glantz ümbgeben stehen? Doch hats kein Aug gesehen Waß GOtt vor Sie gemacht.266

Die Erwartung, dass die Seele im Himmel „Mit noch viel grösserm Pracht“ geehrt werden müsse als der Leib, bringt Rist in die Form einer Frage, die zunächst rhetorisch wirkt. Durch die relativierende Anspielung auf Jes 64,3 bzw. 1Kor 2,9 („Doch hats kein Aug gesehen“), eine übliche Bezugnahme bei der Rede vom Himmel,

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Vgl. Olearius, Gottlob, mein Heil, die Freudenzeit (Str. 2,5–10): „was matt / verweßlich / kranck und schwach / | was itzt voll Schmertz und Ungemach | muß leben hier auff Erden / | das sol dort unverweßlich seyn / | ohn allen Mangel / heilig / rein / | und ewig selig werden.“ Rist, Ach Gott, wann kommt die liebe Zeit (Str. 2,8–10). So ist auch „geschwind“ bei Olearius zu verstehen, vgl. Gottlob, mein Heil, die Freudenzeit (Str. 1,8–10): „ich werd als Gottes Erb und Kind / | helleuchtend / munter und geschwind | in Ehr und Freuden leben.“ Vgl. Rist, Nun, Welt, du musst zurücke stehn (Str. 5,3f): „Wie herlich Meiner Glieder Pracht / | So durch die Wolken fliegen!“ Rist, So sei nun wohl zufrieden (Str. 3).

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Teil B: Sprach- und Vorstellungswelt

macht er jedoch deutlich, dass die formulierten Ahnungen auch für ihn, der doch mit kräftigen Strichen zu malen liebt, im Bereich der Spekulation liegen.

5. Zusammenfassung Der leibliche Tod besteht nach der anthropologischen Vorstellung nicht nur der untersuchten Lieder, sondern auch der zeitgenössischen Theologen in der Trennung von Leib und Seele, den beiden Konstituenten des Menschen. Beide sind Gaben des Schöpfers und werden ihm in einem Commendatio-Akt zurückgegeben (vgl. ab S. 331). Dabei gelangt die Seele unmittelbar zu Gott, der Leib ruht bis zur Auferstehung im Grab. Am Jüngsten Tag werden beide wieder vereint. Der Teil des Menschen, dessen unmittelbares postmortales Schicksal der Anschauung entzogen ist, ist seine unsterbliche Seele. Zugleich ist sie derjenige Teil, der schon unmittelbar nach dem Tod, also noch vor der Endzeit Anteil am himmlischen Leben gewinnt, und ist daher oft Adressatin von Selbstaufforderungen des Ich zur Todesfreude (Freu dich sehr, o meine Seele). Der Weg zu Gott, den sie im Anschluss an den Akt der Commendatio und an die Trennung vom sterblichen Leib nimmt, wird in den Sterbeliedern durch bildliche Vorstellungen ausgestaltet: Sie fährt im Wagen des Elia (2Kön 2,11), wird von Engeln getragen (Lk 16,22) – deren Anwesenheit am Sterbebett manchmal schon zur präsentischen Inszenierung der Todesstunde gehört –, oder vollzieht wie bei Meyfart eine selbsttätige Aufwärtsbewegung, die dem ‚Sich-Aufschwingen‘ des Herzens in der irdischen Himmelsbetrachtung parallel ist. So gelangt sie zum Himmel, in Gottes Hand (Weish 3,1) oder in Abrahams Schoß (Lk 16,22). Ihre unmittelbar auf den Tod folgende Himmelserfahrung entspricht bereits genau jener Erfahrung, die der ganze Mensch nach der endzeitlichen Wiedervereinigung mit dem Leib machen soll. Indem das ‚Schon jetzt‘ des seligen Zustands der Seele im Verlauf des Untersuchungszeitraums immer deutlicher hervortritt, verliert die noch ausstehende Vollendung am Jüngsten Tag zunehmend an Bedeutung. Die getrennte Behandlung von Leib und Seele ermöglicht es, dass der Beginn des ewigen Lebens allmählich individualisiert, nämlich an das individuelle Ende herangerückt wird; damit verbunden ist wieder eine gewisse ‚Enthistorisierung‘, in der die Bedeutung des Jüngsten Tages bisweilen marginalisiert erscheint. Die Betrachtung dessen, was unmittelbar nach dem Tod mit dem Leib geschieht, hat ihren Sitz im Leben entweder in der Todesmahnung oder beim Begräbnis. Je nachdem erhalten die geschilderten Vorgänge eine unterschiedliche Bewertung – mahnend oder tröstend. Redeweisen wie der Akt des Anvertrauens, mit dem der Leib der Erde übergeben wird, und die präsentische Rede vom Liegen oder Ruhen im Grab verweisen offenbar auf die Beerdigung. Im Verhältnis zur unsterblichen Seele erscheint der vergängliche Leib als deren minderwertige Behausung – als Hütte (2Kor 5,1), Höhle oder Kerker –, aber auch als altes Kleid, das abgelegt wird. Die in vielen Liedern gerühmte Ruhe des Grabes, in der sich die Dimension äußerer

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VIII. Leib und Seele

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Unbewegtheit mit der des inneren Friedens verbindet, besitzt mit dem Schlaf viele Gemeinsamkeiten – das Grab wird zum Bett oder zur Schlafkammer, die Auferstehung zum Wiedererwachen. Was im Grab mit dem Leib geschieht, wird auf dreierlei Weise beschrieben: als Zerfall, als Verwandlung oder als Bewahrung des Leibes. Die makabre Schilderung der Verwesung, in der der Schöpfungsvorgang umgekehrt wird (Gen 3,19), hat ihren Ort vor allem in der Todesmahnung. Die Verwandlung des natürlichen Leibes in den geistlichen Auferstehungsleib wird im Bild des Samenkorns ausgedrückt (1Kor 15,36; Joh 12,24), das auf dem ‚Gottesacker‘ bis zur Ernte der Auferstehung neue Lebenskraft gewinnt; Zeitpunkt der Ernte ist der ‚Sommer‘ der Endzeit. Anders als die Rede von der Verwandlung betont die von der Bewahrung zur Auferstehung nicht die Erneuerung, sondern die Kontinuität der Leiblichkeit: Alles bleibt demnach unversehrt, nichts geht verloren. Die Auferstehung der Toten am Ende der Zeiten ist Trost für Sterbende und Trauernde gleichermaßen. Eingeleitet wird die Auferstehung nach biblischem Zeugnis durch die Posaune oder durch den Ruf einer Stimme. Ihre christologische Grundlegung durch die österliche Auferstehung Jesu als des ‚Erstlings‘ wird in Bezugnahmen auf entsprechende paulinische Aussagen entfaltet (vgl. 1Kor 15,22f; 1Thess 4,14). Eine besondere Bedeutung für diesen Begründungszusammenhang hat in der Sprache der untersuchten Lieder die christologische Deutung von Hi 19,25 („Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“): Diese Formulierung der Auferstehungsgewissheit ist aufgrund ihrer Prägnanz, aber auch aufgrund der Ichform für die performative Verwendung im Frömmigkeitskontext besonders geeignet. Bildlich dargestellt wird die Auferstehung des Leibes etwa als Zusammensetzung der zerstreuten Gebeine (vgl. Ez 37) oder als Umkleidetwerden mit der eigenen Haut (nach der Lutherübersetzung von Hi 19,26f). Gerade im letzteren Zusammenhang, nach dem das Ich über die Auferstehung hinaus dasselbe bleibt, kommt die Identität des alten und des neuen Leibes zum Ausdruck. Seine Wiedervereinigung mit der Seele wird als Erneuerung des ersten Schöpfungsakts verstanden, in der der Mensch wieder als Gottes Ebenbild erkennbar wird. Im Bild der ‚Verklärung‘ des Leibes wird die besondere Qualität der leiblichen Jenseitsexistenz deutlich; sie impliziert auch Engelsgleichheit, Schwerelosigkeit, ewige Gesundheit. In den neueren Liedern kann sich die Vorstellung von der himmlischen Verklärung gegenüber der von der allgemeinen Auferstehung wiederum verselbständigen. In dieser Akzentverschiebung von der eschatologischen Zukunftshoffnung auf die himmlische Existenz erweist sich einmal mehr die Individualisierung des Interesses am Jenseits im 17. Jahrhundert.

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Teil C: Der Sitz im Leben des Sterbe- und Ewigkeitsliedes Ergänzend zu den Texten (Teil B) sollen nun mögliche Kontexte der Sterbe- und Ewigkeitslieder im 17. Jahrhundert untersucht werden. Ähnlich wie bei der Frage nach der textinternen Sprechsituation geht es auch hier um Personen, Ort und Zeit, nur eben nicht auf der Textebene, sondern auf der Ebene des historischen Umfelds, und zwar sowohl hinsichtlich der Entstehung wie der Verwendung. Dazu gehört auch die Frage nach der Art der Performanz, die gelesen, rezitiert oder gesungen sein kann. Die Untersuchung muss sich in diesem Zusammenhang auf eine Behandlung exemplarischer Quellen beschränken. Das sind zum einen Angaben zum ursprünglichen Sitz im Leben bestimmter Lieder, etwa in Überschriften und Paratexten. Zum anderen sind nicht nur einzelne Lieder auf ihre Verwendung zu befragen, sondern auch die entsprechenden Kontexte auf die an ihnen verwendeten Lieder. Als Quellen werden dazu Kirchenordnungen und Leichenpredigten herangezogen, außerdem exemplarisch Werke der Liederdichter Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt und Johann Rist sowie die Arien des Komponisten und Dichters Heinrich Albert. Ähnlich wie die thematischen Kategorien von Teil B sind auch die drei relevanten Sitze im Leben auf den zeitlichen Fixpunkt der Todesstunde bezogen: Das vorausgreifende Sterbegedenken (I.) kann sich längst vorher abspielen, entweder im kirchlichen Kontext an bestimmten Sonntagen im Kirchenjahr oder in der Privatandacht. Darauf folgen jene beiden Situationen, die im Umkreis realer Sterbefälle zu suchen sind: einerseits das Sterben selbst (II.), andererseits das Begräbnis (III.). Der jeweilige Kontext wird zunächst unabhängig von den Liedern skizziert; dann folgen Angaben über Auswahl und Verwendung der Lieder.

I. Vorausgreifendes Sterbegedenken Das Memento mori, die Mahnung zum Sterbegedenken, war im Leben der Menschen des 17. Jahrhunderts omnipräsent. Welche Forderungen daran geknüpft waren, hat die Analyse der einschlägigen Liedtexte in Teil B deutlich gemacht: Ans Ende zu denken, musste auch für die eigene Lebensführung bestimmte Konsequenzen haben – vor allem Buße und einen ‚christlichen Wandel‘ –, wenn das Memento seinen Zweck der Vorbereitung auf ein seliges Ende wahrhaft erfüllen sollte. Das geistliche Lied war in jedem Fall eines der wesentlichen Medien, in denen dieses Gedenken fruchtbar zu vollziehen war; von den in Teil B herausgearbeiteten Redeweisen innerhalb der Texte ist es vor allem die mahnende Anrede (O Mensch, bedenke stets dein End), die diesem Sitz im Leben entspricht, ohne freilich in der tatsächlichen Anwendung zwangsläufig mit ihm deckungsgleich zu sein.

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Teil C: Sitz im Leben

Die Mahnung, das eigene Sterben zu bedenken, greift diesem Sterben jedenfalls voraus – sie gehört also ins Leben, typischerweise beim Tod anderer. Nachfolgend sollen zwei weitere Orte genannt werden, an denen der Vollzug des Sterbegedenkens im Medium des Liedes greifbar wird. Zum einen betrifft das bestimmte Punkte im Kirchenjahr in ihren kirchlichen wie häuslichen Vollzügen, zum anderen verschiedene Formen des privaten Sterbegedenkens, die hier nur angedeutet werden können.

1. Lieder zum Sterbegedenken im Kirchenjahr Dass das Bedenken der letzten Dinge als ‚Proprium‘ zu bestimmten Sonntagen im Kirchenjahr gehört, ist letztlich in den ihnen zugeordneten Evangelien- und Epistellesungen, also in der Perikopenordnung begründet. Schon im 16. Jahrhundert wurden Lieder im Gottesdienst teilweise diesem Proprium entsprechend ausgewählt (a). Die beiden folgenden Abschnitte beschäftigen sich mit der genauen Verortung der in Teil A gefundenen Sterbe- und Gerichtslieder. Zu entnehmen ist sie den sogenannten Festregistern, die auch einigen der untersuchten Gesangbücher anhängen (b). Einige wenige Lieder der getroffenen Auswahl sind auch schon ganz genuin vom Autor einem der fraglichen Sonntage zugeordnet: Sie stammen aus Evangelien- und Epistelliedzyklen, die ursprünglich aber nicht für den sonntäglichen Hauptgottesdienst, sondern für den Schul- und Hausgebrauch bestimmt waren (c). a) Perikopenordnung und Detempore-Lied Die Perikopenordnung, nach der sich das Detempore in den lutherischen Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts richtet wurde von Luther aus der altkirchlichen und mittelalterlichen Überlieferung übernommen, wo sie sich in einem komplexen, teilweise im Dunkeln liegenden Prozess herausgebildet hatte.1 Mit der Übernahme der althergebrachten Perikopenordnung, die er erstmals 1526 im Register zur deutschen Übersetzung des Neuen Testaments abdrucken ließ,2 unterstrich Luther seinen Anspruch auf Kontinuität zur kirchlichen Tradition.3 Ein neuer Akzent ergab sich jedoch aus der Aufwertung der Predigt zu einem obligatorischen Bestandteil des 1

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Wurde in den Anfängen der gottesdienstlichen Evangelienlesung offenbar nach dem Prinzip der lectio continua verfahren, so bildeten sich in verschiedenen Regionen des Reiches etwa seit dem 5. Jahrhundert unterschiedliche Lesungssysteme (mit bis zu 6 Lesungen) und Perikopenreihen heraus. Die für das Abendland wirksam gewordene Evangelienreihe geht auf die liturgische Tradition Stadtroms zurück (gelegentlich Hieronymus zugeschrieben; feststehend seit etwa 645), die Epistelreihe dagegen wohl auf die gallikanische Liturgie (8. Jh.; vgl. Kunze, Lesungen, 150). Für das Mittelalter prägend wurde die Zusammenführung der Traditionen in der karolingischen Liturgiereform, die bis in die Reformationszeit nachwirkte. Vgl. Kunze, Lesungen, 151; Krummacher, Gryphius, 46f; Schade, Perikopen, 9–22; Friedrichs, RGG4-Art. Perikopen, 1113. Vgl. WA DB 7, 529–544. Gerade in den Anfangsjahren der Reformation wurde freilich noch über den Sinn der Beibehaltung der Perikopen diskutiert. Zwingli ersetzte sie durch die lectio continua, und auch Luther konnte sie durchaus kritisch sehen (vgl. Schade, Perikopen, 25–29). Durch die Postillen war seine Beibehaltung der Perikopenordnung aber prägend für das Luthertum bis ins 18. Jahrhundert. Erst Pietismus und Aufklärung verstärkten die Bemühung um eine breitere Bibelkenntnis, indem sie eine Abkehr von der

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I. Vorausgreifendes Sterbegedenken

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Gottesdienstes, einem Schritt, durch den vor allem die Evangelienperikope hervorgehoben wurde: Aus dem liturgischen Lesetext wurde ein Gegenstand alljährlicher Auslegung, der damit in der Wahrnehmung des sonntäglichen Propriums noch stärker ins Zentrum rückte. Die Epistellesung war dagegen – ähnlich wie Stücke aus dem Katechismus – vorzugsweise Predigttext in Nebengottesdiensten (Mette, Vesper, Wochentagsgottesdienste), wie der Blick in die Kirchenordnungen zeigt.4 Auch Lieder und Gesänge im Gottesdienst konnten und sollten sich auf diese maßgeblichen Texte beziehen. Allerdings waren die Stellen im Sonntagsgottesdienst, an denen variable deutsche Lieder nach dem Detempore gesungen werden konnten, anfangs nicht zahlreich: Viele Gesänge waren durch die sonntäglich gleich bleibenden Ordinariumsteile der Messliturgie bestimmt, die z. T. weiterhin in lateinischer Sprache gesungen wurden (bzw. griechisch: Kyrie), z. T. aber auch durch deutsche Lieder ergänzt oder ersetzt.5 Allein Gott in der Höh sei Ehr konnte an die Stelle des Gloria, Luthers Wir glauben all an einen Gott an die des Credo treten; statt des Sanctus wurde bisweilen das so genannte ‚Deutsche Sanctus‘ Luthers gesungen (Jesaja dem Propheten das geschah), deutsche Abendmahlslieder (O Lamm Gottes unschuldig u. a.) traten an die Seite des Agnus Dei oder verdrängten es ganz. Von den sonntäglich wechselnden Propriumsteilen der Messe fielen einige weg (v.a. Offertorium); übrig blieben Introitus und Graduale, von denen zunächst vor allem das Letztere, zwischen Epistel- und Evangelienlesung gelegen, für die Ersetzung durch ein Detempore-bestimmtes deutsches Lied in Frage kam.6 Gelegentlich wurde auch das Graduallied über eine ganze Kirchenjahreszeit hinweg nicht geändert, so dass als wechselndes Proprium des Sonntags überhaupt nur noch die Lesungen verblieben; ihnen kam damit – wie angedeutet – eine prominente und prägende Stellung zu.7 b) Das Festregister als hymnologische Quelle für das sonntägliche Proprium Für die Zuordnung der Gesänge zu den Sonntagen des Kirchenjahres nach dem Detempore stellten die Gesangbücher unterschiedliche Instrumente bereit: Zur Einteilung in Rubriken (bei Johann Eichorn 1558 erstmals „nach ordnung der jarzeit“, vgl. S. 39f), die den Inhalt der Gesangbücher selbst strukturierten, kam seit 1575 als weiteres, z. T. konkurrierendes Instrument im Anhang mancher Gesangbücher ein sogenanntes Festregister hinzu (‚konkurrierend‘ insofern, als sich in der Zuordnung von Liedern gelegentlich Differenzen zwischen Festregister und Rubrizierung feststellen lassen). Im Festregister wurden nacheinander alle Feste und Sonntage des

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strengen Orientierung an der Perikopenordnung vollzogen (vgl. Krummacher, Gryphius, 60.67; Friedrichs, RGG4-Art. Perikopen, 1113). Vgl. Graff, Auflösung, 206–221, z. B. 209–211 (Dresden 1700; Hessen und Frankfurt/M. 1574/1662; Lüneburg 1643; Grubenhagen 1689); Krummacher, Gryphius, 51–55. Auf Friedrich Blume geht die diesbezügliche Unterscheidung von ‚additiver‘ und ‚substitutiver‘ Verwendung der deutschen Lieder bzw. die Rede vom kombinierten „Substitutions- und Additionsprinzip“ zurück (vgl. Blume, Kirchenmusik, 38). Vgl. Blankenburg, Liedgesang, 613–617 (zu Luthers Formula missae 1523, der Deutschen Messe 1526, der Wittenberger Gottesdienstordnung 1533 u. a.); Reckziegel, Cantional, 75–82 (Beispiele von 1545, 1552 und 1573). Vgl. Reckziegel, Cantional, 80 (am Beispiel Johann Spangenbergs) und 88.

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Teil C: Sitz im Leben

Kirchenjahres mit Angabe entsprechender Gesänge verzeichnet. Es ist nicht sicher, inwieweit sie die tatsächliche Gottesdienstpraxis widerspiegeln. Für das DetemporeLied im Gottesdienst selbst dürften die Register eher den Charakter von Vorschlägen besitzen, die wohl gerade in jener Hälfte des Kirchenjahres, in der keine größeren Feste gefeiert werden, nicht als absolut verbindlich zu betrachten sind8 – und das in zunehmendem Maße: Die Festregister sind einem ähnlichen Wandel unterworfen wie die Gesangbücher selbst; die Zahl der in ihnen verzeichneten Lieder nimmt zu, der angegebene Verwendungszweck dehnt sich vom liturgischen auf den privaten Bereich aus.9 Die kleinere Liedauswahl in älteren Gesangbüchern dürfte eine verbindlichere Vorgabe für das gottesdienstliche Detempore bedeuten als die größere in den jüngeren Gesangbüchern, in der außerdem neben den alten Kernliedern vermehrt neuere Erbauungslieder für die private Sonntagsandacht auftauchen.10 Der Wert der Festregister als hymnologische Quelle für das sonntägliche Proprium betrifft insbesondere die ‚Dominicae minores‘, die nicht durch ein bestimmtes Fest definiert sind und also auch in der Rubrikeinteilung nicht auftauchen: Der Detempore-Teil der Rubrizierung endet meist mit dem Dreieinigkeitsfest; die kirchenjahreszeitliche Zuordnung der übrigen Lieder geht aus ihr nicht hervor. Dagegen zeigen die Festregister an, ob bestimmte Lieder aus den zeitlich nicht spezifizierten Rubriken vermehrt an bestimmten Sonntagen gesungen wurden, auch die Lieder des in Teil A nach Rubriken gebildeten Sammlung von Liedtexten. Lieder, die nur gelegentlich als Sterbelieder rubriziert sind, ansonsten etwa als Bußlieder, tauchen in den Festregistern an ganz unterschiedlichen Sonntagen auf. Bei Bußliedern11 lässt sich noch eine gewisse Schwerpunktbildung am 3. Sonntag nach Epiphanias sowie

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Keine Einigkeit besteht darüber, wie verbindlich die Zuordnung bestimmter Lieder zu bestimmten Sonntagen ist und ob sie in den lutherischen Gebieten insgesamt einheitlich ist (vgl. Liliencron, Geschichte, 50.61–77; Krummacher, Gryphius, 55 Anm. 18) oder nicht (Reckziegel, Cantional, 76f). Die ursprüngliche Form, in der der Zweck des Festregisters angegeben wird, betont die Übereinstimmung der aufgelisteten Lieder mit dem Sonntagsevangelium, wie die bei Reckziegel genannten ältesten Beispiele zeigen (Stettin 1576; Frankfurt/O. 1579; vgl. Reckziegel, Cantional, 89); vgl. L-1616, fol. )?( 2r: „Verzeichnüß Christlicher Gesänge / so man auff die Sontage vnnd Fest durchs Jahr singen mag / Vnd mit den gewöhnlichen Lectionen / Evangelijs vnd Texten vbereinkommen“ und noch B-1666, 865: „Register der Gesänge / so mit den Fest= und Sonntäglichen Evangelien übereinkommen.“ In Scheins Cantional heißt es schlicht: „Kirchenordnung dieser Christlichen Lieder / etc. auff die Jahr=Fest und Sontage gerichtet.“ Das Hannoverische Gesangbuch verweist dagegen auf die „andacht zu hause“ (Lü-1660, fol. Ee 6r): „Das ander Register / Auff die Sonn= und Festtage. Wie man nemlich auf die gewönliche Evangelia durchs gantze jahr seine andacht zu hause richten könne. | NB. Jeden Sonntag kan man einen oder zweene von den lobgesängen gebrauchen“. Die Zahl der im Festregister des Hannoverischen Gesangbuchs (Lü-1660) angegebenen Lieder ist deutlich größer (bis zu zehn pro Sonntag) als in älteren Werken und umfasst u. a. auch neue Lieder von Heermann (Wach auf, o Mensch, o Mensch, wach auf) und Gesenius/Denicke (Wie lieblich sind daroben). Auch im Festregister der Praxis Pietatis Melica (B-1666), die „zu Beförderung beydes des Kirchen= als Hauß=Gottesdienstes“ dienen soll, tauchen neuere Lieder auf, deren liturgische Verwendung zunächst eher unwahrscheinlich ist, z. B. Heermann, Zion klagt mit Angst und Schmerzen; Gerhardt, Warum sollt ich mich denn grämen usw., in der Ausgabe F-1666 auch Rists O Ewigkeit, du Donnerwort. Vgl. das Auftreten folgender Lieder in den Festregistern von L-1616, L-1627a, L-1627b/45, L-1682, B-1666, F-1666, Lü-1660: Luther, Aus tiefer Not schrei ich zu dir; Weisse, Aus tiefer Not lasst uns zu Gott; Rutilius, Ach Gott und Herr, wie groß und schwer; Hegenwalt, °Erbarm dich mein, o Herre Gott.

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I. Vorausgreifendes Sterbegedenken

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am 3., 11., 19. und 22. Sonntag nach Trinitatis erkennen; insgesamt bleibt das Bild jedoch eher diffus. Je eindeutiger sich die Lieder freilich den Rubriken ‚Vom Tod und Sterben‘ und ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘ zuordnen lassen, desto deutlicher ist auch ihre Zuordnung zu bestimmten Sonntagen. Dabei zeigt sich eine klare Trennung zwischen Liedern ‚Vom Tod und Sterben‘ einerseits und solchen ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘ andererseits: Die ersteren sind vorwiegend unter dem 16. und dem 24., gelegentlich auch unter dem 1. Sonntag nach Trinitatis zu finden, Mit Fried und Freud ich fahr dahin zudem durchweg unter dem Fest Mariä Reinigung; die Lieder vom Jüngsten Tag werden dagegen vorzugsweise am 2. Advent sowie zum Ende des Kirchenjahres aufgeführt, am 25., 26. und 27. Sonntag nach Trinitatis, gelegentlich auch am 1. Sonntag nach Trinitatis. Der in der Überschrift der Festregister proklamierte Zusammenhang mit den Evangelienlesungen12 ist evident: An den zuletzt genannten Sonntagen mit Liedern ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘ sind Texte von der Endzeit vorgesehen, an den erstgenannten sind es Auferweckungswunder sowie die Lazarus- und die Simeon-Perikope. ‚Vom Tod und Sterben‘ Tag/Sonntag

Evangelium13

Mariä Reinigung 1. n. Trin. 16. n. Trin. 24. n. Trin.

Lk 2,22–32 Lk 16,19–31 Lk 7,11–17 Mt 9,18–26

Darstellung im Tempel, Lobgesang des Simeon Reicher Mann und armer Lazarus Auferweckung des Jünglings zu Nain Auferweckung der Tochter des Jaïrus

‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘ Sonntag

Evangelium

2. Adv. 25. n. Trin. 26. n. Tr.14 27. n. Tr.15

Lk 21,25–33 Mt 24,15–28 Mt 25,31–46 Mt 17,1–9 Mt 25,1–13

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Epistel Zeichen der Endzeit Zeichen der Endzeit Das jüngste Gericht Verklärung Jesu Kluge und törichte Jungfrauen

1Thess 4,13–18 Auferstehung der Toten 2Petr 3,3–14 Kommen des Herrn

Vgl. Anm. 9. Die Aufstellung orientiert sich an Luthers Ordnung von 1526 (vgl. Anm. 2; vgl. Schade, Perikopen, 76–83); dort fehlen allerdings die beiden letzten Sonntage des Kirchenjahres, vgl. Anm. 14. Die Perikopen zum 26. Sonntag nach Trinitatis sind erst in der deutschen NT-Ausgabe von 1546 hinzugefügt, der 27. Sonntag fehlt auch hier. Nicht nur in Luthers Perikopenordnung, auch in vielen anderen Aufstellungen fehlt der 27. Sonntag nach Trinitatis. Als Evangelientexte werden vorgeschlagen: das Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen Mt 25,1–13 (z. B. Herman, Sontags Euangelia; Rist, Sabbahtische Seelenlust; H-1683, Festregister fol. c 6r); die Verklärung Jesu Mt 17,1–9 (z. B. Heermann, Sonn= vnd Festtags=Evangelia; H-1683, Festregister fol. c 6r); die Seligpreisungen Mt 5,1–12 (z. B. Herman, Sontags Euangelia).

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Teil C: Sitz im Leben

Welche Sterbelieder werden in den Festregistern der untersuchten Gesangbücher an diesen Sonntagen jeweils genannt? Mitten wir im Leben sind ist besonders am 16. Sonntag nach Trinitatis häufig vertreten, ebenso Ach lieben Christen, seid getrost. Ich hab mein Sach Gott heimgestellt taucht am 16. und am 24., Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott vorzugsweise am 24. Sonntag nach Trinitatis auf. Etwas seltener kommt das der Rubrizierung nach häufigste Sterbelied Wenn mein Stündlein vorhanden ist vor; aber sogar Nun lasst uns den Leib begraben wird in einigen Leipziger Gesangbüchern am 24. Sonntag nach Trinitatis aufgeführt (L-161616), wobei schwer vorstellbar ist, dass dieses offensichtliche Begräbnislied (vgl. S. 625) tatsächlich im Sonntagsgottesdienst gesungen wurde. Für den 1. Sonntag nach Trinitatis ist in Leipziger Gesangbüchern passenderweise das alte Evangelienlied Es war einmal ein reicher Mann zu Lk 16 vorgesehen, in der Praxis Pietatis Melica (B-1666; F-1666) hingegen neuere Lieder wie Heermanns O Mensch, bedenke stets dein End oder Johann Francks Du, o schönes Weltgebäude. Unter den meistgenannten Jüngsten-Tages-Liedern befinden sich nach den Festregistern ebenso wie nach der Rubrikeinteilung die alten Gesänge Es wird schier der jüngste Tag herkommen (Weisse), Es ist gewisslich an der Zeit (Ringwaldt), Gott hat das Evangelium und Ihr lieben Christen, freut euch nun (Alber). Das Hannoverische Gesangbuch (Lü-1660) nennt aber auch an fünf Sonntagen Heermanns Höllenlied Wach auf, o Mensch, o Mensch, wach auf. Mögen die Festregister bei ihrer Einführung zur Festlegung bestimmter liturgisch verwendeter Detempore-Gesänge gedacht gewesen sein, so verschwimmt diese Funktion im Lauf der Jahrzehnte zusehends: Die von den Festregistern präsentierte Auswahl geeigneter Gesänge zu einem Sonntag wird, wie schon erwähnt, tendenziell größer, bis dahin, dass gar keine einzelnen Lieder mehr genannt werden, sondern ganze Rubriken. Dies betrifft insbesondere die Sterbe- und Ewigkeitslieder, die in den Festregistern so häufig wie keine andere Gruppe kollektiv als geeignet für bestimmte Sonntage angegeben werden, nämlich genau für die oben genannten. So verweist das Festregister von Scheins Cantional unter dem 16. Sonntag nach Trinitatis auf die Rubrik ‚Vom Tod und Sterben‘ und damit auf insgesamt 48 Lieder. Eine liturgische Festlegung bestimmter Gesänge ist hier offenbar nicht mehr intendiert; vielmehr scheint es sich um eine Anleitung zur inhaltlichen Betrachtung der Todesthematik und damit zum Memento mori im Medium der angegebenen Liedsätze zu handeln. Im Zusammenhang mit der kollektiven Angabe von Rubriken im Festregister fällt schließlich die Sonderrolle von Luthers Mit Fried und Freud ich fahr dahin auf. Obwohl der Rubrizierung nach meist Sterbe- oder Begräbnislied, wird dieses Lied in vielen Festregistern nur zu Mariä Reinigung erwähnt. Umgekehrt werden zu Mariä Reinigung manchmal neben Mit Fried und Freud gar keine weiteren Sterbelieder aufgelistet. Summarisch als Rubrik angegeben werden vielmehr Weihnachtslieder (B-1666; F-1666; Lü-1660). Das Hannoverische Gesangbuch nennt im Festregister zu Mariä Reinigung allerdings auch die Sterbelieder Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl sowie Wenn mein Stündlein vorhanden ist. 16

Vgl. a. Leipzig 1587 und 1612 (nach Reckziegel, Cantional, 114).

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I. Vorausgreifendes Sterbegedenken

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c) Lieder aus Evangelien- und Epistelliedzyklen An den Festregistern ließ sich ablesen, dass das Proprium einiger Sonntage mit entsprechender Evangelienlesung einen individual- bzw. universaleschatologischen Akzent besitzt. Die Entwicklung der Festregister zeigte außerdem, dass das eschatologische Proprium der entsprechenden Sonntage auch über den Sonntagsgottesdienst hinaus wahrgenommen wurde (vgl. S. 537). Die hohe Wertschätzung der Perikopen gilt aber nicht erst für die privat verwendeten Gesangbücher des 17. Jahrhunderts: Schon vorher waren die sonntäglichen Lesungen in der lutherischen Frömmigkeit fest verankert. Reiche Zeugnisse hierfür bietet die massenhafte Perikopenliteratur zum Gebrauch in Schule17 und Haus, zunächst vor allem die Postillen, dann aber auch die Evangelien- und Epistelliedzyklen, denen auch einige Lieder der untersuchten Auswahl entstammen. Zur Verankerung der Perikopenordnung in der lutherischen Frömmigkeit haben die Postillen ganz wesentlich beigetragen. Luther griff mit dieser Literaturgattung, die sich bis ins 17. Jahrhundert hinein fest etablieren sollte, auf spätmittelalterliche Vorbilder zurück, etwa die Plenarien, die zu den Lesungstexten bereits Erläuterungen und liturgische Stücke enthielten.18 Auch in den Postillen wurden die Perikopentexte ausgelegt; sie waren nicht nur zum kirchlichen, sondern auch zum häuslichen Gebrauch für die Andacht unter Leitung des Hausvaters bestimmt (Kirchen- und Hauspostillen).19 Wie der Psalter sind auch die Perikopenreihen – Evangelien- wie Epistellesungen – im 16. und 17. Jahrhundert von vielen Autoren zu Liedzyklen verarbeitet worden. Die ältesten Vertreter vollständiger Zyklen in deutscher Sprache sind Martin Agricolas Deutsche Musica (postum 1563) sowie Nicolaus Hermans Sontags Euangelia (1560); daneben gibt es einige ältere Zyklen in lateinischer Sprache.20 Verwendet wurden die deutschen Evangelienlieder zunächst ausdrücklich nicht im liturgischen Kontext, sondern zu schulischen Zwecken und in der Hausandacht: „fur Christliche Haußveter vnd jre Kinder“, heißt es im Titel bei Herman.21 Wie die Postillen diente diese Dichtung zur Verbreitung der Bibelkenntnis und der reformatorischen Lehre auf Basis der Perikopen als Kernstücken der Verkündigung; gegenüber den Postillen besaßen die Lieder auch im Urteil der Autoren und Herausgeber22 den Vorzug, dass 17

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In den Schulen waren die Perikopen – bevorzugt samstags – einer der wesentlichen Gegenstände des Unterrichts, vgl. Krummacher, Gryphius, 61–67. Vgl. Pietsch, Ewangely und Epistel Teutsch (64–72: Übersicht über die Perikopenordnung der Plenarien; 217–243: Textproben der erläuternden Glossen). Vgl. a. Krummacher, Gryphius, 73f; Schade, Perikopen, 23f. Vgl. Krummacher, Gryphius, 74–77; Friedrichs, RGG4-Art. Postille, 1514. Vgl. Krummacher, Gryphius, 91–94; zu Agricola vgl. Wackernagel, Bibliographie, 326. Als ältester lateinischer Gesamtzyklus gelten Johann Spangenbergs Evangelia dominicalia (1539), gefolgt von den Evangelien- und Episteldichtungen Georg Aemilius’ (1549 und 1551). Ein handschriftlicher lateinischer Zyklus, untypischerweise zu gottesdienstlichem Gebrauch, geht auf Nicolaus Herman zurück (um 1550–1558; vgl. Krummacher, Gryphius, 100–102). Zit. nach W III, S. 1161. Vgl. Krummacher, Gryphius, 114–122. Grundlegend für die reformatorische Auffassung des pädagogischen Wertes von Vers und Melodie sind die zahlreichen Äußerungen Melanchthons, wonach die Musik

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Teil C: Sitz im Leben

sie sich durch Versform und Melodie leichter einprägen ließen. Gerade das machte sie für den Gebrauch in Schulen und überhaupt durch Kinder und weniger Gebildete besonders geeignet, ebenso für den Trost in Todesnöten. Ihrem Selbstverständnis nach waren diese Texte zunächst getreue erzählende Umsetzungen des Bibeltextes, die ihn ohne Deutung oder Hinzufügung paraphrasierten, um ihn bekannt und in den Herzen lebendig zu machen. Im Lauf der Entwicklung Ende des 16. Jahrhunderts und im 17. Jahrhundert werden die Dichtungen gegenüber dem Bibeltext selbständiger, weniger summarisch, ausführlicher; sie fügen Ausmalungen, Auslegungen, Kommentare und Applikationen ein und verlassen dabei auch den erzählenden Duktus; zum lehrhaften tritt ein erbaulicher Charakter. Als wesentliche Merkmale der Entwicklung in der poetischen Behandlung der Perikopentexte hält Krummacher zum einen eine Ausdifferenzierung der literarischen Formen, zum anderen eine Tendenz zur „Verinnerlichung“ und „persönlichere[n] Aneignung der Glaubenslehren“ fest.23 Wie die Liedauswahl aus den Gesangbuchrubriken ‚Vom Tod und Sterben‘ sowie ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘ zeigt, werden bei der Gesangbuchredaktion vereinzelt Lieder aus den Perikopenzyklen herausgelöst und in die Rubriken von den letzten Dingen aufgenommen. Auch an dieser Stelle bestätigt sich der im Zusammenhang mit den Festregistern gemachte Befund vom eschatologischen Proprium bestimmter Sonntage – allerdings nur für die Rubrik vom Jüngsten Tag und Auferstehung, in der in den untersuchten Gesangbüchern folgende Perikopenlieder auftauchen: Autor

Lied

Sonntag

Herman

Weil in der argen bösen Welt

26. n. Tr. Mt 25, 31–46

Text

Verbreitung

N-1599/1617/26, L-1605, D-1608/25/56, Lü-1625 Opitz Das blinde Volk der 25. n. Tr. 1Thess B-1658/66/1703, Heiden 4,13–18 F-1666, H-1683, Lü-1660/61/95/ 96/1702/06 Heermann Höret, o ihr Kinder 2. Adv. Lk 21, B-1658/66/1703, Gottes, höret 25–36 F-1666, L-1673, H-1683, Lü-1695/ 1702 Heermann Wenn des Menschen 26. n. Tr. Mt 25, B-1658/66/1703, Sohn wird 31–46 F-1666, H-1683, wiederkommen Lü-1695/1702 Rist Helft mir mit 27. n. Tr. Mt 25, N-1653/54, Freuden singen 1–13 D-1656, L-1673

23

Quelle Sontags Euangelia, Wittenberg 1562 Die Episteln der Sontage […], Leipzig 1628 Sontags= vnd Fest= Evangelia, Leipzig 1636 Sontags= vnd Fest= Evangelia, Leipzig 1636 Sabbahtische Seelenlust, Lüneburg 1651

tiefer ins Herz dringt und dem Gedächtnis die Worte leichter einprägt; seiner Auffassung schließen sich zahlreiche Autoren an, im Umfeld Nicolaus Hermans etwa Johann Mathesius und Paul Eber. Vgl. Krummacher, Gryphius, 123–135.162–164 (Zitat: 164).

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I. Vorausgreifendes Sterbegedenken

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Zu den ältesten Evangelienliedern zählt das von Nicolaus Herman, das denn auch als erstes wieder von der Verbreitungskarte verschwindet. Martin Opitz’ Das blinde Volk der Heiden gehört zur selteneren Gruppe der Epistellieder; zeitnah entstanden, aber noch enger an den Bibeltext angelehnt sind die beiden Evangelienlieder von Heermann. Am jüngsten und zugleich am selbstständigsten gegenüber dem Bibeltext ist das Evangelienlied von Rist, das im Ton eines Brautliedes aus der Perikope von den klugen und den törichten Jungfrauen vor allem die freudige Perspektive derjenigen umsetzt, die zum Hochzeitsmahl zugelassen werden. Damit variiert es den warnenden Tenor, den viele der Evangelienlieder zu Mt 25 ebenso wie viele andere Jüngsten-Tages-Lieder besitzen; entsprechend wird es auch in den vier genannten Gesangbüchern nicht beim Jüngsten Tag, sondern bei der Rubrik vom Himmel und ewigen Leben verzeichnet. Abschließend bleibt festzuhalten: Das in der lutherischen Frömmigkeit verankerte ‚eschatologische Proprium‘ der genannten Sonntage spiegelt sich in Festregistern und Liedzyklen wider. Nach Sonntagen deutlich zu unterscheiden sind dabei die Lieder der Rubriken ‚Vom Tod und Sterben‘ einerseits und ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘ andererseits. Während sich der universaleschatologische Schwerpunkt an den letzten Sonntagen des Kirchenjahres bis heute erhalten hat, ist das Proprium insbesondere des 16. und 24. Sonntags nach Trinitatis seit der Abkehr vom allzu strengen ‚Perikopenzwang‘ im 18. Jahrhundert in Vergessenheit geraten. Zu den letzten ausdrücklichen Reflexen zählen einige Kantaten Johann Sebastian Bachs von Tod und Sterben, die einem der entsprechenden Sonntage zugeordnet sind.24 Im 17. Jahrhundert war das Verständnis dieser beiden Sonntage als Anlass zum Bedenken des eigenen Todes dagegen ganz präsent. Die beiden Perikopen von den Auferweckungswundern wurden in barocktypischer Weise rezipiert: Typisch ist zum einen, dass der Bibeltext nicht wie im 16. Jahrhundert lehrhaft nacherzählt, sondern zum Anlass für die Reflexion des eigenen Lebens genommen wurde; und typisch ist zum anderen, dass sich diese Reflexion das Thema des eigenen Todes herausgreift. Rein vom Perikopentext her wären eine weniger mahnende Haltung und eine stärkere Akzentuierung der Auferstehungsthemas ja durchaus denkbar gewesen.

24

Vgl. etwa die Aufstellung bei R. Steiger, Idiomatik, 31: 16. Sonntag nach Trinitatis BWV 161; 95; 8; 27; 24. Sonntag nach Trinitatis BWV 60; 26; Mariä Reinigung: BWV 83; 125. Zugleich wertet Steiger die Verarbeitung von Choralstrophen aus Sterbeliedern innerhalb dieser Kantaten als Beleg für die „zentrale […] Bedeutung von Liedern in der evangelischen Sterbeseelorge“ (ebd. 32). Eine kurze Zusammenschau von Predigten Luthers, Mollers, Arndts, Gerhards und H. Müllers zu den fraglichen Sonntagen findet sich bei Meyer, Mach einmal mein Ende gut, eine entsprechende Interpretation der vier Kantaten zum 16. Sonntag nach Trinitatis bei Mautner, Mach einmal mein Ende gut. Zur Deutung des Sonntagspropriums, in der auch die Parallele zum Naturjahr eine Rolle spielt, vgl. ebd. 62–69.

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2. Lieder zum Sterbegedenken in der privaten Frömmigkeitsübung Unabhängig von Jahreszeit und biographischer Situation spielte die Erinnerung an die Sterblichkeit auch in der privaten Frömmigkeitsübung eine zentrale Rolle. Zeugnis hiervon legen die Lebensberichte in Leichenpredigten ab, in denen die Schilderung der Frömmigkeit des Verstorbenen schon im Leben ein fester Topos ist – den Hörern und Lesern zum Vorbild für ihre eigene Praxis. Dabei werden regelmäßig unterschiedlichste Praktiken des Sterbegedenkens erwähnt: Typisch ist etwa, dass der Leichtext schon lange vor dem eigenen Tod ausgewählt und damit zugleich als eine Art Motto über das eigene Sterben gesetzt wurde. Ein Grabstein oder ein Sarg konnten schon frühzeitig angefertigt, mit passenden Sprüchen versehen und zur Betrachtung „für Augen gestellet“ werden.25 Diese Sprüche konnten auch „in allen Gemachen“ der Wohnung angebracht und ihre Wirkung durch ein stets präsentes „Bildtnus deß Todes“ unterstützt werden, das vor unbedachtem Handeln schützen sollte.26 Daneben wird der Gebrauch der zahlreichen Gebets-, Andachts- und Erbauungsliteratur erwähnt, die eine stete private Sterbebereitung ermöglichte,27 und dabei auch der Gebrauch von Sterbeliedern.28 Zudem werden die ausgewählten Sterbelieder und Sterbegebete in handgeschriebenen Büchlein eigens notiert.29 Im nachfolgenden Abschnitt sollen einige Beispiele für einen Gebrauch von Sterbeliedern genannt werden, der nicht jahreszeitlich oder biographisch motiviert ist. Zu unterscheiden sind dabei eine produktions- und eine rezeptionsseitige Betrachtung: Schon das Verfassen eines Sterbeliedes konnte für den Autor selbst eine vorausgreifende Erinnerung an das eigene Ende bedeuten (a), z. B. für Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt (1637–1706), deren Andachtspraxis exemplarisch vorgestellt werden soll. Als Beispiele für die Anleitung zum Sterbegedenken werden Lieder von Johann Rist und Heinrich Albert genannt (b). 25

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Ein berühmtes Beispiel ist der schon zu Lebzeiten mit Liedstrophen und Bibelversen geschmückte Sarg des Heinrich Posthumus Reuß (1572–1635), vgl. R. Steiger, Der Gerechten Seelen, 189. Vgl. auch LP Martin Crusius 1607, 17: „Vnd weil er wol gewußt / daß kein Alter für den Tod hülfft / hat er sich mit sonderm fleiß zum Sterben gerüstet / Ime selbsten den Grabstein zurichten / vnd darauff volgende Vers hawen lassen: Martinus tegit hoc saxo sua Crusius ossa. Confisus Domino, sed rediuiuus erit: Also hat er auch selbs den Sarch zumachen befohlen / vnd jhme denselben für Augen gestellet […] Er hat jhme auch selber das Rhubethlin / oder die Begräbnus bestellt / vn[d] sich in summa auff die Reiß nach dem him[m]lischen Vatterland mit sonderm bedacht geschickt vnd bereittet.“ 3. LP Albert von Liebenstein (Prediger: Kilian Loelius) 1608, 59: Der Verstorbene hat sein „End vnd Abschied jhme täglich für Augen gestelt / in dem er fast in allen Gemachen / da er seine tägliche Wohnung gehabt / schöne Reimen von der Nüchtigkeit dises Lebens / schreiben lassen / wie nicht weniger zu dem Bildtnus deß Todes / in seiner täglichen Wohnstuben (halt inn) damit er sich erinnert / da er etwas auß Zorn / oder anderm wolte fürnemen / er solle innhalten / dann er müsse dermalen eins / dem gerechten Richter / Christo Jesu / Rechenschafft geben.“ Zur Bedeutung von Büchern in der Sterbebereitung des 16. und 17. Jahrhunderts vgl. Niekus Moore, Praeparatio, 11–14. Vgl. z. B. LP Ursula Rosina Bäurlin 1676, 58f: „Das liebe Gebett hat Sie jhro wohl eyferig lassen angelegen seyn / Ihre jüngere Geschwistrigte embsiglich darzu angehalten / Mit Lesung schöner Bett=Bücher / und an Geistlichen andächtigen Gesängen eine grosse Ergötzlichkeit gesucht / wie | dann in ihren Hand=Büchern etliche Hertz=erquickende Gebett / und auch unterschiedliche schöne Todten=Gesäng auffgezeichnet zu finden“. Vgl. Veit, Praxis Pietatis, 448f.

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I. Vorausgreifendes Sterbegedenken

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a) Sterbelieder als Zeugnisse des Sterbegedenkens der Verfasser Dass nicht erst die wie auch immer geartete Rezeption, sondern schon die Produktion von Liedtexten einen mitten im Leben verorteten Vollzug des Sterbegedenkens darstellen kann, lässt sich an Beispielen deutlich zeigen. Über die Entstehung des Liedes Wenn mein Gesundheit leidet Not von Johannes Timäus gibt Valerius Herberger folgende Auskunft: „Er (Timäus) hat sich lange zeit mit Todesgedancken getragen, wie sein eigener Gesang bezeuget, welchen er für etlichen Jahren in einer Nacht getichtet.“30 Der Liedanfang könnte darauf hinweisen, dass es eine schwere Krankheit war, die den Autor zu diesen „Todesgedancken“ veranlasst hat (vgl. zu diesem Sitz im Leben S. 583). Vielleicht war es aber auch nur die Möglichkeit einer tödlichen Erkrankung; eine solche Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, lag schon angesichts der stets drohenden Pestgefahr nahe. Vielleicht war die Gefahr zum Abfassungszeitpunkt des Liedes sogar konkret – wie die Überschrift zum Lied °Nun fahr ich hin mit Freuden aus Johann Niedlings Manuale Meditationum zeigt, konnte das Wüten der Pest Anlass sein, sich selbst ein Sterbelied zu schreiben: Des Autoris Nunc Dimittis oder fröliche Hinfahrt, so er Anno 1633 in wärender Pest zu Altenburg (da schon vber 2000 Personen im HErrn selig entschlaffen) jhm selber zu seinem Grablied gemacht hat, auff H. Johann Hermann Scheins S. Melodey, in seinem Gesangbuch am 437. Blat.31

Die Sterbebereitung des Autors ist hier durch die äußere Situation des grassierenden Todes mehr als hinreichend motiviert. Die biographische Bezugnahme in der Überschrift dient zur Authentifizierung seines Ursprungs, ist aber zugleich schon eine literarische Stilisierung, die den Liedtext als einen erweisen soll, der sich in der Not bereits bewährt hat. Dabei liegt auf der Person des Verfassers ein besonderes Gewicht: Er ist nicht nur im Text selbst präsent – die Strophenanfänge ergeben den Namen „Niedling“ –, sondern wird in der Überschrift auch ausdrücklich als ‚Autor‘ genannt. Als besondere Qualität dabei wird hervorgehoben, dass er das Lied „jhm selber“ geschrieben hat; der Text empfiehlt sich also schon dadurch, dass er nicht nur Formular, sondern auch Zeugnis einer konkreten Sterbebereitung ist. Ähnlich ist das Lied °Dem großen Gott im Himmelsthron (Leipzig 1609) von Abraham Suarinus überschrieben: „Des Autoris eigenes Sterbens=Gebet vnd Liedelein.“32 Die Lieder von Timäus, Niedling und Suarinus sind jeweils schon Jahre vor dem Tod ihres Autors in der Sterbebereitung entstanden. Im Fall von Georg Mylius’ Herr, ich denk an jene Zeit wird sogar ausdrücklich verneint, dass der Anlass zur Sterbebetrachtung in einer konkreten Erkrankung gelegen hat: Sein „Christliches Sterb=Lied“ hat er laut Titel des Drucks „bey gesunden Tagen, Anno 1639 […] ver30 31

32

Zit. nach FT I, S. 83. Zit. nach FT II, S. 81. Bei der angegebenen Melodievorlage handelt es sich um Scheins Lied So fahr ich hin mit Freuden (Cantional Nr. 246.) Zit. nach FT I, S. 10.

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Teil C: Sitz im Leben

fertiget“33; ähnlich wie bei Timäus handelt es sich um „Sterbens Gedancken“ (was im Anfangsvers aufgegriffen wird). Der Druck im Jahr 1640 ist dann wohl nach dem Tod des Autors erfolgt; hier ist der Text von Johann Stobaeus in einem fünfstimmigen Satz vertont.34 Einen ähnlichen Fall stellt das Lied Ach Herr, erzeige Gnade mir aus Scheins Cantional dar: Die ebenfalls fünfstimmige Vertonung stammt von Schein, der Text von Maria Rothäupt († 1625), die ihn für ihr eigenes Begräbnis gedichtet hat.35 Die ersten vier der acht Strophen enthalten ein Gebet – u. a. mit der Bitte um ein seliges Ende –, in dem vorausgreifend auf das Sterben geblickt wird (futurisch: „Ob du mich gleich wirst fodern ab“); die zweiten vier Strophen richten sich dagegen schon an die Trauernden. Einen ähnlichen Sitz im Leben haben auch manche Lieder, die nicht vom Betroffenen selbst stammen, aber schon zu seinen Lebzeiten als Auftragswerke entstanden sind. Simon Dachs Lied Ich bin ja, Herr, in deiner Macht ist für den 1648 verstorbenen Dichterkollegen Robert Roberthin bestimmt; nach den Angaben im 7. Teil von Heinrich Alberts Arien hat Dach diese „Christliche TodtesErinnerung […] Allbereit etzliche Jahr vorher / auff Begehren des nuhmero in Gott ruhenden lieben Mannes geschrieben“36. Der Widmungsträger mag sich damit in seiner persönlichen Andacht immer wieder zum Sterben bereitet haben – veröffentlicht wurde das Lied, zusammen mit der Vertonung durch Heinrich Albert, erst nach seinem Tod, öffentlich gesungen vermutlich bei seiner Beerdigung. Die private Sterbeandacht der Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt Im späteren 17. Jahrhundert scheinen sich vorausgreifende Sterbebetrachtung und Sterbefrömmigkeit zu steigern, z. T. verbunden mit einer verinnerlichten Jesusfrömmigkeit. Als extremes Beispiel für diese Entwicklung gilt die Gräfin Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt (1637–1706), von der in den jüngsten der ausgewerteten Gesangbücher zwei Lieder enthalten sind, O du dreieinger Gott sowie das berühmte

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34

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36

Zit. nach FT III, S. 22. Eine ähnliche Zweckbestimmung („Bey gesunden Tagen sich zum Tode zu bereiten“) hat in Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadts Täglichem Umgang mit Gott das Lied °An einem Augenblicke. In die Gesangbücher eingerückt wurde das Lied dann wieder zu dem Zweck, den es bei seiner Entstehung erfüllte: zum persönlichen Memento mori (auch) in gesunden Tagen. Der Satz von Stobaeus konnte also weggelassen werden, häufig sogar die Melodie, was dafür spricht, dass der Text entweder laut gelesen oder zur stillen Andacht verwendet wurde. Belegt ist das Lied in L-1673, L-1682, N-1677/90, H-1683, Lü-1695/1702, B-1603. Die von Stobaeus notierte Diskantstimme c c g g a h c (Zahn 4840, vgl. Grimm, Vopelius, 201) ist als Melodie in N-1677 (mit Bassstimme und Generalbassziffern) und in L-1682 (mit vierstimmigem Satz) festgehalten, ansonsten erfolgt lediglich der Hinweis „In eigener Melodie“ (so Lü1695/1702; B-1703) oder die Angabe fehlt ganz. Vgl. Reckziegel, Cantional, 198. Ob die Umstände seiner Entstehung im Sinne vorausgreifender „Sterbens Gedancken“ o. ä. eigens erwähnt werden, ist ohne den Originaldruck leider nicht festzustellen. Der bei Reckziegel erwähnte Einzeldruck von 1625 wird weder bei ihm noch in der Schein-Gesamtausgabe (NGA 2) vollständig nachgewiesen. Auch im VD 17 war der entsprechende Druck nicht zu finden, lediglich die Leichenpredigt für eine 1621 in Leipzig verstorbene Frau gleichen Namens. Albert, Arien 7,12 (fol. G 8r). Vgl. die gleich lautenden Angaben in den von FT III 105. und SDG III 160. verwendeten älteren Drucken.

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Wer weiß, wie nahe mir mein Ende (EG 530).37 Im Lebenslauf der Gräfin fällt die große Zahl persönlicher Verluste auf: 1637 geboren, wurde sie schon 1642 Vollwaise, verlor 1646 ihren Pflegevater, 1659 ihren Bruder, 1668 kurz nach der Geburt das zweite ihrer beiden Kinder und 1672 drei ihrer Pflegeschwestern. Von den übrigen fünf Geschwistern und Pflegegeschwistern überlebte sie nur ihr Ehemann, Graf Albrecht Anton, um einige Jahre; sie selbst starb 1706.38 Diese für die Zeitumstände typischen, aber darum nicht weniger bitteren Erfahrungen haben die Entstehung der ausgeprägten Sterbefrömmigkeit der Gräfin sicher mit beeinflusst. Im anonymen „Vorbericht“ zu der postum veröffentlichten Sammlung Der Freundin des Lammes Geistlicher Braut=Schmuck (1714) wird diese Frömmigkeit wie folgt charakterisiert: Es wird aber auch zugleich / aus eben diesem Buche / erhellen / wie eiferig diese gottselige Beterin vor ein seliges Sterben sey besorgt gewesen / und wie Sie sich / als eine Braut des Lammes / | alle Tage und Stunden / zur Abholung aus der Welt / gefaßt gehalten / damit Ihrer Seelen das Sterben nichts anders / als ein Hingang zu der Hochzeit des Lammes seyn möchte. Die / welchen diese heilige Andachten sind bewust gewesen / haben sie nur die Sterbe=Betstunde pflegen zu nennen / und in der That sind sie auch nichts anders; sie verdienen aber doch auch / mit allem Recht / den Titul eines geistl. Braut=Schmucks / weil ihn diese Lammes=Freundin / um der Lammes=Hochzeit willen / täglich angelegt / und darinne Ihren Seelen=Bräutigam erwartet hat. Solches ist nicht etwa erst im Alter / sondern von Kindes=Beinen an geschehen / jedoch / daß freylich / bey zunehmenden Jahren / auch das Verlangen und Sehnsucht nach den Lamm GOttes und dessen vertröste=|ter Herrlichkeit zugenommen.39

Als Grundzug der geschilderten Frömmigkeit fällt sogleich die innige Christusbeziehung der Gräfin auf, die sich – worauf sich auch der Titel des Bandes bezieht – als Braut des Lammes Jesus versteht (vgl. Apk 19,7) und sich nach der Hochzeit sehnt.40 Vollzogen wird die mystische „Lammes=Hochzeit“ nach dem Vorbild der Johan37

38

39 40

Die Zuschreibung dieses rasch bekannten Liedes war schon kurz nach dem Tod der Gräfin umstritten, gilt aber seit dem 19. Jahrhundert als gesichert. Vgl. Fischer, Kirchenlieder=Lexicon, 365–370; Schuster, Aemilie Juliane, 93. Vehement argumentiert der Vorredner des Geistlichen Braut=Schmucks für die Urheberschaft Aemilie Julianes und gibt dabei zugleich aufschlussreiche Zeugnisse über die frühe Rezeption des Liedes. Als Argumente für die Autorschaft führt er neben dem (mündlichen?) Zeugnis der Gräfin und ihres Gatten an, dass das Lied „dem gantzen hiesigen Hoch=Fürstl. Hofe von der Zeit an / da es ist gemacht worden / mehr als zu wohl ist bekan[n]t gewe=|sen“ und dass „das hiesige Gesang=Buch von A. 1688. das erste ist / darein es / nach vorhergegangener Censur, zu bringen / von Ihr. Hoch=Gräfl. Gnaden selbst ist übergeben worden.“ Als ausschlaggebend wird schließlich das Auftauchen einer Originalhandschrift betrachtet (vgl. Geistlicher Braut=Schmuck, fol. b 2r–3r). Vgl. Schuster, Aemilie Juliane, 80–85 (Lebenslauf) und 195 (Stammbaum). Rists Lied °Werde munter, mein Gemüte nachempfunden ist ein Lied gleichen Anfangs im Geistlichen Braut=Schmuck, 734–736, in dem die Autorin ihre Situation als letzter verbliebener Spross ihres Geschlechts verarbeitet (Str. 2): „Ein Geschlechte muß vergehen / und ein anders kömmt empor; was vor Fälle offt geschehen / stellt mein eigen Beyspiel vor: Vater / Mutter / Bruder / Kind / Schwestern / die gestorben sind / und wer sonst noch must erblassen / haben alle mich verlassen.“ Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, Geistlicher Braut=Schmuck, fol. b 1r–2r. Ähnlich betont der Vorredner der Sammlung Täglicher Umgang mit Gott, „Wie das Hochselige Christ=Gräfliche Hertz in das Lamm GOttes auf das eusserste verliebt gewesen“ (fol. a 6r).

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nesoffenbarung zum einen immer wieder in der Feier des Heiligen Abendmahls41 (womit Ämilie Juliane sich betont in lutherische Tradition stellt), zum anderen für immer im Tod. Im Titelkupfer42 des Geistlichen Braut=Schmucks lehnt sich die gekrönte Gräfin als „Freundin“ an das mit der Bibelstelle Joh 1,29 bezeichnete Lamm, um das sie einen Arm gelegt hat, während die andere Hand zum Himmel weist, wo das letzte Abendmahl als himmlisches Freudenmahl gezeigt wird. Auf die Praxis der andächtigen Sterbebereitung weisen Fackel, Stundenglas und Totenschädel. Wie hat diese Praxis der frommen Gräfin nun ausgesehen? Programmatisch ist die Überschrift einer weiteren postumen Sammlung: Der Freundin des Lammes Täglicher Umgang mit Gott, ein Titel, auf den auch die Frage des Vorredners anspielt, „ob Sie nicht mehr mit GOTT / als mit Menschen sind umgangen.“43 Offenbar hat die Gräfin dabei die Anforderung der Ars moriendi perfektioniert, sich jederzeit oder (wie oben zitiert) „alle Tage und Stunden“ zum Tod bereit zu halten, um nicht von ihm überrascht zu werden. In ihren Tagesablauf hatte sie das Sterbegedenken fest integriert: Täglich dreimal hielt sie allein oder im kleinen Kreis ihre private Andacht ab; darin nahmen die Sterbebetrachtung, die Bereitung zur Ankunft des Bräutigams und zum Tod als der Hochzeit einen prominenten Platz ein. Der anonyme Vorredner des Geistlichen Braut=Schmucks kann diese Andacht daher auch eine „Sterbe=Betstunde“ nennen. In ihren letzten Lebensjahren hat Ämilie Juliane nachmittags außerdem eine besondere Sterbeandacht zur Sterbestunde Jesu gefeiert und dabei auch Leichenpredigten meditiert. Dass sie selbst dann ebenfalls an einem Freitag zu derselben Stunde starb, erregte großes Aufsehen und wurde in der Gedächtnisschrift Schwartzburgisches Denkmal besonders betont.44 Sterbelieder spielten in der Andacht Ämilie Julianes eine wichtige Rolle, wie ein handschriftliches Liederbuch zeigt, das die Gräfin zum privaten Gebrauch angelegt haben dürfte. Für jeden Tag der Woche sind hier jeweils vier römisch nummerierte Lieder zur Morgen-, Nachmittags- und Abendandacht zu finden, die in vier aufeinanderfolgenden Wochen zu singen waren, darunter zahlreiche Sterbelieder.45 Nicht 41

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Vgl. das Abendmahlslied °Hab Dank, Gott, dass du hast (Geistlicher Braut=Schmuck, 450, Str. 3): „Die Hochzeit ist bereit / ich steh in vollem Schmucke / in seiner Herrlichkeit und seiner Unschuld Rocke; Der Bräutgam ist schon da / Er rufft: Komm her zu mir! nimm hin / iß meinen Leib / und trinck mein Blut allhier.“ Das beschriebene Titelkupfer der bei 1714 Johann Martin Gollner gedruckten Ausgabe (Expl. der UBT) trägt die Signatur „S. Lam[m]. Pingx.“, offenbar ein Verweis auf den Rudolstädter Hofmaler Seivert Lammers, der um 1680 auch das Gemälde „Aemilie Juliane als Jesusbraut“ schuf; vgl. dazu Schuster, Aemilie Juliane, 79 und 194 (Reproduktion). Eine gereimte „Erklärung des Kupffer=Bildes“ steht fol. b 5r–6v. Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, Täglicher Umgang mit Gott, fol. a 5r. Zur Publikationsgeschichte der Sammlung vgl. Anm. 49. Vgl. Schwartzburgisches Denkmal, 352 (zit. nach Schuster, Aemilie Juliane, 78 Anm. 2): „Wie denn sonderlich merckwürdig / daß Selbige viele Jahre her Abends gegen 4. Uhr Ihre Bet-Stunden um ein seliges Ende unausgesetzet gehalten: und nur jüngsthin eben um solche Nachmittags-Zeit aus dieser Welt von Ihren Heylande zu sich in den Himmel sind abgerufen und aufgenommen worden.“ Abdruck bei Schuster, Aemilie Juliane, 204–206; Kommentar ebd. 95f. Unter den aufgelisteten Liedern befinden sich u. a. folgende aus der Textauswahl dieser Untersuchung: anon., Jesulein, du bist mein (Sonntagmorgen III); Keimann, Meinen Jesum lass ich nicht (Montagmorgen III); Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, Wer weiß, wie nahe mir mein Ende (Mittwochmorgen III); Johann Franck, Jesu, meine Freude (Donnerstagmorgen III); Herberger, Valet will ich dir geben (Sonntagnachmittag IV);

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gekennzeichnet ist, welche Lieder von der Gräfin selber stammen und welche sie von anderen Autoren übernommen hat. Ähnlich aufgebaut ist auch der erste Teil des Geistlichen Braut=Schmucks,46 wobei hier zusätzlich noch eine Mittagsandacht eingeschoben ist. Auch hier springt die Prominenz der Todesthematik ins Auge. Um nur einige Stücke herauszugreifen: Gleich zu Beginn am Sonntagmorgen steht das Lied °Der Tod ist mir gewiss, gefolgt von einem „Gebet um ein selig Ende“; am Montagmorgen ein „Gebet / sich seinem GOTT gantz zum Leben und zum Sterben zu ergeben“; am Mittwoch ein Lied °Ich, ich hab Lust abzuscheiden sowie ein „Letzter Wille“, eine Art Testament, das Gott zum Erben einsetzt; am Donnerstag die Lieder °Ich bin der Welt so herzlich müde und °Der Tod kommt nimmer mir zu früh, ein „Gebet von dem Verlangen nach GOTT und den [!] ewigen Leben“ und „Biblische Trost=Sprüche / wider den Tod“; am Freitag die Lieder °Es geht zur Hochzeit zu, °Ach wie so sehnlich wart ich drauf und ein „Gebet von der Aufferstehung der Todten“. Dasselbe Prinzip liegt der schon erwähnten Sammlung Täglicher Umgang mit Gott zugrunde, in der gleich für den Sonntagmorgen u. a. Hermans Lied Wenn mein Stündlein vorhanden ist vorgeschlagen wird, mittags O du dreieinger Gott von der Gräfin selbst, abends das Sterbelied In Christi Wunden schlaf ich ein usw.47 Neben dem täglichen Sterbegedenken sind in den beiden Sammlungen noch zahlreiche weitere ‚Sitze im Leben‘ für Sterbelieder vorgesehen.48 Die tägliche Andachtspraxis der Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt ist zwar, wie schon gesagt, ein extremes Beispiel für die Sterbefrömmigkeit des ausgehenden 17. Jahrhunderts: Ungewöhnlich sind die Prominenz und die hohe Frequenz ihres Sterbegedenkens, verbunden mit dem ausgeprägten Zug zur Verquickung mit der Jesusliebe. Dennoch ist die Gräfin in der Ausrichtung ihrer Frömmigkeit Kind ihrer Zeit; dass ihre Lieder bei den Zeitgenossen einen breiten Widerhall fanden, zeigt

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47 48

anon., Welt ade, ich bin dein müde (Montagnachmittag IV); Rosenmüller, Alle Menschen müssen sterben (Dienstagnachmittag IV); Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Mittwochnachmittag IV); Frölich, Ein Würmlein bin ich, arm und klein (Donnerstagnachmittag IV); Schalling, Herzlich lieb hab ich dich (Freitagnachmittag IV); anon., Gleich wie sich fein ein Vögelein (Str. 7 von Ach Gott und Herr, wie groß und schwer; Freitagabend I) anon., O Jesu, Gottes Lämmelein (Freitagabend II); anon., In Jesu Wunden schlaf ich ein (wohl: In Christi Wunden schlaf ich ein; Freitagabend III); Magdeburg, Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut (Samstagabend II). „Im Nahmen JESU! I. Lieder und Gebete / Auf alle Tage in der Wochen“: Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, Geistlicher Braut=Schmuck, 1–171 (Übersicht: im angehängten Register, fol. Aaa 1r–2r). Vgl. Täglicher Umgang mit Gott, 30f. 43–45. 47. Vgl. Geistlicher Braut=Schmuck, 674–734 („VII. Bey vermerckten und annahenden Ende“, darunter u. a.: „Wider die Furcht des Todes“, „Bey zunehmender Kranckheit“, „Vor und nach der Beichte“, „Vor und nach den heil. Abendmahl“, „Sterbe=Lieder“); vgl. Täglicher Umgang mit Gott, 493 („Bey gesunden Tagen sich zum Tode zu bereiten“), 495 („Um ein seliges Ende“), 496 („Um Göttliche Hülffe am letzten Ende“), 537 („Vom Verlangen nach dem Himmel“), 540 („Fürbitte für den todt=krancken Menschen“), 543 („Dancksagung für gnädige Hülffe im Tode und Bitte um Gedult“), 545 („Eines Wittwers“), 548 („Einer Wittwen“), 553 („Der Eltern nach ihres Kindes Tode“), 556 („Der Eltern über den Tod eines wohlgerathenen Sohnes“), 560 („Eines Wäysen“), 564 („Auf dem Begräbniß“).

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Teil C: Sitz im Leben

der Verkaufserfolg.49 In welchem Maße und in welcher Form ihre exzessive Sterbebetrachtung Nachahmer gefunden hat, kann hier nicht näher untersucht werden. Was die Rolle der Lieder in dieser Andacht betrifft, so ist festzuhalten: Die Funktion, die die zahlreichen eigenen Lieder der Gräfin (leider ist die Zuschreibung in vielen Fällen nicht eindeutig50) für sie hatten, ist eine doppelte. Sowohl die Produktion wie die Rezeption der Lieder dient der Steigerung der Andacht; sie sind gleichermaßen Anleitung zum Sterbegedenken wie sein Produkt. Zur Nachahmung durch die Zeitgenossen in der privaten Andacht empfohlen ist denn auch beides: sich einerseits durch das Singen und Beten der Lieder Ämilie Julianes und anderer zum Sterben zu schicken, sich andererseits aber auch durch die Produktion von Liedern und Gebeten eigene Ausdrucksformen zu schaffen.51 b) Sterbelieder als Anleitung zum Sterbegedenken in der privaten Gesangspraxis Nicht nur für die Verfasser selbst, sondern auch für andere Rezipienten konnte ein Sterbelied die Funktion des vorausgreifenden Sterbegedenkens erfüllen. Gerade in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts scheinen sich die Lieder zu mehren, die für die private Sterbeandacht mitten im Leben bestimmt sind. Die Bedeutung der musikalischen Dimension für die Andacht wird dabei immer wieder besonders hervorgehoben. Zwei Beispiele aus der Zeit ab 1640 seien genannt: zum einen die Lieder Johann Rists, zum anderen diejenigen Simon Dachs und anderer Königsberger Autoren aus Heinrich Alberts Arien. Johann Rist, Himlische Lieder (1641/42), Neue Himlische Lieder (1651) u. a. Rückschlüsse auf den Sitz im Leben der Lieder Rists können etwa aus Vorreden und Überschriften gewonnen werden. In der Vorrede zum 5. Teil seiner ältesten Sammlung, der Himlischen Lieder von 1641/42, weist er mit Blick auf „die geistliche Lieder / mit welchen wir in unsern Evangelischen Kirchen Gottes H. Namen anruffen“, auf einen Mangel an Liedern für „etliche hohe Feste / wie auch etliche 49

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Vgl. im „Vorbericht“ des Täglichen Umgangs mit Gott, fol. a 5v.7v: „Es ist / was itzo wieder an das Licht tritt / ehemahls unter dem Titul: Tägliches Morgen= Mittages= und Abend=Opffer / mitgetheilet worden / und die Exemplaria sind dergestalt schleunig abgangen / daß schon einige Jahre her keines mehr zu bekommen gewesen. […] Als man denn wohl sagen kan / daß […] der häuffige Abgang dieses Buchs sattsam bewiesen / daß viele ihre vergnügliche Erbauung darinne müssen gefunden haben.“ Der Ursprung der Lieder war Ämilie Juliane offenbar weniger wichtig als ihr Verwendungszweck; in handschriftlichen Quellen fehlen Autorangaben ebenso wie in den genannten postumen Sammlungen, in denen nur die anonymen Herausgeber in der Vorrede summarisch vage Angaben machen, vgl. Geistlicher Braut=Schmuck, fol. b 4r: „So viel dieses gegenwärtige Buch betrifft / so ist alles (gar ein weniges ausgenommen) der Hochsel. Frau Gräfin eigene Arbeit“; vgl. Täglicher Umgang mit Gott, fol. a 6v|7r: „Nicht alles / was in diesem Buch enthalten / ist der Hochsel. Lammes=Freundin eigene Arbeit und Erfindung; denn / wie der Augenschein es | lehret / haben Ihr. Hoch=Gräfl. Gnaden sich vieler vorhin auch schon bekannter Lieder / Sprüche und Seufftzer gebraucht / als denn ja Dero Meynung nie gewesen / daß Sie nur etwas für Sich gantz besonders und neues haben wollten“. Zur Urheberschaft von Wer weiß, wie nahe mir mein Ende vgl. Anm. 37. Vgl. Geistlicher Braut=Schmuck, fol. b 4r|v: „Ja / wenn iemand findet / daß diß und jenes gar nicht nach seinem Geschmack gewürtzt oder angerichtet sey / so hat er die Freyheit / sich | selber Gesänge oder Gebete zu verfertigen / so gut er sie haben will.“

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I. Vorausgreifendes Sterbegedenken

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sonderbare Anfechtungen vieler bekümmerten Seelen“ hin, dem er mit seinen Stücken abhelfen will. Rist lässt dabei offen, ob er eine vorwiegend kirchliche oder eine private Verwendung im Blick hat; jedenfalls habe er nie beabsichtigt, seine Arbeiten „der einen oder anderen Evangelischen Kirchen anzutragen oder auffzudringen“ – vielleicht ein Hinweis darauf, dass vereinzelt bereits doch eine kirchliche Rezeption stattgefunden hat.52 Programmatisch ist dagegen der Titel einer Sammlung von 1654, aus der auch in der Gruppe der untersuchten Lieder zwei enthalten sind: Frommer und Gottseliger Christen Alltägliche Haußmusik / Oder Musikalische Andachten. Zur täglichen53 Andacht sind die hier enthaltenen Stücke demnach bestimmt, die schon an selbst „Andachten“ sind, eine Bezeichnung, die auch Johann Georg Ebeling in seiner Ausgabe sämtlicher Lieder von Paul Gerhardt verwendet (Geistliche Andachten, Berlin 1667). Zugleich hebt Rist die musikalische Dimension dieser Andachten hervor („Musikalische Andachten“): Statt von ‚Hausandacht‘ spricht er von „Haußmusik“. Die enge Zusammengehörigkeit von Andacht und Musik ist überhaupt kennzeichnend für Rists Verständnis seiner eigenen Werke, die er von namhaften, in Titeln und Vorreden stolz genannten Musikern aus seinem Umfeld – meist Hamburger Organisten – vertonen ließ, allen voran von Johann Schop (Himlische Lieder, Alltägliche Haußmusik), aber auch von Thomas Selle (Sabbahtische Seelenlust, Fest=Andachten), Jakob Schultze, Heinrich Scheidemann (Neue Himlische Lieder) u. a. Meist54 können die Nutzer wählen zwischen der Neukomposition und einer bekannten Kirchenliedmelodie, deren Strophenform der jeweilige Text nachahmt. Die Neukompositionen sind in den Urausgaben zweistimmig mit „Cantus“ und „Bassus“ abgedruckt. Von denjenigen Nutzern, die die neuen Lieder auch in dieser neuen Form verwenden wollten, waren also musikalische Kompetenzen gefordert, auch wenn der Maßstab im Interesse der (häuslichen) Praxis auf Rists eigenen Wunsch bewusst nicht zu hoch gesetzt wurde:55 Notenkenntnis, Beherrschung von Instrumenten und ggf. die Fähigkeit, die Generalbassziffern zu entschlüsseln, waren dennoch erforderlich.56 Nahe liegt, dass es sich bei jenen, die diese Kompetenzen besaßen, um gebildete und 52

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Vgl. Rist, Himlische Lieder, 5. Zehn, Vorrede fol. A 7r|v. Vgl. Scheitler, Lied, 231f. Der kirchliche Gebrauch der Himlischen Lieder ist wohl nicht ganz so eindeutig auszuschließen, wie Scheitler dies im Interesse ihrer These postuliert; entscheidend ist aber die individuelle Perspektive des Autors, sein Abzielen auf den „inwendigen Menschen“ und seine „Erbawung“. Vgl. im Register Liedüberschriften wie „Tägliches Lied eines Christlichen Wanders=Mannes“, „Tägliches Bittlied einer Gottseligen / betrübten Wittwen“ usw. Noch nicht in den Himlischen Liedern, dafür in den Neuen Himlischen Liedern, der Sabbahtischen Seelenlust, den Fest=Andachten und der Alltäglichen Haußmusik. Vgl. Rist, Himlische Lieder, 4. Zehn, Vorrede fol. A 8v: Rist betont, dass Schop die Melodien „den jenigen / welche die schwere Weisen zu erlernen nicht genugsam geschickt seyn / zum besten hat gesetzet. Im fall nun dieselbe dem einem oder dem andern Music=verständigen nicht kunstreich genug düncken möchten / hat man solches gar nicht Herrn Schopen […] besondern mir / als der ich wissentlich vnd mit fleisse eine solche Einfalt […] begehret habe / eintzig vnd allein zuzumessen“. Als musikalisch anspruchsvoll charakterisiert Rist die Ausführung seiner Lieder in der Vorrede zum 1. Zehn der Himlischen Lieder (fol. A 5r). Demnach können sie „fast nach Art dero heut zu Tage üblichen Concerten / mit zweyen Stim[m]en / als einen Baß vnd Discant / in eine Orgel / Regal / Clavicymbel / Laute vnd derogleiche Instrumente […] gesungen werden.“

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Teil C: Sitz im Leben

wohlhabende bürgerliche Schichten handelte;57 in der häuslichen Andachtspraxis dieser Personen wird man die musikalische Performanz von Rists Liedern daher wohl zunächst überwiegend vermuten dürfen. Mehrfach spricht Rist in den Vorreden gezielt die musikverständigen Leser an.58 Mit der Liebe zur Musik verbunden ist bei dem ihm vor Augen stehenden Leser im besten Falle auch die Liebe zur Poesie, überhaupt zur Kunst – und zugleich die Liebe zu Gott.59 Welchem Zweck das Singen seiner Lieder dienen soll, lässt sich aus den Werktiteln und Vorreden Rists deutlich ablesen: Der Vollzug von Poesie und Musik im geistlichen Gesang der meist häuslichen Andacht zielt zum einen auf Gott, zum anderen auf den Menschen ab. Gott soll der Gesang Lob und Ehre bereiten. Was den Menschen betrifft, so fällt immer wieder der Schlüsselbegriff des ‚inneren‘ oder ‚inwendigen‘ Menschen, der durch den geistlichen Gesang ‚ermuntert‘, ‚erlustigt‘, ‚erbaut‘ oder ‚erneuert‘ werden soll.60 Diese verinnerlichte Perspektive zeigt zugleich den individuellen Ansatz von Rists Dichtung, der dem mutmaßlichen Sitz im Leben in der Privatandacht entspricht: In seinem Inneren ist zunächst jeweils der Einzelne angesprochen. Die Andachtspraxis des Singens von geistlichen Liedern kann und soll ihn etwa bewegen, ‚inwendig‘ sein Ende zu bedenken, sich eben dort zum Sterben zu bereiten oder mit der Betrachtung der himmlischen Herrlichkeit zu trösten. Ausdrücklich unterstreicht Rist das gerade für die eschatologischen Themenkreise in der Vorrede zum 4. Zehn der Himlischen Lieder, in dem auch O Ewigkeit, du Donnerwort enthalten ist: Hier nennt er statt des ‚inneren Menschen‘ „ein Christliches und Gott ergebenes Hertz“, das im Gesang zunächst zur „Betrachtung“ der letzten Dinge und dann, daraus folgend, zur Besserung seines Lebens bewegt werden soll.61 57

58

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Im Titel der Alltäglichen Haußmusik spricht Rist zwar davon, dass die Lieder schichtübergreifend „von Allen / und Eines jetweden | Standes Personen […] erbaulich können | gebrauchet […] werden“, weist aber zugleich auf die musikalische Alternative zwischen bekannter Melodie und Neukomposition hin, mit der er dem unterschiedlichen Bildungsgrad der potentiellen Nutzer Rechnung trägt. Vgl. Rist, Himlische Lieder, 5. Zehn, Vorrede fol. A 7v: „Danebenst aber wirstu (dafern du anders die alleredelste und ewig=bleibende Kunst der Music auch nur im geringsten liebest und lobest) dem hocherfahrnen und weitberühmten Herrn Johan[n]: Schopen von Hertzen dancken […]“; kurz darauf (fol. A 8r) ist die Rede von „auffrichtigen und Kunsterfahrnen Gemüthern“ und ihrer Wertschätzung der Himlischen Lieder. Vgl. Anm. 55. Vgl. Rist, Himlische Lieder, 2. Zehn, Vorrede fol. A 5v: „Dafern sich aber bey solchen herrlichen / und mit rechter Gottesfurcht und Christlicher Andacht besehligten Gemütern / auch zugleich [mit der Liebe zu Gott] eine Lust und Liebe zu dene[n] beyden außbündigen Wissenschafte[n] der Poësey und Music (als welche naher Verwandnisse halber durchauß nicht sollen noch können getren[n]et werden) befünde / könten mehr gedachte meine Lieder / ümb so viel glückseliger werde[n] / als die das eintzige und wahre Ziel jhres Schreibers nach Wunsch erreichet hätte[n].“ Nach der Vorrede zum 5. Zehn (fol. A 6r) hat Rist bereits Nachricht, dass die ersten publizierten Teile der Himlischen Lieder „Gott= und Kunst=liebenden Leuten zu sonderbarer Lust und Gefallen […] gereichten“. Vgl. z. B. Rist, Himlische Lieder, 1. Zehn, Vorrede fol. A 5r: „zu Lobe Gottes vnd Auffmunterung des inwendigen Menschen“; 3. Zehn, Dedicatio fol. A 3v: „zu sonderbahrer Erlustigung und Auffmunterung des innern Menschen / wie auch nicht weniger zum nützlichen Unterricht / Rath und Trost in vielerhand gegenwertigen und zukünfftigen Wiederwertigkeite[n] / Creutz und Unglück“; 4. Zehn, Vorrede fol. A 8v: „in Betrachtung ich mit diesen meinen Liedern gar nicht die Belustigung des eussern / sondern bloß vnd allein des innern Menschen wil gesucht und befodert haben.“ Vgl. Rist, Himlische Lieder, 4. Zehn, Vorrede fol. A 6r: „Ich habe in den Gesängen dieses gegenwertigen Vierdten Theils ein Christliches und Gott ergebenes Hertz zu Betrachtung seines selbst eigen Elendes / insonderheit aber der zukünfftigen Dinge etlicher massen wollen leiten vnd führen / mich vielmals er-

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I. Vorausgreifendes Sterbegedenken

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Die verinnerlichte Perspektive wird auch beibehalten, wo Rist den Blick über den Einzelchristen hinaus auf Mitchristen und auf das gesamte „Christenthum“ weitet. Die Sorge um das Heil des „NebenChristen“ und dessen „Erbawung“ kann ebenfalls zum Movens für das Singen geistlicher Lieder werden,62 etwa in der gemeinschaftlichen Hausandacht, deren Teilnehmer einander in der Regel eng verbunden sind. Noch stärker weitet er den Blick in einer Angabe, die im Titel der Alltäglichen Haußmusik der Ehre Gottes und der „Erneürung des | inwendigen Menschen“ als Zweckbestimmung der Andachtslieder zur Seite tritt: die „WiederErbauung des | zerfallenen Christenthumes“. Damit greift er auf einen Topos Johann Arndts zurück, den er an anderer Stelle noch vor Johann Gerhard und Josua Stegmann als unmittelbaren literarischen Impulsgeber benennt.63 Auch mit dieser Formulierung bleibt es freilich beim Gebot der Innerlichkeit: Entscheidend ist dem Arndtschen Topos zufolge nicht die Erbauung der äußeren Institution Kirche, deren Stabilität außer Frage steht, sondern die „erkaltete Andacht“64, die wiederzugewinnende innere Lebendigkeit des gesamten „Christenthumes“ durch diejenige im Herzen jedes einzelnen Gläubigen – oder, mit Rist, im ‚inwendigen Menschen‘. Die von Rist erhoffte Andacht und Erbauung der Gläubigen wird seiner Auffassung nach auf zwei unterschiedlichen Ebenen bewirkt, einerseits durch die „Materien an sich selbst“, andererseits durch die „wolgesetzten Melodeyen“ der Himlischen Lieder65 – also einerseits durch den theologischen Gegenstand, andererseits durch die musikalische Form; oder auch: so wol wegen der göttlichen und recht himlischen / in denselben enthaltenen / und aus der allerkostbahrsten Schatzkammer des heiligen Geistes entlehneten Materi und Sachen / als auch wegen etlicher anmuhtigen auff gewisse Reimen gesetzter Melodeyen.66

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in[n]erend des weisen Mannes hochnothwendiger Ermahnung: Gedenck an das Ende / so wirstu nicht sündigen“ (vgl. Sir 7,40; vgl. Anm. 69). In der Vorrede zum 5. Zehn der Himlischen Lieder (fol. A 6r|v) erklärt Rist, diese seien „ja gantz und gar zu keinem andern Ende […] auffgesetzet und verfertiget / als daß beydes des allerhöchsten Gottes Ehre und | Preiß / denn auch unserer NebenChristen ewige Wolfahrt und Seligkeit dadurch möge gesuchet und befodert werden.“ Mit eben dieser Zielsetzung begründet er zuvor (Dedicatio, fol. A 5r) die Wahl der deutschen Sprache für seine Dichtung in der Nachfolge Opitz’: „daß auch ich viel lieber in unsern Teutschen als anderen Sprachen (insonderheit dieweil die Ehre des Allerhöhesten und die Erbawung unsers Nebenchristen vornehmlich dadurch wird gesuchet) habe schreiben und singen […] wollen“. Vgl. Rist, Himlische Lieder, 1. Zehn, Vorrede fol. A 5r; hier bezieht sich Rist allerdings nicht auf Arndts Bücher von wahrem Christentum, sondern auf das Paradiesgärtlein. Vgl. Rist, Himlische Lieder, 2. Zehn, Dedicatio fol. A 2v: „die gar erkaltete Andacht in den menschlichen Hertzen dadurch wiederumb auffzufrischen / und die viel vertunckelte Ehre des Allerhöchsten zu befoderen.“ Rist, Himlische Lieder, 5. Zehn, Vorrede fol. 8r: „daß diese himlische Lieder […] wegen jhrer wolgesetzten Melodeyen / als der Materien an sich selbst […] billich geliebet und gelobet werden“. Rist, Himlische Lieder, 2. Zehn, Vorrede fol. A 5v. Schon in der Vorrede zum 1. Zehn (fol. A 5r) legt Rist dem Leser dar, dass er auf eine positive Wirkung seiner Lieder hoffe „nicht allein darumb / daß sie lauter himlische / göttliche / ja solche Dinge in sich begreiffen / die dein mattes Hertz auch in der allerhöhesten Noth können erquicken / vnd deine beküm[m]erte Seele in jren schwere[n] Anfechtungen trösten und erfrewen; besondern auch / weil der in der Singekunst hoch vnd weitberühmter Herr Johan[n]es Schop / mein hochgeehrter sehr werther lieber Herr vnd Freund / auff etliche dieser Lieder sehr schöne / vnd sich nach Gelegenheit der Worte trefflich wol schickende Melodeyen (wiewol nur auff der Eile) hat gesetzet“.

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Teil C: Sitz im Leben

Was die Vermittlung der theologischen „Materi“ betrifft, so ist der Blick auf Rists stets sehr ausführliche Liedüberschriften aufschlussreich, die zeigen, dass Rist durchaus systematisch vorgeht: Im 4. und 5. Teil der Neuen Himlischen Lieder werden nacheinander die einzelnen Loci der letzten Dinge behandelt – Sterben, Gericht, Hölle und Himmel –, die jeweils ihrerseits Lied für Lied untergliedert sind und darin ebenso einer inneren Logik folgen wie die dogmatischen Werke der orthodoxen Theologen.67 Auf die Ebene der Wirkung von Andacht und Erbauung bringt Rist den theologischen Gegenstand durch seine literarische Bearbeitung, die sich performativ in eine Art Sprechakte verwandelt: Indem Leser, Ausführende und Zuhörer entweder mahnend angesprochen werden (Du-Form) oder bittend bzw. affirmativ in den Text einstimmen (Ichform), treten sie zu den thematisierten theologischen Sachverhalten in eine persönliche Beziehung. Performativ sind die Rezipienten von den behandelten letzten Dingen also persönlich betroffen. Dass die Texte im Dienste der Andacht eine solch subjektive Sicht auf die theologische „Materi“ vorgeben, zeigt sich in der häufigen Kennzeichnung als „Betrachtung“ in der Überschrift, der dann im Genitiv der Gegenstand der Betrachtung beigefügt ist. Mit der Bewertung des jeweiligen Gegenstandes ändert sich auch die adjektivische Kennzeichnung (‚ernstlich‘, ‚fröhlich‘, ‚lieblich‘): HL 4,9 NHL 4,1

NHL 4,2 NHL 4,7

NHL 5,1 NHL 5,2

O Ewigkeit, du Donnerwort O Vater aller Gnaden

Lebt doch ein jeder Mensch im Streit Lasst ab von Sünden alle

Erschrecklich ist es, dass man nicht Muss dir, o Mensch, die schnöde Welt

NHL 5,3

Kommt her, ihr Menschenkinder

NHL 5,4

Ich will für allen Dingen

67

„Ernstliche Betrachtung / Der unendlichen Ewigkeit.“ „Christliche Betrachtung und Vorbereitung zum Seligen Abscheide aus disem / in das andere und ewige Leben.“ „Betrachtung der Nichtigkeit / Flüchtigkeit / Trübsahls und Elendes des gantzen Menschlichen Lebens“. „Ernstliche Betrachtung der Gewißheit deß herannahenden Jüngsten Tages / und waß für ein Gericht daran sol geheget werden.“ „Ernstliche Betrachtung der grausahmen Gefängnisse und des gahr abscheülichen Ohrtes der Höllen.“ „Ernstliche Betrachtung derjenigen Personen / welche im Höllenpful bei den Verdamten und Gottlosen werden gefunden werden.“ „Nohtwendige Betrachtung der unaußsprechlichen Pein / Marter und Straffen / welche die Verdamten in der Höllen ewig müssen erleiden und außstehen.“ „Ernstliche Betrachtung der unendlichen Ewigkeit.“

Sterben (NHL 4,1–4,6): Nichtigkeit des menschlichen Lebens (4,2) – Bereitung zum Sterben (4,4) – Todesangst (4,5) – letzte Seufzer (4,6); Gericht (NHL 4,7–4,10): Gewissheit des Gerichts – Mahnung zur Buße – genaue Rechenschaft im Gericht – Urteilsspruch; Hölle (NHL 5,1–5,4): Ort – Personen – Strafen – Ewigkeit; Himmel (NHL 5,5–5,9): Verlangen nach dem ewigen Leben – Gewissheit des ewigen Lebens – Verklärung der Leiber – Verklärung der Seelen – himmlische Freude. Vgl. zum genauen Wortlaut der Überschriften auch die nachfolgenden Tabellen.

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I. Vorausgreifendes Sterbegedenken NHL 5,6 NHL 5,7

NHL 5,8 NHL 5,9

Wie magst du dich so kränken Ach Gott, wann kommt die liebe Zeit So sei nun wohl zufrieden Frischauf und lasst uns singen

555

„Fröliche Betrachtung der Gewißheit des zukünftigen ewigen Freüden=Lebens.“ „Liebliche Betrachtung der wunderbahren und herlichen Verklährung unserer Leiber im ewigen Leben.“ „Fröliche Betrachtung der himlischen Verklährung menschlicher Seelen.“ „Liebliche Betrachtung der unaußsprechlichen Freüde der Kinder GOttes / und worüber die Außerwehlten mit allen Engeln ewiglich werden jauchtzen.“

Im Falle der himmlischen Herrlichkeit wird die vorgegebene subjektive Bezugnahme auf den Gegenstand gelegentlich auch von der neutraleren „Betrachtung“ zum emphatischen „Verlangen“: HL 3,5

O Gott, was ist das für ein Leben

HL 3,10

O Gottes Stadt, o himmlisch Licht

NHL 5,5

O Blindheit, bin ich denn der Welt

„Sehnliches Verlangen / Nach der himlischen und unaußsprechlichen Herrligkeit des zukünfftigen ewigen Lebens.“ „Hertzliches Verlangen / Nach dem himlischen Jerusalem / und Erzehlung der grossen unaußsprechlichen Herrligkeit desselben.“ „Eines Gottseligen Christen sehnliches Verlangen und Begierde nach dem anderen und ewigen Leben.“

Fast in jedem Falle scheinen die „Betrachtung“ und auch das „Verlangen“ zeitlich nicht spezifiziert,68 etwa auf die Zeit des Sterbens selbst, auf Krankheit und Todesnot, die Rist in anderen Liedüberschriften – teilweise sogar alternativ mit dem Begräbnis – als konkreten Verwendungskontext vorgibt: HL 3,9

O Gott, der du mit großer Macht

NHL 4,4

Mein Seelichen, wenn willt du doch

NHL 4,5

Mein Gott und Vater, der du nicht Herr Jesu Christ, mein Trost und Licht

NHL 4,6

68

„Andächtige Hertzen=Seufftzer zu Gott / umb ein seliges Ende. Dieses Lied kan auch in sehr schweren Kranckheiten gesungen oder gebetet werden.“ „Eines Gott ergebnen Christen. Treühertzige Ermahnung an seine Seele / daß sie sich nunmehr freüdig zu einem seligen Abscheide solle schikken und bereit machen.“ „[Lied] Eines Christen / welcher mit Todesängsten hefftig wird gedrükket.“ „Andächtige letste Seüftzer eines fast in Todesnöthen ligenden Menschen.“

Eine Ausnahme bildet das Lied Es nahet sich der letzte Tag (NHL 4,3) mit der Überschrift: „Ernstliche Betrachtung des Elenden Zustandes Menschlichen Leibes im Tode und Absterben / auch wen Er in die Erde ist verscharret.“

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Teil C: Sitz im Leben

AHM 68. O Schöpfer aller Dinge

AHM 69. O Vater groß von Gnaden

„Sterbeliedelein Eines Todkranken Menschen / Welches auch bei Christlichen Begräbnissen kan gesungen werden“. „Ein ander Sterbelied / Welches so wol in Todesnöhten / als auch sonst bei Christlichen Begräbnissen nützlich [kann] gebrauchet […] werden“.

Während hier bestimmte Situationen in Todesnähe zur Verwendung angegeben sind, ist die „Betrachtung“ der letzten Dinge zeitlich nicht festgelegt: Sie kann und soll jederzeit stattfinden, mitten im Leben und in der häuslichen Andacht – „wie denn Ich für Meine Person / GOtt weiß es! fast alle Augenblikke mit Sterbens=Gedancken ümme gehe“69. Mit Hilfe der Vertonung durch namhafte Komponisten, auf die Rist so großen Wert legt, vor allem aber mit Hilfe der tatsächlichen musikalischen Ausführung durch diejenigen, die Andacht halten, wird der Effekt dieser Betrachtung auf die Erbauung des ‚inwendigen Menschen‘ im Sinne des Autors noch wesentlich gesteigert. Heinrich Albert, Arien Das zweite Beispiel für eine private Verwendung von Sterbeliedern, die weder jahreszeitlich noch biographisch motiviert ist, sind die 1638–1650 in acht Teilen erschienenen Arien von Heinrich Albert, aus denen zahlreiche Lieder in den Sterbelied-Rubriken der untersuchten Gesangbücher vorkommen. An den Arien lässt sich ein anderes Phänomen beobachten: Hier tauchen Sterbelieder auf, die ursprünglich bestimmten verstorbenen Königsberger Bürgern gewidmet waren. Mit der Aufnahme in die Arien werden sie quasi sekundär der privaten Andachts- und vor allem der Musizierpraxis zur Verfügung gestellt. Anders als bei Rist wurden die Arien nicht vom Autor, sondern vom Komponisten herausgegeben. Enthielten Rists Neue Himlische Lieder Textvertonungen unterschiedlicher Komponisten, so sind in den Arien Texte verschiedener Autoren vertreten – am häufigsten von Simon Dach, den Albert in seinen Vorreden zu den acht Einzelteilen als „vnser[n] Poeten“70 oder „meine[n] liebsten Freund[…]“71 bezeichnet, daneben aber auch von Robert Roberthin, Christoph Wilkow, Andreas Adersbach, Georg Mylius und vielen anderen, nicht zuletzt dem Komponisten Heinrich Albert selbst. Die meisten Stücke sind als Gelegenheitswerke zu Begräbnissen und Hochzeiten entstanden, zu einem goldenen Doktorjubiläum oder einem Besuch Martin Opitz’ in Königsberg.72 Diesem Umstand verdankt sich auch die Tatsache, dass hier gleicher69

70 71 72

Rist, Neue Himlische Lieder, Vorbericht fol. A 7v; in Anlehnung an Sir 7,40 heißt es weiter: „Ja fragstu / was nützen mir denn endlich die Sterbens= und Gerichts= die Höllen und Himmels Lieder? O lieber Mensch / über alle mahsse viel: Bedencke nur offt und vielmahls dise vier allerletste Dinge […] so wirstu dich in Wahrheit für mancher Sünde und Ubertretung zu deinem selbst eigenen / und zwahr höhesten Nutzen hühten und vorsehen.“ Albert, Arien 4, Vorrede fol. D 1v. Albert, Arien 7, Vorrede fol. G 1v. Vgl. zu den beiden letztgenannten Anlässen Arien 8,10 (entstanden 1645) und 2,20 (entstanden 1638).

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I. Vorausgreifendes Sterbegedenken

557

maßen geistliche wie weltliche Lieder enthalten sind, und zwar so, dass in jedem der acht Teile zunächst die geistlichen, dann die weltlichen Stücke stehen.73 Jeder Teil enthält zwischen 20 und 30 Stücken; insgesamt sind es 74 geistliche und 117 weltliche. Zwei Motive nennt Albert für die Veröffentlichung seiner Gelegenheitswerke: zum einen die Bekanntmachung der Texte; zum anderen das Drängen der Freunde. Er selbst formuliert: Ich bitte aber / man wolle nicht dafür halten / daß ich mit meinen Melodeyen gedächte grosse Kunst an den Tag zu geben […]; Sondern ich habe es gethan vmb der Worte willen / die mir nach vnd nach zu handen gekommen sind vnd wolgefallen haben / wie ich denn auch meistentheils von guten Freunden darumb bin ersucht worden.74

Zunächst sind es also die „Worte“, die „viel schönen Texte“ und „viel fürtrefflichen Reyme“ (meist seines verehrten Freundes Simon Dach), denen er durch die Herausgabe der Sammlung Ehre erweisen will. Bescheiden merkt Albert die Überlegenheit der Texte gegenüber seiner „meistentheils geringen vnd schlechten Arbeit“75 an: Aufgrund der Strophenform werde die Vertonung der Anforderung nicht gerecht, dass eigentlich „in den meisten Liedern billich ein jeglicher Vers seine eigene Noten haben solte“76. Die Mitglieder des Freundeskreises, in dem die Lieder entstanden sind, scheinen diese Kritik nicht geteilt zu haben. Vielmehr waren Alberts Kompositionen offenbar schon in der Zeit zwischen ihrem ursprünglichen Entstehungsanlass und der Herausgabe der Arien beliebt und in Gebrauch: „DIeser Lieder / so ich bey einer vnd anderer Gelegenheit gesetzet / haben sich gute Freunde etwan zur Andacht vnd Ergetzung gebrauchet.“77 Mit dem Zweck der „Andacht“ ist auf die geistlichen, mit „Ergetzung“ auch auf die weltlichen Werke angespielt. Um den Freunden den Gebrauch der verstreuten Gelegenheitswerke zu erleichtern, stellt Albert sie nun neu im Druck zusammen.78 Auch über den engeren Königsberger Kreis hinaus wurden Alberts Kompositionen geschätzt, so anscheinend von den beiden kurfürstlich brandenburgischen Prinzessinnen, denen der erste Teil der Arien zugeeignet ist. Als Vermittler nennt Albert 73

74

75 76 77 78

Das Nebeneinander der beiden Bereiche wird jeweils auch im Titel erwähnt („Erster Theil | der | Arien | Etlicher theils Geist=|licher / theils Weltlicher […] Lieder“ usw.). Eine spätere, von Ambrosius Profe herausgegebene Ausgabe (Leipzig/Brieg 1657) ordnete die Stücke der ersten sechs Teile neu an, so dass in einem ersten Teil nur die geistlichen, in einem zweiten die weltlichen Stücke zu stehen kamen. Albert, Arien 1, Vorrede fol. A 2v. In Arien 3, Vorrede fol. C 1v, lobt Albert „die Würde der viel schönen Texte“; nach Arien 4, Vorrede fol. D 1v, veröffentlich er die Sammlung „nur darumb / damit die viel fürtrefflichen Reyme / so hierinnen zu finden / auch anderweit (doch mit der Autoren Bewilligung) bekandt würden“. Albert, Arien 3, Vorrede fol. C 1v. Albert, Arien 4, Vorrede fol. D 1v; vgl. fast gleichlautend Arien 3, Vorrede fol. C 1v. Albert, Arien 1, Vorrede fol. A 2v. Der Vorrede des 4. Teils der Arien (fol. D 1v) zufolge hat die Veröffentlichung den Zweck, „etlichen guten Freünden / die bißhero an meinen geringen Weysen / über Verdienst / ein Gefallen tragen / so weit zu dienen vnd zu willfahren / damit Sie nun solcher Lieder eine zimliche Anzahl […] fein beysammen haben vnd zu jhrer Ergetzung gebrauchen möchten.“

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Teil C: Sitz im Leben

den Musiker Walther Rowe.79 Zwei Königsbergern und einem Lübecker Bürger ist der siebte Teil der Arien gewidmet; sie haben Alberts Stücke der Dedikation zufolge bereits „zum öfftern mit trefflicher Beliebung gelesen / gesungen / zum theil auch selbsten / sonderlich Ihr Herr Krehl / gespielet vnd euch damit belustiget“80. Bei aller Bescheidenheit kann Albert also darauf verweisen, dass seine Stücke „allbereit hin vnd wieder / vielleicht uber Verdienst / angenommen vnd beliebet worden“ – Grund genug, sie den Interessierten zu weiterem Gebrauch zugänglich zu machen, auch wenn „ich mir die Thorheit nicht einbilde / daß […] solche so gut vnd köstlich weren / daß sie nach vns bleiben solten“81. Das allseits große Interesse an den Arien, das fast allen Teilen des Werkes innerhalb weniger Jahre mehrere Auflagen bescherte und trotz diverser Privilegien eine ganze Reihe von Raubdrucken hervorrief,82 scheint demnach primär musikalischer Natur zu sein: Die Stücke sind zum gemeinsamen Singen und Musizieren im privaten Kreis nicht nur geeignet, sondern offensichtlich auch beliebt. Entsprechend gibt der Komponist in den Vorreden praktische Hinweise zur musikalischen Umsetzung: Er beschwert sich über gelegentlich anzutreffende Unzulänglichkeiten der Ausführung („wie possierlich vnterweilen damit gehandelt wird“83) und macht Angaben über die von ihm gewünschte Besetzung der zwei- bis fünfstimmigen Sätze: Vnd so jhr ihnen [diesen Liedern] die Ehre anthut sie hören zu wollen / müsset jhr zuförderst einen haben / der nach Gelegenheit seines Instruments mit dem General=Basse recht wisse umbzugehen […]. Nachmals euch eines Singers gebrauchen / der nebenst anderer Erfordernüß / die Worte deutlich vnd wol herauß bringe […]. Könnet jhr einen Violon dabey haben / werden solche Lieder vmb so viel bessere Verrichtung thun.84

Häufig ist nur der Diskant mit Text – und zwar ausschließlich dem der jeweils 1. Strophe85 – unterlegt; anstelle von Begleitinstrumenten wie Flöte, Violine oder Viola können aber auch die übrigen Stimmen mit Sängern besetzt werden.86 Da 79

80 81 82

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84 85

86

Nach Alberts Dedikation an die Prinzessinnen Luise Charlotte und Hedwig Sophie ist ihm zum 1. Teil der Arien (fol. A 2r) zu Ohren gekommen, dass diese seine Stücke „zum theil so gnädigst gewürdiget / daß Sie solche nicht allein gerne musiciren vnd singen hören; sondern auch ein gnädigstes Belieben getragen / etliche aus jhnen zu Dero Hoch=Fürstlichem Lust vnd Ergetzung selbsten zu studiren vnd sich bekannt zu machen / welches denn durch die gute Anleitung der Kunstreichen Hand des berühmten Musicanten Walther Rowen […] leichtlichen geschehen mögen“. Albert, Arien 7, Dedikation fol. G 1v. Albert, Arien 5, Dedikation fol. E 1v. So klagt Albert, der die Arien im Selbstverlag herausbrachte, in der Vorrede zum 8. Teil (fol. H 1v), dass ihm sein „einiges Schäfflein / das mir Milch und Wolle geben könte“, von habgierigen Zeitgenossen weggenommen werde, „deren doch ieder sehr viel Schafe und Rinder hat“; vgl. a. Vorrede zum 7. Teil. Albert, Arien 3, Vorrede fol. C 1v; weiter: „Man spielt / singt / fiedelt vnd pfeifft mannichmal ein Lied immer in unisono auch wol gar in der octavâ hinweg / biß es zu ende gebracht wird; Dieses kan einem guten Musico gar nicht gefallen“. Albert, Arien 1, Vorrede fol. A 2v. Vgl. a. Arien 3, Vorrede fol. C 1v In Ambrosius Profes Quart-Ausgabe der Arien von 1657 wurde dies geändert: Hier sind jeweils alle Strophen unterlegt; allerdings wurden zugleich die Mittelstimmen weggelassen, also nur Diskant und Bass gedruckt. Vgl. Albert, Arien 2, Vorrede fol. B 1v: „Vnd ist zwar vnschwehr zuersehen / daß selbige Lieder numehro nicht allein Voce Sola (nach redens=Ahrt der Musicanten) könne[n] gesungen vn[d] auß de[m] General=Baß gespielet; sondern auch mit 5. Stimmen / ohne Instrument / musiciret werden“.

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I. Vorausgreifendes Sterbegedenken

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der Generalbass in seinen Kompositionen eine tragende Rolle spielt, hat Albert im 2. Teil der Arien den „anfahenden Musicis […] die sich etwa nicht so bald hierein finden möchten […] eine einfeltige Beschreibung des GeneralBasses / vnd was zum Spielen desselben gehörig / hier beygefüget.“87 An dieser Stelle wird besonders deutlich, dass die Arien sich wohl gerade unter musikalischen Laien einiger Beliebtheit erfreuten. Ähnlich wie bei Rist wird man freilich auch sie im gebildeteren Bürgertum zu suchen haben. Auch wenn bei Alberts Zeitgenossen das musikalische Interesse an den Arien im Vordergrund zu stehen scheint, dürften doch die „viel schönen Texte“ nicht nur beim Komponisten, sondern auch bei den Benutzern seines Werkes Beachtung gefunden und ihnen beim Musizieren zu „Andacht vnd Ergetzung“ (s. o.) gedient haben. Den Titelseiten der einzelnen Arien-Teile zufolge sollen Lieder und Reime „zur Andacht / guten Sitten / Keüscher Liebe vnd Ehren=Lust“88 dienen, eine Angabe, die die unterschiedlichen Sparten von geistlichen und weltlichen, Sterbe-, Hochzeits- und Trinkliedern abbildet. Die Sterbelieder bilden in der Sammlung eine bedeutende, unter den geistlichen Liedern sogar die größte Gruppe: Mehr als die Hälfte der 74 geistlichen Lieder in den Arien sind Sterbelieder. 31 von ihnen sind innerhalb des Werkes namentlich als Beerdigungslieder für bestimmte Personen gekennzeichnet; tatsächlich dürfte die Zahl der Lieder solchen Ursprungs bei weit mehr als der Hälfte der geistlichen Lieder liegen, wie nicht nur die Prominenz entsprechender Themen in den nicht gekennzeichneten Liedern, sondern in manchen Fällen auch entsprechende frühere Nachweise zeigen.89 23 von den 74 geistlichen Liedern der Arien sind zudem als Sterbelieder in eines oder mehrere der oben untersuchten Gesangbücher übernommen worden. Besonders viele Sterbelieder gibt es im 7. Teil der Arien (1648): 14 von 25 Liedern sind hier namentlich gekennzeichnete Beerdigungslieder. Als Zweckbestimmung im Titel wird hier für die geistlichen Lieder (statt der bisher verwendeten knappen Rede von der „Andacht“) ausgeführt, sie sollten „zum Trost in allerhand Creütz vnd Widerwertigkeit / wie auch zur Erweckung seeligen SterbensLust“ beitragen. In der Widmungszuschrift werden „die liebe Musica vnd Poeterey […] als zwo gleich gezierte Schwestern“ unter den „Menschlichen Ergetzungen“ gepriesen, die „so wol zur Andacht vnd Lobe GOttes / als auch unterweilen / zum mercklichen Trost unserer angefochtenen Gemüter“ dienen könnten.90 Sowohl der Trost in Anfechtung als auch die Weckung der „SterbensLust“ haben demnach in der privat-geselligen Musizierpraxis einen Sitz im Leben. Die unmittelbare Nachbarschaft von geistlichen und weltlichen Gesängen innerhalb der Arien entspricht der unmittelbaren Nähe 87 88 89

90

Albert, Arien 2, Vorrede fol. B 1v. Arien 2, fol. B 1r; ebenso in den Titeln des 1. und 3. bis 6. Teils. Vgl. nur einige wahllos herausgegriffene geistliche Lieder Dachs aus den Arien: °Alles läuft mit mir zum Ende (SDG III 51., Nachweis S. 467 = Arien 3,5); Was hat ein frommer Christ doch Not (SDG III 27., Nachweis S. 464 = Arien 3,8); Du siehest, Mensch, wie fort und fort (SDG III 37., Nachweis S. 465 = Arien 4,2); Herr, es mangelt nicht an dir (SDG III 45., Nachweis S. 466 = Arien 6,5) usw. Albert, Arien 7, Dedikation fol. G 1v.

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Teil C: Sitz im Leben

von Lustbarkeit und „Sterbens=Gedancken“ in der Praxis ihres Gebrauchs. Albert skizziert diese Nähe in der Vorrede zum 3. Teil: Es dienen aber diese Lieder sonderlich für Junge Leute / sich damit vnterweilen zuerlustigen. Vnd weil es zugeschehen pflegt / daß jhnen offtermahls auch mitten in der Frölicheit / vorauß / wenn es wor ein wenig nicht nach jhrem Willen geht / sonderbare Sterbens=Gedancken zu fallen / alß werden sie auch in diesem / wie in den vorhergehenden vnd folgende[n] Theilen finden / was dießfals jhre Andacht nicht wenig befördern wird.91

Die „Andacht“ über „Sterbens=Gedancken“ war in Königsberg also nicht auf die Frömmigkeitsübung des Einzelnen beschränkt, sondern konnte auch beim geselligen Musizieren unter Freunden unvermittelt auftauchen. Die von Albert vertonten Texte Dachs und anderer, die ursprünglich für Begräbnisse bestimmt gewesen waren, boten sich dann als Medium an, in dem diese Andacht vollzogen werden konnte.

3. Zusammenfassung Sterbelieder wurden im 17. Jahrhundert nicht nur am Sterbebett und beim Begräbnis verwendet; vorausgreifendes Sterbegedenken, zu dem auch das Singen von Sterbeliedern gehörte, hatte in verschiedenen Zusammenhängen des kirchlichen und privaten Lebens seinen Ort. Im Kirchenjahr waren dies bestimmte Sonn- und Gedenktage, deren Evangelien- und Epistellesung auch abseits der großen Feste auf die letzten Dinge (Tod, Auferstehung, Gericht) verwies. Sterbelieder wurden bevorzugt an Mariä Reinigung, am 16. und 24. Sonntag nach Trinitatis gesungen, Lieder vom Gericht am 2. Adventssonntag und am 25. bis 27. Sonntag nach Trinitatis. Neben den ‚Kernliedern‘ der Reformationszeit (Mit Fried und Freud ich fahr dahin, Mitten wir im Leben sind), die nach den Festregistern im sonntäglichen Gottesdienst als Graduallied ‚de tempore‘ gesungen wurden, spiegelt sich das thematische Profil der Sonntage auch in den Evangelien- und Epistelliedzyklen, die seit 1550 und vermehrt im 17. Jahrhundert entstehen. Ihr Sitz im Leben ist die häusliche Andacht, etwa zur Vor- und Nachbereitung des Hauptgottesdienstes. Auch unabhängig vom Kirchenjahr ist das Bedenken des eigenen Endes ein wichtiger Gegenstand der Privatandacht lutherischer Christen im 17. Jahrhundert, allein oder in Gemeinschaft. Vollzogen wurde das Memento mori – vorwiegend von gebildeten Personen – nicht zuletzt im Schreiben, Lesen, Beten, Singen und Musizieren von Sterbe- und Ewigkeitsliedern. Gräfin Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, Dichterin des Liedes Wer weiß, wie nahe mir mein Ende, zelebrierte mehrmals täglich eine Privatandacht mit eigenen oder älteren Sterbeliedern; mit der Sterbesehnsucht verband sie eine innige Abendmahls- und Jesusfrömmigkeit. Für Johann Rist gehörte die „Betrachtung“ der letzten Dinge samt dem „Verlangen“ nach dem Himmel zu jenem Programm der Erbauung des „inwendigen Menschen“, das er mit 91

Albert, Arien 3, Vorrede fol. C 1v.

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II. Am Sterbebett

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seinen Himlischen Liedern verfolgte und zu dessen Umsetzung die Musik wesentlich beitragen sollte. Heinrich Alberts Arien, von denen viele ursprünglich für Begräbnisse entstanden waren, wurden von Gebildeten in Königsberg in geselliger Runde musiziert. Das Sterbegedenken, das in den Texten Simon Dachs eine zentrale Rolle spielt, war dabei häufig präsent. In Text und Musik wirkten die geistlichen Arien auf die „Andacht“ von Musizierenden und Zuhörern. Die Rede vom ‚vorausgreifenden‘ Sterbegedenken kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Grenze zur unmittelbareren Sterbebereitung fließend sind. Auch wenn in vielen Fällen kein aktueller biographischer Anlass greifbar ist, ist das vorausgreifende Sterbegedenken im Charakter der unmittelbaren Konfrontation mit dem Tod auf dem Sterbebett sehr verwandt. Indem man sich, u. a. im Medium des Liedes, an die eigene Sterblichkeit erinnerte, war man dem Tod so nah, als stünde er unmittelbar bevor. Durch die Omnipräsenz von Todesfällen, von Krieg und Krankheit, aber auch durch den permanenten Vollzug des Sterbegedenkens wurde schon das Leben zum ‚langen und stets nahen Tod‘ (Ariès).

II. Am Sterbebett Der Sitz im Leben, der bei der Bezeichung ‚Sterbelied‘ vielleicht am nächsten liegt, ist der am Sterbebett: in der letzten Krankheit oder in der Todesstunde. Die inneren Nöte, die dieser Situation zugeschrieben werden, wurden oben in Teil B, V. anhand der Liedtexte ausführlich dargestellt. Auf sie bezieht sich der in vielen Fällen angegebene Verwendungszweck, ein Lied sei „in Todesnöthen“ zu singen (z. B. Rist, NHL 4,6; vgl. S. 555). Im Kontext welcher äußeren Vollzüge ein solches Singen vorstellbar ist, soll nun – wiederum exemplarisch – untersucht werden. Welche Vorgaben dem Seelsorger in Kirchenordnungen und sonstigen Anleitungen gemacht werden, wird in einem ersten Teilabschnitt skizziert (1.), bevor der typische Ablauf des Sterbens anhand der Sterbeberichte aus Leichenpredigten dargestellt wird (2.). Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den berichteten Sprech- und Kommunikationsvorgängen, die den oben gefundenen liedtext-internen Sprechsituationen teilweise analog sind. Bemerkungen über die gesprochene oder gesungene Ausführung der Lieder selbst runden den Abschnitt ab (3.).

1. Vorgaben für die pastorale Praxis der Sterbeseelsorge Schon im NT wird der Krankenbesuch nicht nur als allgemeines Erfordernis christlicher Liebe verstanden (vgl. Mt 25,36.43), sondern auch als konkrete Aufgabe innerhalb der christlichen Gemeinde, deren Wahrnehmung den Ältesten obliegt (Jak 5,14). In der damit begründeten christlichen Tradition, wie sie auch im deutschen Luthertum des 16. und 17. Jahrhunderts üblich war, wird der Krankenbesuch zur Aufgabe

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Teil C: Sitz im Leben

des Pfarrers. Krankenbesuch und Sterbebegleitung gehören dabei eng zusammen. Das zentrale liturgische Element in der Seelsorge an Kranken und Sterbenden ist die Feier des Abendmahls, beginnend mit dem Sündenbekenntnis in der Beichte. Zum Sakrament kommt das Wort des Evangeliums, das der Seelsorger dem Sterbenden zuspricht: Durch Belehrung, Trost und Mahnung soll der Kranke in der Anfechtung gestärkt und zum Sterben angeleitet werden. Der Gestaltungsspielraum des Pfarrers ist zwar so groß, dass er bei Bedarf auch mit dem Gesetz drohen kann; letztlich maßgebend ist jedoch den meisten Anleitungen zufolge der Trost des Evangeliums. Anhand einiger Beispiele sollen die Vorgaben für die pastorale Praxis der Sterbeseelsorge in Kirchenordnungen und Handbüchern skizziert werden. a) Kirchenordnungen In den reformatorischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts wird der Krankenbesuch vielerorts dem Pfarrer als pastorale Basisaufgabe zugewiesen, deren gewissenhafte Handhabung etwa bei Visitationen abzuprüfen ist.1 Die reformierte kurpfälzische Kirchenordnung von 1601 betont, zu den pfarramtlichen Aufgaben gehöre nicht nur die öffentliche Predigt, sondern auch die individuelle seelsorgliche Zuwendung zum einzelnen Gemeindeglied. Besonderer Unterstützung bedürften die Kranken und Sterbenden, da ihre Gewissen in besonderer Weise der Anfechtung durch den Satan ausgesetzt und von Verzweiflung bedroht seien.2 Der Schwarzburger Kirchenordnung von 1574 zufolge ist wesentlich, dass der Pfarrer sich auch auf eine längere Begleitung einrichtet und nicht nur punktuell zu einem einzelnen Besuch erscheint.3 Einige Kirchenordnungen enthalten Formulare für das Krankenabendmahl, etwa die Gemeindeverordnung für Meißen und das Vogtland von 1533, in der zunächst die Anrede des Pfarrers an den Kranken und anschließend das von ihm nachzusprechende Sündenbekenntnis wiedergegeben wird. Das Abendmahl soll dabei „zu trost und sterkung euers gewissens in diser euer krankheit“4 dienen. Gegebenenfalls soll der Pfarrer darauf drängen, um dem Sterbenden nur ja einen rechtzeitigen Empfang des Sakraments zu gewährleisten. So heißt es im Kirchenordnungsmandat für die Markgrafschaft Baden 1601: 1 2

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Vgl. z. B. KO Merseburg 1544 (Sehling II, 12) u. a. Vgl. KO Kurpfalz 1601, 242: „DAs ampt / eines rechten vnd getrewen Kirchendieners / erfordert nit allein / daß er offentlich dem volck / dem er zum hirten verordnet ist / predige / Sondern auch so viel es jmmer möglich / einen jeden insonderheit vermahne / straffe vnd tröste. Nun hat aber der mensch der Göttlichen lehr / vnd waren trostes nimmer mehr vnd höher von nöthen / denn wenn er von Gott heimgesucht wird / mit widerwertigkeit vnd kranckheit: Fürnemlich aber in todes nöthen. Denn als dann / ist sein gewissen mehr geängstiget / denn sonst im gantzen leben / dieweil er fühlet / daß er für das Gericht Gottes erfordert wird: Auch von wegen der anlauff vnd anfechtung des Teuffels / welcher dem menschen als dann mit gewalt zusetzt / auff daß er das arme krancke vnd betrübte hertz / gar vnterdrucken / vnd endlich in abgrund der verzweiffelung stürtzen möge.“ Vgl. KO Schwarzburg 1574 (Sehling II, 136): „Lassen es auch dabei nicht wenden, das sie zu einemmal bei den kranken gewesen, sondern dieweil sie spüren, das er trost und ermahnung bedarf bis an sein ende, so ersuchen sie solchen kranken, so oft als es von ihnen begehret wird.“ Gemeindeverordnung und Visitationsartikel für Meissen und Vogtland 1533 (Sehling I, 192).

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II. Am Sterbebett

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Die Kirchendiener sollen, der beschickung unerwartet, die krancken für sich selbs besuchen und dieselben zum Tisch deß Herren zuermahnen undt zubereiten nicht underlaßen. Beneben die leuth bißweilen erinnern, wan sie von dem Allmächtigen mit Kranckheit heimgesucht, sich bezeiten zum Sterbstündlein gerüst zumachen und nicht biß die Seel, wie man sagt, auff der Zungen hupfft, zuverzihen.5

Demselben seelsorglichen Interesse wie die Ermahnung zum Abendmahl entspringt die Vorgabe, die Sterbenden auch dann zu besuchen, wenn gar nicht nach dem Pfarrer geschickt wurde („der beschickung unerwartet“): Es ist Aufgabe des Seelsorgers, den Patienten auf seinen Tod vorzubereiten, auch wenn dieser sich vielleicht noch gar nicht selbst damit auseinandersetzen möchte. Konkrete inhaltliche Vorgaben für Trost und Mahnung durch den Pfarrer finden sich ebenfalls in manchen Kirchenordnungen. So stellt die Kirchenordnung Herzog Heinrichs von Sachsen von 1539 Pfarrern eine Art Argumentationsschema für die Krankenseelsorge bereit („Wie man kranke leute berichten und trösten sol“). Die Krankheit des Leibes wird dem Menschen demnach um der Sünde willen von Gott zugeschickt; gegen die Verzweiflung sei ihm in Wort und Sakrament das Evangelium gegeben, das die Sünde hinausfegt. Krankheit und Tod seien daher nicht als Ausdruck des göttlichen Zornes, sondern der Gnade zu verstehen, nämlich insofern, als sie den Menschen zu wahrer Buße und Glauben leiteten – und damit zur Befreiung von der Sünde durch Christus. Die Gewissheit dieser Gnade sei in der Anfechtung durch Krankheit und Tod der entscheidende Trost, der die Ergebung in Gottes als gnädig erkannten Willen leicht mache.6 Andere Kirchenordnungen unterscheiden zwischen jenen, die zunächst noch mit dem Gesetz erschreckt werden müssen, und jenen, denen gleich der Trost des Evangeliums zugesprochen werden kann; dies Letzere ist etwa dann der Fall, wenn die Krankheit schwer und der Tod nahe ist.7 Auf die individuelle Situation des Sterbenden zu reagieren, gehört also zu den Aufgaben des Seelsorgers – dies gilt für die Bedenklichkeit seines äußeren Krankheitszustands ebenso wie für seine seelische Befindlichkeit. Auch die Straßburger Kirchenordnung von 1601 fordert vom Kirchendiener beim Krankenbesuch, er solle darauf achten, welche „Beschwerde vnd Beküm[m]ernuß“ den Kranken bedrücke: „Ob er jhme allein den leiblichen Schmertzen 5

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KO-Mandat Baden 1601 (Sehling XVI, 554); vgl. KO Straßburg 1601, 246: „Es sollen aber die Kirchendiener die Leute vermanen / daß sie in jhrer Kranckheit / mit dem Begeren deß heil. Abendmals / nicht biß auf die letzte Not verziehen / Sondern sich bei der zeit laßen anzeigen / Damit sie zuvor verhöret / vnterrichtet / vnd getröstet mögen werden.“ Vgl. KO Herzogtum Sachsen 1539 (Sehling I, 269f). Die KO Kurpfalz 1601, 245 empfiehlt die Ergebung in Gottes Willen ebenfalls als wesentliche Quelle des Trostes (Sehling XIV, 578). Vgl. KO der Cellischen Ordnungen für das Herzogtum Sachsen 1545 (Sehling I, 299f): „Ein gelerter pfarer sal achtung darauf geben, wo die krankheit nicht so gar ferlich […] were, | alsdann möchte in [den Kranken] der pfarer mit dem gesetze ein wenig schrecken, und darnach wider trösten. Wo aber die krankheit schwer und ferlich erkant, sol er ihn trösten, das diese krankheit sei ein zeichen des genedigen willen gottes und ihme furhalten andere spruche mehr, von gottes barmherzikeit, auch mit der auferstehung der toden ein tröstliche hofnung machen.“ Der KO Kurpfalz 1601, 244 (Sehling XIV, 577) zufolge soll der Geistliche je nach Gewissenszustand des Kranken entweder der Reue durch Gesetzespredigt nachhelfen oder die Gewissensqual durch Evangeliumspredigt lindern.

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Teil C: Sitz im Leben

laß anligen / Oder ob er auch vmb der Sünden / vnd vmb der Verdamnuß halben / Beschwerd trage.“8 b) Anleitungen für die pastorale Praxis: Entwicklungsstationen und ein Beispiel (1603) Anleitung für die Seelsorge bei Sterbenden geben neben Kirchenordnungen die Handbücher für die pastorale Praxis. Solche Anleitungen greifen schon auf eine mittelalterliche Tradition zurück, von der hier nur die prominentesten Vertreter genannt seien: Eines der wirkmächtigsten und ältesten Zeugnisse sind die sogenannten ‚Anselmischen Fragen‘ (Admonitio morienti et de peccatis suis nimium formidanti).9 Ihre Zuschreibung an Anselm von Canterbury (1033–1109) ist nicht gesichert; gleichwohl dienten sie über Jahrhunderte als Vorbild für entsprechende Werke zur Sterbeseelsorge. In zwei Reihen von Fragen – die eine für Mönche, die andere für Laien – wird der Sterbende vom Priester zur Reue ermahnt und im Vertrauen auf die im Tod Christi geschenkte Barmherzigkeit bestärkt.10 Auch die gleichfalls nachhaltig wirkende Ars moriendi von Johann Gerson (1363– 1429) im dritten Teil des Opus tripartitum von 1408 ist als pastorale Handreichung für die Seelsorge an Sterbenden zu verstehen.11 Sie beginnt: „Si veraces fidelesque“ und ist ihrerseits in vier Teile geteilt, von denen die ersten beiden, Ermahnungen (Exhortationes) und Fragen in der Tradition des Anselm (Interrogationes), direkt an den Sterbenden gerichtet sind. Der dritte Teil enthält Gebete (Orationes), der vierte praktische Vorschriften (Observationes) für den Umgang mit dem Sterbenden durch den Priester. Während Anselm vor allem das getroste Vertrauen auf den Tod Christi in den Vordergrund stellt, betont Gerson die Notwendigkeit der Buße und die Einübung einer reuigen Haltung wegen der Sünde.12 Im Gefolge Gersons entstanden zwei anonyme Werke, die während des 15. Jahrhunderts große Verbreitung erlangten: Die knappe Ars moriendi mit dem Incipit „Quamvis secundum philosophum“, die in der illustrierten Fassung mit den berühmten, lange Zeit dem 8 9

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KO Straßburg 1601, 245. Vgl. PL 158, 685–688. Vgl. Appel, Anfechtung, 67–71; Rudolf, Ars moriendi, 57–59; Richter, Ars moriendi, 295–298 (Lit.). Noch älter sind die Zeugnisse bei Regino von Prüm († 915, Trost- und Mahnreden) und Burchard von Worms (um 965–1025, bereits in Frageform). Aus der Fragenreihe für Mönche (PL 158, 685f): „Interrogatio. Laetaris frater, quod in fide Christiana moreris? – Responsio. Gaudeo. – I. Gaudes quod moreris in habitu monachico? – R. Gaudeo. – I. Fateris te tam male vixisse, ut meritis tuis poena aeterna debeatur? – R. Fateor. – I. Poenitet te hoc? – R. Poenitet. – I. Habes voluntatem emendandi, si spatium haberes? – R. Etiam. – I. Credis quod Dominus Jesus Christus pro te mortuus est? – R. Credo. – I. Agis ei gratias? – R. Ago. – I. Credis te non posse nisi per mortem ipsius salvari? – R. Credo.“ Mir lag keine der Ausgaben von Gersons Opera Omnia des 18. Jahrhunderts vor (Antwerpen 1726; Den Haag 1728), dafür zwei Wiegendrucke, dessen einer das gesamte Opus tripartitum enthält (UBT Inc Gb 708; Druck: Urach 1481), der andere nur den dritten Teil (UBT Inc Gb 205; Druck: 1482). Vgl. Appel, Anfechtung, 72–75; Rudolf, Ars moriendi, 65–68; Richter, Ars moriendi, 308–311. Gerson, Opus tripartitum 3,1 (zit. nach UBT Inc Gb 205): „Sollicite cogita te in vita tua plurima delicta p[er]petrasse quibus penam ferre meruisti. vnde et hui[us] i[n]firmitatis et mortis penas pacienter tollerare debes rogans deu[m] vt p[rae]sentis doloris acerbitas remissione[m] op[er]etur peccato[rum]. et purgatorii horribilis cruciatus in hanc afflictionem tua[m] per suam misericordiam c[om]mutetur. Tollerabili[us] est na[m]q[ue] hic p[rae]sencialiter q[ua]m in futuro puniri.“

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II. Am Sterbebett

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Meister E. S. zugeschriebenen Holzschnitten auch als Bilderars bekannt ist,13 und das ausführlichere Speculum artis bene moriendi, als dessen Verfasser Rainer Rudolf Nikolaus von Dinkelsbühl ansieht.14 Die wichtigste Neuerung dieser beiden Werke besteht in der Einführung der Reihe von fünf Anfechtungen des Teufels (Versuchung im Glauben, Verzweiflung, Ungeduld, geistlicher Hochmut und Habgier bzw. Hängen am Irdischen), die der Sterbende durch entgegengesetzte Eingebungen der Engel meistert.15 Der inhaltliche Schwerpunkt in der Sterbeseelsorge verschiebt sich damit wiederum: Stand bei Gerson die Mahnung zur Buße im Zentrum, ist es hier der Trost in der Anfechtung.16 Viele reformatorische Sterbebüchlein aus dem 16. Jahrhunderts führen nach den Forschungen von Luise Klein das pastorale Anliegen weiter.17 Die von ihr postulierte Zuordnung der beiden Optionen der Sterbeseelsorge erscheint allerdings fraglich: Indem sie die Betonung von Buße, Reue und Sündenerkenntnis als kennzeichnend für die pastorale Anweisung ansieht, scheint sie den Anfechtungstrost geradezu als untypisch für diesen Kontext zu betrachten.18 Ein Beispiel vom Beginn des 17. Jahrhunderts zeigt das Gegenteil: Das Manuale des württembergischen Hofpredigers Felix Bidembach (1603) enthält als 5. Teil einen „kurtze[n] Bericht / vor die junge Ministros Ecclesiae: Wie mit Krancken vnd sterbenden zuhandlen“19. In dieser Anleitung verbindet Bidembach ausdrücklich beide Anliegen, das der Bußmahnung und das des Trostes. Sie haben im dreigeteilten Verlauf20 des Krankenbesuchs jeweils an unterschiedlicher Stelle ihren Ort: Die „Erinnerung zur Buß“ und „die hertzliche Bekandtnus der Sünden / auch wahre Rhew vber dieselben“21 stehen vor dem 13

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Vgl. Rudolf, Ars moriendi, 69–74; Richter, Ars moriendi, 311–316. Literaturangaben zur Bebilderung bei Richter, 312 Anm. 104. Vgl. Rudolf, Ars moriendi, 75–82; Richter, Ars moriendi, 316–318. Versuchungen (temptationes) der Bilderars nach Rudolf, Ars moriendi, 71–74: Temptatio de fide; de desperatione; de impatientia; de vana gloria; de avaritia. Tröstliche Eingebungen (inspirationes): Inspiratio de fide; de spe; de patientia; contra vanam gloriam; contra avaritiam. Zu dieser Profilierung vgl. Klein, Bereitung, 14–16. Unmittelbar aus der pastoralen Praxis der Beichte am Sterbebett stamme demnach die erstere Variante (Gerson), die primär auf Buße bzw. Reue und nicht auf Trost abzielt. Die von Klein postulierte größere Nähe zur pastoralen Praxis mag zwar auf die literarische Gestalt zutreffen (Exhortationes, Interrogationes usw.); sie ist aber nicht inhaltlich zu begründen, und wohl kaum kann daraus im Gegenzug eine Praxisferne der zweiten Variante (Bilderars; Speculum) gefolgert werden, die zudem in den Pestzeiten des 15. Jahrhunderts nicht nur von Priestern, sondern – in volkssprachlicher Übersetzung – auch von Laien reichlich gebraucht worden sein dürfte (vgl. Rudolf, Ars moriendi, 9; Richter, Ars moriendi, 313). Vgl. Klein, Bereitung, 84–106. Laut Kleins Befund legen diejenigen Sterbebüchlein, die als pastorale Anweisung zu lesen sind, den Schwerpunkt auf den Aspekt der Sündenerkenntnis, nicht des Trostes. Ein Grund dafür liegt sicher darin, dass viele Texte deshalb als pastorales Formular erkennbar sind, weil sie einen quasi-liturgischen Vollzug beschreiben. Der hauptsächliche liturgische Vollzug beim Krankenbesuch ist der Empfang des Abendmahls, dem die Beichte und damit die Sündenerkenntnis vorausgehen (vgl. a. Klein, Bereitung, 102). Das Trostthema ist damit vom Krankenbesuch keinesfalls ausgeschlossen. Bidembach, Manuale, 641 (5. Teil: 641–721). In seinem systematischen Aufriss (Manuale, 642) unterscheidet Bidembach zwischen Initium, Medium und Finis des Besuches: Die Coena Domini steht in der Mitte; ihr voraus gehen Begrüßung, Sündenerinnerung und Buße; im Anschluss folgen Exhortationes, Consolationes und Extrema adminicula (letzte Hilfsmittel). Bidembach, Manuale, 650.652.

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Teil C: Sitz im Leben

Abendmahl, in Vorbereitung bzw. anstatt der Beichte; die „Consolatio“ erfolgt im Anschluss daran. Beide Aspekte stehen also nebeneinander. Allerdings erhält der Trost in Bidembachs Vorschlag das letzte Wort und quantitativ ein deutliches Übergewicht. Qualitativ wird er viel feiner ausdifferenziert als die Sündenerkenntnis: Zum einen soll der Pfarrer den Kranken schon direkt im Anschluss an das Abendmahl daran erinnern, welcher Trost ihm daraus zuteil wurde: die Gewissheit der Sündenvergebung und der Beistand des Herrn im Viaticum, der „Wegzehrung / auff dem Weg zum ewigen Leben“22. Zum zweiten ist der Trost auch in den „Exhortationes“23 des 4. und 5. Kapitels eine maßgebliche Kategorie: „Trost / wider alle Vngedult“, ist das 4. Kapitel überschrieben.24 Besonders breiter Raum wird zum dritten jenem Trost im speziellen Sinne geschenkt, dessen Wesen in der Überwindung der Anfechtung liegt (vgl. S. 314–316). In der Übersicht bezeichnet Bidembach die drei diesbezüglichen Kapitel als „Consolationes pro ratione tentationum“. Drei ‚tentationes‘ werden, samt zahlreichen Trostsprüchen, genannt, wobei die lateinischen Angaben der thematischen Übersicht mit den Kapitelüberschriften nicht genau deckungsgleich sind: zunächst die Anfechtung „de Peccato admisso“ (Kapitel 6: „Trost / wider Sünd / Teuffel / Höll / vnd Jüngste Gericht“25), dann die Anfechtung „de Praedestinatione“ (Kapitel 7: „Trost vnser Erwöhlung vnd Gewissen Kindschafft halben“26) und diejenige „de Perseuerantia finali“ (Kapitel 8: „Trost / wider allen Zweifel am letsten Ende. De Perseverantia finali“27). Der Trost als Kampf gegen die Anfechtung gehört nach Bidembach zu den wichtigsten Aufgabe des Kirchendieners in der Sterbeseelsorge: Derentwegen / wa sich solliche Anfechtung befündet / muß ein Kirchendiener seinen grösten fleiß thun / die geängstigte Seelen dem Satan auß dem Ra=|chen zureissen : vnd zuvorderst dem Angefochtenen zu vermelden / daß es kein böses anzeigen / wann jhme seine Sünden schwehre Gedancken machen […] Dan[n] diß ein anzeigen / daß man Gott

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Bidembach, Manuale, 663; zuvor: „eine feine kurtze Erinnerung […] von dem sonderbaren herrlichen Trost / welchen der Krancke ausser dieser Speise / vnd sonderlich der Gegenwart des wahren Leibs vnd Bluts Christi haben möge: daß er nämlich zuuorderist der Vergebung seiner Sünden gewiß sein möge: seitemal den Leib vnd das Blut er im Abendmal empfangen / welche Christus für jhne auffgeopffert vnd dargegeben habe.“ Nach der Übersicht Bidembach, Manuale, 642: „Exhortationes ad Patientiam, Praesertim, si morbus sit Grauis [vel] Diuturnus“ (Kapitel 4); „Exhortationes ad Mortem alacriter obeundam: si Deo ita videatur“ (Kapitel 5). Im Einzelnen werden folgende Trostargumente wider die Ungeduld genannt und mit zahlreichen Bibelstellen belegt (Bidembach, Manuale, 665–671): 1. „Gott kennet vnd weist vnserer Schmertzen / was wir leiden / vnd ist mitten in der Not bey vns.“ 2. „Das Leiden kan vns nicht schaden / sondern ist nutz vnd gut in viel wege.“ Es zeige, dass wir Gottes Kinder seien, lehre beten und fromm werden. 3. „Durch diß Leiden probirt vnser lieber Gott vnsern Glauben / Gedult / Hoffnung.“ 4. „Diß leidens / vnd aller schmertzen werden mit ewiger Herrligkeit wider ergötzet / die / so gedultig seind.“ 5. „Vnser getrewer Gott wil auch wider des Leidens ein Ende machen: hierzwischen Hand obhalten: vnd nicht lassen / vber Vermögen / versucht werden.“ 6. „Exempel der Gedult“: Joseph, David, Hiob. Bidembach, Manuale, 676. Bidembach, Manuale, 687; Zwischenüberschriften: „Trost wider die Kleinmütigkeit schwachen Glaubens halb“ (692); „Trost / wider die Anfechtung schwachgläubigen Gebets halb“ (695). Bidembach, Manuale, 700.

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II. Am Sterbebett

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förchte: da hingegen die Rohlosen vnd sichern sich jhre Sünd wenig bekümmern lassen / vnnd also in jhrer Sicherheit dahin gehen.28

Der Sterbende wird hier darin bestärkt, dass seine Gewissensqual kein Heilshindernis darstellt. In jedem Fall bedeutet der Sterbetrost die Ausräumung des Zweifels daran, dass das bevorstehende Ende ein seliges sein kann und wird. Die von Bidembach empfohlene Methode, den Kranken in seiner Anfechtung zu trösten und zu stärken, besteht nicht nur in der Anrede und im Gespräch, sondern insbesondere im Zuspruch von Bibelworten, von denen er den Seelsorgern zu jedem der genannten Themen eine reiche, oft mehrere Seiten umfassende Auswahl bietet: Darumb desto mehr von Nöten / daß ein Kirchendiener dem Krancken vnd Sterbenden den Tod etwas leichter mache / vnd jhne der massen mit Gottes Wort vnterbawe / daß er mit Paulo einen Lust abzuscheiden bekomme.29

Dabei ist allerdings, so Bidembach, zugleich darauf zu achten, dass der Kranke nicht durch ein Übermaß von Bibelworten ermüdet wird, die dann auch ihre Wirkung verfehlen;30 vielmehr empfehle es sich, wenige Sprüche zu verwenden und lieber diese „nach gelegenheit der Person“ ein wenig zu „explicire[n]“ oder „auff die Person“ zu „accomodire[n]“.31 „Wie den Krancken zuzusprechen / wann das Sterbstündlein nun fast außgelauffen / vnd es sich zum Ende nahet“, erläutert Bidembach in den beiden letzten Kapiteln (Kapitel 9 und 10). Dazu treten nun aber noch andere vorgegebene Texte: eine Art Credo-Meditation „ad agentes animam“ von Balthasar Bidembach, einem Verwandten des Autors, die dem Sterbenden zugesprochen wird,32 und „ettliche Gebet“ (Kapitel 10), unter denen nicht nur Texte von Felix und Balthasar Bidembach sind, sondern auch mehrere Liedtexte: Luthers Nun bitten wir den Heiligen Geist, Berckenmayrs O Herr, bis du mein Zuversicht und Ebers Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott. Die Ausführung der Gebete wird dabei wahlweise „den Krancken vnd Sterbenden“ oder „den Vmbständern“ zugewiesen, Letzteren insbesondere dann, wenn der Sterbende „vor schmertzen vnd TodesAngst sein Gebet nicht / wie er sonst | gern wolte / kan 28 29

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31 32

Bidembach, Manuale, 677f. Bidembach, Manuale, 671 (vgl. Phil 1,23); vgl. 678: Gegenüber den Patienten, die stark von der Sünde angefochten sind, „muß man mit sollichen starcken kräfftigen vnd hertzbrechenden Sprüchen der Schrifft gefasset sein / damit man auch den Judas vom Strick hette erlösen mögen: wann er der gleichen zu Hertzen fassen wöllen.“ Vgl. Bidembach, Manuale, 648f: „Mit Zusprechung Trosts vnd anders ist nicht not / auch nicht nutzlich / daß man gar zuuiel Dicta Scripturae auff einmal zusamen bringe vnd coacernire: dan[n] sonsten können es die Schwachen nicht be=|halten / vnd damit sich hernach nicht auffhalten oder erquicken.“ Bidembach, Manuale, 649. Vgl. Bidembach, Manuale, 708–711. Jeder einzelne Glaubensartikel wird dem Kranken – zusammen mit einer tröstlichen Anwendung auf seine eigene Situation – in der zweiten Person zugesprochen, z. B.: „Du glaubest / daß der Allmächtig Gott vnd Vatter / Schöpffer Himmels vnd der Erden / der rechte Vatter sey / vber alles / was Kinder heißt / im Himmel vnd auff Erden : der würdt auch dein Vatter sein / vnd dich lassen erben an der Seeligkeit. | Du glaubest / daß er dich erschaffen / dir Leib vnd Seel gegeben habe. Darumb würdt er dich auch aufferwecken / am Jüngsten Tag / vnd dein Seel hiezwischen zu seinen Händen nemen“ usw.

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verrichten“.33 Auch die abgedruckten Liedtexte fungieren bei Bidembach als „Gebet“ – das Lutherlied als „das schöne Betgesang zum heiligen Geist“, die beiden anderen als „Gebet / vmb ein seeligs Ende“. Alle drei werden nicht etwa gesungen, sondern „gesprochen“, dem Kranken „vorgesprochen“ – oder, sofern ihm dies noch möglich ist, von ihm selbst gebetet. Dazu ist es dienlich, wenn er sich den Text rechtzeitig eingeprägt hat: Es ist auch löblich / daß sich fromme Christen bey zeiten mit fleiß ettwan gewehnen / an die volgende beede Gebet / vmb ein seeligs Ende / so Reimenweise verfasset : darmit sie sich selbst auff den Todfall trösten : oder jhnen von andern können vorsprechen lassen. Derowegen ich sie auch hieher setzen wöllen : damit sie ein Minister im Notfall alle zeit zur Hand habe.34

Wo die Texte nicht gesungen werden, braucht auch die Melodie nicht erwähnt zu werden; aber Bidembach scheint es doch als hilfreich zum „gewehnen“ oder Auswendiglernen zu erachten, dass sie „Reimenweise verfasset“ sind. Zwei Hauptziele der Sterbeseelsorge lassen sich nach Bidembach festhalten: Zum einen soll der Kranke mit Hilfe des Pfarrers dazu bereit gemacht werden zu sterben – in dem Sinne, dass er darauf ‚gefasst‘ sein, damit rechnen soll; hier hat der Seelsorger bei jenen nachzuhelfen, die den Sterbensgedanken und die Buße lieber noch etwas aufschieben.35 Zum anderen soll der Kirchendiener aber auch darauf hinwirken, dass der Kranke getrost sterben kann, indem er ihn zur Zeit der Anfechtung im Glauben stärkt. Dies geschieht einerseits durch das Abendmahl mit der voraufgegangenen Beichte, andererseits durch den Trost, den er ihm gesprächsweise durch ‚Erinnerungen‘ und ‚Vermahnungen‘, durch Bibelworte, Gebete und Liedtexte spendet. In der häuslichen Sterbeseelsorge verbinden sich also liturgische (Abendmahl) und vorgeprägte, aber frei wählbare Elemente (Bibel- und Liedtexte) mit dem persönlichen Gespräch zwischen Seelsorger und Sterbendem, das auf den Trost des angefochtenen Gewissens zielt.

33 34 35

Bidembach, Manuale, 711f. Bidembach, Manuale, 713; zu den vorangegangenen kurzen Zitaten vgl. 711–713. Vgl. Bidembach, Manuale, 649f: „Doch ist nicht vnnötig / […] jmmer ettwas mehr auff das Sterben zu incliniren / damit sich der Krancke desto mehr darzu gefasset könne machen. Dann viel bilden jhnen ohne das jmmer nur die Hoffnung länger zuleben ein: vnd kan | man sie schwerlich zu Sterbens Gedancken gewöhnen.“ Vgl. a. 644: „es gibt vielfältig auch deren Patienten / die eintweder auß kindischer Einbildung keines Ministri / biß auff den letsten Nothknopff / begeren / daß sie förchten / sie müssen desto ehe sterben / wann sie allzu früe des Kirchendieners begeren: Oder die sonst nicht grossen Lust haben / sich noch zur zeit / mit Gott zuuersöhnen / sondern jhre Buß auffschieben / von einem Tag zum andern / Syr. 5. v. 8.“

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II. Am Sterbebett

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2. Der Sterbebericht in der Leichenpredigt Aufschluss über den Ablauf und die Wahrnehmung des Sterbens im 16. und 17. Jahrhundert gibt auch eine massenhaft überlieferte Literaturgattung, in der über das Sterben berichtet wird, nämlich die der (gedruckten) Leichenpredigten. Die Perspektive ist freilich eine ganz andere: Hier geht es um einen individuellen Todesfall, der rückblickend nach dem Modell des seligen Endes idealisiert wird. Anders als in den Vorgaben für die Kirchendiener ist daher von fehlender Sterbebereitschaft und Bußfertigkeit kaum die Rede. Von besonderem Interesse sind diese Berichte dennoch, weil in ihnen nicht eine Vorgabe oder Norm, sondern tatsächlich geschehenes Sterben dokumentiert ist – wenn auch durch die gattungsbedingte Stilisierung überformt. Der Sterbebericht gehört nicht zur eigentlichen Predigt über den Leichtext, sondern zum angehängten biographischen Teil, der meist mit „Personalia“, „Lebenslauff “, „Ehrengedächtnis“ o. ä. überschrieben ist. Dieser Personalia-Teil ist nach einem strengen literarischen Schema aufgebaut, in dem nacheinander Herkunft, Ausbildung, berufliche Tätigkeiten und Ämter, Familienverhältnisse, das christliche Leben und eben das Sterben des oder der Verstorbenen beschrieben werden. Der Sterbebericht seinerseits enthält Angaben zur letzten Erkrankung, zum Besuch oder den Besuchen des Pfarrers – oft ist er mit dem Verfasser der Predigt identisch –, zum Empfang des Abendmahls, den am Sterbebett gewechselten Worten und den genauen Umständen des Todes.36 Abgeschlossen wird der Lebenslauf dann meist mit Bemerkungen über den nunmehr seligen Stand des Verstorbenen (oft z. B.: Weish 3,1) und ein Gebet im Namen der Lebenden um ein gleichfalls seliges Ende. Die doppelte Stoßrichtung dieser idealisierten Sterbeberichte ist deutlich: Sie sollen zum einen nicht nur die Person des Verstorbenen, sondern auch sein Ende in einem besonders günstigen Licht erscheinen lassen, sollen nicht nur sein Andenken ehren, sondern auch die Trauernden damit trösten, dass er mit Hilfe der richtigen Sterbekunst gewiss zur Seligkeit gelangt ist. Zum anderen dienen die Berichte als Exempel für die Lebenden – für die Zuhörer bei der Trauerfeier wie für spätere Leser –, um sich in die Sterbekunst einzuüben. Anhand einiger Beispiele soll hier untersucht werden, was am Sterbebett gesprochen wurde: Welche Äußerungen des Sterbenden, aus denen sich Rückschlüsse auf die Anforderungen der Sterbekunst ziehen ließen, werden typischerweise berichtet? Vier Arten von Äußerungen, die in den untersuchten Liedtexten in unterschiedlicher Weise Entsprechungen finden, werden herausgegriffen. In einigen Fällen sind dabei Parallelen zur textinternen Sprechsituation der untersuchten Liedtexte erkennbar. a) Das Sündenbekenntnis Ein fester Bestandteil ist erstens das Sündenbekenntnis des Sterbenden, das in der Regel vor dem Abendmahl erfolgt: Die charakteristische Abfolge in den untersuchten Leichenpredigten lautet: Sündenbekenntnis (bzw. Beichte) – Absolution – Abend36

Vgl. dazu Kapitel 5 bei Mohr, Leichenpredigten, 229–308.

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mahl. Von einer 1687 in Tübingen verstorbenen Frau berichtet der Leichenprediger Johann Adam Osiander: [Sie] Legte in wahrer Reu und Demuth / mit verständlichen / lauten Worten / die Bekantnus ihrer Sünden selbsten ab / empfieng darauff von mir Ihrem Seel=Sorger die Absolution derselben / und den Leib und das Blut Ihres Heilands Jesu Christi mit wahrem Glauben / und innbrünstiger Andacht.37

Ebenso bedeutsam wie charakteristisch ist bei dieser Schilderung die Betonung der persönlichen inneren Beteiligung der Kranken: Ihre zur Vergebung der Sünden nötige wahre Reue und Demut äußert sich in der nachdrücklichen Sprechweise; und so empfängt sie nach der Absolution das Abendmahl „mit wahrem Glauben / und innbrünstiger Andacht“. Eine andere Schilderung beschreibt, wie der Sterbende, durch die Krankheit geschwächt, nur unter größter Mühe das Sündenbekenntnis habe hervorbringen können; schließlich habe er es mit Röm 8,38f bekräftigt, seinem Leichtext, der die getroste Gewissheit der Sündenvergebung zum Ausdruck bringt.38 In wieder anderen Fällen wird berichtet, dass das Sündenbekenntnis die Form eines längeren Vortrags angenommen habe, der etwa eine ganze Dreiviertelstunde dauern konnte: Dises Seelsorgers warhafftem Gezeugniß nach / hat unser Herr Geheimer Rath […] eine nachdenckliche Bekanntniß / so sich bey 3. viertel=stund erstreckt vor angeregtem Prediger hertzbeweglich gethan / die vile und grösse seiner Sünden bekant / GOtt demütigst abgebetten / hierwider sich selbst mittelst Göttlichen Worts und der H. Sacramenten / kräfftig und tröstlich auffgerichtet / einen Begriff Christlicher Glaubens=Lehr mit ausserlesenen Sprüchen Heiliger Schrifft erstattet […] dannenhero in der Rechtfertigung vor seinem GOtt sich eintzig auff Christi vollgültigen Verdienst bezogen / und solchen Glauben zu versiglen / seines Heylands Leib und Blut so für Ihn warhafftig dahin gegeben und vergossen worden / zu niessen begehrt / auch darauff als den letzten Reyß= und Zehr=Pfenning / nach vorhero angehörter Loß=Zehlung von Sünden / sampt bestätigtem Trost / mit freudigem Geist solches theure Pfand empfangen.39

Die Ausführlichkeit dieses Sündenbekenntnisses – im Originaldruck wird es noch extensiver wiedergegeben – zeigt wiederum das hohe Maß an persönlicher Involviertheit, das der Sterbende demonstrativ nach außen trägt und das zur Buße nicht nur bei der Inszenierung der Sterbekunst, hier aber in besonderer Weise hinzugehört, geht es hier doch um die letztgültige Vergebung. Der private Charakter der Inter37 38

39

LP Maria Barbara Pregitzerin 1687, 31. Vgl. LP Israel Mögling 1601, fol. D 1v|2r: „Wiewol er aber allbereit die Sprach vbel fort bringen könnte / vnd die red je länger je mehr verfallen wolte / so hat er doch sein Christliche bekanntnuß gethon / sich als ein Sünder vor Gottes angesicht gedemütigt / gnad durch Christum seinen Erlöser begert / vnnd endtlich seine Bekanntnuß mit disem Spruch / den wir jetzund jhm zur gedächtnuß haben hören erklären / beschlossen vnnd gesagt: Ich bin gewiß / daß weder Todt noch Leben etc. mich kan scheiden von der Liebe Gottes. Darauff ich jhm (wie auch seinen beeden sehr bekümmertin El=|tern) die Absolution vnd das H. Abendmal damalen ertheilt hab“. LP Johann Ulrich Zeller 1674, 38f.

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II. Am Sterbebett

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aktion zwischen Seelsorger und Gläubigem ist im 17. Jahrhundert auch sonst in der vielerorts noch üblichen Privatbeichte gegeben.40 Häufig wird das Sünden- mit einem Glaubensbekenntnis verbunden,41 etwa, wie zitiert, in Form einer „Glaubens=Lehr“ aus ausgewählten Bibelsprüchen, als deren Quintessenz der Prediger die Rechtfertigung allein aus dem Verdienst Christi hervorhebt. Aus dem Sündenbekenntnis heraus ergibt sich schließlich das ausdrückliche Verlangen nach dem Heiligen Abendmahl. Auch dieses Element, das ebenso stereotyp wiederkehrt wie die Bezeichnung des Sakraments als ‚Zehrpfennig‘ für die letzte Reise, dient dazu, das wahrhafte Empfinden des Gläubigen, seine heilsnotwenige innere Affiziertheit, zu unterstreichen. Dem äußeren ‚Verlangen‘ des Abendmahls als einer dringlichen Bitte an den Seelsorger42 entspricht in dieser Sichtweise ein inneres Begehren, das um so sicherer die ewige Seligkeit nach sich zieht, je stärker es empfunden wird43 – so der Trost an die Trauernden. Liedverse, die genau dies zum Ausdruck bringen, hat 1672 der Esslinger Jurist Georg Friedrich Wagner nach Auskunft seines Leichenpredigers beim Empfang des Abendmahls auf dem Sterbebett rezitiert: [Er hat] sich für einen armen Sünder auß dem Gesetz erkandt / CHristi Verdiensts mit wahrem Glauben / und schönen cordaten nachtrucksamen Worten getröstet / und zu Versicherung dessen / das heilig und hochwürdig Abendmahl mit hertzlicher Begierd und Danckbarkeit empfangen / sprechend: Komm du schöne Freuden=Crone / bleib nicht lange / Deiner wart ich mit Verlangen!44

In der „Begierd“ nach den Gaben des Abendmahls wird durch das Liedzitat das innere „Verlangen“ nach dem Erlöser erkennbar. b) Fragen an den Sterbenden Zweitens wird aus den Gesprächen am Sterbebett immer wieder von der Praxis einer Befragung des Sterbenden durch Seelsorger oder Angehörige berichtet,45 für die es in den Liedtexten keine genauen Äquivalente gibt. Bekanntestes Vorbild für eine derartige Praxis ist die Anselm von Canterbury zugeschriebene Admonitio morienti (vgl. S. 564), auch bekannt als ‚Anselmische Fragen‘. Durch Justus Jonas wird auch 40 41

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Vgl. Graff, Auflösung, 372–384, bes. 374.378–382. Vgl. LP Johann Ulrich Rümelin 1679, 29f: „da Er dann in Gegenwart deß Predigers forderist einen schönen schrifftmässigen Vortrag von Erkandtnuß und Berewung seiner Sünden / von waarem Glauben an Christum / | […] so dann auch eine Christliche Beicht abgelegt / hierauf das Wort der Absolution und heiliges Abendmahl mit sonderbarer Andacht empfangen“. Berühmt ist das Glaubensbekenntnis im Testament des 21jährigen Johann Gerhard (1603), in dem die gesamte Glaubenslehre in zahlreichen Einzelloci umrissen wird (ed. bei Steiger, Johann Gerhard, 162–172). Vgl. LP Maria Barbara Pregitzerin 1687, 31: „[…] verlangte Sie selbst widerum das heilige Abendmal deß Leibes und Bluts Christi / als den rechten einigen Zehrpfenning zu Ihrer bevorstehenden letzten Reiß auß diser Welt / zu empfangen“. Vgl. LP Ernst Christoph Schaffalitzky 1661, 17: [dass er] „das heilige Abendmal seines Erlösers und Heilandes / mit solcher Begierde empfangen hat / daß man nicht zu zweiffeln / solche Speise habe gewürcket in Ihme / biß ins ewige Leben.“ LP Georg Friedrich Wagner 1672, 43; vgl. Nicolai, Wie schön leuchtet der Morgenstern (Str. 7,8–10). Vgl. Mohr, Leichenpredigten, 285–287.

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Teil C: Sitz im Leben

aus Luthers Todesstunde von einer solchen Befragung berichtet.46 Die Befragung am Sterbebett, die manchmal an eine Katechismusabfrage erinnert, soll den Kranken im Glauben stärken, indem er sich – veranlasst durch die Fragen – wesentliche Heilstatsachen als für ihn selbst wirksam vergegenwärtigt. Letztlich geht es auch hier häufig darum, dem Sterbenden ein Bekenntnis seines Glaubens zu entlocken. Falls er bereits zu geschwächt ist, um dies ausführlich und mit eigenen Worten zu tun, eröffnet ihm die Form der Befragung die Möglichkeit der einfachen Zustimmung zu einem vorgegebenen Bekenntnis. Vor einer allzu „beschwerlichen“, bedrängenden Befragung der Schwerkranken rät die Pommersche Kirchenordnung von 1564 ab.47 Die Befragung, der Hans von Liebenstein 1563 durch seinen Sterbeseelsorger Jacob Andreae unterzogen wurde, war durch die theologischen Kontroversen der Zeit geprägt: In seiner Rede an den Sterbenden, in der er ihn „der Christlichen bekanntnuß“ erinnerte, sprach er insbesondere „von allen vnd jeden streitigen Artickeln vnserer Religion“, um ihn dann zu fragen, „ob er noch bey derselben bestendig halten / vnnd […] sein leben säliglichen darinnen beschliessen wolte“. Der Angeredete habe darauf „ermelte Confession widerumb kurtz erholet / vnnd mehrmal bezeüget“.48 Entscheidend ist für den Kontroverstheologen Andreae in dieser Phase des Ringens um die Fixierung der neuen Lehre die Zustimmung zum klar abgegrenzten Bekenntnis. Auch in anderen Berichten jener Zeit wird bei der Abfrage am Sterbebett das Augenmerk auf die Konformität mit der kirchlichen Lehre gerichtet, etwa 1588 bei dem ehemaligen Hirsauer Abt Johannes Parsimonius.49 Andreae selbst wurde an seinem Sterbebett 1570 nach Auskunft der lateinischen Oratio funebris von Jakob Heerbrand ebenfalls nach seinem Glauben befragt, allerdings auf individuellere Weise: Sein Sohn Johannes fragte ihn, ob er glaube, dass ihm die Krone der Gerechtigkeit bereitet sei (nach 2Tim 4,7f; vgl. S. 227–229); Andreaes zustimmende Antwort, gleichsam sein Glaubensbekenntnis, blieb sein letztes Wort.50 Auch in späterer Zeit dient die Abfrage am Sterbebett dazu festzustellen, ob der Sterbende im rechten Glauben beharrt. Dabei mehren sich wiederum die Töne, die die persönliche Affiziertheit durch das Geglaubte in den Vordergrund stellen. Der persönliche Wunsch nach einem seligen Ende (‚Abdrucken‘51) ist als wesentlicher 46 47 48 49

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Vgl. Piper, Ars moriendi, 106. Vgl. Sehling IV, 363; Grün, Beerdigung, 140. LP Hans von Liebenstein 1564, fol. 25v. Vgl. LP Johannes Parsimonius 1588, fol. D 2v: „[…] vnnd als offt er durch mich vnnd andere angesproche[n]: Ob er bey der Lehr deß H. Euangelij die der vber die 42. Jar / der Kirchen Christi bestendig fürgetragen vnnd geprediget wölte verharren / vnnd darauff im seeligmachenden Glauben an Jesum Christum sein lebe[n] beschliessen? Hat er alwege[n] […] mit gutem vnnd verstendigem / Ja geantwortet“. Vgl. Oratio funebris Jacob Andreae 1590, fol. H 4v: „Cum autem postremo vires omnes deficere videantur, filius Magister Iohannes […] parenti proximus assistens, sententiam Apostoli: ‚Bonum certamen certaui, &c. de caetero reposita est mihi corona Iustitiae, &c. inclamare ei coepit in aurem, patrem interrogans: num sibi quoq[ue] hanc iustitiae coronam reposita[m] crederet? Apertis oculis intuitus eum, annuit, & longe petito et attracto spiritu, respondit: Ita, Quae postrema eius fuit vox, postea enim nihil proloqutus, sed intra se precatus est“. Vgl. LP Johann Ulrich Rümelin 1679, 30: „da Er zwar mit dem Seelsorger nicht mehr reden können / gleichwol aber auf Befragen / ob Er den Zuspruch vernehme / und ob Er auf seinen Erlöser JEsum

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II. Am Sterbebett

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Ausdruck des rechten Glaubens ebenfalls Gegenstand der Befragung. So heißt es von der 1671 verstorbenen Gräfin Anna Amalia von Stolberg, sie habe auch auff befragen gantz deutlich erklärt / das Sie auff den Bund der Hoch=gelobten Dreyfaltigkeit im H. Tauff getroffen / in dem Glauben an selbigen ihren hoch=gelobten GOtt / Vatter / Erlöser und einigen Tröster vest bestehen / in der krafft deß gefaßten und empfangenen Bluts JEsu Christi / under unnachläßlichen Seuffzen ihres Hertzens / biß an das End beharren / und endlich selig abdrucken wolle.52

Die Formulierung, dass die Verstorbene das Wiedergegebene selbst „gantz deutlich erklärt“ habe, spricht dafür, dass sie das Bekenntnis selbst gesprochen und nicht nur dem zugestimmt hat, was ihr der Seelsorger als Frage in den Mund legte. Typisch für die verinnerlichte Frömmigkeit des späteren 17. Jahrhunderts ist die erklärte Absicht der Kranken, sich „under unnachläßlichem Seuffzen ihres Hertzens“ zum Ende bereit zu halten. Entscheidenden Trost bezieht sie ihrem Bekenntnis zufolge aus dem Empfang der Sakramente Taufe und Abendmahl.53 Auch nach der Anfechtung als derjenigen Größe, die dem Glauben entgegengesetzt ist, wird am Sterbebett bisweilen gefragt; im Sinne des Ideals vom seligen Ende muss die Frage nach dem Empfinden von Angst und Anfechtung natürlich verneint werden.54 Eine weitere Frage, die Sterbenden laut den Berichten immer wieder gestellt wird, betrifft nicht direkt den Glauben, sondern ein Thema, das sich mit dem Sündenbekenntnis berührt: die Beziehungen zu den Mitmenschen. Bedingung für ein seliges Ende ist die Beilegung von offenen Konflikten, und zwar – wie im Vaterunser – in beide Richtungen: Auf der einen Seite steht die Abbitte des Sterbenden an diejenigen, an denen er schuldig geworden ist, auf der anderen die Vergebung an jene, die ihm geschadet haben. Auch wenn die betroffenen Personen am Bett des Sterbenden nicht anwesend sein können, wird seine Bereitschaft zur Klärung der zwischenmenschlichen Verhältnisse immer wieder abgefragt.55

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Christum selig abzudrucken gedencke / mit zimlich wol vernehmlichen Ja / geantwortet“; vgl. auch das folgende Zitat. LP Gräfin Anna Amalia von Stolberg 1671, 28. Manchen Leichenpredigten ist sogar ein ausführliches individuelles Glaubensbekenntnis beigefügt, das von den Verstorbenen eigens zu Protokoll gegeben und im Druck als separater Text dokumentiert wurde; vgl. LP Peter von Pflaumern 1655, 35f. Zwei weitere Beispiele bei Mohr, Leichenpredigten, 296–302. Vgl. LP Justina Bardili 1705, 32: Sie hat „auff vielfältiges Fragen / ob Sie auch einige Angst / Anfechtung / Furcht und Schrecken vor dem Tod hätte / geantwortet / in dem geringsten nicht / ja gar keinen / sondern Sie seye willig und bereit mit Freuden zu sterben / wann es ihrem lieben GOtt gefällig.“ Vgl. LP Peter von Pflaumern 1655, 36: „Als aber Herr D. Schleicher noch zum Beschluß fragte: Ob Er Herr Obrister nach dem H. Gebett deß Herren / Vatter vnser / etc. allen seinen Widersachern oder Feinden auff dieser Welt / so deren einer oder mehr weren / verziehen hätte? Gab selbiger bescheydenliche Antwort: Er habe mit seinem wissen keinen Feind auff dieser Welt / wolle aber seinen vnbewußten Feinden / denen Er Leyd gethan / hiemit abgebetten / denen andern aber / so jhn beleydiget / gantz gern vergeben haben.“ Nicht im Kontext einer Befragung, sondern des Sündenbekenntnisses vor dem Abendmahl vgl. LP Georg Friedrich Bähr 1667, 30: Er hat „alle Offensiones und Beleidigung hertzlich vergeben / bittend / daß auch ihme jederman / so von ihme / welches wissendlich und vorsetzlich nicht beschehen / wäre beleidiget worden / verzeihen wolle; worauff er mit dem H. Sacrament […] gestärcket worden zum ewigen Leben“. Vgl. Luther, Sermon von der Bereitung zum Sterben (WA 2, 685): „man vorgebe freuntlich lauterlich umb gottis willen allen menschen, wie sie unß beleydigt haben, widderumb

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Teil C: Sitz im Leben

c) Abschied von den Angehörigen Auch bei dieser Art von Äußerungen auf dem Sterbebett geht es um die zwischenmenschlichen Verhältnisse, nämlich um den Abschluss der Beziehung zu anwesenden Nächsten. Der sprachliche Akt der Verabschiedung spiegelt sich – anders als der der Befragung – auch in den Texten der Sterbelieder (vgl. S. 416–423). Entsprechendes wird in Leichenpredigten berichtet: Der Sterbende ruft die Familie an sein Krankenbett, um sich zu verabschieden. Die Formeln, in denen er dies tut, sind dieselben wie in den Liedern: Die Angehörigen werden gesegnet, sie werden einander sowie vor allem der Obhut Gottes anbefohlen, der unter ihnen die Stelle des scheidenden Familienmitglieds einnehmen soll. So berichtet der Leichenprediger der 1589 verstorbenen Agatha von Wichsenstein: Als nun jr letst stündlin herzu nahet / vnd jhre Töchtern sich sehr bekümmerten / sprach sie / jr solt nit also vmb mich weinen / Christus ist ewer Mutter / hat sie also getröst / daß sie jhr hoffnung nicht auff sie / als auff ein zeitliche Mutter / sonder auff Christum (der vnser Rechter Vatter vnd Mutter ist) | setzen sollen.56

Die Vorstellung, dass Christus stellvertretend als Mutter für die verwaisten Kinder eingesetzt wird, ja dass sie bei ihm letztlich besser versorgt sein müssen als bei den leiblichen Eltern,57 ist also keine auf die Lieder beschränkte poetische Deutung (vgl. 430–433), sondern hat einen festen Anhalt in der zeitgenössichen Sterbepraxis. Besonders bei der Verabschiedung der Eltern von den Kindern begegnet immer wieder die Bezugnahme auf die biblischen Erzväter, die ihre Kinder auf dem Sterbebett segneten (Gen 27; 49); dabei ist die Rezeption des Bildes keinesfalls auf männliche Verstorbene beschränkt: Auff Bemerckung seines herbey ruckenden Stündleins / hat er nach dem Exempel deß Ertzvatters Jacob seinen ehrlich: und vätterlichen Segen / über seine Ehe=Liebste und alle liebe Kinder; Gott gebe daß sie auch gesegnet bleiben: wie Isaac vom Jacob spricht / 1. Mos 27.58 Frisch vnd lebhafft ward sie / da sie jhre zu sich erforderte Kinder / alß ein rechte Ertz=Muter / auß dem Todten=Läger gesegnet / mit angehenckter ernstlichen Vermahnung / daß sie solchen außgesprochnen Seegen nit selbs zerstören / sonder durch wahre Gotts=|forcht / Zucht / vnd Erbarkeit auff sich behalten / vnd vermehren sollen!59

Stets ist es in den Schilderungen der Leichenpredigten der Sterbende, der den am Leben Bleibenden Trost zuspricht, nie umgekehrt (sofern er selbst des Trostes be-

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auch begere vorgebung lautterlich umb gottis willen von allen menschenn, deren wyr vill anzweyffel beleydiget haben“. LP Agatha von Wichsenstein 1589, fol. K 2v|3r. Vgl. LP Sabina Bachmeierin 1674, 34: „[…] als in wehrender Kranckheit die Rede vor ihr fiel / ob sie dann so gerne von ihren Kindern sterben wolle? nicht bedencke / daß solche noch gar klein / und ihrer Hülff und versorgung noch hoch von nöthen haben; gab sie zur Antwort: Ach! was soll ich armes schwaches Weib meinen Kindern viel helffen können / ich will sie zu versorgen übergeben meinem lieben Gott im Himmel / der ist hierzu starck gnug / ich nicht / der kan überschwenglich mehr thun weder wir bitten und verstehen. Das war ein Christliche Antwort!“ LP Georg Friedrich Bähr 1667, 31. LP Johanna Andler 1638, 38f.

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II. Am Sterbebett

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darf, ist dafür in erster Linie der Seelsorger zuständig). So hat der Bebenhausener Klosterverwalter Johann Isaac Andler einen liebreichen Abschied / als er seinen lieben Ehgatten betrübt neben sich bey dem Bett sahe stehen / genommen / zu Ihro sagend: sie hätten doch schon lang miteinander gehauset; worauff Sie aber geantwortet / es wäre noch zu bald wann Sie schon voneinander getrennet solten werden. Darauff er aber gesagt: Es muß einmahl geschieden seyn. Sie solte ihr Vertrawen nur auff GOtt setzen / der würde sie und ihre Kinder schon versorgen.60

In der oft abgeklärten Haltung des Sterbenden gegenüber den Angehörigen beim Abschied spiegelt sich die Anforderung der Ars moriendi, nicht an den irdischen Gütern zu kleben, als deren Exempel der Betreffende in der Predigt stilisiert werden soll. Dass der Trost an die Angehörigen gerichtet ist, entspricht zugleich der anderen Intention der Leichenpredigt. Die Rückblende in die Todesstunde macht es hier ebenso wie in den oben genannten Liedern möglich, dem Verstorbenen selbst das Trostwort an die Trauernden in den Mund zu legen. Während viele Predigten die Trost- und Segensworte des Sterbenden einfach wiedergeben, schildern andere Abschiedsszenen von starker Emotionalität. Auch dabei gilt, dass der Sterbende selbst die Fassung bewahrt, selbst wenn er wie 1676 Johann Eberhard von Stockheim „von seinem hertzliebsten Ehe=Schatz / mit außgebreiteten Händen / hertzlicher Antruckung an seine Brust“ Abschied nimmt; sein getrostes Vertrauen in Gottes Regierung fasst er in die Worte: „Adieu, liebs Hertz / Gott wird alles mit euch zum besten schicken“61. Eine besonders emotionale Abschiedsszene beschreibt derselbe Prediger, der Stuttgarter Pfarrer Johannes Laurentius Schmidlin, 1667 beim Tod von Ludwig Georg Zorer: […] hat Er verschienen Freytag morgens / seine mit gedoppeltem Weh schmertzlich beladene Eheliebste / und liebe Kinder zu sich beruffen; und / wiewol Ihnen allen / auch allen Umbstehenden (als leicht zu ermessen) bey so trawrigem Spectacul das Hertz gebrochen / und viel Thränen vergossen worden; Gleichwol mit unverändertem Muth und unverzagt sie / eines nach dem andern / angeredet / der Fraw Mutter die liebe Kinder / den Kindern widerumb / und sonderlich dem Herrn Sohn / die Fraw Mutter wol in acht zu nemmen / befohlen / wie sie sich gegen einander; sonderlich aber gegen GOTT verhalten sollen / hertzbrechend und beweglich erinnert / hernach stattlich getröstet / und GOtt zu vertrawen ermahnt / auch seinen Vätterlichen Segen / der gewiß ohne Krafft nicht abgehen wird / ihnen zum Valete gegeben.62

Auffällig in diesem Beispiel ist die Häufung von Ausdrücken, mit denen die Trauer der Familie geschildert wird – von „gedoppeltem Weh“, gebrochenen Herzen und vergossenen Tränen ist die Rede. Der Verstorbene selbst wird dagegen als „unverzagt“ beschrieben, was nicht verhindern kann, dass seine Worte auf die Angehörigen wiederum „hertzbrechend und beweglich“ wirken. Die Theatralik der Schilderung lässt 60 61 62

LP Johann Isaac Andler 1698, 34. 1. LP Johann Eberhard von Stockheim (Prediger: Johannes Laurentius Schmidlin) 1676, 41. LP Ludwig Georg Zorer 1667, 31.

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Teil C: Sitz im Leben

die Bezeichnung der Szene als „trawrige[s] Spectacul“ durchaus treffend erscheinen, wobei die Predigthörer und -leser zu jenen Zuschauern werden, die ‚bewegt‘ werden sollen. Als biblisches Vorbild dient hier kein Geringerer als Christus selbst, der nach Joh 19,26f seine Mutter und den geliebten Jünger einander anbefiehlt. Mir sind in Leichenpredigten keine Beispiele begegnet, in denen schon bei der Verabschiedung vom Wiedersehen im Himmel die Rede gewesen wäre. Diese Vorstellung ist in den Liedern deutlich prominenter. Eine ausführlichere Sichtung von mehr Material würde möglicherweise dennoch Beispiele zu Tage fördern. d) Bibelverse und Gebete Bibelverse – das war bereits an Bidembachs Manuale deutlich geworden – spielten in den Gesprächen am Sterbebett eine bedeutende Rolle. Die lutherische Sterbefrömmigkeit des 17. Jahrhunderts schöpft aus der Lutherbibel und ihrem fest geprägten Wortlaut als zentraler Quelle. Ebenfalls vorgegeben, freilich nicht so fest wie der Bibeltext, sondern durchaus variabel, sind die vielfach biblisch inspirierten Texte der Gebetsliteratur, die nicht nur in Gebet-, sondern auch in Gesangbüchern enthalten sind. Zur Gruppe der vorgeprägten Texte, die am Sterbebett Verwendung fanden, gehören schließlich auch die Lieder (zu ihnen vgl. S. 583): Der Wortlaut der Bibeltexte wird in ihnen ebenso verarbeitet wie die Sprechsituation des Gebetes. Als eigene Formelemente des Liedes kommen die Versform und die Melodie hinzu. Neue literarische Traditionen können sich aus den Äußerungen des Sterbenden im Sterbebericht ergeben, die dann ihrerseits das Ideal des seligen Sterbens prägen wie im Falle berühmter ‚letzter Worte‘. Verwiesen sei auf den Satz ‚Meinen Jesum lass ich nicht‘, der als letztes Wort des Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen überliefert wurde und reichen literarischen Widerhall fand.63 Bibelverse und Gebete sind als Texte in vielen Sterbeberichten präsent. Dabei ist zwischen Gebeten im allgemeinen und Bibelversen (bei denen es sich ebenfalls oft um Gebete handelt) im besonderen zu unterscheiden. Während die Bibelverse oft in ihrem genauen Wortlaut zitiert werden, ist hinsichtlich der Gebete vor allem bedeutsam, dass überhaupt und dass andauernd gebetet wird:64 „Oportet nos mori in precatione“, wie der Heilbronner Pfarrer Johann Jakob Zückwolff 1630 sein Verhalten auf dem Sterbebett erläuterte.65 Nachfolgend einige Beispiele für die Verwendung 63 64

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Vgl. S. 390f. Gelegentlich werden aber auch konkrete Gebete aus bestimmten Quellen genannt, z. B. Luthers Abendsegen und Habermanns Gebet um ein seliges Ende, vgl. LP Thomas Lansius 1657, 48: „Er hat […] kurtz vor seinem End […] zu Nacht umb 9 Vhren den Abendsegen / sonderlich aber das schöne Gebett D. Habermans / umb ein seeliges Ende / so Er Ihm durch ein alltägliches Sprechen und Vorlesen der Seinigen gar gemein / und bekandt gemacht hatte / mit auffgehabenen Händen helffen nachsprechen“. Man beachte, wie das Sterbegebet hier bereits zu Lebzeiten durch die tägliche Andacht in der Familie eingeübt wurde. Vgl. LP Johann Jakob Zückwolff 1630, 17f: „da solches geschehen / vnd man jhn vff sein Beth gelegt / hat er allein vnvermerckt seine Lippen bewegt / als jhn seiner Collegen einer gefragt was er rede / hat er zur antwort gegeben: Oportet nos mori in precatione, als wolt er sagen: Nun ist der Lauff vollendet / vnnd die zeit meines Abschieds vorhanden [vgl. 2Tim 4,6f] / da=|rumb thu ich / wie billich / für diß mal anderst nichts dann betten“.

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II. Am Sterbebett

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konkreter Bibelverse (1.); anschließend (2.) wird die Frage nach der Performanz von Bibelversen und (sonstigen) Gebeten gestellt, und zwar anhand der Frage, wer die Texte tatsächlich spricht: Ist es der Sterbende selbst oder sind es andere an seiner Statt? 1. Was die Bibelverse betrifft, so fällt auf, dass sie neben summarischen Erwähnungen – etwa dass einem Sterbenden „tröstliche Sprüch auß heiliger Schrifft“66 zugesprochen wurden – in vielen Berichten wörtlich wiedergegeben werden und dadurch für die Dramaturgie der Erzählung einen hohen Stellenwert erhalten: Das wörtliche Bibelzitat macht die geschilderte Sterbeszene regelrecht zur Andachtsstunde mit biblischer Betrachtung und erstreckt sich in dieser erbaulichen Wirkung auch auf Hörer und Leser. Auch wenn das Repertoire an geeigneten Versen grundsätzlich unbegrenzt ist, gibt es Favoriten, die besonders häufig auftauchen; die meisten sind zugleich gängige Leichpredigttexte und werden auch in Sterbliedern oft aufgegriffen (vgl. Teil B). Zu ihnen gehören etwa 1Kön 19,4, Hi 19,25, Ps 42,2, Ps 73,25f, Lk 2,29, Lk 23,46, Apg 7,59, Röm 14,7f oder Phil 1,21.23. Den genannten Texten ist gemeinsam, dass sie entweder vom Sterben – vorzugsweise den letzten Worten – einer biblischen Person67 handeln (Elia, Simeon, Jesus, Stephanus, Paulus) oder eine innere Not reflektieren, die zumindest die eines Sterbenden sein könnte (Psalmen); die meisten der Texte sind Gebete, deren Ich sich durch den Sterbenden performativ leicht aneignen lässt. Daneben kommen auch thetische Zitate ohne Ich vor, in denen nicht auf das Sterben, sondern auf das Christusgeschehen als auf jene Wahrheit Bezug genommen wird, die in der Anfechtung der Todesnot tröstliche Gewissheit zu schenken vermag; von Seligkeit und ewigem Leben ist auch in diesen Texten häufig die Rede (z. B. Joh 3,16; 1Tim 1,15).68 Einige Beispiele sollen die Art und Weise der Verwendung von Bibelversen verdeutlichen. Ein erstes zeigt, wie der Prediger retrospektiv bruchstückhafte Äußerungen eines Sterbenden ohne weiteres im Sinne der biblischen Exempla für das selige Ende umdeuten oder komplettieren konnte:

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LP Jacob Andreae (Prediger: Lucas Osiander, Druck von 1590), fol. D 2v: „Da er dann die folgende Nacht / vnd morgen gegen tag / tröstliche Sprüch auß heiliger Schrifft / mit frewden gern angehört / vnd darauff still / sanfft vnd seliglich im Herrn entschlaffen ist.“ Die Bezugnahme auf Krankheit und Sterben prominenter biblischer Personen war häufig auch Gegenstand der Betrachtung, ohne dass es wörtlicher Zitate bedurft hätte, vgl. LP Johann Ulrich Pregitzer 1708, 41f: „Von dem Kampff Jacobs redete er auch gar nachdencklich und von dessen Abschid aus der Welt: deßgleichen von Simeons Schwanen=Gesang und Stephani freudigen Tod / woran Er sich auch sehr aufgerichtet. Bey vorstellung Hiskiae Kranckheit und wider genesung / und da man Ihme dabey gewünscht / daß Ihme Gott auch | das Leben also verlängern möchte / sagte Er / GOtt habe Ihm mehr Gnade erwisen als dem Hiskiae“ (zu Hiskias Krankheit, einer häufig genannten Referenz, vgl. 2Kön 20,1–7 und Jes 38; zu der in Sterbeliedern häufig verwendeten Segensbitte Jakobs nach dem hier erwähnten Kampf (Gen 32,27) vgl. S. 390). Vgl. z. B. 1. LP Ludwig Friedrich von Anweyl (Prediger: Johann Ulrich Pregitzer) 1646, 38: „Kurtz vor seinem Ende hat er selber angezogen den Herrlichen Tröstlichen Spruch auß der 1. Epistel an Timoth. Cap. 1. v. 15. Das ist je gewißlich waar / vnd ein thewr werthes Wort / das CHristus JEsus kommen ist in die Welt / die Sünder Seelig zumachen“.

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Teil C: Sitz im Leben

Wann man jhme von Verlängerung deß Lebens zugesprochen / hat er solche gemachte Hoffnung mit dem Wörtlein gnug / gnug / etlich mahl abgeschlagen / und ohne Zweifel damit auf die Wort Eliae gezielet: Herr es ist genug / nimm nun meine Seele von mir / dann ich bin nicht besser / dann meine Väter.“69

Das eine vom Kranken geäußerte Wort „gnug“ wird sofort in den erbaulichen Kontext eines gängigen Bibelverses eingebettet (1Kön 19,4; vgl. S. 342). Wie das Text-Ich durch den Sterbenden performativ angeeignet wird, zeigt sich dort besonders deutlich, wo der Sterbebericht das Bibelzitat in indirekter Rede als persönliche Aussage des Sterbenden wiedergibt. So heißt es, der fürstlich württembergische Kapellmeister Leonhard Lechner habe 1607 „mehrers von Gott nicht begert / vnd mit seufftzen gebeten / dann daß er bald auffgelöset werden / vnd bey Christo sein möchte“70 (vgl. Phil 1,23). Gerade die Psalmen sind für ein solches persönliches Einstimmen in den biblischen Text besonders geeignet und kommen als Bittgebete und Trostworte auf dem Sterbebett oft vor.71 Durch die häufige auch laute Wiederholung eines Textes wurde dessen Haltung gleichsam meditativ eingeübt und der eigenen inneren Not ein vorgeformter Ausdruck verliehen, der dem Ideal des seligen Endes entsprach; am Beispiel des 42. Psalms und seiner Haltung des ‚durstigen‘ Verlangens nach Gott (vgl. S. 348–350) wird dies etwa immer wieder deutlich.72 Christian Lindenmeier, der 1666 verstorbene Ratsabt zu Hirsau, trieb die Identifikation mit dem Hirsch als metaphorischem Protagonisten des Psalms so weit, dass er den Gleichklang mit dem Ortsnamen „Hirschaug“ in ein Wortspiel münzte. Der Prediger machte den Psalm zum Leichtext seiner Predigt „Einer geängsteten Seelen seeliger Gottes=Durst“. Er berichtet, Lindenmeier habe die Anschauung seines lieben Gottes im Himmel / mit hefftigen / zuversichtlichen / und heiligen Seuffzern außgebetten / und so Tags so Nachts geseuffzet: [folgt Zitat von Ps 42,2f] […] Ich wolte / nach seinem seligen Tod / Ihme disen letzten Dienst erweisen / und zu einem Leicht=Text disen Davidischen Spruch erklären / der Ihme bißher in seinem kräncklichen Zustand offtmals einen so hertzlichen Trost gegeben. Ein andermal sagte Er / Er sey zwar Abbt zu Hirschaug / aber in Warheit ein recht gejagtes Hirschlein. Hoffe doch darneben / sein Heiland Christus werde zu Ihm eilen mit schnellen Hirschen Füssen / und Ihme bald bald Hülff und Erlösung gnädiglich widerfahren lassen. Wie aber diser sein Durst und Ver-

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LP Georg Friedrich Seufferheld 1687, 27 (eig. 29, fol. E 1r). LP Leonhard Lechner 1606, 36. Vgl. LP Johann Ulrich Pregitzer 1708, 41: „Er ergötzte sich auch absonderlich an denen Psalmen Davids, und zwar unter anderm an dem 23. und 84. Psalmen“; LP Michael Ziegler 1615, fol. D 2v: „Dann dieses seine allerletste Wort geweßt seind / Domine in te speravi, no[n] confundar in aeternum: Das ist: Herr ich trawe auff dich / laß mich nimmermehr zu schanden werden / Psalm. 71. v. 1. Darauff er alsbald sanfft eingeschlaffen“ usw. In dem von mir benutzten Bestand scheinen die Psalmen allerdings nicht zu „dominieren“ (so Mohr, Leichenpredigten, 287). Vgl. LP Christina Aulber 1666, 34: „Unsere Mitschwester verlangte starck nach einem seligen End […] warzu sie sich dann immer gefaßt gemacht / viel und offt die Wort deß 42. Psalmens widerholet“ [folgt Zitat von Ps 42,3].

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II. Am Sterbebett

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langen / ein hefftiger und heiliger Durst gewesen: also ist er auch ein seeliger Durst gewesen. Dann GOtt hat Ihn sein Angesicht schauen lassen in seinen Kranckheits=Schmertzen.73

Ebenso wie „Durst und Verlangen“ nach Gott konnte auch die von der Sterbekunst geforderte Ergebung in Gottes Willen (vgl. ab S. 317) durch die Kundgabe entsprechender Texte signalisiert werden. So zeigte sich Georg Friedrich Bähr in seiner Krankheit derart gleichmütig, daß auch die so stets umb krancke Leut seyn müssen / sich verwundert und bekant / daß sie seines gleichen in Gedult nicht wol gesehen haben; wie er dann jedesmal / auff befragen / wie er lebe? geantwortet: Er habe sich Gottes Willen gantz und gar ergeben; der werde es auch mit ihme wolmachen: Lebe er / so lebe er dem HErrn / sterbe er dann / so sterbe er auch dem HErrn / darumb er leb oder sterbe / so sey er deß HErrn.74

Im Zentrum dieser Bekundung steht das von Bähr auf sich selbst applizierte Zitat von Röm 14,8, daneben eine Anspielung auf den Leichtext Ps 37,5. Nicht zuletzt gehört zum Ideal des seligen Endes auch die Commendatio animae (vgl. S. 331–334), deren Vollzug in vielen Sterbeberichten bezeugt ist. Um einen Psalmvers (Ps 31,6) handelt es sich auch bei jenem letzten Wort Jesu, das dafür verwendet wurde (Lk 23,46); eine ähnliche Funktion erfüllte das ihm verwandte letzte Wort des Stephanus (Apg 7,59).75 2. Damit zu der Frage, wem in der Praxis die Rolle zukam, den vorgeprägten Sterbetrost in Form von Gebeten und Bibelversen anzubringen. Wie in den Bibel-, Gebets- und Liedtexten das Ich, so steht im Mittelpunkt des Berichts in der Leichenpredigt jeweils der Verstorbene, und es liegt nahe, dass es zunächst und vor allem seine Sache ist, sich im Gebet auf das eigene Ende vorzubereiten. Das belegen auch die angeführten Beispiele: So lange wie möglich wird der Sterbende als Herr des Geschehens gezeigt, der in der Äußerung von Schriftwort und Gebet den Empfehlungen der Sterbekunst entspricht. Mit zunehmender Schwäche und dem allmählichen Versagen der körperlichen Funktionen, das mit dem Sterben einhergeht, verliert er jedoch immer mehr von seiner Souveränität. Da der Prozess dieses Kontrollverlustes auch die Fähigkeit zum andauernden Gebet zunehmend beeinträchtigt, das zum seligen Ende doch gefordert ist, wird schon im Voraus intensiv um den göttlichen

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LP Christoph Lindenmeier 1666, 39f. LP Georg Friedrich Bähr 1667, 30. Vgl. LP Johann Herrmann 1616, 35: „Er hub sein Hertz zu Gott / vnd mit entblöstem Haupt / vnd zusamen geschlagenen Händen sprach er: Vatter in deine Hände befehle ich dir meinen Geist / du getrewer Gott du hast mich erlößt: Vnd abermals: HERR Jesu nim meinen Geist auff.“ LP Georg Friedrich Wagner 1672, 44: Er hat „seine Seele in GOttes Gnaden=Hand / mit frewdigem Geist und unerschrockenem Hertzen und Gemüth anbefohlen / und gebetten: In manus tuas commendo Spiritum meum, redemisti me Domine Deus veritatis, Psalm. 31. 6. […] HErr JEsu du bist mein / und ich bin dein / wie gern wolt ich baldt bey dir seyn. Wormit Er seinen Mund beschlossen und seinen Geist auffgeben“. LP Martin Crusius 1607, 18: „In gedachtem Gebet ist er verharret / biß er endtlich seeliglich vnd sanfft (gleichsam ohne empfindung des Tods) vber den jetzt erklärten Worten / HErr Jesu nim[m] meinen Geist auff [Apg 7,59] / entschlaffen“.

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Teil C: Sitz im Leben

Beistand in dieser Phase des Verfalls gebeten; dieselbe Situation wird auch in den Texten zahlreicher Sterbelieder bedacht (vgl. S. 296–300). Zusätzlich treten nun die übrigen Anwesenden, Seelsorger und Angehörige, für den Sterbenden ein und eilen ihm zu Hilfe, indem sie ihn in seinem ersterbenden Gebet unterstützen. Noch das letzte Anzeichen wird dokumentiert, dass der Sterbende wahrnimmt, was um ihn herum geschieht – nicht nur als Lebenszeichen, sondern auch als Zeichen für seine innere Anteilnahme an dem Gebet, das er selber nicht mehr verrichten kann. Um als Sterbender – wie gefordert – andauernd beten zu können, bedarf es der Vorbereitung – etwa indem beizeiten ein Vorrat von auswendig gelernten Versen angelegt wird, die in der letzten Not Trost spenden können. Dem württembergischen Gesandten Peter von Pflaumern, der 1655 in Wien starb, kam zugute, dass er diese Praxis gepflegt hatte, als ihm im katholischen Habsburger Gebiet der Zutritt eines lutherischen Geistlichen verweigert wurde: Vnd was Er sonsten für Trostsprüche auß der Predigt deß heyligen Worts Gottes / bey gesunden Tagen zusammen gesamblet / dessen hat Er in dieser seiner Kranckheit / gar wol vnd hoch bedörffet / sintemal Er vber zwey mahl geschehenes Ansuchen nicht Erlaubnuß erhalten mögen / einen reinen Evangelischen Prediger auß der nähe zu sich zuberuffen. Daß Er nun bey gesunden Tagen / einen Vorrath auß dem heyligen Wort Gottes zusammen gebracht / das hat Ihme in seiner letsten Noth wol gedienet / vnd darmit hat Er sich / nicht nur wider die Schröcken vnnd Forcht deß Todts / sondern auch wider alle Anfechtung der Höllen vnd deß Teuffels trösten vnd auffrichten können.76

Das Beispiel des frommen Adligen, der dank rechtzeitiger Sterbebereitung der Anfechtung gewachsen war und trotz fehlenden geistlichen Beistandes getrost sterben konnte, ist allen Hörern und Lesern damit zur Nachahmung empfohlen. Ähnlich heißt es von der 1609 verstorbenen Tübingerin Regina Bansovius, dass sie durch „tägliche Vbung […] den grössern Theil des Psalters außwendig gekönnt habe. Darauß hat sie jetzt in jhren Sterbensnöten / so viel Trost / Glauben / Gedult / vnd Hoffnung gehabt“77, was der Prediger hier sogar – anders als im vorigen Beispiel – aus eigener Anschauung beim Krankenbesuch bezeugen kann. Auch der württembergische Rat Burkhard Bardili hat „die schöne nachdenckliche Sprüch […] in sein Hertz eingedruckt / die Er auch zu jeder Stund mit gefaltenen / und auff die Brust gelegten Händen / außgesprochen“78. Die Adressaten der Rezitation von ‚schönen Sprüchen‘ der Heiligen Schrift auf dem Sterbebett waren zunächst der Sterbende selbst, der sich damit zu trösten hoffte, und zum anderen Gott, an den er sich mit den Worten der Tradition im Gebet wandte. Zum dritten konnten auch die Umstehenden angesprochen sein, vor denen der Sterbende mit dem Schriftwort seinen Glauben bekannte und dadurch seine korrekte und vorbildliche Haltung demonstrierte, auch im Zusammenhang einer Abfrage wie 76 77 78

LP Peter von Pflaumern 1655, 33. LP Regina Bansovius 1609, 31. LP Burkhard Bardili 1692, 26.

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II. Am Sterbebett

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oben geschildert (vgl. S. 571). So wird vom Hirsauer Abt Johannes Parsimonius berichtet, dass er so lange Bibelverse rezitiert, bis er nicht mehr sprechen kann: […] vnnd als offt er durch mich vnnd andere angesproche[n]: […] Hat er […] gemeinlich ein schönen spruch auß Gottes Wort / sich darauß zutrösten / vnnd was sein Bekantnuß seye angezogen / als: Christus ist mein Leben / sterben ist mein ge-|win / Ich beger auffgelöst zuwerden / vnd bey Christo zusein / etc. Also hat Gott die Welt geliebt / etc. vnd dergleichen mehr. Wölches er getrieben biß jme die sprach gar gelegen.79

Der Moment, in dem „jme die sprach gar gelegen“, in dem der Sterbende also ein wesentliches Stück seiner Souveränität verliert und in dem ein Teil des physischen Verfallsprozesses eintritt, der in so vielen Liedern und Gebeten geschildert wird, wird auch in zahlreichen Sterbeberichten erwähnt. Gleichsam auf ‚halbem Weg‘ zu diesem Punkt ist die häufig belegte Praxis zu verorten, bei der der Sterbende die Trostworte nicht mehr aus eigenem Antrieb äußert, sondern nachspricht, was andere ihm ‚vorbeten‘. Bidembach fordert, „man soll jhme auch vorbeten vnd vorsprechen / wann er sonderlich vor schmertzen vnd Todes Angst sein Gebet nicht / wie er sonst | gern wolte / kan verrichten“80. Die 1668 verstorbene Maria Margaretha Prophalus hat „die Trost Sprüch Heiliger Schrifft / so Ihr vorgesprochen worden / | alsbald ergriffen / und selbsten biß zu End außgesprochen“81, Ursula Rosina Bäurlin 1676 Bibelverse und Liedstrophen „verständlich gebettet und nachgesprochen“82 und Gräfin Anna Amalia von Stolberg „die vorgesprochene Gebett / Hertzen=Seufftzer und allen vorgebildeten Trost eifrigst / und wie ein Bienen das Honig / an sich gezogen“83. Bei nachlassenden Kräften, die ein vollständiges Nachsprechen nicht mehr erlauben, wird doch immer noch betont, wenn der Kranke zum Vorgelesenen ein Zeichen seiner inneren Teilnahme und Zustimmung abgibt.84 Die Praxis des Vorbetens und Vorsprechens wird selbstverständlich auch und erst recht dann fortgesetzt, wenn der Sprachverlust eingetreten ist, der Kranke also „kein Vrkund mehr von sich geben kan“85. Dann ist er zwar nach Bidembach gehalten, „daß er in seinem letsten End zu Gott / wa es mit dem Munde jhme nicht müglich / 79 80

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LP Johannes Parsimonius 1588, fol. D 2v|3r. Bidembach, Manuale, 711f. Vgl. ebd. 716: „Kurtze Gebetlein / vmb Göttliche Hülff vnd Beystand / am letsten Ende vorzusprechen.“ LP Maria Margaretha Prophalus 1668, 32f. LP Ursula Rosina Bäurlin 1676, 61. Der Prediger berichtet von der Verwendung folgender Trostworte: Ps 73,25f; Albrecht von Preußen, Was mein Gott will, das gscheh allzeit; Bienemann, Herr, wie du willt, so schick’s mit mir. LP Gräfin Anna Amalia von Stolberg 1671, 28. Vgl. LP Maria Margaretha Prophalus 1668, 33: Der Kranken werden tröstliche Gebete vorgelesen, wobei sie, „so offt Sie gefragt war, ob Sie es verstanden / mit Neigung deß Haupts allwegen ein Zeichen von sich geben“; LP Agnes Maria Curz 1692, 35: „und waren ihre letzte Worte / als ihr vorgelesen wurden die Wort: JEsu mein GOtt und HErr allein / Wie süß ist mir der Name dein. […] Und eines von den Umstehenden sagt / man sollte die schöne Wort widerhohlen / Sie geantwortet: Ach ja!“ Vgl. LP Anna Maria Curer 1660, 39: „Eine sonderbare Gnad von Gott hat sie gehabt / ohnangesehe[n] die Sprach gelämet worden / dannoch sie biß ans seelig End / wol gehöret und verstanden hat.“ Bidembach, Manuale, 718: „Andere Gebet der Vmbständer / für den Krancken / der nun in letsten Zügen / vnd kein Vrkund mehr von sich geben kan.“

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doch mit dem Hertzen / vnd mit inniglichen seufftzen zu Gott schreye“86; die Kontrolle könnte jedoch auch so weit abhanden kommen, dass auch dies nicht mehr aus eigenem Antrieb gelingt. Die 1614 verstorbene Herzogin Sibylle von Württemberg hat daher ihren Seelsorger Theodor Thumm gebeten, wann sie in jhrem Sterbstündlin / so gewiß vorhanden / alle Sinn werd verlieren / so solle ich mit trösten vnd zusprechen nicht ablassen / sondern starck in die Ohren schreyen / der Göttlichen Tröstungen vnd Zusag sie erinnern / darmit wann sie nicht mehr reden / doch aus Glauben zu ihrem GOTT seufftzen mög.87

Nach dem Ideal des seligen Endes hängt alles davon ab, dass den Menschen im Moment seines Sterbens nicht der leiseste Zweifel an der „Göttlichen […] Zusag“ quält; dafür durch den Zuruf von Trostsprüchen zu sorgen, ist Aufgabe des Seelsorgers. Der Moment des Sterbens selbst wird in der Regel vom Gebet aller Anwesenden begleitet; die stereotyp wiederkehrende Formulierung lautet, der Kranke sei „vnder dem Gebet der Vmbstehenden / ohne einiges regen vnd | bewegen / Sanfft vnnd Seeliglich / in seinem Erlöser Christo Jesu eingeschlaffen“88. Die Fürbitte für die Toten ist nach reformatorischem Verständnis zwar abzulehnen; solange jemand aber noch stirbt, lebt er und wird vom fortwährenden und intensiven Gebet seiner Angehörigen begleitet, stellvertretend für das Gebet, das er selbst vielleicht nicht mehr verrichten kann. Festzuhalten bleibt: Die Sterbeberichte sind nach dem Ideal des seligen Endes stilisiert. Sie sollen zeigen, dass der Sterbende bis ganz zuletzt fest im Glauben stand, also getrost sterben konnte. Die berichtete Äußerung von Gebeten, Bibelversen und persönlichem Glaubensbekenntnis dient als äußerer Nachweis der geforderten Glaubensstärke. Dazu kommen das Sündenbekenntnis als Nachweis der Bußfertigkeit und der Abschied von den Angehörigen als Nachweis der inneren Lösung von der Welt, der den Hinterbliebenen einerseits zum Trost, andererseits zum Exempel dienen soll. Der Sterbebericht erfüllt damit zugleich die lehrhafte Funktion der mittelalterlichen Ars-moriendi-Literatur,89 nun freilich in personalisierter Form anhand eines konkret vor Augen stehenden Todesfalles. Die Analogien sind unübersehbar: Die in Teil B untersuchten Liedtexte sind mit dem, was laut Leichenpredigt am Sterbebett gesprochen wurde, thematisch und rhetorisch verwandt. Zwar taucht das Abendmahl in den Sterbeberichten viel regelmäßiger auf als in den Liedtexten, und die Praxis der Abfrage findet in den Liedern keinen Widerhall. Dagegen gehören Sünden- und Glaubensbekenntnis und vor 86 87 88

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Bidembach, Manuale, 711. LP Herzogin Sibylle von Württemberg (Prediger: Theodor Thumm) 1615, 353. LP Johann Bäurlin 1629, 29f. Vgl. LP Herzogin Sibylle von Württemberg (Prediger: Erasmus Grüninger) 1614, 78: „vnder anwesender deroselben vielgeliebter Kinder / vnd anderer Personen ernstlichem vnd starckem Gebett / sanfft vnd gar still entschlaffen“; LP Johann Georg Cotta d. Ä. 1692, 37: „unter dem Gebett und Zuruffen deß Seelsorgers und der Umstehenden / gar sanfft und ohne eine einzige Bewegung seinen Geist auffgegeben“ usw. Vgl. Lenz, TRE-Art. Leichenpredigt, 666: „Die Anklänge [der Leichenpredigt] zur spätmittelalterlichen katholischen ars (bene) moriendi sind unübersehbar.“

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allem Verabschiedung, Bibelzitat und Gebet zum Kernbestand der Sterbeliedtexte. Im Zentrum steht beide Male das Ich des sterbenden Menschen, das sich im Gebet an Gott oder in der Verabschiedung an seine Mitmenschen wendet. Sehr ähnlich ist auch die Auswahl der entsprechenden Bibelworte, in denen das Ich ebenfalls meist präsent ist. Auch wenn die Sterbeberichte ihrerseits stilisiert und idealisiert, also einer literarischen Konvention verpflichtet sind, lässt sich aufgrund der Gemeinsamkeiten die These vertreten, dass die literarische Prägung vieler Liedtexte auf tatsächlich am Sterbebett vollzogene Sprechakte zurückgreift und sie widerspiegelt.

3. Lieder am Sterbebett Nach dem typischen Ablauf des Sterbens im 17. Jahrhundert soll hier die Verwendung und seelsorgliche Bedeutung von Liedern am Sterbebett untersucht werden, ebenfalls vorwiegend anhand von Leichenpredigten,90 ergänzt von einigen weiteren Zeugnissen. Am Übergang vom Leben in Gesundheit zum Sterbebett steht in vielen Berichten die Erkrankung, die zur letzten und tödlichen Krankheit werden kann; einige Lieder haben hier ihren Sitz im Leben (a; vgl. S. 288–300). Dass die Verwendung von Liedern zum unmittelbaren Kontext des Sterbens selbst gehört, ist als pastorale Anweisung erstmals in Martin Mollers Manuale de praeparatione ad mortem (1593) belegt. Die Verbreitung dieser Praxis zeigt sich auch darin, dass die Erwähnung von Sterbeliedern in entsprechenden Berichten zum festen Topos einer literarischen Tradition wird (b). Anhand exemplarischer Belege aus Leichenpredigten wird die Praxis der Verwendung veranschaulicht (c). Dabei geht es zunächst um die Frage der Liedauswahl, dann um die der konkreten Performanz der Lieder in gesprochener oder gesungener Form. a) Lieddichtung und -gesang in tödlicher Krankheit In einigen Fällen wird – ähnlich wie im Falle des vorausgreifenden Sterbegedenkens (vgl. S. 545) – nicht erst die Rezeption, sondern schon die Entstehung eines Liedes beim Sterben eines Menschen verortet. Schwere Krankheit und das nahe Ende werden als Anlass geschildert, ein eigenes Sterbelied zu dichten. So ist das anonym überlieferte Lied Meinm lieben Gott allein im Druck von 1613 überschrieben: Ein schönes Geistliches Lied, Von einer Gottsfürchtigen vnnd Tugendsamen Jungfrawen, acht Tage vor jhrem seligen Abscheid auß dieser Welt, jhrem vertrawten vnd verlobten Bräutigam zum Valeth vnnd guter letzt gedichtet vnnd hinderlassen.91

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91

Vgl. J. A. Steiger, TRE-Art. Seelsorge I, 18: „Dass nicht zuletzt das Kirchenlied ein unüberschätzbarer Ort der Konkretion lutherischer Seelsorge bis hin zum Sterbelager darstellt [sic], belegen die Menge der Trostlieder und die Berichte über deren poimenischen Gebrauch z. B. in vielen Leichenpredigten.“ Vierblattdruck Zwey schöne Geistliche Lieder (Magdeburg 1613), zit. nach W V 739.

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Teil C: Sitz im Leben

Das Lied übernimmt also die Funktion der Verabschiedung am Sterbebett (vgl. S. 574). Ausschließlich an den ‚Herrn Jesu Christ‘ wendet sich das Ich dagegen in dem gleichfalls anonymen °Wenn nun mein Leben hat ein End, „welches eine Gräffliche Person auff jhrem Siech Bette, vor jhrem letzten Ende, Gott zu ehren gedichtet hat“92. Schwere Krankheit als Sitz im Leben von Sterbeliedern konnte dem Sterben lange vorausgehen. War vorausgreifendes Sterbegedenken aufgrund der empfundenen Todesnähe des ganzen Lebens ohnehin üblich, so galt dies für die Zeit der Krankheit in besonderer Weise. Darum wurden Lieder mit der Bitte um ein seliges Ende ebenso wie in zunehmendem Maße Lieder von der Sehnsucht nach dem Sterben auch in diesem Kontext verwendet. Als Beispiel sei die 1655 mit 31 Jahren verstorbene Stuttgarterin Margreta Alber genannt, die aufgrund einer Jugendverletzung neun Jahre lang schwer leidend als „Beth=Märterin“ bei ihrer Mutter und ihrem Stiefvater gelebt hatte. Ihre Zeit verbrachte sie dabei mit nichts anderem „als göttlich Wort / vnd geistliche Bücher lesen / betrachte[n] / und den Kern herauß ziehen“93. Eine besondere Bedeutung habe für sie das Lied Spann aus, spann aus, ach frommer Gott gehabt, mit dem sie die Sehnsucht nach dem Sterben als dem Ende ihres Leidens zum Ausdruck brachte und das „[i]n ihren täglichen Seufftzerlein […] vor andern ihr stetig gilffen“ gewesen sei.94 b) Lieder am Sterbebett als pastorale Praxis und als literarische Tradition Schon in der Vorrede zum württembergischen Gesangbuch von 1583 ist davon die Rede, wie sich „Christen in jren todsnöte[n] […] auß den Teutschen Psalmen / so sie vor vilen Jaren gelernet […] zutrösten wissen“95. Die älteste bekannte Anleitung zur Verwendung von Liedern am Sterbebett ist im 8. Kapitel von Martin Mollers Manuale de praeparatione ad mortem (Görlitz 1593) zu finden.96 Zwei Gruppen von Texten werden dort aufgeführt. Die erste umfasst neben dem Vaterunser zehn gereimte ‚Gebetlein‘,97 von denen jedes zumindest in einem der ausgewerteten Gesangbücher vorkommt; der weitreichende Einfluss des Mollerschen Manuale wird 92 93

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Hauß Gesänglein Oder GEistliche Lieder (Altenburg 1613), zit. nach FT I 50. Der Prediger Johann Schübel nennt insbesondere „Herrn Wudrians CreutzSchul“, das sie in nur einem Jahr „dreymal / vnd zwar mit Bedacht durchlesen“ habe; vgl. einen ähnlichen Beleg bei Niekus Moore, Praeparatio, 9. Die Kreuzschule (1627) von Valentin Wudrian (1584–1625), eine einflussreiche Erbauungsschrift, bietet unterschiedliche Deutungsperspektiven auf das Leid, vgl. Zeller, Protestantische Frömmigkeit, 92. Alle Zitate: LP Margreta Alber 1655, 27f. ‚Vor andern‘ meint nicht die Anwesenheit anderer Personen, sondern die Bevorzugung des Liedes. In der Predigt abgedruckt sind die ersten zwei Strophen des Liedes, das nach FT II 347. erstmals belegt ist in Johann Niedlings Geistlicher Wasserquelle (Frankfurt/O. 1658) unter dem Namen Michael Walthers. In der drei Jahre früher Verstorbenen scheint es eine seiner frühesten Benutzerinnen gefunden zu haben. Das vollständige Zitat wird wiedergegeben S. 43. Vgl. ausführlich bei Piper, Ars moriendi, 108–112. Selnecker, O Herre Gott, in meiner Not; Moller, Hilf, Helfer, hilf in Angst und Not†; Berckenmayr, O Herr, bis du mein Zuversicht (hier: Ach Herr, sei du mein Zuversicht); Gigas, Ich armer Mensch gar nichtes bin (hier: Ich armer Sünder gar nichts bin); anon., Herr Jesu Christ, du treuer Hort†; Eber, Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott; Selnecker, Herr Jesu Christ, in deine Händ; anon., O Jesu, Gottes Lämmelein†; anon., Hie lieg ich armes Würmelein, kann regen†; Moller, Ach Gott, wie manches Herzeleid. Für die vier mit † gekennzeichneten Texte ist Mollers Manuale laut Wackernagel der erste Beleg.

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damit deutlich.98 Die Texte werden sowohl zum vorbereitenden Auswendiglernen99 wie auch als Trost auf dem Sterbebett selbst empfohlen;100 inhaltlich bezogen sind sie unmittelbar auf die Situation des Sterbenden. Die zweite Gruppe umfasst eine Liste von 15 Texten, die ausdrücklich als ‚Gesänge‘ bezeichnet werden, die also nicht zum Vor- oder Selbersprechen, sondern tatsächlich zum Singen bestimmt sind: Es gibt die Erfahrung / Das man durch schöne Gesänge / wenn sie mit Andacht gesungen werden / viel trawrigkeit vnd schwermuth aus dem Hertzen weg singen / Dagegen auch viel schönes Trostes hienein singen kan / das die Hertzen dabey frölich und gutes muths werden / Erinnern sich dadurch der Himlischen Engel Musica / welche wir dort werden halten helffen / und sampt jnen Gott preysen in ewigen Frewden.101

Diese Gruppe ist inhaltlich weniger festgelegt. Unter ihnen sind die sechs deutschen Begräbnislieder aus dem Babstschen Gesangbuch (vgl. S. 38), die schon dort mehrheitlich in anderen Rubriken angesiedelt waren. Daneben nennt Moller neun weitere frühreformatorische Lieder von Luther und anderen, Buß- und Sterbelieder;102 schließlich verweist er auf Lieder zum Kirchenjahr und vor allem auf die Wünsche des Patienten.103 Während den gesprochenen „Gebetlein“ also die spezifische Funktion einer bittenden Reflexion der Todesnot zukommt, ist die der gesungenen Lieder weiter gefasst: Der Gesang vermittelt schon an sich Trost und Freude im Sterben, indem er an das himmlische Gotteslob der Engel erinnert. Der gesungene Text ist dabei nicht unerheblich; er muss aber nicht aufs Sterben bezogen sein.

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Nach R. Steiger, Der Gerechten Seelen, 191 (und passim) hat Mollers Manuale auch das Programm der Bibelverse und Liedstrophen bestimmt, die als Inschriften auf dem Sarg von Heinrich Posthumus Reuß (1572–1635) angebracht wurden, und damit zugleich die ihm gewidmeten Musicalischen Exequien von Heinrich Schütz. Belege aus Leichenpredigten für die Verwendung des Manuale zur Sterbebereitung nennt Niekus Moore, Praeparatio, 12f. Moller empfiehlt die „Gebetlein“ zum täglichen Gebrauch (Manuale, 248: „Diese und dergleichen Gebetlein sol man wol lernen / sich damit Gott täglich befehlen / vnd vmb ein seliges Stündlein bitten“), der dazu dient, dass sie in der Todesstunde auswendig verfügbar sind (Manuale, 234f): „Ja gleich / Wie man wol etliche Jahr zuvor pfleget das Todtengeräthe fertig zu machen / vnd zu verwahren / biß mans darff / den Leichnam hienein zu hüllen: Also erwehle dir auch etliche gewisse Sprüche / vnd lerne sie wol verstehen / Auff das du an deinem Ende deine Seele hienein hüllen / vnd mit Trost verwahren kanst. Denn da wird offtmals der Verstand geringe / Das Gedächtniß nimmet abe / Da kan man nicht auff lange Predigten hören / Man achtet auch nicht der verblümeten Rhetori=|schen gefiedderten Worte / Sondern ein Trostspruch / ein Trostwort / das durch den Mund Gottes gangen ist / Das erfrewet / labet / speiset / erquicket Hertz / Leib vnd Seele. Wenn mans aber auff dem TodtBette erst lernen sol / da gehets schwer zu / vnd ist offt zu lange geharret.“ Vgl. Moller, Manuale, 236: „Gebetlein / damit ich mich auff meinem SiechBette laben / vnd die ich auch andern Sterbenden vorsprechen möge“. Vgl. Moller, Manuale, 249. Luther, °Vater unser im Himmelreich; Luther, °Gott der Vater wohn uns bei; Hegenwalt, °Erbarm dich mein, o Herre Gott; Spengler, °Durch Adams Fall ist ganz verderbt; Speratus, °Es ist das Heil uns kommen her; Agricola, °Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ; Hubert, °Allein zu dir, Herr Jesu Christ; Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist; Gigas, Ach lieben Christen, seid getrost. Vgl. Moller, Manuale, 249: „Man sol sich aber nach dem Patienten richten / vnd jm singen / was er haben wil“; ebd. 250f: „Auch kan man sich nach der Jahrzeit richten / vnnd Weyhenacht / Ostern / | oder Pfingstgesänge singen / nach dem des Krancken Andacht begeret.“

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Aus der pastoralen Praxis wandert die Erwähnung von Liedern und Liedstrophen (wie zuvor die von Bibelversen und Gebeten) in den festen Bestand der Sterbeberichte und damit in die literarische Tradition der „erbaulichen Todesstunde“104. Dahinter steht immer die implizite Empfehlung an die Leser, es den selig Verstorbenen gleichzutun und sich in der Todesnot auf geistliche Lieder zu besinnen. Nicht nur in Leichenpredigten, sondern auch in anderen vorbildhaften Lebensbeschreibungen sind entsprechende Berichte zu finden. Ein solcher Sterbebericht konnte sogar seinerseits die Form eines geistlichen Liedes annehmen wie jener Bericht „vom Christlichen abscheide Herrn Christiani III. Könings zu Dennemarcken“, der 1597 in einem Greifswalder Gesangbuch unter dem Namen M. A. Meyers erschien. Bereits der Liedanfang °Die größte Kunst der Welt bekannt verweist auf die Intention, anhand eines berühmten Exempels in die Sterbekunst einzuweisen. In zwei Strophen wird nicht nur berichtet, dass der sterbende König geistliche Lieder zu singen begehrte, sondern sogar aufgezählt, welche genau dies waren: 18. Zum lesten auch sein Mayestath zu singende begeret hat geistliche Trostgesenge: Vinff lieder schon in jrem thon sein Gnadt hat angefange[n]: 19. Mit fried vnd frewd ich fahr dahin, mitten wir in dem leben sein, last vns den Leib begraben, Nu bitten wir den heilgen Geist, wir gleuben all darbauen. 20. Als man nu solt anfangen thun des Grabgesangs kleglichen thon, da wolts der Predigr steuren: Der König spricht ‚solchs wehre nicht, ich mag es gerne hören.‘105

Der Autor greift auf die lutherischen Begräbnislieder zurück: Die fünf in Str. 19 genannten Lieder sind fast identisch mit den bei Luther genannten deutschen Begräbnisliedern; nur Aus tiefer Not fehlt. Während der Seelsorger den Sterbenden 104

105

Klein, Bereitung, 123 Anm. 41. Klein verweist etwa auf den Evangelischen Liederschatz von Johann Christian Olearius (1707). Dort geht es um die Geschichte einzelner Lieder, zu deren „Legitimation […] ihre Verwendung in der Sterbestunde eines Frommen erzählt wird“. Meyers, °Die größte Kunst der Welt bekannt (Str. 18–19); in: Ein new Christlich PSALMBUCH (Greifswald 1597), zit. nach W IV 1016. „Darbauen“: niederdeutsch für ‚außerdem‘ (vgl. Schiller/Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch I, Bremen 1875, 485,13f). Enthalten ist das Lied auch in Erneuertes Frankfurter Gesangbuch (Frankfurt/M. 1664), Nr. 489, unter der Rubrik ‚Vom Tod und Sterben‘.

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nicht den traurigen Klängen der Grabgesänge aussetzen will, besteht der König selbst darauf, dass sie erklingen sollen. Wie schon bei Moller wird die Tradition der Begräbnislieder damit ausdrücklich auf die Sterbestunde übertragen. c) Beispiele für Auswahl und Verwendung Liedauswahl Um repräsentative Angaben über die tatsächliche Liedauswahl machen zu können, müsste eine größere Zahl von Sterbeberichten ausgewertet werden, als es im Rahmen dieser Untersuchung möglich war. Die exemplarischen Belege aus der Leichenpredigtsammlung der UB Tübingen sind aber doch von einiger Aussagekraft. Ergänzend sei auf die Untersuchung von Ingrid Drost anhand von Leichenpredigten aus der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel verwiesen.106 Nun bitten wir den Heiligen Geist wird nicht nur in dem zitierten Lied über den Dänenkönig und in Leichenpredigten erwähnt, sondern auch Bidembach empfiehlt, dass es „einem Krancken mag vorgesprochen werden“.107 Eine starke Betonung der Sünden- oder Todesnot findet sich in Bittliedern wie dem büßerischen Ach Gott und Herr, wie groß und schwer von Martin Rutilius,108 Hilf, Helfer, hilf in Angst und Not,109 Berckenmayrs O Herr, bis du mein Zuversicht110 oder Ebers °Wenn wir in höchsten Nöten sein.111 Lieder wie Blarers Wie’s Gott gefällt, so gfällt’s mir auch,112 Was mein Gott will, das gscheh allzeit oder Bienemanns Herr, wie du willt, so schick’s mit mir113 unterstreichen die Ergebung des Sterbenden in Gottes Willen. Auch Luthers Osterlied °Christ lag in Todesbanden wurde am Sterbebett gesungen.114 Zu den häufigsten Sterbeliedern nach der Gesangbuch-Statistik von Teil A gehören Schallings Herzlich lieb hab ich dich, o Herr,115 Hermans Wenn mein Stündlein vor106 107

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Vgl. Drost, Kirchenlied. Bidembach, Manuale, 712f. Der tödlich verwundete Student Georg Christoph Perger soll vor seinem Ende noch drei Strophen des Liedes gebetet haben, vgl. S. 589. Vgl. 1. LP Margarethe Elisabeth Schaffalitzky 1661, 23 (Str. 4–9 nach der Zählung aus Scheins Cantional). Vgl. LP Johann Jacob Andler 1682, 20 (zitiert S. 588). Der erste Beleg dieses Textes stammt aus Martin Mollers Manuale de praeparatione ad mortem (Görlitz 1593, vgl. S. 584); Andler verwendet ihn genau in diesem Sinne: als gesprochenes Gebet auf dem „SiechBette“. Vgl. Bidembach, Manuale, 713f. Vgl. LP Johann Lay 1660, 45. Das Lied, dem das Gebet Josaphats in 2Chr 20 zugrunde liegt, taucht in keinem der ausgewerteten Gesangbücher als Sterbelied auf. Der Prediger Nicolaus Cunaeus erläutert: Da es sich bei dem Lied und dem ebenfalls von Lay gebeteten Ps 46 um „gemeine Kriegs= und Noth=Gebet“ handle, sei ihre Verwendung als biographische Reminiszenz an die fünfjährige Tätigkeit des Verstorbenen als Bürgermeister der Reichsstadt Biberach (1636–1641) während des Dreißigjährigen Krieges zu deuten. „Daß nun dieser unser selige Herr / unter andern auch gemeldten Psalmen und Kirchen=Gesang in seinem Sterben gebraucht […] und jhm dieselbe da ins Hertz und in den Munde kommen / darauß ist sonderlich auch diß zu schliessen / wie fleissig dieser unser selige Herr auch mit umb Abwendung deß Kriegs / und Verleyhung deß lieben Friedens gebeten […] Im übrigen aber sind gemeldte Psalmen und Gesänge in Sterbens Noth auch gar füglich zu gebrauchen.“ (Ebd. 46.) Vgl. LP Georg Christoph Perger 1627, 21. Beide vgl. LP Ursula Rosina Bäurlin 1676, 61. Vgl. LP Johann Ulrich Pregitzer 1708, 42: Luther, °Christ lag in Todesbanden (Str. 5,5–7; zit. S. 593). Vgl. LP Christoph Zeller 1669, 42; die in besonderer Weise auf das selige Ende und die Auferstehung bezogene Str. 3 (Ach Herr, lass dein lieb Engelein) in der LP Lucas Plattenhardt 1648, 32.

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handen ist116 und Ebers Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott.117 Gerade das Letztere scheint durchweg eine große Rolle zu spielen. Bidembach legt es dem Seelsorger zum „vorsprechen“ ans Herz, und das Lüneburgische Gesangbuch (Lü-1695/1702) bietet zu der normalen Textfassung eine weitere dar, die genau dieser stellvertretendfürbittenden Art der Ausführung Rechnung trägt, indem nämlich alle Formen der 1. Person (‚ich‘ usw.) durch die 3. Person ersetzt sind (‚der Kranke‘).118 Durchgängiger Beliebtheit erfreuen sich die beiden Nicolai-Lieder Wachet auf, ruft uns die Stimme und Wie schön leuchtet der Morgenstern.119 Zwei ganz unterschiedliche Belege konnte ich für Rists Abendlied °Werde munter, mein Gemüte entdecken.120 Daneben werden immer wieder Lieder genannt und zitiert, die nicht auf Anhieb zuzuordnen sind. Einzelstrophen, Einzelverse und Strophenabschnitte können jeweils ohne weiteres herausgegriffen werden. In anderen Fällen wird dagegen wieder betont, das Lied sei ‚ganz hinausgesungen‘ worden, also mit sämtlichen Strophen.121 Beispiele für die Verwendung von Liedern und Liedtexten beim Sterben Grundsätzlich gilt für die Verwendung von Liedtexten beim Sterben Ähnliches wie für andere vorgeprägte Textstücke, etwa die oben genannten Schriftworte und Gebete: Sie wurden entweder vom Sterbenden selbst gesprochen oder ihm von Seelsorger oder Angehörigen vorgebetet. Ob er sie mit- oder nachbetete oder nur noch zustimmend, stumm oder gar nicht mehr daran teilnahm, hing von seinem Zustand ab. Als entscheidende zusätzliche Dimension neben der Sprache ist im Falle der Lieder die Musik zu beachten. War der Sterbende noch zum Sprechen in der Lage, hat er die Liedtexte „von Wort zu Wort recitirt / vnd jnniglich gebetten“122 wie der Esslinger Bürgermeister Lucas Plattenhardt oder „mit gebrochener Stimme / und stammlender Zunge vielfältig geruffen und geseufftzet“123 wie Sabina Regina Andler. Johann Jacob Andler 116 117

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Vgl. LP Christina Aulber 1666, 34 (Str. 4,5–7). Vgl. Bidembach, Manuale, 714f; LP Johannes Andreae 1620, 35; LP Georg Christoph Perger 1627, 23; Gerber, Historia derer Wiedergebohrnen 1, 579. Unter der Überschrift „Für die Krancken zu beten oder zu singen“ heißt es in der Ausgabe 1702 bei der Nr. 1761 (Str. 1–2): „HErr Jesu Christ! wahr mensch und GOtt! | Der du littst marter / angst und spott: | Am creutz auch für dem krancken starbst / | Und ihm deins Vaters huld erwarbst: || Ich bitt / durchs bitter leiden dein / | Du wollst demselben gnädig seyn / | Wenn er nu kömmt in sterbens=noht / | Und ringen gar wird mit dem tod.“ (usw.) Wachet auf, ruft uns die Stimme: LP Anna Dorothea Adamin 1706, 21; LP Johann Ulrich Pregitzer 1708, 42 (auch Str. 3); Wie schön leuchtet der Morgenstern: LP Anna Dorothea Adamin 1706, 21 (Str. 7); LP Georg Friedrich Wagner 1672, 43 (Str. 7,7–10); LP Sabina Regina Andler 1702, 47f (Str. 7,7–10). Vgl. LP Anna Elisabetha Baderin 1664, 25; LP Ferdinand Crafft 1714, 43; vgl. S. 592. Vgl. die in Anm. 132 und 133 belegten Zitate. LP Lucas Plattenhardt 1648, 32. Plattenhardt sprach die Bitte um Hilfe in der letzten Not aus Luthers deutscher Litanei (zitiert: „Durch dein heilige Geburt / durch deinen Tod / Kampff vnd blutigen Schweiß / durch dein Creutz vnd Tod / durch dein heilige Aufferstehung vnd Himmelfahrt / in meiner letzten Noth / am Jüngsten Gericht / hilff mir lieber HErre GOtt!“) sowie das „letzte gantze Gesetz in dem schönen Psalmen=Gesang: Hertzlich lieb hab ich dich / O HErr“ (zitiert: „Ach HErr / laß deine Engelein“ usw.). LP Sabina Regina Andler 1702, 47f. Die Schlussbitte aus Wie schön leuchtet der Morgenstern wird als Bitte um Erfüllung der Sterbesehnsucht gedeutet: „Amen / Amen / Komm du schöne | Freuden Krone / bleib nicht lange / deiner wart ich mit Verlangen; welches ihr ruffen und seuuftzen / ihr JEsus auch endlich

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hat sich „selbsten mit allerhand schönen Sprüchen / und Liedern getröstet / biß in sein letztes End“ und ist dann „auff die von ihme selbst letztangezogene Wort: Hilff Helffer hilff in Angst und Noth / etc. unter thränendem Gebett und Zuspruch der lieben Seinigen / gantz sanfft und selig […] eingeschlaffen.“124 Der gesprochene Liedtext wird hier, vom Kranken selbst „angezogen“, zu seinem letzten Gebet. Ähnlich verfuhr der Biberacher Bürgermeister Johann Lay mit dem Gebet von Ps 46 und dem Lied °Wenn wir in höchsten Nöten sein, in das er die Umstehenden einbezog: Und da der selige Herr gemercket und verspührt / die Reysefahrt auß diesem Leben sey da / hat er den Anwesenden zugesprochen / und befohlen / mit jhme zu beten / hat den Anfang mit vielen hertzlichen Seuffzern auch selbst gemacht / sonderlich mit dem 46. Psalm: Gott ist unser Zuversicht und Stärcke / eine Hülffe in den grossen Nöthen / die uns troffen haben / etc. Item: Wenn wir in höchsten Nöthen seyn / etc. Unter welchem Gebet Er dann / ohn einige sonderliche Bewegung / sanfft und stille eingeschlaffen und verschieden.125

Auch bei einem plötzlichen und gewaltsamen Todesfall konnte es sein, dass sich der Sterbende noch selbst mit gesprochenen Liedtexten zu trösten suchte. Der aus Linz stammende Jurastudent Georg Christoph Perger wurde 1627 bei einer Stecherei in Tübingen tödlich verwundet. Über die näheren Umstände schweigt sich der Prediger aus, da er „nit darbey gewesen“; dennoch meint er sagen zu können, dass „vnser Verstorbne Mitbruder den Tödtlichen Stich ohn alle gegebne Vrsach empfangen“. Der Verletzte habe eilends nach dem Seelsorger geschickt; bevor er das Abendmahl empfangen konnte, musste er seinem Mörder von Herzen vergeben, was er ausdrücklich tat. Weiter habe er „auch offt gesprochen: Wies GOtt gefällt / so gefällts mir auch / sein Will der ist der beste“ (wobei er Blarers Wie’s Gott gefällt mit Was mein Gott will kombinierte) und sich mit Bibelversen getröstet (Jes 49,14–16; Lk 24,29; Joh 3,16f). Zuletzt habe er den Vmbstehenden Endtlichen die Hand gebotten / vnd ein gute Nacht gewünschet; vnd darauff angefangen zu betten: Nun bitten wir den heyligen Geist […] Du werthes Liecht gib vns deinen schein […] Du höchster Tröster in aller Not […] Ich lig im Streit vnd widerstreb […] [= Agricola, Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ, Str. 5] HErr JEsu Christ wahr Mensch vnd GOtt / der du lidst Marter / Angst vnd spot / etc. Vatter vnser / der du bist im Himmel / etc. In diesem Gebett ist er sanfft vnd still eingeschlaffen.126

Auch dem Ermordeten dient die Folge von drei gesprochenen Sterbeliedern als letztes Gebet, das er mit dem Vaterunser abschließt.

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erhöret / und sie vergangenen Freytag Mittags gegen 12. Uhr […] durch einen sanfften und seeligen Tod […] zu sich […] abgeholet“. LP Johann Jacob Andler 1682, 20. LP Johann Lay 1660, 45. Zur Begründung der Auswahl gerade dieser Texte vgl. Anm. 111. LP Georg Christoph Perger 1627, 19–22.

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Teil C: Sitz im Leben

Für die Praxis des Vorlesens und Vorsprechens von Liedtexten am Sterbebett lassen sich ebenfalls viele Beispiele finden. Manche Sterbende wie der Tübinger Buchhändler Johann Georg Cotta d. J. baten selbst darum, dass ihnen Sterbelieder vorgelesen würden: Nicht lang vor seinem seel. Tod sagte Er zu seiner ältern Tochter / sie solle ihme das schöne sterblied: weil nichts gemeiners ist als sterben / noch einmal lesen / welches auch geschahe / biß endlich seine Erlößungs=stund heran genahet.127

Ein wichtiger Akzent vieler Berichte liegt auf dem Nachsprechen des Vorgebeteten und auf anderen Reaktionen des Sterbenden – beides wird deshalb so betont, weil der Kranke darin seine innere Teilnahme am äußeren Vollzug des Textes erweist, die für die richtige Haltung beim seligen Ende als wesentlich gilt. So wird von Johannes Andreae, Sohn des oben bereits erwähnten Jacob, berichtet: Seinen Verstand hat er biß an sein End behalten / vor welchem als ich jhme das Lied vorgesprochen / Herr JEsu Christ wahr Mensch vnd Gott / ist er mir vilmahlen mit der Red zuvor kommen.128

Die eigentliche Pointe dieser wie aller vergleichbaren Bemerkungen liegt nicht allein im Aufweis des ‚Verstandes‘, der geistigen Regsamkeit des Sterbenden an sich, sondern in deren positiver Funktion für sein seliges Ende. Etwas Heroisches haftet den Verständnisbekundungen des Sterbenden an, wenn damit wie bei Margaretha Elisabeth Schaffalitzky gegen „zunemmende[…] Schwachheit“ angekämpft wird. Die adlige Dame hat die ihr „von dero Herrn Beichtvatter […] fürgesprochen[en]“ und in der Predigt wörtlich zitierten sechs Strophen des Bußliedes Ach Gott und Herr mit einem dreyfachen hertzlichen Amen selbsten beschlossen / auch bey zunemmender Schwachheit hertzlich nachgebetet / den Mund und Lippen gerühret / auch jedesmals / daß sie das Gebet höre / verstehe / nachseufftze […] sich biß in ihr seliges End hinein verständlich und vernemmlich erkläret.129

In welcher Weise sich eine Sterbende affirmativ auf den Wortlaut des ihr vorgesprochenen Liedtextes beziehen konnte, zeigt das Beispiel von Christina Aulber. Von ihr heißt es,

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LP Johann Georg Cotta d. J. 1712, 38. Das genannte Lied °Weil nichts Gemeiners ist als Sterben ist im Freylinghausenschen Gesangbuch von 1708 in der Rubrik „Vom Tode und der Auferstehung“ unter der Nr. 572 zu finden (Ed. McMullen/Miersemann S. 819). LP Johannes Andreae 1620, 35. Ähnlich noch Gerber, Historia derer Wiedergebohrnen 1 (Dresden 1726), 579, in der 22. Historie über den jungen Adligen Gotthelf Friedrich von Schönberg, der sich durch „sonderbare Sterbens=Begierde“ auszeichnete und 1724 verstarb: „Man bethete dem sel. Herrn vor, sonderlich das Paßion= und Sterbe=Lied unsers Heylandes: HErr JEsu Christ, wahr’r Mensch und GOtt! der du littest Marter etc. das bethete er bey vollem Verstande nach“. 1. LP Margaretha Elisabeth Schaffalitzky 1661, 23.

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II. Am Sterbebett

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daß / als Ihr die Wort deß tröstlichen Sterb=Lieds vorgesprochen worden: Dann wo du bist da komme ich hin / Daß ich stäts bey dir leb und bin / Drumb fahr ich hin mit Frewden. Sie deß H. Geistes voll Hertzeifferig dise Wort hören lassen; Ja mit Frewden / mit Frewden / mit Frewden will ich hinfahren.130

Konnte die Sterbende sich nicht mehr äußern, so setzten die Umstehenden ihre Gebete in stellvertretender Fürbitte fort, darunter auch Liedtexte. Manchmal begegnet daher auch eine entsprechende Abweichung von der Standardformulierung, der Kranke sei ‚unter dem Gebet der Umstehenden eingeschlafen‘ – so bei der 1660 verstorbenen Anna Maria Curer: Der Prediger erklärt, Christus habe In dem jetzt angetrettenen Jahr […] den 3. Jan. morgens vor 3. Uhr sie under dem Zuspruch Gottseeliger Gebett= und Sterbens=Lider / verständlich / und Christlicher Andacht nach / mit der Newen=Jars=Gab deß ewigen Lebens bereichert.131

Belege für die gesungene Ausführung von Sterbeliedern sind in den untersuchten Leichenpredigten deutlich seltener zu finden; die Verwendung der Texte als gesprochene Gebete scheint verbreiteter zu sein. Ein weiterer Befund besteht darin, dass Belege für das Singen nach 1700 vermehrt auftauchen. Darüber, ob sich darin eine tatsächlich geänderte Praxis spiegelt, kann hier nur spekuliert werden. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass Liedgesang in der häuslichen Andacht ja bereits im 17. Jahrhundert ein verbreitetes Phänomen darstellt (vgl. S. 149–152); insofern ist es wenig wahrscheinlich, dass er in der Sterbestunde, die doch sonst so viele erbauliche Elemente aufweist, nur ausnahmsweise eine Rolle spielt. Auch beim Singen unterscheiden sich die Berichte darin, ob es der Sterbende selbst tut oder ob ihm von anderen vorgesungen wird. Nachträglich als eine Art Vorahnung gedeutet wird eine Episode aus dem Leben des Theologen Christoph Zeller, die sich bereits „wenig Tag vor seiner Kranckheit und seligem Hintritt“ in einem Gespräch mit seiner Frau abgespielt haben soll. Im Verlauf dieses Gesprächs kündigt Zeller an, dass er sich zur Predigt nach dem Buch Esther als nächstes „den Prediger Salomonis für […] nemmen und dem Hof der Welt Vanität und Eitelkeit fürstellen“ wolle – „warnach Er gar andächtig das Lied: Hertzlich lieb hab Ich dich / O HErr / etc. gantz außgesungen.“132 Das Lied gilt vor allem wegen seiner 3. Strophe als Sterbelied.

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LP Christina Aulber 1666, 34; Zitat aus: Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Str. 4,5–7). LP Anna Maria Curer 1660, 39. LP Christoph Zeller 1669, 42. Die Marginalie am Rand der Leichenpredigt gibt diesem Abschnitt die Überschrift: „Vor seinem seeligen End geführte nachdenckliche Reden.“ Der Redner der akademischen Trauerrede, der den Zwischenfall gleichfalls erwähnt, nennt Zeller einen „Cantator Cygnus funeris ipse Sui“, einen Schwanensänger seines eigenen Todes (akademische Trauerrede für Christoph Zeller, 18).

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Teil C: Sitz im Leben

Sehr plötzlich eingetreten ist 1714 der Tod des württembergischen Expeditionsrates Ferdinand Crafft, der noch unmittelbar vorher zur familiären Abendandacht das Rist-Lied °Werde munter, mein Gemüte „gantz hinaus gesungen“ hatte und dabei von seinem Sohn am Klavier begleitet worden war. Crafft hatte biß eine halbe Stund vor seinem Todt denen Geschäfften obgelegen: wie er dann den letzten als verwichenen Samstag Abends einer gewissen Person / welche ihn besuchte / noch biß zu der Thür ausgefolgt / nach diesem mit denen Seinigen zu Nacht / ob zwar weniges gespeiset / gebettet / und das bekannte Gesang / werde munter mein Gemüthe etc. nebst | dem / von dem ältern Sohn dazu geschlagenen Clavier / gantz hinaus gesungen: Worauff er sich auf einen Stuhl hingesetzet / und mit denen Seinigen vieles / doch welches man erst nach seinem Tod verstunde / lauter auf was Geistliches zihlendes geredet / biß er also unter so vielen Todes=Gedancken von GOtt mit einem so harten Schlag gerühret worden / daß er von seiner geliebten Haußfrauen Seiten zu Boden und in ihre Arm gesuncken.133

In der nachträglichen Deutung wird dieser Gesang ebenfalls zu einer Art ‚Schwanengesang‘, so wie man auch die erwähnten Gespräche „erst nach seinem Tod verstunde“. Es ist deutlich, wie in dieser Predigt die dem Sterbeideal widersprechende Plötzlichkeit des Todes durch seine ausdrückliche Einbettung in einen erbaulichen Kontext mit Gebet, Lied und geistlichem Gespräch gemildert werden soll. Letztlich trägt das Singen des Liedes also mit dazu bei, in der Deutung aus dem plötzlichen doch ein seliges Ende zu machen. Dasselbe Lied wurde schon fünfzig Jahre vorher am Sterbebett der 23jährigen Anna Elisabetha Baderin gesungen, der Tochter des Tübinger Stadtschreibers Christoph Bader. Anders als bei Crafft ging ihrem Sterben allerdings eine längere Krankheit voraus, in deren Verlauf sie sich zum Sterben bereiten konnte. Rists Abendlied lag ihr dabei als eine Art „Leibstücklein“ offenbar besonders am Herzen lag: Sie ließ es sich immer wieder vorlesen und bat darum, es gemeinsam zu singen und zu beten. Im Postskript zur Leichenpredigt schreibt der Vater der Verstorbenen: NAch deme auch mehrgemelte unsere Liebe ELISABETHA seelig / das schöne Gesang / Werde munder mein Gemüthe / etc. wie selbiges in dem newlich Anno 1663. allhier getruckten Württembergischen Kürchen: und Hauß=Gesangbuch / in 8. fol. 391. zuersehen / jhro vor andern Psalmen und Liedern / sonderlichen sehr lieb sein lassen / daß man jhro selbiges / als gleichsamb jhr Leibstücklein / in gewehrter Kranckheit / underschidlicher mahlen / fürlesen / mit jhro singen und betten müssen; und nun Euch (freundlich geliebten Kindern) zugleich andern Verwandten und Bekanten / solchen Gesangs sonderbahre Melodia ohne zweiffel nicht bekant sein möchte; Als hab ich solches Gesang / zu jhr der verstorbenen desto mehrerm angedencken / nicht nur in dem discanto mit seinen noten anhero übersetzen: sondern auch die übrige 3. Stimmen noch weiters durch einen guten Freund Componiren lassen / und also quatuor vocum beyfügen wöllen / gestaltsame das erste und letste Gesetz solchen Gesangs hiebey nachgetruckt Inserirt: die überige 10. Gesetz aber in gedüttenem Württemb. Gesangbuch nach belieben vollends zu finden seyn.134 133 134

LP Ferdinand Crafft 1714, 43f. Postskript zur LP Anna Elisabetha Baderin 1664, 25.

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II. Am Sterbebett

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Während Anna Elisabetha das Lied gut kannte, kann der Vater dies bei Verwandten und anderen Lesern des Funeraldrucks anscheinend nicht voraussetzen. Damit sie der Verstorbenen im Medium dieses Liedes, zu dem sie eine so besondere Beziehung hatte, dennoch singend ein „angedencken“ bewahren können, gibt er für den Text eine Quelle an – das Württembergische Kirchen- und Hausgesangbuch von 1663135 – und lässt die Melodie (mitsamt einem eigens komponierten vierstimmigen Satz) im Anschluss an die Leichenpredigt abdrucken. Sie besitzt gegenüber der Originalfassung in Rists Himlischen Liedern (1642) einige Eigenständigkeiten. Indem der Sterbende singt, demonstriert er angesichts des Todes eine getroste Haltung. So wird von dem 1708 verstorbenen Justizrat Johann Ulrich Pregitzer berichtet: Alß Ihne den ohneinst letztern Tag bey einer tödtlichen Schwachheit / da man eben vermeinet / sein Ende seye vorhanden / zugesprochen / und unter anderm das Gloria angeführt würde / fieng er nicht nur von selbst an / dieses Gesetz mit heller Stimme zu singen: Gloria seye dir Gesungen mit etc. sondern vollendete auch selbiges gantze Lied: Wachet auf! rufft uns die Stimme etc / Mit grosser Devotion und bewegung / da Er vorher kein lautes Wort mehr reden können […] Dessen ungeachtet aber / hat Er in der letzten Nacht / und darauff gefolgten Morgen / zerschidene geistreiche Lieder / mit grosser Andacht theils gebettet / theils auch noch gesungen.136

Nachdem ihm die Sprache schon teilweise versagt hatte, gelingt es dem Sterbenden hier im Medium des Singens, seine innere „Andacht“, seine „Devotion und bewegung“ angesichts des bevorstehenden Todes so nach außen zu tragen, dass auch seine Umgebung daran teilhaben kann. Im weiteren Verlauf ist ihm das zwar nicht mehr möglich, aber er gibt doch zu erkennen, dass er selbst an dem Gesang innerlich noch teilnimmt, den nun die Umstehenden übernommen haben – so jedenfalls die Interpretation des Predigers, als der Kranke seine Augen „gen Himmel“ richtet: […] da Ihme bey darauff angetrettnen Todes=Kampff die Sprach völlig verfallen / doch aber dabey noch in der letzten halben Stunde seines Todes geschehen / alß man bey singung deß Oster=Liedes auf das Gesetz gekommen: Dessen Blut zeichnet unsere Thür / das hält der Glaub dem Tode für / der Würger kan uns nicht ruhren: Wie auch bey absingung deß bekandten Gesetzes: Nun will ich gern von diser Welt hinfahren nach GOttes Willen / und wie die Worte ferner lauten etc. Wobey Er beständigst seine Augen gen Himmel gerichtet.137

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Ein Exemplar dieser Ausgabe ist nach Metzger, Gesangbücher, 228 in der Teinacher Kirchenbibliothek erhalten. LP Johann Ulrich Pregitzer 1708, 42. Ein mehrere Jahrzehnte jüngeres Beispiel solch freudigen aktiv gesungenen Gotteslobs auf dem Sterbebett ist von dem Stuttgarter Subdiakon Christoph Friedrich Stockmayer überliefert. Nach dem Abendmahl habe „er sich gantz freudig in seinem Innwendigen befunden, [sagte] auch in Gegenwart Seines Beicht=Vatters […]: Er befinde sich in solcher Freudigkeit und innerer Zufriedenheit Seines Hertzens, daß Er mit denen Umstehenden zu singen verlangte, und Selbsten das Gesang: Sollt ich meinem GOTT nicht singen? vorschlagte, welches Er auch mit grosser Freudigkeit und innerer Hertzens=Bewegung gantz vernehmlich biß auf das 3te Gesetz mit sämtlichen Umstehenden gesungen“ (LP Christoph Friedrich Stockmayer 1737, 27). LP Johann Ulrich Pregitzer 1708, 42.

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Teil C: Sitz im Leben

Von der Wirkung des Gesangs der Umstehenden auf den in Todesnot liegenden Menschen spricht auch der Vorredner des Leipziger Vorraths von 1673: wie ermuntert sich manches / und beköm[m]t gleichsam neue Kräfte / das in Todes=ängsten gantz unruhig lieget / wann ein Gesetz von den Umbstehende[n] gesungen wird / welches sein Anliegen und Bekümmerniß angehet?138

Entscheidend zum Verständnis der Wirkweise geistlicher Lieder ist der Relativsatz am Ende des Zitats, der die Voraussetzung dafür angibt, dass der Gesang tatsächlich tröstlich und ermutigend wirken kann: Der Sterbende muss sich selbst, muss „sein Anliegen und Bekümmerniß“ in der gesungenen Strophe („Gesetz“) wiederfinden, um „neue Kräfte“ zu schöpfen. Es ist just dieses Moment der persönlichen Aneignung der Texte, auf dessen Nachweis auch die Leichenpredigten so großen Wert legen. Wo der Sterbende noch selbst sprechen oder singen kann, muss er dies „hertzlich“, „mit grosser Andacht“ usw. tun, wo nicht, sind alle verbalen und nonverbalen äußeren Anzeichen seiner inneren Teilnahme festzuhalten. Unter Umständen bedurfte es zur „Andacht“ aber gar keines Textes und keines Text-Ichs, die der Sterbende auf sich selbst und seine Not beziehen konnte; dieselbe Wirkung konnte auch allein vom Gesang ausgehen. So wird von Johann Georg Cotta berichtet, dessen Haus (‚Cottahaus‘) unmittelbar neben der Tübinger Stiftskirche steht: Und obwohlen er wegen seines gebrechlichen leibes wenig in die offentliche versammlung kommen konnte / so hielte Er doch seinen Privat Gottes dienst fleissig und eiffrig zu Hauß / wurde auch durch das offentliche Gesang / weil sein Hauß dieser Kirchen so nahe / in seinem elend offt erquicket und zur andacht auffgemuntert.139

Es genügte, dass der Gemeindegesang aus der Kirche herüberdrang, um den Kranken „zur andacht“ aufzumuntern. Sicher erinnerten ihn die bekannten Melodien jeweils auch an Texte; aber das Medium, über das die Andacht hier vermittelt wurde, ist die Musik. Von einer ganz anderen Quelle des Gesangs, der eine Sterbende auf ihrem Totenbett „erquicket und erfreuet“ hat, berichtet schließlich die Leichenpredigt der 1706 verstorbenen Anna Dorothea Adamin: Worauf Sie nicht wenig erquicket und erfreuet der süsse ewigen Lebens=Vorschmack / den Sie / 2. Tage vor ihrem seligen Ende / in ihrer Seelen höchst=freudig gehabt / und solchen Hertz=vergnügt erzehlet hat / da Sie / bey gutem Verstand / zu ihrer vor ihrem Krancken=Bettlein sich befindenden Frau Söhnerin Caspar Adamin unter andem gedacht / Sie hätte eine über alle massen herrliche Music gehöret / man hätte in Himmlischen Chören angestimmet: Wachet auf rufft uns die Stimme etc. und Wie bin ich doch so hertzlich froh etc. dergleichen liebliche Music Sie die Tage ihres Lebens niemahl gehöret / Sie freue sich

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L-1673, fol. b 2r. LP Johann Georg Cotta d. J. 1712, 36.

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II. Am Sterbebett

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von Hertzen darauf / auch bald / mit Himmlischen Chören / das Heilig / Heilig / Heilig / ist der HErr | Zebaoth anzustimmen und ewig zu singen.140

In einer Art Audition vernimmt die Kranke u. a. die beiden Lieder Philipp Nicolais, von himmlischen Chören in einer Art und Weise gesungen, die alle irdischen Maßstäbe übersteigt (vgl. 1Kor 2,9). Der „Vorschmack“ des ewigen Lebens ist hier – wie auch schon im Titel des Gesangbuchs von Peter Sohren (H-1683) – die Musik, freilich nun in einer vollends verinnerlichten Form: „in ihrer Seelen“ hat die Adamin sie gehört und empfunden. Indem sie diesen „Vorschmack“ an ihre Schwiegertochter und über den Prediger letztlich an die Trauergemeinde weitergibt, spendet sie den auf Erden Verbliebenen noch nach ihrem Tod doppelten Trost: einerseits über den Verlust, andererseits im Blick auf den eigenen Tod – Trost, an dem der himmlische Gesang wesentlichen Anteil hat.

4. Zusammenfassung Die Untersuchung des Sitzes im Leben am Sterbebett hat gezeigt, dass das lutherische Sterbelied im 17. Jahrhundert einen wesentlichen Beitrag zu den Anliegen der Sterbeseelsorge leistete. Die drei Hauptelemente der Seelsorge waren Buße und Beichte, die Feier des Heiligen Abendmahls und der Zuspruch von Trost in der Anfechtung. Trotz unterschiedlicher Akzente in der Gewichtung von Sündenbetrachtung (Buße) einerseits und Trost andererseits setzt sich im Gefolge Luthers das Hinwirken auf den Trost als seelsorgliche Maxime durch. Schon in Teil B war deutlich geworden, dass viele Lieder dieses Ziel nicht nur zum Thema machen, sondern ihrerseits darauf hinwirken. Konkret aufweisen lässt sich die Verwandtschaft zwischen Liedtext und gesprochenem Wort in der Sterbeseelsorge bzw. am Sterbebett anhand der Sterbeberichte in Leichenpredigten. Zwar spielt das dialogische Element der weithin üblichen Abfrage von Sterbenden auf ihre Sterbebereitschaft in den Liedern keine Rolle, dafür aber Sünden- und Glaubensbekenntnisse sowie die Verabschiedung von den Angehörigen. Besonders deutlich zeigt sich die Nähe in der Verwendung bestimmter Bibelverse, die in Liedern gleichermaßen wie in der Sterbeseelsorge (und später als Leichtexte) zum Einsatz kamen. Viele ihnen haben die Form des Gebets (Psalmverse u. a.). Auch sonst stellt das Gebet die dominierende Redeweise dar, in den Liedern ebenso wie beim Sterben selbst. Nicht nur in ihrer Form, sondern auch in ihrer Verwendung lassen sich die Lieder in der Darstellung der Sterbeberichte den sonst üblichen Reden am Sterbebett vergleichen: Der Sterbende selbst bleibt so lange wie irgend möglich Hauptakteur der Sterbebereitung, ganz egal, ob er dazu Lieder, Bibelverse oder sonstige Gebete benutzt. Durch das rechtzeitige Auswendiglernen solcher tröstlichen vorgeprägten Texte soll der Mensch sich auf diese Situation vorbereiten, denn ob zur gegebenen 140

LP Anna Dorothea Adamin 1706, 21f.

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Teil C: Sitz im Leben

Stunde ein Seelsorger greifbar ist, weiß niemand. Je mehr dann die Kräfte abnehmen und die Sinne schwinden – im Lied wird dieser Verfallsprozess als literarisch allgegenwärtiger Topos aufgegriffen (vgl. S. 296–300) –, desto mehr müssen Seelsorger und Angehörige assistieren: Sie sprechen dem Sterbenden weitere Texte entweder vor, indem sie ihn zunächst nachsprechen, dann nur noch verbal oder nonverbal zustimmen lassen, oder sie singen Sterbelieder. Durch ihre musikalische Dimension besitzen die Lieder gegenüber nur gesprochenen Texten nach Martin Moller eine zusätzliche tröstliche Wirkung, die vom Text unabhängig ist und die Freude „der Himlischen Engel Musica“ vorwegnimmt. War die zentrale seelsorgliche Funktion der Lieder am Sterbebett als Trost im Sterben bestimmt worden, so kommt den Liedzitaten im Sterbebericht auch eine literarische Funktion zu: Sie sind ein äußerer Nachweis der notwendigen inneren Bereitung zum Sterben und tragen damit zur idealisierten Darstellung des Todes als seliges Ende bei. Zum einen dient dies dem Trost der Angehörigen, die sich vielleicht um die Seligkeit des Toten sorgen; zum anderen dient es als Unterweisung für das eigene Ende. Der individuelle Sterbebericht übernimmt damit die lehrhafte Funktion der mittelalterlichen Ars-moriendi-Literatur. Neben Gebet und Schriftwort gehört nun auch das Sterbelied zum geschilderten Ideal.141

III. Das Begräbnis Als dritter und letzter denkbarer Sitz im Leben der Sterbelieder ist schließlich das Begräbnis zu behandeln. Neben Kirchenordnungen und Leichenpredigten werden dazu auch einige Liedtexte als Quellen herangezogen. Ein erster Abschnitt versucht das Verständnis des Begräbnisses im Luthertum des 17. Jahrhunderts zu klären. Der Ablauf der Begräbnisfeier und einige in Kirchenordnungen und Liedern erwähnte Begräbnisbräuche werden im zweiten Abschnitt erläutert. Ein eigener Abschnitt ist drittens der Leichenpredigt gewidmet, die in Textwahl und Aussageabsicht viele Gemeinsamkeiten mit den untersuchten Liedern aufweist und zudem häufig Liedzitate enthält. Dem Gesang beim Begräbnis gilt schließlich der letzte Abschnitt, wobei eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen zwei Arten von Liedern zu beachten ist: einerseits die kleine Auswahl der in der Kirchenordnung vorgesehenen Begräbnislieder, andererseits die große Zahl der zum individuellen Anlass neu gedichteten und komponierten Gelegenheitswerke.

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Drost, Kirchenlied, 207 gelangt aufgrund der Analyse von Leichenpredigten zu der Erkenntnis, dass „in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts das Kirchenlied die Funktion der ars moriendi übernommen hat.“

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III. Das Begräbnis

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1. Das Verständnis des Begräbnisses im Luthertum Zur Beantwortung der Frage, warum die Toten überhaupt begraben werden sollen, wird von den lutherischen Theologen zunächst immer wieder auf die in der Bibel berichtete Praxis verwiesen.1 In der Auseinandersetzung mit der römischen Kirche setzte sich während der Reformation vor allem ein entscheidender Kritikpunkt am altgläubigen Verständnis des Begräbnisses und anderer Totenrituale durch: Kritisiert wurde die Vorstellung, dass das Ritual den Verstorbenen zugute komme, so wie die vermeintliche Verpflichtung der Lebenden, für die Toten Sorge zu tragen, im Streit um den Ablass Gegenstand der reformatorischen Kritik war. Die grundsätzliche Ablehnung der Lehre vom Fegefeuer durch die Reformatoren machte ein fürbittendes oder fürsorgendes Handeln der Lebenden an den Toten ebenso unmöglich wie unnötig, „Sintemal die glaubigen / alßbald sie abscheiden / in dz ewige leben / die vnglaubige[n] aber / in die ewige verdamnuß kommen / vnd wir derenthalben jenen nicht dörffen / dieser aber nicht können helffen“2. Menschlichem Einfluss sind die Toten nach reformatorischem Verständnis vollständig entzogen. Eine Commendatio animae durch die Kirche konnte der Begräbnisgottesdienst also nicht mehr sein: Er wurde ausdrücklich nicht als Handeln an den Toten, sondern an den Lebenden verstanden. a) Polemik gegen die Vorstellung des Dienstes an den Toten Die Betonung genau dieser Unterscheidung ist, oft verbunden mit konfessioneller Polemik, in den Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts häufig zu finden; die manchmal pauschal erscheinenden Angriffe gegen ‚heidnische und unchristliche‘, ‚papistische und abergläubische‘ Riten3 zielen letztlich auf diesen Punkt, wenn vielen zudem auch die Prachtentfaltung (das „gepreng“) unpassend erscheint. Prägend und beispielhaft für die Zurückweisung der Vorstellung eines Dienstes an den Toten ist die Formulierung in der Württembergischen Kirchenordnung von 1553: 1

2

3

Vgl. Hutter, Comp. 29,8: „Cur verò corpora jam mortua, terrae mandantur & sepeliuntur? Quia hic ritus & consuetudo videtur proximè convenire ad Scripturas.“ Zitiert: Gen 3,19; Koh 12,7 („Der Staub muss wieder zur Erde kommen, wie er gewesen ist, und der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat“); biblische Beispiele: Bestattung Saras durch Abraham (Gen 23,19), Bestattung Jakobs, Bestattung Josuas, Bestattung Jesu durch Joseph von Arimathia (Mt 27,60). Auch Luther argumentiert in seiner Vorrede zum Begräbnisliederbuch mit biblischen Vorbildern (zit. nach Babst fol. Z 4v|5r): „Also haben (wie wir lesen) die | heiligen Patriarche[n] / Abraham / Isaac / Jacob / Joseph etc. jre begrebnis herrlich gehalten / vnd mit grossem vleis befohlen. Hernach die Könige Juda gros geprenge getrieben vber den Leichen / mit köstlichem reuchwerg allerley guter edler gewürtz […] Dahin auch gehört / was die Christen bisher vnd noch thun / an den Leichen vnd grebern“. Die KO Schweinfurt 1543 (Sehling XI, 644) nennt als Vorbild die Bestattung der vom Assyrerkönig Sanherib getöteten Israeliten durch Tobias (Tob 1,21–2,9). So die reformierte KO Kurpfalz 1601, 267 (Sehling XIV, 585) als Hinweis an den Beerdigungsprediger, der sich damit gegen die Auffassung wenden soll, den Verstorbenen werde mit dem Begräbnis zur Seligkeit verholfen. Vgl. KO Württemberg 1536 (Sehling XVI, 120f): „Nach dem bis anher mancherley heydnisch und unchristlich meynung, gepreuch unnd gepreng bey den begrebnüssen der abgestorbnen gehalten seyen worden, so sollen fürohin dieselben vermög Gottes worts abgethan seyn.“ Vgl. die reformierte KO Kurpfalz 1563 (Sehling XIV, 406; ebenso 1601, ebd. 584): „In der begrebnus sollen alle papistische und abergleubische ceremonien vermiten werden.“

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Teil C: Sitz im Leben

ES bringt zwar denen / so in vnserm HErrn Jesu Christo / auß disem zeitlichen Leben verschiden sein / vnser Dienst auff Erden kein nutz […] So seind wir gnugsam vergwißt / daß wölcher in dem Glauben vnd vertrawen auff vnsern einigen Herrn vnd Heiland Christum von diser Welt abscheidet / der habe allbereit on all vnser wünschen / begird / fürbitt / hülff vnnd zuthun / die Rhu des ewigen seligen lebens / vnnd werde mit frewden besitzen die herrligkeit des Himmelreichs am jüngsten tag / durch vnsern HERRN Christum […] Hierauff solle sich menniglich vor allen denen Aberglaubischen vnd Heidnischen Diensten / so nicht vns selbs / sonder allein den abgestorbnen für nützlich erdacht sein / hüten.4

Nicht das Totenritual, ja überhaupt kein menschliches Wollen und Handeln entscheidet demnach über die Seligkeit, sondern allein das selige Sterben im Vertrauen auf Christus. Eine ganze Reihe von Riten und Bräuchen wird damit grundsätzlich obsolet. Vorrangig richtet sich die Polemik gegen alle Gottesdienstformen und alle liturgischen Elemente des Begräbnisses, deren Zweckbestimmung in einer fürbittenden Hilfe für die Toten gesehen wird, wie Seelenmessen, Vigilien und Jahrtage.5 Die grundsätzliche Ablehnung einer Fürbitte für die Toten, wie sie auch in Leichenpredigten formuliert wird,6 geht aber letztlich über öffentliche liturgische Vollzüge hinaus. Gegenstand der Polemik wird im weiteren Sinne auch die Vielfalt der altgläubigen Bestattungsbräuche, die als unnötige und alberne Geschäftigkeit abgetan wird. So zählt die brandenburg-nürnbergische Kirchenordnung von 1533 auf: „Sanct Johans segen, wachs, palm, feuer, fladen, salz, wasser, kreuter weihen, mit den creuzen geen, das heilig sacrament umbtragen etc.“7 Was an Riten und Bräuchen auf reformatorischer Seite nicht ausgeschieden, sondern beibehalten wird, erhält oft den erläuternden Hinweis, dass es ‚nicht ihrer Seel zugut‘ getan werden solle oder ‚nicht 4

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KO Württemberg 1553, hier zit. nach KO Württemberg 1582, 149f; ebenso KO Württemberg 1615, 230f; KO Württemberg 1666, 230f. Verschiedentlich in weitere Kirchenordnungen übernommen, vgl. z. B. KO Kurpfalz 1556 (Sehling XIV, 172f); KO Rothenburg 1559 (Sehling XI, 596); KO Straßburg 1601, 270f. Vgl. Luthers Vorrede zum Begräbnisliederbuch (zit. nach Babst, fol. Z 4r): „DEm nach haben wir in vnsern kirchen die Bepstlichen grewel / als Vigilien / Seelmessen / Begengnis / Fegfewr / vnd alles ander gauckelwerck / für die todten getrieben / abgethan vnd rein ausgefegt.“ KO Hohenlohe 1553 (Sehling XV, 53–81): „Nachdem die seelmeß, vigilien, begrebnißen, jartage etc. das leyden Christi schmelern und verdunkeln, sollen diselben hinfuro, wie hiob [hier oben, L.L.] steet, gentzlich underlaßen [werden].“ KO Teschen 1584 (Sehling III, 462f): „Bei den begrebnuessen hat man hiebevor seelmessen, requiem und vigilien gehalten, solches soll hienfurt beneben andern papistischen wesen gänzlichen abgeschafft sein“. Confessio Virtembergica Art. 21, zit. nach der KO Württemberg 1582, 49f: „Es ist aber kein Kundtschafft der rechten / waren / Prophetischen vnnd Apostolischen Lehr vorhanden / daß man den Todten / mit den gewonlichen Vigilien / Gebetlen vnnd Opffern / zu hülff kommen / oder von derselben Verdienst wegen / eintweder sie auß der Peen erlösen / oder jhnen ein grössere Seligkeit im Himmel erwerben mög. | Dann es ist nur ein einiger Verdienst des ewigen Lebens / vnnd ist nur ein einig Stuck / dardurch wir erlöset vnnd errettet werden / nämlich das Leiden vnd der Todt vnseres HERRN Jhesu Christi. Vnnd diser Verdienst würdt vnser Eigenthumb / so wir glauben in Christum“. Vgl. LP Agatha von Wichsenstein 1589, fol. K 3r: „Derhalben wir nicht für sie bitten dörffen / (dann sie vnsers Gebets nicht bedarff/) sonder für vns selber / (die wir noch in disem sündlichen leben sein)“. KO Brandenburg und Nürnberg 1533 (Sehling XI, 203): „Und was mer anderer unnötiger und kindischer ceremonien vor zeiten gehalten sein und vormals abgetan oder gleich von in selbs dahin gefallen sein […], die sollen also abgetan bleiben und diser zeit nicht wieder aufgericht werden.“ Vgl. im Agendbüchlein Veit Dietrichs 1545 (Sehling XI, 528): „Bei den leichen, wenn man sie zur erden bestattet, soll alles bebstisch gebreng mit weichwasser, besingen und andem abgeschaffet sein; denn solches alles nit allein on Gottes wort, sonder auch wider Gottes wort vom bapst angerichtet, als soll es zur seligkeit förderlich sein.“

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III. Das Begräbnis

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damit ihren Seelen dadurch geholfen würde‘, sondern um der Lebenden willen, etwa das Glockenläuten,8 der Gesang9 oder das Zahlen in den Armenkasten10. In Leisentrits katholischem Gesangbuch von 1567 wird an verschiedenen Bestattungsbräuchen ausdrücklich festgehalten, gegen die von reformatorischer Seite polemisiert wurde; er nennt brennende Lichter, Glockengeläut, Weihwasser und Blumen. In der Ausdeutung dieser Bräuche reagiert er aber deutlich auf die reformatorische Kritik. Zwar versteht er das Weihwasser als Ausdruck einer Fürbitte.11 Andererseits betont er, die Glocken würden „nicht prachts halben“ geläutet, und deutet Glocken und Lichter, Weihwasser und Blumen als Ermahnung und Erinnerung, die an die Lebenden gerichtet ist: Die Lichter sollen zum christlichen Wandel mahnen,12 die Glocken erinnern ans Jüngste Gericht,13 das Weihwasser an die Taufe des Verstorbenen14 und die Blumen an die Auferstehung.15 Von ihnen heißt es ausdrücklich: „ob sie gleich zur seligkeit vnnötig / vnd kein vortrawen des heils darauff zu stellen ist / sindt sie doch nützlich“16 – aber eben nicht den Toten, sondern den Lebenden. 8

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Vgl. KO Württemberg 1536 (Sehling XVI, 120f): „Yedoch soll dannocht nicht destoweniger Christenlich zucht und erberkeyt mit beleutung einer glocken, dem armen unnd dem reichen gleich, nit der seel zugut, sonder das sich diejhenigen, so die leuch beleyten wöllen, versamlen mögen und mit verkündung gottes wort zu der begrebnus gehalten werden“. Vgl. KO Braunschweig 1528 (Sehling VI, 367): „Item so etlike lüde, wen me de doden to grave drecht, vor de bare de scholere mit eyneme gesellen wolden singen laten düdesche psalme edder andere hilge lede, nicht to hulpe den doden, sunder to ermaninge den levendigen, ock Te Deum laudamus edder wat anders“. Vgl. KO Calenberg-Göttingen 1542 (Sehling VI, 810): „Nach solchem lesen sol er das volk freuntlich anhalten, in den gemeinen kasten armen leuten etwas zu geben, sonderlich die freuntschaft des verstorbnen, nicht das damit der seel geholfen werde, sonder das man schuldig sey, immer fur arme leute sorge zu tragen.“ Vgl. Leisentrit, Gesangbuch, fol. 339v|340r: „dabey wir derhalben bitten / das Christus alle seine [des Verstorbenen, L.L.] Sünde mit seins Bluts Brunnen gnediglich ab=|waschen vnd jhn also gereiniget / für sein Göttlichs Angesicht bringen vnd füren wolle.“ Vgl. auch die Kerzen als Ausdruck eines Wunsches zugunsten der Verstorbenen, fol. 339r|v: „Das wir aber die brennenden Liechter bey der | Leich gebrauchen / sol man dadurch verstehen / das ewige Liecht / dahin der vorstorbene gezogen / da nimmer nacht ist / die wir jm hertzlich wünschen“. Vgl. Leisentrit, Gesangbuch, fol. 339v: „vnd die wir noch lebendig sind / vns damit auch erinnern / als Kinder des Liechts / im Liecht zu wandeln / vnd weil es tag ist zu arbeiten“. Vgl. Leisentrit, Gesangbuch, fol. 339v: „Das Glockenleutten ist nicht prachts halben / sondern allein darumb angeordnet worde[n] / das durch derselben klanck od’ schalle vns allen / die wir den todten Cörper zu Grab beleitten / daneben die andern vnsere mitchristen / so das geleutte allein hören / soll eingebildet werden / die zeit der letzten Englischen Posaunen / vnd stimmen Gottes / wann er in seiner Maiestet zum Jüngsten Gericht herab kommen wird / vnnd alles fleisch wider auffstehet / vor dem Richterstuel Christi zuerscheinen“. Vgl. Leisentrit, Gesangbuch, fol. 339v: „Mit geweihetem wasser / das wir die Leiche besprengen / bedeutet / das der vorstorbene im wasser vn[d] wort durch den heiligen Geist getaufft sey vnd wider gebore[n] / auch dadurch in die heilige Christliche gemein (ein kindt Gottes) bracht vnd gesetzt gewesen / darinne er als ein Christlich Gliedt bis in todt blieben ist.“ Vgl. Leisentrit, Gesangbuch, fol. 340r: „Das Kreutich aber vnd Blumen auff oder neben der Leichen zulegen / vnd dergleichen mehr Ceremonien vor zunemen […] Bilden vns für die grünende blüende Aufferstehung / deren hoffnung vns der Allmechtige Gott in der Natur vnnd erschaffung der Creaturen (als Bewme / Kreuter Pflantzen / Laub / Graß / Blumen / welche im Winter als todt vnterm Schne vnd Eiß ligen / doch im Sommer widrumb lustig herfür schissen) vielfaltig vorgestalt hat / von diesem findet ein jeder ein schöne Histori in dem Ezechiele am 37. Cap. vnd Paul / 1. Cor: 15. ist dauon auch lustig zu lesen.“ Leisentrit, Gesangbuch, fol. 340r.

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Teil C: Sitz im Leben

b) Das Begräbnis als dreifacher Dienst an den Lebenden Positiv gewendet, soll das Begräbnis nach reformatorischem Verständnis den Lebenden zugute kommen, „sollen wir vnsere Verschidene vnnd Abgestorbene / ehrlich vnnd gebürlich zur Erden mit solchen diensten / so vns die noch im Leben sein / zu nutz erschiessen mögen / bestettigen“17. Nach der württembergischen Kirchenordnung von 1536 gilt dies in dreifacher Hinsicht: Zum ersten, das der mensch, unnd sonderlich der gleubig in Christum Jesum, nicht stirbt als das unvernünfftig vich, sonder stirbt auff die künfftig wider aufferstehung zum ewigen leben, darumb sol der Christen begrebnus zur offenlichen kuntschafft der aufferstehung ehrlich sein. Zum andern, das die lebendigen mit solcher zucht und beleytung zur begrebnus ir lieb freundtschafft, so sie gegen dem abgestorbnen getragen, offenlich beweisen und ein werck der lieb erzeigen. Zum dritten, das durch dise erbare beleytung unnd durch verkündigung Gottes wort die leut des tods erinnert, von dem verruchten leben abgeschreckt, zur Christenlichen bereitung auff den tod und zur hoffnung der urstendt gezogen werden.18

Der Nutzen, den die Lebenden aus der Begräbnisfeier ziehen sollen, ist also näher gekennzeichnet durch den Dreiklang von Auferstehungsgedenken, Liebeserweis gegenüber dem Verstorbenen und Erinnerung an das eigene Ende – und all dies nicht nur für sich privat, sondern „zur offenlichen kuntschafft“. Damit fasst die württembergische Kirchenordnung von 1536 zusammen, was sich verstreut auch an vielen anderen Orten, in Kirchenordnungen wie in Liedtexten, an Begründungen zum Sinn des Begräbnisses findet. 1. An vorderster Stelle steht dabei das Auferstehungsgedenken. Viele Kirchenordnungen kennzeichnen das Begräbnis als Erinnerung an die Auferstehung und als Bekenntnis zum Auferstehungsglauben.19 Auch Luther will das Begräbnis in diesem

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KO Württemberg 1553, zit. nach KO Württemberg 1582, 149. Ebenso: KOO Württemberg 1615 und 1666, 231; Straßburg 1601, 270. KO Württemberg 1536 (Sehling XVI, 120f). Vgl. KO Württemberg 1553, zit. nach KO Württemberg 1582, 149f: „da=|mit wir die Lieb / so wir gegen jnen im Leben gehabt / vor menniglich beweisen / auch vnsern Glauben […] zur Vrstend von den Todten hiemit bekennen / vnnd die hoffnung die wir zu des verschidnen ewigen heil vnd seligkeit tragen / bezeugen.“ Ebenso: KOO Württemberg 1615 und 1666, 231. Vgl. z. B. KO albertin. Sachsen 1539 (Sehling I, 276; ebenso KO Brandenburg 1540, Sehling III, 81): „und sol solch begrebnis ehrlich gehalten werden, zu ehren und zu bekennen die auferstehung von den todten, welchs der christen höchster, endlich und gewisser trost ist.“ KO Schwarzburg 1574 (Sehling II, 136): „Um der auferstehung unseres fleisches am jüngsten tag wird das begrebniss der verstorbenen christen ehrlich gehalten“. KO Henneberg 1582 (Sehling II, 316): „Christen, die im herrn entschlafen, sol man zum zeugnis der auferstehung von den todten, desgleichen zu unterweisung der noch lebendigen, mit ehrlichen ceremonien […] bestatten“. KO Halle 1573 (Sehling II, 441): „Die christliche begräbnussen sollen zu ehren und bekentnus der seligen künftigen auferstehung des fleisches (welches der gröste und herlichste trost ist der christenheit) ehrlich und sollenniter geschehen“. KO Braunschweig-Wolfenbüttel 1569, 119: Die „SEPVLTVRAE oder Begrebniß […] sein erinnerung / der künfftigen aufferstehung.“ KO Kurpfalz 1601, 267 (Sehling XIV, 585): „solche bestattung der leichen geschicht / darumb / Das die lebendigen hiemit / jren glaube[n] / von der aufferstehung der todten bekenne[n]“.

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III. Das Begräbnis

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Sinne verstanden wissen, wie er in der Vorrede zum Begräbnisliederbuch betont.20 In Liedtexten zum Begräbnis spielt der Artikel von der Auferstehung ebenfalls die ihm entsprechende prominente Rolle (vgl. ab S. 512). Zugleich ist er nach 1Thess 4,13 der Grund, warum das Trauern um die Entschlafenen als nicht angemessen erscheint (vgl. S. 449–452). Dass auch das Grab selbst mit dem darauf gesetzten Stein nicht nur eine Erinnerung an die Person des Verstorbenen, sondern ein Zeichen der Hoffnung auf seine Auferstehung ist, betont die zweite Strophe des bei vielen Begräbnissen gesungenen Hymnus Iam moesta samt den zahlreichen deutschen Übersetzungen, von denen hier ein (sprachlich etwas unbeholfenes) Beispiel genannt sei: „2. Quidnam sibi saxa cavata, quid pulchra volunt monumenta, nisi quod res creditur illis non mortua sed data somno?“21 „2. Was bedeuten die Stein vnd Bilde, die aussgehauen Schriffte vnd Schilde? Es bedeut, daß der Leib der da ligt ist nicht gentzlich tod, sondern ruhet.“22

Die Sitte, den Verstorbenen Blumen und Kränze mit ins Grab zu geben,23 konnte zwar ebenfalls als Verweis auf die Auferstehung gedeutet werden (so bei Leisentrit, vgl. S. 599), war aber aufgrund der reformatorischen Skepsis gegenüber der Vielfalt katholischer Trauerbräuche umstritten. Liedtexte und Kirchenordnungen zeigen, dass die Praxis dennoch geübt wurde. Von der württembergischen Kirchenordnung wurde sie 1668 „tolerirt“, auch wenn sie „ein vergeblich und unnützlich Ding“ sei; zur Legitimation angeführt wird hier nicht die Auferstehungssymbolik, sondern der zweite der oben genannten Gründe, nämlich dass der Brauch „dem sel. Verstorbenen zu letzter Ehre / und von denen Befreundten auß Liebe“ geschehe.24 Denselben Gedanken nennt auch Johann Heermanns Lied Ach wie schnelle wird verkehret: 20

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Vgl. Luthers Vorrede zum Begräbnisliederbuch (zit. nach Babst, fol. Z 4v): „Denn es auch billich vnd recht ist / das man die begrebnis ehrlich halte vn[d] volbringe / Zu lob vnd ehre dem frölichen Artickel vnsers glaubens / nemlich von der aufferstehung der todten / Vnd zu trotz dem schreckliche[n] feinde / dem tode / der vns so schendlich dahin frisset / on vnterlas / mit allerley scheuslicher gestalt vnd weise.“ Vgl. fol. Z 5r: „Es ist alles zuthun vmb diesen Artickel vo[n] der aufferstehung / das er feste in vns gegründet werde / Den[n] er ist vnser endlicher / seliger / ewiger / trost vnd freude“. Prudentius, Iam moesta quiesce querela (Str. 2). Anon., Hört auf, alles Leid, Klag und Sehnen (Str. 2). Vgl. eine freiere Prudentius-Nachdichtung von Abraham Ulrich von Cronach, °Was hilft uns Trauren und Zagen (Str. 14,2f): „das Grab zieren wir mit zweygen, | Mit krentzen, Schrifften vnd blumen“. Vgl. anon., Gott Vater, Brunn aller Lebendigen* („Cantio circa funeris deductionem“; Str. 11): „Wir wollen diesen Leib vnd sein Gebein / | mit Gesang vnd Begräbnis halten fein / | vnd beschütten mit schönen Blümelein / | mit Hoffnung wollen wir jhn scharren ein / Amen.“ KO Württemberg 1668, 86f: „Und obwolen ein vergeblich und unnützlich Ding ist / daß | vieler Orten auf die Gräber Creutzlein oder Kräntze und Sträußlein gesteckt werden / so mag es doch / wenn keine andere Intention dabey / als daß es dem sel. Verstorbenen zu letzter Ehre / und von denen Befreundten auß Liebe / auch nicht übermässig / und nach Verwelckung und Verderbung deren nicht mit Auffsteckung neuer geschicht / also tolerirt […] werden“. Abgelehnt werden dagegen Prunk und Aberglaube

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Teil C: Sitz im Leben 4. Nimm / ach! nimm zum liebes=zeichen Dieses kräntzlein von mir an / Weil ich deiner blassen leichen Ferner nichts erweisen kan.25

In den Liedern ist überhaupt öfter von Kränzen die Rede, mit denen der Sarg geschmückt wird.26 Zur Begründung wird oft 2Tim 4,7f herangezogen, der Kranz also als Siegeskrone nach ausgestandenem Kampf gedeutet – ein Bild, das ebenfalls österliche Implikationen birgt (vgl. S. 227–229; S. 379–384). 2. Der zweite Aspekt ist damit schon angeklungen: Das Begräbnis dient dazu, den Verstorbenen die Liebe der Hinterbliebenen zu erweisen. Dies steht freilich ebenfalls unter der Vorgabe, dass es den Lebenden nützen soll; die Verstorbenen selbst bedürfen nicht nur der Fürbitte, sondern auch solcher Liebeserweise nicht mehr, auch wenn der Confessio Virtembergica zufolge eine ‚Schuldigkeit‘ besteht, ihnen ein ‚ehrliches‘, also öffentliches und ordnungsgemäßes Begräbnis zuteil werden zu lassen.27 Letztlich bedeutet das Begräbnis als Liebeserweis nach der Schweinfurter Kirchenordnung von 1543 nichts anderes, als dass „die lieben christen von anfang her iren dienst und liebe nicht wenigers gegen die verstorben erzeiget, denn sie zuvor gegen sie im leben beweiset hatten“28, also eine Kontinuität der Beziehung über den Tod hinaus; darin wird der Forderung Rechnung getragen, „daß wir nicht halten sollen / als ob die Todten gar nichts mehr weren / sonder daß sie warhafftig vor Gott leben“29. Auch wenn den Toten selbst damit nicht geholfen ist, zeigt das Handeln an ihnen doch, dass „die liebe gegen den nechsten nicht aufhören sol weder im leben noch im tode noch in zukünftiger welt“; darin dient es „den lebendigen zum trost und erquickung“30. Auch in den untersuchten Liedern war die Kontinuität der zwischenmenschlichen Beziehung zwischen Verstorbenen und Hinterbliebenen ein zentrales Thema – vor allem in jenen Texten, in denen seit 1600 der Abschied inszeniert wird, etwa indem die Worte dem Verstorbenen in den Mund gelegt werden (vgl. S. 416–421). Nicht selten wird dabei just das Geleit zum Begräbnis als letzter Liebesdienst bezeichnet,

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wie „aller / zumalen bey Todten gar übelständiger Schmuck von Gold und Kleinodien“ und Kreuze, die „vor der Baar her beym Conduct getragen / oder auch in der Kirchen solche Creutzlein auffgehenckt werden.“ Heermann, Ach wie schnelle wird verkehret (Str. 4,1–4). Vgl. Dach, Gleichwohl hab ich überwunden (Str. 2): „Lasst mir auch den Sarg bestecken, | Vnd den schönsten Sieges=Krantz | Meines Leichnams Haar bedecken, | Recht als gieng’ ich in den Tantz, | Weil die Seele triumphirt | vnd sich mit der Krohne ziert, | Die im Himmel alle Frommen, | So recht wol gekämpfft, bekommen.“ Sacer, So hab ich obgesieget (Str. 7): „Schmücket mein Sarg mit Kräntzen, | Wie sonst ein Siegs=mann prangt: | Aus jenem Himmels=Lentzen | Hat meine Seel erlangt | Die ewig=grüne Krone; | Die werthe Sieges=Pracht | Rührt her von GOTTes Sohne, | Der hat mich so bedacht.“ Vgl. Confessio Virtembergica Art. 21, zit. nach KO Württemberg 1582, 49: „Zu dem / so sindt wir schüldig / vnsere Abgestorbenen zur ehrlichen Begräbnus […] zubestettigen / daß wir darmit die Hoffnung vnserer Vrstendt bezeugen.“ KO Schweinfurt 1543 (Sehling XI, 644). Confessio Virtembergica Art. 21, zit. nach KO Württemberg 1582, 49. KO Schweinfurt 1543 (Sehling XI, 644) mit Verweis auf Augustin, De civitate Dei. 1,12–13.

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III. Das Begräbnis

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für den der Verstorbene seinen Angehörigen Dank31 ausspricht, so bereits 1607 in der Schlussstrophe des Liedes Hie lieg ich armes Würmelein: 4. Nu gsegn euch Gott der HErre mein, jhr lieben Brüder vnd Schwestern mein, Die mich in mein Schlaffkämmerlein aus Lieb habn helffn geleiten fein: Helff GOtt, das wir im Himmelreich einander wieder sehn zugleich.32

Den Abschied am Grab beschließt die Hoffnung auf das Wiedersehen im Himmelreich. In anderen Liedern heißt es: „Nun habt ihr mich versorget wol / Die ihr mich sehr thut lieben“33, oder: „Eure Treu wird Gott belohnen, | Die ihr an mir habt verbracht.“34 Die Formulierungen sind also doch nicht ganz frei von der Vorstellung, dass dem Verstorbenen noch ein Dienst erwiesen, gleichsam ein Gefallen getan wurde, wenn auch vor allem die „Lieb“ und „Treu“ der Angehörigen in diesem Handeln zum Ausdruck kommt.35 Dieselbe Unschärfe besteht auch in anderen Lied- und Gebetstexten und bei bestimmten Sprechakten der Begräbnisliturgie (Einsegnen, Anbefehlen36 der Toten): Zwischen der nach reformatorischem Verständnis unnötigen und unwirksamen Fürbitte einerseits und dem gebotenen Liebeserweis andererseits liegt eine gewisse Grauzone. Im Zweifel fällt die Entscheidung aus seelsorglichen Gründen zugunsten des Trostes der Angehörigen. Die entsprechenden Formulierungen werden dabei bewusst nicht so verstanden, als stünde dahinter die Hoffnung, etwas zu bewirken; vielmehr seien sie Ausdruck eines Wunsches, der aus der Liebe zu den Verstorbenen resultiere.37 3. Drittens dient die Feier des Begräbnisses den Lebenden auch zum Memento mori, zur Erinnerung an ihre eigene Sterblichkeit, nicht zuletzt mit dem Ziel der Besserung ihres Lebens. So heißt es in der Visitationsordnung für Kurbrandenburg von 1573:

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Vgl. anon., Hie lieg ich in der Erden Schoß (Str. 6,1–4): „Ich bin gelegt zu guter ruh: | Danck sollns die Christen haben, | Die es gebracht haben dazu, | Das ich fein bin begraben.“ Anon., Hie lieg ich armes Würmelein und schlaf (Str. 4); sehr ähnlich Hagen, Ich schlaf in meinem Kämmerlein (Str. 4): „Nu segne Euch der HERRE mein, | Mein Bruder vnd mein Schwesterlein, | Die jhr mich habt beleitet fein | Auß Lieb in mein Schlaffkemmerlein. | Ach weinet nicht. Es kompt die zeit, | Da wir vns frewn in Ewigkeit.“ Rothäupt, Ach Herr, erzeige Gnade mir (Str. 8,1f) Rosenmüller, Alle Menschen müssen sterben (Str. 8,3f). In Paul Gerhardts Mein herzer Vater, weint Ihr noch (Str. 9, zit. S. 438) wird der Gegenstand des Dankes von der äußeren Begräbnishandlung auf die Beziehungsebene verlagert (das verstorbene Kind dankt nicht für das Geleit zum Begräbnis, sondern für die Trauer bzw. „den heissen Thränen=Fluß“ der Familie), die vollgültige Erstattung des Dankes wird auf den Moment des Wiedersehens im Himmel verschoben („Wil ich mit mehr als einem Kuß | Vmb euren Hals euch fallen“). Vgl. KO Württemberg 1536 (Sehling XVI, 121): „Am end soll er die abgestorbne personen der gnedigen handt Gottes bevelhen“. Entsprechende Belege bei Luther, Calvin, Johann Gerhard und Spener nennt Graff, Auflösung, 360f.

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Teil C: Sitz im Leben

Und soll ein jeder, so der leiche folget, sein ende, wie ungewisse es sei, dergestalt bedenken, das er sich bessere und zu sterben allewege geschickt mache, auch sein leben also anstelle, das er nicht in dem stande, darinn er nicht gerne sterben wolte, erfunden werde.38

Ungewissheit des Todeszeitpunktes, Bußfertigkeit, andauernde Sterbebereitschaft – all diese Motive sind aus den Liedtexten bekannt (vgl. z. B. S. 240–243; S. 259–272); und auch wenn der Todesgedanke im Leben ohnehin omnipräsent ist, so hat das Memento mori doch anlässlich jedes Todesfalles unter den Mitmenschen einen Sitz im Leben, dessen Gewichtigkeit auf Anhieb plausibel ist. Vorausgreifendes Sterbegedenken mitten im Leben fand eben auch und gerade dann statt, wenn ein anderer an dessen Ende angekommen war; viele der Lieder mit allgemeiner Vergänglichkeitsbetrachtung etwa Simon Dachs haben ihren ursprünglichen Sitz im Leben bei einem konkreten Trauerfall. Auch die Vermahnung des Pfarrers sollte speziell auf diesen Punkt abzielen.39 Im 17. Jahrhundert konnte das so weit gehen, dass der Verstorbene in der Leichenpredigt seine Mahnung geradezu aus dem Grabe heraus an die Gemeinde richtete, wobei ein gewisser Schauereffekt rhetorisch durchaus kalkuliert sein dürfte: Wir aber wollen hierbey betrachten / daß wir auch sterbliche Menschen sein. Wann jetzo der seelig abgestorbene Herr Pfarrer sein eyßgrawes Haupt auß dem vor vnsern Augen stehenden Sarck erheben solte / würde er vns also anreden: Heut wars an mir / Morgen wirds an dir sein.40

Literarisch verwandt ist dieser Figur das Motiv des Toten als Repräsentant des Todes, der den Menschen an seine Sterblichkeit erinnert, wie oben anhand von Nicolaus Hermans Lied O Mensch, mit Fleiß anschaue mich beschrieben (vgl. S. 245–248). Mit der Individualisierung und Personalisierung der Texte wird die Anonymität des Motivs im 17. Jahrhundert verlassen, und die Betrachtung gewinnt einen direkten kasuellen Bezug zu der jeweils zu bestattenden Person. Anders als in den Texten von Herman oder Ringwaldt sind bei der Betrachtung eines Toten unmittelbar nach seinem Tod die individuellen Züge noch erkennbar. Anlass der Betrachtung ist hier kein unkenntlicher „Todtenkopff “, sondern „Eine toden Leich | / Starrend / kalt vnd

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VO Brandenburg 1573 (Sehling III, 115). Vgl. die Generalartikel nach der Visitation in Kursachsen 1557 (Sehling I, 320): „Alle todten sollen ehrlich beleitet werden den lebendigen zu einer erinnerung irer sterbligkeit, auf das ein jeder sein ende, und wie ungewis dasselbige sei, bedenke, auf das er sein leben in bussfertigkeit zu richten, und sich zum tode bereit und geschickt zu machen, hierdurch vermanet werde.“ Nach der KO Schwarzburg 1549 (Sehling II, 130) „soll der pfarher eine kurze erinnerung thun von der kurze des menschen lebens, unser harn des todes, von der auferstehung oder von dem jungsten gericht, damit das volk zu gottlicher forcht und besserunge des lebens gereizet werde.“ Vgl. Agendbüchlein Veit Dietrichs 1545 (Sehling XI, 528): „[…] und mag der kirchendiener oder pfarherr ungeferlich dise kurze vermanung mit solchen oder andern worten bei den begrebnus thun: Ir allerliebsten, ir sehet, wie wir durch tägliche exempel erinnert werden, das wir hie kein bleibende stat haben, sonder alle stund des tods gewarten müssen.“ LP David Wolmershäuser 1630, 43.

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III. Das Begräbnis

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bleich“41, ein Anblick, der sich als Topos auch in manchem Liedtext spiegelt. Die Mahnung, die von ihm ausgeht, wird im Text allerdings nicht immer aufgegriffen; vielmehr wird häufig der tröstliche Gegensatz zwischen der leblosen Hülle und der himmlischen Freude betont,42 oder der durch ein verzerrtes Gesicht entstellte Anblick wird in diesem Sinne umgedeutet.43 Wie das fortwährende Sterben als Mahnung zum fortwährenden Sterbegedenken verstanden wird, zeigt Simon Dachs Lied Herr, es mangelt nicht an dir, das 1640 „bey seligem Hintrit Hn. Wilhelm Perssen“ geschrieben und 1645 in den 6. Teil von Alberts Arien aufgenommen wurde: 1. HErr, es mangelt nicht an dir, Täglich schickstu zu vns Bohten, Klopffst an vnsrer Hertzen Thür Durch die grosse Zahl der Todten: Täglich senckt man Leichen ein Die vns heissen wache seyn. 2. Wie, wenn eine Wolcke treufft, Es nicht groß gemerckt kan werden, Daß das Wasser sich verschläufft In den dürren Schohs der Erden: Also schluckt das weite Grab Vns, sein Mast=Vieh, stets hinab. 3. Lässest Du nicht fort vnd fort Vns Begräbnis=Lieder singen? Machst, daß täglich hie vnd dort Trawrig alle Glocken klingen? Nur daß ja ein jeder wol An sein Ende dencken sol.44

Jeder einzelne Todesfall wird als göttliche Mahnung, als ‚Anklopfen‘ an der ‚Herzenstür‘ verstanden, das zu Wachsamkeit und Bereitung auf den alles verschlingenden Tod anreizen soll; und da das „fort vnd fort“ oder – wie drei Mal betont wird – „täglich“ geschieht, da die Zahl der Toten so groß ist wie die der Regentropfen, die in der dürren Erde versickern, gilt auch die Mahnung andauernd. Ganz konkret knüpft sie sich an äußere Vollzüge im Umkreis von Todesfällen: an das Einsenken der Leichen, 41

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Schein, Klagt nicht so, geliebte Leut (Str. 1,5–9): „Ob ihr zwar ansehet / | Wie vor euch da stehet / | Eine toden Leich / | Starrend / kalt vnd bleich / | Gottes Will ergehet.“ Vgl. Roberthin, Ihr, die ihr euch Christen nennet (Str. 2): „Diese / die man von uns träget / | Derer tod=erstarrte leich | Itzund blut=los / kalt und bleich | Dort wird in ein Grab geleget / | Ist ja keines klagens werth / | Ihre freud ist ihr beschert.“ Vgl. Albert, Zum Sterben ich bereitet bin (Str. 6–7): „Wie übel sich ein Christ gleich stellt / | wann er vom Tod itzt wird gefällt / | liegt mit verkehrtem Angesicht / | so kom[m]ts doch von der Marter nicht. || Für Freuden=Zeichen nehmt es an / | weil er sich itzt nicht hemmen kan / | im Vorschmack seiner Seligkeit / | die er erblicket allbereit.“ Dach, Herr, es mangelt nicht an dir (Str. 1–3); vgl. SDG III 45. (Nachweis: S. 466); Albert, Arien 6,5.

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Teil C: Sitz im Leben

an das Glockenläuten und auch an das Singen von Begräbnisliedern. Wie der Fall der Arien selber zeigt, die aus ihrem ursprünglich kasuellen Kontext heraus Eingang ins private Musizieren gefunden hatten (vgl. S. 556), wird damit der Rahmen des rituellen Vollzuges am Grab verlassen und das Sterbegedenken auf den gesamten Lebensalltag ausgeweitet.

2. Der äußere Rahmen des Begräbnisses Um die Rolle der untersuchten Liedtexte beim Begräbnis erläutern zu können, muss zunächst der äußere Rahmen einer Begräbnisfeier im 16. und 17. Jahrhundert skizziert werden. Der äußere Ablauf lässt sich grob nach den Orten gliedern, an denen die Feier stattfindet: Sie beginnt mit dem Begängnis, dem Leichenzug (‚Conduct‘, ‚Process‘) vom Trauerhaus zur Kirche. Danach folgen ein gottesdienstlicher Teil in der Kirche und das Einsenken der Leiche ins Grab. Der Gesamtablauf und die Reihenfolge der Grundelemente sind regional stark unterschiedlich. Varianten ergeben sich auch aus dem sozialen Status der Verstorbenen. Viele Kirchenordnungen regeln den zeitlichen Mindestabstand zwischen dem Todeszeitpunkt und dem Begräbnis, um vorschnelle Beerdigungen zu vermeiden.45 Einem Lied von Georg Grünewald zufolge wird der Tote mit dem Leichenhemd bekleidet und gekämmt.46 In den Kirchenordnungen von Hoya 1581 und Württemberg 1668 wird der Brauch der Totenwache geregelt. Er ist dann gestattet, wenn keine „grosse leichtfertigkeit“47 und „keine Ungebühr oder Aberglauben damit fürgehet“48, so dass nicht „die betrübten leute, denen die ihren abgestorben, dadurch im gemüt ferner beschwert werden“49. Über liturgische Handlungen im oder vor dem Sterbehaus ist aus den Kirchenordnungen wenig zu erfahren; Graff nennt gelegentlich Lesungen, Kollektengebete, Gesänge und Vermahnungen.50 45

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Mindestens 12 Stunden Abstand fordern die kursächsischen Generalartikel 1557 (Sehling I, 320), 15–16 Stunden die KO Henneberg 1582 (Sehling II, 316) usw. Vgl. Grünewald, Es woll ihm Gott genädig sein (Str. 5,1–4): „Es war ein schön schneeweißes Hembd | Mit seinem Leib begraben, | Auch hat man jm sein Haar gekempt | Mit weinen vnnd mit klagen.“ Zur Totenwäsche und -bekleidung vgl. Grün, Beerdigung, 143f. KO Hoya 1581 (Sehling VI, 1193): „Dieweil man eine grosse leichtfertigkeit mit dem todtenwachen anrichtet, welches keine heyden jemals gethan, und die betrübten leute, denen die ihren abgestorben, dadurch im gemüt ferner beschwert werden, wollen wir unsern unterthanen einen solchen zulauf und zusammenkunft bey den todten körpern ernsthaft verbotten haben. Und sollen die, so ihre todten im hause haben, eine person, fünf oder sechs von ihren blutverwandten und freunden oder gute nachbarn bitten lassen, welche die leichnam der verstorbenen bewachen und ihnen tröstlich sein mögen.“ KO Württemberg 1668, 78: „Bey denen in einem Hause befindlichen Leichen / mag wol / ehe sie ordentlich zur Erden bestattet werden / wo es also herkom[m]ens und gebräuchlich / nachts gewacht und Liechter gebrennet werden / wann nur keine Ungebühr oder Aberglauben damit fürgehet.“ Vgl. Anm. 47. Zur Totenwache im 16. Jahrhundert vgl. Grün, Beerdigung, 144–146; zum umstrittenen Brauch, beim aufgebahrten Leichnam Lichter anzuzünden, vgl. ebd. 146f.. Vgl. Graff, Auflösung, 358. Vgl. KO Brandenburg und Nürnberg 1533 (zit. Anm. 84); Visitationsabschied für Frankfurt/O. 1600 (Sehling III, 215): „Beim begrebnussen werden an etlichen orten diese lectiones für den thüren abgelesen, sonderlich bei denen vom adel aufm lande […]“

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III. Das Begräbnis

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Meist wird das Begräbnis durch die Glocken eingeläutet, um die Gläubigen zusammenzurufen.51 Schon in der Läuteordnung kommen manchmal soziale Unterschiede zum Ausdruck, vermutlich durch unterschiedliche finanzielle Möglichkeiten für die zu entrichtenden Läutegebühren. Nach der Gemeindeverordnung für Meißen von 1533 soll nur dann geläutet werden, „wen jemants von redlichen leuten stirbt“, während „jemants von mittelmessigen burgern“ oder erst recht „ein gemein mensch“ kein Geläut zu gewärtigen hat.52 Andernorts ist es ganz unüblich, zum Begräbnis zu läuten, so in der Grafschaft Schwarzburg, wo statt dessen eine Sterbe-, ‚Schied-‘ oder ‚Scheideglocke‘ geläutet wird.53 In der Grafschaft Henneberg lautet die Regelung genau umgekehrt; hier wird die Sterbeglocke als „bäbstliche[…] gewonheit“ abgetan.54 Als „aberglaubige superstitio“, die ihren „grund von dem ertichten fegefeuer bekommen“, lehnen die kursächsischen Generalartikel von 1557 die Praxis ab, Verstorbenen nicht nur in der eigenen, sondern nach einer Logik des ‚viel hilft viel‘ auch in benachbarten Ortschaften zu Grabe zu läuten.55 Mit dem Geläut wird das Begräbnis als öffentliches Ereignis ausgewiesen. Dieser öffentliche Charakter gehört zu jedem ‚ehrlichen‘ Begräbnis unbedingt hinzu: Die Toten sollen „nicht heimlich, und in der nacht, sondern am tage und offentlich“56 bestattet werden; insbesondere dem Pfarrer als Vertreter der Öffentlichkeit ist der Todesfall nicht zu verheimlichen: Das Begräbnis soll „mit wissen des pfarrers, und beisein desselben oder caplan oder custers, und der nachtbarschaft mit christlichem deutschem gesang“57 abgehalten werden. Zur Öffentlichkeit des Begräbnisses gehört also die Teilnahme eines ganz bestimmten Personenkreises: Neben den Angehörigen – der ‚Freundschaft‘ oder ‚Nachbarschaft‘ des Verstorbenen – und sonstigen 51

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Vgl. Visitationsbericht für das Herzogtum Sachsen 1540 (Sehling I, 285): „wenn mans begraben will, soll der kirchner einen guten puls leuten, auf das sich die leute samlen, und auch bedenken die stund und zeit ihres sterbens, ihr leben besseren“; zur Memento-mori-Funktion des Grabgeläuts vgl. Dach, Herr, es mangelt nicht an dir (Str. 3, zit. S. 605). Vgl. Gemeindeverordnung und Visitationsartikel für Meißen und Vogtland 1533 (Sehling I, 195). KO Schwarzburg 1574 (Sehling II, 136): „Drumb wenn jemands in gott entschlafen ist, so wird mit einer glocken oder zween ein zeichen gegeben, domit von den verstorbenen christen nachfrage geschehen, wer und wie er von uns abgeschieden sei. Wenn den die ordentliche stunde kompt, seinen leib zu begraben, wird aber nicht geleutet.“ Das Sterbeläuten hatte in vorreformatorischer Zeit die Funktion, zur Fürbitte für die Verstorbenen aufzufordern; in der reformatorischen Kirche wird es als Mitteilung an die Gemeinde über den Todesfall und als Mahnung an den eigenen Tod umgedeutet (vgl. Grün, Beerdigung, 141f). Vgl. auch Graff, Auflösung, 358. KO Henneberg 1582 (Sehling II, 316): „[…] zur stund des begrebnus ein zeichen mit der glocken leuten. Sonsten aber sol der brauch, das man an etlichen orten, so bald einer verstorben, bäbstlicher gewonheit nach im ausleuten lassen, hiermit abgeschaffet sein.“ Kursächsische Generalartikel 1557 (Sehling I, 320). Gemeindeverordnung und Visitationsartikel für Meißen und Vogtland 1533 (Sehling I, 189). Vgl. Konstitution und Artikel des Wittenberger Konsistoriums 1542 (Sehling I, 203): „So sollen auch die commissarien darauf achtung geben, und verschaffung thun, das es mit den sepulturn oder begrebnissen, ordentlich und gleichformig gehalten werde, und sonderlich, das sich niemands unterstehe, abends und frü, one vorwissen des pfarherrns, heimlich zu begraben, dieweil daraus mancher heimlicher mord, und allerlei unrat, erfolgen, und verdacht werden möchte. Zu dem, das es nicht allein wider christlichen, sondern auch der heiden brauch ist, menschliche leichen wie ein as oder vihe, one gebürliche cäremonien heimlich hinzuschleifen.“ Gemeindeverordnung und Visitationsartikel für Meißen und Vogtland 1533 (Sehling I, 189).

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Teil C: Sitz im Leben

Trauergästen sollen Pfarrer und Küster zugegen sein; dazu kommen – falls vorhanden – die Schüler als Chor unter der Leitung des Schulmeisters, Schulgesellen oder Kantors, die sowohl bei der Prozession als auch während des Gottesdienstes den Gesang zu bestreiten hatten.58 Der Gesang des Schülerchores machte das Begräbnis zu einem ‚ehrlichen‘ und ‚christlichen‘. Um dies jedem zu ermöglichen, verfügten Pfarrer und Rat der Stadt Zerbst 1545, das kein mensch soll begraben werden, er sei reich oder arm, es sei dann der schulmeister einer mit seinen coralibus dabei und singe vor dem leiche her bis zu dem kirchhof etliche geistliche gesenge.59

Dagegen wird die Wittenberger Praxis, ‚gemeine Menschen‘ ohne Gesang zu begraben, 1533 auch für andere Gegenden im ernestinischen Sachsen eingeführt.60 Voraussetzung für den Chorgesang ist natürlich immer, dass am Ort Schüler vorhanden sind; das ist vor allem in Städten der Fall.61 Ähnlich wie viele Kirchenordnungen betont Veit Dietrichs Agendbüchlein: Wo nun ein schule ist, da mögen die schuler das Media vita, Nunc dimitis oder ein andern gesang deutsch oder lateinisch singen […] Wo nit schuler sind oder das volk zum gesang nit gewenet ist, da mag man es bei solcher vermanung bleiben lassen.62

Andernorts werden beim Fehlen von Schülern Pastor und Küster zum Gesang verpflichtet.63 Dass es im Zug nicht immer diszipliniert zuging, zeigen Vorschriften wie in Brieg 1592, wonach „nicht allein die schüler, sondern auch die collegae und praedicanten“ aufgefordert werden, „nicht unter der deduction ein geschwätz oder gelächter mit einander [zu] halten, welches dann christl. leute sehr ärgert“64. Viele Kirchenordnungen reagieren auch auf das Problem, dass bei zu häufigen Leich58

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Vgl. Grün, Beerdigung, 152: „Die Begleitung der Leiche durch die Schule gehörte zu den wichtigsten Stücken der kirchlichen Beerdigung.“ Vgl. KO Leipzig 1539 (Sehling I, 595): „Es sollen auch die begrebniss christlich und ehrlich gehalten werden, und allwegen der cantor oder ein schulmeister mit etlichen knaben mit gesengen, darzu aufs wenigst einer von den ministris […] mitgehen.“ KO Braunschweig-Wolfenbüttel 1543 (Sehling VI, 67): „De schöler mit einem edder mehr scholgesellen, mit der halven edder mit der ganzen schole […] scholen vor der baren hergahn und singen“. Vgl. Funeraldruck Herzogin Sibylle von Württemberg 1615, 538: „Sobald die gantze Procession in der Kirchen gewesen / haben Schulmeister vnd Schulknaben angefangen zu singen / Mitten wir im Leben seind / etc. […] Nach vollendeter Predigt vnnd gesprochenem Gebett / haben die Schulmeister vnd Schulknaben wider gesungen / Nun laßt vns den Leib begraben / etc.“ KO Zerbst 1545 (Sehling II, 593f). Vgl. Gemeindeverordnung und Visitationsartikel für Meißen und Vogtland 1533 (Sehling I, 195). Vgl. KO Herzogtum Sachsen 1539 (Sehling I, 275): „In stedten sollen die leichen ehrlich durch den schulmeister und schuler geleitet werden, nach gelegenheit, mit obangezeigten gesengen“. Agendbüchlein Veit Dietrichs 1545 (Sehling XI, 528). Vgl. KO Brandenburg und Nürnberg 1533 (Sehling XI, 202): „Wo man schuler und priester hat, mögen sie bei der leich singen […]“. KO Braunschweig-Wolfenbüttel 1569, 120: „[…] So solle an den örtern / da Schüler seind / dieselbige vorher / vnd die Pastores / oder da keine Schüler sein / der Pastor vnd Küster / für der Leiche gehen / vnd singen ein Geistlich Lied oder zwey.“ Ähnlich KO Lüneburg 1564. KO Brieg 1592 (Sehling III, 447); vgl. Grün, Beerdigung, 177.

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III. Das Begräbnis

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begängnissen gar kein geregelter Schulbetrieb mehr möglich war. Um die Schüler nicht am Lernen zu hindern, wurden für die Trauerfeierlichkeiten daher oft feste Zeiten eingeführt.65 Vom Gebot des öffentlichen Begräbnisses ausgenommen waren an manchen Orten unbußfertige Sünder, Selbstmörder, ungeborene und ungetaufte Kinder, wobei diese Ausnahmen zunehmend umstritten waren.66 Ausnahmen gab es wegen der Ansteckungsgefahr auch in Pestzeiten,67 aus Mangel an Pfarrern im Dreißigjährigen Krieg.68 Erst Mitte des 17. Jahrhunderts kam das ‚stille Begräbnis‘ – nachts, ohne Geläut, Gesang und bisweilen auch ohne Geistlichen – besonders beim Adel und städtischen Bürgertum in Mode. Der Verzicht auf die Öffentlichkeit wurde nun nicht mehr als Schande, sondern geradezu als Standesvorzug empfunden; im kirchlichen Bereich, wo weiterhin das öffentliche Begräbnis emporgehalten wurde, wurde diese Entwicklung oft kritisch gesehen.69 Im allgemeinen beginnt die Feier vor dem Trauerhaus, wo sich Kirchendiener und Schüler, Freunde und Nachbarn versammeln,70 um dann unter dem Gesang der Schüler zur Kirche zu ziehen. Dabei gibt es den Brauch, dem Zug ein Kreuz oder ein Licht voranzutragen; beides ist umstritten und wird an manchen Orten geduldet, an anderen als Aberglaube untersagt.71 Typischerweise gehen die Schüler mit dem Schulmeister oder Kantor voraus; ihnen folgen „die pastores oder kirchendiener jedes orts, welche sich unter den gemeinen haufen des volks in den process gleich andern bürgern nicht mengen sollen, sondern ihres ampts warnemen und geistliche lieder mithelfen singen“; dann die Leiche, von Männern auf der Bahre oder im Sarg

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Vgl. Generalartikel der KO Kursachsen 1580 (Sehling I, 438): „Weil auch durch die begrebnis die knaben in den schulen uber das ganze jar viel von ihrem studieren abgehalten und daran mit grossem nachteil und schaden des gemeinen nutzes verhindert werden, soll in allen unsern stedten gleichheit gehalten, eine gewisse und gelegene zeit bestimpt werden, zu welcher der tode zur erden christlich bestetiget und die knaben an ihrem studieren […] hierdurch nicht verhindert werden.“ Verordnung der Visitatoren für Oelsnitz 1582 (Sehling I, 621): „Wenn die predigt angehet, sollen die schulendiener mit den knaben wieder zur schulen gehen, damit sie nicht an ihren lectionibus verseumet werden, haben oft auch wenig an.“ Vgl. Graff, Auflösung, 357. Vgl. Graff, Auflösung, 365–368. Vgl. KO reußische Herrschaften 1552 (Sehling II, 156): „One priester und schüler (wo die vorhanden) sol man nit gestatten jemands zu begraben, es were dann, das pestis oder andere gefehrliche seuchen einfielen, da hette es sein sondere meinung.“ Nach Krusenstjern, Seliges Sterben, 487–490 war während des Krieges vielerorts überhaupt kein geregeltes Begräbniswesen möglich. Vgl. Graff, Auflösung, 368–372. KO Schwarzburg 1574 (Sehling II, 136): „Als dann gehen der kirchendiener und schüler, so viel derer hierzu erfordert werden, fur des verstorbenen haus, alda sich den gotselige freunde und nachbarn versamlet, die der leiche das geleit zum grabe geben.“ Vgl. KO Kurbrandenburg 1540 (Sehling III, 81): „in deductione funeris sol man ein creuz furtragen, darauf die schüler und denn die priester folgen. Bei etlichen alten ists auch gebreuchlich gewesen, licht mit zu tragen, und do solchs in ubung were, mag es mit mass auch bleiben“. KO Teschen 1584 (Sehling III, 463): „Es wird gleichfalls bei wolbestelten kirchen das liechttragen als eine superstition, aus heidnischem brauch geflossen, nicht mehr gehalten, mag jedoch ohne superstition frei gelassen sein“. Vgl. KO Württemberg 1668, 87 (zit. S. 601 Anm. 24). Vgl. Grün, Beerdigung, 180–183.

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Teil C: Sitz im Leben

getragen,72 und schließlich erst „manspersonen ordentlich und züchtiglich“ und „nachmals die frauespersonen“73. Da nicht nur für das Geläut, sondern auch für Pfarrer, Küster und Schüler Gebühren zu entrichten sind, spiegeln der Umfang und die Zusammensetzung des Leichenzuges die soziale Stellung des Verstorbenen wider. Je nachdem, der wievielte Teil des Schülerchores bezahlt werden kann, ist die Rede von einer ‚Viertel-‘, einer ‚halben‘ oder einer ‚ganzen Leiche‘;74 je nach Zahl der Geistlichen bei vornehmen Begräbnissen wird auch von ‚Zwei-Herren-Leichen‘ usw. gesprochen.75 Besonders lang und prunkvoll waren die Leichenzüge bei Fürstenbegräbnissen, in denen neben zahlreichen Geistlichen und Chorsängern auch die ständischen Gruppen des Fürstentums vertreten waren. Neben den Schülern musizierten hier auch Musiker der Hofkapelle und Pfeifer, Pauker oder Trompeter aus dem Militär.76 Die Abfolge des Zuges ist oft in Funeraldrucken77 oder in bildlichen Darstellungen dokumentiert wie auf dem 3,60m langen Holzschnitt für Heinrich den Anderen Reuß († 1670); der Kommentar erwähnt folgende Gruppen: Gattin, Kinder, Brüder, Geistlichkeit, Kanzlei und Ratsverwandte, Musikanten und Untersassen (Adel, Bürger, Bauern, Tagelöhner und Hausgenossen).78 Die Liturgie des Trauergottesdienstes selbst ist sowohl in ihrer Abfolge als auch in ihrer räumlichen Verortung (am Grab oder in der Kirche), wie bereits angedeutet, je nach Ort unterschiedlich. In manchen Gegenden wurde die gesamte Liturgie am Grab, nichts davon in der Kirche gehalten. Dabei sind auch die unterschiedlichen Optionen der Lokalisierung von Grabstätten und Friedhöfen zu beachten: in der Kirche, bei der Kirche oder außerhalb79 der Stadt. Die zentralen Elemente der Liturgie sind zum einen die Vermahnung oder Leichenpredigt (vgl. S. 611–621), die meist in der Kirche, manchenorts aber auch direkt am Grab gehalten wurde, zum anderen das Einsenken des Sarges in das Grab mit Erdwurf und Bestattungsformel (Gen 3,19b). Der Erdwurf war zwar weithin verbreitet, aber nicht überall; in Württemberg wurde er 1668 als Aberglaube verboten.80 72

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Vgl. Grün, Beerdigung, 161–165. Im 16. Jahrhundert ist vielerorts ein Leichentuch vorgeschrieben (vgl. Grün, Beerdigung, 165–169), was zeigt, dass hier in der Regel noch kein geschlossener Sarg verwendet wurde. KO Oldenburg 1573 (Sehling VII, 1108f); vgl. KO Stift Verden 1606 (Sehling VII, 187): „Woferne nu an einem jeden ort schulen und demnach schüler fürhanden sein, so sollen dieselbige mit dem schulmeister und collegis für der leich hergehen, die pastores aber derselbigen folgen und die leich mit nachfolgenden christlichen gesängen besingen“; vgl. Graff, Auflösung, 356 Anm. 4. Schon nach Nürnberger Vorschrift von 1524 kann die Prozession hinaus auf den Kirchhof „mit dem ganzen oder halben chor nach begeren des verstorbenen“ (Artikel der Pröpste zu Nürnberg 1524, Sehling XI, 44f) erfolgen. In der GO Hof 1592 (Sehling XI, 475) wird unterschieden zwischen funera particularia (Viertel- und Halbchorleichen) und funera generalia (Generalleichen mit dem ganzen Chor). Vgl. Graff, Auflösung, 369.356. Vgl. Johnston, Geleut, 48. Vgl. z. B. den Funeraldruck für Herzogin Sibylle von Württemberg 1615. Abgedruckt bei Stein, Musik, Umschlaginnenseiten und 229f. Vgl. Grünewald, Es woll ihm Gott genädig sein (Str. 4,1–7): „Reichlich ist wol versorget er, | Den Tod hat vberwunden | Mein lieber Vatter seliger, | Christum den Herrn gefunden, | Auff den er lang gehoffet hat, | Biß daß man jn trug auß der Stadt, | Ehrlich zu Erden gstattet“. Vgl. Graff, Auflösung, 358f; KO Württemberg 1668, 80.

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III. Das Begräbnis

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Gerahmt wurde die Feier von den Gesängen des Chores, deren Zahl wiederum vom Budget der Trauerfamilie abhing; auch auf die Predigt folgte gegebenenfalls ein Gesang. Unterschiedliche biblische Lesungen, Responsorien, Versikel, Kollektengebete und der Segen vervollständigen die Liturgie der Begräbnisfeier.81 Im Anschluss an die Feier wurde vielerorts ein Opfer gegeben, das je nach Vorschrift dem Armenkasten oder dem Pfarrer zugute kam.82

3. Die Leichenpredigt und das Lied in der Leichenpredigt Einige Anmerkungen zur Leichenpredigt sind an dieser Stelle nicht nur deshalb notwendig, weil sie in der lutherischen Funeralkultur des 17. Jahrhunderts ein dominierendes Element darstellt, sondern auch weil sie in der Textwahl Verwandtschaft mit den Sterbeliedern aufweist und hier als Quelle für den Sitz im Leben dieser Lieder verwendet wurde. In den Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts wird die Leichenpredigt meist als „eine vermanung auß Gottes wort“ eingeführt, die „auf dem kirchhoffe oder in der kirchen“83 stattfinden soll, manchmal auch schon im Trauerhaus84, je nach örtlichem Brauch und Gegebenheiten („welches am breuchlichsten und gelegnesten ist“85). Nicht ganz deckungsgleich, aber auch nicht ganz trennscharf sind die Termini ‚Vermahnung‘ und ‚Leich(en)predigt‘; die Letztere ist jünger, umfangreicher und stärker personalisiert, die Erstere die kürzere und ältere Variante. Dass es sich um eine ‚kurze‘ Vermahnung handeln solle – um Kirchendiener und Trauergemeinde nicht zu überfordern –, wird oft ausdrücklich gesagt.86 Bereits 1582 wurde in der hohenlohischen Kirchenordnung die Dauer der Leichenpredigt auf eine halbe Stunde beschränkt, weil „viel leut oftermals vonwegen der langen predigten nicht mit zur begrebnus gehn“ und weil „lange predigten nicht bawen, sondern viel ehe unlustig und verdrossen machen“87. Besonders ausschweifende Formen nehmen vor allem die gedruckten Leichenpredigten an, die in dieser Zeit aufkommen. Die fortgeschrittene Personalisierung des Totengedächtnisses zeigt sich hier nicht zuletzt in dem separat beigefügten 81 82 83

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Vgl. Graff, Auflösung, 358–361. Vgl. Grün, Beerdigung, 195–198. KO Hohenlohe 1578 (Sehling XV, 294). Für Oelsnitz ordneten die Visitatoren 1582 an, „[z]um leichen predichten […] ufm gotsacker […] ein niedrig predigtstulein machen [zu] lassen, darunter der prediger und die leut vor regenwetter konnen stehen“ (Sehling I, 621). Vom Altar aus soll die Vermahnung dagegen nach KO Braunschweig-Wolfenbüttel 1569, 121, gehalten werden. Vgl. KO Brandenburg/Nürnberg 1533 (Sehling XI, 203): „Soliche vermanung mag geschehen im haus, da man die leich austregt, oder bei dem grabe, wo am maisten volks darbei ist.“ Ähnlich bereits KO 1528 (Sehling XI, 139). KO Hohenlohe 1578 (Sehling XV, 294). Vgl. z. B. Artikelbuch Lüneburg 1527 (Sehling VI, 517); KO Württemberg 1536 (Sehling XVI, 121); KO Hannover 1536 (Sehling VI, 1013); KO Calenberg-Göttingen 1542 (Sehling VI, 810); Agendbüchlein Veit Dietrichs 1545 (Sehling XI, 528); KO Thüngen 1564 (Sehling XI, 739). KO Hohenlohe 1582 (Sehling XV, 452). Auch nach der KO Henneberg 1582 (Sehling II, 316) „sol der kirchendiener mitler weile kurz und aufs lengst ein halbe stunde […] predigen“.

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Teil C: Sitz im Leben

Lebenslauf oder ‚Personalia‘-Teil88 (vgl. S. 569). Die Motive für die gedruckte Veröffentlichung von Leichenpredigten liegen zum einen im bürgerlichen Wunsch nach Repräsentation, zum anderen in der erhofften erbaulichen Wirkung der Drucke, die auch zu diesem Zweck gelesen wurden, etwa von Ämilie Juliane von SchwarzburgRudolstadt (vgl. S. 548).89 Vorerst jedoch waren die kurzen Vermahnungen die Regel. Ihr Inhalt wird in den alten Kirchenordnungen meist vorgegeben. Manchmal sind zur Entlastung der Pfarrer kurze Beispiele abgedruckt;90 häufiger sind jedoch summarische Angaben in Form von Aufzählungen dessen, wovon die Vermahnung oder Predigt handeln soll: von der sünd, von allerley unglück, vom zeitlichen und ewigen tod, von dem verdienst Christi, von der auferstehung, vom ewigen leben und dergleichen91; vom tod und auferstehung Christi und der Christen, dadurch in uns erkentnis unserer selbs, gottesfurcht und hoffnung des künftigen lebens erweckt und erfrischt werden92; vom sterben, wo der tod anfenglich herkomme, wie mancherlei der tod, was der christen und unchristen tod, item, wie man wol und seliglich möge sterben und wie man sich darzu bereiden soll93; von sterbligkeit vnd schwacheit des Menschlichen Geschlechts / von vrsachen der Sünde vnd Todts / von erlösung / so durch Christum Gotts Son / vnsern Heilandt geschehen / vnd von Aufferstehung der Todten / oder dergleichen94; von der sterbligkeit des menschen, von dem ursprung des todes, item, wie man sich seliglich darzu bereiten sol, wie die stunde des todes so ungewis sei, das sich ein jeder teglich auf seinen abschied gefast mache, wie weit man umb die gefreunden trauren, und wie man die nachgelassene freunde trösten, desgleichen von der auferstehung der todten und ewigem leben95 usw.

Dogmatisch gesehen, sind die vorgeschlagenen Themen also zum einen christologisch-soteriologischer, zum anderen eschatologischer Natur (letzte Dinge). Wiederum besteht die erhoffte Wirkung einerseits in der eigenen Sterbebereitung und andererseits im Nähren der Auferstehungshoffnung. Dazu kommt der Trost für die Trauernden, „damit sie nicht mit der klag über die schnur christenlicher regel faren“96 88

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Lenz, TRE-Art. Leichenpredigt, 666 gibt als Zeitpunkt des Aufkommens der Personalia-Teile die Wende zum 17. Jahrhundert an. In der LP Anna Elisabetha Baderin 1664, 22–24 gibt der Vater der Verstorbenen, der Tübinger Stadtschreiber Christoph Bader, als Grund für den Druck der Predigt an, dass viele Verwandte bei der Trauerfeier am 25.9.1664 verhindert gewesen seien. Dazu komme, dass „Hiesige unsere Liebe Leuth […] sonderlich das Weibervolck / sich erklagt / daß sie theils auß Laidmuth / theils daß sie in jhrem weissen Traurgewand / mit verschlairten und verhüllten Ohren / eines und anders auch nicht so eigentlichen hetten verstehen und vernemmen könden“. Vgl. z. B. Agendbüchlein Veit Dietrichs 1545 (Sehling XI, 528); KO Kursachsen 1580 (Sehling I, 371–375). KO Hohenlohe 1578 (Sehling XV, 294). KO Hannover 1536 (Sehling VI, 1013). KO Thüngen 1564 (Sehling XI, 739). KO Braunschweig-Wolfenbüttel 1569, 121. KO Henneberg 1582 (Sehling II, 316). KO Württemberg 1536 (Sehling XVI, 121).

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III. Das Begräbnis

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(vgl. 1Thess 4,13). In diesem Programm sind nicht nur die oben genannten Zweckbestimmungen der Begräbnisfeier, sondern auch die Grundanliegen der untersuchten Liedtexte unschwer wiederzuerkennen. In der Leichenpredigt wird der zuletzt genannte Punkt, der Trost für die Trauernden, zunehmend – und tendenziell stärker als in der älteren Vermahnung – auf die individuelle Situation bezogen. Wo die Angehörigen die Leichenpredigt eigens in Auftrag geben mussten97 – und zwar ebenfalls gegen Gebühren98 –, werden die persönlichen Bezüge zahlreicher gewesen sein als in der standardisierten Vermahnung. Schon 1582 findet sich in der Henneberger Kirchenordnung die Mahnung, sich in der Leichenpredigt auf die genannten Aufgaben zu konzentrieren und Persönliches nicht überhand nehmen zu lassen.99 Ungeachtet dieser und vieler weiterer Stimmen, die z. B. das übermäßige Lob der Verstorbenen kritisierten, gewann es im 17. Jahrhundert weiter an Bedeutung.100 a) Zur Textwahl der Leichenpredigten Bei der Untersuchung der Sprach- und Vorstellungswelt der Liedtexte (vgl. Teil B) lag ein Schwerpunkt auf der Rezeption prominenter und häufig aufgegriffener Schrifttexte. In diesem Zusammenhang ist auch die Textwahl der Leichenpredigten von Interesse. Zugleich lässt sich daran die Entwicklung von der kurzen allgemeinen Vermahnung zur deutlicher personalisierten Leichenpredigt ebenfalls ablesen. Viele Kirchenordnungen schlagen konkrete Predigttexte für die Vermahnungen vor; dieselben Texte werden andernorts als Lesungen für den Trauergottesdienst genannt. Am häufigsten erwähnt werden dabei die paulinischen Auferstehungsaussagen aus 1Thess 4 und die Erzählung von der Auferweckung des Lazarus aus Joh 11 bzw. das Ich-bin-Wort Joh 11,25.101 Die in der Kirchenordnung für Kurbrandenburg 1540 vorgeschlagenen „lectiones ex Hiob oder Paulo de resurrectione“102 beziehen sich wahrscheinlich auf Hi 19,25f und ebenfalls auf 1Thess 4. Allmählich werden aus den allgemeinen Vermahnungen vom Tod und den letzten Dingen individualisierte Leichenpredigten. So fordert die hohenlohische Kirchen97

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Vgl. VO Brandenburg 1573 (Sehling III, 115): „Darum die pfarrer oder caplene auf der freundschaft begeren, die leichpredigten thun“. Nach der KO Hoya 1581 (Sehling VI, 1171) sind diese Gebühren in der Kirche unmittelbar im Anschluss an die Leichenpredigt zu entrichten: „Unter diesen gesengen sollen des todten blutverwandte ihr opfer auf den altar bringen, welches dem pastori oder diener, der die leichpredigt gethan, sol zugestalt werden.“ Vgl. KO Henneberg 1582 (Sehling II, 316): „Und ob sichs zutrüge, das auch der todten in solcher leichpredigt mit unter zu gedenken, welches denn hiermit gar nicht aufgehoben, sol man darumb nicht das mehrerteil darmit zubringen, das andere nötigere oder erbaulichere aber dagegen verseumen“. Vgl. Graff, Auflösung, 362f. Vgl. z. B. Artikelbuch Lüneburg 1527 (Sehling VI, 517): Vermahnung aus Joh 11,25f; 1Kor 15,12f; 1Thess 4,13f; KO Brandenburg und Nürnberg 1528 (Sehling XI, 139): 1Thess 4,13; Joh 11,25; KO Württemberg 1536 (1553) (Sehling XVI, 121): Vermahnung aus 1Thess 4 (und Joh 11); KO Calenberg-Göttingen 1542 (Sehling VI, 810): Lesung aus Joh 11; KO Kursachsen 1580 (Sehling I, 371–375): Predigt aus 1Thess 4, Joh 11, Lk 7 (Jüngling zu Nain), Mt 9 (Jairi Töchterlein); Visitationsabschied für Frankfurt/O. 1600: Lesung aus 1Thess 4,13–18, Joh 5,25–29, Joh 11,21–27. Zahlreicher sind die in den KOO Lüneburg 1564 (Sehling VI, 563f) und KO Braunschweig-Wolfenbüttel 1569, 122–124 angegebenen Stellen: Ps 39,5; Ps 90,12; Hi 14,1; Hi 19,25; Jes 57,1; Dan 12,2; Koh 7,2; Koh 9,12; Sir 5,8; Sir 17,21; Sir 38,16; Sir 40,1; Joh 5,24; Joh 5,28; Joh 11,25; Röm 5,12; Hebr 9,27; Apk 14,13. KO Kurbrandenburg 1540 (Sehling III, 81).

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Teil C: Sitz im Leben

ordnung von 1578: Der Pfarrer „befleisse sich, das sein predigt und des verstorbnen leben und abschied miteinander übereinstimmen.“103 Diese Übereinstimmung wirkt sich nach und nach auch auf die Textwahl aus. Die kursächsische Kirchenordnung von 1580 nennt die beiden Auferstehungsperikopen von der Tochter des Oberen (Mt 9,18f.23–26) und dem Jüngling zu Nain (Lk 7,11–17) als Texte für „eines jungen gesellen oder tochter leiche“.104 Auch die Kirchenordnungen von Lüneburg 1564 und Braunschweig-Wolfenbüttel 1569 schlagen für Kinderbegräbnisse eigene „Themata der vermanung“ vor, die etwa auf Jesu besondere Zuwendung zu den Kindern Bezug nehmen (Mt 18,3; 19,14), daneben aber auch auf das frühe Ende der Gerechten (Weish 4,7) und auf die Gotteskindschaft der Gläubigen (Gal 3,26; Eph 2,3–5).105 Noch stärker ausdifferenziert sind die Leichenpredigttexte in Felix Bidembachs Manuale von 1603. Ein ganzer Abschnitt von mehr als 140 Seiten ist in diesem Werk der Sammlung von über 500 „Themata“ gewidmet, die wiederum in zehn „Classes“ aufgeteilt sind.106 Dabei spielt nicht nur das Alter eine Rolle (2. Klasse: für Alte; 4. Klasse: für Kinder und junge Leute107), sondern auch der soziale Rang (1. Klasse108) und die Umstände des Todes: Die 3. Klasse versammelt Texte für verstorbene Wöchnerinnen, die 5. Klasse für langwierig Kranke, die 6. Klasse für plötzlich Verstorbene; hier sind auch 24 biblische Bilder für die Flüchtigkeit des menschlichen Lebens verzeichnet.109 Eine lange Reihe von speziellen, meist gewaltsamen oder sonst unnatürlichen Todesumständen wird unter der 7. Klasse von Leichtexten zusammengefasst: Todesfälle durch einstürzende Gebäude, wilde Tiere, Feuer, Blitzschlag, durch List und Verrat, Sturz, durch Pfeile, Ertrinken, Waffen- und sonstige Gewalt in Krieg und Frieden, Tod in Raserei, durch verborgene göttliche Macht oder zu Pestzeiten werden hier meist mit Hilfe exemplarischer biblischer Erzählungen gedeutet.110 In der 8. bis 10. Klasse folgen schließlich Texte für Menschen, die erst spät 103 104 105

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KO Hohenlohe 1578 (Sehling XV, 294). KO Kursachsen 1580 (Sehling I, 374f). KO Lüneburg 1564 (Sehling VI, 563f); KO Braunschweig-Wolfenbüttel 1569, 121f. Bedingt der zweiten Gruppe (vom Ende der Gerechten) zuzuordnen ist auch das Jesaja-Zitat Jes 57,1 (hier fälschlich: Jes 26). Vgl. Bidembach, Manuale, 467–609. Bidembach, Manuale, 476–485: „In funeribus alter vnd betagter Manns vnd Weibs Personen: oder auch deroselben in gemein.“ 489–495: „Bey der Leich Junger Gottseliger Personen / so vnsers erachtens vnzeitig / vnd all zu früe Tods verfahren: Oder auch junger Kinder.“ Bidembach, Manuale, 467–476: „Bey Begräbnus vornemer / ansehenlicher / vnd sollicher Personen / welche der Kirchen oder gemeinem Nutzen lang vorstendig gewesen.“ Bidembach, Manuale, 485–489: „Bey dem Begräbnus dero Weibspersonen / so in / oder bald nach der Geburt sterben.“ 496–505: „In funere der langwirig Krancken / gebrechlichen / oder sonst arbeitseliger / mit allerley Schaden behaffter Personen.“ 505–514: „In funeribus eorum, qui repentina & subitanea morte abripiuntur“. Bidembach, Manuale, 515–526: „In funeribus piorum, qui varijs, ijsq[ue] tristibus & adversis casibus interierunt.“ Darunter: „EXEMPLA EORVM, QVI DIVERSIS MORtis violentae speciebus perierunt, de quorum tamen salute benè sperandum est. EXEMPLA I. Aedificiorum ruinâ oppressorum. […] II. A bestijs interfectorum Exempla. […] III. Igne suffocatorum vel absumptorum Exempla. […] IV. In funere eorum, qui fulmine icti interierunt. […] V. Dolo & proditione occisorum Exempla. […] VI. Praecipitatorum, aut casu pereuntium Exempla. […] VII. Telis vel sagittis confixorum, vel vulneribus confectorum Exempla. […] VIII. In funeribus piorum, in aquis submersorum. […] IX. Occisorum vi, armis, &c. Vel in Pace [vel in] Bello. […] X. Furore correptorum. […] XI. Vi divina occulta enecatorum. […] XII. Tempore pestis. […]“

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III. Das Begräbnis

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Buße übten, für solche, die in Sünde gestorben sind, sowie eine große Zahl nicht näher spezifizierter Texte.111 Noch persönlicher wird der Bezug des Leichtextes zum Verstorbenen, wenn er, wie im 17. Jahrhundert weithin üblich, von diesem selbst ausgewählt wurde, entweder unmittelbar vor seinem Tod112 oder schon Jahre vorher113, was er ggf. auch schriftlich dokumentierte – die Eigenhändigkeit des Wunsches war dann für den Prediger eine wichtige und erwähnenswerte Authentifizierung.114 Wo der Verstorbene „diesen erklärten Text vormals zu seinem Symbolo, und in allen seinen Büchlein auffgezeichnet / als seinen rechten Lebens= und Sterbens=|Trost / erwöhlet“115, konnte es vorkommen, dass er sich auf dem Totenbett „seines selbst=erwehlten Texts erinnert[e]“116 oder dass er in seinem Sterben „seinen erwöhlten schönen Text […] würcklich und wol practicirt“117. In alledem ging es dem Prediger um den Nachweis, dass der Verstorbene seinen Leichtext wie ein Bekenntnis aus persönlicher Glaubensüberzeugung heraus gewählt hatte und dass sein Tod damit als seliges Ende zu bewerten war, ähnlich wie im Fall der sonstigen (meist ebenfalls literarisch vorgeprägten) Glaubenszeugnisse auf dem Sterbebett (vgl. o. S. 582).118 Auch der Todestag konnte die Wahl des Leichtextes bestimmen: Als der Tübinger Johann Ulrich Pregitzer am 2. Februar 1708, damit an Mariä Lichtmess und zugleich an seinem Geburtstag starb, lag es nahe, den Simeonsgesang aus Lk 2,29–32 zum Leichtext zu machen.119 Ebenso war der Beruf des Verstorbenen ein Anknüpfungspunkt: Beim Tod des Hirsauer Prälaten Matthäus Aulber 1689 entschied sich der Prediger, selbst Präzeptor an der Klosterschule, für den Leichtext Dan 12,3, der auf den seligen Stand des Toten verweisen und ihn zugleich als vorbildlichen Lehrer präsentieren sollte („Und die da lehren, werden leuchten wie des Himmels Glanz, und die viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich“).120 Ein anderes beliebtes Kriterium für die Textwahl, das einen eher assoziativen Bezug zur 111

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Bidembach, Manuale, 526–533: „In funere sero poenitentium.“ 534–543: „In funere impoenitentium, qui in suis (naturali enim morte) peccatis, vel tragicis casibus perierunt.“ 543–609: „Themata promiscui generis, de morte, sepultura, resurrectione, fine seculi, & Vita aeterna, omnibus funeribus accommodata.“ Vgl. LP David Wolmershäuser 1630, 42: „Zwen Tag hernach ließ er mich widerumb beruffen / begehrte von mir / daß ich disen Spruch: Sey getrew biß in Todt / etc. [Apk 2,10] in seiner Leichpredig erklären solle / bestelte sein Leichgesang […]“ Vgl. LP Heinrich Backmeister 1692, 42: Er hat „schon von vielen Jahren jetzt erklärten Denckspruch des heiligen Ertz=Vatters Jacobs: Ich bin zu gering aller Barmhertzigkeit und aller Treu / die der Herr an seinem Knecht gethan hat / zu seinem Leich=Text erwehlet“. Vgl. LP Georg Friedrich Wagner 1672, Titel: „Aus deß Seligen verstorbenen Herrn Syndici selbst auffgeschriebenem und erwöhltem Leich=Text“ (Leichtext: 1Kön 19,4). LP Johann Heinrich Hiller 1670, 37f (Leichtext: Hi 19,25). LP Nicolaus Myler von Ehrenbach 1677, 40 (Leichtext: Joh 14,19). LP Georg Friedrich Bähr 1667, 29 (Leichtext: Ps 37,5). In anderen Beispielen versucht der Prediger in diesem Sinne zu zeigen, wie der Sterbende „mit seinem erwehlten Leich=Text / auf das ängstige Leiden Jesu Christi sein glaubiges Absehen gehabt“ (LP Georg Friedrich Seufferheld 1687, 21; Leichtext: Jes 53,8), dass er „ausser Zweiffel vor Gottes allerheiligsten Augen bewährt erfunden worden / in welcher Hoffnung zu GOtt Er auch eben dise Worte zu einem Leich=Text erwählet hat“ (LP Johann Ulrich Rümelin 1679, 28; Leichtext: Jak 1,12), usw. Vgl. LP Johann Ulrich Pregitzer 1708; der sinnreiche Titel der Predigt lautet: „Die Selige Hinfahrt der Glaubigen“. Vgl. LP Matthäus Aulber 1689.

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Teil C: Sitz im Leben

Person des Verstorbenen herstellte, war die Möglichkeit eines sinnreichen Wortspiels mit seinem Namen. So wählte der Prediger für den württembergischen Oberjustizrat Joachim Christian Neu als Leichtext 2Kor 5,17 („Darumb ist jemand in Christo / so ist er eine newe Creatur / Das alte ist vergangen / sihe / es ist alles new worden“).121 Trotz der enormen Erweiterung des Leichtext-Repertoires gegenüber den beiden Favoriten aus den Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts (Joh 11,25 und 1Thess 4), trotz der grundsätzlichen Unbegrenztheit der Optionen gilt auch für die Wahl der Leichtexte: Bestimmte Texte werden bevorzugt verwendet; und das sind in der Leichenpredigt – im Sterbebericht (vgl. S. 577) wie als Predigttext – ganz ähnliche wie in den Sterbeliedern. Die zu beobachtende Individualisierung betrifft also nicht in erster Linie die Originalität der Textwahl, sondern die persönliche Aneignung und innere Übereinstimmung mit dem überlieferten Traditionsgut, was in vielen Fällen auch bedeutet: mit der vorgegebenen Konvention. Bei der Durchsicht von Leichtexten in gedruckten Leichenpredigten begegnen zahlreiche Schriftworte, die zum festen Bestand dieser Konvention gehören und also auch aus der Analyse der Liedtexte wohlbekannt sind, z. B. Texte wie 2Tim 4,6–8 bzw. 7f122, Ps 31,6123, Ps 42,2f124, Ps 73125, Jes 57,1–3126, Apk 2,10127, Jes 49,14–16128, Weish 3,1–3129, Lk 2,29–32130, Röm 8,35–39131, 1Kön 19,4132, Hi 19,25133, Weish 4,7134, Sir 7,40135, Apg 7,59136, Phil 1,21–23137 usw. Seit der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts werden vor allem aus den bildlichen Elementen der Texte gern mottoartige Titel für die Leichenpredigten geformt. 121

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Vgl. LP Joachim Christian Neu 1675. Vgl. auch LP Christoph Lindenmeier 1666, 39f (Leichtext: Ps 42,2; der ‚Hirsch‘ im Psalmtext wird mit dem Wirkungsort Hirsau oder „Hirschaug“ assoziiert; zit. o. S. 578); vgl. Anm. 132. Vgl. LP Jacob Andreae (Prediger: Lucas Osiander) 1590; LP Johannes Andreae 1620; LP Johann Bäurlin 1629; LP Johann Jakob Zückwolff 1630; LP Jacob Löffler 1638; LP Christina Aulber 1666; LP Maria von Cronegh 1671; LP Wolfgang Adam Lauterbach 1679; LP Christian Baldenhofer 1691. Vgl. LP Eberhard Friedrich v. Anweil 1664; LP Ludwig Georg Zorer 1667; LP Christoph Friedrich Stockmayer 1737. Vgl. LP Christoph Lindenmeier 1666; LP Gräfin Anna Amalia von Stolberg 1671; LP Anna Catharina Bardili 1690. Vgl. LP Bernhard Schaffalitzky 1662 (Ps 73,24); LP Maria Margaretha Prophalus 1668 (Ps 73,25f); LP Sabina Regina Andler 1702 (Ps 73,28). Vgl. 1. LP Hans Burkhard von Anweil (Prediger: Johann Georg Sigwart) 1593; LP Johann Herrmann 1616; LP Johann Friedrich Laux 1669. Vgl. LP Johannes Parsimonius 1588; LP David Wolmershäuser 1630; LP Caspar Adam 1704. Vgl. LP Johann Jacob Andler 1682; LP Anna Dorothea Andler 1683. Vgl. LP Albert von Liebenstein (Prediger: Bartholomäus Eyselin) 1608; LP Peter von Pflaumern 1655. Vgl. die drei LPP für Johann Eberhard von Stockheim 1676; LP Johann Ulrich Pregitzer 1708. Vgl. LP Israel Mögling 1601 (Röm 8,38); LP Burkhard Bardili 1692 (Röm 8,35–39); vgl. auch LP Johann Daniel Andler 1668 (Leichtext: Röm 8,31–34). Vgl. LP Georg Friedrich Wagner 1672 (Titel: „Currus et auriga coelestis, Das ist: Geistlicher Himmels=Wagen“, nach dem Bericht von der Himmelfahrt des Protagonisten Elia 2Kön 2,11, zugleich Namensanspielung). Vgl. LP Johann Heinrich Hiller 1670. Vgl. LP Anna Elisabetha Baderin 1664. Vgl. LP Christoph Zeller 1669. Vgl. LP Martin Crusius 1607. Vgl. 1., 3. und 4. Albert von Liebenstein 1608 (Prediger: Georgius Tröster; Kilian Loelius; Daniel Xylander).

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III. Das Begräbnis

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So kann eine Predigt zu Ps 42 als „Einer geängsteten Seelen seeliger Gottes=Durst“138 überschrieben sein, eine andere zur Commendatio animae nach Ps 31,6 als „Richtigstes Testament Eines GOtt ergebenen Hertzens“139, eine Predigt zur menschlichen Vergänglichkeit nach Hi 14,1f als „FLORALIA IOBI oder Schrifftmässige Betrachtung Hiobs MENSCHEN=BLUME“140. b) Liedtexte in der Leichenpredigt Liedtexte können in der Leichenpredigt auf zwei Weisen verwendet werden: entweder als Leichtext anstelle eines Bibelwortes oder als eingestreutes Zitat im Text der Predigt selbst. Ersteres scheint nicht allzu häufig zu sein. Unter den gesichteten Leichenpredigten befand sich nur eine einzige mit einer Liedstrophe als Predigttext: Für Anna Lederin wählte der Prediger 1665 unter dem Titel „Frommer Wittiben Hoffnungs=Ancker“ den Text der 7. Strophe von Lazarus Spenglers °Durch Adams Fall ist ganz verderbt („Wer hofft in GOtt / und dem vertrawt / | Der wird nimmer zu Schanden“ usw.).141 Gelegentlich entstanden aber ganze Predigtzyklen zu den einzelnen Strophen eines Liedes. Ein berühmtes Beispiel ist Johann Heermanns Zyklus von zwölf Leichenpredigten über Herzlich tut mich verlangen (Güldene Sterbekunst, Breslau 1628).142 Liedzitate in der Predigt selbst sind dagegen wesentlich häufiger. Dabei ist ihre Verwendung in der eigentlichen Predigt nochmals grundsätzlich von der im Sterbebericht des Personalia-Teils zu unterscheiden, wo sie zur Idealisierung des Sterbens gehörten und sich dazu eines ‚O-Tons‘ des Verstorbenen bedienten (vgl. ab S. 587). In der Predigt dienen sie oft zur Bündelung und Bekräftigung vorausgegangener Ausführungen. Dazu geeignet sind sie einerseits durch die Reim- und Versform, die meist auch im Druckbild der Predigten ins Auge springt, andererseits durch die Verknüpfung der behandelten Inhalte mit einem vertrauten Wortlaut. Kennzeichnend für die Zitierweise ist auch hier, dass Strophen und Verse je nach inhaltlichem Zusammenhang problemlos aus dem Liedtext herausgegriffen werden können. Zu der didaktischen kommt eine appellative Funktion, die sich oft ganz direkt mit Trost und Mahnung an die Zuhörer richtet. Eingebunden sind die Zitate meist durch eine Einleitung, die den Liedtext bestimmten Personen in den Mund legt. Vor allem zwei Möglichkeiten kommen dabei häufig vor: Entweder die Mitglieder der Trauergemeinde sollen in den Text einstimmen, oder die Verstorbenen richten ein letztes Wort an ihre Angehörigen. Für die erste Variante ist wesentlich, dass das Singen meist in den Kontext einer kirchlichen 138 139 140 141 142

LP Christoph Lindenmeier 1666. Vgl. LP Anna Catharina Bardili 1690: „Davidischer Seelen=Durst“. LP Ludwig Georg Zorer 1667. LP Otto Heinrich zu Limpurg 1653. Vgl. LP Anna Lederin 1665. Vgl. dazu Liess, Heermann, 261f. Daneben nennt Rudolf Mohr (Leichenpredigten, 79) den zehnteiligen Leichenpredigtzyklus des Bayreuther Superintendenten Christoph Schleupner über Wenn mein Stündlein vorhanden ist (1619). Koch, Beobachtungen, 183 nennt zwei Beispiele aus dem Geschlecht Reuß dafür, dass Kirchenliedstrophen auf Wunsch der Verstorbenen selbst als Leichtexte verwendet wurden.

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Teil C: Sitz im Leben

Allgemeinheit eingebettet ist; damit wird auch der zitierte Text zum Glaubensausdruck der Kirche als überindividueller Größe. So wird das Zitat der 1. Strophe von Freu dich sehr, o meine Seele in einer Predigt von 1672 eingeleitet wie folgt: „Also sollen wir uns auch trösten / auff unsere selige Hinfahrt frewen / und mit der Christlichen Kirchen singen und sagen: […]“143 Oft bleibt die Beteiligung der Trauergemeinde am zitierten Liedtext implizit; dann heißt es nur: „Deßwegen auch die Christliche Kirche mit Freuden singt: […]“144 usw. An die Stelle der „Christlichen Kirchen“, in deren gesungenes Glaubenszeugnis auch die Glieder der konkreten Trauergemeinde einstimmen sollen, können auch einzelne Personen als offizielle Vertreter dieser Kirche treten, etwa die Liederdichter oder der Prediger selbst, der sich damit zugleich in die Gemeinde und die Gemeinschaft der Trauernden einreiht: Auß Abrahams Antwort aber gegen der Bitt deß Reichen Schlemmers [Lk] 16. Gedenck mein Sohn / daß du dein gutes empfangen hast in deinem Leben / und Lazarus dagegen hat böses empfangen; Nun aber wird er getröstet / und du wirst gepeiniget. Disen Wechsel wartet auch auß / mit Johann Walter auß seinem Sommer=Lied vom ewigen Leben anzustimmen: […]145 Dessen freuen sich fromme glaubige Christen=hertzen / und sprechen mit Nicolao Hermann / aus einem wohlbekanten Kirchen=Gesang: […]146 Ist einer ein Christ / der seinem Nächsten gutes gönnet / so wird er durch übermässiges Trauren / die Seligverstorbene / nicht als unselig preisen / sondern vielmehr / Ihre Seligkeit erkennen / und ihme selbst auch / nach Gottes Willen / solche bald wünschen und begehren; daß es heisse / wie der Poët sagt: […]147 Dieweil aber solches alles nicht in unsern Kräfften stehet […] so seuffze ein jedes mit mir zum Beschluß also: […]148

In der anderen Variante wird der Liedtext nicht wie in all diesen Beispielen im Namen der Trauernden, der Gemeinde oder der Kirche gesprochen, sondern im Namen der Verstorbenen. Dabei kann es nochmals darum gehen, ihren Tod als seliges Ende zu idealisieren: 143 144

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LP Georg Friedrich Wagner 1672, 33. 3. LP Johann Eberhard von Stockheim (Prediger: Joachim Erich Turbanus) 1676, 23; es folgt Decius, °Allein Gott in der Höh sei Ehr (Str. 1,6f). Vgl. ebd., 17: „In Erwegung dessen glaubige Hertzen ihren Willen gern und willig in den H. Willen Gottes ergeben / und mit der Kirchen singen:“ Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 1); 28: „Und mit der Kirchen [singen die Christen:]“ Leon, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Str. 15); 25: „[Glaubige Christen] sagen alsdann mit der Kirchen:“ Luther, Mit Fried und Freud ich fahr dahin (Str. 1). LP Wolfgang Adam Lauterbach 1679, 19f; es folgt Walter, Herzlich tut mich erfreuen (Str. 26). LP Georg Friedrich Seufferheld 1687, 15; es folgt Herman, Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Str. 4–5). 2. LP Margarethe Elisabeth Schaffalitzky von Mukodell (Pr.: Georg Christoph Hochaicher) 1661, 9; es folgen sämtliche 6 Strophen des Liedes O wie selig seid ihr doch, ihr Frommen von Simon Dach. LP Georg Friedrich Wagner 1672, 33; es folgt Bienemann, Herr, wie du willt, so schick’s mit mir (Str. 3): „Solt ich auch bald nach deinem Raht“ usw.

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III. Das Begräbnis

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Betrachtet endlich mit mir: Wie hat Gott die lieben Eurigen sterben lassen? Ist es etwan geschehen durch einen plötzlichen grausamen und schröcklichen Tod? O nein! sondern Er hat sie lassen dahin fahren im Friede / auf ihrem Kranckbette / unter wehrender guter Pflag und Wart / und also gar sanfft und seelig / mit ruhigem stillem Gewissen / daß sie getrost und mit Freuden abscheiden und sagen können: […]149

Oft ist die Rede des Verstorbenen im Liedzitat jedoch direkt an die Angehörigen gerichtet. Im Vordergrund steht also nicht der kirchliche Kontext, sondern die persönlichen Beziehungen. Bevorzugt werden dabei solche Lieder verwendet, in denen die Abschiedssituation aus Sicht des Toten aufgegriffen wird, etwa Knolls Herzlich tut mich verlangen oder Heermanns Lasset ab, ihr meine Lieben. Der Tote spricht dann aus dem Sarg, aus dem Grab oder aus Abrahams Schoß: Gedencket daß Ewer seeliger Ehe=Herr / Vatter / Freund / wie Er vilfältig in seinem Leben Euch erinnert / also gleichsam aus seinem Grab / die Erinnerung Zuruffe: […]150 Zu guter Letz aber rufft Sie denen hinterbliebenen Hertzen noch einmahl auß der Liebreichen Vatters=Schoß Abrahae zu: […]151 Ja solten deß erblaßte Lippen sich noch einmal in dem Sarckh regen / würden dieselbe keinen andern und bessern Trost / als disen wissen vorzutragen: […]152

Diese Verwendung ist ein Beleg für den oben angenommenen postmortalen Performanzkontext derjenigen Lieder, in denen der Tote selber spricht (vgl. S. 416–421). Der Fundus von Liedern, auf den die Prediger zurückgreifen, ist wieder grundsätzlich unbegrenzt. Dennoch finden sich auch hier wieder die meisten der bevorzugten Lieder aus der Häufigkeitsstatistik der Gesangbücher (vgl. S. 164f), z. B. Wenn mein Stündlein vorhanden ist153 von Nicolaus Herman, Herzlich lieb hab ich dich, o Herr154 von Martin Schalling, Ich hab mein Sach Gott heimgestellt155 von Johannes Leon oder Herzlich tut mich verlangen156 von Christoph Knoll. Von Luther wird neben den im 149

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3. LP Johann Eberhard von Stockheim (Prediger: Joachim Erich Turbanus) 1676, 31; es folgt Schalling, Herzlich lieb hab ich dich, o Herr (Str. 3,1–6): „Ach HErr laß deine liebe Engelein“ usw. LP Johann David Cummerell 1675, 33; es folgt Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Str. 8–9). LP Maria Margaretha Bechtin 1696, 34; es folgt u. a. Knoll, Herzlich tut mich verlangen (Str. 9): „Gesegn euch Gott der HErre“ usw. „Klag= Trost= und Danck=Sermon“ bei der Trauerfeier für Johann Christoph Volmar 1696, 38; es folgt Heermann, Lasset ab, ihr meine Lieben (Str. 1). Die Verwendung des Liedzitats entspricht hier genau der Gattung der Dankrede (Leichabdankung, Parentation), die nicht identisch ist mit der Leichenpredigt. In ihr wurde der Trauergemeinde im Namen des Verstorbenen für ihre Teilnahme gedankt (vgl. Graff, Auflösung, 364). LP Benigna von Adelsheim 1674, 17 (Str. 2); LP Sabina Bachmeierin 1674, 25 (Str. 3); LP Georg Friedrich Seufferheld 1687, 15 (Str. 4–5). Vgl. LP Sabina Bachmeierin 1674, 15 (Str. 1); LP Anna Lederin 1665, 5.12 (Str. 1); LP Christoph Bader 1684, 9 (Str. 1,7–10); 3. LP Johann Eberhard von Stockheim (Prediger: Joachim Erich Turbanus) 1676, 31 (Str. 3). Vgl. 3. LP Johann Eberhard von Stockheim (Prediger: Joachim Erich Turbanus) 1676, 17.28.10 (Str. 1; 15; 18); LP Georg Friedrich Seufferheld 1687, 6 (Str. 3); LP Sabina Bachmeierin 1674, 33 (Str. 5,3–5). Vgl. LP Benigna von Adelsheim 1674, 21 (Str. 3); LP Sabina Bachmeierin 1674, 15f.25 (Str. 3; 7); LP Johann David Cummerell 1675, 33 (Str. 8–9); LP Maria Margaretha Bechtin 1696, 35 (Str. 9).

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Teil C: Sitz im Leben

Begräbnisliederbuch von 1542 genannten deutschen Liedern – Mit Fried und Freud157 voran, aber auch Aus tiefer Not158 oder Nun bitten wir den Heiligen Geist159 – häufig der Schluss der dritten Strophe von °Komm, Heiliger Geist, Herre Gott160 zitiert, in dem das ‚ritterliche Ringen‘ beschworen wird (vgl. S. 226f). Beliebt sind außerdem auch innerhalb der Predigt die Lieder aus Nicolais FrewdenSpiegel, vor allem Wie schön leuchtet der Morgenstern161, aber auch Herr Christ, tu mir verleihen162 oder So wünsch ich nun ein gute Nacht163. Aus dem Bußlied Ach Gott und Herr, wie groß und schwer werden die Strophen 7 und 8 gerne verwendet („GLeich wie sich fein | Ein Vögelein“ usw.).164 Insgesamt ist die Zahl der von mir gefundenen Belege für ältere Lieder (vor 1620) deutlich größer165 als die der Belege für Lieder von neueren Autoren wie Heermann, Dach, Johann Franck oder Keimann.166 Die Auswahl ist aber nicht durch das Gesangbuch von 1583 bestimmt, sondern geht deutlich darüber hinaus und ist auch für Neues grundsätzlich offen.167 Zusammenfassend ist festzuhalten: Die oft umfangreichen lutherischen Leichenpredigten des 17. Jahrhunderts haben sich aus den kurzen Vermahnungen der Reformationszeit entwickelt, deren zentrale Themen die Erinnerung an die Sterblichkeit, an das Verdienst Christi und an die Auferstehung waren. Demgegenüber zeichnet sich im 17. Jahrhundert eine zunehmende Personalisierung und Individualisierung der Predigten ab. Personalisiert wurde nicht nur das Gedächtnis an den Verstorbe157

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Vgl. 1. LP Johann Eberhard von Stockheim (Prediger: Joh. Laurentius Schmidlin) 1676, 28; 3. LP Johann Eberhard von Stockheim (Prediger: Joachim Erich Turbanus) 1676, 25; LP Georg Friedrich Wagner 1672, 10. Vgl. LP Anna Lederin 1665 (Str. 3: „Darumb auff Gott will hoffen ich“ usw.). Vgl. 1. LP Johann Eberhard von Stockheim (Prediger: Joh. Laurentius Schmidlin) 1676, 28. Str. 3,7f: „Das wyr hye ritterlich ringen, | durch tod und leben zu dyr dringen.“ Vgl. LP Christoph Bader 1684, 9; LP Johann Isaac Andler 1698, 35; LP Burkhard Bardili 1692, 15. Vgl. LP Sabina Bachmeierin 1674, 22 (Str. 3); LP Johann Isaac Andler 1698, 25 (Str. 5,1–6); LP Wolfgang Adam Lauterbach 1679, 23 (Str. 7,4–10). Vgl. LP Johann Caspar Lentz 1667, fol. B 3v (Str. 8). Vgl. LP Anna Maria Bader 1686, 24 (Str. 8,1–4). Vgl. LP Benigna von Adelsheim 1674, 16; LP Johann Isaac Andler 1698, 24; Strophenzählung nach der Textfassung von Scheins Cantional, Text vgl. S. 378. Weitere Beispiele neben den genannten: Walter, Herzlich tut mich erfreuen: LP Benigna von Adelsheim 1674, 34 (Str. 8–10); LP Wolfgang Adam Lauterbach 1679, 19f (Str. 26). Albrecht von Preußen, Was mein Gott will, das gscheh allzeit: LP Anna Lederin 1665, 23 (Str. 1,5–10). Anon., O Welt, ich muss dich lassen: LP Georg Friedrich Wagner 1672, 9 (Str. 1). Bienemann, Herr, wie du willt, so schick’s mit mir: LP Anna Maria Bader 1686, 21 (Str. 1); LP Georg Friedrich Wagner 1672, 33 (Str. 3). Moller, Ach Gott, wie manches Herzeleid: LP Georg Friedrich Seufferheld 1687, 10 (Str. 1,1–4): Anon., Christus der ist mein Leben: 3. LP Johann Eberhard von Stockheim (Prediger: Joachim Erich Turbanus) 1676, 24 (Str. 1–2). Behm, O Jesu Christ, meins Lebens Licht: LP Christoph Bader 1684, 10 (Str. 2,1f; 4). Anon., Freu dich sehr, o meine Seele: LP Georg Friedrich Wagner 1672, 33 (Str. 1). Vgl. Dach, O wie selig seid ihr doch, ihr Frommen: 2. LP Margarethe Elisabeth Schaffalitzky von Mukodell 1661, 9 (Str. 1–6). Heermann, Lasset ab, ihr meine Lieben: Dankrede bei der Trauerfeier für Johann Christoph Volmar 1696, 38 (Str. 1). J. Franck, Du, o schönes Weltgebäude: 2. LP Johann Eberhard von Stockheim (Prediger: Joh. David Flattich) 1676, 32 (Str. 2). Keimann, Meinen Jesum lass ich nicht: LP Sabina Bachmeierin 1674, 16 (Str. 1–3); LP Gräfin Anna Amalia von Stolberg 1671, 12 (Str. 5,1–4). Für die starke Paul-Gerhardt-Rezeption, die Ingrid Drost in Norddeutschland schon im ausgehenden 17. Jahrhundert konstatiert hat, gab es im Tübinger Bestand bisher keine Belege; am häufigsten sind nach Drost die Gerhardt-Lieder °Warum sollt ich mich denn grämen und °O Haupt voll Blut und Wunden (vgl. Drost, Kirchenlied, 215).

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III. Das Begräbnis

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nen – etwa durch die Hinzufügung des Personalia-Teiles –, sondern auch der Trost an die Angehörigen und insbesondere die Textwahl. Waren anfangs Auferstehungstexte wie 1Thess 4,13f und Joh 11,25 die Norm, vergrößerte sich das Spektrum nun beträchtlich, auch wenn bestimmte Texte bevorzugt verwendet wurden. Daneben wurden Bezugnahmen auf den Namen, auf Leben und Sterben des Verstorbenen häufiger; zudem breitete sich die Praxis aus, sich in der Sterbebereitung seinen Leichtext, ggf. frühzeitig, selbst auszuwählen und schon dadurch einen individuellen Bezug zu diesem Text herzustellen. Entscheidend war dabei nicht die Originalität der Textwahl – die konnte ganz konventionell ausfallen –, sondern die persönliche Aneignung des Textes. Gelegentlich wurden auch Lieder als Leichtexte verwendet. Verbreitet war außerdem die Verwendung von Liedzitaten innerhalb der Leichenpredigt zu Belehrung, Trost und Mahnung. Lieder von Luther, Nicolai, Schalling (Herzlich lieb hab ich dich) und Knoll (Herzlich tut mich verlangen) kommen dabei besonders häufig vor, daneben neuere Lieder von Dach, Heermann und anderen. In die Rede eingebunden sind die Zitate meist als wörtliche Rede entweder der „Christlichen Kirchen“, in die die Trauergemeinde quasi virtuell mit einstimmen soll, oder des Verstorbenen, mit der er die Trauernden anredet. Es zeigt sich, dass das sich verabschiedende Ich im Sterbelied seinen Sitz im Leben tatsächlich nicht (bzw. nicht nur) am Sterbebett hat, sondern auch – gleichsam nachträglich – wenn der Tod bereits eingetreten ist (vgl. S. 416–421). Auch eine Todesmahnung kann in der Leichenpredigt direkt dem Verstorbenen in den Mund gelegt werden – gegenüber dem Motiv der Todesmahnung durch einen anonymen Toten als Repräsentant des Todes ebenfalls eine Personalisierung und Individualisierung.

4. Der Gesang beim Begräbnis Wie zu jedem Gottesdienst gehört der Gesang auch zur Feier des Begräbnisses als grundlegendes Element hinzu (vgl. S. 607); ohne Gesang ist von einem vollwertigen öffentlichen, ‚christlichen‘ und ‚ehrlichen‘ Begräbnis nicht zu reden. Die Zweckbestimmung der Lieder – Todes- und Auferstehungsgedenken – liest sich in der Kirchenordnung wieder ganz ähnlich wie die des Begräbnisses insgesamt oder die der Leichenpredigt: Durch die Gesänge sollen „die menschen irer sterblichkeit, und des jüngsten gerichts, auch der frölichen auferstehung von den todten, und des künftigen ewigen lebens erinnert“168 werden. Der hohenlohischen Kirchenordnung von 1553 zufolge ist der Begräbnisgesang eine kulturelle Leistung, die den Menschen vom Tier unterscheidet; er verleiht dem Begräbnis jenen fröhlichen Charakter, die dem christlichen Auferstehungsglauben entspricht.169

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Kursächische Generalartikel 1557 (Sehling I, 320), fast gleichlautend VO Kurbrandenburg 1573 (Sehling III, 115). Vgl. KO Hohenlohe 1553 (Sehling XV, 80): „Damit aber dannocht die verstorbene, umb der gedechtnus willen der frolichen auferstehung aller glaubigen, nicht wie das unvernunftig vihe dohin getragen und

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Teil C: Sitz im Leben

An dieser Stelle soll abschließend die Frage gestellt werden, welche Lieder – neben Kollekten-, Responsorien- und anderen liturgischen Gesängen170 – zum Begräbnis gesungen wurden. Demnach sind vor allem zwei Gruppen zu unterscheiden: zum einen diejenigen Lieder, die in den Kirchenordnungen besonders des 16. Jahrhunderts vorgeschlagen werden, zum anderen diejenigen, die im 17. Jahrhundert etwa seit Schein als Gelegenheitswerke für Begräbnisse entstanden sind. Für die beiden Gruppen gilt in ähnlicher Weise wie für die Zusammensetzung der untersuchten Liedauswahl (vgl. S. 166): Die Lieder der ersten Gruppe sind besonders verbreitet, die der zweiten besonders zahlreich; der Kontext der ersten Gruppe (a) sind die liturgischen Vorgaben durch die Kirchenordnung, der der zweiten Gruppe (b) der jeweils konkrete Todesfall. a) Begräbnisgesänge in den Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts Gesungen wurde beim Begräbnis – wenn möglich – vom Chor der Schüler (vgl. S. 607), und zwar sowohl bei der Prozession als auch beim eigentlichen Trauergottesdienst.171 Welche Lieder gesungen wurden, ist in vielen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts vorgegeben. Die maßgebliche Bezugsgröße waren dabei die Angaben Luthers aus dem Begräbnisgesangbuch von 1542, auf das schon die Schweinfurter Kirchenordnung von 1543 verweist.172 Nach der Hoyaer Kirchenordnung von 1581 können die empfohlenen „gewönlichen gesenge, so von Doctore Luthero geordnet“, bereits „in etlichen psalmbüchern beyeinander gefunden werden“173, ein Hinweis auf die nützliche Funktion der Gesangbuchrubrizierung. „Was vor gesäng bey den begräbnisen gesungen werden“174, war eine relevante Frage auch bei Visitationen; dass man „die neuerung vermeiden“175 solle, wurde vielfach betont, im orthodox-konservativen Württemberg noch in der Kirchenordnung von 1668. Sie versucht an das Gesangbuch von 1583 zu erinnern und dagegen einzuschreiten, dass insbesondere von „Extraneis“, Pfarrern auswärtiger Herkunft, „allerhand newe Gesänge in der Kirchen / so noch nie in Unserm Hertzogthum[b] / als Symbolisch angenommen / zu singen befohlen und angeordnet worden“; Kirchen- und Schuldiener werden ausdrücklich ermahnt, dass sie „auch

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begraben, soll die leyche, sonderlich wo schulen seind, mit christlichen gesengen […] belaytet […] werden“. Vgl. z. B. KO Kurbrandenburg 1540 (Sehling III, 81): „Und so man vom begrebnis widerum in die kirchen gehet, alsdenn mag man singen, mit fried und freud […] und denn ein deudsche collecta“; KO Sulzfeld 1566 (Sehling II, 354): Nach der Leichenpredigt „folgt die collecten, die man zum begrebnus pflegt zu singen“; KO Teschen 1584 (Sehling III, 463): „Man mag auch etliche schöne gebreuchliche responsoria siengen.“ Vgl. Grün, Beerdigung, 186–189. Vgl. KO Schweinfurt 1543 (Sehling XI, 644). Vgl. KO Zerbst 1545 (Sehling II, 593f): Der Schülerchor singe „geistliche gesenge, von Martino Luthero darzu verordenet und gestellet.“ KO Hoya 1581 (Sehling VI, 1171). VO Limpurg 1611 (Sehling XVI, 630). KO Hoya 1581 (Sehling VI, 1171).

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III. Das Begräbnis

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bey denen Leichbegängnussen / nicht so allerhand frembde / sondern gewisse und bekandte geistreiche Sterb=Lieder gebrauchen sollen.“176 In besonderen Fällen konnte die Liedauswahl zur Trauerfeier auch als Instrument zu einer Art Kirchenzucht verwendet werden. Nach einer Richtlinie aus Hof war bei unbußfertigen Sündern von der üblichen Liedauswahl abzuweichen: Nachdeme es aber je zuweilen gottlose und epicureische leute gibt, welche in vielen jahren nicht zur kirchen kommen noch bei dem h[eiligen] abendmahl sich einfinden, entgegen in brandwein und wirtshäusern offentlich, ja täglich anzutreffen, auch in dem unordentlich und hochärgerlichen sündenleben ohne reu und scheu fortfahren und also dahin sterben oder sonst bei der füllerei im zorn und wüten entleibet werden, denen können die ordentliche lieder: Mit fried und freud ich fahr dahin nach Gottes willen etc. und andere dergleichen christliche gesänger, so sich auf solche fälle nicht schicken, für dem haus und im fortgehen, ärgernis zu vermeiden, nicht gesungen werden. Sondern für der tür wäre zu singen: Mitten wir im leben sind etc., in fortgehen aber: So wahr ich lebe, spricht dein Gott, item, andere bußlieder, wornach gleichfals die kirchendiener bei angestellten leichsermon und -predigten, sich zu richten, andern ruchlosen zum exempel, damit sie von ihrem gottlosen leben, ihnen selbst zum besten, etwan ablassen möchten.177

Die Mahnung zur Buße soll demnach die Liedauswahl beim Begräbnis solcher Gemeindeglieder bestimmen, die nicht den kirchlichen Forderungen des christlichen Lebens entsprochen hatten – um der Lebenden willen. Damit zu den Vorgaben für die reguläre Liedauswahl. Die Struktur dieser Vorgaben ergibt sich meist aus dem Ablauf der Feier und den vier Orten, an denen diese stattfand: vor Beginn des Trauerzuges am Haus des Verstorbenen, während des Trauerzuges, in der Kirche und am Grab. Ebenfalls aus Hof stammt ein besonders ausführliches Beispiel, der 1592 abgefasste Ordo ecclesiasticus des Kantors Enoch Widmann: Am Trauerhaus singt der Schülerchor das Responsorium Si bona suscepimus [Hi 2,10] mit der Antiphon Media vita. Während der Prozession vom Trauerhaus zur Friedhofskirche St. Lorenz folgen deutsche Gesänge Luthers (Mitten wir im Leben sind; °Gott der Vater wohn uns bei; Mit Fried und Freud ich fahr dahin). Wenn nötig (je nach Länge des Weges), sind vor dem Einzug der Chorknaben in die Kirche weitere Gesänge hinzuzufügen (Luther, Aus tiefer Not schrei ich zu dir; Hegenwalt, °Erbarm dich mein, o Herre Gott). Falls die bisher genannten Gesänge noch nicht ausreichen, werden zum Einzug der Trauernden in die Kirche noch weitere vorgeschlagen (Luther, Mit Fried und Freud in guter Ruh; Herman, °So wahr ich leb, spricht Gott der Herr). Bei feierlichen Begräbnissen werden vor und nach der Predigt Responsorien gesungen (vorher: Credo quod redemptor meus vivit [Hi 19,25]; Ecce quomodo moritur iustus [Jes 57,1]; nachher: Ecce Dominus veniet [Sach 14,5]). Nach der Predigt kann etwas aus einer Liste von kürzeren Gesängen (Löner, O wie selig ist der 176 177

KO Württemberg 1668, 13. KO Brandenburg und Nürnberg 1533, Druck Hof 1591 (Sehling XI, 202). Mit dem erwähnten Lied °So wahr ich lebe, spricht dein Gott (vgl. Ez 33,11) kann nicht das Lied Heermanns (1630) gemeint sein, sondern wohl eher Hermans °So wahr ich leb, spricht Gott der Herr, das auch laut der folgenden Aufstellung bei Begräbnissen in Hof gängig war.

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Teil C: Sitz im Leben

Tod; Luther, Mit Fried und Freud in guter Ruh; Luther, In meinm Elend war dies mein Trost; Luther, Christ ist die Wahrheit und das Leben; °Von allem Übel uns erlös*; Herman, °So wahr ich leb, spricht Gott der Herr; Decius, °O Lamm Gottes unschuldig; Ecce Dominus veniet) oder etwas zur Predigt oder Kirchenjahreszeit Passendes gesungen werden. Versikel zur Kollekte: Röm 8,32 (Pfarrer: „Got hat seines einigen Sohns nicht verschonet“, Chor: „sonder hat ihn fur uns in den tod gegeben“). Zum Abschluss nach der Kollekte alternativ: Prudentius, Iam moesta quiesce querela; Hört auf mit Weinen und Klagen; Eber, Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott. Bei ‚Generalleichen‘ folgt schließlich das Lied Nun haben wir den Leib begraben (offenbar gemeint: Weisse, Nun lasst uns usw.); bei ‚Partikularleichen‘, an denen nur ein Teil des Chores teilnimmt, zumindest die letzten beiden Strophen (Nun lassen wir ihn hie schlafen und Das helf uns Christus, unser Trost) oder einer der kurzen Gesänge nach der Predigt. Nicht erwähnt wird in Widmanns Aufstellung der genaue Zeitpunkt der eigentlichen Bestattung.178

Im Vergleich mit den meisten Kirchenordnungen ist diese Aufstellung zwar ungewöhnlich reich und detailliert; dennoch zeigt sie beispielhaft ein typisches Repertoire, dessen Gepräge wie bei Babst zum einen von lateinischen Gesängen, zum anderen von Lutherliedern bestimmt ist. Zunächst zu den lateinischen Gesängen. Unter ihnen nimmt der oft wie ein deutsches Lied behandelte Hymnus Iam moesta quiesce querela eine Sonderstellung ein.179 Außerdem werden die Antiphon Media vita180 und diverse biblische Responsorien genannt, am häufigsten Si bona suscepimus181 (Hi 2,10), daneben u. a. Credo quod redemptor meus vivit182 (Hi 19,25), Ecce quomodo moritur iustus183 (Jes 57,1), Ecce dominus veniet184 (Sach 14,5), °Ego sum resurrectio et vita185 (Joh 11,25), Nolumus [Nolo] vos ignorare de dormientibus186 (1Thess 4,13) und Si enim credimus187 (1Thess 4,14). Der lateinische Gesang im Gottesdienst wurde auch sonst vielerorts um der studierenden Jugend willen praktiziert; liturgische und pädagogische Zwecke grif178 179

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Vgl. Ordo ecclesiasticus in Hof 1592 (Sehling XI, 474f). Als Vorschlag belegt z. B. in KO Oldenburg 1573 (Sehling VII, 1108f); KO Schwarzburg 1574 (Sehling II, 136); KO Hoya 1581 (Sehling VI, 1171); KO Magdeburg-Halberstadt 1632, 138. In Gesangbüchern: L-1545; N-1599; L-1605/16/27a/38/27b/45/73/82; D-1608/25/56/76/78; G-1648; Lü-1640. Vgl. z. B. Artikel der Pröpste zu Nürnberg 1524 (Sehling XI, 44f); KO Brandenburg/Nürnberg 1533 (Sehling XI, 202f); KO Schwarzburg/Stolberg 1549 (Sehling II, 129f); KO Hohenlohe 1553 (Sehling XV, 80); KO Oldenburg 1573 (Sehling VII, 1108f); KO Braunschweig-Lüneburg 1657, 182ff. In Gesangbüchern: D-1608/25/56/76/78; L-1638/73; Lü-1640. Vgl. auch in Babst Nr. 89 (Si enim credimus), fol. b 3v–4v. Vgl. KO Kurbrandenburg 1540 (Sehling III, 81); KO Schwarzburg 1574 (Sehling II, 136); KO Lüneburg 1564 (Sehling XI, 563); KO Braunschweig-Wolfenbüttel 1569, 120; KO Stift Verden 1606 (Sehling VII, 187); KO Magdeburg-Halberstadt 1632, 138; KOO Braunschweig-Lüneburg 1643, 67ff und 1657, 182ff. In Gesangbüchern: D-1608/25/56/76/78; L-1638/73 („Responsorium ex Jobo, c. 2. ante funerum aedes“); Lü-1640; H-1683. Vgl. auch in: Erneuertes Franckfurter Gesang=Buch (Frankfurt/M. 1664), Nr. 490; Neues vollständiges Eisenachisches Gesangbuch (Eisenach 1673). Vgl. KO Braunschweig-Wolfenbüttel 1543 (Sehling VI, 67f); KO Schwarzburg 1674 (Sehling II, 136); KO Braunschweig-Lüneburg 1657, 182ff. In Gesangbüchern: L-1545/1638; D-1608/25/56/76/78; Lü-1640. Vgl. Ordo ecclesiasticus Hof 1592 (Sehling XI, 475). In Gesangbüchern: L-1545/1616/1638; G-1648. Vgl. Ordo ecclesiasticus Hof 1592 (Sehling XI, 475). In Gesangbüchern: L-1638. Vgl. KO Brandenburg/Nürnberg 1533 (Sehling XI, 202f); KO Kurbrandenburg 1540 (Sehling III, 81). Vgl. KO Kurbrandenburg 1540 (Sehling III, 81). In Gesangbüchern: L-1545. Vgl. KO Brandenburg/Nürnberg 1528 (Sehling XI, 138f); KO Kurbrandenburg 1540 (Sehling III, 81). In Gesangbüchern: L-1545; D-1608/25/56/76/78.

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III. Das Begräbnis

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fen also ineinander (vgl. S. 147188 u.ö.). Zum Begräbnis war er von vielen Kirchenordnungen neben dem deutschen Gesang ausdrücklich vorgesehen.189 Ein Jahr vor dem ausführlichen Formular Enoch Widmanns erschien in Hof jedoch ein Druck der brandenburg-nürnbergischen Kirchenordnung von 1533, in dem der lateinische Gesang beim Begräbnis im allgemeinen abgeschafft wurde. Auf besonderen Wunsch konnte er freilich noch angewandt werden: Man kan hierbei […] christliche lieder nach der teutschen sprach und hiesigem gesangbuch singen, also der lateinischen wohl entbehren. Jedoch wann solche bei proceßleichen absonderlich begehret werden, seind sie zu gebrauchen und den seelig verstorbenen zu ehren mit dem figuralgesang abzulegen.190

Wie bei Widmann die lateinischen Responsorien ein Spezifikum besonders feierlicher Begräbnisse sind, so stellen die hier erwähnten lateinischen Gesänge eine Auszeichnung von aufwändigeren „proceßleichen“ dar, bei denen auch figural gesungen wurde (üblicherweise dürfte der Gesang choraliter erfolgt sein). Unter den deutschen Liedern nehmen, wie schon gesagt, diejenigen Martin Luthers eine hervorragende Stellung ein. Mitten wir im Leben sind und Mit Fried und Freud ich fahr dahin fehlen von Anfang an in fast keiner Kirchenordnung, die konkrete Angaben zur Liedauswahl macht; der Status dieser Lieder ist hier also quasi derselbe wie in den Gesangbüchern. Dazu kommen °Gott der Vater wohn uns bei sowie aus dem Begräbnisliederbuch am häufigsten Aus tiefer Not, aber auch Wir glauben all an einen Gott, einer Kirchenordnung von 1533 zufolge „von wegen des artikels der aufersteeung des fleisch, darinn auch begriffen“191. Sehr häufig genannt wird das alte Bußlied °Erbarm dich mein, o Herre Gott192 von Erhart Hegenwalt, das in keinem der untersuchten Gesangbücher unter den Sterbe- oder Begräbnisliedern zu finden war, ebenso wie Lazarus Spenglers °Durch Adams Fall ist ganz verderbt193. Ansonsten herrscht weithin große Übereinstimmung mit der quantitativen Auswertung der Gesangbuchrubriken (Wenn mein Stündlein vorhanden ist; O Welt, ich muss dich lassen; Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott usw.). Die alten und verbreiteten Lieder der Rubrik ‚Vom Jüngsten Tag und Auferstehung‘ spielen dabei keine Rolle; vertreten ist lediglich die Rubrik ‚Vom Tod und Sterben‘. Eine besondere Rolle kommt schließlich dem Lied Nun lasst uns den Leib begraben zu, das ebenso häufig vorgeschlagen wird wie die beiden Lutherlieder. Dieses 188

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Dort auch die Klage des Hamburger Hauptpastors Johann Balthasar Schuppius über das fehlerhafte Latein der Schüler beim Gesang von Iam moesta quiesce querela. Vgl. KO Schwarzburg 1574 (Sehling II, 136): „Unter der procession singt die schuel lateinisch und deuzsch reine und schöne psalmen“. KO Brandenburg und Nürnberg 1533, Druck: Hof 1591 (Sehling XI, 202). Gemeindeverordnung und Visitationsartikel für Meißen und Vogtland 1533 (Sehling I, 195). Vgl. KO Braunschweig-Wolfenbüttel 1543 (Sehling VI, 67); KO Lüneburg 1564 (Sehling VI, 563); KO Oldenburg 1573 (Sehling VII, 1108f); KO Schwarzburg 1574 (Sehling II, 136); KO Stift Verden 1606 (Sehling VII, 187); KO Magdeburg-Halberstadt 1632, 138; KOO Braunschweig-Lüneburg 1643, 67–70 und 1657, 182–185. Vgl. KO Schwarzburg 1574 (Sehling II, 136); KO Magdeburg-Halberstadt 1632, 138.

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Teil C: Sitz im Leben

Lied, das zugleich in buchstäblich keinem der ausgewerteten Gesangbücher fehlt, war vielerorts dem eigentlichen Akt der Bestattung am Grab selbst vorbehalten. Es wurde von den Schulknaben gesungen, während der Sarg in die Erde gesenkt wurde, so nach der schwarzburgischen Kirchenordnung von 1574: „Als dan wird der cörper in die erde begraben, die schul knaben singen, weil man begrebt, den gesang Lutheri: Nun last uns den leib begraben.“194 Die Textebene – das Temporaladverb ‚nun‘ samt dem damit beschriebenen Vorgang – kam hier also mit der Performanzebene vollständig zur Deckung. Ähnliches gilt für das zweite ‚nun‘, das am Schluss des Liedes in der siebten Strophe steht: „Nun lassen wir ihn hie schlafen“. Dieser Schluss wurde oft getrennt vom Rest des Liedes erst gegen Ende der Feier gesungen, etwa nach der Leichpredigt, wenn die Trauergemeinde sich anschickte, den Leichnam auf dem Friedhof zurückzulassen und nach Hause ins Leben zurückzukehren.195 Insgesamt ist die Menge der in Kirchenordnungen genannten Begräbnislieder relativ konstant und nicht sehr groß, die Auswahl naturgemäß konservativ. Auch wenn im 17. Jahrhundert tendenziell einige Lieder mehr aufgenommen werden, geschieht das bei weitem nicht in einem vergleichbaren Ausmaß wie in den Gesangbüchern, die ja auch zum privaten Gebrauch dienten. Doch gerade im 17. Jahrhundert dürften die offiziellen Vorgaben auch in der Praxis häufig überschritten worden sein: Zur Verfügung standen ja nicht nur die in Kirchenordnungen vorgesehenen Lieder, sondern auch die ungleich gehaltvolleren Gesangbuchrubriken und die Gelegenheitswerke. Es war nicht nur üblich, sich seinen Leichtext selbst auszusuchen, sondern auch den Gesang.196 Bei solch persönlichem Zugriff auf die Liedauswahl werden durchaus andere Kriterien maßgeblich geworden sein als bei der Erstellung von Kirchenordnungen. b) Personalisierte Gelegenheitswerke im 17. Jahrhundert Im Gegensatz zur Gruppe der Liedvorschläge aus Kirchenordnungen ist die Gruppe der Gelegenheitswerke in der untersuchten Liedauswahl nicht nur jüngeren Datums, sondern auch viel zahlreicher: Ihre Entstehung beruht ja gerade nicht auf der Idee einer liturgischen Normierung und Vereinheitlichung, sondern auf dem 194

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KO Schwarzburg 1574 (Sehling II, 136). Zur fälschlichen Zuschreibung an Luther seit dem Babstschen Gesangbuch vgl. S. 38 Anm. 33. Weitere Belege für diese spezifische Verwendung von Nun lasst uns den Leib begraben: KO Braunschweig-Wolfenbüttel 1543 (Sehling VI, 67f); KO Hohenlohe 1553 (Sehling XV, 80); Schul- und Gesangsordnung Hohenlohe 1596 (Sehling XV, 656); Bericht des Pfarrers von Sulzfeld 1566 (Sehling II 354); KO Henneberg 1582 (Sehling II, 316); KO Stift Verden 1606 (Sehling VII, 187); KO Schwäbisch Hall 1615, 226–244. Vgl. KO Thüngen 1564 (Sehling XI, 739): „Nach der vermahnung singe man das Mit fried und freud etc. oder die letzten zwey gesetz im gesang: Nu laßt uns den leib begraben, darauf ein collecten oder den segen.“ KO Henneberg 1582 (Sehling II, 316): „[…] auf dem gottsacker aber, in dem man den cörper bebregebt [!]: Nun last uns den leib begraben, bis auf die letzten zweene vers: Nu lassen wir ihn hie schlafen“, die erst nach Leichpredigt und Vaterunser folgen. KO Limpurg 1610 (Sehling XVI, 623): „Oder diß Gesang vor der Predigt biß auff die zwei lezste gesäz: Nun lassen wir ihn hie schlaffen etc. Und dieselbige als dann nach der Predigt.“ Vgl. LP Sabina Bachmeierin 1674, 34: „Wie sie dan[n] auch ihr Leichgesang und anders vor ihrem Ende bestellet.“

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III. Das Begräbnis

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Wunsch nach der individuellen Liebes- und Ehrenbezeugung für einen bestimmten Menschen, z. T. auch auf dem Wunsch nach bürgerlicher Selbstdarstellung und Repräsentation. Aus der Anforderung, für jeden Widmungsträger etwas Neues zu schaffen, folgt konsequenterweise die massenhafte Produktion entsprechender Texte und Kompositionen, von denen nur einige wenige später in die Sterbeliedrubriken von Gesangbüchern und damit ggf. auch in die hier untersuchte Liedauswahl aufgenommen wurden. Die Gruppe der gelegenheitsbezogenen Begräbnislieder ist in zwei Richtungen abzugrenzen: Einerseits sind trotz mancher Verwandtschaft keine Epicedien darunter,197 die nur getexteten, persönlich gewidmeten Trauergedichte, die sich im Anhang der meisten Leichenpredigt- und sonstigen Funeraldrucke des 17. Jahrhunderts in reicher Zahl finden, mit denen Verwandte und Bekannte den Verstorbenen eine letzte Ehre erwiesen und den Angehörigen ihr Beileid aussprachen. Sie unterscheiden sich von den Begräbnisliedern, die in Gesangbücher aufgenommen wurden, nicht nur durch das Fehlen von Melodien, sondern auch durch den häufig gehobeneren Sprachstil und die größere Formenvielfalt: Strophische Gedichte sind unter ihnen zwar ebenfalls zu finden, aber auch Sonette, kurze und lange Gedichte in Hexametern und anderen Versmaßen, lateinische, griechische und sogar hebräische Verse. Andererseits ist die Vielfalt der Gelegenheitswerke zum Begräbnis auch in musikalischer Hinsicht ungleich größer als die Bandbreite derjenigen, die in den untersuchten Gesangbüchern auftauchen. Die Musik zu den Liedern, die sich als gesangbuchtauglich erwiesen, ist meist schon in der ursprünglichen Fassung schlicht und homophon wie etwa Scheins Kantionalsätze, aber auch Alberts Arien; in Gesangbüchern sind die Noten dann manchmal noch weiter vereinfacht oder durch die Angabe einer bekannten Kirchenliedmelodie ersetzt.198 Viele andere der Gelegenheitskompositionen sind dagegen musikalisch viel aufwändiger gearbeitet, etwa Motetten und andere polyphone Werke zu vier, fünf, sechs oder acht Stimmen, auch mit unterschiedlichster Instrumentalbegleitung oder in doppelchöriger Besetzung. Als Texte wurden nicht nur eigens angefertigte deutsche oder lateinische Grabgedichte verwendet, sondern auch ältere Liedstrophen199 oder die schon häufiger genannten einschlägigen Schriftstellen.200 197

198

199

200

In Leichenpredigtdrucken sind die personalisierten Begräbnislieder oder ‚Arien‘ von den nachfolgenden Epicedien deutlich unterschieden (vgl. LP David Scheinemann 1676, 23f: „Unverwelckliche Violen […] ARIA“; Epicedien folgen mit eigenem Titelblatt); das gilt auch dann, wenn gar keine Melodie abgedruckt ist (vgl. LP Nicolaus Myler von Ehrenbach 1677, 43: „Christliches Sterb=Lied […] Arien=weiß eingerichtet […]“; 46: „Sequuntur Epicedia“). Zur literarischen Tradition und rhetorischen Eigenart der Epicedien vgl. Krummacher, Epicedium. Manchmal auch schon im Leichenpredigtdruck, vgl. LP Nicolaus Myler von Ehrenbach 1677, 44: „Das Lied kan auch gesungen werden Auff die Weiß Ich hab mein Sach GOtt heimgestellt / etc.“ Vgl. Reich, Threnodiae sacrae, Nr. 4; 10; 12; 15: Ringwaldt, Geliebten Freund, was tut ihr so verzagen (Satz: Johann Steuerlein, Schleusingen 1612); Keulisch, Ach wann kommet doch die Stunde (Satz: anon., Jena 1672); Nicolai, So wünsch ich nun ein gute Nacht (Satz: David Schmidt, Königsberg 1683); Harsdörffer, O Sündenmensch, bedenk den Tod (Satz: Heinrich Schwemmer, Nürnberg 1658). So die in Anm. 211 genannten Begräbnismotetten Scheins; vgl. Reich, Threnodiae sacrae, z. B. Nr. 25; 28; 29: Weish 4,7.14 (Satz: Samuel Scheidt, Halle 1635); Hi 19,25–27 (Satz: Johann Schelle, Leipzig 1684); Dan 12,1–3.13 (Satz: Christoph Bernhard, Hamburg 1667).

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Teil C: Sitz im Leben

Während die schlichteren Stücke, deren Texte z. T. untersucht wurden, Angehörigen des niederen Adels oder des meist wohlhabenden Bürgertums gewidmet sind, konnten die aufwändigeren auch bei einem Fürstenbegräbnis erklingen. Die berühmtesten Beispiele für solche besonders repräsentativen Begräbniskompositionen sind Schütz’ Musicalische Exequien sowie im 18. Jahrhundert die Motetten und einige Kantaten Bachs, die aber von der enormen Breite der Produktion keinen hinreichenden Eindruck vermitteln können. Vermutlich ist überhaupt nur der kleinere Teil der Begräbnismusik des 17. Jahrhunderts überliefert, da die meisten Kompositionen gar nicht im Druck erschienen. Was dagegen erhalten blieb, ist fast immer in Leichenpredigt- oder in musikalischen Sonderdrucken veröffentlicht;201 die Durchsicht der umfangreichen Leichenpredigtbestände fördert eine große Zahl an unterschiedlichen Notendrucken und -beilagen zu Tage, von denen nur die wenigsten über ihren ursprünglichen Kontext hinaus bekannt geworden sind.202 Entstehung und Aufführung der personalisierten Gelegenheitswerke Bei dem Versuch, die Belege für personalisierte Begräbnislieder aus der untersuchten Liedauswahl hinsichtlich ihrer Entstehung zu systematisieren, sind zwei Unterscheidungskriterien festzustellen: zum einen hinsichtlich des Entstehungszeitpunkts, zum anderen hinsichtlich der Autorschaft. Der Entstehungszeitpunkt kann dem Tod entweder vorausgehen oder ihm folgen; der Autor ist entweder identisch mit dem Verstorbenen oder ein naher Angehöriger, oder er arbeitet im Auftrag der Angehörigen. Um nur einige Beispiele aus den Liedern Scheins, Heermanns, Dachs und anderer Königsberger Dichter zu nennen: Das von Schein zum Begräbnis von Maria Rothäupt vertonte Sterbelied Ach Herr, erzeige Gnade mir muss schon zu deren Lebzeiten entstanden sein, denn Autorin des Textes ist die Verstorbene selbst. Vermutlich gilt Ähnliches für Heermanns Der Tod klopft itzund bei mir an, das deutlich autobiographische Züge aufweist; erstmals belegt ist es 14 Jahre nach seinem Tod in der Praxis Pietatis Melica von 1661. Unklar ist die Entstehung von Leonhard Sturms Ich fahr dahin mit Freuden, dessen Strophenanfänge das Akrostichon „Jacobina“ ergeben. Der bei Fischer/Tümpel genannte Beleg stammt aus dem Nördlinger Gesangbuch von 1676; in einem württembergischen Gesangbuch konnte ein noch älterer Beleg gefunden werden (Tübingen 1665). Der Autor selbst starb erst 1682, seine Frau Marie Jakobina 1687. Ob das Lied ursprünglich einer Tochter namens Jakobina galt, ob Sturm es – wie Tümpel vermutet – „zum Trost seiner Ehefrau […] auf seinen 201

202

Vgl. Theis, Vorwort, in: Schein, NGA 10,3, VIII: „Es sind zwei Überlieferungsformen der Kantionalsätze zu erkennen: Der Sonderdruck und die Überlieferung in einer Leichenpredigt.“ Vgl. Reich, Threnodiae sacrae, 120: „Alle Stücke des Bandes sind entweder gedruckten Leichenpredigten entnommen oder liegen in selbständigen Notendrucken vor, die anläßlich der jeweiligen Trauerfälle hergestellt worden sind.“ Notenzusätze gibt es auch bei sonstigen Funeraldrucken, etwa lateinischen Leichenreden wie dem Panegyricus für Thomas Lansius 1658, der gefolgt ist von einer siebenstrophigen lateinischen „ODE Post Exordium praecedentis Panegyrici modulis Musicis decantata“ zu drei Stimmen (Voce, Violino, Bassus). Allein in den Leichenpredigtbeständen der DDR fand Wolfgang Reich 434 Begräbniskompositionen (vgl. Reich, Katalog). Eine Auswahl von 31 Stücken (u. a. von Melchior Franck, Johann Hermann Schein, Samuel Scheidt, Johann Erasmus Kindermann, Johann Schelle, Christoph Bernhard) hat er 1975 unter dem Titel Threnodiae sacrae ediert.

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III. Das Begräbnis

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bevorstehenden Tod“203 gemacht hat oder ob er sich damit selbst auf den Tod seiner Frau vorbereiten wollte, ist offen. In den beiden letztgenannten Fällen muss das Lied jedenfalls zu Lebzeiten des jeweils Gemeinten – Sturms oder seiner Frau – entstanden sein, vielleicht in einer Phase der Krankheit, die sich dann unerwartet doch noch wandte. Ungewöhnlich wäre in diesem Fall allerdings die frühe Publikation. Nicht auf den eigenen, sondern auf den Tod von nahen Familienangehörigen hat Johann Hermann Schein insgesamt mindestens acht Lieder gedichtet und vertont, davon eines für die verstorbene erste Ehefrau und sieben für verstorbene Kinder. Die starke persönliche Betroffenheit des Ich ist ein auffälliges Merkmal dieser Texte (vgl. S. 441–446). Johann Heermanns Lied Ach Gott, ich muss in Traurigkeit (1630) auf den Tod seiner Frau Dorothea ist den Liedern Scheins hierin vergleichbar. Unter den Dichtern des Königsberger Kreises war es üblich, sich gegenseitig Begräbnisgesänge zu dichten, schon zu Lebzeiten oder erst post mortem: Während Dachs Sterbelied für Roberthin schon Jahre vor dessen Tod 1648 auf dessen eigenen Wunsch entstanden war (vgl. S. 546), schrieb Heinrich Albert das Lied Einen guten Kampf hab ich, „Als mein wehrter Freund Johann Ernst Adersbach diese Welt gesegnet, vnd in GOtt en[t]schlaffen“204 (also 1632). Als Epicedien (Trostgedichte) können einige der Texte Paul Gerhardts angesehen werden, die „aus nachbarlicher Freundschaft und wolmeynendem Hertzen“ oder „Aus Christlichem Mitleiden“ entstanden sind.205 Bei den weitaus meisten individuellen Gelegenheitswerken zum Begräbnis ist nicht erkennbar, ob es sich um Freundschaftsgaben oder um Auftragsarbeiten handelt, mit denen Dichter und Komponist sich ein Zubrot verdienten. Für Musiker wie Schein oder Albert, von denen zahlreiche Kompositionen dieser Art überliefert sind, dürfte die Bearbeitung solcher Aufträge ein wichtiger Nebenerwerb gewesen sein.206 Zahlreich sind auch die Texte Simon Dachs, die mit Angaben wie „Bey Hoch=Adelicher Leichbestattung“, „Bey seeligem Hintritt“ oder „Bey seeligem Ableiben“207 usw. von namentlich genannten Königsberger Bürgern versehen sind und oft von Albert vertont wurden. Ein Begräbnislied von Dach scheint zu bestimmten Zeiten in Königsberg geradezu zum guten Ton gehört zu haben. Dass der Dichter so beschäftigt war und darüber den Überblick über seine Texte verlor, wie Albert es schildert,208 verwundert umso weniger. Aufgeführt wurden die dabei entstandenen Lieder dann, wie die zuvor genannten, im Begräbnisgottesdienst durch den Chor, als „Christliches Sterb=Lied […] Bey solcher […] Hochadelichen Beerdigung und Leich=Predig / Sing= und Kling=weiß 203 204 205

206 207

208

FT V, S. 195. Albert, Arien 1,3. So bei Gerhardt, °O wie so ein großes Gut und °Weint, und weint gleichwohl nicht zu sehr (zit. nach Geistliche Andachten, Anhang zur Faksimilieausgabe 1975, 20f). Vgl. Theis, Vorwort, in: Schein, NGA 10,3, VII. Albert, Arien 6,3; 6,7; 7,7. Vgl. die bibliographische Aufstellung zahlreicher ähnlicher Drucke bei FT III, S. 60–62. Vgl. Albert, Arien 5, fol. E 1v: Albert präsentiert „viel schöne Texte / die meistentheils von vnserm Poeten dieses Ortes her rühren / […] welche von mir fast besser / als von Ihme selbsten / sind verwahret vnd auffgehoben worden / ohne Zweifel wegen seiner überhäufften Arbeit / damit man Ihn fast täglich beschwäret“.

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Teil C: Sitz im Leben

musicirt“209, gleichsam als musikalisches Pendant zu der ebenfalls persönlich gehaltenen Leichenpredigt und innerhalb der Liturgie vermutlich prominent platziert. Im Leipzig Scheins, das sich dank des wachsenden Repräsentationsbedürfnisses der Oberschicht „schon lange vorher zu einem Zentrum der Gelegenheitskomposition entwickelt“ hatte, war beim Begräbnis die Verwendung von Musikinstrumenten untersagt (bis auf den Generalbass), „[a]bgeleitet von den liturgischen Regelungen der Advents- und Passionszeit“.210 Schein bediente sich daher bei zahlreichen Begräbnisliedern des Kantionalsatzes, der zwar schlichter war als die polyphone Figuralmusik,211 aber dennoch eine anspruchsvollere, da mehrstimmige musikalische Form besaß und darin dem bürgerlichen Wunsch nach einer festlichen Begräbnismusik etwas entgegenkam. Wurden die Stücke – etwa aus dem Cantional – dann weitere Male aufgeführt, fällt freilich der ursprüngliche Charakter der Gelegenheitskomposition weg. Für das Cantional hat Schein daher viele der kleinen Werke überarbeitet und neben musikalischen Vereinfachungen und Verbesserungen auch die ursprünglichen persönlichen Bezüge reduziert.212 Aus den personalisierten Gelegenheitswerken wurden übertragbare Formulare, die aber keinesfalls ganz verallgemeinert wurden und in denen bestimmte kasuelle Bezüge für ähnliche Fälle erhalten blieben: Das Cantional enthält spezielle Begräbnisgesänge für Kinder, Ehegatten, Wöchnerinnen, Seelsorger und Schuldiener (vgl. S. 425ff; 429; 433ff; 464 u. a.). Bezüge zu Namen, Lebens- und besonderen Todesumständen Individuelle persönliche Bezüge sind in den untersuchten Textfassungen der Begräbnislieder nur selten erkennbar. Das ist zum einen damit zu erklären, dass es sich jeweils bereits um die Textfassung für ein Gesangbuch handelt, das die Lieder zur allgemeinen Verwendung bereitstellen sollte; zum anderen sind die Anspielungen oft nur verständlich, wenn der Entstehungskontext, etwa der Name des Verstorbenen, bekannt ist – und das ist oft nicht der Fall. An manchen Stellen haben sich dennoch 209 210 211

212

LP Nicolaus Myler von Ehrenbach 1677, 43. Theis, Vorwort, in: Schein, NGA 10,3, VII.X. Schein hat zum Begräbnis auch figural komponiert, vgl. Motetten wie Ich will schweigen (Ps 39,10–12; vgl. Schein, NGA 10,1, 115–126; 157f: „THRENUS à 6 voci […] Als J. F. Gn. hertzgeliebte Fraw Mutter / Die weiland Durchlauchtige / Hochgeborne Fürstin und Fraw / DOROTHEA=MARIA / Hertzogin zu Sachsen […] seliglich entschlaffen […] bey dem Fürstlichem Begräbnis sehnlich Musiciret“, 1617); Wie lieblich sind deine Wohnungen (Ps 84,2–4; vgl. Schein, NGA 10,1, 7–14; 151: „Bey dero sel. Verstorbenen Jungfrawen letzten Ehrenbegängnis in der Kirchen zu S. Johannis musicirt“, 1628); Das ist meine Freude (Ps 73,28; vgl. Schein, NGA 10,1, 15–24; 152: „Bey seinem letzten EhrenBegängnis in der Kirchen zu S. Niclas / allda er in sein Ruhbettlein […] ehrlich beygesetzet worden / Bey Volckreicher ansehnlicher Versammlung abgesungen“, 1628); Herr, ich hoffe auf dich (Ps 31,15f; vgl. Schein, NGA 10,1, 50–60; 155: „Bey dessen hochansehlichen Leichenbegängnis / vnd letzten Ehren=Gedechtnis / In grosser Volckreicher Versammlung Musicirt“, 1626). Vgl. Theis, Vorwort, in: Schein, NGA 10,3, VII: „Stärker bearbeitet wurden die zu Begräbnissen entstandenen Kantionalsätze vor ihrer Aufnahme in das Cantional, zum einen, um die oft fünfstimmigen Stücke der dort dominierenden vierstimmigen Anlage anzupassen und die oft auf den Verstorbenen bezogenen Texte allgemeiner zu fassen, zum anderen aber auch, um die Sätze, die im Falle von Begräbnissen ja oft in kurzer Zeit fertig sein mußten, musikalisch zu verbessern.“

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III. Das Begräbnis

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persönliche Bezüge erhalten; von ihnen seien abschließend einige genannt, da in ihnen mit der Person des Widmungsträgers auch der ursprüngliche Sitz im Leben der Lieder ansatzweise erkennbar wird. Die häufigste Form der Personalisierung ist das Namensakrostichon, das nicht nur Schein, er aber fast durchgängig verwendet. Da dieses Textmerkmal einer Übertragung auf andere Personen nicht widerspricht, blieb es oft erhalten. Das Cantionale sacrum (Gotha 1648) enthält aber auch eine Nachdichtung zu Scheins Es kränkt ein Vatr- und Mutterherz, in der das ursprüngliche Akrostichon „Euphrosina“ in „Anna Margreta“ geändert wurde (vgl. S. 112). Ähnlich wie in den Leichenpredigten (vgl. S. 615) spielen auch in den Liedtexten gelegentlich sinnreiche Ausdeutungen des Namens eine Rolle, etwa in Scheins Lied Mit Freuden fahr ich hin zu Gott (1627), das dem Thomaner-Schulkollegen Melchior Weinreich gewidmet ist. Nicht nur im Akrostichon „Melchior W.“, sondern auch im Text selbst nimmt Schein auf den Namen des Verstorbenen Bezug: 3. Lieb war ich doch am Weinstock seyn Dem trewen frommen Gott / :/: Drumb als ein Weinreichs Träubelein Hat er mich durch den Todt Damit ich nicht verdürbe / Abschneiden lan bey Zeit / Noch meine Krafft erstürbe / Solchs wer ihm hertzlich leid.213

Schein verbindet den Namen Weinreich mit den Bildern des Weinstocks und des Fruchtbringens (Joh 15); den zeitigen Tod deutet er als rechtzeitige Ernte, ehe die Frucht verderben kann. Während die Falschheit und Verderbtheit der Welt als Gemeinplatz in vielen Liedern auftaucht, ist den Texten nur wenig über die konkreten Lebensumstände der Widmungsträger zu entnehmen. Wo dies doch der Fall ist, fügt sich die Schilderung meist nahtlos in die vorgegebene Haltung der Weltverachtung ein. Auffällig ist etwa das weitgehende Fehlen von Bezugnahmen auf die Erfahrungen des Dreißigjährigen Krieges. An wenigen Stellen haben sie sich allerdings erhalten, etwa in zwei Kinderbegräbnisliedern von Tobias Michael aus dem Cantional von 1645. Das Lied Wo ist denn hin mein Leiden spricht vom „Rauben / Mord vnd Brand […] In vnserm Vaterland“, dem das verstorbene Mädchen entronnen ist; die Schilderung des Himmels durch das Ich der Verstorbenen bietet das Gegenbild: „Hier ist kein Tribuliren / | Hier ist kein Plündern mehr“214. Noch konkreter ist die Bezugnahme im Lied O große Freud und Wonne; sie ist ebenfalls in den Kontext der Leiderfahrung eingebettet, der das Kind durch die Welt ausgesetzt war:

213 214

Schein, Mit Freuden fahr ich hin zu Gott (Str. 3). Michael, Wo ist denn hin mein Leiden (Str. 3,2.4; 5,1f).

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Teil C: Sitz im Leben 4. Bald hört ich grosse Hauffen Carthaunen don[n]ern sehr / Der Feind zum Sturm wolt lauffen Mit seinem gantzen Heer / Bald schreckte mich Mußqueten Knall / Bald weckte mich der TrummelSchall / aus meinem süssen Schlaffe.215

In einer Anmerkung legt der Thomaskantor freilich das Weglassen dieser Strophe nahe, die auf die Belagerungssituation in Leipzig 1637 bezogen ist.216 Besonders ausführlich ist der individuelle Lebensrückblick in Johann Heermanns Lied Der Tod klopft itzund bei mir an gehalten, einem Lied, das als authentisches Zeugnis des Sterbens seines von Krankheit gezeichneten Autors gilt. Neben der Kriegserfahrung – etwa in der unmittelbaren Bedrohung durch Bewaffnete und in mehrfachen Plünderungen seines Hausstandes – beklagt Heermann auch die Erfahrung jahrzehntelanger Krankheit: 12. Ach ja, wie bin ich doch bisher In mancher noth durchfressen; Ich hab offt auch dem unglücksmeer In seiner gruft gesessen, Wo hungriggrimme leuen sind. Wie offte hat manch teufelskind In diesen kriegesnöthen Durch büchs und schwert Mein blut begehrt, Ja mich gar wollen tödten. 13. Wo bleibt verfolgung, angst un[d] quaal? Was sol ich ärmster sagen Von plünderung, die etlichmal Ich habe helfen tragen? Was bringt nicht kranckheit für gefahr, Die mir itzt in die zwantzig jahr Den matten leib durchritten? Was hab ich sonst Bey meiner kunst Nicht da und dort erlidten?217 215 216

217

Michael, O große Freud und Wonne (Str. 4). „NB. Wer Beliebung zu diesem Liedelein träget könte nach Gefallen den 4. Vers / weil solcher eigentlich auff die Banirische Belägerung vor Leipzig / Anno 1637. gerichtet / aussen lassen.“ Im selben Jahr und ebenfalls in Leipzig entstand °So fahr ich hin mit Freuden, Martin Rinckarts Sterbelied für seine Frau Christina († 8.5.1637), das seinerseits die Kriegserfahrung widerspiegelt (Str. 2): „Ade jhr Blut=Verwandten! | Mein Schöpffer holet mich | Mit Englischen Gesandten | Aus Krieges=Angst zu sich. | Der mich von allem Leiden | Des Krieges frey gemacht, | Helff Euch hernach mit Frewden. | Zu tausend guter Nacht!“ Heermann, Der Tod klopft itzund bei mir an (Str. 12–13).

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III. Das Begräbnis

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Die in der Welt erlittenen Widrigkeiten, in deren Aufzählung die apostolischen Leidenskataloge des NT anklingen, werden auch in diesem Lied kontrastiert mit der erwarteten „sichern ruh“ im „vaterland“.218 In einigen Texten gibt es auch individuelle Reflexe auf den Tod des Verstorbenen und damit auf damit auf den ursprünglichen Sitz im Leben eines Liedes zu lesen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der geschilderte Tod dem sonst omnipräsenten Ideal des seligen Endes offensichtlich widerspricht, etwa im Falle eines plötzlichen und unerwarteten Todes. Besonders schmerzlich ist dies dann, wenn den Angehörigen die Möglichkeit zum Abschied versagt bleibt. Diesem Schmerz wird in Texten von Johann Heermann und Paul Gerhardt Ausdruck verliehen: „2. […] Ach! daß mir die letzte stund Ehe nicht ist worden kund: Ich hätt ihm auff sein begehren Noch verehret meine zähren. 3. Und da er sich thäte wenden Zu der letzten todes=ruh / Hätt ich ihm mit meinen händen Selbst gedrückt die augen zu.“219 „11. Wir wündschen zwar, ach hätten wir Doch bey dem Bette sollen hier In seinem Ende stehen, Vnd hören gegen dir und mir Sein letztes Wort ergehen. 12. Denckt aber, denckt, ob diß Gehör Vns mehr betrübt als tröstlich wär, Vnd gebt Euch wol zu frieden, Weil er in Gott zu Gottes Ehr Auff Gottes Wort verschieden.“220

Zwei Mal wird hier aus der Sicht der Angehörigen im Rückblick der unerfüllte Wunsch artikuliert, beim Tod des Verstorbenen zugegen gewesen zu sein, sein letztes Wort gehört, seine Augen geschlossen zu haben. Nur der erste Text wurde allerdings im Rahmen eines Gesangbuchs für vergleichbare Fälle zugänglich gemacht. In anderen Fällen sind die Todesumstände nicht aufgrund des Liedtextes selbst, sondern nur aufgrund des gedruckten Kontextes greifbar, von dem her dann auch der Liedtext in anderem Licht erscheint. Das gilt etwa für zwei der Begräbnislieder Simon Dachs zu nicht natürlichen Todesfällen. Das Lied Was soll ein Christ sich 218 219 220

Heermann, Der Tod klopft itzund bei mir an (Str. 14,1; 16,8). Heermann, Ach wie schnelle wird verkehret (Str. 2,5–3,4). Gerhardt, °Erhebe dich, betrübtes Herz (1651 zum Tod von Johann Berkow; Str. 11–12). Relativiert wird zuvor auch die Schrecklichkeit des plötzlichen Todes (Str. 6): „Wer plötzlich stirbt und stirbt nur wol, | Der nimbt ein Ende, das man soll | Gewündscht und selig preysen: | Ists Hertze gut und Glaubens voll, | Was schadt das schnelle Reisen?“

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Teil C: Sitz im Leben

fressen gilt dem trauernden Vater von Crispinus Schultze, der am 18. Juli 1639 „frühe mit der Sonnen Auffgang im Bette eben aus dem Schlaff erwachend, gantz vnverhofft von Heinrich Elvern, ohne einige gegebene vrsach, im ersten Stich, mit einem Degen ermordet“221 worden war. Trost wird hier aus dem Verweis auf den guten Willen Gottes geschöpft (vgl. S. 457–463), der mit Erfahrung und Augenschein freilich scharf kontrastiert wird. „[D]urch einen vnverhofften vnglücklichen Zufall“ war 1633 der Theologiestudent Christoph Behm „jämmerlich vmbkommen“222: Er war in der Elbe ertrunken. Sein Tod gab Dach Anlass zu dem Lied Ich steh in Angst und Pein. Beiläufig im Text erwähnt wird nur die Todesart des Verunglückten, sonst nichts Indivduelles: 5. Denn werd’ ich nicht gewar, Wie in so grosser Schaar Die Menschen stets verbleichen? Den rafft die Pest, den Glut, Den schickt die wilde Flut Hinunter zu den Leichen. 6. Die Reyh kompt auch an mich, Das Ende fördert sich, Das keinen kan begnaden, Der Todt ist vor der Thür, Vnd klopffet an bey mir, Mich schon dorthin zu laden.223

Der Tod des Ertrinkens dient im Text lediglich als eines von mehreren mahnenden Exempeln für die Allgegenwart des als präsentische Gerichtserinnerung224 verstandenen Todes. Ein Lied aus Johann Olearius’ Geistlicher Singekunst (1671) entstammt offenbar einem ähnlichen, sogar noch spezielleren Kontext. Mit der Aufnahme in die von ihm selbst herausgegebene Sammlung will der Autor das Lied °Der Sohn, dein Sohn ist tot für ähnliche Kasus zugänglich machen, nämlich „Wen[n] ein Sohn / so andern heraus helffen wollen / selbst im Wasser umbkommen“. Die Herausgeber des Leipziger Vorraths von 1673, die aus der Geistlichen Singekunst mehrere der insgesamt sieben Sterbelieder Olearius’ mit dem Titel „Absonderlicher Trost der Eltern“225 übernahmen, hielten diesen Fall freilich für zu ungewöhnlich, um ihn auch in ihrer Sammlung zu berücksichtigen. Anders als Dach geht Olearius im Text auf den Tod des Ertrinkens 221 222 223 224

225

Zit. nach SDG III, S. 28. Zit. nach SDG III, S. 460. Dach, Ich steh in Angst und Pein (Str. 5–6). Str. 1–2 beschreiben die präsentische körperliche Schreckenswirkung des Gerichtsgedankens: „ICh steh in Angst vnd Pein, | Vnd weiß nicht auß nicht ein, | Der Sinnen Krafft sinckt nieder: | Mein Hertz wil mir zergehn, | Die Zunge bleibet stehn, | Mir starren alle Glieder, || So offt als die Gewalt | Der Stimm’ in mir erschallt: | Ihr Todten in der Erden, | Steht auf, vnd seumt euch nicht, | Kompt vor das Hals=Gericht | So jetzt gehegt sol werden!“ Vgl. die Aufstellung aller sieben Lieder S. 436.

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III. Das Begräbnis

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ausführlich ein und deutet ihn theologisch aus. Die Problematik des plötzlichen Todes wird hier zugespitzt auf die Frage der Seligkeit, die in der ersten Strophe aufbricht – „solt er auch selig seyn? Das ist das schmertzlich drückt“226 – und die dann konsequent durchgeführt wird. Vor allem zwei Argumente sollen die trauernden Eltern trösten: die Parallelität des Todes im Wasser zum Akt der Taufe einerseits227 und seine Übereinstimmung mit dem johanneischen Liebesgebot (vgl. Joh 15,12f) andererseits;228 der Grund für den Sprung ins Wasser war ja, dass der Verstorbene „andern heraus helffen wollen“. Am Schluss dieser gleichsam gereimten Leichenpredigt steht die tröstende Antwort auf die eingangs gestellte Frage: „dein Sohn lebt / traure nicht / dein Sohn lebt ewiglich.“229

5. Zusammenfassung Kennzeichnend für das lutherische Verständnis des Begräbnisses ist die Abgrenzung von der Vorstellung, dass den Toten damit ein Dienst erwiesen werde; diese Vorstellung wird mit dem ‚sola fide‘ und der Verwerfung der Fegefeuerlehre obsolet. Vielmehr besteht der Sinn der Begräbnisfeier nach lutherischem Verständnis im Dienst an den Lebenden, der sich auf dreierlei Weise fassen lässt (KO Württemberg 1536): als öffentliches Zeugnis für den Auferstehungsglauben, als Ausdruck der Liebe zu den Verstorbenen und als Erinnerung an die eigene Sterblichkeit. Alle drei Angaben spiegeln auch das Programm der Liedtexte wider. Eine gewisse Grauzone zu der verworfenen Lesart des Dienstes an den Toten, die aus seelsorglichen Gründen toleriert werden kann, entsteht in der Praxis dort, wo der Verstorbene beim Begräbnis in Gottes Hand befohlen wird oder wo Wünsche für ihn formuliert werden; ausdrücklich ausgeschlossen ist aber die Fürbitte. Das in Kirchenordnungen gebotene ‚ehrliche‘ und ‚christliche‘ Begräbnis besitzt notwendigerweise den Charakter der Öffentlichkeit. Dazu gehören meist das Geläut, jedenfalls aber der Gesang, der nach Möglichkeit vom Schülerchor ausgeführt wurde, sowie die Leitung durch einen Geistlichen. Da für alle Dienstleistungen beim Begräbnis Gebühren fällig waren, lässt sich der soziale Rang des Verstorbenen am Geläut, an der Zahl der Geistlichen und Chorsänger sowie an Zahl, Art und Umfang der Lieder und Musikstücke ablesen. Gegliedert ist die Feier des Begräbnisses in den Zug vom Trauerhaus zu Kirche oder Kirchhof einerseits und die gottesdienstliche 226 227

228

229

Olearius, °Der Sohn, dein Sohn ist tot (Str. 1,3). Olearius, °Der Sohn, dein Sohn ist tot (Str. 3; 6): „Solt der nicht selig schon bey Gott im Himmel schweben / | dem Gott selbst in der Tauff durchs Wasser gab das Leben / | der seinem Gott vertraut / den sein Gott selbst bewacht / | den Gottes Hand beschirmt für aller Feinde Macht. […]Ein böser schneller Tod ist schrecklich anzusehen / | durch selig schnellen Tod kan uns kein Leid geschehen / | wer durch die Tauffe wird von allen Sünden rein / | dem muß das Wasser / ja der Tod das Leben seyn.“ Olearius, °Der Sohn, dein Sohn ist tot (Str. 4): „Solt der nicht selig seyn / Wie kan der seyn verdorben / | den Liebe bringt in Tod / der als ein Christ gestorben / | der seinen Freund vielmehr als sich selbst hat geliebt / | daß seine Lieb in Tod dem Freund das Leben giebt.“ Olearius, °Der Sohn, dein Sohn ist tot (Str. 8,4).

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Teil C: Sitz im Leben

Handlung andererseits. Fixe Elemente innerhalb des Gottesdienstes sind die eigentliche Bestattungshandlung am Grab und die Vermahnung oder Leichenpredigt, wobei Ort und Reihenfolge variieren. Die Leichenpredigt des 17. Jahrhunderts, die sich aus der kürzeren Vermahnung entwickelt hat, ist gegenüber dieser nicht nur deutlich umfangreicher, sondern auch stärker personalisiert, etwa durch die Hinzufügung des Personalia-Teiles oder durch die persönlichen Bezugnahmen auf Namen, Leben und Sterben des Toten in der Wahl des Leichtextes. Zitate und Versatzstücke aus Sterbeund anderen Liedtexten werden innerhalb der Leichenpredigt häufig verwendet, entweder als Gesang bzw. Rede der Kirche, die für die Gemeinde der Trauernden steht, oder als Rede des Verstorbenen, mit der er sie anspricht. Zwei Gruppen von Gesängen lassen sich bei der Begräbnisfeier unterscheiden: einerseits die kleine Auswahl von alten Kernliedern, die in den Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts für das Begräbnis vorgesehen sind, andererseits die Gelegenheitswerke des 17. Jahrhunderts, unter denen im untersuchten Material die von Schein und Dach zahlenmäßig herausragen. Zur ersten Gruppe zählen u. a. Lutherlieder wie Mit Fried und Freud, Mitten wir im Leben sind oder Aus tiefer Not. Für den Akt der Bestattung selbst ist sehr häufig Weisses Nun lasst uns den Leib begraben vorgesehen. Biblische Responsorien in lateinischer Sprache (z. B. Si bona suscepimus nach Hi 2,10) sind den ausgewerteten Gesangbüchern zufolge noch im 17. Jahrhundert vielerorts in Gebrauch. Unter den zahllosen Gelegenheitsdichtungen und -kompositionen für Begräbnisse wurden nur solche untersucht, die sich aufgrund ihrer Strophenform und ihrer musikalischen Schlichtheit als ‚gesangbuchtauglich‘ erwiesen hatten; insofern stellen die berücksichtigten Werke nur einen kleinen Ausschnitt der schier uferlosen Masse von Gelegenheitswerken dar. Von diesem Ausschnitt zu unterscheiden sind auf der literarischen Seite die Trauergedichte oder Epicedien, die meist weniger zur Aufführung beim Begräbnis als zur Veröffentlichung in Funeraldrucken bestimmt waren; auf musikalischer Seite sind es die aufwändigeren figuralen bzw. polyphonen Begräbniskompositionen wie Motetten und Kantaten, deren Texte meist aus der Bibel oder aus bekannten Sterbeliedern stammen. Entstanden sind solche Gelegenheitswerke oft nicht erst nach, sondern schon vor dem Tod des Widmungsträgers; als Autoren kommen daher nicht nur Angehörige oder professionell beauftragte Dichter, sondern manchmal auch die Verstorbenen selbst in Frage. Personalisiert sind die Texte häufig durch Namensakrosticha, während ihnen sonst nur wenig über konkrete Umstände des Lebens und Sterbens zu entnehmen ist. Auch darin ist der hier wahrgenommene Ausschnitt vermutlich nicht ganz repräsentativ, denn im Kontext ‚Gesangbuch‘ sind die Gelegenheitswerke aus ihrem ursprünglichen Kontext bereits herausgelöst. So sind sie im Falle von Scheins Cantional für andere Begräbnisse, im Falle von Alberts Arien für die private Musizierpraxis vorgesehen (vgl. S. 556).

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Schluss Einige übergreifende Linien sollen zum Abschluss der Arbeit noch einmal gebündelt werden. Dabei sei insbesondere an wiederkehrende Vorstellungen, an die Parallelen und die Wechselwirkung zwischen textinterner Sprechsituation und Sitz im Leben sowie an die diachrone Entwicklung der Sprach- und Vorstellungswelt erinnert. Wie eingangs betont, sind die Aussagen über den Wandel der Vorstellungen nicht im Sinne eines Epochenwechsels zu verstehen: Das Neue löst das Alte nicht ab, ersetzt es nicht, sondern tritt an seine Seite, während das Alte – wie im Gesangbuch, wo alte und neue Lieder nebeneinander vertreten sind – gleichzeitig weiter besteht. Die Vorstellungswelt der Sterbelieder wird damit im selben Maße reicher und vielfältiger wie die sich pluralisierende lutherische Konfessionskultur1 überhaupt. Viele der allmählich hinzutretenden Neuerungen weisen aber eine gemeinsame Tendenz auf: eine Tendenz zur Individualisierung, zur Personalisierung und zur Verinnerlichung, in der das menschliche Ich stark auf Gott bezogen bleibt und die Gottesbeziehung sogar intensiviert, zugleich aber innerhalb dieser Beziehung zu einem selbständigeren Gegenüber wird. Mit diesen Überlegungen ist bereits der eine der beiden einander entgegengesetzten, grundlegenden Bezugspunkte benannt, die gleichsam die durchgehende theologische Tiefenstruktur im gesamten ausgewerteten Material bilden: einerseits der Tod als fundamentale Trennungserfahrung des Menschen, andererseits die Gottesbeziehung, von der der Mensch hoffen darf, dass sie den Tod, die Trennung aller anderen Beziehungen, überdauert und überwindet. Hier soll zunächst zusammengefasst werden, welche Ausprägungen diese Grundfigur innerhalb der untersuchten Texte gefunden hat und welche Veränderungen dabei während des Untersuchungszeitraums eingetreten sind. Das betrifft vor allem zahlreiche anthropologische Aspekte, dann aber auch Gotteslehre, Christologie und Eschatologie. Im Zentrum der Anthropologie angesichts des Todes steht von Anfang an das Grundproblem der Sünde, der Störung der menschlichen Gottesbeziehung. Einerseits ist die Tatsache der menschlichen Sterblichkeit – so das in vielen Liedern gängige Verständnis von Gen 3 – eine Folge der Sünde; andererseits ist die Sünde eben als Störung der Gottesbeziehung das wesentliche Hindernis bei der Erreichung jenes Hauptzieles der Sterbekunst, in dessen Dienst auch viele Sterbelieder stehen: des ‚seligen Endes‘. Zu diesem Idealbild, an das reale Todesfälle in der Leichenpredigt möglichst angeglichen werden, gehört nicht nur das sanft-stille Einschlafen, sondern auch die gründliche Vorbereitung durch einen gottgefälligen Wandel, durch Buße und eine vorausblickende Meditation der Ereignisse in der Todesstunde. Durch die 1

Vgl. Kaufmann, Dreißigjähriger Krieg, 140–146.

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Schluss

Sterbebereitung sollen alle menschlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, damit die Gottesbeziehung, die den Menschen durch den Tod hindurch erhalten soll, im Moment des zeitlichen Todes intakt und durch die Sünde ungehindert ist – freilich im Bewusstsein, dass dies nur durch Gottes Hilfe gelingen kann. Die Gefährdung der Gottesbeziehung durch die Sünde ist in der Anfechtung des Gewissens präsent, die das Sterben zur ‚Todesnot‘ werden lässt. Einen Trost wider diese Anfechtung, in dem das Ich der Kontinuität der Gottesbeziehung gewiss wird, bietet die Erinnerung an die Glaubensartikel von dem in Christus gewirkten Heil und von der Auferstehung der Toten. Als wesentliches Merkmal der Sterbebereitschaft erweist sich zunächst die Ergebung in Gottes Willen. Zugunsten des Gotteswillens gibt der Mensch seinen eigenen Willen auf und fügt sich in das Schicksal des leiblichen Todes. In der allmählich aufkommenden ausdrücklichen Bejahung des Todesschicksals, die sich bis zur Todesfreude, zum Todeswunsch oder zur Todessehnsucht steigern kann, verschwindet der menschliche Eigenwille dagegen nicht mehr, sondern bleibt präsent: Statt die göttliche Fügung willig zu erwarten, äußert das Ich mit seinem ungeduldigen Drängen eine eigene Regung. Diese Verselbständigung des menschlichen Parts gegenüber dem göttlichen innerhalb der Gottesbeziehung ist ein Grundzug des Vorstellungswandels, der sich auch in anderen Zusammenhängen auswirkt: Ungeduldig sind auch das Drängen des Ich nach der Vereinigung mit dem Bräutigam, das selbsttätige körperliche ‚Fassen‘ nach Christus und das Beharren auf seiner Heilszusage; aus der asymmetrisch-soteriologischen wird damit immer häufiger eine scheinbar gleichwertige Beziehung auf gegenseitiger Basis. Die Unterschiedenheit von göttlichem und menschlichem Willen kommt besonders nachdrücklich in Scheins Trauerliedern um seine Kinder zum Ausdruck, deren ringende Haltung an Hiob erinnert. Ein ähnlicher Wandel der anthropologischen Vorstellungen zeigt sich nicht nur in der Darstellung der Gottesbeziehung, sondern auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen – zunächst in der Tatsache, dass diese in den Trauer-, Begräbnis- und Abschiedsliedern seit dem 17. Jahrhundert überhaupt erst auf breiter Basis Thema werden, vor allem die Beziehungen zu den nächsten Angehörigen: Ehegatten, Eltern und Kindern. Zwar gehörte es schon früher zur Sterbebereitung oder zum ‚Bestellen des Hauses‘, nicht nur durch Buße die Beziehung zu Gott ins Reine zu bringen, sondern durch Abbitte und Vergebung auch die zu den Mitmenschen. Seit dem 17. Jahrhundert gewinnt diese jedoch einen noch höheren Stellenwert, der mit einer Art Privatisierung einhergeht: Als primär von einem Todesfall betroffen gilt nicht mehr die ganze Gemeinde, sondern zunächst sind es die Angehörigen, die im Liedtext häufig direkt angesprochen sind. Wie die Beziehung zu Christus sind auch die familiären Beziehungen durch eine zunehmende affektive Beteiligung und Innigkeit gekennzeichnet, die sich etwa darin zeigt, dass der Name des Geliebten dem Ich ‚ins Herz geschrieben‘ ist. Auch die Unersetzlichkeit des Verlustes wird nun immer wieder hervorgehoben; der Verlust eines Angehörigen wird sogar als Ausdruck der Gottverlassenheit gewertet. Die hergebrachte Deutung, dass Trauerbräuche ein Ausdruck der Liebe zu den Verstorbenen sind, gewinnt angesichts solcher intensivierten

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und individualisierten Ausdrucksformen neue Aktualität. Im Zusammenhang dieser Entwicklung ist es auch zu sehen, dass die Hoffnung auf eine postmortale Fortsetzung der Beziehungen, also auf das Wiedersehen im Himmel, unter den Trostargumenten für Trauernde eine zunehmende Rolle spielt. Das gesteigerte Interesse an der individuellen Person des Verstorbenen wirkt sich auch auf die Gestalt der Texte aus: Während den Leichenpredigten immer umfangreichere Personalia-Teile beigefügt sind, zeigt sich die Personalisierung der Liedtexte in Widmungsüberschriften und Namensakrosticha. Durch die gesteigerte Zahl solcher einem bestimmten Toten gewidmeter Lieder gewinnt auch ein neues Verständnis von ‚Trost‘ an Gewicht: Bezeichnet dieser Begriff in den Sterbeliedern die göttliche Hilfe gegen die Anfechtung in der Todesnot, kommt daneben nun zusehends ein Verständnis in den Blick, in dem der Trost der Trauer entgegengesetzt ist. Am Wandel in der Bewertung des leiblichen Todes lässt sich nicht nur – wie oben erwähnt – die Verselbständigung des menschlichen Willens gegenüber dem Gotteswillen ablesen, sondern auch der Wandel in der Bewertung der Welt. Als (süßer) Schlaf konnte der Tod schon früher gelegentlich bezeichnet werden; im Vertrauen darauf, dass die Gottesbeziehung dank Christus durch den leiblichen Tod nicht mehr gefährdet werden kann, kommt ihm nur mehr der Charakter eines Übergangs oder transitus ad patrem zu. Der Gedanke fügt sich in die Vorstellung der Peregrinatio ein und bedeutet zugleich Nachfolge Christi (vgl. Joh 16,5). Wird die Welt wie im 17. Jahrhundert zunehmend als die Gott entgegengesetzte Sphäre erfahren, so wird aus dem Tod geradezu die Rettung der Gottesbeziehung. Sowohl die negative Bewertung der irdischen Mühsal und der omnipräsenten ‚Eitelkeit‘ als auch die positive des Todes als erlösendem Ende des Übels nehmen nun – gerade in der Kontrastierung – barock-übersteigerte Formen an, etwa jene paradoxen Formulierungen, in denen das Leben als der eigentliche Tod bezeichnet wird. Mit den Mitteln von Kontrast und Überbietung übersteigert wird freilich nicht nur die Darstellung des Himmels, sondern auch die der Hölle; insofern wäre es zu kurz gegriffen, von einem rein positiven Wandel in der Bewertung des Todes zu sprechen. Ungeachtet der zunehmenden Abwertung der Welt zählt der Schöpfungsglaube zu jenen grundlegenden Aussagen der Liedtexte, die dogmatisch in der Gotteslehre zur verorten wären. In diesem Horizont wird aber vorwiegend das Leben und Sterben des Menschen gesehen, nicht die außermenschliche Schöpfung. Leib und Seele werden als Gaben des Schöpfers verstanden, die ihm im Akt der Commendatio zurückgegeben werden. Ebenso sind Kinder nur vom Schöpfer geliehen und müssen ihm zurückgegeben werden, wenn er sie fordert. Göttliches Schöpfungshandeln ist auch die Auferstehung der Toten, in der die ursprüngliche Gottebenbildlichkeit des Menschen wiederhergestellt wird. Als besonders prominent erwies sich in den untersuchten Liedtexten die Lehre von der Providenz, nach der Gott als Weltenlenker alle Ereignisse vorhersieht und zum Heil des Menschen vorherbestimmt. Auch diese Lehre gehört insofern in den Zusammenhang der Schöpfungslehre, als das göttliche Weltregiment als erhaltendes Schöpfungshandeln verstanden wird. Die Güte des Gotteswillens wird auch durch

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die zornige Verhängung bitterer Strafen – Hunger, Krieg und Seuchen auf kollektiver oder Krankheit auf individueller Ebene – nicht in Frage gestellt. Die verbreitete ‚Ruten‘-Metaphorik bezieht sich zumeist auf ein innerweltliches Handeln Gottes, in dem letztlich ein väterlicher Gnadenerweis zu sehen ist, der die Menschen zur Umkehr bewegen und so vor der ewigen Strafe retten soll. Im Zusammenhang mit persönlichen Schicksalsschlägen wie schwerer Krankheit, dem Verlust eines Kindes oder dem eigenen Sterben dient die Bezugnahme auf die Providenz dazu, sich – entgegen der aktuellen Erfahrung – der Güte des Gotteswillens zu versichern. Da Gott keine Rechenschaft schuldig ist, muss sein Handeln auch unverstanden hingenommen, es darf nicht hinterfragt werden; sein Heilswille – dass er ‚es gut meint‘ –, wird jedoch beim Blick in sein ‚Vaterherz‘ erkennbar, sofern er diesen gewährt. Als Konsequenz aus all diesen Überlegungen ergibt sich die empfohlene Haltung der ‚Ergebung in Gottes Willen‘, das Sichfügen in das eigene Ende ebenso wie in den Tod des anderen. Das Kernstück insbesondere des Sterbetrostes bilden jedoch die christologischen Aussagen: Die Gefährdung der menschlichen Gottesbeziehung durch die Sünde, die angesichts des leiblichen Todes einen ultimativen Charakter besitzt, ist durch die Wiederherstellung der Gottesbeziehung im Christusgeschehen aufgehoben. Zentral ist dabei die Deutung des Todes Jesu als einmalige, stellvertretende Sühneleistung, die die Sünde unwirksam macht, so dass sie auch im Tod keine Macht mehr entfalten kann; auf diese Deutung nimmt die Rede vom ‚Blut‘ Christi Bezug. Andere Formen der Passionsbetrachtung, die seit 1600 vermehrt hinzutreten, sind manchmal nicht mehr explizit an die Sühnetoddeutung gebunden: Tröstliche Wirkung hat allein die Betrachtung des Leidens, die Anschauung des ‚Bildes‘ des Gekreuzigten, etwa aufgrund der erlebten Gemeinsamkeit mit seinem Leiden. Dieses Leiden wird zur Bezugsgröße für die Leiderfahrung, die menschliches Leben und Sterben bestimmt; sie kann damit letztlich als Kreuzesnachfolge verstanden werden. Nach dem Vorbild Christi fügt sich der sterbende Mensch in den Willen Gottes (Mt 26,39), befiehlt seine Seele in Gottes Hand (Lk 23,46) und seine Angehörigen einander an (Joh 19,26); seine Krankheit beschreibt er mit Christi Leidenspsalm (Ps 22). Nachdem er als Miles christianus unter der ‚Fahne‘ Christi mutig gegen die Anfechtung gekämpft hat – die Kräfte hierzu wachsen ihm durch den Glauben zu –, gewinnt er in der Auferstehung Teil an Christi Triumph über den Tod. Die kollektive Vorstellung von der Befreiung der Gefangenen aus der Unterwelt wird dabei allmählich individualisiert. Ähnlich tritt neben die kollektive Aufforderung aus 1Thess 4, das Trauern einzustellen, der Trost aus der individuellen Jesus-Begegnung (Lk 7,13: „Weine nicht!“). Mit dieser persönlichen Begegnung ist eine weitere Dimension der Christusbeziehung angesprochen, die im 17. Jahrhundert massiv an Bedeutung gewinnt: Aus dem Heilsmittler Jesus Christus wird ‚JESUS‘, der ersehnte Freund oder Geliebte. Der Ichbezug in der Christusbeziehung wandelt sich vom soteriologischen ‚pro me‘ vielfach zum gegenseitigen ‚Dein bin ich, du bist mein‘. Das Verlangen des Ich nach der körperlichen Nähe des Geliebten, das sich seit 1600 vermehrt der Sprache und der Metaphorik des Hoheliedes bedient, richtet sich manchmal dennoch darauf aus, sich vor den Mächten der Anfechtung in den heilsstiftenden Wunden Jesu zu bergen; in diesem

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Bild verbindet sich also der soteriologische Aspekt mit einer engen persönlichen, manchmal mystischen Bindung. Schließlich lässt sich auch in eschatologischer Hinsicht, genauer in der Betrachtung der Endzeit, eine Art Individualisierung feststellen. Eine strukturelle Analogie besteht bereits grundsätzlich zwischen Gerichts- und Todesmahnung, etwa in der Mahnung zur Wachsamkeit und der Aufforderung, sich bereit zu machen; das Memento mori lässt sich in diesem Sinne quasi als individualisierte Endzeitmahnung lesen. Während in manchen Liedern die hergebrachte Vorstellung vom Jüngsten Tag mit Auferstehung und Gericht am Ende der Zeit weiter tradiert wird – in vielen Begräbnisliedern allerdings vornehmlich der Trost der Auferstehung, die Mahnung des Gerichts dagegen kaum –, erfährt diese Vorstellung in anderen Liedern eine Umdeutung. Dabei übernimmt das individuelle Ende immer mehr von den Funktionen, die ursprünglich in der Endzeit verortet waren: So verlagert sich das ersehnte Kommen Christi von seiner ‚Zukunft‘ am Jüngsten Tag auf die individuelle Todesstunde. Die Gewissensanfechtung auf dem Sterbebett wird nur selten ausdrücklich als Gerichtserfahrung angesprochen; die Parallele des Angeklagtwerdens ist dennoch offensichtlich. In der Todesstunde fällt bereits auch die Entscheidung über den postmortalen Aufenthaltsort des Menschen. Möglich wird dies durch die Deutung des Todes als Trennung von Leib und Seele: Indem die Seele schon unmittelbar nach dem Tod den Himmel als ihr endgültiges Bestimmungsziel erreicht, kommt der Auferstehung des Leibes – die in Begräbnisliedern freilich sehr konkret und detailliert geschildert werden kann (z. B. nach Hi 19,25f) – manchmal nur noch eine ergänzende Bedeutung zu. Die Vorläufigkeit des zunächst eingetretenen postmortalen Zustands gerät also gelegentlich aus dem Blick. Die damit einhergehende Marginalisierung der Endzeit wurde als ‚Enthistorisierung‘ der eschatologischen Vorstellungen bezeichnet: Der ahistorische Zielzustand des himmlischen Lebens ist nun manchmal von größerem Interesse als der endzeitliche, mithin (noch) historische Übergang am Jüngsten Tag; im Gesangbuchaufbau kommt die Rubrik ‚Vom Himmel und ewigen Leben‘ neu hinzu, entsprechend auch die ‚Von der Hölle‘ und ‚Von der Ewigkeit‘. Die überzeitliche Qualität der Himmelsvorstellung drückt sich zudem in einer Verinnerlichungsbewegung aus, nach der der Himmel schon präsentisch in der Jesusliebe erlebt werden kann. Bei alledem wird aus der eschatologischen Zukunftshoffnung ein Trost mit stärkerem Gegenwartsbezug: Er ist nicht nur für die Gegenwart der Sterbenden und Trauernden bestimmt, sondern macht über die Erlösung, die dem Einzelmenschen bereits zuteil geworden ist, auch präsentische Aussagen. Nach diesem kurzen Überblick über die diachrone Entwicklung der theologischen Vorstellungen sollen einige zusammenfassende Anmerkungen die literarische und performative Funktionsweise der Sterbe- und Ewigkeitslieder charakterisieren. Diese Dimension ist für das Verständnis der Liedtexte entscheidend: Nur über den praktischen Gebrauch konnten die in den Liedtexten enthaltenen Gedanken und Bilder ihre prägende Wirkung auf die Vorstellungswelt des einzelnen Nutzers, auf seine Frömmigkeit und schließlich auf sein eigenes Erleben des Sterbens entfal-

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ten. Ähnliche Vorstellungen wurden auch mittels anderer Literaturgattungen und sonstiger Vermittlungsformen transportiert, etwa durch kirchliche Verkündigung, durch Gebets- und Erbauungsliteratur. Der spezifische Beitrag der Gesangbuchlieder zur frömmigkeitlichen Prägung des Einzelnen ergibt sich aus ihrer besonderen literarischen bzw. literarisch-musikalischen Gestalt (gereimte Strophen in deutscher Sprache, oft mit Melodie oder Satz) und aus ihrer besonderen Performanz (in bestimmten Situationen von bestimmten Personen laut gesprochen oder gesungen). Für die Prägekraft der Liedtexte hat sich als bedeutsam erwiesen, dass sie sich ihrerseits geprägter Sprache bedienen, vor allem der Sprache der Bibel in der Lutherübersetzung, darüber hinaus aber auch zahlreicher Formeln und Wendungen, deren Variationsreichtum sich im 17. Jahrhundert gegenüber der Starre mancher feststehender Formulierungen in den älteren Liedern deutlich ausdifferenziert. Als wiedererkennbare Signaturen des seligen Sterbens dienen im 17. Jahrhundert einige knappe, mottoartige Losungen in Ichform, in die der Sterbende zu seinem Trost und zur Vergewisserung seines Glaubens einstimmen kann (‚Ich weiß, dass mein Erlöser lebt‘; ‚Meinen Jesum lass ich nicht‘). Das Repertoire an passenden Bibelversen ist grundsätzlich unbegrenzt; dennoch gibt es einen festen Kern von besonders häufigen ‚Favoriten‘, die in den Liedtexten gleichermaßen beliebt gewesen zu sein scheinen wie in der Seelsorge, der Andacht am Sterbebett oder als Predigttexte für Leichenpredigten.2 Schriftworte, aber auch andere geprägte Texte wie Gebete und Lieder wurden als Sterbebereitung schon zu Lebzeiten eingeübt und dann auswendig gesprochen, gesungen oder den Sterbenden zugesprochen. Als Bausteine der Ars moriendi sollten sie der Erreichung des seligen Endes dienen. Dazu bedurfte es nicht nur einer möglichst lang anhaltenden geistigen Klarheit, um die Sterbekunst ‚vernünftig‘ zur Anwendung zu bringen; vielmehr wurde auch auf die persönliche Aneignung des Ich der Texte, auf die innere Teilnahme und das aufrichtige, ‚herzliche‘ Empfinden des Gesagten durch den Sterbenden zunehmender Wert gelegt. Damit wurde das Ideal des seligen Endes mehr und mehr verinnerlicht. Die Sprechsituation, die ein Liedtext selbst nahe zu legen scheint, ist vom Sitz im Leben oder der Situation zu unterscheiden, in der das Lied tatsächlich gesprochen oder gesungen wurde. Zur Sprechsituation gehören jeweils Zeit und Ort sowie die an der Kommunikation beteiligten Personen. Textinterne und kontextuelle Sprechsituation können dabei durchaus zur Deckung kommen, so dass das Ich des Textes mit dem des jeweiligen Beters oder Sängers performativ ‚verschmilzt‘; das liegt etwa im Falle einer Gebetssituation nahe wie schon im Psalter. In den Liedern spielt die performative Involvierung der Singenden durch die erste Person nicht erst im 17. Jahrhundert, sondern bereits bei Luther eine wichtige Rolle, und zwar nicht nur im Plural, sondern auch im Singular. Zunehmend bedeutsam wird die innere 2

Von einem „Kanon“ biblischer Texte, „der für den Umgang mit Tod und Sterben in Predigt, Seelsorge und Katechese im Bereich der Wittenberger Reformation in der frühen Neuzeit geläufig war“, spricht Koch, Beobachtungen, 183; die Offenheit des Bestandes und sein allmählicher Wandel kommt in dieser Terminologie etwas zu kurz. Sörries, Erlöser, 95 verweist dagegen am Beispiel der Sargbeschriftung auf die typische Kombination ‚konventioneller‘ und ‚individueller‘ Texte.

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Teilnahme beim Einstimmen in das vorgeprägte Ich. Aussagen der Bereitschaft, der Ergebung oder des Verlangens dienen der performativen Selbstaffirmation und werden beim Sprechen oder Singen zu einer Äußerung des Beters. Die Performanz des Liedtextes impliziert im Falle einer solchen ‚Verschmelzung‘ eine Art Realisierung der textinternen Sprechsituation. Von einer Inszenierung kann dagegen gesprochen werden, wenn der performative Kontext nicht mit der textinternen Sprechsituation übereinstimmt, etwa was den Zeitpunkt oder die Rollenidentität des Ich betrifft. Ein Beispiel dafür ist die vorausgreifende oder rückwirkende präsentische Inszenierung der Todesstunde. Es ist nicht anzunehmen, dass Lieder, die im Präsens vom Sterben sprechen, ausschließlich am Sterbebett gesungen wurden. Im Vorgriff dient ein solches Verfahren vielmehr der Sterbebereitung, im Rückblick dem Trost der Angehörigen – etwa wenn in einem Begräbnisgesang der Abschied des Verstorbenen noch einmal nachträglich inszeniert wird. Im einen Fall stehen der eigene Tod und die Bewahrung der Gottesbeziehung durch diesen Tod hindurch im Zentrum, im anderen Fall der Tod des anderen. Neben dem Ich (das freilich nur in der Mehrzahl der Texte, keinesfalls in allen existiert) können auch zwei weitere Faktoren, durch die die textinterne Sprechsituation bestimmt ist, noch etwas genauer beschrieben werden, nämlich die Adressaten und der Zeitpunkt. Anhand der Adressaten lassen sich manchmal unterschiedliche Texttypen unterscheiden. Die Anrede ‚O Mensch‘ steht häufig im Kontext der Todesmahnung und ist dann mit konkreten Handlungsanweisungen, etwa mit der Aufforderung zu Buße und Sterbebereitung verbunden; die Mahnung zur Bereitung auf den Jüngsten Tag, also auf das kollektive Ende, bedient sich entsprechend einer pluralischen Anrede (‚ihr Christen alle‘). Gelegentlich begegnen rhetorische Personifikationen der Mächte, von denen das Ich sich abwendet: ‚O Tod!‘, ‚O Welt!‘ In Begräbnisliedern des 17. Jahrhunderts werden manchmal der oder die Verstorbene, häufiger jedoch aus dessen Mund die Angehörigen angeredet (‚ihr lieben Eltern‘, ‚ihr meine Freund‘ usw.). Mit der Anrede der eigenen Seele (seit 1650 auch vermehrt: ‚Seelchen‘ oder ‚Seelichen‘) wendet sich das Ich an denjenigen Teil seiner Person, der nach dem Tod unmittelbar zu Gott gelangt und darum besonderen Grund zur Freude hat (Freu dich sehr, o meine Seele); im Modus dieser Selbstanrede lassen sich Sterbebetrachtung und Sterbebereitung besonders wirkungsvoll vollziehen. Die häufigste Adressierung der Liedtexte ist freilich die Anrede Gottes, meist in der Form der Bitte, die theologisch besonders bedeutsam ist: Sie bringt zum Ausdruck, dass der Beter um die Begrenztheit seiner Möglichkeiten und um seine Angewiesenheit auf Gottes Hilfe weiß. Ob es sich um Buße und Weltabkehr handelt, um das rechte Bedenken des Sterbens, um die Erfüllung der Sehnsucht nach dem Sterben oder um das Gelingen eines seligen Endes: In der Bitte bekennt sich der Mensch dazu, dass er diese Ziele nicht aus eigener Kraft erreichen kann. Mit der Anrede Gottes im Gebet zeigt er außerdem sein Festhalten an jener Beziehung, von der er hofft, dass sie auch im Tod nicht abreißt, dass sie ihn durch den Tod hindurch rettet und den Tod überdauert. Das anhaltende Reden des Herzens mit Gott, das auch in Liedform vollzogen wird, ist daher gerade auf dem Sterbebett geboten. Als

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Sprechhilfe werden auch in dieser Situation bevorzugt solche Bibeltexte verwendet, die selbst Gebete sind – nicht nur aus dem Psalter, sondern auch aus Erzählungen vom Sterben biblischer Personen. Auf der Ebene der Zeit bildet der Augenblick des Todes, der Trennung von Leib und Seele, im Vor- und im Rückgriff den Bezugspunkt für alles Reden innerhalb der Liedtexte. Als punktuelles Ereignis, dessen Effekt der Mensch in der fundamentalen Unterschiedenheit von Vorher und Nachher zwar betrachten kann, das ihm aber an sich letztlich unbegreiflich bleibt, ist der Tod auch in vielen Liedtexten nicht greifbar: Die Sprechsituation kann so changieren, dass nicht eindeutig ist, ob gerade vor oder nach Eintritt des Todeszeitpunkts von ihm geredet wird, ob es sich noch um eine allgemeine Todesbetrachtung handelt oder ob die Rede bereits in unmittelbarer Todesnähe stattfindet. Auch beim Sitz im Leben sind unterschiedliche Grade der Todesnähe nicht klar voneinander abzugrenzen; die Übergänge vom vorausgreifenden Sterbegedenken zur unmittelbareren Sterbebereitung sind fließend. Durch die Rede von der Todesstunde, vom ‚Stündlein‘, wird der flüchtige Moment des eigentlichen Todes besser greifbar. Die Todesstunde wird im Voraus zur Sterbebereitung ausgemalt und im Vollzug präsentisch gestaltet, z. B. durch Elemente wie das ‚Fühlen‘ der Todesnähe, den Ruf Gottes an die Seele, das Versagen der körperlichen und geistigen Funktionen oder das ‚Zerbrechen‘ des ‚Kerkers‘. Bei der präsentischen Inszenierung der Todesstunde kann der Todeszeitpunkt mit dem Textende genau zusammenfallen, etwa durch die Schlussstellung der Commendatio animae. Aufgrund der performativen Qualität der Liedtexte können die in ihnen enthaltenen Redeweisen durch die Aneignung beim Singen oder Rezitieren – je nach der kontextuellen Sprechsituation – tatsächlich ‚realisiert‘ werden und gewinnen dabei den Charakter von Sprechakten. Viele der in den Liedtexten enthaltenen typischen geprägten Redeweisen, die sich in diesem Sinne verstehen und anwenden lassen, greifen auf tatsächlich in der Andacht und am Sterbebett vollzogene Sprechakte zurück und spiegeln darin die pastorale und die Frömmigkeitspraxis wider. Neben allgemeineren Formen wie der an Gott gerichteten Bitte, dem Lob Gottes oder der an den Menschen gerichteten Mahnung (Memento) gibt es darunter auch speziellere literarisch geprägte Sprechakte: Der Typus der Anrufung Gottes aus der Not ist etwa im Psalter vorgebildet, die Ergebung in Gottes Willen und die Commendatio animae im Leiden Jesu (die Letztere auch in 1Kön 19,4 und Apg 7,59), die Verspottung des Todes in 1Kor 15,54f und die Seligpreisung der Toten in Apk 14,13. Dominierende Sprechakte in vielen Liedern gerade des 17. Jahrhunderts sind die Lossagung von der Welt und die Verabschiedung der Angehörigen; diese beiden gleichen sich darin, dass in ihnen sprachlich eine Trennung vollzogen wird, die freilich von unterschiedlicher Endgültigkeit und mit einer gegensätzlichen Wertung verbunden ist (im Gegensatz zur Abwertung der Welt werden den Angehörigen Wertschätzung und Liebe ausgesprochen). Eine besondere Rolle spielen schließlich Sprechakte des Bekenntnisses: einerseits das Bekenntnis der Sünde, andererseits das des Glaubens. Das Sündenbekenntnis, mit dem das Ich zugleich den Nöten seines angefochtenen Gewissens einen geprägten Ausdruck verleihen kann, gehört in den sakramentalen

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Schluss

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Kontext der Abendmahlsfeier, die als Verabreichung des ‚Zehrpfennigs‘ auf die letzte Reise zum pastoralen Programm der Sterbeseelsorge unbedingt hinzugehörte. Das Bekenntnis des Glaubens, das Leichenpredigten zufolge häufig durch eine Art katechetischer Befragung am Sterbebett erlangt wurde, dient nicht nur zur Proklamation der allein heilswirksamen rechten ‚fides quae creditur‘, sondern auch der Selbstvergewisserung des Ich in der ‚fides qua creditur‘, im Vertrauen auf die Fortdauer der Gottesbeziehung über den Tod hinaus. In der Entwicklung beider Bekenntnisakte zeichnet sich wiederum die Tendenz ab, dass die formelhafte Sprache der älteren Lieder zunehmend solchen Ausdrucksformen weicht, die sich zwar ihrerseits fester Formulierungen bedienen, darin aber auf das ‚herzliche Empfinden‘ des Ich größeren Wert legen. Im Medium des Liedes werden also nicht nur zentrale Heilstatsachen vergegenwärtigt (Christologie, Providenz) und bestimmte Vorstellungen vom Tod und von der Auferstehung vermittelt, sondern Beter und Sänger treten selbst zu diesen Vorstellungen in Beziehung und erkennen ihre eigene Involviertheit in die Heilstatsachen: Betend und singend gedenken sie ihres eigenen Endes, bereiten sich zum Sterben, lassen sich davon in der Anfechtung auf dem Sterbebett und in der Trauer um einen nahen Angehörigen trösten. Das Erleben des eigenen Todes ist ebenso von den Sterbeliedern geprägt wie das des Todes eines anderen. All dies geschieht durch die Performanz der Texte, die – wenn auch auf ganz unterschiedliche Weise – allesamt eben auf eine performative Art der Aneignung hin konzipiert sind, sei es im Schreiben, im Lesen, im lauten Rezitieren, im Singen oder im Musizieren. Auch wenn Musik und Sprache in der Gattung des geistlichen Liedes aneinander haften, kommt der Musik als außersprachlicher Größe gegenüber dem sprachlichen Ausdruck, der Gegenstand dieser Untersuchung war, wesentliche Bedeutung zu: Der Sprache des Menschen – so wird es in vielen Liedtexten ausgedrückt – ist das ewige Leben ebenso unzugänglich wie seinen Sinnen und seiner Vorstellungskraft. Die Sprache erstirbt in der Todesstunde, zusammen mit den vielen anderen Funktionen seines Leibes und seines Geistes. Darin spiegelt sie die Begrenztheit des Menschen und seines Fassungsvermögens, seine Bedrohung durch den Tod als fundamentaler Trennungserfahrung wider. Die Musik ist vom ewigen Leben dagegen nicht abgegrenzt, sondern ist den Schilderungen vieler Lieder zufolge ausdrücklich ein wesentlicher Teil davon. Schon im irdischen Musizieren ist also gelegentlich ein „Musicalischer Vorschmack / Der Jauchtzenden Seelen im ewigen Leben“ zu vernehmen. Darin klingt die Verheißung mit, dass die Gottesbeziehung des Menschen den Tod überdauert.

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Anhang I. Abkürzungen 1. Bibliographische Abkürzungen

Für die vollständigen bibliographischen Angaben der abgekürzten Werke sei auf das unten stehende Quellen- und auf das Literaturverzeichnis verwiesen. Nur die Nachschlagewerke werden dort nicht mehr eigens aufgeführt. Im Anmerkungsapparat verwendete Kurztitel werden im Quellen- und Literaturverzeichnis jeweils durch Kursivdruck hervorgehoben. Die Kürzel für die ausgewerteten Gesangbücher (J-1531, D-1608 usw.) werden ebenfalls direkt im Quellenverzeichnis aufgeschlüsselt. ADB aGA AHM AHMA Arien Bachm. Bibl. Pal. Bode BHS BWV C CCSL DBE DMC DKL

DWB EG EKG Engelfr. Freyl. FT

Allgemeine Deutsche Biographie, Leipzig 1875–1912. Anhang zur Faksimileausgabe von Paul Gerhardt, Geistliche Andachten [1667], Bern/München 1975. Johann Rist, Alltägliche Hausmusik, Lüneburg 1654. Analecta Hymnica Medii Aevi, Leipzig 1886–1922. Heinrich Albert, Arien 1–8, Königsberg 1638–1650. Bachmann, Geschichte, Berlin 1856. Bibliotheca Palatina. Druckschriften, Mikrofiche-Ausgabe, hg. von Leonard Boyle und Elmar Mittler, München 1989–1995. Bode, Quellennachweis, Hannover 1881. Biblia Hebraica Stuttgartensia Bachwerkeverzeichnis Johann Hermann Schein, Cantional, Leipzig 1627/45 [= L-1627b/45]. Corpus Christianorum, Series Latina Deutsche Biographische Enzyklopädie, München u. a. 1995–2003. Johann Heermann, Devoti Musica Cordis, Leipzig/Breslau 1630 u.ö. Das deutsche Kirchenlied. Kritische Gesamtausgabe der Melodien, hg. von Konrad Ameln, Markus Jenny und Walther Lipphardt, Band I, Teil 1: Verzeichnis der Drucke (Répertoire international des sources musicales B/VIII/1), Kassel u. a. 1975. Deutsches Wörterbuch. Elektronische Ausgabe der Erstbearbeitung von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Frankfurt/M. 2004. Evangelisches Gesangbuch Evangelisches Kirchengesangbuch Der Irdischen Menschen himmlische Engelfreude, Nürnberg 1653 [= N-1653]. Freylinghausen, Geistreiches Gesangbuch, Halle 1708. Fischer/Tümpel, Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts I–VI, 1904–1916

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648 GA GBB Grimm GSK GSM HL JLH Koch KO LP Metzger MGG

NDB NGA NHL NLG PL PPM Reckz. Reich RGG4

SBB SDG Sehling SFE SSL TRE UBT VD17 VO W WA WLB ZUL Zwölf GL

Anhang Paul Gerhardt, Geistliche Andachten, Berlin 1667 Gesangbuchbibliographie (Online-Datenbank): http://www.uni-mainz.de/Organisationen/Hymnologie/Gesangbuchbibliographie.htm Grimm, Vopelius, Berlin 1969. Johann Olearius, Geistliche Singekunst, Leipzig 1671. Heinrich Müller, Geistliche Seelenmusik, Rostock 1659. Johann Rist, Himlische Lieder, Lüneburg 1641/42. Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie, Kassel (später Göttingen) 1955—. Koch, Geschichte des Kirchenlieds und Kirchengesangs I–VIII, 3. Aufl., Stuttgart 1866–1877. Kirchenordnung Leichenpredigt Metzger, Gesangbücher in Württemberg, Stuttgart/Weimar 2002. Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, begr. von Friedrich Blume. Zweite, neubearbeitete Ausgabe, hg. von Ludwig Finscher, 26 Bände in zwei Teilen (Sachteil in neun Bänden, Personenteil in siebzehn Bänden), Kassel/Stuttgart u. a. 1994–2007. Neue Deutsche Biographie, Berlin 1953—. Johann Hermann Schein, Neue Ausgabe sämtlicher Werke, Kassel u. a. 1963–2008. Johann Rist, Neüer Himlischer Lieder Sonderbahres Buch, Lüneburg 1651. Neu Leipziger Gesangbuch, Leipzig 1682 [= L-1682]. Migne, Patrologia Latina Praxis Pietatis Melica Reckziegel, Cantional, Berlin 1963. Reich, Threnodiae sacrae, Wiesbaden 1975. Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, vierte, völlig neu bearbeitete Auflage, Band 1–8, Tübingen 1998–2005. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Abteilung Historische Drucke Simon Dach, Gedichte I–IV, hg. von Walther Ziesemer, Halle/Saale 1936–1938. Sehling, Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts I–XIX, Leipzig 1902–1913/Tübingen 1955–2008. Johann Heermann, Sonntags- und Fest-Evangelia, Leipzig 1636. Johann Rist, Sabbahtische Seelenlust, Lüneburg 1651. Theologische Realenzyklopädie, Band 1–36, Berlin/New York 1977–2004. Universitätsbibliothek Tübingen Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts (Online-Datenbank): http://www.vd17.de/ Visitationsordnung Wackernagel, Das deutsche Kirchenlied I–V, Leipzig 1864–1877. Martin Luther, Weimarer Ausgabe Württembergische Landesbibliothek Stuttgart Zedlers Universallexikon (Online-Volltext): http://zedler-lexikon.de Johann Heermann, Zwölf Geistliche Lieder, Leipzig 1639.

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II. Quellen

649

2. Abkürzungen zu den tabellarischen Nachweisen der Liedtexte Vgl. unter den Erläuterungen zu Tabelle 1 (ab S. 683)

II. Quellen 1. Edierte Sammelwerke FT W

Fischer, Albert: Das deutsche evangelische Kirchenlied des siebzehnten Jahrhunderts, hg. von Wilhelm Tümpel, Band I–VI, Gütersloh 1903–1916. Wackernagel, Philipp: Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts, Band I–V, Leipzig 1864–1877.

2. Gesangbücher Die in Teil A ausgewerteten Drucke sind durch ihre fett gedruckten Kürzel gekennzeichnet. a) 16. Jahrhundert bis 1570

J-1531

Nürnberger Achtliederbuch, Faksimilie hg. von Konrad Ameln, in: JLH 2 (1956), 89ff. Das Erfurter Enchiridion. Gedruckt in der Permentergassen zum Ferbefaß 1524. Faksimiledruck mit einem Geleitwort hg. von Konrad Ameln, Kassel/Basel/ London 1983. Walter, Johann: Das geistliche Gesangbüchlein. „Chorgesangbuch“. FaksimileNachdruck des Zweitdruckes Worms 1525, hg. von Walter Blankenburg (Documenta musicologica 33), Kassel u. a. 1979 [5 Faszikel mit Einzelstimmen]. Enchiridion geistlicher gesenge vn[d] Psalmen / fur die leyen / mit viel andern / denn zuuor / gebessert. Sampt der Vesper durch die gancze woche[n] auff einen iczlichen tag Metten Complet vnd Messe. 1528. [Gedruckt zu zwickaw durch Hans Schönsperger den alten. Im 1528.] Fotomechanischer Nachdruck der Originalausgabe 1528 nach dem Expl. der Sächsischen Landesbibliothek Dresden, Zentralantiquiariat der Deutschen Demokratischen Republik, Leipzig 1979. Weisse, Michael: Gesangbuch der Böhmischen Brüder 1531. In originalgetreuem Nachdruck hg. von Konrad Ameln, Kassel/Basel 1957.[Originaltitel:] Ein New Geseng|buchlen | M D XXXI | Venite exultemus domino | Jubilem[us] d[omin]o salutari n[ost]ro | Psal 94 [Gedruckt zum Jungen Buntzel inn | Behmen. Durch Georgen Wylmschwerer | Im[m] Jar M. CCCCC. XXXj. Am | zwelfte[n] tag des Mertzen volendet] Das Klug’sche Gesangbuch 1533, nach dem einzigen erhaltenen Exemplar der Lutherhalle zu Wittenberg ergänzt und hg. von Konrad Ameln (Documenta musicologica 35), Kassel/Basel/London 1983 [unveränderter Nachdruck der

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650

Babst

FfO-1558

Anhang Ausgabe von 1954]. [Originaltitel:] Geistli=|che lieder auffs | new gebessert zu | Wittemberg. | D. Mart. Luth. | [MD] XXXiij. Gesangbuch, darinn | begriffen sind, die aller | fürnemisten vnd besten | Psalmen / Geistliche Lieder / vnd | Chorgeseng / aus dem Wittem=|bergischen / Strasburgischen / vnd anderer | Kirchen Gesangbüchlin zusamen | bracht / vnd mit besonderem | fleis corrigiert vnd | gedrucket. | Für Stett vnd Dorff Kirchen / | Lateinische vnd Deudsche | Schulen. | SOLI DEO GLORIA. | Gedruckt zu Strasburg / Anno M. D. XLI. [Faksimiledruck Stuttgart 1953.] Das Babstsche Gesangbuch von 1545. Faksimiledruck mit einem Geleitwort herausgegeben von Konrad Ameln, Kassel u. a. 1966. [Originaltitel:] Geystliche | Lieder. | Mit einer newen vorrhede / | D. Mart. Luth. | Warnung | D. M. L. | Viel falscher Meister itzt Lieder tichten | Sihe dich für, vnd lern sie recht richten | wo Gott hin bawet sein kirch vnd sein wort | Da wil der Teuffel sein mit trug vnd mord. | Leipzig. [Gedruckt zu Leipzig / | durch Valentin Babst / | in der Ritter=|strassen. | M. D. XLV.] Zweibrücker Gesangbuch 1557. Faksimileausgabe mit Erläuterung, hg. von Klaus Bümlein (Veröffentlichungen des Vereins für Pfälzische Kirchengeschichte 26), Heidelberg/Ubstadt-Weiher/Basel 2007. [Originaltitel:] Kirchengesanng | Teutsch vnd Lateinisch / Da=|uon in vnser angestelter | Kirchenordnung meldung geschicht. | Welche auch in vnserm Für=|stenthumb also in allen Kirchen zu jrer zeit or=|denlich gesungen vnd gebrauchet werden sollen. | Damit jung vnd alt / der rech=|ten reinen Text / so Göttlicher Schrifft ge=|meß sind / gewohnen / vnd alle schedliche | newerung mißuerstand / vnd ver=|felschung vermitten bleybe. | Anno. M. D. LVII. Ein new | ausserlesen Ge=|sangbüchlein / darinn | die besten Lieder aus al=|len / mit fleis zusamen getra=|gen / vnd auff alle Fest | des gantzen Jars | geordnet sind. | Gedrückt zu Franck=|furt an der Oder / durch Joan. Eichorn. | ANNO, M. D. LVIII. [Auswertung nach Lipphardt, Eichorn; Titelaufnahme nach dem Faksimile des Expl. der StB Bamberg, ebd. 160.] Kirchengeseng | darinnen die Heubtartickel | des Christlichen glaubens kurtz ge=|fasset vnd ausgeleget sind: jtzt | vom newen durchsehen / ge=|mehret / vnd | der Rö. Kei. Maiestat / in vnterthänigster | demut zugeschrieben. | A[nno] D[omini] 1566. [Bibl. Pal. Mikrofiche E 118/119] Leisentrit, Johann: Gesangbuch von 1567. Faksimileausgabe mit einem Nachwort von Walther Lipphardt, Kassel u. a. 1966.

b) Württemberg T-1591

Außerlesne / | Reine / Geistli=|che Lieder vnnd Psalmen: | auch lehrhaffte vnnd trost= |reiche Christliche Ge=|säng. | Auß gnädigem Befelch / | des Durchleuchtigen Hochgebor=|nen Fürsten vnd Herrn / Herrn Ludwigen / | Hertzogen zu Würtemberg vnnd Theck / | Grauen zu Mümpelgart / etc. | zusamen geordnet / | Für die Kirchen vnd Schulen / | im löblichen Fürstenthumb  | Würtemberg. | Tübingen / bey Georg Gruppenbach. | ANNO M. D. XCI. [WLB MC G2/11470; Metzger Nr. 1591–010] Groß Kirchengesang=|buch / | DArinn außer=|lesene / reine / Geistliche Lieder | vnd Psalmen / auch lehrhaffte | vnd trostreiche Christliche | Gesäng / | Für die Kirchen vnnd Schulen | im löblichen Hertzogthumb Würten=|berg / auch

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II. Quellen

T-1631

T-1665

T-1669

S-1664

651

andere reiner Augspurgischer Confession Ver=|wandte Kirchen / zusamen geordnet / vnd in diser grossen Form / mit schönen | kandtlichen Figural Noten / Rubricken / vnnd grossen leßlichen | Schrifften (dergleichen hieuor niemals außgan=|gen) mit fleiß getruckt sein / | Zu Tübingen / | Bey Georgen Gruppenbach / Anno M. D. XCVI. [WLB G2/11770; Metzger Nr. 1596–010] [Titel des Stammteils fehlt; Zwischentitel nach dem Stammteil:] APPENDIX. | Dises Gesangbüchleins. | Darinnen | Viel Schöne / | Lehrhaffte vnd Trostrei=|che Geistliche Lieder: Hertzliche Gebett | vnd Dancksagungen / so in andern | Gesangbüchlein nit bald zu=|finden. [Letzte Seite: Tübingen / | Bey Johann Cunrad | Geyßlern / | Im Jahr. 1631.] [WLB MC G2/13862; Metzger Nr. 1631–040] Würtembergisches | Kirchen=Ge=|sangbuch / | Darinnen außerlesene / reine / | Geistliche Lieder / Psalmen / vnd | Kirchen=Gesäng / | Auß Gnädigem Befelch deß Durchl. | Hochgebornen Fürsten vnd Herrn / | Herrn Ludwigen / | Hertzogen zu Würtemberg / etc. | Für die Kirchen vnd Schulen im Land geordnet. | Tübingen / bey Gregorius Kerner / 1665.[WLB MC theol. oct. 9654; Metzger Nr. 1665–013] Wirtembergisches | Kirchen= und | Hauß=Gesang=Buch / | in sich haltend vier Theil. | I. Außerlesene / reine / Geistliche | Lieder / Psalmen / und Kirchen=|Gesänge. | Auß Gnädigem Befelch deß Weilund | Durchl. Hochgebornen Fürsten und | Herrn / | Herrn Ludwigen / Hertzogen zu Wirtemberg / etc. | II. Mehr als 100. andere Lehrhafte | und trostreiche Gesänge und Lieder / | auff allerhand Zuständ gerichtet / etc. | III. Johann Habermanns Gebettbuch / | neben anderen schönen Gebetten. | IV. Die Historia deß bittern Leidens und | Sterbens unsers Heylands Jesu Christi. | Für die Kirchen und Schulen im Land gerichtet. | Tübingen / | Gedruckt bey Joh. Heinrich Reiß / | Anno M. DC. LXVIIII. [WLB theol. oct. 9580; Metzger Nr. 1669–008] Rechtschaffener Christen | erwünschte | Seelen=Lust / | Begreiffend | I. Ein Gesangbüchlin / | Darinn die Kirchengesang | auß den ältern Exemplarien wi=|derholet / | Newere reine Lieder mit | eingebracht / die Lateinische Hymni | angehengt / | Und die Authores hinter jedem | Gesang benamset sind. | II. Ein Betbüchlin / | Darinn D. Johan[n] Haber=|manns Morgen= und Abend=Se= |gen / samt andern schönen Gebetlin | für allerley Noth enthalten. | III. D. Johann Brentzen Wür=| tembergischen Catechismum / und | D. Andreae Osianders Communi=|cantenbüchlin. | Sampt einer Vorrede der Theologischen | Facultät zu Tübingen. | Gedruckt allda und verlegt | von Johann Heinrich Reisen. [WLB theol. oct. 16419; Metzger Nr. 1676–501] Groß | Kirchen=Gesang=|Buch / | Darinnen außerlesene / reine / Geistliche | Lieder und Psalmen / auch lehrhaffte | und trostreiche Christliche | Gesäng / | Für die Kirchen und Schulen im löblichen | Hertzogthumb Würtemberg / auch andere reiner Augspurgischer | Confession=verwandte Kirchen / zusammen geordnet / und in dieser grossen | Form mit schönen kandtlichen Figural=Noten / und grossen | leßlichen Schrifften mit Fleiß gedruckt | seyn. | Sambt einem Anhang oder Zugabe etlicher | schöner Lieder / so vorhin in diesem Gesang=|Buch nicht gewesen. | Stuttgart / | Gedruckt und verlegt durch Johann Weyrich Rößlin / | Fürstl. Würtemb. bestellten Buchdruckern. | Anno M.DC.LXIV. [WLB MC G2/15850; Metzger Nr. 1664–008.]

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652 S-1688

S-1691

S-1704

Anhang Neu=vermehrtes | Recht=glaubiger Christen | Jubel=stimmendes | Lob= und Dank=|Opfer: | oder | Würtembergisches Gesang=Buch. | Bestehend | In vielen gestreichen | Theils alten / von D. Mar=| tin Luthern / theils andern | Evangelischen Lehrern neu=|aufgesetzten Psalmen und | Gesängen. | Zu Beförderung / des so wol | Kirchen= als Privat=Gottesdienstes / | mit beygesetzten / bishero gebräuchli=|chen und bekandten Melodeyen | angeordnet. | Neben zuletzt angehängtem | D. Joh. Habermanns | Morgen= und Abend= auch | andern nothwendigen | Gebetten. | Stuttgart / | Druckts und verlegts Paul Treu. | Im Heil=Jahr 1688. [WLB HBF 1473; Metzger Nr. 1688–010] Neu=vermehrtes | Würtembergisches | Gesangbuch | Worinnen | Alle Gesäng / Psalmen und Geist|liche Lieder / | So wohl die bey öffentlichem Gottesdienst / als Priva[t]|Andacht zu Hauß gebräuchig / theils mit Noten auff das fleissigs[t] | versehen / theils deren Melodeyen / wo selbige zu suchen / ange=|zeigt / und von vielen bißher eingeschlichenen | Fehlern verbessert. Nebst | D. Johann Habermanns Morgen | und Abendsegen / Auch anderen mehr bekante[n]  | wochentl. Kirchen / Fest / Hauß / Wetter / Kranck | und Sterb=Gebetten.  | Sampt der | Historia deß Leydens Christi / und der Zerstö=|rung der Stadt Jerusalem | Deme beygefüget | Die Fragstück aus dem itzo üblichen Communi=|canten=Büchlein. | Auff sonderbare Veranleitung und Begehren mit Fleiß elab[o]|riret, auch mit Hochfürstl. gnädigster Approbation zum ersten | mahl in Druck gegeben / | Von Daniel Speer / Uratis. der Zeit bestellten Canto[re] | und Collab. in Waiblingen. | Stuttgart / | Druckts und verlegts Melchior Gerhard Lorber / 1691. [WLB theol. oct. 6211; Metzger Nr. 1691–008] Würtembergische | Hauß= und Kirchen= | Andacht / | Bestehend | In etlich hundert geistli=|chen Liedern / so theils von | D. M. Luthern / theils von andern | geistreichen Lehrern sind heraus ge=|geben worden; | Denen beygefüget die jenige | neue Lieder und Gesänge / so in all=|hiesiger Fürstlicher Hof=Capell gesun=|gen werden. | Auch einem schönen | Gebet=Buch / | In welchem nicht allein | D. Johann Habermanns Mor=|gen= und Abendsegen / sondern auch | Sonn= Fest= und Feyertags=Andachten / | samt Buß= Beicht= Com[m]union / Trost= | Noth= Wetter= und andere Ge=|better zu finden. | Nebst einer Vorrede | Georg Heinr. Häberl[in] D. seel. | Mit schönen Kupfern gezieret / | Vnd in Vermehrung vieler Lieder | zum andern mahl zu | STUTTGART / | Gedruckt und verlegt / von Bernhard | Michael Müllern / 1704. [WLB theol. oct. 7585; Metzger Nr. 1704–501]

c) Braunschweig-Lüneburg Lü-1625

Erster Theil | Dieses Newen Christlichen Gesangbuchs / | Darinn | Fünffhundert vnd sechtzig | Geistliche Lieder | vnnd KirchenGesänge / so in der | Christlichen Gemeine vnd Versamblung / bey | der Predigt des Göttlichen Worts / vnd Außtheilung | der Hochwürdigen Sacrament oder sonsten gesungen | werden / nach Ordnung der | Jahrzeit. | Durch | D. Mart. Luth. auch andere gott=|selige Lehrer / auch PrivatPersonen / vnd | Liebhaber Göttliches Worts | gemacht / | Aus vielen Gesangbüchern zusammen gezo=|gen vnd in Ordnung gebracht / sambt einem nütz=|lichen Register / durch eine vornehme Person |

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II. Quellen

Lü-1660

Lü-1661

Lü-1696

Lü-1706

Lü-1695

Lü-1702

653

zum Druck befodert. | Gedruckt zu Lüneburg / bey Johann vnd | Heinrich Stern / Buchführern. | Im Jahr 1625. [SBB Wern Hb 3163] Das Hannoverische ordent=|liche / vollständige | Gesangbuch / | Darinn 300. auserle=|sene Psalmen / Lob=Gesänge und | geistliche Lieder / zur Befoderung der | Privat- und öffentlichen Andacht / | zusammen getragen / | Und also über vorige Editio-|nen mit unterschiedlichen newen | nohtwendigen und sehr nützlichen | Gesängen zum allerletzten=|mal endlich ver=|bessert. | Mit Fürstlich. Braunschw. Lü=|neburgisch. Durchleuchtigk. | privilegiis. | Lüneburg / | Gedruckt und verlegt durch | die Sternen. | ANNO M DC LX. [WLB theol. oct. 6123; Metzger Nr. 1660–003] Voll=ständiges | Gesang=Buch / | in welchem nicht allein di gewöhnliche alte | Kirchen=Lider / sondern auch vihl neue / nützliche | Gesänge / auf mancherlei Fälle zu | befinden. | Lüneburg / | Gedrukkt durch die Sternen / 1661. [WLB MC theol. oct. 2708; Metzger Nr. 1661–008] Das | Vollständige grosse Cellische | GEsang=Buch / | In welchem nicht allein die gewohnliche | alte Christliche Kirchen=Lieder / und zwar nach ihrer ersten | und wahren Composition, sondern auch viele neue nütz= und | erbauliche Gesänge / in öffentlicher Gemeine und sonsten in | allerley Fällen zu gebrauchen / | befindlich / | Jetzo nach schon längst gewesenem Abgang der ersten Exempla=|rien / auff vielfältiges Begehren und Verlangen von neuem wie=|der auffgeleget / an vielen Orten verbessert / geän=|dert und vermehret / | Wie aus der Vorrede in mehrem | zu ersehen. | Lüneburg / | Gedruckt durch Johann Stern. | Im Jahr Christi 1696. [SBB Wern Hb 2355] Das | Vollständige Cellische | Gesangbuch / | In welchem nicht allein | die gewöhnliche alte Christli=|che Kirchen=Lieder / nach ihrer er=|sten wahren Composition, sondern auch | verschiedene neue / nütz= und erbauliche Gesän=|ge / in allerley Fällen zu gebrauchen / | befindlich / | Nebenst einem | Gebet=Büchlein / | Nach dem auff Fürstl. Verord=|nung mit Fleiß revidirtem / verändertem | und vermehrtem grossem Cellischen Ge=|sang=Buch ietzo zu besserem Gebrauch der | Kirchen des Fürstenthums Lüneburg und | dazu gehöriger Lande von neuem | wieder auffgeleget. | Mit Chur=Fürstl Braunschw. Lü=|neb. Durchl. sonderbahrem | privilegio. | Lüneburg / | Gedruckt und verlegt durch | Johann Stern. | Im Jahr Christi 1706. [WLB theol. oct. 6207; Metzger Nr. 1706–501] Lüneburgisches | Gesangbuch / | Darinnen über 2000. so wol | alte als neue | Geistreiche Lieder / | Auß den besten Autoren gesam[m]let / und | mit vielen neuen anmuhtigen Melo=|deyen vermehret: | Nebenst angefügtem nützlichen | Gebet=Büchlein. | Mit Fürstl. Braunsch. Lüneb. Durchl. | Privilegiis. | Lüneburg / | Gedruckt und verlegt durch Johann Stern. | Im Jahr Christi 1695. [WLB G2/17740; Metzger Nr. 1695–006] Lüneburgisches | GEsang=|Buch / | Darinnen 2100. so wol | alte als neue | Geistreiche Lieder / | Auß den besten Autoren ge=|sammlet / mit vielen neuen | anmuhtigen Melodeyen ver=|sehen / und mit Kupffern | gezieret: | Nebenst angefügtem | Gebet=Büchlein / | Welches tägliche Morgen= und Abend=|Segen / auch kurtzen Unterricht von der Bus=|se / Beicht und heiligen Abendmahl / sammt zu=|gehörigen Gebeten / auß geistrei=|cher Männer Schrifften | verfasset. | Mit Fürstl. Braunschw. Lüneb. Durchl. | privilegiis. | Lüneburg / |

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654

Anhang Gedruckt und verlegt durch Johann Stern. | Im Jahr Christi 1702. [WLB theol. oct. 6146; Metzger Nr. 1702–010] D. Martin. Luth. und | anderer gottseliger | Leute | Geistreiche | Lieder / Psalmen | und Lob=Gesänge / Wel=|che in Evangelischen Kirchen ge=|sungen / auch in allerley Nöhten | und Anligen können gebrau=|chet werden. | Lüneburg / | Gedruckt un[d] verlegt durch | Johann und Heinrich Stern | Selig. hinterlassene | Erben. | Im Jahr / 1671. [WLB theol. oct. 10724; Metzger Nr. 1671–501]

Lüneburger Bibeln mit Gesangbuchanhang

Lü-1640

Lü-1659

BIBLIA. | Das ist: Die gantze heilige Schrifft / | Deutsch / | D. Mart. Luth. | Mit außgehenden Versiculn / Registern | vnd Summarien Herrn D. Danielis Crameri / Auch | der vbrigen Bücher Esra vnd Maccabeorum / Neben Herrn D. M. L. vnd | anderer frommen Christen / Gesängen / Catechismo vnd | Habermanns Gebetbuch. | Mit Chur-Fürstl: Sächisch: PRIVILEGIO. | […] | Als man im Jahr dreyssig drey Deutschland thät verheern / | Zu Lüneburg druckten mich in gutem Fried die Stern. | […] [WLB B deutsch 1633 01; Metzger Nr. 1633–501] BIBLIA. | Das ist: | Die gantze H. Schrifft | Deutsch / | D. Mart. Luther. […] Sampt Habermans Gebetbuch / Lutheri Catechismo | vnd Gesangbuch. | Mit Churfürstl. Sächs. PRIVILEGIO. | Prov. 16. V. 7. | Wenn jemands Wege dem HERRN wolgefallen / so machet er auch seine Fein=|de mit jhm zufrieden. | Gal. 5. V. 10. | Wer euch aber jrre macht / der wird sein Vrtheil tragen / | er sey wer er wolle. | Lüneburg / | Gedruckt bey Johann vnd Heinrich Stern / Buch=|händlern daselbst. | Im Jahr 1640. [WLB B deutsch 1639 01; Metzger Nr. 1640–502] BIBLIA, | Das ist / | Die gantze Heilige | Schrifft / Altes vnd Newes | Testaments | Teutsch / | D. Martin. Luthers: | […] von | newen in diese geschmeidige Form gebracht / vnd so | wol zu Hause / in der Kirchen / als zu Wasser vnd Lande / | hochnützlich zu gebrauchen / | Nebenst zu end angefügten Morgen= vnd | AbendGebeten auff alle Tage in der Wochen / | wie auch Christlichen Kirchengesängen. | Mit Röm. Käys. Mayst. Churf. Sächs. | auch Fürstl. Brunschw. vnd Lüneb. PRIVILEGIIS. | Lüneburg / | Bey Johann vnd Heinrich den Sternen / | Gebrüdern. | Im Jahr Christi M. DC. XLVI. [WLB B deutsch 1646 01, Band 1 und 2; Metzger Nr. 1646–501] BIBLIA, | Das ist: | Die gantze Hei=|lige Schrifft / | Verdeütscht durch | D. Mart. Luth. […] Mit angefügten Gesängen / und D. Haber=|manns Morgen= und Abendsegen. | Die Ehre GOttes mehr und mehr zu | befodern | der Reisenden Verlangen zu stil=|len / und der Christenheit in Teütschland / zu dienen / | in diß kleine Format verfasset / dergleichen | noch nie gesehen. | Mit Röm. Käyserl. Majest. Churfürst. | Sächs. auch Landesfürstl. Braunsch. | und Lüneb. Durchl. | PRIVILEGIIS. | Lüneburg / | Bey Gebrüdern / den Sternen. | Anno M D C LIV. [WLB B deutsch 1654 01; Metzger Nr. 1654–503] BIBLIA, | Das ist: | Die gantze H. Schrift | Altes und Neues Testaments | Teutsch / | D. Martin. Luthers, […] Mit anfügung eines geistreichen Gebet= und | Gesangbüchleins / für die Reisenden; | Wie noch nie in solchem Format beysammen | gesehen. | Mit Röm. Käis. Maj. Churf. Sächs. | auch Landes Fürstl. Braunschw. Lüneb. | Durchl. PRIVILEGIIS. | Lüneburg / | Gedruckt und

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II. Quellen

Lü-1691

655

verlegt durch die Sternen / | Im Jahr Christi M. 1659. [WLB B deutsch 1658 01; Metzger Nr. 1658–502] BIBLIA, | Das ist: | Die gantze Heilige | Schrifft / Alten vnd Newen | Testaments | Deutsch / | Martini Lutheri, […] nebenst einer Vorrede des Hoch=Ehrw. Hn. | D. Abrahami Calovii, P. P. Primarii, der Theologischen | Facultät und des geistlichen Consistorii Senioris, auch Churfl. | Sächsis. General-Superintendenten in | Wittenberg. | Wie auch einem Gebet= und Gesang=Büchlein. | Von neuem in diese Form gebracht / und durchgehends mit vielen Kupffern gezieret / | Lüneburg/ Gedruckt und verlegt durch Johann Stern. | Im Jahr Christi M DC LXXXIII. [WLB B deutsch 1683 04; Metzger Nr. 1683–503] BIBLIA, | Das ist | Die gantze hei=|lige | Schrifft / | Verdeutschet durch | D. Martin. Luther. […] Die Ehre Gottes mehr und mehr | zu befördern / der Reisenden Verlan=|gen zu stillen / und der Christenheit in | Deutschland zudienen / in diß kleine For=|mat verfasset. | Mit Röm. Käyserl. Majest. Churfl. Sächsch. | auch Landes=Fürstl. Braunschw. und Lüneb. | Durchläucht. Durchl. | PRIVILEGIIS. | Lüneburg / | Gedruckt und verlegt durch Johan[n] Stern. | Im Jahr Christi 1685. [WLB B deutsch 1685 01; Metzger Nr. 1685–501] BIBLIA, | Das ist / | Die gantze | Heilige Schrifft / | Altes vnd Newes | Testaments | Verteutschet durch / | D. Martin Luthern: […] Dabey auch Hn. Johann Wincklers / | Hamburgischen Pastoris, Vorrede; ferner | Hn. Johann Arndts Informationum Biblicum; | H. D. Johann Gerhards Erklärung des Catechismi / | und Trostbüchlein: | Nebenst Hn. D. Johann Habermanns | Morgen= Abend= und mehr Christl. Gebeten / | Und Hn. D. Martin Luthers und anderer | Geistreichen Männer Gesangbüchlein | befindlich. | Mit Churf. Sächs. und Fürstl. | Brauns. Lüneb. Durchl. | PRIVILEGIEN. | Lüneburg / Gedruckt und verlegt durch Johann Stern. | M DC LXXXIX. [WLB B deutsch 1689 02; Metzger Nr. 1689–503] BIBLIA, | Das ist / | Die gantze | Heilige Schrifft / | Altes und Neues | Testaments / | Verteutschet durch | D. Martin Luthern: […] Dabey Hn. Johann Arndts Informatorium | Biblicum; Hn. D. Joh. Gerhards Erklärung deß Ca=|techismi / Trost=Büchlein / und Abtheilung der Psalmen Da=|vids / sammt einem geistreichen Gebet= und | Gesang=Buch. | Mit Chur=Fürstl. Sächs. und Fürstl. | Braunschw. Lüneburg. Durchl. | PRIVILEGIIS. | Lüneburg / Gedruckt und verlegt durch Johann Stern. | Im Jahr Christi 1690. [WLB B deutsch 1690 01; Metzger Nr. 1690–504] Das Neue | Testament | Unsers HErrn JEsu | Christi / | Sammt dem | Psalter Davids / | Verteutschet durch | D. Martin Luthern: | Wobey | Ein kurtz Gebet= und geist=|reich Gesang=Buch. | Lüneburg / | Gedruckt und verlegt durch Johann Stern. | Im Jahr Christi 1691. [WLB B deutsch 1691 02; Metzger Nr. 1691–502] Das Neue | Testament | Unsers HErrn JEsu | Christi / | Sammt dem | Psalter Davids / | Verteutschet durch | D. Martin Luthern: | Wobey | Ein kurtzes geistreiches Gebet= | und Gesang=Buch. | Lüneburg / | Gedruckt und verlegt durch Johann Stern. | Im Jahr Christi  / 1696. [WLB B deutsch 1696 06; Metzger Nr. 1696–502] BIBLIA, | Das ist / | Die gantze | Heilige Schrifft / | Alten und Neuen Testaments / | Verteutschet durch | D. Martin Luthern: […] Dabey Herrn D. Abraham Calovii Vorrede / | Herrn Johann Arndts Informatorium Biblicum; Herrn | D.

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656

Anhang Joh. Gerhards Erklärung deß Catechismi / Trost=|Büchlein / und Abtheilung der Psalmen | Davids. | Nebenst beygefügtem geistreichen Gebet= | und Gesang=Buch. | Mit Churfürstl. Sächs. auch Landes=Fürstl. | Braunschw. Lüneburg. Durchl. | PRIVILEGIIS. | Lüneburg / | Gedruckt und verlegt durch Johann Stern. | Im Jahr Christi 1698. [WLB B deutsch 1697 05; Metzger Nr. 1697–503] BIBLIA, | Das ist: | Die gantze hei=|lige Schrifft / | Alten und Neuen Testaments / | Verteutschet durch | D. Martin Luthern: […] Die Ehre Gottes mehr und mehr | zu befördern / der Reisenden Verlan=|gen zu stillen / und der Christenheit in | Teutschland zu dienen / in diß kleine Format | verfasset. | Mit Röm. Käyserl. Majest. Churfl. Sächsisch. | auch Landes=Fürstl. Braunschw. und Lüneb. | Durchl. Durchl. | Privilegiis. | Lüneburg / | Gedruckt und verlegt durch Johan[n] Stern. | Im Jahr Christi 1699. [WLB B deutsch 1699 05; Metzger Nr. 1699–502] BIBLIA, | Das ist: | Die gantze | Heilige Schrifft / | Alten und Neuen Testaments / | Verteutschet durch | D. Martin Luthern: […] Dabey Herrn Johan[n] Wincklers / Ham=|burgischen Pastoris, Vorrede: Wie auch Herrn | Johann Arndts Informatorium Biblicum, Herrn D. | Johann Gerhards Erklärung deß Catechismi / Trost=|Büchlein / und Abtheilung der Psalmen | Davids: | Nebenst Herrn D. Johann Habermanns | Morgen= Abend= und andern Christlichen Gebe=|ten / und Herrn D. Martini Lutheri / und anderer | geistreicher Männer Gesang=Büchlein. | Mit Chur=Fürstl. Sächs. auch Landes=Fürstl. | Braunschw. und Lüneburg. Durchl. | PRIVILEGIIS. | Lüneburg / | Gedruckt und verlegt durch Johann Stern. | Im Jahr Christi M.DCC.I. [WLB B deutsch 1701 04; Metzger Nr. 1701–502.] BIBLIA, | Das ist: | Die gantze | Heilige Schrifft / | Alten und Neuen Testaments / | Verteutschet durch | D. Martin Luther. […] Dabey Herrn D. Abraham Calovii Vorrede / | Herrn Johann Arndts Informatorium Biblicum, Herrn | D. Joh. Gerhards Erklärung deß Catechismi / Trost=|Büchlein / und Abtheilung der Psalmen | Davids. | Nebenst beygefügtem geistreichen Gebet= | und Gesang=Buch. | Mit Kön. Pohln. Churfürstl. Sächs. auch | Landes=Fürstl. Braunschw. Lüneburg. Durchl. | PRIVILEGIIS. | Lüneburg / | Gedruckt und verlegt durch Johann Stern. | Im Jahr Christi 1704. [WLB B deutsch 1704 03; Metzger Nr. 1704–506]

d) Kurbrandenburg B-1658

Psalmodia Sacra, | Das ist: | Des Königes und Propheten | Davids | Geistreiche Psalmen / | durch Ambrosium Lobwasser / D. | aus dem Frantzösischen / nach ihren gebräuch=|lichen schönen Melodien / in Deutsche | Reim=Art versetzet: | Denen auch des H. D. Lutheri | und anderer Gottseliger und Christlicher | Leute Geistreiche= so wol alte= als neue Lieder | und Psalmen / wie sie in Evangelischen | Kirchen gebräuchlich / | beygefüget. | Zu nützlichem Kirchen Gebrauch nicht allein | in Vocal= und Instrumental=Stim[m]en übersetzet: Sondern | auch zugleich in diesem Buch mit ihren blossen Melodien | absonderlich verfasset / | von | Johann Crügern / Direct. Music. | in Berlin. | Berlin / Gedruckt bey Christoff Runge / | Im Jahr / 1658. [WLB theol. oct. 10874; Metzger Nr. 1658–004] [Zwischentitel:] D. M. Luthers | wie auch

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II. Quellen

B-1666

F-1666

B-1703

H-1683

657

anderer gottseligen und | Christlichen Leute | Geistliche Lieder | und Psalmen: | Wie sie bisher in Evangelischen | Kirchen dieser Landen gebrauchet | werden. | Denen auch anitzo etliche außerlesene | so wol alte (insonderheit der Böhmi=|schen Brüder) als neue geistreiche | Gesänge beygefüget sind. | Zu Berlin Gedruckt bey Christoff Runge / | Im 1657. Jahre. PRAXIS PIETATIS MELICA: | Das ist: | Vbung der Gottse=|ligkeit in Christlichen und Trost=|reichen Gesängen / | Herrn D. Martini Lutheri fürnemlich / | wie auch anderer seiner getreuen Nachfolger  / und reiner | Evangelischer Lehre Bekenner. | Ordentlich zusammen gebracht / und über vorige Editionen | mit noch verschiedenen Geist= und Trostreichen Gesängen / von neuen | vermehret / und die Stimmen / nach dem Manuscripto des Auctoris | Seligen / übersehen und verbessert: | Und zu Beförderung beydes des Kirchen= als Hauß=Got=|tesdienstes also angeordnet | Von | Johann Crügern / Gub: Lusato, Directore | Musices in Berlin / ad. Div. Nicol: | CANTUS & BASIS. | Mit Churfürstlicher Brandenb: Freyheit / in keinerley Edition nachzudrucken etc. | Editio XII. | Zu Berlin / gedruckt und verleget von Christoff Runge / | Anno 1666. [WLB theol. qt. 1706; Metzger Nr. 1666–011] PRAXIS PIETATIS MELICA: | Das ist: | Ubung der | Gottseligkeit / | In Christlichen und trostreichen | Gesängen | Herrn D. Mart. Lutheri | fürnemlich / wie auch anderer | seiner getreuen Nachfolger / und | reiner Evangelischer Lehr | Bekenner: | Ordentlich zusammen gebracht / | Und / über vorige Editiones, | mit mehr als hundert und dreissig | schönen trostreichen Gesängen vermehrt | und verbessert. | Auch zur Beförderung deß sowol | Kirchen= als Privat=Gottesdienstes / mit | beygesetzten bißhero gebräuchlichen und viel schönen | neuen Melodien / nebenst darzu gehörigem | Fundament verfertiget | Von | Johan[n] Crügern / Gub. Lus. Direct. | Mus. in Berlin ad D.N. | mit Churfürstl. Sächs. Freyheit. | Drucks und Verlags | Balthasar=Christoph Wusts / | in Franckfurt am Mayn. | M. DC. LXVI. [WLB theol. oct. 3605; Metzger Nr. 1666–012] PRAXIS PIETATIS MELICA, | Das ist: | UBung der Gottseligkeit / | In Christlichen und Trostreichen | Gesängen / | Hrn. D. Martini Lutheri für=|nemlich / wie auch anderer seiner getreuen | Nachfolger / und reiner Evangelischer Lehre | Bekenner; | Ordentlich zusammen gebracht / | Und nunmehr | Mit Epistel= und Johann Heermanns Ev=|angeliums=Gesängen bis 1194. vermehret / | Auch zu Beförderung des so wol | Kirchen= als Privat=Gottesdienstes / mit | beygesetzten bishero gebräuchlichen und vielen schönen | neuen Melodien / nebst dem dazu gehörigen | Fundament / angeordnet | Von | Johann Crügern / Gub. Lusat. | Direct. Music. in Berlin / ad Div. Nic. | Nebst Johann Habermanns vermehrtem | Gebät=Buche. | Mit Königl. Preußischer Freyheit / in keiner Edition | nachzudrucken / noch in Dero Landen einzuführen. | Editio XXX. | Berlin / Gedruckt und verlegt von Sel. David Sal=|felds Wittwe / 1703. [WLB G2/18180; Metzger Nr. 1703–007] Musicalischer | Vorschmack / | Der Jauchtzenden Seelen im | ewigen Leben. | Das ist: | Neu=außgefärtigtes / vollständiges und mit | Fleiß durchsehenes nützliches Evangelisch=|Luthrisches | Gesang=Buch / | Darinnen Herrn D. Lutheri und aller ande=|ren Geistreichen Gottseligen so wol Alten als Neuen | Lehrer / wolgesetzte Gesänge / an der Zahl über 1100. Texten / | in richtiger Ordnung befindlich / und mit Discant und | Bass überzeichnet. | Allen Christlichen

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Anhang Hertzen zu sonderm Ge=|brauch / in Freud und Traurigkeit / in der Kirchen | und zu Hause / sich damit auffzurichten / zu Gut / mit allem Fleiß | verfasset / neben dreyen nützlichen Registern / einem Anhang Fest= und | Sonntäglichen Collecten, durchs gantze Jahr / | Und einem schönen | Gebet=Buch / | Ans Licht gegeben auch mit 32. Schrifftmässigen | Sinnen=Bildern bezieret von | PETER SOHREN / | Bestalten Cantore und Organ. der Evangelischen Christli=|chen Gemeine zum H. Leichnam in Elbing. | Hamburg / in Verlegung Hinrich Völckers. | Ratzeburg / gedruckt bey Niclas Nissen / Anno 1683. [WLB theol. oct. 16752; Metzger Nr. 1683–015]

e) Kursachsen L-1605

L-1616

L-1627a

L-1638

L-1627b L-1645

Geistliche Lieder | vnd Psalmen / Durch D. Marti=|num Lutherum / Vnd andere fromme | Christen / nach Ordnung der Jahrzeit | gestellet. | Auffs new widerumb zugericht / | mit vielen Liedern verbessert / auch mit einem | sonderlichen Register / was auff jeglichen Son=|tag vnd Fest zu singen sey. | Leipzig / durch Abraham Lamberg / | Anno M. DC. V. [WLB theol. qt. 2503; Metzger Nr. 1605–501] GEistliche Lieder | vnd Psalmen / | D. Martini Lutheri / Vnd an=|derer frommen Christen. | Sampt den Responsorijs, Hymnis | vnnd Orationibus, Wie die auff einen | jeden Sontag / vnd fürnembste Fest / durchs gantze | Jahr vber / in der Christlichen Kirchen ordentlich | gebraucht werden / mit zweyen nützlichen | Registern. | 1616. | Leipzig / In Verlegung Henning Grossen / des ältern [WLB theol. qt. 4073; Metzger Nr. 1616–502] Geistliche | Lieder / | So von dem Hocherlauchten | Manne Gottes Doctore MARTINO | LUTHERO, vnd andern Geistreichen Männern | gefasset / zusammen getragen / vnd jetzo auffs | new mit vielen herrlichen Liedern vermehret. | Neben angehengtem summarischen | Bericht / von den fürnehmsten Häuptstücken | Christlicher Lehr: Auch wie sich Christliche Com=|municanten zu rechtem Brauch des | Hochwirdigen Abendmahls | schicken sollen. | Mit vorgesetzter newen Vorrede. | Leipzig / | CUM PRIVILEGIO. | In Verlegung Zach. Schürers vnd Matth. Götzen. | Gedruckt bey GREGORIO Ritzsch. | M. DC. XXVII. [SBB Wern Hb 3044] New=Zugerichtetes | GesangBüchlein / | In welches des Hocherleuchten Man=|nes Gottes / Herrn | D. MARTINI LUTHERI, | vnd denn anderer Lehrer vnd | Christen / (deren Namen möglicher | nachricht nach dabey gesetzt) | Lieder / | Nach Ordnung der Jahrszeit / | vnd der Häuptstücke Christlicher | Lehre / | Auffs newe zusammen getragen / | vnd in Druck verfertiget. | Sampt vorgesetzten unterschiedenen | Vorreden/ vnd angehengten nützlichen | Registern. | Cum Privilegio. | Leipzig / | In verlegung Gottfried Grossen | sel. Erben / 1638. [SBB Wern Hb 3046] CANTIONAL, | Oder | Gesang=Buch | Augspurgischer Con=|fession / | In welchem des Herrn D. Martini Lutheri, vnd anderer from[m]en Christen / auch | des Autoris eigene Lieder vnd Psalmen / sampt etli=|chen Hymnis vnd Gebettlein / etc. So in Chur= vnd Fürstenthümen | Sachsen / insonderheit aber in beyden Kirchen vnd Gemei=|nen allhier zu Leipzig bräuchlich. | Verfertiget / vnd mit 4. 5. vnd 6. Stimmen | componiret | Von | Johan-Hermano Schein /

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II. Quellen

L-1682

(Go-1648)

D-1608

659

Grünhain. | Directore der Music daselbsten. | Zum andern mal gedruckt / vnd mit 27. schö=|nen Gesängen vermehret. | Cum Priv. Elect. Sax. 1645. | Leipzig / in Verlegung Jacob Schusters / Buchh. | Gedruckt bey Timotheo Ritzschen / [WLB theol. oct. 15656; Metzger Nr. 1645–004] [Anhang 1645, S. 516:] Folgende | Geistliche Lieder / So mehrentheils vom Au= | thore / nachdem er sein Cantional be=|reit heraus geben gehabt / componiret wor=|den / seynd nebst andern schönen Gesängen allen Lu=|therischen Christ=Hertzen in folgenden Blättern zum | Christlichen Brauch vnd Geistlicher Erqui=|ckung mit angehänget wor=|den. | Leipzig / | Im Jahr Christi 1645. Neu Leipziger | Gesangbuch / | Von den schönsten und bestern Liedern verfasset / | In welchem | Nicht allein des sel. Herrn D. Lutheri | und andere mit Gottes Wort / und unveränderter | Augsburgischer Confession überein stimmende / und in Christlicher Ge=|meine allhier / wie auch anderer reinen Evangelischen Orten und | Landen eingeführete und gebräuchliche Gesänge | Latei=|nische Hymni und Psalmen / |Mit 4. 5. bis 6. Stimmen / | deren Melodeyen | Theils aus Johann Herman Scheins Can-|tional, und andern guten Autoribus zusammen getragen / | theils aber selbsten componiret; | Sondern auch die Passion nach den heiligen Evangelisten | Matthaeo und Johanne / die Auferstehung / die Missa, Praefationes, Respon-|soria und Collecten / auf die gewöhnlichen Sonn= und hohen Festtage / | das Magnificat nach den 8. Tonis, Te Deum laudamus, Sym-|bolum Nicaenum, &c. Choraliter, | Und was sonsten bey dem ordentlichen Gottesdienste gesungen wird / | zu finden: | Mit Fleiß verfertiget und herausgegeben | von | Gottfried VOPELIO, von Zittau / itziger Zeit | bey der Schulen zu S. Nicol. Cantore. | Mit einer Vorrede | D. GEORGII MOEBII, Theol. Prof. Publ. | und dero Zeit der Theologischen Facultät Decani, | welcher auch nach der Vorrede viel nützliche Anmerckungen | hinzu gethan / und darinnen gewiesen / wie in unterschiedlichen Liedern an | gewissen Orten falsch und unrecht gesungen / und wie darneben viel dunckele und un=|deutliche Redensarten recht sollen verstanden werden. | Mit Churf. Sächs. Durchl. Gnädigstem Privilegio | Leipzig / | In Verlegung Christoph Klingers / Buchb. | Druckts Gallus Niemann / 1682. [Auswertung nach Grimm, Vopelius; Titelaufnahme nach dem Faksimile des Expl. der UB Leipzig, ebd. 41.] CANTIONALE | SACRUM, | Das ist / | Geistliche Lieder / | von Christlichen und Trost=|reichen Texten / | Mit 3. 4. 5. oder mehr Stimmen | unterschiedlicher Autorum, | Für die Fürstliche Land= und | andere Schulen im Fürstenthumb | GOTHA / | Auff gnädige Fürstl. Verordnung | in dieses bequeme Format zusam=|men gebracht / […] Zwischentitel:] Geistliche Gesänge | Mit 3. 4. und mehr Stim[m]en / | Welche | Bey Christlichen Leichbe=|stattungen tröstlich können gebrau=|chet werden / auch guten theils allbereit im Brauch sind. | GOTHA / | Typis Reyherianis | Gedruckt durch Johan Michael Schalln. | Im Jahr 1648. [SBB Mus.ant.pract.C 140; Expl. unvollständig; ergänzt aus der digitalisierten Version bei Google Books] Gesangbuch | Christlicher Psalmen / vnd | Kirchen Lieder / D. Martini Lutheri vnd | anderer frommen Christen / Allesampt mit den No=|ten / vnd jhren rechten Melodeyen / wie solche in der Churfürst=|lichen Sächsischen Schloßkirchen zu Dreßden | gesungen werden. | Jetzo abermahl auffs new nach der Jar=|zeit / vnd nach D. Lutheri Catechißmo / fein ordent=|lich zusammen

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D-1678

L-1673

Anhang gebracht / Allen Christlichen from[m]en Hauß=|vätern vnd Hauszmüttern mit jhren Kinderlein / so wol in Heu=|sern / als in Kirchen vnd Schulen / sehr Nütz=|lich vnnd dienstlich. | Mit Churf. Sächs. Befreyhung. | Dreszden / | Bey vnd in Verlegung Christian Bergen. | M. DC. VIII. [SBB Wern Hb 2462] Gesangbuch | Christlicher Psalmen vnd | Kirchenlieder / Herrn D. Martini Lutheri / | vnd anderer gottseligen Lehrer vnd from[m]en Chri=|sten / Theils mit den Noten vnd jhren rechten Melodeyen | gesatzt / | wie sie in der Churf. Sächß. Schloßkirchen | zu Dreßden gesungen werden. | Jtzo auffs newe Revidirt / nach der Jahr=|zeit vnd Herrn Lutheri Catechismo fein ordentlich | zugerichtet / vnd mit vielen Liedern augirt vnd verbessert / | Allen Christlichen Haußvätern vnd Haußmüttern / so wol in | Häusern / als in Kirchen vnd Schulen / | sehr nützlich zusingen. | Cum gratia & privileg. Electorali. | Gedruckt zu Dreßden bey Gimel Bergen / Typo-|graph. Elect. in Vorlegung Andreae Krügers / | Buchhändlers doselbsten. | ANNO | M. DC. XXV. [SBB Wern Hb 2463] Dreßdenisch | Gesangbuch | Christlicher Psalmen und | Kirchenlieder / Herrn D. Martini Lutheri / | und anderer Gottseligen Lehrer und frommen | Christen / theils mit den Noten und ihren rechten Me=|lodeyen gesatzt / wie sie in der Churfürstl. Sächß. | Schloß=Kirchen zu Dreßden gesungen | werden / | Jetzo auffs neue revidirt / nach der Jahr=|zeit und Herrn Lutheri Catechismo fein ordentlich zu|gerichtet / und mit etlich 100. neuen Liedern / neben den vo=|rigen Gesängen vermehret und verbessert / | Allen Christlichen Haußvätern und Haußmüttern / so wohl | in Häusern / als in Kirchen und Schulen | sehr nützlich zugebrauchen. | Cum gratia & privileg. Elector. Saxon. special. | Dreßden / | Verlegt und gedruckt durch Christian und Melchior | Bergen / Gebrüdere / Churfürstl. Sächß Hofe Buch=|druckere / im 1656. Jahre. [SBB Wern Hb 2464] Geistreiches | Gesang=Buch / | An | D. Cornelij Beckers Psalmen | und | Lutherischen Kirchen=Liedern / | mit ihren | Melodeyen unter Discant und Basso, | sammt einem | Kirchen=Gebeth=Buche / | Auf | Chur=Fürstl. Durchl. zu Sachsen etc | Hertzog Johann Georgens des Anderen / | gnädigste Verordnung und Kosten / | für die | Churfl. Häuser und Capellen | aufgeleget und ausgegeben / | im Jahre | 1676. [SBB Wern Hb 2467] Geistreiches | Gesang=Buch / | Begreiffende | D. Corn. Beckers Psalmen | Und | Lutherische Kirchen=Lieder/ | Sam[m]t einem | Kirchen=Gebeht=Buche / | Auf | Kuhrf. Durchl. zu Sachs. | anderweite Gn. Verordnung/ | in | diese geschmeidige Auflage | gebracht. | Dreßden zufinden | bei | Antonio Meißnern. | 1678. [SBB Wern Hb 2469] Vorrath | von alten und neuen | Christl. Gesängen / | nebenst | Kirchen=Gebethen | und | Fest=Andachten / | zum Gebrauch | der Churfl. Sächs. Hoff=Capell zu Dreßden | zusammen gebracht | und | Nebenst einer Vorrede der Theol. Facultät | zu Leipzig | herauß gegeben Anno 1673. | Leipzig / | Verlegtens die Schürisch= und Götzischen Erben | und Johann Fritzsche. | Gedruckt bey Johann Kölern / Im Jahre 1673. [WLB theol. qt. 7338; Metzger Nr. 1673–502]

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II. Quellen

661

f) Nürnberg N-1594

N-1599

N-1607

N-1617

N-1626

Psalmen / | Geistliche Lie=|der vnd Kirchengesenge / | nach Ordnung der | Jahrzeit. | D. Martin Luther. | Auch | Anderer Gottseliger Lehrer vnnd | Männer auffs fleissigest von newem zu=|gericht / vnd in ein richtige Ord=|nung gebracht. | Nürnberg / | M. D. XCIIII. [Druck: Valentin Fuhrmann] [SBB Wern Hb 3395] 525. | Geistliche | Lieder vnd Psal=|men / welche in den Christlichen | Gemeinen vnd Versam[m]lungen / auch | bey außtheilung der Hochwirdigen | Sacrament gesungen wer=|den mögen. | Durch D. Martin Luther / vnd andere | Gottselige Lehrer vnd Männer gemacht | vnd gedichtet. | Alles auffs fleissigst von neuem zugericht / vnnd | nach Ordnung der Jarzeit vnd Sontags Evan=|gelien außgetheilt / mit dreyen sonderlichen Regi=|stern verzeichnet. | Gedruckt zu Nürmberg / bey | Alexander Dieterich. | M D Ic. [SBB Wern Hb 3397] 766 | Geistliche | Psalmen/ Hym=|nen / Lieder vnd Gebet / welche | in den Christlichen Kirchen vnnd Ver=|samblungen / vor vnd nach anhörung deß heili=|gen Göttlichen Worts / wie auch bey der Außthei=|lung deß heiligen Abendmals / vnd sonsten da=|heim von yederman mögen gesun=| gen werden. | Durch den Ehrwirdigen hoch=|erleuchten Herrn D. Martin Luther / | auch andere Gottselige Lehrer vnd Liebha=|ber Göttlichs Worts gemacht. | Alles auffs fleissigst jetzund von neuem | übersehen / corrigirt / alle Psalmen deß gantzen | Psalters gesetzt vnnd vermehrt / die andern Geistliche | Lieder vnd Gesänge in die Jarzeit / vnter die sechs Stück deß | Catechismi / vnd vnter die fürnembste Hauptartickel / vnd | Tittel außgetheilt / sampt beygesetzten vier vn=|terschiedlichen Registern. M. DC. VII. [Druck: Valentin Fuhrmann] [SBB Wern Hb 3400] 760. | Geistliche | Psalmen / Hymnen / | Lieder vnd Gebet / welche in der | Christlichen Evangelischen Kirchen vnd | Versamlungen / so der Augspurgischen Confes=|sion zugethan / vor vnd nach Anhörung deß heiligen göttli=|chen Worts/ wie auch bey der Außtheilung deß heiligen | Abendmals / vnd sonsten daheim von jederman mö=|gen gesungen werden. | Durch den Ehrwürdigen Hocher=|leuchten Herrn D. Martin Luther / auch an=|dere gottselige Lehrer vnd Liebhaber gött=|liches Worts gemacht. | Alles auffs fleissigst jetzund von newem | vbersehen / corrigirt / vermehrt / vnd der gantze | Psalter Gesangsweiß nach desselben Ordnung gesetzt / Die | andern geistlichen Lieder vnd Gesänge nach der Jarzeit / | vnter die sechs Stück deß Catechismi / vnd vnter die fürnembste Häupt=|artickel außgetheilet / etc. Sampt nützlichen vnd notwen=|digen vnterschiedlichen fünff Re=|gistern. | Gedruckt / In Vorlegung Georg Endnders [sic] / deß | eltern / Buchhändlers in Nürnberg. | M. DC. XVII. [SBB Wern Hb 3403] 836. | Geistliche | Psalmen Hymnen | Lieder vnd Gebett welche | in der Christlichen Evangelischen Kirchen | vnd Versam[m]lungen / so der Augspurgischen Confessi=|on zugethan / vor vnd nach anhörung deß heiligen Göttli=|chen Worts / wie auch bey der außtheilung deß heiligen | Abendmals / vnd sonsten daheim von jederman | mögen gesungen werden. | Durch den Ehrwürdigen Hocher=|leuchten Herrn D. Martin Luther / auch andere | Gottselige Lehrer vnd Liebhaber Göttliches | Worts gemacht. | Alles auffs fleissigst jetzundt von neuem | übersehen / corrigiert / vermehrt / vnd der gantze Psalter | Gesangs-

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662

N-1637

N-1654

N-1653

N-1677

Anhang weiß nach desselben Ordnung gesetzt / die andern | Geistliche Lieder vnnd Gesänge nach der Jarzeit / vnter die | sechs Stück deß Catechismi / vn[d] vnter die fürnem[b]ste Haupt=|artickel außgetheilt / etc. Sampt nützlichen vnd not=|wendigen vnterschiedlichen fünff | Registern.  | Nürmberg. | Durch Abraham Wagemann ge=|druckt vnd verlegt | M DC XXVI. [SBB Wern Hb 3404] 864. | Geistliche | Psalmen / Hymni / | Lieder vnnd Gebet / welche in den | Christlichen Evangelischen Kirchen vnd Ver=|sam[b]lungen / so der Augspurgischen Confession zugethan / | vor vnd nach Anhörung deß heiligen Göttlichen Worts / wie | auch bey der außtheilung deß H. Abendmals / vnd sonsten da=|heim von jederman mögen gesungen werden. | Durch den Ehrwürdigen / Hocherleuchten Herrn | D. Martin Luther / auch andere Gottselige | Lehrer vnd Liebhaber Göttlichs Worts | gemacht. | Gantz von newen corrigirt vnd vbersehen / vnd mit vielen An=|mutigen newen Liedern auß newen Autoribus vermehrt / alle Psalmen | deß gantzen Psalters nach ordnung desselben gesetzt / die andern Geistlichen Lieder | vnd Gesänge in die Jahrzeit / vnter die sechs Stück deß Catechismi / vnd vnter | die fürnembste Haupt=Artickel vnd Titul außgetheilt / sampt nützli=|chen / nothwendigen beygesetzten vier vnterschied=|lichen Registern. | Cum gratiâ & privilegio Serenißimi Domini Electoris Saxoniae. | Nürnberg / in Verlegung Wolffgang Endters. | M. DC. XXXVII. [SBB Wern Hb 3407] Bey 1000 | Alte vnd Neue | Geistliche | Psalmen / Lieder | vnd Gebete; welche in den Christli=|chen Evangelischen Kirchen / vnd Häusern / so | der Augspurgischen Confession sind zugethan / | pflegen gesungen zu werden: | Theils von Herrn D. Martin Luther seel: | Theils von andern Gottseligen Lehrern / vnd | Liebhabern deß Worts Gottes / ver=|fasset: | Anitzo aber mit vielen Liedern / so nach kunst=|gründiger Richtigkeit / der / heut zu Tage üblichen / | Poeterey gesetzt sind / vermehret / und in gewisse | Ordnung gebracht. | Mit Churfürstlicher Sächsischer Freiheit. | Gedruckt zu Nürnberg / in Verlegung Wolffgang | Endters / deß Aeltern. | Im Jahr M.DC.LIV. [SBB Wern Hb 3410] Der Irdischen Menschen | himmlische Engelfreude: | das ist/ | Neü zugerichtetes und mit | Fleiß durchsehenes | Gesang=Büchlein. | In welchem nicht al=|lein die gewöhnliche alte | Kirchenlieder der vorigen / son=|dern auch viel neue der itzigen Rei=|nen Lehrer / und anderer Gottsgelehrten | Männer / (derer Namen an dem Register | beigefügt) auf mancherlei Fälle | zubefinden. | Mit Fünff nutzlichen Re=|gistern / und einer | Vorrede | Johann Michael Dilherrns | Predigers bei Sanct Sebald in | Nürnberg / und Professors | daselbsten. | Mit Churf. Sächs. Freiheit | Gedruckt | Bei Wolffgang Endter/ | dem Altern. | Im Jahr 1653. [SBB Wern Hb 487] Nürnbergisches | Gesang=Buch / | Darinnen 1160. außer=|lesene / so wol alt als neue / Geist= | Lehr= und Trostreiche Lieder / auf | allerley Zeit= Freud= und Leid=Fälle | der gantzen Christenheit gerichtet / | und | mit Voransetzung der Autorum Na=|men / auch theils vortreflich=schönen Melo=|dien / Noten und Kupffern gezieret / | zu finden. | Deme beygefüget ein Christliches | Gebet=Büchlein / | in welchem Morgen= Abend= Buß= | Beicht= Communion= Räiß= Wetter= | Krancken= und Sterb=Gebet kürtzlich | enthalten. | Alles zu GOttes Ehr / dann auch zu Be=|förderung frommer Christen Hauß= und Kirchen=|Andachten / aus vieler geistreicher Lehrer und berühm=|ter

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II. Quellen

N-1690

663

Leute Schrifften mit besonderm Fleiß zusam=|men getragen. | Mit einer Vorrede | Herrn Johann Sauberts / der | H. Schrifft Doctoris, Prof. Primar. | und Predigers in Altdorf. | Nürnberg / | In Verlegung Christoph Gerhards und | Sebastian Göbels. | A. C. M. DC. LXXVII. [UBT Gi 75; auch: WLB G 1/1; theol. oct. 6190; Metzger Nr. 1677–007] Nürnbergisches | Gesang=Buch / | Darinnen 1230. auserlesene / | sowol alt als neue / Geist- Lehr- und | Trost-reiche Lieder / auf allerley Zeit= | Freud- und Leid-Fälle der gantzen | Christenheit gerichtet / | und | Mit Voransetzung der Autorum Na=|men / auch theils vortrefflich-schönen Melo=| dien / Noten und Kupffern gezie=|ret / zu finden. | Deme beygefüget ein Christliches | Gebet= Büchlein / | In welchem Morgen- Abend=| Buß- Beicht- Communion- Räiß= | Wetter- Krancken- und Sterb-Gebet | kürtzlich enthalten. | Alles zu GOttes Ehre / dann auch zu Be=|förderung frommer Christen Hauß= und Kirchen= | Andachten / aus vieler geistreicher Lehrer und berühm=|ter Leute Schrifften mit besonderm Fleiß | zusammen getragen. | Mit einer alt- und neuen Vorrede. | Erstlich | Herrn Conrad Feuerleins / | Und dann auch | Herrn Johann Sauberts / der | H. Schrifft Doctoris, Prof. Primar. | und Predigers in Altdorf.| Nürnberg / | In Verlegung Johann Michael Spörlin. | A. C. M. DC. XC. [SBB Wern Hb 3417] Der Kinder GOTTes Jubel=|Schall / | allhie in diesem Threnen=Thal. | Das ist: | Vollständiges | Evangelisches | Gesangbüchlein / | Darinnen theils alte / theils | sonsten in Evangelischen Kirchen | übliche neue | Psalmen und Gesänge / | Herrn D. Martini Lutheri / | dann auch anderer reiner Lehrer | und frommer Hertzen / etc. | zu finden. | So wol zu Hause / als in | der Kirche / und auf der Reise / | höchst=erbaulich zu ge=|brauchen. | Nürnberg / | In Johann Hoffmanns Buch= | und Kunsthändlers Verlag | Anno M D CLXXXVI. [WLB theol. oct. 4536; Metzger Nr. 1686–501]

g) Sonstige Gesangbücher Die an dieser Stelle aufgeführten Drucke sind weder einem der Regionalabschnitte zugeordnet noch wird im Titel ein Herausgeber namentlich genannt. Alle übrigen Werke werden unter 5. nach Autoren bzw. Herausgebern alphabetisch verzeichnet („Sonstige Quellen“, ab S. 668). D. Marth. Luthers | vnd Anderer Gott=|seeliger Leuth | GEistreiche | Lieder / Psalmen | vnd Lobgesänge / Welche | in Evangelischen Kirchen ge=|sungen auch in allerley Nöten | vnd Anliegen können ge=|braucht werden. | 1629 | Dantzigk / Gedruckt durch | Andream Hünefeld. [WLB HBF 1518; Metzger Nr. 1629–502] Geistliche | Psalmen / | Hymnen vnd Gebet / deß | Ehrwürdigen / Hocherleuchten | Herrn D. Martin Lutheri, p. m. | Auch anderer Gottseeli=|gen Lehrer / vnd wahren Lieb=|haber Gottes vnnd seines heyligen | Worts / reinen Augspurgischen Confession | in diesen schönen leßlichen Truck verfertiget / | mit fleißiger Auffsicht Corrigirt / vnd im End | dises mit etlich wenig Gebetlein vnd Gesäng=|lein / wie wir nach dem ewigen Him[m] lischen | Paradeiß / vns hertzlich sehnen / vnd | bereit machen sollen / ver=|mehret. | Verlegt durch Daniel Scheurman / | Ludimoderatorem & Scri-|bam Curialem, | Gedruckt zu Rotenburg ob der Tau=|ber / bey Hieronymo Körnlein / 1630. [WLB theol. oct. 15712; Metzger Nr. 1630–502]

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664

Anhang

Erneuertes Franckfurter | Gesang=Buch / | Darinnen herrliche / außerlesene | Lobgesänge und Geistliche Lieder / D. Martini | Lutheri / wie auch anderer seiner getreuen Nachfol=|ger und reiner Evangelischen Lehre | Bekenner / | Zu Erweck= und Fortpflantzung wahrer | Hertzens=Andacht / auff vieler Gottliebenden | Begehren / mit Fleiß zusammen | getragen. | Benebst einem Bet= Beicht= und Com=|munion=Büchlein / | Meistentheils D. Joh. Habermanns. | Gedruckt zu Franckfurt am Maeyn | Bey und in Verlag Balthasar | Christoph Wusts. | Im Jahr Christi M.DC.LXIV. [WLB theol. oct. 6080; Metzger Nr. 1664–501] PSALMODIA SACRA: | Das ist | Verbessertes | Dortmundisch | Gesang=buch. | Oder: | Geistliche Psalmen | und Lieder / | D. MARTINI LUTHERI, | und anderer reinen | Evangelischen Lehrer / | Zur ehre Gottes / beförderung des wahren | Christenthums / und erweckung offentlicher | kirchen= und privat=andacht. | Mehrentheils nach ordnung der glaubens=articuli / | mit sonderbarem fleiß zusammen getragen. | Dortmund / Gedruckt durch Anton Rühln / In verlegung Jodoci Nellen / Buchbinders. | Im Jahr Christi / 1666. [WLB theol. oct. 14263; Metzger Nr. 1666–501] Neues vollständiges | Eisenachisches | Gesangbuch | worinnen / | in ziemlich bequeemer und füglicher | Ordnung / | vermittels fünffacher Abteilung / | so wol die alte / als neue / doch | mehrenteils bekante | Geistliche Kirchenlieder | und Psalmen / D. Martin Luthers / | und anderer Gottseeligen Männer | befindlich. | Mit besonderm Fleiß auserlesen und zu=|sammen getragen: | Samt darzu gehörigen Registern. | Unter Fürstl. Sächs. absonderlichem | gnädigsten Schutz und Be=|freyung. | EISENACH, | Gedruckt von Johann Günther Rörern / | Fürstl. S. Buchdrucker daselbst. | Im Jahr Chr. 1673. [WLB G2/16380; Metzger Nr. 1673–501]

3. Kirchenordnungen Die Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts werden in der Regel zitiert nach: Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, hg. [begr.] von Emil Sehling, Band I–V: Leipzig 1902–1913, Band VI–XIX: Tübingen 1955–2008. Außerdem wurden folgende Drucke verwendet: KO Württemberg 1582

KO Württ. 1615

KO Württ. 1666

Von Gottes | gnaden vnnser Ludwigs | Hertzogen zu Wiirtemberg / vnd | zu Teckh / Grauen zu Mümpelgart / rc. Sum[m]arischer | vnd einfeltiger Begriff / wie es mit der Lehre vnd Ceremonien in den Kir=|chen Vnsers Fürstenthumbs / auch derselben Kirchen anhangenden Sachen vnnd | Verrichtungen bißher geübt vnd gebraucht / auch fürohin mit verlei=|hung Göttlicher gnaden / gehalten vnd voll=|zogen werden solle. Getruckt zu Tüwingen / im Jar 1582. [UBT LXIII 1b, fol.] KirchenOrd=|nung. | Wie es mit der Lehre vnnd Cere=|monien im Hertzogthumb | Würtemberg angericht | vnd gehalten werden | soll. | Stuttgardt / | Bey Johann Weyrich Reßlin / | Anno M. DC. XV. [UBT LXIII 22d] Kleine | Kirchen=|Ordnung / | Wie es mit der Lehre | und Ceremonien im Hertzog=|thumb Würtemberg angericht | und gehalten werden soll. | Zu Stuttgardt / | Gedruckt und verlegt bey Johann Weyrich Rößlin / | im Jahr 1666. [UBT L XIII 22e]

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II. Quellen

665

Fürstliche | Ordnung / | Wegen Conformität der | Kirchen=Ceremo=|nien / im Hertzogthumb | Würtemberg. | Gedruckt durch Johan[n] Weyrich Rößlin / | Fürstl. Würtemb. Buchdruckern zu | Stuttgardt. | ANNO M. DC. LXVIII. [UBT L XIII 22g] KO Schwäbisch Hall Christliche Agenda | oder | KirchenOrdnu[n]g / | Wie es mit der Lehr 1615 Göttliches | Worts / vnd den Ceremonien, auch mit | andern darzu nothwendigen Sachen / In den | Kirchen / so in eines Erbarn Raths | Deß Heyligen Römischen Reichsstatt | Schwäbischen Hall / Obrigkeit vnd Gebieth | gelegen / soll gehalten werden. | Gedruckt zu Vlm / durch Johann Meder. | M DC XV. [SBB Dr 9524] KO Kurpfalz 1601 Kirchenordnung | wie es mit der Christlichen | Lehre / heyligen Sacramenten / vnd Ceremo=|nien / in des Durchleuchtigsten / Hochgebornen Fürsten | vnd Herrn / Herrn Friderichs Pfaltzgraffen bey Rhein / | des heyligen Römischen Reichs Ertztruchsessen vnd | Churfürsten / Hertzogen in Bayern / Chur=|fürstenthumb gehalten wirdt. | Für die Kirche zu [leer]. [Gedruckt / in der | Churfürstlichen Statt | Haidelberg. ANNO MDCI.] [UBT Gi 794.4] KO Straßburg 1601 KirchenOrdnung / | Wie es mit der Leh=|re Göttliches Worts / vn[d] | den Ceremonien / Auch mit ande=|ren dazu nothwendigen Sachen / | In der Kirchen zu Straßburg / biß hie=|her gehalten worden / Vnd fürohin / mit verlei=|hung Göttlicher Gnade / gehalten werden soll. | Mit Befreyung eines Erbarn Rhats daselbst / Nit nachzudrucken. | Gedruckt zu Straßburg / bey Jost Martin | am Kornmarckt / | ANNO M. DCI. [UBT Gi 75.4-OR] KO BraunschweigKirchenordnung | Vnnser / von | Gottes Genaden / | Julij Hertzogen Wolfenbüttel 1569 zu | Braunschweig vnd Lüneburg / etc. | Wie es mit Lehr vnd Ceremonien vnsers Für=|stenthumbs Braunschweig / Wulffenbütlischen | Theils / auch derselben Kirchen anhangenden | sachen vnd verrichtungen / hinfurt | (vermittelst Göttlicher Gna=|den) gehalten wer=|den sol. | Gedruckt zu Wulffenbüttel / | durch Cunradt Horn. | M. D. LXIX. [UBT Gi 74.4] KO BraunschweigKirchen=Ordnung | Des Durchleuchtigen / Hochwürdigen / vnd | Lüneburg 1643 Hochgebornen Fürsten vnd Herrn / | HErrn Friederichen / | Hertzogen zu Braunschweig vnd Lüneburg / | Po-|stulirten Coadjutorn des Stiffts Ratzeburg / Erwehlten | ThumbProbsten des Ertzstifftes Bremen / etc. | Wie es mit Lehr vnd Ceremonien / auch andern geistlichen Sachen vnd Verrichtungen in beyden Sr. | Fürstl. Gn. Fürstenthümen Braunschweig: Lüneburg / | Cellischen vnd Grubenhagischen Theils / auch angehörigen | Graff: vnd Herrschafften gehalten wer=|den sol. | Auff S. F. Gn. Befehl vnd Anordnung wiederumb | in Druck gegeben. | Lüneburg | Bey den Sternen / | ANNO M.DC.XLIII. [SBB Dr 9937]

KO Württ. 1668

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Anhang AGENDA | Oder: | Erster Theyl der | Kirchen=Ordnung / | Unser von Gottes Gnaden | Augusti, | Herzogen zu Bruns=Wyk  | und Lunä=Burg. | Wy es mit den[n] Ceremonien / auch andern | nootwendigen Sachen und Verrichtungen in den[n] Kir=|chen Unserer Fürstentume Graf=Herrschaften und | Landen zu halten. | Gedrukt in Sr. Fürstl. Gn. Residenz und Vestung | Wolfen=Büttel / | Bey den[n] Sternen / Im Jaar / 1657. [SBB Dr 8754] Magdeburg: vnd Halber=|stadische | KIRCHEN=|AGENDA, | Auff sonderbaren gnädigsten Befehl | Des Durchlauchtigsten / Großmäch=|tigsten Fürsten vnd Herrn / | Herrn | GVstav=ADolphs / | der Schweden / Gothen vnd Wenden | Königs / GroßFürsten zu Finland / Hertzogen | zu Ehesten vnd Carelen / Herrn über Inger=|manLand / etc. | Verfasset | Im Jahr Christi M. DC. XXXII. | Hall in Sachsen / | In verlegung Melchior Oelschlegels | Buchführers. [UBT Fo XIIa 538.4]

KO BraunschweigLüneburg 1657

KO MagdeburgHalberstadt 1632

4. Leichenpredigten Die benutzten Leichenpredigten stammen aus dem Bestand der UBT. Sie sind hier mit Verweis auf die jeweilige Sammelsignatur nach den Namen der Verstorbenen geordnet. Gibt es zu einer Person mehrere Predigten, wird zur Unterscheidung der Name des Predigers (Pr.) vermerkt. Adam, Caspar (1704): UBT L XVI 41.4 Adamin, Anna Dorothea (1707): UBT L XVI 41.4 Adelsheim, Benigna von (1674): UBT L XVI 41.4 Alber, Margreta (1655): UBT L XVI 41.4 Andler, Anna Dorothea (1683): UBT L XVI 41.4 Andler, Johann Daniel (1668): UBT L XVI 41.4 Andler, Johann Isaac (1698): UBT L XVI 41.4 Andler, Johann Jacob (1682): UBT L XVI 41.4 Andler, Johanna (1638): UBT L XVI 41.4 Andler, Sabina Regina (1702): UBT L XVI 41.4 Andreae, Jacob (1590): UBT L XVI 41.4 (Pr.: Lucas Osiander) Andreae, Jacob (1590): UBT L XVI 41.4 (lat. Oratio funebris von Jacob Heerbrand) Andreae, Johannes (1630): UBT L XVI 41.4 Andreae, Johann Valentin (1654): UBT L XVI 41.4 Anweil, Eberhard Friedrich von (1664): UBT L XVI 41.4 Anweil, Hans Burkhard von (1593): UBT L XVI 41.4. 1. Pr.: Johann Georg Sigwart Anweyl, Ludwig Friedrich von (1646): UBT L XVI 41.4. 1. Pr.: Johann Ulrich Pregitzer Aulber, Christina (1666): UBT L XVI 41.4 Aulber, Matthäus (1689): UBT L XVI 41.4 Bachmeierin, Sabina (1674): UBT L XVI 42.4 Backmeister, Heinrich (1692): UBT L XVI 42.4 Bader, Christoph (1686): UBT L XVI 42.4 Bader, Anna Maria (1686): UBT L XVI 42.4

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II. Quellen

667

Baderin, Anna Elisabetha (1664): UBT L XVI 42.4 Bähr, Georg Friedrich (1667): UBT L XVI 42.4 Baldenhofer, Christian Samuel (1692): UBT L XVI 42.4 Bansovius, Regina (1609): UBT L XVI 42.4 Bardili, Anna Catharina (1690): UBT L XVI 42.4 Bardili, Burkhard (1692): UBT L XVI 42.4 Bardili, Justina (1705): UBT L XVI 42.4 Bäurlin, Johann (1629): UBT L XVI 42.4 Bäurlin, Ursula Rosina (1676): UBT L XVI 42.4 Bechtin, Maria Margaretha (1696): UBT L XVI 42.4 Cotta, Johann Georg d. Ä. (1692): UBT L XVI 51.4 Cotta, Johann Georg d. J. (1712): UBT L XVI 51.4 Crafft, Ferdinand (1714): UBT L XVI 51.4 Cronegh, Maria von (1671): UBT L XVI 51.4 Crusius, Martin (1607): UBT L XVI 51.4 Cummerell, Johann David (1675): UBT L XVI 51.4 und 126.4 Curer, Anna Maria (1660): UBT L XVI 51.4 Curz, Agnes Maria (1692): UBT L XVI 51.4 Herrmann, Johann (1616): UBT 912.4 Hiller, Johann Heinrich (1670): UBT L XVI 126.4 Lansius, Thomas (1658): UBT L XVI 126.4 Lauterbach, Wolfgang Adam (1679): UBT L XVI 126.4 Laux, Johann Friedrich (1669): UBT L XVI 69.4 Lay, Johann (1660): UBT L XVI 69.4 Lechner, Leonhard (1607): UBT L XVI 69.4 Lederin, Anna (1665): UBT L XVI 69.4 Lentz, Johann Caspar (1668): UBT L XVI 126.4 Liebenstein, Albert von (1608): UBT L XVI 69.4. 1. Pr.: Georgius Tröster; 3. Pr.: Kilian Loelius; 4. Pr.: Daniel Xylander; 5. Pr.: Bartholomäus Eyselin Liebenstein, Hans von (1564): UBT L XVI 69.4 Limpurg, Otto Heinrich zu (1654): UBT L XVI 69.4 Lindenmeier, Christoph (1667): UBT L XVI 69.4 Löffler, Jacob (1638): UBT L XVI 69.4 Mögling, Israel (1601): UBT L XVI UBT L XVI 25.4 Myler von Ehrenbach, Nicolaus (1677): UBT L XVI 126.4 Neu, Joachim Christian (1675): UBT L XVI 126.4 Parsimonius, Johannes (1589): UBT L XVI 78.4 Perger, Georg Christoph (1627): UBT L XVI 78.4 Pflaumern, Peter von (1655): UBT L XVI 78.4 Pistorius, Jeremias (1606): UBT L XVI 78.4 Plattenhardt, Lucas (1648): UBT L XVI 78.4 Pregitzer, Johann Ulrich (1708): UBT L XVI 78.4 Pregitzerin, Maria Barbara (1687): UBT L XVI 78.4 Prophalus, Maria Margaretha (1668): UBT L XVI 78.4 Rümelin, Johann Ulrich (1679): UBT L XVI 126.4 Schaffalitzky, Bernhard (1662): UBT L XVI 22.2. 1. Pr.: Georg Christoph Hochaicher Schaffalitzky, Ernst Christoph (1662): UBT L XVI 22.2

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Anhang

Schaffalitzky, Margaretha Elisabeth (1662): UBT L XVI 22.2. 1. Pr.: Tobias Cantstetter; 2. Pr.: Georg Christoph Hochaicher Scheinemann, David (1676): UBT L XVI 126.4 Seufferheld, Georg Friedrich (1687): UBT L XVI 22.2 Sibylle von Württemberg (1615): UBT Gi 912.4 (Funeraldruck mit durchlaufender Paginierung, neun Predigten [Pr.: Erasmus Grüninger; Theodor Thumm u. a.] und Verzeichnis der Leichprozessionsordnung) Stockheim, Johann Eberhard von (1676): UBT L XVI 22.2. 1. Pr.: Johannes Laurentius Schmidlin; 2. Pr.: Johann David Flattich; 3. Pr.: Joachim Erich Turbanus Stockmayer, Christoph Friedrich (1737): UBT L XVI 22.2 Stolberg, Anna Amalia von (1671): UBT L XVI 22.2 Volmar, Johann Christoph (1696): UBT L XVI 140.4 (Dankrede) Wagner, Georg Friedrich (1672): UBT L XVI 126.4 Wichsenstein, Agatha von (1589): UBT 17A 4179 Wolmershäuser, David (1630): UBT L XVI 140.4 Zeller, Christoph (1669): UBT L XVI 140.4 (Leichenpredigt und lat. akademische Trauerrede) Zeller, Johann Ulrich (1674): UBT L XVI 126.4 Ziegler, Michael (1615): UBT L XVI 140.4 Zorer, Ludwig Georg (1668): UBT L XVI 126.4 Zückwolff, Johann Jakob (1630): UBT L XVI 140.4

5. Sonstige Quellen Albert, Heinrich: Erster Theil | der | Arien | Etlicher theils Geist=|licher / theils Weltlicher / zur Andacht / guten Sitten / | keüscher Liebe vnd Ehren=Lust dienender | Lieder. | Zum Singen vnd Spielen gesetzet / | Vnd | Denen Durchlauchtigsten / Hochgebohrnen Fürstinnen | vnd Fräwlein / | Fräwlein Louisen=Charlotten | Vnd | Fräwlein Hedewig=Sophien / | Marggräffinnen vnd Churfürstlichen Princessinnen zu Bran=|denburg / etc. etc. etc. | Anno 1642. Vnterthänigst zugeschrieben | Von | Heinrich Alberten. | Mit Königl: Mayt: zu Pohlen vnd Schweden / etc. etc. etc. | Wie auch Churfl: Durchl: zu Brandenburg: etc. etc. etc. | PRIVILEGIIS. | In Verlegung des Autoris. | Königsberg in Preussen / | Zum drittenmal gedruckt bey Paschen Mensen / im Jahr vnsers Heyls 1646. [UBT De 1] — Ander Theil | der | Arien | Etlicher theils Geist=|licher / theils weltlicher / zur Andacht / guten | Sitten / Keüscher Liebe vnd Ehren=Lust | dienender | Reime / | zum singen vnd spielen | gesetzet | Vnd | Dem Fürtrefflichsten vnd Welt=berümbten | Hn. Heinrich Schützen / Königl: Maytt: in Denne=|marcken vnd Norwegen etc. etc. etc. wie auch Churfl. Durchl. | zu Sachsen etc. etc. etc. wolbestalten Capellmeister / | Als seinem hochgeEhrten Herrn Oheim | Ao: 1640 zugeschrieben | Von | Heinrich Alberten. | Jetzo zum andern mal vom Autore dem Druck vbergeben | in etwas verbessert vnd verlegt / | Mit Churfl. Durchl. zu Brandenb. etc. etc. etc. Freyheit | nicht nach zudrucken / | Zu Königsberg in Preüssen / bey Paschen Mense / | Im Jahr vnsers Heyls 1643. [UBT De 1] — Dritter Theil | der | Arien | Etlicher theils Geist=|licher theils Weltlicher / zur Andacht / guten | Sitten / keüscher Liebe vnd Ehren=Lust | dienender | Reime / | Zum Singen vnd Spielen | gesetzet | Vnd | Denen GroßAchtbarn / Hoch= vnd Wolweysen / | auch Hoch= vnd Wolgelahrten Bürgermeister vnd Raht | der löblichen Stadt Kneiphoff Königßberg | Dienstlichen zugeschrieben | Von | Heinrich Alberten. | Mit Churfl. Durchl. zu Brandenb.

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II. Quellen

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etc. etc. etc. Freyheit | nicht nach=zudrucken / Zum andern mahl vom Autore dem Druck vbergeben | vnd in etwas verbessert; | Jetzo in Verlegung Hn. Cornelius Mohrman. | Zu Königßberg in Preüssen / bey Paschen Mense / | Im Jahr Christi / 1643. [UBT De 1] — Vierter Theil | der | Arien | Etlicher theils Geist=|licher / theils Weltlicher / zur Andacht / guten Sitten / | keüscher Liebe vnd Ehren=Lust dienender | Lieder. | Zum Singen vnd Spielen | gesetzet | Vnd | Denen Groß=Achtbaren / Hoch= vnd Wolweysen / auch Hoch= | vnd Wolgelahrten Bürgermeister vnd Raht der löblichen | Alten=Stadt Königsberg | Dienstlichen zugeschrieben | Von | Heinrich Alberten. | Mit Churfürstl: Durchl: zu Brandenburg / etc. etc. etc. Freyheit / | nicht nach=zudrucken / In Verlegung des Autoris / zum andern mahl auffgelegt | Zu Königsberg in Preüssen / bey Paschen Mense / | Im Jahr vnsers Heyls 1645. [UBT De 1] — Fünffter Theil | der | Arien | Etlicher theils Geist=|licher / theils Weltlicher / zur Andacht / guten Sitten / | keüscher Liebe vnd Ehren=Lust dienender | Lieder. | Auff vnterschiedliche Arten zum Singen vnd | Spielen gesetzet | Von | Heinrich Alberten. | Mit Churfl: Durchl: zu Brandenb: etc. etc. etc. | Privilegio. | In Verlegung des Autoris / | Zum andern mahl gedruckt zu Königsberg in Preüssen bey Pasche Mensen / | Im Jahr vnsers Heyls 1645. [UBT De 1] — Sechster Theil | der | Arien | Etlicher theils Geist=|licher / theils Weltlicher / zur Andacht / guten Sitten / | keüscher Liebe vnd Ehren=Lust dienender | Reyme. | Zum Singen vnd Spielen gesetzet | Vnd | DEm Wolwürdigen / Hoch=Edelgebornen / Gestrengend vnd | Vesten / Herrn Conrad von Burckstorff / Churfl Brandenb. OberCammer=|herrn […] | 1645 | Zu schuldigster Dienst=Bezeügung | zugeschrieben | Von | Heinrich Alberten. | Mit Churfl: Durchl: zu Brandenburg: etc. etc. etc. | PRIVILEGIO. | Gedruckt zu Königsberg in Preussen bey Paschen Mense / | In Verlegung des Autoris. [UBT De 1] — Siebender Theil | der | Arien / | Etlicher theils Geist=|licher: sonderlich zum Trost in allerhand Creütz | vnd Widerwerdigkeit / | wie auch zur Erweckung seeligen | SterbensLust; theils Weltlicher: zu geziemen=|den Ehren=Frewden vnd keüscher Liebe | dienender | Lieder / | Zu singen | gesetzet | von | Heinrich Alberten. | 1648. | Mit Königlicher Mayt: in Pohlen vnd Schweden etc. etc. etc. | Wie auch Churfl. Durchl. zu Brandenburg etc. etc. etc. | PRIVILEGIIS nicht nachzudrucken. | Gedruckt zu Königsberg in Preussen bey Paschen Mense / | In Verlegung des Autoris. [UBT De 1] — Achter Theil | der | Arien / | Etlicher theils Geist=|licher / viel schöner Lehr= und Trostreicher; Theils | Weltlicher / zu Ehrlicher Liebe und geziemender | Ergetzlichkeit dienender | Lieder / | Componirt | Von | Heinrich Alberten. | 1650. | Mit Röm: Kayserl. Mayt. etc. etc. etc. | auch | Königlicher Mayt: in Polen und Schweden / etc. etc. etc. | und | Churfl. Durchl. zu Brandenburg etc. etc. etc. | PRIVILEGIIS nicht nachzudrucken. | In Verlegung des Autoris | Gedruckt zu Königsberg in Preussen | bey Paschen Mense. [UBT De 1] — Heinrich Albert | ARIEN | Erster Theil / | Darinnen die jenige Geistliche | Lieder / so in seinen 6. unterschiedenen | Theilen vorhin in Folio gedruckt: Jetzo aber | zu besserem Nutz und Brauch / sampt dem Basso | Continuo in solche kleinere Form als ein | Vade Mecum zum Druck befö=|dert und verleget  | Von | Ambrosio Profe. | Gedruckt zu Leipzig in Fried. Lanckisch. Druckerey durch | Christoph. Cellarium, und bey demselben zu | finden. Anno 1657. [60 Nummern] [„Ander Theil“: dasselbe, weltliche Lieder der Arien, Druck und Verlag: Brieg 1657, bei Christoff Tschorn; 74 Nummern] [UBT De 10] Anselm von Canterbury [zugeschrieben]: Admonitio morienti et de peccatis suis nimium formidanti, in: PL 158, Paris 1853, Sp. 685–688. [Pseud-]Augustinus: Manuale, in: PL 40, Paris 1887, Sp. 951–968.

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Anhang

Ayrer [Ayerer], Jacob: Historischer Processus | IVRIS. | In welchem sich Lucifer vber Jesum / | darumb daß er jhme die Hellen zerstört / eingenomen / die gefan= | gene darauß erlößt / vnd hingegen jhnen Lucifern gefangen vnd gebun= | den habe / auff das aller hefftigest beklaget. | […] Durch | Jacob Ayerern beyder Rechten Doctoren vnd Aduocaten in Nürenberg. | Sampt einem angehenckten vollkommenen Register. | Mit sonderlichen Röm. Key. May. Priuilegien vnd Freyheiten / auff zehen Jahr nicht nach zutrucken / begnadet. | Getruckt zu Franckfort am Mayn / durch Nicolaum Bassaeum. | M. D. XCVII. [UBT Hh 17] [Spätere Ausgabe 1691: Historischer | PROCESSUS | JURIS. […] Durch | JACOBUM Ayrern beyder Rechten Doctorem und Advocatum | in Nürnberg. | Worzu in dieser neu auffgelegten Edition noch gekommen sind | ADDITIONES | AHASVERI FRITSCHII, J. U. D. | & quorundam celeberrimorum JCtorum in foro Saxonico | Formulae usitatae. | Sampt einem angehenckten Lateinischen vollkommenen Register. | Cum Privilegio S. Majest. & Elect. Saxon. | Franckfurt am Mayn / | In Verlegung Johann Melchior Bencard. | ANNO M DC XCI.] [UBT Hh 41] Bidembach, Felix: Manuale Ministrorum | Ecclesiae, | Handbuch. | Darinnen | Volgende sieben Stuck begriffen. | 1. Euangelia vnd Epistolae / auff das gantze Jar / | mit kurtzen summarischen Dispositionibus. | 2. Passio Christi / auß den vier Euangelisten / cum Annotatione Locorum Communium. | 3. Fünffhundert zu Leichtpredigten außerlesene Text / | auff alle Fäll / | in 10. Classes außgetheilet. | 4. Hundert außerlesener Text zu Hochzeitspredigten. | 5. Bericht / wie mit Krancken vnd Sterbenden zu=|handeln. | 6. Bedencken / wie den Melancholicis zurhaten. | 7. Bericht / wie mit den Maleficanten / so zum To=|de verurtheilet / zuhandlen. | Für die junge angehende Kirchen=|diener / im Hertzogthumb Wür=|temberg / zugerichtet / | Durch | Felicem Bidembachivm, | Würtembergischen Hoffpredigern. | AD LECTOREM. | Wahin diß alles angesehen / vnd was hierinnen wei=|ters begriffen / befindet sich auß der Vorrede des Au-|thoris / vnd dem Register. | Mit Churfürst. Sächsischem Priuilegio, | Getruckt zu Tübingen / in verlegung Georgen | Gruppenbachs / vnd Henning Grossen / Buch=|händlers zu Leipzig. 1603. [UBT Gi 233] Birken, Sigmund von: Todten-Andenken und Himmels-Gedanken oder Gottes- und TodesGedanken, hg. von Johann Anselm Steiger (ders.: Werke und Korrespondenz, Band 5/I und II: Teil I: Texte; Teil II: Apparate und Kommentare), Tübingen 2009. Clauder, Joseph: Psalmodia Nova, | Sive | SELECTISSIMORUM | HYMNORUM, AD HOMI-|nis ̡Ѿ̨̡̛̣̬̝̩, ̡Ѿ̴̢̛̝̩ ̦̝Ҡ ̡Ѿ̛̤̝̩̝̮̝̩ | facientium. | Centuria I. | Sic elaborata, ut Latinus Germa-|nico Versui facilè, rhythmicè ac | sine elisione respondeat | Das ist: | Hundert Christliche | Morgen= Abend= Tisch= vnd zu ei=|nem Gott wohlgefälligen Leben / vnd seli=|gen Sterben dienliche Gebet=Lieder: in | gleichstimmige Lateinische Reimen versetzet / | Vnd jetzo zum andernmahl mit Fleiß | vbersehen / auch mit den sonderbaren Melo=|deyen vermehret / von | M. JOSEPHO CLAUDERO, P.L.C. | vnd Schul=Rectore zu Altenburg. | LIPSIAE, Sumptibus Eliae Rehefeldii, | Anno, quo | HVIVs & ILLIVs PIetas Dat MVnera VItae [1630]. [WLB theol. oct. 3155; Metzger Nr. 1630–003] Dach, Simon: Gedichte, hg. von Walther Ziesemer (Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft, Sonderreihe 4–7), Band I–IV, Halle/Saale 1936–1938. Dilherr, Johann Michael: Hertz= und Seelen=Speise / | Oder | Emblematische | Haus= | und | Reis=Postill: | in welcher | Alle Sonn= und Festtägliche Evangelia | gründlich erkläret / und der Christliche Nutzen / zu | Stärckung deß Glaubens / und Besserung deß Le=|bens / deutlich gezeiget / die gantze Predigt zuletzt auf das al=|lerkürtzeste wiederholet / und mit einem Sinn=|bild beschlossen wird: | Der Gemeine GOttes / in der Kirchen zu S. | Sebald / im Jahr CHristi 1660. also | fürgetragen / | von | Johann Michael Dilherrn / | Predigern zu

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II. Quellen

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S. Sebald in | Nürnberg / und Professorn | daselbsten. | Nürnberg / | Gedruckt und verlegt durch Michael Endtern / | Im Jahr Christi 1661. [WLB theol. oct. 4014] Freylinghausen, Johann Anastasius: Geistreiches Gesangbuch. Edition und Kommentar, im Auftrag der Franckeschen Stiftungen zu Halle hg. von Dianne Marie McCullen und Wolfgang Miersemann. Band I: Geist=reiches Gesang=buch (Halle, vierte Ausgabe 1708), Teil 1–2, Tübingen 2004–2006. Gelbke, Johann Heinrich: Herzog Ernst der Erste genannt der Fromme zu Gotha als Mensch und Regent. Eine historische Darstellung aus Acten und bewährten Druckschriften gezogen und mit einem Urkundenbuche herausgegeben von Johann Heinrich Gelbke, Herzogl. Sachsen=Gothaischem Oberconsistorialrath. Dritter Band: Urkundenbuch, Gotha, bey Justus Perthes 1810. Faksimile Ann Arbor, Mi./London 1982. Gerber, Christian: Historia | derer | Wiedergebohrnen | in | Sachsen, | Oder Exempel solcher Personen, mit de=| nen sich im Leben, oder im Tode viel merck=|würdiges zugetragen; | Als eine Continuation | Von | M. Bruno Qvinos, weil. Pred. | in Zittau | DISCE MORI, | Oder | Sterbe=Kunst / | Sowohl aus gewissen Urkunden, als eigener | Erfahrung gesammlet | Von | Christian Gerbern, | Past. in Lockwitz. | Dreßden, | Bey Joh. Jacob Wincklers sel. Wittbe. [Datierung im Titel zum Anderen Theil: 1726] [UBT 36A 18563] — Historie | Der | Kirchen=|CEREMONIEN | in Sachsen; | Nach ihrer Beschaffenheit in möglichster | Kürtze mit Anführung vieler Moralien / | und specialen Nachrichten | Verfasset | Von | Christian Gerbern / | Past. sen. | in Lockwitz. | Dresden und Leipzig / | Zu finden bey Raphael Christian Sauereßig / 1732. [UBT Gh 263] Gerhard, Johann: Ioannis Gerhardi Loci theologici cum pro adstruenda veritate tum pro destruenda quorumvis contradicentium falsitate per theses nervose solide et copiose explicati, hg. v. E. Preuss, 9 Bde., Berlin 1863–1875 (abgekürzt Loc.). Gerhardt, Paul: Geistliche Andachten [1667]. Samt den übrigen Liedern und lateinischen Gedichten hg. von Friedhelm Kemp, mit einem Beitrag von Walter Blankenburg, Bern/ München 1975 [Faksimile der Ausgabe Berlin 1667]. [Originaltitel:] PAULI GERHARDI | Geistliche Andachten | Bestehend in hundert und zwantzig | Liedern / | Auff | Hoher und vornehmer Herren Anfoderung in ein | Buch gebracht / | Der göttlichen Majestät zu foderst | Zu Ehren / denn auch der werthen und bedrängten Christen=|heit zu Trost / und einer jedweden gläubigen Seelen | Zu Vermehrung ihres Christenthums | Also | Dutzendweise mit neuen sechsstimmigen Me=|lodeyen gezieret. | Hervor gegeben und verlegt | Von | JOHANN GEORG EBELING / | Der Berlinischen Haupt=Kirchen | Music: Director. | BERLIN / | Gedruckt bey Christoff Rungen / | ANNO M DC LXVII. — PAULI GERHARDI | Geistreiche | Andachten | Bestehend in CXX. Liedern. | Auf alle Sonntage / und | gewisse Zeiten im Jahr | gerichtet / | Samt einer nutzlichen Vorrede | Conrad Feuerleins / Predigers | zu unser Lieben Frauen in | Nürnberg. | Vor diesem mit sechs Stimmen in | folio gedrucket / | Um besserer Bequemlichkeit aber | bey sich zu haben in sothanes format ge-|bracht / und mit zwey Stim[m]en / zum drittenmal / nebst | einem Anhang etlicher auserlesenen Gebete / | herfür gegeben | Von | Johann Georg Ebeling / des Gymn. | Carolini Profess. Music. | Nürnberg / | In Verlegung Christoff Riegels. | Gedruckt bey Joh. Michael Spörlin. | ANNO M DC LXXXIII. [SBB Wern Hb 660 und 661] Gerson, Johannes: Incipit opusculu[m] trip[ar]titum de p[rae]ceptis decalogi, De c[on]fessione, et de arte moriendi p[er] eximium sacre theologie p[ro]fessorem Magistrum ioha[n]nem de Jersona alme vniuersitatis p[ar]isiens[is] Cancellarium [Druck: Urach 1481]. [UBT Inc Gb 708] — Tabula de Arte morie[n]di Maistri joha[n]nis gerson ca[n]cellarij parisiensis doctoris sacre theologie [Druck: 1482]. [UBT Inc Gb 205]

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Anhang

Heermann, Johann: DEVOTI MUSICA | Cordis. | Hauß= vnd Hertz= | Musica. | Das ist: | Allerley geistliche Lieder / aus | den H. Kirchenlehrern vnd selbst | eigner Andacht / | Auff bekandte / vnd in vnsern Kir=|chen vbliche Weisen verfasset | Durch | Johann. Heermannum / | Pfarrn zu Köben. | In Verlegung David Müllers | Buchhändlers zu Breßlaw / | Gedruckt zu Leipzig durch Johann | Albrecht Mintzeln / | Im Jahr | M DC XXX. [SBB Eh 6611] — DEVOTI MUSICA | Cordis. | Hauß= vnd Hertz=|Musica. | Das ist: | Allerley geistliche Lieder / aus | den H. Kirchenlehrern / vnd selbst | eigner Andacht / | Auff bekandte / vnd in vnsern Kirchen | vbliche Weisen verfasset | Durch | Johannem Heermannum, | P. L. C. Pfarrn zu Köben. | Leipzig / | In Verlegung David Müllers / | Buchhändlers in Breßlaw. | Anno M. DC. XXXVI. [SBB Eh 6611] — DEVOTI MUSICA | CORDIS, | Haus= vnd Hertz=|Musica. | Das ist: | Allerley Geistliche Lieder / aus | der H. Kirchenlehrer / vnd selbst=eige=|ner Andacht / auf bekan[n]te / vnd in vn=|sern Kirchen übliche Weisen | verfasset: | Vnd jetzo aufs newe mit Fleiß | übersehen / vnd vermehret | durch | Johann Heerman / Pfarrern | zu Köben. | Leipzig / | In Verlegung Caspar Klosemanns des | Jüngern / Buchhändlers in Breßlaw. | Anno M DC XLIV. [SBB Eh 6615] — Sontags= vnd | Fest= | Evangelia / | durchs gantze Jahr / | Auff bekandte Weisen gesetzt / | Von | Johann. Heerman / | Pfarrn zu Köben. | Leipzig / | In Verlegung David Müllers / | Buchhändlers in Breßlaw. | Anno M DC XXXVI. [SBB Eh 6613] — Zwölff | Geistliche Lieder / | jetziger Zeit nützlich zu | singen / | Auffgesetzet | Von | Johanne Heermanno | P. L. C. Pfarrn zu Köben. | Leipzig / | In Verlegung David Müllers / | Buchh. sel Erben in Breßlaw. | Im Jahr 1639. [SBB Eh 6611] Herman, Nicolaus: Die Sontags | Euangelia / vnd von den | fürnemsten Festen vber das gan=|tze Jar / in Gesenge verfasset fur Christ=|liche Hausveter vnd jre Kinder / Mit | vleis corrigirt / gebessert vnd ge=|mehret / Durch | Nicolaum Herman im | Jochimsthal. […] Witteberg / 1562. [Bibl. Pal. Mikrofiche F 2725/2726] Herodotus. With an English translation by A. D. Godley, Band 1–4, London/Cambridge, Mass. 1957. Hütter [Hutter], Leonhart: COMPENDIUM LOCORUM THEOLOGICORUM EX SCRIPTURIS SACRIS ET LIBRO CONCORDIAE. Lateinisch – deutsch – englisch. Kritisch hg., komm. und mit einem Nachwort sowie einer Bibliographie sämtlicher Drucke des Compendium versehen von Johann Anselm Steiger (Doctrina et pietas 3), Stuttgart-Bad Cannstatt 2006 (abgekürzt Comp.). [Erstausgabe: lat. Wittenberg 1610; dt. Wittenberg 1613; der Edition zugrundeliegende Ausgabe: Wittenberg 1661] Kaldenbach, Christoph: Christoph Kaldenbachs | Deutscher Grab=Getichte | Anderes Theil. | Drey Bücher. | Gedruckt zu Elbing bey Achatz Corellen / | Im 1648. Jahre. [UB Tü Dk XI 204] König, Johann Friedrich: Theologia positiva acroamatica (Rostock 1664), hg. und übers. von Andreas Stegmann, Tübingen 2006. Luther, Martin: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Weimar 1883–2009. — Die deutschen geistlichen Lieder, hg. von Gerhard Hahn (Neudrucke deutscher Literaturwerke Neue Folge 20), Tübingen 1967. Meyfart, Johann Matthäus: Tuba Novissima, Das ist Von den vier letzten Dingen des Menschen, 1626. Mit einem Anhang: Ausgewählte Stücke aus Meyfarts Schriften, hg. von Erich Trunz (Deutsche Neudrucke, Reihe Barock 26), Tübingen 1980. [Originaltitel:] TUBA NOVIS|SIMA, | Das ist / | VOn den vier letzten | dingen des Menschen / nem=|lich / von dem Todt / Jüngsten Gericht / | ewigen Leben vnnd Verdam=|niß / | Vier vnterschiedliche Predigten / gehalten zu | Coburgk bey gegebener Gelegenheit / | Durch | IOHANNEM MATTHAE-|UM MEYFARTUM, der H. Schrifft. DO-|ctorem, vnd des Casimirianischen Gymnasij daselbst |

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II. Quellen

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Directorem. | Gedruckt zu Corburgk in der Fürstl. | Druckerey / durch Johann Forckel / in Verle=|gung Friderich Gruners / Buchhändlers da=|selbst / im Jahr 1626. Moller, Martin: Manuale | DE PRÆPARATIONE | AD MORTEM. | Heylsame vnd | sehr nützliche Betrachtung / | wie ein Mensch Christlich leben / | vnd Seliglich sterben sol. | Gestellet durch | MARTINVM MOLLERVM, | Der Christlichen Gemeine zu Görlitz | Ministrum Primarium. | Mit Röm. Käy. May. Freyheit | nicht nachzudrucken. | Zu Görlitz in OberLausitz / | druckts vnd vorlegts Johann | Rhambaw. [Zu Görlitz druckts vnd vorlegts | Johann Rhambaw. | M D CIIX.] [Erstausgabe: Görlitz 1593] [WLB theol. oct. 12374] — Erste Theyl. | MEDITATIONES | sanctorum Patrum. | Schöne an=|dechtige Gebete / tröstliche | Sprüche / Gottselige gedancken / | trewe Bußvermahnungen / hertzliche | Dancksagungen / vnd allerley nütz=| liche Vbungen des Glaubens. | Aus den heyligen Altvätern: | Augustino, Bernhardo, Taulero vnd | andern / fleissig vnd ordentlich zusam[m] en | getragen vnd verdeutschet : | Durch | MARTINVM MOLLERVM | Diener des heyligen Euangelii | zur Sprottaw. | Cvm Privil. Caesareo | Gedruckt zu Görlitz in OberLausitz / | bey Johann Rhambaw. [Gedruckt zu Görlitz / bey | Johann Rhambaw. | 1596.] Ander Theyl. | MEDITATIONES | sanctorum Patrum. | Andächtige / | schöne Gebete / Tröstliche | Gedancken / trewe Bußvermah=|nungen / vnd allerley nützliche | Vbungen des Glaubens. | Aus den heyligen Altvätern: | Cypriano, Hieronymo, Augustino, | Bernhardo, Anshelmo, vnd andern / fleis=|sig vnd ordentlich zusam[m]en getragen | vnd verdeutschet : | Durch | MARTINVM MOLLERVM. | Allen andächtigen Hertzen / zum Christlichen | Leben vnd seligen Sterben / gantz nütz=|lich zubrauchen. | Cvm Privil. Caesareo. | Gedruckt zu Görlitz in OberLausitz / | bey Johann Rhambaw. [Gedruckt zu Görlitz / bey | Johann Rhambaw. | Im Jahr | M. D. XCVI.] [Erstausgabe: Görlitz 1584] [WLB theol. oct. 12378] Müller, Heinrich: Geistliche | SeelenMusik | Bestehend | In zehen betrachtungen / | und vier hundert auserlesenen / | Geist= und Krafft=reichen / so wol al=|ten / als neuen Gesängen / mit allerhand | schönen / unter andern fünfzig gantz | neuen Melodeyen ge=|zieret. | Auff Begehren vieler Andacht=|liebenden Seelen | zum Drukk befordert | von | HENRICO Müllern / | Predigern der Gemeine zu St. Marien | in Rostock. | Rostock | Bey Johann Richeln / | im 1659. Jahre. [WLB theol. oct.12566; Metzger Nr. 1659–015] — D. Heinrich Müllers | Geistliche | Erquick=stunden / | Oder | Drey hundert | Hauß= und Tisch=| Andachten. | Vor diesem eintzel in dreyen Theilen nach | einander herauß gegeben / jetzo aber durch und durch wie=|der vermehret / und in ein Wercklein / auff vielfältiges Begehren / | zusammen getragen / und zu lieb den alten und blöden Augen | in diesem groben Druck herauß gegeben. | Sampt angehengtem Register / auch Theologi=|schen Bedencken von der Abgötterey der heutigen | Maul=Christen / und brüderlicher | Bestraffung. | Mit Churf. Sächs. und Fürst. Braunschw. und Lüneb. | Durchl. Durchl. besondern Freyheit. | Franckfurt am Mäyn / | Drucks und Verlags Balth. Christoph Wusts. | Im Jahr M DC XCIV. [UBT Gi 1515a] Nicolai, Philipp: Freudenspiegel des ewigen Lebens, Facsimile-Neudruck der Ur-Auflage von 1599 mit einem Vorwort von Dr. Reinhard Mumm (Soester wissenschaftliche Beiträge 23), Soest 1963. [Originaltitel:] FrewdenSpiegel deß ewigen Lebens. | Das ist: | Gründtliche | Beschreibung deß herrlichen Wesens im | ewigen Leben / sampt allen desselbigen Eygen=|schafften vnd Zuständen / auß Gottes Wort rich=|tig vnd verständtlich eyngeführt. | Auch ferrnere / wolgegründte Anzeig vnd | Erklärung / was es allbereit für dem jüngsten | Tage für schöne vnd herrliche Gelegenheit | habe mit den außerwehlten Seelen im | himmlischen Paradeiß. | Allen betrübten Christen / so in diesem Jammerthal / | das Elendt auff mancherley Wege bauwen müssen / | zu seligem vnd lebendigem Trost zu=|sammen gefasset / | Durch | PHILIPPVM NICOLAI, | der H. Schrifft D. vnd Dienern am Wort |

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Anhang

Gottes zu Vnna in Westphalen. | Gedruckt zu Franckfurt am Mayn / | durch Johann Spies. | M. D. XCIX. Olearius, Johann: Geistliche | Singe=Kunst / | Und ordentlich verfassetes vollständiges | Gesang=Buch / | Welches ist der ander Theil | Der Exemplarischen Bet=Kunst / | Darinnen über zwölffhundert er=|bauliche Lieder auß Gottes Wort / abson=|derlich aber die Gesänge | D. Martini Lutheri, | und seiner getreuen Nachfolger / | Auf  | I. Alle Tage Morgens und Abends / nechst dem | gantzen Psalter / Betrachtung der Catechismus=Lehre un[d] Ubung | der wahren Gottseligkeit. | II. Alle Feste / Sontage / Jahrzeiten / Monat und | Stunden / auß den ordentlichen Evangelien und Episteln durchs | gantze Jahr und den Innhalt der wahren Religion. | III. Die Anstalt der wahren Busse. | IV. Die schuldige Vorbereitung / heilsamen Ge=|brauch und Nutz deß heil. Abendmahls. | V. Die unterschiedlichen Standes=Personen. | VI. Die allgemeinen Land=Plagen und sonder=|bahre Leibes und Seelen=Noth. | VII. Das selige Sterben und Erlangung der | Ewigen Himmels=Freude. gerichtet | Von | JOHANNE OLEARIO, D. | Fürstl. Sächsischen M. Ober=Hoff=Prediger Kirchen=|Rath und GeneralSuperintendenten. | LEIPZIG / | Mit Churfl. Sächs. Privilegio, | In Verlegung Caspar Lunitii / Buchb. Im Jahr 1671. [WLB theol. oct. 13229; Metzger Nr. 1671–502] Plutarque: Consolation à Apollonios. Texte et traduction avec introduction et commentaire par Jean Hani (Études et Commentaires 78), Paris 1972. Prudentius. With an English translation by H. J. Thomson, Band 1–2 (The Loeb Classical Library), London/Cambridge, Mass. 1949. — Aurelii Prudentii Clementis Carmina, cura et studio Mauricii P. Cunningham (CCSL 126), Turnholt 1966. Rist, Johann/Schop, Johann: Himlische Lieder, Hildesheim/New York 1976 (Documentation zur Geschichte des deutschen Liedes 2; Nachdruck der Ausgabe Lüneburg 1641 [Erstes Zehn] / 1642 [Zweites bis Fünftes Zehn]). Rist, Johann: Neüer Himlischer Lieder | Sonderbahres | Buch / | In sich begreiffend | I. Klaag= und BuhssLieder / | II. Lob= und DankLieder / | III. Sonderbahre Lieder / | IV. Sterbens= und Gericht=|Lieder / | V. Höllen= und Him[m]elsLieder. | Welche so wol auf bekante / und in un=|seren Evangelischen Kirchen ge=|bräuchliche Weisen / | Alß auf gantz Neüe / und von etlichen für=|treflichen und hochberühmten Meistern der | SingeKunst wolgesetzte Melodeien können | gesungen und gespielet werden / | Mit zweien nützlichen beigefügten Registern. | Außgefertiget und hervorgegeben | von | Johann Rist. | Lüneburg / | Bei Johann und Heinrich Sternen. | Anno M. DC. LI. [WLB theol. oct. 14937; Metzger Nr. 1651–006] — Sabbahtische | Seelenlust / | Daß ist: | Lehr= Trost= Vermahnung= | und Warnungsreiche Lieder über | alle Sontägliche Evangelien deß | gantzen Jahres / | Welche / so wol auf bekante / und in rei=|nen Evangelischen Kirchen gebräuchliche / | alß auch gantz Neue / | Vom Herren Thoma Sellio / bei der hoch=|löblichen Statt Hamburg bestaltem Cantore / wolge=|setzete Melodeien können gesungen und ge=|spielet werden / | Gott zu Ehren und Christlichen | Hertzen zu nützlicher Erbauung abgefas=|set und herausgegeben | von | Johann Rist. | Lüneburg / | Gedrukt und verlegt durch die Sternen. | Anno M DC LI. [UBT Dk XI 56b; auch: WLB theol. oct. 14943; Metzger Nr. 1651–008] — Frommer und Gottseliger Christen | Alltägliche | HAußmusik / | Oder | Musikalische Andachten / | Bestehend | In mancherlei und unterschiedli=|chen / gantz neüen / Geistlichen Lie=|deren und Gesängen / | Welche von Allen / und Eines jetweden | Standes Personen / in allen und ieglichen / Lei=|bes und der Seelen Angelegenheiten erbaulich können | gebrauchet / und deroselben grössester Theil auf bekante / und | in reinen Evangelischen Kirchen übliche; Sämtlich aber / auf | gahr neüe / von dem fürtreflichem und weitberühmten Musico / | Herren Johan[n] Schopen / wol= und anmuthig=gesetzte Me=|lodien füglich

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II. Quellen

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gesungen und gespielet | werden / | Gott zu Ehren / WiederErbauung des | zerfallenen Christenthumes / und Erneüerung des | inwendigen Menschen mit sonderm Fleisse aufgese=|tzet und hervor gegeben | von | Johann Rist / | Predigern Göttliches Wohrtes / zu Wedel an der Elbe / | Römischer / Käiserlicher Majestätt Pfaltz= und Hoff=|Grafen / auch Edelgekröhntem Poeten. | Lüneburg / | Bei Johann und Heinrich Stern. | Anno M DC L IV. [WLB theol. oct. 14940; Metzger Nr. 1654–004] — Neüe Musikalische | Fest=Andachten / | Bestehende | In Lehr= Trost= Vermah=|nungs= und Warnungsreichen Lie=|deren / über Alle Evangelien und son=|derbahre Texte / welche Jährlich / an hohen und | gemeinen Fest= Apostel= und anderen Feirtagen / in | den Evangelischen Kirchen werden erkläh=|ret und ausgeleget / | Die den / Grössern Theils / auf gewöhn=|liche und bekante; Alle aber auf gantz Neüe / | von Herren Thoma Sellio / berühmten Musico, und | bei der hochlöblichen Statt Hamburg treüfleissigstem Can=|tore, wolgesetzete Melodyen können gespielet | und gesungen werden. | Dem Grossen GOtt zu schüldig=|sten Ehren / und frommen Christli=|chen Hertzen zu fruchtbahrer Erbauung ab=|gefasset und zum Drukke übergeben | von | Johann Rist. | Lüneburg / | Bei Johann und Heinrich Stern. | Anno M. DC. LV. [UBT Dk XI 56b; auch: WLB theol. oct. 14939; Metzger Nr. 1655–010] Schein, Johann Hermann: Neue Ausgabe sämtlicher Werke, im Auftrag der Internationalen Heinrich-Schütz-Gesellschaft hg. von Adam Adrio u. a., Kassel u. a. 1963–2008. Schwarzburg-Rudolstadt, Ämilie Juliane von: Der | Freundin des Lammes | Geistlicher | Braut=Schmuck | Zu | Christlicher Vorbereitung | Auf die | Hochzeit des Lam[m]es / | In | Lieder / Gebete und Seuffzer | abgefasset und mitgetheilet; | Mit einem | Vorbericht / | In welchem von dem Liede: | Wer weiß / wie nahe mir mein Ende? | Nöthige Erinnerung geschiehet. | Selig sind / die zum Abendmahl des Lam[m]es | beruffen sind. Offenb. Joh. XIX, 9. | Leipzig und Rudolstadt / | Verlegts Johann Martin Gollner. | Anno 1714. [UBT 14A 3592] — Der | Freundin des Lammes | Täglicher | Umgang mit Gott, | Bestehend | In | Gebet / Seufftzern | und Liedern / | Auf alle | Zeiten / Stände und Fälle / | Mit einem Vorbericht / | In welchem | Von dem Buche selbst und dessen | Hochsel. Verfasserin | gehandelt wird. | Alles zur Ehre GOttes. 1. Corinth. X, 31. | Leipzig und Rudolstadt / | Verlegts Johann Martin Gollner / | Im Jahr 1714. [UBT 14A 3592] Selnecker, Nicolaus: Christliche Psalmen / | Lieder / vnd | Kirchengesenge / In | welchen die Christliche Lehre zusam gefasset | vnd erkleret wird / Trewen Predigern in Stedten vnd | Dörffern / Auch allen frommen Christen zu diesen letzten | vnd schweren zeiten / nütz vnd tröstlich. | Durch | D. Nicolaum Selneccerum. | […] Gedruckt zu Leipzig durch Johan: | Beyer / Im Jahr | M. D. Lxxxvij. [SBB Hb 1647] Vogel, Johann: Psalmen / | Geistliche Lieder und | Haus=gesänge / | Nach Art und Ordnung deß Evan=|gelischen Gesangbuchs / | Auf die fürnemsten Festtäge / den | Catechismum und mancherley Fäl=|le / meinstentheils aus gewissen Sprüchen | der H. Schrifft genommen / und in die | bekannten Kirchenweisen | gerichtet | von | Johann Vogel. | Mit einer Vorrede Herrn Jo=|hann Michael Dilherrn / Predi=|gers bey S. Sebald. | Nürnberg / in Verlegung Michael | Endters / 1653. [WLB theol. oct. 18700; Metzger Nr. 1653–501] Walter, Johann: Lob vnd | preis der | löblichen Kunst | Musica: | Durch | H. Johan Walter. | Wittemberg. 1538. | Faksimile-Neudruck. Mit einem Geleitwort herausgegeben von Willibald Gurlitt, Kassel 1938.

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III. Literatur Nicht ins Literaturverzeichnis aufgenommen wurden kleinere biographische Lexikonartikel, auf die ggf. im Anmerkungsapparat verwiesen wird. Ameln, Konrad: Über die Gestalt und den Gebrauch eines lutherischen Gesangbuchs zu Beginn des 18. Jahrhunderts, in: Kerygma und Melos. Christhard Mahrenholz 70 Jahre, hg. von Walter Blankenburg u. a., Kassel u. a. 1970, 342–351. — Kirchenliedmelodien der Reformation im Gemeindegesang des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Dürr/Killy (s.d.), Kirchenlied, Wiesbaden 1986, 61–71. Axmacher, Elke: Mystische Frömmigkeit und reformatorische Theologie. Zu Martin Mollers Lied „Ach Gott, wie manches Herzeleid“, in: Dürr/Killy (s.d.), Kirchenlied, Wiesbaden 1986, 39–47. — Johann Arndt und Paul Gerhardt. Studien zur Theologie, Frömmigkeit und geistlichen Dichtung des 17. Jahrhunderts (Mainzer hymnologische Studien 3), Tübingen/Basel 2001. — Ein Lied von der göttlichen Providenz. Befiehl du deine Wege, in: dies.: Johann Arndt und Paul Gerhardt (s.o.), Tübingen/Basel 2001, 103–142. — Ein Lied gegen den Tod. Ich bin ein Gast auf Erden, in: dies.: Johann Arndt und Paul Gerhardt (s.o.), Tübingen/Basel 2001, 165–181. — Der Mensch vor dem Gekreuzigten. O Haupt voll Blut und Wunden, in: dies.: Johann Arndt und Paul Gerhardt (s.o.), Tübingen/Basel 2001, 183–207. Appel, Helmut: Anfechtung und Trost im Spätmittelalter und bei Luther (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 165), Leipzig 1938. Bachmann, J[ohann] F[riedrich]: Zur Geschichte der Berliner Gesangbücher. Ein hymnologischer Beitrag, Berlin 1856 (Nachdruck Hildesheim/New York 1970). Benzing, Josef: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet, Wiesbaden 21982. Blankenburg, Walter: Der gottesdienstliche Liedgesang der Gemeinde, in: Karl Ferdinand Müller/Walter Blankenburg (Hg.): Leiturgia. Handbuch des evangelischen Gottesdienstes. Vierter Band: Die Musik des evangelischen Gottesdienstes, Kassel 1961, 559–660. — Das Gothaer Cantionale sacrum, in: JLH 15 (1970), 145–153. — Kirche und Musik. Gesammelte Aufsätze zur Geschichte der gottesdienstlichen Musik. Zu seinem 75. Geburtstag hg. von Erich Hübner und Renate Steiger, Göttingen 1979. — Johann Walters Gedanken über die Zusammengehörigkeit von Musik und Theologie und ihre Bedeutung für die Gegenwart, in: ders.: Kirche und Musik (s.o.), Göttingen 1979, 31–39 (ursp. 1970). — Der Conradsche Stich von der Dresdner Hofkapelle. Zum theologischen Verständnis des gottesdienstlichen Raums in der altprotestantischen Orthodoxie, in: ders.: Kirche und Musik (s.o.), Göttingen 1979, 133–142 (ursp. 1973). — Johann Walters Chorgesangbuch von 1524 in hymnologischer Sicht, in: ders.: Kirche und Musik (s.o.), Göttingen 1979, 40–79 (ursp. 1973/74). — Der Einfluss des Kirchenliedes des 17. Jahrhunderts auf die Geschichte des evangelischen Gesangbuches und der Kirchenmusik, in: Dürr/Killy (s.d.): Kirchenlied, Wiesbaden 1986, 73–85. Blaschke, Karlheinz (Hg.): Geschichte der Stadt Dresden. Band 1: Von den Anfängen bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, Stuttgart 2005. — Die Kreuzschule, in: ders. (Hg.) (s.d.): Dresden 1, Stuttgart 2005, 603–606.

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III. Literatur

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Blume, Friedrich: Geschichte der evangelischen Kirchenmusik. Zweite, neubearbeitete Auflage, hg. unter Mitarbeit von Ludwig Finscher, Georg Feder, Adam Adrio und Walter Blankenburg, Kassel u. a. 1965. Bode, Wilhelm: Quellennachweis über die Lieder des hannoverischen und des lüneburgischen Gesangbuches samt den dazu gehörigen Singweisen, Hannover 1881. Bolín, Norbert: „Nun singen sie wieder“. Diesseits- und Jenseitsvorstellungen von Musikern, in: Stein (s.d.): Diesseits- und Jenseitsvorstellungen, Jena 1996, 13–29. Braun, Werner: Das Eisenacher Begräbniskantional aus dem Jahre 1653, in: JLH 4 (1958/59), 122–128. Braungart, Siegfried: Die Verbreitung des reformatorischen Liedes in Nürnberg in der Zeit von 1525 bis 1570, Ochsenfurt 1939. Brecht, Martin (hg. u. a.): Der Pietismus vom siebzehnten bis zum frühen achtzehnten Jahrhundert (Geschichte des Pietismus 1), Göttingen 1993. — Zur Konzeption der Geschichte des Pietismus. Eine Entgegnung auf Johannes Wallmann, in: Pietismus und Neuzeit 22 (1996), 226–229. Breuer, Dieter: Endzeitliche Ausblicke ins Himmlische Jerusalem bei Johann Matthäus Meyfart, Angelus Silesius und Martin von Cochem, in: Morgen-Glantz. Zeitschrift der Christian Knorr von Rosenroth-Gesellschaft 10 (2000), 67–94. Brockhaus, Clemens: Aurelius Prudentius Clemens in seiner Bedeutung für die Kirche seiner Zeit, Wiesbaden 1970 [Neudruck der Ausgabe 1872]. Bunners, Christian: Singende Frömmigkeit. Johann Crügers Widmungsvorreden zur „Praxis Pietatis Melica“, in: Jahrbuch für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte 52 (1980), 9–24. — Paul Gerhardts Lieder in der Ordnung des Kirchenjahres, in: JbLH 27 (1983), 156–163. — Zum liturgischen Gebrauch von Paul Gerhardts Liedern in deren Frühzeit, besonders bei Johann Georg Ebeling, in: Heinrich Riehm (Hg.): Festschrift für Frieder Schulz. Freude am Gottesdienst, Heidelberg 1988, 273–282. — Paul Gerhardt. Weg – Werk – Wirkung, Göttingen 2006. Busch-Salmen, Gabriele: Art. Hausmusik, in: MGG Sachteil 4 (1996), 227–234. Charlet, Jean-Louis: La création poétique dans le Cathemerinon de Prudence, Paris 1982. Dibelius, Franz: Zur Geschichte der lutherischen Gesangbücher Sachsens seit der Reformation, in: Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte 1 (1882), 169–255. Drömann, Hans Christian: Das Hannoversche Gesangbuch, in: JLH 27 (1983), 164–191. Drost, Ingrid: Das Kirchenlied in der Leichenpredigt, in: R. Steiger (s.d.): Kantaten, Wiesbaden 2000, 207–221. Dumrese, Hans: Der Sternverlag im 17. und 18. Jahrhundert, in: Lüneburg und die Offizin der Sterne, Lüneburg 1956. Dürr, Alfred/Killy, Walther: Das protestantische Kirchenlied im 16. und 17. Jahrhundert. Text-, musik- und theologiegeschichtliche Probleme (Wolfenbütteler Forschungen 31), Wiesbaden 1986. Ernst, Albrecht (Bearb.): Verwüstet und entvölkert. Der Dreißigjährige Krieg in Württemberg. Katalog zur Ausstellung des Hauptstaatsarchivs Stuttgart, Stuttgart 1998. Fischer, Albert Friedrich Wilhelm: Kirchenlieder=Lexicon. Hymnologisch=literarische Nachweisungen über ca. 4500 der wichtigsten und verbreitetsten Kirchenlieder aller Zeiten in alphabetischer Folge nebst einer Uebersicht der Liederdichter, Band 1–2, Gotha 1878–1879. Fischer, Michael/Schmidt, Rebecca: „Mein Testament soll seyn am End“. Sterbe- und Begräbnislieder zwischen 1500 und 2000 (Volksliedstudien 6), Münster/New York/München/ Berlin 2005.

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Anhang

Friedrichs, Lutz: Art. Perikopen/Perikopenordnung II. Christentum, in: RGG4 6 (2003), 1112–1115. — Art. Postille, in: RGG4 6 (2003), 1514. Garbe, Daniela/Blankenburg, Walter: Art. Gemeindegesang B III. Die Entwicklung in den lutherischen Gebieten etwa von 1550 bis 1750, in: MGG Sachteil 3 (1995), 1174–1181. Gauger, Hans-Martin: Die sechs Kulturen in der Geschichte des Lesens, in: Goetsch (s.d.): Lesen und Schreiben, Tübingen 1994, 27–47. Gnilka, Christian: Prudentiana II. Exegetica, München/Leipzig 2001. Goetsch, Paul (Hg.): Lesen und Schreiben im 17. und 18. Jahrhundert. Studien zu ihrer Bewertung in Deutschland, England, Frankreich (ScriptOralia 65), Tübingen 1994. — Einleitung: Zur Bewertung von Lesen und Schreiben im 17. und 18. Jahrhundert, in: ders. (s.o.): Lesen und Schreiben, 1–23. Golpon, R.: Art. Privileg 2b., in: Lexikon des gesamten Buchwesens 4, Stuttgart 22003, 109f. Graff, Paul: Geschichte der Auflösung der alten gottesdienstlichen Formen in der evangelischen Kirche Deutschlands, I. Band: Bis zum Eintritt der Aufklärung und des Rationalismus, Göttingen 21937. Grasmück, Heinz: „Schaubühne des Todes“. Zur Bildlichkeit des protestantischen Kirchenliedes im 16. und 17. Jahrhundert. Der Choral als Kontrafaktur des Todes und die Figur des Todes als „Totes Bild“, in: R. Steiger (s.d.): Kantaten, Wiesbaden 2000, 45–73. Grimm, Jürgen: Das Neu Leipziger Gesangbuch des Gottfried Vopelius (Leipzig 1682). Untersuchungen zur Klärung seiner geschichtlichen Stellung (Berliner Studien zur Musikwissenschaft 14), Berlin 1969. Groß, Reiner: Vom Dreißigjährigen Krieg zum Siebenjährigen Krieg – Dresden als Zentrum kursächsischer Herrschaftsausübung, in: ders./Uwe John (Hg.): Geschichte der Stadt Dresden. Band 2: Vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zur Reichsgründung, Stuttgart 2006, 21–54. Grotefend, C. L.: Geschichte der Buchdruckereien in den Hannoverschen und Braunschweigischen Landen, hg. von F. G. H. Culemann, Hannover 1840. Grün, H.: Die kirchliche Beerdigung im 16. Jahrhundert, in: Theologische Studien und Kritiken 105 (1933), 138–214. Grützner, Vera: Jenseitsvorstellungen in der Kirchenliedsammlung „Praxis Pietatis Melica“ von Johann Crüger, in: Stein (s.d.): Diesseits- und Jenseitsvorstellungen, Jena 1996, 106–114. Hasse, Hans-Peter: Kirche und Frömmigkeit im 16. und frühen 17. Jahrhundert, in: Blaschke (s.d.): Dresden 1, Stuttgart 2005, 459–523. Johnston, Gregory S.: „Unterm Geleut aller Glocken“. Die Klangwelt bei Leichenzügen und Begräbnissen der deutschen protestantischen Kirche des 17. Jahrhunderts, in: Stein (s.d.): Diesseits- und Jenseitsvorstellungen, Jena 1996, 47–52. Jürgensen, Renate: Melos conspirant singuli in unum. Repertorium bio-bibliographicum zur Geschichte des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg (1644–1744) (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 50), Wiesbaden 2006. Kaufmann, Thomas: Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede. Kirchengeschichtliche Studien zur lutherischen Konfessionskultur (Beiträge zur historischen Theologie 104), Tübingen 1998. Kemper, Hans-Georg: Das lutherische Kirchenlied in der Krisen-Zeit des frühen 17. Jahrhunderts, in: Dürr/Killy (s.d.), Kirchenlied, Wiesbaden 1986, 87–108. Kessler, Franz: Danziger Gesangbücher 1586–1793 (Einzelschriften der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung 15), Lüneburg 1998.

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III. Literatur

679

Klein, Luise: Die Bereitung zum Sterben. Studien zu den frühen reformatorischen Sterbebüchern, Göttingen 1958. Knauer, Martin: „Bedenke das Ende“. Zur Funktion der Todesmahnung in druckgraphischen Bilderfolgen des Dreißigjährigen Krieges (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 58), Tübingen 1997. Koch, Eduard Emil: Geschichte des Kirchenlieds und Kirchengesangs der christlichen, insbesondere der deutschen evangelischen Kirche, 3., umgearbeitete, durchaus vermehrte Auflage, Band I–VIII, Stuttgart 1866–1877 (auch: Nachdruck Hildesheim 1973). Koch, Ernst: Beobachtungen zum theologischen und frömmigkeitsgeschichtlichen Kontext der Musikalischen Exequien von Heinrich Schütz, in: Stein (s.d.): Diesseits- und Jenseitsvorstellungen, Jena 1996, 180–188. Koch, Traugott: Johann Habermanns „Betbüchlein“ im Zusammenhang seiner Theologie (Beiträge zur Historischen Theologie 117), Tübingen 2001. Kolb, Chr.: Die Geschichte des Gottesdienstes in der evangelischen Kirche Württembergs, Stuttgart 1913. Korth, Hans-Otto/Blankenburg, Walter: Art. Gemeindegesang B. Der deutsche evangelische Gemeindegesang. I. Gemeindegesang und Kirchenlied in der Reformationszeit; II. Der evangelische Gemeindegesang in Straßburg, den reformierten Gebieten sowie in Süddeutschland im 16. Jahrhundert, in: MGG Sachteil 3 (1995), 1162–1174. Krummacher, Hans-Henrik: Das barocke Epicedium. Rhetorische Tradition und deutsche Gelegenheitsdichtung im 17. Jahrhundert, in: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 18 (1974), 89–147. — Der junge Gryphius und die Tradition. Studien zu den Perikopensonetten und Passionsliedern, München 1976. Krusenstjern, Benigna von/Medick, Hans (Hg.): Zwischen Alltag und Katastrophe. Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 148), Göttingen 1999. Krusenstjern, Benigna von: Seliges Sterben und böser Tod. Tod und Sterben in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, in: dies./Medick: Zwischen Alltag und Katastrophe (s.o.), Göttingen 1999, 469–496. Kunz, Erhard: Protestantische Eschatologie. Von der Reformation bis zur Aufklärung (Handbuch der Dogmengeschichte 4, Faszikel 7c, Teil 1), Freiburg/Basel/Wien 1980. Kunze, Gerhard: Die Lesungen, in: Karl Ferdinand Müller/Walter Blankenburg (Hg.): Leiturgia. Handbuch des Evangelischen Gottesdienstes. Zweiter Band: Gestalt und Formen des evangelischen Gottesdienstes. I. Der Hauptgottesdienst, Kassel 1955, 87–180. Lang, Bernhard/McDannell, Colleen: Der Himmel. Eine Kulturgeschichte des ewigen Lebens, Frankfurt/M. 1990. Lausberg, Heinrich: Hymnologische und hagiographische Studien (I). Der Hymnus ‚Jesu dulcis memoria‘, München 1967. Lenz, Rudolf: Art. Leichenpredigt, in: TRE 20 (1990), 665–669. — Leichenpredigt und Epitaph in der Frühen Neuzeit, in: R. Steiger (s.d.): Kantaten, Wiesbaden 2000, 109–123. Leppin, Volker: Antichrist und Jüngster Tag. Das Profil apokalyptischer Flugschriftenpublizistik im deutschen Luthertum 1548–1618 (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte 69), Gütersloh 1999. Leube, Hans: Die Reformideen in der deutschen lutherischen Kirche zur Zeit der Orthodoxie, Leipzig 1924.

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680

Anhang

Liess, Bernhard: Johann Heermann (1585–1647). Prediger in Schlesien zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges (Arbeiten zur Historischen und Systematischen Theologie 4), Münster 2003. Liliencron, Rochus von: Liturgisch-musikalische Geschichte der evangelischen Gottesdienste von 1523–1700, Schleswig 1893. Lipphardt, Walther: Johann Leisentrits Gesangbuch von 1567, Leipzig 1963. — Das Gesangbuch von Johann Eichorn d. Ä. zu Frankfurt an der Oder und seine ältesten Ausgaben, in: JLH 13 (1968), 161–170; ders.: Berichtigungen zu dem Aufsatz „Das Gesangbuch von J. Eichorn d. Ä. zu Frankfurt an der Oder“, in: JLH 14 (1969), 203f. Mager, Inge: Lied und Reformation. Beobachtungen zur reformatorischen Singbewegung in norddeutschen Städten, in: Dürr/Killy (s.d.), Kirchenlied, Wiesbaden 1986, 25–38. Mautner, Martin-Christian: „Mach einmal mein Ende gut“. Zur Sterbekunst in den Kantaten Johann Sebastian Bachs zum 16. Sonntag nach Trinitatis, Diss. Heidelberg 1994. Messmer, Franzpeter: Art. Kantionalsatz, in: MGG Sachteil 4 (1996), 1773–1779. Metzger, Heinz Dietrich: Gesangbücher in Württemberg. Bestandsverzeichnis, Stuttgart/Weimar 2002. Meyer, Ulrich: „…mach einmal mein Ende gut“. Aus Predigten zum 16. Sonntag nach Trinitatis, 24. Sonntag nach Trinitatis und Mariä Reinigung, in: R. Steiger (s.d.): Kantaten, Wiesbaden 2000, 253f. Mohr, Rudolf: Protestantische Theologie und Frömmigkeit im Angesicht des Todes während des Barockzeitalters hauptsächlich aufgrund hessischer Leichenpredigten, Marburg 1964. Möller, Christian (Hg.): Kirchenlied und Gesangbuch. Quellen zu ihrer Geschichte. Ein hymnologisches Arbeitsbuch (Mainzer hymnologische Studien 1), Tübingen 2000. Nehlsen, Eberhard (Bearb.): Berliner Liedflugschriften. Katalog der bis 1650 erschienenen Drucke der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, hg. von Gerd-Josef Bötte, Annette Wehmeyer und Andreas Wittenberg, Band 1–3 (Bibliotheca Bibliographica Aureliana 215–217), Baden-Baden 2008/2009. Niekus Moore, Cornelia: Praeparatio ad Mortem. Das Buch bei Vorbereitung und Begleitung des Sterbens im protestantischen Deutschland des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Pietismus und Neuzeit 19 (1993), 9–18. Oertel, Hermann: Die Sternschen Bibeln, in: Reformation vor 450 Jahren. Eine Lüneburgische Gedenkschrift, Lüneburg 1980, 171–183. Ohly, Friedrich: Hohelied-Studien. Grundzüge einer Geschichte der Hoheliedauslegung des Abendlandes bis um 1200 (Schriften der wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Geisteswissenschaftliche Reihe 1), Wiesbaden 1958. — Süße Nägel der Passion. Ein Beitrag zur theologischen Semantik (Saecula spiritalia 21), Baden-Baden 1989. Ott, Günter: Die „Vier letzten Dinge“ in der Lyrik des Andreas Gryphius (Europäische Hochschulschriften 1,714), Frankfurt/M. 1985. Paas, John Roger (Hg.): Der Franken Rom. Nürnbergs Blütezeit in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Wiesbaden 1995. Palisca, Claude V.: Art. Monodie, übers. von Caroline Schneider-Kliemt, in: MGG Sachteil 6 (1997), 466–471. Pfarrerbuch der Kirchenprovinz Sachsen, hg. vom Verein für Pfarrerinnen und Pfarrer in der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen e.V. in Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Zentrum für Pietismusforschung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in Verbindung mit den Franckeschen Stiftungen zu Halle (Saale) und der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, Band 1–9, Leipzig 2003–2009.

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III. Literatur

681

Pietsch, Paul: Ewangely und Epistel Teutsch. Die gedruckten hochdeutschen Perikopenbücher (Plenarien) 1473–1523, Göttingen 1927. Piper, Hans-Christoph: Die Rubrik der Kreuz- und Trostlieder im deutschen ev.-luth. Gesangbuch von der Reformation bis zum frühen 18. Jahrhundert, in: JLH 11 (1966), 137–145. — Ars moriendi und Kirchenlied, in: JLH 19 (1975), 105–122. Raabe, Paul: Herzog August und die „Sterne“ in Lüneburg, in: Sammler, Fürst, Gelehrter. Herzog August zu Braunschweig und Lüneburg 1579–1666 (Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek 27), Wolfenbüttel 1979, 157–161. Reckziegel, Walter: Das Cantional von Johan Herman Schein. Seine geschichtlichen Grundlagen (Berliner Studien zur Musikwissenschaft 5), Berlin 1963. Reich, Wolfgang: Threnodiae sacrae. Katalog der gedruckten Kompositionen des 16.–18. Jahrhunderts in Leichenpredigtsammlungen innerhalb der Deutschen Demokratischen Republik, bearbeitet von Wolfgang Reich, Dresden 1966. — (Hg.): Threnodiae sacrae. Beerdigungskompositionen aus gedruckten Leichenpredigten des 16. und 17. Jahrhunderts (Das Erbe deutscher Musik 79 = Abt. Motette und Messe 9), Wiesbaden 1975. Reinitzer, Heimo: Biblia deutsch. Luthers Bibelübersetzung und ihre Tradition (Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek 40), Wolfenbüttel 1983. Reske, Christoph: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. Auf der Grundlage des gleichnamigen Werkes von Josef Benzing (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 51), Wiesbaden 2007. Richter, Matthias: Zur Geschichte der „Ars moriendi“ und der Trostliteratur, in: Johann Gerhard: Enchiridion consolatorium (1611). Lateinisch-deutsch. Kritisch hg., kommentiert und mit einem Nachwort versehen von Matthias Richter (Doctrina et Pietas 1,5), Stuttgart-Bad Cannstatt 2002, 284–354. Rieske-Braun, Uwe: Duellum mirabile. Studien zum Kampfmotiv in Martin Luthers Theologie (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 73), Göttingen 1999. Röbbelen, F.: Zur Geschichte des Hannoverschen und Lüneburgischen Gesangbuchs, in: Zeitblatt für die Angelegenheiten der lutherischen Kirche (1849), 389–401.419–434.451–462. Röbbelen, Ingeborg: Theologie und Frömmigkeit im deutschen evangelisch-lutherischen Gesangbuch des 17. und frühen 18. Jahrhunderts, Berlin 1957. Rößler, Martin: Württembergische Gesangbuch-Geschichte zwischen der Reformation und dem Dreißigjährigen Krieg, in: Blätter für württembergische Kirchengeschichte 85 (1985), 28–82. — Art. Gesangbuch, in: MGG Sachteil 3 (1995), 1289–1323. — Württemberg als Gesangbuch-Landschaft, in: Blätter für württembergische Kirchengeschichte 97 (1997), 22–34. Rudersdorf, Manfred/Schindling, Anton: Kurbrandenburg, in: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung 2, Münster 1990, 34–66. Rudolf, Rainer: Ars moriendi. Von der Kunst des heilsamen Lebens und Sterbens (Forschungen zur Volkskunde 39), Köln/Graz 1957. Schade, Herwarth von: Perikopen. Gestalt und Wandel des gottesdienstlichen Bibelgebrauchs (Reihe Gottesdienst 11), Hamburg 1978. — Zu Gottes Lob in Hamburgs Kirchen. Eine Hamburgische Gesangbuchgeschichte (Arbeiten zur Kirchengeschichte Hamburgs 20), Herzberg 1995. Schade, Richard Erich: Zur Bildlichkeit in den Kirchenliedern Martin Böhmes (1557–1622), in: Dürr/Killy (s.d.), Kirchenlied, Wiesbaden 1986, 49–60. Schauer, Maike: Johann Balthasar Schupp. Prediger in Hamburg 1649–1661. Eine volkskundliche Untersuchung (Volkskundliche Studien 6), Hamburg 1673.

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Anhang

Scheitler, Irmgard: Das Geistliche Lied im deutschen Barock (Schriften zur Literaturwissenschaft 3), Berlin 1979. Schmidt, Eberhard: Der Gottesdienst am kurfürstlichen Hofe zu Dresden. Ein Beitrag zur liturgischen Traditionsgeschichte von Johann Walter bis zu Heinrich Schütz, Göttingen 1961. Schuster, Susanne: Aemilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt und Ahasver Fritsch. Eine Untersuchung zur Jesusfrömmigkeit im späten 17. Jahrhundert (Arbeiten zur Kirchen- und Theologiegeschichte 18), Leipzig 2006. Sörries, Reiner: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt…“ Die biblischen Inschriften auf den Stockhausen-Särgen zu Trendelburg, in: Stein (s.d.): Diesseits- und Jenseitsvorstellungen, Jena 1996, 93–97. Stalmann, Joachim: Zur Geschichte der Cellisch-Lüneburgischen Gesangbücher im 17. bis 19. Jahrhundert, in: Reformation vor 450 Jahren. Eine Lüneburgische Gedenkschrift, Lüneburg 1980, 185–196. Steiger, Johann Anselm: Johann Gerhard (1582–1637). Studien zu Theologie und Frömmigkeit des Kirchenvaters der lutherischen Orthodoxie (Doctrina et pietas I,1), Stuttgart-Bad Cannstatt 1997. — Art. Seelsorge I, in: TRE 31 (2000), 7–31. — „Geh’ aus, mein Herz, und suche Freud’“. Paul Gerhardts Sommerlied und die Gelehrsamkeit der Barockzeit (Naturkunde, Emblematik, Theologie), Berlin/New York 2007. — Christus pictor. Der Gekreuzigte auf Golgatha als Bilder schaffendes Bild. Zur Entzifferung der Kreuzigungserzählung bei Luther und im barocken Luthertum sowie deren medientheoretischen Implikationen, in: ders./Ulrich Heinen (Hg.): Golgatha in den Konfessionen und Medien der Frühen Neuzeit (Arbeiten zur Kirchengeschichte 113), Berlin/New York 2010. Steiger, Renate: „Der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand“. Der Sarg des Heinrich Posthumus Reuss als Zeugnis lutherischer ars moriendi, in: Stein (s.d.): Diesseits- und Jenseitsvorstellungen, Jena 1996, 189–212. — (Hg.): Johann Sebastian Bachs Kantaten zum Thema Tod und Sterben und ihr literarisches Umfeld (Wolfenbütteler Forschungen 90), Wiesbaden 2000. — Musikalische Idiomatik in Bachs Darstellung von Tod und Sterben, in: dies.: Kantaten (s.o.), 1–44. — Gnadengegenwart. Johann Sebastian Bach im Kontext lutherischer Orthodoxie und Frömmigkeit (Doctrina et pietas II,2), Stuttgart-Bad Cannstatt 2002. Stein, Ingeborg (Hg.): Diesseits- und Jenseitsvorstellungen im 17. Jahrhundert. Interdisziplinäres Kolloquium vom 3.–5.2.1995. Protokollband (Forschungs- und Gedenkstätte im Geburtshaus des Komponisten Heinrich-Schütz-Haus Bad Köstritz, Wissenschaftliche Veröffentlichungen 4), Jena 1996. — Musik im Trauerzeremonial der Reußen – Medium zwischen Jenseits und Diesseits, in: dies. (Hg.): Diesseits- und Jenseitsvorstellungen (s.o.), 213–251. Steude, Wolfram/Landmann, Ortrun/Kremtz, Eberhard/Herrmann, Matthias: Art. Dresden, in: MGG Sachteil 2 (1995), 1522–1561. Steude, Wolfram: Die Musikkultur Dresdens zwischen 1539 und 1697, in: Karlheinz Blaschke (Hg.) (s.d.): Dresden 1, Stuttgart 2005, 570–584. Theis, Claudia: Vorwort, in: Johann Hermann Schein, NGA 10,3, Kassel u. a. 2008. Veit, Patrice: Gottes Bild und Bild des Menschen in den Liedern Luthers. Untersuchungen zur religiösen Sensibilität, in: Dürr/Killy (s.d.), Kirchenlied, Wiesbaden 1986, 9–24.

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IV. Nachweise der Liedtexte in tabellarischer Form

683

— Private Frömmigkeit, Lektüre und Gesang im protestantischen Deutschland der frühen Neuzeit. Das Modell der Leichenpredigten, in: Rudolf Vierhaus u. a. (Hg.): Frühe Neuzeit – Frühe Moderne? (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 104), Göttingen 1992, 271–295. — Das Gesangbuch in der Praxis Pietatis der Lutheraner, in: Hans-Christoph Rublack (Hg.): Die lutherische Konfessionalisierung in Deutschland. Wissenschaftliches Symposion des Vereins für Reformationsgeschichte 1988 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 197), Gütersloh 1992, 435–454. — Musik und Frömmigkeit im Zeichen des Dreißigjährigen Krieges, in: Krusenstjern/Medick (s.d.): Zwischen Alltag und Katastrophe, Göttingen 1999, 507–528. Wackernagel, Philipp: Bibliographie zur Geschichte des deutschen Kirchenliedes im XVI. Jahrhundert, Frankfurt/M. 1855. Wallmann, Johannes: Pietismus-Studien. Gesammelte Aufsätze II, Tübingen 2008. — Pietismus und Orthodoxie. Gesammelte Aufsätze III, Tübingen 2010. Wiedemann, Conrad: „Im Himmel wird es laut“. Über die diesseitigen Jenseitsvisionen des Johann Klaj, in: Paas (s.d.): Der Franken Rom, Wiesbaden 1995, 243–256. Will, Georg Andreas: Bibliotheca Norica Williana oder Kritisches Verzeichniß aller Schriften, welche die Stadt Nürnberg angehen, in sechs Theilen verfasset und mit einem gedoppelten Register versehen von Georg Andreas Will, Kais. Hof= und Pfalzgrafen, und ältesten Prof. zu Altdorf [Pars 1–8], Altdorf und Nürnberg 1772–1793. [UBT Ke IX 2] Wölfel, Dieter: Nürnberger Gesangbuchgeschichte (1524–1791) (Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte 5), Nürnberg 1971. — Geistliche Erquickstunden. Untersuchungen zur Interdependenz von lutherischer Frömmigkeitsbewegung und Nürnberger Sprachgesellschaft am Beispiel populärer Gesangbücher der Pegnitzschäfer, in: Paas (s.d.): Der Franken Rom, Wiesbaden 1995, 364–382. Zeller, Winfried: Protestantische Frömmigkeit im 17. Jahrhundert, in: ders.: Theologie und Frömmigkeit. Gesammelte Aufsätze, hg. von Bernd Jaspert, Marburg 1971, 85–116.

IV. Nachweise der Liedtexte in tabellarischer Form Die im Text erwähnten bzw. zitierten Liedtexte werden in zwei Tabellen verzeichnet: Tabelle 1 (vgl. die großformatige Beilage) berücksichtigt alle Lieder, die in mindestens einem der ausgewählten Drucke unter einer der untersuchten Rubriken vorkommen. Tabelle 2 (vgl. S. 687) enthält Nachweise der ergänzend hinzugezogenen Liedtexte.

1. Erläuterung zu Tabelle 1 Die Übersicht in Tabelle 1 verzeichnet zu allen in den untersuchten Rubriken gefundenen Liedern Liedanfang, Autor, die Zahl der Strophen (Str.) und Verse (V.) sowie Hinweise auf Ort und Jahr der Entstehung bzw. des Erstdrucks. Die Spalte „Quelle“ vermerkt Belege in Originaldrucken; die Spalte „Nachweis“ veweist dagegen auf Nachweise in der hymnologischen Forschung, etwa in den Quelleneditionen, aus

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Anhang

denen – wenn vorhanden – zumeist die zitierte Textfassung stammt. Wo dies nicht der Fall ist, ist die zitierte Fassung durch Fettdruck hervorgehoben. Texte, deren Herkunft ungeklärt ist, werden in der Spalte „Nachweis“ durch * gekennzeichnet. Anstelle des Erstbeleges wird hier unter „Ort“ und „Jahr“ der früheste bei der Untersuchung gefundene Beleg vermerkt. Wo sich die ursprüngliche Herkunft eines Textes ermitteln ließ, gibt es einen entsprechenden Hinweis in der Spalte „Quelle“; der jeweilige Beleg dient dann, sofern nicht anders vermerkt, auch als Zitiergrundlage (zu Zitierweise und Editionsrichtlinien vgl. auch S. 30f). Jedem der ausgewerteten Gesangbücher ist in der Übersicht eine eigene Spalte zugewiesen. Ihr sind zunächst Angaben über die gesamte Liedzahl des Werks, über die Zahl und den Anteil der Sterbe- und Ewigkeitslieder zu entnehmen. Außerdem erlaubt die Übersicht Angaben über Rubrizierung und Verbreitung jedes Liedes (sofern es sich um die untersuchten Rubriken handelt; einige ergänzende Belege aus anderen Rubriken sind durch eckige Klammern [] gekennzeichnet). Abkürzungen für die Angaben zu den Einzelbelegen in Tabelle 1 (Gesangbuchrubriken u. a.) ʹ * ° [] > † †VAf 6 6x4 a a1 a2 a1703 A B BKi CLW E Ei El Ew G Geb GebB

Rubriktitel variiert den abgekürzten Ausdruck Herkunft ungeklärt, keine weiteren (Erst-) Belege außer den hier dokumentierten bekannt in Tabelle 1: Beleg mit Noten (im Text der Untersuchung: Kennzeichnung der ergänzend hinzugezogenen Texte, die in Tabelle 2 zusammengestellt sind) Beleg außerhalb der ausgewerteten Rubriken Verweis auf eine andere Rubrik innerhalb des Gesangbuchs Kreuz-Lieder Von Kreuz, Verfolgung und Anfechtung abweichende Strophenzahl abweichende Strophen- und Verszahl Beleg im Anhang des Gesangbuchs Beleg im ersten/zweiten Anhang Beleg im Anhang der Ausgabe 1703 Auferstehung Begräbnis Kinderbegräbnis Vom christlichen Leben und Wandel ewiges Leben Eitelkeit Vom menschlichen Elend Ewigkeit Gericht Gebetlieder Beleg im angehängten Gebetbuch

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IV. Nachweise der Liedtexte in tabellarischer Form Gl H Hö J Kat KJ Kl Kr Lu MarR Nic P Ps S T Tr v Fettdruck

685

Glaubenslieder Himmel Hölle Jüngster Tag, Jüngstes Gericht Katechismuslieder Kirchenjahr Klage Krankheit Lutherlieder Mariä Reinigung Lieder von Philipp Nicolai Pest Psalmlieder Sterben Tod Trost Textvariante zitierte Textfassung

Die Angaben zu den Einzelbelegen sind oft aus mehreren Abkürzungen zusammengesetzt. Beispiele: TB aJE TS TS 4x6 [CLW]

Beleg in der Rubrik ‚Vom Tod und Begräbnis‘ Beleg im Anhang unter der Rubrik ‚Vom Jüngsten Tag und ewigen Leben‘ innerhalb eines Gesangbuchs zwei Belege in der Rubrik ‚Vom Tod und Sterben‘, Textvariante in 4 Strophen à 6 Versen Beleg außerhalb der Sterbe- und Ewigkeitsrubriken unter ‚Vom christlichen Leben und Wandel‘

Um die Zahl der Abkürzungen begrenzt zu halten, wurden abweichende, seltenere oder speziellere Varianten der Rubrizierung mit einem Strich ʹ gekennzeichnet. Beispiele: Bʹ Tʹ

Rubriktitel variiert den Begriff ‚Begräbnis‘, z. B. S-1704: ‚Leich- und Grabgesänge‘ Rubriktitel variiert den Begriff ‚Tod‘, z. B. N-1677: ‚Wider die Forcht deß Todes‘ oder ‚Todes=Erinnerungen‘

Abkürzungen von Ortsnamen in Tabelle 1 und Tabelle 2 Alt Aug B Bas Bay Bon

Altenburg Augsburg Berlin Basel Bayreuth Bonn

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686 Bra Brg Brs Cob D Dzg Eisl Elb Erf F FfO Frb Go Gör Göt Grw Gub H Hal Hbs Hnv Hof J Jen Kgg Köl Kön Kop Kul L Lis Lü Lüb Mag Mül N Nau Ndh Nör Oels Ono Osn Plö Rnt Ros Rud S Sls

Anhang Braunschweig Brieg Breslau Coburg Dresden Danzig Eisleben Elbing Erfurt Frankfurt/Main Frankfurt/Oder Freiberg (Sachsen) Gotha Görlitz Göttingen Greifswald Guben Hamburg Halle Halberstadt Hannover Hof Jungbunzlau Jena Königingrätz Köln Königsberg Kopenhagen Kulmbach Leipzig Lissa/Lissau Lüneburg Lübeck Magdeburg Mühlhausen Nürnberg Naumburg Nordhausen Nördlingen Oels Onolzbach Osnabrück Plön Rinteln Rostock Rudolstadt Stuttgart Schleusingen

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IV. Nachweise der Liedtexte in tabellarischer Form Ssd Str T Ulm Wit Wob Zür Zwi

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Stralsund Straßburg Tübingen Ulm Wittenberg Wolfenbüttel Zürich Zwickau

2. Tabelle 2 Tabelle 2 enthält Nachweise derjenigen der erwähnten Texte, für die im untersuchten Ausschnitt des Quellenmaterials keine Belege gefunden wurden. In der Untersuchung wird auf die hier verzeichneten Texte durch die Kennzeichnung mit ° verwiesen. Anfang

Autor

Ort

Jahr Nachweis

Ach dass mein Haupt von Tränen Ach Gott, in Gnaden von uns wend Ach Gott, vom Himmel sieh darein Ach Herr, lehr uns bedenken Ach höret auf zu weinen Ach Jesu, dessen Treu im Himmel Ach liebe Seel, gesegne gern Ach lieber Herr im höchsten Thron Ach treuer Gott, Herr Jesu Christ, solln Ach wann kommt die Zeit heran Ach wann werd ich einst kommen Ach wann werd ich schauen dich Ach wie sehnlich wart ich doch Ach wie selig sind die allein Allein Gott in der Höh sei Ehr

Schwarz, Sibylla

Dzg

1650 FT II 144.

Allein zu dir, Herr Jesu Christ

Hubert, Konrad

Ringwaldt, Bartholomäus Luther, Martin

~1582 Bachm. Erf

1524 W III 3.

Maukisch, Johann Dzg Homburg, Ernst Christoph Jen Heermann, Johann L/Brs

1657 FT III 157. 1659 FT IV 360. 1630 FT I 357.

Buchholzer, Abraham Backmeister, Lucas

Frb H

1620 FT I 103. 1598 W V 541.

Förster, Johann

Wit

1611 FT I 72.

Scheffler, Johann Sudermann, Daniel

Brs

1657 FT V 410. 1590 W V 838.

Fritsch, Ahasverus Homburg, Ernst Christoph Anon. Decius, Nicolaus

Jen Jen Frb

1668 1659 1620 1525

N

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FT V 574. FT IV 358. FT I 570. W III 616.; EG 179 ~1540 W III 201.; EG 232

688

Anhang

Anfang

Autor

Alles hat für uns ein Grauen

Schottelius, Justus Georg

Ort

Aufer immensam, Deus, aufer iram Bedenk allzeit dein letztes End Befiehl du deine Wege Christ lag in Todesbanden Christus wird kommen zu Gericht Das weiß ich, dass ich sterben muss Dein bin ich, o Herr Jesu Christ Dem großen Gott im Himmelsthron Der raue Herbst kommt wieder Der Sohn, dein Sohn ist tot Des Herren unsers Gottes Wort Die Fröhlichkeit der Erden Die größte Kunst der Welt bekannt Die letzte Stund fürcht jedermann Die Welt ist nichts zu unser Zeit Durch Adams Fall ist ganz verderbt Ein selig End aus Liebe Ein Stündlein ist verlaufen Ein Tag geht nach dem andern hin Ein Wandersmann bin ich allhier Einen guten Kampf gekämpft ich hab Einen guten Kampf hab ich Elias, der prophetisch Mann Erbarm dich mein, o Herre Gott Erhalt uns, Herr bei deinem Wort Erhebe dich, betrübtes Herz Es ist das Heil uns kommen her

Anon.

Wit

1666 *F-1666 627. 1541 W I 271.

Arnold, Johann d.Ä. Gerhardt, Paul Luther, Martin Herman, Nicolaus

Alt B Erf Wit

1631 1653 1624 1562

Schramm, Georg

Lis

FT I 465. FT III 435. W III 15. W III 1453. 1655 FT I 446.

Stölzlin, Bonifatius Suarinus, Abraham

Ulm L

1660 FT III 350. 1609 FT I 12.

Albert, Heinrich Olearius, Johann Anon. Moscherosch, Quirinus Meyers, M. A.

Kön L N N Grw

1650 1671 1569 1673 1597

Selnecker, Nicolaus Spengler, Lazarus

L Wit

1578 W IV 385. 1524 W III 71.

Schreiber, Caspar Bellinckhausen, Rudolf v. Arnschwanger, Joh. Chr.

Brs Osn N

1615 FT I 109. 1618 FT I 247. 1659 FT V 309.

L

1617 FT I 126.

Sturm, Leonhard

Nör

1676 FT V 227.

Stölzlin, Bonifatius Heupold, Bernhard Hegenwalt, Erhart Luther, Martin

Ulm Aug Wit Wit

1676 1626 1524 1543

F

Anon. (Johann Walter?)

Herberger, Zacharias

Gerhardt, Paul Speratus, Paul

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Jahr Nachweis

FT III 67. GSK 1202. W III 66. FT V 43. W IV 1016. 1551 W III 218.

FT III 362. FT I 198. W III 70. W III 44.

1651 aGA S. 17 1523 W III 55.; EG 342

IV. Nachweise der Liedtexte in tabellarischer Form

689

Anfang

Autor

Ort

Jahr Nachweis

Es ist gesetzt, es ist gesagt Es spricht der Unweisen Mund voll Es traur, was trauren soll Fahr hin, du schnöde Welt Freut euch, all die ihr Leide tragt

Werder, Dietrich von dem Luther, Martin

L Erf

1653 FT III 376. 1524 W III 4.

Störner, Urban Scheffler, Johann Ringwaldt, Bartholomäus

Dzg Brs FfO

Fröhlich soll mein Herze springen Geh aus, mein Herz, und suche Freud Getrost ist mir, o Gott, mein Herz Gott der Vater wohn uns bei Gott ist nicht ein gebundner Gott Gott Lob und Dank, dass ich nicht krank Gott, der uns diesen Tag bewacht Gottlob, es ist vorhanden

Gerhardt, Paul

B

1627 FT I 220. 1657 FT V 413. 1577 W IV 1345. 1653 FT III 405.

Gerhardt, Paul

B

1653 FT III 454.

Rist, Johann



1642 HL 4,10

Luther, Martin Vogel, Johann Schottelius, Justus Georg

Wit N F

Schottelius, Justus Georg Ringwaldt, Bartholomäus

F FfO

Gute Nacht, mein Fleisch und Blut Herr Christ, gib, dass im Wandel mein Herr Jesu Christ, das ist mein Trost Herr Jesu Christe, Gottes Sohn, tu meine Herr, von uns nimm dein Zorn und Grimm Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen Hie lieg ich armes Würmelein, Herr Christe Hilf, Gott, wie hat die Eitelkeit Hilf mir, Herr Jesu, weil ich leb

Ortlob, Karl

Brg

1624 W III 24. 1653 FT III 262. 1666 *F-1666 631. 1666 FT V 55. 1588 W IV 1526. 1730 FT I 450.

Suevus, Johann

Alt

1631 FT II 16.

Marschalch, Gerhard

Alt

1625 FT II 116.

Zeißold, Fabian

Alt

1627 FT II 40.

Anon.

H

1612 W V 709.

Heermann, Johann

L/Brs

1630 FT I 334.

Helmbold, Ludwig

Mül

Gesenius, J./ Denicke, D. Ringwaldt, Bartholomäus

Lü FfO

Hilf, Herr, mein Gott, in dieser Not Hör, Mensch, du seist groß oder klein

Selnecker, Nicolaus

L

1599 W IV 1008. 1657 FT II 449. 1588 W IV 1521. 1587 W IV 344.

Friccius, Christoph

L

1616 FT I 239.

© 2012, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525564028 — ISBN E-Book: 9783647564029

690

Anhang

Anfang

Autor

Ich bin ein Gast auf Erden Ich hab mein Sach Gott heimgestellt Ich hab mein Sach zu Gott gestellt Ich heb mein Augen sehnlich auf Ich lass ihn nicht, der sich gelassen Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und alles In allen Orten, wo ich geh In dem Leben hier auf Erden Ist etwas in der großen Welt Ist, Jesu, es dein Wille Jerusalem, du Friedensstadt Jesu, der du selbsten wohl Jesu dulcis memoria Jesus ist und bleibt mein Leben Jetzt fahr ich aus der Welt einmal Johannes sahe durch Gesicht Komm, Heiliger Geist, Herre Gott Kommt endlich, kommt die güldne Frist Lass, Herr, vom Zürnen über uns Elenden Lasst uns ansehn die Sterblichkeit Leid ist mir’s in meinem Herzen Liebes Kind, wenn ich bei mir Mein Gott, ich habe mir Mein Leben in der Eil Mein letztes Hoffen wird erfüllt Mein liebe Seel, was fürchstu dich Mein lieber Christ, steh doch was still Meine Seele, halte fest

Gerhardt, Paul Dilherr, Johann Michael

Ort

Jahr Nachweis

B N

1667 GA 17. 1653 FT V 200.

L N

1554 W III 1242. 1602 W V 614. 1673 FT V 63.

N

1526/27 W III 78. 1654 *

Anon. Becker, Cornelius Faber, Johann Ludwig Agricola, Johannes Anon. Heupold, Bernhard Behme, David Rist, Johann Schottelius, Justus Georg Harsdörffer, Georg Philipp Babzien, Michael (Bernhard zugeschrieben) Gerlach, Nicolaus Niedling, Johann

Aug Oels Lü F N Gör N Alt

FT I 199. FT I 403. HL 4,8 FT V 52. FT V 2. FT I 452. W I 181. 1670 FT V 205. 1648 FT II 83.

Gerhardt, Paul Luther, Martin

B Erf

1667 GA 84. 1524 W III 19.

Kaldenbach, Christoph

T

1626 1651 1642 1666 1648 1663

1683 FT III 190.

Vetter, Georg

1606 W IV 635.

Herbert, Petrus

1566 W IV 618.

Gerhardt, Paul Gerhardt, Paul Gerhardt, Paul Krentzheim, Leonhard Kaldenbach, Christoph Sachse, Michael

B Lis Dzg Erf

1659 1660 1647 1639 1639 1582

Ringwaldt, Bartholomäus

FfO

Arnschwanger, Joh. Chr.

N

© 2012, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525564028 — ISBN E-Book: 9783647564029

aGA S. 18 aGA S. 19 GA 67. FT I 107. FT III 183. FT I 16.

1588 W IV 1520. 1680 FT V 332.

IV. Nachweise der Liedtexte in tabellarischer Form

691

Anfang

Autor

Ort

Jahr Nachweis

Meinen Jesum lass ich nicht, denn er ist Meinen Jesum will ich lieben Nach dir, o Gott, verlanget mich

Fritsch, Ahasverus

Jen

1668 FT V 572.

Franck, Johann Anton Ulrich v. BraunschweigWolfenbüttel Moller, Martin

Gub

1674 FT IV 125. 1665 FT V 368.

Gör

1584 W V 73.

Hecht, Johann

Hal

1670 FT IV 32.

Niedling, Johann Ritzsch, Gregorius

Zwi L

1635 FT II 80. 1620 FT I 493.

Nimm von uns, Herr, du treuer Gott Nun auf, mein Geist, aus dieser Welt Nun fahr ich hin mit Freuden Nun geh ich hin zum Vater mein (Joh 16) Nun höret zu, ihr Christenleut Nun, du lebest, unsre Krone O Ewigkeit, o Ewigkeit O großer Gott von Ewigkeit

Witzstat v. Wertheim, H. Gerhardt, Paul Anon. Schottelius, Justus Georg

N Köl F

O Haupt voll Blut und Wunden O Herr, dein Ohren neig zu mir

Gerhardt, Paul Ringwaldt, Bartholomäus

B FfO

O Herre Gott, ich klage dir O Jesu Christe, Gottes Sohn, du grüner Baum O Jesu süß, wer dein gedenkt O Jesu, liebster Schatz O Lamm Gottes unschuldig

Anon. Anon.

N Kgg

Anon. Anon. Decius, Nicolaus

Mag L Ros

O Mensch, bedenk jetzunder mich O Mensch, gedenk der letzten Stund O Mensch, merk auf, was ich dir sag O Sicherheit, du Pest der Seelen O Sonnen schön, edler Planet O starker Gott, in letzter Not O Tod mit deiner Gstalte O Tod, du hast mit Ach und Weh O Vater groß von Gnaden O Welt, du sollt Urlaub han

Anon.

W III 195. 1648 aGA S. 16 1625 W V 1509. 1666 *F-1666 628. 1656 FT III 467. 1577 W IV 1343. 1631 W V 1556. 1618 FT I 150.

Eyring, Zacharias

Aug

1612 W V 703. 1658 FT I 463. 1531 W III 619.; EG 190.1 1604 W III 1450. 1611 FT I 215.

Heermann, Johann

L/Brs

1630 FT I 333.

Rist, Johann Franciscus, Petrus Henrici, Michael Spaiser, David Brendel, Johann Rist, Johann Anon.

Lü N Lis

N

Jen Lü Str

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1642 1631 1639 1609 1692 1654 1569

HL 4,5 W V 1557. FT I 289. FT I 206. FT II 114. AHM 69. W IV 829.

692

Anhang

Anfang

Autor

Ort

Jahr Nachweis

O Welt, sieh hier dein Leben O wie fröhlich, o wie selig O wie selig seid ihr doch O wie so ein großes Gut Schau hin, mein ganz entzücktes Herz So fahr ich hin mit Freuden aus diesem So geb ich mich zufrieden So wahr ich leb, spricht Gott der Herr So wahr ich lebe, spricht dein Gott So wünsch ich mir zuguterletzt So wünsch ich nun ein gute Nacht Soll denn so klein das Schifflein mein Unser Herr Christ die Herrlichkeit Vater unser im Himmelreich Vater, der du dich vernehmen Von Gott will ich nicht lassen

Gerhardt, Paul Arnschwanger, Joh. Chr. Behme, David Gerhardt, Paul Harsdörffer, Georg Philipp

B N Oels N

1647 1659 1655 1661 1654

Rinckart, Martin

L

1637 FT I 515.

Pauli, Joachim Herman, Nicolaus

B Wit

Heermann, Johann

L/Brs

1666 FT III 555. 1560 W III 1381. 1630 FT I 318.

Lü Lü

1642 HL 5,10 1630 FT II 475.

Luther, Martin Schottelius, Justus Georg Helmbold, Ludwig

L F

Wach auf, wach auf, du sichre Welt Wacht auf, ihr Christen alle, wacht auf in dieser Zeit Warum sollt ich betrübet sein Warum sollt ich mich denn grämen Was bin ich, o Herr Zebaoth Was Gott tut, das ist gut Was Gott tut, das ist wohlgetan, es bleibt

Rist, Johann



1562 W III 1418. 1539 W III 41. 1666 FT V 53. 1563 W IV 904.; EG 365 1651 NHL 4,8

Cob

1657 FT IV 264.

Alardus, Wilhelm Gerhardt, Paul

L B

1625 FT II 162. 1653 FT III 426.

Heermann, Johann Olearius, Johann Rodigast, Samuel

L/Brs L

Was Gott tut, das ist wohlgetan, kein Was hilft uns Trauren und Zagen?

Altenburg, Michael

Ndh

1630 Bode 342 1671 GSK 1204. 1675 FT IV 467.; EG 372 1635 FT II 57.

N

1569 W IV 281.

Rist, Johann Stegmann, Josua Schererz, Sigismund Herman, Nicolaus

Franck, Michael

Cronach, Abraham Ulrich von

FT III 387. FT V 310. FT I 405. aGA S. 20 FT V 35.

1628 FT II 329. Wit

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IV. Nachweise der Liedtexte in tabellarischer Form

693

Anfang

Autor

Ort

Jahr Nachweis

Was ist die Welt mit all ihr’ Macht Was ist doch unser Lebenszeit Was willt du armer Erdenkloß Was, was zerquälst du dich, mein Geist Weg mit der Eitelkeit der Welt Weil ich nun ganz verlassen bin Weil mir mein Gott, der alles gibt Weil nichts Gemeiners ist als Sterben Weint, und weint gleichwohl nicht zu sehr Wend ab deinen Zorn, lieber Herr, mit Gnaden Wende von uns ab deinen Zorn, o Herre Wenn ich des Morgens früh aufsteh Wenn nun mein Leben hat ein End Wenn wir in höchsten Nöten sein Wer in des Allerhöchsten Hut

Anon.

Ono

1628 FT III 282.

Stegmann, Josua Heermann, Johann Werder, Dietrich von dem

Rnt L/Brs L

1627 FT II 469. 1630 FT I 319. 1653 FT III 375.

Stieler, Caspar Schottelius, Justus Georg Olearius, Johann

N F L

1684 FT V 643. 1666 FT V 54. 1671 GSK 1200.

Hal

1708 Freyl. 572.

Wer selig stirbt, stirbt nicht Wer sich des Höchsten Schirm vertraut Wer unserm armen Leben Wer unterm Schirm des Höchsten sitzt Wer unterm Schirm des Höchsten sitzt Wer will dem Unheil wehren Wer will ein Christ genennet sein Werde munter, liebe Seele Werde munter, mein Gemüte Wie bin ich doch so gar betrübet Wie ein Hirsch nach frischem Wasser

Anon. Gerhardt, Paul

1667 aGA S. 21

Anon.

B

1583 W V 67.

Anon.

Eisl

1598 W V 68.

Rhost, Nicolaus

Alt

1627 FT I 35.

Anon.

L

1613 FT I 50.

Eber, Paul Lobwasser, Ambrosius

D L

Gerhardt, Paul Becker, Cornelius

L

1566 W IV 6. 1576 W IV 1250. 1668 aGA S. 22 1602 W V 608.

Franck, Michael Ringwaldt, Bartholomäus Gerhardt, Paul Werner, Adam Friedrich Selnecker, Nicolaus Gensch, Christoph Rist, Johann Rist, Johann Anon.

Cob FfO B Kop N Plö Lü Lü Brs

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1654 FT IV 256. 1577 W IV 1339. 1653 FT III 457. 1647 1564 1675 1642 1642 1644

FT II 511. W IV 321. FT IV 645. HL 3,8 HL 3,6 FT I 461.

694

Anhang

Anfang

Autor

Ort

Wie lang soll deine Zornflut sich Dach, Simon

Jahr Nachweis

Wie mir’s Gott schickt, so nehm ich’s an Wie nach einer Wasserquelle

Anon.

Wie schön grünt uns der Tannenbaum Wie tröstlich hat dein treuer Mund Wo Gott der Herr nicht bei uns hält Zeuch hin, mein liebes Kind Zieht hin, ihr lieben Kinder, zieht

Anon.

H

1641 SDG III 56. 1550 W III 1201. W IV 1242. 1612 W V 706.

Rist, Johann



1651 FT II 222.

Jonas, Justus

Erf

1524 W III 62.

Hildebrandt, Johann Niedling, Johann

L Alt

1656 FT I 546. 1648 FT II 84.

N

Lobwasser, Ambrosius

V. Register 1. Personenregister Biblische Personen wurden ins Sachregister aufgenommen. Adersbach, Andreas 71, 417, 445, 447, 556 Adersbach, Johann Ernst 629 Adolph, Christoph 116, 252, 349, 408 Aemilius, Georg 541 Agricola, Johannes 67, 585, 589, 691 Agricola, Martin 541 Alardus, Wilhelm 56, 211, 348, 426, 475, 478, 484f, 530 Alber, Erasmus 41, 44, 47, 60, 66, 77, 81, 100, 120, 124f, 130, 139, 159, 164–166, 513, 540 Albert, Heinrich 51, 66, 71, 83, 88, 91, 94, 96, 117, 124, 137, 163, 172, 178, 205, 227f, 250–253, 260, 302f, 318f, 323, 337, 376, 394, 417, 424, 535, 544, 546, 556–561, 605, 627, 629, 636, 668f Albinus, Johann Georg 172 Albinus, Michael 124, 355, 398, 403 Albrecht von Preußen 47, 125, 158, 278, 304f, 321, 323, 326, 581, 620 Altenburg, Michael 112, 326, 694

Andreae, Jacob 572, 577, 590, 616 Andreae, Johann Valentin 45, 58, 343 Andreae, Johannes 588, 590, 616 Angelus Silesius vgl. Scheffler, Johann Anne Sophie, Prinzessin von Sachsen 118 Anselm von Canterbury 263, 564, 571 Antiochus IV. 315 Anton Ulrich von BraunschweigWolfenbüttel 66f, 73, 164, 215, 217, 256, 291, 342, 346, 349, 403, 410, 692 Aristoteles 201 Arndt, Johann 26, 58, 64, 90, 100, 150, 167, 405, 543, 553 Arnold, Johann 236, 265, 688 Arnschwanger, Johann Christoph 52, 74, 132, 137, 170, 242, 251, 391, 689, 691, 693 August, Herzog von BraunschweigLüneburg 53 Augustinus 90, 144, 207, 281, 602 Ayrer, Jacob 384, 670

© 2012, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525564028 — ISBN E-Book: 9783647564029

V. Register Babst, Valentin 36–39 Babzien, Michael 357, 371, 374f, 691 Bach, Johann Sebastian 217f, 330, 378, 497, 543, 628 Backmeister, Lucas 76, 84, 92f, 260, 269, 279, 312, 314, 688 Becker, Cornelius 58, 69, 99, 114, 117, 126, 129, 152, 160, 172, 279, 433, 435, 461f, 467, 660, 690f, 694 Beckh, Joseph 137, 390 Behm, Martin 56, 61, 69, 82, 91, 96, 108, 111, 120, 163, 166, 175, 180, 212, 214, 217, 221, 238, 252, 288–291, 299, 305, 333, 342, 359–362, 365, 375, 389, 404, 486, 500, 502, 620 Behme, David 218, 265, 469f, 690f, 693 Bellinckhausen, Rudolf von 240, 689 Berckenmayr, Georg 91, 120, 297f, 305, 313, 316, 567, 584, 587 Bernhard von Clairvaux 65, 398, 404f Bernhard, Christoph 114, 118f, 126 Bernhard, Christoph 627f Besler, Samuel 152 Beyer, Johann 97 Bidembach, Felix 174, 565–568, 576, 581f, 587f, 614f, 670 Bienemann, Caspar 47, 52, 82, 90, 96, 110, 210, 262, 321, 323, 326, 332, 335, 399, 581, 587, 618, 620 Birken, Sigmund von 74, 86f, 94, 122, 132f, 163, 184, 215, 222, 257, 364, 434, 448, 486, 495f, 505, 507, 510, 522, 525, 670 Blarer, Ambrosius 56, 69, 81, 130f, 163, 165, 265, 321, 323f, 326, 328, 364, 380, 397, 501, 506, 514, 516, 529, 587, 589, 691 Bodenschatz, Erhard 109 Böhmer, Georg 138 Brendel, Johann 427f, 693 Buchholzer, Abraham 359, 378, 421f, 486, 489, 687 Bunyan, John 211 Burchard von Worms 564 Burck, Joachim von 112 Burmeister, Franz Joachim 73, 110, 218, 342, 358

695

Calov, Abraham 58, 61 Calvin, Johannes 473, 484, 603 Calvisius, Seth 99, 103–105, 433, 435 Capricornus, Samuel 405 Christian I., Kurfürst von Sachsen 114 Christian III., König von Dänemark 586 Cicero 201, 473 Clauder, Joseph 70, 94, 112, 116, 121, 131, 142, 197, 670 Cronach, Abraham Ulrich von 434, 487, 601, 694 Crüger, Johann 77–81, 84f, 88f, 91, 95, 109, 141–144, 153 Dach, Simon 49, 52, 65f, 71, 82f, 87, 93f, 117, 124f, 137, 162, 167, 171f, 179, 181f, 184f, 187, 197, 201, 203f, 206f, 216–219, 221, 227–229, 232f, 238, 251, 253, 268, 276, 296, 305–307, 314, 325, 327–329, 336, 342f, 345–348, 367, 370, 376, 378, 382, 386–390, 395, 397, 399, 417, 420, 432–434, 436, 438, 440, 447, 451–458, 466–469, 471, 474f, 482, 489, 497f, 501, 511, 514, 528, 546, 550, 556f, 559–561, 602, 604f, 607, 618, 620f, 628f, 633f, 636 Decius, Nicolaus 618, 624, 688, 692 Demantius, Christoph 70, 108, 111f, 116, 162, 277, 356, 435, 469, 498 Denicke, David 65f, 73, 92f, 160, 163, 172, 197, 213, 223, 236, 240, 269, 271, 310, 477, 479, 496, 529f, 538, 690 Dieterich, Alexander 129 Dietrich, Veit 598, 604, 608, 611f Dilherr, Johann Michael 74, 76, 84–86, 94f, 122, 131–133, 136, 139, 142, 151, 161, 163, 173f, 188, 222, 253, 257, 301f, 311, 322f, 329, 344–346, 348, 353, 368, 383, 392, 395, 403, 407, 483f, 486, 494f, 516–518, 520, 662, 670, 676, 690 Dilliger, Johann 112 Dorothea Susanna, Herzogin von SachsenWeimar 425, 432, 473f, 517 Dürer, Albrecht 223 Ebeling, Johann Georg 80, 153, 551 Eber, Paul 44, 56, 59, 77, 82, 91, 101f, 120, 139, 156, 165, 266, 269, 297f, 302, 305,

© 2012, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525564028 — ISBN E-Book: 9783647564029

696

Anhang

362, 364f, 376, 386, 542, 567, 584, 587f, 694 Eichorn, Johann 39–41, 97, 129, 141, 154, 537, 650 Empedokles 201 Endter, Georg und Wolfgang 54, 128–130, 132 Engelhard, Georg 518, 527 Englisch, Johannes 34, 44 Episcopus, Valentin 130, 158, 185, 278, 280–282, 286 Erasmus von Rotterdam 473 Ernst I. der Fromme, Herzog von SachsenGotha 111, 145, 149f Eyring, Zacharias 195, 236, 239, 692 Faber, Johann Ludwig 389–392, 394, 691 Faber, Zachäus 94, 121, 124, 187, 212, 226, 253, 302, 338, 485 Ferdinand III. 53 Feuerlein, Conrad 137f, 147–149, 663, 671 Feuerlein, Johann Conrad 140, 149 Finckelthauß, Gottfried 86, 346, 349, 386, 494 Finx, Erasmus 74f, 163, 216–218, 229, 243, 341, 348, 469, 485, 489, 497, 501 Flittner, Johann 110, 137, 164, 177, 210, 313, 390f Förster, Johann 284, 688 Franciscus, Petrus 197, 693 Franck, Caspar 450, 467, 485, 501f, 506–509, 512 Franck, Johann 60, 80, 110, 118, 135, 163, 182, 188f, 192, 215, 219, 255f, 298, 305, 307, 327, 335, 345, 378, 383, 391f, 407, 497, 500, 516f, 519f, 528, 540, 548, 620, 690, 692 Franck, Melchior 109, 112, 394, 396, 528, 628 Franck, Michael 47, 53, 66, 74, 78, 84, 87, 122, 136, 163, 170f, 177, 181, 191–198, 200–202, 218f, 223, 292, 299f, 306, 314, 342, 399f, 475f, 513, 693f Franck, Peter 122, 216, 354 Friccius, Christoph 213, 239, 260, 690 Friedrich August I., Kurfürst von Sachsen 117

Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg 80 Fritsch, Ahasverus 75, 87, 94, 121, 164, 182, 189, 211, 218–220, 243, 330, 346, 385f, 390, 392, 404, 682, 688, 692f Frölich, Bartholomäus 47, 59, 77, 79, 82, 96, 120, 139, 156, 165, 294, 298, 331, 392, 433, 435, 549 Fuhrmann, Valentin und Leopold 129 Gallus, Jacob 112, 439 Geletzky, Johannes 88, 213, 479 Gensch, Christoph 73, 340, 343, 464, 487, 489, 695 Gerber, Christian 127, 148, 390, 588, 590, 671 Gerhard, Christoph 133 Gerhard, Johann 58, 64, 357, 378, 459, 483, 553, 571, 603 Gerhardt, Paul 52, 65, 67, 72, 76, 80f, 83f, 87, 95f, 102, 117, 122, 135, 137f, 153, 160, 163, 171f, 176f, 184, 186, 194, 197, 203, 212, 216, 220, 222, 232f, 252, 255, 267f, 279f, 302f, 313, 327, 330, 357–359, 364f, 367f, 382f, 385, 393, 397f, 417, 434, 436, 438–440, 447f, 452, 458–461, 466, 468, 470, 474, 476, 489, 504, 508, 513, 516, 518–522, 528, 538, 551, 603, 620, 629, 633 Gerlach, Jeremias 75, 222, 305 Gerlach, Katharina 128f Gerlach, Nicolaus 391, 691 Gerlatz, Dietrich 129 Gerson, Johannes 263, 315, 564f, 671 Gesenius, Justus 63–66, 73, 92f, 140, 144, 160, 163, 172, 197, 213, 223, 236, 240, 269, 271, 310, 477, 479, 496, 529f, 538, 690 Gesius, Bartholomäus 112, 152 Geyßler, Johann Conrad 45 Gigas, Johann 47, 51, 59, 66, 82, 120, 120, 125, 130, 139, 158, 163, 165, 172, 180, 278, 281, 284, 392, 395, 397, 584f Glaser, Johann Friedrich 62 Göbel, Sebastian 133f, 141 Greiff, Friedrich 47 Große, Gottfried 101 Große, Henning 98

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V. Register Grünewald, Georg 56, 130, 197, 326, 437, 440f, 606, 610 Gruppenbach, Georg 42, 45, 48 Gryphius, Andreas 70f, 164, 170, 173, 176f, 182, 188, 192f, 195, 197f, 200–202, 222, 249, 257, 417, 469, 472, 496f Gutknecht, Jobst 128 Habermann, Johann 58, 64, 80, 150, 576, 651f, 654–657, 664 Hagen, Peter 78, 83, 91, 93, 117, 124, 163, 295, 337, 448, 495, 498, 507f, 515–519, 523, 603 Hain, Gabriel 129 Hammerschmidt, Andreas 109 Harsdörffer, Georg Philipp 74, 87, 94, 132f, 135, 164, 203, 236, 514, 528, 627, 691, 693 Hasse, Nicolaus 90, 93 Hecht, Johann 347, 496, 692 Hedwig Sophie, Prinzessin von Brandenburg 558 Heermann, Johann 49, 52, 60, 63, 65, 69–71, 78f, 81, 83f, 88, 94–96, 111f, 117f, 122, 125, 131f, 137, 142, 151, 160, 162, 175, 186f, 189, 195, 210, 212, 214, 236, 241–244, 249, 251, 260, 294, 305, 315, 326–328, 341, 347f, 365, 375, 378, 382, 392, 394, 405, 417, 419f, 422–424, 426–428, 430–432, 434–437, 440–444, 448, 460, 464, 466, 468f, 472, 474–476, 480, 487, 495f, 499, 501, 508, 510, 513, 524, 528, 538–540, 542f, 601f, 617, 619–621, 623, 628f, 632f Hegenwalt, Erhart 538, 585, 623, 625, 689 Heinrich, Herzog von Sachsen 563 Held, Heinrich 95, 122, 327f Helder, Bartholomäus 112 Helmbold, Ludwig 51, 69, 82, 91, 125, 135f, 164, 166, 213, 278, 295, 322, 328, 389, 486f, 516f, 526, 690, 693 Herberger, Valerius 48, 67, 86, 100, 120, 166, 188–190, 267, 269, 364, 376, 405, 421, 485, 545, 548 Herberger, Zacharias 211, 214, 216, 227, 689

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Herbert, Petrus 56, 130, 163, 178, 186, 210, 293, 301, 307, 309–311, 317, 326, 335, 370, 500, 691 Hergot, Hans 35, 128 Herman, Nicolaus 44, 51, 56, 59, 76f, 82, 91, 98, 100, 102, 115, 120, 124f, 127, 130f, 133, 139, 151, 156, 158–160, 162f, 165, 174, 176, 214, 238f, 245f, 248, 251f, 254, 266f, 312f, 316, 331, 335, 364, 374, 380f, 384f, 391, 393, 395, 417, 450f, 474–476, 487f, 503, 505f, 512f, 526, 539, 541–543, 549, 585, 587, 591, 604, 618f, 623f, 672, 688, 693 Herodot 407 Heupold, Bernhard 399, 487, 689, 691 Heyden, Sebald 97, 158, 278f Hieronymus 536 Hildebrandt, Johann 437, 445, 695 Hintze, Jacob 80 Hoë von Hoënegg, Matthias 58, 113 Höfel, Johann 122, 136, 449 Homburg, Ernst Christoph 66, 75, 87, 94, 163, 173f, 185f, 206, 217f, 227, 250, 298, 323, 353, 386, 465, 687f Hörnigk, Ludwig von 47f, 53, 86, 220, 457, 506 Horst, Nikolaus von der 54 Hubert, Konrad 585, 688 Hunold, Michael 87, 94, 430–432 Hutter, Leonhard 204, 222, 313f, 318, 327, 385, 437, 480, 483f, 505f, 512, 526f, 529, 597, 672 Johann Georg I., Kurfürst von Sachsen 390 Johann Georg II., Kurfürst von Sachsen 114, 117f Johann Georg III., Kurfürst von Sachsen 118 Johann Georg IV., Kurfürst von Sachsen 117 Johann Sigismund, Kurfürst von Brandenburg 78 Johann Wilhelm, Herzog von SachsenWeimar 425, 517 Jonas, Justus 250, 277, 571, 695

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Anhang

Kaldenbach, Christoph 219, 471, 497, 672, 691 Keimann, Christian 47, 49, 60, 110, 117f, 136, 300, 390–392, 410, 548, 620 Kempff, Johann 70, 113, 121, 371, 375–378, 408 Kerner, Gregorius 46 Kesler, Andreas 113, 122, 136, 163, 236, 241, 261, 395, 434, 436, 454f, 461, 498 Keulisch, Johann Heinrich 243, 256, 344–346, 348, 627 Kindermann, Johann Erasmus 136, 628 Kirchenbitter, Christoph 110, 391, 397 Klaj, Johann 74, 132f, 136, 228, 372, 382 Klinger, Christoph 108 Klug, Joseph 35, 37 Knoll, Christoph 47, 53, 56, 59, 61, 77, 82, 96, 100, 115, 120, 125, 164f, 185, 189, 227, 267, 325, 339f, 347, 354, 363, 407, 421, 423f, 431f, 469, 473–476, 478, 492, 504, 549, 619, 621 Knorr, Nicolaus 129 Kolhans, Johann Christoph 51, 122, 305, 346, 350 König, Johann Friedrich 313f, 318, 327 Krentzheim, Leonhard 178, 253, 343, 402, 496, 691 Lamberg, Abraham 97 Leisentrit, Johann 599, 601 Leon, Johannes 47, 52f, 59, 77, 82, 91, 96, 120, 125, 130, 139, 163, 165, 172f, 175f, 194, 197f, 221, 232, 313, 320, 322–325, 328, 337, 354f, 368–370, 376, 395f, 450, 460, 474, 502, 504, 510, 522f, 618f Leyser, Polykarp 113, 126 Lobwasser, Ambrosius 88, 172, 279, 348f, 656, 694 Löner, Caspar 41, 115, 450, 468, 623 Lorber, Melchior Gerhard 49, 652 Ludwig, Herzog von Württemberg 42, 140, 143, 148 Luise Charlotte, Prinzessin von Brandenburg 558 Luise Henriette, Kurfürstin von Brandenburg 88

Luther, Martin 33–39, 44, 58f, 77, 81f, 97, 101, 115, 120, 124, 130, 139, 153, 155, 163, 165–167, 186, 206, 213, 218, 220, 225, 262, 269, 276f, 300, 304f, 307, 314, 316, 336f, 347, 350f, 354, 357f, 364f, 371, 379f, 403, 407, 418, 439, 450, 455, 484, 495, 498, 500f, 508, 515f, 516, 518, 536–541, 543, 567, 572f, 576, 585–588, 595, 597f, 600f, 603, 618f, 621–626, 642 Magdalene Sibylle, Kurfürstin von Sachsen 118 Magdeburg, Joachim 99, 333, 514, 549 Major, Johann 280 Marci, Cornelius 130 Marschalch, Gerhard 315, 522, 690 Mathesius, Johannes 98, 130, 163, 369, 502, 522, 525, 542 Maukisch, Johannes 263, 687 Mauritius, Andreas 78 Melanchthon, Philipp 33f, 64, 144, 473, 541 Menander 460 Metzger, Ambrosius 129 Meyers, M. A. 586, 688 Meyfart, Johann Matthäus 73f, 113, 184, 191, 214, 243, 478f, 489–491, 532, 672 Michael, Rogier 114 Michael, Tobias 103, 108, 121, 163, 256, 417, 420, 434f, 444, 470f, 474, 631f Minucius Felix 505 Moebius, Georg 108 Moller, Martin 47, 56, 62, 69, 82, 90, 112, 120, 163f, 180, 185–187, 275, 287, 294, 354f, 358, 367, 378, 392, 395, 399f, 405, 543, 583–585, 587, 596, 620, 673, 692 Moscherosch, Quirinus 183f, 216, 688 Müller, Bernhard Michael 50, 652 Müller, David 436, 672 Müller, Heinrich 26, 67, 74, 87, 90, 92f, 95, 132, 142, 159, 163, 180, 183, 185, 188–192, 198, 212, 217–219, 333f, 343, 375, 378, 389f, 392, 398–400, 403f, 406–408, 410f, 414, 513, 543, 648 Müntzer, M. R. 41, 60, 81, 130, 159, 165 Mylius, Georg 72, 87, 94, 124, 137, 237–239, 296, 305, 545, 556

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V. Register Neuber, Valentin 129 Neumark, Georg 75, 185, 187, 190, 207, 342f Nicolai, Jeremias 47, 53, 60f, 81, 165, 474–480, 508 Nicolai, Philipp 46f, 52, 60f, 66f, 86f, 100, 116, 120, 131, 137, 159, 162f, 166, 188f, 206, 217, 280–282, 341–343, 348f, 391f, 398, 400–404, 407, 421, 477, 513, 528, 571, 588, 595, 620f, 627, 673 Niedling, Johann 75, 210, 268, 281, 311–313, 316, 335, 337, 422f, 437, 464, 471f, 545, 584, 691f, 695 Nikolaus von Dinkelsbühl 565 Odysseus 219 Olearius, Johann 75, 87, 94, 121f, 125, 142, 156, 162, 189, 213, 222, 226–228, 264, 326f, 331, 356, 360–363, 365, 368, 371, 375, 377, 382f, 386, 389, 434, 436, 444, 449, 452, 457, 459, 461, 466f, 472, 527, 530f, 586, 634f, 648, 674, 688, 694 Olearius, Johann Christian 586 Omeis, Magnus Daniel 74, 136, 164, 179f, 182f, 188, 216, 243, 257, 333f, 363, 375, 387, 389, 432, 511, 689 Opitz, Martin 65, 70, 80, 83, 88, 96, 118, 132, 137, 153, 164, 167, 172, 190, 451, 512, 514, 542f, 556 Ortlob, Karl 425, 437, 448, 690 Osiander, Lucas 42, 44f, 51, 103f, 128, 140, 143, 146, 577, 616, 666 Ostau, Fabian von 124, 171, 179, 185 Ostermann, Nicolaus 396 Pauli, Joachim 72, 84, 91, 137, 173f, 215, 228, 256, 378, 420, 424, 460, 464, 471, 473, 693 Paulinus von Nola 505 Peck, David 121 Petrarca 473 Platon 201 Plutarch 460 Policarius, Caspar 130, 407 Policarius, Johannes 56, 513 Porst, Johann 78, 143 Prätorius, Benjamin 75, 225, 693 Prätorius, Michael 109, 114

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Prudentius 38f, 59, 81, 98, 111, 124, 166, 429, 433f, 447f, 495, 504f, 508, 510, 522f, 525, 601, 624 Quirsfeld, Johann 75, 417, 419, 434, 436 Rappolt, Friedrich 110, 229f, 305, 498 Regino von Prüm 564 Reindaler, J. vgl. Tab. 1, Herr Jesu Christ, du treuer Gott Reiß, Johann Heinrich 46 Reuß, Heinrich der Andere 610 Reuß, Heinrich Posthumus 544, 585, 617 Rhost, Nicolaus 399, 694 Richter, Gregorius 70f, 86, 95, 137, 164, 174, 178f, 181f, 184, 187, 195f, 235, 251f, 261, 345, 434f, 447f, 460, 465, 497, 509, 529 Riehel, Theodosius 42, 98, 129 Rinckart, Martin 112, 337, 425–427, 454. 486, 632, 693 Ringwaldt, Bartholomäus 47, 53, 59f, 62, 69f, 77–79, 81f, 84, 96, 100, 102, 108, 110, 116, 120, 125, 130f, 133, 139, 158f, 162f, 165, 175, 178, 192, 196, 203–206, 208f, 213, 226, 232–234, 238, 242f, 246, 266, 268–271, 274, 278–287, 296, 299, 319, 323f, 333, 354, 356, 383, 392, 395, 438, 450f, 467, 479, 492, 494, 503, 508, 513f, 528, 540, 604, 627, 687, 690–692, 695 Rist, Johann 49, 51–53, 66, 73, 76, 81, 84, 86–88, 90–92, 95f, 110, 117, 122–125, 131, 133, 135, 137, 139, 142, 151f, 159f, 162, 166, 171, 173, 175–179, 182, 184f, 188f, 192, 196, 205, 213, 215–218, 220, 224–226, 232f, 236f, 239, 243–245, 250, 252–255, 258, 261, 266, 274–276, 282, 288–291, 293, 298, 305, 310f, 313, 323, 325, 332, 335, 345f, 348, 367f, 372, 381f, 385–387, 390, 392, 396, 398f, 402, 407–410, 434f, 465, 478–480, 485, 494, 496f, 503f, 508, 513f, 523, 527, 529–531, 535, 538f, 542–544, 547, 550–556, 559–561, 588, 592f Ritter, Jakob 75, 136, 164, 171, 210, 242f, 260f, 264, 304 Ritzsch, Gregorius 99, 103, 108, 141, 213, 330, 337, 356, 375, 658f, 692

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700

Anhang

Röber, Paul 102, 112f, 116, 121, 164, 171, 194, 204, 251f, 254–256, 385, 434f, 451, 492, 509, 526 Roberthin, Robert 72, 83, 93, 96, 117, 124, 163, 171f, 192f, 226, 306, 312, 356, 460, 465, 471, 474, 546, 556, 605, 629 Rodigast, Samuel 327, 694 Rosenmüller, Johannes 49, 52, 67, 75, 87, 94, 172, 176, 356, 478, 528, 549, 603 Rosenthal, Johann 75, 94, 110, 173f, 191, 198, 486 Rösslin, Johann Weyrich 45, 48 Rothäupt, Maria 108, 213, 340, 546, 603, 628 Rowe, Walther 558 Rude, Johann Jakob 74, 86, 94, 122, 133, 136, 217, 341, 346, 407 Rudolf August, Herzog von BraunschweigWolfenbüttel 53, 57 Runge, Christoph 67, 72, 76, 78–80, 83–86, 88, 91, 117, 122, 124, 141, 163, 173, 177, 181, 261, 264f, 267f, 316, 336, 353, 400, 494, 496, 513, 656f, 671 Rutilius, Martin 207, 280, 378, 538, 587 Sacer, Gottfried Wilhelm 73, 87, 92, 95, 122, 125, 163, 173, 177–179, 210, 212, 219, 223, 228, 236, 241, 248, 259, 264, 289–291, 293f, 296, 301, 326, 330, 382, 389, 416f, 419, 424, 434, 436, 448, 457, 460f, 467, 501, 602 Sachse, Michael 213, 691 Sand, Johann 417f, 424, 434, 474f Sandhagen, Caspar Hermann 67f, 141 Sass, St. 72, 347, 469 Saubert, Johann d. Ä. 73f, 85, 122, 136, 164, 223, 341, 529 Saubert, Johann d. J. 75, 133f, 136, 502, 509f, 520f, 523, 526, 663 Schalling, Martin 78, 82, 91, 120, 125, 165, 332, 355, 389, 483, 485f, 500, 549, 587, 619, 621 Schechs, Jakob Peter 122, 358 Scheffler, Johann 93–95, 110, 163, 181, 299, 342, 344–346, 350, 364, 397, 404–406, 408, 410f, 496, 688f Scheid, Gottfried 112 Scheidemann, Heinrich 90, 551

Scheidt, Samuel 627f Schein, Johann Hermann 70, 76, 79, 84, 91, 97, 103–113, 115f, 121, 124f, 128, 141–144, 146, 156, 161f, 167, 417, 433–435, 441–448, 538, 540, 545f, 587, 605, 620, 622, 627–631, 636, 638 sowie laufend in Teil B, insbes. VII. Schelius, Johann 102, 121, 275, 277 Schelle, Johann 627f Schererz, Sigismund 90, 218, 437, 693 Schirmer, Michael 72, 84, 88, 96, 110, 117, 137, 295, 434f, 438, 465, 467, 471, 498 Schmidt, David 627 Schmucker, Caspar 390 Schop, Johann 90, 109, 551, 553, 674 Schottelius, Justus Georg 73f, 86, 132, 158, 170, 173, 177–179, 206, 280, 282–284, 295, 314, 323, 688, 690–694 Schramm, Georg 210, 240, 369, 500, 688 Schreiber, Caspar 271, 689 Schultze, Jakob 551 Schumann, Valten 97 Schupp, Johann Balthasar 147, 625 Schütz, Heinrich 114, 152, 405, 487, 585, 628 Schütz, Hieronymus 114 Schwab, Sigismund 69, 359, 389, 505 Schwämlein, Georg Christoph 277 Schwarz, Sibylla 496, 687 Schwarzburg-Rudolstadt, Ämilie Juliane von 75f, 87, 164, 210, 213, 231, 236, 241, 260, 262, 264, 267, 307, 322, 333, 356, 372f, 375, 407, 463, 535, 544, 546–550, 560, 612, 675 Schwarzburg-Rudolstadt, Ludämilie Elisabeth von 75, 215, 265, 393, 396, 408 Schwemmer, Heinrich 627 Schwerin, Otto von 135, 254, 505, 516, 518, 520, 524 Scriver, Christian 26, 49 Selle, Thomas 152, 551 Selnecker, Nicolaus 49, 51, 56, 59, 76, 82, 91, 96, 100, 102, 113, 120, 124, 126f, 130f, 133, 139, 162f, 165, 175, 184, 187, 212, 223, 235f, 239, 275, 297f, 305, 312, 326, 331f, 334, 354f, 369, 373, 391, 395, 397, 399, 421, 486f, 523, 584, 675, 689f, 695

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V. Register Sieber, Justus 75, 181, 383 Siegel, Michael 112f Siegfried, Johann 78, 84, 116, 189, 221, 322f, 337, 354, 421 Sigillus vgl. Siegel Sohren, Peter 49, 78, 89–95, 141f, 163, 188, 193, 195, 238, 242, 333, 376, 382, 399, 595, 658 Sonnemann, Ernst 54 Sophie, Markgräfin von Brandenburg 55 Spaiser, David 253, 257, 260, 407, 693 Spangenberg, Johann 541 Speer, Daniel 49 Spener, Philipp Jacob 20, 26, 76, 88, 224, 244, 603 Spengler, Lazarus 585, 617, 625, 689 Speratus, Paul 585, 689 Spörlin, Johann Michael 134 Stegmann, Josua 170, 173, 178f, 188, 553, 693f Stern, Johann und Heinrich 21, 53–58, 62, 68f, 76, 141, 653–656, 665f, 674f Steuerlein, Johann 627 Stieler, Caspar 391, 694 Stigelius, Johannes 130, 235 Stobaeus, Johann 91, 346, 546 Stöcken, Christian von 73, 448, 495, 507, 522, 524 Stolzhagius, Caspar 98, 120, 158, 304, 396 Stölzlin, Bonifatius 228, 367, 688f Störner, Urban 202, 393, 689 Striccius, Wolfgang 120, 514, 516, 518f Sturm, Leonhard 47, 53, 228, 337, 420f, 457, 628f, 689 Suarinus, Abraham 432, 545, 688 Sudermann, Daniel 346, 688 Suevus, Johann 239, 347, 690 Tepl, Johannes von 246 Thalhaimer, Christian 120, 244, 252, 274, 333 Thilo, Valentin 66, 94, 164, 329, 513 Timäus, Johannes 91, 184, 226, 262, 328, 330, 524, 545f Titius, Christoph 74, 136f, 164, 170, 173, 189, 244, 355, 420, 474, 501 Treu, Paul 48

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Triller, Valentin 69, 82, 175f, 178, 192, 198, 212, 214, 216, 479 Vergil 201 Vetter, Georg 287, 691 Vogel, Johann 129, 132, 151f, 466, 675, 689 Völcker, Hinrich 89 Vopelius, Gottfried 97, 103, 108f, 678 Vorberg, Georg Sigismund 75, 206, 220, 524 Wagenmann, Abraham 129 Walliser, Christoph Thomas 313, 316, 391, 396 Walter, Johann 33–35, 37, 46, 60, 66, 91, 104, 114, 125, 130, 159, 165, 239, 384, 477f, 508, 618, 620, 649, 676, 689 Walther, Michael 51, 86, 137, 173, 189, 217, 219, 339, 500, 584 Weber, Jeremias 101f, 116, 127, 147, 369 Wegelin, Josua 133, 164, 288f, 292, 330 Weinrich, Georg 99, 144 Weisse, Michael 34–41, 44, 56, 59f, 62, 76f, 81f, 99f, 115, 120, 124, 129–131, 133, 139, 154–156, 158–160, 163, 165f, 217, 243f, 261, 277, 433f, 465f, 469, 473–475, 482, 492f, 500, 502, 513f, 527, 538, 540, 624, 636, 649 Weissel, Georg 72, 82f, 94, 96, 117, 124, 163, 171, 173f, 188f, 192f, 206, 213, 253, 260, 312f, 323, 343, 353, 366, 376, 378, 407 Weller, Jakob 58, 113, 390 Werder, Dietrich von dem 173, 395, 504, 689, 694 Werner, Adam Friedrich 218, 695 Werner, Georg 65, 72, 83, 88, 94, 96, 117, 124, 137, 163, 205, 214, 249, 252, 294 Weßnitzer, Wolfgang 54 Wilkow, Christoph 66, 72, 83, 88, 124, 184, 303, 451, 556 Witzstat von Wertheim, Hans 39, 101, 223, 692 Wudrian, Valentin 584 Wülfer, Johann 138 Wülffer, Daniel 66, 74, 136, 207, 676 Wust, Balthasar Christoph 84, 89

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Anhang

Zeißold, Fabian 234, 265, 690 Zeutschner, Tobias 90f Ziegenspeck, Michael 70, 94, 121, 182, 186 ,188f, 213, 317, 368, 371f, 397, 487

Zinzendorf, Nikolaus von 375 Zwingli, Ulrich 473, 536

2. Sachregister Aaron 437 Abendmahl 311, 350, 360, 371f, 375, 412, 548, 560, 562f, 565f, 568–571, 573, 582, 589, 593, 595, 623, 645 – Abendmahlslieder 37, 40, 149, 537, 548f – Verlangen nach dem Abendmahl 571 Abfrage vgl. Fragen am Sterbebett Ablass 597 Abraham 285, 485f, 597, 618 – Abrahams Schoß 483, 485–487, 491, 526, 532, 619 Abscheu vgl. Ekel Abschied 28, 228f, 415, 421 – von der Welt 180, 188–191, 209, 365, 421, 644 – von den Angehörigen 421–423, 574–576, 583, 633, 644 Absolution 569–571 Abwaschen der Sünde vgl. Waschen Abwesenheit Gottes 442 Adam 204–206, 209, 248, 378, 380, 384, 413, 480, 502, 509, 525 Ägypten 183, 216f, 387, 413 Akrostichon 105, 415, 426, 435, 517, 631, 636, 639 Alchimie 509 Allgegenwart des Todes 241 Allgemeinheit des Todesschicksals 171– 173, 209, 248 Alphabetisierung 148, vgl. auch Lesefähigkeit Anbefehlen 331–333 – der Angehörigen 333f, 416, 421–423, 430, 432, 574, 640 – des Leibes 332, 510, 603 – der Seele vgl. Commendatio animae Andacht(en) 137, 551, 553f, 556f, 559f, 593f

Aneignung 238, 258, 335, 373, 382, 409, 455, 542, 594, 616, 621, 642, 644f Anfechtung 258, 266f, 269–272, 275, 300–317, 319, 330, 335, 350f, 354, 358, 371f, 376, 412, 456, 514, 562f, 566–568, 573, 580, 638, 640f, 645 – durch die Sünde 208, 276, 307–314, 638 – durch den Tod 223, 253, 259, 305 – durch Teufel und Hölle 223, 304–307 – fünf Anfechtungen der mittelalterlichen Ars moriendi 565 Angst 185, 193, 286, 300–317, 350, 357, 359 – Todesangst 301–304, 338, 359 Anhang-Gesangbuch 45, 48, 51f, 151 Anklage 306f, 313, 351, 641 annihilatio mundi 202, 526 Anonymität 245, 604 Anrede der Angehörigen 423–425, 481, 643 Anrufung Gottes in der Not 275–277, 282, 287, 350, 444, 644 Antiochus IV. 313 Antlitz des Menschen 194 apokalyptische Trias 251, 280f, 640 Apostel 477f Aria 152 Armenkasten 599, 611 Ars bene vivendi 265, 272 Ars moriendi 202, 210, 234, 263–266, 272, 296, 421, 548, 564, 575, 582, 596, 642 Asche 174, 179f, 502, 504f, 521f, 525 Atem, Odem 297 – Lebensatem 177, 525 – Odem Gottes 177, 293, 495 Auferstehung 314f, 482, 512–527, 599, 640f – Jesu 383, 413, 452, 473, 512

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V. Register – des Leibes 503, 505f, 509, 517–527, 533 – der Toten 384, 450, 473, 491, 512, 638f – als Neuschöpfung/Neugeburt 525f Auferstehungsglaube 314f, 351, 482, 600f, 621, 635 Auferstehungshoffnung 437, 450, 456, 504, 612 Auferstehungsleib vgl. Leib Auferweckungswunder 539, 543 Aufklärung 536 Auflösung vgl. losmachen Augenlust 192 Aussaat 505–507 Ausspannen 217, 358, 387 Auswendiglernen, auswendig Singen 54, 128, 138, 144, 146–148, 152, 568, 580, 585, 595, 642 Autoren der Lieder 162–164 Autorengesangbuch vgl. Gesangbuch Autorschaft 167 Babel, babylonisches Exil 183f, 216f, 387f, 413 Babstsches Gesangbuch (Leipzig 1545) 20, 36–41, 59, 67, 82, 97–99, 102, 114f, 120, 124, 128f, 154, 156, 158, 160, 166, 223, 252, 276, 354, 384, 394, 407, 434, 439, 447, 450, 455, 485, 498, 501, 506, 512, 515f, 585, 597f, 601, 624, 626, 650 Bahre 609 Baum des Lebens 377, 392 Becker-Psalter vgl. Liedpsalter Bedenken des Todes vgl. Denken an den Tod Befragung vgl. Fragen am Sterbebett Befreiung 217, 231, 255, 270, 336, 343, 346, 358, 384–388, 413, 496f, 640 Begräbnis 596–636 – als Dienst an den Toten 597–599, 635 – als Dienst an den Lebenden 600– 606, 635 – äußerer Rahmen 606–611 – ehrliches 602, 607f, 621, 635 – öffentliches 607, 635

703

– stilles 609 – Gesang beim Begräbnis 621–630 Begräbniskantional 146 Begräbnislieder (Gesangbuchrubrik) 156 vgl. auch Kinderbegräbnislieder Behausung vgl. Haus Beichte 120, 549, 562, 565f, 568–571, 595 Belehrung 34, 265 – im Bedenken des Endes 232–234, 258 Bereitung zum Gericht 513 Bereitung zum Sterben 28, 45, 210, 230, 233f, 238f, 257f, 259–266, 421, 544, 561, 568, 580, 600, 604, 612, 637, 643–645 Bergwerk 508f Berliner Textdichter 72, 83f, 96, 122, 137 Besitzdenken 195 Bestellen des Hauses 262, 272, 322, 333, 638 Betrachtung 236, 554–556, 560 vgl. Passionsbetrachtung Betstunden 114, 145, 150 – Sterbe-Betstunde 547f Bewahrung des Leibes 501, 509–512, 533 Bewusstsein 299 Beziehungen vgl. Gottesbeziehung; familiäre/ zwischenmenschliche Beziehungen; Trennung Bibel – als literarische Tradition 24, 642 – Bibeldrucke mit Liedanhang 57–62 – private Verwendung im Gottesdienst 57, 145 – Nürtinger Blutbibel 227 – in der Sterbeseelsorge 576–583 – in der Leichenpredigt 613–617, 642 Bild – des Todes 245, 252–255, 259, 298, 301, 364, 544 – eines Toten 245f – Jesu 254, 363f, 412, 640 Bilderars 304, 315, 565 Bitte 267, 335, 643f – um rechtes Bedenken des Endes 232, 643 – um ein seliges Ende 245, 266–272, 277, 287, 289, 296, 298, 314, 331, 340, 351, 546, 584, 643

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Anhang

– um Erfüllung der Sterbesehnsucht 340–345, 352, 387, 588, 643 – um Vergebung 287 Bitterkeit des Todes 257, 325, 407 Blindheit der Heiden 452 Blumen – als Bild der Jugend 194 – als Bild der Vergänglichkeit 174, 176, 209, 292, 617 – als Grabbeigabe/-schmuck 599, 601 Blut Christi 222, 227, 282f, 307, 334, 356, 366, 368–371, 412, 506, 528, 640 Böhmische Brüder 20, 34–36, 39, 41, 56, 88, 99, 115, 129–131, 154, 160, 293, 307, 434, 479 Brandenburg vgl. Kurbrandenburg 21 Braunschweig-Lüneburg 21, 53–77, 161 Braut/Bräutigam 342, 344, 397–411, 414, 429, 524, 638 – Kirche als Braut Christi 79 – des Lammes 547 – biblische Wurzeln 400 vgl. Sehnsucht nach Jesus als Bräutigam – von menschlichen Paaren 426 Brennen der Liebe 403f, 414 Buch des Gewissens 306 Buchdrucker 141 Bund, alter 524 Bündel der Lebendigen 484f, 491 Bürgerrecht im Himmel 216 Buße 210, 233, 235, 239–241, 258f, 277, 288, 307, 313, 513, 564f, 595, 615, 637 Bußgottesdienst 145, 280, 288 Cantional (Leipzig 1627/1645) 70, 103–108, 109f, 112, 115f, 124f, 128, 141f, 144, 146, 156, 161f, 280, 356, 378, 435, 438, 538, 540, 545f, 587, 620, 630f, 636 Cantionale Sacrum (Gotha 1648) 70, 97, 103, 111–113, 146, 161, 454, 631 Cantus firmus 104, 146 Cellisches Gesangbuch (Lüneburg 1661/ 1696/1702) 54f, 58, 60–69, 77, 120, 143, 146, 148, 151, 157, 161, 170, 452 Chor, Chorgesang 19, 44, 80, 104–106, 108, 111, 126–128, 141, 143–146, 152,

154, 167, 416, 608–611, 622–624, 629, 635 – himmlische Chöre 275, 594f Chorsatz 143; vgl. auch Kantionalsatz Christologie 353–414 Christus vgl. Jesus Christus Christusbeziehung vgl. Gottesbeziehung Coburger Textdichter 122, 136 Commendatio animae 267, 275, 298, 305, 331–334, 342, 352, 363, 393, 422, 484, 490, 510, 532, 579, 597, 644 compassio 356 concupiscentia 310 conditio humana 209 contemptus mundi 169, 180–191, 202, 209 Contrapunctus simplex 104, 146 contritio 312–315, 317, 351 Dahinfahren 220, 485 Dedikation 415 Denken an den Tod 232–239, 258, 645; – vgl. Memento mori – als Sitz im Leben der Lieder: vgl. Sterbegedenken, vorausgreifendes Descensus ad inferos 382, 384, 386–388, 413, 497 Detempore 111, 126, 129, 145f, 149, 536–540, 560 Deus absconditus 329 Deutschsprachigkeit 553 Dichtungsreform 167 Diminutiv 471 Dinge, letzte vgl. letzte Dinge Dogmatik 155, 158 Dreieinigkeit vgl. Trinität Dreißigjähriger Krieg 20, 26, 57, 70, 115f, 167, 177, 227, 473, 587, 609, 631 Dresden 113–124 – Dresdner Gesangbücher vgl. auch 156, 158, 278, 321f, 389, 450, 455, 512 Druckerprivileg 53, 141 Durchdringen 226, 231 Durst 347, 349f, 361–363, 370, 374f, 412, 578f, 617

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V. Register Ehepartner 416, 423–430, 476, 480f, 524f, 630, 638 Ehre – himmlische 360, 362; vgl. auch Krone der Ehre – irdische 198f Eichornsches Gesangbuch (Frankfurt/O. 1558) 20, 39–41, 55, 58, 65, 78, 97f, 106, 129f, 141, 154–156, 158, 160, 166, 186, 318, 537 Eigentumsverhältnis zwischen Gott und Mensch 332, 393–398, 414, 460f Eigenwille des Menschen 318, 320, 324–326, 338, 352, 446, 638 Einmaligkeit von Beziehungen 427, 481 Eitelkeit 169f, 173f, 187, 189, 200, 202, 209, 236, 391, 591f, 639 – Gesangbuchrubrik 19, 51, 135, 155, 157, 161, 170, 190 Ekel 193, 196, 296 Elend 185, 217, 225, 233, 281, 303, 317, 339–341, 405, 445, 554f – Gesangbuchrubrik 19, 65, 67f, 77, 157, 161, 170, 172 Elia 331, 342f, 385, 480, 486–491, 529, 532, 577f, 616 Empfinden der Todesnähe 274, 644 Ende, seliges vgl. seliges Ende Engel 419f, 462, 471, 477, 483, 485–487, 490f, 530, 532, 565, 585 – Tod als Engel 257 Engelsgleichheit 479, 529f, 533 Enthistorisierung 482, 492, 532, 641 Entlarvung des Todes 254f Entstehungszeit der Lieder 161f Epicedien 439f, 447, 627, 629, 636 Epistellieder 151, 541–543, 560 vgl. auch Perikopenordnung Epocheneinteilung 26 Erbauung 58, 109, 154, 550, 552–554, 556, 560 Erbauungsliteratur 22, 27, 150, 211, 378, 544, 642 Erbe 334 Erbsünde vgl. Sünde Erde 209, 244 – aus der der Mensch geschaffen ist 175, 502, 525

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– als Ort des Leibes 483, 493, 497–512, bes. 510ff Erdenkloß 175, 288, 493, 502 Erdwurf 610 Ergebenheitshaltung 452, 456 Ergebung in Gottes Willen 262, 286, 290, 317–326, 329, 331, 335, 350, 352, 357, 446, 452, 482, 563, 579, 638, 643f Erhörung 343–345, 443 Erkenntnis – der Sterblichkeit 232, 236, 258 – gegenseitig unter den Auserwählten 480 Erlöser 383, 515–517 Erlösung vgl. losmachen Ermüdung vgl. Müdigkeit Ernte 505–508, 533, 631 Ertrinken 634 Erwählung 465, 566 Erwählungszweifel 301, 456 Erzväter vgl. Patriarchen Eva 205, 480 Evangelienlieder 21, 151, 541–543, 560 vgl. auch Perikopenordnung Ewigkeit 17, 137, 207, 473, 554 – Gesangbuchrubrik 16, 65, 135f, 158–160, 641 – Gottes 172, 203, 209 Exil vgl. babylonisches Exil Faden vgl. Lebensfaden Falschheit der Welt 181, 202, 212, 421, 631 familiäre [und zwischenmenschliche] Beziehungen 415, 423–439, 456, 480–482, 573, 602, 638 Familie 34, 105, 149–152, 421f, 431f, 435, 438, 481f, 574–576, 592 Fegefeuer 597f, 607, 635 Festlieder 88, 114, 129, 142, 155 Festregister 105f, 114, 126, 129, 536–543, 560 Feuer der Liebe 403f, 414 fides qua creditur 314, 351, 645 fides quae creditur 314, 645 Figuralgesang 111, 126, 625, 630, 636 Flamme der Liebe 403f, 414

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Anhang

Fleisch – Fleisch und Geist 223, 387 – Vergänglichkeit des Fleisches 172 – des Auferstehungsleibes 518–520 Flüchtigkeit des Lebens 170–180 Fragen am Sterbebett 263, 564, 571–573, 595, 645 Fremde 211, 230 Freude – irdische 192–194 – himmlische 335, 471, 605 – auf das Sterben gerichtete 320, 326, 335–337, 350, 352, 489, 532, 638 – Selbstaufforderung zur Freude 336 Friede 229f, 304, 336f, 388, 497f, 528, 533 Frömmigkeit 440f Fürbitte 423, 430, 582, 591, 597–599, 602f, 607, 635 Fürsorge Gottes 327f, 430–433, 447, 456–463, 482 Fürsprache 439 Fürstenbegräbnis 610 Gast, Gaststatus auf Erden 212, 216, 230 Gasthaus 184 Gebeine 510, 521f, 533 Gebet 567f, 576–583, 584, 589, 591, 595, 642–644 Geburt (als Vergleich für den Tod) 418, 429 Geduld 349, 446, 452f Gefangenschaft – in der Welt 182, 217, 387 – im Tod 255, 384–388 Gehörsinn 297f, 300 Geld 195f Gelegenheitswerke 167, 556f, 596, 622, 626–636 Geleit auf dem Weg ins Vaterland 213f, 231 Gemeindegesang 34, 42, 44f, 50f, 78, 80, 104, 108, 111, 126f, 141, 144, 146, 148, 153f, 594 Gemeinschaft, himmlische 474, 476–480, 491, 529 Generalbass 93, 104, 134, 141, 143, 152, 546, 551, 558f, 630 genug 342, 578

Gerechte, der/Gerechten, die 439, 498, 529, 614 Gerechtigkeit 207, 223f, 229, 281, 283, 400, 402, 471, 481, 494, 528f, 572, 615 Gericht 351, 641 – individuelles 306 – innerweltlich 281, 287 – in der Anfechtung 313, 514, 641 – Jüngstes 513, 599 – Schreckenswirkung 634 Gesang 363, 585, 591–594, 596, 599, 605f vgl. auch Chor-, Figural-, Gemeindegesang; Begräbnis Gesangbuch – Definition 21 – offizielles Gesangbuch 18, 42f, 45, 48, 54, 63, 78, 109, 118f, 133, 138, 140, 143f, 148f – Autorengesangbuch 22, 132, 142, 151 Gesangbuchgebrauch 19, 144–154 Gesangbuchredaktion 19, 140–144 Geschwätz 171, 174 gesegnen 422 Gesetz 306, 313f, 351, 387 Gesichtssinn 297f, 300 Gesundheit 194, 530, 533 Gewinn 353, 356, 365, 412; vgl. Nutzen Gewissen 276f, 291, 300, 304, 308f, 312–314, 316f, 350, 364f, 370–372, 403, 441, 514, 562–564, 638, 641, 644 Gewissheit 258, 307, 516, 519, 563, 570, 577 Glaube 223, 230, 304, 309, 314, 351, 364f, 568, 582, 598, 640; vgl. Auferstehungsglaube Glaubensbekenntnis 333, 351, 571–573, 582, 595, 644f Glaubenskrise 481 Glaubensprüfung 284f, 459, 468 Gleichheit vor dem Tod 248, 259 – vor dem Jüngsten Gericht 249 Glieder vgl. Leib Glocken 514, 599, 605–607, 635 Glück 192 Gnade 236, 276, 280, 309, 312, 364, 366, 370, 376f, 445f, 453, 563, 640 Gnadenwahl 301

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V. Register Goldmacherkunst 509 Gotha 111–113 Gottebenbildlichkeit 194, 204, 480, 525f, 533, 639 Gottesacker 507, 533 Gottesbeziehung 299, 351, 480, 482 – der Kinder 461, 482 – individuelle Christusbeziehung 373, 388–411, 413 Gottesdienst 19, 21f, 34, 43, 46, 49–51, 58, 63f, 80, 95, 97, 100, 104, 109, 111, 114, 119, 126f, 138, 143–149, 151–154, 167, 536–538, 560, 621, 624, 636 Gottesgabe – von Kindern 461 – von Leib und Seele 332, 532, 639 Gottesgemeinschaft 231, 345f, 352, 393, 403, 413, 520 Gotteslob 33f, 131, 155, 454f, 482, 491, 585, 593, 644 Gottesnähe 355, 420, 460, 468, 479, 491, 520 – körperliche Nähe Jesu 356, 373, 376, 388–393, 397f, 400, 413, 525, 640 Gottesschau 346f, 420, 470, 475, 478, 518–521 Gottesvolk, wanderndes 211, 230 Gottverlassenheit 293, 325, 330, 356, 363, 390, 442, 444, 481, 638 Grab 606 – als Ort des Leibes 493, 497–512, 532 Grabstein 544, 601 Graduallieder 114, 537, 560 Gras 174, 176, 178f, 209, 292 Gunst 198f Güter, irdische 169, 191–202, 209, 249, 302, 575 Haare 328, 510 Hafen 218–220, 230 Hamburg 89, 147 Hand Gottes 305, 332, 490f, 532, 640 Hannoverisches Gesangbuch (Lüneburg 1660) 54f, 58, 60–69, 73, 76f, 92, 120, 143f, 151, 153, 157, 161, 170, 452, 538, 540

707

Haus – als Bild für die Welt 182–184, 210 – als Bild für den Leib 493–497, 522f, 532 – als Bild für den Himmel 501 vgl. Bestellen des Hauses Hausandacht 22, 46, 49, 52, 84, 95, 115, 119, 142–144, 149–154, 167, 541, 551, 553 Hauskirche 77, 149 Hausmusik 151f, 551 Haut des Auferstehungsleibes 518f, 521, 533 Heiden 450–452, 482 Heil 254, 304, 307, 327, 334, 352, 356, 359, 363f, 374f, 412, 453, 463, 484, 638f Heiliger Geist 210, 226, 265, 275, 308, 312, 314, 317, 333f, 392, 403f, 495 – Gesangbuchrubrik 36, 154 Heilswille Gottes 204, 312, 375, 413, 442, 457, 465, 492, 640; vgl. Wille Gottes Heilswirkung 353 – des Leidens und Sterbens Jesu 222, 357, 359f, 367f, 371–374, 412f, 500 – des Blutes und der Wunden Jesu 368, 374 – der Sakramente 371 Heilszusage 301, 314, 330, 443, 446 Heimat, himmlische vgl. Sehnsucht Heimholen 342, 344 Heimsuchung 206, 208, 281, 283f, 287, 291 Henoch 385 Herberge 184 Herrschaftskritik 196, 200, 249 Herz 302, 310 – Herz Jesu 365, 375 – Vaterherz Gottes 365, 442, 446f, 458, 640 – ins Herz schreiben 391, 414, 481, 638 – das Herz bricht 437 Himmel 338, 393, 451, 468, 470f, 482f, 487, 520, 532, 641 – Gesangbuchrubrik 158–160, 411 – Gegenwart des Himmels 408–411, 470, 641 vgl. Wiedersehen im Himmel; Gemeinschaft, himmlische

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Anhang

Himmelfahrt – Christi 384 – Elias 488 Hiob 436, 439, 441, 452, 454f, 459, 476, 482, 515--518, 566, 638 Hiskia 37, 333, 494, 577 Hochzeit, himmlische/mystische 342, 345, 404, 410, 426, 547–549 Hochzeitskleid 369 Hochzeitsmahl 402, 409, 543 Hoffnung 450f; vgl. Auferstehungshoffnung Hofgottesdienst 126 Hofkapelle 50, 52, 114, 117–119, 610 Hofprediger 54, 63, 73, 113, 126, 140, 565 Hohelied 398, 400, 640 u.ö.; vgl. Bibelstellenregister Höhle (vom Leib) 496, 532 Hölle 180, 184, 187, 229–231, 300–302, 304–307, 312f, 315f, 340, 351, 364, 368, 370, 382–385, 403, 412 – Gesangbuchrubrik/Höllenlieder 16, 27, 49, 61, 65, 68, 70, 73, 86, 90, 93f, 120, 123, 131–133, 135–137, 156, 158–160, 554 Höllenangst 305, 307–309 Höllenfahrt Christi 365, 382 Höllenkinder 524 Honig 404–407 Hunger, Hungersnot 17, 41, 155, 158, 206, 280f, 287, 319, 328, 459, 531, 640 Ich, Ichform 180, 258, 274, 345, 347, 350, 352, 416–421, 481, 490, 515, 533, 554, 621, 642f Ideal des Sterbens vgl. seliges Ende Identität – persönliche 299 – von altem und neuem Leib 518, 521, 526, 533 imitatio Christi 186, 412 Individualisierung 246, 451, 482, 492, 532f, 604, 616, 620, 637, 640f Innehalten 235 Innerlichkeit 553 Instrumentalbegleitung, -musik 64, 88, 104, 108, 144, 551, 558, 627, 639

Inszenierung 481, 487, 497, 520, 570, 643 – der Todesstunde 258, 332, 486, 532, 644 – des Abschieds 417f, 420, 602 Isaak 597 Isolation in Krankheit und Sterben 295f, 351 Jahreszeiten 507–509 Jakob 437, 597 Jammertal 184f, 203, 209, 213, 217, 239, 297, 336f, 341, 403, 467, 469, 486 Jerusalem, himmlisches 184, 489–491, 555 Jesus Christus 28, 208, 314–317, 353–414, 638, 640 – als Arzt 291 – als Geliebter/Bräutigam 398–411; 640; vgl. Braut/Bräutigam – als Leidender 351, 355–379, 412; vgl. Passionsbetrachtung – als Überwinder des Todes 379–388, 413; vgl. Triumph Christi – als Wegbegleiter 213, 231 – Jesu Worte am Kreuz vgl. Kreuz Jesusfrömmigkeit 60, 546, 560 Jesusliebe, Jesusminne 339, 407, 411, 549, 641 Joch 217, 343, 358, 386, 411, 497, 512 Joseph von Arimathia 597 Josua 597 Jugend 194, 249, 435, 466 Jüngster Tag 262, 399, 513, 641 – Gesangbuchrubrik 158–160, 166 vgl. Parusie; Gericht; Kommen Jesu Kampf – Christi 379–384, 413; vgl. Triumph Christi – des christlichen Lebens und Sterbens 28, 210, 223–230, 602; vgl. Militia Christi – Todeskampf 361 – von Fleisch und Geist 223 Kantaten 217f, 243, 330, 497, 543, 628, 636 Kantional 45, 97, 103f, 108, 111, 141, 143, 146, 152, 154

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V. Register Kantionalsatz 51, 103f, 111, 113, 126, 186, 627f, 630 Katechismuslieder 37, 39f, 44, 48, 98, 114, 119, 129, 142, 155 Kerker – als Bild der Welt 183, 413 – als Bild des Leibes 386, 413, 496f, 501, 532, 644 Kerngesangbuch 44 Kernlieder 164 Kinderbegräbnislieder 156, 218, 295, 326f, 415, 417, 424f, 433–437, 441, 444f, 454, 462, 465, 471, 478, 481, 631 vgl. Trost beim Tod von Kindern Kinderbegräbnisse 614 Kindersterblichkeit 433, 481 Kirche, christliche 618, 621 Kirchenjahr 30, 126, 129, 154f, 535, 536–543, 560 Kirchenordungen 30, 535, 562–564, 596, 622–626 Klage – über Vergänglichkeit 170, 203 – zur Pestzeit 286 – über den Tod von Angehörigen 437f, 441–449 Kleben – an der Welt 187f, 196, 338, 392, 575 – an Christus 211, 341, 392 – des Todes am Menschen 172, 517 Kleid, Kleider – als Bild der Vergänglichkeit 178f, 194, 469 – als Bild irdischer Prachtentfaltung 194, 196, 200 – vom Leib 493f, 532 – im himmlischen Leben 194, 369, 436, 466, 492f, 518, 521, 526–528 vgl. Leichentuch Klette 392 Klugheit, Klugwerden 233, 235 Knochenmann 248, 253, 259 Kommen Jesu – in der Todesstunde 341, 641 – in der Endzeit vgl. Parusie; Jüngster Tag Konfessionskultur 26, 371, 637

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Königsberger Textdichter 71f, 82f, 93, 96, 124, 137, 167, 556, 628f Konkordie, Konkordienbildung 15, 20f, 42, 44, 126 Konsistorium 113, 140, 607 Kontinuität von altem und neuem Leib vgl. Identität Kontrast von Welt und Himmel 193, 203, 275, 289, 464–469, 482, 529, 639 Konvention 616, 621, 642 Krankenbesuch 561–563 Krankheit 179f, 236, 270, 273, 278, 288–300, 330, 350f, 354, 370, 499, 530, 545, 555, 561–563, 570, 577, 579, 583f, 592, 629, 632, 640 vgl. Liebeskrankheit – Krankheitslieder 132f, 157, 277, 288–292, 319f, 325, 330 Kränze 601f Kraut – als Bild der Vergänglichkeit 177 – gegen den Tod 172f, 197, 293 – Zündkraut (Pulver) 250 – Kräutlein patientia 349 Kreuz 394 – des Menschen in der Welt 186, 217, 318f, 468 – Jesu Worte am Kreuz 331, 347, 362, 412, 442, 577 Kreuz- und Trostlieder 34, 186, 321 Kreuzesnachfolge 186, 209, 217, 222, 358, 412, 640 Kreuzschule 584 Krieg 17, 57, 63–65, 127, 130, 155, 158, 168, 180, 206, 251, 280f, 287, 319, 328, 459, 561, 587, 632, 640 – Gesangbuchrubrik 41, 64 – metaphorisch 223–225, 229f, 379–381, 383f, 386 vgl. Dreißigjähriger Krieg Kriegsdienst vgl. Militia Christi Krone 212, 423, 471, – als weltliches Machtzeichen 200, 249f – der Ehre/Herrlichkeit 362, 471, 492, 528 – der Gerechtigkeit 224, 229, 471, 572

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Anhang

– des Lebens 271, 409, 471 – des Sieges 228, 271, 602 – als Anrede Jesu 341, 401, 588 Kryptocalvinismus 114 Kunst 191, 201f, 263; vgl. Sterbekunst Kurbrandenburg 21, 77–96, 161 Kursachsen 21, 97–128, 161 Kürze des Lebens 171–173, 209 Land der Lebendigen 216, 231 Land, gelobtes 216 Lanzenstich 371, 374f, 377 Larve des Todes 254f, 301 Last 217, 330, 343, 358, 386 lateinischer Gesang 147, 624f, 636 Lateinschüler vgl. Schüler Lazarus 195, 437, 485–487, 539, 613, 618 Leben – Wesen des menschlichen Lebens 173f – von Jesus Christus 353, 379 Lebensatem vgl. Atem Lebensfaden 178f, 300 Lehre vgl. Belehrung Leib und Seele 28, 482–533 – als Gottesgaben 332, 532, 639 – Trennung von Leib und Seele 331f, 352, 388, 482, 493, 641, 644 – Verschmachten von Leib und Seele 354f – Wiedervereinigung von Leib und Seele 483, 504 523–526, 533 Leib – als Behausung der Seele 493–497 – Bild vom Leib und den Gliedern 391, 397 – leiblicher Anteil der Todesnot vgl. Todesnot – leiblicher Verfall beim Sterben 296–300, 579, 596 – im Grab 493–512 – natürlicher und geistlicher Leib 505f – Auferstehungsleib 292, 504–506, 517–527 – Verklärung des Leibes vgl. Verklärung Leichabdankung 619

Leichenhemd, Leichenkleid, Leichentuch 197, 606, 610 Leichenpredigt 610–621, 636 – Leichenpredigten als Quelle 30, 535, 548, 583, 596 – Sterbeberichte in Leichenpredigten 270, 569–583, 595, 616 Leichenzug 606, 609f, 623, 635 Leichtext 613–617 Leiden Jesu vgl. Jesus Christus; Passionsbetrachtung Leiderfahrung 180, 184–186, 209, 318, 328, 464–468, 631, 640 vgl. Tod als Ende des Leides Leipzig 97–111 Lesefähigkeit 144f Lesekultur 145, 153 Lesungen vgl. Perikopen letzte Dinge 27, 50, 62, 65f, 77, 155, 159, 554, 612 Leuchten der Auserwählten 528–530 Liebe – von Gott 445 – zwischenmenschlich 427, 440 – Trauerritual als Werk der Liebe 438, 440, 471, 481, 600, 602f, 635 – in der himmlischen Gemeinschaft Liebesbeziehung 398–411 Liebeskrankheit 402f, 414 Liebespfand 429, 434 Lieder und Liedtexte – am Sterbebett 567f, 571, 576, 583–596 – in der Leichenpredigt 617–621, 642 Lieder, häufigste 164 Liedpsalter 21, 114, 126, 172, 541 – Genfer Psalter 172 – Becker 114, 117, 126, 129, 152, 172, 279 – Lobwasser 56, 88, 172 Liedzahl je Gesangbuch 142 Liegen im Grab 497f Lob – des Verstorbenen 200, 420, 439–441, 463, 481, 613 – Gottes vgl. Gotteslob Lobwasser-Psalter vgl. Liedpsalter

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V. Register Loci 155, 158, 554 Lösegeld, Loskauf 362, 366, 368, 373, 394, 412 losmachen, Erlösung, Auflösung 217, 343f, 347, 387f Lüneburgisches Gesangbuch (1695/1702) 55, 65, 67–76, 78, 86, 88, 93, 116, 141, 156, 161, 170, 436, 452, 455, 588 Lust – der Welt 191–194, 310, 348 – zum Bösen 310 – abzuscheiden 339, 347f, 567 Luthertum, lutherisch 15, 20, 101, 140, 319, 371, 483, 536, 561, 596–606 vgl. auch Orthodoxie (lutherische) Macht, weltliche 191, 200, 250 Mahnung 644 makaber 502f, 509, 533 Mariä Reinigung 37f, 44, 106, 114, 124, 126, 139, 155, 160, 166, 539f, 543, 560 Märtyrer 315, 477f Memento mori 28, 169, 231–258, bes. 232–239, 245, 253, 257f, 262, 421, 503, 535, 600, 603–606, 635, 641 als Sitz im Leben der Lieder: vgl. Sterbegedenken, vorausgreifendes memoria peccatorum 310, 312, 315, 351 Michaelistag 486 Militia Christi/Miles christianus 223–230, 379, 383, 441, 640; vgl. Krieg; Ritterschaft Missgunst 471f Mose 377, 385, 437, 480, 487, 526 Motetten 627f, 636 Müdigkeit 189, 214–217, 498 Musicalischer Vorschmack (Hamburg 1683) 22, 78, 89–95, 141, 161, 595, 645 Musik 21, 33f, 89, 100, 131, 152, 185, 330, 411, 438, 541, 551–553, 559, 561, 588, 594–596, 627, 645 Musikkultur 21, 152f Musizieren 64, 143, 152, 556, 558–561, 606, 610, 636, 645 Mutter – von Gott/Christus 432, 462f, 481, 574

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– von der Erde 510–512 Muttersprachigkeit 49f, 147 Mystik, mystisch 222, 345, 353, 356, 374, 379, 398, 404, 407f, 410, 413f, 547, 641 Nachfolge vgl. imitatio; Kreuzesnachfolge Nacktheit 198, 498 Nähe – des Todes vgl. Todesnähe – Gottes/Jesu vgl. Gottesnähe Name Jesu 60, 65, 154, 390f, 399f, 404–406, 409, 414, 428, 481 Nebel 177 Nebengottesdienst 114, 119, 126, 145, 150, 153 Neu Leipziger Gesangbuch (Leipzig 1682) 103, 108–111, 144, 161 Neujahrstag 405 Neuschöpfung 525f Nichtigkeit irdischer Güter 191–202, 249 Noah 376 Normierung 140 Not, ‚gemeine Not‘, Gesangbuchrubrik ‚In gemeiner Not‘ 41, 60, 80, 155, 158, 277, 280f, 286–288, 319, 513 vgl. auch Todesnot; Anrufung Gottes in der Not Noten 143 Nürnberg 21, 128–140, 161 Nürnberger Textdichter 73f, 85, 122, 136 Nürnbergisches Gesangbuch (Nürnberg 1677) 74, , 133–138, 139, 141, 143, 147, 161 Nürtinger Blutbibel vgl. Bibel Nutzen – soteriologisch 328, 330, 352–354, 356, 359, 361, 365, 367, 412, 445 – des frühzeitigen Todes 460 Nutzung von Gesangbüchern vgl. Gesangbuchgebrauch Odem vgl. Atem Opfer Jesu 366f, 369 Orgel 64, 104, 144–146, 551 Orthodoxie (lutherische), (lutherisch-) orthodox 20, 26, 43, 52, 97, 101, 114, 117, 126, 138, 143, 155, 164, 167, 202, 283, 484, 554, 622

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Anhang

Ostern 515–517; vgl. auch Triumph Christi Parusie 251, 508; vgl. Jüngster Tag Passalamm 282, 368 Passionsbetrachtung 186, 221, 227, 272, 293f, 356, 412, 640 – exemplarisch 357–364 – sühnetheologisch 364–379 Patriarchen 37, 477–479, 574, 597 Paulus 43, 339, 347f, 353, 450f, 494f, 506f, 514f, 577 Pegnitzschäfer/Pegnesischer Blumenorden 21, 52, 73f, 132, 135, 139 Pelikan 370 Peregrinatio 28, 211–222, 230, 261, 339, 360, 377, 392, 485, 498, 639 Performanz 29, 641f, 645 Perikopenordnung 30, 151, 536f, 539, 541–543, 560 Personalia 30, 138, 569, 612, 617, 621, 636, 639 Personalisierung 167, 415, 426, 435, 582, 604, 611, 613, 620f, 626–628, 630f, 636f, 639 Persönlichkeit 299f Pest 19, 115f, 180, 195, 206, 268, 328, 459, 545, 609, 614, 634 Pestlieder 19, 41, 56, 81, 86, 96f, 99, 115f, 120, 125, 155, 157f, 161, 278–288, 291f, 296, 319, 321f, 389 Petrus 480 Pfalz-Zweibrücken 18 Pfand – von Kindern 429, 434 – von der Seele 484, 490 Pfeil – als Bild für die Flüchtigkeit des Lebens 178 – als Waffe des Todes 252, 254 – der Pest 279, 282f Pietismus 15, 20, 26, 536 Pilgerreise vgl. Peregrinatio Plenarien 541 plötzlicher Tod vgl. Tod Poesie, Poeterey 21, 118, 126, 131f, 153, 167, 552, 559 Port vgl. Hafen

Posaune 306, 502, 514, 533, 599 Possessivaussagen über die Gottesbeziehung 393–398, 414, 460f Postillen 536, 541 Praxis Pietatis Melica 21, 69, 72, 77–91, 94–96, 104, 117, 141–143, 151, 154, 156, 158, 160f, 280, 349, 452, 538, 540, 628 Privatandacht, Privaterbauung, Privatfrömmigkeit 21, 46, 48, 63f, 77, 80, 119, 133, 139, 142–144, 151, 167, 535, 538, 544–560 Privatisierung 289, 439, 638 pro me 364, 367, 381, 394, 414, 640 Propheten 37, 477–479 Proprium, sonntägliches 536–540, 543 Providenz 203, 209, 318, 322, 326–331, 352, 431, 437, 447, 453, 456–463, 482, 639f Psalmen 106 Psalmlieder 34, 37, 39, 44, 48, 56, 105f, 109, 114, 129, 155, 172 Psalter 21, 24, 179, 204, 232, 251, 275, 295, 343, 541, 580, 642, 644 Purpur 194, 196, 200, 249, 294, 492, 526 Rat(schluss) Gottes 285, 291, 327f, 430, 453f Raubdrucke 141 Rauch 171, 174f, 177–179, 191 Realisierung der Sprechsituation 643f recordatio 374 Redaktion von Gesangbüchern vgl. Gesangbuchredaktion Reformation 33f, 42, 49, 78, 128, 144, 153, 536, 597, 642 Reformationszeit 15, 33–42, 50, 58, 111, 138, 140, 144, 172, 536, 560, 620 Reformorthodoxie 26 Regierung, Regiment Gottes 327, 329 Regulierung 140 Reichtum 191, 195–198, 249, 255 Reise vgl. Peregrinatio Responsorien 59, 102, 125, 455, 611, 622–625, 636 Reue 312, 315f, 351, 565, 570 Ringen mit Gott 441–447 Ritterschaft, christliche 223–230, 250, 270, 313, 382, 498, 620

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V. Register Rosen 176, 194, 318f, 435, 444 Rubriken, Rubrizierung (Gesangbücher allgemein) 16f, 19, 27, 36, 39, 154–160, 537f, 622, 641 Ruf Gottes/Christi an die Seele 341, 472, 644 Rufen aus der Not 275 Ruhe 217, 219 – des Grabes 345, 493, 497–501, 532 – des Himmels 215, 633 Rute 251, 283f, 288, 319, 328, 444f, 458f, 640 Sachsen vgl. Kursachsen Sachsen-Gotha 111, 161 Sachsen-Weimar 425 sächsische Textdichter 70, 75f, 84, 120–122, 136 Sakramente 371f; vgl. Taufe; Abendmahl Salomo 176, 201 Samenkorn vgl. Weizenkorn sapientia 495 Sara 437, 597 Sarg 200, 544, 602, 609f Sarginschriften 331, 391, 515, 544, 642 satt 189 Schächer 222, 363 Schatten 174–176, 178f, 191, 209, 250 Schifffahrt 218–220, 230 Schlaf 484, 493, 497–501, 533, 639 Schlafkammer 500f, 533 schlesische Textdichter 70f, 83, 122, 137 Schmerz 292, 351, 357 Schnitter Tod 177, 252 Schönheit – des Menschen 194f, 202, 435 – der Welt 188, 191, 202 – der Seele im Himmel 492 – des Auferstehungsleibes 526 Schöpfung 502, 525, 639 Schrecken des Todes 253, 301 Schreien 275 Schuldiener 422, 464, 630 Schule 109, 148f, 154, 422, 609 Schüler 42, 48, 105f, 111, 127, 145, 147f, 250, 608–610, 622f, 625, 635 Schwanengesang 591f

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Schweben, Schwerelosigkeit des Auferstehungsleibes 524, 531, 533 Schweiß 359, 361 Sechswöchnerin vgl. Wöchnerin Seele – Weg der Seele in den Himmel 483– 493 – Unsterblichkeit der Seele 484, 532 vgl. Leib und Seele; Todesnot, seelischer Anteil; Commendatio animae Seelenschlaf 484, 499 Seelsorge vgl. Sterbeseelsorge Segen 422, 574f Sehnsucht – nach der himmlischen Heimat 183, 211, 214–216, 219, 231, 338, 342 – nach dem Himmel 338f, 350, 469f, 490 – nach der Todesstunde 243, 338, 346 – nach dem Sterben 320, 326, 338–352, 398, 560, 584, 638 – nach der Ruhe des Grabes 498 – nach Jesus als dem Geliebten oder Bräutigam 326, 338f, 350, 398–402, 410, 414, 640 Seitenwunde Jesu 221f, 371, 373–379 Selbstvergewisserung vgl. Vergewisserung seliges Ende/Sterben 28, 30, 210, 235, 239, 243, 258, 261, 267–272, 288, 296f, 300, 304, 315–317, 335, 338, 340, 359, 388, 415, 441, 465, 485, 499, 535, 569–583, 590, 592, 596, 618, 633, 637, 642 vgl. Bitte um ein seliges Ende Seligkeit 210, 239, 268, 271, 304, 355, 367, 378, 411, 491, 528, 569, 571, 577, 596–600, 605, 618, 635 Seligpreisung der Toten 468f, 644 Sensenmann 177, 252 Seuchen 17, 111, 155, 280, 291, 319, 609, 640 vgl. auch Pest Sieg – Christi vgl. Triumph Christi – des christlichen Ritters 229; vgl. Krone des Sieges Simeon 35, 74, 232, 441, 485, 487, 539, 577, 615, 675

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Anhang

Simson 407 Singen vgl. Gesang Sinne 297f, 582 Sitz im Leben 15, 535, 637 Sodom 183f, 257 sola gratia, sola fide 366 Sommer 508, 533 Sonnenwagen 489 Sonntagsevangelien vgl. Perikopenordnung Souveränität Gottes 203f, 209, 437, 453, 461, 465, 482 Sozialkritik 196, 249 Spital 184 Spott vgl. Verspottung Sprach- und Vorstellungswelt 23–26 Sprache 23f, 169, 588, 642, 645 Sprachgesellschaften 21 Sprachvermögen 297–300, 581, 593 Sprechakte 25, 311, 393, 415f, 421, 423, 468, 510, 554, 583, 603, 644 Sprechsituation – kontextuell 25, 29, 535, 642–644 – textintern 25, 29, 169, 229, 238, 272f, 292, 294, 497, 535, 561, 569, 637, 642–644 – Realisierung/Inszenierung der Sprechsituation 643f vgl. Todesnot als Sprechsituation Spreu 175 Stachel des Todes 252, 381 Stände, lutherische 423 Standesunterschiede 247, 249, 259 Staub 174f, 292f, 302, 483, 502, 504, 510, 517, 521f, 525, 597 Stellvertretung 222, 356f, 360, 364–372, 412, 640 Stephanus 331, 480, 577, 579 Sterbebereitung vgl. Bereitung zum Sterben Sterbebett (als Sitz im Leben der Lieder) 561–596 Sterbegedenken, vorausgreifendes 535– 561, 644 vgl. Memento mori; Denken an den Tod Sterbeglocke 607 Sterbeideal vgl. seliges Ende Sterbekunst 43, 45, 202, 259, 263, 271, 569, 586, 637, 642; vgl. Ars moriendi Sterbelieder (Gesangbuchrubrik) 157

Sterben – seliges vgl. seliges Ende – tägliches 264 Sterbensläufte 19, 158, 180, 278, 280 Sterbeseelsorge 43, 108, 311, 315, 371, 412, 543, 561–568, 595, 642, 645 Sterbesehnsucht vgl. Sehnsucht Sterblichkeit 169 Stillehalten 323, 447, 452f Stimme zum Gericht 514, 533, 599 Stolz 187 Strafe Gottes 187, 193, 196, 205–208, 280–285, 287f, 292, 312, 365, 370, 444f, 554, 640 Straßburger Liedtradition 34, 44, 129 Sturm 177, 218–220, 230, 307 Sühne 356, 359, 364–373, 412, 640 Sühnopfer 369 Sünde 281, 300, 307–314, 335, 351, 371, 444, 637 – als Ursache der Vergänglichkeit 194, 203–206, 637 – als Ursache der Krankheit 291 – der Sünde Sold 204, 206, 380, 500 – des Herzens 310 – Erbsünde 208, 465f – Tatsünde 311–313, 351, 465 – Übermacht der Sünde 313 vgl. Anfechtung durch die Sünde Sündenbekenntnis 265, 277, 286, 309, 311, 351, 562, 569–571, 573, 582, 595, 644 Sündenerkenntnis 565f Sündenfall 204–206, 429, 502 Süßigkeit 398, 404–407, 414, 500 Tatsünde vgl. Sünde Taube in der Felskluft 377–379, 413 Taufe 227, 231, 264, 358, 371f, 375, 383f, 394, 401, 412f, 465f, 573, 599, 609, 635 – Tauflieder 37, 40, 160, 435 Teilhabe, gegenseitige (Mensch und Christus) 397 Teilnahme, innere 590, 594, 643, 645 temptatio 565 Territorien (im Hl. Röm. Reich) 21 Testament 333, 393, 511, 549 Teuerung 41, 120, 150, 206, 208, 251, 280f

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V. Register Teufel 180, 187, 223–225, 229, 231, 255, 267, 300f, 304–307, 349, 351, 354, 380f, 466, 565 Textdichter vgl. Autoren Thomas 373 Thomaskantor 103, 105 Tod – als Trennungserfahrung 637, 645; vgl. Trennung – als Gottes Knecht 213, 256 – als Person 232, 245–259, 380 – als anonymer Toter 245–248 – als Verfolger 250–252 – als ‚Bild‘ vgl. Bild des Todes – als Freund 255–258, 386 – als Geliebter 256 – als Gut 340 – als Ende des Leides 464–468, 498; vgl. Leiderfahrung – als Schlaf 500; vgl. Schlaf – des Todes 382 – ewiger 300f, 325, 351, 415 – früher, zeitiger 436, 460, 462, 464–468, 482, 614, 631 – plötzlicher, rascher 268, 589, 592, 614, 633, 635 – sanfter, stiller 269f, 272, 582, 637 – ‚vernünftiger‘ 269–272, 642 – gewaltsamer 589, 634 Todesangst vgl. Angst Todesart 241 Todesfreude vgl. Freude Todeskampf vgl. Kampf Todesmahnung vgl. Memento mori Todesnähe 238, 644 – potentiell 240–242 – unmittelbar 157, 190, 273f, 276, 350, 644 Todesnot 43, 266, 272–334, 350, 354, 357, 514, 585, 587, 638 – als Sprechsituation 245, 273–277, 316, 350 – körperlicher Anteil der Todesnot 278–300 – seelischer Anteil der Todesnot 300– 317, 412 – als Sitz im Leben 561–596

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Todesstunde 27f, 231f, 237, 239–245, 258, 266, 338, 346, 535, 585, 637, 641, 643f – Lob und Gegenwart der Todesstunde 243–245, 332, 486; vgl. auch Inszenierung der Todesstunde – als Sitz im Leben der Lieder 561– 596 – erbauliche Todesstunde 586 vgl. Sehnsucht nach der Todesstunde Todeswunsch 338, 340, 345, 352, 638 Totenkopf 246, 407, 604 Totentanz 172, 200, 245–250, 259 Totenwache 606 Tränenbrot 185 transitus ad patrem 340, 639 Trauer 28, 301f – über Vergänglichkeit 170 – über Verstorbene 415, 419, 423–447, 451, 480–482, 645 Trauergottesdienst 606–611, 622 Trauerzug vgl. Leichenzug Traum 171, 173, 178f Traurigkeit 185f, 212, 302, 361, 412 Trennung 637, 644 – von Gott und Mensch 338, 340–342, 347, 351 – zwischenmenschlich 472, 474, 482 – Trennung von Leib und Seele vgl. Leib und Seele Treue (von Menschen) 427, 440 Trias, apokalyptische vgl. apokalyptische Trias Trinität, trinitarisch 132, 275, 309, 392, 432, 478, 538 Trinitatis, Dreieinigkeitsfest 40, 154, 538 Triumph Christi 223, 227, 379–388, 413, 512, 640 Trost 34, 512, 516f, 595 – christologisch 353–355 – in Anfechtung 267, 275, 314–317, 328, 354, 364f, 563, 565f, 580, 582, 585, 595f, 638, 645 – in Trauer 415, 419, 436, 449–452, 456–482, 574, 612, 639, 645 – beim Tod von Kindern 460–468 Trübsal 185, 211f, 217f, 339, 358, 460, 467–469 Tugend 427, 440

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Tür, Tor 222, 231, 257, 376f, 489 Türkengefahr 287 Überdruss 190, 342, 489 Überwindung des Todes durch Christus vgl. Triumph Umarmung 407f, 414, 471, 475 Unersetzlichkeit 427, 481, 638 Ungeduld 338, 346, 352, 446, 453, 565f, 638 Ungewissheit der Todesstunde 240–243, 258, 262, 346, 513, 604 Ungewissheit des Gerichts 513 Unruhe 174 Unschuld der Kinder 466, 528 Unsterblichkeit 484, 494, 532 Unverweslichkeit 494, 505f, 509, 524, 526, 530 Urlaub 188 Vanitas 169f, 177, 209 Vater (von Gott) 432, 446, 459, 463, 468, 481 Vaterherz vgl. Herz Vaterland, himmlisches 211–216, 218–222, 231, 297, 451, 490, 631, 633 Verabschiedung vgl. Abschied Verborgenheit Gottes 329f, 442, 453, 458 Verdienst 366, 369 Verfall, körperlicher und geistiger 296– 300, 579–582, 596, 644 Vergänglichkeit 28, 169–210 – Bilder der Vergänglichkeit 174–180 – Ursachen der Vergänglichkeit 203f Vergebung 265, 307, 316, 371, 444f, 566, 570, 573, 638 Vergessen – von Gott 442–444 – von Menschen 198 Vergewisserung 218, 268, 367, 371, 515f, 520, 642, 645 Verinnerlichung 64, 167, 258, 356, 374, 414, 542, 546, 552f, 573, 637f, 641f Verklärung – Jesu 385, 529 – des Leibes 483, 522, 527–533 – der Seele 531f Verlagswesen 21, 141

Verlangen 555; ansonsten vgl. Sehnsucht Verleger 21, 141 Verlöbnis 426 Vermahnung 611, 613, 620, 636 Vernunft 271 Versagen der körperlichen und geistigen Funktionen 296–300 Verschlingen des Todes 380 Versenkung 236, 376 Verspottung – des Todes 254, 259, 380f, 385, 413, 512, 644 – Jesu 360f Verstand 271, 297–300, 590 Versuchungen auf dem Sterbebett 565 Vertrauen 321, 324, 331 Verwandlung des Leibes 501, 505–509, 533 Verwandte 424 Verwesung vgl. Zerfall des Leibes Verzagen 304 Verzweiflung 304, 565 Vigilien 598 Volkssprachigkeit vgl. Muttersprachigkeit Vorbeten 581, 588, 590 Vorrath von alten und neuen Christl. Gesängen (Leipzig 1673) 97, 110, 114, 118–124, 125f, 143, 146, 156, 161, 580, 594, 634 Vorschmack 89, 335, 594f, 645 vgl. auch Musicalischer Vorschmack Vorsehung 320, 327f; vgl. Providenz Vorsprechen vgl. Vorbeten Vorstellungen 23, 169 Wachsamkeit 262, 513, 641 Waffen des Todes 251, 380 Wagen des Elia 487–491, 532 Waisen 334, 424, 430–433, 481 Wallfahrt vgl. Peregrinatio Wandel 230 Wanderschaft vgl. Peregrinatio Waschen mit dem Blut Jesu 369, 372f, 412, 528, 599 Wegmetapher 212–214, 222, 230; vgl. auch Peregrinatio Wegzehr 360, 372, 566 Weinen 438, 448f

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V. Register Weisheit – der Welt 191, 201f – Wissen um die Sterblichkeit 233 Weizenkorn 505–509, 533 Welt 180–202, 639 – als allegorische Person 181, 209 – als Haus 182–184, 209 – Falschheit der Welt 181f, 202, 209, 212 – Verführung durch die Welt 466 Weltkinder 180, 186f, 307, 309 Weltliebe 187f, 302, 338 Welttheater 184 Weltverachtung vgl. contemptus mundi Werke – böse 311 – gute 197 – Werk der Liebe vgl. Liebe Werkgerechtigkeit 366 Wertschätzung durch die Mitmenschen 198–200 Wettkampf 224 Widerstreben 320, 323 Wiedersehen im Himmel 473–480, 482, 525, 576, 603, 639 Wiedervereinigung von Leib und Seele vgl. Leib und Seele Wille Gottes 203, 260, 286, 291, 318, 320, 323–326, 338, 352, 446, 452, 482, 640 – Güte des Willens Gottes 285, 321, 324, 326–331, 447, 452f, 456f, 459, 634, 639f

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– Unergründlichkeit des Willens Gottes 452–454, 457f vgl. Ergebung in Gottes Willen; Providenz; Eigenwille des Menschen Wind, Windhauch 175–177, 191, 218, 292f Wittenberger Liedtradition 34, 41, 78, 115 Witwen 334, 430–433, 481 Wöchnerin 205, 429, 614, 630 Worte am Kreuz vgl. Kreuz Wunden Jesu 236, 356, 373–379, 398, 413, 640 vgl. Seitenwunde Wunsch 338, 352; vgl. Sehnsucht Würger, Würgeengel 282, 369, 593 Wurm, Würmer, Würmlein 196, 294, 435, 504, 509, 529 Württemberg 18, 21, 42–53, 160, 622 Zehrpfennig 372, 570, 645 Zerfall des Leibes 501–505, 509, 533 Zion 442, 462 Zorn Gottes 204, 206–208, 281, 285, 287, 292f, 329f, 351, 364, 444f, 453, 462, 501, 640 Züchtigung 207, 283, 288, 328f, 445, 453 Zweig am Stamm 392 Zweisamkeit 429, 481

3. Register der Liedanfänge Die Nachweise der mit ° gekennzeichneten Lieder finden sich in Tabelle 2 (ab S. 687), die der übrigen Lieder in Tabelle 1 (beigelegte Falttabelle). Ach dass mein Haupt von Tränen° (Schwarz) 496, 687 Ach freilich weiß der Mensch nicht seine Zeit (Alberti) 137, 241, 251 Ach freue dich, freue dich, liebeste Seele [nur Tab. 1] Ach Gott und Herr, wie groß und schwer (Rutilius) 108, 207, 280, 378, 538, 549, 587, 590, 620

Ach Gott, dir tu ich’s klagen 46 Ach Gott, du höchster starker Hort (Episcopus) 130, 158, 185, 278, 281f, 286 Ach Gott, du liebster Vater mein 113 Ach Gott, erhör mein Seufzen und Wehklagen (Schechs) 122, 358 Ach Gott, ich muss in Traurigkeit (Heermann) 70, 79, 83, 347, 427f, 437, 468, 472, 475f, 480, 510, 629

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Ach Gott, in Gnaden von uns wend° (Ringwaldt) 280, 687 Ach Gott, lass dein Heil kommen her (Wegelin) 288f, 292, 330 Ach Gott, tu dich erbarmen (Müntzer) 41, 49, 60, 81, 110, 139, 159, 165 Ach Gott, vom Himmel sieh darein° (Luther) 127, 240, 687 Ach Gott, wann kommt die liebe Zeit (Rist) 92, 123, 184, 479f, 494, 527, 529–531, 555 Ach Gott, wann werd sterben (Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel 67, 256, 291, 346, 349, 393, 403, 410 Ach Gott, wie kurz ist unser Zeit (Ostau) 124, 171, 179, 185 Ach Gott, wie manches Herzeleid (Moller) 47, 62, 164, 180, 185, 355, 358, 392, 395, 399f, 405, 584, 620, 676 Ach Gott, wie schnöd und ganz vergänglich ist (Helder) 112 Ach Herr, erzeige Gnade mir (Rothäupt) 108, 213, 340, 546, 603, 628 Ach Herr, lehr uns bedenken° (Maukisch) 263, 687 Ach höret auf zu weinen° (Homburg) 173, 687 Ach Jesu, dessen Treu° (Heermann) 60, 405, 687 Ach Jesu, du treuer Heiland mein 56, 291, 376 Ach lasst uns Gott doch einig leben (Dach) 71, 184 Ach liebe Seel, gesegne gern° (Buchholzer) 359, 378, 421f, 486, 489, 687 Ach lieben Christen jung und alt (Ringwaldt) 102, 116, 513 Ach lieben Christen, seid getrost (Gigas) 158, 240, 278, 281, 284, 286, 395, 528, 540, 585 Ach lieben Christen, trauret nicht (Ringwaldt) 110, 279, 281, 283, 285f, 323, 395 Ach lieber Herr im höchsten Thron° (Backmeister) 279, 687 Ach mein herzliebes Jesulein 70, 112, 120f, 355, 392, 478f

Ach Seele, nimm doch wohl in acht 185, 235, 242 Ach treuer Gott, Herr Jesu Christ (Stolzhagius) 98, 120, 158, 304, 396 Ach treuer Gott, Herr Jesu Christ° (Förster) 284, 687 Ach wann kommen doch die Stunden (Fritsch) 75, 87, 211, 218, 220, 243, 346, 392 Ach wann kommet doch die Stunde (Keulisch) 243, 256, 344–346, 348, 627 Ach wann kommt die Zeit heran° (Scheffler) 346, 687 Ach wann soll es denn geschehen (Rude) 74, 86, 94, 136, 217, 341, 346, 407 Ach wann werd ich dahin kommen (Kohlhans) 51, 122, 305, 346, 350 Ach wann werd ich einst kommen° (Sudermann) 346, 687 Ach wann werd ich schauen dich° (Fritsch) 346, 687 Ach was ist doch unser Leben (Rist) 176, 178f, 218, 233, 434f, 465 Ach was ist doch unser Lebn (Rosenthal) 68, 75, 94, 110, 174, 191, 198, 486 Ach was ist unser Leben (Homburg) 66, 75, 173f, 186f, 250 Ach was soll ich Sünder machen (Flittner) 110, 177, 313, 390f Ach wende dich doch, Herr, zu mir (Michael) 108, 434, 444 Ach wer schon im Himmel wäre (Ludämilie Elisabeth von Schwarzburg-Rudolstadt) 75, 215, 265, 393, 396, 408 Ach wie ein kleinen Augenblick (Röber) 112, 116, 121, 171, 194, 204, 251, 434f, 451, 492, 509, 526 Ach wie elend ist unser Zeit (Gigas) 47f, 51, 59, 66, 82, 125, 139, 158, 165, 172, 180, 278 Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (M. Franck) 47, 53, 66, 78, 84, 122, 136, 170f, 177, 191f, 194–198, 200–202 Ach wie lang muss ich mich schlagen (Dilherr) 74, 86, 94, 174, 301, 348, 392 Ach wie schnelle wird verkehret (Heermann) 71, 348, 427, 475f, 601f, 633

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V. Register Ach wie sehnlich wart ich der Zeit (Saubert) 73f, 85, 136, 223, 341 Ach wie sehnlich wart ich doch° (Homburg) 217, 687 Ach wie selig sind die allein° 218, 469, 484, 488, 497, 687 Ach wie soll mir geschehen 46, 131, 302, 314, 325, 330, 336 Ach, ach du mein liebstes Jesulein 113, 396 Ade, du süße Welt (Müller) 87, 188f, 191, 198 Ade, ich muss dich lassen (Ziegenspeck) 94, 121, 182, 186, 188f, 213, 317, 368, 371f, 397, 487 Ade, verfluchtes Tränental (Gryphius) 71, 182, 188, 222, 257, 424, 469, 472, 496f Alle Menschen müssen sterben (Rosenmüller) 52, 67, 75, 87, 94, 172, 176, 356, 478, 528, 549, 603 Allein Gott in der Höh sei Ehr° (Decius) 537, 618, 687 Allein nach dir, Herr Jesu Christ, verlanget mich (Selnecker) 49, 51, 56, 59, 82, 139, 165, 331, 373, 399 Allein zu dir, Herr Jesu Christ° (Hubert) 585, 687 Allenthalben, wo ich gehe 73, 93, 399 Alles hat für uns ein Grauen° (Schottelius) 280, 688 Alles was hie auf dieser Erd (Saubert) [nur Tab. 1] Allhie begehr ich länger nicht 475, 510 Als anfangs in dem Paradeis (Schein) 107, 336, 429 Als ein Hirsch hat Verlangen (Adolph) 116, 252, 349, 408 Als Job, der fromme Gottesknecht (Kesler) 113, 434, 436, 454f, 461, 498 Alsdann wird der Gerechte [nur Tab. 1] Am End hilf mir, Herr Jesu Christ (Walliser) 313, 316, 391, 396 An Tod gedenk, o frommer Christ (Kesler) 122, 136, 236, 241, 261, 395 Auf meinen lieben Gott 47, 59, 67, 79, 82, 91, 120, 130, 165, 313, 321 Auf, auf, mein Herz, und du, mein ganzer Sinn (Opitz) 70, 190

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Auf, auf, mein Herz, zu Gott dich lenk (Sohren) 95, 333 Auf, du mein Geist, mein Sinnenlicht (M. Albinus) 124, 355, 398, 403 Auf, meine Seel, dein End ist hier 87, 185, 226, 277, 386 Aufer immensam, Deus, aufer iram° 283, 287, 688 Aus der Tiefen rufe ich 110, 277 Aus tiefer Not lasst uns zu Gott (Weisse) 99, 277, 538 Aus tiefer Not schrei ich zu dir (Luther) 38f, 67, 102, 128, 275–277, 350, 538, 623 Bald wird die Menschen wecken [nur Tab. 1] Bedenk allzeit dein letztes End° (Arnold) 236, 265, 688 Befiehl du deine Wege° (Gerhardt) 327, 688 Betracht ich recht das Leben 113 Bis hieher ist mein Lauf vollbracht (Sacer) 92, 301, 326, 389 Christ ist die Wahrheit und das Leben 38, 624 Christ lag in Todesbanden° (Luther) 225, 379f, 587, 688 Christe Jesu, Gottes Sohn (Schein) 105, 107, 364f, 404, 500, 504 Christi Zukunft ist vorhanden [nur Tab. 1] Christo hat mein Leben 71, 94, 218, 389 Christus der ist mein Leben 47f, 53, 59, 61, 86, 131, 165, 269, 298f, 322f, 337, 354, 373, 392, 499, 620 Christus wird kommen zu Gericht° (Herman) 513, 688 Christus wird mich nicht lassen 70, 91, 213, 354, 390 Credo quod redemptor meus vivit 38, 59, 102, 115, 623 Cum venisset Iesus in domum principis 38, 433 Da nun Elias seinen Lauf (Herman) 102, 385, 487f Das blinde Volk der Heiden (Opitz) 65, 70, 83, 512, 514, 542f

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Anhang

Das weiß ich, dass ich sterben muss° (Schramm) 210, 240, 369, 500, 688 Dass alle Menschen sterben müssen (Roberthin) 72, 172, 460, 465 Dass alle Menschen sterblich sein (Albert) 66, 71, 178, 205, 250, 253, 260 Dein bin ich, o Herr Jesu Christ° (Stölzlin) 367, 688 Dein Leib wollen wir nun begraben (Leon) 221, 450, 460, 474, 504, 522 Dein Wort gib rein in unser Herz (Runge) 72, 316 Dem großen Gott im Himmelsthron° (Suarinus) 432, 545, 688 Der frömmste Mensch, ja Gottes Sohn (Ritzsch) 108, 330, 356, 375 Der grimmig Tod mit seinem Pfeil 46f, 85, 136, 177, 188, 197–200, 221, 226, 237, 239, 242, 251f, 295, 298, 302, 503 Der große Tag des Herren (Thilo) 66, 513 Der Jüngste Tag ist vor der Tür 124, 513 Der Mensch wird von einm Weib geborn (Herman) 56, 174, 176, 248, 254, 364, 380f, 395, 450, 474–476 Der raue Herbst kommt wieder° (Albert) 318f, 323, 688 Der Sohn, dein Sohn ist tot° (Olearius) 436, 472, 634f, 688 Der Tod klopft itzund bei mir an (Heermann) 78, 83, 214, 251, 382, 427, 430–432, 464, 495, 499, 628, 632f Des Herren unsers Gottes Wort° 250, 688 Des Lebens kurze Zeit (Roberthin) 72, 83, 96, 117, 171, 192f, 306 Dich, mein Gott, will ich nun erhöhn (Sacer) 92, 289 Die Fröhlichkeit der Erden° (Moscherosch) 183f, 216, 688 Die große Nichtigkeit (Dach) 93, 171, 187, 216 Die größte Kunst der Welt bekannt° (Meyers) 586, 688 Die Herrlichkeit der Erden (Gryphius) 71, 170, 173, 176f, 192f, 195, 197f, 200–202, 249 Die letzte Stund fürcht jedermann° 239, 384, 688 Die Sonn, die steht am höchsten 513

Die Welt ist nichts zu unser Zeit° (Herman) 184, 212, 688 Die Welt, die Erzbetrügerin 181, 192 Die Zeit geht an, die Jesus hat bestimmt (Scheffler) 244, 320, 333, 402, 411 Die Zeit ist nunmehr nah (Gerhardt) 72, 84, 96, 117, 122, 160, 163, 513 Die Zeit nunmehr vorhanden ist (Schein) 107, 274, 343, 383f, 420, 426, 430, 473 Dieser Leib, den du geschaffen 320 Du bist zwar mein und bleibest mein (Gerhardt) 72, 87, 434, 447, 458–461, 466, 489 Du siehest, Mensch, wie fort und fort (Dach) 66, 71, 83, 559 Du, Gott, bist außer aller Zeit (Dach) 65, 78, 83, 172, 179, 185, 203, 232f Du, Gottes Sohn, Herr Jesu Christ (Policarius) 130 Du, o getreue Mutter Erde (Dach) 71, 511 Du, o schönes Weltgebäude (J. Franck) 110, 182, 188f, 192, 215, 219, 256, 345, 392, 407, 497, 500, 540, 620 Durch Adams Fall ist ganz verderbt° (Spengler) 204, 585, 617, 625, 688 Ecce dominus veniet 102, 623f Ecce mysterium magnum dico vobis 38, 252, 512 Ecce quomodo moritur iustus 99, 102, 439, 498, 623f Ei nun seht, all ihr Christenleut (Geletzky) 88, 213, 479 Ein Freud ist’s dem gläubigen Mann (Blarer) 326, 380, 501, 506, 514, 516, 529 Ein selig End aus Liebe° (Schreiber) 271, 688 Ein Stündlein ist verlaufen° (Bellinckhausen) 240, 688 Ein Tag geht nach dem andern hin° (Arnschwanger) 242, 251f, 688 Ein Tröpflein von den Reben (Finx) 75 Ein Wandersmann bin ich allhier° (Z. Herberger) 211, 214, 216, 227, 688 Ein Würmlein bin ich, arm und klein (Frölich) 47, 59, 77, 79, 82, 156, 165, 294, 298, 331, 392, 433, 435, 549

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V. Register Einen guten Kampf gekämpft ich hab° (Sturm) 228, 688 Einen guten Kampf hab ich (Albert) 51, 71, 83, 96, 117, 228, 424, 629 Einen guten Kampf hab ich° (Stölzlin) 228, 688 Eins ist sehr schwer, zwei kränken mehr (Olearius) 122, 434, 436, 452 Elias, der prophetisch Mann (Engelhard) 487, 518, 527 Elias, der prophetisch Mann° (Heupold) 487, 688 Entreißt euch, meine Sinnen 192, 200, 202 Entschlag dich aller Ding auf Erden (Dach) 93, 217, 342, 376, 432 Erbarm dich mein, o Herre Gott° (Hegenwalt) 538, 585, 623, 625, 688 Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort° (Luther) 127, 688 Erheb dich, Seel, zu deinem Gott (Wegelin) 288 Erhebe dich, betrübtes Herz° (Gerhardt) 268, 633, 688 Erleuchte mich, o treuer Gott (Rist) 123, 266 Errett uns, lieber Herre Gott (Mathesius) [nur Tab. 1] Erschrecken ich ja billig sollt (Dilherr) 74, 86, 94, 302, 311, 368 Erschrecklich ist es, dass man nicht (Rist) 73, 86, 92, 123, 160, 554 Es gehet jetzt gegen dem Ende 513 Es ist das Heil uns kommen her° (Speratus) 585, 688 Es ist doch in diesem Leben 110, 186, 202, 358, 469 Es ist genug, mein matter Sinn (Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel) 67, 215, 217, 342 Es ist genug, so nimm, Herr, meinen Geist (Burmeister) 73, 110, 218, 342, 358 Es ist gesetzt, es ist gesagt° (von dem Werder) 173, 504, 689 Es ist gewiss ein große Gnad 87, 233, 270 Es ist gewisslich an der Zeit (Ringwaldt) 47f, 53, 60, 69, 77, 81, 96, 110, 125, 139, 159, 165, 514, 540

721

Es ist nun aus mit meinem Leben (Omeis) 74, 179f, 182f, 188, 216, 243, 257, 363, 387 Es kränkt ein Vatr- und Mutterherz (Schein) 107, 112, 434f, 452, 459, 631 Es nahet sich der letzte Tag (Rist) 73, 122f, 188, 237, 243, 253, 298, 305, 311, 313, 555 Es nahet sich zum Ende (Heermann) 111f, 243, 260, 305, 392, 417, 420, 423, 430, 432, 474f, 487 Es sind die Zeichen nunmehr da 66, 92, 513 Es sind doch nur Eitelkeiten 170, 200 Es spricht der Unweisen Mund wohl° (Luther) 127, 689 Es stehn vor Gottes Throne (Helmbold) 51, 486 Es traur, was trauren soll° (Störmer) 62, 202, 393, 689 Es vergehen alle Zeiten 51, 66 Es vergeht mir alle Lust (Dach) 71, 87, 93, 187, 348, 489, 528 Es war ein gottsfürchtiges (Herman) 100, 160 Es war einmal ein reicher Mann 39, 99, 485, 540 Es wird schier der letzte Tag herkommen (Weisse) 36, 41, 56, 60, 68, 81, 96, 110, 114, 124, 130, 139, 159, 165, 513f, 540 Es woll ihm Gott genädig sein (Grünewald) 56, 130, 197, 326, 437, 440f, 606, 610 Eva durch ihr begangne Schuld (Schein) 107, 172, 205, 429, 451, 524 Fahr hin, du liebste Seele mein 70, 112, 116, 307 Fahr hin, du schnöde Welt° (Scheffler) 95, 181, 689 Freu dich sehr, o meine Seele 16, 47, 52f, 56, 67, 70, 84, 88, 96, 108, 116, 120, 131, 165f, 185f, 212, 214f, 222, 300, 335f, 341, 348, 389, 488f, 523, 532, 618, 620, 643 Freud über alle Freude (M. Franck) 122, 192, 223, 292, 342, 400, 475f Freunde, stellt das Weinen ein (Sacer) 92, 212, 223, 382, 448, 501

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722

Anhang

Freut euch, all die ihr Leide tragt° (Ringwaldt) 279, 689 Freut euch, ihr Christen, alle gleich (Herman) 56, 513 Freut euch, ihr lieben Kinderlein (Schein) 106, 112, 433, 435, 457, 462f, 528 Frischauf und lasst uns singen (Rist) 92, 110, 123, 479, 555 Frischauf, mein Seel, verzage nicht (Schmucker) 321f, 390 Fröhlich ich pfleg zu singen (Walter) 46 Fröhlich soll mein Herze springen° (Gerhardt) 367, 689 Gar wohl mein Herz entschlossen ist (Weissel) 72, 83, 117, 173f, 260, 366 Geh aus, mein Herz° (Gerhardt) 220, 508, 689 Gehab dich wohl, du schnöde Welt (Dilherr) 74, 85, 188, 344f Geliebten Freund, was tut ihr so verzagen (Ringwaldt) 62, 69, 79, 82, 108, 116, 279, 438, 450, 467, 479, 492, 514, 528, 627 Getrost ist mir, o Gott, mein Herz in Nöten° (Rist) 252, 372, 689 Gleich wie ein Hirsch nach frischem Wasser schreit 51, 349f Gleich wie ein Weizenkörnelein (Herman) 56, 100, 102, 110, 506 Gleichwohl hab ich überwunden (Dach) 71, 83, 117, 229, 471, 475, 602 Gott der Vater wohn uns bei° (Luther) 67, 585, 623, 625, 689 Gott gibt, Gott nimmt, was Gott genommen (Olearius) 121, 434, 436, 457, 461 Gott hat das Evangelium (Alber) 41, 47, 60, 66, 77, 81, 96, 110, 124, 139, 159, 162, 165, 513, 540 Gott herrschet und hält bei uns Haus (Dach) 71, 83, 329, 434, 452f Gott ist nicht ein gebundner Gott° (Vogel) 466, 689 Gott Lob und Dank, dass ich nicht krank° (Schottelius) 280, 689 Gott schuf Adam aus Staub und Erd (Mathesius) 98, 502, 522, 525

Gott sei globt, ich empfinde wohl (Thalhaimer) 244, 252, 274, 333 Gott Vater, Brunn aller Lebendigen 602 Gott Vater, der du deine Sonn (Herman) [nur Tab. 1] Gott, der uns diesen Tag bewacht° (Schottelius) 280, 689 Gott, du suchst mich mit Krankheit heim (Sacer) 92, 122, 179, 289–291, 293f, 296, 330 Gottlob, die Stund ist kommen (Heermann) 71, 79, 83, 96, 117, 244, 326f, 417, 422, 434, 436, 444, 460, 466, 469, 475f, 528 Gottlob, die Welt ich lasse (Olearius) 75, 136, 189, 326 Gottlob, es ist vorhanden° (Ringwaldt) 508, 689 Gottlob, mein Heil, die Freudenzeit (Olearius) 122, 527, 530f Groß Freud in meinem Herzen 94, 121, 336 Gute Nacht, du eitles Leben (Sohren) 49, 95, 188, 193, 195 Gute Nacht, du falsches Leben 188, 257, 263f Gute Nacht, mein Fleisch und Blut° (Ortlob) 425, 437, 448, 689 Haben wir das Gute emfangen (Hi 2,10; 1,21) 455 Hast du denn, Jesu, dein Angesicht gänzlich verborgen (Fritsch) 87, 94, 121, 182, 189, 330, 386, 404 Hat’s Gott versehn, wer will es wehrn 321, 328 Helft mir mit Freuden singen (Rist) 117, 123, 409, 514, 542 Herr Christ, der Jüngste Tag (Runge) 67, 72, 513 Herr Christ, gib, dass im Wandel mein° (Suevus) 239, 347, 689 Herr Christ, tu mir verleihen (J. Nicolai) 47, 53, 60, 81, 131, 159, 165, 474–477, 479f, 508, 620 Herr Christ, wenn ich bedenke (Behm) 69, 78, 82, 180, 238, 252, 299, 305, 359, 486, 500

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V. Register Herr Gott, dein Gewalt ist über Jung und Alt [nur Tab. 1] Herr Gott, du bist ja für und für (Gerhardt) 172, 176f, 203, 233 Herr Gott, mein Jammer hat ein End 46f, 69, 85, 129f, 139, 166, 213, 312, 381, 384, 467 Herr Jesu Christ, das ist mein Trost° (Marschalch) 315, 522, 689 Herr Jesu Christ, der du hast 56, 367, 510 Herr Jesu Christ, du treuer Gott 122, 131, 277, 358 Herr Jesu Christ, du treuer Hort 120, 316, 335, 369, 584 Herr Jesu Christ, ich schrei zu dir 70, 115, 137, 275–277, 369 Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl (Ringwaldt) 47, 53, 59, 69, 77, 82, 125 ,139, 158, 238f, 243, 266, 268, 270, 278, 323f, 354, 383, 494 Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl (Werner) 72, 83, 96, 205, 249, 252, 294 Herr Jesu Christ, in deine Händ (Selnecker) 56, 91, 236, 239, 331, 369, 584 Herr Jesu Christ, mein Herr und Gott (anon./Ringwaldt zugeschrieben) 70, 84, 91, 109, 112, 269, 369 Herr Jesu Christ, mein Herr und Gott (Leon) 91, 355, 369, 523 Herr Jesu Christ, mein Leben (Homburg) 66, 75, 87, 227, 298, 353, 386 Herr Jesu Christ, mein Trost und Licht (Rist) 123, 254, 323, 555 Herr Jesu Christ, meins Lebens Licht 56, 223, 368, 486 Herr Jesu Christ, o wahrer Gott (Jonas) 277 Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott (Eber) 44, 56, 59, 67, 77, 82, 126, 128, 130, 139, 156, 165, 266, 269, 297, 302, 305, 362, 364f, 386, 449, 540, 567, 584, 588, 624f Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott (für die Kranken) 299, 588 Herr Jesu Christ, weil ich empfind (Ringwaldt) 69, 82, 116, 270f, 274, 299 Herr Jesu Christe, Gottes Sohn (Birken) 74, 215, 222, 257, 486, 496

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Herr Jesu Christe, Gottes Sohn, der du (Selnecker) 56, 102, 239, 297, 312, 391, 395, 397, 421, 486 Herr Jesu Christe, Gottes Sohn, zu dir (Selnecker) 312, 326, 355, 373 Herr Jesu Christe, Gottes Sohn° (Zeißold) 234, 265, 689 Herr Jesu, deine Traurigkeit (Olearius) 121, 226, 331, 360–362, 368, 371, 375, 377, 382f, 386, 389 Herr Jesu, mein Trost, Hilf und Rat (Olearius) 75, 87, 121, 363 Herr Jesu, mein Trost, lass mich nicht (Rist) 122 Herr Jesu, weil ich itzo soll (Runge) 72, 84f, 91 Herr unser Gott, wenn ich betracht (Thilo) 94, 329 Herr, du tust, was dir gefällt (Dach) 93, 203, 452–454 Herr, es ist mir nicht verborgen 171, 238, 248, 500 Herr, es mangelt nicht an dir (Dach) 71, 187, 232, 268, 559, 605, 607 Herr, Herr, wie lang, wie lang (Schein) 107, 434, 442–445, 455 Herr, ich bin ein Gast auf Erden (Faber) 94, 121, 124, 187, 212, 226, 253, 302, 338, 485 Herr, ich denk an jene Zeit (Mylius) 72, 87, 94, 237–239, 296, 305, 545 Herr, lass mich deinen werten Geist 122, 269 Herr, meinen Geist befehl ich dir (Rist) 122f Herr, nun lässt du deinen Diener [nur Tab. 1] Herr, von uns nimm dein Zorn und Grimm° 287, 689 Herr, wie du willt, so schick’s mit mir (Bienemann) 47, 52, 82, 110, 210, 290, 321f, 326, 332, 335, 399, 581, 587, 618, 620 Herzlich lieb hab ich dich, o Herr (Schalling) 67, 78, 82, 112, 125, 165, 332, 355, 389, 483, 500, 549, 587, 619, 621 Herzlich tut mich erfreuen (Walter) 33, 60, 66, 91, 110, 125, 139, 159, 165, 426, 477, 508, 618, 620

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Anhang

Herzlich tut mich verlangen (Knoll) 47, 53, 56, 59, 61, 77, 79, 82, 96, 100, 115, 125, 131, 165f, 185, 189, 227, 267, 325, 339, 349, 354, 363, 407, 421, 423, 431, 432, 469, 473–476, 504, 549, 617, 619, 621 Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen° (Heermann) 365, 689 Heute werd ich sterben (Titius) 137, 244, 420, 474, 501 Hie lieg ich armes Würmelein und ruh 295 Hie lieg ich armes Würmelein und schlaf 86, 295, 369, 421, 433, 474, 497, 500, 603 Hie lieg ich armes Würmelein, kann regen 82, 166, 190, 225, 294, 302, 305, 435, 486, 584 Hie lieg ich armes Würmelein° (Helmbold) 295, 689 Hie lieg ich in der Erden Schoß 70, 110, 116, 176f, 419f, 422, 424, 441, 498, 502, 504, 510, 523, 603 Hilf mir, Herr Jesu, weil ich leb° (Ringwaldt) 269, 333, 689 Hilf mir, mein Gott, überwinden (Faber) 121, 187 Hilf, Gott, wie hat die Eitelkeit° (Gesenius/ Denicke) 65, 689 Hilf, Helfer, hilf in Angst und Not (Moller) 56, 69, 163, 275, 354, 584, 587 Hilf, Herr, mein Gott, in dieser Not° (Selnecker) 163, 275, 689 Himmlischer Vater, frommer Gott [nur Tab. 1] Hin ist des Lebens Zeit (Schein) 107, 221, 228, 260, 332, 336, 423, 509 Hör, mein herzliebes Seelichen (Held) 95, 122, 328 Hör, Mensch, du seist groß oder klein° (Friccius) 213, 239, 260, 689 Höret, o ihr Kinder Gottes, höret (Heermann) 71, 83, 96, 160, 508, 513, 542 Hört auf mit Trauren und Klagen 59, 82, 98, 111, 125, 165, 175, 448, 495, 502, 522, 524f, 624 Hört auf zu weinen und klagen 448, 484 Hört auf, alles Leid, Klag und Sehnen 433f, 448, 495, 505, 523, 601

Hört, freche Sünder, ihr gottlose Kinder (Herbert) [nur Tab. 1] Iam moesta quiesce querela (Prudentius) 38f, 59, 69, 72, 81, 98f, 102, 111f, 115, 124, 130, 139, 147, 156, 166, 429, 433f, 447, 494f, 504f, 507, 510, 522f, 525, 531, 601, 624f Ich armer Erdenkloß (Behm) 69, 82, 175, 288, 290f, 333, 389, 502 Ich armer Mensch gar nichtes bin (Gigas) 120, 392, 397, 584 Ich bin bei Gott in Gnaden (Dach) 93, 390 Ich bin dein satt, o schnöde Welt (Weissel) 72, 94, 188f, 192f, 323, 343, 355, 378, 407 Ich bin ein Gast auf Erden° (Gerhardt) 184, 212, 216, 690 Ich bin ja, Herr, in deiner Macht (Dach) 71, 87, 93, 276, 306f, 314, 367, 378, 382, 395, 397, 546 Ich bin müde, mehr zu leben (Neumark) 75, 185, 187, 190, 207, 342f Ich bin von euch geschieden 417, 419, 434, 469, 471, 487, 522 Ich fahr dahin mit Freuden (Sturm) 47, 53, 337, 420f, 457, 628 Ich fahr und weiß gottlob wohin (Ritter) 75, 136, 304 Ich gehe, sitze, was ich tu (Sohren) 95, 238, 242, 376, 382, 399 Ich hab Bescheid, zu scheiden (Omeis) 74, 136, 333, 375, 389, 432, 511 Ich hab ein guten Kampf gekämpft (Klaj) 74, 136, 228, 372 Ich hab gottlob das Mein’ vollbracht (Werner) 65, 72, 83, 96, 117 Ich hab mein Lauf vollendet (Schein) 106, 228, 387, 417, 468f Ich hab mein Sach Gott heimgestellt (Leon) 47, 52f, 59, 77, 82, 125, 139, 165, 172f, 175f, 194, 197f, 232, 313, 320, 322f, 325, 328, 368, 376, 395f, 502, 510, 540, 618f, 627 Ich hab mein Sach Gott heimgestellt° (Dilherr) 322f, 329, 690 Ich hab mein Sach zu Gott gestellt° 278, 322, 690

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V. Register Ich hab mich Gott ergeben (Leon) 322f, 337, 354 Ich hab mich Gott ergeben (Siegfried) 78, 84, 116, 189, 221, 322f, 337, 354, 421 Ich heb mein Augen sehnlich auf° (Becker) 279, 690 Ich heul und wein in meiner großen Not (Schein) 107, 175, 328, 433, 442–447, 452, 460f Ich lass ihn nicht, der sich gelassen° (J. L. Faber) 389–392, 394, 690 Ich lauf dir nach mit stetem Ach (Müller) 93, 399, 403, 411 Ich mag nur, was ich will, beginnen 347, 392 Ich muss jetzt allzeit trauren 302, 322 Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ° (Agricola) 67, 127, 585, 589, 690 Ich schlaf in meinem Kämmerlein (Hagen) 93, 295, 498, 603 Ich steh in Angst und Pein (Dach) 66, 71, 93, 251, 399, 514, 634 Ich stund an einem Morgen 59, 69, 98, 166, 208, 210, 249, 252 Ich wall auf Erden hin und her (Müller) 93, 212, 219, 392, 400, 411 Ich war ein kleines Kindlein 70, 110, 112, 116, 242, 417, 421, 434f, 469, 476, 479 Ich weiß ein ewigs Himmelreich 46f, 51, 214 Ich weiß nicht, wann ich sterben muss 199, 314, 372, 503 Ich weiß wohl, dass ich sterben muss 210, 241, 251, 274, 356, 392, 489, 501, 505 Ich weiß, dass mein Erlöser lebt (Gerhardt) 67, 72, 87, 383, 504, 516, 519f Ich weiß, dass mein Erlöser lebt (Hagen) 78, 83, 91, 117, 515–519 Ich weiß, dass mein Erlöser lebt (Helmbold) 69, 82, 91, 125, 135f, 166, 516f Ich weiß, dass mein Erlöser lebt (J. Franck) 135, 383, 516f, 519f, 528 Ich weiß, dass mein Erlöser lebt (Jena 1579) 192f, 328, 425f, 432, 473f, 476, 516 Ich weiß, dass mein Erlöser lebt (Schein) 107, 172, 212, 232, 355, 371, 384, 399, 499, 516f

725

Ich weiß, dass mein Erlöser lebt° (Nürnberg 1654) 504, 516, 518, 690 Ich weiß, dass mein Herr Jesus Christ (Striccius) 120, 514, 516, 518f Ich will für allen Dingen (Rist) 49, 73, 86, 92, 123, 160, 554 Ich will gar gerne sterben (Runge) 72, 268, 336, 353 Ich will still und geduldig sein (Schein) 70, 79, 84, 106, 116, 121, 185, 207, 232–234, 332, 433, 444f, 467, 469, 471, 475 Ich wünsch tausendmal zu gehen (Rist) 479 Ihr Christen, tut nicht zagen (Ringwaldt) 102, 116, 528 Ihr Eltern, gute Nacht (Quirsfeld) 75, 417, 419, 434, 436 Ihr lieben Christen, freut euch nun (Alber) 41, 44, 51, 60, 81, 96, 125, 139, 159, 165, 513, 540 Ihr lieben Trauerleut (Schein) 107, 306, 313, 387, 419, 424, 452, 471 Ihr Seufzer, ach haltet doch innen (Stöcken?) 73, 448, 495, 507, 522, 524 Ihr, die ihr euch Christen nennet (Roberthin) 471, 474, 605 Im Fried bin ich dahin gefahrn 38 Im Frieden dein, o Herre mein (Englisch) 44 Im Leben und im Sterben (Knoll) 189, 474–476, 478, 492 In allen Orten, wo ich geh° (Heupold) 399, 690 In Christi Wunden schlaf ich ein 84, 102, 111f, 116, 369, 376, 549 In Christo will ich sterben (P. Franck) 122, 216 In deinen Willen geb ich mich (Rist) 123, 323 In dem Leben hier auf Erden° (Behme) 265, 690 In dieser meiner letzten Not (Dach) 93, 227, 305, 314 In Fried und Freud ich fahr dahin (Schein) 107, 313f, 317, 337, 420, 423 In Gottes Namen fahr ich hin 190 In meinm Elend war dies mein Trost (Luther) 38, 120, 516, 624

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Anhang

In Seufzen tief, in Traurigkeit (Schein) 107, 433, 438, 444f, 461, 475f In Sünden und in Gottes Zorn (Schein) 107, 208, 226, 372, 384, 452, 500 Ist denn fürn bittern Tod (Schein) 106, 121, 173, 433, 437, 443–445, 447, 457, 461 Ist etwas in der großen Welt° (Rist) 213, 690 Ist meine Wallfahrt nun vollbracht (Vorberg) 75, 206, 524 Ist, Jesu, es dein Wille° (Schottelius) 280, 295, 314, 323, 690 Je länger hier, je später dort (Gensch) 73, 340, 343, 464 Jerusalem, du Friedensstadt° (Harsdörffer) 203, 690 Jerusalem, du hochgebaute Stadt (Meyfart) 73f, 214, 243, 332, 478f, 489f Jesu dulcis memoria° 65, 399f, 404f, 690 Jesu, dein will ich sein (Ostermann?) 110, 396 Jesu, der du selbsten wohl° (Babzien) 357, 371, 374f, 690 Jesu, du liebstes Herrlein mein 113 Jesu, meine Freude (J. Franck) 60, 118, 188, 298, 305, 307, 327, 335, 378, 548 Jesu, meiner Seelen Leben (Scriver) 49 Jesu, wie süß ist deine Liebe (Müller) 93, 404, 406f, 410f Jesulein, du bist mein 110, 131, 136, 396, 548 Jesum hab ich mir erwählet (Kirchenbitter) 110, 391, 397 Jesus ist und bleibt mein Leben° 391, 690 Jesus, meine Zuversicht (Schwerin) 88, 135, 254, 505, 516–518, 520, 524 Jetzt fahr ich aus der Welt einmal° (Niedling) 422f, 464, 690 Johannes sahe durch Gesicht° (Gerhardt) 528, 690 Kein Gotteswort ist nicht erhort (Policarius) 56, 513 Kein Schatz auf Erden soll mir lieber werden 368

Kein Stündlein geht dahin (M. Franck) 87, 299, 306, 314 Klagen, Trauren, Weinen (Schein) 107, 172, 438 Klagt mich nicht mehr, ihr lieben Leut (Schein) 107, 254, 354, 421, 423f, 426, 448, 469, 473 Klagt nicht so, geliebte Leut (Schein) 107, 247, 424, 457, 465, 492, 605 Komm, Heiliger Geist, Herre Gott° (Luther) 67, 226, 620, 690 Komm, o Jesu, wie so lange 267, 332, 382 Komm, Sterblicher, betrachte mich (Sacer) 73, 92, 177f, 210, 236, 241, 247, 259, 264 Kommt endlich, kommt die güldne Frist° (Kaldenbach) 497, 690 Kommt her, ihr Menschenkinder (Rist) 49, 73, 86, 92, 123, 160, 554 Kommt herbei, ihr Menschenkinder (Müller) 67, 513 Kurz ist die Zeit, kurz sind die Jahr (Weissel) 72, 83, 96, 171, 206, 353 Lass dir, o mein Herr Jesu Christ (Schein) 107, 208, 250, 313, 390 Lass sterben, was bald sterben kann (Dach) 71, 434, 436, 466f Lass uns doch nicht begehren (Beckh?) 137, 390 Lass, Herr, vom Zürnen° (Vetter) 287, 690 Lasset ab von euren Tränen (Richter) 71, 86, 95, 137, 179, 251, 261, 345, 434f, 447f, 460, 465, 497, 509, 529 Lasset ab, ihr meine Lieben (Heermann) 71, 79, 83, 96, 117, 348, 394, 417, 419f, 422, 424, 431f, 440f, 448, 468, 501, 619f Lasset die Kindlein kommen (Becker) 69, 160, 433, 435, 461f, 467 Lasset Klag und Trauren fahren (Heermann) 71, 94, 117, 348, 448, 528 Lasst ab von Sünden alle (Rist) 66, 73, 92, 123, 513, 554 Lasst ab von Traurn, ihr Christenleut 448, 495, 525 Lasst uns ansehn die Sterblichkeit° (Herbert) 178, 690

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V. Register Lasst uns folgen St. Paulus’ Lehr (C. Franck) 450, 467, 485, 501f, 506–509, 512 Lebt doch ein jeder Mensch im Streit (Rist) 122, 182, 205, 215, 224f, 253, 396, 497, 503f, 554 Lebt jemand so wie ich (Müller) 93, 185, 190, 192, 217, 343, 411 Leid ist mir’s in meinem Herzen° (Gerhardt) 436, 522, 690 Liebes Kind, wenn ich bei mir° (Gerhardt) 436, 440, 690 Liebster Bräutgam, denkst du nicht (Scheffler) 95, 344f, 368, 397, 409f, 485, 496 Lob sei dir, gütiger Gott (Herbert) 56, 293, 370, 500 Lobe, mein Herz, deinen Gott (Olearius) 75, 94 Lobt Gott den Herrn aus Herzensgrund (Ringwaldt) 158, 213, 278f, 284, 286f Mach’s mit mir, Gott, nach deiner Güt (Schein) 68, 70, 107, 109, 267, 332 Mag ich dem Tod nicht widerstahn (Blarer) 69, 81, 165, 265, 323, 364, 397 Media vita in morte sumus 35, 38, 59, 102, 115, 206, 276, 407, 608, 623f Mein Abschied aus der bösen Welt (Dach) 71, 83, 221, 228f Mein Gott und Heiland Jesu Christ (Selnecker) 56, 369, 523 Mein Gott und Herr, ach sei nicht ferr (Schein) 70, 76, 84, 91, 107, 312, 354, 389 Mein Gott und Herr, steh du mir bei 56, 188, 260f, 302, 305, 347, 364, 382–384, 389 Mein Gott und Schöpfer, zu mir eil (Werner) [nur Tab. 1] Mein Gott und Vater, der du nicht (Rist) 123, 244f, 274f, 335, 345, 392, 555 Mein Gott, du schickst mir Krankheit zu 289f, 294 Mein Gott, erbärmlich lieg ich hier (Rist) 73, 110, 288–291, 293

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Mein Gott, ich habe mir° (Gerhardt) 65, 171f, 194, 197, 216, 232, 690 Mein Herr und Gott, wann ich muss fort 46, 110 Mein Herz mit Lieb verwundet ist 269, 354, 402 Mein Herz ruht und ist stille (Schein) 107, 207, 217, 355 Mein herzer Vater, weint Ihr noch (Gerhardt) 72, 87, 222, 358, 417, 434, 439, 452, 460, 470, 476, 528, 603 Mein Jesu, neige her dein Ohr 334, 368, 370f, 378, 392 Mein junges Leben hat ein End 49, 189, 244, 305, 311–313, 316, 403, 422–424, 427, 432 Mein Lauf ist nun vollendet (Olearius) 75, 213, 228 Mein Leben in der Eil° (Krentzheim) 178, 253, 343, 402, 496, 690 Mein Leben sich hie endet (Hagen) 93, 337 Mein Leben war ein Streit (Rappolt) 110, 229f, 305, 498 Mein Lebensend hat sich zu mir gewendet 76, 464 Mein letztes Hoffen wird erfüllt° (Kaldenbach) 219, 471, 690 Mein liebe Seel, was fürchstu dich° (Sachse) 213, 690 Mein lieber Christ, steh doch was still° (Ringwaldt) 175, 178, 192, 196, 246, 392, 503, 690 Mein Seelichen, wenn willt du doch (Rist) 123, 217, 250, 261, 387, 496, 555 Mein Wallfahrt ich vollendet hab (Hörnigk) 47f, 53, 68, 86, 220, 457, 506 Mein Zeit nunmehr vorhanden ist (Schein) 107, 192, 228, 237, 274 Meine Freund, nicht so weint (Schein) 107, 448, 451, 459 Meine Kraft ist hin, dann ich elend bin (Greiff ) 47, 220, 332, 334, 354, 369, 505, 516 Meine Seele, halte fest° (Arnschwanger) 391, 690 Meinen Jesum lass ich nicht (Keimann) 47, 49, 60, 110, 117, 136, 300, 390, 392, 410, 548, 620

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Anhang

Meinen Jesum lass ich nicht° (Fritsch) 390, 691 Meinen Jesum will ich lieben° (J. Franck) 391, 691 Meinm lieben Gott allein 131, 401f, 408, 421, 423, 426, 429, 583 Mensch, sag an, was ist dein Leben 173, 191, 194f, 197f, 201, 233–235, 237, 251 Menschenhilf ist nichtig (Flittner) 137, 210 Mir vergeht zu leben (Finx) 75, 216, 243, 348, 485, 489 Mit Freuden fahr ich hin zu Gott (Schein) 107, 337, 422f, 431, 464, 631 Mit Freuden will ich fahrn dahin 113, 337 Mit Fried und Freud ich fahr dahin (Luther) 34f, 37–39, 41, 44f, 59f, 67, 77, 81, 96, 101, 112, 114, 124, 126, 128, 139, 160, 165f, 220, 254, 269, 335, 337, 500, 539f, 560, 586, 618, 620, 622–626, 636 Mit Fried und Freud in guter Ruh 38 Mit Lust ein Röselein (Schein) 107, 177, 434f Mit Seufzen und mit Tränen (Schein) 107, 349, 420, 457, 464, 468 Mit Todesgdanken geh ich um (Herman) 91, 100, 238, 251f, 503, 526 Mit Trauren, Weinen, Klagen (Schein) 107, 112, 205, 249, 500 Mitten wir im Leben sind (Luther) 35, 37–39, 41, 44f, 51, 59–61, 67, 77, 81, 96, 105, 112, 114, 124, 126, 128, 139, 162, 165, 206, 276, 300, 304f, 307, 314, 316, 364, 407, 540, 560, 586, 608, 623, 625, 636 Muss dir, o Mensch, die schnöde Welt (Rist) 92, 123, 160, 554 Nach dir, o Gott, verlanget mich° (Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel) 67, 217, 691 Nicht trauret übrig, lieben Leut (Ringwaldt) 158, 278f, 281, 284–287 Nichts betrübter ist auf Erden (Hunold) 87, 94, 430–432 Nimm mich weg, Gott, für dem Jammer (Dach) 93, 181, 343, 347, 501 Nimm von uns, Herr, du treuer Gott° (Moller) 287, 691

Nolumus autem vos fratres ignorare 38, 450 Nun ade, du Weltgetümmel (Sohren) 95, 188 Nun auf, mein Geist, aus dieser Welt° (Hecht) 347, 496, 691 Nun bitten wir den Heiligen Geist (Luther) 38f, 67, 128, 160, 213, 403, 567, 586f, 589, 620 Nun endet und wendet sich zeitliches Leiden 478 Nun fahr ich hin mit Freuden° (Niedling) 281, 337, 472, 545, 691 Nun fähret mein Geist mit Freuden dahin 190, 307, 337, 342f, 369 Nun geh ich hin zum Vater mein° (Ritzsch) 213, 337, 691 Nun gottlob, es ist vollbracht 124, 174, 188, 250, 363, 474 Nun hat mich auch gewähret 76, 190, 419, 424, 475 Nun hör auf, alles Leid, Klag und Sehnen 72, 81, 85, 91, 448, 495, 501, 507f, 511, 523, 526 Nun höret zu, ihr Christenleut° (Witzstat) 39, 101, 691 Nun lasst uns den Leib begraben (Weisse) 35f, 38f, 41, 44, 48, 56, 59f, 77, 81, 96, 112, 115, 124, 128, 130, 139, 156, 162, 165f, 217, 261, 493, 500, 502, 527, 540, 586, 624–626, 636 Nun lieg ich armes Würmelein (Schirmer) 72, 84, 96, 110, 117, 295, 434f, 438, 465, 467, 471, 498 Nun loben wir mit Innigkeit (Weisse) 36 Nun scheid ich ab in Fröhlichkeit (Schein) 107, 420, 422f, 425, 430, 441, 475 Nun sei getrost und unbetrübt (Gerhardt) 72, 87, 368, 382, 393 Nun will auch ich abscheiden (Runge) 72, 84, 91, 261, 265, 400, 494, 496 Nun will ich mich scheiden von allen Dingen (Scheffler) 95, 350, 404, 410f, 496 Nun, du lebest, unsre Krone° (Gerhardt) 330, 691 Nun, ihr abgelebte Glieder (Saubert) 75, 136, 348, 502, 510, 521, 523, 526

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V. Register Nun, mein Gott, ich bin’s zufrieden (Homburg) 75, 94, 185, 206, 218, 323, 465 Nun, Welt, du musst zurücke stehn (Rist) 86, 92, 123, 188, 243, 523, 531 Nunmehro ist vollendet 330, 416, 469, 471, 474 O Blindheit, bin ich denn der Welt (Rist) 92, 123, 192, 213, 555 O der trüben Trauertage (Adersbach) 71, 417, 445, 447 O du dreieinger Gott (Ä. J. von Schwarzburg-Rudolstadt) 75, 231, 260, 264, 307, 333, 463, 546, 549 O du Leben meiner Seele 76, 214, 222, 252, 298, 341, 353, 361, 407 O eitle Welt, o kurze Zeit (Dach) 93 O Ewigkeit, du Donnerwort (Rist) 49, 51, 66, 73, 84, 91, 96, 110, 117, 123, 159, 166, 538, 552, 554 O Ewigkeit, o Ewigkeit (Wülffer) 66, 74, 136, 207 O Ewigkeit, o Ewigkeit° (Köln 1625) 207, 691 O Flüchtigkeit, o Eitelkeit 66, 93, 198f O Freud, o Lust, o Wonne [nur Tab. 1] O frommer und getreuer Gott (Ringwaldt) 158, 226, 278f, 281–283, 286f, 296 O Gott, der du die Menschenkind (Ringwaldt) 82, 116, 172, 203f, 208, 232f O Gott, der du mit großer Macht (Rist) 110, 122, 196, 254, 266, 288f, 291, 293, 325, 332, 390, 555 O Gott, was ist das für ein Leben (Rist) 123, 335, 402, 409, 555 O Gott, wenn ich bei mir betracht (Gesenius/Denicke) 66, 92f, 172, 236, 240, 269, 271 O Gott, wer dieses Leben wohl (Gesenius/ Denicke) 66, 236, 496, 529 O Gottes Stadt, o himmlisch Licht (Rist) 66, 91, 123, 390, 409f, 478f, 555 O große Freud und Wonne (Michael) 108, 417, 420, 434f, 631f O großer Gott von Ewigkeit° (Schottelius) 280, 691

729

O Haupt voll Blut und Wunden° (Gerhardt) 357, 359, 364f, 620, 691 O Herr Gott hilf, zu dir ich gilf 46, 69, 76, 275f O Herr, bis du mein Zuversicht (Berckenmayr) 91, 120, 297, 305, 313, 316, 567, 584, 587 O Herr, dein Ohren neig zu mir° (Ringwaldt) 279, 286f, 296, 324, 691 O Herr, gedenk in Todespein (Backmeister) 76, 84, 92f, 260, 269, 312, 314 O Herre Gott, aus tiefer Not (Schelius) 102, 121, 275, 277 O Herre Gott, dein göttlich Wort 127 O Herre Gott, ich klage dir° 313, 691 O Herre Gott, in meiner Not (Leipzig 1673) 124, 163 O Herre Gott, in meiner Not (Selnecker) 124, 163, 275, 305, 332, 334, 584 O himmlische Lieb, o selige Freud 403 O ihr alle, die ihr euch dem Herrn vereiniget (Weisse) 36 O ihr Christen, wacht (Weisse) 36, 41, 513 O Jesu Christ, meins Lebens Licht (Behm) 56, 61, 82, 91, 96, 108, 111, 131, 166, 212, 214, 217, 221, 227, 342, 360f, 375, 620 O Jesu Christ, wahr Gottes Sohn (Mathesius) 369 O Jesu Christ, wahrer Gottes Sohn 56, 207, 210, 313 O Jesu Christe, Gottes Sohn (Weisse) 56, 115, 217, 433, 435, 465, 469 O Jesu Christe, Gottes Sohn, du grüner Baum° 378, 392, 691 O Jesu süß, wer dein gedenkt° 60, 65, 399, 405, 691 O Jesu, Gottes Lämmelein 69, 82, 267, 367, 369, 389, 396, 499, 549, 584 O Jesu, lieber Herre mein (Schwab) 69, 359, 389, 505 O Jesu, liebster Schatz° 333, 369, 691 O Jesu, wie lässt du so lang 243, 313, 346 O Jesu, wie so lang 326, 341, 346, 392, 397 O Lamm Gottes unschuldig° (Decius) 537, 624, 691 O Mensch, bedenk jetzunder mich° 197, 691

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730

Anhang

O Mensch, bedenk mit Fleiß all Stund 236, 240, 251, 373 O Mensch, bedenk zu dieser Frist (Triller) 69, 82, 175f, 178, 192, 198, 212, 214, 216, 479 O Mensch, bedenke stets dein End (Heermann) 65, 69, 175, 186f, 189, 195, 210, 212, 234, 236, 241f, 251, 524, 535, 540 O Mensch, bedenke wohl, dass du einmal musst sterben 66, 175, 187, 210, 236, 241f, 251 O Mensch, gedenk der letzten Stund° (Eyring) 195, 236, 239, 691 O Mensch, merk auf, was ich dir sag° (Heermann) 294, 691 O Mensch, mit Fleiß anschaue mich (Herman) 56, 102, 120, 158, 245f, 253, 417, 604 O Mensch, willt du vor Gott bestahn (Stigelius) 130, 235 O Schöpfer aller Dinge (Rist) 276, 556 O Seel, du Leibseinwohnerin (Dilherr) 222, 253, 483f, 486, 494f O Sicherheit, du Pest der Seelen° (Rist) 176f, 192, 691 O Sonnen schön, edler Planet° (Franciscus) 188, 691 O starker Gott, in letzter Not° (Henrici) 275, 691 O Sündenmensch, bedenk den Tod (Harsdörffer) 74, 87, 514, 627 O süßes Wort, das Jesus spricht (Höfel) 122, 136, 449 O Tod mit deiner Gstalte° (Spaiser) 253, 257, 260, 407, 691 O Tod, du hast mit Ach und Weh° (Brendel) 427f, 691 O Tod, o Tod, du greulichs Bild (Gerhardt) 72, 87, 102, 252, 255 O Tod, o Tod, schreckliches Bild (Röber) 102, 121, 252, 254f, 385 O Traurigkeit, lass sein dein Klag 433f, 448, 495, 505 O treuer Jesu, der du bist (Scheffler) 110, 299, 342, 364, 406, 408 O Vater aller Gnaden (Rist) 73, 87, 123, 171, 226, 232f, 239, 261, 266, 368, 381, 386, 554

O Vater groß von Gnaden° (Rist) 556, 691 O Vater, Herre Gott (Weisse) 36, 217, 244, 465, 500 O Vater, Sohn und heilger Geist (Gesenius/ Denicke?) 66, 92, 222, 262, 270, 298, 359, 363, 494, 496 O was ist doch das menschlich Leben 173, 189, 191, 194, 196, 200–202 O Welt, du sollt Urlaub han° 188, 691 O Welt, ich muss dich lassen 46f, 59, 66, 82, 111f, 125, 130, 139, 165, 170, 180, 182, 187–189, 212, 214, 221, 326, 354, 366, 408, 620, 625 O Welt, muss ich dich lassen 124, 188, 216, 376, 408, 469, 474 O Welt, sieh hier dein Leben° (Gerhardt) 313, 365, 692 O wer doch überwunden hätte (Dach) 93, 345f, 468, 498 O wie fröhlich, o wie selig° (Arnschwanger) 170, 692 O wie mögen wir doch unser Leben (Albert) 94, 376 O wie selig ist der Tod (Löner) 41, 115, 450, 468, 623f O wie selig seid ihr doch, ihr Frommen (Dach) 49, 71, 83, 182, 336, 469, 497, 618, 620 O wie selig seid ihr doch° (Behme) 218, 469f, 692 O wie so ein großes Gut° (Gerhardt) 629, 692 O Wonn, o Freud, o Herrlichkeit 211, 216, 334 Ob ich einschlafe oder wach (Gesenius/Denicke?) 66, 347, 399, 478, 480, 529 Preis sei dem allmächtigen Gott (Weisse) 36, 217, 433, 465f, 469 Raffet auch der Tod die greisen Haare (Dach) 71, 197, 201, 253 Rufst du nicht, o Heiland, mich 275 Sag, meine Seele, recht 213, 256, 372 Sag, was hilft alle Welt 47, 51, 68, 111, 113, 177, 191, 194–197, 200 Sag, was ist diese Welt (Birken) 87, 184

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V. Register Sankt Paulus die Korinthier (Herman) 44, 51, 56, 102, 110, 125, 139, 159, 165, 505f, 512, 526 Schau hin, mein ganz entzücktes Herz° (Harsdörffer) 528, 692 Scheuet ihr, ihr matten Glieder 389f, 511 Sei fröhlich, meine Seele (Schein) 106, 328–330, 336, 366, 417, 423, 425f, 441, 487, 489 Sei getreu bis an das Ende (Prätorius) 75, 225 Sei gnädig, Herr, sei gnädig, Herr (Schein) 107, 434f, 442, 445, 447, 457, 459, 461 Seligkeit, Fried, Freud und Ruh (Schein) 106, 116, 417, 419, 422, 433, 462, 467, 470–472, 487 Si bona suscepimus 59, 102, 115, 455, 623f, 636 Si enim credimus 38f, 115, 450, 498, 512, 624 So fahr ich hin mit Freuden (Schein) 106, 109, 112, 116, 121, 337, 417, 419, 422, 425, 433, 462, 467, 471f, 480, 545 So fahr ich hin mit Freuden° (Rinckart) 337, 425f, 454, 486, 632, 692 So gänzlich ist auf nichts allhier zu bauen (Dach) 71, 417, 433, 438, 440 So geb ich mich zufrieden° (Pauli) 215, 378, 692 So hab ich nun vollendet (Pauli) 72, 84, 91, 174, 215, 228, 256, 420, 424, 460, 464, 471, 473 So hab ich obgesieget (Sacer) 87, 92, 219, 228, 416f, 419, 424, 434, 436, 457, 460f, 467, 602 So ist’s an dem, dass ich mit Freuden (Spener?) 76, 88, 224, 244 So lasst uns den Leib behalten (Weisse) 36, 41, 56, 115, 473, 492 So sei nun wohl zufrieden (Rist) 92, 123, 310, 531, 555 So wahr ich leb, spricht Gott der Herr° (Herman) 623f, 692 So wahr ich lebe, spricht dein Gott° (Heermann) 623, 692 So wünsch ich mir zuguterletzt° (Rist) 123, 185, 243, 255, 266, 402, 407, 485, 692

731

So wünsch ich nun ein gute Nacht (Ph. Nicolai) 67, 86f, 131, 137, 188f, 206, 217, 341—343, 348f, 421, 528, 620, 627 So wünsch ich nun ein gute Nacht° (Stegmann) 188, 692 Soll denn so klein das Schifflein mein° (Schererz) 218, 437, 692 Spann aus, spann aus, ach frommer Gott (Walther) 51, 86, 137, 173, 189, 217, 219, 339, 500, 584 Steh doch, Seele, steh doch stille (Richter) 137, 174, 182, 187, 195f, 235, 252 Stella enim differt a stella 38, 512 Stellt ein eur Klag und Weinen (Schein) 107, 261, 325, 499 Tantis quid ergo curis 112 Trau deinem lieben Gott (Schein) 106, 328, 392, 433, 435, 452, 461f Trauret nicht, ihr Christen gut (Hagen) 124, 448, 495, 508, 523 Treuer Gott, lass den Tod (Gerlach) 75, 222, 305 Tröst dich Gott, liebes Seelichen mein [nur Tab. 1] Tut Buß, ihr Menschen alle 56, 513 Und du auch musst hie eben (Sand) 417f, 424, 434, 474f Unser Herr Christ die Herrlichkeit° (Herman) 385, 692 Valet will ich dir geben (Herberger) 48, 67, 86, 100, 166, 180, 188–190, 267, 269, 364, 376, 405, 421, 485, 548 Vater unser im Himmelreich° (Luther) 67, 127, 356, 585, 692 Vater, der du dich vernehmen° (Schottelius) 280, 282–284, 692 Viel tausend guter Nacht 424, 470, 480 Vollzogen hab ich meinen Lauf 228, 507 Von Gott will ich nicht lassen° (Helmbold) 67, 127, 213, 278, 322, 328, 389, 487, 526, 692 Von Herzen ich mich freue (Niedling) 75, 210, 268, 311–313, 316, 335, 423

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732

Anhang

Wach auf, o Mensch, o Mensch, wach auf (Heermann) 65, 71, 94, 123, 160, 513, 538, 540 Wach auf, wach auf, du sichre Welt° (Rist) 216, 220, 399, 508, 513, 692 Wachet auf, ruft uns die Stimme (Ph. Nicolai) 47f, 52, 61, 66, 86f, 100, 131, 159, 166, 513, 588 Wacht auf, betrübte Herzen (Alardus) 56, 426, 475, 478, 530 Wacht auf, ihr Christen alle, seid nüchtern 513 Wacht auf, ihr Christen alle, wacht auf (Lübeck 1545) 60, 77, 91, 513 Wacht auf, ihr Christen alle, wacht auf° (M. Franck) 513, 692 Wacht auf, ihr Christen alle, wacht fleißig 214, 513 Warum sollt ich bekümmert sein (Dilherr) 74, 136, 353, 383, 395 Warum sollt ich betrübet sein° (Alardus) 211, 348, 484f, 692 Warum sollt ich mich denn grämen° (Gerhardt) 538, 620, 692 Warum sollt ich mich fürchten sehr 46 Was bin ich, o Herr Zebaoth° (Heermann) 65, 692 Was Gott tut, das ist gut° (Olearius) 326f, 436, 457, 461, 692 Was Gott tut, das ist recht und gut (Olearius) 121, 326, 434, 436, 449, 457, 459, 461 Was Gott tut, das ist wohlgetan° (Altenburg) 326f, 692 Was Gott tut, das ist wohlgetan° (Rodigast) 327, 692 Was hat ein frommer Christ doch Not (Dach) 71, 93, 451, 559 Was hilfet doch in Sterbensnot 183, 249 Was hilft uns Trauren und Zagen° (Ulrich von Cronach) 434, 487, 601, 692 Was ich begehr, das kann ich nicht (Dilherr) 74, 84, 346, 403 Was ist der Mensch auf dieser Welt (Runge) 72, 84, 117, 122, 124, 173, 177, 181, 264 Was ist die Welt mit all ihr’ Macht° 184, 693

Was ist doch der Menschen Leben 110, 177 Was ist doch unser Lebenszeit (Schottelius) 73, 86, 170, 173, 177f, 206 Was ist doch unser Lebenszeit° (Stegmann) 170, 178f, 693 Was ist unser Leben (Titius) 74, 136, 170, 189, 355 Was mein Gott will, das gscheh allzeit (Albrecht von Preußen) 16, 47, 51, 67, 125, 158, 278, 304f, 321, 323, 326, 352, 581, 587, 589, 620 Was soll dies zage Klagen sein (Birken) 74, 86, 94, 434, 448, 495, 505, 507, 510, 522, 525 Was soll ein Christ sich fressen (Dach) 78, 83, 91, 185, 204, 327f, 453, 457f, 633 Was stehn und weinen wir zuhauf (Dach) 93, 204, 328, 447, 452f, 455 Was traurest du, mein Angesicht (Gerhardt) 87, 216, 252, 255, 302f, 468, 489, 528 Was tun wir doch, wir arme Leut (Selnecker) 91, 175, 187 Was willst du armes Leben (Dach) 93, 181, 219 Was willt du armer Erdenkloß° (Heermann) 175, 693 Was, was zerquälst du dich, mein Geist° (von dem Werder) 395, 693 Weg mit der Eitelkeit der Welt° (Stieler) 391, 693 Weg mit der Welt, mit Gut und Geld (Rist) 122 Weil der Erstling Gott gebühret (Olearius) 121, 434, 436, 444, 467 Weil du für mich den bittern Tod 56 Weil ich nun ganz verlassen bin° (Schottelius) 280, 693 Weil in der argen bösen Welt (Herman) 56, 98, 115, 513, 542 Weil mir mein Gott, der alles gibt° (Olearius) 436, 461, 693 Weil nichts Gemeiners ist als Sterben° 590, 693 Weint, und weint gleichwohl nicht zu sehr° (Gerhardt) 436, 448, 629, 693 Welt, ade, ich bin dein müde 74, 87, 95, 180, 188f, 474

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V. Register Welt, gute Nacht mit deiner Pracht (M. Franck) 74, 136, 181, 188, 191, 193f Welt, packe dich, ich sehne mich (Sieber) 75, 181, 188, 383 Wen Gott von allem Bösen [nur Tab. 1] Wend ab deinen Zorn, lieber Herr, mit Gnaden° 287, 693 Wende von uns ab deinen Zorn, o Herre° 287, 693 Wenn des Menschen Sohn wird wiederkommen (Heermann) 71, 83, 96, 160, 249, 513, 542 Wenn dich Unglück tut greifen an 99f, 106, 323, 325, 328–330 Wenn die Zeit ist vorhanden (Rist) 123, 386 Wenn Gott von allem Bösen (Dach) 94, 325, 387f Wenn ich bei mir betrachte (Peck) 121 Wenn ich des Morgens früh aufsteh° (Rhost) 399, 693 Wenn ich in Todesnöten bin (Kempff ) 70, 113, 121, 371, 375–377, 408 Wenn ich nicht würd damit getröst (Dilherr) 74, 86, 516–518, 520 Wenn mein Gesundheit leidet Not (Timäus) 91, 184, 226, 262, 322, 328, 330, 524, 545 Wenn mein Stündlein vorhanden ist (Herman) 44, 48, 56, 59, 67, 77, 82, 96, 100, 102, 112, 124, 139, 156, 165f, 214, 239, 266f, 312f, 316, 331, 335, 374, 384, 391, 393, 395, 488, 540, 549, 585, 587, 591, 617–619, 625 Wenn meiner Seelen bange wird (Weissel?) 94, 213, 253, 312f, 376 Wenn nun mein Leben hat ein End° 343, 373, 403, 503, 584, 693 Wenn wir in höchsten Nöten sein° (Eber) 105f, 587, 589, 693 Wer denket an der Höllen Glut (Harsdörffer) 74, 94, 236 Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut (Magdeburg) 106, 322, 333, 549 Wer in dem Schutz des Höchsten ist (Heyden) 97, 158, 278f Wer in des Allerhöchsten Hut° (Lobwasser) 279, 693

733

Wer in guter Hoffnung will (Herbert) 186, 210, 301, 307, 309–311, 317, 326, 335 Wer sein Wesen überlegt (Roberthin) 93, 226, 312, 356 Wer selig stirbt, stirbt nicht° (Gerhardt) 268, 398, 693 Wer sich des Höchsten Schirm vertraut° (Becker) 279, 693 Wer täglich stirbt, eh er noch stirbt (Runge) 122, 264 Wer unserm armen Leben° (M. Franck) 218f, 693 Wer unterm Schirm des Höchsten sitzt° (Gerhardt) 279, 693 Wer unterm Schirm des Höchsten sitzt° (Ringwaldt) 279, 693 Wer weiß Bescheid, der Sterblichkeit (Dach) 93, 206, 367, 386, 389, 497 Wer weiß, wie nahe mir mein Ende (Ä. J. von Schwarzburg-Rudolstadt) 75f, 87, 210, 236, 241, 262, 267, 322, 356, 372f, 375, 407, 547f, 550, 560 Wer will dem Unheil wehren° (A. F. Werner) 218, 693 Wer will ein Christ genennet sein° (Selnecker) 223, 693 Wer wird nach diesem Leben (Dach) 93 Werde munter, liebe Seele° (Gensch) 487, 489, 693 Werde munter, mein Gemüte° (Rist) 547, 588, 592, 693 Wie achtet ihr Menschen das zeitliche Leben 397 Wie bin ich doch so gar betrübet° (Rist) 171, 189, 693 Wie ein gejagtes Hirschelein 81, 91, 257, 271, 349, 402 Wie ein Hirsch nach frischem Wasser° 218, 227, 348, 376, 383f, 693 Wie frei und selig seid ihr doch (Sass?) 72, 347, 469 Wie ist der Mensch doch so betört (Wilkow) 66, 72, 83, 184, 302f, 451 Wie lang soll deine Zornflut sich° (Dach) 207, 296, 370, 694 Wie lange soll es währen (Finckelthauß) 86, 346, 349, 386, 494

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734

Anhang

Wie lieblich sind daroben (Gesenius/Denicke) 66, 92, 160, 197, 213, 223, 310, 477, 479, 538 Wie magst du dich so kränken (Rist) 92, 123, 348, 368, 385, 555 Wie mir’s Gott schickt, so nehm ich’s an° 278, 321–323, 694 Wie nach einer Wasserquelle° (Lobwasser) 348, 694 Wie schön grünt uns der Tannenbaum° 378, 694 Wie schön leuchtet der Morgenstern (Ph. Nicolai) 60, 160, 391, 392, 398, 400–402, 404, 407f, 414, 571, 588, 620 Wie selig ist der Mensche doch (Ritter) 75, 171, 210, 243, 261, 264 Wie selig ist ein frommer Christ (Finx) 75, 217f, 229, 341, 469, 497, 501 Wie tröstlich hat dein treuer Mund° (Rist) 282, 694 Wie, Seelchen, magst du länger kleben 182, 184, 187, 193 Wie’s Gott gefällt, so gfällt’s mir auch (Blarer) 321, 323f, 328, 587, 589 Wir glauben all an einen Gott (Luther) 38f, 128, 537, 586, 625 Wir leben wie ein Wandersmann 192, 211, 254, 257, 294, 354 ,369 Wir müssen alle sterben, der Tod (Stuttgart 1691) 172, 233, 354 Wir müssen alle sterben, o Mensch (Nürnberg 1599) 172, 197, 199, 210, 236

Wir waren in großem Leid (Weisse) 56 Wo Gott der Herr nicht bei uns hält° (Jonas) 127, 694 Wo ist denn hin mein Leiden (Michael) 108, 121, 256, 434, 470f, 474, 631 Wo kommt es here, dass zeitlich Ehre 173, 187, 192f, 195, 201, 242, 249 Wohlauf, mein Herz, ermunter dich (Heermann) 132, 314f Wollst du für dem Tod erschrecken (Olearius) 121, 222, 361 Wollt ihr euch nun, o ihr fromme Christen (Heermann) 71, 83, 214, 513 Zeuch hin, mein liebes Kind° (Hildebrandt) 437, 445, 694 Zieht hin, ihr lieben Kinder, zieht° (Niedling) 437, 471, 694 Zion klagt mit Angst und Schmerzen (Heermann) 49, 118, 348, 442f, 538 Zu dir erheb ich meine Sinnen 75, 256 Zu dir, Herr Christe, setz ich all mein Vertrauen 99 Zum Frieden und zur Ruh 229, 345, 499, 523 Zum Sterben ich bereitet bin (Albert) 71, 94, 251, 302f, 323, 337, 394, 605 Zwei Ort, o Mensch, hast du für dir (Arnschwanger) 52, 74, 137 Zwing dich, o liebe Seele mein (Schein) 107, 191, 222

4. Bibelstellenregister Genesis [Gen] 1,2 177 1,27 204, 525 2,7 177, 493, 525 2,17 204 3,16 429 3,19 175, 493, 498, 502, 533, 597, 610 3,22 377 4,1 480 6,5 310 7,22 177

8,21 310 18,27 174 21 431 23,19 597 27 574 25,8 190, 485 32,27 414, 577 49 574

15,26 25,30

291 508

Exodus [Ex] 12,23 282, 369, 412 15,1–19 37

Deuteronomium [Dtn] 10,48 432 20,7 342

Leviticus [Lev] 26,13 217 Numeri [Num] 20 377

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V. Register 27,19 432 32,1–43 37

14,1 174, 380, 613, 617 14,2 174–176, 617 19,19 295 19,25 38, 59, 102, 115, 120, 383, 413, 504, 510, 512, 533, 577, 613, 615f, 623f, 641 19,25–27 515–521, 627 19,26 518f, 521, 526, 533 21,18 175 29,14 402, 494

Josua [Jos] 1,8 57 2,18.21 370 Richter [Ri] 5,2–31 37 14,8 407 1. Samuel [1Sam] 2 37 25,29 484 2. Samuel [2Sam] 22,6 251 1. Könige [1Kön] 19,4 331, 342, 487, 577f, 615f, 644 2. Könige [2Kön] 2,11 385, 487, 532, 616 20,1–7 577 1. Chronik [1Chr] 29,15 174f, 212 2. Chronik [2Chr] 20 587 Hiob [Hi] 1,21 102, 112, 115, 198, 454–456, 461, 482, 498 1,22 454 2,10 59, 102, 112, 115, 452, 454f, 482, 623, 624, 636 7,2f 215 7,6 174, 179 7,7 174 8,9 174 9,25f 174 10,9 175 10,11 493 13,28 174

Psalmen [Ps] 1,4 175 4,9 38f, 384, 498 6,7 343 9,16 251 10,9 251 13 442 13,2 442 17,15 38, 99 18,6 251 22 293f, 351, 442, 640 22,7 294 22,12 389 22,15f 293 22,18 293 22,20 389 22,22 345 23 578 23,4 184 25 444 25,1.7 112 27,13 216 30,6 330, 473 31,6 267, 305, 319, 331–332, 352, 407, 484, 579, 616f 31,15f 630 35,7 251 35,22 389 37,5 286, 579, 615 38,6 295 38,12 295 38,22 389 39 172 39,5 232, 613 39,6 171, 174

735 39,7 174f, 197 39,10–12 630 39,13 212 42,2 51, 340, 577 42,2f 347–350, 370, 578, 616f 42,3 346, 363 42,5 206 42,4 185 42,6 112 42,10 286 43,2 286 46 587, 589 50,15 275 51 444 57,7 251 68,6 432 71,1 343, 578 71,12 389 73,23–26 355 73,24 616 73,25 410 73,25f 577, 581, 616 73,26 354, 518 73,28 616, 630 76,3 (Vulgata 75,3) 99, 102, 112, 498 78,39 174 80,6 185 81,8 275 84 578 84,2–4 630 84,7 184 86,7 275 88,9 295 90 172, 203 90,2 172, 203, 209 90,4 171 90,5 171, 178f 90,5f 174, 176 90,7 172, 281 90,7f 204, 206–209 90,9 171f, 174 90,10 171, 174 90,12 55, 171f, 232–234, 238, 258, 263, 265, 518, 613 91 97, 278f

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736

Anhang

91,3.5 279 91,15 275, 343, 386, 443 102,3 275 102,4 174, 177, 179 102,10 185 102,12 174f, 179 102,27 493 103,14 174f 103,15 176f 103,15f 174 103,16 177 104,29 175 107,6.13.19 275 109,23 174f 114 37 116,3 251, 275 116,9 216, 275 119,19 212, 230 119,105 214 120,1 275 121 279 121,1 276 126 388 126,1 388 126,2 388 126,5f 388 130 276f, 350 137,1 216 139,7–10 327 140,6 251 141,10 251 144,3f 175 144,4 174 146,1 38, 115, 515 146,9 432 Proverbien [Prov] 13,14 251 13,24 284 23,13f 283 Kohelet [Koh] 1,2 170, 177, 209 1,14.17 177 2,11.17.26 177 3,20 175 4,4.6.16 177

6,12 174f 7,2 613 9,12 251, 613 12,7 483, 597 Hoheslied [Hld] 2,3 409 2,5 402, 414 2,14 79, 377, 413 2,16 332, 393, 396, 414 3,1–4 403 5,8 402, 414 6,3 332, 393, 396 7,8 194 Jesaja [Jes] 10,2 431 10,25 330 11,1.10 392 12,1–6 37 17,13 175 25,8 380 26,1–21 37 26,19f 501 35,10 112, 193 38 577 38,1 258, 262, 272, 333 38,10–20 37 38,12 174, 494 40,6–8 172, 174, 176f, 203 40,7 292 40,15–17 174 43,1 328 49,14–16 442, 462, 589, 616 53,3 365 53,8 615 54,7f 329f, 473 57,1f 99, 102, 112, 439, 481, 498, 500, 613f, 623f 57,2f 38 57,1–3 616 61,10f 37, 402, 494, 528 63,7–64,11 37 64,3 531

Jeremia [Jer] 14,12 281 21,7.9 281 27,8.11f 217 31,20 375 31,33 391 Ezechiel [Ez] 5,12.17 281 18,23 326 33,11 326, 623 37 521, 533, 599 Daniel [Dan] 12,1–3.13 627 12,2 499, 613 12,3 529, 615 Hosea [Hos] 13,14 380, 506 14 378 Jona [Jon] 2,3–19 37 Micha [Mi] 7,19 375 Habakuk [Hab] 3,2–19 37 Sacharja [Sach] 14,5f 102, 623f Weisheit [Weish] 2,4 174 2,5 175 3,1 332, 407, 469, 484, 532, 569 3,1–3 616 4,7 614, 616, 627 4,14 627 5,15 175, 177 Tobias [Tob] 1,21–2,9 597

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V. Register Sirach [Sir] 5,8 568, 613 7,40 234, 258, 553, 556, 616 14,18 494 17,21 613 17,31 175 27,9 402, 494 30,1 284 38,16 437, 613 40,1 217, 613 44,14 38, 384, 498 Baruch [Bar] 4,19f 437 5,2 494 2. Makkabäer [2Makk] 7,14 315 Matthäus [Mt] 1,18 342 5,1–12 539 6,10 352 6,24 196 6,27 171 6,28 176 6,30 176 7,13f 213 9,12 291 9,15 400 9,18–26 407, 539, 613f 9,23–25 38, 433f 9,24 419, 499 10,29 285 10,30 328, 510 10,38 358 11,29f 217 13,30 508 13,43 529 16,24 217, 358 17 385, 487, 529 17,1–9 539 17,4 480 18,3 614 18,10 462 19,14 435, 461, 482614 22,14 301, 465

24 513 24,6f 281 24,15–28 539 24,24 181 24,31 514 24,32 508 25 513, 527, 543 25,1–13 400, 409, 414, 539, 542 25,1.6 408 25,5 330 25,31–46 539, 542 25,36.43 561 26,39 318, 352, 640 27,34 186 27,46 363, 390, 442 27,60 597 28 529 Markus [Mk] 10,45 366, 412 Lukas [Lk] 1,46–55 37 1,52 200 1,68–79 37 2,10 337 2,14 37, 337 2,21 405 2,22–32 539 2,29–32 35, 37f, 615f 2,29 220, 336f, 485, 577 7,11–17 539, 613f 7,13 448, 482, 640 12,7 328 12,24 431 16,8 186 16,19–31 39, 195, 485, 487, 539f, 618 16,22 257, 483, 485, 532 21 513 21,9f 281 21,18 328 21,25–33/36 539, 542 23,34 363 23,43 363 23,46 331, 352, 363, 412, 484, 577, 579, 640

737 24,29

589

Johannes [Joh] 1,10 181 1,29 548 3,16 365, 577, 589 3,29 400 4,10.14 349 5,14 292 5,24 222, 613 5,25–29 613 5,28 613 8,12 214 8,52 517 10,7.9 222, 377 10,11 364 11 613 11,11–13 499 11,21–27 613 11,25f 38, 112, 512, 613, 616, 621, 624 12,24 505, 533 14,6 214, 222, 377 14,16.26 314 14,19 615 15,5 392, 631 15,12f 635 15,26 314 16,5 337, 639 16,7 314 16,16 330 17,24 393 17,25 181 19,26f 576, 640 19,28 347, 363, 370 19,30 180, 363, 412 19,34 371, 374 20,24–29 373 Apostelgeschichte [Apg] 7,55f 480 7,59 331, 577, 579, 616, 644 Römer [Röm] 5,12–19 378 5,12 204, 613 5,20 313

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738

Anhang

6,2 264 6,3 227, 394 6,4 384, 394 6,8 358 6,11 264 6,23 204 7,24 344, 388 8,28 327 8,31–34 616 8,32 624 8,35–39 616 8,38f 334, 395, 570, 616 9,16 465 11,33f 453 13,12 494 14,7f 38, 112, 332, 384, 393f, 414, 577 14,8 395f, 579 1. Korinther [1Kor] 2,9 24, 531, 595 6,19 495 6,20 368 7,23 368 9,24f 224 12,27 391 13,12f 480, 520, 613 15 599 15,22 38, 115, 384, 413, 450, 512, 515 15,23 533 15,26 224, 380, 413 15,28 476 15,36 505f, 533 15,41–45 38, 506, 512 15,41 529 15,42f 506, 509, 512, 526, 527 15,51f 38, 506, 512 15,52 514, 526 15,53 494, 526 15,54f 38, 259, 379–381, 506, 512, 526, 644 15,55 252, 254f, 381, 413 2. Korinther [2Kor] 4,7 508

5,1–4 494f, 523, 532 5,8 347 5,17 616 12,2–5 348

4,6–8 223f, 227f, 231, 271, 441, 572, 576, 602, 616 4,8 471

Galater [Gal] 3,26 614 3,27 372 5,17 223, 387

1. Petrus [1Petr] 1,24f 203 5,4 492 5,8 305

Epheser [Eph] 2,3–5 614 2,19 212, 216 5,19 43 5,30 391 6,11–17 223–225, 230f 6,16 231

2. Petrus [2Petr] 3,3–14 539

Philipper [Phil] 1,20 353 1,21–23 616 1,21 353f, 356, 412, 498, 525, 577 1,23 192, 339f, 343, 347f, 352, 388, 567, 577f 3,10 216

Hebräer [Hebr] 1,10 493 9,27 613 10,37 330 11 211, 230 11,13 212 11,16 214, 231, 342 12,1 224 13,14 212, 518

Kolosser [Kol] 3,9 494 3,16 43 1. Thessalonicher [1Thess] 4,13–18 539, 542 4,13f 38, 115, 303, 384, 450, 452, 456, 482, 499, 512, 515, 533, 601, 612f, 616, 621, 624, 640 4,16 514 1. Timotheus [1Tim] 1,15 577 1,18 224 6,12 224 2. Timotheus [2Tim] 1,10 252

1. Johannes [1Joh] 2,16 192 2,17 192 5,4 230f

Jakobus [Jak] 1,12 615 4,14 173f, 177 5,14 561 Offenbarung des Johannes [Apk] 2,9 377 2,10 225, 615f 3,22 377 6,3–8 281 7,9 528 7,13–17 112, 528 7,14 369, 412, 528 8 514 14,13 468, 613, 644 19,7.9 400, 547 20,1–3 386 21 409 21,2.9 400, 414

© 2012, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525564028 — ISBN E-Book: 9783647564029

Ernst Feil: Religio, Band 1-4 Ernst Feil Religio Erster Band: Die Geschichte eines neuzeitlichen Grundbegriffs vom Frühchristentum bis zur Reformation Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte, Band 36. 1986. 290 Seiten, kartoniert / ISBN 978-3-525-55143-1

Zweiter Band: Die Geschichte eines neuzeitlichen Grundbegriffs zwischen Reformation und Rationalismus (ca. 1540–1620) Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte, Band 70. 1997. 372 Seiten, gebunden / ISBN 978-3-525-55178-3

Dritter Band: Die Geschichte eines neuzeitlichen Grundbegriffs im 17. und frühen 18. Jahrhundert Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte, Band 79. 2., durchges. Auflage 2012. 542 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55187-5

Vierter Band: Die Geschichte eines neuzeitlichen Grundbegriffs im 18. und frühen 19. Jahrhundert Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Band 091 2. Auflage 2012. 1006 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55199-8

Die erste Studie zur »Religio« (Band 1), die den Zeitraum vom Frühchristentum bis zur Reformationszeit untersucht, hat den eindeutigen Befund ergeben, daß von dieser frühen Zeit her keine kontinuierliche Entwicklung zur neuzeitlichen »Religion« erfolgt sein kann. Im zweiten Band geht es um die Frage, ob sich im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert, Innovationen auffinden lassen, etwa, daß die »Religio« privatisiert, neutralisiert und somit in die Innerlichkeit verlegt wurde. Im dritten Teil werden im 17. und beginnenden 18. Jahrhundert von Theologen, Philosophen und Juristen verfasste Texte zum Thema untersucht. Die Beiträge befassen sich vor allem mit der Begründung wahrer Erkenntnis, sittlich guten Handelns und nicht zuletzt des friedlichen Zusammenlebens im Gemeinwesen. Im Zentrum des vierten Bandes des Forschungsprojekts zum Religionsbegriff steht dessen epochaler Bedeutungswandel vom antik-christlichen hin zum neuzeitlichen Verständnis.

© 2012, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525564028 — ISBN E-Book: 9783647564029

Forschungen zur Kirchenund Dogmengeschichte 103: Holger Berg Military Occupation under the Eyes of the Lord

98: Wibke Janssen »Wir sind zum wechselseitigen Gespräch geboren«

Studies in Erfurt during the Thirty Years War 2010. 395 Seiten mit 13 Abb., gebunden ISBN 978-3-525-56455-4

Philipp Melanchthon und die Reichsreligionsgespräche von 1540/41 2009. 320 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55215-5

102: Saskia Schultheis Die Verhandlungen über das Abendmahl und die übrigen Sakramente auf dem Religionsgespräch in Regensburg 1541 2012. 231 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-56401-1

101: Christina Tuor-Kurth Kindesaussetzung und Moral in der Antike Jüdische und christliche Kritik am Nichtaufziehen und Töten neugeborener Kinder 2010. 404 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-56398-4

100: Andreas Ohlemacher Lateinische Katechetik der frühen lutherischen Orthodoxie 2010. 510 Seiten mit 17 Tabellen und 6 Grafiken, gebunden ISBN 978-3-525-56399-1

99: Rolf Noormann Ad salutem consulere Die Paränese Cyprians im Kontext antiken und frühchristlichen Denkens 2009. 425 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55377-0

97: Thomas Kaufmann »Türckenbüchlein« Zur christlichen Wahrnehmung »türkischer Religion« in Spätmittelalter und Reformation 2008. 299 Seiten mit 26 Abbildungen und 1 Karte, gebunden ISBN 978-3-525-55222-3

96: Andreas Waschbüsch Alter Melanchthon Muster theologischer Autoritätsstiftung bei Matthias Flacius Illyricus 2008. XII, 208 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55300-8

95: Margarethe Hopf Der Weg zur christlichen Vollkommenheit Eine Studie zu Walter Hilton auf dem Hintergrund der romanischen Mystik 2009. XI, 256 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55219-3

94: Martin Teubner Historismus und Kirchengeschichtsschreibung Leben und Werk Albert Haucks (1845–1918) bis zu seinem Wechsel nach Leipzig 1889 2008. 426 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-55205-6

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