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German Pages 158 [160] Year 1910
Die
Steinfcohlengasindnstrie in Deutschland in ihrer Bedeutung für die Volkswirtschaft und das moderne Städteleben. INAUGURALDISSERTATION zur
Erlangung der Doktorwürde der
hohen Staatswissenschaftlichen Fakultät d«r
Eberhard-Karls-Universität Tübingen vorgelegt von
Albert Erich Schnabel-Kühn.
München. D r u c k v o n R. O l d e n b o u r g .
1910.
Referent: Herr Professor Dr. C a r l J o h a n n e s F u c h s .
Meiner lieben Mutter.
Inhaltsverzeichnis. Vorwort Literaturverzeichnis I. Kapitel: Die Technik der Gasindustrie. § 1. Allgemeines § 2. Die Rohmaterialien § 3. Der Gang des Betriebes eines Gaswerkes II. Kapitel: Die Geschichte der Gasbeleuchtung und die Entwicklung der Gasindustrie zu einem selbständigen Industriezweig in Deutschland. § 4. Allgemeines § 5. Die ersten Anfange der Gasbeleuchtung bzw. der Gasindustrie in Deutschland und ihre Entwicklung bis zur Erfindung Auers § 6. Die Entwicklung der Gasbeleuchtung bzw. der Gasindustrie von der Erfindung Auers an bis zur Gegenwart § 7. Die wichtigsten in Deutschland bestehenden Gaswerksgesellschaften (Kapital, Umfang und Erfolge) § 8. Die innere Entwicklung der Gasindustrie mit besonderer Berücksichtigung der Arbeiterverhältnisse III. Kapitel: Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft. § 9. Die Bedeutung der Gaswerke für die Gemeinden als solche . . 1. Die Bedeutung der Gaswerke auf dem Gebiete der öffentlichen Beleuchtung 2. Die Bedeutung der Gaswerke auf dem Gebiete der städtischen Hygiene 3. Die Bedeutung der Gaswerke für den städtischen Haushalt 4. Gemeinde- oder Privatbetrieb § 10. Die Bedeutung der Gaswerke für die Hauswirtschaften . . . § 11. Die Bedeutung der Gaswerke: I. für Industrie und Handwerk II. für die Landwirtschaft III. für Handel und Verkehr § 12. Die Preispolitik der Gaswerke: 1. in bezug auf den Absatz des Gases 2. in bezug auf den Absatz der Nebenprodukte Schlußwort: Die Aussichten der Gasindustrie
VII IX t 2 13
20 21 33 50 54 71 71 74 79 90 92 106 119 128 129 134 142
Vorwort. Ein spezielles Gebiet der kommunalen Sozialpolitik ist das der Lichtversorgung. In der Erfüllung dieser dorn Wohle und der Sicherheit der Gemeindebürger dienenden Aufgaben stehen die Gaswerke als Licht-, Kraft- und Wärmeversorger mit an erster Stelle. Nicht nur, daß diese Anstalten mit ihrem Hauptstoffe, dem Leuchtgase, allabendlich die öffentlichen Straßen und Plätze sowie die Häuser und Werkstätten ihrer Anwohner mit künstlicher Helle erfüllen, sondern sie sind es auch, welche zahlreichen Gewerben ermöglichen, ihre Lebenskraft aus den in den Gasbehältern zur Konsumtion aufgestapelten Energiemengen zu schöpfen. Neben dem H a u p t p r o d u k t geben die Gasanstalten in den Nebenprodukten Stoffe, auf deren Verarbeitung heutzutage die halbe chemische Technik f u ß t . Es sei hierbei vor allem an die Teerfarbstoffe gedacht, die ihr Dasein dem Steinkohlenteer verdanken. In der Gewinnung von Ammoniak und dessen Verarbeitung zu Ammoniumsulfat liefern die Gaswerke ein wichtiges Düngemittel für die Landwirtschaft und helfen somit — namentlich seitdem in absehbarer Zeit mit einer Erschöpfung der chilenischen Salpeterlager gerechnet werden muß — zur Lösung des sog. Stickstoffproblems beitragen. In dem Koks geben die Gasanstalten den Städten ein Mittel, der immer lästiger werdenden Rauchund Rußplage wirksam zu begegnen, und nicht zuletzt zeigt auch die geschichtliche Entwicklung der Gasindustrie ein Stück deutschen Kultur- und Wirtschaftslebens. Über die Steinkohlengasindustrie sind zahlreiche Veröffentlichungen erschienen; sie betonen aber fast alle nur die technische Seite dieser Industrie, während sie der wirtschaftlichen Seite nur wenig Beachtung schenken. Es schien daher eine d a n k b a r e Aufgabe zu sein, hier ergänzend einzugreifen und in einer A b h a n d l u n g
VIII
Vorwort.
einen Überblick über die Entwicklung, den Umfang, die Bedeutung und die Aussichten dieses Industriezweiges zu geben. Obwohl in erster Linie nur von den Gasanstalten die Rede sein wird, so konnten doch an einigen Stellen die ihnen innig verwandten Destillationskokereien nicht außer acht gelassen werden. In vorliegender Arbeit sollen auch nur die öffentlichen Gasanstalten (Gaszentralen) behandelt werden, d. h. solche Werke, welche das Gas sowohl an die Stadt als auch an Private abgeben; der Einzelanlagen wurde dagegen keine Erwähnung getan, da sonst der zu behandelnde Stoff zu umfangreich geworden wäre. Bei der Behandlung der Arbeiterlohnverhältnisse wurde nur ein Überblick über die in den Gaswerken tatsächlich gezahlten Löhne und nicht auch ein Bild über die Höhe des Arbeitsverdienstes gegeben. Die betr. Erhebung des Kaiserl. Stat. Amtes für die Jahre 1902 und 1907 kam hierfür als einzige Quelle in Betracht, da der Versuch, durch Fragebogen die nötigen Unterlagen zu erhalten, fehlschlug. Zum besseren Verständnis ist in großen Zügen die Technik der Steinkohlengasindustrie dargestellt worden. Allen den Herren, die mir ihre Unterstützung bei Anfertigung dieser Arbeit zuteil werden ließen, insbesondere meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Carl Johannes F u c h s in Tübingen, sei auch an dieser Stelle mein wärmster Dank ausgesprochen. (Diese Arbeit wurde im Dezember 1909 abgeschlossen.)
Literaturverzeichnis. Schillings Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung. Jahrgänge von 1858—1909 (zit. J. G. W.). The Journal of Gas Lighting, Water Suppley and Sanitary Improvment. Zeitschrift »Licht und Wasser«. Zeitschrift »Gas-Union«. Zeitschrift »Gesundheits-Ingenieur«. Zeitschrift »Die Welt der Technik*. Verhandlungen des Vereins zur Förderung des Gewerbefleißes. Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure. Die deutsche Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege, 1906. Soziale Praxis, Zentralblatt für Sozialpolitik. Bergwerkszeitung. Der Deutsche Ökonomist. Statistisches Jahrbuch deutscher Städte. Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich. Zeitschrift des Kgl. preußischen Statistischen Bureaus. Gesellschaftsvertrag der Wirtschaftlichen Vereinigung deutscher Gaswerke, A.-G., Köln 1908. Jahresberichte der Wirtschaftlichen Vereinigung deutscher Gaswerke, A.-G. Rechenschaftsbericht der Berufsgenossenschaft der Gas- und Wasserwerke für 1908. Bericht des Rheinisch-westfälischen Kohlensyndikats über das Geschäftsjahr 1908, Verschiedene Geschäftsberichte von Gaswerken. Propagandaschriften der deutschen Ammoniakverkaufsvereinigung, Bochum. Festschrift zur 23. Jahresversammlung des Deutschen Vereins der Gas- und Wasserfachmänner, Berlin 1883. Festschrift von der Gasanstalt Straßburg, 1891. Festschrift zum 50jährigen Jubiläum der Gasanstalt der Stadt Plauen i. V., 1906. Die Beleuchtung und die städtischen Gasanstalten. Leipzig 1903. Denkschrift des Verbandes Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine. Heft 1. 1893: Die Rauchbelästigung in den großen Städten. Denkschrift zu dem Gesetzentwurf über die Besteuerung von Elektrizität und Gas, 1909 (im Buchhandel nicht erschienen). Gasfernversorgungsanlagen, herausgegeben von der Berlin-Anhaltischen Maschinenbau-A.-G. 1906. Finanzherold 1988.
X
Literaturverzeichnis.
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Literaturverzeichnis.
XI
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Literaturverzeichnis.
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I. K a p i t e l .
Die Technik der Gasindustrie. § 1. Allgemeines. Zu den wichtigsten Körpern, die unsere Erde in ihrem Innern birgt, gehören ohne Zweifel die Brennstoffe, denn sie sind die treibende Kraft, die Grundlage für die gesamte industrielle Entwicklung geworden und haben als solche wesentlich dazu beigetragen, den wachsenden Wohlstand der einzelnen Nationen zu erhöhen. Mit der zunehmenden Ausbreitung der Industrie steigt aber auch der Bedarf an Brennstoffen und damit der Wert derselben. Das Eintreten höherer Kohlenpreise zwingt den wirtschaftlich arbeitenden Menschen, eine bessere Ausnutzung dieser im Preise teuren Stoffe herbeizuführen, wenn die Entwicklung der aufstrebenden Industrien keiner Stagnation Platz machen soll. Versuche, Kohle auf künstlichem Wege darzustellen, haben infolge der Unkenntnis über ihre nähere Zusammensetzung und des chemischen Bildungsprozesses bisher wenig oder gar keine Erfolge gezeitigt. Es muß daher auf eine günstige Ausnutzung der vorhandenen Brennstoffe hingezielt werden, auf eine Zerlegung in Produkte, die, in zweckmäßigster Weise angewendet, eine bessere wirtschaftliche Verwertung zulassen, als dies der Gesamtkörper, Kohle, ermöglicht. Wenn auch bis auf den heutigen Tag der Wissenschaft wie auch der Praxis die analytische Trennung der die fossilen Brennstoffe zusammensetzenden komplizierten organischen Verbindungen nicht gelungen ist, so bietet uns doch die trockene Destillation, die bei der Leuchtgasbereitung die Grundlage ihrer Existenzfähigkeit ist, Gelegenheit, die Kohle mit verhältnismäßig kleinen Verlusten an Material und mäßigem Aufwand an Schnabel-Kühn,
Die B e d e u t u n g der Steinkohlengasindustrie.
1
2
I. Die Technik der Gasindustrie.
Arbeitskraft und Arbeitslöhnen in Rohstoffe, Halb- und Ganzfabrikate zu zerlegen, die in nationalökonomischer Beziehung von hohem Werte sind, indem sie auf unser ganzes Wirtschaftsleben großen Einfluß auszuüben vermögen. Je mehr Kohlen dieser Manipulation unterworfen werden, um so geringer werden dann auch die bei bloßer Verbrennung entstehenden, nach Millionen zählenden Massenverluste sein. § 2. Die Rohmaterialien. Die Steinkohlen nehmen die wichtigste Rolle unter den fossilen Kraftsammlern vergangener Zeiten ein. Ihr häufiges Vorkommen auf der ganzen Erde bedingte schon von jeher ihre weitgehende Verwendung als Rohmaterial für die Darstellung des Leuchtgases gegenüber anderen Stoffen. Die Fortschritte der Technik und die zunehmende Ausdehnung der Verkehrsmittel haben sie in ihrer bevorzugten Stellung noch befestigt. Die meisten anderen möglichen Vergasungsmaterialien, wie Braunkohle, Holz, Torf, öle, Fette, die vielfach zu Anfang der Gasbeleuchtung auch in Deutschland angewendet wurden, sind teils wegen ihrer zu hohen Preise, teils wegen technischer Schwierigkeiten, teils wegen ihrer minderwertigen Nebenprodukte, verglichen mit denen der Steinkohle, wieder fallen gelassen worden. Als zu Anfang der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts durch die Bemühungen des Vereins der Gasfachmänner Deutschlands die Einzelstaaten ihre Eisenbahnverwaltungen anhielten, die Frachtsätze für die Kohlenbeförderung herabzusetzen, war die Frage entschieden, daß die Steinkohle in der Gasindustrie die vorherrschende Stellung einnehmen werde, die sie bis heute beibehalten und aus der sie bis auf absehbare Zeit — wenigstens in Deutschland — nicht verdrängt werden wird. Nur wenn ganz besonders günstige lokale Verhältnisse vorliegen, kann auch ein anderes Material als die Steinkohlen den Vorzug erlangen, doch dürfte das Eintreten dieses Falles zu den Ausnahmen gehören und daher soll in dieser Arbeit auch nur von der Steinkohlengasindustrie die Rede sein. Obgleich die Steinkohlen im großen und ganzen das Produkt allmählicher Verwesung organischer, pflanzlicher Bestandteile unter Luftabschluß sind, deren elementare Zusammensetzung: Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel ist, so zeigen doch die einzelnen Kohlensorten je nach Gattung und Fundort erhebliche Unterschiede, die durch die mehr oder minder zahlreichen, bei
§ 2.
3
Die Rohmaterialien.
der Verbrennung in Form von Asche zurückbleibenden Verunreinigungen noch vergrößert oder vermindert werden können. Schon die verschiedene prozentuale Beteiligung der einzelnen Elemente an der Zusammensetzung der Steinkohle läßt ohne weiteres erkennen, daß nicht jede Kohle das geeignetste Rohmaterial für die Darstellung des Leuchtgases ist. Und an dieser Stelle tritt die Gasfabrik in Gegensatz zu den Kokereibetrieben mit Nebenproduktengewinnung, die auf den großen Eisenhüttenwerken namentlich zu Anfang der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts Eingang gefunden haben. Ist das Ziel der Kokerei, bei der Destillation der Kohle »möglichst große Mengen des Kohlenstoffs in fester Form als Destillationsrückstand zu erhalten« 1 ), so stellt sich die Gasindustrie die Aufgabe, »möglichst viel Kohlenstoff mit entsprechenden Mengen Wasserstoff in den gasförmigen Zustand überzuführen« 1 ). Die Gasindustrie sieht also als Endzweck ihrer Aufgabe an: qualitativ und quantitativ das beste Leuchtgas, die Kokerei: festen, für die metallurgischen Zwecke geeigneten, glashart zusammengeschmolzenen Koks herzustellen. Diese Unterschiede bringen es mit sich, daß auch die Rohmaterialien bei der Destillation verschieden sind; denn wie sich nicht jede Kohle — so namentlich der Anthrazit — zur Leuchtgasbereitung eignet, so geben auch nicht alle Steinkohlen einen brauchbaren Koks. Nach Haarmann 2 ) dürften »die gasreichsten und gasärmsten Kohlen mit etwa 15% bzw. 35% Gasgehalt die Grenze der Verkoksbarkeit bezeichnen«, und nach der von A. Schorndorf zuerst aufgestellten Klassifikation der Steinkohlen in: Sandkohle, gesinterte Sandkohle, Sinterkohle, backende Sinterkohle, Backkohle dürften nach Angabe von Gasfachleuten die drei zuletzt genannten Kohlengattungen hauptsächlich für die Gasfabrikation in Betracht zu ziehen sein. In Deutschland sind es vor allem die Kohlenbecken an der Ruhr (Westfalen), die Kohlenreviere von Ober- und Niederschlesien, das Saarbrückener Becken und die sächsischen Becken von Zwickau und Plauen, welche die Gasanstalten mit Kohlen versorgen. Während französische und belgische Kohlen so gut wie gar nicht verwendet werden, spielen neben den böhmischen Kohlen aus der Gegend von Pilsen und Ostrau insbesondere die englischen Kohlen, die meist aus Newcastle, Durham und Yorkshire eingeführt werden, eine nicht
J
S.
Knoblauch: ) Haarmann:
Uber Stickstoff und Stickstoffprodukte, 1895, S. 1. Die Nebenproduktenindustrie der Steinkohle, 1906,
2. 1«
4
I. Die Technik der Gasindustrie.
unbedeutende Rolle. Nach den Statistischen Mitteilungen von Schilling1) betrug das Gesamtvergasungsmaterial in den deutschen Gaswerken im Jahre 1896 2 726 817 t. Es verteilt sich folgendermaßen: Tabelle I. Kohlenreviere
Verbrauch in t
% des Oes.Verbranchs
Rheinisch-westfälisches Kohlenbecken . . . . Schles. Kohlenbecken: Ober- und Niederschlesien u n d Österr.-Schlesien Saar- und Pfalz-Kohlenbecken Englische Gaskohlen Schottische Cannel-Zusatzkohle Sächsische (Zwickau) Kohlenbecken . . . . Böhmische (Pilsener) Kohlenbecken Böhmische Zusatzkohle (Platten und Falkenauer) . . . . Französische Zusatzkohlen von A u t u n
765 707
28
746 963 468 833 420 0261 40 516J 219 861 34 2911 29 001/ 325
28 17
Summa Hierzu kommen
2 725 533
8
—
100
2
noch: ) Benzol Öl Harz Gesamtvergasungsmaterial
119 1 135 20 2 726 817
Im Jahre 1907 ist eine weitere statistische Zusammenstellung erschienen, die ihre Entstehung dem Wunsche verdankt, Aufschluß über Art, Menge und wirtschaftlichen Wert der Gaskohlen, die in Deutschland zur Verarbeitung kommen, zu erlangen. Von den Fragebogen, die an alle Gaswerke bis herab zu 1 Mill. cbm Jahreserzeugung und außerdem an eine Anzahl kleinerer Werke, welche an der vom »Deutschen Verein von Gas- und Wasserfachmännern« in Karlsruhe errichteten Versuchsgasanstalt durch jährliche Beiträge beteiligt sind, versandt worden sind, konnten 208 als geeignet berücksichtigt werden. In den durch diese Anfrage erfaßten 310 Anstalten wurde eine Menge von rund 4% Mill. t nachgewiesen3). Wird in Betracht ge*) Dr. E. S c h i l l i n g : Die Entwicklung der Gasanstalten im letzten Jahrzehnt. J . G. W. 1896, S. 411. *) Die niedrige Verbrauchsziffer erklärt sich daraus, daß bei Abschluß der Statistik die K a r b u r a t i o n erst eingeführt wurde. 3 ) Statistik, chemische Zusammensetzung u n d Heizwert von Gaskohlen aus deutschen Kohlengebieten, welche in deutschen Gasanstalten verwendet werden. S. 3.
§ 2.
Die
5
Rohmaterialien.
zogen, daß außer diesen 310 Gaswerken im Deutschen Reiche noch etwa 700 kleinere Werke mit einem Verbrauch von rund 1 Mill. t Jahresverbrauch an Gaskohlen bestehen, so kann der jährliche Verbrauch an Gaskohlen (1905) auf etwa 5 % Mill. t angenommen werden. Die Kohlenmengen verteilten sich nach ihrer Herkunft folgendermaßen: Tabelle II. % der deutschen der gesamten
t
Arten
Kohlen
Ruhrkohlen Schlesische Kohlen Saarkohlen Sächsische Kohlen
. . . .
Englische Kohlen . . . Böhmische Kohlen. . . Zusatzkohlen Summa
. . . .
Kohlen
932 078 206 650
42 27 23 8
31 20 17 6
3 296 866
100
74
1 388 879 771 257
1 118 713 34 688 12 600 4 462 567
—
25 0,7 0,3
—
100,0
— —
War 1905 der Gesamtkohlenverbrauch rund 5 % Mill. t, so dürfte diese Summe 1908 auf 6 Mill. t anzusetzen sein. Während die englischen Kohlen früher nur in den Küstenstädten an der Nord- und Ostsee, wohin sie durch den schon seit langem bestehenden regelmäßigen Schiffsverkehr zwischen den englischen Ausfuhrhäfen und den deutschen Seehandelsplätzen billig gebracht werden konnten, sowie im Innern Deutschlands verwendet wurden, soweit die Flußschiffahrt eine Einfuhr rentabel machte, ist in den letzten Jahren wiederum zugunsten der englischen Einfuhr eine Verschiebung eingetreten, so daß 1908/09 ca. 28—29% englische Kohlen gegen 17% (1896) und 25% (1905) in deutschen Gaswerken zur Verarbeitung kommen. Die hohen Preise (vgl. Tabelle III) für deutsche Gaskohlen, die Knappheit an einheimischen Kohlen, als deren Ursache von den im Kohlensyndikat vereinigten Grubenbesitzern und von der Königlichen Bergwerksdirektion der Saar der Arbeiter- und Wagenmangel einerseits sowie die durch die höheren Löhne begünstigten Minderleistungen der Belegschaften und die Verschmelzung leistungsfähiger Zechen mit Hüttenwerken anderseits angegeben werden, brachte die Gaswerke im Sommer 1907 und Frühjahr 1908 in
6
I. Die Technik der Gasindustrie.
eine sehr prekäre Lage. Namentlich das die Kohlen verkaufende Handelsbureau in Saarbrücken hat es in den letzten Jahren nicht verstanden, die Gasfabriken, die außerordentlich regelmäßig und stetig an Menge zunehmende sowie sicher zahlende Abnehmer sind, Tabelle I I I . ) Durchschnitts-Gaskohlenpreise ab Zeche in t Jahr
1882 1888 1889 1890 1893 1894 1897 1900 1901 1903 1905 1906 1907 1908
Ruhr
Saar
Oberschlesien
Jf
Jt
•M
7,16 7,52 11,04 14,58 9,79 10,50 11,17 12,75 12,00 11,75 11,81 12,00 13,00—13,50 13,00—13,50
10,00 10,40 10,60 14,00 14,00 13,50 12,50 13,50 15,00 15,00 15,70 15,70 16,00—16,50 16,50—17,00
Niederschlesien jt
Sachsen JI
—
5,90 7,00 9,50 9,00 —
8,70 11,00 —
11,50 11,10 11,10 11,80 11,80—13,75
9,80 11,90 13,40 12,60 —
12,80 17,10 —
15,00 15,50 15,90 13,96 15,25
10,70 10,70 11,20 13,75 13,75 14,20 19,00 17,50 16,50 16,00 16,00 19,60 20,20
an sich zu binden, hat vielmehr durch gänzlich ungeeignete Maßnahmen eine große Mißstimmung in den Kreisen der städtischen Verwaltungen hervorgerufen, die zur Folge hatte, daß viele Gasanstalten, die früher nur deutsche Kohlen bezogen haben, dem Ankauf englischer Kohlen näher traten und auch bei dieser Bezugsquelle blieben. Nicht nur in Norddeutschland ist diese Erscheinung hervorgetreten, sondern bis tief hinein ins Innere Deutschlands haben sich die englischen Kohlen Eingang zu verschaffen gewußt, wohin früher eine Einfuhr ganz unmöglich erschien, so z. B. in Süddeutschland: in München, Stuttgart usw. Die geringen Gestehungskosten der englischen Zechen infolge günstiger Lagerungsverhältnisse, die verschwindend geringen sozialen Lasten gegenüber denen in den deutschen Bergwerken ermöglichen, zumal seit etwa einem Jahre eine stetige Überproduktion stattfindet, daß die englischen Kohlen ') M ö l l e r s , Verhandlungen der Gasfachmänner.
1907, S. 341.
§ 2. Die Rohmaterialien.
7
in Deutschland zu einem billigen Preise zu haben sind. Die Jahresdurchschnittspreise für englische Gaskohlen fob Abgangshafen betrugen pro t 1 ): 1904 sh. Yorkshire: 7/6—8/— Ia Durham: 8/—
1905 1906 1907 1908 sh. sh. sh. sh. 7/6—8/— 9/—10/— 13/—13/6 10/—10/6 8/—8/6— 10/—11/— 14/—14/6 10/6—11/6
1909 sh. 9/6—10/— 10/—11/—
Die schwierige Absatzgelegenheit in England hatte zur Folge, daß man heute die englischen Zechenbesitzer selbst wie auch ihre Vertreter in Deutschland bei den Kohlenabschlüssen weitgehende Garantien für die Lieferung, für die Beschaffenheit — Asche-, Feuchtigkeits- und Gasgehalt — eingehen sieht, an die in früheren Jahren nicht gedacht werden konnte. Diese und ähnliche Momente in Verbindung mit den zurzeit herrschenden deutschen Verhältnissen haben die billigen englischen Kohlen in Wettbewerb mit den im Preise höher stehenden einheimischen Kohlen, deren Bezug noch durch eine hohe Eisenbahnfracht wesentlich verteuert wird, treten lassen. Ein am Main liegendes Gaswerk zahlte z. B. 1909 für beste Saarkohle frei Werk 21,3 M. pro t englische Kohlen (gleicher Qualität) konnte es dagegen schon für 15,35 M.2) bekommen, d. i. beim Bezüge von 8000 t eine Ersparnis von 34 000 M. = 3% des Aktienkapitals des betreffenden Werkes. An der Versorgung Berlins mit Steinkohlen, an der naturgemäß auch die Gaswerke partizipieren (1907 wurden in den städtischen Anstalten 351 680 000 kg deutsche und 396 816 000 kg englische Kohlen vergast), sind hauptsächlich oberschlesische und englische Kohlen beteiligt, während die Einfuhr aus Rheinland und Westfalen (Ruhrbecken) nur gering ist. Die Zufuhr aus Niederschlesien ist in der letzten Zeit beständig zurückgangen und die sächsische Kohle ist mit Ziffern vertreten, die kaum nennenswert sind. Die nachstehenden Zahlen über die Versorgung Berlins und seiner Vororte mit Steinkohlen, Koks und Briketts lassen erkennen, daß 1908 von England 927 306 t mehr als 1904 nach Berlin eingeführt worden sind, während die Einfuhr westfälischer Kohle 1908 nur 138 148 t mehr als im Jahre 1904 betrug. Der Grund für ') Jahresbericht der Wirtschaftlichen Vereinigung deutscher Gaswerke, 1909. 2 ) Frei Schiff. Zu dem Preise von 15,35 M. pro t kommt noch hinzu die Hafengebühr, der Austragerlohn und der Fuhrlohn. Werden diese Unkosten noch hinzugerechnet, dann ergibt sich bei 8000 t eine Minderausgabe von rund 34 000 M. A.-G.
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I. Die Technik der Gasindustrie.
diese Erscheinung liegt lediglich in den erheblich niedrigen Frachten, mit denen die englischen Kohlen nach Berlin gebracht werden können. »Die Fracht von der englischen Zeche nach Berlin stellt sich zurzeit auf 6 % — 7 M., je nach Lage der ziemlich schwankenden Seefrachten. Tabelle IV1). Jahr
1904 1908
t
Davon aus England t
3 049 648 4 306 325
626 256 1 553 562
Oesamteinfuhr
t
Rheinland und Westfalen t
1 630 689 2 440 626
293 528 431 676
Oberschlesien
Die Ruhrkohlenbergwerke haben dagegen von der Ruhr nach Berlin eine Fracht von mehr als 10,50 M. zu zahlen. Wird die Ruhrkohle auf der Eisenbahn bis Hamburg und von dort mit dem Schiff nach Berlin befördert, so ermäßigt sich die Fracht auf 8,70 M. Sie ist demnach auch in diesem Falle noch rund 1 % M. höher als die Fracht der englischen Kohle von der Zeche nach der R e i c h s h a u p t s t a d t . . . . Ähnlich liegen die Verhältnisse -— wenn auch nicht ganz so ungünstig — bei der oberschlesischen Kohle, so daß auch diese den Wettbewerb der englischen Kohle auf dem Berliner Markte nicht erfolgreich aus dem Felde schlagen kann. Wenn man die Tonne englische Kohlen im Durchschnitt auf 12 M. cif Hamburg beanschlagt, so machen die 1908 eingeführten 1 553 000 t englischer Steinkohlen einen Betrag von rund 19 000 000 M. aus, durch den Berlin sich dem englischen Nachbar tributpflichtig macht« 1 ). Die Berliner Gaswerke zahlten durchschnittlich: Tabelle" V ) . Englische Kohlen t
Jahr
Schleslsche Kohlen O.- und N.-Srtiles. t tdt
Jl
1882 1890 1893 1900 1903 1904 1905 1906
17,50 19,50 19,50 20,00 19,75 20,00 20,00 20,00
14,00 —
14,00 24,00—24,75 17,35 15,50 15,90 16,00—16,50
Westfälische Kohlen t — — — —
18,75 — — -
Deutsche Bergwerkszeitung vom 14. März 1909. *) M ö l l e r s , Verhandlungen der Gasfachmänner, 1907, S. 344. — Neuere Zahlen waren trotz mehrfacher Anfrage nicht zu erhalten.
§ 2.
Die
Rohmaterialien.
9
Noch viel mehr ist dies der Fall an den Küsten der Nord- und Ostsee, und ähnlich wie in Berlin liegen die Verhältnisse auch in den Städten, die an schiffbaren Wasserläufen liegen. Wenn nun in jüngster Zeit auch andere Städte, z. B. süddeutsche, dazu übergegangen sind, englische Kohlen zu beziehen, und zwar sicherlich mit Verlust 1 ), so kann daraus der Schaden ersehen werden, welcher der deutschen Volkswirtschaft dadurch entsteht, ein Schaden, der sich noch vergrößern wird, wenn sich die oben geschilderten englischen Verhältnisse verschieben werden, wenn auch England höhere Preise für Kohlen verlangen muß. Um der vom politischen und nationalökonomischen Standpunkte aus höchst unerfreulichen Erscheinung mit Erfolg entgegenzutreten — zumal nach dem Urteil von Fachleuten die beste deutsche Kohle ebensogut ihre Vorzüge hat wie die beste englische —, ist vor allem nötig, daß die deutschen Eisenbahnverwaltungen ihre Tarifpolitik ändern und Frachtermäßigungen zugunsten des deutschen Kohlenabsatzes nach denjenigen inländischen Verbrauchsgebieten gewähren, in denen die deutsche Kohle dem starken Wettbewerbe der ausländischen Kohle ausgesetzt ist, sowie durch Einstellung einer genügenden Anzahl Wagen dafür sorgen, daß auch in Zeiten stärkster Inanspruchnahme des Wagenmaterials ein regelmäßiger Bezug von Kohlen stattfinden kann. Einnahmeausfälle dürften den Staatsbahnverwaltungen daraus kaum erwachsen, da sie durch die Zunahme der Beförderungsmengen zweifelsohne ausgeglichen würden. Dann würde auch die oft geschmähte Ausfuhrund Preispolitik des Kohlensyndikats eine Änderung zugunsten der deutschen Verbraucher erfahren. Aus der Forderung: »Die deutsche Kohle der deutschen Industrie« würden auch die Gaswerke insonderheit Vorteile ziehen und nicht mehr gezwungen sein, über ein Viertel ihres Rohmaterials vom Auslande zu beziehen. Neben den Steinkohlen spielt ferner in der Gasindustrie als Rohstoff eine Rolle das Raseneisenerz, das bei der trockenen Reinigung des Gases Verwendung findet. Dieses Raseneisenerz bildet derbe oder schwammartige Massen von verschiedener Farbe, die der Hauptsache nach aus Eisenhydroxyd bestehen; verunreinigende Bestandteile sind Ton, Sand, Kalk usw. Sein Vorkommen ist ziemlich häufig, besonders im östlichen und mittleren Deutschland, so in Schlesien, l
) Für süddeutsche Städte konnten keine Angaben erhalten werden. In Leipzig z. B. kostete 1907 in der Anstalt II 1 t sächsischer Kohle 19,59 M., 1 t oberschlesischer 21,21 M., 1 t westfälischer 19,72 M. und 1 t englischer 23,11 M. (W e i g e 1 , Sehr. d. V. f. Sp. 129. Bd., 7. Teil, S. 68.)
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I. Die Technik der Oasindustrie.
in der Lausitz, in Pommern, in der Mark Brandenburg usw. Die Raseneisenerze selbst unterscheiden sich untereinander oft ganz wesentlich, was naturgemäß auch auf die Preise Einfluß hat. Raseneisenerze aus Hagnau in Schlesien stellen sich z. B. 13 M. pro t, während Raseneisenerze ab Sedelsberg (Oberschlesien) schon zum Preise von 8 M. pro t zu haben sind. Neuerdings wird vielfach künstlich alkalisiertes Eisenoxydhydrat, sog. Luxmasse, als Gasreinigungsmasse verwendet. Der Preis stellt sich ab Fabrik Ludwigshafen auf etwa 15 M. pro t. Seitdem in Deutschland auch die Wassergasdarstellung an Ausdehnung gewonnen hat, traten noch das Benzol und das Gasöl als neue Rohmaterialien hinzu. Letzteres ist ein Abfallprodukt, das aus dem Rückstände des Erdöls erhalten wird, der nach Entfernung des Leichtöls und des Petroleums übrig bleibt. In der Verwendung dieses Gasöls ist Deutschland — wenigstens bis jetzt — ganz auf das Ausland, auf die Petroleum produzierenden Länder: Nordamerika, Rußland und namentlich auf Galizien und Rumänien angewiesen. Das Deutsche Reich besitzt zwar auch Erdölvorkommen im Elsaß bei Pechelbronn, in Hannover bei Peine und Wietze, sowie eine Mineralölindustrie in Sachsen-Thüringen und in Messel bei Darmstadt, die durch Verschwelung von Braunkohlen Öle erzeugt, allein die Gesamtgewinnung ist zu gering, um für die Wassergasdarstellung im Großen Bedeutung zu erlangen — beträgt doch Deutschlands Petroleumproduktion nur ca. 0 , 3 % der Weltproduktion. Den Gesamtbedarf an Gasöl zu decken, ist Deutschland daher nicht in der Lage, vielmehr ist es zu einer zwingenden Notwendigkeit geworden, sich an das Ausland zu wenden. Als dem hohen Finanzzoll von 7,50 M. bzw. 12,50 M. pro 100 kg netto im Jahre 1902 ein gemäßigter Zoll von 3 M. pro dz folgte, trat auch eine völlige Verschiebung der Marktverhältnisse ein. War galizisches ö l vorher zu 3,50—4,00 M. pro 100 kg an der deutsch-österreichischen Grenzstation Oderberg oder Myslowitz zu haben, so stieg der Preis nach dem Inkrafttreten des Zollgesetzes fast um das Doppelte, d. h. der Preis wurde von den Galiziern um so viel mehr erhöht, als der Zoll überhaupt ausgemacht hatte, so daß die Preise frei Verbrauchsstelle in Deutschland auf 1 1 , 5 0 — 12,50 M. (inkl. Zoll und Fracht) zu stehen kamen. Dieser Umstand führte 1907 zur Gründung einer GasölEin- und Verkaufs-Gesellschaft m. b. H. in Berlin. Ihr, die einmal aus mehreren Firmen, welche großes Interesse an einem billigen Bezüge von Gasöl haben, zum andern aus einer Reihe von Stadtver-
§ 2.
Die Rohmaterialien.
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waltungen besteht, ist es gelungen, eine wesentliche Preisreduktion herbeizuführen, so daß heute z. B., auf Stuttgart berechnet, Gasöle zum Preise von ca. 8,50—9 M. pro 100 kg (inkl. Zoll und Fracht) zu haben sind. Gasöle aus Rußland und Amerika, auf die auch der erwähnte Zollsatz von 3 M. plus 20% Tarazuschlag auf Zollerlaubnisschein Anwendung findet, stellen sich aber zurzeit teurer als aus Galizien, weshalb auch gegenwärtig nur Öle aus dem zuletzt genannten Lande bezogen werden. Die Einfuhr betrug 1908 zirka 30 000 t, die Thüringische Braunkohlenindustrie erzeugte ungefähr dasselbe Quantum. Das deutsche Gasöl stellt sich insofern erheblich höher als das importierte, weil dasselbe ebenfalls den Zoll von 3 M. plus 20% Tarazuschlag ausnutzt und dementsprechend höhere Preise verlangt. Im übrigen wird aber das meiste inländische Gasöl gar nicht für die Wassergaskarburation verwendet, sondern zum größten Teile von den deutschen Eisenbahnen zur Herstellung von sog. Fettgas zur Beleuchtung der Personenwagen bezogen. Die Eisenbahnverwaltungen genießen die Zollermäßigung nicht, sondern müssen auf ausländisches Gasöl den vollen Zollsatz von 6 M. plus 20% Tarazuschlag bezahlen. Die Folge davon ist, daß die inländischen Gasölproduzenten, durch diesen enormen Zollsatz geschützt, von den deutschen Eisenbahnen wie von jedem anderen Verbraucher Preise von 9,50—10,00 M. pro 100 kg verlangen. Der weitere hier noch zu berücksichtigende Rohstoff — das Benzol — bildet in reinem Zustande eine farblose, leicht bewegliche und entzündliche sowie brennbare Dämpfe abstoßende Flüssigkeit. Viele Jahre hindurch war der Steinkohlenteer der Gasanstalten das einzige Ausgangsprodukt für seine Darstellung. Mit dem Anwachsen der chemischen Großindustrie aber, insbesondere der Teerfarbenindustrie, deren Hauptrohmaterial ja das Benzol ist, machte sich bald eine Benzolnot in Deutschland bemerkbar. Und so kam es, daß England mit seiner ausgedehnten und hochentwickelten Leuchtgasindustrie den Benzolmarkt völlig beherrschte und als Hauptausfuhrland für Deutschland galt. Das änderte sich, als die deutschen Eisenund Hüttenwerke dazu übergingen, an ihre Destillationskokereien Benzolgewinnungsanlagen anzuschließen. Das Hauptabsatzgebiet des jetzt in großen Mengen zur Verfügung stehenden Benzols blieb zwar auch ferner die Farbenindustrie, doch fand es daneben auch zu anderen Zwecken vielfach Anwendung, so namentlich durch die bahnbrechenden Arbeiten Buntes in der Gasindustrie als Mittel zur Aufbesserung leuchtarmen Gases. Allein durch die Erfindungen des
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I. Die Technik der Gasindustrie.
Auerschen Gasglühlichtes, das entleuchtetes Gas verlangt, wurde diese Verwendungsmöglichkeit wieder zurückgedrängt, bis die Einführung des Wassergases von neuem die Hoffnung erstehen ließ, den Benzolabsatz an die Gasanstalten wieder zu beleben1). Wenngleich nun auch nach Bunte die oberste Preisgrenze, bei welcher sich eine Karburation mit Benzol noch als lohnend erweist, bei 40 M. pro 100 kg liegt und Krämer sie bis zu 50 M. erhöht wissen will, und wenngleich der durchschnittliche Marktpreis in den letzten Jahren nur etwa die Hälfte von dem soeben genannten beträgt (vgl. Tabelle VI), so hat sich doch der Verbrauch des Benzols zu Karburationszwecken technischer Schwierigkeiten wegen2) nur in sehr bescheidenen Grenzen bewegt, wie aus den Jahresberichten der »Deutschen Benzolverkaufsvereinigung G. m. b. H. zu Bochum« zu ersehen ist. Der Benzolpreis ist in den einzelnen Jahren ganz erheblichen Schwankungen Tabelle VI. 8 ; Der Benzolpreis schwankte pro 100 kg: 1882 zwischen 175 und 400 1885 90 „ 50 „ ? 1890 125 „ 100 „ 1892 40 „ 60 „ »» 1895 25 „ 60 „ 1896 50 „ 120 „ Die Preise wurden gleichmäßiger; es wurde gezahlt: 1897 durchschnittlich 65 Ji 1898 25 „ 1899 20 „ 1900 20 „ 1901 20 „ 1902 21 „ »» 1903 21 „ 1 i 1904 21 „ 1905—1908 18-- 2 0 „ l
) Das Wassergas, auch Blaugas genannt, ist von nur halb so hohem Heizwert wie das Steinkohlengas; es kann und darf daher nicht ohne weiteres zur Vermischung mit Leuchtgas verwendet werden, sondern muß erst dem Steinkohlengase durch sog. Karburieren an Leucht-, besonders aber an Heizwert, gleichwertig gemacht werden. ') Weil es sich bei niedrigerer Temperatur unter Umständen wieder verdichtet und dann allerlei Unheil anrichtet. 3 ) Der eingetretene Preisfall des Benzols nach 1882 war die Folge der Teergewinnung in den Kokereien, der nach 1890 Folge der Benzolgewinnung aus Kokereigasen (Ost, S. 312).
§ 3. Der Gang des Betriebes eines Oaswerkes.
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unterworfen gewesen; erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts beginnt er gleichmäßiger zu werden. Die vorstehende Tabelle ist der Schrift Haarmanns entnommen (S. 30); die letzten Jahre sind durch Umfragen ergänzt worden. § 3. Der Gang des Betriebes eines Gaswerkes. Nachdem wir das Rohmaterial der Gaswerke kennen gelernt haben, wenden wir uns nunmehr der Darstellung des Gases selbst zu, die sich unserm Auge als eine Folge zahlreicher aneinander reihender Prozesse in dieser Vielheit entsprechenden, zu einem zusammengehörigen System vereinigten Apparaten darbieten wird. Um Leuchtgas aus den Steinkohlen zu gewinnen, unterwirft man sie in zylindrischen Retorten aus feuerfestem Ton, sog. Schamotteretorten, der trockenen Destillation, wodurch unter Anwendung hoher Hitze von 1200—1400° eine Zersetzung dieser organischen Materien eintritt. Die Gasentwicklung beginnt sofort in der Retorte, die ja immer in der genannten Temperatur erhalten bleibt; sie hört auf, wenn die der Temperatur des Ofens entsprechende Gasmenge aus der Kohle ausgetrieben ist. Überhaupt ist die Gasentwicklung in hohem Maße abhängig von der Destillationstemperatur. In der horizontalen Retorte wird die Kohle, je nach Größe der Retorte und Menge der in ihr enthaltenen Kohle 4—6 Stunden entgast, in der Vertikalretorte 10—12 und im Kammerofen bis zu 24 Stunden. Über die höchst wahrscheinlichen Vorgänge in der Retorte, also über den eigentlichen Zersetzungsprozeß, entwirft Prof. Dr. Eitner in seinem Vortrag »Die Naphthalinfrage« 1 ) ein recht anschauliches Bild, das deshalb hier angeführt werden soll: »Die kleinsten Teilchen (die Moleküle) der Kohlensubstanz sind zweifellos sehr kompliziert zusammengesetzt. Sie bestehen aus einer großen Anzahl von Kohlenstoffatomen, die untereinander kettenförmig zusammenhängen und ihrerseits wieder mit Wasserstoffatomen, zum Teil auch mit Sauerstoff- und Stickstoffatomen verbunden sind. Stellen wir uns nun die Atome als belebte kleine Körperchen vor, die mit einer Anzahl von Armen begabt sind, mit denen sie andere Atome festhalten können. Die chemischen Verbindungen entstehen dann aus den Atomen dadurch, daß die Atome sich gegenseitig an ihren Armen packen und festhalten. Wird nun die Steinkohle der trockenen Destillation unterworfen, so geht ») J. G. W. 1899, S. 73 ff.
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I.
Die Technik der Oasindustrie.
eine heftige Bewegung und Erschütterung durch die Moleküle; die frei werdenden Arme der Atome greifen nach den freien Armen anderer Atome und so entstehen aus den schweren, unbeholfenen Molekülen der Kohlensubstanz neue kleinere und beweglichere Moleküle, neue Stoffe, die wir im Leuchtgase und den Nebenprodukten wiederfinden«. So entsteht das Leuchtgas, besser gesagt das Rohgas, das im wesentlichen ein Gemisch von Wasserstoff und Wasserdampf, Methan, Äthylen, Kohlenoxyd, Kohlensäure, Schwefelwasserstoff, Ammoniak, Zyan und Benzoldampf ist. Nicht alle diese eben aufgezählten Stoffe können jedoch im Gase verbleiben, wenn es den Anspruch auf praktische Verwertbarkeit machen will. Es müssen ihm daher alle verunreinigenden Produkte entzogen werden, so namentlich der Schwefelwasserstoff wegen seiner großen Neigung, beim Verbrennen an der Luft schweflige Säure zu bilden, ein luftförmiger Körper, der infolge seiner schädlichen Wirkungen auf die Atmungsorgane in hygienischer Beziehung durchaus zu vermeiden ist; ferner das Ammoniak, dessen schwere Verbrennlichkeit der Darstellung eines guten Leuchtgases außerordentlich hinderlich sein würde; das Wasser und endlich das Kohlenoxyd und die Kohlensäure. Diese beiden zuletzt genannten Produkte werden aber in der Praxis nicht — wenigstens nicht in besonderen Apparaten — entfernt; Kohlenoxyd wegen seines wertvollen Bestandteiles im Heizgas und Kohlensäure wegen ihres nur geringen Vorkommens (vgl. Tabelle VII). Die übrigen — außer den bereits angeführten — noch entstehenden Stoffe, wie die »höheren Homologen des Benzols, das Naphthalin und dessen Homologen, ferner Anthrazen kondensieren sich, sobald das Gas sich abkühlt und bilden, mit Ruß vermengt, den Teer«1). So betrachtet, zerfällt demnach die Darstellung des Leuchtgases in zwei verschiedene Operationen, nämlich .1. in die Bereitung des Rohgases, 2. in den Prozeß der Reinigung a) nasse Reinigung, b) trockene Reinigung. Das erste Stadium im Werdegange des Leuchtgases haben wir bereits kennen gelernt. Was in der Retorte zurückbleibt und von dem sie nach einer bestimmten Zeit befreit werden muß, um frischem Vergasungsmaterial Platz zu machen, ist neben dem Graphit, der sich an den glühenden Wänden niederschlägt, der Koks. Das aus ') E i t n e r, a. a. O., S. 73 ff.
§ 3.
Der Gang des Betriebes eines Oaswerkes.
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den Retorten entweichende Rohgas hat eine Temperatur, die zwischen 140—220° schwankt. Es gelangt durch Steigröhren in ein auf dem oberen Ende des Ofens befindliches, mit Wasser gefülltes, trogartiges Gefäß, in die Vorlage, auch als Hydraulik bezeichnet, in die entweder nur die Retorten eines Ofens oder, wie meist, sämtliche Retorten einer ganzen Ofenbatterie münden. Hier findet die erste Kondensation statt: ein großer Teil der Teerdämpfe verdichtet sich zu Teer, ebenso tritt bereits eine wässerige Abscheidung, die aus Wasserdampf und Ammoniak, dem sog. Gaswasser, besteht, ein. Die Temperatur des Gases, wenn es die Vorlage verläßt, fand Greville zu 54° C. Um nun einer weiteren Ausscheidung dieser Gase und Dämpfe an ungelegenen Stellen des Betriebes oder des Rohrnetzes, die zu den sehr gefürchteten Verstopfungen führen kann, vorzubeugen, wird eine Abkühlung des Rohgases bis auf die durchschnittliche Lufttemperatur herbeizuführen gesucht, ohne aber dabei die Qualität des Gases erheblich zu beeinträchtigen. Während die Flüssigkeit der Vorlage sowie der nachfolgenden Apparate in Zisternen abfließt, wird das Gas in die Kühler oder Kondensatoren geleitet, wo die im warmen Gase immer noch enthaltenen Produkte, wie Teer, Wasserdampf usw., niedergeschlagen werden sollen. Die Kondensatoren sind entweder Luft- oder Wasserkühler. Meist werden beide Arten, und zwar mehrere hintereinander, auf den deutschen Gaswerken zugleich angewendet, dergestalt, daß das Gas zunächst durch Luftkühler und dann durch die gleichmäßiger kühlenden Wasserkühler, und zwar in einer dem Wasser entgegengesetzten Richtung, geleitet wird, um eine innige Berührung des warmen Gases mit der Luft und insbesondere mit dem kalten Wasser, ohne daß aber eine Mischung eintritt, herbeizuführen. Obwohl hier bereits der größte Teil an Teer abgeschieden wird, enthält das Gas — wenn auch nur in kleinen Mengen — doch immer noch — wie die Erfahrung gezeigt hat — Teer in Form feiner Tröpfchen suspendiert, für deren Entfernung aber gesorgt werden muß, um unliebsame Störungen zu vermeiden. Zu diesem Zwecke passiert es die sog. Teerscheider, in denen die letzten Reste teerischer Bestandteile zur Verdichtung gelangen. Wenn schon durch die Kühlung eine wesentliche Reinigung des Gases bewirkt wurde, so muß diese Operation noch weiter fortgesetzt werden; denn das Gas enthält, nachdem es die Kühlanlagen und den Teerscheider verlassen hat, noch eine ganze Reihe von Verunreinigungen, von denen namentlich Schwefelwasserstoff, Zyan und Ammoniak zu nennen sind. Ihre Entfernung geschieht zum großen
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I. Die Technik der Gasindustrie.
Teile in mehreren hintereinander geschalteten sog. Skrubbern 1 ), in denen das Gas einer intensiven Wäsche ausgesetzt wird, so daß es, wenn es dem letzten" dieser Apparate entströmt, vollständig von Ammoniak befreit sein muß. Die Anordnung ist meist so getroffen, daß in den Skrubbern nach und nach ammoniakärmeres und schließlich ganz reines Wasser zur Anwendung gebracht wird. Hinter den Wäschern ist meist ein Exhaustor aufgestellt, der den Zweck hat, die Entfernung der dampfförmigen Destillationsprodukte aus den glühenden Retorten zu beschleunigen, die Spannung in ihnen herabzumindern und zugleich dem Gase einen Weg durch die Kühler, Wäscher und sonstige Apparate zu bahnen. In den Skrubbern wurde im wesentlichen nur das Ammoniak vollständig entfernt, die zahlreichen Schwefelverbindungen, wie Schwefelwasserstoff, Schwefelkohlenstoff sowie Zyanwasserstoff, wurden nur zu einem kleinen Teile von dem Wasser absorbiert. Um auch diese aus dem Gase zu entfernen, bedarf es noch der sog. »trockenen Reinigung«. Die ihr dienenden Apparate sind große eiserne (meist vier) Kästen, in deren Innerem mehrere Siebböden (Horden), auf welche fein gemahlenes natürliches Raseneisenerz oder künstliches Eisenoxydhydrat aufgeschüttet wird. Das Raseneisenerz hat vor allen vor ihm angewandten Mitteln (Kalkmilch, Lamingsche Masse usw.) das voraus, daß es im Preis billiger zu stehen kommt, vortrefflich in seiner Wirkung ist und durch Ausbreiten an der Luft und Befeuchten mit Wasser regeneriert, wodurch den Gasanstalten die Möglichkeit gegeben ist, es mehrere Male wieder in den Betrieb zu bringen. In neuester Zeit wird vielfach die Regeneration in den Reinigern selbst vollzogen durch Vermischung des Gases bis zu 2 Volumenprozent Luft. Entströmt dem letzten Trockenreiniger ein Gas, das auf einem mit einer Lösung eines Bleisalzes getränkten Papier keine Bräunung hervor^ ruft, so haben wir das Leuchtgas in seiner praktischen Verwertbarkeit vor uns. Es setzt sich nach Angabe des Höchster Gaswerkes im Mittel aus den in Tabelle VII ersichtlichen Stoffen zusammen2). Das so gereinigte Gas gelangt, nachdem es die Stationsgasuhr zum Zwecke der Messung durchlaufen hat, in den aus Schmiedeeisen ') Die Skrubber bestehen aus eisernen Zylindern von 3 — 4 m Durchmesser und 1 0 — 1 5 m Höhe mit zahlreichen Holzgitterböden oder eisernen Siebböden, mit oder ohne Koksfüllung, über welche von oben Wasser durch Brausen oder Teller verteilt, herabrieselt, das von unten aufsteigende Gas waschend. ( O s t , S. 2 9 3 . ) 2 ) Private Mitteilung.
§ 3. Der Gang des Betriebes eines Gaswerkes.
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genieteten, meist teleskopartig aufgebauten Gasbehälter, auch Gasometer genannt, von wo dann das Gas unter Druck (vom Gasbehälter aus) und, durch den Stationsregler auf die Gebrauchsspannung gebracht, durch gußeiserne bzw. schmiedeeiserne Röhren den Verbrauchsstellen als Licht-, Kraft- und Wärmequelle zugeführt wird. Das Rohrnetz bildet somit das Bindeglied zwischen dem Produktionsort und der Konsumtionsstelle. Tabelle VII. Methan Wasserstoff Schwere Kohlenwasserstoffe Kohlenoxyd Kohlensäure Sauerstoff Stickstoff
31,2 48,5 3,9 8,4
°l„ „ „ „
1,9 „ 0,2 „ 5,9 „ 100,0 °/0
Wurde so ein von allen Feinheiten, die der Gasfachmann sowohl in technischer, physikalischer wie chemischer Hinsicht bei dem Vergasungsprozeß zu beobachten hat, entkleidetes Bild von der Darstellung des Leuchtgases entworfen, erübrigt sich nur noch eine übersichtliche Zusammenstellung der bei der trockenen Destillation der Steinkohlen gewonnenen Produkte: I. Hauptprodukt: Leuchtgas. II. Nebenprodukte: 1. 2. 3. 4. 5.
Koks, Gaswasser, Teer, ausgebrachte Gasreinigungsmasse, Retortengraphit.
Die Menge der in den einzelnen Städten zur Vergasung kommenden Kohlen sowie die durchschnittliche Ausbeute an Gas und Nebenprodukten aus 1 t Kohlen für das Jahr 1906/07 bringt nachstehende Tabelle:
Schnabel-Kühn,
Die B e d e u t u n g der S t e i n k o h l e n g a s i n d u s t r i e .
2
18
I- Die Technik der Gasindustrie. Tabelle T i l l .
Menge
Arten und deren Hundertteile
Mille
1
Aachen» . . . . Altona Augsburg* . . . Barmen Berlin Bochum . . . . Braunschweig. . Bremen Breslau Charlottenburg . Chemnitz . . . . Cöln Crefeld Danzig Darmstadt . . . Dortmund * . . . Duisburg . . . . Düsseldorf . . . Elberfeld . . . . Essen Freiburg i. Br. . Görlitz Halle a. S. . . . Hamburg . . . . Karlsruhe.... Kiel Kiel-Gaarden * . Königsberg i. Pr. Leipzig Liegnitz . . . . Lübeck Magdeburg . . . Mainz Mannheim . . . München . . . . Nürnberg . . . . Plauen i. V. . . Posen
t
Gaskohlen
2
3
44,3 100a 37,3 81a, 19 e 15,8 100c 43,3 100 a 731,1 100 (b 1 u. e) 22,7 100 a 23,3 71a, 20 e 82,3 I l a , 89e 112,2 78 b!, 22 b 2 123,5 4 a , l S b j , 1 5 b 2 , 66e 51,1 6 b j , 2 b 2 , 92 d 135,7 100 a 39,3 100 a 23,8 100 e 24,6 100 c, a u. e 32,2 100 a 24,0 100 a 92,3 93 a, 7 e 52,7 100 a 24,3 100 a 18,2 92 c, 10 e 16,9 46 b j , 54 b 2 33,6 64a, l b j , 17 b 2 , 1 8 e 236,7 20 a, 80 e, h 42,9 4 a, 87 c, 9 e 36,4 100 e, g 6,4 2 a, 98 e 45,2 100 e 111,1 4a, 45b x , 1 0 b 2 , 39d, 2 e 10,9 100 b 21,3 94 e, 6 h 51,4 100 e 28,5 100 c 37,9 50 a, 45 c, 5 e 76,4 13 a, 25b, 47 c, 14 f, e 65,2 26a, 73c, 1 b u. d 24,0 6 b, 94 d 26,6 100 b x
«00 o
Zusatzkohle cbm 4
— — — — —
9e — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —
lf — — —
£
Städte
Koks
Durchschnittsausbeute aus 1 t Kohle
Vergaste Kohlen
5
«
283 288 303 293 321 296 341 286 308 304 296 316 335 323 304 310 299 300 300 288 310 305 291 314 305 303 292 274 297 297 313 316 293 313 325 297 297 289
660 657 686 688 692 694 663 714 731 714 580 562 756 687 720 721 712 712 700 655 654 675 673 640 670 714 680 692 655 809 882 738 721 712 617 762 591 723
i* V «
i . Ss
•«e-S
H kg 7
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kg
kg
8
9
+
48 — 48 69 72 — 43 54 120 — 41 56 — 50 121 54 127 44 121 — 60 — 44 — 45 — 53 73 113 45 104 50 99 — 44 — 46 46 109 — 65 40 47 65 47 130 65 (10,0) 44 (7,3) 40 (13,3) 45 — 54 106 — 64 — 48 48 170 57 69,7 54 9,5 60 104 — 56 60 125 43 —
+
6,8 —
+ —
7,6 7.9 — —
10,3 4,8 7,7
+ + + 8,7 +
9,0
8,1 4,7
+ —
— — — —
+
7,8 —
5,9 — —
+ +
7,6 6,1 5,5
19
§ 3. Der G a n g des Betriebes eines Gaswerkes.
Städte
Menge
Arten und deren Hundertteile
Mille
1
Rixdorf . . . Spandau . . . Stettin S t r a ß b u r g i. E . Wiesbaden . . Würzburg . . Zwickau . . .
. . * . . .
t
Gaskohlen
2
3
34.0 10.7 38.8 54,5 35,3 14,2 13.1
27 b 1 , 15 b 2 , 58 e 3a, 37b!, 60e 100 e 94 c, 6 e 77 c, 23 e 100 c 100 d
cß
re
Zusatzkohle cbm 4
-
V *o
La 0) OJ
kg
Schw.-s. ) Vgl. G. F ä h n d r i c h , Über das Auersche Gasglühlicht, J. G. W. 1892, S. 527. ») J. G. W. 1893, S. 37. 3 ) Deutsche Medizinische Wochenschrift vom 23. April 1893 (zit. bei Böhm). *) Es dürfte sich an dieser Stelle lohnen, auch der finanziellen Erfolge der auf der Basis des Auerpatentes in Wien und Berlin gegründeten Aktiengesellschaften in den ersten Jahren ihres Bestehens zu gedenken (vgl. hierzu J. G. W. 1896, S. 580—581). Es kann hierbei die erfreuliche Tatsache konstatiert werden, daß diese Gesellschaften Gewinne erzielten, wie sie industrielle Unternehmungen von gleicher Höhe wohl noch niemals zu erhaschen vermochten. »Die Mutter aller sich bildenden Auergesellschaften ist die »österreichische GasglühlichtAktien-Gesellschaft«, die 1893 die Wiener Fabriken, sowie die Patente und die Abmachungen mit den auswärtigen Gasglühlichtgesellschaften übernahm. Das Aktienkapital wurde mit 1 \'-t Mill. fl. festgesetzt und bestand 1896 aus 1500 Aktien,
§ 6. Die Entwicklung der Gasbeleuchtung etc.
37
So e n t s t a n d d e m elektrischen L i c h t e in der G a s g l ü h l i c h t b e l e u c h t u n g n i c h t nur n i c h t ein m ä c h t i g e r Rivale, dessen K o s t e n g e g e n ü b e r d e m elektrischen B o g e n l i c h t e pro L i c h t e i n h e i t und K e r z e n s t u n d e sich e t w a z e h n m a l 1 ) niedriger beliefen, sondern durch diese E r f i n d u n g w u r d e a u c h eine v o l l s t ä n d i g e N e u g e s t a l t u n g der B e l e u c h t u n g s f r a g e in der G a s t e c h n i k h e r b e i g e f ü h r t ; denn dadurch, daß n i c h t die d e m Gase i n n e w o h n e n d e L e u c h t k r a f t , sondern der in der F l a m m e in g l ü h e n d e n Z u s t a n d g e b r a c h t e S t r u m p f L i c h t s p e n d e r ist, w u r d e die g a n z e L i c h t e r z e u g u n g zu einer Heizfrage — an die Stelle des S e l b s t e r g l ü h e n s t r a t das G l ü h e n d m a c h e n eines f r e m d e n Körpers, an Stelle d e s bisher g e b r ä u c h l i c h e n P h o t o m e t e r s trat der Kalorimeter. V e r m o c h t e die h e f t i g e Konkurrenz der elektrischen B e l e u c h t u n g s o w i e das E r s c h e i n e n anderer L i c h t q u e l l e n , wie Spiritus- u n d P e t r o l e u m glühlicht, A z e t y l e n und A e r o g e n g a s auch nicht der V e r b r e i t u n g des G a s g l ü h l i c h t s irgendwie E i n h a l t zu tun, so war sie doch die t r e i b e n d e K r a f t , ein A n s p o r n für die d e u t s c h e n Gastechniker, ihren L i c h t s p e n d e r n o c h weiter zu v e r v o l l k o m m n e n . Durch die S c h a f f u n g der sog. S t a r k die mit je 1000 fl. voll eingezahlt wurden. Der Gewinn für das zweite Geschäftsjahr 1893/94 war bereits äußerst günstig. Außer den üblichen Abschreibungen konnte auf Patente 663 590 fl. abgeschrieben werden, wodurch dieses Konto auf 500 000 fl. zurückging, ein Reingewinn von 621 724 fl. verblieb und 25 % Dividende verteilt werden konnten. Die Tantiemen beliefen sich auf 123 047 fl.; die Speziaireserve auf 123 717 fl. Der Bruttogewinn für das Jahr 1894/95 betrug 3 092 519 fl., wonach nach Abzug von 596 197 fl. Unkosten und 589 159 fl. Abschreibungen 1 907 191 fl. Reingewinn verblieben. Davon wurden 339 000 M. als Tantieme verwandt, so daß 1 560 000 M. zur Verfügung der Generalversammlung blieben. Die Gesellschaft besaß am Schluß des Jahres außerdem noch 225000 fl. ordentliche und 323 171 fl. außerordentliche Reserven und das Privilegienkonto in der ursprünglichen Höhe von 1 142 015 fl. war vollständig abgeschrieben. Die Deutsche Gasgltthlichtgesellschaft hat wohl die größten Erfolge erzielt. Sie wurde gegründet mit einem Aktienkapital 1 465 000 M. Für die erste Dreivierteljahr umfassende Betriebsperiode wurden nach Beschluß des Aufsichtsrates 65 % Dividende, d. s. rund 87 % Jahresdividende, verteilt. Der erste vollständige Jahresabschluß für das Jahr 1893/94 ergab indessen bereits — nach Abzug aller Geschäftskosten, Spesen etc. — einen Reingewinn von 3 001 289 M. Von diesem sind nach Vorschlag des Aufsichtsrates auf Patentkonto 949 990 M. und auf Inventarienkonto 15 835 M. abgeschrieben worden, so daß beide Konten noch mit je 1 M. zu Buche standen, der Reservefonds mit 95 099 M. auf die satzungsmäßige Höhe gebracht, 175 611 M. auf neue Rechnung vorgetragen und der Rest mit 100 % Dividende verteilt worden. Die Generalversammlung setzte indes mit Rücksicht darauf, daß die noch vorhandenen österreichischen Gasglühlichtaktien einen Kurswert von 400 000 M. versprachen, die Dividende auf 130 % fest und schrieb auf das Patentkonto nur rund 600 000 M. ab.« >) Vgl. H ö f f n e r , C., Die Gaswerke in Wutke: Die deutschen Städte 1903.
38
II. Die Geschichte der Gasbeleuchtung etc.
lichtbrenner von 500 bis über 2000 HK, wie Lucas-, Selas-, Pharaosund Millenniumlicht, gelang es, die Lichteffekte der elektrischen Beleuchtung zu erreichen, sie aber an Wirtschaftlichkeit nöch zu übertreffen; Selbst- und Fernzünder sorgen für bequemes Anzünden resp. Löschen. Die Herstellung des sog. invertierten Gasglühlichtes ermöglicht nicht nur eine schattenlose, sondern auch bedeutend bessere Beleuchtung bei gleichzeitiger 40—50%iger Gasersparnis. Die Verfertigung Auerscher Glühlichtbrenner für den Kleinkonsum, für indirekte (diffuse) Beleuchtung, die kostenfreie Herstellung der Zuleitung oder leihweise Überlassung von Gaseinrichtungen gegen billigen Mietzins, größere Haltbarkeit der Glühkörper und Zylinder, Gaspreisermäßigungen riefen eine ganz gewaltige Steigerung des Gaskonsums hervor; sie haben bewirkt, daß die Vorzüge und Annehmlichkeiten des Gasglühlichts nicht allein in dem Mittelstande und in dem Kreis der bessergestellten Minderheit weiter gefestigt wurde, sondern sie ließen es auch, namentlich durch Aufstellung der Gasautomaten, die den Detaileinkauf ermöglichen, wodurch den Gewohnheiten und Bedürfnissen des kleinen Mannes auf das wirksamste entgegengekommen wird, in den Haushalt der ärmeren Bevölkerung Eingang finden. Die »PrePayments«, wie sie in England heißen, werden bis zu einer gewissen Höhe der Wohnungsmiete 1 ) meist mit sämtlichen Gasapparaten unentgeltlich geliefert und ihren Benutzern gegen Einwurf eines Zehnpfennigstückes 500—600 1 Gas verabreicht. Dieser Betrag ist so bemessen, daß der Konsument einen Zuschlag von 1—2 Pf. pro cbm für Verzinsung und Anlagekosten entrichtet. Daß derartige sozialpolitisch höchst zu begrüßende Einrichtungen von der Gasindustrie nicht unerhebliche Kapitalsummen erfordern, zeigen Beispiele aus der Praxis. 1905 hatte die D. C. G.-G. für 16 500 Automateneinrichtungen nicht weniger als 2 137 335,18 M. (als Nennwert) angelegt und in GroßBerlin sind in kurzer Zeit für 84 000 Automaten (die einen jährlichen Gaskonsum von 30 Mill. cbm einbringen) 7 Mill. M. ausgegeben worden. Diente ursprünglich das Steinkohlengas ausschließlich Beleuchtungszwecken, so hat es im Laufe der letzten Jahrzehnte — gefördert durch zweckmäßige Preisgestaltung — als Wärme- und Kraftquelle in der Hauswirtschaft wie im Gewerbe stetig an Bedeutung gewonnen. Die Konstruktion von Kochapparaten und Gasmotoren hat erreicht, daß heute das Heizgas — wie es kurz genannt werden möge — im Mittel zu 50% (33 1 / a % in 1899) des Gesamtgasverbrauches anzusetzen Karlsruhe z. B. bis zu einem Mietwert von 600 M., München bis zu 800 M.
§ 6. Die Entwicklung der Gasbeleuchtung etc.
39
ist. Die ersten Gaskocher wurden in Deutschland 1849 von W. Eisner in Berlin angefertigt; die Verwendung des Gases zur Kraftleistung wurde zuerst in den 60 er Jahren des vorigen Jahrhunderts von Lenoir und Hugon versucht. Seitdem haben beide — sowohl der Gaskocher als auch der Gasmotor — manche Verbesserungen erfahren müssen, ehe sie zu der heutigen Vollkommenheit gebracht werden konnten: die Gaskocher namentlich durch Wobbe und durch die D. C. G.-G., Dessau; der Gasmotor vor allem durch Otto und Langen in Deutz. Als wärmegebende Quelle tritt so seit einer Reihe von Jahren das Gas mit festen und flüssigen Brennstoffen, wie Steinkohle, Torf, Holz, Spiritus usw., sowohl im Hause als auch in der Werkstatt und in der Fabrik in Wettbewerb; als kraftgebende Quelle: als Gasmotor selbst mit der Dampfmaschine. Scheven 1 ) kommt auf Grund von Nachweisungen zu dem Resultat, daß 1894 in Deutschland 21 700 Gasmotoren im Betrieb waren, 1895 fand Schäfer 22 000 Gasmotoren (die ein Anlagekapital von ungefähr 44 Mill. repräsentieren) mit 80 000 PS und zehn Jahre später über 32 000 Gasmotoren mit über 160 000 PS 2 ) an die deutschen Gaswerke angeschlossen. Der mannigfaltigen Verwertbarkeit des Steinkohlengases ist es somit zu verdanken, daß die Gaswerke im Laufe der Zeit zu Licht-, Wärme- und Kraftzentralen wurden, und daß eine mächtig aufblühende Glühkörper-, Gasapparate- sowie Gasmotorenindustrie entstehen konnte 3). Der lebhafte Wettstreit zwischen Gas und Elektrizität brachte zahlreiche Neuerungen und in kürzester Zeit wurde vereint nachgeholt, was frühere Zeiten versäumt hatten. Es wurde zu zeigen gesucht, welche außerordentlich große Fortschritte auf dem Gebiete der künstlichen Beleuchtung in der kurzen Spanne von 15 Jahren gemacht worden waren, wie jede technische Verbesserung nicht nur eine bequemere Handhabung der künstlichen Beleuchtung, sondern auch eine bessere Ökonomie und eine größere Lichtintensität ergab, so daß sich der lebenden Generation ') Vgl. Dr. S c h e v e n , Lehrwerkstätte, I. Bd., 1894, S. 214. ») Vgl. S c h ä f e r , Koche mit Gas, 1906, S. 32. ') Deutschland ist das Hauptproduktionsland für Glühkörper und Berlin der Hauptfabrikationsplatz. Von den in Deutschland bestehenden 50 Glühkörperfabriken haben allein mehr als 30 ihren Sitz in Berlin. Die Gesamtjahresproduktion der deutschen Glühkörperfabriken beträgt ca. 100 Mill. Stück. Der weitaus größte Teil dieser Produktion geht nach dem Auslande, ungefähr '/, der Gesamtproduktion, demnach ca. 65 Mill. Stück. England ist Haupteinfuhrland. Der Umsatz der Gasmotorenfabrik Deutz betrug 1907/08 14 862 377 M.
II. Die Geschichte der Gasbeleuchtung etc.
40
ein wahrer Lichthunger bemächtigte. Das Bedürfnis nach Licht ist eben so unermeßlich groß und schreitet bei steigender Gewerbetätigkeit, bei zunehmender Zivilisation, bei erhöhtem Wohlstande so schnell vorwärts, daß keine Sorge dafür zu tragen ist, wie für die verschiedenen Lichtstoffe Verwendung zu schaffen sei, sondern vielmehr wie der zunehmende Lichtbedarf überhaupt gedeckt werden kann. Eine Überproduktion an Licht wird daher wohl nicht allzu wahrscheinlich sein. Einen wie ungeheuren Aufschwung die Gasproduktion in den Jahren 1859—1908 genommen hat, zeigt nachfolgende Statistik: Tabelle I b . Jahr
1859 ») 1862 *) 1868 ») 1877 1 ) 1885 1 ) 1896 1 ) 1899®) 1908«)
1 Gasproduktion 1 in cbm
44 514 100 68 527 900 151 970 200 324 812 800 479 047 000 733 450 000 1 200 000 000 1 800 000 000
Zunahme in cbm
24 013 800 83 442 300 172 842 600 154 234 200 254 403 600 466 550 000 600 000 000
Zunahme pro J a h r Millionen cbm
8,0 13,9 19,2 19,2 23,1
'SSI*» 66,67 1
'
In den Berliner städtischen Gaswerken betrug 1899 der Konsum 122 Mill. cbm und 1908 253 Mill.3) cbm. Der Konsum hat sich also in dieser Zeit mehr als verdoppelt. Wird der durchschnittliche Preis pro cbm auf 14 Pf. angenommen, so repräsentieren die im Jahre 1908 erzeugten 1 800 000 000 cbm Gas einen Wert von 252 Mill. M., und werden im Durchschnitt nur 3,5 Pf. als Uberschuß des Gaspreises pro cbm über die Erzeugungskosten gerechnet, so würde sich der durch die Gasproduktion im Jahre 1908 neugeschaffene Wert auf 63 Mill. M. beziffern. Interessant ist auch ein Spezialnachweis der Zunahme des Gaskonsums überhaupt und pro Kopf der Bevölkerung in deutschen Städten mit mehr als 50 000 Einwohnern seit 1888/89 bis 1906/07. Vgl. Dr. E. S c h i l l i n g , Die Entwicklung der Gasanstalten im letzten Jahrzehnt, 1896. 2) Private Mitteilungen von Schäfer. 3 ) J . G. W. 1909, S. 25.
Tabelle I I . 1 }
41
Oesamt-Gasabgabe
Städte
überhaupt 1888/89 Mille cbm
Altona Augsburg * Barmen Berlin
. . . .
3 542 6189 (90 245)
Bochum Braunschweig . . . Bremen Breslau Cassel Charlottenburg . .
3 641 7 059 13131 3 080
Chemnitz Cöln
6 413 19 371
Crefeld Danzig Darmstadt Dresden Düsseldorf Essen
—
—
2 824 . . . . . . . .
Halle a. S Hamburg Karlsruhe Kiel Königsberg i. Pr. . Leipzig Liegnitz
Nürnberg Plauen i. V. . . . Posen Potsdam * Rixdorf Stettin Straßburg i. E. . . Stuttgart Zwickau
4 443
10 723
4 570 8154 110 029
5 509 15 761 234 383
3 549 4 906 9 603 15 228 4 071 10 754
6 939 7 940 25199 34 770 9 469 41 554
8 585 24 472
15 906 44 272
6 967
11 730 7 669
1888/89 cbm
52 59 (86)
1895/96 cbm
1906/07 cbm
33
63
56 63
57 99 107
—
47 43 65 41 44 82
49 58 114 73 64 162
45 86 —
57 101 92 48
41 73 71 56
82 81 100 46
36
52 40
78 68
—
40 52 42 46 —
45 102 —
24
59
7 476 44 026 27 677 12 234
2 055
2 727 5 754
5 769 5 810
4 569 33182 5 016
5 516 40 807 8 484
9 767 76 304 13 073
52 65 76
48 66 102
56 92 116
2 635 4 871
4 065 5 615
11 007 15 834
46 31
48 33
67 71
14 278
17 874 1 810
32 981 3 241
78
80 35
95 52
3 334 9 421 6 300 15 655
6 676 16 835 11 832 24 847
49 44 69 39
68 67 71 46
8 640 3 239 3 236 3 309
23 065 8 844 9134 5123 10 991 12 372 16 303 24 365 4 437
49 59 44 45
77 83 76 84 65 55 78 95 58
—
—
. . . . . . . .
pro Kopf 1906,07 Mille cbm
2 575 26 601 12 299 5 352
—
17 989 6 778 —
Freiburg i. Br. . . Görlitz
Lübeck Magdeburg Mannheim München
—
1895/96 Mille cbm
2 388 7 728 —
12 807 6 373 —
2 523 — —
4 843 5 286 8 651 —
—
5 812 7 806 9 959 2 307
—
68 53 — —
—
43 41 —
43 48 —
36 — —
47 43 66 —
—
42 55 65 38
) Zusammengestellt nach den entsprechenden Angaben des Statistischen Jahrbuchs deutscher Städte. • = privat, — ( ) bedeutet, daß die Ziftern nicht dem Fragebogen, sondern dem Jahresbericht entlehnt sind. 1
42
II. Die Geschichte der Gasbeleuchtung etc.
Tabelle I b läßt vor allem erkennen, daß in den Jahren 1885—1896 —1908, also in einer Zeit, in der die elektrischen Zentralen zu einem mächtigen Industriezweige heranwuchsen, die gesamte Gasproduktion für öffentliche Gasanstalten eine Zunahme erfahren hat, wie noch in keinem der Zeitabschnitte zuvor. Hat nun auch die Erfahrung gezeigt, daß es sich bei dem Konkurrenzkampf zwischen Gas und Elektrizität nicht um einen Existenzkampf, sondern vielmehr um einen friedlichen Wettbewerb handelt, so muß doch mit Entschiedenheit die weit verbreitete Anschauung als irrig zurückgewiesen werden, wonach die Gastechnik erst durch »den Siegesjubel der Elektrotechniker aus langem Schlafe aufgerüttelt« worden sein soll. Die intensive elektrische Beleuchtung hatte das Lichtbedürfnis in so hohem Maße geweckt, daß es einfach eine wirtschaftliche Notwendigkeit war, auch größere und verbesserte Gasbrenner zu schaffen. Ferner sei auf die bedeutenden Arbeiten hingewiesen, welche »die Gasingenieure in unaufhörlicher Vergrößerung ihrer Betriebe, und zwar ohne Betriebsunterbrechung, zu leisten hatten und welche in 7—10 Jahren gewöhnlich einer Verdopplung der Leistungsfähigkeit entsprach. Daß bei dieser großen Arbeit die Leiter der Gasanstalten nicht neben ihren Verwaltungsgeschäften zugleich Erfinder sein konnten, ist erklärlich, ebenso wie auch die Leiter der Elektrizitätswerke nicht immer die Zeit und die Mittel finden werden, neue Dynamomaschinen, Drehstromsysteme usw. zu erfinden1).« Die Fortschritte der inneren Entwicklung waren den Fernstehenden nur wenig bemerkbar, hatte doch Murdoch der Gasindustrie gleichsam die Urtypen jener Apparate gegeben, die auch heute noch — wenigstens dem Prinzipe nach — mit Vorteil verwendet werden. Auch der Vorwurf, die Gasindustrie sei viel zu träge oder zu sehr monopolisiert gewesen, sich bequemeren und billigeren Methoden der Gaserzeugung zuzuwenden, insonderheit sei von ihr versäumt worden, schon längst Wassergas herzustellen, darf auch hier nicht unerwähnt bleiben und einer Rechtfertigung nicht entzogen werden. Wenn die Einführung dieses in Amerika und England große wirtschaftliche und technische Erfolge zeitigenden Wassergases in Deutschland erst viel später geschah, so beruhte dies nicht auf einer Gegnerschaft der Gasfachmänner, sondern lag in anderen Momenten begründet. Wie bereits erwähnt wurde, muß das Wassergas karburiert werden. So wichtig es auch in nationalökonomischer Beziehung wäre, wenn ein Teil des in den ») J. G. W. 1892, S. 678.
§ 6. Die Entwicklung der Gasbeleuchtung etc.
43
deutschen Destillationskokereien in großer Menge gewonnenen Benzols diesem Zwecke nutzbar gemacht würde, so wenig ist es aber hierzu technischer Schwierigkeiten wegen geeignet. Es kamen und kommen heute noch daher im wesentlichen nur die Karburieröle, die in der Hauptsache vom Auslande: aus Galizien und Rumänien bezogen werden, in Betracht. Und gerade hier stand das Zolltarifgesetz vom 15. Juli 1879 hemmend in dem Weg, da der Bezug von Gasölen durch hohen Zoll sehr erschwert, ja unmöglich gemacht wurde. Erst durch die Eingabe des »Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachmännern« an den Reichstag, in der klargelegt wurde, daß eine Zollerleichterung die in Betracht kommenden heimischen Industrien: die Erdölwerke und die sächsisch-thüringische Paraffin- und Mineralölindustrie, in keiner Weise benachteiligen würde, da durch die Beschränkung der Maßregel auf die öffentlichen Gasanstalten zum Zwecke der Herstellung von karburiertem Wassergas das bisherige Hauptabsatzgebiet dieser Industrie nicht berührt würde, ist dieser Prohibitivzoll in dem deutsch-österreichischen Zolltarifgesetz vom 25. Dezember 1902 für Gasöle mit einem spezifischen Gewicht von über 0,830 bis 0,880 einschließlich bei 15° C beträchtlich herabgesetzt worden (3 M. pro dz). Dieser ermäßigte Zollsatz fand bisher nur Anwendung auf Bezüge aus Galizien und Rumänien; erst in neuester Zeit ist er auch auf die Einfuhr aus Amerika und Rußland ausgedehnt worden. Doch ist Gasöl aus diesen beiden zuletzt genannten Ländern noch nicht importiert worden. Auch der Umstand, daß z. B. Rumänien nur Öle von höherem spezifischen. Gewichte als 0,880 herstellt, also auf sie der ermäßigte Zollsatz keine Anwendung finden kann, sowie die erhebliche Preissteigerung, die nach dem Inkrafttreten des Zolltarifs für deutsche und ausländische Gasöle eintrat, deren Hauptursache in der Kartellbildung der ölproduzenten zu suchen ist, in Verbindung damit, daß der Bedarf dieser ausführenden Länder selbst gewachsen ist, lassen die Produktion von Wassergas in Deutschland als unrentabel erscheinen 1 ). Gänzliche Aufhebung des Rohölzolles, insbesondere Beseitigung der oberen spezifischen Gewichtsgrenze, wodurch der Gasindustrie ausgiebige Mengen an Rohstoff für die Wassergaserzeugung zur Verfügung stehen würden, sind Forderungen, die recht und billig sind, abgesehen davon, daß damit Deutschland eine ölraffinationsindustrie erhalten könnte, die eine Reihe von Vorteilen einer Veredlungsindustrie 1
) Nach dem Jahresbericht der städtischen Gas- und Elektrizitätswerke zu Leiden (Holland) von 1909, kostete im Jahre 1908 ein cbm Steinkohlengas 5,8157 Pfg. und ölkarburiertes Wassergas 7,2318 Pfg. (J. G. W. 1909, S. 762.)
44
II. Die Geschichte der Gasbeleuchtung etc.
mit sich bringen würde. Wenn trotzdem im Deutschen Reiche 1907 ca. 50 Wassergasanlagen, deren Zahl sich seitdem noch vermehrt haben mag, vorhanden waren, so verdankt dieses Vorgehen der Gasfachleute lediglich dem Umstände, daß die Wassergaserzeugung als unterstützender Faktor für die Steinkohlengasindustrie namentlich bei Werken, die an der Grenze der Leistungsfähigleit angelangt sind, von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Verwendung von Koks und damit Wegfall seiner Wertverringerung, Ersparung an Kohlen und damit Ausweichen vor Kohlenknappheit und ungemessenen Preissteigerungen der Gaskohlen, Ersparnis an Arbeitslöhnen, Erleichterung der Arbeitslast, geringes Anlagekapital, schnelle Inbetriebsetzung lassen den Wassergasprozeß als ein freudig zu begrüßendes Glied in der Entwicklung der Gaserzeugung erblicken. Die ganze Wassergasfrage ist also lediglich eine Preisfrage; ist billiges Öl in ausreichender Menge zu haben, so wird sich auch die Ausbreitung in Deutschland ebenso rasch vollziehen wie in England, wo schätzungsweise in den letzten Jahren eine durchschnittliche Produktion von 500 Mill. cbm ölkarburiertem Wassergas zu verzeichnen war. (Nordamerika etwa 1550 Mill. cbm und Deutschland ca. 30 Mill. cbm (öl- und benzolkarburiertes zusammen) 1 ). Die Gasindustrie hat es also nie an fortschrittlichem Geiste fehlen lassen. Eigene Initiative und die Konkurrenz haben die Tätigkeit im Gasfache stetig gesteigert und schöne Errungenschaften gezeitigt. In neuerer Zeit beschränkt sich diese Industrie nicht nur darauf, ihre eine umfangreiche Verwendung zulassenden Energiemengen den großen, mittleren und kleinen Städten zuzuführen, sondern ihr Ziel geht dahin, auch den außerhalb ihres bisherigen Herrschaftsgebietes liegenden Ortschaften — den Dorfgemeinden — die Segnungen der Gasbeleuchtung und der Gasheizung in der Form der Gasfernversorgungen angedeihen zu lassen, ein Ziel, das den Gaswerken die Möglichkeit gibt, ihr Absatzgebiet auf größere Entfernungen auszudehnen und mit Erfolg zu bewirtschaften. Bereits bestehende Anlagen haben ihre volle wirtschaftliche Berechtigung erbracht. Die erste in größerem Stile in Angriff genommene Gasfernversorgungsanlage ist die des Rheintals mit St. Margrethen (Schweiz) als Zentrale (1903), von wo aus nicht weniger als neun Gemeinden mit zusammen 17 000—18 000 Einwohnern mit Gas versorgt werden. Die erste Gasfernversorgung in Deutschland ist die von Lübeck nach dem Seebade Travemünde ') Verhandlungen der Gasfachmänner, 1908, S. 397.
§ 6.
Die Entwicklung der Gasbeleuchtung etc.
45
(19,5 km), der dann bald darauf die von Lübeck nach Schlutup und Schwertau folgte. Von Lichtenberg bei Berlin aus wird mehreren Dorfgemeinden in einem Umkreise von 30 km Gas zugeführt bei gleichzeitiger Ferndruckzündung; in ähnlicher Weise sind im Neckartale von Heidelberg aus eine Reihe von Ortschaften an eine gemeinsame Gasversorgungsanlage angeschlossen worden. In Flonheim wird eine Gasanstalt errichtet, die zur Versorgung von 20 ländlichen Ortschaften dienen soll. Die Versorgung der ländlichen Umgebung Breslaus steht in Aussicht 1 ). Entstehen hierdurch den Gaswerken zweifellos nicht zu unterschätzende eigenwirtschaftliche Vorteile, indem es ihnen ermöglicht wird, nicht nur ihr Absatzgebiet zu vergrößern und ihre Wirtschaftlichkeit zu erhöhen, sondern sich auch durch Neuanlagen außerhalb des Städtebildes der Grundstückspekulation bis zu einem gewissen Grade zu entziehen, so sind doch die damit verbundenen gesamtwirtschaftlichen Vorteile, die Vorteile für die Allgemeinheit um so höher anzuschlagen, insofern sie die Aussicht auf Verwirklichung gewähren durch Versorgung des platten Landes mit billigem Gas zu Licht-, Kraft- und Heizzwecken die ganze Lebenshaltung seiner Bevölkerung bedeutend zu heben und so die stete Abwanderung nach den Industriestädten, wenn auch nicht zu beseitigen, wohl aber einzuschränken. Insonderheit wird auch den auf dem Lande teilweise noch gedeihenden Handwerkern die Gelegenheit geboten, sich die maschinellen Errungenschaften der Neuzeit zu nutze zu machen und so neben der Großindustrie lebensfähig zu bleiben. Die Ferndruckanlagen haben denn auch meist zu einem raschen Emporblühen vieler kleiner Ortschaften geführt. So wird berichtet, daß sich in den von Margrethen aus mit Gas versorgten Gemeinden die Einwohnerzahl schnell hob und der dort befindlichen Leinenspitzenindustrie einen lebhaften Aufschwung brachte. In der Gemeine Mahlendorf entstand nach der Zuführung von Gas von Lichtenberg aus eine ganz neue Villenkolonie. Zahlreiche Arbeiterfamilien, denen die Lebenshaltung in den Städten zu teuer war, zogen auf das Land. Geht der Mann auch fernerhin seinem gewohnten Erwerbe nach, so können sich doch die Arbeiterfrauen und deren Kinder in der Landwirtschaft guten Nebenverdienst verschaffen und so beitragen, die bestehende Leutenot herabzumindern. Mit diesen Uberlandzentralen aber gewinnt auch die Bedeutung der Gasindustrie für die gesamte Volkswirtschaft.
Vgl. Denkschrift zu dem Gesetzentwurf einer Gas- und steuer, 1909, S. 166.
Elektrizitäts-
46
I I . Die Geschichte der Gasbeleuchtung etc.
Die außerordentlich große Zunahme der Gasproduktion (vgl. Tabelle I b ) zwang naturgemäß auch an allen Orten zur Errichtung neuer Gaswerke und zur Erweiterung bereits bestehender. Weist die Schillingsche Statistik vom Jahre 1877 nur 481 Gaswerke 1 ) auf, so enthält die Statistik vom Jahre 1885 bereits 668, die von 1896 724 und die von Schäfer bis 1899 ergänzte Statistik 869 Gaszentralen. Der Kapitalwert der sämtlichen Gasanstalten Deutschlands betrug 1896 nach Schäfer rund 500 Mill. M. Seit 1899 ist eine Statistik über die Verbreitung der Gaswerke in Deutschland nicht wieder erschienen. Allein nach privaten Aufzeichnungen Schäfers 2 ) betrug Ende 1908 die Zahl der öffentlichen Gasanstalten im Deutschen Reiche mit Einschluß der Luft- und Wassergaszentralen 1647, wobei aber die Wasserzusatzgasanlagen in Steinkohlengaswerken nicht besonders gezählt worden sind; das gesamte Anlagekapital dürfte etwa 1 y 2 Milliarden Mark betragen. (Das Anlagekapital der Gaswerke, die Großberlin versorgen, beträgt allein 250 Mill. M. (1908), dasjenige von München 1 2 % Mill. M. (Ende 1906). Seit Beginn des neuen Jahrhunderts sind 712 völlig neue Gaswerke im Gebiet des Deutschen Reiches gebaut worden. Für diese und die seither vorgenommenen Erweiterungen in älteren Werken sind nach Aufzeichnungen und Schätzungen zusammen wenigstens 700 Mill. Mark, davon allein in Großberlin etwa 150 Mill. M. aufgewendet worden. Tabelle III. Deutschland Jahr
1896 1906 1908
Gasproduktion 1000 cbm
Zunahme °/o
733 450 —
1 800 000
Anlagekapital 1000 M.
England Zunahme °/o
500 000 —
—
145,42 1 500 000
—
200
ßasZuproduktion nahme 1000 cbm %
3 120 413 4 519 416 —
44,83
Anlagekapital 1000 M.
1 416 394 2 483 884
Zunahme
%
75,37
—
Nicht uninteressant dürfte es vielleicht sein, an dieser Stelle die Gasproduktion und Summe der angelegten Kapitalien in den Gaswerken Englands, dem Ausgangspunkte des Gasbeleuchtung, anzuführen. Nach dem Bericht des Handelsministeriums vom 11. August *) In Wirklichkeit höher. Herr Oberingenieur S c h ä f e r Weise überlassen. a)
hat sie mir in
entgegenkommendster
§ 6. Die Entwicklung der Gasbeleuchtung etc.
47
1896 hat das in den Gaswerken Englands angelegte Kapital 70 819 742 £ ( = 1 416 394 840 M.) betragen; die Gasproduktion hat eine Höhe von 111 443 701 941 cbf ( = 3 120 413 654 cbm). Am 20. Dezember 1906 ist das Kapital auf 124 194 221 £ ( = 2 483 884 420 M.) und die Gasproduktion auf 161 407 725 000 cbf ( = 4 519 416 300 cbm) angewachsen. Vorstehende Tabelle gibt eine Zusammenstellung der Gasproduktion und Anlagekapitalien in den Jahren 1896—1906 bzw. 1908 der Gaswerke Deutschlands und Englands. Diese Tatsachen beweisen aber, daß die bestehenden Gaswerke weder in England noch in Deutschland nicht nur nicht entbehrlich geworden sind, sondern daß vielmehr ein großer Bedarf nach neuen Gasanstalten vorhanden ist, ein Bedarf, der — wie gezeigt wurde — bis in die kleinsten Gemeinden, bis auf das Land gedrungen ist. Die Zunahme der Gasproduktion und die Zahl der Gaswerke lassen ihre große wirtschaftliche Bedeutung erkennen. Aus kleinen Verhältnissen heraus hat sich die Gasindustrie auf Grund der großen Verwertbarkeit ihres Hauptstoffes: des Leuchtgases, sowohl als auch auf Grund ihrer Nebenprodukte — wie noch zu zeigen sein wird — zu einem für das Gedeihen unserer Volkswirtschaft und die Entwicklung unserer Städte unentbehrlichen Faktor emporgearbeitet. Die Fortschritte der Gasindustrie in den letzten 20—25 Jahren werden auch den größten Pessimisten überzeugen, daß die Gaswerke neben den Elektrizitätswerken doch noch eine hohe Existenzberechtigung aufzuweisen haben und nicht — wie es des öfteren geschieht — »als ein ehrwürdiges, aber längst überlebtes Überbleibsel einer früheren technischen Entwicklungsperiode« anzusehen sind. Diese überlegene Geringschätzung findet bei einer eingehenden Prüfung der Verhältnisse keine Stütze. Die Erkenntnis, daß sich die Gasindustrie zu einem bedeutenden Zweige unseres Gewerbefleißes entfaltet hat, veranlaßte denn auch die meisten Städte, und sie würden es alle tun, wenn nicht langfristige Verträge sie daran hinderten, Besitzer von Gaswerken zu werden, entweder durch Neubau oder durch Erwerb der noch jetzt in Privathänden befindlichen Gasanstalten. Der Mangel an Kapital und Unternehmungsgeist in vielen Stadtverwaltungen, das Überwiegen der manchesterlichen Wirtschaftsauffassung über die Vorzüge der Überlassung technischer Betriebe an die Privatindustrie bildete Jahrzehnte hindurch die Ursache, weshalb sich die Städte indolent verhielten. Mit der Überwindung dieser volkswirtschaftlichen Parteilehre ist auch in den Anschauungen über die Aufgaben der kommunalen Wirtschaftspolitik ein völliger Wandel eingetreten.
48
II. Die Geschichte der Gasbeleuchtung etc. Tabelle IYa.') Jahr
Anfang der 60 er Jahre 1877 1883 »1885 »1896 »1899 1908
Davon sind
Davon sind
Gesamtzahl
Stadt.
prlv.
Gesamtzahl
städt. °/0
priv. '•/«
266 481 610 668(667) 724(701) 869(839) 1647
66 220 290 338 408 469 1098
200 261 320 329 293 370 549
266 481 610 667 701 839 1647
24,8 45,7 47,5 50,6 58,2 55,9 66,7
75,2 54,3 52,5 49,4 41,8 44,1 33,3
Tabelle IV b.
cfi
Preußen Bayern Sachsen Württemberg . . . Baden Hessen Mecklenb.-Schwerin Sachsen-Weimar . Mecklenb.-Strelitz. Oldenburg Braunschweig . . . Sachsen-Meiningen Sachsen-Altenburg Sachs.-Cob.-Gotha Anhalt Schwarzb.-Sonderh. Schwarzb.-Rudolst. Waldeck Reuß ä. L Reuß j. L Lippe Lübeck Bremen Hamburg Elsaß-Lothringen .
.
. . . . . . . . .
.
£ a
i
OB
> o.
Davon sind
4•C9 CA
-•
C a
Gesamtzahl
•o «e
Davon sind
Gesamtzahl
Staat
1899
1896
1885
Davon sind
Gesamtzahl
Gesamtzahl
1877
Davon sind •o
¿ a.
A
277 145 132 395 209 186 414 249 165 514 300 214 52 18 34 64 26 38 64 32 32 65 32 33 49 19 30 60 28 32 70 42 28 78 44 34 7 19 7 27 20 8 11 27 15 12 27 20 — — — 23 11 12 25 13 12 26 13 13 — — — 4 4 5 10 3 12 8 9 7 — — 4 15 5 10 10 4 6 11 7 — — — 4 4 3 1 5 3 2 7 3 — — — 3 2 1 1 3 — 3 3 — 5 4 4 6 1 1 3 1 3 — — — 1 8 7 6 1 8 8 — 9 — — — 6 1 5 6 4 2 7 2 9 — — — 5 4 1 4 4 1 — — — 3 1 3 4 1 3 — — — 4 1 3 3 1 2 6 — — — 6 — 6 — 6 5 — 5 — — — 3 — 2 1 1 3 3 — 3 — — 1 2 1 • — 2 1 1 1 — 3 1 — — — 1 3 2 1 1 — 2 1 — — — 1 2 2 — 1 1 — 1 — — — — 2 2 — 2 2 — 1 1 1 4 3 1 1 3 2 1 2 — — — 3 — — — — 3 3 1 1 — 3 •— — — — 4 5 3 2 2 3 1 2 — 5 5 3 2 4 3 2 2 2 — — — 6 21 4 14 27 22 13 9 18 — — —
*) Vgl. hierzu J . G. W. 1883, S. 435—440, J. G. W. 1884, 8. 485, und die Zeitschrift des Kgl. preuß. Statistischen Bureaus, 1878 und 1887. — Von 1 bzw. 23 bzw. 30 fehlen die näheren Angaben.
49
$ 6. Die Entwicklung der Gasbeleuchtung etc.
Schritt für Schritt wird heute die Privatunternehmung in hartem Kampfe mit den städtischen Korporationen zurückgedrängt. Stand im Anfang der 80 er Jahre noch nicht die Hälfte der Gaswerke unter städtischer Verwaltung, so beträgt deren Zahl heute bereits über zwei Drittel. Heute ist es zu einem kategorischen Imperativ der öffentlichen Wohlfahrtspflege geworden, daß die Städte selbst als Unternehmer auftreten und auch die Gaswerke in eigene Regie nehmen. Finanzielle und sozialpolitische Momente sind die mächtigsten Stützen dieser Bestrebung. Der moderne Munizipalsozialismus hat sich auch hier Bahn gebrochen. Über die Verschiebung der Besitzverhältnisse gibt Tabelle I V a Aufschluß. Wie sich die Verteilung der Gasanstalten auf die einzelnen deutschen Staaten gestaltet, ist aus Tabelle IVb zu ersehen. Überblicken wir noch einmal in Kürze die geschichtliche Entwicklung der Steinkohlengasindustrie in Deutschland, so können wir etwa 5 Perioden unterscheiden 1 ): Die erste Periode wird charakterisiert durch die Einführung der Gasbeleuchtung als Industriezweig aus England durch die ImperialContinental-Gas-Association (1825—1826). Die zweite Periode ist eine Periode des Versuchens und Umhertastens.
Sie reicht etwa bis zu Anfang der 1850 er Jahre.
Die dritte Periode wird gekennzeichnet durch das Erstarken der Gasindustrie in Deutschland dadurch, daß sich ihr — mehr als bisher — das Privatkapital zur Verfügung stellt. Die vierte Periode selbst
umfaßt die
in größerer Anzahl den Bau
Zeit, in
der
und Betrieb
auch von
die
Städte
Gaswerken
übernehmen. Die fünfte Periode erfüllt das Streben der Städte, das Privatkapital aus den Gaswerken zu verdrängen und die Gasanstalten zu vergemeindlichen. Diese drei zuletzt genannten Perioden lassen — da sie ineinander übergreifen — eine zeitliche Trennung nicht zu. Die Fortschritte auf dem Gebiete der Technik werden bei dieser Einteilung außer acht gelassen, hier ist nur die wirtschaftliche Seite berücksichtigt worden.
Schnabel-Kühn,
D i e B e d e u t u n g der
Steinkohlengasindustrie.
4
50
II. Die Geschichte der Oasbeleuchtung etc.
§ 7. Die wichtigsten in Deutschland bestehenden Gaswerksgesellschaften (Kapital, Umfang und Erfolge). Neben den kommunalen Gasanstalten ist bei den Gaswerken die private Unternehmung — sei es als Einzelunternehmung, sei es als Gesellschaftsunternehmung — auch heute noch zahlreich vertreten, wenn sie auch gegen früher sehr zurückgedrängt worden ist. Im folgenden sollen die wichtigsten in Deutschland bestehenden Gaswerksgesellschaften aufgezählt werden; eine Erwähnung auch der Einzelunternehmungen würde zu weit führen 1 ). A. Inländische Unternehmungen.
1. D e u t s c h e
C o n t i n e n t a 1 - G a s - G e s e 11 s c h a f t z u Dessau. Sie wurde 1855 von dem damaligen Bankpräsidenten Nulandt mit einem Grundkapital von 1 500 000 M. gegründet; Ende des Jahres 1908 betrug es 21 000 000 M. Obligationen wurden in einer Höhe von 18 000 000 M. ausgegeben. In 15 Beleuchtungsbezirken besaß die Gesellschaft Ende 1908 20 Gasanstalten. Seit Gründung der Gesellschaft sind 5 ihrer Werke in städtische Regie übergegangen. Der Buchwert sämtlicher Werke betrug Ende 1908: 58 277 223,23 M. Dividenden wurden gegeben: 1890—1901: 10, 10, 10, 10, 10, 10, 11, 11, 12%, 13i/2, 14, 12%. 1902—1908: 10, 10, 10, 10, 8, 8%, 9%. Der Kurs der Aktien (ult.) war 1899—1908: 214; 221,25; 214,25; 210,90; 209; 211,50; 202; 179; 152,80; 163,25%. 2. A l l g e m e i n e
G a s - A k t i e n g e s e l l s c h a f t zu Magdeburg. Gegründet wurde diese Gesellschaft 1857 mit einem Aktienkapital von 3 000 000 M. Im Jahre 1904 wurden 1 500 000 M. in Obligationen aufgenommen. Im ganzen hatte sie 24 Werke in eigener Verwaltung; bis 1908 nur noch 15. Das Anlagekapital dieser 15 Werke betrug 1908: 5 412 904 M. Diese Gesellschaft hat Werke, deren Konzessionen noch bis 1939 laufen, und zwar ist von 13 Konzessionen »eine jederzeit mit einjähriger Dauer kündbar, von den anderen laufen eine bis 1909, zwei bis 1912, je eine bis 1914 und 1917, zwei Die Daten sind zum Teil durch Erkundigungen gewonnen, zum Teil den Schriften des Vereins für Sozialpolitik entnommen: Bd. 128, Gemeindebetriebe, S. 35 ff., zum Teil dem Handbuch Börsen-Werte von Arends und Moßner entlehnt.
§ 1. Die wichtigsten in Deutschland bestehenden Gaswerksgesellschaften.
51
bis 1918, je eine bis 1930, 1932 und 1936, und schließlich zwei bis zum Jahre 1939«1). Die Dividenden betrugen 1889—1898 : 4»/», 4%, 4i/„ 5%, 6, 6, 6, 6, 6, 7 % ; 1899-1908: 7, 8, 7»/2, 7y 2 , 6«/«," 7, 7, 7, 7, 6%. Der Kurs (ult.) der Aktien: 1900—1908: 126,75; 128,50; 136,50; 139; 130,10; 139,75; 136,10; 122; 107,75%. 3. G e s e l l s c h a f t f ü r G a s i n d u s t r i e . Sitz ist Augsburg. Das Aktienkapital betrug bei der Gründung im Jahre 1864: 2 000 000 fl. südd. Währung = 3 428 571,43 M. und wurde 1875 auf 2 500 000 fl. = 4 285 714,28 M. erhöht. Die 1893 ausgegebene Obligationsanleihe belief sich auf 2 000 000 M., die bis auf 200 000 M. getilgt ist. Im ganzen versorgte die Gesellschaft 23 Beleuchtungsgebiete im In- und Ausland (Österreich und Italien). Gegenwärtig betreibt sie 12 Gaswerke, an die 21 Gemeinden angeschlossen sind, und zwei Elektrizitätswerke. Das Anlagekapitalkonto der zurzeit im Besitz der Gesellschaft befindlichen Werke betrug am 30. Juni 1908: 6 076 256,79 M., wozu noch ein Baukonto (für Neubauten) von 1 293 254,95 M. kommt 2 ). In den Jahren 1907 und 1908 betrug die Dividende 11,06% und 10,50% und der durchschnittliche Kurs der Aktien war 165 und 141,50. 4. T h ü r i n g e r
Gas-Gesellschaft.
3
Sitz in Leipzig ). Gegründet wurde sie am 4. November 1867. Das Aktienkapital betrug damals 150 000 Taler, heute beträgt es 6 750 000 M. Die Höhe der ausgegebenen Obligationen 3 000 000 M. Ende 1908 unterstanden ihr 33 Gaswerke und zwei Elektrizitätswerke. Der Buchwert sämtlicher Anlagen war 1908: 18 502 197,34 M. In den Jahren 1907 und 1908 betrug die Dividende je 16%, der durchschnittliche Kurs der Aktien 289 und 271,50. 5. V e r e i n i g t e G a s w e r k e i n A u g s b u r g . Gegründet im Jahre 1884. Das Anfangskapital belief sich auf 400 000 M.; Ende 1908 betrug es 2 500 000 M. Der Betrag der ausgegebenen Obligationen hatte 1908 eine Höhe von 1 000 000 M. An Dividenden wurden die letzten Jahre 9% verteilt und der Kurs der Aktien stand 1907 und 1908 ca. 150. Die Zahl der Anstalten war 1908: 23 Gas- und 4 Elektrizitätswerke. Seit Gründung der Gesell») Vgl. Sehr. d. V. f. Sp. a. a. O. 2 ) Ist bereits abgeschrieben. 3
) F r ü h e r in G o t h a .
52
II. Die Geschichte der Gasbeleuchtung etc.
schaft sind 6 Werke in den Besitz der Kommunen übergegangen. Der Buchwert sämtlicher Werke belief sich (1908) auf 6 200 000 M. 6. A k t i e n g e s e l l s c h a f t f ü r G a s - u n d E l e k t r i z i t ä t i n C ö 1 n. Das Aktienkapital betrug bei der Gründung im Jahre 1887 100 000 M. und Ende 1908 hatte es eine Höhe von 8 000 000 M. Die Summe der ausgegebenen Obligationen betrug 5 000 000 M. Bis Ende 1908 wurden von dieser Gesellschaft 23 Gaswerke verwaltet, die einen Bauwert von zusammen 16 433 177,67 M. repräsentierten. An Dividenden wurden verteilt 1895—1908: 5, 6, 7%, 8, 8. 7, 5, 5, 5%, 6, 6. 6, 4%. Der Aktienkurs (ult.) war 1900—1908: 116,60; 110,50; 114,50; 103; 110; 119; 120; 100,50; 104,50%. »Von 25 Konzessionen laufen je eine bis zu den Jahren 1909, 1910 und 1916, je zwei bis 1918 und 1919, je eine bis 1920 und 1921, zwei bis 1922, je eine bis 1930 und 1932 und schließlich je eine bis zu den Jahren 1934 und 19491).« 7. A l l g e m e i n e G a s - u n d E l e k t r i z i t ä t s g e s e l l s c h a f t zu B r e m e n . Gründungsjahr ist 1898. Das Anfangsaktienkapital von 2 000 000M. hat jetzt eine Höhe von 3 000 000 M. An Obligationen wurden bis 1908: 1 000 000 M. ausgegeben 2 ). Die Gesellschaft war bis Ende 1908 bei 34 Werken beteiligt. Seit 1898 sind 10 Werke in städtische Verwaltung übergegangen. Das Anlage- und Betriebskapital gibt die Gesellschaft für 30 Werke (1908) zu 10 217 090,37 M., den Anlagewert zu 9 174 243,66 M. an. Dividenden wurden verteilt 1898 bis 1908 : 6, 6, 4, 3%, 4, 4, 6, 5%, 5%, 5%%. Der Kurs (ult.) betrug 1899—1908: 100,90; 87,75; 68,80; —; 79,90; 84,25; —; 98,50; 94; —%. Auch bei dieser Gesellschaft laufen die Konzessionen zum Teil recht lange. Von 30 Werken beträgt — von 1908 an gerechnet — die Konzessionsdauer bei vier Werken noch 19 Jahre, bei neun Werken noch 20 Jahre, bei drei noch 21 Jahre, bei drei noch 27 Jahre, bei je einem noch 29 und 31 Jahre, bei zwei noch 33 Jahre, bei vier noch 40 Jahre, bei einem 58 Jahre und bei einem Werke läuft die Konzession bis auf unbestimmte Zeit. Vgl. Sehr. d. V. f. Sp. *) Es sind bereits 165 000 M. zurückgezahlt worden.
§ 7. Die wichtigsten in Deutschland bestehenden Gaswerksgesellschaften.
53
Um auch kleineren Gemeinden den Bau von eigenen Gasanstalten zu ermöglichen, hat im Jahre 1902 die Berlin-Anhaltische Maschinenbau-Aktien-Gesellschaft im Verein mit der Stettiner SchamottefabrikA.-G., vorm. Didier, Stettin, der Gasmesserfabrik G. Kromschröder, Osnabrück, der Deutschen Gasglühlicht-Aktien-Gesellschaft Berlin und der Firma Cäsar Wollheim, Berlin 8. D i e G a s a n s t a l t s - B e t r i e b s g e s e l l s c h a f t m. b. H. gegründet mit einem Betriebskapital von 50 000 M. Diese Gesellschaft unterscheidet sich von den bereits genannten dadurch, daß sie keine Erwerbsgesellschaft, sondern eine Hilfsgesellschaft der Stammfirmen ist, deren Zweck ist, die von der Berlin-Anhaltischen Maschinenbau-Aktien-Gesellschaft in Gemeinschaft mit der Stettiner Schamottefabrik erbauten und in städtischem Besitz befindlichen Gaswerke auf Grund von Pachtverträgen zu betreiben und diesen Städten die Verzinsung und Amortisation der investierten Kapitalien zu garantieren. Die Bestimmungen in den Verträgen sind so gefaßt, daß eine Gefahr für die Stadt nicht besteht; denn die Stadt übernimmt die Gasanstalt in eigenen Betrieb erst dann, »wenn sie sich aus den Büchern überzeugt hat, daß dieselbe eine Rente abwirft, somit ist, da während der Zwischenzeit Zinsen und Amortisationen der Stadt vergütet werden, für die Stadt jedes Risiko ausgeschlossen. Sollte die Gasanstalt wider Erwarten innerhalb der Pachtzeit nicht rentieren, so ist doch nach Ablauf der Pachtzeit die Gasanstalt amortisiert, so daß auch dann die Stadt irgendwelches Risiko nicht mehr läuft 1 ).« Auf dieser Grundlage ist bereits eine große Reihe von Pachtverträgen mit den Stadtverwaltungen abgeschlossen worden. Bis Ende 1908 standen 32 Anstalten, eine davon mit einem Elektrizitätswerk als Nebenbetrieb und außerdem ein Wasserwerk unter der Verwaltung dieser Gesellschaft. Die Summe der Anlagekapitalien dieser Werke beläuft sich auf 5 412 000 M. B. Ausländische Unternehmung.
Die Imperial-Continental-Gas-Association. Gegründet wurde sie 1824 in London mit einem Aktienkapital von 1 750 000 £, das 1874 auf 3 500 000 £, 1885 auf 3 600 000 £ und 1887 auf 3 800 000 £ erhöht wurde 2 ). 1906 wurde das Grundkapital M Vgl. Zweck, Ziel und Aufgaben der Gasanstaltsbetriebsgesellschaft m. b. H. ') Finanzherold, 1898.
54
I I . Die Geschichte der Gasbeleuchtung etc.
um 1 140 000 £ vermehrt, so daß Ende 1908 das autorisierte Aktienkapital die Summe von 4 940 000 £ erreicht hat. Die bis Ende 1908 ausgegebenen Obligationen beliefen sich auf 1 235 000 £. Die Imperial-Continental-Gas-Association hatte bis 1908 unter ihrer Verwaltung 44 Gaswerke überhaupt, davon 14 in Deutschland, und zwar eins in Aachen, zwei in Berlin, je eins in Berlin-Großlichterfelde, Berlin-Mariendorf, Berlin-Schöneberg, Berlin-Weißensee, Britz bei Berlin, Grünau bei Berlin, Oberschönenweide bei Berlin, Frankfurt a. M., Bockenheim bei Frankfurt a. M., Hannover und Sennheim in Elsaß-Lothringen. Dividenden 1879—1897: 12, 12, 12, 12, 11, 10, 10, 10, 10, 10, 12, 12, 12, 12, 12, 12, 12, 1 2 % . — 1902—1908:
10, 10, 10, 10, 8, 8, 8%.
Die durchschnittlichen 175 und 181%.
Aktienkurse betrugen 1907 und
1908:
§ 8. Die innere Entwicklung der Gasindustrie mit besonderer Berücksichtigung der Arbeiterverhältnisse. Neben den Fortschritten, welche die Verwendung des Gases zur Beleuchtung und zur Heizung im Laufe der Jahrzehnte gemacht hat, hat die innere Entwicklung der Gasindustrie ebenfalls tiefgreifende Veränderungen erfahren. Als wichtigste darf wohl die Vervollkommnung des Gaserzeugungsbetriebes — der Retortenöfen — bezeichnet werden — hängen doch von ihrer richtigen Konstruktion nicht zum wenigsten die Erzeugungskosten des Gases und die damit bedingte Rentabilität einer Gasanstalt ab. Die allgemeine Einführung der Gasfeuerung für die Retortenöfen an Stelle der bisherigen unökonomischen Rostfeuerung 1 ) und einige Jahre später die Benutzung von schräg liegenden Retorten, der sog. Cozeöfen, gaben der Gasindustrie eine ganz neue Grundlage, bis vor kurzem der Kohlendestillation wiederum wesentlich andere Bedingungen gestellt wurden durch die Schaffung der Dessauer Vertikalöfen und der Münchener Kammeröfen, an deren weiterer Ausgestaltung die Gegenwart noch arbeitet. Die Verwendung von Wassergas, die Vervollkommnung der Reinigungsmethoden und aller sonstigen Apparate brachten nicht nur eine bessere Beseitigung der dem Rohgase beigemengten Verunreinigungen, sondern ließen auch eine bessere Verwertung der Nebenprodukte zu. ') Große Wärmeverluste.
§ 8. Die innere Entwicklung der Gasindustrie etc.
55
Die gewaltige Ausdehnung der Verbrauchsgebiete des Gases erfordert naturgemäß zur Bewältigung dieser Massenerzeugung auch eine wesentliche Vergrößerung der Anlagen, die sowohl der Produktion als auch der gewachsenen Zu- resp. Abfuhr von Rohmaterialien und Nebenprodukten dienen. Der hierdurch bedingte größere Aufwand von Arbeitskräften bringt aber eine Reihe von Mißständen mit sich, die in der heutigen Arbeiterbewegung wurzeln. Die Streikgefahr in Verbindung mit der Steigerung der Arbeitslöhne 1 ) bei gleichzeitigem Rückgang der Qualität der Arbeiter hat auch in den Gasanstalten dazu geführt, die Handarbeit zu vermindern »durch Substitution eiserner für menschliche Apparate«; also auch hier teilweise Verdrängung der menschlichen Arbeitskraft durch die kapitalistische Produktionsweise (Marx). Ermöglichten und ermöglichen bereits die neueren und neuesten Gaserzeugungsöfen eine teilweise Ersetzung der menschlichen Arbeit 2 ) sowie Erleichterung der aufzuwendenden Mühe, so geschieht dies ganz besonders auch durch die verschiedenen Transporteinrichtungen, deren Anwendung heute bis in die kleinen Werke gedrungen ist. Hierher gehören vor allem: Maschinenanlagen zur Bewegung der Rohstoffe, Nebenprodukte und Reinigungsmassen, Lade- und Entlademaschinen zur Beschickung resp. Entleerung der Retorten, Koksbrechmaschinen usw. Die Zunahme des Verbrauchs an mechanischer Arbeit und des fixen Kapitals ist die Folge, denn diese modernen Lade- und Transportmittel repräsentieren selbst bei kleineren Werken oft ganz erhebliche Kapitalsummen. Ein Gaswerk von nur 1 y 2 Mill. cbm Jahreserzeugung wendete im letzten Jahre für maschinelle Einrichtungen über 24 000 M. an und erzielte damit einen Jahresmehrgewinn von über 4000 M. Mit der Größe der Werke steigt natürlich auch der Wert dieser maschinellen Einrichtungen; sie ermöglichen aber auch die denkbar größte Ersparnis an Arbeitern und damit geringste Beeinflussung der Produktionskosten durch etwaige Lohnsteigerung. Daraus kann auch die zunehmende Bedeutung ersehen werden, welche bei ihnen die Amorti*) In den Karlsruher Gaswerken z. B. bezogen dieselben Arbeiter, die heute noch in städtischen Diensten stehen, in den Jahren 1887 und 1907 folgende Löhne: Feuerhausarbeiter Maschinisten Ofenmaurer J . G. W., 1909.
1887 . . . 995—1005 M. 1222 „ 865—975 „
1907 2051—2117 M. 2000 „ 1541—1607 „
*) Bei der Vertikalretorte wird sogar mit einer Ersparung von Arbeitskräften von 100 % gerechnet.
56
II. Die Geschichte der Gasbeleuchtung etc.
sations- und Verzinsungskosten für die gesamten Betriebskosten haben. Doch diese modernen Hilfsmittel gewähren nicht nur finanzielle Erfolge1) und betriebstechnische Vorteile (große Stetigkeit, Sicherheit, günstige Gestaltung der Betriebsergebnisse und außerdem eine gewisse Sicherstellung vor der Arbeiterfrage [Streikgefahr], weil für eine kleinere Anzahl Arbeiter eher Ersatz zu schaffen ist), sondern sie sind auch vom sozialen Standpunkte aus zu begrüßen; denn die ausgedehnte Verwendung jener Einrichtungen erleichtert 1. die schwere körperliche Arbeit, so daß auch minder kräftige Leute und ungelernte Arbeiter in großem Maße in dem Gasanstaltsbetrieb beschäftigt werden können, und 2. tragen sie auch einer günstigeren Gestaltung der gesundheitlichen Verhältnisse des Arbeiterpersonals Rechnung, insofern bei Benutzung der Lade- und Entlademaschinen mit gleichzeitiger Kokslöschvorrichtung der Ofenhausarbeiter einmal vor der Wirkung der strahlenden Wärme geschützt ist und zum andern das gesundheitsschädliche Einatmen der beim Löschen des Kokses entstehenden Wasser- und schwefligen Dämpfe verhindert wird. Sucht somit die Gasindustrie durch diese Verbesserungen auf der einen Seite technische und wirtschaftliche Vorteile zu erringen, so sorgt sie mit Recht auf der anderen Seite dafür, die menschliche Arbeitskraft — soweit sie nicht durch die mechanische ersetzt werden kann — möglichst zu schonen und das Existenzminimum ihrer Arbeiter durch angemessene Löhne zu erhöhen. Die Erhebung des Kaiserlich Statistischen Amtes über die »Regelung des Arbeitsverhältnisses der Gemeindearbeiter in deutschen Städten« 2 ) für die Jahre 1902 und 1907, denen die folgenden Ausführungen zugrunde liegen, ergibt, daß die in den Gaswerken übliche Lohnform der Zeitlohn ist. Der Akkordlohn kommt — wie in den städtischen Betrieben überhaupt (1902 waren z. B. 4,9 v. H. und 1907 3,4 v. H. der gesamten erfaßten Arbeiterschaft Akkordlöhner3) — nur sehr wenig vor. Auf vielen Gasanstalten wird im wesentlichen nur das Entladen von Kohlen, das Verladen und Sortieren des Kokses *) Oberingenieur D i c k e - Essen hat zahlenmäßig nachgewiesen, daß z. B. im Essener Gaswerk durch eine Lade- und Ziehmaschine bei 14 Öfen mit neun 3 m langen Retorten auf Doppelschicht 14 Mann weniger beschäftigt werden können, was bei 4,50 M. Schichtlohn eine Lohnersparnis von rund 23 000 M. herbeiführt. (J. G. W. 1906, S. 52.) ') Vgl. Beiträge zur Arbeiterstatistik, 1908, Heft Nr. 9. ») a. a. O., 8. 9.
§ 8. Die innere Entwicklung der Gasindustrie etc.
57
(Auslesen der Schlacken), auf einigen auch das Rohrlegen in Akkord gegeben. Was die Zusammensetzung der Zeitlöhner anbelangt, so zeigt sich, daß die ungelernten Zeitlöhner gegenüber den gelernten in den Gaswerken nur mit wenigen Ausnahmen in der Mehrzahl vertreten sind. Von 24 Städten (Altona, Barmen, Braunschweig, Bremen, Cassel, Charlottenburg, Chemnitz, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Essen, Freiburg i. Br., Görlitz, Halle, Kiel, Königsberg i. Pr., Leipzig, Lübeck, München, Würzburg, Plauen, Posen, Stuttgart, Wiesbaden) entfielen 1907 von 7687 Zeitlohnarbeitern 39,5% auf gelernte und 60,5%*) auf ungelernte. Die Erhebung unterscheidet bei den Zeitlohnarbeitern: Tage (auch Schicht-)löhner, Wochenlöhner und Monatslöhner. Was speziell die Gaswerke betrifft, so finden wir ein starkes Überwiegen der Tagelöhner. Von 29 Städten mit Gaswerken waren nur 5, in denen die Wochen- und Monatslöhner eine größere Rolle spielten. Der geringe Anteil der Wochen- und Monatslöhner bei den Gaswerken gegenüber den Tagelöhnern erhellt am besten aus der folgenden Tabelle, in der die Zahl der Lohnarbeiter, geschieden nach Tage-, Wochen- und Monatslöhnern absolut und prozentual für die Jahre 1907 und 1902 dargestellt ist. Tabelle V.') Zeit
Zahl de r Zeitlohnarbeite r (ungel ernte un d gelernte ) Tagel Ahner
Wochenlöhner
Monat slöhner
in %
in %
in %
Insge samt in °/o
1907 mit | Essen, Magde- 9994 burg und 9053 1902 ohne! W i e s b a d e n
93,8
460
4,3
201
1,9
10655
100
93,3
460
4,7
193
2,0
9706
100
1902 ohne obige Städte
95,0
239
2,9
169
2,1
8232
100
7824
Die Zusammenstellung zeigt auch, daß die Zahl der Tagelöhner 1907 gegen 1902 absolut zwar gestiegen, prozentual aber etwas gefallen ist, daß die Wochenlöhner sowohl eine starke absolute (beinahe einer Verdoppelung gleichkommend) als auch prozentuale Zunahme erkennen lassen, während sich der Anteil der Monatslöhner nur wenig verschoben hat. Eine relativ starke Veränderung in der Zahl der Wochenlöhner und Monatslöhner bei den Gaswerken haben M a. a. O., S. 8. ') a. a. O., S. 11.
II. Die Geschichte der Gasbeleuchtung etc.
58
unter den Erhebungsstädten 8 aufzuweisen, und zwar eine Zunahme in 3 (Barmen, Halle und Kiel), dagegen eine Abnahme in 5 (Cassel, Düsseldorf, Elberfeld, Posen und Stuttgart) 1 ). Bei der Darstellung der Lohnhöhe unterscheidet die Erhebung verschiedene Lohngruppen. Unter Zugrundelegung der ihnen eigentümlichen Lohnsätze bekommen wir bei den Gaswerken für die Jahre 1907 und 1902 die in Tabelle VI enthaltene Übersicht. Tabelle Tl.') Absolute Zahlen Lohngruppen Lohnsätze in Pfennigen
Unter
200
Verhältniszahlen
Von den Arbeltern der Von 100 Arbeitern der städt. Gaswerke ent- städt. Oaswerke entfallen auf die Lohn- fallen auf die Lohngruppen gruppen 1907
1902
1907
1902
211
228
2,2
2,8
200 bis u n t e r 250
101
564
250
„
275
341
884
1.0 3,5
10,7
275
„
300
511
495
5,3
6,0
300
„
325
621
1400
6,4
17,0
325
„
350
708
728
7,3
8,8
350
„
375
1384
1603
14,2
19,5
375
„
400
859
527
8,8
6,4
400
„
450
2540
1041
26,2
12,6 6,5
6,9
450
„
500
14,6
„
550
1417 676
539
500
179
7,0
2,2
550
„
600
260
39
2,7
0,5
600 u n d m e h r Zusammen
.
77
5
0,8
0,1
9706
8232
100,0
100,0
Ein Vergleich der für 1907 und 1902 gegebenen Ziffern ist natürlich für die Beurteilung der Tendenz besonders wertvoll. Obige Nachweisungen zeigen in dieser Hinsicht, daß allgemein eine Steigerung der Löhne zu beobachten ist. Während 1907 die Lohngruppe von 400 bis unter 450 Pf. die größte Arbeiterzahl aufweist, war es 1902 diejenige von 350 bis unter 375 Pf. Aus einer Betrachtung der Löhne der Mehrheit der Arbeiter geht hervor, daß 1902 63,7% der in den Gaswerken beschäftigten Arbeiter der Lohngruppe von 300 Pf. bis l
) a. a. O., S. 12. ') a. a. O., S. 19.
§ 8. Die innere Entwicklung der Gasindustrie etc.
59
unter 450 Pf. angehörten, dagegen 1907 63,8% der Arbeiter, die auf die Lohngruppen 350 Pf. bis unter 500 Pf. entfielen 1 ). Die Mehrheitslöhne zeigen demnach eine Erhöhung um 50 Pf. Für die Beurteilung der Höhe der in den Gaswerken gezahlten Löhne ist die Unterscheidung in gelernte und ungelernte Zeitlohnarbeiter von besonderem Interesse. Wir untersuchten daraufhin 19 Städte (Altona, Barmen, Braunschweig, Bremen, Cassel, Charlottenburg, Chemnitz, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Freiburg i. Br., Görlitz, Kiel, Königsberg i. Pr., Leipzig, Lübeck, Nürnberg, Plauen und Stuttgart) und fanden die in Tabelle VII aufgeführten Zahlen. Tabelle YII. Gelernte Lohngruppen Pf. „ „ „ „ „
Ungelernte
1907
1902
0,1 0,7 4,0 8,2 6,0 27,4
1,3 6,6 4,5 15,6 14,4 30,2
Unter 300 bis 325 „ 350 „ 375 „ 400 „
300 325 350 375 400 450
450 „
500 „
30,3
18,9
500 „ 550 „ 550 „ 600 „ 600 und mehr
16,1 6,2 1,0
7,8 0,6 0,1
Lohngruppen
1907
1902
2,4 2,7 5,8 10,2 11,2 7,0 17,7
4,4 8,3 15,9 8,5 19,3 11,6 26,7
375 „ 400 „ 400 „ 450 „
10,1 25,9
2,1 2,4
450 „ 500 „ 500 und mehr
5,3
0,3 0,5
Unter 200 bis 250 „ 275 „ 300 „ 325 ,, 350 ,,
200 250 275 300 325 350 375
Pf. „ „ „ ,, „ „
1,7
Bei den gelernten Arbeitern schlechthin war 1902 die am stärksten besetzte Gruppe die von 400 Pf. bis unter 450 Pf., 1907 die von 450 Pf. bis unter 500 Pf. 91,5% gehörten 1902 den Lohngruppen von unter 300 Pf. bis unter 500 Pf. an, 1907 finden wir 92,7% unter den Lohngruppen von 300 Pf. bis unter 550 Pf. und 98,9% bis 600 Pf. und mehr. Bei den ungelernten Arbeitern war 1902 die Lohngruppe von 300 Pf. bis unter 375 Pf. die am meisten vertretene, 1907 ist es die von 400 Pf. bis unter 450 Pf., 82% der Arbeiter entfielen 1902 auf die Lohngruppen von 250 Pf. bis unter 375 Pf., 1907 nur noch 51,9%; 71,9% entfielen in demselben Jahr auf die Lohngruppen von 300 Pf. bis unter 450 Pf. und 78,9% bis 500 Pf. und mehr. Um einen genaueren Einblick in die Lohnverhältnisse der wichtigsten Arbeiter in den Gaswerken — der Maschinisten, der Ma») a. a. O., S. 20.
60
I I . Die Geschichte der Gasbeleuchtung etc.
schinenwärter u. dgl., der Schlosser sowie der Feuerhaus-, Ofen- und Retortenarbeiter — zu ermöglichen, bietet die genannte Erhebung eine Fülle statistischen Materials. Stellen wir für obige Arbeiterkategorien die Lohngruppen für die Gesamtheit der betrachteten Städte zusammen — wie es in Tabelle V I I I geschieht — und vergleichen wir hierbei die Lohnverschiebungen in dem Zeitraum von 1902 und 1907, so ergibt sich, daß 1. 1902 bei den Maschinisten der Lohngruppe von 350 Pf. bis unter 375 Pf. die meiste Arbeiterzahl angehört, während es 1907 Tabelle T i l l .
Lohngruppen
Absolute Zahlen
Verhältniszahlen
Von den gelernten Arbeitern und zwar
Von 100 gelernten Arbeitern und zwar
Feuerhausarbeiter, Retortenarbeiter usw. entfallen auf die Lohngruppen
Maschinisten, Heizer usw.
Lohnsätze in Pfennigen
1907
unter 200 200 bis unter 250 »i Ii 275 »1 Ii 300 u Ii 325 n Ii 350 Ii
250 275 300 325 350 375
375 400
n
Ii
Ii
Ii
400 450
450
»,
it
1902
Schlosser
1907
5 5 36 70 182
4 23 26 93 126 317
3 4 2 41 49 206
1 3 31 12 110 53 191
194 571
200 307
186 491
168 224
500
408
128
424
105
500 Ii 550 Ii 550 ft 600 ti 600 fi 700 Ii 700 und mehr
224 102 51 4
65 21 18 1
176 61 4
22 5 2
,,
Zusammen
1
1902
—
—
1853 1329 1647
1907
1902
Maschinisten, Heizer usw.
1907
Feuerhausarbeiter, Retortenarbeiter usw.
Schlosser
entfallen auf die Lohngruppen 1907 1902 1902 1907 1902
0,0
0,2 0,2 0,1 2,5 3,0 12,5
0,1 0,3 3,4 1,3 11,9 5,7 20,6
2,8 4,8
1,3 1,9 5,8 3,8 13,0
1 37 63
17 24 75 49 169
1,9 3,8 9,8
0,3 1,7 2,0 7,0 9,5 23,9
55 348
180 440
10,5 30,8
15,0 23,1
11,3 29,8
18,1 24,2
4,2 26,7
13,9 33,9
488
236
22,0
9,6
25,8
11,3
37,4
18,2
210 84 14 4
102 4
12,1 5,5 2,8 0,2
4,9 0,6 1,3 0,1
10,7 3,7 0,2
2,4 0,5 0,2
16,1 6,5 1,1 0,3
7,9 0,3
— — —
—
—
—
0,3 0,3
—
—
0,1
—
— —
927 1304 1296 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0
diejenige von 400 Pf. bis unter 450 Pf. ist. Im Jahre 1902 entfielen 81,1% auf die Lohngruppen von 325 Pf. bis unter 500 Pf.; im Jahre 1907 8 5 , 4 % auf die Lohngruppen von 350 Pf. bis unter 550 Pf. Demnach ist eine Erhöhung der Obergrenze von 50 Pf. eingetreten. 2. 1902 sowohl als auch 1907 bei den Schlossern die Lohngruppe von 400 Pf. bis unter 450 Pf. am meisten vertreten ist. Ziehen wir jedoch den Umstand mit in Rechnung, daß 1902 81,1% den Lohngruppen von 325 Pf. bis unter 500 Pf., 1907 aber 85,4% den Lohn-
§ 8. Die innere Entwicklung der Gasindustrie etc.
61
gruppen von 350 Pf. bis unter 550 Pf. zuzumessen waren, so kommen wir zu dem Ergebnis, daß auch hier ein Hinaufrücken der Obergrenze um 50 Pf. stattgefunden hat. 3. 1902 bei den Feuerhaus-, Ofen- und Retortenarbeitern die am stärksten vertretene Gruppe die mit 400 Pf. bis unter 450 Pf. bezahlte war (33,9%), während 1907 als solche diejenige von 450 Pf. bis unter 500 Pf. (37,4%) anzusehen ist. In den Lohngruppen mit einem Arbeitslohn von 350 Pf. bis unter 500 Pf. finden sich 1902: 79,0%, 1907 waren den Gruppen mit einem Lohne von 400 Pf. bis unter 500 Pf. 80,2% zuzurechnen. Bei dieser Arbeiterklasse ist also in dem 5 jährigen Zeitraum ebenfalls eine Lohnsteigerung um etwa 50 Pf. festzustellen. Auf einen Vergleich der Löhne dieser Arbeiter für die einzelnen Städte müssen wir verzichten. Wir begnügen uns mit dem Hinweis auf die vom Kaiserlich Statistischen Amte aufgestellten Tabellen 1 ). Wurde bereits in den Tabellen V und VI auf den Anteil der Tage-, Wochen- und Monatslöhner an der Gesamtzahl der in den Gaswerken beschäftigten Zeitlohnarbeiter sowie auf den Anteil der Zeitlöhner (ungelernte und gelernte) an den Lohngruppen hingewiesen, wie er sich aus der Gesamtheit der betrachteten Städte ergibt, so sollen diese Anteile nochmals für die einzelnen Städte in der nachfolgenden Tabelle dargestellt werden. In ihr sind auch Angaben über die tägliche Arbeitszeit, über die Pausen, über die Bezahlung für Überstunden, Nachtarbeit usw. aufgenommen worden 2 ). Ein Eingehen auf den Arbeitslohn erübrigt sich, da dies bereits früher geschehen ist. Uns interessieren hier vor allem die Spalten 23—41 der Tabelle. Was zunächst die Arbeitszeit anbetrifft, so ergibt sich aus der Tabelle, daß der Schwerpunkt der in den Gaswerken üblichen Arbeitszeit 1902 wie 1907 bei 10 Stunden zu liegen kommt. Während aber 1902 von 24 Städten 6 eine größere Arbeitszeit als 10 Stunden aufweisen (Barmen, Chemnitz, Görlitz, Karlsruhe, Plauen, Posen), sind es 1907 nur noch 2 (Barmen, Karlsruhe). 1902 überwiegt bei weitem die 10 stündige Arbeitszeit, 1907 die 8—10 stündige. Es ist demnach von 1902 bis 1907 im allgemeinen eine Verkürzung der Arbeitszeit zu verzeichnen (vgl. hierzu Spalte 25 und 26). Die Länge der Arbeitszeit ist bei den Gaswerken, die Tag und Nacht betrieben werden müssen, im wesentlichen abhängig von der Schichteinteilung. Je ') Vgl. die Tabellen auf den Seiten 112—115. •) a. a. O., S. 122—125.
62
Tabelle
Arbeitszeit und Arbeitslohn
(Die gewöhnlichen Ziffern beziehen sich auf den Stand vom 1. Juli 1907, Von den Arbeitern (Sp. 2) gehören an die Lohngruppen von 0 ic FH O)
Stadt
ö
S
OS
XI 0 10 14 186 125 146 2X5 82 95 634 398 443 398 158 126 663 297 257 18 S 1147 1073 766 877 528 314 222 276 333 128 88 129 106 355 207 283 291 226 92 530 383 580 sei 154 137 310 469 324 531 40)s 271 409 185 181 152 189 481 23 6 306
166 112 64 233 82 93 612 391 430 388 158 106 606 274 164 124 1147 1073 766 677 513 441 222 23 i 333 90 86 128 106 278 207 283 291 148 86 487 368 580 361 153 137 310 414 275 531 408 258 409 150 160 152 136 481 20S 298
zusammen 10655 9994 460 zusammen 8232 7824 239 Ohne Essen, Magdeburg u, 9706 9053 460 Wiesbaden
15
16 26 2 ) 23 2 ) 46 *) 1 4 ) 1 2 )SS 5)22 "128 3 3 4 S 3 75 94 43 47 5 41 22 57
3 )26
51 3 3 23 13 16
77
«)5
1 6 )3
74 1
101 «)50 47 13 5 190 158 4 1 58 8 )54
>3)48 ")39 30
13 22
l3)4
201 169 193
1
18)42 1 »)49 44
102
TO
f
O O IC
18 19
2 2
147 106 498 512 683 220 564 884 495 1400 621
! nach
fl
20
21 22
33 47 10 2 41 4 2 — 50 6 .9 4 4 131 109 25 11 05 32 — — 51 16 - 2
_ _
—
17 — 27 5 10 97 — — 28 40 5 16 21 4 2 2 1 Ä 2 — — 3 161 73 101 16 H 43 28 59 14 — — 17 22 7 — — — 2 104 145 99 30 5 83 88 2 4 — 42 142 14 2 93 124 41 7 1 — — 81 20 4 4 — 7 — — 58 6 — — 6 5 6 4 — 30 28 36 16 2 — 22 8 1 4 8 10 1 23 50 2 14 54 ')25 70 31 22 1 28 58 10 36 51 3 — 9 37 64 41 2 8 15 10 16 17 — 9 1 2 — 3 374 25 72 — — 27 — — 22 4 95 2 32 3 11 — — — 2 3 9 38 117 3 53 179 73 60 21 2 — 26 74 23 2 2 — 30 102 117 28 42 ifi A 10 70 52 24 6 2 103 93 15 11 7 2 1 45 34 7 7 1— 2 — 30 0 15 2 4 14 12 7 3 2 2 a 47 155 125 12 2 : 5 8 45 28 — — — — 29 84 53 3 — — — —
8-10
8—JO S—10
8-11
10-11 10
8—11
10-11 10
10 10 verschieden verschieden 8—10
8—10 10
10
8—10
8—10 9\ 9 8—10
10 10 10-11 91/a 10 10 10
_
9VS 10 10 10 8—10
— _ _ _ _
8 - 9 !/2 8-91/, verschieden
__ __
-
_ _ _ _ _
708! 1384
24 8-10
_ 8-10 _ 10 10 —10-11
_
22)1
103 101 341 511
94 35 38 31 25 11 149 82 71 20 17 17 184 61 75 5 376 128 46 125 146 93 83 70 74 27 9 11
Pfg.
0 0 r^ ob f H H a> a> Ä «
272 116 50 14 15 4 92 10 8)12S 7 65 3 140 90 216 24 221 79 51 »)2 80 73 77 2 29 35 24 3 16 15 15 13 22 12 28 11 5 131 67 10 21 i 8 )50 " ) 5 4 6 36 52 19 20 75 105 19 20 14 214 68 31 20 )46 22 52 110 36 25 185 11 13 17 7 73 23)49 60 875, 1506 922 2736 1623 698 262 64 18 728'160S 527 1041 539 179 39 2 S 68 29 28 2 1
47 120 67 1 242 63 228 99 169 »)12 4 6 75
'5)4 15)65 15) 1
33 18 80 5 20
17
pa
Tägliche Arbeitszeit Abzug der Pausen im a a a3 H s ai X VI Som- Winf J3 mer ter 0 O 0 c ta O 0 0 Stunden to X
0 to H a>
I M I
Altona . . Altona . • Barmen . . Barmen . . Braunschweig Braunschweig Bremen Bremm Breslau Breslau Cassel. Cassel . Charlottenburg Charlottenburg Chemnitz Chemnitz . Cöln >0) . Cöln . . Dresden . Dresden . Düsseldorf Düsseldorf Elberfeld Elberfeld . , Essen . . . Freiburg i. Br. Freiburg i. Br. Görlitz . . Görlitz . . Hailea. S . " ) Halle a. S. Karlsruhe Karlsruhe Kiel . . Kiel . . Königsberg Königsberg Leipzig . Leipzig . Lübeck . Lübeck Magdeburg Mannheim Mannheim München München . Nürnberg Nürnberg Plauen Plauen Posen . Posen . Stuttgart Stuttgart . Wiesbaden
15
0 «5
859 2540 1417 676 260 64 13
8—10
8—10
8—10
8—10 8—10
8-10
8—10 10 10 10 8-10 8—10 10 10 1 0 - 1 2 9V.-12 10—12 10-12 10 10 10 10 8—10 8—10 10 10 10 10 10 10 11
10 8—10
10
8-10 10 10 10 10 8-9i/ 2 8—9Vt «-»Vi 8 - 9 V z 8—9V, 8-9'/, 8-10 7»/4-10 8-10 7-10 10 10 10 10 11 11 10 10 lO'l2 lO'l, 8-91/, 8-91/2 9-10 ?!/,-»'/, 8 - 1 0 8—10
—
-
i) Mit verminderter Arbeitskraft. — 2 ) Laternenwärter. — ») Ausgenommen die Wochenlöhner, Laternenwärter und 1 Arbeiter in der Ammoniakfabrik. — 4 ) Unfallinvalide. — 6 ) Darunter 2 Halbinvaliden u. 20 L a t e r n e n wärter. — 6 ) Ausgenommen die Wochenlöhner, L a t e r n e n w ä r t e r und Kohlenkarrer im Ofenhause. — ' ) Teilweise. — 8 ) Darunter 2 Rentenempfänger. — a ) Teilweise u n b e s t i m m t . — i°) Gas-, E l e k t r i z i t ä t s - u. Wasserwerke. — » ) Darunter
IX.
63
in den Gaswerken. die Kursivziffern auf den v o m 1. März 1902.) Verkürzung ) od. Verl ä n g . ( - f ) der Arbeitszeit 1907geg.l902 im Som-1 Winmer | ter Stunden 25 | 26
bis - 1 /»
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Überstunden Winter t» a> m tu 'V ö a SomÖ J 3 3 ! | Winter « I mH mer s ® O 73 •-< u o Gl Stunden P. 27 28 32 29 «0 31 Dauer der P a u s e n im
2 2 21/, 2 2
2 2 2'/, 2 2
verschieden verschieden 1V.-2 2 1—2 2 1V4 2 2 1-2 1-2 2 2 9 )2 9)2 2 2 2 2 o 2 2 2 1% - « 2 a 2'/, 2Vi verst 2 2 2 l'/,-2 2 2 2 2 - 2 Va 2 2 l'/s—2 2 2 lVi-2 £ 2 2 2 2 2 2-2>/ s 2-2V, 2 j—2 verschieden 2 1-2 2 2 2 2 2 1V.-2 1V.-2V» 1V.-2V« 21/2 «'/, lVs-2 21/2 2 2 21/4 2'/, 2 2 2 2 2 2 2 1 IV. IV, IV, 1-2 2 2 V>U-2
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20—50 ') 77,6 60 20 10—25 10 20
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10 50 SO
20 20 25
50—100 50 -100 50
50—100 50-100 50
.50—100 50-100 50
50—100 50-100 50
25—40 25 SSV,
25—40 25 331/3
10-20
10-20
33VS 3« 1 /, 20
SSI/s 331/3 20
50 l2V a -15 73 25-50 8«V.
50 15 75 25-50 SSI/a
50 15—50 75 50 3.9Va-50 50
50 15-50 75 50 331/s-SO 50
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50 20 25 10-20 331/3-50 SO 50 50 50 50 50
Lohnaufbesserung bei unangenehmer Arbeit
%
40
10 25 25
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ID CD S'S o Sü®
S o n n t a g s arbeit Winter
50 SO 25 70-20 33Vs-50 50 50 00 50 50 50
20
25 10
B e z a h l u n g (Zuschlag) f ü r Nachtarbeit Sommer Winter
41
331/3 ssv>l 20—50 30—50 verschieden 20—50 s )4 -45 60 Pf. bis 1M- tSsrl. «o jy. Ms 1M. Mgl. 10-20 10—100
bis 50
23 stündl. Öls 50 unbestimmt
verschiedèn 6-61/4 5—10 10-20
bis 50 Ws 50
bis 30 Ms 50
z. T. 50 Pf. täglich r. Hi Pf. täglich 50 i0u.70Pffd. Schicht 10
10-25 1 u. 5 Pf. stündl. 1 n. 5 Pf. stündl. 10—20
10-20, 40 Pf. täg'l. 10-20
50-100 Pf. täglich 10
50 50 50
50 50 50
50 50 50
50 50 50
verschieden verschieden verschieden
1 Invalidenrenter. — , 2 ) Darunter 1 Invalide. — , s ) Laternenanzünder. — ") Gas- u. Wasserwerke. — Laternenwärter. — •«) Darunter 1 Invalidenrentner. ") Darunter 1 Rentenempfänger. — Darunter 4 Rentenempfänger. — 19 ) Darunter 2 Arbeiter n u r teilweise arbei lähig. — 20 ) Desgl. 1 Arbeiter. — 21 ) Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke.— Darunter 1 Invalide. — 2") 1 Arbeit erdient in je 14 Tagen 23 M. durch Nebenerwerb (Laternenanzünden).
64
II. Die Geschichte der Gasbeleuchtung etc.
nachdem die Zwölfstundenschicht oder die Achtstundenschicht besteht, ist auch die Wechselschicht verschieden; bei der ersteren beträgt sie in der Regel 24 Stunden, bei der letzteren 12. Die allgemeine Einführung der Achtstundenschicht wird vor allen Dingen von den Feuerhausarbeitern angestrebt. Es ist dies gerade für diese Arbeiterkategorie eine Forderung, die durchaus als berechtigt anerkannt werden muß; in mehreren Städten ist sie bereits verwirklicht worden. Nach der Statistik der Gasarbeiterverhältnisse an 30 Gaswerken in Rheinland und Westfalen 1 ) haben unter 30 Städten 10 den Achtstundentag eingeführt, und nach einer Erhebung des »Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter« gab es deren 462). Ist auch eine weitere Ausbreitung des Achtstundentages nur zu wünschen, so mögen wegen der damit verbundenen höheren Betriebsausgaben aber gerade manche Städte davor zurückschrecken; denn in der Regel wird trotz gekürzter Arbeitsschicht der bestehende Schichtlohn weitergezahlt. Die Mehrausgaben durch Einführung des Achtstundentages geben die Städte sehr verschieden an. Mainz z. B. mit 30—32%, Essen mit etwa 33 1 / 3 %, Köln mit 50°/o (bei 33Va% Arbeitsverkürzung) 3 ). Von den drei Achtstundenschichten, in welche die 24-Stundenschicht zerlegt wird, fällt zumeist die erste in die Zeit von 6 Uhr bis 2 Uhr, die zweite von 2 Uhr bis 10 Uhr und die dritte von 10 Uhr bis 6 Uhr; nur zwei Städte machen davon eine Ausnahme; sie verlegen die drei Schichten von 7 Uhr bis 3 Uhr, von 3 Uhr bis 11 Uhr und von 11 Uhr bis 7 Uhr. Der Schichtwechsel geht überall so vor sich, »daß am Sonntag 2 Zwölfstundenschichten einander folgen, so daß jeden dritten Sonntag 24 Stunden arbeitsfrei sind. Nur in Essen findet statt dessen am Sonntag eine 16-Stundenschicht statt, so daß am dritten Sonntag 24 Stunden dienstfrei werden4). Auf diese Weise wird den Arbeitern auch die Sonntagsruhe ermöglicht. Die Dauer der den Gasarbeitern gewährten Pausen ist in den einzelnen Städten verschieden bemessen; sie bewegt sich in der Regel zwischen 1 y2 und 2 y2 Stunden. Damit verlassen wir die Darstellungen über die tägliche Arbeitszeit und über die Länge der Pausen und wenden uns der Bezahlung l
) Zitiert in Heft 9 der Beiträge zur Arbeiterstatistik, S. 33. Diese Statistik ist nach dem Stande vom Januar 1907 von der Direktion der städtischen Gas- und Wasserwerke Remscheid aufgestellt worden.' ') Zitiert a. a. O., S. 34. Zusammengestellt nach dem Stande von Mitte Juni 1908. ») a. a. O., S. 35. «) a. a. O., S. 35.
65
§ 8. Die innere Entwicklung der Gasindustrie etc.
für Überstunden, Nachtarbeit, Sonntagsarbeit und der Lohnaufbesserung bei unangenehmer Arbeit zu; neben der Bezahlung auch ihr Vorkommen zahlenmäßig zu erfassen, wurde großer Schwierigkeiten halber für nicht angängig gehalten. Über die Höhe der Bezahlung von Überstundenarbeit usw. geben die Spalten 29—41 der Tabelle Aufschluß. Die Zuschläge zerfallen in 1 ): I. Z u s c h l ä g e Kein Zuschlag: 10% 12%% 20% 25%
» » » »
25—40% 25—50%,
» i)
für
Überstundenarbeit.
Altona, Braunschweig, Cassel, Charlottenburg,Chemnitz,Görlitz,Halle,Plauen,Posen Essen, Lübeck, Wiesbaden Mannheim Dresden, Düsseldorf, Karlsruhe . . . . Barmen, Elberfeld, Freiburg, Kiel, Magdeburg Königsberg Breslau, München, Nürnberg
33Va% " Cöln, Leipzig 50% » Stuttgart 4—45 Pf. pro Stunde Bremen II. Z u s c h l ä g e Kein Zuschlag:
10% 10—20% 12%—15% 20% 25% 20—33 1 / 3 %
» » » »> »> »
33V3% 25—50% 50%
» » »
9 Städte, 3 » 1 Stadt, 3 Städte, 5 » 1 Stadt, 3 Städte,
2 » 1 Stadt, 1 » insgesamt 29 Städte. für
Nachtarbeit.
Barmen, Braunschweig, Charlottenburg, Chemnitz, Görlitz, Halle, Nürnberg, Plauen, Posen Essen Lübeck Mannheim Düsseldorf Dresden, Elberfeld Altona
Leipzig Breslau, München Cassel, Cöln, Freiburg, Kiel, Magdeburg, Stuttgart, Wiesbaden 5 0 — 1 0 0 % »> Karlsruhe 4—45 Pf. pro Stunde Bremen
9 1 1 1 1 2 1
Städte, Stadt, » » » Städte, Stadt,
1 » 2 Städte, 7 » 1 Stadt, 1 »
insgesamt 29 Städte. M a. a. O., S. 2 5 — 2 7 . Schnabel-Kühn,
Die B e d e u t u n g der Steinkohlengasmduslrie.
r>
66
II. Die Geschichte der Gasbeleuchtung etc.
III. Z u s c h l ä g e
für
Sonntagsarbeit.
Kein Zuschlag: Braunschweig, Görlitz, Halle, Königsberg, Plauen, Posen 6 Städte, 10—25% » Charlottenburg 1 Stadt, 20% » Altona, Chemnitz, Lübeck 3 Städte, 25% » Dresden 1 Stadt, 1 33 / a % » Leipzig 1 » 15—50% » Mannheim 1 » 20—50% » Breslau 1' » 33V8—50% » Düsseldorf 1 » 50% » Barmen, Cassel, Cöln, Elberfeld, Essen, Freiburg, Kiel, Magdeburg, München, Nürnberg, Stuttgart, Wiesbaden . . . . 12 Städte, 50—100% »> Karlsruhe 1 Stadt, 4—45 Pf. pro Stunde Bremen 1 » insgesamt 29 Städte. IV. Z u s c h l ä g e
f ü r besonders u n a n g e n e h m e
Arbeit.
Kein Zuschlag: Cöln, Essen, Görlitz, Halle, Magdeburg, Mannheim, Posen 7 Städte, 5—10% u. 10% » Düsseldorf, Königsberg, Plauen . . 3 » 10—20% » Breslau, Lübeck, München . . . . 3 » bis 30% » Freiburg 1 Stadt, 33VS% » Altona 1 » 20—50% » Barmen, Cassel, Elberfeld, Kiel . 4 Städte, bis 50%, 50% » 1—5 Pf. pro Stunde Leipzig 1 Stadt, bis 50% pro Tag Karlsruhe 1 » 50—100 Pf. pro Tag Bremen, Nürnberg 2 Städte, 23 Pf. pro Stunde Charlottenburg 1 Stadt, Verschieden und ununbestimmt: Braunschweig, Chemnitz, Dresden, Stuttgart, Wiesbaden 5 Städte, insgesamt 29 Städte. Nach den Ausführungen des Statistischen Amtes ist dieser Zusammenstellung kein allzugroßer Wert beizulegen, da »die Bedeutung der Zuschläge auch von gleicher prozentualer Höhe, ganz abgesehen
§ 8. Die innere Entwicklung der Gasindustrie etc.
67
von der Häufigkeit der Überstunden usw. verschieden ist, je nach der Höhe des Grundlohnes, je nach der Länge der normalen Arbeitszeit und je nach den sonstigen Bestimmungen über die Zeiten, die als zu bezahlende Überstunden anzurechnen sind«1). Mit diesen Betrachtungen glauben wir einen Überblick über das Arbeitsverhältnis der wichtigsten Arbeitergruppe, der Zeitlohnarbeiter, gegeben zu haben. Auf die Lohnverhältnisse der in Akkord stehenden Arbeiter soll, da ihre Zahl gering ist, nur kurz eingegangen werden. Für das Entladen von Kohlen beträgt z. B. in Altona der höchste Akkordwochenverdienst 40 M., der mittlere 36 M. und der niedrigste 32 M.; für die nämlichen Arbeiten in Charlottenburg 42 M., 39 M. und 36 M.; in Stuttgart sind hierfür 58,80 M. höchster und 51,80 M. niedrigster Akkordwochenverdienst. In München bewegt sich für die Rohrleger der höchste Verdienst zwischen 32,72 M. und 52 M., der mittlere zwischen 30,13 M. und 49,25 M. und der niedrigste zwischen 27,54 M. und 46,49 M. Für Kohlenlöschen beträgt in Lübeck der mittlere Akkordwochenverdienst 54,60 M. Im übrigen verweisen wir auf die vom Statistischen Amte gegebenen Tabellen selbst2). Nach der Darstellung der Lohnverhältnisse in den Gaswerken soll im folgenden noch der weiteren Einrichtungen Erwähnung getan werden, die sie zugunsten ihrer Arbeiter getroffen haben. Die staatliche soziale Gesetzgebung Kaiser Wilhelms I. führte am 1. Oktober 1885 zur Gründung der Berufsgenossenschaft für Gasund Wasserwerke, deren Zweck ist, alle im Betrieb Tätigen, also vor allem Betriebsleiter und Arbeiter gegen Unfall zu versichern. Im Jahre 1908 sind dort zusammen 70 079 Personen versichert gewesen; hiervon entfallen auf Gaswerksbetriebe ungefähr zwei Drittel, d. s. rund 46 720 Personen. 1908 sind im ganzen rund 624 595 M. an Beträgen erhoben und rund 548 600 M. Entschädigungen 3 ) an Verletzte, Erwerbsunfähige, Witwen usw. gezahlt worden. Von 1886—1908 sind von den Mitgliedern, d. s. die einzelnen Gaswerke, rund 6 175 701 Mark an die Berufsgenossenschaft abgeliefert worden. An Entschädigungen wurden in dieser Zeit gezahlt rund 5 276 646 M. Nach Erkundigungen bei dem Vorstande der Berufsgenossenschaft dürften diese Summen, auf die Gaswerke allein berechnet, ungefähr den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Bei dieser Gelegenheit sei auch darauf aufmerksam gemacht, daß die Unfallsgefahr bzw. die Häufig») a. a. O., S. 25. «) a. a. O., 8 . 1 0 1 — 1 1 1 . 3 ) Einschließl. der Kosten der Fürsorge innerhalb der gesetzlichen Wartezeit. 5«
68
II. Die Geschichte der Oasbeleuchtung etc.
keit von Verletzungen im Betrieb von Gaswerken keineswegs größer ist als z. B. in Elektrizitätswerken. Die Statistik lehrt, daß — wenn die Anzahl der Arbeiter in Betracht gezogen wird — die Arbeit in Gasanstalten sogar verhältnismäßig weniger Verletzungen im Gefolge hat als die Arbeit in den Elektrizitätswerken. Schäfer hat die in den Jahren 1901—1905 vorgekommenen Unfälle in der Gasanstalt bzw. im Elektrizitätswerk zu Dessau ermittelt und kommt dabei zu dem Besultate, daß »im Jahresdurchschnitt im Gaswerksbetriebe einer von 14 Arbeitern einen Unfall erlitt, beim Elektrizitätswerk hingegen schon einer von neun. Soweit von anderen Städten Verzeichnisse vorliegen — in Dresden z. B. kamen im Jahresdurchschnitt in den Gasanstalten einer von 13,2 Arbeitern zu Schaden, in den Elektrizitätswerken schon einer von 11,6 —, bestätigen diese relativ größere Unfallhäufigkeit im Betriebe der elektrischen Zentralen 1 ).« Wird den vorgekommenen Unfällen näher nachgegangen, so tritt die Tatsache zutage, daß es sich dabei fast nur um Vorgänge handelt, »wie sie in jedem mit Werkzeugen, Geräten, Maschinen, Schmiedefeuern u. dgl. arbeitenden Betriebe vorzukommen pflegen, und nur in verschwindend geringem Maße um Vorkommnisse, welche auf dieEigenart und die besonderen Gefahren der Betriebe zurückzuführen sind« 2 ). Neben der gesetzlichen Fürsorge suchen die Gaswerksverwaltungen auch sonst noch durch Schaffung und Unterstützung von Wohlfahrtseinrichtungen Gesundheit und Wohlbefinden ihrer Arbeiter zu fördern und zu heben: Wasch- und Badeangelegenheiten, genügend große Aufenthalts- und Speiseräume, Kaffeeküchen, wo sich auch meist Gelegenheit zum Speisewärmen findet, kostenlose oder billige Bereitstellung von Kaffee- und Teegetränk, Mineralwasser. Bei vorkommenden Unglücksfällen oder Erkrankungen (im Betrieb): unentgeltliche Lieferung der nötigsten Verband- und Heilmittel. Außerdem gewähren die meisten Werke ihren Arbeitern unter Berücksichtigung der Dienstzeit besondere Vergünstigungen, wie: Erholungsurlaub unter Fortzahlung des vollen Lohnes 3 ), Mietszuschuß 4 ), Teuerungszulagen unter Berücksichtigung des Familienstandes 6 ), Ent1 ) Vgl. S c h ä f e r , Die angebliche Gefährlichkeit des Leuchtgases im Lichte statistischer Tatsachen, 1906, S. 43—45. 2 ) Vgl. S c h ä f e r , Die angebliche Gefährlichkeit des Leuchtgases im Lichte statistischer Tatsachen, 1906, S. 43—45. 3 ) Näheres: Beiträge zur Arbeiterstatistik, 1909, Heft 10, S. 80. l ) a. a. O., S. 57. 4 ) a. a. O., S. 55.
§ 8. Die innere Entwicklung der Gasindustrie etc.
69
fernungszulagen, wodurch den Arbeitern ermöglicht werden soll, an den Rand der Städte, also in gesündere Gegenden zu ziehen (durch diese Zulage sollen ev. Bahnfahrten zum Teil gedeckt werden) 1 ), Unterstützung namentlich der verheirateten Arbeiter während militärischer Übungen 2 ), Lohnfortzahlung bei Arbeitsverhinderung infolge Ausübung der allgemeinen Staatsbürgerp fliehten und persönlicher Behinderung 3 ), Gewährung von steigenden Jahresprämien 4 ), Zahlung von Dienstprämien 5 ), Erleichterungen beim Bezüge von Gas und Koks, Zuschuß im Krankheitsfalle über das gesetzliche Krankengeld hinaus 6 ). Soweit die Städte nicht selbst für ihre arbeitsunfähig gewordenen Arbeiter sorgen, bestehen an den städtischen Anstalten, namentlich aber an den Werken der Gaswerksgesellschaften, noch besondere Pensionskassen 7 ) sowie Witwen- und Waisenkassen 8 ). Auf einzelnen Gaswerken wird den Arbeitern zur gärtnerischen Bebauung das auf den Gasanstalten verfügbare Gelände kostenlos zur Verfügung gestellt, wodurch die Arbeiter in die Lage versetzt werden, sich einen Teil ihres Bedarfs an pflanzlichen Lebensmitteln ohne Unkosten selbst zu ziehen 9 ). Dem Bau von gesunden und billigen Wohnungen für Gasarbeiter scheinen bis jetzt nur die Gaswerksverwaltungen zu Köln und Kiel Beachtung geschenkt zu haben. Diese geringe Betonung mag ihren Grund darin zu suchen haben, daß die übrigen Städte selbst den Bau von Kleinwohnungen für die Gesamtheit der städtischen Arbeiter in Angriff genommen haben. Die Bestimmungen über die Benutzung der Wohlfahrtseinrichtungen, deren weiterer Ausbau unter Zuhilfenahme eines Teiles der durch die maschinellen Einrichtungen erzielten Ersparnisse als wünschenswert erachtet wird, sind jedoch bei den einzelnen Werken zu verschieden, als daß sie hier eine Aufzählung finden könnten. Als weitere für die Gasindustrie wichtige soziale Einrichtung sind noch die Gasmeister- und Gasinstallationsschulen zu erwähnen. Das Verdienst, den Mangel an brauchbaren Meistern für den Betrieb a. a. O., S. 62. ») a. a. O., S. 75. ») a. a. O., S. 75. 4 ) a. a. O., S. 63. «) a. a. O., S. 52—53. •) a. a. O., S. 124—129. ') a. a. 0 . , S. 89. •) a. a. O., S. 119—123. •) Geschieht z. B. in Königsberg i. Pr. und auf den Gasanstalten der Gasanstaltebetriebsgesellschaft m. b. H.
70
II. Die Geschichte der Gasbeleuchtung etc.
und das Installationswesen gemildert zu haben, muB der Privatunternehmung zugewiesen werden. Die Deutsche Continental-Gas-Gesellschaft war die erste, die bahnbrechend auf diesem Gebiete vorging. 1897 errichtete sie in Dessau zunächst für ihre eigenen Gasanstalten eine Gasmeisterschule, deren Zweck war, qualifizierten Handwerkern, wie Schlosser, Maurer, Klempner usw., die für die Stellung von Gasund Installationsmeistern erforderlichen theoretischen und praktischen Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen. Den jungen Leuten werden ev. Reisekosten ersetzt; sie erhalten ihren Lohn als Arbeitnehmer der Gasanstalt (4,50 M. pro Tag); ein Lehrgeld wird nicht erhoben 1 ). 1903 errichtete eine gleiche Anstalt die Gasanstaltsfirma C. Franke in Bremen, die an die dortige Fachschule angegliedert worden ist. Seitdem sind an mehreren Orten Deutschlands derartige Unterrichtskurse an den gewerblichen Fach- und Fortbildungsschulen mit Erfolg abgehalten worden. Die Kosten sollen für solche Schulkurse gedeckt werden: einmal durch ein mäßiges Schulgeld, zum andern durch Beiträge der einzelnen Gasanstalten, des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachmännern sowie dessen Zweigvereine, der Innungen, des Staates und der Stadtgemeinden, 1 ) Von den in den 5 Kursen aufgenommenen 75 Aspiranten wurden im> ganzen 56 als Meister ausgebildet; die Gesamtkosten betrugen 72 394,16 M.
III. K a p i t e l .
Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft.
§ 9. Die Bedeutung der Gaswerke für die Gemeinden als solche. 1. D i e B e d e u t u n g d e r G a s w e r k e a u f d e m G e b i e t der ö f f e n t l i c h e n B e l e u c h t u n g . Das Aufkommen der Fabrikindustrie und ihre lokale Konzentration in den Städten führte notwendigerweise nicht nur zu einem gewaltigen fortdauernden Anwachsen der letzteren, sondern brachte den städtischen Verwaltungen auch eine Reihe ganz neuer Aufgaben, die der Hauptsache nach in der Schaffung gesunder Lebensbedingungen für die in den Städten zusammengedrängten Volksmassen sowie in der Regelung und Erleichterung der dort sich abspielenden Produktions- und Distributionsprozesse bestehen. Bei dem lebhaften Personen- und Wagenverkehr, wie er sich namentlich um die Mitte des vorigen Jahrhunderts innerhalb der Städte zu entwickeln begann, vermochte die dürftige ölbeleuchtung keine genügende Sicherheit mehr zu bieten und es machte sich daher ein Bedürfnis nach einer besseren Beleuchtung der Straßen und öffentlichen Plätze bei eintretender Dunkelheit immer dringender geltend. Die Erkenntnis, daß eine gute Beleuchtung zur Erhöhung der Sittlichkeit und Sicherheit des stetig anwachsenden Verkehres während der Nachtzeit sowie zur Vermehrung des Schutzes des in den Städten in großen Massen angehäuften Eigentums wesentlich beiträgt, hat die Einführung der Straßenbeleuchtung mit Gas, zu der sich später diejenige mit Elektrizität gesellte, immer allgemeiner werden lassen. Ohne diese beiden Lichtquellen wäre heute das städtische Leben, insbesondere das großstädtische, undenkbar. Ihre ausgedehnte Anwendung ist ein wirk-
72
III. Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft.
samesMittel, Unglücksfälle, Verbrechen aller Art, wenn auch nicht vollständig zu verhüten, so doch ihr Vorkommen wenigstens zu verringern. Die Privatunternehmung hat sich zuerst — wie oben gezeigt — dieser darauf gerichteten Bedürfnisbefriedigung bemächtigt und der in England gemachten Erfindung des Leuchtgases durch Erbauung von Gaswerken auch in den deutschen Städten Eingang verschafft. Die Gemeinden traten erst allmählich nach Überwindung manchesterlicher Anschauungen mit dem Bau und Betrieb von Gasanstalten auf und suchen seitdem mit Erfolg, das Privatkapital aus ihnen zu verdrängen, und gerade die Straßenbeleuchtung mag hierfür in den meisten Städten den ersten Anstoß gegeben haben. Dadurch, daß sich die öffentliche Beleuchtung dem Privateigentum entzieht, aus dem Kreis der Gegenstände mit besonderen Vorrechten herausgerissen wird, wird sie sozialisiert, zu einem Gemeingut aller. Das künstliche Licht auf der Straße — heute ein fast ebenso demokratisches Gut wie das natürliche — genießt der Arme in demselben Maße wie der Reiche, nur mit dem Unterschiede, daß der letztere dafür zu den kommunalen Abgaben herangezogen wird, während der erstere davon ganz befreit ist. In welchem Maße Gas zur öffentlichen Beleuchtung angewendet wird, darüber gibt die folgende Tabelle Aufschluß, in welcher für einige Städte der Prozentsatz des Gasverbrauches im Verhältnis zum Gesamtverbrauch und der Gaskonsum pro Kopf der Bevölkerung angegeben ist. Aus ihr ist zu ersehen, daß unter den Städten mit über 100 000 Einwohnern Berlin und Stuttgart am wenigsten, Bremen, Cöln und Hamburg am meisten Gas zur öffentlichen Beleuchtung benutzen; unter den Städten mit unter 100 000 Einwohnern sind es Gottesberg und Myslowitz resp. Schmollen, Zabrze und Siegen. Etwas anders gestaltet sich das Bild, wenn der Gasverbrauch zur öffentlichen Beleuchtung auf den Kopf der Bevölkerung berechnet wird. Nach dieser Hinsicht geordnet, gebrauchen in den Städten mit über 100 000 Einwohnern Danzig und München am wenigsten, Cöln, Hamburg und Bremen am meisten Gas zur öffentlichen Beleuchtung; unter den Städten mit unter 100 000 Einwohnern sind es Gottesberg und Zabrze bzw. Brühl, Zittau und Siegen. Die gesteigerte Befriedigung der Kollektivbedürfnisse zog auch eine bessere Befriedigung des Einzelbedarfs nach sich, und wir sehen, wie die Benutzung des Gases als Licht (zifgleich auch als Wärmeund Kraft-)quelle auf die Wohnungen, Werkstätten, Fabrikräume tibergreift und dort zur Hebung der Volkswohlfahrt beiträgt.
§ 9. Die Bedeutung der Gaswerke für die Gemeinden als solche. a S o •a v
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187
942
°/o
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—
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im J a h r e 1904
gegen
12,88
871 =
6,32
370 748 =
5,17
°/o 2,42 12,73 7,65
„
5,47
-
1,39
1,86
1 969 382 =
27,48
32,90
100 000
108
373
1,51
»
450 402 =
6,28
6,91
105 024
1,46
1,82
0,47
0,55
=
33 540
_
114 628
1,60
1,44
181
930 =
2,54
2,11
397
282 =
5,54
5,75
140 271 =
1,96
2,03
97
466 =
1,36
„
1,63
1 535
715 =
21,42
„
14,73
Aus diesem Rechenschaftsbericht ist ersichtlich, daß, wenn wir von den unter Rubrik 16 genannten »Sonstigen Einnahmen«, die sich der Hauptsache nach aus dem Wirtschaftsüberschuß aus dem Jahre 1904 mit 1 030 288 M. = 14,37% zusammensetzen, absehen, die Erträgnisse des Gaswerks nach den Umlagen — das will besagen nach den direkten Steuern — am meisten dazu beitragen, die steigenden Bedürfnisse der Gemeinde befriedigen zu helfen. a
F u c h s , Materialien zu den »Genieindebetrieben«, 1909, S. 3 (Halle). ) Sehr. d. V. f. Sp., 126. Bd., S. 143.
§ 9. Die Bedeutung der Gaswerke für die Gemeinden als solche.
87
Neben den städtischen Gasanstalten werden vielfach auch private Werke im Interesse der städtischen Finanzen herangezogen und müssen vertragsmäßig festgelegte Summen an die Stadtkasse alljährlich abliefern. Soviel wir wissen, haben derartige Bestimmungen nicht zu allem Anfang in den Verträgen, wie sie zwischen dem Unternehmer und der Stadtgemeinde abgeschlossen wurden, gestanden, sondern sind erst später in diese, z. B. bei Erneuerungen, aufgenommen worden. Soweit solche Werke in den verschiedenen Jahrgängen des Statistischen Jahrbuches deutscher Städte angeführt wurden, sind sie in der nachfolgenden Tabelle zusammengestellt worden. Tabelle V. Von privat. Gaswerken wurden i.d. folg. Jahren folg. Beträge in M. a. d. Stadt kasse abgeliefert: Städte 1890/91
10
00
Aachen . . . . 118 581 Augsburg ') . . 76 572 Berlin Cöln Dortmund. . . Erfurt Frankfurt a. M. 177 0 4 8 Frankfurt a. 0 . Hamburg 1 ) . . 2 6 3 1 5 1 6 Hannover . . 215 Metz 52 631 München . . . Potsdam . . . 18 555 Schöneberg . . Stettin 3 ) . . . Stuttgart 4 ) . . 238 312
1896/97
1900/01
1901/02
1902/03
1903/04
1904/05
1905/06
1906/07
110 642
149 936
151 8 8 9
155 936
158 471
164 663
171 605
1 7 7 917
—
—
—
467 6 1 4
—
—
12 0 0 0
—
—
37 747 30 484 •>01! 8 5 0 10 000 —
428 243 —
48 000
54 518
_
270 663 270 663
566 682 37 5 5 9
35 455
40160
3 0 9 887
306 752
41 8 5 8
40160 36 422
—
333 025
353 103
_ _
,
— — —
—
— —
—
—
—
111 080
—
—
152 615
—
—
181 519
—
205 844
239 049
2 000
2 000
—
Ist keine bare Summe zu zahlen, so besteht die Leistung, die das private Gaswerk dann der Gemeinde zu gewähren hat, fast überall darin, daß es das Gas zur Beleuchtung der Straßen, der Plätze und der öffentlichen Gebäude zu einem erheblich billigeren Preise als für ') Es wurden der Stadt 720 000 cbm Gas unentgeltlich geliefert (1906/07). *) Verpachtet. *) Außerdem kostenlose Straßenbeleuchtung des Versorgungsgebietes. *) Stuttgart erhebt eine städtische Gassteuer: pro cbm Leuchtgas 4 Pfg., Nutzgas 1 Pfg.
—
88
III. Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft.
private Benutzer zu liefern hat. Diese Leistungen bzw. diese Beträge sind lediglich als Entgelt für die Gewährung eines Gasversorgungsmonopols und für die Überlassung des städtischen Grund und Bodens zum Legen von Leitungsröhren aufzufassen. Als was stellen sich nun diese Überschüsse der städtischen Gasanstalten dar? Viele glauben — vor allem die Sozialisten — diesen Überschüssen einen Steuercharakter beimessen zu können. Dem ist aber nicht so. Wir sind vielmehr der Ansicht, in ihnen einen Unternehmergewinn zu erblicken; denn was aus den Einnahmen nach Abzug der jährlich laufenden Ausgaben, der Zinsen, der Amortisationsquote für die Anlagewerte (für das Anlagekapital sowie die Abschreibungen für Verminderung und Abnutzung der Einrichtungen), der in den Erneuerungsfonds fließenden Summen übrig bleibt, ist nichts anderes als ein Unternehmergewinn, den die Stadtgemeinde als Besitzerin und Bewirtschafterin einer Gasanstalt aus ihr zieht. Schon des finanziellen Risikos wegen müßte normalerweise eigentlich jede Stadtgemeinde einen Gewinn aus ihren großen gewerblichen Unternehmungen herauszuwirtschaften suchen. Diesen Gewinn aber für versteckte Verbrauchssteuern zu erklären, hätte nur dann eine gewisse Berechtigung, wenn die Städte danach strebten, Überschüsse zu erzielen, die weit über den üblichen Unternehmergewinn hinausgingen. Das Eintreten dieses Falles wird aber immer zu den Ausnahmen gehören, würden doch dann sofort die betreffenden Interessenten durch den Bürgerausschuß eine Reduktion der Gaspreise herbeizuführen suchen. Ganz abgesehen davon, schließen sich hohe Überschüsse und niedrige Gaspreise nicht etwa aus, sondern lassen sich wohl miteinander vereinbaren. Berlin z. B. hat den niedrigsten Gaspreis in Deutschland (12,35 Pf. pro cbm) und erzielt dennoch jährlich den höchsten Einnahmeüberschuß (im Jahre 1906/07 von rund 14 Mill. M.). An einer anderen Stelle wird nachgewiesen werden, daß die Überschüsse der Gaswerke nicht allein den Einnahmen aus der Gasabgabe, sondern auch den Erträgnissen aus den Nebenprodukten und den technischen Verbesserungen zu verdanken sind. Außerdem besitzen ja auch die Kommunen Betriebe, die ihre Kosten nicht decken können und jedes Jahr ganz beträchtliche Zuschüsse erfordern, welche die Gemeinden aber im Interesse der Allgemeinheit betreiben müssen. Die einzelnen Städte könnten aber dabei in eine sehr schiefe Lage kommen, ständen ihnen nicht Überschüsse aus einigen anderen kommunalen Werken zur Verfügung. Und dann ist noch des weiteren zu gedenken, daß gerade das Mittel der Überschußwirtschaft »in den schwerbelasteten Industriegemeinden
§ 9. Die Bedeutung der Gaswerke für die Gemeinden als solche.
89
erst zu manchem Fortschritt ermutigt hat 1 )«. So wurde in Remscheid mit Hilfe der Überschüsse der Gasanstalt die Möglichkeit gegeben, die große Kosten verursachenden Vorarbeiten zur Errichtung einer Grundwasseranlage, der später eine Talsperre folgte, zu decken. Den Stadtgemeinden kann aber auch Gelegenheit geboten werden, »Zwecke zu fördern, für welche Steuermittel nicht so leicht verwendet würden, insbesondere diejenigen Veranstaltungen, welche vielleicht über das Maß des unbedingt Notwendigen hinausgehen, auf denen aber gerade im Leben des einzelnen wie im Leben einer Stadt die Kultur beruht 2 )«. Hierher gehört z. B. die Verschönerung einer Stadt durch Anlegen von Parks, durch Aufstellung von Kunstdenkmälern, Errichtung von Lesehallen usw. Diese Seite darf jedenfalls nicht unbeachtet bleiben, »wenn die sozialpolitische Berechtigung der aus den Gemeindebetrieben schlechthin gewonnenen Überschüsse gezeigt werden soll 3 ).« Liegt es überhaupt im Interesse der Allgemeinheit, daß die Städte in allen ihren gewerblichen Unternehmungen das Kostendeckungsprinzip befolgen und auf einen Unternehmergewinn verzichten ? Als Vertreterin der Gesamtheit der Stadtbewohner wohl schwerlich; denn das hieße — da ja nicht alle Einwohner ohne Unterschied von dem Gaswerk in gleichem Maße Gebrauch machen — einen bestimmten Einwohnerkreis vor einem andern, Interessierte vor Minderinteressierten, begünstigen. Und schon aus diesem Grunde wird daher die Stadt im Gesamtinteresse auf einen Unternehmergewinn gar nicht Verzicht leisten können. Daß die Allgemeinheit sogar will, daß kommunale Betriebe gut rentieren und Gewinne abstoßen sollen, beweisen die Londoner Gemeindewahlen des Jahres 1907, wo die Schuldenlast und die schlechte Verzinsung mehrerer städtischer Unternehmungen die Wahlparole gegen das sozialistisch angehauchte Stadtregiment bildete und den Sturz der bisherigen Mehrheit herbeiführte. Die Bedeutung der Gaswerke für die Kommunen in finanzieller Beziehung klarzulegen, ist hiermit versucht worden; sie ist im allgemeinen um so höher anzusetzen, je größer die Ausgaben und je geringer die Einnahmen aus anderen gewerblichen Unternehmungen oder sonstigen Veranstaltungen einer Stadt sind. Ehe wir jedoch diesen Abschnitt verlassen, dürfte der Hinweis auf die Summen nicht uninteressant sein, welche in einer Gasanstalt in einem Jahre umlaufen können. Als Beispiel sollen uns die Berliner ') Vgl. B u c c e r i u s , Sehr. d. V. f. Sp., 2. Bd., 6. Teil, ) Vgl. Schriften d. V. f. Sp., Bd. 129, 3. Teil, S. 33. ») Ebenda Bd. 129, 6. Teil, S. 25. 2
1909, S. 25.
90
III. Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft.
städtischen Gaswerke dienen. Vergleichen wir nämlich den Etat von deutschen Staaten mit dem der Berliner städtischen Gaswerke, so ergibt sich hierbei folgendes Bild 1 ): Der Etat der Gaswerke bilanzierte in Einnahmen und Ausgaben 1899 25 053 242 M. 1908 56177 414 „ Zum Vergleich seien die Etats folgender deutschen Staaten angeführt: Oldenburg 23 360 000 M. Braunschweig 26 501 000 „ Bremen 34 413 000 „ Mecklenburg-Schwerin . . . . 53 777 000 „ Elsaß-Lothringen 58 103 000 „ Die Zahlen lassen die interessante Tatsache erkennen, daß vor zehn Jahren der Etat der Berliner Gaswerke etwa eine gleiche Höhe aufwies wie der von Oldenburg oder Braunschweig; im Jahre 1908 war er fast ebenso groß wie der von Elsaß-Lothringen. Mit welchen Summen an Kapital alle Jahre in den Berliner städtischen Gaswerken gerechnet wird, erhellt auch daraus, daß von der Gesamtzahl der deutschen Bundesstaaten nur acht einen höheren Etat aufweisen als die Berliner städtischen Gaswerke. 4. G e m e i n d e - o d e r P r i v a t b e t r i e b . Über die Frage nach den Vor- und Nachteilen des Privat- oder Regiebetriebes sind die Meinungen von jeher stark auseinandergegangen. Diese verschiedenen Ansichten zu erörtern, sowie die Stellung der Gemeindevertretungen zu obiger Frage für die verschiedenen Städte in den verschiedenen Zeiten zu untersuchen, kann hier — weil dabei ein Eingehen in das Detail nötig wäre — nicht Gegenstand unserer Betrachtung sein, zumal gerade für einzelne Städte in den von Prof. Dr. Fuchs herausgegebenen »Gemeindebetrieben« in den Schriften des Vereins für Sozialpolitik den Wandlungen dieser kommunalen Anschauungen in ausgiebiger Weise Rechnung getragen wird. Es sei deshalb an dieser Stelle nur hervorgehoben, daß grundsätzlich heute die Frage, ob für Betriebe, die dem öffentlichen Interesse dienen — wie die Gaswerke — städtische oder private Verwaltung vorzuziehen sei, zugunsten der ersteren entschieden worden ist. Die Darstellung der Bedeutung der Gasanstalten für die Gemeinden läßt die Befolgung dieser städtischen Wirtschaftspolitik als durchaus zweckmäßig und ') Vgl. J. G. W. 1909, S. 25.
§ 9. Die Bedeutung der Gaswerke für die Gemeinden als solche.
91
gerechtfertigt erscheinen. Wird hier auch für die »Regie« eingetreten, so dürfen doch dabei auch die Verdienste nicht unerwähnt bleiben, nicht verkannt werden, welche sich die Privatunternehmung als Gesellschaftsunternehmung vor allem um die technische Vervollkommnung der Gasindustrie erworben hat, und schon aus diesem Grunde möchten wir, soll die Gastechnik weiter fortschreiten, eine vollständige Verdrängung der großen Gaswerksgesellschaften (vgl. § 8) und Munizipalisierung ihrer Anstalten — namentlich der größeren — nicht anraten, es sei denn, daß in Zukunft auch die städtischen Verwaltungen in dieser Beziehung eine etwas regere Beteiligung erkennen ließen. Die Durchsetzung der ehrenamtlichen städtischen Körperschaften mit Männern, welche die Vorzüge der Privatindustrie zu würdigen wissen, denen ein weiter Blick und finanzielle Erfahrung eigen ist, scheinen allerdings eine Gewähr dafür zu bieten. Die Errichtung kommunaler Betriebe bzw. die Verstadtlichung privater Werke, hat naturgemäß viel Geld gekostet, das zumeist in Form von Anlehen aufgebracht worden ist. Aus dem 1909 erschienenen Bericht des Statistischen Amtes der Stadt Nürnberg geht hervor, daß von den gesamten Anleihen in 22 Großstädten nicht weniger als 12,25% zu Gaswerksbauten verwendet worden sind 1 ). Aus dem großen städtischen Anleihebedarf für derartige Betriebe heraus meinen daher viele, einen gewissen Stillstand in der Munizipalisationsbewegung voraussagen zu können. Sie glauben, die Annahme nicht für unmöglich zu halten, daß in Zukunft die Städte beim Bau und Betrieb gewerblicher Unternehmungen wieder mehr als in den letzten Jahren die Privatindustrie in Anspruch nehmen werden. Das starke Anwachsen der städtischen Anleihen in ihrer Gesamtheit betrachtet, scheint ihnen in der Tat recht geben zu wollen. Eine Zusammenstellung der Emissionen der deutschen Kommunalanleihen, denen zum Vergleiche die Emissionen der deutschen Staatsanleihen beigefügt sind, zeigt, daß die letzteren in der Zeit von 1900—1908 eine Höhe von etwa 5Milliarden M., die ersteren eine solche von beinahe 3 Milliarden M. erreicht haben. Das bedeutet bei den städtischen Anleihen in den neun Jahren eine Zunahme um 141,2%, Den hohen Summen, welche die Städte jährlich zur Verzinsung der Schulden aufbringen müssen (Mannheim z. B. 1905 2 104 035 M., Pforzheim 743 252 M., Bruchsal 89 024 M. usw.) 2 ), sind jedoch — wie aus den verschiedenen Einzeldarstellungen der Gemeindefinanzen herl
) Zitiert in der Denkschrift zum Gesetzentwurf einer Gas- und Elektrizitätssteuer, 1909, S. 58. J ) Vgl. Sehr. d. V. f. Sp., Bd. 126 »Gemeindefinanzen«, 1908, S. 149.
92
III. Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft.
vorgeht — keine ernsten Bedenken beizumessen, zumal wenn in Betracht gezogen wird, daß es den meisten Städten erst durch das Mittel der Anleihen möglich wurde, ihren wirtschaftlichen, kulturellen und sozialpolitischen Pflichten nachzugehen. Was nun die Anleihen anbelangt, die speziell zu Gaswerksbauten oder -erwerbungen von den Städten aufgenommen wurden, so fallen für sie alle Befürchtungen Tabelle VI'). Deutsche Kommunalanleihen Mill. M.
Deutsche Staatsanleihen
1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908
222,38 294,37 197,89 214,14 242,63 258,83 346,83 430,86 536,30
216,30 554,00 580,00 340,00 343,00 428,80 637,00 551,00 1269,00
438,68 848,37 777,89 554,14 585,63 687,63 983,83 981,86 1805,30
Zus.
2744,23
4919,10
7763,33
Jahr
Zusammen
Mill. M.
von vornherein weg, da die Gaswerke — wie oben gezeigt wurde — überall gut rentierende Betriebe sind, die nicht nur ihre Anlagekapitalien in der Regel mit 1 % % amortisieren, einen Reserve- oder Erneuerungsfonds (oft beides zugleich) ansammeln, sondern darüber hinaus noch Überschüsse bringen. Eine stärkere Heranziehung der Privatindustrie als bisher für die Gasversorgung, halten wir daher für nicht wahrscheinlich, die Vergemeindlichung wird vielmehr auch in der Folgezeit unter den von uns angedeuteten Beschränkungen an Ausdehnung gewinnen. § 10. Die Bedeutung der Gaswerke für die Haaswirtschatten. Es wurde bereits früher darauf hingewiesen 2 ,) daß die Steigerung der öffentlichen Beleuchtung auch eine Vermehrung der Innenbeleuchtung herbeigeführt hat. In den Wohnungen der wohlhabenden Bevölkerungsklasse wie vor allem in denen der Geringbemittelten hat das Gas im Laufe des vergangenen Jahrzehnts — sei es zur Erhöhung ') Vgl. Wochenschrift: Der Deutsche Ökonomist, X X V . u. XVII. Jahrgang. ') Vgl. § 9 , 1 .
§ 10. Die Bedeutung der Gaswerke für die Hauswirtschaften.
93
des Wohlbefindens, sei es zum Zwecke des Erwerbs (Heimarbeit) — immer mehr Eingang gefunden. Die Tatsache, daß sich in wenigen Jahren die Zahl der Gasabnehmer — namentlich durch Einführung der Gasautomaten gerade in den zuletzt genannten Volkskreisen mindestens verdoppelte, j a in manchen Orten fast verdreifachte, 1 ) muß ein greifbarer Beweis dafür sein, daß das Gas dort als eine große Wohltat empfunden wird. Diesem Anwachsen der Gasabgabe brachte aber nicht nur die Gastechnik, sondern insbesondere auch die Hygiene reges Interesse entgegen. Zahlreiche Untersuchungen von Ärzten haben dargetan, daß die große Verwendung des Gases den Anforderungen in hygienischer Beziehung sowohl als auch in ophthalmologischer Hinsicht durchaus gerecht wird; sie haben auch bewiesen, daß die Befürchtungen wegen Luftverschlechterung durch die Gasbeleuchtung außerordentlich übertrieben sind. Über die Schädlichkeit von Beimischungen (wie die Verbrennungsprodukte des Gases) zur Luft bewohnter Räume sind die Autoren zwar noch verschiedener Ansicht, dennoch »ist es kaum anzunehmen, daß eine so geringe Beimischung von Verbrennungsgasen zur Atemluft einen schädlichen Einfluß auf die Gesundheit ausüben kann« (Erismann) 2 ). Prof. Renk 3 ) kommt am Schlüsse seines Gutachtens über seine Studien in bezug auf die hygienische Seite der modernen Gasbeleuchtung zu dem Resultat, daß »das Gasglühlicht als eine Errungenschaft der Beleuchtungstechnik von größter Tragweite für die Gesundheit« zu bezeichnen sei. Ähnlich lautet ein akademischer Bericht der Augenklinik der Universität Heidelberg; in ihm heißt es zusammenfassend 4 ): »a) In bezug auf die Augenhygiene ist ein kleiner Nachteil auf Seiten der elektrischen Beleuchtung, b) Ein allgemeiner hygienischer Vorteil ist aber bei dem elektrischen Glühlicht zu verzeichnen, weil es die Luft nicht verschlechtert. Nun kann aber durch eine rationelle Lüftung der Räume dem Übelstande (b) leicht abgeholfen werden, und ist diese beseitigt, dann bleibt das Gasglühlicht das beste für die Augen.« Die vom bayerischen Staatsininisterium des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten bestellten Sachverständigen: Kgl. Generalarzt a. D. Dr. K. Seggel und ') Vgl. Eingabe des Vorstandes des Deutschen Städtetages an den Reichstag gegen die Gas- und Elektrizitätssteuer. 1909. *) Vgl. Zeitschrift für Biologie, Bd. 12, S. 350, zitiert bei S c h ä f e r , Gas oder Elektrizität. 1896. 3 ) Professor Dr. R e n k , Das Auersche Gasglühlicht vom hygienischen Standpunkte aus beurteilt. 1893. 4 ) Vgl. Gesundheits-Ingenieur, 23. Jahrgang, S. 11.
94
I I I . Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft.
Prof. Dr. O. Eversbusch von der medizinischen Fakultät der Universität München, die über die Frage, zwischen welchen Beleuchtungsarten für die öffentlichen Erziehungs- und Unterrichtsanstalten nach dem Stande der Beleuchtungstechnik zu wählen sei, kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, daß »sich in erster Linie das Gasglühlicht und erst in letzter das elektrische Glühlicht zur Anwendung eigne 1 )«. Wenn sich nun auch die zuletzt genannten Gutachten der Hauptsache nach mit der Beleuchtung von Kliniken, Hörsälen, Schulen usw. befassen, so dürften sie doch auch für die Wohnungen zutreffend sein. Einer weiteren Ausbreitung der Gasbeleuchtung steht somit in hygienischer Beziehung -— zumal durch die neueren Invertbrenner die Luftverderbnis auf ein Mindestmaß herabgedrückt worden ist — nichts mehr im Wege, und damit fällt auch das Vorurteil gegen die Gasbeleuchtung in sich selbst zusammen. Tabelle YII'). Lichtquellen
Übliche Lichtstärke in der Praxis
Leuchtgas (Schnittbrenner) „ (Rundbrenner) ,, (Regenerativbrenner) . (Gasglühlicht) . . .
30 Kerzen 20 111 50
Preis f ü r die Brennstunde
Spiritusglühlicht Petroleum
30 30
6,4 3,2 6,5 1,6 2,0 2,2
Pf. „ „ „ „ „
Petroleumglühlicht
40
1,0 „
Azetylen Elektr. Glühlicht „ Bogenlicht
60 16 600
5,4 „ 2,9 „ 15,5 „
Bei dem großen Wettbewerb, der heute unter den verschiedenen Beleuchtungsarten besteht, wird daher für die Entscheidung, welche von den verschiedenen Lichtquellen zu wählen ist, die Kostenfrage für die erzeugte Lichtmenge an erster Stelle zu setzen sein. Prof. Wedding stellt hierfür eine Tabelle auf, in welcher für die gebräuchlichsten Lichtarten, die in der Praxis übliche Lichtstärke und der Preis für die Brennstunde angegeben sind, und zwar nimmt er an, daß ') Vgl. Prof. D r Beleuchtungsarten in S. 106, Nr. 6. «) Vgl. J . G. W. direkten Verbrauch an
e h s c h m i d t , Die Gasbeleuchtung gegenüber anderen hygienischer Beziehung in »Licht und Wasser«, 1908, 1898, S. 126—127. Die Preise beziehen sich nur auf den Brennmaterial und zugeführter Energie.
§ 10. Die Bedeutung der Gaswerke für die Hauswirtschaften.
95
1 cbm Leuchtgas 16 Pf., 1 1 Spiritus 35 Pf., 1 I Petroleum 20 Pf., 1 kg Kalciumkarbid 45 Pf. und 1000 Wattstunden 60 Pf. kosten. Diese Zusammenstellung, welche die neueren Errungenschaften auf dem Gebiete der Beleuchtungstechnik nicht berücksichtigt, soll deshalb eine weitere ergänzend hinzugefügt werden, die insbesondere die Preisgestaltung zwischen den beiden mächtigsten Konkurrenten auf dem Lichtmarkte, der Gasbeleuchtung und der elektrischen Beleuchtung, klarlegen soll. Tabelle V I I I 1 ) . Leuchtkraft in H K
Art der B e l e u c h t u n g
A. E l e k t r i z i t ä t : Kohlenfadenglühlicht .
10 16 25 32
,,
Nernstlampe: Modell B
.
.
.
34 75 180 180 25 50
„ A . . . Nernst-1 ntensi vlich t Liliput-Bogenlicht Tantallampe Osramlampe B. G a s : Auer-C-Brenner Juwelbrenner Hängegasglühlicht: System Kramer ,, Silbermann Wolf . . ,, Graetz . Lukaslicht
Preis für Material- E l e k t r i verzität brauch oder Gas Pf.
35 W 56 „ 87,5,, 112 „ 55 120 220 220 38 55
„ „ „ „ „ „
KW 50 „ „
50 50
„
50
„ „
50 50
„ „ „
50 50 50
„
50
80—100 120 St. cbm 22 35 50 „ „ 22 42 35 120 100 500
60 90 105 110 600
„ „ „ „ „
„ „ „ „ „
22 22 22 22 22
Kosten für die Sl iindl. K o s t e n pro H K Brennstunde Pf. Pf.
Stündliche Kosten pro c a . 70—80 HK Pf.
1,75 2,8 4,6 5,6
0,175 0,175 0,175 0,175
12,25—14,0 13 13 13
2,75 6,0 11,0 11,0 1,9 2,75
0,082 0,082 0,061 0,085 0,075 0,055
6 6
2,6
0,032—0,026 0,030
2,5
M 1,3 2,0 2,3 2,4 13,2
0,039 0,023 0,012 0,024 0,026
2,5 1,8
— —
5 4,1
2,4
— — —
Diese beiden Tabellen lassen ohne weiteres erkennen, daß die Gasbeleuchtung mit Ausnahme der Petroleumbeleuchtung (Glühlicht) das billigste Licht abgibt. Dem elektrischen Lichte gegenüber tritt dieser Preisunterschied noch deutlicher hervor, wenn der Helligkeitsgrad zum Vgl. F r a n c k e , 1907, S. 12.
Die Gas- und Elektrizitätswerke
und ihre Erfolge,
96
HI. Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft.
Vergleiche herangezogen wird. Francke vergleicht zum Beweise hierfür die Tantallampe und das hängende Gasglühlicht miteinander und findet — unter Berücksichtigung der Anschaffungskosten, des Materialverbrauchs und der Brenndauer —, daß das Gasglühlicht viermal so billig ist wie das elektrische Licht 1 ). Auch in bezug auf die Petroleumbeleuchtung ist in jüngster Zeit eine Verschiebung zugunsten der Gasbeleuchtung eingetreten; denn der in mehreren Städten eingeführte Ginheitspreis von 14 Pf. pro cbm für Leucht- und Kochzwecke läßt den Einwand, daß die Petroleumbeleuchtung billiger sei als die Gasbeleuchtung, hinfällig werden. Wird der Preis von 18 Pf. für den Liter Petroleum zugrunde gelegt, so zeigt sich auf Grund angestellter Versuche folgendes Verhältnis zwischen den Kosten der Petroleumbeleuchtung und der Gasbeleuchtung 2 ): Tabelle IX. Oas
Petroleum Art der beleuchteten Räume
Wohnzimmer normalem Lichtbedarf
mit
Art des Leuchtkörpers
Wohnzimmerlampe, ca. 20 Kerzen, 80 g Petroleum . (ohne Zylinder und Docht)
Kosten pro St. Pf.
1,5
Art des Leuchtkörpers
Kosten pro St. Pf.
Auerbrenner „J uwel" ca. 25 Kerzen, 80 1 Gas
1,2
Normalglühlicht ca. 70 Kerzen, 1201 Gas
1,8
Mangendes Gasglühlicht ca. 90 Kerzen 90—100 1 Gas (einschließlichZylinder, Strümpfe etc.)
1,5
Aus diesen Zahlen ist zu ersehen, daß, schon absolut genommen, die Gasbeleuchtung die Petroleumbeleuchtung im Preise unterbietet; werden diese Angaben aber auf die Helligkeit bezogen, so wird das Verhältnis für das Petroleum noch wesentlich ungünstiger beeinflußt. Es kostet nämlich die Kerzenstärke der Petroleumlampe stündlich ca. 0,075 Pf., des Normalglühlichts stündlich ca. 0,026 Pf., des hängenden Gasglühlichts stündlich ca. 0,016 Pf. 2
Vgl. F r a n c k e , a. a. O., S. 8. ) Vgl. »Gas-Union« Nr. 7 vom i . April 1908, S. 323, II. Jahrgang.
§ 10. Die B e d e u t u n g der Gaswerke für die Hauswirtschaften.
97
Die Petroleumbeleuchtung ist somit — auf die gespendete Lichtmenge berechnet — dreimal so teuer wie das normale Glühlicht und fünfmal teurer als das hängende Gasglühlicht. Die Gasbeleuchtung ist demnach unter allen künstlichen Lichtquellen am ersten dazu befähigt, die Benutzung von Petroleum zu Leuchtzwecken, wenn auch nicht gänzlich zu verdrängen 1 ), so doch wesentlich einzuschränken. Im Hinblick auf die große Gefahr, die dem Menschen aus der Benutzung von Petroleum droht 2 ), wie auch vom nationalökonomischen Standpunkte aus, wäre dies nur zu wünschen; denn das Petroleum ist im Laufe der Jahre ein derartiger Konsumartikel geworden, so daß ganz darüber vergessen wird, welch ungeheure Summen (vgl. Tabelle X) Tabelle X. Jahr
1898 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1907 1908
Einfuhr
Wert
Ausfuhr
Wert
t
1000 M.
t
1000 M.
5384 4374 4674 4941 6001 7477 7935 695 857
536 892 910 698 831 1022 1054 130 162
954 646 999 361 985 904 1 006 829 1 067 697 1 076 324 1 070 252 1 094 414 1 016131
64 84 71 71 89 81 67 77 72
801 001 304 671 510 266 728 919 173
alljährlich für dieses im Auslande, mit ausländischem Kapital und ausländischer Arbeitskraft gewonnene Erzeugnis durch seine Einfuhr dem deutschen Nationalvermögen verloren gehen. Der stetig steigenden Einfuhr von Petroleum steht nur eine äußerst geringe Ausfuhr gegenüber, so daß fast die gesamten importierten Mengen als in Deutschland verbraucht angesehen werden können. Im Jahre 1908 wurden im ganzen rund 1 016 331 t gereinigtes Brennerdöl eingeführt, wofür rund 72 173 000 M. nach Amerika, Rumänien und Rußland gegangen sind; die ausgeführte Menge von rund 857 t hatte einen Wert von rund *) Eine gänzliche Verdrängung des Petroleums geht schon aus dem Grunde nicht, weil das Bedürfnis nach einer beweglichen, von einer Leitung unabhängigen Lampe im Volke zu groß ist. 2 ) Von dem im J a h r e 1906 durch Unfälle mit Leuchtgas, Elektrizität, Petroleum, Spiritus, Benzin und Azetylen getöteten 286 Menschen entfielen 14,3 % auf Leuchtgas, hingegen 44,4 % auf Petroleum, 12,2 % auf Elektrizität und 20,3 % auf Spiritus. (Vgl. Die Opfer des Leuchtgases und seiner Konkurrenten im J a h r e 1906. J. G. W. 1907.) Schna bel-Kühn,
Die B e d e u t u n g d e r S t e i n k o h l e n g a s i n d u s t r i e .
7
98
III. Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft.
162 000 M. Hierin Wandel zu schaffen, ist eine der wichtigsten Aufgaben, welche die Gasindustrie im Verein mit der Elektrotechnik in Zukunft zu lösen haben wird. Das Gas findet jedoch nicht nur in den Hauswirtschaften als Beleuchtungsmittel eine ausgedehnte Verwendung, sondern wird dort auch in immer steigendem Maße zu Koch- und Heizzwecken benutzt. Diese Erscheinung ist im Interesse einer wirtschaftlicheren Ausnutzung der in den Steinkohlen aufgespeicherten Wärmemengen, als dies bei den gewöhnlichen Kochherden und Öfen der Fall ist, nur zu begrüßen 1 ). Eine wie große prozentuale Zunahme zur Gesamtabgabe das Gas zum Privatverbrauch im allgemeinen und zum Kochen und Heizen im besonderen in den Jahren 1896—1907 genommen hat, ist in folgender Tabelle X I I I zur Darstellung 2 ) gebracht. Diese gewaltige Verbreitung des Gases zum Kochen und Heizen findet ihre Erklärung nicht nur in der vermehrten Bevölkerung, in den vielen Annehmlichkeiten, wie Bequemlichkeit, Reinlichkeit, Zeit- und Arbeitsersparnis sowie sofortige Betriebsbereitschaft, welche die Verwendung von Gaskochapparaten und Gasheizöfen mit sich bringen, sondern vor allen Dingen in der Billigkeit ihres Betriebes, wie die beiden folgenden Tabellen veranschaulichen. Tabelle XI«). U m einen Liter Wasser zum Sieden zu bringen, kostet in einem Art
Benzinkocher Spirituskocher . Petroleumkocher Gaskocher
Zeitaufwand in Minuten
32 14 28 11
Verbrauch
20 g Benzin 0,34 1 Spiritus 30 g Petroleum 32 1 Gas
Einheitspreis
100 20 20 14
Kosten
Pf. pro kg 2 Pf. 1,70 „ „ „ 1 1 „ „ 1 1 0,70 ., „ ,, 1 cbm 0,40 „
Goehde berechnet den Tagesverbrauch an Kochgas für eine aus vier Personen bestehende bürgerliche Familie und findet dabei folgendes 4 ) : ') Bei den offenen Gaskochherden beträgt die Ausnutzung des Brennstoffes etwa 50 %, bei geschlossenen Gaskochherden und -bratöfen 70—75 %, während sie bei Kohlenherden oft unter 5 % herabgeht und nur selten mehr als 8—10 % beträgt. ( S c h ä f e r , Kein Haus ohne Gas, 1906, S. 25—26.) 2 ) Vgl. die Tabelle auf S. 99. 3 ) Zusammengestellt nach N i e m a n n , Die Versorgung der Städte mit Leuchtgas (aus: E. S c h m i t t , Der städtische Tiefbau, Bd. 4, 1897, u. 1904, S. 59) und C o g 1 i e v i n a (vgl. Anm. 2 auf S. 100). 4 ) Vgl. Gesundheits-Ingenieur, 1893, Nr. 9.
§ 10. Die Bedeutung der Gaswerke für die H a u s w i r t s c h a f t e n .
99
Tabelle XII. I. F r ü h s t ü c k : 1 1 Wasser f ü r Kaffee, Tee 1 1 Milch aufkochen
30 I Gas 30 1
= =
II. F r ü h s t ü c k : Eier usw
=
601 Gas
Mittag: Suppe, 3 S t u n d e n zu kochen . Kartoffeln, */2 S t u n d e zu kochen Gemüse, >/2 S t u n d e zu kochen Kotelettes 4 1 Aufwaschwasser
^
420 1 Gas
= = = =
140 140 80 70
1 1 1 1
„ „ „ „
Nachmittag: =
Kaffee oder Tee
30 1 G a s
Abend: 80 1 Gas Gebratenes, Eier usw., 3 / 4 S t u n d e 30 1 1 Teewasser 50 Aufwaschwasser Zusammen = 1160 1 Gas à 0,01 Pf. == 11,6 Pf. Im Monat also ca. 3,50 M.
Tabelle XIII ')•
Städte
Annaberg . Augsburg . Baden-Baden . Bonn Celle Chemnitz . Colmar . Danzig . Darmstadt Duisburg . Eisenach . Elberfeld . Elbing
1896 bzw. 1896/97
1907 bzw. 1907/08
Privatverbrauch
Privatverbrauch
in °/„ der Gesamtabgabe
. . . . . .
. . .
. . .
. . .
. . . . . . . . .
75,54 72,45 2 ) 70,64 66,69 67,82 47,16 55,17 78,17 64,29 72,87 51,05 79,70 77,21*)
davon Verin % der brauch zum GesamtKochen und ; abgabe Heizen in °/o
3,56 6,90 10,33 3 ) 13,62 28,03 1,26 15,43 5,70 15,24 9,60 8,08 24,74 3 ) 5,93
79,23 75,07 73,60 74,14 75,00 79,03 73,65 85,85 2 j 75,83 74,17 77,61 84,70 79,05
davon Verbrauch zum Kochen und Heizen in "/„
31,25 26,32 40,89 33,11 43,60 29,14 55,42 32,65 —
25,20 39,02 42,40 49,80
') Zusammengestellt nach den b e t r e f f e n d e n J a h r g ä n g e n der Statistischen Zusammenstellung der Betriebsresultate von Gaswerksverwaltungen, herausgegeben vom Deutschen Verein von Gas- und W a s s e r f a c h m ä n n e r n . 2 ) Hier ist der Verbrauch der S t a d t m i t eingerechnet, -i Hier ist der Verbrauch der G a s k r a f t m a s c h i n e n mit einbegriffen.
100
I I I . Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft. Fortsetzung der Tabelle X I I I .
Städte
Forst i. L. . . Freiburg i. B r . Gaarden b. Kiel . Gießen . . . Schwäb.-Gmünd . Gumbinnen Halle a. S. . . Halberstadt Hanau Hildesheim Hohenstein-Ernst. Kaiserslautern Königsberg i. Pr. Magdeburg Mainz Mannheim Markirch . . . Minden . . . Mülheim a. R . Mülheim a. R h . . München . . . Münster . . . Neumünster . Offenbach Osnabrück Plauen i. V. . Posen Rendsburg Stettin . . . Stralsund . . . Straßburg Trier Würzburg . . .
.
.
.
. .
. .
1896 bzw. 1896/97
1907 Izw. 1907/08
Privatverbrauch
Priviverbrauch
in »/„ der Gesamtabgabe
davon Verbrauch zum Kochen und Heizen in °/„
83,13 57,39 26,97 54,61 68,40 53,00 68,38 l ) 63,78 81,21 42,49 59,94 36,58 65,27 1 ) 74,73») 74,54 68,21 73,62 56,63 76,68 68,73 79,95») 66,66
13,84 14,62 5,41 9,44 4,50 8,08 3,22 12,20 4,82 12,51 3,23 35,04 8,48 6,20 17,00 14,06 6,13 9,32 13,19 5,36 5,52 9,24
—
. .
.
77,93 57,41 81,99 58,89 48,70 60,14 61,36 67,86 70,38 67,38
— .
19,05 15,38 9,86 9,81 30,22 6,23 5,02 12,25 6,27 8,98
in •/« de Gesamt abgabe
davon Verbrauch zum Kochen und Heizen in "U
83,88 74,87 60,56 70,94 89,65) 72,65 80,77) 72,04 84,03 74,90 76,38 83,17) 83,77 76,29 73,75 69,27 80,00 73,62 73,22 74,30 74,79 75,8^ 85,9'. 82,2( 67,4'. 87,9?) 74,2( 57,21 81 ,o: 82,0' 72,H 76,8. 83,5"
34,30 45,62 32,61 36,95 51,62 39,29 22,41 30,23 29,78 37,81 32,51 51,73 50,78 36,81 41,20 38,53 38,00 30,58 26,14 21,50 44,57 34,00 61,88 38,40 32,04 44,60 34,80 44,56 32,41 41,51 58,08 33,07 41,13
Coglievina fand als Gesamtkosten für die Bereiting aller im Laufe eines Tages benötigten Speisen bei Verwendung von Leuchtgas 18,98 Pf., hingegen bei Verwendung von Holz und Kohlen 3i,32 Pf. 2 ) ) Hier ist der Verbrauch der S t a d t miteingerechne. ) Vgl. C o g l i e v i n a , Das Gas als Brennstoff in Dienste der wirtschaft, 1892, S . 9. 1
2
Haus-
§ 10.
Die B e d e u t u n g der Gaswerke für die Hauswirtschaften.
101
Neben Spiritus usw. kann auch bei der Elektrizität von einem ernstlichen Wettbewerb gegenüber Gas in bezug auf Kochen und Heizen nicht die Rede sein. Francke 1 ) beweist dies durch einen Vergleich der pro cbm Gas und pro K W erzeugten Wärmemengen. Danach gibt 1 cbm Steinkohlengas einen nutzbaren Heizwert von über 5000 Kalorien, so daß bei einem Preis von 16 Pf. pro cbm 1000 Kalorien rund 3,2 Pf. kosten. 1 K W gibt dagegen nur 860 Kalorien; mithin kosten bei einem Preis von 25 Pf. pro KW. 1000 Kalorien ca. 29 Pf. Die Verwendung von Elektrizität zu Wärmezwecken würde demnach über neunmal so teuer zu stehen kommen. Fast die gleichen Zahlen fand Schäfer, 2 ) wenn er angibt, daß nach Berliner Preisen das Kochen mit Elektrizität über siebenmal, das Erhitzen von Wasser mit Elektrizität rund zehnmal, das Heizen mit Elektrizität rund zwölfmal so teuer ist als mit Gas. Nach diesen Ermittlungen muß als durchaus feststehend hingenommen werden, daß die Gaswerke auf dem Gebiete der Wärmeversorgung den Elektrizitätswerken den Rang ablaufen. Alle Anstrengungen, der elektrischen Energie auch für diese häuslichen Zwecke eine Verwendungsmöglichkeit zu schaffen, sind bisher an der Kostenfrage gescheitert, so daß für absehbare Zeit eine Verallgemeinerung des Kochens mit Elektrizität nicht wahrscheinlich ist. Die Verwendung des Leuchtgases zum Beheizen von Wohnräumen usw. stellt sich zwar — sollen die Räume dauernd erwärmt werden — in der Regel teurer als die Heizung mit Steinkohlen, Briketts, Torf usw., dagegen gewähren die Gasheizöfen nicht nur große Annehmlichkeiten, sondern auch wirtschaftliche Vorteile, insofern es sich n u r um die vorübergehende E r w ä r m u n g von einzelnen Räumen handelt, wie z. B. bei Schulklassen während des Unterrichts, 3 ) bei Kirchen während des Gottesdienstes usw. Wird die Verschwendung von Heizmaterial in Betracht gezogen, wie sie sich bei allen Heiza p p a r a t e n vor und nach der gewünschten T e m p e r a t u r einstellt, so kann unter Umständen die Gasheizung erheblich billiger sein als die ') F r a n e k e , a. a. O., 1907, S. 14. '-) Vgl. J. G. W-., 1896, S. 18. S c h ä f e r n i m m t hierbei an, daß 1 cbm Gas rund 5000 Kalorien enthält und d a v o n bei einem m i t t e l m ä ß i g guten Gaskochherd 50 %, bei einem Gasbadeofen 75 % und bei einem Gasheizofen 90 % nutzbar g e m a c h t werden. Die Kilowattstunde setzt er gleich 630 Wärmeeinheiten. 3
) Wie es /.. Ii. in Karlsruhe geschieht.
102
III. Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft.
Beheizung mit anderem Heizmaterial 1 ). Bieten aber die Gaswerke mit ihrem Hauptstoffe auch kein Heizmaterial dar, das in jeder Hauswirtschaft angewendet werden könnte, so liefern sie dafür in dem Koks einen guten und preiswerten Heizstoff, auf dessen wünschenswerte ausgedehnte Verwendung schon im Interesse der städtischen Hygiene hingewiesen wurde. Über die im Jahre 1906/07 an die Gaswerke angeschlossenen Gasapparate (Heizöfen, Badeöfen, Kochapparate usw.) gibt folgende Tabelle Aufschluß, soweit hierfür Zahlen aus dem Statistischen Jahrbuch deutscher Städte vorliegen. Tabelle X 1 Y . Städte
Bochum Charlottenburg Dresden Elberfeld(ohneVohwinkel) Essen Frankfurt a. M.—Vororte Halle a. Saale Hamburg Kiel-Gaarden . . . . Leipzig Plauen i. V Stettin-Bredow Straßburg i. E . . . .
Heizöfen
Badeöfen')
938
723
Kochapparate
2 358 21 194
235
11 923 1 890 888 5 509 49 045
1 087 14 2 478 505 4 924
1 i 18 4128 184
813 •
536
197 3 ; 69
507 7
Sonstige Apparate
2 090 26 f 00 6 074 49 — 1 307 2 5549
—
2 757 —
950
Zusammen
4 254 21 194 1 918 17 951 2 088 3 336 6 747 57 338 2 090 26 500 9 387 1 314 26 499
Die großen Vorteile, welche die Benutzung von Gas in wirtschaftlicher und hygienischer Beziehung bietet, haben es in den Hauswirtschaften zu einem Massenverbrauchsgegenstand werden, lassen. Die Billigkeit des Gases zu Leuchtzwecken und noch mehr die relative und absolute Ersparnisse zeitigende Verwendung des Leuchtgases zu Kochzwecken haben bewirkt, daß heutzutage der Anteil des sog. kleinen Mannes am Gaskonsum größer ist als vielfach vermutet wird. Monitor hat ein Stück Großberlin von etwa 870 000 Einwohnern aus einem ') Der Gasofen ermöglicht eine sofortige Temperatursteigerung, sie aufhört, sobald der Ofen wieder ausgelöscht ist. 2) S c h ä f e r schätzt die 1906 in Deutschland in Betrieb befindlichen Gasbadeöfen auf über 300 000 Stück. 3 ) M o n i t o r , Zum Vorschlag einer Reichsgassteuer, 1908. S. 5 ff.
§ 10. Die Bedeutung der Gaswerke für die Hauswirtschaften.
103
Stück der inneren Stadt und aus mehreren Vororten von verschiedener Größe, Wohlhabenheit usw. zusammengestellt und fand, daß auf je 6,6 Berliner Einwohner ein Gasabnehmer entfällt, mit anderen Worten: schon beinahe jede Familie muß Gas gebrauchen. Am 1. Juli 1908 waren in diesem betrachteten Gebiete 172 316 Gasmesser aufgestellt; nach ihrer Größe geordnet ergibt sich folgende Tabelle: Tabelle XV. 36 292 Automaten 1 ):= 21,5 °l0 für 5 Flammen 84 216 Gasmesser 1 ) 49,0 5 39 460 23,0 10 8 873 5,0 20 1 515 0,9 30 714 0,5 40 438 0,2 60 199 0,1 80 240 0,1 100 158 0,1 150 108 200 77 300 0,1 18 500 8 1000 172 316
181 460 Flammen = 12,96 »/„ 421 080 „ = 30,07 „ 394 600 ., = 28,18 „ 177 460 ., = 12,67 „ 45 450 = 3,25 „ 28 560 .. = 2,04 „ 26 280 = 1,88 15 920 .. = 1,14 ,. 24 000 .. = 1,72 ,. 23 700 ,. = 1,69 ,, 21 600 .. = 1,54 „ = 1,64 „ 23100 .. 9 000 .. = 0,65 „ 8 000 ,. = 0,57 „ 100,00 140 210
100,0 °/0
Ein ganz ähnliches Ergebnis wird erhalten, wenn die innerhalb eines Jahres für den Verbrauch von Gas gezahlten Beträge in Betracht gezogen werden. In Tabelle XVI ist der Monatsaufwand für Gas bei 119 000 Einwohnern, die ein volles Jahr hindurch Gas gebraucht haben, angeführt. Es ergibt sich dabei folgendes Bild 2 ): Tabelle XYI. Monatsrechnung (ür Gas im Betrage von 0 M. 2 4 6 8 12 17 ii 25 ii
bis
,, ,,
2 M.
4 6 8 12 ii 17 i» 25 ii 33 ü b e r 33
,, ,,
„ „ „ „ „ „ „ „
Anzahl der Abnehmer 22 906 28 827 21 516 14.317 14 449 7 5 1 2
410 204 683 689
119 000
°/o der Abnehmer 19,2 24,2 18,1 12,1 12,1 6,2 4,4 1,4 2,3 100,0
') Automaten und Gasmesser mit 5 Flammen werden zumeist nur in den Kleinwohnungen aufgestellt. 2 ) Vgl. M o n i t o r , a. a. O., S. 7.
104
2951
110
612
241
12,7
13.5
18.6
24,4 40979 100
2284
5980 28,7
35,1
1492 20.4
24,1
4190 24.3
2449
4804
2013
25,3
20,0
4155
9698
20,3
22,1
26,0
1456 co" 1510
I CO 00
r-
iri
26 23,6
168 27,5
48,2
29,2
19.9 34,0
743 25,2 12,1
82
608 26.6 24.6
19,5
617 25.2
«e
23,2
22,7 1355
417
27,9
^ t O M M ^ ^ O l W r t ' f
19,3
7,3
16,0
16,2
15.8
15.6
12,0
17,0
• J ' C i t O ^ - ^ ^ i O i M ^ C O
CA
CT" Ci" 4071
c s - s ' c o c o ^ o o r ^ o o i o o c t i o © ©" ci" co" «£>" ©" to" e? cT oo" ^ oo" ©" ^ oo"
o 75,6
81.4
86,5
87.3
75,9
64,9
74,0
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79,6
75,7
80,0
CO
74,7
2242
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8703 ! 21,3 11393 27,8 6793 16,6
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18.7
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Gasanstalt
6—8 M. 4—6 M. 2—4 M. bis 2 M.
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79,7
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77,9
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o o
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18,8
25—33 M. Uber 33 M. 17—25 M. 12—17 M. 8—12 M.
e©
16,9
%
K8»qD«uiuinsui
o o
2938 30.3
jauuqanqv jap
o o
21.3
e e
Frankfurt a. O. Potsdam Dessau . Luckenwalde Rheydt . . . Eckesey Erfurt . . . Nordhausen Gotha . . . Ruhrort Herbesthal . . I Rheindahlen . Bornim .
Summa
I I I . Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft.
§ 10. Die B e d e u t u n g der Gaswerke für die H a u s w i r t s c h a f t e n .
105
Eine wertvolle E r g ä n z u n g findet diese Zusammenstellung durch ein weiteres Schaubild, in dem die durchschnittlichen Monatsrechnungen von 13 Mittel- und Kleinstädten Deutschlands aufgenommen sind. Aus ihm ergibt sich, daß 75,6% der Monatsrechnung einen Bet r a g von unter 8 M. und der Rest von 24,4% einen solchen von über 8 M. aufweisen (vgl. Tabelle X V I I , S. 104). »Soweit überhaupt statistische Nachweisungen vorliegen, kann als festgestellt erachtet werden, daß V 5 aller Gasverbraucher unter einer Monatsrechnung von 2 M., über 2/ö unter 4 M., a n n ä h e r n d % u n t e r 8 M. bleiben. Auf über 33 M. im Monat kommen in Berlin (vgl. Tabelle XVI) nur 2,3%, in den 13 Mittel- und Kleinstädten 3,5% aller Gasverbraucher 1 ).« Die hier gegebenen Ziffern beweisen, welch hohe sozialpolitische B e d e u t u n g der Gasindustrie zuzumessen ist. Sie zeigen auch, daß der im J a h r e 1882 von W. Siemens getane Ausspruch 2 ): »Ich hege der Ansicht, daß die Gasbeleuchtung sich halten wird als ein Freund der Armen, und die Zeit liegt nicht gar so fern, wo Reiche und Arme sich der Heizkraft des Gases bedienen werden, weil dasselbe das reinlichste und billigste aller Feuerungsmaterialien sein wird,« heute immer mehr seiner Erfüllung nahe gebracht wird. Geeignete Maßregeln für die Gasabgabe, wie 1. angemessene Gaspreise, 2. kostenfreie Herstellung der Zuleitung sowohl für Heizgas als auch für Leuchtgas bis zum Gasmesser der Konsumenten, 3. Überlassung von einfachen Beleuchtungs- und Kocheinrichtungen gegen mäßige Miete, 4. kostenfreie Anbringung von Einrichtungen zwecks Reduzierung des Gasverbrauchs bei gleichbleibender Lichtstärke, z. B. Anbringung von Druckreglern, 5. umfangreiche Verwendung von Gasautomaten, 6. Einziehung der Rechnungsbeträge in möglichst kurzen Zeitabschnitten, 7. öffentliche Vorträge über die Verwendung des Gases zum Beleuchten, Kochen und Heizen mit praktischen Vorführungen, werden den guten Ruf, welchen die Gasindustrie bereits genießt, in Z u k u n f t noch erhöhen helfen, zumal wenn in Betracht gezogen wird, daß in der ausgedehnten A n w e n d u n g des Leuchtgases als Wärmequelle ') Vgl. Denkschrift zu d e m G e s e t z e n t w u r f e über die Besteuerung von Gas und Elektrizität, 1909, S. 83. 2 ) Vgl. Gesundheits-Ingenieur, 24. Jahrg., S. 139. Man erinnere sich, daß in jener Zeit die elektrische B e l e u c h t u n g aufkam.
106
III. Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft.
im Haushalte — eben wegen der damit verbundenen, schon früher genannten Annehmlichkeiten — ein Mittel erblickt werden könnte, die auch in Deutschland immer drohender werdende Dienstbotenfrage an Schärfe verlieren zu lassen 1 ). § 11. I. Die Bedeutung der Gaswerke für Industrie und Handwerk. 1. Als lichtgebende Energie ist das Gas von großer Bedeutung für den gesamten Gewerbefleiß geworden und als solche kommt es nicht nur der Großindustrie, sondern auch dem gewerblichen Mittelstande, dem Kleinbetrieb, dem Handwerk zugute. Daß es dort belebend auf die Produktionsverhältnisse eingewirkt und wesentlich zur Förderung der Sicherheit der oft recht umfangreichen und komplizierten Betriebe beigetragen hat, bedarf keines Beweises. Durch die Anwendung des künstlichen Lichtes hat die gesamte Werktätigkeit an Regelmäßigkeit und Ordnung gewonnen. Die Schattenseite der künstlichen Beleuchtung nämlich, daß mit der Ausgleichung der Arbeitszeiten vielfach auch eine Verlängerung, eine Ausdehnung der Arbeitszeit Hand in Hand ging, wodurch die verhängnisvolle und gesundheitsschädliche Nachtarbeit in zahlreichen technischen Gewerben in weitgehendem Maße ermöglicht wurde, fällt heute gegen früher weniger ins Gewicht, da sie in dem Gesetz ihre Schranken findet. 2. Mindestens ebenso wichtig für das Erwerbsleben wie die Gasbeleuchtung selbst ist die Ausnutzung von Gas zum Zwecke der Kraftversorgung und Kraftverteilung. Von großer wirtschaftlicher Bedeutung sind hierbei die von den Gaszentralen gespeisten Gasmotoren, deren Zahl Schäfer im Jahre 1904 auf 32 000 mit über 160 000 PS einschätzt. Ihre Verwendung hat der industriellen Entwicklung in den Städten ganz neue Bahnen gewiesen. In der Industrie hat er den Fabrikbetrieb einheitlicher, sicherer und vor allem rationeller gestaltet. Es kann daher nicht wundernehmen, daß der Gasmotor in immer größeren Wettbewerb mit der Dampfmaschine tritt, welcher er, was ') Der letzten amtlichen Berufsstatistik zufolge hat die Zahl der Dienstboten im Deutschen Reiche beständig abgenommen. Zählte man 1895 noch 1 338 000 Dienstboten (weibliche und männliche zusammen), so gab es deren 1907 nur noch 1 264 000. Ihre Zahl hat sich demnach in dem Zeitraum von 12 Jahren um 74 000 verringert. Es ist dies eine Tatsache, die um so überraschender wirkt, wenn man bedenkt, daß in der gleichen Zeit der allgemeine Volkswohlstand beträchtlich zugenommen und sich die Bevölkerung in derselben Periode um 7% Millionen vermehrt hat. (Vgl. hierzu auch W i l b r a n d t , Volkswirtschaftliche Vorlesungen, S. 49.)
§ 11. I. Die Bedeutung der Gaswerke für Industrie und Handwerk.
107
die Ausnutzung der in der Kohle aufgespeicherten Wärmemengen anbelangt, selbst bis auf kleine Typen herunter weit überlegen ist 1 ). Dieser Vorzug in Verbindung mit der steten Betriebsbereitsehaft des Gasmotors, zu dessen Aufstellung es außerdem in den meisten deutschen Staaten keiner Konzession bedarf 2 ), macht es erklärlich, daß der Gasmotor in den Großbetrieben und besonders in solchen mit zeitweiligem Kraftbedarf in steigendem Maße in Gebrauch genommen wird. Neben der Dampfmaschine bleibt als mächtigster Konkurrent auf dem Gebiete der Kraft Versorgung der Elektromotor. Seine große Verbreitung hat in den letzten Jahren wiederholt die Meinung aufkommen lassen, als ob der Gasmotor in absehbarer Zeit dem Elektromotor weichen müsse. Schäfer weist diese Auffassung als irrig zurück 3 ). Zu diesem Zwecke hat er für 155 deutsche Städte die Stückzahlen und die Anschlußwerte der jeweils vorhandenen Gasmotoren ermittelt, und zwar nach dem Stande vom Ende März 1907 (bzw. Ende Dezember 1906) und dem gleichen Zeitpunkte fünf oder zehn Jahre zuvor. Als Gesamtergebnis dieser Enquete fand er folgendes: Jahr 1896/97 1901/02 1906/07
Stückzahl
Anschluß w e rt
11 687 13 616 12 812
48 100 PS 71 693 ,. 75 885 ., 4)
»In den 155 Städten, deren Gaswerke an Jahresleistung und Anschlußwert nicht ganz ein Drittel vom Gesamtumfang der deutschen Gaszentralen ausmachen, ist also die Stückzahl der Gasmotoren in der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts um fast 2000 (oder 16^2%) gestiegen, in der zweiten Hälfte um 804 zurückgegangen; der Anschlußwert aber hat fortwährend zugenommen, insgesamt um 27 777 PS oder rund 58° 0 .« Erhebliche Verbesserungen und Verbilligyngen der Gasmotoren 5 ) sowie die Schaffung von brauchbaren Gasmotoren für M Vgl. J. G. W. 1896, S. 533. 2 ) Von den größeren deutschen Staaten verlangt nur Sachsen die Einholung einer Konzession. 3 ) S c h ä f e r , Muß der Gasmotor dem Elektromotor weichen? 1909. *) Vgl. S c h ä f e r , a. a. O., S. 6—7. Der gesamte Anschlußwert aller Gasmotoren, die zurzeit an die Gasanstalten angeschlossen sind, schätzt Schäfer auf ca. 180 000 PS. Daneben werden in Deutschland gegenwärtig noch etwa 400 000 PS mittels Sauggasmotoren gewonnen. 5 ) Bei einem Kraftstrompreis von 20 Pfg. pro KW-St. und einem Kraftgaspreis von 12 Pfg. pro cbm stellte sich vor 10—15 Jahren das Verhältnis der stündlichen Ausgaben für das Betriebsmittel bei 4 PS noch wie 1,8 (Elektromotor) zu 1 (Gasmotor): heute ist es auf 2,7 : 1 gestiegen. Bei 10 P S beträgt es sogar
t
108
I I I . Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft.
ganz kleine Leistungen ( 1 / 8 , 1 / 5 , 1 / 3 und PS) werden dem Leuchtgasmotor in Zukunft wieder eine größere Verwendungsmöglichkeit geben. Sache der Gasfachmänner ist es, diese neuen Errungenschaften zu verwerten und an Stelle des in mehreren deutschen Städten eingeführten starren Einheitspreises, der zweifelsohne für den Bestand und insonderheit für die weitere Ausbreitung des Gasmotors verhängnisvoll gewesen ist, einen niedrigen Sonderpreis für das zur Kraftentwicklung benutzte Gas treten zu lassen im Interesse von Gewerbe und Industrie und im Interesse der Gaswerke selbst. Über die Verwendung der Gasmotoren gibt Schäfer auf Grund eines im Jahre 1894 an 36 deutsche Gaszentralen gerichteten Fragebogens im ganzen 170 verschiedene Gewerbe bzw. Betriebszwecke an, denen der Gasmotor dienstbar gemacht worden ist, ohne aber mit diesen Angaben völlig erschöpfend zu sein. Die Umfrage bezog sich auf 2323 Gasmotoren und ergab folgende Zusammenstellung 1 ): • B u c h - und Steindruckereien . . . •Wasserpumpen . . Textilindustrie(Spinnm a s c h i n e n , Webstühle, Stick- undStrickmaschinen, Seilerei und dgl.) •Elektrische Lichtmaschinen . . . . Mechanische Werks t ä t t e n , kleine Maschinenfabriken Schreinerei und Möbelfabriken . . . •Metzger n. Wurstler Schlossereien . . . * Kaffeebrennereien, Läden Messerschmiede, Schleifer, Feilenh a u e r u. dgl. .
334 200
183 176
124 116 115 97 72
68
Drechsler •Aufzugsbetrieb . . •Brauereien . . . . •Bäckereien . . . . •Mälzereien . . . . •Farbmühlen . . . Tabakverarbeitung . •Pressen •Landwirtschaft . . Senffabriken . . . Gelbgießereien . . . Schuhfabriken . . . Edelmetallverarbeitg. Werkzeugfabriken. . • L a b o r a t o r i e n , Lehrzwecke •Ausstellungszwecke, Blechnereien . . . . Schatuillenfabriken . •Molkereien, Butterfabriken, Schmalzsiedereien u. dgl. .
43 37 31 24 24 22 21 21 21 17 17 16 15 15 14 14 14
13
Holzschneidereien . . Konservenfabriken •Mineralwasserfabriken . . . . Papierverarbeitung . Spiegel- und R a h m e n fabriken . . . . Kammfabriken . . . •Gasanstalten . . . Seifensiedereien . . •Orgel- und Musikwerke Gebläse Kistenfabriken . . . Wagner und Stellmacher Webstuhlbau.... Sägenfabriken . . . •Hopfengeschäfte . . •Ventilatoren . . . Galvanoplastik . . . Stuhlmacher . . . .
12 11 12 12 9 9 8 8 8 6 6 6 6 f. 6 5 5 5
j e t z t 3,2 : 1 gegen früher 2,2 : 1. Der billigere Anschaffungspreis des Elektromotors wird daher heute in kürzerer Frist als früher durch die höheren Betriebskosten ausgeglichen, bei ganztägigem Betrieb oft in weniger als einem J a h r e . ( S c h ä f e r , a. a. O., S. 16.) ') Vgl. S c h ä f e r , Die Kraftversorgung deutscher S t ä d t e mit Leuchtgas, 1804, S. 12—15. * Soll bedeuten, daß Schafer diese Betriebe nicht zum Kleingewerbe rechnet.
§11.
I. Die B e d e u t u n g d e r G a s w e r k e f ü r I n d u s t r i e u n d H a n d w e r k .
Glasereien Mühlen Gerbereien Töpfereien • M e d i k o - m e c h a n . Institute Kupferschmiede . . Jalousienfabriken . . Schokoladenfabriken Sattlereien . . . . Buchbindereien. . . Strohhutnähereien . F a b r i k a t i o n v. p h o t o graph. Papier . . Glasschleifereien . . Oeilletsfabriken . . Schlittschuhfabriken Instrumentenniacher Laternenfabriken . . Lampenfabriken . . Plattenschneider . . Krautschneidereien . Hefenfabriken . . . Riemendrehereien . . Handschuhfabriken . Wattenfabriken . . •Waschanstalten . . Schriftgießereien . . Fahrradfabriken . . Kaffeemühlenfabriken Gravieranstalten . . Schmieden Böttcherei Zimmerei Wichsefabriken . . . •Mörtelmaschinen . . Leistenschneidereien . Bürstenfabriken . .
5 5 5 5 5 4 4 4 4 4 4 4 4 4 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 2 2 o 2 2 2 2 2 2 2 2
•Plättereien . . . . •Bettfedernreinigung Kleiderfabriken. . . Färbereien Appreturanstalten N i c h t n ä h e r bezeichneteFabrikbetriebe Linieranstalt . . . . Luftpumpe . . . . •Leuchtgas-Kompressor (f. S t r a ß e n bahnbetrieb) . . . Kassenschrankfabrik Eisschrankfabrik . . Gasmotorenfabrik . . Kettenfabrik . . . . Spiralfedernfabrik. . Federn fabrik . . . . Kottonmaschinenbau Windenmacherei . . Maschinenmesserfabrik Hammer- und Amboßfabrik . . . . Schloßfabrikation . . Brillenfabrik . . . . Patentstiftfabrik . . T e l e g r a p h e n d r a h tfabrik B a u von H e i z a p p a raten Schrotfabrik . . . . Verzinnerei . . . . Zinnwarenfabrik . . Bleirohrfabrik . . . Emaillieranstalt . . Fabrikation künstlicher Gebisse . . Teppichreinigung . .
2 2 2 2 2 2 1 1
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
10
Sackfabrik Nadler Mühlenbau . . . . Orgelbau •Gasmesserfabrik . . Formstecherei . . . Faßdaubenfabrik . . Spazierstockfabrik Holzbildhauerei . . Waschmaschinenbau. Lackfabrik Chemische F a b r i k . . Klebstoffabrik . . . Spritfabrik . . . . Destillation . . . . Fruchtsaflpresserei . Brennerei Wischtuchfabrik . . Wollzupferei . . . . X ä h m a s c h i n e n b e trieb Essigfabrik . . . . Bonbonfabrik . . . Biskuitfabrik . . . •Getreidegeschäft . . •Kunststeinfabrik •Sandsteindreherei Kryolithstampferei . Portefeuillefabrik . . •Darmhandlung . . •Kühlmaschine . . . Puppenfabrik . . . Glasfabrik Korkenfabrik . . . Walzenputzmaschine •Faßaichanstalt . . Kattundruckerei . . •Festigkeitsproben •Thermalbad . . .
Nach ciaer Aufstellung der Deutzer Gasmotorenfabrik wird der Gasmotor außerdem in folgenden Betrieben mit Vorteil verwendet: Knopffabriken, Pulverfabriken, Zuckerfabriken, Hutfabriken, Pinselfabriken, Parfümeriefabriken, Bleichereien, Gummiwarenfabriken, Blattgoldfabriken, Eisfabriken, Tapetenfabriken, Gewehrfabriken, Zementfabriken, Porzellanfabriken, Oblatenfabriken, Gasbrennerfabriken, Uhrmachereien, Kasernen. Schlachtviehhöfen, Theatern, Badeanstalten,
110
III. Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft.
Wasserwerken, Webschulen, Krankenhäusern, Markthallen und auf Bahnhöfen. Die Schäfersehen Ermittlungen zeigen, daß der Gasmotor in den verschiedensten Gewerben und zu den verschiedensten Betriebszwecken angewendet werden kann; aus ihnen kann auch ersehen werden, ob und in welchem Umfange der Gasmotor zur Besserung der sozialen Lage des durch die Dampfkraft hart bedrängten kleinen Handwerkers beigetragen hat. Eine ganze Reihe von Autoritäten glaubten durch Schaffung eines Kleinmotors den gewerblichen Mittelstand gegenüber dem Großbetrieb lebensfähig zu erhalten. Prof. Slaby schrieb 1 ): »Sobald dem Handwerk die Quellen billiger mechanischer Triebkraft fließen, wird es mit seinen Erzeugnissen denen der Großindustrie erfolgreich Konkurrenz machen, wird es dieselbe sogar in vielen Fällen überflügeln können.« Und ein anderer, Prof. Reuleaux, führte aus 2 ): »Geben wir dem Kleinmeister Elementarkraft zu einem ebenso billigen Preise wie dem Kapital die große mächtige Dampfmaschine zu Gebote steht, und wir erhalten diese wichtige Gesellschaftsklasse, wir stärken sie, wo sie glücklicherweise noch besteht, wir bringen sie wieder auf, wo sie bereits im Verschwinden ist.« Diese Auffassung, welche der handwerksmäßigen Produktion eine neue Ära verhieß, eine Verflachung des Gegensatzes von Handwerk und Kapitalismus voraussah, hat sich jedoch als irrig erwiesen und hat in den Kreisen der Kleingewerbetreibenden nicht die erwartete Aufnahme gefunden. Die Ziffern, welche uns über die bereits erfolgte Verwendung von Kleinkraftmaschinen, insbesondere von Gasmotoren unterrichten, stützen diese Behauptung. Schäfer fand, daß von den 2323 Gasmotoren 1195, das sind 51,5%, also mehr als die Hälfte, ganz sicher nicht dem Kleingewerbe dienten 3 ). Von den noch verbleibenden 1128 Motoren wurde die Hälfte in den verschiedensten »Fabriken« verwendet, und aus dieser Benennung scheint hervorzugehen, daß sehr viele Handwerker erst durch die Verwendung des Kleinmotors zum »Fabrikanten« emporgestiegen sein mögen. Bei diesen Gasmotoren ist es demnach sehr zweifelhaft, ob sie zur Erhaltung und Stärkung des Kleinhandwerks irgendwie beitragen werden. »Dieselbe Tatsache ergibt sich aus einer Aufstellung der Gasmotorenfabrik Deutz über die Betriebszwecke der von ihr in Deutschland abgesetzten Gasmotoren. Danach arbeiteten von 13 119 Gasmotoren 7046, das sind 54% der Gesamtsumme, sicher nicht in Vgl. Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure 1880, S. 496. ) R e u l e a u x , Die Maschine in der Arbeiterfrage. 1885, S. 20. 3 ) Es sind dies die Betriebe, die in der Schäferschen Aufstellung mit dem * bezeichnet sind. 2
§ 1 1 . I. Die Bedeutung der Gaswerke für Industrie und Handwerk.
III
Kleinbetrieben 1 ).« Meidinger 2 ) brachte speziell für Baden den Nachweis, daß der Gasmotor »für das mittlere und Großgewerbe mehr Anwendung gefunden hat als für das Kleingewerbe. Das letztere nimmt höchstens ein Drittel aller vorhandenen Motoren in Anspruch«. Der bekannte Technologe H. Lux 3 ) erhielt auf Grund einer Privatenquete das Resultat, daß »von den an die Gasanstalten angeschlossenen Pferdestärken kaum ein Viertel auf das Handwerk entfielen«. Wird die Beanspruchung oder Betriebsstundenzahl der Gasmotoren in Betracht gezogen, so verringert sich diese Zahl noch um ein erhebliches. »Alle sicher nicht dem Kleingewerbe dienenden Gasmotoren zeigen überwiegend eine höhere Beanspruchung als der Durchschnittsziffer entspricht, während die Gasmotoren im Kleingewerbe nur etwa ein Fünftel der Gesamtausgabe beanspruchen. Nur in Ausnahmefällen wurde die Maximalbetriebsdauer von 3000 Stunden im Jahre erreicht; dafür gab es aber Schlossereien, die ihren Gasmotor im ganzen Jahre nur 60 Stunden, andere, die ihn etwa 600—800 Stunden im Betrieb haben; nur sehr wenige nützen ihn voll aus. Für Tischlereien ergab sich eine durchschnittliche Betriebsdauer von 680 Stunden (obere Grenze 1200, untere 200)4).« Die Tatsache, daß der Gasmotor nicht in den Kreisen einen intensiveren Eingang gefunden hat, wo er doch eigentlich den ersehnten und erhofften Nutzen schaffen sollte, scheint sich auch in der Gegenwart nicht geändert zu haben; jedenfalls kann dieser Schluß aus dem Rückgang der Stückzahl der Gasmotoren und Zunahme der Anschlußwerte 5 ) gezogen werden. Ähnlich scheinen die Verhältnisse auch beim Elektromotor zu liegen6). Der Grund für diese Erscheinung mag darin zu suchen sein, »daß in der Regel die Ausmaße des handwerksmäßigen Sachvermögens und des handwerksmäßigen Betriebes nicht genügend sind, um eine rationelle Anwendung machinaler Technik zu ermöglichen« 7 ). Wird dem Handwerker auch ein billiger Kleinmotor zur Verfügung gestellt, wodurch es ihm ermöglicht wird, diese oder jene Formveränderungsmaschine in Betrieb zu nehmen, so wird ihm aber damit noch lange nicht ein ganzes System organisch zu') Vgl. ) Vgl. 3 ) Vgl. tätswerke in «) Vgl. s ) Vgl. •) Vgl. bis 530. T ) Vgl. 2
S c h ä f e r , Die Kraftversorgung deutscher Städte usw., 1894, S. 17. Badische Gewerbezeitung, 1892, S. 234. H. L u x , Die wirtschaftliche Bedeutung der Gas- und ElektriziDeutschland, 1898, S. 29. H. L u x , a. a. O., S. 29. Tabelle auf S. 107. W. S o m b a r t , Der moderne Kapitalismus, 1902, 2. Bd., S. 528 Sombart,
a. a. O., S. 528—5.30.
112
III.
Die Gasindustrie
und die
Volkswirtschaft.
sammenarbeitender Arbeitsmaschinen, zu deren Anschaffung er wiederum großer Summen an Kapital benötigte, gegeben, die er aber haben muß, wenn er dem Großbetriebe gegenüber widerstandsfähig bleiben will. Ist z. B . ein Schuhmacher auch in der Lage, einen Gasmotor zu erwerben, so fehlt es ihm in der Regel an Mitteln, sich auch der verschiedenen Arbeitsmaschinen, wie Riemenumbieg-, Abschräg- und Perforiermaschinen, zu bedienen, die aber gerade den Schuhfabriken die billige Massenproduktion ermöglichen. Ein Einstellen einer einzigen solchen Arbeitsmaschine aber würde ihrem Besitzer kaum einen nennenswerten Vorteil in dem Wettbewerb mit dem Großbetriebe bieten. Die geringe ökonomische Ausnutzung der Maschinen ist ein weiterer wichtiger Grund, weshalb der Motor in so geringem Maße zur Erhöhung der handwerksmäßigen Produktion verwendet wird. Gesetzt den Fall, der Schuhmacher — um bei obigem Beispiele zu bleiben — schaffte sich einen Motor und eine Reihe Arbeitsmaschinen an, so würde er »damit aber auch aufhören, ein Handwerker zu sein, und müßte, wenn er nicht zum abhängigen Hausindustriellen werden will, genügend Kapital und kaufmännische Bildung besitzen, um zum Fabrikanten emporzusteigen. Letzteres mag in einzelnen Fällen gelingen, aber als ein Mittel zur Erhaltung des »Handwerks« kann man in solchen Fällen die Verwendung von Motoren nicht bezeichnen 1 ).« Wie Zoepfl, so erblickt auch Sombart in der Benutzung von Motoren kein wirksames Mittel, den Verfall des Handwerks aufhalten zu können. Das, was durch die Kleinkraftmaschinen erreicht werden kann, ist im günstigsten Falle eine Vermehrung der kleinkapitalistischen Existenzen, die aber nur den Zweck haben, den Vernichtungsprozeß zu beschleunigen, »das Handwerk mehr noch und raschcr als die großkapitalistische Unternehmung aus seinem ureigensten Produktionsgebiet zu verdrängen« 2 ). Und dennoch wäre es falsch, sollte dem Motor jegliche Bedeutung für die Kleinindustrie abgesprochen werden. Wir lehnen uns hier an die Eingabe des Deutschen Handwerks- und Gewerbetages an den Reichstag gegen die Gas- und Elektrizitätssteuer an. Es heißt dort 3 ): »Durch die Versorgung des Handwerks mit Kleinkraftmaschinen ermöglicht, hat bereits eine Dezentralisation der Gütererzeugung begonnen. Wirksam gefördert wurde diese E n t wicklung durch die inzwischen erfolgten Fortschritte in der Herstellung von Arbeitsmaschinen, die zu wesentlich geringeren Anschaffungs>) Z o e p f l , N a t i o n a l ö k o n o m i e der technischen Betriebskraft. 1 9 0 2 , S. 1 9 3 . ) S o m b a r t , a. a. O., S. 538.
2 3
) Denkschrift. 1 9 0 9 , S. 1 4 9 .
§ 11. I. Die B e d e u t u n g der Gaswerke für Industrie und Handwerk.
113
kosten erworben werden konnten und insbesondere eine rationelle Ausnutzung, entsprechend den Produktionsbedingungen in kleineren und mittleren Betrieben, gestatteten. In dieser Entwicklung hat gerade die Benutzung von Gas (und Elektrizität) als Energieträger für die Kleinkraft- und Werkzeugmaschinen die Hauptrolle gespielt. Der Maschinenbau beschränkte sich nicht mehr darauf, bloß großindustrielle Werke ins Leben zu rufen, sondern er ist gerade in der jüngsten Zeit mit steigendem Erfolge b e m ü h t , auch für kleinere Betriebe leistungsfähige Behelfe darzustellen, die zum Teil wohl für den Hand- und Fußbetrieb, zumeist aber für den Antrieb durch Kleinmotoren eingerichtet sind, wie z. B. die Drehbänke und Bohrmaschinen für die Holz- und Metallverarbeitung, die Misch-, Knet- und Teilmaschinen für die Bäckerei, die Fleischhack- und Wiegemaschinen für die Metzgerei usw. . . . Während aber die industriellen Vorrichtungen zum Befassen, Bearbeiten und Ausstoßen der Werkstücke im letzten Grunde auf die Beseitigung der persönlichen Arbeitsleistungen hinzielen, tragen die kleingewerblichen Maschinen im wesentlichen den Charakter erweiterter und verbesserter Werkzeuge. Sie haben nicht etwa die Aufgabe, den reichen Schatz an Geschicklichkeit und Erfahrung, der von altersher im Handwerk aufgespeichert ist, zu vernichten; sie dienen vielmehr zur Erleichterung und Ergänzung der kleingewerblichen Arbeit und können daher füglich als »Handwerksmaschinen« bezeichnet werden. Alle diese Handwerksmaschinen erhalten ihre Energie durch Kleinmotoren, wobei die hauptsächlichsten Energieträger Gas (und Elektrizität) sind. Unzweifelhaft hat die Versorgung des Handwerks mit Kleinkraftmaschinen bereits einen bedeutsamen Einfluß für die Hebung der neuzeitlichen Handwerkstechnik gezeitigt. ) Vgl. Dr. C a r o ,
Die Stickstoffrage in Deutschland, 1908, S. 24—25.
128
III. Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft.
stickstoffhaltigen Düngemitteln: Kalkstickstoff und Kalksalpeter, wird dem Ammoniumsulfat in Zukunft noch eine große Bedeutung beizumessen sein. Tragen die Gaswerke somit direkt dazu bei, die landwirtschaftlichen Erträgnisse zu erhöhen, so sollen doch schließlich auch die Versuche nicht unerwähnt bleiben, welche die Wirkung der Gasglühlichtbeleuchtung auf die Vegetation zeigen sollen. L. C. Corbett hat in den Jahren 1895—1899 in einem Gewächshause verschiedene diesbezügliche Versuche mit Salat, Rettichen, Spinat, Tomaten, Zuckerrüben und Kohlesetzlingen ausgeführt 1 ). Acht Auerlampen dienten als Lichtquellen, die von Zeit zu Zeit an anderen Stellen angebracht wurden, um an allen Punkten die Belichtung gleichmäßig wirken zu lassen. Die Versuche wurden mit einer großen Menge von Pflanzen angestellt, bei Lattich (Salat) z. B. mit 10 000 Stück, die von 12 Aussaaten s t a m m t e n . Die in künstlichem Licht gewachsenen Pflanzen waren größer, schwerer, fleischiger und rascher ausgewachsen als die unter gewöhnlichen Bedingungen gewachsenen der gleichen Saat, z. B. wogen einmal 400 Pflanzen nach 46 Nächten im künstlichen Licht 31,1 kg, die gleiche Zahl derselben Aussaat im natürlichen Licht gewachsen nur 22,5 kg, erstere also um 38,75% überlegen. Bei Rettichen wurde wesentlich nur der Blätterwuchs begünstigt, während die Wurzeln nur wenig beeinflußt wurden; dagegen zeigten die Rettichpflanzen sehr starken Heliotropismus. Spinat wuchs sehr viel rascher und kräftiger; Tomaten gaben keine größere Gewichtsausgabe an Früchten, aber die Pflanzen kamen 8—13 Tage früher zum Blühen. Bei Zuckerrüben war der Krautwuchs und der Zuckergehalt der Rüben größer. Schädigende Einflüsse des Gasglühlichts konnten nicht beobachtet werden. Ob die Förderung des Pflanzenwuchses unter Zuhilfenahme von Gasglühlicht auch einmal wirtschaftlich rationell gestaltet werden kann, entzieht sich unserem Urteil und muß der Zukunft überlassen werden. III.
Die Bedeutung der Gaswerke für Handel und Verkehr.
1. Bei der Darlegung der Bedeutung der Gaswerke für Industrie und Landwirtschaft wurde auch bereits auf ihre Bedeutung für den Handel hingewiesen. Ein Eingehen auf Menge und Wert der aus den Kokereien und Gasanstalten stammenden Handelsprodukte (Koks, J ) Vgl. Journal of Gasliht vom 1. Januar 1901, p. 29, und J. G. W., 44. Jahrgang, S. 70.
129
§ 1 2 . Die Preispolitik der Gaswerke.
Teer und Ammoniumsulfat) erübrigt sich daher an dieser Stelle. (Vgl. die Tabellen auf den S. 76, 117 und 122.) 2. So wichtig nun auch die Steinkohlengaswerke für die soeben genannten Zweige unseres Erwerbslebens sind, so bedeutungslos sind sie für den Verkehr. An Versuchen hat es allerdings nicht gefehlt, den Leuchtgasmotor auch hierfür, insonderheit für den Straßenbahnverkehr dienstbar zu machen; hatte sich doch zu diesem Zwecke in den 90 er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sogar in Dessau eine »Deutsche Gasbahngesellschaft m. b. H.« mit einem Aktienkapital von 1 350 000 M. gebildet. Allein so günstig sich auch die Gasmotorwagen anfangs gegenüber dem Dampf- und Pferdebetrieb erwiesen, so ungünstig gestaltete sich das Verhältnis, als die elektrischen Straßenbahnen aufkamen; sie haben erreicht, daß die Motorwagen mit Gasbetrieb heute gänzlich von der Bildfläche verschwunden sind. Das gleiche gilt auch von der Gasbahn. § 12. Die Preispolitik der Gaswerke. 1. I n b e z u g
auf den A b s a t z des
Gases.
Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Gasindustrie kommt neben der in den letzten Jahrzehnten gestiegenen Verwertung der Nebenerzeugnisse auch heute noch der Preisgestaltung für das Hauptprodukt die größte Bedeutung zu. Ursprünglich gab es nur einen Gaspreis; denn die Gasanstalten hatten zu allem Anfang nur den Zweck, den Städten eine zentrale Lichtversorgung zu verschaffen; seine Höhe war demnach so bemessen, daß der Absatz des Gases zu Leuchtzwecken die Rentabilität der Gaswerke allein sicherstellen mußte. Daraus erklärt sich auch der damalige, in vielen Städten bestehende hohe Preis von 35—40 Pf. pro cbm. Das Gas für andere als für Leuchtzwecke nutzbar zu machen, lenkte die Gaswerke auf einen anderen Weg der Tarifpolitik. Wirtschaftliche Momente mögen im wesentlichen hierfür ausschlaggebend gewesen sein. Es dürfte eine bekannte Tatsache sein, daß alle lichtgebenden Werke an dem in der Natur der Sache gegründeten Übel zu leiden haben, nur auf wenige Stunden — im Winter mehr als im Sommer — zur Deckung der Bedürfnisse herangezogen zu werden, trotzdem aber mit Apparaten in solcher Menge und einem Netz von Leitungsröhren in solcher Ausdehnung versehen sein müssen, die weit über das Maß des Durchschnittsbedarfs an Licht hinausgehen. Um nun einen Ausgleich zwischen größter und niedrigster Gasabgabe, eine rationellere Ausnutzung der Anlagen und S e h n a b e l - K ü h n , Die Bedeutung der Steinkohlengasindustrie.
9
130
III. Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft.
damit eine möglichst gute Verzinsung der in den Werken angelegten Kapitalien zu ermöglichen, sind dem Gase für Heiz- und Kraftzwecke, dessen Verwendung doch zumeist in die Zeit fällt, während welcher keine Beleuchtung stattfindet, Sonderpreise eingeräumt worden, die — wenn auch niedrig — immerhin die Geschäftsabschlüsse der Gasanstalten günstiger zu gestalten imstande sind, als es ohne sie der Fall sein würde. Die verschiedensten Systeme, wie Winter- und Sommergaspreise, Tages- und Nachtgaspreise usw. haben hierbei Anwendung gefunden; sie alle laufen darauf hinaus, die Entwicklung des Tages- und Sommerkonsums zu heben. Eine Einheitlichkeit in der Gewährung von Gaspreisen für Leucht-, Heiz- und Kraftzwecke ist nirgends zu erblicken. Die örtlichen Verhältnisse mögen daran schuld sein. Ebenso verschieden wie die Gaspreise selbst sind auch die den Konsumenten zugute kommenden Rabatte. Im Prinzip handelt es sich hier meist um einen Konsumrabatt, welcher auf die Menge des verbrauchten Gases gegeben wird, sobald diese eine festgesetzte Grenze überschritten hat; daneben findet sich noch der sog. Intensivrabatt, der dann angewendet wird, wenn die durchschnittliche Benutzungsdauer maßgebend ist. Er ist entschieden dem reinen Konsumrabatt vorzuziehen, da er für die Konsumenten gerechter wirkt und insbesondere auch der Wirtschaftlichkeit der Anlage mehr Rechnung trägt. Ein Beispiel soll dies erläutern 1 ). »Zwei Konsumenten, A und B, können denselben Jahreskonsum erreichen, während z. B. A zehnmal so viel Flammen installiert hat als B, aber nur den zehnten Teil der Brennstundenzahl des B erreicht. Nach der Zahl der installierten Flammen aber richtet sich die Anlage des Gaswerks und des Leitungsnetzes. Der Konsument, der eine größere Installation besitzt, macht also größere Ansprüche an die Leistungsfähigkeit der Gasanstalt als der zweite, bei gleicher Gasentnahme verdient er also einen geringeren Rabatt als ein Konsument mit kleiner Anlage aber hoher Benutzungsdauer.« Auf die große Mannigfaltigkeit in der Höhe der Gaspreise und der Rabatte soll jedoch des näheren nicht eingegangen werden, da sie und die zugrunde liegenden verschiedenen Momente bereits Mombert in den Schriften des Vereins für Sozialpolitik 2 ) klargelegt hat. Wir müssen daher darauf verweisen. Hier sei nur in einer Tabelle die Preisgestaltung des Gases pro cbm für die Zeit von 1888/89 bis 1906/07 veranschaulicht. *) Vgl. Dr. H. L u x , Die wirtschaftliche Bedeutung der Gas- und Elektrizitätswerke, 1898, S. 46. 2 ) Vgl. 128. Band, S. 44—54.
131
§ 12. Die Preispolitik der Gaswerke.
Tabelle XXYII. Gas für Private in Pf. pro cbm zu Beleuchtungszwecken
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10 15
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12 12 14 1 0 - 8 13 11 1 2 Pf. 8 20 cbm 14 12 0,5 2,5 Pf. 10 50 cbm 13,5 10 15; 14 12 1 6 25 250 cbm 12 14*) 3 1
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Zu Koch-, Heiz- etc. Zwecken u « a £
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5°/„
1 0,5 2,5 Pf. 1 1 3 Pf.
—
Für Kraftmaschinen
2,5 25 cbm 18,5; 18 — — 11,75
16
15,5 13
bzw. von
Hille cbm bzw. M.
—
15u. 15,2 15 u. 13 2 ) 13 2 ) 16 13 18; 13 16 18 16
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bis
Wird gewährt auf einen Verbrauch
13
16
Crefeld Darmstadt
') *) ') *)
CO o OS
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18 15; 14 19,4 22
Chemnitz . Cöln . .
sonstiger Verbrauch
Ob mit Rabatt Der Rabatt ¡Grundpreis Niedrigster (Bebetrug Preis jahung 1906 = 1)
a
18; 13 16; 12,8 13 13-10 12 10 10 15
a
a
1
—
1
1
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1
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1 1
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12-10 12
12 12 14 1 0 - 8 13 13 14 12 13,5 10 14 15; 12 14«) 12
to o 05
1 — — —
1 —
1 1 1
-
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-
—
1
Die Preise, die nacheinander gegolten haben, sind in chronologischer Reihenfolge aufgeführt. Vom 1. April 1908 ab 16 Pf. für den Winter und 14 Pf. für den Sommer. Seit 1. April 1905 Einheitspreis für Leuchtgas (im Sommer 12 Pf., im Winter 16 Pf.) Vom 1. J a n u a r 1907 ab Einheitspreis von 14 Pf.
9«
132
I I I . Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft. Fortsetzung von Tabelle X V I I . Gas für Private in P f . pro c b m
.
.
.
CO
o
CS
Mainz . Mannheim
20; 20 2 ) 16; 16,4s) 18 14,4 17 14») 13; 14 s ) 14 20 18 20 18 18 18 12,6 14
Mülhausen i. E. Nürnberg .
24 20
16 18
24 20
16 18
Plauen
18; 19
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15,2
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Liegnitz
früher 1 )
früher 1 )
Kiel
CO O OS
früher 1 )
ßrundpreis St»dte
Ob mit R a b a t t Der R a b a t t Niedrigster betrug (BePreis 1906 jahung =1) CO ® o>
von
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Wird gewährt auf einen Verbrauch von
bzw. von
Mille cbm bzw. M.
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Für Kraftmaschinen
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a
CO O OS
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Zu Koch-, Heiz-, etc. Zwecken
Ob mit Rabatt (Bejahung =1)
früher 1 )
sonstiger Verbrauch
zu Beleuchtungszwecken
tri « ss •u•s
16; 12 13
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16; 12 13
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19 17,5
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15,2 15
17 11
Straßburg .
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Wiesbaden
20; 16; 12
14
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—
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1 0,5 1 Pf.
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l —
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13 14; 13 1 1 2,5 10 % 1 3 12 cbm 15; 13,4 — — — — — — 15; 12 —
_
14 2 )
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—
—
—
10 25 cbm
CO o O
"
im Sommer
Posen . Potsdam
CO 0 01
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im Sommer
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13 14; 13 15;
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10 12 12
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l -
— —
1
—
1 ) Die Preise, die nacheinander gegolten haben, sind in chronologischer Reihenfolge aufgeführt. 2 ) Vom 1. April 1907 an ist der Sommerpreis von 13 Pfg. und einWinterpreis von 16 Pfg. pro cbm festgesetzt. ' ) Bs wurde ein Einheitsgaspreis von 14 Pfg. pro cbm eingeführt. Die Tabelle wurde nach dem Stat. Jahrbuch deutscher Städte von 1909 zusammengestellt.
§ 12. Die Preispolitik der Gaswerke.
133
Diese verschiedenen Tarife für Nichtleuchtzwecke haben offenbar den Gaswerken gute Dienste geleistet und die schönsten Erfolge in der Verwendung des Gases zu Heiz-, Kraft- und Kochzwecken gezeitigt. Allein in dem Augenblicke, in dem der Absatz des Gases zum Heizen und zur Kraftleistung einen bestimmten Prozentsatz des gesamten Gaskonsums überschreitet, muß der für diese Zwecke erheblich niedriger angesetzte Gaspreis die Rentabilität der Gaswerke ungünstig beeinflussen. Bereits in der geschichtlichen Darstellung ist darauf hingewiesen worden, daß der Absatz des »gewerblichen« Gases heute 50% des Gesamtkonsums ausmacht. Eine Steigerung nach dieser Richtung ist in den kommenden Jahren vorauszusehen. Den daraus für die Geschäftsabschlüsse der Gasanstalten drohenden Gefahren — zumal die Gaspreise gegenüber der stetig steigenden Kohlenpreisen und Löhnen so wie so niedrig bemessen sind — soll durch eine Tarifreform begegnet werden. In der Einführung eines Einheitspreises 1 ) ohne Rücksicht auf die Höhe des Verbrauches, Verwendungszweckes oder der Jahreszeit glaubten viele die Lösung gefunden zu haben. Begründet wurde diese Folgerung auch damit, daß es unlogisch sei. für ein und dieselbe Ware je nach ihrem Verwendungszweck verschiedene Preise zu erheben, und daß die unbequemen doppelten Gasmesser das Anlagekapital nur unnötig verteuern. Das ist zweifelsohne richtig, aber trotzdem kann der Einheitsgaspreis, obgleich er in Städten, in denen er zur Einführung kam, wie z. B. in Berlin, Charlottenburg, Hamburg, Wiesbaden usw. gute Erfolge hatte, nicht als Ideal hingestellt werden. Es hat sich auch hier gezeigt, daß die Tarifreform nicht durch eine allgemein geltende Formel gelöst werden kann. Die lokalen Verhältnisse sind zu verschieden, um als nicht vorhanden angesehen zu werden. Schwer getroffen wurden durch diese Maßregel in erster Linie die Gasmotorenbesitzer und die Eigentümer sonstiger mit Hilfe des Gases betriebenen Gewerbe. Schäfer hat nachgewiesen, daß der starre Einheitsgaspreis ohne Zweifel für den Bestand und vor allem für eine weitere Ausbreitung des Leuchtgasmotors von großem Nachteil gewesen ist. »So wünschenswert und für die Abnehmer angenehm ein einheitlicher Gaspreis für das in Wohnungen, Restaurationen, Läden usw., gleichviel zu welchem Zwecke, verwendete Gas auch sein mag, so sehr ist doch ein niedriger Sonderpreis für das zur Kraftentwicklung benutzte Gas am Platze. Alle Bedenken, die sonst gegen die getrennten Leitungen und die doppelten Gasuhren bestehen, ') Der Einheitsgaspreis kommt so zustande, daß das Gas für Leuchtzwecke im Preise herabgesetzt, das Gas für gewerbliche Zwecke aber erhöht wird.
134
III. Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft.
fallen hier nicht ins Gewicht oder doch weit weniger als der soziale Gesichtspunkt der Bereitstellung möglichst billiger Betriebskraft für das Gewerbe und das wohlverstandene Interesse der Gaswerke selbst1).« Ein Mittelpreis für Leucht-, Koch- und häusliches Heizgas und ein niedriger Sonderpreis für Kraft- und gewerbliches Heizgas wäre demnach dem unbeweglichen Einheitsgaspreise entschieden vorzuziehen. Das ist durchaus keine utopische Forderung; in mehreren Städten, wie Trier, St. Ingbert, Solingen u. a., ist sie bereits verwirklicht worden. 2. I n b e z u g
auf
den A b s a t z
der
Nebenprodukte.
Nächst den Tarifen für den Absatz des Gases ist es sodann die Preisgestaltung der Nebenerzeugnisse, welche besondere Beachtung verdient. In den letzten Jahrzehnten ist in dem Verhältnis der Nebenprodukte zu dem Hauptprodukt eine starke Verschiebung zu bemerken. Waren erstere früher für die Gaswerke eine Quelle von Unbequemlichkeiten und Unannehmlichkeiten, deren Absatz ihnen nur wenig einbrachte, ihnen oft sogar Kosten verursachte, so haben sie heute für die Gasanstalten und wie gezeigt wurde für die gesamte Volkswirtschaft eine nicht zu unterschätzende Bedeutung erlangt. Dieser Umschwung trat im allgemeinen ein mit dem Fallen der Gaspreise. Die Konkurrenz der elektrischen Zentralen sowie das Bestreben, die Gaswerke vor allem als gemeinnützige Anstalten und sie erst in zweiter Linie als Erwerbsanstalten zu betrachten, war hierfür der innere Grund. Der durch die Herabsetzung der Preise für das Hauptprodukt bedingte Ausfall der Einnahmen hätte die Gaswerke voraussichtlich in ihrem Bestände ernstlich bedroht, wenn ihnen nicht durch die bessere wirtschaftliche Ausnutzung und finanzielle Verwertung der Nebenprodukte ein Mittel gegeben worden wäre, eine Krise abzuwenden und auch weiterhin erfreuliche Resultate zu erzielen; denn bei der heutigen Preisgestaltung des Gases werden die Überschüsse zum größten Teile aus dem Erlös aus den Nebenprodukten gewonnen. Als Beleg sei ein Beispiel aus dem Münchener Gaswerke beigebracht 2 ). Es betrugen Vgl. S c h ä f e r , Muß der Gasmotor dem Elektromotor •T. G. W. 1909, S. 159. s ) Sehr. d. V. f. Sp., Bd. 129, 1. Heft, S. 97.
weichen?
§ 1 2 . Die Preispolitik der Gaswerke.
im J a h r e
1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906
die Reineinnahmen
ca. „ „ „ „ „ „
1 117 500 1 021 465 974 852 1 012 787 1 138 887 1 239 260 1 360 698
aus den Nebenprodukten °/o des Reingewinns der Gasanstalt
84,9 98,4 102,4 94,2 90,3 88,7 91,4
135 der Gesamtreingewinn der Gasanstalt
1 980 1 037 951 1 075 1 261 1 395 1 488
037 412 615 372 523 881 393
In Halle brachte 1906/07 der Verkauf der Nebenprodukte so viel ein, daß 69,36% der verarbeiteten Kohle dadurch gedeckt werden konnten. Begünstigt wurde die oben angedeutete Verschiebung durch die Entdeckung der Teerfarbstoffe, durch die Anwendung des Ammoniumsulfates als Düngemittel in der Landwirtschaft und durch die Verwendung des Kokses für gewerbliche Zwecke. Mit der besseren Verwertung der Nebenerzeugnisse aber erweiterte sich auch das Absatzgebiet der Gaswerke: kam vorher für sie nur der lokale Markt in Betracht, so traten sie mit Koks, schwefelsaurem Ammoniak, Teer, Zyan und Graphit auch auf den Weltmarkt hinaus. Ganz abgesehen davon, daß die einzelnen Mengen an Nebenprodukten, insbesondere in den kleineren Gasanstalten, so gering sind, daß sie eine Aufmerksamkeit auf dem Markte gar nicht erringen können, und daß es den Leitern der städtischen und privaten Unternehmungen an einem zuverlässigen Uberblick über Angebot und Nachfrage, über Absatzgelegenheit usw. fehlt, litten die Preise für die Nebenerzeugnisse der Gasanstalten namentlich in den 80 er und 90 er Jahren sehr unter dem Drucke der Konkurrenz der Destillationskokereien. Die verderbliche Konkurrenz der Gasanstalten untereinander, die Beeinträchtigung des Ortsverkaufes durch die Einfuhr fremder Ware von seiten der Großhändler benachbarter Gaswerke, das submissionsartige Ausbieten von Koksmengen unter willkürlicher Preisfestsetzung ließen sehr bald das Streben aufkommen, diesen Übelständen auf dem Koksmarkte Einhalt zu gebieten und an Stelle des »anarchischen« einen »geregelten« Vertrieb zu setzen. Den Vertretern der Gaswerke Rheinlands und Westfalens gebührt das Verdienst, als erste die Bedeutung eines wirtschaftlichen Zusammenschlusses erkannt zu haben. Ende der 80 er Jahre gründeten sie eine lose Verkaufsvereinigung, deren Zweck war, durch Verständigung gleichmäßige Jahrespreise für Koks herbeizuführen. Der Niedergang der Konjunktur zu Beginn des
136
III. Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft.
20. Jahrhunderts aber ließ die anfangs erzielten günstigen Erfolge in das Gegenteil verkehren. Der festgesetzte Preis konnte nicht gehalten werden, die Vereinigung selbst wurde durch den Austritt mehrerer Gaswerke bedeutungslos. Der außerordentliche Preisrückgang des Kokses1) in Verbindung mit den wenigen Einnahmen aus dem Gasverkauf als Folge der herabgesetzten Gaspreise blieben naturgemäß nicht ohne empfindliche Wirkungen auf die wirtschaftlichen Ergebnisse der Gasanstalten 2 ). Dieser Umstand und die Tatsache, daß die Gaswerke beim Einkauf ihrer Rohstoffe wie beim Verkauf ihrer Nebenprodukte sich festgeschlossenen wirtschaftlichen Korporationen gegenüberstehen, wie Kohlen- und Kokssyndikat in Rheinland und Westfalen, an der Saar und in Schlesien, Teer und Ammoniakverkaufsvereinigungen, Dachpappenverband u. a., bewog die Leiter der Werke — um von diesen Verbänden nicht erdrückt zu werden — von neuem an Stelle des freien wirtschaftlichen Wettbewerbs des einzelnen eine planvolle Kontrolle des Absatzes von einer Zentrale aus treten zu lassen. Nach der Erfahrung der bereits bestehenden Brennstoffverbände und nach der eigenen Erfahrung der alten wirtschaftlichen Vereinigung wurde im Jahre 1904 die »Wirtschaftliche Vereinigung deutscher Gaswerke A.-G.« begründet. Ihr Sitz ist Cöln a. Rh. Das Grundkapital dieser Gesellschaft beträgt 60 000 M., das in 300 auf den Namen lautende Aktien zu je 200 M. eingeteilt ist. Jede Aktie gewährt eine Stimme, und zwar richtet sich ihre Anzahl nach der Gesamtgaserzeugung der Gesellschaftswerke. Gegenstand dieses Unternehmens ist, durch bestmögliche Verwertung des Gaskokses und der übrigen Nebenprodukte die Wirtschaftlichkeit der beteiligten Gaswerke zu erhöhen. Auch der Ankauf von Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen soll mit in ihren Geschäftsbereich einbezogen werden. Die Vorteile, welche das Gaskokssyndikat seinen Mitgliedern bietet, sind folgende: 1. Einheitliche Ubersicht über Absatzverhältnisse. 2. Regelung des Absatzes: a) Schutz des natürlichen Absatzgebietes in bezug auf Preis und Menge und b) Regelung des Fernabsatzes. 3. Sicherstellung eines angemessenen stetigen Preises. M In Cöln z. B. fielen die Kokspreise von 170—200 M. pro 10 t (1900) auf 90 M. 1901. Das vom Koks Gesagte gilt in den Grundzügen auch von den anderen Nebenprodukten.
§ 12. Die Preispolitik der
Gaswerke.
137
Die Vereinigung genießt hierbei unbeschränkte Vollmacht, ohne aber eine Mitwirkung ihrer Mitglieder völlig auszuschließen. Um eine zuverlässige Grundlage für die Verkaufstätigkeit zu schaffen, sind sämtliche Gesellschaftswerke verpflichtet, dem Gaskokssyndikat bis zum 1. Februar jeden Jahres Menge und Lieferzeit der zum Verkauf zu kommenden Produkte anzumelden. Während der Absatz in die Ferne mit der Eisenbahn vollkommen in den Händen der Zentrale liegt und diese die Abschlüsse vermittelt, bleibt der Ortsverkauf als ein Sonderrecht jedes einzelnen Gaswerks bestehen. Diesen letzteren schon der städtischen Hygiene wegen möglichst zu fördern und damit das natürliche Absatzgebiet 1 ) der betreffenden Werke zu schützen, ist als oberste Aufgabe der Vereinigung anzusehen, und zwar soll dies dadurch erreicht werden, daß die Aktiengesellschaft fremde Verkäufer, die Nachbarwerke und Händler, gegen angemessene Vertragsstrafe fernhält. Den Fernabsatz, der bei einzelnen Städten (vgl. Tabelle X X I X ) oft noch recht beträchtlich ist, regelt die Vereinigung durch Einrichtung von bestimmten Absatzgebieten, nach denen zur Vermeidung nutzloser Verschwendung von Frachten 2 ) und schädigender Überangebote nicht mehr verkauft wird, als durchschnittlich dahin alljährlich abgesetzt worden ist. Tabelle X X V I I I 3 ) . Ortsabsatz
Städte
Leipzig . . . Düsseldorf . Bonn . . . Berlin . . . Crefeld . . . Mülheim a. R u h r Mainz . . . Höchst a. M. .
in
. . . . . .
7o
45,77
Fernabsatz in
%
54,23
50,51
49,49
74,00
26,00
96,00
4,00
19,60
80,40
31,20
68,80
47,43
52,57
39,40
60,60
Ein ebenso wichtiger Geschäftsakt wie die Regelung der Absatzverhältnisse ist die Festsetzung der Grundpreise, die beim Verkaufe ') Das natürliche Absatzgebiet wird von den ä u ß e r e n Grenzen der Gemeinden umschlossen, innerhalb deren das Gasabgabegebiet liegt. U n m i t t e l b a r aneinander grenzende W e r k e u n d Gemeinden können sich mit Z u s t i m m u n g des Aufsichtsrates zu einem gemeinsamen n a t ü r l i c h e n Absatzgebiet vereinigen. 2 ) E s ist z. B. vorgekommen, daß Gaskoks von Leipzig nach Halle v e r k a u f t worden ist und von d o r t wieder nach Leipzig e i n g e f ü h r t wurde. 3 ) Vgl. Schriften d. V. f. Sp., 128. Bd., S. 316.
III. Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft.
138
als Richtschnur dienen sollen. Sie erfolgt unter Mitwirkung des Aufsichtsrates und Beirats erst nach der Bekanntmachung der Kokspreise des Rheinisch-westfälischen Kohlensyndikats, und zwar werden sie immer etwas tiefer als diese angesetzt. Je nach Absatzgebiet und Frachtlage werden die Gesellschaftswerke in vier großen Gruppen: in eine west-, nord-, mittel- und süddeutsche eingeteilt, um damit den verschiedenen Interessen der einzelnen Gebiete Rechnung zu tragen. Mindererlöse trägt die Vereinigung, Mehrerlöse fallen den liefernden Werken zu. Anders gestaltet sich die Preispolitik des Gaskokssyndikats, wenn es auch den Verkauf der nach dem 1. Februar angebotenen Mengen übernehmen soll. Hier haben dann alle (gegen die Grundpreise erlösten) Unterpreise die Werke zu tragen, welche diese Mehrmengen lieferten, wohingegen etwaige Überpreise in die Kasse der Vereinigung fließen, zugunsten aller Koks liefernden Werke. Die Kosten, die den Gaswerken entstehen, werden durch eine Abgabe und Umlage gedeckt; sie sind gegenüber den Vorteilen, welche die wirtschaftliche Vereinigung bietet, unbeträchtlich und betragen nur etwa 1% des Gesamtumsatzes. Die neben der Cölner Zentrale noch bestehenden Vereinigungen, wie die »Wirtschaftliche Vereinigung thüringischer Gaswerke in Crimmitschau«, die »Wirtschaftliche Vereinigung von Gaswerken in Frankfurt a. O. u. a. verfolgen dieselben Ziele«. Ein Rückblick auf die fünf Jahre des Bestehens der Cölner Vereinigung zeigt, daß früher gehegte Zweifel an der Zweckmäßigkeit und dem Erfolge einer gemeinsamen Verkaufsstelle unbegründet waren. Die Daseinsberechtigung hat sie während der günstigen wirtschaftlichen Lage in dem gleichen Maße bewiesen wie zur Zeit der allgemeinen Abschwächung. Tabelle Gaskoka
La Jahr
"O O) JahresgasÄ * erzeugung in cbm cÜ
1904/05 81 1905/06 97 395 000 1906/07 107 481 518 1907/08 122 549 237 1908/09 144 578 508
Teer
Gesamterzeugung
im Fernabsatz verkauft
abgesetzte Mengen
Wert der abgesetzten Mengen
t
t
t
M.
Wert abgesetzte pro Mengen t
t
Wert
Wert pro
M.
t
_ 000 769 397 535 1
714 807 991 199
611 150 717 673
182 217 273 293
815 440 842 615
200 239 293 306
895 928 972 473
3 4 5 5
102 014 281 569
675,08 298,87 719,66 427,30
596 15,37 16,73 8 302 17,97 27 953 18,11 58 884 1
14109,18 206 268,20 660 710,25 312 481,50
23,67 24,85 23,64 22,29
139
§ 1 2 . Die Preispolitik der Gaswerke.
Über die Anzahl der ihr angehörenden Werke und über Menge und Wert der abgesetzten Produkte gibt folgende statistische Zusammenstellung Aufschluß 1 ). Solange die Gaswerke nicht dazu übergehen, ihre Nebenprodukte in einer gemeinsamen Zentrale — wie dies bereits in England geschieht 2 ) — zu verarbeiten, hat der gesamte Absatz — zumal bei den großen Preisschwankungen 3 ) wie sie Teer und Ammoniumsulfat zeigen— von einer Verkaufsvereinigung zu geschehen; ein Anschluß der Gaswerke an sie ist, da wirtschaftliche Bedenken nicht entgegenstehen, nur zu befürworten. Nachdem der Vertrieb der Nebenprodukte und die darauf bezügliche Preispolitik der Gaswerke klargelegt worden ist, sei im folgenden noch auf die Durchschnittspreise und -erlöse für Koks, Retorten*) Jahresbericht der Cölner Vereinigung von 1909. ) Chemical-Works of Gaslight and Coke-Company in Bekton. 3 ) Preisbestimmend für den Markt in Steinkohlenteer und Ammoniumsulfat sind die englischen Notierungen. England verdankt diese Stellung seiner Leuchtgasindustrie, die jährlich große Mengen Teer und schwefelsaures Ammoniak auf den Markt bringt, zum andern dem Umstände, daß sich der Zwischenhandel mit Chilesalpeter, dessen Preisgestaltung in inniger Wechselbeziehung zu dem des Ammoniumsulfates steht, fast durchweg in den Händen der Engländer befindet. Wurde im J a h r e 1884 für Teer noch ein Preis von 54—60 M. pro t erzielt, so fiel dieser infolge eines Überangebots von Seiten der Destillationskokereien auf 17 M. pro t. Seitdem h a t sich der Preis wieder auf rund 23 M. gehoben. Ähnlich liegen die Verhältnisse beim schwefelsauren Ammonium. Während sich ein Preis in den J a h r e n 1888—1904 zwischen 17 und 29 M. pro 100 kg bewegte, ist er heute auf rund 23 M. pro 100 kg anzusetzen. (Der Preis für Chilesalpeter stellt sich heute auf etwa 20 M. pro 100 kg frei Hamburg.) Der höhere Preis des Ammoniaksulfates k o m m t daher, daß in Deutschland die beiden Düngemittel allgemein nach dem Stickstoffgehalt bewertet werden. 2
XXIX. Ammoniak
Ausgebrauchte Gasreinigungsmasse
Retortengraphit
GesamtJahresumsatz
abgesetzte Mengen
Wert
abgesetzte Mengen
Wert
Wert pro
abgesetzte Mengen
Wert
in
in
t
M.
t
M.
t
t
M.
t
M.
— •
521 2924 7888
—
—
43 856,02 214 745,36 648 490,61
281 704 723
—
13 232,59 47,09 40 268,20 57,20 42 018,23 58,12
—
596 2704 3229
—
10 481,76 51 740,37 71 108 36
261 249 328 377
491 628 257 197
3 119 4 288 6 249 7 643
784,26 137,44 183,84 526,—
140
HI. Die Gasindustrie und die Volkswirtschaft. Tabelle XXX'). Koks
Städte
Durchschnittspreis des Kokses M.
Bamberg . Barmen Berlin . Bielefeld . . Bochum Bremen Breslau Bruchsal Cassel . Charlottenburg Colmar Cöln . . . Crefeld . . Danzig Duisburg . Düsseldorf Elberfeld . . Essen . Frankfurt a.M. Freiburg i. Br. Görlitz Halberstadt Heidelberg Heilbronn . Karlsruhe . Kiel . . . Landau Leipzig Lübeck Magdeburg Mainz . Mülheim a.Rh. Mülheim a.d.R. München . Münster Plauen . Stettin Stuttgart . Würzburg . Zwickau
Ammoniak
Teer
Erlös DurchErlös aus der schnitts3» ä a»** aus dem ¿o ¿ Koks- preise für AmmoniakvE produk100 kg verkauf a g00« -Oltion M. M. M. M.
Erlös aus dem Teerverkauf M.
Reinigungs- Graphit etc. Gesamtmasse eres aus den Erlös Erlös Nebenaus dem aus dem produkVerVerten kauf kauf M.
M.
M.
123 332 24,582) 12 290 2,39 13 071 180 500 149 373 394 564 — 255112 86,343) 88 410 2,47 45 399 5 643 — 5 284 938 75198 7 548 287 1 179 988 2,72 1 008 183 606 206 397 133 058 23,16«) 47 600 2,30 21 695 3 438 — 222 632 166 098 18,13«) 24 305 31 269 2,64 960 89134 17 916 5 281 1 012 452 719 633 17,71») 180 488 2,15 — 1 433 497 1 004 139 86,9 3) 222 626 3,30 200 837 5 895 — 42 127 34150 0,76') 5 356 120 2 501 2,82 275 865 12,91*) 30184 4 642 46 702 2,08 540 357 953 — 1270 014 966 634 — 149 095 3,42 151 702 2 583 10 004 2,99 — 179 289 147165 22,13«) 20 895 1 225 1 004 130 18,90«) 197 353 2,67 158193 10 839 1 000 1 371 515 284 528 71 720 2,55 42 696 5195 11 050 415189 219 382 23,48«) 158 9 612 316 446 50 094 2,93 37 200 — 195 515 59,6 •) 271 098 36 721 2,88 34 585 4 277 — — 1 048 577 786 105 18,99«) 152 773 • 2,50 100 690 9 099 1,42—1,80 375 520 84,433) 88 225 2,64 63 505 6123 1 778 535 151 1,45 26 942 2,13 207 064 15,96«) 23 742 3 660 1 250 202 658 16 429 1,22 10 488 66,3 3) 100 2 646 2,87 3195 — 238 513 2,25 — 185 279 24,89«) 21 327 2,71 31 907 144 834 — 1,50 98 672 18,72*) 20 893 2,83 21 088 4181 — 188 402 2,12 157 786 24,20«) 15 027 2,71 14 624 965 10 456 2,41 661 215 708 2,12 172 778 0,83®) 29 725 2 088 — 16 596 2,93 2,80 103 355 16 094 1 503 337 137 885 406 387 13,222) 2,18 57 321 2,59 72 084 4 420 2 155 542 367 43 038 2,68 310 805 16.102) 26 793 2 274 3186 386 096 ! 1,47 49 549 336 36 439 83,4 ») 375 2,22 5 500 2,80 6 849 - 134 703 903 716 15,66«) 153 817 6 640 8 244 1 207 120 — 264 064 2,26 32 307 1,24 215 029 25,5 «) 12 829 3 899 1,60 93 194 2,53 509 855 105,42») 62 491 8 323 1257 675 120 — 333 434 222 205 42 220 3,57 ! 1,51 63 067 7 942 402 106 339 11177 1196 76 259 23,39«) 17 305 2,65 i 1,50 162117 124 135 12,862) 285 - 1,50 16 658 2,86 21 039 — 1 352 421 3,10—3,30 1151 187 13,072) 91 703 2,25 102 166 7 365 — 188 648 1,60 142 566 12,102) 28 635 2,37 17 147 1 300 2,41 156 739 26,00«) 35 283 1 475 1 580 233144 38 067 2,47 1,56 51 826 2,54 931 433 408 317 975 21,45«) 42 924 19 752 — 953 359 2,51 86 622 2,05 117 638 1 030 748 069 — — 199 530 2,14 163 057 24,31«) 15 953 2,39 20 520 602 | 153 719 1,79 105 560 24,80«) 22 915 1,06 23 370 1 272 2,10 1,31 1,74 1,68 1,45 1,69 1,73 2,20 1,56 1,72 2,29 1,36 1,29 1,81 1,42
§12.
Die Preispolitik der Gaswerke.
141
graphit, ausgebrauchte Gasreinigungsmasse, Ammoniak und Teer, wie sie die GaSwerke erzielen, hingewiesen. (Vgl. Tabelle auf S. 140) Die Zahlen hierfür sind den Darstellungen von Weis in den Schriften des Vereins für Sozialpolitik entnommen, und zwar für das Berichtsjahr 1906/07 2 ), da neuere Angaben nicht vorliegen. Nach den erzielten höheren oder niederen Preisen der Wirtschaftlichen Vereinigung für die Jahre 1907/08 zu schließen, dürften im allgemeinen in dieser Zeit die Durchschnittspreise und -erlöse der einzelnen Gaswerke auch gestiegen oder gefallen sein. Im übrigen wird auf die Arbeit von Weis selbst verwiesen. J
) A n m e r k u n g z u r T a b e l l e X X X : *) Es ist hier nur die Verwertung der im Betriebsjahr gewonnenen Erzeugnisse dargestellt worden. Rückstände aus Vorjahren sind außer Ansatz geblieben. Am Ende des Jahres noch vorhandene unverkaufte Erzeugnisse sind in den Ziffern inbegriffen, wenn sie im Betriebsjahr gewonnen sind. — 2) bedeutet: konzentriertes Ammoniakwasser. — 3) Hier ist die Ausbeute auf N H 3 berechnet. — 4) bedeutet: schwefelsaures Ammoniak. — 6) bedeutet: rohes Ammoniakwasser. — 6) Verarbeitung zu Salmiak. 2 ) 128. Bd., S. 322—323, 330—331 und 338.
Schlußwort. In vorliegender Arbeit ist versucht worden, die Stellung der Gasindustrie in der Volkswirtschaft und ihre Bedeutung für das moderne Städteleben klarzulegen. Welch hohe Einschätzung sie in den Kreisen der Gewerbetreibenden, der Industrie und der Landwirtschaft genießt, ergibt sich am zutreffendsten aus der selten einmütigen Zurückweisung, welche der von der Regierung aufgestellte Gesetzentwurf einer Gassteuer von den Stadtverwaltungen selbst, wie von allen im Erwerbsleben tätigen Berufsarten in diesem Jahre erfahren hat. Nicht weniger als 364 1 ) maßgebende Korporationen, Verbände und Vereine, darunter allein 147 Handelskammern, haben diese Steuer als eine in volkswirtschaftlicher, sozialer und hygienischer Hinsicht verfehlte Maßregel bezeichnet und durch ihren Einspruch eine Einführung verhindert. Zeigt nun auch dieser Hinweis zur Genüge, daß sich die Gasindustrie im Verlaufe ihrer mehr denn hundertjährigen Geschichte zu einem unentbehrlichen Faktor unseres Gewerbefleißes emporgearbeitet hat, so muß eine Betrachtung der Aussichten dieses Industriezweiges für die Zukunft von besonderem Interesse sein. Wird sich in der Folgezeit die Gasabgabe noch steigern oder wird sich — im Hinblick auf die Konkurrenz der Elektrizitätswerke — ein Abflauen, wenn nicht ein Stillstehen in der Anschlußbewegung bei den Gaswerken bemerkbar machen ? Nach den Urteilen hervorragender Gasfachmänner zu schließen, sind die Versorgungsgebiete der deutschen Gasanstalten noch auf lange Zeit hinaus aufnähme- und erweiterungsfähig, so daß die Befürchtung weiter Volkskreise, als ob die Elektrizitätswerke die Gaswerke bald überflügeln oder gar verdrängen werden, keinerlei Berechtigung aufzuweisen hat. Die technischen Fortschritte auf dem Gebiete des Beleuchtungswesens als auch auf dem der Kraftversorgung haben keine Verschiebungen in dem bisherigen Verhältnis des Gases ») Vgl. Denkschrift 1909, S. 177—184.
Schlußwort.
143
Gebieten der Gastechnik ist eine solche zuungunsten des Gases auch nicht anzunehmen. Die Tatsache, daß seit 1900—1908 712 neue Gaswerke gebaut -— also pro Jahr im Durchschnitt 88 —, bestehende erweitert wurden und fortwährend neue projektiert werden, müßte allein schon als ein deutlicher Beweis dafür hingenommen werden, daß sie früher wie auch zukünftig nicht mehr zu entbehren sind. Daß die Abgabe von Gas noch wesentlich vermehrt werden kann, ist schon aus den Folgen zu ersehen, welche die bisher bestehenden Gasüberlandzentralen, deren Zahl in Zukunft noch beträchtlich erhöht werden soll, gezeitigt haben. In den nächsten Jahren dürfte die Gasfernversorgung große Fortschritte zu verzeichnen haben. Aber auch dem Gasverbrauch pro Einwohner in den bereits mit Leuchtgas versorgten Orten, kann eine weitere Entwicklungsfähigkeit nicht abgesprochen werden. Der Jahresdurchschnittsverbrauch pro Kopf der Bevölkerung bewegt sich bis jetzt in recht bescheidenen Grenzen. Nur einige wenige Städte weisen einen größeren Gaskonsum als 100 cbm auf; die meisten Großstädte haben jedoch nur einen solchen von 70—90 cbm und die Mittelstädte einen solchen von 50—70 cbm. Wird der Gasverbrauch für Privatzwecke pro Einwohner einer Anzahl deutscher Städte mit dem einer Reihe ausländischer Städte verglichen — wie dies in den nachfolgenden Tabellen geschieht —, so ergibt sich die beachtenswerte Tatsache, daß Deutschland in dieser Beziehung noch weit hinter dem Auslande zurücksteht. Gleich große Fortschritte wie in England und Holland hat die Gasindustrie in Frankreich und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika zu verzeichnen 1 ). Ein Jahresabsatz von 200, 250 und sogar von 300 cbm pro Kopf ist dort nicht allzu selten. Er ist in diesen Ländern erreicht worden, ohne daß ihn besondere Umstände begünstigt hätten, die uns vielleicht hindern könnten, den Gasverbrauch auf eine ähnliche Höhe zu bringen. Der Hinweis auf den Zusammenhang der hohen Verbrauchsziffern mit den niedrigen Gaspreisen der englischen Städte vermag daran nichts zu ändern; denn, wenn auch London nördlich der Themse bei einem Gaspreise von 10 Pf. pro cbm eine Jahresabgabe von 197 cbm pro Kopf im Jahre 1906/07 aufweist, für Manchester bei einem Preise von 8,25 Pf. pro cbm eine solche von 240 cbm pro Einwohner angegeben wurde, während Berlin in demselben Jahre mit dem Einheitsgaspreis von 12,35 Pf. einen Privatgasverbrauch von nur 126 cbm pro Kopf er') Das Argument, als ob in England und Holland der Nebel hauptsächlich die hohen Verbrauchsziffern hervorgerufen habe, ist damit hinfällig geworden.
144
Schlußwort.
Tabelle XXXI 1 ). Privatgasverbrauch
auf den K o p f der B e v ö l k e r u n g pro
In Städten mit über 500000 Einwohnern
In Städten mit über 100COO—200000 Einwohnern
München
38 c b m
Kiel
Hamburg
79
Plauen,
Berlin
126
Amsterdam
122
London,
145
hemse
nördl. d.
Manchester
240
Glasgow
172
48 ctm Danzig .
Königsberg,
Essen
Stockholm, Bremen, Stuttgart, hagen,
Köln Basel,
Halle, Mülhausen i. E . Utrecht
.
.
.
.
146
In Städten mit unter
looooo Einwohnern
75
„
86
,,
Düsseldorf, .
63
Duisburg
Kopen-
Zürich, s ' G r a v e n h a g e
,
Karlsruhe
S t r a ß b u r g i. E . , C r e f e l d
40 c b m
.
Nürnberg
57
Mannheim, W i e s b a d e n
In Städten mit über 200000—600000 Einwohnern
Chemnitz,
1906/07.
111
Leicester
205
Bradford
173
Landshut, Naumburg, Wilhelmsburg, Freiburg, Oppeln Kattowitz, Heidelberg, Bromberg . . . . Hagen, Münster, Haarlem, Aarhus, Mülheim a.d.R Arnheim, Leiden
39 ebn 56
,
70
,
134
,
Groningen,
Tabelle XXXIl'j. Durchschnittlicher
Privatgasverbrauch
auf den
K o p f der
Bevölkerung
In je 9 g r o ß e n S t ä d t e n Englands: L o n d o n , nördl. d. T h e m s e , Glasgow, Liverpool, Manchester, Sheffield, Bradford, Leicester, Lower L y d e n h a m , B r i g h t o n .
186 ebn
In je 9 g r o ß e n S t ä d t e n Hollands: Amsterdam, Rotterdam, s'Gravenhage, Utrecht, Groningen, H a a r l e m , A r n h e i m , Leiden, Nijmwegen
122
,
76
,
In je 9 großen S t ä d t e n Deutschlands: M ü n c h e n , H a m b u r g , B e r l i n , Chemnitz, Essen, Nürnberg, B r e m e n , Köln,
Stuttgart
Die hier gegebenen Zahlen pro K o p f , die der D e n k s c h r i f t betr. die Gass t e u e r S . 6 0 — 6 1 e n t n o m m e n sind, sind nicht ohne weiteres m i t den D a t e n im stat. J a h r b u c h deutscher S t ä d t e vergleichbar, da eine verschiedene Erhebungsveise zugrunde
liegt.
Schlußwort.
145
zur Elektrizität zur Folge gehabt, und bei der Regsamkeit auf allen reichte, so hatte doch bereits Paris 1891 einen jährlichen Gaskonsum von über 127 cbm zu einer Zeit, in welcher der hohe Preis von 24 Pf. pro cbm gezahlt werden mußte. Die billigen Kohlenpreise in England, welche diese niedrigen Gaspreise ermöglichen, kommen aber auch dem elektrischen Strome zugute. Der Wettbewerb der Elektrizitätswerke, der in den Städten Englands, Frankreichs und den Vereinigten Staaten von Nordamerika mit ebenso großer Heftigkeit geführt wird wie in den Städten Deutschlands, hat aber dort nicht zu verhindern vermocht, einen so hohen relativen Gaskonsum zu erzielen. Die Erwägung, daß bei uns — wieder im Gegensatz zu England —die Gasabgabe durch Gasautomaten noch äußerst wenig entwickelt ist 1 ), daß dem Gase durch die immer mehr und mehr zur Einführung gelangende Warmwasserversorgung ganzer Häuser sowie einzelner Stockwerke durch selbsttätige Erhitzer mit Gasfeuerung 2 ) ein neues, aussichtsreiches Verwendungsgebiet, auf dem von Seiten der Elektrizitätswerke ein Wettbewerb als wirtschaftlich unmöglich anzusehen ist, erschlossen worden ist, und daß die Benutzung des Steinkohlengases als Betriebsmittel zur Erhaltung der Ballons im Luftmeer noch große Bedeutung erlangen wird, größer vielleicht als wir jetzt zu ahnen vermögen, können die Aussichten der Gasindustrie für die Zukunft durchaus als günstig hingestellt werden. Ein Einfluß der Glühkörpersteuer, auf die einzugehen außerhalb unserer Aufgabe liegt, auf den Gaskonsum, ist nicht wahrscheinlich. Ein gleich günstiges Prognostikon wie für die Gasabgabe kann auch für den Absatz der in den Gasanstalten gewonnenen Nebenerzeugnisse gestellt werden. Werden die bereits in einem früheren Abschnitte angeführten Sätze zur Förderung der im Interesse der Hygiene so wünschenswerten Koksheizung befolgt,, dann dürfte der Gaskoks in der Folgezeit stets guten Absatz finden. Ebenso erscheint auch der Gasteer eine begründete Aussicht auf Besserung zu haben; jedenfalls hat die jetzt mehr in Gebrauch kommende Teerung der Straßen — wie einigen Geschäftsberichten der Gasanstalten entnommen wird — schon ein Anziehen der seit mehreren Jahren sich nur auf einer niedrigen Basis bewegenden Teerpreise zur Folge gehabt. ') Die städtischen Gaswerke in Berlin hatten am 31. März 1906 neben 190 804 gewöhnlichen Gasmessern erst 27 063 Gasautomaten. Dagegen waren im Versorgungsgebiet der drei großen Londoner Gasgesellschaften Ende 1904 neben 383 441 gewöhnlichen bereits 396 009 automatische Gaszähler aufgestellt. 2 ) Vgl. hierzu die gleichlautende Broschüre S c h ä f e r s . S c h n a b e l - K ü h n , Die Bedeutung der Steinkohlengaslndustrie.
10
146
Schlußwort.
Was den Absatz des schwefelsauren Ammoniaks anbetrifft, so ist hierfür die zu erwartende Gestaltung des Sulfatmarktes von ausschlaggebender Bedeutung. Haarmann hat vor kurzem die verschiedenen Momente eingehend untersucht, die für eine Beeinflussung des Marktes für Ammoniumsulfat in Betracht kommen können; er kommt dabei zu dem Ergebnis 1 ), »daß im Laufe der Jahre die Konkurrenz des Chilesalpeters nachlassen wird, daß die Versuche, neue Stickstoffquellen zu erschließen, soweit sie darauf ausgehen, mittels der Bakteriologie den Luftstickstoff zu gewinnen 2 ), namhafte Erfolge bisher nicht gezeitigt haben, daß dieses zwar gelungen ist mit Hilfe der Elektrizität sowohl unmittelbar 3 ) als auch durch Vermittlung der Karbide 4 ), mit dem Erfolge, zwei neue stickstoffhaltige Düngemittel, das Kalciumnitrat und den Kalkstickstoff, darzustellen, daß aber vorläufig ihre Fabrikationsbedingungen noch derartige sind, daß mit einem baldigen ernsthaften Wettbewerb auf dem Markte stickstoffhaltigen Düngemittel nicht zu rechnen sein wird, daß anderseits der Bedarf an letzteren so ungemein groß und so entwicklungsfähig ist, daß neben Chilesalpeter, Kalkstickstoff und Kalciumnitrat stets ausreichende Absatzmöglichkeit für Ammoniumsulfat vorhanden sein werden.« Der Gasindustrie kann daher — sowohl für des Absatz ihres Hauptproduktes als auch ihrer Nebenerzeugnisse — nur eine günstige Zukunft in Aussicht gestellt werden. ') H a a r m a n n , a. a. O., S. 56. *) Die Höchster Farbwerke vormals Meister, Lucius & Brüning und die Elberfelder Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. haben Bakterien in Reinkulturen gezüchtet, durch welche das Assimilationsvermögen gewisser Pflanzen (Leguminosen und Papillionazeen) zu erhöhen imstande sind. Die unter dem Namen »Nitragin« resp. »Alinit« in den Handel gebrachten Bakterien haben aber bis jetzt noch keine befriedigenden Erfolge aufzuweisen. 3 ) Diesem Verfahren, den Stickstoff aus der Luft direkt zu gewinnen, liegt die bekannte Tatsache zugrunde, daß der elektrische Funke den Stickstoff und den Sauerstoff der Luft zu Salpetersäure zu vereinigen vermag. *) Der Kalkstickstoff wird dadurch gewonnen, daß Kalk und Kohle unter Zuführung möglichst reinen Stickstoffes im elektrischen Ofen geschmolzen wird.