Die Schand-Luise: Der Skandal um Queen Victorias verstoßene Schwiegermutter 3806238898, 9783806238891

Eine unglückliche Ehe, skandalträchtige Affären, die Verbannung vom Hof ihres Gemahls Ernst von Sachsen-Coburg prägten i

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German Pages 288 [290] Year 2019

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Table of contents :
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Titel
Widmung
Impressum
Inhalt
Vorwort
1. Totenrast in Pfeffelbach
2. Die Brillanten drücken sehr!
3. Geschaffen, um geliebt zu werden
4. Die schöne Griechin und andere Probleme
5. Vermählt das Wahre, Gute mit dem Schönen!
6. Glieder einer Kette
7. Das Coburger Kartenhaus
8. Luise – Prinzessin der Herzen
9. Das Affenweibchen
10. Die Abderiten – Wenn Frösche das Volk verdrängen
11. Und am Ende: Paris
Epilog
Über dieses Buch
Anhang
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Bildnachweis
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Die Schand-Luise: Der Skandal um Queen Victorias verstoßene Schwiegermutter
 3806238898, 9783806238891

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Ulrike Grunewald Die Schand-Luise

Ulrike Grunewald

Die Schand-Luise Der Skandal um Queen Victorias verstoßene Schwiegermutter

Für Lukas

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. wbg THEISS ist ein Imprint der wbg. © der deutschen Ausgabe 2019 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Lektorat: Ute Maack, Hamburg Gestaltung und Satz: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau Einbandgestaltung: Jutta Schneider, Frankfurt a. M. Einbandmotiv: Porträt der Prinzessin Luise von Sachsen-Gotha-Altenburg. Gemälde von Ludwig Döll, ca. 1813. Stiftung Schloss Friedenstein, Gotha Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de 978-3-8062-3889-1 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8062-3936-2 eBook (epub): 978-3-8062-3937-9

Inhalt

Vorwort

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

1. Totenrast in Pfeffelbach

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

2. Die Brillanten drücken sehr!

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

3. Geschaffen, um geliebt zu werden

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

4. Die schöne Griechin und andere Probleme

. . . . . . . . . . . . . . . . 73

5. Vermählt das Wahre, Gute mit dem Schönen! 6. Glieder einer Kette

. . . . . . . . . . . . . . 91

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

7. Das Coburger Kartenhaus

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8. Luise – Prinzessin der Herzen 9. Das Affenweibchen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10. Die Abderiten – Wenn Frösche das Volk verdrängen 11. Und am Ende: Paris Epilog

. . . . . . . 209

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Über dieses Buch

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267



Anmerkungen



Literaturverzeichnis



Bildnachweis

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„Jeder sieht, was Du scheinst, nur wenige fühlen, wie Du bist.“ Niccolò Machiavelli

Vorwort

Die britische Queen Victoria sieht in ihrem Prinzgemahl Albert einen „Engel“ – so nennt sie ihn in ihren Tagebüchern. Mit ihm hat sie einen attraktiven Gatten von nobler Abstammung aus dem deutschen Fürstenhaus Sachsen-Coburg und Gotha an ihrer Seite, der ihr ebenbürtig ist. Und tatsächlich wirkt Albert auch in der historischen Betrachtung manchmal so, als sei er direkt vom Himmel in Victorias Leben gefallen, habe die junge, ungestüme Königin gezähmt und ihren Blick auf alles Gute und Schöne gelenkt. Albert ist von untadeliger Moral, er musiziert und malt, fördert die Wissenschaften und setzt sich mit der erfolgreichen Londoner Weltausstellung 1851 selbst ein Denkmal. Doch im Leben Alberts gibt es einen dunklen Fleck, der so ganz und gar nicht zu dem glorifizierten Bild passt, das Queen Victoria auch nach seinem frühen Tod aufrecht hält. Die Gerüchte, er sei von illegitimer Abstammung, sind seit seiner Geburt bis heute nicht verstummt. Das Schicksal seiner Mutter Luise gibt viele Rätsel auf. Sie ist aus der Geschichte ausgeblendet worden, gebrandmarkt als „Schand-­Luise“ – verstoßen, verleugnet und vergessen. Warum? Hat sie den Aufstieg des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha, das viele Throne Europas mit Monarchen oder ebenbürtigen Heiratskandidaten und -kandidatinnen versorgte, gefährdet? Luise war eine unkonventionelle Prinzessin, die sich den höfischen Regeln nicht unterwerfen wollte  – eine Frau mit romantischen Ideen und einem eisernen Willen, die ihre Gegner das Fürchten lehrte. Für ihre Untertanen war sie eine „Prinzessin der Herzen“, charismatisch, wohltätig und liebenswert. Diese Verehrung verlieh ihr eine Macht, die mit Gewalt 7

­ ebrochen werden musste, um eine ganze Dynastie zu retten. Doch g ohne Luise hätte es das Haus Sachsen-Coburg und Gotha nie ge­ geben, das seit der Hochzeit Queen Victorias mit Prinz Albert die ­britischen Monarchen stellte, bis es sich 1917 in „House of Windsor“ umbenannte. Dieses Buch, basierend auf über zehnjähriger Forschungsarbeit, verbindet das Schicksal Herzogin Luises mit der Geschichte des ­unaufhaltsamen Aufstiegs der Coburger von einem unbedeutenden Miniaturfürstentum zu einer der mächtigsten Dynastien des 19. Jahrhunderts.

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1. Totenrast in Pfeffelbach

Es ist das Jahr 1846. Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, Prinzgemahl Queen Victorias, lässt in der preußischen Provinz nach dem Leichnam ­seiner Mutter Luise suchen. Sie hat ihn verlassen, als er fünf Jahre alt war, und bis zu ihrem Tod hat er sie nicht wiedergesehen. Nun liegt ein Skandal in der Luft, der mit ihrem Namen in Verbindung steht. Albert muss wissen, wo seine Mutter begraben ist, um Unheil von der britischen Monarchie ­abzuwenden.

Justizrat Georg Knauer ist ein sorgfältiger Mann. Er weiß, es kommt auf die richtigen Maße an, will er seinen geheimen Auftrag ordentlich erfüllen. Seit er den Brief aus der herzoglichen Verwaltung in Coburg erhalten hat, ist er schon einige Male in Pfeffelbach gewesen. Wie immer hat er sich auch an diesem Februartag im Jahr 1846 die Schlüssel zu der kleinen, baufälligen Kirche vom hiesigen Pastor Isaak Jakob Hepp aushändigen lassen, der in den letzten Wochen zu seinem wichtigsten Komplizen geworden ist. Als gottesfürchtiger Mann will der alte Hepp unter allen Umständen das Richtige tun. Zum Segen für seine Gemeinde, für den jungen Herzog von Coburg und dessen Bruder, den Prinzen Albert – und für deren verstorbene Mutter, die arme Herzogin Luise. Immer wieder hat der Pastor in seinen Unterredungen mit Knauer betont, wie sehr ihm das Andenken an die selige Fürstin am Herzen liegt. Seit dem Sommer 1832 schon ruht ihr Leichnam fast vergessen in seiner bescheidenen Kirche, die 9

mitten im idyllischen und etwas abseits gelegenen Dorf Pfeffelbach steht, in einem Nebental des Flüsschens Glan im Bezirk Baumholder. So malerisch die Gegend auch anmutet, das Gotteshaus ist in einem bedauernswerten Zustand und droht, bald vollends zu verfallen. Justizrat Knauer hat auch dieses Mal die vierstündige Kutschfahrt von St. Wendel nach Pfeffelbach ohne Murren auf sich genommen, obwohl die Straßen durch das anhaltende Tauwetter aufgeweicht sind. Er hat den Auftrag des Herzogshauses übernommen, nun will er ihn, so gut es ihm möglich ist, ausführen. Viel Zeit bleibt ihm nicht mehr für seine Unternehmung, da bereits Gerüchte über einen möglichen Abtransport der Leiche Herzogin Luises im Dorf die Runde machen. Obwohl er um größte Diskretion bemüht ist, scheint es sich herumgesprochen zu haben, dass das herzogliche Haus seit Dezember des vorangegangenen Jahres mit Pfarrer Hepp in Verhandlungen steht. Auch ahnen die Dörfler schon, dass es dabei um den Leichnam in ihrer Kirche geht. Knauer weiß, mit welchem Menschenschlag er es hier zu tun hat: nicht besonders gebildet oder gar aufmüpfig, aber aufgeweckt und stets auf ihren Vorteil bedacht – so schätzt er die Pfeffelbacher ein. Sie sind durchaus in der Lage, für ihre Interessen einzustehen. Knauer ist gewappnet, er muss auf der Hut sein, wenn er keinen weiteren Gerüchten Vorschub leisten will. Wie heikel die Angelegenheiten des Herzogshauses sind, hat er während seiner Laufbahn oft genug erfahren. In Coburg geboren, war Knauer im Mai 1825 nach St.  Wendel übergesiedelt, arbeitete als Friedensrichter und bewohnte das Haus seines Schwiegervaters am Schlossplatz. Er hatte die verbannte Herzogin Luise gekannt, die aus Coburg fortgejagt worden war und in St. Wendel Quartier bezogen hatte, nahm an ihrem Schicksal lebhaft Anteil und war sogar Augenzeuge ihrer unwürdigen Beisetzung in Pfeffelbach gewesen. Jetzt, fast dreizehn Jahre später, kommt endlich Bewegung in die Angelegenheit, die der Gemeinde schon so lange auf den Nägeln brennt. Vergebens hatte sich Pfarrer Hepp mit Briefen und einer Denkschrift an den Prinzen Albert gewandt, die eigens in dessen 10

­ rivatresidenz Osborne House auf der Isle of Wight gebracht worden P waren, doch von dort hatte man ihm nur die kalte Schulter gezeigt.1 Den Gemahl der mächtigen Queen Victoria, so glauben die Pfeffelbacher seither, scheint es überhaupt nicht zu interessieren, dass der Sarg seiner Mutter in ihrem armseligen Dorfkirchlein in der preußischen Provinz verrottet und zu einem öffentlichen Ärgernis zu werden droht. Niemand aus der vornehmen herzoglich-coburgischen Familie hat sich je die Mühe gemacht, auch nur einmal nach dem Rechten zu sehen. Die Herzogin Luise, die von den Menschen in St.  Wendel so geliebt und verehrt worden war, scheint von ihren Angehörigen ganz vergessen worden zu sein. Vielleicht will man sich aber auch nicht mehr mit ihr abgeben, weil sie zu Lebzeiten für so viel Unruhe gesorgt hatte. Nur ab und zu kommen ein paar versprengte Engländer ins Glantal, um nach der letzten Ruhestätte der Schwiegermutter ihrer Queen zu forschen, nach den Wurzeln ihres Königshauses mit dem deutschen Namen Sachsen-Coburg und Gotha. Vielleicht treibt sie aber auch einfach nur die Neugier hierher, weil die Gerüchte um die möglicherweise illegitime Zeugung Alberts niemals ganz verstummt sind. Doch so sehr die wenigen Interessierten auch suchen, das Grabmal Luises ist nur schwer zu finden. Nicht einmal eine Inschrift weist darauf hin. Im Jahr 1844, nach dem Tod des alten Herzogs Ernst, hatte Knauer den ersten Brief in der Angelegenheit Luise erhalten, unterzeichnet vom Präsidenten des herzoglichen Privatkabinetts, dem Geheimen Oberfinanzrat Schnür. Darin wurde er gebeten, Erkundigungen über den Verbleib des Leichnams einzuziehen. Für diese Aufgabe schien Knauer der richtige Mann, kannte er doch die Verhältnisse sowohl in Coburg als auch in St. Wendel und Umgebung bestens. Was ihn damals wirklich erstaunte, war nur die Tatsache, dass man ihn bat, in Sulzbach zu suchen, nicht in Pfeffelbach. Offensichtlich hatten die Söhne der Herzogin keinerlei Kenntnis darüber, wo ihre Mutter begraben lag. Tiefgreifend musste das Zerwürfnis gewesen sein und groß die Gefahr, die von Luise auch nach ihrem Tod noch ausging. Das erklärte auch die Vorsicht, zu der Knauer in dem herzoglichen 11

Schreiben ermahnt wurde: „Es kommt hierbei darauf an zu wissen, ob diese Aufbewahrung auf einer in aller Beziehung würdige Weise stattfindet, und was etwa geschehen könnte, wenn dies nicht vollständig der Fall sein sollte, ob irgend Schwierigkeiten wegen ihrer Belassung daselbst vorwalten, auch wem namentlich die Kirche gehört, in welcher sich das Leichengewölbe befindet, von welcher Beschaffenheit ihre Gruft ist und ob auch andere Leichen daselbst aufbewahrt werden.“2 Immer ist es Schnür, der die schriftlichen Anweisungen des Herzogs Ernst II. von Coburg übermittelt. Dieser hat 1844 die Regentschaft von seinem Vater übernommen, dem ersten Ehemann der verstoßenen Herzogin Luise. Seit jener Zeit hat man die Suche nach ihrer Leiche vorangetrieben. Knauer ist im Umgang mit fürstlichen Angelegenheiten geschult und kann zwischen den Zeilen lesen. Er weiß, vor welchen Schwierigkeiten sich die Söhne Luises fürchten. Während der Verhandlungen mit Pfarrer Hepp hat er selbst so seine Erfahrungen mit den Dörflern gemacht. Schon früh in den Gesprächen hat der Pfarrer auf die „Kirchspielkinder“, die Gemeindemitglieder, hingewiesen, denen allein das Recht zustehe, das Gotteshaus zu nutzen. Ob sie auch in der Zukunft damit einverstanden seien, die Leiche der Herzogin Luise dort zu dulden, sei fraglich. Man spiele mit dem Gedanken, die Überreste der Verblichenen auf den Friedhof zu bringen und dort zu verscharren. Würde erst einmal der Pfarrer, der ja nun schon ein alter Mann war, das Zeitliche segnen, wäre es vorbei mit dem besonderen Schutz für die Schwiegermutter der englischen Königin. Es sei denn, die hochwohlgeborenen Erben der Frau Herzogin zeigten sich großzügig und setzten die Gemeinde durch eine reichliche Geldspende in den Stand, das Grabmal und die Kirche aufwendig zu restaurieren. Da es in der Gegend durchaus nicht üblich ist, Leichen in Kirchen beizusetzen, fürchtet Justizrat Knauer nicht ganz grundlos um die Totenruhe ­Luises. Noch deutlichere Hinweise, dass die Sache mit Geld zu regeln sei, erhält er bei weiteren Gesprächen mit Pfarrer Hepp. Dieser macht ­geltend, auf eigene Rechnung und auf eigene Verantwortung für die 12

Beisetzung der Herzogin gesorgt zu haben, da sich damals niemand um eine letzte Ruhestätte gekümmert hätte, nicht das Haus Sachsen-­ Coburg und Gotha und auch nicht der zweite Ehemann von Luise, der Graf Pölzig. Die Herrichtung der Grabstätte und die Bewirtung des Leichengefolges sei vollständig durch Hepp bezahlt worden. Er habe sich dazu verpflichtet gefühlt, da die Frau Herzogin sich vor ihrer Reise nach Paris und der Operation, der sie sich dort unterziehen wollte, persönlich an ihn gewandt hatte mit der Bitte, sich ihrer Leiche anzunehmen, sollte die Behandlung scheitern. Die Gemeinde wie auch der Pfarrer Hepp haben in all den Jahren nicht die Hoffnung auf finanzielle Entschädigung aufgegeben. Schon früh hatte man sich aus Pfeffelbach mit der Bitte an den Prinzgemahl Albert gewandt, die nötigen Mittel für die würdige ­Gestaltung des Grabmals seiner Mutter zur Verfügung zu stellen. Als das Presbyterium der Gemeinde im November 1841 erfuhr, dass die Queen Victoria und der Prinzgemahl Albert zum zweiten Mal Eltern geworden waren, diesmal sogar mit einem Thronfolger gesegnet, hielt man die Zeit für gekommen, die delikate Angelegenheit an oberster Stelle vorzubringen. Am 9. Dezember, genau einen Monat nach der Geburt des Kronprinzen Albert Edward (später King ­Edward VII), kam das Presbyterium zusammen, um einen Brief an den Prinzen Albert aufzusetzen, den jüngsten Sohn ihrer so geschätzten, aber dennoch völlig vergessenen Herzogin, deren Leiche in ihrer Kirche langsam zum Problem wurde. Die Angelegenheit war heikel, deshalb beschlossen die Gemeindemitglieder, in einigen einleitenden Sätzen auf das jüngste erfreuliche Ereignis im Haus Sachsen-Coburg und Gotha einzugehen: „Die frohe Kunde, daß Erw. Königlichen Hoheit von der Königin, Höchstihrer Gemahlin Majestät, in dem Prinzen von Wales ein Erbe der väterlichen Tugenden und des mütterlichen großen Reiches geboren sey, hat ganz Großbritannien und auch das Festland mit inniger Theilnahme erfüllt, und ist auch über den Ocean in das von Erw. Königlichen Hoheit Vorfahren ehemals beherrschte Fürstenthum Lichtenberg gedrungen und wir, Höchstdemselben unbekannt, und dennoch durch 13

alte, theure Bande verknüpft, wagen es Erw. Königlichen Hoheit zu diesem frohen Ereignisse ehrfurchtsvoll unsere Glück- und Segenswünsche darzubringen.“3 Der Thronerbe möge lieblich und herrlich gedeihen, so hofften die Pfeffelbacher in unterwürfigem Ton, um dann zur eigentlichen Sache zu kommen. Bei dieser Gelegenheit solle nicht unerwähnt bleiben, dass mit der Mutter des Prinzen A lbert ja ein weiteres wichtiges Familienmitglied ebenfalls der ­ ­Beachtung bedürfe, auch wenn sie nun schon zehn Jahre tot sei: „In solchen Zeiten, wo einer erhabenen Familie eine solche Wohltat zu Theil wird, wo einem Staate, dessen Gebiet sich über alle Welttheile erstreckt, ein künftiger Beherrscher und Vater geboren wird, da ist das wohlthätige fromme Herz noch mehr zum Dank und zur Pietät, und die milde Hand noch mehr zum Wohlthun geneigt. Und so bitten Erw. Königliche Hoheit wir voll Zutrauen und Hoffnung uns fürderhin in den Stand zu setzen, daß wir die Gruft der erhabenen Großmutter, und die Kirche, in welcher ihre Hülle ruht, anständig schmücken können, wie die Wiege des neugeborenen Enkels geziert ist, und uns zu diesem Zwecke eine milde Gabe zu reichen.“4 Das ehrerbietige Schreiben, so hoffen die Mitglieder des Gemeindevorstands voller Zuversicht, werde das Herz eines liebenden Sohnes rühren. Doch die Antwort ist Schweigen. Als Knauer bei seinem Besuch im Februar 1846 die Pfeffelbacher Kirche wieder betritt, herrscht darin noch immer das ihm schon bekannte Durcheinander. Die niedrigen Schemel, die den Gläubigen als Sitzplatz dienen, sind im Kirchenschiff ohne erkennbare Ordnung verteilt, das Grabgewölbe unter der Kanzel ist in einem verwahrlosten Zustand. Das Tauwasser läuft an der Innenwand hinab, es riecht feucht und modrig und Knauer macht sich inzwischen zunehmend Sorgen, dass der hölzerne Sarg im Inneren der Gruft bereits in den Zustand der Fäulnis übergegangen ist. Bisher hat er davon Abstand genommen, die beiden ungleich großen Steinplatten über dem Einlass im Boden zu bewegen, möglicherweise würde das zu viel Aufsehen erregen. In welcher Verfassung sich der Leichnam Luises befindet, kann er deshalb nicht mit Sicherheit sagen, doch genau darüber 14

möchte ihr ältester Sohn Ernst, der regierende Herzog von Coburg, ausdrücklich unterrichtet werden. Das Haus Sachsen-Coburg hat von Pfarrer Hepp die Herausgabe des Schlüssels zur Kirche verlangt, was die Mission Knauers nicht leichter macht. Die herzogliche Order erweckt Misstrauen im Gemeindevorstand, denn seit dem Verkauf des Sprengels Lichtenberg an Preußen haben die Coburger hier keine Befehlsgewalt mehr, und so stößt die Forderung erwartungsgemäß auf taube Ohren. Justizrat Knauer ist sich sicher: die Pfeffelbacher würden ihr Faustpfand niemals einfach so aus der Hand geben. Nun muss er also vor jedem neuerlichen Besuch der Gruft erst einmal um die Schlüssel bitten. Da der Justizrat ein diplomatischer Mann ist, sucht er nach Wegen, die angespannte Stimmung zu seinen Gunsten zu entschärfen, denn ohne die Diskretion und das Wohlwollen der ­ ­Gemeinde wäre sein Vorhaben zum Scheitern verurteilt. Bei seiner letzten Unterredung mit Pfarrer Hepp in dessen Wohnstube im Januar hatte Knauer versucht, herauszufinden, wie es möglich wäre, dessen Auslagen und seine Bemühungen angemessen zu vergelten. Er hatte den Kirchenmann gebeten, seine Aufwendungen schriftlich zusammenzufassen, damit sie an die Herzogliche Hauptkasse weitergeleitet werden könnten. Doch der Justizrat, mit der Mentalität der einfachen Menschen auf dem Land gut vertraut, spürt, dass es noch um etwas anderes geht als nur um Geld. Hepp, ein Jung­ geselle in den hohen Siebzigern, ist nicht auf Almosen angewiesen. Er hat keine Erben und die Ausstattung seiner Wohnung lässt auf einigen Wohlstand schließen. Der Pfarrer sei auf seinem abgelegenen Dorf nicht verbauert, berichtet Knauer nach Coburg, sondern habe gut mit dem Zeitgeist Schritt gehalten. Seine literarische Ausbildung beschränke sich nicht allein auf das theologische Fach, sondern erstrecke sich auch auf die Naturlehre und die Botanik. Seine Mineralien- und Insektensammlungen sowie das Kabinett ausgestopfter Vögel und kleinerer Säugetiere seien beachtlich. Der Hüter der LuiseGruft ist also nicht zu unterschätzen. Ein Ehrenmann, der sich seiner Fähigkeiten durchaus bewusst ist, ohne in Selbstlob zu verfallen. Vielleicht, so denkt Knauer, ließen sich die Verhandlungen rascher zum 15

Ziel führen, wenn eine Verleihung des Sächsischen Hausordens in Aussicht gestellt werden könnte. Auch werden bereits Summen besprochen, die die Gemeinde zufriedenstellen und zur Herausgabe des Leichnams verleiten würden, ohne die ganze Angelegenheit an die große Glocke zu hängen. Der Abtransport von Luises Sarg kann unmöglich vor der gesamten Dorfbevölkerung geheim gehalten werden. Die Pfeffelbacher müssen einverstanden sein, und Knauer hofft, den Einfluss Hepps auf die Bevölkerung für sich nutzen zu können. Knauer wähnt sich schon auf sicherem Terrain, doch er hat nicht mit der Magd Dorothea gerechnet. Zwar hat der Pfarrer seine Schäfchen im Griff, aber es ist der „Hausimperativ“, wie der Justizrat die Wirtschafterin tituliert, die ihrerseits den zölibatären Hepp bevormundet und sich ungefragt in die ohnehin schon heiklen Gespräche einmischt. „Während ich mit Hepp in dessen Studierzimmer vertraulich mich unterhielt, trat die gebietende Hausdirigentin in das Zimmer“, schreibt Knauer an den Coburger Finanzverwalter Schnür. „Sie beschäftigte sich am Ofen. Der Faden unserer Unterhaltung hatte einen Punkt berührt, an dessen Geheimhaltung gegen Dritte mir gelegen war. Da diese Person sich nicht, wie ich erwartete, zurückzog, so nahm ich einen gleichgültigen Gegenstand im Gespräch auf.“ Doch die Magd lässt sich nicht auf eine falsche Fährte führen. Sie hält dem Justizrat entgegen: „Ich will dem Herrn Inspektor gesagt haben, daß die Leute im Dorf die Leiche der Frau Herzogin nicht unter 1200 Gulden oder wenigstens 1000 Gulden herausgeben wollen.“ Knauer ist mehr als befremdet angesichts dieser übertrieben anmutenden Forderung, die seine schlimmsten Befürchtungen nährt, mit Luises Leiche solle ein Kuhhandel betrieben werden. Hat er bis zu diesem Moment noch gehofft, die Dörfler mit zweihundert Gulden abspeisen und den Pfarrer mit einem Orden beehren zu können, so ist nun womöglich mit einer für das Herzogshaus kostspieligen Erpressung zu rechnen. Der Coburger Unterhändler fasst sich schnell und entgegnet der Magd: „Soweit wird es nicht kommen; wenn nun die Prinzen ihre Mutter zu Pfeffelbach beruhen lassen wollen, und es 16

ist noch nicht gesagt, daß die Leiche wirklich fortkommt, so erhält die Gemeinde garnichts. Laß sie den Herrn Inspektor sorgen, und gehe sie hübsch in die Küche.“ Als sich der „Hausimperativ“ nach dieser unterschwelligen Drohung wortlos entfernt hat, ist sich Knauer sicher, einen mächtigen Eindruck hinterlassen zu haben. Nun wird es sich im Dorf herumsprechen, dass die Gemeinde gut beraten ist, Zurückhaltung zu üben, könnte doch allzu forsches Verlangen zum Abbruch der Verhandlungen führen. Auch hofft Knauer, mit dieser eindeutigen Warnung das allgemeine Geschwätz in Schach zu halten, da er fürchtet, mit dem Versetzen des Leichnams werde vieles von dem eröffnet werden, „was im Schoß der Vergangenheit ruht. Es könnte aber so eingerichtet und besorgt werden, daß wenig der Publizität oder garnichts derselben anheim fiele“, berichtet er nach Coburg.5 Nach dem unerfreulichen Auftritt der Magd ist Eile geboten. Da Knauer nicht weiß, ob in der Gruft auch noch andere Verstorbene liegen, besteht zudem die Gefahr, dass der Sarg verwechselt und die falsche Leiche nach C ­ oburg in die Familiengruft überführt wird. An den Oberfinanzrat Schnür schreibt er: „Ich kenne den Sarg von Holz, welcher den kleinen Sarg umgibt, … und würde daher die Identität wenigstens insoweit verbürgen können, daß derselbe Sarg weiter versetzt werden würde, welcher von Paris nach St. Wendel kam.“6 Aus Coburg kommt kurz darauf die Anweisung, mit den Vorbereitungen zum Abtransport Luises zügig fortzufahren. Justizrat Knauer untersucht zunächst die Gruft und notiert die ungefähren Maße des Sarges. Von der Eingangstür an der Nordseite muss er das Kirchenschiff vollständig durchqueren, um zur Grabstätte der Herzogin zu gelangen. Unter der Kanzel befindet sich der Einlass zu einer Vertiefung im Boden. Knauer beschreibt seine Eindrücke in einem Brief an den Geheimen Oberfinanzrat Schnür: „Diese Stätte bildet einen viereckigen Behälter – Gruft kann er nicht genannt werden – in dem inneren Teil der Kirche. Die Wände dieses Behälters sind (was ich bei der Beisetzung der sterblichen Hülle der Geschiedenen selbst sah) auf drei Seiten mit Steinen ummauert, die vierte Seite bildet die Grund17

mauer der Kirche. Die Tiefe des Behälters mißt 4 Schuhe. Solcher ist bedeckt mit 2 steinernen Platten, welche nicht hervorstehen, sondern in gleichem Niveau liegen, wie die anderen Platten, mit welchen das Innere der Kirche bedeckt ist.“7 Nach eingehender Untersuchung des ärmlichen Bodenlochs entscheidet Knauer, es bei einer Schätzung der Maße des Sarges zu belassen und die Deckplatten nicht mehr zu bewegen. Wie Pfarrer Hepp ist auch er inzwischen der Ansicht, es sei besser, keinen wei­ teren Staub aufzuwirbeln, was durchaus in doppelter Hinsicht zu verstehen ist. Denkbar sei nur eine Bergung des Leichnams in aller Stille, die Öffentlichkeit, so Knauers Empfehlung, müsse unter allen Umständen von den Vorgängen in der Kirche ausgeschlossen werden. Bald ist auch Einigung über die Entschädigung der Gemeinde erzielt, die Pfeffelbacher werden sich mit zweihundert Gulden zufrieden geben. Prinz Albert war keineswegs ohne Gefühle für seine Mutter, ganz im Gegenteil. Ihren Verlust hatte er nie verwunden. Als 1840 seine erste Tochter geboren wurde, ließ er sie auf die Namen Victoria Adelaide Mary Louisa taufen, „Luise nach Alberts verstorbener Mutter“, wie Queen Victoria in ihrem Tagebuch notierte.8 Nur wenige Monate zuvor, am 26. August, hatte die schwangere Victoria ihm zu seinem 21. Geburtstag ein besonderes Geschenk überreicht, ein Gemälde, das seine Mutter Luise darstellte. Victorias und A ­ lberts gemeinsamer Onkel Leopold hatte es aus seinem Besitz in die Hände der jungen Königin gegeben.9 Das Porträt Luises stammt von dem berühmten Wiener Maler Josef Grassi, es betont ihre Unschuld und Jugend durch ihren offenen Blick, die rosigen Wangen und den sanft geschwungenen Mund. Das braune Haar ist nach der Mode im Nacken zusammengefasst und dort von einem Amorpfeil gehalten, ein keckes Detail, die naive Anmutung der Dargestellten brechend, vielleicht ein Hinweis darauf, dass in diesem Leben auch Liebe im Spiel war. Luise selbst schenkte das Gemälde ihrem Schwager Leopold, der es bis zur Übergabe an seine Nichte Queen Victoria in seinem Haus in Claremont in Ehren 18

Porträt Luises von dem berühmten Wiener Maler Josef Grassi. Das ­Gemälde befand sich zunächst im Besitz von Alberts Onkel Leopold, bis Queen Victoria es ihrem Ehemann zum 21. Geburtstag schenkte.

hielt. Wie eng die Verbindung zwischen Leopold und Luise, zwischen Leopold und Albert wirklich war, zeigt sich nicht zuletzt in den fortgesetzten und schließlich erfolgreichen Bemühungen des Onkels, den Ehebund zwischen seinem Neffen und dessen britischer Cousine zu stiften. 19

Queen Victoria war erst achtzehn Jahre alt, als sie den Thron Großbritanniens bestieg. Als Thronfolgerin war ihr die persönliche Freiheit schon in Jugendjahren von ihrer überfürsorglichen Mutter Victoire in hohem Maß beschnitten worden. Sie sorgte sich um das Wohl ihrer Tochter, weil auch ihre eigene Zukunft am britischen Hof davon abhing. So durfte Victoria nur an der Hand einer erwachsenen Person Treppen steigen und musste noch bis kurz vor der Krönung im Zimmer ihrer Mutter schlafen. Kaum war Victoria Königin, brachte ihr engster Berater, Premierminister Lord Melbourne, das Thema Heirat in seine täglichen Gespräche mit seiner Regentin ein, sehr zu deren Verdruss.10 Warum sollte ich in den nächsten drei oder vier Jahren überhaupt heiraten, fragte Victoria, die schon allein den Gedanken daran hasste, ihren eigenen Willen von einem Ehemann dominiert zu sehen. Heirat war für sie die wohl schockierendste Alternative zu ihrem bisherigen Leben unter der strengen Kontrolle ihrer Mutter. Nur widerwillig ging sie mit ihrem Mentor Lord M., wie sie Melbourne in ihren Tagebüchern nannte, die möglichen Kandidaten für eine Eheschließung durch  – und verwarf sie allesamt. Auch Cousin Albert schien ihr zunächst nicht geeignet, war er doch jünger als sie, wenn auch nur wenige Monate. Ausnahmsweise pflichtete ihr Lord M. bei, denn in seinen Augen war eine Heirat zwischen Cousin und Cousine ohnehin keine gute Idee, zudem waren die Coburger Fremde im Land und nicht nur in Großbritannien unbeliebt. Während Victoria sich bemühte, die Hochzeitsdebatte zu beenden, war im Hintergrund Leopold als Heiratsvermittler aktiv. Immer wieder brachte er die Vorzüge seines Neffen Albert ins Gespräch, bis sich Victoria schließlich bereit erklärte, ihn bei einer persönlichen Begegnung noch einmal in Augenschein zu nehmen. Im Oktober 1839 trafen Albert und sein Bruder Ernst in England ein und Victoria brauchte ein Dinner und einen Tanz lang, um sich in ihren „Engel“ zu verlieben, in seine verständnisvolle und ungekünstelte Art, seine blauen Augen und seine exquisite Nase. Sogar sein Oberlippenbart und seine langen Koteletten brachten sie ins Schwärmen.11 Einer Heirat stand von Victorias Seite aus nun nichts mehr im Weg. 20

Albert fiel es schwer, seine Heimat Deutschland zu verlassen, zudem wurde es ihm fast unmöglich gemacht, sich rasch in den britischen Hof einzuleben. Man schrieb ihm vor, welche Personen er zu seinem Gefolge zu wählen hatte, er beschwerte sich bei seiner Frau, doch die Queen ließ ihm keine eigene Wahl. Für Albert war diese Angelegenheit mehr als nur eine Formsache, er wollte mit der Berufung seines engsten Kreises seine Neutralität in politischen Belangen zum Ausdruck bringen, da er überzeugt war, die Monarchie habe sich aus den Parteigeschäften herauszuhalten. Victorias Neigung zu den reformfreudigen Whigs war ihm fremd, und die ersten Konflikte im Verhältnis der Ehepartner zeichneten sich ab. Victoria kommentierte das eheliche Ungleichgewicht später mit den nüchternen Worten: „Er ist in meinem Haus, nicht ich in seinem.“12 Albert plagte das Heimweh, er sehnte sich nach dem vertrauten Schlösschen Rosenau in Coburg, in dem er geboren worden war, nach dessen gotisch anmutender Fassade, dem englischen Park und dem angrenzenden Thüringer Wald, mit dem sich der junge Prinz stark verbunden fühlte. In London war er ein Fremder, ein Ausländer, dem die Briten nichts als Misstrauen entgegenbrachten und den sie bezichtigten, es vor allem auf das Vermögen ihrer jungen Königin abgesehen zu haben: „He comes to take ‚for better and for worse‘, Englands fat queen and Englands fatter purse“, dichtete der Volksmund in der ­populären Ballade „The German Bridegroom“.13 Ein Deutscher, der ihre fette Queen zur Frau nahm, konnte es, so sah es ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung, nur auf die fette Staatskasse abgesehen haben. Nach der Hochzeit verbesserte sich die Situation für Albert nicht, das Parlament reduzierte das Einkommen des Prinzgemahls von fünfzigtausend auf dreißigtausend Pfund, was Albert als Beleidigung seiner Person empfand. Am Hof fühlte er sich isoliert, ein Emporkömmling ohne Posten, der wegen seines deutschen Akzents und seiner seltsamen teutonischen Manieren dem Gespött der feinen Gesellschaft ausgeliefert war. Untadeliges Benehmen war für den Coburger 21

Schloss Rosenau in Coburg, wo Albert geboren wurde. Hier musste er mitansehen, wie seine Mutter in die Verbannung geschickt wurde.

Prinzen eine Selbstverständlichkeit, die er später nicht nur seinem Nachwuchs abverlangte, sondern seit Kindertagen auch selbst verinnerlicht hatte. Albert war in London schon bald als hoffnungsloser Langweiler verschrien, korrekt bis in die letzte Haarspitze und völlig unempfänglich für die Reize der Weiblichkeit, die ihm diesen Mangel an höfischer Galanterie nicht verzieh. In seinen Augen gab es nur eine, die er glücklich machen musste: Victoria. Verheiratet zu sein, war für ihn nicht Neigung, sondern Pflicht. Schon vor der Hochzeit hatte er sich seine Zukunft an der Seite der Königin nicht in rosigen Farben vorgestellt, auch wenn Victoria ihren „Engel“ anbetete und vergötterte.14 Albert war sehr damit beschäftigt, ein leuchtendes Vorbild zu sein. Häufig schlief er völlig erschöpft auf dem nächstliegenden Sitzmöbel ein, eine Eigenheit, mit der er schon in Kindertagen seine Erzieher immer wieder irritierte, wenn er während der Erledigung der Hausaufgaben wie ohnmächtig vom Stuhl rutschte. Victoria beobachtete die Schwächeanfälle ihres Gatten mit liebender Sorge und interpretierte sie nachsichtig und möglicherweise völlig zutreffend als überwältigende Sehnsucht nach Deutschland. Besonders heftig waren diese Attacken am Christfest, das nach alter deut22

scher Sitte mit Weihnachtsbaum und Kerzenlicht auf Schloss Windsor gefeiert wurde. Das Familienleben mit der Queen gestaltete sich auch aus anderen Gründen schwierig, Alberts Frau hasste es, schwanger zu sein, und machte ihrem Jähzorn bei jeder Gelegenheit lautstark Luft. Nach der Geburt des zweiten Kindes Albert Edward litt Victoria unter ­Depressionen, während Albert sich mit undurchsichtigen häuslichen Angelegenheiten herumschlagen musste. Zunächst geriet er mit ­Victorias bevorzugter Gouvernante Baronin Lehzen aneinander, die er als „feuerspeienden Hausdrachen“15 bezeichnete, weil sie den königlichen Haushalt nach Gutdünken dominierte, dann legte er sich mit seinem Bruder Ernst an, weil dieser sich in Dresden mit einer ­unschicklichen Liebesaffäre hervorgetan und damit für „allerhand traurige Gerüchte“16 gesorgt hatte. Besonders unangenehm war für Albert, dass im Zusammenhang mit den Coburger Skandalgeschichten wieder einmal darüber spekuliert wurde, er sei nicht der leibliche Sohn seines Vaters. In dieser explosiven familiären Situation hatte ihn im Dezember 1841 die Nachricht des Presbyteriums aus Pfeffelbach erreicht, aufgesetzt von den unwissenden Gemeindemitgliedern in der irrigen Annahme, der Prinzgemahl erfreue sich nach der Geburt des zweiten Kindes eines ungetrübten heimischen Glücks und sei in diesem ­Zustand der Euphorie empfänglich für die Sorge um die unwürdige Totenrast seiner Mutter in ihrer bescheidenen Kirche. Albert heftete das Schreiben zu den Akten „Papers Concerning the Politics of Germany“, in denen er alles sammelte, was ihm in seiner Heimat Deutschland moralisch bedenklich und politisch brisant erschien.17 Eine Antwort erhielten die Pfeffelbacher zunächst einmal nicht. Die Brüder Ernst und Albert mussten erst den Tod ihres Vaters abwarten, bevor sie mit der Suche nach der Leiche Luises beginnen konnten. Da das ehemalige Herzogtum Lichtenberg nun zu Preußen gehörte, brauchten sie einen zuverlässigen Mittelsmann und beauftragten deshalb den ortsansässigen und gewissenhaften Justizrat Georg Knauer mit der heiklen Mission. 23

Prinz Albert und Queen Victoria verfolgen Knauers Verhandlungen um den Abtransport von Luises Leichnam aus der Ferne. 1845 sind sie damit beschäftigt, sich abseits der höfischen Betriebsamkeit des Buckingham Palastes ein privates Domizil einzurichten. London ist kein angenehmer Ort für die beständig wachsende Familie, nach Victoria und Albert Edward hat die Queen zwei weitere Kinder geboren, Alice 1843 und Alfred 1844. Smog und Lärm der Metropole ­machen auch vor dem königlichen Palast nicht halt. Der Rauch der Kohle­feuer aus den Wohnungen vernebelt die Sicht und legt sich auf Bronchien und Lungen, im Winter färbt sich die Oberfläche des Schnees innerhalb kurzer Zeit schwarz und die Sonne ist meist nicht mehr als ein rötlicher Schatten hinter einem grauen Schleier. Unzählige Palastangestellte sind damit beschäftigt, die Rußflecken auf den Möbeln im Buckingham Palast zu entfernen und das Silberbesteck zu polieren, das in Windeseile anläuft. Victoria und Albert sehnen sich nach frischer Luft. Vor allem der Prinzgemahl liebt das Land­ leben, bleibt er zu lange in London, wirkt er schnell erschöpft und blass. Claremont, das ländliche Anwesen des Onkels Leopold von Sachsen-Coburg nahe Windsor, ist ein willkommener Fluchtpunkt für ihn, hier lebt er auf und kann bald auch Victoria von den Vorzügen eines privaten Rückzugsorts in der Natur überzeugen. Die Königin genießt zwar die kulturellen Möglichkeiten Londons, sie liebt Musik und Theater, aber sie verabscheut zunehmend die Neugierde der Öffentlichkeit und wünscht sich ein ruhiges Familienleben mit Albert und den Kindern.18 Im März 1844 haben sie Osborne House entdeckt, ein beschauliches Anwesen an der Küste der Isle of Wight in der Nähe von East Cowes. Drei Stockwerke ist es hoch, im 18. Jahrhundert erbaut, es besticht mit einer klar gegliederten Fassade und einem eleganten Oberlicht über dem Eingang; Victoria fühlt sich sofort heimisch. Frische Seeluft für die Kinder, eine Bademöglichkeit am Strand, ein eingewachsenes Grundstück mit hohen Bäumen, dazu ein angrenzender landwirtschaftlicher Betrieb, die Queen und ihr Prinzgemahl beschließen nach einer Woche Aufenthalt, Osborne House zu erwer24

ben.19 Die Verhandlungen mit der Verkäuferin ziehen sich in die Länge, doch Albert schmiedet schon Pläne für Um- und Ausbauten, entwirft einen Pavillon im toskanischen Stil. Die Skizze schickt er an die Stiefmutter Luises, Karoline Amalie, nach Gotha: „Ich fürchte, diese scheußliche Zeichnung wird Dir nur einen vagen Eindruck vermitteln, aber ich versichere Dir, es ist sehr hübsch“20, schreibt Albert. Die Queen ist erleichtert, dass sich der Anbau so passend in den schon bestehenden Gebäudekomplex einfügt, sie will alles, was ­A lbert unternimmt, auf unkritische Weise als gelungen betrachten. Victoria ist fasziniert von Osborne House und vernachlässigt über ihrer häuslichen Geschäftigkeit sogar den Briefverkehr mit ihrem so geschätzten Lord M., bei dem sie sich überschwänglich entschuldigt, als sie endlich Zeit findet, zur Feder zu greifen. Auch hier hat die ­Königin vor allem ein Thema: ihre neue Heimat auf der Isle of Wight. Sie sei sehr beschäftigt und überaus entzückt von Osborne House, das Wetter obendrein so schön, dass sie die meisten Tage im Freien verbringen könne, erfährt Melbourne. Schwer vorstellbar, es gebe auf Erden ein hübscheres Fleckchen, schwärmt die Queen, mit ebenso gefälligen Tälern und Wäldern, das Meer praktisch vor der Haustür, in Victorias Augen ist das Anwesen perfekt. Albert fühlt sich wie in Italien, Neapel dient als Vergleich, der eigene Strand an der blauen See mit den Segelbooten am Horizont, alles wie gemalt und wie erträumt.21 Als schließlich Einigung über die Kaufsumme erzielt ist, können Albert und Victoria Osborne House zu ihrem privaten Wohnsitz auf dem Land erklären, es sei so nett, ein eigenes Plätzchen zu haben, so ruhig und zurückgezogen, begeistert sich Victoria in einem Brief an Leopold von Sachsen-Coburg, „il mio secondo padre“.22 Victoria ist eine leidenschaftliche Natur. Die Liebe der Nichte zu ihrem Onkel grenzt an die Verehrung, wie sie einst auch Alberts Mutter Luise für Leopold gehegt hatte. Schön und liebenswürdig fand sie den Bruder ihres Ehemannes, konnte sich nicht entscheiden, wen sie mehr liebte, den Schwager oder ihren Ernst.23 Prinz Leopold von Sachsen-CoburgSaalfeld spielt im Leben von Victoria und Albert eine zentrale Rolle, 25

erst ist er erzieherischer Mentor, später fürsorglicher Ratgeber und moralischer Kompass, klug, mild und umsichtig, ganz so, wie es sich Victoria von ihrem eigenen, früh verstorbenen Vater Edward von Kent gewünscht hätte.24 Als Albert von Justizrat Knauer über die unwürdigen Umstände in der heruntergekommenen Kirche in Pfeffelbach unterrichtet wird, in der seine Mutter, die „Schand-Luise“, lediglich notdürftig zur letzten Ruhe gebettet wurde, kommt für ihn nur eine Lösung ­infrage: Er will den Leichnam heimholen nach Coburg und in der dortigen Familiengruft unter größter Geheimhaltung sicher verwahrt wissen. Die heikle Angelegenheit muss dringend mit seinem Bruder Ernst II., dem jetzt regierenden Herzog von Coburg besprochen werden. Gelegenheit dazu bietet sich im August 1845, als Queen Victoria und Albert eine Reise nach Deutschland unternehmen. In der Coburger Ehrenburg wird das königliche Paar mit großem Pomp empfangen, die europäische Verwandtschaft ist zahlreich angereist, die „Treppe war voller Cousins“, notiert Victoria begeistert.25 Nirgends lässt sich der Aufstieg der verarmten und unbedeutenden sächsischen Dynastie zu einem der mächtigsten und einflussreichsten Adelshäuser des 19.  Jahrhunderts besser nachvollziehen als in dem imposanten Stadtschloss Ehrenburg, das den Ende des 17. Jahrhunderts erbauten Riesensaal beherbergt, in dem achtundzwanzig Atlasfiguren auf den Besucher niederblicken, Statuen, die die Bedeutung der sächsischen Stämme für die deutsche Geschichte symbolisieren, ein schöner, großer Raum, wie Victoria in für sie untypischer Untertreibung feststellt.26 In der Ehrenburg begegnet Victoria ihren deutschen Wurzeln, sie empfindet sich als Coburgerin, ist doch ihre Mutter Victoire hier geboren und aufgewachsen. Die Geschichte ihrer Familie lässt sich in der Ahnengalerie des Schlosses nachvollziehen, Victorias Großvater, Herzog Franz Anton von Sachsen-­ Coburg-Saalfeld, ist hier mit einem Gemälde vertreten, ebenso seine Frau, die strenge Prinzessin Auguste Reuss zu Ebersdorf mit ihrer typischen langen Nase, die ihm drei Söhne und vier Töchter schenkte. Die resolute Auguste wusste diesen Kindersegen zu nutzen, um den 26

mangelnden Reichtum des Herzogtums auszugleichen. Als Katharina die Große 1796 eine passende Braut für ihren Neffen Konstantin suchte, der bereits im zarten Alter von sechzehn Jahren als gewalttätiger Alkoholiker bekannt war, zögerte Auguste nicht, die sechswöchige Reise nach St. Petersburg auf sich zu nehmen, um dort ihre drei ältesten Töchter vorzustellen. Konstantin entschied sich für Juliane, weil sie der Kutsche so elegant entstiegen war, was ihn aber nicht davon abhielt, ihr die Ehe zur Hölle zu machen. Mit dieser ersten erfolgreichen Heiratsunternehmung hatten die Coburger den Grundstein zu ihrem Aufstieg gelegt, der sie am Ende des 19. Jahrhunderts auf die Throne Deutschlands, Englands, Bel­giens, Spaniens, Bulgariens, Rumäniens, Russlands, Schwedens und sogar Mexikos bringen sollte. Nicht alle diese Verbindungen verlaufen glücklich und fruchtbar, auch die Ehe der engen Verwandten Victoria und Albert hat ihre Schattenseiten, aber beide Partner eint die Entschlossenheit zur Beschönigung ihrer Familienverhältnisse. Wichtigstes und letztes Ziel ihrer Deutschlandreise ist das Schlösschen Rosenau, wo Albert geboren worden war und wo er 1824 miterleben musste, wie seine Mutter in die Verbannung ­geschickt wurde. Bei seinem Besuch mit Victoria 1845 erstrahlt alles im Glanz des ­Coburger Erfolges. Im Marmorsaal, einer prächtig anmutenden Halle mit gotisch geschwungener goldener Deckenverzierung, in dem Albert getauft worden war, wird am 19. August 1845 ein höfisches Bankett zu Ehren der Königin von England zelebriert, die Gästeliste illuster, als sei der Almanach von Gotha persönlich vertreten, wie eine Hofdame Victorias beeindruckt feststellt.27 Die Queen ist begeistert, wie wunderbar die Coburger zu feiern verstehen, viel besser als die Preußen, befindet sie. Sie ist voller Freude und Glück, endlich das Geburtshaus ihres geliebten Albert ganz für sich entdecken zu dürfen, das kleine Studierzimmer unter dem Dach mit den angrenzenden Schlafräumen für die Brüder Ernst und ­A lbert entzückt sie am meisten. Die Rosenau ist ab sofort ihre zweite Heimat, wäre sie nicht die Königin, so würde sie sich ein Leben hier vorstellen können, es ist wie ein wunderschöner Traum, ver27

traut sie ihrem Tagebuch an.28 So idyllisch sich dieser Besuch auf der Rosenau auch g ­ estaltet, hier ist der Ort, an das Schicksal der ver­ stoßenen Schwiegermutter Luise zu denken, die in den Augen Victorias klug und faszinierend29 gewesen sein muss und sich nun deshalb ihrer Für­sprache erfreuen kann. Die Tote soll nach vierzehn Jahren unwürdiger Totenrast in Pfeffelbach endlich in den Schoß der Familie zurückkehren. Noch einmal wendet sich Justizrat Georg Knauer im März 1846 an den Coburger Finanzrat Schnür, um seine Empfehlungen für den Abtransport der Leiche zu skizzieren. Eine Stunde veranschlagt er dafür, den Sarg aus dem Gewölbe zu bergen. Der Wagen, mit dem der Leichentransport durchgeführt werden soll, könne nicht in Pfeffelbach besorgt werden, er müsse aus Coburg oder Gotha hergebracht werden. Nur so könne das Geheimnis gewahrt bleiben, be­ findet Knauer. Inzwischen hat er die Steinplatten über der Gruft entfernen lassen und zu seiner Zufriedenheit festgestellt, dass der Sarg sich in gutem Zustand befindet. „Das Holz, in welches ich an verschiedenen Stellen mit meinem Messer stach, ist firm und solid. Die Gruftwände waren fest mit Mörtel bestochen, sodaß keine Feuchtigkeit influieren konnte“30, berichtet er an seinen Auftraggeber. Knauer versichert, den Sarg während des Transportes im Auge behalten zu wollen, Pfarrer Hepp habe sich bereit erklärt, Zeugnis über die Identität des Leichnams abzulegen. Beide sind sich sicher, hier die sterblichen Überreste der Herzogin Luise vor sich zu haben. Der Weg des Leichenzuges soll von Pfeffelbach über Kaiserslautern, Mannheim, Heidelberg, Würzburg und Bamberg nach Coburg führen, Zollzahlungen könnten so vermieden werden. Die Gemeinde ist zufriedengestellt, dem Pfarrer Hepp ein Orden zugesichert und Knauer mit einem Reisekostenvorschuss in die Lage gesetzt, das Unternehmen alsbald in die Tat umzusetzen. Im Juni 1846, am 8. oder 9. des Monats könne die Abreise anberaumt werden, schlägt er vor.31 Justizrat Knauer wirft einen letzten Blick auf das Grabgewölbe in der Pfeffelbacher Kirche, noch kann er versprechen, die Gemeindemitglieder stünden auf seiner Seite und das Geheimnis um die versto28

ßene Schwiegermutter der Queen Victoria werde von hier aus keine weitere Verbreitung erfahren. Doch die Zeit drängt, Pfarrer Hepp ist seit seiner letzten Krankheit nicht mehr Herr seines Gedächtnisses, was er heute sagt, weiß er morgen nicht mehr. Es ist höchste Eile geboten, um die Coburger Spuren in der Provinz zu tilgen und die unwürdige Affäre endlich stillschweigend zu beerdigen. Ein letztes Mal vor dem Abtransport des Sarges verschließt Knauer selbst das Nordtor zur Kirche. Was immer die Gerüchte auch besagen, er wird die Herzogin so im Gedächtnis behalten, wie er sie aus St.  Wendel gekannt hat, als gütige und respektable Landesmutter, die mit ihrem freundlichen Wesen die Herzen der Lichtenberger erobert hat.

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2. Die Brillanten drücken sehr!

Herzogin Luise geistert bis heute durch die Geschichte des Hauses SachsenCoburg und Gotha, jener Dynastie, die seit der Vermählung von Queen Victoria mit Prinz Albert die britischen Monarchen stellt. Im Tod ist sie noch ebenso gefährlich wie zu Lebzeiten, denn sie weckt starke Gefühle: Bewunderung und Liebe, aber auch Verachtung und Abscheu. „Schand-Luise“ wird sie noch für Jahrzehnte genannt werden, nachdem sie 1824 auf Anweisung ihres Ehemanns, Ernst von Sachsen-Coburg, in die Verbannung geschickt wurde. Ehebruch und Landesverrat werden ihr zu Last gelegt – doch ist sie wirklich schuldig?

1824 ist Luises Schicksalsjahr, dessen Dramatik sich in dieser hals­ brecherischen Fahrt widerspiegelt. Unentwegt schnalzt Kutscher Schäftlein mit der Zunge, es klingt wie Peitschenhiebe, und wieder und wieder stößt er schwer zu verstehende Flüche aus. Die Herzogin kann seine lauten Kommandos, mit denen er die Pferde gnadenlos weitertreibt, noch im Inneren der Kutsche hören, obwohl der Sturm bisweilen jedes menschliche Geräusch zu verschlucken scheint. Seit Stunden prasselt der Regen aufs Wagendach, schlägt schräg gegen die Fensterscheiben und lässt die Landschaft zu einem dunkelgrünen schlierigen See zerfließen, in dem man ertrinken könnte. Wenn sie nach draußen sieht, kann Luise ihr Spiegelbild betrachten. Ihr kleines rundliches Gesicht wird umrahmt von lichtbraunem Haar, ihr Teint ist weiß und frisch. Die etwas zu niedrige Stirn wölbt sich über ihren 30

großen blauen Augen, die apart geschwungenen Brauen geben ihrem Blick einen intensiven Ausdruck. Wenn sie sich in der Scheibe des Kutschenfensters im richtigen Winkel ansieht, fällt ihr Schielen kaum auf. Ihre spitze Nase ragt leicht nach oben, um ihren üppigen Mund spielt meist ein bezauberndes Lächeln, wenn sie sich nicht gerade so ängstigt wie jetzt.1 Wie weit mag es noch sein bis St.  Wendel? Bald wird sie ihren 24. Geburtstag feiern, doch in diesem Moment ist sich Luise nicht mehr sicher, ob sie ihren Ehrentag noch erleben wird. Die Kutsche schlingert bedenklich, nicht zum ersten Mal, seit sie Homburg passiert haben. So tief ist der Morast des aufgeweichten Fahrwegs, dass die Hinterläufe der Pferde bis fast an die Sprunggelenke einsinken. Haben sich die Hufe dann mühsam wieder aus dem Schlamm befreit, gibt es ein schmatzendes Geräusch, über das man selbst in dieser misslichen Lage lauthals lachen möchte. Längst schon ziehen die beiden Gäule nicht mehr gemeinsam in eine Richtung, jedes Tier kämpft seinen eigenen Kampf gegen das Unwetter. Rutscht eines in der seifenglatten Fahrrinne nach rechts, wirft sich das andere links in die Siele, die Kutsche neigt sich an der Deichsel mal hierhin, mal dahin, wenn sie nicht droht, ganz stecken zu bleiben. Schäftlein hat Mühe, die nasskalten Lederleinen nachzufassen, nicht auszudenken, wenn Kutscher oder Pferde den Mut sinken lassen und sich ihrem Schicksal und dem Schlamm ergeben. Es ist Mitte November im Jahr 1824, schon spät am Nachmittag, die Dunkelheit wird bald hereinbrechen. Überschwemmungen haben in den letzten Tagen die Täler von Rhein und Neckar heimgesucht, deutliche Spuren davon konnte Luise auf der Zwischenstation in Heidelberg ausmachen. Auch hier, in der Umgebung von Homburg, stehen breite Pfützen auf Wiesen und Wegen, gelegentlich fliegen dicke Lehmbrocken gegen den Boden der Kutsche, es klingt, als schlügen wütende Fäuste auf das Gefährt ein. Die junge Herzogin ist kein ängstliches Wesen, aber die Aussicht, irgendwo im Finsteren festzusitzen, lässt sie erschaudern. In einem der Abenteuerromane, wie sie gerade in Mode sind, mag das aufregend erscheinen, aber hier liegt ihr Leben in der Waagschale. Sie mag sich nicht ausmalen, was alles 31

passieren könnte. Sicher treibt sich allerhand Gesindel in der Gegend herum, Vaganten, die nur darauf warten, eine herrschaftliche Kutsche, die nicht von Soldaten bewacht wird, auszurauben. Noch frisch sind die Erinnerungen an die Diebesbande des fürchterlichen Schinderhannes, die ihr Unwesen in den finsteren Wäldern des Hunsrücks trieb. Auch jetzt, zwei Jahrzehnte nach dem Tod des Räuberhauptmanns auf dem Schafott, werden Reisende in dieser Gegend seinen Geist nicht los. Einige seiner einstigen Spießgesellen könnten hier noch herumlungern, während andere sich inzwischen in Wirtshäusern verdingt haben und ihren Opfern, denen sie früher den Hals abgeschnitten hätten, durch überhöhte Preise das Fell über die Ohren ziehen.2 Die einzige Waffe, die Luises kleine Reisegruppe aufzu­ bieten hätte, wäre Schäftleins Peitsche, deren Lederschlag sicher schon mürbe ist vom Eindreschen auf die schweißgebadeten Kruppen der Pferde. Verbannung, genau so fühlt es sich an. Eine Fahrt ins Ungewisse, eine viel zu schwere Strafe für ein im Leichtsinn begangenes Unrecht, wenn es denn überhaupt ein Verbrechen war, das sich Luise zu Schulden kommen ließ. Gewiss war sie kein ganz so gutes Kind gewesen in letzter Zeit3, hat sich dem Rat ihres Ehemanns und ihrer Schwiegermutter entzogen, war eitel und leichtsinnig gewesen, auf ihr Vergnügen aus und vielleicht zu offenherzig mit den jungen Offizieren am Coburger Hof. 4 Doch untreu, wie ihr jetzt vorgeworfen wird? Womit fängt die Untreue an? Und gibt es nicht einen großen Unterschied zwischen Männern und Frauen? Während sich die einen ihren Neigungen hingeben dürfen, werden die anderen beständig an ihre Pflichten erinnert. Das bleibt auch in der Ehe so, wie Luise nun feststellen muss. Zwei oder drei Jahre liebt der Gatte sein Weib, wenn sie Glück hat. Sie gebiert ihm Kinder, doch dann ist es vorbei mit der Leidenschaft und das Thema Vernunft schiebt sich in den Vordergrund. Kälte und Langweile dominieren im Haus und was vielleicht als romantische Schwärmerei begonnen hat, wird entzaubert. Der Mann nimmt sich die Freiheit, seine Gefallsucht anderweitig zu befriedigen, die Frau ist und bleibt an die ehelichen Bande geknüpft. Ihre In32

telligenz und ihr Tatendrang dürfen sich nicht entfalten, während der Gatte tausenderlei Zerstreuung findet. Was er für gut befindet, ist der Gattin Gesetz, sie muss sich unterordnen und ihre Gefühle unter­ drücken, obschon doch das weibliche Geschlecht als der empfindsamere Teil der Menschheit gilt. Werden den Damen dann von anderer Seite Avancen entgegengebracht, dürfen sie sich damit nicht etwa trösten, sondern sollen entsagen, auch wenn sie Zärtlichkeit und stärkere Gefühle in der Ehe entbehren.5 Luise hat sich gegen diesen ungerechten Vertrag gewehrt, hat ihren Mann, den Herzog von SachsenCoburg-Saalfeld, an den von ihm so oft unterstrichenen Geist des Rittertums erinnert, der den besonderen Schutz der Frauen vorsieht. Doch er hat sich seine Freiheiten genommen, ohne an sie zu denken. Ist es da verwunderlich, wenn dieser Kontrast in ihr unerwünschte Gefühle befördert hat? So verlassen und verzweifelt war sie, wie hätte sie die Kraft aufbringen können, sich gegen unerlaubte Zuneigungen zu wehren? Möge der liebe Gott richten, ihm allein steht es zu, über sie zu urteilen. Doch es ist ihr unversöhnlicher Ehemann Ernst, der dieses Strafmaß der Verbannung über sie verhängt hat, noch bevor ein Scheidungsgericht tagen und sein Urteil aussprechen konnte. Seit sie Coburg verlassen hat, denkt Luise an ihre Söhne Ernst und Albert, die sie zurücklassen musste. Der Älteste, in seinen ersten Lebensjahren häufig kränklich, ist kein Sorgenkind mehr. Dafür leidet jetzt der fünfjährige Albert unter einem heftigen Keuchhusten, doch auch das war für den zürnenden Gatten kein Grund, die erzwungene Abfahrt der Mutter wenigstens zu verzögern. Für Luise ist ungewiss, ob sie nun Nachricht von ihren Kindern erhalten, ob sie sie wiedersehen wird. Vor allem um Albert sorgt sich Luise, er ist ihr Engel, hat blaue Augen wie sie, überhaupt kommt er eher nach der Mutter, während sein Bruder Ernst im Wesen und im Aussehen dem Vater ähnlicher ist. Albert liegt ihr besonders am Herzen, ein eifriges, freundliches und aufgewecktes Kind von auffälligem Liebreiz. Er zeichnet so schön und läuft begeistert den Schmetterlingen im Park von Schloss Rosenau hinterher.6 Luise war stolz, wenn die Verwandten, die zu 33

Das Gemälde zeigt Luise mit ihren Söhnen Ernst und Albert. Nach der Verbannung sollte Luise ihre Kinder bis zu ihrem Tod nicht wiedersehen.

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­ esuch kamen, ihren Albert lobten. Er sei, so sagte man, das SeitenB stück zu seiner englischen Cousine Victoria, die wie er 1819 geboren worden war. Die beiden Kinder galten als hübsches Paar, der Jüngling sei ein bisschen zu zart, aber lebhaft und komisch, gutmütig und voller Schelmerei.7 Mit den Bubenstreichen war es schnell vorbei, Ernst war fünf und Albert noch nicht vier Jahre alt, da wurden sie in die Obhut eines strengen Erziehers gegeben. Luise war dagegen, fand jedoch bei Ehemann Ernst und Schwiegermutter Auguste kein Gehör. Wie unglücklich sie war, schien niemanden zu bekümmern, sie wurde im Gegenteil ständig gemaßregelt und ermahnt. Ruhe und Eintracht im Haus seien durch sie gestört, warf die Schwiegermutter ihr vor. Luise rede zu viel und halte jeden geduldigen Zuhörer für einen versteckten Liebhaber. An den Streitereien in der Ehe ihres Sohnes gab die alte Herzogin stets ihrer Schwiegertochter die Schuld, sie redete ihr streng ins Gewissen und ließ sich von deren Tränen nicht rühren. Vielmehr drängte sie ihren Sohn, die vermeintliche Lügnerin und Unruhestifterin aus dem Haus zu werfen.8 Luise hat in den Wochen zuvor auf die Güte ihres Ehemannes gehofft und ihm versichert, sich künftig eines ruhigen und stillen Lebenswandels zu befleißigen. Eine endgültige Trennung hat sie nie gewollt.9 Die Bürger von Coburg hatten versucht, ihre Abfahrt vom Schloss Rosenau zu verhindern, indem sie sich am letzten Markttag im August 1824 mit Dreschflegeln und Mistgabeln bewaffneten und ihre Kutsche kaperten. Mit Vivatrufen begleiteten sie ihre Herzogin in die Stadt zurück, sie musste sich ihnen auf dem Balkon zeigen, wie zum Beweis, dass den Gerüchten um ihre Ehe keinerlei Glauben zu schenken war.10 Schon lange wurde gemunkelt, das Herzogspaar habe sich auseinandergelebt. Luise, so vermuteten die besorgten Bürger, solle weggesperrt werden. Die Herzogin, die man oft weinen sah, leide an der Untreue ihres Gatten, mutmaßten die Coburger.11 Vielleicht, so denkt Luise nun, hätte sie nie etwas von dem anhören ­sollen, was man ihr von allen Seiten einflüsterte. Ihre Ohren hätte sie fest verschließen müssen vor dem Gerede über die angebliche Geliebte, eine mysteriöse Madame Panam aus Paris. Doch wo einmal 35

Zwietracht gesät war, ging der Samen auch zuverlässig auf.12 „Armes verwirrtes Kind“, schalt ihre Schwiegermutter Auguste sie nach dem Aufstand der Coburger, sie hätte Luise alles vergeben mögen, aber diese Intrige, die Falschheit und die Lügen, „diese Gemeinschaft mit schlechten und kopflosen Menschen, die Dich rettungsloß in den Abgrund führten, kann ich Dir nicht verzeihen!“13 Auguste war überzeugt, Luise habe die Bürger aufgehetzt. Die Schwiegermutter gab ihr die ganze Schuld am Ausmaß des Aufruhrs, der den regierenden Herzog so sehr in Bedrängnis gebracht hatte. Und Ernst schrieb ihr entzürnt: „Der tief gekränkte Gatte, der hoch beleidigte Landesherr, spricht zu Dir: Du hast mich schrecklich hintergangen.“14 Luise ihrerseits flehte ihn um Vergebung an, seine Vorwürfe betrübten sie zutiefst: „Auch mir wird fortan kein Glück blühen, doch bleibt mir das Bewußtsein, trotz allem Schein, der gegen mich ist, nicht so schlecht, wie du glaubst, gehandelt zu haben, und dieß nehme ich mit.“15 Als alle Schwüre nichts mehr helfen, willigt Luise in die Trennung ein, die, wie sie nun hofft, nur vorübergehend ist. Von Zeit zu Zeit, so hat sie Ernst angefleht, möge er ihr Nachricht über die Kinder zukommen lassen. In St. Wendel will sie sich still verhalten, um den Herzog wieder gnädig zu stimmen, wie es ihr schon öfter gelungen ist. Seit sie das heimatliche Schloss in Coburg verlassen musste, sind viele ­Wochen ins Land gegangen. Unter Tränen hatte sie im August 1824 Abschied genommen, noch im Unklaren darüber, wohin ihre Reise gehen sollte. Nach Ichtershausen, in ein gothaisches Schloss, wollte man sie bringen lassen. Es war nicht eingerichtet, so wurde dieser Plan ihres Ehemanns fallen gelassen. Bis eine endgültige Entscheidung über ihren künftigen Aufenthaltsort getroffen war, schickte man sie für einige Zeit nach Bad Brückenau. Auf dem heimatlichen Schloss in Gotha wollte ihre Stiefmutter Karoline sie keinesfalls beherbergen, zu sehr zürnte auch sie Luise. Die Gerüchte über deren angebliche Verfehlungen brachten sie sogar auf die Idee, ihr ehema­liges Ziehkind einsperren zu lassen. Karoline hielt eine sichere Verwahrung für das Beste, es müsse ein Ort gefunden werden, an dem Luise nicht noch mehr Skandal und Schande verursachen würde. Könnte man denn 36

nicht glauben machen, so regt sie an, dass eine Verstandeszerrüttung der Herzogin die Ursache ihres unbilligen Betragens war und die Familie deshalb zu diesem Schritt berechtigt sei?16 Zu Luises Erleichterung geht Ernst auf dieses Ansinnen nicht ein. Er entscheidet, seine Ehefrau nach St. Wendel bringen zu lassen, in sein Fürstentum Lichtenberg. Dieser ungeliebte Sprengel seines Herrschaftsgebiets mit den drei Kantonen Baumholder, Grumbach und St.  Wendel liegt weit genug entfernt, an der Grenze zu Frankreich. Hier kann Gras über den Coburger Skandal wachsen. Luise hofft immer noch auf den Schutz des Herzogs, wenn sie sich nun in der neuen Umgebung einrichten muss. Ein von Ernst entsandter Kavalier soll der Reisegruppe folgen, sein Auftrag wird es sein, sie vor allzu aufdringlichen Zeitgenossen abzuschirmen. Kein Fremder solle sich ihr nähern können, hat Ernst verfügt. Spekulanten und anderes Gesindel, das sich gern einfindet, wo eine Person von höherem Stand residiert, sollen unter allen Umständen ferngehalten werden.17 Oder will Ernst seine Gattin nicht nur beschützen, sondern eher beschatten und abschirmen, damit sie keine Gelegenheit hat, Gerüchte zu verbreiten? Vielleicht fürchtet er, sie könne über Vorfälle aus ihrer Zeit am Coburger Hof berichten, die besser verborgen blieben. Luise ist sich nicht sicher, ob ihre Begleiter auf der gefährlichen Fahrt nach St. Wendel auf ihrer Seite stehen, oder auf der Seite ihres Ehemanns. Er hat sie persönlich ausgesucht, den Kutscher, den Kammerherrn und ihre neue Hofdame, Amalie von Uttenhoven. Dabei darf sie in St. Wendel gar nicht Hof halten. Bälle und Besuche sind nicht gestattet, die Herzogin solle sehr still und eingezogen leben, hat Ernst  I. verfügt. Auf Ablenkungen und Vergnügungen, die in ihrer Jugend im elterlichen Schloss von Gotha für sie so selbstverständlich waren, muss Luise nun ganz verzichten. Bereits in der Ehe waren sie immer seltener geworden. Vier Jahre zuvor hatte sie um die Reise nach Wien kämpfen müssen, da Ernst sie nicht mitnehmen wollte zu seinem Besuch am österreichischen Hof. Schon lange war ihr aufgefallen, dass er sich ihr entzog. Jede Reise ihres Gatten machte Luise 37

Angst, fürchtete sie doch, eine Andere könne ihm während seiner Abwesenheit mehr Vergnügen bereiten als sie. Sie flehte ihn an, sie nicht zu vergessen und sich seines Treueschwurs zu erinnern, den er bei der Eheschließung geleistet hatte. „Lass Dich nicht blenden von sanfter Schönheit und blicke nicht verachtend auf mich“18, beschwor sie ihren Ehemann. Sie hatte gehofft, in ihm einen Freund zu finden, der alle Belange des Lebens mit ihr teilte, an dessen Seite sie leben und schließlich auch sterben würde. Doch dann musste sie feststellen, dass er nach der Geburt der beiden Erben nicht mehr ihr den Vorzug gab, wenn es um Empfindsamkeiten ging. Allein der Gedanke an Ernsts Aufenthalt in Wien ohne sie, an die rauschenden Feste dort, entfachte schon ihre Eifersucht. So setzte sie ihren Willen durch, ­dieses Mal durfte sie mitfahren. Wien erschien Luise wunderbar, diese alte Stadt mit ihren engen Straßen, fast noch so wie zuzeiten ihrer mittelalterlichen Blüte. Die Paläste erinnerten an Florenz. Das Wasser der Donau durchfloss die weitläufigen Vorstädte und bildete liebreizende Inseln. Hoch über den Dächern erhob sich der Turm des Stephansdoms und blickte auf die Spaziergänger, die sich des Abends auf den Plätzen versammelten. Die Wohlhabenden grüßten aus ihren prächtigen Kutschen, auf ihrem Weg zu den Redouten und Diners. Das Vergnügen schien hier Pflicht zu sein, die Zerstreuung wurde ebenso ernst genommen wie die Geschäfte, und sich zu amüsieren, zog kein Schuldbewusstsein nach sich.19 Luise genoss die prachtvollen Veranstaltungen am österreichischen Hof und hoffte, die Fesseln ihrer Existenz künftig vielleicht öfter abstreifen zu können. Zwar ging man in Coburg auch mit der Mode, das große Vorbild für die höfische Kleidung war Paris, doch der Glanz war nur vordergründiger Schein. Mit wirklicher Etikette hatte das nichts zu tun, dazu waren die Coburger Verhältnisse viel zu bescheiden. Luise empfand dies sehr genau und sie vermisste eine Seele, der sie sich anvertrauen konnte. Als sie einmal mit dem Coburger Hausschmuck bei einem Fest erschienen war und von einer Hofdame überschwänglich bewundert wurde, entgegnete sie: „Gutes Kind! Die Brillanten drücken sehr!“20 Luise war noch minderjährig 38

gewesen, sechzehn Jahre alt, als sie ihre Heimat Gotha verlassen musste, um Herzog Ernst zu heiraten. In ihrem neuen Zuhause in ­Coburg vermisste sie eine wahre Freundin oder einen Freund, einen Beschützer, der für sie eintrat. Ihr Vormund, Baron von Lindenau, besprach sich eher mit ihrem Ehemann als mit ihr. Von ihm war kein Beistand zu erwarten. Das hatte sich jüngst erneut erwiesen, als es um die Trennungsvereinbarungen ging. Alles von Wert hatte sie zurücklassen müssen, sogar ihren eigenen Schmuck, den sie aus Gotha mitgebracht hatte. Lindenau hielt ihn in Verwahrung und Ernst hatte ihn angewiesen, die Juwelen nicht an Luise auszuhändigen. Wozu sollte sie sich jetzt auch noch schmücken wollen? Ein bisschen Wäsche und Mobiliar ist bereits nach St.  Wendel vorausgeschickt worden, die Einrichtung ihres neuen Hauses wird wohl bescheiden ausfallen. Die notwendigsten Kleidungsstücke sind in den Koffern an der Rückseite der Kutsche befestigt, doch werden die Riemen halten? Luise muss bei diesem Unwetter auch noch fürchten, die wenige Habe zu verlieren, die ihr geblieben ist. Trost und Verständnis kann sie in ihrer misslichen Lage nicht erwarten. Kein vertrautes ­Gesicht begleitet sie auf der Höllenfahrt nach St. Wendel. Luise hofft, dass wenigstens der Kavalier, der noch kommen soll, ein Bekannter ist. Ernst, so fürchtet sie, schickt ihr einen seiner Aufpasser hinterher, der ihr Betragen kontrollieren soll. Sie vermutet, dass auch Hofdame Amalie angewiesen wurde, ihr Verhalten genau zu beobachten und so oft wie möglich Bericht nach Coburg zu erstatten. Doch wie es scheint, wird die Hofdame für lange Zeit ihre einzige weibliche Gesellschaft in der Verbannung sein. Vielleicht ist es ja möglich, ihre Freundschaft zu gewinnen. Schon in Bad Brückenau, wo sie sich kennengelernt hatten, war Amalie als angenehme und zuverlässige Erscheinung aufgefallen. Luise hatte den Eindruck, dass sie es gut meinte mit ihr und ihr vielleicht über die trüben Erinnerungen an die jüngsten Vorfälle hinweghelfen würde.21 Schließlich sind sie alle Leidensgenossen, die sich im Exil gemeinsam neu einrichten müssen. Vieles ist zu bedenken: Wie werden die Möbel gestellt, wer schläft wo in welchem Bett, wie findet man 39

einen leidlich fähigen Koch? Die Aufgabe, sich um all das zu kümmern, fällt dem Kammerherrn Carl Speßhardt zu, aber Luise beansprucht Mitspracherecht. Der in Heidelberg zugestiegene neue Haushofmeister macht auf Luise einen braven Eindruck, sie befürchtet indes, dass er seinem Auftraggeber, Luises Gatten, von Herzen ergeben sein wird.22 Doch sie möchte das Gute sehen und ist bereit, sich der Führung Speßhardts anzuvertrauen. Willig ist sie ihm beim Zwischenhalt in Heidelberg auf den Aussichtspunkt über der Stadt gefolgt und hat sich an der Landschaft erfreut, auch wenn der Spätherbst nicht mehr viel Tröstliches zu bieten hat. Danach haben sie sich Mannheim angeschaut, eine schöne Stadt. Hinter Kaiserslautern aber wurden die Wege schlechter, und jetzt, kurz vor St. Wendel, sind sie nahezu unbefahrbar. Was sie erst in der Stadt erwarten mag, fragt sich Luise, die gehört hat, wie besorgt Ernst über die dortigen Zustände ist. Fünfundzwanzigtausend Menschen leben im Sprengel Lichtenberg, viele sind unzufrieden mit der Regierung des Herzogs, denn sie fühlen sich von ihm missachtet. Zu weit weg liegt die Residenz, als dass der Landesherr im fernen Coburg von den Problemen seiner Untertanen wissen könnte. Sie wehren sich gegen die Selbstverständlichkeit, mit der der Herzog die Domäne als Privateigentum betrachtet, aus der er immer wieder Gelder abzieht, um die Schulden seiner Familie und die Apanagen für seine Angehörigen zu bezahlen.23 Schon öfter sind Unruhen ausgebrochen, die die Regierungsvertreter kaum in den Griff bekommen. Wie viele bedürftige Menschen mag es geben? Luise ist strikt untersagt, Umgang mit der Bevölkerung zu pflegen und sich in örtliche Belange einzumischen. Endlich erreicht die Kutsche ihr Ziel. Als sie die Landesgrenze passiert, sieht Luise schon die kleine Abordnung Lichtenberger Beamter, die von der Landesregierung zu ihrer Begrüßung entsandt worden ist. Wie von Ernst angeordnet, entbehrt der Empfang jeglichen Gepränges. Der Sekretär des Coburger Herzogs, Johann Heinrich Schnür, macht seine Aufwartung und überreicht ein Schreiben des Gatten mit Grüßen an Luise, die diese sogleich erwidert: „Gar freudig war es für mich gleich diese Worte des freundlichen Landes40

herrn bei meinem Eintritte in seinem Gebiet zu empfangen, und ich sage dir meinen innigsten Dank für dießen Beweis deines Andenkens, so wohl als für die hübsche Einrichtung des Hauses, das wir bewohnen. Ich erkenne darin deine mir bekannte Sorgfalt, für alle diejenigen, die dir angehören und dazu zähle ich mich noch, so lange nehmlich wie du es willst mein milder Freund und Landesherr.“24 Damit sind die nötigen Höflichkeiten ausgetauscht. Wie Luise wirklich über ihr neues Heim denkt, schreibt sie später. Gar grässlich kommt ihr die Stadt vor, Ernst würde sich gewiss für sie gefürchtet haben, könnte er die Zustände hier sehen. Die Bürger treten ihr zwar freundlich entgegen, aber ihren Vivat-Rufen mag Luise nicht recht trauen. Sie begrüßen das Geld, das mit der Herzogin in ihren gottverlassenen Sprengel Einzug hält. Auch wenn die dreizehntausend Gulden, die Ernst seiner Frau jährlich für die Haushaltsführung genehmigt hat, in Luises Augen bescheiden sind und längst nicht der Summe entsprechen, die sie aus ihrem eigenen Erbe beanspruchen kann – für die Lichtenberger sind es rosige Aussichten, eine zahlungskräftige Dame hohen Standes in St. Wendel zu wissen. Wo Hof gehalten wird, und sei es auch noch so bescheiden, fällt Arbeit an und es werden Dinge des täglichen Lebens benötigt, die aus der Stadt geliefert werden können. Luise bezieht mit ihrer kleinen Reisegruppe das alte Amtshaus am Marktplatz. Nichts ist fertig, vorerst können nur die Schlafzimmer bewohnt werden. Immerhin stehen schon Betten darin, die aus ­Coburg herbeigeschafft wurden. Aber die Kälte kriecht durch alle Räume, es gibt keine Öfen, an denen man die von der widrigen Reise noch ganz klammen Finger wärmen könnte. An den kahlen Wänden fehlen Tapeten, die Zimmer sind klein und strahlen wenig Gemütlichkeit aus. Auch auf Schloss Rosenau waren die Räume im Obergeschoss bescheiden, die sie anfangs mit Ernst nach der Eheschließung bewohnt hatte. Aber sie waren viel freundlicher erschienen, und glücklich die Stunden, die sie dort zugebracht hat. Als Luise sich in ihrer neuen Bleibe umschaut, fließen die Tränen. Amalie versucht zu trösten, doch sie ist nicht die Adressatin des Kummers. Wüsste Ernst 41

von den erbärmlichen Umständen an diesem Ort, denkt Luise, würde er vielleicht Mitleid mit ihr haben und sie könnte ihm versichern, dass ihr Gefühl für ihn sich nicht geändert hat und er für immer in ihrem Herzen bleiben wird. Am zweiten Abend nach der Ankunft versammeln sich Bürger aus St. Wendel vor dem Amtshaus. Es sind vor allem alte Weiber, wären es junge gewesen, hätten sie sicher viel lieber ihrem Landesherrn die Aufwartung gemacht, da ist sich Luise sicher.25 Die Herren hat sie schon am Tag zuvor kennengelernt, wie immer und überall haben sie auch hier den Vortritt. Kuriose Figuren waren darunter, man musste an sich halten, nicht die Würde zu verlieren und in Lachen auszubrechen. ­Geflickte Hemden, wohin man blickte! Am dritten Abend nach Luises Ankunft versuchen die tapferen und wohl sehr neugierigen Bürger von St. Wendel, ihre zugezogene Herrschaft mit Fackeln und einer Theateraufführung aus dem Amtshaus zu locken – doch vergebens. Luise und ihre Begleiter haben andere Sorgen als vergnügliche Zerstreuung. Alle packen an, um die kargen Räume wohnlicher zu gestalten. Tapeten kleistern und aufkleben ist erst einmal das Wichtigste, denn etwas Farbe wird sich sicher günstig auf die gedrückten Gemüter auswirken. Auch Luise muss mit anpacken. Der Lohn der Mühe sind heftige Zahnschmerzen, sie hat sich erkältet, weil alle Türen und Fenster offen ­stehen. Mit einem lindernden Umschlag um den Kopf sitzt Luise nach getaner Arbeit am Tisch und schreibt an Ernst: „Bedaure mich etwas!“26 Auch die Mitbewohner im Amtshaus leiden: Amalie wird von Koliken geplagt, Speßhardt von der Gicht heimgesucht. Doch bald schon sind die Zimmer wohnlicher. Es gibt einen Salon in der Farbe des Tausendschöns, ein gelbes Vorzimmer, ein blaues

In diesem Brief an Ernst, noch in Coburg verfasst, sucht Luise sich zu  verteidigen, in der Hoffnung, ihn wieder zu gewinnen: „Deine Briefe ­konnten nicht anders als mich tief betrüben, so wie der Abschied am ­gestrigen Abend. Auch mir wird fortan kein Glück blühen, doch bleibt mir das ­Bewußtsein trotz allem Schein der gegen mich ist, nicht so schlecht wie du glaubst gehandelt zu haben, und dieß nehme ich mit …“

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Empfangszimmer, ein graues Schreibbüro und ein rosa Ankleide­ zimmer. Das Schlafzimmer ist mit einer dunkelgrünen Tapete versehen und hat sogar ein eigenes Bad. Die Zeit vergeht mit Einräumen, anordnen und vor allem mit Rechnen. Luise ist entschlossen, keine Schulden zu machen und mit dem Wenigen auszukommen, das Ernst ihr zugestanden hat. Zum Beweis ihrer ungewohnten Bescheidenheit schickt sie ihm eine Aufstellung aller Ausgaben. In der Einöde fallen Extravaganzen weg und Eitelkeit scheint an die Dorfbevölkerung ohnehin verschwendet. So verbringt Luise die Abende zurückgezogen mit Amalie und Speßhardt, sie plaudern und lesen, an den wärmeren Tagen fahren sie spazieren. Schnell findet sich auch ein Koch. Der kleine Conrad Müller ist fast noch ein Kind, gibt sich aber sehr viel Mühe. Und er ist ein mutiger Junge – kaum ist er angekommen, rettet er schon einen Mann vor dem Ertrinken. Einem armen Kind schenkt er sein zweites Paar Socken. Das sind nun die rühmlichen Ereignisse, die für Luise aus St. Wendel berichtenswert sind.27 Die Verstoßene schreibt lange Briefe an Ernst, der sich wie immer um diese Jahreszeit auf seinem Jagdschloss in Rodach aufhält. Luise hat diesen stillen heiteren Ort geliebt und war stolz, als Ernst sie zu Anfang ihrer Ehe auf die Pirsch mitnahm. Der Schwiegermutter war das ein Dorn im Auge, ebenso wie Luises lustiges Beisammensein mit all den jungen Kavalieren, die ihr Mann dort um sich versammelte. Die Schwiegermutter hatte ihren Sohn in scharfem Ton davor gewarnt, seine junge Frau nicht mit den Herren allein zu lassen. Den ganzen Tag sei er abwesend, während Luise sich mit dieser überflüssigen Horde vergnügen könne, ungeniert und verzückt. Es genüge nicht mehr, sie nur zu besserem Benehmen zu ermahnen, sie brauche eine strenge Hand. Und natürlich erinnerte Auguste an die immensen Kosten, die durch die vielen Jagdgesellen entstünden. Nur Ausgaben habe die Heirat mit Luise verursacht, aber welchen finanziellen Nutzen bringe sie ein? Die Schwiegermutter wollte alles unternehmen, um Ordnung und Sitte wiederherzustellen, notfalls mit Gewalt. Sie wagte es sogar, Luise einen unartigen Kobold zu schelten!28 44

Wie immer in den Jahren ihrer Ehe schwankt Luise auch jetzt noch zwischen Anpassung und Rebellion. Sie will Ernst beruhigen, ihm beweisen, wie friedlich und bescheiden sie in St.  Wendel zu leben gedenkt. Und dennoch ist sie entschlossen, sich gegen die Bevormundung und gegen die Trennung von ihren Kindern zu wehren. Es kränkt sie, dass Ernst auf ihre langen Briefe nicht ausführlich antwortet, sie manchmal sogar unbeantwortet lässt. So sucht sie Hilfe bei ihrer Schwägerin Sophie, in der Hoffnung, eine Fürsprecherin in ihrer misslichen Lage zu finden. „Ich lebe hier ganz still und einsam, ein Tag gleicht dem anderen, sodaß ich oft das Datum nicht weiß, etwas karg ist das tägliche Brodt, und Einschränkungen aller Art sehe ich mich genöthigt zu machen“, schreibt Luise.29 Sie appelliert an die freundschaftlichen Gefühle ihrer Schwägerin, die ihr unter den sechs Geschwistern ihres Mannes besonders nahesteht. „Wie soll ich meine theure, liebe Schwester, den süßen Namen erlaubst du mir gewiß, Worte finden, um dir meine Dankbarkeit für die viele Güte, Milde und Nachsicht auszudrücken, die du mir bisher bewießen. Glaube mir, ich erkenne sie und fühle tief deine edle Freundschaft. Ach, es thut so wohl, da wo man fehlte und sich nun streng verstoßen von Allem was man liebte sieht, zu stolz ist um zu bitten, ein Wesen zu finden daß schonend urtheilt, sich gleich bleibt und milde verzeiht.“30 Luise fleht Sophie an, sich bei Ernst für sie zu verwenden. Immer wieder fordert sie Nachrichten von ihren Kindern ein, doch sie stößt auf taube Ohren. Was ihr aus Coburg beschieden wird, ist niederschmetternd: An ein Besuchsrecht ist gar nicht mehr zu denken, nicht einmal Bilder der Kleinen will man ihr schicken. Luise tröstet sich mit Lektüre und Korrespondenz, immer in der Hoffnung, wenigstens auf Umwegen zu hören, wie es ihren Söhnen Ernst und Albert in der Heimat ergeht. Schon bald wird der Ton ihrer Briefe an den Ehemann in Coburg schärfer. Die Rolle der Bittstellerin liegt ihr ohnehin nicht, sie fordert Anteile aus dem Vermögen, das ihr in ihren Augen als letzter Erbin des Hauses Sachsen-Gotha-Altenburg zusteht. Aus Coburg kommt kein Zeichen einer möglichen Annäherung, ganz im Gegenteil. 45

­ iemand scheint Luise zu vermissen, niemand besucht sie, niemand N hört sie an. Auch Leopold nicht, was Luise besonders schmerzt. Der jüngere Bruder ihres Mannes ist ihr Favorit unter den Schwagern. Er ist groß gewachsen und gutaussehend, dazu noch sehr gescheit und weltläufig. Ein Diplomat, dem eine blendende Karriere auf der internationalen Bühne zugetraut wird. Luise war stolz, als Leopold sie mit seiner Aufmerksamkeit ehrte. Immer freundlich, immer um ihr Wohl und ihr Glück besorgt. Oft schrieb sie ihm lange Briefe, wenn er abwesend war, schüttete ihr Herz aus und hoffte, in ihm den Beschützer gefunden zu haben, der für ihre Rechte einträte. Doch nun, in der Not, in der sie eines Fürsprechers mehr bedarf denn je, sieht sie sich auch von Leopold im Stich gelassen. Luise wird nie wieder nach Coburg zurückkehren. Eine Zeit lang wird sie in St. Wendel ein zurückgezogenes Leben führen, ohne je ein Zeichen der Versöhnung zu empfangen. Weder ihr Gatte noch ihre Stiefmutter Karoline lassen sich von ihrer Bitte um Vergebung milde stimmen. Eine harte Strafe für eine sehr junge Frau, die einer ehrgeizigen Dynastie Erben geboren hat und die Möglichkeit bietet, dem verarmten und machtpolitisch uninteressanten Herzogtum Coburg zu neuem Glanz zu verhelfen. Durch ihr Erbe, das auf ihren Ehemann Ernst übergeht, wird das einflussreiche Haus Sachsen-Coburg und Gotha entstehen, das durch seine geschickte Heiratspolitik in die wichtigsten Königshäuser Europas aufsteigt. Die junge Luise versteht wohl, wie wichtig ihre beiden Söhne Ernst und Albert für das Fortkommen der Coburger sind. Was sie nicht überblicken kann, sind die diplomatischen Ränkespiele, die diesen Erfolg gefährden. Die lebenslustige und naive Herzogin führt einen Kampf um ihr persönliches Glück, um die Liebe ihres Ehemanns und die Anerkennung bei Hofe. Sie wählt die Waffen, die den Frauen ihrer Zeit zur Verfügung stehen: Manipulation, Provokation und Rebellion. Damit stößt sie, ohne die Tragweite zu ahnen, mitten in eine Familienfehde zwischen ihrem Ehemann Ernst und ihrem Schwager Leopold, die in den Jahren 1823 und 1824 ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat. Die beiden Brüder wechseln „donnernde 46

und blitzende“31 Briefe, in denen sich ein Bruch zwischen ihnen abzeichnet. Was war geschehen? Der Skandal um Madame Panam, der jahrzehntelang schwelte, war aufgebrochen, an die Öffentlichkeit gelangt und nicht mehr einzudämmen. Die geschwätzige Geliebte, die Ernst mit dem angeblich unehelichen Sohn Ernest erpresst, veröffentlicht nach langen Androhungen schließlich ihre Memoiren, die zu einem Verkaufsschlager werden – von Weimar bis Wien, von Paris bis London werden die Coburger zum Gespött. Die Schmähschrift, die 1823 zeitgleich in der französischen und in der britischen Hauptstadt erscheint, trägt den Titel: „Mémoires d’une jeune Grecque“, Memoiren einer jungen Griechin. Als Autorin zeichnet Madame Pauline-Adelaide Alexandre Panam, die angebliche Geliebte Ernsts  I. von Sachsen-Coburg. Das Buch ist eine Sensation, denn zum ersten Mal werden Details dieses Skandals bekannt, der längst als Gerücht den Weg in die Salons der feinen Gesellschaft gefunden hatte. Die Erzählerin mit dem Pseudonym Madame Panam legt vermeintliche Beweise für eine Affäre mit Ernst vor und bezichtigt ihn krimineller Machenschaften. Die Vorwürfe gegen ihn reichen von Vernachlässigung über Vergewaltigung einer Minderjährigen bis hin zum Mordversuch. Pauline, wie die schöne junge Griechin in den Memoiren heißt, schildert abenteuerliche Erlebnisse auf ihrer Reise nach Coburg, wohin sie dem Herzog nach ihrer leidenschaftlichen Begegnung in Paris folgte. Sie hat sich zum Schutz vor Übergriffen als Mann verkleidet, doch in der Kutsche löst sich ihr langes Haar und die Mitreisenden werden neugierig. Nach ihrem Schicksal befragt, bricht sie in Tränen aus. Fast noch ein Kind ist sie, ohne Beschützer, den Nachstellungen der Männer ausgeliefert. Auf der Reise durch Deutschland, so erzählt Pauline in den Memoiren, muss sie sich gegen unzählige Attacken kopflos verliebter Verehrer zur Wehr setzen, bis sie sich endlich in Coburg sicher glaubt. Doch hier erfährt sie nichts als Ablehnung. Schon der Anblick der altertümlichen Stadt lässt sie erschaudern: enge Gassen, heruntergekommene Häuser, Türen ohne Schliff  – vergleichbar mit den abscheulichsten Orten Frankreichs. Ihre Kutsche nimmt den Weg durch schmutzige Straßen 47

mit schlecht verlegtem Kopfsteinpflaster zum Coburger Schloss, wo sie von zwei fetten Ratten erwartet wird. Die Leser der Schauergeschichte haben keine Schwierigkeiten, in den beiden Nagetieren die Brüder Ernst und Leopold von Sachsen-Coburg zu identifizieren. Pauline, die auf die Liebe des Herzogs gehofft hat, wird abgewiesen, verfolgt und schließlich beinahe vergiftet. Mit Mühe kann sie sich und ihren Sohn aus den Fängen der Coburger Übeltäter befreien. Ernst hatte seit 1815 versucht, das Erscheinen der Memoiren Madame Panams zu verhindern. Obwohl er die Vaterschaft des unehelichen Kindes abstritt, zahlte er über das Bankhaus Rothschild erhebliche Summen an die ehemalige Geliebte aus, in der Hoffnung, den kleinen Ernest in die Obhut seiner Familie nehmen zu können – sehr zum Ärger seines Bruders Leopold, der mehrere Rechtsgutachten einholen ließ, um die Frage auszuloten, wie die erpresserische Angelegenheit zu beenden sei. Doch Ernst lässt sich nicht belehren, denkt über juristische Schritte nach, ignoriert alle Mahnungen, schließlich ist er das Oberhaupt der Coburger. Leopold, der in London lebt, schäumt vor Wut. Er fürchtet um seine vielversprechende diplomatische Karriere. Das Vorwort zur englischen Ausgabe der Panam-­ Memoiren ist voller peinlicher Anschuldigungen, die die politische Tragweite der Affäre Herzog Ernsts unterstreichen. Das außergewöhnliche Schicksal der abgewiesenen Geliebten, das Leid, das sie ertragen musste, sei ohne Beispiel, heißt es darin. Auf dem Kontinent, so behauptet der Verfasser des Vorworts32, habe ihre Erzählung bereits eine mächtige Wirkung erzielt. Vor allem in der französischen Hauptstadt, wo sich das Gefühl gemeinschaftlichen Mitleidens erhalten habe, glaube man der unschuldigen Pauline. Jeder Zweifel an der Wahrhaftigkeit ihres Berichts sei undenkbar. Die haarsträubenden Vorfälle, die sie mit dem regierenden Herzog von Coburg erlebt haben will, nötigten das Publikum geradezu, sich auf ihre Seite zu schlagen. Was Pauline schildere, erinnere an die Schauerromane der in England so beliebten Schriftstellerin Ann Radcliffe, sodass dem Verfasser des Vorworts während seiner Arbeit an der Übersetzung der Memoiren die Haare zu Berge gestanden hätten, so sehr fühlte er sich 48

in mittelalterliche Zustände zurückversetzt. Tatsächlich erinnert das Szenario an unzivilisierte Zeiten: Die unschuldige Pauline muss damit rechnen, ins Verließ gesperrt zu werden, sie sieht sich der Verfolgung und dem Tod durch den Dolch ausgesetzt, schließlich wartet auch noch der Giftkelch auf sie – alles Beweise für die rückständige Lebensart des Coburger Herzogs, der ihr nach dem Leben trachtet. Sein liederliches Verhalten, so der Verfasser des Vorworts, sei seines Wissens mit nichts vergleichbar, was sich jemals in Britannien zugetragen habe. Voller Abscheu müsse man die Stimme erheben gegen den fürstlichen Verführer und eintreten für das unschuldige Opfer. Das Publikum sei das beste Tribunal. Das Urteil der Leser, so fürchtet Leopold, wird sich gegen die ­Coburger richten, auch wenn die Schilderungen der Pauline Panam so übertrieben wirken, dass sie kaum glaubhaft erscheinen. Ernsts Bruder empört sich nicht aus moralischen Gründen über den Skandal im eigenen Haus, denn Mätressen zu haben, gehört in Adelskreisen zum guten Ton. Es ist die Unfähigkeit Ernsts, mit den Anschuldigungen angemessen umzugehen, die Leopold in Rage bringt. In den Schaltzentralen europäischer Macht läuten die Alarmglocken. Die Coburger Affäre beschäftigt illustre Kreise: Österreichs Fürsten Metternich ebenso wie den französischen Schriftsteller Victor Hugo, das Bankhaus Rothschild ebenso wie den Hof in London, die deutschen Herzöge und Fürsten, einen berühmten Astronomen und natürlich die sächsische Verwandtschaft. Bei den Methoden, die zum Einsatz kommen, sind die Beteiligten nicht zimperlich. Es wird intrigiert, ­spioniert, genötigt, verleumdet und erpresst. Die aufkeimende Presse und die öffentliche Meinung sollen manipuliert oder mundtot gemacht werden. Als kurz nach Bekanntwerden des Panam-Skandals die Ehe von Ernst und Luise scheitert, werden beide Ereignisse von den Zeitgenossen miteinander in Verbindung gebracht. Alles scheint zusammenzupassen: Ernst ist mit den Folgen seiner Affäre beschäftigt, Luise fühlt sich vernachlässigt und sucht Zerstreuung bei den jungen Offizieren am Hof, der Ehemann ist gehörnt und verstößt die untreue Gattin, das Volk rebelliert und stellt unangenehme Fragen. 49

Man beginnt zu rechnen. Wann wurde der zweite Sohn Albert geboren? 1819  – war da der Skandal um die Panam nicht schon in aller Munde? Gab es nicht schon Gerüchte, um die Ehe des Herzogspaars sei es schlecht bestellt? Unwahrscheinlich, dass Luise zu dieser Zeit gänzlich unwissend war. Und wenn es denn Fehltritte ihrerseits gab, war es auch nicht ausgeschlossen, dass Ernst I. gar nicht der leibliche Vater des Prinzen Albert war. Trotz aller Versuche der Coburger, den Skandal aus der Welt zu schaffen, erhebt dieses Gespenst der illegitimen Zeugung Alberts immer wieder sein Haupt. Es ist die Achillesferse des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha, das schmutzige Familiengeheimnis, das in Kneipen und Boudoirs, in Salons und Wohnzimmern verhandelt wird. Wie in einem Brennglas konzentrieren sich zentrale Konflikte des 19.  Jahrhunderts  – die Rechte und Freiheiten des aufstrebenden Bürgertums, die sich Bahn brechen, die revolutionären Aktionen ­republikanischer Aktivisten, die von Frankreich aus Europa erfassen, die reaktionären Bollwerke, die von den herrschenden Fürsten des Ancien Régime in Stellung gebracht werden – im Schicksal der kleinen Fürstin Luise aus dem Haus Sachsen-Gotha-Altenburg, die von diesen Zusammenhängen nichts ahnen kann. Als 1824 die Coburger Bürger den Aufstand wagen und sich gegen ihren Herzog stellen, ist das Maß voll. So findet sich Luise völlig überraschend in einer Kutsche wieder, die sie in die Verbannung bringt. Ein Akt der Willkür ihres Ehemanns, angeordnet in der Hoffnung, den Skandal so ein für alle Mal beerdigen zu können.

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3. Geschaffen, um geliebt zu werden

1824, noch keine vierundzwanzig Jahre alt, hat Luise alles verloren, was das Leben einer Frau des Hochadels im 19. Jahrhundert ausmacht: ihre Kinder, ihre Familie, ihren Status als Fürstin und ihre Heimat. Ehebruch, Mätressen­ wirtschaft und Scheidungen sind kein unbekanntes Phänomen in adligen ­Familien, meist sind es die Männer, die ihre erotischen Bedürfnisse außerhalb der ehelichen Gemeinschaft befriedigen. Geheiratet wird aus dynastischen Gründen, geliebt wird anderswo. Aber Luise kann sich nicht damit ­abfinden, in einer lieblosen Ehe gefangen zu sein. Ihre Erziehung am Fürstenhof von Gotha hat ihr eine wichtige Eigenschaft, die von Frauen des Adels erwartet wird, nicht mitgegeben: ihre Gefühle kontrollieren zu können.

Ist es möglich, Luise nicht zu lieben? Und kann man sie lieben und vergessen? Wie immer, wenn Julie von Zerzog an ihre Freundin in St. Wendel denkt, ist sie in großer Sorge. Welche Entbehrungen muss die Herzogin von Sachsen-Coburg in der Verbannung hinnehmen? Welchen Preis zahlt sie für ihre Unbesonnenheit? Wie sehr hat Julie Luise immer bewundert, diese lebhafte und unbedarfte Prinzessin aus Gotha, die so viel Sinn für Humor hat und die sich gegen jedermann so freundlich und heiter zeigt – vom Glück scheinbar begünstigt durch ihren fürstlichen Stand. Von ihrer ersten Begegnung im Kurort Bad Liebenstein an fühlte sich die Bankierstochter Julie zu Luise hingezogen, sie waren fast noch Kinder damals. Die beiden jungen ­Mädchen beschlossen, sich nicht mehr aus den Augen zu verlieren. 51

­ unächst war es nur eine höfliche und sporadische Brieffreundschaft, Z die über Konversation kaum hinausging, doch mit den Jahren waren sie sich nähergekommen. Natürlich hat Julie, die von niederem Adel ist und sich dem höfischen Zwang zu ihrem Glück nicht unterwerfen muss, den Lebensweg ihrer Freundin aufmerksam verfolgt und sich ihre Meinung gebildet, ohne sich darüber zu äußern. Das hätte ihr nicht zugestanden. Insgeheim hatte sich Julie aber schon darüber gewundert, dass Luise so früh verheiratet worden war – sechzehn schien doch noch sehr jung, selbst für ein Mädchen ihres Standes. So hatte es Julie zwar entsetzt, als sie später von den Eheproblemen des Coburger Herzogspaars gehört hatte, doch sehr erstaunt hatte es sie nicht, dass dieses ungleiche Paar nicht miteinander auskam. Seit die Herzogin im Exil in St. Wendel lebt, ist Julie eine der wenigen Personen, denen sie ihr Herz öffnet. Oft stellt Luise sich die Frage, wieviel Anteil sie am Scheitern der Ehe hat und ob Ernst ihr je vergeben würde. „Ich bin nicht ohne Schuld, ich habe menschlich jugendlich gefehlt“, erklärt sie Julie. Hat sie die Regeln des Hofes so sehr verletzt, hat sie ihre Familie so sehr enttäuscht, dass es nie wieder ein Zurück gibt? Wie schnell ist aller Glanz der fürstlichen Jahre gewichen – Luise ist nun dazu verdammt, ein einsames und bescheidenes, ja fast bürgerliches Leben zu führen. Warum nur musste sie sich mit aller Macht gegen ihren Ehemann und dessen Familie auflehnen? Hatte sie wirklich geglaubt, man wolle sie einsperren? Niemand hatte sich die Mühe gemacht, ihr zu erklären, was mit ihr geschehen sollte, nachdem Herzog Ernst sie des Verrats beschuldigt hatte. Nur eins gaben ihr alle zu verstehen: Sie sollte vom Coburger Hof entfernt werden, so schnell wie möglich. Als Luise dies verstanden hatte und um ihre Freiheit fürchtete, sah sie sich gezwungen, ohne weiteren Widerstand in die Trennung von Ernst einzuwilligen. Nur vorübergehend, wie sie glaubte, bis sich der Zorn des Gatten gelegt haben würde und Gras über die Sache gewachsen wäre. Einen Aufstand der Bevölkerung hatte sie nie beabsichtigt und auch nicht willentlich unterstützt. Was konnte sie dafür, dass die aufgebrachten Bürger von Coburg ihr zugejubelt hatten und nicht dem Landesfürsten? 52

Julie schenkt den Schilderungen Luises nur zu gern Glauben, denn die Herzogin war ja noch so jung, keine vierundzwanzig Jahre alt, als die Krise am Coburger Hof ihren schrecklichen Höhepunkt erreicht hatte. Wie hätte sie in ihrer Unerfahrenheit die Schlingen entdecken können, die von intriganten Hofschranzen ausgelegt waren, um sie von ihrem Gemahl zu trennen? Es sind dieselben Menschen, die die Herzogin zuerst mit den unerhörten Gerüchten über die Untreue Ernsts verunsichert hatten und die sie nun als „Schand-Luise“ schmähen – und es ist erstaunlich, wie leicht es auch ihren nächsten Vertrauten und Verwandten gefallen ist, sich von ihr abzuwenden – dem Ehemann ebenso wie der Stiefmutter, dem einst so treuen Vormund Baron Lindenau wie der Erzieherin Charlotte von Bock; sie alle haben Luise verdammt. Julie gehört zu den Wenigen, die sich nicht von ihr los­ gesagt haben, die ihr schreiben und sie gelegentlich in ihrem Exil besuchen, in dem sie nun schon so viele Jahre lebt. An einem schönen Herbsttag im Jahr 1829 trifft Julie in Niederweiler nahe St.  Wendel ein.1 Den Sommer über hat Luise das alte Amtshaus im altertümlichen Stadtkern verlassen, um auf dem Land ein kleines Gartenhaus zu bewohnen. Dort steht sie jetzt am Fenster und winkt Julie zu, deren Besuch eine lang ersehnte Abwechslung bietet. Die Aufregung ist ihr anzumerken – wie freundlich und blühend sie aussieht, ganz so, als habe sie mit sich und der Welt Frieden geschlossen. Julie spürt, wie sehr die Freundin sich verändert hat. Waren früher eine sprühende Fantasie und ein unbedingter Freiheitswille Luises vorherrschende Charakterzüge, zeigen sich jetzt Herzlichkeit und eine ungewohnte innere Ausgeglichenheit. In der zurückgezogenen Stille des beschaulichen Gartenhauses füllt die einst so auf äußerliche Zerstreuung bedachte Herzogin ihre Zeit mit einer umfangreichen Korrespondenz und mit konzentrierter Lektüre. Wie sie dasitzt, in der linken Hand ein aufgeschlagenes Buch, das sie dicht vor ihre Augen führt, die rechte Hand entspannt auf dem Tisch abgelegt, auf dem sich ein ganzer Stapel weiteren Lesematerials aufgetürmt hat, erinnert sie sehr an ihre ungemein gebildete Urgroßmutter Luise Dorothea. Wer je das Schloss Friedenstein besucht hat, kennt das berühmte 53

Gemälde der Gemahlin Friedrichs III. von Sachsen-Gotha-Altenburg, das die lesende Herzogin im lichtblauen Barockgewand darstellt. Ihr Teint so weiß wie Schnee, die prächtigen Locken der hellen Perücke mit einem zierlichen Diadem gebändigt und aus der hohen Stirn gehalten, die Augen fest auf die Lektüre geheftet. Für die Zeit des 18.  Jahrhunderts ist das Porträt einer lesenden Dame ein eher ungewöhnlicher Anblick, und dennoch ist dieses Sinnbild weiblicher Vernunft nirgendwo besser verstanden worden als im kulturbeflissenen Gotha. Schon Herzog Ernst der Fromme hatte hundert Jahre vor Luise Dorothea erkannt, wie viel Macht die Gelehrsamkeit ausüben kann. Nicht mit Waffen wollte er sich behaupten – sein Fürstentum war zum Aufbau einer ernst zu nehmenden Armee ohnehin zu klein –, sondern mit Worten. Sein Motto „Friede Ernehret Unfriede Verzehret“ prangt über dem Hauptportal von Schloss Friedenstein, das die Aufklärer als Hort der Vernunft entdecken  – sogar der berühmte französische Philosoph Voltaire kommt 1753 zu Besuch und rühmt überschwänglich Luise Dorotheas Gastfreundschaft. Er nennt sie die „deutsche Minerva“, nach der römischen Göttin der Weisheit, und wähnt sich im Tempel der Grazien und des Geistes, der Wohltätigkeit und des Friedens. Luise Dorothea, die beste Fürstin von allen, müsse als Vorbild gelten für die deutschen Damen des Hochadels, so wünschen es sich ihre Zeitgenossen – und feilen am Mythos der liberalen und gebildeten Vorkämpferin aus Gotha, weil sie sich von den Ideen der Aufklärung einen starken Einfluss auf die Erziehung der künftigen Fürstengeneration versprechen.2 In Luise Dorotheas Sohn Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg scheint die Saat bereits aufzugehen, er fördert Bibliotheken und Theater, aber auch die Wirtschaft und die Naturwissenschaften. Astronomie und Physik sind seine besonderen Leidenschaften, er träumt von einer eigenen Sternwarte für Gotha und gewinnt für diesen kühnen Plan den berühmten Astronomen Franz Xaver von Zach, der nicht eher ruht, bis man vom Observatorium auf dem Seeberg zu den Sternen blicken kann. Der umtriebige Freiherr hat nicht nur Augen für das Sonnensystem, sondern später auch für die verwitwete Herzogin Charlotte Amalie, die Großmutter 54

Luises, deren Haushofmeister er wird und die er auf Reisen nach Marseille und Genua begleitet. Als die Angebetete stirbt, muss Zach zu seinem Entsetzen feststellen, dass sie ihr ganzes Vermögen ihrer Enkelin vermacht hat, eben der „Schand-Luise“, wie auch der Astronom die nach St. Wendel Verbannte zu nennen pflegt.3 Die „Schand-Luise“ hat im Exil eine Vorliebe für Poesie entwickelt, wie Julie von Zerzog zu ihrem Erstaunen feststellt  – ihre Lieblingsschriftsteller sind Goethe und Byron. In zwanglosen Unterhaltungen mit der Freundin zeigt sich, wie sehr sich Luises Geist in der Einöde der Verbannung befreit hat, zu welchen Höhen der Erkenntnis sie inzwischen gelangt ist. Gern lässt sich die Herzogin auf dem Gebiet der Literatur auf kleine Dispute ein, glänzt mit rhetorisch geschliffenen Anekdoten. In den Augen ihrer Freundin gleicht sie dem idealen Bild der aufgeklärten Fürstin, die viel Gutes und Schönes am Hof in Coburg hätte erreichen können – Julie glaubt, in Luise das Ideal einer gereiften und gebildeten Weiblichkeit zu erkennen, das sie selbst für erstrebenswert hält: „Sie war geschaffen, um geliebt zu werden, und durch die Treue eines edlen Herzens die höchste Vollendung zu erhalten, und hat es durch ihr Leben bewiesen, was tausende von unserem Geschlechte sagen  – Das Weib ist nie edler, nie schöner, als wenn es ganz Weib ist!“, notiert Julie in ihren Aufzeichnungen. 4 Später einmal will sie Zeugnis ablegen über ihren Besuch bei Luise, über das Unrecht, das der Freundin im Exil widerfährt und über deren Verwandlung in eine fast bürgerliche Existenz, die sich mit dem zufrieden gibt, was ihr geblieben ist und dennoch für jedermann ein gütiges Wort findet. Julie erlebt Luise stets freundlich und zugewandt, ganz ohne schauspielerische Verstellung, die man ihr früher oft unterstellt hatte. Besucher finden sich in St.  Wendel höchst selten ein, dafür pflegt Luise einen liebevollen Umgang mit ihrer Dienerschaft. Wie sie es sich bei der ersten Begegnung mit ihrer Hofdame Amalie von Uttenhoven ausgemalt hat, ist diese in den ersten beiden Jahren des Exils zu einer verlässlichen Freundin geworden. Nun ist es nicht mehr wichtig, dass Amalie regelmäßig nach Coburg Bericht erstattet, wozu Herzog 55

Ernst sie verpflichtet hat.5 Luise kann sich sicher sein, dass nur Gutes den vertrauten St. Wendeler Kreis verlässt. Schnell hat sie sich eingelebt und mit ihrem einsamen Dasein abgefunden. Die Tage unterscheiden sich kaum voneinander, einer vergeht so still und einfach wie der andere. Jede unnötige Ausgabe muss gestrichen werden, um mit dem wenigen Geld auskommen zu können, das Herzog Ernst für die Haushaltsführung zugestanden hat. Etikette spielt keine Rolle mehr in Luises neuem Leben, wie Julie von Zerzog überrascht feststellt. Treue und geselliger Umgang sind die Pfeiler, auf die das Leben in St. Wendel gestellt ist. Selten spricht die Verbannte über ihre Vergangenheit, obwohl sie noch immer darunter leidet, keinen Kontakt mehr zu ihren beiden Söhnen Ernst und Albert zu haben. Gelegentlich erfährt sie von ihrer Schwägerin ­Sophie von Mensdorff Näheres über die Entwicklung der Jungen und ihren Gesundheitszustand – gottlob nur Gutes. Die mütterliche Sorge findet Trost in der Hoffnung, doch noch irgendwann die ersehnten Bilder der beiden Jungen in Händen halten zu können. Oft hat Luise in dieser Sache nach Coburg und nach Gotha geschrieben, ohne ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt zu sehen. Wohlwollende Menschen schicken von Zeit zu Zeit Nachrichten aus Coburg und versichern, ihre Söhne hätten sie nicht vergessen. Wenn es wahr ist, so denkt Julie, dass das weibliche Herz durch Schmerz und Liebe erzogen wird, so hat sich der Charakter Luises vor allem durch Verlust und Entbehrung ausgebildet. Wie sehr Luise ihren Vater August vermisst, der bis zu seinem Tod im Jahr 1822 ihr zuverlässigster Ratgeber war, hat sie der Freundin oft geschrieben. Doch es ist ihre Mutter Louise Charlotte, deren Bildnis Luise mit nach St. Wendel gebracht hat und das sie im Beisein Julies voller Sehnsucht betrachtet. Es erinnert sie daran, dass schon der Beginn ihres Lebens von einem schweren Schicksalsschlag überschattet wurde. Luises Vater, Erbprinz August von Sachsen-Gotha, hatte auf die Geburt eines männlichen Erben gehofft, doch am 21. Dezember 1800 wird ihm ein Mädchen in den Arm gelegt: Dorothea Luise Pauline Charlotte Friederike Auguste, genannt Luise. Die Enttäuschung der 56

Kinderporträt von Luise. Ihr Vater August von Sachsen-Gotha widmete sich lieber den schönen Künsten als dem Regieren, er komponierte und schrieb Gedichte. Luises Mutter, eine geborene Prinzessin von Mecklenburg-Schwerin, starb kurz nach der ­Geburt ihrer Tochter.

Gothaer Herzogsfamilie schlägt schnell um in überwältigende Trauer, denn nur zwei Wochen nach der Niederkunft verstirbt die Mutter Luises an den Folgen der Entbindung. Alle Bemühungen der herbeizitierten Ärzte, das Leben Louise Charlottes, einer geborenen Prinzessin von Mecklenburg-Schwerin, doch noch zu retten, sind vergebens. Obwohl sie ohne Mutter aufwächst, scheint es Luise am elterlichen Hof in Gotha an Liebe und Fürsorge nicht zu mangeln. Ihre Großmutter, die regierende Herzogin Charlotte kümmert sich um den Säugling, doch schon bald übernehmen Gouvernanten die Versorgung der Prinzessin. Sie soll nicht die letzte Erbin des Hauses Sachsen-­ Gotha-Altenburg bleiben, deshalb beginnt, kaum dass Luises Mutter begraben ist, die Suche nach einer passenden Heiratskandidatin für den verwitweten August. Schon im Sommer 1801, es ist gerade etwas 57

mehr als ein halbes Jahr seit dem Tod Louise Charlottes vergangen, scheint sich die zweite Ehe anzubahnen. Achtundzwanzig Jahre alt ist August, als er mit seinem Bruder Friedrich auf Reisen geht und am Hof des Kurfürsten Wilhelm I. von Hessen-Kassel dessen noch unverheiratete jüngste Tochter trifft. „Erbprinz August, ein sehr wunder­ licher und wahrhaft antimilitärischer Mensch, schien sich meiner Tochter Karoline anzuschließen, und es besteht Anlaß zu der Hoffnung, daß sie diese gute Partie abschließen wird“, notiert der Kurfürst in seinem Tagebuch.6 Wilhelm sind die Eigentümlichkeiten Augusts nicht unbekannt, ist er mit den Verhältnissen am Hof in Gotha doch bestens vertraut. Der Erbprinz ist ein exzentrischer Charakter, ein Sonderling, der gern Gedichte verfasst und komponiert. Während der Kurfürst von Hessen-Kassel das Militärhandwerk schätzt und alles daransetzt, seinen Reichtum zu mehren, gibt man sich im liberalen Gotha friedfertig und kulturbeflissen. Unterschiedlicher können die Weltanschauungen in zwei deutschen Fürstenhäusern kaum sein. Und Wilhelm ist sich dessen durchaus bewusst. Das mangelnde Einvernehmen des Erbprinzen von Gotha mit seinem Vater, die Herrschsucht seiner Mutter7, das gelegentlich exaltierte Auftreten Augusts, der sich gern mit Schmuck behängt und in damenhafte Kleider hüllt – eigentlich gäbe es genügend Anlass, eine Vermählung zu überdenken. Doch Wilhelm kennt auch die Schwächen seiner Tochter Karoline Amalie, die ihm schon großen Kummer bereitet hat. Sie ist bereits in einem Alter, in dem mögliche Heiratskandidaten immer rarer werden. Es ist noch nicht lange her, da hat Karoline durch ihr unpassendes Betragen den Prinzen von Homburg vertrieben, der durchaus ernste Absichten hegte. „Die Art, wie sie ihn empfing, befremdete mich zutiefst“, stellt Wilhelm fest. „Es war, als ob sie ihn abschrecken wollte, obschon diese Verbindung sich durchaus geschickt hätte.“8 Karoline hat ihre Gründe für ihr abweisendes Verhalten, sie ist längst in einen anderen Verehrer verliebt, doch dieser ist nicht ebenbürtig und kommt deshalb als Ehemann nicht infrage. Als Wilhelm von der Affäre seiner Tochter mit dem jungen Grafen Taube, einem Kammerjunker in Kassel, erfährt, macht er kurzen Prozess. Karoline 58

wird gerügt, Taube zunächst nach Rinteln versetzt und wenig später auf eigenes Ersuchen entlassen. Wilhelm leidet Qualen, denkt er an die verpasste Chance mit dem Prinzen von Homburg.9 Der Kurfürst ist kein Mann, der sich gern auf der Nase herumtanzen lässt, er ist machtbewusst und durch und durch ein Vertreter des Ancien Régime. Ein Herrscher von Gottes Gnaden, absolutistisch in der Politik, frei­ zügig in seiner Mätressenwirtschaft und effizient in Geldangelegenheiten. Er erlangt ein Vermögen, indem er hessische Soldaten an fremde Heere verleiht und die Profite mithilfe des Frankfurter Bankiers Mayer Amschel Rothschild vermehrt. Wilhelm gilt als reichster Fürst seiner Zeit und ist bei den Zeitgenossen umstritten. Ein kleindeutscher Duodez-Fürst, der das Blut seines Volkes verkauft, sagen die einen, während die anderen ihn wie einen Vater verehren.10 Die Schatzkammern Wilhelms sind gut gefüllt, doch dadurch wird seine jüngste Tochter für die wenigen noch in Frage kommenden Heiratsanwärter nicht attraktiver. Nicht nur die Affäre mit dem Kammerjunker Taube schadet Karoline, sondern auch ihre auffällige Korpulenz, die sie mit übertriebenem Diamantschmuck noch hervorhebt. Als August von Sachsen-Gotha zwecks Brautwerbung mit seinem Bruder am Hof von Hessen-Kassel erscheint, ist die wohl letzte Gelegenheit zu einer attraktiven Verbindung gekommen. Wilhelm zögert nicht länger: „Am 17. Januar [1802] traf die Bitte des Herzogs von SachsenGotha um die Hand meiner Tochter für den Erbprinzen ein, und die Antwort fiel natürlich sehr günstig aus, denn ich konnte mir kaum schmeicheln, sie im Alter von einunddreißig Jahren besser untergebracht zu sehen. Am 20. kamen die beiden Prinzen von Gotha an, einige Tage darauf fand das öffentliche Verlöbnis statt.“11 Am 24. April 1802 wird das Paar vermählt. Die kleine Prinzessin Luise von Sachsen-Gotha hat fortan eine Stiefmutter. Karoline Amalie scheint sich ergeben in ihr Schicksal zu fügen. Beflissen schreibt sie aus Gotha, ihrem neuen Zuhause, höfliche Briefe an ihren Vater, in denen sie immer wieder auf die Stieftochter zu sprechen kommt. Mit ihren fast zwei Jahren sei Luise ein artiges Kind und bei sehr guter Gesundheit. Allerdings werde sie von den 59

Hofbediensteten geradezu eingesperrt, sie dürfe ihr Zimmer nicht einmal verlassen, um etwas frische Luft zu atmen. Das liebe Mädchen ist eine Gefangene, berichtet Karoline an den Kurfürsten von Hessen-Kassel. Wie gern würde sie den Großpapa mit der angehei­ rateten Enkelin bekannt machen, damit auch er sehen könne, wie charmant und wohlerzogen sie ist.12 Karoline scheint sich sehr um Luises Gesundheit zu sorgen, geradezu mütterlich wirken ihre Schilderungen. Worüber sie nicht berichten kann, ist eine eigene Schwangerschaft. Niemand wünsche sich sehnlicher einen kleinen Bruder für die Prinzessin als sie selbst, klagt Karoline.13 Es klingt wie eine Entschuldigung, die schon im nächsten Satz von der lebhaften Schilderung eines Marionettentheaters übertönt wird, als seien es die theatralischen Darbietungen bei Hofe, die sie von der Erfüllung ihrer Pflichten als Gattin des künftigen Herzogs abhielten. Karoline tröstet sich mit langen Spaziergängen im englischen Park von Schloss Friedenstein, das seit seiner Fertigstellung im Jahr 1654 auf einem Hügel über Gotha thront. Der Schlossgarten ist nach den strengen Regeln des Barock angelegt, die Fassade des Prachtbaus schmucklos und dennoch imposant – die Untertanen sollen die ordnende Hand des Fürsten vor Augen haben, wenn sie vom Marktplatz aus zu seiner Residenz emporschauen. Doch im Inneren entfaltet sich die üppige Pracht barocken Dekors, wie eine Bühne für das höfische Theater, dessen Hauptdarsteller der exaltierte Erbprinz August ist. Vielleicht, so denkt Julie von Zerzog, hätte Luise manch späteres Leid erspart bleiben können, wäre ihre Erziehung strengeren Regeln gefolgt. Zu unentschlossen ist die Stiefmutter, zu nachsichtig der Vater, zu lebhaft die Fantasie der kleinen Prinzessin, die sich keine Schranken auferlegen muss. August liebt seine Tochter, die er zärtlich Viva nennt, über alles. Er verfasst Gedichte, mit denen er sie in den Schlaf wiegt: „Süsses Prinzesschen schlaf ein, lächelnd beym zitternden Schein des scheidenden Abendlichts. Fürchtend und hoffend noch nichts, gewiegt vom geistigen Kuß, träumend vom Himmelsgenuß, schlafe, du liebliches ein, lange noch schuldlos und rein.“14 60

Gotha von der Nordseite mit Schloss Friedenstein. Von außen wirkte die Residenz des Herzogs von Sachsen-Gotha eher schmucklos.

Als sie älter ist, findet Luise Geschmack an der Zauberwelt des Vaters, der dichtend und fluchend vor den Regierungsgeschäften flieht und den Staat seinen Ministern überlässt. Oft verkürzt sie ihm mit ihrem angeborenen Witz die Erholungsstunden, er erhebt sie zu einer kleinen Gottheit und teilt mit ihr seine Verachtung für jene, die angesichts seines beißenden Spottes eingeschüchtert sind. Täglich hört die kleine Luise ihren Vater gegen die Zustände und Sitten wettern, erlebt, wie er die von ihm so verachteten Kleingeister, die ihn umgeben, beleidigt und mit allen ins Gericht geht, die seinem überschäumenden Geist nicht folgen können. Seine Welt ist die der Schriftsteller und Philosophen, er wechselt Briefe mit Jean Paul, der Dichter nennt ihn den witzigsten aller Fürsten. August verehrt Napoleon, der Europa mit Krieg überzieht, das Herzogtum Gotha aber ­ungeschoren lässt und seinen Bewunderer als größtes Original seiner Zeit beschreibt. Zwei Generationen nach der „Deutschen Minerva“ Luise Charlotte scheint der aufklärerische Geist am Hof von Gotha den Ver61

stand verloren zu haben. Augusts Allüren verschlimmern sich mit den Jahren und versetzen so manchen unbefangenen Besucher in Erstaunen. 1811 stellt die berühmte Malerin Louise Seidler im Schloss Friedenstein ihre Staffelei auf, sie hat den Auftrag, das Fürstenpaar nebst Luischen zu malen.15 Als ihr der Herzog August entgegenkommt, jetzt in seinem vierzigsten Lebensjahr, fällt ihr zunächst seine damenhafte Erscheinung auf. Die Hände und Füße sind wohlgeformt und sorgfältig gepflegt. Auch der Kopf wäre schön, stellt die Seidler wenig untertänig fest, würde ihn nicht ein schielendes Auge verunstalten. Als wolle er von diesem Mangel ablenken, wirft sich August, inzwischen der regierende Herzog, in die bizarrsten Kostüme. Um den Hals einen türkischen Schal gewunden, auf dem Kopf ein fantastischer Turban mit edlen Spitzen garniert, an allen Fingern – die Daumen eingerechnet – kostbare Ringe, dazu Armreifen und Spangen, eben alles, womit sich sonst die Damen der Gesellschaft schmücken. Louise Seidler lernt die Marotten des Herzogs bald nur zu gut kennen, ohne sich daran gewöhnen zu können. Sie leidet mit dem herzoglichen Bibliothekar, dessen vornehmste Aufgabe und deshalb größter Kummer es ist, sehr oft mit Pariser Friseuren wegen der blonden Perücke seiner Durchlaucht korrespondieren zu müssen. Die Unzulänglichkeiten der fürstlichen Existenz fesseln den Landesherrn zuweilen ans Bett, das er im Zustand eingebildeter Krankheit wochenlang nicht verlässt. Dort hält er dann Audienzen ab und empfängt in dieser intimen Umgebung sogar Damen, die ihm ihre Genesungswünsche überbringen wollen. So widerfährt es eines Tages auch der Malerin Seidler, die sich schon bald über nichts mehr wundert. Wenn da nur nicht dieser aufdringliche Geruch wäre, fast könnte man es Gestank nennen, der von einer besonderen Marotte des Herzogs herrührt: „Parfüms aus Paris verbrauchte er in Mengen; ein besonderes Vergnügen fand er daran, Eintretenden ganze Gläser davon entgegenzuschütten.“16 Die übertriebene Eitelkeit Augusts ist das beste Geschäft der Kunstmaler, ganze Heerscharen lässt der Fürst im Schloss aufmarschieren, um ihn auf Leinwand zu bannen. Er bestimmt, in welchem Gewand er dargestellt wird, was sich bei 62

der Üppigkeit der verwendeten Stoffe als ernsthafte Herausforderung darstellt. Louise Seidlers Kunstfertigkeit wird durch einen violetten Gehrock aus Samt und eine Weste aus Goldstoff auf die Probe gestellt. Als sie um ein kleines Muster bittet, um der wahren Textur mit Pinsel und Farbe möglichst nahe zu kommen, lässt August eine ganze Stoffbahn bringen. „Was macht euer Kunstpapst?“, ruft er der Malerin eines Tages entgegen und meint damit den Dichter Johann Wolfgang von Goethe. Dieser wiederum bemerkt bei einer Begegnung mit dem Herzog von Gotha, wie problematisch dessen Selbstdarstellung sei – eine weibliche Form, die gleichsam angenehm und widerwärtig erscheine. Es mangelt am nötigen Ernst in Gotha, dafür feiern Esprit und Witz ein ausgelassenes Fest. Was August im Übermaß besitzt, fehlt seiner zweiten Gattin Karoline Amalie gänzlich: „Eine gute wohl­ wollende, aber nicht eben hervorragende Dame, liebte sie ihren etwa anderthalb Jahr jüngeren Gemahl schwärmerisch, dessen Geist sie ­anstaunte“17, urteilt die Seidler über Luises Stiefmutter. Die Erziehung der kleinen Prinzessin erledigen inzwischen die strengen Hofdamen Karolines, in der Hoffnung, vielleicht doch noch auszugleichen, was in den frühen Jahren versäumt wurde. Luise ist zu einem lebhaften Wesen herangewachsen, klein, blühend und munter, wie die Malerin Louise Seidler beobachtet. „Leider stand sie unter dem schädlichen Einflusse einer französischen Gouvernante, welche auf das Wohl des ihr anvertrauten Kindes so wenig bedacht war, daß sie dessen Augenmerk sogar eines Tages in meiner Gegenwart auf die Schönheit und das Benehmen der Offiziere während der Wachtparade unter den Fenstern des Schlosses lenkte und der Prinzessin allerlei Bemerkungen darüber zuflüsterte. Auch die sarkastische Art des Herzogs hatte sicherlich keine gute Wirkung auf das junge, leicht empfängliche Gemüt; einmal hörte ich selber bei einem Souper im engeren Kreise des Hofes, was für unpassende Neckereien der Vater sich gegen seine Tochter erlaubte.“18 August, der eine goldverzierte Tasse mit übergroßen Phallussymbolen zu seinen liebsten Schätzen zählt, rät seiner Tochter: „Jede 63

Blume hat ihren Stiel, und oft um das Gefäß zu halten – besser zu fassen – fasst man das gute Blümchen bei seinem Stängel.“19 Das anzüg­ liche und überspannte Verhalten des Herzogs prägt die junge Luise sicher ebenso wie die überbordende Ausgestaltung der Wohnräume im Schloss. Wenn sie durch den dunkelblauen Salon ihres Vaters schreitet, kann sie seidene Tapeten bewundern, die mit Blumen und Früchten, mit Schmetterlingen und Vögeln bemalt sind. Die Decke ziert die Darstellung einer schwebenden Eule mit glühenden Augen. Sicher bemerkt sie auch das lebensgroße Gemälde, das August in mittelalter­licher Tracht darstellt, ein Gänseblümchen als Unterpfand der Liebe pflückend. Im Wohnzimmer hängt links vom Eingang ein schönes ­Ölgemälde, Napoleon im Krönungsornat darstellend. Weiter geht es zu zwei Sofas, die mit Staub und Schmutz bedeckt sind, da sich Augusts Tiere darauf tummeln dürfen. Im Mittelpunkt des Zimmers steht ein großer runder Tisch, auf dem eine Menge Merkwürdigkeiten bunt durcheinanderliegen: orientalische Dolche, ägyptische Altertümer aller Art, obenauf eine wohl erhaltene und schön geformte Hand einer Mumie. In zwei Glaskästen springen lustig Mäuse hin und her. Luise mag das alles ganz selbstverständlich erscheinen, während unvoreingenommene Besucher angesichts des Sammelsuriums Disharmonie und Verwirrung empfinden, die sie einer seltsamen Willkür und den launenhaften Einfällen ihres Herzogs zuschreiben.20 Trotz Augusts Schrullen und dank seiner fähigen Minister blüht die Residenzstadt Gotha auf, die Hofhaltung ist prachtvoll und die Bürger lieben ihren Fürsten, wie er ist. Neue Straßen werden gebaut, Schulen und Gymnasien unterstützt, eine berittene Gendarmerie sorgt für die Sicherheit der Bürger, die sich nach Herzenslust auf den eigens angelegten Spazierwegen und im Park des Schlosses frei bewegen dürfen. Luise übernimmt auch so manche gute Eigenschaft des Vaters. Ihr Schreibstil ist flüssig und geschliffen, ihre Fantasie blühend und ihr Freiheitswille ungebrochen. Wie August beweist auch die Tochter in der Freundschaft große Ausdauer, so stellt Julie von Zerzog fest, ohne dabei die weniger guten Seiten dieser liberalen Erziehung zu überse64

hen: „Luise erlangte durch die Liebe ihres Vaters auch die Gewohnheit, in vielen Dingen ihren Willen durchzusetzen und eine gewisse Unabhängigkeit, welche nicht für jede Erfahrung des weiblichen Lebens paßt. Ihr lebhaftes reitzbares Wesen und ihre Beschäftigung mit phantastisch-poetischen Lettern hinterließ bey ihr etwas deklamatorisches, welches veranlaßte, daß man ihr in einzelnen Fällen Verstellungsgabe Schuld gab. […] Luise war wie alle Phantasiemenschen am wenigsten fähig, Verstellung auszuüben. Mit jugendlicher Leichtigkeit gab sie offen die auf sie gemachten Eindrücke wieder, und wenn sie täuschte, so täuschte sie nur sich selbst.“21 Luise habe einen Hang zu Heimlichkeiten und lasse sich von romantischen Vorstellungen leiten, sie sei eitel und gefallsüchtig, heißt es am Hof.22 Doch August verehrt seine Viva wie eine kleine Gottheit, die wie er das höfische Zeremoniell nicht allzu ernst nimmt. Sie betrachtet es wie ein großes Theater, mit dem Hofmarschall als Regisseur, der den Schauspielern auf der herzoglichen Bühne alle Freude und alle Glückseligkeit austreibt.23 Luise flüchtet sich in eine Traumwelt, beflügelt von der Lektüre romantischer Literatur. Sie verschlingt die Märchen und Sagen ihrer thüringischen Heimat, in denen tapfere Ritter edle Damen retten und ihre Herzen erobern. Ewige Liebe und Treue wird für Luise zum Ideal. Die Geheimnisse ihrer Mädchenjahre teilt sie mit einer einzigen Freundin, Auguste von Studnitz, der Tochter des protestantischen Klerikers August von Studnitz. Anders als die temperamentvolle Luise, ist Auguste scheu und zurückhaltend und sehr verschwiegen, was sie zu einer hervorragenden Komplizin macht. Die Mädchen lieben einander wie Schwestern, sehr zum Leidwesen des strengen Oberkonsistorialrats Studnitz, der seine Tochter vor dem höfischen Schauspiel bewahren möchte und ihr des Öfteren den Umgang mit Luise verbietet. Am 26. August 1815 wird die Prinzessin von Gotha in der Kapelle von Schloss Friedenstein konfirmiert. Von diesem Zeitpunkt an ist sie im heiratsfähigen Alter und eine durchaus attraktive Partie, da ihr künftiger Gatte einmal Anspruch auf das Territorium des Hauses Sachsen-Gotha-Altenburg erheben kann, wenn der letzte Herzog 65

stirbt. Außerdem ist sie Erbin eines ansehnlichen Vermögens und nicht unattraktiv. „Lieblich an Körper und Seele, witzig und doch voll freundlicher Gutmüthigkeit, […] und zugleich einzige Erbin eines ungeheuern Allodialvermögens, wie konnte Herzogin Luise lange unvermählt bleiben?“, stellt Julie von Zerzog fest.24 Ein möglicher Heiratskandidat lässt nicht lange auf sich warten. Als die russische Zarin Elisabeth noch im Jahr der Konfirmation Luises Gotha besucht und August zu ihren Ehren einen höfischen Empfang zelebriert, erscheint zu diesem Anlass ein wettinischer Verwandter auf Schloss Friedenstein: Ernst von Sachsen-Coburg-Saalfeld. Doppelt so alt wie die fünfzehnjährige Luise, ein hochgewachsener stolzer Offizier in einer mit Orden reich geschmückten Galauniform  – der Fürst macht auf die ­romantische Prinzessin einen tiefen Eindruck. Schon bald wird von Verlobung gesprochen. Charlotte von Bock, Hofdame Karoline Amalies und eine der Erzieherinnen Luises, denkt schon 1816 mit schlimmen Vorahnungen an eine Heirat der Prinzessin: „Sie ist biß jetzt noch beynahe ohne alles Fürstliche, ganz einfach. Ihre Geburt und ihr Stand erschienen ihr lange als hindernde Schranken, die ihrer Natur widerstrebten. Sie hat viel Sinn für das Glück des Herzens, allein auch eine gewisse éxaltion [Schwärmerei] die ihr schädlich werden könnte.“25 Der Würde eines Mannes wie Ernst könne nur mit Zartheit begegnet werden, glaubt Charlotte, allzu viel Schwärmerei könne sich als Klippe erweisen. „Das weibliche Leben umfaßt zwey Perioden. Die erste ist die der Kindheit und diese zweyte Periode ist die der Mädchenhaftigkeit, und beginnt mit der holden Weiblichkeit, in der die Regungen der Sehnsucht auf den Körper mit sanfter Schüchternheit über geht. Für beyde Perioden ist eine eigene Erziehung – warum war mir nicht vergönnt in der ersten mitzuwürken!“26, schreibt die Bock an ihre Vertraute Amalie von Uttenhoven, die später in St.  Wendel über die „Schand-Luise“ wachen wird und schon früh bestens informiert ist über alles, was in der Entwicklung der Prinzessin schief geht. Luise ist in Charlottes Augen zu emotional und überschwänglich, mit einer gelegentlichen Neigung zur Frivolität: „Ein jugendliches Leben mit unendlichen Regungen, Wün66

schen und innern Aufforderungen, das in den bunten Tanz der Welt greifen möchte. Hier beginnt die Bildung, die für das Weib nur eine Regel hat – von ihrem innern Reichtum wenig in die Welt zu geben, und dadurch diese sich schön, und sich selbst in Frieden zu erhalten. Denn je mehr ein Weib Gefühle in die Welt sprudelt desto ärmer wird ihr ­inneres Leben – nicht immer kehren die Gefühle glücklich zurück, und dann ist die Ruhe gestört und mit ihr das ganze Sein.“27 Die Bock ist überzeugt, Luise fehle es an der nötigen Reife, um einem Mann ihres Standes angemessen begegnen zu können. Romantisch und naiv sei die Prinzessin, verdorben durch die Flausen ihres übertrieben gefühlvollen Vaters und seine anzüglichen Redensarten. „Dieses Wesen Luise – diese holde liebliche Blume – ein seltenes Gemisch geistigen Ernstes und kindischer Unbesonnenheit – man möge sagen eine zu früh gereifte Pflanze – so viel Einsicht – so viel liebenswürdige Frivolität. Wird man dieß alles zu würdigen, zu benutzen wissen zu ihrem Wohl? Wird sie den Mann, der nun ihr Glück begründen, auf ein ganzes Menschenleben begründen soll, auch auf das ganze Menschenleben fesseln? Luise bedarf viel Liebe, ihr Herz muß festgehalten, stets beschäftigt bleiben. Eine vorübergehende Neigung  – nur der Gedanke eines Vorzugs einer anderen, auch nur momentan, würde das bestimmteste Unglück in die Ehe bringen. Ach! Und wie selten sind heut zu Tage die Männer, die der Gefährtin die Treue bewahren?“28 Nicht nur die Erzieherin, auch Karoline Amalie hat Bedenken. Luise sei noch zu jung für eine Eheschließung, lässt sie den zukünftigen Bräutigam wissen. Die Stiefmutter will Zeit gewinnen, bittet Ernst, noch zwei weitere Jahre mit einer Vermählung zu warten. „Luise ist wie Sie selbst werden bemerkt haben in manchem Betracht noch ein Kind, unerfahren und flüchtig. Doch hoffe ich, wenn sie lange genug noch unter unserer Obhut und unter den wachenden Augen ihrer Lehrer bleibt, daß sie Ihre Hoffnungen und Erwartungen erfüllen wird“29, schreibt Karoline an Ernst. Eine Verlobung könne ja stattfinden, da sich alle über die Vorzüge der Verbindung einig seien. Auch Luise habe zugestimmt, da sie glaube, mit ihm ihr Glück zu fin67

den. Damit könne der Herzog wohl zufrieden sein, denn schon mit der Ankündigung einer Heirat werde ein positives Zeichen gesetzt, zur Beruhigung der Coburger Familie und der Untertanen. Doch Ernst lässt sich auf seinem Weg zum Traualtar nicht mehr aufhalten und besteht darauf, einen baldigen Termin zur Eheschließung festzusetzen. Im Dezember 1816 gibt Karoline ihre Stieftochter frei und bittet um einen Besuch des Bräutigams noch im selben Monat, anlässlich des sechzehnten Geburtstags seiner zukünftigen Frau: „Wir werden uns herzlich freuen, Ihnen dann Luise als Ihre Braut vorzustellen und mit dem größten Zutrauen, Ihnen lieber theurer Herzog, das künftige Glück unseres einzigen Kindes anvertrauen.“30 Auch wenn die Frauen die Aufgabe der Heiratsvermittlung übernehmen, so ist das Heiratsgeschäft in den deutschen Adelshäusern des 19.  Jahrhunderts Männersache. Die souveränen Fürsten betrachten sich ohne Ansehen von Landesgröße, Finanzkraft und militärischer Kapazität als ebenbürtig. Die „Vettern“, wie sie sich untereinander anreden, bestimmen die finanziellen und vertraglichen Bedingungen, unter denen die Töchter an die Höfe der Söhne verheiratet werden. Da hilft einer dem anderen auch mal aus einer misslichen Lage. Im Fall von August und Karoline Amalie wäscht eine Hand die andere: Kurfürst Wilhelm ist die schwer vermittelbare Tochter los und der Sonderling aus Gotha, der später gesteht, er fühle sich weder als Mann noch als Frau, und der unbedingt einen männlichen Erben braucht, bekommt seine zweite Chance. Von Karoline wird nur erwartet, Kinder zu bekommen und sich widerspruchslos in die Verhältnisse am Hof ihres Gatten einzupassen. Letzteres gelingt ihr, aber den Beitrag zum Fortbestand des Hauses Sachsen-Gotha-Altenburg kann sie nicht leisten: Die Wiege auf Schloss Friedenstein bleibt leer und Luise ist damit das letzte Glied in der Ahnenreihe  – ihr bleibt nur der Weg in eine ebenbürtige Heirat. Das Adelsgeschlecht der Wettiner, zu dem sowohl Luises als auch Ernsts Familie gehören, betreibt bereits seit Jahrhunderten eine umsichtige Heiratspolitik. Meist sind es strategische Bündnisse, die im unmittelbaren geopolitischen Umfeld geschlossen werden. Es geht um 68

Gebiets- und Machtgewinn, um Bereicherung und die Sicherung des Fortbestands der Dynastien durch Nachkommen. Liebe spielt meist keine Rolle. Den Frieden zu wahren, dagegen schon, weshalb sich eine Einheirat in die Nachbarschaft sehr empfiehlt. Coburg und Gotha sind durch den Thüringer Wald getrennt, aber beide Familien haben im 19. Jahrhundert schon längst eine gemeinsame Vorliebe entwickelt, die sich nicht in das übliche wettinische Muster fügt: Sie suchen die passenden Partner nicht mehr nur wie es seit dem Mittelalter üblich war im reichsfürstlichen Umfeld, sondern streben an ausländische Höfe. Vor allem das kulturbeflissene Herzogtum Gotha, das sich schon früh europäischen Einflüssen geöffnet hat, versucht, aus der Enge des Alten Reichs herauszutreten. Im Verlauf des 19.  Jahrhunderts entdecken die Herzogtümer Gotha und Coburg die vielen Vorteile, die eine familiäre Bindung an ausländische Fürstenhöfe mit sich bringt. Man orientiert sich früh nach Russland und Großbritannien, entsendet die Prinzen als Offiziere in fremde Heere und die Prinzessinnen als Ehepartnerinnen an fremde Höfe. Im Gegenzug erwerben sich die minder mächtigen Adelshäuser einen unbezahlbaren Vorteil: Sie erfahren wichtige Neuigkeiten, noch bevor diese den Weg in die Presse finden. Unter den Familienmitgliedern werden eifrig Briefe ausgetauscht, die nicht nur den jüngsten Klatsch enthalten, sondern auch Hinweise auf politische und wirtschaftliche Entwicklungen. Es entsteht eine dynastische Nachrichtenbörse, die es ermöglicht, auch den großen, mächtigen Fürstenfamilien zuvorzukommen, wenn es um die Besetzung wichtiger Positionen geht. Mit der Eheschließung von Ernst von Sachsen-Coburg-Saalfeld und Luise von Sachsen-Gotha-Altenburg beginnt eine strategische Ausrichtung, die die beiden machtpolitisch eher unbedeutenden Herzogtümer in den Mittelpunkt der Weltpolitik rücken und ihnen damit in jenem Moment das Überleben sichern wird, in dem der Zerfall souveräner Fürstenherrlichkeit beginnt. Die Geschichte des Adels um 1800, dem Geburtsjahr Luises, ist vom Wandel bestimmt. Für die seit dem Mittelalter an Privilegien und Sonderrechte gewöhnte höchste Gesellschaftsschicht beginnt ein Kampf ums Obenbleiben, der für sie 69

einer Katastrophe gleicht, weil er die Rangordnung verändern wird.31 Der Angriff auf die Aristokratie hatte bereits im 18. Jahrhundert begonnen und vor allem aus dem nachrevolutionären Frankreich verbreitete sich die Erkenntnis, dass die alte Ordnung nicht gottgegeben war. Im aufgeklärten Bürgertum, das sein Haupt erhebt, wächst die Einsicht, dass nicht die Erbsünde der Grund für Leid und Elend ist, sondern Fehler und Versagen von Regierungen. Eine von der Vernunft geleitete Reform der Gesellschaft erscheint nun möglich, wozu es notwendig ist, traditionelle Werte und Ordnungen infrage zu stellen. Der Stolz des Adligen auf seine hohe Geburt und die vorrangige Loyalität gegenüber seiner Familie erscheinen dem Rest der Gesellschaft zunehmend wertlos, wogegen sich bürgerliche Tugenden wie Güte, Vernunft und Fleiß durchzusetzen beginnen.32 In Coburg und in Gotha stemmt sich die alte Ordnung gegen den neuen Geist mit der Entwicklung einer Heiratspolitik, die immer überlegter von strategischen paneuropäischen Zielen geleitet wird. Luise von Sachsen-Gotha-Altenburg gerät durch ihre Eheschließung mit dem Coburger Herzog ins Zentrum eines machtpolitischen ­Wirbelsturms, den sie nicht kommen sieht und auf den sie denkbar schlecht vorbereitet ist. Als verwöhntes Einzelkind mit einer Sonderrolle an der Seite ihres unkonventionellen Vaters mangelt es ihr an der erforderlichen „Affektkontrolle“, einem durch Erziehung herausgebildeten Wesenszug, der Selbstbeherrschung voraussetzt und es möglich macht, die eigenen Gefühle und Wünsche den Erfordernissen dynastischen Denkens unterzuordnen. Wie viele Fürstenfamilien blickt auch das Herzogshaus von Gotha auf eine mehr als tausend Jahre zurückreichende ununterbrochene genealogische Linie zurück. Luise ist in dieser Kette nur ein weiteres Glied, allerdings mit einer Besonderheit, die ihrer Geschichte eine spezielle Dynamik verleiht: Sie ist die letzte Erbin dieses Nebenzweigs der Wettiner und deshalb eine begehrte Partie. Ernst von Sachsen-Coburg-Saalfeld erkennt dieses für ihn so vielversprechende Potenzial. Seine Braut ist nicht nur reich, sondern auch jung und scheint einen noch formbaren Charakter zu besitzen. Sie könne nicht anders, als sich seinen Wünschen ohne 70

große Gegenwehr zu fügen, davon ist er überzeugt. Ihre Unerfahrenheit würde sie davon abhalten, ihn in seinem gewohnten Lebensstil zu stören. Die Heirat ist für ihn eine rein dynastische Entscheidung, die mit einem Familienleben im bürgerlichen Sinn nichts zu tun hat. Sie folgt den Regeln des Alten Reichs, denn „es kommt faktisch bei der Eheschließung in diesem Kreise in erster Linie auf ein dem Rang des Mannes entsprechendes, möglichst sein Prestige und seine Beziehungen vergrößerndes ‚Aufmachen‘ und ‚Fortführen‘ seines ‚Hauses‘ an, auf den Rang- und Ansehensgewinn oder mindestens auf die Rangund Ansehensbehauptung der Eheschließenden als der gegenwärtigen Repräsentanten dieses Hauses“.33 Ernst unterschätzt, welche Gefahr Luises romantischer, schwärmerischer und freiheitsliebender Charakter für ihn birgt. Er hat es eilig, denn sein übler Leumund hat bereits einige Heiratsprojekte scheitern lassen. Diesmal will er Erfolg haben und lehnt deshalb die Bitte Karolines ab, weitere zwei Jahre mit der Eheschließung zu warten, um doch noch an Luises Erziehung feilen zu können. Die grenzenlose Naivität Augusts, Karoline Amalies und Luises spielt dem Coburger in die Hände. Bei diesem übereilten Heiratsgeschäft wäscht wieder einmal eine Hand die andere: Der Gothaer Herzog und seine Frau werden den Druck der Zeugung männlichen Nachwuchses los, da ja nun der „Vetter“ Ernst für die Fortführung der gemeinsamen Familien­ geschichte Sorge trägt. Dieser wiederum hofft, mit der Eheschließung endlich alle unrühmlichen Gerüchte um seinen Lebenswandel zu beenden, was seine künftigen Schwiegereltern offenbar nicht durchschauen. Andere Zeitgenossen, wie der Rodacher Pfarrer Johann Christian Hohnbaum, sehen klarer, welches Schicksal auf Luise wartet: „Sie ist ein höchst natürliches, liebenswürdiges Wesen. Sie werden sie aber in Coburg so lange auf die Poliermühle und unter die Glanzpresse bringen, bis sie so flach und platt wie die übrigen wird. Sie ist in meinen Augen ein außerordentlich seltenes Wesen, von dem ich nur bedaure, daß sie in die Klauen eines Lämmergeyers gefallen ist.“34 Mit dem Lämmergeier ist zweifelsohne Ernst von Sachsen-Coburg gemeint. Während seiner Brautwerbung um Luise kann der Gothaer 71

Hofbeamte Karl von Hoff beobachten, wie gezielt und zupackend sich der Coburger Herzog um die erbrechtlichen Angelegenheiten seiner zukünftigen Braut kümmert, so gierig wie ein Greifvogel, der sich auf seine Beute stürzt. Das Opferlamm ist Luise. Da sich absehen lässt, dass das Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg keinen männlichen Erben mehr zu erwarten hat, ist Ernst eifrig darum bemüht, seine möglichen Ansprüche auszuloten. Im Sommer 1817 erscheint Ernst immer wieder bei seinem Schwiegervater, argwöhnisch beobachtet von Karl von Hoff, der die wahren Absichten des künftigen Bräutigams schon bald durchschaut hat: „Dem Herzog von Coburg war indessen sehr viel daran gelegen, die Erbfolgesache noch bei Lebzeiten des Herzogs August in Ordnung gebracht und seine Ansprüche gesichert zu sehen. Dazu und insbesondere, um über die aus seiner Vermählung ihm allein erwachsenden Ansprüche auf eine ansehnliche Allodialverlassenschaft [Privatvermögen der fürstlichen Familie] eine vollständige Übersicht zu erhalten, forderte er mich auf, ihm dazu alle erforderlichen statistischen Nachrichten aus dem Archiv zu verschaffen.“35 Karl von Hoff, der dem Geheimen Archiv des Herzogtums Gotha vorsteht, hat sich nicht nur mit der Geschichte des Fürstentums befasst, sondern auch mit dessen Erbrecht und den familiären Verhältnissen, die im Licht des Gesamthauses Wettin gesehen werden müssen, wobei die Interessen aller sächsischen Fürsten der protestantischen Linie zu berücksichtigen sind. Längst hat er zu dieser Frage ein Gutachten erstellt, das Ernst gute Aussichten auf die Nachfolge des Herzogs von Gotha in Aussicht stellt: „Da die darin enthaltene Ansicht seinen Ansprüchen günstiger war als denen des Hauses Meiningen, so mag er ganz zufrieden damit gewesen sein. Er schwieg zwar darüber gegen mich aber die junge Herzogin Louise äußerte mir desto lebhafter ihre Zufriedenheit. Sie hatte den Aufsatz mit voller Aufmerksamkeit gelesen.“36

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4. Die schöne Griechin und andere Probleme

Wie in den meisten deutschen Fürstenhäusern, gilt auch in Coburg und Gotha die Lex Salica, das salische Gesetz, das die Thronfolge männlichen Nachkommen vorbehält. Luise kann weder den Titel noch das Herzogtum selbst erben, allerdings wird sie eine ansehnliche Mitgift in die Ehe bringen. Da sie noch minderjährig ist, wird ihr zukünftiger Ehemann zu ihrem Vormund bestimmt und bekommt damit auch die Möglichkeit, ihr Vermögen zu vereinnahmen. Und er kann sich Hoffnung machen, nach dem Aussterben der männlichen Linie des Hauses Sachsen-Gotha-Altenburg Anspruch auf das Herzogtum zu erheben.

An keinem Spiegel kann Ernst von Sachsen-Coburg-Saalfeld vorbeigehen, ohne hineinzuschauen. Er ist hochgewachsen und schlank, hält sich aufrecht, das schmale, langgezogene Gesicht wird von üppigen schwarzen Locken umrahmt, die Winkel des ausladenden Mundes sind meist zu einem abschätzigen Lächeln emporgezogen. Von seiner Mutter Auguste, einer geborenen Gräfin von Reuß-Ebersdorf, hat er die lange, scharf geschnittene Nase geerbt. Luise glaubt, in ihm den romantischen Ritter ihrer Mädchenträume zu erkennen und verliebt sich hoffnungslos in seine braunen Augen, noch bevor die Verlobungsringe getauscht sind. So sehr sie ihn bewundert, den stolzen Offizier, der auf der Seite der Preußen gegen Napoleon gekämpft hat, so unsicher fühlt sie sich in seiner Gegenwart. Ihrer Freundin 73

Auguste von Studnitz gesteht sie unter Tränen, wie sehr sie sich vor dem Kommenden fürchtet: „Er kann mich nicht lieben, das ist einfach unmöglich!“1 Ernst ist ein Mann von Welt, so galant und auf dem Parkett des europäischen Hochadels zu Hause – was ist sie dagegen? Wie soll ein schüchternes und unerfahrenes Mädchen wie sie sein Herz gewinnen? Arm in Arm wandern Luise und ihre Freundin Auguste von Studnitz die langen Flure im Schloss Friedenstein auf und ab, flüstern sich ihre geheimen Ängste und Wünsche zu, kichern bei dem Gedanken an die ehelichen Pflichten, die auf die Prinzessin von Gotha warten, und sind sich nicht sicher, ob die junge Braut auf die Treue ihres Gatten bauen kann. Gerüchte über den fragwürdigen ­Lebenswandel Ernsts erreichen auch Luises Ohr, doch sie gibt sich tapfer und hofft, mit der Ehe werde alles gut.2 Ernst gefällt sich und den Damen, er weiß, dass er mit seinem ­ ußeren mächtig Eindruck machen kann. Viele Frauen hat er erobert, Ä viele Herzen gebrochen, der Ruf eines rücksichtslosen Schürzenjägers eilt ihm weit voraus. Als er sich endlich seiner Pflichten als Landesfürst besinnt, ist es schon beinahe zu spät für eine standesgemäße Heirat mit einer ebenbürtigen Braut. Luises romantische und leidenschaftliche Schwärmerei kommt ihm gelegen, auch wenn sie ihn befremdet. Er sieht für sich vor allem die dynastischen Vorteile und kann der Ehe nur insofern etwas abgewinnen, als sie der einzige Weg zu standesgemäßem Nachwuchs und möglicher Bereicherung ist. Seit seiner Jugend kennt Ernst prekäre finanzielle Verhältnisse. An prunkvolle Hofhaltung ist in Coburg nicht zu denken, dafür ist kein Geld da. Der regierende Herzog Franz Friedrich Anton interessiert sich mehr für seine Kunstsammlung als für seinen kleinen Staat und seine stetig wachsende Familie. Mutter Auguste versucht, ihre neun Kinder zur Sparsamkeit zu erziehen. Da kann die Unachtsamkeit einer kleinen Prinzessin beim Spielen schon mal zum großen Drama werden: Als Ernsts Schwester Antoinette eines Tages ihr schönstes Sonntagskleidchen zerrissen hatte, brach sie in Tränen aus, so sehr fürchtete sie sich vor dem Tadel ihrer Mutter Auguste. Eine Freundin wusste sie zu ­trösten und behob das Malheur mit Nadel und Faden. 74

Viel Staat ist in Sachsen-Coburg-Saalfeld nicht zu machen  – die Residenzstadt Coburg ist ein unbedeutendes Nest, dessen Schutzmauer man in weniger als einer Stunde umrunden kann. Aus der Ferne wirkt das Ensemble der Fachwerkhäuser mit ihren engen Fenstern und schiefen Giebeln, die sich um den Marktplatz drängen, ­malerisch und verträumt. Der Turm der Morizkirche erinnert stets daran, dass die Coburger im Glauben fest protestantisch sind, sogar der Reformator Martin Luther hatte hier gepredigt und im Jahr 1530 für mehrere Monate auf der Veste gelebt, jener gebieterischen Festung, die auf einer steilen Anhöhe liegt und die Coburger Lande weithin sichtbar überragt. Täler und Hügel, Äcker und Flüsse wechseln einander ab, alles wirkt sehr harmonisch und friedlich. Reisenden, die sich von der behäbigen Stimmung einfangen lassen, scheint die Zeit hier langsamer zu vergehen als anderswo. Die Bauern beackern ihre Felder fleißig und ohne Hast – ziehen Furche neben Furche, so exakt, als läge schon in ihrer sorgfältigen Ausrichtung das Geheimnis künftiger Erntefülle. An Sonn- und Feiertagen wirkt Coburg so ausgestorben, als sei das Volk vor langer Zeit weitergezogen und habe nur seine mittelalterlichen Utensilien zurückgelassen. Auf der Veste hat man Rüstungen, Helme und Waffen kämpferischer Ritter gesammelt, um an die feudalen Zeiten zu erinnern. Jetzt mangelt es der Residenz an Reichtum, aber nicht an Stolz auf das fürstliche Geschlecht der Wettiner, dessen Nebenzweig aus dem Haus Sachsen-Coburg-Saalfeld die Geschicke des Herzogtums mehr verwaltet als lenkt. Im Schloss Ehrenburg hat sich ein preußischer Finanzfachmann breitgemacht, um dem Herzog bei den Geschäften zur Hand zu gehen – sein Eifer stört mehr, als dass er geschätzt wird. Die Herzogin Auguste schmiedet Pläne, wie sie ihren Kindern eine respektable Heirat ermöglichen kann, und ist überzeugt, dass sich vor allem die Prinzessinnen klaglos in ihr Schicksal fügen müssen. Sie liest die Schriften der bei Napoleon in Ungnade gefallenen Madame des Staël, deren Heldin Delphine aus dem gleichnamigen Briefroman von 1802 sich gegen die Regeln ihres aristokratischen Standes auflehnt und tragisch zugrunde geht.3 75

Nichts ist, wie es scheint – in Coburg ebenso wenig, wie im Rest des Landes: „Beständig fällt einem in Deutschland der Gegensatz zwischen den Empfindungen und den Gewohnheiten, zwischen den ­Talenten und dem Geschmack auf. Ausbildung und Natur scheinen hier noch nicht gehörig zusammengeschmolzen zu sein. Wahrheits­ liebende Männer erscheinen nicht selten im Ausdruck und im Anstande gezwungen, als hätten sie etwas zu verbergen; nicht minder oft zeigt sich die sanfte Seele unter einer rauhen Außenseite; ja man geht noch weiter, und die Schwäche des Charakters blickt hinter harten Worten und harten Formen hervor.“4 Die rund siebentausend Einwohner Coburgs leben ruhig und ­bescheiden. Die Männer verziehen sich abends ins Wirtshaus und verschwinden hinter einer Wolke aus Ofenrauch, Bierdunst und ­Tabakqualm, die sie zu lähmen scheint. Bis sich hier einer zu lebensverändernden Entschlüssen durchringt, muss viel passieren, „so daß man sich lieber dem sicheren Tod unterwirft als den Schicksalen eines abenteuerlichen Lebens.“5 Die Schänken schließen um zehn Uhr abends und in den Häusern um die Morizkirche werden die ­Öllampen dann ebenso gelöscht, wie im Schloss. Das zu gutmütiger Fröhlichkeit neigende Coburger Völkchen ist stolz auf sein Fürstenhaus, wie der Chronist der Stadt notiert: „Wie es dem Einzelnen nicht gleichgültig ist, ob der, von dem er in seinem Lebensberufe abhängt, als eine ansprechende und ehrenwerthe Persönlichkeit ­ ­dasteht, oder ein mißrathenes Wesen ist, so geht es den Völkern mit ihren Herrschergeschlechtern. […] Die Prinzen des Hauses Coburg hatten sich in den Kämpfen gegen Frankreich als Männer bewährt, alle hatten persönliche Tapferkeit bewiesen, dazu zeigten sie sich dem Volke in aufrichtiger Leutseligkeit, von gutem Gemüthe und waren leidlich gelungene prächtige Menschenbilder, deren Anblick dem Auge wohl that.“6 Das gute Einvernehmen des Volkes mit dem Fürstenhaus und das ländliche Idyll der Residenzstadt können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Coburger stets kurz vor dem Staatsbankrott stehen. Ernsts Großmutter Sophia Antonia, eine geborene Prinzessin aus 76

dem Haus Braunschweig und Schwester der Königinnen von Preußen und Dänemark, hatte durch ihre extravagante Hofhaltung Schulden in Höhe von einer Million Taler angehäuft. Die nachfolgende Generation bekommt es mit Napoleon zu tun, denn der französische Feldherr nutzt die Thüringer Lande als Durchzugsgebiet. Plündernd und brandschatzend bewegen sich seine Truppen gen Osten und hinterlassen auch in Coburg verbrannte Erde. Ernst von Sachsen-Coburg verfolgt die Vorgänge in seiner Heimat aus sicherer Distanz. 1806 hält er sich im Hauptquartier des preußischen Monarchen in Königsberg auf und hat mit einem inneren Feind zu kämpfen – dem Typhus. Mit zweiundzwanzig Jahren ist Ernst schon ein erfahrener Soldat, im zarten Alter von elf hatte Zarin Katharina ihn ehrenhalber zum Oberst ihres Grenadierregiments ernannt –, da war er bereits mit Anna Pawlowna verlobt, der Schwester Zar Alexanders  I. Als die Preußen bei Jena und Auerstedt 1806 von Napoleons Armee vernichtend geschlagen werden, sind es die Verbindungen zum russischen Zarenhof, die den Coburger Erbprinzen vor dem Schlimmsten bewahren: Sein Herzogtum wird nicht aufgelöst, wie es mit so vielen kleinen und unbedeutenden Ländern geschieht. Ernst kann heimkehren, dies muss aber heimlich geschehen, da Napoleon der Coburger Regierung einen französischen Verwalter aufgezwungen hat. Der Imperator ist misstrauisch, zu oft schon hat er den Namen Coburg in den Reihen seiner Feinde entdeckt. Inzwischen ist Herzog Franz Friedrich Anton gestorben und Ernst müsste eigentlich die Regierungsgeschäfte übernehmen, doch vorerst führt seine Mutter Auguste das Zepter. Doch so sehr sich die verwitwete Herzogin auch bemüht, Sparsamkeit allein wird das Überleben des heruntergekommenen Herzogtums nicht sichern. Die Coburger besinnen sich auf das einzige Kapital, das sie zu bieten haben: ihre Verbindungen zu europäischen Königshäusern und ihre Prinzen und Prinzessinnen als mög­ liche Heiratskandidaten. Ernst beginnt, eine Erweiterung seines Staatsgebiets anzuvisieren. Noch hält er allerdings Abstand zur Residenz in Coburg, fährt nach Franzensbad und Karlsbad, um sich dort mit Bade- und Trinkkuren von seiner Typhuskrankheit zu erholen. 77

Nach dem Frieden von Tilsit 1807 scheint Napoleon bereit, dem ­Coburger zu einer Erweiterung seines Staatsgebiets zu verhelfen. Als wider Erwarten nichts geschieht, entschließen sich die Brüder Ernst und Leopold, dem inzwischen zum Kaiser gekrönten Franzosen persönlich ihre Aufwartung zu machen. Sie reisen nach Paris und halten sich monatelang in der Nähe Napoleons auf, um endlich eine Audienz zu erreichen.7 Ernst genießt nicht nur das Antichambrieren auf internationalem Parkett, er gibt sich auch gern Vergnügungen hin – dem Theater und den Mätressen. Im Oktober 1807, während er in Paris auf seine Audienz bei Napoleon wartet, besucht er mit seinem Bruder Leopold eine Aufführung des Hofes. Es wird „La Mort de Pompée“ von Corneille gegeben, eine Tragödie voller Leidenschaft, Hass und Unheil, die Ernst in der Loge des Prinzen Borghese verfolgt.8 Turbulent geht es auch in den Boudoirs und Ballsälen der französischen Hauptstadt zu, sie sind das ideale Jagdrevier für Mätressen und ihre ­Galane. Berühmtestes Beispiel ist die Geschichte der Madame Pompadour, der Mätresse des Königs Louis XV., einem bürgerlichen Mädchen, das seinen Traum von Liebe und Einfluss mit Hilfe seiner Mutter wahrgemacht hat. Doch selbst die Stellung als königliche Favoritin ist keine Garantie für dauerhaftes Glück. Auch Madame de Pompadour verliert ihren Reiz für den König und kann sich schließlich ihrer Nebenbuhlerinnen nicht mehr erwehren. Als sie 1764 stirbt, bedauert Louis XV. nur, dass sie kein besseres Wetter auf ihrer letzten Reise habe. Madame de Staël sieht die Weiber, die mit so viel Ehrgeiz um die Gunst der Herrschenden feilschen, rund fünfzig Jahre später als Opfer einer neuen Epoche: „Zu eben der Zeit, als behauptet wurde, die Liebe habe in Frankreich ihren Thron, möchte ich im Gegenteil sagen: die Galanterie habe das schöne Geschlecht in den Bann getan; und sobald die Sanduhr ihrer Herrschaft abgelaufen, habe man für die Frau weder Großmut, noch Dankbarkeit, noch Mitleid gehabt. Man ahmte die Töne der Liebe nach, um sie in die Falle zu locken, wie das Krokodil die Kinderstimme nachmacht, um die Mütter herbeizurufen.“9 78

Mit solch „animalischer“ Mätressenwirtschaft wächst auch das öffentliche Interesse an den Ausschweifungen der Mächtigen. In den einschlägigen Etablissements und in den Caféhäusern von Paris und später auch von London finden Schmähschriften reißenden Absatz, die sich unter dem Vorwand, für Moral und Werte einzutreten, über die erotischen und kriminellen Machenschaften des höchsten Standes ereifern. Im Untergrund entstehen Schreibwerkstätten, in denen sich verhinderte Poeten die abenteuerlichsten Schauer­geschichten ausdenken, immer mit einem Körnchen Wahrheit gespickt, um die Leser in ein wohliges Rätselraten zu verwickeln. Die größte geistige Herausforderung bei der Lektüre besteht denn auch in dem meist aussichtslosen Unternehmen, Täuschung und Tatsache zu unterscheiden, was sich bald zum Gesellschaftsspiel entwickelt. Die ­Blamierten sind die Fürsten und ihre Mätressen, sie versuchen, den Rufmord mithilfe von Geheimagenten und Schweigegeldern zu verhindern. Doch selbst der König und Madame Pompadour werden aufs Korn genommen, deren Treiben besonders argwöhnisch beäugt wird, da die Favoritin eine Art Nebenaußenpolitik am Hof betreibt. „L´Histoire de Madame la marquise de Pompadour“ erscheint 1759, die Verfasserin sitzt in sicherer Entfernung in London und wahrt ihre Anonymität. Das Werk ist voller deftiger Anekdoten, die das Interesse des Volkes an Informationen über die politisch einflussreiche Mätresse des Königs befriedigen soll. Wenn sich wie in diesem Fall Erotik und Politik vermischen, verkaufen sich die „Libellen“, wie die Schmähschriften genannt werden, besonders gut.10 Alles dreht sich in Paris um das Amüsement, um die Liebe und das Theater, es ist der ideale Nährboden für unheilbringende Affären, die immer wieder neue Skandalgeschichten liefern, daran ändern auch die Französische Revolution und die Herrschaft Napoleons nichts. Immer größer wird die Nachfrage nach den Schunderzählungen  – um 1789, zur Zeit der Französischen Revolution, ernährten sich in der französischen Hauptstadt schon 672 Schreiberlinge von den erfundenen und tatsächlich existierenden Affären der feinen Gesellschaft, die meisten sind verkrachte Existenzen, die es in ihrem Brot79

beruf als Journalisten, Übersetzer oder Schriftsteller nicht weit gebracht haben.11 Oft sind die Libellen als Biografien getarnt, aber deren Verfasser nehmen es mit den historischen Fakten nicht zu genau, sie bieten ihre ganze Fantasie auf, um mit erfundenen Anekdoten den Ruf hochgestellter Persönlichkeiten zu ruinieren. Das Handeln der Mächtigen wird auf ihr Privatleben reduziert, und die Kritik konzentriert sich vor allem auf ihre Charakterschwächen: Vom „Vie privée de Louis XV“ ist es nicht weit bis zum „Vie privée du général Buonaparte“ – weder der französische König noch der spätere Kaiser Napoleon Bonaparte können sich gegen das Erscheinen solcher Schmähschriften wehren. Die Verfasser verschwinden immer wieder im Pariser Untergrund oder ins Ausland, wo sie sich dem Zugriff der französischen Behörden entziehen können. Ihr Treiben wird aufmerksam beäugt, Agenten und Polizeispitzel sind ihnen auf den Fersen, versuchen, das Erscheinen der rufschädigenden Werke schon im Ansatz zu verhindern. Mit ihrem Auftritt auf der internationalen Bühne geraten auch die Coburger Prinzen ins Visier der Pariser und Londoner Libellenschreiber. Madame Panam, die „schöne Griechin“, die Herzog Ernst mit dem unehelichen Sohn erpresst, kennt das Geschäft und weiß, was ihre Memoiren wert sind. Besonders schwer wiegt ihre Behauptung, bei der ersten intimen Begegnung mit Ernst in Paris noch minderjährig gewesen zu sein. Dabei erwischt zu werden, eine Vierzehnjährige verführt zu haben, ist selbst in den abgebrühten Kreisen des europäischen Hochadels unverzeihlich. Verzweifelt versucht der Herzog von Coburg, die Büchse der Pandora wieder zu schließen und die unangenehme Sache mit Geld aus der Welt zu schaffen. Wenn er schon nicht gegen das Gerücht der illegitimen Vaterschaft angehen kann, dann will er wenigstens den angeblichen Nachwuchs unter seine Kontrolle bringen. Seine Juristen versuchen, Madame Panam einen Vertrag abzuringen, in dem sie sich verpflichtet, den Coburgern die Erziehung von Ernest zu überlassen. Die Erpresserin weicht nach Wien aus und erscheint dort am 21. Juni 1816 bei den Polizeibehörden. Sie erklärt, 80

auf die vom Herzog angebotene Leibrente zu verzichten und ihren Sohn nicht hergeben zu wollen.12 Die Panam bleibt eine Bedrohung, doch Ernst hat größere Projekte, denen er sich jetzt dringend widmen muss: die Gebietserweiterung und die Brautschau, die sich wegen seines Leumunds schwierig gestaltet. In dieser Zeit fällt sein Blick auf Gotha – die noch minderjährige Prinzessin Luise scheint gut in seine Pläne zu passen, auch wenn die Verhältnisse und die geschichtliche Entwicklung in den beiden Herzogtümern Coburg und Gotha unterschiedlicher nicht sein könnten. Herzog Ernst ist in seinem Denken und Handeln noch stark dem Alten Reich verhaftet, dem Ancien Régime, wie es vor der Französischen Revolution 1789 und den Napoleonischen Kriegen bis 1806 existierte. In Deutschland ist diese Zeit geprägt von Kleinstaaterei und einem absolutistischen Verständnis vom Fürsten als Souverän. Die Ernestinischen Herzogtümer des Hauses Wettin, zu denen Coburg und Gotha gehören, waren in ihrer Geschichte durch mehrfache erbbedingte Teilungen in einen Flickenteppich kleinerer Territorien zerfallen. Mit seinem „Spielzeugformat“ passt das Coburger Herzogtum ins Gesamtbild des kleinteiligen Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Eine Verfassung im formellen Sinn gibt es nicht, zahlreiche Übereinkünfte und Privilegien regeln die Staatsgeschäfte. Im Jahr 1800 leben 44  781 Menschen auf 945 Quadratkilometern, damit ist Sachsen-Coburg-Saalfeld das zweitkleinste der fünf sächsischen Herzogtümer. Die Deutschen in jener Zeit gelten ihren ausländischen Nachbarn als eher unpolitische Zeitgenossen, zufrieden damit, ihre bescheidene Existenz unter der wenig kraftvollen Führung ihrer Fürsten zu fristen. Im Coburger „Wendejahr“ 1800, dem Beginn der Regierungszeit von Ernsts Vater Franz Friedrich Anton, werden die Staatsgeschäfte neu geordnet. Der Herzog, ein kunstsinniger Sammler, stellt den preußischen Verwaltungsfachmann Theodor Konrad von Kretschmann als Minister ein, der ein auf ihn zu­ geschnittenes Verwaltungssystem schafft. Die Coburger spüren plötzlich die harte Hand, es kommt zu Tumulten, die meist nur mit Hilfe kursächsischer oder bayerischer Truppen niedergeschlagen 81

werden können. Ein kleiner Funke, wie die angeordnete Einführung von Hausnummern, kann große Wirkung haben. Für den Fürsten eines Miniaturstaates, der auf das gute Einvernehmen mit seinen ihn unmittelbar umgebenden Untertanen angewiesen ist, sind solche Ereignisse durchaus bedrohlich. So gutmütig die Coburger sind, so sehr sie ihrem Herzoghaus anhängen – sie wehren sich dagegen, Marionetten der Verwaltung zu sein. Mit dem Auftreten Napoleons auf der ­europäischen Bühne ändern sich auch die Verhältnisse in Coburg. 1806, nach der Auflösung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, erhält es zwar formell die Souveränität, befindet sich aber dauerhaft am Rand des Staatsbankrotts. Napoleon, der ohnehin ein misstrauisches Auge auf die Coburger Machenschaften gerichtet hat, lässt das Herzogtum unter französische Verwaltung stellen. Ganz anders die Verhältnisse in Gotha. Auch hier gehört man zu den mindermächtigen Fürstenhäusern, geht aber einen anderen Weg, auch dank der Nähe des Herzogs August zu Napoleon. Sachsen-­GothaAltenburg existiert seit 1672. Erste Erwähnung findet Gotha im Jahr 775 in einer Schenkungsurkunde Kaiser Karls des Großen an das Kloster Hersfeld. 1806, nachdem Napoleon Preußen vernichtend geschlagen hat, schließt sich August dem Rheinbund an. Am 23. Juli 1807 empfängt er den Kaiser der Franzosen in Gotha, es ist der erste von mehreren Besuchen, die auch noch stattfinden, als sich Preußen und Russland bereits in den Befreiungskriegen gegen die Herrschaft Napoleons zur Wehr setzen. Am 25. Oktober 1813 übernachtet Napoleon ein letztes Mal in Gotha, im Gasthof „Zum Mohren“. Die Gothaer ­Bevölkerung zahlt einen hohen Preis für die Freundschaft Herzog ­Augusts zum französischen Kaiser, da sie Soldaten für das Rheinbund-Regiment stellen muss, das bei den Schlachten an der Seite der französischen Armee schwere Verluste erleidet. Die Malerin Louise Seidler erlebt, wie die kriegerische Begeisterung im Kampf gegen den französischen Despoten weite Teile des Bürgertums erfasst: „König Friedrich Wilhelm  III. von Preußen hatte sein Volk in die Waffen ­gerufen; Theodor Körners schwungvolle Lieder mit den herrlichen Melodien C. M. von Webers, Ernst Moritz Arndts feurige patriotische 82

Schriften entflammten die deutsche Jugend; das Volk stand auf, der Sturm brach los. Auch meine sechs schon lange ungeduldigen Vettern waren jetzt nicht länger zu halten; kampfesmutig zogen sie mit so viel tausend anderen hinaus in den Krieg für das deutsche Vaterland. Es war eine fieberhafte Zeit; eine Nachricht jagte die andere, kriegerisches Leben kam in unsere unmittelbare Nähe.“ Während der Napoleonischen Kriege droht Gotha Besatzung und Plünderung, doch der Herzog weigert sich, das Land zu verlassen, und wehrt so drohendes Unheil ab. Als Napoleon besiegt ist, bleibt nur einer seiner charakteristischen Zweispitzhüte als Souvenir auf Schloss Friedenstein zurück, den August umgehend seiner skurrilen Kunst- und Raritätensammlung zuführt. Schon lange hat er die Lust am Regieren verloren, selbst die Sitzungen des Geheimen Rates langweilen ihn so sehr, dass er sich auch dort selbst zum Gespött macht und seine Minister auffordert, ihm doch endlich zu befehlen, was er ihnen befehlen soll. Der Coburger Vetter Ernst legt seinem Ehrgeiz keine Zügel an. Er träumt davon, eines Tages Großherzog zu werden. Auch Sachsen-­ Coburg-Saalfeld tritt 1806 dem Rheinbund bei, doch der französische Kaiser lässt keine Gelegenheit aus, den in seinen Augen unbedeutenden Staat an die Macht seines Protektorats zu erinnern. Auf die erste Audienz bei Napoleon müssen die Brüder Ernst und Leopold monatelang warten. Als er sich endlich herablässt, sie 1807 in Fontainebleau zu empfangen, lehnt er ihr Ersuchen nach einer deutlichen Gebietserweiterung ab. Der Kaiser hält nicht viel vom Konzept der Ebenbürtigkeit der deutschen Fürsten, die sich ohne Ansehen von Größe und Macht als untereinander gleichgestellt respektieren. „Ich verrate Ihnen ein Geheimnis“, erklärt Napoleon dem letzten Erzkanzler des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Karl Theodor von Dalberg. „Die unbedeutenden deutschen Prinzen möchten gerne von den Mächtigeren beschützt werden, diese aber belieben, so zu ­regieren, wie sie es für richtig halten. Mir aber ist nur an deutschen Söldnern und deutschem Geld gelegen. Das können nur die bedeutenden Prinzen liefern, deshalb lasse ich diese in Frieden, und ihre geringere Beute muss das Beste daraus machen.“ 83

Nur die Fürsprache des russischen Hofes rettet die Coburger vor dem Untergang, dabei ist es von Vorteil, dass Ernsts Schwester Juliane mit dem Bruder des Zaren verheiratet ist. Eine Hand wäscht die andere – noch. 1813 flieht Juliane, die während der Ehe den Namen Anna Fjodorowna trägt, vor ihrem gewalttätigen Ehemann Konstantin nach Bern. Die guten russischen Beziehungen sind Geschichte. Auch das Verhältnis zu Preußen wird belastet, als es sich Sachsen einverleiben will. Ernst votiert für den Erhalt des Königreichs Sachsen, auf dessen Thron ein Wettiner sitzt – ein Vetter der katholischen albertinischen Linie. Der Coburger Herzog orientiert sich jetzt in Richtung Österreich. Sein neuer Fixstern am Firmament der Mächtigen ist Staatskanzler Clemens Fürst von Metternich, der sich für eine restaurative Politik im Stil des Ancien Régime stark macht und die Stabilität der dynastisch legitimierten Fürstenhäuser wiederherstellen will. Das ist ganz nach Ernsts Geschmack, der nichts davon hält, dem Volk durch Verfassungen mehr Mitsprache an den Regierungsgeschäften einzuräumen. Metternich unterstützt die Ansprüche der Coburger auf Vergrößerung ihres Staatsgebietes, auf dem Wiener Kongress 1815 fällt die Ausbeute aber mager aus: Ein linksrheinisches Gebiet „von 60 000 Seelen“, das spätere Fürstentum Lichtenberg um St.  Wendel, wird Ernst in der Schlussakte zugesprochen. Österreich als alleiniger Fürsprecher kann nicht garantieren, die großherzoglichen Fantasien der Coburger weiter zu beflügeln. Nun heißt es, sich ganz auf die Heiratspolitik zu konzentrieren. Ernsts jüngerer Bruder Ferdinand wird am 30. November 1815 in Wien mit Antonie von Koháry, genannt Toni, verheiratet. Sie ist nicht nur schön, sondern auch Erbin des reichen Prinzen Franz Josef von Koháry. Da Toni katholisch ist, konvertiert Ferdinand zum Katholizismus – in Sachen Religion sind die Prinzen aus dem Haus Coburg flexibel, was sie zu begehrten Heiratskandidaten macht und ihre Söhne zu idealen Ehepartnern ausländischer Thronanwärterinnen. Die Kinder Ferdinands und Tonis werden im katholischen Glauben erzogen. Der älteste Sohn des Paares, Ferdinand, heiratet 1836 Maria II. von Portugal und wird nach der Geburt des ersten Sohnes zum Titularkönig ernannt. Noch vielversprechen84

der ist die Verbindung von Ernsts jüngstem Bruder Leopold mit ­Charlotte, Prinzessin von Wales. Die Tochter des britischen Königs George  IV aus dem Haus Hannover und der deutschen Prinzessin ­Caroline von Braunschweig verliebt sich in den gutaussehenden Coburger Prinzen, andere Bewerber haben keine Chance mehr. Die Zuneigung ist gegenseitig, 1816 wird in London geheiratet. Leopold ist auf dem besten Weg, als Prinzgemahl im Buckingham Palace mit­ zuregieren, wenn Charlotte den Thron besteigt. Jetzt endlich haben die Coburger einen Fuß in der Tür zur Weltpolitik. In diese Zeit fällt Ernsts Brautwerbung um Luise. Vielleicht hat der Herzog seinen künftigen Schwiegereltern versichern können, keine belastenden Angelegenheiten mehr mit in die Ehe zu bringen. Möglicherweise lassen sich deshalb Karoline Amalies Bedenken gegen die Verbindung des Herzogs von Coburg mit ihrer Stieftochter Luise innerhalb von wenigen Monaten aus dem Weg räumen. Auch August scheint nun überzeugt, seine Viva in guten Händen zu wissen: „Tröste dich, kein Mann auf Erden ist so dazu gemacht, Luise recht glücklich zu machen als der Herzog, dass ich ihm die Hände dafür herzlich küsse, wirst Du wohl glauben.“13 Am 20. Dezember 1816 findet die förmliche Verlobung statt, am Tag darauf, es ist Luises sechzehnter Geburtstag, wird ein Fest gefeiert. Das Paar fährt durch die Straßen Gothas, die prachtvoll erleuchtet sind, es wird diniert und getanzt, sehr zur Freude der jungen Braut. Ihr zukünftiger Ehemann bevorzugt die Jagd, und darf sich zwei Tage lang im Forst seines Schwiegervaters in spe tummeln, der aufbietet, was er kann, um den Herzog von Coburg zufriedenzustellen. Auch die Armen in Gotha ­sollen sich freuen dürfen: Es werden tausend Brotlaibe ausgeteilt. Schon bald beginnen an den Höfen von Gotha und Coburg die Hochzeitsvorbereitungen. Eine künftige Fürstin braucht neben der finanziellen Mitgift eine glanzvolle Ausstattung, in der französischen Hofsprache Trousseau genannt. Karoline Amalie beschäftigt die besten Stofflieferanten und Schneider, Luise soll würdig in die Ehe entlassen werden. Die herzogliche Hauptkasse in Gotha wird um elftausendfünfhundert Taler erleichtert, um die Aussteuer 85

z­usammenzukaufen. Von März bis August 1817 werden Kleider, ­Jacken, Mützen, Hüte, Schuhe und Accessoires beschafft, die der neuesten Pariser Mode genügen müssen, dazu für den Hausstand Bettwäsche und Handtücher. Vieles wird in Gotha hergestellt, zur Freude der örtlichen Gewerbetreibenden, die sich anlässlich der fürstlichen Hochzeit auf das Geschäft ihres Lebens freuen können. Aber viele Aufträge gehen auch nach Frankfurt, Lyon und Paris. Besonders kostbare Stoffe und Spitzen, Stickereien und Borten werden von renommierten Schneidereien in prachtvolle Hofgewänder verwandelt. Die Liste des Trousseaus ist so lang wie die Schleppen der Manteaus und würde jeder Königin in Versailles zur Ehre gereicht haben: sechs Kleider aus Samt und Seide, der Stoff üppig mit Goldund Silber­fäden durchwirkt, dreizehn Kleider mit runden Röcken und langen Ärmeln, sieben mit kurzen Ärmeln, alle nach der letzten Mode geschneidert, dazu noch sechzehn Kleider aus Musselin – eine einzige Pracht in Weiß, Blau und Rosa, mal mit Orangenblüten und Kornähren verziert, mal mit Rosen bestickt. Neunundvierzig Unterröcke und neununddreißig Nachtjäckchen werden geordert, dazu weiße Wäsche und feine Baumwollstrümpfe. Sieben Hüte lässt Karoline Amalie für Luise anfertigen, auch an ein keckes Federkäppchen für die Jagdausflüge mit ihrem künftigen Gatten hat sie gedacht. Modische Schuhe bestellt man in Paris, denn Luise soll sich sicher und stolz auf dem höfischen Parkett Coburgs bewegen können. Karoline mag nicht an die dortigen ärmlichen Verhältnisse denken, sie will die junge Prinzessin so prächtig schmücken wie nur möglich. Luise macht sich angesichts ihres Brautschatzes offenbar keine Sorgen über ihr künftiges Schicksal und scheint kein Unheil mehr zu fürchten. Sie will nur ihre Aussteuer bewundern, die, wie es Brauch ist, vor der Hochzeit im Schloss ausgestellt wird, und lädt dazu ihre Freundin Auguste von Studnitz ein: „Du bist ja nach meinem Ernst alles, was ich auf dieser Welt liebe, komme heute morgen um 11 Uhr zu mir und geh mit mir aufs Schloß zum trousseau. Es ist mir eine so angenehme Erinnerung, daß ich mit Dir, geliebte Auguste, die Kleider, die mich schmücken sollen, gesehen habe.“14 86

Nicht nur die Braut wird aufs Feinste ausstaffiert, auch auf Schloss Friedenstein beginnen umfangreiche Arbeiten an Interieur und Ausstattung. Als seien die Repräsentationsräume nicht schon überladen genug, muss auch für die Audienz- und Wohnzimmer jede Menge Stoff und seidene Tapeten herangeschafft werden, für den Speisesaal bestellt man Mahagonistühle und glänzenderes Parkett. Die Hofverwaltung ordert neue Gläser, außerdem müssen Tassen, Teekannen, Präsentierteller und Suppenschalen aus Dresdner Porzellan geordert werden. Im Spiegelsaal sind sämtliche Rahmen zu ersetzen, an den Decken werden prächtigere Lüster befestigt. Das Schmuckstück aber wird die Orangerie von Schloss Friedenstein werden, sie ist der Mittelpunkt der Festlichkeiten. Überall sollen Kerzen brennen, im angrenzenden Garten wird ein Lichtermeer aus fünfzehntausend Lampen erstrahlen, jede einzelne muss per Hand mit Öl und Talg gefüllt werden. Auch der weitläufige Park um die Schlossanlage wird von achttausend Lampen erhellt sein, wenn Luise und Ernst nach der Trauung mit ihren Gästen feiern. Dem reichen Gothaer Herzog August ist für das wichtigste Fest im Leben seiner geliebten Viva keine Anschaffung zu teuer, da will auch Ernst nicht nachstehen. Der Hochzeitstag ist auf den 17. Juli 1817 festgesetzt, es bleibt nicht mehr viel Zeit. In Coburg wird bereits fleißig gewerkelt. Das Stadtschloss Ehrenburg, ein ehemaliges Franziskanerkloster, hat längst eine Renovierung nötig. Schon 1810 hat man begonnen, die Fassade der Residenz nach Entwürfen des Architekten Karl Friedrich Schinkel im Stil der englischen Neugotik umzugestalten, die Wohn- und Festräume werden von seinem französischen Kollegen André-Marie Renié-Grétry verschönert. Die Umbauarbeiten sind aufwendig und teuer, sie verlaufen schleppend, denn der Herzog kann hier nicht auf eine gut gefüllte Staatskasse zurückgreifen wie sein künftiger Schwiegervater in Gotha. Was jetzt ausgegeben wird, muss später wieder hereingeholt werden, deshalb steht die gesamte Hoforganisation auf dem Prüfstand. Doch bis sich daraus bares Geld ziehen lässt, wird die Hochzeitsfeier längst Geschichte sein. Den Hofbeamten bleibt nicht viel Spielraum, denn die Hand87

werker beharren darauf, benötigte Materialien nur gegen Vorkasse bestellen zu wollen. Es muss improvisiert werden. Sehr zur Verwunderung der Coburger Bürger werden jetzt vor dem Schloss Bretterzäune aufgestellt, um die bereits niedergerissenen Mauern und die halbfertigen Fassaden zu verdecken. Maler rücken mit Farbeimern und Pinseln an – sie schaffen auf der vorgebauten Kulisse die Illusion eines modernisierten Schlosses. Im Inneren wird alles in größter Eile notdürftig so weit instand gesetzt, dass das frisch vermählte Herzogspaar hier für einige Tage residieren kann.15 Die größten Umstände macht der herzogliche Marstall. Keine fürstliche Hochzeit kann ohne die prunkvolle Brautfahrt auskommen, bei der die neue Herzogin zum ersten Mal vom Volk in Augenschein genommen wird. Die Neuanschaffung von Pferden und Kutschen ist bei dieser wichtigen Angelegenheit nicht zu vermeiden. Vor allem die Berline, in der Luise von sechs Rössern gezogen werden soll, darf nicht so schlicht wie zum ordinären Gebrauch aus­ sehen. Alle Staatswagen sind mit golddurchwirktem Stoff auszu­ kleiden, für die Pferde muss Material zum Einflechten der Mähnen herangeschafft werden, auch seidene Federn und Quasten gehören unbedingt dazu. Die Reparaturarbeiten an den Kutschen aus dem Marstall sind finanziell gerade noch zu verkraften, aber die veranschlagten Kosten für die Staffage sind dazu angetan, Ernst in den Ruin zu treiben. Die Mitarbeiter des Stallamts stehen vor einer schier unlösbaren Aufgabe und sehen sich gezwungen, Bettelbriefe an den Herzog zu verfassen: „Bis zu der höchsten Vermählung Serenissimi ist die Zeit für alle die zu machenden Anschaffungen sehr kurz und es darf keinen Augenblick gesäumt werden den Anfang damit zu machen, und immer eifrig zu betreiben, wenn bis zu dieser Zeit alles fertig seyn soll. Um nun diese Anschaffungen schnell machen zu können, ist es unumgänglich nothwendig, daß uns Vorschüße gemacht werden, damit wir die vorkommenden Aufgaben bestreiten können, welche sich theils um deswillen, weil die Lieferanten nicht so viel Vermögen haben, als daß sie alle Erfordernisse aus ihren ­eigenen Mitteln anschaffen könnten, theils aber auch weil 88

sehr viele Gegenstände von anderen Orten her verschrieben werden müßen, wozu durchaus bares Geld nothwendig ist, nicht verschieben lassen“, schreibt ein Vertreter des herzoglichen Stallamts am 12. Mai 1817.16 Herzog Ernst gewährt die Vorschüsse, doch die herzogliche Hauptkasse sieht sich nicht in der Lage, sie auszuzahlen. Viele Bestellungen sind inzwischen getätigt, Aufträge erteilt. Schließlich übersteigen auch noch die Aufwendungen für den Haarschmuck der Pferde die veranschlagte Summe, die Handwerker bleiben vorerst auf ihren Kosten sitzen und können nur hoffen, durch die herzog­ liche Hochzeit nicht in den Bankrott getrieben zu werden. Schloss Ehrenburg, das in seiner strengen Architektur eher einem Konvent gleicht, wird nur die Bühne bilden für die herzogliche Hochzeitsfeier. Die Coburger lieben ihr Residenzschloss nicht, Ernsts Mutter Auguste klagt über den Lärm, den die Räder der Kutschen auf dem Kopfsteinpflaster verursachen und der mühelos in die Gemächer der Ehrenburg eindringt. Auch das Rufen und Schreien der spielenden Kinder auf dem Vorplatz lässt sich nicht überhören.17 Ernst hat sich längst eine beschaulichere Privatresidenz geschaffen. Schon 1808, gleich nachdem er die Staatsgeschäfte übernahm, hat er das vor den Toren Coburgs gelegene Schlösschen Rosenau erworben. Er lässt den verfallenen einstigen Rittersitz entrümpeln und im neugotischen Stil umgestalten. Spitzbogen über dem Dachfirst betonen seitdem das mittelalterliche Erscheinungsbild, während den Wohn- und Repräsentationsräumen mit Wiener Biedermeiermöbeln ein elegantes Flair verliehen wird. Im weitläufigen englischen Park hat Ernst zwei Seen anlegen und eine Turniersäule sowie eine Felsengrotte mit Wasserfall errichten lassen. Der Garten wirkt weniger formell als die strengen barocken Anlagen in Gotha, die Luise von Schloss Friedenstein kennt. Ernst erzählt ihr von ihrem künftigen Zuhause und wenn die Rosenau jetzt immer öfter in ihren Träumen erscheint, ist sie hell erleuchtet und heimelig wie ein Zauberschloss aus ihren Märchenbüchern. So wohnen die Feengestalten der heimischen Sagenwelt und so wird auch sie leben, wenn sie erst die Herzogin von Coburg ist, davon ist sie fest überzeugt. 89

Luise kann ihren Umzug nach Coburg kaum abwarten. Kurz vor der Vermählung schreibt sie an Ernst: „In den neuen Zimmern sollen dich also meine Gedanken aufsuchen, daß dürfen sie nicht, die Mutter meint ich dürfe gar nicht an Coburg denken, es schicke sich nicht, und ich kann nun einmahl nicht anders, da sie dich immer ­begleiten so muß ich also an Koburg denken, und ich hoffe es ist keine Sünde. In 8 Tagen bist du hier, ach wie wird, mein Herz klopfen, wenn du kömmst, geliebter, theurer Ernst ich höre es schon. Arme Luise! – und man verbietet mir auch mich auf dich zu freuen, also werde ich mir alle Mühe geben es nicht zu thuen, und sehe ich dich, und die herrlich braunen Augen ruhen auf mir, so hilft mir alle meine Mühe nichts.“18

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5. Vermählt das Wahre, Gute mit dem Schönen!

Das Ideal ritterlicher Tugenden erlebt Anfang des 19.  Jahrhunderts eine ­Renaissance. Der Adel muss dem aufstrebenden Bürgertum eigene Werte entgegensetzen und verweist mit seiner auf das Mittelalter bezogenen Außendarstellung auf die ungebrochene Ahnenreihe. Allerdings bleibt es oft beim schönen Schein, das ritterliche Ethos spielt im Alltagsleben keine Rolle. Romantische Ideale, zu denen auch die Ritterlichkeit im Umgang mit Frauen zählt, bleiben Gegenstand der Romanliteratur. Luise liebt die mittelalter­lichen Märchen und sieht in Ernst, dem „Ritter von der Rosenau“, den Mann ihrer Mädchenträume.

Luise schiebt den unfertigen Brief in die Lade ihres Sekretärs. Von Weitem schon sind die schweren Schritte der Bock zu vernehmen, mit denen sie sich schnaufend und keuchend über den Flur schleppt, um zu erfüllen, was sie für ihre Pflicht hält. Gleich wird sie die Tür aufstoßen und breitbeinig im Rahmen stehen, mit ihrem inquisitorischen Blick, der einen das Fürchten lehren kann. Seit einigen Tagen ist die Gouvernante schwer erkältet, was ihre schlechte Laune noch befördert hat. Misstrauisch wie sie ist, wittert sie jetzt überall geheime Machenschaften, die ihre Autorität untergraben könnten. Vor allem auf die Briefe an Ernst hat sie es abgesehen, die Luise so fleißig schreibt, seit der Herzog im September 1816 Gotha wieder verlassen hat. Für die zukünftige Braut ist er nun ihr einziger Vertrauter, dem 91

sie all ihre Sehnsüchte und ihre Wünsche ans Herz legen darf – was geht es Charlotte von Bock an, wie sehr sie sich ihren Ritter herbeiwünscht, mit dem sie hoffentlich schon bald für immer vereint sein wird! Luise fühlt sich wie in einem Gefängnis, ständig wird sie zu gutem Benehmen ermahnt, soll ihre Gedanken nicht zu sehr auf ihren Ernst richten und nicht dauernd von ihm reden – aber dies ist doch die einzige Möglichkeit, die Sehnsucht nach ihm erträglich zu machen. Nun fragt die Bock schon wieder, ob sie einen Brief besorgen soll, wie immer wird sie ihn lesen wollen, bevor sie sich dazu herablässt, ihn an Ernst weiterzuschicken. Luise schüttelt nur den Kopf, nein, diesmal gibt es nichts zu beichten, sie hat keine ungehörigen Zeilen verfasst, die das Gemüt der Gouvernante und der ebenso misstrauischen Stiefmutter erzürnen könnten. Luise kann sehr überzeugend wirken, wenn sie glaubt, im Recht zu sein. Wie einen kostbaren Schatz hütet sie die Briefe, die sie heimlich an ihren Verlobten schreibt, jetzt muss sie nur noch einen Weg finden, sie aus Schloss Friedenstein schmuggeln zu lassen. Wie kommt es doch gelegen, dass Ernst nun so oft seinen artigen Herrn Ruprecht schickt, der ein Gemälde von ihr anfertigen soll. Da gibt es so vieles, was sie den Herzog fragen muss, da er sich gar nicht bestimmt ausgedrückt hat, welche Art Porträt er wünscht. Nur so hingeworfen war die Bitte um eine Miniatur, doch wie genau soll sie dar­ gestellt werden, und welche Farben soll Ruprecht verwenden? Öl oder Pastell, beides ist möglich, wobei der Maler Letzteres bevorzugt. Immer wieder schickt sie den treuen Diener Ernsts mit Fragen zurück nach Coburg, da lässt sich schon so manche verborgene Notiz mit auf den Weg geben. Doch sie muss vorsichtig sein, erst neulich hat Karoline Amalie einen Brief abgefangen und wieder einmal korrigiert und ihre eigenen Bemerkungen angefügt. Sie hat doch dem Herzog tatsächlich die Frage gestellt, ob er nicht auch ihr „altes Gesicht“1 für sich malen lassen wolle und in welcher Art und Weise. Im Ankleidezimmer hängt schon die Festrobe, die Luise auf ihrem Hochzeitsporträt tragen wird. Wie ein Ritterfräulein sieht sie darin aus, die Schultern frei bis zu den tief eingenähten Ärmeln, die in 92

schöne Falten gelegt sind, der Stehkragen im Rücken aus feinster Spitze, der sich wie ein Fächer bis zum Haaransatz ausbreitet – unterhalb des Dekolletés verlaufen zwei Bänder aus Perlen, die mit ihrem Diadem aus Edel­steinen und Perlen harmonieren. Luise atmet auf, als sich Charlotte von Bock unverrichteter Dinge wieder zurückgezogen hat. Die Gouvernante hat nichts Verdächtiges entdecken können, was sie fast noch wütender werden ließ als sonst in letzter Zeit. Oder war es nur das Fieber, das die Wangen der Erzieherin so gerötet hat? Vorsichtig klappt Luise die Lade ihres Sekretärs zurück. Es wird nicht lange dauern, bis die Stiefmutter den Kopf zur Tür hereinschiebt, um sicherzugehen, dass die Bock nichts übersehen hat. Karoline Amalie hat schon mehrfach selbst an Herzog Ernst geschrieben und sich für Luises schwärmerische Zeilen entschuldigt. Was für ein Donnerwetter hatte das gegeben! Bei ihrer letzten Predigt hatte Luise sich einige harte Worte anhören müssen und war in Tränen ausgebrochen. Es schicke sich nicht, den Herzog mit ihrer Gefühlsduselei zu behelligen, darin sind sich Charlotte und Karoline Amalie einig. Die beiden sind in ihrer Auffassung von Moral und Anstand wie eineiige Zwillinge. Doch mussten sie unbedingt auch Ernst in ihre seltsamen Sorgen einweihen? Was, wenn dieser sich nun auch ereifert und Partei gegen seine Braut ergreift? Warum nur sind alle so schrecklich nervös? Und warum soll noch so viel Zeit ins Land gehen bis zur Trauung? Fast noch ein Jahr, so sagt es die Stiefmutter – eine Unendlichkeit, wie es Luise scheint. Sie muss sich beeilen, wenn sie ihren Brief an Ernst noch fertigbekommen will. Ruprecht hat sich bald angesagt, sie soll zum ersten Mal Modell sitzen für das Porträt, dessen Szene schon im Audienzsaal hergerichtet ist. Vorsichtig zieht sie die Brief­ bögen hervor, die bereits eng mit ihrer schönen Schrift bedeckt sind: „Mein theurer, innig geliebter Ernst. Mit traurigen Augen schreibe ich Dir, in einer Stunde, wo früher ich so glücklich war bei Dir zu sein. Ach wenn sie kömmt, diese Stunde, dann füllen sich meine Augen mit Tränen und ich wünsche den September recht sehnlich herbei um mit meinem Freund auf immer vereint zu werden. Dann kann uns nichts mehr trennen, selbst der Krieg nicht. Ver93

sprich es mir, mein lieber Ernst. Ich werde Dir immer folgen und gehorchen, nie seitwärts sehen, immer meine häßlichen grauen Augen auf Deine schönen Braunen gerichtet haben. Dein Wille wird die Richtung meiner Handlungen sein und was Du wünschst, wenn es in meiner Macht steht, werde ich zur Heiligsten Pflicht mir machen zu erfüllen. Meine Liebe und mein Vertrauen besitzt Du schon längst ich werde mich aber nun bemühen mir dies zu erwerben, und dann sehe ich der glücklichsten Zukunft entgegen.“2 Vielleicht, so denkt Luise, soll sie ein paar Zeilen anfügen, die dem Herzog die Umstände ihrer heimlichen Korrespondenz deutlich machen. Nicht die Stiefmutter will sie beschuldigen, das wäre zu gefährlich, denn immer wieder gelangt einer der Briefe doch in ihre Hände, bevor er aus Schloss Friedenstein herausgeschmuggelt werden kann. Aber wie sich Charlotte von Bock in alles einmischt, was doch eigentlich nur sie und ihren Verlobten angeht, das soll der liebe Ernst doch wissen. Luise greift noch einmal zur Feder: „Mit Deiner Abreise, mein theurer Freund, fingen die Stürme wieder an, nicht von der mütterlichen Seite, denn sie ist so gut wie ein Engel und spricht von der Zukunft gar freundlich und sucht durch tausend Späße ihr Bräutchen, wie sie mich nennt, aufzuheitern, aber Gouvernantchen Fräulein Bock wünschte diesen Brief zu lesen und stand neben mir, ich sagte wir hätten untereinander abgemacht, Niemand diese Billette zu zeigen, ich gebe ihr aber das heilige Versprechen nichts gegen das Zartgefühl und überhaupt nichts zu zärtliches zu schreiben. Aber da hättest Du den Auftritt sehen sollen der gemacht wurde, mit schwimmenden Augen und glühenden Wangen sagte man folgendes ohne Zartgefühl. Du wolltest ihr mein Vertrauen gänzlich rauben, ich verletze die Pflichten der Freundschaft, übrigens wolle sie nichts mit uns mehr zu thun haben, sie würde mich nie ­begleiten, wenn es die Mutter nicht beföhle, denn mit uns ohne Zartgefühl zu leben, wäre schrecklig. Gott gebe, daß sie ihrem Vorsatz treu bleibt. Ich glaube, sie wird Dir darüber schreiben. Diesen Brief, mein geliebter Ernst, habe ich schon einmal zerrissen, aus Angst man könnte ihn finden, ich wollte, er wäre schon fort. Verzeihe mir, wenn 94

ich so häßlich schreibe, Du willst aber die vollen Gedanken meines Kopfes wissen und so folge ich Dir denn.“3 Die Tage vergehen quälend langsam. Der Winter umhüllt Schloss Friedenstein wie eine graue gläserne Glocke, die Geräusche vom Marktplatz unten in der Stadt dringen nur noch gedämpft herein. Luise sieht sich in ihrem Zimmer um, es kam ihr noch nie so abgewohnt und schäbig vor, wie jetzt – die ausgebleichten Vorhänge, die zerschlissenen Kissen auf den Sesseln, die staubigen Vorleger, das alles scheint so gar nicht zu den kostbaren Stoffen ihres Trousseaus zu passen, der für sie angeschafft worden ist. Zum Glück hat sie einige der Proben, die zur Auswahl geschickt worden waren, behalten dürfen – Spitzen und Borten, Seide und Musselin, wie gern lässt sie ihre Finger darüber gleiten, alles fühlt sich so zart an, es knistert unter ihren Händen und es prickelt auf ihrer Haut – wenn doch Ernst sie sehen könnte inmitten ihres Schatzes, der ja nur dazu da ist, sie für ihn fein herauszuputzen. Es scheint, auch ihr Bräutigam kann gar nicht abwarten, sie nach Coburg zu entführen. So sehr hat er sich dafür eingesetzt, die Hochzeit noch vor Jahresfrist stattfinden zu lassen, gegen alle Bedenken der Stief­ mutter, die sie immer noch für viel zu ungeschliffen hält, um sie aus dem Haus zu geben. Wie sehr hat sie mit Ernst gebangt, denn auch sie will diese Verbindung nun so schnell wie möglich eingehen und lange hatte es nicht so ausgesehen, als könne der Wille Karoline Amalies gebrochen werden. Doch Ernst hatte die beste Idee: Er hat an seinen Bruder Leopold nach London geschrieben und ihn um Unterstützung gebeten. Wie sie vermutet hatte, war dies das sichere Mittel, ihre Wünsche durchzusetzen, da man auch in Gotha England liebt und alles, was von den hohen Herrschaften dort beschieden wird, auch befolgt. Die Stiefmutter ist seither freundlich und gütig gesinnt, erst neulich äußerte sie, sie wolle Luises Glück nicht stören, nur der Schmerz der Trennung lasse sie so betrübt wirken, doch diesen wolle sie nun überwinden, um die junge Braut nicht zu kränken. 4 Es wird Sommer werden, bis Luise ihren Ernst in Gotha wiedersieht. Diesmal kann sie den Verlobten in ihren eigenen Gemächern begrüßen, sie durfte ihre Kemenate gegen die altmodischen, aber 95

Luise und Ernst im Jahr ihrer Hochzeit. Im Juli 1817 wurde die Vermählung in Gotha gefeiert, anschließend begleitete Luise ihren Gemahl nach Coburg.

­ leganten Wohnzimmer ihrer verstorbenen Mutter tauschen. Luise e hat sich gegen eine neue Möblierung entschieden, sie möchte nichts von dem hergeben, was sie an ihre Mutter erinnert, die sie so früh entbehren musste. Ihre Vertrauensperson ist jetzt Ernst, mit ihm kann sie all die kleinen und großen Sorgen teilen. Er schreibt ihr häufig, kaum kann sie es erwarten, bis wieder der Bote aus Coburg erscheint. Freude mischt sich mit Wehmut, wenn sie seine Zeilen liest, beruhigt registriert sie, dass er auch zwischen all den Festen und Vergnügungen, die ihn von Gotha fernhalten, an sie denkt. Wenn sie ihn vor ihrem geistigen Auge in den glänzenden Zirkeln der Mächtigen und Schönen sieht, fürchtet sie nur zu oft, er könne sie vergessen. Sicher sehe er nur fröhliche Mienen um sich, schreibt sie ihm, während sie sich finstere Predigten anhören müsse.5 Als Ernst sie mahnt, nicht auf die bösen Zungen zu hören, die nur Schlechtes über ihn verbreiten, 96

fühlt sie sich getroffen. In Eile wirft sie heimlich ein paar Zeilen auf den Bogen: „Erlaube mir aber jetzt auch einige Vorwürfe, wie ist es möglich, daß Du glauben kannst, ich würde schwanken, ich die Dich so sehr liebt, ach Ich gebe ja mein Leben so gern für Dich und ich sollte nicht schwachen, bösen Menschen wiederstehen können. Nein im Kampfe und im Sturme gewinnt man Festigkeit und Muth. Schutzlos bin ich zwar, doch die Liebe und das Vertrauen zu Dir werden mein Schutz und Beistand sein, nichts, nichts soll und wird unser schönes Verhältniß stören. Die Menschen müssen dann schweigen und ihr Unrecht einsehen, denn niemals mehr werde ich an Deiner Treue zweifeln und die feste Überzeugung, daß ich Deine Freundschaft und Vertrauen besitze macht mich stark und muthig gegen alle unsere Gegner. Und wie konntest Du glauben, mein geliebter Ernst, daß ich nicht offen und zutrauensvoll zu Dir bin, da Dein Glück mir tausendmahl näher ist, als das meinige, ach!“6 Niemand mehr, so versichert Luise, wage es noch, in ihrer Gegenwart etwas gegen Ernst vorzubringen. Wenn sie unruhig wirke, so habe das nur mit ihrem Schmerz und ihrer Angst zu tun, die die Trennung von ihm verursache. Allein die Bock sei noch immer eine Plage, ihre Vorwürfe würden immer grotesker, ewig weine sie und beklage sich, es sei so schrecklich, dass Luise nur noch an ihren Bräutigam denke. Luises Gedanken wandern nach Coburg, in ihr neues Zuhause auf Schloss Rosenau. Oft schon hat Ernst ihr vorgeschwärmt, wie heimelig und freundlich die Zimmer dort sind, ganz anders als die zugigen und staubigen Gemächer in Schloss Friedenstein. Alles in dem Zauberschlösschen erinnert wohl an die gute alte Zeit der Ritter, dafür hat der Herzog gesorgt, ganz so als habe er schon immer gewusst, dass er einmal eine Prinzessin dorthin entführen werde, um sie zu heiraten. Luise denkt an die vielen Märchen und Sagen, die sie in der Bibliothek von Gotha gefunden und verschlungen hat. Sie träumt des Nachts von weißen Hirschen, die sie ins Feenland geleiten, von Nixen, die von ihren weißen Schleiern umweht werden und sieht die Gräber untreuer Vasallen, die ihrem tödlichen Schicksal nicht entrinnen konnten. Als endlich der Tag kommt, an dem sie das Datum für die 97

Hochzeit mit Ernst erfährt, scheint ihr künftiges Glück kein Traum mehr, sondern frohe Gewissheit. Alle umarmen sie, endlich darf sie viel und oft von dem Ehemann sprechen, der sie nun bald besuchen wird. Er schickt jetzt auch immer öfter seine heimlichen Briefchen, die er mitsamt Adresse von fremder Hand schreiben und mit einem unbekannten Siegel versehen lässt. Die Bock händigt sie ahnungslos an Luise aus, ohne darauf zu bestehen, sie vorher lesen zu wollen. Am Nachmittag des 27. Juli 1817 hat das Warten auf die Hochzeit ein Ende – Ernst und sein Bruder Ferdinand machen sich auf den Weg von Coburg nach Gotha. Sie halten Zwischenrast in Ohrdruf, um hier mit der Bevölkerung zu feiern. Auf dem Marktplatz, vor dem Gasthof „Zum Goldenen Stern“, ist eine mit Tannenreisig und Blumengewinden geschmückte Ehrenpforte errichtet worden. An deren Spitze prangt ein Schild, auf dem Fürstenhut und Fürstenmantel dargestellt sind, darunter eingerahmt die goldenen Buchstaben E. L., die für Ernst und Luise stehen. In zwei Reihen haben weißgekleidete Töchter der Stadt Aufstellung genommen, um dem Herzog ein Gedicht vorzutragen: „Mit Blumen laß den Weg Dir streuen Der zu dem Traualtar Dich führt; Und Ehrfurcht Dir die Wünsche weihen, Wozu Dein Fest die Treuen rührt. Bald reicht die holdeste Luise Die Hand der Zärtlichkeit Dir dar. Ihr Blick verkündet Paradiese, Ihr Herz den heiligsten Altar, O glücklich! Wenn mit sanften Händen Die Unschuld Reiz und Wonne mischt, Und von der Stirne des Regenten Den Schweiß der Landessorgen wischt. Nach späten segensvollen Jahren, Vereinen sich die Enkel noch Mit diesem Wunsche froher Schaaren: Ernst und Luise leben hoch!“7 98

Geistliche und Vertreter der Gemeinde, Militär und Landsturmschützen, ebenso wie freiwillig herbeigeeilte Bürger stimmen in das Lebehoch ein – mit Pauken und Trompeten wird Ernst nach Gotha verabschiedet, nachdem er die Nacht im Gasthof „Zum Goldenen Anker“ zugebracht hat. Gothaische Landsturmreiter geben ihm nun das Geleit bis zum Schloss Friedenstein, wo sein künftiger Schwiegervater August ihn auf der Treppe erwartet, inmitten seines vollzählig angetretenen männlichen Hofstaates. Die Damen halten sich separat, auch Luise wird die Stunden bis zur Trauungszeremonie abgeschirmt in ihren neuen Zimmern verbringen. In ihre freudige Aufregung mischt sich Trauer, denn nicht mehr lange, dann wird sie ihre Heimat für immer verlassen und damit auch ihre liebste Freundin, Auguste von Studnitz, die sie jetzt schon vermisst. Im Schloss werden die Juwelen Luises, die sie mit nach Coburg nehmen wird, in gläserne Vitrinen gelegt, damit sie während der Feiern von möglichst vielen Menschen gesehen werden können. Zu den präsentierten siebenundfünfzig Schmuckstücken gehören die tropfenförmigen Ohrringe, die sie von ihrer seligen Mutter geerbt hat, zwei Ringe mit Rubinen, die ein seltsames rotes Feuer ausstrahlen, wenn man sie im Kerzenlicht dreht und ein Diadem mit Türkisen und Brillanten, das Geschenk ihres Vaters. Dazu kommen Brillantkämme und Diamantcolliers, ein großer, in einen Ring eingefasster Solitär, ein kleines Medaillon mit den Haaren der Kurfürstin von Hessen, die ihr auch eine lange goldene Kette mit vielen farbigen Edelsteinen vermacht hat. Besonders stolz ist Luise auf ihre beachtliche Sammlung feiner Perlen, sieben Ketten mit Hunderten großen und kleinen Exemplaren, dazu passende Ohrringe mit Perlenanhängern und Juwelen, und das Goldcollier mit den schottischen Perlen, die in blaues Emaille eingefasst sind  – auch das ein Geschenk Augusts an seine geliebte Tochter. In den Vitrinen sind zudem viele Armbänder mit Türkisen, Lapislazuli und Korallen zu bewundern, eine goldene Kette mit Herzchen und zwei Colliers mit Granat und dem orangefarbenen, mit feinen weißen Linien durchzogenen, geheimnisvoll wirkenden Karneol.8 Vielleicht, so weiß Luise von ihrem 99

Vater, stammt das Exemplar aus Indien, seine fast ins Rötliche gehende Färbung ist durch das Sonnenlicht entstanden, das das in dem Stein enthaltene Eisen verwandelt hat. Ein Leutnant und dreizehn Grenadiere werden vor den Schaukästen mit dem Schmuck Wache stehen, ebenso viele haben ein Auge auf Luises Trousseau. Im Hof probt die Herzogliche Leibgarde, die während der Trauung paradieren wird, die Kisten mit dem Hausrat der Braut müssen gewogen und in einer Liste verzeichnet werden – sie wird Bestandteil des Ehevertrags sein, der am Tag der Vermählung unterzeichnet wird. Zum ersten Mal in ihrem Leben setzt Luise ihre Unterschrift unter ein wichtiges Dokument, dessen Inhalt sie kaum kennt. Der Pakt ist in Coburg aufgesetzt worden, er umfasst unzählige Seiten eng beschriebenes Papier mit einundzwanzig Paragrafen, die ihr Schicksal besiegeln.9 Das Heiratsgut, so hat Luise vernommen, ist auf dreißigtausend sächsische Reichstaler festgesetzt worden. Ihr Vater August wird es an den Bräutigam auszahlen, aber erst ein Jahr nach gehaltenem fürstlichen Beilager und natürlich gegen eine Quittung.10 Dass es ihre vornehmlichste Aufgabe ist, dem Herzog möglichst männliche Erben zu gebären, weiß Luise, ebenso, dass sie mit ihrer Unterschrift schon jetzt auf alle Erbanteile des Hauses Sachsen-Gotha-Altenburg zu Gunsten ihrer Söhne, die sie hoffentlich bald zur Welt bringt, verzichten wird.11 Aber ihre Juwelen, ihre Möbel, ihren Hausrat und ihre Kleider, die zu ihrer Mitgift zählen, sollen auch weiterhin ihr gehören. Natürlich wird Ernst bestimmen dürfen, wie sie ihre Ausstattung verwendet, auch wenn sie einmal Geld erben wird, muss er als Vormund gefragt werden, wie die Summen angelegt und ausgegeben werden sollen. Ihm steht nach Augusts Anweisung der Baron Lindenau beratend zur Seite, Luise ist sich deshalb sicher, dass sie künftig bestens versorgt sein wird. Die Orangerie, die unterhalb des Schlosses im barocken Garten liegt, ist für das bevorstehende Fest schon mit Blumen und Wachslichtern geschmückt. Vier Orchester werden spielen, während sich die geladenen Gäste am Buffet bedienen. Seit Tagen schon ist in der 100

Schlossküche Hochbetrieb, die Lieferanten kommen und gehen, sie bringen Fleisch und Fisch, Beilagen und exotische Gewürze, Obst und Gemüse. Hunderte schwere Holzfässer, Rum und Bier enthaltend, werden über den Hof gerollt. Ein Punsch ist angesetzt worden, der während des Balls in der Orangerie gereicht wird. Es soll ein glänzendes Fest und der schönste Abend im Leben der Braut werden, sie wird ihn mit eintausendfünfhundert Gästen teilen, die sich im Park und im Schlossgarten verlustieren werden. Seit Menschengedenken hat Schloss Friedenstein nicht mehr so gestrahlt, so sehen es wohl alle, die in diesen Tagen der Hochzeit entgegenfiebern.12 Am 31. Juli 1817, abends um sechs Uhr, tauschen Ernst und Luise die Eheringe. Dreiundsechzig Kanonenschüsse werden von den Wällen der Stadtmauer abgefeuert, die Zeremonie ist schlicht, es gibt keine Reden, nur Musik und Gesang. Hunderte von Gästen beehren das Brautpaar mit ihren Glückwünschen, angeführt von Luises ehemaligem Kindermädchen Katherine Peter, einer einfachen Frau aus dem Volk, die ihre schönste Thüringer Sonntagstracht angelegt hat und in ihren Händen das erste Paar Schuhe hält, das die neuvermählte Herzogin von Sachsen-Coburg je getragen hat. Fünf Tage dauert das Hochzeitsfest, es werden endlos lange Gedichte vorgetragen, die von Liebe und Schönheit schwärmen, von Treue und Kindersegen – die Zukunft kann nur Gutes und Schönes bringen, wenn sie so rühmlich beschworen wird. Das Volk unten in Gotha feiert mit, auch in der Stadt erstrahlen die Nächte im Lichterglanz, überall hört man vom großen Glück der schönen Prinzessin reden, die sich der wahren Liebe eines Fürsten erfreuen könne. Doch in die ausgelassene Stimmung mischt sich auch Wehmut, denn schon bald wird die verehrte Luise sich mit ihrem Gatten auf den Weg nach Coburg machen, wo weiter gefeiert wird. Zum Abschied hören die Brautleute die Stimme des Volkes in einem eigens verfassten Nachruf: „Aber in die Freude mischt sich tiefe Rührung, und schmerzliche Wehmuth! Geknüpft durch ewige Bande heiliger Liebe an den erhabnen und Durchlauchtigsten Fürsten, HöchstDessen Daseyn Ihrer ­Tugenden glänzender Kranz verschönern wird, – und sehnsuchtsvoll 101

erwartet von den Kindern, deren liebevolle Landesmutter zu werden Ihro Durchlaucht bestimmt sind, verlassen HöchstDieselben heute unsre glücklichen und friedlichen Gegenden, folgen dem hohen Beruf, zu welchem die Vorsehung Sie berufen hat! Und heisse Thränen der Liebe und Verehrung, geweint von den Kindern des Landes, das HöchstDieselben heute verlassen, folgen nach! Zu tief fühlend den großen Verlust, zerfließt das Herz in schmerzlicher Wehmuth, eine alte Wunde, die keine Zeit heilen kann, wird aufgerissen, und der heutige Abschiedstag wird stets, als ein Tag des Schmerzes, in wehmüthiger Erinnerung bleiben.“13 Am 6. August, an einem herrlichen Sommermorgen, nimmt Luise Abschied von Gotha und Schloss Friedenstein. Über Uelleben und Themar gelangt der Brautzug nach zwei Tagen zum Jagdschloss Rodach, jedes Dorf am Wegesrand feiert sein eigenes Fest, überall hört man Vivatrufe, sind Girlanden gespannt  – immer wieder werden Verse vorgetragen, die eigens für die neuvermählten Eheleute gedichtet worden sind: „O wohl dem Lande, das in Jubeltönen vermählt das Wahre, Gute mit dem Schönen, im Ideal des Fürstenpaars verehrt! Sein Flehn um höhern Segen wird erhört!“14 In Rodach nimmt die Hochzeitgesellschaft ein Mittagessen mit dem Superintendenten Christian Hohnbaum ein – einem vorzüglich gebildeten und liebenswerten Mann, der sich als Musiker, Poet und Maler einen Namen gemacht hat. Noch berühmter ist er für seine klaren Worte, die er gelegentlich auch in der Gegenwart der Coburger Prinzen ausspricht. Das Aufhebens der Fürstenfamilie um die Hochzeit und die Ausgelassenheit der Bevölkerung befremden den abgeklärten Geistlichen, der zu den Festlichkeiten einen Triumphbogen und zwei Gedichte beigesteuert hat – wissend, dass die Wirklichkeit hinter den herzoglichen Kulissen ganz anders aussehen kann, als den Untertanen weisgemacht wird. Die junge Luise gefällt ihm sehr, sie scheint ihm eine liebenswürdige Person zu sein, er fragt sich, wie sie sich dem Hofleben anpassen wird, das seinen Tribut einfordert, und hofft, dass sie sich die höfischen Eitelkeiten nicht zu eigen machen, sich nicht den am Hof verbreiteten Lastern hingeben wird.15 102

Blick auf Coburg, um 1817. Luise brachte eine üppige Mitgift in die neue Heimat mit.

Luise ahnt nichts von den düsteren Gedanken des freundlichen Pfarrers Hohnbaum. Sie genießt jeden Augenblick, den sie mit ihrer neuen Familie verbringen darf. Nach dem Mittagessen in Rodach wechselt sie wieder einmal ihr Gewand, diesmal schlüpft sie in ein graues Kleid, in das weiße Falten eingenäht sind, die so vorzüglich zu ihrem Perlencollier und den Marabufedern auf ihrem weißen Hut passen. Die Gesellschaft fährt weiter nach Neuses zum Oberhof­ marschall von Wangenheim, wo sich Luises Schwägerinnen und Schwager eingefunden haben: Ernsts Schwester Sophie von Mensdorff-Pouilly mit ihren Kindern, Bruder Ferdinand mit seiner schönen Frau Toni. Luise glaubt, noch nie einen so kleinen zierlichen Mund gesehen zu haben, wie bei der freundlichen Toni, die sie sich nun zur Freundin wünscht. Die Hochzeitsgäste steigen in die Kutschen des Brautzuges um, der die Neuvermählten endlich nach Coburg bringen soll. Luise ist überwältigt von den schönen Pferden, den uniformgeschmückten ­Offizieren, ihnen schließen sich die Postbeamten und die Postillione an, dann die Neustädter und Coburger Schützen, die Jäger und Forstmeister, dahinter der Marstall mit den Reitknechten und vier103

undzwanzig teuer geschmückten Rössern, gefolgt von den Pagen, Kammerjunkern, Kammerherrn und Stallmeistern des Hofes. Als die prächtige Kutsche des Brautpaares Coburg erreicht, läuten die Kirchenglocken, Luise nickt nach links und nickt nach rechts, die Menschen in den Straßen jubeln ihr zu. Durch das Kreuztor gelangt der Zug in die Stadt, auch hier geht es wieder durch eine eigens errichtete Ehrenpforte aus grünlichem Moos, die mit den allegorischen Figuren der Hoffnung, der Aufrichtigkeit und der Treue geschmückt ist. Weißgekleidete Mädchen stehen Spalier, als sich die Kutschen durch den Steinweg dem Spitaltor nähern, zu dessen beiden Seiten zwei Ritterstatuen gleichsam Ehrenwache halten. Bild­ liche Darstellungen beschwören den Genius des Friedens, der nun Coburg und Gotha vereint, glänzend weiße Säulen weisen dem Brautpaar den Weg zur nächsten Ehrenpforte, die mit Sinnbildern der Freude und der Vereinigung verziert ist. Endlich gelangt man zu einer reichlich mit Blumen- und Laubgirlanden umkränzten Bühne, auf der die Professoren und die Geistlichen der Stadt angetreten sind, weiter geht es über den Marktplatz und von da endlich zum Schloss Ehrenburg vor das Hauptportal. Dort wird Luise von ihrer Schwiegermutter Auguste in Empfang genommen, es gibt Tee und dann eine fürstliche Tafel, das Schloss und die Stadt sind des Nachts erleuchtet und durch die Gassen drängen sich Maskierte und Trachtengruppen, es wird getanzt und gesungen, bis endlich alle Glückwünsche ausgesprochen, alle Reden gehalten und alle Verse überreicht worden sind. Luise schildert ihrer liebsten Freundin Auguste ihre Eindrücke von der Reise, dem Fest und den Menschen, um sie auf diesem Weg an ihrem großen Glück teilhaben zu lassen. Sie fühlt sich unendlich fröhlich, und für all das ist sie Ernst dankbar, in dessen Händen nun ihr Schicksal liegt: „Der ganze Empfang stimmte mich zur Rührung; ein Gefühl, das sich nicht beschreiben läßt, lag zentnerschwer auf meinem Herzen und doch war ich leicht und froh; wenn Trähnen meine Augen erfüllten sah ich nach den schönen braunen Augen, die neben mir so hell leuchteten und alles Trübe machte nur der Freude Platz.“16 Luise hat diesen Momenten 104

lange entgegengefiebert, nun sieht sie ihre glück­liche Zukunft klar vor sich liegen. Auf das große Feuerwerk am 11. August folgt der Maskenball am Tag darauf, doch Luise sehnt nur noch die Stunde herbei, in der Ernst sie endlich auf die Rosenau entführen wird. Am 18. August ist es soweit: Am Fuß des alten Rittersitzes, am Ende einer großen Wiese, erlebt die neue Herzogin von Coburg die Erfüllung ihrer Mädchenträume. Hier ist ein Turnierplatz angelegt, auf dem sich Ritter in mittelalterlichen Rüstungen auf edlen Pferden tummeln, spielerisch senken sie ihre Lanzen und fliegen in gestrecktem Galopp aufeinander zu, um sich im letzten Moment wieder abzuwenden. Als Luises Wagen auf dem Turnierplatz erscheint, wird sie auf märchenhafte Art willkommen geheißen: „Unterwegs kam ein Ritter in dunkelblau und ­rothem Waffenrock, einem Panzer und Helm an unseren Wagen gesprengt und redete uns folgendermaßen an: Gott grüß Euch, edle Frauen, erlaubt mir, Euch das Geleit zu geben zu dem Zelte des Ritters Melchior von Wangenheim, der Euch seinen Gruß entbietet und Euch einladet, in seinem Zelte einige Erfrischungen einzunehmen, bevor ihr Euch zum Kampfspiel und Reihentanz begebt, welches Ritter Ernst von Rosenau Euch edlen Frauen zu Ehren giebt.“17 Endlich darf Luise auf der Tribüne Platz nehmen, sie fühlt sich inmitten der Ritterschar wie eine Königin und hält Ausschau nach ihrem König, Ernst von der Rosenau, wie ihr Gatte sich gern nennt. Neben ihr ist die fürstliche Familie versammelt, begleitet vom Hofstaat, der in alter Rittertracht erschienen ist. Ein Raunen geht durch die Reihen der Zuschauer, als die Trompeter auf ihren prächtigen Schimmeln einziehen, vierundzwanzig an der Zahl, in altdeutscher Tracht gekleidet, gefolgt von Herolden und Pagen, die die zwölf Kampfritter auf den Turnierplatz geleiten. Über ihren bunten Hemden tragen die Reiter, unter ihnen Ernst und sein Bruder Ferdinand, blanke Harnische, auf dem Kopf federgeschmückte Helme. Vor der Tribüne nimmt der Zug Aufstellung, die Ritter grüßen die Damen mit gesenkter Lanze, um dann zum Klang der Trompeten zu einer im ­Galopp ausgeführten Quadrille aufzubrechen. In der Abendsonne 105

über der Rosenau sieht Luise ihren Ehemann mit neuen Augen, ein würdiger Ritter, der sich der Treue und Ehre verschrieben hat, sie kann sich kaum fassen ob des romantischen Anblicks und schildert ihrer Freundin Auguste das Turnier in begeisterten Worten: „Dann folgte ein Kampf zwischen den zwei geliebten und von Allen so ­bewunderten Brüdern, Ernst in stiller Würde, so männlich und doch so wunderschön, erschien er mir wie ein Engel mit dem Rächerschwert. Nie sah ich einen so schönen Mann, seine Anmuth, Würde, Schönheit war noch durch sein costume erhöht. Prinz Ferdinand, eine stillere Schönheit, nahm sich sehr lieblich aus, er sah wie die Erscheinung des Ritters in der ‚Diamantenen Kutsche‘ aus. Ernst war wunderschön und wunderherrlich.“18 Luises kindliche Naivität bleibt ihrer Schwiegermutter Auguste nicht verborgen. Sie beobachtet die junge Ehefrau ihres ältesten Sohnes seit ihrer ersten Begegnung mehr mit Interesse, denn mit Fürsorge. Sie hat registriert, wie die Braut zitterte und weinte, als sie Schloss Ehrenburg betrat, überwältigt von dem grandiosen Empfang. Das Mädchen, so sieht es Auguste, ist keine Schönheit, aber sie gefällt durch ihren Charme und ihre Lebhaftigkeit. Luises Stimme klingt angenehm, sie spricht flüssig und ist freundlich gegen jedermann, auch kann man ihr eine gewisse Intelligenz nicht absprechen. Allerdings ist sie sehr klein und macht mit ihrer Statur wenig Eindruck. Dabei ist ihre Kleidung prachtvoll, auch der Schmuck verleiht ihr Glanz, doch ihr Teint ist beängstigend fahl. Die junge Herzogin, so bemerkt die Schwiegermutter, scheint sich wirklich in ihre neue Familie einfügen zu wollen, sucht immer wieder den Kontakt zu ihren Schwägerinnen. Am Nachmittag erst hat sie sich sehr angeregt mit Augustes Tochter Victoire unterhalten, deren hohe Statur und blendende Schönheit in Luises Anwesenheit noch mehr hervorstechen. Victoire ist noch immer vorbildliches „Heiratsmaterial“, auch wenn sie mit ihren einunddreißig Jahren schon eine erfahrene Frau ist. Ihr Ehemann, der Fürst von Leiningen, ist schon seit drei Jahren tot – es ist an der Zeit, für Victoire die nächste passende Partie zu suchen. Nun zahlt es sich aus, dass ihr Bruder Leopold am britischen Hof für 106

sie sprechen kann, denn der Bruder des Prinzregenten, der Herzog von Kent, hält nach einer Braut Ausschau. Auguste kann nicht anders, sie sieht alles und jeden im Licht ihres dynastischen Kalküls. Luise ist nur ein einzelnes Steinchen in dem immer weiter ausgreifenden Mosaik, wenn auch kein ganz unwichtiges. Victoire und Luise scheinen sich auf Anhieb zu verstehen, sie tauschen kleine Geschenke und spielen mit den Kindern der verwitweten Fürstin Leiningen, die im großen Ballsaal von Schloss Rosenau gerade um die Wette gesprungen und gelaufen sind, bevor sich dort die Festgesellschaft zum Dinner und Tanz einfindet. Hof und Adel erscheinen in altdeutscher Tracht, wie es der gotisch anmutenden Gestaltung des Marmorsaals entspricht. Dessen Wände sind aus grauem Stuck, der so fein gearbeitet ist, dass er wie polierter Stein erscheint, die gewölbte Decke mit den spitzen Giebeln an den Außenschiffen wirkt mittelalterlich – sie wird von zierlichen Säulen getragen, deren goldene Kapitelle sich in feinsten Girlanden nach oben fortsetzen und über den Köpfen der Hochzeitsgäste zu schweben scheinen. In den schweren verzierten Kronleuchtern brennen unzählige Kerzen und verbreiten ein Licht, das dem Saal seinen bestimmten Zauber verleiht. Es bedarf keiner altdeutschen Möbel oder Rüstungen und Waffen, um sich hier der glänzenden Periode des Rittertums nahe zu fühlen. Ernst hat auf diesen Effekt gesetzt, seit er das heruntergekommene Schlösschen mit dem verwilderten Park für sich entdeckt hatte und bei der Renovierung mit gotischen Stilelementen ausstatten ließ. Obwohl die Ehrenburg offizielle Residenz ist, hat der Herzog in all seinen Plänen die Rosenau bevorzugt.19 Mehrfach hat er sich in Kostüm und Rüstung eines Ritters malen lassen, um sich so darzustellen, wie es ihm als Spross des Geschlechts der Wettiner angemessen erscheint. Als Luise nach der Hochzeit einzieht, muss sie keine hölzernen Bauzäune fürchten, wie sie sie vor Schloss Ehrenburg gesehen hat. Die Rosenau ist aufs Feinste ausgestattet, wie sie es sich trotz der lebhaften Schilderungen Ernsts nicht hat ausmalen können. Die Tapete im Salon ist mit weißen Rosen übersäht, ein Divan lädt zum Sitzen ein, ein Piano zum Musizieren. 107

Das sich anschließende Kabinett geht über in das grüne Wohnzimmer, das mit Pariser Möbeln ausgestattet ist. Auch Luises Schlaf­ gemach ist in grün gehalten, für sie das eleganteste Zimmer überhaupt. Von ihrer Suite aus führt eine Tür in die Wohnräume des Herzogs, in denen die Farben Blau, Rot und Gold vorherrschen.20 Während Luise von ihrer neuen Umgebung und von ihrem ritterlichen Gatten gefesselt ist, kämpft ihr Vater August in Gotha mit der Sehnsucht nach seiner einzigen Tochter. In seiner Vorstellung sieht er den Herzog von Coburg in den Spiegel schauen und in Gedanken an den sorgenvollen Schwiegervater gelangweilt gähnen, genauso wie seine übrige Sippschaft, die hinter Luises Rücken über ihn sicher nur Boshaftes zu sagen hat.21 August, der sich selbst gern als „Rappelmile“ verspottet, wobei er seinen zweiten Vornamen Emil verballhornt, hält einsame Zwiesprache mit der entfernten Tochter. Ihn plagt das schlechte Gewissen, kann er doch nur zu deutlich sehen, wie seine geliebte Viva in die Fallen der Eitelkeit läuft, die in Coburg überall aufgestellt sind. Doch immerhin hat er der Verbindung zugestimmt. Dennoch hofft er seine von Glück und Liebe berauschte Viva zur Einsicht zu bringen, sie vor Schaden zu bewahren. Sein von ihm vergöttertes, kluges, aber auch eitles und leicht verwöhntes Kind, wird, das weiß er, unersättlich aufnehmen, was ihr in Coburg zu Füßen gelegt wird! Kaum ist Luise in ihrer neuen Heimat angekommen, erreicht sie schon der erste Brief des besorgten August: „Liebe Viva. Mich bangst’s denn noch nie habe ich wie ein ferner Vater her und rücksichtslos, aber auch zart und lieblich als unsichtbarer, warnender, ratender tröstender und vielleicht auch manchmal tadelnder, belehrender Vater gesprochen. […] Aber gutes Kind ich muss mich entschuldigen, ich sehe dich so strahlend, so triumphierend, von so vielen, wie eine lang ersehnte Neuigkeit, wie ein längst erwartetes Modejournal, angestaunt. Ich erröte jetzt aus doppelter Verlegenheit, und schlage doppelt lang die Augen nieder. Der Herzog will eine Frau, die ihn verjüngt, die sein Leben verschönt, ein selbst erzogenes Kind, eine dienstwillige Freuden- und Leid teilende ganz allein ihm zugeneigte Seele.“22 108

August zweifelt daran, dass seine Viva bei dem Herzog von ­ oburg, der eine bunte und schillernde Fassade zu bieten hat, ihr C Glück finden wird, auch daran, dass Luise der Verlockung widerstehen kann, sich in ihr märchenhaftes Ebenbild zu verlieben, wie es ihr von den Höflingen vorgespiegelt wird – dass sie erkennt, wie vergänglich Jugend und Schönheit sind, wie wankelmütig Liebe und Glück. „Bitte sei sparsam und mäßig, bescheiden und bleibe Dir selbst treu. Gott gebe Dir Kraft und Demut; auch Klugheit und Stärke, dann gehe es wie es wolle, dann gehe es wie er will – der Vater der Weisheit und der Liebe“23, mahnt August, wohl ohne wirklich zu glauben, seine eigensinnige Tochter werde sich schon bald in die ­Coburger Verhältnisse einpassen. Luise kümmert sich nicht um die Sorgen und Launen ihres Vaters. Ihr Leben mit Ernst erscheint ihr wie eine Aneinanderreihung freudiger und glücklicher Ereignisse. Nur zu gern geht sie auf alles ein, was ihr Ehemann für sie bestimmt. Sie muss noch viel lernen, deshalb wird sie in den Fächern Geschichte, Geografie und Mythologie unterrichtet. Literatur, Experimentalphysik, Bibellektüre  – all das steht jetzt auf dem Stundenplan, den Ernst mit Konferenzrat Gruner abstimmt. Schönschrift und Französisch sind Luises Stärken, doch in vielen anderen Dingen fühlt sie sich noch sehr unerfahren. Charlotte von Bock, die erwartungsgemäß auf Geheiß der Stiefmutter mit nach Coburg gezogen ist, entschuldigt sich immer wieder für die mangelnde Bildung ihres Schützlings. Ihr offensichtlich schlechtes Gewissen lässt ihre Predigten über Moral und Anstand nur umso heftiger ausfallen. Luise sehnt sich danach, diesem Korsett zu entfliehen. Da kommt es ihr gelegen, dass Ernst sie ganz selbstverständlich mitnimmt in sein Jagdrevier. Hier fühlt sie sich frei und ebenbürtig: „Ich begleite wie immer meinen geliebten Mann auf die Jagd, was mich sehr amüsiert“, schreibt sie an Auguste von Studnitz, ihre geliebte Freundin Gussi, die sie noch immer sehr vermisst. „Täglich sehe ich dadurch neue reizende Gegenden und gehe alle Nachmittage mit ihm in den Wald, um das zärtliche Rufen der Hirsche zu vernehmen. Wenn man so etwas noch nicht gesehen und gehört hat, so ist es 109

­ irklich sehr merkwürdig. Sie schreien und brüllen, bis ihre Frauen w kommen, dann ziehen sie stolz mit ihnen von dannen. Kommt ein ­anderer Hirsch so kämpfen sie miteinander bis einer stirbt oder bloß unterliegt. Dem Sieger folgt dann das Weibchen freiwillig. Ein recht schlechter Zug unseres Geschlechts.“24 Luises Jagdausflüge bleiben dem Vater in Gotha nicht verborgen. Er zürnt – hat denn eine Frau nicht heiligere Pflichten, als Saufangen, Fuchsprellen und Hasenhetzen?25 Hat seine geliebte Viva vergessen, was sie ihrem Vater und seiner Erziehung schuldig ist? Hätte er sie zur Büchsenspannerin und Falknerin ausbilden wollen, so hätte er das getan, doch wozu soll das nützen, wo eine Fürstin doch an den Hof gehört und nicht in ein Jagdrevier, wo die blanke Mordlust tobt! Für männliche Strapazen ist seine Tochter nicht geschaffen, zetert August und erntet nichts als Spott. Luise schlägt seine Mahnungen in den Wind und hält ihm den Spiegel vor. Seine Eitelkeit, seine Marotten, seine Verbohrtheit kennt sie nur zu gut und macht sie nun zur Waffe gegen seine ständigen Vorhaltungen. Seine fahle, schielende, zahnlose Existenz, die nur mit Schminke und Rouge geschönt ist  – Viva spart nicht mit Kritik am Vater und hält ihn auf Distanz. Ein geplanter Besuch in der Heimat Gotha wird immer wieder aufgeschoben und schließlich abgesagt, da Luise schwanger ist. Nun wird sie noch aufmerksamer als sonst von ihrer Schwiegermutter Auguste beobachtet, die beginnt, sich um die noch so kindlich wirkende Herzogin zu sorgen. Am 21. Dezember 1817 notiert sie in ihr Tagebuch: „Luischen hat heute ihren 17. Geburtstag recht froh gefeiert. Gott gebe, dass sie den 18. eben so glücklich und froh feiern möge, ihre große Jugend und ihr zarter Körper machen mir bei ihren Umständen recht bang auf die Stunde des Mutterwerdens.“26 Luise sitzt nun oft grübelnd da, ihre mädchenhafte Sorglosigkeit scheint mit einem Mal verflogen. Auguste schickt Stoßgebete zum Himmel, in denen sie darum bittet, Kummer und Schmerz von ihrer Schwiegertochter abzuwenden, die so früh schon die ernsten Seiten ihres ­Daseins als Frau erleben muss. Hilflos muss Auguste zusehen, wie schwer Luise an ihrer Schwangerschaft trägt und wie ihr Trübsinn 110

mit jedem Tag größer wird. Ernst scheint sich um die Umstände seiner Gattin nicht weiter zu kümmern, er besucht wie gewöhnlich jeden Tag sein Jagdrevier und bemerkt nicht, wie einsam Luise sich fühlt. Augustes Sorgen um ihre Schwiegertochter werden von einem schweren Schicksalsschlag angefacht, der die Coburger am 16. November 1817 ereilt. Aus London trifft die traurige Nachricht vom Ableben der Prinzessin von Wales ein. Charlotte, die so glücklich mit Luises Schwager Leopold verheiratete britische Thronfolgerin, ist nach der Totgeburt des gemeinsamen Kindes verstorben. Die hochfliegenden englischen Pläne der Coburger sind von einem auf den ­anderen Tag ausgelöscht. „Der Courier ist gekommen – Charlotte ist todt“, klagt Auguste. „Großer Gott! Ich kann das ungeheure Unglück nicht fassen, nicht tragen! Armer, armer Leopold! Den ganzen Tag muss ich mir in dumpfer Trostlosigkeit vorsagen, sie ist todt, die schöne, holde, gute Frau, die Hoffnung eines großen Volkes, das sie einst beherrschen sollte, und deren Tod das ganze Lebensglück des armen Leopold vernichtet.“27 Leopold trauert um seine geliebte Charlotte, die das einzige legitime Kind des Prinzregenten George ist und somit eines Tages Königin von Großbritannien geworden wäre. Nun sitzt der Coburger Prinz als Witwer zwar noch am Hof in London, doch unklar bleibt, welchen Einfluss er dort noch ausüben kann. Da das gemeinsame Kind ebenfalls nicht überlebt hat, gibt es auch keinen weiteren Thronfolger, dessen Erziehung in Leopolds Händen gelegen hätte. Charlottes Unglück war nicht ohne Ankündigung hereingebrochen. Die Prinzessin hatte mehrere Fehlgeburten in frühem Stadium erlebt, doch dieses Mal waren die Ärzte zuversichtlich gewesen. Die Buchmacher hatten schon Wetten auf das Geschlecht des Kindes abgeschlossen. Leopolds Leibarzt Christian Friedrich von Stockmar, der ihm von Coburg nach London gefolgt war, hatte es abgelehnt, die Thronfolgerin während ihrer Schwangerschaft zu betreuen. Er wollte keine Fehler be­ gehen, was ihm als Ausländer doppelt angekreidet worden wäre. Nun war die Tragödie eingetroffen, nicht auszudenken, welches Ende ­Leopolds Karriere am britischen Hof nehmen würde, könnte man 111

s­ einem Arzt ein Mitverschulden am Tod der Prinzessin vorwerfen. So wird der Coburger weiter geduldet, der sich zunächst in tiefer Trauer auf seinen Landsitz Claremont zurückzieht. Die britische Monarchie ist zu dieser Zeit in einem desaströsen Zustand. Charlottes Vater, der spätere King George IV aus dem Haus Hannover, lebt von seiner Frau getrennt, die er seit ihrer ersten Begegnung nicht ausstehen kann. Die Ehe mit Caroline von Braunschweig-Wolfenbüttel ist eine arrangierte, lieblose Angelegenheit, die per brieflichem Heiratsantrag und der Begutachtung eines Porträts der Prinzessin entschieden worden ist. Caroline hatte bis zu ihrer Reise zu ihrem künftigen Ehemann noch nie englischen Boden be­ treten, sie kam in ein fremdes Land, dessen Sitten ihr von einem erfahrenen Diplomaten nähergebracht werden mussten. Lord Malmesbury, mit den Höfen in Berlin, St. Petersburg und Den Haag bestens vertraut, sollte Caroline auf die Ehe vorbereiten und nach London begleiten. Caroline hatte keine Ahnung, was auf sie zukam: „Sie ist außerordentlich glücklich in ihren künftigen Erwartungen“28, notierte Malmesbury in seinem Tagebuch. Am 5. April 1795 nahm das Unglück seinen Lauf, als Caroline mit der Kutsche im St.  James’ Palast in London eintraf. Schon die erste Begegnung mit ihrem Bräutigam war eine Katastrophe – nach kurzer Umarmung schickte er seinen Diener los, um ein Glas Brandy zu holen. Doch auch Alkohol half nicht in diesem Fall, und alle Pläne, die der schlecht gelaunte George in der folgenden Zeit schmiedete, um seine ungeliebte Gattin loszuwerden, liefen zunächst ins Leere. George demütigte Caroline, die er nur ihres Geldes wegen überhaupt als Ehepartnerin in Betracht gezogen hatte, mit seiner fortwährenden Untreue. Als endlich die Thronfolgerin Charlotte geboren war, empfand der Prinzregent seine Frau nur noch als störende Last. Caroline wurde vom Hof verbannt, dachte aber gar nicht daran, ein Leben in Einsamkeit und Agonie zu führen. Die eigensinnige und temperamentvolle Prinzessin suchte sich einen italienischen Gefährten und setzte ihrerseits dem britischen Thronfolger Hörner auf. „Meine Mutter war böse, aber sie wäre nie so schlecht geworden, wäre mein Vater 112

nicht unendlich schlimmer gewesen“29, urteilt die gemeinsame Tochter Charlotte später. Die Presse delektiert sich an den skandalösen Zuständen im Buckingham Palast und die Bürger spotten öffentlich über den liederlichen Prinzen von Wales. Sie vergeben ihre Sympathie an die aufmüpfige Caroline, was sich gelegentlich auch in beunruhigenden Protesten auf der Straße äußert. Die Verfasser der beliebten Schmähschriften haben jede Menge Stoff für ihren ironischen Abgesang auf das skandalöse Haus Hannover, das nur auf den englischen Thron geraten war, weil nach dem Tod der kinderlosen Queen Anne sonst kein protestantischer Anwärter auf die britische Krone zu finden war. Als die Thronfolgerin Charlotte stirbt, ist nicht nur Prinz Leopolds Zukunft ungewiss, auch das Schicksal der Monarchie scheint an einem seidenen Faden zu hängen. Die Söhne des geistig umnachteten Königs George III. haben zahlreiche illegitime Nachkommen, die für die Thronfolge nicht in Frage kommen. Deshalb lastet nun auf den Herzögen von York, Sussex und Cumberland die Verantwortung, in nicht mehr ganz jungen Jahren noch einmal legitimen Nachwuchs zu produzieren und zu diesem Zweck eine ebenbürtige Ehepartnerin in gebärfähigem Alter zu finden, was sich als nicht so einfach herausstellt. Die Hannoveraner gelten allesamt als verschwenderisch, unfähig und moralisch fragwürdig. Einzig Edward von Kent wird eine gewisse Intelligenz zugeschrieben. Als Leopold sich von der Trauer um seine Frau Charlotte leidlich erholt hat, fällt seine Wahl auf Kent, um sich mit diesem Kandidaten wieder ins Heiratsgeschäft einzumischen. Leopold hat einen finanzstarken Partner im Hintergrund, der ihn stützt und ihn in die Lage versetzt, durch sein über ganz Europa ausgebreitetes Netzwerk mit Politikern, Herrschern und Wirtschaftsmagnaten zu kommunizieren: das Bankhaus Rothschild. Die Brüder Salomon, Nathan, Karl und James Rothschild haben mehr zu bieten als Geldgeschäfte, sie verfügen in allen wichtigen Hauptstädten über Agenten, die Informationen zur politischen und wirtschaftlichen Lage liefern. Sie erfinden das „Private Banking“, verwahren enorme 113

Summen für Staatenlenker und Fürsten, und wenn diese im umgekehrten Fall Geld benötigen, werden sie von den Rothschilds groß­ zügig mit Krediten versorgt. Daneben betreiben die Brüder einen ­zuverlässigen Postservice, dem später auch Queen Victoria und ihr Prinzgemahl Albert ihre Korrespondenz anvertrauen werden.30 Das Netzwerk der Rothschilds funktioniert wie eine Nachrichtenagentur, die den inneren Zirkel der wichtigsten Entscheidungsträger Europas miteinander verknüpft, es ist eine Art europäisches Nebenaußenministerium des 19.  Jahrhunderts. Wer informiert ist, ist im Vorteil, wenn es um Investitionen, aber auch um politischen Einfluss geht. Seit sich Leopold von Sachsen-Coburg-Saalfeld 1816 mit der Tochter des britischen Regenten verlobt hatte und damit in die Nähe des britischen Throns gerückt war, sind die Rothschilds entschlossen, sein Potenzial für ihre Zwecke zu nutzen. Die Coburger passen perfekt zum System des Bankhauses, denn sie unterhalten mit ihrer Heiratspolitik ein ähnliches familiäres Netzwerk, das über Informationen aus den wichtigsten Schaltzentralen Europas verfügt. Als Leopold sich zu seiner Hochzeit nach London aufmachte, passten ihn die Banker in Frankfurt ab und boten ihm Geld an, 700 Pfund, um für seine Verlobte Schmuck zu kaufen, womit das Fundament für eine enge Zusammenarbeit in der Zukunft gelegt war.31 Der frühe Tod der Thronfolgerin Charlotte 1817 irritiert die Rothschilds nur kurzfristig, sie halten an Leopold fest, der erwartungsgemäß in London bleibt und weiter nach Möglichkeiten sucht, den Coburgern einen Einfluss auf den britischen Thron zu verschaffen. Zwischen Nathan Rothschild und Leopold entwickelt sich eine enge Verbindung, der Prinz wird für den Banker zu „seinem Coburg“ und die Häuser Rothschild und Sachsen-Coburg profitieren gemeinsam davon, dass sie sich in ihren Strategien und Interessen kaum ähnlicher sein könnten.32

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6. Glieder einer Kette

Leopold von Sachsen-Coburg ist ein weitsichtiger Stratege. Er hat längst erkannt, dass sich die Zeiten für den Adel ändern. Nach der Französischen Revolution und den Napoleonischen Kriegen hat sich das Klima gewandelt. Das Bürgertum fordert Mitsprache in Politik und Verwaltung, verlangt nach verfassungsrechtlichen Garantien. Das Gottesgnadentum reicht als Begründung nicht mehr aus, den Platz des Adels an der Spitze der Gesellschaft zu legitimieren. Es beginnt ein Kampf um Macht und Status, den Leopold mithilfe seiner internationalen Beziehungen zugunsten seiner ­ ­Dynastie entscheiden will.

Edward von Kent und Strathearn taucht eines schönen Maiabends 1818 in Coburg auf, während die Herzogsfamilie beim Abendessen sitzt. Er kommt nicht gänzlich unerwartet, aber viel zu früh – überraschend wie ein Kanoneneinschlag, denkt Auguste von Sachsen-Coburg.1 Der Mann hat es eilig, Leopolds Schwester Victoire zu ehelichen. Sein älterer Bruder, der Herzog von Clarence, ist ihm im Rennen um die britische Thronfolge dicht auf den Fersen. Er freit um die deutsche Prinzessin Adelheid von Sachsen-Meiningen, ist sogar schon seit einem Monat mit ihr verlobt. Erhitzt von der raschen Überfahrt trifft Edward in Coburg ein, mit seinem beachtlichen Bauchansatz und seiner Halbglatze eine ganz und gar rundliche Erscheinung, sein Ehrgeiz spiegelt sich im Glanz seiner leicht hervorstehenden Augen. Als die Nachricht von seiner Ankunft die Ehrenburg erreicht, 115

verlassen die Coburger überhastet den Speisesaal und eilen in die Prunkräume der Residenz, sie raffen ihre Röcke und werfen sich ihre Uniformjacken über, um den Bräutigam würdig zu empfangen. Victoire, die verwitwete Fürstin von Leiningen, wartet mit klopfendem Herzen auf ihren künftigen Ehemann, sie hat ihn erst einmal leibhaftig gesehen und sich ihre Entscheidung, ihn zu heiraten, nicht leichtgemacht. Seit dem Tod ihres ersten Mannes, Emich Karl, regiert Victoire im Fürstentum Leiningen. Sie ist eine resolute Frau, die den Coburger Machtinstinkt verinnerlicht hat, und kennt ihren Wert in diesem Spiel. Sie hat bereits zwei gesunde Kinder geboren, einen Sohn und eine Tochter, und sie ist mit einunddreißig noch jung genug, weiterem Nachwuchs das Leben zu schenken. Nur darum geht es in diesem Arrangement, doch Victoire will sich nicht vorschnell hergeben. Sie hat Ansprüche, die sie bei der Hochzeit mit Edward nicht einfach fallen lassen will. Als Regentin für ihren Sohn beaufsichtigt sie die Regierungsgeschäfte in Leiningen und agiert in Besitz- und Geldfragen als Verwalterin. Verließe sie ihren Wohnsitz Amorbach, würde sie die Vormundschaft für ihren Sohn verlieren und die damit verbundenen Privilegien sowie ihre ansehnliche Apanage von jährlich zwanzigtausend Gulden.2 Victoire verfügt nicht nur über ein schönes Äußeres, sie ist auch hoch gebildet und klug und weiß, wie sie ihre Vorzüge zu ihren Gunsten einsetzen kann. Schon Leopolds verstorbene Frau Charlotte hatte Victoire sorgfältig in Augenschein genommen und sich für die Hochzeit mit Edward von Kent ausgesprochen. Baron Stockmar, Leopolds engster Berater in London, schwärmt von der verwitweten Fürstin, als habe er selbst gewisse Absichten – sie sei mit einer guten Figur gesegnet, besonders faszinieren ihn ihre schönen braunen Augen und ihr volles dunkles Haar, das ihr ein frisches und jugendliches Aussehen gibt. So edel wie ihre Gesichtszüge ist auch Victoires Charakter: meist freundlich und gut gelaunt, sehr charmant und gefühlvoll, darüber hinaus verlässlich, uneigennützig und sehr großzügig.3 Sie ist stets modisch gekleidet, liebt große Hüte, die sie üppig mit weißen Straußenfedern verzieren lässt, und betont ihr makelloses Dekolleté mit tiefen Ausschnitten, die ihre 116

schönen runden Schultern freigeben. Ein sanftes Lächeln umspielt ihren Mund, die Wangen sind rosig, die Nase ist lang und gerade und die sanft blickenden Augen sind leicht schräg geschnitten, was ihr etwas Verträumtes verleiht. Kein Zweifel, Victoire ist eine äußerst attraktive Erscheinung, deren Anziehungskraft auch Edward von Kent vom ersten Moment an überwältigt. Doch damit er offiziell um seine Braut werben kann, müssen zunächst einige sehr lästige Umstände bereinigt werden. Nicht nur Victoires Wunsch, die Vormundschaft über ihren Sohn zu behalten, steht dem Paar im Weg, auch der bisherige Lebenswandel Edwards ist ein Handicap. Der stramme Soldat, einst Gouverneur von Gibraltar, lebt seit siebenundzwanzig Jahren mit seiner nicht standesgemäßen französischen Geliebten Julie de St. Laurent zusammen. Als Edward um Victoire freit, wird Madame de St. Laurent für ihre Treue schlecht belohnt, er lässt sie einfach im gemeinsamen Heim in Brüssel sitzen. Während dieses amouröse Problem vergleichsweise einfach zu lösen ist, stellen die Finanzen des künftigen Bräutigams eine weit größere Herausforderung dar. Er muss jetzt darüber nachdenken, wie er eine Frau von Victoires Format zufriedenstellen kann, und unterzieht sein Budget einer Bilanz. Aber nicht allein deshalb gestalten sich die Verhandlungen um die Heirat kompliziert und zeitaufwendig, es sind auch politische Fragen zu bedenken. Zum einen muss Victoires Bruder, Herzog Ernst, zustimmen, was eher als Formsache zu betrachten ist, hat doch Leopold den Plan geschmiedet – aber auch der Bruder Edwards, der britische Prinzregent George, entscheidet mit. Da George mit einer deutschen Prinzessin als Gattin so seine ­Erfahrungen gemacht hat, scheint sein Ja nicht unbedingt selbst­ verständlich. Auch wird er Victoires wichtigste Bedingung, die Vormundschaft über ihren Sohn behalten zu wollen, nicht einfach akzeptieren können. Da das Paar dann in Amorbach leben wird, muss geklärt werden, was geschieht, wenn der zu erwartende Nachwuchs tatsächlich Anspruch auf den britischen Thron erheben könnte, denn der ist britischen Staatsbürgern vorbehalten. Außerdem müssen auch die deutschen Fürsten um ihr Einverständnis gebeten werden. Eine 117

komplizierte diplomatische Angelegenheit, deren Aussicht auf Erfolg von einem Mann abhängt: Leopold, dem Bruder der Braut. Edward von Kent könnte sich keinen erfahreneren Unterhändler in seiner schwierigen Mission wünschen als den jungen Coburger, der auch nach dem Tod Charlottes eine prominente Erscheinung am britischen Hof ist. Offiziell gehört er nicht zur königlichen Familie, dennoch ist sein Lebensunterhalt als Witwer der Prinzessin von Wales gesichert. Fünfzigtausend Pfund Pension zahlt ihm der britische Staat, doch eine Rolle in der Politik zu spielen, bleibt ihm verwehrt. Der intelligente, talentierte und ambitionierte Leopold ist zur Untätigkeit verdammt. Er muss nach anderen Möglichkeiten suchen, seinen Einfluss zu erweitern. 4 Dabei kann er sich keinen besseren Berater an seiner Seite wünschen als Baron Christian von Stockmar, den Coburger Arzt, der seinem Schützling nach London gefolgt ist und mit ihm in Carlton House residiert. Er fördert Leopolds charakterliche Vorzüge, erkennt das Potenzial seiner natürlichen Neugier und seiner außerordentlichen Beobachtungsgabe, sowie seine Fähigkeit, für schwierige Probleme praktische Lösungen zu finden. Stockmar, ausgebildet als Arzt und erfahren in öffentlichem Recht, ist ein wandelndes Lexikon. In Coburg hat er als Hofmarschall gedient und sich diplomatisches Wissen angeeignet. Sein spezielles ­Interesse gilt der konstitutionellen Monarchie, wie sie sich in Großbritannien entwickelt hat. Tage und Nächte bringen Stockmar und der drei Jahre jüngere Leopold damit zu, an ihrer Theorie zu einem Staatswesen zu feilen, in dem Regent und Parlament zusammenwirken.5 Die britische Staatsordnung, wie sie sich unter den Hannoveraner Königen herausgebildet hat, räumt der Volksvertretung viel Spielraum ein und wird von Gesetzen geregelt, die dem Bürger verlässliche Rechte zuweisen. Der Monarch ist kein absolutistischer Herrscher, sondern dient dem Land als ranghöchster Repräsentant. Es sind Ideen, die Leopold in späteren Jahren allen Coburgern mit auf den Weg geben wird. Doch vorläufig liegt sein politisches Vermögen brach, in das seine Unterstützer so viel Hoffnung gesetzt hatten. Vor allem die Rothschilds mit ihren immer besser vernetzten, inter118

national agierenden Filialen in Wien, Paris und London, sehen in „ihrem Coburger“ den idealen politischen Partner. Der Londoner Zweig der Bank hat sich unter Nathan Rothschild zum wichtigsten Hoffinanzier aufgeschwungen, indem er die Kontakte des Firmengründers Mayer Amschel Rothschild zu wichtigen deutschen Fürstenhäusern, wie dem Haus Hessen-Kassel, nutzte. Alte Schulden wurden aufgekauft, unter anderem stand nach einer solchen Transaktion plötzlich auch der britische König George III. in der Schuld der Rothschilds.6 Auch die verschwenderische Lebensführung seiner Söhne, der Hannoveraner Prinzen, wird durch Kredite ermöglicht, die Nathan Rothschild freizügig vergibt. Es sind Wechsel auf die Zukunft. Der Prinzregent, Leopolds Schwiegervater, steht mit über einhunderttausend Pfund in der Kreide.7 Als Leopolds Frau Charlotte starb, waren die Rothschilds zunächst schockiert, weil damit ihr direkter Zugang zum britischen Thron für die Zukunft blockiert schien. Nun, da der Coburger nicht mehr ist als ein gewöhnlicher Witwer ohne Einfluss, stehen auch die Aktien der Rothschilds im Geschäft mit dem Königshaus schlecht. Salomon, unfähig, sich nach der Nachricht von Charlottes Tod weiter um die laufenden Geschäfte zu kümmern, schreibt an seinen Bruder Nathan: „Wir sollten unsere Lehre daraus ziehen: Geld, Ehrungen sind nichts wert, wir sind alle nur Staub; die Menschheit sollte ihren Stolz aufgeben […] wir sind Schlamm und Staub.“8 Ob der plötzlich einsetzenden Erkenntnis, dass niemand unsterblich ist, sind selbst die weltgewandten Rothschilds ratlos – Salomon kann nichts essen, Nathan fühlt sich krank. Doch der Schockzustand hält nur einen Moment an, bald schon stellt sich Rationalität ein. Die Frage muss beantwortet werden, wie sich das Bankhaus künftig zu Leopold verhält. Salomon rät Nathan, dem Coburger die Treue zu halten: „Glaubt man den englischen Zeitungen, wird der Prinz von Coburg in England bleiben und dort auch weiterhin eine wichtige Persönlichkeit sein. Wir sollten eine noch größere Freundschaft für einen Mann an den Tag legen, den ein solch hartes Schicksal ereilt hat, als zuvor. Ich bitte Dich darum, ihm mehr Gefühl entgegenzubringen, 119

als bisher.“9 Vielleicht ist es Sentimentalität, die die Rothschilds veranlasst, an „ihrem Coburg“ festzuhalten. Aber das Vertrauens­ verhältnis, das beide Häuser in dieser Zeit miteinander eingehen, wird sich zu einer belastbaren Brücke entwickeln, über die sich die ­Coburger auf den Weg zu zahlreichen europäischen Thronen begeben werden. Den Anfang macht Victoire, die sich entschieden hat, der Werbung Edward von Kents nachzugeben – falls dieser ihren Bedingungen nachkommt. Edward ist entzückt, als Victoire sich gnädig zeigt, und schreibt ihr: „Die sehr charmante Art, in der Sie mit mir über den Wunsch sprechen, den unsere bedauernswerte Charlotte hatte, die diese Verbindung vollendet sehen wollte, hat mich tief berührt und wenn ich das Glück habe, das einzige Hindernis aus dem Weg geräumt zu sehen, das sich entgegenstellt, werde ich tatsächlich glauben, dass sie uns zweifellos vom Aufenthaltsort der Engel aus zulächelt und uns ihren Segen gewähren wird. Sie müssen wirklich fühlen, wie sehr es mir am Herzen liegt, den glücklichen Moment schneller näher kommen zu sehen, der mich mit Ihnen verbinden soll.“10 Leopold spielt nicht nur den Postillion d’amour für seine Schwester und seinen Schwager in spe, er regelt auch die vertraglichen und finanziellen Fragen. Edward von Kent muss Farbe bekennen und seine Geldangelegenheiten offenlegen. Leopold weiß nur zu gut von dem Schuldenberg, den die Söhne König Georges  III. aufgehäuft haben. Er fordert von Kent eine Aufstellung seiner Vermögensverhältnisse, die dieser inklusive Bankbescheinigung auch vorlegt. Demnach kann er in Aussicht stellen, „dass in ungefähr drei Jahren bei Verfolgung des Plans, den ich seit achtzehn Monaten rigide einhalte, mein Einkommen vierundzwanzigtausend Pfund Sterling beträgt, achtzehntausend vom Parlament und sechstausend als militärische Besoldung, die dann vollständig freigegeben sein wird, dazu kommen die Ländereien und das schöne Landhaus von Castle Hill mit seinem Mobiliar, geschätzt auf fünfzigtausend Pfund, mein Silbergeschirr, dessen tatsächlicher Wert sich auf viertausend beläuft und meine Lebensversicherung von dreißigtausend Pfund.“11 Kent 120

versichert, seine Schulden abtragen zu wollen und Victoire dann ­angemessen versorgen zu können. Sollte seine künftige Frau aber ihre Apanage aus dem Leininger Vermögen verlieren, muss er sich um weitere Finanzquellen kümmern, fürchtet Kent. Schon sind die Hochzeitspläne Gegenstand journalistischer Recherchen. Die britische Presse kommentiert die plötzliche Heiratswilligkeit Kents in gewohnt ironischer Manier, schließlich ist er nicht mehr der Jüngste und seine finanziellen Verhältnisse erscheinen so fragwürdig, dass er kaum als gute Partie angesehen werden kann.12 Als die „Gazette de Francfort“ über die Bedingungen spekuliert, die an die Vermählung Kents mit Victoire geknüpft sein könnten, wird Edward nervös. Dass die Fürstin von Leiningen nur unter der Bedingung einwilligen will, auch in der zweiten Ehe die Vormundschaft und die Landesverwaltung fortführen zu dürfen, ist eine heikle Angelegenheit, die auch das britische Parlament beschäftigen könnte. Edward hat gehofft, das Geheimnis um seine Brautwerbung und die damit verknüpften Bedingungen so lange wahren zu können, bis er selbst mit seinem Bruder, dem Prinzregenten, darüber verhandeln kann. Jetzt, da die Presse Wind bekommen hat, ist höchste Eile geboten. Um Victoires Willen zu erfüllen, stimmt Edward dem Wohnort Amorbach zu.13 Auch aus London vom britischen Hof wird schließlich Zustimmung signalisiert. Die Coburger sind wieder mit von der Partie im Poker um die Thronfolge eines der mächtigsten Königreiche der Erde. Als Edward von Kent sich auf den Weg nach Coburg macht, um Victoire zu ehelichen, trägt er einen Brief mit einer Kreditzusage der Rothschilds bei sich.14 Alle scheinen nun mit dem Arrangement zufrieden, nur Auguste, Victoires Mutter, hegt wie immer in letzter Minute Bedenken: „Gutes, geliebtes Kind, sie geht einer ernsten Zukunft mit einer Ruhe entgegen, die mich beinahe ängstigt. In wenigen Monden vielleicht die Gattin eines Mannes, den sie kaum kennt. Ist es Gottes Wille, daß sie diese Verbindung schließt, so wird er sie auch schützen, denn Victoire hat sie nicht gesucht. Ach. Leopolds schreckliches unerwartetes Unglück hat meinen Muth, meinen Glauben an Glück zerstört. Mir ist 121

immer, als ginge ich auf einem Krater, wo meine Lieben einbrechen und verschwinden müßten.“15 Je älter sie wird, desto weniger kann Auguste sich damit abfinden, dass jedes Familienereignis mit einer langweiligen Festivität begangen wird. Die Verlobung Victoires mit Edward von Kent wird am 28.  Mai 1818 mit einem Bankett und einem nicht enden wollenden Konzert gefeiert, am nächsten Tag versammelt sich die Familie zum Lunch auf dem Landsitz Augustes in Ketschendorf. Am Abend, um halb neun, fahren die Hochzeitsgäste zum Schloss Ehrenburg, in dessen beeindruckendem Riesensaal die Trauung stattfindet. Inmitten des Saals wartet unter einem roten Samtbaldachin der Bräutigam, ­Edward von Kent, in der Uniform eines englischen Feldmarschalls. Victoire wird von ihrem Bruder Ernst hereingeführt, ihr weißes, viel zu jugendlich wirkendes Brautkleid ist übersäht mit gestickten Rosen und Orangenblüten. An Liebe ist bei dieser Verbindung nicht zu denken, und es ist auch nicht leicht zu verstehen, warum Charlotte, die verstorbene Prinzessin von Wales, so sehr auf diese Verbindung zwischen Kent und Victoire gesetzt hat.16 Als Charlotte noch lebte, war die Thronfolge in Großbritannien gesichert. Dennoch überredete sie den Bruder ihres Vaters, der bereits fünfzig Jahre alt war, ein legitimes Kind zu zeugen. Und sie ­entschied sich zusammen mit Leopold dafür, Leopolds Schwester ­Victoire als Heiratskandidatin ins Auge zu fassen. Dabei hätte es durchaus näher gelegen, Prinzessinnen auszuwählen, die noch nicht verheiratet gewesen waren und jünger und deshalb eher bereit für eine Empfängnis. Wäre zudem Charlottes totgeborener Sohn am Leben geblieben, hätte er einmal als Thronfolger selbst auf die Suche nach einer passenden Braut gehen müssen. Vielleicht ermunterten Leopold und Charlotte im Hinblick darauf die Brüder des Prinzregenten, für legitimen Nachwuchs und damit in der Familie für passende mögliche Ehepartner zu sorgen. Warum dem Zufall überlassen, was für den Fortbestand von Dynastien so wichtig ist? Mit der Trauung in Coburg ist es nicht genug: Victoire und Edward von Kent sollen sechs Wochen später noch im Kew Palace in Surrey vom Erzbischof von 122

Canterbury nach anglikanischem Ritus getraut werden, in einer Doppelhochzeit mit Kents Bruder William, der Adelheid von SachsenMeiningen zum Altar führen wird. So kann sichergestellt werden, dass etwaige Nachkommen aus diesen Verbindungen ein Anrecht auf den britischen Thron geltend machen dürfen. Luise kann nicht verborgen bleiben, wie eilig um sie herum geheiratet wird, auch ihre eigene Ehe sollte ja so schnell wie möglich vollzogen werden. Als Ernst um sie freite und auf eine frühe Heirat pochte, glaubte sie an seine aufrichtige Liebe. Doch nun denkt sie an die warnenden Worte des Vaters, der dem Schwiegersohn zutiefst misstraut und Luise in seinen Briefen beständig ermahnt, dem Ehemann mit Vorsicht zu begegnen: „Ja, bitte suche ihn durch Reinheit, durch fromme Mäsigung den gefährlichen Beschützer, den zweydeutigen Wohlthäter zu feßeln. Freylich liegt dir viel an der, dich bezaubernden Gegenwart, aber nach dem Rausch folgt der Schlaf; und nach diesem das Erwachen und die nüchterne, kühle, schmeichellose Wahrheit. Aber du gähnst und lachst höhnend!“17 Inzwischen kommt es Luise so vor, als habe der Vater sie zu Recht warnen wollen. Sie bemerkt, dass sich Ernst von ihr entfernt. Während sein Interesse an seiner jungen Frau abnimmt, scheinen alle anderen sie nur umso aufmerksamer zu beobachten. Schwiegermutter Augustes Sorge ist angesichts der fortschreitenden Schwangerschaft Luises verständlich, doch die strenge Überwachung der jungen Herzogin durch den Kammerherrn Maximilian von Szymborsky und dessen Einmischung in ihre Angelegenheiten, bleibt sogar dem Vater in Gotha nicht verborgen. August ermahnt seine Viva, mit den Briefen, die er an sie schreibt, vorsichtig umzugehen: „Wirf nicht deine Briefe weg; oder willst, kannst, darfst du das nicht, so schicke sie mir gelesen oder ungelesen zurück; denn in des Herrn von Schimborski [Szymborsky] Händen, wünsche ich sie nicht zu wißen, da ich sie nicht für ihn schrieb. Dieses als erste väterliche Bitte, ein geschriebenes Wort, ein zu zeichen gewordenes Denken, bleibt ewig das Eigenthum unßeres Ichs. Merke dir das gutes Kind. Daß du alles deinen fürstlichen Herrn sagst und zeichst, ist ein Beweiß deiner gränzenlosen Minne 123

deines unbeschränkten Zutrauens.“18 August wählt seine Worte mit Bedacht, da ihm bewusst ist, dass der Inhalt seiner Briefe möglicherweise auch Ernst bekannt gegeben wird. Er lege in seiner Sprache Großmut und Mäßigung an den Tag, versichert August und verbindet seine Mahnungen an seine Tochter mit einem indirekten Hinweis an deren Ehemann: „Achtung und Dankbarkeit, denn beyde bin ich deinem allmächtigen Gatten schuldig, so lange er dich liebt und achtet […] so lange er dich glücklich macht. Grüße ihn und küße ihn, deinen schönen, weltklugen Gatten. Blicke ihn sanft flehend und wehmüthig in das männlich fürstliche Auge; so lange die schwartze Wimper nicht scheu, nicht zu stolz, nicht zu schmeigelhaft, oder gar kalt und verweisend zuckt; oder was noch schlimmer, übersatt droht,  – so lange bist du auch zu preißen und zu beneiden.“19 August misstraut seinem Schwiegersohn Ernst, und seine Sorgen sind keineswegs unberechtigt, auch wenn Luise ihnen anfangs keine Beachtung geschenkt hat. Doch nun, da sie mit dem ersten Kind schwanger ist, mehren sich die Zweifel. Luise fühlt die Bürde, die ihr auferlegt wird, doppelt auf sich lasten. Oft ist ihr übel und sie wünschte sich den Beistand ihres Ehemannes, doch der werdende Vater will von seiner Jagdleidenschaft nicht lassen. In ihrem Zustand kann sie ihn nicht mehr begleiten und er entfernt sich offenbar mehr und mehr von ihr. Es scheint, als behielten ihre Stiefmutter Karoline und Charlotte von Bock mit all ihren Ermahnungen, ihren Warnungen vor zu viel Gefühl in der Ehe am Ende doch recht. Luise ist zu jung und unerfahren, zudem zu schwärmerisch veranlagt, um dieses noch am Anfang des 19. Jahrhunderts im Hochadel verbreitete höfische Verständnis der Ehe zu begreifen oder gar gutzuheißen. Dass Liebe und Ehe in diesen Kreisen nichts miteinander zu tun haben, ja möglichst einander ausschließen sollen, dass demgegenüber Liebe als Leidenschaft nur Vergnügen bedeuten soll, das nicht auf Dauer ausgelegt ist, muss ihr fremd bleiben. Adlige Familien achteten zuerst auf das Ansehen des Mannes, die Frau diente nur dessen Erhöhung und durfte sich keinen Illusionen hingeben. Ihre Aufgabe war es, für die Dynastien Kinder zu gebären. Als Lohn dafür war nicht 124

die Liebe des Mannes zu erwarten, sondern eine respektable Stellung in der höfischen Gesellschaft. Mit diesem Verständnis der Ehe, das in weiten Teilen auch Anfang des 19. Jahrhunderts im Hochadel noch verbreitet war, hatte die Liebe als Beschreibung eines dauer­ haften Bindungsimpulses nichts zu tun. Es herrschte sogar die Vorstellung, dass sich Liebe und Ehe geradezu ausschließen mussten. Der Begriff Liebe umschrieb die „amour passion“, die leidenschaftliche Hinwendung zum anderen Geschlecht, die Vergnügen bereiten sollte, aber nicht auf Dauer angelegt war. Sie hatte ihren Platz ausdrücklich außerhalb der Ehe und wurde an den Höfen des 17. und 18.  Jahrhunderts in einem ausschweifenden Mätressenwesen geradezu zelebriert. Dagegen waren in der ehelichen Liebe erotische Gefühle eher ausgeschlossen und unerwünscht, denn hier sollte durch die Zeugung legitimer Nachkommen vor allem der Fortbestand des Adelshauses gesichert werden.20 Luise, ihre Situation offenbar verkennend, hofft immer noch, Ernst habe die ritterlichen Tugenden, die Treue und Minne in den Vordergrund stellen, zu seinem Maßstab gemacht. Zumal sie nun sein Kind unter dem Herzen trägt. Dass es auch ihm nur um den Fortbestand seines Hauses geht, wie all den englischen Herzögen, die sich nun in letzter Minute noch beeilen, legitimen Nachwuchs zu zeugen, um für die Hannoveraner den Anspruch auf den britischen Thron zu sichern, vermag sie sich nicht vorzustellen. Es ist zu bezweifeln, dass Luise zu dieser Zeit überhaupt ahnen kann, welche Rolle sie selbst im Coburger Kalkül spielt. Wahrscheinlich ist sie viel zu jung und unerfahren, um die weitreichenden Pläne ihres Schwagers Leopold zu durchschauen, der den Weg zu einem in der Geschichte einmaligen Coburger Heiratsnetzwerk bereitet. Leopold verbindet die kühnen, aber kurzfristig angelegten Visionen seiner Mutter Auguste mit den langfristigen Strategien seines Beraters Stockmar und verfeinert das Ganze mit seinem diplomatischen Geschick. Wie soll Luise überblicken, was auf dem Spiel steht? Dass Leopold die ersten Glieder einer Kette zusammenschmiedet, die sich von einer Generation zur nächsten fortsetzen und immer weiter ausbreiten soll, kann sie nicht erken125

nen. Die Vorfahren ebenso wie die gegenwärtigen und zukünftigen Familienmitglieder bilden in dieser Konstruktion eine Einheit, die nur als solche genügend Gewicht besitzt, um sich einflussreicheren politischen Mächten in Europa entgegenstellen zu können. Gefahr droht, wenn sich Glieder der Kette nicht einordnen wollen und vergessen, an welche Loyalitäten sie ein Leben lang gebunden sind. Angehörige, die wie Victoire ins Ausland heiraten, müssen stets daran erinnert werden, wo der Ursprung ihrer Interessen liegt – in Coburg.21 Luise fühlt sich in ihren immer enger werdenden Verhältnissen einsam und unglücklich. Mehr denn je vermisst sie ihre Vertraute, Auguste von Studnitz, die sie in ihrer Verzweiflung nun der Untreue bezichtigt. Aus Gotha wird ihr zugetragen, dass Gussi froh und ausgelassen ihre Tage genieße und sich gegen jedermann ausgesprochen freundlich zeige. Offenbar hat sie ihr gemeinsames Treuegelübde aufgegeben, vermutet die erboste Luise.22 Sie fleht die Freundin an, zu Besuch zu kommen, gerade jetzt sei die Rosenau so herrlich grün und blühend, die Nachtigallen sängen wunderbar – doch Auguste findet nicht den Weg nach Coburg. Luises Schwangerschaft ist nun schon weit fortgeschritten, was bald die Anwesenheit eines Arztes ­erfordern wird. Die Wahl fällt auf eine Doktorin, die an den Universitäten Göttingen und Darmstadt Medizin studiert hat: Dr. Charlotte Siebold. Die junge, sechsundzwanzig Jahre alte Ärztin hat viel praktische Erfahrung als Hebamme vorzuweisen und scheint nach der Katastrophe während Charlottes Totgeburt nun die richtige Wahl für die Niederkunft Luises zu sein. Am 21. Juni 1818 wird Luise von einem gesunden Jungen entbunden, der auf die Namen August Ernst Carl Johannes Leopold Alexander Eduard getauft wird  – unser aller Liebling Johann, wie der stolze Großvater August von Sachsen-Gotha seinen Enkel (später Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha) nun nennt. Luise verfasst schwärmerische Briefe an ihre Freundin Gussi, in denen sie ihr Neugeborenes beschreibt. Große, dunkelblaue Augen, ein kleiner, hübscher Mund – nur die Nase kommt ihr hässlich vor: „Ich benutze den ersten Augenblick, wo es mir wieder erlaubt ist zu schreiben, um mit 126

Dir, theure Auguste, nach altem Gebrauch zu plaudern […]. Viel hat sich zugetragen seitdem ich Dir zum letzten Mal schrieb; eine Beschreibung der Schmerzen, die ich empfunden habe, kann ich Dir nicht geben, da ich selbst nicht mehr davon weiß, sie waren ja nur vorübergehend, mein Glück ist aber bleibend, wenn der Himmel seinen Segen gibt […]. Du kannst gar nicht begreifen, welchen sonderbaren Eindruck es mir macht eine respectable Mama zu sein, ich liebe mein Kindchen sehr, doch kann ich noch nicht begreifen, daß es mir gehören soll.“23 Der sonderbare neue Zustand macht Luise zu schaffen, besonders da Ernst wie immer abwesend ist. Bis nach Gotha an den elterlichen Hof verbreitet sich die Kunde vom schleichenden Niedergang der ­Coburger Ehe. Luises Vater August fürchtet schon jetzt um das Seelenheil seiner unglücklichen Viva: „Du schwiegst, weil trübe Laune dein junges frisches Herz umdüstert, weil verliebte Sehnsucht wie Sonnengluth die zarte Seelenblume welkt; weil die neue wunderbare Erfahrung, daß Ernst ohne dich seyn kann, deine Eidelkeit tief verletzt, deinen Stolz plötzlich lähmt. Du schweigst, Kind, armes verzogenes, liebliches und oft liebenswerthes Kind, weil man nicht mit Zähren [Tränen] scheiben kann, weil Seufzer keine Zähren haben; weil ein Gemisch aus Zorn und Langeweile, Liebe und Selbstsucht, nur ein wirres Gemisch bleiben.“24 Ohne Mann, so spürt August, fühlt sich Luise von Gott verlassen, enttäuscht wie früher, als sie ihre Lieblingspuppe verloren hatte und sich um das Objekt ihrer weiblichen Zärtlichkeit betrogen sah. Er glaubt zu verstehen, warum Luise sich mit ihrem Kummer nicht an die Eltern in Gotha wendet – sie schweige wohl, weil der wunderliche und sonderbare Vater, wie er sich selbst beschreibt, von diesen Liebeswirren nichts verstehe und ihr am Ende zum Trost doch nur ein neues Spielzeug schenken würde. Noch mehr aber, so denkt August, fürchtet sich Luise vor Stiefmutter Karoline, dieser hehren, edlen und nur sich selbst treuen Gebieterin, die nur einmal aus jugendlicher Leidenschaft den Höfling von Taube geliebt hatte, lange bevor sie das Wesen der Ehe begriff. Ihre Gemeinschaft mit August ist sie klüger und kühler angegangen. 127

Schon immer war Luise ihr Rosen- und Dornenkind, sie würde nicht viel Mitleid haben für die „angelaufenen Flittern und zerdrückten ­Papierblumen und geknickten Paradiesfedern“25, die nun vom Liebestraum ihrer Stieftochter übriggeblieben sind. August ist ratlos ob der Wehmut und Sehnsucht Luises, die er selbst nicht kennt: „Nein, du weißt, daß mein Lieben kein Geschlecht hat, und daß mein Herz eine Taube des Paradieses, sich nur von Engelshänden liebkosen läßt […] du fühltest, glücklich ahnendes Kind, Lina und Emil [Karoline und August] lieben sich wie verwandte Tauben, nein kunstlos, unbefangen, gränzenlos, ohne Wandel, in dem doppelt bequemen Neste der Ehe.“26 Welchen Rat angesichts des Durstes der Liebe kann er geben, welchen Balsam auftragen für die verletzte Eitelkeit und den gebrochenen Stolz? Hülfe Opium gegen verwelkte Gefühle, er würde es verabreichen. So bleibt ihm nur die Hoffnung, die Tochter werde sich mit den Realitäten arrangieren: „Sey ruhig, Kind!“, rät er ihr.27 Doch Luises Eifersucht ist angefacht, sie hegt den Verdacht, Ernst könne sich den Freuden der Liebe auf einer seiner Reisen oder auf seinen Jagdausflügen hingeben, außerhalb der Ehe. In ihrer wachsenden Verzweiflung appelliert sie an den Gatten: „Monsieur mon Maitre! Du wirst lachen, mein theures Liebchen, wenn Du dieses noch vor deiner Abreise geschriebenes Briefchen erhältst und mich für recht töricht halten. Aber verzeihen wirst du mir doch, da ich es ja nur aus wahrer, besorgter Liebe schreibe. Du kennst meine ganze Neigung für dich und die böse Angst, die ich hege. Erlaube mir also dich zuerst an dein Ehrenwort zu erinnern. Das Versprechen eines ächten Ritters ist ihm heilig, besonders wenn er es seiner Dame gab (und dafür darf ich mich halten, nicht wahr?) Also bitte, bitte bewahre die alte, deutsche Treue und laß deinen Handschlag und Schwur gelten. Das Vergnügen, was eine andere dir verschafft, kann dich ja doch nicht wahrhaft freuen, da es Sünde ist. Denke an mich nur ein wenig und an meine unbegrenzte Trauer in Deiner Abwesenheit und an die innige Freude bei deiner Heimkehr und an das fröhliche Vertrauen, was dein Versprechen mir gab […]. Laß dich nicht blenden von sanfter Schönheit und blicke nicht verachtend auf mich. Ich werde indeßen nach 128

alter Sitte, meines geliebten Herrns gedenken. Mit Sehnsucht und Demuth auf seine Rückkehr harren und in Gebet und Arbeit meine Tage verleben. Nun ein Küßchen noch du liebes Liebchen, könnte ich es dir nur geben. Ewig deine alte treue Frau Luise.“28 Sie versichert ihrer Freundin Gussi, Ernst mehr denn je zu lieben, doch schon bald darauf beklagt sie sich wieder über ihre Einsamkeit.29 Im Herbst 1818 erkrankt Luise an Windpocken. Auch um ihren kleinen Sohn Ernst steht es schlecht – Großvater August ist in großer Sorge.30 Ganz plötzlich überfallen Krämpfe das vier Monate alte Kleinkind, eilig wird ein Arzt herbeigerufen, der das Schlimmste gerade noch verhindern kann. Nicht auszudenken, wenn nun einer der beiden, Mutter oder Sohn, oder gar beide stürben, wenn die Hoffnung auf Fortführung der coburgischen und gothaischen Linien ganz plötzlich zunichte gemacht würde. Noch zu frisch ist das Schicksal der armen Charlotte, um nicht jedem bei einem schweren Krankheitsfall sofort in Erinnerung zu kommen. Bis zur vollständigen Genesung ­Luises dauert es Wochen, in denen sich ihr Schwager Leopold, der in ­Coburg zu Besuch ist, besonders aufmerksam um sie kümmert. Sie ist tief berührt von seiner Traurigkeit, die er in Gesellschaft so gut es geht zu verbergen sucht. Doch immer wieder erlebt Luise ihn in Momenten, in denen er vom Schmerz über den Verlust seiner so früh verstorbenen Charlotte überwältigt wird. Leopold lächelt nur noch selten, stellt Luise fest und ist umso dankbarer, dass sich ihr Schwager so sehr um sie bemüht und ihm so viel an ihrem Glück gelegen ist. Er, der weiß, was Verlust bedeutet, beweist eine Empathie, die Luise in ihrer schwierigen Lage als tröstlich empfindet.31 August, in seiner theatralischen Art, vergleicht seine Tochter mit der biblischen Figur des Hiob, von Geschwüren gezeichnet, von Gott geprüft, und reiht auch seinen Schwiegersohn und dessen Bruder in die Gemeinschaft der vom Schicksal Herausgeforderten ein: „Dein Ernst, wie Hiobs kalter, besonnen, tief blickender Herzensfreund; ­Leopold, wie deßen vom Unglück wundgeriebener, überreizter, ­glaubenloser, erbitterter Vertrauter“, dichtet August in einem seiner Briefe an die Tochter.32 129

Erst Mitte November hat sich Luise von ihrer Krankheit so weit erholt, dass ihr Vater seiner Sorgen enthoben ist – er vergleicht sie nun mit dem biblischen Lazarus und sinniert in seinem Brief über Sterben und Geborenwerden. Er ermahnt Luise, sich künftig zu schonen und nicht wieder mit dem Ehemann auf beschwerliche Jagdausflüge zu gehen: „Du warst in Gefahr. Ich schaudere […] Werde aber auch klüger und beweiß Deinem Gatten, daß Du ihn achtest und liebst: beweiße ihn, daß Du Deine Schuldigkeit kennst, daß Du Dich glücklich in Deiner Lage fühlst in dem Du Dich Deinen Gatten und Deinen Unterthanen zu erhalten suchst. Wenn von kindischer Liebe, von allerdings verzeihlicher Selbstsucht getrieben und gequält, Du nicht gern den Arm Deines Herzogs verläßt und aus Wißbegierde auch gerne seine Jagdwunder anstaunst; so hat wohl Niemand etwas dagegen, Geschieht dieses Nachziehen mit Vorsicht und Mäßigung.“33 Zwischen Luise und Leopold entwickelt sich in dieser Zeit Ende des Jahres 1818 offenbar ein enges Vertrauensverhältnis, wie es nur zwei einander verstehende verletzte Seelen eingehen können. Als in der Weihnachtszeit Leopolds Geburtstag gefeiert wird, rezitiert Luise ihm zu Ehren eigens geschriebene Verse – doch es will keine fröhliche Stimmung aufkommen, denn nicht nur der Schwager ist niedergeschlagen, auch Schwägerin Sophie von Mensdorff-Pouilly befindet sich nach einer schweren Geburt im Zustand der Melancholie.34 Die üblichen Bälle und Diners bringen zwar Abwechslung, aber die Heiterkeit will in diesem Winter nicht zurückkehren. Auguste, die Feierlichkeiten ohnehin nicht besonders schätzt, wird von der gedrückten Stimmung angesteckt. Sie fühlt sich von ihren Söhnen vernachlässigt, besonders von Ernst, der ständig abwesend erscheint, manchmal sieht sie ihn am Abend, doch seine kurzen Stippvisiten können sie kaum aufheitern. Luise, die ihr Gesellschaft leistet, ist zu jung, um für die Schwiegermutter ein würdiger Ersatz zu sein. Auguste sehnt sich nach den vergangenen Zeiten, als sie mit ihrer Familie unter einem Dach lebte, als alle ihre Lieben noch ganz selbstverständlich um sie herum waren.35 Nun scheint jeder nur noch mit seinen Sorgen beschäftigt zu sein. Obwohl Leopold aus London zurückgekehrt ist, wenn auch nur 130

vorübergehend, obschon alle wegen der vielen Familienfeste wieder häufig zusammen sind, will sich Augustes Wehmut nicht legen. In diese düstere Zeit hinein fällt Luises zweite Empfängnis. In den ersten Dezemberwochen besucht Leopold August und Karoline in Gotha. Luises Stiefmutter stellt fest, wie verändert er wirkt, wie unglücklich. Doch er bringt gute Kunde von Luise und ihrem Sohn.36 Der schöne und wunderbare Leopold, wie August ihn nun immer öfter nennt, scheint im Leben seiner Tochter eine zunehmend wichtigere Rolle zu spielen. Sie liebe ihn, gesteht Luise ihrer Freundin Gussi, wenn auch in einem anderen Sinn als ihren Ernst: „Gestern Abend kam mein Schwager Leopold hier an und sprach mir viel von Gotha. Er hatte Dich gesehen und lobte sehr Deine schöne Gestalt, nur ein wenig bleich sähest Du aus, meinte er. O wie gern möchte ich an seiner Stelle gewesen sein, um Dich wiederzusehen, theure Auguste. Du wirst ihn recht schön und liebenswürdig gefunden haben. Sage mir ganz offenherzig, wen Du am schönsten findest, ihn oder Ernst, ich sage es keinem wieder und da ich Beide liebe, nur in anderem genre, so nehme ich Deine Aeußerung gar nicht übel.“37 Wenig später, Ende Dezember, kann sich August an einem Geschenk erfreuen, das ihm Luise und der „theure“ Leopold gemeinsam gemacht haben: ein aus Lack gefertigtes Kabinett, das mit goldenen Verzierungen übersät ist, die Blüten und Ranken darstellen, und sehr fremdländisch anmutet: „[…] alles dies japanische Wesen kommt gewiß allein – gesteh’ es nur – von den mir so theuren Leopold: denn nichts Ähnliches erspähte ich in Coburgs Schätzen: und sein ächter, unnennbarer Geruch – ich mein den des Lak’s nicht des Gebers – war mit englischer Steinkohlen-Säure geschwängert, als ich die einzelnen […] Kästchen herauszog. So gesteh’ es nur die japanischen oder englischen-japanischen Meisterwerke kommen von dem Schwager.“38 Immer begeisterter lobt August in seinen Briefen an Luise den „herrlichen Menschen“, dem er sich nun auch erkenntlich zeigen, ihn seiner Treue und Liebe versichern möchte. Doch seine Freude über das unerwartete Geschenk wird schon bald von allerlein Sorgen verdrängt. Eine Reise nach Dresden und Altenburg steht August bevor, 131

böse Stunden, Wende- und Entscheidungspunkte seines Lebens kommen ihm in Erinnerung, er fürchtet sich vor gefährlichen, schmerzhaften Krankheiten und der Trennung von Karoline, die in Gotha zurückbleibt.39 Entgegen seinen schlimmsten Befürchtungen überlebt August die Reise, die ihn sogar so sehr zu zerstreuen vermag, dass er weder Tochter noch Frau brieflich Bericht erstattet. Er wird so bestürmt von den Eindrücken, fühlt sich so leidend, überreizt, ergriffen und betäubt, dass es Mitte Februar wird, bis er Luise wieder schreibt. Sogleich beschwert er sich, bei seiner Rückkunft keinen Brief seiner Viva vorgefunden zu haben, und erinnert sie daran, wie wichtig ihm ihre zweite Schwangerschaft ist und wie sehr er auf Nachricht gehofft hatte. Gott werde Luise strafen, prophezeit August, er werde sie mit einer Tochter niederkommen lassen, die ihm gleiche, aber noch viel blonder und spießiger wäre als der Großvater!40 Was hat Luise davon abgehalten, dem Vater und der Stiefmutter ein paar Zeilen zu schreiben? Die Tochter antwortet jetzt mit einem „sonderbaren Geständniß, minnigen Gegenstands“, das August sehr zu überraschen scheint und das äußerste Geheimhaltung erforderlich macht: „[…] denn dieses wunderbare Geständniß würde seiner Naivität wegen die schalkhaften Mitwißer nur auf unsere Kosten ergötzen, Niemanden helfen, nicht einmal denen gewiß recht weisen (ich rede mit fester Überzeugung) nur Dein bestes befördernder Handhaber Deines Willens und Deiner freyen Gefühle nutzen  – beßer ist’s, wir schweigen […] bescheiden und demüthig; wir erfüllen jede Pflicht unseres neuen Wechselberufs die leichten und die kleinen,  – wie die schweren und drübenden, die unerklärlichen wie die launigen, die uns verletzenden, wie die uns demüthigenden, die mit Kälte, wie die mit Hohn und Verachtung erwiederten Pflichten.“41 Luises Sinne sind betört, stellt August fest und gesteht ihr zu, jedes Recht auf Geheimhaltung zu haben, besonders vor dem „poh­ lakschen Minister“, mit dem offenbar Luises Bewacher Maximilian von Szymborsky, ein gebürtiger Pole, gemeint ist. So oft er seine Viva sonst ermahnt, den Willen ihres Gatten zu achten, so sehr bestärkt er sie nun, ihr Geheimnis zu bewahren und sich ihrer Macht bewusst 132

zu sein, die ihr kein Minister nehmen könne. In ihr wächst ein Kind, auf das auch August als Großvater seine Rechte geltend machen wird, so wie er klarstellt, sich seinen Enkel Johann (Ernst) nicht entziehen lassen zu wollen: „Auf diesen Liebling unser Aller geb ich nun ein mal meine schönen, heiligen, mächtigen Rechte nicht auf. Der kleine ­Johann ist uns, Euch, dir, also dreymal mir.“42 Warum sorgt sich ­August so sehr um seinen Enkel, warum fürchtet er, Luises Geheimnis könnte gelüftet werden? Luise scheint sich neu verliebt zu haben, ein gefährlicher Gemütszustand, wenn es sich um Gefühle für einen anderen Mann als den eigenen handelt. Ist es denkbar, dass ein Bediensteter des Hofes sich die Freiheit herausnimmt, Luise mit Zärtlichkeiten zu bedrängen? Immerhin wird sie auf Schritt und Tritt überwacht, von Ernsts Aufpasser Szymborsky und nicht zuletzt von Schwager Leopold. Was, wenn das zweite Kind, das Luise erwartet, zwar ein Coburger ist, aber nicht von Ernst stammt? Würde das nicht erklären, warum der Ehemann nichts gegen einen möglichen Nebenbuhler unternimmt? Ist dies der Ursprung aller späteren Gerüchte, Luise könne Ehebruch begangen haben und die Frucht einer verbotenen Liebe unter ihrem Herzen tragen? Leopold als möglicher Vater Alberts  – im Licht dieser Zusammenhänge eine verständliche Ver­ mutung, die bis heute nicht verstummt ist. Als Luise dem Vater ihr verwirrendes Geheimnis mitteilt, sind es noch sechs Monate bis zum Geburtstermin des Babys – mit der Niederkunft wird am 28. August 1819 gerechnet. 43 Während dieser zweiten Schwangerschaft, in der sich Luise wieder oft unwohl fühlt, nichts essen kann und kaum aus dem Bett herausfindet, nähern sich Vater und Tochter in ihren Briefen wieder an (von denen nur die Augusts, nicht aber die Luises erhalten sind). Der schöne, herrliche und unentbehrliche Leopold ist omnipräsent, der innig geliebte Schwager Luises, der den strengen und distanzierten Ernst noch abwesender wirken lässt. August ist überzeugt, seine Viva werde ein Mädchen zur Welt bringen und sieht in diesem noch imaginären Prinzeßchen eine weibliche Version seiner eigenen Erscheinung: Er stellt sich die kleine „Emilie“ mit blauen Augen und hohen Brauen, dunklen Wimpern 133

und einem Schwanenhals vor, mit schlanken Händen und Füßen, üppigen hellen Locken, gesegnet mit Talent, Geist, Anmut und einem frommen kühlen Herz. Immer fantastischer werden Augusts Parabeln, die er zur Erbauung Luises erfindet – er schwadroniert von Jagdund Lustabenteuern seines Hofschreibers, der neuerdings für ihn die Feder beim Verfassen seiner Briefe führt, von dessen Eierklau, von Hasenraub und Kuckucksbrut. 44 Es gärt am Coburger Hof. Geheimnisse, Andeutungen, Gerüchte und Beschuldigungen vergiften die Atmosphäre  – aber niemand spricht offen aus, was den inneren Frieden des Hauses so massiv stört, ja bedroht. Misstrauen schleicht sich ein und macht sich breit, nicht lange, da erfasst es auch die Dienerschaft. Wieder ist es Charlotte von Bock, die sich berufen fühlt und sich vehement einmischt, weil sie vor allem Luise zur Raison bringen will. Das „böse Bräutgen“ ergeht sich in kindischen und unvorsichtigen Äußerungen, die der Hofdame gefährlich erscheinen. Doch zu ihrem Entsetzen wird Charlotte von Ernst mit Härte und Kälte behandelt, als sie ihm Mitteilung über das offenherzige Gerede seiner Frau macht. „Durchlauchtigster Herzog“, schreibt die Bock an Ernst, „Euer Durchlaucht wünschen zwar die Sache für immer begraben zu sehen, die Ihnen so unangenehm ist, und war. Allein, erlauben Sie mir nochmals ein geneigtes Gehör, und dann verspreche ich auf immer zu schweigen und Sie nie wieder zu berühren! Zuerst beteure ich, daß nie, auch nur entfernt mir in den Sinn gekommen Euer Durchlaucht das Vertrauen Ihrer lieblichen Braut entziehen zu wollen. Dieß wäre von Mir ein höchst thöriges Beginnen gewesen, und hätte mich im höchsten Wiederspruch mit mir selbst dargestellt. Ich wollte anfänglich die Prinzeßin aufmerksamer auf sich selber machen. Dieß war meine ganze Absicht! Bey der genauern Ken[n]tniß des holden Wesens muß ich’s, kann ich’s thun. Das aber der Funcke, der nur ein wohlthätiges Licht anzünden sollte, zu einer zerstörerischen Flamme werden möge – nie hätte ich das wünschen: bewerkstelligen sollen!“45 Charlotte von Bock ist wahrscheinlich nicht die Einzige, die ­Unheil aufziehen sieht. Im März 1819 unternehmen Ernst, Luise und 134

Leopold gemeinsam eine Reise nach Gotha  – mit dem Schlitten 46, eine Fahrt, die im Winter ein Wagnis darstellt und für die schwangere Luise wahrscheinlich kein reines Vergnügen ist. Als Tochter, Schwiegersohn und dessen Bruder wieder abgereist sind, politisiert und polemisiert August wie selten in seinen Briefen an Luise, er vergleicht Ernst und Leopold mit Eis und Feuer, der eine ein „Donnerer“, der andere ein „Blitzer“, beide mit Ambitionen und rastlosem Ehrgeiz ausgestattet, die für Unruhe sorgen werden. Die liebliche Viva, so glaubt August, übersehe mit Nachsicht, was ihren ernsten Gemahl, den „strengen Erfüller alles Schicklichen“, nötigen könnte, sogar den Thron der Ahnen zu verlassen. Leopold wäre dann möglicherweise gezwungen, seine englischen Pläne aufzugeben und den heimischen Herrschersessel zu besteigen. „Nein, heute wird der strenge und der scharfe Richter nichts gegen mein nichtssagendes Gewäsch haben; mir es selbst nichtssagend ist und weil darüber nichts zu sagen ist, es sey denn, daß es nichtssagend wäre. Nun sind die Richter beschwichtigt, der Donnerer wie der Blitzer“, die beiden verehrungswürdigen Herrn Schwiegersöhne, wie August Ernst und Leopold nennt. 47 Nicht nur Ernsts Ehe mit Luise bereitet dem Schwiegervater Kopfzerbrechen, auch scheint sich Ernst mit seiner Regentschaft auf unsicherem Terrain zu befinden. Warum fürchtet August solche Umwälzungen, die das Machtgefüge in Coburg auf den Kopf stellen könnten? Warum sollte der ältere Bruder gezwungen sein, den Platz frei zu machen für den jüngeren? „Will der Herzog aus allzu bescheidener Scheu, aus edlen Stolz, daß ich nichts von der bestochnen, eigennützigen Geliebten von ihn erfahren soll […]“, fragt August schon im September 1818. 48 Luise kann nicht verborgen bleiben, welche ­Gefahr ihr durch Ernsts Hang zu Liebschaften droht, seien sie nun Möglichkeiten in der Zukunft oder Ballast wie die vergangene mit der mysteriösen Madame Panam. Luise ist gekränkt und fühlt sich vernachlässigt, vielleicht droht sogar die Auflösung der Ehe, was ihren Status in der höfischen Gesellschaft nachhaltig beschädigen würde. Ihre Eifersucht lässt sie leichtsinnig werden. Sie schleicht durchs Schloss, um an Türen zu lauschen, sie folgt ihrem Ehemann, wenn er 135

davoneilt, ihr mühelos entkommt, ohne ihre Anwesenheit überhaupt zu bemerken. So sehr ängstigt sie sich, wohin es ihn ohne sie treiben könnte, dass sie eines Tages Ende März das Gleichgewicht verliert und die Treppe herunterpoltert. Leopold ist entsetzt, er macht der Schwangeren heftige Vorwürfe, die nur ihre Wut und ihre Rache im Sinn hat und sich nicht um das für die Coburger Dynastie so kostbare Kind in ihrem Leib schert. 49 Nicht nur Luises seltsames Benehmen stört das Gleichgewicht am Coburger Hof, auch die schöne Griechin, Madame Alexandre Panam, gibt keine Ruhe. Von Wien ist sie nach Paris gezogen und droht erneut mit der Veröffentlichung ihrer Memoiren, die einen nicht nur unangenehmen, sondern überaus schädlichen Skandal für die Coburger entfachen könnten. Im Auftrag des Herzogshauses bemüht sich Maximilian von Szymborsky 1819, die Verhandlungen mit der Panam wiederaufzunehmen. Er schaltet den Pariser Anwalt Javon ein, um den Druck auf die ehemalige Geliebte Ernsts zu erhöhen und sie zu überzeugen, die Erziehung des unehelichen Kindes in die Hände der Coburger zu legen. Es sind schwierige Verhandlungen, die nicht mit der Panam direkt, sondern nur mit einem Unterhändler geführt werden können. Dieser warnt Javon vor der Brisanz der Enthüllungen und setzt ihn darüber in Kenntnis, dass die Memoiren bereits fertiggestellt und nach England übersendet worden sind. Es drohe ein großer Skandal, der nicht nur Herzog Ernst betreffe, sondern auch den Fürsten Metternich. Das Buch enthalte ­Kapitel, die den schwärzesten Romanen in nichts nachstünden. Der Unterhändler konfrontiert Javon mit der harten Haltung der Panam, die es ablehne, ihren Sohn herauszugeben, da sie sich dann schutzlos fühlen würde und ein Attentat fürchte. In ihren Memoiren habe sie Zeugnis abgelegt über mehrere Anschläge auf ihr Leben und das ihres Kindes, als deren Drahtzieher sie Herzog Ernst und seine Lakaien ausgemacht habe. Die Erzählungen klingen abenteuerlich, werden aber mit solcher Überzeugung vorgetragen, dass der Anwalt Javon keinen Verhandlungsspielraum mehr sieht. Er glaubt nun, es werde keine Einigung zu 136

erzielen sein, so lange die Coburger auf der Herausgabe des Kindes bestehen, und beschließt, Prinz Leopold von seinen Eindrücken zu berichten, dem sehr daran liegt, die peinlichen Angelegenheiten seines Bruders möglichst geräuschlos zu beseitigen.50 Die bisherige ­Strategie hat die Panam offensichtlich nicht davon abgehalten, ihre gefährlichen Memoiren zu Papier zu bringen, oder bringen zu lassen. Kann es einer kleinen Figurantin eines Pariser Theaters zugetraut werden, derart schädliche Schriften zu verfassen, die einem Schauerroman zur Ehre gereichen? Der Hinweis, das Buch befinde sich nun in England, lässt befürchten, dass es eine englische Übersetzung geben wird, die nun auch die Reputation und die Stellung Leopolds am britischen Hof gefährden könnte. Wieder einmal sehen sich die Coburger mit dem Rücken zur Wand, wieder einmal steht alles auf dem Spiel, kann das Kartenhaus, dessen mühsame Neuerrichtung durch die englische Heirat Victoires gerade erst begonnen wurde, augenblicklich in sich zusammenfallen. Da kommt endlich gute Kunde aus Amorbach: Victoire ist schwanger. Edward von Kent zögert nicht lange und lässt für die Überfahrt nach London packen, denn er will sicherstellen, dass sein Kind auf englischem Boden zur Welt kommt. Nur dann kann es den Thron Großbritanniens beanspruchen. Victoire, ihre Tochter Feodora aus erster Ehe und Edward reisen mit der Kutsche, die er selbst lenkt, in mehreren Etappen ins Königreich. Um zu gewährleisten, dass bei der Niederkunft keine Fehler begangen werden, ist die Ärztin Charlotte Siebold, die schon Luise bei der Geburt ihres ersten Sohnes betreut hat, mit von der Partie. Die vierwöchige Reise nebst stürmischer Überfahrt auf dem Ärmelkanal ist eine Strapaze, die die Schwangere heil übersteht. Am 24. Mai 1819 kommt eine Tochter zur Welt, die auf die Namen Alexandrina Victoria getauft wird, die spätere Queen ­Victoria. Edward von Kent hat sein Ziel erreicht. Luise fühlt sich noch weit von ihrer Erlösung entfernt. Am 23. Juli 1819 schreibt sie von der Rosenau an ihre Vertraute Aurore de Venançon, geborene Marassé: „Der Herzog hat mich gestern Mittag verlassen, um nach Karlsbad zu reisen. Dort wird er seine Schwester, die 137

Herzogin von Württemberg, wiedersehen. Glücklicherweise kehrt er schon am 29. zurück. Ich bin sehr allein, sehr traurig und wünsche mir zum ersten Mal, die Zeit hätte Flügel.“51 Auch Gussi erfährt in einem Brief von den Sorgen Luises, die sich um die Tochter der ­Herzogin von Württemberg drehen, die achtzehnjährige Marie: „Wie betrübt ich schon im Voraus darüber bin, kannst Du Dir wohl leicht denken, da noch das peinliche Gefühl der Eifersucht sich hineinmischt und ich mich stets vor den dortigen Schönen fürchte, zum Glück bleibt Ernst nur acht Tage aus.“52 Luise hat offensichtlich ein feines Gespür, von welcher Seite ihr wirklich Konkurrenz droht. Längst hat sie erfasst, wie sehr sich die Eitelkeit ihres Gatten darauf richtet, den schönen Damen nahe zu sein, besonders wenn sie so jung, so hübsch und so kokett sind wie Marie, die Tochter seiner Schwester Antoinette von Württemberg. Wieder einmal muss sich Luise eingestehen, wie weitsichtig die Mahnungen ihres Vaters August sind, der schon zuvor versucht hat, ihr die Augen zu öffnen: „Du fühlst, was Dir fehlt, und deine Zähren sind weder Schielsucht, noch alberner Ingrimm, nein sie sind Opfer auf dem Altare weiblicher Vollkommenheit; und du bangst nur, allzu ­themüthiges Hertz, dein Gatte, dein sonst so hellsehender, sonst so Schönheitskundiger Herr, dein Welt- und Damen-erfahrener Herzog, würde bestehen durch deine Liebe, verwöhnt durch deinen täglichen Anblick, geblendet durch Dankgefühl, zartes Mitleid, Treue, Vorliebe, männlichen Stolz, nur dich holdes, kluges, angenehmes, aber nicht schönes, nicht mit allen weichen, wonnigen hertzentzückenden Huldreizen weiblicher Vollkommenheit begabtes Kind, ja er würde nur dich, meine überglückliche Viva, aber weniger die wundervolle Schwäbin bemerken.“53 Längst, davon ist auch August überzeugt, hat Ernst die württembergische Nichte Marie ins Visier genommen, die so viel mehr an Schönheit zu bieten hat als die unerfahrene kindische Luise. Petersburg, Wien, Paris und Gott weiß wo der Herr Schwiegersohn sonst noch seinen Schönheitssinn gebildet hat  – da muss man sich nicht wundern, wenn ein Fürst zur gleichen Zeit vierzig, fünfzig schönen Damen auf einmal huldigen kann! So gehe es zu in der Welt, 138

die sich die Galanterie auf die Fahnen geschrieben hat und Luise solle sich damit abfinden, schreibt der Vater. Am 26. August 1819 wird Luises zweiter Sohn, Franz August Carl Albrecht Emanuel, genannt Albert, im Schloss Rosenau geboren. Charlotte Siebold, die vor wenigen Monaten in London seiner Cousine Victoria ins Leben geholfen hat, ist auch bei dieser Geburt dabei. Das so sehnlich erwartete Coburger Baby kommt gesund zur Welt, doch um die Mutter muss man sich sorgen. Luise ist schwach und niedergeschlagen, sie bangt um ihre Ehe. Nun schlägt die Stunde der Intriganten am Hof, wie Luise ihrer Freundin Julie von Zerzog später offenbaren wird: „[…] bald nach dieser zweyten Niederkunft, nach welcher sie längere Zeit krank war, suchte man durch Einflüsterungen von allen Seiten über die veränderte Gesinnung des Herzogs ihre Anhänglichkeit für ihn zu erschüttern. Sie gestand es mir offen ein, daß es ein großer aber jugendlicher Fehler von ihr gewesen sey, dass sie auch nur etwas gegen den Herzog angehört hatte.“54

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7. Das Coburger Kartenhaus

Luise und Victoire, ihre Kinder Albert und Victoria – sie sind die wichtigsten Schachfiguren im großen „Game of Thrones“ der Coburger. Und Leopold hält diese Fäden fest in der Hand. Nun hat sich doch noch ausgezahlt, dass Charlotte und er ihre schon in die Jahre gekommene Verwandtschaft ermutigten zu heiraten und Kinder zu bekommen. Warum auch warten, bis sich Ehebündnisse ergeben? Besser ist es doch, für die Heiratsstrategien der Herrschenden den ebenbürtigen Nachwuchs frühzeitig zu planen. Keiner ist so weitsichtig wie Leopold, doch eine gefährliche Gegenspielerin kann er nicht manipulieren – noch nicht: die erpresserische Madame Panam.

Belmont – oder Bellemont? Der Inspektor der Pariser Polizei, der sich am 23. September 1819 auf den Weg in die Rue du Helder macht, sucht nach einer Frau, die ihre Namen wechselt wie ein Chamäleon die Farbe. Sie ist aktenkundig als Henriette-Adelaide Alexandre, als Henriette Lingis und neuerdings, seit einem Aufenthalt in Frankfurt, als Madame Belmont. Warum er ausgesandt wurde, diese mysteriöse Person aufzusuchen, weiß der Inspektor nicht so genau, er hat die Order, sie zu befragen, und das genügt ihm. Eilig bahnt er sich seinen Weg durch die Straßen des 9. Arrondissements, blind für die reichen Parvenus, die diesen Stadtteil bevölkern und in den Bars und Hotels die Zeit totschlagen. Vor dem Hôtel du Tibre in der Rue du Helder verlangsamt er seine Schritte und zieht seinen Notizblock hervor. Noch ist er nicht sicher, ob er die Gesuchte hier tatsächlich 140

vorfindet, aber er will sich jedes Detail merken, um es später im Protokoll niederschreiben zu können. Man weiß nie, mit wem man es in diesen Tagen zu tun bekommt, zu viele zwielichtige Gestalten treiben sich in Paris in der Nähe der Oper und der vielen großen und kleinen Theater herum. In der Eingangshalle des Hotels sieht sich der Inspektor um, sie ist nicht besonders beeindruckend, aber auch nicht schäbig. Die Decke besteht aus einer von Eisenträgern gehaltenen gläsernen Konstruktion, die viel Licht hereinlässt. In mächtigen Kübeln gedeihen exotische Palmen, sie verleihen dem Raum das Ambiente eines Gewächshauses. Überall in der Halle verteilt stehen Tische und Stühle aus dunklem Holz, die zum Lesen oder Essen und Trinken einladen, links neben der Eingangstür sorgt ein Schaukelstuhl aus Korbgeflecht für Gemütlichkeit. Hier also hat sich Madame Belmont oder Bellemont einquartiert, ganz preiswert sind die Zimmer sicher nicht, das Hôtel du Tibre ist keine der Absteigen, die er sonst oft aufsuchen muss, wenn er verdächtige Personen befragt. Als er der Belmont, die tatsächlich auf ihn wartet, gegenübersteht, ist er zunächst von ihrer Schönheit verwirrt und die Worte brauchen eine Weile, bis sie sich von seinem Gehirn zu seinem Mund vorgearbeitet haben. Es ist ihm ganz recht, dass sein Gegenüber um Gesprächsstoff nicht verlegen zu sein scheint, denn kaum hat er sich vorgestellt, sprudelt die Belmont munter los, so schnell, dass der verwirrte Inspektor mit seinen Notizen gar nicht hinterherkommt und Mühe hat, nichts zu verpassen. Sie selbst habe unlängst um eine Audienz beim Polizeiminister gebeten, das sei wohl nun der Anlass dieser Befragung, vermutet die Dame und setzt ihren Monolog unbeirrt fort. Vor drei Monaten sei sie in Paris eingetroffen, geboren aber sei sie in Montpellier, wo die Revolution dafür gesorgt habe, dass das Geschäft ihres Vaters, Monsieur Alexandre, zerstört worden sei. Als dieser starb, sei sie mit Mutter und Schwestern nach Paris gezogen. Der Polizeiinspektor, der bislang eher höflich zugehört hat, ist nicht darauf gefasst, welche Richtung das Verhör nimmt, das eigentlich von Beginn an eher ein Vortrag der zu Befragenden ist. Sie scheint 141

sich ihre Geschichte sorgfältig zurechtgelegt zu haben, so schnell, wie sie sie nun abspult. Jetzt holt die Belmont noch einmal richtig Luft und weiht ihn in eine Räuberpistole ein, die die Vorstellungkraft des redlichen Mannes zu sprengen droht. Sie sei noch sehr jung gewesen, erzählt Madame Belmont, als sie die Bekanntschaft des Herzogs von Sachsen-Coburg gemacht habe. Ernst, so sein Rufname, sei auf der Stelle mit ihr eine Liebschaft eingegangen und habe sie dann mit sich in seine Heimat genommen. Dort habe sie ein Kind von ihm zur Welt gebracht, das der Herzog in seinen Briefen an sie als das Seine anerkannt habe. Alle seine Versprechen, für Mutter und Sohn zu ­sorgen, habe der schmähliche Liebhaber allerdings gebrochen und deshalb dafür gesorgt, dass sie diese Untersuchung in Gang setzen müsse, um sich gegen jene verabscheuungswürdige Behandlung zu wehren. Fleißig notiert der Inspektor jedes Detail der abenteuerlich anmutenden Geschichte, die immer weitere Kreise zieht  – endlich steigert sich die Belmont zu einem großen Finale, wie im Theater, bevor der Vorhang fällt: Jedermann in den deutschen Fürstentümern, so schmettert sie dem Inspektor entgegen, kenne die Affäre, die die Reputation des Herzogs vernichtet habe. Mehrere Eheprojekte, die er in Aussicht gehabt habe, seien wegen seines schlechten Rufes zerstört worden. Am Ende sei ihm nichts anderes übriggeblieben, als seine Verwandte, die Prinzessin Luise zu heiraten. Nun will die Belmont mit ihrer Beschwerde bei den Behörden erreichen, dass der französische Innenminister von ihrem Schicksal Kenntnis nimmt und den Herzog von Sachsen-Coburg überzeugt, seine Verpflichtungen gegenüber dem unehelichen Kind zu übernehmen. Schließlich zieht der Polizeiinspektor von dannen, um eine unglaubliche Geschichte reicher, deren Wendungen er aufs Genaueste in seinem Notizbuch festgehalten hat und die er nun auf der Wache zu Protokoll gibt, um sie an die nächst höhere Instanz weiterzuleiten. Das Verfahren verläuft im Sand, denn niemand in Frankreich nimmt die Drohung der Belmont wirklich ernst, die sie dem Inspektor mit auf den Weg gegeben hat: Wenn der Herzog nicht einlenke, so werde sie ihre Memoiren nun veröffentlichen, in denen sie alle 142

Beweise für die Vergehen der Coburger darlegen wird, bis hin zu den Mordversuchen, denen sie und ihr Sohn ausgesetzt waren. Im Januar 1820 teilt das Innenministerium mit, Madame Belmont, alias Panam, könne vom Minister in dieser Angelegenheit leider nicht empfangen werden.1 Zu dieser Zeit macht sich bereits ein Übersetzer daran, die Memoiren der Madame Panam aus dem Französischen ins Englische zu übertragen. Sein Name ist William Henry Ireland, in Frankreich ein Unbekannter, aber in seiner Heimat London hat sich der Schriftsteller als Fälscher hervorgetan und zwanzig Jahre zuvor für einen bislang nie dagewesenen Skandal gesorgt. William ist ein gutaussehender Bursche, mit wilden braunen Locken, die sein ovales Gesicht einrahmen, einem schmalen Mund und etwas zu weit auseinanderstehenden Augen, die Wangen immer gerötet, als sei er im Fieber. Sein Vater Samuel führt den kleinen William in die Welt der Bücher ein, er verlegt Reiseführer und sammelt leidenschaftlich Dokumente und andere Hinterlassenschaften des von ihm verehrten Schriftstellers William Shakespeare. Die Nachfrage nach diesen Devotionalien ist größer als das Angebot, da handschriftliche ­ ­Zeugnisse des Poeten so gut wie gar nicht existieren. Wie sein Vater ­Samuel ist auch William bald gefesselt von englischer Literatur und hortet alte Bücher, er hört gespannt zu, wenn im Haus Ireland abends Geschichten die Runde machen, in denen von den Abenteuern der großen Fälscher des 18.  Jahrhunderts erzählt wird. Besonders begeistert ihn das kurze Leben des romantischen Helden Thomas Chatterton, der Gedichte im Stil eines mittelalterlichen Poeten verfasst und als solche verkauft hat. Als er erfolglos blieb, wählte er mit siebzehn Jahren den Freitod. William Ireland käme gar nicht der Gedanke, frühzeitig aufzugeben oder etwa unverrichteter Dinge aus dem Leben zu scheiden, er will berühmt werden und Erfolg haben, er weiß nur noch nicht, wie er das anstellen soll. In der Kanzlei eines Rechtsanwalts beginnt er mit einer Lehre und hat nun Zugang zu alten Dokumenten und Papieren, auf denen er versuchsweise die ersten Unterschriften fälscht. 143

Im Dezember 1794 überrascht er seinen Vater mit einer sensationellen Entdeckung: Manuskripte aus der Hand William Shakespeares! William erzählt, er habe das Material von einem Bekannten erhalten, der ungenannt bleiben wolle, doch tatsächlich ist der junge Ireland selbst der Verfasser. Immer mutiger geht er bei seinen Fälschungen vor, immer ausgefeilter wird seine Technik – er benutzt eine spezielle Tinte und besonderes Papier, das er über dem Feuer trocknet, um ihm ein zweihundert Jahre altes Aussehen zu geben. Am Ende ist William so von sich überzeugt, dass er sogar ein angeblich gerade erst entdecktes Drama Shakespeares unter die Leute bringt, das er selbst verfasst hat.2 Als der Schwindel auffliegt, setzt sich der jugendliche Fälscher nach Paris ab, wo er eines Tages mit den noch nicht veröffentlichten Memoiren der Madame Panam vertraut gemacht wird. Wort für Wort überträgt Ireland die Geschichte, deren Heldin Pauline in die Gewalt der Coburger Prinzen gerät, ins Englische  – und ereifert sich im Vorwort über die Lasterhaftigkeit und Zügel­ losigkeit der deutschen Aristokratie, die ihn zu äußerster Empörung treibt: „Während er damit beschäftigt ist, die folgenden Seiten zu übersetzen“, schreibt Ireland von sich selbst in der dritten Person, „hat der Verfasser immer wieder den Stift hingeworfen und sich selbst gefragt, ob er hier wirklich Taten aufzeichnet, die sich in den letzten fünfzehn Jahren abgespielt haben. Betrachtet man die verzweigte britische Gesellschaft, von der höchsten bis zur niedrigsten Schicht, so kann man sich nicht einen Briten vorstellen, der sich mit Aktionen, wie sie hier nacherzählt werden, messen könnte.“3 Als Engländer, so moralisiert Ireland weiter, sei es schwer vorstellbar, auf britischem Boden eine Figur zu finden, die dem verachtungswürdigen Prinzen Ernst von Sachsen-Coburg gleiche. William Ireland fügt sich bestens ein in die Werkstätten der Pariser Libellenschreiber, die saftige skandalöse Geschichten lieben, in denen sich die hochwohlgeborenen Fürsten wüster benehmen als ein heruntergekommener Gossenbewohner. Die Verfasser und Über­ setzer dieser Werke verstehen sich aufs Moralisieren, denn das ist ein wichtiger Garant für den Erfolg beim Publikum. Nach der Lektüre 144

der Schmähschriften kann man sich den Mächtigen überlegen fühlen, da man doch ein so viel besseres Leben führt. Dass diesem Zweck meist die Wahrheit geopfert wird, gehört mit zum Spiel. Männer wie William Ireland würden jederzeit öffentlich die Fahne der Aufrichtigkeit hissen, doch es geht für sie ums wirtschaftliche Überleben, weshalb sie nur zu gern bereit sind, sich nach dem Appetit der Leserschaft zu richten. Und mehr noch: Viele der Libellen sind so zugeschnitten, dass sie sich eignen, den Beschuldigten mit den ­angeblich aufgedeckten skandalösen Fakten zu erpressen. 4 Die Memoiren der Madame Panam sind das ideale Material für den inter­na­tionalen Vertrieb, sind doch einflussreiche Persönlichkeiten in den Skandal verwickelt – aus Deutschland, England, Frankreich und ­Österreich. Das Netzwerk der Libellenschreiber und -vertreiber erstreckt sich von Paris über London bis nach Brüssel. Informationen und Manuskripte werden ausgetauscht, ergänzt und in den Handel gebracht, was die Verfolgung der erpresserischen Absichten durch die örtlichen Polizeibehörden erschwert.5 Oft arbeiten mehrere Autoren an einem Werk, das anonym oder unter einem Aliasnamen erscheint. Ist der Text fertiggestellt, wird ein gedruckter Prospekt der Schmähschrift an die bloßgestellten Missetäter geschickt, in der Absicht, Geld für die Entfernung besonders anstößiger Passagen vor dem Erscheinen des Manuskripts zu verlangen.6 Auch Ernst von Sachsen-Coburg ist lange vor der Fertigstellung der Memoiren der Madame Panam gewarnt. Fürst Metternich und der Herzog von Richelieu schicken ihre Unterhändler in Wien und Paris aus, um den Skandal zu verhindern. Ernst bietet an, für die Erziehung seines angeblichen Sohnes dreitausend Francs zu zahlen, doch die Panam lehnt das Ansinnen erneut ab, da sie ihr Kind nicht aus den Händen geben will.7 Schon bald sehen sich die Coburger sogar noch furchterregenderen Drohungen ausgesetzt: Weitere Enthüllungen seien von der ehemaligen Geliebten zu erwarten, die sich bei einer Neuauflage ihrer Memoiren mit dem Leben und der Ehe Charlottes, der verstorbenen Prinzessin von Wales, beschäftigen will. Nun ist also zu befürchten, dass auch deren Witwer Leopold von 145

Sachsen-Coburg ins Visier der Erpresser rund um die Panam geraten ist. Die diplomatischen Möglichkeiten zur Lösung der Affäre scheinen sich zu erschöpfen, doch juristische Mittel einzulegen, verbietet sich vorerst, da das angekündigte Werk noch nicht veröffentlicht ist.8 Während sich die Coburger anstrengen, den Sturm um die gefährlichen Memoiren gar nicht erst aufkommen zu lassen und damit ihr gerade mühsam errichtetes Kartenhaus der Heiratsdiplomatie zu schützen, arbeitet William Henry Ireland weiter unbeirrt an der englischen Übersetzung. Die Geschichte der jungen Pauline und des Herzogs von SachsenCoburg beginnt im Jahr 1807, auf einem Ball in Paris. Dort begegnen sich beide zum ersten Mal. Unschuldig und unerfahren, wie sie ist, verliebt sich das einfache Mädchen aus dem Volk sofort in den gutaussehenden Prinzen. Ihr gefällt seine hochgewachsene Erscheinung, die Art, wie er den Kopf mit den schwarzen, natürlich gewellten Haaren leicht nach vorn beugt, um mit ihr zu plaudern – sie fühlt sich auserwählt. Nobel und elegant erscheint er ihr und wenn er spricht, wirkt er ein wenig verlegen, doch er redet mit seiner angenehmen Stimme auf sie ein, die ihr Zuversicht und Selbstbewusstsein einflößt. Ein bisschen stolz ist sie, als sie bemerkt, wie die Damen der auffälligen Erscheinung des Herzogs mit den Augen folgen; Pauline ist geschmeichelt, weil er sich nur ihr allein zu widmen scheint.9 Bald schon stellt sie ihn der Mutter und den Schwestern vor, mit denen sie in der Rue Chantereine wohnt. Die Familie Panam hat schwere Zeiten hinter sich. Der Vater, Alexandre Panam, ist bereits verstorben. Nach Paulines Erzählungen war er ein griechischer Einwanderer aus Smirna, der 1780 vor den Türken nach Südfrankreich hatte fliehen müssen. In der Provence heiratete er eine Südfranzösin und baute mit ihr in Montpellier eine Färberei für Baumwolle auf. 1793 kam Pauline zur Welt, als drittes Kind nach einer Tochter und einem Sohn. Während der Französischen Revolution wurde das Geschäft Monsieur Panams zerstört, seine Frau siedelte mit den Kindern nach Paris um. William Ireland kann rechnen, wie wohl auch die meisten der Leser, die in nicht allzu ferner Zukunft am Schicksal Paulines teilhaben 146

­ erden. Als sie dem Herzog von Coburg begegnete, war sie gerade w mal vierzehn Jahre alt. So jedenfalls wird es in den Memoiren behauptet – und dies ist zweifellos der unmoralische Kern der Geschichte. Die Leser der Libellen sind inzwischen an allerhand unzüchtige Enthüllungen der königlichen und fürstlichen Mätressen gewöhnt. Hier aber geht es um viel mehr, hier geht es um ein Verbrechen, um Verführung einer Minderjährigen. In dieser Geschichte bekommt der Leser, der sich nur zu gern empört und die angeblichen Fakten nicht nachprüfen kann, etwas serviert, das ihm reichlich Grund gibt, sich auf die Seite des unschuldigen Opfers zu schlagen und den Herzog allein an den Pranger zu stellen. Niemand wird sich fragen, warum die Panam und ihre Mutter dem Verführer so bereitwillig auf den Leim gingen – und ihm nicht die Tür gewiesen haben, als er sich in die Wohnung in der Rue Chantereine drängte. Weitschweifend schildert Pauline, wie sich Ernst das Vertrauen der Familie erschleicht und sich als Wohltäter aufspielt. Doch alsbald teilt er den völlig verblüfften Frauen mit, er werde Paris verlassen, um nach Deutschland zurückzukehren. Pauline ist untröstlich und weint heiße Tränen. Diesen Augenblick der Schwäche nutzt Ernst aus, sie mit seinen Zärtlichkeiten zu überwältigen, er lässt sich auf ihrem Bett nieder, zwingt sie in seine Arme und je mehr sie weint, desto forscher werden seine Berührungen, bis sie sich ihm, unerfahren und jung wie sie ist, ganz und gar hingibt.10 Die unsittliche Annäherung ist der Beginn einer romantischen Affäre, die die beiden Liebenden entgegen aller moralischen Gebote nur noch enger aneinander kettet. Ernst verfällt seiner jungen Geliebten, möchte sie auch daheim nicht missen und überzeugt sie, ihm nachzureisen. Mit ihrer Cousine Josephine, der Tochter ihrer Tante Madame Lingis, reist sie Richtung Coburg – in Männerkleidung, um kein Aufsehen zu erregen und sich keinen unsittlichen Attacken auszuliefern. Als die beiden jungen Mädchen nach einigen Wirrungen endlich in Coburg ankommen, erlebt Pauline eine große Enttäuschung. Das Herzogtum ihres Traumprinzen entpuppt sich als rückständiges Nest. Eine gewisse Langeweile lastet auf der dörflichen 147

Stille rund um den Marktplatz und das Schloss Ehrenburg. Die Hauptstadt eines Fürstentums hat sich Pauline aufregender vorgestellt, doch es soll noch schlimmer kommen. Die ganze Szenerie erscheint ihr wie die Kulisse aus einem schaurigen Bühnenstück, der Palast ein düsteres Gebäude, das abweisend wirkt, mit einem im gotischen Stil gestalteten Portal, unter dem sich zwei Ratten tummeln – so also sieht das Schloss ihres geliebten Fürsten aus.11 Als die junge Frau Zugang zum Hof verlangt, wird sie brüsk abgewiesen. Mehrmals wechselt sie den Aufenthaltsort, wird immer wieder von Ernst aufgesucht, der seine Gespielin mit leeren Versprechungen hinhält. Eines Tages begegnet Pauline seinem Bruder Leopold, zu dem sie Vertrauen fasst. Wieder keimt die Hoffnung in ihr auf, sie könne doch noch am Hof aufgenommen werden, wenn Leopold ein gutes Wort für sie einlegt und dafür sorgt, dass sein Bruder seine Verpflichtungen ihr gegenüber erfüllt. Doch auch der geschätzte Leopold erweist sich als ruchloser Verführer. Zur unpassenden Stunde, morgens um sieben, wird Pauline von seinem Besuch überrascht. Unangekündigt klingelt er an ihrer Tür. Sie erhebt sich aus dem Bett, gänzlich unvorbereitet auf das nun folgende Geschehen. Leopold tritt ein, mit einem gewissen sentimentalen Lächeln auf den Lippen, das nichts Gutes verheißt. In schlechtem Französisch, so erzählt Pauline, entschuldigt sich der ungebetene Gast für die Art und Weise seines Erscheinens. Doch schnell lässt Leopold die Maske der Höflichkeit fallen und bedrängt Pauline in eindeutiger Absicht. Die verängstigte junge Frau versucht zu entkommen und flieht über Treppen und Stufen, durch menschenleere Säle und versteckt sich schließlich in einem alten Getreidespeicher. Erst als fünf Stunden ereignislos verstrichen sind, findet sie den Mut, ihr Versteck wieder zu verlassen.12 Nur durch großes Glück, so behauptet Pauline, kann sie sich davor retten, ein zweites Mal von einem Prinzen der Coburger Dynastie geschändet zu werden. Ernst, der angeblich zufällig Zeuge der Geschehnisse wird, reagiert mit einer fulminanten Eifersuchtsszene. Angesichts dieses von ihr als Liebesbeweis interpretierten Verhaltens schöpft Pauline wieder Hoffnung, den Herzog doch ganz für 148

sich gewinnen zu können. Bald ist sie schwanger, von Ernst, wie sie behauptet. Vergeblich versucht sie, Auskommen und Anerkennung zu erstreiten. Der Winter zieht ins Land und als sie im neunten Monat ist, mangelt es ihr an allem: Sie besitzt keine Bettwäsche, kein Feuerholz, keine Kerzen. Inmitten dieser schreienden Ungerechtigkeit, so schildert Pauline, erblickt am 4. März 1809 ihr Sohn das Licht der Welt – während sich seine verzweifelte und hungernde Mutter in Schmerzen windet.13 William Ireland kann sich kein geeigneteres Material für einen Verkaufserfolg vorstellen, als die Leiden der jungen Pauline, die von zwei mächtigen Prinzen missbraucht und vernachlässigt wird. Die verzweifelte Mutter darbt in jenem Schmutz und Staub, aus dem sich ein großartiger Skandal fabrizieren lässt. Was die französischen ­Potentaten des vorigen Jahrhunderts fürchteten, kann nun auch die ­Reputation der Coburger Prinzen Ernst und Leopold nachhaltig schädigen. Die abenteuerlichen Szenen, die Pauline beschreibt, haben nichts zu tun mit dem gewohnten menschlichen Verhalten, sie gleichen einer gefährlichen Romanze aus einem vergangenen, dunkleren Zeitalter, die sich in Verließen und Verstecken abspielt – in einer verkommenen und unmoralischen Atmosphäre, die auch einen Giftmord als probates Mittel erscheinen lässt, sich einer lästig gewor­ denen Mätresse zu entledigen. William Ireland wird die Leser der von ihm übersetzten englischen Ausgabe im Vorwort wissen lassen, dass er es geradezu für seine Pflicht hält, über dieses abscheuliche Geschehen zu erzählen.14 Pauline nennt ihren Spross Ernest, nach seinem angeblichen Vater, Herzog Ernst von Sachsen-Coburg. Der weigert sich, das Kind anzuerkennen und verfolgt die lästige Geliebte nun mit seinen Häschern. Mitsamt dem Kind wird sie auf eine haarsträubende Irrfahrt Richtung Wien geschickt, in deren Verlauf sie in einem einsam gelegenen Haus im Wald landet, in dem Baron Fischler, ein Handlanger Ernsts, bereits auf sie wartet, um sie und den kleinen Ernest zu vergiften.15 Wieder kann sich Pauline nur knapp aus den Fängen ihres Verfolgers befreien, so behauptet sie in ihren Memoiren. Herzog 149

Henriette Lingis, alias Madame Panam, mit ihrem Sohn Ernest. Die Schauspielerein behauptete zeitlebens, das Kind sei aus einer Affäre mit Ernst von Sachsen- ­Coburg hervorgegangen.

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Ernst, der Drahtzieher des Mordkomplotts, ist in ihren Augen nun endgültig als sittenloser Wüstling und als Schandfleck auf der Weste aller deutschen Fürsten entlarvt. Ausgestoßen, verachtet und hoffnungslos, sieht Pauline dem sicheren Tod ins Auge und kennt nur noch einen möglichen Schutz. Sie muss die öffentliche Meinung auf ihre Seite bringen. Und genau zu diesem Zweck sind Libellenschreiber wie William Ireland bereit, ihr Handwerk auszuüben: Die fürstliche Entlohnung durch Erpressung des adligen Wüstlings und den Gewinn durch den Verkauf eines Bestsellers im Sinn, auf der Zunge aber die moralische Empörung gegen den Absolutismus und seine wenigen noch übrig gebliebenen Vertreter – das passt zur nachrevolutionären Geisteshaltung und rechtfertig alle Mittel. Sich länger über die Art der Enthüllungen zu entrüsten, sei Zeitverschwendung, schreibt William Henry Ireland in seinem Vorwort zu den Memoiren. Die Details dieser unappetitlichen Barbareien sprächen für sich und der Leser müsse nun das letzte Wort haben, denn die Öffentlichkeit sei das beste Tribunal: „Lasst ihre Stimme deshalb entscheiden zwischen der gekrönten Schuld und der schlichten Unschuld, zwischen dem regierenden Fürsten Ernst, Herzog von Coburg und der verlassenen Pauline Alexandre Panam.“16 Schon bald kursieren erste Auszüge aus den gefährlichen Memoiren in England. Leopold, der sich seiner geschwächten Position am britischen Hof bewusst ist und das ganze Ausmaß der Gefahr erkennt, die von den Enthüllungen der Panam für die gesamte Coburger ­Dynastie ausgeht, schäumt vor Wut. Alles Unheil, so glaubt Leopold, rührt von Ernsts Unvermögen her, die Angelegenheit angemessen in den Griff zu bekommen. Warum nur besteht er so hartnäckig auf der Herausgabe des Kindes, wenn dies doch nachweislich die einzige Klausel ist, der die Panam nie zustimmen würde? Seit 1815 mühen sich die Unterhändler Ernsts nun schon vergeblich, die erpresserische Person zur Raison zu bringen. Obwohl der Pariser Rechts­ anwalt Javon schon früh davon abgeraten hat, bezüglich der Herausgabe des Kindes Druck auf die Mutter auszuüben, hat Ernsts 151

Adjutant Szymborsky nie den Plan aufgegeben, notfalls juristisch gegen sie vorzugehen. Wäre Ernst mit der Dame verheiratet, so unterläge dies keinem Zweifel, weiß Leopold. Aber offenbar nimmt niemand die französische Gesetzeslage zur Kenntnis, wonach ein Vater keinerlei Rechte an einem illegitimen Kind besitzt, auch nicht, wenn er dieses anerkannt hat und Unterhalt bezahlt. Leopold schätzt die rechtliche Situation ganz klar ein: Wäre Ernst ein Franzose und als Vater des Kindes angeklagt und hätte er sich durch Briefe mehr oder minder dazu bekannt, so würden ihn die örtlichen Gerichte zwingen, im Verhältnis seines Vermögens für den Unterhalt des Kindes zu ­sorgen. Keineswegs würde er damit aber auch nur den geringsten Einfluss auf dessen Erziehung bekommen. Die Berater Ernsts waren offenbar nicht in der Lage, die komplizierten rechtlichen Verhältnisse in Frankreich mit zu bedenken. Als die ersten Unterhändler nach Paris entsandt worden waren, hatte Leopold vorgeschlagen, das Geld für die Versorgung des Kindes an eine Behörde oder an die Polizei auszuhändigen, damit es nicht direkt der Mutter in die Hände fallen würde, sondern nachweislich dem Sohn zugutekommen könnte. Doch das hatten alle Rechtsgelehrten als unmöglich abgelehnt. Daraufhin hatte Leopold den Bankier Rothschild bemüht, der sich bereit erklärte, eine gewisse Summe zu deponieren und peu à peu an das Kind auszuzahlen. Dagegen wiederum hatte sich Rothschilds Notar ausgesprochen, der nicht zulassen wollte, dass ein Klient der Bank, in diesem Fall Leopold, in einen höchst unangenehmen Prozess verwickelt werden würde. Dies wäre nicht zu vermeiden gewesen, denn die Mutter hätte sich das Recht auf die Summe erstreiten können und Rothschild wäre gezwungen gewesen, sie ihr vollständig auszuzahlen. Wen hatte man nicht alles um Rat ersucht, sogar den Präsidenten eines Gerichtshofs, der sich sehr gefällig und freundschaftlich zeigte, aber auch nicht weiterhelfen konnte. Die Herausgabe des Kindes, so das Urteil aller Ratgeber, war nur auf freundschaftlichem Weg zu er­ reichen. Da die Mutter dies aber immer schon rundweg abgelehnt hatte, geriet man durch ständige Wiederholung der Bedingung nur 152

in Verdacht, mit Absicht etwas Unmögliches zu fordern, um so eine Einigung unerreichbar zu machen.17 Leopolds Interventionen scheitern, die Verhandlungen mit der Panam führen zu keinem Ergebnis. Im Frühjahr 1823 erscheinen die Memoiren der „jungen Griechin“ in Paris.18 Sogleich zirkuliert das aufsehenerregende Buch in den Büros der französischen Metropole und auf den Toiletten der Caféhäuser, wie die Zeitschrift „Le Miroir“ am 2. April 1823 berichtet: Das Pamphlet sei als seriöse Lektüre nicht zu empfehlen, dennoch müsse der Erfolg als überwältigend bezeichnet werden: „Die Tränen fließen und die Auflage rinnt den Verkäufern durch die Hände.“19 In Coburg unterzieht sich Herzog Ernst persönlich der Lektüre, die ihm die Galle heftig in Bewegung bringt. Ein Roman voller unverschämter Erdichtungen, dazu gefälschte Belege – wie soll er sich dagegen zur Wehr setzen? Er liest die Schmähschrift ein zweites Mal und kann sich nun sogar über die Schilderung seines Charakters amüsieren: Die Panam, so stellt er fest, macht aus ihm einen wahren Popanz!20 Die Geschichte weist viele Ungereimtheiten auf, findet Ernst, die nach seiner Auffassung mit der Wirklichkeit nichts gemein haben. Eine Griechin namens Alexandre Panam ist ihm nicht vertraut, vielmehr erinnert er sich an eine junge Schau­ spielerin des Theater Vaudeville, die er damals in Paris im Jahr 1807 kennengelernt hat und die ihm als Madame Lingis vorgestellt worden war. Ihre im Buch beschriebene exotische Herkunft, so vermutet Ernst, muss eine reine Erfindung sein.21 Die ganze Geschichte erscheint ihm reichlich lächerlich, doch angesichts der unaufhaltsamen Verbreitung des Pamphlets entschließt sich Ernst zur Gegenwehr. Er schreibt an den französischen König Ludwig XVIII.: „Da die Sache jetzo steht [und] die Publicität nicht ärger werden kann als sie leider schon ist, es auch nur eine leichte und einfache Widerlegung der unverschämten Anschuldigungen gilt, so glaube ich es ist besser jetzo auf einmahl mit allen Hebeln die Sache anzugehen, um sie auf einmahl zu bewältigen. Auch halte ich es für durchaus wesentlich, mich mit Hülfe der Gesetze, im Besitz des unglücklichen Kindes zu setzen, der unter diesen Umständen sonst nur 153

ein für die Ruhe meiner Familie gefährlicher avanturié werden müsste.“22 Da alle Unterhändler und Ratgeber keine Möglichkeit sehen, gegen die Panam vor einem französischen Gericht zu bestehen und die Vormundschaft über das uneheliche Kind zu erlangen, erhofft sich Ernst jetzt Unterstützung durch den französischen König. Er appelliert an dessen Solidarität, die er allen Herrschern Europas schulde, zu denen sich auch der Coburger als Souverän seines Herzogtums zählt, und mahnt polizeiliche Maßnahmen gegen das Erscheinen der Schmähschrift an. Ganz im Geiste der Restauration und der Sitten des Ancien Régime fordert Ernst außerdem die Unterstützung aller Fürsten Europas ein, um sich seines peinlichen Problems zu entledigen. Im Sinne der Heiligen Allianz müssten die großen Staaten auch am Wohl der kleinen deutschen Staaten interessiert sein und ihnen als moralische Stütze dienen. In einem Schreiben, das vermutlich an den Fürsten Metternich gerichtet ist, präsentiert sich Ernst als Opfer einer politischen Kampagne: „[…] nach der mündlichen Aussage eines alten guten Bekannten von mir eines Grafen Gersdorf, der erst vor einigen Tagen Paris verlassen hat, hat das famose Memoir unendliches Aufsehen dort erregt, man hat es aber nur mit allgemeiner Indignation gelesen, es so würdigend wie es es verdient. Am meisten hätte man sich aber dabei über das Benehmen des französischen Gouvernements aufgehalten, die schändliche radicale Tentenz vollkommen erkennend gegen einen Regierenden Herren eine solche Beschimpfung öffentlich zu gestatten. Die meisten Diplomaten hätten es als ein attentat gegen alle Fürsten betrachtet […] Mein Ansuchen an Ew. Durchlaucht geht nun dahin, daß der österreichische Bothschafter zu Paris, die Weisung erhalten möchte, nicht allein meinen Beauftragten allenthalben zu unterstützen, sondern auch, da unzertrennbar in dem Erscheinen dieser Libelle ein meditirter Plan, d’une insulte contre tout les Princes, von der raticalen Partei mit zu Grunde liegt, auch von allen Gesandten Legitimer Souverains, ein gemeinschaftliches Verfahren dagegen eingeleitet würde, und daß hierzu der K.K. Bothschafter ermächtigt werden möchte. Dem französischen Gouverne154

ment muß sollte ich glauben, selbst viel daran liegen auf diese Weise neue Waffen gegen eine ihr eben so gefährliche als unbequeme Partei in die Hände zu bekommen.“23 In Paris beschäftigt sich ein ehemaliger Advokat am Königlichen Gericht, Monsieur Billecoaq, mit der Beschwerde des Herzogs von Coburg, doch er spielt in seinem Gutachten den Ball der Verantwortung gekonnt in dessen Feld zurück. Tatsächlich handele es sich um eine Schmutzschrift, urteilt Billecoaq, das werde durch die Scham­ losigkeit der Heldin unterstrichen, sowie durch die Kühnheit der Behauptung über versuchte Vergiftungen und Mord, für die die Erzählung keine anderen Beweise liefere als die Aussagen der Verfasserin. Diese diskreditiere sich selbst durch die schamlose Rolle, die sie im Roman spiele. Dennoch müsse bedacht werden, dass sich die Leidenschaft der Erzählerin gegen eine erhabene Person richte, die den Skandal habe voraussehen können. Ernst habe wohl die Aufgabe nicht genug verstanden, „das dem illegitimen Verkehr mit Fräulein Alexandre Panam entsprungene Kind, diesem seine Existenz sicherzustellen. Mehr oder weniger bescheidene Geldsummen, verschiedenfach gegeben und sofort verschwendet, waren kein Mittel, eine solche natürliche Schuld auszulöschen und die Ungelegenheiten aufzuhalten, die die Mutter unter dem Vorwand der Besorgnis für den Sohn nicht müde wurde, dem Prinzen [Ernst] zu bereiten. Er hätte das Schicksal des Kindes von der Geburt an bestimmen und sofort und unwiderruflich die Beziehungen zur Mutter unterbrechen müssen.“24 Ernsts Bruder Leopold, der inzwischen wieder nach London zurückgekehrt ist, fürchtet nach der öffentlichen Blamage endgültig um den Ruf der Coburger Dynastie. Er attackiert Ernst, den Verursacher des Skandals, der sich in seinen Augen völlig zu Unrecht weiterhin als „chef de famille“ aufführt, in einem persönlichen Schreiben: „[…] du vergisst aber, daß ein solcher für die Ehre und das Wohl der Seinigen zu sorgen hat, und nicht unverdient Schande über die unschuldigen Mitglieder derselben“25 bringen dürfe. Was man Ernst aus dem fernen London mitteilt, sei ihm ohnehin egal, stellt Leopold fest. Seine Existenz zu Hause, als Herzog von Coburg, bleibt dieselbe, während sich 155

die im Ausland lebenden Familienmitglieder immer wieder in den Augen der Öffentlichkeit aufs Neue bewähren müssten. Sie hätten nichts weiter in die Waagschale zu werfen als ihren guten Namen und ein anständiges Benehmen. Wie sehr die Coburger in London von der Achtung der Menschen abhingen, die in der konstitutionellen Monarchie für den Unterhalt der Personen am Hof sorgten, sei wichtiger, als Ernst es sich in seinem kleinen, unbedeutenden, absolutistischen Staat vorstellen könne. Die Schande klebe an der ganzen Familie  – was sich eigentlich gegen den Herzog daheim richte, schade vor allem den Gliedern der Kette, die sich in der Nähe der europäischen Throne aufhielten. Die Frage nach dem Charakter der Vertreter einer ganzen Dynastie ist aufgeworfen, und niemand spürt das so deutlich wie Leopold. „Den Kummer und Schaden, den du uns diesmal zugezogen hast, kannst du nur weder vergüthen noch ersetzen“, schreibt er voller Empörung an seinen Bruder.26 Leopold hat dem Drängen Stockmars nachgegeben und sich für ein Leben in Großbritannien entschieden. Der Berater sieht die vielen Möglichkeiten, die hier auf seinen talentierten Schützling warten  – vorausgesetzt, Leopold bewahrt sich seine politische Neutralität und seinen guten Ruf. Der inzwischen in der europäischen Politik gut vernetzte Coburger will alle Chancen ergreifen, für die gute Sache zu wirken, für die konstitutionelle Monarchie, wie er sie in den langen Unterredungen mit Stockmar entwickelt hat. Er will seinen Einfluss geltend machen und sieht sich zunehmend in der Funktion des klugen Mentors seiner Nichte Victoria und seines Neffen Albert. Dieser wird sich später erinnern, schon früh verstanden zu haben, in seiner ganzen Erziehung auf die Rolle des Prinzgemahls seiner englischen Cousine vorbereitet worden zu sein. Leopold wird seinen Einfluss nur dann auch weiterhin geltend machen können, wenn er seinen Weg „unabhängig und redlich“27 gehen kann – davon ist er zutiefst überzeugt. Die Eskapaden des Bruders daheim in Coburg sind schädlich bis in die nächste Generation hinein, doch Ernst ist unfähig, sein Handeln an die Notwendigkeiten anzupassen, da es ihm nach Leopolds Einschätzung an Überblick und diplomatischem Geschick fehlt. 156

Der Coburger Herzog ist ganz in seine territorialen Pläne verstrickt, die sich vor allem auf die Erweiterung seines Einflussgebiets beschränken. Er kauft Land in Oberösterreich: die Herrschaften Greinburg, Zellhof, Ruttenstein, Prandegg, Aich und Kreutzen, er interessiert sich vor allem für den Ausbau seiner Schlösser und deren Inneneinrichtung, fördert die örtliche Wirtschaft, indem er Privilegien beseitigt, doch so umtriebig Ernst auch ist, alles läuft auf das gewohnte Verhaltensmuster eines souveränen Fürsten alter Prägung hinaus. Vordergründig gibt sich Ernst liberal, stimmt sogar einer Verfassungsänderung zu, die die Einberufung eines Landtags vorsieht, der aber schon bald gar nicht mehr zusammenkommt.28 Jagdausflüge, Badekuren und Besuche bei Verwandten füllen die Zeit des Herzogs, der die Erziehung seiner Söhne in die Hände des Lehrers Johann Christoph Florschütz legt und ansonsten ein eher distanziertes Verhältnis zu Ernst und Albert pflegt. Klagen über körperliche Unannehmlichkeiten und Schmerz sind nicht gestattet, die Kinder sollen in jeder Hinsicht abgehärtet werden.29 Im Frühjahr 1823 sorgt Ernst dafür, dass seine beiden Söhne dem Einfluss ihrer Mutter Luise entzogen werden. Zu dieser Zeit ist der Skandal um die Memoiren der „schönen Griechin“ auf einem vorläufigen Höhepunkt angelangt. Ernst muss einsehen, dass er weder auf juristischem Weg noch auf politischem Terrain Unterstützung für seinen Feldzug gegen die Panam zu erwarten hat. Noch einmal versucht er, moralischen Druck auf den französischen König auszuüben: „Ihre Majestät haben geruht, ihrem Lande die Freiheit der Presse zu geben, aber Sie haben dadurch nicht die Vollmacht zur Frivolität und Verleumdung gegeben, und in Ihrer erhabenen Gerechtigkeit werden Eure Majestät sicherlich nicht erlauben, daß diese Freiheit unbestraft in solchem Ausmaße mißbraucht werden.“30 Auch dieser Vorstoß läuft ins Leere. Nun sinnt Ernst auf Gegendarstellung und will seinen Standpunkt in der Öffentlichkeit vertreten – Schriftsteller in Paris sollen damit beauftragt werden, entsprechende Artikel zu verfassen, die der Herzog persönlich vor dem Erscheinen in der Presse redigieren will. Ein Plan, den sein Bruder 157

Die Münze zeigt das Konterfei von Ernst und Albert. Um die Erziehung der beiden Prinzen kümmerte sich ihr Hauslehrer Johann Christoph Florschütz.

Leopold alarmiert zur Kenntnis nimmt. Er rät von einer weiteren Darstellung der Details seitens der Coburger ab, da dies zu nichts weiter führen werde, als zu schädlichem Geschwätz.31 Wie so oft ist Leopold der weitblickendere und diplomatisch versiertere Kopf, der die Zeichen an der Wand zu interpretieren weiß. Wo sich Ernst von Zorn und Rage leiten lässt, regiert bei Leopold die nüchterne Analyse. Wie schädlich Zeitungsartikel sein können, haben bereits die bisher in Deutschland erschienenen Rezensionen der Memoiren der Panam gezeigt. Für einiges Aufsehen hatte ein ­A rtikel im „Journal des Luxus und der Moden“ gesorgt, einem Unterhaltungsblatt mit erheblicher Reichweite.32 Zwar erregte sich der Kritiker darin über das lasterhafte Verhalten Paulines, doch durch seine aufgeregten Kommentare war nun der Inhalt der Schmähschrift auch einem breiten Lesepublikum in Deutschland bekannt. Madam Panam, so hieß es im Artikel, verletze mit ihrem Benehmen den Anstand und mit den Jahren, die seit dem Geschehen vergangen waren, 158

sei die Unklugheit der jungen Dame nur noch weiter gewachsen, wie auch „ihre Anmaßung, ihre Flatterhaftigkeit, ihr Leichtsinn, ihre Inconsequenz. Ein Zeitraum von sechzehn Jahren bietet von ihrer Seite nichts dar, als eine fortlaufende Kette unbedachtsamer, alle Regeln eines schicklichen Benehmens gegen Personen der höheren Stände keck verletzender Handlungen.“33 Der Schreiber des Artikels schien äußerst gut informiert zu sein. So konnte er die erstaunte Leserschaft sogar über den Aufenthaltsort und die Lebensumstände der Panam unterrichten und seine moralische Entrüstung mit einigen interessanten Fakten würzen: Madame Panam wohne in Paris in der Rue Louis-le-Grand Nr. 22, nebst ihrem 15-jährigen Sohn und erfreue sich der Unterstützung des Fürsten, „den sie nun – o Schande! – öffentlich anklagt. Wir fragen, was ist von einer Frau zu halten, die so zarte ­Verhältnisse so schaamlos entweiht! Wie freundlich ward sie stets ­behandelt!“34 Aus dieser Presseveröffentlichung kann das Publikum nur eines schließen: Das Coburger Herzogshaus hat Zahlungen an die Panam veranlasst. Was wie eine Wohltat aussieht, ist in Ernsts Augen aber eher ein Schuldeingeständnis und läuft seiner Verteidigungslinie entgegen. Nicht er hat dafür gesorgt, dass Schweigegeld an seine ehemalige Geliebte ausgezahlt wird, sondern Leopold, der weitere Veröffentlichungen fürchtet, die sich jetzt auch mit seinem Leben und seiner Ehe mit der Prinzessin von Wales beschäftigen könnten. Über die Rothschild-Bank erhält die erpresserische Schauspielerin nun regelmäßige Zahlungen in Höhe von 5000 Francs, wie sich einem Bericht des französischen Innenministeriums und der Polizeibehörden entnehmen lässt.35 Ernst ist außer sich vor Wut auf den Bruder und droht, die Angelegenheit öffentlich klarstellen zu wollen. Leopold reagiert prompt: „Du drohst mit öffentlichem Widerrufe und bedienst dich überhaupt eines etwas sonderbaren Styls. Ich hoffe, du wirst erst die Zusammenstellung des Ganzen abwarten, ehe du hierzu schreitest. Ich meines Theils drohe nicht, aber ich warne, nichts zu thun, was unvermeidlich einen Bruch zwischen uns herbeiführen müßte, du verlörst einen zuverlässigen Freund und ob du davon im Überfluß 159

besitzest, weiß ich nicht? – Im schlimmsten Fall glaube ich, daß das Publicum mir verzeihen wird, wenn ich für die Ehre der Meinigen besorgt genug gewesen bin, um auf eigene Kosten für die Erziehung des Kindes meines Bruders gesorgt zu haben und zu vermeiden, daß Mad. A. mit demselben allerwärts im ärmlichsten Aufzug bettelt.“36 Die Rezension der Memoiren der „jungen Griechin“ im „Journal des Luxus und der Moden“, die vom Verfasser als moralische Keule gegen die Heldin, gegen Pauline, gerichtet war, erweist sich, wenn auch unbeabsichtigt, als frontale Attacke gegen den Herzog von ­Coburg. Der Artikel referiert den Inhalt des Buches und gibt so die Behauptungen der Panam ungefiltert wieder, dabei unterscheidet er ebenso wenig zwischen Dichtung und Wahrheit wie die Schmähschrift selbst. Für die Leser muss es nun zum Fakt werden, dass Ernst tatsächlich der Vater eines unehelichen Kindes ist, das er mit einer minderjährigen Geliebten gezeugt hat. Seine Argumente zu seiner Entlastung, die die exotische Abstammung des angeblichen Opfers infrage stellten, und die darauf hinwiesen, dass er zur Zeit der Empfängnis Paris längst in Richtung Russland verlassen hatte, werden nicht erwähnt. Ernst weiß nicht einmal, wer der Verfasser dieses in seinen Augen unangebrachten Artikels ist. Und schließlich muss der Herzog auch noch eine Fortsetzung des moralisierenden Vortrags in der folgenden Ausgabe des „Journals des Luxus und der Moden“ ertragen: „Allerdings wird nun Europa richten, aber zu ihrem [der Panam] Nachtheil […]. Jetzt erscheint sie überall nur als eitles, argwöhnisches, eigensinniges, unbeständiges, rachsüchtiges Weib, und statt sie zu bemitleiden, muss man sie hassen.“37 Ein hartes Urteil gegen eine Frau, die sich den Anschein einer verführten Unschuld gibt, die obendrein noch mit einem Kind­ allein in der Welt steht – das rührt das Publikum doch mehr, als es den hochwohlgeborenen Fürsten entlastet. Das Interesse an den „Memoiren“ ist selbst in den bürgerlichen Salons nun größer als je zuvor. Sogar der Hof in Weimar gibt eine Vorbestellung en gros in Auftrag, was Ernst nur noch mehr in Rage versetzt und ihn zu einer Beschwerde bei Fürst Metternich bewegt: „Das erbärmliche Mach160

werk der Mme wurde hier zu eifrigst ergriffen; durch zuverlässige Nachricht wurde ich in Kenntnis gesetzt, daß man auf Veranlassung des Hofes selbst, mehrere hundert Exemplare der bekannten Libelle, nach Weimar verschrieben habe, und von dort mit dessen Verbreitung sich angelegentlich beschäftige. Die deshalb dorthin erlassene reclamation um Einstellung dieses Verfahrens wurde höchst sonderbar beantwortet, und erreichte nicht den beabsichtigten Zweck, währent alle übrigen Staaten an die ähnliche reclamationen ergangen waren, mit einer großen Bereitwilligkeit darauf eingingen, die weitere Verbreitung dieser anstösigen Schmähschrift auf alle Weise zu verhindern.“38 Ernst wettert gegen die liberalen Tendenzen in Weimar mit seinen großzügigen Pressegesetzen sowie gegen das wenig nachbarschaftliche Verhalten des dortigen Fürstenhauses – ein „unerhörtes nie zu entschuldigendes Verfahren“! Auch den Drahtzieher hinter den Artikeln im „Journal des Luxus und der Moden“ vermutet Ernst in Weimar und zürnt angesichts dieser unberufenen und einfältigen Verteidigung, die eine zunehmend schädliche Tendenz entwickele: „[…] die Sache macht in diesem Augenblick das aller ärgerlichste Aufsehen in ganz Sachsen, und ich werde von allen Seiten mit Aufforderungen bestürmt, durch irgend eine öffentliche Berichtigung, den so verschiedenen Eindrücken und Absichten über diesen Gegenstand eine bestimmte Richtung zu geben […]. Wenn dieser unerhörte Unfug unter dem Schutz der französischen Pressefreiheit so gedeihlich fort wuchert, so werden wir uns immer mehr Früchte dieser Art zu erfreuen haben.“39 In Weimar indessen kann man vom Skandal um Ernst gar nicht genug bekommen. Einen Privatmann, der mit einer solchen Geschichte befleckt sei, dulde man wohl an keiner Wirtstafel, kommentiert Großherzog Karl August das Geschehen. Der Aufstieg der ­Coburger auf der internationalen Bühne ist vielen kleinen Fürstenhäusern, gerade in der sächsischen Nachbarschaft, suspekt. Das ehrgeizige Verhalten hat Neidreflexe geweckt, weshalb das Haus Sachsen-Coburg in der Hocharistokratie so unbeliebt ist wie kein anderes. 40 Ernst, der allmählich zu der Überzeugung gelangt, auf 161

juristischem Weg nichts erreichen zu können, konzentriert sich nun ganz auf das Schlachtfeld der öffentlichen Meinung. Im „Journal des Luxus und der Moden“ lässt der Coburger Hof eine Klarstellung abdrucken, die die Leser von Ernsts Version des Geschehens überzeugen soll: „Der hochbeleidigte Fürst selbst findet es unter seiner Würde, daß sein Ruf, der zu erhaben steht, um durch eine so elende Schmähung vernichtet zu werden, gegen eine ehemalige Figurantin des Theaters Vaudeville vertheidiget werde, die nur zu lange seine Jugend und Großmuth mißbrauchte, seine wohlwollenden Absichten stets vereitelte und den vernünftigsten Vorstellungen der ersten Behörden Deutschlands und Frankreichs höhnte“41, heißt es mit großem Pathos. Auch dieser herzogliche Paukenschlag verhallt kläglich. Niemand ist wohl so unvorbereitet auf ein Scharmützel in der Presse, wie der noch in den Schranken des überheblichen Standesdünkels verhaftete Herzog Ernst. Der mit aller Macht eines Souveräns aus­ gestattete Fürst muss erkennen, wie hilflos er angesichts der sich immer stärker durchsetzenden Eigenständigkeit der öffentlichen Meinung und der Freiheit der Presse ist. Sein langer Arm reicht über Coburg kaum noch hinaus. In Frankreich ist ein Verbot der Memoiren der Panam undenkbar, im Deutschen Bund müssen die Coburger jeden einzelnen Staat ersuchen, im Rahmen der jeweiligen Zensurgesetze gegen die Veröffentlichung vorzugehen. In einigen thüringischen Staaten werden die Memoiren verboten, schließlich auch in Weimar, als erstes Buch im Rahmen der nach den Karlsbader Beschlüssen verschärften Zensur. 42 Doch das Bild vom hilflosen „Popanz“, das die Panam von Ernst so erfolgreich gezeichnet hat, ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Leopold hatte seinen Bruder zu Recht gewarnt: „Mit allen Rechtfertigungs Publicationen sey vorsichtig, willst Du etwas in die deutschen Blätter setzen lassen, so sey es nichts als eine gerichtliche Aussage über ihr Alter, Metier u. das ihrer Familie, nur keine Declamationen in einer Sache wie dieser, sie machen nur noch ridiculer [lächerlicher], und das Publikum sagt ­seinen alten Refrain […]. Spreche mit Wenigen über die Sache und 162

glaube, daß du und die Deinigen viele Feinde haben.“43 Leopold beendet seine persönliche Anklageschrift gegen seinen Bruder, in der er ihn der Unfähigkeit überführt, Schaden von der Dynastie der Coburger abzuwenden, mit den Worten: „Viel Schönes an Luise, deren Brief ich erhalten habe. Adieu.“ Fast ironisch wirkt dieser Schlusspunkt, der den Herzog daran erinnern mag, dass sein größter Feind nicht die erpresserische Geliebte mitsamt ihres unehelichen Sohnes ist, sondern seine zerstörte Ehe, die angesichts des Skandals als unwiederbringlich zerrüttet gelten muss.

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8. Luise – Prinzessin der Herzen

„… for it is the fate of a woman Long to be patient and silent, to wait like a ghost that is speechless, Till some questioning voice dissolves the spell of its silence. Hence is the inner life of so many suffering women Sunless and silent and deep, like subterranean rivers Running through caverns of darkness …“ Henry Wadsworth Longfellow

Seit der Geburt von Albert im Jahr 1819 hatte Luise sich bemüht, ihre Rolle als Mutter und Landesherrin zu spielen, obwohl sie um ihre Ehe fürchten muss. Ihre beiden Söhne garantieren ihre Daseinsberechtigung am Hof – noch. Der kleine Albert ist ihr Favorit, der ältere Ernst, der seinem Vater sehr ähnlich ist, stellt die Geduld seiner Eltern ­zuweilen auf die Probe, wie sein Vater in einer Verwaltungsnotiz ­bemerkt: „[…] hier befindet sich alles im besten Wohlsein bis auf den kleinen Ernst der sehr mit den Zähnen zu thun hat und gewaltig übler Laune ist.“1 Albert dagegen erscheint seiner Mutter wie ein Engel, ein entzückendes, stets freundliches Baby. Dieser zweite Sohn Luises ist im Aussehen und Wesen ganz anders als sein älterer Bruder, und schon kurz nach der Geburt bemüht sich die Mutter, diesen augenfälligen Unterschied herunterzuspielen und auf die Ähnlichkeiten mit Herzog Ernst hinzuweisen. An ihre Brieffreundin Aurore de Venan164

çon schreibt Luise: „Sie haben sicher von dem glücklichen Umstand erfahren, dass ich zum zweiten Mal Mutter geworden bin, es ist ein hübscher Junge. Obwohl ich mir so sehr eine Tochter gewünscht hatte, bin ich sehr zufrieden.“2 Albert habe große Ähnlichkeit mit dem Herzog, blaue Augen, den selben Mund, die selbe Nase, die Gesichtszüge – auch sei er recht groß für sein Alter. Es fällt auf, wie sehr Luise die Ähnlichkeit ihres zweiten Sohnes mit dem Herzog von ­Coburg betont, doch von Alberts frühester Jugend an gibt es Gerüchte um seine mögliche illegitime Abstammung.3 Zwischen Leopold und seinem Neffen entwickelt sich eine innige Beziehung. Albert verehrt ihn und will ihn keinen Moment aus den Augen lassen, er umarmt ihn zärtlich und fühlt sich wohl, wenn er bei Leopold sein kann. 4 Nicht nur Onkel und Mutter sind dem jüngsten Coburger Spross besonders zugetan, auch die Verwandtschaft bemerkt bei dem kleinen Prinzen einen besonderen Charme. Er macht einen klugen und aufgeweckten Eindruck  – und er scheint das passende Pendant zu seiner kleinen Cousine Victoria zu sein, die in London im Kensington Palace von ihrer Mutter Victoire wie ihr Augapfel gehütet wird, ist sie doch jetzt die einzige lebende Anwärterin auf den britischen Thron.5 Im Februar 1820 plant Herzog Ernst einen Aufenthalt in Wien. Wieder fürchtet Luise, er könne sich den Vergnügungen der Kaiserstadt hingeben und darüber seine Pflichten als Ehemann vernachlässigen. Sie ist auf die Damen der Wiener Gesellschaft eifersüchtig, so wie sie auch die Konkurrenz der schwäbischen Schönheiten im Haus Württemberg als Bedrohung empfindet, allen voran Marie, die Nichte des Herzogs von Coburg. Luise will Ernst auf keinen Fall allein reisen lassen. Mit tränenreichen Auftritten erstreitet sie sich die Einwilligung Ernsts, ihn auf dieser Reise begleiten zu dürfen, obwohl gerade ihre Großmutter gestorben ist und sie eigentlich in Trauer ist. Doch die Verlockungen der großen Welt in Wien reizen Luise so sehr, sie sehnt sich so brennend nach Abwechslung und Anerkennung, dass sie ihren Willen unbedingt durchsetzen will. Vater August ist entsetzt und macht seinem Schwiegersohn, der schließlich einlenken und Luise mitnehmen will, heftige Vorwürfe: „[…] der Grundsatz, daß 165

eine Frau am besten bey ihrem Mann ist, ist nur so lange wahr, solange der Mann am besten bey seiner Frau ist.“6 Beim Kongress und im Kaffeehaus sei kein Platz für Frauen, erklärt August, schon gar nicht für Luise, die nach den Regeln des Gothaer Hofes nicht an Bällen und Festen teilnehmen dürfe, da sie öffentlich Trauer um ihre Großmutter zeigen müsse. Doch nun könne sie durch die Nachsicht ihres Gatten doch ihrem leidenschaftlichen Hang nach Genuss und Abwechslung nachgeben: „Und ich gestehe es Ihnen“, schreibt August an Ernst, „– zürnen Sie nicht – unsere arme Viva hat durch den augenblicklichen Sieg über Ihr besseres Einsehen, Durchlauchtigster Herzog und über die laute Sprache ihres sonstigen Sittlichkeitsgefühls verloren, und wenn mein Kind, mein einziges Kind sich das sagte, so bereute Sie gewiß einst ihre Eitelkeit, ihre überreizte Sinnlichkeit, ihrer unnützen Eifersucht, ihrer thörichten Selbsttäuschung gefolgt zu seyn und ich wette, gnädigster Herr, was Sie wollen, die ­getäuschte, verletzte, verwirrte Luise treibt Sie mit den nämlichen Commando-Zähren halbvollendeter Sache nach Coburg zurück, mit welchen die kleine Frau Sie, theurer Schwiegersohn nach Wien bugsierte aber verwöhnter, eifersüchtiger, unleidlicher wird sie wiederkommen, doch stille davon, ich sehe, die Eltern haben keine Rechte mehr über die in der Welt sich verlierenden Kinder.“7 August und Karoline kennen Luises impulsive Natur, sie haben allen Grund, sich zu sorgen. Sie wird sich in Wien die Anerkennung holen, die ihr zu Hause versagt bleibt, sie wird sich möglicherweise rächen wollen für die Erniedrigung, die sie durch die Enthüllungen der Panam erfährt. Bei dem lauten Geschwätz am Hof kann ihr der Inhalt der Schmähschrift nicht verborgen geblieben sein. Für eventuelle Rachepläne Luises gäbe es keinen besseren Ort auf der Welt als Wien, wo die Erpresserin mit dem angeblichen Sohn Ernsts einige Jahre gelebt hat. Die Stadt wird voller Gerüchte sein über die Affäre und Luise ist dort nicht zu kontrollieren. Es droht eine Katastrophe. Was immer Ernst sich hat zuschulden kommen lassen, nach den Regeln der höfischen Ordnung steht es seiner Frau nicht zu, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. 166

Wie August es befürchtet hat, verhallen die Mahnungen aus Gotha ungehört, Herzog Ernst gibt dem Drängen seiner Frau nach und nimmt Luise mit nach Wien, dessen berauschendes Hofleben weit über die Grenzen Österreichs hinweg bekannt ist. Die Bälle im Palais Metternich sind legendär, nur die elegantesten Gäste tummeln sich dort im Marmorsaal, dessen Wände im Glanz hunderter Wachskerzen erstrahlen. Die prachtvollen Toiletten der Damen erinnern an die Pariser Mode, die verheirateten Frauen tragen die schönsten Diamanten der Welt, alles ist teuer und verschwenderisch.8 Ernst bringt Luise an den Hof Metternichs, als sie gerade einmal neunzehn Jahre alt ist. Sie ist überwältigt von der besonderen Ausstrahlung des Staatskanzlers: Gutaussehend, galant und charmant wie er ist, übertrifft er alle anderen Männer in seiner Nähe. Luise genießt die Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wird, und muss ihrer Freundin Gussi davon berichten. Es wird ein langer Brief, in dem sie detailreich beschreibt, was Wien ihr zu bieten hat. Unermüdlich besucht sie mit Ernst eine Party nach der anderen, dreizehn Dinner in der Stadt, drei Konzerte mit anschließendem Empfang und drei Abendessen am Hof, nicht zu vergessen die vier Ein­ ladungen beim britischem Botschafter Lord Stewart. Alle sind freundlich und höflich zu Luise, die Damen, obwohl wunderschön und geistvoll, sind sehr zurückhaltend und geben keinen Anlass zur Eifersucht. Die Herren sehen weniger gut aus, stellt sie fest, geben sich aber Mühe, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Der Sohn der Prinzessin von Lichtenstein, der unvorstellbar reich ist, unterhält sich mit ihr und will Coburg besuchen, Prinz Bentheim sucht ihre Nähe und die Konversation mit ihr, was angesichts seiner allbekannten Intelligenz ein Kompliment für sie ist, und auch der in die Jahre gekommene Prinz Schönberg bemüht sich um sie. Jeden Tag fährt sie in der Kutsche im Prater spazieren, sie besucht Museen und Schloss Schönbrunn. Es sind Tage, die ihren Blick aufs Leben verändern. Wer in der Langeweile etwas Erfreuliches finden könne, müsse ein Philosoph sein, denkt Luise, denn die Langeweile sei doch das Traurigste, was sich auf Erden finden lasse.9 Zurück in Coburg, steht Luise noch immer unter dem Eindruck der Wiener Erlebnisse, für sie ist die Reise ein wunderbarer Erfolg. 167

Ernst lobt sie für ihr gutes Benehmen, sie habe sich tadellos verhalten, als sie der kaiserlichen Familie vorgestellt wurde, versichert er August in Gotha.10 Doch wie befürchtet, bringt der Ausflug in die glamouröse Kaiserstadt keinen Frieden in die Ehe des Coburger Herzogspaares. Luise scheint sich vorgenommen zu haben, ihre Grenzen auszuloten. Sie fleht Gussi an, zu Besuch zu kommen und ihre elegantesten und schönsten Kleider mitzubringen, man wolle sich feinmachen und amüsieren, ganz so wie Ernsts Nichte Marie von Württemberg es wünsche, die schon bald in Coburg eintreffen wird. Die Schöne aus Schwaben ist noch immer Luises größte Konkurrentin. Am Hof blühen Klatsch und Tratsch, in dessen Zentrum wie immer Charlotte von Bock steht. Wieder wittert die selbsternannte Sittenwächterin unerhörte Fehltritte, wieder schwärzt sie Luise bei Ernst an, in der vorgeschobenen Absicht, für die Moral einzutreten und ihren ehemaligen Schützling zur Ordnung bringen zu wollen. Voller Empörung schreibt Luise an Gussi: „[…] die gute Bock hat eine grenzenlose Dummheit begangen. Du wirst lachen, wenn Du sie erfährst, mich hat sie aber weinen gemacht. Sie gab mir die Schuld, ich liebte den Grafen Solms, putzte diesem den Kopf aus, daß er in mich verliebt sei, worüber er sich krank lachte und ganz stolz über die Ehre wurde, es sein zu können und pour comble de bêtise [um den Unfug noch zu übertreffen] machen sie den Herzog auf das große Unglück aufmerksam, wäre der vernünftig gewesen, so hätte auch er gelacht, aber er nahm es wichtig auf, ward auf mich böse, bis wir uns endlich verständigten und das Ganze endigte mit Weinen […]. Nun beobachtet er mich, was er nie tat, und missdeutet Alles.“11 Luise ist zu jung und unerfahren, um die Gefahr zu begreifen, die von Hofintrigen ausgeht. Äußerlichkeiten wie Mode und Schmuck werden zu ihrem vorherrschenden Lebensinhalt, sie will gefallen und übersieht, dass all der Putz und Prunk doch nur dazu da ist, die höfische Gesellschaft von den Untertanen zu unterscheiden und jedem seinen Platz in der angeblich gottgegebenen Ordnung zuzuweisen. Luises einzige Macht, die ihr noch bleibt, ist die Provokation – durch auffällige Kleidung, durch in ihren Augen harmlose Koketterie, durch 168

anzügliche Rede. Sie kann nicht erkennen, wie gefährlich ihre Sehnsucht nach Freiheit ist, die sie dazu verleitet, ihren Gefühlen unbedacht Ausdruck zu verleihen und damit den kommenden Intrigen den Boden zu bereiten. Je mehr Luise außer Kontrolle gerät, desto schärfer wird sie überwacht, wogegen sie sich wiederum umso mehr auflehnt. Sie steht nunmehr unter dem Verdacht der ehelichen Untreue, den niemand so sehr schürt wie Charlotte von Bock, die ja schon vor der Ehe vorhergesehen hatte, welches Unglück sich anbahnen würde. Nun sieht sie sich bestätigt und entdeckt die Wienreise Luises als Wurzel allen Übels, denn „Tugend, Rechtschaffenheit, sittliches Benehmen müssen dort langweilige altväterliche Einrichtungen sein, die außer Kurs gekommen sind. Die Frau Herzogin theilte mir viele confidenzen mit, die ihr von Frauen gemacht wurden, daß mir schauderte. Ich frug, ob sie diese Frauen nachher hätte sehen können. Sie antwortete, diese Frauen wären geehrt und überall gesehen. Welch verderbliches Beyspiel für ein junges Gemüth, so leidenschaftlich wie das unserer armen Frau Herzogin. Was alles mag noch beygetragen haben ihre Einbildungskraft zu verschlimmern, bey allen Anlagen, die gewiß schon mit ihr in die Welt gekommen sind und vielleicht nicht in dem Maaße unterdrückt worden sind, als es schon in frühester Jugend hätte geschehen sollen“12, notiert Charlotte von Bock. Nun ist es zu spät, Luise noch in die Form zu pressen, die sie zu einer willfährigen und duldsamen Vertreterin ihres Standes machen würde. Welcher Art die Geständnisse der Wiener Damen waren, bleibt im Dunkeln, doch ist die Bock nun so alarmiert, dass sie jede Geste und jede Silbe Luises auf die Goldwaage legt. Im Februar 1821 schickt Ernst Luise zurück nach Gotha zu ihren Eltern, als könnte dort das in der Erziehung Versäumte nun nachgeholt werden. Obwohl Karoline glücklich ist, ihre Stieftochter bei sich zu haben, ist sie von dieser Disziplinarmaßnahme des Herzogs peinlich berührt: „Ich kann es Ihnen nicht genügsam sagen, bester Theurer Sohn, wie es mich tief betrübt hat, aus Ihrem ersten Brief zu sehen, daß Sie leider Ursache haben, mit Luischen unzufrieden zu seyn“13, schreibt Karoline an Ernst. Sie weiß vom überschäumenden Tempe169

rament Luises, das durch die Erziehung des unkonventionellen Vaters eher verstärkt denn gebremst wurde. Doch liegt es nicht auch in der Verantwortung des Ehemanns, mäßigend auf die noch junge Herzogin einzuwirken? Karoline will sich nicht die alleinige Schuld an dem ehelichen Zerwürfnis aufladen lassen. Sie ergreift die Feder und verfasst ein längeres Schreiben an den Herzog, um ihm nun auch einmal sorgfältig vor Augen zu führen, welche Versäumnisse auf seiner Seite zu verzeichnen sind. Natürlich muss dies möglichst diplomatisch geschehen, denn Luise soll bald wieder nach Coburg zurückkehren ­können. Zwar missbilligt Karoline Luises offensichtliche Opposition gegen ihren Mann und gegen die Schwiegermutter Auguste, aber schließlich hatte sich damals niemand um ihren gut gemeinten mütterlichen Rat geschert, als sie um ein wenig mehr Zeit gebeten hatte, um Luise doch noch angemessen auf ihre Pflichten als Ehefrau einstimmen zu können. Nun sollte es so aussehen, als habe man die Verantwortung dafür allein in Gotha zu suchen. Geschickt verleiht Karoline ihren Anschuldigungen einen fürsorglichen Ton: „Ich bitte Sie innigst und inständig, lassen Sie Luischen auch nicht das geringste thun, was Ihnen mißfällig seyn könnte, leiden Sie es durchaus nicht, daß sie mit sowas sich zu unterhalten, Ihrer Gesellschaft so sehr vorzieht. Sie müssen es einmal vor allermahl mit Ernst verbieten, und nicht leiden, daß sie Ihnen ungehorsam sey.“14 Ernst wird schon verstehen, was die Stiefmutter meint: Wäre er nicht so oft abwesend, müsste sich Luise für ihre Konversation und ihre emotionalen Bedürfnisse nicht an andere Partner wenden, die sich ihr am Hof ständig präsentieren können. Kammerjunker, Kammerherren, Offiziere, Lakaien – in Coburg wimmelt es nur so von jungen Burschen, die vielleicht einem Flirt nicht abgeneigt sind, obwohl ein solches Verhalten verwerflich ist. Doch allein mit Strenge kommt man bei Luises Starrköpfigkeit nicht weiter, das weiß Karoline nur zu gut: „Sie müssen ihr Rathgeber seyn“, beschwört sie Ernst, „sagen Sie es freundlich und wenn sie es doch nicht thut, so ist es am besten, daß Sie recht offen die Wahrheit sagen. Auch muß sie nicht immer daran denken sich stets zu amüsieren und alles zu thun, was die unglückli170

che Eitelkeit noch mehr erregen könnte. Bitte, bester Herzog, gewöhnen Sie Luise an ein stilles Leben, daß sie sich auch glücklich ohne die lärmende Freude finde und besonders, daß sie nun anfange recht viel für ihre Engels-Kinder zu thun.“ Ist es denn nicht, so schreibt Karoline weiter, die größte Freude jeder Mutter, sich so viel als möglich mit ihrem Nachwuchs zu beschäftigen? Doch dazu muss es auch die Gelegenheit geben. Hatte der Herzog nicht viel zu lange das Treiben der verwitweten Kinderfrau Schuchardt geduldet, die sich um den erstgeborenen Prinzen Ernst kümmern sollte, aber vor allem ihr eigenes finanzielles Wohl in den Vordergrund stellte? Ihr andauerndes Jammern und Klagen war unerträglich gewesen. Wie hätte sich die kränkliche Luise, die von ihren Schwangerschaften stets so mitgenommen war, gegen diesen beständigen Plagegeist durchsetzen können? Erst als das zweite Kind unterwegs war, wurde der Schuchardt Einhalt geboten.15 Bei all dem mag es nicht verwunderlich sein, dass Luise keine rechte Bindung an ihre Kinder entwickeln konnte und ihre Zuwendung starken Schwankungen unterworfen war.16 Das größte Unglück aber war in Karolines Augen die Reise Luises nach Wien, die sich Ernst hatte abtrotzen lassen, obwohl er auch hier ausdrücklich vor den Konsequenzen gewarnt worden war  – von niemand Geringerem als dem sonst immer so nachgiebigen und verständnisvollen Vater Luises, dem Herzog von Gotha. Energisch fordert Karoline gegen Ende ihres langen Briefes: „Und ums Himmelswillen bringen Sie die kleine Frau nicht mehr in die große Welt. Der Aufenthalt in Wien hat ihr gewiß nicht wohl gethan. Sie müssen überhaupt alles bestimmen und ihr nicht zu viel Willen lassen. Ja, bester Herzog, Sie haben durch Ihre Güte, und allein in Coburg, das Kind verzogen. Luischen hat ein gutes Herz und liebt Sie bester Herzog unbeschreiblich. Allein sie ist eitel und leichtsinnig und will sich immer amüsieren und ist bißher wirklich zu glücklich gewesen.“17 Luise sieht sich keineswegs in einer glücklichen Lage. Die Reise nach Gotha hat sie grübelnd und in trüber Stimmung hinter sich gebracht. Die Vorwürfe des Herzogs haben sie verwundet, er hat ihre Entgegnungen nicht einmal in Ruhe anhören wollen und sie statt­ 171

dessen zu einer abenteuerlichen Kutschfahrt über aufgeweichte Wege gezwungen. Schon an der ersten Station hat Luise ihr Handarbeitskörbchen verloren, was zwar ärgerlich, aber kein unersetzbarer Verlust war. Doch dann nahm die Kutsche Schaden, die Kammerjunker, die sie begleiteten, rutschten im Schlamm aus und fielen zu Boden. Zu all dem, so schildert sie in einem Brief an Ernst, kam noch die peinliche Begegnung mit dem Herzog von Meiningen, der an ihren Wagen kam, um sie ins Schloss einzuladen, als sie gerade ein Hühnerbein verspeiste. Ihr blieb nichts anderes übrig, als höflich abzulehnen, zumal sie die Frage nach dem Grund für ihre Reise in die Heimat nicht hätte beantworten können. Schließlich traf auch noch die Nachricht vom Tod des Kurfürsten von Hessen-Kassel ein, dem Vater Karolines. Entsprechend traurig fiel die Ankunft in Gotha aus. Tränen fließen reichlich in diesen Tagen, August bemüht sich, seiner Tochter keine Vorwürfe zu machen, er zeigt sich gut und freundlich, aber seine sonst üblichen Scherze bleiben aus. Anders die Stiefmutter, sie überhäuft Luise mit Ratschlägen und Warnungen und redet ihr ins Gewissen, sich und den Herzog nicht unglücklich zu machen. Der freundliche Empfang hat Luise gutgetan, aber sie fühlt sich dennoch unverstanden und gedemütigt. Kaum angekommen, setzt sie einen Brief an Ernst auf, in dem sie um sein Verständnis wirbt: „Es ist ja auch, Gott ist mein Zeuge, nie mein Vorsatz gewesen, Dich zu betrüben. Ich möchte vielmehr dich recht glücklich wißen, aber mein Freund verzeih, so werden wir es beide nicht. Erlaube, daß ich mit dir spreche, wie ich es fühle und zürne nicht. Ich kann mich irren, dann weise mich zu recht, aber mit Milde, die Strenge thut weh und führt die Kinder nicht zurück. Ich mag Unrecht gehabt haben zu öffentlich einen Mann [Alexander Graf zu Solms] auszuzeichnen, der mich liebte, da es dir nicht lieb war. Ich mag aus Unerfahrenheit, aus zu großer Leidenschaftlichkeit, Unvorsichtigkeiten begangen haben, die die Welt tadelt. Daß gestehe ich frei und offen, aber ich bewahrte mir das Gefühl für Treue und Rechtlichkeit, das mich nie verlaßen wird. Er handelte nur nach meinen Willen, und im Gefühl seiner Unschuld mag er zu offen gezeigt haben, daß er glücklich sich durch 172

meine Freundschaft fühlte und stolz darauf war. Dieß sind meine, seine Fehlgriffe. Verdienen die so streng gerichtet zu werden?“18 Luise fühlt sich durch das Verhalten Ernsts bloßgestellt, war doch ihrerseits nur Freundschaft und Wohlwollen im Spiel. Umso mehr glaubt sie, von anderen Verständnis und von ihrem Ehemann Güte erwarten zu können. Karoline nimmt die Stieftochter fast täglich ins Kreuzverhör, doch sie bringt nichts weiter aus Luise heraus als den Satz: „Ich habe nichts Übles getan.“19 Zwar gibt sich die Angeschuldigte demütig, aber nach Einsicht und Umkehr klingen ihre Aussagen nicht. Luise ist überzeugt, der Herzog vernachlässige sie – eine Flause, so vermutet Karoline, die ihr irgendjemand am Coburger Hof ins Ohr gesetzt hat. Wer, das will sie nicht zugeben. Sie fürchtet sich vor Ernsts Nichte Marie und all den anderen Schönen im Land ihres Herzogs, sie will an seine ritterliche Ehre appellieren, wonach eine Dame zu schützen sei und nicht verletzt werden darf. Doch statt auf sie zu hören, suspendiert Ernst den Grafen Solms, dem, wie Luise stets versichert hat, kein Fehlverhalten gegen seinen Herrn vorzuwerfen ist, und demütigt damit seine Frau in aller Öffentlichkeit. Als Luise schließlich nach Wochen wieder an den Coburger Hof zurückkehren darf, hat sich nichts zum Besseren gewendet. Der Herzog zeigt offen sein Misstrauen gegen sie, sie wird auf Schritt und Tritt bespitzelt und überwacht. Das Gift der Intrige entfaltet seine Wirkung. War Ernst zu dieser Zeit bereits entschlossen, sich endgültig von seiner Frau zu trennen? Sie hatte ihm zwei Kinder geboren, ein beachtliches Vermögen mit in die Ehe gebracht und ihn in eine aussichtsreiche Position versetzt, die ihm den Anspruch auf das Herzogtum Gotha ermöglichen würde. Der Herzog zeigt keine Eile, die „Affäre“ Solms aufzuklären. Schließlich findet doch eine Anhörung des Beschuldigten statt, der sich von Intriganten in die Falle gelockt sieht und mächtige Feinde am Coburger Hof für seine Lage verantwortlich macht. Niemand könne Beweise für sein angebliches Fehlverhalten gegenüber Luise vorlegen. Solms fühlt sich seit Jahren schlecht behandelt und übergangen. Eigentlich habe er die Möglichkeit gehabt, in Russland zu dienen, doch das sei ihm verwehrt worden, 173

da Ernsts Vater ihn habe in seinen Diensten behalten wollen. So sei ihm der erhoffte Aufstieg unmöglich gemacht worden. Luises offen zur Schau getragene Präferenz für ihn habe ihn dafür entschädigt, dass er sich viele Jahre damit habe abfinden müssen, in einem niedrigeren Rang zu dienen als andere Höflinge. Solms muss ein Dokument unterschreiben, in dem er sich verpflichtet, den Kontakt zu Luise künftig zu vermeiden, später wird er nach St.  Wendel strafversetzt. Die „Affäre“ Solms ist damit zu den Akten gelegt. Doch am Horizont ziehen bereits dunklere Wolken auf. Am 17. März 1822, kurz nach einem Besuch bei seiner Tochter in Coburg, stirbt Luises Vater August von Sachsen-Gotha. Ihr Schutzgeist habe sie verlassen, wird sie später einer Freundin anvertrauen. Nun ist sie der Zwietracht in Coburg hilflos und allein ausgeliefert. Herzog August, so erzählt man sich in Gotha, sei gern gestorben, obwohl er erst zweiundfünfzig Jahre alt war. Unglücklich und melancholisch sei er gewesen, sein ganzes Vermögen habe er verschwendet an unwürdige Menschen und an die Perückenmacher in Paris. Selbst seine feurige Einbildungskraft sei zuletzt erloschen, da er durchaus bemerkte, dass er immer mehr gemieden wurde. Keinen Freund mehr auf Erden, verstimmt und verdorben von Höflingen und Schranzen, habe er ganz einfach die Lust am Leben verloren.20 Das Ableben des Herzogs hinterlässt bei den Bürgern von Gotha Ratlosigkeit und Zweifel, denn der einzige männliche Erbe ist Augusts schon kränklicher Bruder Friedrich  IV. Der Gothaer Astronom Franz Xaver von Zach schreibt an einen Freund: „[…] was wird aus uns armen Gothanern werden? Der jezige Thron-folger, ist bekanntlich imbecille, blödsinnig und – catholisch (verzweifelte Synonima!) Er steht seit langer Zeit unter Aufsicht, wie König Georg III in England gestanden hat, und Georg IV stehen sollte. Wer wird also regieren? Fragen Sie dies die Astrologen! Diese behaupten der gegenwärtig am Himmel stehende Comet bedeute, ein Ernst, und ein Leopold werden regieren! Mehr darf ich vom Horoscope nichts verrathen!“21 Zach verfolgt die Vorgänge in seiner Heimat Gotha mit großem Interesse und ist durch seine vielfältigen Kontakte bestens infor174

miert. Zunächst Oberhofmeister der Herzoginwitwe Charlotte Amalie, Luises Großmutter, avancierte er im Lauf der Jahre zu deren Reisebegleiter. Als August stirbt, hält sich Zach mit ihr in Genua auf, wo sie sich von einer schweren Krankheit erholt. Die Konfusion in Gotha ist das beherrschende Thema, denn die Regentschaft des neuen Herzogs Friedrich  IV. wird allenthalben misstrauisch beäugt. Wie wird sich seine Geistesschwäche auf die Regierungsgeschäfte auswirken? Die übrigen sächsischen Fürsten haben ihn zwar anerkannt, wollen aber sicherstellen, dass er nicht mehr verheiratet wird. „Aber wer kann dies Versprechen machen? Die Landes-Stände? Das Ministerium? Die Mutter [Charlotte Amalie]? Keines von diesen hat ja das Recht dazu. Der Herzog [Friedrich IV.] ist erst 48 Jahre alt. Er kann noch zu sich kommen und curirt werden, und heurathen, und Kinder zeugen wollen, oder zeugen lassen wollen. Wie wird er drein schauen, wenn er wieder zu sich kommt, welches allerdings geschehen kann, dann er ist nicht toll, nicht närrisch, nicht demens, nicht amens, sondern nur Nervenschwach; mit dem Alter kann ja diese Schwäche aufhören. Wie wird er drein schlagen, wenn er alsdann erfahren sollte was man ihn, in seinem Namen als anerkannten regierenden Herzog habe versprechen, oder was noch schlimmer wäre, von seiner Schwäche profitierend, habe unterschreiben lassen“22, schreibt Zach besorgt an seinen Freund, den Arzt Rudolf Abraham Schiferli. Denkbar scheint in diesem Gothaer Machtvakuum alles, auch die offenbar gängige Praxis, durch einen Dritten mit der rechtmäßigen Gattin einen Erben zeugen zu lassen, der dann als legitim gilt. Das würde den Interessen der übrigen sächsischen Fürsten widerstreben, denn sollte es in Gotha keine rechtmäßigen männlichen Nachkommen mehr geben, würde das Herzogtum später möglicherweise unter ihnen aufgeteilt, was für alle einen beachtlichen Gebietszuwachs bedeutete. Auch Ernst von Sachsen-Coburg als Ehemann Luises, der letzten Erbin von Sachsen-Gotha-Altenburg, rechnet sich gute Chancen aus, Ansprüche erheben zu können. Zach, der kluge Taktierer, erkennt sofort die Absichten des Coburgers: „In näherem Zusammenhang mit diesem Ereignis scheint mir die plötzliche Reise des Herzogs 175

von Coburg mit seiner Gemahlin, nach Francfurt zu seyn. Kaum ist der Herzog von Gotha todt, seine Tochter, und der Schwiegersohn noch in tiefer Trauer, und sie machen schon eine Lust-Reise? Die reg. Herzogin v. Coburg war nur wenige Tage bey ihrer Stiefmutter in Gotha um sie zu trösten, sie bringt ihr alle ihre Kinder, lässt sie ihr in Obhut, und eilt mit ihrem Gemahl nach Francfurth! Vorgegeben wird die H-gin v. C. müsse nothwendig das Emser Bad gebrauchen, eine junge, rasche, feurige, gesunde Frau!“23 Zach vermutet, Ernst wolle in Wahrheit beim Frankfurter Bundestag, der bei einer Gebietsreform zuständig sein würde, schon rechtzeitig seine Ansprüche auf das ­Herzogtum Gotha anmelden. Das Rennen um die künftige Machtverteilung in den sächsischen Fürstentümern ist eröffnet. Unmittelbar nach dem Tod Augusts wird Luises Erbe geschätzt, es stellt sich heraus, dass der Herzog mit seiner exzentrischen Lebensweise Schulden in Höhe von 541 041 Reichstalern angehäuft hat, eine astronomisch hohe Summe. Luise sieht sich genötigt, auf den Privatnachlass ihres Vaters und den Schatullennachlass des Staates zu verzichten. Davon nicht berührt ist ihr Anspruch und der ihrer Söhne auf den Allodialnachlass der Sachsen-Gothaer Linie, das Privatvermögen des fürstlichen Hauses. Für Ernst von Sachsen-Coburg ist seine Frau Luise nun wie erhofft zum Schlüssel einer äußerst attraktiven Besitz- und Landvermehrung geworden, was ihn aber nicht veranlasst, sein Verhalten ihr gegenüber zu ändern. Wir Frauen sollen treu sein, denkt Luise, die Männer aber wollen gefallen, „sie wollen erobern oder sterben und können am Ende beides nicht, dann trösten sie sich“24  – Luise mag noch immer jung und unerfahren sein, aber naiv ist sie schon lange nicht mehr. Welchen Weg ihre Ehe nimmt, hat sie längst durchschaut, sie fühlt sich mehr denn je vernachlässigt und sinnt auf Rache.25 Zunächst erhebt sie Anspruch auf ihr Gothaer Allodialvermögen und konfrontiert ihre Schwiegermutter mit ihren Plänen für die Zukunft. Sie wolle volle Unabhängigkeit genießen, allein Reisen unternehmen, zum Beispiel nach Italien, eröffnet Luise der verblüfften Auguste. Die ruft Luises ehemaligen Vormund Baron ­Lindenau zu Hilfe und fleht ihren Sohn Leopold an, beruhigend auf 176

seine Schwägerin einzuwirken: „Gestern erzählte mir Luisgen, sie hat, ich glaube 6 Bogen an dich geschrieben, mögen wohl 6 Seiten gewesen sein. […] das Kind hat die unpraktischsten Ideen, womit sie bei dir wohl nicht ganz heraus gerückt ist, deshalb bitte ich Dich sie zu berichtigen, denn ihre Pläne für die Zukunft kamen mir für ihre Ruhe und ihr Vermögen höchst gefährlich vor […]. Seitdem hat sie sich ein System von Unabhängigkeit zusammengesetzt und sehr ernstlich mit Lindenau überworfen, der auf der Rückreise von Jena hier war, und der ihr sagte von unbeschränkten Halten und Walten über das Allodium wäre nicht die Rede. Die Einkünfte wären ihr, aber der Art, [dass sie] dem hiesigen Haus wie vormals dem gothaischen zum Besten ihrer Kinder bleiben müssten, und sie könnte ohne Zuziehung ihres ehelichen Vormundes nichts veräußern. Die kleine Unvernunft war dermassen zornig, daß Lindenau, der sie hat verziehen helfen, die Hände übern Kopf ob dem Unfug zusammen schlug.“26 Auguste fürchtet nun, Luise könne ihrem Vater immer ähnlicher werden, misstrauisch registriert sie den verschwenderischen und müßigen Lebenswandel ihrer Schwiegertochter – zehn Winterkleider bestellt Luise auf einmal, dazu etliche Hüte, tratscht mit ihren Freundinnen und Hofdamen über nichtige Angelegenheiten, liegt morgens lange im Bett und bleibt bis nach Mitternacht auf. Auguste hofft, Leopold werde Luise zur Raison bringen, doch der hat bereits Sorgen genug mit der Affäre um Madame Panam, die sich nicht ruhigstellen lassen will. Es spricht sich herum, dass in Coburg der Haussegen schief hängt, in Gotha pfeifen es die Spatzen von den Dächern, die Großmutter Luises ist über alle Intrigen bestens informiert und ihr Begleiter, der Astronom Zach, berichtet seinem Freund Schiferli: „Haben Sie davon gehört mein theurster Abraham, wo nicht, so lege ich das Geheimnis in Abraham’s Schoss; dass Pr. L[eopold] damit umgehen soll, sich loszukaufen, oder vielmehr abzufinden. Statt seiner jährlichen Appanage [in Großbritannien], will er sich ein- für allemal eine gewisse Summe geben lassen, und sich damit in Deutschland ­ankaufen. Ich dächte das Project wäre so übel nicht, und werde sich leicht ausführen lassen. Was sagen Sie dazu? Mit seinem Bruder 177

[Ernst] in C[oburg] soll es mit der Felicité domestique [dem häuslichen Glück] nicht am besten stehen. Die Harmonie ist ganz zerstört, doch ohne Esclandre [Skandal], das Decorum wird beobachtet, man sieht sich wenig, man ist gegenseitig kalt geworden, Erben sind da, jeder geht seiner Wege, und so ist die scheinbare Ruhe (ob auch die wahre?) vor der Hand erhalten.“27 Im Herbst des Jahres 1822 verletzt sich Ernst bei einem Jagdunfall  – ein in Panik flüchtender Hirsch überrennt ihn, als er auf der Pirsch ist. Es wirkt wie ein böses Omen, das an die Auflösung der Ordnung am Coburger Hof gemahnt, in deren Folge der Herzog zu einer hilflos agierenden Marionette zu werden droht. Noch wird um die Weihnachtszeit wie gewohnt gefeiert und getanzt, doch die Harmonie ist nur gespielt, hinter den Kulissen ziehen längst die Schranzen und Intriganten die Fäden. Die Herzogin hält sich nun einen neuen „maître de plaisir“, einen Hans von Thümmel, Sohn eines ­Vertrauten ihres verstorbenen Vaters. Wie weit die gemeinsamen ­Vergnügungen gehen, bleibt den Klatschmäulern verborgen, aber wer braucht Beweise, wenn auch üble Nachrede genügend Schaden anrichten kann. Jeder Mann in Luises Nähe, der dem ständig abwesenden Ehemann Konkurrenz machen könnte, wird ihr untergeschoben. Nach Thümmel ist es ein Sekretär Ernsts, mit dem bezeichnenden Namen Baron von Münchhausen.28 Auf diesen folgen schon bald ein Stillfried, ein Bülow, dann ein Hanstein, die Verwirrung im Schloss Rosenau ist perfekt und greift auf die Dienerschaft über. Die „Affäre Solms“ hat den Hof in zwei Lager gespalten, die einen halten zu Luise, die anderen zu Ernst. Im Zentrum der Intrigen findet sich der Kammerjunker Heinrich Friedrich Ernst von Rosenberg wieder, der es allen Recht machen will und alle gegen sich aufbringt. Von Rosenberg dient seit dem 21. Dezember 1819, dem 19. Geburtstag von Luise, als Kammerherr in ­Coburg und ist inzwischen zum Mitaufseher der herzoglichen Kupferstichsammlung befördert worden. Bereits im Drama um die angeb­ liche Liebschaft Luises mit Graf Solms hat Rosenberg eine unrühm­ liche Rolle gespielt. Er war verdächtigt worden, Briefe der Herzogin an 178

den Verehrer überbracht zu haben  – eine Anschuldigung, die er von sich wies. Stattdessen entlarvt er den Kammerherrn von Speßhardt als geheimen Boten, der daraufhin diszipliniert wird. Doch der verräterische Akt verschafft Rosenberg keine Ruhe, er sieht sich fortan von Neidern und Feinden verfolgt, gibt gar an, des Nachts überfallen und zum Duell gefordert worden zu sein. Obwohl er sich um Abstand zur Herzogin Luise bemüht, treibt sie auch mit ihm angeblich frivole Spielchen, wie Rosenberg dem Herzog von Coburg in einem Beschwerdebrief ins Gedächtnis ruft. Eines Mittags bei Tisch wirft Luise dem Kammerjunker einen Schal zu, mit der Aufforderung, ihn als Geschenk zu behalten. Der banale Vorfall löst in Rosenberg Panik aus, denn eine solche Geste der Vertrautheit muss den Neid und das Misstrauen der anderen Höflinge wecken. Er bittet Charlotte von Bock, ihrer Herrin den Schal auf der Stelle zurückzugeben. Schließlich beendet Ernst, der Zeuge des Vorfalls wird und sich wohl zu einer Reaktion provoziert fühlt, die Angelegenheit mit einem Machtwort. Er befiehlt Rosenberg, den Schal zu behalten. Dieser weiß genau, wohin es führen kann, zu den Begünstigten der Herzogin zu zählen, das hat die Schmach des Grafen Solms in aller Deutlichkeit gezeigt. Der Hofklatsch weiß zu berichten, dass viele junge Galane sich bei der Frau Herzogin auf dem Sofa niederlassen, um ihr zu schmeicheln – Brandis und Bülow, Brandenstein und Stillfried, der erst siebzehn ist und Luise zu Füßen liegt, der sogar auf Apfelbäume steigt, um in ihr Fenster schauen zu können und auch sonst tausenderlei Tändeleien veranstaltet.29 Rosenberg fühlt sich von Luise durch anzügliche Gesten und beunruhigende Geständnisse verfolgt, wie er dem Herzog berichtet. Sie habe ihm ein Buch mit schlüpfrigen Kupferstichen zu Lesen gegeben und ihm eröffnet, sie sei gar nicht die Tochter des Herzogs von Gotha, sondern eine Schwester des Kammerjunkers von Thümmel, dessen Vater in Gotha in Diensten stand. Von all diesen ungeheuerlichen Vorgängen hinter den Kulissen ahnen die Coburger lange Zeit nichts, bis das Jahr 1824 heranbricht, das sich in das kollektive Gedächtnis einprägen wird. Zum ersten Mal verbreiten sich die Gerüchte über die zerrüttete Ehe des Herzogs­ 179

paares nicht nur in den Fluren der Schlösser, sondern auch in Coburg selbst, wie sich der Schriftsteller Friedrich Hofmann erinnert: „Ein Duell zwischen einem Oberst von Szymborsky und einem Kammerherrn von Thümmel (einem Sohn des einst berühmten Dichters), den man als einen Anhänger der Herzogin schätzte, wurde mit diesem Zwiespalt in Verbindung gebracht. Endlich verlautete, daß die Herzogin unter Aufsicht stehe, weil ihr Gemahl sie in derselben Weise beargwohnte, wie einst sein Vorfahr Johann Casimir seine unglückliche Gemahlin, die Herzogin Anna […]. Im Herzen des Volkes war die Parallele fertig und der Vergleich zwischen den Schicksalen der beiden Fürsten vergrößerte die Befürchtungen für den Ausgang des Unheils.“30 Jeder in Coburg kennt die Geschichte der unglücklichen ­Herzogin Anna von Sachsen, die 1613 in Gefangenschaft auf der Veste nach langjährigem Martyrium verstarb. Ihr Gatte Johann Casimir, der wie Ernst der Jagdleidenschaft frönte, überführte sie des Ehebruchs und ließ sie lebenslang einsperren, ohne sich je von ihren ­Gnadengesuchen milde stimmen zu lassen. Nun fürchten die Coburger, dieses Schicksal könnte auch Luise ereilen. Es rumort im so beschaulichen Coburg, die Bürger werden misstrauisch, Geschwätz, Verdächtigungen und Halbwahrheiten machen die Runde – es ist der Nährboden, auf dem der kommende Aufstand am Markttag gedeiht. Den letzten zündenden Funken wird schließlich der verhasste Diener Rosenberg liefern, der die Vorgänge am Hof beobachtet und nur auf seine Gelegenheit wartet, sich an den treuen Vasallen der Herzogin Luise zu rächen. Wüsste die Mutter des Herzogs, was vorgeht, sie würde nicht immer weiter versuchen, ihre Schwiegertochter auf den rechten Pfad zurückzuführen. Am Mittag des 17. Juni 1824 konfrontiert Auguste ihre Schwiegertochter mit den Gerüchten, die am Hof und im Coburger Land kursieren. Sie führt Luise vor Augen, mit welchen Konsequenzen sie zu rechnen habe, falls sie ihr Spiel mit der Leidenschaft und mit ihrer Fantasie weiter betreibe: „[…] ich habe ihr ein wenig bange für ihre Zukunft gemacht, vor der schrecklichen Lage einer Frau, die die allgemeine Achtung verloren hat“31, schreibt Auguste an ihren wie immer abwe180

senden Sohn Ernst. Sie sei nicht berechtigt, jeder ihrer Launen nachzugeben, redet Auguste Luise ins Gewissen, auch schade sie nur ihrer Gesundheit mit ihrem aufreizenden Verhalten: „Ich finde sie sehr übel aussehen und habe es ihr mit Fleiß gesagt. Es hat sie erschreckt, die Arme. Auch scheint ihr daß Stadt Gespräch, daß ihr das Schlimmste nachsagt, nicht gleichgüldig. Sie versichert B[ülow] war ein Pinsel, und sie machte sich nichts aus ihm. Sie wäre überzeugt, er schrie zum Fenster hinaus, wenn sie ihm eine Freyheit zu muthete, und sie hätte ihn auch nur ein paar mal allein gesprochen, und über die Gleichgültigsten Sachen.“ Auguste versichert Ernst, Luise habe sich sehr vor ihr gefürchtet, und sie hoffe nun, die Schwiegertochter endgültig zur Vernunft gebracht zu haben. Doch sie weiß auch, wie schnell die Eitelkeit wieder die Oberhand gewinnen kann, und bittet Ernst inständig, die jungen Herren aus der Umgebung seiner Frau zu entfernen. Auguste vermittelt nach Kräften, doch weder Luise noch Ernst sind von ihrem gefährlichen Kurs abzubringen. Warum unternimmt der Herzog nichts, um seine Offiziere und Kammerherren in ihre Schranken zu weisen? Sucht er einen Grund, sich von seiner unkontrollierbaren Gattin zu trennen und sich einer anderen Frau zuzuwenden? Warum kann Leopold nicht auf ihn einwirken und verhindern, dass es zum Bruderzwist kommt? Viele ahnen, welches Unheil droht, doch niemand hält den Kammerjunker Rosenberg auf, als er sich eines Tages im Sommer 1824 auf den Weg zu Auguste macht, diesmal tatsächlich mit einem kompromittierenden Stapel Briefe bewaffnet. Nun gibt es Beweise, die Auguste den Atem rauben. Sie hält Schreiben Luises an Bülow in Händen, die einen Sturm im Palast entfachen, der bald auch ganz ­Coburg erfassen wird.

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9. Das Affenweibchen

Ehescheidungen sind auch im Hochadel denkbar, doch meist werden die „Verfehlungen“ der Partner unter den Teppich gekehrt. Lässt sich der Skandal nicht verheimlichen, wird das Scheitern der ehelichen Gemeinschaft nicht selten der Frau angelastet. Der Ehemann ist auf jeden Fall im juristischen Vorteil, da ihm das Privatfürstenrecht auch in familiären Angelegenheiten eine souveräne Entscheidungsfreiheit einräumt. Herzog Ernst ist im doppelten Sinn Vormund seiner Angetrauten: als Gatte und als Landesherr.

Luise, dieser „unartige Kobold“1, hat sich einen feinen Plan zurechtgelegt, wie Auguste nach der Lektüre der Briefe ihrer Schwiegertochter an Gottfried von Bülow feststellt. All ihre Versuche, wieder Ruhe und Ordnung in der Ehe ihres Sohnes herzustellen, waren von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wenn sie gewusst hätte, was Luise bereits seit zwei Jahren im Schilde führt, hätte sie sich ihre Ermahnungen sparen können. Auguste ist außer sich ob des Verrats, den Luise, weder von Moral noch von Ehrgefühl gehindert, an den Coburgern beabsichtigt. Was sie, vor Schrecken starr, den Briefen Luises entnimmt, würde das mühsam errichtete Coburger Kartenhaus mit Sicherheit ins Wanken bringen. Das Vermögen aus dem Gothaer Nachlass, die mögliche Gebietserweiterung durch den Anspruch auf das Herzogtum Augusts, das Ansehen der Prinzen Ernst und Albert, die Karriereaussichten Leopolds – alles steht auf dem Spiel, wenn das „Affenweibchen“2 seinen Willen durchsetzt. Ausgerechnet Leopold 182

will Luise in ihre Pläne einweihen, will ihm die Unterstützung für den Unfug abschwätzen, mit dem sie nicht nur ihr Leben, sondern auch das der ganzen Familie zerstört. Wie stünde Ernst als regierender Herzog da, wenn der eigene Bruder mithülfe, den Fürsten in den Augen seiner Untertanen bis auf die Knochen zu blamieren, ihm ­öffentlich Hörner aufzusetzen! Luise will die Trennung von Ernst, nicht aber die Scheidung. Sie will Herzogin bleiben, weiter mit dem Gatten unter einem Dach leben, sich aber die Freiheit einer neuen Lebensgemeinschaft eröffnen. Aussichtsreichster Kandidat unter den vielen angeblichen Liebhabern ist von Bülow, wie Auguste dem verräterischen Brief Luises entnehmen kann: „[ich] heyrathe Dich an die Linke Hand, Dein Bräutchen“3, steht da geschrieben, so als wäre das die selbstverständlichste Sache der Welt und als stünde es in Luises Macht, eine solche Entscheidung zu treffen. Woher nimmt sie nur diese Idee, sie könne verheiratet bleiben, aber sich noch einen zweiten Gatten zulegen? So etwas steht vielleicht adligen Männern zu, die zur rechten Hand mit einer ebenbürtigen Frau verheiratet sind, ihre bürgerliche Mätresse dann zur linken Hand ehelichen, ohne deren illegitime Nachkommen in der Erbfolge anzuerkennen. Doch eine adlige Frau kann sich dieses Recht nicht einfach so herausnehmen. Wenn Luises Großmutter Charlotte Amalie den Baron Zach zur linken Hand geehelicht hat, wie die Gerüchte besagen, dann ist sie dazu in der Lage, weil sie Witwe ist. Auguste ist tief schockiert, doch sie bekommt noch mehr Anlass zur Empörung, als ein weiterer Brief Luises auftaucht, der ähnliche Pläne entwirft, der aber nicht an Bülow, sondern an einen anderen ­jugendlichen Verehrer am Hof gerichtet ist: Maximilian von Hanstein. Darin versichert die Herzogin den Höfling ihrer lebenslangen Treue, sollte er zu seinem Wort stehen, sie auf ihrem künftigen Lebensweg zu begleiten: „Da mein geliebter Freund, Max von Hanstein, mir das Versprechen gab, bei Aenderungen meines Schicksaals mir wohin es sei zu folgen, so gelobe ich ihm hiermit feierlichst, daß ich in keiner Laage durch keine Verhältniße mich je von ihm trennen werde. Sollte der Todt, der alle Bande löst, mich von ihm abrufen, so sind 183

meine Kinder verpflichtet mein Wort zu halten, ganz nach meiner Verfügung, die mit meiner Großmutter im ähnlichen Fall getroffen, übereinstimmen soll, wozu ich die Belege habe.“4 Hatte Luise vor, nun Maximilian von Hanstein zur linken Hand zu heiraten und mit ihm eine Versorgungsvereinbarung zu treffen, wie ihre Großmutter mit dem Baron von Zach? War er der Ersatz für Bülow, der ja bereits kalte Füße bekommen hatte? Täglich kommen die schändlichsten Details heraus, lamentiert Auguste. Wie viele Unterstützer hat sich das ­„Affenweibchen“ in den vergangenen zwei Jahren gefügig gemacht? Wie soll da die herrschende Ordnung noch aufrechterhalten werden können, in der die Frauen ihre Affekte zu kontrollieren haben und sich dem unterwerfen, was der Ehemann von ihnen verlangt? Bestätigt Luises Verhalten nicht die empörende Aussage der Naturforscher, der Mensch stehe mit den Primaten auf einer biologischen Stufe?5 Im Urwald mag es Sitte sein, dass die weiblichen Affen sich nach Lust und Laune gehen lassen, doch was würde aus der Gesellschaft werden, wenn die Frauen sich ebenso verhielten? Schlimm genug, wenn Gefühle das Handeln diktieren, was wird erst sein, wenn die tierische Lust auch dem schwachen Geschlecht den Sinn vernebelt? Es werde, so droht Auguste, ihrer Schwiegertochter noch so ergehen wie deren Tante aus Dänemark!6 Diese unglückselige Caroline Mathilde, eine Prinzessin aus England, die 1766 in jungen Jahren an den Dänenkönig Christian  VII. verheiratet worden war, musste für Luise eigentlich ein abschreckendes Beispiel sein. Mathilde war eine Tochter Augustas von Sachsen-Gotha und des Prinzen von Wales und trug wegen ihrer Schönheit den Beinamen „englische Rose“, doch ihr Leben an der Seite ihres geistesgestörten Ehemanns war alles andere als märchenhaft. Sie gebar ihm zwei Kinder, wurde aber davon abgesehen meist von ihm ignoriert, was er hochtrabend als „Ehe à la mode“ bezeichnete. Während der Dänenkönig sich mit seiner sexuell dominanten Geliebten vergnügte, gewann sein gutaussehender Leibarzt Johann Friedrich Struensee das Vertrauen Mathildes, die unter der Kälte ihres Mannes litt. Sie suchte ihr Heil in der Wohltätigkeit, kümmerte sich um Arme, Alte und Kranke und gewann so den 184

­ espekt der Bevölkerung. Struensee eroberte nicht nur das Herz seiR ner Königin, sondern nahm hinter den Kulissen auch entschlossen Einfluss auf die Regierungsgeschäfte, die er im Sinne der Lehren der Aufklärung betrieb. Bald schon waren die Gerüchte nicht mehr zu überhören, Mathilde habe ein Verhältnis mit Struensee und beide planten, den geisteskranken König Christian zu ermorden. Nach einem Maskenball im Kopenhagener Schloss wurde der angebliche Verräter verhaftet und später grausam hingerichtet, Mathilde schob man nach Schloss Kronborg ab, wo sie zunächst unter Arrest stand. Schließlich wurde sie vom König geschieden, von ihren Kindern getrennt und lebte, ohne diese je wieder gesehen zu haben, bis zu ihrem frühen Tod in Celle. Das Drama war jetzt über fünfzig Jahre her, doch so sehr hatten sich die Zeiten nicht geändert, dass nicht auch Luise ein ähnliches Schicksal bevorstehen konnte. Ernst, der dem Treiben an seinem Hof bislang trotz aller Mahnungen seiner Mutter eher desinteressiert zugesehen hatte, kann nun, da er mit den weitreichenden Plänen Luises konfrontiert ist, nicht mehr ruhig bleiben. Tatsächlich kocht er vor Wut und hält sich nur so lange zurück, wie die Verwandtschaft noch im Haus ist, um den fünften Geburtstag des kleinen Prinzen Albert zu feiern. Als dies vorüber ist, verfasst er einen Brief an Luise, in dem er sie des Ehebruchs und des Hochverrats am Herzogtum Sachsen-Coburg bezichtigt: „Der tief gekränkte Gatte, der hoch beleidigte Landesherr, spricht zu Dir: Du hast mich schrecklich hintergangen. Ich weis alles, Deine Briefe [an Bülow] sind in meiner Hand. Du hast meine aufrichtige Liebe, ich kann vor Gott versichern nur die [tiefste] Zuneigung, mit dem schwärzesten Verrath und Undank gelohnt. Das möge Dir der Himmel verzeihen, so wie ich mir es zu Thuen Mühe geben will. Du wirst selbst fühlen das von nun an, keine Gemeinschaft zwischen uns mehr sein kann. Wenn Du diese Zeilen erhältst, bin ich schon ferner von hier, die gewohnte Stätte duldet mich nicht, wo ich so glücklich war und mich wähnte und jetzo so unglücklich fühle. Um Auf­ sehen zu vermeiden bleibst Du auf der Rosenau und gehst dann so bald Du die Einladung Deiner Mutter erhältst nach Gotha oder wo Sie 185

Dich sonst hin bescheiden wird. Die Persohnen, die Dich zu begleiten haben, werde ich bestimmen, und sie [werden] sich bei Dir Melden. Und nun Lebe wohl. Ich fühle mich zu angegriffen, um weiter schreiben zu können.“7 Ernst fährt nach Gotha zu Karoline Amalie, mit dem Ansinnen, sie solle ihre Stieftochter wieder am elterlichen Hof aufnehmen, was durchaus der Sitte in adligen Häusern entspricht. Kommt es zur Trennung oder Scheidung, wird die lästig gewordene Ehefrau nicht selten an die Familie abgeschoben, aus der sie stammt. Ernst kann also davon ausgehen, dass auch Karoline Amalie sich um das Problem kümmert. Nicht selten werden in Familien des Hochadels die Gründe für das Scheitern der Ehe in Erziehungs- oder Charakterfehlern der Ehefrau gesucht, weshalb die Verantwortung an die Eltern zurück­ gegeben werden kann. Leichtfertigkeit und Verschwendungssucht, Wunderlichkeit oder Stimmungsschwankungen sind solche Anlässe, die es rechtfertigen, die so Beschuldigte zu disziplinieren, zu verbannen oder gar einzusperren.8 Auguste will Luise in Coburg keinesfalls mehr dulden. Diesmal würde es keine Gnade geben, wie noch in der „Affäre“ Solms. Ihr Urteil über die Schwiegertochter ist gefällt und sie teilt ihr das in einem Brief mit: „Ich hatte Dich zu lieb, um nicht sehr angegriffen und herzlich betrübt um Dich zu sein. Ich kann mich nicht verstellen, und Du hast längst meine Stimmung auf meinem Gesicht gelesen. Wenn mir nur wenigstens die Hoffnung bliebe, daß die bittern Erfahrungen denen Du entgegen gehst, Dich Beßern werden. Aber waß läßt sich von einem Gemüth erwarten, daß immer unwahr und sich in intriquen gefällt, nur in den wirren Träumen einer verwahrlosten fantasie. Du hast diesen Träumen Wirklichkeit gegeben  – und Du bist ­untergegangen!“9 Luises weiteres Schicksal ist zunächst ungewiss. Die Coburger zürnen und in Gotha muss man nachdenken, was mit der untragbar gewordenen Ehefrau Ernsts geschehen soll. Inzwischen lässt der Coburger Herzog die angebliche Liebes­ affäre untersuchen. Gottfried von Bülow, der junge, gutaussehende, aber etwas einfältige Offizier, wird verhaftet und zur Vernehmung ge186

bracht. Johann Heinrich Opitz, ein Vertrauter des Herzogs und später coburgischer Kanzler, versucht, weitere Details der Verfehlungen der Herzogin ans Tageslicht zu bringen. Bülow, ob freiwillig oder unter Druck gesetzt, sagt aus. Während eines Balls auf der Rosenau sei ihm die Zuneigung Luises zu ihm bewusst geworden, da sie dies deutlich mit Worten ausgedrückt habe. Ob er sie lieben könne, fragte sie ihn, worauf er erwidert habe, dies nicht wagen zu dürfen. Kurze Zeit darauf habe ihm die Herzogin ein Porträt von sich geschenkt. Mehrmals habe er mit Luise vom Schlosshof aus gesprochen, als sie sich an ihrem Fenster zeigte. Auch sei es einmal nachts zu einer Begegnung gekommen, gibt Bülow zu. Die Herzogin habe ihn mit einem Taschentuch herbeigewinkt, worauf er eingetreten sei. Bei dieser Unterhaltung im Eingang des herzoglichen Schlosses sei es zu solchen Vertraulichkeiten gekommen, zu denen nur die Ehe berechtige. Dieses Vergehens habe er sich dann auch in der Kammer der Herzogin schuldig gemacht, als der Herzog in Wien weilte. Als dieser auf die Umtriebe aufmerksam wurde, habe er, Bülow, die Besuche bei Luise eingestellt.10 Weiter will sich der Befragte nicht einlassen, deshalb werden in der Folge auch einige Palastangestellte vernommen, doch es ergeben sich keine weiteren Hinweise auf einen tatsächlichen Ehebruch. Wie weit das „Verhältnis“ ging, wird nicht aufgeklärt. Bülow ist ohnehin ein fragwürdiger Zeuge, da er erpressbar ist. Zum Zeitpunkt der Vorfälle hatte er möglicherweise ein Verhältnis mit einem Kammermädchen Luises, das er unerlaubterweise besucht hat.11 Und unbeantwortet bleibt auch die Frage, die keiner zu stellen wagt: Warum hat Ernst, wenn er von den Vorgängen um Bülow und Luise gewusst hat, nicht früher etwas dagegen unternommen? Zögerte er, weil bei einem öffentlichen Skandal und einer formellen Scheidung seine Ansprüche auf das Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg nicht mehr durchsetzbar wären? Wie die Ärzte befürchtet haben, bessert sich der Geisteszustand des regierenden Herzogs Friedrich  IV. nicht mehr, trotz der vielfältigen Behandlungen. Er ist in Apathie und Teilnahmslosigkeit versunken und teilt sich seiner Umgebung nur noch durch Zeichen oder Gesten mit.12 Als ehelicher Vormund Luises wird Ernst 187

nach dem Ableben ihres Onkels ein Anrecht auf dessen Nachfolge geltend machen können. Es ist im Sinne der Coburger Machtansprüche, die Ehe mit Luise so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Doch unter der Decke halten kann man den Skandal nicht mehr. Obwohl durch viele Gespräche mit ihrer Schwiegermutter gewarnt, wird Luise von den nun folgenden Ereignissen vollkommen überrascht. Noch im Juli hat sie mit Ernst Franzensbad besucht und sich dort sehr wohlgefühlt, beschützt und beachtet wie seit Langem nicht mehr. Sie genießt die Ausflüge und die Bälle, die dort auf dem Programm stehen, und freut sich auf einen Ausflug nach Eger. Doch als sie danach auf die Rosenau zurückkehrt, wird sie mit einem unerwarteten Vorschlag konfrontiert, wie sie ihrer Freundin Gussi mitteilt: „Nun kommt der schlimmste Bericht, meine liebe Auguste, schmähen wirst Du über meine Hartnäckigkeit, nur verdamme mich nicht ganz und behalte mich lieb. Alles habe ich hingeopfert, aber Dein Freundesherz laß mich nicht auch verlieren. Ich muß von meiner Rückkehr aus Eger anfangen. Alles war gut und ruhig, wie die Windstille vor Ausbruch eines Gewitters. Szymborski machte mir einen seltsamen Vorschlag, ich sollte mich gewissermaßen vom Herzog trennen; ich denke, der Plan kommt vom Herzog, denn die Unverschämtheit des Dieners dachte ich mir nicht, willigte ein. Der Herzog war freundlich gegen mich, wir erklärten uns und nahmen fürs Leben weinend voneinander Abschied. Er thut mir mehr leid, als ich mir selbst. Der Herzog ging zu meiner Mutter nach Ichtershausen, ich sollte nach Saalfeld reisen.“13 Bis alles Weitere geklärt ist, wird Luise auf die Rosenau verfügt. Sie hält ihre Tränen auch in der Öffentlichkeit nicht mehr zurück, schüttet einem ihrer Kutscher ihr Herz aus und erzählt ihm, sie müsse nun fort. Als Verräter steht der Kammerherr Friedrich von Rosenberg am Pranger, den Luise als üblen Verleumder bezeichnet. Aber auch der ohnehin in der Bevölkerung so verhasste Maximilian von Szymborsky trage Schuld am ehelichen Unglück, außerdem habe dieser Geld veruntreut, heißt es. Das Gerücht, die Landesmutter sei unglücklich und solle eingesperrt werden, geht wie ein Lauffeuer durchs Herzogtum, der Volkszorn steigert 188

sich unaufhörlich, bis die Coburger an einem schicksalhaften Marktwochenende im August 1824 beschließen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und die alte Ordnung außer Kraft zu setzen. Der 28. August 1824 ist ein Samstag. Früh morgens herrscht schon reges Treiben auf dem Marktplatz in Coburg, die Händler errichten ihre Stände, die Bürger der Stadt und die Bauern aus den umliegenden Dörfern drängen sich durch das Gewirr der angrenzenden Gassen, um ihre Geschäfte zu erledigen. Friedrich Hofmann, der spätere Schriftsteller und Chefredakteur der populären Zeitschrift „Die Gartenlaube“, damals noch ein Kind, lässt sich ziellos durch die Menge treiben, schaut hier und da in die Sträßchen der Altstadt, die hinauf zum Schloss Ehrenburg führen. Die Herzogsfamilie ist verreist, um dem Lärm und dem Rummel des Markttreibens zu entgehen. In aller Frühe hat man den Herzog Ernst mit seinen beiden Söhnen Ernst und Albert in der Kutsche abfahren sehen, Richtung Ketschendorf, wo die Großmutter Auguste wohnt. Alles scheint wie gewöhnlich, doch bald bemerkt Friedrich, wie sich hier und dort kleine Grüppchen versammeln und die Leute die Köpfe zusammenstecken. Erst wird nur verhalten geflüstert und getuschelt, doch bald schon raunt es über den ganzen Marktplatz: Die Herzogin Luise soll vom Hof verbannt werden! Die einen meinen, sie werde nach Saalfeld ins dortige Schloss gebracht, andere wiederum glauben zu wissen, dass sie nach Gotha zu ihrer ­Familie zurückkehren soll. Besonders Eifrige meinen, längst erfahren zu haben, die Herzogin Luise werde auf der Veste eingesperrt wie einst die unglückliche Herzogin Anna. Friedrich Hofmann hört die Leute reden, doch mit seinen elf Jahren kann er die Sache noch nicht so recht verstehen. Warum nur will man die gute Herzogin, die bei den Coburgern so beliebt ist, einsperren? Was kann sie verbrochen haben? Kommen nicht nur Diebe und Mörder ins Gefängnis? Gerade noch glaubten die Coburger, in der Fürstenfamilie stehe alles zum Besten, nun ist auf einmal von Untreue und Betrug die Rede. „Der Wandel der Dinge war plötzlich und durchgreifend“, schreibt Friedrich Hofmann später in der „Gartenlaube“. „War bisher, so lange die Eintracht waltete, das Leben am Hofe und im Volk 189

und das Verhältniß zwischen beiden ehrlich und offen erschienen: so begann nun, unter dem Schatten, am Hofe die Intrigue und im Volk das Gemunkel; es trafen sich gegenseitig scheue Blicke. Man flüsterte sich zu, daß die Herzogin am Gram über die Untreue ihres Gemahls leide, man sah sie oft einsam und weinend.“14 An diesem Markttag werden die Coburger jäh aus ihrem biedermeierlichen Idyll gerissen. Eine adlige Dame wie ihre Luise, die sie bei ihrer Ankunft im Jahr 1817 sogleich ins Herz geschlossen und deren Liebreiz sie seitdem gefeiert und bewundert haben, wollen sie glücklich wissen, doch nun sehen sie ihre Landesmutter öffentlich leiden, ohne wirklich zu verstehen, was sich hinter den Kulissen des Fürstenhauses eigentlich zuträgt. Dennoch werden die Sympathien und Antipathien sogleich verteilt, das Volk stellt sich auf die Seite ­Luises, und als eigentlicher Unruhestifter wird der Major von Szymborsky, der aus Polen stammende Adjutant Ernsts, ausgemacht. Als an jenem Samstag beobachtet wird, wie die Herzogin mit ihrem ­Gefolge das Stadtschloss Ehrenburg verlässt, um zum Schlösschen Rosenau hinauszufahren und Quartier zu nehmen, werden die Bewohner Coburgs noch misstrauischer, als sie ohnehin schon sind. „Von Wirthshaus zu Wirthshaus, wo am Abend nach Landessitte jeder Mann zu finden ist, ging wie ein Flugfeuer diese Nachricht, von allen Gerüchten behauptete sich nun das Saalfelder am festesten, und zugleich wurde der Ruf laut: daß die Bürger es nicht so weit kommen lassen dürften, daß es ihre Pflicht sei, die Herzogin selbst in das Residenzschloß zurück zu bringen, und daß man damit am sichersten den Frieden im Fürstenhause wieder herbeiführe. Die Aufregung war groß, die Nacht dennoch ruhig“15, erinnert sich Friedrich Hofmann später an die Stimmung am Markttag in seiner Heimatstadt. Zunächst zerstreuen sich die Bürger, die Landbevölkerung zieht aus der Stadt hinaus auf ihre Höfe, doch unter der scheinbar fried­ lichen Oberfläche brodelt die Unzufriedenheit. All die herrlichen Feste am Hof und in der Stadt, der von Herzen kommende Jubel bei der Geburt der beiden Prinzen, die fröhlichen Jagden und Schlittenfahrten und die Kirmes zur Heuernte – womöglich alles nur Theater? 190

War man hereingefallen auf ein Schauspiel, das nur ablenken soll von der eigentlichen Tragödie, die sich verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit hinter den Mauern der fürstlichen Schlösser ereignet? Niemand weiß so recht eine Antwort auf die Frage, die alle beschäftigt: Was ist wirklich vorgefallen? In Ermangelung einer vernünftigen Erklärung richtet sich der Zorn nicht etwa gegen Herzog Ernst, denn der soll nach dem Willen des Volkes ja weiter seine Rolle spielen, sondern gegen dessen Erfüllungsgehilfen. War es in der Nacht zum Sonntag auch ruhig geblieben in den Straßen, die Gemüter der Menschen haben sich nicht abgekühlt. Am folgenden Sonntagmorgen schicken sich die Coburger an, ihren in den Wirtshäusern gefassten Entschluss in die Tat umzusetzen und auf eigene Faust für Ordnung im Fürstenhaus zu sorgen. Es brodelt in der Bevölkerung, die Prinzen und der Herzog sind noch immer bei Auguste auf dem Land, niemand scheint zu bemerken, was sich zusammenbraut. Auch Luise ist ahnungslos, was sie später immer wieder beteuern wird, als man sie ­bezichtigt, den sich anbahnenden Aufstand geschürt und für ihre Zwecke genutzt, ihn sogar willentlich herbeigeführt zu haben. Am Morgen des 29. August sieht Friedrich Hofmann, wie sich die Straßen Coburgs mit aufgeregten Menschen füllen. In Gruppen finden sie sich zusammen, um den Weg zur Rosenau einzuschlagen. Eine Delegation ist bereits vorausgeeilt, um der Herzogin Luise die Bitte vorzutragen, doch in die Stadt zurückzukehren. Begleitet wird das Ansinnen von den Vivat-Rufen der immer dichter werdenden Menge vor dem Schloss. Die Herzlichkeit der Menschen rührt Luise zutiefst. Nach Jahren der Ohnmacht, in denen sie die Vernachlässigung durch ihren Ehemann still ertragen hat, spielen ihr die über­ raschenden Ereignisse eine bisher nicht gekannte Freiheit zu  – die Möglichkeit, sich zu entscheiden: gehen oder bleiben, leiden oder triumphieren, gehorchen oder dem eigenen Willen folgen. Niemand wagt es, sich ihr in den Weg zu stellen, als sie den Reisewagen vor der Rosenau besteigt und dem Kutscher die Anweisung erteilt, sie in die Residenz zum Schloss Ehrenburg zurückzubringen, wie es die jubelnde Menge fordert. 191

Bürger und Bauern, Männer und Frauen, selbst Kinder wie der kleine Friedrich Hofmann werden überwältigt von einem bisher nicht gekannten Hochgefühl der Einigkeit. In diesem Moment erkennen die Coburger ihre Macht und sind sofort tatkräftig dabei, im Überschwang das herrliche Fundament des Sockels niederzureißen, auf dem sich der Souverän, Herzog Ernst noch immer wähnt. An seiner statt gibt nun die Herzogin Luise die Richtung an in ihrer Kutsche, die sich alsbald in der wogenden Menge festfährt. Ihre Anhänger ergreifen die Gelegenheit, während sie sich immer weiter in ihre Begeisterung hineinsteigern, um nun selbst Hand anzulegen an das Gefährt der edlen Dame. Die Pferde werden ausgespannt und in die Felder gejagt, man befestigt lange Seile an der Kutsche  – wo diese plötzlich herkommen, weiß Friedrich Hofmann später nicht zu berichten –, möglicherweise ist man in diesen aufgebrachten Tagen auch zum Äußersten entschlossen und sogar darauf vorbereitet, Lynchjustiz am verhassten Hofschranzen Major Szymborsky zu üben und ihn am nächsten Baum aufzuknüpfen, falls sich das als notwendig erwiese. Hunderte von Händen reckten sich, um nach den Tauen zu greifen und Luises Wagen weiterzuziehen in Richtung Stadt. Andere können es nicht abwarten, die frohe Botschaft nach Coburg zu bringen, sie eilen der merkwürdigen Prozession voraus und rufen jedem zu, den sie am Wegesrand treffen: „Die Herzogin kommt in die Stadt zurück!“ Jene, die bislang noch gezögert hatten, ziehen nun ihrerseits los in die entgegengesetzte Richtung, um die herzogliche Kutsche gebührend zu empfangen und sich selbst ein Bild zu machen von den denkwürdigen Ereignissen, die in die Geschichte des Fürstentums eingehen werden. Jetzt will jeder dabei sein, um später erzählen zu können, er habe mitgeholfen, den Ehestreit im Haus Sachsen-Coburg-Saalfeld zu schlichten und die Fürstin damit vor dem Schlimmsten, der Einkerkerung in irgendeinem gottverlassenen Verlies, bewahrt. Auch der elfjährige Friedrich Hofmann drängt sich durch die Menge, furchtlos greift er nach den Strängen der Kutsche und ist nun selbst nicht mehr nur Beobachter, sondern Teil des Triumphzuges. Er lässt sich am Seil 192

mitreißen und dabei überkommt ihn „ein großes unbekanntes Gefühl, als ich daran fest hielt und zwischen den erwachsenen Leuten mit fort trollte. Noch mächtiger regte sich dies, als wir die Stadt erreichten und ich sah, was da in wenigen Augenblicken geschehen war. Alle Häuser der Straßen, durch die wir nun zogen, im Heiligkreuz, auf dem Steinweg, in der Spittelgasse, auf dem Markt, in der Herrengasse, waren prächtig mit bunten Tüchern geschmückt und aus allen Fenstern wollte das Winken und Nicken und Vivatrufen kein Ende nehmen.“16 Die Freude kennt keine Bedenken, niemand stellt sich die Frage, was wohl der Herzog über sein eigenmächtiges Völkchen denken wird, wenn ihn die Nachricht von der spontanen Erhebung in seinem sonst so beschaulichen Coburg erreicht. Die alte Ordnung scheint plötzlich aus den Angeln gehoben, die Menschen lassen ihren Gefühlen freien Lauf, Frauen weinen und auch einige Männer können die Tränen nicht zurückhalten. Luise aber nutzt die Gunst der Stunde und macht sich das kleine Herzogtum untertan. Vor dem Schloss Ehrenburg angekommen, entsteigt sie ihrer Kutsche, schreitet zielstrebig die breite Freitreppe empor und verschwindet im Inneren, um alsbald auf den Altan zu treten und die Menschenmenge zu überblicken, die so ungeheuerlich angeschwollen ist, dass es auch ihr die Tränen aus den Augen presst. Ungläubig sieht sie auf die Massen hinunter, die sich auf dem Schlossplatz drängen und sich weiter zu den Berggärten hinauf bewegen  – eine Kundgebung der Herzlichkeit, die nur ihr allein gilt, nicht ihrem Mann, nicht seiner Familie, nicht den jungen Prinzen, ihr allein, der letzten Erbin des Hauses Sachsen-Gotha-Altenburg, die in Schimpf und Schande fortgejagt werden soll und die nun durch den Willen des Volkes den ihr zustehenden Platz auf der öffentlichen Bühne des Schlossbalkons angewiesen bekommt. Luise kann nicht anders, sie muss ihre Hand mit dem weißen Taschentuch heben und der Menge zuwinken, ein Gruß und ein Dank zugleich, den die treuen ­Coburger erwidern, indem sie wie aus einem Mund die Lobeshymne „Nun danket alle Gott“ anstimmen. Zum ersten Mal begreift Luise, wie sehr die Menschen im Herzogtum ihr zugetan sind. 193

Auch der kleine Friedrich Hofmann, der mitgeholfen hat, die Kutsche zu ziehen, beobachtet ergriffen, wie die Menschenmenge der Herzogin huldigt. Er ist überwältigt von den Ereignissen und fühlt, dass sich etwas Großes tut, doch schon bald wird ihm bang zumute. Die Erregung der Massen steigert sich bedrohlich, Rufe nach dem Herzog werden laut, der sich noch immer bei seiner Mutter in Ketschendorf aufhält. Die Menge fordert seine Anwesenheit, man will ihn gemeinsam mit der Herzogin auf dem Balkon sehen, will die Familienzusammenführung erzwingen und so den ehelichen Frieden im Herzogshaus wiederherstellen. Eine Abordnung Coburger Bürger macht sich auf den Weg nach Ketschendorf, um Ernst und seine Söhne über die Vorgänge in der Stadt zu informieren und zur Rückkehr zu bewegen. Es widerstrebt ihm zunächst, sich dem Willen seiner Untertanen zu beugen, doch schließlich gibt er nach, um die Gemüter zu beruhigen. Friedrich Hofmann erlebt an diesem denkwürdigen Tag auch die Rückkehr des Herzogs mit: „Es war zwischen sieben und acht Uhr des Abends, als endlich des Volkes Wunsch sich erfüllte und beide fürstliche Gatten auf dem Altan des Schlosses erschienen. Es wiederholten sich die Lebehochs, und mit der erhebenden Zuversicht, ‚daß nun gewiß Alles wieder in’s Gleiche komme und gut werde‘, zerstreute sich die Volksmasse, und Nichts störte weiter die Ruhe des Schloßhofs und der Stadt.“17 Die neue Begeisterung der Bürger für ihr Herzogshaus, die nach diesem überwältigenden Erlebnis um sich greift, erfüllt auch Friedrich Hofmann mit Stolz. Vor dem Einschlafen drehen sich all seine Gedanken um diesen historischen Moment, an dem er, am Seil der Kutsche ziehend, mitgeholfen hatte, die Herzogin zurückzuholen. Als er sich ein letztes Mal im Bett umdreht, bevor er erschöpft in den Schlaf fällt, ist er noch immer überzeugt, es sei wieder Ruhe und Frieden im Fürstenhaus eingekehrt. Doch schon am nächsten Morgen bietet sich ein anderes Bild. In der Nacht von Sonntag auf Montag haben sich die Ereignisse, die in der Stadt vorgefallen waren, auch unter der Landbevölkerung herumgesprochen. Als Friedrich Hofmann durch Coburg läuft, fällt ihm auf, dass zu allen Toren Menschen hereindrängen, viele Bauern sind mit 194

Dreschflegeln erschienen, für deren Verwendung es doch eigentlich hier keine Erklärung gibt. Der Anblick ist beunruhigend. Und auch die Parolen, die die aufgebrachten Menschen skandieren, jagen dem kleinen Friedrich Schauer über den Rücken. Immer wieder ist der Name Szymborsky zu hören, und der Unterton dabei ist nicht freundlich. An irgendetwas soll er Schuld haben, dieser Fremde, und irgendetwas soll mit ihm geschehen. Zu den Bauern gesellen sich bald auch Bürger, der ganze Tross setzt sich in Bewegung und die allgemeine Erregung artet vor dem Schloss Ehrenburg schließlich in einen Tumult aus. Der Herzog Ernst befindet sich mit seiner Mutter in der Residenz, genauso wie der Geheimrat Szymborsky, der mit Worten wie Bauernschinder und Landesverderber beschimpft wird, so viel kann Friedrich nun verstehen, ohne zu begreifen, was dieser Übeltäter ­tatsächlich angerichtet hat. Das Volk tobt, die einen rufen dem Herzog ein Vivat zu, die anderen wollen den „Fremden“ aus der Stadt jagen – Loyalität und Bestialität wogen durcheinander und sind auch durch mäßigende Stimmen besorgter und friedlicher Bürger nicht zu bremsen, bis schließlich einige Wagemutige versuchen, ins Schloss vorzudringen. Da erscheint Herzog Ernst auf der Treppe und stellt sich ihnen entgegen, im grünen und bis oben hin zugeknöpften Jagdrock mit langen Gamaschen und einem weißen Zylinder auf dem Kopf gleicht er mehr einem besorgten Hirten denn einem souveränen Landesherrn. Als wolle er seine fehlgeleiteten Schafe wieder auf den rechten Pfad bringen, redet er streng auf die Menge ein, doch seine Ansprache verhallt im allgemeinen Durcheinander der erregten Stimmen, und er muss sich alsbald ins Schloss zurückziehen. Es dauert nicht lange, da wird der Major des herzoglichen Bataillons, von Wangenheim, gesichtet, wie er eilends die Treppe zum Eingang des Schlosses emporläuft. Was wird nun geschehen? Will der Herzog etwa das Militär gegen seine Landeskinder einsetzen? Von Wangenheim, so heißt es später, habe sich dagegen gewehrt, von einem harten Auftritt mit dem Herzog ist die Rede. Soldaten lassen sich nicht blicken, doch für längere Zeit zieht von Wangenheim aufgewühlt seine Kreise im Innenhof des 195

Schlosses, bis sich schließlich die bürgerliche Schützenkompagnie einfindet, nebst der städtischen Spritzenmannschaft, um alle Eingänge der Residenz zu besetzen. Die Menge empfängt sie mit Hohn und Spott, der Ruf nach dem Leuteschinder Szymborsky wird immer wilder und beruhigt sich auch nicht, als die Geistlichen der Stadt aufziehen, um mäßigend auf die Gemüter einzuwirken. Mit einer List gelingt es dem „Fremden“ schließlich, zu entkommen. Szymborsky springt in eine Kutsche, die angeblich für die Herzoginmutter vorgefahren ist, und entfernt sich in rasender Fahrt aus der bedrohlichen Szenerie. Inzwischen ist es vier Uhr nachmittags geworden, einen ganzen Tag lang haben die unzufriedenen Coburger die Ordnung des Fürstentums durcheinandergebracht und erlebt, was sie erreichen können, wenn sie zusammenstehen.18 Auch Luise beobachtet das Treiben rund ums Schloss mit einiger Verwunderung. Ihre Widersacher am Hof, Rosenberg und Szymborsky, die man für die eigentlich Schuldigen am Ehezwist des Herzogspaares hält, bekommen den Zorn der Menge direkt zu spüren: „Was den einen Tag nur Liebe war, war den andern Gewalt. Das Volk fühlte sich mächtig, es drang ungestüm ins Schloß und verlangte Szymborski’s Auslieferung. Seine Gartenhäuser hatte es eingerissen in der Nacht, nach dem Sohn, welcher spazierenritt, und nach seiner Mutter, die am Fenster stand, Steine geworfen. Thümmel erschien als rettender Engel, er führte sie glücklich ins Schloß, das Volk ward dringender, der Herzog sah sich genötigt, seinen Liebling unter militärischer Eskorte über die Grenze zu schaffen nebst seiner Familie, darauf erklärte er aber ihnen fest, daß wenn sie nicht ruhig auseinander gingen, da ihr Wille geschehen sei, so würde er oesterreichische Cavallerie herein berufen und sie aus einander treiben lassen. Dies wirkte. Rosenberg wurde auf dem Markte angespuckt und musste flüchten, später kam er wieder zurück, doch mußte er schleunigst zum zweiten Mal das Land verlassen, ihn erreichte die Nemesis!“19 Drei Tage lang ist Coburg nun schon im Ausnahmezustand, sind Disziplin, Loyalität und die staatliche Ordnung auf dem Prüfstand. Das Volk wälzt alle Missetaten und alle Mängel auf die Günstlinge 196

des Fürsten ab, während Ernst allein Luise und ihrem verräterischen Verhalten die Schuld an seinem vorübergehenden Machtverlust gibt. Das Aufbäumen des allgemeinen Volksgeistes, den die absolutistischen Herrscher seit der Französischen Revolution fürchten wie der Teufel das Weihwasser, hat in Coburg die erwartbaren Konsequenzen: Die Stimme des Volkes wird unterdrückt, die Berichterstattung über die ungeheuerlichen Vorfälle untersagt und Luise vom Hof verjagt: „Die Ruhe ward auch nicht gestört, als einige Tage später, am 2. September, die Herzogin Louise die Stadt und das Land wirklich und für immer verließ. Und es ist wiederum ein echt patriarchalisches Zeichen des damaligen coburgischen Staatslebens, daß über diese drei Tage, deren Denkwürdigkeit für das Land ins­ besondere wie für das deutsche Kleinstaatsleben im Allgemeinen Niemand anzweifeln kann, keine Zeile Gedrucktes zu finden ist; keine der Chroniken berührt diese Begebenheit mit einem Worte“20, schließt Friedrich Hofmann seinen Bericht über den Coburger Aufstand ab, mit einem deutlichen Hinweis auf die Tatsache, dass es in Coburg keine Zeitungen gibt und die Verbreitung von Nachrichten der Zensur unterliegt. Um Luise möglichst schnell vom Schauplatz des ungeheuerlichen Geschehens zu entfernen, wird sie in den Kurort Bad Brückenau gebracht, bis über ihren endgültigen Bestimmungsort entschieden ist. Ihr ehemaliger Vormund, Baron Lindenau, soll helfen, die Umstände einer Trennung des Herzogspaares auszuhandeln. Der erfahrene Staatsdiener ist erschüttert vom Verhalten Luises, dem Auftritt auf der Rosenau, dem abscheulichen Zug vor das Residenzschloss, der Huldigung des Lasters und der listigen Verstellung, wie er die Umstände beurteilt – auch er sieht die Schuld allein bei der Herzogin, die offenbar für die Stimme von Recht, Vernunft und Pflicht ganz taub geworden ist.21 „Wie hast Du als Landesmutter gehandelt, die Unterthanen von ihrem rechtmäßigen Herrn entfernt, Zwietracht und Haß ausgestreut, so viele Menschen unglücklich gemacht“, tadelt er Luise, „Du hast das Haus [Sachsen-Gotha-Altenburg], wovon Du der letzte Zweig bist, mit Schande gebrandmarkt.“22 197

Die Herzogin zum alleinigen Sündenbock zu erklären, ist für alle Beteiligten das Einfachste. Ernst gefällt sich in der Pose des gütigen Landesherrn und vergibt seinen fehlgeleiteten Untertanen, die er beinahe vom Militär hätte niederkartätschen lassen. Die alte ­Ordnung wird wiederhergestellt, das gütliche Einvernehmen zwischen Volk und Souverän kann vordergründig fortbestehen. Baron Lindenau, der im Namen des Herzogshauses von Gotha agiert, spricht Luises Familie von aller Verantwortung für deren Verhalten frei. Nur einer scheint noch zu ihr zu halten: Der junge Herr von Stillfried besucht seine ehemalige Herrin in ihrem vorläufigen Exil in Bad Brückenau. Als Karoline Amalie davon erfährt, greift sie entschlossen zur Feder, um sich auf die Seite Ernsts zu stellen und die Frage der Unterbringung Luises ein für alle Mal zu klären: „Herr von Lindenau, mein Theurer Herzog, wird Ihnen dieße Zeilen übergeben, und Ihnen sagen können, wie sehr ich wieder aufs neue ganz niedergedrückt bin, über die fürchterlichen Nachrichten. […] Lieber Gott, soll denn das Unwesen so fort dauern. Also auch dieße kurze Zeit konnte Sie [Luise] nicht ruhen. Dieße Geschichte, die uns alle so unglücklich macht. Mit Herrn von Stillfried hatte ich leider schon gehört. Was wird es uns helfen, lieber Herzog, daß Luise auf Eisenberg [thüringisches Schloss] kommt. Dort wird es nichts als Abscheulichkeiten geben, und wer hat hier im Lande die Macht ihnen Einhalt zu thun. Wäre es denn nicht besser, wenn man Luise in eine solche Verwahrung brächte, wo sie doch nicht noch mehr Skandal und Schande auf uns häuft. Sie bleibt auch immer die Mutter ihrer Kinder, und als solche steht es Ihnen zu alles abzuwehren, was sie in noch tiefe[re] Erniedrigung brächte. Meine Hand zittert, indem ich die schreck­ lichen Worte niederschreibe, allein wenn Sie nicht eingesperrt wird, so giebt es noch fürchterlichere Dinge. Könnte man denn nicht glauben machen, daß eine Verstandeszerrüttung zu diesem Schritt berechtigte. Aus meinen Händen gieng Sie rein und Schuldloß, ihr Religionsunterricht war herrlich und gründlich, wie es wohl ihre auserordentlich schöne confirmation beweist. Wie hat Sie in zeiten einiger Jahre so verderbt werden können. Ach lieber Herzog, wären 198

Sie doch strenger gewesen, und [hätten] Sie nicht zu viel unter jungen Leuten gelassen.“23 Karoline kennt keine Gnade für Luise und will sich auf keinen Fall die Verantwortung für ihre Stieftochter und deren Unterbringung zuschieben lassen. Geschickt führt sie Ernst seine eigenen Versäumnisse im Umgang mit seiner Ehefrau vor Augen. Das Problem liegt, so sieht sie es, in Coburg und soll auch dort gelöst werden. Warum ist Luises Stiefmutter so kalt und abweisend? Warum will sie die junge Frau, die in ihrer Ehe unglücklich ist und über einen ausgeprägten Freiheitswillen verfügt, für verrückt erklären und einsperren lassen? Luises Stiefmutter hatte in ihrer Jugend selbst die Erfahrung einer leidenschaftlichen, ungebührlichen Liebe gemacht  – möglicherweise fürchtet sie nun, ihre Affäre mit dem Kammerherrn Ludwig von Taube könnte wieder ans Licht kommen und sie ihres ehrbaren Leumunds berauben, den sie als Herzoginwitwe in Gotha genießt. Sie schließt ihren Brief an Herzog Ernst mit der Frage: „Was machen die lieben Kinder?“ Ihre Enkel, vor allem der kleine Albert, liegen Karoline am Herzen. Sie hegt schon immer den Verdacht, dass Luise sich nicht viel aus ihnen macht – nun müssen sie gänzlich ohne Mutter aufwachsen. Vielleicht will Karoline ihren Einfluss, den sie als Großmutter auf die beiden kleinen Coburger Prinzen geltend machen kann, nicht aufs Spiel setzen und sieht darin mehr Potenzial für die Zukunft, als sich jetzt zur Aufseherin über die unbotmäßige Stieftochter bestimmen zu lassen. Käme Luise ins Gothaer Land, so würde sie wohl einen ihrer Vertrauten mitbringen wollen, was Karoline niemals zulassen könnte. Lieber würde sie selbst Gotha verlassen, um nicht Zeuge weiterer Schande zu sein.24 Ernst mag mit dem Gedanken spielen, dem Rat Karolines zu ­folgen. Doch ist ihm auch bewusst, welche Gefahren ein zu hartes Vorgehen gegen Luise birgt. Noch einmal ließe sich ein Volksaufstand vielleicht nicht mehr unterdrücken. Zum großen Entsetzen des Herzogs scheint auch die gefürchtete Madame Panam aus den ­Coburger Unruhen und dem Schicksal Luises Kapital schlagen zu wollen. In Paris kursiert eine gedruckte Anzeige, die eine Fortsetzung 199

der ­Memoiren ankündigt. Hätte die erste Ausgabe noch viele Zweifler auf den Plan gerufen, heißt es darin, so habe der Herzog nun mit dem feindseligen Vorgehen gegen seine junge und tugendhafte Ehefrau seinen wahren Charakter offenbart. Ihre Enthüllungen, so verspricht die Panam, würden erneute Aufstände in Coburg nach sich ziehen.25 In ihrem vorläufigen Exil in Bad Brückenau wartet Luise auf eine Entscheidung. Ihr mag dämmern, dass sich ihr Wunsch nach einem selbstbestimmten, freien Leben nicht verwirklichen wird. Sie kann jetzt nur noch an die Großzügigkeit und die Nachsicht ihrer Stief­ mutter appellieren und entschließt sich, ihr einen Bittbrief zu schreiben, in dem sie aber auch ihre Verhaltensweise erklären will. Sie weiß, sie hat Karoline großen Kummer verursacht, aber sie hat auch ihre Gründe für ihr Verhalten, über das sie lange nachgedacht hat: „Die zu große Lebhaftigkeit meiner Einbildungskraft, mein [rasches] Blut, die Lust auf Zerstreuungen, Eitelkeit, dies sind meine Fehler, und ich kenne sie wohl, dagegen steuertest du immer mit Fleiß und warst stets gnädig und liebreich, also hast Du gewiß keine Schuld und die Welt wird dies ja einsehen. […] Daß ich den Herzog schwer beleidigte, weiß ich und würde deshalb auch nie zurückkehren können, wenn er mir auch verzieh, da ich das Bewußtseyn meines Unrechts gegen ihn ewig zu drückend fühlen würde. Was hier zu meiner ­Entschuldigung dienen kann, führe ich nicht an, da ich die Strenge deiner Grundsätze kenne, die wo Schuld ist keine Entschuldigung annimmt. Wer sagt dir, daß ich meine Kinder nicht liebte? Dieß Gefühl liegt in der Natur und kann durch nichts ausgelöscht werden, ich war zu leichtsinnig, mich viel mit ihnen zu beschäftigen, geliebt habe ich sie immer; glücklicher werden sie seyn, wenn sie den Zwist der Eltern nicht [gewahren]“26, schreibt Luise, die die Doppelmoral ihrer Stiefmutter kaum geschickter entlarven könnte, als mit dem Hinweis auf mögliche Entschuldigungsgründe, die nicht ausgesprochen werden, aber auf Ernst zielen, dessen Leben nicht frei ist von moralisch fragwürdigen Begebenheiten und der dennoch die volle Unterstützung Karolines erfährt. Indem Luise Dinge andeutet, die zu ihrer Entlas200

tung hätten angeführt werden können, macht sie auf diese selbst­ gerechte Haltung aufmerksam, ohne den Herzog durch Vorwürfe zu belasten und so weiteren Zorn auf sich zu ziehen. Selbstkritisch erkennt sie die Fehler ihrer leidenschaftlichen Art. Doch den Vorwurf, ihre Kinder nicht zu lieben, weist sie ebenso entschieden zurück wie die Anschuldigung, die Untertanen des Herzogs gegen ihn aufgebracht zu haben: „Gegen den Herzog als Landesfürst habe ich nicht gehandelt und ich bin ganz frei von der Beschuldigung, seine Bürger aufgewiegelt zu haben, dieß ist eine Schändlichkeit, der ich Gott sey Dank nicht fähig bin und von der ich mich zu rechtfertigen hoffe. Daß durch mich Menschen unglücklich würden, das fühle ich schmerzlich und ich werde es immer fühlen, daß ein Schritt […] soviel Unglück stiften kann“27, gesteht Luise offen ein. Aber ebenso dringlich wirbt sie für Verständnis in ihrer nun aussichtslosen Lage, die sie mit beachtlicher gedanklicher Schärfe erkennt und analysiert: „Ich stehe jetzt alleine und frei da, bin noch sehr jung, und wie dir leider nur zu deutlich bekannt, treibt mich Leidenschaftlichkeit zu manchem unüberlegten Schritt, würde ich jetzt deinen Wunsch erfüllen, so hielt ich es lange nicht aus, ich würde wieder ein Wesen aufsuchen, denn ein Unbekanntes wählen, gerieth vielleicht in schlechte Hände und gieng rettungslos verloren“.28 Luise versucht, ihre Stiefmutter davon zu überzeugen, ihr die Gesellschaft eines Menschen zu erlauben, den sie bereits kennt und dessen Treue und Verschwiegenheit sie schon hat erproben können. Nur dies könne sie davor bewahren, sich noch einmal vor der Welt und vor sich selbst zu erniedrigen: „Es ist für jede Frau so schwer, wenn sie alleine dasteht, nicht der Neigung Gehör zu geben, nicht eine jede hat deine Festigkeit und Würde, wie vielmehr eine Frau in meinem Alter, die leider der Leidenschaft so blindlings folgte, darum ist es besser sie wählt ein bestimmtes Wesen, das sie kennt und liebt, als dass sie wie ein Spielball ihrer Neigungen herum geworfen wird und in einen ­Abgrund stürzt, dessen Tiefe man nicht ergründen kann. […] Erlaube mir also den Einen Freund,“ fleht Luise, „vergieb und entschuldige milde und menschlich, wo mein warmes Gefühl die Vorschrift des 201

strengen Rechts nicht befolgt; dieser allein vermag meine Einsamkeit aufzuheitern und mir den Muth zu geben dort auszuharren. Ich erwähnte […] den jungen Mann einst, weil ich es dir schon schrieb.“29 Luise bezichtigt sich der Leidenschaft, nicht aber der Untreue, sie ist bereit, ihre Fehler einzugestehen, aber nicht gewillt, sich von ihrer selbstbewussten Lebensplanung mit einem künftigen Partner abbringen zu lassen. Nun, da Ernst sich endgültig von ihr abgewendet hat, sieht sie sich im Recht, auf ein neues Glück bauen zu können. Warum sollte sie allein bis ans Ende ihrer Tage büßen, wo es doch die Pflicht des Herzogs gewesen wäre, sich um sie zu kümmern und Schlimmes zu verhindern: „Auch das Versprechen noch füge ich hinzu, daß ich nie gegen das Schickliche in meinem Benehmen es fehlen laßen werde, darin fehlte ich früher so sehr, ich dachte der Herzog wird schon Einhalt thun wenn es zu arg wird; jetzt stehe ich allein und muß für mich sorgen und will es thun. Das Schicksal macht mich schon ernster, in meinem Benehmen will ich suchen die wirkliche weibliche und fürstliche Würde anzunehmen“, verspricht Luise, „die ich früher vernachläßigte, so daß gewiß, wenn auch nicht im Anfang doch späterhin nicht gegen mich gesprochen werden soll. Vergönne mir dir von meinem Thun und Lassen an dem Ort meiner Bestimmung von Zeit zu Zeit Rechenschaft abzulegen und sehr glücklich werde ich mich schätzen, darüber deinen Rath und Zurechtweisung zu erhalten.  – Was du mir in deinem Briefe schreibst, würde ich in demselben Fall auch meiner Tochter geschrieben haben, da es mütterlich ist zu warnen, rathen helfen, drohen um Unglück zu verhüten, aber geliebte Mutter, vergieb meine Offenheit, hier wird wenig gebessert, der Gedanke dich auch zu verlieren, da ich schon alles verlor, ist fürchterlich, da bei diesem Gedanken heiß meine Liebe in aller Kraft zu dir erwacht; aber soll ich Versprechungen machen und sie nicht halten, dich abermals täuschen … – Ach vergieb!“30 Karoline müsste nach diesem Schreiben eigentlich erkennen, dass ihre Stieftochter ihre Unzulänglichkeiten und Verfehlungen, welcher Natur auch immer diese gewesen waren, zwar eingesteht, von ihrer Linie aber nicht abweicht und damit eine außerordentliche 202

Charakterstärke beweist. Luise ist nicht verrückt, sie ist keine verschlagene Landesverräterin und auch keine leichtfertige Ehebrecherin. Sie ist eine junge Frau, die von ihrem Ehemann enttäuscht wurde, die provoziert und manipuliert hat und sich mit den ihr aufgezwungenen Verhältnissen nicht abfinden will. Aus ihr, der letzten Erbin des liberalen und kunstsinnigen Herzogtums Sachsen-Gotha-Altenburg, spricht der Geist der Aufklärung, die Stimme der natürlichen Vernunft, die das Recht auf persönliche Freiheit des Einzelnen einfordert – Luise ist vielleicht verwöhnt und verzogen, sie ist aber vor allem mit modernen Ideen infiziert, deren Anhänger die angeblich gott­ gewollte gesellschaftliche Ordnung des Absolutismus alter Prägung nicht mehr akzeptieren. Sie rebelliert gegen die Schranken ihres Standes, lotet ihren Spielraum aus zwischen Revolution und Restauration und ist sogar bereit, dafür alles zu opfern, wenn sie sich dadurch eine Chance auf Liebe sichern kann. Es ist eine romantische Vorstellung von Gefühlen, die sich hier Bahn bricht und sich auflehnt gegen die Doppelmoral der höfischen Gesellschaft, in der die Männer sich alle erotischen Freiheiten außerhalb der Ehe erlauben dürfen, den Frauen aber nur die unterkühlte eheliche Zuneigung gestattet ist, sofern sie sich nicht ohnehin klaglos damit abfinden müssen, dass der Gatte sich gänzlich von ihnen abwendet. Während des Coburger Aufstandes, mit ihren öffentlich zur Schau getragenen Tränen, hat Luise die Fassade eingerissen, hinter der sich die übriggebliebenen Akteure des Ancien Régime verschanzt haben. Für einen kurzen Moment haben die Coburger Bürger und Bauern festgestellt, dass jenseits des Mythos fürstlicher Erhabenheit, ­jenseits von Repräsentation und Zeremoniell menschliches Chaos regiert, dass hinter der Bühne des Hofes Emotionen und Intrigen toben und deshalb die Frage berechtigt ist, warum es eine fürstliche Familie für sich in Anspruch nimmt, den Untertanen zu sagen, was sie zu denken und wie sie zu leben haben. Luise hält Fürst und Volk den Spiegel vor, in dem nichts zu sehen ist, als ein abgelebter Popanz mit willfährigem Gefolge  – und die Begleitmusik zu dieser fürstlichen Farce kommt aus Paris von Madame Panam. Nicht der angebliche 203

Ehebruch macht Luise so gefährlich, sondern ihr entschlossener Wille, sich diesem Theater und seinen Spielregeln nicht mehr zu beugen und sich öffentlich das herauszunehmen, was nach den Lehren der Aufklärung jedem Individuum zusteht und was die französischen Revolutionäre mit dem Schlachtruf „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ auf die Barrikaden getrieben hat: das Recht, über das eigene Schicksal zu entscheiden. Auch als sie erkennen muss, wie einsam sie nun dasteht, weicht Luise nicht zurück. Alle Drohungen, alle Einschüchterungen, alle Strafmaßnahmen lassen sie nicht verstummen. Sie bittet um Vergebung, aber sie bettelt nicht darum, in die alten Verhältnisse zurückkehren zu können. Zwei Wünsche äußert sie: das Besuchsrecht für ihre Kinder und die Erlaubnis, einen Gefährten auf ihrem künftigen Lebensweg mitnehmen zu dürfen  – beides in den Augen der fürstlichen Verwandtschaft eine unerhörte Anmaßung. Da Karoline ihre Stieftochter nicht in Gotha dulden und auch das Schloss Eisenberg in Thüringen nicht zur Verfügung stellen will, liegt es an Ernst, über den Verbleib Luises zu entscheiden. Er bestimmt Baron von Lindenau zu ihrem gesetzlichen Vormund, der auch gleich eine Lösung präsentiert: die Verbannung nach St. Wendel im fernen Fürstentum Lichtenberg, in dem der Herzog nie einen besonderen Nutzen sehen konnte. Das wirtschaftlich schwache Gebiet in der Nähe der Grenze zu Frankreich, nur etwas mehr als acht Quadratmeilen groß, mit circa fünfundzwanzigtausend Einwohnern, ist ein beständiger Hort der Unruhe. Die Bürger dort fühlen sich vom Coburger Herzog missachtet und fordern immer dringender eine Mitsprache bei Entscheidungen über politische Belange. Mit der „Entsendung“ Luises hofft Ernst, zwei Probleme zur selben Zeit lösen zu können: die Lichtenberger mit der illustren Anwesenheit ihrer Herzogin abzulenken und die lästig gewordene Ehefrau an einen möglichst abgeschiedenen Ort verbannen zu können, in dem sie kein weiteres Aufsehen verursachen kann.31 Auguste, der das Betragen ihrer Schwiegertochter zuletzt nur noch widerlich gewesen ist, zeigt sich hoch zufrieden, sie berichtet ihrem Sohn Ferdinand: „Ich habe mich wie Du gegen St.  Wendel 204

­ esträubt, wohin sie eigentlich Lindenau expediert hat, weil er sich in g Gotha für ihre Intrigence und den Scandalen fürchtete, indeßen glaube ich, daß sie in St. Wendel, daß von allen Städten, aller Nachbarschaft entfernt in einem einsamen Winkel liegt, doch am besten aufgehoben ist, hier hört und sieht niemand waß von ihr, und sie wird bald gänzlich vergeßen sein.“32 Auguste ist überzeugt, Luise werde in ihr Unglück laufen, einem Schicksal entgegen, das sie sich selbst ­gewählt habe. Hätte Luise tatsächlich eine freie Wahl gehabt, wäre sie sicher nicht damit einverstanden gewesen, dem von Baron Lindenau ausgearbeiteten Trennungsvertrag zuzustimmen, mit dem er sein Mündel aller Rechte beraubt und Ernst die alleinige Verfügungsgewalt über alles Vermögen zugesteht.33 Ein Besuchsrecht Luises für ihre Kinder ist darin nicht vorgesehen. Ernst verweigert der Mutter jeglichen Kontakt mit den Prinzen Ernst und Albert, außerdem muss sie auf das ihr zustehende Erbe aus dem Nachlass des Herzogtums SachsenGotha-Altenburg zugunsten ihrer beiden Söhne verzichten. Der ­Coburger Kanzler Johann Heinrich Opitz, der schon die Untersuchung im Fall Bülow geleitet hatte, stellt die unangenehme Frage zur Diskussion, ob Herzogin Luise über die rechtlichen Folgen des Trennungsvertrages ordentlich aufgeklärt worden sei. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre er später möglicherweise anfechtbar. Opitz kommt es darauf an, „daß die Frau Herzogin Durchl. bei der Sache als ausreichend unterrichtet von den betreffenden Verhältnissen und rechtlich berathen sich darstellt. Ich würde es daher für nöthig halten, daß ihr Zeit gegeben werde, sich insbesondere noch mit einem Rechtsverständigen in St. Wendel über den Vertrag zu berathen, damit höchst Sie der Erklärung, die ich in dieser Beziehung in den Vertrag aufgenommen habe, bestimmt abgeben könne.“34 Opitz’ Mahnung nimmt Ernst zum Anlass, den Vertrag von mehreren Juristen prüfen zu lassen, er selbst hatte den Entwurf mit handschriftlichen Notizen ergänzt. Er will klargestellt wissen, dass beide Seiten die Fortsetzung der Ehe für nicht ausführbar halten. Den Juristen scheint es bedenklich, dass Luise zur Zeit des Vertragsabschlusses nach den Coburger 205

Landesgesetzen noch nicht volljährig ist. Deshalb schlagen sie vor, die Herzogin solle den Erbverzicht gerichtlich und mittels Handschlag an Eides statt leisten.35 Kaum ist die Trennung besiegelt, schmiedet Auguste schon wieder Ehepläne für Ernst. Dessen Aussichten auf eine passende Braut haben sich in den Jahren seit seiner ersten Heirat nicht gebessert. Die noch übrigen Kandidatinnen sind halbe Kinder  – und Ernst ist kein Jüngling mehr. Das galt damals und gilt auch jetzt. Doch Auguste hat längst eine Lösung im Sinn: Ernsts Nichte Marie von Württemberg. Die junge Schönheit, vor der Luise sich schon immer gefürchtet hat, ist die Tochter von Ernsts Schwester Antoinette. Marie lebt mit ihren Eltern in St. Petersburg, der Vater, Alexander von Württemberg, ist „Chef des Departements der Inneren Kommunikation des russischen Reiches“ und beaufsichtigt den Ausbau von Straßen, Brücken und Schifffahrtswegen. Bevor er diesen Posten antrat, hatte er mit seiner Familie eine ausgedehnte Rundreise durch Europa gemacht und innerhalb von zwei Jahren Böhmen, Österreich, Bayern und die Heimat Württemberg besucht. Zum Abschluss machten Marie und ihre Eltern im April 1820 länger Station in Coburg, bei Großmutter Auguste und Onkel Ernst.36 Zeit genug, sich kennenzulernen und die Nichte vier Jahre später als potenzielle Heiratskandidatin ins Auge zu fassen, kaum dass das „Affenweibchen“ Coburg verlassen hat. Auch Luise schmiedet Zukunftspläne. Noch im September 1824 in Bad Brückenau, ihrem ersten Aufenthaltsort vor der endgültigen Verbannung, hat sie ein Schreiben aufgesetzt, das für ihren künftigen Begleiter Maximilian von Hanstein ein besonderes Arrangement vorsieht, falls er aus Coburger Diensten ausscheiden und zu ihr nach St. Wendel expediert werden sollte: „Wir Luise von Gottes Gnaden Herzogin von Sachsen Koburg und Saalfeld etc geborene Prinzessin zu Sachsen Gotha und Altenburg Bewilligen hiermit, ein­ gedenk Unseres Versprechens Unserm Reisestallmeister Max von Hanstein aus Koburg vom Tage seiner Entlassung an, eine lebenslängliche Pension von 2000 fl. Rheinisch, sage zwei Tausend Gulden in rheinischer Währung, aus Unserer Privatvermögungskaße, mit 206

der eventuellen Verbindlichkeit für Unsere Erben, dem obengenannten Max von Hanstein solche 2000 fl. Rh bis zu seinem Ableben fortzuzahlen.“37 Luise folgt dem Beispiel ihrer Großmutter Charlotte Amalie, die ihrem treuen Reisebegleiter Baron von Zach vertraglich eine lebenslängliche Pension zugesichert hatte. Luise war von Charlotte testamentarisch verpflichtet worden, für die regelmäßige Auszahlung zu sorgen.38 Ernst und Luise arrangieren sich mit ihrer Trennung, nur die unermüdliche Einflüsterin Charlotte von Bock gibt die Hoffnung auf eine Versöhnung des Herzogspaares nicht auf. Sie sucht auf Ernst einzuwirken, teilt ihm mit, was Luise ihr in ihren rührenden Briefen aus ihrem Verlies in St. Wendel anvertraut. Noch ein halbes Jahr später schwelt ihr Kummer über die Vorgänge in Coburg, noch immer kann sie nicht von ihrem einstigen Schützling lassen. Sie glaubt, Luise aus dem Verderben reißen zu müssen und fühlt umso schmerzlicher ihr eigenes Unvermögen, sie bisher nicht vor dem Schlimmsten bewahrt zu haben. Seit dem Tod ihres Vaters war in der jungen Herzogin die verderblichste Veränderung vorgegangen, aber schon viel früher, das sieht die Bock jetzt ganz klar, stand sie unter dem Einfluss böser Menschen, die ihre Eitelkeit, ihre Gefallsucht, ihre romantischen Ideen und ihren nicht zu vertilgenden Hang zu Heimlichkeiten begünstigten. Koketterien, Schwindel, Verlockung  – Irr­ tümer, aus denen Luise sicher eines Tages erwachen wird! „Sie muss es einsehen und dann, dann Theuer Herzog verlassen Sie sie nicht, werden Sie ihr Führer und Freund, wenn auch keine andern süßeren Banden mehr statt finden können. Ohnmöglich kann alles Gefühl in der Frau Herzogin ihrem Busen erstickt sein“39, schreibt die Bock im Februar 1825 an Ernst. Sie erinnert ihn an gemeinsame Gespräche mit ihr, Charlotte, vor der Hochzeit, als das Temperament der jungen Braut zu so mancher Betrachtung Anlass gab. Niemals hätte der Herzog seine Vorsichtsmaßregeln vernachlässigen dürfen, auf die sie sich damals mit ihm verständigt hatte. Vielleicht wäre Luise zu retten gewesen, hätte Ernst das gefährliche Gerede am Hof unterbunden: „Ein böser Geist 207

säete aber Unkraut aller Art. Es wurden ihr Dinge mitgetheilt, die wenn sie auch wahr befunden, sie nie hätte hören müßen. Leider war von der Zeit an die Frau Herzogin nicht in guten Händen. Wohl mag ihre Einbildungskraft ihr zur Hülfe gekommen und manches verderbliche in ihr geweckt haben. Aber die Bereitwilligkeit ihrer Untergebenen, ihr in verderblichen Dingen zu dienen, alles gut zu heißen, und im Gegensatz das Benehmen von Euer Durchlaucht zu tadeln, hatte die gefährlichsten Folgen.“40 Warum nur, fragt Charlotte von Bock, will Ernst nicht verstehen, dass Luise der Spielball einer bösen Hofintrige war? Wie konnten seine eigenen Untergebenen der Verblendeten einreden, er sei gewillt, über alles hinwegzusehen, da sie nun eine reiche Erbin war und er daraus seinen Vorteil ziehen konnte? Warum war Ernst nicht bereit zu vergeben und warum durfte die Herzogin ihre Kinder nicht mehr sehen? „Sie ist noch so jung. Ewig kann der Schwindel nicht währen. Schon vermißt sie ihre Kinder, wie sie schreibt – die lieben lieben Prinzen! Und wenn sie diese wirklich liebt, an sie denkt – muss sie nicht auch an Den denken, der mit ihr diese Empfindung theilt?“41 Charlotte von Bock fleht vergebens um Gnade für Luise. Niemanden scheint es mehr zu interessieren, was wirklich in Coburg vorgefallen war, zu sehr sind alle damit beschäftigt, aus der Verbannung der Ungeliebten ihren eigenen Vorteil zu ziehen.

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10. Die Abderiten – Wenn Frösche das Volk verdrängen

Es brodelt in Europa in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Aufstände können zu Revolutionen werden, Grenzstreitigkeiten zu militärischen Auseinandersetzungen führen. Selbst in den mächtigeren Nationalstaaten wie Großbritannien und Frankreich können die politischen Verhältnisse schnell instabil werden, ganz zu schweigen von den absolutistischen Miniatur­ staaten auf deutschem Boden. Wer kann die Länder Europas in eine glück­ lichere Zukunft führen? Hier kommen Diplomaten wie Leopold von Sachsen-­ Coburg ins Spiel.

Wo ist Leopold, als Luise in Bedrängnis gerät? Sie wird auf die Unterstützung des Schwagers gehofft haben, so wie sie sich auch schon früher auf ihn hatte verlassen können. Als es ihr nach der Geburt ihres ersten Sohnes schlecht ging, war es Leopold, der sich um sie bemühte und sie wieder aufbaute. Als sie sich von aller Welt verlassen fühlte, war es Leopold, der dafür sorgte, dass sie es in ihrer lieblosen Ehe weiter aushielt. Wäre er nicht gewesen, hätte sie eine zweite Schwangerschaft vielleicht nicht mehr erlebt. Doch nun, da sie von ihren Kindern getrennt werden soll, ist Leopold ihr ferner denn je. Seit mehr als einem Jahr hat Luise ihn schon nicht mehr gesehen. Warum legt er kein gutes Wort für sie ein? Leopold war doch so etwas wie der Pate der Ehe zwischen Luise und Ernst. 1817 hatte er 209

sich verpflichtet, für die Einhaltung der Eheabredung zu sorgen, die zwischen dem Herzog von Coburg und Luises Vater, dem Herzog von Gotha, geschlossen worden war. Damals war die Zahlung von dreißigtausend Sächsischen Reichstalern durch August an Ernst vereinbart worden, das sogenannte Heiratsgut, das fällig war binnen eines Jahres nach gehaltenem fürstlichen Beilager – was ja mit der Geburt des ersten Kindes erwiesen war. Doch die Summe wurde erst ausgezahlt, als Luise zum zweiten Mal schwanger war, Ende Januar 1819. Nun, da der Pakt wirksam ist, hat Leopold seine Verpflichtung erfüllt. Im Dezember 1824 verfolgt er das Ehedrama seines Bruders und seiner Schwägerin in Coburg, doch schon bald reist er ab, sehr zum Bedauern seiner Mutter, die seinen wohltuenden Einfluss auf Ernst bemerkt hat. In den vergangenen Monaten hat sich Auguste viele Sorgen um ihren ältesten Sohn gemacht, und noch mehr Gedanken um seine Zukunft: „Der Kummer und Ärger der letzten Zeit hat sein Aussehen recht mit genommen. Er sieht gebeugt und übel aus“, schreibt sie an ihren Sohn Ferdinand. Da hilft nur eine Medizin: so schnell als möglich wieder heiraten. Am liebsten sähe Auguste immer noch Marie von Württemberg als Braut, die zwar viel jünger ist als Ernst, aber einen angenehmen Charakter hat und obendrein noch im Fall einer Heirat auf finanzielle Unterstützung durch den König von Sachsen hoffen darf. „Marie würde eine gute Mutter für die armen Bübchen [Ernst und Albert] sein, und die alte Treuliche Zeit wieder ins Beschimpfte und verödete Vaterhauß zurückbringen und den Fluch versöhnen, den die kleine Hetäre, dieser letzte Zweig eines Haußes, daß immer feindlich gegen daß unsere handelte.“1 Warum setzt Auguste Luise mit einer Prostituierten aus der Antike gleich? Kann sie nur so das Gefühl der Schande und Demoralisierung ertragen, die die gescheiterte Ehe ihres ältesten Sohnes hinterlassen hat? Leopold jedenfalls hat die aufgebrachten Gemüter nicht beruhigen können. Kaum hat er die Heimat verlassen, nimmt er wieder die Perspektive eines europäischen Staatsmannes ein, der sich seine Chancen auf eine große Karriere offenhalten will. 210

Leopold verkörpert alles, was den Erfolg seiner Dynastie ausmacht: militärische Erfahrung, internationale Vernetzung und geschickte Diplomatie. Sehr viel deutlicher als sein Bruder in Coburg spürt er die Notwendigkeit des Wandels, weg von der erschütterten Gesellschaftsordnung des Ancien Régime hin zu einer aufgeklärten Monarchie, die nicht allein auf ererbten Privilegien gründet, sondern auf der Leistung für das Allgemeinwesen. Zur Lektüre hat er sich „Die Abderiten“ gewählt, einen satirischen Roman von Christoph Martin Wieland, der von einem antiken Völkchen aus dem Ort Abdera handelt, das nicht in der Lage ist, über den Tellerrand des eigenen Staates hinauszusehen und so ziemlich das Gegenteil von dem darstellt, was Leopold bewundert und anstrebt. Die Schildbürgerstreiche der Ab­ deriten treiben einem die Tränen in die Augen, erst vor Lachen, doch dann möchte man über so viel Dummheit eher weinen. Was schief­ gehen kann, geht schief in Abdera, weil seine Bewohner zur Lösung ihrer Probleme treffsicher die schlechteste Möglichkeit wählen. Da ist das Beispiel mit den Fröschen – sie nehmen so sehr überhand, dass ihr Gequake nicht mehr auszuhalten ist. Die Abderiten wissen, was zu tun ist: Kurz entschlossen verlassen sie ihren Staat und nehmen beim König von Mazedonien Asyl. Nicht, dass sie nicht gewarnt worden waren, ein weiser Mann hatte die Froschplage vorausgesagt, doch waren die Sonderlinge von Abdera nicht helle genug, das richtige Mittel zur Abhilfe zu erkennen. Das stellte sich etliche Monate später ganz natürlich von selbst ein, als eine Menge Kraniche herbeizog und die Frösche auffraß. Die Abderiten konnten zurückkehren. Doch auch dieser so bezeichnende Vorfall brachte sie nicht davon ab, über sich und ihr Staatswesen nur die beste Meinung zu vertreten. Ihre Unwissenheit über die Vorgänge in der Welt bestärkte sie in ihrem Dünkel und alles was sich nicht verhielt wie sie selber, konnte nicht anständig oder gut sein. Wer mit den Abderiten auf gutem Fuß stehen wollte, musste so tun, als sei ihre Welt die Verkörperung eines Ideals.2 Leopold mag bei der Lektüre oft an Coburg gedacht haben. Er ist es längst leid, sich den Anschein zu geben, die Vorgänge dort gut zu 211

heißen. Wie sehr hatte er sich bemüht, seinen Bruder Ernst bei der Regelung der Panam-Erpressung auf die juristischen und diplomatischen Gepflogenheiten hinzuweisen, die außerhalb des coburgischen Staatsgebietes zu beachten waren. Doch wie die Schildbürger in Wielands Roman ist der offenbar nicht in der Lage, das außerordentlich Unpassende seines Verhaltens überhaupt zu erkennen. Wie die Abderiten sieht er den Rest des Erdbodens und seiner Bewohner als einen unwürdigen Gegenstand an und weiß mit fortschrittlichen Entwicklungen nichts anzufangen. Was nutzt also alles Predigen, wenn die Dinge doch immer nur ihren denkbar verhängnisvollsten Lauf nehmen? Wie soll die Dynastie der Coburger die Umwälzungen überleben, die sich in Europa andeuten oder schon längst vollzogen haben? Auch ein tausend Jahre altes Adelsgeschlecht wird in Zukunft Rechenschaft darüber ablegen müssen, welchen Beitrag es zum Allgemeinwohl beisteuert  – nur so kann es seinen ererbten Anspruch auf Herrschaft auch weiterhin legitimieren. Welche Haltung sollte ein Souverän im politischen Geschäft einnehmen? Sicher nicht die des Alleinherrschers, der seine Untertanen mit altväterlicher Bevormundung zu Marionetten seines Hoftheaters degradiert. Will der Adel an der Spitze der Staaten bleiben, so muss er sich einem freiwilligen Wandel unterziehen. Nur so kann der Druck aufgefangen werden, der aus allen Schichten der Gesellschaft auf den Adelsstand ausgeübt wird.3 Leopolds Konzept für eine fortschrittliche Monarchie ist in den Jahren am britischen Hof gereift. Sein politisches Talent bleibt nicht verborgen, und so ist sein Rat gefragt, als es um das Schicksal zweier Staaten geht, die erst kürzlich auf die europäische Agenda gesetzt wurden: Griechenland und Belgien. Beides sind potenzielle Unruheherde, die nach dem Willen Metternichs unbedingt befriedet werden müssen, um die bestehenden Verhältnisse in Europa zu sichern. Revolutionäre Aufwallungen wie in Griechenland, dessen Bevölkerung sich seit 1821 gegen die Türken zur Wehr setzt, sind gefährlich für die bestehende Ordnung. Gleichzeitig gibt es in gebildeten Kreisen große Sympathien für die Hellenen und auch die Großmächte Russland, 212

Frankreich und Großbritannien unterstützen die Unabhängigkeitsbewegung. Militärhilfe allein ist allerdings keine Option, es muss eine politische Lösung gefunden werden, die eine dauerhafte Befriedung verspricht. Die ordnende Hand eines Monarchen scheint das probate Mittel. 1822 wird Leopold zum designierten König Griechenlands bestimmt und könnte ob dieser verantwortungsvollen Aufgabe, die ihn vom Ruhesitz eines hochbezahlten, aber beschäftigungslosen Witwers in die Rolle eines Staatsoberhaupts katapultiert, eigentlich stolz und zufrieden sein, doch er ist sich auch der Schwierigkeiten bewusst, die mit seiner Mission einhergehen. Die Griechen, denen die Idee eines Nationalvolks noch fremd ist, werden in ihm vor allem einen Monarchen sehen, der quasi vom Himmel fällt. Niemand dort kennt ihn, er hat keinerlei Wurzeln, die ihn mit der Region verbinden. Wie würde sich erklären lassen, dass ein deutscher Prinz in der Tra­ dition antiker Denker und Staatsmänner steht? Wie würde er sich in die Ideen und Interessen einfügen, die aus der Revolution erwachsen sind? Großbritannien, Russland und Frankreich verfolgen in der politischen Debatte jeweils eigene Ziele, die einander gelegentlich zu­ widerlaufen – so zum Beispiel in der Frage der künftigen Stärke der Türkei, die unmittelbar verknüpft ist mit der Sicherung des freien ­Zugangs zu den Handelsrouten des Mittelmeers. Dazu kommt die Unsicherheit angesichts der gefährlichen Signale, die vom Erfolg einer nationalen Revolution für Monarchien im Allgemeinen ausgehen können – in diesen Problemfeldern ist ein künftiger König Griechenlands möglicherweise nicht viel mehr als ein Spielball der Weltmächte, der sich auf äußerst unsicheres Terrain begibt. Denn nichts ist bisher geschehen, um den neuen Thron zu etablieren, zudem wird ein komplizierter Streit über die Grenzen des zu gründenden Staates geführt. In die Wiege der Demokratie, der Herrschaft des Volkes also, einen Souverän aus dem westlichen Europa einzupflanzen, scheint vielen kritischen Beobachtern ein durchaus kurioses Unterfangen. 4 Leopold reist durch Europa, um Gespräche zu führen, und er hält ein wachsames Auge auf die Vorgänge in Griechenland. Genauso gespannt verfolgt er allerdings auch die heimatlichen Abderiten, wie er 213

seine Coburger Verwandten im familiären Zirkel abschätzig nennt.5 Wie kann er glaubhaft machen, ein deutscher Kleinstaaten-Prinz könne einen riesigen Unruheherd wie Griechenland befrieden, wenn er noch nicht einmal in der Lage ist, seinen Bruder Ernst erfolgreich zu beraten, als dieser mit der Erpressung der Madame Panam, seiner gescheiterten Ehe und dem Aufstand der Bürger und Bauern in ­seinem überschaubaren Herrschaftsgebiet überfordert scheint? Zwar ordnet der Herzog von Coburg, kaum dass Luise nach St. Wendel abgeschoben worden ist, eine Untersuchung der Vorfälle vor dem Schloss Rosenau und im Hof des Schlosses Ehrenburg während des dortigen Tumults an, doch die gesuchten Rädelsführer sind schwer zu ermitteln. Kutscher, Reiter und Lakaien, die während des Aufstands Dienst hatten, müssen strenge Vernehmungen über sich ergehen lassen. Die Diener Seelmann und Reeg werden entlassen und es wird diskutiert, ob man sie zur Abschreckung noch nicht identifizierter Unruhestifter mit dem Halseisen an den Schandpfahl fesseln soll.6 Doch auch die öffentliche Demütigung der Verdächtigen kann das Gerede nicht unterdrücken, das sich auch Monate nach den Geschehnissen um die Herzogin Luise in den Coburger Schlössern und in der Stadt weiter verbreitet. Ernst muss feststellen, dass es unter der Dienerschaft weiter rumort und reagiert mit Drohungen: „Wir haben in dem nunmehr abgewichenen Jahre wahrzunehmen gehabt, daß von Seiten der Hofdienerschaft nicht diejenige treue Anhänglichkeit an Unsere Höchste Person jedes Mal bewiesen worden ist, zu welcher ­namentlich die Diener des Hofes besonders verpflichtet sind, auch sind Uns, insbesondere bey den letzten Ereignißen Dinge verschwiegen worden, welche pflichtmäßig anzuzeigen gewesen […]. Durch diese unangenehmen Erfahrungen finden Wir Uns bewogen, die Chefs ­Unseres Hofetats dahin anzuweisen, daß selbige eine strenge Aufsicht über die Hofdienerschaft führen, hauptsächlich alles Sprechen über die Ereigniße am Hof streng untersagen, und nicht nur genau darüber wachen, sondern auch jede Contravention [Zuwiderhandlung] gründlich untersuchen und bey Ueberführung des Vergehens den Contravenienten Uns anzuzeigen.“7 214

Wer das Schweigegebot missachtet, soll nach dem Willen des Herzogs sofort des Hofs verwiesen werden. Die angedrohten Zwangsmaßnahmen überdecken notdürftig die brodelnde Unruhe in den ­Coburger Schlössern, aber die Memoiren der Madame Panam lassen sich nicht mehr aus der Welt schaffen. Im Gegenteil: Sie droht erneut, weitere pikante Details aus dem Leben der Coburger Prinzen zu enthüllen. Eine Fortsetzung des Erfolgsromans steht offenbar unmittelbar bevor, womit sich Leopolds Hoffnung zu zerschlagen scheint, die Erpresserin lasse sich mit der von ihm veranlassten Pensionszahlung ruhig stellen. Die Panam mit ihrem offensichtlich erfundenen Lebenslauf als Tochter eines Griechen, der in den Revolutionswirren sein Geschäft verlor, passt nur zu gut in die politische Lage auf der Peleponnes. Leopold, der schon in der ersten Auflage seinen Auftritt als potenzieller Verführer der Geliebten seines Bruders hat, muss um seinen guten Ruf fürchten. Wer könnte die Panam mit Informationen aus seiner Ehe mit Charlotte versorgt haben? Wer kennt die Hintergründe für das Scheitern der Ehe von Ernst und Luise? Welche intimen Details könnten die Coburger Bürger so erregen, dass ein neuerlicher Aufstand zu befürchten ist? Ernst denkt bei diesen Fragen zunehmend an Luise, die in ihrer Verbannung im alten Amtshaus von St.  Wendel nicht weit von der französischen Grenze entfernt lebt. Vielleicht liefert sie die Informationen nach Paris, wo sie von eifrigen Schreiberlingen mit Übertreibungen und Lügen angereichert werden, um einen Skandal zu provozieren. Das Publikum schert sich nicht darum, was erfunden ist und was der Wahrheit entspricht. Und die Wahrheit ist letztlich schon verworren und peinlich genug. Wenn das Volk erfährt, wer die Intrigen um Luise tatsächlich angeheizt hat, ist vielleicht nicht nur ein Aufruhr zu befürchten, sondern in der Folge das Ende der Coburger ­Dynastie. Ernst zögert nicht, Luise des Verrats von Familiengeheimnissen zu bezichtigen, wogegen sie sich von ihrer Hofdame Amalie von Utten­ hoven in einem Brief an den Herzog verteidigen lässt: „Ich soll nemlich in Ihrem [Luises] Namen Ew: Durchlaucht mittheilen, daß Sie sich sehr gekränkt fühle und beleidigt, durch eine Muthmaßung, die 215

als Gewißheit ausgesprochen würde, daß Sie in einer correspondenz mit Madame Panam stände. Sie begreift nicht wie der Herzog dies für möglich hält? Sich selbst darüber gegen den Herzog zu vertheidigen hielte Sie gegen Ihre Würde, zumahl, da Sie schon zweimal vor Kurzem an den Herzog schrieb.“8 Luise sei durch den Verdacht sehr gekränkt, bemerkt Amalie von Uttenhoven. Informationen aus den Adelsfamilien Europas werden gehandelt wie eine diskrete Ware und genutzt, wenn es opportun erscheint. Wie das System funktioniert, ist im Briefwechsel des Astronomen Baron Franz Xaver von Zach mit seinem Vertrauten Rudolf Abraham von Schiferli nachzulesen.9 Beide stehen dem Haus Sachsen-Coburg nahe, Schiferli ist mit Juliane, einer Schwester von Ernst I. liiert, Zach in morganatischer Ehe mit Herzogin Luises Großmutter verbunden. Baron Zach, der als Patient eines berühmten Arztes häufig in Paris weilt, berichtet ausführlich über ihre Besuche in der französischen Hauptstadt, gleichzeitig unterrichtet er die Coburger im Fall der mysteriösen Memoirenschreiberin Madame Panam, deren Wohnsitz in Paris vermutet wird, über alle umlaufenden Gerüchte. Bei seinen Nachforschungen kann sich Zach sowohl auf die Agentennetzwerke des Bankhauses Rothschild stützen als auch auf die Informanten des Herzoghauses, er hat engen Kontakt mit dem Coburger Kaufmann Scherzer, der im Auftrag Prinz Leopolds in Paris tätig ist, und mit dem französischen Architekten André-Marie Renié-Grétry, der für Luises Ehemann Ernst über Jahrzehnte hinweg die Restaurierung des Coburger Schlosses Ehrenburg überwacht hat und ein intimer Kenner der Verhältnisse am dortigen Hof ist.10 Häufig wird Zach auch zu den Diners und Soireen seines Bankiers James Rothschild gebeten, die er zuweilen wegen seines Blasensteinleidens als Schinderei empfindet.11 Ob hohe Politik, der Ausbau des europäischen Eisenbahnnetzwerks oder die Gerüchte um uneheliche Abstammungen hochwohlgeborener Herrschaften, in den Zirkeln der Eingeweihten wird alles kol­ portiert und dann an Vertraute weitererzählt oder landet per Post in den entfernteren Schaltzentralen der gut unterrichteten Kreise. Zur „Schand-Luise“, wie Zach die verstoßene Herzogin nennt, wie zu den 216

Gerüchten über illegitime Zeugungen am Gothaer und Coburger Hof verbreitet der Baron seine eigene Ansicht: „Was Sie von der Schand Louise sagen, ist alles wahr, nur nicht vor Gerichte, dann da gilt nur das, Pater est quem justae nuptiae demonstrant [Vater ist, wen die Verheiratung bezeichnet]. Die genaue Erweisung solcher angeblichen und vermutheten Vatterschaften würde die menschliche Gesellschaft in ein Heer von Schwierigkeiten verwiklen und namentlich bey unseren Fürstlichkeiten, das jezt so beliebte Principe de Legitimité, gewaltig gefährden“12, schreibt er an Schiferli. In den eingeweihten Kreisen wird zu Beginn des 19.  Jahrhunderts sowohl über die illegitime Abstammung Luises als auch ihres Sohnes Albert spekuliert, Gerüchte, die von den Coburgern vehement unterdrückt werden, da sie deren Stellung an den europäischen Höfen gefährden könnten. Während sich Leopold und Ernst um ihre politische Zukunft und ihren Leumund sorgen, ringt Luises Onkel, der regierende Herzog Friedrich IV. von Sachsen-Gotha-Altenburg, mit dem Tod. Am 11. Februar 1825 klopft es um zwei Uhr morgens an der Tür des Geheimen Assistenzrats Karl Ernst Adolf von Hoff, der schon in festem Schlaf liegt. Als er durch den Lärm zu sich kommt, ist er sofort alarmiert, denn schon seit Tagen weiß er, dass es um den Herzog schlecht steht. Hoff öffnet und blickt in das besorgte Gesicht des Kammerherrn von Münchhausen, der ihn dringlich bittet, sich in die fürstliche Residenz zu begeben. Der regierende Herzog, der seit geraumer Zeit an Katharrfieber leidet, habe kurz nach Mitternacht einen ganz ungewöhnlichen Anfall von Krämpfen gehabt. Die anfängliche Unpässlichkeit habe sich nun derart verschlechtert, dass mit dem Schlimmsten zu rechnen sei, weshalb man ihn, Münchhausen, angewiesen habe, den Herrn Geheimen Assistenzrat schleunigst als Augenzeugen herbeizuholen. Während der Kammerdiener wieder davoneilt, zieht sich von Hoff an und folgt dem Überbringer der beängstigenden Nachricht zum Palais des Herzogs. Dort trifft er kurz nach drei Uhr morgens ein und findet zwei Diener, drei Hofräte, zwei Ärzte und zwei Medizinalräte vor, die sich um das Bett Friedrichs versammelt haben. Offensichtlich hatte man einen Aderlass praktiziert, doch die gewünschte 217

Besserung war ausgeblieben. Ein Katharrfieber, so weiß auch von Hoff, kann einen unvorhersehbaren Verlauf nehmen, weshalb die behandelnden Ärzte sich entschieden hatten, die beiden Medizinalräte hinzuzuziehen. Immerhin konnten sich im Fortschreiten der Krankheit durch das Fieber selbst verwirrende Symptome entwickeln, ein anfänglich unbedeutendes Katharrfieber konnte die fürchterlichsten Folgen zeitigen, wenn sich etwa schon vorhandene Lungenknoten entzündeten und in Eiterung übergingen.13 Doch alle Fachkompetenz schien hier am Ende, der Herzog lag schnell und schwer atmend, ja hörbar röchelnd darnieder. Als von Hoff ans Bett tritt, kann er keine Krämpfe erkennen, doch schon bald windet sich Friedrich wieder, immer öfter und immer stärker, ein von den Ärzten durchgeführter Einlauf bringt nur vorübergehend Ruhe. Die Krämpfe, die dann folgen, sind nur noch schlimmer, das Röcheln nimmt beängstigend zu und um viertel vor sieben morgens steht der Atem still. Der Tod Friedrichs wird nicht sofort bekannt gemacht. Zunächst sollen die potenziellen Anwärter auf den Titel des Herzogs von Sachsen-Gotha per Post informiert werden. Von Hoff setzt sich im Wohnzimmer des gerade verblichenen Friedrich an den Tisch und verfasst entsprechende Schreiben, die von einem fahrenden Postbeamten abtransportiert werden. Hildburghausen, Meiningen und Coburg werden bald informiert sein  – das Ringen um die Regierungsnachfolge in Gotha hat damit begonnen.14 Nun wird sich zeigen, wer unter den sächsischen Fürsten der Stärkere ist. Meiningen hat die älteren Rechte, doch der Coburger wird nicht so leicht klein beigeben. Ernst kann jetzt als Ehemann und damit Vormund der letzten Erbin Luise ein gewichtiges Wörtchen mitreden. Wenn er sich durchsetzt, wie wird es dann den Gothaern ergehen? Von Hoff hatte sich immer gewundert, wieso August und Karoline Amalie der Heirat ihrer einzigen Tochter mit diesem verrufenen Menschen zugestimmt hatten. Anlässlich der Hochzeit 1817 hatte er in sein Tagebuch notiert: „Indessen war es nicht von der Art ein besonders freudiges Gefühl, weder bei der herzoglichen Familie, noch am Hof, noch bei den 218

­ etreuen Untertanen zu erwecken. Der Herzog [August] liebte den g neuen Schwiegersohn nicht. Die Herzogin Mutter hatte kein Vertrauen zu ihm und der neuen Verbindung. Man wusste manches von ihm, dass ihm nicht ganz vorteilhaft war. Wegen Geizes war er schon nicht wohl berufen und er zeigte auch bei dieser Gelegenheit sich ziemlich Mesquin [kleinlich]. Das Land sah mit Sorge dem Aussterben seines Fürstenstammes entgegen, fürchtete den künftigen, fremden Herren, wußte nicht, ob er darin, daß dieser vielleicht der Gemahl des letzten Zweiges der verehrten Familie sein könnte, Trost und Hoffnung finden sollte oder Ursache zur Furcht vor den nicht angenehmen persönlichen Eigenschaften. Bälle, Illuminationen, Feste aller Art am Hof und in der Stadt betäubten die Menschen eine Woche lang, ehe die im hohen Grade liebenswürdige junge Herzogin mit ihrem steifen Gemahl die Vaterstadt verließ und alles in die gewöhnliche, nur noch vergrößerte Stille zurückkehrte.“15 Nun ist es also soweit, der neue Herr steht vor der Tür und es ist sehr wahrscheinlich, dass er Ernst von Sachsen-Coburg heißt. Alles hat sich so entwickelt, wie von Hoff schon damals befürchtet hatte: Der Zauber der pompös gefeierten Hochzeit war bekanntermaßen schnell verflogen und in Gotha wusste man natürlich vom Zustand der Ehe  – dafür sorgte ein reger Briefverkehr, an dem sich auch der berühmte Astronom Baron von Zach sowie dessen guter Freund Bernhard von Lindenau beteiligten. Was vom Bürgerstolz der ­Gothaer bleiben wird, falls Ernst sich des Herzogtums bemächtigt, fragt man sich besorgt. Mit Handel und Wandel ist hier abseits wichtiger Verkehrswege kein Staat zu machen, aber die kulturellen Güter haben ein selbstbewusstes und einfallsreiches Geschäftswesen zur Blüte gebracht – die Sternwarte, die Kartografie, das Versicherungswesen, die erste deutsche Handelsschule – darauf kann Gotha seine Reputation aufbauen. Hier geht es nicht um monetären Reichtum, hier geht es um moralische Bereicherung.16 Wäre der Coburger Herzog hier nicht gänzlich fehl am Platz? Als Luise in St. Wendel vom Tod ihres Onkels Friedrich erfährt, ist sie zwar traurig, aber sie darf auf ein Erbe hoffen, mit dem sie in 219

­ ukunft ein Leben mit weniger Geldsorgen führen kann. Friedrich Z hatte zwei Monate vor seinem Tod sein Testament zu ihren Gunsten ändern lassen und ihr eine Summe von fünfundzwanzigtausend ­Thalern zugesprochen. Da Ernst nun Anspruch auf das Herzogtum erheben kann, hofft sie auf seine Milde, zumal er ihr in einem Brief versichert hat, sich um ihre Geschäfte kümmern zu wollen. Vielleicht ist er nun, da er kurz vor dem Ziel seiner Träume von einer Gebietserweiterung steht, bereit, sie öfter mit Nachrichten von ihren Söhnen zu versorgen. „Der Tod meines Onkels hat mich sehr betrübt“, schreibt Luise an Ernst, „er war der lezte meiner Familie und mir immer ein liebender Verwandter; die Versicherung die du mir gibst, dich meiner Geschäfte anzunehmen freut mich als Beweiß deiner Freundschaft und ich hoffe viel von deiner gütigen Verwendung. Daß sich meine Laage hinsichtlich des Geldes verbeßert muß mir allerdings sehr lieb sein, da ich bis jetzt auf viel fast Unendbehrliches verzichten mußte und nun einer sorgenfreien Zukunft entgegen sehen kann. Gewiß verkenne ich deine gute Absicht nicht, mir zu dem Besitz meines Vermögens zu verhelfen, und werde nie undankbar sein. Daß es mein Wunsch sein muß mich auf eine freundliche Weise und in Frieden von dir zu trennen wirst du wohl nicht bezweifeln und ich hoffe daß keine Umstände eintreten mögen, die es hindern könnten. Daß du die Scheidung verlangen mußtest, finde ich sehr natürlich und an mir soll es künftig hin gewiß nicht liegen, wenn unser freundschaftliches Verhältniß gestört werden sollte.“17 Falls Luise tatsächlich davon überzeugt war, auf Ernsts Unterstützung vertrauen zu können, so sieht sie sich bald eines Besseren belehrt. Der Herzog von Coburg lässt Friedrichs Testament anfechten, da er nicht bereit ist, die fünfundzwanzigtausend Thaler an seine Noch-Ehefrau auszahlen zu lassen. Als der Onkel das Testament ändern ließ, war er möglicherweise nicht mehr im Besitz seiner vollen geistigen Kräfte, obwohl ärztliche Gutachten ihm volle physische Gesundheit zusprachen  – die Atteste wurden angefertigt, um mehrere Lebensversicherungen auf Friedrich abschließen zu können.18 Nicht nur im Fall der Gothaer Erbschaft spielt Ernst ein falsches Spiel mit 220

Luise, er drängt sie nun auch immer heftiger in ein übereiltes Scheidungsverfahren, für das sie die Initiative ergreifen soll. Sein Unterhändler in dieser Angelegenheit ist Adolf Friedrich von Röpert, der als kommissarischer Präsident der Sachsen-Coburger Regierung in St. Wendel eingesetzt worden ist. Als Luise ihn im Juni 1825 zu einer ersten Unterredung empfängt, scheint es zunächst keinen Anlass zur Sorge zu geben. Sie gewinnt den Eindruck, der Herzog wolle auf all ihre Wünsche eingehen, doch schon bald muss sie erkennen, dass sie unter Druck gesetzt werden soll. Ernst erwartet von ihr, sie solle den Wunsch zur Scheidung aussprechen und sich in finanziellen Angelegenheiten von einem fremden Bürgen vertreten lassen. Dieser müsse aus den Reihen der sächsischen Fürsten kommen, da der Herzog nur mit seinesgleichen über das künftige Schicksal Luises verhandeln will. Obwohl das Erbe aus Friedrichs Testament längst fällig ist, wartet sie seit zwei Monaten vergeblich auf die Auszahlung. Obendrein sieht sich Luise weiteren Anschuldigungen ausgesetzt, die sie während der Verhandlungen offenbar schwächen sollen: Sie mische sich in politische Angelegenheiten ein, wird aus Coburg kolportiert. Und offenbar lässt Ernst immer noch das Gerücht unwidersprochen, sie mache mit den erpresserischen Umtrieben der Madame Panam gemeinsame Sache. Luise ist gekränkt und versucht, sich zu wehren. Sie will nur dann Ernsts Forderung erfüllen, von sich aus die Scheidung zu beantragen, wenn ihr der Unterhalt aus der Trennungsvereinbarung nicht geschmälert wird, sie das Erbe des Onkels voll ausgezahlt bekommt und sie ihre beiden Söhne alle zwei Jahre auf einige Tage sehen darf. „Du wirst dieß gewiß erfüllen, da es dir wünschenwert sein muß, daß die Mutter Deiner Kinder anständig ihrem Rang gemäß lebt, was mit weniger Einkünften als ich jetzt habe nicht möglich ist“, schreibt sie am 4. Dezember 1825 an Ernst. Auch um ihre künftige Wohnung macht sich Luise jetzt Sorgen, da sie weiß, dass Ernst das Herzogtum Lichtenberg möglicherweise verkaufen oder eintauschen will. Was wird dann aus ihrem Haus in St.  Wendel und dem Niederweiler Gartenhaus? Warum nur muss Ernst sie nun noch weiter demütigen? Warum 221

muss sie die Scheidung verlangen, da er doch als Souverän auch die geistliche Macht hat, mit seinem Namenszug die Scheidung selbst zu vollziehen?19 Nicht einmal den Grund hierfür will Ernst ihr mitteilen, obwohl er doch auf der Hand liegt: Wenn Luise die Ehe von sich aus auflösen lassen will, wird es keine moralische Debatte darüber geben, ob ihr Ehemann weiterhin berechtigt ist, auf das Erbe von Gotha und den dortigen Herzogstitel Anspruch zu erheben. Schon seit einem halben Jahr weiß Luise von den Plänen Ernsts, sich wieder zu verheiraten.20 Wie sie vermutet hat, wird er sich schnell über das Ende seiner Ehe mit ihr hinwegtrösten, und eine Versöhnung hat er wohl nie ernsthaft im Sinn gehabt. Sonst hätte er sicher nicht zugestimmt, den Kammerherrn Maximilian von Hanstein zu ihr nach St. Wendel zu entlassen, kaum dass sie sich in ihrem Exil eingerichtet hatte. Er erhoffe sich aus dem Verhältnis einen möglichst wohltätigen Einfluss auf Luises Benehmen, hatte Ernst Luises Hofdame Amalie von Uttenhoven wissen lassen. Darüber sei Hanstein eigens instruiert worden und angewiesen, sich in allen Fällen Rat und Zustimmung bei ihr zu holen. Nur dürfe es keine Verstöße gegen den öffentlichen Anstand und die Schicklichkeit geben.21 Zudem hatte er Amalie angewiesen, auch im Fall der eintretenden Scheidung darauf hinzuwirken, dass sich die Herzogin unter seinen Schutz stelle und ihn als ihren permanenten Vormund anerkenne.22 Das Leben in St. Wendel ist einfach und still, ein Tag vergeht fast wie der andere und Luise hat sich schnell an die Einsamkeit gewöhnt. Nur keine Schulden machen, sparsam sein  – Amalie bewundert die Verwandlung Luises, seit diese unter dem günstigen Einfluss Max von Hansteins steht. Der Herzog hat recht daran getan, ihm sein Vertrauen zu schenken, und auch in der Abgeschiedenheit von St. Wendel spürt man, wie ergeben der einstige Coburger Kammerherr seinem Fürsten noch immer ist. Ein Offizier durch und durch, der seinem Souverän dient, der aber auch unübersehbar große Sympathien für die verstoßene Herzogin hegt, für deren ordentliches Betragen er nun verantwortlich ist. „Er ist ein kluger Mensch“, berichtet Amalie an den Coburger Herzog, „welcher sich in seiner doch immer 222

etwas mißlichen Lage mit vielen Verstande benimmt, und Ew: Durchlaucht ihm nicht vergebens Ihr Zutrauen geschenkt haben, da er vorzüglich streng, auf die Beobachtung des äußeren Anstandes sieht, und er Ew: Durchlaucht als treuer Unterthan wahrhaft attaschirt zu sein scheint. Ihro Durchlaucht die Frau Herzogin erkennt dankbar das zarte Benehmen Ew: Durchlaucht in Rücksicht Ihrer Verhältniße mit Herrn von Hanstein, um so mehr, da von anderer Seite Sie die schmerzlichste Kränkung erfuhr, da sie kürzlich einen Brief Ihrer Mutter aus Gotha erhielt, die Ihr wegen der Anwesenheit des jungen Mannes in St. Wendel, Ihre Verzeihung versagt, und mit der Unmöglichkeit des Wiedersehens Ihrer Kinder, unter diesen Verhältnißen, droht, welche Drohung Sie in wahre Verzweiflung versetzte, wovon Herr von Speßard und ich Augenzeugen waren […]. Die Frau Herzogin versichert mir, daß die Ehre Ew: Durchlaucht durch die hiesige Anwesenheit des Herrn von Hanstein keinesweges gekränkt werde. Sollten Ew: Durchlaucht es aber späterhin fürchten, so würde Sie auch keine Hinderniße zur Scheidung geben, was Sie jedoch nicht hoffe, aber auch in diesem Falle, würde Sie sich stets unter Ew: Durchlaucht Schutz begeben.“23 Seit diesen Beobachtungen Amalies ist nun ein Jahr in St. Wendel ins Land gezogen. Wie der Herzog es gewünscht hat, hat sich Luise anständig und ruhig benommen. Ohne Umstände hatte sie ihre Juwelen ausgehändigt und auch nicht mehr vor, sie für sich zurückzufordern. Doch wie sehr sie sich auch bemüht, aus Coburg und Gotha wird ihr nicht verziehen. Der Herzog bleibt bei seinem ursprünglichen Plan, den er schon vor einem Jahr gefasst hatte. Die Anwesenheit Max von Hansteins, die er unterstützt hat, gibt ihm jetzt den äußeren Anlass, seine Ehe als endgültig gescheitert zu betrachten. Dieser Zustand sei mit der Ehre des Mannes nicht vereinbar, hat er Amalie schon damals wissen lassen und dies ist auch jetzt sein Standpunkt.24 Max von Hanstein ist nicht nur ein kluger Mann, er macht in ­seiner Uniform auch einen ansehnlichen Eindruck. Gerade einmal zwanzig Jahre ist er alt, als er zu Herzogin Luise nach St.  Wendel ­abkommandiert wird. Ein schmales hübsches Gesicht mit dichtem 223

schwarzem Haupthaar, über dem üppigen Mund ein modischer Schnurrbart – auf den ersten Blick könnte man ihn für einen unwiderstehlichen Galan halten, der sich seiner Wirkung auf Frauen sicher sein kann. Wer ihn näher kennt, bemerkt seine oft ernste Miene, die sein Gefühl für Verantwortung und Pflicht widerspiegelt. Er sitzt in St. Wendel zwischen allen Stühlen und trägt diese Zumutung mit bewundernswerter Ruhe, auch oder gerade dann, als seine nicht freiwillig eingenommene Stellung an der Seite der Herzogin Luise zum Scheidungsgrund erklärt wird. Seit Generationen wissen die von Hansteins sich bei Hofe zu benehmen, ihr Adelsgeschlecht lässt sich bis ins frühe Mittelalter zurückverfolgen. Die Stammburg der Hansteins liegt im Eichsfeld, das geprägt ist von Dörfern, Feldern und bewaldeten Hügeln. Begrenzt wird es von den Flüssen Ruhme und Werra und den Erhebungen des Harzes. Erste urkundliche Erwähnung findet eine Burg Hanstein auf dem eichsfeldischen Höheberg im Jahr 1070. Zur Zeit Heinrichs des Löwen ist sie im Besitz der Welfen, gelangt dann an das Erzbistum Mainz, das den Herren von Hanstein, Heinrich und Lippold 1308 die Erlaubnis erteilt, aus der heruntergekommenen Ruine wieder eine bewohnbare Burg zu machen, erst aus Holz, später aus Stein. Zahlreiche Legenden ranken sich um die Hansteins, im Mittelalter sind sie als Raubritter verschrien – eine Mär, die sich bis ins 19. Jahrhundert fortsetzt: „Reiten und rauben ist keine Schande, tun es doch die besten im Lande“25, heißt es in einer Geschichtsschreibung der hessischen Ritterburgen. Mitte des 14.  Jahrhunderts zeichnete sich das Geschlecht derer von Hanstein der Überlieferung zufolge dadurch aus, dass sie „trotzend auf die Festigkeit ihrer Burg […] jenes adelige und unadelige Gesindel an sich zogen, das, wo Beute zu machen war, sich selbst stets bereit findet, und beunruhigten nicht allein das ganze Eichsfeld, sondern streiften selbst bis nach Thüringen.“26 Dies ist der zweifelhafte Ruf, der den Hansteins vorauseilt, doch was soll man tun, wenn man nur arme Dörfer um sich hat und keine Stadt, von deren wirtschaftlicher Blüte man zehren könnte. Durch viele Erbteilungen haben sich die Hansteins weit verzweigt. In Lippolds Linie 224

entsteht das Haus Bornhagen, dessen fünfter Rittersitz an die Nachkommen Rudolf von Hansteins vererbt wird, nebst dem als Lehen ­erworbenen Gut Einberg bei Coburg. Rudolfs ältester Sohn Johann Casimir wird Landesmajor und Kriegskommissar in herzoglich coburgischen Diensten, sein Sohn Adam bringt es bis zum Kommandanten der Veste. Die Hansteins dienen vielen Herren, 1804 werden Friedrich Florentin und sein Bruder in einem preußischen Lehnsbrief erwähnt. Friedrich begibt sich als Kammerjunker nach Sachsen-Meiningen, seine Söhne Ludwig und Maximilian werden beim Herzog von Coburg angestellt.27 Als Höflinge und Offiziere sind die Hansteins damit vertraut, Befehle auszuführen, ohne sie infrage zu stellen. Maximilian von Hanstein erweist sich in St. Wendel als zuverlässiger Gefährte Luises. Wer ihn in ihrer Nähe erlebt, kann neben seinem ansprechenden Äußeren eine heitere Gutmütigkeit bemerken, die sich beruhigend auf die verbannte Herzogin auswirkt. Am 31. März 1826 wird die Ehe zwischen Ernst und Luise schließlich geschieden. Es bleibt bei den im Trennungsvertrag ausgehandelten Bedingungen, ein Besuchsrecht für die Kinder wird der Mutter nicht gewährt. Nur ein halbes Jahr später heiratet Luise in St. Wendel ihren Reisestallmeister Maximilian von Hanstein, der zuvor von ihrem Onkel, dem Herzog von Hildburghausen, in den Grafenstand erhoben worden ist. Er darf sich nun Graf von Pölzig und Bayersdorf nennen, nach dem Gut Pölzig im Altenburgischen Land – es ist eine Beförderung in den höheren Adelsstand mit Brief und Siegel: „Wir möchten kraft Unserer souveränen Regenten Gewalt Alexander Elisäus Maximilian von Hanstein, Besitzer des freyen Lehen und Rittergutes Einberg, im Fürstenthum Coburg gelegen in Anbetracht der gegen Ihro Durchl[aucht] und Liebd[en] bewiesenen besonderen Ergebenheit, für sich und seine dereinstigen leiblichen, rechtmäßigen, ehelichen Nachkommen, in den Grafenstand zu erheben und Wir den vorgenannten Alex. El. Max. von Hanstein dieser Erhebung um so würdiger zu erachten, als derselbe nicht nur für seine Person sich stets ehrenhaft und als treuer Diener und Vasall erwiesen hat; sondern auch aus einem uralten adelichen in den Herzoglich Sächsischen 225

und benachbarten Landen mit ritterlichen Lehnsgütern seit Jahrhunderten angeschlossenen Geschlechte entsprossen ist.“28 Baron von Lindenau hilft beim Entwurf eines neuen Familienwappens, das in der Ernennungsurkunde genauestens beschrieben wird. Ein quadrierter Schild bildet die Basis, darauf ein Mittelschild mit einem himmelblauen Feld, auf denen drei silberne Halbmonde dargestellt sind, einem weiteren silbernen Feld mit drei fünfblättrigen roten Rosen und einem roten Feld mit der Darstellung eines s­ ilbernen fliegenden Fisches, als Erinnerung an die ausgestorbene ­Familie von Pölzig, deren Titel Max nun übernimmt. Weiter ist auf dem Wappen eine umgekehrte Gabel zu sehen sowie eine gräfliche Krone, drei stählerne Turnierhelme, der mittlere trägt einen Federwedel von drei himmelblauen Federn, der linke feinblättrige Rosen und der rechte die Abbildung einer Jungfrau mit lang herabfallendem Haar und sittsam übereinandergeschlagenen Händen. Luise nennt sich fortan Herzogin von Sachsen, Gräfin von Pölzig und Bayersdorf.29 Am Samstag, den 14. Oktober 1826, versammeln sich Vertreter der Regierung von St.  Wendel, um der Verlesung des Ehevertrags beizuwohnen, den Adolf Friedrich Röpert, der sachsen-coburgische Abgesandte in St.  Wendel, als Zeuge unterschreibt. Er ist auch am folgenden Montag, dem 16. Oktober, bei der eigentlichen Vermählung anwesend: „Mit welchen Empfindungen und Erinnerungen ich dem Trauungsacte, zumahl in einem Zimmer beiwohnte, welches die Bildnisse des Höchstseligen Herzogs August zu Sachsen Gotha und der Durchlauchtigsten Prinzen Ernst und Albert zierten, brauche ich hier um so weniger zu erwähnen, als sämtliche Anwesende gewiß dieselben Betrachtungen und Empfindungen mit mir getheilt haben werden.“30 Als vornehmstem Gast der Hochzeitsgesellschaft ist es an Röpert, auf die Gesundheit und das Glück des neuvermählten Paares einen Trinkspruch auszubringen. Er rechnet nicht damit, mit diesem doch nur höflich gemeinten Verhalten beim Coburger Herzog in Ungnade zu fallen. Ernst hatte der Wiedervermählung Luises ausdrücklich zugestimmt, was ihn nun aber nicht hindert, einige Vertreter der Regie226

rung von St.  Wendel energisch zu rügen, weil sie an der Trauungs­ zeremonie teilgenommen haben. Auch Röpert muss sich rechtfertigen, ist sich aber keines Vergehens bewusst. Luise ist in seinen Augen nun, da sie den Titel einer Herzogin von Sachsen-Coburg abgelegt hat, eine Privatperson von hohem Rang, die eine nicht unwesentliche Geldsumme in St. Wendel verzehrt. Sie stehe in keiner freundlichen noch feindlichen Berührung mit dem Coburger Regentenhaus mehr, merkt Röpert an, weshalb er sich auch keines Dienstvergehens schuldig gemacht haben könne. Warum sollten sich die Bürger in St. Wendel nicht mit ihrer geliebten Herzogin auf guten Fuß stellen, ist es doch im Interesse des Städtchens, dass sie mit ihrem neu angetrauten Ehemann auch weiterhin gern hier lebt. Röpert ist von Ernsts Attacke doppelt irritiert, kann er sich doch bestens erinnern, dass dieser ja ­geradezu auf eine Wiedervermählung Luises hingearbeitet hat: „Ich wußte nicht nur privatim, daß Se. Durchlaucht der Herzog unter den einmal eingetretenen Umständen eine anderweite Vermählung derselben wünschten und zu diesem Zwecke die Erhebung des Herrn von Hanstein in den Grafenstand durch den Senior des Herzogl[ich]. S[ächsischen]. Gesamthauses begünstigt hatten“31, merkt Röpert an und weist obendrein darauf hin, dass Ernst persönlich die Zustimmung erteilt hatte, die gesetzlich vorgesehene Zeit bis zu einer Wiedervermählung Luises abzukürzen. Wieso also fühlt sich der Coburger Herzog kompromittiert? Hat wieder einmal irgendein geheimer, vielleicht gar in seiner Beschränktheit neidischer Berichterstatter das Ereignis in einem gehässigen Licht dargestellt? Und müssten nicht auch der Pfarrer und der Oberbürgermeister, die beide anwesend waren, eine ebenso ernstliche Rüge erhalten? Röpert ist höchst irritiert über die unverständliche Reaktion Ernsts, denn er weiß nur zu gut, dass dieser über die bevorstehenden Handlungen informiert war, sie sogar begünstigte. Und das lange bevor die Herzogin Luise überhaupt nach St. Wendel gekommen war. Röpert mag es nicht auf sich sitzen lassen, für dumm verkauft zu werden und wendet sich in einem Schreiben persönlich an Ernst: „Haben Euer Herzogliche Durchlaucht die Gnade sich zu erinnern, daß höchst 227

dieselben mich würdigten vor meinem Abgange hierher zu wiederholten mahlen ausführlich mit mir über das Verhältniß mit der dermaligen Frau Herzogin Durchlaucht in den Anlagen der Rosenau zu sprechen, daß Sie mir hierbey insbesondere dringend empfahlen nach Möglichkeit dahin zu würken, daß dieselbe fernhin keinen öffentlichen Anstoß geben möge, indem Höchstdieselben äußerten, da die Sache einmahl so weit gediehen, müßten Sie wünschen, daß die Frau Herzogin sich bleibend für eine Person, nahmentlich für Herrn von Hanstein intereßieren möchte, womit ich zwar ganz übereinstimmte, aber meine bescheidenen Zweifel an der Erfüllung dieses Wunsches nicht verhehlte.“32 Ernst müsste eigentlich zufrieden sein, da sich sein Wunsch in allerbester Weise und auch noch so rasch erfüllt hat. Darüber hinaus hat er all seine Ziele erreicht, die mit seiner ersten Heirat einst verbunden waren – bald wird er, nach langen Streitigkeiten mit den sächsischen Fürsten, als neuer Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha in die Heimat der ungeliebten Luise einziehen. ­Röpert kann sich auf die Irrungen und Wirrungen der Coburger Verhältnisse schon lange keinen Reim mehr machen. Für die Gräfin und den Grafen Pölzig wird das Exil in St. Wendel zur dauerhaften Einrichtung. Immer wieder gibt es Gerüchte, sie wollten sich eine Bleibe in Bayern suchen oder auf das Gut Einberg nahe Coburg ziehen. Das Paar entflieht der kleinstädtischen Langeweile oft und gern, wie Julie von Zerzog im Oktober 1828 aus einem Brief ihrer Freundin Luise erfährt: „Hätte es mir meine Zeit vergönnt, so hätte ich Sie auf einer kleinen Reise, die wir unternahmen, gerne besucht. Max reiste auf die Leipziger Messe, um Wagenpferde zu kaufen. Ich möchte mich nicht von ihm trennen und begleitete ihn daher. Wir reisten über Frankfurt, Würzburg, Bamberg und Lichtenfels. Dort mußte ich bleiben, weil Max sein Gut Einberg besuchte. Ich war nur 6 Stunden von meinen Kindern entfernt, und konnte doch nicht zu ihnen. In diesen Worten lag viel Trübes für mich! Wir reisten von da unaufhaltsam nach Leipzig und besuchten von dort aus unser Gut Pöltzig, welches wir über unsere Erwartung schön fanden! Die Gegend ist freundlich, das Schloß groß und fürstlich, liegt direkt an 228

einem schönen Laubwald, welcher zugleich zum Park dient, auch die ökonomische Einrichtung ist schön, kurz es vereinigt alles wünschenswerthe, nur ist es nicht eingerichtet, da es seit 100 Jahren nicht bewohnt ward. Ich wünschte es läge in Ihrer Nähe, dann würde ich mit Freuden hineilen! Durch Gotha flog ich und wir reisten über Frankfurt hierher. In Frankfurt verlebte ich einige schöne Stunden mit unserem Freunde v. Lindenau und durch die Bekanntschaft des Barons v. Zach, welcher sich dort niederließ. Dieser berühmte Astronom steht im 75. Jahre und hat alle Munterheit eines Jünglings. Sein Geist ist unbegreiflich lebhaft und sein Gemüth weich und mild. Er trauert noch tief um seine verlorne Freundin, meine Großmutter, und spricht mit Rührung und Dankbarkeit von ihr. Er ist immer sehr leidend, obwohl er sich in Paris […] 28mal operieren ließ. Schmerzlich war es mir in Gotha keine der Stellen besuchen zu können, wo ich mich mit meinem Vater so glücklich fühlte“33, beendet Luise ihren sentimentalen Reisebericht an die Freundin. Baron von Zach ist von der Begegnung in Frankfurt ebenso fasziniert wie die Enkelin seiner verstorbenen Herzogin Charlotte. Die einstige „Schand-Luise“ hat starken Eindruck auf ihn gemacht, er rechnet es ihr außerdem zum Vorteil an, dass sie pünktlich seine Pension bezahlt, wie es die Großmutter vorgesehen hatte. Zach steht auch jetzt noch in regem Briefwechsel mit den Coburgern und mit seinem Freund Schiferli, der 1814 gemeinsam mit Ernsts Schwester Juliane das Landhaus Elfenau bei Bern gekauft und zu einem herrschaftlichen Anwesen im Empirestil hat umbauen lassen. Hier versammelt Juliane ihre Verwandten, Mitglieder der russischen Kolonie in der Schweiz, angesehene Vertreter der Berner Gesellschaft und ausländische Diplomaten. Die Elfenau fungiert als Nachrichtenbörse, niemand ist besser informiert über die Vorkommnisse rund um die ­Coburger Dynastie als Rudolf Abraham Schiferli und sein zwanzig Jahre älterer Freund Baron von Zach. Der Arzt und der Astronom haben sich 1821 bei einem illustren, mehrere Monate dauernden Familientreffen der Coburger in Genua kennengelernt, wohin sich Luises Großmutter Charlotte gern zurück229

gezogen hatte. Anwesend waren unter anderen eine Herzogin, eine Großfürstin, die einmal russische Zarin hätte werden können, ebenso Leopold als verhinderter englischer Prinzgemahl  – Baron von Zach weiß zunächst nicht, ob er eher beeindruckt sein soll oder ob er sich durch die zahlreichen Besucher eher belästigt fühlt: „Unsere liebliche, einsame, stille Wohnung wurde auf einmahl ein kayserliches, königliches und durchlauchtiges Hof-Lager, ich musste den Astronomen an den Nagel hängen, den Hofschranzen hervorsuchen […] Von dieser unseligen Stunde an hatte das hofieren, stolzieren, gastieren, complimentieren, aduliren, perorieren, kutschiren, equittieren, dejeunieren, dinieren, soupieren, und andere unzählige iren kein Ende. […] Der Abschied war zärtlich. Thränen flossen, auch ich weinte wie ein altes Weib. So inconsequent sind die Menschen! Nein, wir waren es doch nicht so sehr. So unangenehm, so lästig, und (besonders für mich) so zeitraubend anfänglich dieser Besuch war, so angenehm, so liebreich, ja so zärtlich und innig wurde er zuletzt. Wir lernten uns näher kennen und schätzen“34, schreibt Zach an einen Vertrauten. Von da an gehört der Astronom zum inneren Zirkel der Coburger Dynastie und tauscht sich regelmäßig mit seinem neuen Freund Schiferli über den jüngsten Familienklatsch und die politischen Umstände aus. Natürlich ist auch die Schand-Luise ein Thema, und auch hier hat Zach kein Problem, eine radikale Kehrtwende zu vollziehen. Die einst Verrufene wird zur Vertrauten, jeder Besuch in Paris, wohin Luise und ihr Mann nun häufiger reisen, bringt den Baron und die Herzogin einander näher. Oft ist Zach ans Bett gefesselt, da ihn Blasensteine plagen, derentwegen er sich in der französischen Hauptstadt bei dem berühmten Urologen Jean Civiale behandeln lässt. In seiner „Prison“, seinem Gefängnis, wie er seine Bleibe in Paris gern nennt, ist Luise stets willkommen: „Sie fragen nach der Herzogin Louise“, berichtet Zach 1829 an Schiferli, „hier in Paris besucht sie mich, und ihr Mann der Graf Pölzig […] sehr oft in meiner Prison. Ich muss ­gestehen, ich hatte mir eine ganz irrige Vorstellung von ihr gemacht, nach allem dem was ich von ihr gehört habe, welches um so glaub­ 230

wurdiger war, da ich den sonderbaren Herzog August, und die sehr strenge Stief-Mutter gut kannte. Ich stellte mir daher die Herzogin Louise, als eine äusserst lebhafte, ausgelassene, überspannte, extravagante, und beynahe tolle Person vor. Nichts von allem dem. Ich finde an ihr, eine ganz natürliche, ruhige, anständige, vernünftige Frau, die sehr gut spricht, und auch verständig urtheilt. Sie muss sich also, entweder sehr geändert haben, oder sich sehr verstellen können. Mir scheint, ihr jetziger Gemahl, hat einen sehr grossen Einfluss auf sie, und die Herzogin scheint mir sehr lenksam zu seyn; ich möchte beynahe glauben, dass hätte die Herzogin eine bessere Umgebung in Coburg gehabt, klügere und bessere Rathgeber, so wäre wahrscheinlich mancher Scandal verhüttet worden.“35 Luise und Max vertrauen dem alten Astronomen an, wie sehr sie sich in ihrem Exil langweilen. Ergänzt durch eigene Mutmaßungen und Kommentare schildert Zach seinem Freund Schiferli die Lebensumstände des Paares: St. Wendel sei ein erbärmliches Loch, weit und breit keine Menschenseele, mit der die jungen Leute einen angemessenen Umgang pflegen könnten, kein Wunder, dass sie sich nach einer neuen Bleibe umschauten. Das Gut Einberg hätten sie ins Auge gefasst, sie wollten es umbauen, ausbauen, doch es liege in unmittelbarer Nähe Coburgs, und diese Nachbarschaft zu Herzog Ernst wäre sicher ein Nachteil. So oft es geht, fliehen Luise und Max nach Paris, leben dort meist zurückgezogen, nur fürs Theater interessieren sie sich sehr, wie Zach an Schiferli berichten kann. Die Herzogin sei als gebildet zu bezeichnen, sie liebe es, sich zu informieren, kaufe Bücher, lese viel und besuche fleißig die Sehenswürdigkeiten. Wie gern würde Luise das Meer sehen, im Sommer solle es über Land gehen nach Versailles und Fontainebleau und dann vielleicht sogar nach Le Havre, um den Traum zu verwirklichen, einmal einen Blick auf Ebbe und Flut werfen zu können. Die Herzogin könnte glücklich sein, wären da nicht immer wieder die unerhörtesten Nachrichten aus ­Coburg, über die Zach längst bestens informiert ist: „Im Vertrauen gesagt. Vor ein paar Tagen klagte es mir die kleine Herzogin bitterlich, dass man sie in Coburg in Verdacht habe, als wäre sie blos in der 231

Absicht nach Paris gekommen, um mit der jeune grecque [Madame Panam], cause commune [gemeinsame Sache] zu machen, sie aufzuwiegeln, um neuen Scandal zu erregen […]. Sie ist, und mit Recht, sehr empfindlich darüber dass man sie einer solchen Infamie fähig halte. Ich habe es ihr auszureden versucht, dass ein solcher Verdacht gar nicht wahrscheinlich sey, dies wären nur einfältige Schwäzereyen, Commeragen [Gerede], die gewiss keinen Grund hätten“36, schreibt Zach an Schiferli, der wie er selber genauestens über die Affäre um Madame Panam unterrichtet ist. Schon früher hat Ernst sich Rat bei Schiferli geholt und dessen Kontakt zu Baron von Zach in Paris genutzt, um sich über die jüngsten Gerüchte in der Affäre Panam informieren zu lassen und mögliche Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Was der Astronom zu berichten hat, klingt alarmierend. Die geplante Neuauflage der Memoiren soll noch skandalöser ausfallen als das erste aufsehenerregende Werk. Wie Zach vernommen hat, will die Panam Lärm schlagen, weil die Unterhaltszahlungen nur unregelmäßig eintreffen. Ihr Ziel ist es, einmalig eine größere Summe herauszuschlagen. Wenn sich herausfinden ließe, wer die Erpresserin mit den pikanten Details der Familien­ geschichte füttert und wer der eigentliche Verfasser der Schmähschriften ist, dann könnte ein weiterer Skandal möglicherweise verhindert werden.37

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11. Und am Ende: Paris

„… the death, then, of a beautiful woman is, unquestionably, the most poetical topic in the world …” Edgar Allan Poe

Diese verfluchten Blasensteine, denkt Baron Zach, wieder ist er an Bett und Sofa in seiner Pariser „Prison“ gefesselt – so gefällt es Civiale. Der Arzt hat die elfte Operation angeordnet, nun heißt es Ruhe halten, um die Entzündung nicht noch schlimmer zu machen und den Eingriff damit schmerzhafter. Gerade jetzt ist ihm die unfreiwillige Haft in seiner Pension besonders lästig, müsste er doch eigentlich für den Herzog von Coburg fleißig Erkundigungen einholen. Ernst hat den Astronomen zu seinem Repräsentanten im Fall der „jeune ­grecque“ bestimmt und ihm sogar eine offizielle Ernennungsurkunde vom Ministerium zukommen lassen. Zu gern würde Zach mit Eifer darangehen, alle Befehle des Herzogs auf das Beste zu erledigen, denn es ist Gefahr in Verzug, seit Madame Panam wieder damit droht, ihre Skandalchronik neu aufzulegen und weitere pikante Details aus dem Leben der Coburger an die Öffentlichkeit zu bringen. Um sie aufhalten zu können, müsste man mehr über sie in Erfahrung bringen, heimlich ihre Verhältnisse ausspähen, mit Leuten reden, die mehr über sie wissen. Einiges hat Zach schon herausbekommen, doch nun ist er erst einmal zur Untätigkeit verdammt und kann nichts weiter tun, als seine Erkenntnisse aufzuschreiben, um sie nach Coburg 233

zu berichten oder an seinen treuen Freund Schiferli per Brief in die Schweiz zu expedieren. Der Baron ist noch beunruhigter als ohnehin schon, seit er von den neuesten Plänen der Panam erfahren hat. Sie will ihre Lügen und Verunglimpfungen nicht nur auf Ernst und Leopold beschränken, sie hat jetzt sämtliche Mitglieder der herzoglichcoburgischen Familie im Visier. Diese schlechte Person soll sich, auf welche Weise auch immer, eine Menge heimlicher Anekdoten verschafft und diese bereits als Manuskript verkauft haben. Mit dem vermeintlichen Verleger hat Baron Zach bereits gesprochen, der allerdings hat alles abgestritten und behauptet, ein redlicher Mann zu sein, der niemals eine solche Schandschrift in Umlauf zu bringen gedenke. Irgendwie wird die Panam Mittel und Wege finden, davon ist auszugehen, denn das Geschäft mit den Libellen hat sich in Paris inzwischen bestens etabliert. So schnell kann Zach gar nicht nachforschen, wie sich die Gerüchte um die Coburger vermehren, sogar eine zweite Memoirenschreiberin ist inzwischen aufgetaucht – eine Madame Le Normand, die ebenfalls Geheimnisse aus der Ehe zwischen Leopold und der Prinzessin von Wales preiszugeben droht, doch an ihr scheint man in Coburg weniger interessiert zu sein als an der Panam. Immerhin hatte Zach schon herausgefunden, dass es sich bei der Le Normand wahrscheinlich um eine frühere Kartenlegerin der Kaiserin Josephine handelt, doch möglicherweise nutzt auch jemand diesen Namen, um sich dahinter unsichtbar zu machen. Dies alles sind ­Teufeleien, die niemand so richtig durchschauen kann, denkt der ­Astronom, vielleicht nicht einmal die Polizei.1 Zachs Mission, so wie der Herzog sie sieht, ist es, das Erscheinen der neuerlichen Panam-­ Memoiren zu verhindern, doch wie soll das gelingen? Je mehr er sich umgehört hat, desto mehr Widersprüchliches und Unnützes hat er erfahren, es scheint ein ganzes Netz von möglichen Mitverschwörern zu geben, das man unmöglich in den Griff bekommen kann. Zwecklos wäre es, dies mit Geld zu versuchen, das hatte sich ja bereits als Fehler erwiesen. Prinz Leopolds einsame Entscheidung, die Panam durch eine finanzielle Unterstützung ruhigstellen zu wollen, war 234

nicht auf fruchtbaren Boden gefallen – die infamen Memoiren waren dennoch erschienen. Vielleicht könnte man eine einzelne Quelle der Autorin zum Versiegen bringen, doch sogleich würde sich mit Sicherheit eine neue auftun. Wenn doch die Coburger nur bereit wären, auf Zachs Rat zu hören, so würden sie die Hunde bellen lassen, soviel sie wollen, denn in dem vielstimmigen Geheule der zahlreichen Libellen hört ohnehin bald niemand mehr hin. Keiner bleibt verschont, die angesehensten Familien werden an den Pranger gestellt, und wenn ein Buch verboten wird, flüchten die Schreiberlinge nach England und dürfen dort auch noch die vollständigen und richtigen Namen ihrer Opfer veröffentlichen. Die Coburger scheinen doch tatsächlich in dem Wahn zu leben, in Frankreich herrsche Zensur. Es muss jedoch fein unterschieden werden: Diese gilt nur für politische Zeitungen, aber nicht für Bücher, Pamphlete und Flugschriften. Hier siegt die Pressefreiheit – oder besser gesagt, die Pressefrechheit!2 Nicht nur die Verantwortung für das Erscheinen oder Nichterscheinen der neuen Memoiren hat der Herzog dem armen Baron Zach zugemutet, er soll auch noch in Verhandlungen mit der Panam über die Auslieferung des Sohnes treten. Auch hierzu ist Zach per Patent bevollmächtigt worden, doch er wird sich in seinem Zustand überhaupt nicht aus seinem Zimmer bewegen können, ohnehin hält er sich lieber bedeckt. Sollte die Erpresserin erfahren, welche Absichten die Coburger hegen, wird sie, so fürchtet Zach, ihre Ränkespiele nur noch ärger treiben und es zusammen mit ihren Spießgesellen dem Unterhändler Zach heimzahlen. Auch ist Ernsts angeblicher Spross kein Kind mehr, der junge Mann ist nun im achtzehnten Lebensjahr und gar nicht in der Lage, die ganze Situation zu erfassen. Sicher hegt er einen heftigen Groll gegen seinen Erzeuger, schon allein deshalb, weil er zum Hass gegen ihn erzogen wurde, und es ist nicht vorherzusehen, welche Entschlüsse er fasst, sollte er erst einsehen müssen, in welchem Milieu seine Mutter verkehrt. Vorsichtig hat Zach über Mittelsmänner Erkundigungen zu den Lebensumständen der Panam eingezogen – der Coburger Kaufmann Scherzer war sehr hilfreich, noch mehr aber der Architekt Renié-­ 235

Grétry. Er kennt die „jeune grecque“ vom Sehen, hat beobachtet, wie sie auf den Pariser Promenaden mit ihrem Sohn spazieren geht, der sehr große Ähnlichkeit mit Herzog Ernst haben soll. Immerhin besucht er eine Schule, die einen guten Ruf genießt, doch die Mutter hat einen schlechten Leumund, so weiß Zach zu berichten, sie sei zur Hure der niedrigsten Klasse herabgesunken und ständig von einem Schwarm nichtswürdiger Kerle umgeben, welche nur von Lug und Trug lebten. Unter ihnen befänden sich auch Schreiberlinge, die ihre feilen Federn an jedermann verleihen und alles zu Papier bringen, je infamer, je besser. Es scheine einfach unmöglich, dass der junge ­Ernest nicht mitbekomme, welches Metier seine Mutter betreibt  – vielleicht empfinde er immerhin Abscheu dafür. „Renié will es versuchen ausfindig zu machen, von welcher Gemüth- und Denkungs-Art dieser junge Mensch ist“, schreibt Baron Zach an seinen Brieffreund Schiferli, „und dann wollen wir zusehen, ob man ihn nicht unvermerkt und ganz incognito beykommen, und abwendig machen kann. Dies muss mit dem grösten Geheimniss, und mit grosser Klugheit geschehen. Haben wir den Jungen einmal, wirft er sich uns von selbst freywillig in die Arme, dann ist alles gewonnen, dann mag die Mutter toben, schreyen, schreiben, drucken, wie und was sie will, das hat alsdann alles nichts zu bedeuten und wird im Winde verhallen.“3 Zach fürchtet die direkte Auseinandersetzung mit der Panam und ihrem wilden Haufen von „Scriblern“4, denen auch mit Polizeigewalt nicht beizukommen sein wird, weshalb er der Ansicht ist, der Herzog müsse unbedingt davon abgehalten werden, die Ordnungskräfte einzuschalten. Statt einen aufsehenerregenden Prozess zu führen, sei es besser, unsichtbar zu bleiben und vorsichtig alles so in die Wege zu leiten, dass der junge Ernest in drei Jahren, wenn er volljährig ist, selbst die richtige Entscheidung treffen wird. Wäre er gesund, so würde Zach Paris in Windeseile verlassen und könnte sich dann auch den unangenehmen Verpflichtungen für den Herzog entziehen. Doch seine fatale Krankheit erfordert eine Operation nach der anderen, Civiale findet seinen Patienten immer wieder schwach und irritiert vor, was vermutlich auf die Aufregung wegen des Coburger Falles zurückzuführen ist. 236

Paris ist voller hungriger junger Schriftsteller, die romantischen Ideen nachhängen und versuchen, sich mit Versen und Reimen, mit Theaterstücken und eben den gefürchteten Libellen über Wasser zu halten. Ihr großes Vorbild ist der englische Schriftsteller William Shakespeare, dessen Werke die klassischen Regeln des Dramas durchbrechen, dessen Figuren nicht mehr nur einen holzschnittartigen Typus Mensch auf der Bühne verkörpern, sondern das Publikum durch die eindrückliche emotionale Darstellung zu einer Empathie bewegen, wie sie im Pariser Theaterleben bislang unbekannt war. 1822 war eine englische Shakespeare-Truppe in der französischen Hauptstadt noch ausgebuht worden, so unerhört war die Verkörperung jener von Licht und Schatten geprägten Charaktere der Helden, doch das nächste Gastspiel im Jahr 1827 verändert alles. Diesmal scheinen die Franzosen reif für das Ungeheuerliche, alle Regeln brechende, die Poesie in den Vordergrund rückende Geschehen auf der Bühne des Odéon-Theaters. Abend für Abend strömen neugierige ­Zuschauer in die Aufführung und lassen sich gefangen nehmen vom dramatischen Spiel und dem überwältigenden Wortwitz der shakespearschen Sprache. Als die englische Truppe „Hamlet“ aufführt, sitzen junge französische Künstler im Publikum, die nach neuen Wegen jenseits der gängigen, höfisch geprägten klassizistischen Ästhetik suchen und die schon bald selbst zu Weltruhm gelangen werden: Alfred de Musset, Émile Deschamps, Sainte-Beuve, Louis Boulanger, Philarète Chasles, Eugène Delacroix, Théophile Gautier, Hektor Berlioz, Alexandre Dumas und Victor Hugo. Nach dieser „Hamlet“-Vorstellung ist nichts mehr, wie es vorher war. Musik und Malerei, Poesie und Schauspielkunst werden an diesem Abend von den klassischen Regeln befreit. Nicht alle Zuschauer sind des Englischen mächtig, dennoch verfehlt die darstellerische Kraft der Akteure auf der Bühne nicht ihre Wirkung. Die Romantik, von Italien ausgehend, tritt nun auch in Frankreich ihren Siegeszug an und schweißt eben jene Gruppe junger Männer zusammen, die der legendären „Hamlet“-Aufführung im Odéon beiwohnten und die jetzt im Haus des Schriftstellers Victor Hugo in der Rue Notre-Dame237

des-Champs den „Petit Cénacle“, den kleinen Kreis, ins Leben rufen, einen Debattierclub, in dem sich die Künstler gegenseitig ihre Werke vorstellen, noch bevor sie öffentlich zur Aufführung kommen.5 Victor Hugo wird ihr Anführer und positioniert sich im Mittelpunkt des ästhetischen Machtkampfs zwischen den Anhängern der konservativen Bewegung und denen des neuen Romantizismus. Er selbst arbeitet an einem revolutionären Theaterstück mit dem Titel „Hernani“, das bald uraufgeführt werden soll und das im Cénacle zu seiner letzten Reife findet. In Victor Hugos Dunstkreis ist in jener Zeit ein junger Mann zu finden, der den Schriftsteller durch seine skulpturale Schönheit beeindruckt und der sich Ernest de Saxe-Cobourg nennt. Auch er wohnt in der Rue Notre-Dame-des-Champs und lebt von der Pension, die der Herzog von Coburg seiner Mutter monatlich zukommen lässt. Als Victor Hugo in die Rue Jean-Goujon umzieht, folgt ihm Ernest und sucht sich in der Nachbarschaft ebenfalls eine Bleibe, da er nicht von seinem bewunderten Helden getrennt leben will.6 Am 25. Februar 1830 wird Hugos jüngstes Werk im ehrwürdigen Théâtre-Français ­uraufgeführt, ein Ereignis, das in die Theatergeschichte als die „Schlacht um Hernani“ eingehen wird. Das Stück ist bereits im Vorfeld umstritten, weil es Lyrik, Triviales und Tragisches auf respektlose Weise vereint, die jungen Wilden des Cénacle haben Vorbereitungen getroffen, da sie den Streit für sich entscheiden wollen. Sie mischen sich als Claqueure unter das Premierenpublikum, um die Stimmung anzuheizen und mit anerkennendem Klatschen alle Unmutsäußerung der kritischen Geister zu unterdrücken. Théophile Gautier will es nicht allein bei lautstarken Beifallsbekundungen belassen, sondern auch durch seine Kleidung unterstreichen, dass sich hier Unglaubliches abspielen wird – er erscheint in einem auffälligen zinnoberroten Wams, der sich im Theater eigentlich nicht ziemt und der deshalb als pure Provokation wirkt. Auch der junge Ernest de Saxe-Cobourg tut sich an jenem Abend als Claqueur für seinen Freund Victor Hugo hervor. Er fällt durch seinen übertriebenen Enthusiasmus auf, der sich vor allem gegen die unfreundlich pfeifenden 238

Wer immer sich hinter dem Pseudonym der Madame Panam verborgen hat, bestätigt hier den Erhalt von 2000 Francs durch Baron Victor Hugo. Das Geld stammte vom Herzog von Sachsen-Coburg und sollte die Kosten der Behandlung des kranken Sohnes decken. Als Adresse wird die Rue Jean Goujon Nr. 6 in Paris angegeben. ­Victor Hugo wohnte in unmittelbarer Nachbarschaft, in der Rue Jean Goujon Nr. 9.

Kritiker richtet, die er ohne Ansehen von Alter oder Geschlecht mit deftigen Ausdrücken beleidigt.7 Die Claqueure des Cénacle entscheiden die Schlacht um „Hernani“ für sich. Ernest sucht die Freundschaft des Monsieur Baron, wie sich ­Victor Hugo jetzt nennt und vertraut ihm sein Schicksal an. Auch seine Mutter, die mysteriöse Madame Alexandre (Panam) hält sich im Zirkel um den Poeten auf, gemeinsam mit dem Theaterschriftsteller Jean-Baptiste Mardelle besucht sie ihn zum Dinner und zur anschließenden Lesung aus seinem Werk.8 Als Ernest krank wird, ist es Victor Hugo, der die eingeforderten Zuwendungen des Herzogs von Coburg über das Bankhaus Rothschild entgegennimmt und gegen eine Quittung an die Mutter aushändigt.9 Wie Baron Zach richtig vermutet, kann sich die Erpresserin in ­Pariser Theaterkreisen der allerbesten Unterstützung sicher sein. Noch immer weiß niemand so genau, wer denn eigentlich wirklich hinter ihrer Memoirenschreiberei steckt und wer in ihrem Namen die Feder führt.10 Noch weniger lässt sich erahnen, wer der Informant ist, 239

der die Geheimnisse aus dem intimen Leben der Coburger in diesen undurchsichtigen Kreisen zum Besten gibt. Es leben zahlreiche deutsche Edelmänner in Paris, nicht zu vergessen die Agenten, Kaufleute und Künstler, die herumreisen und überall etwas aufschnappen, was sich für einen Skandal verwerten lässt. Doch der Coburger Herzog scheint nach wie vor felsenfest davon überzeugt, die Herzogin Luise füttere Madame Panam mit ihren Lügengeschichten. Luise indes ist ganz gefangen von ihren Pariser Abenteuern, über die sie ihre Freundin Amalie von Uttenhoven in per Brief verschickten Tagebuchnotizen unterrichtet, zunächst direkt aus der französischen Hauptstadt, später aus St.  Wendel: „Also alle Gedanken hinweg, ich versetze mich wieder in mein Schlafzimmer in Paris an den Schreibtisch und schreibe ihnen.“11 An Fastnacht, so berichtet sie, sind sie viel umhergefahren und waren verwundert, wie viele Kutschen ihnen begegneten, es war wie an einem Feiertag im Wiener Prater. Manches Mal geht es nur im Schritttempo voran oder man steckt für eine Viertelstunde ganz fest – was womöglich mit dem seltsamen Brauch zu tun hat, dass am Karnevalssonntag ein mächtiger Ochse durch die Straßen geführt wird, der aufs Feinste geschmückt ist und eine samtene purpurrote Decke mit goldener Borte trägt. Dahinter fahren verkleidete Frauen in Trachten, doch Luise ist enttäuscht, denn die Masken erweisen sich beim Hinsehen als alt und schlecht verarbeitet. Spannender ist da schon der Ausflug ins königliche Archiv, wo man den Besuchern die Prozessakten der Johanna von Orléans zeigt, und die der Marquise de Brinvilliers, die ihre gesamte Familie mit Taubenpasteten vergiftete. Auch die Kleidung des Kindermörders Damiens ist zu besichtigen sowie die Hinterlassenschaften einiger gefährlicher Räuber. An einem anderen Tag besucht Luise ein Findelhaus, in dem achthundert Bettchen aufgeschlagen sind für arme Kinder unbarmherziger Eltern. Manchmal werden die Kinder nachts gebracht, morgens gibt man sie dann zu Ammen aufs Land, wo sie drei Jahre bleiben, danach werden sie bis zum zwölften Lebensjahr in einer Anstalt erzogen. Luise fragt sich, wie viele von ihnen danach ein gutes Leben führen und für sich selbst sorgen 240

­ önnen und wie viele in den Bewahranstalten für Frauen landen werk den, wie der Salpétrière, oder in der für Männer. In Letztere kann Luise einen Blick werfen, der sie anrührt, denn die meisten Insassen hier sind alt, arm oder toll oder alles zusammen, oder es sind Verbrecher. Diejenigen Insassen, die zu einer Galeerenstrafe verurteilt sind, werden in Gruppen zu dreihundert Personen zum Hafen nach Toulon verfrachtet. Doch es gibt auch angenehme Anblicke, wenn man mit der Kutsche über Land fährt, hübsche Dörfer oder Städte mit eleganten Villen, oder das Schloss Mendon, das Napoleon einst seinem Sohn schenkte. Die Aussicht von der Terrasse ist atemberaubend, danach geht es zurück durch den Bois de Boulogne ins erleuchtete Paris. Luise schwärmt von den Theateraufführungen, sieht den „Don Juan“ und vieles mehr, das ihr Herz erfreut. Ende März 1829 fährt sie nach Versailles und kann sich nicht sattsehen – das Schloss, der Park, die Statuen, alles scheint ihr so wunderbar wie der König, der es erbauen ließ. So schön Versailles von außen ist, im Inneren ist es wüst und leer, es fehlt das Geld, um alles wiederherzustellen. Am 5. April kommt überraschend Prinz Leopold zu Besuch, sechs volle Jahre hat Luise ihn nicht mehr gesehen. Noch immer gilt der Coburger als Anwärter auf die griechische Krone, die er aber ein Jahr später ablehnen wird. Ein weiteres Jahr darauf, 1831, besteigt er den belgischen Thron. Das Treffen in Paris, so erfährt Julie von Zerzog in einem Brief ihrer Freundin, war persönlicher Natur: „Dankbar rühmte Luise die unveränderte Freundschaft, welche ihr Prinz Leopold bey dieser Gelegenheit bewies, und bis ans Ziel ihrer Tage blieb sie ihm mit schwesterlicher Anhänglichkeit zugethan!“ Im Mai kehrt Luise noch einmal nach St. Wendel zurück. In Erwartung des Sommers hat sie das Niederweiler Gartenhaus bezogen, wo sie Julie ein zweites Mal zu Besuch empfängt: „Noch sehe ich sie, freundlich und blühend von ihrem Fenster aus mir zuwinkend“, schreibt Julie später, „noch fühle ich es, wie ich in freudiger Bewegung an ihrem Herzen lag, und indem ich dieses Gefühls gedenke, fehlt mir fast die Ruhe, weiter zu schreiben!“12 241

Mit rührender Innigkeit, so beobachtet Julie, hängt Luise an ihrem Gatten, dem Grafen Pölzig, sucht seine Wünsche zu erfüllen und ihm ein angenehmes Leben in der Einsamkeit zu bereiten. „Sie hatte nur wenig geselligen Umgang in St. Wendel“, stellt Julie fest, „aber willig entbehrte sie die größern Zerstreuungen, welche Gewohnheit ihrer ­Jugend waren. Desto freudiger öffnete sie ihr Herz in dieser Zurück­ gezogenheit den stillen Freuden des Wohltuens, für welche auch das Herz ihres Gemahls nicht minder empfänglich war. Wohlwollend lieh sie ihr Ohr jeder Bitte, deren Gewährung ihrem menschenfreundlichen Herzen möglich war, und wo es in St. Wendel zu nützen, zu helfen gab, war sie ein rettender Engel! Dies sprechen nicht nur ihre Freunde aus, sondern die stets heilig zu achtende Stimme der öffentlichen Meynung in St. Wendel zollt ihrem wolkenlosen Hausstande dasselbe Zeugnis, als ihrer seltenen Wohltätigkeit.“13 Luise kümmert sich um die Erziehung ihres acht Jahre alten Neffen Max, den Sohn der Schwester des Grafen Pölzig, der mit ihnen im Haushalt lebt und der sie ein wenig darüber hinwegtröstet, die eigenen Kinder nicht sehen zu dürfen. Immer wieder hört sie aus Coburg Gerüchte, die den Verdacht nähren, sie wolle sich Ernst und Albert unerlaubt nähern, etwa bei einem Besuch ihrer Schwägerin Sophie in Mainz. Immerhin hat Herzogin Auguste noch ein Einsehen und verspricht, zwei Pastellgemälde der Buben für Luise anfertigen zu lassen. Auch Nachrichten von einer bevorstehenden Eheschließung Ernsts mit seiner Nichte Marie von Württemberg erreichen Luise im Exil, sie sieht es mit nüchterner ­Gelassenheit: „[…] ich bin überzeugt, daß die Heirath geschieht, denn Marie hat keine Zeit zum wählen übrig und ist in einer Lage die unmöglich angenehm sein kann. Ein anderes attachement [Verbindung] hat sie wahrscheinlich nicht.“14 Im Juli 1830 findet sich Baron von Zach in St. Wendel ein. Wieder einmal machen ihm die Blasensteine zu schaffen, er wähnt sich dem Tod nahe. Der Arzt habe ihn aufgegeben, erzählt er Luise, deshalb wolle er noch einmal alle Freunde besuchen und seine Papiere ordnen. Bis Oktober will Zach eigentlich bleiben, doch schon bald überfallen ihn so heftige Schmerzen, dass es ihn nach Frankreich zurück242

zieht, wo er von Paris aus weiter in das wärmere Klima des Südens reisen will. Auch Luise fühlt sich in dieser Zeit nicht wohl, seit Langem plagen sie Unterleibsschmerzen. Vielleicht kann man sich gemeinsam auf den Weg machen? Als dies beschlossen ist, bricht in Paris der Tumult der Revolution herein, drei Tage lang erheben sich Arbeiter, Studenten und Handwerker, bis schließlich die Bourbonen entmachtet sind und König Karl X. nach England flieht. Zach lässt sich von Civiale über die politische Lage in der Hauptstadt unterrichten und fragt, ob man die Reise in den Süden wagen könne: „Dieser antwortete: in Paris sey alles wieder ruhig, er möchte vor allen Dingen zu ihm kommen, und sich erst von ihm untersuchen lassen, ehe er die weite Reise unternähme“, berichtet Luise an Julie von Zerzog. „Da beschloß mein alter armer Freund sogleich, abzureisen, und bat dringend um unsere Begleitung. Wir mochten ihm diese Bitte nicht abschlagen, und reisten mit nach Paris. Dort angelangt declarierte Dr. Civiale, daß er [Zach] sich wieder operieren lassen, in Paris bleiben müsse. Dieser Ausspruch war nicht tröstlich. Da wir ohne diesen erfahrenen Mann die Reise nach Süden, wo alles noch kocht und gährt, nicht antreten, aber unter den gegenwärtigen Umständen nicht in Paris bleiben wollten, so reisten wir nach einem Aufenthalte von 8 Tagen wieder hierher zurück. Dort fand ich alles verändert. Wer Paris 1829 gesehen und sieht es 1830 wieder, findet eine ganz neue Welt. Bey Tag war die Stadt wie ausgestorben, man sah weder elegante Leute, noch Equipagen, der Luxus und das Geld schienen merklich abgenommen zu haben. Die fonds fielen beträchtlich, die banque­ route verfielfältigten sich, und die schönen Magazine waren verschwunden. Bey Nacht zogen unter Geschrey und Gesang die Handwerker durch die Straßen, schrien und lärmten unter den Fenstern ihres Beherrschers, und ängstigten die Kaufleute.“15 Auch aus Belgien treffen beunruhigende Nachrichten ein, es ist von Holland abgefallen und hat seine Unabhängigkeit erklärt. Es besteht die Gefahr, dass auf russischen Druck preußische Truppen in Marsch gesetzt werden, ­geschähe dies, würde ganz Frankreich aufstehen und es gäbe einen ­allgemeinen Krieg. Nur eine tröstliche Sendung erreicht Luise: Aus 243

­ oburg empfängt sie die lang ersehnten Porträts ihrer beiden Söhne, C nicht sehr ähnlich, wie sie findet, aber die Mutterliebe ersetzt das Fehlende. Im Frühjahr 1831 machen sich Max und Luise erneut auf den Weg nach Paris, sie fühlt sich seit längerer Zeit schwach und leidet an schweren Krämpfen. Vielleicht hilft eine Luftveränderung, auch wenn der Arzt in St. Wendel dringend von der Reise abrät. Noch einmal kann die Kranke abends in Paris ausgehen, besucht am 5. März 1831 die Pariser Oper, wo „Der Gott und die Bajadere“ nach Goethes gleichnamiger Ballade auf dem Spielplan steht. Noch während der Aufführung erleidet sie einen heftigen Blutsturz, schwankend müht sie sich nach Hause, wo sie endgültig ohnmächtig wird. Unterdessen gibt es erneute Gerüchte, Luise mache gemeinsame Sache mit Madame Panam, diesmal seien die Prinzen Ernst und ­A lbert im Visier der Erpresserin und die verbannte Herzogin wolle Rache an den Coburgern üben, indem sie zu einem neuerlichen Skandal beizutragen gedenke. Wieder muss Baron Zach, trotz fast unerträglicher Schmerzen, Erkundigungen einziehen und kann nur Entlastendes berichten: „Die Memoiren, die Mad. Panam jetzt vorzeigt, sollen nur einige Blätter sein, welche schon vor mehreren Jahren gedruckt und ins Stocken gerathen sind. Darinn soll die ScheidungsGeschichte der armen Herzogin Louise vorkommen, und die Légitimité ihrer Kinder angegriffen werden; dies sind nur Narren-Poßen, über welche man […] nur lachen muß.“16 In Coburg will man nur zu gern glauben, Luise wolle in die Welt posaunen, ihre Kinder seien nicht die rechtmäßigen Nachkommen des Herzogs Ernst. Zu dieser Zeit ist die Herzogin bereits ans Bett ­gefesselt. Auf Anraten Zachs lässt sie sich vom Leibarzt des Königs untersuchen. Noch glaubt sie an rheumatische Beschwerden, aber der Arzt besteht auf der Untersuchung durch eine Hebamme. Diese stellt eine Verschleimung im Unterleib fest, eine Operation ist vielleicht nicht mehr zu umgehen, auch wenn sie droht, tödlich zu verlaufen. Zunächst soll die Behandlung mit Medikamenten fortgesetzt werden. Doch die erhoffte Besserung tritt nicht ein, Luise erleidet zwei w ­ eitere 244

Blutstürze und kann das Appartement in der Rue de Champs ­Eliseé Nr.  46 nicht mehr verlassen. Auch wenn Luises Kräfte zusehends schwinden, bleibt sie im Visier der Coburger. Hauptmann Miltiz, der als Beobachter nach Paris entsandt worden ist, berichtet von der Behauptung der Panam, mit der Herzogin in regem Briefverkehr zu stehen. Als Max von Pölzig durch einen Brief Herzogin Augustes von den schweren Beschuldigungen erfährt, setzt er empört ein Antwortschreiben auf: „Durchlauchtigste Herzogin, Gnädigste Fürstin und Frau! So schmeichelhaft es für mich sein muß von Ew. Durchlaucht mit einigen Zeilen bedacht worden zu sein, so sehr mußte mich der Inhalt des gnädigen Schreibens betrüben. Dankbar bin ich Ew. Durchlaucht, daß Sie so gnädig waren mich von der schändlichen Verleumdung gegen meine Frau zu unterrichten, da ich dadurch in den Stand gesetzt werde, Ew. Herzogl. Durchlaucht von der Grundlosigkeit dieses ­Gerüchts zu überzeugen. Angenommen, meine gnädigste Frau, daß die Herzogin Luise so schlecht sein könnte sich auf so niedrig gemeine Weise rächen zu wollen, so wird mir doch gewiß zugesprochen werden, daß sie durch die Stimme der Vernunft allein von einem solchen Schritt abgehalten werden müßte. Ich frage Sie Durchlaucht, was könnte die Herzogin dadurch gewinnen, und was müßte sie dadurch verlieren? Auch nicht der entfernteste Gewinn wäre durch eine unvermeidliche Schande meines gnädigsten Landesherrn zu erwarten, aber erst mancher unglaublicher Nachtheil; ich frage ferner, wer würde wohl am meisten verlieren, wenn die Prinzen Ernst und Albrecht für nicht rechtmäßig erkannt werden könnten, und glaube mit Recht antworten zu können, daß ja nur die Herzogin dadurch verlieren würde, indem Manches zur Sprache kommen müßte was für beide Theile unangenehm sein würde. Kann S. Durchlaucht glauben, daß die Herzogin die Achtung und Liebe, die sie sich seit sieben Jahren durch ein geregeltes stilles Leben und durch ein untadelhaftes Benehmen erworben hat, durch ein Buch vernichten mag, durch ein Buch ohne Grund, ohne Glauben. Wären S. Durchlaucht so gnädig gewesen, über die Unwahrscheinlichkeit dieser Verläumdung nachzudenken, so 245

würde der freche Lügner bestraft worden sein. Der es gewagt hat, seinen Landesherrn zum Besten zu haben, denn nur auf diese Weise kann dieses Gerücht entstanden seyn, indem die Herzogin gleich nach unserer Ankunft in Paris durch ihre Krankheit gezwungen wurde Zimmer und Bett zu hüten und bis jetzt auch niemanden gesehen hat als Herrn Baron v. Zach, Herr und Madame Renie (u. a.); aus Irrthum hat man allso S.  Durchlaucht nicht belogen. Ich habe meine Frau so lange wir hier sind auch nicht einen Augenblick verlaßen, deßhalb kann ich auch noch durch mein Ehrenwort die Nichtigkeit dieser ­lächerlichen Anklage versichern. Ich weiß nicht, ob Madame P. es sich einfallen laßen wird, ein Buch gegen S. Durchlaucht zu schreiben, ich weiß aber gewiß, daß es S.  Durchlaucht einerlei seyn kann, ob es ­geschieht oder nicht geschieht; sollte es wirklich geschehen, so wird das Buch nur den Wert haben, den S. Durchlaucht selbst darauf legen, von der andern Welt würde es als eine Farce des Tages angesehen und nicht gelesen werden: vorzüglich in diesem Augenblick, wo es sich um das Wohl und Wehe von ganzen Völkern handelt, wird man gewiß nicht sehr begierig seyn, die Geschäfte einer Dame de la Rue zu lesen. Ferner ich Ew. Durchlaucht nochmals für die gnädige Mittheilung unterthänigst danke, wage ich zugleich um den Namen des Verläumders gehorsamst zu bitten. In der gewißen Erwartung, daß Ew. Durchlaucht mir meine ergebene bitte nicht abschlagen werden, habe ich die Ehre mich zu nennen Ew. Herzoglichen Durchlaucht unterthänigster Diener Max G. v. Pölzig. Paris 25. April 1831, Adreß. C. d. P. Avenue des Champs Elisée N. 46 Paris.“17 Im Sommer schwindet die Hoffnung, Luise könnte noch einmal genesen. Sie erfährt nichts von der wahren Diagnose: Gebärmutterkrebs im fortgeschrittenen Stadium. Sie kann Paris nicht mehr verlassen und wird von ihrem Mann versorgt, der die Aufgaben einer Kammerfrau und Krankenwärterin übernommen hat und sie nun nicht mehr allein lässt. Ihr Leiden rührt ihre Dienerschaft, die sich inzwischen auf das Schlimmste gefasst macht. Kutscher Schäftlein, der seiner Herzogin seit ihrer Verbannung aus Coburg die Treue gehalten hat, wird mit dem Verkauf der Wagenpferde beauftragt und nach 246

St.  Wendel zurückgeschickt, wo er einem Regierungsbeamten vom Leiden Luises berichtet: „Er brachte mir von der Lezteren das letzte Lebewohl und hat mir ihren körperlichen Zustand und ihre fast unerträglichen Leiden so beschrieben, daß das regste Mitleiden dadurch erweckt wurde. Sie ist sehr oft ohne alle Besinnung und bei deren Wiederkehr erfüllt sie die Umgebungen mit den lautesten Wehklagen. Der Graf Pölzig versiehet bei ihr die Dienste einer gemeinen Wärterin und kömmt nicht von ihrem Lager. Eine Hoffnung zu ihrer Wiederherstellung soll, nach den einstimmigen Urtheile der Aerzte, nicht vorhanden sein, obgleich die Herzogin die Lebensgefahr, in der sie sich befindet, nicht ganz erkennen soll.“18 Obwohl schon sehr geschwächt, entschließt sich Luise, am 25. Juli 1831 von dem in Paris ansässigen Notar Jean Eustache Montaud ihr Testament aufsetzen zu lassen. Er findet sie zwar körperlich krank, aber mit zurechnungsfähigem Geist vor und lässt sich von ihr ihren letzten Willen diktieren. Darin setzt sie ihre beiden Söhne Ernst und Albert zu Universalerben ein. Ihrem Ehemann Graf Pölzig sollen fünfundzwanzigtausend sächsische Thaler aus dem Nachlass des verstorbenen Gothaer Herzogs Friedrich IV. zustehen. Dazu bewilligt sie ihm einen Anspruch auf eine Rente von über fünftausend Reichsthalern aus ihrem Vermögen und überlässt ihm Möbel und Schmuck. Auch ihrem Koch, ihrem Kutscher und anderen Bediensteten setzt Luise Pensionen aus. Nur wenige Tage, nachdem sie ihren Nachlass geregelt hat, verschlechtert sich ihr Zustand rapide. Ihr Gedächtnis lässt sie im Stich, was sie mit der Bemerkung: „Mein Gott, ich rappele“ registriert.19 Am 1. August 1831 schreibt Luise einen Abschiedsbrief an Amalie von Uttenhoven: „Das Gefühl, daß meine Kräfte von Stunde zu Stunde mehr abnehmen, und daß meine Krankheit vielleicht mit dem Tode nur endigen wird, veranlaßt mich noch einen Wunsch auszudrücken, um deßen Erfüllung ich meinen innig geliebten Gemahl bitte. Sollte es dem Himmel gefallen, mich in Paris abzurufen, so wünsche ich, daß mein Leichnam nach Deutschland auf das Gut meines Mannes gebracht werde, in dem derselbe künftig dort zu wohnen gedenkt. Sollte er sich aber einen andern Ort wählen, so bitte 247

ich dorthin gebracht zu werden. Ich war glücklich mit ihm zusammen leben zu können, trennt uns aber der Tod, so wünsche ich, daß wenigstens mein Leichnam in seiner Nähe ist. Da es meine Kräfte nicht zuließen, dieses selbst zu schreiben, so habe ich es meiner Freundin Anna Metz dictiert, ich habe ihr diesen schriftlichen Wunsch über­ geben und sie gebeten, solchen nach meinem allenfallsigen Tod meinem Gemahl zu übergeben. Noch habe ich zu bemerken, daß ich nicht wünsche auf dem Kirchhofe begraben zu werden, sondern an einem Ort, den mein Gemahl bestimmen soll.“20 An Luises Totenlager hat sich inzwischen auch Franz Xaver von Zach eingefunden. Längst sind alle darauf gefasst, dass Luise nun bald ihr Leben aushauchen wird. Dennoch kommt der Augenblick des Todes am 30. August 1831 plötzlich. Wenige Minuten zuvor hat Graf Pölzig noch mit seiner Frau gesprochen und sie hat mit einem Kopf­ nicken geantwortet. Als die Kammerfrau fragt, ob Luise sie noch erkenne, lächelt die Sterbende, und hört dann einfach auf zu atmen. „Ihr Hinscheiden war sanft, sie starb – nein sie starb nicht, sie hörte auf zu leben!“, schreibt Baron Zach an Amalie von Uttenhoven.21 Im Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha trauern die Menschen um Herzogin Luise, deren Ableben am 13. September 1831 durch eine Notiz in der „Gothaischen Zeitung“ bekannt wird. Acht Tage Landestrauer mit Glockengeläut, sechs Wochen Hoftrauer, vom Herzog angeordnet – in Gotha muss Ernst darauf Rücksicht nehmen, dass seine geschiedene Frau als Prinzessin geboren wurde. In Coburg wird weniger Aufwand betrieben, da Luise hier nur der Rang einer Cousine des herzoglichen Hauses zugesprochen wird. Bernhard von Lindenau, langjähriger Vormund der Verstorbenen und Berater Ernsts, kann auch im Tod kein Verständnis und keine versöhnlichen Worte aufbringen: „Das frühzeitige Ableben der Frau Herzogin Louise, hat mich bei meiner großen Anhänglichkeit an das Gothaische Fürsten­ thum tief betrübt; allein eine weitere Ueberlegung hat mich in diesem unerwarteten Ereignis eine günstige Schickung des Himmels erblicken laßen, da die unglückliche Fürstin zu sehr aus den ihr von der Vorsehung angewiesenen Verhältnißen herausgetreten war, um einer 248

ruhigen und glücklichen Zukunft entgegen gehen zu können. Die Art und Weise, wie Mutter, Söhne und Enkelin des Gothaischen Fürstenhauses endigten, ist betrübend“, urteilt Lindenau.22 Nur wenige Straßen trennen Luises letzte Wohnstätte von der Rue Jean-Goujon, in der sich der Schriftsteller Victor Hugo und sein Freund Ernest de Saxe-Cobourg niedergelassen haben. Ersterer führt den Titel Baron, Letzterer darf sich seit 1830 Ritter von Hallenberg nennen. Der angebliche Sohn Ernsts ist vom Coburger Herzog geadelt worden und hat brieflichen Kontakt mit dem Fürstenhaus aufgenommen. Im Juni 1831 schreibt er an seinen vermeintlichen Vater, wie sehr er es bedauere, nichts von ihm zu hören und ihm gleichgültig zu sein, was ihn zutiefst kränke.23 Zu Ernsts Schwester Sophie von MensdorffPouilly knüpft Ernest einen engeren Kontakt, seine Freunde beschreiben ihn als einen talentierten jungen Mann mit besten Manieren und herausragenden Charaktereigenschaften, die ihm eine glückliche Zukunft ermöglichen könnten. Lange dauert der Versuch einer Fami­ lienzusammenführung nicht an, da ereilt auch den inzwischen erwachsenen Spross der Madame Panam ein trauriges Schicksal. Eines Tages, im März 1832, erscheint die Mutter Ernests an der Wohnungstür Victor Hugos in der Rue Jean-Goujon und fleht ihn an, seinen Arzt zu ihrem Sohn Ernest zu schicken, der plötzlich krank geworden ist. Es wird eine Rippenfellentzündung diagnostiziert und angeordnet, dem Patienten keine Nahrung zuzuführen. Doch die Mutter entscheidet anders und gibt ihm zu essen, was in der Nacht zu seinem unerwarteten Tod führt. Victor Hugo verbringt Stunden damit, die unglückliche Madame Panam zu trösten, die nicht nur ihr so jung gestorbenes Kind beweint, sondern nun auch ihr wichtigstes Druckmittel gegen die Coburger und damit ihre wichtigste Einnahmequelle verloren hat. Am Sterbebett spielen sich dramatische Szenen ab, die der Maler Louis Boulanger auf Wunsch seines Freundes Victor Hugo in einer Zeichnung festhält.24 Am 10. Februar 1832 um elf Uhr versammeln sich die Freunde des Cénacle, um dem Leichnam Ernests die letzte Ehre zu erweisen – sein Kopf eingesunken im Kissen, seine Gesichtszüge scharf geschnitten, 249

Nach dem Tod seines Freundes Ernest schreibt der französische Schriftsteller Victor Hugo persönlich an Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha: „Prinz, ich werde das väterliche Herz tief bekümmern. Ich lebe seit etwa einem Jahr in einem Haus in der Nachbarschaft ihres Sohnes Ernest [Ritter von Hallenberg]. Uns war das Gefallen an der Literatur gemeinsam und meine Wertschätzung für den Charakter dieses exzellenten jungen Mannes war gemeinhin bekannt, dies hat zu einer veritablen freundschaftlichen Beziehung geführt. Prinz, es hat sich ein großes Unglück ereignet, das Sie als Vater heimsucht, und das mich ebenso

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als Freund trifft. Ihr Sohn Ernest ist vorgestern um ein Uhr mittags an einer Rippenfellentzündung gestorben, wie durch eine Autopsie bestätigt wurde. Er ist in den Armen seiner armen Mutter verstorben, die ihn großgezogen hat, Sie zu lieben und Sie zu preisen, gar hat er Ihren Namen ausgesprochen bis zum letzten Atemzug. Ihr Sohn hat Sie geliebt, Prinz, er hat Sie zärtlich geliebt, in Ergebenheit und aus vollem Herzen. Er hat ohne Unterlass von Ihnen gesprochen und Zeugnis seiner Liebe zu Ihnen abgelegt, wie es ein guter Sohn für einen guten Vater tut.“

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während sein Körper, obwohl bleich, noch immer zu atmen scheint. Victor Hugo kümmert sich um das Begräbnis seines Bewunderers Ernest und die Pläne zur Errichtung eines Monuments auf dem Pariser Friedhof. Während der Beisetzung kann Madame Panam das Hinscheiden ihres Sohnes gar nicht genug beweinen und bejammern, wie Sophie von Mensdorff-Pouilly aus einem Schreiben des Theaterschriftstellers Jean-Baptiste Mardelle erfährt, der die Geschehnisse beobachtet hat und den selbstlosen Einsatz Victor Hugos lobt.25 Vom traurigen Schicksal der Panam bewegt, die sich in ihrer übertriebenen Trauer wie eine Furie aufführt, schreibt Victor Hugo persönlich an Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha, um ihn über den Tod seines angeblichen Sohnes zu unterrichten.26 Er informiert Ernst über die Höhe der Pflege- und Bestattungskosten von zweitausend Francs, für die er persönlich gebürgt hat. Das Leid der Mutter sei kaum mit anzusehen, sie stehe jetzt ohne Unterstützung da und sei unfähig, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln. Der Schriftsteller bittet den Herzog unbekannterweise, sich des Problems anzunehmen und verspricht, falls gewünscht, für die Übersendung der Zeichnung zu sorgen, die Louis Boulanger von Ernest auf dem Totenbett angefertigt hat. Tatsächlich lässt Herzog Ernst über das Bankhaus Rothschild zweitausend Franc an Victor Hugo auszahlen, die dieser gegen Quittung an die Panam aushändigt.27 Kurz darauf, im April 1832, kommt es offenbar zum Zerwürfnis zwischen Madame Panam und Victor Hugo. Sie beschuldigt den Freund ihres Sohnes, Ernests Tod willentlich herbeigeführt zu haben und der Drahtzieher eines Mordkomplotts zu sein.28 Der Schriftsteller ist entsetzt über das Verhalten der Frau, die er einst als Madame Alexandre in seinem Haus bewirtet und die er nach dem tragischen Verlust ihres Sohnes so uneigennützig unterstützt hatte. Ernst von Sachsen-Coburg wendet sich seinerseits an Victor Hugo, der sich nun für die Weitergabe des Geldes an die Erpresserin rechtfertigen soll. Er habe die wenig schätzenswerte Frau ja gar nicht gekannt, behauptet Victor Hugo nun, dennoch sei es für ihn klar gewesen, die vom Herzog angewiesene Summe an sie aushändigen zu müssen. Auch gehe 252

er davon aus, dass Ernst sich nicht weigern werde, die Panam auch jetzt noch weiter zu unterstützen, obwohl er zu bedauern sei, mit einer so unwürdigen Libellenschreiberin etwas zu tun gehabt zu haben. Geschadet habe das Ganze nur dem Ansehen des noblen Sohnes Ernest.29 Trotz der undurchsichtigen Verwicklungen und unablässigen Geldforderungen aus Paris sorgt der Coburger Herzog schließlich noch dafür, dem Architekten Renié zweitausendzweihundert Francs über das Bankhaus Rothschild bereitstellen zu lassen, damit zu Ehren des verstorbenen Sohnes der Panam ein Grabmal errichtet werden kann.30 Luises Leichnam findet nach ihrem Tod im August 1831 nicht so schnell zur letzten Ruhe. Baron Zach, mit den Coburger Verhältnissen bestens vertraut, ahnt bereits in ihrer letzten Stunde, welche Zwistigkeiten es um den Ort ihrer Bestattung und um ihr Erbe zwischen den beiden Ehemännern geben würde. Das Testament Luises, das sie ihrer Kammerfrau Anna Metz diktiert hatte, ist an den Grafen Pölzig ausgehändigt worden. In seinem Brief an Amalie von Uttenhoven vermutet Zach, dass diesem Willen zufolge „der Graf die Leiche einbalsamieren [ließ], und will nun solche selbst auf sein Gut nach Einberg bringen und da zur Erde bestättigen laßen. Wird dies dem Herzog von Coburg angenehm seyn, seine vormalige Gemahlin, die Mutter seiner Kinder, eine Herzogin zu Sachsen in seiner Nähe beerdigt zu sehen? Der Graf will seiner seelige Gemahlin ein schönes Monument setzen laßen. Da Einberg, wie ich gehört habe, ganz nahe an der schönen Rosenau liegt, so wird das Grabmal da jedermann, folglich auch ihren Kindern stets vor den Augen seyn!“31 Ernst seinerseits sieht sich nicht verpflichtet, die im Testament seiner ehemaligen Frau verfügten Regelungen auch einzuhalten. Als Herzogin von Sachsen, so argumentiert er, hätte ihr letzter Wille nur Gültigkeit, wenn er ihm als Souverän zugestimmt hätte. Es entbrennt ein langer, erbittert geführter Streit um die Hinterlassenschaft Luises und ihren Leichnam, der Aktenordner um Aktenordner füllt und schließlich auf sechshundertdreißig Blätter anwächst. Rechtsanwälte werden eingeschaltet, Vermittlungsversuche scheitern, Vergleiche 253

werden verhandelt und wieder verworfen, Graf Pölzig wird beim ­Regierungspräsidenten von Coburg vorgeladen, um ihn endlich zur Freigabe des Leichnams zu bewegen und einen Bestattungsort festzulegen. Tatsächlich hatte Maximilian von Pölzig den bleiernen Sarg, der mit Holz verschalt war, aus Paris nach St. Wendel überführen lassen und ihn im Niederweiler Gartenhaus aufgestellt. Der Stadtrat von St.  Wendel befürchtet unkontrollierbare Menschenansammlungen, da die Bürger ihrer verehrten Herzogin Luise die letzte Ehre erweisen wollen oder sich einfach aus Neugier herandrängen. Um Aufsehen und Tumulte von vornherein zu verhindern, wird ein Militärkommando postiert. Doch ist die Leiche Luises damit auch vor dem Zugriff des Coburger Herzogs geschützt? Müssen die Lichtenberger nicht auf sein Kommando hören, wenn er die Herausgabe des Sarges einfordert? Maximilian, der jederzeit mit einem gewaltsam durchgeführten Abtransport rechnet, bei dem auch Waffen eingesetzt werden könnten, handelt: Heimlich lässt er Luises Leichnam in die Wohnung seines Advokaten Stapf bringen, der der Regierung von St.  Wendel mitteilt, „dass ich die Schlüssel zum Aufbewahrungszimmer der Leiche nicht in meiner Wohnung, sondern an einem anderen Orte aufbewahrt habe, so, daß ohne Einwilligung des Grafen von Pölzig niemand in das Zimmer dringen kann, es müssten dann die Schlösser und Thüren gewaltsam erbrochen werden. Dieses Geheimnis mögte mir schwerlich durch kleine Gewaltthaten zu entreißen sein.“32 Ein Jahr lang dauert das unwürdige Geschacher zwischen Ernst und Maximilian um den Sarg Luises, der das letzte Druckmittel ist, um die unerledigte Erbschaftsangelegenheit doch noch zugunsten des Grafen Pölzig zu entscheiden. Dieser droht bei gewaltsamer Durchsetzung der Interessen Ernsts mit einem öffentlichen Skandal, infolgedessen äußerst unangenehme Dinge über die Coburger Verhältnisse zur Sprache kommen könnten. Ernst wiederum will Einfluss auf den künftigen Wohnort Maximilians nehmen und ihm untersagen, sich in Coburg und Umgebung aufzuhalten, da dies „höchst indiskret, unschicklich und unstatthaft erscheint […] ohne daß es von einer bestehenden Vorschrift abgeleitet werden kann.“33 Eine 254

Beisetzung Luises nahe des Gutes Einberg wäre damit unmöglich, wie von Baron Zach befürchtet. Die Coburger Gesellschaft wird aufgefordert, den Grafen Pölzig zu meiden. Auch die Erbauseinandersetzung nimmt immer groteskere Züge an. Nach wie vor verweigert Ernst die Auszahlung der fünfundzwanzigtausend Thaler aus dem Testament Herzog Friedrichs, dem Onkel Luises. Die Regierung in St.  Wendel wird angewiesen, Pölzig das Sparvermögen aus dieser Erbschaft erst auszuzahlen, wenn dieser sich dazu entschließt, dort dauerhaft zu wohnen. Maximilians finanzielle Probleme veranlassen ihn, über einen Rechtsbeistand in Gotha vorstellig zu werden und Herzog Ernst mit Konsequenzen zu drohen, die die früheren Skandale wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken könnten. Sein Anwalt Sartorius setzt ein Schreiben mit einer unmissverständlichen Botschaft auf: Ihm bliebe „nur noch übrig Ew Excellenz angelegentlichst zu bitten, mich bei meiner guten und redlich gemeinten Absicht, den Frieden in einer sehr schwierigen Sache zu vermitteln, durch Hochdero gerichteten Einfluß zu unterstützen. Sollte auch dieser Versuch nicht zum Ziele führen, so muss ich aufrichtig gestehen, daß mein Latein zu Ende ist, und daß ich für weitere jedenfalls höchst unangenehme Schritte des Herrn Grafen – bei dem sich nach den letzten, während der Unterhandlungen, in St. Wendel getroffenen Maasregeln – und bei der fortwährenden Vorenthaltung der ihm zukommenden unbestrittenen Rente von 3.000 rth die Idee festgesetzt hat, Serenissimus wollen ihn zu Grunde richten, und nur die höchste Publicität könne ihn dagegen schützen und retten – nicht garantieren kann.“34 Maximilian lässt anklingen, wie unangenehm es für die Coburger werden könnte, wenn er seine Kenntnisse über die intimen Details der Familienangelegenheiten preisgäbe. Er hat immerhin alles selbst miterlebt, was sich vor und während der Unruhen im Jahr 1824 abspielte. Und niemand weiß, was Luise ihm – etwa über ihre Söhne Ernst und Albert  – anvertraut hat. Schließlich erinnert Pölzig immer wieder daran, dass er seine Stellung an der Seite der Herzogin in St. Wendel nicht freiwillig eingenommen hatte, sondern auf Anordnung Ernsts 255

dorthin abkommandiert worden war, um für Ruhe und Ordnung im Haushalt zu sorgen. Nach langen strittigen Verhandlungen wird am 21. August 1832, fast ein Jahr nach dem Tod Luises, ein Vergleich geschlossen. Maximilian Graf Pölzig, ehemals von Hanstein, verzichtet auf das Erbe aus dem Testament Onkel Friedrichs, ebenso auf die Güter Pölzig und Bayersdorf, die in der Heimat der Verstorbenen im Altenburger Land liegen. Der Rest des Nachlasses geht auf Maximilian über, der sich allerdings genötigt sieht, Juwelen und Mobiliar zu veräußern, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Gleichzeitig erbt er die verbliebenen Schulden. Aus dem Privatvermögen der Söhne Luises wird ihm eine jährliche Rente zugeschrieben, sowie eine einmalige Abfindung von zehntausend Gulden. Gleichzeitig verpflichtet er sich, für die Beisetzung Luises im Herzogtum Lichtenberg zu sorgen und diese zu bezahlen.35 Ernst hatte anordnen wollen, Luises Sarg in Sulzbach zu bestatten, doch Maximilian entscheidet sich für die kleine Dorfkirche in Pfeffelbach, die nicht allzu fern von St. Wendel liegt. Nun erfüllt sich Luises letzter Wunsch, den sie vor ihrer Reise nach Paris geäußert hatte: Pfarrer Hepp möge sich um ihren Leichnam kümmern, sollte sie nicht zurückkehren. Eineinhalb Jahre nach ihrem Tod, am 19. Dezember 1832, wird sie in einer schlichten Zeremonie in der Gruft ­beigesetzt.

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Epilog

Luise wird die Coburger Pläne nicht mehr stören. Leopold besteigt 1831 als erster König den Thron Belgiens und heiratet in zweiter Ehe die Tochter des französischen Königs, Louise-Marie d’Orléans. Mit ihr hat er vier Kinder, zwei weitere illegitime mit einer Mätresse. Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha ehelicht 1832 seine Nichte Marie von Württemberg, die Verbindung bleibt kinderlos. Luises Söhne folgen dem für sie vorgezeichneten Weg: Ernst II. wird nach dem Tod seines Vaters 1844 Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha, Albert heiratet 1840 seine Cousine Queen Victoria.

Prinz Albert setzt vorsichtig die Feder auf den leeren Bogen Papier. In seiner akkuraten, nicht allzu kräftig geschwungenen Handschrift beginnt er im oberen Drittel der Seite mit dem ersten Buchstaben und führt die Silben fort, ohne abzusetzen, bis dort in seiner deutschen Muttersprache geschrieben steht: „Mamas letzte Briefe an Großmama.“ Vorsichtig schiebt er nun den Bogen in die inzwischen beträchtlich angewachsene Akte, die den Titel „Confidential Family Papers“, vertrauliche Familienpapiere, trägt. Darin sammelt er alle Schreiben, die ihm Luises Stiefmutter, seine Großmutter Karoline Amalie, in den letzten Jahren nach London geschickt hat. Sie ist bemüht, den Gemahl Queen Victorias stets über alles zu informieren, was sie aus der Familie und aus der deutschen Politik für berichtenswert erachtet. Hier sollen jetzt auch die Briefe ihre Ablage finden, die Luise in ihren letzten Lebensmonaten an Karoline geschrieben hat, und die Albert, seit sie ihm übergeben wurden, nicht mehr zur Ruhe kommen lassen. Immer wieder erwähnt er sie auf seinen Spazier­ 257

gängen mit Victoria, die sich sehr für das Schicksal ihrer Schwiegermutter interessiert, die sie nie kennenlernen konnte. Wie sehr fühlt sie mit Alberts traurigem Schicksal, der seine Mutter nach der Scheidung der Eltern nicht wiedersehen durfte. Den Prinzgemahl wiederum rührt es, wie entschlossen seine Frau ist, in der armen Herzogin von Sachsen nicht nur die Schand-Luise zu sehen, als die sie viele Jahrzehnte lang gegolten hatte. „Sie muss so begabt und faszinierend gewesen sein“, vertraut Victoria ihrem Tagebuch an.1 Erst jetzt, nachdem die Queen und ihr Prinzgemahl die letzten Briefe Luises an Karoline Amalie in Händen halten, verstehen sie, wie schwer die Verstoßene an ihrem Schicksal getragen hat und wie sehr sie sich bis zum letzten Atemzug um Vergebung bemüht hatte. Oft konnte sie auf ihrem Krankenlager in Paris die Feder nicht mehr selbst führen und musste den Inhalt diktieren. Auch wenn sie die körperlichen Kräfte verließen, ihr Geist war klar und wach und ihre Freude über die kleinste Anteilnahme Karolines unüberhörbar: „[…] sei ja überzeugt, meine theure Mutter, daß kein liebend Wort von Dir verloren geht, und daß sie alle dankbar anerkannt werden. Für die gütigen Nachrichten von meinen Kindern bin ich Dir sehr dankbar, es freut mich ungemein daß sie so schön gedeihen. Ich glaube wohl daß sie sehr vergnügt waren die ganzen Tage die sie bei Dir zubrachten, ich wollte das Schicksal hätte uns da vereinigt […]. Wegen meiner Pflege kannst Du ganz unbesorgt sein. Der Graf verläßt mich seit fünf Monaten Tag und Nacht keine Minute und sorgt mit der größten Liebe und Sorgfalt für mich.“2 Die letzten Worte des Briefes hat Luise wieder selbst geschrieben, doch mit zittrigen Fingern, die von einer fremden Hand geführt wurden: „Meine Gedanken verwirren sich, theure Mutter, ich muß also schließen, indem ich Dich meiner unbegrenzten Liebe und Ehrfurcht versichere. Immerdar, geliebte Mutter Deine Dich innig liebende und verehrende Tochter Luise.“3 Albert kann nur noch archivieren, was ihm von seiner Mutter geblieben ist, einige Gemälde und diese Schreiben an Karoline, aber auch ein Briefchen, das er einst für sie aufgesetzt hat, als sie ihn längst verlassen hatte, und das nie bis zu ihr gelangt war. Nun, als erwachse258

ner Mann und Vater von fünf Kindern, hält Albert diesen Bogen Übungspapier wieder in den Händen, auf dem er mit seiner Bubenschrift mit so viel Eifer geschrieben hatte: „Liebe gute Mama! Wir haben acht brasilianer Schmetterlinge und hiesige sammeln wir immer mehr auf unseren Spaziergängen. Das schöne Wetter lockt uns oft ins Freie. Wir machen auch kleine Reisen zu Fuß. Wir wollen auch einmal zu Fuß auf die Rosenau gehen. Wir waren in der Komödie, da wurde Wallensteins Tod aufgeführt, wobey ein junger Mann nicht von Wallenstein weg sollte. Ich habe am grünen Donnerstag die ganz großen Nester gefunden. Wir suchten die Eier auf dem Hofgarten und die Lindemänner suchten mit uns. Nachher spilten wir mit ihnen. Es ist ein Schnelllaufer hier gelaufen, der war aus Gotha; aber er hat nicht viel gekonnt. Lebe wohl, liebe Mama und behalte lieb Deinen kleinen Albert.“4 Wie seltsam weit weg von den wirklichen Sorgen sich diese Schilderungen eines kleinen Jungen an seine Mutter bewegen  – das erkennt Albert erst jetzt mit dem Abstand der Jahrzehnte und er sieht sich selbst als dieses verlassene Kind, das noch nicht verstehen kann, warum es nie auf eine Antwort hoffen darf. Nun ist es für eine Versöhnung zu spät. Was dem Sohn noch zu tun bleibt, ist, ein würdiges Grab für Luise zu finden, deren Leichnam nicht mehr in der verfallenen Gruft in Pfeffelbach bleiben kann. Die Berichte des Justizrats Knauer, der die Örtlichkeiten inspiziert hat, sind bereits in einem Aktenordner mit der Aufschrift: „Papers Concerning the Politics of Germany“ abgelegt worden, in denen der Prinzgemahl alle Dokumente sammelt, die sich mit den Zuständen in seiner Heimat beschäftigen. Neben Berichten über revolutionäre Aktivitäten in den verschiedenen deutschen Fürstentümern findet sich auch das Bittschreiben der Gemeindemitglieder in Pfeffelbach, die schon 1841 auf den unwürdigen Zustand der Gruft Luises hingewiesen haben. Nun gibt es in dieser schmerzlichen Angelegenheit nur noch ein Dokument abzuheften: den ausführlichen Bericht von der Überführung Luises aus Pfeffelbach nach Coburg und ihrer zweiten Beisetzung in der dortigen Familiengruft. 259

Es war alles so geschehen, wie Prinz Albert, sein Bruder Ernst und Karoline es zuvor besprochen hatten. Luises Stiefmutter lehnte die von Albert bevorzugte Beisetzung in Gotha mit dem Hinweis auf den zwischen dem Herzog von Coburg und Max von Pölzig geschlossenen Einigungsvertrag entschieden ab: „Du wünschst, ich soll nach meinem Gefühl entscheiden, wo die theure Hülle Deiner armen Mutter endlich Ruhe finden soll. So gern ich es auch gewünscht hätte, ­dieselbe auf meiner Insel, an der Seite des Geliebten Vaters, und ­vielleicht bald auch an der meinigen zu wissen, so macht die Klausel in dem mir übersendeten Vertrag es unmöglich, daß es geschehen könne, da doch dieser von Pölzig zugegen sein soll“, schrieb sie an ­A lbert. Auch als Max von seinem Mitspracherecht Abstand nimmt, ändert Karoline ihre harte Haltung nicht und plädiert für eine Beisetzung in der Coburger Morizkirche, doch damit stellt sich zugleich die Frage, wie ein Aufsehen um die verstoßene Herzogin in der Bevölkerung zu vermeiden ist. Es sind unruhige Jahre in den deutschen Fürstentümern, wie Prinz Albert in seinen Akten festhält. Ein neuerlicher Skandal um den Leichnam seiner Mutter könnte ein zündender Funke sein, der ­Coburg erneut in Aufruhr versetzt. Zwischen 1844 und 1848 ist die Unzufriedenheit in seiner deutschen Heimat vielerorts angewachsen, die Menschen wehren sich zunehmend gegen ein politisches System, das ihnen nicht ausreichend Mitsprache gewährt. Es rumort in Bayern, Preußen und Hessen-Darmstadt, erfährt Albert aus Berichten von Vertrauten. Auch in Großbritannien verschafft sich die Bevölkerung immer lautstarker Gehör. In Irland werden die Untertanen ihrer Majestät, immerhin vier Millionen Menschen, von einer Hungersnot heimgesucht und 1846 hat die Diskussion um die Aufhebung der Kornzölle ihren Höhepunkt erreicht. Albert und Victoria haben sich an die Seite des Premierministers Peel gestellt, der sich gegen die Kornzölle und damit gegen die künstliche Verteuerung und Protektion ausspricht. Albert ist im Januar 1846 auf der Besuchergalerie des Parlaments erschienen, um Peel öffentlich den Rücken zu stärken. Ein Auftritt, der ihm Kritik einbringt, da nun erstmals öffentlich 260

sichtbar wird, wie groß sein Einfluss auf die Königin und ihr Kabinett tatsächlich ist. Ein Fehler, aus dem Albert seine Lehren zieht: Künftig achtet er streng darauf, die Überparteilichkeit der Krone wenigstens nach außen zu wahren.5 Eine neu aufflammende Diskussion um die Legitimität seiner Abstammung und die Scheidung seiner Eltern könnte sich in dieser Situation für ihn zu einer politischen und persönlichen Katastrophe entwickeln. Da Victoria während ihrer vielen Schwangerschaften oft unpässlich ist, übernimmt Albert das Tagesgeschäft der Monarchie, doch das darf für seine Kritiker, die dem fremden Prinzen nie so recht vertrauen wollen, nicht offensichtlich sein. Wenn die Reputation der Coburger in dieser heiklen Situation infrage gestellt werden kann, ist es vielleicht mit der „moralischen Reformation“ der britischen Krone schneller vorbei als gedacht. So muss alles geschehen, um den Leichnam Luises von der Bevölkerung unbemerkt zu seiner letzten Ruhestätte in Coburg zu bringen. Albert, Ernst und Karoline entscheiden, dass die Beisetzung heimlich und in aller Stille um Mitternacht stattzufinden hat. Auch versteht es sich für den britischen Prinzgemahl und den regierenden Coburger Herzog von selbst, nicht persönlich an diesem Akt teilzunehmen, der ja nicht aus Respekt vor der verstorbenen Mutter notwendig geworden ist, sondern einzig weil sich die Unterbringung der Leiche in Pfeffelbach für die dortigen Gemeindemitglieder nicht länger als tragbar erwies. Sentimentalitäten sind hier fehl am Platz und es genügt dem Protokoll, wenn sich die höchsten Hofbeamten um den Ablauf des Geschehens kümmern und sich in Vertretung der hohen Herrschaften am Grab versammeln. Akribisch verfassen sie später Berichte, die Prinz Albert nach London übersendet werden. Als er sie im Juni 1846 in Händen hält, sind seit dem Tod seiner Mutter fast fünfzehn Jahre ins Land gezogen. Nun also entnimmt er den Protokollen der Hofbeamten, was sich während der zweiten Beisetzung Luises zugetragen hat, und kann beruhigt feststellen, dass der Plan des von ihm entsandten Justizrats Knauer bis ins Detail erfolgreich umgesetzt worden ist: Am 5. Juni 1846 erscheint der bestellte Leichenwagen, gezogen von vier fürst­ 261

lichen Pferden, vor der kleinen Kirche in Pfeffelbach. Pfarrer Hepp hat seinen letzten großen Moment als Hüter des Geheimnisses in seiner Gruft: Er bestätigt förmlich, der dort einst in aller Stille beigesetzte Holzsarg enthalte die sterblichen Überreste der Herzogin von Sachsen. Schnell und heimlich wird der Sarg aufgeladen und in einer fünf Tage dauernden Reise, die entlang der Strecke Kaiserslautern, Heidelberg und Würzburg führt, bis vor die Tore Coburgs gebracht. In der Nacht vom 10. auf den 11. Juni, um halb zwölf, finden sich die bestellten Zeugen vor dem Haupttor der Morizkirche ein, um die Leiche in Empfang zu nehmen. Neben dem Oberfinanzrat Schnür sind dies die Hofbeamten Alvensleben und Schauroth, Löwenfels und Florschütz sowie der Kammerjunker Griesheim. Im Inneren des Gotteshauses, in der Mitte des Kirchenschiffs, brennen bereits die Kerzen auf dem Kronleuchter. Vor den Wänden hat man eine Reihe Kandelaber entzündet, ebenso entlang des Wegs vom Kirchenportal bis zum Abgang in die Gruft. Das Flackern der Kerzen hüllt die Ruhestätte Luises in ein geisterhaftes Licht und jeder der Anwesenden, die auf Befehl des herzog­ lichen Hauses und nicht freiwillig hier versammelt sind, mag sich ein schnelles Ende der Zeremonie herbeiwünschen. Im offenen Kirchenportal erwartet Oberkonsistorialrat Geißler den Leichenzug, der auch alsbald eintrifft, begleitet vom Obristen Plänckner, der die Fahrt organisiert hat, und dem ewig treuen und pflichtbewussten Justizrat Knauer. Als die Pferde zur Ruhe kommen, machen sich zwölf Hofhandwerker daran, den im Inneren des Wagenkastens verborgenen flachen Eichensarg, der mit Handgriffen versehen ist, herauszuheben. Darin befindet sich ein bleierner Behälter mit den Überresten Luises, zu dem aber der passende Schlüssel fehlt, wie bei der vorangegangenen Untersuchung festgestellt worden ist. Mit schweren Schritten tragen die Handwerker den Sarg die Haupttreppe zum Kirchenportal hinauf, wo er vom Pfarrer in Empfang genommen wird und in einer Prozession bis zu einer mit schwarzem Tuch umhüllten Estrade vor der Gruft gelangt, auf der er abgestellt wird. Die anwesenden Zeugen, allesamt in festlicher schwarzer Kleidung, stellen sich am Sarg 262

auf und halten für einige Momente stille Andacht. Als diese verrichtet ist, setzt die Prozession ihren Weg in die Gruft fort, um zuzusehen, wie die Leiche Luises in der ersten Halle in einer Nische auf der rechten Seite versenkt und der Sarg mit einem schwarzen Wachstuch bedeckt wird. Als der letzte Segen gesprochen ist, legen die Bevollmächtigten der Söhne Luises Kränze und Blumengestecke nieder, auch Karoline Amalie hat ein Gebinde geschickt. Die Orangenblüten, die Albert so sehr liebt und die jetzt vor der Nische seiner Mutter abgelegt werden, verströmen einen süßlichen Duft, als sich die Trauergemeinde langsam und in stiller Rührung zurückzieht und auf den Heimweg macht. In den frühen Morgenstunden des 11. Juni 1846 wird die Gruft wieder verschlossen.6 Hier lagert Luises Leichnam bis 1860, als sie erneut umgebettet wird in das Mausoleum der Familie Sachsen-Coburg und Gotha auf dem Friedhof am Glockenberg. In diesem Jahr besucht ihr Sohn Albert ein letztes Mal seine Heimat  – bald darauf, am 14. Dezember 1861, erliegt er in London einer Typhuskrankheit.

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Über dieses Buch

Zweihundert Jahre sind vergangen, seit Luise Prinz Albert das Leben schenkte. Ihr Schicksal bewegte seitdem nur wenige Forscher. An einem eisigen Tag im Winter 2007 hörte ich zum ersten Mal von dieser unglücklichen Prinzessin, die eine so lieblose Ehe geführt hatte, des Ehebruchs bezichtigt und vom Hof verstoßen worden war. Ich steckte inmitten der Recherche zu einer Fernsehdokumentation über die Dynastie der Windsors und war verblüfft, wie viele Parallelen sich ziehen ließen zwischen Luises Schicksal und dem der modernen Prinzessin der Herzen, Lady Diana Spencer. Beide aus dynastischen Gründen verheiratet mit einem wesentlich älteren Mann, zwei Söhne geboren, dann eine unglückliche Ehe, Untreue und Skandale erlebt und schließlich geschieden. Beide Frauen starben jung in Paris: Luise am 30. August 1831, Diana am 31. August 1997. Von da an war ich gefesselt von Luise und begab mich auf die Suche nach Dokumenten und Menschen, die mir weiterhelfen konnten. So lernte ich Dr. Josef Dreesen kennen, Historiker im Stadt­ archiv von St.  Wendel und einer der besten Kenner von Luises Geschichte. Er hatte unzählige Briefe, die im Staatsarchiv in Coburg ihr Dasein fristeten, aus der schwer lesbaren Schrift des 19.  Jahrhunderts übertragen und anlässlich einer Ausstellung mit seinem Kollegen Gerhard Schnur ein Porträt Luises verfasst. Josef Dreesen wurde zu meinem wichtigsten Ratgeber und Unterstützer, wofür ich ihm zu großem Dank verpflichtet bin. Gemeinsam lernten wir Rosemarie Barthel kennen, die sich als Archivamtsrätin in Gotha bestens mit 264

den Schätzen des Staatsarchivs Gotha auf Schloss Friedenstein auskannte. Auch sie hatte begonnen, sich für das Schicksal Luises zu interessieren und bereits Hunderte von Dokumenten durchforstet, die während der Regentschaft Ernsts I. in Coburg und Gotha erstellt worden waren. Vieles davon war bis dahin unberührt geblieben, da während der DDR-Zeit nicht unabhängig geforscht werden durfte. Rosemarie Barthel hat in langjähriger Arbeit und auf eigene Initiative die oft schwer leserlichen Urkunden und Schriften entziffert, verschriftet, in den Zusammenhang der Geschichte gestellt und veröffentlicht. Sie wurde mir zur zuverlässigen Quelle, zur klugen Ratgeberin und zu einer wertvollen Freundin, der ich die entscheidenden Hinweise auf das Verhältnis zwischen Herzog August und seiner Tochter Luise verdanke, die auch die Beziehung der Verstoßenen zu Prinz Leopold erhellen. Ohne die fachkundige Begleitung von Rosemarie Barthel hätte dieses Buch niemals entstehen können. Weitere Recherchen führten mich in die Archive von Coburg und Gotha, das Familien­ archiv des Hauses Hessen, das Maison de Victor Hugo in Paris und die Royal Archives in Windsor Castle, die ich mit freundlicher Genehmigung Ihrer Majestät, Queen Elizabeth II, nutzen durfte. In all den Jahren, in denen ich mich mit der Geschichte Luises beschäftigt habe, hat mich Dr. Karina Urbach fachlich gefördert und freundschaftlich begleitet, wofür ich ihr herzlich verbunden bin. Sie hat mich wieder einmal zum Schreiben über Luise animiert und dieses Buch mit ihrer Kompetenz als habilitierte Historikerin bereichert. Ohne die Unterstützung und den Optimismus Karina Urbachs hätte ich mich wohl niemals entschließen können, meine Dissertation über Luise von Sachsen-Coburg-Saalfeld zu verfassen und auch danach noch weiter zu recherchieren und zu schreiben. Insgeheim hatte ich Luise ein Versprechen gegeben: Ich wollte sie überall dort hinbringen, wohin sie gehörte und von wo sie durch ihre Verbannung und durch ihren frühen Tod ausgeschlossen worden war. So reiste ich immer wieder nach St. Wendel, Gotha und Coburg, ich traf ihre Verwandten aus dem Haus Sachsen-Coburg und Gotha, lernte viele Nachkommen Queen Victorias und Prinz Alberts kennen. Auch die Familie des 265

zweiten Ehemanns von Luise hieß mich willkommen und öffnete mir ihr Hausarchiv. Karl-Ludwig und Sabine von Hanstein, für deren Gastfreundschaft ich nicht dankbar genug sein kann, luden mich auf die Burg Hanstein ein, ein unvergessliches Erlebnis. Wie auch die erste Begegnung mit einem Cousin der Hansteins, Giles Somers aus Luxemburg, der mich an einem heißen Julitag 2016 in St. Wendel mit einem kostbaren Geschenk überraschte: der englischen Übersetzung meiner Dissertation. Sie hat es mir möglich gemacht, die Geschichte Luises sogar dorthin zu bringen, wo ihr Sohn Albert einst lebte und mit Victoria und den neun gemeinsamen Kindern das Fundament für das House of Windsor legte: in den Buckingham Palast.

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Anmerkungen 1. Totenrast in Pfeffelbach Seite 9–29 1 Vgl. Müller, Max: Die Stammmutter des englischen Königshauses hält Totenrast zu Pfeffelbach. Sonderdruck aus den Wes­ tricher Heimatblättern, Kusel 1938, S. 6. 2 Ebd., S. 7. 3 Royal Archives Windsor Castle (RA), VIC/MAIN/I/1-17, Brief des Presbyteriums der evangelischen Gemeinde von Pfeffelbach. 4 Ebd. 5 Müller, a.a.O., S. 10. 6 Ebd. 7 Ebd., S. 8. 8 RA, Queen Victoria’s Journals, Princess Beatrice’s copies, Wednesday 2nd December 1840, page 242. 9 RA, Queen Victoria’s Journals, Princess Beatrice’s copies, 26th August 1840, page 99. 10 Vgl. Hibbert, Christopher (Hrsg.): Queen Victoria in her Letters and Journals, Middlesex 1984, S. 52. 11 Ebd., S. 56. 12 Ebd., S. 94. 13 Rappaport, Helen: The Victoria Letters, London 2016, S. 159. 14 Vgl. Netzer, Hans-Joachim: Albert von Sachsen-Coburg und Gotha. Ein deutscher Prinz in England, München 1988. 15 Ebd., S. 188. 16 Ebd., S. 193. 17 RA, Papers Concerning the Politics of Germany, 1844–1848, VIC/MAIN/I/1–17, No. 2. 18 Duchess of York, Sarah: Victoria and Albert  – Life at Osborne House, London 1991, S. 20 f. 19 Ebd., S. 23 f. 20 Ebd., S. 37.

21 Hibbert, a.a.O., S. 96. 22 Ebd., S. 19. 23 Ebart, Paul von: Luise. Herzogin von Sachsen-Coburg-Saalfeld. Ein Lebensbild in Briefen derselben, Minden in Westfalen 1903, S. 117 f. 24 Hibbert, a.a.O., S. 19. 25 Duchess of York, Sarah, Stoney, Benita: Travels with Queen Victoria, London 1993, S. 84. 26 Ebd., S. 89. 27 Ebd., S. 108. 28 Ebd., S. 110. 29 RA, Queen Victoria’s Journals, Princess Beatrice’s copies, Volume 31, page 191. 30 Müller, S. 18. 31 Ebd., S. 19.

2. Die Brillanten drücken sehr! Seite 30–50 1 Vgl. Bachmann, Gertraude: Herzogin Marie von Sachsen-Coburg und Gotha, geb. Herzogin von Württemberg 17991860 (Schriftenreihe der Historischen Gesellschaft Coburg e.V., Bd. 14), Coburg 1999. 2 Vgl. Hovasse, Jean-Marc: Victor Hugo, Tome I: Avant l’exil 1802–1851, Paris 2001, S. 797. 3 StACo LA A, Nr.  6005, unpag., Luise an Ernst I., St. Wendel, 22. November 1824. 4 StACo LA A Nr. 6006, Fol. 1–2, Herzogin Caroline von Sachsen-Gotha-Altenburg an Ernst I., Gotha, 28. Februar 1821. 5 Vgl. De Staël, Germaine: Über Deutschland, Frankfurt am Main 1985, S. 639 f. 6 Vgl. Netzer, Hans-Joachim: Albert von Sachsen-Coburg-Gotha, Ein deutscher Prinz in England, München 1988, S. 52 f. 7 Ebd., S. 54.

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8 StACo LA A Nr.  6055, unpag., Herzogin Auguste an Ernst I., Ketschendorf, 17. Juni 1824. 9 StACo LA A, Nr. 6005, unpag., Brief Luise an Ernst I., Brückenau, 26. Oktober 1824. 10 Hofmann, Friedrich: Drei Tage aus dem patriarchalischen Staat, in: „Die Gartenlaube“, Leipzig 1862, Nr. 3, S. 41 f. 11 Ebd., S. 42. 12 Fischer, O.: Denkwürdigkeiten aus dem Leben der Herzogin Luise von Sachsen, Gräfin von Pölzig, geb. Prinzessin von Sachsen-Gotha-Altenburg, kommentierte Ausgabe des verschollenen Manuskripts von Julie von Zerzog, geb. von Thon-Dittmer, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde, Neue Folge, Bd. 24, Jena 192, S. 440 f. 13 StACo LA A Nr. 6008, Fol. 7-7‘, Herzogin Auguste an Luise, Ketschendorf, 26. August 1824. 14 StACo LA A Nr. 6008, Fol. 1–2‘, Ernst I. an Luise, August 1824. 15 StACo LA A Nr. 6008, Fol. 8–9‘, Luise an Ernst I., Rosenau, 27. August 1824. 16 StACo LA Anr. 6008, Fol. 32–32‘, Herzogin Karoline von Sachsen-Gotha-Altenburg an Ernst I., Gotha, 4. Oktober 1824. 17 Barthel, Rosemarie: Luise von SachsenGotha-Altenburg  – Stamm-Mutter des englischen Königshauses. Quelleninventar mit ausgewählten Dokumenten des Thüringischen Staatsarchivs Gotha, Gotha 2009, S. 230. 18 StACo LA A Nr.  6005, Luise an Ernst  I., undatiert, vermutlich 1819. 19 Vgl. de Stael, a.a.O., S. 55 ff. 20 Fischer, a.a.O., S. 440. 21 StACo LA A, Nr.  6005, unpag., Luise an Ernst I., St. Wendel, 22. November 1824. 22 Ebd. 23 Dreesen, Josef: Herzogin Luise (18001831) in St.  Wendel  – „Landesmutter“ einer coburgischen Exklave, Vortrag anlässlich eines Symposiums in Gotha, 2017. Abgedruckt in: Liebe und Kalkül, Tagungsband, Gotha 2018, herausgegeben von der Stadtverwaltung Gotha und dem Verein für Stadtgeschichte, S. 41 ff. 24 StACo LA A, Nr.  6005, unpag., Luise an Ernst I., St. Wendel, 22. November 1824. 25 Ebd. 26 Ebd. 27 Ebd.

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28 StACo LA A Nr.  6055, unpag., Herzogin Auguste an Ernst I., Ketschendorf, 17. Juni 1824. 29 StACo LA A, Nr.  6010, unpag., Luise an Sophie von Mensdorff-Pouilly, St.  Wendel, 18. Dezember 1824. 30 Ebd. 31 Coburger Hausarchiv A I, 28.b.16., Leo­ pold an Ernst I., 4. November 1823. 32 Vgl. A German Prince and his Victim, taken from the Memoirs of Madame Pauline Panam, „The Beautiful Greek“, London 1915, S.  8f. Darin zitiert das Vorwort der englischen Ausgabe von W.  H. Ireland, London, 29. September 1823.

3. Geschaffen, um geliebt zu werden Seite 51–72 1 Vgl. Fischer, a.a.O., S. 449. 2 Vgl. Raschke, Bärbel: „Göttliche Louise“. Die Inszenierung Luise Dorotheas von Sachsen-Gotha-Altenburg in fünf Akten, Schriftenreihe des Freundeskreises der Forschungsbibliothek Gotha e.  V., Bd.  3, Gotha 2017. 3 Vgl. Gosteli, Leo/Boschung, Urs/Brosche, Peter: Astronom, Weltbürger, Blasensteinpatient, Franz Xaver von Zachs Briefe an Rudolf Abraham von Schiferli 1821–1832, Basel 1998, S. 252. 4 Fischer, a.a.O., S. 450. 5 Vgl. StACo LA A Nr. 6083, Brief von Amalie von Uttenhoven an Ernst  I., Fol. 8–9, St. Wendel, 1. Dezember 1824. 6 Hessen, Rainer von (Hrsg.): Wir Wilhelm von Gottes Gnaden. Die Lebenserinnerungen Kurfürst Wilhelms I. von Hessen, 1743–1821, Frankfurt/New York 1996, S. 321. 7 Vgl. ebd., S. 324. 8 Ebd., S. 314. 9 Vgl. ebd., S. 315. 10 Vgl. ebd., S. VII. 11 Vgl. ebd., S. 323. 12 Vgl. Kulturstiftung des Hauses Hessen, Archiv Fasanerie (AHH), Eichenzell bei Fulda, Briefe der Karoline Amalie an ihren Vater, 6/01a, 1800–1802, 22. Mai 1802 und 17. August 1802. 13 Ebd., Brief vom 1.November 1803. 14 Barthel, Quelleninventar Gotha, S. 36.

15 Vgl. Uhde, Hermann (Hrsg.): Erinnerungen und Leben der Malerin Louise Seidler, 3. Aufl., Weimar 1965, S. 88 ff. 16 Ebd., S. 91. 17 Ebd., S. 88. 18 Ebd., S. 89. 19 Barthel, R., unveröffentlichtes Manuskript, Gotha 2011. 20 Ebd. 21 Fischer, a.a.O., S. 438. 22 Dreesen, Josef/Schnur, Gerhard: Herzogin Luise von Sachsen-Coburg-Saalfeld 1800–1831. Ein Porträt, St. Wendel 2006, S. 10. 23 Ponsonby, D. A.: The Lost Duchess. The Story of the Prince Consort’s Mother, London 1958, S. 17. 24 Fischer, O., Denkwürdigkeiten, a.a.O., S. 438. 25 StACo LA A Nr.  6149, Fol. 35–37‘, Charlotte von Bock an Amalie von Uttenhoven, Gotha, 15. Oktober 1816. 26 Ebd. 27 Ebd. 28 StACo LA A Nr.  6149, Fol. 38–41, Charlotte von Bock an Amalie von Uttenhoven, Gotha, 23. November 1816. 29 StACo LA A Nr. 5989, Karoline an Ernst I., Gotha, 7. Oktober 1816. 30 StACo LA A Nr. 5989, Karoline an Ernst I., Jena, 11. Dezember 1816. 31 Vgl. Frie, Ewald: Adel um 1800. Oben bleiben? In: zeitenblicke 4, 2005, Nr. 3. 32 Lieven, Dominic: Abschied von Macht und Würden. Der europäische Adel 1815– 1914, Frankfurt am Main 1995, S. 28. 33 Elias, Norbert: Die höfische Gesellschaft, Frankfurt am Main 2002, S. 90. 34 Zitiert nach Axmann, R.: Von Superintendenten, Adjunkten und anderen geistlichen Herren in Rodach. Ein Blick in die Kirchengeschichte einer mitteldeutschen Region, Bad Rodach 2008, S. 113. 35 Hoff, Karl Ernst Adolf von: Annalen meines Lebens. Die Tagebücher des Gothaer Geologen und Staatsbeamten Karl Ernst Adolf von Hoff 1771–1837. Hrsg. von Dreißig, Karin/Martens, Thomas, Weimar 2012, S. 319. 36 Ebd.

4. Die schöne Griechin und andere Probleme Seite 73–90 1 Ponsonby, a.a.O., S. 31. 2 Vgl. ebd. 3 Vgl. StACo LA A Nr.  6008, Fol. 7–7‘, Auguste an Luise, 26. August 1824. 4 Vgl. de Staël, a.a.O., S. 32. 5 Vgl. ebd., S. 33. 6 Hofmann, a.a.O., S. 42. 7 Vgl. Sandner, Harald: Das Haus SachsenCoburg und Gotha. Eine Dokumentation zum 175-jährigen Jubiläum des Stammhauses in Wort und Bild (1826 bis 2001), Coburg 2001, S. 33 f. 8 Vgl. Monheim, Annette: Ein Westfale in Paris. Die Tagebücher des Ludwig Grafen von Bentheim-Steinfurt aus den Jahren 1806/1807, Münster 1997, S. 289. 9 de Staël, a.a.O., S. 45. 10 Ebd., S. 371. 11 Darnton, Robert: The Devil in the Holy Water or The Art of Slander from Louis XIV to Napoleon, Philadelphia 2010, S. 1. 12 Vgl. Pichois, Claude: La mystérieuse Madame Panam ou amour, police et diplomatie, in: Revue d’histoire diplomatique, Paris, vol. 71, avril – juin 1957, S. 162. 13 Barthel, Quelleninventar Gotha, a.a.O., S. 53. 14 Ebd., S. 45. 15 Kunstsammlungen der Veste Coburg. Kupferstichkabinett: Tagebücher des William von Schauroth, Bd.  III, 1814–1836, Eintragungen vom 7.8. und 18.8.1817, zitiert nach Dreesen/Schnur, a.a.O., S.  20, Anm. 24. 16 Barthel, Quelleninventar Gotha, a.a.O., S. 57 f. 17 Ponsonby, a.a.O., S. 39. 18 Barthel, Quelleninventar Gotha, a.a.O., S. 57.

5. Vermählt das Wahre, Gute mit dem Schönen! Seite 91–134 1 Barthel, Rosemarie: Transkribierte Briefe Augusts von Sachsen-Gotha-Altenburg, unveröffentlichtes Manuskript, Gotha 2017, Nr. 3, 22. Februar 1817. 2 Ebd., Nr. 4, undatiert.

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3 Ebd. 4 Vgl. ebd., Nr. 5., undatiert. 5 Vgl. ebd., Nr. 6, undatiert. 6 Ebd., Nr. 5. 7 Beschreibung der Feyerlichkeiten bey der hohen Vermählung Sr. Durchlaucht des regierenden Herzogs Ernst von SachsenCoburg-Saalfeld mit Ihro Durchlaucht der Prinzessin Luise von Sachsen-Gotha und Altenburg, Gotha 1817, S. 2. 8 Vgl. StACo LA A Nr. 6850, fol. 15–17‘. 9 Der Vertrag zwischen Ernst und Luise entspricht in Form und Inhalt dem im 18.  Jahrhundert in Adelsfamilien praktizierten Privatfürstenrecht. Da das Erbund Familienrecht dort im Mittelpunkt stand, war die Eheabredung eines der wichtigsten Rechtsdokumente des adligen Systems. Deshalb kommt auch dem zur Hochzeit zwischen Ernst und Luise geschlossenen Vertrag eine zentrale Bedeutung zu, die weit über das private Arrangement hinausweist und dem Charakter nach als dynastisches Manifest der betroffenen Fürstenhäuser gelten kann. Vgl. Barthel: Quelleninventar Gotha, a.a.O., S. 74. 10 Die Idee des Heiratsgutes entstammte dem fürstmittelalterlichen Recht: „nullum sine dote fiat conjugium“ – wo keine Ehe, da auch kein Heiratsgut. Die Zahlung in Form von Bargeld erleichterte den Übergang in das männliche Vermögen und kam einer Enterbung der weiblichen Nachkommen gleich. 11 Vgl. Barthel, Quelleninventar Gotha, a.a.O., S.  80 f.: Am 4. August 1817 leistet Luise, die nun Herzogin von Sachsen-Coburg-Saalfeld ist, ihren offiziellen Verzicht auf alle Erbansprüche aus dem männlichen Stamm des Hauses Sachsen. 12 Vgl. Barthel, Quelleninventar Gotha, a.a.O., S. 72 ff. 13 Beschreibung der Feyerlichkeiten, a.a.O., S. 41 f. 14 Ebd., S. 50. 15 Ponsonby, a.a.O., S. 46. 16 Ebart, a.a.O., S. 16. 17 Ebart, a.a.O., S. 34 f. 18 Ebd. 19 Vgl. Heym, Sabine: Feenreich und Ritterwelt. Die Rosenau als Ort romantisch-literarischen Welterlebens, Sonderdruck

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aus: Bayerische Schlösser – Bewahren und Erforschen, München 1996, S. 240. 20 Ponsonby, a.a.O., S. 49. 21 Barthel, Rosemarie: Meine geliebte Viva. Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg und Prinzessin Luise. Versuch einer Beschreibung der Vater-Tochter-Beziehung anhand ihrer Briefwechsel. Unveröffentlichtes Manuskript, Gotha 2017, S. 6. 22 Ebd., S. 9. 23 Ebd., S. 10. 24 Ebart, a.a.O., S. 53. 25 Barthel, transkribierte Briefe, 5997, No. 86, August an Luise, Gotha 1818. 26 Royal Archives RA, VIC/MAIN/M/30/ 21.12.1817, Copy of Journal of Dowager Duchesse of Saxe-Coburg-Saalfeld 1816– 1818. 27 Ebart, a.a.O., S. 80. 28 Feuerstein-Praßer, Karin: Caroline von Braunschweig (1768–1821). Englands ungekrönte Königin, Regensburg 2009, S. 35. 29 Robins, Jane: Rebel Queen. How the Trial of Caroline brought England to the Brink of Revolution, London 2006, S. 51. 30 Ferguson, Niall: The House of Rothschild, vol. 1: Money’s Prophets 1798–1848, New York 1998, S. 6. 31 Ebd., S. 156. 32 Ebd., S. 157.

6. Glieder einer Kette Seite 135–139 1 Vgl. Ponsonby, a.a.O., S. 78. 2 Koch, Elisabeth: Eherechtliche Beziehungen zwischen Angehörigen der SachsenCoburg-Gothaischen Dynastie. In: Bosbach, Franz; Davis, John R. (Hrsg.): Windsor – Coburg, München 2007, S. 168. 3 Vgl. Ponsonby, a.a.O., S. 78 f. 4 Vgl. Lichtervelde, Louis de: Léopold First, The Founder of Modern Belgium, New York, London 1930, S. 5. 5 Vgl. ebd., S. 17. 6 Vgl. Ferguson, a.a.O., S. 157. 7 Vgl. ebd., S. 155 ff. 8 Ebd., S. 157. 9 Ebd.

10 LATh-StA Gotha, Staatsministerium Dep. C, Nr. 266, Bl. 7–8, Edward von Kent an Victoire von Leiningen, ohne Datum. LATh-StA Gotha, Staatsministerium 11 Dep. C Nr. 266, Bl. 9–12. 12 Vgl. Urbach, Karina: Queen Victoria. Eine Biografie, München 2011, S. 12. LATh-StA Gotha, Staatsministerium 13 Dep. C Nr. 266, Bl. 32–33. 14 Vgl. ebd., S. 157. 15 Zitiert nach Bachmann, Gertraude: Die Reisetagebücher der Herzogin Auguste Caroline Sophie von Sachsen-CoburgSaalfeld (1757–1831) als europäischer Zeitund Kulturspiegel. In: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung, Bd.  51, Coburg 2006, S. 315. LATh-StA Gotha, Staatsministerium 16 Dep. C Nr. 266, Bl. 9–12. 17 Barthel, R., transkribierte Briefe Augusts an Luise, StACo LA A Nr.  5997  – 25–27, Gotha, 24. Oktober 1817. Rosemarie Barthel schreibt dazu: „Ein Aspekt wurde bisher allerdings (in der Forschung) kaum beleuchtet: das ganz persönliche Vertrauensverhältnis zwischen Vater und Tochter, fern vom offiziellen Lebensbild eines regierenden Herzogs oder dem einer Prinzessin und späteren Herzogin. Eine solche Beziehung lässt sich durch Briefe gut erhellen. Der zu diesem Zweck gesichtete Briefwechsel beginnt mit Luises Weggang aus Gotha nach ihrer Hochzeit und endet kurz vor Herzog Augusts Tod, im Mai 1822. Davon sind, in zwei Aktenordnern zusammengefasst, insgesamt 124 Briefe auf 554 beschriebenen Seiten im Staatsarchiv Coburg überliefert (StaCo LA A Nr.  5997, LA A Nr.  5998). Da die Briefe anfangs nummeriert wurden  – die Nummerierung endet im Jahr 1820, aus dem es merkwürdigerweise nur drei Briefe gibt, nämlich vom 23. Mai, 5. September und 20. November  –, wird deutlich, dass es eine weit größere Anzahl gegeben haben muss.“ Zitiert aus: Barthel, Meine geliebte Viva, a.a.O., S. 1. 18 Barthel, transkribierte Briefe Augusts an Luise, StaCo LA A Nr. 5997 – 25–27, Gotha, 24. Oktober 1817. Rosemarie Barthel weist auf die ungewöhnlichen Umstände hin, die dazu geführt haben, dass Herzog Augusts Briefe an seine Tochter erhalten geblieben sind: „Aus heutiger Sicht

scheint die Überlieferung der Briefe Herzog Augusts ein Glücksfall zu sein, denn auf dem Aktendeckel vermerkte der Gothaer Kammerrat von Braun im Jahre 1854: Dieselben sind mir nach dem Tode des Herzogs von der Herzogin Luise mittels eines eigenhändigen Briefes, der sich unter meinen aufbewahrten Briefen befindet, ohne Vorbehalt übersendet worden. Ich vertraue sie nach meinem Tode meinem Neffen Leopold Braun mit der Bestimmung daß sie niemals einen indiskreten Gebrauch davon machen, daß sie dieselben vielmehr als eine traurige Verirrung eines übrigens in vieler Hinsicht geistig begabten Fürsten, der unserer Familie große Wohltaten angezeigt hat betrachten mögen, die am besten wohl den Flammen zu übergeben sein dürften (StaCo LA A Nr.  5997, Deckblatt). Wie diese Briefe, damals offensichtlich wieder in Gotha verwahrt, den Weg zurück nach Coburg fanden und welche Personen sich außerdem noch dafür interessierten, lässt sich nicht sagen.“ Zitiert aus: Barthel, Meine geliebte Viva, a.a.O., S. 9. 19 Barthel, transkribierte Briefe Augusts an Luise, StACo LA A Nr. 5997 – 25–27, Gotha, 24. Oktober 1817. 20 Vgl. Diemel, Christa: Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert. Hofdamen, Stiftsdamen, Salondamen, Frankfurt am Main 1998, S. 47. 21 Luises erstgeborener Sohn Ernst  II. wird dieses Familienmanifest der Coburger einst niederschreiben. In seiner Denkschrift über die politische Haltung, welche die Coburger „im innern gegen ihre Glieder nach außen gegen die europäischen Mächte befolgen“ sollen, belehrt Ernst II. als Familienoberhaupt auch jene Mitglieder seines Hauses, die das Herzogtum längst verlassen haben: „da die Familie einem rein deutschen Haus entsprungen ist, (muss) sie ihr Hauptaugenmerk darauf richten, im allgemeinen eine rein deutsche zu bleiben. Möchten sich daher die Gesamtheit der Glieder ja immer in deutschen Elementen bewegen, und nie aufhören, zu Deutschlands Erhaltung und Wohlergehen beizutragen. Außer dem Chef des Hauses sind durch glückliche Umstände noch drei Glieder bestimmt worden, an der Regierung mächtiger Reiche directen oder indirecten Theil

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zu nehmen. Zwei sind durch Verheiratung und einer ist durch Wahl zu jenen Stellungen gelangt; die beiden Ersteren stehen der Natur ihrer Stellung nach ihrem Stammhause und deßen Interessen noch beinahe ebenso nahe als denen jener Länder, in die sie so eigentlich hineingeheirathet haben.“ In StACo LA A 7206 (NL Herzog Ernst  II.): „Denkschrift seiner Hoheit über die politische Haltung welche seine Familie im innern gegen ihre Glieder nach außen gegen die europäischen Mächte befolgen sollte.“ 22 Vgl. Ponsonby, a.a.O., S. 81. 23 Ebart, a.a.O., S.  86  f., Luise an Auguste von Studnitz, 13. Juli 1818. 24 Barthel, transkribierte Briefe Augusts an Luise, StACo Nr. 5997 – 63–67, Gotha, 10. August 1818. 25 Ebd. 26 Ebd. 27 Ebd. 28 StACo LA A Nr.  6005, undatierter Brief Luises an Ernst. 29 Vgl. Ponsonby, a.a.O., S. 85. 30 Barthel, R., transkribierte Briefe Augusts an Luise, Gotha 27. 10. 1818, StACo LA A Nr.  5997  – 79 bis 81. Vgl. auch Ponsonby, a.a.O., S. 95. 31 Vgl. ebd., S. 98. 32 Barthel, transkribierte Briefe Augusts an Luise, 16. November 1818, StACo Nr. 5997 – 83–85. 33 Barthel, transkribierte Briefe Augusts an Luise, November 1818, StACo Nr.  5997  – 85–87. 34 Vgl. Ponsonby, a.a.O., S. 101. 35 Vgl. ebd., S. 101. 36 Vgl. Kulturstiftung des Hauses Hessen, Archiv Schloss Fasanerie (AHH), Eichenzell bei Fulda, Briefe Karolines an Wilhelm von Hessen-Kassel, 6/01a, 12. Dezember 1818. 37 Ebart, a.a.O., S.  117  f., Luise an Auguste von Studnitz, 10. Dezember 1818. 38 Barthel, transkribierte Briefe Augusts an Luise, Gotha, 25. Dezember 1818, StACo Nr. 5997 – 89–91. 39 Barthel, transkribierte Briefe Augusts an Luise, Gotha, 11. Januar 1819, StACo Nr. 5997 – 91–93. 40 Vgl. Barthel, transkribierte Briefe Augusts an Luise, Gotha, 15. Februar 1819, StACo Nr. 5997 – 93–95.

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41 Barthel, transkribierte Briefe Augusts an Luise, Gotha, 19. Februar 1819, StACo Nr. 5997 – 95–97. 42 Barthel, transkribierte Briefe Augusts an Luise, Gotha, 20. Dezember 1818, StACo Nr. 5997 – 73–75. 43 Vgl. Barthel, transkribierte Briefe Augusts an Luise, Gotha, 19. Februar 1819, StACo Nr. 5997 – 95–97. 44 Vgl. Barthel, transkribierte Briefe Augusts an Luise, Gotha, 19. Februar 1819, StACo Nr. 5997 – 95–97. 45 StACo LA A Nr. 6082, Fol 13–14, Charlotte von Bock an Ernst I., Gotha, 24. März 1819. 46 Ponsonby, a.a.O., S. 101. 47 Barthel, transkribierte Briefe Augusts an Luise, Gotha, 13. März 1819, 105. 48 Vgl. Barthel, transkribierte Briefe Augusts an Luise, Gotha, 20. September 1818, StACo 5997 – 73–75. 49 Barthel, transkribierte Briefe Augusts an Luise, Gotha, 5. April 1819, 112. Brief, StACo 5997. 50 Vgl. StACo LA A, NL 15 (Höfer) Nr. 6, Brief des Advokaten Javon an Leopold, Paris, 15. Juli 1820. 51 RA, Victorian Additional MSS.U., VIC/ ADDU/313–324, Luise, Duchess of SaxeCoburg & Gotha to Aurore, Comtesse des Venançon (née Comtesse de Marassé), Bl. 315. 52 Ebart, a.a.O., S. 132. 53 Barthel, transkribierte Briefe Augusts an Luise, Gotha undatiert, StACo 5997 – 31–33. 54 Fischer, a.a.O., S. 439.

7. Das Coburger Kartenhaus Seite 140–163 1 Vgl. La mysterieuse Madame Panam, a.a.O., S. 157 f. Die Polizeiakten: Archives Nationales, F/7. 6901A, dossier 7160. 2 Vgl. Enter Stage Left: 18th Century Forger W H Ireland and His Shakespeare Play, Rediscovered After 200 Years, Trinity College Cambridge, March 31, 2016, online unter: https://www.trin.cam.ac.uk/ news/enter-stage-lef t-18t h- cent u r yforger-w-h-ireland-and-his-shakespeareplay-rediscovered-after-200-years/ [Zu­ griff: 11.07.2018]. 3 A German Prince and His Victim, a.a.O. 4 Vgl. Darnton, a.a.O., S. 131.

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Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 132. Vgl. Pichois, a.a.O., S. 163. Vgl. ebd. Panam, Pauline-Adélaide Alexandre: Mémoires d’une jeune Grecque: Madame Pauline-Adélaide Alexandre, contre S. A. sérinissimé le prince-régnant des SaxeCoburg, Paris 1823, S. 10: „Un grand jeune homme, dont la tête un peu baissée, se couvrait de cheveux noirs naturellement bouclés, me fit l’honneur de me distinguer et de causer longtemps avec moi: c’était le duc de Saxe-Cobourg. Sa démarche était noble, sa figure belle, sa taille élégante. Son langage un peu gêné, mais de bon ton, annonçait plus d’assurance que de facilité, plus de confiance que d’aisance. Je remarquai sans peine l’attention avec laquelle plusieurs femmes le suivaient des yeux; je fus flattée de celle qu’il accordait à moi seule.“ 10 Ebd., S.  17  f.: „Je me mis à pleurer à chaudes larmes. Il s’assit sur le pied de mon lit et essuya mes pleurs avec des baisers. Au moment des mon réveil, souffrante et faible, cette nouvelle m’accabla: je ne trouvai de force que pour gémir et non pour repousser ses caresses. Plus il me parlait de ce fatal départ, plus mes pleurs redoublaient, plus il s’occupait avec ardeur de les tarir, moins j’étais capable de me dégager de ses bras. Il abusa de tout l’ascendant de sa position, de ma douleur, de mon ignorance et de ma faiblesse. Je fus coupable, sans avoir la conscience de ma faute. Jamais femme peut-être ne tomba aussi aveuglément dans l’abîme. J’avais quatorze ans.“ 11 Ebd., S. 28 f.: „Un air de silence et d’ennui semblait peser sur la ville; je dit la ville; car telle était la capitale du royaume, dont le souverain m’appelait auprès de lui. Nous passâmes devant une maison plus haute, plus large et plus noir que les autres. Au milieu d’une vaste muraille enfumée, un portail massif et sans proportions semblait annoncer quelque écurie gothique. […] Deux gros rats, il m’en souvient encore, s’échappèrent des fondemens du vénérable édifice, et vinrent se jeter dans mes chambes. J’eus peur des ces animaux; et j’avais raison: c’étaient des rats courti-

sans. Ils sortaient du palais même de S.A.R. le duc de Cobourg.“ 12 Ebd., S. 50. 13 Ebd., S.  76: „Cependant l’hiver finissait; le neuvième mois était à son terme; nous n’avions ni linge, ni bois, ni chandelle; et mon fils vit le jour au milieu des cris de la détresse, des souffrances de sa mère, et des convulsions de la douleur, du désespoir et de la faim, le 4 mars 1809.“ 14 Vgl. A German Prince and His Victim, a.a.O., S. 8. 15 Hier ist offenbar Franz Xaver Fischler, später Graf Fischler von Treuberg, gemeint. Er war Herzoglich Sachsen-Coburgischer und Gothaischer Geheimer Rat und Geschäftsträger, der 1823 im Fall Panam in Paris im Auftrag Ernsts tätig wird, um das Erscheinen der Memoiren zu verhindern. Vgl. StACo, NL (Höfer), Nr. 5, unpag. 16 A German Prince and his Victim, a.a.O., S. 9. 17 Vgl. StACo NL (Höfer), Nr.  6, unpag., Brief Leopolds an Ernst  I. (betr. Panam), 4. November 1823. 18 Zwei Ausgaben der Panam-Memoiren sind 1823 in Paris erschienen, beide unter dem Titel „Mémoires d’une jeune Grecque: Madame Pauline Adelaide Alexandre Panam, contre S.  A. Sérénissime Le Prince-Régnant de Saxe-Coburg, 2 vol., eine Ausgabe verlegt bei Auteur, die andere bei Brissot-Thivars. Auch in London erscheinen 1823 zwei Ausgaben, eine bei Sherwood, Jones & Co, die andere bei Fairburn, letztere mit einem Vorwort des Übersetzers. 19 La mysterieuse Madame Panam, a.a.O., S. 155. 20 Vgl. StACo NL (Höfer), Nr. 5, unpag., Brief Ernst I. an den französischen König. 21 StACo, NL (Höfer), Nr.  5, unpag., Handschriftliche Kopie aus dem Staatsarchiv Wien, Vertrauliches Schreiben an den Botschafter Frankreichs am sächsischen Hof, Monsieur de Rumigny, überreicht von M. v. Szymborski, betreffend die Angelegenheiten der Madame Panam, verfasst in Coburg am 28. Oktober 1823. 22 Ebd. 23 StACo NL (Höfer), Nr.  5, unpag., Brief Ernst I. (Abschrift), Coburg, 25. April 1823

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an Erw. Durchlaucht (vermutlich an Fürst Metternich). 24 StACo NL (Höfer), Nr. 5, unpag., Gutachten des alten Advokaten im königlichen Gericht Billecoaq, Paris, den 25. Mai 1823. 25 StACo NL (Höfer), Nr. 6, unpag., Brief Leopolds an Ernst  I. (betr. Panam), 4. November 1823. 26 Ebd. 27 Netzer, a.a.O., S. 78. 28 Vgl. Sandner, a.a.O., S. 40. 29 Vgl. Wiedau, Kristin: Eine adlige Erziehung in Coburg, Coburg 2001, S. 14 ff. 30 StACo NL (Höfer), Nr. 5, Brief Ernst I. an den französischen König, undatiert. 31 StACo NL (Höfer), Nr. 6, unpag., Brief Leopolds an Ernst  I. (betr. Panam), 4. November 1823. 32 Das „Journal des Luxus und der Moden“ wurde vom Verleger und Unternehmer Friedrich Justus Bertuch und dem Künstler Georg Melchior Kraus herausgegeben und erschien in Weimar von 1786 bis 1827. Ende des 18.  Jahrhunderts, in ihren erfolgreichsten Jahren, erreichte die Zeitschrift eine Auflage von über 2000 Exemplaren und war damit rund 25  000 Leserinnen und Lesern zugänglich. Zur Geschichte dieses Intelligenzblattes vgl. Kuhles, Doris: Journal des Luxus und der Moden 1786–1827. Analytische Bibliographie, Bd. 1–3, München 2003. 33 Artigkeiten einer Griechin. In: Journal des Luxus und der Moden, Jg. 38, Heft 43, Mai 1823, S. 366. 34 Ebd. 35 La mystérieuse Madame Panam, a.a.O., S. 165. 36 StACo NL (Höfer), Nr. 6, unpag., Brief Leopolds an Ernst  I. (betr. Panam), 4. November 1823. 37 Artigkeiten einer Griechin. In: Journal des Luxus und der Moden, Jg. 38, Heft 44, Mai 1823, S. 371. 38 StACo NL (Höfer) Nr. 5, unpag., Abschrift eines Briefes, wahrscheinlich Ernst an Metternich, Rosenau, 8. Juni 1823. 39 Ebd.  – Tatsächlich stammt die Kritik im „Journal des Luxus und der Moden“ aus der Feder eines Weimarers: des Oberkonsistorialdirektors Friedrich Peucer. In einem Brief an Ernst bekennt er sich dazu, den Artikel verfasst zu haben, allerdings in der guten Absicht, den Herzog von Co-

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burg zu verteidigen. „Durchlauchtigster Herzog, Euer Herzogl. Durchlaucht darf ich wohl gestehen, daß die Unverschämtheit der Herausgeberin der Mémoires d’une jeune Grècque mich empört hat, daher ich es mir gelobte, ihr Machwerk, welches alles weibliche Zartgefühl mit Füßen tritt, in irgendeiner Zeitschrift, mit wohlverdienter Rüge zu züchtigen. Ich habe dies in dem hier erscheinenden Literatur- und Modejournal gethan, und da ich nicht weiß, ob dieses Journal in Coburg gelesen wird, so nehme ich mir die Freiheit, Euer H. D. hierbey einige Exemplare der Nummer desselben, die den fraglichen Aufsatz enthalten, unterthänigst zu überreichen.“ StaCO NL (Höfer), Nr.  5, unpag., Abschrift eines Briefes des Oberkonsistorialdirektors Peucer an den Herzog Ernst., undat. 40 Nicklas, Thomas: Das Haus Sachsen-Coburg. Europas späte Dynastie, Stuttgart 2003, S. 157 f. 41 Journal des Luxus und der Moden, Jg. 38, Heft 71, August 1823, S. 592. 42 Vgl. StACo NL (Höfer), Nr.  5, unpag., Schreiben des Weimarer Staatsarchivdirektors Tille an Conrad Höfer, 26. Oktober 1922. 43 StACo NL (Höfer), Nr. 6, unpag., Brief Leopolds an Ernst  I. (betr. Panam), 4. November 1823.

8. Luise – Prinzessin der Herzen Seite 164–181 1 Barthel: Quelleninventar Gotha, S.  155, darin zitiert: Staatsministerium Abt. Gotha Dep. C Loc. I Tit. 3 Nr. 16, Bl. 20. 2 RA, Victorian Additional MSS.U., VIC/ ADDU/313 – 324, Luise, Duchess of SaxeCoburg & Gotha to Aurore, Comtesse de Venançon (née Comtesse de Marassé), Bl. 316, Rosenau le 23. Septembre 1819: „Vous avez sans doute appris l’heureux événement qu’on ma rendre mère pour la se­ conde fois, d’un joli petit garcon. Malgré que j’avais bien désirée avoir une fille, je suis bien contente […]. Si je pouvais seulement vous le faire avis c’est le portrait du Duc avec des yeux bleus, même bouche, même nez, le tour du visage et la taille qui est très grande pour un enfant de cet âge,

il aurait certainement votre aprobation chère amie.“ 3 Vgl. Sandner, a.a.O., S. 56. 4 Vgl. Netzer, a.a.O., S. 53. 5 Vgl. ebd., S. 54. 6 Barthel, transkribierte Briefe Augusts an Ernst, StACo LA A Nr.  5990  – 55–57, Gotha, 28. Januar 1820. 7 Ebd. 8 Vgl. Trollope, Frances: Ein Winter in der Kaiserstadt. Wien im Jahre 1836, Wien 2003, S. 186 f. 9 Vgl. Ponsonby, a.a.O., S. 116 f. 10 Barthel, transkribierte Briefe Ernsts an August, Wien 19. Februar 1820. StACo LA A Nr. 5991 – 24–26. 11 Ebart, a.a.O., S.  156. Alexander Graf zu Solms war ein Jugendfreund und Kammerherr Ernsts am Coburger Hof. Er hatte ihn im Dezember 1816 nach Gotha begleitet, als er um die Hand Luises anhielt. 12 Zitiert nach Dreesen/Schnur, a.a.O, S. 30. 13 StACo LA A Nr. 6006, Fol. 1–2, Herzogin Karoline an Ernst  I., Gotha, 28. Februar 1821. 14 Ebd. 15 Vgl. Wiedau, a.a.O., S. 4. 16 Vgl. Barthel, Quelleninventar Gotha, a.a.O., S. 155. 17 StACo LA A Nr.  6006, Fol. 1–2, Karoline an Ernst I., Gotha, 28. Februar 1821. 18 StACo LA A Nr.  6006, Luise an Ernst  I., Gotha, 3. März 1821. 19 StACo LA A Nr. 6006, Fol. 11–12, Karoline an Ernst I., Gotha, 6. März 1821. 20 Gosteli/Boschung/Brosche, a.a.O., S. 133. F. X. von Zach an R. A. von Schiferli, Genua, 22. Juni 1822. 21 Ebd., S. 126. 22 Ebd., S. 133. 23 Ebd. 24 Ebart, a.a.O., S. 208. 25 Ponsonby, a.a.O., S. 131. 26 StACo Stockmar II A Nr. 25, 1. Auguste an Leopold, Coburg, vermutlich Ende 1822. 27 Gosteli/Boschung/Brosche, a.a.O., S. 155. F. X. von Zach an R. A. von Schiferli, Genua, 22. Januar 1823. 28 Vgl. StACo LA A, Nr.  6008, Auguste an ihren Sohn Ferdinand. 29 Vgl. Ponsonby, a.a.O., S. 144. 30 Hofmann, a.a.O., S. 41. 31 StACo LA A, Nr. 6055, unpag., Auguste an Ernst I., Ketschendorf, 17. Juni 1824.

9. Das Affenweibchen Seite 182–208 1 Ebd. 2 StACo Stockmar II A Nr. 25, 1, Auguste an Leopold, Coburg undat. 3 StACo Kohàry Archiv Nr.  56, Auguste an ihren Sohn Ferdinand, Rosenau, 10. September 1824. 4 Coburgische Landesbibliothek Ms 460, Treuegelöbnis Herzogin Luises gegenüber Maximilian von Hanstein, Ehrenburg 9. Juni 1824, vgl. Dreesen/Schnur, a.a.O., S. 46. 5 Vgl. Linné, Carl von: Systaema Naturae, 12. Auflage, Leiden 1766. Hier ordnet Linné den Menschen als Homo sapiens mit den Schimpansen und dem OrangUtan in die Ordnung der Primaten ein. 6 Vgl. StaCo LA A Nr. 6055, unpag., Auguste an Ernst I., Ketschendorf, 17. Juni 1824. 7 StACo LA A Nr.  6008, Ernst  I. an Luise, undat. 8 Vgl. dazu: Walther, Stefanie: Die (Un-) Ordnung der Ehe. Normen und Praxis ernestinischer Fürstenehen in der Frühen Neuzeit, München 2011, S.  184: „Der Begriff ‚Leichtfertigkeit‘ wurde im frühneuzeitlichen Sprachgebrauch als Bezeichnung für vorehelichen Geschlechtsverkehr gebraucht. Dabei wurde der Vorwurf der ‚Leichtfertigkeit‘ ebenso wie der Vorwurf der Verschwendungssucht oftmals nur instrumentalisiert, um ein nicht normenkonformes Verhalten der Frauen zu diskreditieren.“ 9 StACo LA A Nr. 6008, Auguste an Luise, Ketschendorf, 26. August 1824. 10 Vgl. Dreesen/Schnur, a.a.O., S.  48, dort zitiert StACo LA A Nr. 6007, Vernehmung vom 24. August 1824. Gottfried von Bülow (1804–1844), geboren in Wolfenbüttel, wurde in Unehren entlassen und kehrte zu seinem Vater nach Braunschweig zurück, wo dieser als angesehener Jurist und Verwaltungsbeamter tätig war. 11 Ebd. 12 Vgl. Barthel, Quelleninventar Gotha, a.a.O., S. 171. 13 Ebart, a.a.O., S.  218  f., Luise an Auguste von Studnitz, Bad Brückenau, 27. August 1824. 14 Hofmann, a.a.O., S. 42. 15 Ebd., S. 42.

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16 Ebd., S. 42 f. 17 Ebd., S. 43. 18 Vgl. ebd., a.a.O., S. 43 f. 19 Ebart, a.a.O., S.  220  f., Luise an Auguste von Studnitz, Bad Brückenau, 21. September 1824. 20 Hofmann, a.a.O., S. 44. 21 StACo LA A, Nr. 6008, fol. 4, zitiert nach Dreesen/Schnur, a.a.O., S. 64. 22 StACo LA A, Nr.  6009, zitiert nach Dreesen/Schnur, a.a.O., S. 42. 23 StACo LA Anr. 6008, Fol 32–32‘: Karoline an Ernst I., Gotha, 4. Oktober 1824. 24 StACo LA A, Nr.  6009, fol. 5  f., nach Dreesen/Schnur, a.a.O., S. 68. 25 StACo LA A, Nr. 6508, fol. 27 ff., Abschrift der gedruckten Annonce zur möglichen Fortsetzung der Panam-Memoiren 1824: «Ah! Si mes premiers Mémoires avaient pu trouver des incrédules, ils n’ent trouveraient plus désormais; car la conduite atroce du Duc de Saxe-Cobourg, à l’égard de sa vertueuse et jeune épouse, en soulevant l’indignation de son peuple à fait éclater sa honte aux yeux de L’Univers. Je rendrai compte dans mes nouveaux Mémoirs de ces faits qui viennent de provoquer plusieurs révolutions à Cobourg.» 26 StACo, LA A, Nr. 6009, fol. 3–4, Luise an Caroline, Bad Brückenau, 12. Oktober 1824. 27 Ebd. 28 Ebd. 29 Ebd. 30 Ebd. 31 Vgl. Dreesen, Josef: Das Fürstentum Lichtenberg (1816–1834) im Vormärz, Hols­ thum 2008, S. 46. 32 Zitiert nach Bachmann, Reisetagebücher, a.a.O., S. 310. 33 RA, Confidential Family Papers, M. 40, Duchesse Louise 1817–1831, No. 2, 3, Deeds of Separation: „4. Dagegen verzichten der Frau Herzogin Louise Durchlaucht auf alle Ansprüche welche Höchstderenselben aus dem zu Gotha und Coburg den 31sten Juli und 29sten Juli 1817 errichteten Ehepacten zustehen, insbesondere auf die Höchstdemselben darinnen ausgesetzten Hand- und Spielgelder von 3000 fl. und die Morgengabs- Verzinsung, so wie auf jede andere in diesem Vertrag Ihr zugewiesenen Berechti-

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gung, vorzüglich auf die Vormundschaft über die Kinder und die Landesregierung, welche Ihr nach §15 der Ehepacten auf den Fall überlassen ist, wenn Sn. Durchlaucht der regierende Herr Herzog noch während der Minderjährigkeit […] versterben sollte. 5. Desgleichen verzichten der Frau Herzogin Louise Durchlaucht auf die dem Herrn Herzog Ernst Durchlaucht zugebrachten Dotalgelder und sämmtliches andere zugebrachte Vermögen; namentlich auch auf die dem letzteren zur Bezahlung der erkauften Herrschaften Grainburg vorgeliehenen Summe von 87000 fl. […] zum Besten der beiden Prinzen Ernst und Albrecht und deren Nachkommen. 6. Eben so treten der Frau Herzogin Louise Durchlaucht und zwar unbedingt und unwiderruflich alle Höchstderenselben an die dereinstige Allodial Verlassenschaft des Herzogl. Hauses S.  Gotha und Altenburg nach den Bestimmungen des Römhilder Kreises vom 28. Juli 1791 hausverfassungsmäßig zustehenden Ansprüche an Ihre mit dem Herzog Ernst Durchlaucht erzeugten beiden Prinzen Ernst und Albrecht und deren Nachkommen unter Verzichtleistung auf alle Regredient- Erbschafts- oder Erbrückfalls Ansprüche ab, nur mit dem einzigen Vorbehalt einer nach dem dereinstigen Abgange des S.  Gotha und Altenburg. Herzogl. Mannesstammes und wirklichen Anfall des Allodialnachlaßes derselben jährlich zu bestimmenden lebenslänglichen Rente, und soll diese Rente nach Maasgabe des sich ergebenden Betrags dieses Allodialnachlaßes durch weitere Uebereinkunft jedoch nicht höher als auf 12000 fl. bestimmt, und so lange die verwittwete Frau Herzogin Charlotte Amalie von Sachsen Gotha Altenburg Durchlaucht am Leben verbleiben, und die Höchstderselben mittels des Vertrags vom 25. September 1823 aus dem Allodialnachlaß zugesicherten Rente von 3000 fl. geniesen wird, diese Summe auf die obbemerkten 12000 fl. auf- und angerechnet werden. 7. Was den dereinstigen Privatnachlaß des Herzogs Friedrich von S. Gotha und

Altenburg anlangt, verzichten der Frau Herzogin Louise Durchlaucht ebenmäßig zum Besten Ihrer obgenannten beiden Prinzen Ernst und Albrecht und deren Nachkommen auf alle und jede Disposition über die Substanz dieses Nachlaßes, doch verbleibt Höchstder(n) enselben davon lebenslänglich die volle Nutzniesung und nächstdem noch die Berechtigung, von dem Ertrag dieses Vermögens auf Ihren Todesfall Ihrer Dienerschaft und sonstigen Angehörigen bis auf den Betrag von 3000 fl. lebenslängliche Pensionen auszusetzen.“ 34 Barthel, Quelleninventar Gotha, S. 208. 35 Ebd. 36 Vgl. Bachmann, Gertraude: Eine vergessene Landesmutter. Herzogin Marie – geborene Herzogin von Württemberg, Coburg 1999, S. 424. 37 NLA HA (Pattensen) Dep. 24, B Nr.  335, Abschriften aus dem Nachlass Max von Pölzig Nr. 6, Pensions-Patent. 38 Vgl. Gosteli/Boschung/Brosche, a.a.O., S. 302. 39 StACo LA A Nr. 6082, Charlotte von Bock an Ernst I., Wetzlar, 15. Februar 1825. 40 Ebd. 41 Ebd.

10. Die Abderiten – Wenn Frösche das Volk verdrängen Seite 209–232 1 StACo Koháry A Nr. 57, Auguste an ihren Sohn Ferdinand, 6. Dezember 1824. 2 Vgl. Christoph Martin Wieland: Die Abderiten, Fortsetzungsroman, erschienen in „Der Teutsche Merkur“ von 1774 bis 1780. 3 Vgl. Nicklas, Thomas: Das Haus SachsenCoburg. Europas späte Dynastie, Stuttgart 2003, S. 77. 4 Vgl. Michaud, M., zitiert in: The Foreign Quarterly Review, Vol. XII, London 1823, S. 257. 5 StACo, Koháry Archiv, Nr.  210, Sophie von Mensdorff-Pouilly an ihren Bruder Ferdinand, Prag, 20. März 1824. 6 Barthel, Quelleninventar Gotha, a.a.O., S. 204. 7 Barthel, Quelleninventar Gotha, a.a.O., S. 205.

8 StACo LA A, Nr. 6083, fol. 15, Amalie von Uttenhoven an Ernst  I., St.  Wendel, 15. April 1825. 9 Gosteli/Boschung/Brosche, a.a.O. 10 Ebd., S. 237. 11 Ebd., S. 254. 12 Ebd., S. 252. 13 Vgl. May, Franz Anton: Stolpertus. Ein junger Arzt am Krankenbette, Teil 3, Mannheim 1802, S. 46. 14 Barthel, Quelleninventar Gotha, a.a.O., S. 173. 15 von Hoff, a.a.O., S. 294. 16 Vgl. Kreuch, Knut: „Die Liebe für das Vaterland, erhöht die Bekanntschaft mit dem Guten“, abgedruckt in: Liebe und Kalkül, Tagungsband, Gotha 2018, herausgegeben von der Stadtverwaltung Gotha und dem Verein für Stadtgeschichte, S. 65 – 72. 17 StACo LA A Nr.  6005, Luise an Ernst  I., St. Wendel, 25. Februar 1825. 18 Barthel, Quelleninventar Gotha, a.a.O., S. 172. 19 Vgl. StACo LA A Nr.  6005, Luise an Ernst I., St. Wendel, 4. Dezember 1825. 20 Vgl. StACo LA A Nr. 6082, Charlotte von Bock an Ernst I., Wetzlar, 21. Juni 1825. 21 Vgl. StACo LA A Nr.  6149, Ernst  I. an Amalie von Uttenhoven, Coburg, 1. November 1824. 22 Vgl. ebd. 23 StACo LA A Nr. 6083, Amalie von Uttenhoven an Ernst  I., St.  Wendel, 1. Dezember 1824. 24 Vgl. StACo LA A Nr.  6149, Ernst  I. an Amalie von Uttenhoven, Coburg, 13. Dezember 1824. 25 Landau, Georg: Die hessischen Ritterburgen und ihre Besitzer, Kassel 1832, S. 43. 26 Ebd. 27 Vgl. Hanstein, Carl Philipp Emil von: Urkundliche Geschichte des Geschlechts der von Hanstein, S. 1296 f. 28 Barthel, Quelleninventar Gotha, a.a.O., S. 236. 29 Vgl. ebd., S. 235 ff. 30 Ebd., S. 240. 31 Ebd., S. 239. 32 Ebd., S. 238. 33 Fischer, a.a.O., S. 447. 34 Gosteli/Boschung/Brosche, a.a.O., S. 7 f. 35 Ebd., S. 302. 36 Ebd. 37 Vgl. Gosteli/Boschung/Brosche, a.a.O., 126.

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11. Und am Ende: Paris Seite 233–256 1 Vgl. ebd., S. 231. 2 Vgl. ebd. 3 Ebd., S. 233. 4 Ebd. 5 Vgl. Maison de Victor Hugo: Victor Hugo, les aspects d’un mythe, Paris 2002, S. 11. 6 Vgl. L’intermédiaire des Chercheurs et Curieux, No. 1360, Vol. LXXXV, 1922, S. 471. 7 Vgl. ebd. 8 Vgl. Fontaney, Antoine: Journal Intime (1831), Paris 1925, S. 85. 9 Vgl. StACo LA A Nr. 6509, fol 24 a. 10 Baron Zach vermutete, Louis Pierre Édouard Bignon (1771–1841), ein französischer Diplomat, sei der Autor, vgl. Brosche, Peter: Der Astronom der Herzogin. Leben und Werk von Franz Xaver von Zach 1754–1832, 2. überarb. u. erw. Aufl., Frankfurt a. M. 2009, S. 307. Später werden die Memoiren der Madame Panam dem Schriftsteller Philarètes Chasles zugeschrieben, vgl. Quérard, Joseph Marie: Les Supercheries littéraires dévoilées, Paris 1850, S. 404. 11 StACo LA A Nr. 6150, Fol. 32–34‘, Luise an Amalie von Uttenhoven, St. Wendel 1829. 12 Fischer, a.a.O., S. 449. 13 Ebd. 14 StACo LA A Nr. 6150, Luise an Amalie von Uttenhoven, St. Wendel, Juni 1829. 15 Fischer, a.a.O., S. 453. 16 StACo LA A Nr.  6509, Baron von Zach, 28. Mai 1831. 17 StACo LA A Nr.  6509, Maximilian von Pölzig an Auguste, 25. April 1831. 18 Barthel, Quelleninventar Gotha, S. 243. 19 Barthel, Quelleninventar Gotha, S. 245. 20 Ebd., S. 245 f. 21 Ebd., S. 246. 22 Ebd., S. 252. 23 StACo LA A Nr.  6509, Ernest de Hallenberg an Ernst I., Paris, 14. Juni 1831. 24 Vgl. L’intermédiaire des Chercheurs et Curieux, No. 1360, Vol. LXXXV, S. 471 f.

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25 Vgl. Fontaney, a.a.O., S. 116, StACo LA A Nr.  6509, Jean-Baptiste Mardelle an Sophie von Mensdorff-Pouilly, 18. Februar 1832. 26 StACo LA A Nr.  6509, Victor Hugo an Ernst I., Paris, 11. Februar 1832. 27 StACo LA A Nr.  6509 fol. 24 a. Madame Panam überlebt ihren Sohn um acht Jahre, sie stirbt am 21. Juni 1840 in der Rue Montholon Nr.  30 in Paris, vgl. Pichois, a.a.O., S. 171. 28 Vgl. L’intermédiaire des Chercheurs et Curieux, No. 1360, Vol. LXXXV, S. 470 f. 29 Vgl. StACo LA A Nr. 6509, Victor Hugo an Ernst I., Paris, 29. April 1832. 30 Vgl. StACo LA A Nr. 6509. 31 Barthel, Quelleninventar, a.a.O., S. 246. 32 Ebd., S. 247. 33 Ebd., S. 249. 34 Ebd. 35 Ebd., S.  253. Nach dem Tod ihres Vaters Ernst richteten die Söhne Ernst und Albert eine Fideikommiß-Stiftung über die Güter Pölzig und Bayersdorf ein, deren Nutznießer Maximilian und seine Erben aus der männlichen Linie waren. Nach dem Tod Alberts bekräftigte Queen V ictoria diese Regelung. Vgl. Nieders. ­ Hauptstaatsarchiv Hannover NLA Dep. 24. B Nr.  343, Familienarchiv von Hanstein.

Epilog Seite 257–263 1 Royal Archives, Windsor Castle, Queen Victoria’s Journals, Princess Beatrice’s copies, Volume 31, page 191. 2 Royal Archives, VIC/MAIN/M/38, Confidential Family Papers Großmama 1844– 1845, No. 29, The late Louise, Duchess of Saxe-Coburg-Gotha to Dss of Saxe-Gotha Altenburg, Paris, 14. März 1831, No. 39. 3 Ebd. 4 Royal Archives, VIC/ADDA7/155. 5 Vgl. Urbach, Queen Victoria, a.a.O., S. 72 f. 6 Vgl. Royal Archives, VIC/MAIN/I/1/15.

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Bildnachweis

S. 19: Luise Prinzessin von Sachsen-Gotha-Altenburg, Gemälde von Josef Grassi, 1814. Herzoglicher Kunstbesitz SCG, Schloss Callenberg, Coburg. S. 22: Blick auf Schloss Rosenau. Gothaischer genealogischer Kalender auf das Jahr 1818. Landesarchiv Thüringen-Staatsarchiv Gotha, Bibliothek G-114. S. 34: Herzogin Luise von Sachsen-Coburg-Saalfeld mit ihren Söhnen Ernst und Albert. Gemälde von Ludwig Döll, ca. 1823. Stiftung Schloss Friedenstein, Gotha. S. 43: Brief Luises an Ernst, Rosenau, den 27. August 1824. Staatsarchiv ­Coburg, LA A Nr. 6008, Fol. 8-9‘. S. 57: Luise (Louise) Herzogin von Gotha-Altenburg im fünften Lebensjahr, 1805, Kunstsammlungen der Veste Coburg, Gr.Kat.XXII.091r. S. 61: Blick auf Gotha von der Nordseite. Gothaischer genealogischer Kalender auf das Jahr 1818. Landesarchiv Thüringen-Staatsarchiv Gotha, Bibliothek G-114. S. 96: Luise und Ernst I. Gothaischer genealogischer Kalender auf das Jahr 1818. Landesarchiv Thüringen-Staatsarchiv Gotha, Bibliothek G-114. S. 103: Blick auf Coburg. Gothaischer genealogischer Kalender auf das Jahr 1818. Landesarchiv Thüringen-Staatsarchiv Gotha, Bibliothek G-114. S. 150: Pauline Panam mit ihrem Sohn Ernest. Unbekannter Künstler. Abgebildet in Panam, Pauline-Adélaide Alexandre: Mémoires d’une jeune Grecque, Paris 1823. Staatsarchiv Coburg, LA A 6509-2. S. 158: Medaille zur Konfirmation von Ernst und Albert am 12. April 1835, Kunstsammlungen der Veste Coburg, Med.524. S. 239: Quittung Madame Panams für Victor Hugo, 1832. Staatsarchiv Coburg, LA A 6509-24a. S. 250: Brief Victor Hugos an Ernst I., Paris 1832. Staatsarchiv Coburg, LA A 6509.

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