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German Pages 463 Year 1997
DONATO GlANNOTTI
D I E REPUBLIK FLORENZ
0534)
Herausgegeben und eingeleitet von Alois Riklin Übersetzt und kommentiert von Daniel Höchli
Wilhelm Fink Verlag
Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einhcitsaufnahmc Giannotti, Donato: Die Republik Floren/. : (1534) / D o n a t o Giannotti. FIrsg. und eingl. von Alois Riklin. Ü b e r s , und k o m m e n t i e r t von Daniel Höelili. - München : Fink, 1997 (Humanistische Bibliothek : 02 ; Bd. 32) ISBN 3-7705-3116-7 N E : Riklin, Alois [Hrsg.]; G T f Bayerisch« | I Staatsbibliothek München 1 Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Tcxtabschnittc, Zeichnungen oder Bilder durch, alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrucklich gestatten.
ISBN 3-7705-3116-7 O 1997 Wilhelm Fink Verlag, München Satz: Jönsson Satz & Graphik, München Herstellung: Ferdinand Schoningh GmbH, Paderborn
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Neunzehntes Kapitel In den beiden vergangenen Republiken fehlten Organe, welche der Ehre und Grandezza entsprachen, die sich die Bürger wünschen
212
Zwanzigstes Kapitel Beweisführung, daß die Bürger den beiden letzten Republiken nicht gewogen sein konnten und daß dies zu deren Untergang führte 215
Drittes Buch Erstes Kapitel Zuerst muß das bürgerliche Regiment eingeführt werden, dann die Miliz
224
Zweites Kapitel Wie man die gemischte Verfassung gestalten muß
226
Drittes Kapitel Die Republik m u ß zum Volk neigen
229
Viertes Kapitel Die Republik wird sich aus drei Hauptorganen zusammensetzen
INHALTSÜBERSICHT
9
Fünftes Kapitel Über den Großen Rat
239
Sechstes Kapitel Über den Senat
246
Siebtes Kapitel Über den Collegio
249
Achtes Kapitel Über die Signori
249
Neuntes Kapitel Über die Procuratori
253
Zehntes Kapitel Über die Dieci
254
Elftes Kapitel Auf welche Weise man die öffentlichen Geschäfte im Collegio behandeln soll
255
Zwölftes Kapitel Ü b e r den Gonfaloniere
262
Dreizehntes Kapitel Über die Quarantia
268
Vicizehntes Kapitel Ü b e r die Art, Staatsfcindc zu bestrafen
274
Fünfzehntes Kapitel D i e Verfahrensordnung im Palast des Podesta ist nicht gut
.
279
Sechzehntes Kapitel
Über die Collegi und die Signori delle pompe Siebzehntes Kapitel Ü b e r die Capitani diparte
282
285
10
INHALTSÜBERSICHT
Achtzehntes Kapitel Über einige besondere Anordnungen
291
Viertes Buch Erstes Kapitel Die Stadt muß sich mit den eigenen Truppen verteidigen, die in innere und äußere unterteilt werden
302
Zweites Kapitel Wie man die Stadtmiliz einführen muß
303
Drittes Kapitel Ü b e r die Landmiliz
307
Viertes Kapitel Ü b e r die Kavalleriemiliz
313
Fünftes Kapitel Die so geordnete Miliz läßt mehr erwarten als die Söldnertruppen
315
Sechstes Kapitel Ü b e r die öffentlichen Mahlzeiten
327
Siebtes Kapitel Die beschriebene Republiksform ist klug geordnet
. . . .
330
Achtes Kapitel Welche Umstände und Mittel es braucht, um die dargelegte Republik einzuführen
340
INHALTSÜBERSICHT
II
DANIEL H Ö C H L I KOMMENTAR
Vorwort Erstes Buch Zweites Buch Drittes Buch Viertes Buch
353 354 369 386 412
Begriffsregister Bibliographie Personen-und Sachregister
431 440 449
Dank
Das vorliegende Buch wäre ohne die Unterstützung u n d Hilfe von verschiedener Seite nicht zustande gekommen. Der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung hat unsere Arbeiten zu D o n a t o Giannotti in großzügiger Weise finanziell unterstützt, und zwar sowohl im Rahmen eines umfassenden Forschungsprojektes als auch durch einen Druckkostenbeitrag an dieses Buch. Giovanni Silvano verdanken wir eine aufschlußreiche Diskussion über Giannotti. O h n e seine aufwendige Transkription und Edition der Republicafiorentina wäre es nicht möglich gewesen, die vorliegende Übersetzung auf das Autograph Giannottis abzustützen. Pio Fontana stellte sich zur Verfügung, um knifflige philologische Fragen zu erörtern. Walther Gaemperle sah die ersten Übersetzungsentwürfe kritisch durch und brachte wertvolle Verbesserungsvorschläge an. Kurt Stoesscl verdanken wir Interpretationshilfen zu den von Giannotti zitierten Dante-Stellen. Die Kolleginnen und Kollegen des Instituts für Politikwissenschaft St.Gallen halfen im Rahmen von Kolloquien mit, unsere Arbeit durch kritische Kommentare zu verbessern. Schließlich kämmten Christoph Frei, Ariane Sabct-Sobhani und Hannes Schwander das gesamte Typoskript in rigoroser Weise nach Fehlern und stilistischen Mängeln durch. Ihnen allen gebührt unser aufrichtiger Dank. Verbleibende Unstimmigkeiten haben wir selbstverständlich allein zu verantworten.
St.Gallen, I.Juli 1996
Alois Riklin, Daniel Höchli
EINFÜHRUNG
ALOIS RIKLIN
Donato Giannotti - ein verkannter Staatsdenker der Florentiner Renaissance
1990 ist die erste authentische Ausgabe der Republica fwrentina von D o n a t o Giannotti (1492-1573) erschienen.' Es ist das H a u p t w e r k des letzten bedeutenden Staatsdenkers der Republik Florenz. Giannotti schrieb das Werk nach dem Untergang der letzten Republik (1530) in der Verbannung. Offenbar verfaßte er es in der Absicht, am Tag X, wenn die Medici zum vierten Mal verjagt sein würden, mit einem fertigen Plan für die Wiedererrichtung der Republik zur Stelle zu sein. Diese Hoffnung zerschlug sich. D e r Tag kam nie. Giannotti hat die Veröffentlichung seiner Republica fiorentina nicht erlebt. Er selbst woiltc es so. 2 D e n n erstens w u r d e damals nicht alles Geschriebene gleich gedruckt; auch Machiavellis Flauptwcrke sind postum erschienen. Zweitens wäre die Veröffentlichung lebensgefährlich gewesen, ließen doch die Medici ihre aktivsten Regimegegner durch M o r d k o m m a n d o s bis nach R o m verfolgen; tatsächlich schrieb Giannotti in einem Brief, er werde die Republica fiorentina publizieren, wenn er z u m Rebellen - und das hieß so viel wie vogelfrei - erklärt werde. 3 Aber selbstverständlich zirkulierte der »Gcheimplan« unter seinen republikanisch gesinnten Freunden, die ihn fleißig abschrieben. Insgesamt sind 36 Manuskripte registriert, die Hälfte davon aus dem 16. J a h r h u n d e r t . ' Giannottis Ehrgeiz war politisch, nicht wissenschaftlich. Die Geheimhaltung war wohl politisch klug, aber für den wissenschaftlichen Einfluß und die wissenschaftliche Reputation Giannottis fatal. D e n n nur die späte Veröffentlichung kann erklären, w a r u m die Bedeutung Giannottis in der Geschichte der politischen Ideen bis z u m heutigen Tag verkannt ist. In Tat und 1 2 3 4
Giannotti 1990 Silvano 1990, S. 66 Giannotti 1974, Bd. 2, S 46 Silvano, S. 53ff
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ALOIS R I K L I N
Wahrheit hat er nämlich eine Gcwaltcnteilungslehrc entwickelt, die nicht nur für die damaligen, sondern auch für die gegenwärtigen Verhältnisse viel wirklichkeitsnäher war und ist als die reduktionistischen Konzepte von Milton, Locke, Montesquieu, Madison, Kant u. a. H ä t t e n die englischen, französischen, amerikanischen und deutschen Staatsdenker des 17. und 18. Jahrhunderts Giannotti gekannt, dann hätte die Gewaltenteilungslehrc wahrscheinlich einen anderen Verlauf genommen. Die Republica fiorentina ist erstmals 1721 gedruckt worden 1 , zwei Jahrhunderte nach Fertigstellung des ersten Entwurfs. Die Edition w a r aber unvollständig, so wie die nachfolgenden Ausgaben von 1722, 1819, 1830 und 1840.2 Vollständig hat das Werk erstmals F L . Polidori 1850 herausgebracht. 3 Furio Diaz übernahm in der Edition von 1974 die Fassung von Polidori. 4 Diese Version beruht indessen auf Abschriften, insbesondere auf der Handschrift der Biblioteca Marucelliana von Florenz. Das einzige authentische Manuskript aus der H a n d Giannottis entdeckte Paul O . Kristeller im Jahre 1963 in der Biblioteca nazionale centrale von Florenz. Giovanni Silvano stützt sich mit seiner Neuausgabe von 1990 auf das Autograph. Der erste Entwurf aus dem Jahre 1532 ist verschollen. Giannotti hat den verschollenen Entwurf wahrscheinlich 1534 abgeschrieben und diese Abschrift danach jahrelang mit sich geführt und korrigiert/ Z u m besseren Verständnis von Giannottis Werk wollen wir im ersten Teil das Umfeld abtasten, Florenz mit der Schwesterrepublik Venedig vergleichen, die florcntinische Vcrfassungsgcschichte skizzieren, den Genius loci des republikanischen Florenz entdecken und Giannottis florcntinische Vordenker Revue passieren lassen. Im zweiten Teil folgt ein Überblick über das Leben und das Gesamtwerk Giannottis, im dritten die Analyse seines H a u p t w e r k s und im vierten der Versuch der Einordnung Giannottis in die Geschichte der gewaltcntciligcn Mischverfassung.
1 Giannotti 1721 2 Vor allem fehlen die Kapitel 10 bis 20 des zweiten Buches vollständig. Zur Editionsgeschichtc: Silvano 1990, S. 67 3 Giannotti 1850, Bd. 1, S. 57-288 4 Giannotti 1974, Bd. 1, S. 181-370 5 Silvano 1990, S. 60/62
EINFÜHRUNG
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Den Vergleich mit Venedig voranzustellen, hat einen guten G r u n d . Denn das erste Werk, das Giannotti schrieb, das einzige, dessen Drucklegung er selbst erlebte - acht Editionen erschienen zu seinen Lebzeiten, darunter zwei deutsche Übersetzungen 1 - , zugleich das einzige, das die Nachwelt vor dem 18. Jahrhundert zur Kenntnis nahm und bewunderte, war sein Buch über Venedig. 2 James Harrington pries Giannotti in der Einleitung zur Oceana als »the most excellent describer of the C o m m o n w e a l t h of Venice«\ Giannottis Reformideen für Florenz sind nachhaltig von seinem Studium der republikanischen O r d n u n g Venedigs geprägt.
I. G i a n n o t t i s p o l i t i s c h e s U m f e l d 1. Florenz war nicht
Venedig
Cosimo de' Medici und Lorenzo il Magnifico waren in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Hauptarchitekten eines multipolaren, pentarchischen Gleichgewichtssystems in Italien. Dieses inneritalienische Gleichgewicht wurde um die Jahrhundertwende zunehmend von Außenmächten überlagert. Frankreich und Spanien kämpften um die Vorherrschaft in Italien. Kaiser Karl V. entschied das Kräftemessen im 16. Jahrhundert zu seinen Gunsten. Im Gegensatz zur homogenen Pentarchic des 19. Jahrhunderts, aber ähnlich den pentarchischen Ansätzen des ausgehenden 20. Jahrhunderts war das italienische Glcichgewichtssystem heterogen. 4 Drei der fünf Flauptmächtc waren Fürstentümer (Kirchenstaat, Neapel, Mailand), zwei galten als Republiken (Venedig, Florenz). Hinter dem gemeinsamen Etikett »Republik« standen allerdings verschiedene politische Ordnungen.
1 2 3 4
Bisaccial978, S. 189f Giannotti 1974, Bd. 1, S. 27-151 (Erstdruck 1540) Harrington 1656, S. 161 Zur Unterscheidung von bipolar-multipolaren und homogen-heterogenen Glcichgewichtssvstcmcn vgl. Raymond Aron, Paix et guerre entre les nations, Paris 1962, S. 133ff'
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ALOIS RIKLIN
Verschieden war der Kreis der Bürger, die mit politischen Teilnahmerechten ausgestattet waren. In Florenz gab es um das Jahr 1500, bei einer Stadtbevölkerung von rund 70.000 Einwohnern.etwa 3.500 Bürger, die zur Mitgliedschaft im Großen Rat berechtigt waren. 1 In Venedig kamen um das Jahr 1540 auf 125.000 »Seelen« etwa 2.000 Großräte. 2 In beiden Republiken war zu dieser Zeit der Zugang zum Großen Rat identisch mit der Bürgerqualifikation. Die B jrgerschaft von Florenz betrug also, mit schätzungsweise 5 Prozent Eürgeranteil an der Stadtbevölkerung, mehr als das Dreifache der venezianischen (rund 1,6 Prozent). Gemessen an heutigen Demokratitvorstellungen, ja selbst gemessen am Kreis der politisch berechtigten Bürger in den antiken Republiken Spartas, Athens und Roms, war die Bürgerbasis in Florenz dennoch schmal. Wichtiger indes als die Zahl der Bürger war im Vergleich der beiden Renaissance-Republiken die Zusammensetzung der Bürgerschaft. Fast genau zur selben Zeit, als in Venedig die Bürgerschaft auf den Erbadel beschränkt wurde (Serrata von 1297), schlössen die Florentiner die Aristokraten von den politischen Ä m t e r n aus (Ordinamenti di Giustizia von 1293). Grundlage der Venezianischen Republik war eine Adelsvcrfassung, jene der frühen Florentinischen Republik dagegen eine Zunftverfassung. In der »ersten« Florentinischen Republik, welche sich am Ende des 13. Jahrhunderts herausbildete und bis ins 15. Jahrhundert behauptete, waren die Zunftmitgliedcr und nur sie die Bürger der Stadt. Es gab - die Zahlen variieren in der Z e i t - 2 1 Zünfte, 7 obere (arti maggiori) und 14 untere (arti minori). Zu den oberen Zünften gehörten die Richter und Notare, die Bankiers, die Wollhändlcr, die Wolltuchproduzenten, die Seidenhändlcr, die Pelzhändlcr sowie die Ärzte u n d Apotheker. Dante gelangte über die Ärzte- und Apothekerzunft in die Politik. Die Medici stammten aus der Zunft der Bankiers. D u r c h die Reintegration in die oberen Zünfte kehrten die Adligen in die Politik zurück. Geburtsadcl und Geldadel vermischten sich. D i e Vcrbürszcrlichung des Adels verlief parallel zur Aristokratisierung der G r o ß bürger. Die oberen Zünfte spielten die maßgebende Rolle. Diese 1 Gilben 1984, S. 20, schätzt, daß etwa jeder vierte oder fünfte Floremtincr Mann im Grolien Rat saß. 2 Riklin 1990a, S. 276
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reiche Minderheit beanspruchte für sich sieben der neun Sitze in der Signona. Die Bürgerschaft Venedigs war homogen, jene von Florenz war zu allen Zeiten gespalten. Zuerst war es die Auseinandersetzung zwischen Guclfen und Ghibellinen und ihren Unterfraktionen, dann zwischen Aristokratie und Bürgertum, dann zwischen den oberen und den unteren Zünften, schließlich zwischen den Optimaten und dem »Popolo«, letztere zusätzlich von Anhängern und Gegnern der Medici durchkreuzt und überdies vom französischen König, vom deutschen Kaiser und vom Papst für je eigene Zwecke mißbraucht. Mit tatkräftiger Unterstützung der Medici-Päpstc Leo X. (15131521) und Clemens VII. (1523-1532) entschied letztendlich die dritte Kraft der Medici den Dauerstreit zu ihren Gunsten und besiegelte nach 1530 den definitiven Untergang der Florentinischen Republik. Die Venezianische Republik dagegen überdauerte, wenn auch machtmäßig degradiert, bis zur Vernichtung durch Napoleon im Jahre 1797. Mit dem permanenten Parteienkampf in Florenz hängt ein weiterer Unterschied zu Venedig zusammen. Die venezianische politische O r d n u n g w a r stabil, jene von Florenz extrem instabil. Schon Dante hatte in der Divina Commedia die Wechsclhaftigkeit seiner Heimatstadt beklagt und damit die nachfolgenden 200 Jahre vorweggenommen 1 : »Athen und Lakedämon, die die alten Gesetze schufen und voll O r d n u n g lebten, die machten kleine Schritte nur, verglichen mit dir, die du so feine Paragraphen erfindest, daß bis zu Novembers Mitte nicht reicht, was im O k t o b e r du gesponnen. Wie oft hast du, seit wir uns denken können, Gesetze, Münzenschlag und Amt und Sitten Geändert und die Menschen ausgewechselt. U n d wenn du selber dich genau betrachtest, so siehst du, daß du jener Kranken gleichest, die keine Ruhe findet in den Kissen und sich in Schmerzen auf dem Lager wendet.« 1 Purgatorio,. VI
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ALOIS RIKLIN
Giannotti hat diese Stelle aufmerksam registriert und in der Republica fiorentina zitiert. 1 Machiavelli sah die Ursache des Grundübels der florcntinischen Instabilität in der Unentschiedenheit zwischen Republik und Prinzipat. In seinem Discorso sopra il riformare lo stato di Firenze (um 1520)2 schrieb er an Papst Leo X., es lasse sich kein dauerhafter Staat errichten, es sei denn ein echtes Fürstentum oder eine echte Republik. Alle Staatsformen, die dazwischen lägen, seien mangelhaft. Das Fürstentum könne nur durch die Republik abgelöst werden, die Republik nur durch das Fürstentum. Die Staaten der Mitte aber stünden unter der doppelten Bedrohung von Fürstentum und Republik. Darin liege der Grund ihrer Unbeständigkeit.
2. Verfassungsgeschichte
von
Florenz
Die Analyse Machiavellis erklärt die Hauptperioden der florentinischen Geschichte: 13.JL-1434 1434-1494 1494-1512 1512-1527 1527-1530 1530-1574ff
Republik Medici-Herrschaft Republik Medici-Herrschaft Republik Medici-Herrschaft
Die drei Republiken - d i e erste zur Zeit von Dante, Coluccio Salutati und Leonardo Bruni, die zweite zur Zeit von Girolamo Savonarola, Piero Soderini und Niccolö Machiavelli, die dritte zur Zeit von Niccolo Capponi und Donato Giannotti - waren nicht entschieden genug republikanisch; es fehlte ein hinreichend breit abgestützter Verfassungskonscns in der Bürgerschaft. Die erste Medici-Herrschaft unter Cosimo dem Alten, Piero il Gottoso, Lorcnzo il Magnifico und Piero il Sfortunato, ebenso wie die zweite unter Giovanni 1 Giannotti 1990, S. 143 (hier S. 212) 2 Machiavelli 1925, Bd. 2, S. 227-246
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(später Papst Leo X.), Giuliano, Lorenzo und Giulio (später Papst Clemens VII.) wahrten die Fassade der Republik, neigten aber mehr oder weniger zum Prinzipat. Die dritte Medici-Herrschaft unter Alessandro, Cosimo I. und ihren Nachfolgern streifte die republikanische Maskerade ab und bekannte sich offen zum Erbprinzipat. Aber auch die ständigen »mutazioni« zwischen und während den Republiken und den Mcdici-Herrschaften sind enorm verwirrend und machen die Analyse der florcntinischen Verfassungsentwicklung zu einem äußerst schwierigen Unterfangen. 1 Selbst die hohe Komplexität der venezianischen Verfassung scheint demgegenüber einfach. Die Verfassungsentwicklung Venedigs war geradlinig. Es gab zwar im Laufe der Zeit durchaus Verfassungsrevisionen, aber das N e u e wurde nahtlos in das Alte integriert. Die florcntinische Verfassungsentwicklung erscheint dagegen als ein ständiges Auf und A b , H i n und Her, Kommen und Gehen, ein atemraubendes H ü s t und Hott. Die 1. Republik 2 umfaßte zu Beginn des 15. Jahrhunderts die folgenden Institutionen: Die Leitung des Staates und der Verwaltung sowie die Initiierung und Vorberatung der Gesetze oblagen den Tre Maggiori, d.h. der Signoria, den Dodici Buonuomini und den Sedici Gonfalonieri. Die Signoria setzte sich zusammen aus dem Gonfaloniere della Giustizia und acht Priori, je zwei aus jedem Stadtviertel. Der Gonfaloniere und sechs Prioren stammten aus den oberen Zünften, zwei Prioren aus den unteren. Dante diente der Republik im Jahr 1300 als Prior. Ein Kanzler koordinierte die Verwaltung. Die bedeutendsten Kanzler der Republik waren die Humanisten Coluccio Salutati und Leonardo Bruni. Den Tre Maggiori zur Seite standen die Dieci di Balia und die O t t o di Guardia. Die Dicci di Balia traten in Krisenzeiten zur Leitung der militärischen und diplomatischen Operationen in Funktion. Die O t t o di Guardia waren eine Art Geheimpolizei mit einem dichten N e t z von Agenten und Spionen
1 Roth 1925: von Albertini 1955; Baron 1966; Rubinstein 1966; Gilbert 1968; Rubinstein 1968; Münkler 1982; Butters 1985; Silvano 1985; Burke 1987; Brucker 1990 2 Die Penodisierung in die 1., 2. und 3. Republik ist in der Geschichtsschreibung nicht üblich. Die Fenode der »1. Republik« ist so wechselhaft, daß sie als Kennzeichnung der Zeit vom Ende des 13. Jahrhunderts bis 1434 fragwürdig ist.
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zur Aufdeckung von Komplotten. Die Rechtsprechung oblag mehreren Gerichtshöfen, darunter denjenigen des Podesta, des Capitano del P o p o l o und des Esecutore degli Ordinamenti. Die drei zuletzt genannten Ämter waren auswärtigen Adligen anvertraut. Der Esecutore durfte nicht aus der Toscana stammen und wachte über die E i n h a l t u n g der Statuti und O r d i n a m e n t i . Diese schriftlichen Verfassungsrudimente gehen insbesondere auf die Jahre 1293, 1322, 1325, 1328, 1355, 1375, 1409 und 1415 zurück. Ein Gesetz von 1375 und die Statuten von 1415 garantierten die Redefreiheit in den Räten. Fünf Räte hatten sich im Lauf der Zeit herausgebildet: der C o n siglio del Popolo (300 Mitglieder), der Consiglio del C o m m u n e (250 Mitglieder), der Rat der 200, der Rat der 131 und der Rat der 145. Sicherheits- und außenpolitische Vorlagen mußten zuerst im Rat der 200 und im Rat der 131 vorberaten werden, Finanzvorlagcn im Rat der 145, bevor sie den Räten des Volkes und der K o m m u n e unterbreitet wurden. Der Letztentscheid im Gesetzgebungsprozeß oblag den Räten des Volkes und der Kommune. Dazu war in jedem Rat eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Das Zweikammersystem ist nicht eine Erfindung der Engländer allein, sondern auch der Toskaner! In Krisenzeiten trat an die Stelle der Räte die sogenannte Balia, die von den legislativen Räten oder direkt von einer Volksversammlung, dem Parlamento, gewählt wurde. Die Bestellung der Räte und Amtsträger erfolgte teils durch Los, teils durch Wahl, teils durch eine Kombination von beiden. Die Amtszeiten waren äußerst kurz: 6 Monate für den Esecutore degli Ordinamenti, den Capitano del Popolo, den Podesta und die Dicci, 4 Monate für die Räte des Volkes und der K o m m u n e sowie die Scdici Gonfalonicn, 3 Monate für die Dodici Buonuomini, 2 Monate fürdic Prioren und den Gonfalonierc dclla Giustizia. Während der 1. Medici-Herrschaft (1434-1494) w u r d e die politische O r d n u n g von Florenz wesentlich umgestaltet. D u r c h Manipulationen am Wahlverfahren gelang es den Medici, die Behörden, insbesondere die Tre Maggiori, aus dem Hintergrund mit ihren Anhängern und »amici« zu besetzen. Die Entmachtung der Rate geschah zunächst in der Weise, daß die Balia öfters und für längere Zeit eingesetzt wurde. 1458 schaffte Cosimo de' M e d i a mit einem
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radikalen Eingriff die Räte der 200, 131 und 145 ab. Gleichzeitig schuf er neu den Rat der 100, der die Räte des Volkes und der K o m m u n e zunehmend ins Abseits drängte. N a c h dem Attentat im D o m , dem Lorenzo il Magnifico durch Flucht in die Sakristei zwar k n a p p entging, dem sein Bruder G i u h a n o aber zum O p f e r fiel, w u r d e 1480 die Entmachtung der alten Räte durch die Einführung des Rats der 70 noch akzentuiert. N u n m e h r dominierten die Räte der 70 und der 100. Der Rat der 70 wählte aus seiner Mitte die O t t o di Pratica und die Dodici Procuratori. Erstcre waren zuständig für die Außenpolitik, letztere für die Innen- und Finanzpolitik. Die 2. Republik (1494-1512) war »demokratischer« als die erste. An Stelle der früheren Räte wurde 1494 auf Intervention Savonarolas nach venezianischem Vorbild der Consiglio grande geschaffen. D e r G r o ß e Rat vereinte alle Bürger der Stadt. »Beneficiati«, d.h. zur Mitgliedschaft im Großen Rat berechtigte Bürger waren alle, deren Familien bisher Zutritt zu den Tre Maggiori gehabt und die Steuern beglichen hatten. Die Zunftverfassung verlor an Bedeutung. U m aber den sozialen Aufstieg der unteren Schichten zu ermöglichen, konnte der Große Rat alle drei Jahre bis zu 28 Florentiner k o o p t i e ren. Ferner wurden jedes Jahr 24 junge »Beneficiati« im Alter von 24-29 Jahren aufgenommen. Der Große Rat war zuständig für die Wahlen zu allen wichtigen Ämtern und für die Genehmigung der Gesetze mit Zweidrittelmehrheit. Alle sechs Monate wählte er aus den über vierzigjährigen Bürgern den Rat der 80, der ähnliche, aber beschränktere Funktionen hatte als der venezianische Senat. 1499 wurde das Wahlvcrfahren für die Signoria modifiziert, 1502 nach dem Vorbild des venezianischen Dogen das A m t des Gonfalonicre a vita geschaffen und 1506 zur Leitung der wiedereingeführten Miliz die Institution der Novc. Aus der Wahl zum ersten und einzigen Gonfalonicre auf Lebenszeit ging Piero Sodcrini hervor, der dieses Amt bis zum Untergang der 2. Republik innehatte. Als Sekretär der »Zweiten Kanzlei« und des »Rats der Zehn« (Dicci) war Niccolo Machiavelli sozusagen seine rechte Hand. In den wenigen Wochen zwischen dem Sturz Soderinis und der Rückkehr der Medici kontrollierten die Aristokraten die Stadt. Sic schufen neu den Senat. Dies war die Zeit der größten Übcrcinstim-
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ALOIS RIKLIN
mung mit der Venezianischen Republik. 1 Im Unterschied zu Venedig waren die Senatsmitglicder auf Lebenszeit gewählt, und der Senat, nicht der Große Rat, wählte die Signoria und die Dieci. Die 2. Medici-Herrschaft (1512-1527) beseitigte ohne Verzug den Großen Rat und den Rat der 80 und restaurierte die alte O r d n u n g aus der Endzeit von Lorenzo il Magnifico. Neu war einzig die Dauerinstallation der Balia als besonders wirksames Instrument der Medici-Herrschaft. Die 3. Republik (1527-1530) entsprach weitgehend der zweiten, mit fünf Abweichungen. Erstens wurde das Mindcstalter für den Großen Rat von 29 auf 24 Jahre herabgesetzt. Zweitens wurde die Kooptation von bis zu 28 Neubürgern in den Großen Rat nicht mehr nur alle drei Jahre, sondern jedes Jahr ermöglicht (zudem wurde die Zahl 1529 auf 60 erhöht). Drittens wurde die Quarantia als politisches Strafgericht aufgewertet. Viertens wurde neu eine Stadtmiliz geschaffen. Fünftens wurde der Gonfalonicre weder, wie vor 1502, nur auf zwei Monate noch, wie nach 1502, auf Lebenszeit, sondern für ein Jahr gewählt, mit der Möglichkeit der zweimaligen Wiederwahl. Die Gonfalomen der 3. Republik waren Niccolo Capponi, Francesco Carducci und Raffacllo Girolami. D o n a t o Giannotti diente ihnen in der gleichen Funktion wie seinerzeit Machiavelli. Kurz nach dem Untergang der letzten Republik verfaßte er eine authentische Beschreibung ihrer politischen Ordnung. 2 Interessant ist vor allem die minutiöse Schilderung des Wahlvcrfahrcns für die Signoria, also für den Gonfalonicre und die acht Signori bzw. Priori. Das Prozcderc war seit 1502 für den Gonfalonicre und die Signori getrennt, aber analog. Beschränken wir uns auf die Signori und folgen wir der Darstellung Giannottis. Das Verfahren ist vierstufig: Losen - nominieren - wählen - losen. Mittels Glockengeläut wird der G r o ß e Rat einige Tage vor Ablauf der Amtspcriode der Signoria einberufen. Für die Beschlußfähigkeit ist die Anwesenheit von mindestens 800 Großräten erforderlich. Zunächst werden aus allen wahlberechtigten Bürgern 64 N o m i n a t o ri ausgelost. Jeder Ausgeloste wird einzeln aufgerufen. Ist er nicht 1 Gilbert 1968, S. 485 2 Giannotti 1974, Bd. 1,S. 415-422
EINFUHRUNG
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im Saal anwesend, so wird der nächste ausgelost. Ist er anwesend, begibt er sich sogleich allein in den Nebenraum, »il segreto«. D o r t wird ihm von einem Sekretär eröffnet, aus welchem Stadtviertel er einen Kandidaten nominieren müsse. Er benennt einen Kandidaten, der Sekretär notiert den Namen, und der N o m i n a t o r nimmt wieder seinen Platz im Großen Rat ein. Auf diese Weise werden der Reihe nach je 16 Kandidaten pro Stadtviertel vorgeschlagen. Bei Doppelund Mehrfachbenennung von Kandidaten - Giannotti nennt sie Compctitori - vermindert sich ihre Zahl auf unter 64. Die erste und zweite Stufe, Auslosung der Nominatoren und Bestimmung der Competitori, laufen also simultan ab. In der dritten Stufe werden die C o m p e t i t o n der Reihe nach im Großen Rat ausgerufen. Sogleich nach Ausrufung eines Kandidaten verlassen dessen Familienangehörige die Bänke, dann wird gewählt, und zwar mittels Bohnen. Schwarze Bohnen gelten als »Ja«, weiße Bohnen als »Nein«. Jeder Großrat übergibt einem Wahlhelfer eine schwarze oder weiße Bohne. Im Geheimzimmer werden die Bohnen unter der Aufsicht von zwei Signori, zwei Collegi und einem Sekretär von jenem Zisterzienserbruder ausgezählt, der im Rathaus wohnte und das Siegel der Signoria hütete. Vorläufig gewählt ist, wer das absolute Mehr erreicht. So werden der Reihe nach die Kandidaten jedes Stadtviertels ausgewählt. Die N a m e n der vorläufig Gewählten bleiben geheim. Sie werden einzeln auf Zettel geschrieben, quartierweise in Beutel verpackt und in einer Truhe mit zwei verschiedenen Schlüsseln verschlossen. Den einen Schlüssel verwahrt die Signoria, den anderen die Mönche von Santa Crocc. Die Truhe wird ins Kloster Santa Crocc verbracht. D o r t wird sie zwei Tage vor dem Amtswechscl wieder abgeholt und der Signoria übergeben. Ein Sekretär und der Zisterzienserbruder öffnen die Truhe. Der Podesta zieht aus jedem Quartiersbcutel zwei Namenszcttcl und übergibt sie dem Gonfalonicre. Dieser überreicht sie einem Sekretär zum Vorlesen. Sofort werden Herolde ausgeschickt, um die neuen Signori ins Rathaus zu führen. Von Schaulustigen begleitet, ziehen sie feierlich zum Palast. Dort speisen sie mit den noch amtierenden Signori. Am darauffolgenden Tag geben sie ein Bankett für ihre Verwandten und Freunde. Am dritten Tag findet der Amtsantritt statt. Mit der alten Signoria besteigen die Mitglieder der neuen unter Glockengeläut die Bühne
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vor dem Rathaus. Achtzig Bürger versammeln sich ebenfalls auf dem Podium und versprechen ihre Loyalität. Darauf leistet die neue Signoria den Amtseid. Anschließend begeben sich alle in voller Pracht und mit Musikbegleitung z u m Gottesdienst in den D o m . In ähnlicher Weise, berichtet Giannotti, w u r d e n auch die anderen wichtigen Behörden gewählt, so der Gonfaloniere, die Collegi (auch Sedici Gonfalonicri genannt), die Dodici B u o n u o m i m , die Dieci, die N o v e , die O t t o und einige andere. Die übrigen unteren Behörden und Ämter wurden in einem einfacheren dreistufigen Verfahren (losen - wählen - losen) ebenfalls vom G r o ß e n Rat bestellt. N u r die Generalkommissare und die Botschafter wählte der Rat der 80. Die Präsenz im G r o ß e n Rat war bei wichtigen Wahlen nicht schlecht. Nach dem Bericht Giannottis beteiligten sich bei der Wahl Piero Soderinis fast 3000 Großräte, bei jener von Niccolo Capponi trotz Pest - über 2000. Nach dem Untergang der letzten Republik führte Alcssandro de' Medici 1532 das Erbprinzipat ein. 1537 w u r d e er von seinem Vetter Lorenzino ermordet. Ihm folgte Cosimo I. de' Medici als absoluter Herrscher.
3. Genius loci der Republik
Florenz
Religiöses Zentrum der Florcntinischen Republik war das Ensemble von Baptisterium, D o m und Domplatz. Dante wurde hier im romanischen O k t o g o n des Battistcro aus dem 11. J a h r h u n d e r t getauft. Das Gesamtkunstwerk ist ohne Frage ein Gipfelpunkt abendländischer Kunst. Esdarf als Leistung der 1. Republik bezeichnet werden. Der Bau des Doms nahm fast die ganze Zeit der 1. Republik in Anspruch (1296-1436). Die berühmtesten Künstler der Zeit waren den Florentinern gerade recht genug. Arnolfo di C a m b i o und Brunclleschi für den D o m , Giotto für den Campanile, Andrea Pisano für das südliche Bronzetor des Battistcro, Lorenzo Ghiberti für das nördliche und das östliche Bronzetor. Das Programm des letzteren mit den Motiven aus dem Alten Testament stammte vom Kanzler der Republik, Leonardo Bruni. Michelangelo meinte, das Meisterwerk Ghibcrtis wäre selbst als Tor zum Paradies durchaus angemes-
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sen. Das religiöse Zentrum hatte auch politische Bedeutung. Nach d e r Vereidigung der neuen Signoria zogen die Würdenträger der Republik jeweils irr~feicrlichcr Prozession vom politischen zum religiösen Z e n t r u m , durchschritten das Baptistcrium und versammelten sich im D o m zum Gottesdienst. Das politische Zentrum der Republik bildeten die Piazza della Signoria, der Palazzo della Signoria und die Loggia della Signoria. 1 A u c h der Palast des Bargello (1255) in unmittelbarer N ä h e ist dazu z u zählen. Giotto hatte im Innern ein - leider zerstörtes - Idealbild der K o m m u n e gemalt. Im Bargello wohnten, richteten und folterten der Capitano del Popolo und der Podesta. Machiavelli wurde nach d e m U m s t u r z von 1512 wahrscheinlich hier gefangen gesetzt und gefoltert. Vom Turm verkündete eine Glocke mit unheimlichem Klang die Todesurteile. Der Nachfolger der Medici, der aufgeklärte österreichische G r o ß h e r z o g Leopold (1765-1792), Sohn von Kaiser Franz I. und Maria Theresia, hat sich in den Annalcn der Menschenrechte verdient gemacht, indem er in einer großen Strafrechtsrcform die Folter verbot und - erstmals in Europa - die Todesstrafe abschaffte. Er hatte Montesquieu und Beccaria begriffen. Die Medici gaben sich im 16. Jahrhundert alle erdenkliche Mühe, die republikanischen Spuren auszuwischen und durch den eigenen Personenkult zu ersetzen. Als Cosimo I. in den Palazzo della Signoria einzog, benannte er ihn in »Palazzo ducale« um, und als er von dort in den Palazzo Pitti umzog, hieß die neue Residenz »Palazzo nuovo«, während das gcschichtsträchtigc Rathaus den Übernamen »Palazzo vecchio« erhielt. Damit sollte suggeriert werden, daß die alte republikanische O r d n u n g ein für allemal obsolet geworden sei. Die »Loggia della Signoria« wurde in die »Loggia dei Lanzi« umgetauft und zunächst zum Wachlokal der Schweizer oder deutschen Landsknechte, später zur Skulpturcngalcrie umfunktioniert. An attraktiver Stelle der Piazza schuf Giambologna ein Reiterstandbild Cosimos I., dessen Sockclrelicf Episoden aus seiner Herrschaftszeit verherrlicht, darunter eine Fluldigung durch den Senat. Die Judith von Donatello verbannte man in die Loggia. Den Herkules von
1 Wilde 1944; Paul 1969 und 1987; Rubinstein 1987; Verspohl 1987; Breidecker 1990; Reinhardt 1990
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Bandinelli rechts des Eingangs ließ Alessandro de' Medici 1534 als Zeichen der wiedererstandenen Macht der Medici aufstellen, bestimmt auch mit der provokativen Absicht, die Aussage des David durch Konkurrenzierung und optische Verkleinerung abzuschwächen; Cellini nannte die Herkules-Statue »Melonenquetscher«. Die steinerne Rednertribüne (Ringhiera) wurde funktionslos und durch den pompösen Neptun-Brunnen Ammanatis ins Abseits gedrängt. Die Florentiner spotteten: »Ammanato, A m m a n a t o , welch schönen Marmor hast du verdorben!« Schließlich wählte Cosimo I. für die Loggia die Figur des Perseus. Perseus, Herkules, N e p t u n und das eigene Reiterstandbild paßten den machthungrigen und selbstsüchtigen Autokraten besser als die Symbole der republikanischen Freiheit, Judith und David. Die berühmte vacca, die Glocke des Rathauses, ließ Alessandro einschmelzen, um kundzutun, daß fortan G r o ßer Rat und Parlamcnto nicht mehr einberufen würden. Die Inschrift über dem Portal des Rathauses, die Christus z u m König des Volkes von Florenz erklärte, ersetzten die neuen H e r r e n durch die unverfänglichere Aussage »Rex regum et Dominus dominantium«. Im Innern wurde das Rathaus völlig umgestaltet, erweitert und durch die Verwaltungsgebäude (Uffizicn) ergänzt. D e n Großratssaal, das Symbol der republikanischen Libcrtä, demolierten die Medici 1512 ein erstes Mal, benannten ihn in »Sala grande della guardia« um und überlicssen ihn als Quartier den Schweizer Söldnern, die den Rest besorgten. Die Eidgenossen zitieren gerne jene Stelle aus dem Kapitel XII des Principe, wo Machiavelli die Schweizer Bürgcrsoldaten als »armatissimi et hberissimi« lobte. Weniger beachtet wird ein Brief Machiavellis an Francesco Vettori vom 26. August 1513, in welchem er sich über die »bestialischen Schweizer« ausließ. 1 Vielleicht dachte er dabei auch an das Zerstörungswerk der Schweizer Söldner im ehrwürdigen Großratssaal. N a c h d e m der Saal während der letzten Republik wieder leidlich benutzbar gemacht worden war, usurpierte ihn schließlich Cosimo I. als Audienzsaal. M a n kann sich fragen, welche Funktion des ehemaligen Großratssaales in den Augen der Florentiner Republikaner mehr Republikverachtung zum Ausdruck brachte: das Quartier der ausländischen Landsknechte, welche die
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neuen H e r r e n gegen die eigenen Bürger zu schützen hatten, oder der Thronsaal. D e r Erfolg blieb den Medici nicht versagt. Die Desinformation mittels U m b e n c n n u n g , die Zerstörung mittels Umfunktionicrung u n d die Ncukonstellation mittels Konkurrenzierung wirken bis auf den heutigen Tag. Das Rathaus heißt »Palazzo vecchio«; die Loggia wird »Loggia dei Lanzi« genannt; die politischen Aussagen des David, der Judith und der Ringhiera sind durch die Skulpturen N e p t u n s , Herkules' und Cosimos I. entwertet; die touristische Hauptattraktion der Piazza ist der Neptun-Brunnen, und der G r o ß ratssaal ist ein Schatten des erträumten Glanzes. Der Europarat, der gemäß seiner Satzung auf die Demokratie verpflichtet ist, war schlecht beraten, als er unlängst die große Ausstellung in Florenz den Medici widmete - als ob die Florentiner Republikaner Banausen gewesen wären! Immerhin, der Palazzo della Signoria steht, die Loggia della Signoria steht, und wer aus dem Schatten der engen Gassen auf die weite, sonnenüberflutete Piazza della Signoria hinaustritt, den überwältigt immer wieder neu das befreiende Gefühl republikanischer Gestaltungskraft. Man muß sich einiges wegdenken und einiges dazudenken, um die republikanische Vergangenheit augenfällig zu machen. Hier sprachen die Redner von der Ringhiera (errichtet 1323) herab zum Volk, leisteten achtzig Bürger stellvertretend den Bürgereid und die neue Signoria anschließend den Amtseid. Hier in der Loggia (1382) versammelten sich die Würdenträger der Republik bei Staatsempfängen und Zeremonien unter dem Kranz der vier weltlichen und der drei göttlichen Tugenden. Hier auf der Piazza versammelte sich in kritischen Stunden, mitunter manipuliert, der Parlamcnto. Hier war der O r t der November-Revolution 1494. Hier in der Mitte des Platzes wurde 1498 Savonarola auf Geheiß Papst Alexanders VI. öffentlich gehängt und verbrannt. Hier begann die Revolution vom April/Mai 1527, als aufgebrachte Bürger mit dem Ruf »popolo c hbertä« das Rathaus stürmten und sich d a n n verschanzten, während Francesco Guicciardini zu vermitteln suchte. Die äußere Gestalt des Palazzo della Signoria von Arnolfo di Cambio (1299-1314) ist unverändert. D e r trutzige, festungsähnliche Bau mit Wchrgang und Zinnenkranz ist Ausdruck des politischen
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Selbstbewußtseins der wehrhaften Republik. »Es gibt wohl keinen anderen unter den mittelalterlichen Rathausbauten, der diese s y m bolische Geste der Machtdarstellung mit solch eindringlicher Bildhaftigkeit vorführt wie der Palazzo de' Signori in Florenz; sein Äußeres wirkt wie ein uneinnehmbares Kastell.« 1 D e r Glockenturm suggerierte eine doppelte Symbolik. Religiös mahnte er an das christliche F u n d a m e n t der Republik; gesellschaftlich erinnerte er an die toskanischen Famihcntürmc und damit an die Familie als Urzclle des Gemeinwesens, aber auch an das Gemeinwohl, das über den Sonderinteressen der Familienclans stehen sollte: ein Gesetz bestimmte, daß die Geschlechtertürme den Wehrgang des Rathauses nicht überragen durften. In den Bögen unter dem Wehrgang erkennen wir die Wappen der Florenz zugehörigen Territorien. Mit der Glocke des Rathausturms wurden die Bürger zum G r o ßen Rat einberufen. Auf dem Weg zum Rathaus kamen sie an der linken Ecke der Eingangsseite am »Marzocco« vorbei, dem L ö w e n Donatellos mit der Florentiner Lilie. Weiter rechts auf der Ringhiera erinnerte sie Donatellos Judith an die Legitimität des Tyrannenmordes; Judith tötete zum Wohl ihres Volkes den assyrischen Feldherrn Holofcrnes. Auf dem Sockel steht geschrieben: »Dies Beispiel öffentlichen Heiles errichteten die Bürger 1495.« Links vom Eingang ermutigte sie Michelangelos David (1504); denn David steht für die Kleinbürger. Gemeinsam sind sie stark, so stark wie die geballte Kraft des die menschliche Dimension übersteigenden David. Der Erfolg Davids über den Riesen Goliath weckte die Assoziation eines Sieges der Republikaner nicht nur über äußere, sondern auch über innere Feinde, und das heißt konkret: über die Grandi, die G r o ß b ü r ger, die Medici. Dies erkannten die jugendlichen Vandalcn aus der Optimatenpartei durchaus richtig, als sie die Skulptur in der ersten Nacht nach der Aufstellung mit Steinen und Kot bewarfen. 2 Denkt man auf dem Gesamtbild Cosimo I., N e p t u n und Herkules weg, so erfaßt man unverkennbar die kraftvolle Botschaft Judiths und Davids. Dabei muß man sich bewußt werden, daß gerade auch Analphabeten früherer Zeiten solche Zeichen ganz sclbstvcrständ1 Paul 1987, S. 342 2 Munkler 1982, S. 155
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lieh zu deuten wußten, während wir - mit flüchtigen Informationen, Bildern und Lärm überfluteten, gedankenlosen Taubblindcn - diese Fähigkeit in gezielter Anstrengung wieder lernen müßten. Das stärkste Licht zu dieser Zeit war nachts die Fackel, der lauteste Klang die Turmglockc, das schnellste Verkehrsmittel das Pferd und die für die meisten verständlichste Schrift das Bild, die Skulptur, die Architektur. Bevor die Großräte in das Innere des Rathauses eintraten, wurden sie durch eine Inschrift über dem Portal daran erinnert, daß der G r o ß e Rat im Jahre 1528, angeregt durch die Predigt Savonarolas v o m 27. Dezember 1494, Christus zum König des Volkes von Florenz gewählt hatte: »Jesus Christus Rex Fiorentini Populi S.P D e creto electus.« Christus ist unser Fürst, kein anderer! Im Palast befanden sich in republikanischer Zeit die verschiedenen Ratssäle sowie die Amts- und Wohnräume des Gonfaloniere und der Prioren. Die Signoria hütete das Rathaus bei Tag und bei Nacht, umsorgt von einem Stab grünlivrierter Diener sowie einem Buffone, der sie bei den gemeinsamen Mahlzeiten zu unterhalten pflegte. Während sich beim Gang durch die Ratssäle und die Wohnräume des Dogen im Dogenpalast von Venedig die republikanische O r d n u n g leicht vergegenwärtigen läßt, ist die ursprüngliche Funktion der Räume im Rathaus von Florenz kaum mehr zu erkennen. Die Quartiere der Signoria wurden zur prunkvollen Wohnung von Eleonora da Toledo, der Gemahlin Cosimos L, umgestaltet. Immerhin wird das jüngst renovierte Kanzlcizimmcr Machiavellis wieder gezeigt, wo vielleicht schon Leonardo Bruni und später wahrscheinlich Donato Giannotti ihre Arbeit verrichteten. Das Porträt von Santi di Tito und eine Terrakotta-Büste halten die Erinnerung an den größten florcntinischen Staatsdenker wach. Gezeigt werden auch der Gerichtssaal, in dem Savonarola zum Tode verurteilt wurde, und die Kapelle der Signoria, in der Savonarola mit seinen Getreuen die Nacht vor der Hinrichtung im Gebet verbrachte. Über dem Eingang zum G e richtssaal entdecken wir eine Statue der Gerechtigkeit und an derTür die Figuren Dantes und Petrarcas (1481). Erhalten ist schließlich zwischen Gcrichtssaal und Machiavellis Arbeitszimmer der Liliensaal mit Ghirlandaios Apotheose römischer Republikaner: Brutus d. A., Mucius Scacvola, Camillus, Decius, Scipio d.Ä. und Cicero. Sie
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stammt zwar aus der Herrschaftszcit von Lorcnzo il Magnifico (1482). Doch paßt der »republikanische Gegenstand ohne republikanischen Geist«' zur republikanischen Maskerade der Vorherrschaft Lorenzos. Gespannt betritt man den Großratssaal. In den Stadtführern wird er mitunter als Saal des Rats der 500 bezeichnet. Aber es gab in Florenz nie einen Rat der 500. Der Irrtum rührt daher, daß der G r o ß e Rat seiner hohen Mitgliedcrzahl wegen zeitweilig in Staffeln unterteilt werden mußte. Wilde stellt fest, es sei schwierig, ein Denkmal zu beschreiben, dessen ursprüngliche Zweckbestimmung nur wenige Jahre überdauerte und dessen künstlerische Ausstattung nie vollendet wurde. 2 Der Parlamcnto beschloß am 2. Dezember 1494 eine Reform, die ungefähr die Rückkehr zur Verfassung vor 1434 bedeutet hätte. Auf Druck der Straße billigten die Räte des Volkes und der K o m m u n e am Weihnachtsvortag 1494 die Einführung des Große n Rates. Kurz danach wurde Antonio da Sangallo beauftragt, den neuen Saal zu entwerfen. Er sollte zum Ausdruck bringen, daß der Große Rat als Ursprung aller Macht die Souveränität der Republik verkörperte. Bereits im Juli 1495 wurde mit dem Bau begonnen. Nach neunmonatiger Bauzeit war er bezugsfertig. Er erfüllte seinen Zweck von 1496 bis 1512. Nach dem U m s t u r z des Jahres 1527 arbeiteten Bürger und Jugendliche einen Tag und eine Nacht, um den verwüsteten Saal wieder einigermaßen herzurichten. Dann diente er dem Großen Rat bis zum endgültigen Untergang der Republik im Jahre 1530. Der Saal hatte, natürlich gewollt, fast genau die gleichen Ausmaße wie der Großratssaal in Venedig: 62 bzw. 53 m lang, 22 m breit und 12 m hoch. Die Abweichungen vom venezianischen Muster sind durch die Gebäudevorgaben bedingt. Der Großratssaal Venedigs ist rechteckig, derjenige von Florenz trapezförmig. In Venedig ist nur eine Schmalseite fensterlos, in Florenz kommt das Tageslicht von den beiden Schmalseiten. In Venedig befinden sich die Türen und die Sitze der Signoria an einer Schmalseite, in Florenz waren sie an einer Längsseite. Im Gegensatz zu Venedig errichteten die Florentiner 1 Reinhardt 1990, S. 139 2 Wilde 1944, S. 65
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gegenüber der Signoria einen Altar, wohl an jener Stelle, von der aus Savonarola 1496 gepredigt hatte. Über dem H a u p t des Gonfaloniere war eine Statue des Erlösers zur Erinnerung daran geplant, daß die Revolution am 9. N o v e m b e r 1494, dem Tag des Erlösers, stattgefunden hatte. Die neue Signoria hatte diesen Tag drei Wochen danach z u m ewigen Feiertag erklärt. Andrea Sansovino erhielt den Auftrag für diese Skulptur. Geplant war aber vor allem, Leonardo da Vinci und Michelangelo mit zwei großflächigen Fresken von je 7 m x 17.5 m zu betrauen. Michelangelo war nach fünfjähriger Abwesenheit, Leonardo nach achtzehn Jahren wieder nach Florenz zurückgekehrt. Auch das spricht für die Anziehungskraft der wiedererstandenen Republik. Leonardo sollte den Sieg der Florentiner gegen die Söldner des Herzogs von Mailand in der Schlacht von Anghiari darstellen, Michelangelo den Sieg der Florentiner über Pisa in Cascina. Die Idee war offenkundig eine Verherrlichung der Florentiner Miliz kurz vor ihrer von Machiavelli vorangetriebenen Wiedereinführung. Leonardo begann mit der Arbeit im Frühjahr 1504, Michelangelo Ende des gleichen Jahres. Dann arbeiteten beide im Wettstreit unter der gespannten Aufmerksamkeit der Florentiner. Aus ungeklärten G r ü n den stellten sie die Arbeit 1505 oder 1506 ein. Von den Entwürfen sind nur noch Fragmente erhalten. Niemand weiß, wer sie vernichtet hat. Enttäuscht verläßt der Besucher den Saal und ärgert sich über die politische Barbarei der kunstverständigen Medici.
4. Florentiner
Staatsdenker
Im Gegensatz zur Schwesterrepublik in Venedig hat die Florcntinische Republik eine Reihe bedeutender Staatsdenker hervorgebracht. Die hervorragendsten sind Dante Alighieri, Coluccio Salutati, Leonardo Bruni, Girolamo Savonarola, Niccolo Machiavelli, Francesco Guicciardini und Donato Giannotti. Vielleicht war es gerade der Gegensatz zur ruhigen, friedlichen inneren Entwicklung Venedigs, der die gewaltige pohtikwissenschafthchc Kreativität in Florenz provozierte. Die florcntinische Verfassungsentwicklung ist das Spiegelbild ständigen Lavierens, innenpolitisch zwischen den Familien
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und Parteien, außenpolitisch zwischen den intervenierenden A u ßenmächten. Florenz glich einem Schiff, das ohne festes Ziel unter rascher Auswechslung der Steuermänner und der Besatzung durch das sturmgepeitschte Meer irrte. Die Dauerkrise bedeutete eine Chance für die politischen Denker. Sic stimulierte sie zu Höchstleistungen, so wie seinerzeit Piaton und Aristoteles im krisengeschüttelten Athen. Die Zahl und das Gewicht der Florentiner Staatsdenker ist wohl nur vergleichbar mit dem antiken Athen, dem antiken R o m und der Epoche der Revolutionen in England, Amerika und Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert. Von den sieben bedeutendsten Staatsdenkern der Republik Florenz stehen fünf in der Traditionslinie der Mischverfassung. Dante Alighieri (1265-1321) trieb immerhin die Favorisierung des Rcichsgedankens und des Kaisertums nicht so weit, daß im Rahmen seiner Konzeption einer Wcltmonarchie kein Platz für autonome Stadtrepubliken geblieben wäre. Coluccio Salutati (1331-1406) indessen war unzweifelhaft ein Republikaner. Der erste, der die Florcntinische Republik als Mischverfassung deutete, war Leonardo Bruni (1369-1444). N a c h d e m er die Politik des Aristoteles aus d e m Griechischen übersetzt hatte, verfaßte er 1439 in Griechisch eine aristotelische Deutung der florentinischen Verfassung. 1 Griechisch schrieb er sie nicht etwa übungshalbcr, sondern für die griechischen Abgesandten des Konzils von Florenz (1439), auf dem die griechische Kirche mit der römischen uniert wurde. Bruni interpretierte die politische O r d n u n g von Florenz als Mischung von Aristokratie und Demokratie mit Vorrang des Aristokratischen. Girolamo Savonarola (1452-1498) orientierte sich als erster stark an der venezianischen Verfassung. Die Einführung des Großen Rates war vor allem seinem Engagement zu verdanken. Savonarolas Staatsauffassung k o m m t insbesondere in der Predigt vom 14. Dezember 14942 und im Trattato circa il Rcggtmento e Governo della citta di Firenze (1498) 1 zum Ausdruck. Sein Konzept des »governo civile« ist - im Gegensatz zu Bruni - dcmokraticlastig. 1 2 3
Bruni 1439 Savonarola 1494 Savonarola 1498
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Das gilt auch für Niccolo Machiavelli (1469-1527). Während sich Machiavelli in den Discorsi (1522)' allgemein über die Mischverfassung als bester Staatsordnung aussprach, entwarf er im bereits erwähnten Discorso sopra il riformare lo stato di Firenze (um 1520) 2 ein konkretes Reformprojekt im Sinne eines »stato misto«. Allerdings empfahl Machiavelli den Medici die Wiedereinführung der Republik in Raten. Die damaligen Medici-Herrscher in R o m und Florenz sollten die neue Verfassung einführen und anfangs noch kontrollieren, mit der Zeit aber schrittweise in die H ä n d e der Bürger geben. Rousseau hatte recht: Machiavelli war Republikaner. Wenn Zweifel an seinem Republikanismus bestehen, dann werden sie durch diesen Discorso ausgeräumt. Zwischen dem Principe (1513) und den Discorsi (1522) besteht kein Widerspruch. Der Discorso von 1520 ist das Bindeglied. Er löst den vermeintlichen Widerspruch auf: Ein Principe ist nötig, um die Republik einzuführen. Savonarola war Bettelmönch; Machiavelli stammte aus dem Mittelstand; Francesco Guicciardini (1483-1540) aber war Aristokrat, freilich ein Aristokrat, der gegenüber den Medici, den Optimaten, den Popolaren und sich selbst gleichermaßen kritisch war und der, w o immer er konnte, aufgrund einer realistischen innen- und außenpolitischen Lagebeurteilung zu mäßigen und zu vermitteln suchte. Der Vcrfassungsvorschlag im Discorso del modo dt ordinäre il governo popolare (1512) und der »governo optimo«, den er im zweiten Buch seines Dialogo del reggimento dt Firenze (1525) diskutierte, entsprach einer stark an Venedig orientierten, aristokratielastigen Mischvcrfassung. Guicciardini, Machiavelli, Savonarola, Bruni, Salutati u n d Dante waren keine weltfremden Theoretiker, sondern erfahrene politische Praktiker. Dante betätigte sich als Mitglied verschiedener Räte, Prior und Gesandter der 1. Republik. Salutati und dessen Schüler Bruni waren Kanzler der Republik Florenz. Savonarola war der F ü h r e r der Popolaren in der Frühphasc der 2. Republik. Machiavelli stand nach der Hinrichtung Savonarolas von 1498 bis 1512 im Dienste der 2. Republik, zunächst als Sekretär der »Zweiten Kanzlei«, bald darauf
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Machiavelli, Discorsi, 1/2 Machiavelli 1925, Bd. 2, S. 227-246
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zusätzlich auch des »Rats der Zehn«. In dieser Eigenschaft war er häufig auf diplomatischen Missionen, bei Cesare Borgia, bei Papst Julius IL, beim französischen König Louis X I I . und beim deutschen Kaiser Maximilian I. Guicciardini war Gesandter von Florenz in Spanien unter der 2. Republik und der nachfolgenden Medici-Hcrrschaft, Kommissar Papst Leos X. in Modena, Rcggio und Parma, sodann Präsident der Romagna, schließlich »Außenminister« von Papst Clemens VII. u n d Beauftragter für Kriegführung im Krieg gegen Kaiser Karl V , der 1527 im Trauma des Sacco di R o m a endete. D e n n o c h war er beim »Freitagstumult« vom April 1527 in Florenz zur Stelle, u m zwischen den Medici und den Aufrührern zu vermitteln und letztere vor dem Galgen zu bewahren. o
Mit Ausnahme von Salutati und Bruni endete die politische Karriere aller tragisch. D a n t e wurde verbannt und in absentia zum Tode verurteilt; er starb nach 20jährigcm Exil in der Fremde. Savonarola w u r d e hingerichtet. Machiavelli wurde verhaftet, gefoltert und verbannt. Guicciardini zog sich resigniert auf sein Landgut zurück. Alle waren Patrioten. Dante ausgenommen, fühlten sie sich nicht zur Schriftstellerci, sondern zur praktischen Politik berufen. Bestimmt spielte der Wunsch nach »onore« eine Rolle, aber mehr noch wollten sie sich im Dienste ihrer Heimat verzehren. Bruni, Machiavelli und Guicciardini schrieben je eine Geschichte von Florenz, Guicciardini dazu noch eine Geschichte Italiens. Ihr politisches, historisches und literarisches Werk entstand nebenher, vor allem aber in der e r z w u n genen, schwer ertragenen M u ß e verhinderter Politiker. Unabhängiges Denken war fast zu allen Zeiten gefährlich. Auch der persönliche Lebensweg von D o n a t o Giannotti war tragisch. Auch ihn holte, wie seine Vorgänger, das Schicksal ein. Auch er wollte sich als Staatsmann ganz in den Dienst seiner Vaterstadt stellen. A u c h er w u r d e verbannt. Ü b e r die Hälfte seines Lebens verbrachte er im Exil. Schicksalsmäßig und intellektuell trat Giannotti in die Fußstapfen seiner Vorgänger. Aber besonders in der Gcwaltcntcilungslchrc ging er ein großes Wegstück allcine weiter.
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I L G i a n n o t t i s L e b e n u n d politisches W e r k
D o n a t o Giannotti wurde 1492, im Todesjahr Lorenzos des Prächtigen, geboren. Damals war Dante seit 171, Salutati seit 86 und Bruni seit 48 Jahren tot; Savonarola war vierzig, Machiavelli d r e i u n d z w a n zig und Guicciardini neun Jahre alt. Während Florenz 1992 auf vielfältigste Weise des 500. Todesjahres von L o r e n z o de' Medici gedachte, wollte sich niemand an das 500. Geburtsjahr Giannottis erinnern. Giannotti stammte aus einer mittelständischen Goldschmiedfamilic. Ü b e r seine Jugend ist wenig bekannt. Als 1494 Frankreich in Italien einfiel, Piero di Lorenzo de' Medici nach seiner U n t e r w e r fung unter den französischen König aus Florenz vertrieben und die 2. Republik errichtet wurde, war D o n a t o gerade zweijährig. Bestimmt nahmen die Eltern den Knaben zu Predigten Savonarolas mit, und vielleicht hat der Sechsjährige dessen öffentliche H i n r i c h t u n g miterlebt. Giannotti erhielt in Florenz die klassische Bildung in Griechisch und Latein. Den Sturz der 2. Republik und die Rückkehr der Medici erlebte er als Zwanzigjähriger. Geistiger Mittelpunkt von Florenz zur Zeit der 2. Medici-FIcrrschaft waren die Orti Oricellari. 2 Hier im Garten des Rucellai-Palastes trafen sich junge Adlige und Intellektuelle zu Lesungen und Gesprächen über Literatur, Geschichte und Politik. Machiavelli verkehrte in diesem Kreis und las aus den Discorsi und der Arte della guerra vor. Wahrscheinlich hat ihn Giannotti hier persönlich kennen und schätzen gelernt. Die mißlungene Verschwörung gegen die Medici im Jahre 1522 ging von den Orti Oricellari aus. Damals weilte Giannotti bereits in Pisa. Mit 28 Jahren war er an der dortigen Universität D o z e n t für Poesie und Griechisch geworden. Diese Aufgabe versah er von 1520 bis 1525. Die Jahre 1525-1527 verbrachte Giannotti überwiegend in Padua und Venedig, zuletzt als Sekretär des florentimschcn Gesandten. In 1 Ridolfi 1942; von Albertini 1955, S. 146-166; Starn 1968 2 von Albertini 1955. S. 74-90
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dieser Zeit entstand der erste Entwurf seines Buches über die Republik Venedig 1 , der sogleich in Florenz zirkulierte. 2 Gilbert bewertet das Erstlingswerk als H ö h e p u n k t des florcntinischen politischen Denkens über Venedig. 3 Schlagartig galt Giannotti als Autorität in Verfassungsfragen. Die Nachricht vom Sturz der Medici und der Errichtung der 3. Republik erreichte Giannotti 1527 in Venedig. Er war begeistert. 4 Im Auftrag des neuen Gonfaloniere Niccolo Capponi schrieb er ein M e m o r a n d u m für die Verfassungsrcform in Florenz. Diese D e n k schrift mit dem Titel Discorso sopra ilfermare il Governo di Firenze (1527)'' ist die erste schriftliche Stellungnahme Giannottis zur republikanischen O r d n u n g von Florenz. Giannotti verarbeitete darin kritisch die Erfahrungen der Republiken von Florenz und Venedig. O b er die ähnlich ausgerichteten Reformvorschläge von Guicciardini aus den Jahren 1512 und 1525 und von Machiavelli aus dem Jahre 1520 kannte, ist nicht überliefert. Giannotti entwarf eine dreigliedrige Mischverfassung mit einer präziseren, konsequenteren Gewaltcntcilung. Daß er auf die Einbindung der Aristokraten stärker Rücksicht nahm als in seinem späteren Hauptwerk, mag mit der heiklen politischen Gratwanderung Capponis im Zusammenhang gestanden haben. Das Überleben der Republik hing innenpolitisch entscheidend davon ab, daß die Aristokraten nicht in das Mcdici-Lager abdrifteten. Schon hier erweist sich Giannotti als vorsichtiger Realist, der den Reformplan ganz im Sinne von Aristoteles pragmatisch in Abschätzung des Chancen- und Risikcnpotcntials aus dem Status quo heraus entwickelte. Das Memorandum scheint bei Capponi und seinen Beratern gut angekommen zu sein. Denn der 35jährige Giannotti wurde wenige Wochen nach der Ablieferung zum Sekretär des Rats der Zehn gewählt. Diese Schlüsselposition behielt er auch unter den nachfolgenden beiden Gonfalomeri. Giannotti stand allerdings nicht im Rampenlicht; er wirkte hinter den Kulissen, dies aber offenbar sehr 1 2 3 4 5
Giannotti 1974, Bd. l.S. 27-151 (Erstdruck 1540) Gilbert 1968, S. 490 ibid. Giannotti 1974, Bd. 2, S.8f Giannotti 1974, Bd. 1,S. 153-166 (Erstdruck 1786)
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nachhaltig. Viele Dokumente tragen seine Unterschrift. Wie sein Vorgänger und Vorbild Machiavelli engagierte sich Giannotti stark für die Wiedereinführung der Bürgermiliz. Kaum im Amt, unterbreitete er der Signoria im Discorso di armare la citta di Firenze (1528) 1 sein Verteidigungskonzept. Die nachfolgende Einrichtung der Stadtmiliz orientierte sich weitgehend an seinem Vorschlag. Giannotti arbeitete eng mit Michelangelo zusammen, der als engagierter Republikaner ohne Bezahlung die Befestigungsanlagen der Stadt ausbaute, 1529 zum Mitglied des Militärrats der Neun, dann in das neugeschaffene, nunmehr besoldete Amt des Chefs der Befestigungsanlagen gewählt wurde. 2 Michelangelo ergriff zwar während der Belagerung von Florenz in einem Anflug von Panik die Flucht, kehrte aber nach kurzer Zeit reumütig zurück und harrte bis zum bitteren Ende aus. Die Freundschaft Giannottis mit Michelangelo hat die vorübergehende Fahnenflucht und die Niederlage überdauert. Auch mit Francesco Ferrucci, der auf seinen Vorschlag zum Milizführer gewählt wurde, fühlte sich Giannotti eng verbunden. Ferrucci schlug sich heldenhaft, führte die Schlacht bei Volterra schwer verwundet von der Bahre aus und wurde im letzten Gefecht bei Pistoia nach der Gefangennahme brutal niedergemacht. Giannotti widmete ihm eine ergreifende Würdigung.' Während die Aristokraten das sinkende Schiff feige verließen, setzte sich die Bürgermiliz bis zuletzt tapfer zur Wehr. Aber der Übermacht von Kaiser und Medici-Papst war sie nicht gewachsen. Mit sichtlichem Stolz wird Giannotti später schreiben: wenn eine mit so vielen Mängeln behaftete Republik so tapfer kämpfte, wie kraftvoll wäre dann erst recht eine perfekt geordnete. 4 Während das Kunstintcresse der Medici Michelangelo vor der Verurteilung schützte, wurde der Politiker Giannotti nach der Niederlage 1530 verhaftet und verbannt. Mit 38 Jahren mußte er seine Vaterstadt verlassen und lebte fortan 43 Jahre lang bis zu seinem Tod im Exil. Die erste Zeit verbrachte Giannotti unter ständiger Überwachung in Comcano und Bibbicna. Er schrieb den Discorso tntomo 1 2 3 4
ibid., S. 167-180 (Erstdruck 1891) Roth 1925, S. 187 Giannotti 1974, Bd. 1,S. 433-441; auch Giannotti 1990, S. 233-237 (hierS. 322-327) Giannotti 1990, S. 152 (hier S. 223)
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alla forma della Repubblica di Firenze (frühestens 1530)', in welchem er die Verfassung der letzten Republik von Florenz aus eigener Erfahrung beschrieb. Daraus haben wir die Schilderung des Wahlverfahrens der Signoria entnommen. Vor allem aber schrieb er sein Hauptwerk Della Republica fiorentina (1532/34) nieder, das als politisches Programm der Exilrcpublikancr gelten kann. Die innenpolitischen Überlegungen ergänzte er durch den außenpolitischen Discorso delle cose d'Italia (1535). 2 Darin riet er Papst Paul III. die Vereinigung aller italienischen Kräfte, um die von Kaiser Karl V. angestrebte Vorherrschaft über Italien mit der Unterstützung Frankreichs und Englands zu verhindern. Auch die Komödie / / vecchio amoroso (1536) 3 stammt aus dieser Zeit. Schließlich nutzte Giannotti die unfreiwillige Muße, um sein frühestes Werk Della Repubblica de' Viniziani4 für die Drucklegung vorzubereiten; es erschien 1540 in Venedig. 1536 reiste Giannotti ohne Erlaubnis nach Rom. Im Jahr darauf war er kurz in Florenz, um als Gesandter der Exilrcpublikancr mit Cosimo I. zu verhandeln. Nach dem Scheitern dieser Mission schloß er sich der Anti-Mcdici-Gruppe in Bologna an und nahm möglicherweise 1537 an der Schlacht von Montemurlo teil, dem letzten, erfolglosen Aufbäumen der Exilrepublikaner gegen die M e dici. 1539 trat Giannotti in die Dienste des anti-mcdiccischcn Kardinals Niccolo Ridolfi, zunächst in Rom, dann in Bologna und Viccnza, später wieder in Rom. Ihm hat er seine Republica fiorentina gewidmet. In Rom knüpfte Giannotti die Bande der Freundschaft mit Michelangelo noch enger. Ihre gegenseitige Sympathie gründete in der Erinnerung an den gemeinsamen Verteidigungskampf, der gemeinsamen Liebe zur Vaterstadt, der gemeinsamen republikanischen Gesinnung und dem gemeinsamen Interesse an Musik und Dichtkunst. Beide waren nebenbei ja auch Poeten. Giannotti hinterließ den Entwurf einer Tragödie zur Passion Christi, zwei Komödien und zahlreiche Sonette.'' Michelangelo schrieb Sonette, Madrigale 1 2 3 4 5
Giannotti 1974, Bd. 1, S. 413-432 (Erstdruck 1819) ibid., S. 371-411 (Erstdruck 1819) Giannotti 1850, Bd. 2, S. 193-290 Giannotti 1974, Bd. 1,S. 27-151 Giannotti 1850, Bd. 2
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u n d Epigramme. Regelmäßig tauschten die Freunde ihre neuen Sonette aus. Leider ist ihr Briefwechsel verschollen. Aber in den überlieferten Briefen Michelangelos an seinen Sekretär Luigi del Riccio k o m m t Giannotti mehrfach vor.1 Zusammen mit del Riccio plante er eine Edition der Gedichte Michelangelos 2 ; das Manuskript liegt in der Vatikanischen Bibliothek. Michelangelo verkehrte in Rom fast ausschließlich im Kreis der Florentiner Exilrepublikaner. Zu diesen »fuorusciti« stieß auch Giannotti, wenn er in Rom weilte. Vor allem in den vierziger Jahren trafen sich Michelangelo und Giannotti fast täglich zu Gesprächen und Wanderungen. Giannotti war ein geduldiger Zuhörer und Ratgeber. Er empfahl Michelangelo, ein H o l z m o dell des Projekts der Petersdomkuppel 3 und eine Zeichnung für die geplante Treppe der Laurcnziana 4 anzufertigen. In einem Vertrag in Zusammenhang mit dem Julius-Grabmal wurde Giannotti als Schiedsrichter eingesetzt/ In seinem Römer Exil verfaßte Giannotti zwei Dialoge über die Divina Commedia von Dante. 6 Diese wenig bekannten Dialoge werfen ein besonders helles Schlaglicht auf die Persönlichkeit Giannottis und seine Beziehung zu Michelangelo. Es sind in der Tat »Gespräche mit Michelangelo«, 7 denn die Dialoge werden von ihm dominiert. Dazu muß man wissen, daß Michelangelo ein »gran dantista« war, der die Göttliche Komödie fast auswendig kannte. 8 Zeit und O r t der Handlung lassen sich aus dem Text bestimmen: Rom 1546. Im zweiten Dialog gibt Giannotti ein faszinierendes Streitgespräch über den Tyrannenmord wieder/ Vordergründig geht es dabei um die Frage, ob Dante die Caesarmörder Brutus und Cassius zu recht zusammen mit Judas in die unterste Hölle verdammte. 10 Michelangelo verteidigt Dante. Dieser habe keineswegs die historischen Gestalten im Visier gehabt. Vielmehr diene ihm 1 2 3 4 5 6 7 8 > ' 10
Michelangelo 1979, S. 146/177/220/223/257 Vasari 1550/68, Bd. 4, S. 1877f ibid., Bd. 1, S. 103 Giannotti 1974, Bd. 2, S. 159 Vasari 1550/68, Bd. 3, S. 1201 Giannotti 1939 (Erstdruck 1859) So der Titel der deutschen Übersetzung (Giannotti 1968) Condivil553,S. 84 Riklin 1996 Dwina Commedia, Inferno, XXXIV
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Caesar als Symbol des gottgewollten Wcltmonarchen, so wie Brutus und Cassius gleichsam allegorisch die Verräter an der kaiserlichen und mittelbar der göttlichen - Majestät verkörperten. Michelangelo folgte damit der Argumentation von Leonardo Bruni' und C r i s t o foro Landino. 2 Giannotti leuchtet dies überhaupt nicht ein. E n t w e der sei Dante ein schlechter Historiker oder aber - noch schlimmer - ein schlechter Mensch. In der Hitze des Gefechts läßt sich Giannotti gar dazu hinreißen, Dante anstelle von Brutus in den Rachen Luzifcrs zu verwünschen. Wie vor ihm Machiavelli 3 , zweifelt er mitunter an der politischen Urteilskraft des großen Dichters. Die Heftigkeit des Streitgesprächs läßt sich nur vor dem H i n t e r grund der brandaktuellen Frage verstehen, welche die Exilrcpublikaner damals tagtäglich plagte. Es ging unausgesprochen u m das Problem der moralischen Legitimation und politischen O p p o r t u n i tät der gewaltsamen Beseitigung des Tyrannen von Florenz, Cosimo d.J. de' Medici. N a c h d e m alle diplomatischen und militärischen Bemühungen fehlgeschlagen waren, erschien der Tyrannenmord als einziger und letzter Ausweg, um die Republik nach den Plänen Giannottis wieder zu errichten. Nirgendwo im Q u a t t r o - und Cinquecento waren der Tyrannenmord-Topos und der Brutus-Mythos so präsent wie in Florenz. Einzig in Florenz wurde durch ein öffentliches Denkmal auf dem Rathausplatz, Donatcllos Judith, die Bürgerpflicht zum Tyrannenmord angemahnt. Nicht von ungefähr hat Michelangelo die Judith zusammen mit dem David in der Sixtinischen Kapelle wieder aufgegriffen. Zweifellos hatten die Gesprächspartner im Jahre 1546 in wacher Erinnerung, daß in den vorangegangenen 68 Jahren drei Verschwörungen gegen die Medici mißlungen waren (1478, 1513, 1522) und daß neun Jahre zuvor Alessandro de' Medici ermordet worden war. Die Exilrcpubhkancr hatten den Attentäter von 1537 als »toskamschen Brutus« gefeiert. Die Brutus-Gestalt hat Giannotti seit dem Sturz der letzten Republik in ihren Bann gezogen. Im Hauptwerk Republica fiorentina würdigt er den Tyrannenmord als ruhmvolle Tat und zollt Brutus
1 Bruni 1401/1405, S. 76f 2 Landino 1974, Bd. 2, S. 185ff (Dante-Kommentar aus dem Jahre 1481) 3 Machiavelli 1925, Bd. 5, S. 290f
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höchste Anerkennung. 1 Entsprechend negativ ist sein Urteil über Caesar. 2 Zwischen den Zeilen befürwortet er am Ende des vierten Buches den Tyrannenmord hie et nunc als eine von mehreren O p tionen. 3 1533 sandte er Lorcnzo Strozzi eine Disposition für dessen Brutus-Tragödie und bot ihm die weitere Mitarbeit an. 4 Giannotti w a r es auch, der 1539, kaum war er in die Dienste von Kardinal Ridolfi eingetreten, seinen neuen Auftraggeber dazu bewog, Michelangelo den Auftrag für eine Brutus-Büste zu erteilen. 5 D a ß Michelangelo zwei Jahre nach der Ermordung Alcssandros den Auftrag a n n a h m und eine meisterhafte Charakterstudie des rechtschaffenen T y r a n n e n m ö r d e r s schuf, spricht für sich. Michelangelo und Giannotti sind sich auch 1546 noch in der grundsätzlichen Befürwortung des Tyrannenmords einig. Beide verurteilen den historischen Caesar und verehren den historischen Brutus, dies im Widerspruch zu Salutati/' Aber wie Francesco Guicciardini 7 mahnt Michelangelo zur Vorsicht. Es komme nicht nur auf die Gesinnung an; man müsse auch die Folgen bedenken. Es sei vermessen, einen Tyrannen umzubringen ohne die Gewißheit, daß sich die Dinge danach z u m Besseren wenden würden. In der Hitze des Wortgefechts zielt Michelangelo schließlich nicht auf die Sache, sondern direkt auf die Person Giannottis: »Mir sind einige unerträglich, die glauben, man könne das Gute nicht herbeiführen, ohne mit dem Schlechten, d.h. dem Töten, zu beginnen.« Giannotti ist zutiefst verletzt. Erbricht das Gespräch ab. Aber die Freundschaft ist stärker. Giannotti will Michelangelo nach Hause geleiten und sich auf dem H e i m w e g mit ihm versöhnen, was denn auch geschieht. Giannotti war ohne Übertreibung ein »amicissimo« Michelangelos. In seiner Grabrede auf Michelangelo sagte Bencdctto Varchi: »Mit dem ebenso gütigen wie hochgelehrten Giannotti pflegte Michelangelo Umgang, wie man ihn nur mit dem allcrvcrtrautestcn
1 2 3 4 5 6 7
Giannotti 1990, S. 149 (hier S. 219) ibid., S. 80 (hier S. 138) ibid., S. 250-256 (hier S. 342-349) Giannotti 1974, Bd. 2, S. 26/2031' Vasari 1550/68, Bd. 1,S. 112 Salutati 1400, S.XXIIff Guicciardini 1946, S. 68(1/22)
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Freunde haben kann; ihm schüttete er über alles sein H e r z aus.«' Das war 1564. In der Zwischenzeit war Giannotti — nach dem Tod von Kardinal Ridolfi (1550) - in die Dienste des französischen Kardinals Fran^ois de Tournon getreten. Er begleitete ihn auf zahlreichen Missionen, so auch zweimal nach Frankreich. Aus Anlaß des politischen U m s t u r zes in Siena verfaßte Giannotti zu H ä n d e n von Kardinal Tournon den Discorso sopra il riordtnare la Republica di Siena (1552). 2 Darin kommt seine Gcwaltenteilungslchre nochmals besonders prägnant zum Ausdruck. Nach dem Tode von Kardinal Tournon (1562) weilte Giannotti in Venedig und Padua, bis er 1571 von Pius V zum »Segretario dei Brevi« nach Rom berufen wurde. 1573 starb er im hohen Alter von 81 Jahren in Rom.
III. Giannottis politisches P r o g r a m m
Giannotti schrieb sein Hauptwerk über die Republica fiorentina mit der erklärten Absicht, einen Vcrfassungsvorschlag für eine stabile und friedliche Republik zur Diskussion zu stellen. 3 Er wollte verhindern, daß nach dem Sturz der Mcdici-Tyrannei wieder eine nur mittelmäßige Republik errichtet würde. Die Republica fiorentina umfaßt vier Bücher. Im ersten Buch umreißt Giannotti Ziel und Gedankengang des Werks, entwickelt aus der Staatsformcnlehrc die Mischverfassung als beste Lösung und begründet, warum Florenz alle Voraussetzungen für eine perfekte Mischverfassung besitzt. Das zweite Buch enthält eine scharfe Kritik an den beiden Republiken 1494-1512 und 1527-1530. Im dritten Buch entwirft Giannotti sein Konzept der vollkommenen, Florenz angepaßten gcwaltcntciligen Mischverfassung. Das vierte Buch beschreibt die Wehrverfassung, faßt das Werk zusammen und schließt 1 Varchi 1564, S. 44 2 Giannotti 1974, Bd. I, S. 443-455 (Erstdruck 1819) 3 Giannotti 1990,1/1 (hier S. 129ff)
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mit Überlegungen, wie das Reformprogramm in die Tat umgesetzt w e r d e n kann. Die folgende Analyse hält sich überwiegend an den Aufbau des Werks, mit Schwergewicht auf dem dritten Buch und unter Einbezug der anderen Schriften Giannottis.'
1. Virtu der
Staatsform
Zwei Entwicklungslinien durchziehen die politische Ethik der westlichen Zivilisation: Personalismus und Institutionalismus. 2 Die pcrsonalistische Ethik vertraut auf die Tugend der Menschen, vor allem der Regierenden. Die institutionalistische Ethik gründet auf der Qualität von Institutionen. In der Antike sind beide Ansätze etwa gleichgewichtig, im Mittelalter überwiegt die pcrsonalistische, in der N e u z e i t die institutionalistische politische Ethik. Der Paradigmawechsel vom personellen zum institutionellen Ansatz erfolgt in der Renaissance. Giannotti zählt zu den Pionieren. Ausdrücklich überträgt er den Tugendbegriff vom Menschen auf die Institution und spricht von der »virtü della forma« (RF IV/7, S. 332f). Dahinter steht ein pessimistisches Menschenbild. Kurz zuvor hatte Machiavelli geschrieben, alle Menschen seien undankbar, wankelmütig, verlogen, heuchlerisch, ängstlich, raffgierig, böse und schlecht. 3 Die Politik müsse davon ausgehen, daß alle Menschen schlecht seien und stets ihren bösen Neigungen folgten, sobald sie Gelegenheit dazu hätten; freiwillig täten sie niemals Gutes; 1
2 3
Eintachheitshalber werden in diesem Abschnitt die Belegstellen in den Text integriert, mit den folgenden A b k ü r z u n g e n : DaF Discorso di armarc la citta di Firenze (1528) DGF Discorso sopra ilfermarc il Governo di Firenze (1527) DRF Discorso intomo alla forma della Repubblica di Fircn/.e (nach 1530) DRS Discorso sopra il nordinare la Repubblica di Siena (1552) RF Republica fiorentina (1534) RV Della Repubblica de' Vmiziam (1527/1540) Für das H a u p t w e r k Republica fiorentina wird in der Regel auf Buch und Kapitel verwiesen (Beispiel: 1/1 = Erstes Buch/erstes Kapitel). Werden Seitenzahlen angegeben, so beziehen sie sich auf unsere Übersetzung in diesem Band; dort finden sich im Text auch die Seitenzahlen der italienischen Edition von 1990. Alle übrigen Quellen werden nach dem ersten Band der Diaz-Ausgabe von 1974 zitiert. Riklin 1987, S. 12 Machiavelli 1513, Principe, XVIIf
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deshalb müßten sie durch Gesetze zum Guten gezwungen werden. 1 Giannotti hattedic 1531 veröffentlichten D/scors;gelesen 2 , aus denen das letzte Zitat entnommen ist. Sein Menschenbild ist zwar nicht so rabenschwarz wie jenes von Machiavelli. Aber auch ihm scheinen die Menschen eher schlecht als gut (RF, S. 140/195/268/272). Aus freien Stücken tun sie selten Gutes; wie die Esel, die ohne Schläge nicht gehen wollen, muß man die Menschen zum G u t e n zwingen (RF, S. 272). Deshalb spricht Giannotti kaum von menschlichen Tugenden, sondern vielmehr von Motiven und Interessen (umori, cose, desideri). 3 Vier Motive bewegen die Menschen: Besitz, Ehre, Schaden u n d Schande (RF 11/20, S. 218). Die Politik muß alle diese Motive ins Kalkül ziehen, dabei vorzugsweise mit Ehre belohnen, statt mit materiellem Gewinn ködern oder mit Schaden und Schande bestrafen (DaF, S. 178f). Eine gute politische O r d n u n g soll so angelegt sein, daß die vier Interessen nach Ruhe, Freiheit, Ehre u n d G r ö ß e optimal befriedigt werden (RF II/2, S. 167). Stabil ist eine Republik nur dann, wenn sie die Bürger als Anhänger gewinnt; und als Anhänger der Republik können die Bürger nur gewonnen werden, w e n n ihre Wünsche und Interessen erfüllt werden ( D G F , S. 157). Dem pessimistischen Menschenbild steht ein optimistisches Staatsbild gegenüber. Giannotti glaubt an die Machbarkeit des guten, ja des besten Staates. Es möge zwar glückliche Zufälle weiser H e r r scher geben, aber solche pcrsonalistische Regime stünden und fielen mit den Machthabcrn; sie seien nicht von Dauer (RF, S. 332f). Entscheidend sei die virtü der Form. N u r sie könne die Staatszwecke der Stabilität, des Friedens und der Freiheit gewährleisten. Die Gleichheit aller Bürger in bezugauf die Grundpflichten (Steuer- und Wehrpflicht) und die Grundrechte (Wahl-, Stimm- und Initiativrecht) vermöge jene patriotische Gesinnung zu erzeugen, die zur Bewahrung und Verteidigung einer Republik unerläßlich sei. Durch Wahlen, Einbindung in Gesetze, Beschränkung der Behördenmacht, Anreiz von Belohnungen, Androhung von Strafen und anderes mehr sollen Bürger und Amtsträger vom Schlechten abgehalten und zum 1 Machiavelli 1522, Discorsi, 1/3 2 Giannotti 1974, Bd. 2, S. 25 3 Pocock 1975, S. 298
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G u t e n gezwungen werden (RF, S. 268/ 276/296). Die gute O r d n u n g der Republik erzeuge gute Menschen (RF, S. 305). Die virtü der Form b e w i r k e die virtü der Bürger und Amtsträger, nicht umgekehrt. Mit solchen Überlegungen eröffnet Giannotti eine Entwicklungslinie, die über Harrington, H u m e und Kant bis zu Popper und Rawls führt. James Harrington hat den Gedanken noch zugespitzt, als er schrieb, der Satz »Gebt uns gute Menschen, und sie werden uns gute Gesetze hervorbringen« sei die Maxime eines Demagogen; die These » G e b t uns gute O r d n u n g e n , und sie werden uns gute Menschen hervorbringen« sei dagegen die Maxime des Staatsmannes u n d die unfehlbarste in der Politik.' Auch David H u m e vertraute mehr auf gute Institutionen als auf gute Menschen. G u t e Institutionen seien nicht von den Launen der Mächtigen abhängig und zwängen selbst schlechte Menschen, für das Gemeinwohl zu wirken. 2 Immanuel Kant meinte, eine gute Staatsorganisation könne selbst aus einem Volk von Teufeln zwar nicht moralisch gute Menschen, wohl aber gute Bürger machen; allerdings fügte er den Vorbehalt hinzu: »wenn sie nur Verstand haben«. 3 Der vielleicht schärfste Angriff auf die personalistische politische Ethik stammt von Karl Popper. Er wirft Piaton eine falsche Fragestellung vor. Diese falsche Problemstellung sei von den politischen Denkern bis hin zu Rousseau und Marx niemals klar abgelehnt worden. Die grundlegende Frage der Staatstheorie sei nicht »Wer soll herrschen?« oder »Wer soll die Macht innehaben?«, sondern »Wieviel Macht soll der Regierung eingeräumt werden?« oder genauer »Wie können wir unsere politischen Einrichtungen so gestalten, daß auch unfähige und unredliche Machthaber keinen großen Schaden anrichten?« Das Fundamcntalproblcm der politischen Theorie sei die Frage der Z ä h m u n g politischer Macht, sei die Verhinderung von Willkür und M a c h t m i ß brauch durch Institutionen. 4 John Rawls schließlich überträgt wie Giannotti den Tugendbegriff vom Menschen auf die Institutionen. s
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Harrington 1656. S. 205 Hume 1741/42, S. 15f Kant 1795, Erster Zusatz Popper 1984, S. 249f Rawls 1975. S. 19
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Mit der »Form« meint Giannotti die Staatsform, die Verfassung u n d die Gesetze, das N e t z w e r k von Staatsorganen, Staatsfunktionen und Entscheidungsabläufen. Die Staatsform verhalte sich zu den natürlichen Voraussetzungen, den personellen und materiellen Ressourcen einer Stadt wie die Seele zum Körper. Ein bestialischer Körper korrumpiere die menschliche Seele, so wie umgekehrt eine teuflische Seele den Körper verunstalte. 1 Körper und Seele müßten zusammenstimmen. Der Körper von Florenz sei ohne Makel ( R F 1/5). Was fehle, sei die virtü der Form. Der Staatsrcformer Giannotti will dem Staatskörper von Florenz gleichsam die Seele einhauchen. An anderer Stelle vergleicht Giannotti den Staat mit einem natürlichen Körper, der von der H a n d des Künstlers geformt wird (RV, S. 37). Selbst den Staatsphilosophen, der eine bestehende politische O r d n u n g beschreibt, vergleicht er mit einem Maler oder Bildhauer (RV, S. 54). Der Staatsreformer erst recht ist ein Staatskünstler. Er ist gleichsam ein Architekt, der auf dem Fundament der sozialen und materiellen Gegebenheiten den Palazzo restauriert (RF, S. 135). Burckhardt nennt die meisten italienischen Stadtstaaten der Renaissance, allen voran Florenz, »Kunstwerke, das heißt bewußte, von der Reflexion abhängige, auf genau berechneten sichtbaren Grundlagen ruhende Schöpfungen...« 2 Er äußert sich allerdings kritisch über die Florentiner »Staatskünstlcr, welche durch künstliche Verlegung und Verteilung der Macht, durch höchst filtrierte Wahlarten, durch Scheinbehörden und dergleichen einen dauerhaften Zustand begründen, groß und klein gleichmäßig zufriedenstellen oder auch täuschen wollen. Sic exemplifizieren dabei auf das naivste mit dem Altertum... Von allen jedoch, die einen Staat meinten konstruieren zu können, ist Machiavcll ohne Vergleich der größte.« 3 Hätte Burckhardt Giannotti gekannt, so hätte er anerkennen müssen, daß unser A u t o r seinen Verfassungsentwurf mit realistischem Augenmaß aus den historischen, gesellschaftlichen und institutionellen Vorgaben im Florenz seiner Zeit entwickelte. Worin besteht nun aber, allgemein und bezogen auf Florenz, die virtü der Form? Giannottis allgemeine Lehre vom Staat, von den 1 Pocock 1975, S. 296 2 Burckhardt 1943, S. 102 3 ibid., S. 96f
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Staatsformen und vom besten Staat ist überwiegend aristotelisch (RF 1/3-4). D e r Zweck des Staates ist das gute Leben. Zum guten Leben ist der Mensch auf die Gemeinschaft angewiesen. Es gibt sechs ungemischte Staatsformen, drei gute und drei schlechte. Untcrscheidungskritcrien sind die Zahl der Machtträger (einer - wenige - viele) und die Ausrichtung auf das Gemeinwohl bzw. Privatwohl. Ferner gibt es in jedem Staat drei Bevölkerungsklassen: die Armen, die Reichen und den Mittelstand. Die reinen Staatsformen sind instabil. Der beste Staat besteht in einer Mischung der reinen Staatstypen unter Berücksichtigung der Interessen der drei Bevölkerungsklassen. Voraussetzung ist ein breiter Mittelstand. Seitdem im 15. Jahrhundert ein breiter Mittelstand entstanden ist, besitzt Florenz die allerbesten Voraussetzungen für eine wohlgeordnete Republik (RF 1/5). Einzig in der Kreislauftheorie und im P o stulat der dreigliedrigen Mischverfassung steht Giannotti Polybios näher als Aristoteles. Dementsprechend sind seine Vorbilder gutgemischter Republiken Sparta und Rom.
2. Kritik des realen
Republikanismus
Giannottis Kritik der letzten beiden Republiken im zweiten Buch der Republica fiorentina ist vernichtend. Die Interessen der Menschen nach Ruhe, Freiheit, Ehre und Größe wurden ungenügend berücksichtigt (RF II/2). Die Staatsfunktionen waren schlecht geregelt. Denn die Außen- und Sichcrheitspohtik lag de iure, die Gesetzgebung de facto in den H ä n d e n weniger. Der Rechtsprechung mangelte ein Berufungsgericht. Die Vielen konnten nur wählen. Wenn den Vielen aber nur das Wählen zusteht, dann liegt kein freier Staat vor.' Die 2. und die 3. Republik waren tyrannische Oligarchien (RF II/3). Selbst die Wahlfunktion war durch zu großes Gewicht des Loscns (RF U/4) und durch Manipulationen (RF II/5) pervertiert. Die Signoria (RF U/4), die Dicci (RF IL/5), die O t t o (RF U/6) und die Collegi (RF U/7) waren tyrannisch. Auch der Gonfaloniere war
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Vgl. Rousseau 1762, Contrat social, 111/15
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ab 1502 zu mächtig (RFII/8). Die Grandi hatten, mit oder ohne A m t , zu großen Einfluß (RF U/9). D e r Kreis der Entscheidungträger war viel zu eng (»republica strettissima«, R F 11/10). Dante hatte recht, als er die Grandi Wölfe (RF U/11) und das Volk von Florenz einen schönen Schafstall (RF 11/12) nannte. O b mit Amt oder ohne A m t , zogen sich die Grandi ihrer Gemeinheit und Niedertracht wegen den H a ß der Allgemeinheit zu (RF U/13). Die Behörden erniedrigten die Bürger (RF U/14). N a c h unpopulären oder fehlerhaften Entscheiden schoben sich die Amtsträger gegenseitig die Verantwortung zu (RF U/15). Der Entscheidungsprozeß war in beiden Republiken schlecht geregelt. Die Kritik an der fehlenden Gewaltcntcilung zwischen Beratung, Entscheidung und Ausführung hatte Giannotti bereits früher erhoben ( D G F , S. 160). In der Außen- und Sicherheitspolitik lagen alle drei Phasen des Entscheidungsprozesses in den H ä n d e n der Dieci. Der Rat der Zehn beriet, entschied und führte aus. So gab er sich selbst Ratschläge, und dazu oft schlechte. In einem gut geordneten Entscheidungsprozeß sollten wenige beraten, aber viele entscheiden. Schließlich war die Ausführung zu langsam, u.a. auch deshalb, weil der Gonfaloniere an den Beratungen der Dicci nicht teilnahm (RF 11/16-17). Der Gesetzgebung mangelte die Voraussicht kompetenter Berater, mit der Folge häufiger Gesetzesrevisionen: »Legge fiorentina, fatta la sera e guasta la mattina.« (RF U/18) Die ungenügende Berücksichtigung der Interessen der verschiedenen Bcvölkcrungsschichtcn hatte zur Folge, daß keine hinreichende Vaterlandsliebe aufkam. Was man aber nicht liebt, das verteidigt CT man nachlässig. U n d was man nicht verteidigt, das ist nicht von Dauer (RF 11/19-20). Im Alter war Giannotti milder gestimmt. Tyrannisch war in seinem Urteil die Medici-Herrschaft. Die beiden letzten Republiken schienen ihm nicht mehr so schlecht. Sie seien aufgrund äußeren Drucks zugrunde gegangen (DRS, S. 444). Ihre Gesetze seien gut gewesen, ihre Verfassungen indes nicht hinreichend (DRS, S. 450).
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3. Mischverfassung
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sui generis
N a c h dieser harschen Kritik kehrt Giannotti zum Ausgangspunkt z u r ü c k - zum Problem der Errichtung einer stabilen Republik. Die Stabilität einer Republik ist von innen und außen bedroht. Die innere B e d r o h u n g kann durch eine gute politische O r d n u n g abgewendet w e r d e n . Der äußeren Bedrohung m u ß mit einer Bürgermiliz begegnet werden (RF 111/ 1). Das dritte Buch der Republica fiorentina ist ganz der politischen Verfassung gewidmet, das vierte Buch größtenteils der Wehrverfassung. Auf den dreigliedrigen »stato misto« hatte sich Giannotti bereits im ersten Buch festgelegt. Die einfache Staatsform kann nur ein einziges Interesse befriedigen; allein die Mischverfassung berücksichtigt die verschiedenen Interessen der verschiedenen sozialen G r u p p e n (DGF, S. 157). N u n geht es um die Konkretisierung des Verfassungskonzepts für Florenz. Giannotti unterscheidet zwei Arten des »stato misto«. Im einen Fall haben alle drei Teile das gleiche Gewicht, im andern hat einer der drei Teile das Übergewicht. Giannotti lehnt die gleichgewichtige Mischverfassung ab, weil sie zu ständigem Parteiengerangel führe. In der ungleichgcwichtigen Mischverfassung bleibt der d o m i nierende Teil zwar von den beiden anderen Teilen abhängig, aber weniger stark als diese von ihm (RF III/2). Innerhalb der ungleichgcwichtigen Mischverfassung lehnt Giannotti die zum Prinzipat und zur Oligokratie neigenden Varianten ab, weil beide die Freiheit bedrohen. Im Gegensatz dazu hatte er im Discorso von 1527 eine aristokraticlastigc Mischverfassung vorgeschlagen (DGF, S. 153ff). N u n m e h r plädiert er für eine Mischverfassung mit demokratischer Tendenz. Denn die Popolaren trügen weit mehr zum guten Gemeinschaftsleben bei als die Grandi. Sie seien klüger, weil sie bescheidener lebten. Die Klugheit hänge nicht von der Herkunft ab, sondern von der Bildung. N u r wer gehorchen gelernt habe, verstehe das Befehlen. Z u m breiten Mittelstand von Florenz passe die zum Volk neigende Mischverfassung (RF III/3). An dieser Stelle beschränkt sich Giannotti auf zwei soziale Kräfte: Popolari und Grandi. Im ersten Buch hatte er für alle Staaten drei
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soziale Klassen unterschieden (RF 1/3). Bei genauerem Lesen entdeckt man aber, daß er in Florenz vier soziale Schichten feststellt (RF 1/5, S. 161ff;II/2;III/5,S. 239): - die besitzlosen Plebei, die allein Ruhe (tranquillitä) wünschen, aber keinen Machtanteil erwarten; - die Popolari, die etwas Weniges besitzen u n d zusätzlich zur Ruhe nach Freiheit (libertä) streben; -
die Mediocri, die über Ruhe und Freiheit hinaus die mit Amtern
verbundene Ehre (onorc) begehren; - die Grandi, also die Adligen und die Reichen, die neben Ruhe, Freiheit und Ehre vor allem nach Herrschaft und Größe (grandezza) trachten. Die Plebei sind im Verfassungsaufbau vernachlässigbar, wenn sie nur in Ruhe gelassen werden. Die anderen drei sozialen Schichten mit ihren spezifischen Interessen müssen hingegen in der Verfassungsarchitektur berücksichtigt werden. Ihnen entsprechen die drei H a u p t teile der Konstitution (RF III/4): -
Das demokratische Element (popularitä) k o m m t im Großen Rat zum Ausdruck. Er ist der Garant der libertä. In ihm haben die Popolari zahlenmäßig das Übergewicht. Er verkörpert die oberste Gewalt der Republik und gewährleistet die demokratische Tendenz der Mischverfassung. CT - Das oligokratischc Element (stato degli ottimati) ist im Senat repräsentiert, der den Wunsch der Mediocri nach onorc erfüllt. - Das monokratische Element (prineipato, regno) verkörpert der Principe oder Gonfaloniere. Es entspricht dem Herrschaftsintcresse der Grandi. Weil aber jeweils nur ein einziger dieses A m t innehaben kann, wird dem H u n g e r der Grandi nach grandezza insofern Rechnung getragen, als ihm ein Collegio zur Seite steht.
Giannotti spricht im gleichen Kapitel (RF III/4) zunächst von drei, dann von vier Hauptgliedcrn der Republik. Wie bereits in der Repubblica de' Vtniziani (RV, S. 52) und im Discorso von 1527 (DGF, S. 159) verwendet er das Bild der Pyramide mit dem Großen Rat an
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EINFUHRUNG
der Basis, dem Senat und dem Collegio auf den nächsthöheren Stufen und dem Principe an der Spitze. 1 Giannottis
Mischverfassung
Mischverfassung
Interessen
Organe
Ruhe
—
Polopari Mediocri Grandi
RuheFreiheit
Großer Rat
Demokratisches Element
Mediocri
RuheFreiheit Ehre
Senat
Oligarchisches Elemet
RuheFreiheit EhreGröße
Collegio Principe
Monokratisches Element
Soziale Schichten Plebei Popolari Mediocri Grandi
Grandi
Grandi
4. Gewalten!eilung
sui generis
Die Besonderheit des »stato misto giannottiano« 2 liegt einerseits im Vorrang der popularitä, anderseits in der Verknüpfung von sozialen Schichten, Interessen, Staatsorganen und Mischungsclcmenten. Die Besonderheit der Gcwaltentcilung Giannottis entpuppt sich in der Verknüpfung von Staatsorganen, Staatsfunktionen und Entschcidungsprozessen. Diese Verknüpfungen wollte Giannotti im dritten Teil seiner Republica de' Viniziani zeigen (RV, S. 32). Aus unbekannten Gründen hat er den Plan nicht eingehalten. Dafür kommen in der Republica fiorentina die Zusammenhänge der Komposition voll zur Geltung. 1 Im Discorso von 1527 verwendet Giannotti zudem den Vergleich mit einem Baum: Der Große Rat entspricht den Wurzeln, die drei andern Hauptorgane gleichen dem Stamm und die übrigen Behörden den Ästen (DGF, 159). 2 Bisaccia 1978, S. 96
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Im folgenden behandeln wir die drei Elemente der Gewaltcnteilung Giannottis zunächst getrennt, um sie anschließend zu verknüpfen. Giannotti schlägt die folgenden Staatsorgane vor: -
G r o ß e r Rat (RF III/5): Er ist die Vollversammlung aller Bürger ab dem 25. Altersjahr und setzt sich aus den drei sozialen G r u p p e n Popolari, Mediocri und G r a n d i zusammen. Der G r o ß e Rat tagt jede Woche oder jede zweite. - Senat (RF III/6): Er umfaßt höchstens hundert Mitglieder. Die Senatoren müssen mindestens vierzig Jahre alt sein. Sie werden für ein Jahr gewählt; Wiederwahl ist zulässig. Beschränkungen des passiven Wahlrechts aufgrund der Unterscheidung von oberen und unteren Zünften lehnt Giannotti ab. D e r Senat versammelt sich zweimal pro Woche. -
Collegio (RF III/7): Ihm gehören der Gonfalonicre, die Signori, die Procuratori, die Dieci und der erste der vier Proposti des Senats an. Die alte Signoria (RF III/8) ist reformbedürftig. Eigentlich könnten die Signori (Priori) durch Consiglieri, d.h. Berater des Gonfalonicre, ersetzt werden. Hält man an den Signori fest, so ist dafür zu sorgen, daß wirklich qualifizierte Kandidaten gewählt werden. Die Amtsdaucr beträgt ein Jahr. Die alte Regel, wonach nur wahlberechtigt war, wer Vorfahren in den Tre Maggiori ausweisen konnte, möchte Giannotti fallen lassen. Die Signori sollen inskünftig nicht mehr wie Gefangene im Rathaus, sondern zuhause wohnen. Die zwölf Procuratori (RF III/9) treten an die Stelle der Dodici Buonuomini. Sie werden auf Lebenszeit gewählt. Durch die Wahl zum Prokurator ehrt die Republik die weisesten, fähigsten und größten Bürger der Stadt. Die Prokuratoren dürfen weder dem Senat noch den Dieci angehören. Die Dicci (RF 111/10) wären bei Vorhandensein einer fähigen Signoria eigentlich nicht nötig. Weil das aber nicht garantiert ist, sollen sie beibehalten werden, allerdings mit geringerer Autorität. Ihre Amtsdauer beträgt ein Jahr.
-
Principe oder Gonfaloniere (RF 111/12): Er wird auf Lebenszeit gewählt. Die Wahl auf Lebenszeit hat sich in Venedig und in Florenz 1502-1512 bewährt. Mit der Amtszeitbeschränkung haben Florenz, Genua, Lucca und Siena schlechte Erfahrungen
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gemacht. Der Gonfaloniere darf aber nicht mehr Macht erhalten als jeder Signorc; nur bezüglich der Ehre ist er höher gestellt. Als Denker und Wächter der Republik steht er an der Spitze der Pyramide. Er soll die öffentlichen Geschäfte überwachen, mitberaten und vorantreiben (DGF, S. 158). Da er nach allen Seiten in die O r d n u n g der Republik eingebunden ist, wird er gezwungen, gut zu sein. Die virtü der F o r m bewirkt die virtü der Person. - Quarantia (RF 111/13): Der Rat der Vierzig ist nach venezianischem Vorbild das oberste Berufungsgericht. Seine Mitglieder werden für ein Jahr gewählt. Das Gericht des Podesta (RF 111/15) soll durch andere Behörden mit besseren Verfahren ersetzt werden. - Die Sedici Gonfalonien (RF 111/16) oder Collegi waren in der alten O r d n u n g völlig nutzlos. Fortan sollen sie in der neuen O r d n u n g an der Spitze der städtischen Truppen stehen. - Die Signori delle pompe (RF 111/16) kontrollieren das finanzielle Gebaren der Bürger, sorgen für größtmögliche Gleichheit und wachen über die Einhaltung der Luxusverbote. Teure Dinge, die sich nur die Reichen leisten können, wie beispielsweise pompöse Kleider, große Einladungen oder Mitgiften, sind verboten. Für Gebäude, Gärten und Kirchen soil dagegen nicht gespart werden, da sie den Ruhm der Stadt mehren. Mit Ausnahme des Gonfaloniere und der Prokuratoren beträgt die Amtsdauer aller Behörden ein Jahr. Eine wichtige Konstante im politischen Denken Giannottis sind die vier Staatsfunktionen, die azioniprincipali (RF U / 3 , S. 169; III/5, S. 242; RV, S. 54; DGF, S. 165; DRF, S. 413; DRS, S. 450f), nämlich: - Wahlen (clezione, creazionc de' magistrati), - Außen- und Sicherheitspolitik (deliberazione della pace c guerra), - Gesetzgebung (introduzionc delle leggi c provisioni), - Rechtsprechung (provoeazione, appcllazione). Alle vier Funktionen müssen maßgeblich vom Große n Rat abhängen (RF III/5, S. 242). Der G r o ß e Rat ist der Meister aller vier F u n k t i o nen. Wer sie beherrscht, ist Herr der Stadt (DRF, S. 413). Demzufolge ist der Große Rat »il signorc della cittä« (DGF, S. 158). Modern ausgedrückt: Der G r o ß e Rat ist der Souverän. Bei ihm liegt die
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oberste Gewalt. Mit Recht sieht Pocock in diesen Formulierungen den Kern einer Souveränitätstheorie. 1 Ebenfalls eine Konstante der politischen Theorie Giannottis ist die Unterscheidung von drei Phasen des Entscheidungsprozesses (RF U/16; D G F , S. 159; DRS, S. 453): - Consultazione nennt er die erste Phase des Entscheidungsprozesses; sie umfaßt die Imtuerung, Vorberatung und Ausarbeitung von Vorschlägen. - Deliberazione heißt die zweite Entscheidungsphase; sie beinhaltet die Beratung der Vorschläge sowie die Beschlußfassung. -
Esecuzione bezeichnet die dritte Phase und betrifft die Ausführung der Beschlüsse.
Die Consultazione erfordert Klugheit (prudenza), die Deliberazione Autorität (signoria), die Esecuzione Effizienz (prestezza). Consultazione und Esecuzione gehören in die H ä n d e weniger, die Deliberazione dagegen ist Sache der Vielen. Das Dclibcrationsgrcmium muß personell sowohl vom Konsultationsorgan als auch vom Ausführungsorgan getrennt sein. Dagegen ist es zulässig, ja zweckmäßig, daß Consultazione und Esecuzione dem gleichen Personenkreis anvertraut werden. Die präziseste Darlegung des Entscheidungsablaufs findet sich im Discorso von 1552 (DRS, S. 453): »Die Consultazione steht nur wenigen zu. D e n n nur die Weisen sind zur Vorberatung fähig, und sie sind stets wenige. Abgesehen davon würde die Vorberatung nicht mit dem nötigen Ernst durchgeführt, wenn man viele dazu einberiefe. Die Deliberazione muß in den Händen der Vielen liegen. Wenn nämlich die Wenigen über sie verfügten, geriete die Freiheit in Gefahr. In ähnlicher Weise sollte die Esecuzione wenigen obliegen. Sie verlangt nämlich Schnelligkeit, und wenn viele sich darum kümmerten, könnte sie nur mit Verzögerung erfolgen. Weiter ist darauf zu achten, daß nicht dieselben vorberaten und entscheiden, weil die Menschen in der Regel schlecht sind, wenn sie nicht gezügelt werden. Wenn die Vorberater selbst entscheiden könnten, unterbreiteten sie selten Vorschläge, die den Erfordernissen des öffentlichen N u t z e n s ent1 Pocock 1975. S. 315
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sprächen. Vielmehr ließen sie sich von ihren eigenen Leidenschaften leiten. Die Ausführenden und die Vorberater hingegen können gut dieselben sein. Es ist sogar einleuchtend, daß jemand eine Sache, die er zuvor beraten hat, besser ausführt als die bei der Beratung Abwesenden. Denn wer eine Sache beraten hat, hat vermutlich alle ihre Umstände in Betracht gezogen. Dies ist nicht in gleicher Weise möglich, wenn jemand eine Sache ohne vorgängiges Studium ausführt.« 1 Aus der Verknüpfung von Organen, Funktionen und Entscheidungsphasen entsteht ein komplexes Netzwerk. Die vier Funktionen sind in den drei Entscheidungsphasen je verschiedenen Organen zugewiesen. N e h m e n wir als Ausgangspunkt die Funktionen: - Wahlen: Der G r o ß e Rat wählt den Gonfaloniere, die Signoren, die Prokuratoren, die Dieci, die Collegi, den Senat, die Quarantia, ferner die Magistrate der Stadtverwaltung, die Rektoren der Landverwaltung und den Oberbefehlshaber (RF III/5, 111/12, IV/3). Die Wahlen im Großen Rat werden auf das ganze Jahr verteilt. Der Senat wählt seine vier Vorsitzenden, die Gesandten, die Kommissare der inneren Miliz sowie die Capitani und K o m missare der äußeren Miliz (RF III/6, IV/2-3). Die wehrpflichtigen Bürger der Stadtmiliz wählen ihre militärischen Vorgesetzten selbst (RF IV/2). D a ß die Wahlen in der Regel direkt, ausnahmsweise indirekt von der Gesamtheit der Bürger ausgehen sollen, ist ein unumstößliches Postulat Giannottis (DGF, S. 158; D R S , S.
1
»La consultazione vuol essere in pochi; perche i savi sono quclli che p o s s o n o consighare, i quah s o n o sempre pochi: senza che, se molti tusseno chiamati a consigliare, non s'amministrarebbc tal cosa con quella gravita che saria convenevole. La deliberazione bisogna che sia in potestä degli assai; perche, se fusse in pochi, sarfa ciö periculoso per la libertä. L'esecuzione vuol essere, similmente, in pochi; perche ricercandosi prestezza ncllo eseguire, se molti concorresscro all'esecuzione, non p o t r e b b e essere se non tarda. E ancora da notare che i medcsimi non d e b b o n o csser quclli che consigliano e che deliberano: perche, essendo gli uomini, il piti delle volte, q u a n d o non h a n n o treno, malvagi; se quclli che consigliano avesseno a d e liberare, rade volte consiglierebbeno secondo che nchicdesse la pubblica utilitä, i m a n d e r e b b e n o dietro alle proprie passioni. Quclli che eseguiscono, p o s s o n o ben essere quclli medcsimi che consigliano. Anzi, e ragionevole che megho eseguisca una cosa colui che l'ha consigliata, che chi non l'ha consighata: perche e crcdibile che chi ha consigliato una cosa, abbia considerato tutte le sue circonstanzie; le quali non p o s s o n o venire si benc in considerazione a chi eseguisee, senza aver prima voltato ncl pensiero la cosa che ha ad eseguire.«
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451). U m gewählt bzw. wiedergewählt zu werden, ist der Kandidat gezwungen, gut zu sein (DR.S, S. 451). Einmal mehr erwartet Giannotti, daß die virtü der Institution, hier die Institution der Wahl, den an sich eher schlechten Charakter der Menschen zum Guten wenden kann. Das Wahlvcrfahrcn des Großen Rates möchte er in einem wichtigen Punkt geändert wissen: Die vierte Stufe des früheren Verfahrens »losen - nominieren - wählen - losen« (DRF, S. 415ff) soll entfallen. Das Auslosen der N o m i n a t o r e n stört Giannotti nicht, wohl aber wendet er sich konstant dagegen, den Lctztcntschcid dem Zufall zu überlassen (RF III/5, 111/12; D G F , S. 166; D R S , S. 450). Einmal mehr dient das venezianische Los-Wahl-Verfahrcn als Vorbild, insofern am Ende des komplizierten Verfahrens nicht ein Los-, sondern ein Wahlakt steht. Aber im Unterschied zu Venedig obliegt dieser Wahlakt dem ganzen Großen Rat und nicht einem Wahlmännergremium. Somit ist der Ablauf wie folgt: 1. Auslosung der Nominatoren, 2. Benennung der Kandidaten durch die Nominatoren, 3. entweder ein Wahlgang, wobei der Kandidat mit der höchsten Stimmenzahl gewählt ist, oder - bei der Wahl des Gonfalonicre - zwei Wahlgängc, wobei nach dem ersten die sechs bestgewählten Kandidaten im Rennen bleiben, sofern sie das absolute Mehr erreicht haben, und im zweiten Wahlgang der Kandidat mit der höchsten Stimmenzahl gewählt ist. Die Phasen des Entscheidungsprozesses wendet Giannotti auf die Wahlfunktion nicht ausdrücklich an, doch entspricht die Kandidatcnaufstellung der Consultazione durch wenige, der Wahlakt der Deliberazione durch viele. - Außen- und Sicherheitspolitik (RF III/l 1, S. 256-259): Die Consultazione liegt in der Verantwortung des Collegio und dort vorrangig bei den Prokuratoren und den Dieci. Die Deliberazione ist Sache des Senats. Im Verhältnis zum Collegio repräsentiert der Senat die Vielen. Wichtige außenpolitische Entscheide wie ein neuer Kriegseintritt sollten eventuell vom Großen Rat genehmigt werden (RF II1/5, S. 243). Die Esecuzione ist den Dieci anvertraut. Während des ganzen Entschcidungsablaufs ist das freie Rederecht gewährleistet. Auch die Mitglieder der Kollcgialbchördc des Collegio dürfen im Senat abweichende Meinungen k u n d t u n .
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-
Gesetzgebung (RF I I I / l l , S. 259-262): Die Consultazione liegt wiederum beim Collegio, vornehmlich bei den Prokuratoren, aber unter Ausschluß der Dieci. Initiiert werden die Gesetze normalerweise von den Prokuratoren, doch hat jeder Bürger das Recht zur Gesetzesinitiative. Bürgerinitiativen werden von den drei Vorsitzenden der Prokuratoren im Collegio vertreten. Die Deliberazione verläuft zweistufig: zuerst im Senat, dann im G r o ßen Rat. Die Esecuzione ist Sache der Signoria und der Verwaltungsbehörden. Wiederum ist in allen Gremien das freie Rederecht gewährleistet.
-
Rechtsprechung (RF 111/13-15): Wie schon bei der Wahlfunktion wendet Giannotti die Entscheidungsphasen auf die Rechtsprechung nicht explizit an. Aber sie passen ohne Künstelei auch für die Rechtsprechung. D e n n die sechs Conscrvatori di legge entscheiden über die Zulassung der Klage einer Privatperson oder einer Behörde; das entspricht der Consultazione. Die Quarantia befindet über die Kassation eines Urteils der Vorinstanz bei einem Streitfall zwischen Privaten bzw. über Kassation oder Revision des Urteils der Vorinstanz bei Streitfällen zwischen Behörden und Privaten; das entspricht der Deliberazione. Handelt es sich nicht um eine Kassation, sondern um eine Urtcilsrcvision, so unterbreiten die drei Proposti der Quarantia einen Vorschlag; das entspricht wiederum der Consultazione. Die Conservaton di legge und die Proposti stehen für die Wenigen, die Quarantia für die Vielen. Durch Strafandrohung will Giannotti die Gerichte zwingen, innert angemessener Frist zu urteilen. Die Esecuzione der Urteile obliegt schließlich den Verwaltungsbehörden.
Gl
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Giannottis ^ \ ^
Gewaltenteilung
Phasen Consultazione
Deliberazione
Esecuzione
Wahlen
Nominatoren
Großer Rat Senat
—
Außenpolitik
Collegio Dieci
Senat Großer Rat
I )ieci
Gesetzgebung
Collegio Dieci
Senat Großer Rat
Signoria Magistrati
Rechtsprechung
Conservaton Proposti
Quarantia
Magistrati
Punktionen^-^^
Fettschrift bezeichnet das Hauptorgan
5.
Wehrverfassung
D e r Milizgedanke war in Florenz seit der 1. Republik lebendig. Coluccio Salutati und Leonardo Bruni traten damals als Hauptexponenten der Milizidee in Erscheinung. Vor allem Brunis Werk ist vom Mihzidcal durchdrungen. 1 Er widmete ihm einen eigenen Traktat. 2 D e facto war die Miliztradition zu seiner Zeit allerdings bereits geschwächt. Machiavelli war es, der die Miliz während der 2. Republik wiederbelebte. Die Rückeroberung Pisas durch die Florentiner Miliz (1509) war sein größter politischer Erfolg. Die Verachtung der Söldner- und Hilfstruppen und die Forderung nach Selbstverteidigung des Staates durch eine Milizarmee durchziehen sein ganzes Werk. 1 Ein Staat ohne Milizarmee ist nach seiner Meinung nicht lebensfähig. Auch Francesco Guicciardini hegte im Discorso von 1512 große Erwartungen in die Miliz; im Dialogo del Reggimento di Firenze von 1525 hingegen äußerte er sich skeptischer. 4 Für Giannotti war Machiavelli die große Autorität in Militärfragen. Bei ihm möge man nachlesen, warum die Milizarmee den 1 Skinner 197S, Bd. 1,S. 76 2 Bruni 1421 3 Schlüsselstellen: Principe, Xllf; Discorsi, 1/21,11/20 und 111/31; Arte della guerra, l.Buch 4 von Albertini 1955, S. 130
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Söldner- und Hilfstruppen überlegen sei (RF IV/1, S. 302; I V / 5 , S. 318). Wie Machiavelli befaßte er sich praktisch und theoretisch mit der Miliz. So wie Machiavelli im Jahre 1506, war Giannotti in den Jahren 1528/29 der maßgebliche Kopf hinter der Reorganisation der Miliz. Die Grundlage zur Neugestaltung hatte er im Discorso di armare la citta di Firenze (1528) gelegt. In der Republica fiorentina bilden die politische Verfassung und die Wehrverfassung die beiden Säulen seiner Staatsidec. Giannotti behauptet, alle Staatstheoretiker hätten die Auffassung vertreten, daß sich eine Stadt nicht ohne eigene Truppen behaupten könne (DaF, S. 167f). So wie die höheren Tierarten und die Menschen befähigt seien, sich ohne fremde Hilfe zu verteidigen, gehöre die Selbstverteidigung zur N a t u r eines Gemeinwesens (RF I V / 1 ; DaF, S. 167f). Wenn eine Stadt den Willen zur Selbstverteidigung nicht mehr habe, so liege das am Unvermögen der Verfassunggeber, die den natürlichen Instinkt unterdrückt hätten (DaF, S. 168). Im Discorso von 1528 begründete Giannotti auch selber die Überlegenheit der Miliz (DaF, S. 169ff). Die Milizarmee sei kostengünstiger als Söldner- und Hilfstruppen (auch R F IV/4). Nichts fördere das Ansehen einer Stadt mehr als der Wehrwille ihrer Bürger. Die Behörden erhielten größere Autorität. Die Freiheit werde besser gesichert. Die Steuerzahler seien daran interessiert, ihr Vaterland, ihren Besitz und ihre Familien zu verteidigen. Die allgemeine Wehrpflicht der Steuerzahler fördere die Gleichheit der Bürger. Mit der Einführung der Milizarmee verlören die Bürger jede Neigung zur Tyrannei. Schließlich verhindere die Milizverfassung innere Tumulte. In der Republica fiorentina sucht Giannotti durch Beispiele nachzuweisen, daß Mihzführcr in alien vier Hauptaktioncn des Krieges - Bewaffnung, Verschiebungen, Einquartierung und K a m p f - den Söldnerführern nicht nachstünden (RF IV/5). Ferrucci dient als Paradebeispiel. Giannottis Mihzkonzcpt steht in klarem Gegensatz sowohl z u m Söldncrtum als auch zum stehenden FIccr und zur Berufsarmee, auch wenn er diese Begriffe noch nicht kennt. Soldaten und Offiziere gehen in Friedenszeiten ihrem zivilen Beruf nach (RF IV/4). Die Ausbildung findet jeden Sonntag auf speziellen Ausbildungsplätzen statt (RF IV/2; DaF, S. 177f). Außerhalb der Übungen tragen die
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ALOIS RIKLIN
Wehrpflichtigen Zivilkleider (DaF, S. 179). Vorbild sind die antiken Wehrverfassungen der Griechen und Römer (DaF, S. 180) sowie die zeitgenössischen der Schweizer und Deutschen (RF I V / 3 , S. 308; IV/4, S. 313). Machiavelli hatte sich in der 2. Republik auf die Landmiliz beschränkt. Giannotti dagegen legte in der 3. Republik das H a u p t g e wicht auf die Stadtmiliz (DaF). In der Republica fiorentina regelt er die inneren und äußeren Truppen mit der je gleichen Sorgfalt. Den inneren Truppen (RF IV/1-2) gehören alle städtischen Steuerzahler vom 18. bis zum 40. Lebensjahr an. Sic werden pro Quartier in je vier Kompanien, diese in Dekurien unterteilt. Die Truppe wählt ihre Vorgesetzten selbst, aber der Senat verteilt die Chargen der gewählten Offiziere. Ferner wählt der Senat vier Kommissare, welche die Truppen jeden Monat einmal inspizieren. Die Offiziersposten werden für ein Jahr vergeben. Der Capitano soll mit viel Ehre und P o m p versehen werden. Bei jeder K o m m a n d o ü b e r n a h m e sollen Reden gehalten, eine Messe gelesen und zumindest von den Offizieren ein Eid abverlangt werden. Im Discorso von 1528 hatte Giannotti auch für die Aushebung der Wehrpflichtigen eine feierliche Zeremonie mit Waffcnübcrgabc, Messe, Vereidigung und U m z u g vorgesehen (DaF, S. 179f). InderEidformcl sollten die Wchrmänner versprechen, die Ehre Gottes und die Freiheit des Vaterlandes zu verteidigen, stets den Behörden zu gehorchen und die Waffen nicht zu mißbrauchen. Am U m z u g sollten die Signoria und die übrigen Behörden teilnehmen. Die äußeren Truppen (RF IV/1 und 3) werden im Land (contado) und den Herrschaftsgebieten (dominio) rekrutiert. Wehrpflichtig sind alle tauglichen Männer zwischen 18 und 40 Jahren. Die äußere Miliz ist regional in Legionen, diese in Kompanien zu mindestens zweihundert Mann gegliedert. Alle Grade außer den Capitani werden vom »Commissario della legionc« aus den Kompanien ernannt. Der Oberbefehlshaber, »Gran commissario« genannt, die Legionskommissarc und die Capitani müssen aus der Stadt Florenz stammen. Die Capitani und Legionskommissarc werden vom Senat gewählt. Für den Oberbefehlshaber schlagen Senat und Großer Rat je vier Kandidaten vor; aus diesen maximal acht Kandidaten wählt der Große Rat den »Gran commissario«.
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Giannotti gliedert die innere und die äußere Miliz in die drei Truppengattungen Infanterie, Artillerie und Kavallerie (RF IV/4). D i e Offiziere und Unteroffiziere der inneren Miliz sollen regelmäßig zu öffentlichen Mahlzeiten geladen werden, bei denen, wie das in der 3. Republik üblich war 1 , Lobreden auf die Republik gehalten werden (RF 1V/6). Im Gesamtkonzept Giannottis erfüllt die Miliz offensichtlich eine überaus wichtige erzieherische und integrative Funktion.
6. Bürgerrechte
und
Bürgerpflichten
Bürgerpflichten im Sinne Giannottis sind die Stcuerpflicht und die Wehrpflicht. Die Bürgerrechte sind mit der Mitgliedschaft im G r o ßen Rat verknüpft. N u r Großräte besitzen Bürgerrechte. Letztere bestehen im aktiven und passiven Wahlrecht, im Recht zur Gesetzesinitiative sowie im Dehberationsrecht bezüglich Gesetzgebung und eventuell bezüglich Kriegseintritt. Sind diese Bürgerrechte ein Korrelat der Bürgerpflichten? Sind alle Steuer- und Wehrpflichtigen im Besitz der Bürgerrechte? Und umgekehrt: sind die politisch berechtigten Bürger zur Bezahlung von Steuern und z u m Wehrdienst verpflichtet? Das sind die Fragen, die wir in diesem Abschnitt an das Werk Giannottis stellen wollen. In der 3. Republik waren alle Steuerzahler bestimmten Alters und nur sie wehrpflichtig. Aber nur eine Minderheit der wehrpflichtigen Steuerzahler gehörte zu den Beneficiati, zu jenen Privilegierten also, die Zugang zum Großen Rat hatten (DRF, S. 413). Immerhin benannten jedes Jahr ausgeloste Nominatoren sechzig Nonbcncficiati, worauf der Große Rat durch Wahl »einige« davon kooptierte (DRF, S. 431). Diese O r d n u n g stellte Giannotti während der 3. Republik nicht in Frage. Im Discorso von 1527 schrieb er, Bürger seien alle, die den beneficio, also die Zulassung zum Großen Rat, besäßen ( D G F , S. 157). Welchen sozialen Schichten aufgrund welcher Kriterien diese »Wohltat« zuteil werden sollte, ließ er offen. Immerhin lehnte er die 1 ibid., S. 132ff
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A L O I S RIKLIN
Trc-maggiori-Regel der 2. Republik ab, wonach nur G r o ß r a t wurde, wer Vorfahren in den drei obersten Behörden nachweisen konnte ( D G F , S. 165). U n d immerhin plädierte er gegen die Einschränkungen des passiven Wahlrechts der Großräte aus der Zeit der Zunftverfassung der 1. Republik ( D G F , S. 163). Auch im Discorso von 1528 akzeptierte er die Tatsache, daß die Mehrheit der Steuerzahler politisch rechtlos blieb (DaF, S. 171). Trotz Einführung der Wehrpflicht aller Steuerzahler scheint ihn die bestehende Bürgerrechtsordnung damals nicht gestört zu haben. Jedenfalls verstieg er sich in den zweckoptimistischen Glauben, die wehrpflichtigen Nonbencficiati würden das Waffentragen als Ehre empfinden und den Eindruck gewinnen, auf derselben Stufe zu stehen wie die Beneficiati (DaF, S. 171f). In der Republica fiorentina tönt es anders. Im Rahmen der »allgemeinen Staatslehre« unterscheidet Giannotti drei soziale G r u p p e n : die »nobili c richi«, die nach Herrschaft streben; die »mediocri«, die Freiheit und Ehre wünschen; und die »poveri e vili«, die frei sein und nur den Gesetzen gehorchen wollen. Im Anschluß an diese Klasseneinteilung postuliert er, daß eine perfekte Verfassung die Ansprüche aller drei sozialen Schichten bestmöglich berücksichtigen müsse (RF 1/3, S. 141f). Mit Blick auf Florenz unterteilt er die unterste soziale Schicht in die Popolari, die etwas weniges besitzen und folglich Steuern zahlen, und die besitzlosen Plebei (RF 1/5, S. 162f). Die Plebei wünschen Ruhe, die Popolari Freiheit (RF 1/5, S. 162; U/2, S. 167). Die Plebei schließt Giannotti vom Großen Rat aus (RF III/5, S. 239). Die G r a n d i und die Mediocri gehören ihm fraglos an. Der springende Punkt liegt im Einbezug der Popolaren. Dazu sind die Aussagen Giannottis widersprüchlich. Zunächst vertritt er apodiktisch die Auffassung, alle Steuerzahler, also auch alle Popolaren, müßten dem Großen Rat angehören (RF 111/ 5, S. 239-242). D e n n sie seien aufgrund ihrer großen Zahl nahezu das wichtigste Glied der Stadt. O h n e sie könne Florenz nicht bestehen, geschweige denn seine G r ö ß e bewahren. Der gleichen Wehrpflicht müsse das gleiche Bürgerrecht entsprechen. Es wäre absurd, den Popolaren die Steuer- und Wehrpflicht aufzuerlegen, ohne ihnen die politische Gleichberechtigung zu gewähren. Andernfalls gäbe es keinen ersichtlichen G r u n d , warum sie die Republik mehr schätzen
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6?
sollten als eine Tyrannei oder eine Oligarchie. Es bestünde die Gefahr, daß sie ihr Recht mit Gewalt an sich reißen w ü r d e n und daß ihr Potential von Republikgegnern mißbraucht werden könnte. Käme Aristoteles nach Venedig und Florenz, so hätte er nur Spott übrig, w e n n er sähe, daß eine so große Zahl von Menschen zwar Bürgerpflichten, aber keine Bürgerrechte besitze. Kurz: In der vollkommensten Republik hätten alle Popolaren im G r o ß e n Rat Sitz und Stimme. Aber nach diesem langen und überzeugenden Plädoyer krebst Giannotti mit einigen kleinlauten Sätzen zurück (RF I I i / 5 , S. 242).' A u s der Überlegung heraus, nicht allzu stark von der überlieferten republikanischen O r d n u n g abweichen zu wollen, gibt er sich mit der Bürgerrechtsordnung der 3. Republik zufrieden. Es sollen jedes Jahr »eine gute Anzahl« Popolaren neu in den G r o ß e n Rat aufgenommen werden. N u r eine kleine Konzession fügt er hinzu: Nonbeneficiati, die vom Senat zu Capitani der äußeren Miliz gewählt w o r d e n sind, sollen nach Ablauf ihres militärischen Amtes dem G r o ß e n Rat angehören (RF IV/3, S. 310). In Giannottis Idealstaat sind alle Steuerzahler im Besitz der Bürgerrechte. Aber der Realist Giannotti glaubt, sich unter den gegebenen Umständen vorerst mit einer weniger vollkommenen Lösung abfinden zu müssen. Lieber ein bloß gutes, aber machbares P r o gramm, als eine fruchtlose Debatte über den besten, aber utopischen Staat - das ist die Auflösung des vermeintlichen Widerspruchs. Die Kehrtwendung enthebt Giannotti auch der Sorge, wie ein über zchntausendköpfigcr Großer Rat funktionsfähig zu halten gewesen wäre. Einen anderen Widerspruch indessen läßt Giannotti stehen. Einerseits behält er die höheren Stufen der Verfassungspyramide den oberen sozialen Klassen vor. Anderseits lehnt er Einschränkungen des passiven Wahlrechts wie beispielsweise das Arti-maggiori-Privilcg (RF II1/6) und das Tre-maggion-Privileg (RF 111/8) ab, und er verzichtet auf eine institutionelle Sicherung zur Fcrnhaltung der Popolaren vom Senat und der Mediocri vom Collegio. N i r g e n d w o stuft er die Wählbarkeit nach Herkunft oder Stcucrleistung ab. Er
1 von Albertini (1955, S. 159) und Pocock (1975, S. 278/292) übersehen diese Kehrtwendung.
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vertritt im Gegenteil die Auffassung, es komme auf die Bildung und nicht auf die Herkunft an; die Söhne der Grandi seien nicht kraft Geburt schon klüger als die Söhne der Popolaren; die größere Bescheidenheit der Popolaren deute sogar eher auf größere Klugheit (RF III/3, S. 233ff). Giannotti scheint der kollektiven Klugheit des Mittelstandes und der Popolaren vertraut zu haben, welche aufgrund ihrer erdrückenden Mehrheit im G r o ß e n Rat schon die richtige Wahl treffen würden. Wahrscheinlich hatte er die Vorstellung von der Durchlässigkeit der sozialen Schichten im Hinterkopf: D e r Popolarc steigt in den Mittelstand auf durch Bildung, durch den Wunsch nach Ehre und die Wahl in den Senat. Kraft Bildung, Herrschaftsdrang, Grandezzabegehren und Wahl hat jeder Großrat die gleiche Chance, Mitglied des Collegio zu werden. N u r die Klügsten und Weisesten sollen in die höchsten Amter nachrücken, so wie umgekehrt die N a c h k o m m e n der Grandi und Mediocri in der sozialen Flierarchic auch absteigen können. Doch das sind Vermutungen. Die Praktikabilität jedes politischen Programms bedingt Abstriche am Idealbild. Giannottis Lösung ist ein K o m p r o m i ß zwischen dem Leitbild eines »governo largo« und der Fehlkonstruktion eines »governo stretto«. Im Vergleich zum Discorso von 1527 weist die Republica fiorentina eine deutliche Tendenz zu einer demokratischeren Mischverfassung auf. Die Senatoren sollen nicht auf Lebenszeit gewählt werden. Das passive Wahlrecht für das Amt des Prokurators ist nicht auf die Scnatsmitghedcr beschränkt. Die Wahl der Dieci ist Sache des Großen Rates, nicht des Senats. Der Lctztcntschcid für alle Gesetze und eventuell auch für Finanzvorlagen und vitale außenpolitische Beschlüsse ist dem Großen Rat vorbehalten. Und das Leitbild der politischen Tcilnahmcrechte aller Steuerzahler ist wenigstens als Postulat für künftige Reformen anvisiert. Trotz Kompromiß glaubt Giannotti, mit seinem Programm alle sozialen Schichten angemessen zufriedenstellen zu können (RF IV/7). Die Grandi seien zufrieden, weil sie, sofern sie es verdienen, in die höchsten und ehrenvollsten Ämter gewählt werden können. Die Mediocri seien zufrieden, weil sie in den Senat aufsteigen können. Die Popolari seien zufrieden, weil sie die Freiheit genießen und weil sie entweder bereits Großrätc sind oder dann Aussicht haben, entsprechend ihren Verdiensten mit der Zeit in den Große n Rat
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aufgenommen zu werden. Die Behörden und der Gonfaloniere seien nicht mehr tyrannisch, weil sie an die Gesetze gebunden sind. Die Q u a r a n t i a garantiere Gerechtigkeit für jeden, ohne Rücksicht auf Reichtum und Herkunft. Die Jugend sei durch die Miliz in die Republik eingebunden. So wäre es kein Wunder, wenn Florenz ein zweites R o m würde (RF IV/7, S. 339). Die vorgeschlagene Republik sei zwar nicht vollkommen, aber in der gegenwärtigen Situation optimal. Auch die antiken Republiken seien nach der G r ü n d u n g n o c h verbessert worden (RF IV/8, S. 340).
7. Verfassunggebende
Gewalt
Im letzten Kapitel macht sich Giannotti Gedanken, wie sein politisches Programm in die Tat umgesetzt werden könnte (RF IV/8). Er läßt die verschiedenen Varianten der Republikgründung Revue passieren und schränkt sie schließlich auf zwei ein. Eine Republik kann gleichzeitig mit der Stadtgründung entstehen oder danach. Für Florenz gilt das zweite. Dabei kann es sich um eine grundlegende Innovation handeln oder um Korrekturen der früheren O r d n u n g Giannotti schwebt eine behutsame Reform im Sinne von Korrekturen vor. Eine Republik kann sich über die Zeit allmählich entwickeln, wie das Beispiel Venedigs zeigt, oder sie kann dank der Autorität großer Männer geschaffen werden, sei es einer G r u p p e nach dem Beispiel der römischen Dcccmviri, sei es eines einzelnen Fremden wie Savonarola in Florenz oder eines einzelnen Stadtbürgers wie Lykurg in Sparta und Solon in Athen. Für die Wiedereinführung der Republik in Florenz kommt nach Giannotti nur ein Stadtbürger in Frage. Hierzu unterscheidet er nochmals vier Fälle. Die ersten beiden, den gewaltsamen und den durch Vorleistungen ausgewiesenen Verfassunggeber, schließt er aus. Es bleiben als realistische und erwünschte Alternativen ein gewählter Principe oder ein nichtgcwähltcr, der das Vaterland kraft seiner virtü in die Freiheit zurückführt. Auf diese beiden occasiom setzt Giannotti all seine Hoffnungen. Gemeinsam ist beiden Optionen, daß die Rolle des Vcrfassunggcbcrs einer herausragenden Einzelperson zugewiesen wird, und zwar einem Stadtbürger.
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Die herangezogenen historischen Vergleiche verdeutlichen die Intentionen. Giannotti nennt als erfolgreiche Vorbilder für die erste O p t i o n N u m a und Scrvius Tullius, für die zweite Timoleon und Brutus d.Ä. Piero Soderini steht als Beispiel für einen gescheiterten gewählten Principe, Brutus d.J. für den gescheiterten Befreier. Während aber Soderini im Urteil Giannottis die occasione nach seiner Wahl z u m Gonfaloniere perpetuo nicht nutzte, wurde Brutus die Vollendung seiner Tat durchfortuna verwehrt. Möge es Gottes Wille sein, daß es Florenz diesmal schafft! Giannottis Konzept der Umsetzung seines Programms impliziert die Unterscheidungeines »pouvoirconstituant« und eines »pouvoir constitue«. Er kann sich die Wiedererrichtung der Republik in verbesserter Form nur kraft der Autorität eines Florentiner Bürgers vorstellen, der entweder durch Wahl oder durch die virtü des Befreiers, d.h. des gerechten Tyrannenmörders legitimiert ist. Träumte Giannotti im Exil vielleicht davon, daß er selbst dereinst zum Verfassunggeber gewählt oder die mutige Tat des Tyrannenmordes vollbringen würde? Was ging in seinem Kopf vor, als er 1537, nach der vergeblichen Ermordung Alcssandros, vor Cosimo I. stand? O d e r sah er sich eher als Principe-Bcratcr? Im Discorso von 1552 über die Neugestaltung der Republik Siena beschied er sich mit der Rolle des Beraters. Wiederum schlug er eine Einzelperson als Verfassunggeber vor, nun aber freilich eine auswärtige, unter Aufgabcnteilung zwischen Befreier und Verfassunggeber (DRS, S. 446f). Die Idee der überragenden Einzelperson als Verfassunggeber erinnert an die antiken Vorbilder. Vor Giannotti hat sie Machiavelli 1 in der Gestalt des Principe aufgegriffen; nach ihm finden wir sie u.a. bei Harrington 2 und Rousseau 1 in der Person des Archontcn bzw. des Legislatcur. Gleich Machiavelli wollte Giannotti die Republikgründ u n g einem einzelnen, die Republikbewahrung den Vielen anvertraut wissen.
1 Machiavelli 1925, Bd. 2, S. 227-246 (Discorso sopra il rejormarc lo stato di Firenze); Machiavelli 1522, Discorsi, 1/9 2 Harrington 1656, S. 346 3 Rousseau 1762, Contrat social, II/7
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IV. G i a n n o t t i s B e d e u t u n g in d e r G e s c h i c h t e d e r g e w a l t e n t e i ligen M i s c h v e r f a s s u n g
Die Republica fiorentina ist ein gründlicher, umsichtiger, realitätsnaher, konkreter Verfassungsentwurf für die Reform der Republik Florenz im Umfang eines über 200seitigen Buches. Dies ist in der Geschichte der politischen Ideen ein äußerst seltenes Ereignis. Aus der Zeit vor Giannotti sind nur zwei ähnlich umfassend angelegte Verfassungsprojekte überliefert, nämlich die unvollendeten Nomot von Piaton (um 347 v. Chr.) und die Utopia von Thomas M o r u s (1516). Piatons Spätwerk war indes zur G r ü n d u n g eines neuen Gemeinwesens auf einer unbewohnten Insel, M o r u s ' »Nirgendwo« als utopisches Gegenbild zum zeitgenössischen England konzipiert. Die Republica fiorentina von Donato Giannotti ist also in der Ü b e r lieferung der erste vollständige Verfassungsentwurf zur Reform einer politischen O r d n u n g im aristotelischen Sinne. Deshalb ist das Werk in der Geschichte der politischen Ideen nicht nur eine Rarität, sondern eine absolute Novität. Bis zum nächsten vollständigen Verfassungsentwurf für die Reform einer Republik, der Oceana von James Harrington, verstrichen 122 Jahre. Giannotti schöpfte vor allem aus den Quellen von Piaton, Aristoteles, Polybios, Cicero, Livius, Dante und Machiavelli. Sparta, Rom und Venedig waren seine Vorbilder. Er studierte die florcntinische Vcrfassungsgcschichtc und kannte das Gedankengut der großen politischen Debatte im Florenz seiner Zeit. Aber Giannotti war ein unabhängiger, kritischer Geist; er ließ sich von keinem D e n k e r u n d von keinem realgeschichtlichen Vorbild vereinnahmen. Er wahrte seine kritische Distanz zum spartanischen Militärstaat und zum römischen Imperialismus ebenso wie zum »governo stretto« der venezianischen Adclsrcpublik und zu den instabilen, die Gcwaltentcilung mißachtenden republikanischen Verfassungen seiner Vaterstadt. Von Bruni und Guicciardini unterschied er sich durch das Konzept eines demokratischeren »stato misto«, von Savonarola, den er persönlich zwar hochschätzte, durch die Ablehnung staatlich verordneter Askese (RF IV/6) und kirchlicher Einmischung in die
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Politik - die Politik gehöre ins Rathaus, nicht ins Kloster San M a r c o (RF 111/18, S. 297) -, von Machiavelli durch die stillschweigende, aber offenkundige Ablehnung der Trennung von Politik und Ethik. Giannotti schrieb nicht um der Erkenntnis willen, sondern in politisch-programmatischer Absicht. Dennoch enthalten seine Schriften eine Fülle von Ideen, die über den Tag hinaus bedeutsam sind: die Übertragung des virtü-Bcgriffs vom Menschen auf die Institution, die Durchlässigkeit der sozialen Schichten nach Bildung und Leistung, der Ansatz einer Souveränitätslehre, das Leitbild der Volkssouvcränität, das Leitbild der direkten Vcrsammlungsdemokratie, das Leitbild gleicher politischer Teilnahmercchte aller Steuerzahler, die Gesetzesinitiative jedes Bürgers, die durch eine Milizarmee zur Selbstverteidigung fähige Republik, die allgemeine Wehrpflicht der Steuerzahler, die Demokratisierung der Armee aufgrund der Wahl der militärischen Vorgesetzten durch die Wchrmänner aus den eigenen Reihen, die Rechtfertigung des Tyrannenmordes, die Unterscheidung von verfassunggebender und verfaßter Macht, die originelle, Florenz angepaßte Weiterentwicklung der Mischvcrfassungstheorie und die noch originellere Gewaltcnteilungsthcorie. Der innovativste, allgemeingültigste Aspekt im Gesamtwerk Giannottis ist seine Gcwaltenteilungslchre. Durch sie allein schon verdient Giannotti einen hervorragenden Platz in der Geschichte der politischen Ideen. Er ist der erste Autor, der den Gcwaltcntcilungsaspekt der Mischverfassung klar erkannt und systematisch entfaltet hat. Er hat die Gewaltcntcilung nicht erfunden, aber in der Mischverfassung entdeckt. Er hat sie der venezianischen und florcntinischen Wirklichkeit abgeguckt, aber zweckmäßiger konzipiert und verallgemeinert. Im Vergleich zur Vicr-Funktioncn-Lehrc Giannottis (Wahlen, Außenpolitik, Gesetzgebung, Rechtsprechung) sind die Zwei-Funktioncn-Lchrc John Miltons (law making, law executing), die Drei-Funktionen-Lehre John Lockes (Gesetzgebung, Ausführung, Außenpolitik) sowie die Drei-Funktioncn-Lehrcn Montcsquicus, Madisons, Kants und der vorherrschenden Gcwaltcntcilungsdoktrin (Legislative, Exekutive, Judikative) reduktionistisch. 1 Giannotti behandelte die Außenpolitik als gesonderte Funktion, I
Riklin 1989 und 1990b
EINFÜHRUNG
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statt sie in das Schema von Gesetzgebung und Ausführung hineinzupressen. Ein Aphorismus von Montesquieu ist schuld, daß die außenpolitische Gewaltenteilung in den meisten Verfassungen seit der amerikanischen von 1787 unsorgfältig oder unklar ist. Blauäugig wähnte er die Außenpolitik als »Ausführung des Völkerrechts« und wies sie der Regierung zu. Zudem integrierte Giannotti die Wahlfunktion in sein Gewaltentcilungskonzcpt, regelte die beiden Phasen der Kandidatenaufstellung und der Wahl, ordnete mit großer Sorgfalt das Wahlverfahren und bestimmte die verschiedenen Wahlorgane. Im Gegensatz zu Milton und Locke verstand er schließlich die Rechtsprechung als eigenständige Funktion. Durch die gedankliche Entflechtung von Staatsfunktionen und Entscheidungsphasen und durch die maßgeschneiderte Vernetzung von Funktionen, Entscheidungsphasen und Staatsorganen gelang ihm ein Wurf, der viel wirklichkeitsnäher und praktikabler ist als alle späteren Gcwaltenteilungskonzcptc, insbesondere als das oft mißverstandene Konzept von Montesquieu, das ganze Juristengenerationen verwirrt hat und bis zum heutigen Tage verwirrt. Es war ja nie so und ist auch heute nicht so, daß zuerst das Parlament Gesetze erläßt und dann die Regierung die Gesetze ausführt. Vielmehr wurde in den Republiken aller Zeiten erwartet, daß die Regierung den Staat führt, daß sie plant, Gesetze initiiert, ausarbeitet und vorberät und daß die gleiche Regierung nach der Genehmigung der Gesetze durch das Parlament und allenfalls durch das Volk für deren Ausführung verantwortlich ist. Die Regierung war immer mehr als nur eine Exekutive, und das Parlament war nie die ausschließliche Legislative. Seit der amerikanischen Verfassung von 1787 trauen unsere Konstitutionen den Parlamenten in der Gesetzgebung zu viel und in der Außenpolitik zu wenig zu. Die zugleich führende und ausführende Rolle der Regierung in Gesetzgebung und Außenpolitik kommt meines Wissens nur bei Giannotti in dieser Klarheit zum Ausdruck. Vorberatung (Consultazione) und Ausführung (Esecuzione) einerseits, Beratung und Entscheidung (Deliberazione) anderseits gehören in verschiedene Hände: Vorberatung und Ausführung in die Verantwortung weniger, Beratung und Entscheidung in die Verantwortung vieler. Hätten Milton, Locke, Montesquieu, Madison, Kant
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u.a. Giannotti gelesen, dann hätte die Geschichte der Gcwaltenteilungslchre höchstwahrscheinlich einen anderen Verlauf genommen. Trotz der originellen und praxisnahen Gcwaltenteilungslchre und trotz vieler weiterer interessanter Aspekte des Gesamtwerks, hat die Nachwelt Giannotti ungnädig behandelt. In den gängigen H a n d b ü chern der politischen Idcengeschichte, etwa im englischen Standardwerk von George H . Sabine, im französischen von Jean Touchard oder im deutschen von H a n s Fenske et al. findet man über Giannotti nicht ein Wort. Einzig das neueste fünfbändige H a n d b u c h der politischen Ideen von Iring Fctschcr und Hcrfncd Münkler widmet ihm eine halbe Seite. In der französischen Literatur existiert eine einzige, freilich veraltete Monographie 1 , in der deutschen ein Kapitel in einer Habilitationsschrift 2 sowie ein fünfseitiger FestschriftartikeP, und in der englischen wurde Giannotti erst in jüngster Zeit entdeckt. 4 N u r die italienische Wissenschaft hat sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert intensiver mit ihrem Landsmann auseinandergesetzt. 5 U n glaublich, aber wahr: Niemand hat bisher den originellen Beitrag Giannottis in der Geschichte der gcwaltentcihgcn Mischverfassung angemessen gewürdigt. Selbst in Florenz erinnert kein Denkmal an den letzten bedeutenden Denker der Republik. N u r an der Decke im Korridor der Uffizien ist Giannotti zweimal abgebildet, und in einem unattraktiven Außenquartier von Florenz trägt eine Straße seinen Namen. Lord Byron hat ein Gedicht geschrieben »Florenz, du Undankbare«. Aber Byron dachte dabei an jene bekannten Persönlichkeiten, die wenigstens postum in Santa Croce, im Hof der Uffizien, in ihrem Geburtshaus, ihrem Wohnhaus, ihrer Klosterzelle oder ihrem Verbannungsort geehrt werden. Könnte man nicht im Kanzleizimmer des Rathauses neben der Büste und dem Bild Machiavellis wenigstens eine Erinnerungstafel für Giannotti anbringen? Anna Achma-
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Tassin 1869 von Albertini 1955, S. 146-166 Faul 1986 Gordon 1957; Baron 1966; Gilbert 1967 und 1968; Starn 1968 und 1972; Pocock 1975, S. 272-330; Skinncr 1978 5 Colangclo 1899; Sanesi 1899; Zanoni 1900; Calissano 1905; Ridolfi 1942; Bisaccia 1978; Cadoni 1978; Silvano 1990 und 1993
EINFUHRUNG
itova hat in freier Interpretation der Divina Commedia iin Verse gefaßt, die auch für Donato Giannotti gelten:
»Auch im Tod kam der Verbannte Nach Florenz nicht mehr zurück. Er schied, Einer, der den Blick nicht wandte. Diesem einen singe ich dies Lied. Fackel, Nacht, Umarmen, Schwelle, Wo das Schicksal wehklagt ohne Maß. Er verfluchte aus der Hölle, Daß er selbst im Himmel nicht vergaß: Sein Florenz. U n d doch wallfahrte Er im Bußhemd, barfuß, mit der Kerze Nie dorthin, in das erharrte, Treulose, ersehnte, zarte...« 1
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Neue Zürcher Zeitung, 18719. August 1990, S. 70
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DANIEL H O C H L I
Zur politischen Sprache Giannottis 1
In der Erforschung der politischen Ideengcschichtc bilden linguistische Untersuchungen schon seit geraumer Zeit cm wichtiges M e t h o dik-Element. 2 Ihre Bedeutung liegt nicht zuletzt im U m s t a n d , daß Wörter im Laufe der Zeit semantischen Veränderungen unterworfen sind, die, falls sie nicht beachtet werden, zu einer falschen, zu m o dernen Lesart einer bestimmten Epoche verleiten. Vorab im angelsächsischen Raum gewann die Sprachanalyse in letzter Zeit an z u sätzlicher Bedeutung. Namen, die für diese Entwicklung stehen, lauten etwa John G. A. Pocock, Qucntin Skinner und Salvo Mastellone. 3 Sprache wird in deren methodischem Ansatz z u m zentralen, wenn auch nicht einzigen Kontext, in dem sich der politische Diskurs abspielt. Durch die Art und Weise, wie das Sprechen institutionalisiert ist, wird jeder Äußerungsakt bedingt. Die Geschichte des politischen Denkens ist durch eine ganze Reihe von Diskursarten oder Sprachen mit je eigenen Regeln, Vorbedingungen und Implikationen gekennzeichnet. Sic können dabei ineinandergreifen oder sich gegenseitig ausschließen, entstehen in bestimmten sozialen Kontcx1
Aus der Republica fiorentina wird im folgenden unter Angabc von Buch/Kapitel sowie Seite/Zeile der von Giovanni Silvano besorgten Edition von 1990 zitiert. Diese Belegstellen lassen sich in der vorliegenden Ü b e r s e t z u n g leicht auffinden, da die Seitenzahlen der Edition von Silvano im Text eingefügt sind. Alle Verweise auf Werke Giannottis erfolgen unter Angabe der in der Bibliographie angegebenen Kurzformen der Titel.
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Wiener (1961), 542-545; von Beyme(1969), 44-46 Pocock (1987) gibt einen guten Einblick in diesen methodischen Ansatz. Eine kommentierte Bibliographie des Werks von Pocock liefert H a m p s h e r - M o n k (1984). Zu Q u c n t i n Skinner, der ähnliche Pfade beschritt, siehe den Sammelband von Tully (1988). Im deutschen Sprachraum fand der Ansatz, von P o c o c k und Skinner weniger Beachtung. Kritisch dazu äußert sich Willms (1984), 36, der keine wesentlichen Unterschiede zu herkömmlichen hermeneutischen Fragestellungen ausmachen kann. Positive Kritik erhalt die >Cambndge Schooh u m Pocock und Skinner indessen von Rosa (1994). Salvo Mastellone ist ein früher italienischer Vertreter eines vergleichbaren Ansatzes. Zu seinem Schaffen siehe den Rechenschaftsbericht Mastellone (1992).
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ten und sind durch den politischen Diskurs selber Veränderungen unterworfen. D o n a t o Giannottis Republica fiorentina entstand als konkreter Beitrag zum politischen Diskurs seiner Zeit. Mit diesem Werk bewegt sich Giannotti weitgehend im Denken und in der Sprache des klassischen Republikanismus 1 , auch wenn andere Elemente nicht fehlen. Die folgenden Bemerkungen zur politischen Sprache Giannottis wollen aufzeigen, daß die in der Übersetzung notwendige Interpretation seines Vokabulars oft nur vom republikanischen Paradigma her möglich ist. Sodann ist zu untersuchen, mit welchen begrifflichen Mitteln sich Giannotti innerhalb dieses Paradigmas bewegt. 2 Dabei werden vor allem Rückbezüge zum politischen Vokabular des Aristoteles und Querbezüge zu jenem Machiavellis gemacht. Stellenweise gewinnt man nämlich den Eindruck, Giannotti habe die Republica fiorentina mit der Politik zur Linken und den Discorsi zur Rechten geschrieben.
I. Schlüsselbegriffe 1. Citta Der Repubiikanismus der Renaissance entlehnte Wesentliches von griechischen und römischen Quellen. Dies gilt auch und gerade für das Vokabular. Aristoteles' Politik stieß in den Stadtstaaten Italiens nicht zuletzt deshalb auf große Resonanz, weil diese in der griechischen Welt der nöAig Vergleichbares zu den eigenen Verhältnissen erkannten. 3 Das italienische Wort für nohiq lautete, abgeleitet vom 1 Pocock (1975), Teil I und II; speziell zu Giannotti: 272-320 2 Meine Ausluhrungen verstehen sich als Ergänzung und Weiterführung dessen, was Silvano (1990), 32-41, in der von ihm besorgten Edition der Republica fiorentina zum politischen Vokabular Giannottis geschrieben hat. Ich danke Giovanni Silvano herzlich für eine ausführliche Diskussion zu diesem Thema, die wir in Padua fuhren konnten. ) Den aristotelischen Einfluß auf das politische Denken in Italien beschreiben Ullmann (1977), 89ff., und Rubinstein (1979), 183ff. Daß man Aristoteles vornehmlich auf den städtischen Kontext bezog, laßt sich etwa bei Acgidius Romanus zeigen. Er fugte zu den aristotelischen Kategorien »communitas domestica«, »communitas vici« und »communitas pohtica, quae communi nomine vocatur civitas«
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lateinischen civitas, citta (>StadtStaat< oder auch >Gcmeinwcscn< wäre daher in aller Regel zu allgemein oder gar irreführend. 4 Der cittadino konnte dazumal nur in der Stadt, nicht aber in einem umfassenderen G e meinwesen am politischen Leben aktiv teilnehmen. 5
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(vgl. Politik, 1/1) bezeichnenderweise noch eine vierte, übergreifende Stufe hinzu, die »communitas regni«; De regimineprincipum, 3.3.1., 237f. Z.B. Giannotti, RF IV/5, 231/13: »Malatesta ... venne con le genti fiorentine alla volta di Arezzo, la quäle terra desiderando i nostri che fusse difesa«. RF 1/4, 85/4ff.: »In tali cittä si puö agevolmente introdurre la potenza dei pochi perche sono subietti capaci di talc amministrazione, la quäle non e altro che un.i compagnia di signori et servi, laondc quelle cittä in talc maniera governate non si possono chiamare cittä, perche cittä vuolc dire una congregazione civile d'uomini liberi.« RFlll/i, 161/111.: »...essendo cittä congregazionediuominiliberi,ordinataalbene vivere commune degli abitanti.« Rudolf Zorn meint in der Einleitung zu seiner Übersetzung der Discorsi, Machiavelli verwende das Wort atta in Abkehr von der ursprünglichen Bedeutung »häufig nur in der allgemeinen Bedeutung von Gemeinwesen oder Staat.« Siehe Niccolo Machiavelli, Discorsi, dt. Gesamtausgabe, Stuttgart 1977 , LXIX. Zorn übersieht dabei, daß Machiavelli, soweit er über die Republik schreibt - und das tut er in den Discorsi vorwiegend -, nicht nur das Vokabular des klassischen Republikanismus beibehält, sondern auch dessen Inhalte weitgehend übernimmt; siehe dazu überzeugend Viroli (1990). Im Gegensatz zur deutschen bildeten sich in den romanischen Sprachen und im Englischen für die zwei zentralen Rollen des Burgers verschiedene Begriffe heraus der seine Geschäfte tätigende borghcsc/bourgcois und der in der Politik partizipierende cittadino/'atoyen/Citizen. Erst mit der Möglichkeit, die Partizipation de-
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2. Vivere politico, vivere civtle, governo
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Das griechische Adjektiv zu nöXiq, noXiriKÖq, wurde in den Aristoteles-Übersetzungen entweder zupoliticus latinisiert oder mit civilis wiedergegeben. 1 Diese Parallelität hielt sich auch im Italienischen, w o politico und civile lange Zeit austauschbar blieben. Das Adjektiv taucht vor allem im Begriff vivere politico bzw. vivere civile auf, der das gesamte Programm des Rcpubhkanismus der Renaissance umfaßt. Für die Florentiner Humanisten des frühen 16. Jahrhunderts hat das vivere civile verschiedene Aspekte. Es ist, erstens, die b ü r g e r l i che Lebensweisepohtische< Ordnung. 5 Das vivere civile war laut dieser Definition, die sich neben jener von Ptolemäus hielt, also nicht zwingend mit der republikanischen Ordnung identisch. Machiavelli etwa verwendet den Begriff vivere politico oft im Sinne von Gesetzesherrschaft, wozu er Republiken und Königreiche zählt, im Gegensatz zu gesetzlosen absoluten Herrschaften.6
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eher kommt für Florenz in Frage: »nella cittä di Firenze il governo civile e ottimo« (450). Savonarola glaubte noch, seine Quelle stamme direkt von Thomas von Aquin. So z.B. Guicciardini, Discorso del modo di ordinäre il governo popolarc, 218: »...el vivere nostro civile c molto difforme da uno ordinato vivere di una buona republica...« Z.B. Discorsi, 1/7, in Futtc le opere, 87f.: »...come accadde ne' tempi che Francesco Valori era come principe della cittä; il quäle sendo giudicato ambizioso da molti, e uomo che volesse con la sua audacla e animositä trascendere il vivere civile«. Siehe dazu Silvano (1985), 23ff. u. 115ff.; ferner auch Bizzocchi (1980). Thomas von Aquin, Sententia libripoliticorum, 1.1.5., 248: »civitas autem duplici regiminc regitur: scilicet politico et regali. regale quidem est regimen, quando ille qui civitati praeest habet plenanam potestatem. politicum autem regimen est quando ille qui praeest habet potestatem coaretatam seeundum ahquas leges civitatis.« Viroli (1990), 149-151 Z.B. Discorsi, 1/25, in Tutte le opere, 109: »E questo [il ritenere l'ombra almanco
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Auch bei D o n a t o Giannotti sind governo civile* und vivere civile2 zwei Kernbegriffe, die mit leichten Nuancen verschiedene Inhalte annehmen. Mit governo civile benennt er in der Regel die republikanische bürgerliche Ordnung« oder das bürgerliche Regiment«, das sich durch breite Partizipation auszeichnet. Auf eine breite Partizipation weisen besonders Ausdrücke wie »governo civile et universale« hin. 3 Als Substantiv bezeichnet universale bei Giannotti die gesamte >BürgerschaftTcrritoricn< oder >Besitzungcn< verfügen; dies zeigen F o r m u lierungen wie »tutta la republica et stato di quella« 3 oder »quando al senato veneziano convenne difendere 1 suoi stati« 4 . Mit »stato di Firenze« w u r d e in der Regel die Gesamtheit der florentinischcn Besitzungen bezeichnet. Laut Machiavelli umfaßt der »stato di Firenze« die Stadt, den contado und den distretto!' Giannotti klammert die Stadt bisweilen auch aus. 6 3) Subjektiv bzw. pcrsoncnbczogcn bezeichnet stato, drittens, die Machtposition, in der eine Person, eine Partei oder eine soziale Schicht steht, oder auch die Herrschaftsausübung durch diese Person oder Gruppe. In Florenz sprach man etwa vom »stato degli Ricci e Albizzi« 7 , vom »stato di Cosimo« s oder vom »stato d e ' Medici«''. Giannotti erwähnt an einer Stelle die »Herrschaft des Rates [lo stato del consigho]«.' 0 Stato meint in diesen Beispielen natürlich auch jene 1 RF IV/8, 252/271. 2 RF\U/\7,205/17ff., hier nach dem Autograph, fol. 124r, zitiert: »...che la grandezzadi quelduca, seavesscpotutodisporredello stato di Firenze, sanastata agli stat: che aveva in Italia troppo formidolosa«. In der Edition Silvano steht fälschlicher weise »ahn« statt »stati«. 3 RF III/ll, 182/24 4 VAS, 459 5 La cagione dell'ordinanza, dove la si truovi, et cjuel che bisogm farc, in Tutte It opere, 38: »...volendo ordinäre lo stato di Firenze alle armi, era necessario examinare come questa mihtia si havessi ad introdurre. Et considerando lo stato vostro. si truova diviso in cittä, contado et distrecto...« 6 So unterscheidet er die »faccende grandi dello stato et della cittä«; RF III/4 166/13F; vgl. aber 111/17, 205/18. 7 So Stefani in seiner Cronaca fiorentina, zitiert nach Rubinstein (1971), 318. 8 Machiavelli, Discursus florcntinarum rcrum post mortem luniorts Laurcntn Medices, in Tutte le opere, 24 9 Guicciardini, Dialogo del reggimento di Firenze, 25 10 RF 1/5, 93/12
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institutionellen Voraussetzungen zur Ausübung der Herrschaft, auf welche die Machtträger angewiesen sind, in erster Linie aber die effektive Macht, die sie besitzen und über andere ausüben. So kann man den stato retten (»salvare«), verlieren (»perdere«), festigen (»fermare«), sich seiner erfreuen (»godere«) oder seinen N a c h k o m m e n überlassen.' Ähnlich heißt es an anderer Stelle, Andrea Doria habe mit dem Kaiser die Machtübernahme in Genua abgesprochen (»accordato lo stato di quella [cittä] con Pimperadorc«). 2 Die Änderungen der bestehenden Herrschaftsvcrhältnissc nennt Giannotti wie zu seiner Zeit üblich »mutazioni delio stato«. so etwa die Umstürze von 1512 und 1530.3 Im florentinischen Kontext ziehen solche >Machtwechsch immer auch eine Änderung der Verfassung mit sich, z u m Beispiel eine »conversione della republica nella tirannide«. 4 Die Betonung liegt indessen auf dem Austausch der Machtelitc. »Altcrare lo stato presente« heißt demnach: die bestehenden Machtverhältnisse verändern.'' 4) Im republikanischen Florenz hat sich aus der zuletzt genannten Bedeutung von stato eine weitere, vierte inhaltliche Variante ergeben, die sich am besten mit >Regiment< oder >Regime< übersetzen läßt. Mit stato wurden alle Ämter der Republik sowie alle dazu qualifizierten Bürger bezeichnet. c Diese Bürger hießen dementsprechend »cittadini dcllo stato« oder »statuali«. 7 Sie gehörten mit anderen Worten z u m stato, waren an ihm beteiligt. Das Regiment konnte eng (»stretto«) oder breit (»largo«) sein, je nachdem, wie viele Bürger Zugang zu den höchsten Ämtern der Republik hatten. 8 In seinem Discorso über 1 RFV5, 88/15; 88/36; 95/10; 98/11; sodann 98/14ff.: »Quelli di fuori... non potendo essi trovare aiuti sufficienti a rimettcrh nella patria, si consumavano in esiho et Cosimo a' discendenti suoi lasciö lo stato sicuro.« 2 RF H/9, 126/31 3 Z.B. RFl/l, 74/2 u. 74/15; HI/18,212/6: »lamutazionedellostato nel 1512«; ferner 213/21: »la mutazione dello stato passato«, also 1530. 4 RFl/l,74/5 5 RF III/8,176/32 6 Siehe hierzu Rubmstein (1981), 140-143; stato in dieser Bedeutung wurde synonym zu governo gebraucht, wie noch zu zeigen ist. 7 Siehe z.B. Varchi, Storia fiorentina, vol. 2, 108. Giannotti bevorzugt stattdessen »beneficiati«, selten auch »nobih«. 8 So spricht z.B. Guicciardini für die Epoche von Maso degli Albizzi und Niccolo da Uzzano von einem »stato in mano de' cittadini prmcipali e di piü qualitä, ne perö stretto in modo che la cittä non tussi hbera«; Dialogo del reggimento di Fi-
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die politische O r d n u n g der letzten Republik beschreibt Giannotti dieses Regiment wie folgt: »Einige gehören zum Regiment [stato], können also Ä m t e r bekleiden; andere können sie nicht bekleiden. Jene, die Ä m t e r bekleiden können, nennen wir nobili; ...nobiliheißen also jene, welche die gesamte Florentiner Republik regieren, sowohl in der Stadt wie außerhalb. Da sonst niemand Anteil an der Regierung hat, sind sie allein die Herren über die Stadt und über ihr gesamtes Herrschaftsgebiet.«' Innerhalb des Regiments gibt es dann natürlich faktische Unterschiede zwischen den Bürgern. So spricht Giannotti von den »grandi di quello stato« und von den »piü onorati dello stato che allora reggeva«. 2 Die Rede ist ferner vom »padronc dello stato«. 3 5) Eine fünfte semantische Variante von stato geht auf die ursprüngliche lateinische Bedeutung zurück. Status trat im römischen Rechtsdenken einmal in Sinne von Status hominum auf. Die Juristen des Mittelalters beschrieben damit die (Rechts-)Stellung eines Menschen in der Gesellschaft. Ferner stand Status für Zustand, Lage, Wohlstand oder sichere Stellung. In dieser Bedeutung gebrauchten die Juristen das Wort in Ausdrücken wie Status civitatis, und dieser Sprachgebrauch klingt auch im Werk Giannottis nach. So kritisiert er die richterlichen Kompetenzen der Otto di guardia von Florenz, weil »sechs Personen über das Leben und die Stellung eines jeden [stato di eiaseuno] verfügten«. 4 Im Rahmen seiner Reform will er vermeiden, daß die Signoria »bei Geschäften, welche die allgemeine Stellung der Stadt oder eines Privaten betreffen [lo stato universale della cittä, 0 di privato alcuno]«, freie Amtsgewalt besitzt. 5 Dafür will er den renzc, 22. 1 DRF, 413: »aleuni hanno lo stato, cioe aleuni possono avere magistrati; aleuni non li possono averc. Questi che possono avere magistrati, sono quclli che noi chiamiamo nobili;... Questi nostri nobili sono quclli chegovernano tutta la Repubblica fiorentina, e dentro c fuori; c non essendo altri fatti partecipi del governo, vengono essi soll ad essere signori della cittä e di tutto il dominio d'essa«. Ganz ähnlich schreibt der anonyme N. Secretario, Scrittura, 44, über den »modo come si acquisti o perda lo stato in questa nostra cittä.« 2 RF U/8, 123/7F; 111/18, 208/29f. 3 DRS, 453, hier in der Stadt Siena; siehe auch RF IV/8, 246/5: »...chi vuole alterare uno stato per esserne egli padronc«. 4 RF 11/10, 128/17F; siehe auch II/6, 114/7: »stato de' cittadini«. 5 RFIU/S, 176/24f.
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neugeschaffenen Procuratori in der Vorberatung wichtige K o m p e tenzen übertragen, nämlich »die Einführung der Gesetze und die Regelung aller Belange, welche die Stellung der Stadt betreffen [il regolare tutte le cose appartenenti allo stato della cittä], sowohl außerhalb wie im Innern«.' Der stato della citta steht in diesen Beispielen in einer gewissen Analogie z u m stato einer Person. Stato nimmt hier den Beiklang von Unversehrtheit an. Sowohl der gute innere Zustand der Stadt als auch die sichere Stellung nach außen sind erfaßt; mit anderen Worten: das >Wohlergehen< der Stadt. 2 Im Empfinden des frühen 16. Jahrhunderts w a r angesichts der ständigen militärischen Interventionen ausländischer Mächte die Außenpolitik ausschlaggebend für das Schicksal eines Fürsten oder einer Republik. Dies gilt auch für Giannotti, wenn er schreibt: »Die Beschlußfassung über Krieg und Frieden lag in den H ä n d e n der Behörde der Dieci, die somit die gesamte Situation der Stadt [tutto lo stato della cittä] bestimmen konnte.« 3 Verantwortlich für den stato della cittä waren die wichtigsten Behörden der Republik. Ihre konkreten Führungsaufgaben hießen cose dello stato bzw. faccende dello stato (>StaatsgcschäftcStaat< ist deshalb in vielen Fällen kein Anachronismus mehr. So schreibt Giannotti: »Wie wir an der entsprechenden Stelle ausführlich gezeigt haben, werden alle Staaten [tutti li stati] entweder von einem einzelnen, von wenigen oder von vielen regiert und gelenkt.« 2 Stato meint hier offensichtlich nicht bloß die Verfassung, sondern das Gemeinwesen selbst als organisiertes Kollektiv. Entsprechend heißt es an anderer Stelle: »In jenen Staaten, die von einem allein regiert werden [nelh stati governati da uno solo], ist Ungleichheit geboten; in solchen, die von mehreren regiert werden [in quelh che sono governati da piü], wie im Falle des von uns eingeführten, braucht es Gleichheit - wenn nicht tatsächlich, so wenigstens im Erscheinungsbild.« 3 Als statt bezeichnet Giannotti in einem Zug sowohl die Fürstentümer Ferrara und Mantova als auch die Republik Venedig. 4 Da >Staat< auch im heutigen Sprachgebrauch mehrdeutig auftritt, ist in Formulierungen wie »i deliquenti contra lo stato« oder »il parlare contra lo stato« 5 die Übersetzung mit >Staat< ebenfalls möglich, selbst wenn hier die bestehende O r d n u n g und das herrschende Regime gemeint sind.
6. Governo, amministrazione,
reggimento
Zwei weitere wichtige Begriffe im politischen Vokabular Giannottis sind governo und ammimstrazionc. Er verwendet sie weitgehend deckungsgleich. Während governo in zeitgenössischen Texten sehr
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text allein auf stato im Sinne von Herrschaft zurück. Im monarchischen Kontext hingegen (83ff.) stellt er den Bezug zwischen den cose di stato und dem Status regahs des Herrschers her. Siehcdazu die Ausführungen von Chabod (1961), 144f. Marongiu (1973), 443-453, zeigt auf, daß die Entwicklung hm zum modernen Staatsbegriff in der Amtssprache schneller voranging als in der politischen Literatur. RF\\n, 106/251. RFUl/lG, 201/19ff. /?fIV/6,238/13lf. RFUl/14, Titel sowie 194/15 undpassim
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häufig auftritt', findet sich amministrazione in den Schriften Giannottis überdurchschnittlich oft. Etymologisch gehen die beiden Wörter auf die lateinischen Verben gubernare beziehungsweise administrare zurück, die >steuernlenken< und im übertragenen Sinn >rcgieren< bedeuteten. Gubernaculum hieß das Steuerruder des Schiffs. Im politischen Vokabular bezeichneten governo, amministrazione und die entsprechenden Verben folglich die Führungs- und operative Rcgicrungstätigkeit der höchsten Staatsorgane in A u s übung der öffentlichen Gewalt. Giannotti spricht von »governare le faccende publichc« 2 oder von »ammimstrarc 1 magistrati« 3 . Savonarola "war es als Fremdem und Mönch »nicht möglich, bei den öffentlichen Regierungsgeschäften [nclle publiche amministrazioni] zugegen zu sein, so daß er sich nach einem Einblick in deren Abläufe hätte ein Urteil darüber bilden können, was gut und was schlecht eingerichtet war.« 4 Governo steht nicht nur für die Staatsführung (»governo dello stato«) 5 , sondern auch für andere Leitungsaufgaben. So besaßen die Mönche ihren governo1', und die Verteidigung von Florenz wurde dem governo Malatestas anvertraut. 7 Es ist naheliegend, daß governo und amministrazione neben der Führungstätigkeit auch die staatsleitcndcn, mit der politischen Führung beauftragten Institutionen und Amtsträger bezeichnen, mit anderen Worten: die >RegierungVcrwaltung< an. Giannotti e r w ä h n t z.B. einige untergeordnete Behörden, »für die es hautig notig ist, z u m Vorteil ihrer Verwaltung [in benelicio della loro ammimstrazionc] ein neues Gesetz einzuführen o d e r ein altes zu verbessern.« (RFIII/ll, 183/121.) Eine terminologische Unterscheidung zwischen der Regierung i.e.S. und d e m vornehmlich mit Exekutivautgaben beschattigten Verwaltungsapparat trat er aber noch nicht.
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Stadtrcgicrung (»governo della cittä«) verblieben. 1 1342 führte die Zwietracht unter den Bürgern so weit, »daß man den Herzog von Athen nach Florenz rief und ihn an die Spitze der Regierung [governo] stellte.« 2 Nach dem Aufstieg Cosimo de' Medicis zur Macht gab es viele Grandi, die zwar nicht seine Feinde waren, »in der Regierung [amministrazione publica] aber trotzdem weniger mitwirken konnten als zuvor, da die hohen Ämter nach Cosimos Willen vergeben wurden.« 3 In seinen Ausführungen, wer zum Großen Rat gehören solle, stellt Giannotti die rhetorische Frage, was denn Piaton wohl sagen w ü r d e , wenn er in Florenz und Venedig »so viele Männer von der Rcgierungdcr Republik ausgeschlossen [esclusi dall'amministrazione della republica] sähe«. 4 Dieses letzte Beispiel illustriert, daß in Florenz nicht bloß die effektiven Amtsträger zum governo oder zur amministrazione gehörten, sondern alle dafür qualifizierten Bürger. 5 Genau wie stato bezeichnen somit auch governo und amministrazione neben der institutionellen die soziale Struktur des Gemeinwesens. In republikanischen Zeiten gehörten faktisch alle Mitglieder des Großen Rates zu diesem >Rcgimcnt RFUU2, 155/31 ff. 7 Siehe z.B. 1 Kor 12, 12-31, und Politik, 1254a 34ff. Aristoteles war bezeichnender-
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»corpo della republica«.' Wie der einzelne Mensch, so meint er, sei auch das Gemeinwesen ein natürlicher Körper. 2 Er kritisiert die Bürger, die in der Zeit vor 1512 den kranken Körper der Republik nicht zu heilen versucht hätten: »Denn wer hat je einen Arzt warten sehen, bis ein Körper völlig zerfallen war und starb, um nach dem Tod die Heilung zu versuchen? Dies taten unsere Bürger zur Zeit Piero Soderinis. Die Republik war ein kranker Körper, aber sie versuchten nicht, sie vom Übel zu befreien und zu heilen, sondern wollten ihren Tod, im Glauben, sie nachher auferwecken zu können.« 3 Republiken sind allerdings nicht homogene Körper, sondern »corpi misti«. 4 Auch ihre verschiedenen Organe und Körperteile wie Herz, Nerven und Glieder werden als Metaphern herangezogen. Die vier wichtigsten Aufgabenbereiche (Wahlen, Gesetzgebung, A u ß e n politik und A n h ö r u n g der Beschwerden) machen laut Giannotti den »nervo d'ogni repubblica« aus. 5 Im weiteren spricht er oft von den membn der Republik. Darunter versteht er einerseits die politischen Institutionen oder »Organe«. Die Grundzüge seines Verfassungsprojektes beschreibt er wie folgt: »Unsere Republik wird sich somit aus vier Hauptorganen [membn pnncipah] zusammensetzen: aus dem
weise auch ein großer Biologe. Einen Überblick über die organologische Staatsauffassung in der aristotelischen Tradition gibt Vasoh (1993). Ihre Verbreitung im Mittelalter beschreibt Strtive (1978). Zur christlichen Überlieferung des corpus mysficKm-Denkens siehe ferner D o h r n - v a n Rossum (1979), 533-548. Archambault (1967) untersucht die Analogie zwischen Körper und G e m e i n w e s e n in der politischen Literatur der Renaissance. Wenn er schreibt, »the work s in question deal without exccption with the government of princes« (21), ist sein Blickwinkel allerdings zu sehr verengt. 1 Z.B. RV, 52, und RFWIk, 239/29 2 RF I V / 1 , 217/16f.: »...essendo la cittä u n o corpo naturale, si come e u n o u o m o particulare...« Das Gemeinwesen hat somit biologischen Charakter. Interessant ist diesbezüglich auch eine Stelle im DGF, 159, wo Giannotti die Republik mit einer Pflanze vergleicht. 3 RF 11/20, 148/4ff.: »perche chi c quellt) che abbia mal veduto medico alcunoaspctt a r e c h e u n o corpo malato venga all'ultima sua corruzionc et morte, et poi cheegli e m o n o , cercare di sanarlo? Q u e s t o feceno i cittadini nostri al t e m p o di Piero Soderini. Era la republica u n o corpo malato, ma cghno non cereavano di lcvarle il male di adosso et sanarla, ma volseno che ella monssc, c r e d e n d o pol potcrla risuscitare.« 4 5
D e r Ausdruck stammt von Machiavelli, Discorsi, I I I / l , in Tutte le opere, 195. RV, 54; ahnlich auch DRF, 413, u n d DRS, 450.
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G r o ß e n Rat, aus dem Senat, dem Collegio und dem Oberhaupt.«' Andererseits bezeichnet er mit membri die verschiedenen sozialen G r u p p e n , denen in der Republik Partizipationsrechte zustehen sollen: »Der Große Rat muß eine Versammlung sein, die sich aus den oben beschriebenen drei Gliedern [membri] zusammensetzt, das heißt aus den Grandi, den Mediocri und den Popolari.«2 Es sind letztlich also die Menschen, die den Körper der Republik bilden. 3 Die sozialen Gruppen nehmen im politischen Denken Giannottis eine zentrale Stellung ein. Er bezeichnet sie auch als sorti d'abitanti oder als parti4 Im Zusammenhang mit diesen Gruppen gebraucht Giannotti einen weiteren medizinischen Ausdruck: umori. In der Medizin wurde n mit umori jene vier Körpersäftc (Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle) bezeichnet, die in der Säftelehre von Hippokrates die entscheidende Rolle spielten. Die Lehre basierte auf dem hippokratischen Prinzip des Gleichgewichts im Körper. Krankheiten entstanden, wenn die Proportionen unter den Säften gestört wurden oder wenn ein Saft verdorben war. Über die Schriften Galens, der die medizinischen Erkenntnisse der Antike zusammengetragen und kanonisiert hatte, fand dieses humoralpathologischc Wissen Eingang in die Medizin des Mittelalters. 5 Später wurde es auf die politischen Verhältnisse übertragen. Was bezeichnen diese umori nun aber im politischen Körper? Giannotti gebraucht das Wort, erstens, für bestimmte »Wcucnszüge«. So spricht er von Florenz als »einer Stadt, in der man noch nie eine O r d n u n g einrichtete, welche die fehlerhaften Wesenszüge [umori]
1 RFII1/4,166/16F: »Sarä, adunque, lanostra republicacompostadiquattro membri principali: del consiglio grande, del senato, del collegio et del principe.« Mit der gleichen Formulierung beschreibt er auch die Verfassung Venedigs; siehe RV, 52. 2 RF 111/5, 166/26f.: »II consiglio grande debbe essere uno aggregato composto di quei tre membri h quah noi disopra descrivemmo cioe grandi, mediocri et popolari.« Für ähnliche Beispiele siehe III/3, 160/37ff. sowie 1/5, 94/24f.: »[la] moltitudinc, la quäle ... non e membro della cittä«. 3 Dies zeigt auch folgende Formulierung (/t/H 11/1, 154/Sf.): »Romulo ... aveva tanti uomini che facevano convenientc corpo d'una cittä non ambiziosa«. 4 Z.B. RFl/5, 82/40ff.: »In ogni cittä sono piü sorti d'abitanti, perche si truova in eiaseuna cittä nobili et ricchi, cioe grandi, poveri et vili et quclli che partecipano dell'uno c dcll'altro estremo, cioe mediocri. Tutte queste parti in eiaseuna cittä si tmovano...« Statt parti steht ab und zu auch faziom; siehe RF II1/2, 156/13. 5 Singer (1957), 261ff.
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vollständig ausgemerzt hätte.«' Häufig sind diese Wesenszüge negativ.2 Dahinter verbirgt sich die Annahme, daß sie verantwortlich seien für die Übel in der Republik. Zweitens bezeichnet Giannotti mit umori die »Kräfte« in der Stadt, die von den verschiedenen sozialen Gruppen ausgehen. 3 Das Wort ist in dieser Bedeutung immer auf ein Kollektiv bezogen, zum Beispiel auf die membri oder parti. Laut Giannotti zeichnen sich diese Gruppen durch spezifische politische Begehren - die desideri - aus, die ihrerseits natürlichen Neigungen entsprechen. 4 Desiderio der breiten Bürgerschaft ist die Freiheit (libertä); beim Mittelstand ist es die Ehre (onore), bei den Aristokraten die Größe (grandezza). Die sozialen G r u p p e n haben somit ihre je eigene Motivation, sich in der Republik zu engagieren. Sie treten daher als umori auf, als gleichsam von der N a t u r vorgegebene Kräfte, die in der Stadt wirksam sind. In Analogie z u m Körper müssen sie im politischen Leben im rechten Maß berücksichtigt werden. Gelingt dies, tragen sie zur Vitalität der Stadt bei; gelingt es nicht, werden sie zu zerstörerischen Kräften. Giannottis einziges Mittel, alle umori zu berücksichtigen, ist die Mischvcrfassuns:.'' 1
RF I I / l , 104/17f.: »...Firenze, nella quäle cittä non si e mai ordinata una amministrazione che abbia interamente estinti gli u m o r i che peceavano«. F ü r die Ü b e r setzung mit »Wesenszüge« spricht die Tatsache, daß die vier Kardinalssäfte in der Lehre von H i p p o k r a t e s ausschlaggebend waren für die vier Temperamente Sanguiniker, Phlegmatiker, Melancholiker und Choleriker.
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So auch RF 11/20, 149/16, w o von den »mali umori della cittä« die R e d e ist. D e n folgenden G e d a n k e n g a n g entwickelt Giannotti ausführlich in der RF 1/3, 82/39ff. Vgl. dazu Guicciardini, Del governo di Firenze dopo la restaurazionc de' Media nel 1512, 260: »perche essendo una cittä u n o capo c o m p o s t o di infiniti uomini diversi di condizione, di appetiti e di ingegno, sono infiniti h aeeidenti, h umori, infinite le difficultä nel maneggiarli«. Zu Giannottis G e b r a u c h von desiderio in dieser Bedeutung siehe auch RF II1/3, 160/37ff. Sehr ähnlich verwendet er ferner appetito, so etwa im DGF, 157: »E si come in o g m cittä sono diverse qualitä di cittadini, cosi ancora sono diversi i loro desideri cd appetiti.« In den hier skizzierten Bedeutungen gebraucht auch Machiavelli die Ausdrücke desideri u n d umori, wie Chiappelh (1952), 78f., zeigt. Silvano (1990), 39f., meint, Giannotti gebrauche das Wort ambizione zur Bezeichnung der jeweiligen politischen Motivation der sozialen G r u p p e n . In d e m von ihm angeführten Zitat steht allerdings nicht ambizione, sondern das Verb desiderarc. Silvano beruft sich im übrigen auf Guidi (1972) und (1984), der die weite Verbreitung solcher gruppenspezifischer politischer Motivationen in der politischen Literatur von Florenz nachweist. Allerdings ist es Guidi selbst, der dafür den Begriff ambizione heranzieht, nicht aber die untersuchten Autoren, wie wiederum die Zitate belegen. Für Giannotti ist die ambizione eine eindeutig negative individuelle (RF 1/3, 82/29;
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A u c h die Analogie der Verfassunggebung mit dem Hausbau war in der Renaissance recht geläufig.' Sie ist moderner und auch optimistischer als die biologische Analogie, räumt sie doch dem Menschen einen größeren Gcstaltungsspiclraum ein. Allerdings m u ß ein Reformer laut Giannotti vorsichtig vorgehen und die sozialen und kulturellen Gegebenheiten berücksichtigen, ganz ähnlich wie die klugen Architekten: »Werden sie beauftragt, einen Palast zu entwerfen, der auf einem zuvor errichteten Fundament gebaut werden soll, verändern sie dieses keineswegs, sondern zeichnen ein seiner Beschaffenheit entsprechendes Gebäude. Wenn sie ein Haus auszubessern haben, zerstören sie es nicht vollständig, sondern nur die mangelhaften Teile u n d passen diese den übrigen, erhaltenen Teilen an.« 2 Sehr wichtig für den Verfassungsbau ist in den Augen Giannottis das Fundament. Als »base et fondamento di tutto lo stato« sieht er in Florenz den Großen Rat. 3 Darüber türmt sich in seinem Verfassungsprojekt ein »corpo piramidato«, bestehend aus Senat, Collegio und dem Gonfaloniere als Spitze. 4 Die der Architektur entnommenen Metaphern, so zeigen diese Beispiele, beschränken sich auf das
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111/18, 212/10) oder kollektive Eigenschaft (II1/3, 161/27: »l'ambizione de' grandi«), nicht aber ein wertneutraler, genetischer Begriff (wie desiderio) zur Bezeichnung der verschiedenen sozio-politischen Motivationen. Die destruktive Kraft der ambizione kommt im übrigen auch im Wortgebrauch von Machiavelli zum Ausdruck. Dies geht etwa aus seinen Versen »Dell'Ambizione« (Tutte le opere, 983987) und deren Interpretation durch Sasso (1992) hervor. Von der Politik als »prudentia architectonica« sprachen schon Brunetto Latini und Thomas von Aquin; siehe Viroli (1990), 146-148. RF 1/2, 78/1 ff.: »Dopo questo, introdurremo la nostra republica, riparando a tutti quclli mancamenti che saranno stati da noi trovati et discorsi. Nella quäle cosa non alteraremo molto 1 modi et costumi del vivere fiorcntino. Si come anco fanno 1 prudenti architettori li quah, chiamati a disegnare uno palagio per edificare sopra fondamenti gittati per lo adietro, non alterano in cosa aleuna 1 trovati fondamenti, ma secondo le quahtä loro thsegnano uno edilicio convcnicnte a queih et se hanno a raeconciare una casa non la ruinano tutta, ma solo quelle parti che hanno difetto et all'altrc- lassate interc si vanno aecommodando.« Siehe auch RF IV/8, 253/511. Sehr ähnlich schreibt später Bodm in Les six livrcs de la Republique, V/1, vom »exemple du bon arclutecte, qui aecommode son bastimer ä la mauere qu'il trouve sur les lieux.« RFW/7, 240/5; ähnlich H/1, I04/35F: »gran consiglio, ottimo fondamento ad una bene ordinata republica.« RF III/4, 166/18ff.; von der Verfassungspyramide spricht er schon in der RV, 52, und im DGF, 159.
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Gefüge der Institutionen, das Giannotti der sozialen Lebenswelt anpassen will. Giannotti selbst versuchte sich als Arzt wie als Architekt. Als Arzt stellte er der Republik Florenz die nüchterne Diagnose, sie sei aufgrund zahlreicher Mängel zweimal an ihrer Verfassung zugrunde gegangen. Mit seiner Verfassungsreform glaubte er, die richtige Medizin gefunden zu haben, um den Patienten wieder auf die Beine zu bringen. Der Medico Giannotti unterschätzte aber die Medici, die sich für die Republik als unheilbares Krebsgeschwür entpuppen sollten. War er als Arzt somit zu optimistisch, darf er hingegen mit Fug und Recht als innovativer Verfassungsarchitekt bezeichnet werden - einer, der ein preiswürdiges Werk entworfen hat, das nie realisiert wurde.
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Zur Übersetzung
I. D i e V o r l a g e n d e r Ü b e r s e t z u n g In kaum einem Wissenschaftszweig wird nach derart heterogenen u n d zum Teil auch mangelhaften Ausgaben zitiert wie in der Geschichte des politischen Denkens.' Im Falle der Republica fiorentina von D o n a t o Giannotti war die Situation diesbezüglich bis vor kurzer Zeit ebenfalls unbefriedigend. Erst 1963 wurde das Autograph entdeckt. 2 Es wird unter Ms. Magliabcchiano, XXX, 230, in der Biblioteca Nazionale Centrale in Florenz aufbewahrt. Gestützt auf dieses Manuskript veröffentlichte Giovanni Silvano 1990 die erste vollständige und kritische Edition der Republica fiorentina (Geneve, Librairic D r o z ) . Die folgenden Ausführungen haben zum Ziei, die wichtigsten Merkmale des Autographs kurz zu umreißen und seine A b weichungen zu früheren Editionen aufzuzeigen. Giannotti schrieb die Republica fiorentina in den Jahren 15311534 nieder, als er in Comeano und Bibbicna in der Verbannung lebte. Das erhaltene Autograph stellte er vermutlich im Herbst 1534 fertig. 4 Wie im Text noch entzifferbar ist, lautete das später korrigierte cxplicit ursprünglich auf den 14. November dieses Jahres. Im ersten Kapitel des ersten Buches macht Giannotti einen Verweis auf den »secondo csilio«, dessen Mühsal er mit dem Schreiben etwas lindern wolle. Somit entstand das erhaltene Autograph frühestens im D e z e m b e r 1533, als die Verbannung verschärft und Giannotti von 1 von Bcymc (1969), 41 2 Kristeller (1963), I, 127 3 Die Geschichte des Autographs und der zahlreichen Abschriften diskutieren Bisaccia (1976); Cadoni (1978), 151-175; Cadoni (1980); Silvano (1990), 51- 67. 4 Dies ist die These von Silvano (1990), 62. Bisaccia (1976), 190f., und Cadoni (1980), 3, sind vorsichtiger. Sie halten fest, daß das erhaltene Autograph sicher vor 1538 niedergeschrieben wurde. Bisaccia meint, daß zwischen dem noch zu erwähnenden Urtext (1532) und dem Autograph (vor 1538) eventuell eine weitere Fassung (1534) existiert habe.
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Comcano nach Bibbicna umziehen mußte. Allerdings gibt es zahlreiche Indizien dafür, daß eine erste Niederschrift vieler Kapitel auf die Zeit vor 1533 zu datieren ist.' Giannotti wird sich daher bei der Abfassung des erhaltenen Autographs auf eine frühere Variante gestützt haben. Ein erstes, nicht mehr erhaltenes Manuskript beendete er vermutlich schon im Januar 1532, korrigierte er doch das explick des Autographs, das ursprünglich wie erwähnt auf den 14. November 1534 lautete, später auf den »Gennaio MDxxxi« 2 zurück. Damit wollte er wohl die Fertigstellung des ersten Entwurfes festhalten, die auf die Zeit seines Zwangsaufcnthaltcs in C o m c a n o z u rückging. Giannotti trug das Autograph mit sich herum, wohin ihn sein Schicksal auch führte. Er hütete den Text wie seinen Augapfel. Auch nahm er dann und wann Korrekturen vor. Die wichtigste erfolgte zwischen Februar und Juni 1538. In diesen Monaten ordnete Giannotti den Aufbau seines Werkes nochmals neu. Die Umstellung ist im Autograph anhand von Korrekturen klar nachvollziehbar. Giannotti versetzte die ursprünglich vier Kapitel des zweiten Buches hinter das erste Kapitel des ersten Buches. Die vormaligen Kapitel 2 bis 20 des ersten Buches verschob er hinter das zu diesem Zeitpunkt neu geschriebene Kapitel 1 des zweiten Buches. 5 Damit tauschte er die Analyse der früheren florcntinischen Verfassungen mit dem theoretischen Teil seiner Verfassungslehrc aus. Giannotti kündigte diese Überarbeitung am 18. Februar (oder März) 1538 seinem Freund Bcncdctto Varchi an. 4 Am 10. Juni hatte er die U m s t r u k t u rierung vollendet, wie er wiederum in einem Brief an Varchi fest-
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Bisaccia (1976), 190; Cadoni (1978), 155f. Giannotti folgte bei seinen Datierungen in aller Regel d e m florcntinischen U s u s (Kalenderwechsel erst am 25. März, d.h. ab incarnatione statt a navitatc). D e m Januar 1531 entspricht im julianischen Kalender also der Januar 1532. In einigen Fallen vergaß Giannotti, die Querverweise innerhalb des Textes zu k o r rigieren. So linden sich z.B. Verweise auf das (ehemals) zweite Buch, das in der Fndfassung nun als erstes vorliegt. Letterc italiane (Nr. 33), 46: »Il hbro, voglio che '1 desideriate ancora un p o c o ; perche lo voglio meglio, cioe piü regolatamente, ordinäre, e tarne un" altra copia per mandarla al reverendissimo Ridolh, a chi cgli tu destinato da prmeipio.« G i a n notti datierte den Brief nur mit Tag und Jahr. Als Monat k o m m e n nur Februar oder März in Frage.
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hielt.' Aber auch nach diesem Datum überarbeitete Giannotti den Text stellenweise. Sämtliche der 35 bisher gefundenen Abschriften 2 der Republica fiorentina entstanden nach dem Juni 1538, da in ihnen allen die Umstellung sowie noch früher erfolgte Korrekturen des Autographs berücksichtigt sind. Indessen wurden vermutlich nur zwei dieser Apographen direkt vom Autograph abgeschrieben. 1 Bei zahlreichen Abschriften bricht der Text im neunten Kapitel des zweiten Buches ab u n d setzt erst beim dritten Buch wieder ein; über elf Kapitel fehlen also. Die ersten vier Editionen (Venedig 1721, Pisa 1819, Mailand 1830, Venedig 1840) stützten sich alle auf eine solche lückenhafte Version der Republica fiorentina. Erst 1850 wurde der vollständige Text von F.-L. Polidori ediert. 4 Polidori nahm das recht zuverlässige Apograph der Biblioteca Marucclliana in Florenz als Grundlage. Dieses blieb nach der Abfassung offensichtlich noch einige Zeit im Besitz Giannottis, übertrug er doch viele der nach der Abschrift am Autograph vorgenommenen Korrekturen eigenhändig in das A p o graph. Die letzten Korrekturen am Autograph fehlen indes in dieser Abschrift. Die Edition Polidoris wurde 1974 von Furio Diaz in unveränderter Form neu aufgelegt. 5 Die vorliegende Übersetzung folgt weitgehend der Edition von Silvano. Wo letztere jedoch Fehler aufweist und wo das Autograph anders gelesen wird als in der Variante Silvanos, folgt die Übersetzung dem Autograph. Solche Abweichungen werden in Anmerkungen mit dem Zusatz A erläutert. Wichtige Abweichungen der Polid o n / D i a z - E d i t i o n vom Autograph werden in Anmerkungen mit dem Zusatz P wiedergegeben. Dies ermöglicht es, auch die ältere Standard-Ausgabe der Republica fiorentina mit der Übersetzung zu vergleichen. Die Abweichungen zeigen auf, wo Giannotti sein Werk noch korrigierte, nachdem er das erwähnte Apograph aus den H ä n -
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Lettcrc italiane (Nr. 35), 48: »Se io venissi costä, porterei il h b r o che chiedete; che l'ho tutto trasmutato, da poi che non lo vedesti.« Siehe die Liste bei Silvano (1990), 53-60. Es handelt sich u m Ms. C 13, Biblioteca Marucclliana, Florenz, sowie u m Ms. Italien 287, Bibhothcquc Nationale (Rcgius 10150), Paris. D o n a t o Giannotti, Operepolitichc c lettcraric, I, 58-288 D o n a t o Giannotti, Opere politichc, 181-370
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den gegeben hatte. Sie geben interessante Hinweise darauf, wie sich das Denken Giannottis im Zeitabiauf entwickelte.
II. G r u n d l i n i e n u n d K o n v e n t i o n e n
Jeder Versuch, sich als traduttore im Sinne des Wortes zu betätigen, birgt bekanntlich die Gefahr in sich, als traditore zu enden. Wer zu sehr am Text klebt, wird häufig den Sinn nicht treffend wiedergeben können. Wer sich zu sehr vom Text emanzipiert, hält dem Leser das Fremdartige vor, das jeder fremdsprachige Text in sich birgt. Die richtige Mitte zu finden, ist bei Giannotti nicht ganz leicht. Sein Stil und sein Wortschatz sind vergleichsweise archaisch und werden auch von Linguisten als schwierig eingestuft. Das Italienische bietet viele Möglichkeiten, mit Partizipialbildungen verschachtelte Satzpcnoden zu bauen, die im Deutschen nicht adäquat wiedergegeben werden können. Giannotti nutzte dieses Stilmittcl weidlich. Es war deshalb unumgänglich, lange Satzperioden in kürzere Sätze aufzulösen, ab und zu die syntaktische Struktur ganz zu durchbrechen und neu zusammenzufügen oder kurze Nebensätze mit Adjektiven oder Substantiven wiederzugeben. Ferner wurde versucht, die R e d u n danz in der Sprache Giannottis im Deutschen zu verringern. Als Beispiel dazu seien die zahlreichen kausalen Anknüpfungen im Text erwähnt.' Konjunktionen wie laonde, adunque,perche, onde,perciö, perö usw. treten sehr häufig auf. Um den Lesefluß zu erleichtern, sind sie im Deutschen häufig weggelassen; der Kausalzusammenhang ergibt sich auch implizit aus dem Text. Dem Verstehen förderliche Redundanz wurde indessen im Text belassen; in vielen Fällen wurden sogar Füllwörter hinzugefügt, um den Sinn einer Aussage zu verdeutlichen. Giannotti schrieb über Florenz, und er richtete sein Werk an ein florentinisches Publikum. Umfangreich ist daher das spezifisch florcntinische Vokabular, das sich kaum übersetzen läßt. Dies gilt zum Beispiel für die N a m e n der Behörden (Signoria, Gonfaloniere usw.) 1 Pocock (1975), 302, spricht von Giannottis »Anstotelian theory of causation«.
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oder für einen Ausdruck wie beneficiati, der den Kreis der politisch berechtigten Bürger bezeichnete. Solche Ausdrücke bleiben unübersetzt und kursiv im Text stehen. Dies trifft auch für ein paar andere, an sich leicht übersetzbare Begriffe wie zum Beispiel grandezza zu; sie bleiben nicht aus sprachlicher Bequemlichkeit stehen, sondern mit dem Ziel, charakteristische Aussagen und damit vielleicht auch etwas vom Fremdartigen des Textes zu bewahren. Sämtliche kursiv geschriebenen Ausdrücke sind im Begriffsregister erklärt. Der Übersetzung liegen - zusammengefaßt - folgende Konventionen zugrunde: -
Damit der Leser die Silvano-Edition leicht mit der Übersetzung vergleichen kann, sind deren Seitenzahlen in Klammern in den Ubersctzungstext übernommen worden.
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Alle Abweichungen von der Silvano-Edition sind durch Endno ten mit einem hochgestellten A angezeigt. In der entsprechenden Anmerkung ist die italienische Fassung des Autographs im Vergleich mit der Edition wiedergegeben.
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N u r ganz selten vermerkt werden Korrekturen der Interpunktion, die bei Silvano nicht immer überzeugt. Das Autograph weist insbesondere mehr Punkte auf, als Silvano wiedergibt.
- Wo die Polidori/Diaz-Edition vom Autograph abweicht, wird dies durch Endnoten mit dem Zusatz P angezeigt; die entsprechende Anmerkung gibt die Abweichung wieder. - Gekürzt oder ganz weggelassen sind in der Übersetzung die langen Titel zu jedem Buch sowie die Endbemerkungen der ersten drei Bücher. -
Die Gliederung der Absätze entspricht ebenfalls nicht dem O r i ginal; vielmehr soll sie die LJbcrsicht und Lesbarkeit erleichtern. - Nicht übersetzte Ausdrücke stehen kursiv und sind im Begriffsregister erläutert.
D O N A T O GIANNOTTI D I E REPUBLIK FLORENZ
Vorwort von Donato Giannotti zum Buch über die Republik Florenz an Monsignore Messer Niccolo Ridolfi1, ehrwürdigster Kardinal der Römischen Kirche
(69) Von allen Taten, Monsignore, die zum umfassenden N u t z e n der Menschen vollbracht werden, gilt die Befreiung der Städte von Tyrannen aus zwei G r ü n d e n als hcrausragend und bewundernswert. Erstens scheint es angesichts der vielen Nutznießer unglaubhaft, daß jemand ohne hcrausragendc Tüchtigkeit ein derartiges Unternehmen anpacken könnte, das vielen gleichzeitig Vorteile bringt. Zweitens ist die Beseitigung einer Tyrannis äußerst gefährlich, weswegen man jeden, der sich derart großer und offensichtlicher Gefahr aussetzt, für überaus mutig hält. U n d weil die Menschen die N a m e n aller, die solche Taten vollbringen, loben und verherrlichen, bleiben die Befreier von Städten in ruhmreicher Erinnerung. Es ist aber zu beachten, daß von Tyrannen unterjochte Städte sich in ihren Eigenschaften unterscheiden, war doch die bürgerliche O r d n u n g der einen vor der Unterwerfung vollkommener als die einer anderen; entsprechend ist die Befreiung in einigen Fällen schwieriger als in anderen. Wo die Republik eine gewisse Vollkommenheit schon aufwies, m u ß man einzig auf die Beseitigung der Tyrannis bedacht sein. Sobald dieses Ziel erreicht ist, kann man mühelos auf die O r d n u n g der früheren Republik zurückgreifen. So trat in R o m die vormalige O r d n u n g ohne jeden Verzug an die Stelle der Tyrannis der Decemviri, kaum war diese beseitigt. U n d nach der Ermordung Caesars konnte leicht die frühere republikanische O r d nung wieder eingeführt werden. Allerdings war es dann sehr hart und schwierig, sie zu verteidigen, und ein jeder, der sie bewahren wollte, bezahlte seinen Einsatz am Ende mit der H a b e und dem Leben. Wo man hingegen bei einer Republik (70) offensichtliche Mängel erkennt, reicht es nicht, bloß die Tyrannis auszumerzen; es ist unumgänglich, darüber hinaus auch an die Umgestaltung der
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Regierungsform zu denken. Entgeht dies jenen, die eine Stadt der Tyranncn entledigen und ihr so zur Freiheit verhelfen, werden sie ihre Anstrengungen selten belohnt sehen. Wird die bürgerliche O r d nung nach der Beseitigung der Tyrannis nicht verbessert und gemäßigt, kehrt letztere früher oder später zweifellos wieder zurück, oder es häufen sich die Mäntrcl, so daß die Stadt ruhelos und mühselig dahinlebt und schließlich vollends untergeht. Aus diesem Grund ordnete Brutus 2 die Römische Republik neu, nachdem er die Tarquinier vertrieben hatte, glaubte er doch, daß sich das königliche Regime leicht in eine Tyrannis verwandeln könne. In Anbetracht der nachfolgenden Unruhen liegt aber die Vermutung nahe, daß seine Reform nicht genügend durchdacht war. Möglicherweise hatte er sich derart einseitig darauf verlegt, die königliche Macht zu beseitigen, daß er die übrigen Mängel der Republik übersah. Solange die Tyrannis der Tarquinier andauerte, glaubte er deshalb nicht, daß ein anderer Teil der Republik Schaden verursache oder verursachen k ö n n e - a u ß e r jenem, den er deutlich als tyrannisch und eigenmächtig erkannt hatte. Gegen diesen wandte er dann all seine Gedanken. Später, als die Furcht vor Überfällen der Tarquinier nachgelassen hatte, machten sich jene Kräfte bemerkbar, die in der Republik ungebändigt geblieben waren. Sic erschütterten die ganze Verfassung mit Beschwernissen und Tumulten, die schließlich die Gelegenheit schufen, jene Herrschaft zu zerstören. Alle, die zum Wohl ihrer Vaterstadt den Sturz der florcntinischen Tyrannis betreiben, müssen somit um die Vervollkommnung der Republik besorgt sein, so daß man sich von ihr eine gewisse Beständigkeit und Dauer versprechen kann. Sic müssen viel umsichtiger sein als ihre Vorgänger im Jahre 1494, die nach dem Zerfall der Tyrannis nicht genug Scharfblick besaßen, um eine bürgerlich begründete O r d n u n g einzuführen. O h n e die Weitsicht des Begründers des Großen Rates (Consiglio grande)1 wäre die Republik viel früher als im Jahre 1512 unter das Joch der Tvrannis zurückgekehrt. 4 Wer diese Tyrannis zu Fall bringen will, muß also daran denken, das bürgerliche Regiment'' vollkommen zu machen. Außerdem sollte er diese Angelegenheit lange zuvor erwogen und entschieden haben, damit bei ihrer Ausführung niemand Zeit erhält, sich aus Unkenntnis oder Bosheit entgegenzustellen. Solches pflegt bei der Einführung
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einer Republik oft zu geschehen. (71) Frühere Urheber von Gesetzen und bürgerlichen O r d n u n g e n haben sich aus diesem Grund entweder wie Lykurg mit Waffen, wie N u m a mit göttlicher Vollmacht, oder wie Romulus mit bcidem gerüstet.'' Wer nun etwas Erfahrung in menschlichen Belangen erworben hat, indem er eifrig die antike Geschichte studierte und einige bürgerliche O r d n u n g e n aus eigener Anschauung kennenlernte, der vermag — so meine ich - auch zu überlegen und zu erörtern, wie eine Republik aufgebaut sein müsse. Da ich mich dieses Lobes nicht ganz u n w ü r d i g glaubte, begann ich nachzusinnen, welche Regierungsform man in unserer Stadt einführen könnte, sollte sie je ihre Freiheit wiedererlangen. Die Sorge, v/ie die Tyrannis zu stürzen und darauf die Republik einzuführen sei, überließ ich dabei anderen, die dank Klugheit, Adel, Reichtum, Rückhalt, Beziehungen und G r o ß m u t fähig sind, derart große Unternehmungen anzupacken. Nachdem ich zahlreiche Überlegungen zu diesem Thema angestellt hatte, schrieb ich das vorliegende Buch, in welchem ich meine Meinung offen darlege. Und weil ich mir wünsche, daß jemand es sorgfältig prüft, der dank seiner Tüchtigkeit und Bedeutung das Brauchbare daran zu erkennen und zum Wohl der Vaterstadt zu nutzen vermag, wüßte ich nicht, wem ich meine Arbeit eher widmen könnte als Euch. Aufgrund Eurer Klugheit, Eurem Wissen und all Euren weiteren Eigenschaften, die Menschen zu großen Taten befähigen, seid Ihr nämlich zu bcidem imstande. Überdies sah ich, wie groß Euer Wunsch ist, daß Eure Vaterstadt frei und ruhig lebe, und wie stark Ihr Euch - zu Eurem größten Ruhm - dafür eingesetzt habt. So kam ich zum Schluß, daß Euch nichts so zu erfreuen vermöge wie eine Abhandlung darüber, auf welchem Weg man Eure Heimatstadt in einen ruhigen und freien Zustand zurückführen könne. Aus all diesen Gründen, nebst der persönlichen Zuneigung, die ich Euch immer entgegengebracht habe, sende ich Euch dieses Buch. Wenn Ihr es gelegentlich lest, findet Ihr darin durchdacht, welche Staatsform unserer Stadt ansteht, wie viele und welche Mängel es in den beiden Ordnungen gab, die nach 1494 eingeführt wurden 7 und als freiheitlich galten, wie man die Republik wieder einführen und schließlich, wie man sie erhalten kann. Sollte meine Anstrengung nicht weiter nützlich sein, wird sie Euch immerhin zu bedenken
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geben, wie groß der Freiheitsdrang in jenen sein m u ß , die aus der Republik Ehre und N u t z e n zu ziehen pflegten. Ihr werdet nämlich sehen, daß selbst ein Mann (72), der all jener Eigenschaften beraubt w u r d e , welche die Menschen zu ihresgleichen zählen lassen, sich so sehr wünscht, die Freiheit der Vaterstadt nicht selber zu genießen, sondern nur schon verwirklicht zu sehen 8 , daß er sich seit geraumer Zeit einzig damit auseinandersetzte, wie man in ihr eine Republik einrichten könnte, die sie ruhig und sicher macht. N e h m t daher mein kleines Geschenk wohlwollend an und prüft, was daran Euer würdig ist; und zählt mich zu jenen, die Euch herzlich lieben und Euch unsterblichen R u h m wünschen.
ERSTES BUCH Erstes Kapitel Weshalb der Verfasser über die Republik Florenz schreibt
Zweifellos werden nicht wenige, die hören, daß ich über die Republik Florenz schreibe, mir vorwerfen, meine Bemühungen seien für andere von geringem oder gar keinem Nutzen. Wie es aber höchst lobenswert ist, sich z u m N u t z e n und zur Erbauung anderer abzumühen, so darf auch niemand getadelt werden, der ab und zu etwas unternimmt, um eigenen Wünschen zu entsprechen und sich selbst zu erfreuen; denn jeder ist zunächst sich selbst verpflichtet. Wer dies in Betracht zieht, verurteilt vielleicht die Anstrengung nicht, die zu unternehmen mir in den Sinn gekommen ist. Womöglich hält er mich sogar für nicht geringen Lobes würdig, wenn er sieht, daß ich mir, ohne anderer Tröstungen zu bedürfen, über mein Elend selber hinweghelfe und mein durch dieses zweite Exil 9 müdes und trauriges G e m ü t erfreue. Man mag sich wünschen, daß ich zur Aufmunterung eine Tätigkeit gewählt hätte, dank der ich nicht nur das gegenwärtig Gesuchte finden, sondern auch anderen in der Zukunft gewissen (73) N u t z e n bringen könnte, so wie Cicero' 0 und Bocthius" es taten; u m sich selber zu ermuntern, schrieben sie wunderschöne Werke, die später vielen Erbauung und Gewinn brachten. Darauf antworte ich in der festen Überzeugung - und ich zwinge mich selbst dazu, es zu sagen -, daß meine Anstrengung in nicht allzufcrncr Zukunft für andere nützlich sein kann, so wie sie gegenwärtig mein eigenes G e m ü t ein wenig zur Ruhe kommen läßt. In dieser Ü b e r z e u g u n g entschied ich mich zu erörtern, wie man in Florenz eine O r d n u n g errichten könnte, die sich ohne außerordentliche Macht von außen nicht mehr umstoßen ließe. Es steht nämlich außer Zweifel, daß die beiden Republiken, die 1512 und 1530 mit roher Gewalt beseitigt wurden, voller Mängel waren; wären sie davon frei gewesen, hätten sie auch nie untergehen können. Dies ist offensichtlich, denn für den Untergang der ersten
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brauchte es ein spanisches Heer, die Plünderung Pratos, den Zorn von Papst Julius 12 , die maßgebliche Unterstützung der Liga, die sich gegen den König von Frankreich gebildet hatte, die Niederlage dieses Königs in Italien und schließlich die Nachlässigkeit der angesehensten Bürger der Stadt.' 1 Für den Untergang der zweiten bedurfte es der Zustimmung aller christlichen Herrschaften u n d - als Urheber ihres Niedergangs - eines Papstes 14 , mit dem die Stadt keine Übereinkunft treffen konnte, es sei denn unter Preisgabe eben jener Freiheit, für die sie kämpfte. Die Stadt mußte von ihrem militärischen Kommandanten zur großen Schande der italienischen Soldaten verraten werden, während ihre Führung 1 '* diese Untreue weder zu bestrafen wußte noch zu bestrafen wagte. 16 U n d selbst all dies hätte nicht z u m Ruin ausgereicht, wenn sich die reichsten und geachtetsten Bürger nicht außerhalb der Stadt aufgehalten hätten, teils, um alles Mögliche zu deren Untergang zu tun und so den Papst zufriedenzustellen, teils einfach, um sich sowohl von der Verteidigung als auch vom Angriff fernzuhalten. Wer scharf überlegt, wird deshalb leicht vermuten, daß unsere Stadt glücklicher als jede andere in Italien wäre, wenn in ihr eine O r d n u n g errichtet würde, die berechtigterweise allen Arten von Bürgern gefiele. Keine äußere Macht wäre dann stark genug, um sie ohne die Zerstörung ganz Italiens überwinden zu können. Deshalb müßten alle für Florenz eine derartige Verfassung sehnlichst herbeiwünschen und lieber eine tiefere Stellung in einer O r d n u n g einnehmen, die man als dauerhaft betrachten kann, als eine höhere Stellung in einer O r d n u n g , die täglichen Umwälzungen ausgesetzt ist. In Städten, in denen man häufig das Regiment ändert, erleiden nämlich alle Bürger Schaden. Jener Teil, der in einer O r d n u n g in Reichtum und Ehre lebt, (74) sieht sich in der nächsten arm und zurückversetzt. So kann niemand behaupten, daß Machtwcchscl nützlich seien; der Gewinn, den man beim einen erzielt, wird durch den Verlust aufgehoben, den man beim nächsten erleidet. Gewiß gibt es in unserer Stadt einige, die aus der Umwandlung der Republik in eine Tyrannis so großen N u t z e n zogen, daß ihnen aus der Zerschlagung der Tyrannis keine großen Nachteile mehr erwuchsen. D a z u führten aber ungewöhnliche und äußerst seltene Vorfälle; denn die Tyrannis, die auf den ersten Untergang der Republik folgte, bekam dank dem
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neuen Pontifikat Papst Leos X. eine solche Bedeutung, daß sie alle, die ihr genehm waren, hemmungslos und nach Belieben mit Reichtum und Würden überhäufen konnte. 1 7 Wer auf diese Weise bereichert und geehrt worden war, erlitt unter der Regierung, die der Tyrannis folgte, keinen großen Schaden, da sie nach kurzer Dauer durch einen übermächtigen Angriff besiegt wurde. Wäre sie siegreich geblieben, würden auch jene Nutznießer heute die Folgen der Hcrrschaftswcchsel spüren. Besitz und Vaterstadt hätten sie kläglich verloren, allein und verschmäht zögen sie durch die Welt; und weil es schwieriger ist, selbst eine schlecht geordnete Republik zu stürzen als eine tyrannische und zu Gewalt neigende Regierung, schwänden ihre Hoffnung auf eine Wende. Alle Bürger sollten sich deshalb eine friedliche und ruhige Herrschaft wünschen; jene, die aus der Tyrannis N u t z e n zogen, um nicht das gleiche Elend wie die übrigen ertragen zu müssen; jene, die jetzt leiden, um vom Unglück befreit zu werden, das sie gegenwärtig plagt. Wenn man die Grundzüge der gegenwärtigen Herrschaft 18 studiert, kann man leicht erkennen, daß ein Umsturz bevorsteht. Wer in ihr u n t e r d r ü c k t wird, ist zweifellos zu ihrer Zerschlagung bereit. A b e r selbst wer sich in gehobener Stellung befindet, sollte mit nicht geringerem Wünsch darauf v/arten; denn die u n g e w ö h n lichen Methoden dieser Regierung geben ihm Anlaß genug zur Befürchtung, daß seine hcrausragendc Stellung bald untragbar wird. D e r U m s t u r z rückt u m so näher, je abwegiger die Verhaltensweisen und je größer die Schrecken sind, die sich gegen alle Bürger richten. Derartige Methoden bewirken, daß jeder den persönlichen H a ß vergißt, der durch die vergangenen Machtwcchscl erzeugt wurde, und all seinen Zorn und seine Wut gegen den Tyrannen richtet. Dessen Macht flößt allen so große Angst und Furcht ein, daß es niemand geben dürfte, der nicht die erste sich bietende Gelegenheit zur Wiederherstellung der Republik rasch und bereitwillig ergreifen wird, um sich von solchem Terror zu befreien. So geschah es zur Zeit (75) des Herzogs von Athen. 19 Dieser wurde nach Florenz gerufen, um die Bürgerzwiste beizulegen, bekam indessen Lust, sich zum absoluten Herrscher zu machen. Als er seine Absichten zum Teil schon verwirklicht hatte und weitere Schritte unternehmen wollte, wurde dies von den Bürgern nicht geduldet. Sic begruben den
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Streit untereinander und waren - alle vereint - zu seinem Sturz bereit. N u n entgehen ja keinem die Absichten des Regenten der gegenwärtigen Tyrannis, wenn er sieht, wie dieser die Behörden 2 0 beseitigt, Festungen erbaut, allen gebieterisch befiehlt und die Statur eines Alleinherrschers annimmt. Deshalb bin ich überzeugt, daß allen die Augen schmerzen und das H e r z bricht, wenn sie solch rohe Gewalt ausgerechnet in jener Republik gewahren, die ganz Italien lehrte, wie sich die Städte zu verteidigen haben, und die sämtlichen Barbaren die Verwegenheit austrieb, alles und jedes zu plündern und zu rauben; und ich bin überzeugt, daß alle sich sehnlichst wünschen, G o t t möge dieser Tyrannis die Unterstützung entziehen, die ihr zu solchem Aufstieg verhalf, und er werde es nicht an jener Hilfe für die Vaterstadt fehlen lassen, die ihm möglich ist. Weil man davon schon jetzt, während ich am Schreiben bin, gewisse Anzeichen sieht, wächst mein Vorsatz und Wille, die einmal begonnene U n t e r n e h m u n g weiterzuführen; denn die Zeit ist nahe, da sie Früchte tragen kann. O h n e Zweifel würde man aber sofort zur früheren O r d n u n g zurückkehren, wenn das gegenwärtige Regiment zerfiele; und vielleicht würde sie in einigen Teilen gar verschlechtert, wie es 152621 geschah, als man zur bürgerlichen Verfassung zurückkehrte und dabei allfälhgc Mängel der O r d n u n g , die 1512 untergegangen -war, hätte verbessern sollen, aber genau das Gegenteil tat. D e n n die Bestimmung, den Gonfaloniere auf Lebenszeit zu wählen - eine Regelung, die vorzüglich und sehr nützlich für die Stadt war, wie wir an der gebotenen Stelle zeigen werden - , wurde aufgehoben. U m g e kehrt wurde kein einziger Fehler ausgemerzt, da die zwanzig Bürger, die vom Großen Rat mit der Reform der Republik beauftragt wurden, nichts von Bedeutung zu verbessern oder anzuordnen wußten. 2 2 Weil ich fürchte, daß man beim nächsten Machtwcchscl die gleichen Fehler begehen würde, und weil mir der Umsturz unmittelbar bevorzustehen scheint, habe ich nachzudenken und aufzuschreiben begonnen, welche Rcgicrungsform man in unserer Stadt einführen könnte; eine Form, die ausnahmslos allen Bürgern zusagt, gleich welcher Gattung sie angehören, so daß alle ruhig, ohne Furcht, H a ß und A r g w o h n leben können und die gemeinsame Freiheit wie die bürgerliche O r d n u n g nach Kräften lieben, verteidigen und fördern.
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Obgleich ein so anspruchsvolles Thema mehr Verstand und U r teilsfähigkeit erfordert, als ich besitze, lasse ich nicht davon ab, (76) anderen mitzuteilen, wenn ich lesend oder durch praktisches H a n deln etwas gefunden oder verstanden habe, was ich als nützlich für die Stadt erachte. Wenn alle, die aufgrund ihrer Klugheit und Bildung dazu befähigt sind - und das sind viele - , sich zu diesem Thema etwas abverlangen, bezweifle ich nicht, daß man genau das Gesuchte finden wird. Indem man von diesem und jenem etwas übernimmt, fügt man die wünschenswerte O r d n u n g zusammen, zu deren Vollendung man keine Mühe scheuen sollte. Z u m Thema zurückkehrend, meine ich, durch die bisherigen Ausführungen sei klar geworden, daß ich aus drei Gründen über die Republik Florenz schreibe. Es sind dies: der Wunsch, mich selbst zu unterhalten, die Aussicht auf den bevorstehenden Sturz der gegenwärtigen Tyrannis, und schließlich die Notwendigkeit, die Mängel der beiden vergangenen Republiken zu beseitigen. Zu den ersten beiden will ich nicht mehr ausführen, als gesagt worden ist. Nach ein paar unerläßlichen einleitenden Überlegungen im nachfolgenden Kapitel bleibt somit noch, daß ich mich zum dritten äußere. Ich werde zeigen, welcher Art die angesprochenen Mängel waren sowie die Anzahl und Beschaffenheit jener Mißstände aufdecken, die sie hervorriefen. Sind diese Fehler klar erkannt, soll jeder zum Wohl der Stadt nachdenken und darlegen, wie sie verbessert v/erden können und müssen. Wer dazu nicht imstande ist, soll zumindest bereit sein, jene Verbesserungen zu vernehmen und gutzuheißen, die andere zur Vervollkommnung der Republik ermittelt und allen kundgetan haben.
Zweites Kapitel Zur Vorgehensweise
Die Gelehrten der Antike, die über Staatsverfassungen schrieben, sahen in der Verfassung nichts anderes als die O r d n u n g einer Stadt. Sic erklärten zuerst, was eine Stadt sei, aus welchen Gliedern sie sich zusammensetze und wie diese wiederum beschaffen seien. U n d weil die Stadt eine Gemeinschaft bildet, die zum guten Leben der Bcwoh-
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ner eingerichtet ist, bestimmten sie, was allen gemeinsam gehören und was privat sein solle. Z u r Verfassung des Gemeinwesens übergehend, erläuterten sie, wer sich Bürger nennen dürfe; sie zeigten damit, wer an den gemeinsamen Ehren und Lasten teilhaben solle. (77) Nach vielen weiteren Überlegungen kamen sie schließlich auf die Staatsformen zu sprechen. Ihre Erwägungen darüber waren nicht speziell, sondern allgemein; sie wandten sich nicht einer einzelnen Stadt zu, sondern schlössen aufgrund ihrer großen Klugheit und Trefflichkeit sämtliche O r d n u n g e n darin ein, die in Städten eingeführt werden können. Unsere Absicht ist dagegen, einzig die O r d n u n g unserer Stadt zu untersuchen. Nicht nur ist jeder vor allem anderen seiner Vaterstadt verpflichtet, auch meine geistigen Kräfte wären überfordert, w e n n ich ein schwereres Bündel schultern würde. Weil der G e g e n s t a n d , zu dem wir unsere Betrachtungen anstellen wollen, bereits v o r g e geben ist, entfällt die Aufgabe, uns über Dinge auszulassen, die, wie gesagt, in der Antike erörtert wurden. Wir wollen vielmehr zeigen, welche Form diesem Gegenstand unter den gegebenen Bedingungen angemessen ist. Es ist deshalb überflüssig zu untersuchen, was eine Stadt ist, weil jeder sieht, daß Florenz eine Gemeinschaft von armen und reichen, vornehmen und gewöhnlichen, ehrgeizigen und bescheidenen Bewohnern ist. Man braucht nicht zu bestimmen, was gemeinschaftlich und was privat sein soll, weil die Bewohner diese Aufteilung aus eigenem Antrieb bereits v o r g e n o m m e n haben. U n d schließlich entfällt die Darlegung, was ein Bürger ist, weil wir jene zu den Bürgern zählen wollen, die nach allgemeiner G e pflogenheit als solche bezeichnet werden. Wer diese Dinge zu ändern versuchte, würde sich wegen der Schwierigkeit der Sache vergeblich abmühen. Unser Gegenstand ist also die Stadt Florenz, so wie sie besteht. In ihr wollen wir eine Staatsform einführen, die ihren Eigenheiten entspricht. Nicht jede Form paßt zu einer bestimmten Stadt, sondern nur jene, die in ihr lange Bestand haben kann. Wie der Körper durch die Seele, so erhält die Stadt durch die Verfassung ihr Leben. Es ist daher einsichtig, daß beide verderben und zugrunde gehen, wenn zwischen ihnen die Übereinstimmung fehlt, gleich wie es geschähe, wenn eine menschliche Seele mit einem tierischen Körper verbunden
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wäre oder eine tierische Seele mit einem menschlichen Körper. Sic würden sich gegenseitig behindern und demzufolge verderben. Als erstes 23 werden wir deshalb untersuchen, welche Staatsform der Stadt Florenz angemessen ist. U m dies herauszufinden, werden wir alle Verfassungsarten erörtern und dabei prüfen, welche als beste anzusehen ist und wie die Städte beschaffen sind, die sie übernehmen können. Zu Florenz überleitend, werden wir zeigen, daß die Stadt sehr geeignet ist für ein gut geordnetes Regiment. Als zweites werden wir alle Mängel (78) und Fehler der beiden vergangenen Republiken durchgehen. Drittens werden wir unsere eigene Verfassung erläutern und zugleich alle Mängel ausmerzen, die wir zuvor gefunden haben, ohne dabei die Sitten und Gebräuche des florentimschen Lebens stark zu verändern. So gehen auch kluge Architekten vor. Werden sie beauftragt, einen Palast zu entwerfen, der auf einem zuvor errichteten Fundament gebaut werden soll, verändern sie dieses keineswegs, sondern zeichnen ein seiner Beschaffenheit entsprechendes Gebäude. Wenn sie ein H a u s auszubessern haben, zerstören sie es nicht vollständig, sondern nur die mangelhaften Teile und passen diese den übrigen, erhaltenen Teilen an. Schließlich werden wir zeigen, mit welchen Truppen sich unsere Republik vor äußeren Angriffen schützen kann und wie solche Truppen beschaffen sein müssen; und wir beenden das vorliegende Werk mit der Besprechung jener Gelegenheiten und Mittel, die es zur Einführung unserer Verfassung braucht. Letztere gehört zwar nicht zu den vollkommenen O r d n u n g e n , wie sie zu allen Zeiten und auf der ganzen Welt äußerst selten vorkamen und viel eher Wunsch als Wirklichkeit blieben; sie ist aber zumindest gut und dauerhaft. Unter ihr kann jeder, ob arm oder reich, vornehm oder gewöhnlich, das Leben glücklich verbringen, das Gott und die N a t u r ihm schenken.
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Drittes Kapitel Über die Staatsformen und die beste unter ihnen Nicht nur die Philosophen, sondern auch manche, die über die Geschichte von Fürsten und Republiken schreiben, zählen mehrere Verfassungsarten auf. Von diesen bezeichnen sie einige als gut, andere als schlecht und schädlich. Ihre Güte oder Schlechtigkeit leiten sie vom Zweck der Stadt ab. Dieser ist nichts anderes als das gute Gemeinschaftsleben der Bewohner, denn die Menschen schlössen sich von Beginn weg einzig aus dem G r u n d zusammen, weil sie voneinander getrennt ihr Leben unmöglich verteidigen und bewahren konnten. Als die N a t u r den Menschen schuf, wollte sie eine Gemeinschaft erzeugen, in der einer dem anderen helfen kann. Sic gab ihm - im Gegensatz zu den Tieren - nicht genügend Mittel, u m von allen anderen getrennt (79) leben zu können. Daher rührt unser Ausspruch, der einsam lebende Mensch sei entweder ein G o t t oder ein wildes Tier; denn wer wilden Tieren gleich allein und einsam zu leben vermag - was einem Menschen nicht gelingt - , den m u ß man zu dieser Gattung zählen oder ihm übermenschliche Kraft zuschreiben, womit er ein Gott wäre. Es ist nun aber nicht meine Aufgabe, mich lange über dieses Thema auszulassen, da schon Aristoteles es ausführlich dargelegt hat.24 Von ihm habe ich alle Grundlagen dieser kurzen Abhandlung übernommen, wie von einer unversiegbaren Quelle, aus der breite Wisscnsströme in die ganze Welt hinausfließen. 25 Wir bezeichnen das allen Bewohnern gemeinsame, gute Leben als Zweck der Städte. Zu diesem guten Leben findet sich eine kleinere oder größere Menschenmenge zusammen, je nach der N a t u r des Landes, in dem sich eine Stadt befindet. Weil aber überall, wo eine solche Menge lebt, stets U n o r d n u n g und Verwirrung entstehen, wurde es nötig, Mittel und Wege zu finden, um allen die Teilhabe am guten Leben zu ermöglichen. Dieses Mittel, oder besser: diese Regel ist es, was wir als Verfassung bezeichnen. Sic ist eine bestimmte Einrichtung, oder besser: eine O r d n u n g unter den Stadtbewohnern. Immer wenn sich diese O r d n u n g auf das Gemeinwohl ausrichtet, ist sie nützlich und gut, weil sie ihrem wahren und natürlichen Zweck
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entspricht. Gibt sie aber dem Privatwohl den Vorrang, ist sie schädlich und schlecht, weil sie von ihrer Bestimmung abweicht. Damit man diesen Abschnitt besser versteht, möchte ich einen weiteren Grundsatz heranziehen, anhand dessen man die Arten der guten und schlechten Verfassungen besser unterscheiden und schließlich zur besten O r d n u n g gelangen kann, auf deren Suche wir sind. In allen Verfassungen 26 - gemeint sind die einfachen und nicht die gemischten Formen, wie man weiter unten besser verstehen wird - liegt die Macht, beziehungsweise die Regierung, entweder bei einem, bei wenigen oder bei vielen. Wenn der Eine, die Wenigen oder die Vielen nach dem Gemeinwohl streben, müssen ihre Regierungen als gut eingestuft werden; wenn sie hingegen dem Eigennutz folgen, als schädlich und schlecht. Wenn einer allein H a u p t der Regierung ist und das Gemeinwohl anstrebt, nennt man eine solche O r d n u n g Königsherrschaft. Wenn die Wenigen regieren und das gleiche Ziel verfolgen, spricht man von einer Flerrschaft der Besten. Sie werden so bezeichnet, weil sie über höchste Tugend verfügen, oder 27A mehr noch, weil sie das Beste für die Stadt zu erreichen suchen. Wenn die Vielen die Herrschaft innehaben und das Gemeinwohl anstreben, nennt man ihre O r d n u n g Republik im eigentlichen Sinn. Diese drei FIcrrschaftsarten entstehen, weil in jeder Stadt entweder ein einzelner, wenige oder viele sich durch besondere Tugend auszeichnen Wo einer alle anderen bei weitem übertrifft, entsteht berechtigterweise eine königliche Herrschaft. Denn (80) wer über mehr Tugend verfügt, soll der N a t u r gemäß über die anderen bestimmen, wie Aristoteles aufzeigt. 28 Dies sieht man an der natürlichen Herrschaft ebenso wie an der Herrschaft über das Universum. Die natürliche Herrschaft ist |cnc, in welcher der tüchtigste Teil regiert. So ist bei den Lebewesen laut den Ärzten das Herz das wichtigste Organ, weil von ihm die Kraft in alle Körperteile ausströmt. Auch die Flerrschaft über das Universum wird von einem einzigen ausgeübt, der ein besserer Regent als alle anderen ist, nämlich von Gott. Da nun die Kunst die N a t u r nachahmt, ist es nur recht, wenn der Tüchtige die Herrschaft einnimmt. Und bei genauer Prüfung erkennt man, daß früher, als die Welt noch frei von Ehrgeiz war, das Königreich stets solchen anvertraut wurde, die als besonders tugendhaft galten. Diese Könige wurden durch keine Gesetze gebunden; es
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wäre ja unsinnig gewesen, jemanden mit Gesetzen einzuschränken, der für sich selbst u n d für die anderen Gesetz und Mäßigung war. Wo die Wenigen tugendhaft sind, entsteht die Herrschaft der Besten. Das Königreich kann dort nicht bestehen, wird es doch von einem einzelnen regiert, der die übrigen an Tugend weit übertrifft, ich jedoch hier die Tugend bei den Wenigen voraussetze und deshalb z u r A n n a h m e gelange, daß sich unter ihnen kein solcher befindet. Aus dem gleichen G r u n d kann es auch keine Republik geben, weil es nicht gerecht ist, wenn die nicht tugendhaften Vielen über die tugendhaften Wenigen bestimmen und sie regieren. Sind hingegen die Vielen mit Tugend ausgestattet, entsteht die dritte Rcgierungsart, welche Republik genannt wird. Diese O r d n u n g findet man in Städten mit militärischer Tugend, die nur der Menge eigen ist. Diese drei Arten sind gut, weil sie auf das Gemeinwohl ausgerichtet sind, das dem Zweck der Stadt entspricht, wie wir weiter oben ausgeführt haben. Wenn sie verderben, bringen sie drei andere Verfassungsarten hervor. Die Königsherrschaft wird in diesem Fall zur Tyrannis, die Herrschaft der Besten zur Wenigenherrschait, die Republik zur Pöbclhcrrschaft. Allerdings entsteht die Tyrannis in den Städten auch auf zahlreichen anderen Wegen. In zerstrittenen Städten z u m Beispiel kann sich der Anführer der siegreichen Partei zum Machthaber über alles aufschwingen, wie Sulla und M a n u s in Rom. 2 9 O d e r es richtet ein großer, von seinen Feinden verfolgter Bürger mit Hilfe des Gemeinwesens Waffen und Zorn gegen die Feinde u n d schließlich gegen das Gemeinwesen selbst und bleibt nach errungenem Sieg H e r r über beide. So taten es Julius Caesar in Rom und C o s i m o d e ' Medici in Florenz, wenngleich Cosimo bei der U n t e r d r ü c k u n g der Republik keine Waffengewalt einsetzte, sondern sich der bürgerlichen Einrichtungen bediente, von denen er selbst zuvor unterdrückt w o r d e n war. 10 Scipio Africanus freilich, ein an Tüchtigkeit alle anderen überragender M a n n , sah von der Gegenwehr ab, als die Gegner ihm - wenn auch den bürgerlichen Gesetzen entsprechend - nachstellten. Er war der Auffassung, nichts dagegen unternehmen zu können, (81) ohne sich z u m Tyrannen der Vaterstadt zu machen. Weil er wollte, daß diese lieber ihn als die Freiheit verliere, wie er sich ausdrückte, wich er der gegnerischen Partei und ging freiwillig ins Exil. 31 So hinterließ e r d e n Menschen ein denkwür-
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digcs Beispiel an wunderbarer Güte und Liebe gegenüber der H e i mat. Er handelte nicht wie Coriolanus 3 2 u n d manch anderer, die fremde Heere bis auf die Befestigungen der Stadt führten, um sich der gemeinschaftlichen Freiheit zu bemächtigen. Sic führten gegen ihre eigenen Mitbürger einen Krieg, dessen sich selbst deren erbittertste Feinde geschämt hätten. D o c h kehren wir z u m Thema zurück. Die drei guten Arten verderben immer dann, w e n n sie sich einem anderen als ihrem eigentlichen und natürlichen Zweck zuwenden, wenn sie etwa nur das Privatwohl ins Auge fassen. Einzig vom Zweck her leitet man den Unterschied zwischen den guten und den schlechten Arten ab, weil sie sich sonst in nichts unterscheiden. In der Königsherrschaft wie in der Tyrannis hat einer allein die Herrschaft inne; in der Flerrschaft der Besten wie in der Wenigcnhcrrschaft sind die Wenigen an der Macht; in der Republik wie in der Pöbclhcrrschaft regieren die Vielen. Wohl stimmt es, daß in den drei gerechten Arten die Regierten sich freiwillig unterwerfen, während sie in den drei verdorbenen sich nur unter Zwang ruhig verhalten. Man kann deshalb sagen, daß sich die guten von den verdorbenen Arten darin unterscheiden, daß die Regierten in den guten freiwillig, in den schlechten unirei willig gehorchen. T r o t z d e m scheint m i r - u n t e r dem Vorbehalt eines besseren Urteils - , daß dieser Unterschied eher zufällig als in der Sache begründet ist. Es kann nämlich v o r k o m m e n , daß die Unterworfenen in einer Tyrannis freiwillig gehorchen, weil der Tyrann sie mit Spenden und Ahnlichem kauft, womit man die Untertanen besänftigen kann. Zwischen den guten u n d den verdorbenen O r d n u n g e n gibt es demnach keinen anderen Unterschied als den von ihnen angestrebten Zweck. Daraus folgt, daß die guten ohne Z u t u n - das heißt ohne innere oder äußere Eingriffe - verderben und zu schlechten werden können. N e h m e n wir das Königreich, verstanden gemäß seiner eigentlichen Natur, das heißt ohne A n e r k e n n u n g von etwas H ö h e r e m ; in ihm ist es dem König freigestellt, das Gemeinwohl oder den Eigennutz zu bevorzugen, da diese Wahl von seiner Gesinnung abhängt. Wie sehr letztere sich aber wandeln kann, lehren neben der täglichen Erfahrung die Lebcnsgcschichten hervorragender Männer, sowohl von Fürsten wie von Privaten. Romulus, der weise Führer
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Roms, übte die Herrschaft lange als vorzüglicher König aus. Später machten ihn seine großen Leistungen stolz, anmaßend und zu einem Tyrannen. Er reizte die Stimmung der Senatoren gegen sich auf und wurde schließlich (82) von ihnen grausam ermordet. A u s sich selbst konnte Romulus demnach von einem guten zu einem schlechten Herrscher werden und konnte sich seine O r d n u n g von einem vorzüglichen Königreich in die schlimmste Tyrannis verwandeln. D a s selbe konnte auch den Besten und jener O r d n u n g , die Republik genannt wird, widerfahren, womit sich die Regierungsarten vervielfachten. Die Königsherrschaft war die erste Regierungsform; als sie verdarb, wurde sie zur Tyrannis. Diese wiederum wurde von ein paar Tüchtigen beseitigt, die darauf die Herrschaft der Besten gründeten. Auch sie wurden indes ungerecht und ließen ihre O r d n u n g zu einer Wcnigenherrschaft verkommen, die ihrerseits von vielen Tüchtigen gestürzt wurde; damit entstand die als Republik bezeichnete Verfassung. Sie verdarb ebenfalls und ging in eine lasterhafte Pöbclhcrrschaft über, von der man entweder zur königlichen Herrschaft oder zur Tyrannis zurückkehrte. Polybios führt dies im sechsten Buch seiner Geschichte in bestechender Weise aus. 31 In bezug auf unser Thema wird durch das Gesagte deutlich, daß die drei gerechten und guten Verfassungsarten dem Verderben sehr nahe sind. Weil sie auf der Gesinnung von Menschen aufbauen, die sich rasch ändern können, sind sie aus sich selbst stets dem Verfall ausgesetzt. Wer eine dieser drei Arten einführte, unternähme daher etwas Nutzloses für den betreffenden O r t . Weil jede von ihnen so nahe am Abgrund steht, ist anzunehmen, daß sie nur kurze Zeit Bestand haben würde; die Einführung einer O r d n u n g von kurzer Lebensdauer ist aber vergebliche Mühe. Abgesehen davon halte ich diese Einführung für unmöglich. Die Menschen sind eher schlecht als gut und kümmern sich weit mehr um ihr privates Wohlergehen als um das öffentliche Wohl. Von daher bin ich der festen Überzeugung, daß sich in unseren Zeiten keine Regierten finden lassen, die für die guten Verfassungsarten empfänglich wären. In allen dreien setzt man ja gute Menschen voraus, da die Regierten freiwillig dem einen, den wenigen oder den vielen Tugendhaften zu gehorchen haben. Dazu aber wird man schlechte Menschen nie bewegen können, die von Natur aus neidisch, habgierig und ehrsüchtig sind und
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stets mehr beanspruchen, als ihren Fähigkeiten entspricht. Aus beiden Gründen schließe ich, daß man diese Verfassungsarten nicht einführen darf. Allein, auch die drei verdorbenen und den guten entgegengesetzten darf man nicht einführen. Sie sind lasterhaft und nichts als Entstellungen der gerechten Arten und Verstöße gegen sie; w e r sie einführte, würde den Menschen bloß erlauben, ihrer Boshaftigkeit und Niedertracht ohne Gefahr freien Lauf zu lassen. Weil man also die guten Verfassungen nicht einführen kann und die schlechten nicht einführen soll, ist es nötig, eine Rcgierungsart und -form zu finden, deren Einführung sowohl möglich als auch gerecht ist. Diese Art und Form kann man folgendermaßen leicht finden: In jeder Stadt gibt es Bewohner verschiedener Art; überall findet man Vornehme und Reiche - mit andern Worten Grandi — einerseits, Arme u n d Niedrige andererseits, sowie Mediocri14, die an beiden Extremen Anteil haben. Auf diese drei Gruppen trifft man (83) allenthalben, wobei hier die eine, dort die andere größer ist. Entsprechend ihrer Verschiedenheit sind auch ihre Neigungen mannigfaltig und verschieden. Weil sie die übrigen an Adel und Reichtum übertreffen, wollen die Grandi befehlen - nicht jeder für sich, sondern alle zusammen. Sie beanspruchen eine Regierungsform, in der sie allein die Befchlsgewalt innehaben. Sodann gibt es unter ihnen stets einen, der die Einzelherrschaft anstrebt und allein befehlen möchte. Die Armen kümmern sich nicht darum, befehlen zu können, fürchten aber die Arroganz der Grandi und wollen deshalb nur den Gesetzen gehorchen, die allen ohne Unterschied befehlen. Es genügt ihnen, frei zu sein, und frei ist, wer allein den Gesetzen gehorcht. Die Mediocri haben dieselbe Neigung wie die Armen; sie streben ebenfalls nach Freiheit. Das Glück ist ihnen aber etwas gewogener, weswegen sie neben der Freiheit noch Ehre begehren. Wir können somit sagen, daß in jeder Stadt einige nur Freiheit (libertä) begehren, andere zur Freiheit hinzu noch Ehre (onorc); wieder andere streben nach G r ö ß e (grandezza)1^', entweder für sich allein oder zusammen mit anderen. Will man in einer Stadt mit solchen Kräften eine dauerhafte O r d n u n g begründen, muß man diese mit Bedacht so einrichten, daß alle Gruppen ihre Ansprüche befriedigen können. Auf diese Weise geordnete Gemeinwesen darf man als vollkommen bezeichnen; da die Menschen in ihnen Befriedigung erlangen, haben sie
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keinen Anlaß zu Aufruhr, und man kann solche Verfassungen für beinahe unvergänglich halten. Das Streben der einzelnen Gruppen kann man nicht in einfacher Weise befriedigen, weil man in einer Stadt gleichzeitig eine Königsherrschaft, eine Wenigenherrschaft und eine Herrschaft der Vielen einführen müßte. Dies ist weder vorstellbar, noch kann man es in die Tat umsetzen, außer vielleicht in Genua, wo man eine Republik und eine Tyrannis nebeneinander erleben konnte, bevor Messer Andrea Doria zu seinem großen Ruhm die Freiheit wiederherstellte. 3 6 Die genannten Neigungen lassen sich aber leicht täuschen, indem man eine Verfassung einführt, in der jede Gruppe ihren Anspruch erfüllt sieht, obschon dies gar nicht vollständig zutrifft. In der gesuchten O r d n u n g braucht es somit einen Fürsten, dessen Herrschaft aber nicht von ihm selbst abhängt; die Grandi müssen befehlen können, ihre Macht darf aber nicht in ihnen selbst gründen; die Menge m u ß frei sein, diese Freiheit bedarf aber der Bindung; die Mediocri schließlich müssen neben der Freiheit auch Ehre erlangen können, wobei die Befähigung dazu nicht in ihrem eigenen Ermessen liegen darf. Wer eine solche O r d n u n g einführen will, muß alle drei Verfassungsarten zusammenmischen. Wie erwähnt, können sie getrennt voneinander nicht eingeführt werden; sind sie jedoch verbunden, (84) läßt sich dies leicht verwirklichen. Mit der Einführung der gemischten Verfassung wird es möglich, die genannten, in jeder Stadt vorhandenen Kräfte allesamt zu befriedigen. Eine Stadt mit nur einer Kraft, wo man also bloß eine der genannten Arten einführen könnte, findet man gewiß nicht. Hingegen stimmt es, daß in einigen Städten eine dieser Kräfte insofern dominiert, als sie ein größeres Gewicht besitzt. Wer hier eine der einfachen Arten einführen möchte, müßte sie der betreffenden Kraft entsprechend auswählen. Würde er sie aber nicht durch die übrigen Arten mäßigen, blieben Veränderungen nie aus. Denn bei Gelegenheit würden die schwachen Menschen erstarken und Aufstände anzetteln. Als Beispiel können wir Florenz anführen, w o die Republik von 1494 bis 1502 als besonders dem Volke zugeneigt galt. Es fehlte in ihr aber nie an Spannungen, so daß sie schließlich mit der Einzclhcrrschaft gemäßigt werden mußte. Selbst dies genügte schließlich nicht zu ihrer Erhaltung, wie bestens bekannt ist.37
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Ich beurteile also die gemischte Verfassung als vorzüglich. Man k a n n sie in zahlreichen Städten einführen, und gemäß Aristoteles war Sparta auf diese Weise geordnet, 38 ebenso die Stadt Rom, wie man den Ausführungen aller Geschichtsschreiber entnimmt. Wie man aber eine solche Verfassung ordnen muß, werden wir an der gebotenen Stelle ausführlich erörtern. Zunächst soll gezeigt werden, in welchen Städten man diese Lebensordnung einführen kann.
Viertes Kapitel Welche Eigenschaften eine Stadt besitzen m u ß , um für die gemischte Verfassung geeignet zu sein
Wie gesagt, findet man in jeder Stadt drei Arten von Bewohnern: Grandi, A r m e und Mediocri. In einigen Städten gibt es gleich viele Grandi wie Arme und dazwischen nur wenige Mediocri. A n solchen O r t e n kann man die oben beschriebene Verfassung nicht einführen. Wohl gibt es solche, die herrschen wollen, aber niemand kümmert sich so recht darum, frei zu sein, obschon das Streben nach Freiheit wie erwähnt ein Merkmal der Armen ist. Das liegt nicht nur daran, daß die Armen, bedingt durch den Mangel am Lebensnotwendigen, selten opferbereit sind. (85) Sie sehen auch, wie sie von den Reichen und Adeligen übertroffen werden und zahlenmäßig nicht genug stark sind, um widerstehen zu können. In der Meinung, die Grandi ohnehin nicht besiegen zu können, verhalten sie sich still und ertragen deren Vorherrschaft. In solchen Städten kann man leicht die Wcmgenherrschaft einführen, da sie sich für diese O r d n u n g eignen, die einer Vereinigung von Herren und Sklaven gleichkommt. Als Städte können solche O r t e aber nicht mehr bezeichnet werden, denn unter einer Stadt versteht man eine bürgerliche Gemeinschaft freier Männer. In anderen Städten findet man eine große Zahl von Armen und nur wenige Grandi. Weil die Grandi keine Möglichkeit sehen, den Armen beizukommen, und sich ruhig verhalten, entsteht hier die
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Volksherrschaft. Wollen sie trotzdem einen Aufstand anzetteln, müssen sie einem einzelnen alle Unterstützung geben und ihn zum Anführer machen. Dieser täuscht dann häufig beide Seiten und wird zum Tyrannen. In dieser Verfassung bilden sich zwangsläufig viele Mißstände. Die Armen haben höchste Macht inne und leiten die Behörden. Sie erhalten so die Gelegenheit, sich zu bereichern, und weil sie dies mehr als alles andere anstreben, werden sie zu Habgier verleitet. In -weiteren Städten gibt es viele Mediocri, wenige Grandi und wenige Arme, wobei wir jene als Arme bezeichnen, die bezüglich Vornehmheit und Reichtum sehr schlecht gestellt sind; oder man findet mindestens so viele Mediocri vor, daß sie mit den Grandi oder den A r m e n zusammen die dritte G r u p p e übertreffen oder ihr gleichkommen. 3 9 In diesen Städten kann man die von uns beschriebene O r d n u n g einführen; in ihnen findet man solche, die befehlen, und andere, die frei leben wollen. Weder können sich die Grandi gegen die Plebs 40 erheben, noch umgekehrt die Plebs gegen die Grandi, denn in beiden Fällen müßte die aufbegehrende G r u p p e die Mediocri fürchten. Je größer deren Anzahl ist, desto besser kann man in der betreffenden Stadt die besagte O r d n u n g einrichten. Laut Aristoteles liegt die Tugend nämlich im mittleren Maß begründet. 41 Daraus folgt, daß das gemäßigte Leben vollkommen und gut ist, das davon abweichende jedoch unvollkommen und schlecht. Da die Mediocri weder ausnehmend reich und vornehm, noch besonders arm und niedrig sind, führen sie dieses vollkommene Leben. Den Städten sind sie dienlich, weil sie die Gesetze achten, den Behörden gehorchen und folglich zu befehlen wissen; denn nur wer gehorchen kann, befiehlt auch gut. Die Grandi indessen wollen nur befehlen, scheren sich nicht um den Gehorsam und sind demzufolge unfähig zu befehlen. H i n z u kommt ihr schlechter Lebenswandel, (86) weil sie in Prunk und Reichtum aufwachsen. Die Armen sind, obschon sie nach Freiheit streben, nur zum Dienen fähig, weil sie aufgrund ihrer A r m u t kleinmütig und unwürdig leben. Wenn sie in den Behörden säßen, hätten sie Mühe, diese kundig zu leiten. Es bleiben also nur die Städte mit vielen Mediocri, die sich für die von uns beschriebene O r d n u n g eignen. Fände sich eine Stadt mit lauter Mediocri oder wenigen Armen daneben, wäre sie restlos
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glücklich; man könnte dort nämlich die dritte Art der gerechten Rcgicrungsartcn, die Republik, einführen. Dies ist aber unmöglich, da die drei genannten Arten von B e w o h n e r n in jeder Stadt v o r k o m men, sofern nicht das Gemeinwesen all seine Bürger mit Reichtum überhäuft. Deshalb erachten wir eine Stadt dann als geeignet für die beschriebene O r d n u n g , w e n n es gleich viele Mediocri wie Grandi und Plebs zusammen gibt, oder wenn sie zumindest eine dieser beiden G r u p p e n übertreffen. Wer hier eine andere O r d n u n g einrichten möchte, unternähme etwas Unvollkommenes. Mit keiner anderen Verfassung, die er einführte, könnte er die Neigungen aller G r u p p e n der Stadt gleichermaßen befriedigen, was aber nötig ist bei der Einführung eines gut geordneten Regiments. Die Wenigenherrschaft stellt bloß eine G r u p p e zufrieden, die Volksherrschaft eine andere, und die Einzclhcrrschaft einen allein. Alle übrigen G r u p p e n bleiben unzufrieden. Deshalb haben wir die gemischte Verfassung gewählt, in der man alle befriedigen kann. Abschließend halten wir somit fest, daß sich jene Städte für eine solche O r d n u n g eignen, in denen es wenige Grandi, wenige A r m e und viele Mediocri gibt, oder die Mediocri zumindest die Grandi oder die Plebs übertreffen. Es bleibt nun noch zu prüfen, ob Florenz die nötigen Eigenschaften besitzt, um diese O r d n u n g übernehmen zu können. 4 2
Fünftes Kapitel Florenz ist bestens geeignet für die gemischte Verfassung
Die Stadt Florenz entstand, wie jedermann weiß, unter römischer Herrschaft und war dieser lange unterworfen. Sie mußte sich n u r Umwälzungen fügen, die von der römischen Herrschaft ausgingen, und weil sie überdies in kargem und hügeligem Gebiet mitten in Italien lag, blieb sie ungestörter als andere Städte.
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Alle Umsturzversuche im Römischen Reich hatten innere oder äußere Ursachen. Im ersten Fall (87) nahmen sie ihren Anfang entweder in Rom selbst oder außerhalb der Stadt. Begannen sie in Rom, scheiterten oder gelangen sie auch dort. Die italienischen Städte kamen dann nicht zu Schaden; sie mußten bloß das Schicksal hinnehmen, das dem Römischen Reich widerfuhr. Der Aufstand Catilinas begann in Rom. 43 Er erreichte florentinisches Gebiet, weil sich hier viele Soldaten aufhielten und Catilina glaubte, mit deren Hilfe die Republik unterwerfen zu können. Die Revolten, die außerhalb Roms begannen, nahten entweder aus der Gegend des K ö nigreichs Neapel - wie die Truppen Sullas auf der Rückkehr vom Mithndatischen Krieg 44 - oder aus der Lombardei. Erstere vermochten unsere Gegend nicht zu behelligen. Letztere durchquerten meistens die Romagna, so etwa Caesar, als er aus Frankreich nach Rom marschierte, oder Severus, der aus Pannonicn heranzog 4 5 ; und selbst wenn sie in unser Gebiet kamen, durcheilten sie es lediglich. Mit den Umstürzen von außen, die wesensgemäß außerhalb des Reiches begannen, verhielt es sich gleich, wie die Einfälle der Goten, Vandalen und Langobarden zeigen. Diese Völker hielten sich nie lange in unserer Gegend auf; weil alle sich beeilten, mit Rom das Z e n t r u m zu erreichen, um das Reich anzugreifen, galt Florenz als belangloser Ort. Florenz teilte somit bis zur Zeit von Friedrich Barbarossa 46 sein Schicksal mit dem Römischen Reich. Es war in gleicher Weise von den Umstürzen in Rom betroffen wie die unterworfenen Städte des florcntinischen FIcrrschaftsgcbictcs von den Bürgerzwisten in Florenz; beschwerlich für sie war einzig, daß sie den jeweiligen Siegern in Florenz zu gehorchen hatten. In unseren Tagen mußten wir hingegen zusehen, wie Prato im Jahre 1512 wegen der Uneinigkeit unter den florcntinischen Bürgern erbärmlich geplündert wurde. Und 1530 wurde das gesamte Herrschaftsgebiet verwüstet und ausgeraubt, weil einerseits das angegriffene Regiment große Standfestigkeit und zähen Widerstand an den Tag legte, andererseits die Gegner, die von Himmel und Erde begünstigt wurden, unsere Stadt zu zerstören, in der Übermacht waren. Doch kehren wir zum Thema zurück. Friedrich Barbarossa herrschte über Italien nicht wie früher die Römer - und nach ihnen
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die Kaiser - über ihre Provinzen. Diese hatten je einen Prokonsul als Regenten in die Provinzen gesandt, dort Heere unterhalten und Kolonien errichtet, um die Unterworfenen in Schranken zu halten. Friedrich dagegen herrschte bloß mit Hilfe der Waffen der Italiener selber, indem er in zerstrittenen Städten eine Partei zu begünstigen begann und in den übrigen Zwietracht stiftete. Seine (88) bevorzugte Partei waren die Grandi, weswegen er mancherorts einem einzelnen, anderswo vielen zusammen zum Aufstieg verhalf. Er wandte sich dieser Partei in der Meinung zu, sich ihrer leichter bedienen u n d ihr eher vertrauen zu können; denn es ist immer einfacher, die Wenigen den eigenen Wünschen gefügig zu machen als die Vielen, u n d du kannst jenen, die stärker auf dich angewiesen sind als andere, mit größerer Sicherheit vertrauen. Grandi gibt es nur wenige; wenn sie über die Vielen herrschen wollen, 47A brauchen sie ständig jemand, der sie verteidigt. Friedrich setzte in vielen Städten in der Romagna, den Marken 4 8 und anderen Gegenden Gebieter ein, von denen dann die Tyrannen abstammen sollten, die später von den Päpsten Roms beseitigt wurden. In anderen Städten begünstigte er alie Grandi zusammen, wie etwa in Florenz. Auf diese Weise hielt er die Flerrschaft über Italien mit großem Gewinn, aber ohne eigene Anstrengung oder Kosten aufrecht. Nach dem Tod des Kaisers erhob sich überall der Popolo4', wo die Grandi ihn mit kaiserlicher Flilfc unterdrückt hatten, und errichtete neue Ordnungen. N u r jene, die als alleinige Gebieter eingesetzt worden waren, retteten ihre Herrschaft; sie hatten sich noch zu Lebzeiten des Kaisers genügend abgesichert, um sich halten zu können. Wo hingegen die Grandi gemeinsam regierten, sicherten sie sich nicht rechtzeitig ab und wurden allesamt gestürzt. Dies geschah, weil ein jeder die Sorge für Dinge, die vielen gemeinsam anvertraut sind, regelmäßig den anderen überläßt, so daß sich niemand darum kümmert.'' 0 Das gilt vor allem dort, w o die Wenigen herrschen. Sic können sich nicht verteidigen, ohne vielen Gewalt anzutun, aber nur selten will jemand Urheber solcher Gcwaltausübung sein. Einzig in Pistoia sorgten sie dafür, ihre Herrschaft über den Tod Friedrichs hinaus bewahren zu können. Auch in Florenz erlangte der Popolo nach dem Tode Friedrichs die Freiheit zurück und gab sich eine neue Verfassung." Deren
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Ausgestaltung gab aber Anlaß zu Aufständen, statt ein Band des Friedens und der Eintracht zu sein. Die neue O r d n u n g w u r d e von ihren Begründern vollständig gegen die Grandi gerichtet, die z u r Zeit Friedrichs regiert hatten. In beständiger Furcht lebend, sahen sich diese gezwungen, die nächstbeste Gelegenheit zum U m s t u r z zu nutzen. Sie bot sich dank der Erstarkung und dem Erfolg Manfreds, des natürlichen Sohnes von Friedrich. D o c h der Aufstand nahm einen unglücklichen Ausgang; alle wurden aus der Stadt gejagt, zum Teil auch gefangengenommen und niedergemacht. Die Vertriebenen zogen sich nach Siena zurück und lösten einen Krieg zwischen den Sienesen und den Florentinern aus. Mit der schweren Niederlage an der Arbia verloren die Florentiner ihre Herrschaft, und die Verbannten kehrten zurück.'' 2 Dies also war das Ergebnis eines so geordneten Regiments. Die Zurückgekehrten ihrerseits wollten oder konnten zunächst keine O r d n u n g errichten, (89) die ihnen wie den anderen N u t z e n gebracht hätte. Als sie es schließlich nach dem Tode Manfreds doch versuchten, war es zu spät; die Masse hatte wieder Mut und Kraft geschöpft und zwang die Sieger an der Arbia erneut zur Flucht." Zu jener Zeit verlangte der florentinischc Popolo zutiefst nach einem bürgerlichen und guten Regiment. Die vielen Beschlüsse, die er diesbezüglich faßte, wären durchaus nützlich gewesen für die Stadt, wenn zuvor ein gutes Fundament gelegt worden wäre. U m die Anlässe zum Aufruhr zu beseitigen, holte man alle Vertriebenen Guelfen wie Ghibcllincn'' 4 - nach Florenz zurück. Die Auswirkungen dieser Maßnahme widersprachen völlig den Vorstellungen ihrer Urheber. Kaum waren jene Mächtigen zurück, begannen sie nämlich, Unruhe zu stiften. Ihre Rückkehr, so kann man folgern, war nichts anderes als die Verlegung der Tumulte von draußen ins eigene Haus. Ich bin überzeugt, daß man damals in Florenz eine gute Rcpubhksform hätte einführen können, wenn sich unter den Regierenden ein weiser, in Stadtrcgicrungcn bewanderter Mann gefunden hätte. Denn die große Bereitschaft des Popolo zu Ruhe und gutem Gemeinschaftsleben hob die nachstehend beschriebene Schwierigkeit, die einer solchen Einführung entgegenstand, z u m Teil auf. Das Schicksal aber, das in allen menschlichen Belangen entscheidet, ließ es nicht zu, daß Florenz ein solches Glück beschieden war.
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Die Gesetze, die damals eingeführt wurden, waren also nicht geeignet, die Zwietracht auszuräumen. Weil die Vermesscnheit der Grandi zunahm, sah sich der Popolo'''"1' genötigt, das A m t des Gonfaloniere della giustizia1'' zu schaffen, der die Grandi zu Ruhe und Gehorsam gegenüber den Behörden zwingen sollte. Zu jener Zeit w u r d e auch das Gesetz des zeitlich begrenzten Wiederwahlverbots'' 7 erlassen, damit viele in den hohen Ämtern'' 8 der Republik mitwirken und die Grandi sich nicht anmaßen konnten, in den Behörden zu verharren. All dies führte zu einer Spaltung der Stadt. Immerzu verdächtigten sich die beiden Teile gegenseitig. Der Popolo wurde von den Grandi in den privaten Angelegenheiten unterdrückt, die Grandi ihrerseits sahen Gesetz und O r d n u n g der Republik gegen sich gerichtet. Die O r d n u n g genügte aber nicht, um ihre Arroganz zu bändigen und die Republik zu mäßigen. Das Ansehen des Gonfaloniere ließ bald nach, worauf dieselben U n r u h e n wie zuvor ausbrachen. Wenig später folgten die Anordnungen von Giano della Bella.''9 Waren schon die kurz zuvor geschaffenen mangelhaft und schiecht gewesen, so erwiesen sich jene von Giano als noch viel schlimmer. Wahrend nämlich in jenen früheren Anordnungen die Grandi nicht ausdrücklich vermerkt waren, wurde n in den neuen siebenunddreißig adelige Familien eingetragen, denen man das Recht entzog, in der obersten Behörde Einsitz zu nehmen. (90) Überdies erhielten die Prioren 60 die Befugnis, nach eigenem Ermessen weitere Familien auszuschließen. Dem Gonfaloniere wurden viertausend Bewaffnete unterstellt, und er wurde ermächtigt, mit Zustimmung der Prioren auszurücken und Missetäter zu bestrafen. Diese Anordnungen zogen am Ende wieder nichts als die augenscheinliche Spaltung der Stadt nach sich. Sic bewirkten, daß man weder Genügsamkeit noch Mäßigung übte, sondern jede U n t e r n e h m u n g hitzig und unbesonnen anging. Während andere Gesetzgeber sich bemühten, die Bürger zu einigen, brachte es Giano, wenn auch gegen seinen Willen, zustande, sie noch viel stärker zu spalten und zu entzweien, als sie ohnehin schon waren. Hierin lag die Ursache für den Tumult des Popolo im Palast des Podestä'A, für Gianos Verbannung und für die Zwietracht zwischen dem Popolo und den Grandi. Letztere wurden durch Gianos Gesetze in Aufruhr versetzt, verbündeten sich und
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versuchten, die verlorenen Ehren mit Gewalt zurückzugewinnen ein Ziel, das sie teilweise erreichten. Auf diese Streitigkeiten folgte die Trennung in Schwarze und Weiße. 62 Sic war zwar anderen Ursprungs, wurde aber von der schlechten O r d n u n g der Republik trotzdem gefördert. Private Zerwürfnisse wurden in ihr zu öffentlichen, was in jeder Verfassungsart als schwerer Mangel wiegt. Hierauf wurde die Stadt durch den Kardinal von Prato 6 3 umgestaltet. Papst Benedikt 64 hatte ihn geschickt, um in Florenz Frieden zu stiften. Seine Reform strebte aber kein anderes Ziel als die bereits genannten Reformen an. U m den Popolo zu stärken, schuf er die Behörde der Gonfalonieri di compagnia'A, die erst vor drei Jahren, nach der Rückkehr der Medici 1530, abgeschafft wurde. In ähnlicher Weise erließ er viele Gesetze, die alle die Macht des Popolo mehrten und jene der Grandi minderten. Trotz diesen A n o r d n u n g e n vermochte er aber den gewünschten Erfolg nicht zu erzielen. N o c h bevor er Florenz verließ, sah er die Stadt erneut im Zwist, und kurz nach seiner Abreise griffen die Parteien zu den Waffen und verursachten jenen unvergessenen Brand, dem gemäß alten Aufzeichnungen der Stadt tauscndsiebcnhundcrt H ä u ser zum Opfer fielen.66 Bald darauf gab es ein paar weitere Ä n d e r u n gen, etwa die Ämterverteilung durch das Los 67 oder die Schaffung der Räte des Volkes und der Kommune, die bis 1494 und nochmals von 1512 bis 1526 Bestand hatten. 68 Ferner wurde angeordnet, einen Strafrichtcr zu bestellen, der in der Folge Anlaß zu zahlreichen Unruhen gab und insbesondere die Verbannung der Bardi und der Frcscobaldi verursachte. 69 Später führte die Zwietracht unter den Bürgern so weit, daß man den H e r z o g von Athen nach Florenz rief und ihn an die Spitze der Regierung stellte. 70 Dank dem Rat und der Hilfe (91) einiger ruchloser Bürger errichtete er eine Tyrannis und erhob sich zum Gebieter über das gesamte Regiment. Nach wenigen Monaten als Tyrann entzog man ihm indessen die übertragene Regentschaft und jagte ihn aus Florenz. Nach seiner Vertreibung wurde die Republik erneut weitgehend umgestaltet. Alle Adeligen wurden aufgrund ihres vortrefflichen Verhaltens bei der Beseitigung des Tyrannen wieder zu den hohen Amtern der Republik zugelassen. Wie wir noch begründen werden, blieb diese Reform aber nutzlos für die Stadt, denn im
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gleichen Jahr noch ergriff der Popolo die Waffen gegen die Grandi. In der ganzen Stadt und besonders auf den Brücken kämpften sie gegeneinander, wobei der Popolo die Oberhand behielt und die Grandi geradezu demütigte. Die nächste Auseinandersetzung zwischen dem Popolo und den Grandi wurde, wie man im Volksmund sagt, von den Ciompi geschürt, das heißt von der niedrigsten Plebs. 71 Kurz darauf - man zählte das Jahr des Heils 1381 - wurde Messer Giorgio Scali hingerichtet, der zum Anführer der Plebs aufgestiegen war/ 2 Nach seinem Tod wurde die Republik erneut umgeformt; hatte zuvor die Volksmenge dominiert, entsprach sie nun eher den bürgerlichen Sitten. Trotzdem fehlte es nie an Argwohn; weil die Behörden durch das Los vergeben wurden, fürchteten stets beide Parteien, es könnten Gefolgsleute der anderen Partei die Ämter erhalten. Oft wurde jemandem ein Amt durch private Machenschaften entrissen, wie es 1387 Messer Benedetto degli Alberti und seinem Schwiegersohn Messer Fihppo Magalotti widerfuhr; nachdem sie als Gonfaloniere di giustizia beziehungsweise als Gonfaloniere di compagnia ausgelost worden waren, wurden beide durch die gegnerische Partei aus dem Amt gedrängt. 73 Auch in der Folge kam es zu ähnlichen Auseinandersetzungen in der Stadt. Sie waren aber nicht so gefährlich wie zuvor, weil nunmehr einige Bürger die Republik regierten, die, so schien es, stärker als üblich um das Gemeinwohl bemüht waren. Ihre Anführer waren Messer Maso degli Albizzi 74 , Gino Capponi der Altere 75 sowie einige weitere fähige Bürger, die dank ihrer Klugheit die Einheit unter den übrigen bewahrten, indem sie den Unruhen mit mehr Mäßigung und Menschlichkeit begegneten, als zuvor üblich war. Diesen Rcgicrungsstil übernahm Niccolo da Uzzano 7 6 , der sich mit denselben Einrichtungen und Mitteln zu halten wußte. Gegen Ende seiner Regicrungszeit begann sich Cosimo de' Medici Einfluß zu verschaffen. 77 Dank seinem großen Reichtum gewann er viele Freunde. Man glaubte, er stehe auf der Seite des Popolo, weswegen einige der damals regierenden Bürger dazu rieten, seinem Ehrgeiz irgendwie Einhalt zu gebieten. Niccolo da U z z a n o indessen stimmte dem nie zu; er versicherte, daß man Cosimo gewähren lassen müsse, solange er nichts Außergewöhnliches unternehme, weil jeder Widerstand gegen ihn dessen (92) Einfluß nur noch vergrößere. Solange
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Niccolo lebte, befolgten die Regierenden seinen Rat. N a c h seinem Tode aber wandten sie sich gegen Cosimo, und weil sie seine Stärke fürchteten, erwirkten sie schließlich seine Verbannung aus der Stadt. Nach nur einem Jahr im Exil kehrte er aber nach Florenz zurück, erlangte große Macht und ließ dreihundert Familien, darunter alle hochgestellten Männer der Stadt, verbannen. Weil es niemand mehr gab, der sich ihm widersetzte, konnte er zum Gebieter und Tyrannen werden. Diese Tyrannis dauerte von 1434 bis 1494. In dieser Zeit fanden keine anderen Revolten statt als jene von Messer Luca Pitti 146678 und die Verschwörung der Pazzi 1478 79 ; außerdem gab es noch einige Meinungsverschiedenheiten zwischen Cosimo und den Bürgern sowie Umtriebe der Verbannten. Da aber die Medici immer überlegen blieben, erhielten sie Gelegenheit, sich aller zu versichern, die ihnen hätten schaden können. Dank dem Durchmarsch von König Karl erlangte die Stadt 1494 die Freiheit wieder und schickte die Tyrannen in die Verbannung. s 0 Nach deren Vertreibung wurden zwanzig der wichtigsten Bürger ermächtigt, die Signoria*1 und einige weitere Behörden zu wählen. Wenn sie sich einig gewesen wären, hätten sie für einige Zeit regiert, worauf man vermutlich in den alten Hader zwischen dem Popolo und den Grandi zurückgefallen wäre. Einige wollten aber diese zwanzig Bürger stürzen, säten Zwietracht unter ihnen und erreichten so ihr Ziel. Zu jener Zeit wurde der Große Rat eingerichtet. Dessen U r h e b e r war in Wirklichkeit Pagolantonio Soderini 82 , auch wenn einige behaupten, es sei Bruder Girolamo 8 3 gewesen, der sich in den Beratungen zur Reform der Stadtregierung höchstes Lob erwarb. Der erstcre war bis kurz zuvor Botschafter in Venedig gewesen; er nahm den venezianischen Großen Rat zum Vorbild, um ihn in Florenz einzuführen. Bruder Girolamo war ihm eine nicht geringe Hilfe, indem Clin seinen öffentlichen Predigten für diese neue Einrichtung eintrat. Ihr Begründer Pagolantonio war weiser als Giano della Bella und der Kardinal von Prato. 84 ' 1 Diese beiden hatten nämlich zwei Dinge im Sinn: erstens, den Popolo zu schützen; zweitens, die Grandi niederzuhalten. Die Begründer des Großen Rates hingegen dachten weder daran, eine Partei mehr als die andere zu schützen, noch wollten sie jeman-
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den stärken oder schwächen, (93) indem sie ihm die Fähigkeit, Ämter zu belegen, zusprachen oder entzogen. Sic beabsichtigten vielmehr, der Stadt die Freiheit zu sichern, indem sie auf diese Weise dafür sorgten, daß niemand größeren Einfluß gewann, als in einer freien Stadt angebracht ist, und daß jeder in Sicherheit leben konnte, ohne private Gewalt fürchten zu müssen. So kann man nichts anderes sagen, als daß dieser Rat ein vorzügliches Fundament abgab für die Freiheit und für ein friedliches Leben in Florenz. Das genügte aber nicht. Weil sich die Unzulänglichkeiten mehrten, wurde es nötig, als ergänzende Bestimmung den Gonfaloniere auf Lebenszeit zu wählen. Wie die Erfahrung lehrte, war dies sehr vorteilhaft für die Stadt. U n d wenn man die zusätzlich gebotenen Maßnahmen zur Bewahrung jener O r d n u n g getroffen und ihre übrigen Mängel beseitigt hätte, wäre sie 1512 nicht zugrunde gegangen. Damals ging die Herrschaft des Rates unter und die Stadt kehrte unter das Joch der Tyrannis zurück. 85 So verharrte sie bis 1526, als wegen Monsignore von Bourbons 8 6 Kriegszug Papst Clemens seinen Einfluß verlor, Rom geplündert wurde und der Papst sich in der Engclsburg verschanzte, worauf Florenz auf Betreiben der Jugcnd S7 seine Freiheit zurückcrlangte und jene O r d n u n g wieder übernahm, die 1512 beseitigt worden war. N u n machen solche Wechsel und die Zeit die Menschen gewöhnlich klüger und zeigen ihnen die Fehler auf, damit sie diese berichtigen können; jene aber, die damals regierten und der Stadt vorstanden, zogen nicht nur keine Lehren aus allfälhgcn Mängeln der früheren O r d n u n g , sondern waren derart blind und unbesonnen, daß sie das Gute daran zerstörten. Sic hoben nämlich die Bestimmung, den Gonfaloniere auf Lebenszeit zu wählen, als eine für die Stadt schädliche Sache auf; dabei wußten selbst die Steine, daß sie - abgesehen vom Großen Rat - von größerem N u t z e n war als jede andere Einrichtung, die man je eingeführt hatte. Niccolo Capponi 8 8 wurde somit für nur ein Jahr zum Gonfalonicre gewählt, mit der Möglichkeit, auf drei Jahre hinaus bestätigt zu werden. O b w o h l mit allen Eigenschaften versehen, die man sich in der Stadt Florenz nur wünschen konnte, ließ er sich nach seiner ersten Bestätigung wegen gewisser Verdächtigungen widerstandslos und zum großen Nachteil der Stadt das höchste Amt entreißen. 89 Für dieses A m t wurden danach viele würdig befunden, denen die Rcpu-
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blik, wäre sie gesund gewesen, selbst viel niedrigere Würden verweigert hätte. Während die Republik in bezug auf die Einrichtung und die gesetzliche Regelung des Gonfaloniere verschlechtert wurde, verbesserte man sie, indem man entgegen der Meinung aller Gelehrten die Miliz ersann und einführte; sie war es, die der Stadt jene denkwürdige und ruhmreiche Verteidigung ermöglichte. (94) Weil die Stadt schließlich 1530 erneut unter das Joch der Tyrannis geriet, lebt sie gegenwärtig in jeder Hinsicht unterdrückt. Sie wartet täglich darauf, unwiderruflich zu sterben oder aber das H a u p t zu erheben und die Freiheit zurückzugewinnen, zum gebührenden Ruhme jener, die den M u t aufbrachten, sie gegen die ganze Welt zu verteidigen. Wir haben soweit alle Veränderungen in der Stadt möglichst knapp dargelegt. Es bleibt uns noch, die Ursachen solcher U n o r d nung zu besprechen. Diese Erörterung wird zeigen, daß Florenz jene Eigenschaften besitzt, die wir zur Ü b e r n a h m e der oben genannten Staatsform voraussetzten. Es ist zu beachten, daß bei jeder Handlung drei Dinge bedacht werden müssen: die Ursache (cagione), der Anlaß (occasione) und das auslösende M o m e n t (prineipio). Viele verwechseln den Anlaß mit der Ursache und ziehen letztere gar nicht in Betracht. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn - nehmen wir an jemand behauptete, die Ursache für das Unheil von Florenz 1512 sei der Streit gewesen, der zwischen Papst Julius und dem König von Frankreich entstanden sei, oder der Verlust von Mailand, den letzterer erlitten habe. Dies war aber nicht die Ursache, sondern der Anlaß, denn die Ursache lag in der Unzufriedenheit einiger 9 "' schlechter und ehrgeiziger Bürger. Auslösendes M o m e n t waren dann das Anrücken und der Angriff der Spanier mit dem Ziel, die Medici zurückzuführen. Die Ursache ist somit nichts anderes als eine Anlage, die jedesmal hervortritt, wenn sich ein Anlaß dazu bietet; häufig ist sie so mächtig, daß sie nicht wartet, sondern sich selbst den Anlaß schafft. Doch kehren wir zum Thema zurück. Ich meine, durch unsere Ausführungen sei deutlich geworden, daß es in Florenz bis zu Cosimo de' Medici zwei Parteien gab, den Popolo und die Grandi. Als Popolo begreife ich hier nicht jene ausgeprägte Art würdeloser und niedriger Masse, die kein Glied der Stadt bildet, außer in der
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Rolle der Diener, die uns zu Hause die Dinge des täglichen Bedarfs besorgen; ich verstehe darunter jenen Teil, der den Grandi entgegengesetzt ist, so wie wir sagen, daß die Ausdrücke groß und klein, reich u n d arm, edel und gemein einander gegenüberstehen und man den einen ohne Kenntnis des anderen offenbar nicht verstehen kann. Von dieser Art scheinen mir auch die beiden Ausdrücke Grandi u n d Popolo zu sein, denn wo der eine gegeben ist, m u ß man zwingend den anderen anerkennen, da es keine Stadt gibt, in der diese beiden Parteien nicht vorkommen, wobei hier die eine und dort die andere überwiegt. In Florenz gab es somit diese beiden Parteien: eine von ihnen, die Grandi, wollte herrschen, die andere in Freiheit leben. Flicrin lag die Ursache für die Tumulte in der Stadt, waren doch beide entschlossen, ihren Anspruch durchzusetzen. Wann immer sich die Gelegenheit (95) bot, beeilten sie sich, diese zu nutzen. Es war unmöglich, daß sich die zwei Faktionen zusammentaten und sich eine Verfassung gaben, die beide Seiten befriedigt hätte, denn es fehlte in der Stadt jene Art von Bürgern, die zwischen den Grandi und dem Popolo stehen und diese beiden Extreme mäßigen. W o solche Bürger fehlen, kann es nur ein schlechtes Regiment geben. Weil sie in Florenz fehlten, war es unvermeidlich, daß die Parteien U n r u h e stifteten und einmal die eine, dann wieder die andere regierte. Man kann sich fragen, warum weder die Grandi den Popolo noch der Popolo die Grandi jemals so deutlich dominierten, daß eine der beiden Seiten ihre Herrschaft zu festigen vermochte. Die Ursache dafür liegt - so meine ich - darin, daß die Kräfte des Popolo und der Grandi gleich groß waren und es deswegen keiner Seite gelang, die andere vollständig zu unterwerfen. Wenn einmal die eine Partei überwog, entstanden Umstände, die bald der anderen, bald wieder ihr selbst entgegenkamen 9 ™, so daß sich die gerade vorherrschende Partei niemals ganz absichern konnte. Wollten sich die Grandi vor dem Popolo dauerhaft schützen, müßten sie ihn restlos beseitigen oder verbannen. Dies ist aber zum einen unmöglich, denn so, -wie man gemäß dem Spruch » Q u o d a multis peccatur inultum est« 93 die von der Masse begangenen Fehler nicht bestrafen kann, so vermag sich auch niemand vor dieser Menge ganz zu schützen. Z u m anderen kann, wer herrschen will, derlei gar nicht beabsichtigen; er m u ß ja jene bewahren, die zu gehorchen haben, und kann deshalb nichts
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anderes tun, als seinen Z o r n gegen die Anführer der Volksmenge zu richten und die Grundregel zu befolgen, nach der für die Vergehen der Menge deren Anführer zu bestrafen sind - eine Regel, die sich durch stete Ü b u n g zu allen Zeiten und in allen menschlichen A n g e legenheiten verfestigt hat und in den Worten Vergils lautet: » U n u m p r o eunetis dabitur caput.« 94 Weil sich die Grandi somit nie vollständig gegen den Popolo sichern können, führt jede neue Gelegenheit zwingend zu T u m u l t e n und gar zu ihrem Untergang, falls der Popolo aufgrund der U m s t ä n de genügend erstarkt; denn w o das Übel einmal drinsteckt, k o m m t es auch an den Tag. Dies erlebten die florcntinischen Verbannten, als sie nach der Schlacht an der Arbia zurückkehrten. 9 5 Weil sie sich des Popolo nicht sicher waren, verbannten sie dessen Anführer 96A aus der Stadt. N a c h dem Tod Manfreds aber, der die Rückkehr der Grandi ermöglicht hatte, konnten diese nicht mehr auf die Hilfe von außen zählen. Die Menge erkannte dies, faßte Mut und zwang sie z u r Flucht. Ich schließe daraus, daß sich die Grandi auf diese Weise nicht vor dem Popolo schützen können, ohne daß ein Großteil des Übels in der Stadt bleibt. Gleichermaßen (96) kann sich der Popolo nicht vor den Grandi schützen. In erster Linie wird er sich aufgrund privater Freundschaften zwischen Grandi und Leuten aus der Menge nie vereinigen, um erstcre zu beseitigen. Außerdem liegt es nicht in der N a t u r der Menge, einem Grandi das Leben zu nehmen, sofern er sich nicht zum alleinigen Anführer einer Anfeindung gemacht hat; die erwähnten privaten Beziehungen, der Glanz von Adel und Reichtum sowie eine allgemeine Überlegenheit wirken dem entgegen. Sooft man eine Menge wutentbrannt zum Wohnsitz eines großen Bürgers stürmen sah, um Feuer zu legen, genügten gütige Worte und die Gegenwart eines Mannes, der ihr mutig entgegentrat, um sie zu besänftigen. In Florenz trug sich dies zum Beispiel im Todesjahr von Bruder G i r o lamo zu. 97 D e r florcntinische Popolo lief zornentbrannt z u m W o h n sitz von Pagolantonio Soderini, einem der einflußreichsten Männer der Stadt. Zufällig befand sich sein Bruder, der Kardinal von Voltcrra, zu Hause, der damals noch Bischof war.98 Als er den Lärm hörte, legte er sich sofort das bischöfliche Gewand um und trat mit heiterer Miene und gütigen Worten der Menge entgegen, die sich beim
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Anblick eines solchen Mannes rasch beruhigte. Sie erwies dem Bischof viel Ehre und zog sich dann von den Häusern zurück, die a n z u z ü n d e n und zu plündern sie mit großem Ungestüm gekommen war. D e r Popolo ist also nicht bereit, sich an den Grandi mit Blut zu rächen, sondern macht sich in der Regel Luft, indem er sie in die Verbannung schickt. Dies zeitigt aber regelmäßig die gleiche Wirkung, wie wenn sie drinnen geblieben wären. Sie erhalten nämlich die Unterstützung von Fürsten und von anderen, benachbarten Republiken, bei denen sie Zuflucht finden. Mit derartiger Hilfe kehren sie schließlich in die Vaterstadt zurück, wo sie unverzüglich die Macht übernehmen. So geschah es bei den früheren U m s t ü r z e n . Derlei war damals viel eher möglich als heute, weil es in Italien viele Fürsten, Tyrannen und Republiken gab - denken wir an Perugia, Siena, Lucca, Bologna, an den H e r z o g von Mailand, den König von Neapel und den Papst, an die noch freien Arczzo, Pistoia und Pisa, weiter an viele Gebieter und Tyrannen in der Nähe unserer Stadt; bei ihnen allen fanden die Verbannten Zuflucht und Hilfe und konnten so jene im Innern leicht behelligen. Heute hingegen ist Italien in zwei große Mächte geteilt; bald herrscht die eine, bald die andere, bisweilen beide zusammen. 9 9 Die Unzufriedenen müssen abwarten, bis sich durch deren Bewegungen, die wie bei riesigen Körpern unbeständig und langsam sind, eine Gelegenheit bietet. Somit ist unsere Feststellung verdeutlicht, daß sich die Kräfte der beiden Parteien aufhoben und deshalb keine stark genug war, um ihre Hcrrschaft' 0 0 A festigen zu können. Weil sich aber jemand (97) fragen könnte, inwiefern sich diese beiden Kräfte entsprachen, wird es nicht fehl am Platz sein, einige Überlegungen dazu anzustellen. Die Kräfte der Parteien in den Städten, das heißt des Popolo und der Grandi, beurteilt man hinsichtlich zweier Bereiche: Qualität und Quantität. 1 0 ' Unter Qualität verstehe ich Adel, Reichtum, Rückhalt, Würde, Lebensstil und ähnliches, unter Quantität allein die Anzahl. Die Grandi verfügen somit über viel Qualität, es fehlt ihnen aber an Quantität, weil sie vergleichsweise wenige sind. Der Popolo ist reich an Quantität und arm an Qualität. In Städten, in denen der Popolo die Grandi an Quantität deutlicher übertrifft, als diese ihn an Q u a lität übertreffen, sind die Grandi unausweichlich der Menge unter-
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worfcn und können bei Aufständen nichts ausrichten. Wo indessen das Gegenteil der Fall ist, wo also die Grandi den Popolo an Qualität deutlicher übertreffen als sie von ihm an Quantität übertroffen werden, ist der Popolo unausweichlich den Grandi unterworfen. Ferner kommt es vor, daß in einer Stadt die Grandi den Popolo qualitativ gleichermaßen übertreffen, wie sie von ihm quantitativ übertroffen werden, was zwangsläufig endlose Auseinandersetzungen nach sich zieht. In bezug auf unser Thema meine ich, daß sich in Florenz die Kräfte des Popolo und der Grandi gemäß dieser dritten Möglichkeit die Waage hielten. War der PopolomlK den Grandi zahlenmäßig überlegen, wurde er von diesen qualitativ so weit übertroffen, daß sich ein Gleichgewicht einstellte. Das war die Ursache für die ständigen Kämpfe gegeneinander, in denen einmal die eine, dann wieder die andere Seite verlor oder siegte. Manchmal waren sie derart erschöpft, daß sie übereinkamen, einen dritten zu holen und ihm die Regierung zu übertragen, wie im Falle König Roberts 1 0 3 , des H e r zogs von Athen, und anderer. Daß die Kräfte der Grandi und des Popolo gleich groß waren, wird aus dem folgenden ersichtlich: Während der Popolo regierte, verhöhnte oft ein einzelner Bürger die Macht der Behörden, und wenn der Popolo zu seinem Haus stürmte, vermochte ersterer sich mit Mut zu verteidigen. Das war nur möglich, weil cr104A außerordentlich viel Ansehen, Vermögen und Anhänger besaß und sowohl auswärts wie zu Hause in hoher Gunst stand. Zudem wußte er, daß alle Grandi zusammen dem Popolo ebenbürtig waren, und im Vertrauen auf all dies verteidigte er sich vor der Wut des Popolo. In privaten Angelegenheiten waren die Grandi dem Popolo immer überlegen. Dies widerspiegelt aber letztlich doch wieder die crwähntcn' 0 5 A ausgeglichenen Kräfte der Grandi und des Popolo; denn wenn ein einzelner Grande auch keinen anderen Privaten fürchtete, mußte er doch Behörden und Gesetze fürchten. 106 Unsere Stadt war bis zu Cosimo de' Mcdicis Zeit diesem Leid ausgesetzt. Zuvor hatten allerdings die Grandi dank der Klugheit von Messer Maso degli Albizzi und Niccolo da U z z a n o während vieler Jahre regiert; (98) deren Verhalten war so maßvoll und bürgerlich, daß der Popolo sich mit ihrer Führung zufrieden zeigte.
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N a c h dem Tod Niccolo da Uzzanos begannen die Grandi, die in der Stadtrcgierung verblieben waren, ängstlich und als Folge davon anmaßend zu werden und den Popolo gegen sich aufzureizen. N a c h seiner Rückkehr aus dem Exil konnte sich Cosimo deshalb unter dem Vorwand, die Popolari107 zu verteidigen, zum Gebieter aufschwingen und alle Grandi verbannen. In Florenz blieben neben dem Popolo nur noch jene Grandi übrig, die zu seiner Anhängerschaft gehörten oder sich selbst erniedrigten, indem sie sich in ihren Flandlungcn stets untertänig und würdelos zeigten. Cosimo konnte sich daher einer sicheren Herrschaft erfreuen. Der Popolo war zufrieden, weil er seine Gegner unterdrückt sah. Die in Florenz verbliebenen Grandi lebten aus Furcht vor Cosimo so unauffällig als nur möglich. Die Verbannten vermochten wenig Feindseligkeiten zu unternehmen, vor allem, nachdem Francesco Sforza sich zum H e r r scher von Mailand gemacht hatte 108 ; da Cosimo zu allen Fürsten und Republiken Italiens Beziehungen pflegte, konnten sie nicht genügend Unterstützung finden, um in die Heimat zurückzukehren. Sie verzehrten sich im Exil, und Cosimo hinterließ seinen N a c h k o m m e n eine gesicherte Herrschaft. Alle Maßnahmen Cosimos gegen die Grandi erwiesen sich letztlich aber als vorteilhaft für die Stadt. Während diese zuvor wie erwähnt in die zwei Parteien der Grandi und der Popolari gespalten war, wuchs nun jene dritte Art von Bürgern heran, die wir Mediocri nannten. Dies erfolgte auf verschiedene Weise: Erstens erniedrigten sich viele der in Florenz zurückgebliebenen Grandi freiwillig, um nicht durch G r o ß m u t und Erhabenheit aufzufallen; sie beschränkten sich auf ein dem Popolo entsprechendes Leben, aber weil sie sehr vornehm waren, konnten sie dessen Niedrigkeit nicht ganz erreichen; so blieben sie auf höherer Stufe stehen, hatten an beiden Ausprägungen Anteil und wurden schließlich zu Mediocri. Zweitens zeichnete Cosimo viele Popolari aus, indem er sie in den Behörden mitwirken ließ und ihnen Gelegenheit gab, sich zu bereichern; sie stiegen mit der Zeit eine Stufe auf und ließen die Schicht des Popolo hinter sich; weil sie aber nicht bis zu den Adligen u n d Grandi emporstiegen, sondern in der Mitte stehen blieben, vergrößerten sie die Zahl der Mediocri. Drittens gab es viele andere Grandi, die nicht als Feinde Cosimos galten und daher auch nicht gezwungen waren,
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ihre Lebensweise anzupassen, in der Regierung aber trotzdem weniger mitwirken konnten als zuvor, da die hohen Ä m t e r nach (99) Cosimos Willen vergeben wurden; auch hatten sie keinen Einfluß mehr, weil Cosimo alle Macht für sich allein beanspruchte; so verloren sie schließlich ihr Ansehen, die Freundschaften und die Unterstützung, die sie in der Stadt und andernorts genossen und die ihre Grandezza begründet hatten, stiegen auf diese Weise ab und stießen zur Zahl der Mediocri. In Florenz blieben deshalb mit wenigen Ausnahmen nur Grandi übrig, die von den Medici gefördert wurden. Alle z u s a m m e n waren sie zu wenige, u m eine dem Popolo und den Mediocri ebenbürtige Kraft zu bilden, und weil sie vollständig von den Medici abhingen, konnte ihnen nicht dieselbe Grandezza z u k o m m e n wie den Grandi vor Cosimo. Aus diesem G r u n d war es 1494 - nach der Vertreibung der Medici - möglich, ein bürgerliches Regiment zu begründen. N i e wäre dies erreicht worden, hätten sich in Florenz damals so viele Grandi befunden wie zur Zeit, bevor Cosimo zum Tyrannen der Republik aufstieg. Mit ausreichender Kraft, dem Popolo zu widerstehen, hätten sie auf die Herrschaft gepocht, und man wäre zu den alten Streitigkeiten zurückgekehrt. Unsere Ausführungen haben soweit klar gemacht, daß die Verbannungen, die Cosimo anordnete, entgegen der Meinung unserer Gelehrten für die Stadt vorteilhaft waren. Er brach auf diese Weise den Widerstand, den die Grandi dem Popolo entgegensetzten, w o durch die Stadt leichter regicrbar wurde. Zuvor gab es in ihr zwei Bürden: Es galt, einerseits mit den Grandi, andererseits mit dem Popolo umzugehen. Die ärgere und schwierigere, das heißt der U m gang mit den Grandi, fiel durch Cosimos Tyrannis weg. Die andere - der Umgang mit dem Popolo - ist nicht sehr schwierig, weil man den Anspruch der Popolari leicht befriedigen kann; sie wollen nicht wie die Grandi befehlen, aber auch nicht gehorchen müssen, das heißt: sie wollen frei sein. Wer ein solches Streben zu befriedigen sucht, tut niemandem unrecht und kann deshalb auf Macht und Gewalt verzichten, und in diesem Fall stößt man selten auf Schwierigkeiten. Wer hingegen die Grandi zufriedenstellen will, begeht gegenüber der restlichen Stadt ein Unrecht. Darauf werden wir weiter unten noch ausführlich zu sprechen kommen.
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In Florenz gab es also neben wenigen Grandi viele Mediocri und Popolari. Als Grandi bezeichne ich jene, die wie gesagt herrschen wollen. Wenige sind es, weil sie vorerst von C o s i m o zum Teil beseitigt, z u m Teil erniedrigt und zum Gehorsam gezwungen wurden. Jene, die später von Piero und Lorenzo 1 0 9 (100) bevorzugt wurden, haben Erhabenheit und Stolz dank dem Großen Rat abgelegt, der all jenen das Ansehen entzog, die zahlreiche Gefolgsleute und Freunde besaßen. Er verhalf ihnen weder zu hohen Ämtern noch zu irgendeiner Stellung, so daß sie am Ende erniedrigt blieben. N a c h der Rückkehr der Medici 1512 privilegierte Papst Leo einige, was ihnen aber nicht zu Grandezza verhalf in der Stadt; im Gegenteil wurde ein jeder u m so verhaßter, je mehr er aufstieg, denn nachdem alle gekostet hatten, wie süß die Gleichheit der Bürger ist, konnte niemand solch neue Grandezza ertragen. Aus der erhöhten Stellung der Medici ergab sich somit keine Grandezza für die Bürger. Auch veränderten sich die Eigenschaften der Stadt nicht, weswegen man 1526 den G r o ß e n Rat sowie die übrigen Gesetze und Einrichtungen jener O r d n u n g , die vor 1512 Bestand hatte, mühelos wieder einführen konnte. 1530 folgte die zweite Rückkehr der Medici, mit der in der ganzen Welt bekannten Gewalttätigkeit. Im Zuge der heftigen Gegenwehr, die man dagegen leistete, wurden viele fähige Bürger verstoßen, worauf sie in der Meinung, schlecht behandelt worden zu sein, dem gemeinsamen, bürgerlichen Leben zwangsläufig den Rükken kehrten." 0 Dies scheint nun die gleiche Schwierigkeit für die Einführung einer bürgerlichen O r d n u n g hervorzurufen, wie wenn die Stadt - so wie f r ü h e r - viele Grandi, aber zu wenig Mediocri hätte, wie wir o b e n ausgeführt haben. Diese Schwierigkeit wird aber im Gefolge des rücksichtslosen Rcgicrungsstils, den man gegenwärtig beobachtet, allmählich schwinden; alle Bürger, gleich welchen Ranges, werden mit Füßen getreten und sind erniedrigt, ohne Ehre, Ansehen und Einfluß. Sind erst die privaten Feindseligkeiten beigelegt und stimmen die Absichten aller übercin, wird jeder unwillkürlich nach einem friedfertigen und ruhigen Leben streben und die Gelegenheit abwarten, es zurückzucrlangcn. Und ich glaube nicht, daß jemand daran zweifelt, nach dem Wiederaufbau der Republik jene Ehren und jenen Rang erlangen zu können, die ihm gebühren. N a c h d e m alle die Marter einer derart maßlosen Tyrannis erfahren
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haben und noch erfahren, sollten sie - so meine ich - jede Schwierigkeit beseitigen, die der Einführung eines bürgerlichen und breiten Regiments'" im Wege steht." 2 Z u m Abschluß dieses Abschnittes meine ich deshalb, daß in unserer Stadt die Zahl der Grandi wegen der zweimaligen Rückkehr der Medici nicht gewachsen und infolgedessen keine Begehrlichkeit nach Herrschaft geweckt worden ist, sondern daß sie die gleichen Eigenschaften wie vor 1512 besitzt. Kehren wir zum Thema zurück. Als Popolo bezeichne ich nicht nur jene Menge, die von den Behörden ausgeschlossen ist, aber in der Stadt über einen gewissen Besitz verfügt und ein Gewerbe betreibt, sehr zahlreich ist (101) und nach Freiheit strebt, um von den Grandi in den privaten Geschäften nicht unterdrückt zu werden. Ich rechne auch viele von jenen dazu, die in den Behörden Einsitz nehmen können; sie wollen aus dem gleichen G r u n d frei sein, und zusätzlich noch, weil sie glauben, häufiger ein A m t zu erhalten, wenn die Stadt frei sei.113 Als Mediocri bezeichne ich alle übrigen, die zu den Ämtern zugelassen sind, in Bescheidenheit leben - sei es aus freien Stücken oder aufgrund irgendeiner Begebenheit - und neben der Freiheit auch nach Ehre streben. Es bleibt noch die Plebs, die in der Stadt überhaupt keinen Rang einnimmt, da sie kein Grundeigentum besitzt, sondern allein von körperlicher Arbeit lebt. Sic begehrt naturgemäß Ruhe, denn wenn die Republik erschüttert wird, liegt das Gewerbe darnieder, welches ihr Verdienst und N u t z e n bringt. Wann immer man in Florenz ein ruhiges und friedliches Leben begründet, wird die Plebs jeden Aufruhr vermeiden, weil es nicht an Handelstätigkeit mangeln wird. Zudem würde sie auf Schwierigkeiten stoßen, wollte sie einen Tumult auslösen; erstens wurde ihre Zahl durch die Pest stark verringert" 4 , und selbst wenn sie wieder anwüchse, gäbe es - zweitens - niemand in Florenz, der bei dieser Masse Ansehen und Unterstützung genösse, so daß sie sich durch ihn aufwiegeln ließe. Und nur selten geschieht es, daß die Plebs in Aufruhr gerät, ohne von einflußreichen und angesehenen Männern angestachelt zu werden. So wäre der Aufstand der Ciompi nicht erfolgt, wenn Messer Salvcstro de' Medici" 5 und andere ihn nicht entfacht hätten, um Bedeutung zu erlangen. Ist die Verfassung gut geordnet, wird man ferner die Plebs nie davon überzeugen können, daß widrige und ruhestörende Vorfälle aufgrund der Boshaftigkeit
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einzelner Bürger oder wegen schlechter Regierung entstehen, was ja tatsächlich Tumulte auszulösen pflegt; vielmehr glaubt die Plebs, die Tücken der Zeit und des Schicksals seien die Ursache, und sie wird daher friedfertig und ruhig bleiben. Dazu hat man während der vergangenen Belagerung ein leuchtendes Beispiel erlebt. Über eine derart lange Zeitspanne hinweg lösten weder die Plebs noch andere einen Tumult aus, obwohl die Verfassung voller Mängel war, wie wir gleich ausführen werden. Zusammenfassend halte ich fest, daß die Stadt Florenz alle erforderlichen Eigenschaften besitzt, um die eingangs beschriebene gute Verfassung übernehmen zu können. Man findet in ihr wenige Grandi, viele Mediocri, viele Popolari und eine angemessene Zahl an Plebejern. Letztere m ü s s e n - s o glaube ich aus den genannten G r ü n den - nur so weit beachtet werden, als (102) die Städte auf sie angewiesen sind. Nicht nur die bisherigen Ausführungen zeigen, daß unsere Stadt sich für ein geordnetes Leben eignet; obendrein kann sich jeder aufgrund der Erfahrungen selber vorstellen, welchen Vorteil man daraus zu ziehen vermöchte; man hat ja gesehen, wieviel Ehre und N u t z e n allein zwei gute Einrichtungen - der G r o ß e Rat und das auf Lebenszeit gewählte O b e r h a u p t " 6 - unserer Stadt einbrachten. Wie hoch dies zu bewerten ist, wird am Beispiel früherer Reformer deutlich; um ihre Ideen zu verwirklichen, waren sie gezwungen, sich auf göttliche Autorität zu berufen, da die eigene nicht ausreichte. So sehr stehen die Menschen unbekannten Einrichtungen feindlich gegenüber. Romulus, N u m a , Lykurg" 7 und viele andere gingen so vor, und in unseren Zeiten hätte Bruder Girolamo nie den Großen Rat einführen, die Kompetenz der sechs Stimmen" 8 abschaffen und vieles andere erreichen können ohne die Versicherung, G o t t habe ihm seinen Willen offenbart. Wir haben soweit gesehen, daß sich die Stadt Florenz für eine vorzüglich ausgestaltete O r d n u n g eignet. Bevor wir deren Einführung diskutieren, haben wir nun noch die Mängel der beiden vergangenen Republiken zu besprechen.
ZWEITES BUCH Erstes Kapitel Von der Unmöglichkeit, eine Republik neu zu ordnen, ohne ihre besonderen Mängel zu berücksichtigen
(103) Frühere Gesetzgeber und Republikgründer stießen bei ihren Anordnungen auf geringere Schwierigkeiten, wenn sie Menschen führen mußten, die entweder keinen Gesetzen mehr unterstellt waren oder nach dem Verlassen ihrer Heimatländer anderswo W o h n sitz genommen hatten. Im ersten Fall lebten die Menschen gleich wilden Tieren aufs Geratewohl und zerstreut, weswegen sie aus Annehmlichkeit jede vorgeschlagene Form menschlichen Zusammenlebens annahmen. Im zweiten Fall erstaunt es nicht, daß sie sich nach dem Verlassen ihres angestammten Lebensraumes überzeugen ließen, die alten Gesetze aufzugeben und neue zu übernehmen. Wer dagegen Gemeinwesen mit erprobten Gesetzen ordnete, sah sich immer vor unermeßliche Schwierigkeiten gestellt. Er mußte bei seiner Aufgabe nicht nur das Gute kennen, für das er die Menschen, denen er Gesetze gab, fähig hielt, sondern auch die Mängel und Fehler, von denen er sie befreien wollte. Unter jenen, die von der Reform betroffen waren, gab es immer solche, denen es die Vertrautheit mit den alten Einrichtungen schwer machte, die neuen anzunehmen. Deshalb sah sich Lykurg, wie wir im vorangehenden Buch gesagt haben, zur Gewaltanwendung gezwungen, um den Widerstand gegen seine Verfassung zu brechen, und N u m a mußte zeigen, daß Gott seine A n o r d n u n g e n gutgeheißen hatte. 119 Während die ersten Städtegründer und Gesetzgeber im Gedächtnis der Menschen sehr ruhmreich geblieben sind und man sich ihrer Namen mit größter Achtung erinnert, glaube ich richtig zu urteilen, daß die Reformer kaum weniger (104) Lob und Ruhm verdienen. Sic m u ß t e n sich in das sorgfältige Studium der alten Ordnungen vertiefen, u m deren Mängel einzeln zu erkennen und zu verstehen, und sie hatten eine wohlgeordnete Lebensform zu suchen, die den Menschen dank einer
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Verbesserung aller Mängel Ruhe und Frieden verschaffen konnte. 1 2 0 Die ersten Gesetzgeber dagegen brauchten sich einzig in der E r w ä gung des Guten anzustrengen, das sie einführen wollten. Außerdem ist die Einsicht in die Mängel, mit denen reformbedürftige Gemeinwesen behaftet sind, weit weniger leicht; zum einen bestehen sie aus Einzelheiten, die man kaum anders als durch Erfahrung erkennen kann; zum anderen hat sich noch nie jemand finden lassen, der so frei von menschlichen Leidenschaften gewesen wäre, daß er in allem die eigenen Schwächen zu erkennen vermocht hätte. Wir sehen deshalb, wie in der Vergangenheit viele sich vergeblich abmühten, ihre G e meinwesen zu reformieren. Weil sie deren Mängel nicht zu beheben wußten, kehrten nach kurzer Zeit die gleichen Mißstände ein, manchmal sogar noch schlimmere. So geschah es in Florenz, einer Stadt, in der man noch nie eine O r d n u n g einrichtete, welche die fehlerhaften Wesenszüge vollständig ausgemerzt hätte. Wohl versuchte es manch einer, etwa Giano della Bella121, der im Rufe eines guten Bürgers stand, und in unseren Zeiten Bruder Girolamo, von dem es völlig unsinnig ist, zu behaupten, er habe gegenüber unserer Stadt nicht die beste Absicht gehegt. Einzig darum besorgt, daß niemand sich offen zum Tyrannen aufschwingen konnte, schuf er den Großen Rat, der die Ämter der Stadt verteilte. 122 Diese Einrichtung war zweifellos gut und vorteilhaft für den Frieden und die Freiheit der Bürger, wie die Erfahrung lehrte. Bruder Girolamo überging aber recht viele andere Fehler der alten O r d n u n g , wobei anzunehmen ist, daß er sie lückenlos verbessert hätte, wenn sie ihm bekannt gewesen wären. Aufgrund des großen Ansehens und Vertrauens, das er sich dank seinen hervorragenden Tugenden erworben hatte' 23A , wäre ihm dies leicht gefallen. D a ß Bruder Girolamo diese besonderen Fehler nicht kannte, ist nicht sehr erstaunlich; als Fremdem und Mönch war es ihm nicht möglich, bei den öffentlichen Rcgicrungsgeschäftcn zugegen zu sein, so daß er sich nach einem Einblick in deren Abläufe hätte ein Urteil darüber bilden können, was gut und was schlecht eingerichtet war. Vortrefflich war indessen die Einführung des Großen Rates. Er hätte das beste (105) Fundament einer gut geordneten Republik abgegeben, wenn die Grandi nicht derart von Habgier und Ehrgeiz geblendet gewesen wären und die Freiheit der Tyrannis vorgezogen hätten.
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Anstatt sie zu ruinieren und den Tyrannen und ihren Gefolgsleuten als Beute auszuliefern, hätten sie die Vaterstadt, nach der allmählichen Entfernung der Mängel aus der öffentlichen O r d n u n g , zur Vollkommenheit geführt. So würde n heute alle Bürger in ihr ruhig, reich und geachtet zusammenleben, statt unruhig, arm und ehrlos. Wer die Republik Florenz neu ordnen will, m u ß demnach nicht nur erwägen, welche allgemeine Rcgicrungsform unsere Stadt braucht; es gilt auch, mit nicht weniger Sorgfalt die besonderen unruhc- und mühsalstiftcnden Mängel und Fehler zu untersuchen, um sie bei der Einführung der bereits dargelegten Form 124 alle gesondert beheben zu können. Da ich glaube, aufgrund meiner Beteiligung an den öffentlichen Geschäften der letzten Republik gewisse1251' Kenntnisse darüber erworben zu haben, werde ich in diesem zweiten Buch alles besprechen, was mir in den beiden vergangenen Republiken schlecht eingerichtet erschien, und dabei alle Irrtümer und Fehler aufdecken, auf die ihr kurzes Leben zurückzuführen ist. N a c h dieser Diskussion werden wir die oben beschriebene Form einführen und zeigen, wie man diesen Mängeln beikommen kann, damit die Republik so vollkommen wird, wie es sich jeder gute Bürger wünschen soll.
Zweites Kapitel Was ein Staat berücksichtigen muß, wenn er von den Bürgern geliebt und dadurch dauerhaft werden soll
Es ist offensichtlich, daß all jene Regierungen und Staaten einen dauerhaften Bestand und ein langes Leben haben, die von ihren B ü r g e r n - g l e i c h welcher Art sie sind - g e l i e b t und in Ehren gehalten werden. Dies ist so unbestreitbar, daß selbst die gewalttätigen und tyrannischen Staaten ihr Bestes tun, um die Herzen ihrer Untertanen für sich zu gewinnen und wohlwollend zu stimmen, (106) glauben sie doch, ohne deren Gunst nicht sicher leben und die Herrschaft nicht bewahren zu können. Deswegen beehren die Führer dieser
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Staaten viele mit Reichtum und Würden, anderen teilen sie die geheimsten Angelegenheiten mit und wollen ihren Rat und ihre Meinung vernehmen, und allen präsentieren sie sich so bürgerlich und menschlich als möglich. Sie veranstalten Feste und Schauspiele, um die Menge zu unterhalten, und mit diesen und ähnlichen Mitteln erreichen sie, daß der Pöbel ihre Tyrannis tür eine bürgerliche O r d nung hält, da er in ihr vieles befolgt sieht, was gut geordnete Republiken auszeichnet. Es ist zu beachten, daß die Bürger jenem Regiment zugetan sind, in dem sie ihre Begehren erlangen oder zu erlangen glauben. Wie wir im vorangehenden Buch lange erörtert haben, streben die Popolari nach Freiheit; das heißt, sie wollen nur den Gesetzen und den durch diese gemäßigten Behörden Gehorsam leisten. Die Mediocri wollen neben der Freiheit auch Ehre, die GrandiZusätzlich zu diesen beiden noch Grandezza; und alle zusammen wünschen sich Ruhe und Frieden. Falls es in den beiden vergangenen Republiken weder Freiheit noch Ehre, noch Grandezza gab, konnten sie demzufolge von den Bürgern nicht geliebt werden. Es verwundert dann nicht, wenn niemand die erste verteidigte und viele sich von der zweiten abwandten und ihren Untergang begrüßten. 126 Wenn in beiden die oben erwähnten Begehren unberücksichtigt blieben, hatten die Bürger keinen G r u n d , sie ergeben zu lieben, und unter diesen Umständen fühlten sie sich auch nicht veranlaßt, sie zu verteidigen. Da dies klar auf der H a n d liegt, folgt nun der Nachweis, daß es in den besagten Republiken weder Freiheit noch Ehre, noch Grandezza gab. Beim ersten beginnend werden wir beweisen, daß die Freiheit fehlte.
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Drittes Kapitel In den beiden vergangenen Republiken gab es keine Freiheit
Wie wir an der entsprechenden Stelle ausführlich gezeigt haben, werden alle Staaten entweder von einem einzelnen, von wenigen oder von vielen regiert und gelenkt. Lassen wir aber die O r d n u n g e n mit einem oder wenigen Herrschern beiseite und befassen wir uns mit der Herrschaft der Vielen, die sich in erster Linie zur Freiheit bekennt; als solche wurden die beiden vergangenen O r d n u n g e n bezeichnet. Sind diese Regimenter so geordnet, daß die höchste Gewalt einer kleinen Anzahl Bürger (107) zufällt, dann meine ich, daß solche Staaten keineswegs frei sind und sich auch nicht frei nennen dürfen. So, wie in der Herrschaft der Wenigen die Wenigen herrschen müssen, so steht im Regiment der Vielen diese Aufgabe den Vielen zu, und nicht den Wenigen. D a ß in den genannten zwei Republiken die Wenigen am meisten Macht besaßen, ist aus dem Einfluß ersichtlich, den die obersten Behörden der Stadt ausübten. Jeder weiß, daß die Otto di balia)27 mit sechs Stimmen über Leben und Eigentum aller Bürger verfügen konnten. Die Diecim bestimmten mit deren sieben die gesamte Situation der Stadt 129 , da sie nach Belieben über Krieg und Frieden entscheiden konnten. Die Signoria schließlich vermochte mit sechs Stimmen alles zu tun. 110 Weil diesen Behörden keine Schranken gesetzt wurden, kann man sagen, daß sie die gesamte Stadt in ihrer Gewalt hatten. Sie setzten sich aus einer kleinen Anzahl Personen zusammen, woraus sich ergibt, daß die Wenigen statt der Vielen herrschten. Diese Art zu regieren, die den Wenigen immer tyrannische und willkürliche Macht einräumte, führte dazu, daß die Stadt nicht frei war, denn es sind die Tyrannen, die ohne Schranken walten. In klug geordneten Städten gibt es keine Behörde mit freier Befugnis in den ihr zustehenden Handlungsbcrcichcn; gegen alle kann man bei dafür bestimmten Räten Berufung einlegen. So praktizieren es
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etwa die Venezianer 131 , und so w u r d e es in jeder Republik gehandhabt, die jemals klug geordnet worden war. Es ist jedoch zu beachten, daß die Lebenskraft der gesamten Republik in vier Bereichen zum Ausdruck kommt' 3 2 : in der Wahl der Behörden, in der Beschlußfassung über Krieg und Frieden, in der A n h ö r u n g der Beschwerden' 3 3 und in der Einführung der Gesetze. Diese vier Bereiche müssen immer in der Macht des Herrschers der Stadt stehen. In den Regimentern der Vielen ist es daher nötig, daß die Vielen die Macht über sie ausüben, sonst gäbe es in Städten mit solchen O r d n u n g e n keine Freiheit. In Florenz lag die Ernennung der Behörden in den zwei vergangenen Republiken zweifellos in der Macht der Vielen, weil sie ganz vom Großen Rat abhing, und demzufolge war die Stadt in dieser Hinsicht frei. Die Beschlußfassung über Krieg und Frieden lag in den Händen der Behörde der Dieci, die somit die gesamte Situation der Stadt bestimmen konnte. Daran kann man ablesen, daß die W e n i g e n - u n d nicht die Vielen —in bezug auf die Stellung der Stadt das Sagen hatten. Wo dies geschieht, kann es keine wahre und echte Freiheit geben. Die A n h ö r u n g der Beschwerden braucht gar nicht erst erwähnt zu werden, weil es sie nicht gab. Die Behörden konnten alles nach Belieben unternehmen, denn ungezügelt wie sie waren, fürchteten sie keine Zurechtweisungen. Das hatte zur Folge, daß die Stadt nicht frei, sondern den Wenigen unterworfen war. Die Einführung (108) der Gesetze stand zwar in der Macht des Großen Rates, war aber - wie wir weiter unten nachweisen werden - trotzdem so schlecht gcordnet' 1 4 A , daß es auf das gleiche herauskam, wie wenn die Wenigen darüber bestimmt hätten. Die Stadt erreichte somit Freiheit hinsichtlich der Ernennung der Behörden. In bezug auf die drei übrigen Bereiche aber, die nicht weniger wichtig sind, war sie nicht frei, sondern der Willkür u n d Macht weniger unterworfen. D a ß aber jene drei Bereiche die gleiche Bedeutung wie die Bestellung der Behörden haben, ist, wenn nicht aus anderem, so aus folgendem ersichtlich: Die Gebieter der vergangenen Gewaltherrschaften beeinflußten nur die Wahl jener Behörden, in deren Hände die Macht über die drei genannten Bereiche gelegt wurde, da sie meinten, daß der Herrscher über diese das G a n z e beherrschen könne. 135 U n d in der Tat: wer über Krieg und Frieden
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entscheiden, Gesetze einführen und die Beschwerden gegen die Behörden entgegennehmen kann, der ist Gebieter über alles. In den vergangenen beiden Republiken standen somit die genannten drei Bereiche in der Macht der Wenigen. Daraus ergibt sich, daß die Wenigen - und nicht die Vielen - die Stadt beherrschten und es in ihr nicht jene Freiheit gab, die viele wahrzunehmen glaubten. Mehr zu den Einzelheiten vorstoßend, kommen wir kurz auf die Signoria zu sprechen und zeigen, wie tyrannisch und willkürlich ihre Macht war.
Viertes Kapitel Die Macht der Signoria war tyrannisch
Wie bereits erwähnt, konnte die Signoria mit ihrer Macht alles tun und lassen, was ihr beliebte. Dies gab früher Anlaß zu all den Zerwürfnissen unter den Bürgern, denn vor der Tyrannis von Cosimo, als man diese Behörde noch durch das Los bestellte, wurde sie häufig von der einen Partei, dann wieder von einer anderen dominiert, oder sie war in zwei Parteien gespalten. Daraus ergaben sich zahlreiche Meinungsverschiedenheiten, Verbannungen und Unruhen in unserer Stadt, wie man in den alten Aufzeichnungen nachlesen kann. Aus der Macht der Signoria keimte schließlich die Gewaltherrschaft Cosimos, welche die Stadt so lange unterdrückt hielt und gegenwärtig mit nie gekannter Ruchlosigkeit unterdrückt. Wie allen bekannt ist, war Cosimo unübertroffen reich. (109) O h n e freigebig zu sein, wußte er sich seines Reichtums zu bedienen, um Grandezza zu erlangen, indem er damit viele Bürger als Anhänger und Parteigänger gewann. Diesem Umstand war es zu verdanken, daß während seiner Verbannung lauter eigene Freunde und Anhänger für die Signoria ausgelost wurden; kaum im Amt, riefen sie Cosimo aus der Verbannung zurück. Nach seiner Rückkehr verdrängte er mit Hilfe der Macht der ihm gefügigen Signoria alle seine Gegner aus der Stadt und schwang sich zum Gebieter über die gesamte Republik auf. Damit er durch die Macht, mit der er seine Feinde besiegt hatte,
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niemals selbst überwunden werden konnte, schuf er die Wahlprüfer (Accoppiatori). Mit ihrem bestens bekannten Vorgehen 136 stellten sie sicher, daß sich die Signoria und einige weitere Behörden immer nur aus Personen zusammensetzten, die Cosimos Herrschaft zugetan waren. Als Tyrann 1371 ' wußte dieser demnach genau, wie beängstigend die Macht der Signoria war. Er konnte dies unschwer erkennen, hatte er sie doch selbst erprobt, als er die Freiheit unterdrückte und die Stadt unterwarf. Die heutigen Machthaber bemerkten dasselbe. Sie sahen, daß die Signoria ihnen wohl oder übel entziehen konnte, was sie Cosimo übertragen hatte, wie es zum Beispiel 1526 geschehen war, als Monsignore Bourbon mit seinem Heer gegen Florenz vorrückte 138 , und deshalb hoben sie diese Behörde vollständig auf.139 Wenn nun diese Macht von einer Tyrannis als zu gefährlich eingestuft wird, m u ß sie in noch viel höherem Maße von einer Republik gefürchtet werden, die sich zur Freiheit bekennt. Auf den Einwand, der Große Rat habe dank freier Wahl dafür gesorgt, daß sich die Behörde immer nur aus freiheitsliebenden Personen zusammensetzte, entgegne ich, daß sich, erstens, auch der Rat täuschen konnte. Wo man nämlich lange keine Menschen einzuschätzen pflegte, ist es darauf schwierig, ihre Gesinnung zu erkennen. Dies sah man deutlich gegen Ende des 1512 gestürzten Regiments, als die Mehrheit derer, die für den Ruin verantwortlich waren, vom Rat besser gewählt wurden als die übrigen. Der Rat konnte sich also täuschen und die Ämter solchen übertragen, die nicht treu zu dieser O r d n u n g standen. Selbst wenn, zweitens, der Rat sich nicht getäuscht hätte, hieße dies trotzdem nicht, daß die Macht der Signoria nicht tyrannisch und beängstigend gewesen wäre. Nie gab es eine freie Stadt, in der sechs Personen die absolute Gewalt besaßen, ailes nach eigenem Gutdünken zu tun. Weil eine solche Macht willkürlich ist und die Menschen ihre Absichten nach Beheben (110) ändern können, darf man ihnen diese Macht nicht geben, die sie sowohl zum Schaden als auch zum Vorteil der Stadt gebrauchen können - besonders wenn sich andere Mittel finden lassen, dank deren die Stadt das G u t e nicht entbehren m u ß , das diese Behörde zu bewirken vermag. Zum Schluß dieses Kapitels halten wir fest, daß die Stadt nicht frei war, weil es in ihr eine derart tyrannische und willkürliche Macht gab.
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Fünftes Kapitel Die Behörde der Dieci besaß tyrannische Macht
Die Behörde der Dieci hatte bekanntlich eine freie und uneingeschränkte Befugnis, über Krieg und Frieden zu entscheiden, und sie konnte daher mit sieben Stimmen nach Belieben die Stellung der Stadt bestimmen. Als Cosimo an die Macht kam, bürdete sie der Stadt schwere Lasten auf und bot Cosimo eine günstige Gelegenheit, seine Ziele zu erreichen. Wie sich dies abspielte, will ich hier erklären, damit allen klar wird, wie beängstigend und schädlich die Macht dieser Behörde war. Wie wir bereits erwähnt haben und jedermann weiß, wurde n bis zur Einführung des Großen Rates alle Ämter unserer Stadt ausgelost. Hierzu nahm man alle paar Jahre eine allgemeine Kandidatenauswahl vor - den Squittino, wie wir im Volksmund sagen140 - , steckte die N a m e n aller möglichen Amtsträger in einen Beutel und zog sie dann zur gegebenen Zeit durch das Los. Bevor Cosimo sich zum Tyrannen aufschwang, versammelten sich zahlreiche Bürger zu dieser Kandidatenauswahl, welcher Partei sie auch angehörten. Deshalb wurden die N a m e n sowohl von Feinden als auch von Freunden Cosimos in die Beutel der möglichen Amtsträger gelegt, so daß sich die Behörden aus Personen zusammensetzten, die ihm schlecht oder gut gesinnt sein konnten. C o s i m o beurteilte diesen Sachverhalt als gefährlich und entschloß, einen Weg zu finden, um einen Großteil seiner Feinde aus den Beuteln zu entfernen, die Freunde hingegen darin zu belassen, damit ihnen allein die Ämter zufielen. Er griff zu folgendem Mittel: Zusammen mit seinen Freunden bewirkte er, daß ein gewisser Herrscher mit einem starken Heer gegen die Florentiner anrückte. 141 U m die dadurch anfallenden großen Ausgaben bestreiten zu können, (111) wurden Zwangsanleihen auferlegt. Die säumigen Zahler bestrafte man, indem man ihre N a m e n zerriß, wenn sie ausgelost wurden, das heißt: sie konnten das Amt nicht erhalten. Cosimo und die von ihm unterstützten Freunde bezahlten reichlich.
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Die übrigen zeigten sich wenig zahlungsfreudig - die einen, weil sie nicht konnten, die anderen, weil sie nicht wollten, da sie mit Cosimo uneinig waren. So wurden nach der Auslosung zahlreiche N a m e n zerrissen, und Cosimos Freunde erhielten alle Amter. 142 Nachdem die Beschlüsse zur Kriegführung gefaßt waren, wurden die Dieci bestellt, die sie in die Tat umsetzen sollten. U n t e r ihnen saßen viele Freunde Cosimos, die alles unternahmen, um den Krieg zu verlieren, damit sich die Stadt des wachsenden Geldbedarfes wegen gezwungen sah, neue Abgaben zu erheben. Auf diese Weise wollte man die Gegner Cosimos aus den Beuteln entfernen, bis schließlich nur noch seine Freunde darin verblieben wären. Jenem Herrscher aber war kein Glück bcschicden - gegen den Wunsch Cosimos und der Dieal41A, die aus dem genannten G r u n d gehofft hatten, er durchbreche die Schlachtreihcn der Florentiner. Cosimo aber ließ nicht von seinem Vorhaben ab. Zusammen mit seinen Freunden gelang es ihm, wider die Auffassung der besten Bürger von Florenz einen Krieg mit Lucca zu entfachen. 144 Die Dicci führten ihn gemäß Cosimos Weisungen so schlecht, daß die Florentiner Schaden und Schmach erlitten und Cosimo wegen des gestiegenen Geldbedarfes der Stadt fast alle Gegner aus den Beuteln entfernen konnte, zum großen Nachteil und zur Schande der Florentiner. Dies ist es, wozu die Macht der Dieci diente. Indem sie die Kricgshandlungen nach eigenem G u t d ü n k e n durchführen und bestimmen konnten, versetzten sie die Stadt in N o t und Elend und gäben C o s i m o jede Gelegenheit, jene Grandezza zu erlangen, die er am Ende besaß. O b w o h l sich die Dieci deswegen verhaßt machten, schenkten sie diesem Umstand keine Beachtung, hatten sie doch die gesamte Stellung der Stadt in ihrer Entschcidungsgcwalt. In den beiden vergangenen Republiken hatte diese Behörde die gleiche Macht innc wie in früheren Zeiten. Jedesmal, wenn sie davon in Angelegenheiten Gebrauch machte, die der Bürgerschaft mißfielen, zogen ihre Mitglieder so großen H a ß auf sich, daß kein Mensch sie mehr sehen wollte. Dies belegt die Willkür und Tyrannei dieser Behörde. Ich will einige Beispiele dazu anfügen, die sich w ä h r e n d der letzten Republik zugetragen haben. Weil sie noch frisch in der Erinnerung der Menschen haften, werden (112) sie meine Ansicht über diese Behörde verdeutlichen.
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Nach dem Untergang der Tyrannis im Jahre 1526 nahm die erste Behörde der Dieci, die gewählt wurde, mit den Sienesen Verhandlungen auf, um ein für beide Republiken vorteilhaftes Bündnis abzuschließen. Weil die Sienesen den Abschluß ständig hinauszögerten, begannen die Dieci damit, die sicncsischcn Verbannten zu begünstigen, um ihnen die Rückkehr zu ermöglichen und die Republik in eine Tyrannis zu verwandeln. Sie dachten, daß ihnen eine tyrannische Flerrschaft in dieser Stadt eher dienlich sei als ein bürgerliches Regiment. Da die Verbannten versicherten, im Innern einen G e heimbund zu haben, erwirkten sie bei der Behörde den Entscheid, ihnen die nötige Unterstützung zu gewähren, um in Siena einzudringen und die Republik zu zerstören. Das Unterfangen nahm aber nicht den erhofften Ausgang, weil die Sienesen, die solche Vorbereitungen erahnt hatten, ihre Tore verriegelten und gut bewachten. Als die Verbannten, die zusammen mit Florentiner Kricgsvolk im Gebiet ihr Lager aufgeschlagen hatten, ihre Pläne aufgedeckt sahen, zogen sie sich unvcrnchtctcr Dinge wieder zurück. Sobald diese Vorgänge in unserer Stadt ans Licht kamen, begannen die Aufschreie und Klagen bis zum Himmel aufzusteigen. Jeder beschimpfte die Behörde der Dieci, die eine freie Republik dcrTy rannis unterwerfen wollte und nicht überlegte, wie unehrenhaft ein solches Unternehmen für unsere Stadt war, die vor kurzem erst ihre Freiheit zurückgewonnen hatte. Wie gesagt beschwerte sich jeder über die Behörde der Dieci und verurteilte ihre Tat. Doch niemand bedachte, daß der Träger einer Waffe diese sowohl zum Schlechten als auch zum Guten verwenden kann, und daß, wer den schlechten Gebrauch verhindern will, sie ihm wegnehmen oder zumindest dafür sorgen muß, daß er sie nicht zum Schlechten verwenden kann, selbst wenn er wollte. Wer also jammerte, daß die Dieci ihre Macht zum Schlechten gebrauchten, hätte dafür sorgen müssen, daß sie ihnen entzogen worden wäre oder daß man sie nur zum Guten hätte gebrauchen können. Ich möchte noch ein weiteres Beispiel erzählen, das beweisen wird, wie schädlich die Verfahrensweise und die Macht dieser Behörde für die Stadt waren. Als die Urheber des letzten Krieges während der Belagerung sahen, daß das Heer des Prinzen von O r a men14'' nicht ausreichte, um Florenz in die Knie zu zwingen oder auch nur zu belagern, ließen sie ein weiteres, deutsches Heer mit
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großen Mengen Artillerie und Munition kommen. Soweit man vermutete und erfuhr, planten sie, mit diesem Fleer Prato einzunehmen, in der Meinung, Florenz würde nach dessen Fall keinen Widerstand mehr leisten, sondern wie 1512 sofort nachgeben. Als sich das Heer Prato näherte, hielten die Dieci viele Beratungen über diesen Vormarsch ab und erwogen, ob man Prato verteidigen oder preisgeben solle. Sic hätten es gewiß verteidigen wollen, vertrauten aber dem Kommissar nicht, der sich dort aufhielt 146 , und fanden auch niemand, der (113) ihnen fähig schien, eine derart große Verantwortung zu übernehmen. So wünschten sie, daß einer der Herren 147 , die sich in Florenz befanden, diese Aufgabe übernehme. Diese äußerten jedoch zahlreiche Bedenken gegen die Verteidigung, um nicht hingehen und zeigen zu müssen, wie gering ihre Erfahrung im Kriegswesen war. So kam die Behörde schließlich zum Schluß, es sei besser, jenen O r t zu verlassen, als bei der Verteidigung zu verlieren. N a c h diesem Entscheid entsandte sie Kommissare und Hauptlcute mit dem Befehl, so lange wie möglich in Prato auszuharren und, wenn sie zum weiteren Verbicib nicht mehr imstande seien, mit den Truppen nach Florenz zurückzukehren. Diese gingen hin, führten die Aufträge der Behörde so schlecht wie nur denkbar aus und kamen unerwartet rasch nach Florenz zurück. 148 Als sich aber in der Stadt verbreitete, auf welche Weise man Prato preisgegeben hatte, begann sich ein jeder laut zu beklagen, rügte den Entscheid und beschimpfte die Behörde, die ihn gefällt hatte, obwohl diese aufgrund ihrer Macht nicht nur solche, sondern noch viel weiterrcichcnde Entscheidungen treffen konnte. Die Vorgchcnswcisc und Macht dieser Behörde waren also schädlich für die Stadt, da sich ihre Beschlüsse kaum zur Zufriedenheit der Bürgerschaft abwickelten. Es war geradezu absurd zu erleben, wie in einer Stadt die Wähler einer Behörde ständig deren Handlungen kritisierten und umgekehrt die Behörde selten etwas entschied, was ihnen zusagte. Solche U n o r d n u n g und Verworrenheit entsprangen der unheilvollen Vorgehensweise der Dieci und ihrer übermäßigen Macht. Die Stadt hätte sich deshalb nicht über die Behörde beklagen sollen, wenn diese einen ihr mißliebigen Entscheid fällte, sondern über sich selbst. Ihr fehlte das Wissen oder der Wille, die Republik so einzurichten, daß die Behörden nicht mehr Macht besaßen, als
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einer freien Stadt angemessen ist, und daß deren H a n d l u n g e n ohne Tadel und zur Zufriedenheit aller ausfielen. Unsere Ausführungen haben somit verdeutlicht, daß die Behörde der Dieci nicht nur tyrannisch und willkürlich, sondern auch u n n ü t z und schädlich war für die Stadt.
Sechstes Kapitel Die Behörde der Otto war tyrannisch
Über die Behörde der Otto m u ß meiner Meinung nach nicht viel berichtet werden, um aufzuzeigen, wie tyrannisch ihre Macht war. Denn nie wird jemand (114), der vernimmt, daß in Florenz eine einzelne Behörde mit sechs Stimmen über das Leben und die Stellung aller verfügen kann, eine solche Machtfülle nicht als tyrannisch beurteilen, die jeder weise Bürger fürchten müsse. N o c h viel besscr149A weiß dies, wer Kenntnisse über die antiken Republiken besitzt, die als klug eingerichtet galten. D o r t kam es nie vor, daß so wenige Männer so große Macht über das Leben und die Stellung der Bürger in den Händen hielten. Auch jene, die über die Stadtregierungen schrieben und lehrten, wie Republiken einzurichten seien, setzten in bürgerlichen O r d n u n gen nie eine solch willkürliche Macht ein. Sie überlegten wie folgt: Weil die Menschen mehr schlecht als gut sind, wollen sie schlechtes Flandcln nicht lassen, wann immer sie dazu in der Lage sind und keine Bestrafung fürchten; vielmehr vergehen sie sich dann, indem sie schonen, wer eine Strafe verdiente, und hart bestrafen, wer keine verdiente. Zu beiden Fällen würde es mir nicht an zahlreichen Beispielen fehlen.15CI' Weil ich aber die Mängel jener O r d n u n g e n aufdecken und nicht die damals Regierenden in Verruf bringen will, übergehe ich diese Beispiele. Würde ich sie anführen, müßten sich viele der eigenen Boshaftigkcit schämen. Ich gebe mich zufrieden, mit dem Gesagten gezeigt zu haben, wie gewalttätig und tyrannisch diese Behörde war, die oft Tyrannen gleich aus H a ß zu hart verur-
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teilte, wer keine Bestrafung verdiente, und aus Gunst nicht belangte, wer eine verdiente. Da diese Bemerkungen genügen, gehen wir zu den Collegi über.
Siebtes Kapitel Die Collegi gelten in der Stadt als tyrannisch und schädlich
(115) Wie bereits erwähnt, wurden die Collegi, die auch Gonfalonieri di compagnia genannt werden 1 5 1 , durch den Kardinal von Prato geschaffen, den Papst Benedikt nach Florenz schickte, u m Eintracht zu stiften in dieser Stadt. Weil er die Popolari von den Grandi unterdrückt vorfand, setzte er die besagten Gonfalonieri ein. Diese versammelten den Popolo, wann immer es nötig war, damit er sich mit den Waffen vor denen verteidigte, die ihm Unrecht zufügten. 152A Die Behörde w u r d e somit ersonnen, um den Popolo vor den Grandi zu verteidigen. Das hatte zur Folge, daß sie sich bis in unsere Tage den Ruf zuschrieb, die Freiheit zu verteidigen. Das Verfahren bei der Verteidigung wurde aber so schlecht eingerichtet, daß daraus nichts entsprang als Tumulte und Unrecht. Geschehen konnte dies, weil man bei der Verteidigung weder Mäßigung noch irgendwelche bürO
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gcrlichc Gepflogenheiten beachtete, sondern alles mit Kraft und Gewalt vorantrieb; das U n r e c h t w u r d e bloß vervielfacht, womit immer neue Ursachen für Tumulte und Zerwürfnisse unter den Bürgern entstanden. So beruhigte sich die Stadt nie, und die Collegi erwiesen sich als nutzlos, weil es nach ihrer Einrichtung noch mehr Streit gab als zuvor, wie wir an entsprechender Stelle zeigen werden. Später wuchs ihr Ansehen, als man ein Gesetz schuf, weil wegen der Pest niemand mehr in der Stadt bleiben und die Ämter übernehmen wollte. Mit diesem Gesetz entzog man jedem die Möglichkeit, Ämter zu erhalten, wenn nicht der Großvater für ein A m t in den Tre Maggiori ausgelost worden war oder es bekleidet hatte 153 , wobei die Signoria, die Dodici^4 u n d die Gonfalonieri di compagnia als Tre
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Maggiori bezeichnet wurden. Infolgedessen begehrte jeder ein solches Amt, um seinen Enkeln die Amtsfähigkeit zu vermachen, für den Fall, daß sie ihnen vom Vater aus gewissen G r ü n d e n nicht vermacht würde. Als dieses Gesetz geschaffen w u r d e , war es vielleicht von gewisser Nützlichkeit. Ebenso brachte es aber den Medici nicht wenig Gunst und Ansehen ein, nachdem die Stadt unter das Joch der Tyrannis geraten war. Dank der Tätigkeit der Wahlprüfer lag es nämlich in ihrer Macht, die genannten Ä m t e r zu bestellen, und deshalb wandte sich jeder Bürger an sie, um eines davon zu erhalten. Und er bemühte sich nicht bloß darum, daß sein N a m e in den Beutel gelegt und gezogen wurde; falls er Söhne hatte, betrieb er auch deren Auslosung, selbst wenn sie noch in Windeln lagen, damit sie, obwohl sie (116) die Ämter noch nicht bekleiden konnten, wenigstens für später vorgemerkt wurden. Dieses Gesetz gab somit den Tyrannen die große Gelegenheit, die Menschen für sich zu gewinnen und zu Freunden zu machen. Abgesehen davon war es geradezu absurd und lächerlich zu hören, daß jemand für die Collegi, die Dodici oder die Signoria^1^ nominiert wurde, der noch in Windeln lag. H a t man ferner je eine schlimmere Ungerechtigkeit vernommen, als die Ämter denen vorzuenthalten, deren Väter und Großväter nicht in den Tre Maggiori gesessen hatten oder dafür ausgelost w o r d e n waren, während andere, frühere Familienmitglieder diese u n d weitere Ä m ter erhalten hatten? Und ganz gewiß ist es unsinnig, daß Menschen für Unterlassungen ihrer Großväter und Väter b ü ß e n müssen, wenn sie selbst tüchtig und erfahren sind. Wer gut überlegt, erkennt zudem, daß das genannte Gesetz die Menschen dazu bringt, die Tyrannis der Freiheit vorzuziehen. Man findet nämlich niemand, der nicht ehrgeizig ist, und wer mit seinen Heucheleien und vorgespielten Bekenntnissen das Gegenteil vorgibt, ist nur noch ehrgeiziger als die übrigen, wie jeder weiß, der Umgang mit den Bürgern gehabt hat. Da die Menschen so veranlagt sind, ist zweifellos a n z u n e h m e n , daß sie jener O r d n u n g mehr zugetan sind, in der sie sich eher am Ziel ihrer Wünsche sehen. Wer aber wüßte nicht, wie leicht es unter der Tyrannis und wie schwierig es in der bürgerlichen O r d n u n g war, das Priorat 156 oder ein Amt der Dodici oder der Collegi zu erlangen. Jede kleine Freundschaft, die jemand mit dem Tyrannen pflegt, hilft ihm, seinen Wunsch zu erfüllen. In der bürgerlichen O r d n u n g hingegen
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mußte ihm die Bürgerschaft gewogen sein, damit er die Wahl gewann, und anschließend das Schicksal, damit er ausgelost wurde. 157 Indem nun jenes Gesetz die Menschen aus dem erwähnten Grund zwingt, diese Ä m t e r zu begehren, und sie unter dcrTyrannis leichter an sie k o m m e n als in der bürgerlich regierten Republik, werden sie unweigerlich dazu veranlaßt, der Tyrannis mehr zugetan zu sein als der Freiheit. So stützt diese Behörde der Collegi, von der jeder glaubt, sie verteidige die öffentliche Freiheit, eher die Tyrannis als letztere, und dies der Bürger wegen, die dieses A m t begehren und es in Gewaltherrschaften eher erlangen können als in einer bürgerlichen O r d n u n g , wie nunmehr klar sein dürfte. Weil die Collegi sich aus dem genannten Grund den Ruf erworben hatten, die Freiheit zu verteidigen und zu bewahren, verstiegen sie sich in ihrer Kühnheit ferner so weit, die Befugnis zu beanspruchen, bei den Beratungen der Dieci dabeizusein und die Republik in Fragen von Krieg und Frieden zu beraten.' 58 Da sie sich in Fällen, welche die Verteidigung oder Bewahrung der Freiheit betreffen, größte Autorität anmaßen, kann es scheinbar niemand wagen, etwas vorzuschlagen, (117) was ihrer Meinung widerspricht, aus Angst, als Feind der Freiheit verleumdet zu werden. Und zumal meistens Junge mit dieser W ü r d e geehrt werden, fehlt ihnen zwangsläufig die Klugheit, die eine bürgerliche Regierung erfordert. Die Stadt wird daher selten mit Vernunft beraten, sondern weit eher aufgrund der besonderen Leidenschaften und Launen der Collegi. Außerdem gibt es in der Republik immer einen angesehenen Bürger, der nach Grandezza strebt; wenn er erkennt, wie sehr diese Behörde seiner Absicht dienlich ist, macht er sich zum führenden Vertreter ihrer Auffassungen und verschafft diesen dank seinem Einfluß Anerkennung und Glaubwürdigkeit. Da nun diese Ansichten von den Collegi stammen und darauf von jemandem vertreten werden, der Grandezza und Ansehen genießt, kann von den übrigen niemand das Gegenteil vertreten, ohne sich Gefahr auszusetzen. So geschah es zu Beginn des vergangenen Krieges, als zahlreiche Beratungen abgehalten wurden, ob man Botschafter zu Papst Clemens senden und welche Ermächtigung man ihnen allenfalls übertragen solle. Daran nahmen die unter Niccolo Capponi 1 5 9 geschaffene Praticau'°, die Dieci, die Signoria, die Collegi und die Dodici teil.
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Jeder sagte seine Meinung, wobei sich die meisten - vor allem jene der Pratica - für eine Vereinbarung mit dem Papst aussprachen, bevor das feindliche Heer vor den Toren stehe. Die Collegi vertraten das Gegenteil und waren unter keinen Umständen bereit, dem Papst etwas zuzugestehen, was auch nur im geringsten die Freiheit der Stadt eingeschränkt hätte. Sic griffen dabei zu solchen Worten und Einschüchterungen, daß niemand mehr wagen konnte, den eigenen Standpunkt frei zu erläutern. Und wenn auch die Collegi damals die würdige und mutige Auffassung vertraten, die übrigen hingegen die beschämende und feige, so war ihr Vorgehen trotzdem tyrannisch und mißbräuchlich, denn die Beratung muß frei sein und sich auf Argumente stützen, und die Wahl soll schließlich auf jenen Standpunkt fallen, der sich am besten begründen läßt. Wer damals empfahl, eine Vereinbarung abzuschließen, begründete dies einzig mit den Gefahren des Krieges, mit dem untragbaren Aufwand, den Schäden und Ähnlichem. Er blieb den Beweis schuldig, nicht bloß von Angst und Feigheit zu diesem Ratschlag bewegt worden zu sein, ganz dem Wesen unserer Alten 161 entsprechend, die feige, ängstlich und geizig sind. Wer sich darüber ein Urteil bilden will, der beachte die Taten all jener, die im damaligen Krieg von der Stadt sowohl im Innern wie außerhalb eingesetzt wurden. Man wird zum Schluß kommen, daß wenig von ihnen zu halten ist: Jene außerhalb der Stadt verloren, ohne Beherztheit zu zeigen, alle Besitzungen des Herrschaftsgebietes, und die im Innern Regierenden ließen sich von Malatcsta 162 auf solche Weise betrügen, daß er die Stadt zwingen konnte, sich ihren Feinden auszuliefern. (118) Sic durchschauten nicht, was selbst die kleinen Kinder wußten und auf den Straßen und Plätzen beklagten, nämlich die Untreue des besagten Malatcsta. Und falls sie trotzdem darum gewußt hätten, so blieb dies doch ohne Belang, weil sie ihn nicht rechtzeitig zu bestrafen vermochten. Doch zurück zum Thema: So, wie sie in der Kriegführung weder Klugheit noch Beherztheit zeigten, bewiesen sie auch in der Beratung nichts als Angst und Feigheit. Die Collegiund die anderen, die den mutigen Standpunkt einnahmen, leitete einzig der Wille, die bestehende O r d n u n g zu bewahren. Sie traten für die Verteidigung ein, ohne einen gewichtigen Grund anzuführen, der die Menschen zu überzeugen vermocht hätte, ein so
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großes Unternehmen anzupacken; stattdessen erklärten sie, daß man die Freiheit mit G u t und Blut verteidigen müsse. Auch fehlten jene nicht, die unter Berufung auf Bruder Girolamo den sicheren Sieg verhießen."' 3 Dieser ganze Mißstand kam auf, weil es unter den Regierenden niemand gab, der wußte, wie groß die Kräfte der Stadt wirklich waren, so daß die heldenhafte Kühnheit zur Verteidigung der Republik aus solcher Kenntnis hätte entspringen können. Weder zu Beginn noch während des Krieges wurde je geklärt, wieviel Geld der Stadt zur Verfügung stand, wie lange die Lebensmittel ausreichten, was sich die Stadt von den Soldaten und vom Kommandanten versprechen konnte, so daß alle diese Dinge einzeln bekannt geworden wären. Stattdessen führte man zur Zeit von Francesco Carducci' 64 und Raffaello Girolami 165 die Geschäfte mehr mit Hoffnung als mit Verstand. Beide hörte ich mehrmals sagen, nachdem man Lebensmittclvorrätc beschafft oder sich danach umgesehen hatte, daß wir noch - sagen wir einmal - zwei Monate ausharren könnten, und danach werde man sehen. Und nach Ablauf dieser Frist faßte man noch kühnere Beschlüsse als zuvor, so daß die Stadt eigentlich alle nötigen Mittel für den Krieg im Überfluß besaß und ihr allein Klugheit und Tapferkeit der Regierenden fehlten, um diese Mittel zu kennen und zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen. Hätten sie dies zu leisten vermocht, wäre die Stadt zweifellos siegreich gebheben, was sie so weit erhöht hätte, wie sie gegenwärtig unterdrückt und gedemütigt wird. Ich habe mich etwas von meinem Thema entfernt, aber nicht ohne Gewinn. Jeder hat anhand dieser Ausführungen erkennen können, wie wichtig es für die Stadt ist, die Art und O r d n u n g ihrer Beratung festzulegen, damit ihr nicht jener Teil fehlt, ohne den keine Republik ihre Freiheit führen und lenken kann. Z u m Ausgangspunkt zurückkehrend meine ich, es sei recht klar, wie sehr das Verfahren der Collegi und der Dodici- denn bezüglich ihrer Handlungen, nicht aber ihres Ursprungs, gilt für beide das gleiche - abwegig und mißbräuchlich war, und daß es ohne Verbesserungen (119) auch künftig der Republik in keiner Hinsicht nützen kann, so wie es bis heute noch nie bedeutsame Vorteile gebracht hat. Wenn es in der Vergangenheit dennoch ab und zu gedeihlich war, dann nicht etwa aufgrund seiner Natur, sondern weil ein weiser Mann in der Behörde saß oder wegen eines anderen Umstandes. Man
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könnte dies feststellen, wenn man die Zeiten und Fälle in Betracht zöge, von denen jemand behauptet, diese Behörde habe sich bewährt. Nachde m wir die Collegi eingehend besprochen haben, diskutieren wir nun, für welche Mängel und Mißstände die tyrannische Macht und die schlechten Verfahren der bisher genannten Behörden verantwortlich waren.
Achtes Kapitel Der Gonfaloniere
erlangte mehr Macht,
als in einer bürgerlichen O r d n u n g der Fall sein darf
Die Amtsgewalt, die dem Gonfaloniere laut Gesetzen zustand, war nicht größer als die jedes anderen Trägers des Priorats. Seine Stimme wog gleich viel wie die eines jeden in dieser Behörde. Er überragte die anderen, weil er auf Verlangen nicht nur Vorsitzender der Signoria, sondern auch aller übrigen Behörden sein konnte. Diese A n o r d nung ermöglichte es, die öffentlichen Geschäfte auf anderem Wege auszuführen, falls der jeweilige Vorsitzende seiner Behörde dringende Angelegenheiten aus bestimmten Gründen nicht unterbreiten wollte. An Würde war somit der Gonfaloniere allen anderen überlegen, bezüglich Amtsgewalt hingegen gleichgestellt. Da aber die Macht der Signoria, der Dicci, der Orro und der Collegi, wie wir nachgewiesen haben, tyrannisch und willkürlich war, und er über diese Behörden beliebig verfügen konnte, wurde auch seine Macht tyrannisch und willkürlich. Weil die Staatsführung ganz auf den Schultern der Dieci lag, beriet sich der Gonfaloniere als Oberhaupt der Republik häufig mit ihnen. Aus Ehrfurcht vor seinem Rang hätten diese keinen Beschluß gefaßt, ohne ihn darüber zu unterrichten. Stellten die Entscheidungen der Dieci den Gonfaloniere zufrieden, gab es für ihn keine weiteren Probleme. Stellten sie ihn nicht zufrieden, brachte er die Dieci entweder durch seinen Einfluß dazu, seine Meinung zu übernehmen, oder aber sie widersetzten sich ihm. Änderten sie ihre Ansicht, hatte
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der Gonfaloniere sein Ziel erreicht. (120) Blieben sie hartnäckig, mußte ersieh fügen oder ihre Pläne auf anderem Wege vereiteln. U n d da er glaubte, seinen Rang ohne Ansehen einzunehmen, wenn er untätig bliebe, unternahm der jeweilige Gonfaloniere alles, damit die gesamte Republik von ihm abhing und ihm gleichsam unterworfen war. Er erreichte dies leicht: Mittels der Signoria und der Collegi konnte er nach Beheben alle Macht erlangen, die er begehrte, sämtliche Beschlüsse der übrigen Behörden unterbinden und auch bewirken, daß niemand etwas gegen seine Absicht zu entscheiden wagte. Er mußte sich bloß bemühen, die Meinung der Signori und Collegi zu begünstigen und ihnen zu flattieren, wie wir im Volksmund sagen, indem er sich stets als Verteidiger der Freiheit gegen die Macht der Grandi präsentierte. Wann immer ihm diese beiden Behörden gewogen waren, lenkte er alles, wie er wollte, selbst wenn sich ihm ein Bürger oder eine Behörde widersetzte, so daß man sagen konnte, die ganze Stadt stehe in seiner Gewalt. Wer nicht auf diese Weise vorging, stieß bei wichtigen Geschäften immer auf ungeheure Schwierigkeiten. Weil der Behörde der Dieci meistens bedeutende und angesehene Personen angehörten, konnte sich der Gonfaloniere kaum durchsetzen, wenn er sich nicht auf die genannte Weise verhielt. Falls er stattdessen den Dieci den Vorrang gab, war er bei den Signori und Collegi - und infolgedessen bei der Bürgerschaft - wenig beliebt. Denn diese beiden Behörden ergriffen jede Gelegenheit, ihm vorzuwerfen, er und die Dieci besprächen die Staatsgeschäfte nicht mit ihnen. Dieser Unterschiede wegen waren einige der zwischen 1494 und 1530 gewählten Gonfalonieri der Bürgerschaft genehm, andere verhaßt. Piero Soderini 166 erkannte nach seiner Wahl sofort, daß man in seiner Stellung die beiden genannten Behörden bevorzugt behandeln mußte, um in der Republik etwas zu erreichen. Er befleißigte sich, dies zu tun, und verstand sich dann so gut, daß er nie auf Schwierigkeiten stieß und immer über die gesamte Stadt bestimmen konnte, wie ihm beliebte. Jedesmal, wenn die Dieci, selbst mit dem Rat der Pratica, einen Entscheid gefällt hatten, der ihm mißfiel, vermochte er ihn dank der Autorität von Signoria und Collegi umzustoßen und dann nach eigenem Beheben zu entscheiden; dies unter dem Vorwand, er wolle auch diese beiden Behörden über Geschäfte unter-
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richten, welche die ganze Stadt beträfen. So geschah es 1507, als man höchst gespannt die Ankunft des Kaisers 167 in Italien erwartete. Während Giovanbattista Ridolfi 168 und die anderen angeschensten (121) Bürger unserer Stadt Botschafter zu ihm schicken wollten, verweigerte der Gonfaloniere seine Zustimmung, u m den König von Frankreich nicht zu verstimmen, und verhinderte einen solchen Beschluß auf die genannte Art und Weise mühelos. 1 6 9 O b w o h l sich Piero Soderini ganz für das öffentliche Wohl einsetzte, war diese Verfahrensweise trotzdem eigenmächtig und tyrannisch und gab ein schlechtes Beispiel ab. Ein anderer nach ihm hätte der Republik damit Schaden zufügen können, nachdem er sich mit diesen Mitteln das Wohlwollen der Bürgerschaft erworben und die gleiche Macht wie Piero Soderini erlangt hätte. Wegen der großen Macht, über die, wie ich meine, Piero Soderini verfügte, kehrten sich einige der wichtigsten Bürger der Stadt von der damaligen O r d n u n g ab. Weil sie alle Macht in den H ä n d e n des Gonfaloniere sahen, glaubten sie, selber keinen Einfluß zu besitzen, u n d obgleich sie mit höchsten Würden bekleidet wurden, schätzten sie diese nicht, da sie erkannten, in jedem Fall vom Gonfaloniere abhängig zu sein. D u r c h diese Unzufriedenheit bewegt, billigten sie den Untergang jenes Regiments und die Rückkehr der Medici. U n d o b w o h l sie kein Lob, sondern Schimpf und Schande verdienen, m u ß jenes Verfahren dennoch beanstandet und verbessert werden, um die Ursachen solcher Unzufriedenheit zu beseitigen. D a ß ich die Wahrheit sage, wird aus jener Zeit ersichtlich, da es keinen Gonfaloniere auf Lebenszeit gab, das heißt zwischen 1494 und 1502. In jenen Jahren kehrten die bedeutendsten Bürger der Republik nie den Rücken, sondern verteidigten sie im Gegenteil stets aufrichtig vor äußeren Angriffen und Verschwörungen im Innern. Dies lag an der damaligen Verfassung, in der die Republik immer auf die Ratschläge u n d Hilfe dieser Bürger angewiesen war und sie darum das gewünschte Maß an Einfluß u n d Ansehen erlangten. Darüber freuten sie sich und waren deshalb der Republik zugetan, die ihnen zu großer A c h t u n g verhalf, obwohl es jener O r d n u n g an einer bestimmten Möglichkeit fehlte, bedeutende Bürger zu ehren, wie wir noch ausführen werden. Kaum aber war der Gonfaloniere auf Lebenszeit gewählt, beschränkten sich Ansehen und Einfluß der wichtigsten
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Bürger auf ihn, und sie wurden zu seinen Feinden. Und weil sie ihn ohne den Ruin der ganzen Stadt nicht stürzen konnten, ließen sie sich durch ihr ungezügeltes Verlangen derart blenden, daß sie sich um die Zerstörung der Republik nicht scherten. N u n verdienen zwar solche ungezügelten Begehrlichkeiten wie gesagt nichts als Schimpf und Schande; aber deswegen dürfen nicht alle Mittel und Wege übergangen werden, durch die große Männer Befriedigung finden, ihre Leidenschaften zügeln, die Republik getreu regieren und deren Stabilität und Bewahrung wünschen. Als Niccol o Capponi das höchste A m t der Stadt erlangte, führte er das Verderben Picro Sodcrinis mitsamt der Vaterstadt darauf zurück, daß dieser (122) es nicht verstanden hatte, viele wichtige Männer der Stadt bevorzugt zu behandeln. Er begann daher, das Gegenteil davon zu tun. Während Piero äußerste Sorgfalt darauf verwendet hatte, das Wohlwollen der Bürgerschaft zu erwerben, indem er den Signori und Collegi den Vorrang gab und noch viel anderes unternahm, um sein Ansehen und das Vertrauen in ihn zu mehren, tat Niccolo alles, was geeignet war, die Gunst der Menschen u n d das gesamte Vertrauen zu verscherzen, mit welchem er gewählt worden war. Er bevorzugte nämlich jene Bürger, die von den Medici gefördert worden waren, indem er sie in die Pratiche berief, ihnen die Angelegenheiten der Stadt unterbreitete und so kundtat, daß er sich mehr auf sie als auf jene verließ, die in der ganzen Stadt großes Ansehen und Vertrauen genossen. Diese Vorgehensweise mißfiel der Bürgerschaft und allen, die in jener O r d n u n g Bedeutung erlangt hatten. Die Bürgerschaft haßte nämlich die von Niccolo Begünstigten, zumal gerade sie die vergangene Gewaltherrschaft angeführt hatten, und konnte nicht glauben, daß solche Leute der Republik ihre Zuneigung schenken würden, nachdem sie damals mit Ehren überschüttet worden waren. Die anderen, die sich in der bestehenden O r d n u n g als Grandi hervortaten 170 , wollten die alleinigen H e r r e n der Stadt sein und die Ehren und W ü r d e n der Republik selbst genießen; sie duldeten keine Mitbeteiligten, auf deren Klugheit und Grandezza die Stadt neben der eigenen hätte zurückgreifen können. Weil sein Vorgehen somit allen mißfiel, waren die erwähnten Grandi rasch bereit, Niccolo in Verruf zu bringen, und die übrigen hatten ein offenes O h r für die Verleumdungen u n d nahmen sie bereitwillig
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auf. So bezichtigten sie ihn, die Medici wieder einsetzen oder eine Herrschaft der Besten - wie sie die Wcmgenherrschaft nannten errichten zu wollen, und ähnlicher Dinge, die allen verhaßt waren. Da die Bürgerschaft diesen Verleumdungen G e h ö r schenkte, und er sich entweder nicht rechtfertigen wollte oder nicht k o n n t e , führte dies dazu, daß Niccolo das Vertrauen und Ansehen, mit welchem er zum Gonfaloniere gewählt worden war, vollständig verlor und keines der Geschäfte ausführen konnte, die er zum Vorteil der Republik zu erreichen suchte. So nutzte er mit seiner Vorgchenswcise weder sich selbst noch der Stadt. Der Stadt schadete er, weil er mit seiner Art, die großen Bürger der früheren Tyrannis zu behandeln, diese in noch größeren Verdacht brachte, als sie ohnehin schon waren; andernfalls hätte sie der Große Rat zweifellos selbst zurückgeholt und ihnen wieder zum früheren Ansehen verholfen. Ein sehr anschauliches Beispiel dafür sah man bei der Wahl der vierten Behörde der Dieciu\ in die drei Personen gewählt wurden, die als Freunde derMedici galten und von diesen durch Ehren aller Art ausgezeichnet worden waren. Dies wäre auch den übrigen Freunden der Medici widerfahren, und die Stadt hätte sich ihrer Vorzüge bedienen können, wie sie es bei den genannten tat. Wenn Niccolo Capponi im Amt verblieben wäre, hätte sich Papst Clemens vielleicht davor gehütet, der Stadt so viel G r a u s a m keiten zuzufügen, wie er es tat. Und hätte er es t r o t z d e m gewagt — gegen Niccolo (123) als Gonfaloniere und gegen die Grandi, die in der Stadt geblieben wären, wenn der Große Rat sie auf seine Seite gezogen hätte - , wäre er auf so große Schwierigkeiten gestoßen, daß er sein Unternehmen womöglich abgebrochen hätte. Falls er darauf bcharrt hätte, dann hätte er den Krieg schließlich verloren und Schaden und Schande davongetragen, während die Stadt reich und ruhmvoll geworden wäre. Folglich schadete Niccolo C a p p o n i mit seiner Vorgchenswcise der Stadt. Sich selbst schadete er, indem er den Unwillen der Grandi des damaligen Regiments wie auch der Bürgerschaft auf sich zog. Eine kleine Gelegenheit genügte jenen, die ihn stürzen wollten, um ihr Ziel zu erreichen. U n d während es zum Sturz von Piero Soderini den Zorn Papst Julius', das Ansehen der gesamten damaligen Liga und ein spanisches Heer brauchte, das Prato brandschatzte, genügte der
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Z o r n weniger Gegner, um Niccolo Capponi zu Fall zu bringen. So half er mit seinem Vorgehen weder sich selbst noch anderen, dies entgegen seinem eigenen Bestreben, das mir immerauf das allgemeine Wohl der Stadt ausgerichtet schien und keine der Beschuldigungen verdiente, die gegen ihn ausgesprochen wurden. 172 Es folgte darauf Francesco Carducci, der das Gegenteil von N i c colo C a p p o n i tat u n d auf das von Piero Soderini befolgte Vorgehen zurückgriff, um sich mehr Gunst zu erwerben. Dabei beachtete er aber weder das gute M a ß noch bürgerliche Gesittung und duldete, daß einige der Collegi in den Pratiche Dinge sagten, die eher des verrufensten O r t e s der Stadt als des Rathauses würdig waren. In seiner Verwegenheit verstieg er sich sogar, zu erlauben oder zu veranlassen, daß während des Krieges Private die Häuser anderer niederbrannten. 1 7 1 Diese Unverschämtheit entsprang nichts anderem als der übermäßigen Macht der Signoria und der Collegi. Da sich diese Behörden damals aus Personen zusammensetzten, die äußerst treu zu jenem Regiment standen, konnte er in ihnen seinen Willen leicht durchsetzen; auf diesen Umstand waren seine große Macht und Arroganz zurückzuführen. Diese Macht ist tyrannisch und willkürlich und in einer freien Stadt daher in keiner Weise zu dulden. Es m u ß dafür gesorgt werden, daß der Träger dieses Ranges nicht größere Macht erlangt, als ihm die Gesetze einräumen. Wie man das erreicht, werden wir an entsprechender Stelle ausführlich darlegen. Auf Francesco Carducci folgte mitten im Krieg Raffaello Girolami in diesem A m t . Weil er ein eingespieltes Verfahren (124) vorfand, sah er sich gezwungen, dieses ohne Veränderungen zu übernehmen. Hätte er seinem Wesen gehorcht, wäre er ohne Zweifel auf die gleiche Art vorgegangen wie Niccolo Capponi, so sehr haßte er die Gebräuche und Unverfrorenheit jener, die lautstark vorgaben, die Stadt zu verteidigen, und sich dabei nach Kräften befleißigten, auf jedermann den Verdacht der Bürgerschaft zu lenken. Ich hörte ihn mehrmals diese deutlichen Worte sagen: »Wenn Gott uns diesen Sieg schenkt, werde ich dafür sorgen, daß alle, welche die Verteidigung der Freiheit vortäuschen, um sich fremden Besitz anzueignen, sich getäuscht sehen, und ich werde ihnen zeigen, wie man in einer freien Stadt zu leben hat.« Er befürchtete aber, in dieselbe Ungnade wie Niccolo zu fallen, und diese Furcht schien ihm umso begründeter, als er ein
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Vertrauter von Lorenzo de' Medici 174 gewesen u n d später von Papst Clemens mit Gesandtschaften, Kommissariaten und anderen Würden geehrt worden war. Er fühlte sich daher gezwungen, alles zu tun, um seine Treue zur bestehenden O r d n u n g zu beweisen. Zusammen mit dieser kam er zu Fall, weil er sich nicht entscheiden konnte, die Untreue Malatestas zu bestrafen, die zu kennen er offener als jeder andere zugab. Kommen wir zum Schluß dieses ganzen Abschnitts. Die unterschiedlichen Verfahren, die von den früheren Gonfalonieri zum großen Schaden der Stadt angewandt wurden, entsprangen der übermäßigen Macht der Behörden, das heißt der Signoria und der Collegi. Piero Soderini tat mit Hilfe der Amtsgewalt dieser beiden Behörden, was ihm beliebte. Niccolo Capponi ging zwar nicht in gleicher Weise vor, meinte aber dennoch, diese Behörden müßten auf seiner Seite stehen, ohne indessen etwas dafür zu tun. Weil er sich darin täuschte, kam er zu Fall. Francesco Carducci bekam nicht nur der Signori und Collegi wegen die Macht, die er wollte, sondern auch aufgrund der damaligen Umstände. Ein jeder verhielt sich zu jener Zeit still, weil er Aufruhr und Uneinigkeit befürchtete, und niemand wagte zu widersprechen. Raffacllo Girolami seinerseits übernahm in der Folge die vorgefundene Verfahrensweise, und mit ihr führte er sich selbst und die Stadt in den Untergang. Wenn die erwähnten Behörden so viel Macht besessen hätten, wie ihnen in einer freien Stadt gebührt, und die gesamte Republik gut geordnet gewesen wäre, hätte man im Vorgehen dieser Gonfalonieri nicht solche Unterschiede gesehen. Alle hätten gleich regiert, so, wie es bei den venezianischen Dogen der Fall ist, die bei der Leitung der Amtsgeschäfte allesamt dasselbe Verfahrensmuster befolgen und einzig in ihrem Privatleben Unterschiede erkennen lassen, denn ihrem verschiedenen Wesen entsprechend versehen sie ihr Amt mit mehr oder weniger Prachtentfaltung. (125) Die übermäßige Macht der Behörden ist demnach ein äußerst schwerwiegender Mangel in unserer Republik. Sic verdirbt die Träger des höchsten Ranges, die, kaum damit geehrt, zu Tyrannen werden, wie wir nun lange besprochen haben.
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Neuntes Kapitel Die privaten Bürger waren zu einflußreich 175
Die Macht der erwähnten Behörden hatte ferner zur Folge, daß die maßgeblichen Bürger in den letzten beiden Republiken so viel Ansehen und Einfluß erlangten, daß sie die Republik nach eigenem G u t d ü n k e n und eher aufgrund privater denn öffentlicher Erwägungen regierten. Das ist ein sehr großer und in einer freien Stadt untragbarer Mißstand. In den beiden vergangenen O r d n u n g e n trat er zutage, weil es, wie bereits gesagt, keine Verfassung gibt, die neben dem höchsten Amtsträger nicht noch auf weitere hervorragende Bürger angewiesen ist. So waren zur Zeit Niccolo Capponis Tommaso Soderini, Messer Baldassarrc Carducci und Alfonso Strozzi 176 in der ganzen Stadt geachtet, sowohl aufgrund ihrer Fähigkeiten als auch des Rufes ihrer Vorfahren wegen. Man erwies ihnen so viel Ehre, daß ihre Auffassungen unwidersprochen blieben, ja sie gewannen gar Einfluß auf alle anderen, so daß sie ihre Wünsche mühelos verwirklichen konnten, falls sie untereinander einig waren. Sie erreichten dies, indem sie die Behörden von den eigenen Ansichten überzeugten; da diese wie erwähnt große Macht besaßen und sich die Meinungen solcher Bürger zu eigen machten, gaben sie ihnen schließlich all ihre eigene Gewalt und machten sie mächtiger, als sie selbst waren. Wenn man indessen den Behörden nicht so große Macht zugestanden hätte, wenn die Meinungen der Berater hätten angehört werden müssen und die Entscheidungen von einer größeren Zahl als den Behörden gefällt worden wären, dann hätte kein Bürger Einfluß gewonnen, bloß weil er eine Behörde für sich eingenommen hatte. Er hätte nämlich alle Entscheidenden überzeugen und sich vor jenen verantworten müssen, die eine andere Auffassung vertraten. Gelegentlich kam es vor, daß sie sich untereinander zerstritten. Dann entzweiten sie auch die PraticheU7h und die Behörden, und es überwog nicht der Standpunkt, der für die Stadt nützlich gewesen
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wäre, sondern jener, von dem man glaubte, er gefalle der Bürgerschaft am besten. Denn diese Demagogen 178 , das heißt Volksführcr, pflegten dann, wenn sie ein mißliebiges Geschäft ablehnen wollten, zu sagen, daß sich die betreffende Sache gegen den (126) Willen des Popolo richte. Darauf gab es niemand, der sich ihnen entgegenstellte: Die übrigen waren ja ebenfalls ehrgeizig und wollten nicht in die Ungnade der Bürgerschaft fallen; obwohl sie -wußten, was von öffentlichem N u t z e n war, kümmerten sie sich n u r um den eigenen und gaben den Begehren der Genannten nach. Wären die Geschäfte aber auf die zuvor genannte Art abgelaufen, hätten weder Zwietracht noch Streit entstehen können. Wo nämlich die Dinge durch die Mehrheit der Männer vernommen, erörtert und entschieden werden, verhält sich jeder ruhig, weil ihm Gelegenheiten zu Verleumdungen fehlen. In der letzten Republik faßten nicht viele, sondern wenige die Beschlüsse, wurden doch die Geschäfte durch die Behörden entschieden, in denen wenige saßen. U n d diese ließen sich von noch weniger privaten Bürgern überzeugen - bald freiwillig, bald unter Druck. Es geschah einige Male, daß zum Beispiel die Behörde der Dieci in einer Frage anders vorgehen wollte, als jenen großen Männern genehm war. Diese machten dann die Dicci auf den Plätzen, in den Geschäften und Loggien aus irgendeinem glaubhaften Grund schlecht; denn es gibt ja nichts, was sich nicht mit einem Scheingrund vertreten läßt. Und so sah sich die Behörde gezwungen, von ihrem Unternehmen abzulassen und dem Willen der anderen zu folgen. Mit dem Ansehen, zu dem jene bedeutenden Bürger dank der übermäßigen Macht der Behörden gekommen waren, erniedrigten sie eben diese Behörden und zwangen sie, nichts zu unternehmen, was ihnen mißfiel. So kam es, daß weder die Behörden noch die Pratiche, noch die Räte im Rathaus, sondern ganz wenige Private an den genannten Orten über das Wohlergehen der Stadt entschieden. Zur Zeit von Niccolo Capponi waren es die Genannten, die alles nach eigenem Belieben regierten. U m aber diese Ausführungen anschaulicher zu machen, möchte ich ein kurzes Beispiel anführen. Nachdem das Heer von Lautrcc bei Napoli in die Flucht geschlagen und auscinandergcfallen war 179 , kehrte Pierfranccsco Portinari 180 aus England zurück, wo er Botschafter beim dortigen König 181 gewesen war. Als er in Genua vorbeikam, empfing ihn Messer A n -
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drea Doria 182 , der diese Stadt kurz zuvor dem König von Frankreich entrissen und in die Freiheit zurückgeführt hatte. Er war ein Mann des Kaisers 181 geworden, nachdem er mit seiner Majestät die Machtübernahme abgesprochen hatte. Messer Andrea D o n a sprach lange mit Pierfranccsco und zeigte ihm anhand zahlreicher Argumente auf, daß Florenz die nutzlose, ja schädliche Freundschaft mit Frankreich auflösen müsse und versuchen solle, ein Bündnis mit dem Kaiser einzugehen. Er legte dar, daß darin das Heil der Republik hege, falls man es zuwege bringe. Damit es zustande komme, anerbot er sich, seinen gesamten Einfluß geltend zu machen. Er fügte hinzu, daß (127) die Florentiner niemals einen gefährlichen Krieg vermeiden könnten, wenn sich der Papst noch vor der Stadt mit dem Kaiser verbünde. Deshalb fuhr er fort: »Geht nach Florenz und besprecht mit den Herren dort alles, was ich Euch gesagt habe. Wenn sie diese Verhandlungen führen wollen, sollen sie dafür sorgen, daß ich als Privatmann von ihrer Absicht erfahre. Ich leite dann die weiteren Schritte ein.« Pierfranccsco kam nach Florenz und teilte den Auftrag Messer Andreas den Dieci und dem Gonfaloniere eingehend mit. Letzterer stimmte den Erörterungen Messer Andreas zu und begann, mit anderen erste Gespräche darüber zu führen. Als aber Tommaso Soderini und Alfonso Strozzi die Sache vernahmen, begannen sie sich laut zu beklagen und all jene schwer zu beschuldigen, die ihre Zustimmung zu solchen Verhandlungen zu erkennen gaben. Sie behaupteten, daß jeder, der sich für ein A b k o m m e n mit dem Kaiser ausspreche, die Rückkehr der Medici befürworte. 18 "' Mit diesen und ähnlichen Mitteln erreichten sie schließlich, daß der Gonfaloniere es nicht wagte, die erwähnten Verhandlungen aufzunehmen, sondern sich gezwungen sah, ohne weitere Beschlüsse davon abzulassen. Wäre die Republik indessen in der Art der Beratung, Entscheidung und Ausführung der öffentlichen Geschäfte gut geordnet gewesen, hätten sie dieses Vorhaben nicht verhindern können, und jenes Regiment hätte möglicherweise überlebt. Es hegt somit klar auf der Hand, daß die bedeutenden Bürger zu viel Macht erlangten, zu einflußreich wurden und die Republik nicht aufgrund öffentlicher, sondern aufgrund privater Erwägungen regierten, was gewiß tyrannisch und eigenmächtig war.
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Zehntes Kapitel Die Republik Florenz war äußerst eng, obwohl viele meinten, sie sei zu breit 185
Die übermäßige Macht der Behörden und der übertriebene Einfluß der privaten Bürger zogen noch einen weiteren, nicht unwesentlichen Mißstand nach sich. (128) Dieser sah wie folgt aus: Weil die wichtigsten Behörden so viel Macht besaßen, wie wir dargelegt haben, und sie von ganz wenigen privaten Bürgern abhingen, wurde die Republik so eng, daß man fast nicht mehr von einer freien Lebensform sprechen konnte, obwohl sie vielen unserer Gelehrten 186 als so breit erschien, daß sie sich sogar schämten, ihr anzugehören. Darüber kann sich jeder Klarheit verschaffen, der die obigen Ausführungen gut studiert, mit denen wir zeigten, daß die Stadt in der Gewalt sehr weniger stand. Zur Zeit Picro Sodcrinis stand sie in der Gewalt eines einzelnen, beziehungsweise des Gonfaloniere und der wenigen, auf die er sich verließ, zur Zeit Niccolo Capponis in jener des Gonfaloniere und der Genannten. Unter Francesco Carducci verengte sich die Republik auf diesen allein. Weil die Dieci ihr Ansehen verloren, fiel alle Macht den Signori und Collegi zu, und diese Behörden unternahmen nichts gegen den Willen des Gonfaloniere. Zur Zeit Raffaello Girolamis verbreiterte sie sich wieder ein wenig, denn aufgrund des Sturzes Niccolo Capponis hatten neben dem Gonfaloniere einige andere Bürger großen Einfluß gewonnen. Doch selbst wenn die O r d n u n g der Republik aus keinen anderen Gründen eng gewesen wäre, genügte es bereits zu erfahren, daß in ihr sechs Personen über das Leben und die Stellung eines jeden verfügten, sieben über die Stellung der Stadt, und nochmals sechs über alle öffentlichen und privaten Angelegenheiten. Und wo sich so große Befugnisse bei einer kleinen Anzahl Männer vereinigen, hegt zweifellos keine breite, das heißt freiheitliche und friedvolle O r d n u n g vor, sondern eine enge, die mit andern Worten tyrannisch und voller Willkür ist.
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Somit ist bewiesen, daß die O r d n u n g unserer Republik eng und nicht breit war.
Elftes Kapitel Die Grandi der Stadt Florenz sind Wölfe
Früher pflegte ich mich sehr zu wundern, daß der Dichter Dante an vielen Stellen seines Werkes die Florentiner als Wölfe bezeichnet. So berichtet er etwa bei der Beschreibung des Arnolaufs, im Qucllgebiet, das heißt im Casentino, Schweine zu finden, in der Gegend von A r e z z o H u n d e , in jener von Florenz Wölfe und in Pisa Füchse. 187 Im Paradies meint er:188 [Wenn es dem heiligen Liede je gelänge, an welchem Erd und Himmel Anteil haben, so daß es viele Jahre an mir zehrte,] Die Grausamkeit zu überwinden, welche mich aus der schönen H ü r d e ausgetrieben, wo ich als Lamm, den Wölfen feind, geschlafen, [Dann kehrte ich mit andrem Ton und Haare als Dichter heim und werde an dem Brunnen, wo ich getauft, den Dichterkranz empfangen;] (129) An der eingangs erwähnten Stelle nennt er Florenz einen widerwärtigen Wald, wie einen, der Wölfe ernährt. 189 Es schien mir 190A unangebracht, daß Dante, ein so gelehrter und weiser Mann, die Stadt derart tadelte. Darauf las ich aber sorgfältig unsere G e schichte und bedachte die Sitten und Gebräuche der Bürger, die zu seiner Zeit und später großen Einfluß besaßen. Ich erkannte deutlich, daß man alle Bürger, die damals in der Stadt zu Grandezza aufstiegen oder es heute tun, zu Recht als Wölfe bezeichnen kann. Da ich im vorangehenden Buch über die frühen Zeiten der Stadt ausführlich berichtet habe, will ich nicht weiter auf sie eingehen, sondern zu jener Zeit übergehen, als Cosimo de' Medici emporstieg.
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Wer die Eigenschaften aller Grandi von damals aufmerksam studiert, wird zweifellos zur Ansicht gelangen, daß man nicht umhin kommt, sie als Wölfe zu bezeichnen. Welch größere Grausamkeit und Habgier kann man sich schon vorstellen, als Krieg gegen die Heimat heraufzubeschwören, sich allein daran zu bereichern und die Bürgerschaft der Stadt verarmen und hungern zu lassen. Dies taten Cosimo und die übrigen Anführer seiner Partei, als sie den Krieg gegen Lucca anzettelten. Indem sie willentlich einmal verloren, einmal gewannen, führten sie ihn so, daß sie der Bürgerschaft mit Zwangsanleihen, Abgaben, Aufruhren und Ängsten so lange zusetzen konnten, bis diese, ohne Widerstand zu leisten, zu ihrer Beute wurde. Sic konnten es so weit treiben, daß Cosimo schließlich zum Herrscher über alles aufstieg. Das Vorgehen der Behörden bei den übrigen Tätigkeiten lasse ich beiseite, da ich darüber schon berichtet habe und weiter unten noch sprechen werde. Die Bürger offenbarten dabei nichts als Anmaßung, Ehrgeiz und Habgier. Wer die Anhänger der Partei Cosimos nach dessen Aufstieg nicht als Wölfe bezeichnete, wäre noch dümmer, als jene schlecht waren. D e n n wer einen Tyrannen unterstützt, tut dies einzig aus dem G r u n d , im Schutze seiner Macht der eigenen Habgier freien Lauf lassen zu können. Kommen wir zu jener Zeit, die der Vertreibung der Medici folgte. Wer das Verhalten der regierenden Bürger wiederum genau studiert, kann erkennen, daß auch sie zu Recht Wölfe genannt werden. Bis 1502 bereiteten sie unserer Stadt nur größten Verdruß und schlimmstes Leid, wie alle wissen, die über jene Zeit unterrichtet sind. Die Mißstände nahmen derart zu, daß die Schaffung des Gonfalonicre auf Lebenszeit nötig wurde, um der großen U n o r d n u n g beizukommen. Diese Einrichtung war so gut, daß sie dem Ehrgeiz und der Habgier der (130) Grandi abzuhelfen vermochte. Aufgrund anderer Mängel jener Verfassung, die oben teilweise zur Sprache kamen, konnten diese großen Bürger ihr wölfisches Wesen aber nicht ablegen und zu guten Hirten werden. Als sie nämlich sahen, daß sie sich nicht mehr so viel Geltung verschaffen konnten, wie sie wollten und von 1494 bis 1502 vermocht hatten, führten sie die Republik 1512 erneut unter das Joch der Tyrannis. 1526 trat die gleiche Verfassung wieder in kraft. Wer die Eigenschaften und das Benehmen der wenigen Bürger in Betracht zieht, die in ihr Grandezza erlangten, wird
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nicht widersprechen können, daß sie grausame Wölfe waren. Sie konnten sich zwar nicht so stark an fremdem Eigentum bereichern wie die Grandi in Gewaltherrschaften, stifteten aber mit ihrem Ehrgeiz und ihren Streitereien trotzdem so große Verwirrung unter der Bürgerschaft, daß die Stadt während der ganzen Zeit, in der sie frei war, stets in Unzufriedenheit und Drangsal lebte. Angesichts der Unverschämtheit und Raffgier dieser Grandi irrte Dante somit nicht, als er sie Wölfe nannte. Die Bürger frönen diesen Lastern aber aus denselben Gründen, aus denen auch die anderen, bereits dargelegten Mißstände hervorgingen, das heißt der übermäßigen Macht der Behörden wegen. Diese läßt Menschen zu viel Einfluß gewinnen und verleitet sie damit zu Geiz und Raffgier. Weil die Menschen mehr zum schlechten als zum guten Handeln neigcn 191A , gibt es nur vereinzelte, die so zufrieden sind, daß sie sich der schlechten Taten enthalten, die in ihrer Macht stehen. Deshalb muß dafür gesorgt werden, daß der Gute, falls es überhaupt einen gibt, das G u t e ohne Bedenken tun kann - und daß der Schlechte gezwungen ist, vom schlechten Handeln abzulassen.
Zwölftes Kapitel Die Bürgerschaft der Stadt Florenz ist gutmütig und umgänglich
Während die Grandi von Florenz Wölfe sind, wie wir anhand der Autorität Dantes und der übrigen Ausführungen nachgewiesen haben, ist die Bürgerschaft der Stadt gutmütig und gütig, geduldig und leicht zu führen. Deswegen nennt derselbe Dante Florenz einen schönen Stall für Schafe und Lämmer 192 , für gutmütige Tiere also. Ich will hier nicht die frühere Zwietracht zwischen dem florcntinischen Popolo und den Grandi der Stadt schildern, um zu zeigen, wie ungerecht der Popolo behandelt wurdc 191A und wie standhaft er das U n r e c h t ertrug, das ihm zugefügt wurde, denn wir werden an gegebener Stelle ausführlich darüber berichten. 194 Ich ziehe es vor, seine
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Gutmütigkeit und Umgänglichkeit anhand einiger Begebenheiten zu belegen, die sich zwischen 1494 und 1530 zugetragen haben; weil sie (131) den Menschen noch besser in Erinnerung haften als die früheren Vorfälle, eignen sie sich auch eher, die Wahrheit meiner Äußerungen überzeugend darzulegen. Nichts bereitet der Einführung neuer Einrichtungen und Gesetze größere Schwierigkeit als die Tatsache ihrer Neuheit. D e n n die Menschen scheinen von N a t u r aus gegen alles eingestellt zu sein, was sie noch nicht gesehen und von dem sie nichts gehört haben, und jeder möchte einen Weg einschlagen, den er schon von anderen begangen weiß. Diesbezüglich gilt deshalb das Sprichwort nicht, das sagt, die Menschen seien nach Neuem begierig, sondern es trifft auf Dinge zu, die es zwar zum Zeitpunkt, da sie begehrt werden, nicht gibt, die es aber früher einmal gegeben hat und an die man sich noch gut erinnert. Wir sehen zum Beispiel, daß ein Volk nach der Freiheit verlangt, die es einst besessen, oder nach einem Gesetz oder Brauch, die zum Vorteil der herrschenden O r d n u n g beseitigt wurden. Die Einführung neuer Dinge ist also schwierig und mühsam. Das könnte man auch anhand der Urheber neuer Anordnungen aufzeigen, die gezwungen waren, unzählige Kunstgriffe anzuwenden, damit ihre Neuerungen von der Menge angenommen wurden. Ein Volk, das neuen Einrichtungen ohne große Schwierigkeiten zustimmt, kann man daher zweifellos als umgänglich und geduldig bezeichnen. Ich wüßte nämlich nicht, was jemandes Gutmütigkeit und Umgänglichkeit besser nachweisen könnte, als die Bereitwilligkeit, etwas anzunehmen, was er noch nie gesehen und wovon er noch nie gehört hat. Da nun der florcntinische Popolo zwischen 1494 und 1530 vier neue Einrichtungen annahm, die man in unserer Stadt weder jemals erlebt hatte noch kannte, kann man gewiß sagen, er sei überaus gutmütig und sehr leicht zu führen. In vielen lebt noch die Erinnerung, wie einfach sich die Bürgerschaft damals überzeugen ließ, die Einrichtung des Großen Rats zu billigen, die von allen früheren Einrichtungen der Stadt abwich. Die Schwierigkeiten wären noch geringer gewesen, wenn einige Grandi ihre Nützlichkeit eingesehen hätten, wie es die Popolari taten. Die Einrichtung des Gonfaloniere auf Lebenszeit wurde nie angefochten außer von jenen, die als gelehrt galten. Zu seinem großen Ruhm vollendete ihr Urheber Alamanno
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Salviati 195 das Vorhaben trotzdem, ohne die Autorität jener Gelehrten zu berücksichtigen und ohne bei der Bürgerschaft auf Hindernisse zu stoßen. Später folgte die Miliz, die im Contado und im Dominio der Stadt aufgestellt wurde. 196 Sie wurde von den wichtigsten Bürgern so heftig angefochten, daß ihre Verwirklichung ein großes Wunder war. Was sage ich aber erst (132) über die Stadtmiliz? Wer hat nicht 197 * die Widerstände erlebt, die ihr entgegengesetzt wurden, nicht nur von den Grandi, die gegen das Regiment waren, unter dem sie eingeführt wurde, sondern auch von dessen führenden Köpfen. 198 Der damalige Gonfaloniere Niccolo Capponi lehnte sie ab, weil er fürchtete, sie werde Anlaß zu Tumulten und Zwietracht unter den Bürgern geben. Er ließ außer acht, daß man mit dieser Einrichtung nicht einfach den Bürgern Waffen aushändigte, sondern deren Gebrauch regelte, indem man mit jenem Gesetz alle verpflichtete, sie nicht zum Schaden, sondern z u m öffentlichen und privaten Wohl einzusetzen. Tommaso Soderini, Alfonso Strozzi und Messer Baldassarrc Carducci hätten die Stadt gerne bewaffnen wollen, allerdings unter Ausschluß aller, die sie zu den Parteigängern der Medici zählten. Sie behaupteten, diese seien den Verfechtern der Freiheit ebenbürtig, weswegen es nutzlos sei, die ganze Stadt zu bewaffnen, ohne jemanden auszuschließen. U n d um diese Auffassung zu bekräftigen, führte man den Satz von Aristoteles an, der lautet: »a proportionc aequalitatis non provenit actio.« 199 Wie falsch aber diese Ansicht war, sieht man klar anhand des Friedens und der Einigkeit unter den Bürgern, als sie im Jahr der Belagerung die Freiheit verteidigten. Andere, denen diese Einrichtung in verschiedener Hinsicht mißfiel, behaupteten, die Stadt gründe auf dem Handel und nicht auf Waffen - als ob es in Deutschland nicht bcvölkcrungsreichc Städte gäbe, in denen man gleich viel Handel treibt wie in Florenz und sich im Waffenhandwerk mehr übt als in der übrigen Welt. O h n e das Verlangen, das in der Bürgerschaft nach dieser ganz neuen Einrichtung aufkam, hätte man das Gesetz nie eingeführt. Es ist soweit klar geworden, daß der florcntinische Popolo gutmütig und umgänglich ist, weil er sich so leicht bewegen läßt, neue Einrichtungen anzunehmen. Dies ist das sicherste Zeichen sowohl für Gutmütigkeit als auch für Umgänghchkcit, das es geben kann.
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Während in früheren Zeiten die Gesetzgeber und Reformer der Republiken unermeßliche Mühe bekundeten, die Menge von der Einführung ihrer Einrichtungen zu überzeugen, war es in der Stadt Florenz für niemand sehr schwierig, etwas einzuführen, das er zum N u t z e n der Republik entdeckt hatte, wenn er die Gelegenheit oder die Macht dazu erhielt. Hingegen war der Stadt insofern wenig Glück bcschicdcn, als es nie jemand gab, der ihre bürgerliche O r d nung so zu regeln verstand, daß man sich von ihr eine gewisse Dauer versprechen konnte. Vielleicht lag dies daran, daß fast alle ihre wichtigen Bürger stets eher dazu neigten, sie zu zerstören und zu verschlingen, um die eigenen Interessen durchzusetzen, als zu ihrer Erhöhung und Bewahrung nach etwas zu suchen, (133) was ihrem Fortbestand diente. Demgegenüber zogen die Römer einst - ohne Rücksicht auf private Bequemlichkeiten - mit ihren H e e r e n durch die ganze Welt und gaben für den Ruhm des Vaterlandes ihr Blut und ihr Leben hin. Ich könnte noch viel anderes vorbringen, um zu belegen, wie gutmütig und umgänglich die Bürgerschaft von Florenz ist. Da ich jedoch zu stark vom Thema abgewichen bin, um etwas über die Gutmütigkeit des florcntinischen Popolo zu sprechen, will ich wieder aufnehmen, was mir über die weiteren Mißstände in den beiden letzten Republiken zu sagen bleibt.
Dreizehntes Kapitel Die bedeutenden Bürger ziehen sich den H a ß der Bürgerschaft zu
Verderbliches Verhalten bedeutender Bürger, wie es oben beschrieben wurde, wird mit der Zeit erkannt und führt dazu, daß sie sich den H a ß eines jeden zuziehen. Haben sie einmal Vertrauen und Ansehen verloren, bleiben sie unbedeutend und schwach, und die Republik bevorzugt andere von geringerem Rang als sie. Jene sind
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noch weniger erfolgreich als die ersten und werden von der Bürgerschaft in gleicher Weise herabgesetzt, während erstere wieder in die höchsten Ränge und Ehren eingesetzt werden. Nach 149420OA zum Beispiel sah man den Popolo in größtem Zorn zu den Häusern von Francesco Valori 201 , Pagolantonio Soderini und einigen anderen stürmen, die vom damaligen Regiment bis zum Himmel erhoben worden waren. Nicht viel später erlangten Pagolantonio und die anderen das frühere Ansehen und die frühere Würde wieder zurück. Dies wäre auch Francesco Valori widerfahren, wäre er nicht aufgrund privater Feindschaften umgebracht worden. Zur Zeit von Niccolo Capponi taten Tommaso Soderini und Alfonso Strozzi alles, was in ihrer Macht stand, um den Gonfaloniere zu stürzen. Als sie ihr Ziel erreicht hatten, waren sie allseits verhaßt und verachtet und sahen sich von solchen übertroffen, die ihnen bei weitem unterlegen waren, so von Francesco Carducci, Iacopo Ghcrardi 202 und einigen andern. Auch diese wurden aber sehr anmaßend, und wäre der Krieg so ausgegangen, wie es der tapferen Verteidigung entsprochen hätte, wären sie zweifellos herabgesetzt worden, worauf wohl Tommaso, Alfonso und andere, die ihnen nahestanden, auf die höchste Stufe zurückgekehrt wären. Diese ständig wechselnde Stellung der Bürger ist für die Republik (134) äußerst schädlich. N e b e n anderen Übeln, die sie hervorruft, hat sie auch zur Folge, daß die bedeutenden Männer, die sich bald erhöht, bald erniedrigt sehen, aufbegehren, zu Feinden der Republik werden und zu erreichen suchen, daß sie nicht mehr in solcher Drangsal leben müssen. Sind sie selber dazu fähig, zerstören 203 * sie deshalb die Republik; sind sie es nicht, schließen sie sich jemandem an, der es vermag. Dies führt zu Gewaltherrschaft und anderem Unheil für die Städte, denn es gibt keinen Scipio Africanus mehr, der freiwillig ins Exil geht, um das Wohlergehen der Stadt nicht zu gefährden. Leicht findet man indessen solche, die ihr mit Waffen und Feuer zuzusetzen und sie zu demütigen versuchen, um selbst herausragend und bedeutend zu bleiben. Und obwohl derart grausame und unmenschliche Bürger kein Lob, sondern vielmehr Tadel und Schande verdienen, darf man auch diese O r d n u n g nicht loben, da es z u m Teil ihre eigenen Mängel waren, die jene so werden ließen. Man m u ß deshalb dafür sorgen, daß die Grandezza der fähigen Männer
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keinen H a ß hervorruft, sondern von allen als etwas Nützliches und Würdiges für die Stadt geschätzt und begünstigt wird. Wer also eine bürgerliche O r d n u n g so einrichtet, daß derartige Bürger keine Befriedigung darin finden, schafft etwas U n v o l l k o m menes, das bürgerliche Unruhen in sich birgt. Abgesehen davon, daß es prachtvoll ist, all jene in der Stadt geehrt zu sehen, die durch Klugheit, Adel und Reichtum glänzen, sind es ja dieselben, die - wie schon angetönt - die Staaten umformen, indem sie die Republiken in Gewaltherrschaften und diese in Republiken verwandeln. Wir sehen, wie sich dies etwa in Florenz zutrug: 1494 wurde n die Medici von niemandem sonst verjagt als von den bedeutendsten u n d würdigsten Bürgern von Florenz. 1512 verwandelten eben jene die Republik in eine Tyrannis, die als die Weisesten und Tüchtigsten der Stadt galten. Größtenteils die gleichen gewannen 1526 die Freiheit zurück und beseitigten sie 1530 z u m unermeßlichen Schaden der Stadt und ihres Herrschaftsgebietes erneut. 2041 ' Da diese Grandi die Ursache für das Wohl und das Übel der Stadt sind, m u ß man die Republik so einrichten, daß sie (135) in ihr G e n u g t u u n g finden - ich meine, soweit es vernünftig ist, und nicht in dem Maß, wie einige von ihnen vielleicht möchten - , damit sie immer bereit sind, die Republik zu unterstützen, zum öffentlichen und zum privaten N u t z e n . Manche, die während der letzten Republik zu Grandezza gekommen waren, hätten diese herausragenden Bürger am liebsten vollständig ausgetilgt. Wenn sie indessen bedacht hätten, daß mit dem Fortbcstand der Republik auch die neuen Aufsteiger in die gleichen Übel verfallen wären wie die Beseitigten und daß man sie folglich hätte bestrafen müssen, wären sie nicht dieser Meinung gewesen. Sic hätten eingesehen, daß man nur kurz nach der Bestrafung der ersten auch sie selber hätte belangen müssen, da sie sich gleichfalls Grandezza erworben und sich aus den genannten G r ü n d e n ebensoviel H a ß zugezogen hätten wie die ersten. Es wäre nötig geworden, nach diesen auch die nachfolgenden Grandi umzubringen, zumal es für jede Republik ganz natürlich ist, einige Bürger in herausgehobene Stellung zu führen. 205 * So hätte man sich einzig damit beschäftigt, den Grandi nachzustellen, verbunden mit nicht abreißenden U n r u hen, die solche Verfolgungen nach sich ziehen. Dergleichen trug sich bei den Athenern zu. Weil ihre Republik
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schlecht geordnet war, w u r d e n ihre herausragenden Bürger in den meisten Fällen anmaßend und in der Folge verhaßt. U m deren Arroganz zu zügeln, schufen sie das Gesetz des Scherbengerichts, mit dem sie jedes Jahr Bürger in die Verbannung schickten, falls diese in Athen so stark geworden waren, daß ihre Macht gefährlich wurde. Viel besser wäre es indessen gewesen - wie Aristoteles sagt206 - , dafür zu sorgen, daß die Bürger nicht so erhaben geworden wären, oder aber die Republik so einzurichten, daß der Vorrang dieser Bürger sich als nützlich statt schädlich erwiesen hätte. Man soll demnach nicht dafür halten, bedeutende Männer zu beseitigen, welche die Stadt auf irgendeine Weise bevorzugt hat, sondern dafür, die Republik so einzurichten, daß der Vorrang dieser Bürger ihr zum N u t z e n gereicht und sie nicht z u m unermeßlichen Schaden des öffentlichen und des privaten Bereichs gezwungen ist, bald die einen zu erhöhen und bald die anderen zu erniedrigen.
Vierzehntes Kapitel Entgegen ihrer N a t u r erniedrigten die hohen Ämter die Bürger
Aus der übermäßigen Macht der Behörden ging noch ein weiterer Mißstand von nicht geringer Bedeutung hervor. Er bestand in folgendem: Während (136) in den gut geordneten Republiken die hohen Amter 2 0 7 und Behörden die Menschen erhöhen, erniedrigten sie diese in den beiden vergangenen Republiken - in der zweiten noch mehr als in der ersten - , machten sie verhaßt und des Aufstiegs zu höherem Range unwürdig. D e r G r u n d dafür lag darin, daß die Behörden aufgrund ihrer Macht die Republik nach eigenem Gutdünken statt nach dem der Vielen regierten. Sic zogen sich deswegen den Flaß der Bürgerschaft zu und fielen bei ihr in Ungnade. So erlebte man, wie eine Behörde der Dieci ihr Amt erwartungsvoll übernahm, dann allmählich das Ansehen verlor, mit welchem sie es angetreten hatte, und noch vor Ablauf der Amtszeit so verhaßt
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war, daß allen jede Stunde bis zum Amtsende wie tausend Jahre vorkam. Als die betreffenden Bürger die Würde, mit der man sie ausgezeichnet hatte, an die Nachfolger weitergaben, wußten sie vor Scham nicht, wo sie ihr H a u p t verstecken sollten, um nicht gesehen zu werden. Das Gegenteil geschieht in der Republik der Venezianer. Wenn ihre Patrizier ein Amt ablegen, geben sie ein größeres Fest und sind angesehener und ruhmreicher als beim Antritt. Selten kommt es vor, daß, wer einmal den Aufstieg begonnen hat, zurückfällt und es nicht zu den obersten Stufen der Republik bringt. In der ganzen Stadt tritt Herrlichkeit und Prunk zutage, weil in ihr so viele Bürger zur Befriedigung aller erhöht und ausgezeichnet werden.
Fünfzehntes Kapitel Die gegenseitigen Anschuldigungen der Bürger waren ohne N u t z e n für die Stadt
Aus dem eben beschriebenen Mißstand ergab sich, daß die Bürger miteinander scharf ins Gericht gingen, indem sie sich möglichst viel Übles nachsagten. Wenn die Behörden etwas ausführten, was ihnen aus bestimmten Gründen H a ß und Ablehnung einbrachte, versuchte jeder, der an der Entscheidung beteiligt gewesen war, sich selbst zu entlasten und dem Kollegen die Schuld zuzuweisen, so daß es manchmal vorkam, daß die Mitglieder ein- und derselben Behörde sich gegenseitig verleumdeten. Dies taten beispielsweise die ersten D / e a während der letzten Republik. Als der Versuch, die Verbannten Sicnas 208A zurückzuführen, nicht den gewünschten Erfolg zeitigte, schob jeder die Schuld den Kollegen zu. Bisweilen verleumdete die gesamte Behörde einen ihrer Beauftragten oder Kommissare, wie etwa zu Beginn des letzten Krieges, als der Prinz von Oranien sich mit seinem Heer allmählich den Grenzen näherte. Zu jenem Zeitpunkt war Antonfrancesco degli Albizzi 209 Kommissar in Arezzo. Als die Feinde jenem Gebiet langsam näherrückten, begann er, (137) Truppen zur Verteidigung der Stadt nach Florenz zu schicken. Er
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glaubte nämlich, nicht über genügend Kräfte zu verfügen, um Arezzo verteidigen und Florenz sichern zu können, vor allem weil die früheren Kommissare Arezzo weder befestigt noch Vorkehrungen zu seiner Verteidigung getroffen hatten. Die Kommandanten trauten sich daher nicht zu, den O r t auf irgendeine Weise verteidigen zu können, weswegen er entschied, ihn preiszugeben, und mit sämtlichen Truppen nach Florenz aufbrach. Sobald aber dieser plötzliche R ü c k z u g und die Aufgabe von Arezzo bekannt wurden, begann sich jedermann laut zu beklagen und die Dieci und den Kommissar zu beschimpfen. U m sich selbst zu entlasten, wiesen die Dieci alle Schuld dem Kommissar zu, unter so viel Schmähung und Verleumdung, wie sie nur konnten. Dabei lag die Schuld bei ihnen und nicht beim Kommissar, der alles ihren Befehlen entsprechend ausgeführt hatte. Sic hingegen, die viele Monate Zeit gehabt hatten, versäumten die Entscheidung, jenen O r t so zu befestigen, daß man ihn mit wenigen Truppen hätte bewachen können. Dies zu tun verstanden sie in keiner Weise; wohl aber verstanden sie es, Antonfranccsco das Kommissariat zu entziehen, sobald er in Florenz angekommen war, um zu zeigen, daß der Fehler ganz bei ihm lag. Sie degradierten ihn z u m Privatmann und setzten ihn tausend Drohungen und Einschüchterungen aus, die völlig zu Unrecht gegen ihn gerichtet wurden. Solche Anschuldigungen haben zur Folge, daß die Bürger zu Feinden der Republik werden und - wenn sie nicht gar versuchen, sie zu zerstören - sich nicht um ihre Bewahrung kümmern. So verhielt sich auch Antonfranccsco, der, erschrocken ob solch merkwürdiger Sitten, die Stadt zu verlassen beschloß und sich nicht zur Verteidigung jener Verfassung einfinden wollte, unter der er zu U n r e c h t verfolgt wurde, wie ihm schien. Wäre er hingegen Kommissar geblieben, hätte er sich bestimmt als standhaft erwiesen und der Stadt vielleicht im Innern jenen N u t z e n gebracht, den er bei der F ü h r u n g außerhalb nicht erbringen konnte oder nicht zu erbringen wußte.
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Sechzehntes Kapitel
In den vergangenen Republiken wurden die Geschäfte weder in der gebotenen Weise beraten noch entschieden, noch ausgeführt
Wir haben weiter oben nachgewiesen, daß die Behörde der Dieci freie H a n d hatte, über Krieg und Frieden zu entscheiden, und daß diese Macht tyrannisch und willkürlich war. Da dies außer Frage steht, will ich hier (138) darlegen, wie unzweckmäßig die ganze Sache vor sich ging. Wie wir an gegebener Stelle ausführlicher erörtern D O
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werden, erfordert jede öffentliche Tätigkeit - vor allem im Bereich von Krieg und Frieden - drei Dinge: Beratung (consiglio), Beschlußfassung (deliberazione) und Ausführung (essecuzionc).uo Die Beratung erfordert Klugheit, die Beschlußfassung Herrschaft, die Ausführung Eile. Sollen die Geschäfte gut beraten sein, müssen die Beratenden, seien sie jung oder alt, Erfahrung aufweisen. Damit sie zum Vorteil der Republik entschieden werden, müssen die H e r r schenden entscheiden. Damit die Ausführung nutzbringend ist, m u ß sie rasch erfolgen. In den beiden vergangenen Republiken berieten die Dieci, sie entschieden und führten aus. N u n wurde oben schon aufgezeigt, wie erfolglos diese Behörde vorging, weil - neben den anderen erwähnten Gründen - die Bürger ehrgeizig und parteiisch waren. Daraus geht hervor, daß die Stadt in bezug auf die Art der Beratung mangelhaft w a r - u n d somit gerade in jenem Teil, welcher den Einsturz alles übrigen nach sich zieht, wenn er schlecht gebaut ist. Zudem vermochten die Dieci nicht klug zu beraten, weil das Amt vielen anvertraut wurde, die aus Mangel an Erfahrung und anderem Wissen gar nicht dazu fähig waren. Die Republik besaß kein Verfahren, durch das stets für die Beratung berücksichtigt wurde, wer sich dank langer Übung in den Dingendes Lebens Klugheit erworben hatte. Die Dicci konnten ferner nicht zweckmäßig beraten, weil sie selber es waren,
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Republica fiorentina, Handschrift von Donato Giannotti Biblioteca Nazionale Centrale, Firenze, Ms. Magliabechiano, XXX, 230, fol. 103v
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sprechend zu unterstützen oder abzulehnen, wobei einzig sein U r heber verpflichtet sein soll, ihn zu begründen, indem er auf d e m Podium spricht. Dieser letzte Entscheid des Rates sei es, den man schließlich berücksichtigt. N u n gibt es aber in unserer Stadt all die verschiedenen Zünfte, denen jeweils eigene Behörden vorstehen, und ebenso zahlreiche weitere Ämter wie die Ufficiali del Montclxl, die Vormundschaftsbehörden, die Zollmeister und ähnliche, für die es häufig nötig ist, z u m Vorteil ihrer Verwaltung ein neues Gesetz, einzuführen oder ein altes zu verbessern. In ähnlicher Weise sind manchmal Privatpersonen aufgrund persönlicher Umstände auf eine Anordnung angewiesen. 316 U m U n o r d n u n g zu beseitigen und den Verdruß des Collegio zu mindern, soll man meiner Meinung nach anordnen, daß jeweils drei Procuratori drei Monate lang Amtsvorsteher seien, worauf drei andere folgen, und so fort. Diese drei Vorsteher, deren Vorsitz w ö chentlich wechsle, sollen sich zu bestimmten Zeiten außerhalb des Collegio zu einer geti ennten Sitzung versammeln. An sie wende sich jedermann, ob Amts- oder Privatperson, der ein Gesetz einführen oder abändern will, und unterrichte sie über seine Wünsche und Begehren. Sind die genannten Vorsteher ausreichend informiert, müssen sie diese Angelegenheiten dem Collegio unterbreiten, unter Ausschluß der Dicci. Nach einer sorgfältigen Prüfung soll man dort im beschriebenen Verfahren die Standpunkte kundtun, und auch im Senat und darauf im Großen Rat gehe man so vor, wie wir beschrieben haben. Man beachte ferner meine Absicht, daß im Bereich der Gesetzgebung jeder Procuratore, jeder Signorc sowie der Gonfaloniere, auch gegen die Meinung aller anderen, allein ein Gesetz im Senat und darauf im Großen Rat einbringen kann, wobei er sich ebenfalls an die beschriebene O r d n u n g zu halten hat. In Fragen über Krieg und Frieden will ich indessen, daß neben den Genannten auch jeder der Dieci dies tun kann; so zum Beispiel - wie es im vergangenen Krieg hätte v o r k o m m e n können - , wenn der gesamte Collegio außer einem einzelnen, sei dies ein Procuratore oder sonst jemand, die Meinung verträte, daß man die Verteidigung nicht aufnehmen solle. Dieser eine soll, wie ich meine, seinen Vorschlag, der allen anderen widerspricht, aufschreiben lassen und ihn darauf, der beschriebenen O r d -
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nung entsprechend, im Senat zur Abstimmung bringen können. Dieser Flergang ist bestens geordnet, denn es ist nützlich für die Republik, wenn die Auffassung eines jeden von einer Vielzahl angehört wird; dies um so mehr, als jene, die im kleinen Kreis diesen Vorschlag mißbilligen, ihn im Senat öffentlich ablehnen können. (184) Es kommt nämlich häufig vor, daß ein einzelner eine gute Neuerung ersinnt, der N u t z e n indessen, den sie bringen könnte, verloren geht, weil das Mittel fehlt, um sie den Vielen bekannt zu machen. So sieht das Verfahren aus, das man im Collegio bei der Beschlußfassung über Krieg und Frieden und bei der Einführung von A n o r d nungen und Gesetzen befolgen soll. Im folgenden sprechen wir nun über das Oberhaupt.
Zwölftes Kapitel Über den
Gonfaloniere
Der Gonfalonicre soll wie die übrigen Behörden, die Rektoren und die Räte im Großen Rat gewählt werden, und zwar auf dieselbe Weise wie Niccolo Capponi und seine Nachfolger. 317 Man lose demzufolge zuerst 60 Nominatoren aus, und jeder von ihnen ernenne, wen er in die Wahl zum Gonfaloniere schicken will. Er soll dabei nicht mehr als einen Namen nennen dürfen. Dies w u r d e bei den erwähnten Wahlen nicht befolgt, weswegen viele als Gonfalonicre zur Auswahl standen, die nicht einmal der geringsten Ehre der Stadt würdig waren, und das entwertete dieses so bedeutende Amt. Sind die Nominierungen erfolgt, stellen sich alle Kandidaten zur Wahl, die bei der Hälfte und einer Stimme als gewonnen gilt.118 Alle Gewinner sollen darauf bekanntgegeben und erneut in die Wahl geschickt werden, und wer bei gewonnener Wahl mehr Stimmen auf sich vereinigt als die übrigen, ist Gonfalonicre. Man könnte auch, wie bei der Bestellung der Botschafter und Kommissare, alle Nominierten öffentlich bekanntmachen, bevor die Wahl stattfindet. Ich glaube aber, es ist gut, dies zu unterlassen, damit, falls mehr als einer die
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Wahl gewinnt, viele auf diese Weise geehrt werden. Dies bliebe womöglich aus, wenn die Namen zuvor bekanntgegeben würden, denn der Stimmende würde sich sofort auf jenen ausrichten, den er als Gonfaloniere und als einzigen Gewinner haben möchte; den anderen gäbe er seine Stimme nicht. So sieht das Verfahren zui Wahl des Gonfaloniere aus, und es ist meines Erachtens besser als jenes, das die Venezianer bei der Bestellung des Dogen anwenden. Bei dessen Wahl scheint mir Korruption möglich zu sein, weil sie in den H ä n d e n weniger liegt.119 Dies kann bei unserer Wahl nicht geschehen, wird sie doch durch eine große Anzahl Bürger vorgenommen. Wie oben bereits erwähnt wurde, sollte dieses Amt nach meinem Urteil von unbeschränkter Dauer sein. Ich weiß, daß viele Gelehrte unserer Stadt gegenteiliger Meinung sind und sagen, der Gonfaloniere dürfe nicht auf Lebenszeit gewählt sein; erstens, weil der Empfänger dieser Ehre sich leicht mehr Macht aneignen könne, als eine freie Stadt ertrage; zweitens, weil die unbeschränkte Dauer eines so ehrenvollen Amtes zur Folge habe, daß viele zu Feinden der Republik würden, (185) so wie es zur Zeit von Piero Soderini geschehen sei. Sie sagen, viele seien zu Feinden der Republik geworden, weil diese W ü r d e durch einen einzelnen besetzt gewesen sei und somit alle übrigen, die sie angestrebt hätten, ihr Ziel nicht erreicht und folglich der Republik die Gunst entzogen hätten. Auf diese beiden Einwände kann man leicht antworten. Wenn erstens die Republik schlecht geordnet ist, wie dies nachweislich in den letzten beiden Republiken sowie vor Cosimos Aufstieg der Fall war, wird nicht nur, wer tatsächlich auf Lebenszeit O b e r h a u p t ist, sondern auch jeder andere, der nach diesem Rang strebt, mehr Macht erwerben können, als einer freien Stadt angemessen ist. Wie wir oben gezeigt haben, konnten dies in den beiden vergangenen Republiken viele private Bürger erreichen. U n d in früherer Zeit führte die schlechte O r d n u n g der Republik dazu, daß Cosimo zum Tyrannen wurde. Ist die Republik dagegen - wie wir im Fall der unsrigen zeigen werden - gut geordnet, wird weder das jeweilige Oberhaupt noch cm anderer, privater Bürger je tyrannische Macht erwerben können - so, wie es auch in Venedig nie einen Dogen gab, der sich zum Tyrannen erhob. Marino Faleri, der dies versuchte, wurde mitten in der Ausführung seiner Absichten ermordet und bestraft.
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Auch bei den Spartanern machte sich nie ein König z u m Tyrannen. Pausanias, der dies wie Marino Faleri in Venedig anstrebte, verlor zusammen mit der Herrschaft auch das Leben. Auf den zweiten Einwand antworte ich, daß die Bestimmung, den Gonfaloniere auf Lebenszeit zu wählen, entweder nützlich oder unnütz ist für die Stadt. Wenn sie ohne N u t z e n bleibt, darf man sie zweifellos nicht einführen, ob sie nun die großen Bürger zu Feinden der Republik macht oder nicht. Ist sie aber nützlich, muß man sie einführen, selbst wenn sie bewirkt, daß viele zu Feinden der R e p u blik werden, und versuchen, diesen Mißstand auf andere Weise zu beheben, so, wie wir am Beispiel unserer Republik aufzeigen werden. Daß die Einrichtung, den Gonfaloniere auf Lebenszeit zu bestimmen, gut war, ist jedem klar, der vergleicht, wie die Republik von 1494 bis 1502 regiert wurde und wie von 1502 bis 1512. In jener ersten Zeit lebte unsere Stadt unruhig, voller U n o r d n u n g und Wirren; es gab niemand, der sich um das öffentliche Wohl kümmerte, jeder hatte sich dem Ehrgeiz und der Bereicherung hingegeben, weshalb die Republik arm und ehrlos wurde. Nach 1502 hingegen sahen wir die Stadt dank der Vortreffhchkeit jener neuen Einrichtung immer mehr aufblühen, so daß sie sich nach zehn Jahren von allen eingegangenen Schulden entbunden sah, vom Krieg gegen Pisa befreit und (186) mit Waffen versehen 320 ; auch hatte sie so großes Ansehen erlangt, daß die bedeutendsten christlichen Könige und Papst Julius dem Rechnung trugen und sie mit ihren Gesandtschaften ehrten. Dieser N u t z e n ergab sich einzig aus dem Umstand, daß der Gonfaloniere auf Lebenszeit gewählt wurde. Weil diese Einrichtung derart vorteilhaft ist für die Stadt, sollte man sie einführen und zugleich den Ursachen nachgehen, die bei den Bürgern jene U n z u friedenheit auslösen, um ihnen auf anderem Weg zu begegnen. G e nau so haben wir es bei unserer Verfassung gehalten, wie aus dem Folgenden deutlich wird. Außerdem sind all jene Verfassungen als besser zu erachten, die der Stadt zu größerer Unbesorgtheit verhelfen. Denn die Menschen taten sich einzig zusammen, weil sie von so vielen Schwierigkeiten bedrängt waren, daß sie niemals in ihrem Leben Ruhe oder U n b c sorgtheit erfahren konnten, solange sie von den anderen getrennt lebten. Deshalb vereinigten sie sich, und indem sie sich gegenseitig
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halfen, begannen sie unbesorgter zu leben. Alle Gesetze, die später in einer Stadt angeordnet werden, dienen nur dem einen Zweck, daß jeder ein friedliches und ruhiges Leben führe, weil er das Seine erhält. Wenn wir nun untersuchen, welche Verfassungen ruhe- und friedvoller sind, werden wir ohne Zweifel entdecken, daß jene, in denen die höchste Ehre auf unbeschränkte Dauer verliehen wird, alle übrigen bei weitem übertreffen. Wenn wir alle Republiken Italiens aus unserer Zeit betrachten, sehen wir demnach, daß jene, die wie die venezianische ein O b e r h a u p t auf Lebenszeit haben, sich überaus friedvoll entwickeln und seit langem bestehen. Alle übrigen sind voll innerer Aufruhr und häufigen Veränderungen unterworfen, wie die Beispiele von Genua, Lucca, Siena und Florenz zeigen. In der Antike lebten die Spartaner in Griechenland lange unter den gleichen G e setzen und ohne jeden Aufruhr, und ihre Republik hätte noch viel länger Bestand gehabt, wäre sie nicht von der Streitmacht Alexanders des Großen überwältigt worden. 321 Demgegenüber lebten die Athener zur gleichen Zeit unter beständigem Ungemach. Die Republik der Römer litt, solange sie unter den Königen lebte, nie unter irgendwelchem Aufruhr und machte unter dieser O r d n u n g so große Erwerbungen, daß sie später ganz Italien und schließlich die ganze Welt zu beherrschen vermochte. Sobald aber die königliche Gewalt beseitigt war, griffen Aufruhr und Tumult in der Republik um sich. Weil die Bürger das Konsulat begehrten, begannen sie, ehrgeizig zu werden, und um das Amt zu erlangen, scheuten sie sich nicht davor, Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit zu mißachten. Von daher rührten die Spenden und viele andere Dinge, mit denen die Bürger die Wahlen verfälschten, von daher dann auch der Streit zwischen Volk und Senat, dcrdic Stadt am Ende unterdas Joch dcrTyrannis brachte. Wenn also jene, die nach der Vertreibung der Tarquinier die Republik neu ordneten, die Einrichtung des Oberhaupts auf Lebenszeit nicht abgeschafft, sondern angesichts deren Vorzüge bloß verhindert hätten, (187) daß sie schädlich werden konnte, wäre die Republik zu so viel Frieden und Ruhe gekommen, wie man sich nur vorstellen kann; hätten sie die Wahl des Königs geregelt, Räte und Behörden eingerichtet, die zusammen mit dem König die Republik sowohl im Innern als auch nach außen regiert hätten, und schließlich die wichtigsten Organe so verbunden, daß jedes vom anderen und nicht alles
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vom König abhängig gewesen wäre, dann wäre dies gelungen. U n d weil die Republik zu solcher Größe aufstieg, daß sie keine äußere Macht mehr fürchten mußte, wäre sie zweifellos unsterblich geworden. Gerade umgekehrt machten es die Venezianer, deren Republik zu Beginn, als sie zu einer eigentlichen Republik wurde, die Einrichtung des zeitlich unbegrenzten Oberhaupts kannte, das alles beherrschte wie die Könige in der Römischen Republik. Sie aber führten ihre Republik ganz behutsam - einmal mit diesem, einmal mit jenem Gesetz, bald diese, bald jene Sache hinzufügend - zu solcher Vollkommenheit, daß kein Grund für ihren Untergang zu erkennen ist. Und obwohl sie einige anmaßende und tyrannische Dogen hatten, vermochten sie dank ihrer Klugheit zu erkennen, daß nicht das Amt für solche Anmaßung verantwortlich war, sondern das Wesen der Menschen, denen diese Würde zugefallen war. Sie wollten deshalb die Wahl auf Lebenszeit nicht abschaffen, sondern dafür sorgen, daß der jeweilige Amtsinhabcr nicht anmaßend werden konnte. In unseren Tagen stirbt nie ein Doge, ohne daß sie etwas hinzufügen, was diese O r d n u n g zu bewahren hilft.322 Doch kehren wir zu unserem Thema zurück. Auch unsere Stadt kann unzweifelhaft jenen inneren Frieden bezeugen, der in O r d n u n gen mit einem Oberhaupt auf Lebenszeit herrscht, ebenso die U n ruhe, die ohne diese Einrichtung aufkommt. Dies wird jedem klar, der die Zeit, zu der die Stadt den Gonfalonicre auf Lebenszeit kannte, mit jener vergleicht, da sie ihn für zwei Monate oder ein Jahr wählte. Weil diese letzte Zeit den Menschen frischer im Gedächtnis haftet, soll jeder sich vergegenwärtigen, wieviel Drangsal und Zwietracht der Ehrgeiz weniger Bürger in die Stadt brachte. U m der Würde willen, die Niccolo Capponi innehatte, unternahmen sie alles, um die Stadt zugrunde zu richten. Flättc man Niccolo Capponi zum Gonfaloniere auf Lebenszeit gemacht, wären seine Gegner gezwungen gewesen, ihre Gemüter zu beruhigen; sie hätten nämlich eingesehen, daß sie seinen Tod abwarten mußten, um in diesen Rang aufzusteigen. Die Verleumdungen, mit denen sie ihm das Ansehen in der Bürgerschaft entzogen, wären ausgeblieben. Die gesamte O r d n u n g wäre weniger bedrängt gewesen und nur von außen bedroht worden. Hinzu kommt, daß alle Städte, in denen die höchste Würde auf
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Lebenszeit verliehen (188) wird, beständiger und weniger wechselhaft regiert wurden als die übrigen, wie man anhand antiker wie heutiger Beispiele und am besten im Falle unserer Republik sehen kann. In jenen Zeiten, als man den Gonfaloniere für zwei Monate wählte, veränderte sich nämlich die Republik mit jedem Wechsel des Amtsinhabers ein w e n i g - dies aufgrund der unterschiedlichen Gesinnung der Menschen, vor allem der Grandi. Auch wenn sie keinen G r u n d dazu haben, handeln diese immer anders als ihre Vorgänger, wollen sie doch zumindest als Urheber neuer Anordnungen erscheinen. Während der letzten Republik unterschieden sich die Vorgehensweisen, die Niccolo Capponi, Francesco Carducci und Raffacllo Girolami wählten, sehr stark voneinander. Es läßt sich daher bestätigen, daß mit dem Wechsel dieser Personen auch die Republik Veränderungen unterworfen war. Zur Zeit Piero Soderinis hingegen erlebte die Stadt während der gesamten Regierungsdauer nie irgendeine Veränderung, sondern wurde immer gleichartig und beständig geführt und regiert. Weil das der Einrichtung des Gonfaloniere auf Lebenszeit zu verdanken war, muß diese in unserer Stadt ganz bestimmt wieder eingeführt werden, zumal aus der Dauerhaftigkeit dieses Amtes noch ein weiterer N u t z e n folgt. Er besteht darin, daß die Bürger aus der Überzeugung heraus, man dürfe eine so große Ehre nur an Männer von hervorragender Tugend vergeben, fleißiger und bereitwilliger darauf hinarbeiten und dadurch tugendhafter werden. Aufgrund des Gesagten ist ganz klar, daß das O b e r h a u p t auf Lebenszeit gewählt werden muß. Bezüglich seiner Amtsgewalt sage ich, daß sie nicht größer sein darf als die eines Signorc, zu der sich weitere Ausführungen erübrigen, wurde sie doch oben schon beschrieben. Es genügt allein zu wissen, daß man ihn in bezug auf die Amtsgewalt nicht höher werten darf als einen der Signori. Wohl aber soll er weit mehr als alle übrigen geehrt werden, und wer mit diesem Rang ausgezeichnet ist, bekleide ihn mit größter Pracht und Herrlichkeit. Falls die Signori zu Hause wohnen, wird diese Herrlichkeit noch mehr erstrahlen. Indem sie täglich würdevoll zum Rathaus schreiten, verleihen sie der Stadt mehr Größe, worauf alle Staaten angewiesen sind, die über Herrschaft verfügen. Der Gonfalonicre,
den wir ausführlich besprochen haben, ist also
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das vierte und letzte Organ unserer Republik. Er steht an erhöhter Stelle, wie die Spitze einer Pyramide, und ist nichts anderes als ein Späher, der zum Schutze der Republik beständig wacht. Indem er sich im Collegio, im Senat und im Großen Rat einfindet, stellt er sicher, daß die Geschäfte geordnet ablaufen, und indem er mehr als jeder andere um die Ehre und den Vorteil der Republik besorgt ist, bewirkt er, daß die Geschäfte auch mit der gebotenen W ü r d e und Schnelligkeit erledigt werden. Weil er durch die Verfassung der Republik von allen Seiten eingebunden ist, wird er geradezu gezwungen, gut zu sein, und weil er gut ist, bringt er unweigerlich nur Gutes hervor und werden auch die übrigen gut, so daß man in einer derart geordneten Republik (189) lauter Beispiele an Tugend und Güte sehen kann. Nachdem wir alles über die vier wichtigsten Organe gesagt haben, aus denen sich unsere Republik zusammensetzt, und wir drei der wichtigsten Tätigkeiten geregelt haben, nämlich die Wahl der Behörden, die Beschlußfassung über Krieg und Frieden sowie die Einführung der Gesetze und Anordnungen, bleibt uns noch die Regelung der vierten Tätigkeit - der Anhörung der Berufungen. Alles, was uns dazu in den Sinn kommt, werden wir im nächsten Kapitel darlegen.
Dreizehntes Kapitel Über die
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Weil sie erkannt hatten, wie boshaft die Menschen sind, die selten gut handeln, wenn ihnen das schlechte Tun nicht verunmöglicht ist, schränkten all jene, die Republiken umsichtig ordneten, die Macht der Behörden ein, damit diese gezwungen waren, gerechte Urteile zu fällen. Sie ordneten an, daß man sich gegen solche Urteile bei einer höheren Instanz beschweren konnte. Dabei ist zu bedenken, daß diese Anhörung von Beschwerden grundsätzlich wohl dem obersten O r g a n eines Landes oder einer Stadt zusteht. Weil aber das oberste Organ dies entweder nicht an die Hand nehmen will oder es höchstens unter Schwierigkeiten tun könnte, sehen wir, daß diese Aufgabe
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einem weiteren, von den übrigen getrennten Gericht zugewiesen ist. In Frankreich sind vier Parlamente eingerichtet, welche die Beschwerden aus dem gesamten Königreich anhören und darüber befinden, da sich der König mit dieser Angelegenheit nicht befassen will und es auch kaum könnte. In Venedig gibt es drei Quarantie121, weil der G r o ß e Rat, das oberste Organ der Republik, eine solche Leistung nicht erbringen kann, müßte er sich doch das ganze Jahr hindurch mit diesem Gegenstand beschäftigen, was der privaten Geschäfte wegen unmöglich wäre. Bei einer der Quarantie legt man in Fällen von Verbrechen Berufung ein, bei den andern beiden in zivilen Fällen. Weil ich weder jüngere Beispiele noch bessere bürgerliche Einrichtungen finde als die der Venezianer, sollten wir sie meines Erachtens nachahmen, zumal man von den antiken Verfassungen keine vollständige Kenntnis haben kann. Man wähle deshalb im Großen Rat im gleichen Verfahren wie bei den übrigen Behörden ein Gericht mit vierzig Mitgliedern. Bei diesem Gericht soll man gegen Entscheide aller Behörden und Rektoren Berufung einlegen können, sowohl in Straf- als auch in Zivilsachen. Falls eine Quarantia nicht genügte, könnte man deren zwei einrichten und die eine als strafrechtliche, die andere als zivilrechtliche bezeichnen. Die Amtsdauer würde ein Jahr betragen, und jeder, der in der Quarantia säße, bezöge ein bestimmtes Entgelt. Die Venezianer geben jedem Mitglied der Quarantia pro Tag, an dem sie sich versammelt, 42 Soldi, das sind nach ihrer Berechnung ein Drittel eines Dukaten. 324 Wer der (190) Quarantia angehört und sich nicht in ihr einfindet, darf dieses Entgelt richtigcrwcisc nicht bezichen, auch nicht, wer zu spät kommt. Man müßte deshalb anordnen, daß jeweils ein Beauftragter vorbeikäme und jedem sein Entgelt austeilte, sobald sich die Quarantia zu einer A n h ö r u n g versammelt hat, so daß den Verspäteten dieser N u t z e n entginge. Die Beschwerdeführung sei wie folgt geregelt: In erster Linie möchte ich, daß man gegen alle ordentlichen Behörden sowohl inner- wie außerhalb der Stadt in jeder Sache Berufung einlegen kann. Wer Berufung einlegt, sei gehalten, sich an die Conservatori di legge121 zu wenden. Diese Behörde soll sechs statt zehn Mitglieder aufweisen 326 ; ihnen allen erkläre er das Unrecht, das ihm zugefügt
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wurde, und weise es mit Schriftstücken, Zeugenaussagen u n d anderen Beweismitteln nach, auf daß die Behörde durch A b s t i m m u n g mit Zweidrittelmehrheit entscheide, diese Rechtssache sei einzureichen. Durch das Los oder sonstwie soll dann einer der Conservatori dazu bestimmt werden, diese Einreichung zu übernehmen. Ist einem von ihnen der Fall auf diese Weise zugewiesen, gehe er in die Quarantia, lege die Sache in einfacher Weise dar und stelle den Antrag, darauf einzutreten. Die Quarantia soll über die Zulassung einer solchen Berufung abstimmen. Von ihrem Sekretär werde das Eintreten unter Zeitangabe aufgeschrieben, damit man die Klagen zeitlich geordnet behandelt und jene vorangehen, auf die zuerst eingetreten w u r d e . Ist die Klage zugelassen, sei der Conservatore, dem die Einreichung übertragen wurde, verpflichtet, in der Quarantia zu sprechen und die Rechtssache desjenigen zu verteidigen, dessen Vertretung er übernommen hat, sofern dieser sich nicht selbst verteidigen will. Es ist aber zu beachten, daß, wer Berufung einlegt, vom Angeklagten zum Kläger wird. Handelt es sich um einen Streit mit einer Behörde, sei die Behörde verpflichtet, ihr Urteil durch eines ihrer Mitglieder oder, falls man dies vorzieht, durch einen Anwalt zu verteidigen. Geht es um einen Streit mit einem Privaten, wird sich dieser vernünftigerweise verteidigen müssen, was er selbst tun oder einem Anwalt überlassen kann, den er bezahlt. H a b e n also der Conservatore für den Kläger und der Anwalt für den Angeklagten gesprochen, stimme die Quarantia ab, ob das Urteil gesprochen werden soll oder 327A ob es nötig sei, die Parteien noch ausführlicher zu befragen. Die Abstimmung soll mit der Hälfte und einer Stimme entschieden werden. Wird beschlossen, daß ein Urteil zu sprechen sei, erfolgt eine zweite Abstimmung, durch die man erklärt, ob das Urteil der Behörde, gegen die sich die Beschwerde richtet, gerecht oder ungerecht gewesen sei. Wird es als gerecht erachtet, soll jener, gegen den es ausgesprochen wurde, sich fügen und es nicht mehr zur Sprache bringen können. Kommt man zum Schluß, das Urteil sei ungerecht gewesen, hat jener darauf zu verzichten, zu dessen G u n sten es ausgefallen war. Sofern er will, kann er aber zum ersten Richter zurückkehren; wenn nämlich die Quarantia (191) ein früheres Urteil aufhebt, erklärt sie es als ungerecht, entscheidet indessen nicht, ob dies ganz oder teilweise zutreffe. Deshalb kann jener, gegen
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den sie sich entscheidet, zum ersten Richter zurückkehren, um das Gerechte daran zu erhalten. U n d der Angeklagte, der vor diesem zweiten Gericht Kläger ist, kann bei der Quarantia jedesmal Berufung einlegen, wenn er glaubt, daß der erste Richter ihm Unrecht zugefügt habe. Entscheidet die Quarantia hingegen, kein Urteil zu fällen, sollen die Parteien nochmals redcn 128A , worauf man nach der gleichen O r d n u n g vorgehe. Wird ein zweites Mal entschieden, kein Urteil zu fällen, sollen die Parteien ein drittes Mal sprechen, und danach fälle man das Urteil in besagter Weise, ohne nochmals darüber abzustimmen, ob man es fällen soll. Diese O r d n u n g ist zu befolgen, wenn es sich um Streitfälle zwischen Privatpersonen handelt - sowohl bei Straf- wie bei Zivilsachen. Liegt dagegen ein Streitfall zwischen einer Behörde und einer Privatperson vor, wie zum Beispiel, wenn die Otto jemanden wegen einer Missetat verurteilt haben und der Angeklagte Berufung einlegt, und fällt das Urteil der Quarantia gegen den Angeklagten aus, der vor diesem zweiten Gericht Kläger geworden ist, so soll er sich fügen, weil damit das Urteil der Behörde als bestätigt gilt. Fällt das Urteil gegen die Behörde aus, wird ihr Urteil für ungültig erklärt. Weil die Quarantia, wenn sie das Urteil einer Behörde ablehnt, es zwar als ungerecht beurteilt 329A , dabei aber offenläßt, ob es ganz oder teilweise ungerecht sei, könnte es vorkommen, daß der Angeklagte, der in diesem zweiten Gerichtsverfahren Kläger ist, doch eine gewisse Strafe verdient, allerdings eine andere, als von der Behörde bestimmt worden war. Ich möchte daher, daß man in der Quarantia, sobald sie das Urteil einer Behörde verworfen hat, durch eine weitere Abstimmung erklärt, ob der Angeklagte büßen müsse oder nicht. Überwiegt die Meinung, daß er nicht büßen müsse, gilt er als freigesprochen. Ergibt sich, daß er eine Bestrafung verdient, soll jeder der drei Vorsitzenden der Quarantia die Strafe vorschlagen, mit der man den Angeklagten bestrafen will. Sobald nämlich die Quarantia gewählt ist, sollen diese Vorsitzenden durch das Los gezogen werden und während siebenundzwanzig Tagen im Amt sein. Darauf werden die Nachfolger ausgelost. Jeder dieser drei soll in der Reihenfolge des Alters während neun Tagen den höchsten Rang einnehmen. Über ihre vorgeschlagenen Strafen soll abgestimmt werden, wobei sich der Angeklagte jener Strafe, die am meisten Stimmen über dem absoluten
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Mehr erhält, füglich unterziehen muß. Diese O r d n u n g ist sowohl bei den Straf- wie bei den Zivilsachen einzuhalten. Falls eine Quarantia nicht genügte, könnte man wie gesagt deren zwei schaffen. Die Conservatori wollen wir auf sechs begrenzen. U m Verwirrung zu vermeiden, (192) könnte man sie zweiteilen, so daß je eine Hälfte die Strafsachen bei der Kriminal- beziehungsweise die Zivilsachen bei der Zivil-Quarantia einreichen würde, wenn es deren zwei wären, oder bei der gleichen, wenn es nur eine gäbe. Die Redezeit müßte beschränkt werden, damit beide Parteien ihre Argumente vorbringen können. Die Venezianer räumen jeder Partei eineinhalb Stunden ein, wobei sie aber in dieser Spanne die Zeit nicht einrechnen, die man benötigt, um D o k u m e n t e vorzulesen und Zeugen anzuhören. Man legt deshalb die U h r waagrecht, wenn Akten vorgelesen werden, damit der Sand nicht rinnt. Wir könnten dies übernehmen und in ähnlicher Weise dafür sorgen, daß jede Gerichtsverhandlung in drei Stunden und der zusätzlichen Zeit, die man wie erwähnt für das Vorlesen der D o k u m e n t e braucht, erledigt würde. N u n sind unsere Bürger eher schlecht als gut und wollen selten Gutes tun, wenn sie nicht dazu gezwungen werden. M a n sieht dies am Beispiel der Ungerechtigkeiten, die von den Behörden in der vergangenen Republik begangen wurden, aber auch an der Strenge jener, die das gegenwärtige Regiment anführen; sie haben jemanden schon verurteilt, bevor er ihnen zu Gesicht kommt, bloß weil sie sehen, daß dies ihrem Gebieter gefällt. In der vergangenen Republik geschah es oft, daß die Behörden, wenn sie über jemanden urteilen mußten und der Betreffende zu jenen gehörte, die in der vorangegangenen Gewaltherrschaft irgendeinen Rang bekleidet hatten, ihn bestraften, selbst wenn er keine Bestrafung verdient hätte; sie glaubten, damit etwas zur Stärkung jenes Regiments beizutragen. Gehörte er hingegen der entgegengesetzten Partei an, gingen sie behutsamer vor, und die Bestrafung fiel weniger streng aus. Weil also unsere Bürger schlecht und ungerecht sind und nie gut handeln außer unter Zwang - gleich Eseln, die ohne Stock auf dem Rücken nicht gehen - , würden die Behörden, sobald sie durch derart geregelte Beschwerdeverfahren gebunden wären, selten jene Rechtsfällc erledigen, die vor sie gelangen, hätten sie doch stets die Berufung gegen ihre Urteile vor Augen; sie wollen nämlich gut oder schlecht handeln können,
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ohne daß es zu einer Nachprüfung kommt. Ich meine deshalb, daß man von allen Behörden verlangen muß, die anfallenden Rcchtsfällc innerhalb einer bestimmten Frist zu beurteilen. Falls sie dies unterlassen, soll jedes Mitglied der Behörde einer bestimmten Strafe unterliegen, die als angemessen erachtet wird und eher zu hart als zu mild ausfallen sollte. Nach Ablauf der besagten Frist wären sie unter allen Umständen gehalten, die Fälle innerhalb der gleichen Zeitspanne zu beurteilen, und falls sie es wieder nicht täten, unterlägen sie erneut der angeordneten Strafe und wären unter den gleichen Bedingungen abermals verpflichtet, sie zu beurteilen, und so würde es weitergehen, bis die Fälle behandelt wären. Auf diese Weise wären die Bürger in den Behörden gezwungen, die (193) anfallenden Rechtssachen an die H a n d zu nehmen, und unter diesem Zwang würden sie vielleicht eher gerechte Urteile fällen. Ich will nicht verschweigen, daß die Conservatori am Ende ihrer Amtszeit womöglich nicht alle Rcchtsfällc erledigt haben, deren Einreichung sie übernommen hatten. Wenn dies eintritt, sollen meiner Meinung nach dieselben Conservatori die Fälle weiterhin betreuen, auch wenn sie das A m t abgelegt haben - ganz in der Art und Weise, als wären sie im Amt verblieben. Dank diesem Vorgehen kann man solche Rcchtsfällc abkürzen und leichter zu Ende führen. Wenn die neuen Conservatori sie erledigen müßten, würden sie vollständige Auskunft darüber benötigen, und dabei ginge zum Nachteil der Streitenden Zeit verloren. Würde man zudem festlegen, daß jeder, der Berufung einlegt, dem mit der Sache beauftragten Conservatore eine bestimmte Belohnung schuldet, wäre dieser verpflichtet, sie bis zu ihrem Abschluß zu bringen. Es drängt sich daher auf, daß diese Aufgabe mit dem Ende der Amtszeit nicht aufhört, sondern vielmehr weiter ihm, nicht dem Nachfolger, obliegt. Wie jedermann weiß, gelangten viele straf- und zivilrcchtlichc Fälle erstinstanzlich vor die Behörde der Conservatori. Auch ihr Ablauf muß geregelt werden. Mir gefiele es, eine weitere Behörde zu schaffen, die über sie zu urteilen hätte und gegen die man wie gegen die übrigen bei der Quarantia Berufung einlegen könnte. Man könnte auch festlegen, daß solche Rcchtsfällc der Behörde der Otto vorgelegt würden. Dies wäre ein kurzes und einfaches Verfahren, und es würde sich erübrigen, neue Behörden zu schaffen.
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So sieht das Berufungsverfahren aus, das drei bemerkenswerte Vorteile mit sich brächte. Indem man, erstens, so vielen Bürgern ein Entgelt entrichtete, würde schließlich eine große Zahl N u t z e n aus der Republik ziehen und ihr darum geneigter sein. Zweitens wären die Behörden gerecht, und falls sie ungerecht wären, würden ihre Urteile korrigiert. Drittens wären die Bürger gezwungen, vor der Quarantia zu sprechen; die Menschen würden deshalb redegewandt, was einer Stadt zur Ehre gereicht. Weil wir über diesen Gegenstand alles Nötige gesagt haben, fahren wir nun mit den verbleibenden Darlegungen fort.
Vierzehntes Kapitel Über die Art, Staatsfeinde zu bestrafen
(194) Wir haben bis jetzt alles behandelt, was den Grundaufbau unserer Republik betrifft. Nachdem wir die Verfahrensweise bei den genannten vier Haupttätigkcitcn geregelt haben, bleiben uns nur noch einige Besonderheiten zu erwägen. Wir werden diesbezüglich alles Nötige erörtern, und wir beginnen mit dem Verfahren zur Bestrafung der Staatsfeinde. Diese wurden unter der vergangenen O r d n u n g durch die damals beigezogene Quarantia bestraft, die mir mehr Schaden als N u t z e n für die Republik zu erzeugen schien. 110 Einmal waren die Verfehlungen vieler, die noch vor der Belagerung verurteilt wurden, nicht so schwerwiegend, daß ein großer Schaden entstanden wäre, wenn man sie nicht bestraft hätte, wie etwa im Falle der Prozesse gegen Carlo Cocchi und gegen Ficino, die zum Tode verurteilt wurden, weil sie ein paar wenige Worte gegen den Staat geäußert hatten. 331 Und falls jemand einwendet, Äußerungen gegen den Staat seien ein Kapitalverbrechen, so erwidere ich, daß dies sehr wohl für jene Republiken zutrifft, die umsichtig geordnet sind. In solchen hingegen, die voller Mängel sind - wie dies erwiesenermaßen auf die vergangene O r d nung zutraf - , ist es kein sehr schweres Vergehen, ein paar Worte gegen den Staat zu richten, weil ja die schlechte O r d n u n g der Rcpu-
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blik Anlaß dazu gibt. Es wäre viel besser gewesen, sich um die Ausbesserung ihrer Mängel zu kümmern, als sie unverbessert zu lassen und so jedem einen Grund zu geben, über den Staat schlecht zu denken und unwürdig zu reden, um in der Folge bald diesem, bald jenem das Leben nehmen zu müssen und der Republik zahlreiche Feinde zu schaffen. Die während der Belagerung Verurteilten verdienten wohl die Strafen, die über sie verhängt wurden, weil sie mit den Waffen erbarmungslos gegen die Vaterstadt vorgegangen waren. Trotzdem wäre es besser gewesen, sie vorläufig unbestraft zu iassen und alle Gedanken auf den Sieg zu richten. Wäre er erlangt worden, hätte man sie nachträglich bestrafen können. Das Verlangen, sie zu bestrafen, entsprang indessen der Begierde nach ihrem Besitz, und nicht etwa der Liebe zur Vaterstadt, und daß sie bereits damals bestraft wurden, erwirkte man in der Annahme, daß die Menschen nach dem Sieg nicht so rachsüchtig sein würden. 312 All die erwähnten Verurteilungen trugen somit überhaupt keine Früchte. (195) O h n e jenes Verfahren, wonach es in der Macht eines jeden stand, einen Bürger anzuklagen, ohne als Ankläger bekannt zu werden, hätte es nicht solch schreckliche Hinrichtungen gegeben. 131 Wenn somit das Ergebnis - das heißt die Verurteilungen - nicht gut war, dann war auch die Ursache, oder sagen wir das I n s t r u m e n t - nämlich die derart eingerichtete Quarantia - nicht gut. Zudem war diese Einrichtung unzweckmäßig, denn sie war nicht bloß ein Instrument zur Erhaltung der Republik, insofern sie Staatsfeinde ihrer Strafe zuführte. Vielmehr beschleunigte sie den Untergang der Republik, wurden doch mit diesem Verfahren aufgrund falscher Anschuldigungen auch Anhänger der bestehenden O r d nung angeklagt. Auch wenn sie später freigesprochen wurden, war damit die Unannehmlichkeit verbunden, sich verteidigen und rechtfertigen zu müssen, und solange sie nicht freigesprochen waren, hatten sie der unterschiedlichen Gesinnungen wegen, die es in einer geteilten Stadt gibt, stets Grund genug, eine Verurteilung zu fürchten. Wo Bürger dermaßen verfolgt werden, hat dies zur Folge, daß die Menschen sich von den Staaten abwenden. Zwar sagt Cicero, daß man die Anklagen nicht darum abschaffen dürfe, weil manchmal auch ein guter Bürger angeklagt werde; wer nämlich gut sei und angeklagt werde, den könne man freisprechen, wer aber schlecht sei
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und nicht angeklagt werde, könne nicht verurteilt werden. D e n n o c h ist es viel besser, die Republik so einzurichten, daß die Guten nicht verfolgt, sondern geehrt und stattdessen die Schlechten angeklagt und verurteilt werden. Ferner ermöglichte dieses Verfahren den Menschen, ihrer Boshaftigkeit auf feige Art freien Lauf zu lassen und sich ohne die geringste Spur von G r o ß m u t für privates Unrecht zu rächen. All dies schadet einer Republik. Deswegen meine ich, daß man dieses Verfahren in der unsrigen nicht übernehmen darf. Wenn sie keine Mängel aufweist, wird es in ihr zwangsläufig auch keine Unzufriedenen geben; ohne Unzufriedene aber wird man niemanden finden, der gegen ihre O r d n u n g frevelt, und infolgedessen wird in ihr weder die Bestrafung noch das Verfahren benötigt. Weil aber die Menschen schlecht sind und man immer jemanden findet, der auch ohne Grund sündigt, ist ein Verfahren anzuordnen, durch das jeder, der sich gegen den Staat vergeht, zum öffentlichen wie privaten Vorteil bestraft wird. Das Verfahren wäre einfach, wenn die Menschen sich entschließen könnten, einander offen anzuklagen, wie es in Rom und Athen üblich war. Man (196) könnte festlegen, daß die Anklagen folgendermaßen bei den Conservatori zu erheben wären: Der Kläger solle die Einrcichung der Anklage bei der Quarantia verlangen; er wäre verpflichtet, vor diesem Gericht seine Anklage öffentlich zu erheben und den Prozeß so lange fortzusetzen, bis es entweder zum Freispruch oder zur Verurteilung käme - gemäß dem Verfahren, das zu beachten ist, wenn die Quarantia das Strafmaß für den Angeklagten selber festlegen muß, wie wir oben dargelegt haben. Dieses Vorgehen wäre äußerst vorteilhaft, denn die Kläger würden dann nur noch solche beschuldigen, von denen sie glaubten, daß man sie verurteilen sollte; sie würden somit anklagen, wer eine Bestrafung verdicntc 114A und nicht Unschuldige. Das hätte zur Folge, daß die Fchlbarcn bestraft würden und den Unschuldigen die Unannehmlichkeit, sich zu verteidigen, ebenso erspart bliebe wie die Angst, verurteilt zu werden. Außerdem würden die Kläger einen gewissen G r o ß m u t zeigen, selbst wenn sie sich erniedrigten, jemanden bloß anzuklagen, um sich für private Beleidigungen zu rächen. Dies bliebe nicht ohne Nutzen, würden sie doch zumindest rednerisch geschult, weil sie gezwungen wären, in der Öffentlichkeit zu
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sprechen. So wäre allen Mängeln abgeholfen, die der Quarantia in der vergangenen O r d n u n g anhafteten. Weil ich aber glaube, daß sich die Menschen nicht zu offenen Anklagen bewegen lassen, muß ein anderes Verfahren angeordnet werden, durch das die Fehlbaren bestraft werden, die Unschuldigen wenig Unannehmlichkeit zu erdulden haben und die Sache mit möglichst großem öffentlichem und privatem N u t z e n abläuft. Das Verfahren sei somit folgendes: Alle Beschwerden im Zusammenhang mit staatsfeindlichen Umtrieben sollen auf gleiche Weise, wie sie vor die Behörde der Otto gelangten 115 , den Conservatori z u k o m m e n . Den Conservatori soll die sorgfältige Prüfung solcher Beschwerden obliegen. Falls sie beim Angeklagten keine Schuld finden, können sie ihn mit zwei Dritteln ihrer Stimmen freisprechen, wobei sie die Beschwerde und den Freispruch an einem O r t protokollieren lassen, wo man sie einsehen kann. Sprechen die Conservatori nämlich jemanden frei, der es nicht verdiente, ist es von Vorteil, wenn sie nach der Amtszeit selber angeklagt werden können. Diese Anklage kann jener erheben, der schon die erste Beschwerde vorgebracht hat, da er besser als alle anderen weiß, ob der von ihm Angeklagte Bestrafung oder Freispruch verdient hätte. Deshalb ist es nötig, daß man diese Beschwerden und Frcisprüchc einsehen kann. Falls sie urteilen, daß der Angeklagte bestraft werden soll, was zutrifft, wenn sich kein Freispruch crgibt 116A , soll einer der Conservatori verpflichtet werden, die Einreichung der Anklage bei der Quarantia zu übernehmen, und zwar jener, dem diese Aufgabe durch das Los zugeteilt wird. Dieser klage vor der Quarantia an, und der Angeklagte verteidige sich auf die genannte Weise, das heißt persönlich oder durch einen Anwalt, wie es ihm besser behagt. Hat man die Parteien angehört, stimme man ab, ob der Angeklagte schuldig sei oder nicht. Kommt keine Mehrheit zustande, gelte er als freigesprochen; überwiegt die Zustimmung, gehe man bei der Festlegung seiner Strafe nach dem oben beschriebenen Verfahren vor. Es ist aber zu beachten, daß die Conservatori ermächtigt sein müssen, den Angeklagten festzunehmen, wenn sie bei ihm solche Schuld feststellen, die eine Körperstrafe als gerecht erscheinen läßt. Ferner kommt es oft vor, daß die Bürger bei der Leitung der
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öffentlichen Geschäfte bald aus Arglist, bald aus U n v e r m ö g e n Fehler begehen; aus Unvermögen wie einst Tcrcntius Varro, der mit seiner Unbesonnenheit (197) die schwere Niederlage von Cannac verursachte 337 , und in unseren Zeiten Messer A n t o n i o G n m a n i , der Lcpanto hätte helfen können, aber zuließ, daß es vom Türken erobert und geplündert wurde 118 ; aus Arglist wie etwa jene Dicci, die zur Zeit von Cosimo den Krieg gegen Lucca leiteten. 319 Die Vergehen aus Arglist muß man immer bestrafen, jene, die aus U n v e r m ö g e n begangen werden, soll man manchmal bestrafen und manchmal verzeihen. 340A Und weil derartige Vergehen dem Collegio w o h l b e kannt sind, soll dieses Gremium, neben den betroffenen Privatpersonen, folgendermaßen als Kläger gegen solche Bürger auftreten: Jedes Mitglied des Collegio soll eine Beschwerde einreichen können gegen jemanden, von dem es glaubt, er leite die öffentlichen Geschäfte schlecht. Im Collegio werde unter den Signori, den Procuratori und den Dieci abgestimmt, ob man die Beschwerde zulassen soll. Ist die Abstimmung, die mit einer Stimme über dem Mehr gewonnen wird, nicht erfolgreich, soll gelten, daß nichts Neues gegen den Beschuldigten vorgebracht werden darf. K o m m t dagegen eine Mehrheit zustande, soll der Collegio den Conservatori gebieten, die Anklage im nachfolgenden Verfahren zu übernehmen und ihnen außerdem vorgeben, wo sie diesen Rcchtsfall vorzubringen haben, o b in der Quarantia, im Senat oder im Großen Rat. Wird er im Senat oder im Großen Rat vorgebracht, gehe man gleich vor, wie w e n n er in der Quarantia behandelt worden wäre, das heißt der Conservatore klage an und der Angeklagte verteidige sich entweder persönlich oder durch andere. Dann soll man abstimmen, ob er zu bestrafen sei. Will man ihn bestrafen, sollen die Strafen durch den Vorsitzenden der Signoria, jenen der Procuratori und jenen der Dieci vorgeschlagen werden, falls man die Rechtssache im Großen Rat untersucht. Falls sie im Senat erörtert wird, sollen die Vorsteher des Senats die Strafen vorschlagen, und sowohl im einen wie im andern G r e m i u m soll der Angeklagte jene Strafe mit der höchsten Stimmenzahl über dem absoluten Mehr verbüßen. Ich trete aus folgendem G r u n d für die Anordnung ein, daß der Collegio entscheide, w o man derartige Fälle behandeln soll: Es kommt häufig vor, daß solche Anklagen gegen einflußreiche Männer erhoben werden, die von den kleinen Gcrich-
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ten milder bestraft werden. Deswegen ist es gut, daß der Collegio, nachdem er die Eigenschaften des Angeklagten erwogen hat, auch festlegt, wer seiner Meinung nach Richter sein soll. N u n k o m m t es bisweilen vor, daß ein Bürger überraschend ein Verbrechen gegen den Staat verübt, das große U n o r d n u n g hervorrufen und die Republik in eine schwierige Lage bringen könnte, wenn es nicht blitzartig bestraft würde. Dies wäre im Falle Iacopo Alamannis geschehen, wenn er nicht sofort verdientermaßen hingerichtet worde n wäre. 34 ' Ich meine, daß solche Fälle im Collegio behandelt w e r d e n sollen, und um ihn etwas zu vergrößern, sollen noch die Conservatori di legge hinzukommen. Für den Angeklagten ergreife man keine Verteidigung, sondern schreite sofort zur A b stimmung, durch die man kundtue, ob er zu bestrafen sei. Falls die Zustimmung überwiegt, sollen der Vorsteher der Signori, der erste Vorsitzende der (198) Procuratori und der Vorsteher der Dieci die Strafen vorschlagen, die er zu erleiden habe, und mit jener, die am meisten Stimmen über dem absoluten Mehr erhält, werde er ohne Zeitverzug bestraft. Weil wir nun ausführlich beschrieben haben, wie die Vergehen gegen den Staat bestraft werden sollen, fahren wir fort, ein paar weitere Vorkehrungen zu behandeln, auf die unsere Republik angewiesen ist.
Fünfzehntes Kapitel Die Verfahrensordnung im Palast des Podesta ist nicht gut
Alle Angelegenheiten einer Republik werden unterschieden in öffentliche und private. Die öffentlichen müssen so geordnet sein, daß sie auf kein anderes Ziel als das öffentliche Wohl ausgerichtet sind; ansonsten w ü r d e die Republik nicht lange leben. Bei den privaten genügt es, sie so zu ordnen, daß sie dem privaten Leben förderlich sind. Allein, könnte man erreichen, daß die Verfahrensweise bei letzteren der Republik ebenfalls Vorteile brächte, dürfte man dies
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zweifellos nicht ablehnen. Als private Angelegenheiten bezeichne ich hier jene, die zwischen Privatpersonen aufgrund vonRcchtsstreitigkciten 342A entstehen. Sic haben ihren U r s p r u n g in Verträgen, T e stamenten, Mitgiften und ähnlichen Dingen. Wie jedermann weiß, behandelt man diese Angelegenheiten in der Mercanzia und im Palast des Podesta?41 U n d o b w o h l die Verfahrensweise an diesen beiden Orten für die Privaten gerecht ist, schadet sie doch dem Gemeinwesen wie dem privaten Bereich so sehr, daß eine andere O r d n u n g , die ebenso gerecht und für beide Bereiche nützlicher wäre, leicht Zustimmung finden müßte. Die Verfahrensweise, vor allem jene im Palast des Podesta, ist dem privaten wie dem öffentlichen Wohl abträglich; erstens der großen Ausgaben wegen, die man tätigt, w o d u r c h die Menschen verarmen - und verarmte Menschen k ö n n e n in diesen verdorbenen Zeiten weder sich selbst noch anderen nützlich sein; zweitens der Verfahrensdauer wegen, die oft so lang ist, daß sie beide Parteien erschöpft. Dies ist äußerst schädlich, d e n n wenn die Menschen durch solche Streitigkeiten beansprucht werden, können sie ihren anderen privaten und öffentlichen Geschäften nicht nachgehen. Schließlich ist sie nachteilig, weil die größten Rcchtsfällc, die mehr Zeit und größere Ausgaben erfordern, sich meistens zwischen erstrangigen Bürgern der Stadt abspielen. Wenn sie darob verarmen, werden sie am Ende niedrig und kleinmütig und folglich nutzlos für die Republik. Auf diese Weise geht schließlich (199) der Adel der Bürger verloren, und an ihrer Stelle steigen jene auf, die dank ihren Streitigkeiten reich werden - und das sind in der Regel feige und niedrige Personen. U n d obwohl es in einer Stadt durchaus nicht schlecht ist, wenn auch kleinmütige Menschen Reichtum und damit einen gewissen G r a d an Adel erwerben, ist es bestimmt nicht gut, wenn sie mit dem N i e d e r gang der adlig Geborenen aufsteigen. Daß dies nicht eintritt, dafür ist mit allen Mitteln zu sorgen. Ferner war die Austragung von Rcchtsstrcitigkcitcn in allen antiken Republiken so geregelt, daß sie den Bürgern Gelegenheit gab, sich in Beredsamkeit zu üben. Bevor die römischen Bürger begannen, sich mit öffentlichen Geschäften zu befassen, übten sie sich vor den Zivilgerichten, und nachdem sie sich dort Beredsamkeit angeeignet hatten, begannen sie, die Republik zu regieren. In unseren
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Zeiten - und besonders in unserer Republik - haben sehr wenige genügend Mut, um vor vielen zu sprechen, u n d wenn man während der beiden vergangenen Republiken eine Beratung abhielt, bestand die Hauptaufgabe der Sekretäre d a n n , den Sprecher zu erinnern, er solle mit lauter Stimme sprechen. So wenig waren es nämlich die Bürger gewohnt, vor zahlreichen Versammelten zu sprechen, daß es schien, als könnten sie die eigene Stimme nicht erheben, sobald sie vom vertraulichen Gespräch umstellen mußten. Wäre indes die Art des Streitens so geregelt gewesen, daß man Gelegenheit erhalten hätte, das Reden zu üben, wären unsere Bürger so redegewandt, wie es die Römer und Griechen waren und wie es heute die Venezianer sind, die sich viel wortgewandter als alle übrigen Italiener zeigen, weil sie von der Republik Gelegenheit bekommen , das Sprechen in allen Gattungen der Redekunst zu üben. Es wäre somit gut, jenes Verfahren im Palast des Podesta aufzuheben, da es die eingangs genannten Mängel aufweist, und stattdessen ein anderes einzuführen, das sowohl gerecht wäre als auch dem Gemeinwesen und den Privaten z u m Vorteil gereichte. Es könnte folgendermaßen aussehen: M a n m ü ß t e alle Ursachen berücksichtigen, die zu privaten Streitigkeiten führen, und sodann für jede eine besondere Behörde schaffen. Diese w ü r d e n alle Rechtsfälle entscheiden, die in den ihnen zugewiesenen Bereichen entstehen. Gegen ihre Urteile könnte man im oben beschriebenen Verfahren bei der Quarantia Berufung einlegen. D o c h k o m m e n wir zu den Beispielen, um unsere Meinung besser zu erläutern. Alle Streitigkeiten entstehen wie erwähnt entweder aus Vcrträgen 344A , welche die Menschen untereinander abschließen und die, weil sie nicht gebührend eingehalten werden oder wegen anderer Umstände, die plötzlich auftreten, zwischen den Vertragsparteien Streit auslösen; oder sie entstehen aus Testamenten in bezug auf Erbschaften, aus Mitgiften oder zahlreichen anderen Dingen, die zu wiederholen sich erübrigt. Es braucht somit eine Behörde, die für die Verträge zuständig ist, eine andere für die Mitgiften, eine weitere für die Testamente und schließlich so viele Behörden, wie es Streitursachen gibt. K o m m t es aufgrund (200) von Verträgen, Mitgiften, Testamenten oder anderem zu Unstimmigkeiten, so soll sich derjenige, der sich geschädigt fühlt, bei jener Behörde beschweren, die für diese Angelegenheit zuständig ist.
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Nach A n h ö r u n g der Parteien soll die Behörde innerhalb der festgesetzten Zeit, wie oben dargelegt wurde, nach ihrem Ermessen das Urteil fällen. Falls dieses dem Unterlegenen mißfällt, kann er bei der Quarantia in der beschriebenen Art und Weise Berufung einlegen. So möchte ich die privaten Angelegenheiten abgewickelt haben - mit geringem Aufwand, ohne lange Dauer und verbunden mit der Gelegenheit, die Beredsamkeit zu üben. Es soll niemand einwenden, diese Behörden vermöchten bei solchen Uneinigkeiten nicht gerecht zu entscheiden; in diesen Angelegenheiten gibt es nämlich keine so große Subtilität, daß jemand mit durchschnittlichem Verstand sie 145A nicht zu verstehen vermag. Auch könnten diese Behörden, wenn sie in einem Fall unschlüssig blieben, nachdem sie sich eingehend mit ihm auseinandergesetzt haben, die Meinung eines Sachverständigen einholen, wie es früher die R ö m e r taten. Es wäre aber besser, diese Gelehrten beiseite zu lassen, damit sich die Menschen angewöhnen, aufgrund ihres gesunden M e n schenverstandes und ohne juristische Begriffe zu urteilen. Daraus ergäbe sich als weiterer N u t z e n , daß unsere Bürger, wenn sie einmal erkannt haben, daß die Arbeit der Rcchtsgclchrtcn nicht so n o t w e n dig ist, sich dem Studium der Philosophie und der Redekunst widmen würden, um bei der F ü h r u n g der Republik G e b r a u c h davon zu machen, und daß sie ihren Geist in anspruchsvollen u n d vornehmen Dingen üben w ü r d e n . So sieht das Verfahren aus, das meiner Meinung nach in privaten Angelegenheiten zur A n w e n d u n g gelangen sollte.
Sechzehntes Kapitel Ü b e r die Collegi und die Signori
Wir haben oben gezeigt, für die Collegi147 verantwortlich Amt, so wie es geordnet war, daß sic148A verbessert werden
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wie viele und wie schwere Mißstände waren und daß der Republik aus ihrem kein N u t z e n erwuchs. Ich meine daher, müssen und ihnen angemessenere Auf-
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gaben zugeteilt werden sollten. Es ist nun zu bedenken, daß es zwei Arten von Truppen gibt, mit denen sich eine Republik verteidigt: Die einen sind nur im Innern der Stadt nützlich, die anderen drinnen und draußen. Deswegen müssen alle Stadtbewohner - wie wir weiter unten noch darlegen 149 - in zwei G r u p p e n auf geteilt werden. Die eine dient zur Verteidigung der Stadtmauern und ihrer Schanzen, die andere, um hinauszugehen und den Feind zu bekämpfen. Zur letzteren Gruppe sollen alle Wehrtauglichen bis z u m vierzigsten Lebensjahr eingeteilt werden. (201) Sic sind es, die sowohl im Innern als auch außerhalb nützlich sind. Zur anderen G r u p p e sollen alle eingeteilt werden, die das vierzigste Jahr überschritten haben und wehrfähig sind. Sie sind es, die sich drinnen nützlich zeigen und auf den Mauern und ihren Schanzen Wache stehen, wenn die anderen draußen kämpfen. Von diesen allen, so meine ich, sollten die genannten Collegi die Anführer sein.3*0 Man sollte sie wie die übrigen Behörden im G r o ß e n Rat wählen und ihnen in gewohnter Weise die Banner überreichen, so glanzvoll, wie man es zu tun pflegte. Und um sie zu ehren, k ö n n t e man sie in den Senat aufnehmen, wobei es nicht schlecht wäre, w e n n sie auch abstimmen dürften. Ich möchte, daß sie mit den Signori u n d den Procuratori zusammentreten, um die öffentlichen Ausgaben zu genehmigen, und diese Genehmigungen sollen mit der Hälfte u n d einer Stimme erfolgen. 351 Dies sind die Aufgaben, die meines Erachtcns den besagten Collegi zugewiesen werden sollten. Weil wir den Conservatori im Gegensatz zu früher neue Aufgaben zugewiesen haben, ist es notwendig, eine weitere Behörde zu schaffen, die befugt ist, alles N ö t i g e zu regeln, um die Sitten mit der Verfassungsart, die in der Stadt gilt, in Einklang zu bringen. Denn die gleichen Sitten stimmen nicht mit jeder Verfassung überein. In jenen Staaten, die von einem allein regiert werden, ist Ungleichheit geboten; in solchen, die von mehreren regiert werden, wie im Falle des von uns eingeführten, braucht es Gleichheit - wenn nicht tatsächlich, so wenigstens im Erscheinungsbild. Deswegen muß alles verboten werden, was sich nur die Reichen leisten können, etwa, große Ausgaben für Kleider zu tätigen, als Gastgeber aufzutreten oder den Töchtern Aussteuern mitzugeben. Tun die Reichen solches ohne Maß, hat dies zur Folge, daß die übrigen sich selbst zugrunde
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richten und arm werden, weil sie die Reichen nachahmen wollen. Und um die A r m u t abzulegen, unternehmen sie alles, u m zu Geld zu k o m m e n , ohne die öffentliche und private Ehre in Betracht zu ziehen. Es ist ihnen nämlich gleichgültig, o b die Vaterstadt einem Tyrannen unterworfen ist 352A , ja sie werden sogar zu Kupplern der Ehefrau und der Töchter, zu ihrer eigenen Schande und zu der ihres Hauses und der Stadt. U m solchen Mißständen zu begegnen, m u ß man daher mit Bedacht dafür sorgen, daß die Menschen nicht verarmen, denn ohne jeden Zweifel treibt der Besitz mehr als alles andere an, weswegen wir auch sehen, daß die R ö m e r mit dem Agrargesetz H i m m e l und Erde in Bewegung setzten. Wenn die Reichen überdies manches tun können, was zwischen den Bürgern Ungleichheit sichtbar macht, wird ihr Reichtum den andern verhaßt. Dies geschieht, weil die Menschen neidisch sind und nicht wollen, daß andere etwas besitzen, was sie selbst nicht haben. Sie erwägen dabei nicht, daß die Republik, wenn man die gewohnte Lebensweise beibehalten will, auf wohlhabende Menschen angewiesen ist, um sich in einer allfälligen Zwangslage ihrer Reichtümer bedienen zu können, (202) so wie sie es während der vergangenen Belagerung getan hat. Wenn sie auf den Besitz derjenigen hätte zurückgreifen müssen, die damals die Häuser und Landgüter der Reichen im Große n Rat durch das Los vergeben wollten, hätte sich die Stadt nicht so ruhmreich verteidigt. 353 Es ist aber zu beachten, daß man nicht alles zu verbieten braucht, was große Ausgabcn 354A voraussetzt. Es gibt nämlich einiges, was die Stadt prachtvoll und ehrwürdig macht, z u m Beispiel die Kirchen, Paläste und Gärten, die von Privaten sowohl im Innern als auch außerhalb mit großem Aufwand und wunderbarer Kunstfertigkeit erbaut werden. Solche Werke bereiten den übrigen Bürgern größten Gefallen, und in den Fremden, die in die Stadt kommen, lösen sie Bewunderung und Staunen aus; und jedesmal, wenn sie vernehmen, daß derart prächtige Bauten von Bürgern errichtet worden sind, die sich bezüglich Kleidung und Sitten von den übrigen nicht unterscheiden, wächst ihr Erstaunen. Auch in R o m war es so, daß ein Bürger, dem sich mächtigste Könige u n d Herrscher zu Füßen warfen, nachdem er ihre Heere besiegt und ihre Länder unterworfen hatte, später in der Stadt über niemand anderem zu stehen schien. Alle diese Ausgaben sollte man wie gesagt nicht verbieten, da sie die
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Stadt prächtig und ehrwürdig machen. Geregelt und gemäßigt werden müssen hingegen alle Ausgaben, die bloß im privaten Bereich Überfluß und Prunk sichtbar machen. All das soll Aufgabe der genannten Behörde sein, die man Signori dellepompe nennen k ö n n te, w e n n man die Venezianer nachahmen möchte.
Siebzehntes Kapitel Über die Capitani di parte111
Manchmal kann ich nicht u m h i n , zu tadeln und zu verurteilen, wie unklug unsere Bürger sind, die meinen, unsere Stadt könne nicht in Freiheit leben, ohne mit Frankreich verbündet zu sein. Sie lassen außer acht, daß mit dem Wandel der Menschen und der Zeiten auch die Dinge sich ändern, und daß diejenigen als klug galten, die fähig waren, diese Veränderungen zu erkennen u n d sich ihnen anzupassen. Es gibt nämlich zwei Arten von Unwissenden: Die einen können nicht lernen, selbst wenn sie wollten, weil sie auf irgendeine Weise behindert sind; wer zum Beispiel taub geboren ist, kann kein Wissen vernehmen, wer blind ist, kann das Wesen der Farben nicht erfassen, wer an abgelegenen O r t e n geboren und aufgezogen wird, entbehrt der Möglichkeiten, die es z u m Lernen braucht. Ander e gibt es, die zwar (203) alle Möglichkeiten im Überfluß haben, aber t r o t z d e m so unverständig sind und sich der Wahrheit so starrköpfig verschließen, daß sie nie etwas lernen. Wer sich auf dieser zweiten Stufe befindet, ist zu verachten und verdient es, aus der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen zu werden. So veranlagt sind all unsere Bürger, die einen glühenderen Wunsch nach Freiheit zeigen als die übrigen. (Wer nämlich diese Begierde, frei zu leben, nicht hat, der begnügt sich mit einer Republiksform, in der er erhält, was er wirklich will.) 156A - 157 Sic gleichen jemandem, der ins Feuer greift und dessen H i t z e nicht spürt, hat es doch seit 1494 unzählige Vorkommnisse gegeben, die erkennen lassen, wie wenig Vertrauen die Stadt in den König von Frankreich, Franz I.158, haben darf. U n d trotzdem sind unsere Bürger stets unbelehrbar geblieben; kann man da etwas anderes von ihnen bc-
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haupten, als daß ihnen der gesunde Menschenverstand abgehe? 359A Ich will möglichst kurz aufzählen, wie oft der König von Frankreich die Stadt verraten hat und wie unheilvoll sein Verhalten ihr gegenüber gewesen ist, damit jedem klar wird, wie falsch die Meinung ist, die man sich über diesen König gebildet hat. Es gibt niemand, der nicht weiß, daß König Karl, als er in Florenz mit den Florentinern ein Bündnis einging, einen öffentlichen Eid darauf ablegte, ihnen die Festungen von Pisa, Scrrazana und Pietrasanta wie auch alles übrige zurückzugeben, was Picro de' Medici an ihn abgetreten hatte. 160 Diesen Eid mißachtete er nicht nur; vielmehr übergaben seine Beauftragten, die für ihn die Festungen besetzt hielten, jene von Serrazana den Genuesen, jene von Pisa den Pisanern und jene von Pietrasanta an Lucca. Wegen des Krieges, der daraus hervorging, erlitt unsere Stadt unermeßlichen Schaden, sowohl das Gemeinwesen wie die einzelnen Bürger. Darauf folgte König Ludwig. 161 Aufgrund der Verpflichtung, die König Karl eingegangen war, hätte er den Florentinern Pisa zurückgeben müssen, aber er dachte gleichwohl nicht daran, etwas dafür zu tun. Als er anrückte, um dem Moro 1 6 2 Mailand zu entreißen, forderte er die Stadt auf, ein neues Bündnis abzuschließen. Weil aber die Florentiner aus Achtung vor dem H e r z o g nicht sofort darauf eingingen, sondern so lange zögerten, bis der König Mailand erobert hatte, wollte er diesen Verzug abgegolten haben; o h n e eine große G e l d s u m m e war er nicht mehr bereit, mit ihnen Freundschaft zu schließen. 163 Er tat genau das Gegenteil dessen, was die Römer im Krieg gegen Antiochos getan hatten 364 ; nach seiner Bezwingung gingen sie mit ihm unter eben jenen Bedingungen ein Bündnis ein, die sie ihm schon vor dem Sieg angeboten hattcn 165A , obwohl er (204) ein sehr starker Gegner gewesen war. Für die Florentiner führte der König darauf mit den Schweizern das U n t e r n e h m e n gegen Pisa durch, bei dem seine Kommandanten so schlecht vorgingen, daß das U n t e r n e h m e n zum großen Schaden der Stadt erfolglos blieb. N i c h t nur bezahlte die Stadt den Schweizern riesige Summen für nichts, weil sie entweder zu träge waren oder ihre K o m m a n d a n t e n in erster Linie die Belange des Königs wahrnehmen wollten; Florenz wurde auch gezwungen, dem König zwanzigtausend D u k a t e n für die Ausgaben zu entrichten, die erfor-
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derlich gewesen waren, um das Lager der Schweizer bei Pisa aufzuheben, wie er behauptete. Z u v o r hatte er dem Florentiner Gesandten gedroht, ihn wie einen Unterhändler seiner Feinde vom H o f zu jagen, w e n n sie ihm die genannte Summe nicht bezahlen würden. 3 6 6 1502 kam es zwischen der Stadt und seiner Majestät zu einem Bündnis, durch das alle früher eingegangenen Verpflichtungen aufgehoben wurden, der König den Schutz der Stadt ü b e r n a h m und die Stadt sich verpflichtete, ihm innerhalb dreier Jahre h u n d e r t z w a n z i g tausend Dukaten zu bezahlen, zusätzlich zu ein paar anderen Bedingungen. Der König schritt darauf z u m Feldzug gegen Genua j 6 7 , doch o b w o h l er dem Florentiner Gesandter, versprochen hatte, nach der E r o b e r u n g Genuas Pisa zu nehmen, wollte er sein Versprechen nicht einhalten, nachdem er Genua eingenommen hatte; stattdessen zog er sich zurück. Als Rechtfertigung gab er an, daß er dies täte, u m Unterstellungen von Papst Julius zu entkräften, wonach er die Toskana besetzen und nach R o m marschieren wolle, um sich z u m Kaiser krönen zu lassen. Und o b w o h l er dann 1507 in Savona, w o er den spanischen König empfing, zu verstehen gab, daß er fünfzigtausend D u k a t e n wolle, wenn man die Angelegenheit von Pisa anläßlich jener Zusammenkunft regle1'"8, scheute er sich nicht, die Stadt wenig später durch einen Gesandten fragen zu lassen, ob sie bereit wäre, von der Belagerung der Pisancr abzulassen, wenn man dies von ihr verlangte. In der Folge benachrichtigte der Monsignore von Chaumont 369 , der Statthalter in Mailand war, den König, daß Pisa sich nicht mehr behaupten könne und im Begriff sei, den Florentinern in die H ä n d e zu fallen, und daß seiner Majestät daraus Nachteile erwachsen würden. Der König hielt es für richtig, alles zu unternehmen, damit die Florentiner jene Stadt nicht einnahmen. Er glaubte nämlich, ihnen keine Tribute mehr abverlangen zu können, wenn sie Pisa einmal erobert hatten. Deshalb trug er dem Monsignore von C h a u m o n t auf, Messer GianiacopoTnulzio 3 7 0 mit 300 Lanzcnrcitcrn nach Pisa zu entsenden, mit dem Befehl, die Florentiner aus Pisa zu werfen, sollten sie es schon besetzt haben, oder andernfalls selber einzumarschieren; wenn er aber keines der beiden Ziele erreichen könne, solle er möglichst nahe bei Pisa lagern und Meldung erstatten. Aufgrund dieses verwerflichen Verhaltens sah sich die Stadt gezwungen, mit dem König eine neue Verpflichtung einzugehen und ihm
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sowie dem König von Spanien je fünfzigtausend D u k a t e n zu bezahlen, falls man innerhalb eines Jahres Pisa zurückcrlangen w ü r d e . U n d weil der König von Frankreich hunderttausend D u k a t e n wollte, schloß man einen zweiten, geheimen Vertrag, durch den sich die Stadt verpflichtete, ihm für ein weiteres, besonderes Geschäft fünfzigtausend Dukaten zu bezahlen. 371 Man kann also leicht erkennen, daß der König (205) mit den Florentinern nicht anders umsprang als mit Feinden, versuchte er doch auf derart üble Weise, ihnen das Geld aus den Taschen zu ziehen. Und obwohl er ihnen gegenüber solche M e t h o d e n angewandt hatte, zogen sie es vor, das spanische Heer h e r a n k o m m e n zu lassen und die Freiheit zu verlieren, nur um sich seine Freundschaft zu sichern und ihm die Treue zu halten. Dabei hätten sie die Freiheit gerettet, wenn sie sich von jenem König, der ihnen nicht helfen konnte, losgesagt hätten und stattdessen mit Papst Julius ein Bündnis eingegangen wären. Dieser wollte ja ihr Regiment nicht zerstören, da es ihn vordem zufriedengestellt hatte. Er wollte es aber von Frankreich abwerben und in sein Bündnis ziehen. Weil ihm dies auf keine Art gelang 172A , entschied er, gleichsam verzweifelt, die Medici nach Florenz zurückzuführen, was ihm dank schlechter Ratschläge der damals Regierenden auch glückte. Die Stadt hielt also stur an der Freundschaft zu Frankreich fest, mit den verheerenden Folgen, die allen bekannt sind. 171 Wohl war König Ludwig in zwei Fällen n ü t z lich für die Stadt - das eine Mal, als er dem H e r z o g Valcntino befahl, sie nicht zu behelligen 174 , das andere Mal beim Aufstand von A r e z z o , als er französische Truppen schickte, die jenes Gebiet für die Stadt zurückeroberten. 1 7 5 Aber es ist zu beachten, daß er dem Valcntino im eigenen Interesse befahl, Florenz in Ruhe zu lassen. Er zog nämlich in Betracht, daß die Macht dieses H e r z o g s , wenn er über Florenz hätte herrschen können, zu gefährlich geworden wäre für jene Tcrritorien 376A , die er selbst in Italien besaß; deswegen entschied er, des Herzogs Macht auf diese Weise einzudämmen. So tat er das G u t e , das er für die Stadt bewirkte, nicht ihretwegen, sondern im eigenen Interesse. Beim Aufstand von A r e z z o schickte er Truppen, um den O r t zurückzuerobern, in erster Linie aus Furcht, der Valcntino oder andere würden ihn einnehmen. Zudem fehlte ihm ein redlicher Grund, diese Unterstützung zu verweigern, weil seine
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Truppen tatenlos in der Lombardei standen, ohne daß irgendein Krieg drohte. Er hätte seine Hilfe zweifellos vcrweigert 377A , wenn er auch nur den geringsten G r u n d dazu gehabt hätte, oder er hätte bestimmt verlangt, daß diese Hilfe die Stadt etwas koste. Was kann man indessen über den gegenwärtigen König Franz 3 7 8 sagen? Beurteilen wir ein wenig seine Taten, durch die er offenbarte, wie vertrauenswürdig er ist und sein kann. Kaum hatte er den T h r o n bestiegen, setzte er die Vorbereitungen fort, die sein Vorgänger begonnen hatte, u m Mailand zu erobern und die gueltische Partei nach Genua zurückzubringen. 3 7 9 Als er im Anmarsch war, ging ihm Ottaviano Fregoso 3 8 0 , der Doge von Genua, der zur gegnerischen Partei gehörte, entgegen, u m mit ihm ein Bündnis zu schließen. D e r König ging darauf ein, ohne irgendwelche Rücksicht auf seine Freunde 381A und Anhänger zu nehmen. Darauf nahm er Mailand ein und erwarb sich damit in der ganzen Welt Ruhm und Ansehen. Florenz hätte er mit einem Wink befreien können, doch schloß er mit Papst Leo, der ihm sämtliche Truppen der Kirche und von Florenz entgegengeschickt hatte, einen Vertrag ab. Dies war also die Freiheit, die er der Stadt zurückgab. 1 8 2 Das genügte indessen nicht, denn als später L o r e n z o de' M e d i a , während er in Frankreich weilte, um sich zu vermählen, zur Ü b e r z e u g u n g gelangte, daß er sich z u m absoluten Herrscher über (206) Florenz machen sollte, ermunterte Franz i h n - s o w e i t ich vernommen h a b e - , diese Gedanken in die Tat umzusetzen, und versprach ihm seine Hilfe und Gunst. 383 Es kam dann zum Machtwcchscl von 1526, worauf die Stadt sofort dem Bündnis von Franz beitrat, dem auch die Venezianer und der Papst angehörten. Als der Monsignore von Lautrec vorbeimarschierte, um Neapel zu erobern, schickte die Stadt ihre Truppen mit, die damals in besserem Ruf standen als alle anderen Italiens. 384 Nachdem dieses Heer zerschlagen war, trug die Stadt in großem Umfang zu den Ausgaben bei, die der König machen wollte, um Barlctta zu halten. D o r t h i n hatte sich Signor Rcnzo da Ceri zurückgezogen, um die Kaiserlichen in jener Gegend zu binden. 385 O h n e Hoffnung auf eine bessere Zukunft wollte die Stadt lieber diesen Nachteil auf sich nehmen, als die Freundschaft mit dem Kaiser zu suchen, wie es ihr von Messer Andrea Doria, der bei dieser Majestät größten Einfluß besaß, angeboten w o r d e n war.
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Der König schloß darauf mit dem Kaiser einen Vertrag ab, aus dem er neben allen anderen Mächten Italiens auch die Republik Florenz ausklammerte, ohne ihre Verdienste zu berücksichtigen. 386 Während der nachfolgenden Belagerung befleißigte sich der König, alles zu tun, um die Vertragspunkte einzuhalten, da er seine Söhne zurückhaben wollte. Weil er glaubte, es diene seinen Belangen sehr, wenn das kaiserliche Heer durch die Belagerung gebunden sei, machte er unserem Botschafter immerzu umfangreiche Versprechen: er werde Großes tun für die Stadt, sobald er seine Söhne zurückhabe. Als er diese zurückbekommen hatte, und ihn der Botschafter ersuchte, einen Teil der versprochenen Dinge zu unternehmen, antwortete er, daß er nichts versprochen habe. Und so kehrte unsere Stadt, von ihm und allen anderen verlassen 387 , unter das Joch der Knechtschaft zurück. Es ist somit klar, wie wenig man auf die Freundschaft des Königs von Frankreich vertrauen darf, läßt er selber sie doch außer acht, solange er nicht sieht, daß sie seinen Belangen nützt. Wie sehr seine Feindschaft zu fürchten ist, hat leicht erkennen können, wer nicht blind ist. Er knüpfte nämlich mit seinen hartnäckigsten Feinden Familicnbande, und zwar mit dem Herzog von Fcrrara 388 , der noch kurz zuvor für die Heere seiner Gegner aufgekommen war, sowie mit den Medici. Letztere entrissen ihm 1520 unter Papst Leo die Herrschaft über Mailand und Genua 389 , und Papst Clemens traf mit den Kaiserlichen ein Abkommen und bezahlte ihnen große Geldsummen, während Lautrec mit seinem Heer nach Neapel eilte, u m ihn zu befreien. Damit hat der König der ganzen Welt bewiesen, daß Freundschaft und Feindschaft bei ihm (207) einerlei sind. Wer mehr als der König selber auf die Freundschaft vertraut, verdient daher, für mehr als d u m m zu gelten. Die überkommene Meinung unserer Bürger, daß die Stadt ohne die Freundschaft Frankreichs nicht frei sein könne, ist somit auszutilgen. Es muß dafür gesorgt werden, daß die Freiheit ohne den König von Frankreich und ohne irgendeinen anderen Fürsten oder eine andere Republik bewahrt werden kann. Die A b k o m m e n sind zu verändern, je nach den Zeitumständen, der Veranlagung der Menschen und den übrigen Ereignissen, die sich in den menschlichen Angelegenheiten täglich offenbaren. So haben es, wie wir sehen, die
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Venezianer und Herzog Alfons von Ferrara gemacht; in all den U m w ä l z u n g e n , die Italien erlebte, seit der Krieg zwischen dem Kaiser und dem König von Frankreich ausgebrochen ist, haben sie dank dieser Verhaltensweise Ansehen und Größe erworben. Und wer meint, daß unsere Vorfahren stets zu Frankreich gehalten hätten und deshalb auch wir dies tun müßten, dem soll entgegnet sein, daß man stets die weisen Menschen nachahmen müsse. Wer aber der Weisheit der Vorfahren gewahr werden will, der schaue, mit welcher Verfassung sie die Stadt regiert und geführt haben - eine Verfassung, die neben den täglichen Streitigkeiten im Volk letztlich für die große Macht Cosimos und seiner Nachfolger verantwortlich war. Und jene, die während der beiden vergangenen Republiken die gleiche Meinung vertreten hatten, wurden damit zweimal unterworfen und geknechtet. U m aber eine solche Meinung nicht nur den Bürgern, sondern ganz Italien auszutreiben, muß man die Capitani di parte beseitigen 190 und stattdessen eine andere Behörde schaffen, die Aufseher der Befestigungen (Provveditori delle muniziom) heißen soll. Ihnen sei die Aufgabe übertragen, die Stadt und die Festungen des Dominio reichlich mit Pulver, Salpeter, Bleikugeln, Geschützen aller Art und mit allem übrigen aufzurüsten, was der Krieg erfordert. Ich möchte, daß diese Behörde den Dieci unterstellt ist und ihnen Rechenschaft schuldet über die Geschäfte, die sie zu besorgen hat. Dies ist alles, was meines Erachtens zu den Capitani di parte zu sagen ist. Wir kommen nun noch auf einige besondere Anordnungen zu sprechen.
Achtzehntes Kapitel Ü b e r einige besondere Anordnungen
(208) Alle, die über die Republiksverfassungen schreiben, erörtern auch, wie man die Jugend erziehen soll.191 In den antiken Republiken versuchte man immer mit größter Sorgfalt zu erreichen, daß die Jugend so w u r d e , wie sie sein sollte. In der Antike glaubte man nämlich, daß Menschen, die im jugendlichen Alter nicht gut erzogen
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worden seien, auch als Erwachsene nicht über die Eigenschaften verfügen könnten, die dieses Alter erfordere. Diese Sorge ist in allen Republiken Italiens zu deren größtem Nachteil immer mißachtet worden. Wer nach Siena, Lucca, Genua, Venedig oder Florenz geht und die Sitten der Jungen beobachtet, wird an ihnen denn auch nichts Lobenswertes finden. Doch beschränken wir uns auf die Florentiner und übergehen die übrigen, die uns nicht betreffen. Wenn wir ihr Wesen betrachten, das man bei öffentlichen und privaten Festen leicht erkennen kann, so sehen wir, daß sich unsere Jungen am liebsten damit vergnügen, Ärger zu erregen. Wenn ein Bürger Hochzeit hält, bereitet es den hinzutretenden Schaulustigen am meisten Vergnügen, das Fest auf rohe Art und Weise zu stören. Wird ein öffentliches Fest begangen, gehen die Jungen, die es besuchen, bloß in der Absicht hin, es zu verderben, um sich am Durcheinander zu ergötzen. Ein jeder schaue, wie viele Gewalttaten, wie viele Mißhandlungen den Menschen bei den fasnächtlichen Maskenzügen angetan werden! Sobald die Kinder auf den Füßen stehen können, vergnügen sie sich einzig mit Spielen, bei denen jener am meisten Anerkennung gewinnt, der dem Mitspieler am schlimmsten zusetzt, wie etwa beim Spiel mit Fäusten 392A und Steinen. Da sie in solcher Zügcllosigkcit aufwachsen, ist es darauf nicht verwunderlich, wenn sie keine Ehrfurcht vor den Alten haben und die Weisungen der Behörden wenig respektieren. Iacopo Fornaciaio 393 etwa, ein sehr bekannter Mann in unserer Stadt, gab einmal ein überaus glanzvolles Bankett im H a u s , das er außerhalb der Porta San Friano 394 besaß. Zu diesem Bankett 195 erschienen die bedeutendsten Bürger der Stadt und die höchsten Würdenträger des damaligen Regiments. U m das Fest zu verschönern, ließ der genannte Iacopo nach dem Mahl eine Komödie von Niccolo Machiavelli aufführen, deren Ruf in allen den Wunsch geweckt hatte, sie zu sehen. 396 Dazu fand sich auch eine Fcstgcscllschaft ein, die vornehme Junge gebildet hatten, um sich gemeinsam bald mit dieser, (209) bald mit jener Sache zu vergnügen. 197 Kaum waren sie dort angekommen, wo die Komödie aufgeführt werden sollte, machten sie sich zu Herren über das ganze Haus, und sobald sie dessen Türe kontrollierten, ließen sie nur herein, wer ihnen beliebte. Mit Lärm, Ü b e r m u t und Frechheiten erreichten sie darauf, daß jener O r t eher
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der Hölle der Verdammten glich als einer Stätte, an der ein Fest stattfinden sollte. U n d obwohl die ältesten und bestgeachteten Bürger anwesend waren, ließen sich diese Jungen nicht davon abbringen, alles zu tun und zu sagen, was sie wollten. Es geschah überdies, daß einer der Alten, der aus irgendeinem Grund nicht in jener Reihe sitzen konnte, die ihm und anderen zugewiesen war, auf die Idee kam, die Bühne für die Komödie zu besteigen, um sich auf eine der Sitzbänke niederzulassen, auf denen bereits einige Junge saßen - in der Meinung, einer der Jungen würde ihm Platz machen. Er stieg auf die Bühne und näherte sich den Bänken, mußte aber so lange stehen, bis ihm Diener des Hauses eine Sitzgelegenheit herbeitrugen. Die Jungen brachten ihm nicht mehr Achtung und Ehrfurcht als dem geringsten Mann der Stadt entgegen. O b w o h l es mich schmerzte, unsere Jungen so ungesittet zu sehen, lachte mir trotzdem das H e r z im Leib, sahen doch jene Alten einmal, in welchem Licht sie bei der Jugend standen und wie gut sie es verstanden hatten, ihre Söhne zu erziehen; sie, die so viel bürgerliche Weisheit vorgaben und - viele von ihnen leben noch - weiterhin vorgeben. U n s hingegen, die wir unsere Republik in jeder Hinsicht vollkommen haben wollen, scheint es, man müsse alles unternehmen, um die Jungen so zu erziehen, daß sie später maßvoll und ernsthaft seien, daß sie die Alten ehren, das Gute lieben, das Schlechte bekämpfen, sich um das öffentliche Wohl kümmern, die Gesetze achten, G o t t fürchten und sich bei all ihrem Tun heiter und fröhlich zeigen. Deshalb ist es nötig, alles entschieden zu verbieten, was die Menschen daran gewöhnt, sich mit schlechtem Tun zu vergnügen, etwa das Spiel mit Fäusten und Steinen, das Umherziehen mit Maske und Ball, das in unserer Stadt üblicherweise von Gewalttätigkeiten begleitet ist398, schließlich alle Bräuche, die unter den Menschen Feindschaft hervorrufen. Wenn man gute Menschen haben will, genügt es aber nicht, das Schlechte zu verbieten, ohne das Gute zu fördern. Deshalb wollen wir zwar alle Bräuche verbieten, aus denen die genannten Mißstände erwachsen, zugleich aber auch all jene Gepflogenheiten einführen, die das Gegenteil davon bewirken. Wer also wünscht, daß die Jungen den Alten die Ehre erweisen, der sorge dafür, daß die geachtetsten Alten, die in der Republik einen höheren (210) Rang einnehmen als
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die übrigen, in der Öffentlichkeit in entsprechenden Gewändern auftreten. Wer ihnen begegnet, kann dann unmöglich vorgeben, er wisse von nichts, sondern wäre gezwungen, sie zu grüßen. Aus diesem Grund sagten wir oben, daß die Procuratori und die Signori, auch wenn sie zu Hause wohnen, sich von den übrigen in bezug auf die Kleidung ebenso abheben sollten wie in bezug auf den Rang. Gehen sie so zur Kirche, zum Rathaus oder zu ihrer Erholung bisweilen durch die Stadt und begegnen dabei Jungen, so werden sie von diesen ehrerbietig gegrüßt. Aus dieser Angewohnheit ergäbe sich zudem, daß allen anderen Alten die Ehre erwiesen würde, die ihnen gebührt. Auch ist es ja so, daß derjenige, der einen anderen ehrt, ihm in allem soweit als möglich gefallen will, da er ihn sonst gar nicht ehren würde. Wenn die Jungen die Alten ehrten, würden sie sich also anstrengen, nach deren sittlichen Vorstellungen zu leben, und infolgedessen wären sie ernsthaft und maßvoll. Weil man nun auf zwei Arten Gutes oder Schlechtes tut, nämlich mit Worten oder mit Taten, so gäbe unsere Republik den Jungen zweifellos Anlaß, vieles zu diskutieren. Fehlt ihnen dies, sind sie gezwungen, ihre Gedanken und Gespräche auf viele andere Dinge zu lenken, die unwürdig sind, daß jemand sie erwägt, geschweige denn darüber spricht. Jeder kann nämlich über das Wesen und die Fähigkeiten der Bürger diskutieren, um sich klarzuwerden, wem er seine Stimmen geben soll. Die besonderen Vorfälle, die sich im Laufe der Zeit innerhalb und außerhalb der Stadt ereignen, halten die Gespräche der Menschen stets in Gang. Auch die Neuigkeiten, die man von den Botschaftern vernimmt, geben nicht wenig Gesprächsstoff her. Schließlich bieten alle, selbst die unbedeutendsten öffentlichen Handlungen einem jeden die gewünschte Gelegenheit zu einer Diskussion. All dies hilft nicht nur, die Jungen von belanglosen Gesprächen abzuhalten; sie werden auch sachkundiger in den öffentlichen Angelegenheiten, wenn sie darüber diskutieren. Wie nützlich das Besprechen gewichtiger Dinge für die Republik ist, will ich indessen dem Urteil jener überlassen, die Kenntnisse von der Antike haben, und nicht dem Urteil der Alten unserer Tage. Diese schätzen ja das Leben unter der Tyrannis, die sie errichtet haben und in der es weder ihnen selbst noch anderen erlaubt ist, auch nur den M u n d zu öffnen, um öffentliche Geschäfte zu diskutieren; und sie sagen, daß
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die Jungen nicht über die Republik sprechen sollen, sondern über das Ausleben ihrer leiblichen Gelüste. 399 Das schlechte Handeln könnte man zum großen Teil durch militärischen Übungen, auf die wir gleich zu sprechen kommen, und durch die Beschäftigung mit der Republik unterbinden. Es ist aber zu beachten, daß die Menschen, wenn sie ein derart aktives Leben voller körperlicher und geistiger Anstrengungen führen, (211) dies zweifellos nicht durchstehen, wenn sie nicht von Zeit zu Zeit ausspannen. Deswegen ist es den Menschen in unserer Stadt zweimal im Jahr erlaubt, sich zu vergnügen: während des Karnevals und während des Festes des Heiligen Johannes. 400 Es ist also dafür zu sorgen, daß jeder sich zu diesen Zeiten erheitern kann. Es scheint mir daher angebracht, eine Behörde zu schaffen, die jeweils auf ein Jahr eingesetzt wird und für alle Feste zuständig ist, die man öffentlich feiern darf, so daß niemand ein Fest begehen kann ohne die Erlaubnis dieser Behörde. Bewilligt die Behörde eine öffentliche Veranstaltung, sei sie gehalten, diese auch zu unterstützen, und sie soll dabei umfassende Befugnisse haben. Zu den öffentlichen Veranstaltungen, die großes Vergnügen bereiten, gehören die Komödien, die Ballwettspiele 401 und die Maskenzüge, die unsere Jungen mit großem Einfallsreichtum durchführen 402 . Ich meine, daß die K o m ö dien und die Maskenzüge als gute Beispiele dienen sollten; es fehle ihnen nicht an der Heiterkeit, welche die Zeit erfordert, doch sollen sie so geordnet sein, daß Schlechtes nicht aufkommen kann. M e h r als alles andere w ü r d e hingegen eine Parade der gesamten Miliz Gefallen finden, die man in dieser Zeit abhalten soll. D a r ü b e r und über die öffentlichen Bankette werden wir unten noch sprechen. Bleiben wir vorerst bei der Unterweisung der Jungen. Unter ihnen gibt es manchmal einen, der über die Klugheit eines Alten verfügt, wie es in Rom bei Scipio Africanus und Valenus Corvinus 4 0 3 der Fall war. Meines Erachtens wäre es gut, jedes Jahr all jene einer Wahl zu unterziehen, die das erforderliche Alter, um Ämter zu bekleiden, noch nicht erreicht haben; wer die Wahl gewinnt, ist zu allen Ämtern zugelassen. Eine solche Bestimmung würde die Jungen auf wunderbare Weise zur Tüchtigkeit anspornen, denn sie sähen eine Möglichkeit, schon in jungen Jahren zu jenen Ehren zu gelangen, die den
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übrigen erst im Alter zu R u h m verhelfen. So wie die Alten mehr durch Habsucht als durch Ruhm bewegt werden, so lassen sich die Jungen durch Ruhm mehr anspornen als durch alles andere. Wenn sie ihn früh genießen können, konzentrieren sie sich ganz auf jene Dinge, durch die sie ihn zu erlangen glauben. U m die Republik zu vervollkommnen, müßten noch zahlreiche weitere Anordnungen getroffen werden, durch die sowohl die Alten wie die Jungen besser würden, als sie es gegenwärtig sind und früher waren. So könnte man für Untaten sehr hohe Strafen anordnen und Tugenden mit großzügigen Belohnungen fördern; denn wie der Rcchtsgclehrte sagt, meiden die Menschen das Schlechte aus Angst vor Bestrafung, während die Aussicht auf Belohnung sie zur Tugend anspornt. Vor allem sind jene hart zu bestrafen, die Bürger bestechen, um Stimmen zu erhalten, denn wer sich so vergeht, versucht nichts anderes, als seine Vaterstadt zu ruinieren, indem er die Bürger käuflich macht. Es ist indes zu beachten, daß Abstimmungen noch durch anderes verfälscht werden als durch Geld und sonstige Versprechungen, welche die Menschen (212) sich geben, um ans Ziel ihrer Wünsche zu gelangen. So haben viele ihre Absichten leichter mit Heuchelei und Verstellung verwirklicht als mit etwas anderem. Z u r Zeit, als Bruder Girolamo predigte, waren es die geachtetsten und bedeutendsten Bürger von Florenz, die seine Lehre zu befolgen und sein Leben nachzuahmen vortäuschten. Der Machtwechscl von 1512 ließ sie dann aber einen anderen Lebenswandel annehmen. Als sie nämlich sahen, daß das fromme Leben, wie es von Bruder Girolamo gcpredigt 404A worden war, nicht mehr ehrbar und nützlich war, wandten sie sich von dieser Lebensweise ab und machten sich jene zu eigen, die ihnen ermöglichte, ihrem Ehrgeiz und ihrer Habsucht freien Lauf zu lassen. Aber was rede ich von den Weltlichen - wo doch selbst die Mönche von San Marco 405 nach jenem Machtwechscl ihre Lebensweise änderten und die Enthaltsamkeit und Frömmigkeit aufgaben, die sie zuvor geübt hatten. Am schlimmsten ist, daß viele von ihnen sich um kirchliche Würden bemühten, nachdem sie das Kloster verlassen hatten, um entweder Bischof, Gencralobcrcr oder Abt zu werden - der eine dies, der andere jenes. Durch das schlechte Beispiel, das sie den jungen Ordensbrüdern gaben, fügten sie ihrer
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Religion größten Schaden zu. Sie schämten sich auch nicht, von den Kanzeln der öffentlichen Kirchen herab solche Leute als fromm zu preisen, die es aufgrund ihrer Untaten und ihrer Grausamkeit verdient hätten, mitten in die Hölle geworfen zu werden. Als man dann 1526 zur bürgerlichen O r d n u n g zurückkehrte, nahmen jene Bürger wieder die gleiche Lebensweise an, die sie vorher abgelegt hatten. Einige von ihnen gebärdeten sich unter dem Mantel der Religion derart anmaßend, daß niemand etwas zu sagen wagte, was ihren Ansichten widersprach. Wenn man während der Belagerung ein Gebiet verlor oder wenn sich ein sonstiger Vorfall ereignete, welcher der Bürgerschaft mißfiel, meinten sie, daß alles gut gehe und daß man auf dem Weg sei, der die Stadt zum Sieg führe. Indem sie die Worte Bruder Girolamos völlig falsch auslegten, versicherten sie bei allem, man solle G o t t walten lassen, und weil sie aus Unfähigkeit oder fehlendem Mut nicht taten, was geboten war, und sie mit ihrer Zudringlichkeit und Anmaßung auch die übrigen daran hinderten, konnte Malatcsta Baglioni die Stadt schließlich ins Verderben stürzen, ohne daß er die Strafe erlitt, die er verdient hätte. 406 Die Lebensweise jener, die Frömmigkeit vortäuschen, indem sie mit den O r d e n s b r ü d e r n von San Marco verkehren und in scheinheiliger Weise eifrig am Gebet teilnehmen und die Kommunion empfangen, ist zweifelsohne sehr schlecht für unsere Stadt, zeigt sie doch die gleichen Auswirkungen wie damals die Spenden in Rom. 407 Sie ist sogar noch viel schlimmer: Während sich die Spenden auf bestimmte Weise zum Guten wenden ließen, findet man für eine derartige Lebensführung nur schwerlich ein Heilmittel. Würde sich nämlich jemand dafür aussprechen, solche Lebensweisen zu verbieten, (213) erweckte er den Anschein, als wollte er den Menschen das gute Handeln untersagen, und er würde geradezu als schlimmster Feind des Glaubens an Christus verschrien. Allein die Mönche könnten so viel Heuchelei leicht beseitigen - d a d u r c h nämlich, daß sie den Bürgern das Gespräch verweigerten und sie daran erinnerten, daß man im Rathaus und nicht in San Marco Politik betreiben solle; und wenn sie eingeladen werden, im Ratssaal zu predigen 408 , sollten sie darauf verweisen, daß, wer sie hören wolle, dies an jenen Orten tun könne, die zur Verkündigung der Worte Gottes bestimmt seien, und daß man im Rathaus mit der Mütze 409 und nicht mit der Kapuze
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auf dem Kopf predige. Und wenn auch Bruder G i r o l a m o d o r t predigte, so gibt es heute keinen Bruder Girolamo mehr, der mit so viel Gelehrsamkeit, Klugheit und Frömmigkeit verschen ist. Die Mönche dürfen sich deshalb nicht anmaßen, jemanden nachzuahmen, der sie in allem weit übertraf. Man darf aber nicht hoffen, daß die M ö n c h e dieser Aufgabe je nachkommen werden, denn auch sie sind ehrgeizig und schätzen das Gespräch mit den Weltlichen; wer unter ihnen von den Weltlichen häufiger besucht wird und mehr mit ihnen spricht, hält sich für weiser und bedeutender als die übrigen. So ließen es auch sie z u r Spaltung kommen; einige von ihnen gelten als Freunde der freiheitlichen Verfassung, andere als solche der Tyrannis. Mit jedem U m sturz in Florenz änderten auch sie ihre Führung, entzogen sie jenen, die sie innehatten, und gaben sie anderen, die zuvor ausgeschlossen waren. Und so, wie der Sturz des vergangenen Regiments die Stadt stärker umwandelte, als dies je der Fall gewesen war, änderten auch sie mit dem Wechsel ihrer Obrigkeit die Lebensführung und alles übrige. Sic beschränkten sich nämlich nicht darauf, die führenden Amtsinhaber abzusetzen, sondern schafften sie aus der Stadt und schickten sie gleichsam ins Exil. Ihre höchsten Ä m t e r übertrugen sie dann nicht jenen, die der Religion dienlich gewesen wären, sondern solchen, von denen sie glaubten, sie seien den Herrschern von Florenz genehm. Ferner legten sie jene Sitten weitgehend ab, die sie dem Betrachter als demütig, sanft und andächtig erscheinen ließen; sie senken die Häupter und den Blick nicht mehr, wie sie es einst zu tun pflegten, sondern gehen mit erhobenem H a u p t und Blick umher und lassen nicht erkennen410*1, daß zwischen ihnen und den übrigen ein Unterschied besteht. Während Bruder Girolamo allen weltlichen Besitz verkaufen ließ, häufen sie gegenwärtig unter dem Vorwand, Gärten anzulegen, riesige Besitzungen an. Sie tadeln zwar von den Kanzeln herab die Weltlichen streng, sie seien so sehr mit irdischen Dingen beschäftigt, daß sie nie daran dächten, einmal sterben zu müssen, und deshalb würden sie so (214) prächtige Paläste bauen. Glcichwohl 411A sind sie selber in ihren Klöstern ständig am Bauen und haben so ihren Wohnstätten vielerorts solche Pracht verliehen, daß sie von Fremden als wundervolle Werke besucht werden. Auf diese Weise bekunden sie, nicht anders als die Weltlichen leben zu
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wollen, und sie geben allmählich alle Regeln und Sitten auf, die Bcttclmönchen eigentlich anstehen. Es besteht also keine Hoffnung, daß diese Mönche der Stadt je die Wohltat erweisen werden, den erwähnten Bürgern ein besseres Leben zu lehren, müßten doch sie selber von den Weltlichen zurechtgewiesen werden, weil sie nicht mehr mit der Frömmigkeit und Hingabe leben, die sie zur Zeit Bruder Girolamos und ihrer anderen Vorgänger zeigten. Deshalb muß man sich nach anderen Heilmitteln umsehen, um das häßliche Laster der Heuchelei auszumerzen, falls dies möglich ist. Das beste, das mir in den Sinn kommt, ist wohl die feste Überzeugung der Menschen, daß all jene Bürger, die während der Herrschaft des G r o ß e n Rates ihre Frömmigkeit zur Schau tragen, in anderen Zeiten aber nicht besser sind als die übrigen, die schlimmsten der Stadt seien. Dies hegt klar auf der Hand, denn wenn sie um ihres Seelenheils willen ein solches Leben führten, würden sie es nie ändern u n d wären unter der Tyrannis gleich fromm wie in der Freiheit. Christus will ja, daß man beim guten Handeln keine Zurückhaltung zeigt und das eigene Seelenheil über alle anderen menschlichen Dinge stellt. Jene Bürger hingegen lassen sich in San Marco nie sehen, wenn die Stadt von den Medici regiert wird; ist sie aber wieder frei, w i r d d i e s e r O r t in ganz.Florenz am meisten besucht. Deswegen erlebt man an dieser Stätte den Machtwcchsel viel deutlicher als sonstwo in der Stadt. Nicht zu den guten Bürgern gehören also jene, die den ganzen Tag mit den Mönchen flüstern und die Sorge um die öffentlichen Geschäfte G o t t überlassen, dabei aber auf die eigenen, privaten Angelegenheiten alle Sorgfalt verwenden und in San Marco nach Unterstützung suchen, um Amter zu erlangen, in denen sie weder Anstrengungen auf sich nehmen wollen noch überhaupt gedenken, sie gerecht und ernsthaft zu führen. Als gut sollen jene Bürger gelten, die das öffentliche Wohl glühend lieben und bereit sind, Leben, H a b und G u t sowie alles übrige dafür einzusetzen, und die bei der Amtsführung kein anderes Ziel verfolgen als die Ehre Gottes und den öffentlichen N u t z e n . Weil sie glauben, daß im öffentlichen Wohl das private enthalten sei, lassen sie die eigenen Geschäfte ruhen und gehen unermüdlich den öffentlichen nach, wenn ihnen die Leitung der Republik übertragen wird. (215) Werden die öffentlichen Ge-
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Schäfte anderen anvertraut, überlassen sie die Sorge darum und die Führung jenen, die verpflichtet sind, sie zu leiten, und kümmern sich um ihre privaten Angelegenheiten. Sie sind es, die weder von den Weibcln der Republik noch vom Klang der Glocke, die zur Zeit Raffaello Girolamis nützlicherweise eingeführt wurde, ermahnt werden müssen, wenn sie sich in den Behörden einzufinden haben. Als es noch keine Glocke gab, kamen die Amtsträger immer erst dann in den Sitzungszimmern zusammen, wenn es Zeit zum Aufbrechen war. Zuerst wollten sie sich nämlich in den Kirchen ausgiebig sehen lassen, danach besuchten sie ihre Gcschäftslokalc, und nachdem sie so viele Geschäfte erledigt hatten, wie sie wollten, kamen sie auf den Platz, wo sie sich aus irdischem Dünkel nochmals recht viel Zeit ließen. Wenn es dann, nachdem sie sich endlich zur Sitzung versammelt hatten, etwas zu besprechen gab, sagten alle, sie würden sich kurz fassen, da es schon spät sei, und kaum waren sie in den Sitzungszimmern eingetroffen, kam ihnen jede Stunde wie tausend Jahre vor, weil sie wieder aufbrechen wollten. Man beseitigte diesen Mißstand durch die Bestimmung, eine Glocke zu läuten, bei deren Klang sich alle Behörden zu versammeln hatten. 412 Dies ist sicherlich sehr nützlich für die Republik, sowohl für die Amtsträger als auch für jene, die auf sie angewiesen sind, und sollte die Republik je wiederkehren, dürfte man diese Anordnung nicht weglassen. Wenn wir aber zum Thema zurückkehren, so sind jene Bürger als gut anzusehen, die der obigen Beschreibung entsprechen. Ihnen soll man die Stimmen geben, wenn im Großen Rat gewählt wird. Wer aber jene Bürger, die ihren Glauben in der beschriebenen Weise vortäuschen, gleich beurteilt wie ich, der wird das Laster der FIcuchelci weitgehend eindämmen, ohne daß es weiterer Maßnahmen bedarf. Wird über jemand abgestimmt, so wäre es vielleicht gut, nach seinem Namen auch zu verkünden, ob er bereits gewisse Ämter versehen habe; die Menschen würden sich dann an das Auftreten der Bürger während ihrer Amtszeit erinnern und nur solche wählen, die sich gut verhalten haben. Außerdem wäre es sehr zweckmäßig, in jeder Versammlung des Großen Rates bekanntzugeben, welche Bürger von den Otto oder einer anderen Behörde wegen Wucher, Mord, einer anderen Gewalttat, wegen Sodomie oder weiterer Vergehen verurteilt wurden. Das hätte zur Folge, daß die Menschen aus Angst
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vor dieser Schmach schlechtes Handeln unterließen, und wer t r o t z d e m Schlechtes täte, den würde man kennen. Wenn jeder sähe, daß jene, die so große Frömmigkeit vortäuschen, in gleicher Weise sündigen wie die übrigen, so ließe man sich durch ihre Heucheleien nicht irreführen und würde als gut erachten, wer Gutes wirklich t u t - n i c h t w e r vorgibt, es zu tun. Dies wären die besten Heilmittel gegen die Heuchelei der Bürger, vor allem (216) jener, die das jugendliche Alter überschritten haben. D e n n alle anderen, die nachfolgen, würden durch die Verfassung der Republik und durch die militärischen Ü b u n g e n zu hochherzigen Menschen; sie würden von sich aus ein derartiges Laster hassen, das von Untauglichkeit und Feigheit durchtränkt ist. Später einmal werden noch zahlreiche weitere Anordnungen zu treffen sein, um die Bürger gebildet, tapfer und standhaft, gerecht und maßvoll zu machen, denn in Zeiten der Muße bedürfen sie der Bildung, in Zeiten des Handelns der Tapferkeit und Standhaftigkeit, und zu allen Zeiten der Gerechtigkeit und Mäßigung. Es gibt viele Einzelheiten, die man zu Beginn einer guten Reform nicht erkennen kann und um die sich dann die Regierung mit der Zeit kümmern muß. Deshalb lassen wir deren Erwägung bleiben und beenden hier das vorliegende dritte Buch.
VIERTES BUCH Erstes Kapitel Die Stadt muß sich mit den eigenen Truppen verteidigen, die in innere und äußere unterteilt werden
Zu Beginn des vorangegangenen Buches haben wir gesagt, daß Republiken aufgrund innerer Unruhen und äußerer Angriffe untergehen und daß man ersteren durch die gut geordnete Republiksform und letzteren durch die mit guten Gesetzen und guten Einrichtungen eingeführte Miliz vorbeuge. Da wir nun die Einführung der Republik ausgearbeitet haben, bleibt uns noch alles zu erörtern, was es zu den Truppen zu sagen gibt. Diese werden in die eigenen, die Hilfskräfte und die Söldnertruppen unterteilt. Es ist nicht nötig, (217) daß wir weit ausholen, um die Mängel der Hilfs- und Söldnertruppen aufzudecken, da sie von Niccolo Machiavelli bereits scharfsinnig erörtert worden sind. 411 Es genügt die Feststellung, daß diese Mängel sich vergrößern, sooft man sich dieser Truppen bedient, ohne sie durch eigene zu ergänzen; sie können dann nämlich ihre Boshaftigkeit ungezügelt und rücksichtslos ausleben. Wenn nun die erwähnten zwei Truppenarten voller Mängel sind, bleiben die eigenen Truppen, mit denen sich die Fürstentümer und Republiken verteidigen müssen. Wer die natürlichen Gegebenheiten gut studiert, kann sehen, daß die N a t u r die vornehmsten Tierarten mit hinreichenden Mitteln ausgestattet hat, um sich selbst - ohne fremde Hilfe-verteidigen zu können. Diese Fähigkeit hat sie sowohl dem Menschen wie den Tieren gegeben. Wer nicht in Betracht zieht, sich selbst zu verteidigen, vergißt demnach zu tun, was für alle natürlich ist. Es ist also nichts als natürlich, zur eigenen Verteidigung gerüstet zu sein. Was aber die einzelnen Menschen zum privaten N u t z e n , müssen auch die Städte zum öffentlichen N u t z e n tun, denn das Gemeinwesen ist wie der einzelne Mensch ein natürlicher Körper. Deshalb müssen die Republiken und Fürstentümer die eigenen Männer bewaffnet halten, um sich gegen äußere Angriffe zu verteidigen. Wer ferner untersucht, mit welchen Truppen die antiken
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Republiken und Fürstentümer ihre Herrschaft verteidigten und vergrößerten, der wird entdecken, daß ihnen weder das eine noch das andere möglich gewesen wäre, hätten sie nicht die eigenen Männer bewaffnet. Ich will mich aber nicht lange über dieses Thema auslassen, da ich es an anderer Stelle ausführlich erörtert habe. 414 Ich berufe mich einfach auf das, was ich damals darüber gesagt habe. Aus dem gleichen Grund will ich die Erwägungen darüber weglassen, wem man Waffen geben soll, denn damals kam ich zum Schluß, daß nicht nur jene zu bewaffnen sind41:,A, die wir Bcneficiati4U' nennen, sondern auch die übrigen, die in der Stadt wohnen und deren Steuerlast mittragen, weil sie in ihr über Häuser oder Besitzungen verfügen. 417 Im weiteren wollen wir auch den Contado und den Dominio4n bewaffnen, und zwar auf solche Art, daß diese Truppen die Mängel der Hilfstruppen, denen sie ähnlich sind, nicht aufweisen. Unsere Truppen werden also in innere und äußere unterteilt sein, wobei wir nun zuerst die inneren und anschließend die äußeren behandeln wollen. 419
Zweites Kapitel Wie man die Stadtmiliz einführen muß
(218) Wie jedermann weiß, ist unsere Stadt in Quartiere eingeteilt. Der eine gehört zu diesem Quartier, der andere zu jenem; nicht jeder w o h n t indessen im Quartier, dem er angehört. Dazu ist es gekommen, weil im Laufe der Zeit die Hausbesitzer gewechselt haben. Für die öffentliche Verwaltung stellt dies kein Hindernis dar. Für die Miliz, die wir einführen wollen, ist diese Einteilung hingegen u n zweckmäßig. Es ist nämlich sehr lästig, wenn in Friedenszeiten jemand, der im einen Quartier wohnt, in ein anderes gehen m u ß , um an den Übungen teilzunehmen. In Kricgszciten ist es nicht bloß lästig 420A , sondern schädlich für die Stadt, da sie überwältigt werden kann, bevor die Männer sich bei ihren Hauptleutcn und Fahnen versammelt haben. Einige Beispiele dazu hat man während der
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vergangenen Belagerung gesehen, wenn aus irgendeinem Anlaß zu den Waffen gerufen wurde. In solchen Augenblicken geriet die Stadt in große Unordnung, weil die Männer in diesen oder jenen Stadtteil eilten, und obwohl die Jungen sehr schnell zu ihren Fahnen rannten, versammelte man sich mit Verspätung an den zugewiesenen O r t e n . Ich möchte daher, daß man das ganze Stadtgebiet in vier gleiche Teile trennt und all jene vom achtzehnten bis zum vierzigsten Altersjahr aushebt, die in jedem dieser Quartiere wohnen. Auch will ich, daß die Anzahl in allen Quartieren gleich groß ist. Sollte eines mehr zählen als das andere, ergänzt man daher mit solchen des nächstgelcgcnen Quartiers, indem man eine oder zwei Straßen oder so viel wie nötig umteilt, bis es in allen Quartieren gleich viele gibt; und dies - sofern möglich - in bezug auf die Beneficiati wie auf die Non-Beneficiati, damit alle Quartiere gleichgestellt sind. Wenn diese Einteilung vorgenommen ist, soll man aus allen Angehörigen jedes Q u a r tiers - sie dürften eine Zahl von tausend Personen erreichen 421 - vier gleiche Teile machen, und zwar so, daß sich in jedem gleich viele Beneficiati und Non-Beneficiati befinden wie in den anderen. Somit wird es in jedem Quartier vier Kompanien geben. Diese Kompanien sollen auf folgende Weise ihre Hauptlcutc, Fähnriche, Leutnants und Feldwcibcl wählen, ebenso die Dckurioncn, wie wir noch begründen werden: Durch das Los sollen fünfzig N o m i n a t o r e n oder so viele, wie man für richtig erachtet, gezogen werden, (219) die fünfzig Männer aus ihrer Kompanie vorschlagen, und zwar jeder, wen er als Hauptmann möchte. Diese schicke man in die Wahl, und über die vier mit den meisten Stimmen über dem absoluten Mehr soll darauf im Senat abgestimmt werden. Wer am meisten Unterstützung erhält, sei als Hauptmann der betreffenden Kompanie gewählt, der zweite als Fähnrich, der dritte als Leutnant und der vierte als Feldwcibcl. Von den übrigen sechsundvierzig, die zur Wahl aufgestellt wurden, werden so viele der Bcstgewähltcn, die das absolute Mehr erreicht haben, zu Dckurioncn, wie es in jener Kompanie Dckuricn gibt.422 Sie werden als erster, zweiter, dritter und so weiter bezeichnet, in Entsprechung zur Größe der Stimmenzahl, mit der jeder die Wahl gewonnen hat. Jedem dieser Dckurioncn sollen darauf neun Männer aus seiner Kompanie zugeteilt werden, mit denen er stets die militärischen Übungen und im Kriegsfall die Gefechte bestreitet. All
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dies w ü r d e noch leichter auf sich genommen, wenn jedes Quarticr in vier gleich große Gebiete eingeteilt würde und man in jedem eine Kompanie aushöbe. 421 Auf diese Weise würden die Männer stärker geeint und fänden sich mit weniger Verdruß und Überwindung zusammen, um die militärischen Pflichten zu erfüllen. Unsere Alten fürchten sich aber so sehr vor Geheimbünden unter den Jungen - deren Urheber sie selbst sind, wie wir während der vergangenen Republik gesehen h a b e n - , daß sie nicht nur die Männer eines Quartiers, sondern der ganzen Stadt voneinander trennen möchten. Weil aber die vorgeschlagene O r d n u n g der Republik die Alten dazu bringen würde, gut zu sein und ohne Parteilichkeit zu leben, wären in der Folge auch die Jungen gut, und deswegen glaube ich, daß man die Männer nicht trennen muß, sondern ohne Furcht vor Geheimbünden und Spaltungen die Kompanien gemäß dem Wohnsitz ausheben kann, und zwar eine in jedem vierten Teil eines Quartiers. Daß es die Dckurioncn braucht, liegt, abgesehen von anderen G r ü n d e n , die man anführen könnte, auch deshalb klar auf der Hand, weil die Männer im Krieg ihre Aufträge immer besser und mutiger ausführen, wenn sie solche an ihrer Seite haben, mit denen sie marschieren, essen und schlafen, als andere, mit denen sie keinen näheren Umgang haben. Deshalb ist es zweckmäßig, sie schon im Rahmen von Übungen dazu zu bringen, sich kennen und schätzen zu lernen, indem man die Kompanien in D c k u n c n einteilt und jeder ihren Dekurio zuweist. Im Senat sollen auch vier Kommissare bestellt werden - einer für jedes Quartier —, die den Truppeninspektionen und militärischen Ü b u n g e n vorstehen. Letztcrc halte man an den Feiertagen ab, wobei jedes Quartier verpflichtet sei, einmal im Monat (220) seine Truppenschau abzuhalten. Wer sich dazu nicht einfindet, bezahle eine als angemessen erachtete Strafe. Ferner schlage ich vor, daß alle Hauptlcutc und anderen Offiziere ein Jahr lang im Amt bleiben und nach Ablauf des Jahres im gleichen Verfahren neu gewählt werden, ohne daß man die Kompanien anderweit ändert. Weil aber unsere Alten, wie erwähnt, trotzdem Geheimbünde fürchten, da sie meinen, die Jungen wiesen die gleichen Fehler auf wie sie, könnte man die vier Kompanien jedes Quartiers wieder miteinander vermischen, jene
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entlassen, die das vierzigste Altersjahr überschritten haben und nicht bleiben wollen, sowie jene ausheben, die achtzehnjährig geworden sind. Darauf könnte man eine neue Einteilung der vier Kompanien vornehmen. Sie würden im genannten Verfahren ihre Offiziere w ä h len, die dann, wie wir ebenfalls gesagt haben, im Senat bestätigt würden. Es wäre allerdings besser, w e n n man die Quartiere, wie bereits erwähnt, gemäß dem Wohnsitz in vier Teile einteilen und in jedem von ihnen eine Kompanie ausheben würde, die wiederum im beschriebenen Verfahren jährlich ihre Offiziere wählte. Die Dckurioncn könnte man auch auf folgende Weise wählen: Nach der Wahl der vier Offiziere teilt die Behörde, die damit beauftragt wurde, die Kompanie in Dckurien ein, wobei sie auf die Eigenschaften der Personen und auf ihren Wohnsitz achtgeben soll. D a r auf wählt jede D e k u n c ihren D e k u n o n , indem sie diese Ehre jenem zuteilt, der das absolute M e h r mit der höchsten Stimmenzahl übertrifft. Weiter stelle ich mir vor, daß die Hauptlcutc ihren Dienst mit viel Prunk und Pracht antreten. Ich möchte darum, daß der Gonfaloniere wie üblich mit den Signori, Procuratori, Dieci, Collegi und anderen Behörden auf die Ringhiera424 hinabsteigt und den neuen H a u p t l c u ten eigenhändig die Fahnen überreicht, die darauf von den Fähnrichen übernommen und getragen werden. D e n abtretenden H a u p t leuten soll der Gonfaloniere ein Waffengeschenk im Wert von mindestens zehn Dukaten überreichen. Es wäre von Vorteil, wenn er zuvor noch mit passenden Worten die abtretenden Hauptlcutc loben und die neuen zu guten Taten aufmuntern würde. Falls eine Rede des Gonfalonicre unangebracht erschiene, sollte jemand diese Aufgabe übernehmen, den man als geeignet erachtet. Die Worte des Gonfaloniere hätten selbstverständlich größeres Gewicht. Die Reden, die man anläßlich der Eidesleistung zu halten pflegte, sind nützlich, weil die Jungen sich hiermit daran gewöhnen, in der Öffentlichkeit zu sprechen. 425 M a n m u ß aber darauf achten, daß diese Aufgabe an Personen vergeben wird, die Nützliches für die Stadt sagen und keinen Anlaß zu Skandalen und Aufruhr geben. 426 Ich möchte, daß man den Eid mit höchster Ehrfurcht und Andacht ablegt, und deswegen wäre es gut, wenn nach der Rede eine feierliche Messe gehalten würde, während der die Jungen zum gebührenden
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Zeitpunkt, immer zu zweit, ehrfurchtsvoll vorträten, um dem Priester, der die Messe gelesen hat, diesen Eid in die H a n d zu schwören. Es wäre sinnvoll, wenn sich der Gonfaloniere427 in der üblichen Begleitung zu dieser Zeremonie einfände. Und damit die Sache möglichst rasch abliefe, k ö n n t e man festlegen, daß nur die Offiziere aller Kompanien (221) den Eid ablegen, zur gleichen Zeit und alle zusammen, so daß man nur eine statt vier Zeremonien abhalten müßte. Indem ich auf das vormalige Gesetz 4 2 8 und auf meine früheren Ausführungen dazu verweise, habe ich hier vieles offengelassen und nur solche Bereiche angeschnitten, die man meines Erachtens zum Teil abändern sollte. N a c h d e m ich ü b e r die Stadtmiliz genug gesagt habe, verbleibt mir noch, all meine Vorstellungen zur Landmihz darzulegen.
Drittes Kapitei Ü b e r die Landmiliz
Das gesamte florcntinische Herrschaftsgebiet ist in den Contado und den Distretto421' unterteilt. Der Contado ist in Vikariate gegliedert und die Vikariate in Podestcricn. 4 1 0 D e r Distretto umfaßt die Städte und Kastclle 431A , die der Signoria von Florenz Gehorsam leisten. Außerdem werden zahlreiche weitere O r t e von Vikaren regiert, wie etwa Vico Pisano, Anghiari 4 3 2 und einige andere. Wenn man nun im ganzen Herrschaftsgebiet Soldaten ausheben möchte, müßte man berücksichtigen, ob ein O r t der Stadt wenig Treue entgegenbringt und ihn gegebenenfalls übergehen, denn ich halte es für gefährlich, Waffen an jene auszuhändigen, die deine Feinde sind. Besser wäre indessen, aus diesen O r t e n alle zu verbannen, die nicht vertrauenswürdig sind, und andere hinzuschicken, auf die man sich verlassen kann. Schließlich ist nichts als grausam anzusehen, was man für die allgemeine Ruhe und den Frieden tut, denn geraten die Staaten einmal in Aufruhr, k o m m t es notgedrungen zu viel mehr und größerer Grausamkeit - ganz abgesehen vom Verdruß, den die Untertanen
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haben, weil sie von der stets anwesenden Besatzung beaufsichtigt werden. Als Arezzo 1501 zum ersten Mal rebellierte 411 , hätten daher unsere Studierten alle Aretincr aus der Stadt verjagen und ihnen die Häuser und Besitzungen entreißen müssen, sobald die Herrschaft wieder hergestellt war; und in der Stadt hätten sie zuverlässige Leute ansiedeln sollen. Es hätte sich dann erübrigt, Festungen zu errichten und immerfort eine Wache zu unterhalten, unter großem Aufwand und der Furcht, die Stadt zu verlieren. Wäre auf diese Weise O r d n u n g geschaffen worden, hätte die Stadt 1530 weder rebelliert noch den Feinden derart viel Unterstützung gewährt. 414 Es gibt einige, die lieber die Stadtmauern zerstören und die Stadt für den Eroberer nutzlos machen möchten. Besser wäre hingegen, sie auf die vorgeschlagene Weise zu beherrschen, denn wenn man die Stadt beherrscht, besitzt man auch das umliegende Land, das dank seinem Reichtum dem Besitzer unermeßliche Vorteile bringt. Verfügt der Feind über diese Vorteile, (222) verhelfen sie ihm zu mehr Macht und größerem Ruhm, und jedesmal, wenn er sich ihrer bedient, wird er sich wenig um die Stadt kümmern. Es wäre also wie gesagt vorteilhaft, sich jener O r t e zu versichern, bei denen man gewisse Bedenken hat, und darauf alle Achtzehn- bis Vierzigjährigen auszuheben, ausg e n o m m e n jene, die wegen einer angeborenen Behinderung zum Kriegshandwerk nicht taugen. Sonst sollte man niemanden übergehen, damit im Laufe der Zeit alle Männer unseres Landes zu Soldaten würden, wie es die Schweizer und die Deutschen sind, die sich alle selbst im Alter noch an den Waffen üben; dies ergäbe sich rasch, wenn alle ausgehoben würden. Falls man später auf Männer angewiesen wäre, würde eine Auswahl derjenigen genügen, die sich kriegstüchtiger zeigten als die übrigen. Die Aushebung hingegen soll aus dem genannten G r u n d ohne Frage alle umfassen. 415 Abgesehen davon schadet es auch einer Provinz, wenn die einen sich an den Waffen ü b e n und die anderen nicht, denn dieser Unterschied führt zu Ungleichheit zwischen den Männern. Die gesamte Miliz möchte ich in Abteilungen, oder sagen wir besser: in Legionen eingeteilt haben, jede mit so vielen Infanteristen in fünf Kompanien, daß sie im Kricgscinsatz mindestens tausend Mann zählt. Und weil ich möchte, daß eine Legion stets zusammen-
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bleibt, w e n n man diese Truppen einsetzen müßte, wäre es gut, die Provinzen der Bevölkerungszahl anzupassen, aus der m a n dann tausend Soldaten rekrutieren könnte. 436A Vom Gebiet, 0 d e m m a n diese Zahl ausheben kann, erhielte die Legion ihren Namen. Sie hieße zum Beispiel Legion Cascntino oder Mugcllo 437 , und auf diese Weise erhielten die übrigen Legionen von den entsprechenden Orten ihren N a m e n . Sind die Fußtruppen der Legion ausgehoben, missen sie in fünf Kompanien eingeteilt werden, mit so vielen Soldaten m jeder Kompanie, daß sie später im Kriegseinsatz mindestens zweihundert Mann zählt. Auch hier wäre es nötig, die Männer ihrem Wohngebiet gemäß einzuteilen, damit sie sich leicht, rasch und mit ger ngem oder gar keinem Aufwand zusammenfinden können. N u n gibt es in jeder Kompanie den Hauptmann, der Leutnant, den Fähnrich und den Feldwcibel. Alle diese Grade - aaßer jenem des H a u p t m a n n s , auf den wir gleich eingehen werden - möchte ich Männern aus der Kompanie verleihen. Sie sollen vom Kommissar der Legion gewählt werden, über den wir unten sprechen werden. Ebenso ist es nötig, die Führer der Dekuricn, also die Dekurionen, zu bestimmen. Auch sie sollen durch den genannten Kommissar gewählt werden, und jedem von ihnen seien Soldaten fest zugeteilt, mit denen er sich aus dem erwähnten Grund immer gemeinsam zu den militärischen Übungen und Kampfhandlungen einfindet. Von Vorteil wäre ferner, die Gepflogenheiten bei der Bezahlung der Soldaten zu beseitigen, (223) wie sie heutzutage üblich sind. Die Unterschiede, die man zwischen den Soldaten machen muß, möchte ich auf jene zwischen Kader und Mannschaft beschränken. Deswegen fordere ich, daß jedem einfachen Soldaten der ordentliche Sold ausbezahlt wird, dem Dekurio eineinhalb Solde, dem Feldwcibel zwei, dem Fähnrich zweieinhalb, dem Leutnant drei oder - j e nachdem, was angemessen scheint - etwas mehr oder etwas weniger. Es genügt mir, wenn kein Soldat mehr bekommt als die anderen, sofern er in seiner Kompanie keinen Grad bekleidet. Die heute übliche Art der Bezahlung von Soldaten dient zu nichts anderem als zur Bereicherung der Kommandanten, während ihre Kriegsherren verarmen und die Kriege verlieren. 418 Die Hauptlcutc dieser Truppen sollten nach meiner Vorstellung florcntinische Bürger sein. In Friedenszeiten beziehen sie ein ange-
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messencs Entgelt, das ausreicht, um ein Pferd zu halten und an jenem O r t zu wohnen, wo ihre Kompanie ausgehoben wird. Einmal im M o n a t sollen sie die Truppcninspektion abhalten, bei der sie z u r Anwesenheit verpflichtet sind. Einmal oder höchstens zweimal im Jahr soll sich die gesamte Legion versammeln. Die H a u p t l e u t e werden durch den Senat aufgrund der höheren Stimmenzahl über dem absoluten Mehr gewählt. Gleichfalls durch den Senat und in demselben Verfahren soll man so viele Kommissare wählen, als es Legionen gibt. Solange sie diesen Rang einnehmen, stehen sie den Legionen als K o m m a n d a n t e n vor, sowohl im Frieden als auch im Krieg. Sie sind gehalten, sich zu den Generalinspektionen einzufinden. Diesen Kommissaren würde ein Gehalt ausbezahlt, das ihrem Grad angemessen ist. Sie wären überdies verpflichtet, einem G r o ß k o m m i s s a r zu gehorchen, auf den wir gleich zu sprechen kommen. Ich glaube, es wäre gut, wenn die Non-Beneficiati als H a u p t l c u t c , nicht aber als Kommissare der Landmiliz wählbar wären. Jeder von ihnen würde zusammen mit dem Hauptmannsgrad auch den Beneficio erhalten; er könnte nach Dienstende in den Rat gehen und wäre für alle übrigen Ämter wählbar. Die Hauptlcutc und Kommissare sollten ihren Grad während eines Jahres bekleiden, wobei die H a u p t leute zu einem anderen Zeitpunkt gewählt werden als die Kommissare, damit man nicht gleichzeitig alle Führer auswechseln muß. Es wäre gut, wenn der Wahl des Großkommissars - den ich so genannt haben möchte - eine hohe Bedeutung beigemessen würde, damit die Bürger diese Ehre nur einem sehr fähigen Mann übertragen. Das Verfahren sollte meines Erachtens wie folgt geregelt sein: Sobald der Senat versammelt ist, soll jeder Senator vorschlagen, wen er als Großkommissar haben möchte, wobei niemand mehr als einen N a m e n nennen darf. Über alle Nominierten stimmt man ab, und von jenen, die das absolute Mehr erreicht haben, (224) schreibt man die vier mit der höchsten Stimmenzahl auf. Danach ruft man den G r o ßen Rat zusammen und zieht im üblichen Verfahren zwanzig N o minatorcn, die auf die gleiche Weise vorschlagen, wem sie diese Ehre übertragen möchten. Über die Nominierten stimmt man ab, und von den Gewählten mit den meisten Stimmen schreibt man höchstens vier auf. Darauf liest man vor, wer im Senat und wer im Großen Rat verblieben ist, und falls jemand, wie es geschehen könnte, in beiden
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Räten berücksichtigt worden ist, soll man ihn auf der einen wie auf der anderen Liste erwähnen. Schließlich schickt man sie erneut in die Wahl, und wer bei gewonnener Wahl am meisten Stimmen erhält, d e m gilt diese E h r e als zugesprochen. 439 Ich möchte, daß ihm beim Amtsantritt die Insignien sehr feierlich und glanzvoll übergeben werden - in der Art, wie man sie den auswärtigen K o m m a n d a n t e n zu überreichen pflegte. 440 Demzufolge w ü r d e der Großkommissar zunächst in militärischer Aufmachung auf den Piatz schreiten, begleitet von der gesamten Miliz in geordnetem Aufmarsch sowie von ihren Kommissaren, gefolgt von der berittenen Miliz. Darauf soll er auf die Ringhiera hinaufsteigen und sich neben den Gonfalonicre setzen, und nachdem der Erste Kanzler441 die Lobrede auf ihn gehalten hat, soll ihm der Gonfaloniere feierlich die öffentlichen Insignien - den Helm und den Stab überreichen. N a c h der Verabschiedung zieht er, in gleicher Weise begleitet, nach Hause. Dieser G r o ß k o m m i s s a r hätte nach meinem Willen die Kriegsunternehmen auszuführen, wenn sich die Stadt während seiner A m t s zeit, die ein Jahr dauern soll, vor Feinden verteidigen oder sie auf deren Gebiet angreifen müßte. Er hätte alles gemäß den Aufträgen der Dieci durchzuführen, die im oben dargelegten Verfahren 442 beschlossen w ü r d e n . In Friedenszeiten wäre er verpflichtet, sämtliche Städte des Herrschaftsgebietes aufzusuchen, alle Festungen zu besichtigen u n d zu begutachten und Unzulänglichkeiten zu beheben, so daß es keinen O r t gäbe, den er nicht besuchte. U m sein Ansehen zu steigern, möchte ich zudem, daß die Amtsgewalt aller Rektoren 4 4 3 am jeweiligen Besuchsort erlischt, sobald er erscheint, und daß die Untertanen jenes Ortes ihn anstelle der bisherigen Rektoren als Gebieter anerkennen - sofern er selber nicht befiehlt, sie sollen ihr A m t wie bisher ausüben. Man sollte dies so regeln, daß jeder G r o ß kommissar, mehr aus Gewohnheit als von Gesetzes wegen, in folgender Weise vorginge: Wenn er Einzug in eine Stadt hält u n d deren Rektoren ihm in feierlicher Zeremonie entgegengehen und ihn als Gebieter anerkennen, indem sie ihm die Schlüssel der Tore oder den Stab überreichen, mit dem sie ihr Amt angetreten haben, soll er ihnen die alte Amtsgewalt unverzüglich zurückgeben, so daß (225) sie ihr Amt in gewohnter Weise ausüben können.
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Es wäre ferner zweckmäßig, die Zeiten für die allgemeinen T r u p peninspektionen der Legionen so zu verteilen, daß der G r o ß k o m missar ihnen anläßlich seines Besuches beiwohnen kann, so daß er nach Ablauf des ganzen Jahres alle gesehen hat. Ich möchte, daß ihm die erwähnten Legionskommissarc sowohl in Friedens- wie in Kriegszeiten gehorchen und daß sie im gleichen Verhältnis zu ihm stehen wie die Legaten der Legionen zu den römischen Konsuln und Feldherren. U n d w e n n er das Herrschaftsgebiet besucht, soll er immer drei oder vier von ihnen bei sich haben, und zwar jene, deren Legionen aus der Region stammen, die er gerade bereist. In Kriegszeiten soll er innerhalb u n d außerhalb der Stadt keine höhere A m t s gewalt anerkennen als jene des Collegio, damit er allen Rektoren in seiner Anwesenheit wie in seiner Abwesenheit den Bedürfnissen des Krieges entsprechend Befehle erteilen kann. Wenn ersieh in Florenz aufhält, darf er nicht als Privater auftreten, und er soll sich hier auch nur aufhalten, wenn es erforderlich ist. Befindet er sich bei öffentlichen Zeremonien zufällig in Florenz, so ist er verpflichtet, den Gonfaloniere zu begleiten. Er soll neben ihm an zweiter Stelle sitzen und gehen, sofern nicht Gesandte irgendeines Fürsten zugegen sind, die ihm und allen übrigen vorauszugehen haben. Sein Gehalt soll mindestens hundert Dukaten im M o n a t betragen, damit er sich ein ehrenvolles Gefolge leisten und das Land mit Prunk und Aufwand bereisen kann. Es wäre sinnvoll, wenn er nach Ablauf seines Amtes Unterkommissar des Nachfolgers w ü r d e , diesen überallhin begleitete und nichts anderes zu tun hätte, als ihn in jenen Angelegenheiten zu unterrichten und zu beraten, in denen er dank seiner einjährigen Amtszeit erfahrener wäre. Es w ü r d e ausreichen, wenn diese Aufgabe sechs Monate dauerte. Das Gehalt dieses H o h e n Beraters, wie ich ihn nennen möchte, soll einem ehemaligen G r o ß k o m m i s s a r angemessen sein. Die Wartezeit - das Wicdcrwahlvcrbot - des Großkommissars soll drei Jahre betragen, damit viele an einer derart großen Ehre teilhaben können. Beim Wicdcrwahlvcrbot der Kommissare und Hauptleute genügt ein Jahr. So sieht die Infantcnemiliz aus, die wir einführen möchten. Es bleibt uns noch, etwas zur Kavallcriemiliz in der Stadt und auf dem Land zu sagen.
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Viertes Kapitel
Über die Kavallerienuhz
Zur Zeit unserer Großväter und Urgroßväter bildete die Kavallerie das Rückgrat sowohl der französischen wie der italienischen Heere. Die Schweizer und die Deutschen zeigten als erste, (226) daß die Infanterie mit ihrer Schlachtordnung sich gegen die Reiter verteidigen und sie besiegen kann, und so erwarb sich die Infanterie allmählich wieder den Ruf, den sie früher bei den R ö m e r n u n d Griechen und bei allen anderen genossen hatte, die der Kriegskunst kundig waren. Allein, ohne Kavallerie vermag man im Kriege vieles nicht wirksam durchzuführen, so zum Beispiel, wenn man Streifzüge und Plünderungen unternehmen, Beute zurückholen, den Feind abnutzen, ein Geleit geben, ferner in Gefechten kämpfen und die Feinde nach dem Sieg verfolgen will. Es ist deshalb dafür zu sorgen, daß unsere Miliz nicht ohne diese Möglichkeiten a u s k o m m e n m u ß . In bezug auf die Stadtmiliz wäre es gut, in jedem Q u a r t i e r eine K o m panie zu fünfzig Pferden zu bilden. 444 Gesamthaft wären dies zweihundert Pferde in vier Kompanien, deren H a u p t l c u t c u n d andere Offiziere im gleichen Verfahren wie die Hauptlcutc der Infantencmiliz gewählt würden. Jede Kompanie wäre verpflichtet, alle ihre Aktionen zusammen mit der Abteilung oder Legion ihres Quartiers durchzuführen und dem Kommissar dieser Legion zu gehorchen, unter dem sie auch in Kriegszeiten zu dienen hätte. Ebenso wäre sie gehalten, die ordentlichen Übungen am gleichen Tag wie die Legion des Quartiers abzuhalten. Bei der Landmiliz wäre im gesamten Gebiet einer Legion eine Kompanie mit fünfzig Pferden zu bilden. Sie w ü r d e jener Legion zugeteilt und müßte alle Aktionen mit ihr unternehmen, Ü b u n g e n indessen nur alle zwei Monate abhalten, um so wenig als möglich ermüdet zu werden. Die Hauptlcutc und die übrigen Offiziere
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würden im gleichen Verfahren wie jene der Infanterie ernannt. Jede Legion hätte somit eine Kompanie zu fünfzig Pferden. Weil ich aufgrund der früheren Aushebungen zur Überzeugung gelange, daß es mindestens zehn Legionen wären 445 , käme man auf eine Zahl von fünfhundert Pferden. Ich glaube, es wäre nicht sehr schwierig, diese zu finden, da im Contado und Dominio sehr viele Leute vermögend geworden sind. Weil sie mehrheitlich keinem Gewerbe nachgehen und daher müßig leben, würden sie gerne die berittene Miliz stellen. Es wäre nötig, ihnen in Friedenszeiten ein hinreichendes Entgelt auszuzahlen, damit sie die Pferde füttern können - wozu ein D u k a t im Monat genügt. U m aber die gesamten Kosten zu überblicken, die man für diese Miliz aufbringen müßte 446 , möchte ich jedem der mindestens sechzig Hauptleute der Infanterie- und der Kavalleriemiliz sowohl in Friedens- wie in Kricgszcitcn fünfundzwanzig Dukaten im Monat geben, den Kommissaren aller Legionen und dem H o h e n Berater, zusammen elf an der Zahl, je fünfunddreißig Dukaten im Monat. F ü r die Tamboure, von denen es sechsundsiebzig gäbe, genügten drei Dukaten im Monat. Den vierzehn Trompetern der Kavallerie müßte man in Friedens- wie in Kriegszeiten (227) dasselbe Entgelt geben, und zwar fünf Dukaten im Monat, denn man müßte solche Personen dort suchen, wo es sie gibt. Ferner wäre es nötig, fortwährend eine große Zahl von Artilleristen und Meistern für die Salpetergewinnung und die Bedienung der Artillerie zu besolden. Wenn man zu diesem Zweck jährlich dreitausend Dukaten ausgäbe, wäre dies viel. Z u s a m mengezählt kämen sämtliche Kosten auf eine jährliche Summe 4 4 7 A von 36.396 Dukaten zu stehen, einschließlich des Gehalts für den Großkommissar. 4 4 8 Dies wäre wesentlich weniger, als unter dem Gonfaloniere Piero Soderini ausgegeben wurde. Damals besoldete die Stadt fünfhundert Reiter der Miliz, die Kommandanten der Miliz sowie fünfhundert berittene Söldner 449 , so daß sich die Kosten auf gesamthaft 70.000 Dukaten bcliefen, die alle in fremde Taschen wanderten, während die oben genannte Summe ausschließlich an florcntinische Bürger entrichtet würde. In Kriegszeiten müßte man die Aufwendungen nicht erhöhen, außer daß den Reitern und den Fußtruppen der vollständige Sold auszubezahlen wäre. Den I lauptlcutcn und Kommissaren der Stadtmiliz möchte ich in
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Friedenszeiten kein Gehalt entrichten, da sie zu Hause wohnen und ihrem Gewerbe nachgehen könnten. In Kriegszeiten würden sie denselben Sold wie die übrigen erhalten, denn es ist nötig, daß die Republik jenen hilft, die ihretwegen die privaten Geschäfte vernachlässigen. Letztere müssen ohne Zweifel gepflegt und weitergeführt werden, und man darf nicht meinen, es stehe einem Soldaten schlecht an, in einem Geschäft zu arbeiten. Wir sehen dies bei den Deutschen, in deren Land alle heranwachsenden Männer einem Gewerbe nachgehen, um zu verdienen, und gleichzeitig Soldaten sind, die sich ständig an den Waffen üben. Als der Türke sie vor bereits zwei Jahren überfallen wollte, konnten sie deshalb seine vortrefflichen Vorbereitungen verspotten und ihn ebenso rasch, wie er in Ungarn eingefallen war, wieder hinauswerfen, wenn auch in einer weniger ruhmvollen Art und Weise. 450 Dies wäre ihnen nicht gelungen, wenn nur jene, die keiner Arbeit nachgehen, Soldaten gewesen wären und sich im G e brauch der Waffen geübt hätten. Es ist somit unerläßlich, die Gewerbe zu betreiben und daneben militärische Übungen abzuhalten, damit die Männer kriegstüchtig werden und wenn nötig sich verteidigen oder zurückschlagen können.
Fünftes Kapitel Die so geordnete Miliz läßt mehr erwarten als die Söldnertruppen
(228) Ich weiß sehr wohl, daß viele - s o w o h l Bürger als auch Soldaten - mich auslachen werden, weil ich der gesamten Miliz, und zwar der Infanterie wie der Kavallerie, Bürger und nicht Fremde als Kommandanten vorangestellt habe. Sie sagen, daß man seine Hoffnung auf erfahrene Söldner setzen solle und nicht auf solche, denen diese Erfahrung fehle. Den Bürgern will ich nicht weiter antworten, weil ihre Torheit eher Mitleid als eine Antwort verdient; wer sich nämlich selbst erniedrigt, um andere zu erhöhen, woraus dann der eigene Untergang folgt, ist für d u m m zu halten, und Dummheit läßt sich eher bemitleiden als beseitigen. Den Soldaten gebe ich zur Antwort,
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daß ich meinen Irrtum selbstverständlich eingestehe, vorausgesetzt, daß jene, die sie als erfahren bezeichnen, wirklich mehr vom Krieg verstehen als jene, die ich zu Kommandanten unserer Miliz machen will. Ich möchte aber gern, daß sie mir zeigen, worin diese Erfahrung besteht. In der Antike erwiesen sich die R ö m e r und Griechen als äußerst geschickt in bezug auf die vier wichtigsten Handlungen im Krieg: Bewaffnung, Marsch, Einquartierung und Kampf. Untersuchen wir nun, ob diese erfahrenen Söldner in einer davon irgendwelche Kenntnisse aufweisen. Jedermann weiß, daß sich die Soldaten heutzutage mit Piken, Stangenwaffen und Arkebusen bewaffnen. 451 N u n gibt es keinen Kommandanten, der, wenn er eine Kompanie aushebt, einen Unterschied zwischen diesen Waffenarten macht, und so sieht man in jedem beliebig großen Heer nur wenige Piken, dafür sehr viele Arkebusen. Dies hegt einzig daran, daß die Arkebusen die Waffen jener sind, die statt auf ihre Kampfkraft auf ihre Beine vertrauen, um zu fliehen, und dies wird von den K o m m a n d a n t e n geduldet, weil sie vom Kampf nichts verstehen. Sic haben nämlich noch nie in geordneter Weise gekämpft und können darum auch nicht wissen, welche Vorteile die verschiedenen Waffenarten bringen. Z u d e m sind diese Kommandanten mehrheitlich Bauern und Rohlinge, jedenfalls aber Männer, die sich in ihrer Arroganz nie um Bildung bemüht haben und von daher auch nicht über jene Kenntnisse verfügen können, welche in der Antike die Römer und Griechen besaßen. Ferner pflegten die Heerführer in der Antike in erster Linie zu erwägen, wie der Feind sich bewaffnete, um dann den eigenen Soldaten (229) die Waffen zu geben, die sie für geeignet hielten, um jene der Feinde zu übertreffen. Die Geschichte ist reich an Beispielen von Kniffen und Listen, die herangezogen wurden, um die Waffen der Feinde unwirksam zu machen. Die Kommandanten unserer Zeit wissen nichts von alledem; wenn sie über mehr Truppen verfügen als die Feinde, meinen sie, alle Vorteile zu besitzen. Sie bedenken nicht, daß Alexander der Große, Lucullus 452 und Caesar mit wenigen Soldaten riesige Heere besiegten. Kommen wir zum Marschieren; gibt es jemand, der hier je irgendwelche Gewandtheit gesehen hat? In der Antike gingen sie diesbezüglich mit derart großer Kenntnis vor, daß man sich unserer Jahr-
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hunderte schämen muß, in denen die Menschen so ungebildet gewesen sind, daß sie in so vielen Kriegen die Methoden von früher nicht wieder zu entdecken wußten - ja daß sie selten ihre Ziele erreichen, wenn rasches Handeln nötig wäre, um einer Gefahr auszuweichen, einem O r t zu Hilfe zu eilen oder etwas Ähnliches zu unternehmen. So verhielten sich Signor Giorgio da Santa Crocc, Signor O t t o da M o n t e Aguto und Pasquino Corso 453 , als sie im letzten Krieg zur Unterstützung nach Lastra gesandt wurden, derart geschickt und handelten derart rasch, daß diese Burg vor ihren Augen von den Feinden eingenommen wurde. Letztere eroberten die Burg nicht etwa, weil sie selbst tapfer handelten, sondern weil jene im Innern sich nicht zu verteidigen und jene draußen nicht herbeizueilen w u ß ten; wären sie dazu imstande gewesen, so hätten sie die Burg u n m ö g lich verloren. 454 Ü b e r die Einquartierung will ich weiter nichts sagen, als daß jeder, der eines unserer FIcere lagern gesehen hat und weiß, wie sie in der Antike lagerten, leicht erkennen kann, daß heutzutage das Wissen, das man diesbezüglich einst heranzog, vollständig verlorengegangen ist. Es ist sehr erstaunlich, daß ein Heer nicht sofort überwältigt -wird, sobald es das Lager aufgeschlagen hat. Dies geschähe zweifellos, wenn die Feinde geschickter wären; auch dem Heer, das Florenz belagerte, wäre dies widerfahren, wenn nur der Kommandant in der Stadt etwas vom Krieg verstanden hätte. Einen Beweis dafür sah man beim nächtlichen Ausfall 455 , den Signor Stefano 456 unternahm, als er mit fünfhundert Mann die Truppen überfiel, die bei Santa Margherita a Montici lagerten. 4 '' 7 Diese Unternehmung brachte das Lager der Gegner in so große Verwirrung, daß alle, die den Ausfall u n t e r n o m men hatten, überzeugt waren, daß die florcntinischen Truppen ohne Zweifel vollständig siegen würden, wenn sie in ihrer Gesamtheit ausbrächen und die Gegner überfielen. Wenn man indes in den drei bisher genannten Bereichen heutzutage kein Wissen zur A n w e n d u n g bringt, so ist es wahrscheinlich, daß man im vierten und letzten Bereich, nämlich im Kampfe, noch viel weniger gewandt ist. Weil ihm größere Bedeutung z u k o m m t , ist er auch schwieriger und erfordert mehr Erfahrung und Scharfsinn als die (230) anderen Kncgsbercichc. Da die Kommandanten d a n n nicht beschlagen sind, haben wir in unseren Tagen gesehen, wie
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Heere besiegt wurden, noch bevor sie den Kampf aufnahmcn 4:,8A . In der Schlacht bei Ravenna 459 kämpfte man zwar härter, als m a n anderswo gekämpft hatte, doch dies war nicht auf die Tüchtigkeit der Kommandanten zurückzuführen, sondern einzig auf jene der Truppen von jenseits der Alpen, die von N a t u r aus entschlossener k ä m p fen als die Italiener. So können wir sagen, daß den K o m m a n d a n t e n der Gegenwart das militärische Wissen gänzlich abhanden gekommen ist. Wer die Gründe dafür ausführlicher besprochen haben will, der lese das Werk unseres Machiavelli über die Kriegskunst 4 6 0 , und er wird restlos überzeugt werden. Unsere Kommandanten sind also unerfahren und der Kriegskunst unkundig. Dies ist nicht vcrwunderhch 4 6 1 A , da die Fürsten u n d Republiken die militärische Schulung vernachlässigen. Müssen sie dann Krieg führen, so fehlen ihnen Männer 462A , die in dieser Kunst bewandert sind, und in der Überzeugung, selber nichts davon zu verstehen, übertragen sie die Führung der Miliz solchen, die noch viel weniger davon verstehen als sie. Sie vergeben nämlich die höchsten Ränge an Gebieter und Tyrannen, die nichts anderes können, als ihre U n t e r gebenen zu schinden oder die eigene Unverschämtheit d u r c h G e walttaten unter Beweis zu stellen. Die übrigen, niedrigeren Ränge vergeben sie an arrogante Männer, die in der Heimat wegen ihrer Untaten weder von den Verwandten noch von den Gesetzen ertragen werden und die meinen, daß derjenige463'"11 kriegstüchtiger sei, der dem Nächsten mehr Gewalt anzutun vermöge und wage. Wie sehr sie sich indessen täuschen, haben wir oben teilweise erörtert. An dieser Stelle wollen wir anhand einzelner Beispiele zeigen, wie wenig man derartigen Kommandanten vertrauen darf und wie nützlich es wäre, wenn die Fürstentümer und Republiken sich darum kümmer ten, daß ihre eigenen Männer mehr von der Kriegführung verstünden als jene, denen diese Aufgabe heute übertragen ist. Es genügt mir, lediglich Malatcsta Baglioni und Francesco Ferrucci anzuführen. Am ersten wird ersichtlich, daß diese Söldnerführer nicht viel mehr können, als jene auszurauben und zu verraten, für die sie Krieg führen, am zweiten, daß jemand, der bürgerlich erzogen ist, den Krieg viel besser führen kann als jene Söldncrführcr. Ich beginne damit, daß Malatcsta, kaum hatte Papst Clemens die kaiserlichen Truppen in Bewegung gesetzt, um ihn aus Perugia
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hinauszuwerfen und Florenz die Freiheit zu entreißen, den Florentinern versicherte, er wolle sich verteidigen; überdies gab er zu erkennen, daß dies möglich wäre, wenn er von ihnen die nötige Hilfe bekäme. 464 Da die Regierenden glaubten, dies gereiche Florenz zum Vorteil, sandten sie ihm genügend Truppen zur Verteidigung jener Stadt. Als sich die Kaiserlichen näherten, begann Malatcsta, (231) eine Übereinkunft auszuhandeln, aber nicht weil er befürchtete, Perugia nicht zu halten - wie ich ihn sagen hörte - , sondern, um bei der Bevölkerung Perugias nicht als Urheber für die Verwüstung ihres Landes zu gelten, wie es geschehen wäre, wenn er Widerstand geleistet hätte. Gleichwohl glaube ich, daß ihn beides zu dieser Entscheidung bewog. Als in Florenz bekannt wurde, daß Malatcsta jene Verhandlung aufgenommen hatte, um sich zu verständigen, wurden die Regierenden in große Aufregung versetzt; erstens, weil sie Hoffnung geschöpft hatten, daß die Kaiserlichen in jenem Gebiet aufgehalten würden, diese ihnen nun aber zu Leibe rückten, ohne daß ihnen Zeit blieb, sich besser einzurichten; zweitens, weil sie fürchteten, Malatcsta werde die florentinischen Truppen in Schwierigkeiten bringen, um dem Papst den Sieg zu erleichtern und seine Gunst zu erwerben. U n d so begannen sie einen Verrat zu befürchten, noch bevor Malatcsta Perugia verließ. Der wiederum einigte sich also mit den Kaiserlichen und zog mit den florcntinischen Truppen Richtung Arezzo. Während die unsngen diese Stadt verteidigen wollten, um dem Feind den Weg abzuschneiden, zeigte er dem Kommissar 465 darin so viele Schwierigkeiten auf, daß dieser entschied, es sei sicherer, die Stadt zu verlassen; und so brachen alle nach Florenz auf. Als sie in San Giovanni 466 angekommen waren, erhielten sie von den Dieci den Befehl, genügend Truppen zur Verteidigung nach Arezzo zurückzubeordern. Sic schickten daher Ottaviano Signorclh 467 , einen Vetter Malatestas, und Signor Giorgio da Santa Crocc mit rund zweitausend Mann dorthin, die aber, sobald die Feinde näherrückten, die Stadt verließen und sich nach Florenz zurückzogen. Hier war Malatcsta bereits angekommen und befleißigte sich, die Bürger aufzumuntern, nicht an ihrem Sieg zu zweifeln. Selber legte er allerdings überhaupt keine Sorgfalt darauf, ihn zu erringen, bemühte er sich doch nicht einmal, die Umgebung der Stadt auszukundschaften, um darauf in den N ö t e n des Krieges Kenntnisse
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darüber zu besitzen. Während die Kommandanten in der Antike jede Gelegenheit nutzten, um die Feinde bei der Ü b e r q u e r u n g eines Flusses, beim Aufstieg oder Abstieg eines Berges, beim Austritt aus einem Tal, beim Lagern oder beim Aufschlagen der Zelte anzugreifen, ließ er sie bis an die Mauern herankommen - nicht anders, als wenn sie durch befreundetes Land gezogen wären. A u c h während der Errichtung des Lagers dachte er nie daran, sie irgendwie zu stören. Nachdem sie die Zelte aufgeschlagen hatten, konnte oder wollte er trotz zahlreichen Gelegenheiten, sie zu schlagen, nie eine davon wahrnehmen. Wenn er gedrängt w u r d e , etwas zu unternehmen, sagte er jeweils, falls man wolle, daß die Dinge gut ausgeführt würden, müßten sie von jenen vorgeschlagen werden, die sie auszuführen hätten; er gebe sie dann schon in Auftrag. Jene wiederum, die solche Befehle hätten ausführen müssen, nämlich Signor Stefano Colonna, Signor Mario Orsini 468 und Signor Giorgio da Santa Crocc, meinten dazu, es sei nicht ihre Aufgabe, irgend etwas vorzuschlagen, vielmchr 469A müsse der Oberbefehlshaber vorschlagen und befehlen, was zu tun sei; (232) wenn man ihnen etwas vorschlage, würden sie ihren Pflichten schon nachkommen. Und so stritten sie sich, ohne je zu einem Schluß zu kommen. Einzig Signor Stefano, der erkannte, wie sehr die Bürger den Kampf wollten, unternahm einen nächtlichen Ausfall und überfiel dabei die Truppen, die bei Santa Marghcrita a Montici lagerten. Dies war aber weiter nicht nützlich, erkannten die Feinde doch, daß die unsrigen es wagten, die Stadt zum Kampfe zu verlassen, worauf sie sich so stark verschanzten, daß es gefährlich gewesen wäre, sie nochmals anzugreifen. Malatcsta ließ sich darauf ohne Ziel und O r d n u n g auf ein paar Streifzüge ein. Und obwohl jene im Innern der Stadt immer alle Vorteile besitzen, wenn sie zum Kampfe ausbrechen, wußte er die Gefechte derart gut zu leiten, daß er die unsrigen stets mit Verlust kämpfen ließ. Als Signor Stefano beim nächtlichen Angriff gegen die Landsknechte, die bei San D o n a t o lagerten, mit seiner Abteilung in die Bollwerke eingedrungen war und das Gefecht gegen die Landsknechte mutig aufgenommen hatte, zog Malatcsta - sei es aus Feigheit oder Verrat oder bcidcm 470A - beim Trompetenstoß der feindlichen Kavallerie, die bei Monticclh lagerte, nicht nur seine eigene Abteilung zurück, sondern befahl auch den Korsen, die bereits
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eingedrungen waren, den Rückzug. Wenig fehlte, und er hätte Signor Stefano mitsamt seinen Leuten in größte Schwierigkeiten gebracht. 471 Als Malatcsta die Dinge schließlich so weit gebracht hatte, daß der Stadt als letzter Ausweg nur noch der Anmarsch Francesco Ferruccis blieb, verhielt er sich so, daß der Prinz von Oranicn mit fast472A all seinen Truppen unbesorgt gegen Ferrucci in den Kampf ziehen konnte, ohne befürchten zu müssen, daß die unsrigen ausfallen und sein Lager angreifen würden, wo er auf die Zusicherung Malatestas hin sehr wenig Truppen zurückgelassen hatte. 473 Nachdem Ferrucci besiegt und umgebracht worden war, beging Malatesta jenen Verrat, den die ganze Welt kennt und aufgrund dessen Papst Clemens dann von neuem die Gewaltherrschaft errichten konnte. Malatcsta selbst erhielt als Belohnung für seinen Verrat Perugia zurück. Wenn wir aber hier seine Boshaftigkcit beiseite lassen und stattdessen sein U n v e r m ö g e n im Krieg hervorheben, dann meine ich, daß er von dem Tag an, als er in die Stadt kam, bis zum Ende der Belagerung nie etwas tat, womit er wenigstens eine Spur von jenem M u t und jener Klugheit bezeugt hätte, die ein Kommandant besitzen muß, dem man die Führung eines so außerordentlichen und heldenmütigen U n t e r n e h m e n s anvertraut. Er sprach sich gegen alle Aktionen aus, die von den Bürgern geplant wurden, indem er auf die Gefahren hinwies, die sich daraus hätten ergeben können. U n d wenn solche Aktionen dann gelangen - wie zum Beispiel, als man ganz gegen seinen Willen fünfhundert Mann zu Ferrucci schickte - , wollte er stets jener gewesen sein, der alles angeordnet hatte. Wenn er hingegen etwas anordnete und durchführte, das einen unglücklichen Ausgang nahm - wie (233) es bei seinen eigenen Unternehmungen durchweg der Fall war - , so behauptete er jeweils, die Bürger hätten ihn mit ihrer Aufdringlichkeit zu alledem gezwungen. Beim Bau der Schanzen u n d bei der Befestigung der Stadt zeigte er sich auch nicht verständiger als bei den übrigen Kncgshandlungcn. Das Gute am ganzen Befestigungswerk war nämlich durch unsere Bürger und Architekten angeordnet worden. Michelangelo Buonarroti 474 , ein sowohl in der Malerei und Bildhauerei als auch in der Architektur einzigartiger Mann, hatte den Monte 475 befestigt, die Bastei von San Giorgio erneuert und die Schanze bei der Porta alla Giustizia gebaut,
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welches die bedeutendsten und wichtigsten Werke für die Stadt waren. Die übrigen Schutzbauten, die durch Malatcsta errichtet wurden, waren entweder unnötig, wie etwa der Graben, der bei der Porta San Miniato begann und zur Bastei anstieg, die nach Iacopo Tabusso 476 benannt war, wie auch das erhöhte Bollwcrk 477A innerhalb der Porta San Giorgio und die Bastei nach Prato hin zwischen der Porta und der Torre della Scrpe; oder sie waren voller Mängel, wie etwa die Bastei, die bei der Porta San Piero Gattohm 4 7 8 begann u n d zu jenem Turm anstieg, der von den Feinden getroffen wurde; oder aber sie waren so leicht zu bauen, daß jeder noch so unbegabte Architekt sie hätte anordnen können, und dies gilt für alle übrigen Schanzen, die man den Mauern entlang und vor den Toren errichtete und die zum größten Teil schon fertiggestellt oder doch begonnen waren, als er ankam. Ich lasse das verderbliche Benehmen außer acht, das er im U m gang mit den Bürgern an den Tag legte, mit denen er zu verhandeln hatte, ebenso die Pflichten eines Kommandanten gegenüber seinen Kriegsherren. Ein Kommandant sollte ja bei allen Tätigkeiten stets bestrebt sein, sie zu bewahren und zu verschonen. Dieser üble Mensch befleißigte sich stattdessen, die Stadt bis aufs Blut auszusaugen, um seine niederträchtigen Gefolgsleute zu bereichern. U n d während gute Befehlshaber die Schwierigkeiten zu verringern pflegen, die im Krieg, bei der Bezahlung der Soldaten und bei der Besorgung der übrigen erforderlichen Geschäfte entstehen, vergrößerte er sie fortlaufend, so gut er konnte, und bemühte sich mit Worten und Taten, die Bürger zu entmutigen, um sie nach seinem Belieben in der Hand zu haben. So geartet war unser tapferer K o m mandant! Und auch wenn die übrigen Truppenführer, die es heute in Italien gibt, nicht gar so übel und verräterisch sind wie er, so verstehen sie doch nicht mehr vom Krieg als er, wie die Taten eines jeden beweisen würden, wenn man sie nur sorgfältig untersuchte. Ich glaube deshalb, es sei genügend klar geworden, wie wenig diesen Söldnerführern zu trauen ist, die dich den Krieg verlieren lassen, weil sie dich verraten oder aber weil sie unfähig und feige sind. Werfen wir indessen einen Blick auf die Taten Francesco Ferruccis, keines Söldners also, sondern eines florcntinischen Bürgers, der bürgerlich erzogen wurde, und schauen wir, mit wieviel Einsatz und
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M u t er die Kriegsgeschäfte geführt hat. 479 Zu Beginn der vergangenen Belagerung war L o r e i z o Soderini Kommissar in Prato. Feige und untauglich wie er war, (234) hatte er die Geschäfte so geführt, daß die Soldaten, welche db'sc Stadt bewachten, sich ihrer bemächtigt hatten und drauf und drin waren, sie zu plündern. Die Dieci wollten diesen Mißstand beseiiigen und die Soldaten wieder zum Gehorsam bringen. Sie schickten ceshalb Francesco Ferrucci als Kommissar hin, jene Stadt zusammen mit Lorenzo Soderini zu regieren. 480 Ferrucci wurde allenthalben so wenig geachtet, daß man ihn erst nach vielen anderen überhaupt in Betracht zog. 481 In Prato angekommen, bändigte er mit größtem M u t und äußerster Entschiedenheit die Zügellosigkcit der Soldaten und brachte die Stadt wieder in einen Zustand, in dem jeder sich seiner Dinge freuen konnte. Darauf entbrannte zwischen ihm und dem bisherigen Kommissar ein Streit, der die Dieci veranlaßte, Francesco Ferrucci aus Prato abzuberufen; um die Stadt wollten sie sich dad u r c h kümmern, daß sie einen ordentlichen Nachfolger hinschickten. Weil Empoli gerade einen Kommissar benötigte, w u r d e entschieden, Ferrucci dorthin zu schicken. Besagter Francesco zog also von Prato nach Empoli, wo er die Stadt sofort nach seiner Ankunft dergestalt mit Schanzen und Befestigungen versah, daß sie von noch so starken Feinden in keinem Fall zur Aufgabe gezwungen werden k o n n t e . Außerdem unterließ er es nicht, die Bewegungen der Feinde zu überwachen, um keine sich bietende Gelegenheit zu einer trefflichen Tat zu verpassen. So eroberte er im günstigen Augenblick San Miniato gewaltsam zurück. 482 Als er kurz darauf vernahm, daß Signor Pirro da Castcl Piero 481 im Begriff war, mit einer Abteilung kaiserlicher Truppen durch das Gebiet zu marschieren, schickte er seine Leute aus, legte einen Hinterhalt und besiegte Pirrt), wobei zahlreiche Feinde getötet wurden und sieben Hauptlcutc dieses Führers in Gefangenschaft gerieten. Als Ferrucci nach diesem Erfolg hörte, daß Florenz unter dem Mangel an Fleisch und Salpeter zu leiden begann, stellte er am Karfreitag hundert Ochsen und eine rechte Menge Salpeter zusammen, die man in Empoli auftrieb. In der Karfreitagsnacht schickte er alles zusammen streng geordnet und mit genügend Führern und Gcleittruppen auf den Weg, und zur riesigen Freude der ganzen Stadt kamen sie am darauffolgenden Morgen in
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Florenz an, ohne daß die Feinde es bemerkten, bevor sie außer Gefahr waren. Es trug sich darauf zu, daß der Kommissar von Voltcrra diese Stadt verlor und sich in die Festung zurückzog, ohne sie zuvor mit genügend Verpflegung und Munition versehen zu haben. Die Dieci befürchteten deshalb, daß sie in die H ä n d e der Feinde gerate, und beschlossen, ihr auf jeden Fall zu Hilfe zu eilen. Sie schickten (235) fünfhundert Mann aus Florenz zu Ferrucci und beauftragten diesen, der Festung ohne Verzug und so rasch als möglich zu Hilfe zu eilen und sie so zu versorgen, daß sie sich verteidigen könne. Nachdem Ferrucci diesen Auftrag entgegengenommen hatte, traf er mit größter Umsicht alle zweckdienlichen Vorkehrungen. Eines Morgens brach er dann mit achthundert Fußsoldaten und ungefähr hundertfünfzig Reitern von Empoli auf. Am selben Abend, um zweiundzwanzig Uhr, zog er mit dieser Truppe in die Festung ein, und weil er dort weder etwas zu essen noch zu trinken fand, war er gezwungen, auf der Stelle auszubrechen und gegen die Stadt zu kämpfen. Dies tat er so kühn und heldenhaft, daß die Feinde besiegt waren, nachdem sie die Schanzen zum Schutze der Befestigungen und Straßen sowie sechs schwere Artilleriegeschütze, die von Genua herangeschafft worden waren, verloren hatten. Nach kurzen Verhandlungen bemächtigte sich Francesco der Stadt, zu seinem eigenen großen R u h m und zum Vorteil der Soldaten. A m nächsten Tag erreichte Fabrizio Maramaldo 484 mit recht vielen Truppen die Stadt. Er kam, um die Festung niederzukämpfen. Als er entgegen seiner Erwartung die Festung gut versorgt und die Stadt in Fcindcshand vorfand, machte er draußen vor den Toren Halt, um auf weitere Befehle aus dem Heerlager zu warten. Nach diesem Vorfall nahmen die Feinde vorerst Empoli ein, und als sie hörten, daß Ferrucci nicht viele Truppen bei sich hatte und die Stadtmauern schwach und nirgends wiederaufgebaut waren, beschlossen sie anzugreifen. Sie dachten wohl, Ferrucci werde sich in einer überhaupt nicht befestigten Stadt nicht anders verteidigen als Andrea Giugni in E m p o l i 4 " , einem stark befestigten O r t , der von Ferrucci so aufgerüstet w o r d e n war, daß er als unüberwindbar gegolten hatte. Sic entsandten deshalb den Marquis del Guasto 486 für dieses Unternehmen, mit den Spaniern, die Empoli gestürmt hatten, und der erforderli-
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chcn Artillerie. N a c h d e m er vor der Stadt das Lager aufgeschlagen und die Artillerie in Stellung gebracht hatte, begann er z u s a m m e n mit Fabrizio mit dem Beschuß, durch den sie eine breite Bresche in die Mauer schlugen, die zu schwach war, um den Schüssen zu widerstehen. Als Ferrucci sah, daß die Mauer nicht stardhielt und an vielen Stellen zusammenstürzte, verzagte er indessen keineswegs, sondern spornte sich selbst und die anderen an. N o c h während die Mauer einstürzte, ließ er mit allerlei Gerumpel, den man aus der Nähe 4 8 7 A heranschaffen konnte, eine Deckung errichten. Als die Feinde nach dem Beschuß meinten, die Mauer sei ausreichend zerstört, bliesen sie zu einem entschlossenen und sehr heftigen Angriff auf die Stadt, wurden aber von Ferruccis Männern mit solcher Tapferkeit zurückgeschlagen, daß sie nach zwei Angriffen mehr als tausend Kameraden tot zurückließen. Ferrucci stand unablässig auf den Befestigungen und rannte stets dorthin, wo er gebraucht wurde. Weil er dann von einem Stein am Knie getroffen wurde und weder auf dem Pferd sitzen noch zu Fuß umhergehen konnte, ließ er sich auf einem Sessel herumtragen und fehlte so weder an den O r t e n noch bei den Aktionen, die seine Anwesenheit erforderten. Als die Feinde zu keinem Erfolg mehr zu kommen glaubten, gaben sie das (236) U n t e r n e h m e n auf, brachen von der Stadt auf und zogen ins Lager zurück, und sogar sie priesen alle den Mut und die Tapferkeit Ferruccis. N a c h d e m er weitere Truppen erhalten und eine ausreichende Wache in der Stadt zurückgelassen hatte, verschob sich Ferrucci auf Befehl der Dieci über Livorno nach Pisa, wo er vierzehn Tage lang krank daniederlag. Als er hierauf gerufen wurde, Florenz zu Hilfe zu eilen, brach er mit dreitausend Fußsoldaten und dreihundert Reitern von Pisa auf, um seine Vaterstadt nicht im Stich zu lassen, o b w o h l er dieses Unternehmen für beinahe aussichtslos hielt und versicherte, daß keiner von denen, die ihn herbeiriefen, das täte, wozu er bereit sei. Über Lucca und Pcscia erreichte er San Marccllo und darauf Cavinana 488 , wo ihm der Prinz von Oranicn entgegentrat. Dieser hatte den Hauptharst seines Heeres dorthin geführt, ohne fürchten zu müssen, daß die unsrigen während seiner Abwesenheit das Lager angreifen würden, da ihm dies von Malatcsta versprochen worden war. Die Truppen Ferruccis kämpften tapfer gegen jene des
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Prinzen, und Ferrucci wurde eher aufgrund der Zahl als wegen der Klugheit und des Mutes der Feinde besiegt, die ihrerseits den Sieg nicht ohne Gefahren und Blutzoll errangen. 489 Bei den ersten G e fechten wurde nämlich ihre Kavallerie besiegt und in die Flucht geschlagen, und der Prinz, der durch eine Arkebuse in die Brust getroffen wurde, blieb tot liegen. Ferrucci wurde gefangengenommen und kurz darauf von Fabrizio Maramaldo auf grausamste Weise niedergestochen. Dies sind die Taten des Francesco Ferrucci. Er hat damit gezeigt, daß er in der Kriegskunst gewandter war als jeder andere Heerführer unserer Zeit, wußte er doch rasch zu marschieren, Städte zu erobern, sie im Kampfe zu verteidigen und zu befestigen, den Feinden H i n terhalte zu legen, gegen sie zu kämpfen und dabei den Sieg davonzutragen. Mit nicht geringerer Tüchtigkeit hat er die Städte regiert, sich bei den Einwohnern und den Soldaten Respekt verschafft und beliebt gemacht, letztere nach seinem statt nach ihrem Willen bezahlt, sodann Münzen geschlagen und die Versorgung sichergestellt, um ihnen den Sold auszuzahlen - alles Dinge, die nicht weniger Tatkraft erfordern als die Kricgshandlungen. All jene K o m m a n d a n ten, die als erfahren gelten, hätten nie etwas vollbracht, wenn sie solche Unternehmen hätten ausführen müssen, und während Ferrucci die Schwierigkeiten stets minderte, hätten die anderen sie immerzu vergrößert, so daß sie, darin verstrickt, mit ihren Kriegsherren zusammen zu Fall gekommen wären. Dies ist offensichtlich, denn als man über die Verteidigung von Prato diskutierte, erhoben alle Kommandanten, die sich in Florenz befanden, ohne daß sie sich hätten einmischen müssen, zahlreiche Einwände dagegen, obwohl dort alles N ö t i g e für den Krieg vorgekehrt gewesen wäre. Man zog es daher vor, die Stadt aufzugeben, deren Verteidigung dank ihrer Lage und der Fülle (237) an gelagerten Vorräten wie auch wegen der Nähc 490A zu Florenz äußerst leicht gewesen wäre. Doch auch jene Kommandanten, die sich draußen vor der Stadt aufhielten, hätten drinnen keine bessere Leistung erbracht; jedenfalls hatten sie weder in diesem noch in anderen Kriegen etwas unternommen, aufgrund dessen man sie anders beurteilen könnte. Unsere Bürger sollten daher nicht behaupten, selber weniger vom Krieg zu verstehen als diese Söldnerführer, hat doch einer von ihnen,
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der bürgerlich erzogen war, so große und tapfere Taten vollbracht, ohne je Soldat gewesen zu sein. Er hat allen gezeigt, daß jeder Bürger, der sich anderweit durch Klugheit auszeichnet, auch des Krieges kundig sein und ihn viel besser und mit größerem öffentlichen N u t z e n führen kann als irgendein Söldnerführer. Die Jungen sollen daher mutig dem Beispiel Ferruccis nacheifern und sich nicht von den Alten überzeugen lassen, die mit ihrem Unvermögen, ihrer Habsucht, ihrem Ehrgeiz und ihrer Feigheit die Stadt in eine solch üble Lage gebracht haben, daß man sie bald im Abgrund des Elends und der Sklaverei begraben sehen wird, wenn das Schicksal ihr nicht ein gütigeres Gesicht zeigt. U n d weil die Jungen in einem derart langen Krieg dabeigewesen sind und alle Knegshandlungcn mitgemacht haben, sollten sie sich Ferrucci nicht unterlegen fühlen, der nicht mehr Erfahrung besaß als sie, wie er sein öffentliches Wirken begann. Er hatte sich nämlich nie unter Soldaten aufgehalten und war nie bei Knegshandlungcn dabeigewesen außer bei der Belagerung von Neapel. Dorthin begleitete er Giovanbattista Soderini 491 , einen dank Seelengrößc, Klugheit und jeder anderen Art von Tugend höchst lobenswürdigen Mann, der als Kommissar der florcntinischen Truppen ins Lager des Monsignore von Lautrec gesandt wurde. Wer nun aber bei der Belagerung von Florenz dabeigewesen ist und nicht geschlafen hat, kann mindestens so viel Erfahrung gesammelt haben wie jemand, der bei jener von Neape-'l dabei war. Aufgrund des Gesagten meinen wir, daß wir klug daran getan haben, der Miliz eigene Bürger als K o m m a n d a n t e n zu j;cbcn. Noch klüger sind jene, die dies in die Tat umsetzen - sollte das Schicksal es ihnen je ermöglichen.
Sechstes Kapitel Über die öffentlichen Mahlzeiten
Ich will es nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, wie sehr jede gut geordnete Republik achtgeben muß, daß bei den Lustbarkeiten und Festen, welche die Menschen zu bestimmten Jfahresz-?itcn feiern,
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nichts geschieht, was gegen die bürgerliche Sittsamkeit und Mäßigung verstößt. Wo die Menschen frohgemut leben, sind sie zweifellos schwerlich anzuhalten, ihre Fröhlichkeit nicht auch in ihrem Verhalten auszudrücken. Dieser Wunsch (238) der Menschen, sich zu vergnügen, ist so natürlich, daß selbst jene, die sich im Elend befinden, gedrängt von der Natur versuchen, ihre Sorgen mit fröhlicher Unterhaltung so weit als möglich zu mildern. Es liegt daher auf der H a n d , daß jeder, der den Menschen diese weltlichen Vergnügungen wegnehmen will, gegen die N a t u r anzukämpfen versucht. Wir sahen, wie Bruder Girolamo dies tat, ein Mann, der dank seiner Beredsamkeit, seiner Lehre und seinem heiligen Lebenswandel ehrfürchtigste Erinnerung verdient. Weil er die Menschen gut machen wollte, führte er schreckliche und harte Bräuche ein, indem er alle Lustbarkeiten und öffentlichen Feste untersagte. 492 Derlei war aber nur von kurzer Dauer und verschwand zusammen mit seiner Unterweisung wieder. D a man also diesen natürlichen Trieb, Feste zu feiern, nicht bändigen kann, ist dafür zu sorgen, daß dabei nichts getan wird, was den bürgerlichen Sitten widerspricht und der Republik schadet. Wie wir sehen, trägt sich solches in Fcrrara, Mantua und Venedig zu. In diesen Staaten leben die Menschen dank dem inneren Frieden völlig unbeschwert und geben sich deshalb in ihrer Heiterkeit vielen Dingen hin, die den guten Sitten zuwiderlaufen und den Regierungen nicht zuträglich sind; dies trifft besonders auf die Venezianische Republik zu. Das Gegenteil geschieht in den deutschen Republiken, die dank guten Gesetzen und aufgrund ihres vollkommenen inneren Friedens ihre Fröhlichkeit viel häufiger zeigen, als man es in ganz Italien gewohnt ist. Sic tun dies aber mit Mäßigung und bürgerlichem Anstand, und all ihre Gebräuche rund um die Festlichkeiten sind auf das Wohl der Republik ausgerichtet, wie es in der Antike auch in Sparta und Rom üblich war. U m also die öffentlichen Vergnügungen zu regeln, sollte man meines Erachtcns über das bereits Gesagte 491 hinaus öffentliche Mahlzeiten einführen. Ich möchte, daß die Republik sie allen in der Miliz cingeschriebencn 494A Männern gewährt. Damit sie geordnet und würdevoll ablaufen, soll sich der Gonfaloniere zusammen mit den Signori, den Procuratori und den Kommissaren der Quartiere
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dazu einfinden. Hielte sich der Großkommissar zufällig in der U m gebung auf, würde er in jedem Fall herbeigeholt. Weil sechzehn Kompanien vorgesehen sind, könnte man die Mahlzeit mit jeweils deren acht durchführen, so daß alle sechs Monate eine dieser Mahlzeiten abzuhalten wäre. Es würde wohl auch genügen, wenn sich nur die Hauptlcutc mit den übrigen Offizieren und den D c k u r i o n e n einfänden. Ich möchte diese Mahlzeiten somit auf folgende Weise regeln: Im großen Ratssaal 495 oder an einem anderen geeigneten O r t soll man das Gedeck für zweihundertfünfzig Männer - oder so viele wie nötig - vorbereiten. A m Morgen kommen die obgenannten Bewaffneten auf den Platz und halten die gewohnten Übungen ab. Danach steigen sie, eingereiht hinter ihren Kommissaren, in den Saal hinauf oder dorthin, w o die Feier vorbereitet ist. Sind sie dort angekommen, setzt sich jeder mit seinen Waffen in geordneter und ruhiger Weise. Darauf erscheinen der Gonfaloniere und die erwähnten Behörden im Saal und setzen sich an die ihnen zugewiesenen Plätze, und zwar der Gonfaloniere mit den Signori an einem, die Procuratori (239) und die Kommissare an je einem anderen O r t . Ist der Großkommissar anwesend, sitzt er an der Seite des Gonfaloniere. Ich möchte, daß die Plätze der Behörden etwas erhöht sind, um dieses Ereignis noch ehrenvoller und prächtiger zu machen und auch, um alle dem Blick der Behörden auszusetzen, damit sie aus Ehrfurcht vor ihnen jede Unbesonnenheit unterlassen. Darauf wird das Essen gebracht, das reichlich sein, aber eher aus einfachen denn aus erlesenen Speisen bestehen sollte. N a c h Beendigung der Mahlzeit wäre es gut, wenn einer der Amtsträger auf das Rednerpodest stiege, um diesen Brauch mit passenden Worten zu loben - indem er unter anderem betonte, wie nützlich es für die Republik sei, wenn die Männer sich gelegentlich als Brüder erkennen. Nach der Verabschiedung verlassen alle das Rathaus in der gleichen O r d n u n g , in der sie eingezogen sind, und nachdem sie auf dem Platz einige militärische Übungen abgehalten haben, soll jeder wieder seinen eigenen Weg gehen. Gut wäre ferner eine Anordnung, wonach der Gonfaloniere jährlich zwei Mahlzeiten für die obersten Behörden der Stadt zu veranstalten hätte, und vielleicht wäre es auch sinnvoll, wenn diejenigen, die sich zur ersten einfinden, bei der zweiten nicht mehr dabei wären,
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damit möglichst viele an dieser Ehre Anteil hätten. Ich weiß nicht, o b es, u m Zeit sparen, besser wäre, für die Männer der Miliz statt der genannten Mahlzeit einen Imbiß zu geben, wie wir es nennen. M a n k ö n n t e ihn auf dem Platz abhalten, indem man alle Anwesenden, die auf die oben Genannten beschränkt wären, in einem Kreis versammelte und die Kommissare an einer Stelle beginnen würden, jedem das auszuhändigen, was als Imbiß vorgesehen wäre. Es wäre auch möglich, alle auf der Ringhiera Platz nehmen zu lassen, wo sich auch der Gonfaloniere und die Signori aufhalten könnten, und darauf den Imbiß auszuteilen. Man könnte gleichzeitig die Offiziere und Dckurioncn aller Kompanien k o m m e n lassen, so daß jährlich nicht zwei, sondern bloß eine Mahlzeit zu veranstalten wäre. Man soll aber nicht zu viele Gedanken verlieren, wie ein solches Fest durchzuführen sei. Wichtig ist, diesen Brauch überhaupt einzuführen. Ich habe nun unserer gesamten Verfassung Vollkommenheit verliehen. Es bleibt mir noch, den Körper der Republik als ganzes ein wenig zu erläutern und zu zeigen, daß durch diese Form alle Fehler und Mängel ausgemerzt werden, die wir im zweiten Buch erörtert haben.
Siebtes Kapitel Die beschriebene Republiksform ist klug geordnet
(240) Wie wir ausführlich erläutert haben, setzt sich unsere Republik aus vier H a u p t o r g a n e n zusammen. Das erste von ihnen, der G r o ß e Rat, bildet die Grundlage und das Fundament der gesamten O r d nung, denn er verkörpert die Volkshcrrschaft, deren Zweck die Freiheit ist. Das zweite Organ ist der Senat, der die Herrschaft der Bcsten verkörpert, das dritte der Collegio, durch den jene befriedigt werden, die nach Grandezza streben. Das O b e r h a u p t als viertes O r g a n verkörpert das Königtum und befriedigt den Wunsch nach dem Prinzipat.
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So gelingt es dank dieser Verfassung, allen Begehren der Stadtbew o h n e r zu entsprechen. Denn wer Freiheit wünscht, findet sie im G r o ß e n Rat, der Herr 4 9 6 über die vier wichtigsten Aufgaben ist, die wir oben beschrieben haben: die Wahl der Behörden, die Einführung der Gesetze u n d Anordnungen, die Entscheidung über Krieg und Frieden sowie die A n h ö r u n g der Berufungen. Die erste 497 liegt vollständig im Ermessen des Großen Rates, die zweite beginnt ebenfalls im Collegio, und wenn sie nicht bis in den G r o ß e n Rat gelangt, was zu beschwerlich wäre, so wird sie doch zuletzt im Senat behandelt, der zahlreiche Mitglieder umfaßt und vom G r o ß e n Rat eingesetzt wird. Weil das Verfahren bei diesen beiden Aufgaben so eingerichtet ist, daß die weisen und tüchtigen Männer beraten, die Vielen entscheiden und die Behörden zur Ausführung verpflichtet sind, erlangen die Bürger nicht eine Grandezza, die der Stadt oder ihnen selbst schadet. Vielmehr bewahren sie dank dieser O r d n u n g ihren Ruf als weise und gute Bürger und ziehen sich nie den H a ß der Bürgerschaft zu, und da sie nicht über die Behörden verfügen können, erlangen sie auch nicht solche Macht, die sie gleich Wölfen raubgierig und frech werden läßt. Weil die Grandi bloß U r h e b e r der Ratschläge, nicht aber der Beschlüsse sind, werden sie die Geschäfte zur Zufriedenheit aller führen. Die hohen Ämter werden demzufolge ausschließlich zur Erhöhung der Bürger dienen, und weil letztere verpflichtet sind, die von den Vielen beschlossenen Geschäfte auszuführen, finden sie auch keinen Anlaß, sich gegenseitig zu beschuldigen. Da die Einführung der Gesetze vem weisen Männern ausgeht, hat diese Verfahrensweise ferner zur Folge, daß den Gesetzen die frühcr bcschricbcncn Mängel nicht anhaften werden, und so erübrigt sich der volkstümliche Spruch: »Florentinisches Gesetz, tritt am Abend es in Kraft, wird's am Morgen abgeschafft.« Falls jemand einwenden sollte, die Grandi (241) würden sich nicht zufriedengeben, weil sie keine Entscheidungsbefugnis besitzen, so entgegne ich, daß sie vollauf befriedigt sein werden, da es viel ehrenvoller ist, U r h e b e r eines Ratschlags zu sein, der darauf in einem Senat angenommen wird, als selbst entscheiden zu können. Denn es ist vorzüglich, von vielen als weise angesehen zu werden, wie es in unscrcrRcpublik der Fall wäre. Weil wir der Amtsgewalt der Signoria, der Dieci, der Ofto und der Collegi Regel und O r d n u n g gegeben haben, indem wir entfernten,
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was schlecht war, und beließen, was der Republik zustatten kam, wird man in unserer Republik keine Spuren einer Gewaltherrschaft sehen. Weil die Entscheidungen in der Macht der Vielen hegen, wird die Republik breit sein, im Gegensatz zu den beiden vergangenen Regimentern, die, wie wir oben gezeigt haben, sehr eng und nicht etwa zu breit waren, wie viele glaubten. 498 D a die Amtsgewalt der Behörden, die der Gonfaloniere zu seinem Vorteil nutzte, wie gesagt gemäßigt ist, wird in unserer Republik keiner, der den Rang des Gonfaloniere bekleidet, sich mehr Macht verschaffen können, als die Gesetze ihm einräumen; folglich wird er auch nicht den H a ß der übrigen Bürger auf sich ziehen. Weil außerdem angeordnet wurde, daß der Gonfaloniere sich stets zu den Beratungen der Staatsgeschäfte einfinden soll, werden in unserer Republik jene Mißstände wegfallen, die es - wie aufgezeigt - in den letzten beiden Republiken gab, eben weil er nicht mit der Behörde der Dieci tagte. Die Behörden und Rektoren werden durch die Einrichtung der Quarantia gezwungen, jedem Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ohne daß sie auf den Reichen mehr Rücksicht als auf den A r m e n nehmen oder auf den Vornehmen mehr als auf den einfachen Mann. Durch die beschriebene Republiksform werden somit alle Mißstände beseitigt, die wir im zweiten Buch ausführlich erörtert haben, und folglich sind auch die Tore zu ihrem Ruin verriegelt. Dies bewirkt, daß die Menschen dieser Verfassung die Treue halten. Da sie keine Möglichkeit sehen, sie zu zerstören, versprechen sie sich davon Stabilität; hieraus entspringt die Treue, und aus dieser die Wachsamkeit und der Eifer, die Verfassung zu verteidigen und zu bewahren. Es ist nun aber auch möglich, daß die Bürger einer Herrschaft die Treue halten, die ihrem eigenen Untergang die Tore offenläßt. Ein Tyrann kann sich nämlich so verhalten, daß seine Untertanen ihm treu bleiben, wie zum Beispiel Aristoteles im Falle Pcriandros', des Tyrannen von Korinth, berichtet, der den Bürgern gegenüber so auftrat, daß jeder ihm ergeben war. 4 '" Ähnlich können in der Wcmgenherrschaft die Ausgeschlossenen so behandelt werden, daß sie nicht zu Feinden des Regiments werden. In Florenz war dies zur Zeit von Messer Maso degli Albizzi und von Niccolo da Uzzan o der Fall. Jene O r d n u n g e n hielten sich mehr dank der Klugheit der Regieren-
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den als der Tugend der Form wegen, weshalb die Republik unterging und sich in eine Tyrannis verwandelte, sobald diese Anführer fehlten. (242) Jene Republiken, welche die Tore zu ihrem Untergang verschlossen halten, verfügen über treue Bürger; umgekehrt haben aber jene Staaten, die über treue Bürger verfügen, damit nicht auch schon die Tore ins Verderben verriegelt. Wir haben soweit besprochen, auf welche Weise wir die einzelnen Unzulänglichkeiten der beiden vergangenen Republiken verbessert haben. Prüfen wir nun, ob sich in bezug auf die Hauptorgane unserer Republik irgendeine Möglichkeit findet, sie zu zerstören. Wer unsere Republik mit Hilfe der Popolari zerrütten will, müßte sie zuerst überzeugen, daß es in dieser O r d n u n g keine Freiheit gibt. Dies ist unmöglich, zunächst weil zweifellos niemand sich davon überzeugen läßt, daß es in unserer Republik keine Freiheit gibt, sobald er sieht, daß der G r o ß e Rat H e r r über die Behördenwahl 500A und die Gesetze ist, daß ferner die Beschlußfassung über Krieg und Frieden mit so viel O r d n u n g und Umsicht beraten und darauf im vom G r o ß e n Rat gewählten Senat entschieden wird, und daß die Behörden wegen der Einrichtung der Quarantia gezwungen sind, jedem sein Recht zu gewähren. Wenn überdies in den beiden vergangenen Republiken alle übersahen, daß es in ihnen jene tyrannische Stellung der privaten Bürger 501 und jene willkürliche Macht der Behörden gab, die wir oben beschrieben haben, so kann man erst recht niemandem weismachen, es gebe in unserer O r d n u n g einen Bereich, der nicht ein H ö c h s t m a ß an Freiheit genieße. Ein jeder würde deshalb vergeblich versuchen, unsere Republik auf diesem Weg zu verderben. Sie könnte auch von niemandem erschüttert werden, der diejenigen gegen sie aufzuwiegeln suchte, die nach Ehre streben, indem er sie überzeugte, diesen Wunsch in ihr nicht befriedigen zu können. In Anbetracht der Senatorwürde, die der Ehre entspricht, wird niemand denken, diese Ehre nicht erreichen zu können, sofern er sie verdient. Wer behauptet, daß man diese Senatorwürde wenig schätzen werde, wie es in den beiden vergangenen Republiken beim Rat der Achtzig der Fall gewesen sei, dem antworte ich, daß zwischen unserem Senat und dem Rat der Achtzig ein großer Unterschied besteht. Der Rat der Achtzig war nämlich Herr über gar nichts, da
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die Gesetze nachträglich im G r o ß e n Rat bestätigt werden mußten und er selber über Krieg und Frieden bloß der F o r m halber entschied. Wenn die Dieci oder der Gonfalonicre diesen Rat einberiefen, um in einer Sache zu entscheiden, so taten sie dies, um die Bürgerschaft besser zufriedenzustellen. Aufgrund des schlechten Verfahrens ergab sich bei solchen Beschlüssen nichts anderes, als wäre der Rat gar nicht einberufen worden. Sobald die Vorschläge unterbreitet waren, zog man sich nach Quartieren zurück. N a c h d e m alle ihren Willen (243) und ihre Meinung kundgetan hatten, beauftragte jedes Quartier einen Sprecher, der dann meistens seine eigene Meinung und nicht jene der anderen wiedergab. 502 Auch faßte man nie einen Beschluß, der die Behörden verpflichtet hätte, eher auf diese als auf andere Weise zu verfahren. Es blieb sich somit gleich, als ob die Achtzig gar nicht einberufen worden wären, führten doch die Behörden daraufhin nach ihrem eigenen G u t d ü n k e n aus. Weil man es unterließ, mittels Abstimmung die Meinung der Mehrheit zu ermitteln, konnte auch nie etwas ausgeführt werden, was nicht mißbilligt wurde. Weil der Rat der Achtzig voller Mängel war, erstaunt es nicht, daß er wenig geschätzt wurde. Als Raffaello Girolami Gonfaloniere war, diskutierte ich oftmals mit ihm und zeigte ihm auf, wie lächerlich in diesem Rat bei den Staatsgeschäften verfahren werde und daß jenes Verfahren zu übernehmen sei, das, wie oben beschrieben, für unseren Senat gelten soll. Am Ende des Krieges berief er deshalb den Rat der Achtzig ein, als Malatcsta und Signor Stefano ihre Entlassung verlangten, um die Stadt einzuschüchtern und zu einer freiwillig eingegangenen Vereinbarung zu bewegen. 501 N a c h d e m man die Protcstschreiben dieser Herren verlesen hatte, ermunterte Raffaello alle, mutig zu äußern, was ihrer Meinung nach zu tun sei; er fügte an, es sei besser, wenn ein jeder in Anwesenheit aller spreche, als wenn man nach Quartieren getrennt berate. Der Gonfaloniere wünschte insgeheim, daß sich unter den Achtzig jemand für eine Übereinkunft ausspreche, und dachte, daß jene, die dieser Meinung seien, sie vor dem gesamten Rat der Achtzig weniger befangen vertreten würden als in der Ecke ihres Quartiers. Weil aber Francesco Carducci und einige andere eben dies befürchteten, begannen sie, sich zu beschweren; sie sagten, daß dies ein ungewohntes Vorgehen sei und man gut
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daran tue, sich nach Quartieren zurückzuziehen. So wurde es denn auch gemacht, und man beschloß weiter nichts, als ein paar Bürger festzunehmen, als ob der Sieg daran gehangen hätte. Der Rat der Achtzig wurde somit zu Recht geringgeschätzt, da er keinerlei Befugnis hatte, sondern infolge des Verfahrens, das man sowohl bei der Verabschiedung der Gesetze als auch bei der Beratung über Krieg und Frieden befolgte, den Meinungen weniger unterworfen war. Unser Senat hingegen wird hochgeschätzt werden, zunächst, weil wir ihm die Befugnis gegeben haben, mittels Abstimmungen die wichtigsten U n t e r n e h m u n g e n des Krieges und des Friedens zu beschließen. Z u d e m macht ihn das Verfahren, das wir angeordnet haben, noch begehrenswerter, da es für einen Bürger höchst ehrenvoll ist, seinen Ratschlag frei vorbringen zu dürfen und dann zu sehen, wie er von so vielen Senatoren, wie ich sie bezeichnen möchte, angenommen wird. (244) Die Gesetze werden zwar im Senat nicht abschließend behandelt. Da man sie in ihm aber gemäß dem oben festgelegten Verfahren zuerst diskutiert, bevor sie angenommen oder verworfen werden, mehren sie trotzdem das Ansehen jener, die für sic eintreten oder von ihnen abraten. Wer Ehre begehrt, sieht also dank der Einrichtung des Senats einen gangbaren Weg, sie auch zu erlangen. Er läßt sich daher bestimmt nicht dazu bewegen, die Änderung der herrschenden O r d n u n g anzustreben. Dasselbe können wir von denjenigen sagen, die Grandezza wünschen. Da sie hiervon soviel erhalten oder erhalten können, wie einer freien Stadt angemessen ist, lassen sie sich zweifellos nicht davon überzeugen, daß unsere Republik ihnen nicht jene Grandezza zu geben vermag, die jemand verdientermaßen anstreben darf. Die Procuratori auf Lebenszeit werden nämlich so viel Grandezza besitzen, wie sie begehren, sind sie doch die Urheber und Leiter aller wichtigen Angelegenheiten in unserer Republik. Und weil sie ihren Rang auf Lebenszeit einnehmen, werden sie immer sehr zufrieden sein, zumal sich jeder von ihnen Hoffnungen auf das Amt des Gonfaloniere machen kann. Schließlich wird niemand unsere Republik erschüttern können, der sie durch die E n t w ü r d i g u n g des Gonfaloniere ruinieren will. Da von diesem nichts abhängt, kann keiner sagen, er sei ein nachlässiger oder ungerechter Regent, oder er besitze tyrannische Macht, wie dies
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jene, die 1512 den Untergang der Stadt besiegelten, von Piero Soderini behaupteten, einem Gonfalonicre, der aufgrund seiner vielen guten Eigenschaften wahrlich höchstes L o b verdient. Auch die Jugend kann in keiner Weise aufgewiegelt und davon überzeugt werden, von dieser Republik ausgeschlossen zu sein, da sie in der Stadtu n d Landmiliz die Möglichkeit erhält, zu Ehren zu k o m m e n . Überdies sehen jene Steuerzahler, die nicht zu den Beneficiati gehören, wie jedes Jahr viele von ihnen den Beneficio erhalten. Sic werden daher zuversichtlich bleiben und stets hoffen, diese W ü r d e selber einmal zu erlangen, wenn sie so leben, wie es guten Bürgern ansteht. Ich stelle somit fest, daß unsere gesamte Republik in Frieden und Freude lebt und ihre Bürger glücklich und zufrieden sind. Deshalb ziehe ich den Schluß, daß keiner einen offenen Zugang zu ihrem Ruin finden kann, insbesondere wenn er aufgrund seiner eigenen Boshaftigkcit, nicht aber aufgrund der O r d n u n g der Republik ausgeschlossen wird. Besonders nützlich ist, daß niemand diese O r d n u n g irgendwo verletzen kann, ohne daß sie als ganze diese Verletzung spürt, worauf sie dann sofort reagiert und sich nicht zerstören läßt; dies darum, weil die wichtigsten Organe miteinander verbunden sind und gegenseitig voneinander abhängen. Eine so geordnete Republik muß folglich keinerlei Aufruhr von jenen hinnehmen, die aus ihr ausgeschlossen sind, also nicht mit ihren Würden bedacht werden. Prüfen wir nun, ob der Gonfaloniere, ein Procuratore, ein Senator oder jemand, der ein anderes A m t versieht, sie auf irgendeine Weise verletzen kann. (245) Es sind wie erwähnt zwei G r ü n d e , welche die Menschen dazu bringen, Republiken zu zerrütten: Ehrgeiz und Habgier. Erstcrcs kann den Gonfalonicre nicht bewegen, denn da er den höchsten Rang einnimmt, wird ihm reichlich Ehre z u k o m m e n . Wenn er trotzdem so blind wäre, daß er im Glauben, Ehre bestehe aus Macht, N e u e s versuchte, um mehr Macht zu erlangen und weniger abhängig zu s e i n - s o wie dies Pausanias, König von Sparta, und Marino Faleri, Doge von Venedig, in ihren Republiken tun wollten - , dann könnte er seine Absicht doch nie verwirklichen. Er hätte nämlich die gesamte Republik gegen sich, allen voran die Procuratori, die selber Hoffnungen auf das Amt des Gonfaloniere hegen können und diese Einrichtung nicht ändern wollen - sofern sie nicht so käuflich sind,
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daß sie sich durch Geld bestechen lassen, und er nicht so reich, daß er nicht nur die Procuratori, sondern einen jeden kaufen kann, der seinen Absichten dienlich ist. Das beste Mittel, das man dagegen verwenden kann, ist, die Bürger dazu zu erziehen, Ruhm mehr zu schätzen als Gold. Jene Republiken, in denen die Bürger das Gegenteil tun, also das Gold dem R u h m vorziehen, können zweifellos nicht lange bestehen, weil ihre Bürger käuflich werden. Ein Reicher, der jedermann zu bestechen vermag, kann sich jederzeit ohne große M ü h e zum H e r r n einer Republik mit solchen Bürgern aufschwingen. Dies bedachte Jugurtha, als er von Rom aufbrach, w o er lauter bestechliche Bürger vorgefunden hatte. Er sagte folgende harte Worte: » O urbem venalem, et cito perituram, si emptorem invenerit!« 504 Dies trat bald darauf auch ein, als Caesar mit seinen Schenkungen die gesamte Stadt bestach u n d in Kürze eine Gewaltherrschaft errichtete. Wohlweislich erwies man deshalb in der Antike all jenen höchste Ehren, die für die Republik Hervorragendes leisteten. Den einen sprach man Triumphzüge zu, den anderen Statuen, wieder anderen Ovationen oder dies oder jenes, so daß die Menschen, die sich derart gefeiert sahen, angespornt wurden, Ruhm weit mehr zu schätzen als Besitz. So m u ß man es auch in unserer Republik halten. Sie soll für alle, die sich für sie abmühen, ähnliche Belohnungen aussetzen und nicht auf die M ö n c h e hören, nach denen man diese weltlichen Dinge nicht schätzen darf. Gewiß ist es wahr, daß ein guter Christ und Mensch immer richtig handeln soll, allein mit dem Ziel, Gutes zu tun, das heißt aus Liebe zu Gott, dem einzigen, ersten und wahren G u t e n . D a die Republik aber vorzügliche Taten nicht mit der Herrlichkeit des Paradieses belohnen kann, (246) muß sie es mit weltlichem R u h m tun. Kommen wir zum Schluß dieses Abschnitts: Der Gonfaloniere kann nicht aus Ehrgeiz dazu getrieben werden, die Republik zu zerrütten 5 0 ^. N o c h viel weniger kann dies aus Habgier erfolgen; erstens, weil der Inhaber dieses Ranges ein Entgelt erhalten wird, das ihm genügen dürfte; zweitens, weil jemand, der einen Machtwechscl herbeiführen will, um sich selbst zum Herrn zu machen, sein Vermögen ausgeben m u ß , ohne zu wissen, was er damit erreicht. Und wer geizig ist, wagt selten das Unsichere für das Sichcrc. Wer das Leben derjenigen gut studiert, die eine Gewaltherrschaft begründe-
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ten, wird feststellen, daß sie alle nicht bloß großzügig, sondern verschwenderisch waren, wie zum Beispiel Caesar in Rom und Cosimo in Florenz. Es ist somit nicht zu befürchten, daß sich der Gonfaloniere aus besagtem G r u n d bewegen läßt, die Republik zugrunde zu richten. Sollte er trotzdem ein solches Unterfangen versuchen, könnte er seinen Plan weder durch jene verwirklichen, die Freiheit wünschen, noch durch jene, die Ehre begehren oder nach Grandezza streben. Er stieße nämlich auf dieselben Schwierigkeiten wie jeder, der, wie oben beschrieben, außerhalb der Republik steht. Als letztes könnte er versuchen, die Vaterstadt mit fremden Truppen zu besetzen, doch wären damit so viele Schwierigkeiten verbunden, daß er sich wohl kaum vorstellen kann, wie ihm dieses Unternehmen in einer Republik gelingen soll, die so fest zusammengefügt, voller Grandezza, voller Ehre und voller Freiheit ist und ihren Bürgern soviel N u t z e n bringt. Wenn wir indessen z u m Schluß kommen, daß der Gonfaloniere seine Republik nicht zu zerstören vermag, so kann man erst recht davon ausgehen, daß dies auch kein Procuratore, kein Senator und kein anderer Würdenträger vermag. Es ist müßig, uns länger darüber auszulassen, da dies durch das Gesagte sehr klar geworden ist. N u n pflegt aber eine Verfassung, wie Aristoteles sagt, sich langsam von der einen Art in eine andere zu verwandeln, und zwar aus Unachtsamkeit der Regierenden. 506 Solches geschähe zum Beispiel, wenn in der Republik ein Gesetz geschaffen würde, mit dem man still und leise die Macht des G r o ß e n Rates verringerte oder vergrößerte und die Republik demzufolge in die Nähe der Wcmgenherrschaft oder der Volkshcrrschaft rückte. Ich meine, daß dies in unserer O r d n u n g nicht erfolgen kann, weil alle Gesetze zuerst im Collegio, dann im Senat und schließlich im G r o ß e n Rat zur Diskussion gestellt werden müssen und weil jedes Mitglied dieser Räte das Recht hat, seine Meinung zu äußern. Falls die Einführung eines Gesetzes eine Falle birgt, ist es mithin unmöglich, daß diese in so vielen Diskussionen nicht aufgedeckt wird. Unsere Republik kann also auf diese Weise nicht gefährdet werden. Man könnte indessen einwenden, daß es unserer Republik nicht an Aufruhr fehlen werde, weil (247) sie im Innern Ungleichheit aufweise, was laut Aristoteles 507 zu Bürgeraufständen führt. Darauf
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antworte ich, daß die Ungleichheit in unserer Republik gar keine wirkliche Ungleichheit ist, sondern verschiedenen Rängen der Ehre entspricht, die von der Republik selbst eingerichtet werden. Ein Mitglied des G r o ß e n Rates kann sich deshalb nicht über die Ehre der Senatoren und die Grandezza der Procuratori oder des Gonfaloniere beschweren, weil er selber zu denjenigen gehört, von denen diese Ehre und diese Grandezza abhängen. Ebensowenig haben die Senatoren einen G r u n d , sich über die Erhabenheit der Procuratori, oder die Procuratori, sich über jene des Gonfaloniere zu beklagen, da jeder hoffen kann, dereinst zu diesen A m t e r n aufzusteigen, die ein jeder von der Republik erhalten und sich nicht selbst genommen hat. Von dem, was m a n als Ungleichheit bezeichnen könnte, wird daher keine Bedrohung für unsere Republik ausgehen. Aufgrund unserer Ausführungen dürfte klar sein, daß durch eine solche O r d n u n g alle Zugänge zur Zerstörung der Republik versperrt werden. Dies wird dazu führen, daß jedermann ihr zugetan und im Falle eines Angriffs zu ihrer Verteidigung bereit ist — in der Überzeugung, auf diese Weise das private nicht weniger als das öffentliche Wohl zu schützen. Abschließend meine ich somit, daß diese Rcpubhksform in unserer Stadt keinen inneren Aufruhr erleiden müßte. Dank der in der oben beschriebenen Weise organisierten Miliz würden auch Angriffe von außen abgewehrt. Sollte das Schicksal dieser mit eigenen Truppen gerüsteten Republik einen einzigen Sieg gewähren, würde unsere Stadt so viel R u h m und Ansehen erwerben, daß sie den Himmel berühren m ü ß t e . U n d es wäre kein Wunder, wenn Florenz ein zweites R o m w ü r d e , da es dank Zahl und Charakter der Bevölkerung und dank der geschützten Lage bestens taugt für ein großes Reich. Da ich dies hier nicht weiter ausführen will, werde ich nun die Umstände u n d Mittel besprechen, die für die Einführung der Republik erforderlich sind.
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Achtes Kapitel Welche Umstände und Mittel es braucht, um die dargelegte Republik einzuführen
Wir haben unsere Republik soweit dargestellt, und wenn man genau überlegt, w u r d e dabei nichts von Belang übergangen. Es (248) ist mir sehr wohl bewußt, daß es fast unmöglich ist, alle Einzelheiten auf einmal zu sehen, und ich bin sicher, einige davon nicht berücksichtigt zu haben. Sie könnten mit der Zeit und durch die Regierung selbst aufgedeckt werden. Unter den Verfassunggebern der Antike war keiner je so weise und umsichtig, daß ihm nicht etwas entgangen wäre. Sobald die Zeit dies ans Licht gebracht hatte, wurde es dann von den Nachfolgern eingeführt. N u m a Pompilius ergänzte die Verfassung, die Romulus geschaffen hatte, u m zahlreiche Gesetze und Einrichtungen. Ähnlich merzten die übrigen Könige mit neuen A n o r d n u n g e n viele Fehler aus, die man entdeckte. Selbst der Lakcdaimonicr Lykurg, der mehr als alle anderen gelobt wurde, weil er in einem Zuge eine nahezu vollkommene Republik eingeführt hatte, war nicht so weitsichtig, daß er nichts übersah. Als nach ihm T h c o p o m p o s erkannte, daß die Könige zuviel Macht innehatten, so daß sich die Verfassung in eine Tyrannis hätte verwandeln können, fügte er die Behörde der Ephorcn hinzu, welche die königliche Macht schließlich mäßigte. 508 Wenn also Männer wie Romulus und Lykurg, die in der Antike als Götter verehrt wurden, mit ihrer Klugheit nicht alles zu erkennen vermochten, ist es nicht verwunderlich, w e n n ich - ein M a n n von geringem Verstand und wenig Erfahrung - etwas außer acht gelassen habe. Es ist indessen zu beachten, daß das, was möglicherweise übergangen wurde, nicht die wichtigsten Organe betrifft und deshalb keine U n o r d n u n g hervorrufen kann. Denn immer, wenn eine Republik in den wichtigsten Teilen gut geordnet ist, entdeckt sie allmählich selbst, ob ihr etwas fehlt, und schafft sogleich Abhilfe. Gebe G o t t , daß man in unserer Stadt eine Republik einführt, die so geord-
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net ist! Auf daß wir sehen, wie sie wächst und in jedem auch noch so geringen Teil vollkommen wird, weil die Bürger ihr zugetan sind, weil sie sich ständig mit ihr beschäftigen und so angespornt werden, an ihre Bewahrung und ihr Wachstum zu denken. Da dies unmittelbar einleuchtet, ist es nicht nötig, uns länger damit aufzuhalten. Ich lasse daher diese Überlegungen sein u n d wende mich dem zu, was mir noch zu sagen bleibt - nämlich, unter welchen Umständen und mit welchen Mitteln man die beschriebene Verfassung einführen kann. O b w o h l die Behandlung dieser Frage jemandem, der sich das gegenwärtige Leben in unserer Stadt vor Augen hält, als überflüssig erscheinen mag, bringen mich die gleichen Gründe, die mich die bisherigen Ausführungen haben schreiben lassen, auch dazu, das Verbleibende anzugchen. Abgesehen davon will ich diese Erörterung nicht weglassen, um das Buch auch wirklich zu vollenden. (249) Ich meine, daß von allen uns bekannten Republiken einige gleichzeitig mit den Städten entstanden, andere hingegen erst nach der Erbauung der Städte eingeführt wurden. 509 Jene, die mit den Städten zusammen entstanden, wurden aufgrund der Autorität großer Männer eingeführt, so die Römische Republik, die von R o mulus gegründet, oder die Athenische, die von Thescus 510 gleichzeitig mit der G r ü n d u n g der Stadt ins Leben gerufen wurde. Von den Republiken, die nach der Erbauung der Stadt eingeführt wurden, haben sich einige im Laufe der Zeit selbst geordnet u n d verbessert, wie etwa die Republik Venedig. Diese Stadt w u r d e von den Völkern der Lombardei und der Provinz Trcviso gegründet, die vor den Überfällen der Goten flüchteten und sich in die sumpfigen Gebiete zurückzogen, wo heute Venedig hegt. Zu Beginn gaben sie sich eine erste Lebensordnung, indem sie Vorsteher einsetzten, die auf jenen kleinen Inseln unabhängig voneinander Recht sprachen. Als sie dann aufgrund bestimmter Vorfälle erkannten, daß diese Lebensordnung Nachteile aufwies, setzten sie einen allen gemeinsamen Vorsteher ein, bei dem man gegen die Urteile der anderen Berufung einlegen konnte und den sie Dogen nannten. Mit der Zeit fanden sie diese Einrichtung immer besser und ergänzten sie fortwährend mit guten Gesetzen. Indem sie bald dies, bald jenes hinzufügten, führten sie jene Republik zur Vollkommenheit, die wir in
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unserem Buch über die Republik Venedig beschrieben haben. 5 " Andere Republiken wurden aufgrund der Autorität ihrer Führer geordnet. Bei ihnen handelte es sich512A eher u m Reformen als um eine grundlegende Einführung. So verbesserte etwa N u m a Pompilius die von Romulus gegründete Republik, indem er religiöse Riten einführte. Scrvius Tullius 511 ordnete später die gesamte Republik neu. Man beachte, daß diese Reformer die wichtigsten Organe der Republik bereits vorgefunden hatten, so daß sie sich einzig mit ein paar Einzelheiten abmühen mußten. Weitere Republiken wurden in der N o t eingeführt, da in einigen Städten Aufruhr und Zwietracht unter den Bürgern so weit fortgeschritten waren, daß die Bürger selbst sich ganz 514A der Klugheit eines der ihren anvertrauten. Dies taten zum Beispiel die Athener, die sich Solon 515 , und die Spartaner, die sich Lykurg anvertrauten; Lykurg brachte allerdings auch etwas Gewalt zur Anwendung. Die Römer übergaben ihre Republik zehn Bürgern, die Decemviri genannt wurden und die Zwölftafclgcsetzc schufen. 516 Unsere Ausführungen machen soweit folgendes klar: Falls man heutzutage in unserer Stadt eine Republik einführen würde, so gehörte sie zu denjenigen, die nach der Erbauung der Stadt eingeführt werden, und es handelte sich eher um eine Reform als um eine grundlegende Einführung. Weil solche Republiken entweder im Laufe der Zeit sich selbst verbessern und vervollkommnen, wie wir anhand der Venezianischen gezeigt haben, oder durch einen Führer der entsprechenden Stadt eingeführt werden, (250) wollen wir untersuchen, inwiefern sich diese Möglichkeiten in Florenz ergeben können. Wir übergehen dabei die erstgenannte Art, durch welche, wie erwähnt, die Republik Venedig verbessert und geordnet wurde. Denn was für eine Verbesserung viel Zeit crfordert 517A , m u ß , so glaube ich, nicht lange erwogen werden. Wenn wir uns den verbleibenden Möglichkeiten zuwenden, meine ich, daß der Führer einer Stadt entweder aufgrund des Gesetzes bestimmt wird, wie zum Beispiel N u m a Pompihus und Scrvius Tullius in Rom und Piero Soderini in unserer Stadt. O d e r aber er steigt gewaltsam zur Herrschaft auf, wie Caesar in Rom, C o s i m o de' Medici in Florenz, Pandolfo Petrucci in Siena518 und all die anderen in den Städten, deren sie sich bemächtigen. Ferner gibt es zwei
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weitere Möglichkeiten, wie ein privater Bürger so hohes Ansehen erlangen kann, daß er gleichsam zum Herrscher über seine Republik wird. Die eine besteht darin, daß jemand große Taten für die Republik vollbringt und zum Beispiel die Vaterstadt aus unmittelbar drohenden Gefahren errettet, wie dies Camillus 519 und Scipio Africanus taten, oder feindliche Heere besiegt und der Republik fremde Völker unterwirft wie Pompcius Magnus 520 , der, nachdem er für die Republik unzählige große Unternehmen angeführt hatte, rund zwanzig Jahre lang gleichsam ihr Herrscher war und auch so ruhmreich und erhaben gestorben wäre, wenn er mit seiner Macht nicht Caesar zum Aufstieg verholfen hätte. Solchen Männern fällt es sehr leicht, ihre Städte zu lenken, insbesondere wenn sich herausstellt, daß dies zum Vorteil der Republik geschieht, denn ihr Ansehen hält jedem Widerspruch stand, der gegen sie erhoben wird. Die andere A r t besteht darin, daß jemand die Vaterstadt dank persönlicher Tüchtigkeit in die Freiheit zurückführt, wie etwa Andrea Doria, der vor wenigen Jahren Genua von der Gewaltherrschaft der Franzosen befreite. Diese Tat gilt als großartig und bringt ihrem Urheber unvergleichlichen Ruhm ein, so daß nicht nur jene, denen dabei Glück beschieden ist, allseits in ruhmreicher Erinnerung bleiben, sondern auch die anderen, denen dieses Unterfangen mißlingt. Ich habe diese Art des Aufstiegs von der vorangehenden getrennt, weil jene ohne Gewalt auskommt, diese hingegen nicht. Niemand kann ja die Vaterstadt aus der Sklaverei befreien, ohne dabei viele zu verletzen, die zu Anhängern der Sklaverei geworden sind. Deshalb kam es einige Male vor, daß jemandem zwar die Befreiung gelang, er aber darauf, bei der Reform und bei der Verteidigung der Republik, auf größere Schwierigkeiten stieß als zuvor, wie er sie der Gewalt ihrer Unterdrücker entriß. (251) So war jener Brutus, der die Tarquinier vertrieb, gezwungen, seine Söhne umzubringen, um die Republik zu verteidigen. 521 U n d so wurden Brutus und Cassius 522 nach der geglückten Ermordung Caesars bei der Verteidigung der Republik von so vielen Schwierigkeiten bedrängt, daß sie schließlich mit ihr zusammen untergingen. Es gibt demnach folgende vier Möglichkeiten, wie jemand in die Lage versetzt wird, unsere Republik einzuführen: der legitime Aufstieg zum Oberhaupt, der gewaltsame Aufstieg zum Herrscher be-
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zichungswcisc zum Tyrannen, der gcwaltfreic E r w e r b von Autorität sowie der gewaltsame Aufstieg zu Größe. In diese vier Varianten ist der erste Zweig unserer Aufteilung unterteilt. D e r zweite Zweig bestand darin, daß jemand eine Republik einführen kann, dessen Klugheit und Autorität die Stadt sich anvertraut. A u c h diesen Zweig kann man in zwei Varianten unterteilen. D e n n derjenige, dem die Stadt sich anvertraut, ist entweder ein Bürger, wie etwa Giano della Bella in Florenz, oder aber ein Fremder wie König Robert, der H e r z o g von Athen und der Kardinal von Prato. 5 2 3 Auf sechs verschiedene Arten wird somit jemand dazu befähigt, eine Republik einzuführen. Untersuchen wir nun, welche davon eher durchführbar sind, beziehungsweise: von wem wir uns dies chcr 524A versprechen können. Zu betonen ist, daß ich nur von jenen Umständen und Mitteln spreche, die zu unseren Lebzeiten auftreten können, also innerhalb von zehn, zwanzig oder dreißig Jahren - denn was in hundert oder zweihundert Jahren geschehen soll, ist den Gedanken derjenigen zu überlassen, die dereinst leben werden. Wenn ich bei den letzten beiden Möglichkeiten beginne, so meine ich, daß sich unsere Stadt bestimmt nie einem privaten Bürger anvertrauen wird, der sie neu ordnen soll, wie dies Athen und Sparta taten, als sie sich Solon und Lykurg anvertrauten. D e n n zunächst m u ß es sich um einen überaus klugen Mann handeln, der mit den Belangen der Stadt vertraut und mit so vielen weiteren Tugenden versehen ist, daß man von ihm sagen könnte, er sei: »Rara avis in terris, et corvo rarior albo.« 525 Die Erfahrung lehrt, daß die N a t u r in tausend Jahren nur gerade einen solchen Menschen hervorbringt. Es wäre daher nicht verwunderlich, wenn man nicht nur in Florenz, sondern auf der ganzen Welt niemanden mit den genannten Eigenschaften fände. Falls dennoch jemand über sie vcrfügtc 526A , müßte er zudem in der Bürgerschaft Vertrauen finden. Und wenn man jemanden für einen solchen Mann hielte, wie wir ihn beschrieben haben, müßte die Stadt schließlich auch bereit sein, eine gute O r d n u n g anzunehmen. Diese drei Bedingungen waren gegeben, als man sich in Athen Solon und in Sparta Lykurg anvertraute. Bei Lykurg kam hinzu, daß er von jenem adeligen Geschlecht abstammte, aus dem die Spartaner (252) ihre Könige erkoren, was ihm höchstes Ansehen eintrug. Überdies war er gezwungen, bei der Einführung seiner Republik etwas Gewalt
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anzuwenden. Unsere Stadt wurde in vergangenen Zeiten von Giano della Bella geordnet. Auch wenn es scheint, als hätte die Republik sich ihm anvertraut, stammte dieser Auftrag in Tat und Wahrheit nicht von der gesamten Stadt, sondern nur von einem Teil, nämlich den Popolari. Weil Giano als Bürger galt, der sehr um das Gemeinwohl bemüht war, verhielt sich die gegnerische Partei still und gab sich einigermaßen zufrieden. Ich glaube auch nicht, daß sich die Stadt nochmals freiwillig in die H ä n d e eines Fremden geben wird, da sie sich heute nicht in der gleichen Zwangslage befindet wie in früheren Zeiten, als sie sich König Robert, dem H e r z o g von Athen und anderen anvertraute. Damals nämlich war die Stadt in zwei gleich starke Lager gespalten, und deshalb wurde es nötig, einen Dritten zu rufen, auf daß er unter ihnen Eintracht stifte. In unseren Tagen kann diese Notwendigkeit nicht entstehen, d e n n indem der H o c h m u t der Grandi verringert wurde, ist die Stadt bürgerlicher geworden, wie wir im zweiten Buch 527 ausgeführt haben. Es bleibt 528A kein weiteres Hindernis auf dem Weg zur bürgerlichen O r d n u n g als ein paar Meinungsverschiedenheiten unter den Bürgern.' 291 ' Einige von ihnen möchten, daß die Republik zur Wenigenherrschaft, andere, daß sie zur Volksherrschaft neigt. Diese Meinungsverschiedenheiten ließen sich mit der Einführung einer Verfassung, wie wir sie beschrieben haben, leicht beilegen, und es wäre undenkbar, daß diese Uneinigkeit die Stadt zwingen würde, einen Dritten zu rufen, der sie regieren soll. H i n z u kommt, daß die Stadt zur Zeit niemanden beauftragen könnte, der nicht in gewisser Abhängigkeit vom Kaiser stünde, da diesem Italien zu einem großen Teil unterworfen ist. Andere würden ein solches Vorhaben 530A gegen seinen Willen nicht angehen, denn dieser H e r r scher flößt aufgrund seiner Machtfüllc allen Furcht cin.531I> Dasselbe könnte man vom König von Frankreich sagen, wenn er in Italien noch seine früheren Territorien besäße - obwohl dieser Herrscher aufgrund eines gewissen Wohlwollens, das die Florentiner ihm entgegenbringen, weniger gefürchtet wird als die übrigen. Ich k o m m e daher zum Schluß, daß die Stadt sich nie einem Fremden anvertrauen wird, es sei denn, nackte Gewalt zwinge sie dazu. Dies wäre etwa der Fall, wenn ein französischer König oder ein anderer großer Herrscher in die Toskana eindränge, (253) ohne
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auf hinhaltenden Widerstand zu stoßen. Da ihm niemand widersprechen könnte, wäre er in der Lage, in Florenz jene Republik einzurichten, die ihm genehm ist. Es ist aber zu beachten, daß ein fremder Herrscher in einem solchen Fall keine wohlgeordnete Republiksform einführen könnte, ohne von einem Bürger beraten zu werden, der die Stadt gut kennt und mit ihren Eigenheiten vertraut ist. Eine wohlgeordnete Verfassung kann nämlich nur einführen, wer besondere Kenntnisse der entsprechenden Stadt besitzt, gleich einem Architekten, der ein Gebäude nicht renovieren kann, wenn er nicht zuvor die unversehrten und die beschädigten Teile wahrgenommen und unterschieden hat. Dies erlebte Bruder Girolamo; zwar hatte die Stadt sich ihm nicht anvertraut, doch erwarb er sich aufgrund seines frommen Lebens, seiner Lehre und seiner Beredsamkeit so viel Autorität, daß er alles überzeugend vertreten konnte, was er wollte. Weil er sich in bezug auf allgemeine Fragen als ungewöhnlich fähig erwies, war es ihm ein leichtes, das Fundament und die Grundlage unserer Verfassung zu unterstützen und zu begünstigen: den Großen Rat, der von Pagolantonio, Sohn von Messer Tommaso Soderini, ausgedacht und eingebracht worden war. Hätte er indessen unsere Stadt so gut gekannt und ihre Besonderheiten so gut verstanden, wie es erforderlich ist, dann wäre es ihm gelungen, unsere Republik zur Vollkommenheit zu bringen und der Stadt zu jenem Glück zu verhelfen, das einer klug geordneten Verfassung entspringt. U m uns aber nicht länger mit diesem Thema aufzuhalten, ist der Schluß zu ziehen, daß sich unsere Stadt nicht durch einen Fremden neu ordnen lassen soll. Das ist, wie ich meine, durch das Gesagte klar geworden. Es verbleiben die vier Möglichkeiten des anderen Zweiges. Zwei von ihnen, nämlich die zweite und die dritte, vermögen unserer Stadt den erhofften Nutzen nicht zu bringen. Denn es ist unwahrscheinlich, daß einer, der sich selbst zum Herrn über die Vaterstadt macht oder von anderen dazu gemacht wird, auf eben jene Macht verzichtet, die er sich selbst erworben oder von anderen erhalten hat. Dies gilt um so mehr, als jemand, der sich selbst zum Flerrscher aufschwingt, zuerst bei der Aneignung und dann bei der Bewahrung der Herrschaft sich zwangsläufig viele Feinde schafft. Wer die Herrschaft von anderen erhält, fügt wohl bei der Übernahme niemandem ein Unrecht zu, da keiner klagen kann, er habe sie
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anmaßend und gewaltsam an sich gerissen; doch dürfte es ihm sehr schwer fallen, sich zu behaupten, (254) ohne jemanden zu verletzen. D a er glaubt, kein sicheres Privatleben mehr führen zu können, darf man nicht erwarten, daß er je auf den Gedanken komme, die H e r r schaft abzulegen. Gewiß legte Sulla die Diktatur nieder, nachdem er zahlreichen Bürgern Unrecht getan hatte, und lebte darauf t r o t z d e m in Sicherheit; doch ist zu bedenken, daß dies ein äußerst seltenes und außergewöhnliches Beispiel ist, von dem man nicht annehmen darf, d a ß es ein anderer nachahmen werde. Wie wir wissen, dachte Caesar nie daran, auf seine Macht zu verzichten; vielmehr versuchte er ständig, sie zu vergrößern und noch despotischer zu machen. In unserer Stadt hatten weder Cosimo de' Medici noch seine N a c h k o m men je im Sinn, der Gewaltherrschaft zu entsagen, und Papst Clemens, der als Kardinal versicherte, er habe dies vor, wurde später so mächtig, daß er es zu seinem großen Ruhm auch wirklich hätte tun können, falls er es beabsichtigt hätte. 532 Ich schließe aus alledem, daß man unsere Republik auf diese Art nicht einführen kann. Die dritte Möglichkeit kann ebenfalls nicht als Mittel zur Reform dienen, denn es gibt in unserer Stadt nichts, was einem Privaten so hohes Ansehen verschaffen könnte, daß er von den übrigen wie ein Herrscher geehrt und geachtet würde - gleich Pompeius, der viele Jahre lang in der Römischen Republik so lebte. In unserer Stadt kann niemand zu solcher Erhabenheit aufsteigen, denn unbewaffnet, wie sie ist, fehlen ihr die Wege, auf denen man zu Ruhm und Ansehen gelangt. Da dies jedermann einleuchtet, erübrigt es sich, näher darauf einzugchen. Die erste Möglichkeit, nach der ein Privater zum legitimen O b e r haupt wird, ist nach meinem Urteil ein sehr geeignetes Mittel, um eine gut geordnete Republik einzuführen. Der höchste Rang bringt seinem Träger nämlich so viel Ansehen ein, daß er die Stadt ohne jeden Widerstand nach seinem Willen lenken kann, vor allem unmittelbar nach der Wahl. Deshalb kümmerten sich N u m a Pompihus und Scrvius Tullius, kaum waren sie in den höchsten Rang aufgestiegen, sofort um die Verbesserung von Mängeln in der Republik und setzten ihr Vorhaben mühelos in die Tat um. Auch Picro Soderini hätte in der ersten Zeit nach seiner Wahl unsere Republik reformieren können, wurde er doch mit sehr viel Gunst und allgemeinem
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Wohlwollen zum Gonfaloniere erkoren. Wegen der Wirren, die aufgrund der schlechten Regierung der anderen immer häufiger aufkamen, wählte ihn die Stadt zudem gleichsam der N o t gehorchend, und dies sicherte ihm höchste Autorität und Anerkennung. Ich bin überzeugt, daß es ihm nicht am Willen fehlte; sein Verhalten während der zehn Jahre seiner Herrschaft brachte jedenfalls nichts anderes zum Ausdruck als einen starken Wunsch nach öffentlichem Frieden. Meistens (255) denken die Menschen aber nicht an Dinge, zu deren Ausführung es so viel Macht braucht, wie sie nie zu erhalten glauben. Ich denke daher, daß Picro Soderini keine Reform im Sinn hatte, als er zum Gonfaloniere gewählt wurde, da er nicht im Traum daran dachte, je zu so hoher Würde aufzusteigen, war derlei in unserer Stadt doch völlig ungewohnt. Auch fehlte ihm die Zeit, sich erst danach Gedanken zu machen; denn wer etwas Seltenes und Neues einführen will, muß zuvor alle Einzelheiten sorgfältig bedenken, damit er bei der Gelegenheit, die Sache auszuführen, entschieden auftreten kann und sich dabei von keinem neuen Ereignis überraschen läßt. Wer sich nicht auf diese Weise vorbereitet hat, kann seine Ideen selten verwirklichen. Piero Soderini hätte also gleich nach seiner Wahl die Republik reformieren können; später wäre es ihm hingegen nicht mehr so leicht gefallen. Dies zeigte auch die Einführung der Batallionsmiliz 533 : Piero stieß auf derart heftigen Widerstand, daß er ohne die offensichtliche Notwendigkeit der Miliz und ohne seine große Geduld das entsprechende Gesetz nie durchgebracht hätte. Falls der Angriff der Spanier abgewehrt w o r den wäre 34, hätte er die Republik vervollkommnen können; er hätte nämlich so großes Ansehen erlangt, daß kein Widerspruch aufgekommen wäre. Sollte nochmals ein Gonfalonicre auf Lebenszeit gewählt werden, wäre es dem Inhaber dieses Amtes also ein leichtes, unsere Republik zu verbessern, wenn er nur den beschriebenen Weg wählte. U n t e r ließe er dies, müßte er entweder seiner Bosheit wegen verdammt werden, weil er der Vaterstadt diese Wohltat nicht erweisen wollte, oder aber seiner Dummheit oder Unkenntnis wegen, weil er es nicht zu tun vermochte oder gar nicht in Betracht zog. Piero Soderini ist durch die Neugestaltung des höchsten Amtes entschuldigt. Da dieses nicht mehr neu ist, verfügt auch keiner mehr über eine Entschuldi-
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gung, der in eine so hohe Stellung aufsteigt und der Republik jene Wohltat dennoch vorenthält. Diese Art der Einführung scheint mir sicher und leicht durchführbar zu sein, ohne daß man dabei auf Gewalt angewiesen wäre. Es bleibt noch die vierte Möglichkeit, wie jemand die Fähigkeit erlangen kann, eine gute Lebensordnung einzuführen. Sie besteht darin, daß jemand die Stadt aus der Sklaverei befreit. Durch eine derart große und der Bürgerschaft willkommene Tat würde er so viel Ansehen gewinnen, daß er dann alle Autorität besäße, die er sich nur wünschte. Diesen Weg beschritt jener Brutus, der die Tarquinier vertrieb; das Ansehen, das er durch seine hervorragende Tat erwarb, • war so groß, daß er die Republik nach seinen Vorstellungen umgestalten konnte. (256) Auf gleiche Weise stiegen in weiteren Städten viele andere 535A auf und verschafften ihren Republiken unzählige Vorteile, wie zum Beispiel Aratos 536 , Pelopidas 517 und Timoleon 538 . Wer in unserer Stadt dieses Vorgehen wählte, könnte somit genügend Autorität erlangen, u m die beschriebene Republik einzuführen. 519 Natürlich müßte man aufmerksam sein, um die Occasione140 am Schöpfe zu packen, denn sie ist es, die in den menschlichen H a n d lungen den Ausschlag gibt, und alle, die ein solches Unternehmen nicht äußerst umsichtig angehen, werden zwangsläufig scheitern. Dieses Thema muß indessen nicht ausgeführt werden, denn es gehört zur Erörterung der Verschwörungen, die andere sehr scharfsinnig vorgenommen haben. 541 Abschließend meine ich also, daß dies die Möglichkeiten sind, wie ein Bürger unserer Stadt eine so große Wohltat erweisen kann. O b w o h l die Bosheit der Fortuna diejenigen unterdrückt hat, die diese Möglichkeiten verfolgt haben 142 , darf man die Hoffnung nicht aufgeben, daß sie so, wie sie heute jene begünstigt, die mit ihrem Ehrgeiz und ihrer Habsucht unsere Stadt ins Verderben führen, auch jenen einmal ein freundliches Gesicht zeigt, die sie vergrößern und erhöhen wollen. Ich ermutige die Stadt deshalb - falls sie irgendeinen noblen und großmütigen Geist besitzt - , diese Boshcit 543A der Fortuna geduldig zu ertragen und nichts unversucht zu lassen, um sich mit jenen Virtü zu schmücken, welche die Menschen zu solchen U n t e r n e h m e n befähigen. Denn es ist besser, wenn sich unsere Stadt über die Fortuna beschweren muß, weil diese ihr nie eine vollwertige
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Occasione gab, als wenn die Fortuna sich über die Stadt beschweren muß, weil es in ihr niemand gab, der die Occasione zu erkennen und zu ergreifen wußte.
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Das vorliegende Werk wurde am 14. Januar 1531 544 um halb acht U h r auf dem Landgut 545 beendet
DANIEL H Ö C H L I KOMMENTAR
Zu den Anmerkungen: Ein hochgestelltes A am Anfang einer Anmerkung weist auf Abweiehungcn zwischen der Edition Silvano und dem Autograph hin. Die Übersetzung lolgt de-r Version des Autographs. Mit einem hochgestellten P gekennzeichnete Anmerkungen enthalten Abweichungen der Edition Pohdori/Diaz, die auf einer Abschrift des Originals beruht. Als wichtigste Literatur für die erläuternden Anmerkungen dienten namentlich Albertini (1955), Artusi & Gabbriclli (1976), Breidecker (1990), Butters (1985), Davidsohn (1896-1927), Roth (1925), Rubinstein (1966), Stephens (1983) und Villari (1895-1897). Explizite Belege erfolgen nur ausnahmsweise, immer aber im Falle der Verwendung von zeitgenössischen Quellen und von unveröffentlichten Dokumenten aus dem Archivio di Stato Firenze. Querverweise auf andere Werke Giannottis erfolgen unter Angabe der in der Bib'iographie angegebenen Abkürzungen.
Vorwort Niccolo di Picro Ridolfi wurde 1501 geboren. Seine Mutter war eine Tochter von Lorenzo il Magnifico. Trotz diesen Bindungen an das H a u s Medici vertrat der Kardinal stets eine republikanische Position. Allerdings fiel er wie viele andere Patrizier nach 1527 beim extremen republikanischen Flügel der letzten Republik in Ungnade. Nach dem Fall der Republik 1530 war Ridolfi einer der führenden Köpfe der republikanischen Exilbewegung. Er starb 1550 während des Konklaves, das den Nachfolger von Paui III. zu bestimmen hatte und in dem Ridolfi selbst aussichtsreicher Kandidat gewesen war. Giannotti diente Ridolfi von 1539-1550 als persönlicher Berater; diese Stelle erhielt er wohl nicht zuletzt dank der Republica fiorentina. Die Rede ist von Lucius Junius Brutus, unter dessen Führung 509 v.Chr. der letzte römische König, Tarquinius Superbus, vertrieben wurde. Brutus gilt daher als Begründer der Römischen Republik. Er und L. Tarquinius Collatinus waren die ersten beiden Konsuln. Laut Sage verurteilte Brutus seine eigenen Söhne zum Tode, weil sie sich an einer Verschwörung beteiligt hatten, deren Ziel es war, das Königtum zu restaurieren. Für viele galt Girolamo Savonarola als geistiger Vater des G r o ßen Rates, andere sahen in Pagolantonio Soderini den Imtiantcn. Giannotti nimmt diese Diskussion weiter unten in Kapitel 1/5 auf; Näheres zum Großen Rat im Bcgriffsregistcr. Im N o v e m b e r 1494 wurde der glücklosc Picro de' Medici, Sohn von Lorcnzo il Magnifico, von den Florentinern ins Exil geschickt. Die von den Medici ausgehöhlte Republik wurde erneuert. 1512 konnten die Medici dank militärischem Druck
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Spaniens und des Papstes nach Florenz zurückkehren und die Macht wieder übernehmen. Auf diese beiden Ereignisse k o m m t Giannotti noch des öftern zu sprechen. Ausführungen zur Bedeutung des b ü r g e r l i c h e n Rcgimcnts< finden sich in der Einleitung zur politischen Sprache Giannottis, S. 79-84, unter den Stichwörtern vivere civile und governo civile. Lykurg, Romulus und N u m a galten zur Zeit Giannottis — zusammen mit Moses, Solon, dem Reformer Athens, und einigen anderen - als die besten Gesetzgeber der Geschichte. Lykurg soll vom Orakel zu Delphi das Verfassungsgesetz für Sparta erhalten haben. Diese Verfassung, deren H a u p t o r g a n e das D o p pelkönigtum, die Ephoren, der Ältestenrat und die Volksversammlung waren, wurde schon in der Antike als Mischverfassung gedeutet. Sie galt als Grundlage für den Aufstieg und die innenpolitische Stabilität Spartas. N u m a Pompilius, laut Sage nach Romulus der zweite der sieben Könige R o m s , tat sich durch die Schaffung sakraler Gesetze und Handwcrkcrkollcgien sowie durch eine Landverteilung hervor. Die göttliche Legitimation für seine Reformen stammte von der N y m p h e Egeria. Giannotti meint hier und im folgenden mit »l duc passati governi« oder »le duc passatc amministrazioni« die republikanischen O r d n u n g e n , die von 1494-1512 und von 1527-1530 bestanden hatten. Zur Vereinfachung erfolgt die Übersetzung in vielen Fällen mit >RcpublikGuelfen und GhibelhnenWicdcrwahlverbot< erklärt. Im Original steht »onori«; Erläuterung im Begriffsregister unter >AmterJugendGelchrtcbrcitcs Rcgimcnt< ist in den einleitenden Bemerkungen zur politischen Sprache Giannottis, S. 105f., unter den Stichwörtern governo und amministrazione erläutert.
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112 Diesen Satz, in dem er seine Hoffnungen in das Patriziat ausdrückte, sollte Giannotti bei einer späteren Durchsicht bereuen. Er schrieb an den Rand des Autographs: »Coglionazzo che io sono stato a credere et scrivere questa minchioneria. C o m e sc io non avessi conosciuto l'ambizione, la viltä, Pavanzia di quelh ribaldi che oggi sono capi di quella violenta et scellerata tirannide.« Zu deutsch: »Was für ein Schwachkopf bin ich doch gewesen, diese Dummheit zu glauben und zu schreiben; als ob ich den Ehrgeiz, die Feigheit und die Raffgier dieser Rebellen nicht gekannt hätte, die heute an der Spitze dieser brutalen und ruchlosen Tyrannis stehen.« Im Autograph (fol. 29r) strich Giannotti diese Bemerkung später wieder durch; lesbar sind nur noch die Worte »Coglionazzo che«. Offenbar noch vorher wurde das Original jedoch kopiert. Giorgio Cadoni hat in einer wichtigen Abschrift der Republica fiorentina, die in der Pariser Nationalbibhothck hegt, die Randnotiz vorgefunden; siehe Cadoni (1980), 12. 113 Aus dieser Stelle geht hervor, daß Giannotti zum Popolo bzw. zu den Popolari jene Angehörigen der mittleren und unteren Schichten zählt, welche die Voraussetzungen zur Erlangung des vollen Bürgerrechts erfüllten. Zu diesen Voraussetzungen gehörten neben der Zunftmitghcdschaft nämlich auch ein minimaler Grundbesitz sowie die mehrjährige Bezahlung der Steuern. Giannotti zählt alle Besitzenden ohne politische Recht zu den Popolari, darüberhinaus aber auch noch einen Teil der Großratsmitghcder - der sogenannten beneficiati. Dies entspricht der Tatsache, daß die Mitgliedschaft im G r o ß e n Rat nicht allein durch den sozialen Status bedingt war. Ein Teil des unteren Mittelstandes gehörte zum Rat, während der Rest ausgeschlossen war. 114 Florenz erlebte in den Jahren 1527 und 1528 eine schlimme Pest, der laut Schätzungen rund 30.000 Menschen zum Opfer fielen, bei einer Gesamtbevölkerung (Stadt und Vororte) von etwa 120.000 vor der Pest. Während der nachfolgenden Belagerung, die in der Stadt zu einer Hungersnot und 1530 zu einer weiteren Pestwellc mit täglich annähernd 200 Toten führte, wurde die Bevölkerung der Stadt auf etwa 60.000 Einwohner dezimiert. 115 Salvestro de' Mcdici war 1378 Gonfaloniere di giustizia und nützte diese Chance, um die Auflehnung der unteren gegen die oberen Zünfte einzuleiten, die schließlich in den Aufstand der ciompi mündete.
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116 Im Original steht »principe«. Im republikanischen Kontext meint Giannotti damit das monarchische Element der Mischverfassung, hier den Gonfaloniere di giustizia in Florenz. In diesen Fällen ist die Übersetzung mit >Obcrhaupt< angebrachter als die wörtliche Wiedergabe mit >FürstGesctz der sechs Bohnen< - in Florenz w u r d e n die Abstimmungen mit weißen und schwarzen Stimmbohnen vorgenommen - hielt fest, daß ein Entscheid der Otto di guardia gegen politische Straftätcr nicht weiter angefochten werden konnte, w e n n er von sechs der neun Mitglieder der Signoria bestätigt wurde. Mit einem Gesetz vom 19. Mai 1495 w u r d e neu eine Rekursmöglichkeit an den Großen Rat eingeführt. Savonarola hatte dies zuvor in seinen Predigten gefordert. Mit dem gleichen Gesetz wurde, ebenfalls auf Forderung Savonarolas, eine allgemeine Amnestie für Bürger genehmigt, die vor dem Sturz von 1494 mit den Medici zusammengearbeitet hatten.
Zweites Buch 119 Hier klingt an, daß die Religion auch instrumcntcll, zur Stützung der staatlichen O r d n u n g herangezogen werden kann. Vor allem Machiavelli setzte sich mit dieser Frage auseinander, unter anderem am Beispiel Numas; siehe Discorsi, 1/11. 120 Vgl. hierzu Aristoteles, Politik, 1289a 1-6. 121 Von Giano war oben in Kapitel 1/5, S. 149 und Anm. 59, die Rede. 122 Diese Aussage ist insofern einzuschränken, als Giannotti in Kapitel 1/5, S. 152, die Urheberschaft des Großen Rates Pagolantonio Soderini zuschrieb. 123 A Statt Silvano [hanno acquistato], Autograph, fol. 35r: »aveva acquistata«. 124 Giannotti meint wiederum die gemischte Verfassung, die er im ersten Buch als die beste Verfassung für Florenz ausgemacht hat. 125 ''Edition P o h d o n / D i a z , statt [gewisse]: »große«. 126 Giannotti spielt wieder auf die Ereignisse von 1512 und 1530 an, als die Republik jeweils den Mcdici weichen mußte. 127 Erläuterung im Begriffsregister; daß man die verschiedenen Rcgicrungsausschüssc und Räte nach Mitglicdcrzahl und Auf-
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gäbe bezeichnete, war eine in den italienischen Stadtstaaten verbreitete Gepflogenheit. Erläuterung im Begriffsregister. Giannotti verwendet den Ausdruck »stato della cittä«, der in der Einleitung zur politischen Sprache, S. 100-102, unter dem Stichwort stato erläutert ist. Giannotti meint hier nicht nur das >Gesetz der sechs Bohnen< im Bereich des Strafrechts (siehe Anm. 118), sondern die Möglichkeit der Signoria, ganz allgemein mit sechs Stimmen einer Sondervollmacht gleich A n o r d n u n g e n zu treffen, soweit diesen kein Gesetz entgegenstand. Diese Kompetenz hatte sich gewohnheitsrechtlich herausgebildet. Sie hieß »autoritä delle sei fave«. Die Signoria mußte sich ausdrücklich auf sie berufen, wenn sie Gebrauch davon machen wollte. Giannotti nimmt Bezug auf das Verfahren der venezianischen Quarantie, das er in der RV, 119-131, beschreibt. Die Unterscheidung von vier zentralen Staatsaufgaben oder -funktioncn ist eine Konstante im D e n k e n Giannottis. Er nennt sie erstmals in der RV, 54, und umschreibt sie als N e r v e n des Gemeinwesens (»nervi di ogni republica«). Siehe ferner DGF, 159-165; DRF, 413; DRS, 450; ebenso unten, Kapitel III/5, S. 242. Giannotti gebraucht den Ausdruck »provoeazioni«, der wohl bewußt an die römische Tradition derprovocatio anknüpft - des Rechts jedes römischen Bürgers, bei der Volksversammlung gegen Entscheidungen der Behörden zu klagen. A Statt Silvano [nondimeno, era male administrata], Autograph, fol. 37v: »nondimeno, come di sotto provaremo, era tanto male administrata«. Giannotti spricht hier die Wahlmanipulationcn der Mcdici an. Für die unteren Ä m t e r kam auch während der Medici-Vorhcrrschaft (1434-1494 bzw. 1512-1527) das traditionelle Wahlverfahren zum Zuge, bei dem die Amtsträger aus allen qualifizierten Bürgern ausgelost wurden. Die Wahl der wichtigsten Ämter - namentlich der Signoria - war indessen kontrolliert. Die Wahlprüfcr (Accoppiatori) mußten nicht mehr die Namenszcttcl aller qualifizierten Bürger, sondern bloß noch eine vorgegebene Mindestzahl in die Beutel legen, aus denen die N a m e n der Amtsträger ausgelost wurden. Damit konnten sie natürlich nicht genehme Kandidaten von vornherein eliminieren. Die Wahl der Otto di guardia w u r d e häufig an Kommissionen mit
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Spezialvollmachten (Balle) übertragen. N a c h 1480 lag sie in der Kompetenz des Rats der Siebzig. Beschreibung in der vorangehenden A n m e r k u n g . T d i t i o n Polidori/Diaz, statt [Als Tyrann]: »Als äußerst listiger Tyrann«. Zu diesem Ereignis und zu B o u r b o n siehe A n m . 21 bzw. 86. N a c h ihrer Machtübernahme im August 1530 begannen die Medici, die republikanische O r d n u n g schrittweise zu beseitigen. Die Signoria w u r d e Anfang Mai 1532 durch einen Magistrato supremo abgelöst. Erläuterung im Begriffsregister; z u m besseren Verständnis ist das Verfahren hier um eine Spur ausführlicher beschrieben als im Original. Gemeint ist der letzte Visconti, H e r z o g Filippo Maria (14121447), der 1436 einen Krieg Mailands gegen Florenz anzettelte. Giannottis Schuldzuweisung an Cosimo de' Mcdici ist einseitig. D e r Waffengang kam auch auf Betreiben der Exilflorentiner um Pdnaldo degli Albizzi, die von C o s i m o verbannt w o r d e n waren, zustande, wie Machiavelli in den 1störte fiorentine, V / 8 , berichtet. Die Visconti hatten vor allem unter Gian Galcazzo (13851402) versucht, ihre Herrschaft nach Mittelitalicn auszudehnen und Florenz in ihren Einflußbereich zu bringen. Filippo Maria nahm diese Bestrebungen wieder auf. Gleichzeitig führte er auch gegen Venedig Krieg, das sich mit Florenz verbündete.
142 Steuerschulden gehörten in der Republik Florenz zu den G r ü n den, die einen Amtsantritt verunmöghehten. 143 A Statt Silvano [non vi restasseno altri che gli amici di C o s i m o et de' dieci, h quah...], Autograph, fol. 40r: »non vi restasseno altri che gli amici suoi. Ma questo signorc non habbia felice evento contra la vogha di C o s i m o et de' dicci, li quah...«. 144 Lucca stand zu Beginn des 15. Jahrhunderts auf der Seite Mailands gegen Florenz. Nach dem Tod des Mailänder Herzogs Gian Galcazzo (1402) sah sich die Stadt zunehmend in Bedrängnis; Florenz übte wiederholt militärischen D r u c k auf sie aus. 1430 belagerten florcntinische Truppen Lucca. U n t e r Cosimo wurde der Konflikt erneut entfacht. 1438 kam es dann aber zum Friedensschluß. Lucca und Florenz pflegten danach während rund fünf Jahrzehnten gute nachbarschaftlichc Beziehungen. 145 Philibert de Chalon, der Prinz von Oranien, besaß ein kleines Fürstentum in der Provence, ein altes Überbleibsel des karolingischen Mittclrcichs. Es wurde ihm von Franz I. von Frankreich
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streitig gemacht, worauf sich Philibert auf die Seite Kaiser Karls schlug. 1527 wurde er Nachfolger Karls von Bourbon (zu diesem A n m . 86) als Obcrkommandiercnder der kaiserlichen Truppen in Italien. In dieser Funktion leitete er 1529-30 den Feldzug gegen Florenz. Es handelte sich um Pieradovardo Giacchinotti, der später auch in Pisa als Kommissar wirkte. Giacchinotti wurde 1530 nach dem Fall der Republik durch die Medici hingerichtet. Giannotti meint die Söldnerführer, die in florcntinischen Diensten standen. Als ein zweites kaiserliches Heer mit rund 8.000 M a n n im D e z e m b e r 1529 den Apennin überschritt, evakuierten die Florentiner Prato überstürzt und ließen nur wenige Truppen zurück. Kurz darauf entsandten sie indessen ein Kontingent zur Verstärkung. D a ß dieses so rasch zurückkehrte, wie Giannotti beklagt, lag am Umstand, daß die kaiserliche Vorhut Prato bereits besetzt hatte. A Statt Silvano [ancora meglio], Autograph, fol. 42v: »ancora molto meglio«. p Edition Polidori/Diaz, statt [vielmehr.... fehlen]: »Man könnte diesbezüglich einige Beispiele über die Behörde der Otto anfügen, die oft jemanden belangte, der überhaupt keine Strafe verdiente. Giovanni Stradino erlebte dies, als er zu Beginn der Belagerung von dieser Behörde völlig zu Unrecht grausamst gefoltert w u r d e , und kurz zuvor Messer Antonio Brucioli, ein gebildeter und beredter Mann, den die gleiche Behörde in himmelschreiender Ungerechtigkeit ins Exil schickte. Es w ü r d e mir auch nicht an Beispielen mangeln, um zu beweisen, wie sich die besagte Behörde oft verging, indem sie schonte, wer eine Strafe verdiente, bald aus Angst vor der zu bestrafenden Person, bald aufgrund einer anderen menschlichen Leidenschaft.« Zu den erwähnten Personen: Giovanni di Strata wurde bestraft, weil er eine Bande junger Leute um sich geschart hatte. Antonio Brucioli verkehrte im intellektuellen Kreis der Orti Oricellari und lernte dort unter anderen Machiavelli und Giannotti kennen. 1522 gehörte er zu den Verschwörern gegen Kardinal G i u h o de' Mcdici. N a c h der Vereitelung der Pläne - beabsichtigt war, wie so häufig, eine Vergiftung - floh Brucioli ins Exil. Trotz seinem republikanischen Tatbeweis stieß er 1527 bei seiner R ü c k k e h r nach Florenz auf Mißtrauen. Er wurde als Luther-Anhänger u n d als Feind derpiagnoni, der Anhänger Savonarolas, verdäch-
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tigt. Brucioli war der Reformation tatsächlich stark verbunden. Er veröffentlichte 1532 in Venedig eine Bibelübersetzung u n d 1541 einen Bibelkommcntar, den er allerdings beim Reformator Martin Bucer abgeschrieben hatte. Zudem versuchte er bald, sich vorsichtig an Cosimo I. anzunähern. Vermutlich hielt es Giannotti deshalb bei einer seiner Überarbeitungen der Republica fiorentina nicht mehr für opportun, sich schützend vor Brucioli zu stellen. In den zahlreichen philosophischen u n d politischen Dialogen, die Brucioli verfaßte, kam Giannotti mehrmals als fiktiver Gesprächstcilnchmer vor. 151 Die beiden Bezeichnungen sind im Begriffsregister erläutert. 152 A Statt Silvano [li difendesse da chi la ingiuriava], Autograph, fol. 43v: »si difendesse da chi lo ingiuriava«. 153 Wörtlich heißt es: »in einer der Tre Maggiori gesehen w o r d e n war (veduto) oder gesessen hatte (seduto)«. Veduti waren die Bürger, die für den Einsitz in einer Behörde ausgelost w u r d e n , aber eines Disqualifikationsgrundes wegen (zeitlich begrenztes Wiedcrwahlverbot, Verwandtschaftsausschluß, Steuerschulden u.a.) das Amt nicht antreten durften. Scduti waren all jene, die das Amt tatsächlich bekleidet hatten. Wählbar waren nach dem Gesetz nicht nur jene, deren Großvater für die Tre Maggiori ausgelost worden war, sondern auch alle, für deren Vater dies zutraf. Giannotti verbessert sich diesbezüglich im nächsten Satz. Die Bedingung, daß ein Amtsträger oder seine Vorfahren seduto o veduto sein mußte, galt erstmals 1411 für den damals geschaffenen Rat der 200, später auch für andere Räte. Die Qualifikation für die Tre Maggiori wurde hingegen weiterhin durch den squittino ermittelt (siehe Begriffsregister). Die scduti o veduti und ihre Nachkommen besaßen aber auch hier Vorteile, indem ihre Namen zwingend auf die Kandidatenliste genommen werden mußten, während die Kandidatenzahl der Bürger, die nicht dieser Kategorie angehörten, beschränkt war. Scduti o veduti als Vorfahren zu haben, war somit weder eine n o t w e n dige noch eine hinreichende Bedingung, um für die Tre Maggiori qualifiziert zu sein, wie Giannotti im Folgenden annimmt, wohl aber ein gewichtiger Vorteil. Giannottis Analyse verliert deshalb ihre Richtigkeit nicht. 1154 Erläuterung im Begriffsregister. 1155 A Statt Silvano [per uno de' collegi o de' signori], Autograph, fol. 44r: »per uno de' collegi o de' dodici o de' signori«. 1 56 Erläuterung im Begriffsrcgistcr.
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157 Das Wahlverfahren im Großen Rat war bei den wichtigsten Behörden dreistufig. Für jedes Amt wurden aus den Reihen der Ratsmitgliedcr zuerst eine bestimmte Anzahl N o m i n a t o r e n ausgelost, die je einen Kandidaten ernennen durften. Darauf stimmte der Rat über alle diese Kandidaten einzeln ab, wobei als gewählt galt, wer das absolute Mehr erreichte. Die N a m e n der Gewählten legte man in einen Losbeutel, aus dem unmittelbar vor Amtsantritt die effektiven Amtsträger ausgelost wurden. Bei der Sitzverteilung galt ein Q u a r t i e r s p r o p o r z ; zudem war rund ein Viertel der Ämter den Mitgliedern der unteren Zünfte vorbehalten. Giannotti beschreibt dieses Wahlverfahrcn ausführlich im DRF, 414-420. 158 Giannotti nimmt hier Bezug auf die Verhältnisse während der letztcn Republik, der er als Sekretär der Dieci gedient hatte. Die beratenden Versammlungen (Consulte e Pratichc) hatten eine lange Tradition in der Republik. Nach 1494 wurden anstehende Geschäfte entweder im neuen Rat der Achtzig oder in einer informellen, meist von den Dicci einberufenen »engen« Pratica beraten. In der letzten Republik wurde der Rahmen dieser Pratica dann gesetzlich geregelt (August 1528). Die Signoria, die Dicci, deren Amtsvorgänger, je ein gewähltes Mitglieder der Sedici Gonfalonieri und der Dodici Buonuomini sowie zwei Mitglieder der Nove della Milizia gehörten ihr von Amtes wegen an. Als eigentliche Pratica wurden vom G r o ß e n Rat je zehn Mitglieder aus seiner Mitte sowie aus dem Rat der Achtzig gewählt. Aus den erhaltenen Sitzungsprotokollcn im Florentiner Staatsarchiv geht hervor, daß vom September 1529 an tatsächlich - entgegen dem Gesetz - sämtliche Mitglieder der Dodici und der Sedici bei den Beratungen dabei waren, wie Giannotti beklagt (Archivio di Stato Firenze, Consulte c Pratichc, vol. 71). 159 Näheres zu Capponi findet sich in Anm. 88 und 89. 160 Erläuterungen im Begriffsregister und oben in A n m . 158. 161 Gemeint sind die älteren, erfahrenen Bürger im Gegensatz zur >Jugcndprivate Bürgen. 176 Soderini, Carducci und Strozzi gehörten zu den F ü h i c i n dei arrabbiati, die kompromißlos für die Republik und gegen deren politischen Feinde kämpften. Sie suchten und fanden zum Teil auch bei denpiagnoni, den Anhängern Savonarolas, Unterstützung. N a c h dem Sturz der Mcdici 1527 konnten sich bei der Wahl des Gonfaloniere alle drei für den zweiten Wahlgang der besten sechs qualifizieren, in dem sie dann aber an ihrem großen Gegenspieler Niccolo C a p p o n i scheiterten. T o m m a s o di Pagolantonio Soderini war ein Neffe Pieros, des Gonfaloniere von 1502-1512. Er vertrat eine vergleichsweise gemäßigte Politik. Alfonso Strozzi stammte ebenfalls aus einer der b e d e u t e n d s t e n Familien von Florenz. Im Gegensatz z u m Bruder Filippo, einem reichen Kaufmann, der die Stadt bald verließ, zeigte er sich als feuriger Verfechter des governo largo. Baldassarre Carducci kehrte erst 1527 aus dem Exil zurück. Er w u r d e z u m größten Kontrahenten C a p p o n i s . Seine G e g n e r schalteten ihn aber geschickt aus: Im Rat der Achtzig wurde er als Botschafter für Frankreich gewählt. Aus Prestigegründen und wegen einer drohenden Buße konnte Carduc-
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ci diesen Posten trotz hohem Alter nicht ausschlagen. Er starb im O k t o b e r 1530 in Frankreich. 177 A Statt Silvano [la pratiche], Autograph, fol. 53r: »le pratiche«. 178 Giannotti braucht das Wort >Demagoge< in seinem ursprünglichen, griechischen Sinn. Der negative Beigeschmack des Volksverführers, den es später bekam, klingt allerdings bereits an. 179 Die antiimpcriale Liga von Cognac (1526) zwischen Papst Clemens VII., Francesco Sforza von Mailand, Frankreich, England, Venedig, Ferrara und Florenz formierte sich nach dem sacco di Roma vom Mai 1527 durch kaiserliche Truppen neu, um die Ü b e r m a c h t des Kaisers in Italien zu brechen. Allerdings sah sich Clemens zur Passivität verurteilt, weil er sich in der Macht des Kaisers befand. O d c t de Foix, Vicomte de Lautrec, war der Heerführer der Liga. Die Belagerung Neapels endete im Sommer 1528 in einem Desaster, nachdem die Pest das Heer der Liga zur Hälfte dahingerafft hatte. Papst Clemens hatte auf einen Sieg der Liga gehofft. N a c h d e m diese Hoffnungen zerschlagen waren, rang er sich zu einem K o m p r o m i ß mit Kaiser Karl V durch. D a v o n versprach er sich nicht zuletzt, Florenz zurückzugewinnen. Der Vertrag zwischen den beiden Parteien kam im Juni 1529 in Barcelona zustande. 180 Portinari war ein erfahrener Diplomat, der unter anderem in Siena und England diente. Vor der Belagerung von 1529 führte er die Gesandtschaft zum Papst an, der aber kein Erfolg beschicden war. Am Ende der Belagerung gehörte er zu den vicr Gesandten, welche die Kapitulationsverhandlungcn führten. 181 In England regierte von 1509-1547 Heinrich VIII. Für die Florentiner erwies er sich als unzuverlässiger Bündnispartner in der Liga von Cognac. Heinrich versuchte, bei Papst Clemens die rechtmäßige Scheidung von Katharina von Aragon zu erwirken, um seine Geliebte Anna Bolcyn heiraten zu können. Als der Papst der antiimpcnalen Liga 1529 den Rücken kehrte, hofften die Florentiner, Heinrich werde sie unterstützen, da er den Papst in der Scheidungsfrage unter Druck setzen wolle. D o c h die proimpcnale Partei am englischen Hof war sehr stark, und Clemens konterte die florcntinischen Bemühungen, indem er Heinrich in der Scheidungsfrage ein mögliches Entgegenk o m m e n signalisierte, das er ihm dann allerdings 1533 endgültig verweigerte. 182 Näheres zu Doria oben in Anm. 36. 183 Karl V (1500-1558), Sohn Philipps des Schönen und Johannas
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von Aragon, w u r d e 1516 als Karl I. z u m spanischen König gekrönt. 1519 konnte er das habsburgische Erbe seines G r o ß vaters Maximilian I. antreten. Karl vereinigte somit die Spanischen Kronen (Aragon, Kastihcn), Sizilien, Sardinien und N e a pel mit Österreich, L u x e m b u r g u n d den Niederlanden. In der Kaiserwahl von 1519 siegte Karl gegen seinen großen Widersacher Franz I. von Frankreich. 1556 dankte er vorzeitig ab. 184 p Dic Edition Polidori/Diaz ergänzt: » U n d weil Luigi Alamanni sich damals in G e n u a aufhielt, von Messer Andre a geehrt und begünstigt wurde und der Stadt viele nützliche Hinweise mitteilte, beschuldigten sie ihn ebenso, als hätte er nicht bewiesen, daß er die Freiheit mehr als das Leben und die H a b e liebte. Denn für sie hatte er erstercs aufs Spiel gesetzt und letzteres verloren.« Luigi Alamanni gehörte 1522 zu den Verschwörern gegen Kardinal Giulio de' Medici, den späteren Papst Clemens VII. Wie seine Mitverschwörcr mußte er nach der Aufdeckung ihrer Pläne aus Florenz fliehen, und sein Besitz w u r d e konfisziert. Von Alamanni ist uns unter anderem eine M i h z r e d c von 1529 erhalten, worin er ein feuriges Bekenntnis zur Republik ablegt. 185 Hinter der Bezeichnung der Republik als breit bzw. eng verbirgt sich die Unterscheidung zwischen dem governo largo und dem governo stretto, die in Florenz oft gemacht w u r d e . Breit war das Regiment, wenn viele Bürger die vollen Partizipationsrechte besaßen. Die O r d n u n g mit dem G r o ß e n Rat galt daher als governo largo. Eng war das Regiment, wenn der Kreis der amtsfähigcn Bürger klein war. Die Unterscheidung zwischen governo largo und governo stretto bezog sich aber nicht einfach auf den Gegensatz zwischen der Republik und der MediciHerrschaft. Nach der Rückkehr der Mcdici 1512 forderten zahlreiche Patrizier eine breitere Partizipation, als den Medici lieb war. U n d wie Giannotti zeigt, konnte auch eine Republik mit Großem Rat enger oder breiter sein. Interessant an Giannottis Analyse ist, daß er nicht von der formalen, sondern von der effektiven Mitbestimmung ausgeht. 186 Im Original steht »savi«; Erläuterung im Begriffsrcgistcr. 187 Divina commedia, Purgatorio, XIV, 43-54. Diese Passage verdient es, im Wortlaut wiedergegeben zu werden. Dante begegnet im 14. Gesang zwei b ü ß e n d e n Adeligen aus der Romagna. Auf die Frage, w o h e r Dante stamme, beschreibt dieser das Arnotal, ohne den Fluß zu nennen. Die beiden Gesprächspartner erraten seine H e r k u n f t dennoch sofort. Der eine fragt,
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warum Dante den N a m e n des Flusses nicht erwähnt habe. Darauf entgegnet der zweite, jene Gegend habe es eben verdient, nicht namentlich genannt zu werden, sei sie doch von Leuten bewohnt, die jeder Tugend feind seien und sich daher in Tiere verwandelt hätten. Er erläutert dies entlang des Flußlaufes (wie alle Dante-Zitate nach der Übersetzung von H e r m a n n Gmelin, 3 Bde., Stuttgart 1949-1951): Zu wüsten Schweinen, die von Eicheln lieber sich nähren sollten als von Menschenspeise, führt ihn am Anfang seine arme Straße. Dann trifft er Köter, weiter niedersteigend, die mehr als ihre Kräfte taugen, knurren, Und unwirsch wendet er den Blick von ihnen. Dann fließt er weiter, und je mehr er anschwillt, sieht er die H u n d e sich in Wölfe wandeln, der unglückselige und verfluchte Graben. Dann führt sein Weg hinab durch tiefe Becken, er findet Füchse, die so voller Listen, daß keine Geistesmacht sie schrecken könnte. Dante nennt die O r t e wiederum nicht beim N a m e n . Doch sind seine Verse derart mit Andeutungen gespickt, daß dem Leser sofort klar werden mußte, daß der Cascntino, Arezzo, Florenz und Pisa gemeint sind. In seiner beißenden Kritik kehrt Dante dabei bestimmte Symbole - H u n d und Fuchs waren die Wappentiere von Arezzo bzw. Pisa - ins Negative. 188 Divina Commedia, Paradiso, Carito XXV, 4-6. Giannotti bricht aus einem vielzitiertcn Passus recht willkürlich drei Verse heraus. Z u m besseren Verständnis des Zitats von Dante sind die drei vorangehenden und die drei nachstehenden Verse in Klammern angefügt. Im Gegensatz zum Zitat in der obigen Anmerkung, wo er die Florentiner allgemein als Wölfe bezeichnet, meint Dante hier offensichtlich die schwarzen Guelfcn, die ihn, wie so viele andere weiße Guelfcn, in die Verbannung geschickt hatten. 189 Von der »trista selva« ist in Purgatorio, XIV, 64, die Rede. Dantes Gesprächspartner prophezeit hier die Ausmerzung der weißen Guelfcn, deren Blut aus dem widerwärtigen Wald (Florenz) fließen werde. 190 A Statt Silvano [Ne pareva], Autograph, fol. 56r: »Ne mi pareva«. 191 A Statt Silvano [al bene inclinati], Autograph, fol. 57r: »al bene fare inclinati«.
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192 Siehe die zu Beginn des elften Kapitels zitierte Stelle (Paradiso, Canto XXV, 4-6). 193 A Statt Silvano [con quanta iniustizia fussc perseguitato], A u t o graph, fol. 57v: »con quanta iniustizia egh fussc perseguitato«. 1 94 Bei einer späteren Überarbeitung der Republica fiorentina stellte Giannotti sein Werk um, indem er die ersten beiden Bücher austauschte und das Kapitel 1/1 neu schrieb. Er übersah dabei einige der nötigen Korrekturen. Mit dem hier vorliegenden Verweis auf eine nachfolgende Stelle nimmt er Bezug auf seine Ausführungen in Kapitel 1/5, die ursprünglich im zweiten Buch standen. 195 Die Salviati taten sich vor allem als Bankiers hervor und gehörten zu den mächtigsten Patrizier-Familien von Florenz. Alamanno war in der Republik nach 1494 einer der einflußreichsten Bürger. Er gehörte zu den erklärten Gegnern Piero Soderinis. 1499 war er Botschafter bei Ludwig XII., 1509 ereilte ihn der Tod, als er als Kommissar im Krieg gegen Pisa wirkte. Francesco Guicciardini heiratete gegen den Willen seines Vaters die Tochter von Alamanno, Maria Salviati. 196 Es handelt sich um die 1506 eingeführte Landmiliz, deren wichtigster Vordenker und Verfechter Niccolo Machiavelli war. Erläuterungen zum contado und dominio finden sich im Begriffsregister. 197 A Statt Silvano [che abbia], Autograph, fol. 58v: »che non abbia«. 198 Giannotti nimmt im folgenden Abschnitt einige Argumente gegen die Miliz auf, die er schon in seinem DaF ausführlich kritisiert und zu widerlegen versucht hat (siehe insbesondere 169, 170 und 173). Dieser eigene Beitrag Giannottis zur Milizdebatte verfehlte seine Wirkung nicht, entsprach doch das Milizgesetz weitgehend seinen Vorschlägen. Niccolo Capponi war wohl aufgrund seiner negativen Erfahrungen mit der Landmiliz, die er als Kommissar vor Pisa gemacht hatte, gegen die neuen Mihzpläne. 199 Im Zusammenhang übersetzt: »Bei zwei gleichstarken Parteien ist kein Handeln möglich.« 200 A Die beschriebenen Ereignisse fanden in Wirklichkeit 1498 statt. Im Autograph, fol. 60r, steht 1494, wie Silvano in seiner Edition getreu übernimmt. In der Abschrift, auf die Polidori sich bei seiner Edition stützte, steht hingegen 1498. Giannotti wollte vermutlich betonen, daß diese und ähnliche Ereignisse nach der großen Reform von 1494 stattfanden.
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201 Valori gehörte noch 1494 der patrizischen Gruppe um Piero Capponi an, stieg aber in der Folge zum politischen Führer der piagnoni, der Savonarola-Anhängcr, auf. 1497 bekleidete er während zwei Monaten das Amt des Gonfaloniere di giustizia und setzte ein paar Todesurteile gegen Republiksfeinde durch. Er kam beim Aufstand vom 8. April 1498 ums Leben, den die arrabbiati, die Gegner Savonarolas, vom Zaum gerissen hatten. Giannotti bezieht sich auf diesen Tumult. 202 Ghcrardi war einer der heißblütigsten Anführer der Extremisten im Kampf um die Freiheit. Als Mitglied der Signoria stieß er im April 1529 auf die kompromittierenden Briefdokumentc, die Niccolo Capponis geheime Kontakte mit der römischen Kurie belegten und den Gonfalonicre - in den Augen vieler ein Feind der Republik - zu Fall brachten. Nach dem Fall der Republik 1530 wurde Ghcrardi eingekerkert und bald darauf hingerichtet. 203 A Statt Silvano [ruinando], Autograph, fol. 60v: »ruinano«. 204 ''Die Edition Polidori/Diaz fährt fort: »Und von wem erwarten wir gegenwärtig, daß er sie uns zurückgibt? Einen Volksaufstand wird es bestimmt nicht geben, denn alle sind kraftlos und entwaffnet, müssen sich ständig mit anderem abgeben und meinen, es sei gut, in Ruhe gelassen zu werden. Sie wird uns nicht von jenen zurückgegeben, die dazumal bei den Bchördcnwahlcn - mit Worten, die zu wiederholen ich mich schäme - jeden aufforderten, die führenden Männer jenes Regiments abzusetzen. Auch werden sie uns jene nicht zurückcrlangen, die anläßlich der Beratung, wie der Sieg zu erringen sei, nichts anderes vorzuschlagen wußten, als diesen oder jenen Bürger festzunehmen, und die in der Stadt Verdächtigungen verbreiteten und sie mit Ungerechtigkeiten noch mehr entzweiten, als sie schon war. N o c h werden jene, die im letzten Regiment zu Grandi wurden, der Republik diese Wohltat erweisen, denn der gegenwärtige Gebieter nimmt sich, so scheint mir, gut in acht davor. So bleibt einzig, daß die Medizin von den gleichen kommt, von denen auch die Verletzung stammt. Dies wird auf alle Fälle und bald geschehen, wie wir oben schon ein Stück weit besprochen haben.« Diese Hoffnung Giannottis erwies sich im Laufe der Zeit als große Illusion. Es ist daher nicht verwunderlich, daß er den Passus im Autograph, fol. 61 r, durchstrich. Auch hatte er ihn am Rand mit einem Kommentar versehen, den er später aber cbcnfalls unleserlich machte.
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Statt Silvano [...grandi divenuti], Autograph, fol. 61 v: »...grandi divenuti, perche ad ogni republica e naturale esaltare qualche cittadino«. Politik, 1302b 15-20 Im Original steht »onori«; Erläuterung im Begriffsregister unter >AmterTcil< (parte) meint er im folgenden in erster Linie die Institution (z.B. der Senat), die einen bestimmten Verfassungstyp verkörpert und gleichzeitig die Partizipation einer bestimmten sozialen G r u p p e an der Macht gewährleistet. 237 Geschichte, VI/11-18. Im Gegensatz zu Giannotti lobt Polybios allerdings die römische Republik als vollkommene Mischverfassung. 238 Während Giannotti in diesem Kapitel einerseits das glcichgcwichtige Mischvcrfassungsmodcll Polybios' ablehnt, andererseits aber dessen Interpretation der politischen O r d n u n g Roms als glcichgcwichtige Mischverfassung übernimmt, wird er im nächsten Kapitel, auf das er hier verweist, R o m als unglcichgcwichtigc Mischverfassung interpretieren und so implizit auch Polybios' Analyse in Frage stellen. 239 Diese Beschreibung des frühen Rom als Mischverfassung hat Giannotti vermutlich ebenfalls von Dionysios von Halikarnass übernommen. In seinen Antiquitatcs Romanae, 11/14, listet dieser die Kompetenzen des Königs, des Senats und des Volkes zur Zeit von Romulus auf und zieht gewisse Parallelen zu Sparta. 240 Gemeint sind L. Junius Brutus (siehe Anm. 2) und P Valenus Publicola. Laut Überlieferung waren Brutus und L. Tarquinius Collatinus nach dem Sturz des Königtums 509 v.Chr. die ersten Konsuln der Republik. Weil Collatinus dem Kömgsgcschlccht der Tarquinier angehörte, mußte er noch vor Ablauf des ersten Amtsjahrcs zurücktreten. Valcrius, sein Nachfolger, war viermal Konsul. Den Beinamen Publicola (Volksfrcund) erhielt er, weil er gemäß der Überlieferung wichtige Gesetze schuf, so vor allem die provocatio, die Möglichkeit, gegen Urteile eines Beamten Berufung an das Volk einzulegen.
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241 Pausanias errang wichtige militärische Siege gegen die Perser, machte sich aber durch seine Herrschsucht verhaßt. 468 v.Chr. wurde er von den Spartanern zum Tod verurteilt und in einem Tempel, in den er geflohen war, eingemauert und ausgehungert. 242 A Der Doge hieß Marino und nicht Vitale, wie Giannotti im Autograph hier (fol. 83r)und an zwei weiteren Stellen (fol. 106r, fol. 162r) irrtümlich schreibt. Auch Silvano korrigierte in seiner Edition diesen Irrtum. 243 Faleri wurde 1355 enthauptet, ein Jahr nach seinem Amtsantritt. Er war verurteilt worden, weil er angeblich Pläne geschmiedet hatte, den venezianischen Adelsstand mit Gewalt auszuschalten und sich zum alleinigen Herrscher aufzuschwingen; vgl. RV, 148. 244 Im vorangegangenen Kapitel hat Giannotti noch ein positives Bild vom vorrcpubhkanischen Rom gezeichnet und es als Mischverfassung beschrieben, die zum Königtum neigte. Dieses Urteil muß er nun revidieren, wie der folgende Abschnitt zeigt. 245 Giannotti nimmt Bezug auf Kapitel 1/3, S. 140, wo er die Meinung vertritt, daß die einfachen Verfassungsarten gute Menschen voraussetzen, es aber gegenwärtig keine solchen mehr gebe. A 246 Statt Silvano [dalle ordinazioni], Autograph, fol. 84r: »dalla ordinazione«. 247 Solche Vorgänge trugen sich nicht nur in Rom, wie Giannotti gleich berichtet, sondern auch in Florenz und anderen italienischen K o m m u n e n im 13. Jahrhundert zu. In Florenz gab sich der Popolo eigene Statuten - neben den bestehenden der K o m m u n e - u n d richtete das Amt des Capitano del popolo sowie den Consiglio del popolo ein, von dem die Adclsgcschlcchter ausgeschlossen blieben. 248 Die Brüder Tibcrius und Gaius Gracchus versuchten als Volkst n b u n e zwischen 133 und 122 v.Chr., die Krise abzuwenden, die der römischen Republik vom verarmten Bauernstand her drohte. Im Vordergrund stand eine Landreform, die den Besitz an Staatsland beschränkt und viel Land für besitzlose Bauern freigesetzt hätte. D e r Senat wehrte sich heftig dagegen. Tibcrius wurde auf dem Forum in einem Handgemenge erschlagen. Gaius ließ sich auf der Flucht von einem Begleiter den Tod geben, nachdem seine Reformpläne gescheitert waren. 249 Giannotti bezieht sich auf den Auszug der Plebejer (secessio plebis) auf den Heiligen Berg, mit dem sie den Patriziern wie-
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dcrholt Zugeständnisse abrangen, so etwa die Schaffung der Volkstribunc. Die Plebejer wandten dieses Druckmittel 494, 449 und 287 v.Chr. an. Giannottis Quelle war vermutlich Livius, Ab urbe condita, 11/32-33, 111/52. A Statt Silvano [desidcrano], Autograph, fol. 84v: »desiderando«. Hier und weiter unten in diesem Kapitel stellt Giannotti nun Polybios' Beschreibung der sich die Waage haltenden Institutionen R o m s in Frage. Vgl. Politik, 1277a 14-15 und 1277b 26-29. A Statt Silvano [quanto a non vi si trovare], Autograph, fol. 85v: »quanto non vi si trovare«. Divina Commedia, Purgatorio, C a n t o VII, 121-123. Politik, 1279a 17-19 und 25-38 Ibid., 1277a 25ff., 1277b 12-15 A Statt Silvano [cicco], Autograph, fol. 87v: »cervo«. Dieser Satz ist offenbar als Einschub zu verstehen. Logisch verknüpft sind der vorangehende und der nachfolgende Satz. Polidori hat in seiner Edition denn auch die Interpunktion entsprechend gesetzt. De legibus, 111/10,25: »Daher mußte man entweder die Könige nicht vertreiben oder dem Volk der Sache, nicht bloß dem Worte nach, die Freiheit geben.« Z.B. Ab urbe condita, 11/27-30; dieses epische Gcschichtswcrk des römischen Historikers Livius (59 v.Chr.-17 n.Chr.) wurde von den italienischen H u m a n i s t e n hoch geschätzt. Livius schrieb 142 Bücher, 35 davon sind erhalten geblieben. Gemeint ist unzweifelhaft Machiavelli, der in den Discorsi 1/4 die Auseinandersetzung zwischen Senat und Volk als Ursache für die Macht Roms beurteilte. Giannotti kritisiert in diesem Abschnitt in erster Linie Machiavellis Meinung, daß Rom mit einer anderen, den inneren Frieden garantierenden Verfassung, wie sie Sparta und Venedig besaßen, seine großen außenpolitischen Erfolge nicht hätte erringen können (Discorsi 1/6). Intercssanterweise erwähnt Giannotti an dieser Stelle die Rolle der Volkstribunen nicht, die nach Machiavelli das Volk erfolgreich schützten und deren Einführung zu einer Art dynamischem Gleichgewicht zwischen Volk und Senat führte (Discorsi 1/3 u. 1/7). Wo Giannotti nachweisen will, daß R o m die Voraussetzungen für eine Mischverfassung gemäß Kapitel 1/5 erfüllt habe, ist unklar, k o m m t er doch in der RF nicht mehr auf Rom zu
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sprechen. D e r A u s d r u c k »altra volta« k ö n n t e ein Indiz dafür sein, daß er eine eigene A b h a n d l u n g über die Mischverfassung Roms plante. Im Original steht »signorc della cittä«. Diese Formulierung braucht Giannotti auch an anderen Stellen, etwa im DGF, 158. Pocock (1975), 315, hat darin den Ansatz einer Souveränitätstheorie gesehen - mit dem »signorc« als Souverän —, die mit Giannottis Mischvcrfassungstheoric nicht in Einklang gebracht weiden könne. Im Original steht »principe«, da dieses O r g a n wie erwähnt für das Königtum bzw. das Prinzipat stehen soll. Giannotti meint damit den höchsten Amtsträger der Republik. Wie er in Kapitel 111/12, S. 263f., ausführt, handelt es sich dabei um einen Gonfaloniere auf Lebenszeit. Die Ü b e r s e t z u n g mit >Obcrhaupt< oder mit >Gonfaloniere< verhindert Mißverständnisse. Als prineeps war vor 1512 auch Piero Soderini angesprochen w o r d e n . Zum venezianischen Collegio, den Giannotti hier als Vorbild heranzieht, siehe R V, 93-98. Dieses Bild des pyramidenförmigen Aufbaus der politischen O r d n u n g sah Giannotti ebenfalls in Venedig realisiert; siehe RV, 52. Im DGF, 159, zieht er neben der Pyramide noch eine zweite Metapher heran, indem er den G r o ß e n Rat den Wurzeln eines Baumes, die anderen drei H a u p t o r g a n c dem Stamm und die übrigen Behörden den Ästen gleichsetzt. Siehe DaF, 171f., sowie unten Kapitel IV/2. Im Da/- argumentierte Giannotti noch umgekehrt. Er meinte, der Einbezug der steuerpflichtigen non beneficiati in die Miliz würde diese ehren und dafür entschädigen, daß sie nicht die vollen Bürgerrechte besitzen. Einer solchen Rekrutierung der non beneficiati: widersetzten sich viele Bürger. Politik, 1294b, 34-39 Mit den Bedürfnissen der Stadt sind die Bürgerpflichten gemeint, in erster Linie die Bezahlung von Steuern und der Wehrdienst bzw. die »körperliche und steuerliche« Belastung, von der Giannotti oben gesprochen hat. Politik, 1328b 2-1329a 39. Der Verweis auf das siebte Buch der Politik ist nicht sehr treffend. Aristoteles spricht hier vom vollkommenen Staat, in dem die Bürger tugendhaft und somit glücklich leben. Er schließt neben den Tagelöhnern und Bauern auch die niedrigen H a n d w e r k e r und die H ä n d l e r vom vollen Bürgerrecht aus, weil ihr Leben nicht der Tugend entspricht
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(1328b 34-41). Das vierte Buch w ü r d e sich besser eignen für die Kritik an Venedig und Florenz. Aristoteles spricht dort über die bestmögliche Verfassung für die meisten Staaten und fordert den Einbezug der Mittleren in die politische O r d n u n g (1296b 35-39). Ferner sagt er, in einer gut gemischten Verfassung seien die Bürger und die Waffentragenden identisch; zudem sei der Vermögenszensus so anzusetzen, daß die Vollbürger die Ausgeschlossenen zahlenmäßig übertreffen (1297b 1-5). In Venedig wie in Florenz waren die politisch berechtigten Bürger eine kleine Minderheit. 271 Der Staat, 457-466 272 Vgl. Politik, 1297a 17ff.; 1298b 14ff. 273 Als der G r o ß e Rat 1494 geschaffen wurde, legte man gesetzlich fest, daß ab 1497 jährlich 45 Bürger der oberen und 15 der unteren Zünfte durch ausgeloste Ratsmitglicder nominiert und bei Z u s t i m m u n g der Mehrheit in den Rat aufgenommen werden sollten. N o c h vor 1497 w u r d e diese Zahl aber auf 28 Kandidaten der oberen Zünfte reduziert. N a c h dem U m s t u r z von 1527 galt die ursprüngliche Regelung wieder. Jährlich hätten somit maximal 60 neue Mitglieder in den Rat aufgenommen werden können. Dieser war allerdings in der A n w e n d u n g der Bestimmung nicht sehr großzügig; 1528 etwa überstanden bloß zwölf Bürger die Wahl (Archivio di Stato Firenze, Tratte, vol. 434, fol. l r ) . 274 Gemeint ist, daß trotz dem Ausschluß vieler Popolari die drei sozialen G r u p p e n im Rat vertreten sein werden, die nach Freiheit, Ehre bzw. G r ö ß e streben (siehe Kapitel 1/3, S. 141). Giannotti bezeichnet diese spezifischen Interessen oder Eigenschaften der G r u p p e n als umori (Kräfte); Näheres dazu oben in der Einleitung zur politischen Sprache Giannottis, S. 113f. 275 A Statt Silvano [nellc republiche], Autograph, fol. 91v: »nella republica«. 276 In seinem früheren Reformentwurf wollte Giannotti die Dieci noch durch den Senat wählen lassen; siehe DGF, 165. 277 Vgl. Antiquitatcs Romanae, VII/59. 278 Das venezianische Wahlvcrfahrcn beschreibt Giannotti in der RV, 84f., ausführlich. 279 Die Auslosung der Amtsträger aus allen nominierten Kandidaten, die das absolute Mehr erreicht hatten, wurde nach 1499 und nochmals während der letzten Republik 1527-1530 für fast alle Amter praktiziert; zum genauen Verfahren oben, Anm. 157.
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280 Im folgenden wird Giannotti nur noch von der Quarantia sprechen, die vierzig Mitglieder zählte. 281 Gegenüber dem DGF weist Giannotti hier dem G r o ß e n Rat mehr Kompetenzen zu. So forderte er in seiner früheren Schrift, daß der Senat die Finanzvorlagcn abschließend behandeln soll, da sonst die ärmeren Bürger im Rat die Steuerpolitik blockieren könnten ( D G F , 165). 282 U m beschlußfähig zu sein, m u ß t e sich im G r o ß e n Rat eine Mindestzahl versammeln. Während der letzten Republik lag das Q u o r u m bei 800 Bürgern. Es w u r d e wegen der schlimmen Pest, die im Sommer 1527 einsetzte, vorübergehend auf 400 Bürger gesenkt. Dies galt allerdings nur für die Wahlen u n d nicht für die Gesetzgebung (Archivio di Stato Firenze, Provvisioni Registri, vol. 206, fol. 28r). 283 Dazu ausführlich RV, 76-81. In Florenz wurden die N o m i n a toren aus einem Beutel gezogen, worin die Namenszettel aller Ratsmitglicdcr lagen. Das Verfahren war langwierig, weil viele ausgeloste Bürger nicht anwesend waren und der Losvorgang deshalb wiederholt werden mußte. 284 Beschreibung in RV, 75. Man beachte, daß in Venedig die Dicci für die innere und äußere Sicherheit zuständig waren u n d somit eine andere F u n k t i o n w a h r n a h m e n als die Dieci in Florenz. 285 Erläuterung im Begriffsregisrer. 286 Von 1494-1512 b e t r u g d a s Mindestalter29 Jahre, von 1527-1530 durften alle an den Sitzungen teilnehmen, die das vicrundzwanzigstc Lebensjahr zurückgelegt hatten. Giannotti knüpft also auch hier an die früheren Verhältnisse an. 287 Von 1494 bis 1512 konnte der G r o ß e Rat alle drei Jahre über die Aufnahme von 24 Jungbürgern zwischen 24 und 29 Jahren befinden. Da 1527 bei der Wiedereinführung des Rates das Mindcstalter auf 24 Jahre gesenkt wurde, fiel diese Regelung weg. Giannotti möchte somit die Altersgrenze für eine vorzeitige Zulassung zum Rat ebenfalls nach unten drücken. 288 Die Sitzzuteilung nach Quartieren galt für zahlreiche Behörden, etwa für die Signoria, in der aus jedem Q u a r t i e r zwei Bürger saßen. Der Rat der Achtzig setzte sich aus je zwanzig Bürgern pro Quartier zusammen; siehe DRF, 415. 289 Rund drei Viertel der Ä m t e r waren den sieben oberen Zünften (arti maggiori), der Rest den vierzehn unteren Zünften (arti minori) vorbehalten. In der Signoria zum Beispiel stellten pro Amtspcriode alternierend drei Quartiere je zwei Vertreter der
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oberen Zünfte, das vierte Quartier die zwei Vertreter der unteren Zünfte. Von den Mitgliedern des G r o ß e n Rates gehörten 1528 rund 84 % den oberen und 16 % den unteren Zünften an (Archivio di Stato Firenze, Tratte, vol. 435-438). Die Mitglieder der unteren Zünfte im Rat hatten somit größere Chancen auf ein Amt. Die Abschaffung der zwei Zunftklassen forderte Giannotti schon im DGF, 163, 165 u. 166. 290 N a c h einem sehr ähnlichen Verfahren wurden die Botschafter und Kommissare der letzten Republik gewählt (Archivio di Stato Firenze, Provvisioni Registri, vol. 207, fol. 52r; vol. 208, fol. 33r). Die Wahl wurde durch den Rat der Achtzig vorgenommen, den Giannotti durch seinen Senat ersetzt haben will. 291 In der früheren Republik k o n n t e ein N o m i n a t o r mehr als einen N a m e n nennen, sofern der von ihm nominierte Bürger zuvor bereits von einem anderen N o m i n a t o r als Kandidat bestimmt w o r d e n war; siehe DRF, 416f. Diese Möglichkeit will Giannotti unterbinden. 292 Vgl. Ab urbe condita, IX/29 und X X I I I / 2 3 , zwei Stellen, die zu den wichtigsten Quellen für die Zusammensetzung des Senats in republikanischer Zeit gelten. Giannotti interpretiert die Angaben bei Livius im folgenden nicht ganz richtig. Die lectio senatus, von der Livius spricht, w u r d e um 312 v.Chr. den beiden Zensoren übertragen. Sie hatten laut Gesetz das Recht, alle fünf Jahre einen neuen Senat zu nominieren. Dabei waren sie aber, zumindest in der Verfassungspraxis, an genaue Vorschriften gebunden. Die bisherigen Senatoren mußten von den Zensoren obligatorisch auf die Liste gesetzt werden, waren also auf Lebenszeit im A m t . U n w ü r d i g e Senatoren konnten die Zensoren allerdings ausschließen. Die Vakanzen, die meist durch Todesfälle entstanden, füllten sie auf. Dabei mußten sie in erster Linie ehemalige hohe Beamte - Diktatoren, Konsuln und Practoren - berücksichtigen. Wenn der Senat danach noch immer nicht vollzählig war, konnten sie auch ehemalige Beamte niedriger Stufe t^der Bürger mit speziellen Verdiensten nominieren. 293 ''Edition Polidori/Diaz, statt [ G e m ä ß den Ausführungen ... Senatoren waren]: »Wie man aufgrund der Ausführungen von Titus Livius und anderen Autoren verstehen kann, wählten auch die R ö m e r ihren Senat jährlich wieder, und soweit man zu erkennen vermag, w u r d e er durch die Zensoren gewählt. Weil man aber sieht, daß einige bedeutende Bürger fortwährend Senatoren waren...«.
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294 Im DGF, 158, wollte Giannotti die Senatoren noch auf Lebenszeit wählen lassen. 295 Erläuterung im Bcgriffsrcgistcr. 296 Als Swnori wurde n im damaligen Italien die autoritären Stadtherren bezeichnet, die ab Mitte des 13. Jahrhunderts in vielen Kommunen die Macht an sich rissen und damit der republikanischen Freiheit ein Ende setzten. 297 Giannotti nimmt wiederum Venedig als Vorbild, wo dem D o gen sechs Consiglieri zur Seite standen. Deren Aufgaben beschreibt er in der RV, 108-110. Die Abschaffung der Signoria forderte Giannotti bereits im DGF, 164. 298 A Statt Silvano [I padri], Autograph, fol. 97v: »il padre«. 299 Die Amtszeiten waren in Florenz sehr kurz. Für die Signoria betrug sie bloß zwei Monate, für die Dodici Buonuomini drei, für die Sedici Gonfalonieri u n d die Otto vier, für die Dieci sechs Monate. 300 Erläuterungen in A n m . 118 und 130. 301 Die acht Signori u n d der Gonfaloniere w o h n t e n w ä h r e n d ihrer Amtszeit im Palazzo della Signoria. 302 Die patnzischen Gegner Piero Soderinis zwangen diesen nach dem Fall von Prato Anfang September 1512 zur A b d a n k u n g und schließlich zur Flucht. Sie nützten die Stunde, um einige Verfassungsänderungen vorzunehmen. So w u r d e der Pv.at der Achtzig zu einem Senat aufgewertet, dem man wichtige K o m petenzen des G r o ß e n Rates übertrug, wie z u m Beispiel die Wahl der Signoria. Die Amtszeit des Gonfaloniere w u r d e auf ein Jahr beschränkt. Am 7. September w u r d e Giovanbattista Ridolfi in dieses Amt gewählt (Näheres zu seiner Person in A n m . 168). Kurz darauf kehrten die Mcdici als einfache Bürger in die Stadt zurück. Bereits am 16. September besetzten sie jedoch mit ihren Getreuen den Palazzo della Signoria, riefen ein Parlamcnto aus und ließen durch diesen eine Balia mit Sondervollmachten einsetzen. Diese schritt ihrerseits sofort zur Abschaffung des Großen Rates und zur Restauration jener O r d n u n g , wie sie vor 1494 bestanden hatte. Das H a u p t der Mcdici war zu dieser Zeit Kardinal Giovanni, der spätere Papst Leo X. 303
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Statt Silvano [aspira il prineipato], Autograph, fol. 99v: »aspira al pnncipato«. 304 Zur Erinnerung: Wie Giannotti in Kapitel III/4 ausgeführt hat, verkörpert der Gonfaloniere innerhalb der Mischverfassung das Königtum bzw. das Prinzipat.
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305 A Statt Silvano [drento], Autograph, fol. 99v: »dricto«. 306 Der Goldflorin (fiorino d'oro) wurde 1252 eingeführt. Er trug auf der einen Seite ein Bildnis von San Giovanni, auf der anderen die florcntinische Lilie. Die Münze setzte sich rasch als H a r t währung durch und trug viel zum wirtschaftlichen Aufstieg der Florentiner Bankiers bei. 1531, nach dem endgültigen Fall der Republik, wurde der fiorino d'oro durch den seudo d'oro ersetzt. 307 Die Einführung der Procuratori anstelle der Buonuomini forderte Giannotti bereits im DGF, 158f. Der Marzocco, das Wappentier von Florenz, ist ein schildtragcnder Löwe. Ursprünglich war er das Zeichen des Popolo, der im 13. Jahrhundert um volle politische Partizipation rang. Die Via dei Leoni hinter dem Palazzo della Signoria erinnert daran, daß in der Stadt zu gewissen Zeiten lebende Löwen gehalten wurden. Vom 14. Jahrhundert an standen in Stein gehauene Löwen auf der Piazza della Signoria. Die Procuratori von Venedig hatten eine andere F u n k tion, als sie Giannotti für Florenz vorschlägt; siehe dazu RV, 116f. 308 In Kapitel III/6, S. 248, hat Giannotti festgelegt, daß die Procuratori den Senatssitzungen mit Stimmrecht beiwohnen sollten. Damit erübrigt sich eine Mitgliedschaft im Senat. Wie aus dem übernächsten Kapitel hervorgehen wird, besitzen die Procuratori ferner die gleichen Kompetenzen wie die Dieci. Im DGF, 158, ließ Giannotti nur Scnatsmitglieder als Procuratori zu, und die Procuratori blieben weiterhin Scnatsmitglieder. 309 Giannotti hat hier das Bild der Verfassungspyramidc aus Kapitel III/4 vor Augen, wo der Gonfalonicre der Pyramiden-Spitze entspricht. 310 Giannotti meint die aristokratische Verfassung, die im September 1512 für kurze Zeit in Kraft war; Näheres dazu in Anm. 302. 311 A Statt Silvano [avrä il parcre suo], Autograph, fol. 102r: »avrä detto il parere suo«. 312 Als senatus consultum wurde in Rom ein rechtskräftiger Beschluß bezeichnet, mit welchem der Senat die Anfrage eines Magistraten beantwortete. 313 Das Vorgehen der Dicci bei der Verteidigung von Prato kritisiert Giannotti ausführlich in Kapitel II/5, S. 174f. 314 Daß die Beratung und Ausführung einerseits und die Beschlußfassung andererseits in verschiedene H ä n d e gehören, hat G i a n notti erstmals im DGF, 159f., gefordert. Am prägnantesten hat er diese Machtteilung im DRS, 453, formuliert.
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315 Mit monte del comunc wurde in Florenz die öffentliche Schuld bezeichnet. Die Republik nahm bei den Bürgern Anleihen auf oder erzwang sie bei akuter Finanzknappheit (sogenannte accatti oder prestanze). Die Anleihen waren handclbar und wurden verzinst. Die Ufficiali del Monte hatten die Staatsschuld zu verwalten. Daneben gab es auch andere monti. Der monte delle doti war eine Art Versicherungskassc für die Mitgift von Kindern. Unter Savonarola wurde 1496 der monte dipietä zur Unterstützung von Armen, die unter dem Wucher litten, eingeführt. 316 Giannotti meint hier wohl direkte Gesetzesinitiativen der Bürger wie auch persönliche Bitten. Der Große Rat stimmte nämlich nicht nur über Gesetzes- und Steuervorlagcn ab; sehr häufig entschied er auch über persönliche Petitionen von Bürgern, die von den Behörden an ihn weitcrgcleitct wurden. So hatte er zum Beispiel über Steuererleichterungen, Straferlässe, die Aufheb u n g von Verbannungen und ähnliche Anliegen zu befinden. Solche Petitionen stammten oft auch von Klöstern oder unterworfenen Städten. 317 Das während der letzten Republik geltende Wahlverfahren für den Gonfalonicre beschreibt Giannotti ausführlich im DRF, 416. 318 Es sei daran erinnert, daß über jeden Kandidaten einzeln abgestimmt w u r d e und daher jeder Bürger so viele Male seine Jaoder N e i n s t i m m e abzugeben hatte, wie Kandidaten zur Auswahl standen. So war es leicht möglich, daß mehrere Kandidaten das erforderliche absolute Mehr erreichten. 319 Das äußerst komplizierte Wahlverfahien des venezianischen Dogen beschreibt Giannotti ausführlich in der RV, 100-104. D a ß nur wenige an der Wahl beteiligt seien, wie er kritisiert, führt er wohl auf den Umstand zurück, daß im letzten der zehn Los- und Wahlgängc 41 Wahlmänncr den Dogen mit einem qualifizierten Mehr von 25 Stimmen erkoren. 320 N a c h jahrelangem, zähem Ringen gelang es den Florentinern 1509, Pisa zurückzuerobern. Zu den militärischen Anstrengungen der Stadt gehörte eine Landmiliz, die von 1506 an unter der Leitung Machiavellis aufgebaut wurde. 321 Giannotti nimmt hier den Mythos von Sparta auf, der besagte, daß sich die gemischte Verfassung nach der legendären Einführung durch Lykurg im 7. Jahrhundert v.Chr. bis zur Niederlage gegen die makedonischen Truppen 331 v.Chr. durch große Stabilität ausgezeichnet habe.
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322 Fünf Correttori hatten nach dem Ableben eines Dogen zu prüfen, ob während seiner Amtszeit Gesetzeslücken aufgetaucht waren, die es zu schließen galt; siehe dazu RV, 99f. 323 Die Funktionsweise dieser venezianischen Quarantie beschreibt Giannotti ausführlich in der RV, 119-136. 324 In Florenz entsprach ein soldo zwölf Denaren, zwanzig soldi ergaben eine Lira. Der Wert des Goldflonns stand 1530 bei sieben Lire oder 140 soldi. 325 Erläuterung im Begriffsregister. 326 In der Republik Florenz gab es üblicherweise zehn Conservatori. Die Aufgabe, die Giannotti ihnen im nachfolgenden A b schnitt zuweist, entspricht ungefähr jener der Auditori und der Avvocatori in Venedig; siehe RV, 122f. 327 A Statt Silvano [et sc bisogni], Autograph, fol. 111 r: »o se bisogni«.
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Statt Silvano [se non si ottiene che la sentenzia si dia di nuovo, parlino h parti], Autograph, fol. 11 lv: »se non si ottiene che la sentenzia si dia, di nuovo parlino h parti«. A 329 Statt Silvano [giudica essere ingiusta], Autograph, fol. l l l v : »giudica quella essere ingiusta«. 330 Die Quarantia der letzten Republik sah wie folgt aus (vgl. dazu DRF, 431 f.): Ihre vierzig Mitglieder wurden für jeden einzelnen Fall aus dem Rat der Achtzig ausgelost. Zusätzlich saßen in ihr siebzehn ausgeloste Vertreter der wichtigsten Behörden sowie die gesamte Justizbehörde, die den Fall im normalen Verfahren beurteilt hätte, also die Otto di guardia oder die Conservatori. Bei Vergehen gegen die Republik hatten die Otto die Untersuchung zu führen, den Fall aber obligatorisch an die Quarantia wcitcrzulciten. Bei anderen Straffällcn konnte die zuständige Justizbehörde fakultativ bei der Signoria die Überweisung an die Quarantia beantragen. Die Quarantia war somit keine Rekursinstanz für verurteilte Bürger, sondern als Spezialgericht für politisch brisante Fälle konzipiert. Gegen ihre Urteile k o n n te ein Verurteilter zunächst beim Consiglio grande Berufung einlegen, der sie mit Zweidrittelmehrheit aufzuheben vermochte. Diese Rekursmöglichkeit wurde aber bald beseitigt. 331 Carlo Cocchi wurde im O k t o b e r 1529 hingerichtet, weil er die Einberufung des Parlamcnto gefordert hatte, um die Mcdici zurückzuholen. Ficino Ficini, ein Neffe des Philosophen Marsilio Ficino, wurde im Juni 1530 aus ähnlichem Grund gefoltert und enthauptet.
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332 Der Satz weist folgenden Hintergrund auf: Die Republik k o n fiszierte die Güter vieler Bürger, die verbannt worden waren oder aus freien Stücken das Exil gewählt hatten und deswegen zu Rebellen erklärt wurden. Zu diesem Zweck setzte man sogar eine spezielle Behörde ein, die Ufficiali dei ribelli. Der konfiszierte Grundbesitz wurde relativ günstig verkauft. Zu den p r o minentesten Opfern dieser Politik gehörten Francesco Guicciardini und Francesco Vettori. 333 Giannotti kritisiert hier die Praxis des lamburare, das heißt die Möglichkeit, anonyme Anklagen einzureichen. Diese sah wie folgt aus: In den Flauptkirchen von Florenz standen verschlossene Flolzkisten (tamburi). Sie waren je mit dem N a m e n einer Behörde beschriftet und mit einem Einwurfschlitz versehen. Wer jemanden anklagen wollte, hielt Täter, Delikt, O r t , Zeit, Zeugen usw. auf einem Papier fest und steckte dieses in den tamburo der zuständigen Behörde. Auf diese Weise w u r d e in der letzten Republik u.a. Papst Clemens VII. bei den Otto di guardia angeklagt. Den Vorgang des lamburare beschreibt Varchi in seiner Storia fiorentina, XI (vol. 4, 32f.). 334
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Statt Silvano [gli aecusatori aecusarebbono chi meritasse punizione], Autograph, fol. 115v: »gli aecusatori aecusarebbono chi essi pensasseno che dovessc esser dannato, e perciö aecusarebb o n o chi meritasse punizione«. Klagen gegen Feinde der Republik mußten bis 1530 bei den Otto eingereicht werden. Sic konnten wie erwähnt a n o n y m erfolgen. A Statt Silvano [sc la soluzione non si otterrä], Autograph, fol. 116r: »se l'assoluzione non si otterrä«. In der berühmten Schlacht von Cannac 216 v.Chr. fügte H a n nibal den Römern unter Tercntius Varro eine katastrophale Niederlage zu. Vor allem Livius führte den Mißerfolg auf die Unfähigkeit Varros und auf seine Reibereien mit anderen K o m mandanten zurück. Zu Beginn des Krieges zwischen dem osmanischcn Sultan Baiazet I. und der Republik Venedig (1499-1503) belagerten die Türken die Stadt Lcpanto auf dem Pcloponncs. Vor der Küste standen sich die türkische und die venezianische Flotte gegenüber. Letztcrc wurde von Antonio G n m a n i kommandiert. Trotz materieller Überlegenheit und französischer Unterstützung scheute er die Schlacht und zog sich zurück, worauf sich Lcpanto ergab.
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339 Siehe oben in Kapitel II/5, S. 173 und Anm. 144. 340 A Statt Silvano [I pcccati che si fanno per malizia sempre si deono punire et talvolta pcrdonarc], Autograph, fol. 116v: »I peccati che si fanno per malizia sempre si deono punire. I peccati che si fanno per ignoranza, talvolta si deono punire, et talvolta perdonarc«. 341 Iacopo Alamanni war ein führender Kopf der jungen arrabbiati, der extremen, kompromißlosen Republikaner der letzten Republik. Diese hatten sich gegen die Einführung der allgemeinen Bürgermiliz gewehrt, weil sie ausschließlich zuverlässige Republikaner bewaffnet haben wollten. Nach der Verabschiedung des Milizgesetzes im Großen Rat am 6. N o v e m b e r 1528 kam es auf der Piazza vor dem Rathaus zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf Alamanni, der an diesem Tag in der Palastwachc Dienst tat, sich zu einer Tätlichkeit hinreißen ließ. Seiner Verhaftung versuchte er sich zu entziehen, indem er die umstehenden Bürger aufrief, ihm zu Hilfe zu eilen. N a c h kurzem Prozeß wurde er an der Balustrade des Rathauses gehängt, weil er einen Volksaufstand habe anzetteln wollen. Als Gericht wirkten gemäß einem kurz zuvor erlassenen Gesetz drei der wichtigsten Regierungsbehörden (Signoria, Dieci, Otto). Giannottis nachstehender Vorschlag hält sich somit eng an die O r d n u n g der letzten Republik. 342
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Statt Silvano [nascono tra privati per conto di privati], A u t o graph, fol. 118r: »nascono tra private persone per c o n t o di piati«. 343 Giannotti spricht hier von der Justizordnung, wie sie von 1502 an bestanden hatte. In diesem Jahr wurden die beiden auswärtigen Einzclrichter, der Capitano del popolo und der Podesta, abgeschafft bzw. in ein Richtcrkollcgium eingebunden. Ihre strafrechtlichen Kompetenzen erbten in erster Linie die Otto und die Conservatori. Für das Zivilrecht wurde ein neuer G e richtshof geschaffen, der Consiglio di giustizia oder auch Ruota genannt wurde. Dieser neue Hof bestand aus fünf auswärtigen Juristen, die einzeln erst- oder zweitinstanzlich urteilten und im Kollegium umstrittene Fälle behandelten. Ihr Vorsitzender, der Podesta della Ruota, konnte in begrenztem Rahmen auch im Strafrecht Beschwerden entgegennehmen. Bestehen blieben indes die für das Handelsrecht zuständigen Zunftgerichte und die Mercanzia, das oberste Handelsgericht, dessen sechs Richter durch die Zünfte gewählt wurden.
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Statt Silvano [contcnzioni], Autograph, fol. 119r: »convenzioni«. Der gleiche Irrtum folgt in diesem Abschnitt noch zweimal. A Statt Silvano [non lo possa comprcndcre], Autograph, fol. 119v: »non le possa comprcndcre«. Die Signori delle pompe, Magistrati delle pompe oder Provveditori delle pompe waren spezielle Behörden, die über die Einhaltung der Gesetze wachten, durch welche die öffentliche Zurschaustellung von Reichtum und Luxus beschränkt wurde (leggi suntuaric). Behörden mit solchen N a m e n gab es in verschiedenen italienischen Städten, so in Venedig, Genua und Padua. Zu den Collegisiehe Kapitel U/7. A Statt Silvano [correggerlo], Autograph, fol. 120r: »correggerli«. Der Mihzorganisation sind die ersten vier Kapitel des vierten Buches gewidmet. Die Forderung, daß man die Collegi ihrer Funktionen im G e setzgebungsprozeß entheben und sie dafür als Kommandanten der Milizkompanicn einsetzen sollte, stellte Giannotti bereits im DGF, 166, sowie im DaF, 176. Im Grunde strebt er damit an, den Collegi bzw. Sedici Gonfalonieri, wie sie oft genannt werden, ihre ursprüngliche Funktion als Anführer der Bürgerwehr zurückzugeben. - Der Idee, die Stadtmiliz in Bcwachungs- und Kampftruppen aufzuteilen, geht Giannotti anderswo nicht weiter nach. Im DaF, 175, forderte er die Aushebung aller achtzehn- bis fünfzigjährigen Steuerzahler, wobei er nur die jüngeren obligatorisch zu den Übungen aufbieten und die älteren als Freiwillige und gegebenenfalls als Reserve für den Vcrtcidigungsfall einsetzen wollte. Das Mihzgcsctz vom 6. November 1528 folgte seinen Vorschlägen weitgehend und schrieb vor, alle Steuerzahler zwischen 18 und 50 Jahren auszuheben, die Truppenübungen aber nur bis zum Alter von 36 Jahren für obligatorisch zu erklären. Diese Altersgrenze wurde mit dem Gesetz vom 20. Dezember 1529 auf 40 Jahre erhöht. Mit der Zweiteilung der ausgehobenen Soldaten in Übungspflichtige Junge und rcscrvepflichtigc Alte ist das Konzept der Kampf- und Bewachungstruppen im Kern bereits vorgegeben. Giannotti entwickelt es wohl aufgrund der Erfahrungen während der Belagerung von 1530. Zwar beteiligten sich damals bei Aktionen außerhalb der Stadt oft auch Milizkompanicn, doch die Hauptlast der Kämpfe lag auf den Schultern der Söldnertruppen.
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Florenz mußte nicht zuletzt kapitulieren, weil die Söldnerführer sich im entscheidenden M o m e n t weigerten, den Gegner vor der Stadt anzugreifen. F ü r solche Fälle will Giannotti nun das G r o s der Stadtmiliz bereithalten. Für die Aufgabe, die Ausgaben der untergeordneten Behörden zu genehmigen, waren schon in der letzten Republik die Signori zusammen mit den Dodici Buonuomini und den Sedici Gonfalonieri zuständig; siehe DRF, 424f. A Statt Silvano [sia sottoposta], Autograph, fol. 120v: »stia sottoposta«. Giannotti spielt hier wiederum auf die Situation während der letzten Republik an. Die Republik finanzierte den Krieg zu großen Teilen mit Steuern sowie mit Zwangsanlcihcn, die vermögenden Bürgern auferlegt wurden. Die Forderung, den Besitz der Reichen durch das Los zu vergeben, bezog sich auf die konfiszierten G ü t e r der Verbannten; Näheres hierzu in A n m . 332. A Statt Silvano [spesc], Autograph, fol. 121 r: »grandi spese«. Giannotti meint die Capitani di parte guelfa, die Hauptlcutc der guelfischcn Partei. Im Widerstreit zwischen der papsttreucn guelfischcn Partei und der imperialen ghibcllinischcn Partei schlug sich Florenz schon früh auf die Seite der Guelfcn ( N ä heres im Begriffsregister unter >Guclfen und Ghibclhnenzufällig< in Geschäfte hincinschossen, in denen gearbeitet wurde. Oft wurden auch Passanten in Mitleidenschaft gezogen. Mit der Randbemerkung »Questo fu Francesco Vcttori« kommentierte Giannotti im Autograph, fol. 129r, im Zuge einer Überarbeitung diesen Satz. Allerdings strich er diese N o t i z später wieder durch. Francesco Vcttori (1474-1539) war ein
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einflußreicher Florentiner Patrizier. 1512 gehörte er zu den Promotoren des Sturzes von Piero Soderini. Unter den Mcdici versah er wichtige Botschafterposten. N a c h dem Machtwcchsel von 1527 diente er vorerst der Republik, wechselte aber 1529 wieder ins Lager der Medici. N a c h dem Fall der Republik beteiligte sich Vcttori aktiv am Aufbau der Medici-Herrschaft und an der Repression ihrer Gegner. Francesco Vcttori stand jahrelang in intensivem Briefkontakt mit Machiavelli. In seinen Schriften lehnte er die Möglichkeit ab, in Florenz einen governo largo zu errichten. 400 San Giovanni Battista war der Stadtpatron von Florenz. Die mehrtägigen Festlichkeiten zu Ehren des Täufers gipfelten in der Johannisnacht, die mit der sommerlichen Sonnenwende zusammenfiel. Wichtige Elemente des Festes waren die große Prozession, aber auch derpalio, ein Pferderennen mitten durch die Stadt. Die religiöse Bedeutung dieses Heiligenfestes war zur Zeit Giannottis von starken zivilen Komponenten überlagert. Johannes war schon früh speziell z u m avvocato des politischen Gemeinwesens geworden. Dies kam auch darin zum Ausdruck, daß die K o m m u n e immer mehr die rituelle Hauptrolle des Festes ü b e r n a h m . 401 Giannotti spricht vom calcio, der auf das römische Legionärsspiel arpasto zurückging. Es handelte sich um einen harten Wettkampf zweier Mannschaften zu je 27 Spielern. Der Ball mußte mit beliebigen Mitteln ins gegnerische Tor befördert werden. Als Tor diente ein Bretterzaun. Ein Schuß über das Tor galt als halber Treffer. Der calcio kann somit durchaus als ein Vorläufer des Rugby bezeichnet werden. In seiner Storia fiorentina, XI (vol. 4, 37f.), berichtet Benedetto Varchi von einem calcio-Spicl, das in h o h e m M a ß politischen Gehalt aufwies: Im Februar 1530, während der Belagerung von Florenz also, maßen sich die >Wcißcn< mit den >Grünen< auf der Piazza Santa Croce. Den Belagerern auf den umliegenden Hügeln wollte man mit diesem festlichen Spiel, das von Musik umrahmt war, die Vitalität der Stadt beweisen. 402 Während des Karnevals fanden U m z ü g e mit allegorisch geschmückten Wagen statt, die von maskierten Personengruppen begleitet wurden. 403 Giannotti meint offensichtlich Valcrius Corvus und nic.it Valcrius Mcssalla (64 v.Chr.-13 n.Chr.), der üblicherweise ds C o r vinus bezeichnet wird und der in der Übergangsphase von der
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Republik zum Kaisertum Bedeutung erlangte. Valerius Corvus wurde 348 v.Chr. im Alter von bloß 23 Jahren erstmals zum Konsul gewählt, wie Livius berichtet (VII/32). Er begann damit eine erfolgreiche Laufbahn als Politiker u n d militärischer Führer. Giannotti folgt an dieser Stelle wohl Machiavelli. In den Discorsi, 1/60, führt dieser Scipio und Valerius Corvus - ebenfalls mit dem Beinamen Corvinus - als Beispiele dafür an, daß Männer bereits in jugendlichem Alter große Leistungen erbringen können. A Statt Silvano [della vita praticata da fra Girolamo], Autograph, fol. 130r: »della vita predicata da fra Girolamo«. San Marco hieß das Dominikanerkloster von Florenz, in dem Savonarola seinerzeit als Prior tätig gewesen war. Malatestas Wirken beschreibt Giannotti in Kapitel IV/5, S. 31Sff. Als largitiones w u r d e n in R o m alle Spenden und Zuwendungen bezeichnet, die römische Magistrate oder Privatpersonen der Öffentlichkeit z u k o m m e n ließen. Dazu gehörten öffentliche Speisungen, die Verteilung von Geldern und Getreide, aber auch die Veranstaltung von Spielen. Mit den largitiones wollte sich der Spender nicht zuletzt Wahlstimmen sichern. In der letzten Republik w u r d e n wiederholt Prediger in den Großen Rat gebeten, etwa Fra Benedetto da Faiano, der sich in den Fußstapfen Savonarolas wähnte. Giannotti meint mit cappuccio sehr wahrscheinlich den cappuccio alla civilc, wie die typische Kopfbedeckung des vornehmen Bürgers in Florenz hieß. Es handelte sich dabei um eine mit Düffel leicht gefütterte M ü t z e , die mit einer Falte in den Nacken
fiel. 410 A Statt Silvano [mostrando], Autograph, fol. 131v: »mostrano«. 41 1 A Statt Silvano [..maravigliosi palagi, cssi per li loro conventi non fanno mai altro che murare..], Autograph, fol. 132r: »..maravigliosi palagi. N o n d i m e n o cssi per h loro conventi non fanno mai altro che murare..«. 412 Der G r o ß e Rat war schon immer durch Glockcnklang einberufen worden. Im Januar 1530 führte man diese Regelung auch für die städtischen Behörden ein. Mit der drittgrößten Glocke des Palazzo della Signoria w u r d e n fortan alle Gremien zweimal pro Tag zu ihren Sitzungen geläutet (Archivio di Stato Firenze, Tratte, vol. 4, fol. 135r-v).
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Viertes Buch 413 Das italienische Heerwesen wurde von Machiavelli vor allem in der Arte della guerra diskutiert und heftig kritisiert. Dieses Werk wurde 1521 erstmals gedruckt. 414 Giannotti verweist auf seinen Discorso über die Miliz (DaF), den er 1528 der Signoria vorgetragen hat und der als Grundlage für das Milizgesetz diente, das vom Consiglio grande am 6. N o v e m ber 1528 gutgeheißen wurde. 415 A Statt Silvano [se dovesseno], Autograph, fol. 136v: »si dovesseno«. 416 Erläuterung im Begriffsregister. 417 Siehe DaF, 171 f. 418 Erläuterung im Begriffsregister. 419 Im .DaF ging es Giannotti nur um die Errichtung einer Stadtmiliz. Eine Landmiliz war bereits 1506 eingeführt worden; damals war Machiavelli der Vordenker. Diese Landmiliz wurde 1514 unter den Medici reorganisiert, ebenso 1527 nach dem Machtwechsel, als man auch die Nove della Milizia wieder einführte Sie erwies sich aber bei der Verteidigung des Florentiner Territoriums als nicht sehr zuverlässig. 420 A Statt Silvano [c fatica], Autograph, fol. 137r: »c di fatica«. 421 Giannotti richtet sich mit seiner Schätzung von rund 4000 waffenfähigen Bürgern (beneficiati u n d non beneficiati) nach der Erfahrung der letzten Republik. N a c h der ersten Aushebung der Bürger zwischen 18 und 36 Jahren zählte die Stadtmiliz gut 3000 Mann, nach Aufbietung aller Handwerker zwischen 18 und 60 im Sommer 1530 betrug ihre Stärke rund 8000 Mann. 422 Bei 1000 Soldaten pro Quartier zählt jede Kompanie 250 Wchrmänner. Giannotti geht damit von rund 25 D c k u n c n pro Kompanie aus. 423 Giannotti will bei dieser Variante nicht - wie zuvor - die Soldaten eines Quartiers auf vier Kompanien verteilen, sondern auch die Kompanien nach dem Wohnsitzprinzip bilden. Die Vierteilung der Quartiere hatte in Florenz eine lange Tradition; die sechzehn Stadtteile hießen gonfaloni (Näheres dazu im Begriffsregister). Die Zugehörigkeit zu einem gonfalone war allerdings nicht durch den Wohnsitz bestimmt. Schon im DaF, 176, forderte Giannotti deshalb, jeder Bürger solle in die K o m panie jenes gonfalone eingeteilt werden, in dem er wohne, und
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nicht desjenigen, dem er angehöre. Hier spricht er nun nicht mehr von einer Einteilung gemäß gonfaloni. Diese waren genau umrissene, aber nicht gleich große Stadtteile. Giannotti schwebt dagegen eine flexible Unterteilung der Stadt vor, damit die Quartiere und Kompanien je gleich viele Soldaten rekrutieren können. Erläuterung im Begriffsregister. Anläßlich der jährlichen Vereidigung und der Waffenubergabe an die neu rekrutierten Milizsoldaten wurde pro Quartier ein junger Bürger beauftragt, sich mit einer Rede an die Miliz zu wenden. Die Vereidigung konnte nach der Bildung der Stadtmiliz bis zum Untergang der Republik bloß zweimal abgehalten werden. Von den insgesamt acht Reden, die Anfang 1529 bzw. 1530 gehalten wurden, sind fünf erhalten geblieben. Das Milizgesetz vom 6. N o v e m b e r 1528 legte fest, daß die Redner ihre Zuhörer zu Gehorsam und Disziplin, zum Kampf für die Vaterstadt und zur Verteidigung der Freiheit anhalten sollen. Picrfilippo Pandolfini überschritt diese Vorgaben in seiner Rede vom 28. Januar 1529 weit und hetzte gegen die Patrizier um den Gonfaloniere Niccolo Capponi, die einen gemäßigten Republikanismus vertraten; es gab einen Skandal. Pandolfini, Mitglied der radikalen arrabbiati, kam knapp um eine Verurteilung herum. Giannotti spielt wohl auf diesen Vorfall an. Im Original steht »principe«; auch in diesem Buch ist dies - im florcntinischen Kontext - eine andere Bezeichnung für den Gonfaloniere. Giannotti meint das bereits erwähnte Milizgesetz vom 6. N o vember 1528, dessen Ausgestaltung er mit seinem DaF maßgeblich beeinflußt hat. Der Gcsctzcstcxt wurde im Großen Rat mit 775 Ja gegen 293 N e i n angenommen. Er findet sich im Archivio di Stato Firenze, Provvisioni Registri, vol. 207, fol. 51r-54v, ediert unter dem Titel »Prowisionc della Milizia e O r d i n a n z a del Popolo Fiorentino«, Archivio storico italiano, scr. 1*, vol. I, 1842, 397-409. Das Gesetz wurde vom Großen Rat am 20. D e z e m b e r 1529 revidiert. Die Änderungen betrafen allerdings eher Detailfragen. Siehe Archivio di Stato Firenze, Provvisioni Registri, vol. 208, fol. 59v-61r, ediert unter dem Titel » P r o w i sionc sull'ordinanza della milizia cittadina«, Archivio storico italiano, scr. 1', vol. XV, 1851,337-441 (hier mit dem D a t u m 14. D e z e m b e r 1529). Erläuterung im Begriffsregister.
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430 Die podesteria war der Amtsbezirk, welcher der Jurisdiktion des von Florenz eingesetzten Podesta unterstellt war. 431 A Statt Silvano [la cittä et castclla], Autograph, fol. 140r: »le citta et castella«. 432 Beides waren befestigte Marktflecken. Vicopisano liegt einige Kilometer oberhalb von Pisa am A r n o . Anghiari befindet sich östlich von A r e z z o , allerdings bereits im nächsten Tal, am O b e r lauf des Tibers. 433 Siehe oben, Kapitel 111/17, S. 288 und A n m . 375. 434 Arezzo war die wichtigste befestigte Stadt im Süden von Florenz, an einem strategisch bedeutsamen O r t gelegen. Als im Herbst 1529 das kaiserliche H e e r näherrückte, zogen die Florentiner, unter Zurücklassung eines minimalen Kontingents, ihre Truppen aus der Stadt ab (siehe Kapitel 11/15). Die Aretincr zögerten darauf nicht lange. Sic schickten dem Prinzen von Oranien, dem kaiserlichen Heerführer, eine Delegation entgegen, die ihm auf einem silbernen Tablett die Torschlüssel überreichte. Gegen die Bezahlung von 30.000 Dukaten und die Lieferung von Proviant erhielt A r e z z o in beschränktem Ausmaß seine frühere libertä zurück. Die florcntinische Besatzung zog sich in die Zitadelle zurück, wo sie noch rund ein halbes Jahr ausharrte. 435 Giannottis Vorstellungen k o m m e n hier einem Modell nahe, das in der früheren Landmiliz ab 1509 angewendet wurde. Die ausgehobenen Soldaten w u r d e n in drei Kategorien eingeteilt. Das erste Kontingent umfaßte eine Elite von rund 6000 Mann zwischen 18 und 30 Jahren, das zweite war für die Verteidigung am Wohnort zuständig, das dritte setzte sich aus den älteren Soldaten zusammen und bildete die Reserve. 436 A Statt Silvano [Et perciö, q u a n d o bisognasse servirsi di queste armi, vorrei che una legione stessc insieme. Saria bene aecomodare le provincic a quel n u m e r o del quäle poi si potesse trarrc mille fanti], Autograph, fol. 141 r: »Et perche, quando bisognasse servirsi di queste armi, vorrei che una legione stessc sempre insieme, saria bene aecomodarc le provincic a qucl numero del quäle poi si potesse trarrc mille fanti«. 437 Cascntino heißt die Region am Oberlauf des Arno. Ihr Z e n t r u m ist Bibbicna, wo Giannotti einen Teil seiner Verbannungszeit zubrachte. Mugcllo heißt das hügelige Gebiet im N o r d o s t e n von Florenz am Oberlauf der Sicvc, mit Borgo San Lorenzo als Zentrum.
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438 Die Soldzahlungen an Söldnertruppen waren insofern problematisch, als die Gelder jeweils dem condottiere und nicht direkt den Soldaten ausbezahlt wurden. O b der Sold dann effektiv ausgehändigt und die Truppe damit zufriedengestellt w u r d e , lag nicht in der Macht der Auftraggeber. 439 Dieser letzte Wahlgang, bei dem noch maximal acht Kandidaten im Rennen sind, soll nach der Vorstellung Giannottis wohl ebenfalls im G r o ß e n Rat stattfinden. 440 Der O b e r k o m m a n d i e r e n d e der florcntinischen Truppen (Capitano generale) durfte in republikanischen Zeiten kein florentinischer Bürger sein. H i n t e r dieser Bestimmung verbarg sich nicht zuletzt die Angst, die militärische Machtposition könnte zu politischen Zwecken mißbraucht werden. Giannotti führt also mit dem G r o ß k o m m i s s a r eine N e u e r u n g ein. 441 Die Florentiner Verwaltung zählte seit 1437 zwei Kanzleien mit je einem Kanzler als Vorsteher. Daneben w u r d e n auch weitere wichtige Beamte häufig als Kanzler bezeichnet (z.B. Cancellierc delle nformagioni, Cancellierc delle tratte). Wenn Giannotti hier vom »gran cancellierc« spricht, so meint er vermutlich den Kanzler der ersten Kanzlei bzw. den Ersten Kanzler, der in der Regel als Cancellierc della republica bezeichnet wurde. 442 Siehe Kapitel I I I / l l , S. 256-259. 443 Erläuterung im Bcgriffsregistcr. 444 Giannottis Ergänzung der Stadtmiliz durch Kavallerietruppen unterstreicht seine Absicht, die Miliz auch offensiv einzusetzen (siehe A n m . 350). Die Kavalleriemiliz ist wiederum nicht seine Erfindung. Inspiriert durch Machiavelli, w u r d e sie 1512 vom Consiglio grande gutgeheißen und im contado und distretto ausgehoben. Z u d e m faßte Machiavelli in seinem Milizprogramm für einen späteren Zeitpunkt auch die Bewaffnung der Stadt ins Auge. Im Gegensatz zu Giannotti sah er aber für die Bürger ausschließlich den Dienst in der Kavallerie vor (siehe Machiavellis »La cagionc dcll'ordinanza«, in Tutte le opere, 37-40). 445 Mit der Schätzung von zehn Legionen zu 1000 Mann greift Giannotti auf die Erfahrungswerte der früheren Landmiliz zurück. Im Milizgesetz vom 12. D e z e m b e r 1506 w u r d e als untere Grenze für die Truppenstärke 10.000 M a n n angegeben (siehe: »Provvisione per le fantcrie del 6 dicembre 1506«, in Machiavelli, Tutte le opere, 40-47). U m die Landwirtschaft nicht zu stark zu beeinträchtigen, w u r d e 1527 bei der Reorganisation der
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Landmiliz die Sollstärke ebenfalls auf 10.000 Mann festgelegt. Letztere waren auf 30 Kompanien verteilt. Giannotti berechnet im folgenden nur die laufenden Kosten für die sechzig geplanten Kompanien der Landmiliz. N i c h t eingerechnet wird dabei die oben erwähnte Bezahlung der Soldaten und des unteren Kaders, die er, wie er später ausführt, nur in Kriegszeiten besolden will. A Statt Silvano [spesa], Autograph, fol. 145v: »somma«. Die Rechnung geht auf, wenn für den G r o ß k o m m i s s a r ein monatliches Gehalt von 100 Dukaten angenommen wird. D e r 1512 gebildeten leichten Milizkavalleric (cavalli leggieri) w u r d e auch in Friedenszeiten ein Sold zum Unterhalt der Pferde ausbezahlt. Die Fußtruppen wie die Kavallerie der Miliz hatten als Vorgesetzte bezahlte conestabili. In der Regel waren dies kriegserfahrene Männer aus der Toskana. Im Kriegsfall, so bei der Verteidigung von Prato 1512, wurden indessen weitere condottieri zur Führung der Miliz angeheuert. N e b e n der Miliz unterhielt die Stadt weiterhin ein Söldnerkontingent als Mihtärpolizei zur Kontrolle der Bauernmiliz, der ein Teil der Bürgerschaft stets mißtraute.
450 U n t e r Sulaiman II. besetzten die O s m a n e n nach der Schlacht von Mohäcs (1526) weite Teile Ungarns. Der Gegenstoß eines kaiserlichen Heeres nach Mittclungarn blieb erfolglos - das H e e r wurde von den Truppen Sulaimans bis vor Wien zurückgetrieben. Aufgrund schlechter Witterung und knapper Versorgung konnten die O s m a n e n aber die Belagerung Wiens im H e r b s t 1529 nur kurz aufrechterhalten und mußten sich zurückziehen. In Florenz hoffte man, die Türken würden das deutsche Reich so stark bedrohen, daß der Kaiser seine Kräfte nach N o r d e n verlagern müsse. 451 Die Pike war eine Stoßwaffe mit einem bis über fünf Meter langen, hölzernen Schaft und einer Eiscnspitzc. Sie löste von der Mitte des 15. Jahrhunderts an die Hellebarde als Hauptwaffc der Infanterie ab. Vor allem die Eidgenossen vcrhalfen diesem Langspieß zum Durchbruch, als sie in den Burgunderkriegen mit geschlossenen Pikcn-Karrccs bzw. Spießerhaufen überraschende Siege gegen die Kavallerie errangen. Zu den Stangenwaffen (»armi in aste«) zählt Giannotti wohl die Hellebarde, die Korseke u.a., die um einiges kürzer waren und im Gegensatz zur Pike auch als Hiebwaffen dienten. Die Arkebuse oder Hakenbüchse war eine im 15. Jahrhundert aufgekommene
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Handfeuerwaffe für Bleikugeln. Das Milizgesetz von 1506 schrieb für 100 Mann 70 Langspießc und 10 Arkebusen vor. Dies entsprach genau den Proportionen, nach denen die Schweizer Infanterie bewaffnet war. Letztere war in Italien allerdings nicht immer erfolgreich. Die spanische Infanterie fügte ihr 1503 bei Ceringolaund 1522 bei Bicocca schmerzhafte Niederlagen zu. Ausschlaggebend war dabei die höhere Beweglichkeit der Spanier, die sie dank zahlreichen Arkebusen-Einheiten gewannen. In der Arte della guerra, III, erkannte Machiavelli diesen Schwachpunkt der Eidgenossen. Er forderte aber nicht mehr Arkebusen, sondern eine feinere Hecrcsgliederung nach römischem Vorbild (in Tutte le opere, 334ff.). Auch Giannotti scheint im folgenden der Pike den Vorzug zu geben. 452 Lucullus (ca. 117-57 v.Chr.) war ein römischer Politiker und Feldherr. Er errang im dritten Mithndatischen Krieg als O b e r befehlshaber zahlreiche militärische Erfolge in Kleinasien. Z u vor war er 74 v.Chr. Konsul gewesen. 453 Diese drei gehörten zu den zahlreichen capitani in den Diensten der Republik Florenz. O t t o da Monte Aguto, ein sehr aufbrausender Mann, wurde berüchtigt, weil er im Streit einen Bürger umbrachte, der seine Ehre verletzt hatte. Das Urteil fiel milde aus. O t t o wurde zu einer Buße von 1000 Dukaten und zu einer einjährigen Haft verurteilt. Giorgio da Santa Crocc wurde w ä h rend der Belagerung von einer Mauer erschlagen, die nach einem feindlichen Artillerictreffcr einstürzte. 454 L a s t r a l a g a n d e r wichtigen Straße von Florenz nach Empoli und Pisa. Der befestigte O r t wurde Anfang Dezember 1529 von kaiserlichen Truppen eingenommen und - entgegen den Kapitulationsbedingungcn - geplündert. 45 5 Im Original steht »camiciata«, was sich nicht wörtlich übersetzen läßt. Die nächtlichen Ausfälle wurden so bezeichnet, weil sich die Soldaten eine weiße Bluse (»canucia«) überstreiften, um sich im dunkeln gegenseitig besser zu erkennen. 45'6 Stefano Colonna war nach Malatcsta Baglioni der ranghochste Offizier der florcntinischen Truppen. Ihm war die gesamte Stadtmiliz unterstellt. Er hatte langjährige Erfahrung als condottiere in den Diensten des Papstes und später des französischen Königs. Im Gegensatz zu Baglioni wurde Colonna von den Zeitgenossen als loyal eingestuft. Unter Cosimo I. k o m mandierte er später die florcntinische Landmiliz. 457 Die Aktion unter der Führung Colonnas, an der die M i h z k o m -
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panic des gonfalone >Unicorno< beteiligt war, fand in der Nacht v o m 11. auf den 12. D e z e m b e r 1529 statt. Bei Sta. Margherita a Montici, auf einem Hügel rund drei Kilometer südlich der Porta San Giorgio, lagerten kaiserliche Truppen unter dem K o m m a n do von Sciarra Colonna, einem Verwandten Stefanos, mit dem er persönlich verfeindet war. D e r Angriff der Florentiner kam völlig überraschend und trieb die Feinde in panikartige Flucht. Malatesta w u r d e später vorgeworfen, er habe Colonna mit den vereinbarten zwei Kanonenschüssen zu früh das Zeichen zum Rückzug gegeben und damit die Chance verpaßt, den Gegner entscheidend zu schlagen. Im dominio verbreitete sich hingegen das Gerücht, das kaiserliche H e e r sei besiegt. An vielen bereits besetzten O r t e n erhob sich die Bevölkerung und vertrieb die kaiserlichen oder päpstlichen Kommissare oder brachte sie um. 458 459
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Statt Silvano [abbiamo cominciato], Autograph, fol. 148r: »abbiano cominciato«. An O s t e r n 1512 standen sich bei Ravcnna die Heere Frankreichs und der Heiligen Liga gegenüber (siehe Anm. 13). Die Schlacht war mit rund 20.000 Gefallenen überaus blutig, vor allem, weil beide Seiten maßiv Artillerie einsetzten und weil die spanische und päpstliche Infanterie sehr zäh kämpfte. Giannotti meint mit »la milizia del nostro Machiavello« wiederum die Arte della guerra. Das Wort »milizia« stand im weiteren Sinn auch für >Kncgskunstquesta malignitä«. 544 Diese Datierung im Autograph ist korrigiert. Wie nn noch entziffern kann, lautete sie ursprünglich: »xiiii di Nveir.bre MDXXXiiii«. Giannotti wollte mit der Rückdatierungcrmutlich die Beendigung einer ersten Fassung des Werks fchalten, die offenbar im Januar 1532 erfolgte (nach florent.ischem Kalender 1531; siehe Anm. 21). 545 Im Original steht »in villa«. Giannotti meint damit das anegut seiner Familie in Comeano, rund zehn Kilometer wesich der Stadt gelegen, auf dem er die meiste Zeit seiner Verannung zubrachte.
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Ämter (onori): Giannotti bezeichnet die zahlreichen Ämter der Republik üblicherweise als offici oder magistrati. Oft wurden in Florenz aber auch die hohen, eine spezielle Qualifikation erfordernden Ämter - die onori - von den bezahlten Vcrwaltungsämtern - den utili - unterschieden, die in der Regel einer breiteren Bürgerschaft offenstanden. Behörden (magistrati): Giannotti unterscheidet zwischen den Räten (consigli) und den Behörden (magistrati). Zu letzteren zählt er die gewählten, rasch rotierenden Bürgcrausschüssc der Stadt (Signoria, Dieci, Otto usw.), die zusammen die verschiedenen Regierungsfunktioncn wahrnahmen. Beneficiati/Beneficio: In Florenz besaßen, wie in den italienischen Städten üblich, nicht alle Bürger das Recht, in den Behörden Einsitz zu nehmen. Vielmehr brauchte es dazu eine spezielle Qualifikation, eben den beneficio. Die Florentiner nannten die Vollbürger statuali oder, wie Giannotti, beneficiati. Die nicht qualifizierten Bürger, die aber abgesehen von der politischen Partizipation die Bürgerrechte besaßen, hießen entsprechend non beneficiati. (iompi: 1378 kam es in Florenz zum Aufstand der politisch unberechtigten Lohnarbeiter. Ciompi hießen die Wollschlägcr, die den Tumult vom Zaume rissen. Collegi: Der N a m e Collegi'wurde uneinheitlich verwendet. Offiziell galten die beiden Ausschüsse, die der Signoria für bestimmte Entscheidungen angegliedert waren - die Dodici Buonuomini und d ie Sedici Gonfalonieri di compagnia - als Collegi. Entsprechende Beschlüsse wurden im Namen der Signori e Collegi gefaßt. Oftmals wurden aber - so wie in der Regel durch Giannotti - allein die Gonfalonieri di compagnia als Collegi bezeichnet. Collegio: Die Ausarbeitung und Vorberatung von Gcsetzcsvorlagcn und wichtigen außenpolitischen Entscheidungen will Giannotti einem Gremium übertragen, das sich aus der Signoria, den Procuratori und bei der Außenpolitik zusätzlich aus den Dieci zusammensetzt. Dieser Collegio darf nicht mit den Collegi verwechselt werden. Den N a m e n Collegio übernimmt Giannotti von Venedig.
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Conservatori di legge: Diese Behörde, die sich aus zehn Bürgern zusammensetzte, wurde 1429 geschaffen. Im Laufe der Zeit erhielt sie immer mehr Kompetenzen. In erster Linie diente sie als Kontrollorgan der öffentlichen Amtsträger. Sodann urteilten die Conservatori im Bereich des Sittenrechts. Ferner konnten sie mit Zwangsmaßnahmen die Steuern eintreiben. A b 1527 waren die Conservatorizusätzlich Ordnungshüter im Große n Rat. Sie m u ß ten die Zutrittsberechtigung kontrollieren, die Beschlußfähigkeit des Rates überprüfen, die Sitzordnung durchsetzen usw. Giannotti will diese Behörde reformieren. Er überträgt einige ihrer K o m petenzen an andere Behörden und sieht die Aufgabe der Conservatori vor allem darin, die Zulassung der Beschwerden an die Quarantia zu prüfen. Contado: Die italienischen Städte begannen im 11. Jahrhundert damit, die bis dahin herrschenden Bischöfe oder Grafen zu verdrängen. Contado hieß das ursprüngliche Herrschaftsgebiet dieser städtischen Feudalherren (»terntono comitalc/dcl contc« = »contado«) sowie weitere Erwerbungen in der näheren U m g e b u n g der Stadt. Der contado wurde häufig nicht als Untertancngebiet, sondern als organischer Teil der Stadt angesehen. Im Gegensatz zum distretto übte Florenz über den contado die direkte Souveränität aus. Z u m florcntinischen contado gehörten zur Zeit Giannottis weitläufige ländliche Gebiete wie der Mugcllo oder der Valdarno. Dieci: Die Dieci di balia wurden erstmals 1384 als spezielle K o m m i s sion für außenpolitische Ausnahmezustände gewählt, vor allem für die Kriegführung. Beruhigte sich die Lage, brauchte es die Behörde nicht mehr und sie wurde aufgelöst. Parallel dazu existierten ab 1372 lange Zeit die Dieci di libertä, die als permanente Behörde die Rechtsprechung, die Einhaltung des Partcibildungsverbots u.a. zu überwachen hatten - Aufgaben, die später den Conservatori zufielen. U n t e r den Mcdici wurden die Dieci di balia 1459 durch die Otto di pratica abgelöst. In den beiden letzten Republiken setzte man sie unter der Bezeichnung Dieci di libertä e pacc wieder ein, jetzt allerdings als permanente und damit noch einflußreichere außenpolitische Behörde. Die Amtszeit der Dieci betrug nun sechs Monate. Distretto: Ähnlich wie dominio bezeichnet distretto die Gesamtheit der unterworfenen Gebiete einer Stadt außerhalb des contado, über welche die Stadt die Hoheitsrechte ausübte. In der Regel wiesen die unterworfenen Städte und Gebiete (Arezzo, Voltcrra
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usw.) einen anderen Rechtsstatus auf als der contado. Häufig schloß Florenz mit unterworfenen Nachbarstädten spezielle Verträge (capitoli) ab, in denen die Rechte und Pflichten beider Seiten geregelt wurden. Die Souveränität von Florenz über den distretto war durch diese Verträge begrenzt. Für weite Teile der Rechtsprechung blieben weiterhin die lokalen Statuten maßgebend. Im Gegensatz zu dominio steht distretto vorwiegend für das H e r r schaftsgebiet einer K o m m u n e bzw. einer Republik. D'odici Buonuomini: Sie wurden 1321 geschaffen und bildeten fortan einen festen Ausschuß an der Seite der Signoria, mit der zusammen sie alle Gesetzesvorlagen genehmigen mußten, bevor letztere an die Räte gingen. Später kamen die Gonfalonieri di compagnia als dritte vorberatendc Behörde hinzu. Die Dodici wurden jeweils auf drei Monate gewählt. Nebenbei waren sie für die Bewachung des Rathauses verantwortlich. D'ominio: Z u m florcntinischen dominio wurde in der Regel das gesamte Herrschaftsgebiet der Stadt (contado und distretto) gezählt. A b und zu wurden auch bloß die Erwerbungen außerhalb des contado als dominio bezeichnet. Das Wort bildet in diesem Fall ein Synonym zu distretto. G elchrtc (savi): In Florenz war es üblich, daß die verschiedenen Behörden für ihre Tätigkeit Rechtsberater heranzogen. Diese sapientes mußten laut Statuten »uidiccs, scu advocati cives Florentini« sein. Sie wurden für vier Monate gewählt und waren bezahlt. Zur Zeit von Giannotti wurden aber auch die Patrizier häufig als savi bezeichnet. Für Giannotti waren sie indessen nicht unbedingt mit den Patriziern (grandi) identisch. Er bezeichnet wohl speziell die juristisch oder humanistisch gebildeten Patrizier als savi, und dies meistens voller Ironie, um im gleichen Satz ihre unkluge Politik zu geißeln. G onfalone: Die sechzehn gonfaloni - je vier pro Quartier - waren die Stadtbezirke von Florenz. Entsprechend ihren Wappen wurden sie nach Tieren benannt. Sic bildeten unter anderem die Grundeinheiten für die Rekrutierung der Miliz. Die Listen aller Ratsmitghcdcr (tratte) waren ebenfalls nach gonfaloni unterteilt. In den wenigen Fällen, in denen der G r o ß e Rat über Grundsatzfragen offen zu beraten hatte - während der letzten Republik kam dies dreimal vor -, diskutierten die Bürger die Fragen zuerst im Kreis ihres gonfalone und bestimmten zum Schluß einen Sprecher,
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der die Mchrhcits- wie die Minderheitsmeinung des gonfalone Plenum zu verkünden hatte.
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Gonfaloniere della giustizia (Bannerträger der Gerechtigkeit): Er wurde 1293 im Rahmen der ordinamenti di giustizia geschaffen, die den Grundstein zur Zunftordnung der K o m m u n e legten und gegen den Widerstand des Adels eingeführt wurden. Der Gonfaloniere della giustizia bildete zusammen mit den acht Prioren die Signoria, das höchste Rcgicrungsorgan der Stadt. Er war ursprünglich auch Kommandant der städtischen Miliz und O b e r aufschcr über die auswärtigen Richter. Bis 1494 und von 1512 bis 1527 betrug seine Amtszeit wie jene der Prioren zwei Monate, von 1502 bis 1512 wurde er auf Lebenszeit, von 1527-1530 auf ein Jahr gewählt. In der Regel spricht Giannotti ohne Zusatz bloß vom Gonfaloniere. Er darf nicht mit den Gonfalonieri di compagnia verwechselt werden. Gonfalonieri di compagnialSedici Gonfalonieri: Sie wurden zu Beginn des 14. Jahrhunderts anläßlich einer Reorganisation der Stadtmiliz geschaffen. Ursprünglich dienten die Gonfalonieri di compagnia nur als Milizkommandanten bzw. Anführer ihres gonfalone. Später bildeten sie neben den Dodici einen Ausschuß, der sämtliche Gcsctzesvorlagen der Signoria billigen mußte, bevor sie den Räten unterbreitet wurden. Die Amtszeit der Gonfalonieri di compagnia betrug vier Monate. Grandezza (Größe): Giannotti umschreibt die politischen Ansprüche der Grandi mit grandezza. Damit ist der Wunsch der Patrizier gemeint, eine ihrem sozialen Status entsprechende politische Rolle zu spielen, d.h. die wichtigsten Ämter zu bekleiden und im politischen Prozeß maßgeblichen Einfluß zu besitzen. Grandi (die Großen): Florenz besaß im Gegensatz zu Venedig keine durch ihren juristischen Status genau bestimmbare Erbaristokratie. Das Florentiner Patriziat setzte sich aus den wichtigsten, d.h. ökonomisch stärksten und politisch einflußreichsten Familien (le case) zusammen, deren Kreis nach außen nur vage abgegrenzt war. Ihre Vertreter nannten sich gerne ottimati, uomini da bene, principati oder nobili. Von Kritikern des Mittelstandes, zu denen Machiavelli und Giannotti gehörten, wurden sie in der Regel als grandi bezeichnet. Großer Rat (Consiglio grande): Er bildete das Herzstück der beiden letzten Republiken, die 1494-1512 und 1527-1530 Bestand hatten.
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Der G r o ß e Rat war eine Versammlung aller Bürger mit dem aktiven und passiven Wahlrecht, somit die Versammlung aller beneficiati. Er war insbesondere für die Wahl der Behörden und für die Genehmigung der Gesetze zuständig. Guelfcn und Ghibellincn: Die Guelfcn und Ghibellincn waren zwei verfeindete Lager, die sich ab dem frühen 13. Jahrhundert in fast allen Stadtstaaten des nördlichen und mittleren Italiens herausbildeten. D e n Hintergrund dazu bildete die Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Papst um die Universaiherrschaft. Die Guelfen galten als traditionell papsttreu, die Ghibellincn als kaiscrfrcundlich. Die beiden Parteien stellten allerdings keine festen Größen dar. O b eine Stadt guelfisch oder ghibellinisch war, hing von den internen Machtverhältnissen und von der Haltung der momentan befehdeten Nachbarstädtc ab. Florenz war ab dem späten 13. Jahrhundert ein stabiler Faktor im guelfischcn Lager. Jugend (gioventü): Giannotti setzt oft die Alten (vecchi) der Jugend gegenüber u n d kritisiert erstere. Z u r gioventü zählten in Florenz die jungen Männer im Alter zwischen dem Erwachsenwerden und dem Recht, politische Ämter zu bekleiden, das heißt zwischen ungefähr 18 und 30 Jahren. Mit 18 wurden die Jungbürger in die Stadtmiliz aufgenommen. Mit 24 durften sie an den Sitzungen des Großen Rates teilnehmen, waren aber erst mit 30 für die Signoria und andere wichtige Ämter wählbar. Die Alten waren dementsprechend die amtserfahrenen Bürger. Mediocri (Mittclständischc): Zwischen den Grandi und den Popolari macht Giannotti eine dritte Kraft aus, die er als Mittclständischc bezeichnet. Wie die Popolari wünschen sie sich Freiheit, zusätzlich aber noch Ehre, das heißt in erster Linie die Möglichkeit zum Einsitz in ehrenvollen Behörden wie dem Senat. Dieser Mittelstand hat sich laut Giannotti in Florenz erst mit der Zeit gebildet, mit dem Aufstieg einiger Popolari'und dem Abstieg eines Teils der Grandi. Die Kategorie der Mediocri hat Giannotti allerdings eher von Aristoteles übernommen als im Bewußtsein der Florentiner vorgefunden, die in der Regel den Popolo als Mittelstand betrachteten. Non Beneficiati: Siehe unter
Beneficiati.
Otto: Die »Herren Achte«, wie Goethe in der Vita Benvenuto Ccllinis übersetzte, wurden 1378 geschaffen und mit der Aufgabe betraut, Ruhe und O r d n u n g in der Stadt wie auf dem umliegenden
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Land sicherzustellen. Die Otto di guardia e balia- so ihr offizieller N a m e - entwickelten sich immer mehr zu einem Strafgericht mit polizeigerichtlichen Kompetenzen wie Festnahmen u n d Verbannungen. Unter den Medici bildeten sie eine eigentliche G e heimpolizei und wurden zu einem wichtigen Instrument der Machterhaltung. In den beiden letzten Republiken behielten sie ihre Kompetenzen im wesentlichen bei. Die Amtszeit der Otto betrug vier Monate. Podesta: Das A m t des Podesta wurde in Florenz erstmals 1189 eingeführt, und zwar nach dem Vorbild anderer italienischer Kommunen. Der Podesta war ein auswärtiger, für sechs Monate gewählter Adliger, der über den städtischen Parteien stehen sollte. Die Rechtsprechung war seine wichtigste Aufgabe. Bis zur Einführung der Signoria hatte er auch die wachsende Stadtverwaltung zu leiten und die Truppen der Kommune im Kampf anzuführen. Später besaß der Podesta nur noch richterliche und polizeiliche Kompetenzen. Im 15. Jahrhundert verlor er zudem fast alle strafrechtlichen Kompetenzen an die Otto und die Conservatori. Als Podesta wurden auch die florcntinischen Statthalter im H e r r schaftsgebiet bezeichnet. Popolari: Die soziale Gruppe in Florenz, die sich selbst häufig im Gegensatz zum Patriziat sah, wurde als Popolo (Volk), ihre Mitglieder als Popolari bezeichnet. Sic umfaßte insbesondere die in den Zünften organisierten Händler und Flandwcrkcr, d.h. in etwa die Mittelschicht. Giannotti zählt in der Regel all jene zu den Popolari, die sich Freiheit wünschen, die mit anderen Worten Gesetzen unterstellt sein wollen und keine Willkürhcrrschaft dulden, gleichzeitig aber keine Aspirationen auf die wichtigsten Ä m ter hegen. Zu den so definierten Popolari gehören sowohl Mitglieder des Großen Rates wie auch alle Besitzenden bzw. Steuerzahler, die ihm nicht angehören. An anderen Stellen bezeichnet G i a n notti allerdings ausdrücklich nur jene Steuerzahler als Popolari, die aus dem Großen Rat ausgeschlossen sind (die sogenannten non beneficiati). Popolo (Volk): Siehe unter Popolari. Pratica: Die beratenden Versammlungen hatten in Florenz eine lange Tradition. Behörden, die vor wichtigen Entscheidungen standen, hatten die Kompetenz, Bürger nach ihrer Wahl zu einer Sitzung einzuladen, in denen die Probleme zur Sprache kamen. Diese
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Consulte oder Pratiche fällten allerdings keine verbindlichen Entscheidungen. In der Regel versammelte sich die politische Elite zu den Sitzungen. Nach 1494 diente auch der neugeschaffene Rat der Achtzig als Pratica; er wurde bei diesen Gelegenheiten meistens durch weitere Bürger vergrößert. 1528 wurde die Zusammensetzung der Pratica erstmals gesetzlich geregelt. In ihr saßen fortan zwanzig gewählte Mitglieder und einige Behördenvertreter. Priorat: A m t eines Priors, mithin ein Synonym zu Signoria. Prioren: Als Prioren wurden die Mitglieder der Signoria üblicherweise bezeichnet. Private Bürger (cittadini privati): Wenn ein Bürger ein Amt bekleidete, gehörte er dem öffentlichen Bereich an, im anderen Fall dem privaten. Diese beiden Sphären galt es nach republikanischer Überzeugung strikte zu trennen, sowohl in bezug auf Interessen wie auch zeitlich. Von einem Amtsträger erwartete man, daß er sich ganz für seine öffentliche Aufgabe einsetzte, von einem sogenannten privaten Bürger, der nur im Großen Rat saß, daß er sich nicht ungebührlich in die laufenden Geschäfte einmischte. Procuratori: Eine Behörde mit dem Namen Dodici Procuratori wurde in Florenz erstmals 1480 unter Lorenzo il Magnifico eingeführt. Sie war damals ein Ausschuß des ebenfalls neu geschaffenen, einflußreichen Rats der Siebzig. Die Procuratori wurden nach der Rückkehr der Medici 1512 sofort wieder eingeführt. Sie erhielten den Beinamen >Beschützcr der Kommune< und verfügten vor allem über innenpolitische Kompetenzen. So konnten sie zahlreiche, darunter auch wichtige Behörden ernennen (z.B. Conservatori, Otto di guardia), die dann vom Rat der Siebzig oder vom Rat der H u n d e r t bestätigt werden mußten. Zusammen mit den Fermatori oder Uditori arbeiteten sie die genauen Gesetzcsvorlagcn aus und prüften private Petitionen, bevor diese an die Signoria e Collegi und an die Räte weitergingen. In der republikanischen O r d n u n g fand diese Behörde jeweils keinen Platz. Giannotti dagegen will sie bei seiner Reform berücksichtigen. Die Dodici Procuratori sollen auf Lebenszeit gewählt und in erster Linie mit der Initncrung und Ausarbeitung von neuen Gesetzen beauftragt werden. Sie ersetzen die Dodici Buonuomini, erhalten aber wegen der unbefristeten Amtszeit ein viel größeres Gewicht. Zudem liegt der Schluß nahe, daß sie auch die Aufgabe der acht Sachverständigen (Fermatori oder Uditori) übernehmen, die zu-
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sammen mit dem Segretario delle riformagioni bei der Gesetzgebung für die genaue Textausarbeitung verantwortlich waren. Quarantia: Nach venezianischem Vorbild gab es in Florenz von 1502-1512 und von 1527-1530 einen Gerichtshof, der sich aus vierzig ordentlichen und einigen zusätzlichen Mitgliedern zusammensetzte. Dieser Quarantia konnten von unteren Behörden Strafrechtsfälle zur Entscheidung übertragen werden. Sie war somit keine Rckursinstanz für verurteilte Bürger, eine Tatsache, die Giannotti mit seiner Reform ändern will. Rat der Achtzig (Consiglio degli Ottanta): Nach der Vertreibung der Mcdici wurde 1494 zusammen mit dem Großen Rat ein kleinerer Rat mit achtzig Mitgliedern eingeführt. Diese beiden neuen Räte ersetzten die unter den Medici zur Bedeutungslosigkeit verkommenen Räte des Volkes und der Kommune. Der Rat der Achtzig hatte alle Gcsetzesvorlagcnzu genehmigen, bevor sie dem Großen Rat unterbreitet wurden. Er wählte die Botschafter, die Kommissare und das Milizkader, und aus seinen Reihen wurde die Quarantia ausgelost. Der Rat diente zudem in vielen Fällen als Beratungsorgan. Giannotti möchte ihn durch einen gewichtigeren Senat ersetzen. Regiment: Die Florentiner kannten einige Ausdrücke (governo, stato u.a.), mit denen sie nicht bloß die politische O r d n u n g meinten, sondern darüberhinaus alle für die Ämter qualifizierten Bürger. Dieser Sinngehalt wird in der Übersetzung mit >Rcgimcnt< wiedergegeben. Das Regiment ist also weiter gefaßt als die eigentliche Regierung. Es konnte >cng< oder >schmal< sein, je nachdem, wie viele Bürger Partizipationsrechte besaßen. Rektoren: So hießen die Statthalter von Florenz im dominio; unter anderem waren sie auch mit richterlichen Kompetenzen ausgestattet. Ringhiera: Dem Palazzo della Signoria war auf der Westseite eine große Tribüne, die ringhiera, angebaut. Sie wurde 1323 aus H o l z , 1349 dann aus Stein errichtet. Auf ihr fand unter anderem die Vereidigung der ncugcwähltcn Stadtbchördcn statt. Ferner diente sie auch als Rednertribüne. Scrutinio/Squittino: Vor der Einführung des Großen Rates 1494 wurden die Amtsträger nicht gewählt, sondern ausgelost. Der Kreis der möglichen Amtsträger wurde in einem Verfahren bestimmt, das man scrutinio oder squittino nannte. Dabei stimmten
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die obersten Stadtbehörden und einige kooptierte Mitglieder über zuvor erstellte Kandidatenlisten ab. Unter den Mcdici übernahmen Balte - mit Sondervollmachten ausgestattete Ausschüsse diese Aufgabe. Die Namen der qualifizierten Bürger wurden auf Zettel geschrieben und in Beutel gelegt, aus denen dann die Amtsträger ausgelost wurden. Die Zahl der in diesem Verfahren für die obersten Behörden qualifizierten Bürger stieg im 15. Jahrhundert auf über 2000 an. Sedici Gonfalonieri: Siehe unter Gonfalonieri di compagnia. Signoria: Die Signoria bildete das oberste Regierungsorgan der Republik. Sie wurde 1282 geschaffen. Ihr gehörten sechs, später acht Prioren sowie ab 1293 der Gonfaloniere della giustizia an. Die Signoria besaß sehr weitreichende Befugnisse, unter anderem auch im Bereich des Strafrechts. Mit sechs Stimmen vermochte sie autoritative Entscheidungen jeder Art zu treffen, soweit keine gesetzlichen Regelungen vorlagen. Die Amtszeit der Prioren betrug bloß zwei Monate. Tre Maggiori: So hießen die drei obersten Stadtbehörden, die zusammen Gesetze und Finanzvorlagen zuhanden der Räte verabschiedeten. Es waren dies die Signoria, die Dodici Buonuomini und die Sedici Gonfalonieri. W'icderwahlverbot (divieto): Die Ämter wurden in Florenz in rascher Rotation neu bestellt. Der divieto bestand in der Prüfung der Frage, ob der ausgeloste Bürger nicht einem Hinderungsgrund zur Wahl unterworfen sei (Einsitz vor kurzer Zeit im gleichen oder momentan in einem anderen Amt, Steuerschulden, Verwandte in der gleichen Behörde u.a.). Häufig wurde mit divieto indessen die Zeitspanne bezeichnet, während der es einem Bürger untersagt war, das einmal bekleidete Amt erneut zu versehen.
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DaF
Discorso di armare la citta di Firenze, fatto dinanv.i alli Signori e Gonfaloniere di giustizia (1528), zit. nach Opere (1974), 167-180
DRF
Discorso tntorno alla forma della Repubblica di Firenze (nach 1530), zit. nach Opere politiche (1974), 413-432
magnifkt politiche
RF
Republica fiorentina
DCf
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Personen- und Sachregister
Acchmatova, Anna: 74f. Aläamanni, Iacopo: 279, 398 (341) Al.iamanni, Luigi: 379 (184) Albberti, Benedetto degli: 151, 363 ((73) Allibizzi, Antonfranccsco degli: 202f., 3383 (209) Albbizzi, Maso degli: 151, 158, 332, 3363 (74) AMexander VI., Papst: 3 1 , 404 (374) AUexander der G r o ß e : 265, 316 Aliifonso I. d'Este: 290, 291, 408 ((388) Alüighieri, Dante: biographische 1 Hinweise: 2 0 , 2 3 , 3 7 , 3 8 ; als Q u e l 11c Giannottis: 71, 193, 195, 234; Werfassungsdenken: 35f.; in den 1 Dialogen Giannottis: 43-45; über edie Grandi: 193, 379f. (187, 188); l ü b e r den Popolo: 195; zur U n b e sständigkeit der florcntinischen ' G e s e t z e : 21, 212; z u m U r s p r u n g «der Tugend: 234 Anmboise, Charles d': 287, 403 (369) Anmmanati, Bartolomeo: 30 An-nministrazione: 103-107 Ai.itike, als Vorbild u n d Lehrmeistc,rin: 127,176,241,280,291f.,302f., ."337; in bezug auf militärisches ^Wissen: 313, 316f., 320 Amtiochos III.: 286, 402 (364) Arratos von Sikyon: 349, 424 (509), -428 (536) Arrczzo, Aufstand gegen Florenz 11502: 288, 404 (375); Aufstand 11529:308, 414 (434) Anxhitektur: als politische Mctaiphcr: 50, 115f„ 135, 239, 346; in lFlorenz: 28-35
Aristoteles: 36, 67 197; v o n Giannotti zitiert: 136, 137, 143, 2 0 1 , 233, 235, 240, 241, 332, 338; Einfluß auf Giannotti: 40, 51, 71,136, 357 (25, 26), 389 (270); auf dessen politische Sprache: 77, 8 9 , 9 2 , 1 0 6 ; Tugendbegriff: 91f., 144, 359 (41); z u r Tyrannis: 422 (499) A r m e : s. Plebei Arrabbiati: s. Extremismus Athen: Geschichte: 20, 36, 3 4 1 , 342, 344,425 (515); als Vorbild Dantes: 212; - im Urteil Giannottis: u n v o l l k o m mene Verfassung: 265; vorbildliches Anklagevcrfahrcn: 276; Kritik am Scherbengericht: 200f. Ausführung: s. esecuzione Außen- und Sicherheitspolitik: - in florentinischer Praxis: 169,355 (13), 400 (355); Terminologie: 101 f.; Entscheidungsspielraum der Behörden, von Giannotti kritisiert: 170-176, 334, 335; mangelhafte Entscheidungsfindung: 204207; Bündnis mit Frankreich, von Giannotti kritisiert: 191, 285-291 - in Giannottis Reform: 60, 62,243, 256-259, 331,333,335; als e i n e d e r vier Staatsfunktionen: 57, 169, 242,331 Baglioni, Malatesta: 180, 188, 297, 318-322, 325, 334, 356 (16), 374f. (162), 423 (503) Bandinclli, Baccio: 30 Bardi, Familie: 150, 362 (69) Beccaria, Cesare: 29 Bella, Giano della: 149, 152, 165, 344, 345, 361 (59), 424 (509)
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P E R S O N E N - U N D SACHREGISTER
Bchördenwahl: s. Wahlordnung Benedikt XL, Papst: 150, 177,' 362 (64) Beneficiati/Beneficio, Non-Beneficiati: 25,65f., 303,304, 310,336; s. auch Begriffsregister Beratung: s. consultazione Beschlußfassung: s. deliberazione Beschwerden: s. Rechtsprechung Bodin, Jean: 106 Bocthius, Anicius Manlius: 129, 355 (11) Borgia, Cesare (Herzog Valcntino): 38, 288, 404 (374) Bourbon, Karl von: 153, 171, 365 (86) Bracciolini, Poggio: 79 Brucioli, Antonio: 372f. (150) Brunelleschi, Filippo: 28 Bruni, Leonardo: 22, 23, 28, 33, 35, 37, 38, 79; Verfassungsdenken: 35f., 71; Milizdenken: 62; zum Tyranncnmord: 44; Einfluß seiner Aristoteles-Übersetzung: 89, 106 Brutus, Lucius Junius (d.Ä.): 33, 70, 126, 228, 343, 349, 353 (2), 424 (509) Brutus, Marcus Junius (d.J.): 65, 385 (229), 424 (509); im Urteil Giannottis: 43-45, 219,343; als Renaissance-Mythos: 44 Buonarroti, Michelangelo: 28, 32, 35; Freundschaft mit Giannotti: 41, 42-46; zum Tyrannenmord: 43f.; Leistungen bei Verteidigung von Florenz: 321 f. Burckhardt, Jacob: 50 Bürgerhumanismus: 79; Tugendbegriff: 93 bürgerliche Ordnung, bürgerliches Regiment: hat Vorrang vor Miliz: 224-226; s. auch vivere civtle Bürgerpflichten: in florentinischcr Praxis: 65; im Denken Giannottis: 65-69, 240, 241, 389 (267, 269)
Bürgerrechte: - in Florenz: 25, 26, 65, 368 (113); Aufnahme in Großen Rat: 390 (273), 391 (287); Terminologie: 99f., 105f.; s. auch Beneficiati und squittino - im Denken Giannottis: 65-69, 239-242, 245f.; Zulassung aller Steuerzahler zum Großen Rat: 66f., 240-242; Aufnahme von Non-Beneficiati in Großen Rat: 242, 336; Kritik an zu schmaler Bürgerschaft in Florenz: 221,241; Recht auf Gesetzesanregung: 261, 395 (316); vorzeitige Aufnahme von Jungbürgern in Großen Rat: 246, 295; Erwerb des vollen Bürgerrechts durch Non-Beneficiati im Rang des Milizhauptmanns: 310 Bürgertugend: s. virtü Byron, Lord: 74 Caesar, Gaius Julius: 44f., 125, 138, 146, 237, 316, 337, 338, 342, 343, 347, 355 (10), 424 (509) Cambio, Arnolfo di: 28, 31 Camillus, Marcus Iürius: 33, 343, 424 (509), 426 (519) Capitano del popolo: s. unter Institutionen Capponi, Gino: 151, 363 (75) Capponi, Niccolo: 22, 26, 28, 179, 206, 365f. (88, 89); als Gegner der Miliz: 197, 381 (198); Beziehung zu Giannotti: 40; im Urteil Giannottis: 153, 185-187, 188, 192, 211,218,266,267 Carducci, Baldassarre: 189, 197, 377 (176), 407 (386) Carducci, Francesco: 26, 375 (164); im Urteil Giannottis: 181, 187, 188, 192,199,267,334 Carncsccchi, Lorcnzo: 223, 385 (233) Cassius, Gaius C. Longinus: 43,
PERSONEN- UND SACHREGISTER
343, 424 (509), 426 (522) Castel Piero, Pirro da: 323,420 (483) Catilina, Lucius Sergius: 146, 216, 359 (43) Cellini, Benvenuto: 30 Ceri, Renzo da: 289, 407 (385) Christus, Konig des Volkes von Florenz: 30, 33 Cicero, Marcus Tullius: 33, 85, 89, 129,354f. (10), 360 (43); als Quelle Giannottis: 71, 236, 275 Ciompi: 151, 162, 362 (71); s. auch Begriffsregister Clemens VII., Papst: 21, 130, 179f., 186, 318,321, 347, 356 (14), 424 (509), 427f. (532); Italienpolitik: 153,290,378 (179), 406 (384), 407 (386) Cocchi, Carlo: 274, 596(331) Colonna, Stefano: 317, 320f., 334, 417 (456, 457), 419 (471), 423 003) Contado: s. Begriffsregistcr Consultazione: - Praxis in Florenz: 374 (158); von Giannotti kritisiert: 179-181,189191, 204-206, 213; s. auch unter Institutionen, Pratica - in Giannottis Denken: 58ff., 204206; hohe Bedeutung für Giannotti: 181, 204, 213; ehrenvoller als Beschlußfassung: 331; in Giannottis Reform: 256-261, 331, 335; s. auch Entscheidungsphasc-n Coriolanus, Gnacus Marcius: 139, 358 (32) Corso, Pasquino: 317, 419 (471) Corvus, Valerius: 295, 410f. (403) Curio, Gaius Scribonius: 219, 385 (228) Dante: s. Alighieri, Dante David, als republikanisches Vorbild: 32,44 Deccmviri (rom. Behörde): 69, 125, 342, 424 (509), 425 (516)
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Dccius: 33 Deliberazione: als eine der drei Entscheidungsphasen: 58, 204; in Florenz schlecht geregelt: 206f.; in Giannottis Reform: 58-62,257261, 331, 332; s. auch Entscheidungsphasen Desideri: s. Interessen Deutschland, mit vorbildlicher Miliz: 197, 308, 313, 315; mit vorbildlichen Republiken: 328 Diaz, Furio:18, 119 Dieci di balia: s. unter Institutionen Dionysios von Halikarnass: 225, 243, 386 (235) Distretto: s. Begriffsregistcr Dodici Buonuomini: s. unter Institutionen Dominio: s. Begriffsregister Donatello: 29, 32 Doria, Andrea: 142, 191, 289, 343, 359 (36), 379 (184), 424 (509) Ehre: als Anliegen der Mediocri: 54, 141, 167; in Florenz nicht befriedigt: 213; von Bürgern falsch aufgefaßt: 220; durch Reform befriedigt: 333-335; abgestufte Ehren: 339; s. auch Interessen Eidgenossen: s. Schweizer
Entscheidungsphasen: 58-62, 73, 204- 207, 331; in bezug auf Außenpolitik: 256-259; in bezug auf Gesetzgebung: 259-261; s. auch consultazione, deliberazione und esecuzione Erziehung, im Denken Giannottis: 236, 291-296; durch politische Partizipation bzw. Republik: 245f., 294f., 301; durch öffentliches Sprechen vor Gerichten: 280f.; als Mittel gegen Bestechlichkeit: 337; durch Miliz: 295, 301; militärische Bildung: 316 Esecuzione: als eine der drei Entscheidungsphasen: 58, 204; in
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P E R S O N E N - UND SACHREGISTER
Florenz schlecht geregelt: 207; in Giannottis Reform: 58-62; 258261, 331; s. auch Entscheidungsphasen Ethik: s. Politische Ethik Exilbewegung, republikanische: 42f., 353 (1), 429f. (542); Rolle Giannottis: 42 Extremismus, republikanischer, von Giannotti kritisiert: 161, 179-181, 187,275,285,367 (110), 377 (176), 400f. (357) Falconetti, Iacopo (Fornaciaio): 292, 408f. (393) Faleri, Marino: 230, 263, 336, 387 (243) Ficini, Ficino: 274, 396 (331) Fenske, Hans: 74 Ferdinand von Aragon, span. König: 287, 288, 403 (368) Ferrucci, Francesco: 4 1 , 318, 321, 322-327, 420 (479, 481) Feste und Spiele: in Florenz: 292, 295,409 (395,397, 398), 410 (400402); in Giannottis Reform: 293, 295, 327-330 Fetschcr, Iring: 74 Florenz: Verfassung/politische O r d nung: s. Institutionen von Florenz; soziale Kräfte, Parteienkämpfc:20f., 146ff., 154-160; Vergleich mit Venedig: 11-22,23,25f., 34f.; politische Kunst: 28-35 - Geschichte: 145-163; Verfassungsgeschichtc: 22-28, 149-154 - O r d n u n g vor 1434:23f.; im Urteil Giannottis: 149-152, 332, 345; ordinamenti dt giustizia: 149, 361 (59); Tumult der Ciompi: 151, 162, 3 6 0 ( 5 / j , 362(77) - U m s t u r z von 1434: 357 (30) - Medici-Herrschaft von 14341494: 24f.; im Urteil Giannottis: 83,88, 152, 169, 170f., 194 - U m s t u r z von 1494: 364 (80), 401
(360); im Urteil Giannottis: 152, 286 - O r d n u n g von 1494-1512:25, 126; im Urteil Giannottis: 51f., 142, 152f., 183-185,192,194,214,216221 - U m s t u r z von 1512: 355 (13), 393 (302); im Urteil Giannottis: 130, 154,288 - aristokratische Verfassung von 1512: 393 (302); im Urteil Giannottis: 255f. - Medici-Herrschaft von 15121527: 26, 385 (231); im Urteil Giannottis: 88, 130f., 161, 169, 221,252 - U m s t u r z von 1527: 357 (21); im Urteil Giannottis: 132, 153 - O r d n u n g von 1527-1530: 26-28; im Urteil Giannottis: 51f., 153f., 185-188,192,194f., 214, 221-223 - heldenhafte Verteidigung von 1529/30: 221f., 318-327 - U m s t u r z von 1530: 423 (503); im Urteil Giannottis: 130, 290 - Medici-Herrschaft nach 1530: 356 (18), 371 (139); im Urteil Giannottis: 131 f., 154, 161, 171 Fortuna: im Denken Giannottis: 93, 148, 349f.; im Denken Machiavellis: 429 (540) Frankreich, Machtpolitik in Italien: 19, 36,157,191,355 f / j ; , 359 (36), 366 (99), 378 (179), 401 (361), 405 (378,379), 406 (384), 407 (386); im Urteil Giannottis: 286-290 Franz L, franz. König: 191, 379 (183), 405 (378), 406 (384), 407 (386); im Urteil Giannottis: 285, 289f., 345 Fregoso, Ottaviano: 289, 405 (380) Frescobaldi, Familie: 150, 362 (69) Freiheit (s. auch Interessen): - im republikanischen Denken: 78, 87,88
P E R S O N E N - U N D SACHREGISTER
- i m Verständnis der Extremisten: 2 8 5 , 400f. (357) - i m D e n k e n Giannottis, allgemein: 8 8 ; im Sinne von Selbstrcgierung u n d Unabhängigkeit: 174, 180, 285, 288, 290, 299; als Gegensatz z u r Tyrannis: 219; als Merkmal d e r Herrschaft der Vielen: 168, 2 0 6 , 3 3 0 ; in Florenz nicht vorhand e n : 168-170, 215; als Anliegen des Popolo: 54, 141, 160,167,233, 333,358 (35); m u ß befriedigt werden: 215f; setzt Neigung der Mischverfassung z u m Volk voraus: 229; G r o ß e r Rat als Grundlage: 153, 165, 331, 333; G r o ß e r Rat nicht ausreichend: 212f., 221; d u r c h Miliz verteidigt: 63, 197; freiheitliche O r d n u n g : 192 Friedrich L, Barbarossa: 146f., 360 (46) Friedrich IL: 147f., 360 (51) Galen: 113 Gelehrte (savi), im Urteil Giannottis: 192, 196f., 246, 255, 256; Rechtsgclchrte: 282; s. auch Bcgritfsregister Gemeinwesen, im D e n k e n Giannottis: Definition: 233; Zweck: 51, 136, 232, 264f.; Ausrichtung aul Gemeinwohl: 5 1 , 1361. Gemeinwohl: im republikanischen Verständnis: 78, 79 - im Denken Giannottis: 279; als Ziel guter Verfassungen: 51,136f., 139, 232f.; Beschlußfassung der Vielen als Voraussetzung: 206 Genua: Verbindung von Republik und Tvrannis: 142; unvollkommene Verfassung: 265; schlecht erzogene Jugend: 292; Geschichte: 287, 289, 358f. (36), 403 (367) Gesellschaft: s. soziale Kräfte Gesetze, ihre Rolle im Denken Giannottis: 69, 141, 1 5 8 , 3 3 2 , 3 6 7
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(106) Gesetzesherrschaft: 81 Gesetzgebung: - in florentinischcr Praxis: 169, 383 (215); Kritik Giannottis: 210-212 - in Giannottis Reform: 6 1 , 62,243, 259-261, 331, 333, 335, 391 (281); als eine der vier Staatsfunktionen: 57, 169,242,331 Gewaltentcilungslehrc Giannottis: 18, 55-62; Verbindung zur Mischvcrfassung: 72; in Florenz mangelhaft: 52, 204-207; im Reformentwurf: 256-262, 331, 394 (314); im Vergleich zu späteren Lehren: 72-74 Gherardi, Iacopo: 199, 382 (202) Ghibellinen: 21,148, 361 (52, 62); s. auch Begriffsregister (unter >Guelfen und Ghibellincn«) Ghibcrti, Lorcnzo: 28 Ghirlandaio, Domenico: 33 Giacchinotti, Pieradovardo: 372 (146) Giambologna: 29 Gilbert, Felix: 40 Giotto: 28 Giovani/gioventü: s. Jugend Girolami, Raffaello: 26, 375 (165); im Urteil Giannottis: 181, 1871'., 192,267,334 Giugni, Andrea: 324,421 (485) Gleichheit: als Voraussetzung für Republik: 283; mit abgestuften Ehrenrängen vereinbar: 339 Gonfaloni: 245, 412f. (423); s. auch Begriffsregistcr Gonfalonicre di giustizia: s. unter Institutionen Governo: Bcdcu tu ngs Varianten: 103-107; governo civile: 79-84; governo stretto: 81, 99, 105, 379 (185); governo largo: 81, 99, 105, 379 (185); von Giannotti bevorzugt: 68, 162, 192, 332
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P E R S O N E N - U N D SACHREGISTER
Gracchus, Gaius: 232, 387 (248) Gracchus, Tiberius: 232, 387 (248) Grandezza: als Anliegen der Grandi: 54, 141, 167, 358 (35); schadet Republik: 179; muß befriedigt werden: 200, 213f.; soll nutzbringend sein für Republik: 199f., 201; durch Reform in erträglichem Maß befriedigt: 331, 335; s. auch Interessen und Begriffsregister Grandi von Florenz: 147ff., 154163; als Gegner der Miliz: 197; im Urteil Dantes: 52,193, 379f. (187); s. auch Begriffsregister - im Denken Giannottis: 52, 53f., 68, 141f., 143-145, 167, 183-187, 198-201, 239, 241, 358 (35), 368 (112), 382 (204); Verurteilung als Wölfe: 193-195; sind für Regimewechscl verantwortlich: 200; Verhalten 1494-1512: 216-220; zerstören das Gemeinwohl: 232f.; besitzen weniger Klugheit als Popolari: 233-235; regieren schlechter als Popolari: 235f.; Kontrolle ihrer Ausgaben: 283-285; durch Reform befriedigt: 331; mit verringertem Hochmut: 345 Griechen: vorbildlich geschult in Rhetorik: 281; vorbildlich in bezug auf militärisches Wissen: 313, 316 Grimani, Antonio: 278, 397 (338) Großer Rat: s. unter Institutionen Großratssaal: 34f., 329, 422 (495) Guasto, Marquis del: 324f., 421 (486) Guelfcn: 21, 148, 361 (52, 62), 380 (188), 400 (355); s. auch Begriffsregister Guicciardini, Francesco: 31,35,37f., 364 (80); Verfassungsdenken: 37, 71; zur Miliz: 62; zum Tyrannenmord: 45 Harrington, James: 19, 49, 70, 71
Heinrich VIII., engl. König: 90, 378 (181) Herzog von Athen (Walter /on Brienne): 131, 150, 158, 344, H5, 356 (19), 424 (509) Herzog von Ferrara: s. Alfons» I. d'Este Hippokrates: 113 Hume, David: 49 Institutionen von Florenz, politische: - Ämter, Behörden: erniedrigten laut Giannotti Amtsträger, statt sie zu ehren: 201 f.; s. auch Begriffsregister - Amtszeiten: 24 - Wahlvcrfahren: s. Wahlordnung - Zünfte, Zunftproporz: 23, 362 (71), 374 (157), 384 (218), 391f. (289); im Urteil Giannottis: 246f. - Accoppiatori (Wahlprüfer): 363 (78), 370 (135); im Urteil Giannottis: 171, 178 - Balte: 24,26 - Capitani di parte guelfa: 285, 400 (355); im Urteil Giannottis: 291, 408 (390) - Capitano del popolo: 24, 29, 360 (51), 387 (247), 398 (343) - Collegi: 210; s. auch Gonfalonieri di compagnia und Begriffsregistcr - Conservatori delle leggi: 273, 396 (330), 398 (343); s. auch Begriffsregister - Consiglio degli Ottanta: s. Rat der Achtzig - Consiglio delcomune: 24,150,362 (68) - Consiglio del popolo: 24, 150, 362 (68), 387 (247) - Consiglio grande: s. Großer Rat - Dieci di balia bzw. di libertä e pace: 23, 26, 101, 377 (171), 383 (214); im Urteil Giannottis: 52, 168, 169, 172-176, 182f., 190, 191,
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201 f., 203, 204-207, 208f., 223, 319, 323, 324, 334; s. auch Begriffsregistcr Dodici Buonuomini: 23; im Urteil Giannottis: 177-182; s. auch Begriffsregister Dodici Procuratori: 25; s. auch Begriffsregistcr Esecutore degli ordinamenti: 24 Gonfaloniere della giustizia: 23, 26, 33, 153, 256, 359 (37); U r sprung: 149; Reform von 1502: 196f.; Vergleich mit venezianischem Dogen: 188; im Urteil Giannottis: 153, 163, 182-188, 191, 194, 207, 208f., 210f., 216, 221, 334; s. auch Begriffsregister Gonfalonieri di compagnia: 23; Ursprung: 150; im Urteil Giannottis: 177-182, 183, 185, 187f., 192; als (vermeintliche) H ü t e r der Freiheit: 177, 179; s. auch Begriffsregister G r o ß e r Rat: 25, 26-28, 379 (185), 390 (273), 391 (282), 395 (316); Einführung 1494: 152, 196, 365 (84); als Souverän: 34; Venedig als Vorbild: 152; im Urteil Giannottis: 153, 161, 163, 165, 169, 171, 186,21 Of.; s. auch Begriffsregister Mercanzia: 280, 398 (343) Nove della milizia: 25, 412 (419) Otto di guardia: 23, 277, 369 (118), 370 (135), 396 (330), 397 (335), 398 (343); im Urteil Giannottis: 168,176f; s. auch Begriffsregister Otto di pratica: 25 Parlamento: 24, 3 1 , 34 Podesta: 24, 27, 29, 149, 280, 361 (61), 398 (343); s. auch Begriffsregistcr Pratica: 179f., 374 (158); im Urteil Giannottis: 183-185, 189f., 206; s. auch Begriffsregister
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- Quarantia: 26, 396 (330); im U r teil Giannottis: 274f.: s. auch Begriffsregister - Rat der Achtzig: 25; im Urteil Giannottis: 210, 213, 255, 333335; s. auch Begriffsregister - Rat der 70: 25 - Rat der 100: 25 - Rat der 131: 24, 25 - Rat der 145: 24, 25 - Rat der 200: 24, 25 - Ruota: 398 (343) - Sedici Gonfalonieri: s. Gonfalonieri di compagnia - Senat von 1512: 26; im Urteil Giannottis: 255f. - Signoria: 2 1 , 23, 26-28, 33, 149, 210,307,369 (118), 370 (130,135); Wählbarkeit: 177-181; im Urteil Giannottis: 168, 170f., 183, 185, 187f., 192, 249f.; als Rekursinstanz: 208f.; s. auch Begriffsregister - Tre Maggiori: 23, 177f., 373 (153); s. auch Bc-griffsregister - Uffictali del Monte: 261, 395 (315) Institutionen, in der Reform Giannottis: - Behörden: Umschreibung: 242; Recht auf Gcsctzesanrcgung: 259, 261; gemäßigte Amtsgewalt: 332; Einberufung durch Glocke: 300; öffentliche Mahlzeit: 329 - Amtszeiten: des Senats: 247f., 393 (294); der Signoria: 251; der ProGonfaloniere: curatori: 253; des 263-267; der Quarantia: 269 - Wahlverfahrcn: s. W a h l o r d n u n g - Collegi: s. Gonfalonieri di compagnia - Collegio: 54f., 56, 60, 6 1 , 249; Kompetenzen: 255-262, 278, 279, 312, 331; befriedigt Streben nach Grandezza: 239, 330; s. auch Begriffsregister
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P E R S O N E N - UND S A C H R E G I S T E R
- Conservatori delle leggi: 61,269f., 272,273,276-278,279; s. auch Begriffsregistcr - Consiglio grande: s. G r o ß e r Rat - Dieci: 56, 60, 61, 254, 306; Zugehörigkeit zum Senat: 248; zum Collegio: 249; Kompetenzen: 256-259, 278, 279, 291, 311, 331 - Dodici Buonuomini: durch Procuratori ersetzt: 253 - Gonfaloniere a vita: 54f., 56f., 252, 262-268, 306, 307, 311, 312, 328, 329, 330; verkörpert Königtum: 238f., 330, 389 (264); befriedigt Streben nach Prinzipat: 239, 253, 330; Zugehörigkeit z u m Senat: 248; z u m Collegio: 249; Wahlverfahren: 262f.; Begründung für Amt auf Lebenszeit: 263-267; Kompetenzen: 256-261, 267f., 331; beschränkte Amtsgewalt: 335f.; nicht korrumpierbar: 336-338 - Gonfalonieri di compagnia bzw. Collegi: 57, 282f., 306, 331, 399 (350); Wahl: 283 - G r o ß e r Rat: 54f., 5 6 , 5 7 , 5 9 , 6 0 , 6 1 , 65-68, 239-246,300; als Souverän: 57, 238, 242, 243, 331, 333; verkörpert Volkshcrrschaft: 238, 330; befriedigt Streben nach Freiheit: 239, 253; Mitgliedschaft: 239-242; Mindestalter: 245; vorzeitige Aufnahme von J u n g b ü r gern: 246, 295; Kompetenzen: 242f., 259-261, 269, 278, 283, 310f., 331; Ratsbetrieb: 243-245 - Kanzler: 311 - O f W z g K r t r ^ : 271,273,300,331 - Principe: s. Gonfaloniere - Procuratori: 56, 60, 6 1 , 253f., 294, 306, 328, 329, 394 (307); Z u g e h ö rigkeit zum Senat: 248; zum C o l legio: 249; befriedigen Streben nach Grandezza: 253, 335; Amts-
zeit: 253; Kompetenzen: 253,2562 6 1 , 2 7 8 , 2 7 9 , 2 8 3 ; Vorsteher: 261, 278, 279; s. auch Bcgriffsrcgister - Provveditort delle munizioni: 291 - Quarantia: 57, 61, 69, 242, 258, 268-274; Kompetenzen: 243,269272, 276-278, 281f.; garantiert Gerechtigkeit: 332, 333; Wahl: 269; Amtszeit: 269; Vorsitzende: 271 - Rat der Vierzig: s. Quarantia - Rektoren: 242, 311, 312; s. auch Begriffsregister - Sedici Gonfalonieri: s. Gonfalonieri di compagnia - Senat: 54f., 56, 59, 60, 6 1 , 68, 242, 246-248; verkörpert Wcmgenherrschaft: 238, 330; befriedigt Streben nach Ehre: 239, 253, 333335; Amtszeit: 247f.; Wahlvoraussetzungen: 247; Kompetenzen: 243, 247, 257-261, 278, 304, 305, 310, 331, 335; Vorsitzende: 248, 249,255,258,278 - Signoria: 56, 61, 249-252, 294, 306, 328, 329, 330; Kompetenzen: 251, 256-261, 278, 279, 283, 3 3 1 ; Wohnsitz: 251f.; Amtszeit: 2 5 1 ; Zugehörigkeit zum Senat: 248; z u m Collegio: 249 - Signori delle pompe: 57, 283-285, 399 (346) Interessen der sozialen Kräfte, im Denken Giannottis: 48, 52, 54, 114, 141f., 145, 160,218,358(33); deren Befriedigung als Voraussetzung für Stabilität: 167,178,184f., 214,215-221,338; Befriedigung in Giannottis Reform: 2 3 9 , 3 3 1 , 3 3 3 338; Verknüpfung mit Verfassungsorganen: 54f., 239, 333-335 Italien: politische Verhältnisse z u r Zeit Friedrich Barbarossas: 146>f.; zur Zeit Giannottis: 19, 157; machtpolitische Beurteilung
P E R S O N E N - U N D SACHREGISTER
d u r c h Giannotti: 42, 366 (99) Johannes der Taufer, Schulzpatron v o n Florenz: 295, 410 (400) Judas: 43 Judith, als republikanisches Vorbild: 32,44 Jugend: ihre politische Unerfahrcnheit: 179; ihre E i n b i n d u n g in Miliz: 69; ihr E i n b i n d u n g in G r o ß e n Rat: 245f.; ihr Beitrag z u r Befreiu n g 1527: 153; ihr heldenhafter Beitrag z u r Verteidigung 1530: 222, 223, 245, 327; ihre schlechte Erziehung: 292f.; d u r c h Miliz z u friedengestellt: 336; vorzeitige Aufnahme von J u n g b ü r g e r n in Große n Rat: 246, 295; junge Popolari besser erzogen als Grandi: 234; s. auch Begriffsregister - bildet Gegensatz zu älteren Bürgern, die Giannotti der Feigheit und Unfähigkeit bezichtigt: 180, 222f., 294, 327, 385 (232) Jugurtha, numidischcr König: 337, 423 (540) Julius IL, Papst: 130, 154, 186, 264, 2 8 7 , 2 8 8 , 3 5 5 ( 7 2 , 73) Jurisprudenz: Einfluß auf politische Sprache: 100 Kant, Immanuel: 18,49; zur Gcwaltcntcilung: 72 Kardinal von Prato (Canccllari, Niccolo): 150, 152, 177, 344, 362 (63), 424 (509) Karl V, dt. Kaiser: 19, 191, 289f., 291, 345, 378f. (183), 406 (384), 407 (386, 387) Karl VIII., franz. Konig: 152, 286, 364 (80) Krieg und Frieden: s. Außenpolitik Kristeller, Paul O.: 18 Landino, Cristoforo: 44 Lautrec, Vicomtc de ( O d c t de Foix): 190,289,327,378(779) Leo X., Papst: 2 1 , 22, 131, 161,289,
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290, 356 (77), 405 (382), 408 (389) Leopold, G r o ß h e r z o g v. Florenz: 29 Libertä: s. Freiheit Livius, Titus: 388 (260); als Quelle Giannottis: 71,237,247,392 (293) Locke, John: 18; zur Gewaltenteilung: 72, 73 Lucca: Beziehungen zu Florenz: 173, 371 (144); unvollkommene Verfassung: 265; schlecht erzogene Jugend: 292 Lucullus: 316, 417 (452) Ludwig XII., franz. König: 154,184, 401 (361), 402f. (363,366); im U r teil Giannottis: 286-289 Lykurg: 69, 127, 163, 164, 224, 340, 342, 344, 354 (6), 424 (509) Machiavelli, Niccolo: biographische Hinweise: 25, 29, 37f.; Verfassungsdenken: 22, 37, 70; zur Mischverfassung Roms: 237, 388 (267); Verfechter der Miliz: 62f., 302, 318, 415 (444); z u r Instabilität in Florenz: 22; Tugendbegriff: 93, 429 (540); zu occasione und fortuna: 429 (540); zu Cesare Borgia: 404 (374); politische Sprache: 81, 98; Menschenbild: 47f.; Urteil über Dante: 44; Urteil über Eidgenossen: 30: als Komödienautor: 292 - Bekanntschaft mit Giannotti: 39; Einfluß auf Giannotti: 62f.; auf politische Sprache: 77; auf Milizdenken: 302, 318, 415 (444); U n terschiede zu Giannotti: 72; U r teil über Verfassung Roms von Giannotti kritisiert: 237,388 (267) Machtbeschränkung der Staatsorgane: als Grundsatz: 171, 175f., 176, 230, 268; in Sparta: 340; in R o m unvollkommen: 265f.; des Dogen in Venedig: 266 - in Florenz, mangelhaft: 168, 188, 1 8 9 , 1 9 2 , 1 9 4 , 207, 215; fehlte für
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PERSONEN- UND SACHREGISTER
Signoria: 171, 187f.; fehlte für Dieci: 172-176,204-207; fehlte für Otto: 176f.; fehlte für Collegi: 187f.; fehlte für Gonfaloniere di giustizia: 182-188 - in Giannottis Reform: 259; fürSignoria: 251; für Gonfaloniere: 268, 335; für wichtigste Behörden: 331f., 333; gegenseitige Abhängigkeit der Organe: 336 Madison, James: 18; zur Gcwaltcntcilung: 72 Magalotti, Filippo: 151 Mailand, Herzogtum: 19, 286, 289 Malatcsta: s. Baglioni, Malatcsta Manfred, König von Sizilien: 148, 156, 360f. (52, 53) Maramaldo, Fabrizio: 324f., 326, 420f. (484) Marius, Gaius: 138, 357(29) Marx, Karl: 49 Mastellone, Salvo: 76 Maximilian I., dt. Kaiser: 184, 376 (767, 769) Medici de', Familie: 17, 20, 35, 154, 220, 252, 290, 299; Machtmethoden: 178; Stärke von Giannotti unterschätzt: 116, 427 (529) - Alessandro, Herzog: 23, 28, 30, 356 (18); Ermordung: 28, 44 - Cosimo il Vecchio: 19,22,24,138, 151 f., 338, 357 (30); Machtmethoden: 172f., 194; förderte Bildung des Mittelstandes: 159f.; für Giannotti ein Tyrann: 160, 170f., 194, 263 - Cosimo L, Herzog: 23, 28, 29, 30, 31,42 - Giovanni: s. Leo X. - Giuliano di Picro: 25, 364 (79) - Giuliano di Lorcnzo: 23 - Giulio: s. Clemens VII. - Lorcnzmo: 28 - Lorcnzo il Magnifico: 19, 22, 25, 34,39, 161,364(79)
- Lorenzo di Piero di Lorenzo: 23, 188, 289, 377 (174), 406 (383) - Picro di Cosimo (il Gottoso): 22, 161, 363 (-7*; - Piero di Lorenzo (il Sfortunato): 22, 286, 364 (80), 401 (360) - Salvestro: 162,368(7/5) Mediocri: in Florenz: 159-163; Definition von Giannotti: 162; im Denken Giannottis: 51, 68, 14lf., 167, 239, 240; und Mischverfassung: 53,143-145,163; s. auch Begriffsregister Medizin, als politische Metapher: 94f., 111-114, 134f., 137, 217, 226f., 302 Menschenbild Giannottis: 47f., 140f., 176,178,195,218,230,268, 272,276,284,296; Mensch als Gemeinschaftswesen: 136, 264f. Michelangelo; s . Buonarroti M. Miliz, florcntinische: 35, 41, 62 - Stadtmiliz: 26, 65, 154, 399 (350); Widerstand gegen Einführung 1528: 197; Einfluß Giannottis auf Einführung 41, 381 (79*); Truppenstärke: 412 (427); Milizreden: 413 (425, 426); Gesetzestexte: 413 (428); Gtsctzesrcvision, von Giannotti kritisiert: 211; Kritik an Einteilung der Kompanien: 303f., 412 (423); von Giannotti gelobt: 222 - Landtniliz:25,197,348,381 (196), 412 (419), 414 (435), 415 (445), 416 (449), 428 (533)
- Kavalleriemiliz: 314, 415 (444), 416(449) - Nove della milizia: 25, 412 (419), 419 (474) Miliz, im Denken Giannottis: - ist dem bürgerlichen Regiment nachgeordnet: 224-226 - Argumente für Miliz: 63, 65, 197; Miliz schützt vor äußeren Feinden: 224, 225, 302, 339; schützt
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vor Aufruhr im Innern: 222, 225; diszipliniert Söldner: 222, 302; fördert Streben nach R u h m : 242; fordert Einheit unter Bürgern: 197; befriedigt Jugend: 336; Verteidigung ist natürlich: 302; Ü b e r legenheit der Infanterie: 313; geringe Kosten: 314; Bürger üben weiterhin G e w e r b e aus: 315; Bürger sind bessere K o m m a n d a n t e n : 315,318,322-327 — Kritik an Söldner- und Hilfstruppen: 302; müssen durch eigene Truppen ergänzt werden: 302; Söldnerkommandanten sind u n fähig u n d ruchlos: 316-322, 326 — Stadtmiliz im Reformplan: 59, 64, 65f., 303-307; Aufteilung in offensive u n d defensive Truppen: 283, 399f. (350); Rekrutierungsbasis: 303; Gliederung: 304f., 412f. (423); Milizreden und -cid: 3061'., 329; öffentliche Mahlzeiten: 328-330 - Landmiliz im Reformplan: 64, 307-312; Ähnlichkeit zu Hilfstruppen: 303; Rekrutierung: 308; Gliederung: 3081".; Besoldung: 309,314; Ausbildung: 312 - Kavalleriemiliz im Rcformplan: 313f, 415(444) - Artillerie im Reformpl.m: 314 - Milizkader: Kader der Stadtmiliz: 304, 314f., 329, 330; Kommissare: 305, 328f., 330; Hauptleute: 304, 305, 306; mit Einsitz im Senat o h ne Stimmrecht: 248; frühere Collegi als Milizhaupticutc: 283; Kader der Landmiliz: 309, 314; Hauptleute: 309f.; Kommissare: 309f., 312; G r o ß k o m m i s s a r : 310312,329 - Bewaffnung: 316, 416f. (451) Milton, John: 18; zur Gcwaltcntcilung: 72, 73
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Mischvcrfassung: - im politischen D e n k e n von Florenz: 36f. - im Denken Giannottis: beste Verfassung: 46, 87, 141-143; vermag alle Interessen zu berücksichtigen: 51, 83,114; bedarf des Mittelstandes: 51, 143-145; ermöglicht Machtbcteihgung verschiedener sozialer Kräfte: 55, 143-145, 227, 386 (236); soll Abhängigkeit zwischen Organen schaffen: 229; gleichgewichtige Mischung: 53, 226-229; ungleichgewichtige Mischungsvarianten: 53, 226-238; muß z u m Volk neigen: 53, 229238; mit Heilmittel verglichen: 111, 226f.; führt zu abgestufter Ehre: 339; beseitigt Streit zwischen Anhängern der Wenigenbzw. der Volkshcrrschaft: 345; Florenz besitzt Voraussetzungen: 163; in Giannottis Reform: 54f., 68,238f. - Quellen und Vorbilder Giannottis: Aristoteles: 143; Polybios: 227, 358 (33), 386 (237); D i o n y sios von Halikarnass: 386 (239); Sparta: 143, 354 (6), 359 (38); Rom: 143, 227f. Mittelstand: s. Mediocri Monte Aguto, O t t o da: 317, 417 (453) Montesquieu, Charles Louis de Secondat: 18, 29; zur Gcwaltcntcilung: 72, 73 Morus, T h o m a s : 71 Mucius Scaevola: 33 Munkler, Herfried: 74 Napoleon Bonaparte: 21 Natur, als Lehrmeister!n für Vcrfassunggeber: 111, 236 N u m a Pompilius: 70, 127, 163, 164, 340, 342, 347, 354 (6), 424 (509) Occasione: im Denken Giannottis:
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154, 349f.; im Denken Machiavellis: 429 (540) Ordinazione: 108f. Ordine: 109f.; ordini civili: 1 lOf. Orsini, Mario: 320 Ottanta: s. unter Institutionen, Rat der Achtzig Otto dt guardia: s. unter Institutionen Palazzo della Signoria: 31-35 Palmicri, Mattco: 79 Parteienkämpfe: in Rom: 138, 146; in Florenz: 138, 146ff., 154-160, 357 (30) Patriziat, florentinisches: s. Grandi Paul III., Papst: 42, 366 (99) Paulus, Apostel: 111 Pausanias, spartanischer König: 230,264,336,387(247) Pazzi, Familie: 152, 364 (79) Pclopidas von Theben: 349, 424 (509), 428 (537) Periandros: 332, 422 (499) Petrarca, Francesco: 33 Petrucci, Pandolfo: 342, 424 (509), 426 (518) Pisa, im Krieg gegen Florenz: 62, 286-288, 401 (360), 402 (366), 403 (371) Pisano, Andrea: 28 Pitti, Luca: 152, 363f. (78) Pius V, Papst: 46 Piaton: 36, 49, 71; von Giannotti zitiert: 241 Plebei /Plebs: in Florenz: 151,154f., 162f.; Definition von Giannotti: 162, 239; im Denken Giannottis: 54,66,141,143-145,221,358(34), 359 (40); leicht manipulierbar: 162, 167 Pocock,JohnG.A.:58, 76 Podesta: s. unter Institutionen Polidori, EL.: 18, 119 Politische Ethik: personalistischer und institutionalistischcr Ansatz:
47; institutionalistischcr Ansatz bei Giannotti: 47-50; bei Harrington, Hume, Kant, Popper: 49 Politische Ordnung: s. Verfassung Politische Sprache: methodologische Probleme: 76f.; im Werk Giannottis: 77ff.; s. auch unter einzelnen Begriffen Polybios: Vcrfassungskrcislauf: 140, 358 (33); Einfluß auf Giannotti: 51,71 Pompeius, Gnaeus P. Magnus: 343, 347, 424 (509), 426 (520) Popola ri/Popolo: - in Florenz: 147ff., 154-163, 360 (49); s. auch Begriffsregister - Definitionen von Giannotti: 54, 154f., 162, 221,240, 358(34, 35), 368 (773), 385 (230) - im Urteil Giannottis: 66-69; Popolo ist gutmütig und umgänglich: 195-198; Verhalten 14941512: 221; Popolari wünschen Freiheit: 167, 233, 333; fördern Gemeinwohl: 233; besitzen mehr Klugheit als Grandi: 233-235; regieren besser als Grandi: 53,235f.; müssen Großem Rat angehören: 240-242; wünschen sich politische Partizipation: 241 f.; durch Reform befriedigt: 333 Popper, Karl: 49 Portinari, Pierfranccsco: 190f., 378 (180) Prato: Plünderung 1512: 146; Verlust 1529: 175,372(745) Prinz von Oranien (Philibert de Chalon): 174, 202, 321, 325f., 371 f. (145) Prioren: s. unter Institutionen, Signoria Private Bürger: laut Giannotti mit zu großem Einfluß: 189-191,206; ohne Einfluß dank Reform: 330; s. auch Begriffsregistcr
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Ptolemäus v o n Lucca: 80, 87 Publicola, P. Valerius: 228, 386 (240) Quarantia: s. u n t e r Institutionen Räte von Florenz: s. unter Institutionen Rawls, J o h n : 49 Rechtsprechung: - in florentinischcr Praxis: 150,208, 275,280, 369 (118), 397 (333), 398 (341, 343); von Giannotti kritisiert: 168f., 176f.,209,275f.,280 - in Giannottis Reform: 268-282; als eine der vier Staatsfunktionen: 57, 169, 242, 331, 370 (133); Beschwerden an Quarantia: 61 f., 243, 269-272, 332, 333; Verfahren gegen Staatsfeinde: 276-279; Schnellverfahren: 279; Zivilprozeßrecht: 281f. - in Venedig: 168f., 208f., 269 - in Frankreich: 208, 269 Redefreiheit: 180, 259-261, 261f., 338; in F l o r e n z mangelhaft: 210 Reggimento: 107f. Regiment: s. governo u n d Begriffsregister Religion, im Denken Giannottis: Funktion für Republik: 127, 163, 164, 369 (779); Politik gehört ins Rathaus, nicht in Klöster: 71 f., 297; religiöse Heuchelei korrumpiert Republik: 296-299; Urteil über M ö n c h e : 296f., 298f., 337 Republica (Begriff), allgemein: 8486, 89; im Gebrauch Giannottis: 86-90 Republica fiorentina: Ziel der Schrift: 17, 126-133; Autograph: 1 8 , 1 1 7 - 1 1 9 , 4 3 0 (544); Abschriften: 17, 119; Editionsgeschichte: 18, 1191". Republik, im Denken Giannottis: als biologischer Korper: 111-113; G r u n d u n g s - und Reformvarianten: 341-349, 424 (509); s. auch
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Institutionen, republica u n d Verfassungsdenken Republikanismus, als ideengeschichtlichcTradition: 77-81,102, 110 Riccio, Luigi del: 43 Ridolfi, Giovanbattista: 184, 252, 376 (76