Die Rechenmaschine und das Gehirn [6., unveränd. Aufl. Reprint 2014] 9783486819663, 9783486452266

"The Computer and the Brain" war der Titel von John von Neumanns letzter hinterlassener Arbeit, in der er den

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German Pages 77 [80] Year 1991

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Einleitung
Teil 1. Die Rechenmaschine
Teil 2. Das Gehirn
Die Silliman-Stiftung
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Die Rechenmaschine und das Gehirn [6., unveränd. Aufl. Reprint 2014]
 9783486819663, 9783486452266

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Neumann · Rechenmaschine und Gehirn

Scientia Nova Herausgegeben von Rainer Hegselmann, Gebhard Kirchgässner, Hans Lenk, Siegwart Lindenberg, Werner Raub, Thomas Voss

Bisher erschienen u. a.: Robert Axelrod, Die Evolution der Kooperation Karl H. Borch, Wirtschaftliches Verhalten bei Unsicherheit Churchman /Ackoff /Arnoff, Operations Research Erklären u n d Verstehen in der Wissenschaft Evolution und Spieltheorie Bruno de Finetti, Wahrscheinlichkeitstheorie Richard C. Jeffrey, Logik der Entscheidungen M a t h e m a t i s c h e M e t h o d e n in der Politikwissenschaft Nagel/Newman, D e r G ö d e l s c h e Beweis John von Neumann, Die Rechenmaschine und das Gehirn Erhard Oeser, Wissenschaft und Information Howard Raiffa, E i n f ü h r u n g in die Entscheidungstheorie Erwin Schrödinger, Was ist ein Naturgesetz? Rudolf Schiißler, Kooperation unter Egoisten: vier D i l e m m a t a Thomas Voss, Rationale A k t e u r e und soziale Institutionen Hermann Weyl, Philosophie der M a t h e m a t i k und Naturwissenschaft

Die Rechenmaschine und das Gehirn Von John von Neumann

6., unveränderte Auflage

R. Oldenbourg Verlag München 1991

Titel der Originalausgabe: John von Neumann, The Computer and the Brain. Yale University Press, Inc., New Haven 1958. Deutsche Übersetzung: Charlotte und Heinz Gumin.

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Neumann, John von: Die Rechenmaschine und das Gehirn / John von Neumann. [Dt. Übers.: Charlotte und Heinz Gumin]. - 6., unveränd. Aufl. - München : Oldenbourg, 1991 (Scientia nova) Einheitssacht.: The computer and the brain (dt.) ISBN 3-486-45226-6

© 1991 R. Oldenbourg Verlag GmbH, München Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN 3-486-45226-6

Inhalt Vorwort. Klara von Neumann

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Einleitung

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Teil 1. Die Rechenmatdiine Analoge Zahlendarstellung und Grundoperationen . . . Digitale Zahlendarstellung und Grundoperationen . . . Logische Steuerung Rechenmaschinen mit analoger und digitaler Zahlendarstellung Genauigkeit Charakteristiken moderner Analogrechner Charakteristiken moderner Digitalrechner Teil 2. Das Gehirn

15 15 17 ir 30 33 36 37 44

Der Nervenimpuls 45 Erregungskriterien 54 Der Speicher 61 Digitale und analoge Vorgänge im Nervensystem . . . . 66 Programme und ihre Bedeutung für die Steuerung einer Maschine 68 Logische Struktur des Nervensystems 70 Zahlendarstellung im Nervensystem 71 Die Sprache des Gehirns und die Sprache der Mathematik 76 Die Silliman-Stiftung

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Vorwort

Gelehrte aus aller Welt betrachten es als Privileg und Ehre, die Silliman Lectures, eine der ältesten und bedeutendsten akademischen Vorlesungsreihen der Vereinigten Staaten, zu lesen. Traditionsgemäß wird der Vortragende gebeten, eine Reihe von Vorträgen, die sich Uber eine Zeitspanne von ungefähr zwei Wochen erstreckt, zu halten und das Manuskript der Vorlesungen zu einem Buch auszuarbeiten, das von der Universität Yale, Heimstatt und Zentrum der Silliman Lectures, veröffentlicht wird. Anfang des Jahres 19s 5 wurde mein Mann, John von Neumann, von der Universität Yale eingeladen, die Silliman Lectures im Frühjahr 1956, Ende März oder Anfang April, zu halten. John empfand das als große Ehre und freute sich sehr Uber diese Einladung, wenn er auch seine Zusage von der Bedingung abhängig machen mußte, daß die Vorträge auf nur eine Woche beschränkt würden. Das Vorlesungs-Manuskript würde jedoch das von ihm gewählte Thema - Rechenmaschine und Gehirn - ausführlicher behandeln - ein Thema, mit dem er sidi schon geraume Zeit beschäftigt hatte. Die Bitte um Kürzung der Vortragsreihe war notwendig, weil er soeben von Präsident Eisenhower zum Mitglied der Atomic Energy Commission ernannt worden war, - eine hauptamtliche Tätigkeit, die es nicht einmal einem Wissenschaftler gestattete, längere Zeit seinem Schreibtisch in Washington fernzubleiben. Mein Mann wußte jedoch, daß er für die Ausarbeitung der Vorlesungen Zeit finden würde, hatte er dodi auch zu Hause seine Arbeiten immer nadits oder frühmorgens erledigt. Seine Leistungsfähigkeit war praktisdi unbegrenzt, besonders dann, wenn er sich für die betreffende Arbeit interessierte, und die mannigfaltigen, unerforschten Möglichkeiten der Automaten

8 I Vorwort interessierten ihn stark. So glaubte er zuversichtlich, ein vollständiges Manuskript fertigstellen zu können, obwohl der für die Vorlesungen vorgesehene Zeitraum gekürzt werden mußte. Die Universität Yale war zu diesem frühen Zeitpunkt entgegenkommend und verständnisvoll, wie audi später, als es nur Trauer, Leid und Not gab, und erklärte sich mit dieser Lösung einverstanden. So trat John seine neue Stellung bei der Atomic Energy Commission mit der für ihn attraktiven Aussicht an, daß er seine Arbeit Uber die Theorie der Automaten fortsetzen würde, selbst wenn dies audi ein wenig en cache geschehen sollte. Im Frühjahr 195$ zogen wir von Princeton nach Washington, und John ließ sidi vom Institute for Advanced Study, wo er seit 1933 als Professor der Mathematik tätig war, beurlauben. John wurde 1903 in Budapest in Ungarn geboren. Schon in frühester Jugend hatte er bemerkenswerte Fähigkeiten und großes Interesse für wissenschaftliche Dinge gezeigt, und in seiner Kindheit bildete sich sein nahezu photographisdies Gedächtnis in ungewöhnlicher Weise aus. Nach Beendigung der Schulzeit studierte er zunächst Chemie und dann Mathematik an der Universität Berlin, der Technischen Hochschule Zürich und der Universität Budapest. 1927 wurde er zum Privatdozenten an der Universität Berlin ernannt, wahrscheinlich als einer der Jüngsten, die während der letzten Jahrzehnte einen solchen Ruf von einer deutschen Universität erhielten. Später lehrte John an der Universität Hamburg, und 1930 überquerte er zum ersten Mal den Atlantik, nachdem er eine Einladung, für ein Jahr als Gastdozent an der Universität Princeton zu lehren, angenommen hatte. 1931 wurde er Fakultätsmitglied der Universität Princeton, verlegte seinen ständigen Wohnsitz in die Vereinigten Staaten und wurde Bürger der Neuen Welt In den zwanziger und dreißiger Jahren waren Johns wissenschaftliche Interessen, die sich vorwiegend auf theoretische

Vorwort | 9 Gebiete erstredeten, sehr weitreichend. Seine Veröffentlichungen umfaßten Arbeiten über Quantentheorie, mathematische Logik, Ergodentheorie, stetige Geometrie, Probleme der Operatorenringe und viele andere Gebiete der reinen Mathematik. Ende der dreißiger Jahre begann er sich für Fragen der theoretischen Hydrodynamik zu interessieren, speziell für die großen Schwierigkeiten, die bei der Lösung partieller Differentialgleichungen mit bekannten analytischen Methoden auftreten. Diese Arbeiten, die fortgesetzt wurden, als Kriegswolken den Horizont der Welt verdunkelten, führten zu seiner Verwendung im wissenschaftlichen Verteidigungsdienst und verstärkten mehr und mehr sein Interesse für die Gebiete der angewandten Mathematik und Physik. Die Wechselwirkung von Schockwellen, ein sehr kompliziertes hydrodynamisches Problem, wurde zu einem der wesentlichen Forschungsprobleme der Verteidigung, und die sehr große Anzahl von Berechnungen, die für die Gewinnung einiger Resultate erforderlich waren, veranlaßten John, eine schnelle Rechenmaschine für diesen Zweck einzusetzen. Die ENIAC, die in Philadelphia für die Ballistic Research Laboratories of Army Ordnance gebaut worden war, machte John zum ersten Mal mit den ungeheuren Möglichkeiten, viele der noch ungelösten Probleme mit Hilfe von Automaten zu lösen, bekannt. Auf John gehen einige Modifizierungen des mathematischlogischen Entwurfs der ENIAC zurück, und von diesem Zeitpunkt an bis zu seiner letzten Stunde galt sein Interesse den noch unerforschten Aspekten und Möglichkeiten der rasch zunehmenden Verwendimg von Automaten. 1943, bald nachdem das Manhattan-Projekt angelaufen war, wurde John einer der Wissenschaftler, die „in den Westen verschwanden", und er pendelte zwischen Washington, Los Alamos und vielen anderen Orten. In dieser Zeit gewann er die feste Uberzeugung, daß mit Hilfe schneller elektronischer Rechenanlagen ausgeführte numerische Berechnungen die

io I Vorwort Lösung vieler schwieriger, ungelöster wissenschaftlicher Probleme wesentlich erleichtern würden, und er versuchte, audi andere davon zu überzeugen. Nach dem Kriege baute John in Zusammenarbeit mit einer kleinen Gruppe ausgewählter Ingenieure und Mathematiker am Institute for Advanced Study einen Versudisrechner, allgemein unter dem Namen JONIAC bekannt, der zum Prototyp für ähnliche Maschinen im ganzen Land wurde. Einige der für JONIAC entwickelten Grundprinzipien werden noch heute bei den schnellsten und modernsten Rechnern verwendet Beim Entwurf der Maschine versuchten John und seine Mitarbeiter, einige der bekannten Vorgänge im lebenden Gehirn zu imitieren. Dieser Aspekt veranlaßte ihn, sich mit Neurologie zu beschäftigen, Kapazitäten auf den Gebieten der Neurologie und Psychiatrie aufzusuchen, an vielen Konferenzen über diese Themen teilzunehmen und endlich in diesen Kreisen Vorträge über die Möglichkeiten zu halten, ein stark vereinfachtes Modell des lebenden Gehirns für von Menschenhand zu bauende Maschinen zu kopieren. In den Silliman Lectures sollten diese Gedankengänge weiter entwickelt und ausgebaut werden. In den Nachkriegsjahren widmete sich John wissenschaftlichen Problemen der verschiedensten Gebiete. Ganz besonders erwachte sein Interesse für die Meteorologie, bei der die Möglichkeit numerischer Berechnungen vollkommen neue Aussichten zu eröffnen schien. Zeitweise besthäftigte er sich mit Berechnungen auf dem sich ständig erweiternden Gebiet der Kernphysik. Er arbeitete auch weiterhin eng mit den Laboratorien der Atomic Energy Commission zusammen, und 1952 wurde er Mitglied des Hauptberatungsausschusses der A. E. C. Am 15. März wurde John als Mitglied der Atomic Energy Commission vereidigt. Anfang Mai zogen wir nach Washington. Drei Monate später, im August, kam unser aktives und erregendes Leben, dessen Mittelpunkt meines Mannes UL-

Vorwort | ι ι ermüdlicher und erstaunlicher Geist war, zu einem jähen Stillstand. John litt an starken Schmerzen in der linken Schulter, und nach einer Operation lautete die Diagnose auf Knochenkrebs. In den darauffolgenden Monaten lösten Hoffnung und Verzweiflung einander ab. Manchmal glaubten wir zuversichtlich, daß die krankhafte Veränderung in der Schlüter ein einzelner Ausbruch dieser furchtbaren Krankheit sei, der sich für lange Zeit nicht wiederholen würde, aber dann zerstörten unbestimmbare Schmerzen, unter denen er zeitweise litt, unsere Hoffnung für die Zukunft. Während dieser ganzen Zeit arbeitete John fieberhaft - am Tage, indem er seinen beruflichen Verpflichtungen nachkam, die auch viele Dienstreisen einschlössen, abends, indem er sich mit wissenschaftlichen Problemen beschäftigte, die er eigentlich bis zur Beendigung seiner Amtszeit bei der Commission hatte zurückstellen wollen. Er begann nun, systematisch am Manuskript für die Silliman Lectures zu arbeiten. Der größte Teil der folgenden Seiten wurde in jenen Tagen der Ungewißheit und des Wartens geschrieben. Ende November kam der nächste Schlag: Es wurden verschiedene krankhafte Veränderungen am Rückgrat festgestellt, und das Gehen machte ihm größte Schwierigkeiten. Von nun an verschlechterte sich sein Zustand ständig, obwohl noch einige Hoffnung bestand, daß durch entsprechende Behandlung und Pflege die verhängnisvolle Krankheit wenigstens für eine Weile aufgehalten werden könnte. Ab Januar 1956 war John an den Rollstuhl gefesselt, aber er besuchte immer noch Konferenzen, wurde in sein Büro gefahren und setzte die Arbeit am Manuskript für die Vorlesung fort. Es war offensichtlich, daß seine Kräfte von Tag zu Tag nachließen. Alle Reisen und Vorträge mußten nacheinander abgesagt werden, mit einer einzigen Ausnahme - die Silliman Lectures. Es bestand die Hoffnung, daß das Rückgrat durch die Behandlung mit Röntgenstrahlen bis Ende Mäiz wenigstens vorübergehend so weit gestärkt werden könnte, daß

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I Vorwort

es John möglich sein würde, nach New Haven zu reisen, um dieser einen Verpflichtung nachzukommen, die ihm so viel bedeutete. Dennoch mußte das Silliman Lecture Committee gebeten werden, die Zahl der Vorlesungen auf eine oder höchstens zwei zu reduzieren, denn die Strapaze einer ganzen Vorlesungswoche wäre bei seinem geschwächten Zustand gefährlich gewesen. Im März schwanden jedoch alle trügerischen Hoffnungen, und es stand außer Frage, daß John nicht in der Lage sein würde, irgendwelche Reisen zu unternehmen. Die Universität Yale, entgegenkommend und verständnisvoll wie immer, ließ die Vorlesungen ni dit ausfallen, sondern schlug vor, daß - falls das Manuskript fertiggestellt würde - es je~mand anders für ihn lesen solle. Trotz großer Anstrengungen konnte John die Ausarbeitung der vorgesehenen Vorlesungen nicht pünktlich beenden. Ein tragisches Schicksal wollte es, daß er sie nie beenden konnte. Anfang April wurde John ins Walter-Reed-Hospital eingewiesen. Er sollte es bis zu seinem Tode am 8. Februar 1937 nicht wieder verlassen. Das unvollendete Manuskript der Silliman Lectures begleitete ihn ins Krankenhaus, wo er noch einige Versuche unternahm, daran zu arbeiten. Aber dann gewann die Krankheit endgültig die Oberhand, und selbst Johns außergewöhnlicher Geist konnte die Schwäche des Körpers nicht überwinden. Ich möchte dem Silliman Lecture Committee, der Universität Yale und der Yale University Press meine tiefe Dankbarkeit ausdrücken. Sie alle waren während der letzten schweren Jahre in Johns Leben so entgegenkommend und freundlich, und sie ehren nun sein Gedächtnis, indem sie sein unvollendetes und fragmentarisches Manuskript für die Veröffentlichimg der Silliman-Vorlesungsreihe zulassen. Klara von Neumann Washington, D. C„ September 1957

Einleitung

Da idi weder Neurologe noch Psychiater, sondern Mathematiker bin, bedarf die vorliegende Arbeit der Erklärung und Rechtfertigung. Es geht hier um den Versuch, einen Weg zum Verständnis des Nervensystems vom Standpunkt des Mathematikers zu finden. Diese Aussage muß jedoch in ihren beiden wesentlichen Punkten eingeschränkt werden. Erstens ist es eine Ubertreibung, meinen Versuch als „Weg zum Verständnis" zu bezeichnen. Es handelt sich lediglich um mehr oder weniger systematisierte Spekulationen, wie ein solcher Weg beschritten werden sollte. Das heißt, ich versuche herauszufinden, welche der - mathematischen - Ansätze aus der nebelhaften Feme, in der wir die meisten sehen, a priori vielversprechend erscheinen und welche das Gegenteil vermuten lassen. Ich werde auch einige rationale Begründungen für meine Vermutungen anführen. Zweitens erfährt der „Standpunkt des Mathematikers", wie ich ihn in diesem Zusammenhang verstanden wissen möchte, eine vom üblichen abweichende Verteilung der Gewichte: Abgesehen von der Betonung der allgemeinen mathematischen Methoden werden die logischen und statistischen Aspekte im Vordergrund stehen. Femer sollen in erster Linie, wenn auch nicht ausschließlich, Logik und Statistik als Grundlagen der „Informationstheorie" angesehen werden. Im Mittelpunkt des Interesses dieser Informationstheorie wird auch der bei der Planung, Auswertung und Kodierung komplizierter logischer und mathematischer Automaten gewonnene Erfahrungsschatz stehen. Die typischsten, wenn auch nicht einzigen Automaten dieser A n sind natürlich die großen elektronischen Rechenmaschinen.

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I Einleitung

Am Rande sei vermerkt, daß es sehr befriedigend wäre, könnte man von einer „Theorie" solcher Automaten sprechen. Bedauerlicherweise kann das zu diesem Zeitpunkt vorliegende Material, auf das ich midi berufen muß, bis jetzt nur als ein unvollkommen artikulierter und kaum formalisierter „Erfahrungsschatz" beschrieben werden. Endlich ist es mein Hauptanliegen, noch einen anderen Gesichtspunkt herauszuarbeiten. Ich vermute, daß ein gründlicheres mathematisches Studium des Nervensystems - „mathematisch" im oben beschriebenen Sinn - unser Verständnis der betreffenden Gebiete der Mathematik selbst beeinflussen wird. Dadurch wird möglicherweise unsere Ansicht über die eigentliche Mathematik und Logik modifiziert. Ich werde versuchen, diese Annahme später zu begründen.

Teil 1. Die Rechenmaschine

Beginnen möchte idi mit der Diskussion einiger Prinzipien, die der Klassifizierung und Anwendung von Rechenmaschinen zugrunde liegen. Bei den heute bekannten Rechenmaschinen unterscheidet man in Abhängigkeit von der Darstellungsart der von der Maschine verarbeiteten Zahlen zwischen analogen und digitalen Rechnern.

Analoge Zahlendarstellung und. Gzandoperationen In einem Analogrechner wird jede Zahl durch eine physikalische Grüße dargestellt, deren Wert,, gemessen in einer vorbestimmten Einheit, gleidi der betreffenden Zahl ist. Die zur Darstellung verwendete physikalische Größe kann ein Rotationswinkel einer Scheibe, ein elektrischer Strom oder eine (gegen einen Bezugspunkt gemessene) elektrische Spannung usw. sein. Damit die Maschine redinen, d.h. mit diesen Zahlen nach einem vorher festgelegten Plan operieren kann, ist

16 I Teil I: Die Rechenmaschine es notwendig, Bausteine (oder Bauelemente) zu finden, die mit diesen darstellenden Größen die mathematischen Gnindoperationen ausführen können. Unter diesen Grundoperationen versteht man im allgemeinen die vier GmndieAnungsaiten dei Arithmetik: die Addition (die Operation χ + y), die Subtraktion (x-y), die Multiplikation (x-y) und die Division (xly). Es ist offensichtlich nicht schwierig, zwei Ströme zu addieren oder voneinander zu subtrahieren. Nicht so einfach gelingt die Ausführung der Multiplikation (zweier Ströme), aber es sind verschiedene elektrische Netzwerke bekannt, die diese Operation durchführen. Das gleiche gilt für die Division. Sowohl für die Multiplikation als auch für die Division - jedoch nicht für die Addition und Subtraktion - ist selbstverständlich die Einheit, in der der Strom gemessen wird, maßgebend. Eine recht bemerkenswerte Eigenschaft einiger Analogrechner • ist folgende. Gelegentlich werden Analogrechner mit anderen als den oben genannten Grundoperationen ausgestattet So arbeitet der klassische DifferentialanalysatoT, in dem Zahlen durch Rotationswinkel von Scheiben dargestellt werden, nicht unter Verwendung der vier Grundrechnungsarten der Arithmetik, sondern mittels der vom Diffezentialgeaiebe bzw. integrator erzeugten Operationen. Das Differentialgetriebe, das auch an der Hinterachse eines Automobils verwendet wird, generiert die Operationen (χ ± yj/a. Der Integrator bildet, da im Differentialanalysator alle Größen Funktionen der Zeit sind, aus zwei Eingangsgrößen x(t) und y(t) das (Stieltjes) Integral t z(t) = ]x(t)dy(t). Dreierlei ist an diesem System bemerkenswert: ι. Geeignete Kombinationen der drei oben genannten Operationen gestatten die Darstellung von drei der vier üblichen Grundoperationen, nämlich der Addition, Subtraktion und Multiplikation.

Digitale Zahlendarstellung und Giundoperationen | 17 2. In Verbindung mit bestimmten Kunstgriffen (Rückkoppelung) kann audi die vierte Operation, die Division, reproduziert werden. Ich will an dieser Stelle nicht das Rüddcoppelungsprinzip diskutieren, sondern nur feststellen, daß es ein Prinzip zur Lösung impliziter Relationen zu sein scheint, es sich in Wirklichkeit aber um ein besonders eleganteslterationsund Approximationsverfaiiren handelt 3. Die wirkliche Rechtfertigung des Diöerentialanalysators liegt darin, daß seine Grundoperationen ( x ± y ) h und die Integration für eine große Klasse von Problemen geeigneter als die arithmetischen Grundoperationen x + y, x - y , xy, x/y sind. Genauer gesagt: Jede Rechenmaschine, die ein komplexes mathematisches Problem lösen soll, muß für diese Aufgabe pzogrammieit werden. Das bedeutet, daß der komplexe Vorgang der Lösung dieses Problems durch eine Kombination der Grundoperationen der Maschine dargestellt bzw. mit gewünschter vorgeschriebener Genauigkeit durch eine Kombination der Grundoperationen approximiert werden muß. Nun kann für eine vorgegebene Problemklasse ein System von Gnmdoperationen hinsichtlich der Leistungsfähigkeit einem anderen System überlegen sein. Für die Lösung von Systemen totaler Differentialgleichungen, für die der Differentialanalysator in erster Linie entworfen wurde, haben sich die genannten Grundoperationen leistungsfähiger als die arithmetischen Grundrechnungsarten x + y, x - y , xy, x/y erwiesen.

Digitale Zahlendarstellung und Gmndopezationen

In einem dezimalen Digitalrechner wird jede Zahl wie beim gewöhnlichen Schreiben oder Drucken als eine Folge dezimaler Ziffern dargestellt, wobei jede einzelne Dezimalziffer durch ein System von Markierungen repräsentiert wird. Ein Markierungssystem, das zehn verschiedene Werte anneh-

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I Teil I: Die Rechenmaschine

men kann (zehnwertige Markierung), erlaubt bekanntlich die Darstellung der Dezimalziffern o bis 9. In diesem Sinne ist audi die Menge o, 1 , . . 9 der Bezeidinungen für die entsprechenden Dezimalziffern ein zehnwertiges Markierungssystem. Will man die zehn Dezimalziffem durch ein zweiwertiges Markierungssystem darstellen, so benötigt man für jede Dezimalziffer offenbar eine geordnete Gruppe von Markierungen des Systems. Die acht möglichen voneinander verschiedenen geordneten Dreiergruppen zweiwertiger Markierungen1) reichen zur Darstellung der zehn Dezimalziffern nicht aus. Es gibt jedoch 16 verschiedene Vierergruppen zweiwertiger Markierungen1). Folglich müssen bei der Darstellung durch zweiwertige Markierungen wenigstens Vierergruppen je Dezimalziffer verwendet werden. Es kann Gründe für die Verwendung von Fünfergruppen usw. geben. Ein System, in dem ein elektrischer Impuls auf einer von zehn vorgegebenen Leitungen auftreten kann, ist ein Beispiel für eine Darstellung der Dezimalziffern durch eine zehnwertige Markierung. Ein Beispiel für eine zweiwertige Markierung ist ein System, in dem ein Impuls auf einer vorgegebenen Leitung auftreten bzw. nicht auftreten oder positive bzw. negative Polarität haben kann (den zwei verschiedenen Markierungswerten entsprechend). Eine Beobachtung Uber Markierungen möchte ich noch anfügen. Die im Beispiel erwähnte zehnwertige Markierung entspricht ohne Zweifel zehn zweiwertigen Markierungen und ist daher nach den vorangehenden Überlegungen stark redundant (weitschweifig), da vier zweiwertige Markierungen zur Darstellung der zehn Dezimalziffem ausreichen. Eine ') Bezeichnet nun die beiden Yoneintnder verschiedenen Mirkietungsweite durdk 0 und I,