Die Projektorganisation und ihre Gestaltung [1 ed.] 9783428486038, 9783428086030


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German Pages 355 Year 1996

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Die Projektorganisation und ihre Gestaltung [1 ed.]
 9783428486038, 9783428086030

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THOMAS BECK

Die Projektorganisation und ihre Gestaltung

Betriebswirtschaftliche Forschungsergebnisse Begründet von

Prof. Dr. Dres. h. c. Erleb Kosiol t Freie Universität Berlln

Herausgegeben von

Prof. Dr. Ralf-Bodo Schmidt t

Albert-Ludwlgs-Universität Freiburg I. Br.

und

Prof. Dr. Marcell Schweitzer Eberhard-Karls-Universltät Tüblngen

in Gemeinschaft mit

Prof. Dr. Franz Xaver Bea Eberhard-Karls-Unlversltät Tübingen

Prof. Dr. Knut Bleicher Hochstbule St. Gallen

Prof. Dr. Klaus Chmielewicz Rahr-Unlversltät Bothum

Prof. Dr. Günter Dlugos Freie Universität Berlln

Prof. Dr. Erleb Frese Universität zu Köln

Prof. Dr. Oskar Grün Wirtschaftsuniversität Wien

Prof. Dr. Jürgen Hauschildt Chrlstlan-Albrecbts-Unlversltät Klei

Prof. Dr. Wilfrled Krüger Justus-Llebig-Unlversität Gießen

Prof. Dr. Hans-Uirlch Küpper Ludwlg-Maxlmlllans-Universltät München

Prof. Dr. Siegfrled Menrad Eberhard-Karls-Unlversität Tübingen

Prof. Dr. Dieter Pohmer

Eberhard-Karls-Universltät Tübingen

Prof. Dr. Henner Schierenheck Universität Basel

Prof. Dr. Norbert Szyperski Universität zu Köln

Prof. Dr. Ernst Troßmann Universität Hohenhelm

Prof. Dr. Dres. h. c. Eberhard Witte Ludwig-Maxlmlllans-Universität München

Prof. Dr. Rötger Wossidlo Universität Bayreutb

Band 105

Die Projektorganisation und ihre Gestaltung Von

Thomas Beck

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme

Beck, Thomas:

Die Projektorganisation und ihre Gestaltung I von TI10mas Beck. - Berlin: Duncker und Humblot, 1996 (Betriebswirtschaftliche Forschungsergebnisse ; Bd. 105) Zug!.: Tübingen, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08603-1 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten

© 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0523-1027 ISBN 3-428-08603-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

9

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit bildet den Abschluß einer langjährigen Beschäftigung mit Organisationsfragen. Nachdem ich in meiner Diplomarbeit die Einführung von Profit Centers in funktional organisierten Unternehmen an einem Fallbeispiel aus der Fahrzeugindustrie behandelt hatte, entdeckte ich als wissenschaftlicher Angestellter am Lehrstuhl für Planung und Organisation von Prof. Dr. Franz Xaver Bea mein Interesse für die organisatorischen Fragen einer zeitlich begrenzten Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachgebieten. Daraus entstand nach mühevollem und doch frohem Auf und Ab diese Untersuchung. Sie wurde von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der EberhardKarls-Universität Tübingen im Wintersemester 1994/95 als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im Juli 1994 abgeschlossen; auf diesem Stand befindet sich die verwendete Literatur. Meinem sehr verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Franz Xaver Bea, sage ich aufrichtigen Dank für die Betreuung und Begutachtung der Arbeit. Der Hanns-Seidel-Stiftung e.V. schulde ich großen Dank für das Vertrauen, das sie in mich und diese Arbeit setzte. Durch ein Promotionsstipendium ermöglichte sie es mir, die Fertigstellung dieser Arbeit zweieinhalb Jahre lang als meine Hauptbeschäftigung anzusehen. Herrn Dr. Thomas Weis und Frau Dipl.-Kfm. Birgit Wirth danke ich für die Zeit, die sie opferten, und für die wertvollen Hinweise. Ebenso danke ich Herrn Dipl.-Kfm. Hans-Jürgen Bort für die Vermittlung von Ansprechpartnern für meine empirische Studie. Allen Gesprächspartnern aus den Unternehmen, besonders aber meinem Bruder, Herrn Dipl.-Ing. (FH) Helmut Beck, sowie Herrn Günther Dieterich, Herrn Prof. Dr.-Ing. Gerhard Drees und Herrn Dr. Thomas Langeheineken, danke ich für ihre Geduld und Offenheit. Meine Ehefrau, Frau Dipl.-Kfm. Carola Beck, geb. Sikler, stand mir während der ganzen Zeit verständnisvoll zur Seite; durch ihre Anregungen hat sie meine Arbeit in vielfältiger Weise bereichert. Ihr danke ich von ganzem Herzen. Schließlich danke ich meinen Eltern: Ohne sie wäre es mir nicht möglich gewesen, diese Arbeit überhaupt zu beginnen. Tübingen, im Februar 1995 Thomas Beck

Inhaltsverzeichnis Einleitung

17

Erstes Kapitel Die Organisation I. Gegenstand und Entstehungsweise der Organisation ................... ..... ...

20

I. Ordnung als Grundbegriff für das Verständnis von Organisation . .. .. . . . 2. Gegenstand der Organisation .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 3. Entstehungsweise der Organisation ...........................................

21 23 29

Organisation und ihr Verhältnis zur Koordination .. .. .........................

31

1 . Gegenstand und Ursache der Koordination .. .. .. .. .. .. .. .. .. . . .. .. .. .. .. .. .. . 2 . Instrumente der Koordination . . . . . .. .. . .. . .. . . . . . .. .. . . .. . . .. . . .. .. .. .. . . . .. .. .

32 35

II.

Zweites Kapitel Das Projekt Der Projektbegriff ... .. ... .................. ...... ...... .. .. .. . .......... ..... . .... ....

42

1 . Literaturüberblick . .. . . . . . . . .. . .. . . . . . . . .. . .. . . . . . .. .. . ... . .. . .. . ... . . .. .. . .. . . .. .. 2. Kritik der Projektmerkmale .. .. . . .. . .. .. . . . . . . . . . . . . .. .. . .. .. .. .. .. .. . .. . .. .. . .. 3 . Entwicklung eines neuen Projektbegriffs .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .

43 47 57

Projektarten ....... ... ....... .. .... .................... .. ... .. ................... ..... ..

59

1. 2. 3. 4.

Projektarten nach dem Projektinhalt .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . Eigene und fremde Projekte .. .. . . . .. .. .. . . . .. .. .. . .. .. .. . .. .. .. .. . . .. .. .. . . .. .. . Nationale und internationale Projekte .. .. .................. .. .. ...... .. ...... Private und öffentliche Projekte .................. .. .......... .. .. .. ..... .... ..

59 61 62 63

111. Die Bedeutung von Projekten für die Strategie-Implementierung . . . . . . . . . . . .

64

1 . Strategiebegriff und -klassifikation . . .. . . . . . . .. .. . . . .. . . . .. . . . . . . . . . .. . .. .. . 2 . Die strategische Bedeutung von Projekten .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..

64 68

a) Zur Unterscheidung von strategischen und operativen Projekten ... b) Strategien und die zu ihrer Durchführung erforderlichen Projekte .. .

69 70

I.

II.

10

Inhaltsverzeichnis

Drittes Kapitel

Projektorganisation: das Phänomen I.

Die Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

II.

Das gängige Verständnis in der Literatur ..... .. . .. . .. .. .. . ... ... .. ... .. .. . . . .. .. .

77

1. Das Grundverständnis von Projektorganisation .. . . . . . .. .. . .... .. .. . . . . . .. . 2 . Die Grundformen der Projektorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zur Klassifikation der Grundformen .. . . .. .. ... . . . . .. .. .. . .. .. . . . . . .. ... . . b) Die Grundformen im einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77 79 80 82

111. Weiterführende Gedanken

.... ..................... ......................... .. ........

88

1. Die Projektorganisation und ihr Verhältnis zur Projektplanung ......... 2. Die Projektorganisation und ihr Verhältnis zur Unternehmensorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Kritik des Versuchs, Projektorganisation durch ein theoretisches Konstrukt zu erfassen ...........................................

88 91 92

Viertes Kapitel

Gestaltungselemente der Projektorganisation I.

Projektaufgaben und ihre Zuordnung auf Projektstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

1 . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

2. Der Auftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

a) Die Aufgaben des Auftraggebers in allgemeiner Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . 9 8 b) Verschiedene Zuordnungen auf Projektstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3. Die Projektleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Die Aufgaben der Projektleitung in allgemeiner Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Verschiedene Zuordnungen auf Projektstellen . .. ..... .. ..... . .. . .. .. . . . 109 4 . Die Auftragnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 12 a) Die Aufgaben der Auftragnehmer in allgemeiner Sicht .......... ...... 112 b) Verschiedene Zuordnungen auf Projektstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3 5 . Das Triadenmodell der Projektstellen: eine Gesamtschau .. . . . . . .. . .. .. ... 122 II.

Projektphasen und ihre zeitliche Überlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2 1 . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2 2. Projektphasen und Phasenmodelle: ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 5 3 . Die zeitliche Überlagerung von Projektphasen ... .. .. ..... .. .. . .. . . . .. . . . .. 139

111. Das Verhältnis zwischen geplanter und spontaner Entstehungsweise

146

l. Einführung ..... ... ... ...... .... ...... .. .... .... .. .. ............. .......... .. ....... 146

Inhaltsverzeichnis 2. 3. 4. 5. 6.

Größe und Zusammensetzung der Projektgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Aufgabenverteilung in der Projektgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die räumliche Entfernung der Projektgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitliche Einbindung und Beständigkeit der Projektgruppe .............. Der Anteil der spontanen Entstehungsweise .. . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .

11 147 15 6 15 9 I64 I70

Fünftes Kapitel Methodische Ansätze zur Gestaltung der Projektorganisation I.

Kritik des analytisch-rationalen Gestaltens . . . . . . .. . . .. . .. . ..... .... . .. . . . . . .. .. I76 I . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I77 a) Der Effizienzbegriff . .. .. . . . .. . .. . . . . . . . . . . . .. . . .. .. .. . .. .. . .. .. . .. . . . .. .. . . . I77 b) Anforderungen an Effizienzkriterien .... :. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . I 7 9 2 . Die Auswahl von Effizienzkriterien der Projektorganisation . . . . . . . . . . . . I 8I a) Kriterien des Projekterfolgs ............ ................... ................. I82 b) Bestimmungsgründe des Projekterfolgs . . . . .. . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . 18 6 c) Effizienzkriterien der Projektorganisation .............................. 189 3. Wirkungsprognosen zur Effizienz der Projektorganisation .............. 193 a) Komplexe Phänomene und Erklärungen durch Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . 19 5 b) Muster-Vorhersagen zur Effizienz der Projektorganisation . . . . . ... . 197

II.

Heuristisch, begrenzt-rationales Gestalten . . . .. . . . .. . . . . . . .. . .. ... . .. . .. .. . . . .. . 199 1. Grundgedanken .......... ... ... ........... .. .... .... ..... .. .............. .. .. ...... 199 2 . Situationsmerkmale der Projektorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Begriffsklärung ...... ........ ............ .. ...... .... ........ ...... ..... .. .... 202 b) Literaturüberblick ... ............ ..... .. ...... ... .............. ..... .... ..... . 203 3 . Situationsmerkmale in Gestaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) b) c) d)

Der Komplexitätsgrad des Projektes .................. .......... .......... Situative Verfahren zur Auswahl eines Gesamtentwurfs ............... Der Organisations-Auswahl-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . Das Entwicklungsmodell des Unternehmerischen Netzwerks . . . . . . . .

206 211 215 21 9

Sechstes Kapitel Fallbeispiele zur Projektorganisation I.

Einführung

... . ....... ... . . .. ...... ... .... ... .. ......... .. ..... .. .. ....... ....... ...... .. 226

12 II.

Inhaltsverzeichnis Das Projekt Musik-Synthesizer .......................................... .... .. .. .. 227 I. Darstellung .. .. ...... ........... ............... .. . ... ............ ....... ... .... .. ... 227 2. Erklärung ...... ... ....... ........ .. ..... ... ... .. ...... ...... .. ...... ...... .. ... .. .. 230

Ill.

Das Projekt Fahrzeug-Antrieb ...................... .... ........................ .. .. 232 I. Darstellung .............. .. .................... .. ... ....................... ... .. .... 232 2. Erklärung . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. .. . .. . .. .. . .. . . .. . . . .. . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . 243

IV.

Das Projekt Großteil-Pressenanlage

246

I . Darstellung .. .. .......... .............. ........... .. . .. .......... ........ ...... .. ... 246 2. Erklärung .......................................... ...... .. .............. ....... .... 255 V.

Vergleichende Gegenüberstellung ................. .. .... .. ............... .... .. ... 258

Siebtes Kapitel Gestaltungsempfehlungen I.

II.

Einführung

261

Den Rahmenentwurf gestalten .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 2 6 2

III. Das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Projektleitung gestalten .. .. .. 263 IV. Das Verhältnis zwischen Projektleitung und Auftragnehmern gestalten .. . 267 I. Die Möglichkeiten für eine reine Projektorganisation prüfen ...... .. .. . 267 2. Die Befugnisse des Projektleiters gestalten .... .. ...... .. .. .... ........ .... . 2 7 0 3. Wirkungsvolle Projektgruppen bilden .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 2 7 5 V. Die Konsistenz des Gesamtentwurfs sicherstellen .... .. .. .. .............. .. .. .. 280

Schlußbetrachtung . . . . . . . . . .. . . . .. . . . ... . . .. .. . . .. . . .. . . . . . . . .. . . .. . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . 283 I. Zusammenfassung und Würdigung ............... .. ... .. ......................... .. 283 II. Ausblick ... .. .. ..... .. .... .. .. .. .. ........ .. ............. .. ... .... ... .. ......... .. ...... 291

Anhang: Das Vorgehen bei der empirischen Untersuchung .. ... .. .. 294 I. Fallstudien zur Hypothesenbildung .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. . . . . .. . . . . . . .. . . .. . .. . .. . 294 II. VerlaufderFallstudien ........ .. ...... ........ .... .... .......... ...................... 295

Inhaltsverzeichnis III. IV.

13

Kritische Würdigung der Fallstudien-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Gesprächsleitfaden . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. .. .. . . . .. .. .. . . . .. . .. .. .. .. . . .. .. . . . . . . . .. . . . .. 310

Literaturverzeichnis

. . .. . . . .. . .. . .. .. .. .. ... . . . ... . . .. .. . .. . . .. . . .. . .. . . . . . . .. . . . . .. .. 315

Sachwortverzeichnis

.................................................................. 350

Abbildungsverzeichnis Abb. l:

Aufgabenmerkmale und ihre Ausprägungen ....................... .... ... .

Abb. 2:

Organisation und Planung ........................... ........ ........ .. ... ... .

39

Abb. 3: Abb. 4:

Aufgaben und ihre Grade der Komplexität . .... ......................... .. . Projekte als bereichsübergreifende, zeitlich begrenzte Aufgaben .. . . Strategieklassifikation nach Position und Perspektive ............ ... .

51 57

Abb. 5: Abb. 6:

Grundformen der Projektorganisation und ihre Abstufung anhand der Befugnisse des Projektleiters ........................................... .

Abb. 7:

Die Matrix-Projektorganisation ........... . ........................... .... .

Abb. 8: Abb. 9:

Der Matrix-Diamant .... .. ......... ...... ... .. ...... ... ..... .. ........ .... .. .. .

28

67

82 85 86

Die Projektorganisation und ihr Verhältnis zu Strategie und Projektplanung ....... .. ....................... ...................... .. ... .

90

Abb. 10: Projektstellen mit Leitungsaufgaben im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

lll

Abb. 11: Auftragnehmer als (echte) Arbeitsgemeinschaft ... ... .. .. .... ...... .. ...

116

Abb. 12: Auftragnehmer in der Generalunternehmerschaft ....... ... ........ .... .. . 1 18 Abb. 13: Auftragnehmer durch Einzelverträge .................................. ...... 119 Abb. 14: Die Eigenauftrag-Projektkooperation ......................................

124

Abb. 15: Das Gemeinschaftsunternehmen als Auftragnehmer .....................

126

Abb. 16: Die internationale Projektkooperation öffentlicher Auftraggeber ...

12 7

Abb. 17: Die Komiteelösung .. .. .... .. .. .. .... .. .. .. .. .. .... .. .. .. .. .... ...... .. .. .. . ...

129

Abb. 18: Die Pilotlösung ........................................................ .. ......

130

Abb. 19: Die Integrationslösung .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 131 Abb. 20: Projektorganisation und Projektstrukturplan .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..

134

Abb. 21: Die zeitliche Überlagerung von Projektphasen .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..

140

Abb. 22: Integration von Problemlösungszyklen .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. Abb. 23: Die Intensität der Wissensübertragung .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. Abb. 24: Gleichzeitigkeit mit und ohne Informationsaustausch ..................

143 144 145

Abb. 25: Die Zusammensetzung einer Projektgruppe ...................... .. .. .....

150

Abb. 26: Das Potentialfaktoren-Modell der spontanen Projektorganisation . . 173 Abb. 27: Effizienz und Effizienzkriterien .... ........ .... ........ .... ........ .. ...... . 178 Abb. 28: Der Ergebnisplan nach Hewlett-Packard Inc. .. .............. .............

185

Abb. 29: Die drei Arten von Abhängigkeiten zwischen organisatorischen Teileinheiten .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 208

Abbildungsverzeichnis

15

Abb. 30: Die drei Typen von Entwicklungsprojekten nach Wheelwright undClark ........ ................................................................. 210 Abb. 31: Das Auswahlverfahren der Projektorganisation nach Lehner u.a. . . . . 214 Abb. 32: Das Auswahlverfahren der Projektorganisation nach Kuba . . . . . . . . . . . . 214 Abb. 33: Der Organisations-Auswahl-Raum nach Allen ............................ 217 Abb. 34: Die Wirkung der Subsystem-Interdependenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Abb. 35: Die Entwicklung des Unternehmerischen Netzwerkes nach Maidique ....... ...... .......................... .................. ... ...... 220 Abb. 36: Die Organisation der Audio-Elektronik GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Abb. 37: Die Organisation des Produktbereichs Antriebe-Fahrzeuge .... .. .... . 233 Abb. 38: Das Projekt Fahrzeug-Antrieb: Die Projektstellen im Überblick ... .. 235 Abb. 39: Der Berichtsstrukturplan der Antriebstechnik GmbH .......... .... ..... 237 Abb. 40: Die Auswahl der Projektgruppe, dargestellt an einem Beispiel ........ 239 Abb. 41 : Die Organisation der Pressen GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 7 Abb. 42: Das Projekt Großteil-Pressenanlage: Phasen und Meilensteine . .. . . . 248 Abb. 43: Das Projekt Großteil-Pressenanlage: Die Projektorganisation im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Abb. 44: Übersicht der Fallbeispiele . .. . . . . .. . . .. . . .. ... . . .. . . .. . . .. . . .. . . . . . . . .. . . .. . . 259 Abb. 45: Ideal- und Scheintriade . .. . . .. .. . .. .. ... ... . . . .. .. .. .. . .. .. .. . . .. ...... . .. .. .. . 265 Abb. 46: Die Projektleiter als Achse zwischen Auftraggeber und Auftragnehmern .................. ........... .. ..... ..... ... ...... ... .. .... 266 Abb. 47: An den Projektleitern vorbei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Abb. 48: Vertrauensbildende Treffen von Angesicht zu Angesicht ............... 278 Abb. 49: Symbole zur Abbildung der Projektorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Abb. 50: Übersicht der Forschungsgespräche .... ............ .... .. ........ .... ..... 299

Einleitung Projekte sind ein Kennzeichen des modernen Wirtschaftslebens; sie prägen so verschiedene Branchen wie die Bauwirtschaft und den Anlagenbau, die Luft- und Raumfahrt, die Unternehmens- und DV-Beratung, und auch andere hochtechnologische Branchen, beispielsweise den Fahrzeugbau. Über Erfolg und Mißerfolg von Projekten wiederum entscheidet vermutlich mehr als irgend etwas Anderes die Projektorganisation. Angesichts der überragenden Bedeutung für den Projekterfolg verwundert es nicht, daß die Projektorganisation bereits seit den späten fünfziger Jahren in der Literatur behandelt wird. Zeitgleich mit den ersten Projekten der amerikanischen Luft- und Raumfahrt erschienen auch Veröffentlichungen zu diesem Thema. Behandelt wurden darin meist die sog. Grundformen der Projektorganisation: die Stabs-Projektorganisation, die Matrix-Projektorganisation und die reine Projektorganisation. Im Verlauf der siebziger Jahre erwachte das Interesse der deutschsprachigen Forscher an Fragen der Projektorganisation. Zunächst wurde freilich die amerikanische Forschung rezipiert; die Veröffentlichungen entstanden überwiegend aus Übersetzungen und Zusammenfassungen der Originalliteratur. Seit Beginn der achtziger Jahre richtet sich die Aufmerksamkeit besonders auf Projekte in der Forschung und Entwicklung; untersucht wird, inwieweit bestimmte Organisationsformen das Hervorbringen und Durchsetzen von Innovationen beeinflussen. Die Projektorganisation ist also im Grunde nichts Neues. Nach gängiger Auffassung entspricht die Gestaltung der Projektorganisation einem Entscheidungsproblem: Von den möglichen Grundformen soll das Unternehmen diejenige auswählen, welche die Effizienzkriterien unter den gegebenen Bedingungen am besten erfüllt. Indes ergaben meine Gespräche mit Vertretern aus der Praxis ein anderes Bild: Keines der Unternehmen, die ich befragte, richtete sich nach der aus theoretischer Sicht scheinbar angemessenen Methode; zudem galt die Projektorganisation bei allen Gesprächspartnern als ein großes und weitgehend ungeklärtes Problem. Es zeigte sich: Die Art und Weise, in der Projektorganisation bislang theoretisch behandelt wird, geht an den praktischen Erfordernissen vorbei.

2 Beck

18

Einleitung

Schwierigkeiten in der Praxis sind meist auf Schwierigkeiten in der Theorie zurückzuführen 1 - und das gilt auch hier: Die theoretische Behandlung der Projektorganisation ist bislang unvollständig und geht am eigentlichen Problem vorbei; mangelhaft ist das Verständnis für das Phänomen als solches wie auch das Wissen über die gestalterischen Möglichkeiten. Insgesamt bildet daher die Projektorganisation ein bedeutsames Problem der Theorie und der Praxis. 2 Mit dieser Darstellung der Problemlage ist zugleich das Ziel der vorliegenden Untersuchung abgegrenzt. Sie befaßt sich mit der Projektorganisation und den Möglichkeiten, dieses Phänomen zu gestalten - daher trägt sie den Titel: Die Projektorganisation und ihre Gestaltung. Neben der reinen Erklärung dient sie dem Ziel, praxeologische Aussagen zu entwickeln, d.h. wissenschaftlich begründete Gestaltungsempfehlungen.3 Was die Forschungsmethode angeht, beruht die Arbeit auf Fallstudien zu Projekten aus dem Anlagenbau, der Bauwirtschaft, der Fahrzeugentwicklung, der Luft- und Raumfahrt und der Systemintegration. Im einzelnen dargelegt ist dies im Anhang. Dort wird zunächst die Fallstudie als Methode zur Hypothesenbildung vorgestellt. Ausführlich geschildert wird danach das Vorgehen bei den eigenen Fallstudien, unter anderem die Datenerhebung und -auswertung; aufgelistet sind dabei alle Gespräche sowie der Gesprächsleitfaden. Ergänzt wird der Anhang durch eine kritische Würdigung der Fallstudienmethode. Gegliedert ist die Untersuchung in sieben Kapitel, zu denen an dieser Stelle ein knapper Überblick erfolgt - ausführliche Einleitungen finden sich jeweils am Anfang der Kapitel. Ein so vielschichtiger Begriff wie Projektorganisation läßt sich nur erfassen, wenn die darin enthaltenen Begriffe ebenfalls geklärt sind; daher gilt es zunächst, Organisation und Projekt als Grundbegriffe zu untersuchen (1. und 2. Kapitel). Damit wird es möglich, die Projektorganisation als Phänomen zu ergründen (3. Kapitel). Danach Vgl. Walton, R., Research Strategies, S. 22. Und damit ein Musterbeispiel für ein angemessenes Problem im Sinne von Walton, R., S. 21, der schreibt: ..An appropriate question is one that is interesting on two counts: The question is theoretically interesting, i.e., there is a gap in theory or a weak theory and a scholarly audience which will appreciate the contribution to theory. The question is practically interesting, i.e., there is an undefined area of practice or an illdefined set of practices and a practitioner audience." Sinngemäß Witte, E., Lehrgeld für empirische Forschung, S. 313. 3 Damit entspreche ich nicht dem Bild, das Popper, K. R., Logik der Forschung, S. 76, zeichnet, indem er feststellt, "daß dem Theoretiker an der Erklärung als solcher gelegen ist, d.h. an nachprüfbaren erklärenden Theorien, und daß ihn Anwendungen und Prognosen nur aus theoretischen Gründen interessieren - weil sie zur Prüfung von Theorien verwendbar sind." 2

Einleitung

19

sind die möglichen Formen und Ausprägungen der Projektorganisation darzustellen (4. Kapitel). Methodische Überlegungen zur Gestaltung der Projektorganisation schließen sich daran an (5. Kapitel) und werden durch ausgewählte Fallbeispiele abgerundet (6. Kapitel). Den Abschluß der Arbeit bilden Gestaltungsempfehlungen (7. Kapitel.).

2*

Erstes Kapitel

Die Organisation Organisation ist neben Projekt einer der beiden Kernbegriffe der vorliegenden Arbeit - zugleich aber auch ein Ausdruck mit unterschiedlichsten Bedeutungen. Grundlage für das weitere Vorgehen ist daher ein klares Organisationsverständnis. Es wird hier im ersten Kapitel entwickelt. Ausgehend vom Begriff der Ordnung, werden zunächst die Gegenstände und Entstehungsweisen der Organisation betrachtet (I. Abschnitt). Anschließend wird das Verhältnis der Organisation zur Koordination erörtert (II. Abschnitt).

I. Gegenstand und Entstehungsweise der Organisation In den Wirtschaftswissenschaften wird Organisation in vielfältigen Bedeutungen verwendet, z.B. als Bezeichnung für die Verteilung der Entscheidungsbefugnisse in Unternehmen oder als Sammelausdruck für zielgerichtete Vereinigungen von Personen. Nicht nur hinsichtlich ihres Gegenstandes herrscht eine verwirrende Fülle unterschiedlicher Meinungen, sondern auch hinsichtlich ihrer Entstehungsweise - eine Frage mit großer Bedeutung gerade bei Projekten. Um Gegenstand und Entstehungsweise der Organisation begreifen zu können, erscheint es unerläßlich, einige grundlegende Betrachtungen zum Begriff der Ordnung anzustellen, denn beide Wörter drehen sich im weitesten Sinn um das Verhältnis zwischen einem Ganzen und seinen Teilen - wie der folgende Exkurs zur Wortgeschichte zeigt. Der Ausdruck Organisation hat seinen Ursprung im griechischen ergon, was soviel bedeutet wie: Werkzeug, Musikgerät; später wurde der Wortsinn abgewandelt in: Glied, Körperteil oder auch Teil eines lebendigen Leibes. Daraus entstand das lateinische organum sowie das neulateinische organisatio: das Bilden eines Organismus. Vom neulateinischen Wortstamm ergaben sich im Französischen das Verb organiser: ein organisches Ganzes schaffen oder einrichten sowie das Substantiv organisation: innere Anordnung, Gefüge. Im 18. Jahrhundert schließlich wurden dem französischen Wort das deut-

I. Gegenstand und Entstehungsweise der Organisation

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sehe Wort Organisation und verschiedene weitere Ableitungen (organisch, Organismus, organisieren) nachgebildet. 1

1. Ordnung als Grundbegrifffür das Verständnis von Organisation

Ordnung ist meines Erachtens der Schlüssel zum Verständnis von Organisation, denn als philosophischer Fundamentalbegriff lenkt er den Blick auf zwei Fragen mit weitreichender Bedeutung: Was ist Gegenstand der Ordnung und wie entsteht Ordnung? Beide Fragen stehen im Mittelpunkt des ersten Teilabschnittes. Ordnung: ein Fundamentalbegriff Ordnung bezeichnet nach meiner Auffassung ein Gefüge von Teilen, das jedem der Teile seine Stelle zuweist. Aus dieser Definition - wie auch aus anderen, ähnlich lautenden Definitionen2 - wird deutlich: Ordnung als das zu Definierende setzt Worte wie etwa Gefüge, Konfiguration, Beziehungen oder auch Aufbau voraus; die Definition ist also streng genommen zirkelhaft. Das ist ein "unaufhebbarer, aber eben dadurch aufschlußreicher Mangel. Ordnung ist ein Fundamentalbegriff, dessen Klärung .. . ihn selbst voraussetzen muß". 3 Bemerkenswert ist der Ordnungsbegriff ebenso hinsichtlich seiner Zweideutigkeit. Ordnung bezeichnet im Deutschen den Zustand des Geordnetseins wie auch die Handlung des Ordnens.4 Gegenstand der Ordnung. Als Zustand betrachtet, stellt Ordnung "eine einheitliche Beziehung unter Vielem her: sie ordnet zusammen. Dabei ist dies Viele ... von unbegrenzt vielheitlieber Natur: das Geordnete mag vertreten sein durch Raumabschnitte oder Zahlen, durch Begriffe oder Gedanken, durch alle nur erdenklichen Dinge oder Wesen, ob real oder ideal, wirklich oder fiktiv".s Das bedeutet: Alles, was sich erfahren oder denken läßt, kann als Gegenstand einer Ordnung begriffen werden: die lebendige und die leblose Natur, das menschliche Zusammenleben, ebenso die Welt der Ideen, d.h. der formalen Logik und der Mathematik. I Vgl. Grimm , J., Grimm, W., Deutsches Wörterbuch, Siebenter Band: N - Q, Sp. 1339; Mitz.ka, W. (Hrsg.), Trübners Deutsches Wörterbuch, S. 33.

2 Siehe z.B. die Ordnungsbegriffe bei Hayek, F. A. von, Rechtsordnung und Handelnsordnung, S. 164; Kuhn, H., Ordnung, S. 1037; Seiffert, H., Einführung in die Wissenschaftstheorie, Bd. 1, S. 18. 3

Kuhn, H. , ebd. (Hervorheb. durch den Verf.).

4

Vgl. Mitz.ka, W. (Hrsg.), Trübners Deutsches Wörterbuch, S. 33.

5

Kuhn, H., Ordnung, S. 1038.

22

1. Kapitel: Die Organisation

Entstehungsweise der Ordnung. Bis ins 17. Jahrhundert hinein wurden hinsichtlich ihrer Entstehungsweise zwei Arten von Ordnungen unterschieden: natürlich entstandene Ordnungen und vom Menschen hergestellte Ordnungen. Natürlich entstandene Ordnungen finden sich in der Natur.6 Sie sind "nicht das Ergebnis eines planenden menschlichen Willens",7 sondern des Zusammenwirkens lebendiger Wesen. Vom Menschen geschaffene Ordnungen wurde verstanden als eine Art von Ordnung, "die erzielt wird, indem die Teile nach einem vorgefaßten Plan in Beziehung zueinander gebracht werden".s Entsprechend bedeutete das Zeitwort ordnen soviel wie: gehörig einrichten, zurechtrücken, zurechtlegen, (an)ordnen, und in einer zweiten Entwicklungslinie: anordnen, verfügen, zu etwas bestimmen, einsetzen.9 Die Gleichsetzung, von Menschen geschaffene Ordnungen seien zugleich geplante Ordnungen, beruht auf der Annahme, Ordnung sei "das Ergebnis der ordnenden Tätigkeit eines ordnenden Wesens", 10 d.h. es könne "Ordnung nur als Anordnung ... geben".l 1 Bedingt durch diese verkürzende Annahme, wird nicht erkannt, daß eine vom Menschen geschaffene Ordnung auch anders als durch Anordnung entstehen kann, gewissermaßen als spontane Ordnung, d.h. als eine Ordnung, die nicht von irgend jemand gemacht wird, sondern sich bildet. 12 Die bisherige Zweiteilung ist demnach - wie Friedrich A. von Hayek erkennt - als unvollständig anzusehen. Es ist "eine Dreiteilung erforderlich . . . , die zwischen die Erscheinungen, die im Sinne vollkommener Unabhängigkeit von menschlichem Handeln natürlich sind, und jenen, die im Sinne eines Produkts menschlichen Entwurfs künstlich oder vereinbart sind, eine gesonderte mittlere Kategorie einfügt, die alle jene ungeplanten Ordnungen ... umfaßt, deren Existenz wir im menschlichen Zusammenleben feststellen".l 3 Mit Hayek lassen sich also drei Entstehungsweisen von Ordnungen unterscheiden: natürlich, spontan und geplant.

6 Das Wort Natur bezeichnet nach Guardini, R., Welt und Person, S. 1, "die Gesamtheit der Dinge; alles, was es gibt. Genauer gesagt: alles, was es gibt, bevor der Mensch etwas daran tut. Also die Gestirne, die Erde, die Landschaft mit Pflanzen und Tieren, aber auch den Menschen selbst, sofern er sich als organisch-seelische Wirklichkeit gegeben ist." 7 Hayek, F. A. von, Die Ergebnisse menschlichen Handelns, S. 99. 8

Hayek, F. A. von, Arten der Ordnung, S. 34.

9

Vgl. Mitzka, W. (Hrsg.), Trübners Deutsches Wörterbuch, S. 33.

10

Hayek, F. A. von, Arten der Ordnung, S. 32 f.

II

Hayek , F. A. von, Rechtsordnung und Handelnsordnung, S. 165, Fn. 7.

Vgl. Hayek , F. A. von, Die Sprachverwirrung im politischen Denken, S. 208; Ders., Arten der Ordnung, S. 35. 12 13

Hayek, F. A. von, Die Ergebnisse menschlichen Handelns, S. 98.

I. Gegenstand und Entstehungsweise der Organisation

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Schlußfolgerungen. Die Betrachtungen zum Ordnungsbegriff führen zu der Erkenntnis: Jede Ordnung ist gekennzeichnet durch ihren Gegenstand und ihre Entstehungsweise. Um Organisation zu verstehen, muß somit beantwortet werden: Was ist Gegenstand der Organisation und wie entsteht Organisation? Beide Fragen werden in den folgenden zwei Teilabschnitten erörtert.

2. Gegenstand der Organisation Die Frage nach dem Gegenstand der Organisation ist der erste von zwei Schritten auf dem Weg zur Kennzeichnung der Organisation als eine bestimmte Art von Ordnung. Die Antwort wird hier im zweiten Teilabschnitt entwickelt. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, die vielfältigen Auffassungen aus der Literatur in einem kurzen Überblick darzustellen und kritisch zu würdigen. Zwei Grundrichtungen sind dabei zu unterscheiden: Organisation im Sinne einer Institution und Organisation im Sinne einer Struktur. Bedeutsam für die weitere Arbeit ist dieser Teilabschnitt aus einem weiteren Grund: Die bei der Kritik des strukturalen Organisationsverständnisses notwendigen Darlegungen zu den Aufgabenmerkmalen bilden die Grundlage für den Begriff des Projektinhaltes (in Kapitel 2) und für den Begriff der Projektleitung (in Kapitel 4). Organisation als Institution. Organisation dient vielerorts als Sammelbezeichnung für alle zielgerichteten Vereinigungen in der menschlichen Gesellschaft, also Institutionen im weitesten Sinne: Unternehmen, Behörden, Verbände, Schulen, Kirchen, Krankenhäuser, Parteien, Militär und so weiter. Gegenwärtig findet sich die institutionelle Begriffsauffassung vorwiegend im anglo-amerikanischen Sprachraum, 14 z.T. auch in der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre.l5 Wie der kurze wortgeschichtliche Abriß zu Beginn des ersten Teilabschnittes zeigt, hieß in der französischen Sprache das Gebilde, welches als Ergebnis des Organisierens entstand, ursprünglich nicht Organisation, sondern Organismus; Organisation bezeichnete das innere Gefüge des Organis-

14 Erstmals bei Barnard, C. /., The Functions of the Executive, S. 73 (Zitat im Original kursiv), der Organisation definiert als "a system of consciously coordinated personal activities or forces of two or more persons". Ähnlich March, J. G., Simon, H. A., Organizations, S. 4; Blau, P. M., Scott, W. R., Formal Organizations, S. 5; Aldrich, H. E., Organizations and Environments, S. 4; Lawrence, P. R., Lorsch, J. W., Organization and Environment, S. 6. 15 So z.B. Mag, W., Die Unternehmung als System, S. 259.

24

1. Kapitel: Die Organisation

mus. Diese Abkehr vom ursprünglichen Sprachgebrauch ist nicht das einzige Problem des institutionalen Organisationsbegriffes. Jedes Unternehmen bildet im weitesten Sinn ein "System mit Zweckbezug"; 16 sofern jede zweckmäßig gestaltete Personenvereinigung als Organisation bezeichnet wird, entsteht die Gleichsetzung: das Unternehmen ist eine Organisation. Dagegen ist meines Erachtens zunächst nichts einzuwenden, schließlich kann jeder die Bezeichnungen für Sachverhalte grundsätzlich frei wählen. Sobald aber die institutionelle und die strukturelle Sicht zusammenkommen, entsteht folgendes Mißverständnis: das Unternehmen ist eine Organisation (i.S. einer Institution), denn das Unternehmen hat eine Organisation (i.S. einer Struktur). 17 Offensichtlich verwirrt das institutionelle Verständnis der Organisation nur allzu leicht: Das Ganze verschwimmt begrifflich mit den Beziehungen zwischen den Teilen; es wird - um mit Karl W. Hennig zu sprechen - "ein Teil, nämlich die Organisation, für das Ganze genommen (pars pro toto)" .18 Die Vertreter des institutionalen Organisationsverständnisses haben das Problem erkannt. Um begrifflich vom Ganzen zu den Beziehungen zwischen den Teilen zu gelangen, verwenden sie den Ausdruck Organisationsstruktur; 19 gemeint ist ein "dauerhaft geregeltes Ordnungs- und Beziehungsmuster, das die einzelnen Elemente definiert und sie zu einem Gesamtzusammenhang verknüpft". 20 Demzufolge bezeichnet das Wort Organisationsstruktur die Beziehungen zwischen den Teilen, also dasselbe wie das Wort Organisation im strukturellen Sinn.2 1 Welche Art von Struktur angesprochen ist, bleibt freilich offen. Organisation als Struktur. Nach dem strukturellen Verständnis gilt Organisation als eine bestimmte Art der Struktur von Institutionen. Die Vertreter des strukturellen Organisationsbegriffes beschränken ihre Aussagen meist auf eine bestimmte Art von Institution. Den ausdrücklichen Bezug zur Wirt16 Mag , W., Die Unternehmung als System, S. 259 (Zitat im Original unterstrichen).

17

Bühner, R., Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, S. 4.

18 Hennig, K. W., Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, S. 19, Fn. 9. Ähnlich Stefanic-Allmayer, K., Organismus, Sp. 1281. 19 So z.B. Pugh, D. u.a., Dimensions of Organization Structure; Mintzberg, H., A Typology of Organizational Structure.

20 Schreyögg , G., Umwelt, Technologie und Organisationsstruktur, S. 14 f. Ähnlich z.B. Frese, E., Organisationstheorie, Sp. 1707; Ders., Mehrdimensionale Organisationsstrukturen, Sp. 1670 f. 21

S. 15.

Vgl. z.B. Schreyögg, G., Umwelt, Technologie und Organisationsstruktur,

I. Gegenstand und Entstehungsweise der Organisation

25

schaft, insbesondere zu Unternehmen als Einzelwirtschaften, verdeutlichen sie durch Zusätze wie etwa Unternehmens-, Betriebs- und Fabrikorganisation, durch die Eingrenzung als Organisation der Unternehmung,22 durch die Kennzeichnung der Organisationslehre als Betriebswirtschaftsschaftliehe Organisationslehre oder auch einzelwirtschaftliche Organisationstheorie.23 Das strukturelle Verständnis ist kennzeichnend für die deutschsprachige und auch die amerikanische Organisationslehre.24 Hinsichtlich der Art von Struktur bestehen unterschiedliche Auffassungen. Verschiedentlich dient Organisation als eine Art Überbegriff. Organisation bedeutet alles, was notwendig ist für das Betreiben eines Unternehmens, neben anderem auch Rechtsform und Finanzierung;25 sie wird zur "Gesamtheit allgemeingültiger betriebsgestaltender Regelungen". 26 Ganz ähnlich wird auch gefordert, der Erkenntnisgegenstand einer Organisationslehre der Unternehmung müsse alle Tätigkeiten im Unternehmen erfassen, mit denen Aufgabenträger und ihre Arbeitsleistungen auf die Hauptaufgabe des Unternehmens ausgerichtet werden.27 Diese umfassende Sichtweise findet sich bereits 1916 bei Henry Fayol:28 "Ein Unternehmen zu organisieren heißt es mit all dem auszustatten, was nützlich ist für sein Funktionieren: Materialien, Ausrüstung, Geldmittel, Personal."

22 Die Eingrenzungen spiegeln sich in Buchtiteln wider, so z.B. bei Grull, W., Die Orgnisation von Fabrikbetrieben; Nordsieck, F., Rationalisierung der Betriebsorganisation; Grochla, E., Unternehmensorganisation. Neue Ansätze und Konzeptionen; Kosiol, E., Organisation der Unternehmung. 23 So z.B. bei Bühner, R., Betriebswirtschaftliche Organisationslehre; Schneider, D., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 216. 24 In der deutsprachigen Literatur findet sich das strukturelle Organisationsverständnis z.B. bei Nordsieck, F., Rationalisierung der Betriebsorganisation, S. 23; Kosiol, D., Organisation der Unternehmung, S. 23 ff.; Grochla, E., Unternehmensorganisation, S. 14; Frese, E., Organisationstheorie, S. 2; Wild, J., Organisatorische Theorien, Sp. 1276; Bleicher, K., Organisation, S. 35; Hennig, K. W., Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, S. 19, Fn. 9; Ulrich, H., Betriebswirtschaftliche Organisationslehre. Eine Einführung, S. 55; Blohm, H., Organisation, Information und Überwachung, S. 17. Für das amerikanische Schrifttum sind beispielhaft zu nennen: Drucker, P. F., The Practice of Management, S. 13; Koontz, H., O'Donnell, C., Principles of Management, S. 231. 25

So z.B. bei Baier, G., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 55.

26 Hennig, K. W., Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, S. 19. Ähnlich bei Grull, W., Die Organisation von Fabrikbetrieben, S. 7; Hax, K., Planung und Organisation als Instrumente der Unternehmungsführung, S: 611. 27

Vgl. Ulrich, H., Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, S. 55.

Fayol, H., Administration Industrielle et Generale, S. 76 (eigene Übersetzung). 28

26

1. Kapitel: Die Organisation

Produktions- und informationstechnische Fragen werden ebenfalls zur Organisation gerechnet. 29 So stellt Erwiil Grochla das maschinelle Sachmittel als Aktionsträger neben den Menschen als Aktionsträger und begreift demzufolge Organisation als die "Menge der festgelegten . . . Regeln eines sozio-technischen Systems, mit der die Verhaltens- und Leistungserwartungen des Systems an seine Aktionsträger ausgedrückt werden, d.h. das System der personenbezogenen Verhaltensregeln und der maschinenbezogenen Funktionsregeln".30 Nicht alle Vertreter der strukturellen Sichtweise befürworten einen möglichst weiten Organisationsbegriff. Bereits Fritz Nordsieck verweist bestimmte Arbeitsprobleme in andere Wissensgebiete:31 "die des physisch-energetischen Ablaufs der Arbeit in die Physiologie, die der psychologischen Fragen der Arbeit in die Psychologie, die der sozialen Arbeitsprobleme in die Soziologie und Sozialpolitik, die Behandlung technischer Arbeitsfragen in die Technologie usf. Nicht einzuordnen bleibt allein der Komplex von Fragen, die man auch gerne als betriebsorganisatorische Fragen - organisatorische Fragen im eigentlichen Sinne - bezeichnet und die den Aufbau des Betriebes als Arbeitseinheit und die Gliederung der Betriebsleistungen als solche betreffen."

Die Aufgabe steht nach dieser engen Fassung des strukturellen Organisationsbegriffes im Mittelpunkt der Organisation. Nordsieck, der Begründer der aufgabenbezogenen Sicht, schreibt: 32 "Organisieren ... umfaßt das Erfassen, Klären und Gliedern der Aufgabe und des Arbeitsprozesses, das Verteilen der Aufgabe und damit die Gliederung des Betriebes nach Abteilungen und Stellen sowie die Festlegung der Funktionen."

Zahlreiche Autoren erachten Entscheidungsbefugnisse als wesentlich für die Organisation und heben sie in ihren Begriffsabgrenzungen hervor: Max Weber spricht von "der Verteilung von Befehlsgewalten",33 Dieter Schneider sieht als Gegenstand einer einzelwirtschaftlichen Organisationstheorie 29 Etwa bei Schilgen, K., Der Organisationsbegriff in der betriebswirtschaftliehen Literatur, S. 92; Mellerowicz, K., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Bd. I, S. 119; Blohm, H., Organisation, Information und Überwachung, S. 18; Mag, W., Die Unternehmung als System, S. 264. 30

Grochla, E., Organisationstheorie, Sp. 1797.

31

Nordsieck, F., Rationalisierung der Betriebsorganisation, S. 11.

32 Nordsieck, F., S. 24 f. Später auch Kosiol, E., Grundlagen und Methoden der Organisationsforschung, S. 25; Mellerowicz, K., Allgemeiner Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1, S. 119. Eine ähnliche Sicht vertritt in der anglo-amerikanischen Literatur z.B. Drucker, P. F., The Practice of Management, S. 195 ff. 33

Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft, S. 549.

I. Gegenstand und Entstehungsweise der Organisation

27

den Autbau von Entscheidungsgremien und die Verteilung von Handlungsbefugnissen, 34 für Helmut Laux und Felix Liermann befaßt sich Organisation hauptsächlich mit der Frage:35 "Wie sind die Entscheidungskompetenzen zu verteilen ... ?" Als Zwischenergebnis des Literaturüberblicks kann also festgehalten werden: Die Vertreter des strukturellen Organisationsverständnisses betrachten grundverschiedene Strukturen zweckgerichteter Personenvereinigungen als Gegenstand der Organisation, z.B. Materialbeschaffung, Produktions- und Informationstechnik, Aufgaben und Entscheidungsbefugnisse. Das bedeutet: Die Frage, welche Art von Struktur als Gegenstand der Organisation zu gelten habe, wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Das ist problematisch, denn ohne zusätzliche Angaben besagt Struktur nicht mehr als Relation im Sinn der Mengenlehre. 36 Organisation bleibt vorerst also unbestimmt, eine leere Worthülse. Die am meisten überzeugende Antwort auf die Frage nach der Art von Struktur, die als Gegenstand der Organisation gelten soll, stammt meines Wissens von Dieter Schneider. Sie wird im folgenden nachgezeichnet. Drei Arten von Strukturen können nach Meinung von Schneider gebildet werden:37 Beziehungen zwischen Sachen, Beziehungen zwischen Sachen und Menschen sowie Beziehungen zwischen Menschen. Alle drei Strukturen kommen grundsätzlich als Gegenstände der Organisation in Frage; was aber ist sinnvoll? Gewiß spielen sie alle eine wichtige Rolle als Einflußgrößen und müssen, sofern die Institution ihre Ziele erreichen soll, angemessen ausgestaltet werden. Das entscheidende Problem aber lautet: Was haben Beziehungen zwischen Sachen mit Beziehungen zwischen Sachen und Menschen oder gar mit Beziehungen zwischen Menschen zu tun? Sie fallen jeweils in grundverschiedene Wissensgebiete: Produktionstechnik, Logistik, Informationsverarbeitung, Arbeitsmedizin, Ergonomie, Psychologie usw. Sie alle unter einem Dach zusammenzufassen, würde bedeuten, die Organisation zum Gegenstand einer Überwissenschaft zu erheben,38 der Organisationsbegriff würde - so die Kritik von Erich Kosiol - immer mehr verwässern.39 Somit verbleibt als Gegenstand der Organisation nur eine Klasse von Strukturen: die Strukturen zwischen Menschen.

34

Vgl. Schneider, D., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 216.

35

Laux, H., Liermann, F., Grundlagen der Organisation, S. 4.

36

Vgl. Schneider, D., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 212.

37

Vgl. im folgenden Schneider, D., S. 212 f.

38

Siehe dazu Schneider, D., S. 204.

39

Vgl. Kosiol, E., Grundlagen und Methoden, S. 17.

28

1. Kapitel: Die Organisation

Aus dieser Klasse wiederum steht eine Art von Beziehungen im Mittelpunkt: die Beziehungen zwischen Menschen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder einer zweckgerichteten Personenvereinigung, also die Aufgabenbeziehungen. Die Aufgabe wird somit zum Kernbegriff der Organisation; dieser aufgabenbezogenen Sicht schließe ich mich an. Sie .steht - wie die folgenden Absätze zeigen - keineswegs im Widerspruch zu der scheinbar engeren Auffassung, wonach Entscheidungsbefugnisse den Gegenstand der Organisation bildeten.

Merkmal

Ausprägungen

1. Verrichtung 2. Objekt 3. Rang 4. Phase 5. Zweckbezug

verschiedene Verrichtungen verschiedene Objekte Entscheidung oder Ausführung Planung, Durchführung oder Kontrolle wertschöpfende oder unterstützende Aufgaben

Abb. 1: Aufgabenmerkmale und ihre Ausprägungen40

Aufgabe bedeutet meines Erachtens ein Ziel, das zu seiner Erreichung menschliche Arbeitsleistung erfordert und jemandem 'aufgegeben' ist, d.h. einer oder mehreren Personen aufgetragen wird. 4 1 Aufgaben lassen sich nach Kosiol durch fünf Merkmale kennzeichnen: 42 Verrichtung, Objekt, Rang, Phase und Zweckbeziehung (siehe Abb. 1). Das Merkmal Verrichtung bezieht sich auf verschiedene Arbeitsabläufe, in einer Schreinerei z.B. auf das Sägen, Hobeln und Schleifen. Als Objekt wird ein Gegenstand bezeichnet, auf den sich eine Verrichtung erstreckt: Vor- oder Zwischenprodukte (z.B. Rohstoffe oder Werkstoffe), Endprodukte, aber auch Teile des Unternehmens (z.B. Werke), Personen (i.S. von Kundengruppen) oder Absatzgebiete. Das Merkmal Rang trennt zwischen Entscheidung und Ausführung. Das Merkmal Phase gliedert in Planung, Durchführung (Realisierung) und Kontrolle. Das Merkmal Zweckbezug schließlich unterscheidet zwi-

40

Zusammengestellt nach Kosiol, E., Grundlagen und Methoden, S. 33 ff.

41

Vgl. Nordsieck, F., Rationalisierung der Betriebsorganisation, S. 27.

Vgl. im folgenden Kosiol, E. , Grundlagen und Methoden, S. 33 ff. Für eine kritische Würdigung anderer Klassifikationen siehe Kosiol, E., S. 76 ff. 42

I. Gegenstand und Entstehungsweise der Organisation

29

sehen der eigentlichen Leistungserstellung (primäre oder auch exogene Aufgaben) und der Verwaltung (sekundäre oder auch endogene Aufgaben); 4 3 sinngemäß trennen andere Autoren zwischen wertschöpfenden und unterstützenden Aufgaben. 44 Jede Entscheidung kann - das wird aus den Aufgabenmerkmalen nach Kosiol deutlich - als eine Aufgabe begriffen werden. Daher gilt: Aufgaben zu verteilen heißt auch Entscheidungsbefugnisse zu verteilen. 4 5 An dieser Stelle sind drei Begriffe voneinander abzugrenzen: Entscheidungsbefugnis ist die Befugnis, für das Unternehmen im Innenverhältnis oder im Außenverhältnis oder beidem Entscheidungen zu treffen. 46 Weisungsbefugnis bezeichnet die Befugnis, anderen Mitarbeitern verbindliche Anweisungen zu erteilen. Im Außenverhältnis wird nicht von Weisungsbefugnis gesprochen, sondern von Vertretungsbefugnis nach außen. Anstelle von Befugnis wird häufig auch das Wort Kompetenz verwendet- Kompetenz im Sinn "einer sachlich abgegrenzten Zuständigkeitssphäre". 47 Kompetenz in diesem Sinn ist jedoch zu unterscheiden von Fähigkeiten, etwa den strategischen Kompetenzen eines Unternehmens. Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Was ihren Gegenstand betrifft, verstehe ich Organisation allgemein als Ordnung von Aufgaben in einer zweckgerichteten Vereinigung von Menschen, d.h. ich vertrete ein strenge Sicht der strukturellen Organisationsauffassung. Sofern die Personenvereinigung ein Unternehmen ist, bezeichne ich ihre Organisation als Unternehmensorganisation.

3. Entstehungsweise der Organisation

Nachdem im Teilabschnitt zuvor der Gegenstand der Organisation betrachtet wurde, gilt es nun in einem zweiten Schritt ihr Entstehungsweise zu untersuchen, um so schließlich die Organisation als eine bestimmte Art von Ordnung definieren zu können. Die drei zuvor dargestellten Entstehungs43

Siehe Nordsieck, F., Rationalisierung der Betriebsorganisation, S. 14 f.

Siehe Porter, M. E., Wettbewerbsvorteile, S. 39 f. Stalk, G., Hout, T. M., Zeitwettbewerb, S. 204: "Die zentrale Leistungskette umfaßt alle Tätigkeiten, die unmittelbar Wert für den Kunden schaffen. Alles übrige, was im Unternehmen geschieht, dient der Unterstützung." 44

45

Ähnlich auch Steinmann, H., Schreyögg, G., Management, S. 9.

46

Vgl. hierzu Kieser, A., Kubicek, H., Organisation, S. 156 ff.

47

Weber, M., Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft, S. 478.

30

l. Kapitel: Die Organisation

weisen werden hier jeweils gesondert vorgestellt und anschließend zusammenfassend erörtert. Geplante Ordnung. In der Literatur herrscht die Ansicht vor, jede Organisation würde nach einem vorgefaßten Plan entstehen.4 8 Bereits Max Weber versteht Organisation "im gewöhnlichen Sinn einer Ordnung von Menschen und Dingen nach dem Prinzip von Zweck und Mittel",49 als "rational geordnetes Gesellschaftshandeln".so Demnach wird Organisation, was ihren Ursprung angeht, auf die ordnende Tätigkeit des Organisators zurückgeführt. Das ist die herkömmliche Sichtweise der Organisation im funktionalen Sinn (funktionaler Organisationsbegriff): Organisieren als das Entwerfen einer Organisation (Planung der Organisation). Diese Denkrichtung - von Gouldner als rationales Modellbezeichnet SI - versteht Organisation als ein Werkzeug, welches dazu beitragen soll, die Unternehmensziele bestmöglich zu erfüllen52-Organisationerhält einen instrumentellen Charakter.S3 Spontane Ordnung. Organisation wurde bislang als etwas Dauerhaftes, ja: Endgültiges betrachtet.54 Spontane Ordnungen indes galten üblicherweise nicht als Organisation, sondern als Improvisation: als etwas, das mehr vorübergehend und offen bleibend, meist auf kürzere Sicht gedacht sei, "oft nur eine ad-hoc-Lösung des Problems" bringe und "unvollständig oder bruchstückhaft" bleibe. ss Problematisiert werden sie erst seit Ende der siebziger Jahre. Seitdem rücken besonders die laufenden Veränderungen von Ordnungen in den Vordergrund.56 Natürlich entstandene Ordnung. Auch aus biologischer Sicht wird Organisation betrachtet. Bereits 1887 vergleicht Emanuel Herrmann die Arbeitsteilung in der Wirtschaft mit der Organbildung in der belebten Natur;S7 Walter 48 Vgl. Hayek, F. A. von, Arten der Ordnung, S. 34. Ähnlich Hoffmeister, J. (Hrsg.), Wörterbuch der philosophischen Begriffe, S. 445.

s.

49

Weber, M., Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft, S. 659.

50

Weber, M., Die drei reinen Typen, S. 548. Ähnlich Pieper, J., Grundformen,

51

Vgl. Gouldner, A. W., Organizational Analysis, S. 404 f.

52

Siehe dazu Morgan, G., Images of Organization, S. 19 ff.

84.

So bei Gutenberg , E., Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1, S. 236; Drucker, P. F., S. 194; Hax, K., Planung und Organisation, S. 610. 53

54

So z.B. bei Kosiol, E., Grundlagen und Methoden, S. 20.

Kosiol, E., Grundlagen und Methoden, S. 21 f. Siehe dazu etwa Hedberg, B. L T., Nystrom, P. C., Starbuck, W. H., Camping on Seesaws; Weick, K. E., Organization Design; Probst, G. J. B., Malik, F. , Evolutionäres Management. 55

56

57

Herrmann, E., Cultur und Natur, S. 46 ff., zit. nach Schneider, D., S. 213.

II. Organisation und ihr Verhältnis zur Koordination

31

le Coutre kennzeichnet 1930 Organisation als "die Bildung und Gestaltung von Organen und Organismen und deren Lebensbetätigung im Hinblick auf die beste Erfüllung ihrer Zweckbestimmung".5 8 Seine Sicht wird in der deutschen Betriebswirtschaftslehre in den dreißiger Jahren vereinzelt aufgegriffen.59 Seit den fünfziger Jahren findet die biologische Analogie in Form der Systemtheorie starke Beachtung.60 Kritik. Der Versuch, Parallelen zu ziehen zwischen menschlich geschaffenen und natürlich entstandenen Ordnungen, wird in der Literatur von Anfang an in Frage gestellt. Schon Ende des 19. Jahrhunderts wendet sich Fabio Besta gegen die Lehre, das Unternehmen sei ein Organismus.6 1 Abgelehnt wird die biologische Sicht ebenso von Götz Briefs: Anders als der Organismus sei die Organisation eine gewollte Verbindung menschlicher Willen zu bestimmten menschlich gesetzten Zwecken; Naturgesetzmäßigkeit wirke sich in ihr nicht aus.62 Für Dieter Schneider schließlich stellt "jede biologische Analogie lediglich ein nicht strukturgleiches Abbild: einen verfehlten Denkansatz" dar.63 Mit diesen Einwänden übereinstimmend, grenze ich die natürliche Entstehungsweise aus.

Daraus folgt: Als Entstehungsweise der Organisation gilt hier die geplante und die spontane Ordnung.64 Der I. Abschnitt führt somit zu dem Ergebnis. Organisation ist die geplante und die spontane Ordnung von Aufgaben in einer zweckgerichteten Personenvereinigung.

II. Organisation und ihr Verhältnis zur Koordination Durch die Definition der Organisation als eine geplante oder auch spontane Ordnung von Aufgaben in einer zweckgerichteten Personenvereinigung

58

le Coutre, W., Betriebsorganisation, S. 10 ff. (Zitat im Original kursiv).

Beispielsweise bei Fischer, G., Die Grundlagen der Organisation. Siehe dazu Morgan, G., Images of Organization, S. 39 ff., McKelvey , B., Organizational Systematics, S. 81 ff. sowie Grochla, E., Lehmann, H., Fuchs, H., Einführung, Fn. 17. 59

60

61

Vgl. Besta, F., La ragioneria, S. 45 ff., zit. nach Schneider, D., S. 213 f.

Vgl. Briefs, G., Über das Organisationsproblem, S. 5 f. Ähnlich Kosiol, E.• Grundlagen und Methoden der Organisationsforschung, S. 17; sowie Probst, G. J., Scheuss, R.-W. , Die Ordnung von sozialen Systemen, S. 483. 63 Schneider, D., S. 215. Ähnlich Probst, G. J., Scheuss, R.-W., S. 487. 62

64

Ähnlich Probst, G. J. B. , Selbstorganisation, Sp. 2263 f.

32

I. Kapitel: Die Organisation

wurde mit dem I. Abschnitt des Kapitels eine wichtige Grundlage für die Klärung des Organisationsbegriffs geschaffen. Ein angemessenes Verständnis der Organisation muß jedoch weiter reichen. Es muß die Organisation auch in ihrer Bedeutung für die Führung begreifen, insbesondere in ihrem Verhältnis zu anderen Instrumenten der Führung. Bedeutsam ist dieses Verständnis als Grundlage für Kernfragen der vorliegenden Arbeit: in erster Linie für die Bedeutung der Projektorganisation als Antwort auf den Koordinationsbedarf von Projekten (in Kapitel 3) sowie für die Aufgaben der Projektleitung (in Kapitel 4). Klarheit in diesen Fragen ist vor allem auch unverzichtbar, um Projektorganisation gegenüber der weiter gefaßten Projektleitung abgrenzen zu können. Die erforderliche Klarheit zu schaffen ist Ziel des ll. Abschnitts. Im Titel des Abschnitts wird die Abgrenzung zur Koordination, nicht aber die zur Führung herausgestellt. Das geschieht mit gutem Grund: Führung läßt sich, absehend von der eigentlichen Menschenführung, also stark verkürzend, als Koordination bestimmter Sachverhalte begreifen; daher wird in der Literatur anstelle des Ausdrucks Führung häufig der Ausdruck Koordination verwendet. Der II. Abschnitt fragt zunächst nach den Gegenständen und den Ursachen der Koordination, kennzeichnet dabei die Koordination als Kernbegriff der Führung und führt schließlich als Instrumente der Koordination die Planung, Kontrolle und Organisation ein.

1. Gegenstand und Ursache der Koordination

Koordination stammt ab vom mittellateinischen Zeitwort coordinare und bedeutet: (verschiedene Dinge, Vorgänge, Tätigkeiten o.ä.) aufeinander abstimmen, miteinander in Einklang bringen. 65 Eng zusammen mit Koordination hängt die Integration. Das Wort geht zurück auf das lateinische Hauptwort integratio: die Wiederherstellung eines Ganzen; in der Gegenwartssprache bezeichnet es auch die Eingliederung in ein größeres Ganzes oder den Zusammenschluß zu einem größeren Ganzen. 66 Obgleich Fragen der Koordination einen breiten Raum in der Betriebswirtschaftslehre einnehmen, 67 steht nicht fest, was letztlich mit Koordination bezeichnet wird. Zurecht wird also die "Problematik fehlenden systematischen Wissens über

65

Vgl. Drosdowski, G., Duden Bd. 4, S. 1552.

66

Vgl. Drosdowski, G., Duden Bd. 3, S. 1351.

Siehe dazu z.B. Meier, A., Koordination; Lehmann, H., Integration; Frese, E., Koordination; Ders., Koordinationskonzepte; Rühli, E., Koordination; Poensgen, 0. H., Koordination, und die dort jeweils angegebene Literatur. 67

II. Organisation und ihr Verhältnis zur Koordination

33

diesen Sachverhalt" bemängelt.68 Um hier Klarheit zu schaffen, sind meines Erachtens zwei Fragen zu beantworten. Erstens: Was wird koordiniert, d.h. was ist Gegenstand der Koordination? Und zweitens: Aus welchem Grund wird koordiniert, d.h. was ist die Ursache der Koordination? Beide Fragen werden im ersten Teilabschnitt beantwortet.

Gegenstand der Koordination. In der betriebswirtschaftliehen Literatur findet sich eine Fülle von Aussagen zu den Gegenständen der Koordination. Einige Aussagen seien beispielhaft erwähnt. Koordination gilt unter anderem als: -

"Abstimmung interdependenter Entscheidungen",69 ,,Abstimmung interdependenter Einzelergebnisse oder -maßnahmen",70 "Abstimmung der Tätigkeiten verschiedener Menschen" 71.

Der Überblick zeigt so verschiedene Sachverhalte wie etwa Maßnahmen, Tätigkeiten und Entscheidungen als Gegenstände der Koordination, ergibt also keineswegs ein einheitliches Bild. Meines Erachtens lassen sich vier Gruppen von Gegenständen der Koordination bilden: Handlungen, Entscheidungen, Pläne und Ziele. Alle Handlungen im Unternehmen bilden grundsätzlich einen Gegenstand der Koordination; Henry Fayol, ein früher Vertreter dieser Sicht, nennt z.B. Produktion und Absatz, Finanzierung und Investition. 72 Kurz gefaßt, läßt sich diese Sicht bezeichnen als Koordination von Handlungen. Wird alles Handeln als Entscheiden begriffen, so sind alle Entscheidungen, z.B. Investitions- und Finanzierungsentscheidungen, ein denkbarer Koordinationsgegenstand. Hier handelt es sich also um die Koordination von Entscheidungen.13 Aus planungstheoretischer Sicht ist jeder Tatbestand ein denkbarer Gegenstand der Planung, so z.B. der Personalbedarf ein Gegenstand der Personalbedarfsplanung - und damit zugleich ein Koordinationsgegenstand. So entsteht die

69

Hoffmann, F., Führungsorganisation, Bd. I, S. 297. Kirsch, W., Kieser, H.-P., Perspektiven, S. 535.

70

Frese, E., Organisation und Koordination, S. 404.

68

71 Poensgen, 0 . H., Koordination, Sp. 1130. Siehe z.B. auch Kosiol, E., Organisation der Unternehmung, S. 171; Hili, W., Fehlbaum, R., Ulrich, P., Organisationslehre, Bd. 1, S. 28. 72 Vgl. Fayol, H., Administration Industrielle et Generale, S. 128. 73 Siehe dazu etwa Dietel, B., Zur Koordination kollektiver Entscheidungsprozesse in der Unternehmung; Hax, H., Die Koordination von Entscheidungen; Kirsch, W., Die Koordination von Entscheidungen in Organisationen. 3 Beck

34

l. Kapitel: Die Organisation

gängige Sichtweise: Koordination von Plänen.1 4 Insofern als mit Plänen auch Ziele festgelegt sind, umfaßt die Koordination von Plänen zugleich die Koordination von Zielen, z.B. in zeitlicher Hinsicht.75

Ursache der Koordination. Wie die Absätze zuvor zeigten, können Handlungen, Entscheidungen, Pläne und Ziele als die vier grundlegenden Arten von Gegenständen der Koordination in Unternehmen angesehen werden. Weshalb aber werden sie koordiniert? Als Antwort auf diese Frage wird häufig die These vertreten, die Spezialisierung sei Ursache der Koordination: Weil Aufgaben in viele Teilaufgaben zerlegt und an Mitarbeiter verteilt werden, müsse eine zielgerichtete Zusammenarbeit herbeigeführt werden; die Spezialisierung mache eine Koordination erforderlich.76 Nach dieser Sicht ergibt sich "Koordinationsbedarf als Folge der Arbeitsteilung";77 Koordination gilt als Gegenbegriff der Spezialisierung und Organisationsstruktur als Oberbegriff für Spezialisierung und Koordination. 78 Hier stellt sich die Frage: Wie schlüssig ist die Dichotomie von Spezialisierung und Koordination? Als grundlegender Einwand läßt sich gegen sie vorbringen: Das Anordnen von Teilen eines Ganzen ist in sich bereits ein Abstimmen. Wenn dies zutrifft, ist die Spezialisierung ein Teil dessen, was üblicherweise als Koordination bezeichnet wird. Koordination in einem umfassenden Sinn erstreckt sich somit über laufende Abstimmungen hinaus auch auf die Gestaltung der Arbeitsteilung; die Dichotomie von Koordination und Spezialisierung ist demzufolge nicht haltbar. Die Frage nach den Ursachen der Koordination stellt sich damit ein weiteres Mal. Die Antwort lautet nach meinem Dafürhalten: Nicht weil Arbeit geteilt wird, muß koordiniert werden; vielmehr ist Koordination erforderlich, weil finanzielle, personelle und materielle Ressourcen knapp, und die Ziele, die ein Unternehmen verfolgt, in vielfältiger Weise miteinander verknüpft sind. Jede Entscheidung beeinflußt also das Entscheidungsfeld anderer Entscheidungen; ein Nicht-Koordinieren würde den Erfolg schmälern.79 74 Siehe hierzu z.B. Albach, H., Die Koordination der Planung im Großunternehmen; Vischer, P., Simultane Produktions- und Absatzplanung. 75 Vgl. Mellerowicz, K., Untemehmenspolitik, Bd. l, Grundlagen, S. 279 ff. 76 So Kieser, A., Kubicek, H., Organisation, S. 104; Hax, K., Die Koordination von Entscheidungen, S. 610; Lawrence, P. R., Lorsch, J. W., Organization and Environment, S. 7.

77

Laux, H., Liermann, F., Grundlagen der Organisation, S. 7 (Zitat im Original

78

So besonders bei Mintzberg, H., The Structuring of Organizations, S. 2.

fett).

Vgl. Frese, E., Organisation und Koordination, S. 408. Siehe hierzu auch Kap. 5. II. 3. a. 79

II. Organisation und ihr Verhältnis zur Koordination

35

Damit wird deutlich: Die Koordination ist nicht als Folge und ergänzender Gegenbegriff zur Spezialisierung anzusehen, sondern als Grundbedingung für den Erfolg jedes Unternehmens. Diese Auffassung wird in der Literatur vielfach vertreten. Bereits Chester I. Barnard betrachtet die Koordination als wesentliches Kennzeichen für absichtsvolle Personenvereinigungen. 80 Henry Fayol stellt Koordination ausdrücklich auf eine Stufe mit fünf anderen Führungsfunktionen, setzt sie stillschweigend jedoch auf eine höhere Stufe: seiner Meinung nach würden erst die anderen Führungsfunktionen, vor allem Planung und Organisation, eine Koordination bewirken. 81 Als Kernbegriff des Führens wird die Koordination auch von Harold Koontz und Cyrill O'Donnell aufgefaßt. 82 Festzuhalten bleibt folglich: Führen bedeutet im wesentlichen Koordinieren;83 die Koordination gehört sinnvollerweise nicht der Organisation untergeordnet, sondern im Gegenteil der Organisation übergeordnet. Dieses Ergebnis ist grundlegend für das Verständnis und die Klassifizierung der Koordinationsinstrumente.

2. Instrumente der Koordination

Die Einsicht in die Bedeutung der Koordination als Kernbegriff der Führung ist ein erster Meilenstein auf dem Weg zum Verständnis der Organisation und ihres Verhältnisses zur Führung. Ausgehend von dieser Einsicht, stellt sich jetzt die Frage nach der Art und Weise, in der die Koordination zustandekommt. Die Antwort hat nicht alleine die Instrumente der Koordination als solche zu nennen, sondern sie darüberhinaus auch zu klassifizieren - nur so kann die Organisation unter den Instrumenten der Koordination als ein eigenständiger Sachverhalt hervortreten. Diese Klassifikation ist es, was die besondere Schwierigkeit - und zugleich die Bedeutung - des zweiten Teilabschnittes ausmacht. Führung ist meines Erachtens - so eine erste Annäherung 84 - die Koordination wesentlicher Sachverhalte in einer zweckgerichteten PersonenverVgl. Bamard, C. /., The Functions of the Executive, S. 73. Vgl. Fayol, H., Administration Industrielle et Generale, S. 133. 82 Vgl. Koontz, H., O'Donnell, C., Principles of Management, S. 50. 83 Koontz, H., O'Donnell, C., ebd.: "Coordination, the Essence of Managership". Sinngemäß Bea, F. X., Dicht[, E., Schweitzer, M., Einleitung: Führung, S. 6: "Koordination ... ist eine wesentliche Führungsfunktion". 84 Siehe hierzu Kap. 4. II. 3. a. 80

81

36

1. Kapitel: Die Organisation

einigung. Die Maßnahmen und Regelungen, mit deren Hilfe diese Abstimmung erfolgt, werden als Koordinationsinstrumente bezeichnet.SS In der betriebswirtschaftlichen Literatur findet sich, jeweils sehr unterschiedlich klassifiziert, 86 eine beinahe unüberschaubare Fülle solcher Instrumente. Drei Kataloge von Koordinationsinstrumenten seien beispielhaft erwähnt. Harold Koontz und Cyrill O'Donnell nennen fünf Instrumente:87 - Koordination durch Pläne (englisch: to plan), -Koordination durch Kontrolle i.S. einer Steuerung (englisch: to control), -Koordination durch Organisation (englisch: to organize), - Koordination durch Stellenbesetzung (englisch: to staff), -Koordination durch persönliches Anweisen (englisch: to direct). Alfred Kieser und Herbert Kubicek unterscheiden sechs Instrumente:88 -

Koordination durch persönliche Weisungen, Koordination durch Selbstabstimmung, Koordination durch Programme, Koordination durch Pläne, Koordination durch Märkte, Koordination durch Clans.

Nach Knut Bleicher erfolgt Koordination auf drei Wegen: 89 -Koordination durch Vorgaben (i.S. von Strategien}, - Koordination durch Strukturen (i.S. von Organisation) -Koordination durch Verhalten (i.S. von Unternehmenskultur). Wie aus den Beispielen hervorgeht, werden Koordinationsinstrumente in der Literatur üblicherweise aneinandergereiht, z.B. als persönliche Weisung, Pläne, usw. Sie sind demnach als voneinander unabhängige, weil überschneidungsfreie Alternativen anzusehen. Diese Art der Klassifikation erscheint auf den ersten Blick zwar leicht verständlich und schlüssig, ist 85 Zu anderen Begriffsauffassungen siehe Hoffmann , F., Führungsorganisation, S. 316; Kieser,A., Kubicek, H., Organisation, S. 104. 86 Siehe z.B. Frese, E., Organisation und Koordination, S. 405 ff.; Hoffmann, F., Führungsorganisation, S. 338; Kieser, A., Kubicek, H., S. 112 ff.; Kirsch, W., Die Koordination von Entscheidungen in Organisationen, S. 61 ff.; Lawrence, P. R., Lorsch, J. W., Organization and Environment, S. 175; March, J. G., Simon, H. A., Organizations, S. 160. 87 Vgl. Koontz, H. , O'Donnell, C., Principles of Management, S. 53. 88 Vgl. Kieser, A., Kubicek, H., Organisation, S. 112 ff. und S. 128 ff. 89

Vgl. Bleicher, K., Organisation, S. 6 f.

II. Organisation und ihr Verhältnis zur Koordination

37

tatsächlich aber problematisch. Um die Zusammenhänge zwischen den Koordinationsinstrumenten in ihrer ganzen Vielschichtigkeit begreifen zu können, ist meines Erachtens eine Klassifikation anband von mehreren Merkmalen erforderlich. Als erstes Merkmal - und damit zugleich als Ausgangspunkt der folgenden Ausführungen - dient hier das Kosiolsche Aufgabenmerkmal Phase anzusehen, d.h. die Abfolge von Planung, Durchführung und Kontrolle. Koordination durch Planung und Kontrolle. Bereits 1958 unterscheiden James G. March und Herbert A. Sirnon zwei Arten von Koordinationsinstrumenten:90 Koordination im voraus (ex-ante) durch Erwartungsbildung und Koordination im nachhinein (ex-post), beruhend auf Rückkopplung. Beide Instrumente unterscheiden sich in ihrem Zeitbezug. Voraus-Koordination erfolgt durch Pläne; sie legen im voraus fest, welche Aufgaben zu welchen Zeitpunkten bearbeitet werden. Rückkopplungs-Koordination wird notwendig, wenn unvorhergesehene Änderungen eintreten. Voraus-Koordination ist im wesentlichen gleichbedeutend mit Planung: zukünftiges Handeln wird gedanklich geordnet, vorausschauend festgelegt. Planen heißt somit nachdenken, was erreicht werden soll, und wie es am Besten zu erreichen ist.91 Die Koordinationsfunktion der Planung wird in der betriebswirtschaftliehen Literatur ausdrücklich hervorgehoben. 92 Durch die Planung werden Einzelmaßnahmen in einen umfassenderen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang gestellt.93 Ihre koordinierende Wirkung zeigt die Planung folglich in der Zielausrichtung und in der Koordination von Teilplänen.94 Demnach kann der Voraus-Koordination eine Reihe von Instrumenten zugeordnet werden: 95 die Koordination von Zielen, von Entscheidungen und 90

Vgl. im folgenden March, J. G., Simon, H. A., Organizations, S. 160.

Zur Planung siehe Fayol, H., S. 57 ff.; Koontz, H., O'Donnell, C., Weihrich, H., Essentials of Management, S. 61 ff.; Wild, J., Grundlagen der Unternehmungsplanung, S. 12 ff. Für eine Übersicht über Planungsdefinitionen siehe Schweitzer, M., Planung und Kontrolle, S. 19. 91

92 Siehe z.B. Athreya, M., Planning as Integration; Emery, J. C., Organizational Planning and Control Systems, S. 113 ff.; March, J. G., Simon, H. A., Organizations, S. 160. 93

Vgl. Wild, J., S. 17.

94

Vgl. Schweitzer, M., Planung und Kontrolle, S. 21.

95 An dieser Stelle ein klärende Anmerkung: Im Teilabschnitt zuvor wurden als Gegenstände der Koordination u.a. Entscheidungen, Pläne und Ziele angeführt; alle drei gelten in diesem Teilabschnitt nun als Instrumente der Koordination. Wie aber kann etwas zugleich Gegenstand und Instrument der Koordination sein? Die Antwort lautet meines Erachtens: Gegenstände der Koordination sind in erster Linie alle Sachverhalte im Unternehmen, etwa Produktion und Absatz, Investition und Finanzierung. Koordiniert werden sie mit Hilfe von Entscheidungen, Plänen und Zielen; so

38

1. Kapitel: Die Organisation

von Plänen; des weiteren die Vorgabe von Budgets, z.B. in Form von Kosten- oder Umsatzzielen, wie auch die Vorgabe von Programmen, d.h. Abläufen mit Geltungszwang, die Entscheidungen vereinfachen, indem sie jeweils feststehende Maßnahmen als Antwort auf bestimmte Auslöser bestimmen.96 Koordination durch Rückkopplung. Feedback-Koordination ergibt sich aus dem Zusammenwirken von Planung und Kontrolle. Die Kontrolle bildet das ergänzende Gegenstück zur Planung. Streng genommen, besteht Kontrolle in der Ermittlung von Abweichungen zwischen Plangrößen und Vergleichsgrößen - in der Regel zwischen Soll-Werten und Ist-Werten (Ergebniskontrolle).97 Sie zeigt dann, inwieweit erreicht wurde, was erreicht werden sollte. Wenn Plangrößen und Vergleichsgrößen abweichen, sind die Gründe zu untersuchen. Aus den Ergebnissen dieser Abweichungsanalyse können vielfältige Anpassungsmaßnahmen abgeleitet werden. 98 Möglicherweise werden andere Ziele gesetzt, Pläne überarbeitet, Abläufe verbessert, Mittel anders eingesetzt usw. Planung und Kontrolle gehören also zusammen und bewirken so die Steuerung des Unternehmerischen Geschehens. Darin besteht die koordinierende Wirkung der Rückkopplung: Das eigene Handeln wird den veränderten Umständen angepaßt.99

Mit der Betrachtung der Koordinationsinstrumente hinsichtlich der Abfolge von Planung, Durchführung und Kontrolle sind die Grundlagen geschaffen, um das Verhältnis von Organisation und Führung zu klären. Zunächst sind Organisation und Planung zu unterscheiden. Organisation und Planung. Aufbauend auf den Erkenntnissen über Gegenstände und Entstehungsweisen von Ordnungen sowie über Planung als Instrument der Koordination, ist es mit Hilfe einer typologischen Betrachtung möglich, Organisation und Planung in ihrem Verhältnis zu begreifen. Hierbei werden zwei Merkmale miteinander verknüpft: das Merkmal Entstehungsweise mit den zwei Ausprägungen: geplante und spontane Ordnung, sowie das Merkmal Gegenstand mit den zwei Ausprägungen: Aufgaben und verstanden, gelten Entscheidungen, Pläne und Ziele als Instrumente der Koordination. Zugleich entsteht durch Planungen ein dichtes Netz von Plänen - und so leicht der Eindruck, alle diese Pläne seien zu koordinieren, also selbst Gegenstände der Koordination. Das heißt: Rein gedanklich betrachtet, bildet die Planung ein Instrument der Koordination; im betrieblichen Alltag freilich sind Pläne zugleich Gegenstände der Koordination, denn hier verschwimmt die Grenze zwischen Planungsgegenstand und Plan, gewissermaßen die Objektebene mit der Metaebene. 96

Siehe hierzu March, J. G., Simon, H. A., Organizations, S. 122 ff.

97

Vgl. Schweitzer, M., Planung und Kontrolle, S. 88 ff.

98

Vgl. Schweitzer, M. , S. 91.

99

Siehe dazu auch Wild, J., Grundlagen der Unternehmungsplanung, S. 33 ff.

II. Organisation und ihr Verhältnis zur Koordination

39

sonstige Gegenstände (siehe Abb. 2). Die Planung ist, was ihr Ergebnis betrifft, eine geplante Ordnung, entspricht also der linken Spalte in Abb. 2, die Organisation hingegen als eine Ordnung von Aufgaben der oberen Zeile. Die vier Felder ergeben sich wie folgt. Das Feld links oben zeigt die Schnittmenge zwischen Planung und Organisation; hier handelt es sich um eine Ordnung von Aufgaben, die durch Planung zustandekommt, d.h. um das rationale Modell der Organisation. Das Feld links unten stellt die Sachverhalte dar, die wohl der Planung zuzuordnen sind, nicht aber der Organisation, z.B. die Investitionsplanung. Das Feld rechts oben bildet die spontan entstandene Organisation ab, also diejenige Art von Organisation, die das rationale Organisationsverständnis nicht vorsieht. geplante Ordnung

spontane Ordnung

Aufgaben

Organisation

andere Gegenstände Planung

Abb. 2: Organisation und Planung Organisation und Koordination. Die typologische Betrachtung von Organisation und Planung reicht nicht aus, um Organisation als Instrument der Koordination wirklich zu erfassen. Erforderlich ist meines Erachtens eine weitergehende Klassifikation anband des Merkmals Entstehungszeit mit den zwei Ausprägungen: anfangs und laufend. Damit kann unterschieden werden zwischen der anfänglichen Koordination und der laufenden Koordination. Die anfängliche Koordination verstehe ich als das Gestalten eines Rahmens für Tätigkeiten; ergänzt wird sie durch die laufende Koordination als Koordination innerhalb des Rahmens. Die Organisation, insbesondere die geplante, bildet einen solchen Ordnungsrahmen für die weitergehende laufende Koordination in Form von Erwartungsbildung und Rückkopplung; sie ist demnach als ein Instrument der anfänglichen Koordination zu verstehen ("Koordination durch Organisation").100 Die Gestaltung der Organisation kann daher, angelehnt an die Trennung zwischen Objekt- und Meta-

40

1. Kapitel: Die Organisation

sprache, 101 als das Treffen von Metaentscheidungen begriffen werden:l02 indem sie festlegt, auf welche Art und Weise Entscheidungen zustandekommen werden, reicht sie über den Einzelfall hinaus - sie ist eine Entscheidung über Entscheidungen.I03 Die Erkenntnis der Organisation als Instrument der Koordination ist Ausgangspunkt, um den Überblick über die Instrumente der Koordination abzuschließen. Anband des organisatorischen Rahmens als Merkmal können zwei weitere Arten von Instrumenten klassifiziert werden: die Koordination zwischen unterschiedlichen Leitungsebenen und die Koordination innerhalb einer Leitungsebene. Vertikale Koordination verstehe ich als Koordination zwischen Stellen unterschiedlicher Hierarchie- oder Leitungsebenen: Bestimmte Mitarbeiter erhalten Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse; sie entscheiden und weisen die ihnen zugeordneten Mitarbeiter an. Somit trifft die jeweils übergeordnete Stelle, d.h. die Instanz, koordinierende Entscheidungen für untergeordnete Stellen. 104 Diese Art der Koordination wird in der Literatur auch als Koordination durch persönliche WeisunglOS oder hierarchische Koordination I06 bezeichnet. Horizontale Koordination betrachte ich als Koordination zwischen gleichrangigen Stellen oder Bereichen: Entscheidungen, die voneinander abhängen, werden gemeinsam getroffen; die Beschlüsse sind für alle Beteiligten verbindlich. Dieses Instrument ist unter verschiedenen Bezeichnungen bekannt, etwa als gegenseitige Abstimmung,l07 SelbstabstimmunglOS und Gruppenabstimmung 109.

100 Hühner, R., Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, S. 5 (Zitat im Original fett). Ähnlich bereits bei Koontz, H., O'Donnell, C., Principles of Management, S. 52. Ähnlich auch Hoffmann, F., Führungsorganisation, S. 328.

101

Siehe hierzu Seiffert, H., Einführung in die Wissenschaftstheorie, Bd. 1, ff.

102

Vgl. Hoffmann, F., Entwicklung der Organisationsforschung, S. 59.

s. 89

Vgl. Hühner, R., Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, S. 3. Ähnlich Kirsch, W., Meffert, H., Organisationstheorien und Betriebswirtschaftslehre, S. 39; Kosiol, E., Grundlagen und Methoden der Organisationsforschung, S. 20. 103

104

Vgl. Hoffmann, F. , Führungsorganisation, S. 339.

105

Siehe Kieser, A., Kubicek, H., Organisation, S. 104 ff.

106

Laux, H., Liermann, F., Grundlagen der Organisation, S. 110.

107

So bei Mintzberg, H., The Structuring of Organizations, S. 70.

108

So bei Kieser, A., Kubicek, H., Organisation, S. 1 I 5 ff.

109

So bei Laux, H., Liermann, F., Grundlagen der Organisation, S. 110.

II. Organisation und ihr Verhältnis zur Koordination

41

Den Abschnitt zusammenfassend, bleibt festzuhalten: Die Koordination in Unternehmen ist ein äußerst vielschichtiges Phänomen. Erst die Klassifikation anhand Phase (Planung und Kontrolle), Entstehungszeit (anfangs und laufend) und organisatorische Richtung (horizontal und vertikal) schafft die Voraussetzung, um die Instrumente der Koordination zu begreifen, insbesondere die Organisation in ihrem Verhältnis zur Planung und zur laufenden Koordination.

Zweites Kapitel

Das Projekt Für das Verständnis der Projektorganisation liegen mit den Erkenntnissen des ersten Kapitels wertvolle Grundlagen vor. Allerdings reichen sie nicht aus, um Projektorganisation als eine besondere Art von Organisation - und damit als eigenständiges Forschungsproblem - zu bestimmen. Zu untersuchen ist daher, inwiefern Projekte als Aufgaben mit besonderen Eigenschaften angesehen werden können. Am Anfang des zweiten Kapitels hat aus diesem Grund der Projektbegriff zu stehen; die entscheidende Frage muß lauten: Was sind die besonderen Kennzeichen, die eine Aufgabe zu einem Projekt machen (1. Abschnitt)? Ausgehend vom Inhalt des Projektbegriffs, ist die Frage nach seinem Umfang zu beantworten; abzugrenzen ist damit die Menge aller Aufgaben mit den Eigenschaften von Projekten. Dies geschieht in Form eines Überblicks über die Projektarten (II. Abschnitt). Die Einsichten in Inhalt und Umfang des Projektbegriffs bilden wohl den Ausgangspunkt für die Abgrenzung der Projektorganisation als eine bestimmte Art von Organisation, beleuchten aber zuwenig die Bedeutung von Projekten für die Entwicklung von Unternehmen. Gerade jedoch die Rolle von Projekten für die Implementierung von Strategien bildet eine maßgebliche Einflußgröße für die Gestaltung der Projektorganisation (in Kapitel 5) und ist daher in einem eigenen Punkt zu behandeln (III. Abschnitt).

I. Der Projektbegriff

Was Projekt als betriebswirtschaftlicher Fachausdruck bedeutet, ist nach wie vor unklar. 1 Diesen Mangel gilt es zu beheben, um eine Grundlage zu schaffen, auf der Projektorganisation wissenschaftlich behandelt werden kann. Zu klären ist daher: Welche Eigenschaften unterscheiden Projekte von anderen Aufgaben? Die Antwort wird in drei Schritten erarbeitet: Zunächst werden in einer Literaturübersicht die bisherigen Definitionen nach1 Vgl. Cleland, D. /.,King, W. R., Systems Analysis, S. 235; Schröder, H. J., Projekt-Management, S. 15. Dagegen Frese, E., Projektorganisation, Sp. 1961.

I. Der Projektbegriff

43

gezeichnet, um so die üblicherweise genannten Projektmerkmale zu erfassen; danach werden die Merkmale kritisch erörtert, um schließlich zu einer angemessenen Definition zu gelangen.

1. Literaturüberblick

Das Wort Projekt hat eine lange Geschichte. Sein Ursprung liegt in dem lateinischen Verb ,proicere': nach vorne werfen, entwerfen. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurde es abgeleitet aus dem Partizip ,proiectum' und der männlichen Substantivierung ,proiectus' (das nach vorn Geworfene). 2 In der Gegenwartssprache bedeutet Projekt eigentlich ein großangelegtes Vorhaben;3 doch wird es mehr und mehr zu einem Modewort,4 das jedem beliebigen Vorhaben das ,,Flair des Bedeutungsvollen, Fortschrittlichen und Erfolgreichen" verleihen son.s In der Fachliteratur finden sich zahlreiche Versuche, das Wort Projekt zu definieren. Drei Vorgehensweisen lassen sich meines Erachtens unterscheiden: die Umschreibung mit Hife von Nominaldefinitionen, die Bildung zweier Klassen von Projektmerkmalen und die Verwendung von Projekt als ein relativer Begriff. Entsprechend dieser Dreiteilung, werden die Definitionen im folgenden dargestellt. Nominaldefinitionen. In den Nominaldefinitionen werden unterschiedliche Merkmale angeführt; Projekte gelten meist als eine besondere Art von Aufgabe. John S. Baumgartner beschreibt Projekte als .,critical, complex problems".6 David I. Cleland hebt hervor, daß Projekte über einzelne Fachabteilungen hinausreichen und möglicherweise weitere Unternehmen miteinschließen:7 "a !arge single-purpose project that cuts across interior organizational flows of authority and responsibility, and radiates outside to independent organizations."

2 Vgl. Grimm, J., Grimm, W., Deutsches Wörterbuch, Siebenter Band: N - Q, Sp. 2163

3

Vgl. Drosdowski, G. (Hrsg.), Duden Bd. 5, S. 2050.

Zur Verwendung des Ausdrucks in der Kunst siehe Henscheid, E., Projektquatsch. 5 Pinkenburg, H. F. W., Projektmanagement, S. 94. 6 Baumgartner, J. S., Project Management, S. 7. 4

7

Cleland, D. /., Why Project Management?, S. 82.

44

2. Kapitel: Das Projekt

R. L. Martino betont die zeitliche Begrenzung, d.h. den festgelegten Anfang und das festgelegte Ende, sowie den Ressourceneinsatz und die Abhängigkeiten zwischen den Teilaufgaben eines Projektes:S "A project is any task which has a definable beginning and a definable end and requires the expenditure of one or more resources in each of the seperate but interrelated and interdependent activities which must be completed to achieve the objectives for which the task (or project) was instituted."

John M. Stewart sieht das Besondere eines Projektes in Umfang, Neuheit, Komplexität und Bedeutung.9 Richard A. Goodman nennt als weiteres Merkmal die bestimmte Zielsetzung und schreibt: 10 "Generally, the project technique can be effectively applied to a one-time undertaking that is: Definable in terms of a specific goal, lnfrequent, unique, or unfamiliar to the present organization, Complex with respect to the interdependence of detail task accomplishment, Critical to the company because of threat of loss or serious penalty."

Paul 0. Gaddis vertritt eine Mindermeinung; er betrachtet Projekte nicht als eine bestimmte Art von Aufgabe, sondern als organisatorische Teilbereiche mit einer bestimmten Aufgabe: II "A project is an organization unit dedicated to the attainment of a goal - generally the successful completion of a developmental product on time, within budget, and in conformance with predetermined performance specifications."

Die frühen Definitionen stammen ausnahmslos von amerikanischen Autoren, die in den sechziger Jahren ihre Erfahrungen mit Projektmanagement durch Aufsätze und Bücher einer breiten Leserschaft vermitteln. Anfang der siebziger Jahre beginnen deutschsprachige Forscher, sich mit Projektmanagement zu befassen; sie übernehmen größtenteils die amerikanischen Defi-

8

Martino, R. L., Project Management and Control, S. 17.

9

Vgl. Stewart, J. M., Making Project Management Work, S. 293.

10 Goodman, R. A., Ambiguous Authority Definition in Project Management, S. 396. Diese Definition findet sich wieder bei Middleton, C. J., How to Set Up a Project Organization, S. 73 f. Ähnlich Avots, /., Why Does Project Management Fail?, S. 77. II

Gaddis, P. 0., The Project Manager, S. 89.

I. Der Projektbegriff

45

nitionen. Harald J. Sehröder übersetzt Martinos Definition ins Deutsche.l2 Othmar Hegi definiert Projekte als Vorhaben mit folgenden Kennzeichen:l3 "Das Ziel ist im voraus festgelegt die Frist für die Erreichung des Zieles ist bestimmt die Mittel sind begrenzt mehrere verschiedenartige Stellen innerhalb und gegebenenfalls auch außerhalb der eigenen Organisation sind beteiligt das Vorhaben besitzt eine gewisse Einmaligkeit."

Manfred Dullien versteht Projekte als umfangreiche, einmalige und komplexe Vorhaben; 14 Jürgen Wild beschreibt sie als:l5 "Aufgabenstellungen ... , die zeitlich begrenzt, neuartig oder einmalig sind, die die funktionale Abteilungsgliederung übergreifen (Querschnittsaufgaben), die vielseitige fachliche Ansprüche (Kombination von Spezialisten) stellen und zwecks rascher Erledigung eine hauptamtliche Führungseinheit erfordern."

Diese vier frühen deutschsprachigen Definitionen bilden den Grundstock, an dem sich in der Folge die meisten Autoren mehr oder weniger streng ausrichten. 16 Nur einige wenige Autoren rücken bestimmte Kennzeichen in den Vordergrund. A. Zogg betont die zeitliche Begrenzung als wichtiges Merkmal und kennzeichnet Projekte als "zeitlich begrenzte Vorhaben zum Lösen von Problemen". I? Die Einmaligkeit von Projekten tritt in der DIN 69 901 hervor;l8 ein Projekt ist demnach ein "Vorhaben, das im wesentlichen durch die Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist, z.B. Zielvorgabe 12

Siehe Schröder, H. J., Projekt-Management, S. 15 f.

13

Hegi,O.,Projekt-Management, S. 381.

14

Vgl. Dullien, M., Flexible Organisation, S. 21.

15

Wild, J., Product Management, S. 39.

16 Siehe die Definitionen bei Kirsch, W. u.a., Betriebswirtschaftliche Logistik, S. 726; Dreger, W., Projekt-Management, S. 2; Rinza, P., Projektmanagement, S. 3; Rüsberg, K.-H., Praxis des Project- und Multiproject-Management, S. 20; Haberfellner, R., Projekt-Management, S. 121 f.; Frese, E., Projektorganisation, Sp. 1960 f. ; Madauss, B.-J., Projektmanagement, S. 7 f. und S. 388; Kuba, R. W., Computergestützte Projektorganisation, S. 11; Bleicher, K., Organisation, S. 135; Grün, 0., Projektorganisation, Sp. 2102. 17

Zogg,A., Systemorientiertes Projekt-Management, S. 12. Ganz ähnlich Zijl,

N. van, Projektmanagement heute, S. 8: "Ein Projekt ist ... ein Vorhaben mit einem

Beginn und einem Ende." 18

Deutsches Institut für Normung e. V. (Hrsg.), DIN 69 901, S. 1.

46

2. Kapitel: Das Projekt zeitliche, finanzielle, personelle und andere Begrenzungen Abgrenzung gegenüber anderen Vorhaben projektspezifische Organisation."

Insgesamt ergibt sich aus den bisher genannten Definitionen folgende Liste von Projektmerkmalen (in alphabetischer Reihenfolge): - Bedeutung (Dringlichkeit), - Einmaligkeit (Besonderheit, Seltenheit), - Komplexität (interdisziplinärer Charakter), - Neuigkeit, - organisatorischer Anpassungszwang, - Ressourceneinsatz (begrenzte Ressourcen), -Risiko, - Schwierigkeit, -Umfang, - zeitliche Befristung (feststehende Anfangs- und Endzeitpunkte), - Zielvorgabe (bestimmte Zielsetzung). Zwei Klassen von Projektmerkmalen. Einige wenige Autoren in der deutschsprachigen Literatur unterscheiden zwei Klassen von Projektmerkmalen. Begriffliche Merkmale sind die Merkmale, die "als condition sine qua non vorhanden sein müssen, um . . . vom Tatbestand eines Projektes sprechen zu können", 19 sie grenzen Projekte von anderen Aufgaben ab.20 Prägende Merkmale hingegen verleihen "dem Projekt eine jeweils individuelle Prägung, einen bestimmten Charakter",21 sie sind bedeutsam für die Unterscheidung einzelner Projektarten.22 Bezeichnet werden die Merkmale auch als notwendig und hinreichend 23 oder definitorisch und prägend 24 oder begrifflich (konstitutiv) und faktisch 25. Wie ein Vergleich zeigt, ergeben die Abgrenzungen kein einheitliches Bild.26 Zwar gelten übereinstimmend Zeitbegrenzung und Zielvorgabe als begriffliche Merkmale sowie die Komplexität als prägendes Merkmal. Hinsichtlich der übrigen Merkmale

19

Pinkenburg, H. F. W., Projektmanagement, S. 107 ff.

20

Vgl. Dülfer, E. , Projekte und Projektmanagement im internationalen Kontext,

21

Pinkenburg, H. F. W., ebd.

22

Vgl. Dülfer, E., ebd.

s. 7. 23

Vgl. Dreger, W., Projekt-Management, S. 5 f.

24

Vgl. Pinkenburg, H. F. W., S. 107.

25

Vgl. Dülfer, E., ebd.

Vgl. im folgenden Dreger, W., ebd.; Pinkenburg, H. F. W., S. 107 ff. und S. 114 ff.; Dülfer, E., ebd. 26

I. Der Projektbegriff

47

indes, darunter z.B. Bedeutung, Einmaligkeit und Neuartigkeit, gehen die Ansichten auseinander; so gilt etwa der Zwang zur organisatorischen Anpassung als begriffliches Merkmal, als prägendes Merkmal oder wird nicht erwähnt. Projekt als relativer Begriff. Vereinzelt wird die Sicht vertreten, eine Aufgabe sei nicht an sich ein Projekt, sondern würde zum Projekt erklärt;27 Projekt sei demnach ein relativer Begriff. Maßgeblich für die Bewertung sind die organisatorischen Anforderungen einer Aufgabe; als Projekte gelten Aufgaben, die einen organisatorischen Anpassungszwang auslösen.28 Ob im einzelnen Fall ein solcher Zwang besteht, hänge davon ab, wie die Aufgabenmerkmale ausgeprägt sind - und zwar im Verhältnis zu den Gegebenheiten, d.h. der Geschäftstätigkeit und Größe des Unternehmens.29

2. Kritik der Projektmerkmale Die in der Literatur als Merkmale von Projekten angeführten Kennzeichen sind, nachdem sie in einem ersten Schritt vollständig erfaßt wurden, in einem zweiten Schritt daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie in der Lage sind, Projekte als eine bestimmte Art von Aufgaben von anderen Aufgaben abzugrenzen. Die Kritik der Projektmerkmale ist Gegenstand dieses Teilabschnitts: zunächst werden Zeit- und Ressourcenbegrenzung sowie Zielvorgabe erörtert, danach Komplexität, anschließend Neuheit, Risiko und Einmaligkeit sowie zuletzt Bedeutung, Dringlichkeit und Umfang. Die Unterscheidung zweier Klassen von Projektmerkmalen sowie die Verwendung von Projekt als ein relativer Begriff werden im nächsten Teilabschnitt zur Sprache kommen. Zeitbegrenzung, Ressourcenbegrenzung, Zielvorgabe. Die Zeitbegrenzung ist ein fragwürdiges ProjektmerkmaL Zwar sind die Aufgaben, die nach herrschender Meinung als Projekte gelten, tatsächlich zeitlich begrenzt, das aber sind nicht nur sie: Zeitlich begrenzt sind auch die Modellzyklen industrieller Serien- und Massenerzeugnisse - ihr Ende ist im voraus festgelegt, also abzusehen.

27

So z.B. bei Klaus, H. G., Aufbau von Projektmanagement-Systemen, S. 30.

Vgl. Klaus, H. G., S. 21. Vgl. Schmitz, H. , Windhausen, M. P., Projektplanung und Projektcontrolling, S. 3; Zogg, A., Systemorientiertes Projekt-Management, S. 15. 28 29

48

2. Kapitel: Das Projekt

Ressourcenbegrenzung als Projektmerkmal bedeutet: Mitarbeiter und Sachmittel, Geld und Zeit sind knapp bemessen, somit ist die Aufgabe als ein Projekt. Dagegen ist einzuwenden: Güterknappheit ist eine Grundtatsache des Wirtschaftens; Mittel sollten stets bestmöglich verwendet werden - nicht nur bei Projekten. Die Zielvorgabe - oder auch: bestimmte Zielsetzung -gilt ebenso als Merkmal von Projekten. Hier lautet die entscheidende Frage: In welcher Hinsicht muß eine Aufgabe bestimmt sein, um als Projekt zu gelten? Als Projektziele werden in der Literatur üblicherweise Termine, Kosten und Qualität angeführt. Diese Triade der Projektziele wird bereits seit Ende der fünfziger Jahre von zahlreichen Autoren beschrieben;30 teilweise wird sie auch als ,originäres Zielsystem•31 oder als ,triple constraint•32 bezeichnet. Termine beschreiben Anfangs- und Endzeitpunkte; Kosten erstrecken sich auf den in Geldeinheiten bewerteten Ressourceneinsatz; Qualitäts- oder Leistungsziele bestimmen die Art und die Menge der Leistungen in fachlicher Hinsicht. 33 Bezüglich aller drei Ziele sind auch Fertigungsabläufe bei Serienerzeugnissen bestimmt. Damit erweist sich die Definition des Ausdrucks Projekt mit Hilfe des Merkmals Zielvorgabe als eine LeerformeL Insgesamt bleibt festzuhalten: Zeitbegrenzung, Ressourcenbegrenzung sowie Zielvorgabe sind keine ausschließlichen Merkmale von Projekten, sondern ganz allgemein Merkmale von Aufgaben. 34

Komplexität. Komplex bedeutet ganz allgemein: vielschichtig, zusammenhängend oder auch (vieles) umfassend. Der Ausdruck wird in vielen Wissenschaftsgebieten verwendet. Auch in der Betriebswirtschaftslehre wer-

30 So z.B. bei Gaddis, P. 0 ., The Project Manager, S. 89: "the successful completion ... on time, within budget, and in conformance with predetermined performance specifications."; Baumgartner, J. S., Project Management, S. 8: "producing project deliverable items on time, within the contemplated cost, with the required reliability and performance." Ähnlich Janger, A. R., Anatomy of the Project Organization, S. 13; Cleland, D. /.,King, W. R., Systems Analysis and Project Management, S. 191. 31 Vgl. Grün, 0., Projektorganisation, Sp. 2103. 32 33

Vgl. Frame, J. D., Managing Projects in Organizations, S. 5. Vgl. Cleland, D. /.,King, W. R., ebd.; ähnlich Grün, 0., ebd.

34 Ähnlich stellt Schelle, H., Zur Lehre vom Projektmanagement, S. 3, fest: "Selbstverständlich kann die Produktion einer Serie einen geplanten Start und ein definiertes Ende haben. Der Tatbestand des Verbrauchs von Einsatzmitteln unterscheidet ebenfalls Leistungserstellung mit Projektcharakter nicht von repetitiven Formen der Leistungserstellung."

I. Der Projektbegriff

49

den Fragen der Komplexität behandelt.35 Ein klares und einheitliches Verständnis davon, was Komplexität bedeutet, fehlt jedoch. 36 Grundsätzlich kann Komplexität mit Hilfe der zwei Begriffe Element und Relation erfaßt werden. Aus systemtheoretisch-kybernetischer Perspektive versteht Stafford Beer Komplexität als Ausmaß der Vielfalt von Elementen und ihren Beziehungen.37 "Die Unterscheidung zwischen Einfachheit und Komplexität ruft", wie Friedrich A. von Hayek erkennt, "beträchtliche Schwierigkeiten hervor, wenn man sie auf die Formulierung theoretischer Aussagen anwendet". 38 Zur Messung des Komplexitätsgrades verschiedener Arten von abstrakten Mustern schlägt er folgenden Weg vor:39 "Ein unzweideutiges Kriterium scheint die Mindestzahl der Elemente des Musters zu liefern, aus der ein Einzelfall des Musters bestehen muß, um sämtliche charakteristischen Eigenschaften der betreffenden Klasse von Mustern aufzuweisen."

In den meisten Definitionen des Ausdrucks Projekt taucht Komplexität auf; eine Ausnahme bildet die DIN 69 901. 40 Die wenigen Autoren, die den Ausdruck erläutern, betrachten Komplexität in erster Linie von der Aufgabe her: Komplexität steht für das Ausmaß der wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Aufgaben verschiedener Fachrichtungen,41 für "die Anzahl und Verschiedenartigkeit der Projekt-Teilaufgaben sowie ihre Verflechtung und gegenseitige Abhängigkeit". 4 2 Aus den Aussagen lassen sich meiner Meinung nach zwei grundverschiedene Auffassungen herausschälen: Komplexität erstens als Ausmaß der Abhängigkeit zwischen Aufgaben oder zweitens im strengeren Sinn als das Ausmaß der Abhängigkeit zwischen verschiedenartigen Aufgaben.

35 Siehe dazu beispielsweise Simon, H. A., The Architecture of Complexity; Luhmann, N., Komplexität; Bronner, R., Komplexität; Child, P., The Management of Complexity; Roever, M., Weg mit dem Wasserkopf. Überkomplexität; sowie die dort angeführte Literatur. 36 Vgl. Luhmann, N., Komplexität, Sp. 1064; Bronner, R., Komplexität, Sp.ll2l. 37 Beer, S., Kybernetik und Management, S. 27. 38

Hayek, F. A. von, Die Theorie komplexer Phänomene, S. 12.

39

Hayek, F. A. von, ebd.

40 41

Siehe hierzu den Wortlaut des Zitats im l. Teilabschnitt Vgl. Stewart, J. M., Making Project Management Work, S. 294.

42

Lehner, F. u.a., Organisationslehre für Wirtschaftsinformatiker, S. 465.

4 Beck

50

2. Kapitel: Das Projekt

Die erste Auffassung tritt deutlich hervor in der folgenden Aussage von J. Davidson Frarne:43 "Projects are inherently complex. They entail carrying out multiple activities that are related to each other in both obvious and subtle ways. Some tasks cannot be executed until other tasks have been completed, some must be carried out in parallel, and so on. Should the tasks get out of sync with each other, the whole project may be jeopardized."

So verstanden, würden auch Fertigungsabläufe bei Serien- und Massenerzeugnissen komplexe Aufgaben bilden.44 Ebenso würden der Bau einer Geige oder das Malen eines Bildes als komplexe Aufgaben gelten - und somit als Projekte. Komplexität im Sinn des Ausmaßes der Abhängigkeit zwischen Aufgaben ist somit nutzlos für das Problem, das hier erörtert wird. Der Übergang von Komplexität im Sinn von Abhängigkeit zwischen Aufgaben zu Komplexität im Sinn von Abhängigkeit zwischen verschiedenartigen Aufgaben zeigt sich z.B. in der Aussage von Hans G. Klaus: 45 "Außerdem werden ganz unterschiedliche Arten von Einzelleistungen benötigt, die den Einsatz und die Zusammenarbeit verschiedener Spezialisten erfordern. ... Es genügt nicht, Spezialisten aus nur einem Fachgebiet zu beteiligen, sondern es sind interdisziplinäre Ansätze für die Aufgabenlösung erforderlich."

Wie das Zitat zeigt, geht die zweite Fassung des Komplexitätsbegriffes über die reine Abhängigkeit zwischen Teilaufgaben hinaus und betont ihre Verschiedenartigkeit. Komplexität bedeutet demnach die Verschiedenartigkeil der Teilaufgaben einer Aufgabe. Dieser Gedanke wird in den folgenden Absätzen vertieft. Teilaufgaben entstammen stets bestimmten Wissensgebieten - sog. Fachgebieten, Disziplinen oder auch Spezialfächern. Die zahlreichen Wissensgebiete, die in hoch entwickelten Gesellschaften hervorgebracht werden, können meiner Ansicht nach mit Hilfe von drei Klassifikationsebenen näherungsweise erfaßt werden. Die erste Ebene unterscheidet nach Fächern, d.h. Wissenschaftsdisziplinen, z.B. Wirtschaftswissenschaften, Biologie, Informatik oder Philosophie; interdisziplinäres Arbeiten bedeutet also strenggenommen ein Arbeiten über die Grenzen einzelner Wissenschaften hinweg. Die zweite Ebene trennt innerhalb der einzelnen Fächer zwischen verschiedenen Teilgebieten, den sog. Fachrichtungen, in der Betriebswirtschaftslehre z.B. zwischen Vertrieb, Personalwirtschaft und Kostenrechnung.

43

Frame, J. D., Managing Projects in Organizations, S. 3.

44

Vgl. Dülfer, E., S. 13.

45

Klaus, H. G., Aufbau von Projektmanagement-Systemen, S. 23 f.

51

I. Der Projektbegriff

Die dritte Ebene untergliedert innerhalb der einzelnen Fachrichtungen zusätzlich nach bestimmten Gegenständen, etwa Produkten, Regionen oder Werkstoffen; beispielsweise lassen sich die steuerrechtliehen Fragen der Angebotserstellung für ein Wasserkraftwerk klassifizieren hinsichtlich des Produktes, d.h. Steuerrecht im Zusammenhang mit den Turbinen, mit den Generatoren und mit der Leittechnik. Die Unterschiede zwischen den Fächern, Fachrichtungen und enger gefaßten Wissensgebieten zeigen sich nicht nur in vielfältigen Bezeichnungen, sondern auch in vielfältigen Ausbildungs- und Studiengängen, Berufsbildern, Denkweisen, Methoden und Sprachgebräuchen. Im Zuge des wissenschaftlichen Fortschritts - oder allgemeiner: der Menschheitsentwicklung - werden sich diese Unterschiede immer wieder verändern. Dies ist hier von untergeordneter Bedeutung; entscheidend ist in erster Linie das Ausmaß der Verschiedenartigkeit von Einzelaufgaben einer Aufgabe. einfach

komplex

Aufgabe

Aufgabe

Fachgebiet

Fachgebiet

Fachgebiet

Fachgebiet

Abb. 3: Aufgaben und ihre Grade der Komplexität

Aus den Überlegungen zur Verschiedenartigkeit von Teilaufgaben folgt meines Erachtens: Komplexität läßt sich definieren als die Anzahl von unterschiedlichen Fach- oder Wissensgebieten bei der Lösung einer Aufgabe. Komplexe Aufgaben sind demzufolge Aufgaben, deren Lösung Kenntnisse und Fertigkeiten aus verschiedenen Fachgebieten erfordert, d.h. ein Zusammenarbeiten über die Grenzen mehrerer Wissensgebiete hinweg (siehe Abb. 3).46 Anzumerken ist hierbei: Fach- oder Wissensgebiete verwende ich als zusammenfassende Bezeichnungen, die sich über alle drei der o.g. Klassifi-

46 Sinngemäß spricht Galbraith, J. R., Matrix Organization Designs, S. 37, von: "cross-functional problems". Ähnlich Greiner, L. E., Schein, V. E. , The Paradox of Managing a Project-Oriented Matrix, S. 19. 4*

52

2. Kapitel: Das Projekt

kationsebenen erstrecken, also über Fächer, Fachrichtungen sowie weiter eingegrenzte Spezialgebiete. Komplexität in dieser zweiten Sicht scheint zunächst geeignet, um Projekte als eine bestimmte Art von Aufgaben zu definieren: als Aufgaben, an denen Personen aus verschiedenen Fachgebieten zusammenarbeiten. Aufgaben mit klarem Projektcharakter, wie z.B. die Entwicklung eines neuen Automobils oder die Ausrichtung olympischer Spiele, würden damit erfaßt - allerdings auch solche Aufgaben, die üblicherweise nicht als Projekte gelten, etwa regelmäßig stattfindende Besprechungen mit Vertretern aus verschiedenen Fachabteilungen, z.B. Rechnungswesen, Beschaffung, Fertigung und Vertrieb. Zusammenfassend ergibt sich: Komplexität eignet sich auch in der zweiten Variante nur begrenzt als Projektmerkmal. Abschließend eine Anmerkung: Die zwei Auffassungen von Komplexität stehen in der Literatur teilweise nebeneinander, ohne daß klar ist, wie sie sich zueinander verhalten. 47 Somit erweist sich Komplexität als eine irreführende, weil mehrdeutige Bezeichnung. Aus diesem Grund wird sie im folgenden so weit wie möglich vermieden, und der Sachverhalt ausdrücklich bei seinem Namen benannt.

Neuheit, Einmaligkeit, Risiko. Neuheit bedeutet hier ganz allgemein verschieden vom bisherigen: neu begründend, neu schaffend, neue Wege entdeckend; neues Wissen wird erarbeitet, denn das Wissen, das vorliegt, läßt sich auf eine Aufgabe nicht übertragen. Eine neue Aufgabe in diesem Sinn entspricht einem offenen - oder: schlecht strukturierten - Problem: einem Problem mit unbestimmten Zielen, unbekannten Lösungswegen und unberechenbaren Auswirkungen.48 Im Zusammenhang mit der Neuheit werden in der Literatur drei weitere Merkmale gebraucht: Bestimmtheit der Zielvorgabe, Vertrautheit sowie Innovationsgehalt. Die Bestimmheil der Zielvorgabe steht im umgekehrten Verhältnis zur Neuheit einer Aufgabe, das gleiche gilt für die Vertrautheit mit den Kenntnissen und Fertigkeiten, die eine Aufgabe erfordert.49 Aufgrund ihrer Neuheit werden Projekte auch als Innovationen angesehen. 50

47

So z.B. bei Du/lien, M., Zur Anatomie des Projekt-Managements, S. 261.

Zur Unterscheidungzwischen wohlstrukturierten und defekten Problemen siehe Schweitzer, M., Planung und Kontrolle, S. 31. Siehe hierzu auch Kap 5. II. 1. 48

49

Vgl. Schröder, H. J., Projekt-Management, S. 17; ähnlich Dreger, W., S. 6.

so Siehe z.B. Pinkenburg, H. F. W., Projektmanagement, S. 119 ff. Zum Innovationsbegriff siehe z.B. Hauschildt, J., Innovationsmanagement, Sp. 1029 f.; Leder, M., Innovationsmanagement, S. 6 f.; Marr, R., Innovation, Sp. 948 ff.; Pfeiffer, W., Staudt, E., Innovation, Sp. 1943 f.

I. Der Projektbegriff

53

Lösungen für eine Aufgabe sind oftmals nicht als Ganzes neu; lediglich einzelne Schritte des Lösungsweges sind neu. Die übrigen Schritte beruhen auf bekannten Grundmustern, welche auf die Aufgabe übertragen und den Umständen des Problems augepaßt werden.5 1 Als Merkmal verfügt Neuheit demnach nicht nur über die zwei Ausprägungen: ja oder nein, sondern über nicht zählbar viele Ausprägungen: unendlich viele Grade der Neuheit. Wie neu eine Aufgabe sein muß, um als Projekt zu gelten, ist unklar. Selbst die Eingrenzung auf verhältnismäßig neuartige Aufgaben hilft nicht weiter, um Projekte als eine bestimmte Art von Aufgabe zu kennzeichnen. Entscheidend ist: Auch eine bekannte Aufgabe kann ein Projekt sein, etwa der Bau eines Verwaltungsgebäudes in einer bekannten Bauweise. Umgekehrt sind nicht alle neuartigen Aufgaben zugleich Projekte; solange ein Forscher ganz alleine ein Problem bearbeitet, fehlt der fächerübergreifende Charakter. Selbst eine neuartige Aufgabe wird also erst zum Projekt, wenn sie verschiedene Fachgebiete umfaßt. Neuheit eignet sich somit nicht zur Definition des Wortes Projekt. Die Einmaligkeit gilt bereits seit den sechziger Jahren als wichtiges Merkmal von Projekten.52 In einen engen Zusamenhang mit der Einmaligkeit werden in der Literatur weitere Merkmale gestellt: Erstmaligkeit, Neuheit, Besonderheit und Singularität. Was die Merkmale im einzelnen bedeuten und wie sie zusammenhängen, steht nicht fest. Allgemein gilt: Einmaliges wiederholt sich nicht; wenn es auftritt, ist es zugleich etwas Erstmaliges, also eine Neuheit. Demzufolge entsprechen den Graden der Neuheit ebensoviele Grade der Einmaligkeit. Wie einmalig aber muß eine Aufgabe sein, um als Projekt zu gelten? Streng genommen, würden nur solche Aufgaben als Projekte gelten, die als Ganzes einmalig, die Ersten ihrer Art sind. Der Bau der ersten Hängebrücke beispielsweise wäre in diesem Sinn ein Projekt, nicht dagegen alle späteren Bauten von Hängebrücken. So eng betrachtet, erscheint Einmaligkeit wenig hilfreich, um den Ausdruck Projekt zu definieren. Wegen der Probleme, welche die strenge Sichtweise aufwirft, wird Einmaligkeit meist in einem weiten Sinn verstanden; zwei verschieden weite Fassungen sind gebräuchlich. Erstens wird Einmaligkeit aus der Sicht des Unternehmens beurteilt: Eine Aufgabe gilt als einmalig, wenn sie für die

51 Popper, K. R., Das Elend des Historizimus, S. 9: "In der Welt, die durch die Physik beschrieben wird, kann nichts wirklich und wesenhaft Neues geschehen. Eine neue Maschine kann erfunden werden, aber sie läßt sich stets als Neuanordnung von Elementen begreifen, die selbst keineswegs neu sind. Neuheit in der Physik ist nur eine Neuheit der Zusammenstellungen, der Kombinationen."

52

So bereits bei Stewart, J. M., Making Project Management Work, S. 294.

54

2. Kapitel: Das Projekt

betrachtete Institution neu ist, also eine Innovation darstellt.53 Zweitens wird Einmaligkeit auf die Bedingungen bezogen, unter denen eine Aufgabe zu bearbeiten ist, d.h. auf die natürlichen, technischen, wirtschaftlichen, rechtlichen oder auch politischen Gegebenheiten. 54 Als Projekt gilt demzufolge jedes "Vorhaben, das im wesentlichen durch die Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist".55 Der Bezug zu den Gegebenheiten oder Sachzwängen einer Aufgabe vermag das Problem, das hier erörtert wird, nicht zu lösen. Jede Aufgabe ist in irgendeiner Weise einzigartig - auch der Bau einer Geige oder das Malen eines Bildes, ja selbst ein jedes Unternehmen mit seiner Aufgabe, bestimmte Produkte für bestimmte Kunden anzubieten. 56 Weiterhin ist zu fragen: Unterscheiden sich Aufgaben und Rahmenbedingungen oder bilden die Rahmenbedingungen nicht vielmehr einen Teil der Aufgabe? Solange Aufgabe und Rahmenbedingungen nicht eindeutig voneinander abgegrenzt werden, fällt die Argumentation, nach welcher Projekte als Aufgaben mit einmaligen Rahmenbedingungen definiert werden, in sich zusammen. Vor diesem Hintergrund muß meines Erachtens auch die Ansicht, Projekte bildeten einen Gegensatz zum Tagesgeschäft, kritisch hinterfragt werden. Nach dieser weit verbreiteten Ansicht wird das Tagesgeschäft durch die "übrigen Aufgaben in der Unternehmung" gebildet, 57 durch das "betriebliche Alltagsgeschäft oder Routinearbeiten". 58 Vereinzelt gilt als Gegensatz zum Projekt der Prozeß, verstanden als "eine mehrfache Wiederholung von gleichen oder ähnlichen Maßnahmenkomplexen". 59 Diese Gegenüberstellungen gelten nicht für alle Arten von Unternehmen: Das Tagesgeschäft von Anbietern komplexer Einzelleistungen - in erster Linie Unternehmen der Sauwirtschaft, des Anlagenbaus, der Wirtschafts- und EDV-Beratung besteht aus Aufgaben, die fächerübergreifendes Zusammenarbeiten erfordern. Bei Unternehmen mit dieser Art von Leistungsprogramm wird die Ge-

53

Vgl. Dülfer, E., S. ll.

Vgl. Deutsches Institut für Normung (Hrsg.), S. I; Dülfer, E., ebd.; Lehner, F. u.a., Organisationslehre für Wirtschaftsinformatiker, S. 465; Grün, 0., ebd. 54 55

Deutsches Institut für Normung (Hrsg.), ebd.

56

Vgl. Dülfer, E., S. 7.

57 Klaus, H. G., Aufbau von Projektmanagement-Systemen, S. 22. Die "Unterscheidung des »Projekts« als solchem von einer Unternehmung" bei Dülfer, E., S. 7, bezieht sich, wie ich finde, weniger auf das Unternehmen selbst, als vielmehr auf die üblichen Aufgaben, mit anderen Worten: auf das Tagesgeschäft 58

Lehner, F. u.a., Organisationslehre für Wirtschaftsinformatiker, S. 465.

59

Dreger, W., Projekt-Management, S. 3.

I. Der Projektbegriff

55

genüberstellung von Projekt und Tagesgeschäft, zumindest in ihrer üblichen Form, hinfällig. Das Zwischenergebnis lautet: Einmaligkeit erscheint zwar auf den ersten Blick als geeignetes Merkmal, um den Ausdruck Projekt zu definieren; die vielen Fragen hingegen, die das Merkmal aufwirft, lassen sich nicht beantworten, indem lediglich Einmaligkeit ausgetauscht oder ergänzt wird durch Synonyme, wie z.B. Singularität, Besonderheit oder Außergewöhnlichkeitscharakter. In der Literatur werden Projekte beschrieben als Aufgaben mit hohem Risiko. Zwei Auffassungen lassen sich unterscheiden. Risiko wird erstens verstanden als Verlustgefahr: die Höhe des Schadens, der dem Unternehmen entstehen kann, wenn die Projektziele nicht erreicht werden,6° d.h. als Risiko im materiellen Sinn, nicht jedoch als Informationsstand im entscheidungstheoretischen Sinn. Zweitens gilt das Risiko einer Aufgabe als gleichbedeutend mit ihrem Schwierigkeitsgrad: der Wahrscheinlichkeit, daß die Projektziele verfehlt werden. 61 Ursachen für Schwierigkeiten, sog. Risikofaktoren also, sind in erster Linie: fehlendes Wissen, knappe Ressourcen, enge Termine und Widerstände von Interessengruppen,62 d.h. verschiedenste technische, wirtschaftliche, organisatorische oder personelle Gesichtspunkte.63 Risiko i.S. von Schwierigkeitsgrad wird somit auch durch die Neuheit einer Aufgabe verursacht.64 Nach meiner Auffassung ist Risiko ein fragwürdiges Projektmerkmal, denn risikobehaftet sind alle Aufgaben - auch solche, die nicht als Projekte gelten. Beispielsweise rutscht einem Zahnarzt der Bohrer aus oder in einem Fertigungsgebäude explodiert ein Behälter mit hochgiftigen Gasen. Das Merkmal Risiko eignet sich demzufolge nicht, um Projekte als eine bestimmte Art von Aufgabe zu definieren.

Bedeutung, Dringlichkeit, Umfang. Die Bedeutung von Projekten wird auch als Einsatz beschrieben,65 als "Einfluß eines Projekts auf die Zielsetzung des Unternehmens".66 Gemessen wird sie anband verschiedener Größen, meist aber als Risiko i.S. der Höhe des Verlustes im Fall eines Projektfehlschlags. Als Beispiele werden in der Literatur genannt: bei Kundenaufträgen, etwa im Anlagenbau: Vertragsstrafen für Terminüberschreitun60

Vgl. Schröder, H. J., S. 18. Ähnlich bei Dreger, W., S. 8.

61

Vgl. Schröder, H. J., ebd.; ganz ähnlich Dreger, W., S. 7.

62

Vgl. Schröder, H. J., ebd.

63

Vgl. Lehner, F. u.a., Organisationslehre, S. 464.

64

Ähnlich bei Frame, J. D., Managing Projects in Organizations, S. 4 f.

65

So bei Stewart, J. M., Making Project Management Work, S. 295.

66

Schröder, H. J., Projekt-Management, S. 18.

56

2. Kapitel: Das Projekt

gen, Beeinträchtigungen des guten Rufs bis hin zum Verlust von Folgeaufträgen; bei Entwicklungsprojekten: verspätete Serienanläufe mit entsprechenden Umsatzeinbußen.67 Weitere Maßstäbe sind der Anteil eines Projektes am Umsatz des Unternehmens 68 und die Dringlichkeit , d.h. der Termindruck, unter dem das Projekt steht.69 Maßgeblich beeinflußt wird die Bedeutung durch den Umfang. Der Umfang einer Aufgabe wird in der Literatur nach verschiedenen Maßstäben beurteilt; genannt werden:70 Leistungsfähigkeit des Gegenstandes (z.B. Entwicklung einer 800 MW Wasserturbine), Kosten, Dauer, Anzahl der (Einzel-) Aufgaben, Anzahl der beteiligten Personen, Abteilungen oder Institutionen. Wie bedeutsam, dringlich oder auch umfangreich muß eine Aufgabe jedoch sein, um als Projekt zu gelten? In der Literatur, z.B. bei lohn M. Stewart, wird meist auf die Verhältnisse im Unternehmen verwiesen, d.h. auf die übrigen Aufgaben:71 "The question of size is less easily pinned down. But where substantially more people, more dollars, more organizational units, and more time will be involved than on any other infrequent undertaking in the organization's experience, the test result is clearly positive." Nach dieser Eingrenzung sind Projekte bedeutsamer, dringlicher oder auch umfangreicher als andere Aufgaben eines Unternehmens. Dieses Verständnis ist meiner Meinung nach fragwürdig. Nicht jede bedeutsame Aufgabe, z.B. eine Dissertation mit ihrer nicht zu unterschätzenden Bedeutung für den Verfasser, ist zugleich ein Projekt. Ebenso herrscht Zeitdruck grundsätzlich bei jeder Aufgabe, z.B. beim Kassieren im Einkaufsmarkt; dennoch gelten diese Aufgaben nicht als Projekte.

Zusammenfassung. Die Diskussion der Merkmale hinterläßt einen zwiespältigen Eindruck. Keines der Merkmale vermag für sich alleine den Projektbegriff zu erfassen. Einzig das Merkmal Komplexität (i.S. des bereichsübergreifenden Charakters) erweist sich wenigstens in begrenztem Maße dazu in der Lage; wobei einschränkend auf die Schwierigkeit zu verweisen ist, zwischen Einfachheit und Komplexität zu unterscheiden. Mehr Erfolg verspricht möglicherweise der Versuch, nicht von einem einzelnen Merkmal, sondern von mehreren Merkmalen gemeinsam auszugehen. Damit ist Vgl. Stewart, J. M., Making Project Management Work, S. 295. Vgl. Dreger, W., S. 7. 69 Vgl. Klaus, H. G., Aufbau von Projektmanagement-Systemen, S. 28. 70 Vgl. Stewart, J. M., S. 294; Schröder, H. J., S. 17; Zogg, A., S. 15; Dreger, W. , S. 6; Pinkenburg, H. F. W., S. 118; Lehner, F. u.a., S. 464. 71 Stewart, J. M., Making Project Management Work, S. 294. 67

68

I. Der Projektbegriff

57

die Vorgehensweise für die Entwicklung eines neuen Projektbegriffs im nächsten Teilabschnitt vorgezeichnet.

3. Entwicklung eines neuen Projektbegriffs Wie die Kritik der Projektmerkmale zeigt, vermag keines der Merkmale für sich alleine den Projektbegriff umfassend abzugrenzen. Erforderlich ist somit ein anderes Vorgehen, bei dem nicht ein einzelnes Merkmal, sondern mehrere Merkmale gemeinsam herangezogen werden. Ein solches Vorgehen wähle ich hier: Zwei Merkmale werden dabei in einer typologischen Betrachtung zusammengeführt, um den Projektbegriff zu erfassen: der Komplexitätsgrad und die zeitliche Perspektive. Der Grqd der Komplexität bedeutet: das Ausmaß der Verschiedenartigkeit der Teilaufgaben einer Aufgabe. Dieses Ausmaß kennt, wie bereits in Abb. 3 dargestellt, unendlich viele Ausprägungen; hier jedoch genügt eine Begrenzung auf die zwei Ausprägungen: einfach und komplex. Die zeitliche Perspektive erfaßt das Ausmaß der zeitlichen Begrenzung einer Aufgabe; seine zwei Ausprägungen lauten: zeitlich unbegrenzt und zeitlich begrenzt. Zeitlich unbegrenzt bedeutet hier: ein Ende ist nicht absehbar; unterstellt wird also vereinfachend eine unendliche Fortführung der Unternehmenstätigkeit Miteinander verknüpft, ergeben die Merkmale insgesamt vier Aufgabentypen (siehe Abb. 4). zeitlich unbegrenzt

zeitlich begrenzt

einfach komplex

Projekte

Abb. 4: Projekte als bereichsübergreifende, zeitlich begrenzte Aufgaben

Die vier Aufgabentypen unterscheiden sich wie f()lgt: Typ I-Aufgaben sind zu beschreiben als einfach-zeitlich unbegrenzt, dazu zählt z.B. das Kassieren in einem Einkaufsmarkt. Typ 2 erfaßt einfache-zeitlich begrenzte Aufgaben, z.B. den Bau eines handgearbeiteten Saiteninstrumentes. Typ

58

2. Kapitel: Das Projekt

3 wird gebildet durch komplexe-zeitlich unbegrenzte Aufgaben, z.B. regelmäßig stattfindende (und damit letztlich unbefristete) Besprechungen mit Vertretern aus mehreren Fachabteilungen. Typ 4 schließlich zeigt komplexezeitlich begrenzte Aufgaben, wie z.B. die Entwicklung von Serienerzeugnissen oder die Ausrichtung Olympischer Spiele. Damit können Projekte meiner Ansicht nach definiert werden als bereichsübergreifende, zeitlich begrenzte Aufgaben, d.h. Aufgaben, an denen Personen aus verschiedenen Fachgebieten für eine begrenzte Zeit zusammenarbeiten. Ein Projekt ist somit: Was in einem funktional organisierten Unternehmen ein einzelner Bereich alleine nicht bearbeiten kann. Gewiß lassen sich Projekte mit Hilfe von anderen Merkmalen, wie z.B. Bedeutung, Einmaligkeit und Neuheit, ebenfalls beschreiben. Diese Merkmale sind aber bereits in Komplexität und Zeitbegrenzung enthalten und bilden daher allenfalls prägende Merkmale. Ihnen zugrunde liegen Komplexität und Zeitbegrenzung als begriffliche Merkmale des Projektbegriffes. Die Vielfalt der Aufgabe bringt zugleich eine organisatorische Vielfalt mit sich, d.h. vielfältige Beteiligte mit vielfältigen Beziehungen: Fachabteilungen, Geschäftsbereiche, Auslandstöchter, Fremdlieferanten usw. Projekte verlangen daher eine besondere Organisation, bewirken also den zuvor erwähnten organisatorischen Anpassungszwang. Diese Notwendigkeit, organisatorische Anpassungen vorzunehmen, ist also eine Folge der besonderen Eigenarten von Projekten. Den Zwang in einer Definition in den Vordergrund zu stellen betont zwar die Probleme, die entstehen, läßt aber offen, wodurch sie ausgelöst werden. Aus diesem Grund erscheint es ratsam, nicht den organisatorischen Anpassungszwang, sondern Komplexität und Befristung als Begriffsmerkmale von Projekten anzusehen. Die beträchtlichen Schwierigkeiten, zwischen einfachen und komplexen Mustern zu unterscheiden, um theoretische Aussagen zu formulieren, bestehen freilich auch, wenn es gilt, Projekte als eine bestimmte Art von Aufgaben zu erfassen. Das Problem ist: Wo liegt die Grenze zwischen einfachen und komplexen Aufgaben? Sie zu bestimmen erfordert, ausgehend von dem Klassifikationskriterium Hayeks,12 zwei Festlegungen: Erstens: Wie verschiedenartig müssen Aufgaben mindestens sein, um als verschiedenartig zu gelten? Und zweitens: Wieviele solcher verschiedenartiger Aufgaben müssen mindestens vorliegen? Eine allgemeingültige Festlegung dürfte zahllose Probleme aufwerfen, insbesondere in Fragen der Klassifikation und Bewertung. Daraus jedoch ergibt sich kein grundsätzlicher Einwand gegen die hier entwickelte Definition. Problematisch hinsichtlich der Führung, und damit auch der Organisation, sind Aufgaben bereits, sobald sie mehr als 72

Siehe das Zitat von F. A. von Hayek auf S. 49 (Fn. 39).

II. Projektarten

59

drei Fachgebiete berühren. Läge diese Schwelle bei zwei, so würde etwa bereits die Zusammenarbeit zwischen dem Personalbetreuer und dem Leiter einer Fachabteilung bei der Einstellung eines neuen Mitarbeiters als Projekt gelten. Dies soll hier ausgeschlossen werden. In pragmatischer Weise betrachte ich diese Schwelle daher zugleich als Grenze zwischen einfachen und komplexen Aufgaben.

II. Projektarten

Die Definition von Projekten als bereichsübergreifende, zeitlich begrenzte Aufgaben führt zu der Frage nach der Menge aller Aufgaben mit diesen Kennzeichen. Sie zu beantworten erfordert mehr als ein bloßes Aneinanderreihen von Projektarten; einzig eine systematische Darstellung anband mehrerer Klassifikationsmerkmale vermittelt ein klares Bild von der vielfältigen Menge der Projekte. Als grundlegendes Merkmal ist meines Erachtens der Projektinhalt anzusehen; es umreißt den Umfang des Projektbegriffs. Die weiteren Merkmale beziehen sich weniger auf das Projekt als solches, sondern vielmehr auf die beteiligten Personen und Institutionen. Sie vertiefen das Verständnis für Projekte und ihre Durchführung und bilden so eine Grundlage für die Darstellung der Projektstellen (in Kapitel 4). Drei weitere Merkmale werden herangezogen: die rechtlichen Verhältnisse zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern (2.), der Internationalitätsgrad (3.) sowie die Rechtsform der Auftraggeber (4.).

1. Projektarten nach dem Projektinhalt

Wie im ersten Kapitel dargestellt, unterscheidet Erich Kosiol neben anderem die zwei Aufgabenmerkmale: Verrichtung und Objekt. Mit diesen beiden Merkmalen lassen sich alle Projekte kennzeichnen; zusammengenommen bezeichne ich sie als Projektinhalt. Andere Namen für dieses Merkmal lauten: Art des Leistungszieles oder Charakter des Projektzieles.73 Beispiele für Projektinhalte nennt die Literatur in großer Zahl.74

Vgl. Frese, E., Projektorganisation, Sp. 1962. 74 Siehe die Beispiele bei Dullien, M., Anatomie des Projekt-Managements, S. 261; Hahn, D., Planungs- und Kontrollrechnung, S. 66; Lehner, F. u.a., S. 467; Rüsberg, K.-H., Praxis des Project- und Multiproject-Management, S. 21 f. 73

60

2. Kapitel: Das Projekt

Forschungs- und Entwicklungsprojekte sind vorwiegend in den hochtechnologischen Bereichen anzufinden, d.h. in Wirtschaftszweigen mit technisch anspruchsvollen Produkten. Sie heißen auch Innovationsprojekte. Ihre Gegenstände sind in der Chemie z.B. Werkstoffe oder Arzneimittel, in der Elektrotechnik z.B. integrierte Schaltkreise oder Meß- und Regelgeräte, im Schienenfahrzeugbau z.B. Nahverkehrszüge oder Reisezuglokomotiven, im Fahrzeugbau z.B. Personenwagen, Reisebusse oder Sattelschlepper, in der Luftfahrt z.B. Düsenflugzeuge oder Hubschrauber, in der Raumfahrt z.B. Satelliten, Raumtransporter oder Raumstationen, in der Wehrtechnik z.B. Aufklärungsanlagen oder Lenkflugkörper. Das Merkmal Verrichtung betreffend, gleichen sich alle Innovationsprojekte; sie unterscheiden sich in den Gegenständen, die erforscht und entwickelt werden. Damit läßt sich der Sprachgebrauch vereinfachen: Forschungs- und Entwicklungsprojekte werden in der Praxis häufig nach ihrem Gegenstand benannt; die Tätigkeit des Forschens oder Entwickelns wird nicht ausdrücklich erwähnt. Entsprechend heißen die Projekte z.B. Pharmaprojekte oder Raumfahrtprojekte. Besonders umfangreiche Projektgegenstände werden vor allem in der Luft- und Raumfahrt auch als Systeme bezeichnet,75 so gilt z.B. die Trägerrakete als ein System. Dieser Sprachgebrauch führt allerdings leicht zu Mißverständnissen.76

Bauprojekte bestehen darin, Bauwerke zu entwerfen und zu errichten. Gegenstände aus wichtigen Bereichen der Bauwirtschaft sind im Hochbau z.B. Verwaltungsgebäude, Krankenhäuser, Hochschulen und Sportanlagen, im Industriebau z.B. Fabrikgebäude, Kraftwerke und Lagergebäude, im Tiefbau z.B. Stadt- und Untergrundbahnen sowie im Wasserbau z.B. Hafenanlagen, Kläranlagen und Talsperren. Anlagenbauprojekte haben zum Inhalt, Anlagen zu entwerfen und zu fertigen. Als Gegenstände sind beispielsweise zu nennen: Anlagen zur Erzeugung von Energie (Kohle-, Kern-, Gezeiten- und Windkraftwerke), zur Gewinnung oder Verarbeitung von Rohstoffen (Hochöfen, Gießereien, Walzwerke, Bohrinseln, Erdölraffinerien), zur industriellen Fertigung (Werkzeugmaschinen, Fertigungsstraßen) oder zum Schutz der Umwelt (z.B. Anlagen zur Rauchgasentschwefelung).

75 So bereits bei Baumgarlner, J. S., Project Management, S. 185. Siehe auch die Beispiele bei Schmitz, H., Windhausen, M. P., Projektplanung und Projektcontrolling, S. 4. 76 Als Beispiel diene die Aussage von Burger, R., Die Projektorganisation, S. 36: "Der Begriff des Systems wird in der Folge auf das Projekt, das zu erzeugende Werk, die Dokumentation und die Projektorganisation angewendet."

II. Projektarten

61

Auch was Projekte in der Bauwirtschaft und im Anlagenbau betrifft, hat sich in der Praxis eine vereinfachende Redeweise herausgebildet, welche den Gegenstand des Projektes betont. Verkehrs- und Energieprojekte - um nur einige zu nennen - sind demnach Baumaßnahmen zur Verbesserung der Verkehrswege oder der Energieversorgung. Bauvorhaben, welche die Infrastruktur eines Entwicklungslandes verbessern, heißen Entwicklungshilfe projekte. Dienstleistungsprojekte finden sich in der Beratung, etwa in der Wirtschaftsberatung, Werbung, Markt- und Meinungsforschung oder in der technischen Beratung, in der Datenverarbeitung, z.B. als Programm-Entwicklung oder Systemintegration, im Bankwesen, z.B. bei der Vergabe von Großkrediten durch Konsortien, sowie im kulturellen Bereich, z.B. in Form von Film-, Theater- und Musikproduktionen, Musikfestivals, Sonderausstellungen oder Sportwettkämpfen. Sie heißen: Beratungsprojekte, DV-Projekte (auch: Software-Projekte), Kulturprojekte.

2. Eigene und fremde Projekte Angenommen, der Vorstand eines Pharmaunternehmens beauftragt eine hauseigene Forschungsabteilung, einen Impfstoff zu entwickeln. Der Vorstand wird so zum Auftraggeber des Projektes. Zugleich wird die hauseigene Forschungsabteilung zum Auftragnehmer: sie führt das Projekt durch. 77 Das Pharmaprojekt ist ein Vorhaben im Unternehmen; es heißt daher eigenes (internes) Projekt: Stellen im Unternehmen treten als Auftraggeber auf; die Ziele für das Projekt werden im Unternehmen gebildet. Der Impfstoff entspricht einer innerbetrieblichen Leistung, erstellt durch die Forschungsabteilung. Wird dagegen ein universitäres Forschungslabor mit dem Projekt beauftragt, so gehören Auftraggeber und Auftragnehmer zu verschiedenen Unternehmen. Aus Sicht des Forschungslabors gilt das Pharmaprojekt als ein fremdes (externes) Projekt: ein fremder Kunde gibt das Projekt in Auftrag; die Ziele des Projektes werden dem Forschungslabor vom Kunden vorgegeben. Der Impfstoff und die Rechte zu seiner Verwertung liegen beim Kunden, d.h. bei dem Pharmaunternehmen.

77

Zur Abgrenzung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer siehe Kap. 4. II.

62

2. Kapitel: Das Projekt

Die zwei Beispiele machen deutlich: 78 Gehören Auftraggeber und Auftragnehmer zu ein und demselben Unternehmen,7 9 so ist das Projekt aus Sicht des Auftraggebers ein eigenerstelltes Projekt. Die Projektziele werden im Unternehmen gesetzt, daher ist das Projekt intern beeinflußt. Der Auftragnehmer bezeichnet das Projekt als Eigenauftragsprojekt. 80 Weil das Projektergebnis im Unternehmen verwertet wird, gilt ein solches Projekt als Eigennutzungsprojekt. Gehören Auftraggeber und Auftragnehmer jedoch zu verschiedenen Unternehmen, so wird das Projekt nicht eigenerstellt, sondern fremdbezogen; es ist daher ein fremdbezogenes Projekt. Die Projektziele werden durch den Kunden gesetzt, also von außen vorgegeben, deshalb ist das Projekt extern beeinjlußt. Der Auftragnehmer bezeichnet das Projekt als Fremdauftragsprojekt. Verwertet wird das Projektergebnis durch den Auftraggeber, entsprechend gilt das Projekt aus Sicht des Auftragnehmers als Fremdnutzungsprojekt.

3. Nationale und internationale Projekte

Nationale und internationale Projekte unterscheiden sich meines Erachtens in der Herkunft von Auftraggebern und Auftragnehmern: 81 Wenn Auftraggeber und Auftragnehmer aus mehreren Ländern stammen, so bezeichne ich das Projekt als ein internationales Projekt; kommen dagegen Auftraggeber und Auftragnehmer aus demselben Land, so nenne ich das Projekt ein nationales Projekt. Dazwischen liegen zahlreiche Abstufungen. In den meisten Fällen ist es daher gerechtfertigt, nicht zwischen nationalen und inter-

78 Vgl. hierzu Schröder, H. J., Projekt-Management, S. 16 f.; Frese, E., Projektorganisation, Sp. 1963. Ähnlich Bleicher, K., Orgnisation, S. 135; Dülfer, E., S. 17; Lehner, F. u.a., Organisationslehre, S. 467. 79 Die Abgrenzung ist freilich nicht unproblematisch. In Konzernen, d.h. in Unternehmen mit rechtlich selbständigen, wirtschaftlich jedoch abhängigen Unternehmensbereichen, fehlt eine klare Trennlinie. Ein Projekt mag aus Sicht des Konzerns zwar als eigenes Projekt gelten, jedoch aus Sicht des auftragnehmenden Bereiches als fremdes Projekt. 80 Dülfer, E., Projekte, S. 17, wählt die Bezeichnungen: Eigennutzungs- und Fremdauftragsprojekt Beide Bezeichnungen bilden keinen echten Gegensatz; vielmehr werden zwei grundverschiedene Gesichtspunkte vermischt: die Frage nach der Verwertung und die Frage nach dem Auftraggeber. 81

Anders dagegen Grün, 0., Internationales Projektmanagement, Sp. 1738 f.

II. Projektarten

63

nationalen Projekten zu unterscheiden, sondern zwischen mehr oder weniger internationalen Projekten. Unterschiedliche Internationalitätsgrade von Projekten können durch vier Beispiele veranschaulicht werden. Erstens. Eine australische Druckerei beauftragt ein deutsches Unternehmen, eine Druckmaschine nach Sonderwünschen zu fertigen. Es wird also ein einziger ausländischer Auftragnehmer eingeschaltet, insofern ist das Projekt grenzüberschreitend. Zweitens. Der Vorstand eines deutschen Elektrounternehmens will ein Zweigwerk in Mexiko eröffnen. Er beauftragt die hauseigene Bauabteilung, mehrere mexikanische Bauunternehmen sowie ein amerikanisches Ingenieurbüro. Es werden also Auftragnehmer verschiedener Länder eingeschaltet, somit ist der Internationalitätsgrad höher als im Beispiel zuvor. Drittens. Ein amerikanischer und ein deutscher Computerhersteller beschließen, gemeinsam einen leistungsfähigen Speicherbaustein zu entwickeln. Sie beauftragen jeweils die hauseigenen Forschungsabteilungen. Es leiten demnach Auftraggeber aus zwei Staaten das Forschungsprojekt in die Wege, der Internationalitätsgrad ist daher stark ausgeprägt. Viertens. Zu einem internationalen Raumfahrtprojekt schließen sich mehrere europäische Staaten als Auftraggeber zusammen. Sie beauftragen Unternehmen der Luft- und Raumfahrt- sowie der Mikroelektronik aus verschiedenen Staaten. Weil Auftraggeber wie auch Auftragnehmer aus verschiedenen Staaten kommen, ist hier der Internationalitätsgrad am höchsten.

4. Private und öffentliche Projekte Private und öffentliche Projekte unterscheiden sich nach meiner Auffassung in der Rechtsform ihrer Auftraggeber: Projekte mit privaten Auftraggebern bezeichne ich als private Projekte, Projekte mit öffentlichen Auftraggebern als öffentliche Projekte. Als öffentliche Auftraggeber sind auf Landesebene die verschiedenen Gebietskörperschaften zu nennen: Gemeinden, Gemeindeverbände, Städte, Landkreise, Regierungsbezierke und Bundesländer. Sie veranlassen unter anderem Projekte im Verkehrswesen und der Regionalentwicklung, dem Gesundsheits- und Bildungswesen, der Erholung und Freizeitgestaltung. Auf Bundesebene nehmen Ministerien gesamtstaatliche Aufgaben wahr; sie geben z.B. Verkehrsprojekte und Forschungsprojekte in Auftrag. Zwischenund überstaatliche Verwaltungen treten meist als Auftraggeber internationaler Projekte auf; die Weltbank etwa ist Auftraggeber vieler Entwicklungshilfeprojekte.

64

2. Kapitel: Das Projekt

Obgleich die vorliegende Arbeit private wie auch öffentliche Projekte hinsichtlich ihrer Organisation untersucht, liegt der Schwerpunkt auf privaten Projekten. Deshalb ist, sofern nicht anders vermerkt, grundsätzlich von Unternehmen als Auftraggebern die Rede. Unternehmen als private Auftraggeber von Projekten sind Gegenstand des nächsten Abschnittes (III.).

111. Die Bedeutung von Projekten für die Strategie-Implementierung Die Erkenntnisse aus den zwei vorhergehenden Abschnitten zu Inhalt und Umfang des Projektbegriffes bilden wichtige Grundlagen zum Verständnis der Projektorganisation. Ein umfassendes Verständnis hingegen erfordert zusätzliche Grundlagen, die sich aus dem Zusammenhang von Projekten· und Strategien ergeben. Dieser Zusammenhang wird im weiteren Verlauf der Arbeit an zwei Stellen vertieft werden: bei der Darstellung des Verhältnisses zwischen Projektorganisation, Strategie und Projektplanung (in Kapitel 3) und der Erörterung der Strategie als Einflußgröße für die Gestaltung der Projektorganisation (in Kapitel 7). Zu behandeln ist daher die Bedeutung von Projekten für die Entwicklung von Unternehmen. Als Grundlage für die eigentliche Darstellung des Zusammenhangs zwischen Strategien und Projekten (2.) wird zunächst ein angemessenes Theoriekonzept entwickelt, besonders zum Strategiebegriff und zur Strategieklassifikation (1.); die Strategiebildung ist hier nicht zu behandeln. 82

1. Strategiebegriff und -klassifikation

Strategie geht auf das griechische Wort strategos zurück, das Feldherr oder Heerführer bedeutet; als Strategie wurde im alten Griechenland die Führung eines Heeres bezeichnet. 83 Da jeder Krieg aus mehr oder weniger 82 Siehe hierzu Abell, D. F., Defining the Business; Hax, A. C., Majluf, N. S., Strategisches Management; Hinterhuber, H. H., Strategische Unternehmensführung; Hofer, C. W., Sehende/, D. E., Strategy Formulation; Kreikebaum, H., Strategische Unternehmensplanung; Krei/kamp, E., Strategisches Management und Marketing; Schreyögg, G. , Unternehmensstrategie. 83 Zur Wortgeschichte siehe Hinterhuber, H. H., Wettbewerbsstrategie, S. 4 f. Zur Strategie in der Kriegsführung siehe insbesondere Sun Tsu, Über die Kriegskunst, S. II ff.; Moltke, H. Graf von, Über Strategie.

III. Projekte und Strategie-Implementierung

65

vielen in sich geschlossenen Handlungen besteht - den sog. Gefechten - , erwächst die Aufgabe, "diese Gefechte in sich anzuordnen und zu führen und sie unter sich zum Zweck des Krieges zu verbinden".S4 Nach Carl von Clausewitz ist dementsprechend "die Strategie die Lehre vom Gebrauch der Gefechte zum Zwecke des Krieges".ss Im Zusammenhang mit betriebswirtschaftliehen Fragen wird das Wort Strategie seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verwendet.S6 Im Mittelpunkt stehen der Aufbau und die Sicherung von Erfolgspotentialen,87 d.h. die Entwicklungsrichtung des Unternehmens.88 Die Strategie bildet einen Rahmenplan, aus dem sich idealerweise alle anderen Pläne des Unternehmens ableiten.S9 Zugleich dient sie der Anpassung des Unternehmens an seine Umweit,90 bestimmt also seine Lage im Wettbewerb; Strategie wird so gleichbedeutend mit Wettbewerbsstrategie.91 Ausgehend von diesen Vorüberlegungen, definiere ich Strategie wie folgt: Die Strategie ist der grundlegende Plan für die Entwicklung eines Unternehmens; sie bestimmt die Produkte und Märkte, mit und auf denen das Unternehmen tätig wird, sowie die Art und Weise, in der das Unternehmen sich im Wettbewerb behaupten wird, um die übergeordneten Ziele zu erreichen. Übereinstimmend mit Henry Mintzberg,92 verstehe ich demnach Strategie in einem umfassenden Sinn als Position und Perspektive. In der Literatur werden vielfältige Arten von Strategien beschrieben; sie können meines Erachtens anband der folgenden Merkmale klassifiziert werden:93

84

Clausewitz, C. von, Vom Kriege, S. 270 f.

85

Clausewitz, C. von, S. 271 (Zitat im Original teilweise kursiv).

86 Bereits 1954 stellt Drucker, P. F., The Practice of Management, S. 49 ff., ohne das Wort zu gebrauchen, die grundlegenden Fragen: "What is our business and what should it be?" Zur betriebswirtschaftliehen Verwendung des Strategiebegriffes siehe Hofer, C. W., Sehende/, D. E., S. 16 ff. 87 Vgl. Gälweiler,A., Strategische Untemehmensführung, S. 24; Ansoff, H. /., Implanting Strategie Management, S. 183. 88 Vgl. Ansoff, H. /., Management Strategie, S. 125. 89

Vgl. Newman, W. H., Logan, J. P., Hegarty, W. H., Strategy, S. 4.

90

Vgl. Ansoff, H. /., Management Strategie, S. 142.

91 Vgl. Hofer, C. W., Sehende/, D. E., Strategy Formulation, S. 25; Ansoff, H. I., Imp1anting Strategie Management, S. 31.

Siehe hierzu Mintzberg, H., The Effective Organizations, S. 64. Nur wenige Autoren bieten Ansätze zur Strategieklassifikation, so Hecker, J. , Marketing-Konzeption, S. 308 ff.; Hax, A. C., Majluf, N. S., Strategisches Manage92

93

5 Beck

66

2. Kapitel: Das Projekt

-die Wachstumsrichtung des Unternehmens, d.h. die Entwicklung von bestehenden oder neuen Produkten und Märkten,94 - der Grad der vertikalen Integration, d.h. der Eingliederung von vor- oder nachgelagerten Stufen in die Wertschöpfungskettedes Untemehmens,95 -die geographische Lage der Märkte und Standorte des Untemehmens,96 -die Quellen des Wachstums,97 - die Entwicklungsrichtung, d.h. die Entwicklung des Marktanteils einzelner Geschäftsfelder,98 -

die Art des Wettbewerbsvorteils und das Ausmaß der Marktabdeckung,99

-

der Zeitpunkt für die Markteinführung neuer Technologien. 100

ment, S. 39 ff.; Hofer, C. W., Sehende/, D. E., Strategy Formulation, S. 163 ff.; Schreyögg, G., Unternehmensstrategie, S. 117 ff. 94 Siehe hierzu die klassische Unterscheidung der vier Wachstumsstrategien von Ansoff, H. /., Strategies for Diversification, S. 13 f.

95 Vgl. Chandler, A. D., Strategy and Structure, S. 14; Galbraith, J. R., Kazanjian, R. K., Strategy Implementation, S. 3 f. Demgegenüber erkennen Bower, J, L, Doz, Y., Strategy Formulation, S. 164, den ergänzenden Charakter beider Strategien. 96 Zu Inlands- und Auslandsstrategien siehe Becker, J., S. 258 ff. 97 Zu den Strategien des internen und externen Wachstums siehe Bea, F. X., Wachstumsziele und Wachstumsstrategien, S. 454; Bea, F. X., Ziele, Strategien, Determinanten und Modelle des Unternehmenswachstums, S. 450;.Bea, F. X., Diversifikation durch Kooperation, S. 2524. Kotler, P., Marketing Management, S. 321, unterscheidet in diesem Zusammenhang verschiedene Strategien der Innovation: interne Innovation (durch eigene Forschung und Entwicklung), Vertragsinnovation (Kauf firmenfremder Technologien per Vertrag), Patentakquisition (Kauf fremder Patente), Lizenzvertrag sowie Beteiligung an anderen Unternehmen. 98 Zu den Normstrategien siehe Hofer, C. W., Sehende/, D. E., S. 102 ff. und S. 162 ff.; Schreyögg, G., Unternehmensstrategie, S. 116 ff.; insbesondere zu Strategien bei schrumpfendem Absatz Hahn, D., Führungsaufgaben bei schrumpfendem Absatz, S. 1085 f.; Porter, M. E., Wettbewerbsstrategie, S. 318 ff. (Kap. 12), insbes. S. 334 ff.; Harrigan, K. R., Strategies for Declining Businesses; Siegwart, H. u.a., Dramatische Kurswechsel . 99 Siehe hierzuPorter, M. E., Wettbewerbsstrategie, S. 63 ff.

100 Siehe hierzu Ansoff, H. /., Stewart, J. M., Strategies for a technology-based business, S. 81 ff., die die vier folgenden Technologiestrategien unterscheiden: "First to market", "Follow the Ieader", "Application Engineering" und "Me-too". Ähnlich Maidique, M. A., Patch, P. , Corporate Strategy and Technological Policy, S. 239 f. Zur Kritik an diesen Klassifikationen siehe Specht, G., Zörgiebel, W. W., Technologieorientierte Wettbewerbsstrategien, S. 161 f.

III. Projekte und Strategie-Implementierung

67

Mit diesen Klassifikationsmerkmalen ist vermutlich auch der Umfang des Strategiebegriffs abgegrenzt, d.h. die Menge all derjenigen Pläne, die als grundlegend für die Entwicklung von Unternehmen anzusehen sind. Der Strategiebegriff ist damit hinsichtlich Inhalt und Umfang erfaßt. Der logische Zusammenhang zwischen den Strategiemerkmalen freilich ist daraus nicht zu erkennen und daher in einem abschließenden Schritt darzustellen.

Perspektive:

- Wettbewerbsvorteil - Entwicklung des Marktanteils -Zeitpunkt des Marktein(-aus)tritts - Vertikale Integration - Quellen des Wachstums

d ,\

I

Position:

Derzeitige Märkte Derzeitige Produkte Neue Produkte

/J

Geschäftsfeld! strategie Produktentwicklung

~

Neue Märkte

,,

'

Marktentwicklung

Diversifikation

Abb. 5: Strategieklassifikation nach Position und Perspektive Als Ausgangspunkt eines Ansatzes zur Strategieklassifikation eignet sich meines Erachtens der eingangs entwickelte Strategiebegriff. Nach diesem Verständnis bestimmt die Strategie die Position, d.h. die Geschäftsfelder des Unternehmens, sowie die Perspektive, d.h. das Wettbewerbsverhalten in den Geschäftsfeldern. Position und Perspektive bilden also die Ansatzpunkte für die Strategieklassifikation (siehe Abb. 5). Die Position bestimmt die Produkte und Märkte des Unternehmens. Die relevanten Märkte ergeben

68

2. Kapitel: Das Projekt

sich, indem das Unternehmen die Gesamtmärkte jeweils nach einem oder nach mehreren Merkmalen eingrenzt, vor allem nach geographischer Lage, Technologie und Demographie. Die Perspektive bestimmt das Wettbewerbsverhalten in einem Geschäftsfeld; dazu gehören: der Wettbewerbsvorteil, den das Unternehmen anstrebt, der Zeitpunkt, in dem das Unternehmen einen Markt betritt oder verläßt, die angestrebte Entwicklung des Marktanteils, das Ausmaß der vertikalen Integration wie auch die Quellen des Wachstums. Die Klassifikation geht von den bestehenden Geschäftsfeldern aus und zeigt die möglichen Strategien. Die Geschäftsfelder können sich in verschiedene Richtungen entwickeln, Ansoffs Strategie der Marktdurchdringung ist hier eine unter mehreren Möglichkeiten; die Entscheidung über den Zeitpunkt des Markteintritts ist hier freilich hinfällig, wichtiger ist möglicherweise der Zeitpunkt eines Marktaustritts. Was die Entwicklung neuer Geschäftsfelder betrifft, greift die neue Klassifikation weitgehend zurück auf Ansoffs Grundzüge zur Entwicklung neuer Märkte und Produkte, geht aber in einem wesentlichen Punkt darüber hinaus: Für jedes neue Geschäftsfeld, sei es im Rahmen einer Marktentwicklung, einer Produktentwicklung oder einer Diversifikation, muß das Unternehmen den relevanten Markt abgrenzen und die entsprechende Perspektive festlegen: Welchen Wettbewerbsvorteil strebt es an? Wann tritt es in den Markt ein? Welchen Marktanteil will es erreichen? Wie stark wird es die neuen Produkte vertikal integrieren? Woher stammen die Quellen des Wachstums?

2. Die strategische Bedeutung von Projekten

Mit der Entwicklung eines theoretischen Rahmens, der Strategie als Position und Perspektive begreift, sind die Voraussetzungen geschaffen, um die Kernfrage des III. Abschnittes zu beantworten: Welche Rolle haben Projekte für die Strategie-Implementierung? Zwar wurde die Bedeutung in ihrer Verwendung als ein Projektmerkmal im I. Abschnitt des Kapitels kritisch erörtert; hier jedoch wird die Bedeutung von Projekten auf einer angemessenen theoretischen Grundlage behandelt.

III. Projekte und Strategie-Implementierung

69

a) Zur Unterscheidung von strategischen und operativen Projekten Strategien durchzuführen, heißt Maßnahmen zu ergreifen. Entsprechend der Strategie und ihrem übergreifendem Charakter sind auch diese Maßnahmen übergreifend in ihrem Charakter- und damit Projekte.IOI Manche Projekte sind zweifellos bedeutsamer für das Unternehmen als andere. Um diese Unterschiede zu erfassen, wird in der Literatur zwischen strategischen und operativen Projekten getrennt:I02 Strategische Projekte seien bedeutsam für die Durchführung einer neuen Strategie, verstanden als eine neue Position; operative Projekte verbesserten die Voraussetzungen für die Durchführung der laufenden Strategie, d.h. für die Bearbeitung der gegenwärtigen Geschäftsfelder. Diese Unterscheidung ist meines Erachtens aus zwei Gründen fragwürdig. Erstens unterstellt sie, was mit dem bisherigen Geschäftsfeld zusammenhängt, sei operativ, was mit dem neuen Geschäftsfeld zu tun hat, sei strategisch. Diese Ansicht zeugt von einem ungenügenden Verständnis für Strategie und Wettbewerb, denn auch bei unveränderten Geschäftsfeldern muß ein Unternehmen ständig daran arbeiten, seine Wettbewerbsvorteile zu sichern.I03 Zweitens ist eine allgemeingültige Unterscheidung zwischen Strategie und Taktik nicht möglich möglich; 104 deshalb scheitert auch der Versuch, zwischen strategischen und operativen Projekten allgemeingültig zu unterscheiden. Möglich sind höchstens Festlegungen von Fall zu Fall, d.h. für das einzelne Unternehmen, die einzelne Strategie und das einzelne Projekt. Hilfreich ist hierbei die Unterscheidung zwischen Programm und Projekt: Als Programm gilt ein Projekt, das sich aus mehreren kleineren Projekten zusammensetzt. lOS Projekte und Programme unterscheiden sich also in Bezug auf den Umfang. 106 Im Rahmen eines Investitionsprogrammes z.B. errichtet ein 101 Reschke, H., Project Management and Corporate Strategy, S. 87, stellt fest: "Translating the corporate strategy into actions creates projects." Ähnlich Kett, 1., Projekte erfolgreich managen, S. 50. 102 Vgl. Steinmann, H., Schreyögg, G., Management, S. 218 ff. Ähnlich bei Hahn, D. , Planungs- und Kontrollrechnung, S. 73 und S. 192. 103

Siehe hierzu Jacobson, R., The "Austrian" School of Strategy, S. 798 f.

104

Vgl. Hinterhuber, H. H., Wettbewerbsstrategie, S. 4.

105

Programm ist hier nicht gleichbedeutend mit Koordinationsinstrument

106 Vgl. Cleland, D. /.,King, W. R., Systems Analysis, S. 184, Fn. 3.; Madauss, B.-J., Projektmanagement, S. 388; Zangemeister, C., Nutzwertanalyse in der Systemtechnik, S. 115.

70

2. Kapitel: Das Projekt

Unternehmen zwei neue Standorte und erweitert die Fertigungskapazität des Stammwerkes.

b) Strategien und die zu ihrer Durchführung erforderlichen Projekte Die Frage, welche Projekte eine Strategie im einzelnen erfordert, läßt sich nicht allgemeingültig beantworten; in jedem einzelnen Fall geben die Rahmenbedingungen den Ausschlag. Dennoch will ich versuchen, grundlegende Zusammenhänge anzudeuten. In der Literatur wird die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Strategie und Projekt nur vereinzelt gestellt. 107 Eine Ausnahme bildet Michael E. Porter. Er ordnet den drei Typen von Wettbewerbsstrategien jeweils bestimmte Projekte zu; die Projekte unterteilt er in zwei Gruppen: Projekte zur Veränderung der Produkttechnologie und Projekte zur Veränderung der Prozeßtechnologie.I08 Im Fall einer Kostenführerstrategie sind produktbezogene Projekte eher auf eine Senkung der Stückkosten ausgerichtet, d.h. auf die Entwicklung von Produkten mit einem geringerem Gehalt an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, und prozeßbezogene Projekte auf eine Rationalisierung, d.h. auf den wirkungsvolleren Einsatz von Arbeitsleistungen und Betriebsmitteln. Eine Differenzierungsstrategie erfordert produktbezogene Forschung und Entwicklung zur Verbesserung der Qualität und anderer Eigenschaften des Produktes sowie prozeßbezogene Projekte zur Steigerung des Abnehmernutzens, etwa durch eine raschere Abwicklung von Kundenaufträgen. Wird eine Nischenstrategie verfolgt, so entsprechen die Projekte - je nachdem, ob in dem Marktsegment eine Kostenführerschaft oder eine Differenzierung vorliegt - denen der Kostenführerschaft oder der Differenzierung. Die Aussagen Porters zu produkt- und prozeßbezogenen Projekten für die drei Wettbewerbsstrategien beschränken sich auf bestehende Geschäftsfelder; 109 der Aufbau neuer Geschäftsfelder und die entsprechenden Projekte 107 Siehe dazu vor allem Hahn, D., Planungs- und Kontrollrechnung, S. 66 ff.; Hax, A. C., Majluf, N. S., Strategisches Management, S. 367 f.; Hinterhuber, H. H., Strategische Unternehmensführung, S. 189.

108 Vgl. Porter, M. E., The Technological Dimension of Competitive Strategy, S. 218 f. Sinngemäß unterscheidet Frese, E., Projektorganisation, Sp. 1962 f., sachzielorientierte Projekte (Maßnahmen zur Veränderung des Leistungsprogramms) und prozeßorientierte Projekte (Maßnahmen zur Veränderung von Leistungs- oder Verwaltungsprozessen). 109

Siehe die Kritik bei Jacobson, R., S. 798 f.

111. Projekte und Strategie-Implementierung

71

bleiben außer acht. Um ein allgemeines Verständnis zu entwickeln, greife ich daher auf meine eigene Strategieklassifikation zurück und ordne beispielhaft entsprechende Projekte zu. Die Strategien für bestehende Geschäftsfelder lassen sich vereinfachend in zwei Gruppen einteilen: erstens den Marktanteil steigernde und haltende Strategien, zweitens Schrumpfungs- und Desinvestitionsstrategien. Auf die Strategien der ersten Gruppe lassen sich Porters Aussagen geschlossen übertragen; eine Strategie der Marktdurchdringung z.B. erfordert unter anderem Entwicklungsprojekte für kostengünstige oder hochwertige Produkte. Schrumpfungs- und Desinvestitionsstrategien hingegen erfordern Projekte zur Verringerung des Marktanteils bis hin zum Marktaustritt, also z.B. die Schließung von Fertigungsstätten, die Straffung von Leistungsprogrammen, Personalabbau und Reorganisationen. Die Strategie der Marktentwicklung bringt neue Standorte mit sich. Das Unternehmen bezieht neue Werke, Filialen und Niederlassungen. Die Eingliederung der neuen Standorte erfordert Bauprojekte, Anlagenbauprojekte, Software-Projekte, Beratungsprojekte - um nur einige zu nennen. Die Strategie der Produktentwicklung verlangt Forschung und Entwicklung für neue Produkte. Möglicherweise beschließt das Unternehmen, die neuen Technologien einzukaufen und zu diesem Zweck Beteiligungen an anderen Unternehmen zu erwerben. Auch in fertigungstechnischer Hinsicht muß das Unternehmen den Serienanlauf vorbereiten: Anlagen erweitern oder ggf. erneuern, Personalschulungen durchgeführen. Zudem wird das Unternehmen die Markteinführung durch Werbemaßnahmen unterstützen. Die Strategie der Diversifikation schließlich geht über das bisherige Geschäftsfeld am stärksten hinaus; sie bringt im allgemeinen die höchste Zahl von Projekten mit sich, hauptsächlich Forschung und Entwicklung, Erwerb von Beteiligungen, Verlagerung von Standorten, Reorganisationen usw. Diese Darstellung würde unvollständig bleiben, enthielte sie nicht eine ergänzende Anmerkung zum Verhältnis zwischen der strategischen Bedeutung von Projekten und dem Leistungsprogramm von Unternehmen. An einem einfachen Beispiel läßt sich das Problem aufzeigen: Die Herstellung einer Großraumpresse für Fahrzeug-Karosserien z.B. ist aus Sicht des Pressenherstellers ein Projekt im Rahmen seines Tagesgeschäftes, für den Fahrzeughersteiler jedoch Bestandteil seiner Kostenführerstrategie. Daraus wird deutlich: Anbieter komplexer Einzelprodukte, wie z.B. Beratungsunternehmen, führen auch im Rahmen ihres Tagesgeschäftes Projekte durch, Anbieter von Serien- und Massenprodukten, wie z.B. Nahrungsmittel- und Elektrounternehmen, jedoch außerhalb des Tagesgeschäftes. Ob ein Projekt für ein Unternehmen strategische Bedeutung aufweist, ergibt sich somit aus dem Leistungsprogramm; mit anderen Worten: Ein Projekt erreicht strategische

72

2. Kapitel: Das Projekt

Bedeutung, wenn es dem Unternehmen zur Durchführung der eigenen Strategie dient.

Zusammenfassung. Als Ergebnis des zweiten Kapitels ist festzuhalten: Das Kapitel stellt einen Versuch dar, dem Phänomen Projekt auf drei verschiedenen Wegen näherzukommen. Mit der Frage nach dem Inhalt des Projektbegriffs wurde das Phänomen als eine Aufgabe mit besonderen Kennzeichen zu begreifen versucht. Die typologische Sicht anhand der zwei Merkmale Komplexitätsgrad und Zeitperspektive führte zu der Erkenntnis: Projekte sind bereichsübergreifende, zeitlich begrenzte Aufgaben. Die Frage nach dem Umfang des Projektbegriffs wurde in Form eines Überblicks über Projektarten zu beantworten versucht. Die Menge von Aufgaben mit den Kennzeichen von Projekten umfaßt demnach: die Entwicklung und Serienreifmachung von Serien- und Massenprodukten (Entwicklungsprojekte), die Erstellung einzelgefertigter Sachinvestitionsgüter (Bau-, Verkehrs-, Anlagenprojekte), Einzeldienstleistungen in Form von Investitions- (Beratungs-) und Konsumgütern (Kulturprojekte). Der dritte Weg bestand darin, die Bedeutung von Projekten zu verstehen, und zwar im Sinne einer strategischen Bedeutung für die beteiligten Unternehmen. Als geeigneter theoretischer Rahmen erwies sich die eigens entwickelte Strategieklassifikation anhand Position und Perspektive. Alle drei Wege sind grundsätzlich als sinnvoll und geeignet anzusehen, etwa die bedeutungsbezogene Sicht für eine Beschäftigung mit Fragen der Strategieformulierung und ProjektauswahL Für die vorliegende Arbeit mit ihrem Schwerpunkt auf organisatorischen Fragen empfiehlt sich jedoch die aufgabenbezogene Sicht.

Drittes Kapitel

Projektorganisation: das Phänomen Nach den Ausführungen zu Organisation und Projekt stellt sich nun die Frage: Was ist Projektorganisation und wie unterscheidet sie sich von verwandten Phänomenen, etwa der Unternehmensorganisation und der Projektplanung? Oder anders ausgedrückt: Was an dem Sachverhalt Projektorganisation ist wesentlich und sollte daher bei seiner Erforschung berücksichtigt werden? Die Antwort auf diese Frage könnte in Form einer Definition erfolgen, wie dies in unzähligen wissenschaftlichen Veröffentlichungen geschieht. Das Problem dieser Definitionen freilich ist bekannt: Zwar bestechen sie auf den ersten Blick durch ihre Prägnanz, entpuppen sich aber bei näherer Betrachtung oft als einseitig, voreilig oder unvollständig. Der Grund lautet: Was an einem Sachverhalt wesentlich und damit erforschenswert ist, läßt sich höchst selten kurz und bündig in einem Satz zusammenfassen. Zur Beantwortung der Frage wähle ich daher ein anderes Vorgehen: Anstelle einer frühen definitorischen Festlegung soll zunächst ein Vorverständnis geschaffen werden. Zu diesem Zweck sind in einem ersten Schritt die Folgen aufzuzeigen, die sich aus der Komplexität und begrenzten Dauer von Projekten für die Unternehmensorganisation ergeben (I. Abschnitt). Danach ist zu zeigen, unter welchen Gesichtspunkten Projektorganisation in der Literatur üblicherweise betrachtet wird; dabei sind auch die sog. Grundformen der Projektorganisation vorzustellen (II. Abschnitt). So wird es zuletzt möglich, in Form einiger weiterführender Gedanken die Projektorganisation als Phänomen zu erfassen (III. Abschnitt).

I. Die Ausgangslage

Als bereichsübergreifende, zeitlich begrenzte Aufgaben erfordern Projekte eine Zusammenarbeit über Fachgebiete hinweg. Damit die Beiträge sinnvoll ineinandergreifen, sind vielfältige Gegenstände aufeinander abzustimmen; ohne allzusehr den Ausführungen zur Projektleitung (in Kapitel 4) vorzugreifen, sind . hier etwa Arbeitsschritte, Kapazitäten und Kosten zu nennen. Mit gutem Grund können Projekte somit als Aufgaben mit hohem

74

3. Kapitel: Projektorganisation: das Phänomen

Koordinationsbedarf betrachtet werden. 1 Wie aber kann diese Koordination erfolgen? Um die möglichen Wege vollständig zu erfassen, empfiehlt es sich, zunächst einen einfachen Fall zu betrachten und diesen anschließend zu erweitern.

Vereinfachend sei zunächst unterstellt, alle Personen, die an einem Projekt mitarbeiten, stammten aus einem Unternehmen; ferner sei das Unternehmen funktional organisiert, d.h. nach Verrichtungen gegliedert, es bestehe also für jedes Fachgebiet eine Abteilung. 2 In diesem Fall stehen der fächerübergreifenden Zusammenarbeit ernstliche Hindernisse in den Weg.3 Bedingt durch die Spezialisierung auf ein bestimmtes Fachgebiet, ist keine der Fachabteilungen in der Lage, das gesamte Projekt zu überschauen. Stattdessen betrachtet jede Abteilung das Projekt vor dem Hintergrund des eigenen Fachgebietes; fachfremde Sichtweisen bleiben außer acht. Die Verantwortung für das Projekt ist über alle Fachabteilungen hinweg zerstreut und geht damit verloren. Jeder Fachbereich ist von den eigenen Aufgaben in Anspruch genommen und denkt zuerst an seine eigenen Belange. Entscheidungen erfordern ein langwieriges Abstimmen zwischen den Fachbereichen und der Unternehmensleitung; meist verzögern sich die Entschlüsse. Letztlich arbeiten die Fachbereiche aneinander vorbei. Nicht von ungefähr stellt David I. Cleland bereits 1964 in seiner klassischen Begründung der Projektorganisation fest: 4 "The pure functional approach cannot be applied when the task involves the coordinated effort of hundreds of organizations and people. Unique management relationships evolve in the development of a !arge single-purpose project that cuts across interior organizational flows of authority and responsibility, and radiates outside to independent organizations."

Siehe hierzu die weitergehenden Ausführungen in Kap. 5. II. 3. a. Siehe hierzu z.B. Lochstampfer, P., Funktionale Organisation, Sp. 756 f. 3 Die klassische Kritik der funktionalen Organisation stammt von Drucker, P. F., S. 208: "Every functional manager considers his function the most important one, tries to build it up and is prone to Subordinate the welfare of the other functions, if not of the entire business, to the interests of bis unit. The Iust for aggrandizement on the part of each function is a result of the laudable desire of each manager to do a good job. Functional organization of necessity puts the major emphasis on a specialty, and on a man's acquiring the knowledge and competence that pertains to it. Yet the functional specialist may become so narrow in his vision, his skills and bis loyalities as to be totally unfit for general management." Was Projekte betrifft, vgl. im folgenden Baumgartner, J. S., S. 6; Middleton, C. J., S. 74 f. Ähnlich bei Madauss, B.-J., Projektmanagement, S. 8. 4 Cleland, D. /., Why Project Management?, S. 82. 2

I. Die Ausgangslage

75

Das Kernproblem tritt offen zutage: Projekte erfordern facheruhergreifendes Zusammenarbeiten, dazu jedoch sind die Fachabteilungen alleine nicht in der Lage. Wie also können die Fachabteilungen zu einer wirkungsvollen Zusammenarbeit geführt werden? Die Antwort lautet: Für jedes Projekt wird ein Projektleiter eingesetzt; seine Aufgabe besteht darin, über die Grenzen der Fachabteilungen hinweg die Beiträge der Abteilungen aufeinander abzustimmen.5 So entstehen zwei Arten von Weisungslinien: Die fachlichen Weisungslinien der Fachabteilungsleiter und die projektbezogenen Weisungslinien des Projektleiters; es werden also die vertikalen Linien der Fachabteilungen überlagert durch horizontale Linien für die Projekte.6 Die so veränderten Entscheidungsprozesse sind freilich nicht ohne Konflikte, denn die Leiter der Fachabteilungen müssen ihre Befugnisse zugunsten der Projektleiter teilweise aufgeben. Aus ihrer Warte betrachtet, greifen die Projektleiter in ihre angestammten Hoheitsbereiche ein;7 für sie kann leicht der Eindruck entstehen, der Projektleiter sei ein Fremdkörper, ein Außenseiter.& Die anfängliche Annahme, das Projekt werde von einem einzelnen, funktional organisierten Unternehmen durchgeführt, ist in der Wirklichkeit freilich nicht immer erfüllt. Teilweise sind Projekte von einem überwältigenden Umfang und erfordern dementsprechend nicht nur die Zusammenarbeit einzelner Fachabteilungen, sondern von Geschäftsbereichen, Auslandstöchtern, Fremdlieferanten usw. Projekte erstrecken sich also durchaus über das einzelne Unternehmen hinaus. Entsprechend groß ist der Koordinationsbedarf. Der Leiter eines Projektes, an dem sich mehrere Unternehmen beteiligen, steht letztlich vor derselben Herausforderung wie der Leiter eines einfacheren Projektes: auch er muß die Beiträge verschiedener Bereiche für das Projekt aufeinander abstimmen - in seinem Fall jedoch verteilen sich die Bereiche auf mehrere Unternehmen. Die bisherigen Betrachtungen zeigen: Der bereichsübergreifende Charakter von Projekten bringt einen hohen Koordinationsbedarf mit sich. Um die Koordinationsleistungen zu ermöglichen, müssen projektbezogene LeitungsVgl. Cleland, D. /., Why Project Management?, S. 82. Vgl. Cleland, D. I., Understanding Project Authority, S. 64; Goodman, R. A., Ambiguous Authority Definition in Project Management, S. 396. Ähnlich z.B. Davis, K., The Role of Project Management in Scientific Manufacturing, S. 311; Avots, /., Why Does Project Management Fail?, S. 81. 7 Vgl. Cleland, D. /., Why Project Management?, S. 82. Ähnlich Stewart, J. M., Making Project Management Work, S. 295; Lawrenc~. P. R., Kolodny, H. F., Davis, S. M., Die personale Seite der Matrix, S. 127. 8 So schreibt Hegi, 0., Projekt-Management, S. 381: "Der Projektleiter befindet sich in den Unternehmungen und Verwaltungen noch immer in einer Außenseiterrolle; er paßt nicht in die klassische Stab-Linien-Organisation." 5 6

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3. Kapitel: Projektorganisation: das Phänomen

stellen eingeführt werden; sie sollen die Grenzen der Fachabteilungen überwinden. Diese Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen ist nichts anderes als der zuvor (in Kapitel 2) erwähnte organisatorische Anpassungszwang. Daraus folgt: Die Ausrichtung der Organisation am Projekt läßt sich auffassen als der Versuch, den Objektbezug in funk(ional organisierten Unternehmen zu stärken: 9 Standen bislang die Funktionen und entsprechend auch die Funktionsbereiche eindeutig im Vordergrund, sind nun Entscheidungsprozesse verstärkt auf das Projekt hin zuzuschneiden. Der organisatorische Anpassungszwang als Folge des Koordinationsbedarfs von Projekten bezieht sich freilich nicht ausschließlich auf Entscheidungsprozesse oder auf das Verhältnis zwischen Projekt- und Fachabteilungsleitern; veränderte Anforderungen ergeben sich zudem für die Ebene der eigentlichen Leistungserstellung. Bisher wurde aus Gründen der Vereinfachung zwar angenommen, die Projektmitarbeiter würden ihre Beiträge zum Projekt in ihren Fachabteilungen leisten, denen sie unverändert disziplinarisch und auch räumlich zugeordnet bleiben. Deshalb war auch die Aussage gerechtfertigt, die Projektleiter dienten als Bindeglieder zwischen den Fachabteilungen. Diese Vereinfachung stellt jedoch keinen allgemeingültigen Zustand dar. In bestimmten Fällen kann es ratsam erscheinen, Mitarbeiter eines Projektes aus ihren Fachabteilungen räumlich oder auch disziplinarisch herauszulösen und in einer eigenständigen Projektgruppe zusammenzufassen, um so ein unmittelbares Zusammenarbeiten zu ermöglichen. Daraus wird deutlich: Der durch Projekte ausgelöste Anpassungszwang kann sich auf mehrere Ebenen erstrecken: auf die Leitung und die eigentliche Leistungserstellung. Die organisatorische Ausrichtung auf ein Projekt wird damit zu einem vielschichtigen Gegenstand. Ein weiterer Gesichtspunkt ergibt sich aus der begrenzten Dauer von Projekten. Anpassungen der Unternehmensorganisation an die Erfordernisse von Projekten gelten grundsätzlich nur für die Dauer der Projekte. Mit dem Ende eines Projektes wird eine erneute organisatorische Anpassung notwendig, z.B. an die Erfordernisse eines anderen Projektes. Folglich wandelt sich die Unternehmensorganisation entsprechend dem Fluß der Projekte. Anders ausgedrückt, handelt es sich um einen verstärkten Objektbezug der Unternehmensorganisation bei wechselnden Objekten. Insgesamt bleibt festzuhalten. Projektorganisation läßt sich in einer ersten Annäherung verstehen als: Anpassung der Unternehmensorganisation an den Koordinationsbedarf von Projekten; die Anpassungsmaßnahmen richten sich vor allem auf die Projektleitung als Dreh- und Angelpunkt für das Projekt

9

Ähnlich Cleland, D. /., Understanding Project Authority, S. 63.

II. Das gängige Verständnis in der Literatur

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innerhalb eines Unternehmens oder ggf. auch zwischen mehreren Unternehmen; sie erstrecken sich damit zugleich auf die Fachabteilungen, ihre Leiter und Mitarbeiter; ihrer Ursache entsprechend, sind auch die Anpassungen von temporärer Art.

II. Das gängige Verständnis in der Literatur Ausgehend von der Komplexität und Zeitbegrenzung als Eigenschaften von Projekten, wurden im I. Abschnitt einige wesentliche Gesichtspunkte des Phänomens Projektorganisation erarbeitet. In einem nächsten Schritt gilt es nun herauszufinden, welche Gesichtspunkte in der Literatur hervorgehoben werden, um so zusätzliche Blickpunkte zu erkennen. Zu diesem Zweck ist das gängige Verständnis der Projektorganisation in Form eines Literaturüberblicks darzustellen: zunächst das Grundverständnis von Projektorganisation (1.) und anschließend die Handhabung des Sachverhaltes mit Hilfe von Grundformen der Projektorganisation (2.). Um ein vollständiges und zugleich übersichtliches Bild zu vermitteln, ist der Überblick trotz einer Vielzahl von Literaturstellen insgesamt knapp gehalten.

1. Das Grundverständnis von Projektorganisation Was versteht die Literatur als Projektorganisation? Oder anders gefragt: Welche Sachverhalte begreift und bezeichnet sie mit dem Ausdruck Projektorganisation? Angelehnt an das institutionelle und das strukturelle Organisationsverständnis (in Kapitel 1), könnnen auch hier zwei Grundrichtungen unterschieden werden: Projektorganisation als Institution und als Struktur. Beide Sichtweisen sind im folgenden darzustellen, zudem auch die zwei Spielarten der strukturellen Sicht, die inner- und die zwischenbetriebliche Projektorganisation. Die Projektorganisation in institutioneller Sicht umfaßt alle an einem Projekt beteiligten Stellen. 10 In diesem Sinn versteht z.B. Erich Frese Projektorganisation als "die Gesamtheit der Aufgabenträger einer Unternehmung,

10 Middleton, C. J., How to Set Up a Project Organization, S. 73, definiert: "Typically, a project organization is responsible for completing an assigned objective on schedule, within cost and profit goals, and to established standards."

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3. Kapitel: Projektorganisation: das Phänomen

denen Aufgaben zur Verwirklichung eines . . . Projekts übertragen sind" .11 Frese bezeichnet die Projektorganisation als Projektbereich; 12 dazu zählen neben dem Projektleiter auch die Stellen für die eigentliche Projektausführung sowie die auftraggebenden und steuernden Stellen.l3 Anstelle von Projektorganisation oder Projektbereich sprechen manche Autoren auch von Traversalorganisation oder Projektsystem. 14 Die vier Ausdrücke bezeichnen den Gegensatz zu den übrigen Stellen, die am Projekt nicht mitarbeiten, d.h. den Gegensatz zur sog. Stamm-, Basis- oder auch Trägerorganisation.15 In der Literatur werden auch die Ausdrücke permanente und temporäre Organisation verwendet, um den Gegensatz zwischen der auf Dauer ausgerichteten Organisation und der Projektorganisation auszudrücken. 16 Das strukturelle Verständnis betrachtet Projektorganisation als eine Ordnung: Projektorganisation gilt als die Zuordnung von Teilaufgaben eines Projektes, insbesondere von Entscheidungsbefugnissen und Verantwortlichkeiten, auf verschiedenen Stellen, Gruppen und Abteilungen, d.h. als das Aufgabengefüge zwischen Projektleitern und Projektmitarbeitern, Projektgruppen und anderen am Projekt beteiligten Stellen.l 7 Was ihre Entstehungsweise angeht, wird Projektorganisation stets als eine geplante Ordnung gesehen: als Anbindung, Anordnung, Festlegung, Herstellung, Regelung oder auch Zuordnung.IS Wie die Darstellung der strukturellen Sicht von Projektorganisation zeigt, wird in der Literatur meist stillschweigend vorausgesetzt, ein Unternehmen bearbeite das Projekt - entsprechend eng ist das Verständnis von Projektorganisation. Einige Autoren jedoch betrachten auch solche Fälle, in denen mehrere Unternehmen gemeinsam ein Projekt bearbeiten. Auch hier bildet in jedem Unternehmen die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit ein

Frese, E., Projektorganisation, Sp. 1962. So z.B. bei Frese, E., ebd. 13 Vgl. Reschke, H., Svoboda, M., Projektmanagement (VII und Schluß), S. 3. 14 So z.B. Bleicher, K., Organisation, S. 138; Kirsch, W. u.a., Betriebswirtschaftliche Logistik, S. 729. 15 So z.B. Bienheim, W.-R., Projekte, S. 67; Dreger, W., Projekt-Management, S. 143; Grün , 0., Projektorganisation, Sp. 2107; Reschke, H., Svoboda, M., Projektmanagement (VII und Schluß), S. 3. 16 So z.B. bei Dreger, W., S. 153. 17 Vgl. hierzu die Definitionen bei Frese, E., Projektorganisation, Sp. 1962; Grün, 0., Projektorganisation, Sp. 2106; Haberfellner, R., Projekt-Management, S. 131; Kett, /., Projekte erfolgreich managen, S. 52 f.; Madauss, B.-J., Projektmanagement , S. 388. 18 Vgl. hierzu die Definitionen bei Bienheim, W.-R., Projekte, S. 67; Frese, E., ebd.; Haberfellner, R., ebd.; Madauss, B.-J., ebd.; Kett, /., ebd. II

12

II. Das gängige Verständnis in der Literatur

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Problem, hinzu kommt jedoch die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit als ein weiteres Problem.t9 Die Projektorganisation innerhalb eines Unternehmens und die unternehmensübergreifende Projektorganisation heißen in der Literatur auch innere und äußere oder innerbetriebliche und zwischenbetriebliche Projektorganisation.20 Das Wort innerbetriebliche Projektorganisation entspricht dem Sachverhalt, der zuvor für den einfachen Fall als Projektorganisation bezeichnet wurde; es bedeutet die Ordnung in der Zusammenarbeit von Personen aus mehreren Fachabteilungen eines Unternehmens an einem Projekt.21 Der Ausdruck zwischenbetriebliche Projektorganisation bezeichnet die Ordnung in der Zusammenarbeit von Stellen, Gruppen oder auch Abteilungen aus mehreren Unternehmen an einem Projekt; oder anders ausgedrückt: die Zusammenarbeit am Projekt über die Grenzen des einzelnen Unternehmens hinweg, die Außenverhältnisse zwischen den Unternehmen, die gemeinsam das Projekt bearbeiten.22

2. Die Grundformen der Projektorganisation Den gängigen Darstellungen nach zu urteilen, scheint Projektorganisation im wesentlichen eine Frage sog. Grundformen zu sein. Diese Formen können als Versuch aufgefaßt werden, relevante Gesichtspunkte des Sachverhaltes in Gestalt einiger Grundmuster zu verdichten, um so Projektorganisation insgesamt leichter fassen zu "können. Genannt werden zahlreiche solcher Formen. Um ein klares Bild zu erhalten, ist daher zunächst eine Beschäftigung mit ihrer Klassifikation angezeigt (a.); im Anschluß daran können die drei wichtigsten Grundformen einzeln dargestellt werden (b.).

19 Vereinfachend gelten hier auch rechtlich selbständige Tochtergesellschaften eines Konzerns sowie rechtlich unselbständige Werke, Filialen oder Niederlassungen eines Unternehmens jeweils als eigene Unternehmen. 20 So z.B. bei Madauss, B.-J. , Projektmanagement, S. 387; Brand, M. , ProjektManagement, S. 71; Harrison, F. L., Advanced Project Management, S. 11. 21 Siehe auch Madauss, B.-J., ebd. 22 Vgl. Madauss, B.-J., Projektmanagement, S. 109.

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3. Kapitel: Projektorganisation: das Phänomen

a) Zur Klassifikation der Grundformen Grundformen der Projektorganisation gelten in der Literatur als grundlegende Möglichkeiten, Projekte in Unternehmen organisatorisch einzugliedern;23 bekannt sind sie auch unter den Ausdrücken: organisatorische Arrangements, Organisationsformen des Projektmanagements oder Projektmanagement-Strukturen. 24 Abgegrenzt werden sie je nach Autor auf verschiedene Art und Weise; so entsteht leicht der Eindruck, es handle sich um ein Problem von größter Vielfalt. Tatsächlich aber lassen sich die Klassifikationen auf einen Sachverhalt zurückführen: den Projektleiter und seine Befugnisse. Sie gelten als das Klassifikationsmerkmal - in der amerikanischen Literatur seit den sechziger Jahren, 25 in der deutschsprachigen Literatur seit den siebziger Jahren.26 Bisweilen wird das Merkmal auch anders umschrieben: als strukturelle Projektausrichtung, als Ressourcenautonomie und Verselbständigung gegenüber der Basisorganisation, als graduelle Unterschiede in der Projektorientierung von Management-Systemen. 27 Nur vereinzelt werden andere Merkmale zugrundegelegt, etwa das Ausmaß, in welchem ein Projekt über die Fachabteilungen oder Geschäftsbereiche eines Unternehmens oder über das gesamte Unternehmen hinausreicht28 - also nichts anderes als die Komplexität einer Aufgabe. Trotz des weitgehend einheitlichen Merkmals unterscheiden sich die Klassifikationen zum Teil erheblich. Die überwiegende Mehrzahl der Autoren legt eine Dreiteilung zugrunde und trennt zwischen folgenden Grundformen: Stabs-, Matrix- und Reine Projektorganisation.29 Gebräuchlich ist Vgl. Cleland, D. /., Why Project Management?, S. 87. So z.B. bei Cleland, D. /., ebd.; Steiner, G. A., Ryan, W. G., Industrial Project Management, S. 7 ff.; Schröder, H. J., S. 1317; Klaus, H. G., S. 198. 25 So z.B. bei Cleland, D. /., ebd.; Steiner, G. A., Ryan, W. G., ebd.; Middleton, C. J., How to Set Up a Project Organization, S. 75; Stewart, J. M., Making Project Management Work, S. 295. 26 So bei Bühner, R., Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, S. 205 f.; Haberfel/ner, R., Projekt-Management, S. 132. 27 So bei Frese, E., Projektorganisation, Sp. 1964 ff.; Grün, 0., Projektorganisation, Sp. 2107 ff.; Klaus, H. G., Aufbau von Projektmanagement-Systemen, S. 147; Crawford, M. C., Neuprodukt-Management, S. 293 f. 28 So bei Bleicher, K., Organisation, S. 142. 29 So z.B. bei (in chronologischer Reihenfolge): Cleland, D. /., Why Project Management?, S. 87 f.; Steiner, G. A., Ryan, W. G. , lndustrial Project Management, S. 7 ff.; Schröder, H. J., Projekt-Management, S. 1317; Madauss, B.-J., Projektmanagement, S. 100; Bühner, R ., Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, 23

24

II. Das gängige Verständnis in der Literatur

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auch eine Vierteilung mit der Projektorganisation in der Abteilung, d.h. der funktionalen Organisation, als vierte Grundform. 30 Durchzusetzen scheint sich mehr und mehr die von Erik W. Larson und David H. Gobeli stammende Fünfteilung mit der Projekt-Matrix als fünfte Form.3 1 Vereinzelt werden weitere Grundformen genannt, z.B. der projektorientierte Teilbereich,32 die Projektgesellschaft, die Multiprojektorganisation33 sowie das Projektmanagement mit Kollegien.34 Wie kommen die Unterschiede in den Klassifikationen zustande? Manche Autoren betrachten Projektorganisation als ein Merkmal, dessen Ausprägungen von 0% bis 100% reichen. Die Grundformen ergeben sich aus zwei Extremformen und zahlreichen Zwischenstufen (siehe Abb. 6): Die funktionale Organisation bildet einen Randpunkt, am anderen Ende befindet sich die reine Projektorganisation; in der Mitte liegt die Matrix-Projektorganisation (kurz: ausgewogene Matrix).35 Die klassische Vierteilung ergibt sich, indem zwischen der funktionalen Organisation und der ausgewogenen Matrix zusätzlich als vierte Grundform die Stabs-Projektorganisation (kurz: funktionale Matrix) definiert wird. Die Fünfteilung unterscheidet sich von der klassischen Vierteilung in der sog. Projekt-Matrix als Mittelweg zwischen ausgewogener Matrix und reiner Projektorganisation. 36 S. 205 f.; Haberfellner, R., Projekt-Management, S. 132 ff.; Bleicher, K., Organisation, S. 143 ff.; Lehner, F. u.a., Organisationslehre , S. 480 ff. 30 So z.B. bei (in chronologischer Reihenfolge): Janger, A. R., Anatomy of the Project Organization, S. 17 f.; Middleton, C. J., How toSet Up a Project Organization, S. 75; Kuba, R. W., Computergestützte Projektorganisation, S. 18 ff. 31 Larson, E. W., Gobeli, D. H., Matrix Management: Contradictions and Insights, S. 127 ff., verwenden die Fünfteilung: functiona1 organization, functional matrix, balanced matrix, project matrix, project team. Sie betrachten neben den zwei Extremformen somit drei Formen von Matrix-Organisation, wobei die "functional matrix" dem entspricht, was üblicherweise als Stabs-Projektorganisation bezeichnet wird. Dieser Ansatz geht vermutlich zurück auf Baker, B. N., Murphy, D. C., Fisher, D., Factors Affecting Project Success, S. 672. 32 Vgl. Frese , E., Projektorganisation, Sp. 1964 ff. 33 Vgl. Grün, 0., Projektorganisation, Sp. 2107 ff. 34 Vgl. Klaus, H. G., Aufbau von Projektmanagement-Systemen, S. 147. 35 Vgl. Cleland, D. I., King, W. R., Systems Analysis and Project Management, S. 250; Galbraith, J. R., Matrix Organization Designs, S. 37. Ähnlich z.B. Klaus, H. G., S. 147. 36 In der neueren Literatur zu Entwicklungsprojekten, so z.B. bei Clark, K. B., Fujimoto, T., Automobilentwicklung, S. 247 ff.; Clark, K. B., Wheelwright, S. C., "Heavyweight" Development Teams, S. 10 ff., findet sich eine abgewandelte Vierteilung: funktionale Projektorganisation (functional team structure), LeichtgewichtProjektorganisation (lightweight team structure), Schwergewicht-Projektorganisation (heavyweight team structure) und autonome Projektorganisation (autonomous team structure). Die Kompetenzen stehen auch bei dieser Klassifikation im Vorder6 Beck

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3. Kapitel: Projektorganisation: das Phänomen

Funktionale Organisation

0%

Funktionale Ausgewogene Matrix Matrix

ProjektMatrix

Befugnisse des Projektleiters

ReineProjektorganisation

------~

100%

Abb. 6: Grundformen der Projektorganisation und ihre Abstufung anband der Befugnisse des Projektleiters 37

Andere Autoren sind der Ansicht, eine Form von Projektorganisation liege erst vor, falls der Projektleiter über gewisse Mindestbefugnisse verfüge. Demnach gilt die funktionale Organisation nicht als Grundform der Projektorganisation; die Dreiteilung - Stabs-, Matrix- und Reine Projektorganisation - ist aus ihrer Sicht die Folge.

b) Die Grundformen im einzelnen Wie der Literaturüberblick zu den Grundformen der Projektorganisation zeigt, können als wichtigste Grundformen angesehen werden: die Stabs-Projektorganisation, die Matrix-Projektorganisation sowie die reine Projektorganisation. Sie werden im folgenden vorgestellt.

Stabs-Projektorganisation. In der Stabs-Projektorganisation hat der Projektleiter keine Weisungs- oder Entscheidungsbefugnisse gegenüber den Fachabteilungen, die an einem Projekt arbeiten;38 er verfolgt das Projektge-

grund. Weil die Bezeichnung Matrix fehlt, ist eine klare Zuordnung zu der Fünfteilung nach Larson und Gobeli nicht möglich. Vermutlich entspricht die Leichtgewicht-Projektorganisation der funktionalen Matrix und die Schwergewicht-Projektorganisation der Projekt-Matrix. 37 In Anlehnung an Galbraith, J. R., Matrix Organization Designs, S. 37; Larson, E. W., Gobeli, D. H., Matrix Management, S. 127 ff. 38 Die klassischen Darstellungen dieser Grundform stammen von Davis, K., The Role of Project Management in Scientific Manufacturing, S. 309 f.; langer, A. R., Anatomy of the Project Organization, S. 13 f.; Cleland, D. /., Why Project Management?, S. 83 ff. und Steiner, G. A., Ryan, W. G., Industrial Project Management, S. 7 f. Ähnlich in der deutschsprachigen Literatur z.B. Schröder, H. J., Projekt-

II. Das gängige Verständnis in der Literatur

83

schehen aus der Sicht eines teilnehmenden Beobachters oder besser: Berichterstatters:39 Vor Ort berät er sich mit Fachkräften, vermittelt zwischen einzelnen Fachabteilungen, sammelt Daten über Termine, Kosten und Arbeitsfortschritte; bei ihm fließen alle bedeutsamen Informationen zusammen - er bildet demzufolge das Informationszentrum des Projektes.40 Als Stab übernimmt der Projektleiter unterstützende Aufgaben für eine übergeordnete Leitungsstelle, z.B. den Leiter eines Unternehmens, eines Geschäftsbereiches oder eines Werkes. 4 1 Er sammelt Daten über das Projekt und bereitet sie auf zu Entscheidungsvorlagen. Neben beratenden Aufgaben übernimmt er möglicherweise auch überwachende Aufgaben gegenüber den Fachabteilungen, d.h. er überprüft, inwieweit sie Vorgaben der Unternehmensleitung in die Tat umsetzen. So entlastet der Projektleiter - einem Assistenten entsprechend - seinen Vorgesetzten von mühsamer Kleinarbeit. Wenngleich ohne Befugnisse gegenüber den Fachabteilungen, kann der Projektleiter in der Stabs-Projektorganisation durch seine Nähe zur Unternehmensleitung und zum Geschehen vor Ort durchaus einen erheblichen Einfluß auf das Projekt ausüben.42 Nicht von ungefähr heißt diese organisatorische Grundform- in Anlehnung an George A. Steinerund William G. Ryan - auch Einfluß-Projekt-Management oder Einfluß-Projektorganisation.43 Andere Bezeichnungen lauten: Projektleitung durch Stabsabteilung, Projektmanagement mit Stäben. Die Stabsmitglieder können ihre Tätigkeit haupt- oder nebenamtlich ausüben; wird ein nebenamtlicher Projektleiter eingesetzt, so ist das Unternehmen organisatorisch so gut wie nicht auf das Projekt eingestellt; in diesem Fall entspricht die Stabs-Projektorganisation eigentlich der Projektorganisation in der Fachabteilung (oder auch: Projektleitung in der Linienorganisation, Organisation ohne strukturelle Projektausrichtung): auf die Bildung von Stellen eigens für das Projekt wird verzichtet; der Abteilungsleiter selbst oder einer seiner Mitarbeiter übernimmt neben den bisherigen Aufgaben zusätzlich die Leitung des Projektes. 44 Diese Art wird in der Literatur Management, S. 1317 ff.; Frese, E., Projektorganisation, Sp. 1964 ff.; Haberfellner, R., Projekt-Management, S. 134. 39 Vgl. Steiner, G. A., Ryan , W. G., S. 9. 40 Vgl. Davis, K., S. 309. 41 Zur Abgrenzung zwischen Stab und Linie siehe z.B. Staerkle, R., Stabsstellen, Sp. 2097 ff.; Kieser, A. , Kubicek, H., Organisation, S. 143 f. 42 Vgl. insbes. Cleland, D. /., Why Project Management?, S. 87. 43 Siehe Steiner, G. A., Ryan, W. G. , Industrial Project Management, S. 9. 44 Vgl. hierzu Frese, E., Projektorganisation, Sp. 1964; Reschke, H., Svoboda, M., Projektmanagement (VII und Schluß), S. 3. 6*

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3. Kapitel: Projektorganisation: das Phänomen

auch bezeichnet als "Projektmanagement in Verbindung mit einer Linienfunktion".45 Matrix-Projektorganisation. Die Matrix-Organisation entsteht durch das Überlagern von zwei Weisungslinien. Diese Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse erstrecken sich üblicherweise auf die beiden Aufgabenmerkmale Verrichtung und Objekt. Sofern als Objekte nicht Produkte, Produktlinien oder geographische Regionen gelten, sondern Projekte, wird die Matrix-Organisation als Matrix-Projektorganisation bezeichnet.46 In der Literatur ist sie unter zahlreichen Synonymen bekannt, so z.B. als Matrix-ManagementSystem,47 Matrix-Projekt-Management,48 Projektleitung in der Matrixorganisation,49 Duplexstruktur50 und System dualer Führung;Sl die englischen Bezeichnungen lauten: matrix project management,S2 decision-making matrix,S3 intermix project organization,S4 matrix system of relationshipsSS. Bedingt durch das Überlagern von zwei Weisungslinien, verletzt die Matrix-Organisation das von Henry Fayol stammende Prinzip der Einheit der Auftragserteilung:S6 der ausführende Mitarbeiter hat nicht einen, sondern zwei Vorgesetzte. Der eine Vorgesetzte ist der Leiter der jeweiligen Fachabteilung; dieser Fachvorgesetzte (oder auch: Fachinstanz) koordiniert alle Aufgaben aus seinem Fachgebiet. Der andere Vorgesetzte ist der Projektleiter (auch als Matrixinstanz bezeichnet); seine Aufgabe besteht darin, das Projekt zwischen den Abteilungen zu koordinieren.S7 45 Pukowski, C., Projekt-Matrix-Organisation im industriellen Anlagengeschäft, S. 223. 46 Als Oberbegriff für die Produkt- und die Projekt-Matrixorganisation dient in der Literatur vereinzelt der Ausdruck Objekt-Management, so z.B. bei Brings, K., Erfahrungen mit der Matrixorganisation, S. 72. 47 So z.B. bei Klaus, H. G., Aufbau, S. 198 ff. 48 So z.B. bei Schröder, H. J., Projekt-Management, S. 1317. 49 So z.B. bei Kuba, R. W., Computergestützte Projektorganisation , S. 18 ff. 50 So z.B. bei Jucker, H., Projektmanagement, S. 400. 51 So z.B. bei Schröder, H. J., Projekt-Management, S. 79. 52 So z.B. bei Steiner, G. A., Ryan, W. G. , S. 9. 53 So z.B. bei Steiner, G. A., Ryan, W. G., S. 16. 54 So z.B. bei Middleton, C. J., How to Set Up a Project Organization, S. 75. 55 So z.B. bei Mee, J. F., Matrix Organization, S. 70. 56 Vgl. z.B. Larson, E. W., Gobeli, D. H., Matrix Management, S. 127. Zum Prinzip der Einheit der AuftragseTteilung siehe Fayol, H., Administration Industrielle et Generale, S. 31 ff. Für einen Überblick siehe Fuchs-Wegener, G., Organisationsprinzipien. 57 Vgl. Mee, J. F., Matrix Organization, S. 72; Davis, S. M., Lawrence, P. R., Problems of Matrix Organizations, S. 134.

II. Das gängige Verständnis in der Literatur Matrixleitung

Leiter Fachbereich 1

f-

Leiter Projekt A

~

Leiter ProjektB

'-

I Leiter Fachbereich 2

85 I Leiter Fachbereich n

Leiter Projekt m Abb. 7: Die Matrix-Projektorganisation 58

Benannt wurde die Matrix-Organisation nach ihrem Erscheinungsbild (siehe Abb. 7). Die Weisungslinien der Fachinstanzen werden gewöhnlich als senkrechte Linien dargestellt, die Weisungslinien der Matrixinstanzen als waagerechte Linien.59 So entsteht ein Muster mit senkrechten und waagerechten Linien, das einer Matrix gleicht, d.h. einem rechteckigen Muster aus mathematischen Elementen, die in Zeilen und Spalten angeordnet sind. Aus Sicht des einzelnen Mitarbeiters, läßt sich die Matrix-Organisation als ein Matrix-Diamant darstellen (siehe Abb. 8).60 An der Spitze des Diamanten befindet sich die Matrix-Leitung; sie entspricht je nach Projekt z.B. der Leitung des Unternehmens, des Geschäftsbereiches oder des Werkes. Auf der zweiten Ebene sind die Matrix- und die Fachinstanz angesiedelt: die Matrixinstanz auf der linken Seite, die Fachinstanz auf der rechten. Die dritte Ebene schließlich zeigt den Mitarbeiter mit zwei Vorgesetzten (kurz: Mm2V), d.h. den Punkt, in dem sich die zwei Weisungslinien kreuzen.

In Anlehnung an Leumann, P., Die Matrix-Organisation, S. 66 ff. Vgl. Argyris, C., Today's Problems with Tomorrow's Organizations, S. 154; Mee, J. F., ebd.; Perham, J., Matrix Management, S. 32. 60 Vgl. im folgenden Davis, S. M., Lawrence, P. R., Der Matrix-Diamant, S. 23; Lawrence, P. R., Kolodny, H. F., Davis, S. M., The Human Side of the Matrix, S. 504. 58

59

86

3. Kapitel: Projektorganisation: das Phänomen Matrixleitung Matrixinstanz

Fachinstanz

Mm2V Abb. 8: Der Matrix-Diamant 61 Als zweites Kennzeichen der Matrix-Organisation neben der Überlagerung von zwei Weisungslinien gilt das Kräftegleichgewicht zwischen den Fachinstanzen und der Matrixinstanz.6 2 Demnach steht die Matrix genau zwischen der funktionalen Organisation und der reinen Projektorganisation; sobald die Fachinstanzen und ihre Befugnisse überwiegen, neigt sie in Richtung funktionale Matrix (Stabs-Projektorganisation), sobald die Matrixinstanzen und ihre Befugnisse überwiegen, neigt sie in Richtung ProjektMatrix. So definiert, kann die Matrix-Organisation als ausgeglichene oder auch reine Matrix-Organisation bezeichnet werden.63

Reine Projektorganisation. Die reine Projektorganisation ist die Grundform mit dem stärksten Projektbezug; als Gegenpol zur funktionalen Organisation bildet sie die Obergrenze der organisatorischen Ausrichtung auf ein Projekt.64 Alle Personen, die an einem Projekt mitarbeiten, werden aus ihren bisherigen Abteilungen herausgelöst und zu einer Projektgruppe zusam61 Angelehnt an Davis, S. M., Lawrence, P. R., Der Matrix-Diamant, S. 23; Lawrence, P. R., Kolodny , H. F., Davis, S. M., The Human Side of the Matrix, S. 505; Scholz. C., Matrix-Organisation, Sp. 1305. 62 Vgl. Galbraith, J. R., Matrix Organization Designs, S. 35. Ähnlich z.B. Davis, S. M., Lawrence, P. R., Problems of Matrix Organizations, S. 134; Thom, N., Zur Leistungsfähigkeit der Projekt-Matrix-Organisation, S. 123. 63 Vgl. Thom, N. , S. 124; Wohlgemuth , A., Matrix-Organisation, S. 327 f.; Larson, E. W., Gobeli, D. H., Matrix Management, S. 127 ff. Wie eine ausgeglichene Matrix-Organisation aussieht, d.h. wie die Befugnisse zwischen Fachvorgesetzten und Projektleitern im einzelnen aufzuteilen sind, damit zwischen den Kräften ein Gleichgewicht herrscht, wird im weiteren Verlauf der Arbeit zu klären sein. 64 Ramo, S., Management of Government Programs, S. 7, bemerkt treffend: ..The most effective way ever invented to manage a program is surely to start with a program manager who is perfect and give him complete responsibility and authority. This is an invention which, like perpetual motion, represents a theoretical upper Iimit to smooth, effortless work, attainable if the friction is zero and energy relations are in perfect match."

II. Das gängige Verständnis in der Literatur

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mengefaßt; während des Projektes sind sie von allen anderen Aufgaben freigestellt, sie arbeiten ausschließlich an dem Projekt. Der Projektleiter verfügt über umfassende Befugnisse gegenüber den Mitarbeitern und den Fachbereichen: ihm sind alle Mitglieder der Projektgruppe fachlich und disziplinarisch unterstellt, zudem entscheidet er über die Verwendung finanzieller Mittel, des weiteren hat er freien Zugriff auf alle Anlagen und Einrichtungen, die das Projekt erfordert; entsprechend seinen weitreichenden Befugnissen trägt er die uneingeschränkte Verantwortung für das Projekt.65 Rein ist diese Grundform, weil sie vorsieht, ein Projekt organisatorisch nicht nur teilweise, sondern ganz zu verselbständigen; die Bezeichnung stammt vom englischen ,pure project management' und ist im deutschen Sprachraum vorherrschend. 66 Diese Grundform gewährt dem Projektleiter und der Projektgruppe große Freiräume gegenüber den Fachbereichen und ermöglicht so ein weitgehend ungehindertes Arbeiten am Projekt; daher heißt sie unabhängige (autonome) Projektorganisation.67 Vereinzelt ist sie bekannt als ,,Projektleitung in projektorientierter Linienorganisation".68 Zusammenfassender Ausblick. Der Überblick sollte das gängige Verständnis der Projektorganisation verdeutlichen, um so möglicherweise zusätzliche Erkenntnisse über das Phänomen sowie Ansatzpunkte für weiterführende Fragen zu liefern. Drei Fragen drängen sich meines Erachtens auf. Erstens: Wie aus den Darlegungen zur strukturellen Sicht deutlich wird, gilt Projektorganisation als eine geplante Ordnung. Obgleich an dieser Stelle keine Antwort erfolgen soll, ist nach der Bedeutung der spontanen Entstehungsweise zu fragen, und damit zugleich nach dem Verhältnis der Projektorganisation zu anderen Instrumenten der Koordination, z.B. der Projektplanung. Zweitens: Projektorganisation wird in der Literatur meist als Gegensatz zur Unternehmensorganisation betrachtet. Hier bleibt zu klären, ob dieses Verständnis dem Sachverhalt angemessen ist. Drittens: Die Entscheidungsbefugnisse des Projektleiters werden in der Literatur als Kern der orga65 Dieersten Darstellungen stammen von Davis, K., S. 310; langer, A. R., S. 17; Cleland, D. /., Why Project Management?, S. 88; Steiner, G. A., Ryan, W. G., S. 7 ff.; Stewart, J. M., S. 292. Ähnlich in der deutschsprachigen Literatur z.B. Schröder, H. J., S. 1317; Du/lien, M., S. 264; Klaus, H. G., S. 213; Frese, E., Projektorganisation, Sp. 1966; Haberfellner, R., Projekt-Management, S. 133. 66 In der amerikanischen Literatur z.b. bei Steiner, G. A., Ryan, W. G., ebd.; Stewart, J. M., ebd.; Cleland, D. /.,King, W. R., Systems Analysis and Project Management, S. 250; in der deutschsprachigen Literatur z.B. Schröder, H. J., ebd.; Frese, E., ebd.; Bühner, R., Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, S. 205; Lehner, F. u.a., Organisationslehre, S. 471. 67 So etwa bei Klaus, H. G., S. 213; Reschke, H., Svoboda, M., Projektmanagement (VII und Schluß), S. 3; Bleicher, K., Organisation, S. 143 ff. 68 So bei Kuba, R. W., Computergestützte Projektorganisation, S. 22.

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3. Kapitel: Projektorganisation: das Phänomen

nisatorischen Anpassung betrachtet, wie aus ihrer Verwendung als Maßstab der organisatorischen Verselbständigung hervorgeht. Welche Aussagekraft allerdings hat diese Sichtweise und welche Folgen ergeben sich aus ihr für die weitere Beschäftigung mit Projektorganisation? Mit diesen Fragen ist der Gegenstand für den folgenden Abschnitt vorgegeben.

111. Weiterführende Gedanken Um das Phänomen Projektorganisation erfassen zu können, müssen die Fragen beantwortet werden, die sich aus dem Literaturüberblick im Abschnitt zuvor ergaben. Es sind dies drei Fragen: Die erste Frage zielt auf die Entstehungsweise der Projektorganisation und somit auch auf ihr Verhältnis zu anderen Instrumenten der Koordination, insbesondere die Projektplanung. Die zweite Frage hat das Verhältnis zwischen Unternehmens- und Projektorganisation zum Inhalt. Weil die Unternehmensorganisation selbst ein Koordinationsinstrument ist, könnte das Verhältnis durchaus auch Inhalt der ersten Frage sein; aufgrund seiner Bedeutung für das Gesamtverständnis wird es hier jedoch in einem eigenen Teilabschnitt erörtert. Die dritte Frage untersucht den Aussagegehalt des Versuchs, Projektorganisation in dem Merkmal ,organisatorische Verselbständigung' abzubilden. Die drei Fragen werden in Form von , weiterführenden Gedanken' beantwortet.

1. Die Projektorganisation und ihr Verhältnis zur Projektplanung

Wie verhält sich die Projektorganisation zu anderen Instrumenten der Koordination, insbesondere der Projektplanung? Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist die Strategie: Als grundlegender Plan für die Entwicklung des Unternehmens bildet sie den Rahmen für die Planung von Projekten. Ihr Einfluß beschränkt sich nicht auf die Festlegung des Projektinhaltes, z.B. die Entwicklung eines neuen Computer-Betriebssystems oder die Modernisierung einer Produktionsanlage; neben dem Projektinhalt ergeben sich aus ihr idealerweise ebenso die zwei anderen Projektziele: die Termine und Kosten des Projektes. Zusätzlich zu den eigentlichen Projektzielen folgen aus der strategischen Perspektive, besonders den Festlegungen hinsichtlich des Ausmaßes der vertikalen Integration, den Quellen des Wachstums sowie des Zeitpunktes für Marktein- oder -austritte zugleich weitere maßgebliche Rahmenvorgaben. Solche Vorgaben werden vereinzelt auch als Projektstra-

III. Weiterführende Gedanken

89

tegie bezeichnet69 und beziehen sich bei Entwicklungsprojekten z.B. auf die Wiederverwendung von Teilen früherer Produkte, die Variantenvielfalt sowie die Einbindung von Zulieferern.70 Festgelegt werden die Projektziele und die Projektstrategie im Rahmen der Projektplanung.1 1

Ein weiterer Gegenstand der Projektplanung ist die Wahl der Beschaffungswege für Teilleistungen des Projektes. Diese Beschaffungsplanung bewegt sich idealerweise im Rahmen der Vorgaben durch die Projektstrategie; eine Strategie des internen Wachstums z.B. wird grundsätzlich eigenerstellte Leistungen aus dem Unternehmen vorsehen. Zu den Inhalten der Beschaffungsplanung gehören vor allem: Entscheidungen über Eigenerstellung und Fremdbezug, die Bewertung von Angeboten sowie die Preis- und Vertragsgestaltung. 72 Teilleistungen können grundsätzlich erbracht werden durch Auftragnehmer im Haus, d.h. Fachabteilungen, Werke oder auch Niederlassungen des Unternehmens, sowie durch Auftragnehmer außer Haus, d.h. auswärtige (Zuliefer) Unternehmen. An dieser Stelle ist meiner Ansicht nach die Trennlinie zwischen Beschaffungsplanung und Projektorganisation anzusetzen: Während die Beschaffungsplanung zu vertraglichen Verhältnissen mit Auftragnehmern, d.h. rechtlich selbständigen oder auch unselbständigen Einheiten mit mehreren Mitarbeitern, führt, behandelt die Projektorganisation die eigentliche Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern, also die Verteilung von Aufgaben zwischen Personen. Insofern bildet die Beschaffungsplanung einen Rahmen, welchen die Projektorganisation hinsichtlich der Aufgabenverteilung zwischen Mitarbeitern der beteiligten Einheiten im einzelnen ausfüllt. Was ihren Gegenstand betrifft, kann Projektorganisation daher verstanden werden als: Ordnung von Personen und ihren Aufgaben bei der Zusammenarbeit an einer bereichsübergreifenden, zeitlich begrenzten Aufgabe. Aus welcher Art von Auftragnehmer die Projektmitarbeiter stammen, ob bauseigene Abteilungen oder externe Gesellschaften, ist für das Verständnis nebensächlich; jedoch sollten die verschiedenen Möglichkeiten nicht von vornherein ausgeklammert werden. Der erste Versuch, Projektorganisation So z.B. bei Clark, K. B., Fujimoto, T., Automobilentwicklung, S. 133 ff. Vgl. Clark, K. B., Fujimoto, T., ebd. 71 Die Zusammenhänge zwischen Strategie, Projektzielen und Projektstrategie sollen an dieser Stelle freilich nur angedeutet werden, denn wichtig sind sie für die vorliegende Arbeit lediglich in ihrer Eigenschaft als Rahm~nbedingungen der Projektorganisation. 72 Auch die Beschaffungsplanung braucht hier nicht näher behandelt zu werden. Siehe dazu etwa Madauss, B.-J., Projektmanagement; Backhaus, K., Investitionsgüter-Marketing. 69

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90

3. Kapitel: Projektorganisation: das Phänomen

als Phänomen zu erfassen, läßt sich damit wie folgt verbessern: Projektorganisation ist die Ordnung in den Aufgaben von Personen aus einem oder auch mehreren Unternehmen bei der Zusammenarbeit an einer bereichsübergreifenden, zeitlich begrenzten Aufgabe. Diese Ordnung wird grundsätzlich vor Beginn eines Projektes festgelegt; aus diesem Grund ist die Projektorganisation im wesentlichen eine geplante Ordnung und somit auch Teil der Projektplanung. Freilich ist hier zu fragen: Mit welchem Maß an Genauigkeit läßt sich die Projektorganisation im voraus festlegen? Zu einem gewissen - wenngleich vermutlich nicht überwiegenden - Teil ist sie auch das Ergebnis von Mustern, die sich zwischen den am Projekt beteiligten Personen spontan herausbilden und im Lauf der Zusammenarbeit verfestigen. In dem Ausmaß freilich, in dem die Projektorganisation sich spontan bildet, ist sie nicht Teil der Projektplanung, sondern reicht über diese Planung hinaus.73 Aus den Darlegungen zu Gegenstand und Entstehungsweise ergibt sich meines Erachtens folgendes Verständnis: Projektorganisation ist die in ihren Grundzügen geplante, in Teilen auch spontan entstandene Ordnung in den Aufgaben von Mitarbeitern aus einem oder mehreren Unternehmen bei der Zusammenarbeit an einer bereichsübergreifenden, zeitlich begrenzten Aufgabe. Als eine Art von Anfangskoordination bildet sie den Rahmen für die laufende Koordination. Ihre Gestaltung ist also eine Metaentscheidung: eine Entscheidung über die Art und Weise, in der Mitarbeiter im Laufe eines Projektes Entscheidungen treffen werden. Projektplanung Strategie - ~

Projektziele _ Beschaffungs: und -Strategie ~ plan

...

I

ProjektOrganisation

I

Abb. 9: Die Projektorganisation und ihr Verhältnis zu Strategie und Projektplanung

Die Verhältnisse zwischen Projektorganisation, Beschaffungsplan, Projektzielen und Projektstrategie, Projektplanung sowie Strategie sind in Abb. 9 zusammenfassend dargestellt. Rückkopplungen, Wiederholungen und andere Überlagerungen zwischen den Elementen dieses Modells bleiben ausgeklammert, um ein übersichtliches Bild zu ermöglichen.

73

Zum Verhältnis zwischen Planung und Organisation siehe Kap I. II. 2.

111. Weiterführende Gedanken

91

2. Die Projektorganisation und ihr Verhältnis zur Unternehmensorganisation Das Verhältnis zwischen Projektorganisation und Unternehmensorganisation wird - wie der Literaturüberblick zuvor zeigte - häufig in schwarz und weiß gezeichnet, d.h. als ein Gegensatz betrachtet. Diese Sicht würde angebracht sein, falls ein Unternehmen nur ein einziges Projekt bearbeitet, und die Projektmitarbeiter ausschließlich an diesem Projekt arbeiten. Diese zwei Voraussetzungen sind freilich nicht immer erfüllt. Die Wirklichkeit zeichnet in der Regel ein vielschichtigeres Bild. Jedes Projekt ist üblicherweise eine unter vielen Aufgaben im Unternehmen. Das heißt: Personen bearbeiten neben dem einzelnen Projekt möglicherweise weitere Projekte sowie Tagesaufgaben (i.S. von Nicht-Projekten), sind also möglicherweise Mitglied in mehreren Projektgruppen (hier vereinfachend definiert als: Personen aus verschiedenen Bereichen, die gemeinsam unter Leitung des Projektleiters ein Projekt bearbeiten). Aus der Warte des einzelnen Projektmitarbeiters betrachtet, lassen sich dementsprechend drei Arten von Beziehungen denken: erstens Beziehungen zu Mitarbeitern desselben Projektes, zweitens Beziehungen zu Mitarbeitern aus anderen Projekten und drittens Beziehungen zu , Stammstellen •. Angesichts dieser Vielzahl von Verhältnissen erscheint es nicht sinnvoll, die Projektorganisation als Gegensatz zur Unternehmensorganisation zu sehen. Die Projektorganisation bildet meiner Ansicht nach eine Teilordnung inmitten der Ordnung von Aufgaben im Unternehmen, d.h. einen Teil der Unternehmensorganisation. Zugleich können zwischen den Teilordnungen vielschichtige Überlagerungen bestehen - verursacht durch personelle Überschneidungen der Projektgruppen. Dieser Vielfalt kann die einfache schwarz-weiß-Sieht bei weitem nicht gerecht werden. Das bereichsübergreifende Arbeiten auf Zeit läßt die Unternehmensorganisation nicht unberührt. Da Projektgruppen, die Bausteine der Projektorganisation, nur für die Dauer des Projektes bestehen, gelten sie als temporäre Systeme,74 ja: seit Alvin Tofflers Buch ,Zukunftsschock' gar als WegwerfTeams.15 Bedingt durch ihr Kommen und Gehen, führen sie zu einer steten organisatorischen Veränderung. 76 Die Unternehmensorganisation ist - um So bei Goodman, R. A., Goodman, L. P., Temporary Systems, S. 494. Toffler, A., Der Zukunftsschock, S. 107: "Was wir hier sehen, ist nichts anderes als die Schaffung einer wegwerfbaren Abteilung - das organisatorische Gegenstück zu Papierkleidern oder Papiertaschentüchern, die man auch nur einmal gebraucht." 76 Dies erkennt Toffler, A., S. 104. 74

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3. Kapitel: Projektorganisation: das Phänomen

ein gängiges Bild aufzugreifen - nicht länger ein starrer, unverrückbarer Palast; vielmehr gleicht sie einer Ansammlung von Zelten, die je nach Bedarf heute hier, morgen dort aufgestellt werden.77 Diese Organisation im Fluß, von Alvin Toffler popularisiert und mit dem Namen Adhocratie versehen,78 hat also stets ein neues Gesicht, wie Warren Bennis ausführt:79 "Die Sozialstruktur zukünftiger Organisationen wird durch ganz neuartige Merkmale gekennzeichnet sein. Das Schlüsselwort dafür ist »temporär«. Es wird anpassungsfähige, rasch sich wandelnde, temporäre Systeme geben. Diese werden aus problemorientierten Arbeitsgruppen bestehen, deren Mitglieder einander relativ fremd und verschiedenartig spezialisiert sind."

Insgesamt wird deutlich: Angesichts des Zwangs zu projektbezogenen Anpassungen erscheint es nicht angemessen, die Unternehmensorganisation als eine endgültige und unveränderliche Ordnung anzusehen; sinnvollerweise ist sie als eine vergleichsweise dauerhafte Ordnung zu begreifen. Damit wird die Projektorganisation zu einem Rahmen auf Zeit inmitten eines dauerhafteren Rahmens. In Unternehmen mit funktionaler Organisation führen die projektbezogenen Anpassungen zu einem verstärkten Objektbezug und damit zu einer schwächeren Stellung der bis dahin mehr oder weniger unangefochtenen Funktionsbereiche.

3. Die Kritik des Versuchs, Projektorganisation durch ein theoretisches Konstrukt zu eifassen

Die Klassifikation der Grundformen kann meines Erachtens als der Versuch angesehen werden, Projektorganisation durch die organisatorische Verselbständigung als theoretisches Konstrukt zu erfassen. Es stellt sich die Frage: Wie aussagekräftig ist dieser Versuch? Theoretische Begriffe im allgemeinen können idealerweise die Verständigung über schwierige Sachverhalte erleichtern;80 darin liegt ihr unbestreitbarer Vorteil. Die organisatorische Verselbständigung im besonderen ermöglicht meines Erachtens einen Überblick über die Bandbreite der grund77 Der bildhafte Vergleich stammt von Hedberg, B. L. T., Nystrom, P. C., Starbuck, W. H., Camping on Seesaws: Prescriptions for a Selfdesigning Organization, s. 44 f. 78 Vgl. Toffler,A., S. 101 f. Siehe auch Mintzberg , H., The Structuring of Organizations, S. 432 ff. 79 Bennis, W. G. , Organisationswandel, S. 480. so Zum Begriff des theoretischen Konstruktes siehe Kap. 5. I. I. a.

111. Weiterführende Gedanken

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legenden Möglichkeiten, Projekte organisatorisch in Unternehmen einzugliedern; diese Idealtypen sind denkbar als Gegenstände vergleichender Betrachtungen, z.B. ihrer relativen Eignung unter bestimmten Bedingungen. Fraglich hingegen ist, inwieweit das Konstrukt außer einem solchen Überblick auch Aussagen zur Gestaltung der Projektorganisation ermöglicht. Um dies beantworten zu können, sind zunächst die theoretischen Voraussetzungen solcher Aussagen zu betrachten. Gestaltungsaussagen zur Projektorganisation erfordern ein vollständiges Bild der organisatorischen Eingliederung von Projekten, d.h. ein theoretisches Modell, das die wesentlichen Sachverhalte des Phänomens als Elemente berücksichtigt und ihre Beziehungen verdeutlicht. Seine Grundzüge können an dieser Stelle freilich nur angedeutet werden: Ein Modell der Projektorganisation muß als Gestaltungsgrößen - so vermute ich neben den Entscheidungsbefugnissen des Projektleiters weitere Sachverhalte erfassen, z.B. die Größe und Zusammensetzung der Projektgruppe; zudem sollte es nicht die Entscheidungsbefugnisse einzelner Stellen betonen, sondern Entscheidungsprozesse als Ganzes. Diese theoretischen Bedingungen sind derzeit als nicht erfüllt anzusehen; ein allgemeines Modell der Projektorganisation liegt bislang nicht vor. Daher ist es zumindest gegenwärtig nicht möglich, aus den Grundformen Aussagen für die Gestaltung der Projektorganisation abzuleiten: Weder zu Mischformen, d.h. maßgeschneiderten Anpassungen der Idealtypen an die Gegebenheiten eines Einzelfalls, noch für die Eingliederung mehrerer Projekte nebeneinander im Unternehmen, ebensowenig für die Gestaltung von Entscheidungsprozessen in und zwischen Projekten - zu sehr stehen Kompetenzen einzelner Stellen im Vordergrund.S 1 Als ein weiteres kommt hinzu: Bedingt durch vielfältige Überlagerungen zwischen den Gestaltungsgrößen, ist es unmöglich, aus einem bestimmten Grad der organisatorischen Verselbständigung eindeutig auf die Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsgrößen zu schließen. In der Sprache der Mathematik handelt es sich hier um eine surjektive, aber nicht injektive Abbildung: zwar entspricht jeder Kombination von Ausprägungen der Gestaltungsgrößen genau ein Grad der organisatorischen Verselbständigung, umgekehrt aber entsprechen jedem Grad der Verselbständigung zugleich mehrere Kombinationen von Ausprägungen. Daraus folgt insgesamt: Die Grundformen eignen sich nicht als ein umfassender Leitfaden zur Gestaltung der Projektorganisation, denn über das, was die Projektorganisation im einzelnen ausmacht, sagen sie kaum etwas.8 2 Ähnlich Melcher, R. D., Roles and Relationships, S. 365. Diese Einsicht wird in der Literatur vielfach vertreten, so z.B. bei Clark, K. B., Fujimoto, T., Automobilentwicklung, S. 241 : "Führung und Organisation 81

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94

3. Kapitel: Projektorganisation: das Phänomen

Dennoch mag aus ihnen Nutzen ziehen, wer sie als ersten Überblick oder auch Anhaltspunkt versteht. Ihr Aussagegehalt würde meines Erachtens erheblich größer sein, läge ein allgemeines Modell der Projektorganisation vor: Dann würden vielleicht genauere Aussagen darüber möglich sein, anband welcher Kriterien ein bestimmter Idealtyp auszuwählen und wie dieser Idealtyp an die Erfordernisse des Einzelfalls anzupassen ist.

sind mehr als formale Autorität oder der Eindruck, den ein offizielles Organisationsschaubild vermittelt."

Viertes Kapitel

Gestaltungselemente der Projektorganisation Das dritte Kapitel erfaßte das Phänomen Projektorganisation, insbesondere in seinem Verhältnis zu Projektplanung und Unternehmensorganisation. Daneben verdeutlichte es die Notwendigkeit eines allgemeinen Modells der Projektorganisation: Mit Hilfe eines solchen theoretischen Rahmens, der die Gestaltungsgrößen der Projektorganisation in ihren vielfältigen Beziehungen abbildet, würde es möglich werden, Gestaltungsaussagen zu entwickeln. Ein derartiges Modell liegt zum gegenwärtigen Zeitpunkt meines Wissens nicht vor. Daher unternehme ich den Versuch, die Gestaltungselemente herauszuarbeiten und in einem angemessenen Modell abzubilden. Dies geschieht hier im vierten Kapitel. Als Ausgangspunkt dient folgender Gedanke: Die Projektorganisation zu gestalten ist nichts anderes als eine bestimmte Art der Ordnung von Personen und ihren Aufgaben festzulegen. Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich also zuallererst aus den Aufgaben, die anstehen, und den Stellen, 1 die sie erfüllen. Diese überaus vielfältigen Möglichkeiten werden unter dem Titel ,Projektaufgaben und ihre Zuordnung auf Projektstellen' dargelegt (I. Abschnitt). 2 In einem zweiten Schritt gilt es, die Projektstellen in ihrem zeitlichen Zusammenwirken zu betrachten. Zu erörtern ist (erneut) das Verhältnis zwischen Projektplanung und Projektorganisation, um davon ausgehend als zweite umfassende Gestaltungsgröße der Projektorganisation die zeitliche Überlagerung der Projektphasen einzuführen (II. Abschnitt). Insofern eine Projektorganisation ansatzweise auch spontan entstehen soll, ist zu untersuchen, inwieweit es möglich ist, diese Entstehungsweise durch gestalterische Maßnahmen zu fördern. Die Bausteine zur Gestaltung des Potentials einer spontanen Entstehungsweise bilden den Gegenstand des abschließenden III. Abschnittes. Der Ausdruck Stelle bezeichnet hier - übereinstimmend mit dem üblichen Sprachgebrauch - die kleinste organisatorische Einheit; ihr zugrunde liegt die Zusammenfassung einer bestimmten Menge von Teilaufgaben zu einem Aufgabenbündel, das einer Person dauerhaft übertragen wird. Die betreffende Person wird dadurch zum Stelleninhaber. 2 Die Bezeichnung Projektstelle findet sich meines Wissens sonst einzig bei Peters, T. J., Jenseits der Hierarchien, S. 238.

96

4. Kapitel: Gestaltungselemente der Projektorganisation

I. Projektaufgaben und ihre Zuordnung auf Projektstellen 1. Einführung Projektorganisation wurde zuvor abgegrenzt als die in ihren Grundzügen geplante, zum Teil auch spontan entstandene Ordnung in den Aufgaben von Personen aus einem oder mehreren Unternehmen bei der zeitlich begrenzten, bereichsübergreifenden Zusammenarbeit. Sie ist also die Ordnung derjenigen Stellen, die an einem Projekt arbeiten. Diese Stellen bezeichne ich als Projektstellen. 3 Projektstellen bilden meines Erachtens die Grundbausteine der Projektorganisation. Während die Grundformen zeigen, wie stark ein Projekt organisatorisch verselbständigt wird, bilden die Projektstellen das Instrumentarium, um eine im Einzelfall angestrebte organisatorische Verselbständigung zu verwirklichen. Aus ihrer Gestaltung ergibt sich erst die vollständige organisatorische Einbindung eines Projektes in ein Unternehmen. 4 In der Literatur finden sich - wie der Überblick im Kapitel zuvor zeigte - wohl zahlreiche Abhandlungen zu den Grundformen der Projektorganisation, dagegen weit seltener Ausführungen zu den Projektstellen. Trotzdem werden vielfältige Arten unterschieden, wie aus den zwei Katalogen von Projektstellen hervorgeht, die hier beispielhaft angeführt werden sollen.5 John S. Baumgartner nennt:6 - Projekt-Büro, - Mitarbeiter aus Fachabteilungen mit wertschöpfenden Aufgaben und aus Fachabteilungen mit unterstützenden Aufgaben, - Auftragnehmer im Haus und außer Haus. David I. Cleland und William R. King unterscheiden:7 3 In der amerikanischen Literatur findet sich sinngemäß der Ausdruck Projekt· teilnehmer, so z.B. bei Cleland, D. /.,King, W. R., Systems Analysis and Project Management, S. 243. Ähnlich spricht Steinberg, C., Projektmanagement in der Praxis, S. 8, von den "am Projektgeschehen Beteiligten". 4

Vgl. Cleland, D. /.,King, W. R., Systems Analysis, S. 243.

Siehe ebenso z.B. Musiol , A., Organisation, S. 197; Haberfellner, R., Projekt-Management, S. 139 f.; Kett, /. , Projekte erfolgreich managen, S. 53. 5 6

Vgl. Baumgartner, J. S., Project Management, S. 10, S. 61 ff., S. 72 ff. und

7

Vgl. Cleland, D. /.,King, W. R., Systems Analysis, S. 243 ff.

S. 82 f.

I. Projektaufgaben und ihre Zuordnung auf Projektstellen

-

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Projektgruppe, Leiter der Projekte, Projektleiter-Stab (Projektbüro), Projektleiter, Fach-Projektleiter, Arbeitspaket-Leiter, Projektmitarbeiter.

Was bislang fehlt, ist ein allgemeines Modell der Projektstellen. Ein solches Modell werde ich hier vorstellen. Zu seiner Einführung sei an dieser Stelle angemerkt: Das Triadenmodell der Projektstellen beruht auf einem ebenso eleganten wie wirkungsvollen Grundgedanken: Bei allen Projekten lassen sich drei idealtypische Klassen von Aufgaben unterscheiden: das Projekt erstens in Auftrag geben, zweitens leiten und drittens durchführen. Diese Aufgaben können in vielfältiger Weise auf Personen, Abteilungen oder auch Unternehmen verteilt sein; im Grunde aber lassen sich drei Arten von Projektstellen unterscheiden: Auftraggeber, Projektleitung und Auftragnehmer. Den drei idealtypischen Projektaufgaben entsprechen also drei idealtypische Projektstellen. Vorstellen werde ich die Bausteine zunächst jeweils einzeln. Das ist zweifellos problematisch, denn Stellen lassen sich nur durch ihre Beziehungen zu anderen Stellen erfassen. Aus Gründen der Klarheit indes werde ich zunächst die Bausteine vereinfachen, damit ihre Grundzüge deutlich hervortreten, und darauf aufbauend die vielschichtigeren Beziehungen zwischen ihnen erschließen. Für die Einzeldarstellungen wähle ich folgendes Vorgehen: Für jeden Baustein werden zunächst die Aufgaben allgemein als ein Ganzes betrachtet, d.h. als eine Menge von Kernaufgaben; anschließend werden die Möglichkeiten beschrieben, einzelne dieser Kernaufgaben auf verschiedene Projektstellen zu verteilen. Dem Vorhaben, Projektstellen in einem allgemeinen Modell abzubilden, stehen beträchtliche Schwierigkeiten entgegen: In der Literatur finden sich nur wenige, meist unzusammenhängende und teils widersprüchliche Aussagen; der Formenreichtum läßt sich daraus nur ansatzweise erfassen. Daher erscheint es sinnvoll, an entsprechenden Stellen Erkenntnisse aus meiner empirischen Studie vorwegzunehmen und einfließen zu lassen.

7 Beck

98

4. Kapitel: Gestaltungselemente der Projektorganisation

2. Der Auftraggeber a) Die Aufgaben des Auftraggebers in allgemeiner Sicht Als höchste Projektstelle bestimmt der Auftraggeber maßgeblich die Projektziele, d.h. die Leistungs- und Qualitäts-, Termin- und Kostenziele für das Projekt; sie werden schriftlich festgehalten in dem sog. Projektauftrag.S Hergeleitet werden sie aus der Strategie; insofern entscheidet der Auftraggeber auch über das Verhältnis des Projektes zu anderen derzeitigen und zukünftigen Projekten. Mit der Erklärung zum Projekt, d.h. dem offiziellen Projektauftrag, gibt der Auftraggeber das Projekt formell frei. 9 Zusätzlich zur Bestimmung der Projektziele und der Freigabe des Projektes entscheidet der Auftraggeber über die Zuteilung und Freigabe von finanziellen MittelnlO sowie die Auswahl geeigneter Personen für die Projektleitung und die Festlegung ihrer Entscheidungsbefugnisse.ll Die Tätigkeit des Auftraggebers beschränkt sich nicht auf das Vorfeld eines Projektes, sondern erstreckt sich grundsätzlich über das gesamte Projekt. Wohl überträgt der Auftraggeber die laufende Leitung des Projektes an die Projektleitung; die Leitung auf höchster Projektebene freilich behält er sich selbst vor, indem er wichtige Zwischenergebnisse bestätigt oder zurückweist.12 Die Genehmigungs- und Kontrolleingriffe des Auftraggebers meist in Form von sog. Abnahmen oder Freigaben - erfolgen also grundsätzlich nicht ständig, sondern in regelmäßigen Zeitabständen, z.B. alle drei Monate, oder bei bestimmten Anlässen; solche Anlässe sind gegeben bei Meilensteinen, d.h. bei Zwischenergebnissen von herausragender Bedeutung

8 Siehe hierzu Eiff, W. v. , Projekt-Management als Prozeß-Management, S. 281. Vgl. im folgenden Gillis, B., Role of Senior Management in Developmental Projects, S. 267 ff.

9 Vgl. Klaus, H. G., Aufbau von Projektmanagement-Systemen, S. 116 ff.; Haberfellner, R., Projekt-Management, S. 139; Reschke, H., Svoboda, M., Projektmanagement (VII), S. 3. 10 Vgl. Haberfellner, R., ebd. Diese Teilaufgabe gilt in der amerikanischen Literatur als die eigentliche Aufgabe des sog. Executive Champions, so z.B. bei Maidique, M. A., Entrepreneurs, Champions, and Technological Inno~ation, S. 64: "Executive Champion ... an executive in a technological firm who has direct or indirect influence over the resource allocation process and who uses this power to channel resources to a new technological innovation, thereby absorbing most, but usually not all, the risk of the project." II Klaus, H. G., Aufbau von Projektmanagement-Systemen, S. ll6 ff. 12

Klaus, H. G., S. 186.

I. Projektaufgaben und ihre Zuordnung auf Projektstellen

99

für das Projekt, 13 oder falls die Gefahr besteht, einen Meilenstein zu verfehlen.14 Einhergehend mit der Aufgabe, das Projekt formell in Auftrag zu geben, liegt beim Auftraggeber ebenso die Entscheidung, das Projekt zu unterbrechen oder gar abzubrechen.l5 Da Unternehmen häufig mehrere Projekte nebeneinander bearbeiten, ist es erforderlich, die projekteübergreifenden Sachverhalte zu gestalten,l6 d.h. die Projekte jeweils hinsichtlich ihres Vorrangs einzustufen, dementsprechend die begrenzten finanziellen, personellen und materiellen Mittel des Unternehmens zu verteilen sowie die Projekte untereinander laufend abzustimmen - die Literatur bezeichnet diese Aufgabe vereinzelt als MultiProjektmanagement.l7 Im Mittelpunkt steht die Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, welche die Arbeit am Projekt erleichtern. Erforderlich ist eine projekteübergreifende Planung und Kontrolle; sie wiederum setzt einheitliche Richtlinien für die Projektarbeit voraus, z.B. für das Berichtswesen, insbesondere über Inhalte, Zeitpunkte und Sonderanlässe für Berichte. Solche Richtlinien ermöglichen die laufende Abstimmung der Pläne sämtlicher Projekte, vor allem hinsichtlich Terminen und Kapazitäten; Abweichungen eines Projekte gegenüber dem Plan sowie steuernde Eingriffe lassen sich in ihren Auswirkungen auf andere Projekte klar und deutlich aufzeigen; bei Überschneidungen zwischen Projekten können Prioritäten festgelegt und geeignete Schlichtungsmaßnahmen eingeleitet werden.l8 Für den Auftraggeber entstehen damit zusätzliche Aufgaben: Er hat Überschneidungen und Engpässe auszuräumen, insbesondere Konflikte, die zwischen dem Projektleiter und anderen Projektleitern oder Fachbereichsleitern bestehen; zudem hat er Abweichungen vom Projektplan, z.B. Termin- und Zu Meilensteinen siehe z.B. Madauss, B.-J., Projektmanagement, S. 200. 14 Vgl. Kett, /., Projekte erfolgreich managen, S. 53; Reschke, H., Svoboda, M., Projektmanagement (VII und Schluß), S. 3; Clark, K. B., Wheelwright, S. C., "Heavyweight" Development Teams, S. 25; Klaus, H. G., Aufbau von Projektmanagement-Systemen, S. 118. 15 Klaus, H. G., S. 116. 16 Vgl. Cleland, D. /.,King, W. R., Systems Analysis and Project Management, s. 248. 17 So z.B. bei Rüsberg, K.-H., Praxis, S. 221 ff. Siehe hierzu den Ansatz bei Wheelwright, S. C., Clark, K. B., Creating Project Plans to Focus Product Development, S. 73 ff. 18 Vgl. Cleland, D. /.,King, W. R., Systems Analysis and Project Management, S. 248; ähnlich Rüsberg, K.-H., Praxis des Project- und Multiproject-Management, S. 222 ff.; nahezu identisch bei Kuba, R. W., Computergestützte Projektorganisation, S. 51 ff. 13

7*

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4. Kapitel: Gestaltungselemente der Projektorganisation

Kostenüberschreitungen, die in der Folge auch andere Projekte betreffen, den Leitern der betroffenen Projekte mitzuteilen.19

b) Verschiedene Zuordnungen auf Projektstellen Im Unterabschnitt zuvor wurden die Aufgaben des Auftraggebers als Ganzes dargestellt. Tatsächlich jedoch können sie von Unternehmen zu Unternehmen in unterschiedlicher Weise auf Projektstellen verteilt sein. Bedingt durch die große Vielfalt auf diesem Gebiet, besteht weder in der Literatur noch in der Praxis ein einheitlicher Sprachgebrauch. Der folgende Unterabschnitt ist daher ein Versuch, die vielfältigen Formen beim Namen zu nennen und grundlegende Entsprechungen zwischen ihnen aufzuzeigen.

Auftraggeber verstehe ich als oberstes Lenkungsgremium eines Projektes, d.h. dasjenige Gremium, welches die Projektziele bestimmt, das Projekt freigibt, die finanziellen Mittel zuteilt, die Projektleitung ernennt, während des Projektes in regelmäßigen Abständen oder in besonderen Fällen über die Freigabe von Zwischenergebnissen entscheidet sowie allgemein projekteübergreifende Sachverhalte gestaltet. Projektstellen mit diesen Aufgaben sind in der Literatur unter verschiedenen Namen bekannt, z.B. Projektausschuß,20 Lenkungs- oder Steuerungsausschuß;21 in meiner empirischen Untersuchung sind mir weitere Namen begegnet, etwa MeilensteinSitzungs-Komitee, Projekt-Lenkung, Projekt-Koordination sowie ProjektBeirat. Diese Ausdrücke können unterschiedliche Projektstellen bezeichnen. Häufig wird eine Trennlinie gezeichnet zwischen denjenigen Projektstellen, die das Projekt lediglich in Auftrag geben, also im Vorfeld des Projektes tätig sind, und solchen Projekstelllen, die während des Projektes als oberstes Lenkungsgremium dienen. In diese Richtung zielt z.B. die Unterscheidung zwischen dem sog. obersten Auftraggeber und dem sog. Ausschuß Gesamtsystem (im Englischen: steering committee). 22 Diese Zweiteilung bildet vermutlich auch den Ausgangspunkt für die o.g. Bezeichnungen, wie z.B. Projekt-, Lenkungs- oder Steuerungsausschuß, Projekt-Lenkung und 19 Vgl. Klaus, H. G., Aufbau von Projektmanagement-Systemen, S. 116 f.; Cleland, D. /.,King, W. R., Systems Analysis and Project Management, S. 248; Clark, K. 8., Wheelwright, S. C., "Heavyweight" Development Teams, S. 25.

21

So z.B. bei Kett, I., Projekte erfolgreich managen, S. 52 f . So z.B. bei Reschke, H., Svoboda, M., Projektmanagement (VII und Schluß),

22

So bei Haberfellner, R. , Projekt-Management, S. 139.

20

s. 3.

I. Projektaufgaben und ihre Zuordnung auf Projektstellen

101

Meilenstein-Sitzungs-Komitee. Der Produktinnovations-Ausschuß, in der Literatur als oberstes Lenkungsgremium bei Innovationsprojekten beschrieben,23 dürfte ebenfalls hier einzuordnen sein. Als weitere Projektstelle ist hier der sog. Fachausschuß anzuführen: ein Gremium, welches den Auftraggeber bei der Entscheidung über die Freigabe eines Projektes berät. 24 Die Zweiteilung zwischen einem Auftraggeber im engeren Sinn und einem Projektausschuß im Sinn des obersten Leitungsgremiums eines Projektes ist meines Erachtens in zweifacher Hinsicht fragwürdig. Erstens setzen Worte wie z.B. Lenkungs- oder Steuerungsausschuß voraus, Lenkung oder Steuerung sei nach allgemeiner Auffassung höherrangig als Leitung - und damit auch die Projektlenkung höherrangig als die Projektleitung. Diese Bedingung kann freilich nicht grundsätzlich als erfüllt gelten. Daher läßt die Bezeichnung offen, ob die betreffende Projektstelle eher auf der Seite des Auftraggebers oder auf der Seite der Projektleitung angesiedelt ist; kurz: eine Bezeichnung wie z.B. Projektlenkung erklärt sich nicht von selbst; das Wort Projektausschuß gar könnte ebensogut eine auftragnehmende Projektstelle bedeuten. Zweitens, und vor allem, bleibt bei der Zweiteilung eine wesentliche und zugleich nicht bestreitbare Tatsache außer acht: Das Interesse des Auftraggebers an einem Projekt endet nicht mit seiner Freigabe, sondern reicht bis zu seinem Abschluß. Daher erfüllt der Auftraggeber in aller Regel auch während des Projektes gewisse Kontroll- und Genehmigungsaufgaben. Aus diesen Gründen bevorzuge ich Auftraggeber als Bezeichnung des höchsten Leitungsgremiums eines Projektes. Die Sicht vom Auftraggeber als jemand, der ein Projekt von Anfang bis Ende beaufsichtigt, herrscht in der amerikanischen Literatur vor. Besonders in Bezug auf Entwicklungsprojekte gilt der Auftraggeber als ,champion' zu deutsch: Förderer, Geldgeber, Schirmherr - oder als ,sponsor' - zu deutsch: Fürsprecher, Verfechter. 25 Demnach ist der sog. executive chamVgl. Crawford, M. C., Neuprodukt-Management, S. 299. Kett, /., Projekte erfolgreich managen, S. 53, beschreibt den Fachausschuß wie folgt: "Der Fachausschuß ist ein regelmäßig tagendes Gremium, das gegenüber dem Vorstand eine beratende Funktion wahrnimmt. Auf dieser "Multiprojekt"-Ebene wird festgelegt, welche Projekte von der Unternehmensstrategie her angestoßen werden sollen." 25 Die Unterscheidung zwischen ,Champion' und ,Sponsor' ist meines Erachtens nicht immer deutlich zu erkennen, so z.B. in den folgenden Aussagen: Quinn, J. B., Innovationsmanagement Das kontrollierte Chaos, S. 29: "Ein innovatives Projekt zu realisieren ist wie ein Kind erziehen: Es braucht eine Mutter, die es liebt (einen Fürsprecher), einen Vater, der es ernährt (eine Autorität mit Ressourcen), und Ärzte, die es durch schwierige Zeiten bringen (Experten)."; Reiss, M., Eine Spielanleitung für die Organisation von Projekten, S. 27 f.: "Alle Spieler in der Projektorganisation übernehmen jeweils spezifische Rollen. Insgesamt existieren drei unterschiedliche 23

24

102

4. Kapitel: Gestaltungselemente der Projektorganisation

pion ein Mitglied der Geschäftsleitung, das finanzielle Mittel für das Projekt freigibt und so den überwiegenden Teil des Risikos übernimmt 26 frei übersetzt, also ein Projekt-Förderer aus der Geschäftsleitung. Der sog. executive sponsor gilt als Bindeglied zwischen Geschäftsleitung und Projektleitung: er vertritt als Fürsprecher das Projekt gegenüber den anderen Mitgliedern der Geschäftsleitung, ist also die oberste Projektstelle.27 Wenn Unternehmen mehrere, unter Umständen gar gleichartige Projekte nebeneinander bearbeiten, wenn also mehrere Projekte im Wettbewerb um den begrenzten Bestand an Geld, Mitarbeitern, Anlagen und Hilfsmitteln stehen, kann die projekteübergreifende Koordination den Auftraggeber erheblich in Anspruch nehmen, besonders wenn komplexe Projekte in großer Zahl anstehen und ständig Konflikte zwischen Projekten auftreten. Entlasten kann sich der Auftraggeber, indem er die projekteübergreifende Arbeit zumindest teilweise - einer eigenen Projektstelle überträgt. 28 Diese Projektstelle kann aus einer Person oder aus mehreren Personen bestehen. Sie hat überdies, falls Projektmanagement in einem Unternehmen erst vor kurzem eingeführt wurde, die Aufgabe, geeignete Verfahren zu entwickeln und bereitzustellen - die Praxis bezeichnet diese Teilaufgabe als Projektmanagement-Unterstützung. Die so geschaffene Projektstelle ist unter verschiedenen Namen geläufig. David I. Cleland und William R. King prägten die Bezeichnung "the manager of projects" - was im Deutschen bedeutet: Leiter der Projekte.29 Karl-Heinz Rüsberg verwendet als Gegensatz zu dem sog. Multiprojekt-Manager im Sinne eines Auftraggebers den Ausdruck Multiprojekt-Planung.30 In meiner empirischen Studie lernte ich vier weitere, mehr oder weniger gut geeignete Bezeichnungen kennen. Leiter Strategische Projekte entspricht in etwa dem Sprachgebrauch von Cleland und King, betont aber durch den Zusatz , strategisch' zugleich die herausragende Bedeutung der Projekte für das Unternehmen. Der Ausdruck Projekt-Koordination erweckt den Anschein, er bezeichne die Koordination eines einzelnen Projektes und ist somit wenig geeignet; angemessener erscheint mir die dritte Bezeichnung Typen von solchen Promotoren-Rollen: Experten (Funktion: Einbringung von Fachwissen), Sponsoren (Funktion: Einbringung von Ressourcen) und Champions (Funktion: lntegrative Handhabung von Experten und Sponsoren unter Einsatz von Projektmanagement-Methoden)." 26

Vgl. Maidique, M. A., Entrepreneurs, S. 59; Quinn, J. B., S. 29.

Vgl. Clark, K. B., Wheelwright, S. C., .,Heavyweight" Development Teams, S. 24 f. 27 28

Vgl. Cleland, D. /.,King, W. R., S. 248 f.

29

Siehe Cleland, D. /.,King, W. R., S. 248.

30

Siehe Rüsberg, K.-H., S. 229; nahezu identisch bei Kuba, R. W., ebd.

I. Projektaufgaben und ihre Zuordnung auf Projektstellen

103

Multiprojektkoordination. Denkbar ist z.B. auch eine sog. Projekt/eiter-Runde: ein Gremium, gebildet aus den verschiedenen Projektleitern sowie dem Leiter der Multiprojektkoordination.

3. Die Projektleitung a) Die Aufgaben der Projektleitung in allgemeiner Sicht Die Projektleitung ist ein Phänomen, das sich vielleicht stärker als die Projektorganisation einer einfachen Festlegung entzieht. Um zu verstehen, was für das Phänomen wesentlich ist, werde ich in einem ersten Schritt versuchen, durch eine wortgeschichtliche Betrachtung erste Anhaltspunkte zu finden. Wie aber dabei vorgehen? Als eine vergleichsweise junge Wortschöpfung erlangt Projektleitung meines Wissens erst in dem Maße Bedeutung, in dem das Wort Projekt in die Gegenwartssprache eingeht. Daher verspricht es wenig, die Wortverbindung als solche hinsichtlich ihrer Bedeutungsgeschichte zu erforschen. Aussichtsreicher erscheint es, ihre beiden Bestandteile gesondert zu untersuchen: der erste der beiden Bestandteile, das Wort Projekt, wurde (in Kapitel 2) bereits eingehend erörtert; der zweite hingegen, das Wort Leitung, bisher nicht ausdrücklich erwähnt, allenfalls das verwandte Wort Führung (bei der Frage nach dem Verhältnis zwischen Organisation und Koordination in Kapitel 1). Daher kann die Betrachtung auf die beiden Worte Leitung und Führung beschränkt werden. Das deutsche Zeitwort führen hat seinen Ursprung im germanischen forjan: in Bewegung bringen; 31 seine Bedeutung entwickelte sich weiter von , einem anderen die Richtung weisen' zu , vorstehen, der erste sein'.32 Eng verwandt ist das deutsche Zeitwort leiten, das in der germanischen Sprache laidian hieß und ,gehen machen' bedeutete.33 Beide Ausdrücke unterscheiden sich durchaus in ihren Bedeutungen: teilweise wird in der Literatur die Ansicht vertreten, leiten stehe höher als führen,3 4 teilweise aber auch die 31

Vgl. Götze, A. (Hrsg.), Trübners Deutsches Wörterbuch. Zweiter Band,

s. 469 .

32 Vgl. Götze,A. (Hrsg.), S. 470. Ähnlich Grimm,J., Grimm, W., Deutsches Wörterbuch, Vierten Bandes erste Abtheilung. Erste Hälfte, Sp. 438 und Sp. 442. 33

Vgl. Götze, A. (Hrsg.), Trübners Deutsches Wörterbuch. Vierter Band,

s. 441.

34 So schreibt Götze, A. (Hrsg.), Trübners Deutsches Wörterbuch. Zweiter Band, S. 470: "Wieder trittführen in Wettbewerb mit leiten ; wer leitet, steht dem, der folgt, ferner als wer führt. Der Feldherr leitet eine Schlacht, der Offizier führt seine Soldaten

I 04

4. Kapitel: Gestaltungselemente der Projektorganisation

umgekehrte Ansicht. 35 Aus Gründen der Einfachheit gebrauche ich in dieser Arbeit führen, leiten sowie lenken gleichbedeutend. 36 Sinnverwandt ist in der englischen Sprache das vom italienischen maneggiare stammende Zeitwort to manage, was ursprünglich ,das Bändigen oder Zureiten eines Pferdes' bedeutete, in der Gegenwartsprache jedoch annähernd dasselbe ausdrückt wie leiten und führen.37 Leitung, Führung und auch Management, die in Hauptwörter abgewandelten Formen, haben jeweils zwei grundverschiedene Bedeutungen: sie beziehen sich auf eine Tätigkeit und auf einen Personenkreis.38 Entsprechend zielt z.B. Führung im funktionalen Sinn auf die "Tätigkeit des Führens",39 Leitung im institutionalen Sinn auf den Kreis des Leitungspersonals, z.B. auf die Mitglieder der Geschäftsleitung. 40 Davon ausgehend, können ebenso die abgeleiteten Wortverbindungen Projektmanagement und Projektleitung jeweils zwei grundverschiedene Sachverhalte bezeichnen: erstens eine projektbezogene Führungstätigkeit (funktionale Sicht) und zweitens einen Personenkreis mit projektbezogenen Führungsaufgaben (institutionale Sicht). Als Ergebnis der wortgeschichtlichen Betrachtung stellt sich somit die Frage: Was sind projektbezogene Führungsaufgaben? Oder anders ausgedrückt: Was heißt , vorstehen, in Bewegung bringen, anderen die Richtung weisen' in Bezug auf Projekte? Die Antwort auf diese Frage hat von zwei Grundeinsichten aus den vorhergehenden Kapiteln auszugehen: Erstens besteht Führung in ihrem Kern aus dem Koordinieren von Sachverhalten bei der Zusammenarbeit zwischen Personen; zweitens verursachen Projekte in ihrer Eigenschaft als bereichsin den Kampf; der Direktor leitet eine Schule, der Klassenlehrer führt einige Jahre eine Klasse." 35 In der betriebswirtschaftliehen Literatur z.B. bei Korndörfer, W., Unternehmensführungslehre, S. 2 I, der leiten als Bindeglied zwischen führen und ausführen betrachtet. 36 Korndörfer, W., ebd., selbst gesteht ein: "Da die Übergänge innerhalb des dispositiven Faktors in der Praxis meist fließend sind, ist es oft schwierig, Führungsaufgaben der Unternehmensspitze und Leitungsaufgaben exakt gegeneinander abzugrenzen." 37 Siehe Merriam-Webster lnc. (Hrsg.), Webster's Dictionary, S. 722.

38 Diese Unterscheidung findet sich in fast allen Lehrbüchern der Betriebswirtschaftslehre, so z.B. bei Steinmann, H., Schreyögg, G., Management, S. 5 f. 39

Götze, A. (Hrsg.), Trübners Deutsches Wörterbuch. Zweiter Band, S. 471.

Vgl. Götze , A. (Hrsg.), Trübners Deutsches Wörterbuch. Vierter Band, S. 441. Leiter sowie Manager verstehe ich im weitesten Sinn als eine Person mit Leitungsaufgaben. Die aus der industrieökonomischen Forschung stammende Unterscheidung zwischen Eigentümer und Manager greife ich also nicht auf. Siehe dazu Schreyögg, G., Steinmann, H., Zur Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt 40

I. Projektaufgaben und ihre Zuordnung auf Projektstellen

105

übergreifende, zeitlich begrenzte Aufgaben einen hohen Koordinationsbedarf, d.h. sie erfordern ein Abstimmen von Beiträgen aus verschiedenen Fachgebieten. Genau dieses Abstimmen der Beiträge aus verschiedenen Fachrichtungen bei einer Zusammenarbeit auf Zeit ist es, was die Projektleitung als Phänomen ausmacht. Diese Sicht wird auch in der Literatur übereinstimmend vertreten: Der Projektleiter gilt als Vereiniger, der die Grenzen zwischen Fachgebieten überquert, als Brennpunkt, in dem sich die Aufmerksamkeit für die wesentlichen Fragen des Projektes bündelt, als Bindeglied, das eine ganzheitliche Sicht des Projektes zustandebringt. 41 An dieser Stelle ist ergänzend anzumerken: Je nach Projekt und Unternehmen können Fachkenntnisse auf verschiedenartige organisatorische Einheiten verteilt sein, z.B. Fachabteilungen, Werke, Auslandsgesellschaften; möglicherweise sind die Fachvertreter aus ihren Abteilungen herausgelöst und in einer ständigen Projektgruppe zusammengefaßt. Aufgrund dieser Vielfalt möglicher Fälle ist es unangemessen zu sagen, die Projektleitung koordiniere zwischen Fachabteilungen; dies würde ja voraussetzen, daß das Wissen auf verschiedene Fachabteilungen verteilt ist, und die Projektmitarbeiter jeweils in ihrer Fachabteilung verbleiben. Demnach ist als Zwischenergebnis festzuhalten: Projektleitung ist die Aufgabe, Beiträge verschiedener Fach- oder Wissensgebiete im Rahmen einer zeitlich begrenzten Zusammenarbeit zusammenzuführen. Damit ist ein wesentlicher, wenn nicht sogar der wesentliche Sachverhalt herausgearbeitet. Bedeutsam ist jedoch ebenso, mit welchem Ziel die bereichsübergreifende Koordination unternommen wird. Das Ziel der Projektleitung ist es, zum Erreichen der Projektziele, also zum erfolgreichen Abschluß des Projektes beizutragen, d.h. sicherzustellen, daß der festgelegte Projektgegenstand innerhalb der festgelegten Zeit zu den festgelegten Kosten bereitgestellt wird. 42 Diese Ausrichtung auf den 41 Als klassische Aussagen hierzu können meines Erachtens gelten: Davis, K., The RoJe of Project Management in Scientific Manufacturing, S. 312 f.: .,The project manager is an integrator and a generalist, rather than a technical specialist." Cleland, D. /., Why Project Management?, S. 82: .,The project manager crosses functional lines to bring together the management activities required to accomplish project objectives." Cleland, D. /., S. 83: .,The project manager acts as a focal point for the concentration of attention on the major problems of the project. This concentration forces the channeling of major program considerations through an individual who has the proper perspective to integrate relative matters of cost, time, technology and total product compatibility." 42 Als klassische Aussagen können meines Erachtens gelten: Baumgartner, 1. S. , S. 8: .,Project management consists of the actions involved in producing project deliverable items on time, within the contemplated cost, with the required reliability and performance, at a profit to the contractor. The purpose of project management is to insure achievement of these objectives through the functional

106

4. Kapitel: Gestaltungselemente der Projektorganisation

Projekterfolg und die bereichsübergreifende Koordination sind zwei wesentliche Kennzeichen der Projektleitung. Um die allgemeine Betrachtung des Phänomens abzuschließen, bleibt eine wesentliche Frage zu beantworten: Wie erfolgt diese bereichsübergreifende Koordination, d.h. welches sind die Instrumente der Projektleitung? Die Projektleitung besteht im wesentlichen in der Planung und Kontrolle des Projektgeschehens; sie ist eine Koordination durch Erwartungsbildung und Rückkopplung. 43 Projektplanung bedeutet: das Projektgeschehen vorausschauend festlegen. Zu planen sind nach gängiger Auffassung vor allem folgende Gegenstände:44 - die voraussichtlichen Kosten des Projektes, - die einzelnen Arbeitsschritte und ihre Abfolge, - die Beschaffungswege für Leistungen, -die Verteilung von Aufgaben auf Projektstellen, - die Dauer sowie die Anfangs- und Endzeitpunkte der Arbeitsschritte, - die erforderlichen Personen und Sachmittel, - die Beträge und Zeitpunkte der Zahlungen. Die Projektplanung umfaßt somit die folgenden Projekt-Teilplanungen: - Kostenplanung, - Ablauf- oder auch Projektstrukturplanung, - Beschaffungsplanung, - Organisationsplanung, - Zeit- und Terminplanung, - Kapazitätsplanung, - Finanzplanung. Als ergänzendes Gegenstück der Projektplanung untersucht die Projektkontrolle (oder auch: Projektüberwachung), inwieweit die geplanten Leistungen, d.h. Arbeitsfortschritte, rechtzeitig, d.h. zu den geplanten Terminen, und kostengerecht, d.h. zu den geplanten Kosten erbracht werden. Im Vordergrund steht zunächst die Ermittlung des Projektfortschritts, d.h. des organizations and over their specialiszed interest." langer, A. R., Anatomy of the Project Organization, S. 13: "In formal terms, the project manager is the man responsible for achieving the objectives of the project, however that objective may be defined. He is responsible for getting the work out on time, within costs, and to specifications." 43 Zur Koordination durch Planung und Kontrolle siehe Kap. l. II. 2. 44 Zur Projektplanung sowie zu den entsprechenden Planungstechniken liegt eine reichhaltige Literatur vor. Siehe dafür z.B. Madauss, B. J., Projektmanagement, S. 165 ff. (Kap. IX: Projektplanung und -Überwachung).

I. Projektaufgaben und ihre Zuordnung auf Projektstellen

107

derzeitigen Standes der Projektarbeiten; dieser Projekt-Status wird meist in sog. Statusberichten schriftlich festgehalten. Durchgeführt wird die ProjektFortschrittskontrolle auf der niedrigsten Planungsebene, d.h. auf der Ebene der Arbeitspakete. Der Soll-Ist- Vergleich im Rahmen der Projektkontrolle bezieht sich auf die Leistungs-, Termin- und Kostenziele; gegenübergestellt und verglichen werden somit: Ist-Arbeitsfortschritt und Soll-Arbeitsfortschritt, Ist-Termine und Soll-Termine sowie Ist-Kosten und Soll-Kosten. Aus dem Zusammenwirken von Projektplanung und Projektkontrolle ergibt sich die Projektkoordination durch Rückkopplung, die ex-post- oder Feedback-Koordination; sie wird meist als Projektsteuerung oder auch Projekt-Controlling bezeichnet. Ausgehend von den Statusberichten, wird überprüft, inwiefern Abweichungen zwischen geplantem und tatsächlichem Projektverlauf sich auf das gesamte Projekt auswirken. Gegebenenfalls werden erneute Planungen erforderlich. Insgesamt also entsteht ein Projektmanagement-Prozeß - als gedachte Abfolge von Planung, Durchführung und Kontrolle. Dieser Prozeß gilt nach gängiger Sicht als wesentliches Kennzeichen der Projektleitung; Projektleitung ist demnach gleichzusetzen mit der Planung, Kontrolle und Steuerung von Projekten.4 5 Diese drei Aufgaben können meines Erachtens als Mindest- oder auch Kernaufgaben der Projektleitung angesehen werden. Über diesen Katalog von Grundaufgaben hinaus lassen sich der Projektleitung weitere Aufgaben zuordnen; allgemein verbindliche Aussagen freilich sind nicht möglich und hier auch nicht beabsichtigt.46 In zwei Richtungen lassen sich meiner Meinung nach Erweiterungen ausmachen: im Verhältnis der Projektleitung zum Auftraggeber und im Verhältnis zu den Auftragnehmern. 45 Als klassische Aussagen können hier gelten: Baumgartner, J. S., S. 8: .,The project manager's role basically is one of planning, controlling, and motivatmg the project team." Davis, K., The Role of Project Management, S. 313: ..project managers devote most of their management time to the functions of planning and control." Cleland, D. /., Why Project Management?, S. 83 f.: ..Today's project manager is in every sense a manager; he actively participates in the organic functions of planning, organizing, directing, and controlling the organization of the project." Cleland, D. /.,King, W. R., Systems Analysis and Project Management, S. 195: ..The project managers are, in effect, the general managers of the company for their particular projects. They actively participate in planning, organizing, and controlling those major organizational and extraorganizational activities involved." 46 Dies erkennt Janger, A. R., Anatomy, S. 13: .,There is no pattern in the functional responsibilities assigned to him (dem Projektleiter, Anm. d. Verf.) for Coordination. He may coordinate engineering, manufacturing, purchasing, and quality functions. He may coordinate none of, some of, or more than, the above. It all depends on the requirements of the project."

108

4. Kapitel: Gestaltungselemente der Projektorganisation

Erweiterte Aufgaben der Projektleitung in Richtung Auftraggeber. Wie im Teilabschnitt zu den Aufgaben des Auftraggebers bereits dargelegt, bildet der Auftraggeber grundsätzlich das höchste Lenkungsgremium des Projektes, überträgt jedoch die Leitung zu einem mehr oder weniger großen Teil an die Projektleitung, die somit zugleich die Veran~wortung für das Projekt übernimmt. Je nach Außmaß dieser Delegation von Leitungsaufgaben erfüllt die Projektleitung auch die Aufgabe, Zwischenergebnisse der Auftragnehmer, etwa Entwürfe, zu bestätigen oder zurückzuweisen. Mögliche Aufgaben der Projektleitung liegen auch im Vorfeld des Projektes. Zwar geht der Ausdruck Projektleitung im strengen Sinn von der Vorstellung aus, die Projektleitung habe einzig die Aufgabe, ein Projekt zu leiten, wobei das Projekt hinsichtlich der Ziele und auch der Projektstrategie durch den Auftraggeber bereits bis ins Einzelne festgelegt wurde; indessen sind hier Zwischenformen denkbar und möglich. Bereits im Vorfeld eines Projektes, d.h. bei der Festlegung der Projektziele, z.B. des Produkt-Konzeptes für ein Innovationsprojekt, kann die Projektleitung mitwirken; möglicherweise verzichtet der Auftraggeber darauf, der Projektleitung eine bestimmte Projektstrategie vorzugeben, d.h. der Auftraggeber überläßt der Projektleitung die Aufgabe, z.B. über die Wiederverwendung von Teilen bestehender Produkte oder die Einbindung von Zulieferem zu entscheiden.47

Erweiterte Aufgaben der Projektleitung in Richtung Auftragnehmer. Wie eingangs angedeutet, gelten als Auftragnehmer diejenigen Stellen, welche das Projekt im eigentlichen Sinn durchführen. Die Projektleitung dagegen bearbeitet als Kernaufgaben die Planung und Kontrolle des Projektgeschehens;48 sie bewegt sich also nicht auf der Ebene der unmittelbaren Leistungserstellung, d.h. nicht auf der Objektebene, sondern auf einer Metaebene. Fachliche Gesichtspunkte bilden daher für die Projektleitung eher eine Nebensache; wie Reinhard Haberleliner ausführt:49

47 Für praktische Beispiele hierzu siehe die Fälle aus der Computer-Industrie bei Buell, B., HP's Printer Unit; Brandt, R., Rebelo, K., Burrows, P. , Three Scrappy Startups. 48 Hierzu eine begriffliche Anmerkung: In der Bauwirtschaft wird der Ausdruck Planung auch im Sinne eines Arbeitens auf der Objektebene verwendet; zu den sog. Planern zählen hier z.B. die Architekten, d.h. diejenigen, die u.a. Baupläne erstellen. 49 Haberfellner, R., Projekt-Management, S. 121. Ähnlich z.B. auch Steinmann, H., Schreyögg, G., Management, S. 6: "Die Managementfunktionen stehen zu den originären betrieblichen Funktionen ... in einem komplementären Verhältnis. Man kann sich das Management als eine komplexe Verknüpfungsaktivität vorstellen, die den Leistungserstellungsprozeß gleichsam netzartig überlagert und in alle Sachfunktionsbereiche steuernd eindringt."

I. Projektaufgaben und ihre Zuordnung auf Projektstellen

109

"Projekt-Management ... als Überbegriff für alle planenden, überwachenden, koordinierenden und steuernden Maßnahmen ... , die - über die Problemlösung im eigentlichen Sinn (Systemgestaltung) hinaus - bei der Um- oder Neugestaltung von Systemen erforderlich sind. Dabei steht nicht das System (die Lösung) selbst im Vordergrund, sondern das Vorgehen (die Teilschritte) zur Erreichung der Lösung, die dazu erforderlichen Personen und Mittel, deren Einsatz und Koordinierung."

So streng getrennt freilich braucht das Verhältnis zwischen Projektleitung und Auftragnehmer nicht zu sein. Die Projektleitung kann sich auf die eigentliche Projektleitung beschränken, darüber hinaus aber auch an der eigentlichen Durchführung mitwirken. So mag z.B. der Leiter eines Entwicklungsprojektes zusammen mit den Entwicklern ihre Entwürfe erörtern oder auch technische Überprüfungen von Prototypen selbst vornehmen.

b) Verschiedene Zuordnungen auf Projektstellen Das Wort Projektleitung erweckt leicht den Anschein, als bezeichne es eine einzelne Stelle, der die Aufgabe übertragen wurde, das Projekt zu leiten.SO Tatsächlich mag diese Art der Aufgabenzuweisung bei kleineren Projekten angemessen sein, nicht aber bei großen Projekten. Je zahlreicher und verschiedenartiger die Abteilungen, Werke, Tochtergesellschaften oder gar Unternehmen, die an einem Projekt zusammenarbeiten, und je weiter voneinander entfernt ihre Standorte, desto mehr Zeit wird erforderlich, um das Projekt zu leiten; die schiere Fülle der Aufgabe macht es unumgänglich, mehrere Stellen mit der Projektleitung zu betrauen. Ausgangspunkt für die weiteren Darlegungen ist der Projekt/eiter; so bezeichne ich diejenige Projektstelle, die für den Auftraggeber in dessen Eigenschaft als höchstes Leitungsgremium die eigentliche Leitung des Projektes übernimmt und damit die Verantwortung für das Gelingen des Projektes trägt. Unterstützt wird der Projektleiter möglicherweise durch einen oder mehrere Assistenten, die ihm unmittelbar disziplinarisch unterstellt sind;S 1 diese Projektleiter-Assistenten können vielfältige Planungs- und Kontroll50 Diese Sichtweise zeigt sich z.B. bei Schröder, H. J., Projekt-Management, S. 1315 Ähnlich auch bei Madauss, B.-J., S. 388; Deutsches Institut für Normung (Hrsg.), S. 3. 51 Vgl. Davis, K., The Role of Project Management, S. 310; Steiner, G. A., Ryan, W. G., lndustrial Project Management, S. 9; Cleland, D. /.,King, W. R., Systems Analysis and Project Management, S. 245; Sayles, L. R., Chandler, M. K., Managing Large Systems, S. 182.

110

4. Kapitel: Gestaltungselemente der Projektorganisation

aufgaben wahrnehmen: sie erstellen z.B. Projektpläne, ermitteln Daten über den Projektstatus, bereiten Projekt-Sitzungen vor, usw. Zusammengenommen, bilden die Projektleiter-Assistenten den Projektleitungsstab 52 (vom englischen: project management staff); aus meiner empirischen Untersuchung sind mir zwei weitere Bezeichnungen geläufig: Projektleiter-Sekretariat und Projektleiter-Unterstützung. Weil die Arbeitsplätze der Assistenten meist in nächster Nähe des Projektleiters liegen, gelten Projektleiter und Projektleitungsstab zusammen auch als Projektbüro (vom englischen: project office).S3 In zahlreichen Fällen ist die Durchführung des Projektes verteilt auf Auftragnehmer im Haus, d.h. auf Fachbereiche, Werke und Niederlassungen desselben Unternehmens, sowie auf Auftragnehmer außer Haus, d.h. auswärtige Unternehmen; zudem arbeiten die Auftragnehmer nicht immer ausschließlich an einem Projekt, sondern nebeneinander an mehreren Aufgaben; schließlich verfügt der Projektleiter nicht auf allen Gebieten über die nötigen Fachkenntnisse und nicht bei allen Auftragnehmern über persönliche Kontakte. Mit anderen Worten: Allein auf sich gestellt, würde dem Projektleiter der Zugang zu und der Überblick über das Projektgeschehen vor Ort fehlen. Folglich ist der Projektleiter in diesen Fällen auf Hilfe angewiesen: er braucht jemanden, der ihn bei den Auftragnehmern persönlich vertritt und das Projekt in die Auftragnehmer ,hineinträgt'. Als ein solches Bindeglied zwischen Projektleiter und Auftragnehmer dienen die Fachprojektleiter. 54 Sie übernehmen Planungs- und Kontrollaufgaben für den Beitrag des Auftragnehmers zum Projekt; auf diese Weise vertreten sie die Belange des Auftragnehmers, etwa Terminverschiebungen aufgrund von Kapazitätsengpässen, gegenüber dem Projektleiter sowie umgekehrt die Wünsche des Projektleiters gegenüber den Mitarbeitern des Auftragnehmers. Sie bilden die Anlaufstellen für alle Fragen hinsichtlich des Projektes bei den Auftragnehmern und sind folglich dort die eigentlichen Leiter des Projektes. Disziplinarisch bleiben die Fachprojektleiter dem Leiter des jeweiligen Auftragnehmers unterstellt; sie arbeiten voo.viegend bei den Auftragnehmern und zählen somit nicht zum Projektbüro. 55 Neben den Leitungsaufgaben erfüllen die Fachprojektleiter durchaus auch ausfüh-

Erstmals bei Baumgartner, J. S., Project Management, S. 9. 53 Vgl. Sayles, L. R., Chandler, M. K., Managing Large Systems, S. 182; ähnlich bei Madauss, B.-1., Projektmanagement, S. 388. 54 Vgl. im folgenden Baumgartner, J. S., S. 74; Davis, K., The RoJe of Project Management, S. 310; Cleland, D. /.,King, W. R. , Systems Analysis and Project Management, S. 245. 55 Dagegen Sayles, L. R. , Chandler, M. K., Managing Large Systems, S. 183. 52

I. Projektaufgaben und ihre Zuordnung auf Projektstellen

111

rende Aufgaben; ihr Anteil wird um so geringer sein, je weniger Mitarbeiter seitens des Auftragnehmers für das Projekt abgestellt werden. Bekannt sind die Fachprojektleiter in der amerikanischen Literatur als: departmental project managers5 6 oder auch liaisons57. In der deutschsprachigen Literatur wird diese Art von Projektstelle kaum erwähnt, wenn aber, dann meist unter den "Kennzeichnung ,leitend', wie z.B. leitender Prozeßingenieur, Fachprojektleiter Apparate, leitender Projektkaufmann".58 Aus meiner empirischen Erhebung sind mir weitere Namen geläufig: Projektbeauftragter, Teil-Projektverantwortlicher, Bereichssteuerung. f--

Projektleitung Projektbüro Projektleiter ProjektIeitungsstab ProjektleiterAssistent

Fachprojektleiter

Fach-

... projektleiter

.....

ProjektleiterAssistent Auftragnehmer

f--

Auftragnehmer

Abb. 10: Projektstellen mit Leitungsaufgaben im Überblick Aus dem bisher Gesagten wird deutlich: Die Projektleitung als Institution mag im Einzelfall durchaus mehrere Stellen umfassen. Projektleitung eignet sich daher als Sammelbezeichnung für den Projektleiter, die Projektleiter-Assistenten sowie die Fachprojektleiter (siehe Abb. 10). Insbesondere der Projektleiter und die Fachprojektleiter zusammen gelten in der Praxis

s.

56

So bei Davis, K., S. 310.

57

Clark, K. B., Fujimoto, T., Automobilentwicklung, S. 249. Höffken, E., Schweitzer, M. (Hrsg.), Betriebswirtschaft des Anlagenbaus,

58

66.

112

4. Kapitel: Gestaltungselemente der Projektorganisation

vielerorts als Projektleitungsgruppe; zuweilen wird diese Einrichtung stark vereinfachend als Projektgruppe bezeichnet, als Kerngruppe (von englischen:59 core team) und auch Projektplanungsteam.

4. Die Auftragnehmer

a) Die Aufgaben der Auftragnehmer in allgemeiner Sicht Auftragnehmer 60 - so sei zunächst vereinfacht - übernehmen den Auftrag, Leistungen für ein Projekt zu erbringen, d.h. ein Projekt ganz oder teilweise durchzuführen. Durchführen bedeutet hier z.B. das Programmieren von Befehlszeilen bei einem Software-Projekt, das Überprüfen der Karosserie-Festigkeit durch Aufprallversuche bei einem Fahrzeug-Entwicklungsprojekt, das Berechnen der Tragfähigkeit einer Stahlbetondecke bei einem Hochbau-Projekt, das Fertigen und Montieren einer Wasserturbine für ein Kraftwerk-Projekt. Wie die Beispiele zeigen, ist die Durchführung eine Arbeit am Projektgegenstand, d.h. ein Arbeiten auf der Ebene der eigentlichen Leistungserstellung, auf der Objektebene. Weil die Projektdurchführung unmittelbar mit dem Projektgegenstand befaßt ist, d.h. mit der Gestaltung eines im weitesten Sinn als System zu bezeichnenden Gegenstandes, finden sich hierfür in der Literatur die gleichbedeutenden Ausdrücke: Systemgestaltung, Systemtechnik und Systems Engineering.61 Es steht hier das Fachliche im Vordergrund, d.h. Inhaltliches aus verschiedenen Fachgebieten. Dazu können je nach Projekt z.B. wirtschaftliche, rechtliche, fertigungstech59 So bei Clark, K. 8., Wheelwright, S. C., "Heavyweight" Development Teams, S. 19 f. 60 Das Wort Auftragnehmer- im Gegensatz zu dem Wort Auftraggeber- verwende ich grundsätzlich in der Mehrzahl, denn ein Zusammenarbeiten über Fachgrenzen hinweg erfordert zwingend mehr als einen einzelnen Auftragnehmer. 61 Haberfellner, R., S. 121: "Systemgestaltung .. Das Problem selbst, seine Abgrenzung, die Systemziele, die fachlichen und 'technischen' Aspekte der Lösung stehen im Vordergrund (Prob1emlösung im eigentlichen Sinn". Zogg, A., Systemorientiertes Projekt-Management, S. 2: "Systems Engineering stellt einen Ansatz dazu dar, komplexe Probleme in umfassender und interdiziplinärer Weise zu behandeln. Es befaßt sich mit den Methoden und Techniken des Vorgehens, der Organisations und der Führung beim Lösen von Problemen und findet seinen Ausdruck: - in methodischer Hinsicht: in der Konzeption des Projektmanagement - in technischer Hinsicht: in der Summe der Verfahren und Hilfsmittel zur Durchsetzung dieser Konzeption." Siehe auch Madauss, B. J., Projektmanagement, S. 125 ff. Ebenfalls zeigt sich die Gegenüberstellung im dem Buchtitel "Systems Analysis and Project Management" von Cleland, D. /.,King, W. R.

I. Projektaufgaben und ihre Zuordnung auf Projektstellen

113

nische oder auch naturwissenschaftliche Sachverhalte zählen. Projektdurchführung in diesem Sinn betrachte ich als die Kernaufgabe der Auftragnehmer. Über diese Grundaufgabe hinaus, lassen sich meines Erachtens weitere Aufgaben der Auftragnehmer ausmachen. Die Erweiterungen zielen in Richtung Projektleitung und in Richtung Auftraggeber. Erweiterte Aufgaben der Auftragnehmer in Richtung Projektleitung. Die bisher unterstellte Gleichsetzung, die Aufgabe eines Auftragnehmers sei ausschließlich die Projektdurchführung, ist sinnvoll, wenn als Auftragnehmer Ein-Personen-Unternehmen auftreten; in diesem Fall sind die Unternehmensleitungen zugleich diejenigen Stellen, welche das Projekt durchführen. In Wirklichkeit freilich liegen die Dinge meist schwieriger: Die Auftragnehmer eines Projektes sind üblicherweise nicht Ein-Personen-Unternehmen, sondern Personenvereinigungen: Abteilungen, Werke oder Unternehmen mit mehreren - in Einzelfällen bis zu tausenden - Mitarbeitern. Erteilt werden die Aufträge an die Unternehmen oder die organisatorischen Teilbereiche, vertreten durch ihre Leiter, z.B. die Unternehmensleitung oder den Bereichsleiter. Abgestimmt werden die Leistungen der Mitarbeiter eines Auftragnehmers möglicherweise durch einen Projektleiter vor Ort, d.h. durch einen Fachprojektleiter. Daraus wird deutlich: Die Aufgaben der Auftragnehmer umfassen im allgemeinen neben der reinen Projektdurchführung auch Leistungen, die sich der Projektleitung zuordnen lassen. Erweiterte Aufgaben der Auftragnehmer in Richtung Auftraggeber. Möglicherweise vergibt ein Auftragnehmer selbst wieder Teilumfänge seines Auftrags an einen oder mehrere sog. Unter-Auftragnehmer. In diesem Fall beschränken sich seine Aufgaben nicht auf die Durchführung, sondern enthalten teilweise auch Auftraggeber-Aufgaben gegenüber den Fachprojektleitern bei den Unter-Auftragnehmern.

b) Verschiedene Zuordnungen auf Projektstellen Die Möglichkeiten, die Durchführung eines Projektes auf Projektstellen zu verteilen, bilden ein vielschichtiges, und daher schwieriges Phänomen, das meines Wissens in der Literatur bislang nicht schlüssig abgebildet wurde. Der Schlüssel zu ihrem Verständnis liegt meines Erachtens im Verhältnis zwischen Beschaffungsplanung und Organisation: Wie zuvor dargelegt (in Kapitel 3), werden in der Beschaffungsplanung die vertraglichen Verhältnisse mit Auftragnehmern gestaltet, mit der Planung der Projektorganisation hingegen die eigentliche Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern dieser Einheiten; insofern bildet die Beschaffungsplanung einen 8 Beck

114

4. Kapitel: Gestaltungselemente der Projektorganisation

Rahmen, den die Projektorganisation in verschiedener Hinsicht ausfüllt. Von diesem Verhältnis ausgehend, werde ich die verschiedenen Zuordnungen der Projektdurchführung auf Projektstellen in zwei Schritten entwickeln: zuerst sind die grundlegenden Verhältnisse zwischen den Auftragnehmern darzustellen, um so den Rahmen zu schaffen, in welchem die eigentliche Aufgabenverteilung auf Projektstellen stattfindet. (I) Verhältnisse zwischen Auftragnehmern. Auftragnehmer sind rechtlich selbständige wie auch rechtlich unselbständige Einheiten. Ein rechtlich unselbständiger Auftragnehmer, etwa die hauseigene Entwicklungsabteilung eines Computerherstellers, ist nichts anderes als eine organisatorische Einheit, d.h. eine Einheit aus mehreren bis vielen Stellen mitsamt einer Leitungsstelle. Die Verhältnisse zwischen solchen Auftragnehmern und auch die zwischen Auftragnehmern und Auftraggeber werden durch die Unternehmensorganisation bestimmt und sind deshalb hier nicht näher auszuführen. Rechtlich selbständige Auftragnehmer treten bei Projekten für fremde Auftraggeber auf. Die Außenverhältnisse zwischen ihnen und den Auftragnehmern wurden zuvor als äußere Projektorganisation bezeichnet (in Kapitel 3). Bestimmt werden diese Verhältnisse durch Verträge, d.h. sie sind Verhältnisse rechtlicher Art. Da jedes Fremdauftragsprojekt eine Geschäftsgelegenheit darstellt, bilden die Unternehmen, die gemeinsam ein solches Projekt bearbeiten, eine sog. Gelegenheitsgesellschaft, d.h. eine Gesellschaft, die gegründet wird, um ein Einzelgeschäft (oder eine im Gesellschaftsvertrag festgelegte Anzahl von Einzelgeschäften) auf gemeinsame Rechnung durchzuführen, und die sich, sobald das Einzelgeschäft beendet ist, von selbst auflöst. 62 Sie gelten in der amerikanischen Literatur als "polyorganization"63, "Multi-Organization Enterprise",64 virtuelles Unternehmen 65 und "Mammut-Projekt-Adhokratie'tisch, begrenzt-rationalen Ansatzes zu Gestaltung der Projektorganisation abgesteckt. Deutlich zu erkennen ist, daß begrenzte Rationalität ein Ausrichten an Nebenbedingungen erfordert, also ein situatives Gestalten. 124 119

Vgl. Weick, K. E., Der Prozeß des Organisierens, S. 36.

120

Vgl. Wiest, J. D., Heuristic Programs, S. 130; Klein, H. K., S. 35.

121

Vgl. hierzu Simon, H. A., Newell, A., S. 6.

122

Vgl. Streim, H., Heuristische Lösungsverfahren, S. 144.

123

Vgl. Streim, H., S. 151.

Bemerkenswerterweise beruht eines der wichtigsten Instrumente der strategischen Unternehmensplanung, die Portfolio-Methode, nicht etwa auf Effizienzmerkmalen, sondern auf Situationsmerkmalen: Je nach Portfolio-Methode, siehe dazu den 124

202

5. Kapitel: Methodische Ansätze zur Gestaltung

2. Situationsmerkmale der Projektorganisation Entsprechend den Leitgedanken des heuristisch, begrenzt-rationalen Ansatzes, ist die Gestaltung der Projektorganisation nach den Gegebenheiten des Projektes auszurichten. Erforderlich sind daher erstens eine Klärung der Ausdrücke Situation und Situationsmerkmal sowie zweitens ein Überblick über die Menge der Sachverhalte, die in der Literatur als Situationsmerkmale der Projektorganisation angesehen werden.

a) Begriffsklärung In der normativen Entscheidungstheorie gelten als Umweltzustände jene Sachverhalte, welche die Folgen einer Maßnahme beeinflussen, ohne selbst durch sie beeinflußt zu werden. 125 Die Gegebenheiten oder auch Umstände einer Entscheidung werden in der Organisationstheorie, sofern die Entscheidung eine Auswahl unter mehreren Organisationsformen ist, ebenso als Bedingungen, Einflußgrößen und situative Faktoren bezeichnet. 126 Zusammengenommen, bilden sie die Situation: die Gesamtheit der Bedingungen einer Entscheidung - oder abstrakter definiert: die Summe der Situationsmerkmale in ihren jeweiligen Ausprägungen. Demnach ist Situation ein Ausdruck für eine ,Restmenge': die Menge dessen, was auf eine Entscheidung einwirkt, ohne selbst Gegenstand der Entscheidung zu sein. Überblick bei Böhler, H., Portfolio-Analysetechniken, Sp. 1549, wird mittels unterschiedlicher Merkmale die Markt- und Wettbewerbssituation des Unternehmens abgebildet und ermittelt, um daraufhin diesem Situationstyp ein vorgedachtes Lösungsmuster in Gestalt einer Normstrategie zuzuordnen. Die Effizienz ist stillschweigend eingeschlossen: vorausgesetzt das Unternehmen ermittelt seine Lage richtig und wählt die angemessene Musterlösung, so führt dies annahmegemäß zum Erfolg. 125 Vgl. hierzu z.B. Bea, F. X., Entscheidungen des Unternehmens, S. 312; Bamberg, G., Coenenberg, A. G., Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, S. 16 f. An dieser Stelle eine Anmerkung sprachlicher Art: Der Ausdruck Umwelt wird üblicherweise mit natürlichen Sachverhalten, also der natürlichen Umwelt des Menschen, in Verbindung gebracht. Dieser Sinngehalt aber ist in der Entscheidungstheorie nicht beabsichtigt: bezeichnet werden soll vielmehr die Menge derjenigen Sachverhalte, die es bei einer Entscheidung als unabänderlich hinzunehmen gilt. Um Mißverständnisse zu vermeiden, sehe ich davon ab, den Ausdruck Umwelt wie auch die verwandten Ausdrücke ,Umweltfaktor' und ,Umweltzustand' entsprechend den entscheidungstheoretischen Gepflogenheiten zu verwenden. 126

Vgl. Wollnik, M., Einflußgrößen der Organisation, Sp. 594.

II. Heuristisch, begrenzt-rationales Gestalten

203

b) Literaturüberblick Ausgehend von der Klärung des Begriffsinhalts, stellt sich die Frage nach dem Begriffsumfang: Welche Sachverhalte zählen zur Menge der Situationsmerkmale der Projektorganisation? Hilfreich erscheint hier ein Literaturüberblick. anhand der grundlegenden amerikanischen Veröffentlichungen sowie jenen Arbeiten, die vornehmlich im deutschen Sprachraum als bekannt gelten dürfen. Folgende Sachverhalte gelten als wesentlich für die Gestaltung der Projektorganisation: Art des Projekts, 127 Gegebenheiten des Projekts, 128 Bedeutung des Projekts, 129 Umfang (Größe) des Projekts, 130 Komplexität des Projekts, 131 Interdependenz der Subsysteme, 132 Interdependenz der Teilaufgaben des Projekts, 133 Ausmaß der erforderlichen Integration, 134 127 Steiner, G. A., Ryan, W. G., S. 150 ff.; Madauss, B.-J. , Projektmanagement, S. 84; Katz, R., The Effect of Group Longevity, S. 82; Kuba, R. W., S. 31. 128

Middleton, C. J., S. 75; Cleland, D. /., King, W. R., S. 243.

129 Stewart, J. M., S. 293; Schröder, H. J., Projekt-Management, S. 15 ff.; Gobeli, D. H., Rudelius, W., Managing Innovation, S. 41; Haberfellner, R., ProjektManagement, S. 137; Reschke, H., Svoboda, M., S. 4; Crawford, M. C., NeuproduktManagement, S. 294. 130 Cleland, D. /., Why Project Management?, S. 88; Stewart, J. M., S. 293; Schröder, H. J., S. 15 ff.; Klaus, H. G., S. 284; Sayles, L. R., Chandler, M. K., S. 181; Haberfellner, R., S. 137; Reschke, H., Svoboda, M., S. 4; Kuba , R. W., S. 28 ff.; Takeuchi, H., Nonaka, /., S. 144. 131 Baumgartner, J. S., S. 2; Cleland, D. /., Why Project Management?, S. 88; Stewart, J. M., S. 293; Schröder, H. J., S. 15 ff.; Klaus, H. G., S. 152; Kolodny, H. F., Führung in einer Matrix, S. 32 f.; Knight, K., Matrix-Organisation, S. 99; Reschke, H., Svoboda, M., S. 4; Kett, I., Projekte erfolgreich managen, S. 54; Bienheim, W.-R., Projekte, S. 67; Haberfellner, R., S. 137; Kuba, R. W., S. 28. 132 Allen, T. J., Organizational Structure, Information Technology, and R&D Productivity, S. 215; Adler, P. S., Shenbar, A., Adapting Your Technological Base, s. 30.

133 Tushman, M. L., Communication Networks in R&D Laboratories, S. 43; Tushman, M. L., Technical Communication in R & D Labotatories, S. 632; Nadler, D. A., Tushman, M. L., Designing Formal Coordination Mechanisms, S. 471; Morris, P. W. G., Project Organizations, S. 162. 134

Gupta, A. K., Raj, S. P., Wilemon; D. L. , R&D-Marketing Interface, S. 8 ff.

204

5. Kapitel: Methodische Ansätze zur Gestaltung

Dauer des Projekts, 135 Dauer des Projekteinsatzes für den Mitarbeiter, 136 Ausmaß der zeitlichen Beanspruchung der Projektmitarbeiter,137 Gleichmäßigkeit der zeitlichen Beanspruchung der Projektmitarbeiter,138 Schwierigkeitsgrad des Projekts, 139 Besonderheit des Projekts, 140 Art des Wertschöpfungsprozesses (anlagen- vs. personalintensiv),141 Trennbarkeit von Ressourcen, 142 Dynamik, 143 Rechtsverhältnis zwischen Projektleitung und Auftragnehmern, 144 Neuigkeitsgrad des Produkts, 145 Neuigkeitsgrad des (Produktions-)Prozesses,146 Veränderlichkeit des Fachwissens, 147 135 Adler, P. S., Shenbar, A., Adapting Your Technological Base, S. 30; Klaus, H. G., S. 284; Haberfellner, R., S. 137.

136

Allen, T. J., Organizational Structure, S. 214.

137 138

Haberfellner, R., Projekt-Management, S. 137. Haberfellner, R., ebd.

139

Schröder, H. }., S. 15 ff.; Haberfellner, R., S. 137.

140

Schröder, H. J., ebd.; Haberfellner, R., ebd.

Middleton, C. J., S. 77; Galbraith, J. R., Matrix Organization Designs, S. 38 f.; Hodgetts, R. M., Leadership Techniques in the Project Organization, S. 213; Sayles, L. R., Chandler, M. K., S. 186; Klaus, H. G., S. 152; Greiner, L. E., Schein, V. E., Managing a Project-Oriented Matrix, S. 18; Peters, T. J., Jenseits der Hierarchien, S. 283. 141

142 Kolodny, H. F., Führung in einer Matrix, S. 34; Knight, K., Matrix-Organisation: ein Überblick, S. 90; Sayles, L. R., Chandler, M. K., S. 186. 143

Kolodny, H. F., S. 32 f.; Knight, K., S. 99.

Hodgetts, R. M., Leadership Techniques in the Project Organization, S. 213. 145 Baumgartner, J. S., S. 2; Stewart, J. M., S. 293; Klaus, H. G., S. 152; Hill, R. M., Hlavacek, J. D., The Venture Team , S. 50; Gobeli, D. H., Rudelius, W., Managing Innovation, S. 40; Tushman, M. L., Communication Networks in R&D Laboratories, S. 43; Katz, R., The Effect of Group Longevity, S. 82; Wheelwright, S. C., Clark, K. B., Project Plans, S. 72 f. 146 Crawford, M. C., Neuprodukt-Management, S. 303; Wheelwright, S. C., Clark, K. B., Project Plans to Focus Product Development, S. 73. 147 Galbraith, J. R., Matrix Organization Designs, S. 38 f.; Klaus, H. G., S. 152; Sayles, L. R., Chandler, M. K., S. 181; Allen, T. J., Managing, S. 218 ff.; 144

II. Heuristisch, begrenzt-rationales Gestalten

205

Verschiedenartigkeit des Produkts (im Vergleich zum derzeitigen Leistungsprogramm), 148 Zeitdruck aufgrund des Wettbewerbs, 149 Wettbewerbsdruck, 150 Marktposition, 151 Art des Unternehmens,152 Gegebenheiten des Unternehmens, 153 Unternehmensgröße, 154 Führungsverständnis der Unternehmensleitung, 155 Unternehmensorganisation, 156 Machtverhältnisse im Unternehmen, 157 Mitarbeiter des Unternehmens, 158 Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrung des Projektleiters, 159 beteiligte Personen, 160

Allen, T. J., Organizational Structure, S. 214; Adler, P. S., Shenbar, A., Adapting, s. 30. 148 Galbraith, J. R., S. 38; Klaus, H. G., S. 152 und S. 216; Gobeli, D. H., Rudelius, W., Managing Innovation, S. 40.

s.

Galbraith, J. R., ebd.; Crawford, M. C., S. 303; Clark, K. B., Fujimoto, T., 246.

149

150

Clark, K. B., Fujimoto, T., S. 271.

151

Clark, K. B., Fujimoto, T., ebd.

152

Cleland, D. /., Why Project Management?, S. 88.

153

Middleton, C. J., S. 75; Klaus, H. G., S. 282 ff.

154 Steiner, G. A., Ryan, W. G., S. 150 ff.; Galbraith, J. R., Matrix Organization Designs, S. 38; Gobeli, D. H., Rudelius, W., Managing Innovation, S. 40 f.; Horwitch, M., Prahalad, C. K., Managing Technologica1 Innovation, S. 77; Maidique, M. A., Entrepreneurs, Champions, and Technological Innovation, S. 71. !55 Cleland, D. /., Why Project Management?, S. 88; Middleton, C. J., S. 75; Haberfellner, R., Projekt-Management, S. 137.

156 Madauss, B.-1., Projektmanagement, S. 84; Horwitch, M., Prahalad, C. K., Managing Technological Innovation, S. 77; Maidique, M. A., Entrepreneurs, S. 71.

157 Hili, R. M., Hlavacek, J. D., The Venture Team, S. 50; Larson, E. W., Gobeli, D. H., Matrix Management, S. 137 f.; Bienheim, W.-R., Projekte:, S. 67. 158

Kuba, R. W., S. 31.

159

Steiner, G. A., Ryan, W. G., S. 150 ff.; Klaus, H. G., S. 282 ff.; Kuba, R. W.,

160

Bienheim, W. -R., Projekte, S. 67.

S. 31.

206

5. Kapitel: Methodische Ansätze zur Gestaltung

Erfordernis, Einflüsse aus dem Unternehmen von der Projektgruppe fernzuhalten,16l Anzahl und Verschiedenheit von Produkten und Geschäftsfeldern des Unternehmens,162 Anzahl der gleichzeitig laufenden Projekte,163 Verfügbarkeit von Ressourcen,164 Schwierigkeit der Entwicklung neuer Produkte im Unternehmen.165

3. Situationsmerkmale in Gestaltungsverfahren

Wie der Literaturüberblick belegt, gelten zahlreiche Sachverhalte als wesentlich für die Gestaltung der Projektorganisation. Wie aber sind diese Situationsmerkmale anzuwenden? Um die Frage zu beantworten, werde ich ich in diesem Teilabschnitt ausgewählte Situationsmerkmale untersuchen. Den Anfang wird der Komplexitätsgrad von Projekten bilden (a.). Sodann werde ich gängige Gestaltungsverfahren betrachten, welche die Auswahl eines Gesamtentwurfs vorsehen (b.). Ausgehend von ihren Schwächen, werde ich zwei Verfahren vorstellen, die ausdrücklich die Gestaltung von Teilentwürfen vorsehen: den Organisations-Auswahl-Raum (c.) und das Entwicklungsmodell des Unternehmerischen Netzwerks (d.).

a) Der Komplexitätsgrad eines Projektes Der Komplexitätsgrad eines Projektes ist vielleicht das Situationsmerkmal für die Gestaltung der Projektorganisation; kein anderes Merkmal wird in der Literatur ähnlich häufig genannt. Zugleich aber wird in keinem der Crawford, M. C., Neuprodukt-Management, S. 296. Horwitch, M., Prahalad, C. K., Managing Technological Innovation, S. 77 f.; Maidique, M. A., Entrepreneurs, Champions, and Technological Innovation, S. 71. 161

162

163 Mee, J. F., Matrix Organization, S. 70; Kett, /., Projekte erfolgreich managen, S. 54; Haberfellner, R., Projekt-Management, S. 137; Kuba, R. W., s. 28. 164 Bienheim, W.-R. , Projekte, S. 67. 165

Crawford, M. C., Neuprodukt-Management, S. 303.

II. Heuristisch, begrenzt-rationales Gestalten

207

mir bekannten Ansätze das Problem ausreichend behandelt, wie die Komplexität zu erfassen und zu messen sei. Wie also dieses Problem lösen? Wesentlich an dem Phänomen ist meines Erachtens die Verschiedenartigkeil der Teilaufgaben und die Abhängigkeit zwischen ihnen.I66 Komplexität begreife ich daher als die Anzahl der unterschiedlichen Fach- oder Wissensgebiete bei der Lösung einer Aufgabe. In diese Richtung zielen ebenfalls zwei andere der im Literaturüberblick aufgeführten Situationsmerkmale: die Interdependenz der Teilaufgaben des Projekts und die Subsystem-Interdependenz. Obieich ähnlich, unterscheiden sie sich geringfügig: Die Interdependenz der Teilaufgaben beleuchtet die Abhängigkeit der Aufgabe, die Interdependenz der Subsysteme die Abhängigkeit zwischen Teilen des Projektgegenstands. Gegenüber dem Verständnis, das ich dieser Arbeit zugrundelege, unterscheiden sie sich insofern, als beide Begriffe die Frage nach der Verschiedenheit der Aufgaben außer Acht lassen. Während die Verschiedenartigkeit von Teilaufgaben (in Kapitel 2) bereits erörtert wurde, scheinen mir einige Ergänzungen zur Abhängigkeit von Aufgaben erforderlich, insbesondere zur Klassifikation von Abhängigkeiten. Deshalb werde ich den meines Wissens klassischen Ansatz hierzu, die Systematisierung der Interdependenzen von James D. Thompson, im folgenden ausführlich darstellen. Nach der Intensität unterscheidet Thompson drei Arten von Abhängigkeiten (siehe Abb. 29): 167 Gemeinsame oder gebündelte Interdependenz (vom Englischen: pooled interdependence) ist diejenige Abhängigkeit, der organisatorische Teilbereiche unterliegen, die zwar unabhängig voneinander arbeiten, jedoch zu ein und demselben Unternehmen gehören und daher gemeinsame Ressourcen, z.B. Mitarbeiter oder Anlagengüter in Anspruch nehmen. Davon zu unterscheiden ist die einseitige oder sequentielle Interdependenz (vom Englischen: sequential interdependence): Hier bilden die Leistungen eines vorgelagerten organisatorischen Teilbereiches die Voraussetzung für die Leistungen des nachgelagerten Bereiches; die nachgelagerten Bereiche sind also jeweils von den vorgelagerten Bereichen abhängig. Die intensivste Form ist die wechselseitige oder beiderseitige Interdependenz (im Englischen: reciprocal interdependence): Jeder Teilbereich arbeitet unmittelbar mit allen anderen Bereichen zusammen an einer Aufgabe, die Bereiche sind nicht im eigentlichen Sinn vor- und nachgelagert, sondern bedingen sich gegenseitig; mit anderen Worten: Die Leistungen eines Be166 Ähnlich Tushman, M. L., Technical Communication in R & D Laboratories, S. 632: .,Project task interdependence is the extent to which the project's task requires working with other areas." 167 Vgl. Thompson, J. D., S. 54 f. Siehe dazu auch Nadler, D. A., Tushman, M . L., Designing Formal Coordination Mechanisms, S. 471 ff.

208

5. Kapitel: Methodische Ansätze zur Gestaltung

reiches sind Vorleistungen für andere Bereiche, erfordern zugleich aber auch Leistungen der anderen Bereiche.

Gemeinsame Abhängigkeit Einseitige Abhängigkeit Wechselseitige Abhängigkeit Abb. 29: Die drei Arten von Abhängigkeiten zwischen organisatorischen Teileinheiten 168

Aufbauend auf Thompsons Klassifikation, ist es möglich, Komplexität als Situationsmerkmal der Projektorganisation (aber auch als Eigenschaft von Projekten im allgemeinen) genauer als bisher abzugrenzen, nämlich als die Anzahl der unterschiedlichen Fach- oder Wissensgebiete, deren Beiträge zur Lösung einer Aufgabe wechselseitig voneinander abhängen und somit aufeinander abgestimmt werden müssen. Das heißt: Abhängigkeit in Bezug auf Projekte ist nicht gleichbedeutend mit gemeinsamer oder einseitiger Abhängigkeit, wohl aber mit wechselseitiger Abhängigkeit. In dieser Weise abgegrenzt, wird verständlich, weshalb die Komplexität in der Literatur gemeinhin als der eigentliche Bestimmungsgrund des besonderen Koordinations- oder auch Integrationsbedarfs von Projekten gilt. Meines Erachtens ist hier Thomas J. Allen beizupflichten, der schreibt: 169 ,.The degree to which work is interdependent among different portions of the project determines the degree to which task coordination is necessary. The extent to which work on one subsystem or problern depends upon progress in another subsystem or problern area and the complexity of the interface requirements among subsystems and problern areas determine the severity of the project coordination problern." 168 In Anlehnung an Thompson, J. D., Organizations in Action, S. 54 f. Andere Abbildungen finden sich z.B. bei Morris, P. W., Project Organizations, S. 163; Staehle, W., Management, S. 434. 169 Allen, T. J., Organizational Structure, S. 215. Ähnlich Nadler, D. A., Tushman, M. L., S. 471 f.; Hoffmann, F., Führungsorganisation, S. 310.

II. Heuristisch, begrenzt-rationales Gestalten

209

Somit gilt es, je nach Koordinationsbedarf angemessene Koordinationsinstrumente einzusetzen, d.h. auch die Projektorganisation angemessen zu gestalten.170 Hier jedoch stellt sich die Frage, wie denn die Komplexität von Projekten gemessen werden kann. Lediglich ein Ansatz erscheint mir geeignet, zur Lösung des Problems beizutragen. Den Ansatz werde ich im folgenden darstellen. Der Ansatz von Steven C. Wheelwright und Kim B. Clark erklärt die Komplexität eines Entwicklungsprojektes aus dem Neuheitsgrad des Produktes und dem Neuheitsgrad der Fertigungsverfahren. 171 Wesentlich ist also das Ausmaß der Abweichung vom Bisherigen: Je größer die Veränderung hinsichtlich der beiden Merkmale, desto höher die Komplexität. Ermittelt wird die Projekt-Komplexität somit aus einem Vergleich des Produktes mit seinem Vorgänger-Produkt und des Prozesses mit seinem VorgängerProzeß. Insgesamt werden drei Typen von Entwicklungsprojekten unterschieden (siehe Abb. 30).172

Derivativ-Projekte gelten nach Wheelwright und Clark als Entwicklungsprojekte mit keinen oder nur geringen Änderungen des Produktes und des Prozesses. Drei typische Fälle lassen sich unterscheiden: erstens geringe Veränderungen des Produktes, etwa eine neue Verpackung oder ein zusätzliches Ausstattungsmerkmal, mit keinen oder nur geringen Änderungen des Fertigungsverfahrens; zweitens geringe Prozeß-Änderungen, wie z.B. der Einsatz veränderter Werkstoffe, bei keinen oder nur geringen Produkt-Änderungen; drittens: geringe Änderungen bei Produkt und bei Prozeß. Angesichts der geringen Änderungen ist bei Derivativ-Projekten auch die Komplexität als gering anzusehen.

170 Vgl. Nadler, D. A., Tushman, M. L., S. 471. Ähnlich Hoffmann, F., S. 310; Morris, P. W. G., Project Organizations, S. 162. 171 Vgl. im folgenden Wheelwright, S. C., Clark, K. B., Project Plans to Focus Product Development, S. 73. Der Bezug zur Projekt-Komplexität wird von den beiden Autoren zwar nicht ausdrücklich hergestellt, jedoch in einer früheren Schrift eines der Autoren deutlich hervorgehoben; siehe hierzu Clark, K. B., Fujimoto, T., S. 21 f. 172 Die beiden anderen Projekttypen nach Wheelwright und Clark, d.h. Forschungsprojekte sowie Kooperationsprojekte, werden hier aus zwei Gründen nicht behandelt: Erstens beruhen sie auf anderen Klassifikationsmerkmalen: Kooperationsprojekte unterscheiden sich von Eigen-Entwicklungsprojekten durch die größere Anzahl von Auftraggebern (siehe hierzu Kap. 4. I. 5.); Forschungsprojekte unterscheiden sich von Entwicklungsprojekten durch ihre größere Ferne zum Markt: übereinstimmend mit Wheelwright, S. C., Clark, K. B., Project Plans, S. 73, gelten hier Forschungsprojekte als Projekte zur Schaffung von Wissen über neue Verfahren, etwa Werkstoffe, die später im Rahmen von Entwicklungsprojekten in neue Produkte einfließen; zweitens können die beiden Klassifikationsmerkmale in begrenztem Umfang auch für Kooperationsprojekte und Forschungsprojekte angewendet werden. 14 Beck

5. Kapitel: Methodische Ansätze zur Gestaltung

210

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