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German Pages 426 [432] Year 1953
GATTERMANN • WIELAND DIE PRAXIS DES ORGANISCHEN CHEMIKERS
L. G A T T E R M A N N
DIE PRAXIS DES
ORGANISCHEN CHEMIKERS 35. A u f l a g e bearbeitet von
HEINRICH WIELAND
M i t 58 A b b i l d u n g e n
1953 W A L T E R DE G R U Y T E R & C O . vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit & Comp.
BERLIN W35
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Übersetzung, vorbehalten. Copyright 1953 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . G5schen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J Trübner, Veit & Comp. Berlin W 35 Archiv- N'r 52 10 53 Printed in Germany Satz Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35 Druck Günther & Sohn, Berlin SW 11
V
Aus dem Vorwort zur ersten Auflage Das vorliegende Buch ist in erster Linie einem privaten Bedürfnis des Verfassers entsprungen. Wenn man gleichzeitig eine größere Anzahl von Studierenden in das organische Arbeiten einzuführen hat, dann ist es oft beim besten Willen nicht möglich, jeden einzelnen auf die kleinen Kunstgriffe, deren es beim organischen Arbeiten so viele giebt, aufmerksam zu machen. Damit nun der Studierende sich auch in Abwesenheit des Lehrers bei der Ausführung allgemeiner Operationen Rat erholen kann, ist den speziellen Vorschriften für Präparate ein allgemeiner Teil vorausgeschickt, welcher die Krystallisation, Destillation, das Trocknen, die analytischen Operationen u. a. behandelt. Bei der Abfassung dieses Teiles wurde weniger Wert darauf gelegt, die zahlreichen Modifikationen der einzelnen Operationen möglichst vollständig aufzuzählen, als vielmehr darauf, die wichtigsten Operationen derart zu beschreiben, daß der Anfänger auch in Abwesenheit des Assistenten dieselben danach selbständig ausführen kann. Im zweiten speziellen Teile wurden jedem einzelnen Präparate allgemeine Betrachtungen angefügt, welche sich auf das Wesen und die allgemeine Bedeutung der ausgeführten Reaktionen beziehen und den Zweck verfolgen, daß der Studierende sich schon beim praktischen Arbeiten auch möglichst vielseitige theoretische Kenntnisse aneignet, welche, unter diesen Umständen erworben, bekanntlich fester haften, als wenn sie ausschließlich an Hand eines rein theoretischen Buches gewonnen sind. Und so hofft denn der Verfasser, daß sein Buch neben den trefflichen Anleitungen von E. F i s c h e r und L e v y sich hier und da einige Freunde erwerben möge. Heidelberg, im August 1894
Gattermann
VI
Vorwort
Vorwort zur neunzehnten Auflage Vor etwas mehr als dreißig Jahren hat Ludwig G a t t e r m a n n die erste Auflage seiner Anleitung für das organ.-chemische Praktikum dem Druck übergeben. Das System, die präparativen Vorschriften mit theoretischen Erläuterungen zu versehen, hat sich zweifellos bewährt. Dafür spricht schon die große Verbreitung des Buches; es hat 18 Auflagen erlebt. — Die Erlernung der methodischen Technik ist gewiß das Hauptziel des organischen Praktikums; als bloße Kochkunst und Laborantenfertigkeit ausgeübt, leistet sie jedoch zu wenig. Die Methodik beherrschen heißt vor allem auch, den Sinn ihrer Anwendung verstehen, ihre vielfältigen Ausdrucksformen am richtigen Platz handhaben. Es ist auch hier der Geist, der sich den Körper baut. Wir verlangen, daß der Praktikant mit den Umwandlungen, die er präparativ betreibt, theoretisch vertraut sei. Der den einzelnen Präparaten angefügte Kommentar soll den Überblick über das gerade bearbeitete Gebiet erleichtern und zum Gebrauch der Lehrbücher und der Originalliteratur, zum Nachschürfen anregen. Nachdem jetzt die Grundlagen der organischen Chemie beim präparativen Arbeiten an den deutschen Hochschullaboratorien vorausgesetzt werden können, lag die Gefahr, ihn zur „Eselsbrücke" zu gestalten, fern. Mit Vorbedacht sind die Anforderungen nach der praktischen und nach der theoretischen Seite in dieser Neubearbeitung gesteigert worden. Was in den vergangenen dreißig Jahren an „Schulsack" genügte, das ist jetzt zu knapp für den, der sich an der Bearbeitung der für Wissenschaft und Technik gleichermaßen zugespitzten und schwieriger gewordenen Aufgaben beteiligen will. Der Gedanke, das präparative Praktikum gleichzeitig zu einem Erfassen und Erleben der organischen Chemie werden zu lassen, hat die Anordnung des Stoffs vom Gesichtspunkt des systematischen Zusammenhangs aus gefordert. Man wird sehen, daß dem dadurch bedingten Aufbau die präparative Anstiegslinie vom Leichteren zum Schwierigeren kaum ernstlich zuwider verläuft. Und der Gewinn an abgerundeter Ausbildung, der zu erwarten steht, ist erheblich. Der allgemeine Teil und ebenso der analytische sind vollkommen umgearbeitet worden unter starker Kürzung zugunsten der Präparate. Durch ihre Vermehrung soll einige Abwechslung geboten und dem schematischen Zug im organischen Praktikum entgegengewirkt werden. Meinen Assistenten, vor allem den Herren Dr. F r a n z B e r g e l und F. G o t t w a l t F i s c h e r bin ich für ihre unermüdliche Mithilfe bei der Ausführung zahlloser Versuche zu großem Dank verpflichtet. Herr Fischer hat außerdem die in dieser Bearbeitung neuen Figuren gezeichnet und das Register angefertigt. Freiburg i. B., Ostern 1925
Heinrich Wieland
Vorwort
VII
Vorwort zur vierunddreißigsten Auflage Für die vorliegende Ausgabe ist das Buch in allen Einzelheiten kritisch und gründlich durchgesehen worden. Einige Präparate wurden weggelassen und durch andere ersetzt; in manchen Fällen wurden die präparativen Vorschriften verbessert. Neue Methoden, wie die der Papier chromatographie und der Polymerisation sind mit geeigneten Beispielen aufgenommen. Viel einschneidender sind die Änderungen, die den theoretischen Erläuterungen zuteil geworden sind. Obwohl ich nach wie vor an der Auffassung festhalte, der „Gattermann" habe nicht die Aufgabe, dem Studenten auch die theoretischen Kenntnisse der organischen Chemie lückenlos zu vermitteln, habe ich mich doch entschlossen, entgegen meinem früheren, im Vorwort zur siebenundzwanzigsten Auflage (1940) vertretenen Standpunkt, die moderne Elektronentheorie der chemischen Valenz wenigstens im Prinzip als Grundlage für die Erörterungen über den Mechanismus der behandelten Reaktionen heranzuziehen. In einem besonderen Kapitel (S. 377) versucht R. Huisgen die Hauptlinien dieser Betrachtungsweise, wie mir scheint mit guten Erfolgsaussichten, dem Benutzer des Buchs näher zu bringen. Selbstverständlich ist bei der Wiedergabe der Formeln die anschauliche alte Ausdrucksweise der chemischen Bindung durch Bindestriche beibehalten worden. Für ihre hingebende Unterstützung bei der Neubearbeitung des Buches habe ich den Kollegen Prof. R. H u i s g e n , F. L y n e n und Th. W i e l a n d wärmstens zu danken. Starnberg, September 1952
Heinrich Wieland
Vorwort zur fünfundreißigsten Auflage Bis auf einige unwesentliche Richtigstellungen unterscheidet sich diese Auflage nicht von der vorhergegangenen. Starnberg, November 1953
Heinrich Wieland
IX
I n h a l t A. Einige allgemeine Arbeitsregeln Seite
Reaktionsgeschwindigkeit und Temperatur Beindarstellung organischer Substanzen Kristallisation Chromatographisehe Adsorption Destillation Sublimation Destillation mit Wasserdampf Abdestillieren von Lösungsmitteln Ausschütteln. Extrahieren Das Arbeiten mit komprimierten Gasen Rühren und Schütteln Erhitzen unter Druck Schmelzpunktsbestimmung
1 3 4 14 15 25 26 28 30 34 35 37 39
B. Elementar-analytische Methoden Qualitativer Nachweis des Kohlenstoffs, Wasserstoffs, Schwefels und der Halogene Die quantitative organische Elementaranalyse I. Stickstoffbestimmung nach D u m a s II. Bestimmung von Kohlenstoff und Wasserstoff nach Lieb ig . . III. Bestimmung von Halogen, Schwefel und sonstigen Elementen . . 1. Halogenbestimmung nach Carius S. 65. 2. Bestimmung von Chlor und Brom nach Verbrennung der Substanz im Perlenrohr S. 68. 3. Jodbestimmung nach L e i p e r t - M ü n s t e r S. 71. 4. Schwefelbestimmung nach C a r i u s S. 72. 5. Schwefelbestimmung durch Verbrennung S. 73. 6. Gleichzeitige Bestimmung von Halogen und Schwefel S. 74. 7. Bestimmung der übrigen Elemente S. 74. IV. Bestimmung organischer Gruppen 1. Maßanalytische Bestimmung der Methoxylgruppe S. 74. 2. Bestimmung der Acetyl- und Benzoylgruppe S. 76. 3. Bestimmung von aktivem Wasserstoff nach T s c h u g a e f f - Z e r e w i t i n o f f S. 78. 4. Molekulargewichtsbestimmung S. 80.
41 44 45 52 64
74
C. Organisch-präparatlver Teil Zur Verhütung von Unfällen Die erste Ausrüstung . . .
81 83
X
Inhalt I. D i e S u b s t i t u t i o n v o n H y d r o x y l u n d W a s s e r s t o f f durch Halogen. Alkohole. Olefine
1. Äthylbromid aus Äthylalkohol Methylbromid S. 88. 2. Äthyljodid aus Äthylalkohol Methyljodid S. 88. 3. Benzylchlorid aus Toluol 4. Brombenzol p-Dibrombenzol S. 96. 5. Ungesättigte Kohlenwasserstoffe a) Äthylen aus Äthylalkohol, Äthylenbromid S. 98; b) Cyclohexen aus Cyclohexanol. Cyclohexadien S. 100. 6. Glykol aus Äthylenbromid 7. Iso-amyläther 8. Chloressigsäure aus Essigsäure und Chlor II. C a r b o n s ä u r e n u n d i h r e e i n f a c h e n A b k ö m m l i n g e 1. Säurechloride a) Acetylchlorid S. 111; b) Benzoylchlorid S. 112; Benzoylperoxyd S. 116. 2. Essigsäure-anhydrid 3. Acetamid 4. Harnstoff und Semicarbazid a) Kaliumcyanat durch Oxydationsschmelze S. 120; b) Harnstoff S. 121; c) Semicarbazid S. 122; d) Harnstoff und Harnsäure aus Harn S. 123. 5. Nitrile a) Acetonitril S. 125; b) Benzylcyanid S. 125. 6. Verseifung eines Nitrils zur Säure. Phenylessigsäure 7. Säureester a) Essigsäureäthylester aus Eisessig und Alkohol S. 128; Benzoesäureäthylester S. 129; b) Isoamylnitrit S. 132; Äthylnitrit S. 133; c) Äthylnitrat S. 134; d) Verseifung von Fett oder pflanzlichem öl S. 135; Darstellung der freien Fettsäuren S. 135; Glycerin S. 136; Zur Fettanalyse S. 136. 8. Abbau der Carbonsäuren zu den nächst niederen Aminen a) H o f m a n n s c h e Reaktion, Methylamin aus Acetamid S. 137; b) Curtiussche Reaktion, Phenylcyanat S. 138.
Seite
86 88 92 95 98
107 109 109
111
116 118 120
125 127 128
137
III. N i t r o v e r b i n d u n g e n u n d i h r e R e d u k t i o n s p r o d u k t e 1. Nitromethan Methylamin, N-Methylhydroxylamin, Methylnitrolsäure, Knallsilber, Phenylnitroäthylen. 2. Nitrierung eines aromatischen Kohlenwasserstoffs a) Nitrobenzol S. 145; b) m-Dinitrobenzol S. 146.
140
145
Inhalt
XI Seite
3. Reduktion einer Nitroverbindung zu einem Amin a) Anilin aus Nitrobenzol S. 147; Diphenylthiohamstoff, Phenylsenföl S. 151; b) m-Nitranilin aus m-Dinitrobenzol S. 153.
147
4. Phenylhydroxylamin p-Aminophenol, Nitrosophenylhydroxylamin. 5. Nitrosobenzol Nitrosobenzol aus Anilin und Caroscher Säure, Azobenzol aus Anilin und Nitrosobenzol, Azoxybenzol aus Phenylhydroxylamin und Nitrosobenzol. 6. Hydrazobenzol und Azobenzol a) Hydrazobenzol S. 162; b) Azobenzol aus Hydrazobenzol S. 163; c) Benzidin aus Hydrazobenzol S. 165. Mechanismus der Nitrobenzol-Reduktion
164 158
162 167
IV. S u l f o n s ä u r e n 1. Benzolmonosulfonsäure aus Benzol und Schwefelsäure Diphenylsulfon, Benzolsulfochlorid, Benzolsulfamid, Benzsulfhydroxamsäure. 2. p-Toluolsulfonsäure ; 3. /3-Naphthalinsulfonsäure 4. Sulfanilsäure aus Anilin und Schwefelsäure 5. Pikrinsäure und 2,4-Dinitro-a-naphthol-7-sulfonsäure (Naphtholgelb S) 6. Thiophenol
168
170 171 172 172 177
V. A l d e h y d e 1. Formaldehyd Gehaltsbestimmung S. 180. 2. Acetaldehyd a) aus Äthylalkohol S. 180; b) aus Acetylen S. 183. 3. Benzaldehyd aus Benzalchlorid Erläuterungen und Versuche zu 1, 2 u. 3 4. C a n n i z z a r o s c h e Reaktion. Benzoesäure und Benzylalkohol aus Benzaldehyd 5. Acyloin-kondensation. Benzoin aus Benzaldehyd a) Benzil aus Benzoin S. 194; b) Benzilsäure S. 196.
178 180 184 184 193 194
6. Anlagerung von Cyanwasserstoff an einen Aldehyd. Mandelsäure aus Benzaldehyd 198 7. Alanin 200 8. P e r k i n s c h e Synthese. Zimtsäure aus Benzaldehyd u. Essigsäureanhydrid 202 Hydrierimg der Zimtsäure S. 204; Natriumamalgam S. 205; Styrol S. 205. 9. R e i m e r - T i e m a n n s c h e Synthese. Salicylaldehyd aus Phenol und Chloroform 206
XII
Inhalt VI. P h e n o l e u n d E n o l e .
Keto-Enol-Tautomerie
Seit«
1. Überführung einer Sulfonsäure in ein Phenol. /3-Naphthol 208 Benzoesäurephenylester, Benzoesäurenaphthylester, Tribromphenol. 2. Methylierung von Phenolen 212 a) Anisol S. 212; b) Nerolin S. 213. 3. o- und p-Nitrophenol 214 4. Die K o l b e s c h e Salicylsäuresynthese 216 5. Synthese eines /3-Ketonsäureesters. Acetessigester 218 6. Acetylaceton 219 Benzoylaceton S. 220. 7. Malonsäure-diäthylester 220 Äthylmalonester S. 221; Äthylmalonsäure S. 221; Buttersäure aus Äthylmalonsäure S. 221. 8. Phenylnitromethan 222 a) aci-Phenyl-nitro-acetonitril-natrium S. 222; b) aci-Phenylnitromethan-natrium S. 222. Über Keto-Enol-Tautomerie 223 Die Anwendung von Acetessigester und Malonester f ü r Synthesen . . . . 229 VII. D i e D i a z o v e r b i n d u n g e n Allgemeines A. Aliphatische Diazoverbindungen 1. Diazomethan Nitrosomethylharnstoff S. 234. 2. Diazoessigester a) Glykokollester-hydrochlorid S. 238; Hippursäure S. 240; b) Diazoessigester S. 241. B. Aromatische Diazoverbindungen 3. Diazotierung von Anilin. Phenol, Jodbenzol und Benzol aus Anilin. Isomerie der Diazoverbindungen a) Darstellung einer Diazoniumsalzlösung S. 244; b) Umkochung der Diazoniumsalzlösung zu Phenol S. 245; c) Jodbenzol aus Anilin, Phenyljodidchlorid, Jodosobenzol, Jodobenzol S. 246; d) Benzol aus Anilin S. 247; e) Festes Phenyldiazoniumchlorid S. 248; Phenyldiazoniumnitrat S. 248; Phenyldiazoniumperbromid S. 250; Phenylazid S.250; f) Natrium-p-nitrophenylantidiazotat S.251; g) p-Chlorbiphenyl S. 252. 4. p-Tolunitril aus p-Toluidin ( S a n d m e y e r s c h e Reaktion) Benzonitril S. 253; p-Toluylsäure S. 253. 5. Arsanilsäure aus p-Nitranilin 6. Phenylhydrazin Benzol aus Phenylhydrazin S. 259; Indolsvnthese S. 259. 7. Darstellung von Azofarbstoffen a) Helianthin S. 260; b) Kongorot S. 262; c) /J-Naphtholorange S. 262; d) Diazoaminobenzol und p-Aminoazobenzol S. 263. Über die Kupplungsreaktion der Diazoverbindungen
232 234 238
244
252 254 256 260
264
XIII
Inhalt
Seite
VIII. C h i n o n e und c h i n o i d e V e r b i n d u n g e n 1. Chinon aus Anilin Hydrochinon S. 268; Anilinochinon S. 268; Dien-Synthese S. 268; Chinhydron S. 270.
266
2. p-Nitrosodimethylanilin Dimethylamin und p-Nitrosophenol S. 272.
271
3. p-Aminodimethylanilin W u r s t e r s Rot S. 275; B i n d s c h e d l e r s GrünS. 277; Methylenblau S. 277.
273
4. Basische Triphenylmethanfarbstoffe a) Malachitgrün aus Benzaldehyd und Dimethylanilin S. 279; Bleidioxyd S. 280; b) Kristallviolett aus M i c h l e r s Keton und Dimethylanilin S. 281; c) Gesarol (DDT) S.281.
279
5. Fluorescein und Eosin Theoretisches über Triphenylmethanfarbstoffe Phthalocyanin S. 288.
282 283
6. Alizarin
283
IX. Die S y n t h e s e n n a c h Grignard und Organische Radikale
Friedel-Crafts
Die G r i g n a r d sehe Reaktion 1. Darstellung von Alkoholen a) Benzhydrol aus Benzaldehyd und Phenylmagnesiumbromid S. 290; b) Triphenylcarbinol aus Benzoesäureäthylester und Phenylmagnesiumbromid S. 291.
290
2. Synthese eines Ketons aus einem Nitril. Acetophenon
292
Die F r i e d e l - C r a f t s s c h e Synthese 3. Ketonsynthese a) Benzophenon aus Benzoylchlorid und Benzol S. 296; b) Acetophenon aus Benzol und Essigsäureanhydrid S. 297. 4. Triphenylchlormethan aus Benzol und Tetrachlorkohlenstoff . . . .
296
297
5. 2,4-Dioxyacetophenon aus Resorcin und Aeetonitril
298
6. Chinizarin aus Phthalsäureanhydrid und Hydrochinon
299
7. B e c k m a n n s c h e Umlagerung a) Benzophenonoxim S. 302; b) Cyclohexanonoxim S. 304; Polykondensation von Caprolactam S. 305.
302
Organische Radikale 8. Hexaphenyläthan 9. Tetraphenyl-hydrazin Diphenylnitrosamin, NO S. 310.
306 308 Festlegung des Diphenylstickstoffs
durch
XIV
Inhalt X. H e t e r o c y c l i s c h e V e r b i n d u n g e n
1. Pyridinderivate a) Synthese von Collidin nach Hantzsch S. 312; b) a-Aminopyridin S. 316.
Seite
312
2. Chinolin .317 a) Skraupsche Chinolinsynthese S. 317; b) Chinaldinsynthese nach Doebner-Miller S. 318. 3. a-Phenylchinolin aus Chinolin und Lithiumphenyl a) Lithiumphenyl S. 320; b) a-Phenylchinolin S. 321. 4. Indigo Phenylglycin S. 321; Indoxylschmelze S. 322; Indigoküpe S. 325; Dehydroindigo S. 326.
320 321
X I . H y d r i e r u n g und R e d u k t i o n , O x y d a t i o n mit Selendioxyd, Ozonisation 1. Katalytische Hydrierung mit Palladium. Hydrozimtsäure Darstellung von Palladium-Tierkohle S. 330; Darstellung von Platinoxyd S. 330. 2. Ersatz von Sauerstoff in Carbonylverbindungen durch Wasserstoff (Reduktion nach Clemmensen) a) Äthylbenzol aus Acetophenon S. 332; b) Dibenzyl aus Benzil S. 333. 3. Reduktion nach Meerwein-Ponndorf. Trichloräthylalkohol . . . . Aluminiumäthylat S. 333; Trichloräthylalkohol S. 334. 4. Oxydation von Malonester zu Mesoxalsäureester mit Selendioxyd . . 5. Adipin-dialdehyd aus Cyclohexen durch Ozonisation
328
332 333 335 335
XII. Naturstoffe 1. 2. 3. 4. 5.
Furfurol 337 d-Glucose aus Rohrzucker 338 Spaltung von Rohrzucker durch Saccharase 339 jß-Pentacetyl-glucose und a-Aceto-bromglucose 340 Milchzucker und Casein aus Milch 341 Säurehydrolyse des Caseins S. 342; Papierchromatographische Analyse S. 342. 6. d-Galaktose aus Milchzucker 343 Schleimsäure S. 344; Pyrrol S. 344. 7. Oktacetyl-cellobiose und Cellobiose 345 Einige Erläuterungen über Kohlenhydrate 345 350 8. Verzuckerung von Stärke und alkoholische Gärung 9. 1-Arginin-hydrochlorid aus Gelatine 353 10. Coffein aus Tee 354 11. Nicotin aus Tabakslauge 354
Inhalt
XV
Seite 12. Hämin aus Rinderblut 355 Chromatographische Adsorption der Blattfarbstoffe S. 358. 13. Die Hauptbestandteile der Rindergalle 359 Glykooholsäure S. 359; Cholsäure S. 360; Desoxycholsäure, Fettsäuren und Cholesterin S. 361. D. Organische Gruppenanalyse I. Allgemeines II. Die Merkmale der einzelnen Gruppen III. Ausführung der Analyse a) Einzelbestimmung S. 374; b) Trennung eines Substanzgemisches S. 375.
364 365 374
E. Einführung in die Elektronentheorie der organischen Verbindungen und in die Mesomerie-Lehre von Rolf H u i s g e n Ionen und Atombindung 377 Ungesättigte und aromatische Verbindungen; Mesomerie 380 Reaktionsmechanismen 387 F. Verschiedenes Kurze Anleitung zur Benützung der organisch-chemischen Literatur . . . Literaturpräparate Tabelle zur Berechnung der Stickstoffbestimmungen Sachregister
Abkürzungen A. = A. ch. = Am. Soc. = Ang. Ch. = B. = Bl. = C. = Chem.-Soc. = Helv. = H. = J . pr. = M. = Naturwiss. = Ree. =
Liebigs Annalen. Annales de chimie et de physique. Journal of the American Chemical Society. Zeitschrift für angewandte Chemie. Berichte der Deutsch, ehem. Gesellschaft. Bulletin de la Société chimique de France. Chem. Zentralblatt. Journal of the Chemical Society of London. Helvetica chimica acta. Hoppe-Seylers Zeitschr. für Physiolog. Chemie. Journal für praktische Chemie. Monatshefte für Chemie. Die Naturwissenschaften. Recueil des trav. chim. des Pays-Bas.
396 398 400 403
A. Einige allgemeine Arbeitsregeln Reaktionsgeschwindigkeit und Temperatur Von den Reaktionen, die den Inhalt des anorganisch-analytischen Praktikums bilden, unterscheiden sich die der organischen Chemie vor allem in der Geschwindigkeit des Verlaufs. Dort haben wir fast ausschließlich mit unmeßbar rasch vor sich gehenden Ionen r e a k t i o n e n z u tun; die Umsetzungen der organischen Sub stanzen dagegen erfolgen meist viel l a n g s a m e r und erfordern daher in diesen Fällen zur präparativen Durchführung die beschleunigende Wirkung erhöhter Temperatur. Mit der Steigerung der T e m p e r a t u r um 10° i s t eine S t e i g e rung der R e a k t i o n s g e s c h w i n d i g k e i t auf d a s 2- bis 3 - f a c h e verbunden. Ist die Geschwindigkeit bei 20° v, so wird sie sich bei 80° auf durchschnittlich v • 2,5® erhöhen. Die Reaktion wird also in siedendem Alkohol etwa 250 - mal rascher verlaufen als bei Raumtemperatur. Aus diesem Grund werden viele Umsetzungen organischer Stoffe mit erhitzten Lösungen, meist bei S i e d e t e m p e r a t u r , vorgenommen. Der Dampf des Lösungsmittels wird in einem, dem Reaktionsgefäß aufgesetzten, von Leitungswasser durchströmten Kühler kondensiert, derart, daß das verdampfte Fig. 1 Lösungsmittel andauernd wieder zurückfließt. Um eine Lösung zu konzentrieren, wird das Lösungsmittel „am a b s t e i g e n d e n K ü h l e r " abgedampft. Bequemer als der Liebigsche K ü h l e r sind für diesen Zweck Schlangenkühler verschiedener Konstruktion, die aber für das Arbeiten „unter R ü c k f l u ß " wegen der in der Schlange zwischen Dampf und Außenatmosphäre sich bildenden Flüssigkeitsschicht weniger geeignet sind. Für beide Verwendungsarten hat sich der von Dimroth angegebene Kühler gut bewährt, bei dem die Schlange vom Kühlwasser durchströmt wird (Fig. 1). Um die Kondensation von Wasserdampf auf der Kühlschlange zu vermeiden, wird der obere Tubus zweckmäßig mit einem Calciumchloridrohr versehen. Benutzt man Lösungsmittel, die über 100° sieden, so kann der Wasserkühler durch ein l a n g e s , weites Glasrohr (Steigrohr) ersetzt werden. 1
G a t t er m a n n , Praxis des organ. Chemikers. 35. Aufl.
2
Einige allgemeine Arbeitsregeln
Zur Verbindung des Kühlers mit dem Reaktionsgefäß dient ein dicht anschließender K o r k s t o p f e n , der vor dem Einbohren des Loches mit der Korkpresse weich gemacht wird. Das Lumen des zu wählenden Korkbohrers soll kleiner sein, als das des einzusetzenden Glasrohrs. Die Durchbohrung erfolgt mit dem in der Bunsenflamme erhitzten Bohrer von der kleineren Fläche des Korkes aus, streng vertikal zum Laboratoriumstisch als Unterlage. Das Abdichten von Stopfen mit Kollodium sollte tunlichst vermieden werden. G u m m i s t o p f e n sollen im allgemeinen nicht verwendet werden bei Operationen, bei denen sie den Dämpfen siedender organischer Lösungsmittel ausgesetzt sind, da sie stark aufquellen und zudem lösliche Bestandteile abgeben, die die Reaktionslösung verunreinigen. Am saubersten läßt sich mit N o r m a l s c h l i f f g e r a t e n arbeiten (siehe z. B. Fig. 46, S. 95); ihr einziger Nachteil ist ihr ziemlich hoher Preis. Die Vorteile sind dagegen so groß, daß Schliffgeräte wohl an allen Hochschullaboratorien eingeführt sind. Schliffe sollen sparsam mit Fett gedichtet werden, wodurch auch ein Festbacken vermieden wird. Schlechte Schliffe werden auch durch reichliche Verwendung von Fett n i c h t dicht. Im übrigen ist das Umgehen mit Normalschliffgeräten so einfach, daß im folgenden die allg. Arbeitsgänge unter Verwendung der größere Sorgfalt und Geschicklichkeit erfordernden Kork- und Gummi-Verbindungen beschrieben werden. Außenkühlung: Viele Reaktionen, die unter starker Wärmeentwicklung verlaufen, müssen gemäßigt werden. Auch wenn zersetzliche Substanzen darzustellen sind, für die erhöhte Temperatur gefährlich ist, muß häufig für Kühlung des Reaktionsgemisches Sorge getragen werden. Der Grad der Kühlhaltung ist verschieden und wird je nach der zu beseitigenden Wärmemenge und in Abhängigkeit von der jeweils erforderlichen Reaktionstemperatur erzeugt durch f l i e ß e n d e s L e i t u n g s w a s s e r (8—12°), durch E i s , das, fein zerstoßen, mit wenig Wasser durchtränkt wird, durch E i s - K o c h s a l z g e m i s c h (0 bis —20°) und durch eine Mischung von f e s t e r K o h l e n s ä u r e mit Ä t h e r oder A c e t o n (bis —80°). F l ü s s i g e L u f t wird beim organisch-präparativen Arbeiten im allgemeinen nicht benötigt. Zur Darstellung einer K ä l t e m i s c h u n g , wie man sie sehr häufig braucht, wird in der Eismühle oder im Metallmörser gut zerkleinertes Eis mit etwa % der Menge Viehsalz mit Hilfe einer kleinen Holzschaufel gut durcheinander gemischt, am besten in einer niederen Glasschale mit flachem Boden oder in einem niederen Emailtopf. Um ein Kältegemisch stundenlang, unter Umständen über Nacht wirksam zu erhalten, bringt man es in eine „ T h e r m o s f l a s c h e " , in der der Inhalt eingestellter Reagenzgläser längere Zeit bei tiefer Temperatur gehalten werden kann. Dem gleichen Zwecke für größere Dimensionen dient ein von P i c c a r d angegebenes I s o l i e r g e f ä ß , das man
Reilidarstellung organischer Substanzen
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sich leicht aus zwei ineinander gestellten Filtrierstutzen herstellen kann. Der Boden des äußeren Stutzens wird mit Kieselgur angefüllt, bis der Rand des zentrisch hineingestellten kleineren die Höhe des äußeren Randes erreicht hat, dann stampft man in den Zwischenraum zwischen den beiden Stutzen ebenfalls Kieselgur ein und dichtet oben zwischen den Rändern mit Pech gut ab. Die K o n z e n t r a t i o n s v e r h ä l t n i s s e werden im allgemeinen beim organisch-präparativen Arbeiten allzuwenig berücksichtigt. Mit Ausnahme seltener Fälle (z. B. bei intramolekularen Umlagerungen) handelt es sich um Reaktionen höherer Ordnung, an denen mehrere Molekülarten — meist zwei — beteiligt sind. Da die Geschwindigkeit bimolekularer Reaktionen auf Grund der kinetischen Molekulartheorie der Anzahl der gegenseitigen Zusammenstöße der gelösten Molekeln proportional ist und sich demgemäß in dem Produkt der Konzentrationen ausdrückt: dx 3— = dt
k • ca • ob
(k =
Geschwindigkeitskonstante),
so ist es in allen Fällen, wo nicht besondere Gründe dagegen sprechen, ratsam, die K o n z e n t r a t i o n einer R e a k t i o n s l ö s u n g m ö g l i c h s t hoch zu wählen. Man bedenke stets, daß die Herabsetzung der Konzentration auf die Hälfte, auf ein Viertel, auf ein Zehntel gleichbedeutend ist mit einer Verlangsamung der Reaktion auf das Vier-, Sechzehn- und Hundertfache. Hier ist nur ein allgemeiner Überblick über die gebräuchlichen Methoden und Handgriffe gegeben, wie sie bei den präparativen Übungen gebraucht werden. Über spezielle Bedürfnisse unterrichte man sich in folgenden Werken: C. Weygand, Organisch-chemische Experimentierkunst, Leipzig 1938. K. Bernhauer, Einführung in die organischchemische Laboratoriumstechnik, Wien 1942; A. Weißberger, Technique of Organic Chemistry, 8 Bde., New York 1950.
Reindarstellung organischer Substanzen Die Stoffe, die das Ziel des präparativen Arbeitens bilden, sind meist feste, kristallisierte Körper oder Flüssigkeiten, mitunter auch Gase. Bei der großen Vielseitigkeit der Reaktionen organischer Stoffe verläuft, im ausgesprochenen Gegensatz zu den meisten Reaktionen in der anorganischen Chemie, kaum jemals eine Reaktion scharf in einer Richtung auf ein Endprodukt, sondern es treten fast stets Nebenreaktionen ein. Dadurch wird die Isolierung reiner, einheitlicher Substanzen aus einem Reaktionsgemisch, wie sie die vornehmste Aufgabe der präparativen Übungen darstellt, erheblich erschwert. Teils entstehen mehrere definierte chemische Stoffe nebeneinander, deren Trennung erreicht werden muß, teils handelt es sich um die möglichst l»
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Einige allgemeine Arbeitsregeln
verlustfreie Befreiung des angestrebten Stoffes von unerfreulichen, nicht kristallisierbaren Begleitstoffen, den sog. H a r z e n oder S c h m i e r e n . Darunter versteht man Nebenprodukte — zuweilen leider auch Hauptprodukte —, deren Ursprung und Art meist unerforscht ist und die das Interesse der klassischen organischen Chemie bisher nur im Sinne ausgesprochener Mißbilligung erweckt haben. Von allen diesen unerwünschten Begleitern muß das zu gewinnende Präparat mit aller Sorgfalt befreit werden. Es sind für die hier in Frage kommenden Aufgaben grundsätzlich zwei Methoden, die zum Ziele führen, nämlich: 1. die K r i s t a l l i s a t i o n , 2. die D e s t i l l a t i o n . Kristallisation G r u n d s ä t z l i c h e s : Feste kristallisierbare Körper werden bei einer Reaktion gewöhnlich als Rohprodukte erhalten, die entweder direkt oder nach dem Einengen der Lösung in mehr oder weniger reiner Form sich beim Erkalten abscheiden. Die K r i s t a l l i s a t i o n s g e s c h w i n d i g k e i t schwankt bei organischen Stoffen innerhalb sehr weiter Grenzen und die Neigung, ü b e r s ä t t i g t e L ö s u n g e n zu bilden, ist außerordentlich groß. Aber selbst, wenn durch Einbringen eines Kristalles in die Lösung — durch „ A n i m p f e n " — die Aufhebung der Übersättigung bewirkt wird, stellt sich das Gleichgewicht der kaltgesättigten Lösung manchmal äußerst langsam ein. Die Ursache hegt eben in der verschiedenen Kristallisationsgeschwindigkeit. Darum erhält man den vollen Ertrag an Rohprodukt häufig erst nach vielstündigem Stehen der Lösung. Der Prozeß der U m k r i s t a l l i s a t i o n erfolgt im einfachsten (und häufigsten) Fall in der Weise, daß eine h e i ß g e s ä t t i g t e L ö s u n g d e s R o h p r o d u k t s in einem geeigneten Lösungsmittel hergestellt wird, aus der beim E r k a l t e n die Substanz in reinerer Beschaffenheit wieder auskristallisiert. Voraussetzung für den Erfolg des Verfahrens ist, daß die Begleitstoffe größere Löslichkeit haben als die Substanz selbst, also auch in der erkalteten Lösung (der M u t t e r l a u g e ) gelöst bleiben. Auch im umgekehrten Sinne findet das Prinzip der verschiedenen Löslichkeit Anwendung, dann nämlich, wenn das Nebenprodukt vermöge seiner geringeren Löslichkeit in einem passenden Lösungsmittel aus der eben gesättigten Lösung der Substanz abgetrennt werden kann. Da hierbei die Lösung für das Nebenprodukt stets gesättigt bleibt, so kann diese Methode, anders als die erste, niemals in e i n e r Operation zur reinen Substanz führen. Für die Umkristallisation aus heiß gesättigter Lösung ist weiter wichtig, daß die T e m p e r a t u r k u r v e d e r L ö s l i c h k e i t möglichst s t e i l verläuft, d. h. daß das Lösungsvermögen des Lösungsmittels mit
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steigender Temperatur stark zunimmt. Nur dann ist es erreichbar, die eingesetzte Substanzmenge in möglichst h o h e r A u s b e u t e aus der Lösung herauszuholen. Die Wahl des richtigen Lösungsmittels ist daher für die Prozedur des Umkristallisierens von großer Bedeutung. Die gebräuchlichsten Lösungsmittel sind die folgenden: Wasser, Äthylalkohol, Methylalkohol, Äther, Aceton, Eisessig, Essigester, Benzol, Petroläther, Chloroform, S c h w e f e l k o h l e n s t o f f , in neuerer Zeit auch T e t r a h y d r o f u r a n , M e t h y l e n chlor id, N - D i m e t h y l f o r m a m i d . Für besonders s c h w e r l ö s l i c h e S u b s t a n z e n werden außerdem A m e i s e n s ä u r e , P y r i d i n , B r o m b e n z o l , N i t r o b e n z o l , mitunter auch P h e n o l , B e n z o e s ä u r e e s t e r , A n i l i n , D i o x a n verwendet. Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Konstitution des zu lösenden Stoffs und der vom Solvens, gemäß dem alten Prinzip: s i m i l i a s i m i l i b u s s o l v u n t u r . So sind bekanntlich hydroxylhaltige Stoffe (z. B. Zucker, Carbonsäuren) in Wasser löslich, Kohlenwasserstoffe leichter in Benzol und Petroläther als z. B. in Alkoholen. Aber der obige Satz gilt im allgemeinen nur für einfache organische Verbindungen mit einiger Sicherheit, bei komplizierten ergeben sich verwickeitere Verhältnisse, und man ist, wenn man nicht über eine große Erfahrung verfügt, genötigt, die vorhandenen Solventien der Reihe nach durchzuprüfen. Das meist benutzte ist der A l k o h o l , mit dem man in der Regel beginnt; dann kämen etwa W a s s e r , B e n z o l , P e t r o l ä t h e r an die Reihe. Man kann sagen, daß im großen und ganzen von den gebräuchlichen Lösungsmitteln B e n z o l , C h l o r o f o r m und Ä t h e r ein sehr großes, P e t r o l ä t h e r und W a s s e r ein mäßiges Lösungsvermögen für organische Stoffe besitzen. Obwohl die Gültigkeit dieser Ordnung von vielen Substanzen durchbrochen wird, gibt sie doch für die Prüfung einen gewissen Anhalt. So wird man, wenn die Probe in A l k o h o l zu schwer löslich ist, nach der ersten Gruppe, wenn sie zu leicht löslich ist, nach der zweiten greifen. Bei schwer löslichen Stoffen wählt man häufig ein höher siedendes Homologes der gleichen Klasse, an Stelle des niederen Alkohols P r o p y l a l k o h o l oder A m y l a l k o h o l , an Stelle von Benzol T o l u o l oder X y l o l , weil durch die erhöhte Siedetemperatur auch die Löslichkeit gesteigert wird. Es kommt sehr häufig vor, daß die Darstellung einer Substanz zu einem a m o r p h e n Rohprodukt führt, teils von harzartiger, teils von flockiger Beschaffenheit, das durch D i g e r i e r e n mit einem geeigneten Lösungsmittel oder auch durch direktes U m k r i s t a l l i s i e r e n kristallinisch wird. Man beachte, daß die Löslichkeit eines und desselben Stoffes im amorphen und kristallisierten Zustand durchaus verschieden ist, und zwar i s t d a s a m o r p h e P r ä p a r a t s t e t s v i e l l e i c h t e r l ö s lich.
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Einige allgemeine Arbeitsregeln
Für S a l z e gilt ganz allgemein, daß sie in Wasser leicht, wohl auch in den A l k o h o l e n , A c e t o n und Chloroform löslich sind, dagegen von Ä t h e r , B e n z o l , P e t r o l ä t h e r nicht aufgenommen werden. Infolgedessen kann man o r g a n i s c h e S ä u r e n durch wäßrige Laugen, o r g a n i s c h e B a s e n durch wäßrige Säuren aus einem Gemisch mit n e u t r a l e n S t o f f e n , z. B. in Äther, herausholen. Die K o m b i n a t i o n v e r s c h i e d e n e r L ö s u n g s m i t t e l bildet ein wertvolles Hilfsmittel zur Reinigung, wenn ein Stoff in keinem Solvens die erforderliche mittlere Löslichkeit besitzt, sondern entweder allzu leicht oder allzu schwer löslich ist. Die Lösungsmittel, die gemeinsam verwendet werden, müssen miteinander mischbar sein. Es kommen meist in Anwendung: Alkohol, Eisessig, Aceton mit W a s s e r — Äther, Aceton, Benzol, Chloroform mit P e t r o l ä t h e r — Pyridin mit W a s s e r , Ä t h e r oder A l k o h o l , und zwar verfährt man so, daß man die konz. Lösung, kalt oder heiß, tropfenweise mit dem Verdünnungsmittel versetzt, bis e b e n eine T r ü b u n g k o m m t , die durch Stehenlassen oder R e i b e n mit einem abgeschmolzenen Glasstab zur Kristallisation angeregt wird. Wenn die Kristallisation eingesetzt hat, wird v o r s i c h t i g weiter verdünnt. Es ist fehlerhaft, die gelöste Substanz auf einmal mit großen Mengen des wenig lösenden Mittels auszufällen. B e i a l l e n O p e r a t i o n e n , die m a n n o c h n i c h t in der H a n d h a t , f ü h r e m a n V o r v e r s u c h e i m R e a g i e r g l a s aus. Daran soll sich der Praktikant von allem Anfang an gewöhnen. Als Aufnahmegefaß für das Filtrat dient bei wäßrigen Lösungen das B e c h e r g l a s , bei organischen Lösungsmitteln aber der E r l e n m e y e r k o l b e n , der keine Verdunstung zuläßt und so das Ansetzen von Krusten verhindert. Schon um die Einheitlichkeit des Kristaüisats durch den Anblick kontrollieren zu können, soll die Kristallisation nicht gestört werden, damit möglichst g u t a u s g e b i l d e t e K r i s t a l l e entstehen. Es ist ein Irrtum, anzunehmen, daß eine durch sofortige starke Abkühlung der Lösung erzeugte feine Kristallisation eine besonders reine Substanz darstelle. Durch die sehr große Oberfläche ist im Gegenteil der A d s o r p t i o n v o n N e b e n p r o d u k t e n weit mehr Gelegenheit geboten, als bei der Ausbildung größerer Individuen. Dazu kommt, daß dem für den Organiker unerläßlichen Gebot der Prüfung einer Substanz auf E i n h e i t l i c h k e i t bei gut ausgebildeten Kristallen viel leichter Genüge getan werden kann. Diese Prüfung der Präparate, sei es mit der L u p e , sei es unter dem M i k r o s k o p — 50- bis 100-fache Vergrößerung ist ausreichend — ist nicht außer acht zu lassen. Ist in der Lösung Sättigung bei Raumtemperatur eingetreten, so kann man die Menge des Kristallisats durch Einstellen des Gefäßes in Eiswasser oder in eine Kältemischung noch weiter steigern.
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N i e d r i g s c h m e l z e n d e S u b s t a n z e n scheiden sich beim Abkühlen ihrer heiß gesättigten Lösung bisweilen in öliger F o r m ab. Dann muß die Lösung noch etwas verdünnt werden. Weiter sorgt man in solchen Fällen für l a n g s a m e Abkühlung dadurch, daß man den Kolben mit der heißen Lösung mit einem Tuch umwickelt oder in einem großen, mit Wasser von der gleichen Temperatur gefüllten Becherglas erkalten läßt. Von Stoffen, die schwierig kristallisieren, halte man stets eine kleine Probe zur Verwendung als „ I m p f k r i s t a l l e " zurück. Mit ihrer Hilfe wird man der eben erwähnten Schwierig- _ keiten bequem Herr, indem man sie in die noch nicht ~ ganz kalt gewordene Lösung unter Reiben mit einem Glasstab einbringt. Zur A u s f ü h r u n g : Um eine heiß gesättigte Lösung zu bereiten, übergießt man die zu reinigende Substanz, am besten in einem kurzhalsigen Rundkolben, mit w e n i g Lösungsmittel, erhitzt zum Sieden und fügt nach und nach mehr davon zu, bis alles sich aufgelöst hat. Da in den rohen Substanzen vielfach unlösliche Beimengungen enthalten sind, beobachte man beim Auflösen genau, wann und ob die umzukristallisierende Verbindung vollständig in Lösung gegangen ist. Zu langes Kochen ist wegen der Zersetzlichkeit vieler W Substanzen zu vermeiden. Bei Benutzung von LösungsFig. 2 mitteln, die unter 80° sieden, erhitzt man am Rückflußkühler auf siedendem Wasserbad; das hinzuzufügende Lösungsmittel kann mit einem Trichter durch den Kühler eingegossen werden. Besser bringt man, namentlich bei größeren Operationen, auf dem Kolben einen D o p p e l r o h r - A u f s a t z (nach A n s c h ü t z ) an (Fig. 28, S. 36), der ein bequemes Nachgießen, in andern Fällen auch Einbringen fester Substanzen gestattet. Das im Winkel angebrachte Rohr ist mit dem schräg gestellten Kühler verbunden, das gerade Rohrende, durch das nachgefüllt wird, durch einen Korkstopfen geschlossen. Wasser und andere, höher als 80° siedende Lösungsmittel werden am zweckmäßigsten auf Asbestunterlage im Baboschen T r i c h t e r oder auf dem A s b e s t d r a h t n e t z erhitzt. Liegt der Siedepunkt beträchtlich ( > 20°) über dem des Wassers, so muß der Kühler wegen Bruchgefahr mit e r w ä r m t e m Wasser gespeist oder durch ein w e i t e s und l a n g e s Glasrohr (Luftkühler) ersetzt werden, auf das man bei Bedarf feuchtes Filtrierpapier auflegt. Für Reagenzglas versuche unter Rückfluß ist der sog. , , K ü h l z a p f e n " äußerst bequem (Fig. 2). Er besteht aus einem etwa 15 cm langen Glasrohr von 6—8 mm lichter Weite, das an einem Ende zugeschmolzen ist. Ungefähr 3 cm vom anderen Ende entfernt ist ein 3 cm langes dünneres Rohr im rechten Winkel angeschmolzen und — zum Aufhängen des Kühlers an einem Eisenring — nach der längeren Seite zu abgebogen, das durch einen
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Einige allgemeine Arbeitsregeln
dünnen Schlauch das Kühlwasser ableitet. Dessen Zuführung erfolgt durch ein dünnes, mit einem Stückchen überzogenen Schlauches in das Kühlrohr eingesetztes, ebenfalls abgebogenes Glasrohr, das bis zum Boden reicht. Dieser handliche Kühler wird durch einen mit Kerbe versehenen Kork auf dem Reagenzglas befestigt. Zur Vermeidung des sehr lästigen S i e d e v e r z u g s gibt man vor dem Aufkochen einige Siedesteinchen — etwa halberbsengroße Tonstückchen — in den Kolben, die man, wenn sie unwirksam geworden sind, durch neue ersetzt (nicht in die überhitzte Lösung einwerfen!). Bei starkem Stoßen sind für größere Ansätze Holzstäbe zu empfehlen. Um g e f ä r b t e Verunreinigungen, die oft einer farblosen Substanz zähe anhaften, zu beseitigen, kocht man die heiß gesättigte Lösung mit einigen Messerspitzen Tierkohle oder eigens präparierter Holzkohle kurze Zeit weiter. Da die aus der Kohle entweichende Luft ein heftiges Aufschäumen verursacht, muß das Eintragen v o r s i c h t i g und unter Umschütteln erfolgen. Aus wäßriger oder alkoholischer Lösung werden die gefärbten Begleitstoffe wegen ihres kolloidalen Charakters am leichtesten adsorbiert. Im unpolaren Lösungsmittel pflegt Kohle als Adsorbens unwirksam zu sein; hier bedient man sich zur Entfernung färbender Verunreinigungen mit Vorteil des Aluminiumoxyds oder der Bleicherde; die Methodik entspricht der der chromatographischen Adsorption (S. 14). F i l t r i e r e n : Die Kristallisationslösungen sind, auch wenn sie nicht mit Entförbungskohle behandelt wurden, nicht völlig klar und müssen deshalb filtriert werden. Dem F a l t e n f i l t e r ist im allgemeinen ein gewöhnliches R u n d f i l t e r vorzuziehen, das man in den meist nicht im genauen Winkel angesetzten Glastrichter dadurch dicht einpaßt, daß man bei der letzten Faltung die Quadranten unter einem kleineren Winkel zusammenlegt und dann den größeren Kegelmantel zum Filtrieren benutzt. Als F i l t r i e r p a p i e r ist beim organisch-präparativen Arbeiten nur leicht d u r c h l ä s s i g e s , „ g e n a r b t e s " , brauchbar. Häufig kristallisiert die gelöste Substanz, namentlich aus sehr konzentrierter Lösung, infolge der Abkühlung schon im Trichter aus und verhindert so die Ausführung der Filtration. Diesem Mißstand kann man durch Anwendung eines Trichters mit kurz (%—1 cm) unterhalb des Konus abgeschnittenem Abflußrohr (Fig. 3) einigermaßen begegnen. Viel empfehlenswerter aber ist die Benutzung eines sog. Heißwassertrichters (Fig. 4), in dem die Filtrierfläche des Trichters durch siedendes Wasser vom äußeren Blechmantel aus erhitzt wird. Bei Anwendung entzündlicher Lösungsmittel muß vor dem Filtrieren die Heizflamme abgedreht werden. Der D a m p f t r i c h t e r (gemäß Fig. 5) ist ebenfalls gut brauchbar. Hat man nur kleine Flüssigkeitsmengen zu filtrieren, so kann man den leeren Trichter über freier Flamme vorwärmen oder man befeuchtet das eingelegte Filter mit etwas Alkohol, den man anzündet und bei horizontal gehaltenem Trichter unter Drehen bis zur
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beginnenden Ankohlung des Papiers abbrennen läßt. Zum Heißfiltrieren haben sich doppelwandige Porzellannutschen, die mit Dampf geheizt werden, als besonders bequem erwiesen. Manchmal, namentlich bei schwer filtrierbaren wäßrigen Lösungen, empfiehlt sich auch Durchsaugen auf einer P o r z e l l a n n u t s c h e mit vorher gut gedichtetem Filter; Saugflaschen aus gewöhnlichem Glas müssen vor der Benutzung vorsichtig angewärmt werden, am besten derart, daß man sie in einen Emailtopf mit warmem Wasser einstellt und dieses dann bis zum Sieden erhitzt.
Fig. 4 Fig. 6 Fig. 3 Wenn sich beim Filtrieren einer Lösung durch Auskristallisieren von Substanz das Filter verstopft, so helfe man sich nicht durch Durchstoßen des Filters. Man kocht vielmehr das aufrecht stehende Filter in einem kleinen Becherglas mit frischem Lösungsmittel aus und filtriert dann die verdünntere Lösung durch das gleiche Filter. Die Gesamtlösung muß in solchen Fällen meist durch Einengen konzentriert werden.
Will man beim Umkristallisieren s c h ö n e K r i s t a l l e erzielen, so muß das Filtrat, in dem häufig schon während des Filtrierens eine Ausscheidung erfolgt, wieder bis zur klaren Lösung erhitzt und dann l a n g s a m , ohne äußere Störung, erkalten gelassen werden. Die Isolierung der Kristalle wird in keinem Falle durch gewöhnliches Filtrieren, sondern s t e t s durch A b s a u g e n über Filtrierpapier — bei starken Laugen und Säuren auch über Glaswolle oder Asbest, am besten über S c h o t t s c h e n Filtern aus gefrittetem Glas — bewerkstelligt. Bei größeren Substanzmengen bedient man sich des B ü c h n e r schen T r i c h t e r s , der sog. N u t s c h e (Fig. 6), deren Dimension zu der abzusaugenden Masse in das richtige Verhältnis zu bringen ist. Es ist durchaus verkehrt, einige Gramm Substanz auf einer Nutsche von sechs oder mehr Zentimeter Durchmesser abzusaugen. Der Porzellannutsche ist in vielen Fällen, namentlich dann, wenn kleinere Mengen (5 g oder weniger) abzusaugen sind, die W i t t s c h e F i l t e r p l a t t e vorzuziehen (Fig. 7). Der Vorteil besteht darin, daß die Reinheit des Geräts viel besser kontrollierbar ist, als bei der nicht durchsichtigen Porzellannutsche, vor allem aber darin, daß wegen der viel kleineren Grundfläche das Auswaschen des Niederschlags weit weniger Lösungsmittel erfordert.
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Einige allgemeine Arbeitsregeln
Zur Herrichtung des Filters wird ein kleines Stückchen Filtrierpapier um die obere Kante der Filterplatte herumgeknickt und dann eine Scheibe von 2—3 mm größerem Halbmesser mit der Schere herausgeschnitten. Man dichtet das mit dem Lösungsmittel befeuchtete Filter mit einem abgerundeten Glasstab, oder bei größeren Platten mit dem Fingernagel, indem man die kleinen Falten ausstreicht.
Fig. 6
Fig. 7
Hat man ganz kleine S u b s t a n z m e n g e n von einigen Zentigramm oder weniger zu filtrieren, so benutzt man als Filtrierunterlage kleine Glasscheiben von 0,5—1 cm Durchmesser, die man aus dünnen Glasstäben in der Weise darstellt, daß man diese am äußeren Ende in der Gebläseflamme zum Erweichen bringt und jetzt auf einem Eisenblech oder Tonteller plattdrückt (Diepolder). Der Glasstab muß so dünn und so lang sein, daß er in das Rohr eines ganz kleinen Trichters hineinpaßt und unten hinausragt. Als Filtrierauflage dient eine etwas größere, dicht aufsitzende Scheibe von Filtrierpapier (Fig. 8). Um die abgesaugte Substanz von der Filterplatte zu entfernen, stellt man den Trichter umgekehrt über eine Schale oder ein Uhrglas und befördert mit einem dünnen Glasstab oder Kupferdraht alles auf diese Unterlage; der „Glasknopf" wird von seinem unteren Ende aus herausgeschoben. Die Platte wird mit der Pinzette entfernt, das Filter erst nach dem Trocknen. Die am Trichter haften bleibende Substanz streicht man ohne Verlust mit einem schräg durchschnittenen Stückchen Karton (Kartenblatt) heraus.
Ein rascheres Arbeiten ermöglichen konische Porzellantrichter (Hirsch-Trichter) oder Glastrichter mit eingeschmolzener durchlochter Filterplatte aus Glas mit einem Durchmesser von einigen cm bis zu wenigen mm. Zur Aufnahme des Filtrats beim Absaugen dient die S a u g f l a s c h e , deren Größe dem Volumen der Lösung anzupassen ist. Zum Filtrieren im kleinen Maßstab wird das auch sonst sehr nützliche S a u g r ö h r c h e n (Fig. 8) von verschiedener Größe herangezogen. Es steht in einem Blei-
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fuß oder in einem kleinen, mit Bohrungen für mehrere Durchmesser versehenen Holzblock. Bei der großen methodischen Bedeutung der Darstellung analysenreiner Substanzen muß schon der organische Praktikant der Technik des Filtrierens die größte Aufmerksamkeit zuwenden. Das Verfahren, eine Kristallisation samt der Mutterlauge auf Ton aufzugießen und die Kristalle nachzuwaschen, ist nachdrücklich zu verwerfen. Überhaupt sollte der Sinn des Anfangers darauf gerichtet werden, schon bei der Darstellung organischer Präparate m ö g l i c h s t q u a n t i t a t i v zu arbeiten. Nicht die Anzahl der Präparate gibt den Ausschlag für den Erfolg, sondern die Sorgfalt und Gründlichkeit, mit der jede einzelne Reaktion durchgeführt wird. Aus diesen Gründen darf die „Mutterlauge" nicht als Abfall behandelt und vernachlässigt werden. Ihre Bedeutung wird zwar erst dem wissenschaftlich arbeitenden Organiker klar, aber auch der präparative Anfänger soll aus ihr herausholen, was für seine Zwecke aus ihr herauszuholen ist Darum werden die Filtrate durch Wegdampfen von einem Teil des Lösungsmittels wieder in (kalt) übersättigte Lösungen übergeführt und so eine z w e i t e K r i s t a l l i s a t i o n erzielt, der unter Umständen noch eine weitere nachfolgen kann. In der Regel müssen die so gewonnenen Kristallisate nochmals aus neuem Lösungsmittel umkristallisiert werden (Kontrolle durch Schmelzpunkt!). Über das A u s w a s c h e n der kristallisierten Niederschläge, das ihre Befreiung von der anhaftenden Mutterlauge zum Zweck hat, ist noch einiges zu sagen. Stets ist das angewandte Lösungsmittel zu benutzen, und zwar, da sein Lösungsvermögen für die Substanz auch in der Kälte schon zu mehr oder weniger großen Verlusten führt, i n m ö g l i c h s t g e r i n g e r Menge. Während des Nachwaschens darf nicht gesaugt werden; man durchtränkt den Niederschlag mit dem Lösungsmittel und setzt dann erst die Pumpe an. Es ist zweckmäßig, die Woulfsche Flasche oder Saugflasche, die jeder Wasserstrahlpumpe vorgeschaltet sein muß, mit einem Regulierhahn zu versehen, der nicht nur eine bequeme Ausschaltung der Saugwirkung, sondern auch eine in vielen Fällen notwendige Veränderung des Unterdrucks gestattet.
Bei Stoffen, die schon in der Kälte leicht löslich sind, muß das zum Waschen verwendete Lösungsmittel in einer Kältemischung vorgekühlt werden. Solange noch Mutterlauge an den Kristallen haftet, darf man durch den von tropfbarer Lauge befreiten Niederschlag^keine L u f t saugen, wenn leicht flüchtige Lösungsmittel in Anwendung sind. Es kommt sonst auch der unreine Inhalt der Mutterlauge zur Ausscheidung, und es besteht, namentlich bei leicht löslichen Substanzen, keine Sicherheit, daß die Verunreinigungen beim Nachwaschen wieder vollständig entfernt werden.
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Geringe Substanzmengen werden durch Auftropfen des Lösungsmittels ausgewaschen. D a z u dient ein sog. T r o p f r o h r (Fig. 9), das i s t ein zu einer nicht zu dünnen Capillare ausgezogenes Glasrohr, das auch bei Ausführung v o n vielen Reaktionen sehr nützlich ist u n d den Sinn für sauberes Arbeiten fördert. Der häufig zu beobachtende Brauch, Substanzen dadurch zu „reinigen", daß man ihre Lösung in einer Kristallisierschale zur Trockne verdampft oder eindunsten läßt, führt naturgemäß n i c h t zum Ziel, da ja auf diesem Weg die Verunreinigungen nicht entfernt werden. Kleine Mengen schwer filtrierbarer Niederschläge lassen sich mit Hilfe einer kleinen H a n d z e n t r i f u g e bequem u n d rasch abtrennen. Trocknen der Substanzen: E i n reines Präparat m u ß v o m anhaftenden Lösungsmittel vollkommen befreit werden. Man trocknet unempfindliche Substanzen a m bequemsten zwischen Filtrierpapier auf sauberer Unterlage bei Zimmertemperatur, indem m a n sie 1 oder 2 Tage an der L u f t stehen läßt. Hochschmelzende Substanzen werden rascher im T r o c k e n s c h r a n k oder auf dem W a s s e r b a d v o m Lösungsmittel befreit; jedoch m u ß dies stets mit einiger Vorsicht geschehen. Die sicherste — für Analysenpräparate allein anwendbare — V Methode ist die Trocknung im V a k u u m e x s i c c a t o r , der m i t Fis 9 konz. Schwefelsäure beschickt ist. D a s alte S c h e i b l e r s c h e Modell halten wir für das zweckmäßigste. Die Konsistenz des F e t t e s ist für die Dichtung des Deckelschliffes sehr wichtig; am besten eignet sich a d e p s l a n a e a n h y d r i c u s oder ein Gemisch aus gleichen Teilen R i n d e r f e t t und V a s e l i n e . Das (rundgeschmolzene) Rohr mit dem Abschlußhahn wird, mit etwas G l y c e r i n befeuchtet, in den vorher in den Tubus eingesetzten Gummistopfen hineingeschoben; die Führimg muß streng sein. Den E i n s a t z bildet eine, auf drei niedere Füße aufgeschmolzene Porzellanplatte mit mehreren kreisrunden Öffnungen zur Aufnahme von kleinen Schalen, Uhrgläsern u. dgl. Um das Hin- und Herrutschen des Einsatzes zu verhindern, ist der Zwischenraum zur Exsiccatorwand mit drei entsprechend zugeschnittenen Korkstücken ausgefüllt, die fest ansitzen. Damit beim Aufheben des Vakuums durch die hereinblasende Luft keine Substanz verstäubt wird, stellt man vor dem Tubus, durch den Einsatz festgehalten, ein Blatt steifen Karton, ein Kartenblatt o. dgl. auf. Den Zug der einströmenden Luft mildert man überdies dadurch, daß man ein Stückchen Filtrierpapier vor dem Öffnen des Hahns an die äußere Rohröffnung hält, das dann angesaugt wird und einen ausreichenden Widerstand bildet. Um die einströmende Luft zu trocknen, ist dem Hahnrohr außen ein gerades C a l c i u m c h l o r i d r o h r aufgesetzt, dessen Inhalt durch Glaswolle oder besser Watte nach beiden Seiten gut gesichert sein muß. In Exsiccatoren, die viel umhergetragen werden, füllt man den Schwefelsäurebehälter bis zur Standhöhe der Säure mit G l a s r e s t e n — zerbrochenen Rohrstücken, Stopfen u. dgl. — oder (vorher mit verdünnter Salzsäure ausgekochten und dann getrockneten) Bimssteinstücken, wodurch ein Spritzen hintangehalten wird. Die konz. Schwefelsäure ist von Zeit zu Zeit zu erneuern. Für a n a l y t i s c h e Z w e c k e muß ein besonderer Vakuumexsiccator bereit stehen.
Beindarstellung organischer Substanzen
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Zur Verstärkung der Trockenwirkung, namentlich gegenüber Wasser, stellt man auf den Einsatz eine kleine, mit festem technischen Ätzkali gefüllte Schale. Die meisten Lösungsmittel, außer Chloroform, B e n z o l , P e t r o l ä t h e r und S c h w e f e l k o h l e n s t o f f , werden von dieser Beschickung absorbiert. Um Substanzen von diesen vier Solventien zu befreien, bringt man dünne P a r a f f i n s c h n i t z e l in einer flachen Schale neben die Substanz in den Exsiccator, falls ihre Eigenschaften das Trocknen an der Luft verbieten.
Fig. 10
Man mache sich zur Regel, keinen Vakuumexsiccator zu benutzen, der nicht über Nacht das volle Vakuum hält (Prüfung mit Manometer). Es genügt so, einmal zu evakuieren und über Nacht stehen zu lassen. Das stundenlange Saugen an der Pumpe ist unnütze Wasserverschwendung. Manche Substanzen enthalten Wasser oder andere Lösungsmittel so fest gebunden, daß sie im Vakuum bei Raumtemperatur nicht davon befreit werden können. Man trocknet dann im Vakuum bei erhöhter Temperatur, indem man die Substanz in einem kleinen Rundkolben im Wasserbad oder Ölbad so lange erhitzt, bis keine Gewichtsabnahme mehr erfolgt. Besonders bequem ist die sog. T r o c k e n p i s t o l e (Fig. 10). Die Dämpfe der in A zum Sieden erhitzten Flüssigkeit heizen das innere, weite Rohr B mit der auf einem Porzellanschiffchen ausgebreiteten Substanz. In C befindet sich ein T r o c k e n m i t t e l , und zwar für Wasser und Alkohole P 2 0 6 , für andere Dämpfe f e s t e s P a r a f f i n . Als H e i z f l ü s s i g k e i t verwendet man je nach der gewünschten Temperatur Chloroform (66°), W a s s e r 220° ein M e t a l l b a d aus W o od scher oder Rosescher Legierung oder die Schmelze von gleichen Teilen K a l i - und N a t r o n s a l p e t e r , beide in einem eisernen Tiegel.
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Niedrig siedende Substanzen werden in einem Liebigschen K ü h l e r kondensiert, der mit Kork an das Ansatzrohr angeschlossen ist. Will man jeglichen Verlust durch Verflüchtigung vermeiden, so verbinde man das Kühlrohr durch einen sog. Vorstoß mit der als Vorlage dienenden Saugflasche, die durch Eis oder auch Kältegemisch gekühlt wird. Bei Flüssigkeiten, die um 100° sieden, genügt ein kurzer Kühler, und bei der Destillation geringer Mengen ist die Verwendung eines kleinen, dicht über das Ansatzrohr stülpbaren K ü h l m a n t e l s z u r Einschränkung von Materialverlusten besonders ratsam. Ein solcher ist in Fig. 19 und 22 abgebildet. Bei Siedetemperaturen oberhalb 120° kühlt man im allgemeinen nicht mehr mit fließendem Wasser, weil das Kühlrohr bei der Berührung mit dem heißen Dampf leicht springen kann; hier dient das im Mantel stehende Wasser, das sich allmählich erwärmt, als Kühlflüssigkeit. Wenn der Siedepunkt 150° überschreitet, genügt bloße L u f t k ü h l u n g (weites Kühlrohr ohne Mantel). Substanzen, die nach der Kondensation rasch erstarren, dürfen niemals aus einem Fraktionierkolben mit engem Ansatzrohr destilliert werden; man kann zwar das Destillat im frei liegenden Rohr durch Anwärmen mit der Flamme wieder verflüssigen, aber die an den durch Korke oder andere Verbindungen gedeckten Stellen auftretenden Versperrungen sind oft kaum mehr zu öffnen und verursachen viel Zeitverlust und Ärger. Deshalb greift man sofort zu dem mit weitem Ansatz versehenen S c h w e r t - oder S ä b e l k o l b e n (Fig. 12), aus dem nach beendigter Destillation das Produkt mühelos, am besten durch H e r a u s s c h m e l z e n , entnommen werden kann. Die A u s f ü h r u n g einer D e s t i l l a t i o n gestaltet sich normalerweise folgendermaßen: Nach allmählichem Erhitzen des Kolbeninhalts steigt unter den äußeren Erscheinungen des Siedens der Quecksilberfaden des Thermometers mit einem Male rasch in die Höhe, um bei einer bestimmten Temperatur, dem S i e d e p u n k t , haltzumachen. Hat sich diese Temperatur innerhalb eines Grades fest eingestellt, so vertauscht man die Vorlage — ein kleines weites Röhrchen oder dergleichen — mit dem „Vorlauf" gegen ein der zu erwartenden Substanzmenge angepaßtes Auffanggefäß (Erlenmeyer oder enghalsige Stöpselflasche mit aufgesetztem Trichterchen) und erhitzt weiter in dem Maße, daß alle 1—2 Sekunden ein Tropfen übergeht. Das Thermometer muß dauernd im Auge behalten werden. D i e S u b s t a n z soll im a l l g e m e i n e n i n der T e m p e r a t u r s p a n n e v o n n i c h t mehr als 1—2 Graden ü b e r g e h e n ; bei analytisch reinen Präparaten ist die Grenze enger zu 2
G a t t e r m a n n , Praxis des organ. Chemikers. 35. Aufl.
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ziehen. Destilliert man mit freier Flamme, so steigt gegen das Ende hin der Siedepunkt wegen Überhitzung regelmäßig um ein paar Grade, obwohl noch reine Substanz übergeht. Erhöht sich der Siedepunkt schon früher über den angegebenen Bereich, so wird die Vorlage wiederum gewechselt und unter Fortsetzung der Destillation ein drittes Kondensat, der „ N a c h l a u f " , aufgefangen. Es ist zu beachten, daß im Vorlauf wie im Nachlauf noch Anteile des Hauptprodukts enthalten sind. Der Dampfdruck einer destillierbaren Substanz ist schon unterhalb des Siedepunktes so beträchtlich, daß mit den leichter flüchtigen Bestandteilen (gewöhnlich Reste von Lösungsmitteln) des ursprünglichen Destillationseinsatzes auch Dampf der Substanz übergeht. Andererseits steigt der Siedepunkt einer Substanz, wenn sie sich im Gemisch mit höher siedenden Stoffen befindet. So läßt sich Äther, der überaus häufig zur Aufnahme organischer Präparate verwendet wird, selbst auf dem siedenden Wasserbad nicht vollständig von einer viel weniger flüchtigen Substanz abtrennen, obwohl sein Siedepunkt schon bei 35° hegt. Ein anderes bekanntes Beispiel bildet die Benzolwäsche der Kokereien, auf das aber hier nicht näher eingegangen werden kann.
Daraus erklärt sich, daß auch der Nachlauf nicht frei ist von dem Hauptprodukt, und wenn Vorlauf und Nachlauf ansehnliche Mengen darstellen, so lohnt sich eine nach den angegebenen Regeln zu wiederholende getrennte Destillation dieser beiden Anteile. Die fraktionierte Destillation: Nicht so einfach wie im vorstehenden geschildert, liegen die Verhältnisse, wenn es sich darum handelt, m e h r e r e flüchtige Produkte einer Reaktion durch Destillation voneinander zu trennen. Die Aufgabe wird erschwert in dem Maße, als die Siedepunkte der einzelnen Bestandteile sich einander nähern, und es gelingt mit den üblichen Laboratoriumsmitteln schon nicht leicht, Substanzen mit einiger Schärfe voneinander zu scheiden, deren Siedepunkte sich um 10° unterscheiden. Der Weg, der hier in der größten Annäherung das Ziel erreichen läßt, ist der der mehrfachen Wiederholung des Destillationsprozesses. Sie kann bei niedrig siedenden Stoffen in e i n e r Operation vorgenommen werden durch Anwendung von sog. F r a k t i o n i e r a u f s ä t z e n , das sind Kondensationssysteme, die vor der endgültigen Kondensation in die Dampfphase eingeschaltet sind. Durch Luftkühlung wird in den einzelnen Abteilungen dieser Destillationsaufsätze, die verschiedenartig konstruiert sein können (z. B. Fig. 13), Dampf verflüssigt und der nachdrängende Dampf muß diese Kondensate, die in seiner Bahn liegen, durchströmen. Dabei werden seine weniger flüchtigen Bestandteile kondensiert, während die leichter flüchtigen am nächsten Glied des Aufsatzes das gleiche Spiel wiederholen. So kommt eine der Anzahl der Kugeln des Aufsatzes entsprechende Menge von Einzeldestillationen zustande, die bei v o r s i c h t i g e r u n d l a n g s a m e r Ausführung der Operation eine weit-
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gehende Trennung ermöglicht. Es eignen sich für diesen Zweck auch zylindrische Aufsätze, die regellos mit R a s c h i g - R i n g e n aus Glas, Berl Sätteln oder noch besser mit Formstücken aus Drahtnetz oder Drahtwendeln angefüllt sind. Erwähnt sei auch die in Fig. 14 abgebildete „Widmer-Spirale" 1 , die in kleinerer Ausführung in das Lumen des Destillationskolbens eingesetzt werden kann und kleinere Substanzmengen der fraktionierten Destillation zugänglich macht.
K Fig. 13
Fig. 14
Die technische Anwendung des Prinzips der fraktionierten Destillation finden wir in der Spiritusfabrikation und in der auf dem gleichen Weg erfolgenden Isolierung der aromatischen Kohlenwasserstoffe aus dem Leichtöl des Steinkohlenteers. Eine kritische Zusammenstellung der im Laboratorium verwendeten FraktionierKolonnen findet man bei F. S t a g e , Ang. Ch. B, 19, 175, 215 (1947).
Flüssigkeitsgemische von höherem Siedepunkt ( > 120°) trennt man in ihre Bestandteile, indem man sie zuerst durch Destillation in mehrere Fraktionen von ungefähr gleichem Siedepunktsintervall zerlegt; die einzelnen Destillate werden (in kleineren Siedekolben) durch Destillation erneut aufgeteilt, die in ihren Siedepunkten einander naheliegenden Fraktionen werden dann noch mehrere Male unter immer schärferer Einengung der Siedepunktsgrenzen fraktioniert überdestilliert.Will man, was sehr empfehlenswert, auch hier die obenerwähnte Widmer-Spirale benutzen, so muß der Aufsatz, in dem sie sitzt, mit Asbest gut isoliert werden. 1 2*
Widmer, Helv. VII, 59 (1924).
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Nicht alle Gemische sind durch Destillation trennbar; bisweilen bilden Stoffe, die bei verschiedenen Temperaturen sieden, konstant übergehende Destillate (azeotrope Gemische). Über die Theorie der fraktionierten Destillation unterrichte man sich genauer in den Lehrbüchern der physikalischen Chemie. Die Vakuumdestillation: Der organische Chemiker muß sich immer bewußt sein, daß fast alle Stoffe, mit denen er umgeht, vom Standpunkt der Thermodynamik aus m e t a s t a b i l sind. Die Einwirkung erhöhter Temperatur ist aber in allen Fällen der Einstellung der wahren Gleichgewichte — hier dem Zerfall — günstig und deshalb wird man es sich zweckmäßig zur Regel machen, seine Substanzen nicht unnötigerweise zu gefährden. Aus diesem Grunde gebührt der Destillation unter vermindertem Druck, wobei die Siedetemperatur um 100 und mehr Grade herabgesetzt werden kann, eine große Bedeutung beim organischen Arbeiten. Ihre Methodik muß der präparative Organiker bald beherrschen lernen und er soll sich Fig. 15 frühzeitig daran gewöhnen, die Vakuumdestillation nicht als „Haupt- und Staatsaktion" aufzufassen, sondern als eine der elementarsten Operationen der Laboratoriumspraxis. Das gegebene Destillationsgefaß ist der C l a i s e n k o l b e n (Fig. 15). Seine sehr zweckmäßige Rohrteilung verhindert das hier besonders gefahrliche Überspritzen der siedenden Flüssigkeit. Damit der bei der Vakuumdestillation sehr leicht eintretende Siedeverzug vermieden werde, saugt man vermittelst einer feinen C a p i l l a r e dauernd feine Luftbläschen — bei luftempfindlichen Substanzen Wasserstoff oder C0 2 — durch die siedende Flüssigkeit. Die Capillare zieht man an einem genügend langen, 4—8 mm weiten Glasrohr, am besten Capillarrohr, in der Gebläseflamme aus und gibt ihr dann durch abermaliges Ausziehen über der Sparflamme die genügende Feinheit. Vor dem Gebrauch prüft man ihre Durchlässigkeit, indem man die Spitze in einem kleinen Reagenzglas unter Äther bringt und dann mit dem Mund hineinbläst. Die Blasen sollen e i n z e l n und langsam herausperlen. Capillaren für die H o c h v a k u u m d e s t i l l a t i o n sollen erst bei kräftigem Einblasen einzelne Luftblasen, aber schwierig, durchlassen. Bisweilen besteht das Bedürfnis, vor allem bei schäumenden Flüssigkeiten, den Luftdurchtritt durch die Capillare zu regulieren. Dies erreicht man bei nicht allzu fein ausgezogener Capillare durch eine Q u e t s c h s c h r a u b e , die man an einem Stückchen ungebrauchten, dickwandigen Gummischlauches auf das Capillarrohr aufsetzt, derart, daß die Backen der Schraube den Schlauch unmittelbar über dem Ende des Capillarrohrs fassen. Man beachte aber, daß bei einer Unterbrechung der Destillation die in der Kugel vorhandene Flüssigkeit durch den äußeren Luftdruck
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in das noch evakuierte Capillarrohr hineingedrückt wird — unter Umständen bis in den Gummischlauch — und vermeide dies dadurch, daß man vor der Unterbrechung den Schraubhahn vorsichtig öffnet. Bei hartnäckigem Schäumen führt man unter Verzicht auf das Thermometer auch in das vordere Rohr des Claisenkolbens (6 in Fig. 15, S. 20) eine Capillare ein. Der durch sie eingesaugte feine Luftstrom bringt die Blasen, ehe sie übersteigen können, zum Platzen1.
Das Capillarrohr wird von der Spitze aus in einen eng anschließenden unversehrten G u m m i s t o p f e n eingeführt (mit etwas Glycerin), der dicht in das Rohr a des Claisenkolbens hineinpaßt. Bei richtigem Sitz des Capillarrohrs soll sich das Capillarende in unmittelbarer Nähe des tiefsten Punktes der Kugel befinden. Im Rohr b steckt, ebenfalls durch einen Gummistopfen eingefügt, das Thermometer. Will man vermeiden, daß die Substanz mit Kautschuk in Berührung kommt, so benutzt man Ciaisenkolben mit verjüngten Rohrenden, in die Capillarrohr und Thermometer mit Hilfe kleiner überzogener Schlauchstücke eingesetzt werden. Die Verwendung von Korkstopfen bei Vakuumdestillationen erfordert große Übung. Schliffgeräte Fig. 16 sind hier besonders angebracht. Die Kühlung erfolgt nach den gemachten Angaben; der kleine übergezogene Wasserkühler ist hier besonders empfehlenswert. Vorlagen: Wenn nur eine oder zwei Fraktionen zu erwarten sind, benutzt man als Vorlagen S a u g r ö h r c h e n , wie auf Fig. 8, S. 10 abgebildet, von entsprechender Größe — für den Vorlauf die kleinsten — oder, bei größeren Substanzmengen kleine S a u g f l a s c h e n . Dem Verbindungsstopfen aus Gummi sind sie vorher anzupassen. Beim Wechseln der Vorlage muß die Destillation naturgemäß unterbrochen werden. Will man dies vermeiden und hat man mehrere Fraktionen zu erwarten, so bedient man sich mit Vorteil einer Anordnung, die gestattet, verschiedene Auffanggefäße der Reihe nach unter die Mündung des Abflußrohrs zu bringen, z. B. in der in Fig. 16 wiedergegebenen Form, in der Laboratoriumssprache je nach der Gestalt als „ S p i n n e " , „ F r o s c h " , „ S c h w e i n c h e n " oder „ K u h e u t e r " bezeichnet. Schließlich sei noch der, namentlich für die Destillation größerer Substanzmengen trefflich bewährte H a h n v o r s t o ß nach A n s c h ü t z T h i e l e (Fig. 17) erwähnt, bei dem man nach Schließung der Hähne a und b mit Hilfe der Klemmschraube c das Vakuum in der Vorlage aufheben und so diese wechseln kann. Nachdem man dann bei c wieder 1
E. Dorrer, Dissert. München 1926.
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geschlossen und durch Öffnen von b wieder überall Vakuum hergestellt hat, kann man bei geöffnetem Hahn a weiter destillieren. Der dritte Hahn kann entbehrt werden. Noch einfacher ist der mit Dreiweghahn versehene W e c h s e l v o r s t o ß (Fig. 18) gebaut, an dem die Vorlage durch eine Hahnbohrung mit der Außenatmosphäre in Verbindung gebracht werden kann, während das Vakuum im Apparat erhalten bleibt.
Nach dem Wechsel des Auffanggefäßes muß der Hahn allerdings sehr vorsichtig gegen dieses geöffnet werden, damit das inzwischen über dem Hahn angesammelte Kondensat durch die von unten eingesaugte Luft nicht verspritzt wird. Die beiden zuletzt aufgeführten Apparate haben den großen Vorteil, daß die einzelnen Fraktionen alsbald völlig voneinander getrennt werden, daß sie auch nicht mit den Dämpfen in gegenseitiger Berührung sind; für zähe, viscose Flüssigkeiten, die nicht durch die Hahnbohrung gehen, sind sie dagegen nicht verwendbar. Man wird sie daher bei der Destillation von verhältnismäßig niedrig siedenden Substanzen, deren Dampfdruck nicht zu vernachlässigen ist, bevorzugen. Werden rasch erstarrende Substanzen im Vakuum destilliert, so trägt der Ciaisenkolben ein erweitertes Ansatzrohr, gerade so wie dies für die gewöhnliche Destillation beschrieben ist (Schwertkolben). Handelt es sich nur um das Eindampfen einer wäßrigen Lösung unter vermindertem Druck, so ist es bequem, als Vorlage einen Destillierkolben zu benutzen, in dessen Hals das Ansatzrohr so weit hineingesteckt wird, daß seine Mündung bis zur Mitte der Kugel reicht. Diese ruht auf einem Trichter mit Abflußschlauch für das Kühlwasser, das die Oberfläche der Kugel bespült.
Das Heizen: Nur bei großer Übung kann eine Vakuumdestillation mit freier Flamme ausgeführt werden. Weit zuverlässiger ist die in-
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direkte Heizung durch ein Wärmebad. Auch hier ist die Temperatur des Heizbades mit größter Sorgfalt der Siedetemperatur der Substanz anzupassen (etwa 20° höher; bei hoch angesetztem Kondensationsrohr muß die Differenz vergrößert werden); wenn der Siedepunkt einer Fraktion erreicht ist, soll die Temperatur des Bades konstant gehalten werden. Der Kolben wird so tief in das Heizgefäß eingesenkt, daß der Spiegel des Destillationsguts u n t e r h a l b von dem der Heizflüssigkeit liegt. Die Kugel soll nicht weiter als bis zur Hälfte mit Substanz gefüllt sein. Bei der Destillation hoch siedender Stoffe taucht man möglichst tief ein und umkleidet den Destillationskolben oberhalb des Heizbads bis zum Winkel des Ansatzrohrs mit A s b e s t p a p i e r oder A l u m i n i u m f o l i e , die durch einen dünnen Draht oder durch eine Schnur befestigt werden. Bei empfindlichen Substanzen, die an sich der Vakuumdestillation zugänglich sind, tritt bisweilen Zersetzung ein, wenn sie in der Hitze jäh einer starken Druckänderung unterworfen werden. In solchen Fällen soll das Vakuum erst nach Abkühlung des Kolbeninhalts aufgehoben werden. So zu verfahren, ist ganz allgemein zweckmäßig, weil dadurch auch die recht häufige Oxydationswirkung heißer Luft vermieden wird.
Unerläßlich für alle Destillationen unter vermindertem Druck ist die Zwischenschaltung eines abgekürzten M a n o m e t e r s (Fig. 19) zwischen Pumpe und Apparat, da der die Höhe des Siedepunktes bestimmende Druck dauernd kontrolliert werden muß. Inkonstante Siedepunkte sind recht oft die Folge wechselnden Drucks. Um die Verunreinigung des Manometers durch Dämpfe, die sich darin kondensieren, hintanzuhalten, destilliert man bei geschlossenem Hahn, den man nur von Zeit zu Zeit zur Druckprüfung öffnet. Vor d e m B e g i n n j e d e r V a k u u m d e s t i l l a t i o n muß die g a n z e A p p a r a t u r am M a n o m e t e r auf D i c h t i g k e i t , d. h. auf a u s r e i c h e n d e s Vakuum g e p r ü f t werden. Mit dem Anheizen des Bades beginne man erst, nachdem das Vakuum hergestellt ist. Bringt man die b e r e i t s e r w ä r m t e Flüssigkeit unter verminderten Druck, so kommt sie häufig infolge Überhitzung zum Ü b e r s c h ä u m e n . Dabei braucht der Siedepunkt der Substanz nicht erreicht zu werden: es genügt, daß im Destillationsgut noch etwas Lösungsmittel, z. B. Äther, enthalten ist, dessen Entfernung auf dem Wasserbad aus Gründen des stark herabgesetzten Dampfdruckes nie vollständig möglich ist. In manchen Fällen, wenn leicht flüchtige, niedrig siedende Stoffe im Vakuum destilliert werden, ist es nötig, durch Erhöhung des Drucks die Flüchtigkeit zu vermindern. Man arbeitet dann nicht beim vollen Vakuum der Wasserstrahlpumpe, das je nach Druck und Temperatur des Leitungswassers 10—-20 mm Quecksilber beträgt, sondbrn bei Drucken von 20—100 mm. Da die Leistung der Pumpe nicht reguliert
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werden kann, so hilft m a n sich mit einem in die Vorlageflasche eingesetzten H a h n (a, Fig. 19), mit dem man unter Beihilfe des Manometers jeden gewünschten Druck einstellen kann. Bei Substanzen, die unter Atmosphärendruck über 150° sieden, bedient man sich der maximalen Leistung der Wasserstrahlpumpe. In welchem Maße die Erniedrigung des Druckes bei einer Vakuumdestillation den Siedepunkt erniedrigt, sieht man an den auf Fig. 20 wiedergegebenen Beispielen von N i t r o b e n z o l , Siedepunkt 208°/760 mm (Kurve 1) und B e n z a l d e h y d (II), Siedepunkt 179°/760 mm. Die Bedeutung eines „guten Vakuums" beim präparativen Arbeiten prägt sich in dem steilen Anstieg der Kurven im Bereich der niederen Drucke aus. Es macht ungefähr 15° Unterschied im Siedepunkt aus, ob man unter 20 mm oder unter 10 mm Quecksilber destilliert. Mit steigendem Druck verringert sich dessen Einfluß, wie die im oberen Teil der Figur — in anderem Maßstab — gezeichnete Kurve I I I des Nitrobenzols mit dem Druckgebiet von 760 mm abwärts deutlich macht. Wasser siedet unter 720 mm Hg, z. B. in München bei 98,5°.
Die quantitativen Beziehungen zwischen Druck und Siedetemperatur sind v o n Stoff zu Stoff verschieden, jedoch bei organischen Verbindungen innerhalb mäßiger Grenzen, so daß die hier wiedergegebenen K u r v e n für den praktischen Gebrauch wohl als Unterlagen benutzt werden können. Siedet z. B. ein Stoff A nach Angabe der Literatur bei 96°/12 mm, so wird er unter 18 mm Hg bei 104—105° sieden. Stoffe, deren Siedepunkt auch bei dem Unterdruck, den die Wasserstrahlpumpe schafft, noch zu hoch liegt, lassen sich häufig im H o c h v a k u u m unzersetzt destillieren, d. h. bei Drucken, die bei 1 mm oder darunter liegen. Druckverminderung bis zu dieser Grenze setzt die Siedetemperatur um durchschnittlich 150° gegenüber der bei Atmosphärendruck, um etwa 40° gegenüber dem Vakuum der Wasserstrahlpumpe herab. Die punktierte Portsetzung der Nitrobenzol-Kurve 1 (der keine gemessenen Zahlen zugrunde hegen) bringt dies zum Ausdruck. H o c h v a k u u m p u m p e n nach dem Dampfstrahl- und Diffusionsprinzip, meist mit Quecksilberdampf betrieben, fehlen heute in keinem Hochschullaboratorium.
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Mit ihrer Hilfe ist die Destillation im Hochvakuum eine unschwer auszuführende Prozedur, und wer die gewöhnliche Vakuumdestillation gewandt und sicher auszuführen gelernt hat, wird auch im Hochvakuum destillieren können, wenn diese Aufgabe etwa bei einem Literaturpräparat an ihn herantritt. Wegen der Empfindlichkeit der Apparatur — wenigstens gegenüber dem allgemeinen Gebrauch — ist dieses Verfahren in die Übungspräparate nicht einbezogen und wird darum auch nicht aus-
führlicher beschrieben. Man mache es sich zur Gewohnheit, bei der Destillation die Pumpe durch eine zwischengeschaltete „Falle", die mit Kohlensäureschnee-Aceton oder mit flüssiger Luft gekühlt wird, vor Verunreinigung zu schützen. Bei sorgsamem Arbeiten erreicht man „Bliebe-Vakuum" (etwa 1 0 - 4 mm). Auch die in der Handhabung besonders bequemen rotierenden ölpumpen seien hier erwähnt; in der Saugleistung (ms/h) sind sie den Dampfstrahlpumpen überlegen, besitzen aber ein geringeres Endvakuum. M a n v e r s ä u m e nie, bei V a k u u m d e s t i l l a t i o n e n die A u g e n zu s c h ü t z e n ! E i n C h e m i k e r , der n i c h t alle Schutzmaßn a h m e n e r g r e i f t , ist nicht m u t i g , sondern f a h r l ä s s i g ! Die Sublimation Flüchtige Stoffe, deren Dampf bei der Abkühlung unter Umgehung der flüssigen Phase sich direkt zu Kristallen verdichtet, werden unter Umständen mit Vorteil durch Sublimation gereinigt, vor allem dann, wenn das Umkristallisieren infolge besonderer Löslichkeitsverhältnisse
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erschwert ist. Ein bekanntes Beispiel bildet die Reinigung des Jods. In der organischen Chemie sind es namentlich C h i n o n e , bei denen man das Verfahren anwendet. Eine Sublimation kleinerer Substanzmengen läßt sich zweckmäßig zwischen zwei gleich großen Uhrgläsern ausführen. Auf das untere bringt man die zu sublimierende Substanz, bedeckt es dann mit einem runden Filter, welches etwas über den Rand des Glases hervorragt und in seinem mittleren Teile einige Male durchlöchert ist, legt das zweite Uhrglas mit der Wölbung noch oben darauf und verbindet beide mit einer Uhrglasklammer. Erhitzt man nun das untere Glas möglichst langsam durch eine kleine Flamme auf einem Sandbade, so verdichtet sich die vergaste Substanz an dem kalten, oberen Glase zu Kristallen; das Filter verhindert, daß die Kriställchen wieder auf das untere heiße Glas zurückfallen. Zur Abkühlung des oberen Glases kann man dieses mit einer mehrfachen Lage feuchten Filtrierpapieres oder mit einem Stückchen feuchten Tuches bedecken. Will man größere Substanzmengen sublimieren, so ersetzt man in dem soeben beschriebenen Apparat das obere Uhrglas durch einen Trichter, welcher etwas kleiner als das Glas ist. Auch in Tiegeln, Kolben, Bechergläsern, Retorten, Röhren u. a. kann man Sublimationen vornehmen. Sublimiert die zu reinigende Substanz erst bei hoher Temperatur, wie etwa I n d i g o oder A l i z a r i n , so bedient man sich auch hier des Vakuums (Rundkölbchen oder Retorte). — Bei Sublimationen beachte man stets, daß der Apparat erst nach dem vollkommenen Erkalten auseinandergenommen wird. Destillation mit Wasserdampf Von diesem wichtigen Reinigungsverfahren macht man nicht nur im Laboratorium, sondern auch in der chemischen Großindustrie außerordentlich häufig Gebrauch. Es beruht darauf, daß viele Stoffe, deren Siedepunkte beträchtlich höher liegen können als der des Wassers, von eingeblasenem Wasserdampf in dem Ausmaß ihres Dampfdrucks bei dessen Temperatur verflüchtigt und dann zusammen mit dem sie begleitenden Wasserdampf in einem angeschlossenen Kühlsystem wieder kondensiert werden. Der geeignetste und theoretisch einfachste Fall (vgl. unten) liegt vor, wenn der Stoff in Wasser schwer löslich oder praktisch unlöslich ist. Zur Prüfung auf W a s s e r d a m p f f l ü c h t i g k e i t bringt man eine kleine Probe der Substanz mit etwa 2 com Wasser in ein Reagenzglas, erhitzt zum Sieden (Siedesteine!) und hält den Boden eines mit etwas Eis beschickten zweiten Reagenzglases in die entweichenden Dämpfe, bis sich ein Wassertropfen daran kondensiert hat. Eine Trübung des Tropfens zeigt an, daß die Substanz mit Wasserdämpfen flüchtig ist.
Zur Ausführung im großen bringt man die Substanz, die abgeblasen werden soll, mit wenig Wasser in einen g e r ä u m i g e n langhalsigen
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Rundkolben, der nicht weiter als bis zu einem Drittel angefüllt sein darf, erwärmt mit einem untergestellten Brenner bis nahe zur Siedetemperatur (um allzu große Volumvermehrung durch Kondens wasser zu vermeiden) und leitet erst jetzt, nachdem der angeschlossene l a n g e Kühler in Gang gesetzt und die Vorlage aufgestellt ist, einen ziemlich kräftigen Dampfstrom ein. Das weite Einleitungsrohr soll bis nahe an den Boden des Kolbens reichen und vorne etwas umgebogen sein (Fig. 21). Besitzt das Laboratorium keine Dampfleitung, so wird der Dampf in einem gut zur Hälfte gefüllten, mit Steigrohr versehenen Blechtopf entwickelt. Man destilliert in ~~ der Regel solange, bis das Destillat k l a r abläuft. Wenn sich die Substanz kristallisiert im Kühlrohr abscheidet, so läßt man für kurze Zeit das Kühlwasser teilweise auslaufen; der Dampf bringt dann die Kristalle zum Schmelzen und Abfließen. Jedoch ist bei dieser Maßnahme darauf zu achten, daß nicht unkondensierter Dampf durch Mitführen von Substanz Verluste verursacht. Der Wiedereintritt von Kühlwasser in das heiße Rohr hat mit Vorsicht zu erfolgen. Nach Beendigung der Destillation wird vor Abstellung des Dampfes die Verbindung zwischen Dampfrohr und Kolben gelöst, weil andernfalls der Rückstand des Kolbens durch das Einleitungsrohr zurücksteigen könnte. Kleinere Substanzmengen kann man auch aus einem genügend großen Fraktionierkolben mit hochangesetztem Rohr abblasen, besonders leichtflüchtige Stoffe auch ohne Dampfzufuhr durch einfaches Erhitzen mit Wasser. Sehr schwerflüchtige Substanzen treibt man mit ü b e r h i t z t e m Wasserdampf über. Die Überhitzung erfolgt zweckmäßig in einem konisch spiralig • gewundenen Kupferrohr, das zwischen Dampfleitung und Kolben eingeschaltet und durch einen darunter gestellten Brenner erhitzt wird. Der Kolben mit der Substanz befindet sich in einem auf höhere Temperatur (etwa 150°) erhitzten Ölbad. Unter Umständen kommt man auch ohne Überhitzer zum Ziel, indem man möglichst trockenen Dampf nicht zu rasch in den die trockene Substanz enthaltenden, im Heizbad erwärmten Destillationskolben einleitet. Zersetzliche Substanzen, die flüchtig sind, werden bisweilen unter vermindertem Druck, also bei erniedrigter Temperatur mit Wasserdampf destilliert.
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Zur Theorie der Wasserdampfdestillation: Die reine Form des Vorgangs liegt vor, wenn der zu destillierende Stoff in W a s s e r u n l ö s l i c h , oder genauer, wenig löslich ist (Beispiele: Toluol, Brombenzol, Nitrobenzol), wenn sich also die Dampfdrucke von Wasser und Substanz gegenseitig nicht oder wenig beeinflussen. Ganz andere Verhältnisse ergeben sich bei Stoffen, die mit Wasser m i s c h b a r sind (Alkohol, Essigsäure); hier tritt das theoretisch kompliziertere Bild der fraktionierten Destillation auf. Wir betrachten nur den ersten Fall und wählen als Beispiel das bei 155° siedende B r o m b e n z o l . Erwärmen wir diese Flüssigkeit mit Wasser, so wird ihr Dampfdruck im Sinne der ihr eigenen Kurve ansteigen, und zwar u n a b h ä n g i g von dem des Wassers. Die Erscheinung des Siedens wird eintreten, wenn die Summe der Dampfdrucke der beiden Stoffe dem herrschenden Atmosphärendruck gleich geworden ist. Dies ist, wie sich aus den Dampfdruckkurven entnehmen läßt, für Normalverhältnisse (760 mm) der Fall bei 95,25°. Bei dieser Temperatur beträgt die Tension des Brombenzols 121 mm, die des Wassers 639 mm, ihre Summe also 760 mm. Die Dampfphase wird daher nach der A v o g a d r o s c h e n Regel die beiden Komponenten im molekularen Verhältnis von 121: 639 enthalten, d. h. es werden 5,28mal mehr Wassermolekeln im Dampfgemisch sein, als solche von Brombenzol. Das absolute Verhältnis, in dem Brombenzol mit Wasserdampf übergeht, ergibt sich einfach unter Heranziehung der Molekulargewichte. Auf 1 Mol Brombenzol vom Mol.Gew. 157 kommen 5,28 Mole Wasser vom Mol.-Gew. 18, oder mit 157 Gewichtsteilen des ersten gehen 5,28 • 18 = 95 Gewichtsteile Wasser über, was ungefähr einem Verhältnis Brombenzol: Wasser von 5 : 3 entspricht. Man kann demnach bei Kenntnis der Tensionskurve eines mit Wasser nicht mischbaren Stoffes den Grad seiner Wasserdampfflüchtigkeit leicht angenähert berechnen, nur angenähert deshalb, weil die Voraussetzung der gegenseitigen Unlöslichkeit praktisch niemals erfüllt ist. Über die Wasserdampfdestillation unter vermindertem Druck vgl. man S. 242. Abdestillieren von Lösungsmitteln Da man beim organisch-präparativen Arbeiten sehr häufig Substanzen aus verdünnter Lösung zu isolieren hat, so gehört diese Operation zu den alltäglichen Verrichtungen. Ä t h e r wird am a b s t e i g e n d e n K ü h l e r (am besten Schlangenkühler), vom D a m p f b a d oder W a s s e r b a d aus abdestilliert und nach eventueller Reinigung erneut verwendet. Enthält er flüchtige Säuren, so wird er mit S o d a l ö s u n g , bei einem Gehalt an flüchtigen Basen dagegen mit verdünnter S c h w e f e l s ä u r e durchgeschüttelt.
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Um Verluste und Entzündung infolge der F l ü c h t i g k e i t des Äthers zu vermeiden, benutzt man als Auffanggefäß eine Saugflasche, die durch einen Kork mit dem Kühlrohr verbunden ist, und deren Saugrohr zur Sicherheit einen über den Arbeitstisch herunterhängenden Schlauch trägt. Beim Arbeiten mit Äther und allen leicht entzündlichen L ö s u n g s m i t t e l n läßt man keine offenen F l a m m e n a u f dem A r b e i t s t i s c h brennen. Sind große Mengen L ö s u n g s m i t t e l zu verdampfen und will man den Inhalt der Lösung nach dessen Entfernung ebenfalls destillieren, so läßt man, um ein allzu großes Gefäß zu vermeiden, die Lösung nach und nach aus einem T r o p f t r i c h t e r in den geeigneten Fraktionierkolben fließen, in dem Maße, als das Lösungsmittel verdampft (Siedesteine). Wenn man nicht über ein Dampfbad verfügt, sondern vom Wasserbad aus destillieren muß, ist dessen Flamme bei jedem Nachfüllen (Trichter!) auszudrehen. Man kommt in diesem Fall meist rascher zum Ziel, wenn man die ganze Lösung aus einem größeren Rundkolben oder Erlenmeyer abdampft und dann den Rückstand mit wenig Lösungsmittel (aber vollständig) in das kleinere Gefäß überspült. K l e i n e Mengen leicht verdampf barer Flüssigkeiten kann man aus dem Reagenzglas oder einem kleinen Kölbchen direkt auf dem Wasserbad verjagen. Das Reagenzglas fülle man jeweils nur 2—3 cm hoch und gieße immer wieder nach; während des Siedens im Wasserbad muß dauernd g e s c h ü t t e l t oder mit einem dünnen Glasstab gerührt werden. Nach dieser einfachen Methode führt man alle Vorproben mit L ö s u n g e n aus und sehe sich den Rückstand auf seine Eigenschaften an. Die Lösungen zersetzlicher Substanzen läßt man für diesen Zweck auf einem Uhrglas oder in einer kleinen Kristallisierschale offen an der Luft verdunsten. Wenn es darauf ankommt, Lösungsmittel, wie Alkohol oder Benzol, v o l l s t ä n d i g zu entfernen, so gelingt dies auf dem Dampf- oder Wasserbad nicht, weil der Siedepunkt mit zunehmender Konzentration höher und höher steigt; auch mit Äther macht es Schwierigkeiten. Man greift hier zum Ölbad oder häufiger zum Vakuum, das man ansetzt, wenn kein Kondensat mehr abtropft. Es genügt, eine Capillare aufzusetzen und den Kolben in einer Porzellankasserolle oder einem Emailtopf auf mittlerer Temperatur zu erhalten, unter direktem Anschluß an die Pumpe, um die meisten Lösungsmittel, auch Wasser, rasch und völlig zu entfernen. Dünnwandige G l a s g e r ä t e , wie E r l e n m e y e r , Stehkolben und R e a g e n z g l ä s e r , dürfen niemals e v a k u i e r t werden, stets aber Rundkolben, unter Umständen Saugflaschen, die aber vorsichtig zu erwärmen sind. Wenn man, wie es bei empfindlichen Stoffen häufig verlangt wird, größere Mengen Lösungsmittel im Vakuum abzudampfen hat, kondensiert man, zur Beschleunigung, mit einem nicht zu kleinen Kühler und kühlt bei Bedarf noch die Vorlage mit Eis.
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Einige allgemeine Arbeitsregeln
Der Kühler ist entbehrlich, wenn man als Vorlage einen einfachen Fraktionierkolben nimmt, der auf einen großen, mit Abflußschlauch versehenen Trichter aufgelegt und von oben mit Leitungswasser berieselt wird. Das Ende des Kondensationsrohrs vom Destillierkolben muß bis über die Mitte der Kugel der Vorlage reichen. Diese Anordnung ist für das Eindampfen wäßriger Lösungen besonders geeignet. Die in Fig. 22 abgebildete Anordnung gestattet, o h n e U n t e r b r e c h u n g große Mengen Flüssigkeit, insbesondere Wasser, im Vakuum
abzudampfen. Durch den Hahn wird von Zeit zu Zeit das Übergegangene aus dem Vorratsgefaß durch Einsaugen ersetzt. Das Lumen des Abzugsrohres soll möglichst weit sein. Anhaltendes S c h ä u m e n wäßriger Lösungen bei der Destillation verursacht häufig Ärger und Zeitverlust. Man kann ihm begegnen dadurch, daß man der Lösung etwa 3% ihres Volumens an I s o - a m y l a l k o h o l , noch besser einige Tropfen O c t y l a l k o h o l zufügt. Man kommt aber auch zum Ziel, wenn man in den l e e r e n , destillationsbereiten Kolben die Lösung in dem Maße einsaugt, als das Wasser verdampft. Das Zuführungsrohr ist in diesem Fall zweckmäßig gegen die Mündung hin zu engerem Lumen ausgezogen, das Tempo des Einspritzens läßt sich mit einer Klemmschraube (Fig. 22) genau einstellen. Ausschütteln, Extrahieren Um ein Reaktionsprodukt, das nicht fest, kristallin und filtrierbar ist, aus wäßriger Suspension oder auch aus einer Lösung herauszuholen, oder auch von unlöslichen Begleitstoffen zu trennen, nimmt man es in einem geeigneten Lösungsmittel auf; als solches dient meist Ä t h e r . So sammelt man z. B. das bei einer Wasserdampfdestillation Über-
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gegangene, sofern nicht durch besonders günstige Grenzflächenverhältnisse eine direkte Abtrennung möglich ist. Zur Trennung zweier Schichten benutzt man den S c h e i d e t r i c h t e r , bei kleinen Volummengen den gleichartig konstruierten T r o p f t r i c h t e r (Fig. 23) (bis zum Inhalt von 25 ccm herab), dessen Ansatzrohr höchstens 5 cm lang und (wegen des Abfließens) schräg abgeschliffen sein soll. Zum Eingießen von Flüssigkeiten in den Trennungstrichter bedient man sich stets eines gewöhnlichen Trichters. Nach der Trennung wird die untere Schicht durch den Hahn, die obere aus dem oberen Tubus ausgegossen (Trichter). Man warte immer, bis die schwere Flüssigkeit sich am Boden angesammelt hat und vermeide beim Ausäthern, mit dem Äther auch Teile der wäßrigen Lösung abzugießen. Kleine Vorproben scheidet man nach dem Einsaugen im Tropfrohr (Fig. 9). Beim Ausschütteln einer wäßrigen Lösung, noch mehr einer Suspension, mit einem organischen Lösungsmittel treten bisweilen sehr unerfreuliche E m u l s i o n e n auf, die eine saubere Abtrennung unmöglich machen. Das sicherste Mittel, sie zu vermeiden, besteht darin, die Durchmischung mit Vorsicht vorzunehmen. Gegenmittel sind ferner: Erzeugung eines Vakuums im Scheidetrichter, Zugabe einiger Tropfen Alkohol, Sättigung der wäßrigen Phase mit Kochsalz, Stehenlassen über Nacht. Ist eine Substanz nicht nur im organischen Lösungsmittel, sondern auch in Wasser löslich, so ist der Erfolg des Ausschütteins vom Verhältnis der Löslichkeiten abhängig; je größer dieses Verhältnis z. B. von Wasser zuÄther, der , , T e i l u n g s q u o t i e n t ( Q ) " i s t , um so mehr Äther muß benutzt oder um so öfter muß ausgeschüttelt werden. Denn dieser Quotient gibt an, wie sich ein in zwei nicht miteinander mischbaren Flüssigkeiten löslicher Stoff zwischen diese verteilt. Ob wir gegebenenfalls eine gewisse Menge Äther auf e i n m a l zum Ausschütteln einer wäßrigen Lösung benutzen, oder ob wir besser die Operation mit kleinen Anteilen m e h r f a c h wiederholen, die prinzipielle Entscheidung darüber gibt folgende einfache Betrachtung. Nehmen wir an, der Teilungsquotient sei gleich 1 und wir hätten auf 1 Volum Wasser 2 Volumina Äther zur Verfügung, die wir in einem Fall auf einmal einsetzen, im andern Fall zu gleichen Hälften für zwei Ausschüttelungen verwenden. Die Menge der gelösten Substanz sei a. Im ersten Fall gehen dann 2 — a in den Äther, im zweiten nimmt das erste halbe Volum der Gesamt& a äthermenge —, das zweite von den zurückbleibenden — noch einmal a 3 die Hälfte, also —, das sind — a. Um diese Menge in einer Operation aus dem Wasser herauszuholen, wäre das dreifache Volum Äther nötig, oder: 2 Liter einzeln eingesetzt leisten das gleiche wie 3 Liter auf einmal. Die praktische Folgerung ist klar.
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Einige allgemeine Arbeitsregeln
Man kann den Vorgang des Ausschütteins auch zur Trennung von Substanzgemischen heranziehen, deren Komponenten verschiedene Teilungsquotienten aufweisen. In einem ähnlichen wie dem obigen Beispiel liege die Substanz 1 der Menge a (Q = 1) mit derselben Menge a' einer zweiten Substanz vom Q = 0,2 vermischt vor. Die Begleitsubstanz ist also in Wasser besser als in Äther löslich und verbleibt 4 1 nach dem ersten Ausschütteln mit -=-a,' im Wasser, nachdem —- o' im gleich großen 5 5 a Äthervolumen gelöst sind. Von Substanz 1 sind dagegen, wie erwähnt, — im Wasser, « v — im Äther anzutreffen. Schüttelt man nun die wäßrige Lösung ein zweites Mal mit demselben Äthervolumen aus, so enthält sie von Substanz 1 nur noch , von 4 4 3 Substanz 2 aber von — o', das sind rund — a'. Eine Re-extraktion des 1. Ätherö o 5 extrakts mit demselben Wasservolumen ergibt im Äther das reciproke Gewichtsverhältnis beider Substanzen. Es ist leicht einzusehen, daß eine systematische Fortsetzung dieser Arbeitsweise zur praktisch vollständigen Stofftrennung führen muß. Diese sog. „ G e g e n s t r o m e x t r a k t i o n " (Craig) 1 spielt heute im Forschungslaboratorium und in der Industrie, wo sie kontinuierlich ausgeführt wird, eine bedeutende Rolle. Der Teilungsquotient organischer Substanzen zwischen Wasser und Lipoiden (das sind fettartige Bestandteile der Zellwand) ist für biologische Prozesse von großer Bedeutung (Narkosetheorie von H. H. Meyer und Overton).
Außer Äther benutzt man zum Ausschütteln eines gelösten Stoffes aus Wasser bisweilen auch E s s i g e s t e r , C h l o r o f o r m , B e n z o l , A m y l a l k o h o l . Da Wasser rund 10% seines Volumens an Äther auflöst, vermeide man schon aus Sparsamkeitsgründen unnötige Verdünnung. Trockneil der Lösungen: Nachdem man eine Substanz aus wäßriger Lösung oder Suspension mit einem organischen Lösungsmittel aufgenommen hat, ist die Lösung mit Wasser gesättigt und muß daher getrocknet werden; unterließe man dies, so würde das gelöste Wasser nach dem Abdampfen des Lösungsmittels zum größten Teil mit der zu isolierenden Substanz zurückbleiben. Bei der Wahl des T r o c k e n m i t t e l s ist zu beachten, daß es weder mit dem Solvens noch mit dem gelösten Stoff reagieren darf und in jenem vollkommen unlöslich sein muß. Man wird die ätherische Lösung einer organischen Säure nicht mit festem Ätzkali trocknen, wohl aber die einer Base. Das wirksamste und meist benutzte Trockenmittel ist C a l c i u m c h l o r i d , das man entweder in gekörntem oder (vorher) geschmolzenem Zustand anwendet; Ätherlösungen werden fast ausschließlich mit ihm getrocknet, es sei denn, daß sie Stoffe enthalten, die mit CaCl2 Additionsverbindungen geben, wie Alkohole, Amine u. a. Alkoholhaltige Ätherlösungen dürfen daher nicht mit Calciumchlorid getrocknet werden; man muß vorher den Alkohol durch mehrfaches Ausschütteln mit Wasser entfernen. In der Regel wird viel zu viel Trockenmittel verwendet. Es genügt für gewöhnlich soviel Calciumchlorid, daß nach einigem Stehen neben gesättigter CaCl2-Lösung noch etwa die gleiche Menge festen Salzes vorhanden ist. Siehe Weißberger, Technique of Organic Chemistry, Bd. III, 259 (1950).
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Weit weniger wirksam als CaCl2 ist w a s s e r f r e i e s N a t r i u m s u l f a t , selbst wenn es vor dem Gebrauch f r i s c h g e g l ü h t i s t . Es wird benutzt, wenn aus den angeführten Gründen ein Ersatz für Calciumchlorid gefordert wird. Für die Lösungen basischer Stoffe sind geglühte P o t t a s c h e , festes Ä t z k a l i , B a r i u m o x y d viel gebrauchte Trockenmittel. Um die gebräuchlichsten Lösungsmittel völlig wasserfrei zu gewinnen, werden die folgenden Trockenmittel angewandt. Für Äther, Benzol und Homologe, Petroläther: N a t r i u m .
Fig. 24
Fig. 25
Fig. 26
Für Aceton, Chloroform, Essigester, Schwefelkohlenstoff: C a l c i u m chlorid. Die Alkohole werden durch mehrstündiges Kochen mit frisch gebranntem Ä t z k a l k am Rückflußkühler und anschließendes Abdestillieren entwässert. C h l o r h a l t i g e L ö s u n g s m i t t e l , wie CC13H, CC14, d ü r f e n w e g e n Explosionsgefahr keinesfalls mit Natrium getrocknet werden. Extrabtionsapparate: Sehr häufig ist eine organische Substanz in Wasser viel löslicher als in Äther und anderen Solventien. Dann führt auch oft wiederholtes Ausschütteln nicht zum Ziel. Man arbeitet in solchen Fällen mit dem sog. P e r f o r a t o r , das ist ein kontinuierlicher Extraktionsapparat für Lösungen, der in keinem organischen Laboratorium fehlen darf. Das Prinzip ergibt sich aus der mit einfachen Labora3
G a t t e r m a n n , Praxis des organ. Chemikers. 35. Aufl.
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Einige allgemeine Arbeitsregeln
toriumsmitteln zusammenstellbaren Anordnung nach Schacherl (Fig. 24). Noch zweckmäßiger ist die in allen Dimensionen ebenfalls leicht zu beschaffende Apparatur gemäß Fig. 25. Damit kommen wir auch zu den E x t r a k t i o n s a p p a r a t e n für feste Substanzen. Der bekannteste ist der „ S o x h l e t " , der namentlich für analytische Zwecke viel benutzt wird. Für präparative Zwecke ziehen wir den vereinfachten Extraktor (Fig. 26) vor, der billiger ist und rascher arbeitet. Damit sich durch das auftropfende Lösungsmittel im Extraktionsgut keine Gasse bildet, legt man eine dünne Siebplatte aus Porzellan (Filterplatte) darüber. Der Extraktionsapparat dient vornehmlich zum Herauslösen schwer löslicher Bestandteile aus Gemischen, zum IsoHeren von Naturstoffen aus (trockenem) pflanzlichem oder tierischem Material. Mitunter ist es sehr zweckmäßig, schwer lösliche Substanzen mit dem geeigneten Lösungsmittel (besonders Äther) aus der Extraktionshülse „umzukristallisieren". Aus der bald heiß übersättigten Lösung im Siedekolben kommt meist schon während der Extraktion das Gelöste in Kristallen heraus. Bei hoch siedenden Lösungsmitteln hängt man die Extraktionshülse an einem dünnen Draht direkt in den Rundkolben ein; sie soll nicht in die Flüssigkeit eintauchen. D a s Arbeiten mit komprimierten G a s e n Jedes Hochschullaboratorium ist wohl zur Zeit mit Stahlflaschen versehen, in denen die wichtigsten Gebrauchsgase in komprimierter Form enthalten sind. Diese sind 1. Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff. 2. Kohlendioxyd, Chlor, Ammoniak, Schwefeldioxyd. Die Elemente unter 1., deren kritische Temperatur sehr tief liegt, sind in Gasform, die Stoffe unter 2. in verflüssigtem Z u s t a n d in den Bomben enthalten. Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff befinden sich zumeist, auf 150 Atm. komprimiert, in Stahlbomben von 10 Liter Inhalt; in ihnen sind demnach nach der Füllung 1,5 cbm Gas von Atmosphärendruck enthalten. Die Ansatzgewinde der Wasserstofflaschen haben verkehrten Schraubengang, damit nicht irrtümlich Sauerstoff in sie eingepreßt wird. Alle Gasflaschen im L a b o r a t o r i u m sollen mit Feinventilen a u s g e s t a t t e t sein, für deren Instandhaltung ein Assistent zu sorgen hat. Die Benutzung des Kopfventils allein erschwert die Regulierung des Gasstroms und führt unfehlbar zu übergroßem Verbrauch. Für alle Gase (auch Chlor) sind Kegelventile (Fig. 27) aus Aluminiumbronze verwendbar.
Das Arbeiten mit komprimierten Gasen. Rühren und Schütteln
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Bei a l l e n A r b e i t e n m i t G a s e n — sei es aus Stahlflaschen, sei es aus dem Kippapparat — m u ß e i n e K o n t r o l l e f ü r d i e S t r ö m u n g s g e s c h w i n d i g k e i t a n g e w a n d t w e r d e n . Dafür genügt ein kleiner — außer bei NH 3 —, mit konz. Schwefelsäure beschickter T r o p f e n z ä h l e r , der an der Flasche selbst befestigt sein kann. Meist wird man, um gleichzeitig zu trocknen, eine W a s c h f l a s c h e vorschalten, am besten n i c h t eine zweiteilige mit Glasschliff, die oft durch den geringsten Überdruck geöffnet wird 1 . Müssen Gase besonders scharf getrocknet werden, so genügt eine Waschflasche mit konz. Schwefelsäure nicht. Man schaltet dann noch 1—2 U-Röhren vor, in die man, auf Glaswolle verteilt, P h o s p h o r p e n t o x y d eingefüllt hat. Ammoniak leitet man durch K a l i l a u g e 1: 1 und zum Trocknen dann noch durch einen T u r m , der mit KOH und CaO beschickt ist. Man beachte, daß man mit den üblichen Laboratoriumsgeräten mit Flaschengas nicht abgeschlossen unter Überdruck arbeiten kann. Will man z. B. eine Reaktionslösung unter Ha- oder C02-Druck stehen lassen, so darf das Gefäß nicht ohne weiteres an die Gasflasche angeschlossen werden. Zur Entlastung der Apparatur von dem Überdruck setzt man in die Leitung ein T - R o h r ein, dessen sich abzweigender Teil mit einem in einen Zylinder mit Quecksilber oder Wasser eintauchenden Glasrohr verbunden ist. Bequemer ist es, in solchen Fällen sich des Kipps zu bedienen oder, bei Stickstoff, eines damit aus der Bombe gefüllten Gasometers.
Erfahrungsgemäß wird viel Gas verschwendet, weil sich der Anfanger meist keine Gedanken darüber macht, welche Mengen ungefähr er für Fig. 27 seine Reaktion benötigt; das soll er aber tun. Alle Gebrauchsgase außer Stickstoff können im Bedarfsfall ersatzweise nach einfachen bekannten Methoden dargestellt werden.
Rühren und Schütteln Solange man in homogener Lösung arbeitet, ist mechanische Bewegung nicht nötig, es sei denn, daß man in einem Reaktionsgemisch einen nach und nach zuzusetzenden oder zuzutropfenden Stoff alsbald in feine Verteilung — Lösung oder auch Suspension — bringen will. Dies gilt besonders auch dann, wenn lokal auftretende Reaktionswärme, z. B. bei Zugabe von konz. Schwefelsäure, ein empfindliches Präparat gefährdet. 1 Die Verbindung zwischen Stahlbombe und Waschflasche soll nach der Benutzung stets gelöst werden, damit ein Zurücksteigen der Schwefelsäure verhindert wird3'
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Einige allgemeine Arbeitsregeln
Hierbei ist es unerläßlich, die Lösung durch Umschütteln mit der Hand oder besser durch mechanisches Rühren dauernd zu bewegen. Als R ü h r e r dient zweckmäßig ein Glasstab, an den nur am unteren Ende oder aber auch mehrfach übereinander propellerartige Flügel aus Glas angeschmolzen sind. Zur Führung nimmt man ein Stück etwas weiteren, an den Enden abgeschmolzenen Glasrohrs oder eine passende Hülse des Korkbohrers, die, in einem Kork gefaßt, in eine Klammer in vertikaler Richtung fest eingespannt wird und auf deren oberem Rand eine kleine Riemenscheibe oder auch Korkbzw. Gummistopfen mit Rille, in denen der Rührstab befestigt ist, sich mit möglichst wenig Reibung bewegt (mit Glycerin geschmierter, schmaler Gummiring). Als Antrieb wird die alte Rabesche Wasserturbine mehr und mehr vom kleinen Elektromotor verdrängt, dessen Tourenzahl sich bequem mit Regulierwiderstand oder Schiebetransformator regeln läßt. Bei Verwendung eines Elektromotors ist es zweckmäßig, den Rührer mit einem Stück Vakuumschlauch unmittelbar auf dem Ankerwellen- Stumpf des vertikal fixierten Motors zu befestigen. Kleine Preßluftmotoren, die auch mit dem Unterdruck der Wasserstrahlpumpe betrieben werden können, erfreuen sich in neuerer Zeit als Rührwerksantrieb großer Beliebtheit. H a t man im a b g e s c h l o s s e n e n G e f ä ß zu rühren oder bei gleichzeitigem E r h i t z e n am R ü c k f l u ß k ü h l e r , so wird der Rührer durch einen Q u e c k s i l b e r v e r s c h l u ß , wie ihn die Fig. 28 zeigt, oder durch eine eingeschliffene Welle abgedichtet. Einem größeren Überdruck von innen ist die Quecksilberdichtung nicht gewachsen. Wenn man übereinandergeschichtete, nicht mischbare Flüssigkeiten durcheinanderrühren will, muß der Rührer zwischen den beiden Schichten eingesetzt werden. Spezifisch schwere Bodenkörper, z. B. Zinkstaub oder Natriumamalgam werden im allgemeinen von den kleinen Glasrührern nicht ordentlich erfaßt. In solchen Fällen ist das mechanische Rühren häufig illusorisch, und man erreicht eine stärkere Wirkung durch Umrühren mit einem Glasstab, einer Holzleiste oder öfteres Umschütteln mit der Hand. Hier setzt auch die Benutzung der S c h ü t t e l m a s c h i n e ein, die eine möglichst feine mechanische Aufteilung im heterogenen System zum Zweck hat. Als Gefäß benutzt man fast ausschließlich enghalsige Glasstöpselflaschen mit gutem, dichtem Schliff. Der Stopfen wird durch
Erhitzen unter Druck
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ein Stück darüber gezogenen und am Hals mit dünnem Draht festgemachten Gummischlauch gehalten. Umsetzungen, bei denen sich ein Gas oder viel Wärme entwickelt, dürfen nicht ohne weiteres auf der Schüttelmaschine vorgenommen werden.
Erhitzen unter Druck Wenn man Lösungen oder freie Substanzen zur S t e i g e r u n g d e r R e a k t i o n s g e s c h w i n d i g k e i t bei einer Temperatur zur Umsetzung bringen will, die oberhalb ihres Siedepunktes liegt, so muß man sie von der äußeren Atmosphäre abschließen, und zwar entweder durch E i n s c h m e l z e n in ein Glasrohr, in dem sie dann erhitzt werden, oder im geschlossenen Metallgefäß ( A u t o k l a v ) . Dies ist, wie leicht ersichtlich, schon erforderlich, wenn wir eine alkoholische Lösung bei 100° oder eine wäßrige etwa bei 120° reagieren lassen wollen. Der Zweck ist also ausschließlich die Erhöhung der R e a k t i o n s t e m p e r a t u r , die damit Hand in Hand gehende Steigerung des Drucks ist für die Geschwindigkeit der Umsetzung ohne Belang, da sie ja im allgemeinen von keiner wesentlichen Konzentrationsänderung begleitet ist. Da man am häufigsten L ö s u n g e n im Einschlußrohr erhitzt, in denen der Dampfdruck des Lösungsmittels den Innendruck bestimmt, so hat man bei Temperaturen, die erheblich höher als 100° liegen, mit ganz ansehnlichen Drucken zu rechnen. Zu ihnen Fig. 29 addieren sich die der eventuell bei der Reaktion entstehenden Gase. Über die Druckverhältnisse, die bei einer Einschlußreaktion zu erwarten sind, mache man sich an Hand der T e n s i o n s k u r v e des angewandten Lösungsmittels Überschlags weise eine Vorstellung. Wir haben im erhitzten Rohr bei präparativen Reaktionen stets den Druck des gesättigten Dampfes, d. h. Lösung neben dem Dampf des Lösungsmittels. Der Druck ist daher von der absoluten Menge der eingefüllten Lösung nicht abhängig. Man füllt jedoch in der Regel nicht höher als bis zur Hälfte des Rohrvolumens ein. Wenn bei der Reaktion Gas gebildet wird, spielt der Betrag an freiem Gasraum für die Druckverhältnisse natürlich eine Rolle. Die gebräuchlichen D r u c k r o h r e aus J e n a e r G l a s können, wenn eine chemische Einwirkung auf das Glas außer Betracht bleibt, mit einiger Sicherheit einem Druck von 20 b i s 25 A t m o s p h ä r e n ausgesetzt werden.
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Einige allgemeine Arbeitsregeln
Einschmelzröhren sind stets durch einen Trichter zu füllen, die innere Wand in der Nähe der Zuschmelzstelle muß rein bleiben. Über das Umgehen mit Einschlußröhren vgl. auf S. 65/66. Will man mit der Temperatur nur auf 100° gehen, so erhitzt man das Rohr, mit einem Tuch umwickelt und an einem Bindfaden oder einem Draht aufgehängt, in der sog. W a s s e r b a d k a n o n e . Wenn kein oder nur geringer Druck entwickelt wird, so benutzt man statt des Einschmelzrohrs eine gewöhnliche S o d a w a s s e r f l a s c h e mit Patentverschluß, die man mit dem Wasserbad anheizt (zur Vorsicht Flasche in ein Tuch einschlagen!). Das Arbeiten in Einschmelzröhren ist präparativ umständlich wegen ihres relativ geringen Fassungsraumes. Man benutzt daher für größere Ansätze A u t o k l a v e n , das sind metallene Einschlußgefaße, die gleichzeitig auch höhere Drucke aushalten. Der Deckel wird durch einen Bleioder Kupferring gedichtet, mit 6—8 Verschlußschrauben befestigt, deren Muttern man — j e ein Paar gegenüberliegende gleichzeitig—allmählich anzieht. Das Erhitzen erfolgt mit Gas (Rundbrenner) oder elektrisch (Widerstandheizung); Manometer und Thermometer gestatten eine laufende Kontrolle von Druck und Temperatur. Natürlich legt man der Wahl des Autoklavenmodells die gewünschten Reaktionsbedingungen zugrunde. Für kleine Ansätze oder Vorversuche kann man sich eines „DruckReagenzglases" (Fig. 29) bedienen. Besondere Anforderungen stellt das Rühren unter Druck, wenn es gilt, eine Reaktion in heterogenem Medium (Festkörper-Flüssigkeit, Flüssigkeit-Gas) durchzuführen. Die stehend oder liegend ausgeführten R ü h r a u t o k l a v e n besitzen eine druckfeste Rührerdichtung, die sog. Stopfbüchse, die allerdings stets eine empfindliche Stelle ist. Mehr und mehr geht man heute im Laboratorium zu Schüttel- oder rotierenden Autoklaven über; bei letzterem Typ wird der liegende Autoklav um eine horizontale Achse gedreht. Die modernste Ausführungsform ist der Magnet-Rührautoklav (A. Hofer, Mülheim); der außerhalb des Autoklaven befindliche Elektromagnet zieht periodisch den Weicheisenkern mit den Rührplatten hoch. Ein wichtiges Anwendungsgebiet der verschiedenen Typen von Rührautoklaven ist die katalytische Hydrierung (S. 328) unter Druck; ein Hydrierautoklav sollte in keinem Hochschullaboratorium fehlen. Bei allen A r b e i t e n u n t e r D r u c k schütze m a n die Augen und verschaffe sich vorher aus den physikalischen Unterlagen ein ungefähres Bild über die dem Apparat zugemutete Leistung.
Schmelzpunktsbestimmung
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Schmelzpunktsbestimmung Die R e i n h e i t einer kritallisierten organischen Substanz wird durch den S c h m e l z p u n k t kontrolliert. Diese leicht zu ermittelnde Konstante dient auch zur I d e n t i f i z i e r u n g von Stoffen und bei neuen Verbindungen zur C h a r a k t e r i s i e r u n g . Der Apparat ist ein langhalsiger Kugelkolben, in den ein geprüftes Thermometer mit Hilfe eines Korks eingesetzt ist; um die Skala ganz zu übersehen, ist ein Streifen Kork mit einem scharfen Messer herausgeschnitten (Fig. 30). Die Heizflüssigkeit ist reine konz. Schwefelsäure, mit der die Kugel zu % ihres Inhalts angefüllt wird. Die Substanz wird feinst gepulvert in kleine dünnwandige Glasröhrchen eingebracht, die man sich aus Reagenzgläsern (zweckmäßig beschädigte, aber trockene und reine!) wie folgt herstellt. Man bringt das Rohr in der Gebläseflamme unter Drehen zum Schmelzen und zieht dann rasch aus; schon nach kurzer Übung trifft man den richtigen Durchmesser, der 1—1,5 mm sein soll. Aus dem ausgezogenen Material schneidet man mit der Schere die geeigneten Teile aus, wo es angeht, zweckmäßig in doppelter Röhrchenlänge (etwa 12 cm), so daß man durch Abschmelzen jedes Stückes in der Mitte (Sparflamme) alsbald zwei fertige Schmelzpunktröhrchen erhält. Von der scharf getrockneten Substanz zerdrückt man eine kleine Probe mit Pistill oder Spatel auf einem Uhrglas oder einem kleinen Stückchen Ton und bringt von dem Pulver eine ungefähr 2 mm hohe Schicht auf den Grund des Röhrchens. Dabei taucht man das offene Fig. 30 Ende des Röhrchens in das Pulver und bewirkt durch vorsichtiges Aufklopfen, daß die von der Mündung gefaßte Substanz hinuntergleitet. Bei großer Adhäsion läßt man das Röhrchen einige Male durch ein langes Glasrohr auf eine Glasplatte oder ein Uhrglas auffallen. Auch durch leichtes Anstreichen des Röhrchens mit einer Feile können festhaftende Substanzen zum Hinabgleiten gebracht werden. Das Röhrchen wird dann am zweckmäßigsten mit einem Tropfen konz. Schwefelsäure, den man mit der Thermometerspitze am oberen Ende aufträgt, am Thermometer angeklebt, so daß sich die Substanz auf der Höhe der M i t t e der Quecksilberkugel befindet. Diese selbst muß bei der Bestimmung g a n z ins Bad eintauchen. Man erhitzt nun die Kugel mit mäßig großer, schräg gehaltener Flamme, die man langsam gleichförmig um den Kolben bewegt. Der Apparat muß von auffallendem Licht beleuchtet sein. Bei hoch schmelzenden Körpern kann man anfangs rasch erhitzen, in der Nähe des Schmelzpunktes soll die Temperatur l a n g s a m steigen. Gewöhnlich werden in diesem Stadium
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Einige allgemeine Arbeitsregeln
im oberen Teil des Röhrchens haften gebliebene Teilchen der Substanz durch die aufsteigende heißere Schwefelsäure zum Erweichen gebracht. Jetzt erhitzt man vorsichtig weiter; die Schmelztemperatur ist erreicht, wenn die zuerst zusammengefallene Probe sich klar verflüssigt hat. Bei Stoffen, deren Schmelzpunkt man nicht kennt, dient eine Vorprüfung zur Orientierung. Viele organische Verbindungen schmelzen nicht unzersetzt. Dies äußert sich oft in einer V e r ä n d e r u n g der F a r b e und meist in einer G a s e n t w i c k l u n g , die man im Röhrchen sehr scharf beobachten kann (Lupe!). Solche Substanzen besitzen keinen scharfen Schmelzpunkt, sondern einen Z e r s e t z u n g s p u n k t , der fast immer von der Geschwindigkeit des Erhitzens abhängig ist, derart, daß er bei rascher Temperatursteigerung höher gefunden wird, als bei langsamer. Auch erkennt man bei ihnen den verändernden Einfluß der Hitze schon unterhalb des Zersetzungspunktes an einem Zusammenschrumpfen und Klebrigwerden der Substanzprobe, eine Formänderung, die man als „Sintern" bezeichnet. Bei der Bestimmung des Schmelzpunktes zersetzlicher Stoffe heizt man das Bad ziemlich rasch bis auf 10—20° unterhalb der Zersetzungstemperatur, um von da an das Thermometer nur etwa um 5° in der Minute höher zu treiben. Die Erscheinung vorzeitigen Sinterns ist bei unzersetzt schmelzenden Substanzen ein Kennzeichen unvollkommener Reinheit und verlangt nach der präparativen Seite erneute Umkristallisation oder Destillation. Es gibt allerdings auch Stoffe, die selbst in reinster Form nicht ohne vorheriges Sintern, also nicht ganz scharf, schmelzen. In diesem Zusammenhang sei auch auf die sog. „ f l ü s s i g e n K r i s t a l l e " hingewiesen ( L e h m a n n , Vorländer). Als Regel gelte, daß eine Substanz erst als rein angesehen werden kann, wenn sich ihr Schmelzpunkt bei Wiederholung der Reinigungsprozedur nicht mehr ändert. Die Ursache dafür, daß der Schmelzpunkt unreiner Stoffe tiefer liegt als der des einheitlichen Materials, liegt darin, daß die Begleitstoffe gewissermaßen als gelöste Stoffe oder Lösungsmittel wirken; der Erstarrungspunkt einer Lösung liegt aber bekanntlich immer tiefer als der des Lösungsmittels (Kryoskopie). Diese Beziehung begründet einen wichtigen I n d e n t i t ä t s n a c h w e i s . Wenn wir auf neuem Weg eine Verbindung erhalten, die wir nach ihrem Schmelzpunkt mit einer schon bekannten für identisch halten, so können wir darüber einwandfrei entscheiden dadurch, daß wir den Schmelzpunkt eines innigen Gemisches der beiden Verbindungen feststellen. Ist A von B verschieden, so werden die beiden Stoffe als gegenseitige Verunreinigungen sich geltend machen, der Schmelzpunkt des Gemisches wird sinken, sind sie dagegen identisch, so bleibt der Schmelzpunkt unverändert. Bei der „ M i s c h s c h m e l z p r o b e " prüft
Qualitativer Nachweis des Kohlenstoffs, Wasserstoffs usw.
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man zweckmäßig die drei Proben (A, B und A -(- B) am gleichen Thermometer, an dem bei einiger Übung zu beiden Seiten und vorne je ein Röhrchen oder, wenn die Thermometerröhre genügend dick ist, alle drei vorne nebeneinander (in gleicher Höhe!) angebracht werden können. I n e i n e m Fall versagt die Mischprobe, nämlich bei i s o m o r p h e n Stoffen. Für die Bestimmung des S i e d e p u n k t e s mit kleinen Substanz mengen im Schmelzpunktapparat gibt es auch mehrere brauchbare Verfahren, z . B . das von S i w o l o b o f f 1 . Das S c h w e f e l s ä u r e b a d kann nicht ohne Gefahr für SchmelzPunktsbestimmungen oberhalb 250° verwendet werden; sobald sich Siedeerscheinungen zeigen, stelle man das weitere Erhitzen ein, rechne auch schon vorher mit der Möglichkeit, daß der Kolben springen könne. Höhere Temperaturen (bis 350°) erreicht man mit einem Schwefelsäurebad, in dem man in der Hitze K a l i u m s u l f a t aufgelöst hat. Dieses Heizbad erstarrt in der Kälte, da prim. Kaliumsulfat auskristallisiert; es muß daher vor Einbringen des Thermometers eben geschmolzen werden. Noch höhere Schmelzpunkte bestimmt man im Metallblock. Steigende Bedeutung kommt auch der mikroskopischen Schmelzpunktsbestimmung mit Hilfe des K o f i e r - B l o c k s zu; diese Methode ermöglicht die Beobachtung von Änderungen der Kristallstruktur und erlaubt eine exakte thermische Analyse 2 .
B. Elementar-analytische Methoden Qualitativer Nachweis des Kohlenstoffs, Wasserstoffs, Stickstoffs, Schwefels und der Halogene Prüfung aui Kohlenstoff und Wasserstoff: Verbrennt eine Substanz beim Erhitzen auf dem Platinblech mit Flamme (Ausnahmen: z. B. S), oder zersetzt sie sich unter Abscheidung von schwarzer Kohle, so ist sie als organisch anzusprechen. Gleichzeitig auf K o h l e n s t o f f und W a s s e r s t o f f kann man prüfen, indem man eine Probe der trockenen Substanz in einem kleinen Reagenzrohr mit ihrem mehrfachen Volumen ausgeglühten, feinen Kupferoxydes mischt, über die Mischung noch etwas Kupferoxyd schichtet, das Rohr durch einen Kork mit einem rechtwinklig gebogenen Entbindungsrohre verbindet und nun stark erhitzt. Trüben die entweichenden Gase klares Barytwasser (C0 2 ), so 1
B. 19, 175 (1885). L. K o f i e r und A. K o f i e r , Mikromethoden zur Kennzeichnung organischer Stoffe und Stoffgemische, Berlin 1945. a
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Elementar-analytische Methoden
enthält die Substanz K o h l e n s t o f f , während der W a s s e r s t o f f g e h a l t sich dadurch zu erkennen gibt, daß sich in dem oberen, kalten Teile des Reagenzrohres Wassertröpfchen ansetzen. Prüfung auf Stickstoff: Man erhitzt eine kleine Probe in einem Reagiergläschen von etwa 5 mm Weite und 6 cm Länge solange in einer Bunsenflamme mit einem halblinsengroßen Stückchen blanken Kaliums oder Natriums, welches man zwischen Filtrierpapier abgepreßt hat, bis meistens unter schwacher Verpuffung und Dunkelfarbung Zersetzung eintritt. Das schließlich bis zur R o t g l u t erhitzte Röhrchen taucht man noch heiß in ein kleines Becherglas ein, welches 5 ccm Wasser enthält, wobei das Röhrchen unter eventueller Entzündung des unverbrauchten Kaliums zerspringt (Abzug!). Man filtriert dann die wäßrige Lösung, welche bei Anwesenheit von Stickstoff Alkalicyanid enthält, von Kohle und Glassplittern ab, versetzt das Filtrat mit je zwei Tropfen Eisenvitriol- und Eisenchloridlösung, prüft, ob die Flüssigkeit alkalisch reagiert, und erhitzt, wenn dies der Fall ist, 1—2 Minuten, wobei sich bei Anwesenheit von KCN Ferrocyankalium bildet. Säuert man nun die alkalische Lösung nach dem Erkalten mit Salzsäure an, so lösen sich das abgeschiedene Eisenoxyd und Eisenoxydulhydrat auf, und das Ferrocyankalium reagiert mit dem Eisenchlorid in bekannter Weise unter Bildung von Berlinerblau. Bei Anwesenheit von S t i c k s t o f f erhält man demnach einen b l a u e n N i e d e r s c h l a g . Ist nur wenig Stickstoff in der Substanz vorhanden, so erhält man bisweilen im Anfang keinen Niederschlag, sondern nur eine blaugrüne Lösung. Läßt man diese längere Zeit, unter Umständen über Nacht, stehen, so scheidet sich ein Niederschlag ab. Bei der Prüfung l e i c h t f l ü c h t i g e r S u b s t a n z e n auf Stickstoff wende man ein längeres Rohr an und lasse die sich in dem kalten Teile kondensierende Substanz mehrfach auf das heiße Kalium zurückfließen. Bei Substanzen, welche ihren Stickstoff schon bei mäßiger Temperatur abgeben, wie z. B. D i a z o v e r b i n d u n g e n , kann dieser nicht in der beschriebenen Weise erkannt werden. Man muß in derartigen Fällen prüfen, ob bei der Verbrennung der Substanz mit Kupferoxyd in einer mit Kohlensäure gefüllten Röhre sich Gas bildet, welches von Kali nicht absorbiert wird (vgl. quantitative Bestimmung des Stickstoffs). Prüfung auf Schwefel: Die qualitative Prüfung auf Schwefel wird in der gleichen Weise wie die auf Stickstoff ausgeführt. Man glüht die Substanz in einem Röhrchen mit Natrium und versetzt die eine H ä l f t e der mit Wasser aufgenommenen und erkalteten Schmelze mit einigen Tropfen einer Nitroprussidnatriumlösung, welche man sich durch Schütteln einiger Körnchen des festen Salzes mit Wasser in der Kälte kurz zuvor darstellt. Eine v i o l e t t e F ä r b u n g zeigt die Anwesenheit von S c h w e f e l an. Da die Nitroprussidreaktion äußerst empfindlich ist und keinen Schluß auf die Menge des Schwefels zu ziehen gestattet,
Qualitativer Nachweis des Kohlenstoffs, Wasserstoffs usw.
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so versetzt man die zweite Hälfte der Flüssigkeit nach dem Filtrieren mit BleiacetaÜösung und säuert darauf mit Essigsäure an. J e nachdem hierbei nur eine dunkle Trübung oder ein mehr oder minder starker Niederschlag von Bleisulfid sich bildet, ist die Menge des Schwefels nur eine geringere oder eine größere. L e i c h t f l ü c h t i g e S u b s t a n z e n kann man meistens in dieser Weise nicht prüfen. Diese erhitzt man, wie unten bei der quantitativen Bestimmung des Schwefels angegeben, mit rauchender Salpetersäure in einem Bombenrohr auf etwa 200—300° und prüft die Lösung nach dem Verdünnen mit Wasser mit Bariumchlorid auf Schwefelsäure. Prüfung auf Halogene: C h l o r , B r o m und J o d kann man in organischen Verbindungen nur in s e l t e n e n Fällen direkt durch Fällen mit Silbernitrat nachweisen, da das Halogen meist nicht ionogen gebunden ist. Um homöopolar gebundenes Halogen zu erkennen, glüht man die zu prüfende Substanz in einem nicht zu engen Reagenzrohr über einer Bunsenflamme mit einem Überschuß von chemisch reinem Ätzkalk, taucht das noch heiße Rohr in wenig Wasser ein, wobei es zerspringt, säuert mit chemisch reiner Salpetersäure an, filtriert ab und versetzt mit Silbernitrat. In Verbindungen, welche k e i n e n S t i c k s t o f f enthalten, kann man, wie dies bei der Prüfung auf Stickstoff beschrieben ist, die Halogene durch Glühen mit Natrium nachweisen. In diesem Falle säuert man die von Glasscherben und Zersetzungsprodukten abfiltrierte Lösung mit reiner Salpetersäure an und fügt Silbernitrat hinzu. Sehr schnell und bequem lassen sich die Halogene durch die B e i i s t einsehe Probe erkennen. Ein Stückchen Kupferoxyd von der Größe einer Linse oder ein Stäbchen des Oxyds von % c m Länge wird mit einem dünnen Platindraht, der an ein Glasrohr angeschmolzen ist, umwickelt und in der Bunsenflamme solange ausgeglüht, bis die Flamme farblos erscheint. Bringt man nach dem Erkalten des Kupferoxydes eine winzige Menge einer halogenhaltigen Substanz darauf und erhitzt in dem äußeren Teile einer Bunsenflamme, so verbrennt zunächst der Kohlenstoff, und man beobachtet eine leuchtende Flamme. Diese verschwindet bald und macht einer g r ü n e n oder b l a u g r ü n e n Platz, welche durch verdampfendes Halogenkupfer hervorgerufen wird. Aus der Dauer der Färbung läßt sieh darauf schließen, ob die Substanz nur Spuren oder mehr Halogen enthält. Auch ein in einem Kork befestigtes Stück Kupferdraht kann zur Ausführung der B e i l s t ein sehen Probe Verwendung finden. I n n i c h t f l ü c h t i g e n S u b s t a n z e n lassen sich H a l o g e n und S c h w e f e l mit großer Sicherheit durch die S a l p e t e r s c h m e l z e ermitteln. Man verreibt 5—10 mg des Stoffs (nicht mehr!) mit 100 bis 200 mg Kaliumnitrat in einer kleinen Achatreibschale und erhitzt das
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Elementar-analytische Methoden
Gemisch in einem kleinen Reagenzglas vorsichtig über kleiner Flamme; Die Oxydation erfolgt unter schwacher Feuererscheinung und ist beendet, wenn die Schmelze farblos geworden ist. Nach dem Erkalten löst man in Wasser und bestimmt die gesuchten Elemente in bekannter Weise. (Reagentien zuvor auf Halogen- und Sulfationen prüfen!) Andere Elemente, die in organischen Verbindungen vorkommen, wie Phosphor, Arsen, weitere Metalloide und organisch gebundene Metalle, weist man nach, indem man die organische Substanz durch Oxydation (mit Salpetersäure im Einschlußrohr oder durch Schmelzen mit Salpeter oder Natriumperoxyd) zerstört und dann nach den üblichen analytischen Methoden die Prüfung vornimmt. Dem Bedürfnis nach einer qualitativen Aufklärung einer organischen Verbindung ist durch Ermittlung ihrer Elementarbestandteile nur zu einem geringen Teil Genüge getan. Die weitere und schwierigere Aufgabe ist, sie zu k l a s s i f i z i e r e n , auf Grund ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften und Reaktionen festzustellen, welcher Gruppe von Verbindungen sie angehört. Die Merkmale der wichtigsten organischen Gruppen (Alkohol-, Aldehyd-, Keton-, Ester-, Amid-, Nitril-, Nitro-, um nur einige zu nennen) zu erkennen, gesättigte, ungesättigte und aromatische Stoffe durch ihre Reaktionen voneinander zu unterscheiden, solche und noch viele andere Fragen experimentell zu beantworten, soll die Beschäftigung mit der präparativen organischen Chemie als unentbehrlichen Nebenzweck lehren. Der Praktikant soll nicht nur Übung erlangen in der synthetischen Darstellung von Stoffen aus den wichtigsten Verbindungsreihen, er soll auch mit seinen Präparaten vertraut werden, er soll sich in ihre c h a r a k t e r i s t i s c h e n R e a k t i o n s m e r k m a l e vertiefen, ihre stoffliche Eigenart durch gründliche experimentelle Betrachtung und Beobachtung in sich aufnehmen. Darum sollen die in der folgenden p r ä p a r a t i v e n A n l e i t u n g gebrachten Versuchsbeispiele, die diesem U n t e r r i c h t s zweck dienen, nicht auf die leichte S c h u l t e r genommen werden. Ihre A u s f ü h r u n g ist der rein p r ä p a r a t i v e n Tätigkeit an Bedeutung gleich zu achten. Die ernste Beachtung dieser Mahnung wird ihre Früchte tragen bei der Lösung der Aufgaben, die von der im Anschluß an den präparativen Teil auszuführenden Gruppen-Analyse (S. 364) gestellt werden.
Die quantitative organische Elementaranalyse Die quantitative Bestimmung der Elemente einer organischen Substanz geschieht mit Hilfe der E l e m e n t a r a n a l y s e . Hierbei werden Kohlenstoff und Wasserstoff nebeneinander bestimmt, während zur Bestimmung aller übrigen Elemente je eine besondere Analyse auszuführen ist.
I. Stickstoffbestimmung nach Dumas
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Die hier beschriebenen m e s o - a n a l y t i s c h e n Methoden mit Einwaagen von 20—30 mg sind auf der Grundlage des PregIschen Mikroverfahrens 1 von Dr. F. H ö l s c h e r ausgearbeitet worden. Die Waage: Bei einer Einwaage von 20—30 mg Substanz ist aus leicht ersichtlichen Gründen eine gewöhnliche Analysenwaage, deren Genauigkeit nur bis zu 0,1 mg geht, nicht verwendbar. Man benützt daher eine moderne Analysenwaage nach der Schwingungsmethode oder die Kuhlmannsche Schnellwaage oder eine ähnliche „ H a l b m i k r o w a a g e " mit einer Genauigkeitsgrenze von 0,01 mg. I. Stickstoffbestimmung nach Dumas Die abgewogene Substanz wird in einer mit Kohlensäure gefüllten Röhre durch glühendes Kupferoxyd verbrannt, wobei der K o h l e n -
Fig. 31
s t o f f zu K o h l e n d i o x y d , der W a s s e r s t o f f zu W a s s e r oxydiert wird, während S t i c k s t o f f als solcher entweicht und, über K a l i l a u g e aufgefangen, volumetrisch bestimmt wird. Auftretende S t i c k o x y d e werden durch eine glühende Kupferspirale zu S t i c k s t o f f reduziert. Zur Stickstoffbestimmung sind erforderlich: ein Schnabel-Verbrennungsrohr aus Supremaxglas (Länge ohne Schnabel 65 cm, äußere Weite 12 mm. Länge des Schnabels 3 cm, äußere Weite 3—3,5 mm, innere Weite 2 mm), 1 F. Pregl und H. Roth, Die quantitative organ. Mikroanalyse, SpringerWien 1947.
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Elementar-analytische Methoden
ein einfach durchbohrter, möglichst zylindrischer Gummistopfen, der in die weite Öffnung des Rohres paßt und der Rohrwand eng anliegen muß, drahtförmiges Kupferoxyd („zur Analyse"), langfaseriger Asbest, etwas Silberwolle, 2 Asbestplatten und eine 5 cm lange Eisendrahtnetzrolle. Kippscher Apparat, elektr. Verbrennungsofen, Azotometer, Nickelschale, Drahtnetzsieb, Wägegefäß und Mischrohr werden vom Laboratorium gestellt. Vorbereitungen L u f t f r e i e r K o h l e n d i o x y d - K i p p : Kleine Marmorstückchen werden in einer Porzellanschale mit verdünnter Salzsäure (1 Vol. HCl, D. 1,18 + 1 Vol. Wasser) Übergossen. Nachdem man die erste lebhafte Einwirkung abgewartet hat, gießt man den oben angesammelten Schmutz weg und spült die angeätzten Marmorstückchen mit Wasser ab. Nun füllt man die mittlere Kugel des Kippschen Apparates bis über die Hälfte mit dem Marmor; der Abschluß der unteren Kugel wird durch Glasscherben oder durch zwei halbkreisförmig gebogene Glasstäbchen bewirkt. An das innere Rohrende des Glashahnes, den man mittels eines schwach mit Vaseline gefetteten Gummistopfens im Tubus der mittleren Kugel befestigt, bringt man durch ein kurzes Schlauchstück ein hakenförmig nach oben gebogenes Glasrohr an, so daß das Gas beim Ausströmen vom höchsten Punkt der mittleren Kugel zuerst entfernt wird. Darauf füllt man den Apparat mit verdünnter Salzsäure (wie oben), bis außer der unteren Kugel noch die Hälfte der oberen Kugel gefüllt ist, und wirft zwei kleine Marmorstückchen in das Trichterrohr, so daß sie hier steckenbleiben und durch lebhafte Kohlendioxyd-Entwicklung die in der Salzsäure gelöste Luft entfernen; durch wiederholtes Öffnen und Schließen des Hahnes beschleunigt man die Entlüftung. Ein neu hergerichteter Kipp gibt in der Regel erst nach 2—3-tägigem Stehen — wenn die an der Glasoberfläche und dem Kautschuk adsorbierte Luft an die Kohlendioxyd-Atmosphäre abgegeben ist — ein ausreichend reines Kohlendioxyd. Dieses ist für die Bestimmung als einwandfrei zu betrachten, wenn die im Azotometer aufsteigenden „ M i k r o b l a s e n " zu mehreren vereinigt, oft einander überholend, mit gleichförmiger Geschwindigkeit aufsteigen. Ihr Durchmesser soll, mit der Lupe betrachtet, 1 / i des Teilstrichabstandes (etwa 1 / 5 mm) nicht übersteigen. Die Verbindung des Kohlendioxyd-Kipps mit dem Verbrennungsrohr geschieht durch ein Z - f ö r m i g g e b o g e n e s G l a s r o h r , dessen eines Ende zu einer dickwandigen, schwach konisch zulaufenden Capillare ausgezogen ist, die in die Bohrung des im Verbrennungsrohr steckenden Kautschukstopfens hineingeschoben wird. An das andere Ende ist ein auf der einen Seite etwas erweitertes, kurzes Glasrohr angesetzt, das mit Asbestivolle gefüllt wird, um Säurenebel zurückzuhalten. Das horizontal verlaufende Hahnrohr des Kippschen Apparates verbindet man durch ein mit wenig Glyzerin befeuchtetes Schlauchstück mit dem Z-förmigen Rohr, so daß die Rohrenden möglichst dicht aneinanderstoßen (siehe Figur 31).
Füllnng des Yerbrennungsrohres: Das Schnabelrohr wird zunächst mit Bichromat-Schwefelsäure gereinigt, mit destilliertem Wasser nachgespült und an der Wasserstrahlpumpe unter schwachem Erwärmen getrocknet. Zur Füllung des Rohres hält man sich einen Vorrat an grobem drahtförmigen Kupferoxyd („zur Analyse") und von feinerem Kupferoxyd, das man sich aus ersterem durch Zerdrücken (nicht Reiben!) in einer Reibschale herstellt, so daß man nach dem Absieben des Staubes
I. Stickstoffbestimmnng nach Dumas
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1—2 mm lange Drahtstückchen erhält. Vor Gebrauch wird das Kupferoxyd in einer Nickelschale ausgeglüht. Das gebrauchte Kupferoxyd ist nach dem Sieben und Glühen an der Luft sofort wieder gebrauchsfähig. Man hüte sich, das Kupferoxyd durch Lauge zu verunreinigen, da hierdurch stets zu niedrige Stickstoffwerte erhalten werden; hier hilft nur Auskochen mit Essigsäure und erneutes Glühen.
In das trockene Rohr bringt man zunächst zur Ausfüllung des konischen Rohrteils etwas Silberwolle; darauf schiebt man mit einem passenden Glasstab, dessen Kanten eben rund geschmolzen sind, etwas gereinigte und ausgeglühte Asbestwolle bis zum Schnabel vor und drückt sie dort mäßig zusammen, so daß ein 2—3 mm starker Asbestpfropf entsteht. Auf den Asbest füllt man eine 12 cm lange Schicht von grobem Kupferoxyd; durch seitliches Klopfen mit der flachen Hand bei senkrecht gehaltenem Rohr läßt man das Kupferoxyd mäßig fest aufsitzen; in gleicher Weise füllt man nun 6 cm feines und darauf 10 cm grobes Kupferoxyd ein. Diese „ b l e i b e n d e R o h r f ü l l u n g " wird durch einen zweiten, wenige Millimeter starken und schwach gestopften Asbestpfropf festgelegt.
In das so gefüllte Rohr leitet man nun vom weiten Rohrende aus einen mit saurer Permanganatlösung
gewaschenen Wasserstoff ström ein,
reduziert nach gründlicher Verdrängung der Luft die 6 cm lange Schicht von feinem Kupferoxyd unter mäßigem Erhitzen mit einem Bunsenbrenner und läßt im langsamen Wasserstoffstrom erkalten. Das frisch hergerichtete Rohr mit der „bleibenden Füllung" wird dann im elektrischen Verbrennungsofen in seiner ganzen Ausdehnung im Kohlendioxyd-Strom kräftig durchgeglüht und unter dem Druck des Kohlendioxyd-Kipps erkalten gelassen. Auch bei Nichtgebrauch bleibt das Rohr stets in Verbindung mit dem Kipp unter Kohlendioxyddruck stehen. Das Halbmikro-Azotometer: Das zum Auffangen des Stickstoffs dienende Halbmikro-Azotometer hat im Meßrohr, entsprechend der Substanzeinwaage von 20—30 mg, ein Fassungsvermögen von 8—lOccm; durch die Unterteilung in 0,02 ccm wird eine völlig ausreichende Genauigkeit gesichert. Das Gaseinleitungsrohr des Azotometers trägt einen angeschmolzenen Glashahn, dessen Griff zu einem längeren Hebelarm ausgezogen ist. Um die Feinregulierung noch zu steigern, wird das Hahnküken an seiner Bohrung mit zwei feinen, spitz zulaufenden seitlichen Einkerbungen versehen (Fig. 32), die man mit einer scharfen Dreikantfeile so anbringt, daß der Hebel nach oben bewegt werden muß, um dem Gas Durchlaß zu gewähren. Das Gaseinleitungsrohr des Azotometers wird mit dem Verbrennungsrohr durch ein im stumpfen Winkel gebogenes Capillarrohr verbunden, das an der Berührungsstelle im äußeren Durchmesser mit dem Hahnrohr übereinstimmt und mit diesem durch einen dickwandigen Gummischlauch verbunden wird, so daß die Rohrenden möglichst dicht aufeinandersitzen. Der horizontale Schenkel des Capillarrohres ist zu einer schwach konisch zulaufenden Spitze ausgezogen, die im äußeren Durchmesser genau mit dem Schnabel des Verbrennungsrohres übereinstimmt. Zur Verbindung dient ein 2,5—3 cm langes, mit wenig Glycerin befeuchtetes Stück englumigen Vakuumschlauches; man achte darauf, daß die Röhrenden möglichst dicht aneinanderstoßen. Beim Auseinandernehmen der Apparatur bleibt das Capillarrohr stets am Azotometer. Vor der Füllung reinigt man das
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Elementar-analytische Methoden
Azotometer mit Bichromat-Schwefdsäure. Der Verbindungsschlauch zwischen Niveaubirne und Azotometer wird mit Drahtligaturen gesichert. Von der Birne aus füllt man reines Quecksilber ein, bis dessen Niveau 1—2 mm über dem höchsten Punkt der Einmündungssteile des Einleitungsrohres steht. Die Hähne fettet man schwach mit Vaseline, von der die Einkerbungen frei zu halten sind. Zur Füllung des Azotometers dient 50-proz. Kalilauge (aus reinem „Ätzkali in Stengen"), die man durch Schütteln mit feingepulvertem Ätzbaryt (2 g auf 200 g Lauge) und Filtrieren durch ein t r o c k e n e s Filter völlig schaumfrei gemacht hat. Die Niveaubirne verschließt man durch einen Gummistopfen mit kurzem, zur Capillare ausgezogenem Glasrohr. Vorbereitung der Substanz: Feste Substanzen werden entweder l u f t t r o c k e n verbrannt oder vor der Analyse im evakuierten, mit Schwefelsäure gefüllten E x s i c c a t o r bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Es ist nicht zweckmäßig, die Substanz vorher bi3 zur Staubfeinheit zu pulverisieren; dadurch wird die Oberfläche nur unnötig vergrößert, was die Fig. 32 Wägung hygroskopischer Substanzen sehr erschwert. Wird das Lösungsmittel festgehalten, so trocknet man bei erhöhter Temperatur im Vakuum in der sog. T r o c k e n p i s t o l e oder bequemer im K u p f e r b l o c k - E x s i c c a t o r ( P r e g l ) , der sich durch Feineinstellung der den Kupferblock
Fig. 33 heizenden Mikroflamme leicht auf jede gewünschte Temperatur einstellen läßt (Fig. 33). Hygroskopische Substanzen werden im W ä g e s c h w e i n c h e n zur Wägung gebracht. Ausführung der
Verbrennung
Wägung: F e s t e S u b s t a n z e n werden in einem m i t Schliffstopfen v e r s e h e n e n b i r n e n f ö r m i g e n R ö h r c h e n , d a s gleichzeitig als M i s c h r o h r d i e n t , a b g e w o g e n . S e i n e W e i t e i s t d e r a r t , d a ß es b e q u e m a u f einige Zentimeter Länge in den zylindrischen E i n f ü l l t r i c h t e r , der auf das V e r b r e n n u n g s r o h r aufgesetzt wird, eingeführt werden k a n n . I n das Wägerohr, das m a n m i t einem u m einen d ü n n e n D r a h t gewickelten W a t t e b ä u s c h c h e n gereinigt h a t u n d d a s stets n u r m i t der P i n z e t t e a n g e f a ß t werden darf, bringt m a n eine kleine Menge feines Kupferoxyd u n d b e s t i m m t auf der W a a g e das Leergewicht auf 0,01 mg. D a s R ö h r c h e n wird dabei auf ein passend zurecht g e m a c h t e s Drahtgestell gelegt. D a n n füllt m a n mit einem dünnen Nickelspatel 20—30 m g Substanz ein u n d wägt erneut.
I. Stickstoffbestimmung nach Dumas
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F l ü s s i g k e i t e n bringt man in einer G l a s c a p i l l a r e zur Wägung. Aus einem Reagenzglas zieht man sich eine 2 mm weite Capillare und schneidet mit einem scharfen Glasmesser 7—-8 cm lange Stückchen ab. Zunächst schmilzt man (vgl. Fig. 34) die Glasmasse in der Mitte des Röhrchens über einer ganz kleinen, eben entleuchteten Bunsenflamme unter langsamem Drehen und ganz gelindem Zusammendrücken zusammen und zieht dann außerhalb der Flamme zu einem etwa 2,5 cm langen massiven Stäbchen aus. Durch Abzwicken in der Mitte mit dem Fingernagel erhält man 2 Capillaren mit massivem Handgriff. Auf den Boden der Capil- — " lare bringt man nun ein Kriställchen Kaliumchlorat, schmilzt vorsichtig über dem Flämmchen , und läßt erstarren. Nachdem man zwei winzige Körnchen von gereinigtem Bimsstein eingebracht , — | hat, läßt man das Röhrchen etwa 1 cm oberhalb des Bodens unter ganz gleichmäßigem und langsamem Drehen erweichen, zieht außerhalb der Flamme zu — / einer etwa 2 cm langen, feinen Capillare aus und bricht am Ende ab. Die Capillare wird mit einem feuchten F l a n e l l t u c h , danach mit einem sauberen -"S- 34 trockenen L e i n e n t u c h abgerieben und nach dem Auskühlen auf 0,01 mg genau gewogen. Die gewogene Capillare wird nun in ihrem zweiten Teil vorsichtig, ohne das Kaliumchlorat zu schmelzen, über dem Flämmchen erwärmt und in die Flüssigkeit getaucht. Nach dem Einsaugen der geeigneten Menge Flüssigkeit ergreift man die Capillare am Stiel und bringt bei nach oben gerichteter Capillare durch leichtes Aufklopfen mit der Hand oder durch geeignete Schleuderbewegung den Rest der Flüssigkeit aus der Capillare auf den Boden des Gefäßes. Um die Flüssigkeit aus der feinen Capillare völlig auszutreiben, zieht man sie einige Male rasch durch den äußeren Saum der Flamme, wischt außen ab und überzeugt sich, daß in der Capillare k e i n e V e r k o h l u n g eingetreten ist, dann schmilzt man die Spitze der Capillare zu, reibt mit einem feuchten Flanelltuch, dann mit einem reinen Leinentuch nach und bestimmt nach einigen Minuten des Abkühlens die Gewichtszunahme auf 0,01 mg genau. Die Füllung des Verbrennungsrohres erfolgt genau wie sonst bei der Stickstoffbestimmung, nur füllt man statt mit 0,5 cm mit 2—3 cm feinem Kupferoxyd auf, steckt die gewogene Capillare, nachdem man die Spitze und den Griff durch Abbrechen verkürzt hat, in ein 4 cm langes, frisch ausgeglühtes, oxydiertes Kupferdrahtnetzröllchen und läßt beides, die Capillare mit der Spitze voraus, in das schräg gehaltene Rohr gleiten. Danach füllt man wie gewöhnlich mit Kupferoxyd auf. Füllung des Yerbrennungsrohres und Zusammenstellen der Apparatur: Man setzt auf das Verbrennungsrohr den Einfülltrichter, den man sich aus einem weiten Reagenzglas herstellt, füllt zunächst 7 cm grobes, dann 0,5 cm feines Kupferoxyd ein und läßt durch seitliches Klopfen mit der Hand das Kupferoxyd im senkrecht gehaltenen Rohr mäßig aufsitzen. N u n überschichtet man die Substanz im Wägerohr mit einer 2 cm hohen Schicht von feinem Kupferoxyd, verschließt es mit dem Stopfen, schüttelt gut durch und entleert den Inhalt in das Verbrennungsrohr. In gleicher Weise spült man das Rohr 3—4 mal mit je 1—1,5 cm feinem Kupferoxyd nach, läßt durch Klopfen auch die feinen Staubteilchen in das Verbrennungsrohr gleiten und füllt schließlich noch 4—5 cm grobes Kupferoxyd ein. Darauf legt man das Rohr in den elektrischen Ofen, so daß auf der Schnabelseite 2 cm der Kupferoxyd4
G a t t e r m a n n , Praxis des organ. Chemikers. 35. Aufl.
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Elementar-analytische Methoden
füllung aus dem Ofen herausragen; zum Wärmeschutz schiebt man über das Schnabelende einen kleinen A s b e s t s c h i r m , der der Ofenwand anhegt. Über das andere Rohrende schiebt man eine 5 cm lange Rolle aus E i s e n d r a h t n e t z und einen kleinen A s b e s t s c h i r m zum Wärmeschutz für den Gummistopfen. Nun schaltet man den elektrischen Ofen ein, verschließt das weite Rohrende mit einem einfach durchbohrten Gummistopfen, schiebt die Capillare des Verbindungsrohres zum Kipp in die mit wenig Glycerin befeuchtete Bohrung, so daß sie eben aus dem Stopfen herausragt, und öffnet den K i p p s c h e n A p p a r a t . Nachdem man einige Minuten Kohlendioxyd durch das Rohr geleitet hat, schließt man am Schnabelende bei geöffnetem Einleitungshahn das A z o t o m e t e r an, dessen Kalilauge man durch Tiefstellen der Niveaübirne so weit als möglich in diese übergeführt hat. Nach weiteren 2 Minuten sind auch Verbindungsrohr und Hahnspindel ausgespült; nun füllt man bei geschlossenem Verbindungshahn das Azotometer, bringt die Niveaubirne wieder in ihre tiefe Lage, öffnet den Verbindungshahn vorsichtig, so daß alle Sekunden etwa 1—2 Blasen durchstreichen, und prüft auf Mikroblasen. Sind die Blasen noch nicht klein genug, so muß das Ausspülen wiederholt werden. Sobald man Mikroblasen erhält, schließt man den Kipp und öffnet den Verbindungshahn voll. Gleichzeitig schiebt man das Drahtnetzröllchen über die letzten Anteile des eingefüllten Kupferoxyds und stellt den beweglichen Bunsenbrenner so darunter, daß der von dem Röllchen geschützte Rohrteil in den Bereich der entleuchteten vollen Flamme hineinragt. Die eigentliche Verbrennung: Sobald der elektrische Ofen zum Glühen gekommen ist — 1 5 bis 20 Minuten nach dem Einschalten — und die von der Erhitzung des Rohrs durch den Bunsenbrenner bewirkte G a s e n t w i c k l u n g aufgehört hat, läßt man bei geschlossenem Verbindungshahn und eben über die obere Hahnspindel gehaltenem Niveaugefaß unter raschem Hin- und Herdrehen des Hahnkükens das angesammelte Gasvolumen samt mitgerissenen Unreinigkeiten in den oberen Becher, den man mit wenig Lauge füllt. Nun rückt man bei wieder gesenkter Niveaubirne und voll geöffnetem Verbindungshahn einige Millimeter mit der Drahtnetzrolle vor, wobei der Bunsenbrenner an das rückwärtige Ende zu stehen kommt. I n der gleichen Weise rückt man mit Rolle und Brenner bzw. elektrischer Vergasungsspule vor, solange man noch unter dem erlaubten Maß der Blasengeschwindigkeit ist; man achte peinlich darauf, daß n i e m e h r a l s 2 B l a s e n i n 3 S e k u n d e n in das Azotometer eintreten. Bei lebhafter Gasentwicklung, zumal wenn man an die Substanz herangekommen ist, wartet man daher etwas länger zu und rückt erst vor, wenn die Blasengeschwindigkeit wesentlich nachgelassen hat. Sobald man mit dem Bunsenbrenner am elektrischen Ofen angekommen ist, was 15 bis 25 Minuten erfordert, schließt man den Verbindungshahn, öffnet den Hahn des Kippschen
I. Stickstoffbestimmung nach Dumas
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Apparates voll und stellt nun den Verbindungshahn durch vorsichtige Bewegung des Feinstellhebels so ein, daß 2 Blasen in 3 Sekunden in das Azotometer eintreten; eine auch nur kurze Überschreitung dieser Geschwindigkeit ist sorgfaltig zu vermeiden. Nun glüht man während der nächsten 5—10 Minuten die bewegliche Kupferoxydschicht nochmals mit Drahtnetzrolle und Brenner kräftig durch, stellt dann den Brenner und nach weiteren 5 Minuten auch den elektrischen Ofen ab. Man hüte sich, das Verbrennungsrohr längere Zeit mit dem Brenner allein zu erhitzen, da es dann beim Erweichen des Glases unfehlbar aufgeblasen wird. Nach dem Abstellen der Heizung steigert man die Blasengeschwindigkeit auf 2 Blasen in der Sekunde. Sobald man im Azotometer wieder Mikrobläschen erhält, schließt man den Verbindungshahn, zieht die Kautschukverbindung vom Verbrennungsrohr, setzt auf dieses die Schlauchkappe und läßt unter Kohlendioxyd-Druck erkalten. Das Azotometer stellt man zum Auskühlen in einen etwas kühleren Raum (Barometer-Zimmer), wobei man zweckmäßig durch Heben der Birne auf gleiches Niveau im Meßrohr und Niveaugefäß einstellt. Nach 10 Minuten liest man ab, indem man den Meniskus in der hinter dem Meßrohr stehenden Niveaubirne mit dem im Meßrohr genau in eine Ebene bringt. Man liest den Teilstrich ab, der sich mit dem unteren Rand des Meniskus in derselben horizontalen Ebene befindet. Ferner liest man die T e m p e r a t u r (Thermometer im Azotometerbecher) und den B a r o m e t e r s t a n d ab. Berechnung der Analyse: Der Prozentgehalt an Stickstoff beträgt:
*'-"»(""'• r b - ^ i F - ' H Hierbei bedeuten: v das abgelesene Volumen Stickstoff in ccm, s die angewandte Substanzmenge in Milligramm, t die Temperatur, « = ¿ 3 = 0,003663,
b der Barometerstand, ß die Korrektur des Barometerstandes auf 0°, e die Tension der Kalilauge bei f 0 . 1 Fehlergrenze der Bestimmung: 0,3% nach oben, 0,1% nach unten. 1 Die Werte des eingeklammerten Ausdruckes der Formel für die verschiedenen Größen von (6 — ß — e) und t findet man in der Tabelle auf S. 400 und 401. Von dem abgelesenen Barometerstand 6 kann man mit hinreichender Genauigkeit
— für ß, — für e abziehen. Z. B.: abgelesen b — 738 mm, t = 20°; auf der Tabelle o O nachzuschlagen p = (738 — 2 , 5 — 4) = 731,5. Zur logarithmischen Berechnung benutzt man: Logarithmische Rechentafeln von Küster- Thiel- Fischbeck. f
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Elementar-analytische Methoden
II. Bestimmung von Kohlenstoff und Wasserstoff nach Liebig
Das Wesen der Methode besteht darin, daß eine abgewogene Menge Substanz im Verbrennungsrohr im Luft- oder Sauerstoff'Strom am Platinkontakt bzw. durch Kupferoxyd-Bleichromat oxydiert und die Oxydationsprodukte, K o h l e n d i o x y d durch Ä t z n a t r o n , W a s s e r durch C a l c i u m c h l o r i d , absorbiert und gewogen werden. Durch Anwendung einer „Universalfüllung" lassen sich alle Substanzen, gleichgültig, ob sie neben Kohlenstoff und Wasserstoff noch Stickstoff,
Halogen oder Schwefel enthalten, im gleichen Rohr analysieren. Auftretende S t i c k o x y d e werden an einer Schicht glühenden Kupfers zu S t i c k s t o f f reduziert, H a l o g e n wird durch S i l b e r w o l l e , S c h w e f e l durch S i l b e r w o l l e und B l e i c h r o m a t gebunden. Zur C, H-Bestimmung sind erforderlich: ein Schnabelverbrennungsrohr (wie für die N-Bestimmung), ein passender, einfach durchbohrter Gummistopfen, der der Rohrwand eng anliegen soll, ein Chlorcalcium-Absorptionsrohr, ein Natronasbest-Absorptionsrohr, zwei 1,5 bzw. 2 cm lange, mit Vaseline im Vakuum zu imprägnierende (vgl. S. 54) Verbindungsschlauchstücke aus e n g l u m i g e m Vakuumschlauch, ein 8—10 cm langes Stück 1 mm dicken Silberdrahts, 1,0 g Silberwolle, gereinigte Asbestwolle („Gooch-Tiegel-Asbest, zur Analyse"), grobes und feines Kupferoxyd, mit Bleichromat überzogenes Kupferoxyd (vgl. S. 56), Natronasbest („Merck", zur Mikroanalyse), gewöhnliche und bei 100° getrocknete Watte. Die Platingegenstände und die eigentliche Apparatur werden vom Laboratorium gestellt.
IL Bestimmung von Kohlenstoff und Wasserstoff nach Liebig
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Vorbereitungen Fällung des Gasometers mit Sauerstoff: Durch Öffnen der Hähne a und b (Fig. 36) füllt man den unteren Behälter vollständig mit Wasser. Nach Schließung der beiden Hähne schraubt man die V e r s c h l u ß k a p p e c ab, fuhrt einen Schlauch, der mit einer S ä u e r s t off b o m b e in Verbindung steht, in den Tubus bei c ein und füllt das Gasometer mit Sauerstoff. Nach Aufschrauben der Verschlußkappe, Füllen des oberen Behälters mit Wasser, Öffnen der Hähne a und b tritt bei b ein Sauerstoffstrom aus. Die Füllung des Gasometers mit Luft bedarf keiner näheren Beschreibung. Der Druckregler: Dieser Einrichtung kommt die wichtige Aufgabe zu, die gleichbleibende Geschwindigkeit des Gasstroms während der Verbrennung zu gewährleisten. Seine Wirkungsweise ergibt sich aus der Zeichnung (vgl. Fig. 35); er besteht im wesentlichen aus einem G l o c k e n g a s o m e t e r , der in ein mit Wasser, dem etwas N a t r o n l a u g e zugesetzt ist, bis zur Hälfte gefülltes Gefäß taucht und durch Verschieben in einer Korkringfassung die Einstellung jedes beliebigen Überdrucks bis zu etwa 15 cm Wassersäule gestattet. Die Glockengasometer der Druckregler werden mit den Vorratsgasometern durch lange Schläuche verbunden, die — wie alle Schlauchverbindungen vom Gasometer bis zum Verbrennungsrohr — sicherheitshalber „künstlich gealtert" sind, um die Abgabe verbrennlicher Bestandteile des frischen Kautschukschlauchs an das durchströmende Gas zu vermeiden. Neue Schläuche werden k ü n s t l i c h g e a l t e r t , indem man sie im Trockenschrank auf 100—110° (nicht höher!) erhitzt und gleichzeitig eine Stunde lang mit der Wasserstrahlpumpe Fig. 36 Luft durch sie hindurchsaugt. Die Verbindungsschläuche laufen durch einen P r ä z i s i o n s q u e t s c h h a h n , mit dessen Hilfe man den Zustrom aus den Vorratsgasometern so einstellt, daß in möglichst g r o ß e n Zeitabständen, etwa alle 10—15 Sekunden, eine Blase aus dem Glockengasometer entweicht. Die Ableitungsröhren der Glockengasometer werden durch künstlich gealterten Schlauch mit den Schenkeln eines D r e i w e g e h a h n e s verbunden, der eine bequeme Umschaltung vom einen auf den anderen Gasstrom erlaubt. Um die Konzentration der Kalilauge des auf den Dreiwegehahn folgenden B l a s e n z ä h l e r s aufrecht zu erhalten, schaltet man zwischen Glockengasometer und Dreiwegehahn ein kleines C h l o r c a l c i u m r ö h r c h e n , das mit g r o b e m Chlorcalcium gefüllt wird, ein. Der Blasenzähler und die Trockenapparatur: Der Blasenzähler ist an deh T r o c k e n a p p a r a t , ein mit Natronasbest und Chlorcalcium gefülltes U-Rohr mit zwei Schliffstopfen, angeschmolzen. Man füllt die gereinigte und getrocknete Apparatur, indem man von der dem Blasenzähler benachbarten Schlifföffhung aus einen größeren Wattebausch bis kurz vor den tiefsten Punkt der Biegung schiebt, das Ansatzrohr zum Blasenzähler vorläufig durch einen Wattewickel, den man mit einem Stahldraht einführt, verschließt, zunächst auf den Wattebausch unter Klopfen % cm gewöhnliches, nicht besonders getrocknetes Chlorcalcium füllt, diese Schicht durch einen kleinen Wattebausch festlegt und darauf Natronasbest („Merck", zur Analyse) bis kurz unterhalb des Ansatzrohres auffüllt. Nachdem man auch diese Schicht durch einen Wattebausch festgelegt hat, ersetzt man den Wattewickel im Ansatzrohr durch einen ganz lockeren Wattepfropf, füllt bis zum Schliff mit grobem, gewöhnlichem Chlorcalcium, schließt durch einen Wattebausch ab und setzt nach dem Auswischen des Schliffs den mit Vaseline gefetteten Glasstopfen ein, so daß der Schliff eben durchsichtig erscheint. Mit Hilfe eines ausgezogenen Glasrohres füllt man nun vom freien Ansatzrohr des Blasenzählers aus etwa SO-proz. schaumfreie Kalilauge ein, so daß
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Elementar-analytische Methoden
die Spitze des Zuführungsröhrchens eben in die Lauge eintaucht; das Rohr wird innen mit einem Wattewickel und auch außen sorgfältig gesäubert. Nun führt man von der anderen Schlifföffnung aus in das Ansatzrohr einen g e t r o c k n e t e n , lockeren Wattewickel ein, verschließt dieses Ansatzröhrchen mit einer S c h l a u c h k a p p e und füllt unter Klopfen bis zum Schliff mit hirsekorngroßem Chlorcalcium auf, das man vorher im Trockenschrank bei 180—200° getrocknet hat. Nach dem Festlegen der Chlorcalciumschicht durch einen g e t r o c k n e t e n Wattebausch dichtet man den Schliff mit Vaseline. Den Blasenzähler verbindet man nun durch einen 25 cm langen, künstlich gealterten Kautschukschlauch mit dem Dreiwegehahn. Die ganze Trockenapparatur ist, an einem Drahtbügel leicht beweglich, an einem Hakenstativ befestigt. Man muß p e i n l i c h d a r a u f a c h t e n , d a ß — solange kein Gasstrom durch die Trockenapparatur geht — das zum Verbrennungsrohr führende A n s a t z r o h r des T r o c k e n a p p a r a t e s s t e t s d u r c h eine S c h l a u c h k a p p e v e r s c h l o s s e n b l e i b t , um das Chlorcalcium vor der Berührung mit der feuchten Außenluft zu schützen. Ist das Chlorcalcium an der Austrittsstelle der Gase verdorben oder erschöpft — die Natronasbestfüllung hält viel länger vor —, so füllt man nach der Entfernung des Stopfens etwa in halber Höhe des Rohres mit frischem Chlorcalcium auf. Die Verbindung des Trockenapparates mit dem Verbrennungsrohr geschieht durch einen G l a s d o r n , den man sich aus einem im äußeren Durchmesser mit dem Ansatzrohr des Trockenapparates übereinstimmenden, schwach konisch ausgezogenen Capillarrohr herstellt; er wird mit einem Stück Vakuumschlauch, das im Vakuum mit geschmolzener Vaseline getränkt ist, mit dem Ansatzrohr verbunden und verbleibt stets am Trockenapparat; bei Nichtgebrauch des Trockenapparates ist der Glasdorn stets durch eine Schlauchkappe aus englumigem Vakuumschlauch verschlossen zu halten. Die Verbindungsschläuche für den Trockenapparat und die Absorptionsröhrchen tränkt man mit Vaseline im Vakuum, indem man 1,5 und 2 cm lange Stückchen e n g l u m i g e n Vakuumschlauchs auf einen Bindfaden aufreiht und in einem zu % mit geschmolzener Vaseline gefüllten Rundkolben in der Schmelze vollkommen untertaucht; dann verschließt man den Kolben mit einem Gummistopfen, wobei man die Enden des Fadens zwischen Stopfen und Kolbenhals klemmt und evakuiert bei W a s s e r b a d t e m p e r a t u r an der Wasserstrahlpumpe. Anfangs entweichen die okkludierten Gase unter starkem Schäumen; man hebt das Vakuum zeitweilig kurz auf und evakuiert, bis nur noch einzelne Blasen entweichen. Man erhitze nicht länger als % Stunde, da der Kautschuk sonst quillt; nach dem Abtropfen und Ab- und Auswischen sind die Schläuche gebrauchsfertig. Zur Verbindung mit dem Verbrennungsrohr schiebt man den Dorn in die Bohrung des im Yerbrennungsrohr sitzenden Gummistopfens, so daß die Spitze eben herausragt. Um das Ankleben des Kautschukstopfens zu vermeiden, befeuchtet man die Bohrung und die äußere Oberfläche mit einer Spur Glycerin und entfernt den Überschuß durch sorgfältiges Ab- und Auswischen mit Watte. Die Füllung des Verbrennungsrohres: In den Schnabel des gereinigten und trockenen Rohres bringt man vom weiten Rohrende aus einen 1 m m dicken Silberdraht, der eben aus dem Schnabel herausschaut und am anderen Ende zu einer flachen Spirale aufgerollt ist, so daß er im Rohr festliegt; durch seine gute Wärmeleitung verhindert er, daß sich im Schnabel Wasser kondensiert. N u n schiebt man einen Bausch Silberwolle mit einem passenden Glasstab, dessen Kanten eben rund geschmolzen sind, bis zum Schnabel vor und drückt ihn mäßig fest zusammen, so daß eine 0,7 cm lange Schicht entsteht. Darauf bringt man einen kleinen Bausch aus frisch aus-
II. Bestimmung von Kohlenstoff und Wasserstoff nach Liebig
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geglühtem Gooch-Tiegel-Asbest ins Rohr und drückt ihn mit dem Glasstab gegen die Silberwolle zu einer 2 mm langen Schicht schwach zusammen. Auf den Asbestpfropf füllt man 1,5 cm feines Kupferoxyd, das man durch einen gleichen Asbestpfropf abschließt. Hierauf folgt eine 5 cm lange Schicht aus feinem Kupferoxyd, das nach beendeter Rohrfüllung im Wasserstoffstrom reduziert wird (s. unten). Bei senkrecht gehaltenem Rohr läßt man das feine Kupferoxyd durch seitliches Klopfen mit der flachen Hand gut aufsitzen und legt es durch einen kleinen Asbestpfropf fest. Um zu verhindern, daß bei den unvermeidlichen Schwankungen in der Verbrennungsgeschwindigkeit eine plötzliche Änderung in der Strömungsgeschwindigkeit und damit die Gefahr auftritt, daß unverbrannte Dämpfe die Rohrfüllung passieren, bringt man an dieser Stelle der Rohrfüllung einen B r e m s p f r o p f aus Asbest an, der bewirkt, daß durch diese Zone in gleichen Zeiten stets nur gleiche Gasmengen durchstreichen. Zu diesem Zweck bringt man ausgeglühten langfaserigen Asbest in 3 Anteilen ins Rohr, wobei man jedesmal mit dem Glasstab ganz schwach zusammendrückt, so daß ein etwa 7 mm langer Asbestpfropf entsteht; man vermeide übermäßiges Zusammendrücken. Der Bremspfropf soll dem Gasstrom einen solchen Widerstand leisten, daß bei einem Überdruck von etwa 7—10 cm Wassersäule im Druckregler in der Minute 10 ccm Gas den Querschnitt passieren; die Menge des durchströmenden Gases bestimmt man mit Hilfe des Blasenzählers, den man zu diesem Zweck in der nachfolgenden Weise bei der Einrichtung des Bremspfropfens eicht. Da der Widerstand des Asbestpfropfens in der Wärme beträchtlich größer ist als in der Kälte, muß die Prüfung seiner Durchlässigkeit bei g e h e i z t e r Rohrfüllung erfolgen. Man schließt das Verbrennungsrohr mit dem Bremspfropfen an den Trockenapparat, schaltet die Heizung ein, stellt den Druckregler auf einen Überdruck von etwa 5—7 cm ein und bestimmt — sobald Temperaturgleichgewicht eingetreten ist — bei voller Öffnung des Dreiwegehahns in Luftstellung mit der Uhr die Anzahl der Blasen in 10 Sekunden; dann verbindet man den Schnabel des Verbrennungsrohres mit der Mariotteschen Flasche (s. unten) und senkt den Hebel so lange, bis man die gleiche Blasenzahl in 10 Sekunden erhält. Nun mißt man mit einem kleinen Meßzylinder während genau einer Minute das Volumen des aus dem Hebel der Mariottesehen Flasche abtropfenden Wassers. Aus Versuchsdauer und Blasenzahl errechnet man die „ K o n s t a n t e " des Blasenzählers. Die Durchlässigkeit des Bremspfropfens richtet man nun durch vorsichtiges Zusammendrücken unter jeweiliger Kontrolle der Blasenfrequenz im Blasjnzähler so ein, daß in der Minute 10 ccm Gas den Querschnitt des Rohres passieren; man geht dabei mit der Kubikzentimeterzahl eher etwas hinauf, (bis zu 12 ccm), da durch die auf den Bremspfropf folgende Rohrfüllung noch ein kleiner Widerstand hinzukommt. Die endgültige Eichung des Blasenzählers erfolgt erst nach beendeter Rohrfüllung.
Auf den Bremspfropf folgt eine 2 cm lange Schicht von Silherwölle, die man zweckmäßig in einem alten Verbrennungsrohr vorformt, so daß sie sich nur unter ziemlicher Reibung ins Rohr einführen läßt, um ein Zusammendrücken des Bremspfropfs zu vermeiden. Nachdem man die
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Elementar-analytische Methoden
Silberschicht durch einen kleinen lockeren Asbestpfropf abgeschlossen hat, füllt man unter beständigem Drehen und leichtem seitlichen Klopfen des Rohres (nicht durch Aufstauchen!) eine etwa 14 cm lange Schicht von mit Bleichromat überzogenem Kupferoxyd ein und legt sie durch einen lockeren Asbestpfropf fest. Mit Bleichromat überzogenes Kupferoxyd, stellt man sich aus grobem Kupferoxyd her, indem man dieses in einfacher Schicht auf einem kleinen Eisenblech ausbreitet, von oben her mit dem Gebläse auf möglichst hohe Glut bringt und feingepulvertes Bleichromat in dünner Schicht daraufstreut; das sofort schmelzende Bleichromat überzieht das Kupferoxyd mit einer festhaftenden Schicht, wobei die Stücke etwas zusammenkleben. Man dreht dann den Schmelzkuchen um und behandelt die Rückseite in gleicher Weise. Nach dem Erkalten zerdrückt man die Masse leicht im Mörser und siebt pulverförmige und allzugrobe Stücke aus.
Nach dem Einfüllen und Festlegen der Kupferoxyd-Bleichromatschicht durch einen lockeren Asbestpfropf reinigt man das Rohr sehr sorgfaltig mit einem großen Wattewickel, bis die W a t t e nicht mehr durch den Bleichromatstaub angefärbt wird. Auf die Kupferoxyd-Bleichromatschicht folgt dann eine 1,5—2 cm lange Schicht von Silberwolle, darauf ein kleiner lockerer Asbestpfropf und zum Abschluß eine 2,5 cm lange Schicht lockeren Platinasbests oder ein 3 cm langes Platin-Drahtnetzröllchen. Die zuletzt eingefüllte Silberschicht wird nach fünf hintereinander folgenden Verbrennungen h a l o g e n - oder s c h w e f e l h a l t i g e r V e r b i n d u n g e n erneuert. Das so gefüllte Rohr wird nun — wie oben beschrieben — nochmals auf seine Durchlässigkeit geprüft und der Blasenzähler endgültig geeicht. Nachdem man das Rohr in seiner ganzen Länge im t r o c k n e n Luftbzw. Sauerstoffstrom ausgeglüht hat, ist es für die Verbrennung s t i c k s t o f f r e i e r Verbindungen gebrauchsfertig. Die Verbrennung stickstofffreier Substanzen f ü h r t man vorteilhaft im S a u e r s t o f f s t r ö m — anstatt im Luftstrom — aus. F ü r die Verbrennung s t i c k s t o f f h a l t i g e r Substanzen wird die 5 cm lange Kupferoxydschicht in der bei der Stickstoffbestimmung beschriebenen Weise im Wasserstoff ström reduziert. Nach der Reduktion glüht man die Rohrfüllung eine halbe Stunde lang in einem schwachen, t r o c k e n e n Stickstoff ström aus, läßt unter Stickstoff erkalten und verdrängt dann den Stickstoff durch Luft. Die Kupferschicht wird frisch reduziert, wenn es notwendig erscheint, frühestens nach vier Bestimmungen. Bei sorgfältiger Behandlung h a t das Verbrennungsrohr eine Lebensdauer von 100 und mehr Analysen. Die Absorptionsapparate und ihre Füllung: Zur Absorption des bei der Verbrennung gebildeten W a s s e r s und K o h l e n d i o x y d s benutzt man A b s o r p t i o n s r ö h r c h e n aus dünnwandigem Glas mit zwei Hahnschliffen (nach B l u m e r - B e r g e r , Fig. 37). Die Ansatzröhrchen sollen in ihrem äußeren Durchmesser unter sich und mit dem des Rohrschnabels streng übereinstimmen. Der eine Schliffstopfen des Chlorcalcium-Rohres
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ist zu einem „ W a s s e r s a c k " umgebildet, indem der Stopfen einen Boden mit feinem Loch erhält, auf das ein Capillarrohr aufgeschmolzen ist. Man füllt das gereinigte und getrocknete C h l o r c a l c i u m - R o h r , indem man zunächst den Schliffstopfen mit Capillare leicht mit Vaseline einfettet, wobei man die oberen 2 mm ausspart bzw. mit einem Tuch von Vaseline befreit, damit beim Einfügen des Stopfens kein Hahnfett austreten kann. Der Glasschliff soll eben durchsichtig sein; der Stopfen soll sich nur unter beträchtlicher Reibung drehen lassen. Überschüssige Vaseline entfernt man aus der Hahnöffnung und dem Ansatzrohr sorgfältig mit einem Wattewickel. Auf den Schliffstopfen bringt man nun einenkleinen Wattebausch, — füllt zunächst 1 cm grobkörniges Chlorcalcium auf, legt die Schicht durch einen kleinen Wattebausch fest und füllt nun unter leichtem seitlichen Klopfen hirsekorngroßes, vorher bei 180—200° getrocknetes Chlorcalcium bis kurz unter den Schliff ein. Nach dem Festlegen dieser Schicht durch einen g e t r o c k n e t e n Wattebausch führt man in den sorgfältig ausgewischten Schliff den wie oben mit Vaseline gefetteten Schliffstopfen ein, dessen Hohlraum mit einem lockeren, g e t r o c k n e t e n Wattebausch ausgefüllt wird. Fig. 37 Da das Chlorcalcium b a s i s c h e Bestandteile enthält, muß die Füllung vor Benützung des Absorptionsrohrs durch Kohlendioxyd abgesättigt werden. Zu diesem Zweck schließt man das zum Wassersack führende Ansatzrohr unter Zwischenschaltung eines Trockenrohres an den Kippschen Apparat an, leitet 10 Minuten lang einen kräftigen Kohlendioxydstrom durch und läßt % Stunde verschlossen unter dem Druck des Kipps stehen. Nachdem man mit der Mariotteschen Flasche 200 ccm trockene Luft durch das Bohr gesaugt hat, ist das Bohr gebrauchsfertig.
Eine Füllung reicht für mindestens 15 Analysen; man erneuert die Füllung zweckmäßig mit der Neufüllung des Natronasbest-Rohres. Das gereinigte und getrocknete N a t r o n a s b e s t - R o h r wird gefüllt, indem man nach sachgemäßer Einführung des gefetteten Schliffstopfens, dessen Hohlraum von einem lockeren Wattebausch ausgefüllt wird, auf diesen einen kleinen Wattebausch bringt, dann unter leichtem seitlichen Klopfen ZU 2 / 3 mit Natronasbest („Merck") auffüllt, die Schicht durch einen kleinen Wattebausch abschließt, nun % cm gewöhnliches, nicht besonders getrocknetes Chlorcalcium einfüllt, erneut durch einen lockeren Wattebausch abschließt und darauf bis kurz unterhalb des Schliffes bei 180—200° getrocknetes hirsekorngroßes Chlorcalcium einfüllt; die Schicht wird nun durch einen Bausch g e t r o c k n e t e r Watte
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abgeschlossen und der mit Vaseline gefettete Schliffstopfen eingesetzt. Das Rohr ist sogleich gebrauchsfertig. Die Füllung reicht f ü r mindestens 15 Bestimmungen. I n dem Maße, wie der Natronasbest Kohlensäure aufnimmt, wird die schmutziggraue Farbe des Absorptionsmittels bedeutend heller und man erkennt an dem F a r b u m s c h l a g ohne weiteres, ob die Füllung für die nächste Analyse noch ausreichend ist. Sobald der Natronasbest bis auf 1 cm Schichtlänge verbraucht ist, erneuert man die Rohrfüllung. Da die D a m p f t e n s i o n über dem Natronasbest geringer ist als über dem scharf getrockneten Chlorcalcium, muß man zwischen diese beiden Schichten etwas g e w ö h n l i c h e s , nicht besonders getrocknetes Chlorcalcium einschalten. Die Absorptionsröhrchen werden unter sich durch ein 2 cm langes, mit dem Verbrennungsrohr durch ein 1,5 cm langes Stück e n g l u m i g e n Vakuumschlauchs, der vorher im Vakuum mit Vaseline getränkt ist (vgl. S. 54), verbunden, wobei man darauf achtet, daß die Enden der Ansatzröhrchen, die vorsichtig ohne stärkere Verrundung glattgeschmolzen sind, möglichst d i c h t aneinanderstoßen. U m sich von eventuellen Abweichungen im Rohrdurchmesser unabhängig zu machen, kennzeichnet man die Verbindungsschläuche zweckmäßig durch einen Pfeil in der Stromrichtung und schließt sie stets in dieser Richtung an. Damit der Kautschuk besser gleitet, befeuchtet man die Schläuche innen mit einer Spur Glycerin, indem man einen mit einer minimalen Menge Glycerin befeuchteten Wattewickel durch die Bohrung schiebt; es ist unbedingt notwendig, danach jeglichen Überschuß a n Glycerin durch einen trockenen Wattewickel sorgfaltig zu entfernen. Die Mariottesche Flasche: Da die dichtgefüllten Absorptionsgefäße dem Gasstrom einen Widerstand von einigen Zentimeter Wassersäule bieten, muß bei Anschaltung der Absorptionsapparate allein an der Verbindungsstelle zwischen Rohrschnabel und Chlorcalciumrohr notwendig Überdruck herrschen; dadurch wird aber die quantitative Erfassung der Verbrennungsprodukte stark gefährdet, da bei ihrer hohen Konzentration an dieser Stelle die Möglichkeit von Verlusten nach außen in gesteigertem Maße gegeben ist. Die wirksamste Gegenmaßnahme besteht darin, im Innern der Verbindungsstelle möglichst Atmosphärendruck herzustellen. Dies erreicht man durch Anschaltung der Mariotteschen Flasche, die es gestattet, einen bestimmten, leicht zu verändernden Unterdruck in den Absorptionsapparaten zu erzeugen. Die Einrichtung der Mariotteschen Fla^eha ergibt sich aus der Zeichnung. Das H e b e l r o h r wird durch einen Korkstopfen (nicht Gummistopfen) in den Tubus der K l ä r f l a s c h e eingepaßt, wodurch sich der Hebel in jede beliebige Stellung bringen läßt. Das zweimal rechtwinklig nach unten gebogene E i n l e i t u n g s r o h r trägt einen Glashaha, der es ermöglicht, die Mariottesche Flasche ohne Veränderung des in eine bestimmte Lage eingestellten Hebels abzuschalten; ein gewöhnlicher Kautachukachlauch verbindet da3 Rohr mit dem rechtwinklig abgebogenen Ansatzröhrchan eine3 kleinen C h l o r c a l c i u m r o h r s . Bei der Analyse wird da3 Chlorcalciumrohr direkt an das Natronasbest-Rohr angeschlossen, bei Nichtgebrauch aber durch eine S c h l a u c h k a p p e verschlossen.
II. Bestimmung von Kohlenstoff und Wasserstoff naoh Liebig
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A u s f ü h r u n g der Verbrennung Wägung: Die Hauptschwierigkeit bei der Wägung der Absorptionsa p p a r a t e liegt in der Umgehung der Fehler, die durch die besondere, mit den äußeren Umständen stark schwankende Beschaffenheit der die Glasoberfläche bedeckenden W a s s e r h a u t gegeben sind. Zu diesem Zweck müssen die Absorptionsgefaße vor und nach der Analyse in ganz der gleichen Weise behandelt und nach genau gleichen Zeiten zur Wägung gebracht werden, da nur unter diesen „übereinstimmenden Zuständen" die Gewichtsdifferenz genau definiert ist. Das sachgemäß gefüllte Natronasbest-Rohr wird zunächst mit einem Paar schwach angefeuchteter F l a n e l l a p p e n und darauf mit zwei R e h l e d e r l a p p e n sorgfaltig und allseitig abgewischt, indem man die Läppchen von der Mitte her unter sanftem Druck und drehender Bewegung über die Glasoberfläche gleiten läßt; übermäßiges Reiben, zumal unter starkem Druck, muß vermieden werden. Die Ansatzröhrchen werden nun mit einem sauberen, um einen Eisendraht gedrehten Wattewickel, der eben in die Röhrchen Fig. 38 paßt, ausgewischt; man hüte sich, zu nahe an den Hahnschliff zu kommen, da sonst leicht etwas Vaseline entfernt wird. Zum Schluß werden die Absorptionsröhrchen mit einem Paar trockener R e h l e d e r l ä p p c h e n , die leicht und ungehemmt über die Oberfläche gleiten sollen, nochmals abgewischt. Das Röhrchen wird dann, ohne daß man es mit den Fingern berührt, auf einem D r a h t gesteil (Federhalterständer) unmittelbar neben der Waage abgelegt; man notiere sich genau die Zeit des Ablegens. In der gleichen Weise wird das Chlorcalcium-Rohr zur Wägung vorbereitet. Während der Zeit des Auskühlens wägt man zweckmäßig die Substanz ein (s. unten). Nun bestimmt man den N u l l p u n k t der Waage. Dann erfaßt man das Natronasbest-Rohr, das nach dem Abwischen nicht mehr mit den Fingern berührt werden darf, mit dem trockenen Rehlederläppchen, führt durch kurzes Öffnen des Hahnes D r u c k a u s g l e i c h herbei und legt es mit Hilfe der A l u m i n i u m - D r a h t g a b e l (Fig. 38) auf einen kleinen D r a h t b ü g e l , auf dem es in zwei Punkten unterstützt ruht, auf die linke Waagschale. Darauf setzt man die Tara auf (für die Tara sind stets die gleichen Gewichtsstücke zu verwenden) und bestimmt 10 Minuten nach dem Abwischen der Röhrchen das u n g e f ä h r e Gewicht, wobei man es durch Auflegen von Zentigramm-Gewichtsstücken so einrichtet, daß der Reiter möglichst an den A n f a n g des Reiterlineals zu stehen kommt. In der 15. Minute bestimmt man das genaue
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G e w i c h t . Unmittelbar im Anschluß daran bestimmt man das Gewicht des Chlorcalcium-Rohres. Nach Beendigung der Verbrennung werden die Absorptionsgefaße nach genau gleicher Vorbehandlung nach der gleichen Zeit gewogen. Hat man in der 15. Minute das genaue Gewicht bestimmt, so legt man rasch die dem Zuwachs entsprechende Zahl von Zentigramm-Gewichtsstücken auf, setzt den Reiter in die entsprechende Kerbe am Anfang des Reiterlineals und kontrolliert nochmals den Ausschlag, der nun wegen der Abweichung der Gewichtsstücke von den Angaben des Reiters etwas verschieden sein wird. Damit erreicht man, daß man die Wägung nach der nächsten Verbrennung mit dem Reiter allein — ohne Zuhilfenahme eines Zusatzgewichtes, das man erst zu eichen hätte — durchführen kann. Die S u b s t a n z wird im offenen P l a t i n s c h i f f c h e n eingewogen; h y g r o s k o p i s c h e Substanzen wägt man im W ä g e s c h w e i n c h e n ab. Das P l a t i n S c h i f f c h e n wird zur Reinigung im Reagenzglas mit verdünnter Salpetersäure ausgekocht, am Platindraht in der entleuchteten Bunsenflamme kurz ausgeglüht und zum Auskühlen etwa y 3 Minute lang auf einen vernickelten K u p f e r b l o c k gestellt. Das leere Schiffchen wird mit der Pinzette auf die Waagschale gebracht und sorgfaltig auf 0,01 mg genau gewogen. Nach dem Einfüllen der Substanz, wozu man das Schiffchen auf ein sauberes Stück Papier abstellt, wischt man es außen sauber mit einem feinen Haarpinsel ab und bestimmt mit einer Genauigkeit von 0,01 mg die Gewichtszunahme. Für C,H-Bestimmungen wägt man 20—30 mg ein. Nach der Einwaage bringt man das Schiffchen auf den Kupferblock zurück und bedeckt diesen mit einer kleinen Glasschale. Die Verbrennung Zweckmäßig hat man noch während der Auskühlungszeit der Absorptionsapparate den e l e k t r i s c h e n Ofen eingeschaltet, wobei man durch das Rohr L u f t im Analysentempo durchströmen läßt 1 . War das Rohr vorher nicht besonders getrocknet oder hat es längere Zeit unbenutzt gestanden, so erhitzt man vor Beginn einer Analysenserie den leeren Rohrteil, nachdem der Ofen seine Temperatur erreicht hat, kurze Zeit im L u f t s t r ö m mit dem Bunsenbrenner unter Benutzung des D r a h t n e t z r ö l l c h e n s , indem man 1 cm vom Kautschukstopfen, den man durch einen A s b e s t s c h i r m sorgfältig abschirmt, beginnt. Ist man 1
Dabei beobachtet man in der ersten Zeit des Anheizens, ohne daß der Druckregler seinen Stand ändert, eine merkliche Verminderung der B l a s e n f r e q u e n z im Blasenzähler, da der Bremspfropf einen sofortigen Ausgleich des durch die Temperatursteigerung bedingten Druckanstiegs verhindert. Jeder Druckanstieg im Rohr bedingt also ein Nachlassen der Blasenfrequenz, was bei der Analyse die genaue Verfolgung des Verbrennungsvorganges sehr erleichtert.
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mit dem Bunsenbrenner beim elektrischen Ofen angelangt, so entfernt man den Brenner und schiebt das Drahtnetzröllchen an das Rohrende zurück, damit der dem elektrischen Ofen benachbarte Rohrteil zur Aufnahme des Schiffchens mit der Substanz wieder auskühlt. Nachdem man die A b s o r p t i o n s a p p a r a t e gewogen hat, schiebt man über das zum Wassersack führende Ansatzrohr des C h l o r c a l c i u m Rohres zur Hälfte den 1,5 cm langen Verbindungsschlauch, fügt das andere Rohrende durch die 2 cm lange Schlauchverbindung an das direkt zur Natronasbestfüllung führende Ansatzrohr des N a t r o n a s b e s t - R o h r e s , so daß die Rohrenden möglichst dicht aneinander passen, und befestigt die Absorptionsapparate im Halterstativ. Nun überprüft man mit der Uhr rasch die B l a s e n fr e q u e n z des Luftstromes in 10 Sekunden und ändert, wenn nötig, die Stellung des D r u c k reglers, so daß man eine Stromgeschwindigkeit von 9—10 ccm Luft (bzw. Sauerstoff) in der Minute erzielt, was sich aus der Blasenzahl des geeichten Blasenzählers ergibt. Das „Versagen" des Blasenzählers hat oft seinen Grund darin, daß die Lauge bei längerem Gebrauch eingeengt ist; man füllt dann frische (evtl. etwas verdünntere) Lauge nach, hat aber dann den Blasenzähler neu zu eichen. Eine andere Fehlerquelle ist durch das Verkleben des Chlorcalciums im Trockenapparat bzw. in dem am Glockengasometer befindlichen Trockenrohr gegeben. Das Zurücksteigen der Lauge aus dem Blasenzähler in den zum Dreiwegehahn führenden Gummischlauch ist peinlichst zu vermeiden.
Nun schließt man das Chlorcalcium-Rohr dicht an den Schnabel des V e r b r e n n u n g s r o h r e s an und verbindet das Natronasbest-Rohr mit dem Chlorcalcium-Rohr der Mariotteschen F l a s c h e . Darauf entfernt man den Kautschukstopfen aus dem Verbrennungsrohr, schiebt das Stativ mit dem Trockenapparat nach rückwärts, um freien Raum zu haben, hebt den Kupferblock mit dem S c h i f f c h e n an die Rohrmündung, bringt das Schiffchen mit der Pinzette in die Mündung, schiebt es mit einem geeigneten sauberen Glasstab, ohne daß es zum Umkippen kommt, auf 4—5 cm bis zum elektrischen Ofen vor, fügt den, eventuell mit einem Hauch Glycerin befeuchteten Kautschukstopfen locker in das Rohr und schiebt unter leichtem Druck den Dorn des Trockenapparates in die Bohrung des Stopfens, so daß die Spitze im Innern des Rohres eben herausschaut. Das Einführen der Substanz muß möglichst rasch geschehen, damit keine Feuchtigkeit aus der Luft ins Rohr gelangt. Jetzt öffnet man die Hähne der Absorptionsapparate und den Hahn an der Mariotteschen Flasche und überzeugt sich, ob man die alte, früher ermittelte B l a s e n fr e q u e n z im Zähler erhält; eine Abweichung von 1—2 Einheiten von der Zahl der Blasen in 10 Sekunden wirkt nicht störend. Wenn nötig, stellt man die frühere Blasenfrequenz durch Senken oder Heben des Hebels der Mariotteschen Flasche erneut ein. Das während der Analyse aus der Mariotteschen Flasche abtropfende
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Elementar-analytische Methoden
Wasser wird in einem 500 ccm-Meßzylinder aufgefangen. Dann legt man den K u p f e r d r a h t - B ü g e l , der die Abwärme des elektrischen Ofens überträgt, auf den Rohrschnabel und das Ansatzrohr des Chlorcalciumrohres, so daß das Metall das Glas berührt; dadurch wird die Kondensation von Wasser in den Ansatzröhren sicher vermieden. Nun beginnt man mit der eigentlichen Verbrennung. Man achte darauf, daß der Glockengasometer während der Analyse stets mit Luft (bzw. Sauerstoff) gefüllt bleibt, so daß etwa alle 10 bis 15 Sekunden eine Blase entweicht. Sobald das Rohr im Innern des Ofens auf Rotglut gekommen ist, schiebt man das 5 cm lange Drahtnetzröllchen vor, so daß es mit seinem vorderen Rand fast an das Schiffchen heranreicht, und stellt die volle, entleuchtete Flamme des Bunsenbrenners an das rückwärtige Ende der Drahtnetzrolle. Die wegen der Erwärmung eintretende Verringerung der Blasenfrequenz geht nach kurzer Zeit zurück. Im allgemeinen wird die im rückwärtigen Teil des Schiffchens befindliche Substanz nach wenigen Minuten zu schmelzen oder zu destillieren bzw. zu sublimieren beginnen. Man mache sich zur Regel, erst dann mit dem D r a h t n e t z r ö l l c h e n und Bunsenbrenner v o r z u r ü c k e n , wenn die an der S u b s t a n z eintretenden Veränderungen vollkommen a b g e k l u n g e n sind. Dann schiebt man etwa alle 2 Minuten das Drahtnetzröllchen um 2—3 mm vor und rückt mit dem Brenner nach, so daß dieser stets an das rückwärtige Ende der Rolle zu stehen kommt. Dabei vermindert sich die B l a s e n f r e q u e n z im Blasenzähler vorübergehend; man richte das Vorrücken so ein, daß die Blasenzahl sich möglichst wenig verringert, damit man stets einen Überschuß an Sauerstoff zur Verfügung hat; man rückt erst dann in gleicher Weise vor, wenn die ursprüngliche Blasenfrequenz wieder erreicht ist. Außer dem Verhalten der S u b s t a n z h a t man also s t e t s auch den B l a s e n z ä h l e r zu beobachten. Man hüte sich, zu rasch vorzugehen, da sonst die Dämpfe ins Rohr zurückschlagen, keinesfalls soll der Blasenzähler zum Stillstand oder gar zum Zurücksteigen kommen. In den meisten Fällen bildet sich am Boden des Rohres unmittelbar vor dem Platinschiffchen durch Kondensation ein großer F l ü s s i g k e i t s t r o p f e n ; das erleichtert die sachgemäße Leitung des Verbrennungsvorganges sehr wesentlich, da sich die Auswirkung der Temperaturregulierung an der Veränderung des Tropfens sehr scharf beobachten läßt. Die ganze Kunst des Verbrennens besteht dann im l a n g s a m e n , geduldigen Vergasen des T r o p f e n s , wobei man beachte, daß die Wärmeleitung sehr gesteigert wird, sobald man mit dem Brenner an das Platinschiffchen rückt; man hat daher entsprechend langsamer vorzugehen. Sobald die letzten Anteile der Flüssigkeit verdampft sind, erhitzt man das Rohr an der Stelle, an der das Platinschiffchen liegt, mit der Bunsenflamme ohne Drahtnetz, bis das Rohr und das Schiffchen eben zum Glühen kommen; in gleicher Weise bringt man den Rohrteil bis zum elektrischen Ofen
II. Bestimmung von Kohlenstoff und Wasserstoff nach Liebig
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unter raschem "Vorgehen auf dunkle Rotglut; die bei der Zersetzung der Substanz abgeschiedene K o h l e läßt sich so zumeist rasch verbrennen; wenn notwendig, richtet man die Flamme auch von oben her gegen das Rohr. Bildet sich bei der Zersetzung der Substanz eine an der Rohrwand festhaftende schwer verbrennliche K o h l e , so hilft oft ein kleiner Kunstgriff, der darin besteht, daß man die Kohle vorübergehend auskühlen läßt, wobei sie Sauerstoff absorbiert und bei erneutem Glühen rasch verbrennt, zumal wenn man nach dem Vergasen der flüssigen Anteile auf einen S a u e r s t o f f s t r o m gleicher Blasenfrequenz umgeschaltet hat. Das wird aber nur bei sehr schwer verbrennlicher Kohle notwendig sein. Hat man im Sauerstoffstrom verbrannt, so schaltet man, sobald die Kohle restlos verbrannt ist, auf den L u f t s t r om zurück, um die reduzierte Kupferschicht zu schonen. Oftmals beobachtet man noch während der Verbrennung ein ziemliches Ans t e i g e n der B l a s e n f r e q u e n z im Blasenzähler; das hat seinen Grund darin, daß durch die lebhafte Absorption des entwickelten Kohlendioxyds im Natronasbestrohr ein gewisser U n t e r d r ü c k entsteht; zu gleicher Zeit läßt die Tropfgeschwindigkeit der Mariotteschen Flasche nach oder kommt gar vorübergehend zum Stillstand. Diese Störung ist bedeutungslos. Es besteht zwar die Gefahr, daß bei eventuellen kleinen Undichtigkeiten am Schnabel Luft eingesaugt wird; die dadurch bedingten Abweichungen haben aber bei der kurzen Dauer der Erscheinung keinen nennenswerten Einfluß auf die Bestimmung. Selbstverständlich ist eine „Nachregulierung" der Mariotteschen Flasche während der Dauer dieser Erscheinung zu u n t e r l a s s e n ; nach kurzer Zeit stellt sich die alte Tropfgeschwindigkeit von selbst wieder ein.
Sobald man mit dem Bunsenbrenner am elektrischen Ofen angelangt ist, wozu im allgemeinen 15—20 Minuten, nur bei sehr schwer verbrennbaren Substanzen bis zu 30 Minuten erforderlich sind, rückt man mit dem Röllchen und dem Brenner wieder an das Rohrende und schiebt den elektrischen Ofen soweit zurück, daß die reduzierte K u p f e r schicht zum größten Teil aus dem Ofen herausragt; damit erreicht man, daß diese reduzierte Schicht für die nächsten Analysen geschont wird. Von diesem Augenblick an leitet man, um die Überführung der Verbrennungsprodukte in die Absorptionsapparate vollständig zu machen, noch 180 ccm L u f t durch das Rohr. Während des Luftdurchleitens glüht man den leeren Teil des Rohres, 1 cm vom Kautschukstopfen aus beginnend, nochmals kurz mit Brenner und Röllchen durch. Sind 150 ccm Wasser abgeflossen, so schaltet man den elektrischen Ofen aus; nach Beendigung des Luftdurchleitens schließt man den Hahn der Mariotteschen Flasche, dann die Absorptionsgefäße, entfernt sie vom Verbrennungsrohr und läßt dieses, mit einer Schlauchkappe verschlossen, unter dem Druck des Luftgasometers erkalten, so daß es für die nächste Analyse sofort gebrauchsfertig ist. Die Absorptionsgefaße gelangen nach entsprechender Vorbehandlung (s. unten) zur Wägung. Flüssige Substanzen: Die Einwaage geschieht in einem etwa 4 cm langen, an der offenen Seite mit Glasfüßen versehenen und mit Schliff-
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Elementar-analytische Methoden
stopfen verschließbaren Röhrchen ( „ W ä g e s c h w e i n c h e n " ) aus Supremaxglas 1 . Am geschlossenen Ende ist ein Häkchen aus Glas angeschmolzen, an dem das Röhrchen mit Hilfe eines gebogenen Drahtes im Verbrennungsrohr bewegt werden kann. In das gereinigte Röhrchen bringt man einen kleinen Kristall von Kaliumchlorat, den man über kleiner Flamme gerade schmelzen und dann wieder erstarren läßt. Nach dem Erkalten wägt man das so vorbereitete Röhrchen in einem passenden Drahtgestell auf 0,01 mg genau und füllt aus einer feinen Capillare 20—30 mg der zu analysierenden Flüssigkeit ein. Leicht flüchtige Substanzen werden im Röhrchen mit aufgesetztem Schliffstopfen gewogen. Zur Verbrennung schiebt man das beschickte Röhrchen, mit der offenen Seite zur Rohrfüllung gerichtet, in das Verbrennungsrohr, auf 7—9 cm an den elektrischen Ofen heran. Hat man mit aufgesetztem Stopfen abgewogen, so wird der Stopfen unmittelbar vor dem Einschieben des Röhrchens gelüftet und mit diesem in das Rohr eingeführt. Am Stopfen ist ebenfalls ein Glashäkchen angeschmolzen. Bei der Verbrennung von Flüssigkeiten wird man, wegen ihrer größeren Flüchtigkeit, im allgemeinen etwas v o r s i c h t i g e r a n h e i z e n , als dies oben für feste Substanzen beschrieben ist. Wägung der Absorptionsapparate: Die Wägung der Absorptionsapparate erfolgt wie S. 59 beschrieben, nach gleicher Vorbereitung in genau der gleichen Weise. Während der Zeit des Auskühlens zieht man das Schiffchen mit einem hakenförmig umgebogenen Platindraht aus dem Verbrennungsrohr, glüht kurz in der entleuchteten Bunsenflamme aus und wägt nach dem Erkalten (auf dem Kupferblock) die Substanz für die nächste Analyse ein. Man versäume nicht, sofort nach der endgültigen Feststellung des Gewichtes der Absorptionsgefäße die dem Zuwachs entsprechende Zahl von cg-Gewichtsstücken zu der Tara zu legen und nach dem Versetzen des Reiters in die entsprechende Kerbe am Anfang des Reiterlineals den Ausschlag für die neue Tara zu bestimmen.
Berechnung: Der Prozentgehalt an Kohlenstoff und Wasserstoff läßt sich nach folgenden Formeln berechnen: gefundenes C0 2 Substanz gefundenes H2Q %H = Substanz ' %C =
300 11 ' 201,6 18,016
Die Berechnung erfolgt mit Hälfe von K ü s t e r s Logarithmentafel. Die Fehlergrenze beträgt für Kohlenstoff ^ 0,3%, für Wasserstoff + 0,2 und — 0,1%. Gute Analysen ergeben etwa 0,1% C zu wenig und 0,1% H zu viel. HI. Bestimmung von Halogen, Schwefel und sonstigen Elementen Sind in einer Verbindung außer Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff noch andere Elemente enthalten, so wird zu deren Be1
A. Friedrich, Ang. Ch. 45, 477 (1932).
I I I . Bestimmung von Halogen, Schwefel und sonstigen Elementen
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Stimmung die Substanz entweder durch Erhitzen mit roter, rauchender Salpetersäure im Einschlußrohr oxydiert ( C a r i u s ) oder im Sauerstoffstrom am Platinkontakt verbrannt ( D e n n s t e d t ) . Halogen wird als H a l o g e n s i l b e r , Jod mit Vorteil auch als J o d s ä u r e , Schwefel als B a r i u m s u l f a t , Phosphor als M a g n e s i u m p y r o p h o s p h a t bestimmt. 1. H a l o g e n b e s t i m m u n g n a c h C a r i u s Zur Bestimmung sind erforderlich: Einschmelzrohre aus schwerschmelzbarem Jenaer Glas (Länge 35 cm, innere Weite 2,5 cm; Wandstärke 1,2 mm) 1 ; rote rauchende Salpetersäure (D. 1,5); festes Silbernitrat; Filterröhrchen mit Jenaer Glasfritten-Filterplatte (13 f G 2); halogenfreier Alkohol und salpetersäurehaltiges Wasser (1: 100).
Beschickung des Einschmelzrohres: Das Bombenrohr wird zunächst mit Bichromat-Schwefelsäure gereinigt, mit Wasser ausgespült und an der Wasserstrahlpumpe unter gelindem Erwärmen getrocknet. Die Substanz wird in ein kleines W ä g e r ö h r c h e n mit etwa 8—10 cm langem Stiel eingewogen, das man sich aus einem geeigneten Glasrohr selbst herstellt; zur Wägung legt man es auf ein kleines Drahtgestell (Fig. 39). Nachdem man das u n g e f ä h r e Gewicht des Wägeröhrchens festgestellt hat, wägt man für die Halogenbestimmung 20—30 mg auf 0,01 mg genau ab, führt das Wägeröhrchen mit der Substanz möglichst weit in das horizontal gehaltene Bombenrohr, läßt die Substanz bei senkrecht gehaltenem Rohr hineingleiten, bringt das Wägeröhrchen vorsichtig wieder auf die Waage zurück und bestimmt durch Zurückwägen die g e n a u e Einwaage. Zur Substanz gibt man je nach der Einwaage 60—90 mg feingepulvertes Silbemitrat (am besten das 114-fache der dem zu erwartenden Halogengehalt entsprechenden Menge Silbernitrat) und bei Substanzen, die in der Kälte nur langsam mit der Salpetersäure reagieren, direkt 1—1,5 ccm rote rauchende Salpetersäure. Bei Substanzen, die schon in der Kälte lebhaft mit Salpetersäure reagieren, gibt man die Säure in ein etwa 6 cm langes und 0,8 cm weites Röhrchen mit rundem Boden, das man bei ganz schwach geneigtem Rohr vorsichtig bis auf den Boden des Einschmelzrohres gleiten läßt, wobei man sorgfältig vermeidet, daß die Substanz vorzeitig mit der Säure in Berührung kommt. Zuschmelzen des Rohres: Zur Bearbeitung des schwerschmelzbaren Glases schließt man außer der Druckluft noch eine S a u e r s t o f f b o m b e an das Gebläse an. Man faßt das Einschmelzrohr in der Mitte mit der linken Hand, hält es möglichst schräg geneigt, wobei man darauf achtet, daß die Salpetersäure nicht aus dem 1
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Die Röhren können wiederholt (3—4 mal) benutzt werden. G a t t e r m a n n , Praxis des organ. Chemikers. 35. Aufl.
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Elementar-analytische Methoden
Röhrchen zur Substanz gelangt und erhitzt das Bohrende unter ständigem langsamen Drehen zunächst mit der leuchtenden, dann mit der entleuchteten Flamme, zuletzt unter Zuhilfenahme von etwas Sauerstoff, bis das Glas weich geworden ist. Dann schmilzt man einen Glasstab an die innere Seite des Rohres an, zieht ihn auf die andere Seite und bringt ihn, nachdem er auch hier angeschmolzen ist, in eine solche Lage, daß er in der Rohrachse liegt. Nun erhitzt man das Rohr kurz unterhalb, wo es noch zylindrisch ist, zunächst mit der schwach entleuchteten Flamme, dann unter mäßiger Sauerstoffzufuhr, bis das Glas weich geworden ist. Unter ständigem Drehen und ganz schwachem Zusammendrücken läßt man das Glas an dieser Stelle zusammenfallen; sobald es stark verdickt ist, zieht man das Rohr außerhalb der Flamme langsam zu einer d i c k w a n d i g e n Capillare aus, die man mit einer Sauerstoff-Stichflamme zuschmilzt. Die Capillare läßt man in einerleuchtenden Flamme erkalten und bringt dann das Rohr in einen eisernen S c h u t z m a n t e l , so daß die Capillare einige Zentimeter herausragt; gegebenenfalls füllt man den eisernen Mantel mit Sand entsprechend auf.
S o l a n g e d a s R o h r z u g e s c h m o l z e n i s t , d a r f es n i c h t a u s dem Mantel herausgenommen und aus dem B o m b e n r a u m e n t f e r n t werden. Erhitzen des Rohres: Den eisernen Mantel mit Rohr legt man nun in einen B o m b e n - oder S c h i e ß o f e n derart, daß die Capillare etwas erhöht gegen die mit Splitterfanger versehene Wand zeigt, und schließt den Ofen. Es können zu gleicher Zeit mehrere Röhren erhitzt werden. Man zündet alle Brenner an und erhitzt durch Regulierung des Haupthahnes a l l m ä h l i c h auf die gewünschte Temperatur. Diese beträgt für a l i p h a t i s c h e HalogenVerbindungen (und viele schwefelhaltige Substanzen) etwa 250°, für a r o m a t i s c h e (und die Sulfosäuren) etwa 300°. Die meisten Substanzen sind nach 3—4 stündigem Erhitzen vollständig oxydiert, bei aromatischen Verbindungen setzt man das Erhitzen noch einige Stunden darüber hinaus fort. öffnen und Entleeren des Rohres: Nach v ö l l i g e m Erkalten nimmt man den eisernen Mantel heraus, vertreibt mit einer kleinen leuchtenden Flamme die etwa in der Capillare vorhandene Flüssigkeit und hält die Capillare in eine spitze Gebläseflamme (Schutzbrille!). Nachdem die unter Druck befindlichen Gase die weich gewordene Capillare durchbohrt haben, nimmt man das Rohr aus dem Mantel und überzeugt sich, daß die Substanz völlig aufgeschlossen ist; gegebenenfalls schmilzt man das Rohr wieder zu und erhitzt von neuem. Ist die Substanz vollkommen aufgeschlossen, so entfernt man den oberen Teil des Rohres, indem man die Capillare zunächst wieder zuschmilzt und dann kurz unterhalb, wo das Rohr noch zylindrisch ist, eine Sauerstoff-Stichflamme gegen das Rohr richtet, so daß es an dieser Stelle aufgeblasen wird. Nun bringt man mittels der Sauerstoffstichflamme das Glas seitlich von der entstandenen Öffnung zum Erweichen und zieht es mit einem Glasstab zur Seite weg, so daß ein breiter Spalt entsteht, den man zu 2 / 3 um das Rohr herumführt. Nachdem man die nun verbleibende Verbindungsstelle zum Erweichen gebracht hat, zieht man die Glaskappe zur Seite fort, wobei man gleichzeitig einen kleinen A u s g u ß erzeugt.
III. Bestimmung von Halogen, Schwefel und sonstigen Elementen
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Das Rohr wird zunächst äußerlich gereinigt und der Rohrinhalt vorsichtig mit etwa 10 ccm Wasser verdünnt. Das an der Oberfläche schwimmende kleine Gläschen, das zur Aufnahme der Salpetersäure gedient hat, wird mit der Beinpinzette gefaßt und in ein Becherglas mit rundem Boden (Höhe 15 cm, Weite 3—3,5 cm) entleert und mit destilliertem Wasser ausgespült. Dann wird der Inhalt des Bombenrohres, nachdem man das Halogensilber mit einem Glasstab möglichst zerdrückt hat, unter wiederholtem Nachspülen quantitativ in das Becherglas übergeführt. Hartnäckig an der Wand haftendes Halogensilber wird mit dem Glasstab entfernt, die letzten Anteile durch abwechselndes Nachspülen mit wenig (halogenfreiem) Alkohol und wenig Wasser. Filtrieren and Trocknen des Halogensilbers: Der im Becherglas gesammelte Niederschlag wird zunächst im siedenden Wasserbad erhitzt. Bei Jod(und Brom-)Silber erwärmt man 2 Stunden, da Silberjodid mit Silbernitrat eine feste Verbindung eingeht, die durch Wasser nur allmählich zersetzt wird. Bei Jodbestimmungen hat man außerdem das beim Aufschluß gebildete Silberjodat durch Zugabe von reiner Schwefligsäure-Lösung vorher zu reduzieren. Zur Filtration von Halogensilber-Niederschlägen Fig. 40 dient ein Filterröhrchen mit G l a s f r i t t e n - F i l t e r (vgl. Fig. 40), auf das man eine Aufschwemmung von feinstem G o o c h t i e g e l - A s b e s t bringt, so daß nach dem Festsaugen eine 2 bis 3 mm dicke Asbestschicht entsteht. Vor Benutzung des Röhrchens filtriert man ein wenig eines kalt gefällten S i l b e r c h l o r i d - N i e d e r schlags durch das Asbestfilter; sobald das Filtrat klar abläuft, ist das Röhrchen gebrauchsfertig. Vor der Filtration spült man das Röhrchen mit Wasser, füllt es mit 96-proz. Alkohol, den man langsam durchsaugt, schließt den Schaft an die Saugpumpe an und trocknet das Röhrchen 10 Minuten lang in dem auf 130—140° geheizten K u p f e r - T r o c k e n b l o c k , indem man einen schwachen Luftstrom durchsaugt. Zum Schutz gegen den in der Luft enthaltenen Staub fügt man ein kurzes, mit Stiel versehenes Glasröhrchen, das man mit festgestopfter Watte füllt, mit einem porenfreien, sauberen Korkstopfen in den Becher des Filterröhrchens. Das getrocknete Filterröhrchen wird in der bei der Behandlung der Absorptionsgefäße (S. 59) beschriebenen Weise abgewischt und 15 Minuten nach dem Ablegen unter Berücksichtigung der Nullpunktslage genau gewogen. Der Halogensilber-Niederschlag wird mit Hilfe eines vorher sorgfältig gereinigten Hebers auf das Filter übergeführt (Fig. 40); dieser wird mit
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Elementar-analytische Methoden
einem kleinen Gummistopfen auf das Filterröhrchen aufgesetzt. Man senkt ihn bis auf den Boden des Gefäßes und saugt den Niederschlag mit mäßiger Geschwindigkeit (etwa 2 Tropfen in der Sekunde) über; dann spült man mit wenig Alkohol und, nachdem dieser abgesaugt ist, mit wenig salpetersäurehaltigem Wasser (1: 100) nach. Wenn nötig, wiederholt man das abwechselnde Nachspülen mit wenig Alkohol und wenig Wasser; zum Schluß spült man das in das Filtrierröhrchen mündende Ende des Heberrohres mit Alkohol ab, füllt das Filterröhrchen bis zum Rand mit Alkohol, schließt es, sobald dieser durchgesaugt ist, an die Saugpumpe an und trocknet 10 Minuten lang im K u p f e r T r o c k e n b l o c k bei 130—140°; nach 15 Minuten wird gewogen. Die Carius-Methode ist zuverlässig, aber zeitraubend. J o d wird zweckmäßig nach Leipert (S. 71), Chlor und B r o m nach dem nachstehenden Verfahren bestimmt.
2. B e s t i m m u n g v o n Chlor und B r o m n a c h V e r b r e n n u n g d e r S u b s t a n z im P e r l e n r o h r Die Substanz wird in einem P e r l e n r o h r im S a u e r s t o f f s t r o m am P l a t i n k o n t a k t verbrannt und die Verbrennungsgase werden in einer im vorderen Rohrteil befindlichen.Perlenfüllung, die mit 5-proz. H y d r o p e r o x y d l ö s u n g benetzt ist, absorbiert. Durch die Verteilung der Absorptionsflüssigkeit auf eine große Oberfläche wird eine rasche und sichere Absorption gewährleistet; elementares Halogen wird durch das Hydroperoxyd zu Halogen-Ion reduziert. Nach dem Ausspülen des Rohres bestimmt man das Halogen-Ion in der Lösung nach der Methode von K. F a j a n s 1 durch direkte Titration mit n e u t r a l e r Silbern i t r a t l ö s u n g unter Verwendung von organischen Farbstoffindikatoren („Adsorptionsindikatoren"). Zur Bestimmung sind erforderlich: Ein Perlenverbrennungsrohr aus Supremaxglas (Länge 60—70 cm, innere Weite 0,9 cm, Wandstärke 1 mm; der vordere Teil ist schnabelförmig ausgezogen und endet in ein angesetztes dickwandiges Röhrchen von 1—2 cm Länge und 1 mm lichter Weite; der an das Schnabelstück anschließende Rohrteil ist in einer Länge von 28—30 cm mit 2—3 mm langen Stückchen von 2 mm starkem Glasstab aus Jenaer Geräteglas gefüllt; die Perlenschicht wird durch eine an die Rohrwandung angeschmolzene Hartglasspirale festgelegt); drei 6 cm lange Platindrahtnetz-Kontakte; Perhydrol, säurefrei („Merck"); n/60-Silbernitratlösung, neutral; 0,01-proz. Lösung von Dichlor-fluorescein in 60-proz. Alkohol (Indikator zur Bestimmung von CT); 0,1 - proz. wässerige Lösung von Eosin - natrium (Indikator zur Bestimmung von Br'). 1 K. F a j a n s und H. W o l f f , Z. f. anorg. Chem. 137, 221 (1924); vgl. I. M. K o l t h o f f , Z. anal. Chem. 70,369 (1927); 71, 235 (1927); J. Am. Soc. 51, 3273 (1929); F . H ö l s c h e r , Z. anal. Chem. 96, 308 (1934).
III. Bestimmung von Halogen, Schwefel und sonstigen Elementen
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Beschickung des Perlenrohres: Zur Beschickung des gründlich gereinigten P e r l e n r o h r e s saugt man, nachdem man ein kleines, mit Watte gefülltes Mundstück auf das Rohr gesetzt hat, eine 5-proz. Lösimg von Hydroperoxyd, die man sich vor Beginn einer Analysenserie jedesmal frisch aus Perhydrol herstellt, in den mit Perlen gefüllten Teü auf, bis die Flüssigkeit die Glasspirale benetzt; dann läßt man die Absorptionsflüssigkeit wieder abtropfen. Eine die Perlenschicht benetzende Flüssigkeitsmenge von 2-—3 ccm ist vollkommen ausreichend. Über den mit Perlen gefüllten Teil stülpt man ein sauberes Reagenzglas und legt das Rohr auf das Verbrennungsgestell. Dann werden die mit verdünnter Salpetersäure (1: 1) ausgekochten und stark geglühten P l a t i n k o n t a k t e in das Rohr geschoben, so daß der vorderste etwa 6 cm vor der Hartglasspirale endet und zwischen den Kontakten ein etwa 2 cm langer Zwischenraum bleibt. Man legt das Perlenrohr nun so auf das Verbrennungsgestell, daß der mit Perlen gefüllte Teil und noch etwa 5 cm des leeren Teiles darüber hinausragen. Das herausragende Rohrende wird durch ein G a b e l s t a t i v gestützt; zum Wärmeschutz schiebt man einen A s b e s t s c h i r m über das Rohr, der der Ofenwand anliegt. Dann schiebt man eine 20 cm lange E i s e n d r a h t n e t z r o l l e über den Rohrteil mit dem Platinkontakt, setzt an dieser durch einen L a n g b r e n n e r geheizten Stelle ein D r a h t n e t z d a c h als Wärmeschutz auf das Verbrennungsgestell und schiebt schließlich noch eine 5 cm lange D r a h t n e t z r o l l e für den beweglichen Brenner über das Rohr (vgl. Fig. 41, S. 71). Zur Halogenbestimmung wägt man in der üblichen Weise 20—30 mg Substanz im Platinschiffchen ab und führt dieses so in das Rohr ein, daß es 6—7 cm vor das vordere Ende der langen Drahtnetzrolle zu stehen kommt. Das Rohr wird nun mit Kautschukstopfen lind zur Spitze ausgezogener Capillare verschlossen und über einen kleinen, mit 50-proz. Kalilauge gefüllten B l a s e n z ä h l e r mit dem S a u e r s t o f f g a s o m e t e r verbunden. Zur Halogenbestimmung in F l ü s s i g k e i t e n wägt man die Substanz, wie bei der C,H-Bestimmung beschrieben, und führt das Wägeschweinchen so in das Rohr ein, daß es etwa 8—10 cm vor das vordere Ende der langen Drahtnetzrolle zu liegen kommt. Bei sehr schwer verbrennlichen Flüssigkeiten tritt an Stelle vpn Kaliumchlorat Ammoniumnitrat.
Ausführung der Verbrennung: Nach dem Einführen der Substanz reguliert man mit Hilfe des P r ä z i s i o n s q u e t s c h h a h n e s einen Sauerstoffstrom von 7—9 ccm je Minute ein (Eichung des Blasenzählers mit der Mariotteschen Flasche, vgl. S. 55) und erhitzt dann die P l a t i n k o n t a k t e mit dem L a n g b r e n n e r auf helle Rotglut. Sobald dies erreicht ist, schiebt man die kurze D r a h t n e t z r o l l e bis auf wenige Millimeter an das Platinschiffchen heran und stellt den beweglichen, entleuchteten Bunsenbrenner unter das rückwärtige Ende der Drahtnetzrolle. Man wartet nun ab, bis die Veränderungen, die die zu ver-
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Elementar-analytische Methoden
brennende Substanz erleidet, abgeklungen sind und rückt e r s t d a n n mit der Drahtnetzrolle und dem Bunsenbrenner vor, und zwar alle 2 Minuten um etwa 2—3 mm. Bei Substanzen, die nach dem Schmelzen destillieren, muß man s e h r s o r g f ä l t i g vorgehen; man wartet zunächst ab, bis das Destillat, das sich in Form eines Tropfens im leeren Rohrteil zwischen Schiffchen und Kontakten ansammelt, sich nicht mehr vermehrt. Sobald man mit dem Saum der Bunsenflamme das Platinschiffchen berührt, wartet man einige Minuten ab und beobachtet sorgfaltig, ob das Destillat sich bei unveränderter Stellung des Bunsenbrenners merklich rasch verflüchtigt. Die Verbrennung der Substanz soll m i n d e s t e n s 30 Minuten erfordern, da sonst vollkommene Verbrennung und quantitative Absorption nicht gewährleistet sind. Bei der Verbrennung von F l ü s s i g k e i t e n schiebt man die kleine Drahtnetzrolle vor Beginn der Verbrennung je nach der Flüchtigkeit der Substanz aui höchstens 1—3 cm an das Röhrchen heran und wartet, sobald die Substanz herauszudestilieren beginnt, bei unveränderter Stellung des Bunsenbrenners ab, bis die Destillation beendet ist; erst dann geht man in der oben beschriebenen Weise langsam vor.
Aasspülen des Rohres und Titration: Nach dem Erkalten entfernt man das Platinschiffchen, spannt das Rohr in senkrechter Lage in ein Stativ ein und bringt an Stelle des Reagenzglases einen sauberen E r l e n m e y e r k o l b e n (100—150 ccm) unter das Rohr. Dann spritzt man unter Abspülen der inneren Rohrwandung etwa 10 ccm Wasser ins Rohr und drückt die Flüssigkeit mit Hilfe eines kleinen H a n d b l a s e b a l g s durch die Perlenfüllung in den Erlenmeyerkolben. In gleicher Weise spült man das Rohr noch dreimal mit je 10 ccm Wasser nach, spült den Schnabel des Rohres ab und führt auch den Inhalt des Reagenzglases unter Nachspülen in den Kolben über. Vor der T i t r a t i o n stumpft man die gebildete Mineralsäure mit einigen Tropfen einer halogenfreien gesättigten Natriumacetat-Lösung ab, so daß die Lösung nur noch s c h w a c h e s s i g s a u e r reagiert. Zur B e s t i m m u n g d e s C h l o r - I o n s gibt man zur Lösung 5—10 Tropfen einer 0,01-proz. alkoholischen Lösung von Dichlor-fluorescein und titriert aus einer in 0,02 ccm geteilten M i k r o b ü r e t t e mit neutraler n/50—n/4c0-Silbernitratlösung. Im Anfang der Titration zeigt die Lösung niir eine geringe O p a l e s z e n z ; mit zunehmender Annäherung an den Äquivalenzpunkt trübt sie sich stark. Man titriert dann vorsichtig unter starkem Umschütteln weiter, bis das Silberhalogenid-Sol plötzlich zu rosarot gefärbten F l o c k e n koaguliert. Zur B e s t i m m u n g d e s B r o m - I o n s fügt man der Lösung 5—10 Tropfen einer 0,1-proz. wässerigen Lösung von Eosinnairium zu. Der Umschlag ist hier sehr scharf zu erkennen; bis unmittelbar vor dem Äquivalenzpunkt bleibt die stark opaleszierende Lösung durchsichtig, die Farbe des Indikators ändert sich dabei gegen Ende der Bestimmung mehr nach B l a u . Auf Zusatz des nächsten Tropfens wird dann die
III. Bestimmung von Halogen, Schwefel und sonstigen Elementen
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Lösung plötzlich undurchsichtig und das Silberhalogenid f l o c k t bei starkem Schütteln mit intensiv rosaroter Farbe aus. Man titriere ziemlich schnell in zerstreutem Tageslicht und vermeide direktes Sonnenlicht, da die Lichtempfindlichkeit des Silberhalogenids durch die s e n s i b i l i sierende Wirkung der Farbstoffe stark erhöht ist.
Fehlergrenze der Bestimmung: ^
1° 0 des Halogengehaltes.
Natürlich kann man das durch Verbrennung der organischen Substanz erhaltene Halogen-Ion auch in der üblichen Weise durch Fällung mit Silber gravimetrisch bestimmen.
3. M a ß a n a l y t i s c h e B e s t i m m u n g v o n J o d nach Leipert-Münster1 Die Substanz wird im S a u e r s t o f f s t r o m am P l a t i n k o n t a k t verbrannt und das gebildete Jod durch B r o m in Essigsäure zu J o d s ä u r e oxydiert. Nach der Zerstörung des überschüssigen Broms durch A m e i s e n s ä u r e fügt man K a l i u m j o d i d zur Lösung und titriert das ausgeschiedene J o d mit T h i o s u l f a t . Fig. 41 Da das 6-fache des in der Substanz enthaltenen Jods zur Titration gelangt, liefert die Methode sehr genaue Resultate. Zur Bestimmung sind erforderlich: Ein Verbrennungsrohr (Fig. 41) aus Supremaxglas (lichte Weite 0,9 cm, Länge 55—60 cm; Länge des Einleitungsrohres 18 cm, innere Weite 2 mm; kurz vor dem Ansatz des Einleitungsrohres ist eine Verengerung angebracht); eine 10-proz. Lösung von reinem Natriumacetat in 96-proz. Essigsäure; Brom (jodfrei); reine 80—100-proz. Ameisensäure; Kaliumjodid und n/10-Thiosulfatlösung.
Ausführung der Bestimmung: In das gründlich gereinigte und getrocknete Rohr schiebt man die vorher durch Auskochen mit verd. Salpetersäure (1:1) und kräftiges Ausglühen gereinigten P l a t i n d r a h t n e t z - K o n t a k t e bis nahe an die Verengung heran, bringt an dieser Stelle des Rohres eine 20 cm lange E i s e n d r a h t n e t z r o l l e an und setzt zum weiteren Wärmeschutz ein E i s e n d r a h t n e t z d a c h auf das Verbrennungsgestell. Das Einleitungsrohr taucht in eine im unteren Teil zu einem schmalen Kelch auslaufende Vorlage (vgl. Fig. 41), die mit 12—15 ccm der Acetat-Essigsäurelösung gefüllt wird, der man 10—12 Tropfen Brom zugefügt hat. 1 Th. Leipert, Mikrochemie, Pregl-Festschrift, S. 266 (1929). — W. Münster, Mikrochemie 14, 23 (1933).
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Elementar-analytische Methoden
Zur Jodbestimmung wägt man 20—30 mg Substanz im Platinschiffchen ein und führt die Verbrennung der Substanz in der bei der H a l o g e n b e s t i m m u n g im P e r l e n r o h r beschriebenen Weise durch. Die Stromgeschwindigkeit des Sauerstoffs reguliert man zu 4—5 ccm je Minute ein. Nach dem Erkalten des Rohres entfernt man Schiffchen und Kontakte und läßt zur Oxydation des an der Verengung des Rohres abgeschiedenen Jods bei schräg gehaltenem Rohr etwa 4 ccm Brom-Essigsäure-Lösung einfließen; durch die Verengung wird die Lösung an dieser Stelle zurückgehalten. Nach 10 Minuten spült man das Rohr und danach die Vorlage quantitativ in einen sauberen Erlenmeyerkolben über, in dem man vorher 2 g Natriumacetat in wenig Wasser v o l l s t ä n d i g gelöst hat. Zur Zerstörung des überschüssigen Broms läßt man einige Tropfen (bis zu 0,5 ccm) Ameisensäure an der Wandung zufließen, schüttelt kräftig um, damit auch das in der Gasphase befindliche Brom zur Absorption gelangt, und wartet einige Sekunden ab. Sobald Entfärbung der Lösung eingetreten ist, setzt man etwas verd. Schwefelsäure und 1,5 g Kaliumjodid zu, läßt nach dem Umschwenken 5 Minuten stehen und titriert danach das ausgeschiedene Jod aus einer in 0,02 ccm geteilten Mikrobürette mit n/10-Thiosulfatlösung, zunächst auf Gelbfärbung, dann nach Zusatz von Stärke auf Entfärbung. Fehlergrenze der Bestimmung: ^ 0,3%. 4. S c h w e f e l b e s t i m m u n g nach Carius Die Schwefelbestimmung nach Carius wird in derselben Weise ausgeführt wie die Halogenbestimmung; an die Stelle des Silbernitrats tritt hier entwässertes B a r i u m c h l o r i d . Zur Bestimmung sind erforderlich: Einschmelzrohre aus schwerschmelzbarem Glas; rote rauchende Salpetersäure (D. 1,5); festes Bariumchlorid; Porzellan-Sintertiegel mit Schutzschale (Berliner Manufaktur, Filter-Tiegel A 1, Höhe: 2,7 cm, Volumen: 6 ccm).
Beschickung des Einschmelzrohres: Zur Schwefelbestimmung wägt man in der bei der Halogenbestimmung beschriebenen Weise 20—30 mg Substanz in das Bombenrohr ein, fügt je nach der Einwaage 130—200 mg vorher entwässertes Bariumchlorid hinzu und läßt das mit 1—1,5 ccm roter rauchender Salpetersäure gefüllte Röhrchen vorsichtig in das schwach geneigte Bombenrohr gleiten, wobei man vermeide, daß die Substanz vorzeitig mit der Säure in Berührung kommt. Das Zuschmelzen, Erhitzen und Wiedereröffnen des Rohres erfolgt wie bei der Halogenbestimmung beschrieben. Entleeren des Rohres und Bestimmung des Bariumsulfats: Nachdem man das Rohr äußerlich gereinigt hat, bringt man den Rohrinhalt unter
III. Bestimmung von Halogen, Schwefel und sonstigen Elementen
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mehrfachem N a c h s p ü l e n mit destilliertem Wasser in ein kleines gewöhnliches Becherglas; hartnäckig an der Glaswand haftendes Bariumsulfat entfernt man mit dem G l a s s t a b , nicht mit einem Gummiwischer. Die letzten Anteile des Bariumsulfats werden durch abwechselndes Nachspülen mit wenig Alkohol und wenig Wasser in das Becherglas übergeführt. Vor der Filtration des Bariumsulfats reinigt man den P o r z e l l a n S i n t e r t i e g e l sorgfaltig mit Bichromat-Schwefelsäure, spült mit destilliertem Wasser ab und saugt an der Wasserstrahlpumpe Wasser durch. Dann stellt man den mit einem sauberen Tuch abgewischten Tiegel in ein G l ü h s c h ä l c h e n aus Porzellan auf ein T o n d r e i e c k , trocknet den Tiegel zunächst durch Fächeln mit einer kleinen Bunsenflamme, heizt dann langsam an, und steigert die Temperatur allmählich bis zu dunkler Rotglut. Nachdem man 20 Minuten erhitzt hat, läßt man zunächst 5 Minuten an der Luft erkalten und bringt dann den Tiegel mit Glühschälchen in einen E x s i c c a t o r . Nach einstündigem Erkalten im Exsiccator bringt man den Tiegel (ohne Glühschälchen) zur Wägung. Nachdem man den Inhalt des Becherglases zum Sieden erhitzt hat, setzt man den gewogenen Tiegel in den F i l t r i e r v o r s t o ß einer Saugflasche ein und führt das Bariumsulfat direkt aus dem Becherglas in den Tiegel über, die letzten Anteile zweckmäßig wieder durch abwechselndes Nachspülen mit Alkohol und Wasser. Zum Schluß füllt man den Tiegel nochmals mit Wasser, saugt wieder ab und bereitet ihn dann in genau der gleichen Weise, wie oben beschrieben, zur Wägung vor. Fehlergrenze der Bestimmung: i 0,3%. 5. S c h w e f e l b e s t i m m u n g durch V e r b r e n n u n g Die Schwefelbestimmung im Perlenrohr wird analog der argentometrischen Halogenbestimmung (s. S. 68) ausgeführt. Die Perlenfüllung wird mit 5—10-proz. Hydroperoxyd beschickt, das etwa auftretende niedere Oxydationsprodukte des Schwefels in Schwefelsäure überführt. Nach Beschickung des Rohres leitet man die Verbrennung der Substanz genau so, wie bei der Halogenbestimmung ausführlich beschrieben ist. Da die vollkommene Absorption von Schwefeltrioxyd eine lange Berührungsdauer mit der Absorptionsflüssigkeit erfordert, hat man in einem l a n g s a m e r e n Sauerstoffstrom (3—4 ccm je Minute) zu verbrennen und dementsprechend l a n g s a m e r mit dem beweglichen Bunsenbrenner vorzugehen. Die Verbrennung der Substanz soll etwa 1 S t u n d e erfordern. Nach Beendigung der Verbrennung spült man das Rohr, wie bei der Halogenbestimmung beschrieben, in ein kleines sauberes Becherglas über, und fügt unter Nachspülen auch den Inhalt des Reagenzglases hinzu. Dann gibt man das klar filtrierte Gemisch von 2-—3,5 ccm
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Elementar-analytische Methoden
Bariumchloridlösung (1:10) und 10 Tropfen verd. Salzsäure zu, bedeckt mit einem reinen Uhrglas und erhitzt zum Sieden, bis die Abscheidung des Bariumsulfats beendet ist. Nachdem man den Inhalt des Becherglases durch Einstellen in kaltes Wasser abgekühlt hat, führt man die Bestimmung wie bei der vorhergehenden Bestimmungsmethode zu Ende. 6. G l e i c h z e i t i g e B e s t i m m u n g v o n H a l o g e n und S c h w e f e l Hat man in einer Substanz g l e i c h z e i t i g Halogen und Schwefel zu bestimmen, so bestimmt man das H a l o g e n zunächst nach der Carius-Methode. Das Filtrat vom Halogensilber-Niederschlag wird in einer sorgfältig gereinigten Saugflasche aufgefangen, in ein Jenaer Becherglas übergeführt, auf 120—150 cc. verdünnt und in der Siedehitze die S c h w e f e l s ä u r e mit 1-proz. absolut halogenfreier B a r i u m n i t r a t l ö s u n g gefallt. Zum Auswaschen des Niederschlags verwendet man destilliertes, nicht salzsäurehaltiges Wasser. 7. B e s t i m m u n g der übrigen E l e m e n t e Die meisten übrigen Elemente werden, nachdem die organische Substanz nach Carius oxydiert ist, in der salpetersauren Lösung nach den Methoden der a n o r g a n i s c h e n A n a l y s e bestimmt. Alkali- und Erdalkalimetalle werden als S u l f a t e bestimmt. Hierzu wägt man die Substanz in einen Quarz- oder Platintiegel ein, gibt einige Tropfen konz. (bei explosiven oder zersetzlichen Substanzen 30—50-proz.) Schwefelsäure hinzu, raucht vorsichtig ab, und glüht schließlich bei dunkler Rotglut. IV. Bestimmung organischer Gruppen 1. M a ß a n a l y t i s c h e B e s t i m m u n g der M e t h o x y l g r u p p e
1
Das Methyl der CH30-Gruppe wird durch s i e d e n d e J o d w a s s e r s t o f f s ä u r e in M e t h y l j o d i d übergeführt (Zeisel) und dieses durch Brom in das entsprechende A l k y l b r o m i d und B r o m j o d zerlegt: CHSJ + Br2 = CHjBr + BrJ; letzteres wird durch überschüssiges Brom zu J o d s ä u r e oxydiert: BrJ + 2Br2 + 3HaO = HJ03 + 5HBr . Überschüssiges Brom wird durch A m e i s e n s ä u r e zu Bromwassers t o f f reduziert und schließlich nach Zugabe von K a l i u m j o d i d das ausgeschiedene J o d mit T h i o s u l f a t titriert. Da hierbei 6 Ä q u i v a l e n t e J o d für 1 Alkoxyl in Freiheit gesetzt werden, läßt sich die Bestimmung auch bei kleinsten Substanzmengen mit großer Genauigkeit durchführen. 1
F. Vieböck und A. S c h w a p p a c h B. 68, 2818, 3207 (1930).
IV. Bestimmung organischer Gruppen
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Zur Bestimmung sind erforderlich: 6 com Jodwasserstoffsäure (D. 1,7; „zur Methoxylbestimmung"); 10-proz. Lösung von reinem Natriumacetat in 96-proz. Essigsäure; jodfreies Brom (am besten in einer Tropfflasche aufzubewahren); 80—100-proz. reine Ameisensäure; analysenreines Natriumacetat; Kaliumjodid und 0,1 n-Natriumthiosulfatlösung.
Die Apparatur (Fig. 42) wird vom Laboratorium gestellt. Zusammenstellen und Beschicken der Apparatur: Zunächst beschickt man den W ä s c h e r (W) mit 3 ccm einer Aufschlämmung von etwa 150 mg rotem Phosphor in Wasser; der Phosphor muß gründlich mit Ammoniak gereinigt sein. Man achte darauf, daß keine Waschflüssigkeit in das Verbindungsrohr gelangt. In die A b s o r p t i o n s v o r l a g e (Vx) füllt man 10 ccm der 10-proz. Natriumacetat-Essigsäurelösung ein, fügt 10—12 Tropfen Brom zu und bringt nach gutem Durchmischen durch Neigen des Gefäßes etwa ein Drittel der Absorptionsflüssigkeit in das zweite Vorlagegefaß (V2). Die Vorlage wird mit Spiralfedern am Apparat befestigt. Dann stellt man einen Kippschen K o h l e n d i o x y d A p p a r a t bereit, verbindet ihn mit einer mit verd. Bleiacetatlösung gefüllten W a s c h f l a s c h e Fig. 42 und führt den zum Methoxylbestimmungs-Apparat gehenden Gummischlauch durch einen P r ä z i s i o n s q u e t s c h h a h n .
Srar
Zur Methoxylbestimmung wägt man in der bei der Halogenbestimmung nach C a r i u s (s. S. 65) beschriebenen Weise mit Hilfe des Wägeröhrchens 20—30 mg Substanz in das Z e r s e t z u n g s k ö l b c h e n (K) ein, fügt zur Lösung der Substanz einige Kriställchen Phenol und 0,5 ccm Essigsäureanhydrid (oder Eisessig) hinzu und gibt dann noch etwa 0,2 g trocknen roten Phosphor in den Zersetzungskolben. Ausführung der Bestimmung: Nach dem Einbringen der Substanz verbindet man das Gaseinleitungsrohr des Zersetzungskolbens mit dem Kippschen Apparat und gibt unmittelbar vor dem Anschließen an die Apparatur 5 ccm Jodwasserstoffsäure (D. 1,7) in den Kolben. Zum Schutz gegen Wärmestrahlung schirmt man die Absorptionsvorlage durch eine A s b e s t p l a t t e ab und hält auch aus demselben Grunde das G l y c e r i n b a d , das zum Erhitzen der Jodwasserstoffsäure dient, möglichst klein (Becherglas). Nachdem man den Gasstrom mit dem Quetschhahn so einreguliert hat, daß stets nur eine Blase die Vorlage durchstreicht, heizt man das
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Elementar-analytische Methoden
Glycerinbad rasch an und hält es während der Bestimmung auf 140 bis 150°. Die vorübergehende Vergrößerung der Gasstromgeschwindigkeit wird nicht berücksichtigt; sobald die Jodwasserstoffsäure zum Sieden gekommen ist, stellt sich die ursprüngliche Gasgeschwindigkeit wieder ein. Nach einstündigem Erhitzen ist alles Methyljodid sicher in die Vorlage übergetrieben; man entfernt dann zunächst die Absorptionsvorlage und danach die Zuleitung des Kippschen Apparates zum Zersetzungskolben. Mit der Jodwasserstoffsäure im Zersetzungskolben lassen sich ohne weiteres noch drei Bestimmungen ausführen. Bei der Zerlegung von Ä t h o x y l v e r b i n d u n g e n erhitzt man zunächst unter E i n s c h a l t u n g des kleinen Kühlers eine halbe Stunde lang am R ü c k f l u ß , stellt dann den Kühler ab, wobei man auch das Wasser abfließen läßt, und hält nun noch eine Stunde lang den Kolbeninhalt im Sieden.
Nach dem Abnehmen der Vorlage gibt man einige ccm Wasser in das Einleitungsrohr und entfernt den Inhalt unter mehrfachem Nachspülen in einen 250 ccm fassenden E r l e n m e y e r k o l b e n , in dem man vorher 1,5 g reines Natriumacetat in wenig Wasser vollkommen aufgelöst hat. Nach mehrfachem Ausspülen der Vorlage erhält man etwa 100—150 ccm Flüssigkeit. Nun läßt man an der Gefäßwand 5—10 Tropfen reiner Ameisensäure einlaufen und schwenkt um. Bei richtiger Ausführung ist die Bromfarbe bereits nach wenigen Sekunden verschwunden; durch kräftiges Schütteln bringt man auch das im Gasraum befindliche Brom zur Absorption. Verschwindet die Bromfarbe nach einigen Minuten nicht, so hat es an Natriumacetat gemangelt. Zur entfärbten Lösung setzt man etwas verdünnte Schwefelsäure und etwa 1 g Kaliumjodid zu, läßt 5 Minuten zugedeckt stehen und titriert dann das ausgeschiedene Jod aus einer in 0,02 ccm geteilten Mikrobürette mit 0,1 n-Thiosulfatlösung zunächst auf Gelbfärbung, dann nach Zusatz von Stärkelösung auf Entfärbung. 1 ccm 0,1 w-Thiosulfatlösung entspricht 0,51706 mg OCH3 bzw. 0,75067 mg OC2H5. Die Methode ist auch für s c h w e f e l h a l t i g e Substanzen ohne weiteres anwendbar; für l e i c h t f l ü c h t i g e Substanzen muß sie abgeändert werden.
Fehlergrenze der Bestimmung: ^ 0,5% des Gesamtalkoxyls. 2. B e s t i m m u n g der A c e t y l - und B e n z o y l g r u p p e 1 Die Substanz wird durch Kochen mit 50-proz. S c h w e f e l s ä u r e unter Rückfluß verseift und die gebildete E s s i g s ä u r e bzw. B e n z o e säure nach dem Abdestillieren (im Wasserdampfstrom) mit N a t r o n l a u g e gegen Phenolphthalein titriert. Die A p p a r a t u r (Fig. 43) wird vom Laboratorium gestellt. Zur Bestimmung sind erforderlich: 50-proz. Schwefelsäure; 0,033 n-Natronlauge. 1
R. K u h n und H. R o t h , B. 66, 1274 (1933).
IV. Bestimmung organischer Gruppen
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Ausführung der Bestimmung: Der B l a s e n z ä h l e r wird mit etwas schaumfreier 50-proz. Kalilauge, das U - R o h r und das darauffolgende T r o c k e n r o h r mit Chlorcalcium gefüllt. Zur Acetyl- bzw. Benzoylbestimmung wägt man mit HUfe des üblichen Einwägeröhrchens mit langem Stiel (s. S. 65) 20—30 mg Substanz in den Zersetzungskolben ein. Nachdem man den K ü h l e r in R ü c k f l u ß s t e l l u n g aufgesetzt hat, wobei der Schliff C durch einen Tropfen Wasser gedichtet wird, stellt man mit Hüfe des Präzisionsq u e t s c h h a h n e s den die Apparatur passierenden Luftstrom auf 30 Blasen je Minute ein und dichtet den Zuführungsschliff A mit etwas zerflossenem Phosphorpentoxyd. Durch den Trichter des ebenso gedichteten Schliffrohres B gibt man nun 2—3 ccm der 50-proz. Schwefelsäure in den Reaktionskolben, setzt den Glasstab 8 ein und beschickt den Trichter mit 1 ccm Wasser. Darauf erhitzt man den Inhalt des Reaktionskolbens u n t e r R ü c k f l u ß zu mäßigem Sieden. Die Verseifung von O-Acet y l v e r b i n d u n g e n ist in den Fig. 43 meisten Fällen nach 60 Minuten beendet. Bei N - A c e t y l - und N - B e n z o y l v e r b i n d u n g e n sind bis zu 3 Stunden zur vollständigen Verseifung erforderlich. Man kann die Verseifung auch über Nacht mit etwas konz. H 2 S0 4 vor sich gehen lassen. Nach Beendigung der Verseifung wird der Kühler sorgfaltig mit 10—12 ccm Wasser ausgespült; dann destilliert man durch den absteigenden K ü h l e r bis auf 5 ccm in ein Erlenmeyerkölbchen aus Quarz ab, wenn nötig, nach Einbringen einiger Siedekapillaren. Nach Zugabe von je 7 ccm Wasser wird dreimal nachdestilliert. Das Destillat (etwa 20 ccm) wird mit etwas Bariumchlorid auf Abwesenheit von Schwefelsäure geprüft, 7—8 Sekunden zum Sieden erhitzt und sofort aus einer in 0,02 ccm geteilten Mikrobürette mit nföO-NaOH1 und Phenolphthalein auf eben beginnende, mehrere Sekunden bestehenbleibende R o s a f ä r b u n g titriert. Zur zweiten Titration werden 2—3mal je 7 ccm abdestilliert, für die dritte und folgende Titration nur noch etwa 7 ccm. 1 Der Faktor der Lauge ist mit Oxalsäure bei annähernd gleicher Verdünnung zu bestimmen.
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Elementar-analytische Methoden
Beispiel für den Destillationsverlauf: 1. Titration (etwa 20 ccm Destillat) 6,885 com 2. Titration 2 x 7 com Destillat . . 0,680 ccm 3. Titration 2 x 7 ccm Destillat . . 0,040 ccm 4. Titration 1 x 7 ccm Destillat . . 0,040 ccm Bei der letzten Titration sollen nicht mehr als 0,05 ccm n/30-NaC>H verbraucht werden.
1 ccm n/30-Natronlauge entspricht 1,434 mg —COCH3 bzw. 3,5033 mg -COC6H5. Fehlergrenze der Bestimmung: + 0 , 5 % . In der vorstehend beschriebenen Apparatur lassen sich auch C-ständige Methylgruppen durch Oxydation mit Chromsäure nach der Methode von K. Kuhn und L'Orsa 1 bestimmen.
3. B e s t i m m u n g v o n a k t i v e m W a s s e r s t o f f nach Tschugaeff-Zerewitinoff2 Aus 20 ccm über Natrium destillierten Anisols3 (Amyläthers4, Xylols), 7 g Methyljodid und 2 g Magnesium bereitet man sich in einem schräggestellten F r a k t i o n i e r k o l b e n , dessen Ansatzrohr mit einem kleinen K ü h l e r (der hier als Rückflußkühler wirkt) versehen ist, unter Zusatz von einigen Körnchen Jod eine Grignardlösung. Tritt die Reaktion nicht von selbst ein, so leitet man sie durch kurzes Erwärmen auf 50® ein und beendet sie schließlich durch einstündiges Erhitzen auf deni Wasserbad. Dann dreht man den Fraktionierkolben in die Normallage und erhitzt nochmals eine halbe Stunde am Wasserbad unter Durchleiten von reinem, trockenem Stickstoff, wobei die letzten Reste Jodmethyl abdestillieren. Die so erhaltene Grignardlösung wird vom unverbrauchten Magnesium abgegossen oder besser durch eine getrocknete G l a s f r i t t e n n u t s c h e abgesaugt; sie läßt sich in gut verschlossener Flasche aufbewahren. Für jede Bestimmung verwendet man etwa 5 ccm davon. Die A p p a r a t u r zur Bestimmung des aktiven H ist in Fig. 44 wiedergegeben. Das Lungesche N i t r o m e t e r a, dessen N i v e a u g e f ä ß auf der Zeichnung fehlt, wird mit gesättigter Kochsalzlösung gefüllt. Der Übertritt von Wasserdampf in das Reaktionsgefaß wird durch ein zwischengeschaltetes kurzes C a l c i u m c h l o r i d - R o h r verhindert. Zur Bestimmung wägt man mit Hilfe eines Wägeröhrchens in den längeren Schenkel c des gut getrockneten R e a k t i o n s g e f ä ß e s je nach Molekulargewicht und Hydroxylgehalt der Substanz etwa 0,1—0,2 g genau ein®, übergießt mit Anisol bzw. Amyläther und bringt durch 1
Ang. Ch.44, 847 (1931); B. 66, 1274 (1933). B. 40, 2023 (1907). Darstellung siehe S. 212. 4 Darstellung siehe S. 109. 5 Von den im Praktikum dargestellten Verbindungen sind Triphenylcarbinol, /J-Naphthol, Hydrochinon, Benzoesäure verwendbar. 2 3
IV. Bestimmung organischer Gruppen
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vorsichtiges Schütteln zur Lösung. Dann füllt man in den anderen Schenkel d mit Hilfe einer Meßpipette 5 ccm Grignardlösung ein, verdrängt die Luft durch trockenen Stickstoff (unerläßlich!) und verbindet das Reaktionsgefaß mit Hilfe eines sauberen, dicht schließenden Gummistopfens und -schlauches mit dem C a l c i u m c h l o r i d - R o h r des N i t r o m e t e r s , dessen Hahn man herausgenommen hat. Man taucht nun das Reaktionsgefäß in ein Becherglas mit Wasser von Zimmertemperatur, wartet 5 Minuten, bis die Temperatur sich ausgeglichen hat, setzt den
Fig. 44 Hahn ein und füllt das Nitrometer durch Heben des Niveaugefiäßes mit der Kochsalzlösung. Dann dreht man den Hahn um 90°, stellt das Niveaugefäß tief und verbindet durch weiteres Drehen um 90° das Reaktionsgefaß mit der B ü r e t t e . Jetzt nimmt man das Reaktionsgefaß aus dem Wasserbad, läßt die Lösung der Substanz zur Grignardlösung fließen, spült ein paarmal hin und her und schüttelt solange, bis der Meniskus in der Bürette nicht weiter sinkt, die Entwicklung von Methan also beendet ist. Das Reaktionsgefäß wird in das Wasserbad zurückgebracht; man wartet 10 Minuten, bis es wieder die Temperatur wie vor Beginn des Versuches angenommen hat (Kontrolle mit Thermometer) und liest in der üblichen Weise die Menge des gebildeten Methans ab. Gleichzeitig bestimmt man den B a r o m e t e r s t a n d und mit Hilfe eines an der Bürette hängenden Thermometers die T e m p e r a t u r des Gases. Das Volumen wird auf 0° und 760 mm reduziert. Berechnung: Nach der Gleichung RH„ + nCH3 • MgJ- H 2 C = CH a + HBr . Am zweckmäßigsten erfolgt die Abspaltung des Halogenwasserstoffs duroh a l k o h o l i s c h e s K a l i 1 , in manchen Fällen werden auch t e r t i ä r e B a s e n , wie P y r i d i n , C h i n o l i n oder D i m e t h y l a n i l i n angewandt. Von s y n t h e t i s c h e n R e a k t i o n e n der Alkylhalogenide ist ihre Umsetzung mit K a l i u m c y a n i d , die nach H. K o l b e von der Methanreihe aus den Aufbau der E s s i g s ä u r e vermittelt, schon erwähnt (vgl. die Präparate S. 125 und S. 220). Von einfacheren Reaktionen dieser Art sei hier die W u r t z s c h e S y n t h e s e angeführt. Dabei wird in erster Phase das Halogen durch Na ersetzt und die metallorganische Verbindung reagiert dann weiter unter nochmaliger Abspaltung von Na-Halogenid HjCBr + 2 Na • H 3 CNa + NaBr HjCNa + BrCHj • H3C—CH3 + N a B r . So entsteht im einfachsten Falle aus Methylbromid Ä t h a n . Die präparative Anwendung dieser Reaktion findet sich beim T r i p h e n y l c h l o r m e t h a n , S. 306. Schließlich haben die Alkylhalogenide eine außerordentliche Bedeutung gewonnen als Ausgangssubstanzen f ü r die G r i g n a r d s c h e R e a k t i o n , von der auf S. 290 die Rede ist. Die F i t t i g s c h e S y n t h e s e unterscheidet sich von der W u r t z s c h e n dadurch, daß ein Aryl- und ein Alkylhalogenid gemeinsam der Enthalogenierung durch Natrium unterworfen werden, z. B.: C e H s . Br + C 2 H 5 • Br + 2Na C„H5 • C2H6 + 2 N a B r . Äthylbenzol
Sie ist allgemeiner Anwendung fähig, indem auch die homologen B r o m b e n z o l e sowie D i b r o m b e n z o l und alle möglichen A l k y l b r o m i d e in sie einbezogen werden können. Auch zwischen 2 Mol. A r y l b r o m i d findet die Umsetzung, wenn auch schwieriger, statt: 2C„H6Br + 2Na C„H6 • C„H5 + 2NaBr . Da bei Verwendung zweier verschiedenartiger Halogenide die Natriumverbindungen RNa und R'Na sowohl mit RHlg als mit R'Hlg reagieren können, ist die Bildung von 3 Reaktionsprodukten, nämlich R—R, R ' — R ' und R—R' möglich. 1 Dieses viel gebrauchte Reagenz stellt man sich am besten auf Vorrat her, indem man in 100 ccm Methylalkohol — äthylalkoholisches Kali verharzt bald — 25 g Stangenkali durch Erwärmen oder durch Stehenlassen über Nacht in der Kälte löst, von Carbonat abfiltriert und den KOH-Gehalt durch Titration bestimmt.
92
Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen
Brombenzol reagiert nun rascher mit Natrium als Äthylbromid, Phenylnatrium aber rascher mit Äthylbromid als mit Brombenzol: daher in unserem Beispiel die glatte Bildung von Äthylbenzol. Zur biphenyl-artigen Verknüpfung von 2 Molekeln Arylhalogenid ist nach Ullmann Kupfer besonders geeignet; man pflegt die Bromide oder Aryljodide mit Kupferbronze in Nitrobenzol zu kochen. 3. Benzylclilorid aus Toluol 1
Beim Arbeiten mit C h l o r , B r o m und H a l o g e n w a s s e r s t o f f s ä u r e n sollten Verbindungen mit Kork oder Kautschuk vermieden und nur Schliffapparaturen verwendet werden. Man bedient sich für das vorliegende Präparat des in Fig. 46, S. 95 abgebildeten Kolbens 2 (mit Einleitungsrohr), in dem 100 g reinen Toluola auf dem Luftbad zum Sieden erhitzt werden. Vor der Beschickung hat man in den (horizontal gehaltenen) Kolben ein k u r z e s Thermometer eingeführt, dessen unterer Teil in einem 3—4 cm langen, in der Mitte durch Einschmelzen verjüngten Glasrohr als Fuß ruht. Die auf der Kolbenwand aufstehende Seite dieses Fußes ist — damit der Kolben nicht geritzt wird — rund geschmolzen. Durch das im Schliff sitzende Glasrohr leitet man nun aus der Bombe mit vorgeschalteter H 2 S0 4 -Waschflasche einen kräftigen Chlorstrom ein, so lange, bis die Temperatur in der l e b h a f t siedenden Flüssigkeit auf 156° gestiegen ist. Das obere Kühlrohrende wird zur Beseitigung des abziehenden Chlors mit einer Vorlage mit Ätzlauge verbunden, in die das Überleitungsrohr n i c h t eintauchen soll. Die Erfahrung hat gelehrt, daß die Dauer des Einleitens von der B e l i c h t u n g abhängt 3 ; die Reaktion ist bei hellem Sonnenlicht in einigen Stunden beendet, während sie an trüben Tagen einen halben Arbeitstag in Anspruch nimmt. Man richte sich daher, soweit dies möglich ist, nach der Beleuchtung, wenn keine helle elektrische Lampe („Tageslichtlampe") zur Verfügung steht. Der Kolbeninhalt wird hierauf direkt der D e s t i l l a t i o n im V a k u u m unterworfen. Nach einem Vorlauf von unverändertem Toluol fangt man die Hauptmenge innerhalb von 7 Graden (bei 12 mm etwa zwischen 63—70°) auf. Der Siedepunkt des reinen Benzylchlorids liegt bei 64°/12 mm. Ausbeute 65—70% der Theorie. Das durch Vakuumdestillation gereinigte Präparat ist reiner und haltbarer als das unter Atmosphärendruck destillierte, da hierbei stets HCl-Abspaltung eintritt. Weitere Verwendung für B e n z y l c y a n i d (S. 125), B e n z y l m a l o n e s t e r (S. 222), Grignardsche R e a k t i o n . 1 Cannizzaro, A. ch. (3) 46, 468 (1855); Beilstein und Geitner, A. 189, 332 (1866); Schramm, B. 18, 608 (1885). 2 Er sollte vom Saalassistenten entleihbar sein. 3 G.Book und J . E g g e r t , Ztschr. f. El. 29, 521 (1923); B. 59, 1192 (1926); F. Bergel, B. 59, 153 (1926).
Benzylchlorid aus Toluol
93
Die theoretisch einfachste Methode, um Halogen am Kohlenstoff an Stelle von Wasserstoff einzuführen, besteht in der Einwirkung von freiem Halogen auf gesättigte Kohlenwasserstoffe. Sie wird, wie die Chlorknallgasreaktion, durch Licht katalytisch beschleunigt und führt, auf Methan und Chlor übertragen, diesen Kohlenwasserstoff in Mono-, D i - , T r i - und T e t r a c h l o r m e t h a n über. Auch die höheren Paraffine werden auf diese Weise chloriert, aber das Verfahren ist präparativ unbequem und hat zudem den Übelstand, daß gleichzeitig verschiedene, schwer voneinander abtrennbare Reaktionsprodukte entstehen. Es besteht die Regel, daß im allgemeinen das Chlor zuerst an das w a s s e r s t o f f ä r m s t e Kohlenstoffatom tritt. In der Fettreihe bilden die Alkohole, die leichter in reinem Zustand zugänglich sind als die Kohlenwasserstoffe, nach Beispiel 1 und 2 das ausschließliche Ausgangsmaterial für die Darstellung der Halogenverbindungen. Viel übersichtlicher gestaltet sich der Substitutionsprozeß durch Chlor beim Toluol und den homologen Methylbenzolen (Xylolen usw.). Wir haben hier zwei scharf getrennte Vorgänge. 1. Durch typische Halogenüberträger, wie E i s e n f e i l e , J o d , wird ausschließlich im Kern substituiert, und zwar entstehen aus Toluol nebeneinander o- und p-Derivat. 2. Ohne einen derartigen Überträger wird selbst in der Siedehitze der Benzolkern nicht angegriffen. Die Geschwindigkeit der Substitution der Methylgruppe (Seitenkette), die in der Kälte klein ist, steigert sich aber gemäß dem allgemeinen G«setz, nach dem eine Erhöhung der Temperatur um je 10° eine Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit um das 2—3 fache zur Folge hat, zu einer f ü r den präparativen Zweck ausreichenden Höhe. Diese Reaktion ist l i c h t e m p f i n d l i c h , wie alle Reaktionen, bei denen Wasserstoff direkt durch Chlor ersetzt wird. Daß auch ein Zusatz von Phosphorpentachlorid beschleunigend wirke, ist irrtümlich. Dagegen kommt organischen Peroxyden, etwa Benzoylperoxyd, eine starke katalytische Funktion zu ( K h a r a s c h ) . Die Reaktion zwischen Toluol und Chlor bildet, ein sehr schönes Beispiel für die spezifische Wirkung von Katalysatoren. Hinsichtlich des Mechanismus der Seitenkettensubstitution ist zu sagen, daß es sich wie bei der Chlorknallgas-Reaktion um eine Radikalkette handelt. In präparativer Hinsicht ist es von großer Bedeutung, daß der Eintritt des zweit e n Chloratoms in die Seitenkette mit viel g e r i n g e r e r Geschwindigkeit vor sich geht als die erste Phase der Reaktion. So wird fast alles Chlor vom vorhandenen Toluol aufgebraucht, ehe die weitere Chlorierung des Benzylchlorids sich merkbar äußert. Die Nachbarschaft des Benzolkerns verleiht dem Chlor an der Seitenkette geringere Haftfestigkeit, d. h. größere Beweglichkeit als im Falle der reinen Paraffine. Im T r i p h e n y l c h l o r m e t h a n (CeHs)sCCl ist die Bindung des Chlors eine so lockere, daß Alkalien seine sofortige hydrolytische Abspaltung herbeiführen. Wir lernen aus diesem Beispiel, daß die Bindungsstriche unserer Formeln die Vierwertigkeit des Kohlenstoffs zwar f o r m a l zum Ausdruck bringen, daß sie aber über die energetischen Verhältnisse der einzelnen Bindungen nichts aussagen. Erst mit der Beherrschung der systematischen Grundlagen gewinnt der Chemiker Blick und Verständnis, um aus den starren Formeln mehr herauszulesen, als was die monotone Verknüpfung von Einzelatomen an sich sagen kann. B e n z y l c h l o r i d ist allen Umsetzungen der Alkylhalogenide zugänglich. Durch Verseifung mit wäßrigen Alkalien in der Hitze entsteht der zugehörige Alkohol, der B e n z y l a l k o h o l C,H 5 • CH 2 OH, eine bei 206° siedende farblose Flüssigkeit (Präp. V, 4. S. 193). Wenn man unter geeigneten Bedingungen Benzylchlorid mit Ammoniak umsetzt, erhält man B e n z y l a m i n C,H S • CH2 • NH 2 , eine ziemlich starke, flüssige Base, die alle chemischen Merkmale der aliphatischen Aminbasen besitzt und sich ganz und gar von den am Benzolkern substituierten A m i n o t o l u o l e n (Toluidinen), die mit ihm isomer sind, unterscheidet.
94
Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen
Wir können allgemein sagen, daß alle Veränderungen an der Methylgruppe des Toluols und analog gebauter Verbindungen mit denen rein alipathischer Alkylgruppen wesensgleich verlaufen. Die Fortsetzung der Chlorierung des Toluols läßt ein zweites und schließlich ein drittes Chloratom in die Seitenkette eintreten. B e n z a l c h l o r i d C e H 6 • CHC12, eine farblose, ebenso wie Benzylchlorid zu Tränen reizende Flüssigkeit, ist das technische Ausgangsmaterial für die Gewinnung des B e n z a l d e h y d s . Vgl. Präp. V, 3; S. 184. B e n z o t r i c h l o r i d (Phenylchloroform) C6H6 • CC13. Der Einfluß des Benzolkerns auf die Bindungsverhältnisse des benachbarten Kohlenstoffs äußert sich hier besonders anschaulich. Während sich C h l o r o f o r m gegen Alkalien ziemlich resistent verhält, wird B e n z o t r i c h l o r i d dadurch außerordentlich leicht, und zwar unter Herausnahme aller 3 Chloratome zu B e n z o e s ä u r e verseift. Es wäre aber verkehrt, zu glauben, daß hierbei alles Chlor gleichzeitig herausgenommen werde, gemäß der Gleichung: C1 NaOH C,H 5 . (5—C1 NaOH
•
/OK C 9 H 5 . C—OH + 3NaCl — -
C„H6 • C
,0H + H20.
^ C l NaOH ^OH ^O Alle chemischen Reaktionen verlaufen s t u f e n w e i s e , und zwar zumeist zwischen 2 Molekeln (Reaktionen zweiter Ordnung oder dimolekulare Reaktionen). So werden wir auch unsere Reaktion in Teilvorgänge aufzulösen und folgendermaßen zu formulieren haben: /Gl /OH O C,H e • C—C1 + NaOH
• C,H 6 • C—C1 + NaCl
\ a
C,HS.C
i\ a
ii
a
o + N a 0 H
+ NaCl + H 2 0
-
C6H6 • C X
+NaCl. 0H
Die Zwischenprodukte I und I I unterliegen der Verseifung durch Alkali viel rascher als Benzotrichlorid. Daher treten sie nicht in Erscheinung. Zu dem Zwischenprodukt I ist noch zu bemerken, daß Verbindungen dieser Art, die Hydroxyl und Halogen am g l e i c h e n Kohlenstoffatom tragen, nicht existenzfähig sind, sondern sofort den Übergang >C C = 0 +
HCl
erfahren. Versuch: Man kocht einige Tropfen Benzylchlorid mit (halogenfreiem) alkoholischem, Kali einige Minuten i m Reagenzglas auf dem Wasserbad. D a n n verdünnt man mit Wasser, macht salpetersauer, schüttelt U n gelöstes in Äther und läßt einige Tropfen Silbernitratlösung einfließen. Der analoge Versuch m i t reinem Brombenzol (nächstes Präp.) wird kein Brom-Ion auftreten lassen. Unterschied zwischen a l i p h a t i s c h und a r o m a t i s c h gebundenem Halogen. A n a l y s e d e s B e n z y l c h l o r i d s . Die quantitative Halogenbestimmung in Substanzen, die aliphatisch gebundenes Halogen enthalten, führt man nicht nach C a r i u s im Einschmelzrohr (vgl. S. 65) aus,
Brombenzol
95
sondern durch hydrolytische Abspaltung mit eingestellter a l k o h o l i s c h e r K a l i l a u g e . Da diese Methode sehr häufig angewandt wird, verbinde man die Kontrolle des dargestellten Präparates mit ihrer Erlernung. Man kocht in einem öfters benutzten, gut ausgedämpften kleinen Rundkölbchen eine genau gewogene Menge Benzylchlorid (etwa 1 g) mit dem 1% fachen der berechneten Menge ungefähr njl-alkoholischer Natronlauge 1 Stunde lang am Rückflußkühler, verdünnt dann mit
dem doppelten Volumen Wasser und titriert mit nß-Salzsäure Phenolphtaleinzusatz die überschüssige Lauge zurück.
nach
Die Metbode ist natürlich nur anwendbar, wenn keine anderen Säuren entstehen. In diesem Falle wird das Halogen mit R h o d a n i d nach Volhard titriert.
4. Brombenzol Ein !/, -Liter-Rundkolben trägt in einem seitlich angeschmolzenen Ansatzrohr, durch Glasschliff eingesetzt, einen Kühler, im oberen Hals einen ebenfalls eingeschliffenen Tropftrichter (Fig. 46) (Korkoder Gummiverbindungen werden durch Brom so stark angegriffen, daß ein sauberes Arbeiten ohne Schliffkolben sehr erschwert ist). Das obere Ende des Kühlrohrs ist durch einen paraffinierten Kork mit einem großen Peligotrohr (Fig. 47) oder Erlenmeyerkolben (Einleitungsrohr über dem Wasser) verbunden, in dem der entstehende Bromwasserstoff durch Wasser absorbiert wird. In den Kolben bringt man 90 ccm (1 Mol) Benzol und 2 g grobe Eisenfeilspäne und läßt dann unter Schütteln aus dem Tropftrichter nach und nach 53 ccm Brom, (160 g) eintropfen. Man wartet das unter
96
Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen
HBr-Entwicklung erfolgende Eintreten der Reaktion ab und reguliert die Zufahr des Broms so, daß die Umsetzung flott im Gang bleibt, ohne stürmisch zu werden. Sollte sie gegen Ende zu träge werden, so erwärmt man noch kurze Zeit im Wasserbad, bis alles Brom verbraucht ist. Nun wird das Reaktionsgemisch aus einem größeren Rundkolben mit Wasserdampf destilliert. Sobald sich im Kühler Kristalle von p-Dibrombenzol abscheiden, wechselt man die Vorlage und treibt noch einen Teil des Nebenprodukts über. Das zuerst abgeblasene Brombenzol wird nach dem Absitzen im Scheidetrichter abgetrennt, mit Calciumchlorid 1 Stunde lang getrocknet und dann destilliert. Die zwischen 140—170° übergehende Fraktion liefert bei wiederholter Destillation der Hauptmenge nach ein Destillat, das zwischen 152—158° übergeht und ziemlich reines Brombenzol darstellt; Ausbeute 70—80 g. Für die spätere Verwendung bei der Grignardschen R e a k t i o n (S. 290) muß das Präparat in engeren Grenzen nochmals fraktioniert werden. Die reine Verbindung siedet bei 155°. p-Dibrombenzol. Der Rückstand, der bei der ersten Destillation im Kolben geblieben ist, wird noch heiß in eine kleine Porzellanschale gegossen und nach dem Erstarren gemeinsam mit dem Produkt aus der Wasserdampfdestillation auf einem Tonteller von Schmieren befreit bzw. getrocknet. Dabei soll die Substanz nicht mit dem Spatel in den Ton hineingedrückt werden, sondern man legt sie — das gilt für alle Operationen gleicher Art — mit l e i c h t e m Druck auf, damit die Saugwirkung des Tons voll zur Geltung kommt. Bei stark verschmierten Substanzen hebt man nach mehrstündigem Stehen das aufgelegte Gut mit dem Spatel ab und bringt es an eine unbenutzte Stelle des Tellers.
Nach dem Trocknen wird das p-Dibrombenzol aus wenig Alkohol umkristallisiert, aus dem es in prächtigen farblosen Prismen herauskommt. Schmelzpunkt 89 '. B r o m w a s s e r s t o f f s ä u r e als Nebenprodukt. Es sind bei der Reaktion 80 g HBr entstanden, die etwa 200 ccm Wasser zur Absorption erforderten. Man muß daher, wenn keine genügend große Vorlage vorgeschaltet war, die Beschickung der Vorlage erneuern, sobald Nebel sich zu zeigen beginnen. Zur Reinigung wird die Bromwasserstoffsäure aus einem Fraktionierkolben mit übergezogenem Wasserkühler (Fig. 19) destilliert. Der Siedepunkt steigt nach einem Vorlauf von Wasser auf 126°, und bei dieser Temperatur geht 48-proz. Säure über, die im Laboratorium allerorts gute Verwendung findet. So kann man z. B. auch das für die Darstellung der A l k y l b r o m i d e notwendige Kaliumbromid aus ihr darstellen, indem man in einem geräumigen Gefäß die berechnete Menge Pottasche bis zum Neutralpunkt einträgt. Eine nützliche Regel für derartige Operationen: Man behält einen kleinen Teil des schwerer zugänglichen Stoffes — hier der B r o m w a s s e r s t o f f s ä u r e — auf der Seite, damit man beim Überspringen des Neutralpunktes nicht in Verlegenheit kommt.
97
Brombenzol
Versuch: Reines Brombenzol spaltet beim Kochen mit Kali kein Bromion ab. Das Halogen ist am Benzolkern sehr fest gebunden, die a r o m a t i s c h e n H a l o g e n i d e sind den charakteristischen Reaktionen der Alkylhalogenide nicht zugänglich. Nur durch katalytisch erregten oder kräftig wirkenden nascierenden Wasserstoff (Natrium in Alkohol) ist das Halogen ersetzbar, auch mit Magnesium kann man Arylhalogenide zur Umsetzung bringen (Präparat IX, 1; S. 290); ferner erfolgt bei der F i t t i g s c h e n Synthese (S. 91) eine Ablösung des Halogens. Wollen wir Brombenzol mit einem Halogenid der Fettreihe vergleichen, so kann dies naturgemäß nicht das gesättigte Äthylbromid sein, sondern wir müssen Substanzen von der Art des V i n y l b r o m i d s heranziehen. H_H H
{=)
H
B H r> C = C • CH, • CH. I I I I NO2 OH NO 2 0 • NO 2 5. U n t e r c h l o r i g e S ä u r e , gemäß der Gleichung: CH 2 : CH 2
CH2—CHa
C1 OH So erhält man Ä t h y l e n - c h l o r h y d r i n durch gleichzeitiges Einleiten von Äthylen und C0 2 in Chlorkalklösimg. 6. S t i c k s t o f f d i o x y d zu D i n i t r o ä t h a n e n : R—CH = CH—R' R • CH • CH—R' iiro 2 n o 2 Mit S t i c k s t off t r i o x y d entstehen unter Aufnahme von N 2 0 3 die dimolekularen Pseudonitrosite. 7. O z o n ( H a r r i e s , S t a u d i n g e r ) . CH2 ; CH2
03
> HgC
CH2
A - - A Da die O z o n i d e beim Erhitzen mit Wasser nach der Gleichung: R • HC
CH • R
^
-
R • CHO + R • CHO + HO • OH
1 Eine für das Laboratorium geeignete Vorschrift findet man bei W. K e s t i n g Ang. Ch. 38, 362 (1925).
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe
103
gespalten werden, so vermitteln sie eine Synthese für Aldehyde (oder Ketone). Die Hydrolyse setzt an der Ätherbindung ein und läßt als Zwischenprodukte D i o x y a l k y l p e r o x y d e RH(OH)C • 0 — 0 • C(OH)HR entstehen (siehe auch S. 180), die weiter in Aldehyd (oder Keton) und Hydroperoxyd zerfallen (Rieche). Benzol addiert 3 Mol O3; sein Triozonid (Ozobenzol) CeH609 zerfällt mit Wasser in 3 Mol Glyoxal. Glatter und ohne Nebenreaktionen verläuft die hydrierende Spaltung der Ozonide, die über einen unbeständigen Oxyalkyläther R.C — 0 — C • R H
OH HO
H
zu A l d e h y d bzw. K e t o n führt. Vgl. dazu die Darstellung von Adipindialdehyd aus Cyclohexen auf S. 335. 8. Wasserstoff. Die Olefine lassen sich durch keines der üblichen Reduktionsmittel mit nascierendem Wasserstoff hydrieren. Dies gelingt nur auf k a t a l y t i schem Wege mit Wasserstoffgas bei Gegenwart fein verteilter Metalle, wie Nickel (Sabatier), Palladium (Paal, Skita), Platin (Fokin, Willstätter). Vgl. dazu die Präparate S. 328 u. f. 9. Benzopersäure (Reaktion von Prileschajew). Dabei entstehen A l k y l e n oxyde. 0 • OH 1 R • CH : CH R ' + C„H6 • C : O •» R • CH • CH • R ' + C6H5 • COOH
V
10. H y d r o x y l . Durch Permanganat werden die Olefine bei tiefer Temperatur in ihre Glykole übergeführt. R • CH: CH • R '
R . CHOH • CHOH • R '
Die Einwirkung dieses Oxydationsmittels führt aber leicht zu einer Sprengung der Doppelbindung, indem die an ihr beteiligten Kohlenstoffatome weiter oxydiert werden. Sind sie noch gleichzeitig mit Wasserstoff in Bindung, so entstehen Carbonsäuren, andernfalls Ketone. /CH3 R.CH:C< "NJH,
.CH, • R . C O O H + OC/ XCH3
Die Reaktion mit Permanganat bildet ein wertvolles und viel benütztes Erkennungsmittel für die ungesättigte Natur einer organischen Verbindung. Man löst die Substanz in kaltem Alkohol, gibt einige Tropfen Sodalösung und dann einen Tropfen verdünnter Permanganatlösung zu. Daa rasche Verschwinden der roten Farbe zeigt die Gegenwart einer Doppelbindung an. Auch in reinem, gegen Permanganat beständigem Eisessig läßt sich die „Baeyersche P r o b e " ausführen. Die Entfärbung von Brom bietet eine weitere Erkennungsmöglichkeit von Doppelbindungen. Als Lösungsmittel dient gewöhnlich Chloroform. Eine schonende Methode, um Olefine in Glykole überzuführen, besteht in der Einwirkung Osmiumtetroxyd 0s0 4 (Criegee); als Primärprodukt läßt sich ein Ester der Säure H 2 0s0 4 fassen. Die Olefine verhalten sich nun, in Abhängigkeit von der Natur der Molekel, vielfach verschieden hinsichtlich der Geschwindigkeit, mit der sie die aufgeführten Additionsreaktionen eingehen. Wenn wir in einer Formel eine Doppelbindung
104
Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen
sehen, so ist damit nicht ohne weiteres gesagt, daß wir alle möglichen Umsetzungen auch mit ihr ausführen können. So gelingt es zum Beispiel nicht, an T e t r a p h e n y l ä t h y l e n (C,H S ) 2 C: C(C8H5)a überhaupt Brom anzulagern. Dagegen wird Natrium addiert, was wiederum beim Äthylen nicht möglich ist. Die A f f i n i t ä t der Doppelbindung ist demnach von Fall zu Fall verschieden. Stehen zwei Doppelbindungen einander benachbart (konjugiert), so können sie bei Anlagerungsreaktionen als g e s c h l o s s e n e s S y s t e m reagieren. So lagert B u t a d i e n Brom teilweise im Sinne folgender Gleichung an: l 2 3 4 B Seine Dicarbonsäure, die M u c o n s ä u r e , wird zur ^.^-ungesättigten D i h y d r o m u c o n s ä u r e hydriert: HOOC • CH = CH • CH = CH • C O O H - HOOC • CH 2 • CH = CH . CH 2 • COOH In beiden Fällen verschwinden die beiden ursprünglichen Doppelbindungen und zwischen sie tritt eine neue; die Addition hat in 1 , 4 - S t e l l u n g stattgefunden. Eine besonders interessante und präparativ wichtige Anwendung hat das Prinzip der 1,4-Addition in der schönen, von D i e l s und AI d e r 1 entdeckten „ D i e n S y n t h e s e " gefunden. Nach ihr lagern sich B u t a d i e n und zahlreiche B u t a d i e n D e r i v a t e (Isopren, Cyclopentadien) an eine aktivierte Kohlenstoffdoppelbindung unter Bildung von Abkömmlingen des T e t r a h y d r o b e n z o l s . So entsteht z. B. aus Butadien und Maleinsäureanhydrid T e t r a h y d r o p h t h a l s ä u r e - a n h y d r i d : CO
^CHa CH
CH
k
+
CH \:CH,
CH
/
CO
Durch Anlagerung von Butadien an C h i n o n gelangt man in die hydrierte N a p h t h a l i n reihe: CH2 CO CH 2 CO HC I HC C
+
HC II HC
CH II CH
c
HC .. HC
CH CH
CO Die Anwendung von C y c l o p e n t a d i e n als „Dien" führt zur Synthese e n d o c y c l i s c h e r R i n g s y s t e m e , wie sie die Pflanzenzelle im Campher und anderen Terpenen erzeugt, z. B.: CH CH CHO CH
\
II CH
CH2 /
CH
/
CH—CHO
CH +
II ch
II 2
ch
CH |
2
|
CH a
CH Die Ausführung einer Dien-Synthese (Cyclohexadien und Chinon) ist auf S. 268 beschrieben. 1 A. 460, 98 (1926); K. A l d e r , Neuere Methoden der präparativen organischen Chemie, S. 251. Verlag Chemie 1943.
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe
105
Nach T h i e l e erklärt man die Erscheinung der 1,4-Addition so, daß die Kraftfelder, die die an ungesättigten Bindungen beteiligten Kohlenstoffatome umgeben, sich zwischen C2 und C3 wegen der räumlichen Nähe zum Teil gegenseitig aufheben, so daß an Cx und C4 ein höheres chemisches Potential besteht als an C2 und C 3 ; dort sind demgemäß die bevorzugten Stellen der Addition. Auf das Benzol übertragen sieht diese Vorstellung in ihm ein durch inneren Valenzausgleich viel stärker abgesättigtes Gebilde, als dies bei mehrwertigen Olefinen möglich ist. Im Benzol fehlen die Angriffspunkte, die der offenen Kette noch verbleiben: H H H 2 C = C—C = CH2
i
^
!
W
Wenn wir mit T h i e l e die Inaktivierung benachbarter C-Atome durch eine Klammer wie oben zum Ausdruck bringen, so sehen wir, daß im Benzol alle „ P a r t i a l v a l e n z e n " ausgeglichen sind. Unserer Kenntnis vom aromatischen Zustand ward eine wesentliche Vertiefung und physikalische Fundierung von Seiten der modernen Mesomerielehre zuteil (S. 377). Der Ausgleich der Restvalenzen im Rahmen der T h i e l e s c h e n Theorie ist mit einem Energiegewinn verbunden. Ein konjugiertes System ist um 2—3 kcal energieärmer als ein solches mit zwei isolierten Doppelbindungen. Die „Konjugationsenergie" des Benzols hat den außerordentlich hohen Wert von 36 kcal. Er bedingt die Eigenschaften des Benzols, die seinen „aromatischen Charakter" ausmachen. Wir glauben, daß man den Begriff der „Inaktivierung" von Partialvalenzen durch den ihrer S c h w ä c h u n g ersetzen sollte. Denn einmal gehen keineswegs alle Addenden bei Systemen benachbarter („konjugierter") Doppelbindungen in die 1,4-Stellung, und dann zeigt doch das Benzol die typischen Reaktionen eines Stoffes mit 3 Doppelbindungen, indem es, wenn auch langsamer als ein Olefin, z. B. H a l o g e n , katalytisch erregten W a s s e r s t o f f (zu Cyclohexan), O z o n , D i a z o e s s i g e s t e r (S. 243) direkt anlagert. Daß diese Anlagerungsreaktionen mit geringerer Geschwindigkeit vor sich gehen als dort, das scheint eben durch die graduell gemilderte Interpretation der Thieleschen Hypothese verständlich zu werden. — Auf die Grenze dieser Hypothese stoßen wir beim höheren Ringhomologen des Benzols, beim C y c l o - o k t a t e t r a e n (siehe weiter unten), das sich durchaus nicht als chemisches Ebenbild des Benzols erwiesen hat. Es ist gelb und zeigt die große Reaktionsfähigkeit eines vierfachen Olefins: HH H >
XH H H
Das Fehlen des aromatischen Charakters ergibt sich im Rahmen der Mesomerielehre als Folge des nicht ebenen Baues des Achtringes. Von höher konjugierten ungesättigten Systemen wird später bei den P o l y e n e n und den C a r o t i n o i d e n (S. 203) die Rede sein. P o l y m e r i s a t i o n der Olefine Auf die Reaktionsfähigkeit der C = C - Doppelbindung ist auch die Neigung der Olefine zur Polymerisation zurückzuführen. Sie ist bei Systemen mit konjugierten Doppelbindungen besonders groß und wird im technischen Maßstab für die Gewinnung wichtiger hochpolymerer Stoffe wie Kautschuk und anderer Kunststoffe verwendet. Jede Polymerisation stellt einen exothermen Absättigungsvorgang dar. Ihre erste Stufe bildet die gegenseitige Verknüpfung zweier Molekeln, deren Produkt
106
Die Substitution von Hydroxy! und Wasserstoff durch Halogen
aber nur in seltenen Fällen zu fassen ist. So kann z. B. I s o b u t y l e n , das beim Crackprozeß von Erdöl erhalten wird, durch Schwefelsäure zu Diisobutylen dimerisiert werden. Dessen katalytische Hydrierung liefert das sog. I s o - o c t a n , einen Kohlenwasserstoff, der als klopffester Treibstoff Verwendung findet. H,C \C=CHJ H,CR
H3C +
H3C \C=CH2
•
H,C
CH
*
NO=CH—C—CH, H,C I
CH3
H3C )CH—CH2—O-CH, H
3°
CH 3
Ein interessantes Beispiel von Dimerisation bildet der spontane Übergang von Cy c l o p e n t a d i e n in Di-cyclopentadien, bei dem sich unter 1,4-Addition 2 Molekeln in räumlich eigenartiger Weise miteinander verbinden 1 . Das Butadien vermag bei der Polymerisation sowohl nach dem 1,2- wie auch nach dem 1,4-Schema in Reaktion zu treten. Nach K. Z i e g l e r vermutet man, daß bei Verwendung von Na als Katalysator ein Anlagerungsprodukt von 2 Atomen Na an Butadien die Polymerisation auslöst. Dieser Prozeß schreitet bis zur Ausbildung langer Ketten weiter, die als Folge der an ihrer Bildung beteiligten 1,2Addition teilweise verzweigt sind. Das Mischpolymerisat mit Styrol bildet den synthetischen Kautschuk Buna S. Polymerisiertes reines Styrol ist ein viel verwendeter glasartiger Kunststoff. Der natürliche K a u t s c h u k , der aus Isopren-Einheiten aufgebaut ist, besitzt — abgesehen von den /J-ständigen Methylgruppen des Isoprens, — die Gestalt einer unverzweigten Kette. Das wichtigste Kunstglas, das sog. „Plexiglas" ist ein Polymeres des Methacrylsäureesters. Auch aus Isobutylen und sogar aus Äthylen werden neuerdings unter der Wirkung geeigneter Katalysatoren wertvolle hochpolymere Kunststoffe gewonnen (Oppanol, Polythene, Lupolen). Als Leder- oder Kautschuk-Ersatz dienen die aus Vinylchlorid und Vinylacetat erzeugten Polymeren. Acrylnitril (aus Acetylen und Blausäure) liefert ein sehr widerstandsfähiges Polymerisat, das sich zu Fäden hoher Reißfestigkeit (Orionfaser) verspinnen läßt. Vom Mechanismus der Polymerisationsvorgänge — es handelt sich durchweg um Kettenreaktionen — wird später (S. 305) noch die Rede sein. Als Katalysatoren für derartige Polymerisationen haben sich geringe Mengen von organischen Peroxyden besonders bewährt. Auch das Butadien wird heute in Emulsion mit Peroxden polymerisiert. Es sei in diesem Zusammenhang auch kurz über die P o l y m e r i s a t i o n d e s A c e t y l e n s berichtet. Als einfachster polymerer Kohlenwasserstoff tritt hier das Vinylacetylen CH 2 =CH—C=CH auf ( N e w l a n d ) , während die höheren Polymeren cyclische Gebilde darstellen. So entsteht auf verschiedenen Reaktionswegen aus Acetylen B e n z o l ( B e r t h e l o t , R e p p e ) , bei Anwendung von Nicyanid als Katalysator kommt die sehr bemerkenswerte Polymerisation zu dem ^ von W i l l s t ä t t e r aus Pseudopelletierin zuerst gewonnenen Cycloi—\ o k t a t e t r a e n in präparativem Ausmaß zustande 2 . Auch die fünf\—Y und sechsfache Polymerisation zu verschiedenen Kohlenwasserstoffen CI0H10 und C12H12 ist geglückt. Unter ihnen findet sich auch der blaue Kohlenwasserstoff „ A z u l e n " C10H8, von dem Derivate auch in pflanzlichen ölen 3 vorkommen . 1 2 8
A l d e r und S t e i n , A. 485, 223. W. R e p p e und Mitarb. A. 660, 1 (1948). P l a t t n e r und P f a u , Helv. 19, 865 (1937).
107
Glykol aus Äthylenbromid
6. Glykol (Äthylenglykol) aus Äthylenbromid
1
G l y k o l d i a c e t a t . In einem mit Rückflußkühler verbundenen kurzhalsigen Rundkolben von 1/2 Liter Inhalt wird eine Mischung von 63 g (!/ CH3 • CO • 0 • CO • CH3 + HCl. Das Anhydrid wird nun viel leichter substitutiv chloriert als die Säure, und das Zwischenprodukt, das so entsteht, wird schließlich durch den bei der Beaktion auftretenden Chlorwasserstoff wie folgt gespalten: CHaCl • CO. CH2C1 • COOH . b) > 0 + HCl • H3C • C O / CH 3 -C0C1 Das zurückgebildete A c e t y l c h l o r i d kann dann nach a) erneut in Beaktion treten. Während in unserem Fall die Menge des Phosphors eine beschränkte ist, benutzt man, namentlich zur Einführung von Brom, häufig äquivalente Mengen, stellt also das S ä u r e b r o m i d her, das dann erst in a-Stellung substituiert wird. Als Reaktionsprodukt tritt hierbei daa B r o m i d d e r a - b r o m i e r t e n S ä u r e auf, das man durch Behandlung mit Wasser in diese umwandeln muß; häufig stellt man auch durch Einwirkung von Alkohol den E s t e r dar (Hell-Volhard-Zelinskysches Verfahren). Die a - H a l o g e n c a r b o n s ä u r e n , deren einfachste die Chloressigsäure ist, finden für Synthesen mannigfache Verwendung. Erwähnt sei hier ihr Übergang in O x y s ä u r e n (durch hydrolytische Abspaltung des Halogens) und in A m i n o s ä u r e n (Präp. VII, 2): C1CH2 • COOH + HÖH HOCH2 • COOH + HCl C1CH2• COOH + 2NH 3 — ^ H 2 N . C H 2 . C O O H + NH 4 Cl. Die Einführung von Jod erfolgt nach der auf S. 91 erwähnten Methode. /?-Halog e n c a r b o n s ä u r e n werden durch Addition von Halogenwasserstoff an a,^-ungesättigte Säuren erhalten: CHj=CH.COOH Acrylsäure
- ? B r -> CH2Br • CH2 • COOH . 0-Brompropionsäure
II. Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge 1. Säurechloride a) A c e t y l c h l o r i d 1 Zu 90 g (1,5 Mol) wasserfreiem Eisessig, welcher sich in einem m i t absteigendem K ü h l e r v e r b u n d e n e n Fraktionierkolben b e f i n d e t , l ä ß t m a n u n t e r K ü h l u n g m i t k a l t e m Wasser aus einem T r o p f t r i c h t e r 72 g Phosphortrichlorid fließen. Man t a u c h t d a n n die K u g e l des Kolbens in eine n i c h t zu kleine, m i t Wasser v o n 40—50° gefüllte Porzellanschale ein u n d setzt die E r w ä r m u n g solange f o r t , bis die i m A n f a n g l e b h a f t e Salzsäureentwicklung nachgelassen u n d die vor d e m E r w ä r m e n homogene Flüssigkeit sich in zwei Schichten g e t r e n n t h a t . D a s Acetylchlorid wird hierauf auf l e b h a f t siedendem W a s s e r b a d v o n der phosphorigen Säure (untere Schicht) abdestilliert. Eine kleine Saugflasche, die d u r c h einen K o r k a n das u n t e r e E n d e des K ü h l r o h r s angeschlossen u n d d u r c h ein 1
B e c h a m p , C. r. 40, 946 (1855); 42, 226 (1856).
112
Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge
mit Gummischlauch angefügtes CaCl2-Rohr gegen die Luftfeuchtigkeit geschützt ist, dient als Vorlage. Durch wiederholte Destillation (mit Thermometer) wird das Präparat gereinigt. Man fangt die Fraktion zwischen 48—53° gesondert auf (Siedepunkt des reinen Acetylchlorids 51°). Ausbeute 70—80 g. Verwendung für E s s i g s ä u r e a n h y d r i d (S. 116) und Acetophenon (S. 297). Man prüfe das Präparat auf Phosphorgehalt (PC13), indem man einige Tropfen in wenig warmem Wasser zersetzt, die Lösung in einer kleinen Porzellanschale abdampft, dann zweimal mit starker Salpetersäure oder Bromwasser abraucht und schließlich die üblichen Reaktionen auf Phosphorsäure anstellt. Wird Phosphor nachgewiesen, so ist das Präparat nochmals mit ein paar Tropfen Eisessig zu destillieren.
b) B e n z o y l c h l o r i d g (V3 Mol) trockene Benzoesäure werden in einem Rundkolben von 250 ccm Inhalt, der einen eingeschliffenen Kühler trägt (zur Not auch Korkverbindung), mit 100 ccm Thionylchlorid Übergossen und hierauf im Wasserbad unter Rückfluß auf 80° erwärmt (Abzug). Nach einer halben Stunde ist die kräftige Gasentwicklung (HCl und S0 2 ) beendigt; man gießt das abgekühlte Gemisch in einen Fraktionierkolben über und destilliert am absteigenden Wasserkühler das überschüssige Thionylchlorid auf lebhaft siedendem Wasserbad soweit als möglich ab; es ist für die gleiche Operation nochmals verwendbar. Das Benzoylchlorid wird hierauf am Drahtnetz oder mit schwach leuchtender Flamme der Destillation unterworfen. Langes Kühlrohr mit Vorlage, wie beim Acetylchlorid beschrieben, aber ohne Wassermantel. Nach einem beträchtlichen Vorlauf, der im wesentlichen aus (ebenfalls wieder verwendbarem) Thionylchlorid besteht, geht die Hauptmenge bei 194—199° über. Reines Benzoylchlorid siedet bei 194°. Ausbeute 40—42g. Auch hier empfiehlt sich die D e s t i l l a t i o n im V a k u u m , die ein reineres Produkt liefert. Viel verwendetes Laboratoriumspräparat. Um das Hydroxyl einer COOH-Gruppe durch Chlor zu ersetzen, kann man z. T. die gleichen Reaktionen benutzen, welche oben für den Ersatz von alkoholischen Hydroxylgruppen durch Halogen beschrieben wurden. Praktisch stellt man Säurechloride fast immer durch Einwirkung von PC13, PC15 oder S0C12, in selteneren Fällen von POCI3, auf die S äuren selbst, in manchen Fällen auch wohl auf deren Alkalisalze, dar. Die Auswahl des Chlorids hängt ab 1. von der Leichtigkeit, mit welcher die betreffende Säure reagiert, und 2. von dem Siedepunkt des Säurechlorides. Wirkt z. B. wie bei der Essigsäure und ihren Homologen bereits PC13 unter Bildung des Chlorides leicht ein, so zieht man dieses Chlorid dem noch energischer wirkenden PC16 vor. Bei der Reaktion, deren Mechanismus nachstehend erörtert wird, entsteht phosphorige Säure nach der Gleichung: 3CH3 • C
+ PCI3 = 3CH3 • C
+H3P03.
Indem die phosphorige Säure mit Acetylchlorid oder auch mit Phosphortrichlorid reagiert, kommt die bei dem Versuch beobachtete Entwicklung von Salzsäure zustande.
Säurechloride
113
B e n z o e s ä u r e reagiert mit PC13 weniger glatt, energisch aber mit PC15. Da die Abtrennung des überschüssigen Chlorphosphors (auch des Oxychlorida) viel weniger einfach ist als bei der Anwendung von Thionylchlorid, zieht man dieses leicht zu beschaffende und wohlfeile Chlorid vor (H. Meyer). Die R e a k t i o n s w e i s e hat man sich so vorzustellen, daß zuerst unter HC1Abspaltung das g e m i s c h t e A n h y d r i d entsteht, das dann in Säurechlorid und SOj zerfällt: R • C: 0 + SOa 2 >• R C: 0 —HC1 OH Ö . S0C1
>• R • C: O C1 +
S
°a •
Ahnlich ist der Gang der Reaktion, wenn man die Chloride des Phosphors (oder Phosgen) verwendet. In Fällen, wo die Reaktion sehr stürmisch verläuft, benützt man Chloroform oder Benzol als Verdünnungsmittel; dies gilt auch für die Umsetzung der Alkohole. Des P h o s p h o r o x y c h l o r i d s bedient man sich meistens nur dann, wenn man die Salze von C a r b o n s ä u r e n anwendet, mit welchen es in folgender Weise reagiert: 2CH 3 • CO • ONa + POCL, = 2CH 3 . CO • C1 + NaP0 3 + NaCl. Diese Reaktion kann man mit Vorteil verwerten, um das Chlor des PC15 vollkommener auszunützen, als es bei seiner Einwirkung auf die freien Säuren geschieht. Die S ä u r e c h l o r i d e sind in den niederen Reihen farblose Flüssigkeiten, in den höheren farblose kristallinische Substanzen. Sie sieden meistens unter gewöhnlichem Druck ohne Zersetzung; nur die hochmolekularen werden zweckmäßig im Vakuum destilliert. Der Siedepunkt der Säurechloride liegt niedriger als der der Säuren, wie denn überhaupt der Ersatz von Hydroxyl durch Chlor eine Siedepunktserniedrigung zur Folge hat: CH3 • CO • C1 Siedepunkt 51° C6H6 • CO • C1 Siedepunkt 196° CH3 • CO • OH Siedepunkt 118° C„H5 • CO • OH Siedepunkt 250° Formylchlorid ist nicht beständig, da es in CO und HCl zerfällt; wohl aber existiert das Formylfluorid. Die Säurechloride besitzen einen heftig stechenden Geruch und rauchen an der Luft. Sie werden durch Wasser unter Bildung von S ä u r e und C h l o r w a s s e r s t o f f zersetzt. Diese Umsetzung erfolgt vielfach außerordentlich leicht, da daa Chloratom an einem Säurerest viel lockerer als an einem Alkylrest haftet. Während es zur Umwandlung eines Halogenalkyls in einen Alkohol meistens erforderlich ist, jenes lange Zeit mit Wasser, oftmals unter Zusatz von Natron, Kali, einem Carbonat oder Acetat, zu kochen, erfolgt die analoge Umsetzung eines Säurechlorids bei weitem leichter. Bei den niederen Gliedern, wie z. B. dem A c e t y l c h l o r i d , tritt die Reaktion bereits in der K ä l t e in äußerst stürmischer Weise fast augenblicklich ein, während es bei den höheren Gliedern, wie z. B. beim B e n z o y l c h l o r i d , des Erhitzens bedarf, um die Umsetzung herbeizuführen. S u l f o s ä u r e c h l o r i d e sind selbst gegen siedendes Wasser eine Zeitlang beständig (siehe Benzolsulfochlorid S. 169). Alkalien wirken naturgemäß weit lebhafter als Wasser auf Säurechloride ein. Mit Alkoholen und Phenolen reagieren die Säurechloride unter Bildung von S ä u r e e s t e r n .
Versuch: Man gieße etwa 1 /2 ccm Acetylchlorid allmählich zu 2 ccm Waaser, das sich in einem Reagenzrohr befindet. Ist das Wasser sehr kalt, so kann man kurze Zeit die im Wasser untersinkenden und mit diesem sich mischenden Tropfen des Chlorids beobachten. Schüttelt man das Rohr, so tritt eine lebhafte Reaktion unter Erwärmung ein. Versuch: Man führe den gleichen Prozeß mit Benzoylchlorid aus. Auch bei längerem Schütteln keine wahrnehmbare Veränderung; man 8
G a t t e r m a n n , Praxis des organ. Chemikers. 35.Aufl.
114
Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge
muß einige Zeit kochen, um die völlige Zersetzung zu erreichen. Nach dem Erkalten kristallisiert Benzoesäure aus. In gleicher Weise bringe man Benzoylchlorid mit 2 n-Lauge zusammen. Versuch: Zu 1 ccm Alkohol, welcher sich in einem durch Wasser abgekühlten Reagenzrohr befindet, fügt man tropfenweise das gleiche Volumen Acetylchlorid, versetzt dann, ebenfalls unter Kühlung, mit dem gleichen Volumen Wasser und macht vorsichtig mit Natron schwach alkalisch. Hat sich nicht schon hierbei über der wäßrigen Flüssigkeit eine leicht bewegliche Schicht des angenehm riechenden Essigesters abgeschieden, so fügt man noch so lange fein pulverisiertes Kochsalz hinzu, bis sich dies nicht mehr löst, wobei die Abscheidung des Essigesters eintreten wird. Man bringe in gleicher Weise Benzoylchlorid mit etwas überschüssigem Alkohol zusammen und prüfe am Geruch die Geschwindigkeit der Einwirkung. Säurechloride benutzt man auch, um zu entscheiden, ob eine vorliegende noch unbekannte Verbindung eine a l k o h o l i s c h e oder p h e n o l a r t i g e H y d r o x y l g r u p p e enthält oder nicht. Reagiert ein Stoff mit einem Säurechlorid, so ist dies der Fall, da alle Verbindungen, die den Sauerstoff in anderer Bindungsform, z. B. ätherartig gebunden enthalten, indifferent sind. Durch Zusatz von Alkali oder Alkalicarbonat kann die Reaktion wesentlich erleichtert werden. Schließlich wendet man die Einwirkung eines Säurechlorids auf A l k o h o l e und P h e n o l e noch an, um sie aus Lösungen abzuscheiden, oder um sie zu charakterisieren. Man bedient sich zu diesem Zwecke jedoch meistens des Benzoylchlorids und seiner Nitroderivate. Methylalkohol gibtz. B. mit p - N i t r o b e n z o y l c h l o r i d den schön kristallisierten Methylester, der geringe Mengen aus wäßriger Lösung herauszuholen erlaubt. Auf die Salze von Carbonsäuren wirken Säurechloride unter Bildung von S ä u r e a n h y d r i d e n ein (siehe nächstes Präparat). Es muß noch erwähnt werden, daß die Acylierung von Alkoholen, Phenolen und Aminen mit Säurechloriden (und auch Anhydriden) statt nach dem alten Verfahren von S c h o t t e n - B a u m a n n — Einwirkung von Säurechlorid in alkalisch-wäßriger Suspension — auch vielfach in Pyridinlösung vorgenommen 'wird. Der Chlorwasserstoff wird vom Pyridin gebunden. Auch auf A m m o n i a k , sowie auf p r i m ä r e und s e k u n d ä r e o r g a n i s c h e B a s e n wirken Säurechloride mit großer Leichtigkeit ein: CH„ • CO • C1 + 2NH S = CH3 • CO • NH 2 + NH4C1 Acetamid
CH3 • CO • C1 + 2C„H6 • NH 2 = C6H6 • NH • CO • CH3 + C e H 5 • N H 2 . HCl. Anilin
Acetanilid
Versuch: a) Zu 1 ccm Anilin fügt man tropfenweise Acetylchlorid, wobei unter lebhaftem Zischen eine heftige Reaktion eintritt, welche jedoch aufhört, sobald etwa das gleiche Volumen des Chlorides hinzugefügt ist. Unter Kühlung mit Wasser versetzt man dann mit dem fünffachen Volumen Wasser, wobei sich ein reichlicher Niederschlag von Acetanilid abscheidet, dessen Menge noch vermehrt werden kann, wenn man die Gefäß wände mit einem Glasstabe reibt. Der Niederschlag wird ab filtriert und aus wenig heißem Wasser umkristallisiert. Schmelzpunkt 115°.
Säurechloride
115
b) Man versetze wäßriges Ammoniak mit einigen Tropfen Benzoylchlorid. Momentan scheidet sich B e n z a m i d in farblosen Kristallen aus. Auch diese Reaktion wird benützt, um die o r g a n i s c h e n B a s e n durch Überführung in ihre meist kristallisierten Säurederivate zu charakterisieren und um kleine Mengen, vor allem von f l ü s s i g e n B a s e n , durch eine Schmelzpunktsbestimmung zu erkennen. Um die Base voll umzusetzen •—• ein Mol wird ja durch die freiwerdende Salzsäure gebunden —, setzt man beim Arbeiten in wäßriger Lösung oder Suspension A l k a l i oder C a r b o n a t , i n wasserfreiem Lösungsmittel t r o c k e n e s K a l i u m c a r b o n a t oder P y r i d i n zu. Da tertiäre Basen mit Säurechloriden nicht reagieren, da sie kein ersetzbares Wasserstoffatom mehr enthalten, so kann man mit Hilfe der Einwirkung eines Säurechlorids auch entscheiden, ob eine Base einerseits p r i m ä r oder s e k u n d ä r oder andererseits t e r t i ä r ist. Ferner sei hier auf die wichtige Verwendung der Säurechloride bei der F r i e d e l Craftsschen R e a k t i o n verwiesen (S. 295). Nach Art der S c h o t t e n - B a u m a n n s c h e n Reaktion läßt sich auch H y d r o p e r o x y d acylieren. Man kommt so zu S ä u r e - p e r o x y d e n . D a r s t e l l u n g v o n B e n z o y l p e r o x y d 1 . Zu 50 ccm e t w a 10-proz. wäßrigen Hydroperoxyds läßt m a n unter guter Eiskühlung u n d s t e t e m Schütteln (am besten in einer Glasstöpselflasche) abwechselnd 4 n-Natronlauge und Benzoylchlorid tropfen, derart, daß die Lösung immer schwach alkalisch bleibt. Nachdem etwa 30 ccm Lauge u n d 15 g Benzoylchlorid verbraucht sind, ist das Hydroperoxyd umgesetzt, das Peroxyd der Benzoesäure hat sich in kristallinischen Flocken abgeschieden und der Geruch des Chlorids ist nahezu ganz verschwunden. Man saugt ab, wäscht mit Wasser aus u n d trocknet. Ausbeute 10—12 g. Aus wenig Alkohol, in dem nur k u r z zum Sieden erwärmt wird, kristallisiert die Substanz in schönen farblosen Prismen. Schmelzpunkt 106—108° unter Zersetzung. Eine k l e i n e Probe erhitze man im trocknen Reagenzglas rasch über der Flamme. Besonders rein wird das Peroxyd erhalten, wenn man seine konz. Lösung in Chloroform in das doppelte Volumen Methylalkohol einfließen läßt. B e n z o y l p e r o x y d m u ß wie a l l e organischen Peroxyde mit einiger Vorsicht gehandhabt werden. Das Peroxyd der Benzoesäure vermittelt die einfachste Synthese von A l k y l e n o x y d e n nach P r i l e s c h a j e w . In abs. ätherischer oder noch besser benzolischer Lösung wird es nämlich durch Natriumäthylat gespalten in das N a t r i u m s a l z d e r B e n z o p e r s ä u r e und in B e n z o e s ä u r e e s t e r 2 . C,H S • C—0—O—C • C 8 H 5 >• C 6 H 5 • C—0—ONa + H 6 C 2 0—C—C,H S II II II II O O O 0 Die wenig beständige P e r s ä u r e , die wie alle Persäuren viel schwächer ist als die zugehörige Carbonsäure, wird nach dem Ansäuern des Natriumsalzes in Chloroform aufgenommen. Ihre Chloroformlösung dient als Reagenz f ü r die oben erwähnte Reaktion, die auf S. 103 bereits formuliert ist. Äthylen selbst tritt nicht in Reaktion. 1 2 8*
v. P e c h m a n n und V a n i n o , B. 27, 1510 (1894). B a e y e r und V i l l i n g e r , B. 33, 1575 (1900).
116
Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge
Eine wichtige Eigenschaft der JDiaoylperoxyde ist ihre Fähigkeit zur Spaltung in neutrale, radikalische Bruchstücke; eine Eigenschaft, die diese Verbindungsklasse zu Initiatoren von Radikal-Kettenreaktionen maoht, deren technisch wichtigste die auf S. 105 erwähnte Olefin-Polymerisation ist.
2. Essigsäure-anhydrid1 Zur Darstellung des Essigsäure-anhydrids benützt man die gleiche Apparatur wie beim Acetylchlorid. Zu 80 g fein pulverisiertem, wasserfreiem Natriumacetat (dessen Darstellung siehe unten) läßt man aus einem Tropftrichter tropfenweise 54 g (% Mol) Acetylchlorid fließen. Sobald etwa die Hälfte des Chlorids hinzugefügt ist, unterbricht man die Reaktion auf kurze Zeit, um mit Hilfe eines am untern Ende der Länge nach breit gedrückten und etwas umgebogenen Glasstabs die breiige Masse durcheinander zu rühren, und läßt erst dann den Rest nachfließen, so langsam, daß kein unverändertes Acetylchlorid übergeht. Hierauf destilliert man mit leuchtender Flamme unter fortwährendem Bewegen des Brenners das Anhydrid von dem Salzrückstande ab. Das Destillat wird schließlich unter Zusatz von 3 g fein pulverisiertem wasserfreiem Natriumacetat, welches die letzten Anteile unveränderten Acetylchlorids vollends zu Essigsäure-anhydrid umsetzt, einer fraktionierten Destillation unterworfen. Siedepunkt des Essigsäureanhydrids 138°. Ausbeute 55—60 g. Verwendung für Acetylierungen, Perkinsche R e a k t i o n (V, 8; S. 202), Acetophenon (IX, 3b; S. 297). Das Präparat ist auf Chlor zu prüfen, indem man eine Probe mit Wasser kocht und nach Zugabe von verdünnter HN03 einige Tropfen Silbernitratlösung zufügt. In analoger Weise kann das schön kristallisierte Benzoesäureanhydrid (Schmelzpunkt 42°) präparativ gewonnen werden. Es wird auch erhalten, wenn man Benzoesäure mit einem Überschuß von Essigsäureanhydrid kocht („Umanhydrisieren"). Darstellung des wasserfreien N a t r i u m a c e t a t s : Das kristallwasserhaltige Salz (3 HaO) erhitzt man in einer flachen Schale aus Eisen oder Nickel direkt über dem Brenner. Nachdem das Kristallwasser verdampft ist, erstarrt die Schmelze. Es wird hierauf durch vorsichtiges Erhitzen das wasserfreie Salz auch zum Schmelzen gebracht. Nach dem Wiedererstarren wird das Salz noch warm gepulvert und sofort unter Verschluß gesetzt. Auch das käufliche wasserfreie Acetat muß noch einmal geschmolzen werden. Die Einwirkung des Acetylchlorids auf das Natriumacetat vollzieht sich nach folgender Gleichung: CH 3 . C = 0 CH3 • CO • C1 + CHa • CO • ONa = )»0 + NaCl. CHS • C = 0 1
C. Gerhardt, A. ch. [3] 37, 313 (1853).
Essigsäure-anhydrid
117
Auch gemischte Anhydride, welche zwei verschiedene Säureradikale enthalten, kann man nach dieser Reaktion bereiten, wenn man Chlorid und Salz zweier verschiedener Säuren anwendet. Da, wie oben beim Acetylchlorid ausgeführt, aus dem Alkalisalz einer Säure und POCI3 ein Säurechlorid erhalten werden kann, so ist es f ü r die Darstellung eines Anhydrids nicht erforderlich, das Chlorid zuerst zu isolieren; man kann es vielmehr sofort auf einen Überschuß des Salzes weiter einwirken lassen, so daß aus P0C1 3 und dem Salz direkt ein Anhydrid erhalten werden kann (technisches Verfahren). Man formuliere diese Reaktion. Die S ä u r e - a n h y d r i d e sind in den niederen Reihen farblose Flüssigkeiten, in den höheren kristallisierte feste Stoffe. Sie besitzen einen scharfen Geruch, sind in Wasser unlöslich, lösen sich jedoch in indifferenten organischen Lösungsmitteln auf. Ihr spez. Gewicht ist größer als das des Wassers. Der Siedepunkt liegt höher als der der entsprechenden Säure: Essigsäure 118°, Essigsäureanhydrid 138°. Der Schmelzpunkt liegt im allgemeinen tiefer. Die niedrigeren Glieder können unter gewöhnlichem Druck ohne Zersetzung destilliert werden; bei den höheren muß die Destillation im Vakuum vorgenommen werden. Das chemische Verhalten der Anhydride gegen Wasser, Alkohole, Phenole, sowie Basen gleicht vollkommen dem der C h l o r i d e ; nur reagieren die Anhydride l a n g s a m e r als die Chloride.
Versuch: Man versetze 3 ccm Wasser mit Yi com Essigsäureanhydrid. Dieses sinkt zu Boden und löst sich selbst nach längerem Schütteln nicht. Erwärmt man jedoch die Mischung des Anhydrids mit Wasser einige Zeit, so tritt unter Aufnahme von Wasser Lösung ein. Nimmt man statt Wasser verdünnte Lauge, so tritt die Lösung rascher ein. Essigsäureanhydrid wird überaus häufig benützt, um die A c e t y l g r u p p e in R alkoholisches oder phenolisches Hydroxyl oder in ein Ammoniakderivat HN einzuführen. Durch einen Tropfen konzentrierter Schwefelsäure wird die Reaktionsgeschwindigkeit außerordentlich gesteigert.
Versuche: Man bringe Essigsäureanhydrid mit Alkohol, wäßrigem Ammoniak, Anilin, Phenol zusammen. Der Mischung mit Phenol setze man einen Tropfen konz. H280i zu. Durch thermische Zersetzung an einem glühenden Platindraht ist Essigsäureanhydrid unter Wasserabspaltung in das monomolekulare Anhydrid der Essigsäure, in K e t e n , übergeführt worden (Wil^more): H 3 C • CO NO—H 2 0 • 2H2C=C=0 HSC • CO Präparative Darstellung von Keten im Laboratorium durch thermische Zersetzung von A c e t o n ( S c h m i d l i n ) : CH 3 • CO • CH 3
• CH 2 : CO + CH4
Bequem und mit guter Ausbeute läßt sich Keten mit der von E.O t t 1 angegebenen „ K e t e n l a m p e " gewinnen. Keten dient bei Ausschluß von Waaser auch als Acetylierungsmittel. 1 J . pr. Ch. 130, 177 (1931). — Vgl. auch B e r l und K u l l m a n n , B. 65, 1114 (1932).
Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge
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Auch Essigsäure vermag als Generator f ü r Keten zu dienen. Das technische Verfahren zur Darstellung von Essigsäure-anhydrid bedient sich dieser Spaltung. Das gebildete Keten lagert dabei eine zweite Molekel Essigsäure an (A. W a c k e r A.G.): H 2 C=CO • H.C—C—O—C—CH3 0 O Die Analogie der Säureanhydride mit den Säurechloriden wird verständlich, wenn man sich die nahe Verwandtschaft der beiden Körperklassen näher ansieht. Hier wie dort ist das H y d r o x y l der Carboxylgruppe durch den anionischen Bestandteil einer Säure, beim Chlorid durch Cl, beim Anhydrid durch Acetoxyl O • CO • CH 3 ersetzt. Man kann die Anhydride der organischen Säuren auch als D i a c y l o x y d e bezeichnen (Acyl = Säureradikal, z. B. CH3 • CO = Acetyl) und den Äthern, den D i a l k y l o x y d e n formal an die Seite stellen. Die Äther gehören zu den reaktionsträgsten Verbindungen der ganzen organischen Chemie. Woher kommt dann die große Reaktionsfähigkeit der gleichartig gebauten Anhydride? Die schwache Stelle in ihrem Molekül haben wir nicht an der Sauerstoffbrücke, sondern an der Doppelbindung > C = 0 zu suchen. Hier finden A d d i t i o n e n statt, z . B . von Wasser und Ammoniak u. a.: H 3 C—C=0 \ o =0
^OH-, h3c—c-oh > °
mit NH 3
/NH, H3C—C—OH > HaC—C=0
Die Zwischenprodukte, die in Klammern stehen, sind äußerst labil, da sie OH und die negative Acetoxylgruppe am gleichen C-Atom tragen (vgl. S. 94); sie zerfallen daher in 2 Mol Säure oder im Fall des Ammoniaks in Essigsäure und Acetamid. In gleicher Weise ist die Reaktion mit Alkoholen zu formulieren. Man sieht, daß bei der Einführung einer Acetylgruppe mit einem Säureanhydrid (in einen Alkohol, ein Amin usw.) stets einer der beiden Säurereste des Moleküls zur Säure umgewandelt, f ü r die Acylierung also nicht ausgenützt wird. Die große Reaktionsfähigkeit der Säurechloride hat die gleiche Ursache, wie sie für die Anhydride erörtert wurde. 3. A c e t a m i d 1 80 g Ammoniumacetat — darstellbar aus Ammoniumcarbonat und Eisessig 2 — u n d 60 ccm Eisessig werden auf dem Drahtnetz in einem kleinen Rundkolben mit aufgesetzter Widmer-Kolonne 5 — 6 Stunden lang im gelinden Sieden erhalten. Man achte darauf, daß an dem im oberen Tubus der Kolonne eingeführten Thermometer die Temperatur v o n 103° nicht oder nur wenig überschritten wird; der Eisessig u n d das bei der Reaktion gebildete Wasser destillieren langsam oben ab und können durch einen kleinen, über das Abzugsrohr gestülpten Kühler kondensiert u n d — zur Kontrolle — in einem vorgelegten Meßzylinder aufgefangen werden. Wenn etwa 80 ccm übergegangen sind, wird stärker erhitzt, bis das Thermometer 140° zeigt. Man läßt etwas erkalten, 1 Im Prinzip nach F r a n c o i s , C. 1906, I, 1099, H i t s c h und G i l b e r t , Am. Soc. 35, 1780 (1913); W. A. N o y e s und G o e b e l , ebenda 44, 2294 (1922). s In 60 ccm Eisessig trägt man bei 40—50° so lange fein gepulvertes Ammoniumcarbonat ein, bis eine Probe, mit Wasser verdünnt, alkalisch reagiert. Man beachte, daß hierbei pro Mol Ammon-acetat % Mol H 2 0 entsteht.
Acetamid
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gießt die noch warme Schmelze in einen gewöhnlichen Fraktionierkolben über und fangt nach einem kleinen Vorlauf die Hauptmenge bei 195—220° auf. Wenn das Produkt beim Abkühlen u n d Reiben nicht vollständig erstarrt, saugt man den flüssigen Anteil auf einer Nutsche scharf ab u n d trocknet den Rückstand auf Ton im nicht evakuierten Exsiccator. Aus dem Filtrat läßt sich ein weiterer Anteil Acetamid herausdestillieren. Die reine Verbindung siedet bei 223°. Eine kleine Probe kann aus Benzol umkristallisiert werden. Schmelzpunkt 80°. Ausbeute 55—60 g. Verwendung des Präparates für A c e t o n i t r i l (11,5; S. 125) und M e t h y l a m i n (11,8; S. 137). Aus einer Säure kann man ganz allgemein das Amid darstellen, indem man ihr A m m o n i u m s a l z der trocknen Destillation unterwirft oder zweckmäßiger noch, indem man es längere Zeit auf höhere Temperatur erhitzt. Man hat Acetamid meist durch Erhitzen von A m m o n i u m a c e t a t i m Einschlußrohr auf 200° dargestellt. Dabei kann jedoch die Umsetzung nicht vollständig zum Ziel führen, weil das bei der Reaktion entstehende W a s s e r wieder z. T. spaltend auf das Säureamid einwirkt: CH3 • C—ONH4 ^ n t CH 3 • C—NH 2 + H 2 0. Indem wir bei dem hier angegebenen Verfahren das gebildete Wasser aus dem Reaktionsgemisch herausdestillieren, drängen wir die Gegenreaktion zurück und erhöhen die Ausbeute. Gleichzeitig wirkt der Überschuß an Eisessig der Dissoziation des Salzes nach: CH 3 • C—ONH4 > CH3 • COOH + NH„ entgegen. Vgl. dazu die Ausführungen über das M a s s e n w i r k u n g s g e s e t z auf S. 129 u. f. Eine gute Methode zur Darstellung von Acetamid besteht auch darin, daß man in eine ätherische Lösung von E s s i g s ä u r e a n h y d r i d Ammoniakgas einleitet, den Äther abdampft und das zurückbleibende Gemisch von Ammoniumacetat und Acetamid im Extraktor (Fig. 26) mit Benzol auszieht; das Salz bleibt ungelöst zurück. Durch Umsetzung von S ä u r e c h l o r i d e n oder E s t e r n mit Ammoniak lassen sich ebenfalls Säureamide bereiten. Ferner entstehen sie aus den N i t r i l e n bei der Einwirkung starker Mineralsäuren unter Wasseraufhahme. Ein Beispiel f ü r diese Reaktion ist auf S. 127 gegeben. Versuch: In einer Porzellanschale versetzt m a n 10 g fein pulverisiertes kohlensaures Ammonium mit 5 g BenzoylcMorid, rührt beide mit einem Pistill gut durcheinander und erwärmt solange auf dem Wasserbade, bis der Geruch des Säurechlorides verschwunden ist. Man verdünnt dann mit Wasser, saugt ab, wäscht auf dem Filter mit Wasser nach und kristallisiert aus Wasser um. Schmelzpunkt des Benzamids 128°. Die Säureamide sind mit Ausnahme des niedrigsten Glieds, des F o r m a m i d s HCO • NH 2 , welches flüssig ist, farblose, kristallisierte Substanzen, welche in den niederen Reihen in Wasser leicht löslich sind; auch die höheren Glieder werden meist aus heißem Wasser umkristallisert. Die Siedepunkte liegen bei weitem höher als die der Säuren: Essigsäure, Siedepunkt 118° Propionsäure, Siedepunkt 141°. Acetamid, Siedepunkt 223° Propionamid, Siedepunkt 213°.
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Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge
Der basische Charakter der Aminogruppe ist dnrch den mit ihr verbundenen Aoylrest beinahe ganz zum Verschwinden gebracht. Zwar kennt man Salze der Amide mit starken Säuren, die aber durch Waaser sofort vollständig in die Bestandteile zerlegt werden. Nur der H a r n s t o f f , das Diamid der Kohlensäure, bildet beständigere Salze, deren Existenz durch die zweite NH 2 -Gruppe gewährleistet wird. Charakteristisch für die Säureamide sind ihre Verbindungen mit zweiwertigem Q u e c k s i l b e r , in denen das Metall — nicht salzartig, ionogen — am Stickstoff haftet. Sie entstehen bei der Umsetzung der Amide mit Quecksilberoxyd, z. B. 2CH S • CO • NH 2 + HgO
• (CHS • CO • NH) 2 Hg + H a O .
Versuch: Man löst etwas Acetamid in Wasser auf, versetzt mit wenig gelbem Quecksilberoxyd und erwärmt. Das letztere geht hierbei in Lösung, indem sich die oben formulierte Verbindung bildet. Die Reaktion der Wasserentziehung, die zu N i t r i l e n führt, und die der Einwirkimg von Hypohalogeniten auf Säureamide, werden in den nachfolgenden Präparaten behandelt. Durch hydrolysierende Agenzien wird die Aminogruppe — anders als bei den Aminen — mehr oder weniger leicht wieder abgespalten unter Rückbildung der S ä u r e n . Über die Ursache dieses verschiedenen Verhaltens vgl. das auf S. 118 Gesagte.
Versuch: In einem Reagenzrohr erwärmt man etwas Acetamid mit 2 n-Natronlauge. Es tritt ein intensiver Ammoniakgeruch auf, während die Lösung essigsaures Natrium enthält. Die Essigsäure weist man nach, indem man mit Schwefelsäure gerade kongosauer macht, das Reagenzglas mit daraufgehaltenem Daumen durchschüttelt und dann zum Sieden erhitzt (Siedestein!). Ein über die Mündung gehaltenes Lackmuspapier wird rot. (Allgemeiner Nachweis von flüchtigen Säuren.) Die Reaktion der Amide mit PC15, die über die A m i d c h l o r i d e zu den I m i d c h l o r i d e n führt, sei hier nur kurz erwähnt.
4. Harnstoff und Semicarbazid a) K a l i u m c y a n a t 1 durch O x y d a t i o n s s c h m e l z e 2 200 g gelbes Blutlaugensalz werden in einer Porzellanschale oder auf einem Eisenblech durch vorsichtiges Erhitzen vollkommen entwässert; eine Probe darf, im Reagenzglas erhitzt, keinen Beschlag mehr geben, die Kristalle müssen vollkommen zerfallen sein. In gleicher Weise werden 150 g Kaliumpyrochromat durch Schmelzen von anhaftendem Wasser befreit. Die beiden ganz trockenen, vorher getrennt gepulverten Salze werden jetzt in einer Reibschale innig gemischt und dann in Portionen von 4—5 g in eine eiserne Schale oder auf ein großes Eisenblech gebracht, die durch einen kräftigen Brenner (Teclu- oder Dreibrenner) stark, jedoch n i c h t bis zum Glühen erhitzt sind. Die 1 Da es nur e i n e Cyansäure gibt, halten wir es nicht für richtig, ihr diese Bezeichnung vorzuenthalten und sie, wie dies häufig geschieht, als wo-Cyansäure zu bezeichnen. * C. A . B e l l , Chem. News 32, 99 (187ö); G a t t e r m a n n , B. 28, 1223 (1890); H. E r d m a n n , B. 26, 2442 (1893).
Harnstoff und Semicarbazid
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Temperatur soll so hoch sein, daß jedesmal ein lebhaftes Aufglimmen eintritt; die schwarze lockere Masse, die dabei entsteht, darf keinesfalls zum Schmelzen kommen. Jeder Anteil wird nach sehr rasch beendeter Oxydation mit einem breiten Metallspatel zur Seite geschoben oder vom Blech entfernt. Die ganze Menge kann in 1—iy 2 Stunden auf diese Weise verarbeitet werden. Die vereinigten Anteile werden hierauf in einem Rundkolben mit 800 ccm heißem 80-proz. Alkohol Übergossen und in einem lebhaft siedenden Wasserbad damit 3 Minuten lang im Kochen erhalten. Dann gießt man die klare Lösung von dem schwarzen Bodenkörper in einen Erlenmeyer ab, der sofort in Eis eingestellt und dessen Inhalt durch Umschütteln möglichst schnell abgekühlt wird. Nach kurzem Stehen wird die Mutterlauge von den abgeschiedenen Cyanatkristallen in den Auskochkolben zurückgegossen und das Auslaugen so oft (5—6 mal) wiederholt, bis alles Salz extrahiert ist (eine Reagenzglasprobe darf beim Abkühlen nichts mehr abscheiden). Das Salz wird nun auf einer Filterplatte scharf abgesaugt, zweimal mit Weingeist und dann noch dreimal mit Äther gewaschen und schließlich im Exsiccator scharf getrocknet. Ausbeute im Durchschnitt 80 g. Zur präparativen Darstellung von Kaliumcyanat eignet sich auch die Cyanid-Oxydation mit Permanganat in wäßriger Lösung1. b) H a r n s t o f f 40 g Kaliumcyanat und 40 g Ammoniumsulfat werden, in 500 ccm Wasser gelöst, in einer Porzellanschale auf dem Wasserbad zur Trockne verdampft. Den Rückstand kocht man in einem Rundkolben erschöpfend mit absol. Alkohol aus und engt die alkoholische Lösung ein, bis beim Abkühlen und Impfen Kristallisation eintritt. Schmelzpunkt des Harnstoffs 132°. Aus den Mutterlaugen isoliert man nach dem Abdampfen des Alkohols den Rest als Nitrat. Zur Darstellung des N i t r a t s löst man einige Gramm Harnstoff in einigen ccm Wasser und fügt tropfenweise konz. Salpetersäure zu, wobei das Salz sich in schönen Kristallen abscheidet. H a r n s t o f f n i t r a t ist in Wasser nicht allzu schwer löslich, worauf man beim Auswaschen zu achten hat. Die Wöhlersche H a r n s t o f f s y n t h e s e , durch die zum erstenmal (1828) ein Produkt der Zelltätigkeit künstlich erhalten wurde, bildet das Vorbild für die vielen Anlagerungsreaktionen, die sich an dem reaktionsfähigen Molekül der Cyansäure und ihrer Ester und ebenso in der Reihe der analogen Thioverbindungen vollziehen. Es handelt sich hier um eine Addition von N H a an die C=N-Doppelbindung: 0=C=NH 1 J. Y o l h a r d , A. 259, 378 (1890); F. U l l m a n n und U z b a c h i a n , B. 36,1806 (1903); M a r c k w a l d , B. 56, 1325 (1923). Die beste Vorschrift stammt von G a l l und L e h m a n n , B. 61, 675 (1928).
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Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge
Die thermische Spaltung des Harnstoffs in Biuret und Ammoniak ist im Grunde eine Umkehr seiner Synthese. Denn die erste Stufe dieser Reaktion bildet der Zerfall des Harnstoffs in Cyansäure und NH 3 ; indem sich ein zweites Mol Harnstoff an die so entstandene Cyansäure anlagert, entsteht das Biuret. H 2 N—CO—NH 2
> H N = C = 0 + NH 3 ; H N = C = 0 + H 2 N • CO • NH 2 • H„N • CO • NH • CO • NH 2
Versuch: I n einem Reagenzglas erhitzt man eine Probe des dargestellten Harnstoffs vorsichtig über den Schmelzpunkt. E s wird N H S abgespalten (Nachweis), während die erstarrte Schmelze aus Wasser umkristallisiert B i u r e t v o m Schmelzpunkt 193° liefert. Versetzt man die wäßrige Lösung v o n Biuret mit wenig Kupfersulfatlösung und etwas Natronlauge, so tritt eine schöne violette Färbung auf. Die Reaktion der Cyansäure mit Aminen ergibt s u b s t i t u i e r t e H a r n s t o f f e (vgl. Methyl-harnstoff auf S. 234), die mit Hydrazin S e m i c a r b a z i d : /NH2 • 0=C< \ N H — NH 2 Die gleichartigen Reaktionen der oben aufgeführten, mit der Cyansäure verwandten Verbindungen, ergeben sich von selbst. 0 = C = N H + H 2 N—NH 2
Versuch: Einige ccm der Cyanatlösung säure m a n mit verdünnter Salzsäure an. C0 2 -Entwicklung u n d der scharfe, dem v o n S 0 2 überaus ähnliche Geruch der freien Cyansäure. Die Zersetzung der freien Cyansäure in wäßriger Lösung geht auf eine analoge Reaktionsweise zurück. Es wird Wasser addiert und die so entstehende C a r b a m i n s ä u r e zerfällt in NH 3 und C0 2 : 0=C=NH
HO
«• 0 = C < ^ • C0 2 + NH„ . \0H Die beiden Umsetzungsarten finden sich bei der Zersetzung des P h e n y l c y a n a t s (Präp. S. 138) vereint vor, bei der C0 2 und D i p h e n y l h a r n s t o f f entstehen. 0 = C = N • CeH6 + H 2 0 C0 2 + NH 2 • C,H 5 ; /NHC6H6 0 = C = N • C 6 H 5 + NH 2 • C e H 6 0=C< \NHC„H6 Die Ester der Carbaminsäuren, die U r e t h a n e , die bei der Anlagerung von Alkoholen an die Verbindungen der Cyansäurereihe entstehen, sind beständig und die Reaktion ist ebenfalls vielfacher Variationen fähig. Wir erinnern daran, daß ein zweites Verfahren zu ihrer Synthese in der Umsetzung von Chlorameisensäureestern mit Ammoniak und Aminen besteht. Über Poly-urethane siehe S. 305. c) S e m i c a r b a z i d 1 52 g Hydrazinsulfat werden in 200 ccm siedenden Wassers unter Zugabe v o n 21 g wasserfreier Soda gelöst. D a n n k ü h l t m a n auf 50° ab, setzt die Lösung v o n 35 g Kaliumcyanat i n 100 c c m Wasser zu und läßt 1
T h i e l e und S t a n g e , B. 27, 31 (1894); H. B i l t z , A. 839, 250 (1905).
Harnstoff und Semicarbazid
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über Nacht stehen. Nachdem man von geringen Mengen Hydrazodicarbonamid, entstanden nach: H a N • CO • N H • NH 2 + 0 = C = N H — H 2 N • CO • N H • N H • CO • NH 2> abfiltriert h a t ; fügt man zu der Lösung 60 ccm Aceton und läßt unter häufigem Umschütteln wiederum 24 Stunden lang stehen. Das auskristallisierte Acetonsemicarbazon wird scharf abgesaugt, mit wenig Wasser gewaschen und auf Ton oder im Vakuum getrocknet. Die Mutterlauge wird auf dem Wasserbad zur Trockne eingedampft, gepulvert und im Extraktionsapparat mit Alkohol ausgezogen, wobei Semicarbazon im Siedekolben auskristallisiert. Sollte eine Probe des Hauptprodukts beim Verbrennen auf dem Platinblech erhebliche Mengen von Asche hinterlassen, so empfiehlt sich die gleiche Maßnahme auch f ü r diesen Anteil. Zur Zerlegung des Semicarbazons werden je 10 g mit 8 ccm konz. Salzsäure Übergossen und gelinde erwärmt, bis eben Lösung eingetreten ist. Beim Erkalten kristallisiert das salzsaure Semicarbazid zu einem dicken Brei, der scharf abgesaugt, mit wenig kalter Salzsäure ( 1 : 1 ) und dann noch zweimal mit je 3—5 ccm eiskaltem Alkohol gewaschen wird. Das Salz wird im Exsiccator scharf getrocknet. Ausbeute 22—25 g. Um eine Lösung von freiem Semicarbazid zu bereiten, wie sie für die Darstellung von Semicarbazonen häufig gebraucht wird zerreibt man 5,5 g des Chlorhydrats mit 4,5 g entwässerten Natriumacetats (S. 116) in einer kleinen Reibschale, bringt den Brei, der infolge der Bildung freier Essigsäure entsteht, mit dem Spatel in einen Erlenmeyer von 100 ccm, spült mit abs. Alkohol nach und kocht auf dem Wasserbad unter Umschütteln mit (im ganzen) 50 ccm abs. Alkohol auf. Hierauf saugt man ohne Verzug vom ausgeschiedenen Kochsalz auf gut gedichteter Filterplatte ab.
Versuche: Semicarbazid reduziert als primäres Hydrazid (der Carbaminsäure) ammoniakalische Silberlösung und F e h l i n g s c h e Lösung. Mit Aldehyden und Ketonen tritt es leicht unter Wasserabspaltung zu S e m i c a r b a z o n e n zusammen, die wegen ihrer leichten Spaltbarkeit vor den Phenylhydrazonen und Oximen bei der Abscheidung und Reinigung jener Verbindungen den Vorzug verdienen. Man schüttle eine wäßrige Lösung des dargestellten Salzes mit einigen Tropfen Benzaldehyd, isoliere und reinige das Semicarbazon durch Umkristallisieren aus Alkohol. Schmelzpunkt 214° (Zers.). Durch gelindes Erwärmen des Benzaldehyd-semicarbazons mit konz. Salzsäure wird es in seine Komponenten zerlegt. Die später darzustellenden Ketone und Aldehyde sollen in gleicher Weise durch ihre Semicarbazone charakterisiert werden. d) H a r n s t o f f (und H a r n s ä u r e ) a u s H a r n 2 Liter Harn werden in einer Porzellanschale auf dem Wasserbad zum Sirup eingedampft, der noch heiß (Flamme auslöschen) mit 500 ccm Alkohol durchgearbeitet wird. Nach einigem Stehen wird der klare
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Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge
Auszug abgegossen. Der Rückstand wird wieder erwärmt und dann in gleicher Weise erneut mit 500 ccm Alkohol digeriert. Von den vereinigten Auszügen, die, wenn nötig, vorher filtriert werden, dampft man den Alkohol weg, bringt den wäßrig-alkoholischen Rückstand in einer kleinen Porzellanschale auf dem Wasserbad zur Trockne und versetzt ihn nach starkem Abkühlen unter starker Außenkühlung allmählich unter gutem Durchrühren mit dem doppelten Volumen farbloser konz. Salpetersäure. Nach 12-stündigem Stehen wird der Brei von Harnstoff nitrat scharf abgesaugt, mit wenig eiskalter Salpetersäure (1:1) gewaschen, wiederum bis zum letzten Abtropfen trocken gesaugt und nun unter Erwärmen, in 100—150 ccm Wasser suspendiert, mit nach und nach eingetragenem Bariumcarbonat neutralisiert; man vermeide einen Überschuß davon. Wenn die Flüssigkeit neutral reagiert, kocht man mit einigen Messerspitzen Tierkohle auf, saugt heiß ab, wäscht einmal mit heißem Wasser nach und dampft das Filtrat zur Trockne ein. Aus dem Rückstand wird der Harnstoff mit heißem Alkohol, in dem er leicht löslich ist, erschöpfend ausgezogen und nach dem Einengen der alkoholischen Lösung kristallisiert erhalten. Ausbeute etwa 20—25 g. Die tägliche Ausscheidung eines Erwachsenen an Harnstoff beträgt 25—30g (in durchschnittlich iy 2 Liter Harn). Weitere Versuche: Eine Lösung von Harnstoff wird mit Natronlauge und dann unter Schütteln mit einigen Tropfen Brom versetzt: Stickstoffentwicklung. Vgl. dazu die H o f m a n n s c h e Reaktion auf S. 137. Zu einer angesäuerten Lösung von Harnstoff fügt man Nitritlösung. Verwendung des Harnstoffs zur Beseitigung von s a l p e t r i g e r S ä u r e , z. B. bei der Darstellung von Äthylnitrat (S. 134). Harnstoff wird nur langsam verseift. Man koche eine Lösung mit Barytwasser. Woran erkennt man das Eintreten der Spaltung ? H a r n s ä u r e . Der Rückstand, aus dem anfangs der Harnstoff mit Alkohol extrahiert wurde, wird durch Erhitzen auf dem Wasserbad vom Alkohol befreit und mit 50 ccm konz. Salzsäure versetzt. Nach ein- bis mehrtägigem Stehen haben sich 0,3—0,5 g Harnsäure ausgeschieden, die man dadurch reinigt, daß man sie in 150 ccm heißer 1 n-Sodalösung löst, nach Zusatz von 0,4 g Tierkohle filtriert und in die kochende Lösung aus einem Tropftrichter unter Umschütteln 150 ccm 2 n-Salzsäure eintropfen läßt. Schon in der Hitze scheidet sich die Harnsäure als schönes Kristallpulver aus. M u r e x i d r e a k t i o n . Einige Zentigramm Harnsäure werden mit einigen Tropfen nicht ganz konz. Salpetersäure in einer kleinen Porzellanschale auf dem Wasserbad trocken eingedampft. Zusatz von wenig Ammoniak erzeugt intensive P u r p u r f ä r b u n g . Harnsäure ist ein normales Stoffwechselprodukt. Chemie der Purine! Man unterrichte sich über die H a r n s ä u r e s y n t h e s e n von B a e y e r - F i s c h e r , Behr e n d - R o o s e n , W. Traube. A d e n i n , Guanin, Coffein und ihre Beziehungen zur Harnsäure.
Nitrite
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5. Nitrile a) Acetonitril 1 In einen kleinen, trocknen Kolben füllt man 20 g Phosphorsäureanhydrid ein, fügt darauf 12 g (1/5 Mol) trockenes Acetamid hinzu, schüttelt beide gut durcheinander, verbindet den Kolben mit einem kurzen absteigenden Kühler und erhitzt dann die Mischung vorsichtig mit einer nicht zu großen leuchtenden Flamme, wobei unter Schäumen und Aufblähen Reaktion eintritt. Nach einigen Minuten destilliert man unter stärkerem Erhitzen das Acetonitril in die Vorlage (Reagenzrohr) über. Das Destillat wird mit seinem halben Volumen Wasser versetzt, worauf man dann so viel feste Pottasche hinzufügt, bis diese in der unteren wäßrigen Schicht sich nicht mehr auflöst. Man trennt dann im Tropftrichter (mit kurzem Ansatzrohr) und rektifiziert das Acetonitril, wobei man zur vollkommenen Entwässerung in das Fraktionierkölbchen ein wenig Phosphorsäureanhydrid einfüllt. Siedepunkt 82°. Ausbeute etwa 6 g. b) B e n z y l c y a n i d In einem Rundkolben (% Liter) mit Anschützaufsatz, auf dem Rückflußkühler und Tropftrichter aufgesetzt sind, werden 30 g Natriumcyanid in 35 ccm Wasser heiß gelöst; die Lösung wird mit 50 ccm Alkohol vermischt und sodann läßt man aus dem Tropftrichter 62 g (% Mol) reines BenzylcMorid im Zeitraum von 10 Minuten einfließen. Nach weiterem 3-stündigen Kochen wird das vorher erkaltete Reaktionsgemisch auf kleiner Nutsche scharf abgesaugt; aus der Saugflasche, die man mit Siedecapillare versieht, wird der Alkohol im Vakuum abdestilliert (Badtemperatur 40—50°), dann trennt man das Benzylcyanid von der Kochsalzlösung im kleinen Scheidetrichter ab und destilliert nach kurzem Trocknen mit einer kleinen Stange Calciumchlorid aus dem Claisenkolben im Vakuum. Siedepunkt 105—109°/12mm. Der Siedepunkt der völlig reinen Substanz liegt bei 232°/760 mm. Ausbeute etwa 45 g. Durch Redestillation von Vor- und Nachlauf kann die Ausbeute noch erhöht werden. Verwendung für Phenylessigsäure (S. 127) und Phenylnitromethan (VI, 8; S. 222). Erhitzt man ein Säureamid mit einem wasserentziehenden Mittel (P 2 0 5 , PC15), so verliert es Wasser und geht in ein N i t r i l über, z. B.: CH3 • CO • NH 2 • CHS • C = N + H 2 0 . Da, wie oben praktisch ausgeführt, ein Säureamid durch Entziehung von Wasser aus dem Ammoniumsalz einer Säure gewonnen werden kann, so kann man auch in einer e i n z i g e n Operation aus dem Ammoniumsalz direkt ein Nitril erhalten, indem man jenes mit kräftig wasserentziehenden Agenzien, z. B. essigsaures Ammonium mit P 2 0 6 , erhitzt: CH3 • COONH4 = CH3 • CN + 2H a O . 1
D u m a s , A. 64, 332 (1847); B u c k t o n und W. H o f m a n n , A.100,131 (1856)
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Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge
Säurenitrile können ferner noch nach K o l b e gewonnen werden, indem man A l k y l j o d i d e (oder Bromide und Chloride) mit A l k a l i c y a n i d erhitzt (Beispiel Benzylcyanid) oder indem man a l k y l s c h w e f e l s a u r e S a l z e mit K a l i u m c y a n i d trocken destilliert: K 0 3 S • OCjH 5 + KCN K 2 S0 4 + CH3 • CH2 • CN . Die Synthese der aromatischen Nitrile aus D i a z o V e r b i n d u n g e n wird später (S. 252) behandelt. Die N i t r i l e sind in den niederen Reihen farblose Flüssigkeiten, in den höheren kristallisierte Stoffe, deren Wasserlöslichkeit mit steigendem Molekulargewicht mmer mehr abnimmt. Acetonitril besitzt ein hohes Dissoziationsvermögen f ü r Elektrolyte, d. h. die Lösungen von Salzen, Säuren und Basen in ihm leiten den elektrischen Strom und zwar weit besser als z. B. in Alkohol, Äther, Chloroform usw. (Waiden). Die Reaktionsfähigkeit der Nitrile gründet sich auf die dreifache Bindung zwischen Kohlenstoff und Stickstoff, die eine Reihe von Additionsreaktionen gestattet. So kann in Gegenwart von kochenden Säuren oder Alkalien ein Mol Wasser angelagert und das S ä u r e a m i d zurückgebildet werden: R • C=N + Ha0
R • C=NH
h
)H
0
Die Reaktion ist analog dem Übergang von Acetylen in A c e t a l d e h y d : HC=CH + H20 -
o
jh
In beiden Fällen ist das Übergangsprodukt, die „Enolform", nicht beständig, jedoch kennt man ihre Alkylderivate, die sog. I m i n o - bzw. V i n y l ä t h e r . Energische Verseifung, Erhitzen mit mäßig verdünnter Schwefelsäure oder mit starken Laugen, spaltet das Amid in C a r b o n s ä u r e und NH 3 , so daß man mit solchen Mitteln vom Nitril aus praktisch direkt zur Säure gelangt. Ausführung dieser Reaktion auf S. 127. Läßt man nascierenden Wasserstoff (z. B. aus Zink und Schwefelsäure oder aus Natrium in Alkohol) auf Nitrile einwirken, so bilden sich unter Addition von 4 H-Atomen p r i m ä r e A m i n e (Reaktion von M e n d i u s ) : CH3 • CN + 4 H CH3 • CH2 • N H 2 . Äthylamin
Weitere, weniger wichtige, jedoch allgemeine Reaktionen seien nur durch die folgenden Gleichungen angedeutet: CH3 • CN + H 2 S • CH3 • CS • NH 2 Thioacetamid
CH3 • CN + NH, • OH
NOH - HSC • C• H 3 C • C-f
Na
Imidchlorid
CH3 . CN + C 2 H 5 OH + HCl
/OC2H6 >- CH3 • C < ^ N H • HCl salzsaurer Iminoäther
Verseifung eines Nitrils zur Säure. Phenylessigsäure
127
Die B l a u s ä u r e verhält sich in vielen ihrer Reaktionen wie das Nitril der Ameisensäure H • CN. Manche Tatsachen, vor allem ihre große chemische und pharmakologische Ähnlichkeit mit den I s o n i t r i l e n C = N R sprechen f ü r eine andere Konstitution, nämlich f ü r die des C a r b i m i n s C = N H mit z w e i w e r t i g e m Kohlenstoff. Die f ü r die Nitrile erwähnten Additionsreaktionen, die auch der Blausäure eigen sind, lassen sich ebensogut aus dieser zweiten Strukturformel ableiten. Bei der Nitrilform ist es die dreifache Bindung zwischen Kohlenstoff und Stickstoff, an der die Anlagerung stattfindet, bei der „Methylenform" sind es die zwei freien Valenzen am zweiwertigen Kohlenstoffatom, z. B.: C = N H + H 2 NOH Von
präparativer
HOHNx > >C=NH Hr
[Bedeutung
ist
der
•
/NOH HC HC (0C 2 H s ) 3 + N H , C I .
Diese Synthese des Orthoameisensäureesters ist eleganter und glatter als die aus C h l o r o f o r m und N a t r i u m ä t h y l a t . Der Orthoameisensäureester findet Verwendung zur A c e t a l i s i e r u n g von Ketongruppen, z. B.: CH 3 • CO • CH 2 • COOC2H5 + HC(OC 2 H 5 ) 3 =CH 3 • C • CH 2 • C00C 2 H 5 + H C = 0 . Acetessigeßter
j
HSC2O
OC2H6
OC 2 H S
6. V e r s e i f u n g e i n e s Nitrils zur Säure. P h e n y l e s s i g s ä u r e 1 4 0 g (Vg Mol) Benzylcyanid w e r d e n m i t der Mischung v o n 5 0 com leonz. Schwefelsäure u n d 3 0 com Wasser i m 1 / 2 L i t e r - R u n d k o l b e n m i t a u f g e s e t z t e m Steigrohr i m Babotrichter erhitzt, bis eine a n der B i l d u n g kleiner D a m p f b l ä s c h e n erkennbare R e a k t i o n einsetzt, die sich alsbald unter A u f k o c h e n u n d A u s s t o ß e n weißer D ä m p f e z u großer H e f t i g k e i t steigert. M a n l ä ß t erkalten, f ü g t d a s doppelte V o l u m e n Wasser z u u n d s a u g t nach einigem S t e h e n die auskristallisierte Phenylessigsäure ab. W e n n sich eine Probe in Sodalösung n i c h t klar löst ( P h e n y l a c e t a m i d ) , wird das ganze R o h p r o d u k t in Soda gelöst, die L ö s u n g filtriert u n d aus d e m klaren Filtrat die Phenylessigsäure m i t Schwefelsäure wieder ausgefällt. D i e Säure k a n n direkt a u s ziemlich viel h e i ß e m Wasser oder, nach d e m Trocknen, a u s Petroläther umkristallisiert werden. B e i ihrem niederen S c h m e l z p u n k t (76°) erscheint sie h ä u f i g z u A n f a n g ölig. Zur Reinigung destilliert m a n die Phenylessigsäure z w e c k m ä ß i g a u s 1
S t a e d e l , B. 19, 1951 (1886).
128
Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge
einem Säbelkolben im Vakuum, wobei sie nach kurzem Vorlauf bei 140—144°/12 mm übergeht. Die Ausbeute beträgt 34—38 g, kann aber durch Ausäthern der ersten schwefelsauren Mutterlauge um ein Weniges erhöht werden. Die stürmische Reaktion der Verseifung, bei der stets Benzylcyanid verdampft, kann umgangen werden, wenn man das Benzylcyanid (40 g) in der Lösung eines Gemisches von je 40 ccm Wasser, konz. Schwefelsäure und Eisessig 45 Minuten unter Rückfluß kocht. Nach dem Erkalten gießt man in Wasser ein. Unter milderen Bedingungen (3 g Benzylcyanid in 8 ccm konz. Schwefelsäure lösen, nach 6 Stunden in 50 ccm Wasser eingießen) führt die Verseifung im wesentlichen nur bis zum Amid. Wie trennt man mitentstandene Phenylessigsäure ab? P h e n y l a c e t a m i d , Schmelzpunkt 155°. Die Methoden der N i t r i l v e r s e i f u n g sind verschieden; sie erfordern meist kräftige Mittel, starke Säuren oder starke Laugen. Zuweilen werden Umwege eingeschlagen. Man kann z. B. die leicht erfolgende Addition von Schwefelwasserstoff zum Thiamid (S. 126) benützen und dieses dann glatt weiter verseifen. Auch kommt man leicht zum E s t e r der Säure, wenn man in die heiße alkoholische Lösung Chlorwasserstoffgas einleitet. Es entsteht dabei der I m i n o e s t e r , dessen NH-Gruppe leicht hydrolytisch durch O ersetzt werden kann. Vgl. das Beispiel auf S. 220.
7. Säureester a) E s s i g s ä u r e ä t h y l e s t e r a u s E i s e s s i g u n d A l k o h o l 1 Ein Kolben von % Liter Inhalt wird mit einem doppelt durchbohrten Kork versehen, in dessen einer Bohrung sich ein Tropftrichter befindet, während durch die zweite ein Verbindungsrohr führt, welches anderseits mit einem langen, absteigenden Kühler verbunden ist. Man füllt in den Kolben eine Mischung von 50 ccm Alkohol und 50 ccm leonzentrierter Schwefelsäure, erhitzt im ölbade auf 140° und läßt, sobald diese Temperatur erreicht ist, durch den Tropftrichter allmählich eine Mischung von 400 ccm Alkohol und 400 ccm Eisessig hinzufließen, und zwar in demselben Maße, wie der sich bildende Essigester überdestilliert. Das Destillat wird zur Entfernung der mit übergerissenen Essigsäure in einem offenen Kolben solange mit nicht zu verdünnter Sodalösung geschüttelt, bis die obere Schicht blaues Lackmuspapier nicht mehr rötet. Man trennt dann in einem Scheidetrichter die beiden Schichten, und schüttelt die obere zur E n t f e r n u n g d e s A l k o h o l s mit einer Lösung von 100 g Calciumchlorid in 100 g Wasser durch. Es werden dann wiederum beide Schichten im Scheidetrichter getrennt, worauf die obere mit gekörntem Calciumchlorid getrocknet und auf dem Wasserbade rektifiziert wird. Siedepunkt 78°. Ausbeute 80—85% der Theorie. Verwendung für A c e t e s s i g e s t e r und A c e t y l a c e t o n (VI, 5 u. 6, S. 218/219). 1
Bl. 33, 350 (1880).
Säureester
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B e n z o e s ä u r e ä t h y l e s t e r wird analog dargestellt, indem man 30 g Benzoesäure in 100 ccm abs. Alkohol mit 3 com konz. Schwefelsäure 4 Stunden lang am Rückflußkühler kocht, die Hauptmenge des Alkohols abdestilliert, dann mit 300 ccm Wasser versetzt und ausäthert. Der Äther wird mit Sodalösung entsäuert, mit Na 2 S0 4 über Nacht getrocknet, dann der Äther abgedampft und der Rückstand destilliert. Siedepunkt 212°. Ausbeute 30 g. Die Bildung eines Esters aus Säure und Alkohol entspricht formal der Salzbildung aus Säure und Metallhydroxyd: N 0 3 • H + Na • OH = N 0 3 • Na + H a O CH3 • COOH + C 2 H 6 OH = CH3 • COOC2H6 + H 2 0 . Beide Prozesse verlaufen jedoch hinsichtlich der G e s c h w i n d i g k e i t und des U m s a t z g r a d e s in durchaus verschiedener Weise. Während eine Säure durch eine äquivalente Menge einer genügend starken Base praktisch sofort und vollständig in ein Salz übergeführt (neutralisiert) wird, worauf ja die Alkali- und Acidimetrie beruht, gelingt es nicht, aus äquimolekularen Mengen von Säure und Alkohol die theoretisch berechnete Menge von Ester zu gewinnen. Es bildet sich vielmehr eine gewisse maximale Menge Ester, die stets hinter der theoretischen zurückbleibt, und es gelingt durch noch so lange Fortdauer der Reaktion nicht, die nicht umgesetzte Säure mit dem unveränderten Alkohol über jene Grenze hinaus zur Esterbildung zu veranlassen. Läßt man z. B. äquimolekulare Mengen von Essigsäure und Alkohol im geschlossenen System aufeinander wirken, so treten von ihnen nur je zwei Drittel in Reaktion, und es ist unmöglich, auch das letzte Drittel der Essigsäure mit dem des Alkohols zur Reaktion zu veranlassen. Daher beträgt die maximale Ausbeute an Ester nur zwei Drittel, d. h. 66,7% der theoretischen. Dieser bequeme Zahlenwert von 1 / 3 bzw. 2 / 3 ist nur ein zufälliger und ändert sich mit der Natur der Komponenten. Der verschiedene quantitative Verlauf obiger Reaktionen beruht nun darauf, daß die Esterbildung eine sog. „ u m k e h r b a r e R e a k t i o n " ist, d. h. eine solche, bei der die auf der rechten Seite der Gleichung stehenden Reaktionsprodukte (Ester und Wasser) auch wieder im umgekehrten Sinne aufeinander einwirken: CH3 • COOH + HOC 2 H 6 — " CH3 • COOC2H5 + H a O . Streng genommen gehören alle chemischen Reaktionen zu den umkehrbaren. Wenn die entgegengesetzte Reaktion keinen meßbaren Anteil hat, die Gesamtumsetzung praktisch in e i n e m Sinn verläuft, vernachlässigen wir die Umkehrbarkeit. Die Synthese des Wassers aus den Elementen ist eine derartige Reaktion. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, daß schon bei + 2000° die Gegenreaktion der Spaltung so deutlich in Erscheinung tritt, daß wir die Gleichung: 2H a + 0 2 ^ i l 2 H 2 0 . gebrauchen müssen. So beherrscht die T e m p e r a t u r die Reaktionsverhältnisse, und zwar bekanntlich in dem Sinn, daß die Reaktionsrichtung, die Energie aufnimmt (die endotherme), im allgemeinen mit steigender, die entgegengesetzte (exotherme) mit fallender Temperatur begünstigt wird. Nach dieser kurzen Charakteristik der umkehrbaren Reaktionen sei für das Beispiel der V e r e s t e r u n g zuerst die Frage erörtert, wie man sich die Begrenzung der Reaktion zu erklären hat. In dem Maße, als Säure und Alkohol miteinander reagieren, also Ester und Wasser als Reaktionsprodukte gebildet werden, gewinnt auch die entgegenlaufende Reaktion (Ester + Wasser = Säure + Alkohol) an Umfang. Es wird schließlich ein Punkt erreicht, in dem ebenso viele Molekeln Säure und Alkohol sich zu Ester vereinigen, wie Molekeln Ester und Wasser zu Säure und Alkohol zerlegt werden. Die beiden Reaktionen halten sich jetzt die 9
G a t t e r m a n n , Praxis des organ. Chemikers. 35. Aufl.
130
Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge
Waage und es scheint, als ob das reagierende System zur Ruhe gekommen sei. Diese Buhe wird aber vorgetäuscht dadurch, daß in der Zeiteinheit gleich viele Estermolekeln entstehen und vergehen. Es ist ein G l e i c h g e w i c h t s z u s t a n d erreicht, zu dem man auf Grund der obigen Überlegungen auch gelangt, wenn man die Reaktion von Anfang an von der Gegenseite her verlaufen läßt, also äquimolekulare Mengen Ester und Wasser zur Umsetzung bringt. Dann wird die Verseifungsreaktion durch die entgegenlaufende der Veresterung, je nach den Bedingungen mehr oder weniger rasch, ebenfalls zum Stillstand gebracht und zwar dann, wenn 33y3°!0 des Esters verseift sind. Das Gleichgewicht — und darauf beruht seine scharfe experimentelle Kontrolle auch bei vielen anderen Reaktionen — stellt sich also von beiden Seiten her auf der gleichen Höhe des Umsatzes ein. Da, wie schon früher erörtert wurde (S. 3), die Geschwindigkeit einer bimolekularen Reaktion dem Produkt der reagierenden Massen, deren Konzentrationen wir in p-Molen ausdrücken, proportional ist, so ergeben sich folgende einfache Beziehungen: v = es •
CA •
k;
v'
=
CE
• cw - k'.
In diesen Gleichungen ist v die Geschwindigkeit der Veresterungsreaktion, v' diejenige der Verseifung. es, CA, CE, CW sind die Konzentrationen der vier beteiligten Stoffe, k und k' sind die Geschwindigkeitskonstanten der beiden Reaktionen. Der Gleichgewichtszustand ist dadurch charakterisiert, daß nach beiden Richtungen gleichviel Molekeln umgesetzt werden, d. h. daß die beiden Geschwindigkeiten gleich sind: v = v'. Dann ist auch es • CA • k = CE • cw • k', oder es • CA _ C E • cw k Damit ist ausgedrückt, daß im Gleichgewicht die Produkte der darin enthaltenen Konzentrationen sich umgekehrt verhalten wie die Reaktionskonstanten. Der k' Quotient ,die Gleichgewichtskonstante,[wirdgewöhnlich mit K bezeichnet. Kennen wir den Wert dieser wichtigen Größe, so sind wir, wie nachher ausgeführt wird, imstande, auf einfache Weise zu berechnen, wie sich der Umsatz bei einer Gleichgewichtsreaktion praktisch ändert, wenn wir nicht, wie bisher, die Reaktionsteilnehmer in äquimolekularen Mengen, d. h. in gleichen molaren Konzentrationen einsetzen. Nach dem, was wir über die Lage unseres Gleichgewichts erfahren haben, 1 macht die Berechnung von K keine Schwierigkeiten. Es sind in ihm enthalten je / 3 Mol Säure und Alkohol und je 2/3 Mole Ester und Wasser. Daher ist B'
V» ' Vs
1/
Wir wollen nun sehen, ob und in welchem Grad wir die Esterbildung beeinflussen können, wenn wir Eisessig und Alkohol nicht in stöchiometrischem Verhältnis, sondern z. B. im Verhältnis 1: 2 Mol anwenden. Bezeichnen wir mit x die im Gleichgewicht vorhandene Menge Ester (in Molen), so ist CE = x und, da gleich viel Molekeln Wasser wie Ester entstehen, auch c w = x. Die Konzentration der Säure ist dann es = 1 — x, die des Alkohols CA = 2 — x, daher:
Säureester
131
Daraus errechnet sieh x = 0,85. Das heißt, wir können den Stand der Umsetzung im Gleichgewicht durch Verdoppelung der Alkohol- (oder Eisessig-)Konzentration auf 85% erhöhen. Von dieser Möglichkeit, die praktische Lage des Gleichgewichts zu beeinflussen, macht man außerordentlich häufig Gebrauch. Man löse an dieser Stelle die folgenden Aufgaben: Wieviel Ester entsteht, wenn auf 1 Grammol Essigsäure 3 Grammole Alkohol einwirken ? Wieviel Ester entsteht, wenn 30 g Essigsäure und 50 g Alkohol angewandt werden ? In welchem Gewichtsverhältnis muß man Essigsäure und Alkohol aufeinander einwirken lassen, um 75% der ersteren in Ester zu verwandeln? Während wir bei allen Reaktionen, die vollständig in einer Richtung verlaufen, durch einfache Anwendung der stöchiometrischen Verhältnisse die theoretisch zu erwartende Menge an Endprodukt berechnen können, bedürfen wir also bei Umsetzungen, die zu einem Gleichgewicht fuhren, auf Grund der gegebenen Ableitungen der Kenntnis der Gleichgewichtskonstante, die auf analytischem Wege zu ermitteln ist. In unserem Beispiel macht dies, wie wir gesehen haben, keine Schwierigkeiten; wir brauchen nur die Konzentration der Essigsäure im Gleichgewicht durch Titration festzustellen. Eine viel angewandte Methode zur kontinuierlichen Entfernung des Wassers bei Veresterungen und anderen Reaktionen besteht darin, daß man zum Ansatz ein Lösungsmittel (Benzol, Trichloräthylen, Tetrachlorkohlenstoff) zusetzt, das mit Wasser als a z e o t r o p e s G e m i s c h herausdestilliert (Umwälzverfahren). D i e R o l l e d e r S c h w e f e l s ä u r e . Erhitzen wir Eisessig und Alkohol f ü r sich allein, so tritt auch nach längerer Zeit keine merkbare Umsetzung ein. Erst die hinzugefügte Schwefelsäure — die wir auch durch gasförmigen Chlorwasserstoff ersetzen können — bringt die Reaktion in Gang, höchstwahrscheinlich dadurch, daß sie (wohl mit der Essigsäure) ein unbeständiges A n l a g e r u n g s p r o d u k t bildet, das mit Alkohol rascher zum Ester zusammentritt, als die zu veresternde Säure selbst. (Nicht die Säure selbst, sondern das Proton addiert sich, wie aus dem folgenden hervorgeht). Im gleichen Maß wie die Esterbildung wird auch die Verseifung beschleunigt, so daß das Gleichgewicht sich genau so einstellt, wie es sich ohne Schwefelsäure, z. B. beim Erhitzen der Komponenten im Einschlußrohr auf höhere Temperatur, einstellen würde. Der Einfluß des Katalysators (der Schwefelsäure) beruht also nur auf einer S t e i g e r u n g d e r R e a k t i o n s g e s c h w i n d i g k e i t , läßt aber die L a g e des G l e i c h g e w i c h t s u n v e r ä n d e r t . Dieser wichtige Satz gilt f ü r alle k a t a l y t i s c h beschleunigten Reaktionen. Es hat sich gezeigt, daß die katalytische Wirkimg der Säuren ihrer Stärke proportional ist, die sich bekanntlich in ihrem D i s s o z i a t i o n s g r a d ausdrückt. Ihn kann man umgekehrt bestimmen, indem man die Verseifungsgeschwindigkeit eines Esters (gewöhnlich Essigsäuremethylester) in wäßriger Lösung bei Gegenwart der Säure messend verfolgt. D a s V e r s t ä n d n i s f ü r d i e in d i e s e m A b s c h n i t t n u r k u r z e r ö r t e r t e n t h e o r e t i s c h e n G r u n d l a g e n ist f ü r jeden, der die o r g an i sch e Chemie n i c h t n u r als K o c h k u n s t b e t r e i b t , u n e n t b e h r l i c h . A n d e r e M e t h o d e n d e r E s t e r g e w i n n u n g . Besonders leicht bilden sich Ester aus den S i l b e r s a l z e n d e r S ä u r e n m i t A l k y l j o d i d e n : R • COOAg + J • R ' - R • COOR' + AgJ . Auch die Umsetzung der A l k a l i s a l z e m i t D i a l k y l s u l f a t führt zum Ziel. Dabei tritt im allgemeinen nur eine Alkylgruppe in Reaktion gemäß der Gleichung: R • COONa + (CH 3 ) 2 S0 4 R , COOCHs + CH3 • S 0 4 N a . Erst bei erhöhter Temperatur kann die Alkylgruppe des alkylschwefelsauren Salzes auch für die Veresterung nutzbar gemacht werden. An die Bildung von Estern aus S ä u r e c h l o r i d e n oder S ä u r e a n h y d r i d e n und A l k o h o l e n , die auch präparative Bedeutung hat, sei hier nur erinnert. 9«
132
Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge
Handelt es sich um die Überführung einer schwer zugänglichen Säure in einen Ester, so bedint man sich zweckmäßig der eleganten und meist sehr glatt verlaufenden D i a z o m e t h a n - M e t h o d e (S. 236). Die S ä u r e e s t e r sind in den niederen Reihen farblose, angenehm fruchtähnlich riechende Flüssigkeiten, in den höheren Reihen sowie bei aromatischen Säuren vielfach kristallisierte Substanzen. Der Siedepunkt der Ester mit niedrigmolekularen Alkylresten (CH 3 , C 2 H 6 , C3H7) liegt niedriger als der der Säuren: CH3.COOCH3 Siedepunkt 57°, CH 3 • COOC2H6 Siedepunkt 78°, CH3 • COOH Siedepunkt 118°. Bemerkenswert ist, daß die Schmelzpunkte der Methylester meist höher liegen als die entsprechenden Ä t h y l e s t e r ; so ist, in einem einfachen Beispiel, O x a l s ä u r e d i m e t h y l e s t e r fest (Schmelzp. 54°), während der D i ä t h y l e s t e r eine Flüssigkeit darstellt. Die Ester werden vielfach um ihrer selbst willen dargestellt, technisch als Lös u n g s m i t t e l , als R i e c h s t o f f e , als E s s e n z e n für Fruchtsäfte usw. Aber vor allem spielen sie eine bedeutsame Rolle f ü r Umwandlungen der Carboxylgruppe. So läßt sich die Alkoxylgruppe mit Ammoniak und zahllosen Ammoniakderivaten, die mindestens noch e i n Wasserstoffatom enthalten (primäre und sekundäre / R ersetzen. Es werden Amine, Hydroxylamin, Hydrazin) durch den Rest —N (^x, so A m i d e und, worauf besonders hinzuweisen ist, H y d r a z i d e der Carbonsäuren dargestellt, die Vorprodukte des Curtiusschen Abbaues (Präparat II, 8; S. 138). Ferner sei auf das umfangreiche Gebiet der E s t e r k o n d e n s a t i o n e n hier aufmerksam gemacht. Energische Reduktion mit metallischem Natrium (und wenig Alkohol) erzeugt aus Carbonsäureestern die dazu gehörenden p r i m ä r e n A l k o h o l e ( B o u v e a u l t Blanc): R • COOR' > R • CH 2 OH + R'OH . Schließlich stellt man sehr oft den Ester dar, um eine Säure zu reinigen, da die meisten Ester — häufig im Gegensatz zu den Säuren — namentlich im Vakuum bequem zu destillieren sind. Aus dem reinen Ester wird dann durch Verseifung die reine Säure erhalten. Die V e r s e i f u n g d e r E s t e r wird durch längeres Erhitzen mit wäßrigen Mineralsäuren oder Alkalilaugen vorgenommen. Siehe F e t t v e r s e i f u n g auf S. 135. Ein besonders rasch wirkendes Mittel ist a l k o h o l i s c h e s K a l i . b) I s o - a m y l - n i t r i t
(Salpetrigsäure-isoamylester) 1
44 g Amylalkohol (0,5 Mol) werden zusammen m i t der Lösung v o n 37 g technischem Natriumnitrit in 70 ccm Wasser in einem Filtrierstutzen unter mechanischem Rühren auf 0° abgekühlt (außen Eis mit etwas Viehsalz). Zu der dauernd turbinierten Mischung läßt man aus einem Tropftrichter langsam 44 ccm konz. Salzsäure (D. 1,18) zutropfen (Fig. 50), wobei die Temperatur nicht über + 5° steigen soll. Hierauf schüttelt m a n im Scheidetrichter mit etwa 200 ccm Wasser durch, läßt die wäßrige Schicht ab, wäscht mit verdünnter Sodalösung und noch einige Male 1
W i t t , B. 19, 915 (1886).
Säureester
133
mit Wasser. Nach der Trennung der Schichten klärt und trocknet man das Reaktionsprodukt in einem kleinen Erlenmeyerkolben mit wenig Calciumchlorid. Hierauf wird im Vakuum bei 50—60 mm Druck unter guter Kühlung der Vorlage destilliert. Die Hauptmenge geht bei etwa 30° als gelbes ö l über. Ausbeute 75% d. Th. Die Ester der salpetrigen Säure sind durch ihre große Bildungs- und Verseifungsgeschwindigkeit ausgezeichnet. Durch Mineralsäuren werden sie fast augenblicklich zerlegt, was bei der Anordnung der präparativen Methode berücksichtigt ist. Jeder Überschuß von Salzsäure muß vermieden werden. Man verwendet wegen dieser Eigenschaft die Alkylnitrite an Stelle der salpetrigsauren Salze in allen Fällen, in denen man in organischen Lösungsmitteln — in denen die Salze unlöslich sind — salpetrige Säure freimachen will. Beispiele: Anlagerung von N 2 0 3 an Olefine, Darstellung fester Diazoniumsalze (S. 248), Einwirkung von HNOj auf Ketone unter Bildung der I s o n i t r o s o k e t o n e . Häufig wird diese Synthese auch nach Art der Acetessigestersynthese mit Keton, Alkylnitrit und Natriumalkoholat ausgeführt, wobei das Natriumsalz deslsonitrosoketons entsteht (vgl. dazu S. 225): R—CH 2 RO—N=0 R—C=NONa I + | +2ROH. R—CO RONa R—C=0 Gleichgerichtet verläuft die elegante Synthese von N a t r i u m a z i d aus Hydrazin und Alkylnitrit (Stolle): H 2 N—NH 2 + R O — N = 0 + RONa > N a N = N = N + 2ROH + H a O . Sehr häufig zieht man das Ä t h y l n i t r i t dem Isoamylnitrit vor, weil die Entfernung des aus diesem entstehenden Amylalkohols wegen seines höheren Siedepunktes (136°) manchmal stört.
Ä t h y l n i t r i t : In die Mischung von Natriumnitritlösung wie oben und 60 ccm Alkohol, die sich in einem mit Eis gekühlten Fraktionierkolben befindet, läßt man unter Schütteln 42 ccm Jconz. Salzsäure allmählich eintropfen. Der Kolben ist mit einem gut wirkenden Kühler verbunden, an den eine im Kältegemisch stehende Vorlage (Saugflasche) angeschlossen ist. Es empfiehlt sich, den Kühler mit E i s w a s s e r zu speisen. Nach Zugabe der Säure destilliert man das Äthylnitrit aus einer Schale mit warmem Wasser (anfangs 5°, nachher 40°) ab. Das Präparat ist nach kurzem Trocknen mit Pottasche für die meisten Zwecke genügend rein und wird wegen seiner großen Flüchtigkeit (Siedepunkt 17°) am besten alsbald verwendet.
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Carbonsäuren und ihre einfaohen Abkömmlinge
Versuch: Einige Tropfen Amyl- oder Äthylnitrit werden mit verdünnter Kaliumjodidlösung geschüttelt. Es darf keine Braunfarbung auftreten. Ein Tropfen verdünnter Salzsäure führt in wenigen Augenblicken intensive Jodausscheidung herbei. c) Ä t h y l n i t r a t 1 250 ccm konz. Salpetersäure (D. 1,4) werden mit 30 g Harnstoffnitrat aufgekocht. Nach dem Erkalten gießt man die Hälfte der Lösung in einen mit Kniestück, Tropftrichter und absteigendem Kühler versehenen Kolben, in dem sich 30 g Harnstoffnitrat und 150 ccm Alkohol befinden. Der Kolben wird auf einem Sandbad vorsichtig erhitzt. Nachdem etwa ein Drittel des Inhalts abdestilliert ist, vermischt man die zweite Hälfte der ausgekochten Salpetersäure mit 100 ccm Alkohol und läßt diese Mischung durch den Tropftrichter langsam zufließen. Die Operation muß in einem Zug ausgeführt werden, die Gemische von Alkohol und Salpetersäure dürfen nicht längere Zeit stehen bleiben. Wenn alles zugetropft und die Flüssigkeit im Kolben bis auf 50—100 ccm wegdestilliert ist, unterbricht man den Prozeß, schüttelt das übergegangene Äthylnitrat zur Entfernung von Alkohol im Scheidetrichter zweimal mit Wasser, einmal mit verdünnter Sodalösung und dann nochmals mit Wasser aus (Äthylnitrat ist schwerer als Wasser!), trocknet über Calciumchlorid und rektifiziert den Salpetersäureester durch Destillation aus dem Wasserbad. Der Siedekolben soll in dieses eintauchen. Siedepunkt 86°. Schutzbrille! Äthylnitrat wird später zur Darstellung von P h e n y l - n i t r o m e t h a n (VI, 8, S. 222) gebraucht. Äthylnitrat zersetzt sich beim raschen Erhitzen, z. B. in der Flamme, e x p l o s i o n s a r t i g ; es gehört in die gleiche Körperklasse, wie Nitroglycerin. D a r u m V o r s i c h t ! Äthylalkohol wird durch r e i n e Salpetersäure unter den angewandten Bedingungen nicht o x y d i e r t , sondern bloß verestert. Sobald aber Spuren von salpetriger Säure vorhanden sind, tritt Oxydation ein. Da das Stickoxyd, das hierbei aus der salpetrigen Säure entsteht, von der Salpetersäure alsbald wieder zu N 0 2 oxydiert wird, schreitet die Oxydation von kleinen Anfängen an sukzessive weiter, gewinnt durch die auftretende Reaktionswärme fortschreitend an Geschwindigkeit und steigert sioh schließlich zu einem stürmischen, explosionsartigen Prozeß. Reaktionen dieser Art, bei denen Zwischenprodukte die Geschwindigkeit progressiv steigern, bezeichnet man als „ A u t o k a t a l y s e n " . Das erste Produkt der O x y d a t i o n des Alkohols ist A c e t a l d e h y d und ein wichtiges Endprodukt ist die K n a l l s ä u r e , die aber nur gefaßt werden kann bei Gegenwart von S i l b e r - oder Q u e c k s i l b e r i o n e n . Mit ihnen bildet sie die gegen Salpetersäure beständigen Fulminate, in denen man, ähnlich wie beim Quecksilber-2-cyanid, homöopolare — nicht ionogene — Bindung anzunehmen hat. Die Knallsäurebildung wird veranlaßt durch die der Methylgruppe durch das benachbarte Carbonyl des Aldehyds vermittelte Reaktionsfähigkeit, die der salpetrigen 1
L o s s e n , A. Suppl. 6, 220 (1868).
Säureester
135
Säure einen Angriffspunkt bietet. Die einzelnen Stadien drücken sich in nachstehenden Formeln aus: HSC • CHO
•
HC • CHO || NOH
•
HC • COOH II NOH
0 2 N\ J>C=NOH -f COa
•
0 2 N . C • COOH || NOH
v C = N O H + HNO,
Die salpetrige Säure wirkt hierbei auf den Alkohol in ähnlicher Weise wie die Halogene bei der Bildung von Chloroform, Jodoform.
d) V e r s e i f u n g v o n F e t t oder p f l a n z l i c h e m Öl 300 g beliebiges Fett oder ö l (etwa x/3 Mol) werden mit 300 ccm etwa 5 w-Natronlauge verseift: 50 ccm Lauge und 50 ccm H 2 0 werden erwärmt, das Fett daraufgegossen und nach 1 Stunde noch 75 ccm Lauge hinzugegeben. Nach einer weiteren Stunde werden je 100 ccm Lauge und Wasser hinzugefügt. Es muß häufig umgerührt werden und darf nur zum schwachen Sieden erwärmt werden. Nach weiteren 4 Stunden wird der Rest der Lauge hinzugegeben; wenn nötig, erneuert man vorher das verdampfte Wasser. Nach einer weiteren Stunde fügt man 1/i Liter Wasser hinzu \ind kocht weiter, bis eine dicke homogene Masse entsteht (etwa 2 bis 3 Stunden). Dann werden unter tüchtigem Umrühren 2—2y 2 Liter heißes Wasser zugegeben, wobei ein dicker, durchsichtiger Leim entsteht. Man salzt schließlich in der Siedehitze mit etwa 100 g Kochsalz aus und läßt über Nacht stehen. Es ist zweckmäßig, wegen des starken Schäumens, die Operation in einem g r o ß e n Emailtopf auszuführen. Nach dem Erkalten hebt man am andern Morgen den erstarrten Seifenkuchen ab und spült die unten haftende Lauge weg. Man kann ihn mit einem dünnen Draht in kleine Stücke zerschneiden und diese durch wochenlanges Liegenlassen trocknen. Die Natriumsalze der höheren Fettsäuren sind in kaltem Wasser schwer, in heißem leichter löslich. Man bringt ein kleines Stückchen Seife in der nötigen Menge kochenden Wassers in einem kleinen Becherglas in Lösung und läßt erkalten: Steife Gallerte. Zur Reinigung kann man 20—30 g in siedendem Wasser lösen, heiß aussalzen und wieder erstarren lassen; dadurch wird die im Rohprodukt eingeschlossene kleine Menge Alkali entfernt. Die Reaktion bleibt gegen Lackmus- und Curcumapapier alkalisch. Die Hydrolyse der g a n z r e i n e n Seifen ist aber nicht so stark, daß die OH-Ionenkonzentration ausreicht, um Phenolphthalein zu färben. D a r s t e l l u n g der f r e i e n F e t t s ä u r e n : Etwa 150 g der rohen, feuchten Seife werden in einem Liter Wasser bis nahe zum Siedepunkt erhitzt; dann setzt man unter gutem Umrühren 2 n-Schwefelsäure zu,
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Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge
bis die Lösung auf Kongopapier deutlich sauer reagiert und das Fettsäuregemisch sich als ölige Masse oben abgeschieden hat. Nach einigem Stehen in der Kälte erstarrt diese, wenn man von festem Fett ausgegangen ist. Man hebt den Kuchen ab, schmilzt ihn nochmals auf dem Wasserbad in einem kleinen Becherglas über wenig Wasser und destilliert dann die wieder erstarrten Säuren im Vakuum. Siedepunkt bei 12 mm 220—225°. Hat man öl verseift, so wird die Seife weniger fest und die Säuren kristallisieren nur teilweise (warum ?). In diesem Fall nimmt man sie in Äther auf und verfahrt dann weiter in der üblichen Weise. G l y c e r i n : Das Glycerin befindet sich in der braunen Verseifungslauge, die man zuerst mit Salzsäure genau neutraüsiert (gegen Kongopapier!), zur Entfernung ausgeschiedener Fettsäuren mit Tierkohle schüttelt, durch ein Faltenfilter filtriert 1 und dann in dem auf S. 30 abgebildeten Apparat im Vakuum eindampft. Wenn sich nach einiger Zeit Kochsalz ausscheidet, versagt bisweilen die Capillare und man setzt dann das Eindampfen auf dem Wasserbad fort. Die stark konzentrierte Lösung wird vom Kochsalz abgesaugt, dieses mit wenig Alkohol gewaschen und das Filtrat (wieder im Vakuumkolben) fast ganz vom Wasser befreit. Der Rückstand wird mit 150 ccm Alkohol digeriert und auf kleiner Nutsche abgesaugt, dann spült man mit 50 ccm Alkohol nach. Die abgesaugte alkoholische Lösung wird auf dem Wasserbad soweit als möglich eingeengt, den Rückstand bringt man unter Nachspülen mit wenig Alkohol in einen Ciaisenkolben und destilliert aus diesem erst Alkohol und Wasser und schließlich das Glycerin im Vakuum ab. Man fangt die Hauptfraktion zwischen 180° und 195°/13 mm auf. Ausbeute etwa 35 g. Um das Glycerin völlig wasserfrei und rein zu erhalten, muß die Destillation wiederholt werden. Zur F e t t a n a l y s e . Den quantitativen Ausdruck für die Anzahl der in einem Fett oder ö l vorhandenen Kohlenstoff-Doppelbindungen gibt die „ J o d z a h l " ; darunter versteht man die Menge Jod in Gramm, die von 100 g eines Fettes chemisch gebunden wird. Neuerdinga bestimmt man die Anzahl der Doppelbindungen in organischen Verbindungen gewöhnlich mit B e n z o p e r s ä u r e (vgl. S. 103). B e s t i m m u n g der J o d z a h l . Man löst 2,5 g reines Jod und 3 g Quecksilberchlorid in je 50 ccm reinem Weingeist und vermischt die klaren Lösungen. Nach zwölfstündigem Stehen wird in einer Probe von 10 ccm der Jodtiter mit njlO-Thiosulfatlösung bestimmt, nach Zugabe von 10 ccm 10 proz. KJ-Lösung. 0,5 bis 0,7 g des zu prüfenden Fettes werden in einem trockenen Erlenmeyerkolben von 500 ccm Inhalt in 15 ccm Chloroform gelöst, dazu läßt man 25 ccm der titrierten Jodlösung fließen. Geht nach kurzer Zeit die Farbe der Lösung auf Hellbraun zurück, so sind weitere 10 ccm Jodlösung erforderlich. Nach 4 Stunden soll die Farbe noch dunkelbraun sein. Es werden jetzt 20 ccm 10-proz. KJ-Lösung hinzugefügt und das noch vorhandene Jod wie oben titriert. Ausrechnung erfolgt gemäß Definition der „Jodzahl". Man untersuche S c h w e i n e f e t t , O l i v e n ö l oder Leinöl. 1
Die Klärung mit Tierkohle ist häufig entbehrlich.
Abbau der Carbonsäuren zu den nächstniederen Aminen
137
Zur Bestimmung der V e r s e i f u n g s z a h l 1 eines Fettes kocht man 0,5—1 g Substanz mit 10 ccm n/2-alkoholischer KOH % Stunde lang am Rückflußkühler und titriert hierauf mit n/2-HCl unter Anwendung von Phenolphthalein das nicht gebundene Alkali zurück. Die Methode hat allgemeine Bedeutung, da sie in Estern das Ä q u i v a l e n t g e w i c h t der darin gebundenen Säure zu ermitteln erlaubt. Ester-Äquivalentgewicht = — — ~ , wobei a = Einwaage in g, 6 = ccm verbrauchtes n/1-Alkali. Das L e i n ö l ist das wichtigste unter den sog. „trocknenden" Ölen. Darunter versteht man öle, die stark ungesättigte Säuren, namentlich L i n o l e n s ä u r e C17H29 • C0 2 H und L i n o l s ä u r e C 17 H 3I • C0 2 H enthalten und die daher imstande sind, den Sauerstoff der Luft direkt unter Bildung von P e r o x y d e n und deren festen, hochmolekularen Umwandlungsprodukten anzulagern. Die Ölsäure-Komponente ist dazu nicht befähigt. O l i v e n ö l und S e s a m ö l z. B. „trocknen" nicht. Verwendung des Leinöls als Bindemittel in der Ölmalerei und zur Herstellung von Firnissen. Als eine der Jodzahl analoge Konstante wird heute vielfach die „Rhodanzahl" bestimmt ( K a u f m a n n ) . Ein Gemisch höherer gesättigter Fettsäuren wird durch katalytische Oxydation von Paraffin, wie es bei dem F i s c h e r - T r o p s c h - V e r f a h r e n anfällt technisch hergestellt.
8. Abbau der Carbonsäuren zu den nächst niederen Aminen a) Hofmannsche R e a k t i o n . M e t h y l a m i n a u s A c e t a m i d 2 In einem Kolben von % Liter Inhalt versetzt man 30 g (0,5 Mol) Acetamid mit 80 g = 26 ccm Brom und fügt hierzu unter guter Kühlung mit Wasser solange von einer Lösung von 50 g Kali in 350 ccm Wasser, bis die anfangs braunrote Farbe in hellgelb umgeschlagen ist, wozu der größte Teil der Kalilauge erforderlich ist. Die Lösung läßt man dann im Laufe weniger Minuten aus einem Tropftrichter in ununterbrochenem Strahl in eine Lösung von 80 g Kali in 150 ccm Wasser, die in einem Literkolben auf 70—75° erwärmt und gehalten wird, fließen. Man hält auf dieser Temperatur, bis das Reaktionsgemisch farblos geworden ist ( J / 4 bis y2 Stunde) und destilliert dann das Methylamin mit Wasserdampf über; das Kühlerende ist mit einem abwärts gerichteten Vorstoß verbunden, der etwa 1 cm tief in die Beschickung der Vorlage (100 ccm etwa 5 n-Salzsäure3) eintaucht. Sobald das Kondensat im Kühler nicht mehr alkalisch reagiert, dampft man den Inhalt der Vorlage in einer Porzellanschale auf dem Wasserbad zur Trockne, läßt zur Entfernung der letzten Wasserreste eine Nacht über im Vakuumexsiccator stehen und kocht das ganz trockne Salz mit absolutem Alkohol aus; dabei bleibt Salmiak ungelöst. Das klare Filtrat engt man auf ein kleines Volumen ein und läßt dann in der Kälte das Methylammoniumchlorid auskristalli1 2 3
Man versteht darunter die mg KOH, die 1 g Fett verbraucht. B. 15, 762 (1882); B. 17, 1406 und 1920 (1884). 50 ccm konz. Salzsäure und 50 ccm Wasser.
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Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge
sieren. Das Salz wird nach dem Absaugen mit wenig Alkohol gewaschen und im Exsiccator getrocknet. Ausbeute 15—20 g. Man führt mit dem Präparat die I s o n i t r i l r e a k t i o n (S. 150) aus und prüft sein Verhalten beim Erwärmen mit wenig Nitrit in eben saurer wäßriger Lösung. b) D i e Curtiussche R e a k t i o n . P h e n y l c y a n a t B e n z h y d r a z i d 1 : 24 g Benzoesäureäthylester = 3 / 20 Mol. (S. 129) werden mit 9 g Hydrazinhydrat 6 Stunden lang auf dem Wasserbad an einem kleinen Rückflußkühler erhitzt. Der feste Kristallkuchen, der sich beim Erkalten bildet, wird nach einiger Zeit möglichst scharf abgesaugt und mit wenig eiskaltem Methylalkohol gewaschen. Wenn die Ausbeute zu gering ist, wird das Filtrat eingeengt und nochmals erhitzt. Das Rohprodukt (16—18 g) ist zur Weiterverarbeitung genügend rein. Eine Probe kann aus heißem Wasser oder wenig Alkohol umkristallisiert werden. Schmelzpunkt 112°. B e n z a z i d 2 : 14 g i 1 /^ Mol) des t r o c k n e n Hydrazids werden in einem Filtrierstutzen (Y2 Liter) mit 200 ccm etwa n-Salzsäure zur klaren Lösung gebracht. Dazu läßt man unter Eiskühlung aus einem Tropftrichter unter Umrühren die Lösung von 8 g Natriumnitrit in 50 ccm Wasser fließen. Die Umsetzung erfolgt sofort, indem das Azid sich kristallinisch abscheidet. Wenn eine abfiltrierte Probe der Lösung durch einen Tropfen Nitritlösung nicht mehr getrübt wird, saugt man den Niederschlag scharf ab, wäscht ihn gut mit Wasser aus und trocknet ihn erst auf Ton, dann im Vakuumexsiccator über konz. Schwefelsäure und Ätzkali. Ausbeute 14 g. P h e n y l c y a n a t 3 : Das Azid muß für die Verarbeitung auf Cyansäureester a b s o l u t t r o c k e n sein. Prüfung auf Gewichtskonstanz auf einer guten Handwaage. Da B e n z a z i d bei r a s c h e m E r h i t z e n , a u c h bei B e r ü h r u n g m i t konz. H 2 S0 4 e x p l o d i e r t , i s t d a s P r ä p a r a t v o r s i c h t i g zu h a n d h a b e n . B i s zur b e e n d e t e n D e s t i l l a t i o n d e s P h e n y l cyanats Schutzbrille tragen! Die Destillation des Endprodukts wird in demselben Kolben ausgeführt, der zur Spaltung dient, zweckmäßig in einem Ciaisenkolben von 75—100 ccm, dessen Capillare und Thermometer man schon vor Ausführung der Spaltung herrichtet. Alles muß gut getrocknet sein. In dem schräg gestellten Kolben, über dessen Kondensationsrohr ein kleiner Kühler gezogen ist —- oben ist er durch ein CaCl2-Rohr gegen Eintritt von Luftfeuchtigkeit gesichert — erhitzt man 12 g Benzazid mit 40 ccm Benzol (über Natrium getrocknet) in einer mit Wasser gefüllten Kasserolle, auf deren Boden der Kolben nicht aufstehen darf, 1 2 s
Th. Curtius, J. pr. Ch. 60, 295 (1894). Th. Curtiua, B. 23, 3029 (1890). G. Schroeter, B. 42, 2339 (1909)
Abbau der Carbonsäuren zu den nächst niederen Aminen
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langsam auf 60—70°, wobei eine lebhafte Stickstoffentwicklung beginnt. Wenn sie nachgelassen hat, steigert man die Temperatur bis gegen 80°, läßt dann erkalten, stellt das Gerät zur Vakuumdestillation um und •destilliert zuerst das Benzol bei gewöhnlichem Druck aus dem siedenden Wasserbad und daran anschließend aus dem vorher abgekühlten Bad bei 20—25 mm Druck das Phenylcyanat ab. Siedepunkt 60°/20mm. Ausbeute 7—8 g. Das Destillat muß wasserklar sein und ist sofort unter guten Verschluß zu bringen (am besten einschmelzen). Vorher gießt man einige Tropfen in wenig Wasser. Der kristallinische Körper, der gebildet wird, ist Diphenylharnstoff. Wie entsteht er? Phenylurethan. Eine andere Probe gießt man in Alkohol und verdampft das Lösungsmittel. Das nicht umgesetzte Azid (etwa 2 g) kocht man in 5 ccm absolutem Alkohol eine halbe Stunde lang am Rückflußkühler1. Nach dem Eindampfen kristallisiert ebenfalls Phenylurethan aus. Schmelzpunkt 52°. Die Spaltung der Urethane in Amin, C0 2 und Alkohol wird meistens im Einschlußrohr mit Salzsäure ausgeführt. Bequemer, wenn auch weniger ertragreich, ist die Zerlegung durch Destillation mit Calciumhydroxyd. Man mischt das erhaltene Phenylurethan mit der dreifachen Gewichtsmenge gelöschten Kalks und destilliert vorsichtig aus einer kleinen Retorte. Das übergehende Anilin kann bei einiger Geschicklichkeit aus einem kleinen Kölbchen rektifiziert werden, in jedem Fall aber ist es als Acetanilid und durch die Chlorkalkreaktion nachzuweisen. Bei der Lösung von Sfcrukturfragen entsteht häufig die Notwendigkeit, Carboxylgruppen, wie sie z. B. durch Oxydationswirkung gebildet werden, zu entfernen und so das Molekül „abzubauen". Der einfachste Prozeß dieser Art, die Abspalt u n g v o n K o h l e n d i o x y d , die man durch Destillation eines Salzes über N a t r o n -
^ftlk crrcicht*
R • COONa + NaOH >• RH + Na a C0 3 , verläuft zumeist wenig glatt und führt außerdem zu einem Kohlenwasserstoff, an dem weitere Reaktionen schwer einsetzen können. Darum sind die beiden verwandten Reaktionen des Abbaus der Säuren, die von H o f m a n n , die von dem Säureamid ausgeht, und die von Curtius, vom H y d r a z i d aus, von großer präparativer Bedeutung. Beide lassen das primäre Amin der nächst niederen Stufe erreichen und beide führen zu diesem Ziel über das gleiche Zwischenprodukt, den Cyansäureester. Die Einwirkung von Hypobromit auf die — CONH2- Gruppe vermittelt den Ersatz von Wasserstoff an der NH2-Gruppe gegen Brom. Das erste Produkt der Hofmannschen Reaktion, das N - B r o m a m i d , ist in verschiedenen Fällen zu fassen. Durch Alkali verliert es HBr und das dadurch vorübergehend gebildete Fragment (Elektronensextett I) lagert sich zum Cyansäureester um, der unter den Bedingungen der Reaktion in primäres Amin und C0 2 zerlegt wird. 1
Th. Curtius, B. 27, 779 (1894).
Nitroverbindungen und ihre Iteduktionsprodukte
140 R • C=0 I NH 2
R • C = 0 —HBr I HNBr
R • C=0
—>- RN=CO —»- R • NH 2 + CO,'2
A c e t a m i d liefert so M e t h y l a m i n , B e n z a m i d A n i l i n , H a r n s t o f f , wenn auch in geringer Menge, H y d r a z i n . Die N-Halogenamide dienen auch zur Substitution von beweglichem Waaserstoff durch Halogen. Als besonders bequemes Reagens für diese Reaktion hat sich das N - B r o m s u c c i n i m i d erwiesen (K. Ziegler). Es mag hier auch das Desinfiziens C h l o r a m i n T, das Na-Salz des N-Chlor-p-toluolsulfamids erwähnt werden. Ahnlich wie die N-Halogenamide werden H y d r o x a m s ä u r e n unter H a OAbspaltung in Cyansäureester umgelagert und damit zu Aminen abgebaut (Lossen). Die Reaktion von C u r t i u s , die besonders in den höheren Reihen wegen der günstigeren Löslichkeitsverhältnisse der Zwischenprodukte vorzuziehen ist, stellt als erste Phase das H y d r a z i d aus dem S ä u r e e s t e r (oder -chlorid) her, das dann durch salpetrige Säure in meist sehr glatter Reaktion in das Azid übergeführt wird. In vielen Fällen wird das Azid bequemer durch Umsetzung von Säurechlorid mit Natriumazid dargestellt, das man vorher mit Hydrazinhydrat reaktionsfähig gemacht hat 1 . Die Azide erleiden leicht thermische Zersetzung, bei der sie die beiden „Azo"stickstoffatome als elementaren Stickstoff abspalten. Damit entsteht aber die gleiche Zwischenstufe, die den Verlauf der Hofmannsehen Reaktion erklärt hat: RNCO . C u r t i u s hat die Zersetzung der Azide gewöhnlich in Alkohol vorgenommen und hat daher in durchsichtiger Weise die U r e t h a n e erhalten, die durch kräftige Hydrolyse in p r i m ä r e s A m i n , C0 2 und Alkohol zerfallen. Eine wichtige Anwendung hat die H o f m a n n s c h e Reaktion bei der ersten technischen I n d i g o s y n t h e s e im Abbau des P h t h a l i m i d s zur A n t h r a n i l s ä u r e erfahren. Siehe S. 324.
III. Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte 1. Nitromethan 2 94 g Chloressigsäure, in 200 ccm Wasser gelöst, werden mit wasserfreier Soda (53 g) in einem weiten Becherglas genau neutralisiert; dazu fügt man die Lösung von 75 g Natriumnitrit in 120 ccm Wasser. E t w a 100 ccm dieser Mischung bringt man in einen 750 ccm-Rundkolben, der einen Tropftrichter trägt und außerdem mit einem absteigenden Kühler verbunden ist. Beim kräftigen Erwärmen im Babotrichter oder auf dem Drahtnetz (langsam anheizen) beginnt schon vor dem Sieden der Lösung unter C0 2 -Entwicklung die stürmische Reaktion, die man i n der siedenden Lösung durch allmähliches Zufließenlassen der Vorratslösung in Gang hält, aber nicht zu heftig werden läßt. Das Nitromethan 1 2
Nelles, B. 65, 1345 (1932). H. K o l b e , J . pr. Ch. 5, 429 (1872); S t e i n k o p f , B. 42, 3438 (1909).
Nitromethan
141
geht mit Wasserdampf über und sondert sich in der Vorlage als schwerere Schicht ab. Sobald im Destillat keine öltropfen mehr übergehen, wechselt man die Vorlage und treibt noch 100 ccm Wasser über, die noch Nitromethan gelöst enthalten. Von dem ersten Destillat trennt man das Nitromethan ab und vereinigt den wäßrigen Teil mit dem zuletzt übergegangenen. Diese Lösungen werden mit Kochsalz gesättigt (auf je 100 ccm 35 g) und nochmals destilliert. Etwa 1 / 1 der gesamten Wassermenge wird aufgefangen, später kommt wieder ein klares Destillat. Das abgetrennte Nitromethan wird mit dem zuerst erhaltenen vereinigt, mit Calciumchlorid scharf getrocknet und dann destilliert. Siedepunkt 101°. Ausbeute 20—24 g (33—39% d. Th.). N i t r o m e t h a n ist der am leichtesten zugängliche aliphatische Nitrokörper; in den höheren Reihen verläuft die Kolbeache Darstellungsmethode viel weniger glatt. Der Verlauf der Reaktion ist klar: die zuerst gebildete N i t r o e s s i g s ä u r e zerfällt in CH 3 N0 2 und C0 2 , aus ähnlichen Gründen, wie sie auch den Zerfall der Malonsäure erklären. Die übrigen N i t r o p a r a f f i n e werden meist nach dem von V. Meyer entdeckten Verfahren — Umsetzung der Alkyljolide mit Silbernitrit — gewonnen. Auch die Methode von K o n o w a l o w — Erhitzen mit stark verdünnter Salpetersäure im Einschlußrohr auf 120—130° — führt häufig bei gesättigten Kohlenwasserstoffen, namentlich der hydroaromatischen Reihe, zum Ziel. Uber die Nitrierung von Paraffinen mit konz. Salpetersäure ist neuerdings von verschiedenen Seiten berichtet worden1. P h e n y l - n i t r o m e t h a n wird im Abschnitt VI, 8; S. 222, behandelt. Man erinnere sich der Isomerie mit den Alkylnitriten. Welche Unterschiede bestehen in den Reaktionen? Die primären und sekundären Nitroparaffine sind neutrale Substanzen, die bei Gegenwert von Alkalien ein Proton abzugeben imstande sind. Auf diesem Wege entstehen die Salze einer isomeren aci-Form (Hantzsch):
OH Näheres darüber steht im Kapitel über T a u t o m e r i e bzw. M e s o m e r i e .
Versuch: Man löse lccm Nitromethan in Wasser und prüfe die Reaktion der Lösung gegen Lackmuspapier. Dann füge man etwas Phenolphthalein und tropfenweise aus einer Bürette n/10-Natronlauge hinzu. Bis zur bleibenden Rosafarbung werden etwa 2 ccm davon verbraucht, ein Zeichen, daß aus dem neutralen Nitromethan das Salz des aci-Nitromethans, H 2 C:NOOH, entstanden ist. Eine kleine Probe dieser Lösung gibt mit Eisenchlorid eine b l u t r o t e F ä r b u n g , die für aci-Nitroverbindungen charakteristisch ist. Die Salze der aci-Verbindung sind stark hydrolytisch gespalten. Dies erkennt man daran, daß der weitere Zusatz von n/10-Lauge die Lösung tief rot färbt. Hat man 10 ccm der Lauge hinzugefügt und setzt nun 5 ccm n/10-Salzsäure hinzu, so wird die Lösung entfärbt, da die freigewordene aci-Verbindung die Hydrolyse ihres Salzes zurückdrängt. Die Umlagerung von H ä C :N0 2 H zu H3C • N0 2 erfolgt aber so rasch, daß in wenigen Augenbücken die Rotfarbung wiederkehrt. 1
Vgl. O. v. S c h i c k h , Ang. Ch. 62, 547 (1950).
142
Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte
Bei der Redaktion von Nitroparaffinen entstehen unter kräftigen Bedingungen die entsprechenden Amine, so wie dies im nächsten Kapitel für Nitrobenzol gezeigt wird. Aber ebenso wie dort kann man bei der Einwirkung von Zinkstaub in neutralem Medium den Prozeß auf der Stufe des H y d r o x y l a m i n s festhalten.
Versuch: Zu einigen Tropfen Nitromethan, in wenig Wasser gelöst, werden einige Zinngranalien und dann konz. Salzsäure gegeben. Heftige Reaktion. Wenn sie vorüber ist, erwärmt man noch kurz auf dem Wasserbad, übersättigt die abgegossene Lösung mit starker Lauge und erkennt am Geruch und an der Bräunung von Curcumapapier, daß ein flüchtiges Amin gebildet worden ist. Will man die Reaktion zur Darstellung von Methylamin benutzen, so muß das Nitromethan nach und nach zur Reduktionsflüssigkeit gegeben werden. Im übrigen vgl. Präp. II, 8; S. 137. N - M e t h y l h y d r o x y l a m i n . Eine wäßrige Lösung von Nitromethan versetzt man mit etwa der gleichen Menge Ammoniumchlorid und gibt dann unter Kühlung (Temperatur um 10°) und stetem Schütteln die dreifache Menge Zinkstaub in kleinen Anteilen zu. Die vom Zinkstaub abfiltrierte Lösung reduziert ammoniakalische Silberlösung und Fehlingsche Lösung. Die präparative Darstellung dieses leicht zugänglichen Alkylhydroxylamins als salzsaures Salz ist von B e c k m a n n , A. 365, 204 (1909), beschrieben. Die zahlreichen Umsetzungen der primären und sekundären Nitroparaffine leiten sich fast ausnahmslos von der aci-Form ab, d. h. sie erfolgen unter Bedingungen, unter denen sich das Salz bildet. Es besteht hier große Ähnlichkeit mit der Reaktionsweise der Ketone, jedoch der graduelle Unterschied der viel größeren Reaktionsgeschwindigkeit bei den Nitroverbindungen. 1. Bei der Einwirkung von Brom entstehen Bromnitrokörper, z. B.: H 2 C=NO Br [ — ONa
I
HaC—NO2 + NaBr. Br
2. Salpetrige Säure bildet mit primären Nitroparaffinen N i t r o l s ä u r e n , mit sekundären die sog. Pseudonitrole, die als Nitrosoverbindungen grün oder blau gefärbt sind. a)
H 2 C=NO | OH
b)
CH 3 .C-CH 3 || +HONO ON—OH
+HONO
1
•
HC—N02 II + HaO NOH NO
I
CH3 • C • CHS + HaO
¿o2
Versuch: M e t h y l n i t r o l s ä u r e . 3,2 g Nitromethan werden unter Eiskühlung in 30 ccm 2 n-Natronlauge gelöst und mit einer konz. Lösung 1
B 42, 808 (1909).
Nitromethan
143
von 3,5 g Natriumnitrit vernetzt. Ohne weitere Kühlung läßt man aus einem Tropftrichter 4 n-Schwefelsäure hinzulaufen, bia die erst tiefrot gewordene Lösung eben orangegelb geworden ist und KaliumjodidStärkepapier noch nicht bläut. Dann schüttelt man zweimal mit Äther aus, kühlt die wäßrige Lösung wieder ab, tropft solange wieder Schwefelsäure zu, bis deutlich salpetrige Säure auftritt, und macht nun wieder mit 5 w-Natronlauge bis zu kräftiger Orangefarbung alkalisch. Dann wird wieder soweit angesäuert, daß noch keine salpetrige Säure nachzuweisen ist, und noch zweimal ausgeäthert. Die vereinigten Ätherauszüge werden mit Calciumchlorid 2 Stunden lang getrocknet, unter Außenkühlung mit Eis. Dann saugt man in einem kleinen Rundkolben den Äther mit Capillare im Vakuum aus einem Wasserbad von 15—20° an der Pumpe ab und erhält als Rückstand etwa 1 g gut kristallisierte, schwach gelb gefärbte Methylnitrolsäure. Das Präparat hält sich nur einige Stunden unzersetzt. Man prüfe mit ihm das Verhalten gegen Alkalien. K n a l l s i l b e r 1 . 0,5 g frisch dargestellte Methylnitrolsäure, in 4 ccm Wasser gelöst, wird mit 1 ccm 5n-Salpetersäure (konz. Säure vom spez. Gew. 1,4 mit dem gleichen Volumen Wasser verdünnt) und 4 ccm 10-proz. Silbernitratlösung über freier Flamme in einem weiten Reagenzglas zum Sieden erhitzt. Nach kurzer Zeit setzt die Reaktion unter kräftiger Gasentwicklung (NO) ein und gleichzeitig scheidet sich Knallsilber kristallinisch aus. Man kocht noch einige Minuten unter stetem Umschütteln weiter, läßt erkalten und saugt das Produkt ab, das mit Wasser gewaschen wird. Eine kleine Probe von etwa 10 mg trocknet man, o h n e zu r e i b e n , auf einem Stückchen Ton und prüft damit in der Flamme und durch Schlag mit dem Hammer die Brisanz. S c h u t z brille! Die Hauptmenge bringt man noch feucht — auch in diesem Zustand ist ein festes Drücken mit einem Metallspatel oder anderen harten Gegenständen zu vermeiden — in ein Reagenzglas und übergießt sie mit 2 ccm konz. Salzsäure. Dabei kann man den der Blausäure zum Verwechseln ähnlichen Geruch der freien Knallsäure wahrnehmen. Nach einer halben Stunde erwärmt man den Inhalt des Reagenzglases noch kurz im siedenden Wasserbad, setzt 4 ccm Wasser zu, filtriert vom Silberchlorid ab und dampft das Filtrat in einer kleinen Glasschale auf dem Wasserbad zur Trockne. Das zurückbleibende Hydroxylammoniumchlorid wird an der Reduktionswirkung gegen ammoniakalische Silberlösung und gegen Fehlingsche Lösung erkannt. K n a l l s i l b e r muß in j e d e m stellung vernichtet werden, Salzsäure. 1
B. 40, 419 (1907).
F a l l s o f o r t n a c h der Daram e i n f a c h s t e n m i t konz.
144
Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte
Die N i t r o l s ä u r e n sind farblos, lösen sich aber in Alkalien mit tiefroter Farbe, indem neben der farbgebenden Nitroso- die oct-Nitrogruppe gebildet wird 1 . Beim Erhitzen in salpetersaurer Lösung zerfällt Methylnitrolsäure in salpetrige Säure und K n a l l s ä u r e ; diese kann bei Gegenwart von Silbernitrat als Knallsilber festgehalten werden. >CNOH o„N/
N0 2 H + C = N O H .
Auf dem Weg über die Methylnitrolsäure kommt die Bildung der F u l m i n a t e (Knallsilber, Knallquecksilber) aus Äthylalkohol und Salpetersäure zustande. Davon war auf S. 134/135 die Rede. Das Quecksilber(II)-Salz des Nitromethans zerfällt direkt in K n a l l q u e c k silber und Wasser (Nef). (H 2 C=N0 2 ) 2 Hg
• (C=NO) 2 Hg + 2 H 2 0 .
3. Gleich den Ketonen kondensieren sich primäre Nitroverbindungen mit Aldehyden unter Wasserabspaltung. Auf diesem Weg ist P h e n y l n i t r o ä t h y l e n bequem darstellbar. C.HjCHO + CH S —N0 2 2
Phenylnitroäthylen .
>• C„H 5 CH=CH • N 0 2 .
3,2 g Nitromethan
und 5,3 g
Benzaldehyd
werden in 20 ccm Alkohol gelöst und bei guter Kühlung im Kältegemisch unter kräftigem Umschütteln nach und nach mit kalter alkoholischer Kalilauge versetzt, die man sich aus der Lösung von 3,5 g Ätzkali in 5 ccm Wasser und 10 ccm Methylalkohol bereitet hat. Man schüttelt solange, bis eine Probe des entstandenen Kristallbreis — bisweilen bleibt die Kristallisation auch aus — in Wasser klar löslich ist; es hat sich das Kaliumsalz des Phenylnitroäthylalkohols C6H5 • CH(OH) • CH :NOOK gebildet, dessen freie Säure sich unter Wasserabspaltung in Phenylnitroäthylen umwandelt. Dies geschieht, wenn man das Reaktionsprodukt in Eiswasser auflöst und unter Umrühren in 60 ccm eiskalter n-Schwefelsäure einfließen läßt. Das bald erstarrende öl wird nach dem Absaugen und kurzem Trocknen auf Ton aus wenig Alkohol umkristallisiert. Man erhält etwa 5 g Phenylnitroäthylen in prächtigen gelben Kristallnadeln. Schmelzpunkt 58°. 4. Alle primären Nitroverbindungen kuppeln mit Diazobenzol; statt der erwarteten Azokörper entstehen durch Umlagerung die P h e n y l h y d r a z o n e von an der Aldehydgruppe nitrierten Aldehyden: 1 Die Farbvertiefung geht wohl auf die Bildung eines mesomeren Anions zurück, von dem zwei Grenzformeln wiedergegeben seien:
2 T h i e l e und H a e c k e l , A. 825, 7 (1902); B o u v e a u l t und W a h l , Compt. rend. 136, 41 (1902).
Nitrierung eines aromatischen Kohlenwasserstoffs R . CH=NOONa + HO—N=N • C„H5 -»
•
145
/RCH—N0„ > | V N=N.C,H5/
R • C—NOa II + NaOH N - N H • C„H6
5. Eine sehr interessante Umsetzung des Nitromethans durch starkes Alkali sei hier noch angeführt. 2 Moleküle kondensieren sich unter Wasserabspaltung zur sog. M e t h a z o n s ä u r e , die die Konstitution des N i t r o a c e t a l d o x i m s (I) besitzt (Meister) 1 . 2H,C=NO | ONa
„ „
HC || NONa
C=NO H | ONa
;
I
HC—H„CNO, || NOH
Aus ihr hat S t e i n k o p f mit Thionylchlorid das lange gesuchte N i t r o a c e t o n i t r i l a H2C • (N0 2 ) • CN und durch dessen Verseifung N i t r o e s s i g s ä u r e * dargestellt. Die neuerdings zu Aminosäure-Synthesen verwendete Nitroessigsäure kann auf einfache Weise durch Erhitzen vonNitromethan mit 50-proz. Alkali (über Methazonsäure) hergestellt werden'.
2. Nitrierung eines aromatischen Kohlenwasserstoffs Nitrobenzol und Dinitrobenzol a) N i t r o b e n z o l Zu 125 ccm = 230 g kons. Schwefelsäure, die sich in einem Kolben von etwa y2 Liter Inhalt befinden, gießt man allmählich unter Umschütteln 100 ccm = 140 g konz. Salpetersäure (spez. Gew. 1,4). Nachdem man die warme Mischung durch Eintauchen in kaltes Wasser auf Zimmertemperatur abgekühlt hat, fügt man unter häufigem Umschütteln zu ihr allmählich 90 ccm = 78 g (1 Mol) Benzol. Wenn hierbei die Temperatur über 50—60° steigt, so taucht man vor dem weiteren Eintragen des Benzols das Gefäß auf kurze Zeit in Eiswasser ein. Beim jedesmaligen Zugeben von Benzol ist eine vorübergehende intensive Braunfarbung zu beobachten. Nachdem man den Kolben mit aufgesetztem Steigrohr noch y2 Stunde lang in einem Wasserbad von 60° weiter erwärmt hat, trennt man die untere Schicht, welche aus Schwefelsäure und Salpetersäure besteht, im Scheidetrichter von der oberen, die das Nitrobenzol enthält 4 . Letztere schüttelt man im Scheidetrichter mit Wasser, dann mit verdünnter Natronlauge, zuletzt nochmals mit Wasser durch, wobei man beachte, daß das Nitrobenzol jetzt die untere Schicht bildet. Nach dem Waschen und Absitzen läßt man das Nitrobenzol in einen trocknen Kolben ab und erwärmt es auf dem Wasser bade (SteigÜber den Mechanismus dieser Reaktion siehe A. 444, 15 (1925). B. 41, 1048 (1908). 3 B. 42, 3925 (1909). 4 Nach dem gleichen Prinzip wird im Großbetrieb der Rest der Nitriersäure zurückgewonnen. Der Ansatz hier enthält 1% Mol HNO a . 1
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10
G a t t e r m a n n , Praxis des organ. Chemikers. 35. Aufl.
146
Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte
rohr) solange mit Calciumchlorid, bis die anfangs milchige Flüssigkeit klar geworden ist. Man reinigt es schließlich durch Destillation aus einem Fraktionierkolben mit vorgelegtem Verlängerungsrohr, wobei man nicht ganz bis zur Trockne destilliere. Siedepunkt 206—207°. Ausbeute 100—105 g. b) m - D i n i t r o b e n z o l Eine Mischung von 14 ccm = 25 g konzentrierter Schwefelsäure und 10 ccm = 15 g rauchender Salpetersäure wird allmählich mit 10 g Nitrobenzol versetzt (Abzug) und unter häufigem Umschütteln in einem offenen Kolben eine halbe Stunde auf dem Wasserbade erhitzt. Das etwas erkaltete Reaktionsgemisch wird dann unter Umrühren in kaltem Wasser ausgewaschen, auf einem Tonteller abgepreßt und aus Alkohol umkristallisiert. Schmelzpunkt 90°. Ausbeute 10—12 g. Die Eigenschaft, bei Einwirkung von Salpetersäure Nitroderivate zu liefern, ist ein Charakteristikum der a r o m a t i s c h e n Substanzen. Je nach den Bedingungen, unter denen die Nitrierung ausgeführt wird, kann man e i n e Nitrogruppe oder deren mehrere einführen. Sind in einem aromatischen Stoffe gesättigte aliphatische Seitenketten vorhanden, so erfolgt die Nitrierung unter den obigen Bedingungen stets am Benzolk e r n und nicht in der Seitenkette. Da die Benzolkohlenstoffatome nur mit einem Wasserstoffatom verbunden sind, so sind die erhaltenen Nitroderivate tertiäre; sie sind demnach nicht imstande, wie die primären und sekundären Nitroverbindungen Salze, Nitrolsäuren oder Pseudonitrole zu bilden. Nitrogruppen lassen sich auch in S e i t e n k e t t e n einführen 1 . Erhitzt man z. B. Toluol oder Äthylbenzol mit schwacher Salpetersäure (spez. Gew. 1,076) in einer Bombe auf etwas über 100°, so erhält man P h e n y l n i t r o m e t h a n C,H6CH2 • NO¡¡ oder Phenylnitroäthan C6H6 . CH(N0 2 ) • CH 3 . Nicht nur die aromatischen Stammsubstanzen, die Kohlenwasserstoffe, lassen sich nitrieren; auch alle Derivate derselben, wie Phenole, Amine, Aldehyde, Säuren usw. sind der gleichen Reaktion zugänglich. Die Nitrierung erfolgt jedoch nicht überall mit der gleichen Leichtigkeit. Man muß daher für jeden Fall die günstigsten Versuchsbedingungen ermitteln. Wird ein Stoff, wie Phenol, sehr leicht nitriert, so kann man entweder die Nitrierung schon mit verdünnter Salpetersäure ausführen, oder man verwendet ein organisches Lösungsmittel, wie Eisessig. Beim Arbeiten in schwefelsaurer Lösung wendet man bisweilen statt der Salpetersäure Kalium- oder Natriumnitrat an. Durch den Eintritt einer Nitrogruppe wird der chemische Charakter einer Substanz nicht grundsätzlich geändert. So sind die Kern-Nitroderivate der Kohlenwasserstoffe neutrale Verbindungen, wie die Kohlenwasserstoffe selbst. Tritt eine Nitrogruppe aber z. B. in einen Stoff von saurer Natur ein, so wird diese dadurch verstärkt; die N i t r o p h e n o l e z. B. sind stärker sauer als das Phenol. Das Entsprechende tritt bei der Nitrierung basischer Substanzen ein; die N i t r a n i l i n e sind weniger basisch als Anilin. Die große Bedeutung der Nitroverbindungen beruht auf ihrem Verhalten bei der Reduktion, wovon bei den nächsten Präparaten die Rede sein wird. Beim zweifachen Nitrieren von Benzol bildet sich fast ausschließlich m - D i n i t r o b e n z o l , was mit den folgenden allgemeinen Substitutionsgesetzen zusammenhängt. Für die aromatischen Verbindungen sind in erster Linie drei Reaktionen typisch: 1
K o n o w a l o w , B. 27, Ref. 194 und 468 (1894).
Reduktion einer Nitroverbindung zu einem Amin
147
1. die des Halogenierens, 2. die des Nitrierens und 3. die des Sulfurierens. Geht man vom Benzol selbst aus, so ist naturgemäß nur ein einziges Mono-Halogen-, Nitrooder Sulfoderivat möglich. Geht man jedoch von einem monosubstituierten Benzol aus, so kann der Eintritt von Halogen, Nitro- oder Sulfogruppe in der o-, m- oder p-Stellung erfolgen. Die Tatsachen haben nun ergeben, daß hierbei zwei Typen von Reaktionen sich vollziehen, indem in gewissen Fällen überwiegend das o- und p-Biderivat neben nur wenig des m-Derivates gebildet wird, während im anderen Fall vorwiegend daa m-Derivat neben nur wenig des o- und p-Derivates entsteht. Substituenten, welche Halogen, Nitro- und Sulfogruppe — oder auch andere Substituenten — vorwiegend in die o- und p-Stellung lenken, nennt man Substituenten erster Ordnung. Dazu gehören die Halogene, Alkylgruppen, die Hydroxylgruppe nebst O-Alkyl und O-Acyl, die Aminogruppe u. a. Substituenten, welche die Substitution vorwiegend in die m-Stellung lenken, heißen Substituenten zweiter Ordnung. Solche sind: Nitrogruppe, Sulfogruppe, Aldehydgruppe, Carboxylgruppe nebst COO-Alkyl, CO • NHa und CO-Alkyl (inKetonen), C=Nu.a. Aus dieser Aufzählung ergibt sich als charakteristisch, daß die Substituenten I. Ordnung durchweg formal gesättigt sind, keine Lückenbindungen enthalten, während für die II. Ordnung das Gegenteil gilt. Es ist ferner bemerkenswert, daß die o- und p-Substitutionen sich durchweg leichter, d. h. mit viel größerer Geschwindigkeit vollziehen, als der Eintritt in m-Stellung. Auf S. 393/394 findet man einen Abriß der modernen theoretischen Deutung der Orientierungsregeln bei der aromatischen Substitution. Bei der «i-Substitution steigert sich die Schwierigkeit von Stufe zu Stufe. Die Einführung der zweiten Nitrogruppe in das Nitrobenzol hat schon weit stärkerer Mittel bedurft, als die Nitrierung des Benzols. Das symmetrische Trinitrobenzol entsteht erst beim tagelangen Kochen der Dinitroverbindung mit rauchender Salpetersäure und auch so nur in schlechter Ausbeute. Man vergleiche damit die Substitutionserleichterung durch OH und NH2 und schon durch die Methylgruppe in Toluol. Trinitrotoluol als Sprengstoff. Die Nitroverbindungen sind zum Teil Flüssigkeiten, zum Teil durch große Kristallisationsfähigkeit ausgezeichnete feste Stoffe, welche, falls sie ohne Zer* Setzung destillieren, einen viel höheren Siedepunkt als die Muttersubstanz besitzen. Unterwirft man Äthylen der Einwirkung von Nitriersäure, so entsteht, wie schon erörtert, Nitroäthylnitrat CHaNOa • CH2 • 0N0 2 . Der durch Anlagerung von Salpetersäure zuerst gebildete Nitroäthylalkohol wird durch Veresterung festgehalten. 3. Reduktion einer Nitroverbindung zu einem Amin a) A n i l i n a u s N i t r o b e n z o l 1 1. In einem Rundkolben (2 Liter Inhalt) versetzt man 120 g fein granuliertes Zinn 2 mit 61,5 g ( l /> Mol) Nitrobenzol und fügt hierzu allmählich 270 com = 320 g konzentrierter Salzsäure in der folgenden Weise: Man setzt zunächst nur etwa den zehnten Teil der Salzsäure hinzu, verbindet dann den Kolben sofort mit einem nicht zu engen Steigrohr und schüttelt um. Nach kurzer Zeit erwärmt sieh die Mischung und gerät schließlich in lebhaftes Aufsieden. Man kühlt in kaltem Wasser, A. 44, 263 (1842). Ist man nicht im Besitze von granuliertem Zinn, so stellt man sich dies dadurch her, daß man vor der Gebläseflamme in einem mit Ausguß versehenen, gestielten eisernen Löffel derbes Zinn schmilzt und dann tropfenweise aus einer Höhe von %—1 m in einen mit Waaser gefüllten Eimer gießt. 1 2
10*
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Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte
ohne die Umsetzung völlig zu unterdrücken, und fügt dann nach und nach unter stetem Schütteln weitere Salzsäure zu, wobei man dieReaktion stets in gutem Gang hält. Zum Schluß erhitzt man noch eine Stunde lang auf dem Wasserbad, versetzt die warme Lösung mit 100 ccm Wasser und fügt allmählich eine Lösung von 150 g technischem Natron in 200 ccm Wasser bis zur stark alkalischen Reaktion hinzu 1 . Man leitet dann bei vorgelegtem, langem Kühler alsbald Wasserdampf in die heiße Flüssigkeit ein. Sobald das Destillat nicht mehr milchig, sondern wasserhell ist, läßt man noch etwa 300 ccm Flüssigkeit überdestillieren, setzt je 25 g fein pulverisiertes Kochsalz auf je 100 ccm Flüssigkeit bis zur Auflösung zu und schüttelt das Anilin mit Äther aus 2 . Nachdem man die ätherische Lösung mit einigen Stückchen festen Kalis getrocknet hat, verdampft man den Äther und unterwirft das Anilin der Destillation. Siedepunkt 184°. Ausbeute 90—100% der Theorie. 2. Dem t e c h n i s c h e n Verfahren ist die nachstehende Vorschrift angepaßt 3 : Ein Dreihalskolben von 2 Liter Inhalt trägt in der Mitte einen Rührer mit Dichtung, seitlich einen Rückflußkühler und einen Tropftrichter von 200 ccm Fassungsvermögen. Er kann in einem Ölbad erhitzt werden. Die Füllung von 200 g Gußeisenmehl*, 300 ccm Wasser und 30 ccm Iconz. Salzsäure wird unter kräftigem Rühren etwa 10 Minuten gekocht. Dann läßt man innerhalb % Stunden 123 g Nitrobenzol zutropfen, wobei die Heizung gemäßigt werden kann. Anschließend wird noch solange gekocht, bis der Rücklauf farblos ist (etwa 1 Stunde), dann nach Zusatz von 15 g Natriumcarbonat das Anilin mit Wasserdampf übergetrieben. Ausbeute 90% d. Th. Die Eigenschaft, bei einer energischen Reduktion in primäre A m i n e überzugehen, kommt sowohl den Nitroverbindungen der aliphatischen wie der aromatischen Reihe zu. Zur Reduktion jeder Nitrogruppe sind 6 Atome Wasserstoff erforderlich. In der Technik bedient man sich zur Reduktion des Nitrobenzols nicht des teuren Zinns, sondern man arbeitet noch heute nach dem alten Verfahren von B e c h a m p mit E i s e n f e i l e oder E i s e n p u l v e r . Die der Gleichung: C„H6 • NOa + 3 Fe + 6 HCl = CeH5 • NH 2 + 3FeCl2 + 2 H 2 0 (A) entsprechende Menge Salzsäure wird im großen bei weitem nicht verbraucht, man kommt mit bedeutend weniger, mit etwa 3 % aus. Dies hängt damit zusammen, daß das Eisen teilweise bis zur oxydischen Ferristufe ausgenutzt wird. Es gilt neben A etwa die Gleichung B, d. h. FeCl2 wird ständig wieder gebildet. 1
Über die elektrolytische Abscheidung des Zinns siehe S. 273 Anm. Im großen trennt man, ohne auszusalzen, das Anüin ab und benutzt das „Anilin wasaer" jeweils wieder zur Dampferzeugung. 3 Vgl. H. E. F i e r z - D a v i d , Operationen der Farbenchemie, IV. Aufl., 1938, S. 35. * Die üblichen Eisenpräparate des Laboratoriums sind weniger geeignet und geben gewöhnlich ein stark gefärbtes Präparat. Eisenpulver F der Bad. Anilinu. Sodafabrik, Ludwigshafen, bewährt sich besonders gut. 1
Reduktion einer Nitroverbindung zu einem Amin C,H S • N 0 2 + 2FeCl a + 2Fe -+ 4H s O->.C,H 5 . NH 2 + 2FeCl 2 + 2Fe(0H) 3 .
149 (B)
Durch Hydrolyse des Ferrichlorids wird Ferrihydroxyd ausgeschieden und immer wieder Salzsäure für neues Eisen verfügbar. Die Eisenoxyde, die am Schluß des Prozesses gebildet sind, werden jeweils wieder durch Wasserstoff bei Rotglut in Eisenpulver zurückverwandelt. Neuerdings hat auch das k a t a l y t i s c h e H y d r i e r u n g s v e r f a h r e n , und zwar mit Kupfer als Kontaktmetall f ü r die Bereitung von Anilin aus Nitrobenzol in der Industrie Eingang gefunden. Für Reduktionsversuche von Nitrokörpern im kleinen nimmt man am zweckmäßigsten Zinn oder Zinnchlorid und konz. Salzsäure. Feste Substanzen werden ohne Lösungsmittel oft schwer angegriffen und verlangen einen Zusatz von Alkohol oder Eisessig. Das Ende der Reduktion erkennt man daran, daß das Reaktionsgemisch auf Zugabe von Wasser klar bleibt, da die Hydrochloride der entstandenen Basen in Wasser meist löslich sind. Dabei ist zu beachten, daß häufig schwerer lösliche Doppelsalze mit Zinnchlorür auftreten, die aber von kochendem Wasser in der Regel gelöst werden. Wenn ein Doppelsalz in reichlicher Menge auskristallisiert, wird es durch Absaugen isoliert. Durch Zersetzen mit Lauge oder mit Schwefelwasserstoff liefert es die Base leicht in reinem Zustand. Die p r i m ä r e n M o n a m i n e sind zum Teil farblose Flüssigkeiten, wie z. B. das Anilin, o-Toluidin, Xylidin, oder farblose, feste Stoffe, wie das p-Toluidin, Pseudocumidin, die Naphthylamine u. a. Sie sind ohne Zersetzung destillierbar und mit Wasserdämpfen flüchtig. In Wasser sind sie ziemlich schwer löslich, Anilin zu 3°/ 0 . Die Di- und P o l y a m i n e sind meistens fest, mit Wasserdämpfen nicht flüchtig und in Wasser viel leichter löslich als die Monamine. Die Amine besitzen basischen Charakter; die Basizität ist jedoch infolge des ungesättigten Charakters des ArylreBtes bedeutend schwächer als die der aliphatischen Amine. Daher reagieren die wäßrigen Lösungen der (stöchiometrisch) neutralen Anilinsalze infolge von Hydrolyse auf Lackmuspapier sauer. Aus dem gleichen Grund kann man aus einer wäßrigen Lösung von Anilinsalz mit Äther eine kleine Menge der freien Base herausschütteln. (Nachweis mit ätherischer Salzsäure oder nach Verdampfen des Äthers durch die Chlorkalkreaktion.) Versuche: 1. Man verdünnt 10 ccm Anilinwasser (durch Schütteln v o n 3 Tropfen Anilin mit 10 ccm Wasser im Reagenzglas erhalten) m i t 100 ccm Wasser u n d fügt ein wenig einer filtrierten wäßrigen Chlorkalklösung hinzu. E s tritt hierbei eine v i o l e t t e F ä r b u n g auf ( R u n g e s c h e R e a k t i o n ) . Diese sehr empfindliche Probe gibt nur die wäßrige Lösung des freien Anilins, nicht die der Salze; man m u ß daher aus diesen die B a s e erst isolieren. Man kann diese Reaktion auch benutzen, u m kleine Quantitäten v o n Benzol oder Nitrobenzol zu erkennen, indem m a n die eben bekannt gewordenen Reaktionen i m kleinen durchführt (Reagenzglas). Die C h l o r k a l k r e a k t i o n ist dem Anilin eigentümlich; der Farbstoff ist ein kompliziertes Chinonderivat, dessen Konstitution noch nicht ganz sicher steht. Die übrigen hier angegebenen Versuche stellen Klassenreaktionen der primären aromatischen Amine dar. 2. Durch Säurechloride und -anhydride werden primäre und sekundäre Amine acyliert, im besonderen auch durch Benzolsulfochlorid (S. 169). A c e t a n i l i d ist schon früher (S. 114, 117) dargestellt worden. Die Acetyl- und Benzoyl-derivate aller einfacheren primären Amine der Benzol- und Naphthalinreihe sind bekannt, so daß diese Methode in allen Fällen zum Ziel des Nachweises führt.
150
Nitroverbindungen und ihre ßeduktionsprodukte
Man stelle die Identität eines primären Amins auf dem angegebenen Weg fest. 3. B e n z y l i d e n - a n i l i n . 1 cem Anilin wird mit ebensoviel Benzaldehyd im Reagenzglas auf dem Wasserbad erhitzt. E s scheidet sich unter Trübung Wasser aus und nach dem Erkalten erstarrt das Gemisch zur sog. S c h i f f s c h e n B a s e (Azomethin). Schmelzpunkt 52°. Beim Erwärmen mit Säure wird das schwach basische Kondensationsprodukt in die Komponenten zerlegt. Allgemeine R«aktion primärer Amine. 4. I s o n i t r i l r e a k t i o n . Ebenso wie die primären aliphatischen Amine von der Art des Methylamins geben auch das Anilin und seine Verwandten die charakteristische Geruchsreaktion mit Chloroform und Alkali. Man vermischt in einem Reagenzrohr 2 Tropfen Anilin mit 2 ccm Alkohol, f ü g t y 2 ccm starke Kalilauge u n d etwa 5 Tropfen Chloroform zu u n d erwärmt gelinde (Abzug). C 8 H 6 . NH 2 + C1,C
S = C = N . C„H6 + H2S + H 2 nc,H 6 Phenylsenföl
Dithiocarbaminat
C.H,NH,
)
s c
/ N H • C8H5
\ n H • C,HS
Diphenyl-thioharnstoff.
In der Fettreihe muß man das Dithiocarbaminat mit einem Schwermetallsalz (HgCl2, FeCl3) destillieren, um zum Senföl zu gelangen (A. W. Hofmann), hier den Thioharnstoff mit konz. Salzsäure.
D i p h e n y l - t h i o h a r n s t o f f (Thiocarbanilid). Man erhitzt in einem mit langem Rückflußkühler versehenen Rundkolben 20 g Anilin, 25 g CS2, 25 g Alkohol und 5 g fein gepulvertes Ätzkali 3 Stunden lang auf dem Wasserbad zum gelinden Sieden, destilliert am absteigenden Kühler Schwefelkohlenstoff und Alkohol ab, versetzt den Rückstand mit Wasser, saugt die gebildeten Kristalle ab und wäscht sie mit Wasser, verdünnter Salzsäure und nochmals mit Wasser. Nach dem Trocknen 15—18 g. Eine kleine Menge kristallisiert man aus Alkohol u m (Schmelzpunkt 154°), den Rest benutzt man ohne weitere Reinigung zur Darstellung von P h e n y l s e n f ö l . 15 g des Rohprodukts werden aus einem 250 ccm-Kolben mit 60 ccm konz. Salzsäure (D. 1,18) auf dem Sandbad a m absteigenden Kühler destilliert, bis der Rückstand nur noch 10 bis 15 ccm einnimmt. Das Destillat wird nach Zugabe des gleichen Volumens Wasser ausgeäthert, der Äther mit wenig Sodalösung ausgeschüttelt, mit Calciumchlorid getrocknet, dann abgedampft und der Rückstand destilliert. Siedepunkt des Phenylsenföls 222°. Ausbeute beinahe quantitativ.
152
Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte
Neben dem Senföl entsteht bei der Einwirkung von Salzsäure auf Thiocarbanilid noch Triphen ylguanidin, das sich aus dem Kolbenrückstand nach Zugabe von 50 ccm Wasser und mehrstündigem Stehen als Chlorhydrat abscheidet. Durch Zersetzung mit verdünnter Natronlauge in der Wärme erhält man die freie Base. Aus Alkohol farblose Nadeln vom Schmelzpunkt 143°. Die Wirkung der konz. Salzsäure besteht hier hauptsächlich in der Abspaltung von Anilin: , NH • C„HS ^ S=C• Zn(OH) 2 + H 2 0 2 . In unserem Fall tritt an die Stelle des Sauerstoffs das N i t r o b e n z o l (formulieren 1). Hierbei wird die Reduktion bei richtigem Arbeiten auf der Stufe des Phenylhydroxylamins angehalten. Ist das Reduktionsmedium alkalisch, so entstehen Produkte, die aus 2 Molekülen Nitrobenzol entstanden sind, die sich am Stickstoff miteinander verbunden haben. Es sind dies C , H S — N = N • C,H 5
O C„H5 • N = N • C,H 5 C„H6 • NH • NH • C e H 5
Azoxybenzol,
Azobenzol, Hydrazobenzol.
Beim mildesten Verfahren, beim Kochen von Nitrobenzol mit methylalkoholischer Natriummethylatlösung erhält man in guter Ausbeute A z o x y b e n z o l (Zinin); das Methylat verwandelt sich dabei in Formiat. Formulieren! Da Azoxybenzol gegen energischere Reduktionsmittel nicht widerstandsfähig ist, so führt die Anwendung solcher, z. B. von Zinkstaub und Natronlauge oder Ammoniak, auf Nitrobenzol gleich darüber hinweg zum A z o b e n z o l und H y d r a z o b e n z o l . Die drei Reduktionsprodukte mit „gepaartem Stickstoff" stehen also zueinander in sehr naher genetischer Beziehung.
168
Sulfonsäuren
Versuch: R e d u k t i o n v o n A z o x y b e n z o l zu H y d r a z o b e n z o l . 1 g Azoxybenzol wird in 5 ccm Alkohol gelöst, dazu setzt man in der Siedehitze 3 ccm 50-proz. Natronlauge und unter Schütteln 2—3 g Zinkstaub. Es tritt zuerst die rote Farbe des A z o b e n z o l s auf, bei längerem Kochen entfärbt sich die Lösung ebenso wie bei der Reduktion von Nitrobenzol. Wenn dieses Stadium erreicht ist, saugt man die Lösung auf kleiner Nutsche ab und isoliert schließlich das Hydrazobenzol in gleicher Weise, wie auf S. 163 beschrieben. Die Verknüpfung der beiden Moleküle am Stickstoff erfolgt demgemäß bei der Bildung des A z o x y b e n z o l s , und zwar läßt sich durch den Versuch auf S. 161 mit aller Schärfe zeigen, daß sich dieser Stoff aus Phenylhydroxylamin und Nitrosobenzol bei Gegenwart von A l k a l i , also unter den Entstehungsbedingungen der ganzen Reihe, außerordentlich leicht bildet. Nitrosobenzol, die erste, nicht isolierbare Stufe der Reduktion, wird im Verlaufe des Prozesses, sobald es aufgetreten ist, vom Phenylhydroxylamin abgefangen. Damit ist eine Erklärung gegeben, für das sonst rätselhafte Auftreten der wichtigen Produkte mit gepaartem Stickstoff bei der Reduktion aromatischer Nitroverbindungen. Die technische Bedeutung des Vorgangs hegt in der Synthese des B e n z i d i n s und der ihm analogen Basen1.
IV. Sulfonsäuren 1. Benzolmonosulfonsäure aus Benzol und Schwefelsäure In einem Kolben von 200 ccm Inhalt werden unter Kühlung mit Wasser 150 g flüssige rauchende Schwefelsäure von 5—8% Anhydridgehalt unter gutem Umschütteln allmählich mit 45 ccm (% Mol) Benzol versetzt, wobei man mit dem Zusatz einer neuen Menge immer solange wartet, bis der letzte Anteil, welcher anfangs auf der Schwefelsäure schwimmt, sich beim Umschütteln gelöst hat. Die Sulfurierung erfordert etwa 10—15 Minuten Zeit. Das Reaktionsgemisch läßt man dann aus einem Tropftrichter langsam unter Umrühren und Eiskühlung in das drei- bis vierfache Volumen kalt gesättigter Kochsalzlösung, die sich in einem Becherglase befindet, fließen. Nach einiger Zeit, besonders leicht, wenn man die Wandungen des Glases mit einem scharfkantigen Glasstabe reibt, scheidet sich das benzolsulfonsaure Natrium in Form fettglänzender Blättchen aus; nach längerem Stehen hat sich ein dichter Kristallbrei gebildet. Man saugt ab, preßt den Niederschlag mit einem Kork- oder Glasstopfen fest und wäscht zweimal mit wenig gesättigter Kochsalzlösung nach. Das auf Filtrierpapier oder Ton lufttrocken gemachte Salz wird nach dem Pulverisieren im Trockenschranke auf 110° erhitzt, bis es staubtrocken geworden ist. Ausbeute rund 100 g (NaClhaltig!). 1 Die e l e k t r o l y t i s c h e R e d u k t i o n desNitrobenzols ist nach den in E . M ü l l e r , Elektrochemisches Praktikum, 7. Aufl. Dresden 1947, beschriebenen Methoden bequem durchzuführen.
Benzolmonosulfonsäure aus Benzol und Schwefelsäure
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Zur Reinigung kristallisiert man 5 g des Rohprodukts aus absolutem, Alkohol um (das beigemengte Kochsalz ist in Alkohol unlöslich!). Um das als Nebenprodukt entstandene D i p h e n y l s u l f o n ( S u l f o b e n z i d ) zu gewinnen, erwärmt man 30 g des pulverisierten Salzes mit 50 ccm Äther, saugt heiß an der Saugpumpe ab und wäscht mit Äther nach. Nach dem Verdampfen des Äthers erhält man eine kleine Menge eines kristallinischen Rückstandes, welchen man in einem Reagenzrohr aus Ligroin umkristallisiert. Schmelzpunkt 129°. Zur Darstellung von B e n z o l s u l f o c h l o r i d mischt man 80 g des Natriumsalzes (L/3 Mol) mit 50 g fein pulverisiertem Phosphorpentachlorid und erhitzt 6 Stunden im Ölbad auf 180° unter gelegentlichem Umrühren der Masse. Das erkaltete Reaktionsprodukt gießt man dann allmählich in einen Scheidetrichter, der 600 ccm Eiswasser enthält, schüttelt mehrfach um, nimmt nach einstündigem Stehen das Benzolsulfochlorid mit Äther auf, trocknet mit wenig Calciumchlorid und destilliert nach dem Abdampfen des Äthers im Vakuum. Die Hauptmenge geht bei 120—124°/12 mm über. Reines Benzolsulfochlorid erstarrt in Eiswasser. B e n z ö l s u l f a m i d . In einer Porzellanschale versetzt man 10 g fein pulverisiertes Ämmoniumcarbonat mit etwa 1 ccm Benzolsulfochlorid, verreibt beide miteinander und erwärmt unter gutem Umrühren die Mischung solange über einer kleinen Flamme, bis der Geruch des Sulfochlorids verschwunden ist. Nach dem Erkalten versetzt man mit Wasser, filtriert an der Saugpumpe ab, wäscht mehrfach mit Wasser nach und kristallisiert aus Alkohol, dem man bis zur Trübung heißes Wasser hinzufügt, um. Schmelzpunkt 156''. B e n z s u l f h y d r o x a m s ä u r e 1 . 10 g salzsaures Hydroxylamin werden am Rückflußkühler in der eben nötigen Menge siedenden Methylalkohols gelöst und in der Hitze mit der Lösung von 3 g Natrium in 60 ccm Äthylalkohol nicht zu rasch umgesetzt. Nach dem Erkalten saugt man vom ausgeschiedenen Kochsalz ab und bringt nun in die Lösung des f r e i e n H y d r o x y l a m i n s nach und nach 8,5 g Benzolsulfochlorid ein. Man dampft hierauf den größten Teil des Alkohols auf dem Wasserbad ab, entfernt das ausgeschiedene Hydroxylamin-cMorhydrat durch Absaugen und bringt die Lösung bei mittlerer Temperatur im Vakuum zur Trockne. Der Rückstand wird dreimal mit je 15 ccm absolutem Äther ausgekocht, die vereinigten Ätherauszüge hinterlassen nach dem Verdunsten des Lösungsmittels in offener Schale die Benzsulfhydroxamsäure als blättrig-kristallinische Masse, die mit etwas kaltem Chloroform digeriert und abgesaugt wird. Ausbeute 5—6 g. Schmelzpunkt 126°. In analoger Weise wird aus dem käuflichen und wohlfeilen p - T o l u o l s u l f o chlorid (techn. Nebenprodukt der Saccharinfabrikation) die homologe Tolylverbindung dargestellt. 1
P i l o t y , B. 29, 1559 (1896).
Sulfonsäuren
170
Die wichtigste Reaktion der Benzsulfydroxamsäure ist ihre Spaltung durch Alkalien. Diese erfolgt nicht im Sinne ihrer Bildung (in Benzolsulfonsäure und Hydroxylamin) sondern unter Vertauschung der Oxydationsstufen entstehen B e n z o l s u l f i n s ä u r e und N i t r o x y l : oder
C,HS • S0 2 • NHOH C,HS • S(O): NOH
C„H5 • S0 2 H + NOH
OH Von dieser Umsetzung wird bei der Anstellung der A n g e l i - R i minischen Reaktion auf Aldehyde Gebrauch gemacht (S. 188).
2. p-Toluolsulfonsäure 1 Während man nach dem unter 1. und 3. angegebenen Verfahren das Sulfonierungsmittel, die konz. Schwefelsäure, im Überschuß anwendet und daher die Reaktionsprodukte in Form der Natriumsalze isoliert, erlaubt die nachstehende Methode die direkte Isolierung der f r e i e n SulK f o n s ä u r e . Dieses Ergebnis wird dadurch ermöglicht, daß das bei der Reaktion gebildete Wasser, das bei Anwendung der stöchiometrischen Menge an Schwefelsäure deren sulfonierende Wirkung bald aufhebt (daher der Überschuß bei der anderen Methode), in einer sinnreichen Apparatur (Fig. 51) abdestilliert wird. Durch einen Überschuß an Toluol wird hierbei die gesamte Schwefelsäure aufgebraucht. In dem in der Figur abgebildeten Kolben von 500ccm Inhalt werden 40ccm kons. Schwefelsäure (D. 1,8) und 200 ccm Toluol auf dem Drahtnetz oder BaboTrichter zum Sieden erhitzt. Der verdampfende Kohlenwasserstoff wird im Kühler K kondensiert, tropft durch einen kleinen Trichter T in den zwischengeschalteten, mit einem Ablaßhahn versehenen Wasserfanger H, dessen Inhalt unterhalb des seitlichen Ablaufrohrs 10—15 ccm beträgt, und fließt, nachdem dieser Teil des Röhrchens gefüllt ist, wieder in den Siedekolben zurück. Das bei der Reaktion entstehende Wasser geht 1
H. Meyer, A. 433, 331 (1923).
yff-Naphthalinsulfonsäure
171
mit den Toluoldämpfen flüchtig und sammelt sich nach der Kondensation unter dem Toluol in H. Zur Kühlung wird der Wasserfanger unterhalb des Überlaufs mit einer mit Wasser durchströmten Bleischlange umgeben. Von Zeit zu Zeit wird das abgeschiedene Wasser in einen kleinen Meßzylinder abgelassen. Nach 5-stündigem Kochen haben sich etwa 18 ccm Wasser gebildet, die zum Teil aus der Schwefelsäure, zum Teil aus der Reaktion (12,5 ccm) stammen. Der Kolbeninhalt wird mit 12,5 ccm Wasser versetzt, wobei er erstarrt. Man preßt zur Entfernung von Toluol und Toluol-o-sulfonsäure gut auf Ton ab, löst das zurückbleibende Hydrat der p-Sulfonsäure in wenig heißem Wasser, kocht mit wenig Tierkohle, filtriert und leitet in die erkaltete Lösung unter Kühlung Salzsäuregas ein. Die ausgeschiedenen Kristalle werden auf einem säurefesten Filter abgesaugt, mit eiskalter konz. Salzsäure nachgewaschen und noch zweimal in der gleichen Weise umkristallisiert. Man trocknet schließlich im Exsiccator über Ätzkali und f r i s c h e r Schwefelsäure, bis die durch geringe Mengen von Kohleteilchen noch schwach grau gefärbten Kristalle völlig frei von Salzsäure sind (Probe!). Schmelzpunkt 104—105°. Ausbeute nach dreimaligem Umkristallisieren etwa 50 g. 3. /S-Naphthalinsulfonsäure Eine Mischung von 64 g Naphthalin und 45 ccm = 80 g reiner konzentrierter Schwefelsäure wird in einem offenen Kolben 4 Stunden im ölbade auf 170—180° erhitzt. Die etwas erkaltete Lösung gießt man dann unter Umrühren vorsichtig in 1 Liter Wasser und neutralisiert bei Siedehitze in einer geräumigen Schale mit nicht zu dünnem Kalkbrei (aus etwa 70 g trockenem gelöschten Kalk). Man saugt dann möglichst heiß auf einer großen Nutsche in eine vorher angewärmte Saugflasche, wäscht den Niederschlag dreimal mit heißem Wasser aus und dampft die, wenn nötig, noch durch ein Faltenfilter filtrierte Lösung in einer Schale über freier Flamme soweit ein, bis eine herausgenommene Probe beim Reiben mit einem Glasstabe zu einem Kristallbrei erstarrt. Nachdem man die Lösung über Nacht hat stehenlassen, filtriert man an der Saugpumpe das abgeschiedene ß-naphthalinsulfonsaure Calcium ab und wäscht es nach dem Festpressen mit wenig Wasser nach. Zur Gewinnung des Natriumsalzes versetzt man die Lösung in heißem Wasser bis zur eben bleibenden alkalischen Reaktion mit konzentrierter Sodalösung. Man saugt noch warm vom abgeschiedenen Calciumcarbonat ab, wäscht mit Wasser nach und dampft das Filtrat in einer Schale über freier Flamme ein, bis sich aus der heißen Flüssigkeit Kristalle abzuscheiden beginnen. Nach mehrstündigem Stehen in der Kälte filtriert man diese ab, engt die Mutterlauge noch weiter ein, filtriert nach längerem Stehen auch die zweite Kristallisation ab und trocknet die Mischung beider auf dem Wasserbade. Ausbeute 75—85 g.
172
Sulfonsäuren
Ein sehr elegantes Verfahren zur direkten Darstellung der f r e i e n / Ö - N a p h t h a l i n s u l f o n s ä u r e aus den Komponenten findet man bei O . N . W i t t , B. 48, 751 (1915) angegeben. Es sei zur Abwechslung mit der gegebenen Vorschrift besonders empfohlen. 4. Sulfanilsäure aus Anilin und Schwefelsäure In einem trockenen Kolben versetzt man 100 g reiner konzentrierter Schwefelsäure unter Umschütteln allmählich mit 31 g ( 1 / 3 Mol) frisch destilliertem Anilin und erhitzt die Mischung in einem Ölbade solange auf 180—190°, bis eine mit Wasser verdünnte Probe auf Zusatz von Natronlauge kein Anilin mehr abscheidet (4—5 Stunden). Das etwas erkaltete Reaktionsgemisch gießt man dann unter Umrühren in kaltes Wasser, wobei die Sulfanilsäure auskristallisiert. Man filtriert sie ab, wäscht mit Wasser nach und kristallisiert sie aus Wasser, eventuell unter Zusatz von Tierkohle, um. Ausbeute 30—35 g. In der Technik wird Anilin nur mit e i n e m Mol H 2 S0 4 , also als saures Sulfat, bei etwa der gleichen Temperatur wie oben verschmolzen („Backverfahren"). Man vergleiche diese auch im Laboratorium anwendbare Methode mit der hier gegebenen. 5. Pikrinsäure und 2,4-Dinitro-a-naphthol-7-sulfonsäure (Naphtholgelb S) a) P i k r i n s ä u r e 1 . 20 g Phenol werden in einem 100 ccm-Becherglas mit 45 ccm konz. Schwefelsäure gerührt, wobei sich unter Erwärmung eine bräunliche Lösung bildet. Die Lösung läßt man unter mechanischer Rührung in 100 ccm konz. Salpetersäure (D. 1,40) eintropfen, die sich in einem 500 ccm-Kolben im Ölbad (ohne Heizung) befinden. Die Temperatur steigt spontan an unter kräftiger Entwicklung nitroser Gase. Zur Beendigung der Reaktion heizt man das Ölbad zunächst auf 100°, bis die Gasentwicklung beendet ist, dann noch einige Minuten bis 112°. Die in der Endphase schon einsetzende Kristallisation der Pikrinsäure wird durch Eingießen in die 6-fache Menge Eiswasser vollständig. Nach kurzem Stehen wird abgesaugt, gut ausgewaschen und getrocknet. Ausbeute 35 g Pikrinsäure vom Schmelzpunkt 120—121°, die aus wasserfreiem Benzol umkristallisiert werden können zu nahezu farblosen derben Kristallen vom Schmelzpunkt 122°. b) N a p h t h o l g e l b S 2 . 50 g feingepulvertes a-Naphthol werden unter fortgesetztem Umschütteln allmählich in 200g 25-proz. Oleum eingetragen und gelöst. Hierauf wird die Schmelze 1 Stunde lang im Ölbad auf 125° erwärmt. Um festzustellen, ob das a-Naphthol vollständig in die 2,4,7T r i s u l f o n s ä u r e umgewandelt ist, wird eine Probe im Reagenzglas mit etwa 10 ccm H 2 0 vermischt, die Lösung mit etwa 10 ccm konzen1 2
A. Stettbacher, Schieß- u. Sprengstoffe, 1933, S. 282. D. R. P. 10785, Frdl. I, 327.
Erläuterungen
173
trierter Salpetersäure versetzt und bis nahe zum Sieden erwärmt. Wenn sich die gelbe Lösung beim Abkühlen weder trübt noch Flocken abscheidet, kann die Schmelze auf N a p h t h o l g e l b S verarbeitet werden; anderenfalls ist die weitere Umwandlung des a-Naphthols in Trisulfonsäure durch Hinzufügen von stärkerem Oleum und erneutes Erhitzen herbeizuführen. Die erkaltete Schmelze wird allmählich in 500 g zerstoßenes Eis eingerührt. Nach dem Filtrieren wird die braune Lösung mit 120 g Salpetersäure (D. 1,4) vermischt und % Stunde lang auf 50° erwärmt. Nach 12-stündigem Stehen bei gewöhnlicher Temperatur hat sich die größte Menge der entstandenen Dinitronaphtholsulfonsäure abgeschieden, welche abfiltriert und aus heißer, verdünnter Salzsäure umkristallisiert wird. Gelbe Nädelchen, welche zuerst auf Ton, dann im Exsiccator über H 2 S 0 4 und K O H getrocknet werden. Schmelzpunkt 151°. Ausbeute etwa 85% der Theorie. N a p h t h o l g e l b S, von A. K o s s e i als „Flaviansäure" bezeichnet, wird später (S. 353) für die Isolierung des A r g i n i n s verwendet. Erläuterungen Der technische Vorgang der Sulfurierung oder Sulfonierung aromatischer Verbindungen bildet ein vollkommenes Gegenstück zum Nitrierungsprozeß. In beiden Fällen spalten sich die OH-Gruppe der Säure mit einem Wasserstoffatom vom Benzolkern ab und an dessen Stelle treten die Gruppen —N0 2 und —S0 3 H. Ein bemerkenswerter Unterschied gegenüber der Nitrierung liegt in der Umkehrbarkeit der Sulfonierung. In der Fettreihe verhalten sich die Olefine, die wir stets im Vergleich mit den Benzolderivaten heranziehen müssen, im Prinzip gleichartig. Äthylen addiert zwar bei niedriger Temperatur (etwa 50°) konzentrierte Schwefelsäure zu Ä t h y l schwefelsäure: CH2 = CH2 • — C H 3 — C l f 2 • O—S0 3 H , also unter andersartiger Zerlegung der H2S04-Molekel. Diese Reaktion kann aus einleuchtenden Gründen beim Benzol nicht zustande kommen, da sie ausgesprochen rückläufig sein muß. Unterwirft man jedoch Äthylen der Einwirkung von r a u c h e n d e r Schwefelsäure, so entsteht das sog. C a r b y l s u l f a t , das sich von der zuerst entstehenden Alkoholsulfonsäure durch Veresterung mit H 2 S0 4 und nachfolgender Wasserabspaltung ableitet. Die Analogie mit der Benzol-Sulfurierung liegt hier in der gleichartigen Spaltung der Schwefelsäuremolekel in —S0 3 H und —OH. CH 2 =CH 2
• CH 2 OH—CH 2 S0 3 H
>• CH2—CH2 • S0 3 H o—so3h
•
CH« 1
CIL, 1
0
\so
S02
2
(Carbylsulfat)
—0/
Durch Einwirkung von S0 2 und Cl2 auf P a r a f f i n e erhält man bei Belichtung aliphatische Sulfosäurechloride ( S u l f o C h l o r i e r u n g nach Reed) R . CH3 + S0 2 + Cl2 • R • CH2 • S02C1 + HCl.
Sulfonsäuren
174
Die Waschmittelindustrie stellt nach diesem Verfahren in großem Maßstab langkettige Alkyl-Sulfonsäuren her, deren Alkalisalzen die Kapillaraktivität der Seifen zukommt. Im Wesen ganz analog reagiert Äthylen mit Salpeter-Schwefelsäure, wobei N i t r o ä t h y l n i t r a t entsteht (vgl. S. 147). Wie werden die niederen Alkylsulfonsäuren dargestellt? Die Leichtigkeit des Eintritts der Sulfogruppe in aromatische Verbindungen ist genau so wie bei der Nitrierung von der Natur der vorhandenen Substituenten abhängig. Benzol wird ziemlich schwierig sulfoniert, Toluol und Naphthalin etwas leichter, besonders leicht Phenole und Amine. Schwieriger verläuft die Sulfurierung beim Nitrobenzol oder die weitere Sulfurierung der Benzolsulfonsäure. Hier muß die Reaktion durch Steigerung des S0 3 -Gehaltes der Schwefelsäure unterstützt werden. Da N 0 a und SO a H Substituenten 2. Ordnung sind, so geht ein neu eintretender Substituent in m-Stellung. Hochprozentiges Oleum führt das Benzol schließlich in die symmetrische B e n z o l t r i s u l f o n s ä u r e über. Chlorsulfonsäure kondensiert sich mit aromatischen Kohlenwasserstoffen zu A r y l - s u l f o c h l o r i d e n . Vom Naphthalin leiten sich zwei Sulfonsäuren ab, und zwar die a- und die /?-Naphthalinsulfonsäure: SO s H
a-Säure
/i-Säure
Die Substitutionsreaktionen am Naphthalinkern setzen ohne Ausnahme an der durch erhöhte Reaktionsfähigkeit ausgezeichneten Sulfonsäure + H a O hegt bei unserer Reaktionstemperatm - (170—-180°) f ü r die a-Säure mehr auf der linken, für die ß-Säure stark auf der rechten Seite. Da aber im Reaktionsgemisch stets auch a-Säure sich vorfindet, so muß auch die ß-Säure einem hydrolytischen Gleichgewicht unterworfen sein. In der Tat erhält man beim Verschmelzen von /?-Naphthalinsulfonsäure mit (wasserhaltiger) Schwefelsäure geringe Mengen der isomeren a-Säure. Wir kennen ähnliche Verhältnisse bei den P h e n o l s u l f o n s ä u r e n und vor allem beim A n t h r a c h i n o n , das in seinen Substitutionsreaktionen eine außerordentliche Ähnlichkeit mit dem Naphthalin aufweist. Es wird schwieriger sulfuriert als dieses und damit hängt zusammen, daß die Bedingungen erhöhter Temperatur, die hier angewandt werden müssen, alsbald zu der als Ausgangsmaterial f ü r die Synthese des Alizarins wichtigen /?-Säure führen. Die Industrie hat jedoch Mittel und Wege gefunden, um auch der früher nicht zugänglichen A n t h r a c h i n o n - a s u l f o n s ä u r e habhaft zu werden. Durch Zugabe von Q u e c k s i l b e r wird nämlich die Sulfurierungsreaktion katalytisch in Richtung der a-Substitution geleitet 1 (R. E. S c h m i d t ) . 1 Im Falle des Anthrachinons scheint die /3-Sulfonsäure nicht durch Umlagerung aus der a-Säure zu entstehen.
175
Erläuterungen
A n i l i n wird besonders leicht sulfuriert, schon durch Erhitzen seines Sulfats (Backverfahren). Dadurch werden wir an die Umwandlung von Anilinacetat in Acetanilid erinnert. I n der Tat ist sehr wahrscheinlich, daß ein analoges, an der Aminogruppe sulfuriertes Produkt, die S u l f a m i n s ä u r e , zuerst entsteht, aus der nach bekannten Beispielen, Übergang von Phenylhydroxylamin in p - A m i n o p h e n o l , von Phenylnitramin in p - N i t r a n i l i n >—NH. NO,
die Sulfogruppe in die p-Stellung hinüberwandert. NH 2 . H 2 SO 4
prim. Anlllnaulfat
-h.o
r
V - N H • S0 3 H
V /
1
Phenylaulfaminsäure
^
^ H03S
\-NH
2
Sulfanilsfiure
Eine Stütze f ü r diesen Reaktionsverlauf liefert das a - N a p h t h y l a m i n , dessen Sulfaminsäure, unter gelinden Arbeitsbedingungen isolierbar, bei höhrerer Temperatur zu l - N a p h t h y l a m i n - 4 - s u l f o n s ä u r e ( N a p h t h i o n s ä u r e ) umgelagert wird. Neben der Sulfanilsäure entsteht bei der Sulfurierung in geringer Menge die o-Verbindung, die kein weiteres Interesse beansprucht. Dagegen wird die M e t a n i l s ä u r e auch als Zwischenprodukt in der Azofarbstoffindustrie hergestellt, und zwar aus m-Nitrobenzolsulfonsäure durch Reduktion. Eine große technische Bedeutung kommt vor allem den A m i n o - (und O x y - ) s u l f o n s ä u r e n d e r N a p h t h a l i n r e i h e zu, und zwar dienen sie vor allem als Objekte der Diazotierung oder auch der Kuppelung mit Diazoverbindungen. Hier finden sich die wichtigsten Azofarbstoffe. Ebenso leicht wie die aromatischen Amine lassen sich die P h e n o l e sulfonieren. Wenn es gilt, Phenole mehrfach zu nitrieren, so führt man häufig zuerst Sulfogruppen ein, die dann bei der Einwirkung von Salpetersäure unter Ersatz durch N 0 2 leicht abgespalten werden. Davon macht man z. B. bei der Darstellung der P i k r i n s ä u r e Gebrauch. Bei der Sulfonierung des C 6 H 6 - C ^ ° 0—0-
• C 6 H 6 —cf
\0—OH
+C 6 H 6 —c=o
Die Anwesenheit des Peroxyd-Radikals C 6 H 6 —CO—00 • tut sich in einer dii» Persäure übersteigenden Oxydationskraft kund; die in Autoxydation begriffene Aldehydlösung vermag z. B. Anthracen zu Anthrachinon zu oxydieren.
Versuch 2: Einen ccm des frisch dargestellten Acetaldehyds schüttelt man einige Minuten lang in einem mit dicht schließendem Gummistopfen
Erläuterungen und Versuche
187
versehenen Zylinder. Die Hälfte gießt m a n in wenig verdünnte Kaliumjodicttösung, zur anderen Hälfte fügt man die 2- bis 3-fache Menge Wasser u n d prüft dann mit Lackmuspapier auf die entstandene Essigsäure. Man wird > inden, daß der mit Wasser versetzte Aldehyd nach einigem Stehen k a u m mehr Jod aus Kaliumjodidlösung freimacht. Versuch 3: Einige Tropfen Benzaldehyd lasse m a n eine Stunde lang a u f einem Uhrglas an der L u f t stehen. Präparativ ist der Weg von den p r i m ä r e n A l k o h o l e n zu den Aldehyden weitaus der bevorzugte, wenigstens in der Fettreihe. Die einfachen aromatischen Aldehyde werden durch alkalische Verseifung der aus den Kohlenwasserstoffen durch Chlorsubstitution zugänglichen A r y l i d e n c h l o r i d e R• CHC12 gewonnen (technische Darstellung von Benzaldehyd). Außerdem ist die im Sinne der F r i e d e l Craftsschen Reaktion verlaufende elegante Synthese von G a t t e r m a n n - K o c h hier zu erwähnen, bei der der a r o m a t i s c h e K o h l e n w a s s e r s t o f f mit K o h l e n o x y d und HCl bei Gegenwart von Aluminiumchlorid und Cuprochlorid umgesetzt wird:
An Stelle von Kohlenoxyd kann auch B l a u s ä u r e ( G a t t e r m a n n ) oder K n a l l s ä u r e (in Gestalt von Knallquecksilber, Scholl) angewandt werden, wobei als Primärprodukt Imin bzw. Oxim entsteht. Nach einer Methode von V i l s m e i e r 1 wird die Aldehydgruppe über das Amidchlorid von N- Methyl -formanilid C e H s N(CH a )-CHCl 2 in reaktionsfähige cyclische Verbindungen eingeführt (Synthese von p-Dimethylaminobenzaldehyd und jS-Indolaldehyd). Von den Carbonsäuren her führt keine ganz allgemeine Reaktion auf die Stufe der Aldehyde zurück; in manchen Fällen erlauben die S ä u r e c h l o r i d e den Ersatz des Chlors durch katalytisch mit Palladium erregten Wasserstoff ( R o s e n m u n d ) : CeH6 • C = 0 + H C l . CeHs • C = 0 2 H C1 H Die gleiche Reduktion läßt sich zuweilen vorteilhaft von der Stufe des Säureimid-chlorids (aus Säureamid und PC16) aus mit Zinnchlorür oder mit Chromosalz erzielen. Eine andere Möglichkeit, die schon bei vielen Synthesen wertvolle Dienste geleistet hat, besteht darin, daß man E s t e r durch energische Reduktion mit viel metallischem Natrium und wenig Alkohol in der Hitze zu den entsprechenden Alkoholen reduziert ( B o u v e a u l t - B l a n c ) und diese in der üblichen Weise zu den Aldehyden oxydiert. Alle diese Methoden übertrifft weitaus an Eleganz und Einfachheit der Durchführung die Reduktion von Carbonsäuren (auch Säurechloriden, Amiden, Estern) zur Alkoholstufe mit Lithium-Aluminium-hydrid LiAlH 4 ( S c h l e s i n g e r ) 2 . Versuch 4: F a r b r e a k t i o n m i t f u c h s i n s c h w e f l i g e r S ä u r e . Man löst ein Körnchen Fuchsin heiß in viel Wasser zu einer etwa 0,2-proz. Lösung und gibt in der K ä l t e nach u n d nach starke wäßrige schweflige Säure hinzu, bis nach einigem Stehen Entfärbung eingetreten ist. Die Lösung hält sich, g u t verschlossen aufbewahrt, längere Zeit. Man prüfe 1
B. 6«, 119 (1927); F. F. Nord, J . org. Chem. 13, 635 (1948). 2 Am. Soc. 69, 1197, 2548 (1947); Organic Reactions VI, 469.
Aldehyde
188
mit Formaldehyd und Acetaldehyd die Empfindlichkeit der Farbreaktion an einer jeweils stärker zu verdünnenden Aldehydlösung. Bei der Prüfung von in Wasser schwer löslichen Aldehyden, wie Benzaldehyd, setzt man etwas Alkohol zu. Der Alkohol ist vorher zu prüfen, da er nach längerem Stehen, namentlich am Licht, nachweisbare Mengen von Acetaldehyd enthält. Die Farbreaktion des Formaldehyds wird durch konzentrierte Salzsäure rein blau, während sie bei anderen Aldehyden unter diesen Umständen fast ganz zurückgeht (Unterscheidung von F o r m a l d e h y d und A c e t a l d e h y d ) . Die Farbreaktion mit fuchsinschwefliger Säure erlaubt eine scharfe Unterscheidung zwischen Aldehyden und Ketonen. Glucose reagiert in verdünnter wäßriger Lösung negativ. Über den Mechanismus der Farbreaktion siehe B. 54, 2527 (1921). Versuch 5: D i e R e a k t i o n v o n A n g e l i - R i m i n i . Einige Tropfen Aldehyd (eines behebigen der dargestellten) werden in wenig aldehydfreiem 1 Alkohol gelöst mit etwa der gleichen Menge Benzsulfhydroxamsäure (Darstellung S. 169) versetzt; bei den aliphatischen wendet man die doppelte Menge an. Hierauf fügt man unter Kühlung und Umschütteln etwa y 2 ccm 2n-Natronlauge zu und läßt 15 Minuten stehen, macht dann mit verdünnter Salzsäure eben congosauer und versetzt schließlich mit einem Tropfen Eisenchloridlösung. Intensive Rotfärbung. Es ist auf S. 170 erwähnt, daß Benzsulfhydroxamsäure durch Alkali in Benzolsulfinsaure und den sehr unbeständigen Stoff N i t r o x y l 0 = N H zerlegt wird. Erfolgt die Bildung von Nitroxyl bei Gegenwart eines Aldehyds, so addiert es sich an die Carbonylgruppe und es entsteht eine H y d r o x a m s ä u r e , die sich und damit auch den Aldehyd, durch ihre intensive Eisenchloridreaktion verrät. OH C6H5 • C = 0 + H N = 0 H
> (c6H5—c/02) V H\NO/
• C6H6 -C=NOH
/OH. Wenn man das Nitroxyl als Hydrat, als D i o x y a m m o n i a k N—OH
\ H formuliert, so wird die Übereinstimmung der Reaktion mit der Bildung der Aldoxime aus Aldehyd und Hydroxylamin noch klarer. Nitroxyl entsteht auch durch alkalische Spaltung aus N i t r o h y d r o x y l a m i n - n a t r i u m (Angeli): Na0 2 N=N—OH
> 0=N—ONa + 0 = N H .
An die anderen Reaktionen der außerordentlich reaktionsfähigen Aldehyde: Reduktion zu Alkoholen, Bildung von H y d r a z o n e n , Oximen, Semicarbazonen, B i s u l f i t v e r b i n d u n g e n , A c e t a l e n , Anlagerung von Blausäure zu Cyanhydrinen, sei hier nur erinnert. 1 Dies ist natürlich nur im Ernstfall von Wichtigkeit, wenn eine unbekannte Substanz auf ihre Aldehydnatur zu prüfen ist.
Erläuterungen und Versuche
189
Versuch 6 : R e a k t i o n m i t A m m o n i a k . 10 c c m d e s d a r g e s t e l l t e n Formaldehyds werden mit einem kleinen Überschuß von Ammoniak v e r m i s c h t u n d i n e i n e r k l e i n e n G l a s s c h a l e a u f d e m W a s s e r b a d eing e d a m p f t . Die zurückbleibenden farblosen Kristalle sind Hexamethylentetramin ( C H 2 ) 8 N 4 ( U r o t r o p i n ) . D i e s e U m s e t z u n g v e r l ä u f t q u a n t i t a t i v . M a n f ü h r e sie q u a n t i t a t i v d u r c h u n d v e r g l e i c h e d a s E r g e b n i s m i t d e m titrimetrisch erhaltenen. Acetaldehyd vereinigt sich mit Ammoniak, wie präparativ festgestellt wurde, zu Aldehydammoniak /OH CH S • C < Benzaldehyd gibt das sog. H y d r o b e n z a m i d H C6H6C=NV > C H • CeH5 C6H6C=N/ H Die Reaktionsprodukte der drei Aldehyde sind demnach grundverschieden, aber der Verlauf ihrer Bildung beginnt jeweils mit einer Addition: H — C = 0 + NH S
H .OH • "^Xnh '
die beim Acetaldehyd stehen bleibt, in den anderen Fällen aber unter Wasserabspaltung zu weiteren Umsetzungen führt. Versuch 7 : E i n i g e T r o p f e n Benzaldehyd werden im Reagenzrohr m i t d e r d r e i f a c h e n M e n g e t e c h n i s c h e r Bisulfitlauge kräftig durchgeschüttelt. Die ausgeschiedenen Kristalle sind die Natriumbisulfitverbindung des Benzaldehyds. Die B i s u l f i t v e r b i n d u n g e n entstehen nach folgender Gleichung: RCO + H S 0 3 N a H
/OH >• RC< H^SOjNa
Sie sind die Salze von a - O x y s u l f o n s ä u r e n , deren Sulfongruppe unter dem Einfluß des benachbarten Hydroxyls gelockert ist. In gleicher Weise wird auch die Haftfestigkeit von Halogen durch die am gleichen C-Atom gebundene OH-Gruppe \ /C1 herabgesetzt: Chloralkohole der Konstitution /C\ sind überhaupt nicht X / OH mehr beständig. Da die Bisulfitverbindungen beim Erwärmen mit Sodalösung oder verdünnter Säure in ihre Bestandteile zerlegt werden, so bieten sie ein ausgezeichnetes Mittel, um Aldehyde (und Ketone) aus einem Gemisch mit anderen Stoffen herauszuholen. P o l y m e r i s a t i o n . Die einfachen Aldehyde polymerisieren sich sehr leicht. Der wasserfreie Formaldehyd ist überhaupt nicht längere Zeit beständig, sondern wandelt sich sehr rasch in einen festen amorphen Stoff von hohem Molekulargewicht (CH 2 0) b , in P o l y o x y m e t h y l e n um, das sich auf Grund eines Gleichgewichts bei
Aldehyde
190
Raumtemperatur langsam, beim Erhitzen schneller in die einfache Molekel zurückspaltet. Aus der wäßrigen Formaldehydlösung (Formalin), wie sie dargestellt wurde, kann man den wasserfreien Aldehyd nicht gewinnen, da er erst beim Kochen mit Wasserdämpfen übergeht, und zwar sehr langsam. Das rührt davon her, daß er vorwiegend als H y d r a t H 2 C\
.OH
\OH
gelöst ist.
Acetaldehyd polymerisiert sich beim Aufbewahren auch allmählich zu dem flüssigen P a r a l d e h y d (CH3-CHO)3, der unzersetzt bei 124° siedet.
Versuch 8: In einem nicht zu kleinen Erlenmeyer versetzt man 5 ccm frisch destillierten Acetaldehyd unter Kühlung mit 1 Tropfen leonz. Schwefelsäure. Wenn die heftige Reaktion zu Ende ist, schüttelt man in einem kleinen Tropftrichter den gebildeten Paraldehyd mit Wasser durch, um die Schwefelsäure zu entfernen, trennt nach dem Absitzen den in Wasser unlöslichen polymeren Aldehyd ab (unter Umständen muß man ausäthern), trocknet mit wenig CaCl2 und destilliert aus einem kleinen Fraktionierkolben. Siedepunkt 124°. Umgekehrt kann man Paraldehyd wieder in Acetaldehyd zurückverwandeln, wenn man ihn, mit einigen Tropfen konz. Schwefelsäure versetzt, am Wasserbad mit aufgesetzter Kolonne destilliert. Nach dieser Methode kann man sich jederzeit f r i s c h e n Acetaldehyd bereiten. Versuch 9: Man prüfe reinen Paraldehyd auf die vorher angegebenen Aldehydreaktionen :Ammoniakalische
Säure, Bisulfit.
Silbernitratlösung,
fuchsinschweflige
Sie fallen negativ aus.
P a r a l d e h y d ist auf Grund der Dampfdichtebestimmung das Trimere des Acetaldehyds. Da er keine Aldehydeigenschaften besitzt, gibt man ihm die nachstehende Struktur eines dreifachen cyclischen Acetals:
O 3—H(1 HjC— HC
O CH — CH3
(Man vergleiche damit die Polymerisation von Acetylen zu Benzol.) Wie wir oben sahen, bewirkt eine geringe Menge von konz. Schwefelsäure sowohl die Polymerisation von Acetaldehyd, wie die Depolymerisation von Paraldehyd. Es liegt hier ein G l e i c h g e w i c h t vor, dessen Einstellung durch konz. Schwefelsäure katalytisch beschleunigt wird.
3 CH3 • CHO
(CH3CHO), .
Die rechte Seite ist bei mittlerer Temperatur sehr stark begünstigt. Wenn sich trotzdem, wie oben erwähnt, Paraldehyd durch Schwefelsäure zu Acetaldehyd depolymerisieren läßt, so liegt der Grund hierfür in der Beeinflussung des Gleichgewichts auf Grund des M a s s e n w i r k u n g s g e s e t z e s . Indem wir nämlich in der Gleichung c Paraldehyd = K 1 (c Acetaldehyd)
Erläuterungen und Versuche
191
durch dauernde Verflüchtigung des im Gleichgewicht in geringer Menge vorhandenen Acetaldehyds den Wert des Nenners dauernd verkleinern, fordern wir für die Wiederherstellung des Gleichgewichts jeweils auch eine Verkleinerung der Konzentration des Paraldehyds zugunsten der Depolymerisation. Obwohl der Paraldehyd das Gleichgewicht fast ganz beherrscht, ergibt sich aus dem hohen Dampfdruck des Monomeren doch eine präparative Methode zur praktisch vollständigen Spaltung. Bei tiefer Temperatur tritt noch eine zweite polymere Form des Acetaldehyds auf, der schön kristallisierte M e t a l d e h y d .
Versuch 10: In einige ccm, mit dem doppelten Volumen absoluten Äthers verdünnten Acetaldehyd, leitet man unter Kühlung im Kältegemisch einige Blasen Salzsäuregas ein. Nach kurzer Zeit scheidet sich der Metaldehyd in prächtigen Kristallnadeln aus, die man nach dem Absaugen mit Äther wäscht; das Filtrat gibt nach der gleichen Behandlung eine zweite Ausbeute. M e t a l d e h y d ist gleich dem Paraldehyd haltbar und, frisch bereitet, geruchlos. Wie dieser zeigt er keine Aldehydreaktion. Beim Aufbewahren tritt jedoch deutlich Acetaldehydgeruch auf, ein Zeichen, daß sich auch hier langsam ein Gleichgewicht einstellt. Durch Erhitzen kann Metaldehyd vollständig depolymerisiert werden. Er ist nach der Molekulargewichtsbestimmung (in Phenol) tetramolekular ( H a n t z s c h ) ; darauf deuten auch die Befunde am Kristallgitter nach der Laue-Braggschen Methode (Mark). Technische Darstellung als „Hartspiritus" unter der Bezeichnung „Meta". Von diesen r e v e r s i b l e n P o l y m e r i s a t i o n e n der Aldehyde sind die unter C—C-Verknüpfung verlaufenden zu unterscheiden. So geht Formaldehyd unter der Wirkimg von ganz schwachen Alkalien (Ca(OH)2, CaC03) in G l y k o l a l d e h y d und G l y c e r i n a l d e h y d und weiter in ein Gemisch von H e x o s e n über ( B u t l e r o w , O. Loew), aus dem E. F i s c h e r die sog. a - A c r o s e (d,l-Fructose) isoliert hat. Hier addieren sich verschiedene Molekeln unter Kohlenstoffbindung aneinander. Die Rolle des Formaldehyds bei der C02-Assimilation (A. v. B a e y e r , W i l l s t ä t t e r ) ist zweifelhaft. In Gegenwart von sec. Aminen erhält man bei der Kondensation von Formaldehyd mit reaktionsfähigen Wasserstoffatomen Dialkylaminomethylbasen (Mannichsche Reaktion) z. B. C e Hj • CO • CH3 + H2CO + HN(CH3)2 • C6HsCO • CHa • CH2 • N(CH 3 ) 2 . Eine Kohlenstoffsynthese liegt auch der sog. A l d o l k o n d e n s a t i o n zugrunde, R\ die alle Aldehyde der Form j>CH • CHO unter dem katalytischen Einfluß verR / dünnter Alkalien oder Säuren erfahren. Es kommt hier zum Ausdruck die durch die benachbarte CO-Gruppe induzierte Beweglichkeit von oc-ständigem Wasserstoff, die zur Addition an die ebenfalls sehr reaktionsfähige C=0-Gruppe einer zweiten Molekel Veranlassung gibt: H OH 0 = C H • CH2 + 0 = C H • CH3 • 0 = C H • CH2 • CH • CH 3 |
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Aldol
Die Aldole sind 0-Oxyaldehyde und spalten, wie alle /¡-Oxycarbonylverbindungen, leicht Wasser ab, wobei sie in «-^-ungesättigte Aldehyde übergehen. Vom Aldol aus hat sich ein technischer Weg zum B u t a d i e n und zu einem s y n t h e t i s c h e n K a u t s c h u k („Buna") eröffnet. Dabei wird das Aldol zu 1 , 3 - B u t y l e n g l y k o l hydriert, aus dem man dann 2 Mole Wasser abspaltet.
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Aldehyde
Versuch 1 1 : Einige Tropfen Acetaldehyd werden, in etwa 2 com Wasser gelöst, mit y 2 com verd. Natronlauge i m Reagenzglas erhitzt. Unter Gelbfärbung bildet sich über das Aldol Grotonaldehyd, der in der siedenden Lösung an seinem stechenden Geruch erkennbar ist. Erwärmt man Acetaldehyd mit starker Lauge, so scheidet sich — infolge weitgehender Kondensation — gelbes A l d e h y d h a r z aus. Auf die Bildung ähnlicher Stoffe infolge von Oxydation ist auch die Bräunung von Äthylatlösungen und von äthylalkoholischem Kali zurückzuführen. Die Benzoinreaktion und die Reaktion von C a n n i z z a r o , die nachher behandelt werden, entspringen ebenfalls dem Kondensationsbestreben der Aldehyde. Aus der Mannigfaltigkeit der Wege trifft jeweils der spezifische Katalysator die Auswahl. Versuch 1 2 : S c h a r d i n g e r s c h e R e a k t i o n . Von 50 ccm frischer Milch kocht man die Hälfte kurz auf, kühlt dann ab und versetzt beide Teile mit je 1 ccm der aufgestellten Formaldehydlösung und einigen Tropfen wäßriger Methylenblaulösung. Wenn m a n nun auf etwa 50° erwärmt, so wird der Farbstoff in der ungekochten Milch sehr schnell e n t f ä r b t , auch weiter zugefügte Mengen erfahren diese Veränderung. I n der gekochten Milch bleibt die Farbe v o n Anfang an bestehen. In frischer Kuhmilch ist ein F e r m e n t enthalten, das die Reduktion von Methylenblau zu seiner Leukoverbindung durch Aldehyd — die ohne dieses Ferment nicht in Ersoheinung tritt — sehr stark beschleunigt. Es werden zwei H-Atome des .OH hydratisierten Aldehyds R—C—OH durch das Ferment „aktiviert", derart, daß \H der Aldehyd als Reduktionsmittel wirkt, wobei er selbst zur Säure wird. Durch f e i n v e r t e i l t e P l a t i n m e t a l l e kann man die gleiche Wirkung hervorrufen, wie durch das Ferment (Bredig). Der Einfluß der Hitze zerstört die S c h a r d i n g e r sche Aldehyd-dehydrase. Näheres siehe B. 47, 2085 (1914); A. 477, 32 (1929). T e c h n i s c h e B e d e u t u n g d e r A l d e h y d e . Formalinlösung wird f ü r Desinfektions- und Konservierungszwecke gebraucht. Mit Formaldehyd gehärtetes Casein ( G a l a l i t h ) bildet einen viel gebrauchten Ersatz f ü r Hartgummi, ebenso das Kunstharz B a k e l i t , das durch Kondensation von Formaldehyd mit Phenol bereitet wird (S. 211). Natriumdithionit wird durch Aldehyde gespalten in A l d e h y d b i s u l f i t und Aldehyd-sulfoxylat: /H /H (S0 2 Na) 2 + 2 R • CHO + H 2 0 — • R • C ^ O H + R • C—OH \S03Na \S02Na Das bei Anwendung von Formaldehyd entstehende Sulfoxylat wird unter dem Namen „ R o n g a l i t " in der Färberei als Reduktionsmittel beim Ätzdruck viel gebraucht. A c e t a l d e h y d (aus Acetylen) wird in kleinem technischen Ausmaß durch katalytische Hydrierung in A l k o h o l , in großen Mengen aber durch katalytische A u t o x y d a t i o n (mit Oxyden des Mangans) in E s s i g s ä u r e übergeführt. B e n z a l d e h y d ist ein wichtigsä Zwischenprodukt f ü r Farbstoffe (siehe Malachitgrün); visle andere Aldehyde (Phenylacetaldehyd, Vanillin, Piperonal, Citral u. a.) finden als R i e c h s t o f f e Verwendung.
Cannizzarosche Reaktion. Benzoesäure und Benzylalkohol usw.
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4. Cannizzarosche Reaktion Benzoesäure und Benzylalkohol aus Benzaldehyd 1 20 g frisch destillierter Benzaldehyd werden in einem Stöpselzylinder oder dickwandigen Glase mit einer erkalteten Lösung von 18 g festem Kali in 12 g Wasser versetzt und bis zur bleibenden Emulsion geschüttelt, worauf man die Mischung, durch einen Kork verschlossen, über Nacht sich selbst überläßt. Zu dem abgeschiedenen Kristallbrei (benzoesaures Kalium) fügt man dann gerade so viel Wasser2, daß man durch mehrmaliges Ausschütteln mit Äther den Benzylalkohol herausholen kann. Die vereinigten Ätherauszüge werden auf ein Volumen von 30—40 ccm eingeengt, dann schüttelt man in einem Tropftrichter zweimal anh a l t e n d mit je 5 ccm technischer (40-proz.) Bisulfitlauge durch, läßt ab und entfernt die im Äther gelöste schweflige Säure durch Schütteln mit einigen ccm Sodalösung. Nach dem Trocknen mit geglühtem Natriumsulfat und Verdampfen des Äthers unterwirft man den Benzylalkohol der Destillation, wobei er bei 206° übergeht. Ausbeute etwa 8 g. Die wäßrige alkalische Flüssigkeit säuert man mit Salzsäure an, wodurch die Benzoesäure ausgefällt wird. Sie wird nach dem Erkalten der Lösung abgesaugt und ohne weiteres Waschen aus siedendem Wasser umkristallisiert. Schmelzpunkt 121°. Ausbeute 9—10 g. Für den Verlauf der C a n n i z z a r o s e h e n Reaktion nimmt man die primäre Bildung eines Additionsproduktes von Alkalihydroxyd an die Aldehydgruppe an, das in rascher Folge eine zweite Molekel Aldehyd addiert und so ein acetalartiges Zwischenprodukt bildet. OH H .0—CR RC< H RCHO-f KOH x OK Dieses Zwischenprodukt scheint unmittelbar in Alkohol und Säuresalz zu zerfallen8. RC—0—CH 2 R Bei Einwirkung von Al-alkoholat auf Aldehyde wird der Ester
^
( T i s c h t s c h e n k o ) gebildet. Die Disproportionierung von Aldehyd zu Säure und Alkohol spielt auch im Zellstoffwechsel eine bedeutsame Rolle, obwohl der chemische Vorgang dort jedenfalls ein anderer ist. Die Cannizzarosche Reaktion ist durchaus kein Monopol der aromatischen Aldehyde; auch F o r m a l d e h y d wird in ihrem Sinne durch starkes Alkali zu A m e i s e n s ä u r e und M e t h y l a l k o h o l umgesetzt. Wenn die höheren aliphatischen Aldehyde, vom Acetaldehyd ab, der Cannizzaroschen Reaktion nicht zugänglich sind, so liegt dies daran, daß die oben besprochene Aldolkondensation ihr vermöge ihrer weit größeren Geschwindigkeit den Rang abläuft. 1
B. 14, 2394 (1881). Wenn man zu stark verdünnt, ist es schwer, den (im Wasser löslichen) Benzylalkohol vollständig herauszuholen. 3 H. Meerwein und R. S c h m i d t , A. 444, 230 (1925). R. H ü t t e l und A. G e b h a r d t , A. 558, 34 (1947). 2
13
O a t t e r m a n n , Praxis des organ. Chemikers. 35. Aufl.
Aldehyde
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Bei t e r t i ä r gebundenen Aldehyden, die der Aldolkondensation nicht fähig sind, tritt die Cannizzarosche Reaktion als Ersatz ein, auch in der Fettreihe. So wird G l y o x y l s ä u r e zu Gly.kolsäure und O x a l s ä u r e disproportioniert. Mit der Cannizzaroschen Reaktion nahe verwandt ist das Verfahren von M e e r w e i n - P o n n d o r f , bei dem mit Al-alkoholaten, und zwar im Gegensatz zu der T i s c h t s c h e n k o s c h e n Reaktion in Gegenwart von Alkohol, Aldehyde und Ketone zu Alkoholen reduziert werden. Diese schöne Methode ist von Bedeutung in den Fällen, in denen neben der Carbonylgruppe andere der Hydrierung zugängliche Gruppen in der Molekel enthalten sind. Tribromäthylalkohol, ein wichtiges rectal angewandtes Narkotikum („Avertin") wird auf diesem Wege dargestellt (F. F. Nord). Dabei wird die Hydrierung von dem Alkohol besorgt, der als Alkoholat verwendet wird. Der Prozeß erfolgt nach folgender Gleichung: OH I
R—CHO + CH3—CH—CH3
Al(OK'),
O
^ R—CH a OH + CH3—C—CH,
Da die Reaktion umkehrbar (Methode von O p p e n a u e r , S. 334/335) ist, ist es notwendig, die gebildete Carbonylverbindung (durch Destillation) aus der Lösung zu entfernen.
5. Acyloin-kondensation. Benzoin aus Benzaldehyd 10 g Benzaldehyd (frisch destilliert), mit 25 ccm Alkohol vermischt, werden mit einer Lösung von 2 g Kaliumcyanid in 5 ccm Wasser versetzt und am Rückflußkühler auf dem Wasserbad 5 Minuten lang gekocht. Man läßt dann langsam erkalten, filtriert die abgeschiedenen Kristalle ab, wäscht sie mit etwas Alkohol nach und trocknet sie auf dem Wasserbad. Um ganz reines Benzoin zu erhalten, kristallisiert man eine kleine Probe des Rohprodukts aus wenig Alkohol um. Schmelzpunkt 134°. Ausbeute etwa 90% der Theorie. a) B e n z i l a u s B e n z o i n Das bei der vorigen Reaktion erhaltene rohe Benzoin wird nach dem Trocknen fein pulverisiert und in einem offenen Kolben unter häufigem Umschütteln mit seinem doppelten Gewicht reiner konzentrierter Salpetersäure iy2—2 Stunden auf einem lebhaft siedenden Wasserbad erhitzt. Nach beendeter Oxydation versetzt man das Reaktionsgemisch mit kaltem Wasser, gießt nach dem Erstarren die verdünnte Salpetersäure ab, wäscht mehrmals mit Wasser nach, trocknet auf Ton und kristallisiert aus Alkohol um. Die abgeschiedenen Kristalle trocknet man nach dem Abfiltrieren an der Luft auf Filtrierpapier. Schmelzpunkt des Benzils 95°. Ausbeute etwa 90% der Theorie. In der sog. A c y l o i n - oder B e n z o i n k o n d e n s a t i o n liegt eine weitere interessante Aldehydreaktion vor, die in der aromatischen Reihe unter der Einwirkung von Kaliumcyanid erfolgt. Es ist sehr wahrscheinlich, daß sich dabei als Zwischenprodukt die Kaliumverbindung des Cyanhydrins bildet. Hier haben wir, analog wie beim Benzylcyanid (S. 225) ein bewegliches H-Atom, das in alkalischem Medium zu einer aldolartigen Kondensation mit einer zweiten Aldehydmolekel geeignet ist:
Acyloin-kondensation. Benzoin aus Benzaldehyd
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H
H^CN OK H C,H 5 • C- -C • C6H6 C 6 H 6 - CO • CHOH-CjH, CN OH Das Kondensationsprodukt geht dann unter Abspaltung von Kaliumcyanid in Benzoin über. Die katalytische Beteiligung des Kaliumcyanids ist augenfällig. Man mache sich den Unterschied zwischen dieser Reaktion und der CyanhydrinSynthese klar. Wie Benzaldehyd reagieren seine Substitutionsprodukte (Anisaldehyd gibt A n i soin) und auch Furfurol (Furoin). Die Acyloin-Synthese ist deshalb f ü r die aromatischen Aldehyde besonders charakteristisch, weil hier das tertiäre C-Atom am Kern die an sich viel begünstigtere Aldolkondensation nicht zuläßt. Ihren einfachsten Ausdruck treffen wir übrigens schon beim F o r m a l d e h y d (S. 191); G l y k o l a l d e h y d ist das einfachste Acyloin. Dann entstehen diese Verbindungen in der Fettreihe bei der Einwirkung von Natrium oder Kalium auf Säureester 1 , daher auch als Nebenprodukte bei der Acetessigester- Synthese. Aus a,a>-Dicarbonsäureestern lassen sich auf dem gleichen Weg cyclische Acyloine gewinnen ( P r e l o g ) . Endlich hat man auch in der lebenden Zelle Hilfsmittel zur Acyloin-Synthese aufgefunden, Enzyme (sog. C a r b o l i g a s e n ) , durch welche die Vereinigung zweier Aldehydmolekeln im Sinne der Acyloinbildung gerichtet wird. So wird Benzaldehyd in gärender Hefe durch das Zwischenprodukt des Gärprozesses, den Acetaldehyd, zu dem (optisch aktiven) B e n z a c e t o i n C6H6• CHOH• CO• CH 3 kombiniert. Setzt man Acetaldehyd selbst zu, so entsteht A c e t o i n (Neuberg). Die Acyloine stehen als a-Oxyketone in gewisser Beziehung zu den K e t o s e n . Wie diese reduzieren sie Fehlingsche L ö s u n g und gleich ihnen werden sie durch Phenylhydrazin in O s a z o n e übergeführt.
Versuch: Man kocht 1 g Benzoin in konz. alkoholischer Lösung mit 1,5 ccm Phenylhydrazin einige Zeit auf dem Wasserbad. Nach dem Erkalten kristallisiert das Osazon des Benzils aus. Schmelzpunkt 225°. Man weise das bei der Reaktion entstandene Ammoniak nach. Formulierung des Vorgangs.
Die gleiche Verbindung entsteht aus B e n z i l mit Phenylhydrazin und auch durch Autoxydation von B e n z a l d e h y d p h e n y l h y d r a z o n (Busch). Über Bildung der Osazone aus a-Oxyketonen (und -aldehyden) wird noch auf S. 258 gehandelt werden. Die präparative Bedeutung der Acyloine beruht auf ihrer Eigenschaft als Zwischenglieder f ü r die Darstellung vieler 1,2-Diketone. Der einfachste aromatische Vertreter dieser Gruppe ist das B e n z i l (analog Anisil, Furil usw.), gleichwie der aliphatische Grundkörper, das D i a c e t y l CH 3 -CO-CO-CH 3 (und auch daa wasserfreie Glyoxal), gelb gefärbt. Zum Diacetyl gelangt man vom Äthylmethylketon aus über sein Monoxim (v. P e c h m a n n ) ; bemerkenswert ist die Kondensation von Diacetyl zu p - X y l o c h i n o n (formulieren!). Die Identität des Aromastoffs der Butter mit Diacetyl hat A. Vir-tanen festgestellt. Die Nachbarstellung der beiden C=0-Gruppen ergibt sich aus der Kondensierbarkeit der Diketone mit o - P h e n y l e n d i a m i n zu Chinoxalinen (Hinsberg).
Versuch: Man löst je etwa 0,1 g Benzil und Benzoin im Reagenzglas in 10 ccm Alkohol und fügt in der Kälte einige Tropfen Lange zu. Sofort entsteht eine prächtig rote Färbung, die beim Schütteln mit 1
13*
B o u v e a u l t und L o c q u i n , B1.35, 629 (1906).
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Luft verschwindet, nach kurzer Zeit aber wiederkehrt und durch Schütteln erneut zum Verschwinden gebracht werden kann. Der Wechsel der Farbe läßt sich öfters wiederholen. Wenn nach Zugabe einiger weiterer Tropfen Lauge die Färbung ausbleibt, ist kein Benzoin mehr in der Lösung. Ganz reines Benzil zeigt die Farberscheinung nicht. Diese merkwürdige Reaktion kommt dadurch zustande, daß Benzoin durch Alkalien teilweise zu seinem Dienolat, z u S t i l b e n d i o l k a l i u m C6H6• COK: COK-C6H6 umgelagert wird 1 . Dieses bei Ausschluß von Wasser in orangegelben Kristallen darstellbare Salz gibt mit Benzil die rote luftempfindliche Lösung, in der das R a d i k a l B e n z i l k a l i u m enthalten ist, das auch durch Anlagerung von metallischem Kalium an Benzil entsteht ( B e c k m a n n und P a u l 2 , Schlenk 3 ):
C6H6—C-- ~ C—C6H6 C6H5—C—C—C6H6 C6H5—C—C—C6H5 i i + ii ii —«-2 ii r
CK—) CK-) 0 0 O 0(—) Das rote Radikal gehört der Klasse der Semichinone an (S. 276). Bei der Autoxydation wird das Radikal teils zu B e n z i l , teils zu B e n z o e s ä u r e oxydiert 4 . Die wichtigste Reaktion des Benzils und seiner Verwandten ist die schon von J . von L i e b i g entdeckte B e n z i l s ä u r e u m l a g e r u n g .
b) B e n z i l s ä u r e Versuch 5 : 5 g Benzil werden mit 15 ccm Alkohol und der Lösung von 5 g Ätzkali in 10 ccm Wasser 10 Minuten lang auf dem Wasserbad im Sieden gehalten. Nach dem Erkalten wird der Kristallbrei von benzilsaurem Kalium scharf abgesaugt, mit wenig Alkohol nachgewaschen und in 20—30 ccm kalten Wassers gelöst. Nach dem Filtrieren wird die klare Lösung in der Siedehitze mit verdünnter Schwefelsäure gefällt und die teilweise in Kristallen abgeschiedene freie Säure heiß abgesaugt und mit heißem Wasser gewaschen. Sie kann direkt aus viel heißem Wasser oder, nach dem Trocknen, aus Benzol umkristallisiert werden. Schmelzpunkt 150°. Ausbeute etwa 4 g. Als erstes Stadium der Umlagerung, die gemäß der Gleichung: C 6 H sx /OH C6H6 • CO • CO • C6H5 + KOH • >C< x C6H/ COOK vor sich geht, tritt ein Additionsprodukt von Benzil mit einem Mol Alkalihydroxyd auf (Scheuing), von dem aus nun der Platzwechsel erfolgt: f—^ c6H5
CgH, • C • CO • C6H5 ho/X6k
> C,HS-C • CO ö h ö k
Phenanthrenchinon liefert in gleichlaufender Reaktion B i p h e n y l e n g l y k o l s ä u r e (Formulieren). Die Benzilsäureumlagerung spielt außerdem bei anderen Verbindungen, wie z. B. beim Trichinoyl eine Rolle. 1 s 3 4
S c h e u i n g , A.440, 72 (1924). A. 266, 23 (1891). B. 46, 2840 (1913). Vgl. dazu A. W e i ß b e r g e r , H. Mainz und E. S t r a s s e r , B. 62, 1942 (1929).
Acyloin-kondensation. Benzoin aus Benzaldehyd
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Ihr nahe verwandt ist die sog. P i n a k o l i n u m l a g e r u n g : CH SX > C—CH, CHv CH, I XCH, H OH OH
A>:
Pinakon
CH~
—•
>c c—ch3 ch/T II CH3 O Pinakolln
Auch hier wird formal OH gegen einen Kohlenstoffrest, CH3, vertauscht, wiewohl in Wirklichkeit •— es wird konz. Schwefelsäure verwendet — die Wasserabspaltung zwischen den beiden OH-Gruppen die Abwanderung einer Methylgruppe herausfordert. Wir schließen kurz die Erwähnung einer in das gleiche Gebiet gehörenden, in neuerer Zeit viel studierten Umlagerung an, die man — nicht ganz richtig — als R e t r o p i n a k o l i n u m l a g e r u n g bezeichnet. Sie hat zum Inhalt den unter Wasserabspaltung verlaufenden Übergang von P i n a k o l i n a l k o h o l in T e t r a m e t h y l ä t h y l e n : CH. CH.
-C—CH, —HsO ^H, H
OH
CH3. CH,
=n/° >C=G
H 3
CH,
Ihr nahe verwandt ist die Umformung des B o r n e o l s und seiner Derivate in den Camphentyp: CH CH
CH2
CH,
C(CH3)2| CHOH
—H.O
CHS
Bomeol
Camphen
Der einzige Unterschied zwischen den beiden Reaktionen besteht, wie man sieht, darin, daß die Doppelbindung sich gegen die Methylgruppe von a, b nach b, c verschoben hat. Zwischen a und b kann nämlich aus räumlichen Gründen keine Doppelbindung existieren, da gemäß der Bredtsehen R e g e l in einem bicyclischen Ringsystem von der Art des Camphans keines der beiden Ringen gemeinsamen C-Atome an einer ungesättigten Bindung teilnehmen kann. Die zweite angegebene Camphenformel stellt, wie der nähere Einblick lehrt, nur eine andere, übersichtlichere Schreibweise für den Kohlenwasserstoff dar. Über diese wichtigen Arbeiten, die hier nur kurz berührt werden können, unterrichte man sich aus den Arbeiten von H. Meerwein. Eine klare und umfassende Darstellung der molekularen Umlagerungen findet sich in W. H ü c k e 1, Theoretische Grundlagen der organischen Chemie, 4. Auflage, Leipzig 1943 Band I.
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Nur eine präparativ sehr schöne Umlagerungsreaktion, die auch vom Benzil ausgeht, soll hier noch erwähnt werden, nämlich seine Überführung i n D i p h e n y l k e t e n nach G. S c h r ö t e r ( B . 4 2 , 2346 [1909]). Das H y d r a z o n des Benzils wird durch Quecksilberoxyd (das man sich am besten selbst bereitet) zur Diazoverbindung, dem sog. „ A z i b e n z i l " , dehydriert ( C u r t i u s , S t a u d i n g e r ) : --»• C 6 H 6 —CO—C—C 6 H 6
fi. NH,2
II
x
Erhitzt man dieses unter Ausschluß von Luft und Feuchtigkeit in Benzol, so spaltet es seinen Stickstoff ab, und der Rest lagert sich in D i p h e n y l k e t e n um: C6H5 • c o — c — C6H5 — •
O ^ c / C A XC H 6 5 Zu diesem interessanten Ketenderivat gelangt man auch nach dem alten Verfahren von S t a u d i n g e r von der B e n z i l s ä u r e aus, indem man diese mit PC16 in D i p h e n y l - c h l o r a c e t y l c h l o r i d verwandelt und aus ihm mit Zink die beiden Chloratome herausnimmt (formulieren!). Was ist Kohlensuboxyd ? Durch B l e i - t e t r a c e t a t nach C r i e g e e wird Benzilsäure nach Art eines Glykols zu C0 2 und B e n z o p h e n o n dehydriert. Man führe den Versuch in der auf S. 109 beschriebenen Weise aus und isoliere das Benzophenon, indem man den nach dem Wegdampfen des Eisessigs i. V. hinterbleibenden öligen Rückstand mit wenig Petroläther digeriert. _
6. Anlagerung von Cyanwasserstoff an einen Aldehyd Mandelsäure aus Benzaldehyd M a n d e l s ä u r e n i t r i l . 15 g frisch destillierten Benzcddehyds werdeil in einem Zylinder mit Gummistopfen mit etwa 50 ccm einer konzentrierten Lösung von Natriumbisulfü versetzt. Die Mischung wird solange mit einem Glasstabe umgerührt, bis sie zu einem Brei der Bisulfit/H
Verbindung C6H5 • C—OH
\S03Na
erstarrt ist, und dann noch kräftig durch-
geschüttelt. Man filtriert an der Saugpumpe ab, preßt fest zusammen und wäscht einige Male mit wenig eiskaltem Wasser nach. Die Doppelverbindung wird dann mit etwas Wasser zu einem dicken Brei angerührt und mit einer erkalteten Lösung von 12 g reinem Kaliumcyanid in 25 ccm Wasser versetzt. Nach kurzer Zeit gehen, besonders leicht beim Umrühren, die Kristalle in Lösung, und das Mandelsäurenitril scheidet sich als ö l ab, welches man im Scheidetrichter von der wäßrigen Lösung trennt und sofort weiter verarbeitet. Verseifung des N i t r i l s . Das Nitril wird in einer Porzellanschale mit dem vierfachen Volumen konzentrierter Salzsäure auf dem Wasserbad soweit eingedampft, bis sich an der Oberfläche der Flüssigkeit Kristalle reichlich abzuscheiden beginnen. Man läßt das Reaktionsgemisch dann über Nacht an einem kühlen Ort stehen, filtriert die abgeschiedenen Kristalle nach dem Verreiben mit wenig Wasser an der Saugpumpe ab und wäscht sie mit nicht zu viel Wasser nach. Aus dem
Mandelsäure aus Benzaldehyd
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Filtrat gewinnt man durch Ausäthern noch eine weitere Menge der Säure. Die rohe Mandelsäure wird auf einem Tonteller abgepreßt, getrocknet und durch Kristallisation aus Benzol rein erhalten. Schmelzpunkt 118°. Ausbeute etwa 10—15 g. Spaltung der i n a k t i v e n Mandelsäure in ihre a k t i v e n Komponenten 1 . Eine Mischung von 10 g kristallisierter Mandelsäure und 20 g kristallisierten Cinchonins wird mit 500 ccm Wasser unter recht häufigem Umschütteln eine Stunde lang in einem offenen Kolben auf einem lebhaft siedenden Wasserbade erhitzt. Nach dem Erkalten filtriert man vom Ungelösten ab, ohne mit Wasser nachzuwaschen. In die klare Lösung (a) trägt man dann einige Kristalle von d-mandelsaurem Ginchonin ein (siehe unten) und läßt einen bis mehrere Tage an einem kühlen Ort stehen (6—8'; im Sommer im Eisschrank, im Winter eventuell im Keller). Das hierbei abgeschiedene rohe d-mandelsaure Cinchonin saugt man ab (Filtrat A aufbewahren) und kristallisiert es aus der 20-fachen Menge heißen Wassers um. Impft man der Lösung einige Kristalle d - mandelsauren Cinchonins ein, so kristallisiert beim längeren Stehen unter den gleichen Bedingungen wie oben ein reineres Salz aus. Um die freie d - Mandelsäure zu erhalten, löst man das gereinigte Salz in nicht zu viel Wasser auf und versetzt mit Ammoniak im geringen Überschuß, wodurch Cinchonin ausgefallt wird, welches man abfiltriert und nach der Umkristallisation aus verdünntem Alkohol für einen neuen Versuch wieder benutzen kann. Das Filtrat, welches d-mandelsaures Ammonium enthält, wird mit Salzsäure angesäuert und mit Äther ausgeschüttelt. Erhitzt man den nach dem Verdampfen des Äthers hinterbleibenden Rückstand zum Trocknen einige Zeit auf einem Uhrglas auf dem Wasser bade, so erstarrt er beim Abkühlen zu Kristallen von d-Mandelsäure, welche nach dem Abpressen auf einem Tonteller aus Benzol oder besser aus Chloroform umkristallisiert werden. Schmelzpunkt 133—134°. Reine 1-Mandelsäure läßt sich bei Anwendung kleiner Mengen von d,l-Mandelsäure nicht leicht erhalten. Ein wenn auch nur schwach rechtsdrehendes Präparat gewinnt man jedoch auf die folgende Weise: Das oben erhaltene Filtrat A verarbeitet man, wie soeben beim reinen d-mandelsauren Cinchonin beschrieben, auf die freie Säure, welche, da ja ein Teil der d-Modifikation entfernt worden ist, einen Überschuß der 1-Form enthalten muß. Von den so erhaltenen drei Präparaten, nämlich 1. inaktiver racemischer, 2. reiner d-Säure und 3. unreiner 1-Säure stelle man sich wäßrige Lösungen von geeigneter Konzentration her und untersuche diese im Polarisationsapparat auf ihr Drehungsvermögen. Ist man nicht im Besitze von d-mandelsaurem Cinchonin, so stellt man sich für den ersten Versuch ein geeignetes Impfmaterial auf die folgende Weise dar: Einige ccm der oben erhaltenen Lösung (a) werden tropfenweise solange mit Vgl. B. 16, 1773 (1883) und 32, 2385 (1899).
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einer gesättigten wäßrigen Kochsalzlösung versetzt, bis eine geringe Fällung eingetreten ist. Man erhitzt dann bis zur Lösung und läßt stehen, bis sich Kristalle abgeschieden haben, wozu u. U. eintägiges Stehen erforderlich ist. Die so erhaltenen Kristalle sind salzsaures Cinchonin, auf denen geringe Mengen von d-mandelsaurem Cinchonin niedergeschlagen sind, welche jedoch genügen, um die weitere Abscheidung des d-Salzes zu veranlassen. Die a k t i v e n Mandelsäuren gehören zu den stereoisomeren Substanzen, bei denen der Drehungssinn der Zugehörigkeit zur konfigurativen Reihe n i c h t entspricht. Das bekannteste Beispielfür diese Erscheinung bildet die d(—)-Fruktose. Demgemäß gelten hier die Bezeichnungen: d(—)-Mandelsäure und l( + )-Mandelsäure.
7. Alanin1 13,2 g (0,3 Mol) frisch destillierter Acetaldehyd (Siedepunkt 21°) werden, in 100 ccm Äther gelöst, in einer Druckflasche über eine kalt gesättigte wäßrige Lösung von 18 g Ammoniumchlorid geschichtet. Dazu läßt man unter Umschütteln und Eiskühlung aus einem Tropftrichter eine Lösung von 20 g Natriumcyanid in 30 ccm Wasser langsam zutropfen. Hierauf schüttelt man die verschlossene Flasche bei Raumtemperatur 3 Stunden lang auf der Maschine, versetzt dann in einem V 2 -Liter-Rundkolben unter Eiskühlung nach und nach mit 100 ccm konzentrierter Salzsäure (Abzug! freie Blausäure]), dampft den Äther am absteigenden Kühler ab, läßt noch 1 Stunde auf dem siedenden Wasserbad und dampft schließlich die braun gewordene Lösung in einer Schale zur Trockne. Der völlig trockene, von HCl freie (Geruch!) Rückstand wird in einem kleinen Rundkolben zweimal mit 100 ccm Alkohol ausgekocht, die filtrierten alkoholischen Auszüge dampft man erneut ein und trocknet den Rückstand zum Schluß im Vakuum auf dem Wasserbad. Jetzt befreit man das salzsaure Alanin, indem man es in 100 ccm heißem, absolutem Alkohol, dem 5 ccm Äther zugesetzt sind, aufnimmt, von mitgegangenem Natriumchlorid und dampft die alkoholische Lösung des Alaninsalzes wiederum ein. Dieses Salz, das schwer kristallisiert zu erhalten ist, wird auf folgendem Weg in die freie Aminosäure umgewandelt. Man spült das Chlorhydrat mit 100 ccm Wasser in ein Becherglas und kocht so lange, etwa 10—15 Minuten, mit 40—50 g nach und nach zugesetzter Bleiglätte, bis sich kein Ammoniak (aus etwas mitgelöstem NH t Cl) mehr entwickelt. Dann wird heiß abgesaugt, mit 20—30 ccm heißem Wasser nachgewaschen und das braungefärbte, aber klare Filtrat durch Einleiten von Schwefelwasserstoff heiß entbleit. Das Bleisulfid saugt man auf der Nutsche ab und schüttelt das Filtrat, noch lauwarm, in einer Glasstöpselflasche, deren Stopfen man von Zeit zu Zeit lüftet, mit etwa 3 g frisch gefälltem und sorgfältig ausgewaschenem Silbercarbonat, um alle Chlorionen — die von der Löslichkeit des Bleichlorids stammen — zu entfernen (Prüfung mit einer Probe). Die filtrierte Lösung, in die man nochmals kurz Schwefelwasserstoff eingeleitet hat, 1
A. Strecker, A. 75,30 (1850); Z e l i n s k y und S t a d n i k o w , B. 41, 2061 (1908).
Alanin
201
hinterläßt nach dem Eindampfen das Alanin als dunklen Sirup, der beim Anreiben mit absolutem Alkohol kristallisiert. Man saugt nach einigem Stehen scharf ab, wäscht mit wenig absolutem Alkohol, dann mit absolutem Äther und trocknet im Vakuumexsiccator. Ausbeute 15—20 g. Das Alanin kann aus der gleichen Menge Wasser, aber mit starken Verlusten, umkristallisiert werden. Besser lost man in der eben nötigen Menge siedenden Wassers und fügt in der Siedehitze solange Alkohol zu, bis die Kristallisation einsetzt. Schmelzpunkt 264° (unter Zersetzung). Auf einfachere Weise läßt sich das Alanin aus der alkoholischen Lösung seines Hydrochlorids mit einem Überschuß von Anilin ausfällen. Zu 6 und 7. Die hier durchgeführte Methode der C y a n h y d r i n - S y n t h e s e — Umsetzung der Bisulfitverbindung des Aldehyds mit Kaliumcyanid — läßt sich nicht in allen Fällen anwenden. Häufig benutzt man konzentrierte Lösungen von Blausäure oder auch wasserfreie Blausäure. Der allgemeinen Synthese von a-Oxysäuren steht die der « - A m i n o s ä u r e n gegenüber, deren Nitrile bei der Anlagerung von Cyanammonium an Aldehyde oder Ketone entstehen (Strecker). Über weitere Aminosäure-Synthesen siehe Präp. VII, 2, S. 238. Das A m y g d a l i n der bitteren Mandeln und anderer Steinfrüchte ist die glykosidische Verbindung von 1 - M a n d e l s ä u r e n i t r i l m i t G e n t i o b i o s e (siehe S. 347) und zwar gehört es zu der Klasse der /^-Glykoside, da es durch das Enzym Emulsin in 2 Mol Glukose, Benzaldehyd und Blausäure gespalten wird. Die natürliche 1-Mandelsäure wurde zuerst durch Säurespaltung des Amygdalins von L i e b i g erhalten. In der Z u c k e r g r u p p e ist die Cyanhydrin - Synthese von H. K i l i a n i für den Aufbau höherer Zucker herangezogen worden. Die Carbonsäuren, die aus der Verseifung der Nitrile hervorgehen, können in Form ihrer Lactone zu den entsprechenden Aldehyden reduziert werden. HC=0 CN —CO I HCOH H^OH HCOH 1 HC=0 0 I HCOH 1 H-°
ONa + NaCl + H 2 0
nur bei sehr hohen Temperaturen, und zwar mit verdünntem Alkali (nach K. H. Meyer und F. Bergius) oder auch mit Wasserdampf bei 460° am MetalloxydKontakt ( R a s c h i g - Verfahren), ausführbar. Leichter gelingt sie, wenn o- oder p-ständige Nitrogruppen die Bindung des Halogens lockern; davon war schon auf S. 97 die Rede. Ein allgemein gangbarer Weg führt von den primären aromatischen Aminen über die Diazoniumsalze zu den Phenolen (S. 245). Die Phenole unterscheiden sich in ihren Eigenschaften und Reaktionen sehr deutlich von den gewöhnlichen Alkoholen der Fettreihe. Sie sind ja auch grundsätzlich von diesen unterschieden dadurch, daß ihre OH-Gruppe an einem doppelt gebundenen C-Atom steht. Dadurch rücken sie in Parallele zu den gleichartig gebauten Enolen, denen sie auch nachher gegenübergestellt werden. H
H
h A H H=OH Phenol
R
R
V
[H A
H
HJ
H / ~ > V o
0 H
Enol
Einfache Ketone, wie Aceton und ähnliche, sind in der „tautomeren" Form H 2 C=C—CH. nicht existenzfähig. Woran liegt es, daß im Phenol nicht eine gleichOH artige Ketisierung, nämlich zu A, eintritt ? Die Gründe sind wohl die gleichen, die allgemein die Existenz umlagerungsfähiger Derivate des teilweise — hier zweifach — hydrierten Benzols unmöglich machen und auf die schon mehrfach hingedeutet worden ist (z. B. S. 158). Das Bestreben, das am meisten gesättigte System des aromatischen Kernes mit seiner hohen Konjugations-Energie aufrecht zu erhalten, veranlaßt die stabile Herausstellung der Hydroxylgruppe und damit den eigenartigen Charakter der Phenole. Die Phenole sind Säuren, weil die OH-Gruppe, wie in den Carbonsäuren, an einem doppelt gebundenen Atom haftet. —COH II O 14
Gattermann,
und
—COH || C
Praxis des organ. Chemikers. 3 5 . A u f l .
210
Phenole und Enole. Keto-Enol-Tautomerie
Zwar ist der saure Charakter des einfachen Phenols nicht stark ausgeprägt und wächst erst mit der Substitution des Kerns durch negative Substituenten, wie N0 2 und Halogen. Die Alkalisalze des Phenols sind in wäßriger Lösung weitgehend hydrolytisch gespalten und sie werden schon durch Kohlensäure vollständig zerlegt. Auf d i e s e W e i s e k a n n m a n P h e n o l e v o n C a r b o n s ä u r e n a b trennen. Versuch: Man leitet in eine nicht zu verdünnte Lösung v o n ß-Naphthol in Natronlauge Kohlendioxyd ein, bis sich das freie Naphthol abscheidet. Auch bei anderen Reaktionen erweist sich die OH-Gruppe der Phenole reaktionsfähiger als die der aliphatischen Alkohole. Sie reagieren, im Gegensatz zu diesen, leicht mit D i a z o m e t h a n . Auch mit anderen Alkylierungsmitteln, wie A l k y l h a l o g e n i d , D i a l k y l s u l f a t , setzen sie sich, anders als jene, schon in wäßrig alkalischer Lösung um. Die meist gut kristallisierenden B e n z o y l d e r i v a t e sind trefflich zu ihrer Charakterisierung geeignet ( S c h o t t e n - B a u m a n n s e h e Reaktion). Versuch: I n einem Reagenzrohr löst m a n eine kleine Menge kristallisiertes Phenol (Y2 g) in 5 ccm Wasser auf, fügt y2 cem Benzoylchlorid hinzu, macht mit starker Natronlauge deutlich alkalisch u n d erwärmt unter Schütteln kurze Zeit gelinde über einer Flamme. Kühlt m a n dann das Reaktionsgemisch unter Schütteln und Reiben mit einem Glasstabe unter der Wasserleitung ab, so erstarrt das abgeschiedene ö l zu farblosen Kristallen, welche m a n an der Saugpumpe abfiltriert, reichlich mit Wasser nachwäscht, auf einem Tonscherben abpreßt u n d in einem kleinen Reagenzrohr aus wenig Alkohol umkristallisiert. Schmelzpunkt des Benzoesäurephenylesters 68—69°. Der Versuch kann in der gleichen Weise mit ß-Naphthol ausgeführt werden. Schmelzpunkt der Benzoylverbindung 107°. Über die Bedeutung dieser viel benützten Reaktion, in die auch die A m i n e einbegriffen sind, ist schon auf S. 114/115 das Nötige gesagt. Die N a p h t h o l e sind in mancher Hinsicht noch reaktionsfähiger als das einfache Phenol. Dies äußert sich vor allem darin, daß ihre Ä t h e r nach der gleichen Methode wie die Ester der Carbonsäuren, nämlich direkt durch Alkohol und HCl erhalten werden können. Auch setzen sie sich mit Chlorzink-Ammoniak und nach einer von H. B u c h e r e r allgemein studierten Reaktion mit Ammoniumsulfit und Ammoniak glatt zu N a p h t h y l a m i n e n um. Aus alledem ersieht man, daß die Phenole den Carbonsäuren weit näher stehen als den Alkoholen der Fettreihe. Von großer Bedeutung ist der Einfluß, den die OH-Gruppe auf die Reaktionsfähigkeit des Benzolkerns ausübt. Alle Substitutionsvorgänge, die wir auf primäre Addition zurückführen, erfolgen w e i t l e i c h t e r , und zwar wird dabei die o- und die p-Stellung von eintretenden Substituenten aufgesucht. Eine Anzahl hierauf zu begründender Umsetzungen wird in folgenden und späteren Präparaten noch behandelt. Hier sei erwähnt, daß aus einer wäßrigen Phenollösung durch Bromwasser augenblicklich o , o , p - T r i b r o m p h e n o l ausgefällt wird (Methode zur quantitativen Phenol-Bestimmimg). Versuch: Man setzt zu einer etwa 2-proz. Phenollösung solange Bromwasser, als das Brom verbraucht wird, saugt dann den flockigen farblosen Niederschlag ab und kristallisiert ihn nach d e m Trocknen aus Ligroin oder verd. Alkohol um. Schmelzpunkt des o,o,p-Tribromphenols 95°.
Überfuhrung einer Sulfonsäure in ein Phenol. /?-Naphthol
211
Man erklärte sich diese überraschende Reaktionsfähigkeit — die wir bei den E n o l e n ebenfalls antreffen werden — nach K. H. M e y e r daraus, daß die OHGruppe die an sie angrenzende Doppelbindung „ a k t i v i e r t " , daß in diese Aktivierung im Sinne der Thieleschen Vorstellungen auch das konjugierte System zweier benachbarter Doppelbindungen eingeschlossen ist. Phenol kann demnach mit Brom unter primärer Addition nach 1,2 und nach 1,4 reagieren. HOBr
OH
In derselben Weise geht die Aufnahme der zweiten und der dritten Brommolekel weiter, bis die drei begünstigten Stellen (o-, o- und p-) mit Brom besetzt sind. Bringt man nun ein viertes Br 2 zur Einwirkung, so wird dieses in grundsätzlich gleichartiger Weise, wie hier angenommen, in 1,4-Stellung addiert:
Hier kann aber die Abspaltung von HBr nicht mehr zu einem echten Benzolderivat zurückführen. In der Tat ist auch das Endprodukt, das sog. „ T r i b r o m p h e n o l b r o m " , das Ketobromid eines Chinons, also eines Dihydrobenzol-Derivates. Beim /3-Naphthol wird die Stufe des Ketohalogenids übrigens schon bei der Zweithalogenierung erreicht ( Z i n c k e , Fries). Hai
Hai
Hai
Die leichte Substituierbarkeit des Phenols findet im Rahmen der klassischen Theorie zwar eine Analogie im Verhalten der Enole, aber keine wirkliche Begründung; vgl. dagegen die modernen Anschauungen S. 394. Die technische Verwendung des Phenols ist bedeutend; seine wichtigsten Umsetzungen sind die in S a l i c y l s ä u r e (Präp. VI, 4; S. 216) und seine Kondensation mit Formaldehyd zu einem wertvollen Kunstharz, dem B a k e l i t . Versuch: 3 ccm mit wenig Wasser verflüssigten Phenols („Phenolum liquefactum") werden mit 5 ccm Formaldehydlösung (S. 178) in einem 50 ccm-Erlenmeyerkolben zum Sieden erhitzt. Dann entfernt man den Brenner und gibt soviel konz. Salzsäure zu der heißen Lösung, bis sich unter heftiger Reaktion ein fast farbloses ö l ausscheidet, das beim Abkühlen zu einer spröden Masse erstarrt (Kunstharz). 14«
Phenole und Enole. Keto-Enol-Tautomerie
212
Unterwirft man basisch oder sauer substituierte Phenole dieser Reaktion, so entstehen polymere Harze von polarem Charakter, die vermöge ihres Ionenbindungsvermögens heute eine ausgedehnte Verwendung als Austauscher (Permutite) finden. Am gebräuchlichsten sind bei uns die sog. Wofatite. Unter milden alkalischen Bedingungen läßt sich Phenol analog der Aldolkondensation mit Formaldehyd zu p - O x y b e n z y l a l k o h o l vereinigen: OH HO I + OCH2
•
CH2OH der in der Wärme Wasser abspaltet und sich polymerisiert. Eine Übersicht über die Grundreaktionen der Phenolharz-Bildung gibt K. H u l t z s c h , Ang. Ch. 60, 179 (1948). Auch der direkten Einführung von Quecksilber in den Benzolkern der Phenole, der „Mercurierung", muß hier Erwähnung getan werden, die schon beim Erhitzen von Phenolen mit Quecksilber-2-acetat eintritt ( B a l b i a n o , P e s c i , D i m r o t h ) :
[ j !
+
Hg(
°-C°-CH^ —
I J - H g O C O • CH3 +
CH
>-C00H
Unter ein wenig schärferen Bedingungen werden auch die aromatischen Kohlenwasserstoffe selbst mercuriert. Die gegenüber dem Benzol erleichterte Mercurierung des Thiophens ermöglicht bequem dessen Abtrennung aus dem Rohbenzol (Dimroth).
2. Methylierung von Phenolen 1 a) Anisol. 19 g Phenol (x/5 Mol) werden in einer enghalsigen Glasstöpselflasche in 100 ccm 2 n-Natronlauge gelöst. Dazu fügt man (im Abzug!) von 26 g Dimethylsulfat zuerst etwa den dritten Teil auf einmal zu und schüttelt kräftig um, wobei unter Erwärmung die Methylierung einsetzt. Nach etwa 5 Minuten wird das zweite Drittel mit nachfolgendem Schütteln zugesetzt und in kurzem Abstand der Rest. Während des Durchschütteins ist der Stopfen von Zeit zu Zeit zu lüften. Wenn die wäßrige Lösung, auf der das gebildete Anisol als öl schwimmt, nicht mehr alkalisch reagiert, gießt man den Inhalt in einen kleinen, mit Rück flußkühler verbundenen Rundkolben und spült mit 20 ccm Lauge nach. Zur Vollendung der Reaktion und zur Zerstörung von etwa noch vorhandenem Dimethylsulfat wird eine halbe Stunde lang auf dem Wasserbad erhitzt. Nach dem Erkalten läßt man die wäßrige Schicht ab, trocknet das Anisol — das man nur bei erschwerter Abtrennung in Äther aufgenommen hat — mit CaCl2 und destilliert schließlich. Siedepunkt 155°. Ausbeute 90% der Theorie. Auf analoge Weise wird durch Einwirkung von Diäthylsulfat auf Phenol das P h e n e t o l dargestellt. U l l m a n n , A.327,114 (1903); 340, 208 (1905).
213
Methylierung von Phenolen
b) Nerolin (/?-Naphthyl-methyläther). Der Vorgang ist der gleiche wie beim Anisol, unter Änderung der mengenmäßigen Verhältnisse. Die Substanz ist kristallisiert. Schmelzpunkt 72°. Bei der großen G i f t i g k e i t der neutralen Schwefelsäureester, vor allem des D i m e t h y l s u l f a t s , müssen alle Operationen mit ihnen sehr vorsichtig und unter dem Abzug durchgeführt werden! Methylierungen mit D i m e t h y l s u l f a t werden stets in alkalischer Lösung vorgenommen. Sie gelingen besonders leicht mit Carbonsäuren (Methode zur Darstellung von Estern) und mit Phenolen, während die aliphatischen Alkohole, z. B. die Zucker, nur schwierig und am besten in alkoholischer Lösung durch dieses Mittel veräthert werden. Es ist zu berücksichtigen, daß nur eine der beiden Methylgruppen gemäß der Gleichung: H 3 C—0 C 6 H 6 ONa +
)S02 H 3 C—(K
NaOx + C 6 H 6 0-CH 3 +
)S02 H3CCK
auf das Phenol übertragen wird. Erst bei längerer Einwirkung in der Siedehitze gibt auch das zuerst gebildete methylschwefelsaure Salz sein Methyl f ü r die gleiche Reaktion her, wovon man aber präparativ meist keinen Gebrauch macht. Auch A r y l - (z.B. T o l u o l - ) s u l f o n s ä u r e e s t e r und Dimethylsulfit dienen zur Alkylierung von Phenolen. Wie wird Dimethylsulfat dargestellt? Ein elegantes Methylierungsmittel f ü r Phenole ist das D i a z o m e t h a n , das in einem späteren Abschnitt f ü r diesen Zweck benützt wird (S. 236). Die P h e n o l ä t h e r sind sehr beständige Substanzen, in denen die Reaktionsfähigkeit des Benzolkerns gegenüber der der Phenole sichtlich herabgemindert ist. Die Alkylgruppe sitzt sehr fest. Durch Alkalien wird sie nicht abgespalten, durch Mineralsäuren auch erst bei hoher Temperatur. Das gebräuchlichste Mittel zur Spaltung ist das Aluminiumchlorid, das nach folgender Gleichung reagiert: C 6 H , O C H 3 + A1C13
• C„H50A1C12 + C1-CH3 l 3H,0 C,H 6 OH + A1(0H)3 + 2 HCl
Die A l l y l ä t h e r lagern sich in der Hitze spontan in A l l y l p h e n o l e um (Ciaisen): "\-0-CH2CH=CH2 f^N-OH
Die Allyläther der Enole > C = C — sind dieser Reaktion auch zugänglich. OR In den Allylphenolen sowie deren Äthern wird unter der Einwirkung von Alkali die Doppelbildung gegen den Benzolkern hin verschoben: Eugenol >•' Isoeugenol; Safrol > Isosafrol. Besonders interessant ist die Spaltbarkeit der Phenoläther (und auch aliphatischer Äther) durch metallisches Natrium (Ziegler, S c h o r i g i n ) , z . B . : C 9 H s OCH 3 + 2 Na
• C6H6ONa + NaCH 3 .
Von substituierten Phenoläthern sind anzuführen die Aminoderivate des Anisols (Anisidin) und Phenetols ( P h e n e t i d i n ) . Sie werden durch Alkylierung der Nitrophenole und nachherige Reduktion der Nitrogruppe bereitet.
214
Phenole und Enole. Keto-Enol-Tautomerie
Die alkalische Reduktion des o - N i t r o - a n i s o l s führt (wie beim Nitrobenzol) zur Hydrazoverbindung, die durch Benzidinumlagerung in die Biphenylbase „Dianisidin", ein wichtiges Zwischenprodukt für blaue substantive Azofarbstoffe, übergeführt wird (S. 166). Vom p-Phenetidin leiten sich das bekannte Antipyretikum „ P h e n a c e t i n " (I) und der Süßstoff „Dulcin" (II) ab:
Methvlierte Phenole bilden vielfach den Bestandteil von Naturstoffen, vor allem von Alkaloiden. Bei deren Konstitutionsermittlung hat die quantitative Bestimmung der in einer Molekel vorhandenen Methoxylgruppen eine große Bedeutung. Ihr dient die treffliche Zeiselsche Methode, bei der die Methylgruppe durch konzentrierte Jodwasserstoffsäure als Methyljodid abgespalten wird. Ea sei empfohlen, an dem hier dargestellten Präparat diese Methode kennenzulernen (Anleitung S. 74).
3. o- und p-Nitrophenol 80 g Natron- oder 95 g Kalisalpeter werden im Rundkolben unter Erwärmen in 200 g Wasser gelöst, die Lösung wird vor dem völligen Erkalten unter Umrühren mit 100 g konzentrierter Schwefelsäure versetzt. Zu der auf 20° abgekühlten Mischung läßt man dann aus einem Tropftrichter unter häufigem Umschütteln eine durch Erwärmen verflüssigte Mischung von 50 g kristallisiertem Phenol und 5 ccm Wasser tropfenweise hinzufließen, wobei man die Temperatur stets zwischen 20—25° hält. Nachdem man das Reaktionsgemisch unter öfterem Schütteln 2 Stunden stehengelassen hat, versetzt man mit dem doppelten Volumen Wasser, läßt absitzen, gießt die wäßrige Schicht so gut wie möglich von dem öl ab, wiederholt das Auswaschen mit Wasser noch zweimal und destilliert dann mit Wasserdampf das o-Nitrophenol ab. Wie man dem Erstarren der Substanz im Kühlrohr begegnet, siehe S. 27. Das abgesaugte und zwischen Filtrierpapier getrocknete Präparat ist direkt rein, wo nicht, wiederholt man die Dampfdestillation. Schmelzpunkt 45°. Ausbeute 30 g. Die isomere, nicht flüchtige p-Verbindung wird, gleich anschließend, aus dem Rückstand über ihr Natriumsalz isoliert: Man fügt erst solange 2n-Natronlauge zu, bis die Reaktion auf Kongopapier eben verschwunden ist, dann noch weitere 100 ccm, kocht nach Zugabe von etwas Tierkohle nochmals durch Einleiten von Wasserdampf auf, filtriert durch ein Faltenfilter und dampft bis auf ein Volumen von etwa 100 ccm ein. Beim Erkalten soll das Natriumsalz auskristallisieren. Sollte dies bei einer Probe nicht der Fall sein, so setzt man der noch heißen Lösung 30 ccm Natronlauge 1 : 1 zu und läßt dann langsam erkalten. Aus dem abgesaugten und mit 2 «-Natronlauge gewaschenen Salz scheidet man mit verdünnter Salzsäure in der Wärme das beim Erkalten kristallisierende (erst ölige) p-Nitrophenol ab, das bei un-
o- lind p-Nitrophenol
215
genügender Reinheit, d. h. wenn sich eine Probe nicht aus sehr verdünnter heißer Salzsäure Umkristallisieren läßt, nochmals über das Natriumsalz gereinigt wird. Schmelzpunkt 114°. Ausbeute 5—10 g. Von der Leichtigkeit, mit der Phenole nitriert werden, war schon die Rede. Der Prozeß verläuft indes auch bei Anwendung von verdünnter Salpetersäure nicht glatt, da infolge von Oxydation und von Kondensation harzige Nebenprodukte entstehen. Bessere Ergebnisse liefert die Nitrierung mit Stickstoffdioxyd in nicht wäßrigen Lösungsmitteln wie Benzol, Petroläther (B. 54, 1776 [1921]). o- und p-Nitrophenol gehen bei weiterer Nitrierung mit stärkerer Säure in das gleiche 2 , 4 - D i n i t r o p h e n o l und schließlich in P i k r i n s ä u r e über. Hochnitrierte Benzolderivate, wie Pikrinsäure, T r i n i t r o t o l u o l lassen sich durch eine brisante Vorexplosion (Initialzündung) mit Knallquecksilber oder Bleiazid zur Explosion bringen. Sie sind endotherm, d. h. der in der Molekel enthaltene Sauerstoff der Nitrogruppen kann intramolekular Kohlenstoff und Wasserstoff unter positiver Wärmetönung verbrennen. Diese innere Verbrennung ist bei der Pikrinsäure gemäß der Gleichung: 2 C6H307N3 • 12 CO + 2 H 2 0 + 3 N 2 + H 2 eine ziemlich weitgehende. Die unmittelbare Überführung des Benzols in Polynitrophenole, die sog. Oxynitrierung, gelingt unter Mercurisalz-Katalyse in interessanter Reaktion ( W o l f f e n stein, Westheimer1). m - N i t r o p h e n o l läßt sich nicht direkt durch Nitrierung von Phenol bereiten, da die OH-Gruppe ein Substituent 1. Ordnung ist und daher vorwiegend o- und p-Derivat liefert. Man ist auf den Umweg der Diazotierung von m-Nitranilin und die Umkochung des Diazoniumsalzes zum Phenol angewiesen (S. 245). m- und p-Nitrophenol sind in reinem Zustand f a r b l o s , die o-Verbindung dagegen ist g e l b . Die Salze aller drei Nitrophenole aber sind i n t e n s i v f a r b i g , und zwar in der o- und m-Reihe rotorange und gelborange, in der p-Reihe tiefgelb. (Anwendung von p-Nitrophenol als Indikator.) Man hat die starke Färbung der Nitrophenolsalze durch eine Umlagerung in eine das Licht kräftiger absorbierende chinoide Säureform (oci-Typus nach H a n t z s c h ) zu erklären versucht.
p-Nitrophenol
0=N—ONa p-Nitrophenolnatrium
Dagegen sprechen jedoch verschiedene Erwägungen. Vor allem verhält sich m-Nitrophenol wie die beiden Isomeren, die Alkalisalze müßten also auch chinoid sein. m-Chinone sind aber in der ganzen aromatischen Chemie unbekannt. Ferner gibt es noch mehrfach Beispiele von Substanzen, die bei der Salzbildung eine Farbvertiefung erfahren, wo aber die Umlagerung in ein tautomeres Chinon ausgeschlossen ist. So sind die zweibasischen Salze des gelbbraunen A n t h r a h y d r o c h i n o n s tief blutrot (S. 289). 1
Am. Soc. 69, 773 (1947).
216
Phenole und Enole. Keto-Enol-Tautomerie OH
OH gelbbraun
ONa
ONa blutrot
Schließlich sind auch die Alkalisalze des einfachen Phenols tiefer farbig als das Phenol selbst. Diese Tatsache ist zwar subjektiv nicht erkennbar, jedoch durch Untersuchung der Absorption in ultraviolettem Licht. Dabei hat sich ergeben, daß die Absorption von Phenolnatrium weit näher als die des freien Phenols an den subjektiv sichtbaren Teil des Spektrums heranrückt. Die Differenz ist so bedeutend, daß sie auch f ü r eine subjektiv wahrnehmbare Färb Vertiefung von farblos zu gelb eine befriedigende Erklärung enthält. Wir führen also die Färbung der Nitrophenolsalze auf die „ b a t h o c h r o m e " (=farbvertiefende) W i r k u n g d e r S a l z b i l d u n g zurück. Da o- und p-ständige Nitrogruppen die Beweglichkeit von Halogen im aromatischen Kern erhöhen (S. 97), so sind die Nitrophenole auch aus N i t r o c h l o r b e n z o l e n zugänglich. So läßt sich p-Nitro-chlorbenzol im Autoklaven durch Laugen spalten, das als Zwischenprodukt f ü r Schwefelfarbstoffe wichtige 2,4-Din i t r o - p h e n o l geht schon bei milderen Bedingungen aus dem entsprechenden Chlorbenzol hervor. Durch Umsetzung mit Ammoniak entsteht p - N i t r a n i l i n . Auffällig ist die Leichtigkeit, mit der sich der Dinitrophenyl-Rest mit Hilfe von 2,4-Dinitrofluor-benzol in NHj-Gruppen von Aminosäuren und Peptiden einführen läßt ( S a n g e r ) . Im T r i n i t r o - c h l o r b e n z o l ( P i k r y l c h l o r i d ) ist das Chlor von der gleichen Beweglichkeit wie in einem Säurechlorid. 4. Die K o l b e s c h e Salicylsäuresynthese 1 13,5 g reinen Ätznatrons werden in einer Porzellan- oder zweckmäßiger in einer Nickelschale in 20 ccm Wasser gelöst u n d unter Umrühren allmählich m i t 31 g ( % Mol) kristallisiertem Phenol versetzt. Man dampft dann auf dem Drahtnetz unter fortdauerndem Umrühren das Wasser ab, gegen Ende mit direkter leuchtender Flamme, die m a n dauernd unter der Schale hin u n d her bewegt. Sobald die einzelnen Teile nicht mehr zusammenbacken, pulverisiert m a n die Masse schnell in einer trockenen Reibschale und erhitzt das feine Pulver nochmals solange unter gutem Umrühren in der Nickelschale, bis es staubtrocken 2 geworden ist. E s wird dann in eine tubulierte Retorte v o n etwa 200 ccm Inhalt eingefüllt und diese so tief wie möglich in ein Ölbad eingetaucht. Man erhitzt dieses nun auf 110° u n d leitet bei dieser Temperatur 1 Stunde lang trockne Kohlensäure über das Phenolnatrium (das E n d e des Einleitungsrohres 1 cm über der Oberfläche des Phenolnatriums). I m Laufe v o n 4 Stunden steigert m a n unter fortwährendem Durchleiten eines 1
J . pr. (2) 10, 89 (1874); 27, 39 (1883); 31, 397 (1885). Völlige T r o c k e n h e i t des Phenolats ist Voraussetzung für das Gelingen des Versuchs. Die Zeiteinteilung erlaubt bequem, das in der Schale getrocknete Salz vor Ausführung der Synthese über Nacht im Vakuumexsiccator über Schwefelsäure und festem Ätzkali stehenzulassen. 2
Die Kolbeache Salicylsäuresynthese
217
nicht zu lebhaften Kohlensäurestromes die Temperatur allmählich auf 190°, so daß in jeder Stunde eine Temperaturerhöhung um etwa 20° eintritt, und erhitzt schließlich noch 1—2 Stunden auf 200°. Während dieser Operation rührt man den Retorteninhalt mehrere Male mit einem Glasstab um. Nach dem Erkalten gießt man den Retorteninhalt aus dem Tubus in ein großes Becherglas, spült mehrfach mit Wasser nach und fallt die Sqlicylsäure durch viel konzentrierte Salzsäure aus. Nachdem sie unter Eiskühlung kristallinisch geworden ist, saugt man ab, wäscht mit wenig Wasser und trocknet auf Ton. Wenn eine Probe der feuchten Säure sich aus heißem Wasser (unter Zugabe von Entfarbungskohle) direkt rein Umkristallisieren läßt, kann man das ganze Präparat auf diese Weise reinigen. Es ist aber auch dann anzuraten, das Rohprodukt mit überhitztem Wasserdampf zu destillieren, schon um die Methode kennenzulernen. Man erhitzt es zu diesem Zweck i n t r o c k n e m Zustande in einem kurzhalsigen Kölbchen, welches in einem ölbade auf 170° erwärmt wird, und leitet einen nicht zu lebhaften Wasserdampfstrom von 170—180° darüber (vgl. S. 27). Die Verbindung des Kolbens mit dem Dampfüberhitzer darf erst dann hergestellt werden, wenn Ölbad und Wasserdampf die angegebene Temperatur besitzen. Verbindungsrohr und Kühlrohr müssen besonders weit sein. Erhitzt man die aus dem Kühlrohr entfernte Säure mit dem in der Vorlage befindlichen wäßrigen Destillate bis zur Lösung, so kristallisiert beim Erkalten eine vollkommen farblose Säure in langen Nadeln aus. Schmelzpunkt 156°. Ausbeute 10—12 g. Die erste Phase der Kolbeschen Reaktion verläuft analog der aus der Fettreihe bekannten Synthese von Alkylcarbonaten aus Alkoholat und Kohlendioxyd: O H5C2 • ONa + C0 2
Q ~
0 N a
+ C02
> H 5 C 2 OC^ ONa
>f^r°°\0Na .
Das so gebildete Natrium-phenylcarbonat kann sich dann wohl in der Hitze umlagern unter Einwanderung der Carboxyl-Gruppe in den Kern
./^oc^0
ONa
/NOH
^JcOONa
Daneben bildet sich in untergeordneter Menge die p-Verbindung, bei Anwendung von Kaliumphenolat ist diese merkwürdigerweise das Hauptprodukt. Da bei der Kolbeschen Synthese, wie sie hier ausgeführt wurde, das primäre Salicylat teilweise mit unverändertem Phenolnatrium unter Bildung des sek. Salzes reagiert, wird ein Teü des Phenols frei und aus der Reaktion ausgeschaltet. Die vollständige Umsetzung gelingt, wenn man Phenolnatrium nach der Methode von S c h m i t t unter C02-Druck im Autoklaven längere Zeit auf etwa 150° erhitzt (technisches Verfahren).
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Phenole und Enole. Keto-Enol-Tautomerie
Bei m e h r w e r t i g e n Phenolen gelingt die Carbonsäuresynthese schon in w ä ß riger Lösung. o- und p - O x y c a r b o n s ä u r e n spalten beim Erhitzen aui nöhere Temperatur C0 2 ab, und zwar steigert sich die Leichtigkeit mit der Anzahl der OH-Gruppen (Darstellung von Pyrogallol aus G a l l u s s ä u r e ) . Wie wird m - O x y b e n z o e s ä u r e dargestellt? Reduktion der Salicylsäure zu Pimelinsäure (Einhorn).
Versuch: Eine wäßrige Lösung von Salicylsäure versetzt man mit einigen Tropfen Eisen(III)-chloridlösung. Man erhält die für Phenole charakteristische Farbreaktion. S a l i c y l s ä u r e wird in großen Mengen technisch gewonnen. Sie dient in der Farbstoffindustrie zur Darstellung wertvoller Azofarbstoffe, die, teilweise auf gebeizter Faser aufgefärbt, durch große Echtheit ausgezeichnet sind. Außerdem finden die Säure und ihre Derivate eine ausgedehnte pharmazeutische Verwendung. Als Phenolcarbonsäure wirkt sie stark desinfizierend (Konservierungsmittel). Daneben hat sie sich als wichtiges antirheumatisches Mittel und als Analgetikum bewährt. Besonders populär ist die am Phenolhydroxyl acetylierte Verbindung, das A s p i r i n , geworden. Das erste Medikament der Reihe war der als Nebenprodukt beim technischen Verfahren entstehende Phenylester der Salicylsäure, das Salol. Salicylaldehyd wurde oben präparativ dargestellt (S. 206). .CHsOH (1) Der Alkohol S a l i g e n i n C 6 H 4 \ ist im Glucosid Salicin in der Weide X O H (2) (salix) enthalten. m-Aminophenol ist unter besonders milden Bedingungen der Carboxylierung zugänglich. Die entstehende p-Amino-salicylsäure (PAS) hat neuerdings in der Tuberkulose-Therapie Beachtung gefunden.
5. Synthese eines yö-Ketonsäure-esters. Acetessigester 1 Für das sichere Gelingen dieses Präparates ist die Beschaffenheit des verwendeten Essigesters von großer Bedeutung, da vollkommen alkoholfreier Essigester selbst beim Erwärmen nur langsam von Natrium angegriffen wird, stark alkoholhaltiger zu Ausbeuteverminderung führt. Der Essigester des Handels wird von dem in ihm enthaltenen Alkohol mit Calciumchlorid befreit, über dem man die benötigte Menge (350 ccm) einen Tag aufbewahrt (100 g frisches, gekörntes Chlorcalcium). Kurz vor Gebrauch wird der Essigester unter Feuchtigkeitsausschluß destilliert. Man preßt 13 g von Krusten befreites Natrium durch die Natriumpresse in 125 ccm des vorbereiteten Essigesters, die sich in einem 500 ccmKolben befinden, und setzt sofort einen Rückflußkühler auf. Wurde der Essigester richtig behandelt, so darf er hierbei nicht sofort stürmisch aufsieden, vielmehr tritt erst allmählich Wasserstoffentwicklung und gelindes Sieden ein. Durch Heizung mit einem Ölbad hält man 2 Stunden bei gelindem Sieden. Man tauscht dann — auch wenn kleine Natriumreste noch ungelöst sind — den Rückflußkühler gegen eine Destillationsbrücke aus und destilliert den überschüssigen Essigester zusammen mit 1
H. S c h e i b l e r . A. 565, 176 (1949).
Synthese eines ß-Ketonsäure-eaters. Acetessigester
219
dem gebildeten Alkohol bei einer Ölbadtemperatur von 100° ab, zuletzt im Vakuum. Man hebt den Kolben aus dem Ölbad, läßt kurz erkalten, fügt zum trocknen Rückstand 65 ccm Essigester und kocht erneut eine halbe Stunde am Rückflußkühler. Dann wird wieder der alkoholhaltige Essigester abdestilliert und die ganze Behandlung noch zweimal mit je 65 ccm Essigester wiederholt. Zu dem Salzrückstand von Natracetessigester fügt man 50 g Eis und setzt nach und nach etwa 130 ccm 20-proz. Schwefelsäure (4-normal) zu, bis die Flüssigkeit eben sauer reagiert. Den sich abscheidenden Acetessigester trennt man im Scheidetrichter ab, wäscht mit 20 ccm 2 n-Sodalösung, dann mit etwas Wasser und trocknet mit wenig Chlorcalcium. Zur Reinigung wird der Acetessigester i. V. destilliert. Siedepunkt 71°/12,5 mm, 94°/45 mm. Ausbeute 50—57 g, entsprechend 82—90% der Theorie.
6. Acetylaceton1 In die Mischung von 120 ccm Essigester (wie zur Darstellung von Acetessigester gereinigt) und 32 ccm trocknen Acetons trägt man unter Kühlung im Kältegemisch 34 g fein gepulvertes Natriumamid2 — das unter Verschluß steht — nach und nach ein. Der Kolben trägt einen mit CaCl2-Rohr versehenen Kork- oder Gummistopfen. Es entwickelt sich alsbald kräftig Ammoniak. Nachdem alles Natriumamid eingetragen ist, läßt man unter häufigem Umschütteln noch 2 Stunden in Eiswasser und weitere 12 Stunden bei Raumtemperatur stehen, setzt dann etwa 100 g Eis und hernach ebensoviel kaltes Wasser zu, trennt die wäßrige Schicht von dem übrig gebliebenen Essigester und säuert bis eben zum Verschwinden der alkalischen Reaktion mit verd. Essigsäure an. Aus dieser Lösung wird das Acetylaceton mit gesättigter wäßriger Kupferacetatlösung als Kupfersalz gefallt. 40 g Kupferacetat werden, fein gepulvert, in der nötigen Menge siedenden Wassers gelöst. Wenn das Präparat basisches Salz enthält, fügt man kleine Mengen Essigsäure zu. Die Lösung verwendet man noch lauwarm, ehe das Salz wieder auskristallisiert. Das blaugraue Acetylaceton-Kupfer wird nach einigen Stunden scharf abgesaugt, zweimal mit Wasser gewaschen, von der Nutsche direkt in einen Scheidetrichter gebracht und in ihm unter Äther durch anhaltendes Schütteln mit 50 ccm 4n-Schwefelsäure zerlegt. Nach dem Abtrennen der Ätherlösung äthert man die saure Schicht nach, trocknet die vereinigten Auszüge mit Galciumchlorid und bringt das Diketon nach Wegdampfen des Äthers zur Destillation. Die Hauptmenge geht zuerst bei 1
L. Ciaisen, B. 38, 695 (1905). * Das Pulvern muß möglichst rasch, am besten in einem Metallmörser, ausgeführt werden (Schutzbrille!). Die Qualität des Natriumamids ist entscheidend für die Ausbeute.
220
Phenole und Enole. Keto-Enol-Tautomerie
125—140°, bei der Wiederholung der Destillation bei 135—140° über. Der Siedepunkt des ganz reinen Diketons liegt bei 139°. Ausbeute 15—20 g. Ein reines und auch haltbares Präparat gewinnt man durch Destillation der Substanz bei einem Unterdruck von etwa 50 mm. Ycrsuch: Die wäßrige Lösung von einigen Tropfen Acetylaceton versetzt man mit einem Tropfen Eisen(IIi)-chloridlösung. Charakteristische E n o l r e a k t i o n . Läßt man nun zu der mit Eis gekühlten Lösung ziemlich rasch verdünntes Bromwasser fließen, so verschwindet die rote Farbe des Eisenenolats für kurze Zeit, um dann rasch wiederzukehren. B e n z o y l a c e t o n C6H5 • CO • CH2 • CO • CHS wird auf analoge Weise nach der Vorschrift von Ciaisen, B. 38, 695 (1905) aus Acetophenon und Essigester dargestellt. Ausbeute bis zu 75% der Theorie. Auch der umgekehrte, billigere Weg der Umsetzung von Benzoesäureester mit Aceton, für den die Kondensation mit Natrium und Natriumäthylat versagt, führt bei Anwendung von Natriumamid zum Ziel. Allgemein ist Natriumamid bei der Synthese von 1,3-Diketonen vorzuziehen. 7. Malonsäure-diäthylester In einer geräumigen Porzellanschale werden 95 g (1 Mol) Monochlor essigsaure in 200 ccm Wasser gelöst und unter gelindem Erwärmen (auf 50°) mit festem, trocknem Kaliumcarbonat neutralisiert, wozu 75 g dieses Salzes erforderlich sind. Man fügt dann 55 g fein pulverisiertes, reines Natriumcyanid (oder 70 g KCN) hinzu und steigert unter gutem Umrühren die Temperatur sehr a l l m ä h l i c h durch Erwärmen auf einem Sandbad oder einem Asbestteller (alles unter dem Abzüge ausführen). Nachdem unter lebhaftem Aufsieden die Bildung der Gyanessigsäure vor sich gegangen ist, dampft man das Reaktionsgemisch unter Umrühren mit dem Thermometer auf einem Drahtnetz soweit ein, bis ein in die zähflüssige bräunliche Salzmasse eintauchendes Thermometer 135° zeigt. Man läßt dann erkalten, rührt jedoch auch während des Abkühlens noch mit einem Spatel um, da das Produkt sonst zu einer harten, kaum pulverisierbaren Masse zusammenbackt. Es wird dann schnell in einer großen Reibschale gut zerkleinert und in einem mit Rückflußkühler verbundenen Kolben von etwa 1 Liter Inhalt unter gutem Umschütteln zuerst mit 50 ccm absoluten Alkohols und dann mit der erkalteten Mischung von 200 ccm absoluten Alkohols und 150 ccm konz. Schwefelsäure allmählich versetzt. Man erwärmt nun die breiige Masse unter öfterem Umschütteln 2 Stunden auf einem Wasserbad (Abzug), kühlt dann gut ab und versetzt, wieder unter Umschütteln, mit 400 ccm Wasser. Nachdem man das ungelöste Salz an der Saugpumpe abgesaugt und auf dem Filter mehrmals mit Äther gewaschen
Malonsäure-diäthylester
221
h a t , schüttelt man das wäßrige Filtrat mit diesem und hernach noch zweimal mit neuem Äther tüchtig aus. Der gesamte Ätherauszug wird darauf mit einer konzentrierten wäßrigen Sodalösung solange durchgeschüttelt ( S c h e i d e t r i c h t e r h i e r b e i a n f a n g s d e r s t a r k e n G a s e n t w i c k l u n g w e g e n n i c h t v e r s c h l o s s e n ) , bis er nicht mehr sauer reagiert, und dann mit geglühtem Natriumsulfat getrocknet, worauf man nach dem Verdampfen des Äthers den zurückgebliebenen Malonester rektifiziert. Siedepunkt 195°. Ausbeute 90—100 g. Ä t h y l m a l o n e s t e r . I n einem mit gut wirkendem Rückflußkühler verbundenen kleinen Kolben löst man 4,6 g Natrium in 75 ccm absoluten Alkohols auf, versetzt die erkaltete Lösung allmählich mit 33 g Malonsäureester (Abscheidung von Natriummalonester) und fügt unter Umschütteln in kleinen Anteilen 25 g Äthylbromid oder 35 g Äthyljodid hinzu. Man erwärmt dann auf dem Wasserbad, bis die Flüssigkeit nicht mehr alkalisch reagiert, was nach ein- bis zweistündigem Erhitzen erreicht ist, destilliert den Alkohol im Vakuum aus einem Wasserbad von 40—50° a b und nimmt aus dem Rückstand den Ester mit Äther auf (2—3mal extrahieren). Nach dem Verdampfen des Äthers destilliert man das Rohprodukt. Siedepunkt 206—208°. Ausbeute rund 30 g. Ä t h y l m a l o n s ä u r e . Die erkaltete Lösung von 15 g Ätzkali in 12 ccm Wasser wird in einem kleinen, mit Rückflußkühler versehenen Rundkolben unter Umschütteln nach und nach mit 19 g Äthylmalonester versetzt. Die anfangs entstehende Emulsion erstarrt bald zu einer festen Masse von Kalium-äthylmalonester, und wenn man jetzt auf dem schwach siedenden Wasserbad mäßig erwärmt, setzt die Verseifungsreaktion unter starker Selbsterwärmung ein. Man setzt das Erhitzen noch solange fort, bis die ölschicht verschwunden ist, läßt erkalten, schüttelt das — häufig kristallisierende — Reaktionsgemisch im Kolben zur Entfernung von etwa nicht verseiften Esterresten zweimal mit Äther durch (Gummistopfen aufsetzen!), den man einfach abgießt. Dann säuert man unter Eiskühlung mit Salzsäure (26 ccm konz., D. 1,18, -f- 25 ccm Wasser) an (Kongopapier!) und schüttelt die Lösung im Scheidetrichter fünfmal mit je 25 ccm Äther aus, den man mit Natriumsulfat trocknet. Nach dem Verdampfen des Äthers bringt man den Rückstand durch Abkühlen und Reiben zur Kristallisation. Man kann die Äthylmalonsäure aus Benzol Umkristallisieren (Probe), zur Überführung in Buttersäure ist dies nicht erforderlich. Schmelzpunkt 111°. Ausbeute 12 g. B u t t e r s ä u r e a u s Ä t h y l m a l o n s ä u r e . Die Äthylmalonsäure wird in einem kleinen Fraktionierkolben, dessen möglichst langes Kondensationsrohr schräg nach oben gestellt ist, während das Thermometerrohr verkorkt ist, in einem ölbade solange auf 180° erhitzt, bis sich keine Kohlensäure mehr entwickelt, was nach % Stunde erreicht ist. Den Rückstand unterwirft man dann aus dem gleichen Kolben in üblicher Weise der Destillation, wobei die Buttersäure zwischen 162—163° übergeht. Ausbeute 80—90% der Theorie.
Phenole und Enole. Keto-Enol-Tautomerie
222
Durch Umsetzung von Natriummalonester mit der äquivalenten Menge (genau 1 Mol) B e n z y l c h l o r i d gelangt man in analoger Weise zum B e n z y l m a l o n e s t e r und schließlich zur H y d r o z i m t s ä u r e . 8. Phenylnitromethan 1 a)
aci-Phenyl-nitroacetonitril-natrium C6H6 • C • CN
II
NOONa
8 g Natrium werden in 120 ccm absolut. Alkohol in einem Rundkolben von 500 ccm Inhalt gelöst. In diese Lösung läßt man, unbeschadet einer Abscheidung von Äthylat, unter Wasserkühlung das Gemisch von 36 g Benzyhyanid (S. 125) und 32 g Äthylnitrat (S. 134) nach und nach einlaufen. Das in der Überschrift formulierte Salz scheidet sich allmählich in kaum gefärbten Kristallen ab; man läßt zur Beendigung der Reaktion noch eine Stunde ohne Kühlung, aber unter Ausschluß von Wasser stehen, saugt dann ab und wäscht den Salzniederschlag zuerst mit Alkohol-Äther (1:1), dann mit Äther allein. Ausbeute 40—45 g. Eine Probe des Salzes gibt in alkoholischer Lösung mit Eisen(JH)chlorid eine intensive olivgrüne Farbreaktion. b) V e r s e i f u n g zu aci - P h e n y l n i t r o m e t h a n - n a t r i u m Das erhaltene Natriumsalz (etwa 40 g) wird im offenen Rundkolben auf dem Babotrichter mit 600 ccm 2 n-Natronlauge zu gelindem Sieden gebracht. Die Lösung konzentriert sich allmählich und es entwickeln sich große Mengen von Ammoniak. Wenn die NH 3 -Entwicklung aufgehört hat, ist die Spaltung beendet. Häufig beginnt das in überschüssiger Lauge schwer lösliche Natriumsalz des aci-Phenylnitromethans schon in. der Hitze auszukristallisieren. Wenn dies vor Beendigung des Prozesses eintritt, setzt man bis zur Lösung heißes Wasser zu und kocht weiter, bis sich kein Ammoniakmehr verflüchtigt. Dann läßt man erkalten, und säuert u n t e r g u t e r E i s k ü h l u n g und stetem Umschütteln mit etwa 220 ccm starker Salzsäure (110 ccm konz. 110 ccm Wasser) an. bis zur deutlichen Kongoreaktion und vollständigen Ausfallung des in. Flocken herauskommenden aci-Nitrokörpers. Es entweicht massenhaft Kohlendioxyd. Das Reaktionsgemisch bleibt nun über Nacht stehen, damit die empfindliche aci-Verbindung Zeit hat, sich in das stabile Phenylnitromethan umzulagern. Am anderen Morgen äthert man erschöpfend aus, schüttelt die Ätherlösung mit Sodalösung durch, dampft den Äther, ohne ihn zu trocknen, ab und treibt den Rückstand mit Wasserdampf über. Das Destillat wird wiederum in Äther aufgenommen, dieser mit Calciumchlorid getrocknet und der Inhalt der Lösung nach 1
W. W i s l i c e n u s u. A. Endres, B.36, 1757 (1902).
Phenylnitromethan
223
dem Abdampfen des Äthers auf dem Wasserbad im Vakuum destilliert. Das Phenylnitromethan geht unter 16 mm Druck bei 118—119° als hellgelbes Öl über. Ausbeute 14—18 g, durchschnittlich 50% der Theorie. Über Keto-Enol-Tautomerie Die einfachen Aldehyde und Ketone sind uns als freie Verbindungen und in ihren Reaktionen im allgemeinen nur in der Aldo- und Ketoform bekannt. E r l e n m e y e r hat die Regel aufgestellt, daß die isomere Struktur des Enols, wie sie z. B. bei der Bildung von Acetaldehyd aus Glykol zuerst auftreten sollte: CHa—CH2 I I OH OH
^
^
CH 2 =CH I OH
in keinem Fall existenzfähig sei. Diese Regel hat sich, namentlich unter der Wirkung der Arbeiten von C i a i s e n , als irrtümlich erwiesen. Wir wissen heute, daß schon einfache Aldehyde und Ketone eine nachweisbare Neigung zeigen, unter Wanderung eines H-Atoms und gleichzeitiger Verschiebung der Doppelbindung sich zu „ e n o l i sieren". So hat man feststellen können, daß bei der B r o m i e r u n g des A c e t o n s , die sich als monomolekulare Reaktion erwiesen hat, nicht die normale Ketoform in Reaktion tritt, sondern die tautomere E n o l f o r m , die in unmeßbar geringer Konzentration im Gleichgewicht — die Einstellung erfährt durch Wasserstoffionen eine starke Beschleunigung — vorhanden ist und sich nach der Umsetzung alsbald wieder nachbildet. Der monomolekulare Charakter der Reaktion ergibt sich daraus, daß der zeitliche Verlauf dieser Umlagerung (I) gemessen wird, während die Reaktion des Enols mit Brom (II) mit unmeßbar großer Geschwindigkeit vor sich geht (Lapworth). Wir haben also die Gleichungen: CH 3 -CO-CH 3
y CH3.C=CHa I
CH3 • CBr—CH 2 Br
OH II CH 3 • CO • CH 2 Br
OH
Es sei hier erwähnt, daß Aceton und auch Acetaldehyd bei Ausschluß von Wasser durch metallisches Natrium (unter Wasserstoffentwicklung), oder besser durch Natriumamid in die sehr reaktionsfähigen „ E n o l a t e " , z . B . : CH 2 =C—CH 3 ÖNa umgewandelt werden. Die Beweglichkeit eines an dem der C=0-Gruppe benachbarten C-Atom haftenden Wasserstoffatoms, die die Voraussetzung für den Übergang in die Enolform bildet, wächst nun, wenn an diesem selben C-Atom noch weitere a k t i v i e r e n d e , das sind im allgemeinen u n g e s ä t t i g t e Gruppen haften. Dieser Fall liegt vor im A c e t e s s i g e s t e r , in dem die Gruppe —COOR diesen Einfluß ausübt. Der M e c h a n i s m u s d e r A c e t e s s i g e s t e r - B i l d u n g . Ehe die Tautomerieverhältnisse beim Acetessigester besprochen 'werden, ist der Mechanismus seiner Bildungsreaktion kurz zu erörtern, der jahrzehntelang eifrig diskutiert wurde. Das der Reaktion zugrundeliegende Prinzip ist wohl das der A l d o l - K o n d e n s a t i o n
Phenole und Enole. Keto-Enol-Tautomsrie
224
Wie sich dabei eine reaktive Methylgruppe an Carbonyl anlagert, so wird auch im Falle des Essigesters grundsätzlich eine Anlagerung im Sinne der Gleichung OR
OR
RO2C—CH3 + C—CH3
• R02C—CH2—¿—CH3
O
¿H
zu diskutieren sein. Allerdings verlangt hier die gegenüber Aldehyden und Ketonen stark verminderte Reaktionsfähigkeit von Carbonyl wie Methyl die Beteiligung von Alkalimetall, das den Ester unter Wasserstoffentwicklung in ein E n o l a t von Salzcharakter, z. B. RO- _
.
¿Na
überführen kann. Das Enolat-Anion ist ein typisches Beispiel einer großen Zahl von Molekeln — die aromatischen Verbindungen gehören auch hierher —, die nicht mit einer Strukturformel eindeutig wiederzugeben sind. Die eingrenzenden Formelbilder unterscheiden sich dabei nicht wie im Falle der Tautomerie in der Lage der Atomkerne, sondern nur in der Lag 3 der Bindungselektronen. Der sich einstellende Zwischenzustand wird mit dem Begriff „Mesomerie" gekennzeichnet; näheres S. 380. Die mesomeren „Grenzformeln" des Enolations sind n(-) H2c=C/ 2
N
OR
(~> /O H2C-C^ OR
«—-
Der Mechanismus der Acetessigester-Synthese ergibt sich als Reaktion des Enolations mit einer Molekel Essigester gemäß ) R • CO • C H = N ÖNa
>• R • CO • CH2 • N • OC2H5 ÖNa + HOC2H6
Die Kondensation der Alkylnitrite und -nitrate ist allerdings nicht so allgemein durchführbar, wie die eigentliche Acetessigesterreaktion. Die oben aufgeführte Synthese des o c t - N i t r o b e n z y l c y a n i d n a t r i u m s bildet ein präparatives Beispiel für diese Reaktion. Die CH2-Gruppe des Benzylcyanids ist durch die Nachbarschaft von C,H 5 und CN „reaktiv" geworden. Die K o n s t i t u t i o n d e r j S - K e t o c a r b o n s ä u r e e s t e r u n d der /8-Diketone 1 , Wir wählen als Beispiel den A c e t e s s i g e s t e r . Er reagiert mit Phenylhydrazin 1 Eine ausführliche Darstellung dieses wichtigen Gebiets der organischen Chemie findet man in der Monographie: H. H e n e c k a , Chemie der ß-Diearbonyl-Verbindungen. Springer-Verlag 1950.
15
G a t t e r m a n n , Praxis des organ. Chemikers. 35.Aufl.
226
Phenole und Enole. Keto-Enol-Tautomerie
Bisulfit und anderen Ketonreagenzien wie ein Keton; auf der andern Seite zeigt er saure Reaktion, löst sich in Alkalien und gibt mit Ferrichlorid die auch f ü r die Phenole charakteristische Farbreaktion der Enole. Aus diesem zwiespältigen Verhalten zog man früher den Schluß, daß er entweder reines Keton oder reines Enol und daß die andersartige Reaktionsweise auf eine Umlagerung durch das Reagens zurückzuführen sei. Erst die quantitative Erforschung der Strukturverhältnisse hat den wahren Sachverhalt klargelegt (K. H. M e y e r , L. K n o r r 1911). Acetessigester nimmt in der Kälte eine b e g r e n z t e Menge Brom auf, eine Reaktion, die, wie oben beim Aceton erörtert, nur der Enolform zukommt. Man kann daher unter geeigneten Bedingungen mit einer eingestellten Bromlösung die im Acetessigester enthaltene Enolmenge quantitativ erfassen. Eine dermaßen austitrierte Lösung verbraucht nach kurzer Zeit erneut Brom, d. h. es hat sich dann in ihr frisches Enol nachgebildet. Daraus geht hervor, daß sich in einer Lösung von Acetessigester K e t o - und E n o l f o r m im g e g e n s e i t i g e n G l e i c h g e w i c h t befinden. Die Einstellung dieses Gleichgewichts erfolgt unter den Arbeitsbedingungen der Bromtitration so langsam, daß die Genauigkeit der Methode nicht merkbar gestört wird. Versuch: Man löse etwa y 2 ccm Acetessigester unter Schütteln in der nötigen Menge Wasser, füge einige Tropfen Eisenchloridlösung hinzu und lasse nun in der K ä l t e aus einem Tropfrohr solange verdünntes Bromwasser ( 1 : 10) ziemlich rasch zutropfen, bis die rote Färbung des Ferri-enolats verschwunden ist. D a s Enol ist jetzt v o m Brom vollständig aufgebraucht; da es sich aber zur Herstellung des Gleichgewichts wieder v o n neuem bildet, so tritt nach kurzer Zeit die Färbung erneut auf und kann alsbald durch einige Tropfen Brom wieder z u m Verschwinden gebracht werden. D a s Spiel läßt sich solange wiederholen, bis aller Acetessigester in Bromaeetessigester umgewandelt ist. Dieser Versuch erlaubt die subjektive Wahrnehmung der Keto-Enolumlagerung. Das Verhältnis, in dem Keto- und Enolform sich im Gleichgewicht befinden, ist in hohem Maße von der N a t u r d e s L ö s u n g s m i t t e l s abhängig. Die nachstehende Tabelle gibt f ü r den Acetessigester darüber Auskunft: Lösungsmittel Wasser Äthylalkohol Eisessig Benzol Petroläther
°/0 E n o l 0,4 12,0 5,7 16,2 46,4
Zwischen der Beteiligung tautomerer Stoffe am Gleichgewicht und ihrer Löslichkeit im betreffenden Lösungsmittel bestehen wichtige Beziehungen, die sich allgemein durch die einfache Formel: £a = ^ag H Lb ausdrücken lassen (van't H o f f , D i m r o t h ) . c sind die Konzentrationen, L die Löslichkeiten der beiden Isomeren a und b, 0 ist eine vom Lösungsmittel unabhängige Konstante. Auf den Fall des Acetessigesters übertragen, wird also im Hinblick auf die Tabelle der Ketoester in Wasser, der Enolester in Petroläther leichter löslich sein, was mit den Tatsachen übereinstimmt. Der flüssige Acetessigester besteht zu 92,5% aus Keton und zu 7,5% aus Enol. Das frisch destillierte Präparat ist erheblich enolreicher, da der Enolester wegen seines tieferen Siedepunktes vorher absiedet und in der Flüssigkeit wieder nachgebildet wird.
Ketö-Enol-Tautomerie
227
Versuch: Man löst 2,5 g Acetessigester in 20 ccm n-Lauge, kühlt in Eis auf 0° ab und fügt unter Umschütteln 20 ccm gekühlte n-Salzsäure auf einmal hinzu. Es bildet sich eine milchig getrübte Lösung, die jedoch schon nach wenigen Sekunden klar wird. Das in Wasser schwerer lösliche Enol ist anfangs zur Ausscheidung gekommen, hat sich aber, wie es die Gleichgewichtslage im Wasser verlangt, sehr rasch und fast vollständig in das leichter lösliche K e t o n umgelagert. Die „ B r o m m e t h o d e " von K. H. Meyer 1 erlaubt in fast allen Fällen den Enolgehalt in Lösungen tautomerer Substanzen zu bestimmen. Auf verschiedenen Wegen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, ist es gelungen, K e t o - und E n o l a c e t e s s i g e s t e r , beide in reinem Zustand, darzustellen ( K n o r r , K. H. Meyer). Ihre physikalischen Konstanten sind durchaus verschieden, so beispielsweise der Brechungsexponent, der f ü r den Ketoester n " = 1,4225, f ü r den Enolester 1,4480 beträgt. Durch Bestimmung der Brechungsexponenten von Gleichgewichtsgemischen läßt sich durch Interpolation der Gehalt an beiden Formen berechnen ( K n o r r 1911). Auch auf spektroskopischem Wege sind damit übereinstimmende Ergebnisse erhalten worden ( H a n t z s c h 1910). Ob die beiden Formen einer tautomeren Substanz, jede f ü r sich, in freiem Zustand isolierbar sind, hängt in erster Linie von der Umlagerungsgeschwindigkeit der labileren ab. Beim unsymmetrischen D i b e n z o y l a c e t o n hat man zuerst Ketosowie Enolverbindung in haltbarer, kristallisierter Form zu isolieren vermocht (Ciaisen 1896): (C,H 6 CO) 2 : CH • CO • CH3 und (C„H5CO)2: C=C—CH S . OH Der Begriff der Tautomerie hat sich für derartige, lediglich durch den Erfolg der Experimentierkunst herausgehobene Fälle, zu dem der „ D e s m o t r o p i e " umgestaltet. Zahlreiche Beispiele von desmotropen Substanzen, die demnach nur in prägnanterer Gestalt ihre Tautomerieverhältnisse zum Ausdruck bringen, sind mittlerweile bekannt geworden; zu ihnen gehört auch der Acetessigester. Ganz ähnliche Verhältnisse liegen beim A c e t y l a c e t o n vor, nur ist hier die Enolform viel mehr begünstigt. Das flüssige Präparat besteht zu 80 °/ 0 aus Enol. Im B e n z o y l - a c e t y l a c e t o n tritt das Enolisationsbestreben so stark hervor, daß dieser Stoff überhaupt nur als Enol existiert. Die Ketoform ist unbekannt. C8H6 • CO • C = C -CH 3 I I H 3 C • CO OH Ebensowenig wie hier kann beim P h e n o l von einer eigentlichen Tautomerie die Rede sein. Das Phenol schließt sich in seinem chemischen Verhalten in jeder Hinsicht den aliphatischen Enolen an. Wir erinnern nur an die Übereinstimmung im Säurecharakter, in der Farbreaktion mit Eisenchlorid, ferner an die gleichlaufenden, durch die Aktivität der Doppelbindung verursachten Reaktionen mit Halogen, mit salpetriger Säure, mit aromatischen Diazoverbindungen (Kuppelung). Die „Enolnatur" des Phenols bildet einen schönen Beleg f ü r unsere Auffassung von der Konstitution des Benzols, indem sie das Bestreben des Ringes zum Ausdruck bringt, den energieärmsten „aromatischen" Zustand aufrechtzuerhalten. Polyphenole, etwa das Phloroglucin, vermögen auch in der tautomeren Ketonformel zu reagieren (Oxim- und Hydrazonbildung). 1
A. 380, 212 (1911).
228
Phenole und Enole, Keto-Enol-Tautomerie
Mit der Tautomeric der Ketone und Aldehyde ist die der a l i p h a t i s c h e n N i t r o v e r b i n d u n g e n aufs engste verwandt. Auch hier steht einer neutralen Form eine solche mit Säurenatur, die sog. act-Form, gegenüber (Hantzsch):
—C=0 I —C—H I Keton —C—OH
II —c I Enol
0N=0
I —C—H I eehtcr Nitrokörper ON—OH
II —C I aci-Nitrokörper
In bezug auf die Eigenschaften, die Umlagerungserscheinungen und die Reaktionsverhältnisse kann einfach auf das über die Keto-Enol-Tautomerie Gesagte verwiesen werden. Die Brommethode hat auch hier die Gleichgewichte quantitativ zu erfassen erlaubt. Das zuerst bekannt gewordene, wichtigste Beispiel der Desmotropie liegt beim P h e n y l n i t r o m e t h a n vor, das als stabiler neutraler Nitrokörper (öl) und als labile kristallisierte aet-Nitroverbindung existiert (Hantzsch). C6H6 • CH2 • NO s und C8H6 • CH=NOOH.
Versuch: Man schüttelt etwa 2—3 g Phenylnitromethan mit 15 ccm 2 n-Natronlauge in einem weiten Reagenzglas. Der neutrale Nitrokörper wird in der Kälte infolge seiner geringen Löslichkeit in Wasser nur ganz langsam umgelagert, d. h. gelöst. (In alkoholischer Lösung verläuft die Salzbildung sehr rasch.) Durch Erhitzen bringt man das öl in kurzer Zeit zur Lösung. Ist dies geschehen, so kühlt man ab, fügt zu der alkalischen Lösung in einem kleinen Becherglas einige Stückchen Eis und versetzt auf einmal mit 20 ccm 2 n-Schwefelsäure. Dasfreie aci-Phenylnitromethan scheidet sich in farblosen kristallinischen Flocken aus, die man sofort absaugt, mit Wasser wäscht und auf Ton abpreßt. Bei raschem Arbeiten kann man einen Teil des Präparates aus Leichtbenzin (unter Zugabe von einigen Körnchen Calciumchlorid) Umkristallisieren. Eine kleine Probe löst man in wenig Alkohol und fügt einen Tropfen FeClaLösung hinzu. Eine zweite, größere versetzt man unter Kühlung mit einigen Tropfen kalter alkoholischer Bromlösung; das Brom wird entfärbt. Die gleichen Reaktionen verlaufen bei dem als Präparat dargestellten Phenylnitromethan negativ. Den Rest der oci-Nitroverbindung läßt man, in Alkohol gelöst, über Nacht stehen. Die Lösung nimmt jetzt weder Brom auf, noch zeigt sie die Farbreaktion mit Eiamchlorid. Wenn man einige Körnchen auf einem Uhrglas gelassen hat, findet man sie am anderen Tag in ein öl umgewandelt. Wie man sieht, ist die oci-Form des Phenylnitromethans nur wegen ihrer kleinen Umlagerungsgeschwindigkeit vorübergehend faßbar; im Gleichgewicht hat sie keinen Bestand.
Acetessigester- und Malonester-Synthesen
229
Die Anwendung von Acetessigester und Malonester für Synthesen Der freie Malonester besitzt die Konstitution, die der üblichen Formel entspricht; .OR f ü r die Existenz einer Enolform ROOC—CH—C- CH3—C—CH—COOR + H a i « I! I O R
Den gleichen Verlauf nimmt die Reaktion mit Säurechloriden. Dagegen führt die Umsetzung des Acetessigesters mit Säurechloriden in P y r i d i n zu den O - A c y l d e r i v a t e n , während die O - A l k y l d e r i v a t e nur auf dem Umweg über die Acetale (S. 127) unter Abspaltung von Alkohol gewonnen werden können (Ciaisen). HSC • C • CHa • COOR HjCO^^OCHj
> H 3 C • C = C H • COOR + HOCH 3 . ¿CH 3
O-Alkyl- und -Acylverbindungen werden unter den Bedingungen, unter denen die C-Isomeren, wie oben beschrieben, dargestellt werden, nicht zu diesen umgelagert (vgl. dazu S. 213). Dagegen erfolgt dieser Übergang, wenigstens bei den O-Acylderivaten, unter der katalytischen Wirkung von festem Kaliumcarbonat in indifferenten Lösungsmitteln (Ciaisen), z . B . : H3C • C = C H • COOR I O • CO • CH 3
• H 3 C • CO • CH-COOR I CO • CH s
Die am Kohlenstoff einfach alkylierten oder acylierten Acetessigester und Malonester lassen nun, da sie nochmals der Salzbildung fähig sind, eine zweite Alkylierung oder Acylierung am gleichen Kohlenstoffatom zu. In der Verwendimg der einzuführenden Gruppen besteht f ü r beide Stufen die größte Mannigfaltigkeit; mit allem Material, das reaktionsfähiges Halogen enthält, also nicht nur mit halogenierten Kohlenwasserstoffen und Säurechloriden, kann die Synthese erfolgen. Die Heranziehung von Dihalogenparaffinen hat die Reaktion auch zur Synthese von einfachen Kohlenstoffringen nutzbar gemacht (W. H. P e r k i n ) , z. B.:
230
Phenole und Enole. Keto-Enol-Tautomerie
ROOC—CH—C—OR + BrCH2 • CH2 • CH 2 Br Na || 0
• ROOC—CH • COOR -f NaBr I CH2—CH2 • CH 2 Br COOR
• ROOO-^C—COOR
>• ROOC—i
CH2—CH2—CH2Br
CH2 + NaBr
CHj—CH 2
Cyclobutandicarbonsäureester
Aus der Möglichkeit, die so aufgebauten Produkte mit leichten Mitteln zu einfacheren Verbindungen abzubauen, ergibt sich ein weiterer wichtiger Vorteil der Aoetessigester- und Malonestersynthese. Dem Verhalten der Malonsäure, im Schmelzen C0 2 abzugeben und in Essigsäure überzugehen, entnehmen wir, daß ein Kohlenstoffatom nicht die Kraft hat, zwei Carboxylgruppen fest zu binden. Diese Eigenschaft besitzen nun auch alle s u b s t i t u i e r t e n Malonsäuren, die wir durch Verseifung der erhaltenen Ester ohne weiteres gewinnen können. Dadurch wird das Ergebnis der Synthese in willkommener Weise vereinfacht. Beispiel: Die Synthese mit I s o p r o p y l b r o m i d liefert I s o v a l e r i a n s ä u r e . Eine weitere Vereinfachung des Reaktionsprodukts besteht in der Abspaltung der z w e i t e n Carboxylgruppe (Darstellung von C y c l o b u t a n aus dem oben formulierten Dicarbonsäureester). Im Aoetessigester steht die Methylengruppe mit —CO • CH 3 und —COOR in Bindung. Die f r e i e Acetessigsäure ist noch bedeutend weniger beständig als Malonsäure und zerfällt schon beim Erwärmen in Lösung in grundsätzlich gleicher Weise wie diese, nämlich in A c e t o n und C0 2 . Da alle durch Synthese gewonnenen Derivate des Acetessigesters dasselbe Verhalten zeigen, daß nämlich die durch Verseifung mit wäßrigen Mineralsäuren entstehenden Acetessigsäuren in der Hitze spontan unter C0 2 -Verlust zerfallen, so sind durch diese Art der Spaltung, die man als K e t o n s p a l t u n g bezeichnet, alle möglichen Abkömmlinge des Acetons der Synthese zugänglich, z. B.: CH3— CO—CH— COOR + C1 • CH2—COOR •
> H3C • CO • CH • COOR
CH 2 -COOR CH3 • CO • CH2 • CH2 • COOH + C0 2 + 2 ROH
Lävulinsäure
Durch starkes Alkali wird die Molekel der durch Verseifung aus dem Ester ent* stehenden Acetessigsäure nicht an der Carboxylgruppe durchbrochen, sondern der Rest —CO • CH3 wird hydrolytisch abgesprengt, und es entstehen 2 Molekeln E s s i g s ä u r e . Diese „ S ä u r e s p a l t u n g " bringt eine neue Variation in das Gesamtbild der Synthesen, deren praktische Bedeutung am gleichen Beispiel, am Kondensationsprodukt von Aoetessigester mit Chloressigester zur Anschauung gebracht werde: H3C • CO • CH • COOR H3C • COOH + H 2 C • COOH | | + 2 ROH
ch2-coor
h 2 c-cooh Bernsteinsäure
Eine andere Art des Aufbaues vom Aoetessigester aus stellt die Verknüpfung zweier Molekeln zum D i a c e t b e r n s t e i n s ä u r e e s t e r dar, die bei der Einwirkung von Jod auf Natracetessigester eintritt:
Acetessigester- und Malonester- Synthesen COOR I CH 2 II +j C—ONa
231
COOR COOR I I HC CH I I +2NaJ CO CO
2
CH3 CH3 CH3 Auch hier finden wir, ähnlich wie bei der Alkylierung, daß sich Kohlenstoff an Kohlenstoff bindet. Über die interessanten Isomerieverhältnisse beim DiacetbernBteinsäureester (L. K n o r r ) unterrichte man sich aus der Literatur. D e h y d r a c e t s ä u r e entsteht aus Acetessigester durch intermolekulare Kondensation (Formulieren!). Beim Kochen mit Säuren wird der Lactonring aufgespalten unter Bildung einer Triketocarbonsäure, die C0 2 und H a O verliert und so in D i m e t h y l p y r o n übergeht. H3(^CO CO-CH3 _ € 0 i H3C—C CO ¿H—( 2 HC CH—COCH3 " HC CH \ c / CO \ c / 0
ö
Der P y r o n r i n g , der auf biologischem Wege auch von den Zuckern aus geschlossen wird (Kojisäure), ist von großer Bedeutung, weil der Äthersauerstoff in ihm besonders deutlich als Träger basischer Eigenschaften erkannt worden ist (Collie und Tickle). Gleich dem 3-wertigen Stickstoff vermag er Säuren unter Bildung von Salzen anzulagern, die entsprechend den Ammoniumsalzen als Oxon i u m s a l z e bezeichnet werden. Diese Eigenschaft des Sauerstoffs findet sich in zahlreichen organischen Verbindungen. So hat man in der Lösung von Äthern in konzentrierter Schwefelsäure auch Oxoniumsulfate anzunehmen, die durch Wasser hydrolytisch zersetzt werden. Für die Pyroxoniumsalze hat B a e y e r die nachstehende Formel dadurch wahrscheinlich gemacht, daß er das tertiäre Salz, das durch Anlagerung von Methyljodid an Dimethylpyron entsteht, mit Ammoniak in das in p-Stellung methoxylierte Pyridinderivat überführen konnte. Ol« J „„
„„ CH3N^/0^/CH3 C H ^ . O ^ C H , C H j v ^ ^ N . S •CH, 2 NHa -H.0 ü ' + NH 4 J OCH,
Jodmethylat
2,6-Dimeihyl4-methoxypyrldjn
Tertiäre Oxoniumsalze, die sich vom Benzopyranol (Chromanol) ableiten liegen in den A n t h o c y a n e n , den roten und blauen Farbstoffen zahlreicher Blüten und Früchte vor (R. W i l l s t ä t t e r , P. K a r r e r , R. Robinson). (+) Gl«
^ Y ° \ c h Aw
•BS
\ o h
Benzopyranol
HC1
^ V ° \
— ^
c h 11
+ H20
c h
Benzopyryliumchlorid
232
Die Diazoverbindungen
Die Anthocyane sind G l y k o s i d e von mehrwertigen Phenolen und Phenoläthern, die am Pyranring durch OH und Phenyl substituiert sind. Sie lassen sich auf drei Typen der zuckerfreien A n t h o c y a n i d i n e zurückführen. C1 o HOr^f^ ^C ii
C0H \
kA y OH
C1 o K ö / ^ / \ c
,
ii C0H
kA /
/
CH
OH
Pelargonldinchlorld
/ \
CH
-
n w
>OH /
*
Cyanidinchlorid
D e l p h i n i d i n c h l o r i d enthält in der bezeichneten Stellung eine weitere OHGruppe. Man unterrichte sich über die pflanzenphysiologisch wichtigen Beziehungen zwischen C y a n i d i n , Q u e r c e t i n , C a t e c h i n und L u t e o l i n .
VII. Die Diazoverbindungen Allgemeines Wohl die wichtigste Reaktion der Stickstoff-Wasserstoffverbindungen, d. h. des Ammoniaks und aller seiner Derivate, die noch Waaserstoff am Stickstoff gebunden enthalten, ist die Umsetzung mit s a l p e t r i g e r Säure. Die vielfältigen Erscheinungen, die dabei auftreten, sind von einem allgemeinen Gesichtspunkt aus zu betrachten. Nächst der Salzbildung, die ja beim Ammoniak selbst und bei den aliphatischen Aminen in normaler Weise erfolgt, spielt die reaktionsfähige Doppelbindung N—0 in der salpetrigen Säure eine ausschlaggebende Rolle. Am einfachsten liegt der Fall bei den s e k u n d ä r e n Aminen. Dimethylamin bildet zuerst Dimethylammoniumnitrit, bei erhöhter Temperatur lagert sich Dimethylamin intramolekular an die Doppelbindung der salpetrigen Säure und unter Wasserabspaltung erfolgt Nitrosierung zum N i t r o s a m i n . (CH3)2NH + HN0 2 • (CH3)2N—N—OH
-
(CH3)2NH2 • NOj (CH3)2N • NO + H 2 0
¿H Dieser Vorgang entspricht vollkommen dem einer Acylierung, z. B. dem der Bildung des Acetylderivats aus dem Ammoniumacetat. Nur braucht die Reaktion wegen der geringeren Reaktionsfähigkeit der C=0-Doppelbindung in der Essigsäure höhere Temperatur. OH I (CH3)2NH + 0=C—CH 3
OH I —(CH3)2N—C—CH3 I OH
(CH3)2N—C—CH3 + H a O o Dlmethylacetamid
Die große Veresterungsgeschwindigkeit der salpetrigen Säure, hinter der die alle andern Säuren zurückbleibt, ist wohl auf die gleiche Ursache zurückzuführen (S. 133).
233
Allgemeines CH3 • CH2OH + 0=N—OH —H,0
-0—N=0
HO^
N—OH
Äthylnitrit
Übertragen wir diese Vorstellungen auf die Reaktion des Ammoniaks, so ist einleuchtend, daB das in der Hitze entstehende Reaktionsprodukt in Stickstoff und Wasser zerfallen muß: H0V H 3 N + 0=N—OH >N—OH N = N + 2 H20 LH,SK Grundsätzlich das gleiche gilt für primäres aliphatisches Amin. OH R • NHa + 0=N—OH (R • NH—N—OH) > (R • N=NOH) N = N + R • OH Vom zweiten eingeklammerten Zwischenprodukt, dessen Salze bekannt sind, wissen wir, daß es unter den Bedingungen seiner Entstehung in Stickstoff und Alkohol zerfallen muß. Bei den einfachen primären Aminen der Fettreihe ist ein Diazokörper nicht isolierbar, weil die Reaktion, die ihn entstehen läßt, erst bei einer Temperatur zustandekommt, die ihn zerstört. — Die Reaktionsfähigkeit der NH2-Gruppe kann aber durch eine nachbarständige Carbonylgruppe gesteigert werden. Wir kommen zum Fall der a-Aminocarbonsäureester und a-Aminoke tone. Glykokollester läßt sich schon in der Kälte diazotieren. Der Diazokörper zerfällt hier nicht, sondern unterliegt einer anderen Folgereaktion, der Stabilisierung unter H 2 0Abspaltung zum Diazoessigester: R O C • CH2 • NH2 + 0=N—OH II O —H,0
RO— C— CHj—N=N—OH II O
fRO
• c CH2
—H,0
II O
• NH \N—OH H0/
(-) (+) RO • C • CH—N=N O
Diazo-esslgester
Das Unerwartete bei der Reaktion der primären aromatischen Amine mit salpetriger Säure besteht nun darin, daß der bei tiefer Temperatur zweifellos nach dem bisher gebrauchten Schema entstehende Diazokörper unter der Wirkung der in der Reaktionslösung vorhandenen Säure zu einer Base umgelagert wird, deren Salz, das Diazoniumsalz, wir als Diazotierungsprodukt erhalten. (Peter G r i e s s 1858). C.H.NH, + 0 = N • OH -—-> C,H 5 -N=NOH 5 S L , C,H, • N ^ N + H.0 CK") Hier treffen wir auf eine Sondereigenschaft der aromatischen Verbindungen. Diazoniumsalze sind in der Fettreihe nicht bekannt, weil der Typus des Anilins —C=C— nicht existenzfähig ist. NH2 Es ist nicht ausgeschlossen, daß Glykokollester auf Grund einer tautomeren Umlagerung ROC—CH2 ROC=CH I I II I O NH, OH NH„
234
Aliphatische Diazoverbindungen
so leicht diazotiert wird. Aber auch dann bleibt in dem Fehlen basischer Eigenschaften bei den aliphatischen Diazokörpern der grundlegende Unterschied zwischen beiden Reihen bestehen. Daß der aromatische Kern, nicht aber Alkyl, den an ihn gebundenen Stickstoff einer Diazogruppe zum Träger stark basischer Eigenschaften umbilden kann, macht erst die moderne Mesomerielehre verständlich. Die Fähigkeit des Kerns, im Zustand der Mesomerie die positive Ladung zu übernehmen, vermag das Kation zu stabilisieren (näheres S. 380). Einen ähnlichen Einfluß üben, wie wir S. 308 erfahren werden, mehrere aromatische Kerne auf ein mit ihnen verbundenes Kohlenstoffatom aus (Carboniumsalze). Es sei daran erinnert, daß bei den Aminen selbst der aromatische Ring die Basizität stark herabsetzt, während sie durch Alkylgruppen geringfügig gesteigert wird; diese Basizitätsverminderung wird auf S. 386 auf eine Stabilisierung der freien Base gegenüber dem Kation zurückgeführt. Für das Studium der Diazoverbindungen sei das von R e d d e l i e n bearbeitete Werk von A. H a n t z s c h , Die Diazoverbindungen, Leipzig 1921 und als neuere Monographie K. H o l z a c h , Die aromatischen Diazoverbindungen, Stuttgart 1947 empfohlen.
A. Aliphatische Diazoverbindungen 1. Diazomethan1 N i t r o s o m e t h y l h a r n s t o f f . Die Lösung von 20 g Methylammoniumchlorid2 (S. 137) und 30 g Kaliumcyanat (S. 120) in 120 com Wasser wird 1 / 4 Stunde lang auf 60—80° erhitzt, dann kocht man kurz auf, filtriert und kühlt die Lösung auf 0°, Eine vorher bereitete, ebenfalls 1 E. A. W e r n e r , Chem. Soc. 115, 1098 (1919); F. A r n d t und J . A m e n d e , Ang. Ch. 43, 444 (1930). 2 Zur Darstellung größerer Mengen von M e t h y l a m m o n i u m c h l o r i d dient das nachstehend beschriebene billige Verfahren ( B r o c h e t und C a m b i e r , BI. [3] 13, 533 [1895]). 250 g Ammoniumchlorid werden mit 570 g 35-proz. Formaldehydlösung in einem Destillierkolben mit absteigendem Kühler allmählich erhitzt. Man steigert langsam bis auf 104° — Thermometer in der Flüssigkeit — und hält so lange auf dieser Temperatur, bis nichts mehr überdestilliert, etwa 4% Stunden von Anfang an. Es haben sich dann 100—120 g Wasser und Methylalkohol (aus dem Formalin stammend) in der Vorlage kondensiert. Nachdem der Kolbeninhalt erkaltet ist, saugt man vom ausgeschiedenen Ammoniumchlorid scharf ab und dampft das Filtrat auf dem Dampfbad auf das halbe Volumen ein, saugt nochmals vom Ammoniumchlorid ab und engt das Filtrat so weit ein, daß sich auf der Oberfläche eine Kristallhaut bildet. Nach dem Erkalten wird das auskristallisierte Methylammoniumchlorid scharf abgesaugt. Das Filtrat engt man so weit als möglich ein und entfernt schließlich den Rest des Wassers im Vakuumexsiccator über festem Ätznatron und konzentrierter Schwefelsäure. Der Rückstand wird durch Digerieren mit Chloroform von Di- und Trimethylammoniumchlorid befreit und schließlich scharf abgesaugt. Ausbeute 110—125 g. Diese Reaktion kommt dadurch zustande, daß die zuerst entstehende N-Methylolverbindung durch überschüssigen Formaldehyd reduziert wird: OH H 2 C : 0 + HNH 2 - H 2 C—NH 2 >• H 3 C—NH 2 . Der Formaldehyd wird dabei (als Hydrat) zu Ameisensäure und C0 2 dehydriert. Steigert man die Aldehydmenge, so gelangt man auf analoge Weise zum T r i methylammoniumchlorid.
Diazomethan
235
gekühlte Lösung von 20 g Natriumnitrit in 40 ccm Wasser wird nun zu der Lösung des Methylharnstoffs hinzugefügt; zu der Mischung läßt man unter Eiskühlung und mechanischer Rührung 100 ccm kalter 25-proz. Schwefelsäure zutropfen. Die in kristallinen Flocken sich ausscheidende Nitrosoverbindung wird nach beendeter Operation abgesaugt, mit Eiswasser gewaschen und nach dem Trocknen im Vakuumexsiccator aus etwa der doppelten Menge Methylalkohol umkristallisiert. Zur Erhöhung der Ausbeute kühlt man die Lösung in Eis-Kochsalz auf —15°, saugt nach einigem Stehen ab und wäscht mit Äther. Hellgelbe Kristalle vom Schmelzpunkt 124° (Zers.). Ausbeute 20 g. Die Substanz ist im Eisschrank aufzubewahren. Auf billigere Weise läßt sich Nitrosomethylharnstoff auf folgendem Wege darstellen1 : Zu 165 ccm konz. Ammoniaks läßt man bei Kühlung mit Eis-Kochsalz unter kräftigem Turbinieren 100 g Dimethylsulfat zutropfen; die Temperatur soll dabei nicht über 20° hinaufgehen. Dann erwärmt man zwei Stunden auf dem Wasserbad, kocht weitere 15 Minuten lang, fügt 85 g Harnstoff hinzu und kocht nochmals 3 Stunden. Dann wird die Lösung von 40 g Natriumnitrit in 70 ccm Wasser zugesetzt und abgekühlt. Die kalte Lösung bringt man in kleinen Anteilen zu einem Gemisch von 50 g konz. Schwefelsäure und 200 g Eis und verfährt im übrigen wie oben angegeben. Ausbeute 25 g.
Zur Ü b e r f ü h r u n g in D i a z o m e t h a n trägt man 10 g Nitrosomethylharnstoff in kleinen Anteilen in 100 ccm reinen Äther ein, der mit 30 ccm stark gekühlter 40-proz. Kalilauge unterschichtet ist. Die Spaltung wird in einem weithalsigen Erlenmeyer unter dem Abzug vorgenommen. Man muß dauernd schütteln und die Temperatur auf -f- 5° halten. Nach 5—10 Minuten ist die Reaktion beendet; man gießt die tiefgelbe Ätherlösung ab, spült mit etwas Äther nach und trocknet die ätherische Diazomethanlösung etwa 3 Stunden lang mit einigen kleinen Stückchen Ätzkali. Die Lösung wird in einer kleinen enghalsigen Glasflasche, die, wie bei Äther über Natrium angegeben (S. 85, Anm.), verschlossen ist, an einem kühlen Platz aufbewahrt, falls das Präparat nicht sofort Verwendung findet. Die Diazomethanlösung hält sich mehrere Tage, erleidet aber doch eine stetige, wenn auch langsame Zersetzung unter Stickstoffentwicklung. Darum darf das Aufbewahrungsgefäß nicht fest verschlossen werden. Da Nitrosomethylharnstoff, in der Kälte aufbewahrt, längere Zeit haltbar ist, stellt man sich jeweils nur die für den augenblicklichen Bedarf notwendige Menge Diazomethan her. D i a z o m e t h a n ist ein gelbes, sehr giftiges Gas vom Siedep. —24°, das für präparative Zwecke nur in Lösung gewonnen wird. In freiem Zustand ist es explosiv. Schon beim Destillieren von Diazomethan kommt es bisweilen zur Explosion; daher Vorsicht! Als indifferente Lösungsmittel können außer Ä t h e r auch die A l k o h o l e , B e n z o l und P e t r o l ä t h e r verwendet werden, für kurze Zeit auch A c e t o n .
G e h a l t s b e s t i m m u n g der D i a z o m e t h a n l ö s u n g (nach M a r s h a l l und Acree, B. 43, 2324 [1910]). Einen aliquoten Teil der Diazomethanlösung (etwa 1/20) läßt man, mit absolutem Äther verdünnt, in 1
F . A r n d t , L. Loewe und S. A v a n , B. 73, 606 (1940).
Aliphatische Diazoverbindungen
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eine mit Eis gekühlte n/ 5 - ätherische Benzoesäurelösung unter Schütteln einfließen. Diese wird dargestellt durch Auflösen von 1,22 g reinster Benzoesäure im 50 ccm-Meßkolben in absolutem Äther; sie muß gegen das Diazomethan im Überschuß sein, was man daran erkennt, daß bis zum Schluß der Zugabe N 2 -Entwicklung eintritt und die Lösung farblos bleibt. Die übrige Benzoesäure wird mit nj10-NaOH zurückgemessen. Das Präparat wird bei der hier beschriebenen bequemen Bereitungsweise für wissenschaftliche Arbeiten viel benützt, da es bei wertvollen Säuren und Phenolen eine elegante und glatt verlaufende Methylierung erlaubt. A l k o h o l i s c h e OHGruppen werden praktisch nicht methyliert, auch nicht Amine. Über Methoden zur Methylierung von A l k o h o l e n mit Diazomethan siehe H. Meerwein und G . H i n z , A.484, 1 (1930).
Versuche: Man löst 2—3 g eines Phenols (Phenol, Kresol, y9-Naphthol, Salicylaldehyd, Hydrochinon) in wenig Äther oder Methylalkohol und fügt unter Eiskühlung in kleinen Anteilen von der dargestellten Diazometharüösung zu, bis die Gasentwicklung nicht mehr einsetzt und die Lösung schwach gelb gefärbt ist. Um bei g e f ä r b t e n Lösungen einen Überschuß an Diazomethan zu erkennen, gießt man einige Tropfen in ein kleines Reagenzglas ab und bringt einen in Eisessig getauchten Glasstab hinein: sofortige Gasentwicklung . Die Reaktionsprodukte werden nach dem Abdampfen des Lösungsmittels entweder durch Destillation oder, wenn sie fest sind, durch Kristallisation gereinigt. Man bearbeite hier eines der im Laboratorium zugänglichen P h e n o l e selbständig und mache Angaben über die Natur des gewonnenen Methyläthers. In gleicher Weise verfährt man mit C a r b o n s ä u r e n (p-Toluylsäure, Phenylessigsäure, Zimtsäure, Oxalsäure, Terephthalsäure, Salicylsäure usw.). Es gibt Phenole, die mit Diazomethan langsam reagieren. In solchen Fällen bringt man sie mit einem Überschuß über den errechneten Bedarf an Diazomethan zusammen und läßt mehrere Tage mit aufgesetztem Capillarrohr stehen. D i a z o m e t h a n , die einfachste aliphatische Diazoverbindung, ist von P e c h mann 1 auf folgendem Weg zuerst dargestellt worden: /OCJHJ
0=C
Eine sehr interessante Darstellungsmethode für Diazomethan ist von Staudinger und Kupfer 1 gefunden worden. Sie beobachteten, daß bei der Übertragung der Isonitrilreaktion der primären Amine auf das Hydrazin nicht das erwartete Di-isocyan C=N—N=C entsteht, sondern Diazomethan 8 im Sinne der nachstehenden Formelreihe: > C I 2 + H2N-nh2 = « 5 U r N H a — H2(cL^N. YSr HCC1 In ätherischer Lösung ist Diazomethan längere Zeit haltbar. Über seine zahlreichen Umsetzungen (mit Blausäure, Acetylen, Chinon usw.) unterrichte man sich in der Spezialliteratur. Seine wichtigste präparative Verwendung findet Diazomethan, wie schon erwähnt, als Methylierungsmittel, namentlich für Phenole. Es reagiert mit ihnen in der Weise, daß die beiden Stickstoffatome als elementarer Stickstoff abgespalten und die beiden frei werdenden Valenzen durch H und OR besetzt werden. C1
H2CMST=N + HO • C,H6
>• H2C
H | /C=C H
( J J 1(HX'LISK 3 3 ' i«ms-Form
Mit T r i k e t o h y d r i n d e n ( N i n h y d r i n ) geben die Aminosäuren eine violette Farbreaktion (S. 372). Versuch: Hippur säure. Einige Gramm des oben erhaltenen Gemisches v o n salzsaurem Glykokoll und Ammoniumchlorid werden mit 10—14 com absoluten Alkohols ausgekocht; das Filtrat v o m nicht gelösten Salmiak dampft m a n auf dem Wasserbad zur Trockne (Alkohol v o l l s t ä n d i g entfernen!), n i m m t den Rückstand in wenig Wasser auf und schüttelt die stets a l k a l i s c h zu haltende Lösung nach den Regeln der S c h o t t e n - B a u m a n n s c h e n Reaktion (S. 210) in einer kleinen
Diazoessigester
241
Stöpselflasche mit einem Überschuß (etwa 2—3 Mol) von Benzoylchlorid, das man nach und nach zusetzt, anhaltend durch. Man arbeite in möglichst konzentrierter Lösung. Wenn der Geruch des Säurechlorids nicht mehr wahrnehmbar ist, säuert man mit konzentrierter Salzsäure bis zur Kongobläuung an, läßt einige Stunden stehen, saugt den Kristallbrei ab und befreit das Reaktionsprodukt nach dem Trocknen durch Äther von beigemengter Benzoesäure. Die Hippursäure wird hierauf aus heißem Wasser umkristallisiert. Schmelzpunkt 187°. H i p p u r s ä u r e ist ein normales Stoffwechselprodukt und wird in der Niere durch enzymatische Vereinigung von Benzoesäure und Glykokoll gebildet (Schmiedeberg und Bunge 1877). Der Organismus der Vögel paart die Benzoesäure zum Zweck der Entgiftung mit Ornithin ( C6H5—N3 + NH4Br + H 2 0 .
Phenylazid ist durch sehr vorsichtige Hydrierung (mit SnCl2 in ätherischer Salzsäure) in das höchst empfindliche P h e n y l t r i a z e n übergeführt worden (Dimroth), das, wie ausgeführt, durch Dehydrierung wieder in jenes zurückverwandelt werden kann. Die präparativ beste Darstellungsmethode für Phenylazid geht vom Phenylhydrazin aus (S. 256). Die A r y l a z i d e sind sehr reaktionsfähige Verbindungen und spalten, beispielsweise mit Säuren, die beiden endständigen N-Atome als N2 ab; der Rest C,H 6 N < geht dabei unter Aufnahme von Wasser in das A r y l h y d r o x y l a m i n über, das aber gleichzeitig die Umlagerung in A m i n o p h e n o l erfährt. Bei negativer Substitution des Benzolkerns wird die Azidogruppe durch Alkalien — ebenso wie dies bei Halogen der Fall ist — als Alkaliazid hydrolytisch abgespalten; es bildet sich das P h e n o l . 02N—/
N3
2Na0H
-> 0 2 n /
ONa + N3Na + H 2 0 .
Mit Grignardschem Reagens entstehen aus den Aziden Diazoaminoverbindungen, das sind 1,3-disubstituierte T r i a z e n e (W. W i s l i c e n u s und D i m r o t h ) , z. B.: C 4 H 5 • N 3 + CH3MgBr • C6H5 • —ICH • CH3 .
Diazotierung von Anilin. Phenol, Jodbenzol und Benzol usw.
251
Malonester führt zu den durch ihre interessanten Tautomerieverhältniase bemerkenswerten Triazolonderivaten ( D i m r o t h ) : /N=N C,H 5 • N 3 + CH2 • (COOC2H6)2 — C „ H 5 —N< I ho^>c = c - c o 2 c a Diese Kondensation steht in vollkommener Analogie zu der auf S. 244 erwähnten des Diazoessigesters, wie überhaupt Azide und aliphatische Diazoverbindungen eine auffallende Übereinstimmung zeigen, mit ungesättigten Stoffen wie A c e t y l e n e n , O l e f i n d e r i v a t e n , B l a u s ä u r e u. a. sich zu heterocyclischen Ringen zusammenzulegen. NONa / — \ II f) Natrium-p-nitrophenyl-anii-diazotat1 0 2 N• C,H 5 -N=N-Äs—ONa + NaCl
\=NOH
des C h i n o n m o n o x i m s in Betracht gezogen, obwohl sein ganzes chemisches Verhalten mit der Phenolstruktur durchaus im Einklang steht. Wie Nitrosobenzol ist Nitrosophenol in ganz reinem Zustand (beinahe) f a r b l o s , und die Lösungen sind o l i v g r ü n , was bei der chinoiden Formulierung nicht zu erwarten wäre.
L i e b e r m a n n s c h e R e a k t i o n . Eine kleine Menge Nitrosophenol wird in wenig geschmolzenem Phenol gelöst, dann fügt man konzentrierte Schwefelsäure hinzu und erhält eine prächtig kirschrote Färbung, die nach dem Verdünnen der Schmelze mit Wasser durch Lauge in Blau umschlägt. Da Phenol durch HN0 2 , auch in Form der NO-Gruppe gebunden, in Nitrosophenol übergeführt wird, so werden labile Nitrosogruppen durch die L i e b e r m a n n s c h e R e a k t i o n angezeigt.
3. p-Amino-dimethylanilin In einem kurzhalsigen Rundkolben von y 2 Liter Inhalt löst man 100 g Zinnchlorür in 120 ccm konzentrierter Salzsäure und trägt unter starkem Rühren oder Schütteln 38 g ( = 0 , 2 Mol) salzsauren Nitroso-dimethylanilins in Form des f e u c h t e n Rohproduktes nach und nach in kleinen Anteilen ein. Wenn die Reaktion nicht sofort einsetzt, erwärmt man auf dem Wasserbad; das eingetragene Salz soll nach kurzer Zeit vollkommen in Lösung gehen. Die Reaktion muß so reguliert werden, daß sie ständig in Gang bleibt, ohne allzu stürmisch zu werden. Die zum Schluß hellgelbe Lösung wird abgekühlt und unter Außenund Innenkühlung (etwas Eis einwerfen!) mit einer Lauge aus 150 g technischem NaOH in 300 ccm Wasser alkalisch gemacht 1 ; die anfangs 1 Viel eleganter gestaltet sich die e l e k t r o l y t i s c h e A b s c h e i d u n g des Zinns. In Fällen, wo das Reduktionsprodukt nicht als Base aus der alkalischen Lösung extrahiert werden kann (bei Aminoalkoholen, Aminosäuren u. dgl.), ist diese Methode der Ausfällung durch Schwefelwasserstoff weit vorzuziehen, aber auch im vorliegenden Beispiel, schon der Belehrung wegen, sehr zu empfehlen. Die Elektrolyse wird in einem Filtrierstutzen von mittlerer Größe ausgeführt; als Elektroden dienen zwei mittelgroße Kohlenstäbe. Die Kathode taucht in die
IS
Gattermann,
Praxis des organ. Chemikers. 35. Aufl.
274
Chinone und chinoide Verbindungen
ausgeschiedene Zinnsäure geht in der Hauptsache in Lösung. Nun nimmt man die freigemachte ölige Base ohne Rücksicht auf kleine Mengen noch ungelöster Zinnsäure in Äther auf, äthert noch 1—2mal nach, trocknet kurz mit geglühter Pottasche, dampft dann den Äther ab und läßt dieser Operation sofort die Vakuumdestillation der freien Base folgen. Sie geht fast vollständig farblos bei 138—140°.. 12 mm über. Ausbeute 18—20 g (etwa 75%). Erstarrt beim Abkühlen. Schmelzpunkt 41°. Das freie Amin ist ungemein luftempfindlich. Schon nach einigen Stunden bräunt sich das anfangs farblose Präparat. Unter Stickstoff eingeschmolzen, läßt es sich einige Wochen aufbewahren, in Berührung mit Luft kaum einen Tag. Dagegen sind die Salze beständig. C h l o r h y d r a t . Man kann die Base mit einem kleinen Überschuß von Salzsäure (etwa 7 n-, konzentrierte Salzsäure und Wasser 1 : 1 ) in einer Porzellanschale auf dem Wasserbad eindampfen und den Rückstand im Vakuumexsiccator ü b e Schwefelsäure und festem Ätzalkali vollständig trocknen. Sehr schön erhält man fast allgemein die Chlorhydrate organischer Amine, wenn man sie bis zur sauren Reaktion auf Kongopapier mit alkoholischer Salzsäure neutralisiert und dann durch allmähliche Zugabe von absolutem, Äther das Salz unter Reiben zur Ausscheidung bringt. Man hüte sich, durch allzu rasch hinzugefügten Äther das Salz a m o r p h auszufallen. Man warte erst die Kristallisation ab, die sich meist darin kundgibt, daß sich an den mit dem Glasstab geriebenen Stellen ein pulvriger Überzug bildet. Durch Übergießen mit der gleichen Gewichtsmenge Essigsäureanhydrid wird die Base acetyliert. Kurz im Wasserbad erwärmen, dann mit Wasser verdünnen. Um die noch basische Äcetylverbindung zu isolieren, wird die freie Essigsäure gerade mit NaOH abgestumpft. Schmelzpunkt der aus Wasser umkristallisierten Substanz 130°. Das hier dargestellte Diamin ist in mehrfacher Hinsicht von großer Bedeutung, und zwar leiten sich die in Betracht kommenden Reaktionen von der Veränderung ab, die seine Salze bei der Oxydation erfahren. Davon soll daher zuerst gehandelt werden. Lösung, die Anode in 2 n-Schuefelsäure, die sich in einer in die Flüssigkeit eingetauchten kleinen Tonzelle befindet; die Elektroden werden in geringem Abstand voneinander befestigt. Der Strom wird zwei hintereinander geschalteten Einheiten einer Akkumulatorenbatterie von der üblichen Kapazität entnommen; bei der Klemmenspannung von 4 Volt gehen 1,5 bis 2 Ampère durch die Lösung. A n w e n d u n g der F a r a d a y s c h e n S t r o m g e s e t z e : 118 96500 1 Äquivalent Sn "" = —— oder 29,5 g brauchen = 26,8 Ampèrestunden, 4 odOu bei einer Stromstärke von 2 Amp. also 13,4 Stunden. Da bei Abnahme der Zinnionenkonzentration Wasserstoffentwicklung nebenher läuft, dauert die Elektrolyse etwas länger, als der Berechnung entspricht. Sie kann ohne Bedenken über Nacht in Gang gehalten werden.
p-Amino-dimethylanilin
275
Versuch: Man löst einige Körnchen der frisch dargestellten Base (oder eines Salzes) im Reagenzglas in einigen Tropfen verdünnter Essigsäure, fügt etwa 5 ccm Wasser und einige Eisstückchen und dann einige Tropfen stark verdünnten Bromwassers oder einer Bichromatlösung zu. E s tritt eine prächtige R o t f ä r b u n g auf. Arbeitet man etwas konzentrierter und erhitzt die oxydierte Lösung zum Sieden, so nimmt man den Geruch des Chinons wahr. Die typische Umwandlung aller p-Phenylendiaminderivate unter der Wirkung von Oxydationsmitteln in saurer Lösung drückt sich im Übergang in ein Salz der Chinondiiminreihe aus. Den eben beobachteten Farbstoff, das sog. Wurstersche B o t , hat man lange Zeit für das einfache Chinonimoniumsalz gehalten: H \ H 3 X = 7 XCH3 Dies wurde aber schon unwahrscheinlich, als das (farblose) Chlorid des einfachen Chinondiimins bekannt wurde (Willstätter). Durch Reduktionsmittel werden Chinondiimin und seine Derivate in die entsprechenden Phenylen-diamine zurückverwandelt. Es hat sich gezeigt, daß das Wurst er sehe Bot zu seiner Entstehung nicht die 2 H-Atomen äquivalente Menge Oxydationsmittel braucht, sondern nur halb soviel. Demgemäß ist das R e d u k t i o n s ä q u i v a l e n t , das man durch Titration mit eingestellter Zinnchlorürlösung bestimmen kann, auch nur halb so groß. Oxydiert man eine gewogene Menge p-Aminodimethylanilinsalz mit verdünnter Bromlösimg von bekanntem Titer, so ist der Höhepunkt der Farbstoffbildung erreicht, wenn ein Äquivalent Brom auf ein Mol des Salzes zur Einwirkung gekommen ist. Fügt man ein zweites Äquivalent Brom der Lösung zu, so geht der Farbton auf gelb zurück.
Versuch: Man löst 1,3 g frisch dargestellter Diaminbase in 2 ccm Eisessig, den man mit 10 ccm Wasser verdünnt hat und füllt im Meßzylinder auf 95 ccm auf. Von dieser n/ 10 -Lösung bringt man 5 ccm in einen Erlenmeyer (Y2 Liter) und verdünnt weiter mit 45 ccm Eiswasser. Vorher hat man 16 ccm gesättigten Bromwassers mit 280 ccm Eiswasser verdünnt und von dieser Lösung eine Bürette gefüllt. Eine zweite Bürette enthält etwa n/50-Zinnchlorürlösung (frisch dargestellt durch Auflösen von 0,8 g Stanniol 1 oder dünnen Granalien in 4 ccm Salzsäure 1 : 1 und Verdünnen mit vorher ausgekochtem Wasser auf 500 ccm). Man läßt nun unter Eiskühlung und ständigem Umschütteln die Bromlösung in raschem Strahl einfließen und beobachtet, daß die schöne R o t f ä r b u n g mit etwa 25 ccm ihren Höhepunkt erreicht hat, nach weiteren 25 ccm aber stark zurückgeht. Eine reine Gelbfärbung wird wegen Nebenreaktionen nicht erzielt; meist muß noch etwas mehr Brom rasch zugefügt werden. Wenn der Rückgang der Farbe sich eingestellt hat, läßt man sofort von der Zinnchlorürlösung einfließen. Nach 25 ccm kehrt die schöne Farbe des Wurstersehen Rots wieder, um bei weiterer Reduktion zu verschwinden. Auch mit 5 ccm der ursprünglichen Diaminsalz-Lösung wird der Farbstoff zurückgebildet. 1 Man berücksichtige, daß das heutige „Stanniol" fast immer Aluminiumfolie ist.
18«
276
Chinone und chinoide Verbindungen
Die große Unbeständigkeit der chinoiden Salze erfordert hier rasches Arbeiten bei starker Verdünnung und unter Kühlung. Früher vermutete man in der farbigen Lösung eine Molekülverbindung von chinoidem und benzoidem System, betrachtete die Wursterschen Salze als Prototyp des merichinoiden Prinzips (vgl. unten). Heute sieht man den Träger der Farbe in der monomeren Zwischenstufe, die durch „unpaare" Reduktion bzw. Oxydation entsteht und als „Semichinon" (Weitz, Michaelis) bezeichnet wird. Die Semichinone besitzen eine ungerade Elektronenzahl, tragen also das Kennzeichen des radikalischen Zustands, der hier wie beim Triphenylmethyl (S. 306) durch Mesomerie stabilisiert wird1. Der Nachweis der Semichinone, die bei der unpaaren Reduktion chinoider Systeme auftreten, erfolgt durch potentiometrische Titration oder durch die magnetische Untersuchung; Radikale weisen ein paramagnetisches Moment auf. Von den p-Chinondiiminen leiten sich an Farbstoffen die Indamine und die ihnen verwandten tricyclischen Chinoidsalze der Phenazin-, Phenthiazin und Phenoxazingruppe ab. Wir wollen den Vorgang der Indaminbildung von unserer Base aus betrachten. Auf Grund einer allgemeinen Additionsreaktion, die für alle Chinondiimine charakteristisch ist und die auch bei der Bildung von Anilinschwarz aus A n i l i n eine Rolle spielt (vgl. S. 269), vermag Dimethylchinondiimonium-Salz mit großer Leichtigkeit ein Mol Anilin oder Dimethylanilin zu addieren:
Das neue p-Phenylendiaminderivat, das so entsteht, wird weiter dehydriert zu einem chinoiden Indaminfarbstoff („Bindschedlers Grün"):
der in seiner Zusammensetzung durchaus der Willstätterschen Theorie entspricht. Voraussetzung für das Entstehen eines Farbstoffs ist nämlich nach Willstätter und Piccard das Zusammentreten eines chinoiden und eines benzoiden Systems innerhalb der gleichen Molekel. Dieses Nebeneinander der beiden Oxydationsstufen finden wir in den beiden Molekelhälften der Indamine, der TriphenylmethanFarbstoffe, der Safranine, des Methylenblaus usf. Dieses sog. merichinoide Prinzip sei am Beispiel des Parafuchsins erläutert:
C1 Nehmen wir von einem Benzolkern die NH2-Gruppe weg, so bleibt der Farbstoffcharakter in „Doebners Violett" erhalten, da hier den auseinandergesetzten 1 Vgl. Waters, The Chemistry of Free Radicals, Oxford 1948. Wurstersche Farbsalze: Michaelis, Am. Soo. 61, 1981 (1939); 65, 1747 (1943).
p-Amino-dimethylanilin
277
Bedingungen noch genügt wird. Fehlt aber auch am zweiten Benzolkern NH 2 , so entsteht sozusagen ein ganz chinoides (holochinoides) Salz, das keinen Farbstoff mehr darstellt. Die W i l l s t ä t t e r s c h e Theorie hat sich als heuristisches Prinzip sehr gut bewährt. Die modernen, physikalisch fundierten Farbtheorien gehen von anderen Ansätzen aus 1 . Der Farbstoff „ B i n d s c h e d l e r s G r ü n " hat keine praktische Bedeutung, da er, wie alle Indamine, unter der Wirkung von Säuren, leicht hydrolytisch zerfällt: C1 / = \ / — \ (H,C),N=< >=N< ^>N(CH3)2 HN(CH3)2-HC1 + 0 = < ^
^ = 0 + H2N •
^>N(CH3)2
In die Gruppe der I n d o p h e n o l e gehört der blaue Farbstoff, der als T i l l m a n n s Reagens zur quantitativen Bestimmung der A s c o r b i n s ä u r e (S. 349) Verwendung findet. Er hat die Konstitution eines dichlorierten Oxyphenylchinonmonimins: C1 0 = /
\ = N — ^
^ O H (2,6-Diehlorphenolindophenol)
D a r s t e l l u n g v o n B i n d s c h e d l e r s Grün2. 7 g Dimethyl-p-phenylendiamin werden zusammen mit 6 g Dimethylanilin in 40 ccm konzentrierter Salzsäure, die m a n mit ebensoviel Wasser verdünnt hat, gelöst. Unter Eiskühlung und Turbinieren oder Rühren m i t d e m Glasstab läßt m a n dazu aus einem Tropftrichter die Lösung v o n 10 g Natriumbichromat in 20 ccm Wasser langsam zufließen. D a n n s e t z t m a n 10 g Zinkchlorid, in 20 ccm Wasser gelöst, zu, worauf, besonders beim Reiben, das schöne Zinkdoppelsalz des Farbstoffs auskristallisiert. N a c h einer halben Stunde saugt m a n ab, wäscht erst mit k a l t e m Wasser, dann mit Alkohol und schließlich mit Äther. Ausbeute 10—12 g. Der Farbstoff ist, gut getrocknet, längere Zeit haltbar. 2 — 3 g bringt m a n mit 20 ccm 2 n-Salzsäure in einen Fraktionierkolben und leitet bei vorgelegtem Wasserkühler Wasser dampf ein. N a c h kurzer Zeit sieht man die charakteristischen gelben Nadeln v o n Chinon übergehen. Methylenblau Läßt man die Oxydation, die zu „ B i n d s c h e d l e r s Grün" führt, bei Gegenwart von S c h w e f e l w a s s e r s t o f f vor sich gehen, so erfährt der Vorgang durch Eintritt von Schwefel eine Variation. Im Prinzip ist aber der Mechanismus der gleiche wie dort. Die nachstehenden Formelgleichungen zeigen, daß eine Addition von H—SH und eine spätere intramolekulare einer Mercaptangruppe in das Reaktionsbild hineinspielen: 1 2
Th. F ö r s t e r , Z. El. Chem.45, 548, 566 (1939); 47, 52 (1941). B . i e , 464, 868 (1883); 48, 1087 (1915).
278 I
Chinone und chinoide Verbindungen (H 3 C) 2 N= j j 2 N _ /
\ _ C H 2 . C6H4 . N H 2
HN= C : NOH
íI
> C,HS • C :N • C6H5
I!
• C,H6 • CO • NH • CSH5
IOH
Es wird unter katalytischem Einfluß (PC15, konz. H 2 S0 4 ) eine energiereichere Verbindung in ihr stabiles Isomeres umgelagert, in ähnlicher Weise, wie dies bei den Beziehungen zwischen Hydrazobenzol und Benzidin auf S. 165 erörtert worden ist. Der Vergleich mit der B e n z i l s ä u r e u m l a g e r u n g liegt nahe. c , h 6 • c o • Ii • c . h 6 — > - k o c o — c < S 4 S 6 t | 0 H OH Auch zu den Abbaureaktionen von H o f m a n n und C u r t i u s ergeben sich verwandtschaftliche Beziehungen, ebenso zur K. F. S c h m i d t s c h e n R e a k t i o n , der Einführung von NH-Gruppen in die Nachbarstellung von Carbonyl durch HN 3 in Gegenwart von konz. H 2 S0 4 . Caprolactam bildet das Zwischenprodukt bei der Synthese des Cardiazols aus Cyclohexanon + HN 3 . Wir haben in diesem Zusammenhang auch der r ä u m l i c h e n I s o m e r i e d e r Oxime Erwähnung zu tun, die, von W e r n e r und H a n t z s c h früher theoretisch begründet, derselben, bei den Diazotaten schon besprochenen Erscheinung sich angliedert. D. h. Oxime, in denen das die Isonitrosogruppe tragende C-Atom mit zwei ungleichen Substituenten besetzt ist, können in einer syn- und einer anti - Form existieren. R—C—R R—C—R II und || HON NOH Die Isomerie erweist sich am Modell gleichartig der von Malern- und Fumarsäure. Bei den A l d o x i m e n geht die «yn-Form leicht unter Wasserabspaltung in das N i t r i l über, die on/t-Form nicht. R•CH R C
ii
— •
in + h 2 o .
NOH N Von den K e t o x i m e n ungleichartig substituierter Ketone hat man lange geglaubt, das Ergebnis der Beckmannschen Umlagerung als Beweis f ü r die Konfiguration heranziehen zu können, darart, daß man annahm, die OH-Gruppe tausche mit dem b e n a c h b a r t e n Substituenten den Platz, denn die Umlagerung der beiden sterisch isomeren Ketoxime führt zu isomeren Amiden. Aber man hat festgestellt, daß gerade die entgegengesetzten Verhältnisse eintreten, wie die nachstehenden Formeln dartun (Meisenheimer, B. 54, 3206 [1921]): R • C • R' OC • R' R • C • R' OC • R II • | ; II • I NOH NH • R HON NUR 1 E. B e c k m a n n , B. 19, 988 (1886); 20, 1507 und 2580 (1887); A. 252, 1 (1889).
304
Die Synthesen nach Grignard und Friedel-Crafts
In schöner Übereinstimmung mit der Theorie leiten sich vom B e n z i l zwei stereoisomere Mono- und drei Dioxime ab: H6C6 • C
C • C6H5
NOH
syn-
HON
H5C„ • C—C • C„H5 HON NOH anti-
C6H5—C
C—C ( H ä
HON HON
amphi-J? orm
Auf Zusammenfassungen der Literatur über Theorie und Praxis der BeckmannUmlagerung sei verwiesen: A. H. B l a t t , Chem. Rev. 12, 215 (1933); J o n e s , Chem. Rev. 35, 335 (1944).
b) C y c l o h e x a n o n o x i m In einem 2-Liter-Rundkolben löst man 85 g Hydroxylamin-hydrochlorid in 200 ccm Wasser. Unter guter mechanischer Rührung gibt man 98 g Cyclohexanon zu und läßt dann eine Lösung von 66 g trockenem Natriumkarbonat in 180 ccm Wasser aus einem Tropftrichter zufließen, wobei sich das Gyclohexanon-oxim kristallin ausscheidet. Durch Außenkühlung trägt man Sorge, daß die Temperatur nicht über 40° steigt. Da die Bsckmann-Umlagerung ein sehr reines Oxim erfordert, erhitzt man den Kolben im siedenden Wasserbad, bis das Oxim geschmolzen ist. Nach dem Erkalten durchsticht man mit einem Glasstab die erstarrte Ölschicht, gießt die wäßrige Phase ab und schmilzt das Oxim noch einmal mit 60 ccm Wasser unter gelegentlichem Umschütteln. Nach Abtrennen des Wassers destilliert man das Oxim aus einem 300 ccmClaisenkolben mit SchWertansatz. Bei 103—105°/12 mm gehen 85—95 g farbloser Substanz über, die einen Schmelzp. von 88° zeigt. B e c k m a n n - U m l a g e r u n g zum C a p r o l a c t a m . In einen 250 ccmErlenmeyerkolben gibt man 55 ccm reine konz. Schwefelsäure und trägt portionsweise unter Kühlung und gelindem Schütteln 57 g Gyclohexanon-oxim ein, wobei die Temperatur nicht über 20° steigen soll. Inzwischen hat man in einem 250 ccm Weithals - Rundkolben, mit Thermometer und mechanischem Rührer versehen, 30 ccm reine konz. Schwefelsäure im Ölbad auf 120° vorgeheizt. Jetzt dreht man den Brenner unter dem Heizbad ab und läßt aus einem Tropftrichter die klare Lösung des Oxims unter gutem Rühren zufließen. Das Tempo des Zutropfens muß so bemessen werden, daß die bei der Umlagerung frei werdende Reaktionswärme gerade die Aufrechterhaltung einer Innentemperatur von 118—122° ermöglicht. Die Einhaltung dieser Temperatur ist entscheidend für den Erfolg der Operation 1 . Nach der etwa eine Stunde erfordernden Zugabe des Oxims heizt man noch 10 Minuten auf 125°, läßt erkalten und gießt auf 200 g zerstoßenes Eis. Unter energischer Kühlung mit Kältemischung neutralisiert man die wäßrige 1 Fällt die Temp. unter 115°, ist sofort das Zufließen des Oxims zu unterbrechen, bis durch Ölbadheizung wieder 120° erreicht ist; bei Ansammlung größerer Mengen des Oxims wird nach dem Aufheizen die Reaktion zu heftig.
Beckmannsche Umlagerung
305
Lösung m i t konz. wäßrigem Ammoniak, bis Phenolphthaleinpapier eben gerötet wird. Die Temperatur darf dabei 20° nicht übersteigen. I m Scheidetrichter entzieht man der wäßrigen Lösung das Caprolactam, durch dreimaliges Ausziehen mit je 100 ccm Chloroform. Die Auszüge werden gewaschen u n d mit Calciumchlorid getrocknet. N a c h d e m Abdestillieren des Chloroforms auf dem Wasserbad gießt m a n heiß in einen Claisen-Schwertkolben u m und destilliert i m Vakuum. Bei 140°/12 m m gehen 46—50 g farblosen, kristallin erstarrenden Caproladams über, entspr. einer Ausbeute v o n 8 0 — 8 8 % d. Th. Schmelzp. 66—68°. P o l y - k o n d e n s a t i o n v o n C a p r o l a c t a m . E t w a 5 g reines s-Caprolactam werden in einem normalen Reagenzglas ( 1 6 0 : 1 6 mm) unter Zusatz v o n einem Tropfen konz. Salzsäure i m Wasserbad geschmolzen. N a c h dem Erstarren zieht m a n das Reagenzglas in der Gebläseflamme kapillar aus und zwar so, daß der Leerraum über der Substanz möglichst gering ist. N a c h Aufsetzen eines Gummistopfens mit Glasrohr evakuiert m a n a n der Wasserstrahlpumpe auf 12 m m und schmilzt die Kapillare unter Vakuum ab. Die Poly-kondensation erfolgt beim sechsstündigen Erhitzen i m Ölbad auf 250°, wobei m a n das Reaktionsgefaß zweckmäßig mit einer Klammer unter der Badoberfläche fixiert. N a c h d e m Abkühlen und Zerschlagen des Gefäßes erhält man eine spröde elfenbeinfarbene Masse, die sich in der Wärme mit Hilfe eines Glasstabs zu feinen Fäden ausziehen läßt ( „ P e r l o n f a s e r " ) . Zu den hochmolekularen Verbindungen, denen wachsende industrielle Bedeutung (Kunstharze, Buna, Lacke, Kunstfaser) zukommt, führen mehrere Wege: 1. Die P o l y m e r i s a t i o n ungesättigter Verbindungen (Vinylchlorid, Vinylacetat, Acrylnitril, Methacrylester, Styrol, Butadien). Die technisch wichtigste Art der „Kettenzündung" ist die mit freien Kadikaien. Das Benzoxylradikal etwa, wie es beim Zerfall des Dibenzoylperoxyds entsteht, lagert sich an die Doppelbindung an, die resultierende radikalische Valenz tritt in einer Kettenreaktion fortwährend mit weiteren Molekeln des Monomeren zusammen bis zum Kettenabbruch : R — + H 2 C=CH • R-CH2—CH • R—(CH 2 —CH)x—. R R R Auch polare Mechanismen der Polymerisation, etwa mit Borfluorid katalysiert, gewinnen heute an Bedeutung (Isobutylen, Tetrahydrofuran, Äthylenoxyd). Die Polymerisation kann in homogener Phase, „im Block", oder auch in wäßriger Phase als Emulsions-polymerisation vorgenommen werden. Auch das Äthylen selbst läßt sich unter drastischen Bedingungen polymerisieren. 2. P o l y - k o n d e n s a t i o n e n unter Austritt von Wasser, Ammoniak usf. Hierher gehören die Harze aus Formaldehyd mit Phenolen, Harnstoff oder aromatischen Aminen und die aus Polycarbonsäuren und Polyalkoholen entstehenden ein-, zweiund dreidimensional vernetzten Polyester. Der Polypeptid-Kette der natürlichen Eiweißfaser (Wolle, Seide) besonders nahe stehen die aus H e x a m e t h y l e n - d i a m i n und A d i p i n s ä u r e zugängliche Nylonfaser sowie das P o l y - c a p r o l a c t a m ( P e r l o n L). Letzteres, nur formal ein Polymeres, kommt durch Poly-kondensation der aus dem Caprolactam durch Hydrolyse zuerst gebildeten e-Aminocapronsäure zustande. 3. P o l y - a d d i t i o n . Die Anlagerung von G l y k o l e n an aliphatische oder aromatische D i c y a n a t e führt zu kettenförmigen P o l y - u r e t h a n e n ; Anlagerung von D i a m i n e n führt entsprechend zu P o l y - h a r n s t o f f e n (formulieren!). 20
G a t t e r m a n n , Praxis des organ. Chemikers. 35.Aufl.
Organische Radikale
306
Organische
Radikale
8. Hexaphenyläthan D a r s t e l l u n g e i n e r T r i p h e n y l m e t h y l l ö s u n g . 2 g ganz reinen, farblos löslichen Triphenylchlormethans werden in einer Glasstöpselflasche v o n 25 com Inhalt in 20 com Benzol gelöst. D a n n trägt man 5 g Zinkstaub ein und schüttelt 5 Minuten lang kräftig durch. Mit der gold- bis orangegelben Radikallösung stellt m a n zuerst den bekannten S c h m i d l i n s c h e n Dissoziationsversuch an. Man gießt v o n der klaren Lösung etwa 2 ccm in ein großes Reagenzglas, verdünnt mit 2 ccm Benzol und schüttelt um. Die Lösung entfärbt sich, alsbald aber kehrt die Farbe wieder. Durch erneutes Schütteln mit Luft kann das Radikal wieder in das farblose Peroxyd übergeführt werden. Die schöne Erscheinung läßt sich noch einige Male wiederholen. Tritt beim ersten Schütteln nicht sofort Entfärbung ein, dann hat man zuviel v o n der Triphenylmethyllösung verwendet. Man wiederholt dann den Versuch m i t der halben Menge. D e n Rest der Hauptlösung filtriert man durch ein Faltenfilter und schüttelt mit Luft den ungesättigten Kohlenwasserstoff als Peroxyd aus, das in farblosen Kristallen herauskommt und nach einigem Stehen abgesaugt und mit Äther gewaschen wird. Schmelzpunkt unter Rotfärbung und Zersetzung bei 183°. Der S c h m i d l i n s c h e Versuch, der hier ausgeführt wurde, bringt sehr klar das Gleichgewichtsverhältnis zwischen H e x a p h e n y l ä t h a n und T r i p h e n y l m e t h y l zur Anschauung. Das Verschwinden der Farbe beim Schütteln mit Luft zeigt an, daß das im Gleichgewicht vorhandene gelbe Radikal als (farbloses) Peroxyd entfernt ist. Die Wiederherstellung des Gleichgewichts unter erneuter Dissoziation von (farblosem) Hexaphenyläthan erfolgt so langsam, daß man ohne Schwierigkeit das Entstehen des gelben Radikals in der farblos gewordenen Lösung wahrnehmen kann. Wie schon die ungerade Anzahl von Wasserstoffatomen zeigt, enthält das nur in Lösung bekannte Triphenylmethyl C 19 H 16 ein d r e i w e r t i g e s Kohlenstoffatom oder, im Licht der Elektronentheorie, ein freies Elektron. Seine Farbe ist, im Gegensatz zu der des farblosen Hexaphenyläthans, das in kristallisierter Form isoliert werden kann, intensiv gelb, sein Absorptionsspektrum ist durch charakteristische Banden ausgezeichnet (man sehe sich das Spektrum im Spektroskop an). Triphenylmethyl ist eine ungemein reaktionsfähige Substanz. Seine Lösungen werden bei Zutritt von Luft entfärbt, indem sich das farblose T r i p h e n y l m e t h y l p e r o x y d bildet 1 : 2 (C„H5)3C + 0 = 0 * (C,H6)3C • 0 - 0 • C(C6H5)3 . In ähnlicher Weise reagieren die Halogene: 2 (C6H6)3C + B r - B r > 2 (C,H6)3C • Br . Mit Chlorwasserstoff setzt sich Triphenylmethyl im Licht zu T r i p h e n y l m e t h a n und T r i p h e n y l c h l o r m e t h a n um. Die Reaktion ist umkehrbar (Schlenk). NO, N 0 2 und viele organische Radikale lagern sich an Triphenylmethyl an. Analog findet Zusammenlagerung mit Chinon statt (Schmidlin). 2 (C,H5)3C + 0 = /
\ = o — >
(C,H5),C • 0 /
\ O • C(C6H6)3
1 Über den interessanten Mechanismus dieser Autoxydation vgl. K. Z i e g l e r , A. 504, 162 (1933).
Hexaphenyläthan
307
Ferner bindet sich an der freien Valenz metallisches N a t r i u m zu dem sehr interessanten, orangefarbenen T r i p h e n y l m e t h y l n a t r i u m (C„H 6 ) 3 ONa (Schlenk), das man einfacher au3 Triphenylchlormethan und Natrium-amalgam bereitet. Wenn man auf kryoskopischem Wege die M o l e k e l g r ö ß e des Hexaphenyläthans in Benzollösung bestimmt, so findet man mit geringer Abweichung den diesem Kohlenwasserstoff zukommenden Wert. Es sind in der Tat nur 2—3 % der gelösten Molekeln in die beiden Hälften Triphenylmethyl gespalten. Die Beziehungen 0 2 N—N0 2 i = i 2 N 0 2 farblos
braunrot
sind den hier betrachteten in vieler Hinsicht außerordentlich ähnlich. In beiden Fällen wächst der Dissoziationsgrad mit steigender Temperatur. Die Lösung in siedendem Benzol enthält nach der ebullioskopischen Molekulargewichtsbestimmung 30°/0 an Triphenylmethyl. Auch auf c o l o r i m e t r i s c h e m Weg ist die Dissoziation des Hexaphenyläthans nachweisbar. Während im allgemeinen farbige Lösungen beim Verdünnen keine Intensitätsänderung erfahren, da bei der Betrachtung im Colorimeter die Anzahl der farbigen Molekeln die gleiche bleibt (Gesetz von Beer), muß die Intensität zunehmen, wenn infolge der mit der Verdünnung wachsenden Dissoziation die Anzahl der farbigen Molekeln sich vermehrt (Piccard). Die quantitative Verfolgung gestattete K. Z i e g l e r die exakte Ermittlung der Dissoziationskonstanten.
Yersuch: Man überzeuge sich von der Gültigkeit des Beersehen Gesetzes, indem man zwei, mit schwarzem Papier umwickelte Reagenzgläser mit gleichviel ccm (1—2) einer verdünnten Farbstofflösung beschickt, die Gleichheit der Farbintensität durch Betrachtung gegen einen weißen Untergrund feststellt und dann die eine Lösung mit 5—10 ccm Wasser verdünnt. Der Zerfall des Hexaphenyläthans ist zurückzuführen auf die geschwächte Bindekraft zwischen den beiden Äthankohlenstoffatomen, die jeweils durch die drei Phenylgruppen allzu stark in Anspruch genommen sind. Die Dissoziationswärme beträgt nur 15 Kcal/Mol. Ersetzt man die Phenylreste sukzessive durch die des B i p h e n y l s , so wird die Bindungsenergie der vierten Valenz noch weiter abgeschwächt und sinkt schließlich im p - T r i b i p h e n y l - m e t h y l auf Null herab (Schlenk). Dieser Kohlenwasserstoff
C existiert überhaupt nur noch als
freies Radikal und ist als solches sogar im f e s t e n Z u s t a n d in Gestalt prächtiger rotvioletter Kristalle dargestellt worden. Ein physikalisches Kriterium für Radikalcharakter ist derParamagnetismus dieser Verbindungen mit ungepaartem Elektron. Der Standpunkt der Mesomerielehre zum Problem der Radikalstabilität wird S. 386 erörtert. Von den weiteren Ergebnissen der Erforschung der Kohlenstoffradikale seien nur noch die sog. M e t a l l k e t y l e erwähnt, die ebenfalls intensiv gefärbten Anlagerungsprodukte der Alkalimetalle an Ketone (Schlenk), so z. B . : (C6H5)2 : 0 = 0 + Na
, (C,H6)2 : C—ONa .
Von ihnen war auf S. 196 schon die Rede. D a s I o n T r i p h e n y l m e t h y l . Eine Lösung von Triphenylchlormethan in einem dissoziierenden Lösungsmittel wie S 0 2 leitet den elektrischen Strom (Waiden). 20*
308
Organische Radikale
Daß in ihr Ionen (C6H6)3C und C1 enthalten sind, geht daraus hervor, daß bei der Elektrolyse Triphenylmethyl an der Kathode zur Abscheidung kommt. Ebenso besitzt die intensiv gelbe Lösung von Hexaphenyläthan in flüssigem Schwefeldioxyd Leitvermögen, enthält also auch ionisiertes Triphenylmethyl (vielleicht als komplexes Ion mit S0 2 ). Eine solche Lösung zeigt nicht das typische Bandenspektrum und reagiert nicht mit Sauerstoff. Die scharfen Unterschiede zwischen Radikal und Ion bestehen also in gleicher Weise, wie sie etwa bei den Metallen zwischen Atom und Ion bekannt sind. Das Kation Triphenylmethyl ist auch in den orangegelb gefärbten salz- und komplexsalzartigen Einwirkungsprodukten enthalten, die aus Triphenylcarbinol mit konzentrierter Schwefelsäure und aus Triphenylchlormethan mit Metallchloriden (ZnCl2, AICI3, SnCl4, SbCl6) entstehen. Versuch: Man bringe einige Körnchen Triphenylcarbinol oder Triphenylchlormethan in y2 com konzentrierter Schwefelsäure unter Benutzung eines Glasstabes in Lösung. Durch Zugabe v o n wenig Wasser wird die tief orangegelbe Lösung vollkommen entfärbt; gleichzeitig k o m m t das Carbinol unverändert wieder zur Abscheidung. In gleicher Weise werden auch die erwähnten Komplexsalze des Triphenylchlormethans durch Wasser wieder glatt zerlegt. Es handelt sich in beiden Fällen um eine Hydrolyse, die unter Rückbildung des Carbinols die Entladung des Triphenylmethylions zur Folge hat. Den Vorgang der Bildung gefärbter, durch Wasser mehr oder weniger leicht wieder zerlegbarer salzartiger Reaktionsprodukte aus neutralen Stoffen (Triphenylcarbinol) bezeichnet man als „ H a l o c h r o m i e " . Die halochromen Salze des Triphenylcarbinols werden als C a r b o n i u m s a l z e aufgefaßt, was aus der gegebenen Ableitung ohne weiteres hervorgeht. Das einfachste Carboniumsalz der Gruppe, das gelbe P e r c h l o r a t (K. A. H o f m a n n ) , erhält danach folgende Strukturformel :
Versuch: Man löse eine Spatelspitze reinen TriphenyIchlormethans in einigen ccm wasserfreiem Benzol und gebe etwas für Adsorptionszwecke geeignetes Aluminiumoxyd oder Silikagel hinzu. D a s Adsorbens erscheint in der farblosen Lösung gelb gefärbt. Durchschütteln mit einem Tropfen Methanol bringt die Farbe sofort zum Verschwinden. Das Aufziehen auf polare Adsorbentien löst eine Polarisierung aus, die sich hier im Übergang des farblosen covalenten Triphenyl-chlormethans in das gelbe Carbonium-ion kundtut (E. Weitz). 9. Tetraphenyl-hydrazin 34 g (0,2 Mol) Diphenylamin werden in einer mit Gummi- oder Glasstopfen dicht verschließbaren Flasche v o n etwa 400 ccm Inhalt in 200 ccm reinen Acetons gelöst. (Das käufliche reine Aceton ist meist gegen Permanganat beständig. Andernfalls trägt m a n so lange gepulvertes K M n 0 4 ein, bis dessen Farbe auch beim Kochen a m Rückflußkühler e t w a y 2 Stunde lang bestehen bleibt; das dann abdestillierte Aceton ist für
Tetraphenyl-hydrazin
309
Oxydationen in diesem Lösungsmittel1 brauchbar.) In die gekühlte Lösung trägt man unter fortgesetzter Kühlung in Eiswasser und lebhaftem Schütteln nach und nach sehr f e i n gepulvertes Permariganat ein; vor jeder neuen Zugabe wartet man, bis Entfärbung eingetreten ist. Nachdem im Verlauf von 1% Stunden etwa 16g Permanganat verbraucht sind, trägt man weiteres Oxydationsmittel ohne Außenkühlung ein, und zwar so lange, bis die Farbe y 2 Stunde lang bestehen bleibt; keinesfalls jedoch mehr als 14 g. Ein Teil des Diphenylamins wird bis zum Phenylisonitril aboxydiert (Geruch, Entwicklung von C02). Hierauf entfärbt man mit einigen Tropfen Alkohol oder Formaldehyd, saugt vom Braunstein ab, den man scharf abpreßt und zweimal mit wenig warmem Aceton auswäscht. Die klare Acetonlösung wird bei geringem Unterdruck aus einem Wasserbad von 35° mit vorgelegtem Kühler abgedampft; wenn man die Vorlage kühlt, kann man das Lösungsmittel zum großen Teil wieder gewinnen. Den Rest entfernt man im guten Vakuum bei einer Badtemperatur von 20°. Das auskristallisierte Tetraphenylhydrazin wird unter Eiskühlung durch Übergießen mit 20—30 ccm Äther von Schmieren befreit und nach einigem Stehen auf einer Filterplatte scharf abgesaugt. Durch Auftropfen von Äther wäscht man das Präparat rein. Man gewinnt so 20 bis 24 g fast farbloses Rohprodukt (60—70% der Theorie), das für die nachfolgende Operation direkt verwendet werden kann. Absolut reines Tetraphenylhydrazin vom Schmelzp. 144° gewinnt man durch Umkristallisation aus wenig (etwa der zwei- bis dreifachen Menge) Benzol. Die Lösung darf nur kurz aufgekocht werden. Man kann der heißen Lösung etwa y3 ihres Volumens siedenden Alkohols unter Umschütteln zusetzen und erhält so eine reichlichere Kristallisation als aus Benzol allein. Das reine Präparat wird nach dem Absaugen mit Benzol-Alkohol 1 : 1 , dann mit Alkohol allein gewaschen und sofort im Vakuumexsiccator getrocknet. Die Mutterlaugen kann man im Vakuum eindampfen und den Rückstand wie oben durch Digerieren mit kaltem Äther isolieren. Die reine und gut getrocknete Substanz hält sich, vor Licht und Säuren geschützt, jahrelang unverändert. Versuch: Man löst etwa 0,5 g Tetraphenylhydrazin in 5 ccm Xylol und erwärmt langsam über einer kleinen Flamme. Die anfangs farblose Lösung wird, noch ehe der Siedepunkt des Xylols erreicht ist, intensiv olivgrün. Dies ist die Farbe des f r e i e n R a d i k a l s , das sich bei dieser Temperatur sehr rasch weiter verändert, in Gegenwart von NO aber, wie einer der nächsten Versuche zeigen wird, a l s D i p h e n y l n i t r o s a m i n festgehalten wird. Versuch: Man übergieße einige cg Tetraphenylhydrazin mit konzentrierter Schwefelsäure. Es tritt anfangs schöne R o t f ä r b u n g auf, die nach kurzem Stehen in intensives B l a u v i o l e t t übergegangen ist. 1
Vgl. dazu F . S a c h s , B. 34, 497 (1901).
310
Organische Radikale
Der Farbstoff, der hier entsteht, ist identisch mit demjenigen, der bei dem bekannten Nachweis von Salpetersäure (und anderen Oxydationsmitteln) mit Dip h e n y l a m i n gebildet wird, nämlich D i p h e n y l - d i p h e n o c h i n o n d i i m o n i u m s ü l f a t (Kehrmann). X
)=NH-C6H6-[S04H]—.
Aus Tetraphenylhydrazin geht der Farbstoff durch hydrolytische Spaltung an der N-N-Bindung über das zuerst entstehende D i p h e n y l h y d r o x y l a m i n (S. 161, 294) hervor.
Die F e s t l e g u n g des D i p h e n y l s t i c k s t o f f s durch Stickoxyd1 Man macht sich einen Apparat zur Entwicklung von reinem NO zurecht. Eine Saugflasche von % Liter wird, wie bei der Salzsäureerzeugung, mit einem Tropftrichter versehen, durch den man 4 n-Schwefelsäure in konzentrierte Nitritlösung (70 g N a N 0 2 in 150 ccm Wasser) eintropfen läßt. Für die angegebene Menge braucht man 250 ccm 4 n-H 2 S0 4 . An den seitlichen Ansatz der Saugflasche ist eine Waschflasche mit starker Lauge, dann eine solche mit konzentrierter Schwefelsäure angeschlossen. Hierauf folgt, durch ein kurzes Schlauchstück verbunden, ein T-Rohr, das auf einer Seite mit einem C0 2 -Kipp in Verbindung steht, am anderen Ende mit dem Reaktionsgefäß verbunden wird. An das Schlauchstück vor dem T-Rohr ist ein Schraubhahn angelegt, der am Ende des Versuchs den NO-Entwicklungsapparat abzunehmen erlaubt. In einem kleinen Rundkolben löst man 5 g Tetraphenylhydrazin in 40 ccm Toluol und setzt einen doppelt durchbohrten Kork auf, dessen bis zum Boden reichendes Einleitungsrohr mit dem beschriebenen Apparat in Verbindung steht; in der anderen Bohrung steckt ein kurzes Glasrohr. Zuerst dreht man den Schraubhahn vor dem T-Stück zu und löst die Verbindung zwischen der zweiten Waschflasche und dem Verbindungsschlauch. Dann beginnt man mit dem Zutropfenlassen der Schwefelsäure und verdrängt gleichzeitig durch C02 die in der Apparatur und im angeschlossenen Reaktionskolben stehende Luft. Der Kolben ist in eine Klammer eingespannt und soll nachher sofort auf ein kräftig siedendes, bereit gestelltes Wasserbad gesetzt werden. Wenn im ersten Teil des Apparates alle Luft durch NO verdrängt, d. h. das Gas im Abzugsrohr der zweiten Waschflasche ganz farblos geworden ist, setzt man das Schlauchstück mit der Klemmschraube rasch an, öffnet diese und läßt nun das Stickoxyd, von einem schwachen C0 2 -Strom begleitet, in den Kolben treten. Sobald aus dessen Luftrohr braunes Gas (N0 2 ) austritt, setzt man den Kolben mit der Lösung auf das siedende Wasserbad und leitet eine halbe Stunde lang einen ziemlich raschen NO-Strom in die 1
A. 881, 211 (1911).
Tetraphenyl-hydrazin
311
Toluollösung. Ihxe Farbe ist dann gelb geworden. Jetzt dreht man die Flamme unter dem Wasserbad ab, schließt die Klemmschraube, löst die Verbindung gegen den NO-Entwickler und verdrängt durch einen stärkeren C0 2 -Strom alles in der Apparatur befindliche Stickoxyd (Prüfung mit Kaliumjodid-Stärkepapier). Das Toluol wird hierauf i m Vakuum v o l l s t ä n d i g abgedampft, das kristallisiert zurückbleibende Diphenylnitrosamin reinigt man durch Umkristallisation aus wenig Alkohol oder aus Petroläther. Schmelzp. 66°. Versuch: U m zu zeigen, daß die aromatischen Nitrosamine im entgegengesetzten Sinn dieser Bildungsweise wieder rückwärts zerfallen können, kocht man eine kleine Menge des eben erhaltenen, reinen Nitrosamins in Xylol und hält über die Mündung des Reagenzglases ein Stück angefeuchtetes KJ-Stärkepapier. Den Kohlenstoffradikalen schließen sich eng analoge Verbindungen des Stickstoffs an, ebenfalls freie ungesättigte Komplexe von atomartigem Charakter und von abnormer Valenzzahl. Auch ihr Auftreten ist an das Vorhandensein aromatischer Ringe gebunden. Dem Hexaphenyläthan entspricht das T e t r a p h e n y l hydrazin. Die gegenseitige Bindung der beiden N-Atome ist hier fester als bei dem Vorbild in der Kohlenstoffreihe. Eine Dissoziation in die Radikale D i p h e n y l s t i c k s t o f f s (H6C6)2N—N(C„H5)2
• 2 {H6C„)2N .
tritt in Lösung erst bei etwa 80° sichtbar in Erscheinung. Jedoch entstehen durch Einführung positiver Substituenten in die Benzolkerne Hydrazinderivate, die das Hexaphenyläthan im Dissoziationsgrad erheblich übertreffen. Schon das farblose p - T e t r a a n i s y l h y d r a z i n ist bei Raumtemperatur merklich in die Radikale des grünen p - D i a n i s y l s t i c k s t o f f s (H 3 C0 • C6H4)2N dissoziiert, und von dem in analoger Weise durch vier N(CH3)2-Gruppen substituierten Tetraphenylhydrazin sind in kaltem Benzol 10, in Nitrobenzol 21 °/ 0 zu dem Radikal des gelben B i s - p - d i m e t h y l a m i n o - d i p h e n y l s t i c k s t o f f s [H3C)2N-C,H4)2N dissoziiert. Im Gegensatz zu ihrem anorganischen Grundtyp, dem Stickoxyd, sind diese Radikale gegen S a u e r s t o f f unempfindlich. Dagegen wird gerade S t i c k o x y d mit großer Leichtigkeit von ihnen aufgenommen, eine Reaktion, die allgemein zu ihrem Nachweis dient. (C,H6)2N + NO
. (C,H6)2N • NO .
Wie man sieht, bilden sich dabei die N i t r o s a m i n e der zugrunde liegenden Diarylamine. Auch mit T r i p h e n y l m e t h y l und anderen Radikalen vereinigen sie sich unter Ausgleich der freien Valenzen. (C6H6)2N + (C6H5)3C
• (C,H 6 ) 2 N-C(C e H 6 ) 3 .
An Beständigkeit stehen die Stickstoffradikale den bekannten des Kohlenstoffs nach. Sie erleiden eine für die gesamte Radikalchemie gültige Umwandlung, die in einer gegenseitigen Disproporfcionierung besteht, d. h. es kommt zu einem Ausgleich des abnormen Sättigungszustandes dadurch, daß ein Molekül einem andern W a s s e r s t o f f entzieht. Neben s e k u n d ä r e m Amin bildet sich als wasserstoffärmeres Produkt ein P h e n a z i n d e r i v a t .
312
Heterocyclische Verbindungen 2 (H3CO • C6H4)2N
(H3CO • C,H 4 ) 2 NH + [(HsCO • C,H 4 ) 2 N-1H] C6H4OCH3
2 [(H3CO • C,H 4 ) 2 N-1 H]
•
|
J
i*
J
I C,H,OCH 3 Der Wasserstoff ist demnach von den mit * bezeichneten Stellen weggenommen worden. Das einfachste Beispiel dieser Disproportionierung von Radikalen finden wir bei dem entladenen OH-Ion, dem Radikal Hydroxyl: 2 OH >• HÖH + O; 2 0 >- 0 2 . Erwähnt seien noch die Radikale mit zweiwertigem Stickstoff, die sich von Hydrazinen ableiten, die sog. H y d r a z y l e , tief gefärbte Verbindungen, die durch Dehydrierung tertiärer Hydrazine erhalten worden sind und die zu den farblosen T e t r a z a n e n im Dissoziationsgleichgewicht stehen (St. Goldschmidt), z.B.: (C„H 5 ) 2 N-N N-N(C 6 H 6 ) 2 | I C,H6 C,H6
2 (C,H6)2N—N—C,HS .
Auch das Radikal N0 2 hat sein Ebenbild in der aromatischen Reihe gefunden. Durch Dehydrierung von Diphenylhydroxylamin mit Silberoxyd entsteht das prachtvoll kristallisierte, granatrote D i p h e n y I s t i c k s t o f f o x y d . HO-N(C,H 6 ) 2 > 0=N(C,H 5 ) 2 . Nicht nur in der Farbe, sondern auch in vielen Reaktionen zeigt diese Verbindung eine auffallende Übereinstimmung mit N0 2 . Aber es fehlt ihr jede Neigung, den Radikalzustand aufzugeben, sich gleich ihm zu dimerisieren. In dieser Hinsicht gleicht es dem Stickoxyd, während dessen organische Verwandte sich mehr dem Stickstoffdioxyd anschließen. Eine ausführliche Beschreibung des Gebietes findet man in W. A. W a t e r s , The Chemistry of Free Radicals, Oxford 1948.
X. Heterocyclische Verbindungen 1. Pyridinderivate a) S y n t h e s e v o n C o l l i d i n n a c h H a n t z s c h 1 D i h y d r o c o l l i d i n - d i c a r b o n s ä u r e e s t e r . Eine Mischung von 33 g Acetessigester und 10 g Aldehydammoniak erwärmt man in einem kleinen Becherglase auf einem Drahtnetz unter Umrühren mit einem Thermometer 3 Minuten lang auf 100—110°. Man versetzt dann das warme Reaktionsgemisch mit seinem doppelten Volumen 2 n - Salzsäure und rührt, ohne weiter zu erhitzen, so lange kräftig um, bis die anfangs flüssige Masse erstarrt ist. Diese wird dann in einer Reibschale fein zerrieben, abgesaugt, mit Wasser ausgewaschen und auf Ton getrocknet. 1
A. 215, 1 (1882).
Pyridinderivate
313
Für die weitere Verarbeitung kann das Rohprodukt direkt verwendet werden. Eine Probe kristallisiert man aus wenig Alkohol um. Farblose, bläulich fluoreszierende Tafeln vom Schmelzpunkt 131°. Collidin-dicarbonsäureester. In die durch Wasser gekühlte Mischung des rohen Esters mit der gleichen Gewichtsmenge Alkohol leitet man so lange nitrose Gase1 ein, bis der Dihydroester in Lösung gegangen ist und eine Probe sich in verdünnter Salzsäure klar auflöst. Jetzt gießt man die Lösung unter Nachspülen mit Wasser auf 100 g Eis, die sich in einem mittelgroßen (%—% Liter) Scheidetrichter befinden, stumpft die Säure durch langsames Eintragen von fein gepulverter Soda ab und nimmt dann den als ö l abgeschiedenen Ester in Äther auf. Mit aufgesetztem Stopfen darf erst geschüttelt werden, wenn die Kohlensäureentwicklung aufgehört hat. Das Ausäthern wird wiederholt, die vereinigten Ätherlösungen schüttelt man nochmals mit Wasser aus, um die Hauptmenge des Alkohols zu entfernen, trocknet sie kurz mit Kaliumcarbonat, dampft dann den Äther ab und destilliert den Rückstand im Vakuum. Siedep. 175—178°/21. Ausbeute 15g Collidindicarbonsäureester aus 20 g Dihydroester. C o l l i d i n - d i c a r b o n s a u r e s K a l i u m . Man löst 30 g gereinigten Ätzkalis in 100 ccm absoluten Alkohols in einem 1 / 4 - Liter - Rundkolben durch längeres Kochen auf dem Drahtnetz unter Rückfluß auf, setzt die gewonnenen 15 g Collidindicarbonester langsam zu und kocht die Lösung 3—4 Stunden lang auf lebhaft siedendem Wasserbad. Das in Alkohol schwer lösliche Salz scheidet sich nach und nach in Kristallkrusten aus und wird nach Beendigung der Verseifung von der erkalteten Lösung abgesaugt und erst zweimal mit Alkohol, dann mit Äther gewaschen. Ausbeute 12—14 g. Collidin. Die Abspaltung der Carboxylgruppe erfolgt durch Erhitzen des Kaliumsalzes mit gelöschtem Kalk. Man mischt das gewonnene Salz mit seiner doppelten Gewichtsmenge Ga(OH)2 in einer Reibschale gut durcheinander und füllt das Gemenge in ein Verbrennungsrohr von etwa 60 cm Länge ein, das man, 10 cm vom Ende entfernt, mit einem Asbestpfropfen für das Einfüllen gedichtet hat. Das eingefüllte Pulver schließt man auch auf der andern Seite durch einen lockeren Asbestpfropfen ab, verstopft das eine Ende mit einem dichten Kork, während das andere durch einen Vorstoß mit einer Vorlage in Verbindung steht. Das Rohr wird in einem kurzen, schräg gestellten Verbrennungsofen (das geschlossene Ende erhöht) durch kleine Flammen vorgewärmt, n a c h 1 Zu 50 g zerkleinerten (Vorsicht!) Arseniks läßt man aus einem Tropftrichter langsam die Mischung von 75 ccm konzentrierter Salpetersäure (Spez. Gew. 1,4) und 30 ccm Wasser fließen; der Rundkolben, in dem die nitrosen Gase entwickelt werden, trägt in seinem doppelt durchbohrten Korkstopfen neben dem Tropftrichter ein Ableitungsrohr, das über eine leere und trockene Waschflasche zu dem Reaktionsgefäß führt. Das Gemisch von Arsenik und Salpetersäure wird auf dem Drahtnetz gelinde erwärmt.
Heterocyclische Verbindungen
314
dem m a n vorher über der e i n g e f ü l l t e n Mischung durch Klopf e n e i n e n n i c h t z u e n g e n G a n g e r z e u g t h a t . D a n n vergrößert man die Flammen, am oberen Teil des Rohres beginnend, mehr und mehr, bis m a n schließlich bei geschlossenen Kacheln zu heller Rotglut gelangt. D a s hierbei übergehende Collidin wird mit Äther aufgenommen, mit wenig Ätzkali getrocknet und dann destilliert. Siedep. 172°. Ausbeute 3 — 4 g. Wenn eine Stickstoffbombe zur Verfügung steht, so n i m m t m a n die Brenzreaktion in einem langsamen Gasstrom vor. Die außerordentlich glatt verlaufende Synthese des Pyridinrings aus Acetessigester, Aldehyden und Ammoniak kommt dadurch zustande, daß Aldehyde in erster Phase unter Bildung von A l k y l i d e n - b i s - a c e t e s s i g e s t e r n reagieren und daß die so entstandenen 1,5-Diketonderivate dureh eine eingefügte Ammoniakmolekel unter Abspaltung von 2 Mol. Wasser Ringschluß erfahren. R
R
i ,H
CH ROOC•C
H3C • ¿ 0
OC • CH3
^C•COOR
H 3 C • COH HOC • CH, NH,
ROOC•C
0•COOR
Nimmt man die Kondensation ohne Ammoniak vor, so kommt aus dem Zwischenprodukt, das oben in der Di-enolform aufgezeichnet ist, die K n o e v e n a g e Ische S e c h s r i n g s y n t h e s e zustande, die durch Basen wie Diäthylamin, Piperidin katalytisch herbeigeführt wird. R i CH ROOC • CH I I H3C • CO
R I CH CH • COOR • CO
ROOC•CH I H3C • C
CH • COOR I CO
±i 3 o CH Das Kondensationsprodukt bei der Synthese nach H a n t z s c h ist ein Derivat des D i h y d r o p y r i d i n s , das erst durch Dehydrierung in ein echtes Pyridin umgewandelt wird. Durch die Wegnahme der beiden Wasserstoffatome aus 1,4-Stellung wird erst das dem Benzol analoge heterocyclische Ringsystem gebildet. Viel leichter geht auf diesem Weg A 2 , 5 - D i h y d r o t e r e p h t h a l s ä u r e e s t e r in T e r e p h t h a l s ä u r e e s t e r über.
315
Pyridinderivate RH
\ vvN // H
H CO,R
CO,R
CO,R
00..R
Daß das echte Pyridinderivat basischer ist, als die Dihydroverbindung, hängt damit zusammen, daß bei dieser die NH-Gruppe mit zwei doppelt gebundenen C-Atomen in Bindung steht. Aber auch das Pyridin und seine Abkömmlinge sind nur schwache Basen. Die chemische Natur des in vieler Hinsicht mit dem Benzol zu vergleichenden „aromatischen" Pyridins (und Chinolins) ändert sich von Grund aus bei der Hydrierung zum P i p e r i d i n , das vollkommen den Charakter eines sekundären a l i p h a t i s c h e n Amins besitzt. Die perhydrierten heterocyclischen Basen vermitteln wichtige Abbaureaktionen, die namentlich bei der Konstitutionserforschung von Alkaloiden bedeutungsvoll geworden sind. Wir wollen die Methode der Ringaufsprengung mit Hilfe der „ e r s c h ö p f e n d e n M e t h y l i e r u n g " nach A. W. H o f mann am Piperidin erörtern. Aus der q u a r t ä r e n A m m o n i u m b a s e löst sich bei der thermischen Zersetzung eine C—N-Bindung auf, während gleichzeitig Wasser abgespalten wird. CH, CH,
ch 2 1 CH2
CH2
|
ch 2
OH(~> \n< XCH. CK/
CH II CH2
I " + H20 CH2
/ N(CH3)2
Das offene und ungesättigte tertiäre Amin wird wieder erschöpfend methyliert und seine quartäre Ammoniumbase erneut in gleicher Weise gespalten. CH, CH,
CHJ
CH2
(CHjJaN^ 33
—
0H(~>
CH CH II II + N(CH3)3 + H2O CH2 CH2 1 CH3 • CH=CH • CH=CH2
Auf diesem Weg ist das Piperidin in den Kohlenwasserstoff „ P i p e r y l e n " ,
/
^C0NH2
l(+) R Zu den biologisch wichtigen Pyridin-Derivaten gehört auch das Vitamin B s (Pyridoxin). b) ¡ % - A m i n o p y r i d i n 1 16 g (0,2 Mol) über gepulvertem Ätzkali oder Bariumoxyd getrockneten u n d destillierten Pyridins werden in 30 com Xylol (über Natrium getrocknet) m i t 10 g in der Reibschale unter X y l o l zerriebenen Natriumamids versetzt und 7 Stunden lang i m Ölbad a m Rückflußkühler auf 140 bis 150° erhitzt. Der Zutritt v o n Feuchtigkeit ist streng auszuschließen. N a c h d e m Erkalten setzt m a n vorsichtig nach und nach 2 0 ccm gekühlter Sodalösung zu, schüttelt durch und trennt dann i m Scheidetrichter. D i e wäßrige Schicht wird noch einige Male mit Benzol ausgeschüttelt. V o n 1
T s c h i t s c h i b a b i n , C. 1915 I, 1065, Wibaut, Ree. 42, 240 (1923).
Chinolin
317
den vereinigten Auszügen wird nach kurzem Trocknen mit festem Ätzkali das Lösungsmittel abdestilliert. Das höher siedende Aminopyridin reinigt man durch Destillation im Vakuum (Schwertkolben); der Vorlauf besteht zum größten Teil aus Xylol. Die Base siedet bei 93°/ n ) 96°/13. Ausbeute 6—7 g. Aus Vor- und Nachlauf läßt sich noch eine kleine Menge herausfraktionieren. «-Aminopyridin kristallisiert leicht und kann aus Ligroin umkristallisiert werden. Schmelzp. 57°. Die sehr bemerkenswerte Reaktion, mit Natriumamid die NH 2 -Gruppe in einen aromatischen Bing einzuführen, stammt von F. S a c h s (B. 89, 3006 [1906]), der sie an mehreren Beispielen in der Naphthalin- und Anthrachinonreihe studiert hat. Im Falle des Pyridins verläuft die Synthese nach T s c h i t s c h i b a h i n besonders glatt. Sie überschreitet wohl ein Zwischenprodukt der Anlagerung von NH 2 Na an die — N = C H — Doppelbindung von der Form —NNa—CH(NH 2 )—. Das nach der summarischen Gleichung CJH5N + NaNH 2
• C 6 H 4 N • NH 2 + Na + H .
entstehende a - A m i n o p y r i d i n verhält sich in seinen Reaktionen wie eine tautomere Verbindung. Viele, namentlich cyclische Derivate leiten sich von einer D i i m i n f o r m ab, die sich auf Grund folgender Umlagerung bilden kann:
2. C h i n o l i n
a) S k r a u p s c h e C h i n o l i n - S y n t h e s e 1 In einem Kolben von 11/> Liter Inhalt wird eine Mischung von 20 g Nitrobenzol, 31 g Anilin und 100 g w a s s e r f r e i e n 2 Olycerins unter Umschütteln mit 45 ccm konzentrierter Schwefelsäure versetzt. Man verbindet den Kolben dann mit einem langen, weiten Rückflußkühlei und erhitzt ihn auf einem Drahtnetz. Sobald der Eintritt der Reaktion durch Entwicklung von Dampfblasen, die plötzlich aus der Flüssigkeit aufsteigen, sich zu erkennen gibt, entfernt man sofort die Flamme und läßt die bisweilen äußerst heftige Hauptreaktion 3 ohne äußere Erhitzung sich vollziehen. Hat das Reaktionsgemisch sich beruhigt, so erhitzt man noch 3 Stunden auf dem Sandbade oder Drahtnetz zum Sieden, verdünnt mit wenig Wasser und treibt aus der sauren Flüssigkeit das unveränderte Nitrobenzol mit Wasserdampf vollständig ab. Man macht 1 M.l, 316 (1880); 2, 139 (1881). M. W y l e r , B.60, 398 (1927). D a r z e n s , B .47 227 (1930). 8 Man erhitzt das käufliche Glycerin in einer Porzellanschale so lange (Abzug), bis ein eingehängtes Thermometer auf 180° gestiegen ist. 3 Deren Mäßigung wird erreicht, wenn man zu Anfang nur die Hälfte der Schwefelsäure zufügt, mit kleiner Flamme vorsichtig zum gelinden Sieden erhitzt und nach 1 Stunde den Rest der Säure ganz langsam zutropfen läßt. Sodann wird das Gemisch wie oben noch 3 Stunden lang im Sieden gehalten.
318
Heterocyclische Verbindungen
dann die im Destillierkolben zurückgebliebene, noch warme Flüssigkeit mit konzentrierter Natronlauge alkalisch und destilliert das in Freiheit gesetzte Chinolin mit unverändertem Anilin ebenfalls mit Wasserdampf über. Das Destillat wird ausgeäthert, der Äther abdestilliert, die rohen Basen werden in der Mischung von 50 ccm konz. Salzsäure und 200 ccm Wasser gelöst. Zu der warmen, klaren Lösung fügt man 30 g Zinkchlorid in 50 ccm 2 n-HCl. Das nach dem Erkalten auskristallisierte Doppelsalz wird nach einigem Stehen unter Eiskühlung abgesaugt und mit kalter 2 n-Salzsäure gewaschen. Hierauf zersetzt man mit starker Natronlauge und treibt das Chinolin abermals mit Wasserdampf über. Nach dem Ausäthern wird die Ätherlösung mit festem Ätzkali getrocknet und das Chinolin nach dem Verdampfen des Äthers schließlich destilliert. Siedep. 237°. Ausbeute 24—25 g. Das Präparat ist wasserhell.
b) C h i n a l d i n - S y n t h e s e n a c h D o e b n e r - M i l l e r 1 In einem Kolben von 1 Liter Inhalt wird eine Mischung von 31 g Anilin und 60 ccm roher, konzentrierter Salzsäure unter Umschütteln mit 45 ccm Paraldehyd versetzt (oder mit 60 ccm Acetaldehyd, der unter Außenkühlung mit Eis vorsichtig durch einen langen Rückflußkühler zugetropft wird). Man läßt die Mischung bei Zimmertemperatur stehen, wobei nach und nach die Kondensation stattfindet, durch gelinde Selbsterwärmung sich äußernd. Man erwärmt noch 3 Stunden unter Rückfluß zum Sieden, macht mit starker Natronlauge alkalisch und destilliert die Rohbase mit Wasserdampf über. Die öligen Basen werden abgetrennt, der wäßrige Anteil wird 3 mal ausgeäthert. In den Auszügen wird das abgetrennte Öl gelöst, die Ätherlösung wird mit festem Ätzkali getrocknet. Nach dem Verdampfen des Äthers kocht man die Rohbase zur Bindung des nicht verbrauchten Anilins mit 10 ccm Essigsäureanhydrid eine Viertelstunde lang am Rückflußkühler, macht nach dem Erkalten mit gesättigter Sodalösung deutlich alkalisch und destilliert erneut mit Wasserdampf. Das Ghinaldin wird nach der üblichen Aufarbeitung durch Destillation im Vakuum rein erhalten. Siedepunkt 115—120%2. Als Nachlauf erhält man eine kleine Menge höher siedender Basen. Ausbeute 18—20 g. Man kann auch aus dem Rohbasengemisch das Chinaldin in der beim Chinolin angegebenen Weise über das ZnCl^-Doppehalz abtrennen. Das Präparat wird reiner, die Ausbeute ist etwas geringer. Das erste auf dem unter a) durchgeführtenWeg gewonnene Chinolinderivat war der Farbstoff „Alizarinblau" (Prudhomme 1877), der beim Erhitzen von /3-Nitroalizarin mit Glyzerin und Schwefelsäure erhalten und von Graebe aufgeklärt wurde: 1
B. 14, 2816 (1881); 16, 1664 (1883); 17, 1712 (1884).
319
Chinolin
CO OH N / \ o h N Während des Prozesses wird die N0 2 - zur NH2-Gruppe reduziert. Die Skraupsche Synthese erfolgt unter Wasserabspaltung. Dabei wird sich Acrolein bilden, das mit dem Anilin zu einem Azomethin (Schiffsehe Base) zusammentreten kann (I), wahrscheinlicher aber die Base an der C=C-Doppelbindung aufnehmen wird (II):
Es entsteht, mag die erste oder die zweite Erklärung zutreffen, ein Dihydrochinolin, dessen überständiger Wasserstoff von dem vorhandenen Nitrobenzol gebunden wird. Eine zweite, ähnlich verlaufende Synthese, die von Doebner-Miller, führt zu s u b s t i t u i e r t e n Chinolinen. Einfachstes Beispiel: Chinaldin aus A n i l i n und Paraldehyd durch Erhitzen mit konzentrierter Salzsäure. Der Verlauf der Reaktion, schließt sich eng dem der Skraupsehen Synthese nach II an, wenn man das Anilin, wie dort mit Acrolein, so hier mit Crotonaldehyd, der unter den Bedingungen sich leicht bildet, zusammentreten läßt: NH, NH NH CH-CH, 3H—CH0
CH OHC Auch hier sind zwei überständige H-Atome, die von Nebenreaktionen — es entstehen hydrierte Produkte — verschluckt werden. Das bekannte Gichtmittel A t o p h a n , a-Phenylchinolin-j'-carbonsäure, ist das Produkt einer analogen Kondensation von Anilin mit B e n z a l d e h y d und B r e n z t r a u b e n s ä u r e : NH» H
f
OC—C6HJ OC/
CH,
COOH
Heterocyclische Verbindungen
320
Atophan kann auch durch alkalische Kondensation von I s a t i n mit A c e t o p h e n o n gewonnen werden. Formulieren! Als biologisches Abbauprodukt des Tryptophans verdient die K y n u r e n s ä u r e Erwähnung. Zum analytischen Nachweis von mehrwertigen Metallen, mit denen es unlösliche Komplexsalze bildet, findet das 8 - O x y - c h i n o l i n (Oxin) vielfache Verwendung. Das Antimalariamittel P l a s m o c h i n leitet sich ebenfalls vom Chinolin ab. OH ^ X / V Wf
UÜ-H
HN—CH(CH2)3N/^5
Kynurensäure
CH3 Plasmochin
Sehr wichtige Chinolinderivate sind auch die als C y a n i n e bezeichneten, in der Photographie als Sensibilisatoren benützten Farbstoffe, deren einfachster Typ durch die Formel des Äthylrots wiedergegeben sei. ~
\
NC2HS J ( _ ) C2H, Athylrot Das Prinzip der Bildung dieser Farbstoffe beruht auf der Reaktionsfähigkeit der im Chinolin (und auch im Pyridin) a- oder y-ständigen Methylgruppe. Diese läßt sich nämlich wie die von Ketonen mit Aldehyden u. dgl. kondensieren. Das Chinolin hat seinen Namen vom Chinin, das dessen Ringsystem enthält. Eine noch umfassendere Rolle im Aufbau von Alkaloiden kommt dem I s o c h i n o lin zu (Opiumalkaloide). 3. a - P h e n y l - c h i n o l i n a u s Chinolin u n d L i t h i u m - p h e n y l 1 a) L i t h i u m p h e n y l . Das käufliche Lithium wird v o n den dunklen Krusten befreit und unter abs. Äther mit d e m Messer in m ö g l i c h s t f e i n e Schnitzel zerteilt. D a v o n wiegt man unter abs. Äther 1,4 g ab. Ein Dreihalskolben v o n 300 ccm Inhalt oder ein Kolben mit AnschützAufsatz trägt einen gut wirksamen Rückflußkühler, einen Tropftrichter und ein Einleitungsrohr für Bombenstickstoff, der durch konzentrierte Schwefelsäure und über Natronasbest und Phosphorpentoxyd geleitet wird. Das Einleitungsrohr wird bei Benützung eines Anschütz-Aufsatzes durch den Kühler geführt und soll wegen der Verstopfungsgefahr nicht in die Reaktionsflüssigkeit eintauchen. Das abgewogene Lithium gießt man nun — bei lebhaftem Stickstoffstrom — zusammen mit 50 ccm abs. Äthers in den Kolben ein und schließt ihn wieder. Sobald alle Luft verdrängt ist, kann man den Stick1
K. Z i e g l e r , A. 479, 147 (1930); 483, 185 (1931).
Indigo
321
stoffstrom langsamer stellen. Nun läßt man 16 g (0,1 Mol) mit Calciumchlorid getrocknetes und destilliertes Brombenzol durch den Tropftrichter zutropfen. Die Reaktion beginnt manchmal sofort, manchmal auch erst nach einigem Warten. Sie ist anfänglich meist ziemlich heftig und muß gut überwacht werden. Dabei ist häufig umzuschüttein und eventuell mit Eiswasser zu kühlen. Wenn die Reaktion nachläßt, so erhitzt man noch 30 Minuten zum Sieden. Das Lithium ist dann zum größten Teil unter Braunfärbung in Lösung gegangen. b) Ä - P h e n y l c h i n o l i n . Zu dieser Lösung läßt man nach dem Abkühlen durch den Tropftrichter 9 g (0,07 Mol) Chinolin tropfen, das man über Bariumoxyd getrocknet und i. V. destilliert hat. Es fallt sofort das gelbe Additionsprodukt des Lithiumphenyls an Chinolin aus. Nach etwa 2-stündigem Stehen wird durch Zutropfen von Wasser unter Eiskühlung vorsichtig zersetzt. Dann wird die gleiche Menge Äther zugefügt und, wenn alles Lithium in Lösung gegangen ist, im Scheidetrichter abgetrennt. Die alkalisch-wäßrige Schicht wird nachgeäthert, die vereinigten Ätherlösungen werden abgedampft. Den Rückstand — ein dickes gelbliches ö l (Giemisch von Phenylchinolin und seiner Dihydroverbindung) — kocht man mit 60 ccm Nitrobenzol einige Minuten lang (Kolben mit Steigrohr als Rückflußkühler). Nach dem Erkalten wird die Base durch Ausschütteln mit verdünnter Schwefelsäure dem Nitrobenzol entzogen. Die saure Lösung befreit man mit wenig Äther von Nitrobenzol und stumpft sie zuerst mit Natronlauge, den Rest der Säure mit Soda ab. Die ausgefallene Base wird durch zweimaliges Ausschütteln in Äther aufgenommen. Nach dem Abdampfen der mit Pottasche getrockneten Ätherlösung hinterbleibt bereits recht reines oc-Phenylchinolin. Ausbeute an Rohprodukt etwa 12 g, d. h. 85% des eingesetzten Chinolins. Umkristallisieren aus Alkohol liefert die reine Base vom Schmelzp. 83—84°. Da diese Kristallisationen verlustreich sind, müssen zur Erhöhung der Ausbeute die Mutterlaugen unbedingt aufgearbeitet werden. Der Reaktionsverlauf stellt sich in der Weise dar, daß zuerst das Lithiumphenyl an die vom Stickstoff ausgehende Doppelbindung des Chinolins angelagert wird. Es entsteht a - P h e n y l - d i h y d r o c h i n o l i n - l i t h i u m
Li das nach der Hydrolyse durch das Nitrobenzol z u a - P h e n y l - c h i n o l i n dehydriert wird.
4. Indigo P h e n y l g l y c i n 1 . 1 9 g Chloressigsäure werden mit 100 ccm 2 n-Natronlauge in der Kälte genau neutralisiert; dann kocht man nach Zugabe von 18,6 g Anilin kurze Zeit am Rückflußkühler, bis das Anilin sich 1
21
J. H o u b e n , B. 47, 3988 (1913). Gattermann,
Praxis des organ. Chemikers. 35.Aufl.
322
Heterocyclische Verbindungen
umgesetzt hat und in Lösung gegangen ist. Beim Abkühlen scheidet sich das Phenylglycin erst ölig, beim Reiben aber bald kristallinisch aus. Nach einigem Stehen in Eis wird abgesaugt und mit wenig eiskalten Wassers gewaschen. Ausbeute 22—24 g an trockner Substanz. Zur Darstellung des K a l i u m s a l z e s neutralisiert man 20 g Phenylglycin unter Anwendung von Phenolphthaleinpapier genau mit 2 n-Kalilauge, von der etwa 70 ccm gebraucht werden und dampft dann die klare Lösung auf dem Wasserbad ein. Für die Indoxylschmelze muß der Salzrückstand mehrere Stunden bei 100° im Trockenschrank getrocknet werden. I n d o x y l s c h m e l z e 1 . 15 g Ätznatron und 20 g Ätzkali werden in einem Nickeltiegel zusammengeschmolzen und durch Erhitzen auf etwa 500° (dunkle Rotglut) sorgfältig entwässert. Die eben erstarrte Masse wird durch gelindes Erhitzen wieder gerade zur Schmelze gebracht und in einen Erlenmeyerkolben aus Jenaer Glas von 100 ccm Inhalt, der in einem Ölbad auf 220° erhitzt ist, eingegossen. Wird diese Vorschrift eingehalten, so ist ein Springen des Kolbens nicht zu befürchten. Zu der im Kolben befindlichen Schmelze gibt man 10 g Natriumamid, das sich unter geringer Ammoniakentwicklung in der Schmelze auflöst, und trägt in 5—10 Minuten 20 g reinen, im Trockenschrank bei 100° völlig getrockneten Phenylglycinkaliums löffelchenweise unter Umrühren mit einem Glasstab ein. Es soll eine homogene Schmelze entstehen. Augen und Hände schützen! Die Temperatur des Ölbades wird auf 200—220° gehalten. 2 Minuten, nachdem man den Rest des Kaliumsalzes eingetragen hat, wird der Kolben, den man mit einem Korkstopfen lose verschlossen hat, aus dem Ölbad herausgenommen und erkalten gelassen. Nach vollständigem Erkalten wird der Kolben zerschlagen und die Schmelze in kleinen Stückchen in ein Becherglas von 1 Liter Inhalt, das mit 500 ccm Wasser gefüllt ist, eingetragen. Nach völliger Lösung wird rasch durch ein großes Faltenfilter in einen Rundkolben oder eine Saugflasche von 1 ]/2 Liter filtriert 2 und nun mit der Wasserstrahlpumpe so lange Luft durch die Lösung gesaugt, bis ein Tropfen der wäßrigen Indigosuspension, auf Filtrierpapier gebracht, nicht mehr an der Luft nachblaut und einen scharfen Rand von gefälltem Indigo zurückläßt. Der Indigo wird nach völliger Oxydation abgenutscht, mit heißem Wasser gewaschen, vom Filter in ein Becherglas gespritzt, mit 10-proz. Salzsäure gekocht, wieder abgenutscht, mit heißem Wasser gewaschen und getrocknet. Die Ausbeute erreicht 60—70% der Theorie. Eine einfache qualitative Prüfung auf Reinheit des erhaltenen Indigos läßt sich so ausführen, daß man etwas von dem trocknen Präparat in einem Reagenzglas zu Pyridin gibt, einige Zeit unter Umschütteln erhitzt und auf Filtrierpapier einige Tropfen ausgießt. Bei reinem Indigotin wird 1
Nach einer Vorschrift von Dr. J. Pfleger, Frankfurt a. M. • Das Filtrieren ist nicht unbedingt notwendig, liefert aber ein reineres Produkt.
Indigo
323
Pyridin nicht gefärbt, während Verunreinigungen, die sich beim Arbeiten in d e m kleinen Maßstab bilden können, sich durch schwächere oder stärkere schmutzig-braune Färbung des auslaufenden Pyridins anzeigen. Will m a n den g e s a m t e n erhaltenen Indigo durch Pyridin reinigen, dann m u ß m a n den v o m Pyridin abgesaugten und mit reinem heißen Pyridin nachgewaschenen Indigo noch einmal mit Salzsäure kochen, abnutschen, mit heißem Wasser auswaschen und trocknen 1 . Die hier durchgeführte Indigo-Synthese stellt den Farbstoff aus den Grundmaterialien Koks und Kalk (Acetylen -» Essigsäure), Chlor und A n i l i n her und bildet das jetzt gebräuchliche technische Verfahren. Der Anbau der indigoliefernden Pflanzen ist damit entbehrlich geworden, wenn auch diese Produktionsart noch nicht von dem gleichen Schicksal betroffen worden ist, wie die Krappkultur durch das synthetische Alizarin. Die Alkalischmelze des Phenylglycins als Indigo-Synthese ist schon im Jahre 1892 von H e u m a n n entdeckt worden, aber erst der Zusatz von N a t r i u m a m i d (J. P f l e g e r ) hat das Verfahren ertragreich gestaltet. Die Konstitution des Farbstoffs ist in klassischen Arbeiten von A. B a e y e r erforscht worden. Auf die zahlreichen Synthesen kann hier nicht eingegangen werden; nur die schönste von ihnen, die auch eine Zeitlang technisch durchgeführt wurde, sei hier- erwähnt 2 . Bei ihr wird o - N i t r o b e n z a l d e h y d in alkalischer Lösung mit A c e t o n kondensiert. Dabei entsteht ein aldolartiges Kondensationsprodukt, das Essigsäure verliert und — vielleicht über o-Nitrostyrol — unter intramolekularer Abspaltung von einem Mol Wasser in den halbmolekularen Indigo, das I n d o l o n übergeht, das, selbst nicht existenzfähig, sich alsbald zum Farbstoff dimerisiert: HcOH / \ - C H O j—NO 2
/ 3
X
CH 2 • CO • CH,
3
CH
Die Verschiebung des Sauerstoffs von einer Nitrogruppe an ein o-ständiges C-Atom ist wenig übersichtlich, aber durch mehrere ähnliche Reaktionen belegt. So geht o - N i t r o t o l u o l unter der Wirkung von Alkalien in A n t h r a n i l s ä u r e (Binz), o - N i t r o b e n z a l d e h y d bei Belichtung in o - N i t r o s o b e n z o e s ä u r e über (Ciamician): 1 2 21*
D. B. P. 134139 der Höchster Farbwerke. B. 15, 2856 (1882).
324
Heterocyclische Verbindungen
/ V - C ^
COOH NO
'x^/'-NO, ferner y - N i t r o a n t h r a c e n in A n t h r a c h i n o n - o x i m H
(Meisenheimer)
0
NOH Wem etwas o-Nitrobenzaldehyd zugänglich ist, der sollte sich die schöne B a e y e r sehe Indigo-Synthese nicht entgehen lassen. Versuch: 1 g o-Nitrobenzaldehyd wird in 3 ccm reinen Acetons gelöst; man f ü g t etwa die gleiche Menge Wassers und dann zu der klar gebliebenen Lösung Tropfen auf Tropfen n-Natronlauge zu. Unter Erwärmung färbt sich die Lösung dunkelbraun und läßt nach kurzer Zeit den Farbstoff in kristallinischen Flocken herauskommen. Man saugt nach 5 Minuten ab und wäscht mit Alkohol, dann mit Äther. Der so gewonnene Indigo zeichnet sich durch besondere Reinheit aus und zeigt schönen violetten Oberflächenglanz. Die erste technische Darstellung des Indigos in großem Maßstab ging aus vom N a p h t h a l i n , das mit rauchender Schwefelsäure (bei Gegenwart von Quecksilber(Il)-sulfat) zur P h t h a l s ä u r e aufoxydiert wurde. Das aus ihr gewonnene P h t h a l i m i d erfuhr als (offene) P h t h a l a m i d s ä u r e den H o f m a n n s c h e n Abbau zu Ant h r a n i l s ä u r e , die, mit Chloressigsäure kombiniert, in der P h e n y l g l y c i n - o c a r b o n s ä u r e ein der Indoxylschmelze zugängliches Material lieferte. Formulieren! In entsprechender Weise verläuft die Synthese des namentlich in Derivaten technisch wichtigen roten T h i o i n d i g o s ( F r i e d l ä n d e r ) aus T h i o s a l i c y l s ä u r e : COOH CH2—COOH
Die H e u m a n n - P f l e g e r s c h e Synthese führt in der Schmelze zu I n d o x y l k a l i u m , das schon durch Luftsauerstoff — unter gleichzeitiger Bildung von H y d r o p e r o x y d (siehe S. 156) — zu Indigo dehydriert wird.
Indigo
325
Kaum eine andere organische Verbindung ist so nach allen Ecken und Enden hin untersucht worden, wie der Indigo. Wir müssen uns daher hier auf die allerwichtigsten Reaktionen beschränken. D i e C h e m i e d e r I n d i g o f ä r b u n g . Der Farbstoff selbst kann wegen seiner Unlöslichkeit nicht direkt auf die Faser gebracht werden. Man führt ihn daher seit uralten Zeiten — der antike Purpur ist 6,6' - D i b r o m i n d i g o 1 ( F r i e d l ä n d e r ) — durch Reduktion in alkalischer Lösung in das A l k a l i s a l z s e i n e r D i h y d r o v e r b i n d u n g und so in wasserlösliche Form über, oder wie man sich färbetechnisch ausdrückt — man v e r k ü p t ihn. Die Naturvölker haben von jeher b i o l o g i s c h , d. h. durch hydrierende Bakterien, verküpt, die Industrie hat sich des E i s e n ( I I ) h y d r o x y d s oder des Z i n k s t a u b s bedient, heute benützt man hauptsächlich Natrium - dithionit. Versuch: E t w a 50 mg des dargestellten Indigos werden in einer kleinen Reibschale mit wenigen Tropfen Wasser zu einem feinen Brei zerrieben, hierauf aus der Spritzflasche in einen kleinen Erlenmeyer gespült und n u n unter Erwärmen auf 30—40° mit einem geringen Überschuß v o n alkalischer Natriumdithionitlösung reduziert. E s entsteht bald eine grüngelbe, dann braunstichig gelbe Lösung, die Küpe, auf deren Oberfläche infolge der Berührung mit der L u f t sich eine feine blaue H a u t v o n Indigo, die sogenannte „ B l u m e " bildet. Man verdünnt m i t Wasser auf 25—30 ccm, bringt einen vorher benetzten Streifen Leinwand in die Lösung, digeriert ihn darin etwa eine Minute lang mit einem Glasstab, n i m m t ihn heraus, preßt ihn ab und hängt ihn über zwei parallel gespannten Schnüren oder dünnen Glasstäben auf. Schon nach 5 Minuten ist der Stoff tief blau gefärbt. Aus der K ü p e fallt man mit durchgesaugter L u f t den Farbstoff wieder aus. Dieses Verfahren ist auch zur Reinigung v o n Indigo geeignet. Die Verküpung findet chemisch ihren Ausdruck in einer 1,6-Addition von Wasserstoff und erinnert ganz und gar an die Überführung von Chinon in Hydrochinon. Wie dieses ist auch das „ I n d i g w e i ß " ein zweiwertiges „Phenol", eine schwache Säure, deren Alkalisalze intensiv gelb gefärbt sind: iO II «C
NH
O, II Cß
OH c
OH c
NH
NH
NH
Aus dem teilweise hydrolytisch gespaltenen Alkalisalz der Küpe wird die große Molekel des „Indigweiß" von der Faser adsorbiert und dann in dieser feinen Verteilung durch den Sauerstoff der Luft — analog wie Indoxyl — wieder zum Farbstoff dehydriert, der nun als fest haftendes Pigment die Färbung bedingt. — Als fertige Küpen sind die Alkalisalze des I n d i g w e i ß - s c h w e f e l s ä u r e e s t e r s unter dem Namen „Indigosol" im Handel. Die K ü p e n f a r b s t o f f e , deren wichtigste neben den eigentlich indigoiden — so bezeichnet man durch Doppelbindung zusammengefügte Ringsysteme von der Art des Indigos — sich in der Anthrachinonreihe finden, sind durch ganz besondere 1
Die beiden Br-Atome stehen in m-Stellung zum Stickstoff.
Heterocyclische Verbindungen
326
Echtheit ausgezeichnet. Sie enthalten fast ausnahmslos kondensierte Ringe von großer chemischer Widerstandsfähigkeit. Es sei als Beispiel eines Anthrachinonküpenfarbstoffes das blaue I n d a n t h r e n angeführt, das aus dem technisch höchst wichtigen / J - A m i n o - a n t h r a c h i n o n durch Alkalischmelze unter Wasserstoffabspaltung gewonnen wird (R. B o h n ) : O
O
O
O
Nimmt der Indigo bei der Verküpung W a s s e r s t o f f auf — energische Reduktion spaltet bis zum I n d o x y l und I n d o l —, so läßt er sich durch eine nicht weniger bemerkenswerte Reaktion — am besten durch Bleidioxyd — auch d e h y d r i e r e n und zwar an den beiden NH-Gruppen der Indolringe ( K a l b ) :
H
H
Der so entstehende D e h y d r o - i n d i g o ist eine viel leichter lösliche, braunrot gefärbte und schön kristallisierte Substanz, die sehr leicht, schon z. B. durch Hydrochinon, wieder zu Indigo hydriert wird im Sinne des in obiger Gleichung nach links gerichteten Pfeiles. Aus dem Hydrochinon entsteht dabei natürlich Chinon.
Versuch1: Eine gute Messerspitze trocknen, fein gepulverten Indigos wird zusammen mit etwa der doppelten Menge Bleidioxyd und einigen Körnern Calciumchlorid in 5 com Benzol im Reagenzglas 5 Minuten lang auf dem Wasserbad im Sieden gehalten. Die braunrote Lösung wird filtriert, auf zwei Reagenzgläser verteilt und der darin enthaltene Dehydro-indigo im einen Fall mit ganz wenig in Alkohol gelösten Hydrochinons, im andern mit verdünnter salzsaurer SnCl2-Lösung zum Farbstoff hydriert, der sich in blauen Flocken ausscheidet. Auch eine Suspension von fein verteiltem Indigo in Chloroform kann man unter Zugabe von wenig Calciumliydroxyd durch tropfenweises Zu. fügen von Brom in die schön rotbraune Lösung von Dehydroindigo u m . wandeln. 1
L . K a l b , B.42, 3649 (1909).
327
Indigo
Zur I s o l i e r u n g des schönen Präparates halte man sich an die erste der von K a l b gegebenen Vorschriften. Die bekannteste o x y d a t i v e Umwandlung des Indigos ist die in I s a t i n , die unter normaler Spaltung der Doppelbindung vor sich geht:
C=C
20
CO;
OOH
Isatin ist das innere Anhydrid (Laotam) einer y-Amino-«-keto-carbonsäure, der I s a t i n s ä u r e (A), zu deren Salzen der Stoff durch Alkalien aufgespalten wird. Die Ketogruppe in 3 ist der Kondensation mit vielen anderen Stoffen zugänglich und darum wird Isatin technisch dargestellt und in wertvolle indigoide Küpenfarbstoffe übergeführt. Wir nennen als Beispiel den prächtigen T h i o i n d i g o - s c h a r l a c h , der aus Isatin und dem Indoxyl der Thioreihe, dem sog. O x y t h i o n a p h t e n erhalten wird: O ,CX
\ co + H C: 2 NSK H Die schöne I s a t i n - S y n t h e s e von S a n d m e y e r , die auch präparativ empfohlen sei, entschwefelt den bekannten D i p h e n y l t h i o h a r n s t o f f (I) (S. 151) mit basischem Bleicarbonat. An das so gebildete reaktionsfähige D i p h e n y l c a r b o d i i m i d (II) wird Blausäure angelagert und so ein N i t r i l (III) erhalten, das mit H 2 S zuerst in das T h i a m i d (IV) übergeführt wird. Durch konzentrierte H 2 S 0 4 wird der Ringschluß bewirkt zum a - A n i l d e s I s a t i n s (V), aus dem dann durch verdünntere Schwefelsäure die Anilgruppe hydrolytisch herausgeholt wird:
I (C 6 H 6 NH) ä • CS
. N = C = N • C-Hs
Die erste Indigosynthese B a e y e r s ging, woran erinnert sein möge, vom I s a t i n « c h l o r i d aus. Formulieren!
328
Hydrierung'und Reduktion
XI. Hydrierung und Reduktion, Oxydation mit Selendioxyd, Ozonisation 1. Katalytische Hydrierung mit Palladium. Hydrozimtsäure Die Anordnung der Apparatur ist aus Fig. 56 ersichtlich 1 . Als Sperrflüssigkeit im G a s o m e t e r benützt man Wasser. Das Schütteln erfolgt
Fig. 56 mit Hilfe einer Rabeschen Turbine, eines kleinen Elektromotors oder eines Heißluftmotors durch Drehen der E x c e n t e r s c h e i b e , die mit der Birne durch einen starren Draht verbunden ist. (Die Apparatur ist jedoch bequemer auseinander zu nehmen, wenn, wie in der Figur angegeben, der Draht geteilt ist und die beiden Teile durch eine mit Schraube versehene Messingöse vereinigt sind.) Sämtliche Stative sind durch größere Eisenstücke beschwert. Die S c h ü t t e l b i r n e selbst (Fig. 57) trägt seitlich einen Tubus, der mit einem (reinen) Gummistopfen verschlossen werden kann. Ihr horizontales Rohr, zugleich Achse der Schüttelbirne, läuft in einer Messinghülse (Korkbohrerhülse), die auf beiden Seiten durch kurze, übers Glas gezogene Stücke Gummischlauch festgehalten wird. Sie wird, durch einen Kork festgeklemmt, in einer starken Klammer gehalten. Das Rohr steht durch einen dickwandigen Schlauch, 1 Die Stative für Gasometer, Birne und Excenterscheibe sind auf der Figur nicht •wiedergegeben.
Katalytische Hydrierung. Hydrozimtsäure
329
der einen Quetschhahn trägt, in direkter Verbindung mit dem Gasometer. Dessen M e ß z y l i n d e r wird von einer weiten Kühlerklammer gehalten. Vor der Hydrierung wird die ganze Apparatur auf D i c h t i g k e i t geprüft. Dies erfolgt so: Der Tubus an der Birne wird geschlossen, das Gasometer nach öffnen von A und B provisorisch mit Wasserstoff gefüllt. Nach Schließen der Glashähne wird der Stand im Glaszylinder bei gleichem Niveau des Sperrwassers mit dem Wasser im Behälter markiert und nun % Stunde bei leerer Birne geschüttelt. Ist nach dieser Zeit bei gleicher Zimmertemperatur der Stand derselbe, so kann man zur Hydrierung selbst schreiten. In die nach der Dichtigkeitsprüfung kurze Zeit offen gehaltene trockene Hydrierbirne bringt man 0,5 g PalladiumTierkohle (s. S. 330) und fügt dazu vorsichtig die Lösung von 5 g Zimtsäure in 30 ccm 80-proz. Methylalkohol, derart, daß der Katalysator vollständig bedeckt ist. (Wenn Spuren des Katalysators an der Glaswand haften, kann beim Durchleiten von Wasserstoff eine Explosion erfolgen.) Nun leitet man bei geschlossenem Hahn B und offenem A Wasserstoff aus der Bombe (gewaschen mit KMnO¿-Lösung) durch die Birne, bis die Luft in ihr und der ganzen Leitung verdrängt ist; schon vorher hat man den Gasometer (1 Liter Inhalt) und die Rohrleitung bis zu Hahn B mit Wasser gefüllt. Jetzt verschließt man den Tubus der Birne und verdrängt nach Öffnung des Glashahnes B bei tief gestelltem Wasserbehälter das Wasser durch Wasserstoff. Dann wird die Verbindung mit der Wasserstoff-Flasche (oder dem Kipp) gelöst, der Stand des Gases wie bei der Dichtigkeitsprüfung abgelesen und unter geringem Überdruck (Behälterflasche auf dem Gasometer) die Schüttelei in Gang gebracht1. Wir arbeiten hier mit sehr geringen Mengen Katalysator (etwa 15 mg Pd); trotzdem ist nach 3 Stunden die zur Absättigung der ÄthylenDoppelbindung notwendige Menge (bei 740 mm Barometerstand und 2001 840 ccm) Wasserstoffs aufgenommen. Man filtriert vom Katalysator ab, verdampft den Methylalkohol und kristallisiert die hydrierte Säure, wie auf S. 204 beschrieben, um. 1 Ist man infolge Verbrauchs des Gases im Zylinder genötigt, während des Versuches den Gasometer neu zu füllen, so wird die Bombe bei A angeschlossen, der Schraubhahn des Verbindungsschlauches am h o r i z o n t a l e n Birnenrohr zugedreht und bei offenen Hähnen A und B vorsichtig aufgefüllt.
330
Hydrierung und Reduktion
Als katalytische Nebenwirkung des Palladiums tritt bei Anwendung von unverdünntem Methylalkohol als Lösungsmittel E s t e r b i l d u n g ein 1 . In diesem Fall hat man die Lösung nach Zugabe von 5 g Ätzkali einzudampfen und die Hydrozimtsäure mit verdünnter Salzsäure auszufällen.
B e r e c h n u n g des W a s s e r s t o f f v e r b r a u c h s Ein g-Mol Substanz braucht für je eine Doppelbindung 22,4 Liter Wasserstoff unter Normalbedingungen. Nach der Formel T-760 V- V ° 273 • p wobei p gleich dem abgelesenen Barometerstand weniger der Dampftension des Wassers bei der betreffenden Temperatur, T gleich der abs. Temperatur ist, läßt sich das Volumen eines g-Mols bei den jeweiligen Arbeitsbedingungen ausrechnen. Es beträgt durchschnittlich (für p = 720 mm und t = 17°) 25 Liter. 5 g Zimtsäure (Mol.-Gew. 148) sind =-j-jgg-Mol; der Bedarf an Wasserstoff beträgt daher g 25 • r-rr Liter =845 ccm H„. 2 148
Darstellung von Palladium-Tierkohle 2 g Tierkohle werden in einer Schüttelbirne von etwa 300 ccm Inhalt in 100 ccm Wasser suspendiert. In den Tubus der Birne ist mit Hilfe eines Gummistopfens ein gebogener Tropftrichter eingeführt. Man leitet jetzt durch die Birne — bei geöffnetem Hahn des Tropfrichters — so lange Wasserstoff, bis eine Probe des austretenden Gases im Reagenzrohr mit ruhiger Flamme abbrennt. Dann schließt man den Hahn des Tropfrichters, senkt das Niveaugefäß und läßt durch den Trichter unter dauerndem (maschinellen) Schütteln allmählich eine Lösung von 0,1 g Palladiumchlorid in 10 ccm etwa 0,1 n-Salzsäure eintropfen. Wenn die Lösung entfärbt ist, läßt man den Wasserstoff durch Öffnen der Birne entweichen. Der Katalysator wird auf einer Filterplatte abgesaugt und mit viel Wasser in der Weise nachgewaschen, daß man den Katalysator immer bedeckt hält, da an der Luft leicht Verglimmen eintritt. Wenn im Filtrat keine Säure mehr nachweisbar ist, wäscht man schnell zweimal mit Alkohol und abs. Äther und bringt das ätherfeuchte Präparat sofort in einen Exsiccator, der evakuiert wird. Nach 24 Stunden wird der Exsiccator durch vorsichtiges Einleiten von Stickstoff oder Kohlendioxyd geöffnet; der vollständig trockene Katalysator verglimmt an der Luft nicht mehr und ist gut haltbar.
D a r s t e l l u n g v o n P l a t i n o x y d , PtOg2 Neuerdings benützt man wegen seiner bequemen Darstellung und Handhabung und zugleich ausgezeichneten Wirksamkeit den Platinoxydkatalysator nach R. A d a m s , der beim Gebrauch im Schüttelgefäß zuerst vom Wasserstoff zu sehr fein verteiltem Platin reduziert wird.
Die Lösung von 2,1 g Platinchlorid (H2PtCl6) in 5 ccm Wasser wird in einem großen Porzellantiegel mit 20 g reinen Natriumnitrats vermischt und mit einer kleinen Flamme unter ständigem Rühren mit einem dicken Glasstab vom Wasser befreit. Dann steigert man die Temperatur allmählich bis zur vollständigen Schmelze des Tiegelinhalts. Es entwickelt 1 2
Vgl. dazu E. W a s e r , Helv. VIII, 117 (1925). Am. Soc.44, 1397 (1922); 45, 2171 (1923).
Katalytische Hydrierung. Hydrozimtsäure
331
sich Stickstoffdioxid, währenddem man mit der Temperatur unter Benützung zweier kräftiger Bunsenbrenner bis zu mittlerer Rotglut (500 bis 600°) geht. Nach 5—10 Minuten geht die NO r Entwicklung stark zurück. Man läßt erkalten, laugt mit destilliertem Wasser aus, wäscht den schweren Bodenkörper durch Dekantieren mehrere Male aus, saugt ab und trocknet im Exsiccator. Die Farbe des so erhaltenen Platinoxyds soll ein mittleres Braun sein. Das Verfahren der katalytischen Hydrierung hat für alle Zweige der organischchemischen Tätigkeit in den letzten Jahrzehnten eine ungemein große Bedeutung gewonnen. Zuerst (1901) hat S a b a t i e r gezeigt, daß ungesättigte Substanzen verschiedenster Art beim Überleiten ihrer Dämpfe zusammen mit Wasserstoff über erwärmtes, fein verteiltes N i c k e l hydriert werden. Die Übertragung der Methode auf die Hydrierung von F l ü s s i g k e i t e n geschah durch N o r m a n n , der fette öle mit Hilfe des darin suspendierten Nickelkatalysators durch Bindung von Wasserstoff in höher schmelzende Fette umwandeln lehrte (Technischer Prozeß der F e t t h ä r t u n g ) . Nach dem gleichen Prinzip werden die H y d r i e r u n g s p r o d u k t e des Naphthalins, T e t r a l i n und D e k a l i n , die des Phenols, Cycloh e x a n o n und C y c l o h e x a n o l sowie C y c l o h e x a n aus Benzol von der Industrie dargestellt (Schröter). Für die Laboratoriumspraxis hat die Sabatiersche Methode keine große Bedeutung mehr. Dagegen hat der Nickelkatalysator nach I t a n e y , eine Legierung aus Nickel und Aluminium, aus der das Aluminium vor dem Gebrauch mit Natronlauge herausgelöst wird1, große Bedeutung erlangt 2 ). Die Hydrierung der Kohlenstoffdoppelbindung als präparative Laboratoriumsaufgabe wird in der Regel mit den fein verteilten Platinmetallen Platin oder Palladium ausgeführt, sei es in Form von P l a t i n m o h r oder P a l l a d i u m s c h w a r z , sei es mit P l a t i n o x y d oder mit den auf indifferenten Trägern in feiner Verteilung niedergeschlagenen Metallen. Vor der Anwendung von Überträgermetallen bestand keine Möglichkeit, Wasserstoff direkt an die reine Kohlenstoffdoppelbindung anzulagern. Mit ihr haben wir es in der Hand, so gut wie alle ungesättigten Systeme mit Wasserstoff zu sättigen, und zwar ist es gerade die olefinische Lückenbindung, zu der der katalytisch erregte Wasserstoff am leichtesten Zutritt hat. Geringer ist seine Reaktionsgeschwindigkeit gegenüber der Carbonylgruppe von Aldehyden und Ketonen, Carboxyl und Estergruppen läßt er unversehrt. Als L ö s u n g s m i t t e l für die kalte katalytische Hydrierung, die im wissenschaftlichen Laboratorium weitaus die größte Bedeutung hat, dienen E i s e s s i g , Essige s t e r , die A l k o h o l e , Ä t h e r , W a s s e r . Der Erfolg einer Hydrierung hängt in noch nicht ganz durchsichtiger Weise von der Natur des Lösungsmittels ab. Die stärkste Wirkung erzielt man im allgemeinen mit P l a t i n o x y d in Eisessig. Bei der geringen Löslichkeit des Wasserstoffs in allen Lösungsmitteln muß der suspendierte oder kolloidal gelöste Katalysator durch S c h ü t t e l n dauernd mit der Gasphase in Berührung gebracht werden, damit er immer von neuem Wasserstoff aufnehmen und an die zu hydrierende Substanz weitergeben kann. An Stelle der hier angegebenen Birne ( W i l l s t ä t t e r und Waser) kann ebensogut eine „Schüttelente" benutzt werden. Manchmal kommt eine Hydrierung nach anfänglich gutem Gang vor dem vollen Wasserstoffverbrauch zum Stillstand; man kann dann den Katalysator in vielen Fällen durch Schütteln mit Luft r e a k t i v i e r e n (Wills t ä t t e r ) . Hierbei hat man zu beachten, daß ein Wasserstoff-Luftgemisch durch die fein verteilten Katalysatormetalle gezündet wird, und muß darum vor jener Maßnahme den im Hydrierungsgefäß vorhandenen Wasserstoff durch Stickstoff oder einfacher durch Evakuieren entfernen. 1 2
C o v e r t und A d k i n s , Am. Soc. 54, 4116 (1932). R. S c h r ö t e r , „Neuere Methoden der präp. org. Chemie", Berlin 1943, S. 75.
332
Hydrierung und Reduktion
Der katalytischen Hydrierung sollen nur v o l l k o m m e n r e i n e Substanzen unterworfen -werden. Diese Regel gründet sich darauf, daß vor allem Schwefel- und o f t auch halogenhaltige Stoffe den Katalysator desaktivieren und daß oft ganz unberechenbare Einflüsse der Durchführung einer Hydrierung im Wege stehen. Das sicherste Mittel zur Vermeidung solcher Störungen beruht in der Verwendung reiner Materialien, auch der Lösungsmittel. Dieselben Katalysatoren, durch deren Mitwirkung elementarer Wasserstoff an eine Doppelbindung angelagert wird, vermögen bei geänderten Temperaturverhältnissen auch den entgegengesetzten Vorgang, den der D e h y d r i e r u n g oder Waeserstoffabspaltung zu beschleunigen. So zerfällt C y c l o h e x a n , bei etwa 300® über Nickel oder Palladiumschwarz geleitet, in B e n z o l und W a s s e r s t o f f ( S a b a t i e r , Z e l i n s k y ) . Das Gleichgewicht: C,H, + 3 H a
C,H i a
liegt bei tiefer Temperatur auf der rechten Seite der Gleichung, bei höherer hat die Energie verbrauchende der Dehydrierung den Vorrang. Beide Reaktionen verlaufen ohne Katalysator unmeßbar langsam, werden aber durch seine Gegenwart in der gleichen Weise beschleunigt. Eine wertvolle Ergänzungfinden diese Hydrierkatalysatoren, die alle der 8. Nebengruppe des Periodensystems angehören, durch den Kupfer-Chromoxyd-Kontakt (Adkins), der besonders auf sauerstoffhaltige Gruppen anspricht, aromatische Kerne dagegen nicht angreift. Näheres bei Ch. G r u n d m a n n , Neuere Methoden, Berlin 1943, S. 117. Über die D e h y d r i e r u n g mit Selen vgl. S. 364. 2. Ersatz v o n Sauerstoff in Carbonylverbindungen d u r c h W a s s e r s t o f f (Reduktion nach
Clemmensen)
K e t o n e u n d A l d e h y d e lassen sich m i t a m a l g a m i e r t e m Zink u n d Salzs ä u r e m e i s t sehr g l a t t d e s o x y d i e r e n ; a u s d e n G r u p p e n > C = 0 u n d — C = 0 wird > C H 2 u n d — C H 3 . H D a r s t e l l u n g d e s Z i n k a m a l g a m s . D ü n n e Zinkgranalien oder n o c h besser kleine Streifen g e s c h n i t t e n e n Zinkblechs v o n 0,15—0,25 m m D i c k e w e r d e n m i t d e r gleichen G e w i c h t s m e n g e 5-proz. w ä ß r i g e r Quecksilber (Il)-chloridlösung u n t e r h ä u f i g e m U m s c h ü t t e l n eine S t u n d e lang: in B e r ü h r u n g gelassen. D a n n g i e ß t m a n a b u n d s p ü l t n o c h e i n m a l mit. frischem Wasser nach. a) Ä t h y l b e n z o l a u s A c e t o p h e n o n 1 . Z u 15 g verquecksilbertenZinks g i b t m a n 6 g Acetophenon u n d 30 ccm Salzsäure (aus 1 Teil k o n z e n t r i e r t e r u n d 2 Teilen Wasser) u n d e r h i t z t i n einem K o l b e n m i t e i n geschliffenem R ü c k f l u ß k ü h l e r auf d e m D r a h t n e t z z u l e b h a f t e m S i e d e n . N a c h je einer S t u n d e f ü g t m a n n o c h je 5 ccm k o n z e n t r i e r t e r S a l z s ä u r e zu, h ä l t die R e a k t i o n i m g a n z e n 5 S t u n d e n l a n g i m G a n g u n d t r e i b t d a n n d e n gebildeten Kohlenwasserstoff mit Wasserdampf in wenigen M i n u t e n ü b e r . D a s v o n W a s s e r in e i n e m kleinen T r o p f t r i c h t e r befreite: 1
E. C l e m m e n s e n , B.46, 1838 (1913).
Reduktion nach Meerwein-Ponndorf. Trichloräthylalkohol
333
Destillat wird mit Calciumchlorid getrocknet und dann destilliert. Siedepunkt 135—136°. Ausbeute 3—4 g. Die Ausbeute erhöht sich, wenn man das Acetophenon langsam zutropfen läßt. b) D i b e n z y l aus B e n z i l 1 . 7 g Benzil werden mit 30 g amalgamierten Zinks und 100 ccm Salzsäure (1:1) 5 Stunden lang unter Rückfluß gekocht. Wie unter a) läßt man von Zeit zu Zeit konzentrierte Salzsäure (im ganzen 20 ccm) nachfließen. Zum Schluß gießt man vom Zink ab, trennt das beim Erkalten fest werdende Beduktionsprodukt von der Flüssigkeit, wäscht einige Male mit Wasser und destilliert es aus einem kleinen Schwertkolben. Siedepunkt 280°. Schmelzpunkt 50—52°. Der Kohlenwasserstoff kann aus wenig Alkohol umkristallisiert werden. Ausbeute 5 g, beinahe theoretisch. Mit dem gleichen Ergebnis kann B e n z o i n zu D i b e n z y l reduziert werden. Ebenso häufig wie die Clemmensen - Reaktion wird die Methode von W o l f f K i s h n e r zum Ersatz von Sauerstoff durch Wasserstoff in Ketonen und Aldehyden angewandt. Dabei wird das H y d r a z o n oder Semicarbazon der Carbonylverbindung — am besten in Gegenwart von Hydrazinhydrat — mit N a t r i u m ä t h y l a t durch mehrstündiges Erhitzen auf 160° im Einschlußrohr oder Autoklaven reduktiv gespalten. Die Reaktion ist wohl so zu erklären, daß unter der katalytischen Wirkung des Äthylats eine Umlagerung des Hydrazons zum D i i m i n zustande kommt, das dann analog wie Phenyldiimin (S. 248) zerfällt. R
R ,)>C=N—NH 2 R R
>
\CH—N=NH
>
R R
%CH2 + N a
Bemerkenswert ist noch, daß sich Ketogruppen in Konjugation zum aromatischen Kern auch durch katalytisch erregten Wasserstoff leicht zur Methylengruppe reduzieren lassen.
3. Reduktion nach Meerwein-Ponndorf. Trichloräthylalkohol A l u m i n i u m ä t h y l a t 2 . In einem 300 ccm-Kolben mit Rückflußkühler übergießt man 5 g Aluminiumspäne oder -grieß mit 60 ccm abs. Alkohol und gibt etwa 30 mg Sublimat und eine Spur Jod hinzu. Nach einigen Sekunden setzt heftige Wasserstoffentwicklung ein 3 . Wenn die Reaktion sich verlangsamt, läßt man sie durch 2—3stündiges Sieden auf dem Wasserbad zu Ende gehen. Das Metall hat sich dann bis auf wenige geringfügige Flocken gelöst. Dann wird der überschüssige Alkohol aus einem Ölbad von 210—220° abdestilliert; den dunklen flüssigen Rückstand gießt man rasch in einen Claisenkolben um und destilliert ihn mit der leuchtenden Flamme unter Verwendung eines kurzen und weiten 1
B. 47, 688 (1914). D.R.P. 286596. Tritt die Reaktion nicht sofort ein, so erwärmt man vorsichtig unter Schütteln auf dem Wasserbad; sollte das Aluminium auch dann nicht reagieren, so muß es mit verd. Natronlauge kurz angeätzt werden, die man durch wiederholtes Dekantieren mit abs. Alkohol wieder entfernt. a
3
334
Hydrierung und Reduktion
Luftkühlers rasch i. Y. Sdp. 200—210°/10. Das noch flüssige Destillat wird in eine gut schließende Glasstöpselflasche umgefüllt, in der es beim Erkalten erstarrt. Ausbeute etwa 90 % d. Th. Zum Gebrauch pulvert man die nötige Menge Äthylat rasch in einem Mörser und wiegt sie ab. Trichloräthylalkohol^. In einem 500 ccm-Dreihalskolben bringt man 60 g wasserfreies Chloral2, 150 ccm abs. Alkohol und 18 g Aluminiumäthylat. Auf den mittleren Hals kommt ein Liebigkühler, der so langsam mit Kühlwasser gespeist wird, daß sich während des nun folgenden Kochens des Kolbeninhalts eine Temperatur von 30—40° im Kühler einstellt. Auf diese Weise soll der bei der Reaktion entstehende Acetaldehyd, der Veranlassung zur rückläufigen Reaktion geben würde, aus dem Gleichgewicht entfernt werden. Durch einen zweiten Ansatz wird aus einer Bombe trockener Stickstoff langsam durch die Lösung geleitet. Die dritte Öffnung, die durch einen Stopfen verschlossen wird, dient zur Entnahme von Proben. Der Kolben wird jetzt im Ölbad auf 135° erhitzt. Nach etwa 24 Stunden (verteilt auf 2—3 Tage) ist alles Chloral verbraucht, was mit folgender Reaktion zu erkennen ist. Man entnimmt einige Tropfen des Reaktionsgemisches mit einer Pipette und versetzt sie in einem Reagenzglas mit Wasser. Nach dem Absitzen des Aluminiumhydroxyds wird von diesem abgegossen und etwas gelbes Ammoniumsulfid zugegeben. Solange Chloral anwesend ist, entsteht beim Aufkochen eine dunkelbraune Färbung.
Nachdem mit dieser Probe das Ende der Reaktion festgestellt ist, wird bei 120° der Alkohol abdestilliert und der Rückstand von Aluminiumtrichloräthylat nach dem Erkalten mit 60 ccm 4 n-Schwefelsäure zerlegt. Darauf destilliert man mit Wasserdampf und trennt im Destillat das ö l im Scheidetrichter ab. Die Wasserphase sättigt man mit Natriumsulfat und schüttelt sie dreimal mit wenig Äther aus. ö l und ätherische Lösung werden vereinigt, mit Natriumsulfat getrocknet und nach dem Abdampfen des Äthers wird der Trichloräthylalkohol i. V. destilliert. Sdp. 94—97 % 2 5 . Schmelzp. 16—17°. Ausbeute etwa 80°/ 0 . Auf die Verwandtschaft der Meerwein-Ponndorfschen R e a k t i o n mit der von Cannizzaro ist in Zusammenhang mit dieser bereits auf S. 194 hingewiesen worden. Auch ihre Umkehrung, die durch dieses Gleichgewicht gekennzeichnet ist, und die Dehydrierung eines gegen die üblichen Oxydationsmittel empfindlichen (z. B. ungesättigten) Alkohols hat erhebliche präparative Bedeutung (Methode von 1 Meerwein und S c h m i d t , A. 444, 221 (1925). Diss. von B o c k , Königsberg 1926. 2 Das wasserfreie Chloral kann man sich aus Chloralhydrat durch Schütteln mit konz. Schwefelsäure, Trennung der beiden Schichten und Destillation darstellen; Sdp. 98°.
Adipin-dialdehyd aus Cyclohexen durch Ozonisation
335
Oppenauer 1 ). Die Schwierigkeit, die AI-Verbindung des zu dehydrierenden Alkohols zu bereiten, umgeht man dadurch, daß man Al-tert.butylat oder -phenolat als AI-Überträger anwendet.
4. Oxydation von Malonester zu Mesoxalsäure-ester mit Selendioxyd 2 32 g Malonester und 22,5 g Selendioxyd werden mit 30 g Xylol unter Rückfluß 16 Stunden auf 130°- erhitzt. Dann wird das Selen abfiltriert und gut mit Äther ausgewaschen 3 . Aus der mit Natriumsulfat getrockneten Äther-Xylol-Lösung dampft man den Äther weg und fraktioniert den Rückstand i. V. Nach Übergehen des Xylols wird die Fraktion von 66—100° aufgefangen und einer zweiten Destillation unterworfen. Die dabei erhaltene Fraktion von 90—100° (12 mm) scheidet bei längerem Stehen an der Luft große, glasklare Kristalle von MesoxalsäureesterHydrat aus. Ausbeute 5 g. Nach Umkristallisieren aus Aceton Schmelzpunkt 57°. Der der Clemmensen-Reduktion entgegengesetzte Prozeß, die Überführung von >CH 2 in >CO gelingt bei Ketonen mit S e l e n - d i o x y d . So läßt sich, als einfachstes Beispiel, Aceton direkt zu M e t h y l g l y o x a l oxydieren. Bei seiner mannigfachen Wirkungsweise wird dieses Oxydationsmittel neuerdings häufig angewandt.
5. Adipin-dialdehyd aus Cyclohexen durch Ozonisation 4 Die Ozonisation wird in einer 400 ccm großen, dünnwandigen Gaswaschflasche mit glockenförmig erweitertem Eintauchrohr oder Schraubengang ausgeführt. Zur Verbindung der Flasche mit dem Ozonisationsapparat ist an ihrer Einleitungsröhre ein Kniestück angeblasen, das über dem Gasaustrittsrohr des Ozonisators in eine Quecksilberdichtung eingetaucht werden kann. Man löst 12 g Cyclohexen (S. 100) in 140 ccm reinem, trockenem Essigester5 und bringt die Waschflasche mit der Lösung in ein Dewar-Gefäß oder in eine große Thermosflasche mit Aceton, das man durch langsames Eintragen von festem Kohlendioxyd auf —50 bis —70° abkühlt. Dann verbindet man mit dem Ozonisationsapparat. Bei Verwendung eines Ozonisators mit mindestens 5 Entladungsröhren kann man den ozonisierten Sarierstoff sehr lebhaft durchströmen lassen und die Ozonisation in 3—4 Stunden beenden. Wenn z. B. 20 Liter in der Stunde durchfließen und der Sauerstoff 5 Vol. % Ozon enthält, ist die Absättigung des Cyclohexens in 4 Stunden erreicht. 1
Ree. 56, 137 (1937). R . M ü l l e r , B. 66, 1668 (1933). Das Selen wird gesammelt und wieder auf Selendioxyd verarbeitet. 1 F. G. F i s c h e r und K. Loewenberg, B. 66, 666 (1933). 5 Essigester wird viermal mit dem gleichen Volumen Wasser ausgeschüttelt, über Chlorcalcium getrocknet und abdestilliert. 2
3
336
Oxydation mit Selendioxyd, Ozonisation
Es empfiehlt sich sehr, vor Beginn des Versuches, etwa 10 Minuten nach dem Einschalten des Ozonisators, die in einer bestimmten Zeit austretende Ozonmenge jodometrisch zu ermitteln und die Stärke des Sauerstoffstromes mit einer Gasuhr oder einem Strömungsmesser zu kontrollieren.
Da eine Ü b e r o z o n i s a t i o n auf alle Fälle vermieden werden muß, wird vor Ablauf der berechneten Zeit eine zweite Waschflasche mit Käliumjodid-Lösung hinter die erste geschaltet. Zur Verbindung verwendet man, wenn kein Schliff 1 vorhanden ist, einen langen, gebohrten Korkstopfen, der in geschmolzenes Paraffin getaucht wurde. An der eintretenden Weingelbfärbung der Kaliumjodidlösung erkennt m a n das Ende der Ozonisation. Die k l a r und d ü n n f l ü s s i g gebliebene Lösung des Ozonids wird noch kalt mit Hilfe von 0,5 g f r i s c h d a r g e s t e l l t e n Palladium-Trägerkatalysators (s. S. 330) hydriert. Man mäßigt die schnelle Aufnahme von Wasserstoff nach ihrem Einsetzen anfänglich durch Kühlen der Schüttelbirne mit Eiswasser und läßt sie schließlich unter Selbsterwärmung sich beenden. Nach etwa einer Stunde und Aufnahme von % der berechneten Menge Wasserstoff kommt die Hydrierung zum Stillstand. Die Lösung wird nun durch ein Faltenfilter abfiltriert. Weniger Wasserstoff wird gebraucht, wenn bei der Ozonisation nicht hinreichend gekühlt oder überozonisiert wurde. Die Gegenwart von polymerem Ozonid, das nicht hydriert wird, verrät sich dadurch, daß eine Probe des Rückstandes auf Zusatz von Äther eine Fällung gibt. Da sich das polymere Ozonid bei der nachfolgenden Destillation explosionsartig zersetzen kann, muß es entfernt werden. Man fügt Äther zu der Lösung und schüttelt durch, bis mit weiterem Äther keine Fällung mehr entsteht. Wenn sich nach kurzem Stehen das polymere Ozonid abgesetzt hat, gießt man die Lösung davon ab und verdampft den Äther. Das Lösungsmittel wird mit einem Fraktionieraufsatz bei 30—40° i. V. abdestilliert.
Der Adipinaldehyd wird durch Destillation i. V. aus einem kleineren Kolben mit Fraktionierkolonne gewonnen. Man erhält 7—9 g. Der reine Adipinaldehyd siedet bei 92—94°/12 m m , wird in Eiskochsalzmischung fest und schmilzt dann bei —8° bis —7°. Um ihn vor Autoxydation zu schützen, wird er unter Stickstoff oder C02 eingeschmolzen verwahrt. Beim Umgehen mit Ozoniden ist eine Schutzbrille zu tragen, da besonders die Ozonide von Körpern mit niederem Molekulargewicht oft explosiv sind. Sehr gefährlich ist z. B. B e n z o l t r i o z o n i d . Als L ö s u n g s m i t t e l zur Ozonisation organischer Substanzen eignen sich: H e x a n , C h l o r o f o r m , T e t r a c h l o r k o h l e n s t o f f , Ä t h y l c h l o r i d , E i s e s s i g und E s s i g e s t e r . I n den K o h l e n w a s s e r s t o f f e n und C h l o r v e r b i n d u n g e n sind viele Ozonide schwerlöslich und scheiden sich daher während der Ozonisation aus. 1 Zur Dichtung der Schliffe beim Arbeiten mit Ozon verwendet man nicht Fett, sondern an der Luft zerflossenes Phosphorpentoxyd oder Graphit.
Furfurol
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XII. Naturstoffe 1. Furfurol 1 300 g Kleie werden in einem 3-Liter-Kolben mit der Mischung von 150 ccm konzentrierter Schwefelsäure und 800 com Wasser verrührt. Man destilliert etwa 900 ccm Flüssigkeit ab, neutralisiert das Destillat mit Soda und sättigt es mit 250 g Kochsalz. Aus dieser Lösung werden wieder 300 ccm abdestilliert, die man nach dem Sättigen mit Kochsalz mit Äther extrahiert. Nach dem Trocknen wird der Äther verdampft und das Furfurol destilliert. Siedep. 162°. Ausbeute 5—7 g. Die P e n t o s e n verlieren beim Kochen mit Mineralsäuren 3 Molekeln Wasser und gehen in F u r f u r o l über: CHOH—CHOH I | HOCH a CHOHCHO
HC II HC
CH HC II II C • CHO HC
CH II C CHO
Die beiden wichtigsten natürlichen Pentosen, 1 - A r a b i n o s e und d - X y l o s e , finden sich in der Natur als polymere Anhydride, sog. P e n t o s a n e , und zwar das „ A r a b a n " als Hauptbestandteü vieler Pflanzengummis (Kirschgummi, Gummi arabicum, Kleiegummi), das X y l a n im Holz. Durch Hydrolyse entstehen aus diesen Pentapolyosen zuerst die einfachen Pentosen, die dann durch genügend starke Säuren in Furfurol umgewandelt werden. So büdet sich auch bei der Verzuckerung von Holz (Cellulose) durch verdünnte Säuren dieser Aldehyd als Nebenprodukt. Das Furfurol zeigt als „tertiärer" Aldehyd große Ähnlichkeit mit Benzaldehyd und ist wie dieser der Acyloinreaktion (Furoin) und der Perkinschen Synthese zugänglich. Auch mit Ammoniak reagiert es gleichartig (S. 189).
Versuche: Man läßt Furfurol mit der 5-fachen Menge wäßrigen Ammoniaks kurze Zeit stehen; die nach 3 Stunden vollständig ausgeschiedene Substanz schmilzt nach dem Umkristallisieren aus Alkohol bei 117°. Sie hat die dem Hydrobenzamid analoge Struktur. Mit essigsaurem Phenylhydrazin gibt schon eine verdünnte wäßrige Lösung von Furfurol fast sofort einen Niederschlag des Phenylhydrazons. Man reinigt die abgesaugte und getrocknete Substanz, indem man sie in wenig Äther löst und durch vorsichtigen Zusatz von Petroläther zur Kristallisation bringt. Schmelzp. 97—98°. Methode der quantitativen Bestimmving von Furfurol. Furfurol gibt zwei charakteristische F a r b r e a k t i o n e n , die zu seinem qualitativen Nachweis dienen. Mit P h l o r o g l u c i n und S a l z s ä u r e (1 Teil konz., 1 Teil Wasser) entsteht beim Kochen ein dunkelgrüner Niederschlag, mit A n i l i n a c e t a t lösung tritt schon in der Kälte Rotfärbung auf.
Man führe diese beiden Nachweisreaktionen aus. 1
22
S t e n h o u s e , A.35, 302 (1841); F o w n e s , A.54, 52 (1845). Gattermann,
Praxis, des organ. Chemikers. 35. Aufl.
338
Naturstoffe
Die Reaktion mit Anilin-Salzen ist gleichzeitig von Zincke und D i e c k m a n n 1905 aufgeklärt worden. Es wird dabei der Furanring „aminolytisch" aufgespalten und daneben aus dem Aldehyd das Anil gebildet.
CH—CH II II —CH C—CHO
CH=CH—CH=C—CH=NCjH, | | H,C,NH OH
H Ö H 6 C,N H Die F a r b s t o f f e sind Salze des a - O x y - g l u t a c o n d i a l d e h y d - d i a n i l s obiger Formel; statt H 6 C,-NH-CH=CH— kann ebensogut H 6 C S -N=CH—CH S — formuliert werden; dann werden die Beziehungen zur G l u t a c o n s ä u r e HOOG- CH2 CH: CH • COOH bzw. ihrem Aldehyd deutlicher. In der Hitze spalten die farbigen Salze eine Mol. Anilin ab und gehen in quartäre /?-Oxy-pyridiniumsalze über:
/\/° CC
COH
^ CH. C,H,HN—HC H—N Cl (_)
H
,
I
C.H,
+C.H.NH,
ci
5
Versuch : 2 ccm Anilin werden mit 1 ccm konzentrierter Salzsäure versetzt und mit Alkohol auf 10 ccm aufgefüllt. Man gibt dazu die Lösung von 1 ccm Furfurol in 8 ccm Alkohol und erwärmt kurze Zeit. Beim Erkalten scheidet sich in feinen Nadeln der violette Farbstoff ab, der abgesaugt und mit wenig Alkohol und Äther nachgewaschen wird. 2. d-Glucose aus Rohrzucker 2 Die Mischung von 750 ccm Sprit, 30 ccm rauchender Salzsäure (D. 1,19) und 30 ccm Wasser wird auf 45—50° erwärmt. Bei dieser Temperatur trägt man unter stetem Umschütteln portionsweise 250 g reinen, fein gepulverten Rohrzucker („Staubzucker") ein, der vollständig in Lösung gehen muß. Beim Erkalten scheidet sich die gebildete d-Glucose — die d-Fructose bleibt gelöst — als zähes Harz ab, in das man nun einige dg wasserfreier Glucose einimpft. Häufiges Reiben mit dem Glasstab befördert die Kristallisation, die immerhin mehrtägiges Stehen erfordert. Dann ist die Abscheidung zu einem fast farblosen, fein kristallinen Pulver geworden, das man an der Pumpe absaugt und alsbald wieder in 20—25 ccm heißem Wasser löst; in der Wärme fügt man absol. Alkohol bis zur Trübung hinzu (120—150 ccm) und läßt unter Umrühren und i S t e n h o u s e , A. 156, 199 (1870). » S o x h l e t , J. pr.21, 245 (1880).
Spaltung von Rohrzucker durch Saooharase (Invertin)
339
Animpfen erkalten. Vor dem Absaugen bleibt die "Kristallisation über Nacht stehen und wird dann abgesaugt, mit Alkohol gewaschen und im Vakuumexsiccator scharf getrocknet. Ausbeute 50—60 g. Schmelzp. 146°. 3. Spaltung von Rohrzucker durch Saccharase (Invertin) a) B e r e i t u n g der E n z y m l ö s u n g 1 . 50 g Preßhefe werden in einem kleinen Filtrierstutzen mit Hilfe eines dicken Glasstabs mit 5 ccm Toluol bei 30° so lange verrührt, bis die Masse ganz dünnflüssig geworden ist, etwa % Stunden. Der dünne Brei, der auf diese Weise infolge Autolyse der Hefezellen entstanden ist, wird, mit 50 ccm Wasser von 30° verdünnt, eine Stunde lang bei dieser Temperatur gehalten. Dann füllt man in einem 250 ccm-Erlenmeyerkolben mit Wasser auf 150 ccm auf, schüttelt mit etwas Kieselgur kräftig durch, saugt auf mittlerer Nutsche unter schwachem Unterdruck rasch ab, und wäscht nochmals mit 50 ccm Wasser von 30°. Das Filtrat, das zwar etwas Invertin, in der Hauptsache aber andere Inhaltsstoffe der Hefezelle enthält, die durch diese Maßnahme beseitigt werden sollen, wird verworfen. Den Filterrückstand schlämmt man mit 50 ccm Wasser gut auf, fügt einige Tropfen Toluol hinzu und läßt diesen Ansatz zur F r e i l e g u n g des E n z y m s 15 Stunden lang bei ungefähr 30° stehen. Hierauf wird der dünne Brei zur Beseitigung von unwirksamem E i w eiß unter tüchtigem Umrühren mit so viel n/i0-Essigsäure versetzt, bis (mit einer Probe) Methylrot eben umschlägt (p H = 4), dann wird wie oben filtriert, wenn nötig nach Durchschütteln mit wenig Kieselgur. Das Filtrat wird mit verdünntem Ammoniak gegen Lackmus neutral gemacht und ist so, durch etwas Toluol geschützt, mehrere Tage unverändert haltbar. b) Die I n v e r s i o n . In einem 250-ccm-Meßkolben löst man 40 g Rohrzucker in 200 ccm Wasser, fügt 25 ccm 10-proz. NaH2POi-Lösung zu und erwärmt in einem geräumigen Wasserbad (oder Thermostaten) auf 30°. Jetzt setzt man 10 ccm der nach a) bereiteten Enzymlösung hinzu und bestimmt die Zeit, zu der die Pipette ausgelaufen ist, füllt sofort den Inhalt des Meßkolbens mit Wasser von 30° bis zur Marke auf, schüttelt um und entnimmt, die Zeit wie kurz zuvor bestimmend, die erste Probe von 25 ccm zur Drehwertsmessung. Die Probe läßt man jeweils in 5 ccm 2 n-Sodalösung einlaufen, um die Enzymwirkung anzuhalten und gleichzeitig die „Mutarotation" (S. 346) zu beschleunigen. Nach Schütteln mit wenig Tierkohle wird durch ein trockenes Filter gegossen und die klare Lösung im 2 dm-Rohr polarimetriert. Jeweils 3 Ablesungen, davon Mittelwert. Aus der bei 30° weiter reagierenden S t a m m l ö s u n g entnimmt man während der 1. Stunde nach Versuchsbeginn alle 20, während der 2. Stunde alle 30 Minuten eine Probe zur Polarimetrierung. Innerhalb 1
22«
W i l l s t ä t t e r , Schneider und Bamann, H. 147, 264 (1925).
Naturstoffe
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dieser Reaktionsdauer wird die Schwelle der Inversion, die durch den Nullwert der Drehung gegeben ist, meist überschritten. Dies bedeutet einen Spaltungsgrad von rund 75 % des eingesetzten Rohrzuckers. Wenn man auf mm-Papier die Drehwerte auf der Ordinate gegen die Zeit (Abscisse) aufträgt, so erhält man durch Verbindung der beobachteten Werte eine in ihrem zeitlichen Verlauf flacher werdende, l o g a r i t h m i s c h e K u r v e , die die Ordnung der untersuchten Reaktion ala m o n o m o l e k u l a r andeutet. Aus ihrem Schnittpunkt mit der Geraden, die der Drehung 0° entspricht, kann man die „Nulldrehungszeit" ablesen, die ein gewisses Maß für die Wirksamkeit der bereiteten Enzymlösung gibt. Der Verlauf der Kurve läßt bereits erkennen, daß das logarithmische Zeitgesetz nicht streng gewahrt ist. Trägt man nämlich 1 / 3 des Anfangsdrehwerts, der durch den Schnittpunkt der Kurve mit der Ordinate gegeben ist, unterhalb der Nulldrehung auf der Ordinate auf, so läßt sich die Zeit, in der der Endwert der Inversion erreicht wird, graphisch ermitteln. Man prüfe nun, ob K o n s t a n z d e r H a l b w e r t s z e i t besteht, indem man die Zeit, in der die Drehung um die Hälfte zurückgegangen ist, auf der Kurve abliest und dann ermittelt, ob in den folgenden gleich großen Zeitabschnitten die Drehung jeweils wieder um den halben Betrag zurückgeht. Da die Drehungsabnahme direkt proportional geht mit der Inversion des Bohrzuckers, so dient sie direkt als Maß der Reaktionsgeschwindigkeit. Man setze die gemessenen Drehwertsänderungen und die dazu gehörige Zeit in die nachstehende Gleichung für Reaktionen erster Ordnung ein und berechne jeweils die Konstante k. =
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