Die Perserkriege 3534239733, 9783534239733

Josef Fischer gibt in diesem Buch einen spannenden Überblick über Hintergründe und Verlauf der Perserkriege. Er spannt d

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German Pages 224 [225] Year 2013

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Table of contents :
Die Perserkriege
Inhalt
Einleitung
1. KAPITEL Die Quellen
2. KAPITEL Das persische Großreich
3. KAPITEL Die frühen Griechen in Kleinasien
4. KAPITEL Der Ionische Aufstand
5. KAPITEL Der erste persische Angriff auf Griechenland
6. KAPITEL Xerxes rüstet zum Krieg
7. KAPITEL Griechenland zwischen den Kriegen
8. KAPITEL Die Schlacht an den Thermopylen und am Kap Artemision
9. KAPITEL Die Schlacht von Salamis
10. KAPITEL Das Ende der persischen Invasion
11. KAPITEL Welthistorische Perspektiven?
ANHANG Literaturhinweise und Anmerkungen
Bibliographie
Register
Abbildungsnachweis
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Die Perserkriege
 3534239733, 9783534239733

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Josef Fischer

Die Perserkriege

Grabstele eines athenischen Hopliten, um 520 v. Chr. Relief im Archäologischen Nationalmuseum, Athen.

Josef Fischer

Die Perserkriege

Für Maria und Alexander

Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2013 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Umschlagabbildung: Persischer Reiter. Vasenmalerei des 5. Jhs. v. Chr. Foto: akg-images. Umschlaggestaltung: Peter Lohse, Heppenheim Layout, Satz und Prepress: Lohse Design, Heppenheim Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-23973-3

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-71401-8 (für WBG-Mitglieder) eBook (epub): 978-3-534-71403-2 (für WBG-Mitglieder)

Inhalt

Einleitung 7 1. K A P I T E L

Die Quellen 13

2. K A P I T E L

Das persische Großreich 38

3. K A P I T E L

Die frühen Griechen in Kleinasien 61

4. K A P I T E L

Der Ionische Aufstand 81

5. K A P I T E L

Der erste persische Angriff auf Griechenland 105

6. K A P I T E L

Xerxes rüstet zum Krieg 127

I N H A LT

5

7. K A P I T E L

Griechenland zwischen den Kriegen 137

8. K A P I T E L

Die Schlacht an den Thermopylen und am Kap Artemision 149

9. K A P I T E L

Die Schlacht von Salamis 165

10. K A P I T E L

Das Ende der persischen Invasion 183

11. K A P I T E L

Welthistorische Perspektiven? 200

ANHANG

Literaturhinweise und Anmerkungen 207 Bibliographie 210 Register 218 Abbildungsnachweis 224

6

I N H A LT

Einleitung

M

an stelle sich das folgende Szenario vor: Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges beschließen die baltischen Staaten einen Aufstand und fordern ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Um militärische Unterstützung für dieses Unterfangen bitten sie die Schweiz und Österreich, und tatsächlich schicken die Österreicher – während die Schweizer neutral bleiben – ein kleines Truppenkontingent, das sich nach der ersten militärischen Niederlage freilich gleich wieder nach Hause zurückzieht. Der Aufstand scheitert schließlich. Die Sowjetregierung will die auswärtige Einmischung in ihre Angelegenheiten allerdings nicht auf sich beruhen lassen und schickt einige Zeit später eine Invasionsarmee nach Österreich. Nun geschieht das Unglaubliche: Dem österreichischen Bundesheer gelingt es, in einer einzigen Schlacht die Angreifer zurückzuschlagen und zum Abzug zu zwingen. Wir wollen dieses Spiel nicht weiter auf die Spitze treiben, denn dieser Vergleich hinkt – wie fast jede historische Analogie – natürlich in vielerlei Hinsicht. Er verdeutlicht aber für den modernen Leser die Größen- und Machtverhältnisse und den – zumindest auf den ersten Blick – unerwarteten Ausgang der griechisch-persischen Auseinandersetzungen vom sogenannten „Ionischen Aufstand“ bis zur Schlacht von Marathon. Der militärische Konflikt zwischen den Griechen und dem Achaimenidenreich zählt zu den bedeutsamsten, meistrezipierten und meistdiskutierten kriegerischen Auseinandersetzungen der Weltgeschichte. Er begann mit der Eingliederung der ionischen

EINLEITUNG

7

Küstenstädte in das Persische Reich um die Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr., erreichte mit einer Erhebung dieser Städte, dem schon erwähnten „Ionischen Aufstand“, sowie den persischen Angriffen auf das griechische Mutterland unter den Großkönigen Dareios (490 v. Chr.) und Xerxes (480/79 v. Chr.) erste Höhepunkte, erlebte dann unter umgekehrten Voraussetzungen, das heißt in Gestalt griechischer Offensivaktionen gegen das Perserreich (etwa durch den Attisch-Delischen Seebund oder durch das lakedaimonische Heer unter der Führung des Agesilaos) und wiederholter persischer Einflussnahme – vor allem durch den Einsatz von Finanzmitteln – auf die griechische Politik seine Fortsetzung und fand schließlich in der Eroberung des Achaimenidenreiches durch ein griechisch-makedonisches Heer unter der Führung Alexanders des Großen in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. seinen Abschluss. Die erste Phase der griechisch-persischen Konflikte bis 479 v. Chr. (Schlachten bei Plataiai und Mykale) wird im Folgenden genauer betrachtet. In diesem Zusammenhang muss es auch um die historische Bewertung der Perserkriege gehen. Der Erfolg, den die Griechen bei der Verteidigung ihrer Heimat erringen konnten, wurde nicht nur im antiken Hellas euphorisch gefeiert, sondern er wurde auch bis in heutige Zeit immer wieder als Sieg des Westens über den Osten, als Triumph der Freiheit über die Despotie hochstilisiert. Die Perserkriege wurden als entscheidender Zusammenprall der Kulturen, als erfolgreicher Existenzkampf des Griechentums, Europas, ja des Abendlandes überhaupt betrachtet, der griechische Sieg entsprechend als „Geburtsstunde Europas“ angesehen. Einige aktuelle Beispiele, die von dieser ideologischen Überhöhung der Perserkriege Zeugnis ablegen, mögen an dieser Stelle genügen: Der bekannte amerikanische Althistoriker Barry Strauss bezeichnete das Gefecht im Sund von Salamis etwa im Titel seiner vor einigen Jahren erschienenen populären Darstellung dieses Kampfes als „Seeschlacht, die die westliche Zivilisation rettete“, und Paul Cartledge, Professor für Griechische Kultur an der Universität Cambridge, charakterisierte die Schlacht an den Thermopylen, eigentlich eine griechische Niederlage, als „Schlacht, die die Welt veränderte“. Dem britischen Sachbuchautor Tom Holland schließlich gelang es im Vorwort seiner ungemein populären Darstellung der Perserkriege sogar, eine Brücke von den griechisch-persischen Auseinandersetzungen über die Kreuzzüge bis hin zum islamistischen Terror der al-Quaida zu schlagen. Solche Parallelisierungen sind jedoch bedenklich. Die universalgeschichtliche Bedeutung des griechischen Triumphes muss differenzierter betrachtet werden. Eine Zuspitzung des Konfliktes auf Schlag-

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EINLEITUNG

wörter wie „westliche Freiheit“ gegen „orientalische Despotie“, wie sie oft vorgenommen wird, wird den historischen Verhältnissen jedenfalls sicherlich nicht gerecht. Im letzten Kapitel wird darauf noch einmal einzugehen sein. Ziel des vorliegenden Buches ist es, nicht nur einen kompakten Überblick über die Kriegsereignisse zu geben sowie diese in ihren historischen Kontext einzubetten (und damit gleichzeitig eine knappe Einführung in die Kulturgeschichte Griechenlands in archaischer Zeit sowie in die Grundzüge der persischen Kultur zu bieten), sondern auch – soweit dies die Quellen zulassen – der persischen Seite gerecht zu werden und so manche nicht haltbare Stereotype und Vorurteile, die – selbst in modernen Darstellungen – das Perserbild und die Wahrnehmung der griechisch-persischen Konflikte verzerren, zu widerlegen. Die vorliegende Darstellung wendet sich in erster Linie an interessierte Laien. Sie setzt daher keinerlei Kenntnisse voraus und versucht, Fachjargon möglichst zu vermeiden sowie alles eventuell Unklare zu erklären. Besonderer Wert wird darauf gelegt, die antiken Quellen selbst „sprechen zu lassen“. Zahlreiche, oft lange Zitate griechischer und römischer Geschichtsschreiber sowie griechischer Inschriften in deutscher Übersetzung sollen den Leser mit jenen Zeugnissen vertraut machen, die die Grundlage unseres Wissens über die Epoche der Perserkriege bilden. Um die Lesbarkeit des Textes zu erhöhen, wurde im Darstellungsteil auf Anmerkungen verzichtet. Diese finden sich hinten in einem knappen kommentierten Anmerkungsteil. Die dort ebenfalls aufgelistete Forschungsliteratur ermöglicht es, Quellenprobleme und Forschungsdiskussionen nachzuvollziehen, die in diesem Rahmen nicht dargestellt beziehungsweise ausführlicher diskutiert werden können. Wie bei jeder althistorischen Studie kommt der Frage nach der Schreibweise von Eigennamen eine besondere Problematik zu. Im vorliegenden Band werden (fast) alle Eigennamen möglichst eng nach der griechischen Schreibweise wiedergegeben; im Fall bekannter Persönlichkeiten, deren „eingedeutschte“ Namen allgemein bekannt und verbreitet sind, wurde darauf aber verzichtet (z.B. Herodot statt Herodotos). Für die Durchsicht des gesamten Manuskriptes bedanke ich mich herzlich bei Oliver Schipp, für die Korrektur einzelner Teile des Buches bei Jörg Weilhartner, Manuel Tröster und Olivier Gengler. Alle verbliebenen Unzulänglichkeiten sind allein dem Autor anzulasten. Gewidmet ist das Buch meinen beiden Kindern Maria und Alexander.

EINLEITUNG

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EINLEITUNG

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1. K A P I T E L

Die Quellen

A

m Beginn jeder historischen Darstellung muss die Frage nach den Quellen stehen, auf denen sie beruht, denn nur auf der Grundlage einer gut abgesicherten Quellenbasis kann eine fundierte Rekonstruktion geschichtlicher Ereignisse versucht werden. Wo keine verlässlichen Zeugnisse zur Verfügung stehen, endet die Zuständigkeit des Historikers und beginnt jene des Dichters. Gerade bei der Beschäftigung mit den Perserkriegen ist die Frage nach den Quellen von außerordentlicher Bedeutung. Bei der Beurteilung der mit dieser Auseinandersetzung verbundenen Ereignisse sind wir nämlich in besonderem Maße von einer einzigen Quelle abhängig: dem Geschichtswerk des Herodot.

Herodot Über das Leben dieses Mannes sind wir im Grunde leider nur recht unzureichend informiert, doch ist immerhin bekannt, dass er in Halikarnassos, einer dorischen Stadt an der Südwestküste Kleinasiens, geboren wurde. Seine Familie, zu welcher der Ependichter Panyassis zählte, hatte karische Wurzeln und gehörte wohl zur lokalen Aristokratie. Vermutlich nach einem gescheiterten Versuch, den in Halikarnassos regierenden Tyrannen Lygdamis zu stürzen, musste Herodot seine Heimatstadt verlassen. Er begab sich nun nach Samos;

H E R O D OT

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das besondere Verhältnis zu dieser Insel ist in seinem Werk unverkennbar. Als nach einigen Jahren Lygdamis tatsächlich entmachtet werden konnte, kehrte Herodot für kurze Zeit nach Halikarnassos zurück, musste die Stadt aber offenbar aus politischen Gründen bald wieder verlassen. Er unternahm nun, wie freilich nur aus den Angaben in seinem Geschichtswerk zu erschließen ist, ausgedehnte Reisen, die ihn nicht nur in zahlreiche Orte Griechenlands und Kleinasiens, sondern auch nach Afrika in die Kyrenaika und nach Ägypten, nach Vorderasien, wo er anscheinend bis Babylon reiste, in den Schwarzmeerraum, nach Makedonien, Thrakien und das Land der Skythen führten. Genauer Umfang und Chronologie der herodoteischen Reisen sind in der altertumswissenschaftlichen Forschung durchaus umstritten, es wurden sogar grundlegende Zweifel an ihrer Historizität geäußert. Diese scheinen freilich nicht angebracht zu sein. Allerdings hat Herodot die küstennahen Kulturzonen nur selten verlassen. Interessanterweise ist er auch nie in die persischen Kernlande gereist. Der Grund für die Reisetätigkeit des Herodot lag wohl in seiner Neugier und dem Wunsch, andere Länder und ihre Bewohner kennen zu lernen. Für die Entstehung seines Geschichtswerkes waren diese Reisetätigkeit und die vor Ort unternommenen Nachforschungen jedenfalls von grundlegender Bedeutung. Eine wichtige Station in Herodots Leben war sein Aufenthalt in Athen in den 40er-Jahren des 5. Jahrhunderts v. Chr., das zu dieser Zeit der politische und kulturelle Mittelpunkt der griechischen Welt war. Hier trug er aus seinem Werk vor und stand in Verbindung mit den Geistesgrößen jener Epoche, so etwa mit dem Dichter Sophokles, der sogar eine Ode auf den Historiker verfasst haben soll. Ob Herodot sich freilich im engeren Kreis des Perikles, des politisch maßgeblichen Mannes in Athen, bewegt hat, wie oft vermutet wird, muss unsicher bleiben. Sicher wissen wir dagegen, dass Herodot – zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt – in die im Jahre 444/43 v. Chr. von Athen gegründete panhellenische Kolonie Thurioi ging, die vom berühmten Städteplaner Hippodamos von Milet entworfen gewesen sein und vom bekannten Sophisten Protagoras von Abdera ihre Verfassung erhalten haben soll. Dort ist er – der antiken Überlieferung zufolge – auch gestorben. Sein Todesdatum kann wiederum nur aus seinem Geschichtswerk, das in der vorliegenden Form offensichtlich zwischen 430 und 425 v. Chr. vollendet wurde, erschlossen werden. Dieses Werk ist in neun Bücher gegliedert, die nach den Musen (Klio, Euterpe, Thalia, Melpomene, Terpsichore, Erato, Polyhymnia, Urania, Kallio-

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1. KAPITEL

pe), den neun Schutzgöttinnen der Künste, benannt werden. Diese Einteilung geht freilich nicht auf den Autor selbst zurück, sondern stellt eine Gliederung durch Philologen der hellenistischen Zeit in Alexandreia (vielleicht durch Aristarchos von Samothrake) dar. Die Darstellung wird heute als Historien betitelt, Herodot selbst nennt sie im ersten Satz des Werkes eine historíes apódexis, eine „Darlegung der Erkundung“, und gibt gleichzeitig sein Ziel bekannt, nämlich die großen Leistungen der Menschheit vor der Vergessenheit zu bewahren, egal ob sie von Griechen oder Barbaren vollbracht wurden, wobei sein engeres Thema die Geschichte der Auseinandersetzungen zwischen Griechen und Barbaren sein sollte. Während die ältere Forschung davon ausgegangen war, dass die geographischen und ethnographischen Exkurse als eigenständige Werke am Anfang der schriftstellerischen Tätigkeit des Herodot gestanden hätten und dieser erst zu einem späteren Zeitpunkt den Plan, den Verlauf der Perserkriege zu beschreiben, Abb. 1: Bildnis des Herodot; gefasst und daraufhin die einzelnen griechischer Geschichtsschreiber Werkstücke im Laufe der Zeit zu einem (ca. 484 – 425 v. Chr.). Marmorbüste, Ganzen zusammengefügt habe, hat sich 1. Hälfte 4. Jh. v. Chr. inzwischen zu Recht die Ansicht von der einheitlichen Konzeption des Werkes durchgesetzt. Herodot verweist an manchen Stellen weit in die mythische Vorzeit zurück und blickt gelegentlich bis in die ersten Jahre des Peloponnesischen Kriegs (431–404 v. Chr.) voraus, der eigentliche von ihm behandelte Zeitraum umfasst aber die 80 Jahre von 560 bis 479 v. Chr. Er beginnt seine Darstellung mit

DIE QUELLEN

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der Geschichte des Volks der Lyder und deren König Kroisos, weil dieser mit den „Feindseligkeiten gegen die Griechen begann“. Dann bilden die Geschichte des Perserreiches und die Abfolge der vier persischen Könige Kyros, Kambyses, Dareios und Xerxes den roten Faden der Erzählung, in die freilich Unmengen an historischen, geographischen und ethnologischen Einzelheiten über verschiedenste Völker eingefügt werden. Diese Exkurse, die sogenannten Logoi, werden stets an der Stelle eingebaut, an der die Perser im Zuge ihrer Expansionspolitik mit den jeweiligen Völkern in Kontakt treten. Am bekanntesten ist dabei der sogenannte Ägyptische Logos, der das gesamte zweite Buch der Historien umfasst. Diese Schilderung der Geschichte, Landeskunde und Kultur des Nillandes wird bei der Darstellung der Eroberung Ägyptens durch den persischen König Kambyses eingeschoben. In gleicher Weise findet sich der sogenannte Skythische Logos im vierten Buch, in welchem Herodot die Sitten und Gebräuche der Reiternomaden an der nördlichen Schwarzmeerküste schildert, im Rahmen des Berichts vom Skythenkrieg des Königs Dareios. Die Griechen und deren Auseinandersetzung mit dem Perserreich bilden ab dem fünften Buch, in welchem mit der Schilderung des Ionischen Aufstands begonnen wird, das Hauptthema der Schrift. Das sechste Buch behandelt die Geschehnisse des ersten Jahrzehnts des 5. Jahrhunderts v. Chr. vom Fall Milets über den ersten Griechenlandfeldzug des Mardonios und die Invasion unter Datis und Artaphernes bis zur Schlacht von Marathon. Mit dem siebten Buch kommt das Werk zu seinem Höhepunkt, dem Feldzug des Xerxes. Geschildert werden die Kriegsvorbereitungen, der Zug des persischen Heeres und die ersten Gefechte bis zur Schlacht an den Thermopylen. Die Kämpfe bei Kap Artemision bilden den Beginn des achten Buches, das weiter von der Schlacht von Salamis, dem Rückzug der Perser und der Heimkehr des Großkönigs handelt. Im neunten und letzten Buch schließlich ist vom Zug des Mardonios, dem griechischen Triumph in der Schlacht von Plataiai sowie den darauf folgenden Ereignissen in Kleinasien (Schlacht von Mykale) die Rede. Am Ende des Werkes steht dann die Schilderung der Belagerung der Stadt Sestos. Die Vielfalt des behandelten Stoffes bedingt die verwirrend komplexe Struktur der Schrift. Taten und Werke von Griechen und Barbaren, Beschreibungen von Landschaften, Sitten, Gebräuchen und religiösen Vorstellungen, all das vereinigt das Werk zu einer umfassenden Erzählung. Herodot ist dabei ein ständig präsenter Erzähler, der durch wiederholte Vorgriffe und Rückver-

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1. KAPITEL

weise Ordnung in seine Darstellung bringt, der nicht allwissend ist (und dies auch einräumt) und der gleichzeitig seinen Lesern Einblicke in die Gedanken und die Gefühlswelt seiner Protagonisten gibt, über die er bisweilen deutliche Urteile fällt. Eine Reihe typischer, immer wiederkehrender Leitmotive wirkt einheits- und sinnstiftend. Herodot geht davon aus, dass eine höhere Macht über dem Geschehen, dessen Verlauf weitgehend vorherbestimmt ist, waltet. Alles, was geschieht, ist durch ständigen Wandel gekennzeichnet; jeder Aufstieg trägt bereits den Keim des Abstiegs in sich. Der Stil des Herodot, der die einfache Erzählung mit der Wiedergabe direkter Reden verbindet (was in der antiken Geschichtsschreibung durchaus geläufig ist), der den roten Faden seiner Darstellung immer wieder verlässt, um dann aber stets wieder zu ihm zurückzukehren, der die zahlreichen Exkurse, Anekdoten und Novellen aber keinesfalls willkürlich einstreut, verdankt vieles dem epischen Vorbild Homers (und wohl auch dem seines Onkels Panyassis). Insofern kann Herodot als ein durchaus „homerischer“ Geschichtsschreiber betrachtet werden; genauso weist er aber auch deutliche Einflüsse der attischen Tragödie auf. Die Quellen, auf die sich Herodot bei seiner Darstellung der Vergangenheit stützte, sind vor allem mündlicher Natur. Er beschrieb, was er selbst gesehen hatte (Autopsie) und was ihm andere berichteten. Dabei übernahm er nicht kritiklos alles, was ihm zugetragen wurde, sondern versuchte abzuwägen, wie sich bestimmte Begebenheiten tatsächlich abgespielt haben könnten. Charakteristisch ist es, dass Herodot oft mehrere einander widersprechende Varianten überliefert. Manchmal trifft er nach reiflicher Überlegung eine Entscheidung, manchmal überlässt er diese den Lesern und beschränkt sich darauf, das Gehörte zu referieren, ohne dieses selbst glauben zu müssen. Meist stützte sich Herodot auf kollektive Erinnerungen griechischer und barbarischer Städte und Völker. Neben einer Vielzahl anonymer Zitate stehen nur einzelne Nachrichten individuell benannter Gewährsleute. Über die mündlichen Nachrichten hinaus zog der Geschichtsschreiber Kunstdenkmäler als Quellen heran sowie persische, ägyptische, babylonische, lydische und griechische Inschriften, die in Einzelfällen sogar aufgefunden werden konnten (z. B. die berühmte Schlangensäule von Delphi, von der noch eingehender die Rede sein wird). Auch die frühen Dichter (z. B. Homer, Hesiod, Archilochos, Sappho, Simonides oder Pindar) wurden von Herodot herangezogen und ausgewertet, ebenso Sammlungen von Orakelsprüchen. Inwieweit er freilich andere Prosaautoren benutzt hat, ist in der altertumswissenschaftlichen Forschung

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umstritten. Mit einiger Sicherheit scheint dies nur beim Werk des Hekataios der Fall zu sein. Dieser Hekataios stammte aus dem kleinasiatischen Milet und wurde in den 50er-Jahren des 6. Jahrhundert v. Chr. als Mitglied der lokalen Aristokratie geboren (sein Todesjahr ist unbekannt). Dass er auch politisch tätig war, entnehmen wir dem Geschichtswerk Herodots, der ihn als einen politischen Ratgeber des Tyrannen Aristagoras im Rahmen des Ionischen Aufstandes nennt; nach dem – freilich nicht ganz verlässlichen – Zeugnis des Diodor sollen ihn die Milesier nach der Niederschlagung dieses Aufstande sogar als Unterhändler zum persischen Satrapen Artaphernes gesandt haben. Auch Hekataios unternahm Forschungsreisen, die ihn unter anderem bis nach Ägypten führten. Als Ergebnis dieser Reisen, aber auch unter Heranziehung älterer Literatur, hat er zwei Werke verfasst: einerseits eine nur fragmentarisch überlieferte Beschreibung der Welt in zwei Büchern zusammen mit einer nicht erhaltenen Weltkarte und andererseits ein meist als Genealogoi („Stammbäume“) bezeichnetes und in nur wenigen Fragmenten auf uns gekommenes historisches Werk, das etwa den Versuch unternimmt, die mythologische Überlieferung einer rationalen Kritik zu unterziehen, denn die überlieferten Geschichten schienen ihm, wie er am Beginn dieses Werkes schrieb, „zahlreich und lächerlich zu sein“. Ob man Hekataios allerdings als ersten Historiker bezeichnen oder ihm lediglich das Setzen eines ersten Schrittes in Richtung zur Entwicklung einer kritischen Geschichtsschreibung zugestehen will, ist Auslegungssache. Auf seinen Nachfolger Herodot übte Hekataios jedenfalls nachhaltigen Einfluss aus. Kehren wir damit aber zu eben diesem Herodot zurück, dessen Glaubwürdigkeit bereits in der Antike des Öfteren bezweifelt wurde. Schon Thukydides, der am Beginn einer quellenkritischen Zeitgeschichtsschreibung steht, distanziert sich im sogenannten Methodenkapitel im ersten Buch seines Werkes von der Quellenbenutzung seines Vorgängers, ohne diesen freilich namentlich zu nennen. Selbst Cicero, der dem Halikarnassier den Ehrentitel des „Vaters der Geschichtsschreibung“ (pater historiae) zuerkannte, räumte ein, dass dieser unzählige erfundene Geschichten (fabulae) erzähle. Der jüdische Historiker Josephos bezichtigte ihn des vielfachen Irrtums, und der Poikilograph (Buntschriftsteller) Aulus Gellius nannte Herodot in seinen Attischen Nächten einen fabulator. Auch die moderne Forschung hat sich immer wieder kritisch mit dieser Frage beschäftigt. Radikale Ansätze, die an jeder Reisetätigkeit des Geschichts-

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1. KAPITEL

schreibers zweifeln, alle Quellenangaben in den Historien als erfunden verwerfen und sogar den Großteil des Werkes als Fiktion eines unzuverlässigen Fabulierers betrachten, müssen freilich abgelehnt werden. Selbstverständlich findet sich im Geschichtswerk des Herodot, insbesondere in den ersten Büchern, die der Frühzeit und den Sitten und Gebräuchen fremder Völker gewidmet sind, viel Phantastisches und Unglaubwürdiges, auch manches, das der Geschichtsschreiber gar nicht wissen konnte. Diese Passagen erfüllen innerhalb des Werkes jedoch häufig einen wichtigen Zweck, indem sie die Geschichtsphilosophie und die Weltsicht Herodots vermitteln. An vielen Stellen referiert Herodot auch weniger authentische Informationen als vielmehr Projektionen griechischer Vorstellungen. Doch wäre es verfehlt, die Historien allein nach den Maßstäben der modernen Historiographie zu beurteilen, da dies dem rhetorischen und dichterischen Charakter der von Herodot (mit)begründeten antiken Geschichtsschreibung, die sich immer in bestimmten Bahnen bewegen musste, nicht gerecht würde. Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, dass freies literarisches Gestalten nicht unbedingt das Bemühen um die Übermittlung wertvoller historischer Informationen ausschließt. Keinesfalls darf man Herodot unterstellen, seine Leser in böser Absicht täuschen und in die Irre führen zu wollen. Zu Recht wurde ihm allerdings bereits in der Antike vorgeworfen, dass er einerseits Größe und Struktur des Perserreiches nur unzureichend kannte, und dass er andererseits selbst über keinerlei militärische Erfahrungen verfügte und als Zivilist kein tieferes Verständnis für militärische Belange und auch kein besonderes Interesse an diesen besaß. Auch warf man ihm Parteilichkeit vor; bekannt sind etwa die Angriffe des Plutarch in dessen Werk Über die Bösartigkeit des Herodot, die freilich vor dem lokalpatriotischen Hintergrund Plutarchs zu sehen sind. Während sich die negativen Gefühle gegen die ionischen Griechen, welche ihm die moderne Forschung unterstellt hat, bei näherer Betrachtung nicht nachweisen lassen, trifft es aber zu, dass er die Rolle Athens und einzelner athenischer Protagonisten in besonderem Maße herausstreichen wollte. Und es finden sich im Werk des Herodot ohne Zweifel pejorative Wertungen (etwa gegen die Korinther), die durch die politische Situation der Abfassungszeit der Historien bedingt sind.

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Weitere Quellen Neben dem herodoteischen Geschichtswerk sind für die Beschäftigung mit den Perserkriegen andere literarische Quellen nur von untergeordneter Bedeutung, denn sie hängen – von einzelnen Details abgesehen – weitgehend von Herodot ab und können kaum dazu verwendet werden, die Angaben des Halikarnassiers zu korrigieren beziehungsweise abweichende Perspektiven und Beurteilungen zu liefern. Das gilt auch für den Athener Thukydides (um 460 – kurz nach 400 v. Chr.), der eine unvollendet gebliebene, bei der Schilderung der Ereignisse des Jahres 411 v. Chr. unvermittelt abbrechende Geschichte des Peloponnesischen Krieges verfasste, in der er die eigentlichen Perserkriege im ersten von acht Büchern nur en passant behandelt (1,25). Dass Thukydides diese Auseinandersetzungen nur so kurz streift, hat seinen Grund natürlich auch darin, dass er sein eigenes Thema umso mehr herausstellen möchte. Denn im Vergleich mit dem Peloponnesischen Krieg, der fast drei Jahrzehnte andauerte und so viel Leid über die ganze griechische Welt brachte, verblassten – zumindest seiner Ansicht nach – alle früheren Konflikte, nie habe es so viel Blutvergießen und Eroberungen von Städten gegeben, während der Perserkrieg in zwei Seeschlachten und zwei Schlachten zu Land eine rasche Entscheidung gefunden habe (Thukydides 1,23). Wertvoll ist die Schrift des Thukydides als Quelle für die griechisch-persischen Beziehungen während des Peloponnesischen Krieges; insgesamt scheint der athenische Historiker aber wenig Kenntnis von den Persern und kaum Einblicke in die Organisation ihres Staates besessen zu haben. Ein bemerkenswertes und auch kurioses Werk stellen die Persika des Ktesias von Knidos dar. Dieser gab vor, als Arzt am Hofe des persischen Großkönigs Artaxerxes II. tätig gewesen zu sein. Er verfasste neben anderen Schriften ein Werk in 23 Büchern, das sich mit den Taten der Assyrer, Meder und Perser beschäftigte. Es ist zwar verloren, doch hat der byzantinische Patriarch Photios (9. Jh. n. Chr.), einer der gelehrtesten Männer seiner Zeit, eine Kurzfassung (Epitome) der Bücher 7–23 überliefert. Ktesias stellt sich in scharfe Opposition zu Herodot, nennt diesen einen Lügner und Märchenerzähler und berichtet oftmals genau Entgegengesetztes. So setzt Ktesias etwa die entscheidende Seeschlacht von Salamis chronologisch nach die Schlacht von Plataiai! Was ist davon zu halten? Hatte Ktesias, der vor allem ausführlich die Intrigen am persischen Königshof schildert, durch seine angebliche Tätigkeit ebendort

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1. KAPITEL

Einblicke, die Herodot verwehrt waren? Überliefert die Schrift des Knidiers von den herodoteischen Historien abweichende zeitgenössische Alternativversionen? Wohl kaum! Es ist schon vor langer Zeit richtig erkannt worden, dass Ktesias, dessen vorgebliche Biographie kritisch hinterfragt werden muss, seine Erzählungen aus dem Werk Herodots konstruiert hat. Er überliefert keine unabhängigen Traditionen, sondern treibt sein literarisches Spiel mit den herodoteischen Historien. Ob er damit rechnete, dass der Leser dies durchschauen und darüber belustigt sein würde, wie das jüngst vermutet wurde, muss meines Erachtens bezweifelt werden, wenngleich davon auszugehen ist, dass viele antike Leser mit der Version des Herodot vertraut waren. Vielmehr wollte Ktesias wohl durchaus als ernsthafter Historiker anerkannt werden, und diese Anerkennung ist ihm in der Antike teilweise auch zuteil geworden. Ebenfalls ein Werk mit dem Titel Persika sowie eine Geschichte nach Dareios – wobei es sich hier um zwei unterschiedliche, für dasselbe Werk überlieferte Titel handeln könnte – schrieb, wohl im frühen 5. Jahrhundert v. Chr., der weitgehend obskure Geschichtsschreiber Dionysios von Milet. Wohl zu Unrecht wurde vielfach vermutet, dass sich Herodot in seiner Darstellung auf das Werk des Dionysios gestützt haben könnte. Dionysios gehört jedenfalls zu einer Reihe von Autoren des 5. Jahrhunderts v. Chr., die sich, motiviert durch den persischen Angriff auf Griechenland, der somit als Initialzündung der antiken Geschichtsschreibung betrachtet werden kann, mit den Gegnern der Hellenen auseinandergesetzt haben. Die Größe des Achaimenidenreichs und die dem persischen Großkönig zur Verfügung stehenden Reichtümer übten ihren besonderen Reiz auf die griechischen Autoren aus und boten einen geeigneten Rahmen für spektakuläre und exotische Erzählungen. Da die Werke dieser Autoren aber weitgehend verloren sind, kennen wir kaum mehr als ihre Namen. Zu diesen Männern zählt auch Hellanikos von Lesbos, ein Vielschreiber, der zahlreiche, bis auf Fragmente verlorene mythographische, chronologische und ethnographische Werke verfasste, die allerdings kaum auf eigenen Forschungen beruhten. Durch seine zweibändige Atthis, eine Darstellung der athenischen Geschichte von ihren mythischen Anfängen bis in die Zeit des Peloponnesischen Krieges, wurde er indes zum Begründer der attischen Lokalgeschichtsschreibung (Atthidographie). Er galt in der Antike als ein Vorgänger Herodots, war aber wohl eher dessen jüngerer Zeitgenosse. Dies trifft auch auf Charon von Lampsakos zu, der ebenfalls – neben anderen Werken (z. B. Hellenika, Libyka, Aithiopika) –

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Persika verfasste und dabei – genauso wie Dionysios und Hellanikos – kaum über Informationen verfügte, die über das von Herodot Berichtete hinausgegangen wären. Das Gleiche gilt für einen etwas jüngeren Verfasser von Persika, nämlich Dinon von Kolophon (4. Jh. v. Chr.), der in seinem Werk eine Geschichte des Achaimenidenreichs von der mythischen Frühzeit bis in die Regierungszeit des Artaxerxes III. vorlegte. Die Schrift Dinons war deutlich von Ktesias beeinflusst und überliefert märchenhafte und sensationelle Ereignisse. Dennoch wurde Dinon in der Antike als eine verlässliche Quelle zur persischen Geschichte betrachtet, die etwa Cornelius Nepos und Plutarch benutzten. Herakleides von Kyme war wie Dinon im 4. Jahrhundert v. Chr. ein direkter Untertan des persischen Großkönigs. Seine nur in wenigen Fragmenten auf uns gekommenen Persika bieten schlaglichtartige Einblicke in das Leben am Hofe von König Artaxerxes II., beschäftigen sich mit dessen Dienern und Leibwächtern, dem von diesem gepflegten Tafelluxus und – in einem besonders interessanten Fragment – auch mit den Ehren, die der persische Herrscher bestimmten Griechen zukommen ließ. Ebenfalls aus Kyme stammte Ephoros (ca. 400–330 v. Chr.), ein Zeitgenosse des Herakleides und Schüler des athenischen Redners und Rhetoriklehrers Isokrates, der als Begründer der Universalgeschichte gelten kann. Neben anderen Schriften verfasste er ein 29 Bücher umfassendes Werk (Historiai), das die Geschichte von der mythischen Rückkehr der Herakleiden bis zu den Geschehnissen seiner eigenen Zeit nachzeichnet (einen 30. Band hat sein Sohn Demophilos herausgegeben). Er ordnete dabei die Darstellung nicht chronologisch, sondern nach geographischen Gesichtspunkten, wobei die Bücher 8 und 9 die Geschichte Lydiens und Persiens behandeln. Bereits in der Antike wurde allerdings die unrealistische Schilderung des Kriegsgeschehens durch Ephoros, der selbst keinerlei politische oder militärische Erfahrung aufweisen konnte, kritisiert; das Gleiche gilt für die in diesem rhetorisch durchgefeilten Werk reichlich vorkommenden, recht schematisch aufgebauten Reden. Ephoros, der als Prototyp des Buch- und Schreibtischgelehrten gelten kann, zog zwar zahlreiche literarische Quellen heran, auf Nachforschungen vor Ort oder Befragungen von Augenzeugen, wie sie noch Herodot durchgeführt hatte, verzichtete er aber. Seine Schrift ist zwar nicht direkt erhalten, doch hat Diodor ausführliche Exzerpte angefertigt. An manchen Stellen bietet Ephoros, der auch Versuche unternimmt, die Berichte von Herodot und Ktesias in Übereinstimmung zu bringen, Informationen, die über die Angaben im Geschichts-

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1. KAPITEL

werk des Herodot hinausführen. Freilich muss deren Zuverlässigkeit meist in Frage gestellt werden; inwieweit er auf von Herodot unabhängige lokale Traditionen zurückgreift, was zweifelhaft erscheint, oder ob es sich vielmehr um seine eigenen rationalistischen Spekulationen handelt, muss vielfach offen bleiben. Der eben erwähnte und aus Sizilien stammende Diodor verfasste im 1. Jahrhundert v. Chr. eine Universalgeschichte vom Anfang der Welt bis in seine eigene Lebenszeit in 40 Büchern, die es sich zum Ziel setzte, die Studien älterer Gelehrter zum allgemeinen Nutzen zusammenzustellen. Diesem Vorhaben ist auch der Titel des nur etwa zur Hälfte erhaltenen Werkes, die Historische Bibliothek, geschuldet. Der Quellenwert der Darstellung Diodors ist – je nach der im entsprechenden Abschnitt benutzten Quelle – sehr unterschiedlich. Seine Darstellung der Perserkriege ist ebenso von Ephoros abhängig wie die entsprechende Schilderung des Pompeius Trogus, der etwa eine Generation nach Diodor eine Universalgeschichte mit dem Titel Philippische Geschichten verfasste, die mit Ninos, dem legendären Gründer von Ninive, begann und mit dem Jahr 9 v. Chr. endete. Leider ist auch dieses Werk nicht direkt erhalten, sondern nur in der Epitome des Marcus Iunianus Iustinus, der wohl im 2. oder 3. Jahrhundert n. Chr. lebte, überliefert. Ein wenig älter als Ephoros war der adelige Athener Xenophon (ca. 430– 350 v. Chr.), ein Schüler des Sokrates, der im Jahr 401 v. Chr. am Feldzug des persischen Prinzen Kyros gegen dessen Bruder Artaxerxes teilnahm. Nach der Schlacht von Kunaxa, bei der Kyros den Tod fand, führte Xenophon gemeinsam mit anderen Offizieren das griechische Söldnerheer durch Anatolien zum Schwarzen Meer und verfasste über diesen sogenannten „Zug der 10 000“ sein Werk Anabasis (wörtlich: „Hinaufmarsch“). Weitere Kontakte mit den Persern hatte er zwischen 399 und 394 v. Chr., als sich Xenophon den Spartanern unter Agesilaos bei dessen Kampf gegen die Perser in Kleinasien anschloss. Sein wichtigstes Werk sind die sogenannten Hellenika, eine griechische Geschichte, die das Werk des Thukydides bis zur Schlacht von Mantineia 362 v. Chr. fortsetzt. Unter seinen übrigen Schriften scheint für unser Thema – zumindest auf den ersten Blick – eine Biographie des persischen Reichsgründers Kyros des Großen am interessantesten zu sein. Freilich geht es Xenophon in dieser Schrift weniger um die Rekonstruktion des tatsächlichen Lebensweges des ersten Perserkönigs, sondern es handelt sich vielmehr um einen Fürstenspiegel, der die Ausbildung und Bewährung des idealen Herrschers zum Thema hat. Eine gründliche Quellenrecherche fehlt bei Xenophon. Obwohl er als Teilnehmer

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im Zug des Kyros als auch im Gefolge des Agesilaos im Kampf gegen persische Armeen vor Ort Eindrücke und Erfahrungen sammeln konnte, zeigen seine vielfach Fiktives überliefernden Schriften, dass er kaum tiefere Einblicke in das Funktionieren des achaimenidischen Staates besaß. Seine Angaben beruhen weniger auf Augenzeugenschaft als oft vermutet; vielmehr sind sie literarischen Vorlagen geschuldet. Schon mehrfach war von Plutarch (ca. 45–125 n. Chr.), einem der produktivsten griechischen Schriftsteller der Antike, die Rede. Aus Chaironeia im mittelgriechischen Boiotien stammend, bereiste Plutarch die griechische Welt und kam auch mehrfach nach Rom, wo ihm einflussreiche Freunde das römische Bürgerrecht verschafften. Einer über das Lokale hinausgehenden politischen Karriere jedoch abgeneigt, widmete er sich in seiner Heimat seiner schriftstellerischen Tätigkeit sowie der Philosophie und versammelte einen Kreis von Schülern um sich. Zudem nahm er das Amt eines Apollonpriesters in Delphi wahr. Sein Œuvre, das nur zur Hälfte erhalten ist, umfasst einerseits die sogenannten Moralia, eine Sammlung von 78 mit den unterschiedlichsten Themen – Philosophie, Religion, Musik, korrekter Lebensführung, menschlichen Charakterzügen, Kindererziehung, Naturwissenschaften oder Geschichte – befassten Schriften, und andererseits eine Reihe von Biographien, unter denen die sogenannten Doppelbiographien herausragen. Diese stellen jeweils bedeutende Griechen und Römer korrespondierend gegenüber. Bei seinen Lebensbeschreibungen ging es Plutarch – wie er selbst einräumt – aber nicht so sehr um die genaue Erfassung von historischen Ereignissen und Zusammenhängen, sondern vielmehr um die Zeichnung von Charakterbildern, mit denen er pädagogische Ziele verfolgte. Plutarch war kein Historiker (und wollte bei aller Nähe von Biographie und Historiographie auch keiner sein). Eher ist in ihm ein philosophischer Essayist zu sehen, der durch die Gegenüberstellung von Griechen und Römern wohl auch das Ziel verfolgte, beide Völker einander näher zu bringen. Sein Umgang mit der Chronologie ist vielfach unbekümmert, und es wird an vielen Stellen offenbar, dass ihm der rechte Einblick in das historische Umfeld seiner Protagonisten fehlte. Auf der anderen Seite darf der Quellenwert seiner Schriften auch nicht zu niedrig veranschlagt werden. Plutarch war mit Sicherheit einer der gebildetsten Griechen seiner Zeit, er war sehr belesen und hat eine Vielzahl von – heute teilweise nicht mehr erhaltenen – literarischen, epigraphischen und archäologischen Quellen sowie mündliche Überlieferungen in seine Darstellung einfließen lassen. Für die Beschäftigung mit den Perserkriegen sind besonders die Biographien des Themistokles, des

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1. KAPITEL

siegreichen athenischen Strategen in der Schlacht von Salamis, des athenischen Feldherrn und Politikers Aristeides, des innenpolitischen Konkurrenten des Themistokles, der die athenischen Kontingente in der Schlacht von Plataiai anführte, sowie des persischen Großkönigs Artaxerxes II. bedeutsam. Bedauerlich ist der Verlust der von Plutarch verfassten Biographie des Leonidas. Bereits erwähnt wurde die Schrift über Die Bösartigkeit Herodots, in der er sich kritisch mit dem Werk des Historikers auseinandersetzt. Er bezeichnet Herodot, mit dessen Bericht er in anderen Werken durchaus respektvoll umgeht, hier als einen Barbarenfreund und wirft ihm seine teilweise negative Darstellung der Griechen vor. Die offenbar aus persönlichen Motiven vorgebrachte Kritik Plutarchs geht freilich oft fehl; die Verlässlichkeit der von ihm benutzten Quellen (z. B. die Thebanischen Chroniken des Aristophanes von Boiotien) ist vielfach fraglich, und seine Schlüsse sind nicht immer nachvollziehbar. Ein Vorgänger des Plutarch als Verfasser von Lebensbeschreibungen bedeutender Persönlichkeiten war der Römer Cornelius Nepos (ca. 100 –25 v. Chr.). Nur wenige der zahlreichen Schriften dieses Freundes von Catull und Cicero sind erhalten, darunter die für unser Thema relevanten Lebensbeschreibungen des Miltiades, des Themistokles, des Aristeides und des Pausanias. Freilich bieten die Schriften des Nepos wenig Neues, das über die frühere Überlieferung hinausführen würde. Nur en passant sei hier auf Nikolaos von Damaskus (geboren um 64 v. Chr.) hingewiesen, den Lehrer der Kinder der letzten ägyptischen Pharaonin Kleopatra und des Römers Marcus Antonius, den Freund und Berater Herodes’ des Großen, der neben anderen Schriften – etwa einer Biographie des römischen Kaisers Augustus – eine Weltgeschichte in 144 Büchern verfasste. Auch dieses Werk, bei dessen Abfassung sich Nikolaos vor allem auf die Schriften des Ktesias, des Ephoros und des Xanthos stützte, ist bis auf Fragmente, vor allem aus den ersten Büchern, verloren. Der eben erwähnte Xanthos stammte wohl aus Sardeis und verfasste im 5. Jahrhundert v. Chr. eine Schrift (Lydiaka) über seine Heimat Lydien in vier Büchern. Eine angemessene Würdigung seines Werkes ist kaum möglich, da es nur in wenigen Fragmenten, die überdies wohl nicht auf das Original, sondern auf eine spätere, weniger qualitätvolle Bearbeitung zurückgehen, überliefert ist. Freilich können nicht nur historiographische oder biographische Werke als Quellen herangezogen werden, sondern auch Schriften anderer Gattungen, wie etwa die attischen Reden. Die Redekunst war im klassischen Athen von enormer Bedeutung; man bedurfte ihrer, um politische Entscheidungen zu finden

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oder vor Gericht den Ausgang eines Prozesses zu beeinflussen; dazu kamen die Prunk- oder Festreden. Reden aller drei Gattungen wurden schon früh von den Verfassern wie vom Publikum als Kunstwerke angesehen, schriftlich veröffentlicht und so bis heute überliefert. Bereits die antike Tradition kennt einen Kanon der großen „zehn attischen Redner“, zu denen auch der in Athen ansässige Metöke Lysias zählt, der die in diesem Zusammenhang besonders interessante Grabrede auf die im ersten Jahr des Korinthischen Kriegs (394– 387 v. Chr.) gefallenen Athener schrieb. Dabei handelt es sich aber wohl nicht um eine authentische Grabrede, sondern vielmehr um eine rhetorische Muster- oder Übungsrede, in der die Größe und die ruhmvolle Vergangenheit der Stadt Athen thematisiert werden. Geographische Schriften – wie die Geographika des in augusteischer Zeit tätigen Strabon aus Amaseia oder die Beschreibung Griechenlands des ebenfalls aus Kleinasien stammenden Periegeten Pausanias (2. Jh. n. Chr.) – liefern ebenfalls wertvolle historische Informationen. Mit großem Gewinn können aber auch die Werke der Dichtkunst als Quellen herangezogen werden, etwa Tragödien, die zwar meist eine mythologische Rahmenhandlung aufweisen und am Beispiel der Schicksale der griechischen Heroinnen und Heroen grundlegende religiöse, philosophische und moralische Fragen auf die Bühne bringen. Besonders in den frühen Stücken konnten aber auch zeitgenössische politische Ereignisse thematisiert werden. So verfasste der attische Tragiker Phrynichos im Jahr 492 v. Chr. ein Stück über die Einnahme Milets nach der Niederschlagung des Ionischen Aufstands. Bei der Aufführung dieses Stücks wurden die Zuschauer derart aufgewühlt, dass sie in Tränen ausbrachen. Das Drama wurde daraufhin mit einem Aufführungsverbot belegt, und über den Dichter verhängte man eine Geldstrafe, weil er an dieses Unglück erinnerte. Phrynichos verfasste aber einige Jahre später noch einmal ein Werk, das im Umfeld der griechisch-persischen Auseinandersetzungen angesiedelt war, diesmal freilich thematisierte es einen hellenischen Triumph. In seinem Stück Die Phoinissen (Phoinikerinnen), das von Themistokles als Choregen finanziert wurde, damit seine große Tat auf der Bühne verherrlicht würde, behandelte er nämlich den Sieg der griechischen Flotte bei Salamis, wobei die namengebenden phoinikischen Frauen, die den Chor bildeten, wohl die Witwen von auf persischer Seite gefallenen Seeleuten waren. Beide Stücke sind aber nicht erhalten, während ein Stück des Aischylos, das ebenfalls den griechischen Triumph in der Schlacht von Salamis verherrlichte, durchaus überliefert wurde und immer noch regelmäßig aufgeführt wird (Abb. 2). Aischylos (ca. 525/24–

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1. KAPITEL

Abb. 2: Der griechische Tragödiendichter Aischylos (ca. 525 – 456 v. Chr.). Marmorbüste, Ende 4. Jh. v. Chr.

456/55 v. Chr.) hat selbst aktiv an den Schlachten von Marathon und Salamis teilgenommen, und als er schließlich im sizilischen Gela starb, wurde ihm folgende Grabinschrift gesetzt, die der Dichter selbst verfasst haben soll: den Sohn des Euphorion, den Athener, der verstorben ist, birgt ❯ Aischylos, dieses Grabmal im Gebiet des weizenreichen Gela. Von seiner rühmlichen Stärke mögen der Hain von Marathon künden und der Meder mit lang herabhängendem Haar, der ihr entgegengetreten ist.



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Es ist bemerkenswert, dass der Tragiker, falls dieses Epigramm authentisch ist, seine Teilnahme am Abwehrkampf bei Marathon als die wichtigste Leistung seines Lebens ansah, während er von seinen Erfolgen als Dichter völlig schweigt. Bezeichnend ist auch, dass er nur die Schlacht von Marathon erwähnt, nicht aber jene von Salamis, in der er ja auch mitkämpfte. Hier zeigt sich wohl Standesdünkel des Dichters; während nämlich der Sieg von Marathon durch die von den wohlsituierten Bürgern gebildete Hoplitenphalanx errungen wurde, setzte sich die Besatzung der bei Salamis erfolgreichen Schiffe zu einem nicht geringen Teil aus mittellosen Angehörigen der Unterschichten zusammen. Ein bemerkenswertes, auch an diesem Epigramm zu beobachtendes Phänomen ist die Bezeichnung der Perser als Meder. Wie im nächsten Kapitel noch gezeigt werden wird, handelte es sich bei den Persern und den schließlich von den Persern unterworfenen Medern um zwei unterschiedliche Völker. Insbesondere in der frühen Phase der griechisch-persischen Kontakte ist aber vor allem von Medern die Rede; dies ändert sich erst in den Jahrzehnten nach den Perserkriegen – diese Veränderung ist gerade bei den gleich zu besprechenden Persern des Aischylos gut greifbar. Doch auch in der Folgezeit blieb es durchaus üblich, die Perser als Meder anzusprechen. Die Kollaboration mit den Persern wurde stets medismós genannt, und für die Perserkriege hielt sich generell die Bezeichnung „Mederkriege“ (tà Mediká bzw. ho medikòs pólemos) – auf Französisch ist heute noch von den guerres médiques die Rede. Kommen wir aber zurück zu Aischylos, der sich nicht zuletzt aufgrund seiner persönlichen Erfahrung dazu entschlossen hat, die erfolgreiche Verteidigung des Heimatlandes im Rahmen des im Jahr 472 v. Chr. uraufgeführten Stückes Die Perser auf die Bühne zu bringen. Bei diesem von Perikles finanzierten Bühnenwerk handelt es sich nicht nur um das älteste erhaltene griechische Drama, sondern auch um die einzige erhaltene attische Tragödie, die einen historischen Stoff behandelt. Im Gegensatz zum Stück des Phrynichos, in welchem ein Eunuch bereits zu Beginn die persische Niederlage verkündet, wartet am Beginn des eigentlich recht inhaltsarmen aischyleischen Werkes der persische Kronrat am Hof in Susa auf Nachrichten von der mit König Xerxes gegen Griechenland ins Feld gezogenen Armee. Beunruhigt durch einen Traum und ungünstige Vorzeichen tritt Atossa, die Witwe des Dareios und Mutter des Xerxes, auf. Kurz darauf trifft ein Bote ein, der von der schmachvollen Niederlage der Perser, die Xerxes mit nur wenigen Gefolgsleuten überlebt haben soll, kündet. Nach einer Beschwörung des toten Dareios, der aus der

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1. KAPITEL

Unterwelt zurückkehrt, das unglückliche Geschehen deutet und die Hybris seines Sohnes anprangert, kehrt Xerxes selbst zurück, ehe das Stück in einer Flut von Klagerufen endet. Es ist bemerkenswert, dass Aischylos die persischen Feinde keineswegs herabwürdigt, sondern die Tragik ihrer Niederlage aufzeigt. Auffällig ist gleichfalls, dass der Dichter eine Reihe von persischen Feldherren namentlich nennt, von denen einige auch historisch verifizierbar sind, während die Griechen anonym bleiben (ob man darin allerdings eine demokratische Grundhaltung des Aischylos erblicken kann, sei dahingestellt). Nicht nur im Drama, auch in anderen literarischen Gattungen wurden Geschehnisse der Perserkriege thematisiert. Ein berühmtes Beispiel stammt aus der Feder des Timotheos von Milet (etwa 450–360 v. Chr.), eines Dichters und Kitharoiden, der einer der Hauptvertreter der sogenannten „neuen Musik“ war. Timotheos schuf Werke, die den unterschiedlichsten Gattungen zugeordnet werden können, vornehmlich Dithyramben (Hymnen zu Ehren des Gottes Dionysos) und Nomoi (eigenständige Musikstücke, die auf dem Aulos oder auf der Kithara vorgetragen wurden). Von einem solchen Nomos mit dem Titel Die Perser hat sich auf einem 1902 gefundenen Papyrus eine längere Passage von 240 Versen erhalten, die in der Form lebhafter Einzelbilder die Schlacht von Salamis zum Thema haben. Freilich ist dieses Werk vor allem durch seine Fremdendarstellung als ein Zeugnis des griechischen Ethnozentrismus und des hellenischen Perserbildes interessant und kann keine neuen Erkenntnisse zur Rekonstruktion der historischen Geschehnisse beisteuern. In die antike Epik fanden die Perserkriege durch Choirilos von Samos Eingang, der eine Zeitlang zum Gefolge des spartanischen Admirals Lysandros gehörte, ehe er um 400 v. Chr. am Hofe des Makedonenkönigs Archelaos starb. Choirilos war der Erste, der aktuelle historische Geschehnisse im Epos thematisierte. Sein nicht erhaltenes Werk Persika (oder Perseis) verherrlichte den Sieg der Athener über die Truppen des Xerxes. Zu Lebzeiten hoch geschätzt, verblasste der Ruhm des Choirilos aber schnell. In ihrem Quellenwert besonders bedeutend sind schließlich die Werke des Simonides (etwa 556–468 v. Chr.), der von der Insel Keos stammte. Simonides, um dessen Leben sich zahlreiche Anekdoten ranken, dem stereotyp Habgier und Geiz zugeschrieben wurden und der als Erfinder der Mnemotechnik gilt, war einer der im späten 6. Jahrhundert v. Chr. erstmals auftretenden bezahlten Auftragsdichter. Er lebte wohl am Hof der Peisistratiden, später sicher am thessalischen Hof der Skopaden und schließlich auf Einladung des Tyrannen Hieron I. in Sizilien, wo er auch verstarb. Simonides gilt als Erfinder der Epi-

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nikien (Siegesgedichte) auf die Sieger in den großen Agonen, er verfasste Threnoi (Klagelieder) sowie Paiane (feierliche Gesänge zu Ehren Apollons) und erlangte als Schöpfer von Dithyramben besonderen Ruhm. Zur Zeit der Perserkriege spielte er die Rolle eines „Nationaldichters“, der die griechischen Erfolge feierte, und verfasste ein Gedicht auf die Gefallenen an den Thermopylen, eine lyrische Darstellung der Seeschlacht bei Kap Artemision (ein Gedicht auf die Schlacht von Salamis ist nicht ganz sicher belegt) sowie eine Elegie auf die Gefallenen der Schlacht von Plataiai, von der sich – im Gegensatz zu den vorgenannten Werken – längere Passagen auf Papyri erhalten haben. Große Berühmtheit erreichte er als Verfasser von Epigrammen, darunter auch Grabepigramme auf in den Perserschlachten gefallene Griechen. Diese Berühmtheit hatte freilich zur Folge, dass sich unter den 90 unter seinem Namen literarisch und epigraphisch überlieferten Epigrammen auch viel Unechtes befindet. Die zum Teil auf Inschriften erhaltenen Epigramme des Simonides schlagen eine Brücke von den literarischen Quellen zu den epigraphischen Zeugnissen, die eine wichtige und zugleich oft heikle Stellung einnehmen. Es sind hier einerseits bedeutende Inschriften zu nennen, die zweifelsfrei aus der Zeit der griechisch-persischen Auseinandersetzungen stammen, so etwa die Weihung des Helmes des Miltiades, des athenischen Strategen in der Schlacht von Marathon, im Heiligtum von Olympia oder die aufgrund ihres fragmentarischen Erhaltungszustandes problematische Weihung einer Nikestatue durch Kallimachos, den in derselben Schlacht gefallenen athenischen Polemarchen, auf der athenischen Akropolis. Hier sind auch die Weihung eines Teiles der Kriegsbeute der Schlacht von Marathon an den delphischen Apollon durch die Athener oder die ebendort nach der Schlacht von Plataiai errichtete (und dann nach Istanbul verbrachte), ursprünglich einen goldenen Dreifuß tragende Schlangensäule, welche die Namen der an den Kampfhandlungen beteiligten Städte nennt, aufzuführen; in diese Reihe gehören ebenso Gedenkinschriften für die in den Perserschlachten gefallenen Griechen, wie jene kurz nach 480 v. Chr. entstandene Ehrung für die gefallenen Athener vom Nordostabhang der Akropolis. Andererseits sind hier aber auch Inschriften zu nennen, deren Authentizität in der althistorischen Forschung mit guten Gründen bezweifelt wird. Zu diesen zählen etwa das berühmte sogenannte Themistoklesdekret aus Troizen, in dem die Evakuierung der Stadt Athen und die Bemannung der athenischen Schiffe angeordnet werden, oder der auf einer Stele aus Acharnai überlieferte

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1. KAPITEL

Eid, den die Hellenen vor der Schlacht von Plataiai schworen. Beide Inschriften sind nicht vor dem 4. Jahrhundert v. Chr. entstanden, was die Frage aufwirft, ob es sich jeweils um getreue Abschriften von Dokumenten des 5. Jahrhunderts v. Chr. handelt oder vielmehr um „Fälschungen“ der spätklassischen Epoche, deren Entstehung im Kontext der innenpolitischen Auseinandersetzungen im Athen des 4. Jahrhunderts v. Chr. zu suchen wäre. Nicht übergangen werden dürfen schließlich archäologische Funde und Befunde als Quellengattung. Die Lokalisierung und archäologische Untersuchung von Schlachtfeldern, von Begräbnisstätten, von denen der sogenannte Soros von Marathon, der als Grabstätte der gefallenen Athener angesehen wird, die wohl berühmteste ist, oder von Siegesdenkmälern (Tropaia), wie sie auf den Schlachtfeldern der Perserkriege, zum Beispiel in Marathon, errichtet wurden, sind hier genauso anzuführen wie die Analyse von Waffenfunden oder die Interpretation von bildlichen Darstellungen der Kriegsereignisse. Wenn wir den Blick nun von den griechischen Quellen auf die achaimenidische Überlieferung wenden, so ist festzustellen, dass persische Quellen zu den Feldzügen nach Griechenland fehlen. Dies hat mehrere Gründe. Zum einen ist es natürlich so, dass Geschichte in der Regel von den Siegern geschrieben wird und die Perser wenig Interesse daran hatten, ihr Scheitern publik zu machen. Zum anderen gibt das völlige Fehlen entsprechender Äußerungen auch einen Hinweis darauf, welche Bedeutung die Perser den Niederlagen in diesen Auseinandersetzungen am Rande ihres Imperiums beimaßen. Welche Quellen stehen aber überhaupt zur Verfügung, die Einblicke in die Geschichte und Organisation des achaimenidischen Staates geben? Neben den bereits genannten griechischen Schriften sind zunächst jene Bücher aus dem Alten Testament nicht zu vergessen, die sich mit der Zeit der Achaimeniden beschäftigen. Für die jüdische Geschichte war diese Epoche ja von besonderer Bedeutung, da Kyros II. nach der Eroberung von Babylon den Juden die Rückkehr in ihre Heimat gestattete und so dem sogenannten Babylonischen Exil ein Ende setzte. Die positive Zeichnung des persischen Großkönigs Kyros im Alten Testament ist natürlich weitgehend durch die theologische Deutung als Werkzeug Jahwes bestimmt und entspricht nur in sehr eingeschränktem Maße der tatsächlichen historischen Persönlichkeit. Keinesfalls darf darüber hinweggesehen werden, dass die Schriften des Alten Testaments keine historiographischen Werke im engeren Sinne sind. Vielfach dient das Zeitalter der Achaimeniden nur als ein pseudo-historischer Hintergrund für die biblischen

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Abb. 3: Verwaltungstäfelchen in elamischer Sprache aus Babylonien. Tontafel, um 500 v. Chr.

Erzählungen; dies gilt insbesondere für die erst in hellenistischer Zeit entstandenen roman- und legendenhaften Bücher Daniel und Esther. Wenn wir nun zu den persischen Quellen kommen, sind zunächst die Königsinschriften zu nennen, die vor allem aus der Persis, aus Elam und aus Medien stammen und von den Taten der Großkönige künden. Die bekannteste und zugleich die älteste dieser Königsinschriften ist der Tatenbericht des Dareios I. bei Bisitun. Wie die meisten Königsinschriften ist diese dreisprachig (Altpersisch, Elamisch, Neubabylonisch) abgefasst, doch existieren auch Bilinguen und einsprachige Inschriften – ab der Regierungszeit von Artaxerxes I. (465–424 v. Chr.) sind die Königsinschriften in der Regel nur mehr einsprachig, viel formelhafter, und auch ihre Zahl nimmt deutlich ab. Für die Verwaltungsgeschichte sind die in elamischer Sprache abgefassten Tontäfelchen aus Persepolis von enormer Bedeutung (Abb. 3). Nach ihrem Fundort werden hier die sogenannten Walltäfelchen (Persepolis Fortification Tablets), bei denen es sich um mehrere tausend Dokumente handelt, und die sogenannten Schatzhaustäfelchen (Persepolis Treasury Tablets), insgesamt 114

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1. KAPITEL

Stück, unterschieden. Die Walltäfelchen sind im Zeitraum zwischen 510 und 494 v. Chr., also in der Regierungszeit des Großkönigs Dareios I. (522–486 v. Chr.), entstanden, die Schatzhaustäfelchen wurden in den Jahren zwischen 492 und 460 v. Chr., also von der Zeit des Dareios bis in die frühen Regierungsjahre des Artaxerxes I., verfasst. Diese Tontäfelchen wurden in noch feuchtem Zustand beschrieben und dann in getrocknetem, aber ungebranntem Zustand aufbewahrt. Erst durch jenes Feuer, das im Jahr 330 v. Chr. bei der Eroberung des Achaimenidenreiches durch Alexander den Großen in Persepolis wütete, wurden die Täfelchen gebrannt und so dauerhaft konserviert. Wie im Fall der mykenischen Linear-B-Texte fast ein Jahrtausend früher wurde so eine Katastrophe zum Glücksfall für die Altertumswissenschaften. Es handelt sich bei diesen elamischen Texten – Ein- und Ausgangsbuchungen von Getreide, Öl, Obst, Bier, Wein, Geflügel oder Vieh – um relativ kurze Notizen der Hofverwaltung, die aber in der Zusammenschau tiefe Einblicke in das Funktionieren der achaimenidischen Administration, in den Aufbau der persischen Gesellschaft, die Prosopographie des Reiches und auch die kultischen und religiösen Verhältnisse gewähren. An dieser Stelle scheint es angebracht, einen kurzen Blick auf die im Achaimenidenreich gesprochenen Sprachen und deren Verschriftlichung zu werfen. Die Muttersprache der Herren über dieses Imperium, das – wie Dareios in seinen Inschriften selbst sagt – „von den Saken jenseits Sogdiens bis nach Nubien, von Indien bis nach Lydien“ reichte und eine Vielzahl von Völkern und Sprachen in sich vereinte, war das zur indogermanischen Sprachfamilie gehörende Altpersische, die Sprache der Persis (Provinz Fars), ein früher Vorläufer des heutigen Neupersischen (Farsi), der Staatssprache der Islamischen Republik Iran. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die gesprochene Umgangssprache deutlich von der Sprache der auf uns gekommenen Inschriften zu unterscheiden ist. Die Sprache der Inschriften, die nur von den achaimenidischen Großkönigen gebraucht wurde, ist ein Kunstprodukt, eine Repräsentationssprache, die mit altertümlichen Formen und Entlehnungen aus anderen iranischen Sprachen durchsetzt ist. Für die Niederschrift des Altpersischen auf ausschließlich festen Schriftträgern wurde eine eigens dafür entwickelte Prunkschrift verwendet, die altpersische Keilschrift, eine Neuschöpfung unter dem Einfluss der aramäischen Konsonantenschrift, die erstmals in der Inschrift von Bisitun zur Anwendung kam. Das Elamische, das in den dreisprachigen Königsinschriften direkt nach dem Altpersischen verwendet wird, wurde seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. in

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Elam, im Südwesten des heutigen Iran, gesprochen. Es ist keiner bekannten Sprachfamilie zuzuordnen; es handelt sich weder um eine indogermanische noch um eine semitische Sprache. Auch mit dem Sumerischen ist es nicht verwandt; eine hypothetische Verbindung mit drawidischen Sprachen ist höchst umstritten. Das Elamische war die Sprache der frühen Hofverwaltung in Persepolis, aus der Zeit nach 460 v. Chr. sind dann aber keine Zeugnisse mehr erhalten. Die Buchführung wurde umgestellt, und das Aramäische setzte sich als Verwaltungssprache durch. Das Babylonische, ein Dialekt des seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. belegten Akkadischen, das zur semitischen Sprachfamilie gehört, tritt uns als dritte Sprache auf den trilinguen Königsinschriften entgegen. War das Akkadische zwischen 1800 und 1200 v. Chr. noch die im Handel und in der Diplomatie dominierende Schriftsprache im Vorderen Orient gewesen, spielte es in achaimenidischer Zeit außerhalb von Babylonien praktisch keine Rolle mehr. Dennoch wurde es von den Persern verwendet, da es einerseits als Sprache des Kultes und der Gelehrsamkeit nach wie vor von Bedeutung war (und in dieser Hinsicht dem Latein im mittelalterlichen Europa entspricht), und andererseits die persischen Großkönige an die früheren babylonischen und assyrischen Herrscher anknüpfen wollten. Unter den in babylonischer Sprache abgefassten Texten sind besonders die sogenannte Nabonid-Chronik und der sogenannte Kyros-Zylinder, welche die Eroberung Babylons durch Kyros II. behandeln, zu nennen. Wertvolle Einblicke in das Rechts- und Wirtschaftsleben bieten darüber hinaus Tausende Täfelchen aus den Archiven der Städte Babylon, Nippur, Uruk und Sippar. Die offizielle Kanzleisprache sowohl in der regionalen Verwaltung als auch im interregionalen Schriftverkehr im Achaimenidenreich war das mittels einer seit dem 9. Jahrhundert v. Chr. belegten Alphabetschrift niedergeschriebene Aramäische (sogenanntes Reichsaramäisch). Aramäische Zeugnisse sind aus dem gesamten Perserreich erhalten, aus Ägypten genauso wie aus Kleinasien oder der Persis; es findet sich auf Papyri und Ostraka (Tonscherben) genauso wie auf Steininschriften. Andere lokale Schriftsprachen waren nur von nachgeordneter Bedeutung, wurden aber regional auch für administrative Zwecke eingesetzt. Aus dem perserzeitlichen Ägypten stehen zahlreiche demotische und hieroglyphische Texte zur Verfügung, in Kleinasien wurden das Lydische, Lykische und das Griechische verwendet. Unter den griechischen Dokumenten sei nun am Schluss dieses Kapitels auf ein ganz besonders interessantes Zeugnis hingewie-

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1. KAPITEL

sen, nämlich einen nahe der Stadt Magnesia am Maiandros gefundenen Brief des Großkönigs Dareios I. an seinen Funktionär Gadatas. Das Bemerkenswerte an diesem Brief ist der Umstand, dass das Schreiben nicht im aramäischen Original erhalten ist, sondern in einer kaiserzeitlichen Abschrift, die eine griechische Übersetzung wiedergibt. Trotz aller geäußerten Zweifel handelt es sich bei diesem Brief sicher um ein authentisches Dokument. Einen Geschichtsschreiber wie Herodot haben die Achaimeniden nicht hervorgebracht – dafür fehlten auch die Voraussetzungen. Freilich wäre es falsch, vom Fehlen jeglicher persischen Historiographie auszugehen. Dass einst Königschroniken existierten, ist anzunehmen, doch gingen diese Dokumente schon früh wieder verloren. Neben die schriftlichen Zeugnisse treten freilich noch die materiellen Hinterlassenschaften: die beeindruckenden persischen Palast- und Grabbauten, die Felsreliefs und Skulpturen sowie die Werke der Kleinkunst wie Schmuckstücke oder Siegelsteine, Gefäße und Waffen. Insgesamt bleibt am Ende dieses langen Überblicks über die scheinbare Fülle des vorhandenen Quellenmaterials allerdings die bereits eingangs formulierte Erkenntnis, dass jede Darstellung der griechisch-persischen Auseinandersetzungen überwiegend auf einer einzigen Quelle beruhen muss, nämlich den Historien des Herodot.

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DIE QUELLEN

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2. K A P I T E L

Das persische Großreich

D

ie Perser schufen das letzte der altorientalischen Großreiche, das gleichzeitig als das erste wirkliche Weltreich der Geschichte gelten kann. Die Anfänge des persischen Volkes liegen freilich weitgehend im Dunkeln. Assyrische Quellen verzeichnen zwar bereits für das 9. Jahrhundert v. Chr. den Eingang von Tributen vom im Norden des heutigen Iran in der Gegend des Urmiasees anzusiedelnden Volk der Parsua. Ob es sich bei diesen aber um die 200 Jahre später dann im Südwestiran, in der seither nach ihnen benannten Region (altpers. Pārsa, griech. Persis), die zum Kernland des späteren Weltreiches werden sollte, belegten Perser handelt, ist ungewiss. Eine Zeitlang war diese Region elamischer Besitz gewesen, doch spätestens im Jahr 646 v. Chr., als der Assyrerkönig Assurbanipal die Elamer entscheidend besiegte und Susa eroberte, konnten sich in der Persis ein oder mehrere politisch unabhängige politische Gebilde etablieren. Auf einer in Babylon gefundenen Inschrift des Assurbanipal wird jedenfalls ein gewisser Kuraš, König von Parsumaš, als dort regierender Herrscher genannt. Dieser ist nun möglicherweise mit Kyros I., dem Sohn des Dynastiegründers Teispes, des Königs von Anšan, auf den die späteren Achaimenidenherrscher ihren Stammbaum zurückführten, gleichzusetzen, was ihn zum Großvater des Kyros II., des Begründers des persischen Großreichs machen würde. Allerdings bestehen Zweifel an dieser Gleichsetzung. Auf alle Fälle standen die frühen persischen Herrschaftsverbände politisch zunächst im Schatten der Meder. Das altiranische Volk der Meder ist seit dem

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2. KAPITEL

9. Jahrhundert v. Chr. in assyrischen Texten belegt. Zunächst sind mehrere kleine medische Gruppen greifbar, die einen lockeren Stammesverbund gebildet haben dürften und von denen ein Teil direkt unter assyrischer Herrschaft stand, während ein anderer Teil zwar außerhalb des assyrischen Reiches lebte, den Assyrern aber tributpflichtig war. Für das Assyrerreich war vor allem der Pferdereichtum Mediens von großem Interesse. In der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts v. Chr. gerieten die Meder unter skythische Herrschaft, doch gelang es schließlich um 625 v. Chr. einem medischen Herrscher namens Kyaxares, die Hegemonie der Reiternomaden abzuschütteln. Er schaffte es auch, die einzelnen medischen Gruppen zu einer großen Konföderation zu einen; ob man freilich von einem medischen Reich sprechen kann, ist umstritten. Gemeinsam mit den verbündeten Babyloniern unter der Herrschaft des Nabopolassar konnten die Meder unter der Führung des Kyaxares nun auch die Assyrer besiegen: Im Jahr 614 v. Chr. fiel Assur, zwei Jahre später schließlich Ninive, was das Ende des assyrischen Reiches bedeutete. Anschließend besiegte Kyaxares das Reich von Urartu, das seit dem 9. Jahrhundert v. Chr. am Vansee bestanden hatte. Auch das Reich der Mannäer konnte er seinem Herrschaftsbereich eingliedern. Zwischen 590 und 585 v. Chr. kam es schließlich zu einem kriegerischen Konflikt zwischen den Medern und den Lydern, der nach einer Sonnenfinsternis, von der Herodot berichtet, beendet wurde, da beide Seiten durch das Naturschauspiel so verschreckt wurden, dass sie Frieden schlossen: entstand ein Krieg zwischen Lydern und Medern […] Der Krieg ❯ Darauf dauerte fünf Jahre. Oft siegten die Meder über die Lyder, oft aber auch die Lyder über die Meder. Einmal kam es zu einem nächtlichen Treffen. Als sie den Krieg auch im sechsten Jahr unentschieden fortsetzten, trat dieses Ereignis ein: Noch während der Schlacht wurde der Tag plötzlich zur Nacht. Diesen Wechsel des Tages hatte Thales von Milet den Ioniern vorausgesagt und vorher schon genau das Jahr angegeben, in dem diese Verwandlung auch wirklich geschah. Die Lyder und Meder ließen vom Kampfe ab, als sie merkten, wie es aus Tag Nacht wurde. Sie beeilten sich, miteinander Frieden zu schließen. HERODOT 1,104F.



Für die hier geschilderte Sonnenfinsternis hat man als Datum den 28. Mai 585 v. Chr. berechnet, doch ist dieser Termin nicht so sicher, wie oft angenommen wird. Durch diesen Friedensschluss wurde jedenfalls der Fluss Halys

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zur Grenze zwischen der medischen Konföderation und dem Lyderreich. Bekräftigt wurde die Übereinkunft durch eine Eheschließung zwischen Aryenis, der Tochter des lydischen Königs Alyattes, und Astyages, dem Sohn des Kyaxares, der seinem Vater kurz darauf auf den Thron nachfolgte. Aus dieser Ehe ging eine Tochter namens Mandane hervor, die Astyages mit dem persischen Fürsten Kambyses I. verheiratete. Sie wurde zur Mutter des Kyros II., der schließlich die medische Macht brechen und das persische Großreich begründen sollte. Dieser Kyros II., der sich selbst als einen Nachfahren des Teispes bezeichnete, folgte seinem Vater Kambyses um 559 v. Chr. auf den Königsthron von Anšan nach. Inwieweit die Perser zu diesem Zeitpunkt Untertanen der Meder waren, ist ungewiss. Es kam jedenfalls um 550 v. Chr. zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den Medern und den Persern, in deren Verlauf die medischen Truppen sich gegen Astyages auflehnten und zu Kyros überliefen. Herodot weist dabei dem medischen Adeligen Harpagos eine tragende Rolle zu. Astyages wurde an Kyros ausgeliefert, die Perser nahmen kampflos die medische Hauptstadt Ekbatana ein, die zu einem der wichtigsten Residenzorte der Achaimeniden werden sollte, plünderten die Stadt und schafften reiche Beute nach Anšan. Kyros unterwarf nach der Reihe jene Fürstentümer, die zur medischen Konföderation gehört hatten, er eroberte Urartu, und schließlich kam es zur Konfrontation mit dem Lyderreich in Kleinasien. Bei den Lydern, von denen bereits die Rede war, handelt es sich um ein westkleinasiatisches Volk, das eine in nur etwa 100 Inschriften überlieferte Sprache sprach. Die Frühgeschichte der Lyder liegt weitgehend im Dunkeln; die frühen Königshäuser, von denen Herodot spricht, die Atyaden und die Tyloniden (Herakliden), sind als mythisch zu betrachten. Erst mit der dritten lydischen Königsdynastie, jener der Mermnaden, die von Gyges begründet wurde, betritt man festeren historischen Boden. Selbstverständlich ranken sich aber auch um die Anfänge dieser Dynastie sagenhafte Erzählungen. Herodot berichtet etwa, dass Kandaules, der letzte König der Herakliden-Dynastie, der über alle Maßen in seine Frau verliebt war und von deren Schönheit schwärmte, seinen Leibwächter Gyges dazu zwang, sich im königlichen Schlafzimmer zu verstecken, um die Königin einmal nackt zu sehen: konnte sich dem Befehle des Königs nicht entziehen und war schließ❯ Gyges lich dazu bereit. Als die Schlafenszeit gekommen war, führte Kandaules den Gyges in das Schlafgemach, und gleich danach kam auch seine Frau. Gyges

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2. KAPITEL

betrachtete sie, wie sie hereinkam und die Gewänder ablegte. Als sie zum Bett schritt und ihm den Rücken zuwandte, kam er hinter der Tür hervor und schlich hinaus. Die Frau aber sah ihn beim Weggehen und merkte, dass ihr der Gatte dies angetan hatte. Sie schrie trotz ihrer Schande nicht auf und ließ sich nichts anmerken; aber sie wollte sich an Kandaules rächen. Denn bei den Lydern und auch bei fast allen anderen Nichtgriechen ist es sogar schmachvoll für einen Mann, nackt gesehen zu werden. Die Königin verhielt sich ganz ruhig und ließ sich nichts anmerken. Als es aber Tag geworden war, ließ sie ihre treuesten Diener sich bereithalten und Gyges rufen. Er kam auf ihr Geheiß in dem Glauben, sie wisse nichts von dem Vorgefallenen. Er war ja auch früher, sooft die Königin rief, zu ihr gegangen. Als Gyges vor ihr stand, sagte die Frau: „Gyges, ich überlasse dir die Wahl zwischen zwei möglichen Wegen; du kannst wählen: entweder du tötest Kandaules, nimmst mich zur Frau und wirst König von Lydien, oder du musst auf der Stelle sterben, damit du nicht als gehorsamer Freund des Kandaules weiterhin siehst, was du nicht sehen darfst; entweder muss jener sterben, der den Plan erdacht hat, oder du, der mich nackt gesehen und damit getan hat, was sich nicht gehört.“ Gyges erschrak zunächst über die Worte; dann aber flehte er sie an, ihm doch nicht eine solche Entscheidung aufzudrängen. Sie ließ sich aber nicht erweichen. So sah er schließlich, dass ihm nur die Wahl blieb, seinen Herrn zu töten oder selbst von fremder Hand zu fallen. Da wählte er das Leben. HERODOT 1,10F.



Ein wenig abweichend ist die Variante dieser Erzählung, von der Platon in seinem Werk Politeia („Der Staat“) berichtet und die auch Cicero in seiner Schrift de officiis („Von den Pflichten“) übernimmt, wo von einem unsichtbar machenden Zauberring die Rede ist, mit dessen Hilfe Gyges die Königin zum Ehebruch verführte und anschließend den König tötete. Dieses Motiv des Zauberrings findet sich auch in der Tragödie Gyges und sein Ring von Friedrich Hebbel (1854) wieder. Nikolaos von Damaskos überliefert wieder eine andere Version der Machtübernahme des Gyges, die auf den lydischen Geschichtsschreiber Xanthos (5. Jh. v. Chr.) – also auf eine relativ zeitnahe und lokale Quelle – zurückgeht. Diesem zufolge sei Gyges Leibwächter des lydischen Königs Adyattes gewesen. Nachdem Gyges Tudo, die Verlobte des Adyattes, sexuell bedrängt habe, habe dieser die Tötung seines Dieners angeordnet. Gyges kam dem jedoch zuvor, indem er seinen Herrn ermordete, dessen Krone übernahm und selbst Tudo heiratete.

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Gemeinsam ist allen Erzählungen, dass Gyges zunächst in Diensten des lydischen Königs stand, diesen dann absetzte und seine eigene Machtergreifung durch die Heirat mit der Königin legitimierte. Als König war Gyges jedenfalls in Auseinandersetzungen mit den griechischen Stadtstaaten in Kleinasien verstrickt. Der Herrscher, dessen Reichtum legendär war (den assyrischen Quellen zufolge hatte er diesen nicht zuletzt durch den Verkauf ionischer und karischer Söldner nach Ägypten erlangt), trat aber auch als Förderer des Heiligtums von Delphi auf. Die Herrschaft des Gyges wurde jedoch durch Einfälle des Reitervolkes der Kimmerier bedroht. Diese waren von den Skythen aus ihren angestammten Wohngebieten zwischen der Straße von Kertsch (sogenannter Kimmerischer Bosporos) und dem nördlichen Kaukasus vertrieben worden. Nach kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Reich von Urartu, den Assyrern sowie den Phrygern – deren König Midas, dem der Mythos nachsagt, dass alles, was er berührte, zu Gold wurde, soll sich beim Angriff der Reiterkrieger durch das Trinken von Stierblut das Leben genommen haben – sind sie im zweiten Viertel des 7. Jahrhunderts v. Chr. plündernd nach Lydien gezogen. Zunächst gelang es Gyges durch ein Bündnis mit den Assyrern, die Kimmerier abzuwehren. Im Jahr 644 v. Chr. vermochten es die Reiterkrieger schließlich aber doch, die lydische Hauptstadt Sardeis einzunehmen. Gyges fand im Abwehrkampf den Tod. Immerhin blieb seine Familie an der Macht; seine Nachfolger Ardys und Sadyattes waren freilich Vasallen der Assyrer. Erst unter Alyattes (ca. 600–561 v. Chr.), dem vierten König aus dem Geschlecht der Mermnaden, erlebte das Lyderreich eine erneute Blüte. Ihm gelang es nicht nur, die Kimmerier endgültig aus Kleinasien zu vertreiben, sondern auch, den lydischen Herrschaftsbereich bis weit ins Gebiet der Phryger auszuweiten. Der antiken Überlieferung zufolge traf er am Fluss Halys die Meder, gegen die es zur bereits erwähnten Schlacht zum Zeitpunkt einer Sonnenfinsternis kam. Im Zuge von Auseinandersetzungen mit den Ioniern und Karern gelang ihm die Einnahme Smyrnas, mit Milet schloss Alyattes einen Vertrag ab. Kulturgeschichtlich bedeutsam ist, dass es möglicherweise während der Regierungszeit des Alyattes, wahrscheinlich aber bereits unter einem seiner beiden Vorgänger, bei den Lydern zur Erfindung des Münzgeldes kam. Die ersten Münzen wurden dabei aus Elektron, einer natürlich vorkommenden Gold-Silber-Legierung, geprägt. Der Nachfolger des Alyattes, sein Sohn Kroisos, setzte das Werk seines Vaters fort und baute das Reich weiter aus. Er unterwarf die Griechenstädte Ioniens und konnte so die lydische Hegemonie über fast ganz West- und

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Mittelanatolien ausbauen. Umso überraschender kam das Ende des lydischen Reiches, das Kroisos – zumindest den antiken Quellen zufolge – durch seine grobe Unterschätzung der persischen Stärke und der gleichzeitigen Überschätzung der eigenen Machtmittel selbst herbeiführte. Nach dem Sieg der Perser über die Meder entschloss sich Kroisos nämlich dazu, gegen Kyros in den Krieg zu ziehen. Herodot nennt mehrere Gründe für dieses Unternehmen. Einerseits wollte Kroisos seinem Reich weitere Gebiete einverleiben, andererseits hielt er es für ratsam, sich mit den Persern auseinanderzusetzen, bevor diese zu mächtig würden, und schließlich hatte er im Sinn, Rache für das Schicksal seines Schwagers, des gestürzten Mederkönigs Astyages, zu nehmen. Vor seinem Feldzug ließ Kroisos allerdings die Orakel sowohl in Delphi als auch in Oropos nach dem zu erwartenden Ausgang seines Vorhabens befragen, wie Herodot berichtet: Lydern … gab Kroisos den Auftrag, die Orakel zu befragen, ob er gegen ❯ Den die Perser zu Felde ziehen und ein Heer von Bundesgenossen für den Feldzug suchen sollte. Als die Lyder an ihren Zielen angekommen waren und die Weihegeschenke aufgestellt hatten, wandten sie sich mit folgenden Worten an die Orakel: „Kroisos, der König der Lyder und anderer Völker, hat in dem Glauben, dass dies die einzigen wahren Orakel auf der Welt sind, Geschenke gesandt, würdig dessen, was ihr fandet. Er fragt euch jetzt, ob er gegen die Perser zu Felde ziehen und ein Heer von Bundesgenossen für den Feldzug suchen soll.“ So lautete ihre Frage. Beide Orakel gaben die gleiche Antwort und verkündeten: Wenn Kroisos gegen die Perser ziehe, werde er ein großes Reich zerstören. Sie rieten ihm, den mächtigsten Staat in Griechenland aufzusuchen und mit ihm ein Bündnis abzuschließen. Als Kroisos diese Orakelsprüche erfuhr, freute er sich sehr darüber und hoffte mit Sicherheit, das Königreich des Kyros zu zerstören. HERODOT 1,53



Kroisos schloss ein Bündnis mit den Spartanern, der stärksten Militärmacht Griechenlands, außerdem mit den Babyloniern unter König Nabonid sowie mit den Ägyptern unter Pharao Amasis. Dann überschritt er den Halys und eroberte die Stadt Pteria in Kappadokien, deren Einwohner er in die Sklaverei verkaufen ließ. Doch dann stellte sich heraus, dass das große Reich, das durch seine Aktion zerstört werden würde, nicht jenes des Kyros, sondern vielmehr sein eigenes war. Schon bald nämlich waren persische Truppen herangerückt, und bei Pteria kam es zu einem ersten Gefecht, das noch unentschieden war,

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Abb. 4: Die Personifikation des Reichtums: Der Lyderkönig Kroisos auf dem Scheiterhaufen. Rotfigurige attische Amphore, Anfang 5. Jh. v. Chr.

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als es dunkelte und daher unterbrochen wurde. Am nächsten Morgen trat Kyros nicht mehr zum Kampf an. Kroisos, der offenbar in diesem Jahr, das bereits fortgeschritten war, keine weiteren Kampfhandlungen mehr erwartete, zog sich nach Sardeis zurück, sandte an seine Verbündeten die Aufforderung, ihm fünf Monate später, im nächsten Frühling, Hilfstruppen zu schicken, und entließ die Söldner, die gerade gegen die Perser gekämpft hatten. Kyros und seine Soldaten zogen sich aber keineswegs ins Winterlager zurück. Im Gegenteil: Gänzlich unerwartet setzte der Perserkönig den Lydern nach und begann die lydische Hauptstadt Sardeis zu belagern. Obwohl die griechischen Städte (mit Ausnahme Milets), die Kyros zum Abfall von Kroisos aufgerufen hatte, loyal blieben, gelang es den Persern Sardeis einzunehmen. Dies bedeutete das Ende des Lyderreiches. Kroisos wurde wahrscheinlich getötet, auch wenn der Großteil der antiken Quellen von der wundersamen Errettung des Lyderkönigs zu berichten weiß. Im ältesten Bericht von der legendenhaften Rettung des Kroisos, im dritten Epinikion (Siegeslied) des Bakchylides, ist davon die Rede, dass der lydische König sich und seine Familie selbst verbrennen wollte; ein auf göttlichen Befehl plötzlich ausbrechender Regen löschte freilich den Scheiterhaufen, und die Königsfamilie wurde zu den Hyperboreern entrückt. Herodot kolportiert dagegen, dass Kroisos auf dem Scheiterhaufen dreimal den Namen des Atheners Solon rief, der ihn davor gewarnt hatte, sein Leben ohne Kenntnis von dessen Ende glücklich zu nennen. Kyros fragte nach, was dies zu bedeuten habe, und befahl, nachdem er die Erklärung des Lyders vernommen hatte, diesen zu verschonen. Als sich die Flammen allerdings nicht mehr bändigen ließen, flehte Kroisos den Gott Apollon an, und ein plötzlicher Regenschauer löschte das Feuer des Scheiterhaufens (Abb. 4). Diese Anekdote ist freilich gänzlich unhistorisch. Nicht restlos geklärt ist die absolute Chronologie dieser Ereignisse. Traditionell werden der Fall von Sardeis und das Ende des Lyderreiches auf das Jahr 547 v. Chr. datiert. Neueren Forschungen zufolge ist dieses Ereignis aber später zu datieren, vielleicht um 541 v. Chr. oder noch später. Nach dem Sieg über Kroisos hielt sich Kyros nicht mehr länger in Kleinasien auf. Kaum war er allerdings Richtung Ekbatana aufgebrochen, zettelte hinter seinem Rücken der Lyder Paktyas, dem vom Perserkönig der lydische Staatsschatz anvertraut worden war, einen Aufstand an, dem sich die meisten griechischen Städte an der kleinasiatischen Westküste anschlossen. Kyros schickte jedoch seine beiden Feldherren Mazares und Harpagos mit Truppen, welche den Aufruhr schnell niederschlagen konnten. Paktyas wurde von den

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Bewohnern der Insel Chios, auf die er sich geflüchtet hatte, den Persern ausgeliefert, die nun auch über die griechischen Verbündeten des Rebellen Strafgericht hielten; Priene wurde von Mazares erobert, die politische Elite der Stadt wurde versklavt. Anschließend wurden auch die anderen griechischen Städte unterworfen, einzig Milet, das sich dem Aufstand nicht angeschlossen hatte, behielt eine gewisse Unabhängigkeit. Kyros wandte seine Aufmerksamkeit jetzt dem Babylonischen Reich zu. Der in Babylon regierende König Nabonid hatte innenpolitisch mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Insbesondere die babylonischen Mardukpriester waren dem König wegen dessen Bevorzugung des Gottes Sin feindlich gesinnt und hatten zwischenzeitlich sogar durchgesetzt, dass Nabonid für zehn Jahre ins Exil gehen musste. Kyros schürte geschickt die Spannungen und bot sich den mit ihrem König unzufriedenen Bevölkerungsgruppen Babylons als politische Alternative an. Nach einer Schlacht bei Opis, die der Perserkönig rasch für sich entscheiden konnte, und der kampflosen Übergabe von Sippar wurde auch Babylon ohne Widerstand den Persern überlassen. Zwei Wochen nachdem sein Feldherr Ugbaru die Stadt in Besitz genommen hatte, zog am 29. Oktober 539 v. Chr. Kyros triumphal in Babylon ein. Ein einzigartiges Dokument, der in akkadischer Sprache abgefasste und in Babylon gefundene sogenannte Kyroszylinder (Abb. 5), bietet die Sicht des Perserkönigs auf die Ereignisse beim Sturz des Nabonid:

Abb. 5: Legitimierung einer erkämpften Herrschaft auf dem sogenannten Kyroszylinder. Babylon nach 539 v. Chr.

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der große Herr, der seine Leute pflegt, blickte freudig auf seine ❯ Marduk, guten Taten und sein gerechtes Herz. Er befahl ihm, zu seiner Stadt Babylon zu gehen, und er ließ ihn den Weg nach Babylon einschlagen. Gleich einem Freunde und Genossen ging er an seiner Seite. Seine umfangreichen Truppen, deren Zahl gleich dem Wasser eines Flusses unermesslich war, marschierten waffengerüstet an seiner Seite. Ohne Kampf und Schlacht ließ er ihn in seine Stadt Babylon einziehen. Babylon rettete er aus der Bedrängnis. Nabonid, den König, der ihn nicht verehrte, überantwortete er ihm. Die Einwohner von Babylon insgesamt, das ganze Land Sumer und Akkad, Fürsten und Statthalter knieten vor ihm nieder, küssten seine Füße, freuten sich über seine Königsherrschaft, es leuchtete ihr Antlitz. „Der Herr, der durch seine Hilfe die Toten lebendig gemacht hat, der in Not und Unheil allen wohlgetan hat“ – so huldigten sie ihm freudig, sie verehrten seinen Namen. Ich, Kyros, der König des Weltreichs, der große König, der mächtige König, der König von Babylon, der König von Sumer und Akkad, der König der vier Weltsektoren, Sohn des Kambyses, des großen Königs, des Königs von Anšan, Enkel des Kyros, des großen Königs, des Königs von Anšan, Nachkomme des Teispes, des großen Königs, des Königs von Anšan, ewiger Same des Königtums, dessen Regierung Bel und Nebo lieb gewannen und dessen Königsherrschaft sie zur Erfreuung ihres Herzens wünschten – als ich friedlich in Babylon eingezogen war, schlug ich unter Jubel und Freude im Palaste des Herrschers den Herrschaftssitz auf. Marduk, der große Herr, hat mich das weite Herz des […] von Babylon […], Tag für Tag kümmerte ich mich um seine Verehrung. Meine umfangreichen Truppen marschierten friedlich durch Babylon. Ich ließ dem ganzen Lande Sumer und Akkad keinen Störenfried aufkommen. Die Stadt Babylon und alle ihre Kultstätten hütete ich in Wohlergehen. Die Einwohner von Babylon, [welche] wider den Willen [der Götter] ein ihnen nicht ziemendes Joch […], ließ ich in ihrer Erschöpfung zur Ruhe kommen, ihre Fron ließ ich lösen. Über meine [guten] Taten freute sich Marduk, der große Herr. Mich, Kyros, den König, der ihn verehrt, und Kambyses, meinen leiblichen Sohn, sowie alle meine Truppen segnete er gnädig. In Wohlergehen [wandeln] wir freudig vor ihm. [Auf seinen] erhabenen [Befehl] brachten mir alle Könige, die auf Thronen sitzen, aus allen Weltsektoren, vom oberen Meere bis zum unteren Meere, welche [ferne Distrikte] bewohnen, alle Könige von Amurru, die in Zelten wohnen, ihren schweren Tribut, und sie küssten in Babylon meine Füße. Von Ninive, Assur und Susa, Akkad, Eschnunna, Der, Zamban, Meturnu bis zum Gebiet von Gutium, die Städte

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jenseits des Tigris, deren Wohnsitz von alters her verfallen war – die dort wohnenden Götter brachte ich an ihren Ort zurück und ließ sie eine ewige Wohnung beziehen. Alle ihre Leute versammelte ich und brachte sie zurück zu ihren Wohnorten. Und die Götter von Sumer und Akkad, welche Nabonid zum Zorn des Herrn der Götter nach Babylon hineingebracht hatte, ließ ich auf Befehl Marduks, des großen Herrn, in Wohlergehen in ihren Heiligtümern einen Wohnsitz der Herzensfreude beziehen. Alle Götter, die ich in ihre Städte hineingebracht hatte, mögen Tag für Tag vor Bel und Nebo Verlängerung meiner Lebenszeit befürworten, Worte zu meinen Gunsten äußern und zu Marduk, meinen Herrn, sprechen: „Für Kyros, den König, der dich verehrt, und Kambyses, seinen Sohn […] die Königsherrschaft.“



Kyros stellt seinen Sieg hier als von Marduk geschenkt dar; er präsentiert sich als legitimer und vom obersten babylonischen Gott auserwählter König, der seinen Verpflichtungen vorbildlich nachkam. So vermehrte er die Opfer für seinen göttlichen Schutzherrn und ließ die Mauern von Babylon ausbessern. Er gerierte sich nicht als Fremdherrscher, sondern als Hüter mesopotamischer Traditionen. Keine Rede ist in diesem Erlass des Kyros allerdings von den Juden, die nach der Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar im Jahr 598 v. Chr. nach Babylonien verbracht worden waren (sogenanntes Babylonisches Exil) und deren Rückkehr Kyros – nach dem Bericht der Bibel – genauso angeordnet haben soll wie die Errichtung des neuen Tempels für Jahwe in Jerusalem. Möglicherweise sind diese Maßnahmen aber erst einem seiner Nachfolger zuzuschreiben. Kyros wandte sich jedenfalls nun weiter nach Osten, um gegen die dortigen Steppenvölker zu kämpfen. Im Jahr 530 v. Chr. fiel er wohl im Gefecht gegen die Massageten irgendwo zwischen den Flüssen Oxus (Amudarja) und Jaxartes (Syrdarja). Mit Kyros starb eine ganz außergewöhnliche Persönlichkeit, welche die politische Landkarte des Vorderen Orients neu gezeichnet hatte. Schon bald nach seinem Tod begannen sich unzählige Legenden um den gefallenen Großkönig zu ranken, der zu einem Idealherrscher hochstilisiert wurde. Das bekannteste Beispiel dafür ist Xenophon, der Kyros in seiner Schrift über Die Erziehung des Kyros (Kyrou Paideia) als einen weisen und gerechten Herrscher rühmt, der vorbildhaft sein Volk anführte:

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Abb. 6: Das hausförmige Grabmal Kyros’ des Großen (559 – 530 v. Chr.) in Pasargadai.

aber, die sich bei ihm zeigten, meinte er vor allem dadurch zu schönen ❯ Alle und guten Taten anspornen zu können, dass er sich seinen Untergebenen als ein König darzustellen versuchte, der allen anderen ein strahlendes Vorbild an Tüchtigkeit bot. KYRUPÄDIE 8,1,21 brachte seinen Untertanen Achtung und Fürsorge entgegen, als ob sie ❯ Erseine eigenen Kinder gewesen wären, und seine Untertanen verehrten ihn wie einen Vater.

KYRUPÄDIE 8,8,1

❮ ❮

Freilich resultiert das Bild, das Xenophon hier vom Perserkönig zeichnet, mehr aus dem Wunsch des Autors nach einer starken Herrscherpersönlichkeit, welche die sich in ständigen Kriegen selbst zerfleischende griechische Poliswelt aus ihrer Krise führen sollte, als aus den tatsächlichen Charakterzügen des Machtpolitikers Kyros.

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Dessen Leichnam wurde in seine Residenzstadt Pasargadai gebracht und in einem einfachen hausförmigen Grab bestattet (Abb. 6). Nachfolger des Kyros wurde sein Sohn Kambyses (II.), den der Perserkönig schon vor dem Aufbruch zu seinem letzten Feldzug als Nachfolger eingesetzt hatte. Dieser ging nun daran, das Eroberungswerk seines Vaters fortzusetzen, und wandte sich Ägypten zu. Er schloss Bündnisse mit dem über eine bedeutende Flotte gebietenden samischen Tyrannen Polykrates, der vorher mit dem ägyptischen Pharao Amasis verbündet gewesen war, und mit arabischen Stämmen, deren Unterstützung er für die geplante Durchquerung der Sinai-Halbinsel benötigte. Er baute selbst eine schlagkräftige Seestreitkraft auf und eroberte zunächst Zypern, wo sich Amasis eine Flottenbasis eingerichtet hatte. Nach dem Sieg in der entscheidenden Schlacht von Pelusion (525 v. Chr.) nahmen die Perser die Stadt Memphis ein und setzten den ägyptischen Pharao Psammetich III. gefangen, der erst sechs Monate zuvor seinem Vater auf den Thron gefolgt war. Kambyses unternahm von Ägypten aus weitere Feldzüge nach Nubien, wo er – entgegen anders lautender Überlieferungen – durchaus Erfolge verbuchen konnte, sowie zur Oase Siwa, doch dieses Unternehmen scheiterte, da seine Soldaten in einem Sandsturm umkamen. Wie zuvor sein Vater in Babylon, so versuchte Kambyses die Repräsentation seiner Herrschaft an einheimischen Traditionen zu orientieren; nach Herodot heiratete er sogar eine Prinzessin aus der saitischen Dynastie. Im Neith-Tempel zu Sais nahm er an religiösen Zeremonien teil und opferte den ägyptischen Göttern. Differenzen mit der einheimischen Priesterschaft, die wohl vor allem aus finanziellen Kürzungen resultierten, verzerrten jedoch die Überlieferung zu seiner Person genauso wie die schlechten Erfahrungen, welche die Ägypter in den Aufständen des 5. Jahrhunderts v. Chr. mit den Persern machten. Das Bild, das die klassischen Quellen von ihm zeichnen, ist das eines verrückten Despoten, der die einheimischen Tempel plündern und die königlichen Gräber schänden ließ, der die Götter verspottete und sogar einen heiligen Apisstier tötete. In den zeitgenössischen ägyptischen Quellen ist davon allerdings keine Rede. Ganz im Gegenteil: Einer offiziellen Inschrift ist zu entnehmen, dass jener Apisstier, der im August 525 v. Chr. eines natürlichen Todes starb, auf Geheiß des Kambyses in einem Granitsarkophag bestattet wurde. Noch während sich der Perserkönig im Land am Nil aufhielt, brach in Persien eine schwere Krise aus, deren genaue Hintergründe bis heute nicht vollständig geklärt werden konnten. Herodot und Dareios, der Nachfolger des Kambyses auf dem persischen Königsthron, berichten – in den Details mehr

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oder weniger übereinstimmend –, dass Kambyses seinen Bruder Bardiya (der griechische Geschichtsschreiber nennt ihn Smerdis) töten ließ, da er in ihm einen Thronkonkurrenten fürchtete. Dareios behauptet in der berühmten Inschrift von Bisitun, dass dies vor dem Aufbruch nach Ägypten geschah, Herodot kolportiert, Bardiya habe seinen Bruder erst ins Nilland begleitet, von wo ihn Kambyses aber wieder zurückgeschickt habe. Wie dem auch immer war, den Mord vertuschte er. Als Kambyses nun in Ägypten weilte, soll sich der Mag(i)er (maguš, d. h. ein zoroastrischer Priester) Gaumata als eben dieser Bardiya ausgegeben und den Thron bestiegen haben. Durch Zauberei soll er dem ermordeten Bruder des Königs so ähnlich gesehen haben, dass er sogar dessen Witwe täuschen konnte. Erfolg hatte diese Empörung wohl deshalb, weil zwischen den Vertretern der persischen Aristokratie und Kambyses offenbar große Spannungen herrschten. Durch populäre Maßnahmen konnte Gaumata rasch auch die Unterstützung der Bevölkerung gewinnen. Als Kambyses von dieser Usurpation hörte, machte er sich sofort auf den Weg nach Hause, verstarb aber auf dem Weg. Gaumata herrschte nun einige Monate als König über das persische Volk, doch regte sich bald Widerstand gegen ihn. Dareios,

Abb. 7: Das monumentale Siegesrelief Dareios’ I. (dritter von links) in Bisitun.

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der persönliche Lanzenträger des Kambyses, tötete gemeinsam mit sechs Mitverschwörern (Otanes, Aspathines, Gobryas, Intaphernes, Megabyzos, Hydarnes) den Magier und machte sich selbst zum neuen Herrscher. Es verwundert nicht, dass auch seine Machtergreifung größere Unruhen nach sich zog. Erst als er neun „Lügenkönige“, die ebenfalls die Herrschaft an sich reißen wollten, ausgeschaltet hatte, waren seine Thronansprüche gesichert. In der bereits erwähnten Inschrift von Bisitun (Abb. 7) gibt Dareios selbst einen Abriss der Geschehnisse: bin Dareios, der Großkönig, König der Könige, König in Persien, König der ❯ Ich Länder, des Hystaspes Sohn, des Arsames Enkel, ein Achaimenide. Es kündet Dareios der König: Mein Vater (ist) Hystaspes; des Hystaspes Vater (ist) Arsames; des Arsames Vater (war) Ariaramnes; des Ariaramnes Vater (war Teispes); des Teispes Vater (war) Achaimenes. Es kündet Dareios, der König: Deswegen werden wir Achaimeniden genannt. Seit alters her sind wir adelig, seit alters her war unser Geschlecht königlich. Es kündet Dareios, der König: Acht meines Geschlechtes waren vordem Könige. Ich bin der neunte. Neun sind wir in zwei Reihen Könige. Es kündet Dareios, der König: Nach dem Willen Ahuramazdas bin ich König. Ahuramazda hat mir die Königsherrschaft verliehen. Es kündet Dareios, der König: Dies sind die Länder, die mir zugekommen sind – nach dem Willen Ahuramazdas war ich ihr König: Persien, Elam, Babylonien, Assyrien, Arabien, Ägypten, die Meerbewohner, Sardes, Ionien, Medien, Armenien, Kappadokien, Parthien, Drangiana, Areia, Chorasmien, Baktrien, Sogdien, Gandhara, Skythien, Sattagydien, Arachosien, Maka, insgesamt 23 Länder. Es kündet Dareios, der König: Diese Länder, die mir zugekommen sind – nach dem Willen Ahuramazdas wurden sie mir untertan. Sie brachten mir Tribut. Was ihnen von mir gesagt wurde, sei es bei Nacht oder Tag, das taten sie. Es kündet Dareios, der König: In diesen Ländern habe ich einen Mann, der treu war, reich belohnt; doch wer treulos war, den habe ich streng bestraft. Nach dem Willen Ahuramazdas haben diese Länder mein Gesetz befolgt. Wie ihnen von mir gesagt wurde, so taten sie. Es kündet Dareios, der König: Ahuramazda hat mir diese Königsherrschaft verliehen. Ahuramazda stand mir bei, bis ich diese Königsherrschaft erlangt hatte. Nach dem Willen Ahuramazdas habe ich diese Königsherrschaft inne.

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2. KAPITEL

Es kündet Dareios, der König: Dies ist, was von mir getan worden ist, nachdem ich König geworden war. Ein Sohn des Kyros namens Kambyses aus unserem Geschlecht, der war hier König. Dieser Kambyses hatte einen Bruder namens Bardiya, von derselben Mutter und demselben Vater wie Kambyses. Da erschlug Kambyses jenen Bardiya. Als Kambyses den Bardiya erschlagen hatte, wurde dem Volk nicht bekannt, dass Bardiya erschlagen worden war. Danach zog Kambyses nach Ägypten. Als Kambyses nach Ägypten gezogen war, da wurde das Volk treulos und die Lüge nahm im Land überhand, in Persien, in Medien und in den sonstigen Ländern. Es kündet Dareios, der König: Darauf war ein Mann, ein Magier namens Gaumata, der empörte sich von Paischyachvada aus, von einem Berg namens Arakadrisch. Im zwölften Monat am 14. Tage empörte er sich. Er belog das Volk so: „Ich bin Bardiya, der Sohn des Kyros, der Bruder des Kambyses.“ Darauf fiel das ganze Volk von Kambyses ab, zu jenem ging es über, Persien wie auch Medien und die sonstigen Länder. Die Königsherrschaft ergriff er. Im vierten Monat am neunten Tage ergriff er die Königsherrschaft. Danach starb Kambyses seines eigenen Todes. Es kündet Dareios, der König: Diese Königsherrschaft, die Gaumata, der Magier, dem Kambyses entrissen hatte, diese Königsherrschaft hatte seit alters unserem Geschlecht gehört. Dann hat Gaumata, der Magier, dem Kambyses sowohl Persien als auch Medien als auch die sonstigen Länder entrissen und sich angeeignet. Er wurde König. Es kündet Dareios, der König: Da war niemand, weder ein Perser noch ein Meder und auch keiner aus unserem Geschlecht, der jenem Gaumata, dem Magier, die Königsherrschaft entrissen hätte. Das Volk hatte gewaltig vor ihm Angst, weil er viele Leute umbrachte, die früher Bardiya gekannt hatten. Deshalb brachte er Leute um: „Sie sollen von mir nicht merken, dass ich nicht Bardiya bin, der Sohn des Kyros!“ Keiner wagte, etwas auszusagen über den Magier Gaumata, bis ich kam. Darauf bete ich zu Ahuramazda. Ahuramazda stand mir bei. Im siebten Monat am zehnten Tage habe ich mit wenigen Mannen jenen Gaumata, den Magier, erschlagen samt seinen vornehmsten Anhängern. In einer Burg namens Sikayuvatisch in einer Landschaft namens Nisaya in Medien, dort tötete ich ihn und entriss ihm die Königsherrschaft. Nach dem Willen Ahuramazdas wurde ich König. Ahuramazda hat mir die Königsherrschaft übertragen. Es kündet Dareios, der König: Die Königsherrschaft, die unserem Geschlecht entrissen worden war, holte ich zurück und setzte sie an ihren Platz so wie

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früher. Ich errichtete die Heiligtümer wieder, die Gaumata, der Magier, zerstört hatte. Ich gab dem Volk zurück die Gehöfte, das Vieh und das Gesinde samt den Lehensleuten, die Gaumata, der Magier, ihnen geraubt hatte. Ich setzte das Volk wieder an seinen Platz – Persien, Medien und die sonstigen Länder. So wie (es) vorher (gewesen war), schaffte ich wieder herbei, was weggenommen worden war. Nach dem Willen Ahuramazdas tat ich dies. Ich mühte mich ab, bis ich unser Haus wieder an seinen Platz gestellt hatte, so wie vorher. Ich mühte mich ab nach dem Willen Ahuramazdas, wie wenn Gaumata, der Magier, unser Haus (überhaupt) nicht weggenommen hätte.



Von diesem Tatenbericht ließ der Großkönig auch Abschriften anfertigen, die etwa in Babylon oder auf der Insel Elephantine in Ägypten gefunden wurden. Die moderne Forschung hat freilich wiederholt Zweifel an den geschilderten Ereignissen geäußert. So wurde beispielsweise vermutet, dass es sich bei dem Usurpator gar nicht um den Magier Gaumata gehandelt habe, sondern tatsächlich um Bardiya, den Sohn des Kyros und Bruder des Kambyses. Dareios habe dann die Gaumata-Geschichte erfunden, um seine Usurpation in einem besseren Licht dastehen zu lassen. Er gehörte zwar dem persischen Hochadel an, hatte aber keine besonderen Rechte auf den Thron. Daher stand Dareios nun vor dem Problem, seine Ansprüche zu legitimieren. Die auf Teispes zurückgehende Linie war mit Kambyses beziehungsweise Bardiya ausgestorben, und Dareios setzte nun alles daran, seine Abstammung aus einer Nebenlinie – er gibt Achaimenes als seinen Stammvater an – genealogisch eng mit dem alten Königshaus zu verzahnen, wie aus dem Beginn der Inschrift deutlich wird. Zur weiteren Vertiefung der familiären Bande heiratete er Atossa, eine Tochter des Kyros und Witwe sowohl des Kambyses als auch des Gaumata, sowie Artystone, eine weitere Kyrostochter, sowie Parmys, eine Tochter des Bardiya. Die Beziehungen zu seinen Mitverschwörern wurden überdies durch Eheschließungen mit einer Tochter des Otanes, die auch eine Witwe sowohl des Kambyses als auch des Gaumata war, sowie einer Tochter des Gobryas, der wiederum eine Schwester des Dareios heiratete, gestärkt. Dareios führte eine umfassende Verwaltungsreform durch, zu der etwa auch die Einführung des Dareikos, einer Goldmünze, sowie korrespondierender Silberprägungen, die Sigloi (hebr. Schekel) genannt wurden, zählte. Der Dareikos wurde für die nächsten 150 Jahre im östlichen Mittelmeerraum das dominierende Zahlungsmittel (Abb. 8).

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2. KAPITEL

Unter Dareios erlebte das Perserreich seine größte Blüte und Ausdehnung. Im Osten gelang dem Herrscher die Eroberung „indischer“ Gebiete (im heutigen Pakistan), in der Ägäis wurde die Insel Samos dem persischen Imperium einverleibt, in Ägypten konnte ein Aufstand niedergeworfen werden, auch Libyen wurde in das Reich eingegliedert. Während seines Aufenthaltes im Nilland ließ Dareios einen Kanal vom Nil zum Roten Meer fertigstellen, mit dessen Bau bereits Pharao Necho II. begonnen hatte. Dieser Kanal kann als – geographisch freilich anders verlaufender – Vorläufer des 1869 eröffneten Suezkanals gelten. Ab dem Jahr 516 v. Chr. weitete Dareios – nachdem er eine Schiffbrücke über den Bosporos hatte errichten lassen – sein Einflussgebiet auf Abb. 8: europäischen Boden aus. Wenngleich sein Feld- Langjähriges Zahlungsmittel: zug gegen die Skythen als gescheitert betrachtet Der Dareikos (Goldmünze). werden muss, da er den berittenen skythischen Bogenschützen, die eine Strategie der verbrannten Erde anwandten, keine entscheidende Niederlage beizubringen vermochte, konnte er doch das aufgrund seiner reichen Ressourcen wichtige Thrakien unterwerfen sowie Makedonien in persische Abhängigkeit bringen. Nur wenige Jahre später kam es dann zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Griechen, von denen noch eingehender die Rede sein wird. Bevor diese aber genauer besprochen werden, soll noch ein kurzer Blick auf die inneren Verhältnisse des Perserreiches geworfen werden. Beginnen wir dabei mit der Spitze der Gesellschaft, dem König. Der persische Großkönig regierte absolut und mit unbeschränkten Vollmachten; keiner war ihm gleichrangig. Das Königtum war erblich und an das Geschlecht der Achaimeniden gebunden. Im Normalfall wurde der Thronfolger vom regierenden König ausgewählt; in der Regel handelte es sich um seinen ersten Sohn, in Ausnahmefällen auch um den ersten „im Purpur“, das heißt nach der Thronbesteigung des Vaters, geborenen. Die Perserkönige verlangten keine kultische Verehrung; sie waren keine Götter, ja nicht einmal von göttlicher Abstammung, sie waren aber sehr wohl von den Göttern – durch die Gunst Ahuramaz-

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das – auserwählt (Gottesgnadentum). Nach der Königsinvestitur, die stets in Pasargadai stattfand, nahm der König einen neuen Namen an – eine Sitte, mit der wohl Dareios I. begonnen hat (zumindest haben wir es seit diesem Herrscher stets mit „sprechenden“ Königsnamen zu tun). In ihrer ausführlichsten Form umfasst die Königstitulatur mehrere Elemente, wie sie auch am Anfang der oben vorgestellten Inschrift von Bisitun auftauchen: Großkönig und „König der Könige“ sind im Grunde Titel alten mesopotamischen Ursprungs. Ihre Verwendung dient wohl vor allem der Untermauerung der Ansprüche der Achaimeniden, in der Tradition der alten babylonischen, assyrischen oder medischen Könige zu stehen. Der Titel „König der Länder“ – später erweitert zu „König der Länder mit allen Stämmen“ – ist trotz assyrischer Parallelen eine persische Schöpfung. In den nichtpersischen Quellen treten die Perserkönige gemäß der einheimischen Traditionen auf; so galt der achaimenidische Großkönig etwa in Ägypten als legitimer Nachfolger der dortigen Pharaonen. Die Tugenden, die einen persischen König auszeichneten beziehungsweise auszuzeichnen hatten, werden aus einer der Grabinschriften des Dareios I. deutlich: die Gnade Ahuramazdas bin ich so, dass ich das Recht liebe und das ❯ Durch Unrecht hasse. Ich wünsche nicht, dass der Schwache Unrecht durch den Starken erleidet, noch, dass der Starke Unrecht durch den Schwachen erfährt. Was Recht ist, das gefällt mir. Ich bin kein Freund des Lügners. Ich bin nicht jähzornig. Auch wenn ich zornig werde, kontrolliere ich meinen Zorn durch meinen eigenen Willen. Ich beherrsche ihn fest. Der Mann, der mit mir zusammenarbeitet, ich belohne ihn gemäß seinem Verdienst. Wer Schaden stiftet, den bestrafe ich nach dem Schaden, den er angerichtet hat. Ich wünsche nicht, dass ein Mann Schaden stiftet, und noch weniger, dass, wenn er Schaden stiftet, er nicht bestraft wird. Als Reiter bin ich ein guter Reiter, als Bogenschütze ein guter Bogenschütze zu Fuß und zu Pferde. Als Speerkämpfer bin ich ein guter Speerkämpfer zu Fuß und zu Pferde.



Der König ist also gerecht, selbstbeherrscht und verfügt über alle Fähigkeiten eines guten Kriegers. Um in allen Großregionen des Reiches stets präsent und mit seinen Untertanen immer in Kontakt zu sein (und diese an ihre Stellung und Pflichten zu erinnern), war der persische Großkönig fast immer in Bewe-

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2. KAPITEL

gung. Das Reisekönigtum der Perser kann man durchaus mit den Gewohnheiten deutscher Könige des Mittelalters vergleichen, die auch nicht nur in einer Pfalz residierten. Drei Residenzen sind bekannt, in denen der persische Herrscher Hof hielt: Pasargadai, Persepolis und Susa; darüber hinaus kann vermutet werden, dass er auch in der ehemaligen Mederhauptstadt Ekbatana regelmäßig residierte. Pasargadai war die älteste Hauptstadt des Persereiches, hier – vermutlich am Ort der Entscheidungsschlacht gegen die Meder – schuf sich Kyros, der Reichsgründer, seine Residenz. Hier wurde Kyros, wie bereits erwähnt, auch begraben. Dareios begann 515 v. Chr. nur wenige Kilometer von Pasargadai entfernt mit dem Bau von Persepolis, das fortan zum Herzen des Perserreiches werden sollte. Ebenfalls Dareios I. war es, der eine Residenz in Susa, der alten elamitischen Hauptstadt, errichten ließ. Die bekannte, dort gefundene Burgbauinschrift gibt nicht nur einen Eindruck von der Pracht der Ausstattung des dortigen Palastes, sondern auch von der logistischen Leistung, die bei der Errichtung dieses Herrschersitzes vollbracht wurde: aus Zedernholz wurden aus einem Gebirge namens Libanon ge❯ Balken schickt. Syrer brachten sie bis Babylon, und von Babylon brachten sie Karer und Ionier bis nach Susa. Yaka-Holz wurde aus Gandhara geschickt und aus Kerman. Gold wurde aus Lydien und Baktrien geholt, das hier verarbeitet wurde. Edelsteine, nämlich Lapislazuli und Karneol, die hier verarbeitet wurden, die wurden aus Sogdien geschickt. Und Türkis-Edelsteine wurden aus Chorasmien geholt und hier verarbeitet. Silber und Ebenholz wurden aus Ägypten geschickt. Das Farbmaterial, mit dem die Terrasse bemalt wurde, ist aus Ionien geholt worden. Elfenbein, das hier verarbeitet wurde, ist aus Nubien, Indien und Arachosien geholt worden. Die Steinsäulen, die hier gearbeitet wurden, die sind aus einem Dorfe namens Abiradush in Elam geholt worden. Die Handwerker, welche den Stein bearbeiteten, waren Ionier und Lyder. Die Goldschmiede, welche das Gold verarbeiteten, waren Meder und Ägypter. Die Männer, die das Holz bearbeiteten, waren Lyder und Ägypter. Die Männer, die die Backsteine anfertigten, waren Babylonier. Die Männer, welche die Terrasse bemalten, waren Meder und Ägypter.



Das Persische Reich erstreckte sich unter Dareios von Makedonien und Thrakien im Westen bis Pakistan im Osten sowie den Sudan im Süden und umfasste eine Fläche von gut fünf Millionen Quadratkilometern. In der Gründungsurkunde der Apadana in Persepolis schreibt Dareios:

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der Großkönig, König der Könige, König der Länder, des Vishtaspa ❯ Dareios, Sohn, der Achaimenide. Es kündet Dareios, der König: Dieses Reich, das ich besitze, von den Skythen jenseits von Sogdien bis nach Kusch (Äthiopien), von Indien bis nach Sparda (Sardes, Lydien), übertrug mir Ahuramazda, der größte der Götter. Ahuramazda möge mich und mein Königshaus beschützen.



Dieses Reich wird heute meist als Persien bezeichnet, ein Begriff, der vom Stamm der Perser beziehungsweise dem Stammland im Südwesten des heutigen Iran abgeleitet ist. In Bezug auf das Perserreich ist allerdings auch die Bezeichnung „Alter Iran“ üblich, die einer kurzen Erläuterung bedarf. Dieser Terminus leitet sich vom Begriff Ērānšahr („Land der Arier“) ab, den die Sasaniden im 3. Jahrhundert n. Chr. geprägt haben. Aber auch bereits die achaimenidischen Könige bezeichneten sich selbst als Arier. Mit dem Ende des Sasanidenreiches verschwand der politische Begriff Iran, und erst im Jahr 1934 ersetzte er auf Anordnung von Schah Reza Pahlavi wieder Persien als Staatsbezeichnung und ist bis heute in Gebrauch. Kommen wir aber wieder zurück zum Reich der Achaimeniden. Nach einer umfassenden Verwaltungsreform unter Dareios war das persische Imperium in mehrere Provinzen (Satrapien) unterteilt, die jeweils unter der Herrschaft eines Statthalters (Satrap) standen. Die Zahl und geographische Ausdehnung dieser Satrapien hat sich im Laufe der achaimenidischen Geschichte wiederholt geändert und kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Regelrechte Satrapienlisten sind erst für die nachachaimenidische Zeit überliefert; die Auflistungen, die aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. auf uns gekommen sind, sind nur schwer in Einklang zu bringen. Es handelt sich dabei vornehmlich um Listen der beherrschten Völker, so etwa die oben bereits vorgestellte Aufzählung in der Inschrift von Bisitun, die Grabinschrift des Dareios I. in Naqš-i Rustam oder die sogenannte Daivā-Inschrift des Xerxes: kündet Xerxes der König: Nach dem Willen Ahuramazdas sind dies die ❯ EsVölker/Länder, deren König ich war. … (Die Leute aus) Persien …, Medien, Elam, Arachosien, Armenien, Drangiana, Parthien, Areia, Baktrien, Sogdien, Choresmien, Babylonien, Assyrien, Sattagydien, Lydien, Ägypten, die Ionier am Meer, die Ionier jenseits des Meeres, (die Leute aus) Maka, Arabien, Gandhara, Sind, Kappadokien, die Daher, die Saka haumavargā, die Sakā tigraxaudā, die Thraker, Akaufakā, (die Leute aus) Libyen, Karien und Kusch.

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2. KAPITEL



Problematisch ist dagegen eine Liste von 20 Steuerbezirken, die Herodot wiedergibt und für die er eine Gesamtabgabensumme von 14 560 euboiischen Silbertalenten (das sind mehr als 370 Tonnen Silber) errechnet. Die einzelnen Satrapien hatten dem Großkönig – zumindest ab der Zeit des Dareios I. – festgesetzte Tribute zu erbringen (zuvor soll es sich um freiwillige Geschenke gehandelt haben). Zudem waren die Satrapen, die vom König direkt eingesetzt wurden, zur Heeresfolge verpflichtet. Vielfach handelte es sich um mit dem Königshaus verwandte Perser, nur selten gelangten Einheimische in diese Position. Der Satrap, der von untergeordneten, regionalen Amtsträgern unterstützt wurde, vertrat in seinem Zuständigkeitsbereich die Interessen des Großkönigs. Zu seinen Aufgaben zählte die zivile Rechtsprechung, die Eintreibung der Steuern und Tribute, die Wahrung der öffentlichen Ordnung sowie – bei Bedarf – die Grenzsicherung. Zu letzterem Zweck durften die Satrapen auch Soldaten (Söldner) anwerben. Nachdem es aber wiederholt zu Aufständen gekommen war, wurde den Satrapen diese Kompetenz von Artaxerxes III. entzogen. Das Perserreich war geprägt von einem Nebeneinander unterschiedlichster Lebensweisen und individueller regionaler Kulturen. Die Achaimeniden erwiesen sich stets als tolerant und beließen den von ihnen unterworfenen Völkern in der Regel ihre Verfassung, ihr einheimisches Recht, ihre spezifische Verwaltungsstruktur und ihre individuelle Kultur. Regionale Kulte wurden von den persischen Herren eher gefördert als unterdrückt. Dies führt auch das im vorigen Kapitel bereits erwähnte Schreiben des Dareios an seinen Funktionär Gadatas vor Augen. Der Großkönig tadelt seinen Untergebenen in diesem Brief nämlich wegen seines Eingriffs in die Rechte der Priester des Apollon von Aulai. Gleichzeitig lobt Dareios Gadatas wegen seiner Verdienste in der Obstbaumkultur, weil dieser die ursprünglich jenseits des Euphrats wachsenden Früchte in Asien anpflanzen ließ. Dies verdeutlicht das große Interesse, das die Perser dem Gartenbau entgegenbrachten (vom persischen Wort pairidaeza „Umzäunung“ leitet sich auch die griechische Bezeichnung parádeisos „Garten, Park“ ab, die uns heute vor allem im Wort Paradies für den biblischen Garten Eden geläufig ist). Bereits in der Antike wurde die Infrastruktur des Perserreiches bewundert, insbesondere das Straßensystem, welches das Imperium durchzog. Die achaimenidischen Herrscher ließen einerseits alte Verkehrswege der Assyrer oder Babylonier ausbauen, schufen aber auch neue Verbindungen, die sowohl für militärischen als auch zivilen Verkehr von Menschen, Tieren, Waren und

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Nachrichten genutzt wurden. Zumindest teilweise, insbesondere in der Nähe der bedeutenden Städte, waren diese Straßen auch gepflastert. Die bekannteste Verbindung ist dabei die sogenannte Königsstraße von Sardeis nach Susa (beziehungsweise von Ephesos nach Persepolis). Diese Straßen, das dichte Netz an Poststationen und die ausgebildeten Boten des Großkönigs erlaubten eine erstaunlich schnelle Übermittlung von Nachrichten. Die enge Verbindung zwischen Königtum und Religion wurde oben bereits angesprochen. Nicht zuletzt deshalb muss jetzt noch ein kurzer Blick auf die religiösen Überzeugungen der Achaimeniden geworfen werden. Freilich ist gerade über dieses Thema wenig Sicheres – und auch dies nur über die Oberschichten – bekannt. Viel diskutiert wird dabei die – nicht zu beantwortende – Frage, ob die Achaimenidenherrscher Anhänger der Lehre Zarathustras waren. Dies ist allerdings genauso unmittelbar mit dem Problem der Historizität und der zeitlichen Einordnung des Zarathustra verbunden wie mit der Frage nach dem eigentlichen Inhalt seiner Lehren. Leider ist die wichtigste Quelle dafür, das Avesta, eine inhaltlich unzusammenhängende, großenteils verlorene Sammlung religiöser Schriften, deren Entstehungszeit umstritten ist, die lange Zeit mündlich tradiert und erst in sasanidischer Zeit redigiert und niedergeschrieben wurden (die älteste erhaltene Handschrift stammt erst aus dem 13. Jahrhundert n. Chr.), nur unzureichend verständlich. Die herausragende Stellung, welche der Gott Ahuramazda genoss, wird aus den bereits vorgestellten Texten, etwa der Inschrift von Bisitun, deutlich. Er erhielt, wie die Verwaltungstäfelchen aus Persepolis zeigen, von der königlichen Administration auch regelmäßige Opfer (sogenannte lan-Opfer). Die Achaimeniden waren jedoch keine Monotheisten; im Gegenteil treten in den Texten zahlreiche andere Gottheiten entgegen, die ebenfalls Opfer erhielten, alte iranische Gottheiten (wie der Medergott Zurvan oder die als Visai Bagā „Alle Götter“ bezeichnete Göttergruppe) ebenso wie elamische und babylonische Götter (z. B. Humban oder Adad). Im oben vorgestellten Kyroszylinder bekennt sich der persische Reichsgründer zum Gott Marduk, und in einer Kopie der Bisitun-Inschrift, die in Babylon gefunden wurde, ist der Name Ahuramazdas durch jenen des Gottes Bel ersetzt. Bei Thukydides erfahren wir, dass der persische Satrap Tissaphernes in Ephesos der Artemis ein Opfer darbrachte. Die Achaimeniden waren also durchaus der Ansicht, dass in anderen Gegenden die dort heimischen Götter mächtig waren. In ihrer polytheistischen Anschauung hatten diese problemlos neben ihren eigenen Göttern Platz und wurden von ihnen auch verehrt.

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2. KAPITEL

3. K A P I T E L

Die frühen Griechen in Kleinasien

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chon im 2. Jahrtausend v. Chr., in der mykenischen Epoche, waren die ersten Griechen nach Kleinasien gekommen und hatten sich an der anatolischen Westküste niedergelassen. Eine der wichtigsten Siedlungen dieser Zeit war Milet, das in den hethitischen Texten unter dem Namen Millawanda verzeichnet wird; Milesier werden außerdem bereits in den mykenischen Linear-B-Täfelchen von Pylos und Theben erwähnt. Zu einem verstärkten Zuzug von Griechen kam es dann während der sogenannten „Dunklen Jahrhunderte“ ab dem 11. Jahrhundert v. Chr. im Zuge der sogenannten „Ionischen Wanderung“, von der Herodot, Strabon und Pausanias als wichtigste Quellenautoren berichten. Die Rede ist dabei von einer Auswanderung festländischer Griechen nach Kleinasien, als deren ursprüngliche Heimat einerseits die Landschaft Messenien, andererseits das ebenfalls peloponnesische Achaia überliefert werden. Dominierend wird schließlich aber eine Version der Sage, die Athen zum Ausgangspunkt der eigentlichen Kolonisationsbewegung macht: Die Messenier und Achaier, die aufgrund der Rückkehr der Söhne des Herakles (Herakleiden) ihre angestammten Siedlungsgebiete verlassen mussten, sollen zunächst in Attika Zuflucht gefunden haben, ehe ein Streit um die Königswürde zwischen den Söhnen des Kodros, des Herrschers über Athen, den der älteste Sohn Medon für sich entscheiden konnte, zur Auswanderung der anderen Brüder und ihrer Anhänger – darunter die Flüchtlinge aus Messenien und Achaia sowie

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etliche Athener – nach Kleinasien und zur Gründung der Städte in Ionien geführt habe. An dieser Stelle ist es nötig, kurz auf die Begriffe „Ionier“ und „Ionien“ einzugehen. Sprachgeschichtlich ist derjenige ein Ionier, der den ionischen Dialekt des Griechischen spricht. Die Landschaft Ionien umfasst streng genommen jenen mittleren Abschnitt der kleinasiatischen Westküste zwischen Phokaia im Norden und Milet im Süden, in welchem sich Ionisch sprechende Griechen niederließen. Historisch unkorrekt werden aber häufig alle Griechen Kleinasiens als Ionier bezeichnet. Bereits in einigen antiken Sprachen, etwa dem Persischen, wurde Yauna „Ionier“ zur Bezeichnung für alle Griechen (Yūnān im modernen Persisch). Die Frage nach Historizität und Wahrheitsgehalt der Überlieferungen zur Ionischen Wanderung ist in der modernen Forschung vielfach diskutiert und kontrovers beantwortet worden. Während manche Gelehrte davon ausgehen, dass die Sagen von der Wanderung der Ionier durchaus Erinnerungen an tatsächliche historische Ereignisse bewahrt haben, sprechen andere den einschlägigen Quellen jegliche Relevanz ab und halten diese Mythen für spätere Rekonstruktionen. In der Tat ist im Laufe der Zeit mit diversen Umformungen und der politischen Instrumentalisierung der Überlieferung zu rechnen, an der grundsätzlichen Historizität der Besiedlung der ägäischen Küstenregion Kleinasiens durch einwandernde Griechen, die selbstverständlich in irgendeiner Weise politisch organisiert gewesen sein müssen, ist aufgrund der Ergebnisse der modernen Dialektforschung sowie zahlreicher archäologischer Untersuchungen freilich nicht zu zweifeln. Bereits vor der sogenannten „Ionischen Wanderung“ waren im Zuge einer „Aiolischen Wanderung“ bestimmte Landstriche an der kleinasiatischen Westküste von Griechen besiedelt worden, die ursprünglich aus dem nordgriechischen Thessalien stammten. Die von den Aiolern kolonisierten Gegenden mussten teilweise den nachkommenden Ioniern überlassen werden. Dorische Griechen wanderten über die Inseln ein und besiedelten den südlichen Teil der Westküste. Alle diese Wanderungsbewegungen sollte man sich wohl weniger als Völkerwanderungen von in Bewegung geratenen Menschenmassen vorstellen, sondern vielmehr als Migrationen vieler kleiner Menschengruppen, die sich über einen langen Zeitraum erstreckten. In der modernen Forschung wird dabei kontrovers diskutiert, ob es sich bei den Dorern, Aiolern und Ioniern von Anfang an um geschlossene Stammesgruppen handelte, die ihre Institutionen, Sitten und Gebräuche in die neue

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3. KAPITEL

Heimat mitbrachten, oder ob sie ihre Identitäten erst in Kleinasien herausbildeten. Die Kontaktaufnahme mit der einheimischen Bevölkerung, auf welche die einwandernden Griechen trafen, verlief vielfach nicht friedlich; die Quellen sprechen immer wieder von Kampfhandlungen, etwa mit den Karern oder den Lelegern. Bereits in früharchaischer Zeit bildeten die einzelnen Stadtstaaten (Poleis) Bünde; so gründeten die ionischen Städte das Koinon der Ionier, dessen kultischer Mittelpunkt das Panionion genannte Poseidonheiligtum auf der Halbinsel Mykale war. Dabei handelte es sich von Anfang an weniger um eine politisch-militärische Kampfgemeinschaft (Symmachie), sondern eher um einen Bund von kultisch-religiösem Charakter (Amphiktyonie), dessen politische Bedeutung stets gering blieb. Mit der Zeit wuchs das Koinon auf die später kanonische Mitgliederanzahl von zwölf Städten an: Phokaia, Klazomenai, Erythrai, Teos, Lebedos, Kolophon, Ephesos, Priene, Milet, Myous, Chios und Samos (Vitruv berichtet von einer dreizehnten Stadt namens Meli[t]e, die bereits um 700 v. Chr. von einem Bündnis anderer ionischer Poleis zerstört worden sein soll). Analog dazu gründeten auch die Aioler einen Zwölferbund, dem Kyme, Larisa, Neonteichos, Temnos, Killa, Notion, Aigiroessa, Pitane, Aigaiai, Myrina, Gryneion und Smyrna, das den Aiolern freilich schon bald von den Ioniern abgenommen wurde, angehörten. Den kultischen Mittelpunkt dieses Koinons bildete das Apollonheiligtum und Orakel von Gryneion. Der dorische Städtebund umfasste nur sechs Mitglieder: Kos, Ialysos, Kamiros, Lindos, Knidos und Halikarnassos; das dem Apollon geweihte dorische Bundesheiligtum Triopion lag auf dem Territorium von Knidos. Wie Herodot berichtet, wurde einige Zeit nach der Etablierung des Koinons Halikarnassos jedoch aus dem Bündnis ausgeschlossen, da sich einer der Einwohner dieser Polis gegen das Bundesheiligtum versündigt hatte: hüten sich die Dorer aus dem jetzigen Gebiet der Fünfstädte, ❯ Ähnlich das früher das Sechsstädteland hieß, einen benachbarten Dorer in das triopische Heiligtum aufzunehmen, ja sie schließen sogar ihre eigenen Mitbürger aus von der Teilnahme, wenn sie sich gegen das Heiligtum versündigt haben. In den Kampfspielen zu Ehren des Apollon Triopos setzten sie vor langer Zeit eherne Dreifüße als Preise aus; aber die Sieger durften diese nicht aus dem Heiligtum entfernen, sondern mussten sie dort dem Gott weihen. Einst ging ein Mann aus Halikarnassos mit Namen Agasikles siegreich aus dem Kampfe hervor, der diesen Brauch nicht beachtete, sondern den Drei-

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fuß mitnahm und in seinem Haus aufhängte. Aus diesem Grunde schlossen die Fünfstädte Lindos, Ialysos, Kamiros, Kos und Knidos die sechste Stadt, nämlich Halikarnassos, von der Teilnahme aus. Auf diese Weise bestraften sie die Stadt. HERODOT 1,144



Bereits ab der Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. kam es mit der sogenannten „großen griechischen Kolonisation“ zu einer historisch folgenreichen Entwicklung. Zahlreiche griechische Poleis gründeten während der nächsten rund 250 Jahre eine Vielzahl von Tochterstädten (Apoikien) in Süditalien, Sizilien, der Nordägäis, an den Küsten des Marmarameeres und des Schwarzen Meeres, sodass die Griechen nach Abschluss dieser Kolonisationsbewegung um das Mittelmeer saßen wie „Ameisen oder Frösche um einen Sumpf “ (Platon). Nicht immer gründeten die Griechen in der Fremde neue Städte, vielfach ließen sie sich auch innerhalb von autochthonen Siedlungen nieder und vermischten sich mit der ansässigen Bevölkerung. Über die Ursachen für die Entsendung der Siedler und die Gründung der Kolonien ist viel diskutiert worden. Ein rasanter Bevölkerungsanstieg in den griechischen Städten und daraus resultierender demographischer Druck kommt – entgegen der früher vorherrschenden Ansicht – als Grund für die Auswanderungsbewegung nicht in Frage. Die Wahl der Zielgebiete verrät ökonomische Interessen wie die Kontrolle von Handelswegen (wenngleich die neu gegründeten Kolonien in der Regel keine großen Warenumschlagplätze, sondern vielmehr Ackerbausiedlungen waren) oder den Zugriff auf Bodenschätze und natürliche Ressourcen sowie strategische Überlegungen. Ausschlaggebend für die Entsendung der Kolonisten waren in den jeweiligen Fällen wohl durchaus unterschiedliche Aspekte. Innerstädtische Konflikte (Staseis) haben wohl genauso eine Rolle gespielt wie soziale Spannungen, Wirtschaftskrisen (etwa ausgelöst durch Naturkatastrophen), persönliche ökonomische Nöte oder einfach die Verlockung, in einer neuen Heimat Reichtum und Macht zu erlangen. Derartige Kolonistenzüge bestanden aus 100 bis 200 Männern; Frauen und Kinder konnten eventuell nachkommen, oder die Siedler gingen Verbindungen mit einheimischen Frauen ein. An der Spitze standen als Anführer der Auswanderergruppen (Oikistes) Angehörige der lokalen Aristokratie oder besonders angesehene Männer (z. B. Olympiasieger). Nach ihrem Tod wurden sie häufig an prominenter Stelle in der von ihnen gegründeten Kolonie bestattet (etwa auf der Agora) und erhielten einen Heroenkult.

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Eine wichtige Rolle spielen in den überlieferten Berichten der Koloniegründungen die großen Heiligtümer und Orakel, insbesondere das Apollonheiligtum von Delphi. Zahlreichen Oikisten wird nachgesagt, dass sie sich vor dem Aufbruch dort bei der Priesterin Pythia, durch die der Gott zu den Ratsuchenden sprach, Auskünfte eingeholt hätten. Zwischen den Kolonien und ihren Mutterstädten (Metropoleis) herrschte stets ein besonderes Verhältnis. In der Regel wurden neben dem Dialekt und der Schrift der Mutterstadt auch deren Kalender und Feste sowie die Kulte und politische Organisationsformen übernommen. In vielen Fällen gründeten die Apoikien, die bisweilen größer und mächtiger als ihre Mutterstädte werden konnten, ihrerseits Kolonien. Der ursprünglichen Herkunft der Siedler wurde lange gedacht; so ist in einer Inschrift aus Abdera in Thrakien, die im 2. Jahrhundert v. Chr. verfasst wurde, die Rede von den „Vätern“ der Stadt, die aus dem ionischen Teos gekommen waren. Die Tochterstädte waren jedoch in der Regel politisch unabhängig (nur Korinth gelang es, Herrschaftsansprüche über seine Tochterstädte zu begründen und dort etwa Oberbeamte einzusetzen). Apoikien wurden nicht immer nur von einer Stadt aus gegründet, oft handelte es sich auch um ein Gemeinschaftsunternehmen mehrerer Poleis; die Kolonie konnte dann auch mehrere Oikisten haben. Aber selbst wenn dies nicht der Fall war, konnten an der Apoikiegründung einer Stadt Bewohner anderer Gemeinden teilnehmen; anders hätten kleinere Poleis – wie etwa Chalkis und Eretria (welche offenbar die ersten Kolonisten entsandten) oder Megara – nicht mehrere Apoikien gründen können. Unter den kleinasiatischen Städten sind als Koloniengründer besonders Phokaia und Milet hervorzuheben. Den Milesiern werden etwa fünfzig Gründungen zugeschrieben, zunächst am Hellespont und am Marmarameer (z.B. Abydos, Kyzikos, Kios), später dann im Schwarzmeerraum, wo vor allem milesische Kolonien anzutreffen sind: zum Beispiel Sinope, Odessos (das heutige Varna), Tomis (wo der römische Dichter Ovid einige Jahrhunderte später sein Leben im Exil beenden sollte), Histria, Olbia, Pantikapaion oder Phasis. Kolonisten aus Phokaia gründeten etwa Massalia, das heutige Marseille in Südfrankreich, das aufgrund seiner günstigen Lage zwischen der griechischen Welt und den Gebieten der Kelten und Iberer eine enorme Blüte erlebte und seinerseits die Apoikien Nikaia (Nizza) und Antipolis (Antibes) an der Côte d’Azur sowie Emporion (Ampurias) im Nordosten Spaniens gründete. Die große griechische Kolonisation verhalf auch der für die Griechen so typischen politischen Organisationsform der Polis zu ihrem Siegeszug im

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Mittelmeerraum. Die inneren Verhältnisse in einer griechischen Polis unterschieden sich deutlich von denen in einer persischen Stadt. Die Wurzeln dieser Form des Zusammenlebens liegen im Dunkeln; wann die Polis entstanden ist, wird in der Forschung kontrovers diskutiert, eine klare Entscheidung, die vor allem von den angelegten Kriterien abhängt, ist aber kaum zu treffen. Am ehesten wird man die Anfänge der Polisbildung ans Ende der sogenannten „Dunklen Jahrhunderte“, etwa in das 8. Jahrhundert v. Chr., legen dürfen. Welche Rolle die geographischen Gegebenheiten, stetiges Bevölkerungswachstum oder orientalischer Einfluss in dieser Entwicklung gespielt haben, ist nur mehr schwer abzuschätzen. Gerade aus Kleinasien, wo die Auseinandersetzung mit einheimischen Bevölkerungen ein besonders intensives Stadtleben bedingt hat, mag der Prozess der Polisentstehung besondere Impulse erhalten haben. Griechische Poleis bestanden in der Regel aus einer zentralen Siedlung (ásty) und dem umliegenden Land (chóra); sie definierten sich jedoch nicht über ihr Territorium, sondern über ihre Bürgerschaft. Bereits in früharchaischer Zeit bildeten sich innerhalb der Poleis verschiedene politische Ämter heraus, die aber nur einem eingeschränkten Personenkreis offen standen. Die Macht lag meist in den Händen einer oder weniger aristokratischer Familien. Schon früh hören wir in den Quellen auch von Versuchen, Missbräuche der politischen Macht zu verhindern. Im 7. Jahrhundert v. Chr. kam es zu einem Wandel in der üblichen Kampfweise, nämlich zur Einführung der sogenannten Hoplitenphalanx, der Kampfreihe schwer bewaffneter Fußsoldaten (Hopliten), die ihren Namen vom typischen Rundschild (hóplon) erhielten. Das hatte auch innenpolitische Auswirkungen. Durch diese Entwiklung vergrößerte sich die Zahl jener Männer, die – entsprechend ihrem Beitrag zum militärischen Potential ihrer Heimat – Einfluss auf die politischen Entscheidungen erlangten. Trotz dieser Entwicklung gelang es ab der Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. immer wieder einzelnen Persönlichkeiten, im Zuge innerer Auseinandersetzungen, die aus den unterschiedlichsten – wirtschaftlichen oder sozialen – Gründen ausbrechen konnten, die Alleinherrschaft an sich zu reißen und als Tyrannen über die jeweiligen Städte zu regieren. Der Begriff tyrannos, ein nichtgriechisches Wort, das aus einer kleinasiatischen Sprache entlehnt wurde, war anfangs nicht unbedingt negativ konnotiert (auch wenn es von den Tyrannen nicht als Eigenbezeichnung gebraucht wurde); erst ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. stand man den Tyrannen, die als gewalttätig und anmaßend

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betrachtet wurden, eindeutig negativ gegenüber. Diese tyrannenfeindliche Tendenz in der Überlieferung macht es schwierig, die Leistungen der archaischen Alleinherrscher adäquat zu beurteilen. Keinesfalls war die Zeit der Tyrannenherrschaft in den Städten stets eine Zeit der Krise. Ganz im Gegenteil: Athen erlebte etwa unter der Regierung des Tyrannen Peisistratos eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte. Es muss berücksichtigt werden, dass die Tyrannis zwar in der modernen Forschung viel Aufmerksamkeit gefunden hat, eigentlich aber ein recht eingeschränktes Phänomen war. Gerade einmal aus 33 (von insgesamt mehreren hundert) Poleis sind archaische Tyrannen bekannt (von diesen sind bemerkenswerterweise 19 in Kleinasien oder auf den vorgelagerten Inseln zu lokalisieren). In der Regel stammten die Tyrannen aus den lokalen Aristokratien, in manchen Fällen diente ihnen ein politisches Amt als Ausgangspunkt ihrer Usurpation der Macht. In der Regel konnten sie auf die Unterstützung eines größeren Teils der Bevölkerung bauen, teilweise auch auf die Unterschichten; sie waren aber nie deren Fürsprecher oder gar die Vertreter neuer sozialer Ideen. Zwar gelang es manchen Tyrannen, die Herrschaft an einen Nachfolger (in der Regel einen Sohn) weiterzugeben, dauerhaft konnte aber nirgends eine Tyrannis etabliert werden. Betrachten wir beispielhaft die Verhältnisse im archaischen Ephesos. In der am Fluss Kaÿstros gelegenen Stadt herrschte um 600 v. Chr. der Tyrann Pythagoras. Es ist nicht genau bekannt, wie er an die Macht kam, offensichtlich gelang ihm ein Staatsstreich gegen die Familie der Basiliden, die sich auf Androklos, den Gründerheros der Stadt, zurückführte. In den Quellen wird das Bild des Pythagoras in den bei der Beschreibung von Gewaltherrschern typischen Farben geschildert: Dem niedrigen Volk gegenüber sei er als Freund und Wohltäter aufgetreten, die reichen und angesehenen Ephesier habe er dagegen beraubt und an ihnen strenge und ungerechte Strafen vollzogen. Seine Gier sei maßlos gewesen, und selbst die Heiligkeit der Tempel und Asyle habe er nicht respektiert. Als sich nämlich die Tochter eines politischen Gegners in das Asyl des ephesischen Artemisions geflüchtet hatte, wagte es Pythagoras zwar nicht, sie mit Gewalt aus dem Heiligtum zu holen, er zermürbte sie aber derart und nahm ihr jede Hoffnung auf Rettung, dass sie sich selbst tötete. Daraufhin erfasste eine Krankheit die Stadt. Als der Tyrann da Boten, die um Rat fragen sollten, nach Delphi schickte, wurde ihm als Buße aufgetragen, einen neuen Tempel zu bauen. Wir wissen leider nicht, ob

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er diesem Orakelspruch tatsächlich nachkam (und welcher Tempel dies dann war) oder welches Ende dieser Gewaltherrscher nahm. Kurz darauf jedenfalls, im zweiten Viertel des 6. Jahrhunderts v. Chr., geriet Ephesos immer mehr in das Visier des rasch expandierenden Lyderreiches. Dort war, wie bereits berichtet wurde, um 560 v. Chr. Kroisos seinem Vater Alyattes auf den Thron nachgefolgt und setzte nun dessen politisches Werk fort, indem er das Reich weiter ausbaute. Er unterwarf die Griechenstädte an der kleinasiatischen Westküste und konnte so die lydische Hegemonie über fast ganz West- und Mittelanatolien ausbauen. Als erste griechische Stadt griff Kroisos dabei Ephesos an, wo nun Pindaros, der Sohn des Melas aus der Familie der Basiliden, herrschte. Pindaros war mütterlicherseits mit dem lydischen Königshaus verwandt, doch diese Verwandtschaft nützte ihm nichts, als sein Onkel sich der Stadt näherte. Durch eine besondere Kriegslist gelang es ihm aber dennoch, eine gewisse Autonomie für seine Heimat zu sichern, indem er die Stadt durch Seile mit dem Artemisheiligtum verband und sie so dem Schutz der Göttin überantwortete. Nach dem Gang des Pindaros ins Exil kam die Stadt aber weiterhin nicht zur Ruhe. Pasikles, der nun eine führende Rolle in der lokalen Politik spielte, wurde auf dem Heimweg von einem Gastmahl in einen Hinterhalt gelockt und am Heratempel, wo seine eigene Mutter Priesterin war, ermordet. Es folgten anscheinend weitere innenpolitische Turbulenzen, die dazu führten, dass der Athener Aristarchos nach Ephesos berufen wurde, fünf Jahre lang über die Stadt herrschte und dort möglicherweise Reformen durchführte. Die politische Macht des Aristarchos und der anderen lokalen Machthaber in den ionischen Griechenstädten war freilich eingeschränkt, denn sie lagen nun im Reich des lydischen Königs Kroisos. Dieser war, wie Herodot hervorhebt, „der erste Barbarenkönig, von dem wir Kunde haben, dass er einen Teil der Griechen tributpflichtig machte“. Tatsächlich erhob Kroisos von den Griechenstädten – zu unterschiedlichen Konditionen – Abgaben (phóroi). In manche dieser Städte setzte er lydische Garnisonen ein, in anderen vertraten prolydische Parteien seine Interessen, während er mit Ephesos und Milet Sonderverträge abschloss. Trotz der oben erwähnten Bündnisse herrschten zwischen den Griechenstädten ständige Konkurrenz und schwelende Konflikte, die einen gemeinsamen ionischen Widerstand gegen Kroisos verhindert haben. Im Grunde scheinen sich die Griechen aber einigermaßen gut mit ihrem Schicksal abgefunden und mit der Lyderherrschaft arrangiert zu haben. Förderlich war in dieser Hinsicht sicherlich auch das gute Verhältnis des Kroisos zu den griechischen Heiligtümern, das sich durch stattliche

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Zuwendungen (etwa beim Bau des neuen Artemistempels in Ephesos) oder durch reiche Weihegeschenke (z. B. nach Delphi) äußerte. Nach dem unheilvollen Entschluss des Lyderkönigs, das Perserreich anzugreifen, kam es allerdings, wie bereits berichtet wurde, bald zum Untergang des lydischen Reiches, und auch die Griechenstädte wurden nun ein Teil des Perserreiches. Wie Herodot überliefert, versuchten sie, nun noch die besten Bedingungen für sich auszuhandeln: Ionier und Aioler schickten nach der Unterwerfung der Lyder unter ❯ Die die Perser sogleich Boten nach Sardeis zu Kyros, sie wollten ihnen unter denselben Bedingungen wie dem Kroisos untertan sein. Kyros hörte diese Erklärung an und erzählte ihnen als Antwort ein Gleichnis: Ein Flötenspieler sah Fische im Meer und fing an zu spielen, weil er meinte, sie würden an Land kommen. Als er sich aber in seiner Hoffnung getäuscht sah, nahm er ein großes Netz, fing damit eine große Menge Fische und zog sie heraus. Als er sie zappeln sah, sagte er zu den Fischen: „Hört nur auf zu tanzen! Als ich blies, habt ihr doch auch nicht herauskommen und tanzen wollen.“ Kyros erzählte den Ioniern und Aiolern diese Geschichte, weil die Ionier vorher, als er sie durch Boten aufforderte, von Kroisos abzufallen, nicht gehorcht hatten, jetzt aber, wo das Reich erobert war, sich Kyros bereitwillig unterwerfen wollten. Voller Zorn ließ er ihnen dies sagen. Als die Ionier diese Nachricht in ihren Städten hörten, bauten sie einzeln Mauern auf und versammelten sich alle im Panionion außer den Bewohnern von Milet. Mit diesen allein hatte Kyros einen Vertrag geschlossen unter den gleichen Bedingungen wie die Lyder. HERODOT 1,141



Nach dem Abzug der Perser aus Sardeis kam es zum schon erwähnten Aufstand des Paktyas, der mit dem lydischen Staatsschatz offenbar auch zahlreiche ionische Söldner anwerben und die Griechenstädte zur Beteiligung an seinem Unternehmen überreden konnte. Paktyas und seinen Truppen gelang es zwar, Sardes einzunehmen, doch hielt die auf der Zitadelle eingeschlossene persische Besatzung stand, und bereits nach wenigen Wochen waren Truppen des Großkönigs herangerückt, welche die Stadt wieder in Besitz nahmen. Paktyas floh nach Kyme, von dort nach Mytilene auf Lesbos, und schließlich nach Chios, doch die Chioten lieferten ihn an die Perser aus. Der persische Feldherr Mazares und sein Nachfolger Harpagos bestraften nun die mit Paktyas verbündeten Griechenstädte und nahmen eine nach der anderen ein –

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eine Ausnahme bildete Milet, das sich an dem Aufstand nicht beteiligt hatte; wieder einmal hatten die Milesier die Lage richtig eingeschätzt und es sich mit der siegreichen Großmacht nicht verscherzt. Dieses politische Gespür sollte sie vier Jahrzehnte später aber verlassen. Bemerkenswert ist der Ausweg, den die Bewohner der Stadt Phokaia wählten. Ein großer Teil der Bevölkerung kehrte seiner Heimat für immer den Rücken und wanderte nach Korsika aus, wo die Phokaier einige Jahrzehnte früher die Kolonie Alalia gegründet hatten. Allerdings sollten die Flüchtlinge auch dort keine dauerhafte Heimat finden. Sie ließen sich zwar in Alalia nieder und lebten zusammen mit ihren Landsleuten, die zwanzig Jahre früher schon hierher ausgewandert waren, doch trieben sie Seeraub, was die Etrusker und Karthager so aufbrachte, dass diese sich verbündeten und gegen die Phokaier zogen. Herodot berichtet, dass die Phokaier in der Seeschlacht gegen die zahlenmäßig doppelt so starken Gegner zwar siegreich blieben, dabei aber zwei Drittel ihrer Schiffe verloren (deren Besatzungen gefangen genommen und gesteinigt worden sein sollen), während die übrigen Schiffe stark beschädigt wurden. Deshalb nahmen die Phokaier ihre Frauen, Kinder und Besitztümer an Bord und begaben sich nach Italien, wo sie die Stadt Hyele (Elea) gründeten. Ähnlich wie die Phokaier verhielten sich auch die Bewohner von Teos, die sich nach Thrakien begaben und die Kolonie Abdera gründeten. Sie folgten damit einem Ratschlag, den Bias von Priene, einer der Sieben Weisen, den Ioniern gegeben haben soll, nämlich ihre Heimat zu verlassen und so der Knechtschaft zu entrinnen. In welchem Ausmaß sich die Perser in die inneren Verhältnisse der griechischen Städte einmischten, ist unklar. Natürlich mussten die hellenischen Poleis Tribute zahlen und Heeresfolge leisten. Auch konnten die jeweiligen Machthaber außenpolitisch nicht mehr frei agieren. Das Persische Reich bot den Griechen aber auch neue Chancen. So eröffnete das persische Straßenund Transportsystem etwa dem Handel neue Möglichkeiten (freilich lief der griechische Handel vor allem übers Meer). Zahlreiche Griechen traten in den folgenden zwei Jahrhunderten in persische Dienste. Von den ionischen Handwerkern, die bei der Errichtung der persischen Königspaläste zum Einsatz kamen, war bereits die Rede. Die in diesem Zusammenhang wichtigste Berufsgruppe waren aber die Soldaten. Natürlich waren griechische Soldaten teilweise gezwungen, an kriegerischen Unternehmungen der Perserkönige teilzunehmen, viele traten aber auch freiwillig in persischen Sold. Zahlreiche Griechen nahmen etwa am Zug des Kambyses nach Ägypten teil. Bekannt sind auch grie-

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chische Techniker im Dienst des Großkönigs: Mandrokles aus Samos errichtete die Brücke über den Bosporos für den Skythenfeldzug des Dareios I. im Jahr 514 v. Chr.; Harpalos von Tenedos baute die Brücke über den Hellespont, über die Xerxes 480 v. Chr. seine Truppen übersetzen ließ. Der Seefahrer und Entdecker Skylax von Karyanda in Karien unternahm im Auftrag von Dareios I. eine 30-monatige Entdeckungsreise vom Fluss Indus um die arabische Halbinsel herum bis nach Suez am Roten Meer und verfasste darüber einen Periplus. Dieses Werk, das von Hekataios und Herodot benutzt wurde, ist heute verloren (die unter seinem Namen überlieferte Küstenbeschreibung des Mittelmeers stammt dagegen nicht von ihm, sondern stellt eine Kompilation wohl des 4. Jahrhunderts v. Chr. dar). Besonderer Beliebtheit erfreuten sich anscheinend am königlichen Hof in Susa griechische Ärzte. Neben dem bereits besprochenen Ktesias von Knidos sind etwa Apollonides von Kos oder Polykritos von Mende zu nennen. Am berühmtesten ist jedoch ein Vorgänger dieser Männer, Demokedes von Kroton in Süditalien, einer der geschicktesten Mediziner seiner Zeit, von dessen Schicksal Herodot berichtet. Nach einem Streit mit seinem Vater verließ dieser – so heißt es dort – seine Heimat und wurde auf der Insel Aigina im öffentlichen Auftrag als Arzt angestellt. Aufgrund seines Könnens wurde er daraufhin von den Athenern verpflichtet und trat anschließend in die Dienste des Tyrannen Polykrates von Samos, der ihm die stolze Summe von zwei Talenten im Jahr bezahlte. Bei dessen Tod wurde er vom persischen Satrapen Oroites versklavt und kam, als Oroites kurze Zeit später in Ungnade fiel und ebenfalls getötet wurde, an den Hof des persischen Großkönigs Dareios nach Susa. Dort vermochte er Dareios von einem Fußleiden zu befreien, und auch der Königin Atossa konnte er in einer Krankheit beistehen. So stieg er zu einer einflussreichen Persönlichkeit am persischen Hof auf, war aber nach wie vor unfrei und vom Achaimenidenherrscher abhängig. Als er auf eine Erkundungsmission nach Griechenland und Süditalien geschickt wurde, gelang ihm in Tarent die Flucht, und er konnte nach Kroton zurückkehren. Schließlich heiratete er die Tochter des Ringers Milo, eines der berühmtesten Athleten der Antike, dem 32 Siege bei panhellenischen Wettbewerben (davon sechs in Olympia) nachgesagt werden. So weit zumindest der Bericht des Herodot, an dem die jüngere Forschung allerdings massive Zweifel geäußert hat. In zahlreichen Griechenstädten regierten unter persischer Oberherrschaft Tyrannen, die von der früheren Forschung als „Vasallentyrannen“ bezeichnet wurden. Dieser Begriff sollte freilich nicht verwendet werden; er subsumiert relativ unterschiedliche Persönlichkeiten – von Tyrannen, die ziemlich unab-

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hängig agierten und perserfreundlich eingestellt waren, bis hin zu solchen, die ihre Herrschaft direkt den Persern verdankten. Die schillerndste Gestalt unter den griechischen Tyrannen dieser Zeit war allerdings Polykrates von Samos, der von den Persern unabhängig war und am Rande des Perserreiches auf seiner, der kleinasiatischen Westküste vorgelagerten Insel herrschte. Er hatte während eines Festes zu Ehren der Göttin Hera, der Hauptgöttin seiner Heimat, im Jahr 538 v. Chr. zusammen mit seinen Brüdern Syloson und Pantagnotos geputscht und die Macht übernommen. Nachdem er den einen Bruder bald getötet und den anderen ins Exil geschickt hatte, regierte er kurz darauf als Alleinherrscher. Gestützt auf seine starke Flotte konnte sich Polykrates eine Machtposition in der Ägäis aufbauen. Die Quellen berichten, dass er zahlreiche Inseln und auch Städte des kleinasiatischen Festlands eroberte; es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass er sich ein „Reich“ aufbaute, vielmehr dürfte es sich um Raub- und Beutezüge gehandelt haben. Dass die ionischen Poleis an der Küste unter persischer Herrschaft standen, machte Polykrates nichts aus, da ihm die Perser militärisch kaum etwas anhaben konnten, weil sie zu diesem Zeitpunkt noch über keine nennenswerte Flotte verfügten. Auf Samos wird mit dem Tyrannen ein gewaltiges Bauprogramm in Zusammenhang gebracht: Die Errichtung des zum damaligen Zeitpunkt größten griechischen Tempels im Heraion von Samos (der freilich nie fertiggestellt wurde), ein prunkvoller Palast, mächtige Hafenanlagen sowie die Errichtung einer Wasserleitung, zu der ein mehr als tausend Meter langer Tunnel gehörte – eine der größten technischen Meisterleistungen der Antike, für die wohl der Ingenieur Eupalinos von Megara verantwortlich war –, werden Polykrates zugeschrieben, doch mögen alle diese Projekte bereits vor seiner Regierungszeit initiiert worden sein. Überliefert ist die prunkvolle Hofhaltung des Tyrannen, die zahlreiche Gelehrte und Künstler anzog. Vom Arzt Demokedes war bereits die Rede, auch die Dichter Anakreon und Ibykos weilten in seiner Residenz. Politische Gegner verließen allerdings – wenn sie nicht exiliert oder anders beseitigt wurden – freiwillig die Insel; der berühmteste Auswanderer, der angewidert von der Tyrannis des Polykrates die Heimat hinter sich ließ, war der Philosoph Pythagoras. Polykrates unterhielt enge Verbindungen mit anderen Alleinherrschern, so mit Peisistratos von Athen oder Lygdamis von Naxos, aber auch mit Pharao Amasis von Ägypten. Herodot überliefert die bekannte Geschichte, wie dieser

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Amasis, der wie alle Ägypter als besonders weise galt, über das ständige Glück seines Freundes beunruhigt war: irgendwie blieb auch dem Amasis das große Glück des Polykrates nicht ❯ Und verborgen, sondern es bereitete ihm Kummer und Sorge. Als Polykrates’ Glück noch größer wurde, schrieb Amasis in einem Brief Folgendes nach Samos: „Amasis spricht zu Polykrates Folgendes: Es ist zwar erfreulich zu erfahren, dass es einem lieben Gastfreund gut geht. Mir aber gefällt dein großes Glück gar nicht; denn ich weiß, dass die Gottheit neidisch ist. Ich sehe es lieber, dass ich selbst und meine Freunde einmal in ihrem Unternehmen Glück, ein andermal aber Misserfolg haben, und dass es uns so in unserem Leben abwechselnd geht, als dass ich in allem erfolgreich bin. Noch kenne ich vom Hörensagen keinen, der nicht zuletzt ein ganz klägliches Ende nahm, wenn er in allem Glück hatte. Du also gehorche mir jetzt und tue gegen zu viel Glück Folgendes: Überlege dir, was du unter allen deinen Gütern wohl für das wertvollste hältst und über dessen Verlust du am traurigsten wärest! Das wirf weg, damit es nicht mehr in Menschenhände kommen kann. Und wenn dir von nun an nicht abwechselnd Glück und Unglück zustößt, dann hilf auf diese Weise nach, die ich dir eben vorgeschlagen habe.“ Nachdem Polykrates dies gelesen und sich klargemacht hatte, dass Amasis ihm gut rate, suchte er nach dem wertvollsten Kleinod, dessen Verlust ihn am meisten schmerzen würde. Wie er so nachdachte, fand er Folgendes: Er besaß einen Siegelring, in Gold gefasst, den er immer trug. Er bestand aus einem Smaragdstein und war ein Werk des Samiers Theodoros, des Sohnes des Telekles. Nachdem er nun beschlossen hatte, diesen Ring wegzuwerfen, tat er es so: Er ließ einen Fünfzigruderer bemannen und ging an Bord. Dann gab er Befehl, aufs hohe Meer hinauszufahren. Als er von der Insel weit weg war, zog er den Siegelring vom Finger und warf ihn vor den Augen der gesamten Schiffsbesatzung ins Meer. Danach fuhr er heim, und zu Hause fühlte er sich todunglücklich. Am fünften oder sechsten Tag danach aber ereignete sich ihm Folgendes: Ein Fischer fing einen großen schönen Fisch und wollte ihn gern dem Polykrates zum Geschenk machen. Er trug ihn also zu seinem Palaste und bat, zu Polykrates vorgelassen zu werden. Das erreichte er auch. Er gab dem Herrscher den Fisch und sagte: „König, als ich diesen Fisch fing, hielt ich es nicht für richtig, ihn auf den Markt zu bringen, obwohl ich von meiner Hände Arbeit lebe. Er schien mir vielmehr deiner und deiner Herrschaft würdig. So biete

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ich ihn dir zum Geschenke.“ Der König freute sich über diese Worte und antwortete ihm: „Da hast du recht getan. Doppelter Dank gebührt dir für deine Worte und für dein Geschenk; wir laden dich zum Mahle.“ Der Fischer war darüber natürlich hochbeglückt und ging nach Hause. Als aber die Diener den Fisch aufschnitten, fanden sie in seinem Bauch den Siegelring des Polykrates. Sie sahen ihn und nahmen ihn schnell an sich; voll Freude brachten sie ihn zu Polykrates. Sie überreichten ihm den Ring und erzählten, wie sie ihn gefunden hätten. Da ihm aber der Gedanke kam, dies sei eine göttliche Fügung, beschrieb er in einem Brief seine Handlungsweise und ihren Ausgang. Diesen Brief schickte er nach Ägypten. Als Amasis die Nachricht des Polykrates gelesen hatte, erkannte er, dass es einem Menschen unmöglich sei, einen anderen vor dem drohenden Schicksal zu retten, und dass Polykrates, der in allem Glück hatte, kein gutes Ende nehmen würde. Denn er finde ja sogar das wieder, was er weggeworfen habe. Er sandte einen Herold nach Samos und ließ Polykrates sagen, er kündige ihm die Gastfreundschaft. Das tat er deshalb, damit er seine Seele nicht um den Gastfreund Polykrates betrüben müsse, wenn ihm ein großes, fürchterliches Unglück zustoße. HERODOT 3,40–43



Diese oft rezipierte Geschichte verdeutlicht das Geschichtsbild des Herodot, wonach das Schicksal nicht beeinflussbar und wechselhaft ist und auf einen hohen Aufstieg unvermeidlich ein tiefer Fall folgt. Die bekannteste moderne Bearbeitung des Stoffes stammt von Friedrich Schiller, der 1797 seine Ballade Der Ring des Polykrates schrieb. Weder der griechische Geschichtsschreiber noch der deutsche Dichter geben den wahren Grund für den Bruch zwischen Polykrates und Amasis wieder. Tatsächlich scheint das Bündnis zwischen dem samischen Tyrannen und dem ägyptischen Pharao zerbrochen zu sein, weil sich Polykrates auf die Seite des persischen Großkönigs schlug, als dieser daranging, Ägypten seinem Reich einzuverleiben. Was sich freilich durchaus erfüllte, war das schlimme Schicksal, das in der Anekdote dem Polykrates vorausgesagt worden war. Um 522 v. Chr., am Ende der Regierungszeit des Kambyses, wurde der Tyrann vom in Sardeis residierenden persischen Satrapen Oroites – entweder weil dieser es nicht vermocht hatte, Samos zu erobern, oder weil Polykrates einmal einen Herold des Oroites missachtet hatte – in einen Hinterhalt gelockt, auf grausame Weise getötet und dann ans Kreuz geschlagen. Die zahlreichen namhaften Gelehrten und Künstler am Hof des Polykrates vermitteln einen ersten Eindruck davon, worin die welthistorische Bedeutung

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der kleinasiatischen Griechenstädte lag, nämlich in ihrem Beitrag zur antiken Geistes- und Kulturgeschichte. Hier an der Westküste Anatoliens befindet sich nicht nur die Geburtsstätte der europäischen Literatur, sondern auch die Wiege der westlichen Wissenschaft. In archaischer Zeit hatten die Poleis in Kleinasien und auf den vorgelagerten Inseln klar die kulturelle Führungsposition in der griechischen Welt inne; auch wenn dann in klassischer Zeit Athen eine dominierende Rolle spielte, blieb die ostgriechische Tradition auch im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. lebendig. Am Beginn eines kurzen Überblickes über die großartigen kulturellen Leistungen der kleinasiatischen Griechen müssen die homerischen Epen Ilias und Odyssee stehen, auch wenn deren Dichter als historische Person nicht fassbar ist, ja nicht einmal sicher festzustellen ist, ob man es mit einem oder mehreren Verfassern zu tun hat, deren Lebenszeit in den letzten Jahrzehnten sehr umstritten ist (traditionell wird die Entstehung der beiden Werke, die gleichsam mit einem Paukenschlag die europäische Literaturgeschichte einläuteten, in die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. gesetzt). Auch nicht als historische Person zu greifen ist Arktinos von Milet, der ebenfalls in früharchaischer Zeit lebte (der Tradition nach war Homer sein Lehrer) und die kyklischen Epen Aithiopis und Iliupersis verfasst haben soll; seine Werke sind aber komplett verloren. Eine legendäre frühgriechische Dichtergestalt ist auch Thestorides von Phokaia, dem die sogenannte Kleine Ilias zugeschrieben wird. Kreophylos von Samos, der als Verfasser eines Epos über die Einnahme der Stadt Oichalia durch Herakles angesehen wird, verliert sich ebenso im Dunkel der Frühgeschichte, während sein Landsmann Asios von Samos (6. Jh. v. Chr.) als Schöpfer genealogischer Dichtungen durchaus greifbar ist. Von den nachhomerischen, in ionischer Sprache dichtenden Epikern ist der eingangs schon angesprochene Panyassis aus Halikarnassos, der Onkel des Herodot, zu erwähnen. Dieser schuf, bevor er in den Kämpfen gegen den Tyrannen Lygdamis das Leben lassen musste, ein Epos mit dem Titel Ionika, das die Gründung der ionischen Kolonien behandelt, und ein weiteres Werk namens Herakleia, das den Taten des Halbgottes Herakles gewidmet ist. Wenig bekannt ist der Milesier Phokylides, der zwei Generationen früher, um die Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr., hexametrische Gnomen (Sinnsprüche) dichtete (ein langes, unter seinem Namen überliefertes Lehrgedicht stammt jedoch von einem jüdischen Dichter, der um die Zeitenwende lebte und den man – mangels eines anderen bekannten Namens – als Pseudo-Phokylides bezeichnet).

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Eine besondere Rolle spielten kleinasiatische Poeten in der Entwicklung der frühgriechischen Lyrik. Im ursprünglichen Sinn werden mit diesem Begriff jene Werke bezeichnet, die zum Klang der Lyra vorgetragen wurden. Zu den frühesten überlieferten Lyrikern zählt Kallinos von Ephesos (7. Jh. v. Chr.), der als Erfinder der Elegie angesehen wird. Das längste Fragment, das von seinen Werken überliefert ist, ist ein flammender Appell an die jungen Männer seiner Heimatstadt, sich tapfer den angreifenden Kimmeriern entgegenzustellen. Ein wenig jünger ist der aus Kolophon (oder Smyrna) stammende Elegiker Mimnermos, der in kurzen Gedichten, die für den Vortrag im Rahmen eines Symposions gedacht waren, die Süße der Jugend und die Leiden des Alters besang, der aber auch ein Werk über den Kampf der Stadt Smyrna gegen den lydischen König Gyges (Smyrneis) verfasste. Als Verfasser von Iamben, das sind satirische Spottgedichte, die ebenfalls für das Symposion komponiert wurden, erlangte Semonides von Samos Berühmtheit (weil er führend an der Gründung der Kolonie Minoa auf Amorgos beteiligt war, wird er auch als Semonides von Amorgos bezeichnet). Sein bekanntestes Werk ist der sogenannte Weiberiambos, in dem er zehn Typen von Frauen vorstellt, die er je mit einem Tier vergleicht und die alle einen Fluch für die Männerwelt darstellen, abgesehen von der arbeitsamen Frau, die wie die Biene ist. Ebenfalls Iamben verfasste Hipponax von Ephesos (6. Jh. v. Chr.), der von den ephesischen Tyrannen Athenagoras und Komas aus seiner Heimatstadt vertrieben wurde und sich dann in Klazomenai ansiedelte. Die Gedichte des Hipponax, der sich selbst als armen Bettelpoeten stilisiert, gehen oft ins Unanständige, sie feiern die leiblichen Genüsse und ein ausschweifendes Sexualleben; seine groben Schmähverse sollen den Bildhauer Bupalos sogar in den Selbstmord getrieben haben (doch ist das wohl bloße Topik). Besonders wichtige Impulse gingen von der dem kleinasiatischen Festland vorgelagerten Insel Lesbos aus. Bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. soll der aus der Stadt Antissa stammende Terpandros, der Erfinder der siebensaitigen Kithara, in Sparta anlässlich des Festes der Karneia im musischen Agon gesiegt haben. Alkaios von Mytilene (ca. 630–580 v. Chr.) war – wie alle bisher genannten Dichter – ein Angehöriger der lokalen Aristokratie und kämpfte gegen den Tyrannen Myrsilos. Sein Werk, das in hellenistischer Zeit von alexandrinischen Philologen in zehn Bücher gegliedert werden sollte, umfasst vor allem Kampf-, Trink- und Liebeslieder. Diese Gelehrten zählten Alkaios zum Kanon der neun großen griechischen Lyriker, zu dem auch seine Zeitgenossin Sappho gerechnet wird. Diese leitete nach einigen Jahren im Exil auf Lesbos einen Kreis

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von Mädchen, welche sie erzog und in die Welt der Erwachsenen einführte; ein solcher Mädchenkreis war kein Einzelfall, derartige Gemeinschaften waren an mehreren Orten anzutreffen. Eine Ausbildung in Religion, Musik und Literatur zählte genauso zu dieser Erziehung wie das richtige Auftreten und Verhalten sowie die sexuelle Initiation. Inspiriert von und adressiert an diesen Mädchenkreis hat Sappho auch ihre Werke verfasst, zu denen neben Hochzeitsliedern vor allem sehr persönliche Gedichte zählen, die von tiefen Emotionen zwischen den Mädchen und auch Sappho selbst künden. Dies hat dazu geführt, dass bereits in der Antike die Heimat der Dichterin, die – wohl vor ihrer Tätigkeit als Erzieherin – verheiratet gewesen war und eine Tochter namens Kleis hatte, für die Bezeichnung der weiblichen Homosexualität Pate stand (freilich ist das eine Fehleinschätzung, welche die Lebenswirklichkeit dieser Erziehungsgemeinschaft verkennt). Ebenfalls zu den kanonischen neun Lyrikern zählte Anakreon aus Teos (ca. 570–485 v. Chr.), von dem bereits bei der Schilderung des Hofes des Polykrates die Rede war. Als die Einwohner seiner Heimatstadt beim Kommen der Perser, wie oben berichtet, zu einem großen Teil nach Thrakien flohen, um dort die Kolonie Abdera zu gründen, begleitete sie auch Anakreon. Das unstete Wanderleben eines Dichters führte ihn dann nach Samos zu Polykrates, nach dessen Ermordung begab er sich nach Athen an den Hof der Peisistratiden, wo er anscheinend Freundschaft mit Simonides schloss, den er nach Thessalien an den Aleuaden-Hof begleitet haben soll, ehe er in seine Vaterstadt Teos zurückkehrte, wo er im Alter von etwa 85 Jahren starb. Einer Überlieferung zufolge soll er an einer Weinbeere erstickt sein, doch ist dies mit Sicherheit nur eine Anekdote, die sich auf eines der Hauptthemen seiner Werke bezieht. Um die Liebe und den Wein kreisten nämlich die meisten seiner Gedichte (auch wenn man eine Reihe von spöttischen Iamben, die er verfasst hat, nicht übergehen darf), deren sprachliche Eleganz nicht nur in der Antike bewundert wurde, sondern auch nach ihrer „Wiederentdeckung“ im 16. Jahrhundert zu zahlreichen Nachahmungen und der literarischen Strömung der Anakreontik führten. Noch folgenreicher war die Geburt der Philosophie in den kleinasiatischen Küstenstädten, allen voran in Milet. Warum gerade hier die westliche Wissenschaft ihre Anfänge nahm, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Als Faktoren hat man die politische und wirtschaftliche Blüte der Stadt, die weltoffene Gesellschaft dieser Polis, die Dutzende Kolonien gegründet hatte, oder den Kontakt und die Auseinandersetzung mit anderen, insbesondere nahöstlichen Kulturen erwogen. All dies mag eine gewisse Rolle gespielt haben. Jedenfalls

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wurden hier ab dem Beginn des 6. Jahrhunderts v. Chr. erste Versuche unternommen, die Beschaffenheit der Welt rational zu erklären, ohne auf übernatürliche und mythische Deutungsmuster zurückzugreifen. Diese ersten Philosophen (wörtlich „die, die nach Weisheit streben“) versuchten vor allem, den Ursprung (arché) und die Natur (phýsis) der Dinge zu erkunden; ihrem Denken lag das Prinzip zugrunde, dass nichts aus nichts entsteht, und dass nichts, was besteht, zu nichts vergeht. Man spricht meist von den „Ionischen Naturphilosophen“, als deren erster Thales (ca. 625–545 v. Chr.) gilt, einer der berühmten Sieben Weisen. Thales, dem die Voraussage der schon erwähnten totalen Sonnenfinsternis während der Schlacht zwischen Lydern und Medern nachgesagt und dem – genauso zweifelhaft – der nach ihm benannte mathematische Satz zugeschrieben wird, war der Meinung, das Wasser sei der Urstoff des Universums. Wohl sein Schüler war Anaximandros (ca. 610–546 v. Chr.), der erste Verfasser eines griechischen Prosawerkes (von dem freilich nur ein Satz erhalten ist), der das – für uns nur schwer fassbare – unentstandene und unvergängliche sogenannte ápeiron, das „Unbegrenzte“, als Urstoff aller Dinge identifizierte. Der ständige Kampf gegensätzlicher Kräfte führt für Anaximandros zu einem steten Werden und Vergehen (die Lebewesen sind für ihn aus dem Feuchten entstanden, der Mensch habe sich aus Fischen entwickelt). Vielleicht ein Schüler des Anaximandros wiederum war Anaximenes (ca. 585– 525 v. Chr.), der dritte der milesischen Naturphilosophen, der die Luft als den Urstoff des Universums betrachtete, aus dem sich durch Verdichtung und Verdünnung alles andere entwickelt habe. Ebenfalls aus Kleinasien stammte Xenophanes von Kolophon (ca. 570– 475 v. Chr.), der angesichts der persischen Bedrohung seine Heimat in Richtung Süditalien verließ, wo er fortan das Leben eines wandernden Dichters führte. Seine philosophischen Lehren (die in der modernen Diskussion ein viel positiveres Echo fanden als in der Antike) können wir nur mehr schemenhaft fassen; er scheint jedenfalls die Meinung vertreten zu haben, dass der Mensch nichts sicher wissen kann, sondern auf bloße Mutmaßungen angewiesen ist. Deutlich kritisierte er auch das menschenähnliche Götterbild der Griechen: Menschen meinen, Götter würden ganz normal gezeugt, hätten dann ❯ Die Kleidung genau wie sie selbst und Stimme und Körper … … doch wenn nun Hände besäßen die Rinder, die Pferde und Löwen, und könnten zeichnen mit ihnen und Gleiches verfertigen wie Menschen – Pferde

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3. KAPITEL

würden dann Pferden, und Rinder Rindern gleiche Göttergestalten zeichnen, und Körper würden sie formen eben dieselben, wie jener Leib wäre, den sie selbst jeweils hätten! FRG. 14 UND 15 DK



Von einem Zeitgenossen des Xenophanes, Pythagoras von Samos (ca. 570–495 v. Chr.), war bereits die Rede. Er verließ seine Heimat wegen des dort regierenden Polykrates und begab sich ebenfalls nach Süditalien, wo er eine religiös-kultische Gemeinschaft begründete. Die mathematische Ordnung des Kosmos, der von harmonischen Zahlenverhältnissen bestimmt sei, sowie die Musik und ihre mathematische Analyse spielten in der Lehre des Philosophen eine wichtige Rolle. Unsicher ist, ob der ihm zugeschriebene mathematische Satz – der wie der oben erwähnte Satz des Thales bereits den Babyloniern bekannt war – wirklich von ihm formuliert wurde. Er und seine Anhänger glaubten an die Wanderung und Wiedergeburt der Seelen von Tieren und Menschen und vertraten eine streng asketische Lebensweise. Der letzte kleinasiatische Philosoph, von dem hier die Rede sein soll, ist Herakleitos von Ephesos (ca. 540–480 v. Chr.), der trotz der persischen Herrschaft über seine Heimatstadt keinen Grund sah, Kleinasien den Rücken zu kehren. Seine genauen Lebensumstände sind unbekannt. Es wird berichtet, dass er das Ansinnen seiner Landsleute, seiner Stadt Gesetze zu geben, ablehnte. Stattdessen soll er sich im ephesischen Artemistempel zu Kindern gesetzt und mit diesen gespielt haben; dies sei besser, als am politischen Leben der Polis teilzunehmen. Er gehörte wohl zur Familie der Basiliden, aus Protest verzichtete er jedoch zugunsten eines Bruders auf seine angestammten Rechte. Die ihm bereits in der Antike nachgesagte Arroganz manifestiert sich in der überlieferten Kritik seiner Kollegen und Vorgänger. Aufgrund seines oft schwer verständlichen, aphoristischen Stils wurde ihm schon früh der Beiname „der Dunkle“ verliehen. Von seinem Werk, das er im Tempel der Artemis deponiert haben soll, sind etwa 130 Fragmente erhalten. Es handelt sich um in sich geschlossene, spruchartige Gebilde, die wohl auch ursprünglich die Form eigenständiger Sentenzen aufgewiesen haben. Seine Lehre, in welcher der alles durchdringende, freilich nur schwer zu definierende lógos eine zentrale Rolle spielt, kündet von der unablässigen Bewegung und der Veränderung der Dinge und der Einheit der Gegensätze: dieselben Flüsse steigen wir hinein und steigen wir nicht ❯ Inhinein; wir sind und sind nicht. FRG. 38 DK



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Die prägnante Kurzform pánta rheĩ, „Alles fließt“, ist freilich erst später geprägt worden. Die Ursache des Flusses aller Dinge sieht Heraklit im ständigen Aufeinanderstoßen der allerorts vorhandenen Gegensätze: Krieg ist von allem der Vater, von allem aber auch der König: er lässt ❯ Der offenbar werden, dass die einen Götter sind, die andren Menschen, und die einen macht er zu Sklaven, die anderen zu Freien.

FRG. 53 DK



Selbst dieser geraffte Überblick über die kulturellen Leistungen der Griechen in Kleinasien lässt erkennen, dass sich hier – und nicht im griechischen Mutterland – das Zentrum hellenischen Geisteslebens in archaischer Zeit befand. Und gleichfalls wird deutlich, dass sich diese enorme kulturelle Blüte auch unter der Herrschaft fremder Mächte, namentlich der Lyder und insbesondere der Perser, entfalten konnte. Dies wird wichtig sein, wenn wir später nach der welthistorischen Bedeutung des griechischen Triumphes in den Auseinandersetzungen mit dem Achaimenidenreich fragen werden.

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3. KAPITEL

4. K A P I T E L

Der Ionische Aufstand

A

m Beginn der griechisch-persischen Kriege steht eine Erhebung einiger ionischer Stadtstaaten gegen die persische Oberherrschaft in Westkleinasien, der sogenannte „Ionische Aufstand“. Diese Bezeichnung ist freilich irreführend, denn weder nahmen alle ionischen Stadtstaaten an dieser Erhebung teil, noch blieb sie auf Ionien im engeren Sinne beschränkt. Seinen Anfang nahm der Aufstand jedenfalls in Milet. Dort hatte Histiaios als Tyrann geherrscht, ehe er zusammen mit anderen ionischen Tyrannen, die unter persischer Kontrolle ihre Heimatstädte regierten, am Skythenfeldzug des Dareios teilnahm. Als die Skythen den Griechen rieten, die Brücke über die Donau, über die Dareios mit seinem Heer zurückkehren musste, abzureißen, brachte Histiaios seine Landsleute von diesem Plan ab. Als Dank für diese Loyalität erhielt er zunächst die Stadt Myrkinos in Thrakien, der persische Feldherr Megabazos, der an Histiaios dennoch zweifelte, erreichte aber, dass der Großkönig den Milesier als Berater und Tischgenossen an den Hof berief. An seinen Stellvertreter und Schwiegersohn Aristagoras wandte sich um 500 v. Chr. eine Gruppe exilierter Aristokraten aus Naxos, Freunde des Histiaios, die aus politischen Gründen ihre Heimat hatten verlassen müssen. Sie suchten seine Unterstützung, um die politische Macht in ihrer Heimat zurückzugewinnen. Aristagoras witterte dagegen eine Gelegenheit, selbst die Herrschaft über die größte Insel der Kykladen an sich zu reißen. Da Aristagoras allein aber nicht über die nötigen Mittel für ein derartiges Unternehmen ver-

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fügte (und es ohne persische Zustimmung vermutlich auch nicht in Angriff nehmen durfte), wandte er sich an seine persischen Oberherren. Es gelang ihm, Artaphernes, den in Sardeis residierenden persischen Satrapen, von der Idee einer Intervention auf Naxos zu überzeugen, indem er diesem nicht nur die Beute bei der Eroberung dieser Insel schmackhaft machte, sondern überdies die Eroberung aller Kykladeninseln und Euboias in Aussicht stellte. Artaphernes bewog daraufhin seinen Bruder, den persischen Großkönig Dareios, einem Kriegszug gegen Naxos zuzustimmen, und rüstete eine Flotte von 200 Schiffen aus, die im Jahr 499 v. Chr. in See stach. Als Kommandant dieser Streitmacht wurde der Perser Megabates, ein Vetter von Dareios und Artaphernes, eingesetzt. Die Flotte nahm zunächst Kurs in Richtung Hellespont, um bei Chios auf einen günstigen Nordwind zu warten, der einen plötzlichen und unerwarteten Angriff auf Naxos ermöglichen sollte, durch den die so überrumpelten Naxier rasch überwältigt werden könnten. Nach Herodot soll es jedoch bald zu einem Konflikt zwischen Aristagoras und Megabates gekommen sein, der diesen Plan vereitelte. Der Streit entbrannte angeblich über die Bestrafung eines nachlässigen Schiffskommandanten aus dem karischen Myndos, eines Gastfreundes des Aristagoras, und er soll dazu geführt haben, dass der erzürnte Megabates den Naxiern eine Nachricht zukommen ließ, die den Angriffsplan enthüllte. Die nun gewarnten Bewohner der Kykladeninsel konnten sich auf das Kommen der ionisch-persischen Kriegsflotte vorbereiten und der Belagerung ihrer Stadt standhalten. Nach vier Monaten waren die Vorräte und Mittel der Angreifer erschöpft, sie mussten die Belagerung abbrechen und nach Hause zurückkehren. Aristagoras war nun in einer mehr als ungünstigen Lage. Seine Versprechungen an Artaphernes waren nicht erfüllbar, die Ausgaben für den Krieg hatten seine finanziellen Ressourcen erschöpft, der militärische Misserfolg und der Streit mit Megabates würden ihn beim Großkönig in Ungnade fallen lassen. Zudem sei – wie Herodot berichtet – zu eben diesem Zeitpunkt ein Bote mit einer ganz besonders raffiniert versteckten Geheimbotschaft seines Schwiegervaters Histiaios aus Susa bei Aristagoras eingetroffen, die ihn zur Revolte ermunterte: sah nämlich kein anderes sicheres Mittel, Aristagoras zum Abfall ❯ Histiaios zu ermutigen; denn alle Wege waren besetzt. Er ließ also seinem getreuesten Sklaven den Kopf kahl rasieren, Zeichen darauf schreiben, das Haar wieder wachsen und schickte ihn dann nach Milet. Er gab ihm keinen anderen

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4. KAPITEL

Auftrag als den, Aristagoras in Milet zu bitten, ihm das Haar scheren zu lassen und dann auf seinen Kopf zu sehen. Die Schriftzeichen aber forderten, wie ich schon vorher gesagt habe, zum Abfall auf. Das tat Histiaios, weil er in Susa festgehalten wurde und darüber sehr traurig war. Wenn es zu Unruhen käme, dürfte er mit Sicherheit hoffen, dass man ihn an die Meeresküste entlassen werde. Unternehme Milet aber nichts, so konnte er damit rechnen, niemals wieder ans Meer zurückzukehren. HERODOT 5,35



An anderer Stelle berichtet Herodot, Histiaios habe diesen Aufruf zum Abfall vom persischen Oberherrn damit gerechtfertigt, dass Dareios beabsichtigt habe, die Phoiniker nach Ionien umzusiedeln und die Ionier nach Phoinikien; freilich glaubte selbst Herodot nicht daran, dass dies tatsächlich die Pläne des Großkönigs gewesen seien. Aristagoras fasste jedenfalls nach einer Beratung mit seinen Getreuen den Entschluss, gegen den persischen König zu revoltieren. Herodot überliefert leider nur wenig über den Gang dieses Gespräches und die vorgebrachten Argumente. Er berichtet lediglich, dass der Gelehrte Hekataios sich unter Verweis auf die vielen Völker, über die der Perserkönig gebot, gegen einen Aufstand aussprach und – als dies nichts fruchtete – vorgeschlagen haben soll, die im Apollontempel von Didyma deponierten Schätze dazu zu verwenden, die Seeherrschaft zu erringen, denn nur so könnten sie bestehen. Der Vorschlag wurde aber abgelehnt. Zum Schein legte Aristagoras nun die Tyrannenherrschaft in Milet nieder, verkündete die isonomía (politische Gleichheit aller Bürger), um die Bevölkerung auf seine Seite zu bringen, und veranlasste das Ende der Tyrannis auch in anderen ionischen Städten, die sich ebenfalls dem Aufstand anschlossen. Herodot nennt also persönliche Motive zweier milesischer Aristokraten als Auslöser dieses Aufstandes, der so viele Leiden über die Griechen in Kleinasien bringen und so lange kriegerische Auseinandersetzungen nach sich ziehen sollte. Die moderne Forschung hat an dieser Ansicht grundlegende Zweifel geäußert. Vielmehr dachte man an ökonomische Gründe für den Ausbruch der Revolte. Einerseits wurde angenommen, dass durch die persische Kontrolle des Hellesponts der milesische Schwarzmeerhandel behindert worden sein könnte, andererseits vermutete man, dass durch die Einnahme Ägyptens durch Kambyses 525 v. Chr. der Handel mit Naukratis zum Erliegen gekommen sei. Ebenso wurde in der Forschung vorgeschlagen, dass durch die Zerstörung des eng mit Milet verbundenen Sybaris in Unteritalien im Jahr

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4. KAPITEL







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510 v. Chr. der Westhandel gelitten habe oder aber dass die unter persischer Oberherrschaft immer mehr an Einfluss gewinnenden Phoiniker für die Griechen zu starke Konkurrenten geworden seien. Für all diese Hypothesen gibt es jedoch keine überzeugenden Beweise. Im Gegenteil: Die ionischen Griechenstädte scheinen im späten 6. Jahrhundert v. Chr. vielmehr eine wirtschaftliche Blüte erlebt zu haben. Andere Gelehrte nehmen an, dass die mangelnde politische Autonomie der griechischen Poleis und deren Streben nach Freiheit und Unabhängigkeit die wirklichen Auslöser dargestellt hätten. Warum aber entlud sich dieser Freiheitswille erst jetzt, nach vier Jahrzehnten unter persischer Herrschaft? Die Antwort liefert Herodot, dessen Darstellung als wichtigste Quelle über den Ionischen Aufstand Grundlage aller Überlegungen sein muss. Es ist dort von einer tiefen Unzufriedenheit der breiten Massen mit den von den Persern gestützten Tyrannen und Oligarchen die Rede, die sich in der Absetzung der lokalen Machthaber am Beginn des Aufstands zeigt. Zwar hat es in der archaischen griechischen Welt schon lange Tyrannen gegeben, im griechischen Mutterland war deren Zeit allerdings schon vorüber. Überdies waren die älteren Tyrannen stets als Sieger interner adeliger Machtkämpfe an die Spitze ihrer jeweiligen Gemeinwesen gekommen. Die von den Persern gestützten beziehungsweise installierten Tyrannen waren – soweit wir das auf der Grundlage unseres lückenhaften Quellenmaterials sagen können – dagegen ein neues Phänomen, das im Grunde erst mit Dareios auftrat. Es waren Vertreter der lokalen Aristokratie, die als Ansprechpartner der persischen Administration für die Einbringung der Tributleistung und die Heeresfolge zuständig waren. Durch ihre Etablierung hatte der Großkönig das innenpolitische Gefüge der einzelnen Poleis schwer erschüttert und die politischen Spannungen in den Städten verschärft. Die Einsetzung der persischen „Vasallentyrannen“ in den ionischen Städten ist somit als jener Faktor zu betrachten, der die Unzufriedenheit der Griechen mit ihren persischen Oberherren an jenen Punkt brachte, dass Anlässe wie jene gescheiterte Flottenexpedition nach Naxos das Fass zum Überlaufen bringen konnten. Die gescheiterte Expedition nach Naxos bedrohte nicht nur seine von den Persern abhängige Herrschaft, sondern auch seinen aristokratischen Status, der in erster Linie von seinem Reichtum und den von ihm vollbrachten ruhmreichen Taten abhing. Durchaus umstritten ist in der althistorischen Forschung allerdings die Figur des ehemaligen Tyrannen Histiaios. Keineswegs ist – auch wenn die Anekdote vom Boten, der eine Geheimbotschaft auf seinem Kopf trug, ins Reich der Legende gehört –

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grundsätzlich an einer entscheidenden Beteiligung des Histiaios zu zweifeln. Sein von Herodot geschildertes Verhalten entspricht den Normen und Werten der archaischen griechischen Aristokratie. Konflikt potential bot auch die Konkurrenz zwischen den achaimenidischen Satrapen und den eigentlich perserfreundlichen Aristokraten in den griechischen Städten, die aber dennoch ihre eigenen politischen Ziele verfolgten. Ethnische Konflikte spielten als Ursachen der Erhebung dagegen sicher keine Rolle. Freilich birgt gerade Herodots Darstellung des Ionischen Aufstandes auch eine Reihe von Problemen in sich, denn offensichtlich lagen dem Geschichtsschreiber hierzu nicht allzu detaillierte Informationen vor, und die Informationen, die er verarbeitete, stammten wohl großenteils von den mit den Milesiern rivalisierenden Samiern, die im entscheidenden Moment der Erhebung eine unrühmliche Rolle spielen sollten. Ein Beispiel muss hier genügen. So ist es etwa ganz und gar unwahrscheinlich, dass der persische Feldherr Megabates aufgrund des von Herodot referierten Streites die Geheimoperation an die Naxier verraten hat. Nicht nur, dass er die strengsten Strafen des Großkönigs zu befürchten gehabt hätte; Naxos hätte sich innerhalb von zwei, drei Tagen auch niemals gegen eine mehrmonatige Belagerung wappnen können. Der Verrat muss daher viel früher erfolgt sein (man könnte hier etwa an jene Naxier denken, die sich ursprünglich an Aristagoras gewandt hatten). Die Naxier könnten von den persischen Rüstungen aber auch aus anderen Quellen erfahren haben. Die ionischen Rebellen benötigten nach ihrem Entschluss zum Aufstand nun jedenfalls Unterstützung, und deshalb wandte sich Aristagoras zunächst an Sparta, die größte griechische Militärmacht seiner Zeit.

Sparta Die Geschichte Spartas in archaischer Zeit ist nur schwer fassbar. Sie beginnt mit der Einwanderung dorischer Griechen in die Landschaft Lakedaimon auf der Peloponnes im Verlauf der sogenannten „Dunklen Jahrhunderte“ (daher werden die Spartaner auch Lakedaimonier genannt). Aus dem Zusammenschluss (Synoikismos) der vier Dörfer Limnai, Kynosura, Mesoa und Pitane sowie der späteren Eingliederung des Ortes Amyklai entstand die Polis Sparta, die ihren Einflussbereich rasch weiter südlich über ganz Lakedaimon ausbreiten konnte. Das eroberte Land wurde unter die spartanischen Bürger

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aufgeteilt, die unterworfene Bevölkerung blieb an die Scholle gebunden und musste den neuen Herren dienstbar sein; dies war der Beginn des spartanischen Systems der Helotie. Bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. konnten die Lakedaimonier in zwei großen Kriegen die benachbarte Landschaft Messenien erobern und deren Bewohner ebenfalls „helotisieren“; damit wurde Sparta zur größten Macht Griechenlands. Dieser Einfluss wurde im Verlauf des 6. Jahrhunderts v. Chr. durch eine geschickte Bündnispolitik weiter ausgebaut, welche den Lakedaimoniern die Hegemonie über beinahe die ganze Peloponnes bescherte (sogenannter „Peloponnesischer Bund“). Sparta wurde von zwei Königen regiert, die immer von zwei Familien, den Eurypontiden und den Agiaden, gestellt wurden. Diese hatten den Oberbefehl über das spartanische Heer inne. Sie saßen auch in der sogenannten gerusía, dem Ältestenrat, dem außer den Königen 28 Männer, die über sechzig Jahre alt waren, angehörten. Neben seinen Aufgaben in der Strafgerichtsbarkeit bereitete dieser Ältestenrat alle Entscheidungen in der Volksversammlung (ekklesía oder apellá) vor, an der alle spartanischen Vollbürger teilnahmen, die älter als dreißig Jahre waren. Die Volksversammlung war die wichtigste Instanz im lakedaimonischen Staatswesen; sie stimmte über Krieg und Frieden ab, gab ihre Zustimmung zu Verträgen und Gesetzen, entschied in strittigen Fällen sogar über die Thronfolge und wählte die Geronten und die Ephoren. Die Ephoren waren ein fünfköpfiges Kollegium, das jeweils für ein Jahr amtierte und dem jeder Spartiate einmal in seinem Leben angehören konnte. Die Ephoren kontrollierten die Amtsführung der Könige und Geronten und überhaupt die Einhaltung der Sitten und Gesetze und nahmen auch verschiedene andere Aufgaben in der Rechtsprechung, im Kult sowie in der spartanischen Politik wahr. In den Quellen werden für die Spartaner durchaus eigentümliche Lebensgewohnheiten überliefert. So sollen die sogenannten Syskenien („Zeltgemeinschaften“), die etwa zwei Dutzend Personen umfassten, eine wesentliche Rolle gespielt haben. Für die gemeinsamen Mahlzeiten dieser Verbände, die sogenannten Syssitien, an denen alle teilnehmen mussten, hatten die einzelnen Mitglieder auch einen bestimmten Beitrag zu leisten; wer dazu nicht mehr in der Lage war, verlor sein Bürgerrecht. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt schliefen die jungen Männer auch gemeinsam in den Syskenien, die auch die kleinste Einheit der Heeresorganisation bildeten. Besonderen Wert legte man in Sparta auf die Erziehung, die vor allem auf die spätere Leistungsfähigkeit der Jungen im Krieg abzielte. Bereits die

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Neugeborenen sollen einer rigorosen Begutachtung unterzogen worden sein: Nur gesunde Säuglinge seien überhaupt aufgezogen, behinderte Kinder dagegen gnadenlos ausgesetzt worden. Ab dem Alter von sieben Jahren hatten die Knaben dann ein strenges Erziehungsprogramm, die später so genannte agogé, zu absolvieren, die wir hauptsächlich aus dem – erst einige Jahrhunderte jüngeren – Bericht Plutarchs kennen. Viele Aspekte, die Plutarch über die Lebensgewohnheiten der Spartaner überliefert, sind unklar und umstritten. Dazu gehört auch die kolportierte Aussetzung behinderter Neugeborener. Denn gerade wenn man bedenkt, dass Sparta immer mit dem Problem einer zu kleinen und ständig schrumpfenden Bürgerzahl konfrontiert war, kann vielmehr angenommen werden, dass Plutarch die Regelung, die vielleicht eher zum Schutz der kräftigen Kinder gedacht war, missverstanden hat. Die Spartaner unterschieden sich von den übrigen Griechen, indem sie auch die Erziehung der jungen Mädchen, in der Sport eine wichtige Rolle spielte, staatlich regelten. Frauen waren hier mehr geachtet und rechtlich bessergestellt als anderswo im antiken Griechenland; so konnten sie etwa auch Grundbesitz erwerben. Freilich war die wichtigste Rolle, die den spartanischen Frauen zukam, die der Mütter neuer Krieger. Dies verdeutlicht auch eine Anekdote, die Plutarch überliefert. Gorgo, die Tochter des spartanischen Königs Kleomenes und Ehefrau des Königs Leonidas, von der gleich noch einmal die Rede sein wird, soll einer Athenerin auf die Frage, warum die Spartanerinnen über ihre Männer herrschten, geantwortet haben: „Wir sind die einzigen, die echte Männer gebären!“ Obwohl von der lakedaimonischen Obrigkeit – unter Berücksichtigung bestimmter Regeln und Normen – homosexuelle Verbindungen zwischen älteren Bürgern und jungen Knaben gefördert wurden, da man solchen Beziehungen einen großen pädagogischen Wert beimaß, stand auch die Ehe in hohem Ansehen; es bestand sogar eine gewisse Pflicht zu heiraten (Plutarch berichtet dabei allerdings von befremdlichen Sitten bei der Hochzeit, die einem Raub nachvollzogen gewesen sein soll). Die antike Tradition bringt die Ordnung des lakedaimonischen Staatswesens mit dem mythischen Gesetzgeber Lykurgos zusammen, der die Verfassung seines Staates durch ein Orakel im Apollonheiligtum von Delphi erhalten haben soll. Neben den Vollbürgern, die sich selbst – trotz aller sozialen Unterschiede – Homoioi („die Gleichen“) nannten, existierte die Gruppe der Perioiken

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(„Umwohner“). Wie der Status dieser Perioiken, die im gesamten lakedaimonischen Staatsgebiet in eigenen Gemeinden lebten, entstanden ist, kann nicht mehr mit Sicherheit nachvollzogen werden. Die Perioiken waren zwar persönlich frei, den Spartanern aber zur Heeresfolge verpflichtet und von jeglicher politischen Mitbestimmung ausgeschlossen. Insgesamt scheinen sie – worauf ihre stete Loyalität und das Ausbleiben von Aufständen hindeuten – mit ihrer Lage aber recht zufrieden gewesen zu sein. Dies gilt nicht für die Heloten. Deren Lage unterschied sich zwar von jener der Sklaven in anderen Teilen Griechenlands, da sie mit ihren Familien in einer gewissen Unabhängigkeit leben und frei wirtschaften konnten und auch nicht verkauft (aber auch nicht von ihrem Herrn einfach freigelassen) werden konnten. Sie waren aber an ihr Land gebunden, hatten die Hälfte ihrer Erträge an ihre Herren abzuliefern und waren deren Willkür und Terror ausgeliefert. Neben ständigen Erniedrigungen hatten die Heloten Plutarch zufolge auch unter der Einrichtung der sogenannten krypteía zu leiden, in deren Zug junge Spartiaten des Nachts jeden Heloten getötet haben sollen, dessen sie habhaft wurden. Legitimiert wurde die Gewalt gegen die Heloten durch eine jährliche rituelle Kriegserklärung der Spartaner, die durch ihren Terror den Heloten jedwede gesellschaftliche und rechtliche Integration verwehren wollten; die Antriebskraft aller Maßnahmen der Spartaner war ihre Angst vor den Heloten, die den Vollbürgern gegenüber deutlich in der Mehrzahl waren. Bemerkenswerterweise kamen – zumindest in Notsituationen – Heloten dennoch als Kombattanten im spartanischen Heer zum Einsatz (so etwa in der noch zu besprechenden Schlacht von Plataiai im Jahr 479 v. Chr.). Solche Heloten, die sich im Kriegseinsatz bewährten, wurden – zumindest im späten 5. Jahrhundert v. Chr. – emanzipiert. Um 400 v. Chr. kam es dann auch zur Einführung der Institution der Neodamodeis, der „neu dem Damos („Volk“) angeglichenen“, das heißt freigelassenen Heloten, die dann ins Heer aufgenommen wurden. Nur am Rande seien hier zwei weitere Bevölkerungsgruppen erwähnt: die Hypomeiones (wohl ehemalige Vollbürger, die verarmt waren und deshalb ihr Bürgerrecht verloren hatten) und die Mothakes (wohl Kinder aus Verbindungen zwischen Vollbürgern und Perioiken beziehungsweise Heloten). Der straff organisierte kommunitäre Lebensstil der Spartaner, wie er hier nur kurz skizziert wurde, ist eine Entwicklung des 6. Jahrhunderts v. Chr.; davor war Sparta eine durchaus offene und den Künsten wohlgesinnte Polis. In der Keramikproduktion sowie in der Herstellung von Kleinkunst wurde ein beachtliches Niveau erreicht, und spartanische sowie von auswärts zu-

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gezogene Musiker und Dichter – wie der schon erwähnte, aus Lesbos stammende Lyriker Terpandros – wirkten in der Stadt. Als prominentester in Sparta lebender Künstler kann der – ursprünglich vielleicht aus Kleinasien stammende – Dichter Alkman gelten, der älteste uns bekannte Verfasser von griechischer Chorlyrik, der während der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts v. Chr. lebte. Im 6. Jahrhundert v. Chr. erlosch dann aber das künstlerische Interesse, die Lakedaimonier schotteten sich immer mehr von den übrigen Griechen ab und konzentrierten sich stark auf die militärischen Belange. Was für diesen einschneidenden Wechsel den Ausschlag gegeben hat, ist unklar. Als Aristagoras aus Milet jedenfalls nach Sparta kam, waren Kleomenes I. und Demaratos Könige von Sparta. Die Thronbesteigung des ersteren scheint dabei nicht problemlos verlaufen zu sein. Herodot berichtet, dass Anaxandrides, der Vater des Kleomenes, mit seiner ersten Frau keine Kinder bekam. Da ihn die Ephoren und Geronten dazu drängten, nahm er dann eine zweite Frau (was eigentlich nicht der spartanischen Sitte entsprach), die kurz darauf von ihm schwanger wurde und eben jenen Kleomenes gebar. Nun wurde aber auch seine erste Frau schwanger und gebar ihm einen weiteren Sohn namens Dorieus (und später noch zwei Söhne, Kleombrotos und Leonidas). Nach dem Tode des Anaxandrides erhob nun dieser Dorieus als Sohn der „Hauptfrau“ Anspruch auf den Thron, doch die Ephoren entschieden zugunsten des Kleomenes, weil dieser der ältere war, worauf Dorieus Sparta verließ, Kolonisten erst nach Libyen und schließlich nach Sizilien führte, wo er dann umkam. Kleomenes stand im Ruf, nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gestanden zu haben; insbesondere am Ende seines Lebens soll er schwachsinnig geworden sein. Dies scheint aber ein Gerücht zu sein, das nach seinem Tod lanciert wurde. Die ehrgeizige und offensive Politik des Kleomenes zeigt dafür zumindest keinerlei Anzeichen. Herodot schildert das Zusammentreffen zwischen dem lakedaimonischen König und dem ehemaligen milesischen Tyrannen folgendermaßen: der Tyrann von Milet, kam also nach Sparta, wo Kleomenes ❯ Aristagoras, herrschte. Wie die Lakedaimonier erzählen, hatte er zu den Verhandlungen eine eherne Tafel mitgebracht, auf der der ganze Erdkreis, alle Meere und Flüsse eingeschnitten waren. Vor dem König sagte Aristagoras Folgendes: „Kleomenes, wundere dich nicht über meinen Eifer, mit dem ich hier

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erschienen bin. Unsere Lage ist so: Es ist eine Schmach und der größte Schmerz für uns selbst und unter anderen auch für euch, dass die Söhne Ioniens Sklaven statt freie Männer sind. Ihr geltet ja als die führende Stadt in Griechenland. Darum beschwören wir euch bei den Göttern der Griechen: Rettet die blutsverwandten Ionier aus der Knechtschaft! Das kann euch leicht gelingen. Die Barbaren sind schlechte Soldaten; ihr aber nehmt im Kriegswesen wegen eurer Tapferkeit die höchste Stelle ein. Die Kampfesweise der Barbaren ist folgende: Sie tragen Bogen und kurze Lanzen und ziehen in Hosen und mit spitzen Turbanen auf dem Kopf in den Kampf. So könnt ihr leicht mit ihnen fertig werden. Es gibt aber auch allerlei Brauchbares für die Bewohner jenes Landes, vom Gold angefangen, Silber, Erz, bunte Stoffe, Zugtiere und Sklaven wie nicht einmal für alle anderen zusammen. Das alles gehört euch, wenn ihr mit ganzem Herzen einwilligt. HERODOT 5,49



In dieser Schilderung des Herodot versucht Aristagoras zunächst, an ein griechisches Gemeinschaftsgefühl zu appellieren; es sei auch für die Spartaner kaum zu ertragen, dass ihre Blutsverwandten dem Perserkönig untertan sein müssten. Dieses von Herodot postulierte Gemeinschaftsgefühl ist aber anachronistisch. Die Griechen der archaischen Zeit sahen sich nämlich in erster Linie als Bürger ihrer Heimatstadt. Erst nach den Perserkriegen kam es zur Herausbildung einer wirklichen griechischen Identität und eines ausgeprägten Panhellenismus sowie in Verbindung damit zur „Erfindung“ des Barbaren, dessen Bild freilich erst später, um die Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr., jene pejorativen Züge annimmt, die etwa Herodot vermittelt. Dann soll Aristagoras an den kriegerischen Stolz der Lakedaimonier, die als die größte griechische Kriegsmacht galten, appelliert und die Perser als leicht zu besiegender Gegner charakterisiert haben. Schließlich versuchte er Kleomenes angeblich noch mit der Aussicht auf reiche Beute zu verlocken. Herodot zufolge wollte sich der spartanische König aber nicht gleich für oder gegen eine Unterstützung der ionischen Aufständischen entscheiden, sondern vertagte seinen Entschluss. Am dritten Tag soll er dann Aristagoras gefragt haben, wie weit denn der Perserkönig von der ionischen Küste entfernt sei, und als dieser wahrheitsgemäß antwortete, dass es bis Susa ein dreimonatiger Marsch sei, schickte Kleomenes den Milesier weg. Freilich ist es unwahrscheinlich, dass Aristagoras dem Kleomenes tatsächlich einen Angriff auf Susa nahelegen wollte. Jedenfalls unternahm der Milesier in der Darstellung Herodots noch einen letzten Versuch, seinen Verhandlungspartner umzustimmen:

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aber ergriff des Schutzflehenden Zeichen und nahm in das Haus ❯ Aristagoras des Kleomenes seine Zuflucht. Er trat ein und bat Kleomenes als Schutzflehender um Gehör. Zuerst möge er jedoch das Kind hinausschicken; neben Kleomenes stand nämlich seine Tochter Gorgo, sein einziges Kind, im Alter von acht oder neun Jahren. Kleomenes forderte ihn auf, seine Wünsche ohne Rücksicht auf das Kind vorzutragen. Da versprach Aristagoras ihm zuerst zehn Talente, wenn er seine Bitte erfülle. Als Kleomenes ablehnte, steigerte Aristagoras sein Angebot, bis er ihm schließlich 30 Talente versprach. Da rief das Kind aus: „Vater, der Fremde wird dich bestechen, wenn du nicht sofort weggehst!“ Froh über die Warnung des Mädchens zog sich Kleomenes in ein anderes Zimmer zurück, und Aristagoras verließ Sparta endgültig. HERODOT 5,51



Aristagoras war in Sparta mit seinem Ansinnen also gescheitert. Dies lag sicher nicht daran, dass die Spartaner an der politischen Entwicklung in Kleinasien nicht interessiert gewesen wären. Die spärlichen Nachrichten, die uns für die spartanische Außenpolitik des 6. Jahrhunderts v. Chr. zur Verfügung stehen, bezeugen eher das Gegenteil: So waren die Lakedaimonier bereits mit dem lydischen König Kroisos verbündet gewesen, als dieser gegen Kyros zog, ohne ihm freilich rechtzeitig helfen zu können. Nach dem Ende des Lyderreiches sollen die Spartaner Kyros aufgefordert haben, die ionischen Griechenstädte nicht anzugreifen, was von einer Unkenntnis der militärischen Stärke der Perser genauso kündet wie von beachtlichem Selbstvertrauen. Um 525 v. Chr. unternahmen die Lakedaimonier auf einen Hilferuf samischer Oppositioneller hin gemeinsam mit den Korinthern eine militärische Operation gegen den Tyrannen Polykrates, die allerdings scheiterte; im Anschluss daran stürzten sie freilich den naxischen Tyrannen Lygdamis. Kleomenes wollte aber offensichtlich das Risiko einer militärischen Offensive gegen die Perser nicht eingehen, zumal abzusehen war, dass diese Auseinandersetzung vornehmlich auf See ausgetragen würde und die Lakedaimonier über keine adäquate Flotte verfügten.

Athen Der Milesier Aristagoras wandte sich auf der Suche nach einem Verbündeten nun nach Athen, das eine ganz andere Entwicklung erlebt hatte als Sparta und sich nun in einer völlig unterschiedlichen Lage befand.

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Athen war bereits früh ein blühendes Gemeinwesen, dessen Wohlstand sich neben dem Handwerk (z. B. der Keramikproduktion) und dem Handel vor allem auf die Landwirtschaft gründete. Die politische Macht lag in den Händen der aristokratischen Oberschicht, deren Angehörige die führenden Ämter bekleideten. Wichtigster Amtsträger seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. war der für ein Jahr gewählte eponyme (das heißt dem Amtsjahr seinen Namen gebende) Archon, der dem Rat und dem Gericht vorstand und die Volksversammlungen leitete. Ihm zur Seite stand der Polemarch (polémarchos), der das Heer anführte und von einem nicht näher bekannten Zeitpunkt an auch für die Rechtsangelegenheiten der in Athen ansässigen Fremden zuständig wurde (in klassischer Zeit war das seine Hauptaufgabe). Verantwortlich für die sakralen Belange des Staatswesens – wie die Durchführung von Opfern oder die Leitung von Festen – war der Basileus („König“). Zusätzlich zu diesen drei Oberämtern gab es die sechs Thesmotheten („Rechtssetzer“). Alle diese Funktionäre, die in der Regel als die neun Archonten bezeichnet werden, wurden vom Adelsrat (Areopag) bestimmt, dem sie auch nach Ablauf ihrer Amtszeit auf Lebenszeit angehörten. Die Volksversammlung, der alle freien Polisbürger angehörten, entschied über Fragen von Krieg und Frieden sowie über diverse politische und kultische Angelegenheiten. In den Jahren um 600 v. Chr. erlebte die Stadt eine schwere wirtschaftliche und soziale Krise. Ein Anzeichen dieser Krise war es, dass viele der Kleinbauern verarmt waren, sich hoch verschulden und ihre Grundstücke verpfänden sowie einen bestimmten Anteil ihrer Ernteerträge an die Gläubiger abliefern mussten. Immer häufiger kam es dabei vor, dass Schuldner ihre Außenstände nicht mehr begleichen konnten, in Schuldknechtschaft gerieten und sogar als Sklaven ins Ausland verkauft wurden. Um diese Missstände zu beheben, die auch mit einer gravierenden politischen Krise einhergingen, bestellten die Athener den adeligen Solon (ca. 640– 560 v. Chr.) zum diallaktés („Schiedsrichter“) und beauftragten ihn, Lösungen für die anstehenden Probleme zu suchen. Tatsächlich nahm Solon nun ein umfassendes Reformprogramm in Angriff, zu dessen zentralen Punkten die sogenannte seisáchtheia („Lastenabschüttelung“) zählte, womit eine Tilgung der Schulden und eine Rückgabe der verpfändeten Grundstücke gemeint war; plakative Geste dieser Rückgabe war das Herausreißen der sogenannten hóroi, der Schuldsteine, die auf den entsprechenden Ländereien aufgestellt waren. Außerdem führte er die in die Sklaverei verkauften Athener in ihre Heimat zurück und verbot hinkünftig die Schuldknechtschaft. Dazu kam

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eine umfassende Neuordnung der Polisinstitutionen, die Regelung des Zugangs der Bürger zu den Ämtern sowie eine Neueinteilung der Bürgerschaft nach dem Einkommen in vier Zensusklassen (Timokratie). Daneben wird mit Solon eine Vielzahl von Bestimmungen und Gesetzen in Verbindung gebracht (wie so häufig mit großen Gestalten), doch sind zahlreiche dieser Regelungen erst in späterer Zeit getroffen worden. Deutlich wird dies etwa bei der Solon zugeschriebenen Münzreform, da es in Athen zu dieser Zeit noch gar keine Münzen gab. Es wird ihm auch nachgesagt, er habe in Athen das erste öffentliche Bordell eingerichtet, in dem Sklavinnen ihren Dienst verrichteten. Zu den authentischen Verordnungen gehören wohl das Ausfuhrverbot von Nahrungsmitteln außer Getreide sowie Bestimmungen zum Erbrecht und zum Brunnenbau. Besonders interessant ist, dass Solon seine politischen Leistungen selbst in Gedichten darlegte und rechtfertigte, die bei späteren Autoren, etwa in der dem Aristoteles zugeschriebenen Verfassung der Athener, zumindest teilweise überliefert sind: Volke gab ich so viele Rechte, wie für es genügen; von seiner Ehre ❯ Dem nahm ich ihm nichts, noch streckte ich selbst die Hand danach aus; die die Macht hatten und wegen ihres Reichtums bewundert wurden, auch ihnen sagte ich, sie würden nicht Ungebührliches haben. Fest stand ich und hielt über beide meinen starken Schild; dass eine Partei ungerecht siegte, das ließ ich nicht zu. […] Die aber kamen um zu rauben, hatten große Hoffnungen; jeder von ihnen glaubte, er werde zu großem Reichtum gelangen, und ich würde trotz meiner sanften Worte einen rauen Willen zeigen. Leichtfertig lachten sie damals, jetzt aber zürnen sie mir und schauen mich alle misstrauisch an, als ob ich ihr Feind wäre. Das ist nicht recht; denn was ich sagte, führte ich mit Hilfe der Götter aus. Nichts tat ich vergeblich; etwas durch tyrannische Gewalt zu erreichen, sagt mir nicht zu, und ebenso wenig, dass die Schlechten den gleichen Anteil an der fruchtbaren Erde des Vaterlandes haben wie die Edlen. […] Welches von den Vorhaben, wegen derer ich das Volk versammelte, habe ich aufgegeben, bevor es erreicht war? Zeugin dafür möge mir vor dem Richterstuhl der Zeit die größte und beste Mutter der olympischen Götter sein, die schwarze Erde, aus der ich einst die überall eingesetzten Schuldscheine herausriss; ehedem war sie versklavt, nun aber ist sie frei. Viele führte ich nach Athen zurück, in das von Gott geschaffene Vaterland: Der eine war unrechtmäßig, der andere rechtmäßig verkauft worden, andere waren aus nackter Not geflohen; die attische

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Sprache war ihnen nicht mehr geläufig, da sie vielerorts umherirrten. Die aber hier im Lande in schmachvoller Knechtschaft lebten und vor den Launen ihrer Herren zitterten, sie machte ich zu Freien. Das erreichte ich durch meine Macht, indem ich Zwang und Recht verband, und führte es zu Ende, wie ich es versprochen hatte. Gesetze schrieb ich, gleichermaßen für Hoch und Niedrig, für jeden schuf ich gerades Recht. Ein anderer, der wie ich die Knute ergriffen hätte, ein schlechter Ratgeber und habgieriger Mann, hätte das Volk nicht niederhalten können; wenn ich mir nämlich zu eigen gemacht hätte, was den Gegnern des Volkes damals gefiel, oder wiederum, was die anderen gegen diese vorhatten, dann wäre diese Polis vieler Männer beraubt worden. Deshalb wandte ich mich nach allen Seiten zum Kampf und drehte mich hin und her wie ein Wolf unter vielen Hunden. VERFASSUNG DER ATHENER 12



Nachdem er seine Aufgabe erfüllt hatte, legte Solon seine Ämter nieder und verließ Athen. Seine Reisen sollen ihn nach Ägypten und an den Hof des Lyderkönigs Kroisos in Sardeis geführt haben, wovon ja bereits die Rede war. In seinem Bemühen, die inneren Spannungen in Athen langfristig zu beseitigen, ist Solon freilich gescheitert. Schon kurz nach seiner Amtszeit kam es zu Unregelmäßigkeiten in der Besetzung des Oberamtes, und ab 560 v. Chr. versuchte Peisistratos eine Gewaltherrschaft über Athen zu erlangen, was ihm im dritten Anlauf im Jahr 546 v. Chr. auch endgültig gelang. Die Zeit der Tyrannenherrschaft bedeutete für Athen kein Unglück; die Tyrannis des Peisistratos gilt vielmehr als eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit (der aktive Beitrag des Gewaltherrschers zu dieser Blüte wird freilich unterschiedlich eingeschätzt). So beurteilt auch Aristoteles in der Verfassung der Athener die Tyrannis des Peisistratos aufgrund von dessen menschenfreundlicher und milder Art als durchaus maßvoll und zum Nutzen der Polis und vergleicht sie sogar mit dem (Goldenen) Zeitalter des Kronos! Im Jahr 527 v. Chr. starb Peisistratos eines friedlichen und natürlichen Todes; die Herrschaft ging auf seinen ältesten Sohn Hippias über. Spätestens als im Jahr 514 v. Chr. der jüngere Bruder des Hippias, Hipparchos, durch das Liebespaar Harmodios und Aristogeiton ermordet worden war (obwohl der Grund für das Attentat ein privater war, erlangten die beiden als Tyrannenmörder später großen Ruhm), verschärfte sich das Regime. Trotzdem konnte sich Hippias nur mehr wenige Jahre an der Macht halten. Am Sturz des Peisistratiden (d. h. Nachkommen des Peisistratos) waren entscheidend die Sparta-

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ner beteiligt. Warum sie in die politischen Verhältnisse in Athen eingriffen, bleibt letztendlich unklar. Kaum wird es ihnen um die Beseitigung der Tyrannis aus prinzipiellen Gründen gegangen sein, eher scheint die politische Nähe des Hippias zu den Persern beziehungsweise zu persischen Verbündeten eine gewisse Rolle gespielt zu haben. Nachdem bereits im Jahr 511 v. Chr. ein kleineres spartanisches Heer unter der Leitung eines gewissen Anchimolios nach seiner Landung in Phaleron von den thessalischen Hilfstruppen des Hippias zurückgeschlagen werden konnte, zog im folgenden Jahr eine größere lakedaimonische Armee unter der Führung des Königs Kleomenes gegen Athen. Diesem gelang es, den Tyrannen, der sich auf der athenischen Akropolis verschanzt hatte, zur Kapitulation und zum Abzug zu zwingen. Die Spartaner wollten nun in Gestalt des attischen Aristokraten Isagoras einen von Sparta abhängigen Regenten in Athen installieren. Isagoras gelang es auch, die Wahlen zum eponymen Archon des Jahres 508 v. Chr. zu gewinnen. Sein politischer Gegner Kleisthenes, der dieses Amt wohl bereits 525 v. Chr. innegehabt hatte und dessen Kandidat dem Isagoras unterlegen war, konterte nun aber mit dem Vorschlag einer umfassenden Reform des athenischen Staates. Damit gewann er eine große Anhängerschaft, die der Partei des Isagoras weit überlegen war. Dieser wollte freilich jene politische Wende nicht so einfach hinnehmen und wandte sich um Hilfe an die Spartaner. Kleomenes verlangte von den Athenern, Kleisthenes auszuweisen, und berief sich dabei auf den sogenannten Kylonischen Frevel. Dieser politische Skandal lag zu dem Zeitpunkt bereits mehr als hundert Jahre zurück, konnte aber offenbar immer noch als Argument verwendet werden. Etwa im Jahr 630 v. Chr. versuchte der Olympiasieger Kylon, ein Schwiegersohn des Theagenes, des Tyrannen von Megara, durch einen Staatsstreich die Macht in Athen an sich zu reißen. Das Unternehmen scheiterte, wobei im Rahmen der Abwehr des Putsches der genannte Frevel begangen wurde. Kylon und seine Anhänger – nach einer zweiten Überlieferung nur seine Anhänger – wurden nämlich hingerichtet, obwohl sie sich in das Asyl des Athena-Heiligtums auf der Akropolis geflüchtet beziehungsweise am Altar der Eumeniden niedergelassen hatten, nachdem sie unter falschen Versprechungen von ihrem Zufluchtsort weggelockt worden waren. Die Verantwortung dafür trug der damalige Oberbeamte, Megakles aus der Familie der Alkmaioniden, die daraufhin mit Verbannung aus Athen bestraft wurde. Dieser Familie, die später wieder in die Stadt zurückkehren durfte, gehörte eben auch Kleisthenes an, der nun seinerseits freiwillig mit seinen Anhängern Athen verließ.

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Nun marschierte der spartanische König mit einer unbedeutenden Truppe in Athen ein und ließ weitere Anhänger des Kleisthenes vertreiben. Als aber Isagoras den Rat der Vierhundert, ein von Solon begründetes Gremium, stürzen und durch einen Rat mit 300 ihm ergebenen Mitgliedern ersetzen wollte, kam es zum Volksaufstand in Athen. Nach drei Tagen, während derer sie auf der Akropolis belagert wurden, mussten Isagoras und seine Anhänger sowie Kleomenes und die lakedaimonischen Soldaten die Stadt verlassen. Kleisthenes kehrte nun auch zurück, wie Herodot berichtet: riefen die Athener Kleisthenes und die 700 Familien zurück, die von ❯ Danach Kleomenes vertrieben worden waren, und schickten Boten nach Sardeis, um mit den Persern ein Bündnis zu schließen. Sie hatten das Bewusstsein, dass sie mit den Spartanern und Kleomenes arg verfeindet seien. Als die Boten in Sardeis ankamen und ihren Auftrag ausrichteten, fragte der Satrap von Sardeis, Artaphernes, der Sohn des Hystaspes, was für ein Volk es denn sei und wo es wohne, das da bitte, Bundesgenosse der Perser zu werden. Die Boten gaben ihm Bescheid. Da fertigte er sie kurz und bündig ab: Wenn die Athener dem König Dareios Erde und Wasser gäben, versprach er ihnen ein Bündnis. Täten sie dies nicht, forderte er sie auf, sich zu entfernen. Da sagten die Boten auf eigene Verantwortung, sie gäben beides, weil sie doch das Bündnis gern abschließen wollten. Als sie aber in ihre Heimat zurückkehrten, machte man ihnen deswegen schwere Vorwürfe. HERODOT 5,73



Auch wenn die Athener das Verhandlungsergebnis nicht anerkannten, in den Augen der Perser waren die Athener nun Vasallen des Großkönigs. Dass die Verhandlungsergebnisse nicht ratifiziert wurden, bedeutete eine Brüskierung des Artaphernes und des persischen Staates. In Griechenland kümmerte dies freilich noch niemanden. Der in seine Heimatstadt zurückgekehrte Kleisthenes ging nun vielmehr daran, seinen Reformplan in die Tat umzusetzen. Dieser umfasste zunächst einmal eine Neuorganisation der attischen Gemeinden, der Demen, die die Grundlage der staatlichen Organisation bildeten. Auf der Ebene dieser Demen, die über eigene Beamten verfügten und ihre eigenen Kulte feierten, wurden die Bürgerlisten geführt, die Wehrpflichtigen ausgehoben sowie die Kandidaten für höhere politische Ämter und die Richter gewählt; die Bedeutung, welche die jeweilige Demenzugehörigkeit für jeden einzelnen Athener hatte, zeigt der Umstand, dass dieses zum Bestandteil des Namens eines Atheners wurde (Demotikon).

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In einem zweiten Schritt wurde Attika in die drei territorialen Zonen Asty („Stadt“), Mesogeia („Binnenland“) und Paralia („Küste“) unterteilt, während die Bevölkerung in zehn neue Phylen gegliedert wurde, die jeweils aus drei Regionen (Trittyen) aus einer der drei Landschaftszonen bestanden. Diese künstlich herbeigeführte Mischung der Bevölkerung sollte wohl unter anderem die alten Gefolgschaften der Aristokraten zerschlagen. Auch regionale Interessen verloren dadurch an Bedeutung, und die in der Stadt Athen tagende Volksversammlung erhielt größeres politisches Gewicht. Die Phylen, die jeweils nach einem attischen Heroen benannt wurden, erfüllten vielfältige politische, militärische und kultische Aufgaben. Besondere Bedeutung kam ihnen bei der Konstituierung des neuen Rates der „Fünfhundert“ zu, der aus je 50 Vertretern aus jeder Phyle gebildet wurde, die in den einzelnen Demen gewählt wurden. Diese 50 Ratsmitglieder bildeten eine sogenannte Prytanie, wobei jede Prytanie für 36 Tage, also ein Zehntel des Jahres, unter dem Vorsitz eines täglich wechselnden Vorsitzenden als geschäftsführender Ausschuss die Ratsgeschäfte wahrnahm. Unverändert blieben die Funktionen der neun regierenden und jährlich gewählten Archonten sowie die Tätigkeit des Areopags, der die Funktionäre überwachte und mit der Rechtsprechung befasst war. Wohl ebenfalls bereits von Kleisthenes eingeführt wurde das sogenannte „Scherbengericht“ (Ostrakismos), ein Mittel zur Verbannung einer unliebsamen beziehungsweise politisch gefährlichen Person auf zehn Jahre, auf das später noch einmal zurückzukommen sein wird. Der spartanische König Kleomenes war indessen nicht gewillt, die politischen Entwicklungen in Athen einfach hinzunehmen. Herodot berichtet, dass der lakedaimonische Herrscher ein Heer versammelte, das sowohl aus Spartanern als auch aus Bundesgenossen von der gesamten Peloponnes bestand, und Richtung Athen zog, ohne die Verbündeten darüber informiert zu haben, dass sich der Feldzug gegen Athen richtete, wo Isagoras als Machthaber installiert werden sollte. In Eleusis soll es dann zum Eklat gekommen sein. Die Korinther sollen das Vorhaben des Kleomenes durchschaut und den Spartanerkönig verlassen haben. Nachdem sich sogar sein Mitkönig Demaratos gegen Kleomenes gestellt hatte, ließen ihn auch alle anderen Bundesgenossen im Stich und kehrten auf die Peloponnes zurück, worauf Kleomenes ebenfalls abziehen musste. In Sparta wurde daraufhin beschlossen, dass die beiden Könige nie mehr gemeinsam eine militärische Aktion leiten dürften, sondern dass immer einer der beiden zu Hause bleiben müsse. Die Athener konnten dann die ebenfalls Attika angreifenden Boioter und Chalkidier nicht nur

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abwehren, sondern auf Euboia sogar Land für 4000 Kolonisten erringen. Für seinen kurz darauf gefassten Plan, den von ihm selbst abgesetzten Tyrannen Hippias wieder in Athen zu installieren, fand Kleomenes keine Verbündeten. Damit war die politische Lage gefestigt, und die Athener waren wieder zu einer – zumindest lokalen – Macht geworden. In dieses Athen kam nun Aristagoras, nachdem er bei Kleomenes in Sparta mit seiner Bitte um Unterstützung des Aufstandes der kleinasiatischen Griechen auf taube Ohren gestoßen war. Hier war seinem Anliegen eine bessere Aufnahme beschieden, was – wie Herodot kritisch anmerkt – durchaus mit der politischen Situation vor Ort zu tun hatte: erzählte Aristagoras das Gleiche wie in Sparta ❯ InüberderdieVolksversammlung Reichtümer Asiens und von der persischen Kampfesweise, dass die Perser weder Schild noch Lanze führten und leicht zu besiegen seien. Er fügte noch hinzu, Milet sei eine Kolonie Athens, und es sei recht und billig, sie zu retten; die Macht dazu stehe ihnen zur Verfügung. Er versprach ihnen alles nur Denkbare und bat so lange, bis er sie wirklich überredet hatte. Offensichtlich ist es leichter viele zu täuschen als einen. Bei dem einen Kleomenes in Sparta war es ihm nicht gelungen, bei 3000 Athenern hatte er damit Erfolg. Also ließen sich die Athener überreden und beschlossen, den Ioniern 20 Schiffe zu Hilfe zu schicken. Als Kommandanten setzten sie den in jeder Hinsicht hoch angesehenen athenischen Bürger Melanthios ein. Mit diesen Schiffen begann das Unglück für Griechen und Barbaren. HERODOT 5,97



Warum aber hatte Aristagoras hier mehr Erfolg? Weshalb unterstützten die Athener den Aufstand im weit entfernten Ionien? Eine Reihe von Motiven war dafür wohl ausschlaggebend, wenngleich das Argument, dass Athen als Ausgangspunkt der sogenannten Ionischen Wanderung eine gewisse Verpflichtung gegenüber den ionischen Städten hätte, wohl nicht authentisch sein kann, da diese Tradition vermutlich erst später dominierend wurde. Günstig für das ionische Anliegen war, dass in Athen zu dem Zeitpunkt, als Aristagoras eintraf, gerade eine besonders anti-persische Stimmung herrschte, nachdem Artaphernes die Athener aufgefordert hatte, ihren vertriebenen und zu den Persern geflüchteten Tyrannen Hippias wieder aufzunehmen. Die militärischen Erfolge der jüngsten Vergangenheit hatten zudem das militärische und politische Selbstvertrauen der Athener gesteigert und möglicherweise das

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Bedürfnis geweckt, auf internationaler Ebene als Akteur aufzutreten. Entscheidender war aber sicher der Wunsch, in diesem Unternehmen reiche Beute zu machen. Auch weiterführende ökonomische Interessen hat man vermutet; so mag es durchaus auch eine Rolle gespielt haben, dass attische Waren, von deren Export das Blühen der athenischen Wirtschaft abhing, zu dieser Zeit vor allem durch ionische Schiffe verbreitet wurden.

Der weitere Verlauf des Aufstands Aristagoras kehrte nun, im Frühjahr 498 v. Chr., nach Kleinasien zurück. In Ephesos versammelte sich das Heer der Aufständischen, zu dem nun nicht nur zwanzig Schiffe aus Athen stießen, sondern auch fünf Schiffe aus der euboiischen Stadt Eretria; Eretria war nämlich den Milesiern für deren Waffenhilfe in einem früheren Konflikt gegen die Stadt Chalkis noch einen Gefallen schuldig. Von ephesischen Führern geleitet zog das Heer nun das Kaÿstrostal entlang, überschritt das Tmolosgebirge und nahm in einem Überraschungsangriff die Stadt Sardeis, den Sitz des persischen Satrapen Artaphernes, ein. Dieser konnte sich jedoch in der Burg halten, während die Unterstadt, die nach dem Zeugnis des Herodot vor allem aus Schilf und Lehmziegeln bestand, in Flammen aufging. Dabei wurde auch das dortige Heiligtum der Kybele zerstört; dieser Frevel diente den Persern später als Rechtfertigung für die Zerstörung griechischer Heiligtümer. Als nun eine persische Armee nach Sardeis zog, ergriffen die Griechen die Flucht. Bei Ephesos wurden sie jedoch eingeholt und erlitten eine schwere Niederlage. Die Athener und Eretrier zogen sich daraufhin aus den Kampfhandlungen zurück und kehrten trotz wiederholter Bitten des Aristagoras heim nach Griechenland. Der ionische Aufstand war aber ungeachtet dieses massiven Rückschlags noch nicht zu Ende. Die Griechen hatten aus der Niederlage gelernt, dass den Persern zu Lande nur schwer beizukommen war, und verlegten ihre Operationen aufs Meer. Eine ionische Flotte segelte zum Hellespont und brachte Byzantion und andere dortige Städte auf ihre Seite; dann gelang es den Ioniern, auch die Küstenstädte Kariens als Verbündete zu gewinnen. Wie ein Flächenbrand breitete sich die Abfallsbewegung aus und erfasste auch die Städte auf Kypros (Zypern), die sich unter der Führung des Onesilos, des Regenten von Salamis, der seinen pro-persischen Bruder Gorgos abgesetzt hatte, vom persischen Großkönig lossagten.

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Die 498 v. Chr. errungene Freiheit der Kyprier sollte aber nur ein Jahr andauern, denn die Perser reagierten nun auf die Revolte; der Kriegsapparat des Achaimenidenreiches arbeitete langsam, aber gründlich. Beim kyprischen Salamis kam es zu einer erbittert geführten Schlacht, die sowohl zu Lande als auch zu Wasser ausgetragen wurde. Während im Seegefecht die Ionier gegen die phoinikische Flotte des Perserkönigs siegreich blieben, unterlagen die auf Land kämpfenden Kyprier – nicht zuletzt wegen des Verrates des Tyrannen von Kurion – den persischen Truppen. Als die Niederlage offenkundig wurde, verließen die ionischen Schiffe den Ort der Schlacht und zogen sich nach Kleinasien zurück. Auch dort hatten sich die persischen Streitkräfte nach der Rückeroberung von Sardeis gesammelt und unter der Führung von Schwiegersöhnen des Dareios im Jahr 497 v. Chr. eine große Gegenoffensive eröffnet. Am Hellespont befehligte Daurises sehr erfolgreich die persischen Truppen und konnte, wie Herodot kolportiert, jeden Tag eine andere Stadt einnehmen. Als er freilich hörte, dass die Karer den Aufstand unterstützten, verließ er den Hellespont und zog nach Karien. Am Fluss Marsyas fügte er den Karern eine vernichtende Niederlage zu. Die Unterlegenen flüchteten ins Heiligtum des Zeus Stratios („des Heereslenkers“) in Labraunda, um dort die weitere Vorgehensweise zu beraten. Als ihnen die Ionier zu Hilfe kamen, rüsteten sie sich nochmals zum Kampf, erlitten jedoch erneut eine schwere Niederlage. Sie gaben sich aber immer noch nicht geschlagen, und schließlich gelang es ihnen, bei Pedasa das persische Heer in einen Hinterhalt zu locken, in dem Daurises ums Leben kam. Gleichzeitig operierten weitere persische Truppen unter der Führung des Hymaies an der Propontis und konnten Kios einnehmen; nachdem Daurises nach Karien abgezogen war, begab sich Hymaies an den Hellespont und unterwarf die Troas, wo er an einer Krankheit starb. Eine dritte persische Armee unter der Führung des Otanes sowie des Satrapen Artaphernes begann mit der Rückeroberung der Städte in Aiolien und Ionien und nahm die Poleis Klazomenai und Kyme ein. Auf dem Höhepunkt der persischen Gegenoffensive, wohl noch bevor Daurises bei Pedasa in einen Hinterhalt geriet, hielt – zumindest Herodot zufolge – Aristagoras in Milet seine Lage für so hoffnungslos, dass er die Führung der Stadt einem gewissen Pythagoras überließ und sich mit seinen Anhängern nach Thrakien in die Stadt Myrkinos flüchtete, die Histiaios einst vom persischen König erhalten und befestigt hatte. Bei der Belagerung einer anderen thrakischen Stadt kam der Milesier aber kurz darauf ums Leben.

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Histiaios dagegen, der nach Herodot den ganzen Aufstand mitzuverantworten hatte, wurde unterdessen von Dareios nach Ionien geschickt, um die Revolte zu unterdrücken; sein ursprünglicher Plan (wenn er denn existierte) schien also aufzugehen. Als er nach Sardeis kam, begegnete ihm Artaphernes aber mit Misstrauen und hielt ihn, wie Herodot berichtet, für den wahren Urheber des Aufstands. Histiaios bekam es nun mit der Angst zu tun und flüchtete nach Chios. Von dort aus wollte er nach Milet zurückkehren, doch die Milesier waren nun, da Aristagoras geflohen war, nicht mehr gewillt, abermals einen Tyrannen zu akzeptieren. Als Histiaios versuchte, die Macht über seine Heimatstadt mit Gewalt an sich zu reißen, wurde er verwundet und musste wieder nach Chios zurückkehren. Als ihn die Chier nicht weiter unterstützen wollten, wandte er sich an die Lesbier, die ihm mehrere Schiffe zur Verfügung stellten. Als Kriegsherr setzte er sich in Byzantion fest und kaperte Schiffe, die aus dem Schwarzmeerraum kamen. Später sollte er Kriege gegen die Inseln Chios und Thasos führen, ehe er schließlich im Jahr 493 v. Chr. in persische Hände geriet und von Artaphernes – durchaus gegen den Willen des Großkönigs, der nach wie vor große Stücke auf den Ionier hielt – gekreuzigt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war bereits die Entscheidung im Unabhängigkeitskampf der Ionier gefallen. Die persischen Kommandeure hatten ihre Truppen vereinigt und zogen mit einer gewaltigen Streitmacht zu Lande sowie einer aus Phoinikern, Kyprern, Kilikern und Ägyptern gebildeten Flotte gegen Milet. Im Herbst des Jahres 494 v. Chr. kam es bei der kleinen, Milet vorgelagerten Insel Lade zur entscheidenden Seeschlacht, da die Ionier beschlossen hatten, sich auf den Kampf zu Wasser zu konzentrieren. Herodot gibt einen Überblick über die Stärke der beiden Gegner: erschienen die Ionier mit ihren bemannten Schiffen, dazu auch die ❯ Nun Aioler von Lesbos. Sie nahmen folgende Aufstellung: Auf dem Flügel nach Osten standen die Milesier selbst mit ihren 80 Schiffen; daran schlossen sich Priene mit zwölf und Myous mit drei Schiffen an. Auf Myous folgte Teos mit 17 Schiffen, daran schloss sich Chios mit 100 an. An ihrer Seite lagen die Erythraier und Phokaier, jene mit acht, diese mit drei Fahrzeugen. An die Phokaier schlossen sich die Lesbier mit 70 Schiffen an; den Abschluss im Westen bildeten die Samier mit 60 Schiffen. Es waren zusammen 353 Trieren. Diese Schiffe gehörten den Ioniern. Bei den Barbaren betrug die Schiffszahl 600. HERODOT 6,8F.

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Die Perser versuchten trotz ihrer numerischen Überlegenheit, den beinahe schon sprichwörtlichen griechischen Partikularismus auszunutzen und die einzelnen Poleis dazu zu bringen, ihre Landsleute zu verraten. Sie bedienten sich dabei der vertriebenen Tyrannen, die sich 499 v. Chr. zu den Persern geflüchtet hatten und ihren Landsleuten nun versprachen, dass sie im Falle ihres Überlaufens keinerlei Nachteile zu befürchten hätten. Vorerst gingen die Griechen auf dieses Angebot jedoch nicht ein. Die Ionier wählten zu ihrem Oberkommandierenden Dionysios von Phokaia, der sich mit folgenden Worten an seine Mitstreiter gewandt haben soll: Schicksal steht auf des Messers Schneide, Ionier; entweder werden ❯ „Unser wir frei sein oder Knechte werden, und dazu noch entlaufene. Wenn ihr bereit seid, Strapazen auf euch zu nehmen, werdet ihr im Augenblick freilich schwer daran tragen; habt ihr aber erst die Gegner besiegt, so könnt ihr frei werden. Wenn ihr aber in Trägheit und Disziplinlosigkeit verharrt, sehe ich keine Hoffnung für euch, euch der Strafe des Königs für den Abfall zu entziehen. Gehorcht mir also und vertraut euch mir an! Ich verspreche euch, dass dann die Feinde, wenn die Götter nicht Partei ergreifen, den Kampf gar nicht erst wagen oder, wenn sie wirklich angreifen, völlig unterliegen werden.“ HERODOT 6,11



Als es schließlich zur Schlacht kam, erlitten die Griechen allerdings eine vernichtende Niederlage, nicht zuletzt deswegen, weil die Samier die gemeinsame Sache verrieten und die Flucht antraten; ihnen folgten die Lesbier und andere Ionier. Nach ihrem Sieg im Seegefecht belagerten die Perser Milet zu Wasser und zu Lande und eroberten schließlich die Stadt. Die meisten Männer von Milet wurden getötet, die Frauen und Kinder versklavt. Die Gefangenen deportierte man an die Mündung des Tigris. Das Heiligtum des Apollon in Didyma mitsamt seinem Orakel wurde zerstört. Die größten Verluste in der Schlacht von Lade hatten die Chier erlitten, die einen Großteil ihrer Schiffe verloren. Die überlebende Besatzung der beschädigten Schiffe versuchte sich, wie Herodot überliefert, von Mykale aus landeinwärts durchzuschlagen und den Verfolgern zu entkommen: sie auf ihrem Weg in die Gegend von Ephesos kamen – sie gelangten ❯ Als nachts dorthin, und die Frauen feierten gerade das Fest der Thesmophorien –, hielten sie die Ephesier durchaus für Räuber, die die Frauen wegholen

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wollten. Sie hatten ja noch nichts von dem Schicksal der Chier gehört und sahen nur eine Kriegsschar, die in ihr Land gedrungen war. So rückte das ganze Volk von Ephesos zu Hilfe aus und erschlug die Chier. HERODOT 6,16



Dass die Ephesier ihre auf der Flucht befindlichen Landsleute für Räuber gehalten hätten, mutet freilich recht unglaubwürdig an. Vielmehr scheint es so zu sein, dass die Bewohner von Ephesos, die anfangs dem Aufstand durchaus wohlwollend gegenübergestanden hatten, relativ bald, vielleicht im Zuge der persischen Gegenoffensive von 497 v. Chr., die ionische Sache aufgegeben und sich wieder auf die persische Seite geschlagen haben. Zur Schlacht von Lade entsandte die Stadt am Kaÿstros dementsprechend auch keine Truppen. Die Perser belohnten diese Loyalität und ließen das Artemisheiligtum von Ephesos im Gegensatz zu anderen griechischen Tempeln in Kleinasien unangetastet. Nach dem Fall Milets eroberten die Perser Karien zurück, im darauffolgenden Jahr die restlichen Städte des kleinasiatischen Festlandes und die vorgelagerten Inseln. Zwar hielten die Perser zunächst ein Strafgericht über die abtrünnigen Städte – Herodot berichtet von Zerstörungen und Menschenjagden –, im Anschluss bemühten sie sich aber um eine Konsolidierung der Verhältnisse. Artaphernes ließ das Land neu vermessen und stellte das Abgabensystem auf eine neue Grundlage, wobei er die Tribute aber nicht erhöhte. Der Feldherr Mardonios soll die noch herrschenden Tyrannen in den Griechenstädten abgesetzt und „Demokratien“ eingeführt haben. Offensichtlich hatten die Perser die Unzufriedenheit mit den Gewaltherrschern als wesentliche Ursache der Erhebung erkannt.

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4. KAPITEL

5. K A P I T E L

Der erste persische Angriff auf Griechenland

Der Mardonioszug Nachdem er die Angelegenheiten in den ionischen Städten geregelt hatte, begab sich Mardonios, ein Schwiegersohn des Dareios, an den Hellespont, versammelte dort eine Flotte und ein Landheer und setzte nach Europa über. Herodot berichtet über seine Absichten: Zug galt Eretria und Athen. Doch dienten diese beiden Städte nur als ❯ Der Vorwand für das Unternehmen; in Wirklichkeit wollten die Perser so viele griechische Städte wie eben nur möglich unterwerfen.

HERODOT 6,43F.



In der Forschung besteht weitgehende Übereinstimmung darin, dass die Ansicht des Geschichtsschreibers anachronistisch ist. Herodot hat die wahren Hintergründe dieser Expedition des Jahres 492 v. Chr. wohl nicht mehr gekannt. Die Ziele des Mardonios waren nämlich allem Anschein nach viel bescheidener, als der Halikarnassier vermutete. Es war wohl die Aufgabe dieser Mission, die Ordnung in Thrakien wieder herzustellen, das in die Wirren des Ionischen Aufstandes hineingezogen worden war. Auch sollte wohl der achaimenidische Einfluss in Makedonien, das ein persischer Vasallenstaat war, gesichert werden. Ein Unternehmen, das auf die Unterwerfung größerer Teile Griechenlands abzielte, hätte viel sorgfältiger geplant werden müssen; ein

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größeres Heer wäre dafür nötig gewesen, und außerdem war die Jahreszeit dafür schon zu fortgeschritten. Herodot berichtet, dass die Perser zunächst die Insel Thasos eroberten. Als die Flotte aber das Athos-Gebirge umrunden wollte (möglicherweise bereits auf der Rückfahrt nach Kleinasien), geriet sie in einen fürchterlichen Sturm. Zahlreiche Schiffe wurden an die Felsen geworfen und sanken, unzählige Seeleute ertranken oder erfroren im kalten Wasser. Das Landheer wurde anschließend von den einheimischen Brygern angegriffen und erlitt schwere Verluste. Dennoch gelang es Mardonios, diesen Stamm zu unterwerfen, ehe er seine Truppen zurückführte.

Der Feldzug unter Datis und Artaphernes Ein Jahr später, 491 v. Chr., schickte der persische Großkönig Boten nach Griechenland, welche die Unterwerfung der Hellenen einforderten: versuchte Dareios, die Absichten der Griechen zu erforschen, ob ❯ Danach sie mit ihm einen Krieg wagen oder sich ergeben wollten. Er schickte also Herolde nach allen Richtungen über ganz Griechenland aus und erteilte ihnen den Auftrag, für den König Erde und Wasser zu fordern. Diese Boten also sandte er nach Griechenland; andere Herolde aber gingen zu seinen abgabepflichtigen Städten am Meer mit dem Befehl, Kriegsschiffe und Transportfahrzeuge für Pferde zu bauen. So rüsteten die Städte; und viele Bewohner des Festlandes gaben den nach Griechenland entsandten Herolden, was der Perser fordern ließ. Auch alle Inseln, die sie mit ihrer Forderung aufsuchten, taten es. HERODOT 6,48F.



Die Athener sollen die persischen Herolde in eine Schlucht geworfen haben, in die üblicherweise zum Tode verurteilte Verbrecher gestürzt wurden, und von den Spartanern berichtet Herodot, sie hätten die Boten des Großkönigs in einen Brunnen gestoßen und aufgefordert, sie sollten von dort unten ihrem Herrn Erde und Wasser bringen. Zu den Inseln dagegen, die der persischen Aufforderung nachkamen, gehörte auch das unweit von Athen im Saronischen Golf gelegene und mit Athen verfeindete Aigina. Nachdem die Aigineten der Aufforderung des Großkönigs Folge geleistet hatten, berichteten die Athener dies den Spartanern, die daraufhin – nach einigen Widerständen – die

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5. KAPITEL

Stellung von aiginetischen Geiseln in Athen erzwangen. Aigina konnte so nicht als ein Brückenkopf für einen persischen Angriff genutzt werden, was die Athener offenbar befürchteten. Auch scheint es angesichts der achaimenidischen Rüstungen zu einem – mehr oder weniger formellen – Bündnis zwischen Athen und Sparta gekommen zu sein. Bei den Persern waren unterdessen die Vorbereitungen für den Angriff angelaufen: schritt der Perserkönig zur Tat. Denn immer wieder erinnerte ihn ❯ Inzwischen der Diener, er solle an die Athener denken. Auch die Peisistratiden setzten ihm zu und verleumdeten die Athener. Außerdem wollte Dareios den Zug gegen Griechenland als guten Vorwand benutzen, um die griechischen Städte, die ihm Erde und Wasser verweigert hatten, zu unterwerfen. Er setzte Mardonios ab, der mit seiner Flotte Unglück gehabt hatte, berief andere Führer und sandte sie gegen Eretria und Athen, den Meder Datis und seinen eigenen Neffen Artaphernes, den Sohn des Artaphernes. Der Befehl, mit dem er sie entsandte, lautete, Athen und Eretria zu verknechten und ihm die Einwohner als Sklaven vorzuführen. HERODOT 6,94



In der althistorischen Forschung wurde immer wieder bezweifelt, dass der Großkönig im Jahr 491 v. Chr. Boten nach Griechenland geschickt habe, die Erde und Wasser als Zeichen der Unterwerfung verlangt hätten; vielmehr vermutete man hier eine Dublette zum Vorgehen des Xerxes zehn Jahre später; davon ist aber nicht zwangsläufig auszugehen. Sicher ist dagegen, dass Dareios nicht eine komplette Unterwerfung Griechenlands plante, auch wenn etwa Plutarch in seiner Lebensbeschreibung des athenischen Feldherrn und Politikers Aristeides eben dies postuliert. Diese Mission hatte ein deutlich bescheideneres Ziel: die Bestrafung von Eretria und Athen, das die Perser als einen abtrünnigen Vasallen betrachteten, für ihre Unterstützung der ionischen Griechen. Gleichzeitig sollte in Athen der zwanzig Jahre zuvor abgesetzte Tyrann Hippias, der sich in persisches Gebiet geflüchtet hatte, wieder als Herrscher eingesetzt werden und persischen Einfluss in Griechenland sicherstellen. Die Geschichte des Dieners, der Dareios immer wieder an die Athener erinnern sollte, ist sicherlich nur eine Anekdote; sie war aber für Herodot, der sie gleich zweimal erwähnt, offenbar von großer Bedeutung. Ihre Aufgabe war es, die Rolle Athens in dieser Auseinandersetzung zu betonen. Platon nennt als Befehl des Dareios an Datis, die Bewohner von Eretria und Athen als Strafe zu versklaven. Gänzlich ins Reich der Legenden gehört natürlich die Anekdote

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im byzantinischen Lexikon der Suda, dass Hippias Dareios wegen dessen Vorliebe für attische Feigen zum Feldzug überredet habe. Das persische Heer, das gegen Griechenland geschickt werden sollte, stand unter der Führung des Artaphernes, des Sohnes und Nachfolgers des Satrapen Artaphernes, von dem bereits wiederholt die Rede war, und des Datis, der als Meder bezeichnet wird; es wurde aber auch vermutet, dass er Perser war und das Amt eines Satrapen in Medien innehatte. Die Truppen sammelten sich in Kilikien und begaben sich von dort – mit einem möglichen Zwischenstopp in Rhodos, den die sogenannte Tempelchronik von Lindos nahelegt – erst nach Samos und dann nach Naxos. Kampflos fiel die Insel in persische Hände, da sich die Griechen beim Nahen der feindlichen Truppen in die Berge flüchteten; die Perser nahmen viele von ihnen gefangen und brannten die Stadt sowie die Heiligtümer nieder. Die Eroberung von Naxos, dessen erfolgreicher Widerstand den Ionischen Aufstand ausgelöst hatte, war für die achaimenidischen Machthaber sicher von ganz besonderer Bedeutung. Danach zog das Heer weiter und brachte die übrigen Kykladeninseln unter seine Kontrolle; die Insel Delos mit ihrem berühmten Apollonheiligtum, wo Datis umfangreiche Opfer darbrachte, wurde allerdings verschont. Schließlich landeten die Perser auf Euboia, wo sich die Stadt Karystos nach kurzer Belagerung ergeben musste. Dann rückte die Armee gegen Eretria vor, das den Angriffen sechs Tage lang widerstand, ehe zwei Verräter ihre Heimat den Persern auslieferten. Auch die dortigen Heiligtümer wurden niedergebrannt, die Bewohner der Stadt versklavt. Herodot erzählt eine unglaubwürdige Geschichte, warum die Athener die Eretrier nicht unterstützt hatten (offenbar wurde dies später als ein Verrat aufgefasst). Platon kolportiert in seinem Dialog Menexenos, dass die Perser systematisch das gesamte Territorium der Stadt durchkämmten, damit ihnen niemand entkäme. Wenn sie dies tatsächlich taten, dann waren sie jedenfalls nicht sehr effektiv, denn zehn Jahre später stellten die Eretrier in der Schlacht von Salamis, wie Herodot berichtet, immerhin sieben Schiffe. Als die Athener vom Fall Eretrias hörten, wussten sie, dass der Angriff auf ihre eigene Stadt kurz bevorstand. Sie schickten daher einen Schnellläufer namens Pheidippides oder Philippides nach Sparta. Dieser erreichte sein Ziel bereits am nächsten Tag und bat die Spartaner um Unterstützung gegen den persischen Feind. Allerdings waren die Lakedaimonier zwar gewillt, den Athenern zu helfen, doch antworteten sie, dass es ihnen aus kultischen Gründen nicht möglich sei, vor dem nächsten Vollmond ins Feld zu ziehen. Dies ist wohl nicht als eine bloße Ausflucht zu werten, sondern als ein Beispiel echter spar-

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tanischer Frömmigkeit. Es wurde allerdings auch vermutet, dass die Spartaner nicht so schnell einen formellen Entschluss für einen Aufbruch ihrer Truppen hätten fassen können. Sicherlich unrichtig ist die Nachricht des Plutarch, die Spartaner hätten nicht sofort aufbrechen können, weil sie mit einer Erhebung von Heloten zu kämpfen gehabt hätten. In Sparta waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Kleomenes und Demaratos, die noch zur Zeit des Ionischen Aufstands regiert hatten, an der Macht. Bereits 507/506 v. Chr. war es während des Feldzuges gegen Athen, von dem im vorigen Kapitel berichtet wurde, zwischen den beiden Regenten zum Eklat gekommen. Als Kleomenes anlässlich der gerade erwähnten Probleme um die Stellung der aiginetischen Geiseln im Jahr 491 v. Chr. das Gefühl hatte, sein Mitkönig würde erneut seine politische Wege durchkreuzen, lancierte er das Gerücht, Demaratos sei gar kein Sohn und damit auch kein legitimer Nachfolger des verstorbenen Königs Ariston. Wegen dieser Anschuldigung entbrannte in Sparta ein großer Streit, und man entschloss sich, zur Wahrheitsfindung das Orakel in Delphi zu befragen. Kleomenes ging nun aber so weit, dass er die Pythia, die – berauscht von Dämpfen, die aus einem Erdspalt emporkamen – den Willen Apollons kundtat, bestach, sodass diese bezeugte, Demaratos sei nicht der Sohn des Ariston. Daraufhin setzte man Demaratos ab, der zunächst noch ein politisches Amt wahrnahm, ehe er sich nach Persien zu König Dareios begab, der ihn mit Ehren empfing und mit Ländereien ausstattete. Sein Nachfolger wurde Leotychidas, ebenfalls aus dem Geschlecht der Eurypontiden, der in dieser ganzen Intrige mit Kleomenes unter einer Decke gesteckt hatte. Der Frevel des Kleomenes wurde jedoch entdeckt, worauf dieser zunächst nach Arkadien geflohen sei und von dort aus einen Aufstand gegen Sparta geplant habe, ehe er in seine Heimatstadt zurückgeholt wurde, dort aber dem Wahnsinn verfallen sei, worauf er Selbstmord begangen habe. Sein Nachfolger wurde sein Bruder Leonidas.

Die Schlacht von Marathon Als die Perser nun von Euboia aufs griechische Festland übersetzten, landeten sie in der Ebene von Marathon, etwa 40 Kilometer nordöstlich von Athen. Im Gegensatz zu anderen möglichen Landungsorten lag die Ebene von Marathon weit genug von Athen weg, um die persischen Truppen ungestört von Bord gehen zu lassen. Die Wahl dieses Ortes hatte möglicherweise damit zu tun, dass

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Hippias, der mit den Persern kam, mehr als ein halbes Jahrhundert zuvor hier mit seinem Vater Peisistratos gelandet war, als sich dieser endgültig die Macht in Athen gesichert hatte. Vielleicht hoffte der greise Hippias – er war so alt, dass er Herodot zufolge bei der Landung der Truppen beim Husten einen Zahn verloren haben soll – auch auf die als tyrannenfreundlich geltende Bevölkerung dieses Landstriches. Auch in Athen selbst hatte die Familie der Peisistratiden immer noch ihre Anhänger; dies zeigt nicht zuletzt die Wahl des Hipparchos, des Sohnes des Charmos, eines Verwandten des Peisistratos, zum eponymen Archon des Jahres 496/95 v. Chr. (dieser Hipparchos wurde auch 487 v. Chr. zum ersten Opfer des Ostrakismos). Freilich sollte der Einfluss des Hippias auf die persische Leitung des Feldzuges nicht überschätzt werden. Generell dürf-

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5. KAPITEL

ten die Perser – wie an anderen Orten – auch in Athen auf die Kollaboration perserfreundlicher Gruppen gebaut haben. Eines der Ziele der Landung bei Marathon könnte entsprechend auch gewesen sein, die Armee aus der Stadt zu locken, um so den Weg für mögliche Kollaborateure zu ebnen. Die Nachricht von der Ankunft der persischen Armee dürfte Athen innerhalb weniger Stunden erreicht haben. Sofort setzten Beratungen ein, wie man auf die Landung des Feindes reagieren sollte. Rasch setzte sich die Ansicht durch, dass man nicht in der Stadt verharren und auf das Kommen der Perser warten dürfe, sondern diesen entgegenziehen müsse. Es kam zu einem Volksentschluss, den offenbar Miltiades, einer der zehn Strategen, bewirkte, ein Heer nach Marathon zu schicken. Das Strategenamt war um das Jahr 500 v. Chr. eingeführt worden, wohl aus dem Bedürfnis heraus, in militärischen Krisenzeiten auf mehrere kompetente Amtsträger zurückgreifen zu können. Jede der zehn Phylen stellte je einen Strategen, der aus mehreren Kandidaten im Rahmen einer Volksversammlung gewählt wurde. Im Gegensatz zu den Archonten konnten die Strategen auch wiedergewählt werden (das Strategenamt sollte im 5. Jahrhundert v. Chr. etwa die Grundlage des politischen Einflusses des Perikles werden). Oberbefehlshaber des Heeres war aber nach wie vor der Polemarch. Der genannte Miltiades stammte aus dem athenischen Adelsgeschlecht der Philaiden (Abb. 9). Sein Vater Kimon, der Athen verlassen musste, da er ein politischer Konkurrent des Peisistratos war, wurde als Besitzer eines Viergespanns dreimal Olympiasieger im Wagenrennen. Nachdem er seinen zweiten Sieg dem Tyrannen gewidmet hatte, durfte er in seine Heimatstadt zurückkehren, fiel aber schließlich einem politischen Mord zum Opfer. Kimons Bruder Miltiades (der zur Unterscheidung von seinem gleichnamigen Neffen in der Regel als „Miltiades der Ältere“ bezeichnet wird) hatte sich auf der thrakischen Chersones einen großen Machtbereich aufgebaut, nachdem er eine größere Schar athenischer Kolonisten in die Nordägäis geführt hatte und überdies von den einheimischen Dolonkern zu ihrem Fürsten gemacht worden war. Sein Nachfolger wurde Stesagoras, der älteste Sohn des Kimon; als er kurz nach der Ermordung seines Vaters selbst auch eines gewaltsamen Todes starb, übernahm sein Bruder Miltiades („der Jüngere“), der eponyme Archon des Jahres 524/23 v. Chr., die Herrschaft auf der thrakischen Chersones. Dieser ließ von Beginn an keinerlei Zweifel aufkommen, dass er als Tyrann mit harter Hand über das Gebiet herrschen würde. Seine Verbindung mit den einheimischen Thrakern stärkte er durch die Eheschließung mit der

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Abb. 9: Büste mit Helm des Strategen Miltiades, der bei Marathon gegen die Perser zog.

Tochter des thrakischen Fürsten Oloros, Hegesipyle, die ihm einen Sohn gebar, welchen er entsprechend griechischer Sitte nach seinem Vater Kimon nannte. Die zunächst unangefochtene Herrschaft des Miltiades erfuhr einen tiefgreifenden Wandel, als im Jahr 513 v. Chr. der persische Großkönig Dareios im Zuge des schon mehrfach erwähnten Skythenfeldzugs den achaimenidischen Einflussbereich auf europäisches Territorium ausdehnte. Miltiades musste Dareios fortan Heeresfolge leisten und auch am weiteren Feldzug teilnehmen. Allzu strikt war seine Abhängigkeit von den Persern nach deren Rückzug freilich nicht; immer noch war es ihm möglich, seine eigenen politischen Interessen zu verfolgen. So besetzte er etwa die an der Einfahrt in die Dardanellen gelegenen Inseln Lemnos und Imbros und übergab sie seiner Heimatstadt Athen zur Besiedlung. Als er allerdings in die Wirren des Ionischen Aufstandes hineingezogen wurde (nähere Einzelheiten sind dazu aber

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nicht bekannt), musste er die thrakische Chersones fluchtartig verlassen, um persischen Vergeltungsmaßnahmen zu entkommen, und kehrte nach Athen zurück. Dort wurde er sofort zum Ziel politischer Angriffe; eine Anklage wegen der Errichtung einer Tyrannis auf der Chersones überstand er jedoch unbeschadet. Im Jahr 490 v. Chr. wurde er angesichts des zu erwartenden persischen Angriffs wohl nicht zuletzt wegen seiner langjährigen – auch militärischen – Erfahrungen mit den Persern zu einem der zehn Strategen gewählt. Der Weg, den die Athener nach Marathon nahmen, ist in der Forschung umstritten; er führte wohl über das in der Mesogeia-Ebene gelegene Pallene und nicht nördlich um den Pentelikon herum (was zwar kürzer, aber beschwerlicher gewesen wäre). Auch die genaue Lokalisierung des griechischen Lagers wird kontrovers diskutiert. Herodot berichtet, dass sich die Athener „um das Heiligtum des Herakles“ aufstellten. Dieses Heiligtum ist vermutlich im Süden der Ebene von Marathon, wo die von der Mesogeia kommende Straße zwischen dem Meer und dem Berg Agrieliki in die Ebene mündet, zu lokalisieren. Die Perser waren wohl im westlichen Teil der Lagune von Schoinias gelandet und hatten dort ihr Lager aufgeschlagen. Kaum hatten die Athener Stellung bezogen, traf bereits ein Kontingent von etwa 1000 Soldaten aus Plataiai ein, das zu ihrer Unterstützung gekommen war. Die Athener selbst zählten wohl knapp 10 000 Hopliten, dazu kamen Sklaven und weitere Hilfstruppen. Der Geschichtsschreiber Diodor überliefert ein letztes Angebot des Datis an die Athener, sich zu unterwerfen, in dem er mit der mythologischen Gründung des Mederreichs argumentiert haben soll: persische General Datis, von Geburt ein Meder, hatte von seinen Vor ❯ Der fahren her überliefert bekommen, dass die Athener Nachkömmlinge des Medos seien, der einst das Mederreich begründet habe. Nun sandte er ihnen eine Botschaft des Inhaltes zu, er sei mit einer Streitmacht erschienen, um die seinen Vorfahren zustehende Herrschaft zurückzufordern. Medos, der älteste seiner Ahnen, sei nämlich, wie er sagte, von den Athenern seines Königreichs beraubt worden und dann nach Asien gegangen, wo er Medien gegründet habe. Wenn sie ihm das Königtum zurückgeben wollten, werde man ihnen dieses Vergehen sowie den Feldzug gegen Sardeis nachsehen; sollten sie sich jedoch seiner Forderung widersetzen, so müssten sie mit viel Schlimmerem als die Einwohner von Eretria rechnen.

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Miltiades indes gab Datis aufgrund der Entscheidung der zehn Feldherren zur Antwort, dass es nach den Worten der Gesandten eher angezeigt sei, wenn die Athener über das Mederreich als Datis über die Stadt der Athener herrsche. Denn ein athenischer Mann sei es gewesen, der das Königreich der Meder gegründet habe; Athen hingegen sei niemals im Besitz eines gebürtigen Meders gewesen. Auf diesen Bescheid hin rüstete sich Datis zur Schlacht. DIODOR 10,27



Ein solches Angebot und insbesondere die dem Datis unterstellte Argumentation mit der griechischen Mythologie scheinen freilich unhistorisch zu sein. Die persische und die griechische Armee standen einander mehrere Tage gegenüber, bevor es zum Gefecht kam. Herodot kolportiert, dass im Lager der Griechen Uneinigkeit darüber herrschte, ob man tatsächlich den Angriff wagen sollte. Schließlich soll die Stimme des Polemarchen Kallimachos den Ausschlag für die Entscheidung zum Kampf gegeben haben, den Miltiades folgendermaßen überzeugt habe: dir, Kallimachos, liegt jetzt die Entscheidung, ob du die Athener zu Skla❯ Bei ven machen oder befreien willst und dir damit ein Denkmal ewigen Ruhmes sicherst, den nicht einmal Harmodios und Aristogeiton besitzen. Seit Athen besteht, schwebte es nie in so großer Gefahr wie jetzt. Unterliegen die Athener den Medern, dann liegt es auf der Hand, was sie unter Hippias leiden müssen. Wenn aber unsere Stadt siegt, dann kann sie die mächtigste in Griechenland werden. Wie das möglich ist, und warum gerade von dir die Entscheidung abhängt, will ich dir nun erklären: Wir zehn Strategen sind in unserer Meinung nicht einig; die einen raten zum Kampf, die anderen sind dagegen. Wagen wir aber jetzt die Schlacht nicht, dann, fürchte ich, wird große Zwietracht hereinbrechen und das klare Denken der Athener verwirren; sie werden sich den Medern annähern. Wenn wir aber kämpfen, noch ehe ein Riss unter weiteren Athenern sich auftut, dann können wir bei unparteiischer Haltung der Götter als Sieger aus dem Kampf herausgehen. Alles das liegt jetzt bei dir und hängt von dir ab. Wenn du dich meiner Meinung anschließt, dann ist dein Vaterland frei, und Athen wird die erste Stadt in Griechenland. Trittst du aber auf die Seite derer, die von der Schlacht abraten, dann wirst du das Gegenteil von all dem Guten, das ich aufzählte, erleben. HERODOT 6,109

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Freilich sind durchaus Zweifel an der Historizität dieser Debatte angebracht. Die Entscheidung zur Schlacht war im Endeffekt ja bereits mit dem Auszug aus Athen gefallen. Der eigentliche Grund dafür, dass die Griechen nicht angriffen, war, dass sie auf die Unterstützung aus Sparta warteten. Das achaimenidische Heer hoffte vielleicht auf ein Signal perser- beziehungsweise peisistratidenfreundlicher Verräter. Eventuell wussten sie, dass die Spartaner erst nach Vollmond ausrücken konnten, und warteten bis zum letztmöglichen Moment. Dann griffen sie wohl an, wie etwa Cornelius Nepos in seiner Lebensbeschreibung des athenischen Feldherrn Miltiades schildert: Datis sah, dass das Gelände für die Seinen nicht günstig war, ❯ Obwohl wollte er sich im Vertrauen auf die Zahl seiner Truppen dennoch dem Kampf stellen, und dies umso mehr, als er es für gut hielt, vor Eintreffen der Unterstützung aus Sparta eine Entscheidung herbeizuführen. Daher ließ er 100 000 Fußsoldaten und 10 000 Reiter vorrücken und eröffnete das Gefecht. Dabei erwiesen sich die Athener durch ihre Tapferkeit so haushoch überlegen, dass sie die zehnfache Übermacht der Feinde zerschlugen und die Perser in solche Panik versetzten, dass diese nicht zu ihrem Lager, sondern zu den Schiffen davonstürzten. Bis heute ist diese Schlacht die glorreichste von allen: denn niemals sonst hat ein so kleines Häuflein so gewaltige Streitkräfte zerschmettert. CORNELIUS NEPOS, MILTIADES 5



Die Zahlenangaben, die der römische Biograph für das persische Heer bietet, sind natürlich viel zu hoch. Auch andere antike Autoren spekulierten über sehr hohe persische Truppenzahlen; Platon geht von 500 000 Persern auf 300 Schiffen aus, was ganz und gar unmöglich ist, und auch der klassische Rhetor Lysias nimmt eine halbe Million persischer Kombattanten an. Plutarch und Pausanias nennen eine Zahl von 300 000 achaimenidischen Soldaten, desgleichen das byzantinische Lexikon der Suda, das im 10. Jahrhundert n. Chr. entstand. Iustinus nennt in seinem Auszug der verlorenen Weltgeschichte des Pompeius Trogus sogar 600 000 Angreifer. Geradezu bescheiden nimmt sich dagegen die Schätzung des Lucius Ampelius aus, der in der römischen Kaiserzeit ein Werk für den Schulunterricht verfasste und 80 000 persische Angreifer annimmt. Herodot, unsere wichtigste Quelle, nennt zwar keine Truppenstärken, er kolportiert aber, dass Datis und Artaphernes mit 600 Schiffen aufgebrochen seien. Dabei handelt es sich jedoch offensichtlich um eine Standardzahl; 600 Schiffe nahmen auch am Skythenfeldzug und an der Schlacht von Lade teil.

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Realistisch sind jedenfalls viel niedrigere Zahlen. Selbst die in der jüngeren Forschung manchmal genannte Zahl von 25 000 persischen Kombattanten scheint zu hoch gegriffen. Vielmehr dürften kaum mehr als 12 000 bis 15 000 Fußsoldaten, die von einer kleinen Kavallerie von höchstens 150 bis 200 Reitern unterstützt wurden, von den Persern aufgeboten worden sein. Die Perser hatten also allenfalls – wenn überhaupt – leichte numerische Vorteile und befanden sich keinesfalls in einer erdrückenden Überzahl. Im persischen Heer befanden sich Angehörige der verschiedensten Nationalitäten, sicher auch Griechen aus den unterworfenen Poleis an der Westküste Kleinasiens. Herodot überliefert den athenischen Anspruch, bei Marathon gegen Vertreter von insgesamt 46 Völkern siegreich geblieben zu sein. Ob die persische Kavallerie überhaupt an der Schlacht teilgenommen hat, wird in der Forschung unterschiedlich beurteilt. Eine Notiz in der Suda könnte darauf hindeuten, dass die persische Reiterei woandershin abgeordnet war oder schon wieder auf die Schiffe verladen wurde (vielleicht um mit einem Teil der Truppen Athen auf dem Seeweg anzugreifen): Pferde: Als Datis in Attika einfiel, sagt man, bestiegen die Ionier, ❯ Ohne als er wegging, die Bäume und gaben den Athenern Zeichen, dass sich die Reiterei entfernt befände; Miltiades, der die Bedeutung ihrer Abwesenheit erfasste, griff an und siegte; so wird das Sprichwort für diejenigen gebraucht, die ihre Formation auflösen. SUDA, s. v. xωρὶς ὶππeı˜ς



Hier handelt es sich allerdings um ein sehr spätes Zeugnis, und zu Recht haben viele Gelehrte den Quellenwert dieser Nachricht sehr skeptisch beurteilt. Zwar böte sie eine Erklärung dafür, dass die Griechen die Initiative ergriffen hätten, wie dies Herodot annimmt und auch Iustinus berichtet. Doch dies ist unwahrscheinlich; viel eher ist anzunehmen, dass die Perser das Gefecht eröffneten. Andere Quellen legen auch durchaus eine Beteiligung der persischen Kavallerie am Schlachtgeschehen nahe; offensichtlich hat diese aber eine unbedeutende Rolle gespielt. Als sich das achaimenidische Heer in Bewegung setzte, nahmen auch die Griechen Aufstellung, wobei Kallimachos als Polemarch den Ehrenplatz am rechten Flügel einnahm, und daran anschließend – nach Phylen gegliedert – folgte das übrige Heer bis zu den Plataiern am linken Flügel. Die Frontlinie der Griechen war dabei genauso lang wie jene der Perser; um dies zu erreichen,

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mussten die Griechen aber in Kauf nehmen, dass ihre Schlachtreihe in der Mitte nur wenige Reihen tief und daher schwächer als an den mit zusätzlichen Truppen verstärkten Flügeln war. Dass die Griechen ihre Schlachtreihe in derselben Länge aufstellten wie die Perser, impliziert auch, dass tatsächlich die Perser zuerst ins Gefecht zogen, denn um die Länge der feindlichen Frontlinie abzuschätzen, mussten die Griechen diese gesehen haben. Die gewählte Aufstellung der Hellenen sollte schließlich genauso entscheidend sein wie ein bemerkenswertes und in der Forschung viel diskutiertes Manöver, mit dem die Hellenen in den Kampf eintraten: die Aufstellung beendet war und die Schlachtopfer günstig ausfielen, ❯ Als stürmten die Athener auf Kommando im Laufschritt gegen die Barbaren vor. Die Entfernung zwischen den beiden Heeren betrug nicht weniger als acht Stadien. Die Perser sahen sie im Laufschritt herankommen und rüsteten sich, sie aufzuhalten. Sie warfen den Athenern Wahnsinn vor, verderblichen Wahnsinn, als sie die kleine Schar heranstürmen sahen und dazu im Laufe, wobei weder Reiterei noch Bogenschützen als Deckung vorhanden waren. HERODOT 6,112



Die Angabe des Herodot, dass die griechischen Hopliten trotz ihrer schweren Rüstung eine Entfernung von acht Stadien, das entspricht etwa anderthalb Kilometern, im Laufschritt auf ihre Feinde zustürzten, ist von vielen Forschern bezweifelt worden. Meist wird angenommen, dass die Griechen nur die letzten knapp 200 Meter rannten, um den persischen Pfeilhagel zu unterlaufen. Die Möglichkeit, dass die hellenischen Hopliten aber tatsächlich die volle Distanz im Laufschritt hinter sich brachten (möglicherweise auch um die Perser zu überrumpeln), sollte aber nicht allzu voreilig beiseite geschoben werden. Davon, dass die Kämpfer bei Marathon liefen, spricht auch Aristophanes in seiner Komödie Die Acharner. Auch wenn Herodot weiter berichtet, dass sich das Gefecht über längere Zeit hingezogen habe, wird es wohl nicht länger als anderthalb Stunden gedauert haben. Während die Perser im Zentrum, wo ihre stärksten Truppen auf die dünne Schlachtreihe der Hellenen stieß, die Oberhand behielten, konnten die verstärkten Flanken der Griechen die persischen Flügel überwinden und den Feind in die Zange nehmen. Ob dieses Manöver von Anfang an so geplant war, scheint zweifelhaft. Auf jeden Fall führte es zum Erfolg:

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Mitte der Front siegten die Barbaren dort, wo die Perser selbst und ❯ IndiederSaken aufgestellt waren. An dieser Stelle also gingen die Barbaren siegreich hervor, durchbrachen die Linie der Feinde und verfolgten sie landeinwärts. Auf beiden Flügeln aber waren die Athener und Plataier siegreich. Trotz ihrer Überlegenheit ließen sie die geworfenen Gegner fliehen und wandten sich mit vereinigten Flügeln gegen die, welche in der Mitte durchgebrochen waren. Auch hier siegten die Athener. Dann folgten sie den fliehenden Persern und trieben sie unter großem Gemetzel bis ans Meer. HERODOT 6,113



Viele der fliehenden Perser gerieten, wie Pausanias berichtet, in den Sumpf, der sich im Nordostteil der Ebene von Marathon zur Halbinsel Kynosoura erstreckt, und fanden dort den Tod. Am Strand kam es dann zu einem letzten Gefecht, das zahlreichen Persern das Leben kostete. Ktesias berichtet, dass Datis im Gefecht gefallen sei, doch ist dies genauso wenig korrekt wie die Nachricht des Iustinus, dass Hippias hier getötet worden sei. Aber auch etliche Hellenen fielen hier, so etwa der Polemarch Kallimachos. Plutarch kolportiert, dass Kallimachos von so vielen Speeren durchbohrt wurde, dass er sogar im Tode noch aufrecht stand. Insgesamt spricht Herodot von 192 athenischen Gefallenen; die Zahl der persischen Toten gibt er mit ungefähr 6400 an. Während die athenischen Verlustzahlen wohl korrekt sind, ist die Zahl der getöteten Perser viel zu hoch gegriffen. Sie übersteigt die Verlustzahlen, die bei einem Hoplitengefecht in dieser Zeit zu erwarten sind, bei weitem. Den Griechen gelang es auch, sieben persische Schiffe zu erbeuten, den übrigen Schiffen – und damit dem Gros der feindlichen Flotte – glückte freilich die Flucht. Nach der Schlacht waren viele Erzählungen von göttlichen Unterstützern der Griechen im Umlauf. Es ist bemerkenswert, dass Herodot diese weitgehend unter den Tisch fallen lässt. Am bekanntesten ist die Geschichte, die Plutarch in seiner Lebensbeschreibung des Theseus erwähnt, dass dieser attische Heros an der vordersten Front seiner Landsleute in das Schlachtgeschehen eingegriffen habe. Bemerkenswert ist auch die Erzählung vom Heros Echetlaios, der viele Perser mit dem Pflug getötet habe, und von dem Pausanias berichtet. Zu den zahlreichen Legenden, die sich um die Schlacht von Marathon ranken, gehört die noch heute populäre Geschichte vom Marathonläufer. Dieser soll nach dem griechischen Sieg in voller Rüstung nach Athen gelaufen sein,

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um den dort begierig auf Neuigkeiten wartenden Menschen den erfolgreichen Ausgang der Schlacht zu melden. Völlig entkräftet habe er noch die Siegesnachricht überbracht, ehe er verstorben sei. Herodot weiß nichts von diesem Läufer; tatsächlich wird er erst in der römischen Kaiserzeit von Lukianos von Samosata und Plutarch erwähnt, wobei Letzterer die Überlieferung Herakleides von Pontos, einem Gelehrten des 4. Jahrhunderts v. Chr., zuschreibt. In der Forschung besteht allerdings weitgehende Einigkeit darüber, dass dieser Lauf nie stattgefunden hat. Entstanden ist diese Legende wohl im Zusammenhang mit einem Agon der athenischen Epheben. Das exakte Datum der Schlacht ist ungewiss. Vermutlich fand sie am 11. September 490 v. Chr. statt, doch wurden auch andere Termine zwischen Mitte August und Mitte September dieses Jahres erwogen. Die Gefahr war mit dem Sieg in der Schlacht aber noch nicht gebannt. Die Perser holten zunächst die versklavten Eretrier von der Insel Aigilia, auf welcher sie sie zurückgelassen hatten, segelten dann um Kap Sunion herum nach Phaleron, dem damaligen Hafen von Athen. Herodot berichtet, dass sie gehofft hätten, Phaleron zu erreichen, ehe die griechischen Truppen vom Schlachtfeld bei Marathon zurückgekehrt wären. Diese hatten jedoch in einem Eilmarsch ihre Heimatstadt wieder erreicht. Die Vorstellung, per Schiff schneller zu sein als die Truppen auf dem Landweg, wäre freilich unrealistisch und sollte den Persern nicht unterstellt werden. Vermutlich hofften Datis und Artaphernes, auch Athen doch noch durch Verrat in ihre Hände zu bekommen, wie es ja im Falle Eretrias auch geschehen war, und warteten auf ein Zeichen perserfreundlicher Gruppen. Herodot berichtet auch von einem Signal, das den Persern mit einem Schild gegeben worden sei, und von Gerüchten, welche dieses Signal mit der Familie der Alkmeoniden in Verbindung brachten. Falls dieses Signal tatsächlich gegeben wurde, könnte es auch bedeutet haben, dass ein Umsturz in der Stadt missglückt war. Schließlich brachen die persischen Schiffe wieder auf, offensichtlich ohne einen Landungsversuch unternommen zu haben, und segelten zurück nach Asien. Die gefangen genommenen Eretrier wurden zum persischen Großkönig gebracht und von diesem in der Nähe von Susa angesiedelt. Wie kam es zum deutlichen griechischen Sieg bei Marathon? Es ist sicherlich verfehlt, allzu voreilig die Qualität und Tapferkeit der persischen Krieger, die innerhalb eines halben Jahrhunderts das bis dahin größte antike Reich geschaffen hatten, herabzuwürdigen. Sicherlich waren die Griechen, die ihre Heimat verteidigten, motivierter als ihre Kontrahenten. Dies gab aber kaum

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den Ausschlag. Vielmehr war entscheidend, dass die Perser mit der Kampfweise der griechischen Hoplitenphalanx nicht zurechtkamen. Betont werden muss jedenfalls nochmals, dass sich hier zwei annähernd gleich starke Heere gegenüberstanden und keine persische Übermacht in wunderbarer Weise besiegt wurde; das wurde erst später zur Glorifizierung des Sieges so ausgemalt und ist ein übliches Element der Schlachtenerinnerung. Am Tag nach der Schlacht traf schließlich auch die versprochene Unterstützung aus Sparta ein. 2000 schwer bewaffnete Lakedaimonier waren sofort nach dem Vollmond aufgebrochen und hatten die Strecke nach Athen in nur zwei Tagen hinter sich gebracht. Als sie trotz dieses Eilmarsches zu spät kamen, besichtigten sie nur das Schlachtfeld und die gefallenen Perser und kehrten dann nach Hause auf die Peloponnes zurück. Die Athener bargen nun die Verwundeten und bestatteten die Toten. Die 192 gefallenen Athener erhielten ein Ehrengrab an der Stelle, an der das Gefecht stattgefunden hatte. Es handelt sich um den sogenannten Soros, der heute noch in der Ebene von Marathon zu sehen ist und von dem auch Pausanias berichtet (Abb. 10). Der Perieget überliefert auch, dass die gefallenen Plataier und die zu Tode gekommenen Sklaven in Marathon bestattet wurden (eine andere Quelle legt nahe, dass die Griechen auch die gefallenen Perser begruben). Zu Ehren der Toten und zum Gedenken an die Schlacht wurden von nun an jährlich Leichenspiele abgehalten, die noch bis weit in römische Zeit begangen wurden. Ebenfalls noch viele Jahre nach der Schlacht wurde das Fest zu Ehren der Artemis Agrotera als ein Erinnerungsfest für den Sieg von Marathon gefeiert. Xenophon überliefert, dass die Athener vor der Schlacht gelobt hätten, so viele Ziegen zu opfern wie sie Feinde töten würden. Aufgrund der Vielzahl der gefallenen Perser beschloss man dann aber, jährlich 500 Ziegen darzubringen. Die Waffen der Feinde und andere Beutestücke wurden aufgesammelt und zum Teil den Göttern geweiht. Eine Reihe von Funden aus den großen griechischen Heiligtümern kann mit der Beute der Schlacht von Marathon in Verbindung gebracht werden. In Olympia wurde etwa ein offensichtlich orientalischer Bronzehelm gefunden, der um 500 v. Chr. entstanden ist und der Inschrift zufolge von den „Athenern, die ihn den Medern abgenommen haben“, geweiht wurde . Auch in Delphi wurden Beutestücke deponiert, wie eine Inschrift verrät, die am sogenannten Schatzhaus der Athener angebracht ist:

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Abb. 10: Das Ehrengrab der 192 gefallenen Athener: Der Soros (moderne Ansicht).

Athener (weihten dies) dem Apollon aus Beutestücken, die sie den ❯ Die Medern in der Schlacht von Marathon abnahmen. IG I 1463 3



Dazu traten private Weihungen der Marathonkämpfer. So wurde in Olympia etwa ein korinthischer Helm gefunden, den laut Inschrift „Miltiades dem Zeus weihte“ (Abb. 11). Dabei ist es natürlich verlockend, an den athenischen Strategen zu denken. Viel diskutiert ist ein Monument, das auf der Athener Akropolis aufgestellt wurde. Es ist eine Säule mit ionischem Kapitell, welche die Statue einer Siegesgöttin (Nike) trug. Die in zwei Kanneluren eingemeißelte, sehr fragmentierte Inschrift lässt vermuten, dass es sich um ein postum aufgestelltes Weihegeschenk des Polemarchen Kallimachos handelt. Auf der Agora, dem Marktplatz in Athen, wurde in der sogenannten Stoa Poikile („Bunte Halle“) in einem von vier gewaltigen Historiengemälden die Schlacht in ihren verschiedenen Stadien dargestellt, wie Pausanias beschreibt:

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dem letzten Gemälde sind die Kämpfe bei Marathon dargestellt; von ❯ Auf den Boiotern die Plataier und das gesamte attische Heer, wie sie gegen die Barbaren kämpfen. Auf diesem Bild ist das Los beider Parteien noch unentschieden. Gegen Mitte der Darstellung der Schlacht sind die Barbaren auf der Flucht und stoßen sich gegenseitig in den Sumpf. Die letzten Szenen des Gemäldes zeigen die phönizischen Schiffe und wie die Griechen die Barbaren, die sich auf ihre Schiffe stürzen, töten. Dargestellt ist hier auch der Heros Marathon, nach dem die Ebene benannt wird, sowie Theseus, der einem aus der Erde Emporsteigenden gleicht, ferner Athena und Herakles … Von den Kämpfenden sind in dem Gemälde vor allem Kallimachos zu erkennen, der zum attischen Polemarchen gewählt war, und von den Strategen Miltiades und der Heros Echetlaios. PAUSANIAS 1,15,3



Freilich entstand dieses Gemälde in staatlichem Auftrag erst in den 50er Jahren des 5. Jahrhunderts v. Chr.; kurz vorher, um 465 v. Chr., war in Delphi eine Statuengruppe errichtet worden, für deren Herstellung der berühmte Bildhauer Pheidias verpflichtet worden sein soll. Das Denkmal umfasste dreizehn Figuren: die zehn Phylenheroen, Athena, Apollon und Miltiades, der damit in göttliche Sphären gerückt wurde. Das war eine ganz außergewöhnliche Ehrung für einen Sterblichen, die von seinem Sohn Kimon, dem führenden athenischen Politiker dieser Zeit, veranlasst wurde. Kimon war sehr darum bemüht, das Andenken an seinen Vater hochzuhalten und dessen Rolle im griechischen Abwehrkampf ins rechte Licht zu rücken beziehungsweise dessen Reputation wieder herzustellen, nachdem Miltiades kurz nach dem Triumph von Marathon in Ungnade gefallen war. Im Jahr nach der Schlacht, im Frühjahr 489 v. Chr., konnte er nämlich von der athenischen Volksversammlung das Kommando über siebzig Schiffe erlangen, mit denen er gegen die Insel Paros zog. Als Grund für dieses Unternehmen gab er anscheinend an, dass die Parier die Perser bei ihrem Zug gegen Athen unterstützt hätten, doch war das wohl nur ein Vorwand; vielmehr wollte er einerseits reiche Beute machen und andererseits seinen innenpolitischen Einfluss ausbauen (weniger wahrscheinlich ist ein persönlicher Groll gegen Paros, wie ihn Herodot kolportiert). Nachdem er von den Pariern 100 Talente gefordert hatte, begann er mit der Belagerung der Inselhauptstadt, des heutigen Paroikia. Allerdings scheiterte dieses Vorhaben; nach 26 Tagen musste Miltiades die Belagerung abbrechen und verletzt nach Athen heimkehren. Auf Betreiben seiner politischen Gegner, der Familie der Alkmeoniden, deren Wortführer Xanthip-

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Abb. 11: Private Weihung mit Nennung des bei Marathon siegreichen Miltiades. In Olympia gefundener Bronzehelm.

pos war, der Vater des Perikles, wurde er nun wegen Verrats vor Gericht gestellt. Die verlangte Todesstrafe konnte zwar abgewendet werden, doch wurde der Feldherr zu einer enormen Geldbuße in Höhe von 50 Talenten verurteilt. Kurz darauf erlag Miltiades aber seinen bei der Belagerung von Paros erlittenen Verletzungen. Sein Sohn Kimon beglich daraufhin die über seinen Vater verhängte Strafe. Der Propaganda des Kimon ist einige Jahrzehnte später dann auch vermutlich die Überbetonung der Rolle des Miltiades und die Vernachlässigung des Polemarchen Kallimachos im Geschichtswerk des Herodot geschuldet; zu berücksichtigen ist wohl auch, dass das Amt des Polemarchen kurz nach der Schlacht von Marathon vieles von seiner Bedeutung verlor.

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Welche Bedeutung hatte aber dieser Sieg? Bis in die Gegenwart hat man dem griechischen Erfolg bei Marathon epochale Folgen zugemessen. Für den englischen Philosophen John Stuart Mill (1806–1873) war die Schlacht von Marathon „sogar als ein Ereignis der britischen Geschichte wichtiger als die Schlacht von Hastings“, mit der 1066 die normannische Herrschaft über England begann, und der britische Generalmajor und Militärhistoriker John Fuller sprach sogar vom „Geburtsschrei Europas“. Die politischen und strategischen Aspekte dieses Erfolgs treten aber deutlich hinter seine moralische Wirkung zurück. Tatsächlich war mit dem griechischen Sieg bei Marathon nichts entschieden; die persische Bedrohung war nur vorübergehend gebannt. Man kann dieses Gefecht sogar als einen Nadelstich betrachten, der erst eine Mobilisierung der persischen Machtmittel in Gang setzte. Die wirklichen Entscheidungen fielen ein Jahrzehnt später. Dies war auch bereits den Griechen in klassischer Zeit klar. Die Siege von Salamis (480 v. Chr.) und Plataiai (479 v. Chr.), von denen noch die Rede sein wird, nahmen in ihrem Bewusstsein zunächst eine viel größere Bedeutung ein. Erst einige Jahrzehnte nach der Schlacht von Marathon setzte deren symbolische Überhöhung ein, und zwar allein von Seiten der Athener, die ihre eigene Rolle hervorheben wollten, so wie dies auch in einem Simonides zugeschriebenen Epigramm, das von manchen Forschern freilich erst ins 4. Jahrhundert v. Chr. datiert wird, zum Ausdruck kommt: Vorkämpfer der Hellenen haben die Athener bei Marathon die Macht ❯ Als der goldtragenden Meder niedergestreckt. SIMONIDES, FRG. 88A DIEHL



Der in Athen ansässige Redner Lysias, einer der zehn großen attischen Redner, zeichnete in seiner Rede für die Gefallenen des ersten Jahrs des Korinthischen Krieges, von der im ersten Kapitel bereits die Rede war, ein besonders heldenhaftes Bild der athenischen Kämpfer bei Marathon: waren überzeugt, dass ein ruhmvoller Tod unsterblichen Nachruhm ❯ Sie hinterlässt. Sie fürchteten nicht die Menge der Gegner, sondern vertrauten mehr ihrer eigenen Tapferkeit. Und voll Scham, dass die Barbaren in ihrem Land waren, hielten sie sich nicht damit auf, bis ihre Bundesgenossen es erfahren hatten und zu Hilfe eilen konnten. Auch wollten sie ihre Errettung nicht anderen zu verdanken haben, sondern wünschten, dass ihnen die übrigen Griechen diese verdankten. So gingen sie in einmütiger Gesinnung

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in den Kampf, wenige gegen viele. Denn der Tod, so meinten sie, ist allen gemeinsam, die Tapferkeit jedoch kommt nur wenigen zu; des Todes wegen besitzt man das Leben nur als geliehenes Gut, die Erinnerung an die Kämpfe aber hinterlässt man als etwas Eigenes. Sie meinten ferner, wenn sie nicht in der Lage seien, einen Feind allein zu besiegen, würden sie dies auch nicht mit Bundesgenossen schaffen; und als Besiegte würden sie nur kurze Zeit vor den anderen untergehen, als Sieger aber auch die anderen befreien. Sie waren tapfere Männer, schonten ihren Leib nicht, hingen nicht am Leben, wenn es um die edle Gesinnung ging, und hatten mehr Respekt vor ihren eigenen Gesetzen als Furcht vor den gefährlichen Feinden. LYSIAS 2,23FF.



Am Marathonbild, wie es in Athen gepflegt wurde, äußerten allerdings bereits antike Gelehrte Kritik. So wird von Theopomp, dem aus Chios stammenden Geschichtsschreiber des 4. Jahrhunderts v. Chr., der viele Jahre auch in Athen verbrachte, folgende Ansicht überliefert: auch die Schlacht von Marathon habe sich nicht so ereignet, wie alle ❯ Und sie in ihren Lobgesängen beschreiben, und er sagt: „Aber auch in Bezug auf dieses tut sich die Stadt der Athener groß und täuscht die Hellenen.“ FGRHIST 115 F 153



Für die Perser war Marathon der unrühmliche Ausgang einer ansonsten erfolgreich verlaufenen Expedition; lediglich deren letztes Ziel, die Bestrafung der Stadt Athen, war gescheitert. Auf persischer Seite mag man die – keineswegs entscheidende – Niederlage durchaus so betrachtet haben, wie Robert von Ranke-Graves in seinem berühmten Gedicht Persian Version andeutet: Persians do not dwell upon ❯ Truth-loving The trivial skirmish fought near Marathon. As for the Greek theatrical tradition Which represents that summer’s expedition Not as a mere reconnaisance in force By three brigades of foot and one of horse (Their left flank covered by some obsolete Light craft detached from the main Persian fleet) But as a grandiose, ill-starred attempt To conquer Greece – they treat it with contempt;

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And only incidentally refute Major Greek claims, by stressing what repute The Persian monarch and the Persian nation Won by this salutary demonstration: Despite a strong defence and adverse weather All arms combined magnificently together.



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Xerxes rüstet zum Krieg

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erodot berichtet, dass Dareios, als er von der Niederlage seines Heeres bei Marathon hörte, den Athenern noch mehr zürnte, als er dies wegen ihrer Beteiligung am Ionischen Aufstand bereits vorher getan hatte, und sofort mit neuen Rüstungen begonnen habe. Denn auch wenn die Niederlage bei Marathon aus persischer Sicht nicht die militärische Katastrophe war, als die sie Herodot darstellt, so war klar, dass Vergeltungsmaßnahmen des Achaimenidenherrschers folgen würden. Der Perserkönig konnte einen solchen Misserfolg nicht auf sich beruhen lassen, wenngleich bis zum nächsten Angriff der Perser auf Griechenland zehn Jahre verstreichen sollten. Im Jahr 486 v. Chr. rebellierten nämlich die Ägypter, und dieser Abfallsversuch erforderte die volle Aufmerksamkeit des Dareios, der aber noch während der Vorbereitungen für einen Feldzug in das Nilland nach 36-jähriger Herrschaft verstarb. Er wurde in einem Felsgrab in Naqš-i Rustam bestattet (Abb. 12). Sein Nachfolger wurde sein Sohn Xerxes, der aus der Ehe des Dareios mit Atossa, einer Tochter des Kyros II., stammte. Obwohl er drei ältere (Halb-)Brüder besaß, wurde Xerxes zum neuen Großkönig ernannt, da er der erste „purpurgeborene“ Sohn des Dareios war. Dem neuen Herrscher auf dem achaimenidischen Thron gelang es relativ rasch, den Aufstand in Ägypten unter Kontrolle zu bringen, und auch eine Erhebung in Babylonien konnte er erfolgreich niederschlagen. Herodot spielt mit dem Gedanken, dass Xerxes zunächst gar kein großes Verlangen danach gehabt habe, die von seinem Vater ins Auge gefassten erneu-

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Abb. 12: In die Felswand eingehauenes Grab Dareios’ I.: Tal von Naqš-i Rustam.

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ten militärischen Operationen gegen Griechenland in Angriff zu nehmen. Erst der eindringliche Appell des Mardonios, der – wie bereits berichtet – im Jahr 492 v. Chr. persische Truppen nach Thrakien und Makedonien geführt hatte, dessen Flotte dann aber in einem Sturm am Athosgebirge gescheitert war, habe den Großkönig überzeugt: aber, des Gobryas Sohn, der des Königs Vetter und der Sohn der ❯ Mardonios Schwester des Dareios war, der an seinem Hofe weilte und auf ihn den größten Einfluss von allen Persern besaß, hielt an folgendem Gedanken fest und sprach zu ihm: „Herr, es ist nicht recht, dass die Athener, die den Persern so viel Unrecht getan haben, ihre Übeltaten nicht büßen sollen. Magst du jetzt auch durchführen, was du planst! Wenn du aber das aufbegehrende Ägypten gebändigt hast, dann zieh in den Kampf gegen Athen, damit du hohen Ruhm erlangst bei den Menschen und jeder sich in Zukunft hüte, gegen dein Land in den Kampf zu ziehen!“ Rachegefühl hatte ihm diese Rede eingegeben. Noch eine andere Begründung ließ er in sie einfließen: Europa sei ein schönes Land, trage veredelte Fruchtbäume jeglicher Art und besitze höchste Vorzüge. Es sei wert, dass es dem König als einzigem aller Menschen gehöre. So sprach er, weil er ein betriebsamer Mensch war und selbst gern Satrap von Griechenland werden wollte. HERODOT 7,5



Auch Gesandte der thessalischen Aleuaden und der athenischen Peisistratiden sollen Xerxes in seinem Vorhaben bestärkt haben. In einer der bekanntesten Passagen seines Geschichtswerkes führt Herodot seine Leser in das Herz der persischen Macht und schildert eine Versammlung des persischen Kronrats. Eine derartige Versammlung wurde sicher abgehalten, die von Herodot wiedergegebenen Reden sind freilich erfunden und dienen – wie dies in der antiken Historiographie durchaus üblich ist – dem Geschichtsschreiber dazu, seine eigenen Vorstellungen darzulegen. Er lässt Xerxes seine inzwischen gefassten Angriffspläne vorstellen und begründen: ich will nichts Neues bei euch einführen, wohl aber will ich einen ❯ „Perser, alten Brauch befolgen, wie ich ihn übernommen habe. Wie ich von den Älteren weiß, sind wir noch niemals zur Ruhe gekommen, seit wir diese unsere Herrschaft von den Medern durch Kyros übernahmen, der Astyages stürzte. Aber die Gottheit führt uns so und hilft uns selbst, dass unsere zahlreichen Unternehmungen zum Besten geraten. Was Kyros, Kambyses und mein Vater

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Dareios geleistet, welche Völker sie hinzuerworben haben, das wisst ihr; niemand braucht es euch zu erzählen. Seitdem ich diesen Thron bestieg, sann ich darüber nach, wie ich hinter meinen Vorgängern in dieser Würde nicht zurückbliebe und den Persern keine geringere Macht hinzueroberte. Beim Nachdenken finde ich, dass wir Ruhm und Ehre erwerben können und dazu noch ein Land, das nicht kleiner und schlechter ist als unser Gebiet, wohl noch an allem fruchtbarer, wobei wir obendrein Rache und Vergeltung üben können. So habe ich euch zusammengerufen, um euch meine Absicht vorzulegen. Ich will eine Brücke über den Hellespont schlagen und mein Heer durch Europa nach Griechenland führen, um die Athener zu strafen für alles Unrecht, das sie den Persern und meinem Vater angetan haben. Ihr saht, dass Dareios auf dem Sprung war, gegen diese Athener zu Felde zu ziehen. Leider starb er; so war ihm der Rachezug nicht vergönnt. Ich aber will für ihn und die übrigen Perser nicht eher ruhen, als bis ich Athen eingenommen und verbrannt habe; denn die Athener haben mit dem Unrecht gegen mich und meinen Vater begonnen. Erstens kamen sie mit unserem Sklaven Aristagoras aus Milet nach Sardeis und brannten die heiligen Haine und Tempel nieder. Was sie uns ferner angetan haben, als wir unter Führung des Datis und Artaphernes bei ihnen landeten, das wisst ihr alle. Aus diesem Grunde habe ich mich entschlossen, gegen sie zu ziehen, wobei ich beim Nachdenken noch folgende Vorteile für uns finde: Wenn wir sie und ihre Nachbarn, die das Land des Phrygers Pelops bewohnen, bezwingen, dann machen wir den Himmel des Zeus zur Grenze des Perserlandes. Denn die Sonne wird kein Land bescheinen, das an das unsere grenzt; vielmehr werde ich sie alle im Bunde mit euch zu einem einzigen Lande vereinen, indem ich durch ganz Europa ziehe.“ HERODOT 7,8



Nach dem Großkönig ergreift in der herodoteischen Darstellung dieser Beratung Mardonios das Wort und bekräftigt den Plan seines Herrn. Als dritter Redner meldet sich schließlich Artabanos, ein Onkel des Xerxes. Er spricht sich gegen das Vorhaben aus und warnt vor der damit verbundenen Hybris („Selbstüberhebung“): siehst, wie Gottes Blitz die höchsten Geschöpfe trifft und nicht duldet, ❯ „Du dass sie sich in ihrem Hochmut erheben, während ihm das Kleine nichts ausmacht. Du siehst, wie seine Geschosse immer in die größten Gebäude und derartige Bäume schlagen. Denn Gott pflegt alles zu stürzen, was sich

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überhebt. So wird auch ein großes Heer von einem kleinen geschlagen in folgender Art: wenn nämlich der neidische Gott Panik im Heer verbreitet oder einen Donner erdröhnen lässt, wodurch es in einer Weise umkommt, die seiner selbst unwürdig ist. Denn Gott duldet nicht, dass ein anderer außer ihm stolz ist.“ HERODOT 7,10,2



Die Rede des Artabanos verdeutlicht in besonderem Maße die Weltsicht des gottesfürchtigen Herodot, dass jeder Mensch, der seine Grenzen übertritt, von der Gottheit unweigerlich dafür bestraft wird; diese Einsicht, die durchaus als eine Mahnung an seine zeitgenössischen Leser gedacht war, zieht sich durch sein gesamtes Werk. Xerxes will von den Einwänden freilich nichts wissen und wischt sie zornig beiseite. In der folgenden Nacht überlegt er es sich allerdings anders und will von einem Angriff auf die Griechen ablassen; da erscheint ihm zweimal im Traum eine Gestalt, die ihn unter Drohungen zum Feldzug drängt. Als dasselbe Traumgesicht in der dritten Nacht auch dem Artabanos erscheint, wird die Offensive gegen Hellas endgültig beschlossen. Während es sich bei der Geschichte von den Träumen sicherlich nur um eine Anekdote handelt, erörtert Herodot in seiner Schilderung des Kronrats die Gründe für den persischen Angriff. Einerseits war es der Wille des Großkönigs, in der Tradition des Reichsgründers Kyros, des Kambyses und des Dareios den persischen Herrschaftsbereich zu erweitern, andererseits sollte für die Beteiligung der Griechen am Ionischen Aufstand und der Zerstörung der Stadt Sardeis und der dortigen Heiligtümer und für die Niederlage von Marathon Rache genommen werden. Auch galt es, die Interessen der propersischen Parteien zu vertreten. Wenngleich es sich bei dem Ausspruch, ganz Europa zu durchziehen, um bloße Rhetorik handelt, kann doch als sicher gelten, dass sich die achaimenidische Offensive dieses Mal nicht nur gegen die Athener, sondern gegen ganz Griechenland richtete, das unter einem Vasallenherrscher – kaum allerdings als Satrapie – dem Perserreich eingegliedert werden sollte. Dies beweist auch das Ausmaß der persischen Rüstungen, die spätestens mit dem Jahr 483 v. Chr. begannen und in deren Zuge Xerxes auf die immensen personellen und materiellen Ressourcen seines Reiches zurückgreifen konnte. Truppen wurden ausgehoben, Reit- und Lasttiere mussten gestellt werden, Schiffe wurden gefertigt und Vorräte zusammengetragen. Bis nach Thrakien und Makedonien hinein wurden große Lebensmitteldepots angelegt, die zur Versorgung des persischen Heeres dienen sollten. Über die

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großen Flüsse, die auf dem Weg lagen, wurden Brücken errichtet, so etwa über den Strymon (Struma). Zu den Vorbereitungen für den Feldzug zählte ein Kanal, den der Großkönig durch die Athoshalbinsel (den östlichsten „Finger“ der Halbinsel Chalkidike), an deren Küste 492 v. Chr. die Schiffe des Mardonios gescheitert waren, anlegen ließ. Dadurch sollte verhindert werden, dass erneut eine persische Flotte in Schwierigkeit geriet. Gleichzeitig sollte dieses Projekt auch die immense Macht des Großkönigs demonstrieren. Dieser Kanal, dessen Existenz auch archäologisch nachgewiesen ist, war rund zwei Kilometer lang und dreißig Meter breit, sodass zwei Trieren mit ausgestreckten Rudern nebeneinander Platz fanden. Besonders berühmt sind die beiden Schiffsbrücken, die Xerxes über den Hellespont bauen ließ, damit seine Truppen nach Europa übersetzen konnten. Herodot berichtet, dass ein erster Versuch, den Hellespont zu überbrücken, scheiterte: Beauftragten hatten indes Brücken über den Hellespont von Asien ❯ Seine nach Europa geschlagen. […] Von Abydos aus nach dem jenseitigen Ufer aber beträgt die Entfernung sieben Stadien. Als die Durchfahrt gerade überbrückt war, brach ein gewaltiges Unwetter los, zerstörte alles und brach die Verbindung ab. Als Xerxes dies erfuhr, nahm er das sehr übel auf und befahl, dem Hellespont 300 Geißelhiebe zu geben und ein Paar Fußschellen in das offene Meer zu versenken. Ich habe sogar gehört, dass er zugleich Henker mitschickte, um dem Hellespont Brandmale aufzudrücken. Er trug ihnen auf, während der Auspeitschung die barbarischen und frevelhaften Worte zu sprechen: „Du Wasser der Bitternis, unser Herr legt dir diese Strafe auf, weil du ihn beleidigt hast, ohne dass er dir ein Unrecht tat. König Xerxes wird über dich hinweggehen, du magst wollen oder nicht. Dir aber opfert mit Recht kein Mensch, weil du nur ein schmutziges Salzwasser bist.“ So gebot er, das Meer zu strafen. Und er ließ denen, die die Überbrückung des Hellespont geleitet hatten, die Köpfe abhauen. Die Henker, denen dieses traurige Amt zukam, mussten es vollziehen. Dann bauten andere Baumeister neue Brücken. HERODOT 7,33FF.



Ob diese Zerstörung der ersten Brücken tatsächlich stattfand, ist zweifelhaft. Sie bietet Herodot jedenfalls den Hintergrund für seine Anekdote, welche die Hybris des Xerxes verdeutlicht und somit auf das unrühmliche Ende seines

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Feldzuges vorausweist. Den Bau des Athoskanals und die Errichtung der Schiffsbrücken verurteilt auch der Redner Lysias als Hybris: verachtete die Gesetze der Natur, die göttliche Ordnung und den mensch❯ Erlichen Verstand, und so schuf er eine Straße über das Meer und eine Schiffspassage durch das Land, indem er den Hellespont überbrücken und den Berg Athos durchgraben ließ. LYSIAS 2,29



Die zwei Brücken, die schließlich errichtet wurden, erstreckten sich über gut zwei Kilometer (die herodoteische Angabe von sieben Stadien, ein stereotyp immer wieder auftauchender Wert, ist zu knapp) von Abydos zum gegenüberliegenden Sestos. Sie wurden von 360 Schiffen (im Fall der Richtung Schwarzes Meer gelegenen Brücke) beziehungsweise 314 Schiffen (bei der anderen, näher an der Ägäis gelegenen Brücke) gebildet, die durch starke Seile miteinander verbunden waren. Über die Seile wurden Holzbalken verlegt, darauf kamen Reisig und festgestampfte Erde. Über diese beiden Schiffsbrücken, für deren Errichtung offenbar der griechische Ingenieur Harpalos von Tenedos zuständig war, zogen die Truppen des Xerxes (die Kombattanten über die östlichere, der Tross über die westlichere), und es dauerte sieben Tage und sieben Nächte, bis das gesamte Heer übergesetzt hatte. Vorher soll Xerxes, der seine Truppen persönlich auf diesem Zug begleitete, noch Troia besucht und der Athena dort 1000 Rinder geopfert haben, während die persischen Magier den Heroen Trankopfer spendeten. Diese Überlieferung ist unwahrscheinlich; für Herodot, der die Perserkriege in einer Traditionslinie mit dem griechisch-troianischen Krieg sieht, stellte dieses Opfer jedoch einen wichtigen symbolischen Akt dar. Im thrakischen Doriskos hielt der Großkönig Heerschau. Im siebten Buch seines Geschichtswerks gibt Herodot einen langen Katalog der am Kriegszug beteiligten Völker, er beschreibt ihr Aussehen und nennt ihre Befehlshaber. Von Persern in Hosen und bunten, mit Eisenplättchen bestückten Ärmelröcken, die Filzhüte (Tiarai) auf dem Kopf trugen und mit kurzen Speeren sowie Pfeil und Bogen bewaffnet waren, ist hier die Rede und von Medern in der gleichen Ausrüstung, von Kissiern und Hyrkaniern, von Assyrern mit ehernen Helmen und Saken mit Turbanen, von Chaldaiern, Baktriern, Indern, Parthern, Chorasmiern, Sogdern, Gandariern und Dadikern, von Kaspiern, Sarangen, Paktyern und Arabern, von Aithiopiern, die mit Panther- und

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Löwenfellen bekleidet waren sowie mit Pfeilen mit Steinspitzen und mit Antilopenhörnern bewehrten Lanzen bewaffnet waren und ihren Leib mit Gips und Mennige einschmierten, von Libyern, Paphlagoniern, Phrygern, Armeniern, Lydern, Mysern, Thrakern und vielen anderen. Die Aufzählung erinnert an die langen Kataloge in den homerischen Epen, besonders an den Schiffskatalog im zweiten Gesang der Ilias (doch während Homer die siegreichen Griechen besang, stellte Herodot die zum Scheitern verurteilten achaimenidischen Truppen vor). Wie groß war diese Armee, die dort, wo sie auftauchte, die Felder kahl fraß und die Flüsse trocken trank? Herodot stellt in seinem Werk folgende Berechnung an: Stärke der gesamten persischen Kriegsmacht war, wie ich meiner Rech❯ Die nung nach finde, etwa folgende: Auf den 1207 asiatischen Schiffen befanden sich 241 400 Mann an ursprünglich gestellter Mannschaft aus den betreffenden Völkern, jedes Schiff mit 200 Mann gerechnet. Als Besatzung aber standen auf diesen Schiffen neben den jeweiligen Einheimischen je 30 Perser, Meder und Saken. Das macht wieder 36 210 Mann aus. Zu dieser und der ersten Zahl muss man noch die Mannschaften der Fünfzigruderer hinzurechnen, die ich mehr oder weniger mit 80 Mann für ein Schiff ansetze. Davon aber gab es, wie ich schon früher erwähnte, zusammengerechnet 3000 in der Flotte; das macht auf ihnen etwa 240 000 Mann. So zählte also die gesamte asiatische Flotte 517 610 Mann. Das Landheer umfasste 1 700 000 Mann, dazu 80 000 Reiter. Ich muss noch die arabischen Kamelreiter dazuzählen und die Libyer auf Wagen; ihre Menge berechne ich mit 20 000 Mann. Reiht man nun alles von den Schiffen und vom Landheer zusammen, so ergibt das 2 317 610 Mann. So stark ist das Heer, das aus Asien herüberzog, angegeben ohne den Tross, die Frachtschiffe und ihre Bemannung. Das Heer, das aus Europa mitzog, muss man natürlich zu dieser soeben errechneten Zahl noch hinzuzählen. Hier muss ich mich allerdings nur auf Schätzungen beschränken. Die Griechen in Thrakien und von den Inseln an der thrakischen Küste stellten 120 Schiffe. Aus diesen Schiffen nun kommen 24 000 Mann. Das Fußvolk, das die Thraker, die Paionier, die Eorder, die Bottiaier, der Stamm auf der Chalkidike, die Bryger, die Pierer, die Makedonen, die Perrhaiber, die Enienen, die Doloper, die Magneten, die Achaier und die thrakischen Küstenbewohner stellten, schätze ich von allen diesen Stämmen auf 300 000 Mann. Zählt man diese Summe zu jener ersten der asiati-

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schen Truppen, so betrug die kampffähige Mannschaft 2 641 610 Mann. Das ist die Stärke der Streitmacht. Der Tross aber und die Bemannung der Frachtschiffe und sonstigen Fahrzeuge, die das Heer begleiteten, war, glaube ich, nicht geringer, ja noch stärker als die eigentliche Kampftruppe. Nehmen wir also an, die Zahl sei ebenso groß gewesen wie jene Streitmacht, nicht größer und nicht kleiner, dann machen sie die gleiche Zahl wie die Kämpfer aus. Also führte Xerxes, der Sohn des Dareios, bis nach Sepias und Thermopylai eine Menschenmasse von 5 283 220 Mann. (Herodot 7,184)



Herodot geht also von mehr als fünf Millionen Menschen aus, darunter mehr als zweieinhalb Millionen Kombattanten, die Xerxes gegen die Griechen geführt habe. Diese Zahlen sind zweifellos stark übertrieben. Auch die Angaben des Simonides, der von drei Millionen Kämpfern an den Thermopylen ausgeht, des Cornelius Nepos, der 1100 000 Soldaten annimmt, oder des Ktesias, der – vergleichsweise bescheiden – von einer Truppenstärke von 800 000 Mann ausgeht, finden in der modernen Forschung keinen Glauben. Die tatsächliche Größe des achaimenidischen Heeres lässt sich allerdings kaum genauer abschätzen; meist werden zwischen 100 000 und 200 000 Kämpfer angenommen. Die Zahl von 1207 Kriegsschiffen (an anderer Stelle spricht Herodot freilich von 1327 Trieren) nennt auch Aischylos, der allerdings so viele persische Schiffe an der Schlacht von Salamis teilnehmen lässt. Unschwer lässt sich hier die doppelte „Standardgröße“ von 600 Schiffen plus der symbolträchtigen Zahl sieben erkennen. Es mag auch sein, dass sich die Angabe an der Stärke der griechischen Flotte vor Troia orientierte, der nach griechischen Vorstellungen bis dahin größten jemals ausgehobenen Armee, die Homer zufolge 1178 Fünfzigruderer umfasste. Von 1200 Schiffen sprechen jedenfalls auch Lysias, Isokrates und Diodor, während Platon in seinen Gesetzen einen seiner Protagonisten sagen lässt, dass die Perser mit „tausend Schiffen und noch mehr“ kamen. Vielfach wird die Anzahl von etwa 1200 Schiffen als realistisch akzeptiert, manche Gelehrte nehmen aber auch hier eine niedrigere Zahl, etwa 600 bis 700 Trieren, an. Unter den Kommandanten der einzelnen Schiffsgeschwader hebt Herodot in seiner Aufzählung besonders eine Persönlichkeit hervor: will Artemisia nennen, eine Frau, die am Zug gegen Griechenland teil❯ Ich nahm und die ich sehr bewundere. Nach ihres Mannes Tod behauptete sie die Alleinherrschaft selbst und war mutig und heldenhaft genug, am Zuge

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teilzunehmen, obwohl sie einen Sohn im Jünglingsalter hatte und nicht mitzuziehen brauchte. Sie hieß Artemisia und war eine Tochter des Lygdamis, stammte väterlicherseits aus Halikarnassos, mütterlicherseits aus Kreta. Sie führte den Oberbefehl über die Halikarnasser, die Koer, die Nisyrier und die Kalydnier und hatte selbst fünf Schiffe gestellt. Ihre Schiffe waren nach den Sidoniern die ruhmvollsten der gesamten Seemacht; sie gab auch dem König die besten Ratschläge von allen Bundesgenossen. HERODOT 7,99



Doch nicht nur die Königin der Heimatstadt des Herodot zählte zu den Begleitern des Xerxes, sondern auch der ehemalige spartanische König Demaratos. Ihn fragte Xerxes, ob die Griechen überhaupt den Mut aufbrächten, sich ihm entgegenzustellen, worauf der Lakedaimonier antwortete: da du durchaus willst, dass ich dir die volle Wahrheit sage, sodass ❯ „König, sich nachher nicht etwas als Lüge herausstellt, so höre: In Griechenland ist die Armut von jeher zu Hause; die mannhafte Haltung aber ist anerzogen, durch Weisheit und strengstes Gesetz bewirkt. Durch sie schützt sich Griechenland gegen Armut und Knechtschaft. Ich muss alle Griechenstämme loben, die im dorischen Gebiet ringsum wohnen, will aber nicht von allen Folgendes sagen, sondern nur von den Lakedaimoniern allein: Sie werden fürs Erste dein Anerbieten niemals annehmen, das über Griechenland Sklaverei bringt. Dann werden sie sich dir im Kampf stellen, selbst wenn alle übrigen Griechen auf deine Seite träten. Frage nicht, ob sie zahlenmäßig stark genug dazu sind! Sie werden kämpfen, mögen tausend Mann ausgezogen sein oder weniger oder mehr.“ HERODOT 7,102



Und als Xerxes ihn daraufhin verlachte, fügte Demaratos noch hinzu: steht es mit den Lakedaimoniern. Wenn sie einzeln kämpfen, sind sie ❯ „So nicht schlechter als jedes andere Volk; zusammen aber zeigen sie sich als die Tapfersten von allen. Sie sind zwar frei, aber nicht in allem. Über ihnen steht nämlich das Gesetz als Herr, das sie viel mehr fürchten als deine Untertanen dich. Sie handeln stets, wie ihnen das Gesetz befiehlt. Es gebietet ihnen aber stets das Gleiche: vor keiner Zahl von Gegnern aus der Schlacht zu fliehen, sondern auf dem Platz zu bleiben in Reih und Glied und zu siegen oder zu sterben.“ HERODOT 7,104



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6. KAPITEL

7. K A P I T E L

Griechenland zwischen den Kriegen

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urz nach der auf Paros gescheiterten Offensive unter der Führung des Miltiades mussten die Athener, die als Sieger in der Schlacht von Marathon neues Selbstbewusstsein getankt hatten, einen weiteren militärischen Rückschlag hinnehmen. Ab 488 v. Chr. kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit der Insel Aigina, in der die aiginetische Flotte die Oberhand behalten konnte. Innenpolitisch vollzogen sich in Athen in den 480er-Jahren wichtige Entwicklungen. Von großer militärischer und politischer Bedeutung war die Reform des Archontenamtes im Jahr 487/86 v. Chr. unter dem eponymen Archon Telesinos. Fortan sollten die Archonten nicht mehr gewählt, sondern aus Kandidaten, die in den einzelnen Demen vorausgewählt wurden, durch das Los bestimmt werden (in der aristotelischen Verfassung der Athener ist von 500 Kandidaten die Rede, doch ist diese Zahl sicherlich zu hoch; eher waren es 100 Anwärter). Mit dieser Reform, durch die das Archontenamt politisch entwertet wurde, war auch eine Neuordnung der Kommandostrukturen im athenischen Heer verbunden, über das nun nicht mehr – wie noch wenige Jahre zuvor in der Schlacht von Marathon – der Polemarch den Oberbefehl innehatte, sondern die zehn Strategen. Damit sollte einerseits verhindert werden, dass ein durch den Zufall bestimmter Amtsträger bedeutende militärische Kompetenzen erhielt, und andererseits konnten mit den zehn Strategen erfahrene Kommandeure gleichzeitig an mehreren Kriegsschauplätzen eingesetzt werden.

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Innenpolitisch noch folgenreicher war die Implementierung des Scherbengerichts (Ostrakismos), von dem bereits die Rede war. Der antiken Tradition zufolge war das Scherbengericht bereits von Kleisthenes eingeführt worden, es wurde aber erstmals im Jahr 488/87 v. Chr. angewendet. Das Scherbengericht war als ein radikales Mittel zur Verhinderung einer neuen Tyrannis und zur Kontrolle der attischen Aristokratie geschaffen worden, es entwickelte sich aber rasch zu einem Medium innenpolitischer Kontroversen. Der Ablauf eines Scherbengerichts war folgender: Wenn die Volksversammlung in der sechsten Prytanie (ungefähr im Januar) die Abhaltung eines Ostrakismos im laufenden Amtsjahr beschlossen hatte, kam es in der achten Prytanie in der Volksversammlung zur Abstimmung. Jeder Bürger, der an dieser Abstimmung teilnahm, schrieb den Namen jener Person, die er ostrakisieren wollte, auf eine Scherbe (Ostrakon) und gab diese ab (Abb. 13). Wer bei mindestens 6000 Teilnehmern die meisten Stimmen erhielt (einer anderen Überlieferung zufolge musste er mindestens 6000 Stimmen erhalten), hatte das Land für zehn Jahre

Abb. 13: Scherben von innenpolitischer Bedeutung: Ostraka mit dem Namen des Aristeides (482 v. Chr. verbannt), des Hippokrates und des Themistokles (470 v. Chr. verbannt).

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zu verlassen, wobei Vermögen, Ansehen und Bürgerrecht des Verbannten unberührt blieben. Als Erster wurde Hipparchos, der Sohn des Charmos, das Haupt der Familie der Peisistratiden, verbannt, der 496/95 v. Chr. noch eponymer Archon gewesen war. Ein Jahr später, 487/86 v. Chr., traf der Ostrakismos Megakles, den Sohn des Hippokrates, ein prominentes Mitglied der Familie der Alkmeoniden, zwei Jahre darauf Xanthippos, den Sohn des Ariphron und Vater des Perikles, der in die Familie der Alkmeoniden eingeheiratet hatte und wenige Jahre zuvor als Ankläger des Miltiades in Erscheinung getreten war. Im Jahr 483/82 v. Chr. wurde Aristeides, der Sohn des Lysimachos, der als Stratege an der Schlacht von Marathon teilgenommen und 489/88 v. Chr. das Amt eines eponymen Archon wahrgenommen hatte (und später als Befehlshaber des athenischen Kontingents in der Schlacht von Plataiai und bei der Gründung des Attischen Seebundes eine wesentliche Rolle spielen sollte), in die Verbannung geschickt. Bei Ausgrabungen in Athen wurden Tausende solcher Ostraka aufgefunden, die neben den Namen von in den literarischen Quellen gar nicht berücksichtigten Personen auch zahlreiche bekannte Protagonisten der athenischen Politik nennen (interessanterweise am häufigsten solche, die gar keinem Ostrakismos zum Opfer fielen). In vielen Fällen ritzten die Teilnehmer kurze Kommentare zu den jeweiligen Politikern in die Scherben; so wurde Kallias, der Sohn des Kratios (und wohl ebenfalls ein Alkmeonide), aufgrund seines Kontaktes mit Persien – und einer ihm offensichtlich vorgeworfenen Kollaboration mit dem Feind – als Meder beschimpft, bei Megakles wurde wiederholt auf den wegen des Kylonischen Frevels auf seiner Familie lastenden Fluch angespielt, während Leagros, der Sohn des Glaukon, als Verräter und Verleumder bezeichnet, Menon aus Gorgettos als einfältig und Agasias aus Lamptrai schlicht als Esel verunglimpft wurde. Die Funde deuten darauf hin, dass für Bürger, die nicht schreiben konnten, von den jeweiligen politischen Gruppen Scherben mit den Namen bestimmter zu Verbannender vorbereitet wurden. Dies wirft Licht auf jene Anekdote, die Plutarch über die Ostrakisierung des Aristeides, der den Spitznamen „der Gerechte“ trug, überliefert: nun damals die Scherben beschrieben wurden, soll ein ganz ❯ Während schlichter Bauer, der nicht schreiben konnte, seine Scherbe dem Aristeides als einem ersten Besten hingereicht und ihn gebeten haben, Aristeides draufzuschreiben, und als dieser ihn verwundert fragte, ob Aristeides ihm etwas zuleide getan habe, geantwortet haben: „Nein, ich kenne den Mann

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gar nicht, aber ich ärgere mich, wenn ich immer von ,dem Gerechten‘ höre.“ Als er das hörte, habe Aristeides kein Wort erwidert, sondern nur den Namen auf die Scherbe geschrieben und sie ihm zurückgegeben. Als er dann die Stadt verließ, hob er die Hände zum Himmel und betete um das Gegenteil von dem, was einst Achilleus erfleht hatte, nämlich, die Athener möchten nicht in eine Lage kommen, die das Volk nötigte, des Aristeides zu gedenken. PLUTARCH, ARISTEIDES 7



Aus den innenpolitischen Auseinandersetzungen, in denen Aristeides den Kürzeren gezogen hatte, ging schließlich Themistokles, der Sohn des Neokles, als Sieger hervor. Dieser stammte väterlicherseits aus einer angesehenen Familie aus dem südattischen Phrearrhioi, seine Mutter kam aus Halikarnassos. Als er im Jahr 493/92 v. Chr. das Amt des eponymen Archon in Athen bekleidete, setzte er sich für einen Ausbau des Piräus als neuen Kriegshafen ein, da der alte Hafen von Phaleron allzu leicht von feindlichen Truppen eingenommen werden konnte. Diese Maßnahme kann als eine der wesentlichen Voraussetzungen für den Aufbau der athenischen Seemacht gelten, als deren Urheber – schon für Thukydides – Themistokles gilt. In den folgenden Jahren bekleidete er mehrfach das Amt eines Strategen (offenbar auch im Jahr 490 v. Chr., als die Schlacht von Marathon geschlagen wurde); sicher hatte er es 483 v. Chr. inne. In diesem Jahr, in dem auch Aristeides verbannt wurde, wurden im Bergbaugebiet von Laureion neue Silbervorkommen entdeckt. Themistokles konnte in der Volksversammlung durchsetzen, dass diese zusätzlichen Einnahmen nicht einfach unter den Bürgern verteilt wurden, sondern zum Ausbau der Flotte verwendet wurden, wie die Verfassung der Athener berichtet: Archontat des Nikodemos, als die Silberminen in Maroneia entdeckt ❯ Im wurden und der Polis aus deren Ausbeutung hundert Talente zuflossen, gaben einige den Rat, das Silber an das Volk zu verteilen. Themistokles verhinderte das, wobei er nicht preisgab, wozu er das Geld verwenden werde; vielmehr drang er darauf, jedem der hundert reichsten Athener ein Talent als Darlehen zu geben; wenn dann diese Verwendung Gefallen fände, dann solle die Ausgabe zu Lasten der Polis gehen; wenn aber nicht, solle man das Geld von den Darlehensnehmern wieder einziehen. Nachdem er unter diesen Bedingungen das Geld übernommen hatte, ließ er davon hundert Trieren bauen, wobei jeder der hundert Darlehensnehmer für den Bau einer

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Triere verantwortlich war; mit diesen Schiffen schlugen sie die Seeschlacht bei Salamis gegen die Barbaren. VERFASSUNG DER ATHENER 22, 7



Während Themistokles der (pseudo-)aristotelischen Schrift zufolge in der Volksversammlung nicht preisgab, wofür das aus den Silberbergwerken erwirtschaftete Vermögen verwendet werden sollte, griff er Plutarch zufolge zu einer List, um die Zustimmung seiner Mitbürger zum Ausbau der Flotte zu bekommen: glaubte ja auch ganz allgemein, mit der Niederlage der Perser bei Mara❯ Man thon habe der Krieg sein Ende gefunden, Themistokles jedoch sah in dieser Schlacht nur das Vorspiel zu größeren Kämpfen. Er ahnte lange voraus, was kommen werde, und bereitete zum Wohl von ganz Griechenland sich selber und seine Vaterstadt für den neuen Waffengang aufs Beste vor. Er fing damit an, dass er mit einem Vorschlag vor die Volksversammlung trat, wie ihn sonst niemand gewagt hätte: Die Athener sollten die Einkünfte aus den Silberbergwerken in Laureion nicht wie bisher unter sich verteilen, sondern diese Mittel zum Bau von Trieren für den Krieg gegen Aigina verwenden. Dieser wurde zu eben jener Zeit in Griechenland mit großer Heftigkeit geführt, und die Aigineten beherrschten mit ihrer mächtigen Flotte das Meer. So fiel es Themistokles nicht schwer, die Athener für den Plan zu gewinnen. Er drohte ihnen nicht mit dem Schreckgespenst des Dareios und der Perser, denn diese waren weit weg, und die Furcht, sie könnten wiederkommen, saß gar nicht tief; vielmehr benutzte er im richtigen Augenblick den Hass und die Eifersucht seiner Mitbürger gegen die Aigineten, um seine Rüstungspläne durchzuführen. Aus den Geldern wurden hundert Trieren gebaut, die dann auch im Kampf gegen Xerxes zum Einsatz kamen. Von nun an führte Themistokles seine Vaterstadt Schritt für Schritt dem Meere zu. Er ließ sich dabei von der Überzeugung leiten, dass das Landheer nicht einmal den Grenznachbarn gewachsen sei, während Athen mit seiner Seemacht die Barbaren in Schach halten und die Herrschaft über Griechenland erringen könnte. So machte er, wie Platon sagt, aus standfesten Hopliten Matrosen und Seeleute, was ihm den Vorwurf eintrug, er habe seinen Mitbürgern Schild und Speer aus der Hand genommen und das Athenervolk an die Ruderbank gefesselt. […] Ob er mit seinem Vorgehen gegen den Sinn und Wortlaut der Verfassung verstieß, muss einer genaueren Untersuchung vorbehalten bleiben; dass aber das Meer den Griechen die Rettung brachte, dass jene Trieren

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Athen aus Schutt und Asche wieder aufrichteten, dafür ist Xerxes der beste Zeuge. Nach der Niederlage zur See machte er sich eilig davon, obwohl sein Landheer die volle Schlagkraft bewahrt hatte, denn er fühlte sich den Griechen nicht mehr gewachsen. PLUTARCH, THEMISTOKLES 3F.



Welcher dieser beiden Berichte, die in den Details durchaus voneinander abweichen, die damaligen Vorkommnisse wahrhafter wiedergibt, kann kaum entschieden werden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Krieg mit den verhassten Nachbarn auf Aigina, die über eine überlegene Flotte verfügten, so manchen politischen Gegner eher von der Notwendigkeit einer Aufrüstung überzeugt hat, als es der Verweis auf die persische Bedrohung getan hätte; und man muss sich natürlich auch fragen, inwieweit Themistokles überhaupt selbst hier ausschließlich an die Konfrontation mit dem Achaimenidenreich (oder sogar an eine Flucht zur See vor den Persern) dachte. Vieles an dieser Maßnahme des Themistokles bleibt jedenfalls unklar, so etwa die Höhe des zur Verfügung stehenden Kapitals – in der Verfassung der Athener ist von 100 Talenten die Rede, während Herodot von zehn Drachmen für jeden Bürger spricht (was eine deutlich niedrigere Gesamtsumme ergeben würde) – oder die genaue Anzahl der Schiffe, die nun gebaut wurden. Während die Verfassung der Athener von 100 Trieren spricht, geht Herodot von 200 Kriegsschiffen aus; die wirkliche Zahl mag zwischen diesen beiden Angaben gelegen haben. Auf jeden Fall sollte das Flottenbauprogramm des Themistokles enorme Auswirkungen zeigen, denn der Sieg in der Schlacht von Salamis und damit die erfolgreiche Abwehr des persischen Angriffs waren in der Tat in erster Linie diesen neu gebauten Schiffen zu verdanken. Die Triere (Dreiruderer), von der nun schon des Öfteren die Rede war, stellte das kampfstärkste Schiff der damaligen Zeit dar (Abb. 14). Der Ursprung dieses Schiffstyps ist nicht vollständig geklärt, seine Herkunft aus dem östlichen Mittelmeerraum ist wahrscheinlich. In Griechenland waren offenbar die Korinther die Ersten, die Trieren bauten. Ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. löste die Triere allmählich den älteren Schiffstyp der Pentekontere (Fünfzigruderer) ab. Während bei den Pentekonteren auf jeder Seite einfach 25 Ruderer saßen, waren diese bei den Trieren in drei versetzten Reihen übereinander angeordnet. In der untersten Reihe saßen – zumindest im 5. Jahrhundert v. Chr. – 54 Mann (thalamioí), in der mittleren ebenso viele (zýgioi) und in der obersten befanden sich 62 Ruderer (thranítai), von denen jeder einen Riemen führte. Für die Letztgenannten war das Rudern sicherlich am anstrengends-

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Abb. 14: Modell einer Triere. Sie wurde zum elementaren Bestandteil der Kriegsführung gegen die Perser.

ten, weshalb sie fallweise – etwa während des Peloponnesischen Krieges – Zusatzbesoldungen erhielten. Trieren konnten bei günstigen Windverhältnissen auch gesegelt werden, in der Schlacht wurden sie aber stets gerudert und erreichten so beachtliche Geschwindigkeiten und selbst auf kurzen Distanzen eine enorme Stoßkraft. Die übliche Taktik bestand darin, das gegnerische Schiff durch Rammen mit dem Rammsporn zu beschädigen oder zu versenken. Für einen möglichen Enterkampf befanden sich auf den Trieren neben den Ruderern und den Offizieren einige wenige Matrosen sowie Bogenschützen und schwerbewaffnete Soldaten (epibátai). Insgesamt hatte eine Triere so eine Besatzung von etwa 200 Mann. Nicht zu vernachlässigen sind auch die innenpolitischen Auswirkungen des Flottenbaus. Insbesondere für Tausende Angehörige der untersten Klasse, die besitzlosen Theten, bedeutete dies eine Möglichkeit, als Ruderer ihren Beitrag zur Verteidigung ihrer Heimat zu leisten. Entsprechend diesem Beitrag stand ihnen fortan auch ein größeres politisches Mitspracherecht zu; die bedeutende Rolle der Flotte bildete somit auch die Grundlage für die Entwicklung der voll ausgebildeten, radikalen Demokratie in Athen in den folgenden Jahrzehnten.

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Der Hellenenbund Bereits bevor er nach Europa gezogen war, hatte Xerxes Boten an die griechischen Städte geschickt, die Erde und Wasser als Zeichen der Unterwerfung forderten; nur nach Athen und Sparta habe er Herodot zufolge keine geschickt, da dort zehn Jahre zuvor die Herolde des Dareios ermordet worden waren. Als Xerxes nun mit seinem Heer in Pierien stand, kehrten die Boten zurück und meldeten die freiwillige Unterwerfung zahlreicher Hellenen: denen, die dies zugestanden, gehörten folgende Griechenstämme: die ❯ Zu Thessaler, Doloper, Enienen, Perrhaiber, Lokrer, Maneten, Malier, die Achaier in Phthia, die Thebaner und die übrigen Boioter außer den Thespiern und Plataiern. Gegen diese Stämme und Städte schlossen die übrigen Griechen, die den Kampf gegen die Barbaren aufnahmen, unter Eidschwur einen Bund. Darin wurde festgelegt: Alle Griechen, die sich ohne Not und selbst in einer günstigen Lage den Persern ergäben, sollten dem Gott in Delphi den Zehnten entrichten. Das war der Vertrag der Griechen. HERODOT 7,132F.



Für viele Griechen war die Aussicht, unter persischer Oberherrschaft zu stehen, offenkundig nicht sehr abschreckend. Sie wussten wohl von ihren Landsleuten in Kleinasien, dass man sich mit den achaimenidischen Machthabern, die zwar Heeresfolge und Tribute verlangten, sonst ihre Untertanen aber relativ unbeeinträchtigt gemäß ihren Sitten und ihrer Kultur leben ließen, durchaus arrangieren konnte, und zogen diese Perspektive dem mehr als unsicheren Ausgang eines kriegerischen Konfliktes vor. Anders stellte sich die Lage freilich bei den Athenern dar, die wegen ihrer Beteiligung am Ionischen Aufstand und ihres Sieges bei Marathon mit persischen Strafmaßnahmen zu rechnen hatten. Das Orakel von Delphi, an das sich die Athener angesichts der persischen Bedrohung wandten, zeichnete jedoch ein düsteres Bild der athenischen Zukunft, wie Herodot berichtet: Athener hatten nämlich Boten nach Delphi geschickt und waren bereit, ❯ Die das Orakel zu befragen. Als sie im Heiligtum die vorgeschriebenen Bräuche erfüllt hatten, in den Saal gekommen waren und sich niedergelassen hatten, gab ihnen die Pythia – sie hieß Aristonike – folgenden Spruch: „Arme! Was sitzt ihr noch hier? Wohlan, bis ans Ende der Erde flieht aus dem

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Haus, aus der rundlichen Stadt hochragenden Felsen! Nicht entgeht der Leib, nicht das Haupt dem grausen Verderben, nicht bleiben unten die Füße, die Hände nicht, nichts in der Mitte unverletzt; denn alles gilt nichts. Niederstürzt es zur Erde Feuer und Ares’ Wut, der auf syrischem Wagen einherfährt. Doch die eine nicht nur, viele andere Burgen zerstört er, viele Tempel der Götter gibt er der verheerenden Flamme. Jetzt schon stehen triefend von Schweiß die unsterblichen Götter, zitternd und bebend vor Furcht, von den obersten Zinnen der Tempel rinnt dunkles Blut, zum Zeichen des Zwanges des kommenden Unglücks. Fort aus dem Heiligtum hier! Und wappnet den Sinn gegen Unheil!“ Als die Boten der Athener dies hörten, waren sie aufs Tiefste erschüttert. Während sie sich schon infolge des geweissagten Unglücks aufgaben, riet ihnen Timon, der Sohn des Androbulos, einer der angesehensten Männer in Delphi: Sie sollten Ölzweige nehmen, noch einmal kommen und als Schutzflehende das Orakel befragen. Das taten die Athener auch und baten: „Herr, gib uns einen besseren Spruch über unser Vaterland und achte diese Zweige hier, mit denen wir zu dir kommen; oder wir gehen nicht aus dem Heiligtum, sondern bleiben hier bis an unser Lebensende.“ Auf diese Worte verkündete die Oberpriesterin zum zweiten Mal Folgendes: „Pallas Athene vermag den Olympier nicht zu versöhnen, mag sie auch flehend ihm nahn, wortreich mit verständigem Rate. Doch dir sag ich ein anderes Wort, wie Stahl fest gegründet: Ist das Übrige alles von Feinden genommen, was Kekrops’ Grenze umschließt und die Schluchten des heiligen Berges Kithairon, dann gibt eine Mauer aus Holz der weitschauende Zeus der Tritogeneia, nur sie bleibt unbezwungen, dir und deinen Kindern zur Rettung. Doch erwarte du nicht der Reiter Schar und das Fußvolk ruhig auf festem Boden! Entweiche dem drohenden Angriff, wende den Rücken ihm zu! Einst wirst du ja dennoch sie treffen. Salamis, göttliche Insel, die Kinder der Frauen vertilgst du, sei es zu Demeters Saat oder sei es zum Zeitpunkt der Ernte.“ HERODOT 7,140F.



Dieser Spruch – wie üblich reichlich kryptisch formuliert – wurde in Athen widersprüchlich diskutiert. Die einen waren der Ansicht, mit der hölzernen Mauer, die Rettung bringe, sei eine Dornenhecke gemeint, die seit alter Zeit die Akropolis umschloss, und das Orakel rate dazu, sich auf der Burg zu verschanzen. Die anderen deuteten die hölzerne Mauer als Anspielung auf die Flotte, auf die man bei der Verteidigung setzen solle. Diese Ansicht setzte sich

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schließlich auch durch, es wurde der Beschluss gefasst, die Stadt vor allem auf See zu verteidigen, und man machte sich noch intensiver an die Verstärkung der Flotte. Im Herbst 481 v. Chr. trafen sich Vertreter aus Athen und aus den anderen Poleis, die den Persern entgegentreten wollten, zu einer Versammlung, die wohl im Poseidonheiligtum am Isthmos von Korinth stattfand. Es wurde dort ein Verteidigungsbündnis, der sogenannte Hellenenbund, geschlossen, das der Abwehr der Perser dienen sollte. Man entschied, dem Feind möglichst geschlossen entgegenzutreten, und einigte sich daher darauf, alle Konflikte untereinander ruhen zu lassen. Dies betraf vor allem den Krieg zwischen Athen und Aigina. Auch die Entsendung von Boten wurde beschlossen, die in Argos, in Sizilien, in Kreta und in Kerkyra um Unterstützung bitten sollten, ebenso die Aussendung von Kundschaftern, welche die Heeresstärke des Xerxes, der sich mit seinen Truppen zu diesem Zeitpunkt noch in Sardeis aufhielt, ausspionieren sollten. Diese Kundschafter wurden freilich von den Persern aufgegriffen, auf Befehl des Xerxes allerdings nicht getötet, sondern im Gegenteil sogar bereitwillig herumgeführt und – nachdem sie alles gesehen hatten – unversehrt wieder nach Hause geschickt. Dadurch wollte – so kolportiert zumindest Herodot, der diese Anekdote überliefert – der persische Großkönig erreichen, dass die Griechen angesichts der immensen Truppen, die er versammelt hatte, Angst bekämen und möglicherweise sogar auf bewaffneten Widerstand verzichteten. Die Suche nach weiteren Verbündeten verlief für die Mitglieder des Hellenenbundes nicht erfolgreich. Die Argiver, seit alters her mit den Spartanern verfeindet, zogen es vor, auf die persische Seite zu treten; die Geschichte, die Herodot überliefert, dass dies nur geschah, weil die Spartaner mit den Argivern den Oberbefehl nicht teilen wollten, ist sicher nur ein Vorwand. Die Kreter sollen ihre Hilfe verweigert haben, nachdem das Orakel von Delphi ihnen davon abgeraten hatte, und die Einwohner von Kerkyra hätten angeblich 60 Schiffe bemannt, diese dann aber nicht an den Kampfhandlungen teilnehmen, sondern erst einmal abwarten lassen, wer denn als Sieger aus der Schlacht hervorginge. Vom sizilischen Tyrannen Gelon berichtet Herodot, dass dieser zunächst zwar Hilfe zusicherte, dafür aber Bedingungen stellte: bin bereit, euch beizustehen, und will 200 Trieren, 20 000 Schwerbewaff❯ „Ich nete, 2000 Reiter, 2000 Bogenschützen, 2000 Schleuderer und 2000 leichte Reiter stellen. Auch will ich die Lieferung des Getreides für das ganze Heer

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der Griechen bis an das Ende des Krieges übernehmen. Das alles verspreche ich unter der Bedingung, dass ich Feldherr und Führer der Griechen gegen die Barbaren sein werde. Nur unter dieser Bedingung aber werde ich selbst kommen und andere schicken.“ HERODOT 7,158



Dieses Ansinnen lehnten die Gesandten aus Griechenland freilich ab, ebenso ein zweites Angebot des Gelon, in dem er nur mehr den Oberbefehl entweder über die Flotte oder über das Landheer begehrte. Diese Überlieferung ist allerdings sehr zweifelhaft. Gelon war wohl kaum in der Lage, größere Truppen nach Griechenland zu schicken, da er diese in seiner Heimat selbst dringend benötigte. Im Jahr 480 v. Chr. landete nämlich ein karthagisches Heer unter der Führung des Hamilkar auf Sizilien, das Terillos, der durch Theron, den Tyrannen von Akragas, vertriebene Tyrann von Himera, gerufen hatte. In einer großen Schlacht bei Himera konnten die griechischen Truppen unter der Führung des Theron und des Gelon aber die Karthager, deren Anführer im Kampf fiel, entscheidend besiegen. Nach dem Friedensschluss musste Karthago Reparationszahlungen leisten und für einige Jahrzehnte seine sizilischen Interessen ruhen lassen. Nach Herodot fand die Schlacht von Himera am selben Tag statt wie die Schlacht von Salamis, während Diodor kolportiert, dass gleichzeitig die Gefechte an den Thermopylen ausgetragen wurden. Diese – in Wahrheit wahrscheinlich nur ungefähre – zeitliche Übereinstimmung führte bereits in der Antike zur Hypothese, dass zwischen den Persern und den Karthagern ein Bündnis bestanden habe, das die vollständige Vernichtung des Griechentums sowohl auf der Balkanhalbinsel als auch im Westen zum Ziel gehabt hätte, wie etwa Diodor, der hier wohl auf Ephoros zurückgreift, meint: Perser Mardonios war ein Vetter des Xerxes und sein Schwiegersohn, ❯ Der und wegen seiner Klugheit und seines Mutes ein bei den Persern sehr bewunderter Mann. Stolzgeschwellt und in der Blüte seiner Jahre, strebte dieser nach der Führung über große Streitkräfte, und deshalb überredete er Xerxes, die Griechen, welche mit den Persern in stete Feindseligkeiten verwickelt waren, zu unterwerfen. Und Xerxes ließ sich von ihm gewinnen, und da er sämtliche Griechen aus ihrer Heimstatt zu vertreiben wünschte, schickte er wegen eines gemeinsamen Vorgehens Gesandte an die Karthager und traf mit ihnen ein Abkommen, wonach er selbst die in Griechenland wohnenden Griechen bekriegen, Karthago aber starke Streitkräfte bereitstellen und die in Sizilien wie Italien lebenden Griechen niederzwingen

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sollte. Entsprechend dem Vertrag beschafften sich die Karthager eine große Menge Geld und sammelten damit Söldner aus Italien, Ligurien sowie aus Gallien und Iberien; außerdem hoben sie Truppen in ganz Libyen und Karthago aus. DIODOR 11,1,3



Diese Ansicht ist in der Vergangenheit durchaus kontrovers diskutiert worden, in der Zwischenzeit hat sich aber zu Recht die Auffassung allgemein durchgesetzt, dass ein solches Abkommen zwischen Persern und Karthagern nicht existiert hat. Im Frühjahr kam es zu einer zweiten Konferenz des Hellenenbundes, die wiederum am Isthmos von Korinth stattfand. Es waren nur etwa 30 Poleis, die sich dazu entschlossen hatten, gegen den Feind zu kämpfen. Auf Bitten der Thessaler (die sich gegen die pro-persische Politik der Aleuaden stellten) wurde beschlossen, ein Truppenkontingent nach Thessalien zu schicken. Auf Schiffen wurden 10 000 schwer bewaffnete Krieger bis nach Halos in Achaia gebracht, von dort marschierten sie ins thessalische Tempetal, wo sie ihr Lager aufschlugen. Der Anführer der spartanischen Truppen war Euainetos, an der Spitze des athenischen Kontingents stand Themistokles (Abb. 15). Als sie jedoch erkannten, dass diese Stellung von der persischen Armee, die zu diesem Zeitpunkt gerade nach Europa übergesetzt war und über deren ungeheure Größe Boten, welche der makedonische König Alexander I. gesandt hatte, informierten, umgangen werden konnte, traten sie schon nach wenigen Tagen ihren Rückzug an. Die Thessaler traten nun offen auf die persische Seite über; es blieb ihnen auch gar keine andere Wahl. Nun wurde beschlossen, die Perser an den Thermopylen, dem einzigen Weg von der Küste am Malischen Golf nach Mittelgriechenland, zu erwarten, während die Flotte am Kap Artemision an der Nordspitze Euboias ihren Posten bezog. Dass auch diese Stellung umgangen werden Abb. 15: Themistokles führte das athenische konnte, erfuhren die Griechen Truppenkontingent erfolgreich gegen die Perser. erst später.

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Die Schlacht an den Thermopylen und am Kap Artemision Die Schlacht an den Thermopylen Die Thermopylen (wörtlich: „die heißen Tore“) hatten ihren Namen von dort entspringenden heißen, schwefelhaltigen Quellen. Während heute zwischen dem Kallidromos-Gebirge und dem Meer ein mehrere Kilometer breiter Korridor existiert, bestand hier in der Antike nur ein schmaler Weg, der sich an drei Stellen, den sogenannten „Toren“, nochmals verengte. Am „mittleren Tor“ war er sogar nur etwa fünfzehn Meter breit. Hier, wo die Phoker viele Jahre früher zum Schutz vor den Thessalern eine inzwischen verfallene Steinmauer errichtet hatten, bezogen die Griechen Stellung und setzten diese Mauer wieder in Stand. Herodot beschreibt die Zusammensetzung der griechischen Truppen: griechische Heer, das den Perserkönig hier erwartete, bestand aus ❯ Das folgenden Kontingenten: 300 Schwerbewaffnete von Sparta, 1000 Schwerbewaffnete aus Tegea und Mantineia – von jeder Stadt die Hälfte –, 120 Männer von Orchomenos aus Arkadien und 1000 aus dem übrigen Arkadien. So viele waren also Arkader. Aus Korinth aber kamen 400, aus Phlius 200 und aus Mykene 80. Diese waren aus der Peloponnes herbeigezogen. Aus Boiotien hatten sich 700 Mann von Thespiai und 400 Thebaner eingestellt. Dazu kamen noch die opuntischen Lokrer, die mit ihrem ganzen Heer aufgeboten waren, und 1000 Phoker. HERODOT 7,202F.



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Abb. 16: Im Frieden Leibgarde, im Krieg die „Unsterblichen“: Wandrelief vom Königspalast in Susa mit der Darstellung persischer Krieger mit Speer.

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Es war also nur ein vergleichsweise kleines Heer, das an den Thermopylen den persischen Vormarsch aufhalten sollte. Dies lag daran, dass die Spartaner – wie zum Zeitpunkt der Schlacht von Marathon – erst das Fest der Karneia begehen mussten, ehe sie in den Kampf zogen, und die übrigen Griechen erst das Ende der Olympischen Spiele abwarten mussten, bevor sie die Vorausabteilung, die unter dem Kommando des spartanischen Königs Leonidas an den Thermopylen stand, verstärken konnten. Es ist freilich auch vermutet worden, dass diese religiösen Gründe nur Vorwände waren, während das eigentliche Problem die Versorgung der Truppen, insbesondere der Seestreitkräfte am Kap Artemision, war. Der Ort und die Taktik waren eigentlich gut gewählt, und offenbar waren die Griechen davon ausgegangen, dass sich diese Stellung länger halten ließe. Was – offenbar aus Unkenntnis – nicht berücksichtigt worden war (und das war ein unentschuldbarer strategischer Fehler), war die Existenz mehrerer Umgehungspfade, von denen der für die griechischen Truppen gefährlichste der sogenannte Anopaia-Pfad war. Dort stationierte Leonidas die 1000 phokischen Hopliten, damit sie den Weg bewachten. Als die Perser an den Thermopylen eintrafen, griffen sie nicht sofort an, sondern ließen zunächst vier Tage verstreichen. Mag sein, dass Xerxes seinen Truppen vor dem Gefecht eine kurze Ruhepause gönnen wollte, mag sein, dass er darauf hoffte, dass die Griechen die Flucht ergreifen würden. Diodor berichtet, dass der Perserkönig Boten schickte, welche die Griechen aufforderten, ihre Waffen abzugeben, was die Hellenen verweigerten. Plutarch zufolge soll Leonidas diese Aufforderung in typisch lakonischer Weise beantwortet haben: „Komm und hol sie dir!“ Am fünften Tag kam es dann zum Kampf. Zunächst schickte der Großkönig die Meder und die Kissier ins Gefecht, doch scheiterten sie an der griechischen Phalanx. Danach sandte Xerxes die Elitetruppe der 10 000 „Unsterblichen“, seine persönliche Leibgarde, in den Kampf (Abb. 16). Herodot erklärt deren Namen damit, dass die Stärke der Truppe stets 10 000 Mann betrug, da Ausfälle sofort durch Verstärkungen ausgeglichen wurden (möglicherweise steckt dahinter aber nur die Verwechslung zweier persischer Wörter). ihrer Stelle rückten die Perser vor, die der König die „Unsterblichen“ ❯ An nannte und deren Führer Hydarnes war, als ob gerade diese mit den Griechen leicht fertig werden könnten. Als sie mit den Griechen zusammentrafen, richteten sie ebenso wenig aus wie die medischen Truppen; da sie

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auf engem Raum kämpften, kürzere Lanzen hatten als die Griechen und von ihrer Übermacht keinen Gebrauch machen konnten, hatten sie denselben Misserfolg. Die Lakedaimonier kämpften rühmenswert und zeigten, dass sie das Kriegshandwerk verstanden, der Feind aber nicht. Besonders aber taten sie Folgendes: Sie wandten sich manchmal alle zugleich zur Flucht, indem sie den Rücken kehrten. Die Barbaren sahen es und kamen ihnen mit Lärm und Geschrei näher. Da kehrten die Griechen um, wenn die Feinde sie eingeholt hatten, nahmen Front zu den Barbaren und vernichteten unzählige Perser. Aber auch einige wenige Spartiaten fielen dabei. Als nun die Perser den Pass nicht erstürmen konnten, ob sie nun in einzelnen Abteilungen oder sonstwie angriffen, zogen sie sich zurück. Bei diesen Sturmangriffen soll Xerxes, der dem Kampf zusah, dreimal aus Besorgnis um sein Heer von seinem Stuhl aufgesprungen sein. Das war der Kampf am ersten Tage. HERODOT 7,211FF.



Am folgenden Tag konnten die Perser weiterhin keine Erfolge erringen, der dritte Kampftag sollte aber schließlich die Entscheidung zugunsten der Invasoren bringen. Herodot berichtet, wie es dazu kam: der König bereits nicht mehr wusste, wie er die gegenwärtige Lage meis❯ Als tern sollte, meldete sich bei ihm ein Mann aus Malis, Ephialtes, der Sohn des Eurydemos, in der Hoffnung auf eine hohe Belohnung vom König. Er verriet den Fußpfad, der durch das Gebirge zu den Thermopylen führt, und überlieferte damit die dort ausharrenden Griechen dem Untergang. […] Xerxes gefiel das Anerbieten des Ephialtes. Er freute sich darüber und schickte sofort Hydarnes mit seinen Leuten los. Mit Einbruch der Nacht brachen sie aus dem Lager auf. HERODOT 7,213FF.



Als die zur Bewachung des Umgehungspfades abkommandierten Phoker die Einheit der „Unsterblichen“ unter der Führung des Hydarnes kommen sahen, flohen sie und gaben somit den Weg für die Perser frei. Die übrigen Griechen erfuhren rasch, was geschehen war, und hielten Rat, wie nun weiter vorzugehen sei: Seher Megistias hatte zunächst den Griechen in den Thermopylen ❯ Der nach Untersuchung der Opfertiere den Tod für den nächsten Morgen vorhergesagt. Nun erschienen auch noch Überläufer und teilten ihnen die

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8. KAPITEL

Umgehung durch die Perser mit. Diese Warnung geschah noch während der Nacht. Als es Tag wurde, liefen als Dritte auch die Späher von den Höhen herab. Da hielten die Griechen Rat, und ihre Meinungen gingen auseinander. Die einen wollten den Platz nicht aufgeben lassen, die andern aber widersprachen. Danach trennten sie sich; die einen zogen ab und zerstreuten sich in ihre Heimatstädte, die andern aber mit Leonidas waren bereit, an Ort und Stelle zu bleiben. Erzählt wird auch, Leonidas selbst habe sie aus Sorge um ihre Rettung weggeschickt: Ihm selbst und den anwesenden Spartiaten zieme es nicht, den Platz zu verlassen, zu dessen Verteidigung sie eigentlich abgesandt seien. Hier bin ich auch durchaus der Meinung, dass Leonidas den Bundesgenossen den Befehl zum Rückzug gegeben hat, als er merkte, wie lustlos sie waren und keineswegs guten Willen zeigten, mit ihnen zusammen ihr Leben zu wagen, dass es für ihn selbst aber nicht anständig gewesen wäre abzuziehen. Durch sein Bleiben hinterließ er sich großen Ruhm, und Spartas Glück wurde nicht getrübt. […] Die entlassenen Bundesgenossen zogen ab und gehorchten dem Leonidas. Die Thespier aber und die Thebaner blieben allein bei den Lakedaimoniern. Die Thebaner taten es ungern und widerwillig; denn Leonidas hielt sie fest und betrachtete sie als Geiseln. Die Thespier aber blieben freudigen Herzens und erklärten, sie wollten Leonidas und seine Leute nicht verlassen und nach Hause gehen. Sie hielten aus und starben gemeinsam mit ihnen. HERODOT 7,219,1FF.



Herodot überliefert also zwei Versionen des Geschehens: Einer Überlieferung zufolge hätten zahlreiche der Griechen Fahnenflucht begangen, einer anderen Tradition nach hätte Leonidas den Großteil seiner Truppen weggeschickt; der Geschichtsschreiber gibt der für die Beteiligten vorteilhafteren Variante den Vorzug. Kaum glaubhaft ist freilich seine Ansicht, dass die verbliebenen Thebaner als Geiseln dienen sollten. Es war bereits fortgeschrittener Vormittag, als Xerxes angriff. Die Griechen wagten sich – ihrer aussichtslosen Lage bewusst – weiter vor als an den beiden vergangenen Tagen und stürzten sich mit Todesverachtung ins Gemetzel. Früh fiel Leonidas, um dessen Leiche es angeblich zu heftigen Gefechten kam; das ist aber wohl eine homerische Reminiszenz. Schließlich sei der Körper des getöteten Spartanerkönigs jedenfalls doch in persische Hände geraten, worauf Xerxes angeblich Leonidas den Kopf abschlagen und pfählen ließ.

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Unter den griechischen Kämpfern hebt Herodot besonders den Spartaner Dienekes hervor: der größte Held soll doch Dienekes aus Sparta gewesen sein. Er sagte, ❯ Aber so erzählt man, noch ehe es zum Zusammenprall mit den Persern kam – er hatte von einem Trachinier erfahren, die Barbaren würden mit ihren Geschossen die Sonne durch die Menge ihrer Pfeile verdunkeln, so groß sei ihre Zahl –, unerschrocken darob und unbekümmert um die Menge der Meder: Das sei nur gut für sie, was der Gastfreund aus Trachis melde. Wenn die Meder die Sonne verdunkelten, so könnte man ja im Schatten gegen sie kämpfen und nicht in der Sonne. Diese und ähnliche Aussprüche, erzählt man, hat der Lakedaimonier Dienekes zu seinem Gedenken hinterlassen. HERODOT 7,226



Als die „Unsterblichen“ im Rücken der Griechen ankamen und sie nun auch von hinten angriffen, war die Schlacht schnell vorbei. Die Spartaner und ihre Bundesgenossen verschanzten und verteidigten sich, so gut es noch ging, doch der Übermacht, die sie nun von mehreren Seiten angriff, hatten sie nichts entgegenzusetzen. Herodot spricht von insgesamt 4000 griechischen Gefallenen, darunter den 700 Thespiern, den 300 Spartiaten sowie den sie begleitenden Heloten. Die 400 Thebaner sollen sich, als sie sahen, dass die Perser die Oberhand gewannen, den Feinden ergeben und so ihr Leben gerettet haben. Wohl übertrieben ist die Zahl der gefallenen Perser, die Herodot überliefert. Er geht nämlich von 20 000 Gefallenen auf achaimenidischer Seite aus, darunter sollen auch zwei Brüder des Xerxes gewesen sein. Eine von Herodot abweichende Tradition, die wohl auf Ephoros zurückgeht, findet sich bei Plutarch, Iustinus und Diodor, der von einem nächtlichen Überraschungsangriff mit dem Ziel, den Perserkönig zu töten, berichtet. Diesen soll Leonidas befohlen haben, als die Griechen erkannten, dass ihre Stellung umgangen worden war: Griechen aber dachten nicht mehr an ihre eigene Sicherheit, wählten an ❯ Die deren Stelle den Ruhm und forderten einstimmig von ihrem Befehlshaber, er solle sie, ehe noch die Perser von der Umzingelung durch die Ihren Kenntnis erhielten, gegen die Feinde führen. Leonidas begrüßte die Entschlossenheit seiner Krieger und gebot ihnen, rasch ihr Frühstück zu verzehren, da sie ihre Hauptmahlzeit im Hades einnehmen würden. Auch er selbst nahm seiner

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eigenen Weisung gemäß Nahrung zu sich, im Glauben, auf diese Weise lange bei Kräften bleiben und die Kampfeslast ertragen zu können. Nachdem sie sich in Eile erfrischt hatten und alle bereit waren, befahl Leonidas seinen Leuten, das Lager anzugreifen, jeden, der ihnen in den Weg komme, niederzumachen und unmittelbar auf das Zelt des Königs vorzustoßen. Seinen Weisungen gemäß formierten sie einen dicht geschlossenen Haufen und fielen unter Leonidas’ Führung zur Nachtzeit im Perserlager ein. DIODOR 11,9F.



Angeblich gelang es den Griechen, den Feind mit diesem Überraschungsangriff völlig unvorbereitet zu überrumpeln und im persischen Lager größte Verwirrung zu stiften: des Vorgehens überrascht und ahnungslos strömten die Barbaren laut ❯ Ob lärmend und ungeordnet aus ihren Zelten zusammen und meinten, die Soldaten, die mit dem Trachinier gegangen waren, hätten den Tod gefunden und das gesamte Griechenheer sei nun zur Stelle. Das alles setzte sie in große Verwirrung, und so wurden denn auch viele von den Männern des Leonidas niedergemacht. Aus Unkenntnis fanden mehr noch durch eigene Leute als durch Feindeshand den Tod. Das nächtliche Dunkel erlaubte ja keine wahrheitsgetreue Erfassung der Lage […]. Sie machten sich gegenseitig nieder, denn die Umstände ließen keine Prüfung zu, zumal es keinen Befehl eines Führers, keine Erfragung der Parole und überhaupt keine Selbstbesinnung gab. DIODOR 11,10



Trotz der geglückten Überrumpelungstaktik war dem Unternehmen aber kein Erfolg vergönnt, denn es gelang den Griechen nicht, des persischen Großkönigs habhaft zu werden: der Tat, wenn der König in seinem Zelt geblieben wäre, hätten die ❯ InGriechen auch ihn leicht getötet, und der ganze Krieg hätte ein rasches Ende gefunden. So aber hatte sich Xerxes angesichts der Verwirrung davongemacht. DIODOR 11,10



Als es hell wurde, gelang es den Persern im hier wiedergegebenen Bericht Diodors allerdings, die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen und die eingedrungenen Griechen zu töten:

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es dunkel war, streiften sie, wie zu erwarten, auf der Suche nach ❯ Solange Xerxes durch das ganze Lager, bei Tagesanbruch jedoch, als sich die ganze Lage klärte, sahen die Perser, dass der Griechen nur wenige waren, und betrachteten sie mit Geringschätzung. Aus Furcht vor ihrem Heldenmut wagten sie freilich keinen Kampf Mann gegen Mann, sie umzingelten vielmehr ihre Gegner lediglich von den Flanken und von rückwärts her und töteten sie alle mit Pfeilschüssen und Lanzenwürfen. Und damit endeten Leonidas und die Seinen, welche die Thermopylenpässe bewachten, ihr Leben. DIODOR 11,10



Es kann kaum entschieden werden, welche der überlieferten Versionen vom Ende des Leonidas und seiner Männer näher an der Wahrheit liegt. Ein nächtliches Kommandounternehmen, das die Tötung des Perserkönigs zum Ziel hatte, ist jedenfalls durchaus vorstellbar. Auch der Bericht des Herodot ist in vielen Punkten problematisch. Was an den Thermopylen auch immer geschah, später ist am Ort der Schlacht ein Denkmal zu Ehren der toten Hellenen errichtet worden. Berühmt ist die Inschrift auf diesem Denkmal, die an die 300 gefallenen Spartaner erinnern soll und von Friedrich Schiller folgendermaßen übersetzt wurde: kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest uns hier ❯ Wanderer, liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl. HERODOT 7,228



Trotz aller Legenden, die sich bald um diese Schlacht und den Tod der an den Thermopylen verbliebenen Griechen, insbesondere der 300 Spartiaten (die sie begleitenden Heloten und die Thespier werden meist vergessen), der als ein Musterbeispiel militärischer Pflichterfüllung und Opferbereitschaft gilt, zu ranken begannen, darf nicht vergessen werden, dass es ein „Gesetz“ (Schillers Übersetzung ist hier nicht ganz glücklich), das den Lakedaimoniern den Rückzug, zumal in aussichtsloser Lage, verboten hätte, nie gab. Warum aber hielt Leonidas die nicht zu verteidigende Stellung? Herodot vermutet einerseits, dass Leonidas mit seinen Spartanern großen Ruhm erwerben wollte, und berichtet andererseits von einem Orakel, das die Lakedaimonier vor dem Krieg erhalten hätten: sein Bleiben hinterließ er sich großen Ruhm, und Spartas Glück ❯ Durch wurde nicht getrübt. Als die Spartaner das Orakel in Delphi über diesen Krieg

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8. KAPITEL

befragten, hatten sie gleich zu Beginn von der Pythia den Spruch erhalten: Entweder Sparta würde von den Feinden zerstört werden oder ihr König fallen. […] Das bedachte Leonidas. Weil er den Spartanern den Ruhm allein zukommen lassen wollte, schickte er die Bundesgenossen weg. Das glaube ich viel eher, als dass sie uneins geworden und so auf eigene Faust abgezogen seien. HERODOT 7,220



Die Geschichte vom Orakel ist wahrscheinlich erst nach der Schlacht entstanden. Auch wenig wahrscheinlich ist es, dass Leonidas seine Männer aus bloßem Ehrgefühl in einen sicheren und sinnlosen Tod führte. Ebenso ist ausgeschlossen, dass der spartanische König die Lage so falsch beurteilt hätte, dass er an ein mögliches Halten der Stellung geglaubt hätte. Das harte Urteil des Althistorikers Karl Julius Beloch, dass die Schlacht an den Thermopylen die Griechen in erster Linie von einem unfähigen Oberfeldherrn befreit habe, ist daher sicherlich zu einseitig formuliert. Es ist vielmehr anzunehmen, dass Leonidas mit den verbliebenen Spartanern und Thespiern dem übrigen Heer den Rückzug sichern wollte. Es kann durchaus vermutet werden, dass er eigentlich plante, den Bundesgenossen dann zu folgen, dass dies jedoch nicht mehr möglich war, da die Falle der Perser schneller als erwartet zuschnappte. Ob die Entscheidung des Spartanerkönigs aus innenpolitischen Gründen, etwa aufgrund von Spannungen zwischen Königen und Ephoren, getroffen wurde, wie manchmal vermutet wird, darüber kann nur spekuliert werden. Sicherlich nichts hat das Ausharren des Leonidas mit der griechischen Flotte zu tun, die gleichzeitig am Kap Artemision den persischen Kriegsschiffen gegenüberlag.

Die Seeschlacht am Kap Artemision Parallel zur Schlacht fand an denselben Tagen, als sich Griechen und Perser an den Thermopylen gegenüberstanden, Mitte August des Jahres 480 v. Chr., an der Nordspitze von Euboia eine Seeschlacht statt. 271 griechische Trieren und neun Pentekonteren waren hier am Kap Artemision stationiert. Ihnen gegenüber, bei Aphetai an der Südküste der Halbinsel Magnesia, lag die persische Flotte, die kurz zuvor durch einen heftigen Sturm bei Kap Sepias bereits deutlich dezimiert worden war, wie Herodot berichtet:

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die Flotte in See gestochen war und auf ihrer Fahrt die Küste von Mag❯ Als nesia zwischen der Stadt Kasthanaia und dem Vorgebirge Sepias erreicht hatte, warfen die ersten Schiffe an der Küste Anker, die übrigen ankerten hinter ihnen. Weil die Küste nicht breit war, lagen sie acht Schiffe tief mit den aufragenden Schnäbeln zum Meer hin. So verging diese Nacht. Am frühen Morgen aber wurde das Meer nach heiterem Himmel und völliger Windstille unruhig. Ein starkes Unwetter zog auf, und ein gewaltiger Nordostwind brach los, den die Bevölkerung der Gegend Hellespontier nennt. Wer das Anwachsen des Sturmes zeitig genug bemerkte und das Schiff günstig liegen hatte, konnte es noch an Land ziehen, ehe der Sturm losbrach, und sich mit dem Schiff retten. Alle die Fahrzeuge aber, die der Sturm auf offener See erfasste, warf er teils nach Ipnoi am Pelion, andere an die Küste. Andere wieder strandeten am Vorgebirge Sepias selbst, andere wurden bei der Stadt Meliboia, andere bei Kasthanaia ans Land geschleudert. Es muss ein fürchterlicher Sturm gewesen sein. [...] Bei diesem Unwetter sind nach der niedrigsten Angabe nicht weniger als 400 Schiffe vernichtet worden und unzählige Menschen und zahlreiche Schätze verloren gegangen. HERODOT 7,188



Für diesen Sturm, der drei Tage lang tobte, wurde in einer antiken Überlieferung Boreas, die Personifikation des Nordwindes, verantwortlich gemacht. Dieser hatte Oreithyia, eine Tochter des mythischen athenischen Königs Erechtheus, zur Frau und habe deshalb den Athenern geholfen. Aus Dankbarkeit dafür wurde ihm jedenfalls später in Athen am Fluss Ilissos ein Tempel errichtet. Trotz der gewaltigen Verluste, welche die persische Flotte erlitten hatte, war sie der griechischen Seestreitmacht vor Kap Artemision zahlenmäßig immer noch deutlich überlegen. Herodot kolportiert, dass die Griechen, als sie die achaimenidische Übermacht erkannt hatten, beschlossen hätten, sich gleich zurückzuziehen. Als die Euboier daraufhin den griechischen Oberbefehlshaber Eurybiades gebeten hätten, wenigstens so lange zu warten, bis sie ihre Kinder und ihr Gesinde in Sicherheit gebracht hätten, soll dieser ihr Ansinnen abgelehnt haben. Daraufhin hätten sie sich an Themistokles gewandt und diesen mit 30 Talenten Silber bestochen, damit er die griechische Flotte zum Bleiben überrede. Indem er fünf Talente an Eurybiades und drei an Adeimantos von Korinth gab, soll dieser das auch getan haben. Ob diese Anekdote der Wahrheit entspricht, ist zweifelhaft. Selbst angesichts der gewaltigen persischen Flotte dürften die Griechen zu diesem Zeitpunkt kaum eine komplette Preisgabe Euboias erwogen haben.

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8. KAPITEL

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Herodot berichtet des Weiteren, dass die Perser, als sie die vergleichsweise geringe Anzahl an griechischen Schiffen sahen, den Plan fassten, eine Abteilung in deren Rücken zu entsenden. Sie sonderten daher 200 Schiffe von der Gesamtflotte ab, die Euboia umsegeln und so den griechischen Schiffen bei einem persischen Angriff den Fluchtweg versperren sollten. Diese Operation ist vielfach bezweifelt worden, doch besteht dazu kein Grund. Strategisch ist sie durchaus nachvollziehbar. Unglaubwürdig ist vielmehr die Nachricht des Herodot (der auch selbst Zweifel an dieser Überlieferung anmeldet), dass ein gewisser Skyllias aus Skione, angeblich der beste Taucher seiner Zeit, von den Persern zu den Griechen übergelaufen sei, um ihnen den persischen Plan zu enthüllen, indem er von Aphetai bis zum Kap Artemision eine Strecke von 80 Stadien (etwa 14 Kilometer!) getaucht sei. Am Abend des ersten Tages kam es schließlich zu Gefechten, bei denen die Griechen durch ein geschicktes Manöver zwar 30 persische Schiffe kapern konnten, doch gelang es keiner Partei, sich entscheidend durchzusetzen. In der folgenden Nacht tobte wiederum ein gewaltiges Unwetter, das den persischen Schiffen, die um Euboia herumfahren und so in den Rücken der griechischen Flotte gelangen sollten, zum Verhängnis wurde: war es dunkel geworden, ging ein starker Wolkenbruch, obwohl es ❯ Kaum mitten im Sommer war, die ganze Nacht nieder, und gewaltig donnerte es vom Pelion her. […] Für die aber, die den Auftrag erhalten hatten, Euboia zu umfahren, zeigte sich die gleiche Nacht noch viel schlimmer, das umso mehr, weil sie sie auf offenem Meer überraschte. Sie fanden ein klägliches Ende; denn Sturm und Regen überfielen sie auf der Fahrt bei den euboiischen Klippen. Der Wind jagte sie vor sich her. Da sie nicht wussten, wohin sie trieben, zerschellten sie an den Felsen. Das alles war das Werk der Gottheit, damit die persische Flotte der griechischen gleich würde und nicht mehr überlegen sei. HERODOT 8,12



Am nächsten Tag erhielten die Griechen Verstärkung durch zusätzliche 53 Schiffe, die aus Athen eintrafen. Wiederum kam es zu Gefechten, in deren Verlauf die griechische Flotte offenbar etliche kilikische Schiffe zerstören konnten. Am Abend zogen sich die Griechen wieder zum Kap Artemision zurück, ohne dass eine Entscheidung gefallen wäre. Der dritte Tag brachte umso schwerere Gefechte:

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Feinde aber ließen ihre Schiffe halbmondförmig auffahren und umfassten ❯ Die die Griechen. Da stießen die Griechen gegen sie vor, und der Kampf begann. In diesem Gefecht waren die Streitkräfte einander gleich; denn die Flotte des Xerxes schadete sich selbst durch ihre Größe und Menge; die Schiffe gerieten in Unordnung, und eines stieß gegen das andere. Trotzdem hielt sie stand und wich nicht; denn es schien ihnen doch zu schandbar, vor so wenigen Schiffen die Flucht zu ergreifen. Die griechischen Verluste an Schiffen und Mannschaften waren erheblich, größer noch die der Feinde. So kämpften sie miteinander; dann trennten sie sich, beide Parteien für sich. HERODOT 8,16



Insbesonders die athenische Flotte hatte in den Gefechten dieses Tages sehr gelitten: Die Hälfte der attischen Schiffe war beschädigt. Daher beschloss man, sich weiter zurückzuziehen. Als kurz darauf ein Bote eintraf und die griechische Niederlage an den Thermopylen verkündete, brachen die Hellenen sofort auf, da nun Mittelgriechenland nicht mehr zu halten war. Herodot und andere Autoren berichten, dass Themistokles vor dem Rückzug noch Inschriften am Kap Artemision anbringen ließ, welche die Ionier in den Reihen der Perser dazu aufforderten, auf die griechische Seite überzulaufen oder sich zumindest fortan aus den Kämpfen herauszuhalten. Hinter dieser Überlieferung steckt aber wohl kaum ein wahrer Kern. Die Schlacht am Kap Artemision hatte keine kriegsentscheidende Bedeutung. Sie war aber für die Griechen, die hier erstmals dem Invasionsheer erfolgreich standgehalten hatten, von großer psychologischer Bedeutung, wie auch Plutarch feststellt: Gefechte, die damals in der Meerenge mit der Perserflotte ausgetragen ❯ Die wurden, vermochten zwar den Krieg nicht entscheidend zu beeinflussen, waren aber als Waffenprobe gleichwohl von größter Bedeutung für die Griechen. Aus den Taten nämlich, die sie hier unter Gefahren vollbrachten, wurde es ihnen klar, dass weder die Menge der Schiffe noch ihre prachtvoll verzierten Schnäbel, weder das prahlerische Kriegsgeschrei noch die Schlachtgesänge der Barbaren tapfere Männer, die den Kampf nicht scheuen, zu schrecken vermögen, dass man sich vielmehr auf den Feind stürzen und Auge in Auge mit ihm sich schlagen müsse, unbekümmert um dergleichen Nichtigkeiten. PLUTARCH, THEMISTOKLES 8



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Plutarch verweist in diesem Zusammenhang auf den Dichter Pindar, der die Taten der Griechen vor Kap Artemision besang: Athener Söhne legten daselbst ❯ Der den schimmernden Grundstein der Freiheit.



Dass die Schlacht am Kap Artemision insgesamt – trotz des unausweichlichen Rückzugs der hellenischen Flotte – durchaus als ein griechischer Erfolg zu werten ist, verdeutlicht überdies ein kleiner, aus weißem Marmor errichteter Tempel der Artemis Proseoa, der nach der Schlacht hier errichtet wurde und der auf einer seiner Säulen folgende Verse des Simonides trägt, die ebenfalls Plutarch zitiert: die zahllos-bunten Scharen aus Asiens Landen siegten in diesem ❯ Über Meer tapfere Söhne Athens und zerschmetterten Persiens Flotte. Freudigen Herzens weihten sie, Artemis, dir dann diesen Tempel zum Dank.



Die Evakuierung von Athen Mittelgriechenland war nun allerdings den Persern ausgeliefert, die ihren Marsch in Richtung Athen fortsetzten. Das Heer des Xerxes eroberte die Landschaften Doris und Phokis, wo sie laut Herodot alles zerstörten, was sie fanden, und Feuer an Städte und Tempel legten. Während das Gros des Heeres dann in das pro-persisch gesinnte Boiotien zog, soll ein Teil der achaimenidischen Streitmacht zum Heiligtum von Delphi aufgebrochen sein, um dieses zu plündern. Das berühmte Orakel soll jedoch durch ein Wunder gerettet worden sein. Wahrscheinlich war eine Plünderung des Heiligtums von Delphi von den Persern aber wohl gar nicht geplant gewesen, da Xerxes vermutlich seine griechischen Verbündeten nicht unnötig brüskieren wollte. In Athen wurde inzwischen nach dem Bericht des Herodot jeder Bewohner aufgefordert, seinen Haushalt zu evakuieren. Die meisten brachten ihre Angehörigen nach Troizen, andere nach Aigina und Salamis. Dies soll in größter Eile und Heimlichkeit geschehen sein. Es erscheint freilich unwahrscheinlich, dass eine derartige Maßnahme in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit realisierbar war. Viel wahrscheinlicher ist es, dass die Evakuierung der Stadt bereits vor der Doppelschlacht an den Thermopylen und am Kap Arte-

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mision in Angriff genommen wurde, da man damit rechnen musste, dass die persischen Invasoren dort nicht aufgehalten werden könnten. Genau das schildert auch eine vieldiskutierte Inschrift, die im Jahr 1959 in Troizen aufgefunden wurde: Es beschlossen der Rat und das Volk, Themistokles, Sohn des Neokles, ❯ Götter! aus dem Demos Phrearrhioi stellte den Antrag: Die Stadt soll man anvertrauen der Athena, die über Athen waltet, und den anderen Göttern allen, dass sie sie beschützen und den Barbaren zur Rettung des Landes abwehren. Die Athener alle und die Fremden, die in Athen wohnen, sollen die Kinder und die Frauen nach Troizen bringen, in die Obhut des Theseus (oder Pittheus?), des Archegetes des Landes. Die Alten aber und den Besitz sollen sie nach Salamis bringen. Die Schatzmeister aber und die Priesterinnen sollen auf der Akropolis bleiben, indem sie den Besitz der Götter bewachen. Die übrigen Athener alle und die Fremden im waffenfähigen Alter sollen an Bord der bereitgestellten zweihundert Schiffe gehen und den Barbaren abwehren, sowohl um ihrer eigenen Freiheit willen als auch der der übrigen Griechen, zusammen mit Lakedaimoniern und Korinthern und Aigineten und den übrigen, die bereit sind, sich gemeinsam der Gefahr zu stellen. Bestimmen sollen auch Trierarchen, zweihundert an Zahl, einen für jedes Schiff, die Strategen, beginnend mit dem morgigen Tag, aus denen, die Land und Haus in Athen besitzen und vollbürtige Kinder haben und nicht älter als fünfzig Jahre sind, und sie sollen ihnen die Schiffe durch das Los zuteilen. Und sie sollen zehn Soldaten für jedes Schiff ausheben aus denen, die über zwanzig Jahre und bis dreißig Jahre alt sind, und vier Bogenschützen. Auslosen sollen sie auch die Maate für die Schiffe, und zwar dann, wenn sie auch die Trierarchen auslosen. Aufschreiben sollen die Strategen auch die übrige Besatzung pro Schiff auf weißen Tafeln, und zwar die Athener aus den Bürgerlisten, die Fremden aus den Verzeichnissen beim Polemarchen. Aufschreiben sollen sie sie eingeteilt in Abteilungen, und zwar in zweihundert, mit jeweils hundert (Mann pro Abteilung), und eintragen über jeder Abteilung den Namen der Triere und des Trierarchen und der Maate, damit sie wissen, auf welche Triere sich die jeweilige Abteilung begeben hat. Sobald aber alle Abteilungen eingeteilt und den Trieren zugelost sind, sollen alle zweihundert Schiffe bemannen der Rat und die Strategen, nachdem sie ein Versöhnungsopfer dargebracht haben dem Zeus Pankrates (= dem Allherrscher) und der Athena und der Nike und dem Poseidon Asphaleios (= der Beschützer). Sobald aber

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bemannt sind die Schiffe, sollen sie mit den einen hundert von ihnen zu Hilfe eilen zum euböischen Artemision und mit den anderen hundert von ihnen um Salamis und das übrige Attika vor Anker bleiben und bewachen das Land. Damit aber alle Athener einmütig die Barbaren abwehren, sollen diejenigen, die verbannt sind, auf zehn Jahre, sich nach Salamis begeben und dort so lange bleiben, bis das Volk einen Beschluss über sie fasst. Die Atimoi aber …



Die Buchstabenformen zeigen deutlich, dass diese Inschrift erst viele Jahre nach den geschilderten Ereignissen, wohl zwischen 300 und 250 v. Chr., in den Stein gemeißelt wurde. In der Forschung ist daher umstritten, ob es sich bei dieser Inschrift um die Wiederaufzeichnung eines authentischen Beschlusses aus dem Jahr 480 v. Chr. handelt oder um eine spätere Fälschung. Diese Frage kann nicht mit Sicherheit entschieden werden. Auch wenn der Text der Inschrift im Kern echt ist, sind bei der uns erhaltenen Niederschrift inhaltliche und stilistische Veränderungen vorgenommen worden. In der antiken Literatur wird ein derartiger Volksbeschluss jedenfalls erwähnt (den frühesten Beleg stellt eine Rede des Demosthenes aus dem Jahr 348 v. Chr. dar – und damit ein halbes Jahrhundert vor der Wiederaufzeichnung).

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9. K A P I T E L

Die Schlacht von Salamis

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ie Perser erreichten schließlich Attika, verwüsteten das Land und fielen Ende August, Anfang September 480 v. Chr. in Athen ein. Die Unterstadt war verlassen, auf der Akropolis befanden sich nur mehr das Tempelpersonal sowie einige arme Bewohner der Stadt, die auch der Meinung gewesen sein sollen, der Spruch aus Delphi meine in Wahrheit doch die Hecke, welche den Burgberg säumte. Die Akropolis konnte aber rasch von den Persern eingenommen werden, alle verbliebenen Athener wurden getötet, das Heiligtum wurde geplündert und niedergebrannt. Die griechische Flotte sammelte sich in Salamis. Wiederum gibt Herodot einen Überblick über die Anzahl der Kriegsschiffe:

den Kampf aber zogen folgende Stämme: aus der Peloponnes die Lake❯ Indaimonier mit sechzehn Schiffen; die Korinther bemannten die gleiche Zahl wie bei Artemision; die Sikyonier stellten fünfzehn Schiffe, die Epidaurier zehn, die Troizener fünf, die Hermionen drei […] Diese Schiffe kamen aus der Peloponnes, folgende aber aus dem außerhalb davon liegenden Festland: Die Athener stellten allein gegenüber allen andern 180 Schiffe […] Die Megarer stellten die gleich starke Mannschaft wie bei Artemision. Die Amprakioten aber kamen zur Verstärkung mit sieben Schiffen, die Leukadier mit drei; das war ein dorisches Volk von Korinth. Von den Inselbewohnern stellten die Aigineten dreißig Schiffe. Sie hatten zwar noch mehr Schiffe aus-

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gerüstet, aber die behielten sie zur Verteidigung ihres Landes […] Nach den Aigineten stellten die Chalkidier ihre zwanzig Schiffe von Artemision, und die Eretrier ihre sieben. Das sind Ionier. Dann kamen die von Keos auch mit der gleichen Schiffszahl; das sind Ionier von Athen. Die Naxier stellten vier Schiffe. Ihre Mitbürger hatten diese zu den Persern gesandt wie auch alles übrige Inselvolk. Aber trotz dieses Befehls stießen sie auf Betreiben des Demokritos, eines angesehenen Bürgers in Naxos, der damals eine Triere führte, zu den Griechen. Die Naxier aber sind Ionier und stammen aus Athen. Die Styreer stellten ebenso viele Schiffe wie bei Artemision, die Kythnier ein Kriegsschiff und einen Fünfzigruderer. Das sind beides Dryoper. Auch die Seriphier und Siphnier und die Melier zogen mit in den Kampf; denn sie waren die einzigen von allen Inselbewohnern, die dem Barbaren nicht Erde und Wasser gegeben hatten. Diese alle nun, die da in den Krieg zogen, wohnten diesseits der Thesproter und des Acheron; [...] von denen aber, die außerhalb von ihnen wohnen, waren die Krotoniaten die einzigen, die Griechenland in der Stunde der Gefahr beistanden, und zwar mit einem einzigen Schiff, das Phaÿllos befehligte, der dreimalige Sieger in den pythischen Spielen. Die Krotoniaten aber sind ihrer Herkunft nach Achaier. Alle übrigen nun erschienen mit Dreiruderern; die Melier, Siphnier und Seriphier hatten Fünfzigruderer. Die Melier, die von Lakedaimon abstammten, stellten zwei Schiffe, die Siphnier und die Seriphier, die Ionier aus Athen sind, stellten je einen Fünfzigruderer. Die Gesamtzahl der Schiffe aber betrug ohne die Fünfzigruderer 378 Einheiten. HERODOT 8,43FF.



Die Athener stellten mit ihren 180 Trieren beinahe die Hälfte der Kriegsschiffe und mehr als zehnmal so viele Trieren wie Sparta. Trotzdem hatte der Spartaner Eurybiades erneut das Oberkommando über die Flotte inne. Herodot berichtet, dass unter den Kommandierenden der griechischen Kontingente über die weitere Strategie beraten wurde und viele der Meinung waren, dass man sich an den Isthmos von Korinth zurückziehen und dort den Feind erwarten solle. Durch einen solchen Rückzug hätte man aber nicht nur Aigina und Megara preisgegeben, auch die Tausenden von Flüchtlingen auf Salamis hätten erneut evakuiert werden müssen. Insbesondere Themistokles soll sich gegen diesen Plan gewandt haben, indem er auch taktische Überlegungen vorbrachte:

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9. KAPITEL

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deiner Hand liegt jetzt die Rettung Griechenlands, Eurybiades, wenn du ❯ „In auf mich hörst, hier bleibst und eine Seeschlacht lieferst, nicht aber auf die Ratschläge dieser Männer hin die Schiffe zum Isthmos absegeln lässt. Höre zu und halte beides gegeneinander: Wenn du am Isthmos kämpfst, musst du die Schlacht auf offener See führen, was für uns nicht gerade günstig ist, weil unsere Schiffe schwerfälliger und zahlenmäßig geringer sind. Dann verlierst du Salamis, Megara und Aigina, selbst wenn wir auch im Übrigen Erfolg haben; denn das Landheer wird der Seemacht auf dem Fuße folgen. So wirst du es selbst nach der Peloponnes führen und ganz Griechenland in Gefahr bringen. Wenn du aber meinen Rat befolgst, dann winken dir diese großen Vorteile: Kämpfen wir in der Enge mit wenigen Schiffen gegen viele, so werden wir, wenn es mit rechten Dingen zugeht, einen vollständigen Sieg erringen; denn der Kampf auf engem Raum ist unser Vorteil, der Kampf auf offener See spricht für die anderen. Weiter aber retten wir damit Salamis, wohin wir unsere Frauen und Kinder in Sicherheit gebracht haben. Dabei habt ihr

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auch noch einen Vorteil, der euch sehr am Herzen liegt: Wenn du hierbliebst, verteidigst du auch die Peloponnes ebenso gut wie am Isthmos, und du wirst, wenn du klug bist, die Feinde nicht nach der Peloponnes locken. Geschieht aber, was ich hoffe, und siegen wir mit der Flotte, so werden auch die Barbaren weder am Isthmos erscheinen noch weiter über Attika hinaus vorrücken, sondern Hals über Kopf abziehen. Und wir erreichen dadurch, dass Megara, Aigina und Salamis gerettet sind. Hier hat uns ja auch ein Götterspruch den Sieg über die Feinde verheißen. Wenn man einen vernünftigen Plan fasst, dann geht es fast immer gut aus. Wählt man aber einen unsinnigen, dann entzieht auch die Gottheit dem Denken der Menschen ihre Hilfe.“ HERODOT 8,60



Diese Rede errinnert natürlich stark an die Worte, die Miltiades vor der Schlacht von Marathon angeblich an den Polemarchen Kallimachos richtete. Dass Adeimantos, der Anführer der Korinthier, sich gegen Themistokles gestellt haben soll, ist wohl nur als Reflex der anti-korinthischen Tendenz des Herodot zu sehen und entbehrt vermutlich jeder Grundlage. Ein wichtiges Argument für das Halten der Stellung bei Salamis hätte Themistokles überdies noch verschwiegen. Ein Rückzug an den Isthmos hätte wohl ein Auseinanderbröckeln des griechischen Verteidigungsbündnisses zur Folge gehabt. Es wäre auch fraglich gewesen, ob die Athener, Aigineten und Megarer überhaupt noch weitergekämpft hätten. Herodot zufolge soll Themistokles sogar gedroht haben, die Athener würden den Kampf aufgeben und nach Süditalien fliehen. Dies hätte den Ausschlag dafür gegeben, dass sich Eurybiades dazu entschloss, den Persern doch bei Salamis entgegenzutreten. Freilich sind an der Historizität der Debatte Zweifel angebracht, denn nach dem Durchbruch der Perser an den Thermopylen und der Preisgabe Mittelgriechenlands gab es eigentlich keine Alternative mehr. Eine Stellung am Isthmos wäre von den Spartanern und ihren Bundesgenossen nicht lange zu halten gewesen, da die persische Flotte an der peloponnesischen Küste hätte landen und Truppen im Rücken der Griechen hätte aufmarschieren lassen können. Entsprechend der Beratung der griechischen Befehlshaber entwirft Herodot auch das Bild einer Zusammenkunft der Fürsten und Admirale im Gefolge des Xerxes, an die der Großkönig die Frage gerichtet haben soll, ob er denn hier vor Salamis eine Seeschlacht gegen die Griechen schlagen solle (Abb. 17). Dies hätten alle bejaht, nur die von Herodot so bewunderte Königin Artemisia aus Halikarnassos hätte mit folgenden Worten davon abgeraten:

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9. KAPITEL

Abb. 17: Nicht nur ein Entwurf von Herodot? Nordgriechische Elfenbeinschnitzerei mit der Darstellung von Persern bei einer Beratung.

deine Flotte und vermeide eine Seeschlacht! Diese Kämpfer sind ❯ „Schone deinen Völkern zur See so überlegen wie Männer den Frauen. Warum willst du dich denn durchaus durch Seeschlachten gefährden? Hältst du nicht Athen in deiner Hand, dessentwegen du den Feldzug unternommen hast? Besitzest du nicht auch das übrige Griechenland? Kein Mensch wagt dir entgegenzutreten. Die es getan haben, sind so davongekommen, wie sie es verdient haben. Ich will dir nach meiner Ansicht den Verlauf des feindlichen Unternehmens sagen. Bestehst du nicht auf einer Seeschlacht, sondern hältst die Schiffe hier vor Anker und bleibst auf dem Lande oder rückst nach der Peloponnes vor, so wird sich dir, Herr, alles leicht nach der Absicht gestalten, mit der du gekommen bist; denn lange Zeit können die Griechen nicht Widerstand leisten. Du wirst sie zerstreuen. Jeder wird dann in seine Heimatstadt flüchten; denn sie haben dort auf der Insel keine Lebensmittel bei sich,

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wie ich bestimmt weiß. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die Leute, die von dort hierhergekommen sind, ruhig bleiben, wenn du mit deiner Landmacht gegen die Peloponnes ziehst. Es wird ihnen dann wenig daran liegen, für die Athener in einer Seeschlacht zu kämpfen. Wenn du aber sofort auf einen Kampf zur See drängst, fürchte ich, dass der Verlust deiner Seemacht das Landheer mit ins Verderben zieht.“ HERODOT 8,68



Der persische König soll aber diese kluge Einschätzung der Lage durch Artemisia verworfen und den Befehl zur Ausfahrt gegeben haben. Eine Rolle mag dabei auch gespielt haben, dass es bereits Ende September und somit das Jahr schon weit fortgeschritten war. Das Problem der Überwinterung und Versorgung von Heer und Flotte wurde damit immer dringlicher, auch drohte, je länger die Abwesenheit des Großkönigs von den persischen Kernlanden dauerte, die Gefahr von Erhebungen und Usurpationen. Xerxes benötigte eine rasche Entscheidung. Die persische Flotte nahm vor Salamis Aufstellung, da der Tag aber schon fortgeschritten war, kam es noch nicht zur Schlacht. Gleichzeitig setzte sich das persische Landheer in Richtung Isthmos von Korinth in Bewegung. Dort hatten inzwischen tausende Peloponnesier unter der Führung des Spartaners Kleombrotos, des Bruders des Leonidas, eine Mauer quer über den Isthmos errichtet, welche den persischen Vormarsch behindern sollte. Wie Herodot berichtet, soll unter den Griechen angesichts der Auffahrt der persischen Kriegsschiffe Panik ausgebrochen sein. Immer mehr Hellenen hätten sich dafür ausgesprochen, die Stellung aufzugeben und sich doch an den Isthmos zurückzuziehen. Diodor spricht sogar von offener Befehlsverweigerung der Schiffsbesatzungen. Einzig die Athener, die Aigineten und die Megarer hätten darauf beharrt, dem Feind hier entgegenzutreten. Als die Peloponnesier in der Versammlung die Oberhand behalten hätten und der Rückzug angeordnet worden sei, habe Themistokles zu einer List gegriffen: Themistokles von den Peloponnesiern überstimmt wurde, ging er heim❯ Als lich aus der Versammlung und schickte einen Mann in einem Boot mit einem bestimmten Auftrag ins persische Lager. Dieser Mann hieß Sikinnos, gehörte zum Gesinde des Themistokles und war Erzieher seiner Kinder. Themistokles machte ihn später zum Thespier, als die Thespier ihre Bürgerschaft vergrößerten, und zu einem reichen Mann. Er erschien damals mit seinem Boot bei den Führern der Barbaren und richtete folgenden Auftrag aus: „Mich sendet

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9. KAPITEL

der Feldherr der Athener ohne Wissen der anderen Griechen zu euch; denn er steht auf des Königs Seite und wünscht eher euch den Sieg als den Griechen. Er lässt euch sagen, dass die Griechen voll Angst an Flucht denken. Ihr könntet jetzt den größten Erfolg erringen, wenn ihr sie nicht auseinanderlaufen lasst. Untereinander sind sie uneins und werden euch keinen Widerstand mehr leisten. Ihr werdet vielmehr sehen, dass eure Freunde und Feinde zur See miteinander im Kampf liegen.“ Nach dieser Erklärung entfernte er sich sofort wieder. HERODOT 8,75



Der Wahrheitsgehalt dieser Überlieferung, die sich auch bei anderen antiken Autoren findet, muss allerdings bezweifelt werden. Dass die Perser auf eine so plumpe Finte hereingefallen wären, erscheint zumindest unwahrscheinlich, auch wenn hier griechische Verräter nicht zum ersten Mal die Perser entscheidend unterstützt hätten. Eher ist anzunehmen, dass die Perser mit einer riskanten Operation die Entscheidung herbeiführen wollten. Sie entsandten noch in der Nacht einen Teil ihrer Flotte in die Meerenge und besetzten die kleine Insel Psyttaleia. Um den Griechen jeden Fluchtweg abzuschneiden, schickten sie möglicherweise auch ein Geschwader an den westlichen Ausgang der Meerenge zwischen Salamis und Megara, wie Diodor berichtet. Die Griechen sollen noch inmitten ihrer Beratungen gewesen sein, als sie von den persischen Truppenbewegungen hörten. Schnell bemannten auch sie ihre Schiffe. Plutarch zufolge brachten die Hellenen vor Beginn der Kampfhandlungen ein Menschenopfer dar: war beim Admiralsschiff mit dem Opfer beschäftigt. Da wur❯ Themistokles den drei Kriegsgefangene vor ihn geführt. Sie waren von großer Schönheit und mit Gold und prächtigen Kleidern geschmückt. Man sagte, sie seien Söhne der Sandake, der Schwester des Königs, und des Artayktes. Im Augenblick, da sie dem Seher Euphrantides vor die Augen traten, schlug groß und leuchtend die Flamme aus dem Opferfeuer empor, und gleichzeitig ließ sich von der rechten Seite ein Niesen hören. Auf dieses Zeichen hin fasste der Seher Themistokles an der Hand und forderte ihn auf, die Jünglinge zum Opfer zu weihen und alle drei unter Gebeten dem Dionysos Omestes darzubringen: Auf solche Weise werde Griechenland Rettung und Sieg erlangen. Themistokles erschrak über das furchtbare Seherwort, das Volk aber rief wie aus einem Munde die Gottheit an, führte die Gefangenen zum Altar und setzte die Opferung durch, wie der Wahrsager sie befohlen hatte. Denn es

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ist ja gewöhnlich so, dass die Menge in schweren Kämpfen und gefahrdrohender Lage das Heil lieber von seltsam-abenteuerlichen als von natürlichen und vernünftigen Maßnahmen erhofft. Diese Episode ist uns von Phanias von Lesbos, einem gelehrten, in der Geschichte wohlbewanderten Manne, überliefert. PLUTARCH, THEMISTOKLES 13



Im Morgengrauen begann die Schlacht, die den ganzen Tag dauern sollte. Ihr genauer Verlauf ist unklar. Die antiken Quellen liefern zu ungenaue – und zudem widersprüchliche – Angaben. Aischylos, der selbst am Kampfgeschehen teilgenommen hatte, ließ acht Jahre nach der Schlacht in seinem Stück Die Perser einen Boten berichten, wie die angreifende persische Flotte einen zur Flucht entschlossenen Gegner erwartete und dann zu ihrem Entsetzen auf die kampfbereiten Griechen traf : aber, als mit leuchtendem Gespann der Tag ❯ Dann das ganze Land beherrschte, glanzvoll anzuschaun, erscholl zuerst mit Brausen von den Griechen wie Gesang ein Tönen, und das Echo schlug sogleich den hellen Laut vom Inselfelsen her zurück. Und die Barbaren insgesamt befiel die Angst, da die Erwartung fehlschlug. Denn es stimmten nicht als wie zur Flucht die Griechen an das heil’ge Lied, vielmehr, um in den Kampf zu ziehn beherzten Muts. Doch rings darüber flammte der Trompete Schall. Und alsbald peitschten sie im Takt mit lautem Schlag der Ruder nach dem Bootmannsruf die tiefe Flut. Auf einmal kamen alle deutlich zu Gesicht. Wohl aufgereiht, in guter Ordnung, fuhr zuerst der rechte Flügel vor. In zweiter Staffel kam der ganze Zug ihm nach. Zugleich war viel Geschrei zu hören: „O ihr Söhne der Hellenen, auf! Befreit das Vaterland, befreit die Kinder und die Frauen und der heimischen Götter Sitze und der Ahnen Gräber. Denn um alles geht der Kampf!“ Und wahrlich! Ein Gebraus in Persersprache kam von uns zurück. Zum Zaudern blieb uns keine Frist. Denn alsbald schlug den ehernen Schnabel auf das Schiff

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9. KAPITEL

das Schiff. Ein Schiff der Griechen fing das Rammen an und schmetterte eines phönizischen Schiffes ganzen Bug zusammen. Hier- und dorthin stießen die Kiele dann. AISCHYLOS, DIE PERSER 386FF.



Die persische Flotte habe zunächst noch dagegengehalten, dann habe sie aber ihre Ordnung verloren und sei von den Griechen aufgerieben worden: zwar widerstand der Strom des Perserheers. ❯ Zuerst Doch als die vielen Schiffe in der Enge sich versammelten, bot keines mehr dem andern Schutz. Mit ihren zugespitzten Schnäbeln schlugen sie sich selber und zerbrachen das ganze Ruderwerk. Die Griechenschiffe umringten sie mit Vorbedacht und stießen auf sie los. Nach oben wurden da der Schiffe Bäuche umgewälzt. Man sah die Flut nicht mehr. So strotzte es von Trümmern und Menschenmord. Die Klippen auch und Ufer waren überschwemmt von Leichen, und in wilder Flucht fuhr alles, was von der Barbaren Heer noch übrig war, davon. Wie auf den Thunfisch aber oder andern Fang von Fischen, mit zerbrochenen Ruderstangen und Wracktrümmern, schlugen die Hellenen auf sie los und hieben sie in Stücke. Wehgeschrei zugleich und Jammer überwältigte die Flut des Meers so lang, bis sie das Auge der schwarzen Nacht entriss. Der Übel Fülle, wenn ich auch zehn Tage lang der Reihe nach erzählte, schöpfte ich dir nicht aus. Denn wisse wohl: Noch nie an einem einzigen Tag kam eine so gewaltige Zahl von Menschen um. AISCHYLOS, DIE PERSER 412FF.



Dieser dramatischen Schilderung sind freilich kaum klare Hinweise auf den Verlauf des Kampfgeschehens zu entnehmen. Auch Herodot, der wohl zu viele voneinander abweichende Versionen gehört hatte, macht nur vage Angaben. Er berichtet, dass die Griechen „in guter Ordnung und in geschlossener Front“ kämpften, während die Perser „ihre Ordnung nicht mehr fanden

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und alles verkehrt anfingen“. Der Geschichtsschreiber hebt im Weiteren nur eine Episode aus dem Kampfgeschehen hervor, die er ausführlicher schildert und die wiederum die halikarnassische Königin Artemisia als Protagonistin aufweist: den Übrigen kann ich nicht mit Sicherheit angeben, wie sie sich einzeln ❯ Von in der Schlacht gehalten haben. Ich weiß es weder von den Barbaren noch von den Griechen. Mit Artemisia aber trug sich Folgendes zu, wodurch sie noch größeres Ansehen beim König gewann. Als die Lage auf Seiten des Königs in arge Verwirrung zu geraten begann, wurde das Schiff der Artemisia gerade in diesem Zeitpunkt von einem attischen verfolgt. Es konnte nicht entweichen; denn vor ihm waren andere befreundete Schiffe, und ihr eigenes Fahrzeug stand den Feinden am nächsten. Da entschloss sie sich zur Tat, die ihr auch glückte. Vom attischen Schiff verfolgt, fuhr sie mitten in ein barbarisches hinein. Es war ein Schiff aus Kalynda, auf dem sich Damasithymos, der König der Kalynder, befand. Mochte sie auch mit diesem König noch am Hellespont einen Streit gehabt haben, ich kann nicht entscheiden, ob sie diesen Zusammenprall mit Absicht herbeigeführt hat, oder ob das kalyndische Schiff nur zufällig ihren Kurs kreuzte. Jedenfalls fuhr sie auf das Schiff auf und brachte es zum Sinken. Durch diesen Glücksfall errang sie einen doppelten Vorteil. Als nämlich der Hauptmann des attischen Schiffes sah, dass sie ein Barbarenschiff angriff, glaubte er, das Schiff der Artemisia sei ein griechisches, oder es gehe von den Feinden zu den Griechen über und helfe ihnen; darum wendete er ab und fuhr gegen andere Schiffe HERODOT 8,87



Dieses waghalsige Manöver, obwohl es sich gegen die eigenen Verbündeten richtete, soll durch einen glücklichen Zufall Artemisia sogar zu großem Ansehen beim persischen König verholfen haben. gelang es Artemisia, zu entfliehen und ihr Leben zu retten; dazu hatte ❯ So sie das Glück, dass sie bei Xerxes trotz des angerichteten Schadens große Anerkennung erntete. Man erzählt sich: Xerxes schaute zu und beobachtete den Angriff des Schiffes, und einer der Anwesenden habe gesagt: „Herr, siehst du, wie tapfer Artemisia kämpft und ein feindliches Schiff versenkt hat?“ Xerxes fragte, ob das wirklich Artemisias Werk sei; und man antwortete ihm, ohne Zweifel sei sie es gewesen; man habe nämlich genau ihr Schiffszeichen

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9. KAPITEL

erkannt. Das zerstörte Schiff aber hatten sie für ein feindliches gehalten. Dazu erfuhr Artemisia noch das besondere Glück, dass keiner von dem kalyndischen Schiff mit dem Leben davonkam, um sie zu verklagen. Xerxes aber soll auf die Beobachtung hin gesagt haben: „Die Männer sind mir zu Weibern geworden, die Weiber aber zu Männern.“ HERODOT 8,88



Selbstverständlich ist aber auch dieser Anekdote im Werk des Herodot kaum Glauben zu schenken. Unter den Griechen hätten, so der Geschichtsschreiber, die Aigineten den größten Ruhm erworben, gefolgt von den Athenern; an einzelnen Kriegern hebt er Polykritos aus Aigina und Eumenes und Ameinias aus Athen hervor, geht aber nicht näher auf ihre Leistungen ein. Erwähnung findet auch der – wie die anderen Ostrakisierten – aus dem Exil zurückgekehrte Aristeides, der mit einem Einsatzkommando auf die Insel Psytaleia übersetzte und die dort stationierten Perser tötete. Den Korinthern wirft Herodot dagegen Feigheit vor; sie seien zunächst geflohen und erst durch ein von den Göttern gesandtes Schiff zum Umkehren und Eingreifen in das Kampfgeschehen gebracht worden. Diese Geschichte verdankt ihren Ursprung aber wohl späteren, anti-korinthischen Ressentiments in Athen. Nur wenig mehr ins Detail geht Diodor, der ebenfalls einen kurzen Bericht vom Ablauf der Schlacht bietet: schließlich Eurybiades und Themistokles ihre Streitkräfte geordnet hat❯ Als ten, bildeten die Athener und Lakedaimonier den linken Flügel, um so dem phoinikischen Kontingent entgegentreten zu können; verfügten doch die Phoiniker wegen ihrer großen Zahl und ihrer seit Urväterzeiten im Seewesen erworbenen Erfahrung über eine große Überlegenheit. Der rechte Flügel bestand aus Aigineten und Megarern; denn sie schienen nach den Athenern die seekundigsten Männer zu sein und den größten Eifer zu entfalten, da sie bei einer Niederlage in der Seeschlacht als einzige von den Griechen keinen Zufluchtsort gehabt hätten. Das Zentrum hielten die restlichen griechischen Aufgebote. In der angegebenen Schlachtordnung fuhren also die Griechen aus und besetzten den Sund zwischen Salamis und dem Herakleion; und auch der König hieß seinen Admiral gegen die Feinde in See stechen, während er sich selbst zu einer Salamis unmittelbar gegenüberliegenden Küstenstelle begab, von der aus man den Verlauf der Seeschlacht beobachten konnte. DIODOR 11,18,1–3



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Wie Aischylos und Herodot führt Diodor die persische Niederlage darauf zurück, dass die achaimenidische Flotte ihre Ordnung verlor: vermochten die Perser bei der Anfahrt – ein weiter Raum stand ❯ Zunächst ihnen ja zur Verfügung – die nötige Ordnung einzuhalten; sobald sie aber die Meerenge erreichten, sahen sie sich genötigt, einige Schiffe aus der Linie herauszuziehen, was zu großer Verwirrung führte. Der Admiral aber, der vor der Front her führte und als Erster den Kampf begann, fand nach heldenhaftem Einsatz den Tod. Nach dem Untergang seines Schiffes geriet die Flotte der Barbaren in Unordnung; denn jetzt gab es viele Befehlshaber und jeder erteilte abweichende Kommandos. Sie drosselten daher die Weiterfahrt, ruderten zurück und begannen sich dorthin zurückzuziehen, wo sich weiter Raum bot. Angesichts des Wirrwarrs unter den Barbaren griffen nun die Athener die Feinde an und trafen die einen Schiffe mit ihren Rammspornen, während sie bei den anderen die Ruderreihen abrissen; und da nun das Ruderwerk seinen Dienst versagte, stellten sich viele persische Trieren quer, was immer wieder zu schweren Schädigungen durch die Rammsporne führte. Infolgedessen gaben die Feinde es auf, rückwärts zu rudern, und machten sich eilends davon. DIODOR 11,18,4–6



Obwohl einzelne auf persischer Seite kämpfende Kontingente heftige Gegenwehr leisteten, konnten sich letztendlich die Griechen durchsetzen: so die phoinikischen und kyprischen Schiffe von den Athenern ❯ Während überwältigt wurden, leisteten die Fahrzeuge der Kiliker, der Pamphylier und auch die der Lyker, die sich hinter ihnen anschlossen, zunächst heftigen Widerstand, doch als sie feststellen mussten, dass sich schon die stärksten Schiffe zur Flucht gewandt hatten, zogen sie sich auch selbst aus dem Kampf zurück. Auf dem anderen Flügel kam es zu einem erbitterten Seegefecht, das eine Zeitlang unentschieden blieb; als jedoch die Athener, welche die Phoiniker und Kyprer bis in Landnähe verfolgt hatten, zum Angriff umkehrten, wurden die Barbaren von ihnen aus der Linie gedrängt, mussten kehrtmachen und büßten dabei eine Menge Schiffe ein. So gewannen die Griechen die Oberhand und erfochten einen gar glanzvollen Seesieg über die Barbaren; im Kampf verloren sie nur vierzig Fahrzeuge, die Perser aber – abgesehen von den samt der Besatzung gekaperten Schiffen – über zweihundert. DIODOR 11,19,1–3



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9. KAPITEL

Um die Frage beantworten zu können, ob die Verlustzahlen, die Diodor hier nennt, realistisch sind, muss man sich zunächst einen Überblick über die Größe der in der Schlacht von Salamis angetretenen persischen Flotte machen. Die antiken Quellen sprechen, wie oben gezeigt wurde, relativ einheitlich von gut 1200 Schiffen, welche die Perser gegen Griechenland führten. Aischylos, die zeitnaheste Quelle, spricht von 1207 Schiffen. Diese Angabe wird von Plutarch ausdrücklich gebilligt. Isokrates geht von 1200 persischen Schiffen aus. Wie ebenfalls bereits ausgeführt wurde, kolportiert auch Herodot eine Größe der persischen Flotte von 1207 Schiffen, allerdings zu Beginn des Feldzuges, ähnlich gehen Diodor und Lysias von 1200 Schiffen aus, die Xerxes gegen Griechenland führte. Wenn überhaupt, dann ist von einer so großen Anzahl von Schiffen, die – wie bereits erwähnt – von zahlreichen Gelehrten bezweifelt wird, tatsächlich nur am Beginn des Feldzuges bei der Musterung der Flotte vor Doriskos auszugehen. Glaubt man dem Bericht Herodots, so verloren die Perser aber 400 Schiffe im Sturm vor Magnesia, 200 weitere sanken vor Euboia und mindestens 50 gingen in den Gefechten beim Kap Artemision verloren. In einer oben bereits zitierten Passage spricht Herodot ja auch davon, dass die Stürme ein Werk der Gottheit gewesen seien, damit die persische Flotte der griechischen nicht mehr überlegen war. Die griechischen Kontingente beziffert Herodot dagegen mit 378 Schiffen, Thukydides rundet dies auf 400 Schiffe auf, während Aischylos 310 Trieren annimmt, der Redner Hypereides offensichtlich nur 220 und Ktesias lediglich 110. Klarheit wird sich in dieser Frage nie gewinnen lassen, eine einigermaßen gesicherte Kenntnis der Truppenzahlen ist nicht möglich. Es deutet aber vieles darauf hin, dass die Kräfteverhältnisse viel ausgeglichener waren, als dies die antiken Quellen meist darstellen. Die Perser waren wohl zahlenmäßig überlegen, doch nicht allzu sehr. Geht man von etwa 400 Schiffen auf der griechischen und höchstens 600 Schiffen auf der persischen Seite aus, wird man wohl nicht sehr fehlgehen. Was gab nun den Ausschlag für den griechischen Sieg in dieser Schlacht? Zum einen war der Ort der Schlacht im engen Sund von Salamis klug gewählt, da die Perser hier ihre zahlenmäßige Überlegenheit nicht zur Geltung bringen konnten, wie Plutarch festhält, der weiter ausführt, dass die Griechen etwa auch die vorherrschenden Windverhältnisse zu ihren Gunsten ausnutzen:

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steht unter dem Eindruck, Themistokles habe den Zeitpunkt der ❯ Man Schlacht mit nicht weniger Scharfsicht und Klugheit gewählt als den Ort. Denn er stellte seine Trieren den Perserschiffen erst zum Kampfe entgegen, als die Stunde gekommen war, da eine frische Brise wie gewöhnlich die Wellen von der offenen See her in den Sund hineintrieb. Für die griechischen Schiffe war dies kein Nachteil, da sie flach und niedrig gebaut waren. Die Perserschiffe hingegen, welche mit hochragendem Heck und Verdeck schwerfällig heranfuhren, wurden vom Wind abgedreht und schief vor die Griechen hingetrieben. Diese griffen scharf an, wobei sie genau auf Themistokles vertrauten, dass er im richtigen Augenblick die richtige Maßnahme zu treffen wisse. PLUTARCH, THEMISTOKLES 14F.



Die antiken Quellen heben hervor, dass die Griechen taktisch besser aufgestellt und disziplinierter im Kampf waren. Es besteht kein Grund, daran zu zweifeln. Sicherlich waren die Hellenen angesichts ihrer bedrohten Heimat – und besonders die Athener in Anbetracht ihrer zerstörten Stadt und ihrer evakuierten Familien – viel motivierter als die persischen Truppen. Die persischen Besatzungen waren möglicherweise auch müde von Manövern in der vorangegangenen Nacht, während die Griechen ausgeruhter in den Kampf zogen. Keinesfalls ist an der grundsätzlichen Qualität der erfahrenen phoinikischen Seemänner auf persischer Seite zu zweifeln. Fragwürdig erscheint allerdings ein Erklärungsvorschlag, der sich bei Iustinus findet, der einen Rückzug der ionischen Griechen als entscheidenden Faktor ausgemacht haben will: war das Treffen nicht entschieden, da fingen die Ionier gemäß der ❯ Noch Aufforderung des Themistokles an, sich allmählich heimlich zurückzuziehen; ihr Abfall brach den Mut der Übrigen. Wie sie nun so nach einer Fluchtmöglichkeit Ausschau hielten, wurden die Perser wirklich zurückgedrängt, und bald auch wandten sie sich als im Treffen Geschlagene zur Flucht. Bei dieser Verzagtheit wurden viele Schiffe geentert, viele versenkt; noch mehr aber zerstreuten sich, nicht weniger die Wut des Königs als den Feind fürchtend, jeder nach Hause. IUSTINUS 2,12



Timotheos von Milet entwirft in seinem Werk Die Perser das Bild des persischen Großkönigs Xerxes, der die Schlacht von seinem Thron aus verfolgt und nun verzweifelt die Niederlage beklagt haben soll:

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9. KAPITEL

aber der König das Heer zurückweichen ❯ Als sah in ungeordneter Flucht, fiel er auf die Knie, schlug sich die Brust, und rief in den Wogen des Schicksals: „Weh, Untergang des Hauses, Verderben bringende Schiffe der Griechen, die zahlreiche junge Mannschaft der Schiffe habt ihr vernichtet, und die Schiffe kehren nicht zurück, die flammende Gewalt des Feuers mit wildem Mund wird sie verbrennen, Stöhnen und Schmerz für das Land der Perser. Weh, schweres Unglück, das mich nach Griechenland geführt hat. Doch wohlan, zögert nicht länger, rüstet den vierspännigen Wagen! Ihr aber ladet die zahllosen Schätze auf die Karren und verbrennt die Zelte, damit sie keinen Nutzen von unserem Reichtum haben!“ TIMOTHEOS, PERSER 174FF.



Es ist unklar, wie groß die persischen Verluste tatsächlich waren. Ohne Zweifel hatte die Flotte des Xerxes eine erhebliche Dezimierung erfahren, völlig zerstört war sie jedoch nicht. Herodot spricht sogar davon, dass die Perser selbst nach der Schlacht noch versucht hätten, eine Schiffsbrücke vom Festland nach Salamis zu errichten, doch ist dies kaum wahrscheinlich. Möglicherweise liegt die Zahl von 200 verlorenen Schiffen, die Diodor nennt, gar nicht so weit von der Realität entfernt. Die Kampfkraft und die Motivation der persischen Streitkräfte waren also nach der Niederlage beeinträchtigt, ihre Größe war aber wohl immer noch beeindruckend. Warum der Großkönig dennoch den Entschluss fasste, seine Seestreitkräfte und einen Teil des Landheeres abzuziehen, bleibt fraglich. Die antiken Quellen sprechen davon, dass er Angst gehabt habe, die Griechen könnten die Schiffsbrücke über den Hellespont zerstören. Themistokles soll diese Furcht durch einen Boten mit einer entsprechenden Nachricht sogar zusätzlich geschürt haben. Das ist allerdings kaum wahrscheinlich; allzu sehr erinnert diese

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Geschichte an die Episode von der Zerstörung der Donaubrücke im Rahmen des Skythenfeldzuges des Dareios, und der Bote mit der falschen Nachricht findet seine Entsprechung in der Mission des Sikinnos vor Ausbruch der Schlacht. Eher waren es innenpolitische Überlegungen, welche Xerxes, dem bewusst war, dass der Feldzug nach Griechenland nach diesem Rückschlag nicht schnell zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden konnte, zur Rückkehr nach Asien bewegten. Er schickte die Flotte zum Hellespont, während er selbst einige Tage später mit dem restlichen Heer über Land abzog. Herodot beschreibt den entbehrungsreichen Rückmarsch der persischen Truppen: auf dem Marschweg lebten sie von dem Korn, das sie der Bevölke❯ Überall rung wegnahmen. Wenn sie kein Getreide fanden, aßen sie das Gras, das aus dem Boden wuchs. Manchmal schälten sie auch die Rinde von den Bäumen und streiften das Laub ab. Das taten sie bei edlen und wilden Bäumen und ließen nichts übrig. Der Hunger trieb sie dazu. Auch Pest und Ruhr befielen das Heer und rieben es unterwegs auf. Manche von ihnen ließ der König auch krank zurück und übertrug den Städten, durch die er gerade zog, Pflege und Ernährung. HERODOT 8,115



Nach 45 Tagen erreichte Xerxes den Hellespont, wo er die Brücken durch einen Sturm zerstört vorfand. Die Perser setzten daher auf ihren Schiffen, die mittlerweile auch hier eingetroffen waren, über. Freilich hatte der Großkönig nicht alle Truppen aus Griechenland abgezogen, sondern einen wesentlichen Teil des Landheeres unter dem Kommando des Mardonios in Thessalien belassen. Herodot spricht von insgesamt 300 000 Mann, vor allem Persern und Medern, die hier überwintern und im nächsten Jahr einen erneuten Angriff auf die Peloponnes unternehmen sollten. Die Griechen hatten vor Salamis einen entscheidenden Sieg errungen. Zunächst erwarteten sie noch weitere Gefechte, als sie aber sahen, dass die persische Flotte abzog, beschlossen sie, den Fliehenden nachzusetzen. Sie verfolgten die persischen Seestreitkräfte bis zur Insel Andros, wo die Griechen dann Kriegsrat hielten. Themistokles soll dafür eingetreten sein, dem Feind bis an den Hellespont nachzufahren, auf Anraten des Eurybiades wurde dieser Plan aber verworfen. Herodot berichtet, dass die Griechen daraufhin von ihren vorher auf persischer Seite gestandenen Landsleuten in Karystos auf Euboia, auf Paros und auf Andros Strafzahlungen eingefordert und Andros belagert hätten, als die Bewohner der Insel nicht zahlen wollten.

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9. KAPITEL

Schließlich verteilten die Griechen die in der Schlacht errungene Beute, von der sie einen Teil nach Delphi weihten. Den größten Anteil am errungenen Erfolg hatten – nach Ansicht des Herodot – die Athener, denn wenn sie ihre Heimat aufgegeben hätten, dann wäre die griechische Sache verloren gewesen: muss ich offen meine Meinung sagen, so unangenehm sie den meisten ❯ Jetzt Menschen ist; dennoch will ich damit nicht hinter dem Berge halten, soweit es mir wahr zu sein scheint. Hätten die Athener die einbrechende Gefahr gefürchtet und ihre Heimat verlassen, oder hätten sie sie auch nicht verlassen, sondern wären daheim geblieben und hätten sich Xerxes ergeben, dann hätte es niemand versucht, dem König zur See entgegenzutreten. Wenn sich nun zur See Xerxes niemand entgegengestellt hätte, wäre auf dem Festland Folgendes eingetreten: Wenn auch die Peloponnesier noch so viele Brustwehren von Mauern über den Isthmos gezogen hätten, dann wären die Lakedaimonier doch von ihren Bundesgenossen, zwar nicht gern, aber gezwungen im Stich gelassen worden, da die Flotte der Barbaren eine Stadt nach der andern eingenommen hätte. Alleingelassen aber hätten sie selbst nach tapferen Taten ruhmvoll den Tod gefunden. Entweder wäre es ihnen so ergangen, oder vielleicht hätten sie sich auch mit Xerxes verständigt, wenn sie vorher gesehen hätten, dass auch die andern Griechen persisch gesinnt waren. Und so wäre in beiden Fällen Griechenland unter die Gewalt der Perser gekommen; denn ich kann den Nutzen der über den Isthmos gezogenen Mauern nicht verstehen, wenn der König das Meer beherrschte. Wenn aber jetzt einer die Athener als die Retter Griechenlands bezeichnet, so gibt er der Wahrheit nur die Ehre. Der Verlauf der Dinge hing einzig und allein von ihnen ab, auf welche Seite sie sich stellten. Da sie die Erhaltung der Freiheit Griechenlands wählten, so waren sie es, die das ganze übrige Griechenland zum Widerstand aufrüttelten, soweit es nicht persisch gesinnt war, und den König, natürlich erst nach den Göttern, zurückdrängten. Nicht einmal konnten sie die schrecklichen Orakelsprüche aus Delphi, die ihnen Furcht einjagten, dazu bestimmen, Griechenland zu verlassen. Sie harrten aus und nahmen getrost den Angriff der Feinde an, die gegen das Land anrückten. HERODOT 8,115



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Und auch der Redner Lysias stimmte in das Lob der Athener ein: diese Männer übertrafen alle Menschen an Tapferkeit, sowohl bei ihren ❯ Ja, Entschlüssen als auch bei den Gefahren des Krieges. Sie verließen ihre Stadt, bestiegen ihre Schiffe, und obwohl sie nur wenige waren, setzten sie ihr Leben ein und stellten sich zum Kampf gegen die Massen aus Asien. Durch ihren Sieg in der Seeschlacht zeigten sie allen Menschen, dass es besser ist, mit wenigen für die Freiheit zu kämpfen als mit vielen Untertanen eines Königs für die eigene Knechtschaft. Sie erbrachten den größten und schönsten Beitrag für die Freiheit Griechenlands, mit Themistokles als Feldherrn, dem tüchtigsten Mann im Reden, Denken und Handeln, mit mehr Schiffen als alle Bundesgenossen zusammen und mit den erfahrensten Männern. Wer auch von den anderen Griechen hätte es an Gesinnung, Menge und Tapferkeit mit ihnen aufnehmen können? So gewannen sie also zu Recht und unangefochten den ersten Preis von Griechenland für die Seeschlacht, erhielten verdientermaßen eine Belohnung, die dem Kampf entsprach, und bewiesen den Barbaren aus Asien, wie echt und urkräftig ihre Tapferkeit war. Dadurch, dass sie sich in der Seeschlacht so bewährt, dass sie den größten Teil der Gefahren auf sich genommen hatten, machten sie, vermittels der Tapferkeit jedes Einzelnen, die Freiheit zum Gemeingut auch für die Übrigen. LYSIAS 2,40FF.



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9. KAPITEL

10 . K A P I T E L

Das Ende der persischen Invasion

Die Schlacht von Plataiai Während des Winters ruhten die Kampfhandlungen. Mardonios versuchte allerdings auf diplomatischem Weg zu reüssieren. Herodot berichtet, dass er den makedonischen König Alexander I., der einerseits über seine Schwester verwandtschaftliche Beziehungen zu den Persern unterhielt, andererseits als Gastfreund und Wohltäter der Stadt in Athen anerkannt war, zu den Athenern schickte, um diese zu einem Bündnis mit den Persern zu bewegen. Angeblich hätte ihnen Mardonios im Auftrag des Großkönigs angeboten, ihnen zu verzeihen, ihr Land wiederzugeben, ihnen ein anderes Land, das sie sich selbst aussuchen könnten, zu überlassen und ihnen alle ihre Tempel wieder aufzubauen. Es erscheint unwahrscheinlich, dass Mardonios wirklich gehofft habe, ein Bündnis mit den Athenern zu erreichen. Er wollte aber wohl nichts unversucht lassen, die griechischen Bundesgenossen zu entzweien. Als die Spartaner davon erfuhren, schickten sie sofort Boten nach Athen, welche die Athener ermahnen sollten, die gemeinsame Sache nicht zu verraten. Freilich konnten die Athener das persische Angebot gar nicht annehmen, ohne für immer ihr Gesicht zu verlieren. Sie warteten mit ihrer Antwort an Alexander offenbar so lange ab, um in Anwesenheit der spartanischen Gesandten die Offerte des Xerxes abzulehnen:

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wissen selbst, dass die Macht des Perserkönigs um ein Vielfaches größer ❯ „Wir ist als unsere eigene […] Trotzdem werden wir nach Freiheit verlangen und sie verteidigen, wie wir nur können. Lass deinen Versuch, uns zur Versöhnung mit dem Barbaren zu überreden! Wir werden dir nicht folgen. Für jetzt melde dies dem Mardonios als Antwort der Athener: Solange die Sonne ihre jetzige Bahn zieht, werden wir uns mit Xerxes nicht aussöhnen, sondern ihm beherzt entgegentreten, indem wir auf die Hilfe der Götter und Heroen vertrauen, auf die er keinerlei Rücksicht nahm, als er ihre Häuser und Bilder gottlos verbrannte. Du aber lass dich nicht ein zweites Mal mit einem solchen Auftrag in Athen blicken und rate uns nicht zu unrechten Handlungen in der Meinung, uns gute Dienste damit zu leisten. Du bist unser Gastfreund und Freund. So möchten wir nicht gern, dass die Athener dir unfreundlich begegnen.“ HERODOT 8,143



Und an die Spartaner gerichtet legt Herodot den Athenern folgende Worte in den Mund: Furcht der Lakedaimonier, wir könnten uns mit dem Barbaren aussöh❯ „Die nen, ist durchaus menschlich. Trotzdem ist diese Furcht wenig ehrenvoll. Ihr kennt doch die Haltung der Athener, dass wir nicht um alles Geld der Welt, nicht um das schönste und vortrefflichste Land persisch würden und Griechenland in die Sklaverei brächten. Wir haben viele und schwerwiegende Gründe, die uns daran hindern, auch wenn wir es wollten. Zunächst und am gewichtigsten sind die niedergebrannten Tempel und Götterbilder, wofür wir blutigste Rache nehmen müssen, ehe wir uns mit dem aussöhnen können, der dies getan hat. Dazu haben wir gleiches Blut und gleiche Sprache mit den Griechen, die gleichen Heiligtümer und Opfer, die gleichgearteten Sitten. Es wäre nicht anständig, wenn wir dies alles verraten wollten. Wenn ihr es bisher nicht gewusst habt, dann sollt ihr es jetzt wissen! Solange noch ein einziger Athener am Leben ist, gibt es keine Aussöhnung mit Xerxes.“ HERODOT 8,144



Als es dann wieder Frühling wurde, fanden – nachdem die diplomatischen Bemühungen keinen Erfolg gezeigt hatten – die militärischen Aktionen ihre Fortsetzung. Die griechische Flotte versammelte sich vor Aigina. Anschließend begab sie sich nach Delos, wagte sich aber nicht weiter in Richtung Osten vor. An der Spitze der Flotte stand der spartanische König Leotychidas, die atheni-

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schen Kontingente führte Xanthippos an, der Vater des Perikles, der zehn Jahre vorher den Prozess gegen Miltiades angestrebt hatte. Auch er, ein politischer Gegner des Themistokles, war aus dem Exil, in das er 484 v. Chr. durch das Scherbengericht geschickt worden war, zurückgerufen worden. Themistokles begegnet in den Entscheidungen des Jahres 479 v. Chr. nicht mehr; er war nicht mehr in das Strategenamt gewählt worden. Nicht weit von den griechischen Seestreitkräften entfernt, an der Insel Samos, lag die persische Flotte, deren Aufgabe es war, einen Abfall der ionischen Küstenstädte zu verhindern. Auch Mardonios wurde nun wieder aktiv. Er verließ sein Winterquartier in Thessalien und zog wieder nach Boiotien. Dort versuchten die Thebaner vergeblich, den persischen Feldherrn davon zu überzeugen, nahe Theben sein Lager aufzuschlagen, doch Mardonios zog nach Athen und besetzte die Stadt – zehn Monate nach der Eroberung durch Xerxes – erneut. Auch diesmal war die Stadt im Grunde menschenleer; alle Bewohner hatten sich wieder auf die Insel Salamis geflüchtet. Mardonios schickte nun angeblich einen zweiten Boten an die Athener, der das bereits früher durch Alexander von Makedonien unterbreitete Bündnisangebot erneuerte. Die Athener lehnten diese Offerte allerdings erneut ab; Herodot kolportiert, dass Lykidas, ein Mitglied des Rates, der das Angebot annehmen wollte, von seinen Landsleuten deswegen gesteinigt wurde. Gleichzeitig schickten die Athener aber ihrerseits Boten an die Spartaner und beklagten sich, dass diese keinerlei Truppen geschickt hatten, um Athen zu verteidigen und den Persern entgegenzutreten. Die Lakedaimonier hielten die athenischen Gesandten zehn Tage lang hin, indem sie – wieder einmal – religiöse Pflichten vorschützten. Ohne Zweifel handelte es sich dabei um einen Vorwand, wie bereits Herodot erkannte, der der Ansicht war, dass die Spartaner in der so gewonnenen Zeit die Mauer über den Isthmos von Korinth fertig stellten, welche die Perser von der Peloponnes fernhalten sollte. Tatsächlich wäre diese Mauer jetzt für Mardonios und seine Truppen ein beträchtliches Hindernis gewesen, da den Persern nun keine Flotte für begleitende Manöver zur Verfügung gestanden hätte. Verschiedene weitere Gründe für diese Hinhaltetaktik wurden vermutet: sei es, dass die spartanischen Bundesgenossen nicht schnell genug gesammelt werden konnten, sei es, dass man erst die Ernte einbringen wollte; eine sichere Entscheidung ist nicht zu treffen. Am zehnten Tag jedoch entsandten die Ephoren ein gewaltiges Heer, an dessen Spitze anstelle des noch zu jungen Pleistarchos, des Sohnes des Leonidas, dessen Vormund Pausanias, der Sohn des Kleombrotos, stand. Allerdings war auch Pausanias, der die größte bis dahin mobiliserte

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Streitmacht der Griechen kommandierte, mit seinen 25 Jahren alles andere als ein erfahrener Feldherr. Bemerkenswert ist, dass die Entscheidungsgewalt in dieser Situation offenbar bei den Ephoren lag. Als Mardonios vom Nahen des spartanischen Heeres hörte, zog er sich nach Boiotien zurück, nachdem er Athen niedergebrannt hatte. Herodot zufolge war dieser Rückzug dadurch motiviert, dass das Gelände in Attika für einen Kampf mit der Reiterei nicht geeignet war, und dass im Falle einer Niederlage ein Rückzug nur durch Engpässe möglich gewesen sei. Er errichtete sein Lager am Fluss Asopos in der Nähe von Theben. Die spartanischen Truppen vereinigten sich am Isthmos von Korinth mit den anderen peloponnesischen Kontingenten, in Eleusis stießen die athenischen Kombattanten hinzu, die von der Insel Salamis aufs Festland übergesetzt waren. Diodor berichtet, dass die Griechen, nachdem sie ihre Truppen zusammengeführt hatten, einen feierlichen Eid schworen, um ihre gegenseitige Eintracht zu stärken. Dieser Eid ist inschriftlich überliefert, wobei – ähnlich wie im Falle des bereits besprochenen Themistoklesdekrets – die Inschrift erst im 4. Jahrhundert v. Chr. niedergeschrieben wurde, was zu einer durchaus kontroversen Beurteilung des Textes führte. Es ist jedoch durchaus wahrscheinlich, dass dies im Grunde jener Eid war, den die griechischen Soldaten vor der entscheidenden Schlacht im Jahr 479 v. Chr. schworen: werde kämpfen, solange ich am Leben bin, und werde mein Leben ❯ „Ich nicht höher achten als frei zu sein, und ich werde nicht den Taxiarchen und nicht den Enomotarchen im Stich lassen, weder als Lebenden noch als Gefallenen, und ich werde nicht weggehen, außer wenn die Hegemonen wegführen, und ich werde alles tun, was die Strategen befehlen, und die gefallenen Mitkämpfer werde ich auf dem gleichen (Platz) bestatten und keinen unbestattet liegen lassen, und wenn ich kämpfend die Barbaren besiege, werde ich die Polis der Thebaner zehnten, und ich werde nicht Athen und nicht Sparta und nicht Plataiai und nicht sonst eine der am gemeinsamen Kampf beteiligten Poleis entvölkern, und ich werde sie nicht vom Hunger bedrängt werden lassen und nicht vom fließenden Wasser abschneiden, weder wenn sie Freunde noch wenn sie Feinde sind, und wenn ich das in dem Eid Geschriebene einhalte, soll meine Polis ohne Krankheit sein, wenn nicht, soll sie krank sein, und meine Polis soll unzerstört bleiben, wenn nicht, soll sie zerstört werden, und mein (Land) soll tragen, wenn nicht, soll es unfruchtbar sein, und die Frauen sollen gebären, was den Eltern gleicht, wenn

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nicht, sollen sie Missgeburten haben, und das Vieh soll gebären, was dem Vieh gleicht, wenn nicht, dann Missgeburten.“ Nach diesem Schwur bedeckten sie die geschlachteten Tiere mit den Schilden und leisteten unter Trompetenschall die Verfluchung, wenn sie etwas von dem Beschworenen überträten und das in dem Eid Geschriebene nicht einhielten, solle sie selbst, die dies schworen, der Fluch treffen. HGIÜ 40



Das nun geeinte griechische Heer marschierte ebenfalls nach Boiotien und errichtete auf der anderen Seite des Flusses Asopos, am Fuße des Kithairongebirges, sein Lager. Herodot berichtet über die Aufstellung des griechischen Heeres Folgendes: dem rechten Flügel befanden sich 10 000 Lakedaimonier; davon waren ❯ Auf 5000 Spartiaten [und die anderen 5000 waren Perioiken, Anm. d. Verf.], die 35 000 leichtbewaffnete Heloten zu ihrer Bedeckung mitbrachten, jeder Mann sieben Begleiter. Als Nachbarn hatten die Spartaner die Tegeaten gewählt, um sie zu ehren, und auch wegen ihrer Tapferkeit. Deren waren es 1500 Schwerbewaffnete. Nach ihnen kamen 5000 Korinther. 300 Mann von Poteidaia wurden auf ihre Bitte neben ihnen von Pausanias aufgestellt; sie kamen aus Pallene. An sie schlossen sich 600 Orchomenier aus Arkadien an, an diese 3000 Sikyonier. Dann kamen 800 Epidaurier. Neben ihnen standen 1000 Troizenier, daneben 200 Lepreaten, neben ihnen 400 Mann aus Mykene und Tiryns, dann 1000 Mann aus Phlius, und dann schließlich 300 Hermionen. An diese stießen 600 Mann aus Eretria und Styrea, dann 400 Chalkidier, danach 500 Mann aus Amprakia. Ihnen schlossen sich 800 Leukadier und Anaktorier an, dann folgten 200 Paleer aus Kephallenia. Nach ihnen standen 500 Akineten. Neben diesen ordneten sich 3000 Megarer ein, an sie schlossen sich 600 Plataier an. Zuletzt aber und ganz vorne standen die Athener mit 8000 Mann auf dem linken Flügel. Ihr Oberbefehlshaber war Aristeides, der Sohn des Lysimachos. Alle diese ohne die sieben Knechte, die jeder Mann aus Sparta um sich hatte, betrugen an Schwerbewaffneten insgesamt 38 700 Mann; das war die Gesamtzahl der gegen die Barbaren versammelten Hopliten. Die Leichtbewaffneten, zunächst des spartanischen Heeres, betrugen 35 000 Mann, denn auf jeden Spartaner kamen sieben Leichtbewaffnete. Jeder von ihnen war zum Kampf gerüstet. Die Leichtbewaffneten der übrigen Lakedaimonier und Griechen, etwa einer auf jeden Mann, machten 34 500 Mann aus. Insgesamt betrug also die Zahl der kampffähigen Leicht-

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bewaffneten 69 500. Die Stärke des gesamten vor Plataiai erschienenen Griechenheeres, Schwerbewaffnete und kampffähige Leichtbewaffnete, betrug 108 200 Mann. Mit den anwesenden Thespiern aber waren es gerade 110 000 Mann. Denn ein Rest der Thespier von 1800 Mann befand sich noch im Lager. Sie besaßen aber ebenfalls keine vollständige Rüstung. HERODOT 9,28FF.



Nach Herodot standen sich in Boiotien also 110 000 Griechen und 300 000 Kämpfer auf Seiten der Perser gegenüber. Nach Diodor belief sich die Gesamtzahl der Griechen auf 100 000, die der Barbaren dagegen auf 500 000. Die Angaben beider Autoren wurden von der modernen Forschung bezweifelt. Während die Anzahl der griechischen Hopliten möglich erscheint, ist die Zahl der Leichtbewaffneten wohl zu hoch. Insbesondere die Zahl der Heloten, die in der Regel nicht als Kämpfer, sondern als Waffenburschen und Trossknechte in Erscheinung traten, ist unrealistisch (auch wenn Herodot dreimal hervorhebt, dass jeder Spartiat sieben Heloten mit sich führte). Es ist nicht anzunehmen, dass insgesamt – Schwerbewaffnete und Leichtbewaffnete zusammengerechnet – mehr als 70 000 Griechen in Boiotien zusammengekommen waren. Völlig übertrieben ist die Zahl der Perser, zumeist geht man von höchstens 70 000 bis 100 000 persischen Kämpfern aus. Der Verlauf der Ereignisse zeigt, dass die Perser den Griechen – wenn überhaupt – zahlenmäßig nur um weniges überlegen gewesen sein dürften. Anders ist es nämlich nicht zu erklären, dass sich beide Seiten zunächst lange abwartend gegenüberstanden und einem Entscheidungskampf auswichen. Zu diesem kam es erst, als die Perser nach zehn Tagen die Wasserversorgung der griechischen Armee störten: Mardonios) schickte die Reiterei zum Angriff gegen die Griechen vor. ❯ ErDie(scil. Reiter sprengten heran und belästigten das ganze griechische Heer mit ihren Speeren und Pfeilen; denn sie sind berittene Bogenschützen, denen nicht leicht beizukommen ist. Sie verschmutzten und verschütteten die Quelle Gargaphia, aus der das ganze Griechenheer Wasser holen musste. In der Nähe der Quelle befanden sich nur die Lakedaimonier allein, die übrigen Griechen aber standen weiter weg, wie eben die einzelnen Abteilungen aufgestellt waren. Der Asopos floss in ihrer Nähe. Weil sie aber vom Asopos abgedrängt wurden, kamen sie immer zu der Quelle. Aus dem Fluss konnten sie wegen der Reiter und ihrer Geschosse kein Wasser holen. HERODOT 9,49

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Dazu kam, wie Herodot berichtet, noch ein weiteres Problem: Die persische Reiterei behinderte auch den Nachschub mit Lebensmitteln von der Peloponnes. Die Griechen hielten daher Kriegsrat und überlegten, was zu tun sei. Pausanias entschied sich zu einem Rückzug, der durch die Unordnung, die er in das griechische Heer brachte, beinahe fatal geworden wäre. Das griechische Zentrum wich in einem nächtlichen Marsch nämlich viel weiter als vereinbart bis zum Heratempel der Stadt Plataiai zurück, während sich der Abzug der Spartaner und Tegeaten auf der rechten und der Athener auf der linken Flanke verzögerte. Mardonios wertete das Manöver als Flucht der Griechen und entschied, dem Feind nachzusetzen. Die persischen Bogenschützen und die persische Reiterei attackierten die Spartaner und Tegeaten. Diesen gelang es aber, obwohl sie eigentlich in der Rückwärtsbewegung waren, zum Gegenangriff überzugehen und sich entscheidend durchzusetzen: opferten nun, um es mit Mardonios und seinem Heer aufzunehmen. ❯ Sie Aber das Opfer fiel für sie nicht günstig aus; unterdessen fielen auch schon viele von ihnen, und noch viel mehr wurden verwundet. Die Perser schufen sich nämlich aus ihren Schilden eine Brustwehr und schossen viele Pfeile ab, ohne damit zu sparen, sodass die Spartaner hart bedrängt wurden. Weil auch das Opfer sich nicht günstig gestaltete, richtete Pausanias seinen Blick hinüber nach dem Tempel der Hera bei Plataiai, rief die Göttin an und bat, sie möchte doch ihre Hoffnung nicht zuschanden werden lassen. Während seines Gebetes erhoben sich zuerst die Tegeaten und zogen gegen den Feind. Auch erhielten die Lakedaimonier sogleich nach dem Gebet des Pausanias ein günstiges Opfer. Als dies schließlich eintraf, rückten auch diese gegen die Perser, die ihnen gegenüber mit dem Schießen aufgehört hatten. Zunächst entstand ein Kampf um die Schilde. Als diese niedergerissen waren, entwickelte sich ein heftiges und lang dauerndes Gefecht am Demeterheiligtum selbst, bis es endlich zum Handgemenge kam; denn die Barbaren ergriffen die Speere und zerbrachen sie. An Mut und Stärke standen die Perser nicht nach. Sie besaßen aber keine schwere Rüstung; dazu waren sie ungeschickt und ihrem Gegner an Kriegskunst nicht gewachsen. Einzeln oder in Haufen bis zu zehn Mann, mehr oder weniger, sprangen sie auf und stürzten sich auf die Spartiaten und wurden niedergemetzelt. HERODOT 9,61F.



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Herodot, der in seiner Darstellung die Bedeutung von Opfern und der Anrufung von Gottheiten hervorhebt, gibt hier auch einen Hinweis darauf, warum sich die Griechen schließlich durchsetzen konnten. Auch wenn er vielleicht ein zu schlechtes Bild von der persischen Kampfkunst und der Ausrüstung der persischen Krieger zeichnet, so scheinen die Griechen dank ihrer Disziplin und ihrer Ausstattung ihren Feinden im Nahkampf überlegen gewesen zu sein. Ein genaues Bild der Schlacht lässt sich auf der Grundlage der antiken Schilderungen freilich nicht gewinnen. Ein Fehler der persischen Kriegsführung war offensichtlich, dass Mardonios in vorderster Front ins Kampfgeschehen eingriff. Denn als er fiel, brach die persische Armee auseinander: Mardonios selbst stand, der auf einem Schimmel kämpfte und die Aus❯ Wo lese der 1000 tapfersten Perser um sich hatte, setzten sie auch dem Gegner am härtesten zu. Solange Mardonios noch lebte, hielten sie aus und töteten in der Gegenwehr eine Menge Lakedaimonier. Als aber Mardonios und die Kerntruppe um ihn gefallen waren, wandten sich auch die andern und wichen vor den Lakedaimoniern zurück. Am meisten Nachteil brachte ihnen natürlich ihre Kleidung, die ohne Schutzwaffen war. Sie kämpften als Leichtbewaffnete gegen schwergerüstete Gegner. HERODOT 9,63



Damit war der Kampf entschieden. Herodot berichtet, dass sich die Perser nun hinter die Palisaden ihres Lagers zurückzogen; ein beträchtlicher Teil des achaimenidischen Heeres hatte bereits vorher unter der Führung des Artabazos die Flucht angetreten. Ihr Lager hätten die Perser einige Zeit erfolgreich gegen die Spartaner verteidigen können, bis die Athener, die vorher die Thebaner besiegt hatten, schließlich die hölzernen Mauern eingerissen und das Lager eingenommen hätten. Herodot kolportiert, dass außer den 40 000 mit Artabazos Geflohenen nur 3000 Perser überlebten. Von den Griechen seien dagegen nur 159 gefallen. Plutarch weiß in seiner Biographie des Aristeides überhaupt nur von den 40 000 flüchtigen Persern und sagt nichts über weitere Überlebende aus dem Heer des Mardonios, während nur 1360 Griechen gefallen seien. Diodor berichtet davon, dass Pausanias den Befehl ausgab, keinen Perser am Leben zu lassen, worauf mehr als 100 000 Barbaren erschlagen worden seien (man fragt sich allerdings, wo der Rest des persischen Heeres verblieben ist, das in seiner Darstellung vor Plataiai ursprünglich 500 000 Mann umfasste), während die Griechen immerhin mehr als 10 000 Opfer zu beklagen gehabt hätten.

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Die Griechen hatten jedenfalls einen überragenden Sieg errungen und große Beute gemacht (Abb. 18). Herodot überliefert über die Luxusgegenstände, welche den Hellenen in die Hände fielen, die folgende Anekdote: erzählt noch Folgendes: Xerxes ließ dem Mardonios bei seiner Flucht ❯ Man aus Griechenland seine ganze Feldausrüstung zurück. Als Pausanias die Ausstattung des Mardonios, die aus Gold, Silber und goldenen Teppichen bestand, erblickte, befahl er den Bäckern und Köchen, ein Mahl zu richten gerade wie für Mardonios. Sie führten den Befehl aus. Da sah Pausanias die goldenen und silbernen Liegen mit schönen Decken, die goldenen und silbernen Tische und die großartige Zubereitung des Mahles. Tief beeindruckt von all den vor ihm liegenden Kostbarkeiten befahl er seinen Dienern zum Spott, ein lakonisches Mahl zuzubereiten. Als die Tische gedeckt waren, zeigte sich der große Unterschied zwischen den beiden Mählern. Lachend rief Pausanias die griechischen Feldherren herbei, wies auf die Beschaffenheit der beiden Mahlzeiten hin und sagte: „Griechen, ich habe euch rufen lassen, um euch die Torheit des Meders zu beweisen, der so üppig lebt und doch zu uns kam, uns bei unserer jammervollen Lebensweise zu berauben.“ So sprach Pausanias zu den Feldherren der Griechen, wie man erzählt. HERODOT 9,82



Der persische Luxus, wie er hier geschildert wird, stellt natürlich einen weit verbreiteten Topos dar. Von den Schätzen, die man aber zweifelsohne erbeutet hatte, wurde dem Zeus von Olympia, dem Poseidon von Korinth und dem Apollon in Delphi der Zehnte zugeteilt. Die Wahl gerade dieser drei überregional bedeutenden Heiligtümer verdeutlicht, dass der Erfolg von Plataiai als ein Erfolg für ganz Hellas betrachtet wurde. Die große Beute erlaubte den beteiligten Poleis auch die Errichtung von Memorialbauten sowohl vor Ort als auch in der Heimat. Erwähnt seien etwa die sogenannte Perserhalle an der Agora in Sparta, der Tempel der Athena Areia in Plataiai, dessen Kultbild um die Mitte des 5. Jahrhunderts v.Chr. Pheidias geschaffen haben soll und in welchem sich ein – mit dem vorher erwähnten Bildprogramm in der Athener Stoa Poikile vergleichbarer – Gemäldezyklus des Polygnotos und des Onasias befunden haben soll. Das bedeutendste Monument wurde im Heiligtum von Delphi errichtet. Es handelt sich um eine sechs Meter hohe Bronzesäule, die aus drei ineinander gewundenen Schlangenleibern besteht, mit einem auf ihr stehenden gol-

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Abb. 18: Der bedeutende Sieg wird ins Bildprogramm aufgenommen. Die rotfigurige Darstellung auf einer Oinochoe zeigt einen Perser (am langen Beinkleid erkenntlich), der sich nur noch auf dem Rückzug verteidigen kann.

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denen Dreifuß. Wie Thukydides berichtet, hatte der spartanische Feldherr Pausanias ursprünglich eigenmächtig ein Epigramm anbringen lassen, das seine eigene Rolle als Anführer des griechischen Heeres herausgehoben hatte: Anführer der Hellenen, nachdem er das Heer der Meder vernichtet hatte, ❯ Als weihte Pausanias dieses Denkmal dem Phoibos. THUKYDIDES 1,132



Dies erregte den Zorn der anderen Griechen und führte zu einer Klage gegen die Spartaner bei den Amphiktyonen. Daraufhin wurde das Epigramm des Pausanias entfernt und durch den Katalog der Poleis, welche am Krieg teilgenommen hatten, ersetzt: Folgenden führten den Krieg: ❯ Die Lakedaimonier, Athener, Korinther, Tegeaten, Sikyonier, Aigineten, Megarer, Epidaurier, Orchomenier, Phliousier, Troizener, Hermionen, Tirynthier, Plataier, Thespier, Mykener, Keier, Melier, Tenier, Naxier, Eretrier, Chalkidier, Styreer, Eleier, Poteidaiaten, Leukadier, Anaktorier, Kythnier, Siphnier, Amprakioten, Lepreaten.

MEIGGS – LEWIS 27



Diese Liste der griechischen Kriegsteilnehmer entspricht weitgehend den oben zitierten Angaben des Herodot, wenngleich in der Inschrift einige wenige Kontingente fehlen, die der Geschichtsschreiber erwähnt. Diejenigen Griechen aber, die mit den Persern gemeinsame Sache gemacht hatten, wurden nun ihrer Strafe zugeführt. Zehn Tage nach der Schlacht wurde mit der Belagerung von Theben begonnen, die erst beendet wurde, nachdem die Thebaner ihre persertreuen Anführer ausgeliefert hatten. Pausanias ließ diese in Korinth hinrichten. Die Gefallenen der Schlacht von Plataiai wurden vor Ort – getrennt nach ihrer jeweiligen Heimatpolis – bestattet. Nicht an der Schlacht beteiligte Städte errichteten sogar Scheingräber, um später am Ruhm dieses Erfolges teilhaben zu können. In den einzelnen Städten wurden Gedenktage und Kulte für die Gefallenen eingerichtet. Vor allem aber wurde am Ort des Gefechtes ein

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Kult eingerichtet. Plutarch schildert die damit verbundenen Rituale, denen man offenbar bis in seine eigene Lebenszeit nachkam: fand eine allgemeine Versammlung der Griechen statt, und Aristei❯ Hierauf des stellte den Antrag, es sollten alljährlich in Plataiai von ganz Griechenland Vertreter und Festgesandte zusammenkommen, und es sollten alle vier Jahre Kampfspiele, die Eleutherien (= Freiheitsspiele), gefeiert werden […] Nachdem das beschlossen war, übernahmen es die Plataier, für die gefallenen und in ihrem Lande liegenden Griechen alljährlich eine Totenfeier zu begehen. Das tun sie noch heute auf folgende Weise. Im Monat Maimakterion, der bei den Boiotern der Alalkomenios ist, am sechzehnten, veranstalten sie eine Prozession, die frühmorgens ein Trompeter mit kriegerischen Signalen eröffnet. Es folgen Wagen voll von Myrtenzweigen und Kränzen, ein schwarzer Stier und freie Jünglinge, die Opfergaben an Milch und Wein in Krügen und Gefäße mit Öl und Salben tragen; denn kein Sklave darf mit irgend etwas, das zu diesem Dienst gehört, zu tun haben, weil die Männer für die Freiheit gefallen sind. Zuletzt kommt der Archon der Plataier, dem es zu anderer Zeit nicht gestattet ist, Eisen zu berühren oder ein anderes als ein weißes Kleid zu tragen, jetzt aber ein Purpurgewand angelegt hat. Er holt einen Wasserkrug aus dem Archiv und schreitet schwertumgürtet durch die Stadt zu den Gräbern. Dann schöpft er Wasser aus der Quelle und wäscht selbst die Grabpfeiler ab und salbt sie mit Myrrhenöl, schlachtet den Stier über dem Opferherd, betet zu Zeus und Hermes, den Göttern der Erdtiefe, und ruft die tapferen Männer, die für Griechenland gefallen sind, zum Mahl und zum Blutschmaus. Zuletzt mischt er einen Krug Wein, gießt ihn aus und spricht dazu: „Ich trinke den Männern zu, die für die Freiheit der Griechen gestorben sind.“ Dies halten die Plataier bis heutigentags aufrecht. PLUTARCH, ARISTEIDES 21

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Die Schlacht von Mykale Die griechische Flotte hatte sich, wie bereits erwähnt, im Jahr 479 v. Chr. unter dem Kommando des Leotychidas bei der Insel Delos versammelt. Die Größe der Flotte ist unklar: Herodot spricht von 110 Trieren, während Diodor von 250 Schiffen ausgeht. Im Sommer desselben Jahres erschienen auf Delos Gesandte von der Insel Samos, die Leotychidas um Hilfe gegen die Perser baten. Sie versicherten dem Lakedaimonier, dass ihre Landsleute, die unter der Herrschaft eines von den Persern eingesetzten Tyrannen standen, beim bloßen Erscheinen der griechischen Flotte von ihren persischen Oberherren abfallen würden. Leotychidas beschloss, nachdem man gegenseitig Eide getauscht und ein Bündnis abgeschlossen hatte, den Samiern zu helfen, und nahm mit seinen Schiffen kurz darauf Kurs auf Samos. Als die Perser das Nahen der hellenischen Flottenkontingente bemerkten, zogen sie sich von Samos zurück und begaben sich zum kleinasiatischen Festland. Obwohl Herodot die Zahl der persischen Schiffe mit 300 angibt, ist aus dem Entschluss der Perser, den Griechen keine Seeschlacht zu liefern, ihre mögliche numerische Unterlegenheit herauszulesen. Sie segelten zur Halbinsel Mykale, wo ein persisches Landheer stationiert war, dessen Größe Herodot mit 60 000 Mann beziffert. Diodor spricht sogar von insgesamt 100 000 persischen Kombattanten, die sich hier versammelt hätten. Beide Angaben sind sicherlich viel zu hoch. Die Perser zogen ihre Schiffe an Land und errichteten eine Befestigung. Leotychidas musste sich nach dem Abzug der persischen Flotte von Samos entscheiden, wie er weiter vorgehen wollte, und er entschied sich für einen Angriff auf die persische Stellung. Nachdem er die auf Seiten der Perser stehenden Ionier zum Abfall aufgerufen hatte, ging er in die Offensive über. Herodot berichtet, dass die Griechen ihre Truppen, über deren Stärke wir nichts Genaueres wissen, teilten: Athener und ihre Nachbarn bis zur Mitte der Schlachtreihe marschierten ❯ Die am Strand auf ebenem Boden; die Lakedaimonier und die, welche sich ihnen anschlossen, mussten über eine Schlucht und Berge klettern. Während die Lakedaimonier noch den Umweg machten, standen die auf dem anderen Flügel bereits im Gefecht. Solange bei den Persern die Schilde aufrecht standen, wehrten sie sich tapfer und waren keineswegs im Kampf unterlegen.

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Als sich aber die Heere der Athener und ihrer Nachbarn ermahnten, dass es ihre und nicht der Lakedaimonier Aufgabe sei, und sich nun mit noch größerer Bereitwilligkeit heranmachten, wandelte sich das Bild. Sie durchbrachen den Wall der Schilde und stürzten sich geschlossen auf die Perser. Diese empfingen sie zwar und wehrten sich eine Zeitlang, mussten schließlich aber doch in ihre Befestigung fliehen. Aber die Athener, Korinther, Sikyonier und Troizener – so standen sie nämlich nebeneinander – folgten ihnen gemeinsam und brachen zugleich mit ihnen in den Wall ein. Als auch die Verschanzung genommen war, dachten die Barbaren nicht mehr an Gegenwehr, sondern wandten sich alle mit Ausnahme der Perser zur Flucht. Diese kämpften in kleinen Trupps gegen die dauernd in die Verschanzung einströmenden Griechen. [...] Während die Perser noch kämpften, kamen die Lakedaimonier und ihre Leute hinzu und erledigten den Rest. HERODOT 9,102F.



Die Griechen errangen einen vollständigen Sieg, der auch dadurch zustande kam, dass die Ionier tatsächlich von den Persern abfielen. Die meisten der persischen Krieger wurden erschlagen, ihre Schiffe und die Befestigung wurden niedergebrannt. Danach zogen sich die Griechen wieder auf die Insel Samos zurück. Herodot berichtet, dass die Schlacht von Mykale am selben Tag wie die Schlacht von Plataiai stattgefunden habe, doch wird dieser Synchronismus von der modernen Forschung für eine spätere Konstruktion gehalten.

Ausblick Mit den griechischen Erfolgen in den Schlachten von Plataiai und Mykale im Jahr 479 v. Chr. war der persische Angriff auf Griechenland endgültig abgewehrt. Es stellte sich nun aber die Frage, wie weiter zu verfahren sei, wie vor allem die ionischen Griechenstädte hinkünftig vor den Persern zu schützen seien. Auf der sogenannten Konferenz von Samos baten die griechischen Bewohner der Inseln und des kleinasiatischen Festlandes um die Aufnahme in den Hellenenbund. Die Spartaner als Führer des hellenischen Verteidigungsbündnisses nahmen die Ionier sowie die Aioler als neue Bundesgenossen auf, sie sprachen sich aber gegen eine Fortführung der Kampfhandlungen gegen das Perserreich aus und rieten ihren Landsleuten, Kleinasien zu verlassen und nach Griechenland überzusiedeln. Auf Widerspruch der Athener hin wurde dieser Plan aber fallen gelassen. Eine solche Umsiedlung wäre ohnehin unrealistisch gewesen.

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Weitere militärische Maßnahmen gegen die Perser folgten. Noch im selben Jahr eroberte eine Flotte unter der Führung des Atheners Xanthippos die Stadt Sestos auf der thrakischen Chersones, und mit dieser Aktion endet die Darstellung des Herodot. Im Jahr darauf unterwarf eine griechische Flotte unter der Führung des Spartaners Pausanias Teile Zyperns und eroberte die Stadt Byzantion. Sein herrisches und selbstherrliches Auftreten führte jedoch zu der Abberufung des lakedaimonischen Flottenkommandanten. Man bezichtigte ihn sogar der Kollaboration mit den Persern, doch er wurde freigesprochen. Nach einigen Jahren errichtete er wiederum in Byzantion auf eigene Faust einen militärischen Stützpunkt, ehe er sich in Kolonai eine Machtbasis aufbaute. Im Jahre 471/70 v. Chr. endgültig nach Sparta zurückbeordert und erneut mit dem Vorwurf des Medismos, aber auch mit der nicht stichhaltigen Anschuldigung der Konspiration mit den Heloten konfrontiert, flüchtete er sich in das Asyl des Tempels der Athena Chalkioikos, wo er in den Hungertod getrieben wurde. So wie Miltiades fand also auch ein zweiter Held des griechischen Freiheitskampfes ein unrühmliches Ende. Und auch Themistokles, dem der Sieg von Salamis zu verdanken war, sollte seinen Ruhm in der Heimat nicht lange genießen können. Er spielte zwar nach Beendigung der Perserkriege noch einige Jahre eine bedeutende Rolle in Athen, wobei er durch die Wiederbefestigung seiner Vaterstadt auf Konfrontationskurs mit den Spartanern ging, doch Ende der 470er-Jahre wurde er wegen der ihm vorgeworfenen Habgier und Prunksucht durch einen Ostrakismos verbannt. Er ging zunächst ins Exil nach Argos, als die Spartaner den Athenern aber angeblich verräterische Korrespondenz zwischen Themistokles und den Persern zuspielten, worauf ihn die Athener in Abwesenheit zum Tode verurteilten, flüchtete der einstige Kriegsheld nach Persien, wo ihn der achaimenidische Großkönig – wohl Artaxerxes I., der seinem Vater Xerxes 465 v. Chr. auf den Thron gefolgt war – zu seinem Lehensmann machte. Themistokles starb, 65-jährig, um 459 v. Chr. in Magnesia am Maiandros. Seine Heimatstadt Athen hatte sich inzwischen zur Führungsmacht einer großen griechischen Symmachie entwickelt. Nachdem sich Sparta endgültig aus den Kampfhandlungen zurückgezogen hatte, war im Jahr 478/77 v. Chr., unter dem Archontat des Timosthenes, ein Zusammenschluss einer Reihe von Gemeinden auf dem griechischen Festland, in Thrakien, Kleinasien und auf den Inseln der Ägäis erfolgt. Ziel dieses Bündnisses war die Fortführung des Kampfes gegen die Perser und der Schutz der kleinasiatischen Griechen.

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Abb. 19: Der endgültige Schlag der Griechen dargestellt auf einem Kelchkrater (rotfigurig). Der Perser wird vom Speer des Griechen niedergestochen und fällt.

Modern wird diese Symmachie als Delisch-Attischer Seebund bezeichnet. Alle Mitglieder des Seebundes schlossen zweiseitige Verträge mit den Athenern, in denen sie sich verpflichteten, die gleichen Freunde und Feinde zu haben. Durch das Versenken von Metallklumpen im Meer wurden die geleisteten Eide bekräftigt und waren somit unkündbar. Die Athener reagierten daher auch mit letzter Härte auf Versuche der Bündnispartner, den Seebund, der bald die Grundlage der athenischen Macht wurde, zu verlassen. Die beteiligten Poleis hatten Schiffe für die Flotte des Seebundes zu stellen oder – wenn sie dazu nicht imstande waren – finanzielle Beiträge zu leisten. Die Kasse des Bundes befand sich zunächst auf Delos, wo auch die Bundesversammlung tagte. Um das Jahr 465 v. Chr. (vielleicht auch ein paar Jahre früher) gelang der Flotte des Delisch-Attischen Seebundes ein wichtiger Sieg gegen die Perser,

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die – Plutarch zufolge – einen neuen Großangriff auf Griechenland geplant hätten (was freilich durchaus bezweifelt werden kann). Nachdem die Griechen erfahren hätten, dass sich persische Truppen bei Aspendos in Pamphylien an der Südküste Kleinasiens versammelten, brach eine hellenische Flotte von 200 Trieren unter der Führung des Kimon, des Sohnes des Miltiades, auf. In einer sowohl zur See als auch auf dem Land geführten Schlacht an der Mündung des Flusses Eurymedon konnten die Truppen des Seebundes die persische Armee vernichten (Abb. 19). Die Griechen sollten ihre Kräfte aber schließlich überdehnen. Um das Jahr 460 v. Chr. erreichte sie nämlich während einer Expedition nach Kypros ein Hilfsansuchen der Ägypter, die unter der Führung des libyschen Fürsten Inaros von den Persern abgefallen waren und nun Unterstützung für den Fall eines achaimenidischen Gegenschlages benötigten. Obwohl das Unternehmen für die Griechen zunächst erfolgreich begonnen hatte, kam es im Jahr 454 v. Chr. zur Katastrophe. Eine Vielzahl von griechischen Schiffen ging verloren, gut 10 000 griechische Soldaten fielen bei der ersten hellenischen Niederlage gegen die Perser seit Jahrzehnten. Aus Angst vor persischen Angriffen auf die Ägäis wurde nun die Kasse des Seebundes von Delos nach Athen verlegt. Die Perser konnten aus diesem Erfolg jedoch keinen weiteren Vorteil ziehen. Bereits vier Jahre später errangen die Athener, die unter der Führung des nach zehn Jahren aus dem Exil zurückgekehrten Kimon eine Expedition nach Kypros unternahmen, beim kyprischen Salamis einen erneuten Sieg über eine persische Flotte. Kimon selbst war aber zuvor bei der Belagerung von Kition ums Leben gekommen. Mit dieser Unternehmung endete die athenische Offensive gegen Persien. Antike Quellen (z. B. Diodor) berichten, dass es nun im Jahr 449/48 v. Chr. zu einem formellen Friedensschluss zwischen den Griechen und den Persern kam (andere Quellen, etwa Plutarch, nehmen einen solchen Friedensschluss schon nach der Schlacht am Eurymedon an). Nach dem attischen Unterhändler wird dieser Frieden als Kalliasfrieden bezeichnet. Er hatte zum Inhalt, dass die griechischen Poleis in Kleinasien autonom blieben, sich persische Landstreitkräfte der kleinasiatischen Westküste nur auf drei Tagesmärsche (oder einen Tagesritt) nähern durften, in der Ägäis eine Sperrzone für die persische Flotte eingerichtet wurde, und im Gegenzug die Athener sich verpflichteten, keine Angriffe auf Gebiete des Großkönigs zu unternehmen. Ob tatsächlich ein formeller Friedensvertrag abgeschlossen wurde, ist vielfach bezweifelt worden. De facto haben beide Seiten aber nun den status quo anerkannt.

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Welthistorische Perspektiven?

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m Schluss dieser Darstellung der griechisch-persischen Konflikte soll nochmals kurz auf zwei wesentliche Aspekte eingegangen werden. Erstens: Was war ausschlaggebend für den – nicht unbedingt zu erwartenden – Sieg der Hellenen? Und zweitens: Welche weltgeschichtliche Bedeutung hat dieser Sieg? Zunächst ist erneut festzuhalten, dass die Invasionsarmeen der Perser sowohl 490 als auch 480 v. Chr. deutlich kleiner waren, als dies Herodot und die anderen antiken Quellen, die in diesem Punkt eindeutig übertreiben, angeben. Wären die persischen Truppen zahlenmäßig derart überlegen gewesen, dann hätten sie auch gewonnen! Die Griechen selbst schrieben ihren Sieg einerseits der Hilfe der Götter zu, andererseits der überlegenen Tugend und Taperkeit freier Männer. Auch wenn das zweite Argument bis heute vorgebracht wird, muss es verworfen werden. Der Verlauf der Weltgeschichte hat hinlänglich bewiesen, dass menschenverachtende Regime und von grausamen Despoten regierte Völker und Staaten im Krieg – auch gegen die gerechte Sache – durchaus erfolgreich sein können. Natürlich waren die Griechen im Kampf für ihre Heimat und ihre Familien ungeheuer motiviert, und ihrer kollektiven wie indiviuellen Tapferkeit ist vieles zu verdanken. Es gibt aber kaum Hinweise darauf, dass die Angehörigen des persischen Heeres nicht engagiert gekämpft und nicht loyal zu

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ihrem Herrn gestanden hätten. Herodot hebt in seiner Darstellung sogar explizit die Leistungen der Ägypter vor dem Kap Artemision, der Samier bei Salamis oder der Saken bei Plataiai hervor. Auch waren die Griechen nicht grundsätzlich besser ausgebildet als die persischen Soldaten, die binnen eines halben Jahrhunderts ein Weltreich erobert hatten. Die griechischen Seeleute waren sogar mit Sicherheit weniger erfahren als ihre phoinikischen Gegner. Was gab also den Ausschlag? Zunächst spielte das Glück der Griechen eine nicht unbeträchtliche Rolle, das sich etwa in der – durchaus glaubwürdigen – Überlieferung von den beiden Stürmen zeigt, denen beträchtliche Teile der persischen Flotte zum Opfer fielen. Dazu kamen gravierende strategische Fehler der persischen Heeresführung, die zum Teil aus völlig unzureichenden Kenntnissen der geographischen Besonderheiten Griechenlands resultierten. Die Griechen haben dagegen die Schlachtorte gut gewählt und die Landesnatur klug ausgenutzt; das gilt besonders für die Schlacht von Salamis. Bei Marathon und bei Plataiai war freilich entscheidend, dass sich die Perser die griechische Nahkampfweise aufdrängen ließen. Gegen die dafür unzureichend gerüsteten persischen Truppen, die eine ganz andere Kampfweise, die auf Bogenkämpfern und der Kavallerie beruhte, gewohnt waren, hatten die schwergerüsteten Hopliten letztendlich leichtes Spiel. Dass es dazu kam, ist als schwerer Fehler der persischen Führung anzusehen. Wenn die persischen Truppen etwa bei Plataiai, der eigentlich entscheidenden Schlacht der Perserkriege, nach dem misslungenen Rückzugsmanöver des Pausanias erst einmal auf Distanz geblieben wären, dann wäre manches vielleicht anders verlaufen. Doch das ist natürlich reine Spekulation. Wie ist der griechische Sieg aber nun in seiner universalgeschichtlichen Bedeutung zu beurteilen? Die Abwehr des persischen Angriffs auf Griechenland und die Bewahrung der hellenischen Unabhängigkeit wurden und werden von vielen als eines der bedeutendsten Ereignisse in der Geschichte des Westens gesehen, durch welches die Entwicklung der abendländischen Kultur überhaupt erst ermöglicht worden wäre. Bereits Georg Wilhelm Friedrich Hegel sah in den Perserkriegen die Auseinandersetzung zwischen dem „orientalischen Despotismus“ auf der einen und „freien Individualitäten“ auf der anderen Seite und betrachtete den griechischen Sieg als Folge der „Überlegenheit der geistigen Kraft über die Masse“. Der deutsche Althistoriker Hermann Bengtson formulierte in seiner heute noch viel gelesenen Griechischen Geschichte folgendermaßen:

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welthistorischen Perspektiven des griechischen Sieges über die Perser ❯ Die sind fast unabsehbar. Dadurch, dass die Hellenen den Ansturm des Ostens meisterten, haben sie der politischen und kulturellen Entwicklung des Westens auf ein volles Jahrhundert hinaus Ziel und Richtung gegeben. Erst durch den siegreichen Freiheitskampf der Griechen ist Europa als Idee und Wirklichkeit geboren worden. Die Güter, für die einst die Griechen ihr Leben einsetzten, sind auch heute noch die höchsten Werte im Leben der abendländischen Menschheit. […] Nicht nur die politische Freiheit, auch die geistige Unabhängigkeit des abendländischen Menschen haben die Griechen verteidigt, und wenn wir uns heute als denkende, freie Menschen fühlen, so haben jene die Voraussetzungen dafür geschaffen.



An anderer Stelle, nämlich im von ihm im Rahmen der Fischer Weltgeschichte herausgegebenen Band Griechen und Perser, gibt Bengtson seiner Überzeugung Ausdruck, dass ein Sieg des Orients eine Verstärkung der geistigen Autorität beziehungsweise eine Priesterherrschaft bedeutet hätte, die dem griechischen Denken ihr Joch auferlegt hätte. Dies sei durch den griechischen Triumph aber verhindert worden: der Polis siegte der abendländische freie Rechtsstaat über das absolutis❯ Mit tische System des Orients. Die Griechen kämpften nicht nur für ihre Heimat und für ihre Götter, sondern auch für das Ideal der geistigen Freiheit und für eine höhere Gesittung in einer freien westlichen Welt.



Aber werden hier diesem Sieg nicht zu viel Bedeutung und einer eventuellen Niederlage zu gravierende Folgen beigemessen? Stand hier wirklich die geistige Freiheit des Abendlandes auf dem Spiel? Entspricht eine solche, letztendlich auf antike Argumentationsmuster zurückgehende Betrachtungsweise wirklich den historischen Gegebenheiten? Oder ist die schlichte Griechen-BarbarenAntithese, welche die griechische „Kultur der Freiheit“ auf der einen und den „orientalischen Despotismus“ auf der anderen Seite erblickt, nicht vielmehr ein anachronistisches Denkschema, das verschiedensten historischen, politischen und kulturellen Entwicklungen geschuldet ist und längst schon überwunden sein sollte? Während eine solche Sichtweise der Perserkriege in der gegenwärtigen deutschsprachigen althistorischen Forschung in der Tat kaum mehr so dezidiert vertreten wird, ist sie in der englischen und besonders in der ameri-

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kanischen Altertumsforschung weiterhin en vogue. Wie ist das erklärbar? Jede historische Betrachtung ist stark von der individuellen Biographie sowie dem sozialen und politischen Umfeld ihres Verfassers abhängig. Dies gilt für den ehemaligen Wehrmachtsoffizier und Teilnehmer am Russlandkrieg Hermann Bengtson genauso wie für amerikanische Gelehrte, die durch Erfahrungen und Ereignisse der jüngeren amerikanischen Geschichte, wie etwa die Anschläge vom 11. September 2001, beeinflusst werden. Das wird deutlich, wenn man z. B. das Szenario betrachtet, das Victor Davis Hanson, einer der renommiertesten amerikanischen Militärhistoriker, gleichzeitig ein Befürworter des amerikanischen Irakkrieges und Proponent einer aggressiveren Haltung der USA gegen den Iran, für den Fall eines persischen Sieges entwirft: Griechenland die westlichste Provinz Persiens geworden, wären aus ❯ Wäre seinen bäuerlichen Familienbetrieben Güter des Großkönigs geworden. Die öffentlichen Gebäude der Agora wären in überdachte Basarläden umgewandelt worden, und die freien Bauern und Hopliten wären zu bezahlten Stoßtrupps neben den „Unsterblichen“ des Xerxes geworden. Anstelle der griechischen Philosophie und Wissenschaft hätte es nur die offiziell geförderten Künste der Prophezeiung und Astrologie gegeben, die Anhängsel der königlichen oder religiösen Bürokratien waren und nichts mit rationalem Denken und Forschen zu tun hatten. In einem persischen Griechenland wären die Volksversammlungen bloße Marionettengremien zur besseren Beschaffung von Menschen und Geld für den Herrscher gewesen, Geschichtsschreibung hätte sich auf die offiziellen Verlautbarungen und Verfügungen des Großkönigs beschränkt, und die ernannten örtlichen Funktionsträger wären Sprachrohre des Satrapen und der Magi gewesen.



Dieses Bild, das Hanson entwirft, ist kaum nachvollziehbar und durch keinerlei Quellen gestützt. Vielmehr zeugt es von einer weitgehenden Unkenntnis der achaimenidischen Politik gegenüber unterworfenen Völkerschaften. Merkwürdig mutet es auch an, wenn Hanson postuliert, dass die Perserschlachten „für den Osten die letzte Gelegenheit dargestellt hätten, die westliche Kultur im Keim zu ersticken“, und völlig abstrus werden seine Ausführungen schließlich, wenn er im selben Artikel auf die Auswirkungen einer griechischen Niederlage für unsere heutige Welt kommt:

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würden heute in einer völlig anderen Tradition leben – Schriftsteller ❯ Wir wären vom Tode bedroht, Frauen verschleiert und aus dem öffentlichen Leben verbannt, die Meinungsfreiheit wäre eingeschränkt, die Regierung läge in Händen autokratischer Großfamilien, die Universitäten wären bloße Zentren des religiösen Fanatismus, und die Gedankenpolizei wäre in unseren Wohn- und Schlafzimmern gegenwärtig –, wenn Themistokles und seine Ruderer gescheitert wären.



Es ist offenkundig, dass dieses Szenario jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrt und vielmehr von zeitgenössischen Klischees orientalischer und insbesondere islamischer Gesellschaften sowie von den Angst- und Feindbildern seines Verfassers kündet. Was wäre aber tatsächlich passiert, wenn die Perser die Oberhand behalten hätten? Wäre die griechische Kultur im Falle einer Niederlage bei Marathon, Salamis oder Plataiai tatsächlich untergegangen und mit ihr die wichtigste Grundlage der abendländischen Kultur? Auch wenn die so beliebte Frage „Was wäre geschehen, wenn …?“ aufgrund der vielen teils unbekannten, auf jeden Fall oft unabwägbaren Faktoren stets nur schwer zu beantworten ist, so kann in diesem Fall festgehalten werden, dass ein persischer Sieg nicht das Ende der griechischen Geschichte bedeutet hätte. Die griechische Kultur hätte sich zwar durchaus in eine andere Richtung entwickelt, sie wäre aber nicht untergegangen. Die wichtigste Folge der Perserkriege war der rasante Aufstieg Athens zur Weltmacht. Hätten die Perser gesiegt, hätte dies vor allem für die athenische Geschichte gewaltige Auswirkungen gehabt. Athen hätte politisch keine so dominierende Rolle gespielt und wäre nicht zu einem derartigen Zentrum der Künste und der Philosophie geworden. Es wäre nicht zur Ausbildung der radikalen athenischen Demokratie gekommen (ob dies allerdings ein großer Verlust gewesen wäre, sei dahingestellt, zumal deren Wirkung auf die späteren politischen Systeme in der westlichen Welt, die sich ungleich mehr am römischen Vorbild orientierten, nicht überschätzt werden darf). Auch die mit der attischen Demokratie mehr oder weniger in Zusammenhang stehenden kulturellen Phänomene wie die Geschichtsschreibung, das Theater, die Rhetorik, die Sophistik oder die Philosophie eines Platon oder Aristoteles hätten eine durchaus andere Entfaltung erlebt. Die Blüte der Baukunst, der Bildhauerei und der Malerei in Athen, die zum guten Teil aus Geldern des Seebundes finanziert war, wäre ebenfalls teilweise ausgeblieben. Das, was wir heute als „griechische Klassik“ bezeichnen, hätte ganz anders ausgesehen.

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Die Beispiele Ägyptens, Mesopotamiens oder auch Ioniens zeigen jedoch, dass die Perser zwar von den ihnen unterworfenen Völkern Tribute und Heeresfolge verlangten, ihren Untertanen aber deren kulturelle Individualität beließen. So kann etwa das unter persischer Souveränität stehende Ionien der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. – wie bereits gezeigt wurde – mit seiner Blüte der Kunst, Literatur, Philosophie und Wissenschaft geradezu als der kulturelle Mittelpunkt der damaligen griechischen Welt gelten! Wir können also mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass – abgesehen davon, dass eine persische Oberherrschaft über Griechenland sich vermutlich ohnehin nicht lange gehalten hätte – die Sitten und Gebräuche der Hellenen unter von den Persern abhängigen Herrschern im Grunde unverändert geblieben wären. Innergriechische Streitigkeiten und Kriege und das damit verbundene große Blutvergießen sowohl im 5. als auch im 4. Jahrhundert v. Chr. wären unter persischer Herrschaft vielleicht sogar zu verhindern gewesen! Andere Städte, sei es im griechischen Mutterland, sei es in der Magna Graecia, wären anstatt Athen als kulturelle Zentren in Erscheinung getreten. Die bereits gelegten kulturellen Grundlagen hätten sich jedenfalls weiterentwickelt. Keinesfalls hätte eine griechische Niederlage einen vorzeitigen Untergang des „Westens“, wie immer man diesen auch definieren will, bedeutet. Wie etwa Christian Meier zu Recht betont, hätte es „auch andere Möglichkeiten gegeben, in der Antike Voraussetzungen für die Geschichte des Abendlandes zu schaffen“. Aus diesem Grund haben sich angesichts des persischen Angriffs viele Griechen mit den Invasoren arrangiert und konnten sich ein Leben unter achaimenidischer Herrschaft gut vorstellen. Der Umstand, dass sich nur eine vergleichsweise geringe Zahl griechischer Poleis an dem Abwehrkampf beteiligt hat, verbietet es auch, von einem nationalen Freiheitskrieg zu sprechen. Auch nach der erfolgreichen Abwehr der Perser unterhielten griechische Städte – sowohl im Mutterland als auch in Kleinasien – enge Beziehungen mit dem Perserreich. Griechische Söldner, Handwerker und Ärzte traten in die Dienste des Großkönigs, und sogar Themistokles, der große Held im griechischen Freiheitskampf, fand als Lehensmann des Artaxerxes eine neue Heimat unter persischer Herrschaft. Persische Mode und persischer Lebensstil wurden in den Jahrzehnten nach den berühmten Schlachten zum nachgeeiferten Vorbild in Athen und anderen griechischen Städten. Die Perserkriege waren zweifellos ein einschneidendes Ereignis, das die Geschichte veränderte. Zu warnen ist aber vor einer vorschnellen und einseitigen Beurteilung dieses Konfliktes und des für die Griechen siegreichen Ausgangs.

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Literaturhinweise und Anmerkungen

Eine gute erste Einführung ins Thema bietet Will (2010); ebenfalls nützlich ist Graser (2011); zu populärwissenschaftlich und im historischen Urteil unausgewogen ist Holland (2008). Standarddarstellungen der griechisch-persischen Konflikte sind BURN (1962) [2. Auflage: 1984]; Hignett (1963); Lazenby (1993); Green (1996). Einen wichtigen Beitrag stellt auch Cawkwell (2005) dar. Allgemein und einführend zu den griechischen literarischen Quellen vgl. Hose (1999); Paulsen (2004). Die beste griechische Literaturgeschichte ist immer noch Lesky (1971). Zur griechischen Literatur der archaischen und klassischen Zeit vgl. jetzt Zimmermann (2011). Speziell zur Geschichtsschreibung siehe Meister (1990); Lendle (1992). Grundlegend für jede Beschäftigung mit Herodot ist immer noch Jacoby (1913); einen guten Einstieg in die Beschäftigung mit den Historien bieten Bichler – Rollinger (2000); eine knappe Orientierung bietet jetzt auch Günther (2012). Einen wesentlichen Impuls erhielt die Auseinandersetzung mit den Historien durch das Buch von Fehling (1971) [in einer erweiterten englischen Ausgabe: Fehling (1989)], dessen radikale Zweifel an der Glaubwürdigkeit Herodots zu Recht nur von wenigen Historikern geteilt werden. Eine (freilich recht polemische) Verteidigung Herodots unternahm Pritchett (1993). Hekataios als Ratgeber des Aristagoras: Herodot 5,36; als Unterhändler bei Artaphernes: Diodor 10,25. Herodot als pater historiae: Cicero, De legibus 1,5; Kritik an Herodot: Josephos, contra Apionem 1,3; Gellius 3,10. Zu Ktesias siehe BIGWOOD (1978); Bichler (2004); Bleckmann (2007); LlewellynJones – Robson (2010). Zu den Verfassern von Persika vgl. Stevenson (1997); Lenfant (2007). Allgemein zur griechischen Tragödie vgl. Latacz (1993); Seek (2000); Zimmermann (2005). Zur politischen Bedeutung der griechischen Tragödie vgl. Meier (1988). Speziell zu Aischylos siehe Föllinger (2009). Zu den Persern des

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Aischylos vgl. Hutzfeldt (1999) 24ff.; zum Stück als historischer Quelle vgl. etwa Meister (1997) 111ff. Grabepigramm des Aischylos: Vita Aeschyli § 11. Zu Timotheos vgl. Hutzfeldt (1999) 171ff.; Huber (2001). Zu den simonideischen Versinschriften vgl. Petrovic (2007); zur simonideischen Plataiai-Elegie siehe etwa Boedeker – Sider (2001). Erwähnte epigraphische Quellen: Helm des Miltiades: IG I3 1472; Weihung des Kallimachos: IG I3 784; Weihung der Kriegsbeute in Delphi: IG I3 1463,B; Schlangensäule: Meiggs – Lewis (1988) Nr. 27 (vgl. Meister [1997] 119ff.). Ehrung für gefallene Athener: IG I3 503/4. Zu den persischen Quellen vgl. die knappe Einführung bei Wiesehöfer (1999) 12ff.; Wiesehöfer (2005) 25ff. sowie Schmitt in: Die Zeit (2006) 412ff. Die beste Gesamtdarstellung der achaimenidischen Geschichte ist Briant (2002). Einen Überblick über die politische Geschichte bietet Dandamaev (1989). In vielen Aspekten veraltet, aber immer noch mit Gewinn zu benutzen ist Olmstead (1948). Ebenfalls noch heranzuziehen ist Hinz (1976–1979). Mit der Aussage der elamitischen Verwaltungstexte aus Persepolis beschäftigt sich Koch (1992). Einen guten Einstieg in die Beschäftigung mit der persischen Kulturgeschichte ermöglichen die entsprechenden Abschnitte in Wiesehöfer (1999) und Wiesehöfer (2005). Besonders gut eignen sich dafür auch die prächtigen Ausstellungskataloge Curtis – Tallis (2005) und Historisches Museum der Pfalz Speyer (2006). Von größtem wissenschaftlichen Wert für zahlreiche Einzelfragen ist die vom Niederländischen Institut für den Nahen Osten (NINO) in Leiden herausgegebene Reihe Achaemenid History, die derzeit 15 Bände (darunter auch die bereits genannte Darstellung von Briant) umfasst. Zur achaimenidischen Kunst vgl. Boardman (2003). Die Geschichte von Gyges und Kandaules berichten Herodot 1,8–13; Platon, Politeia 2, 359b–360d; FgrHist 90 F 44–46; Cicero, De officiis 3,38f.; Entrückung des Kroisos: Bakchylides, Epinikien 3, 23ff.; Ende des Kroisos bei Herodot 1, 86f.; Übersetzung des Kyroszylinders: Borger – Hinz – Römer (1984) 407ff.; Übersetzung der BisitunInschrift: Borger – Hinz – Römer (1984) 419ff.; Herrscherqualitäten des Dareios: DNb 5–45, Übersetzung nach Wiesehöfer (2005) 58; Ausstattung des Palastes von Susa: Übersetzung aus Koch (1992) 78; Gründungsurkunde der Apadana von Persepolis: Übersetzung aus KOCH (1992) 93; Daivā-Inschrift: XPh 13–28, Übersetzung nach Wiesehöfer (2005) 95; Steuerbezirke bei Herodot 3,90–94; Opfer des Tissaphernes an Artemis: Thukydides 8,109. Eine konzise Einführung in die Kulturgeschichte des antiken Kleinasien bietet Schwertheim (2005); grundlegend ist jetzt Marek (2010). Allgemein zu den Griechen in Kleinasien vgl. COOK (1965); Huxley (1966); Greaves (2010); Hoepfner (2011). Die wichtigsten Quellentexte zur sogenannten „Ionischen Wanderung“ sind Herodot 1,145ff.; Strabon 14,1,3 p. 632f.; Pausanias 7,2,1ff. Eine kritische Diskussion der Quellen bietet PRINZ (1979), vgl. auch Sakellariou (1958); VanschoonwinkeL (1991) 367ff.; zur griechischen Kolonisation vgl. Boardman (1999); Miller (1997); Bernstein (2004). „Wie Ameisen oder Frösche um einen Sumpf “: Platon, Phaidon 109; Inschrift aus Abdera:

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SEG 47, 1646; zur griechischen Polis: Welwei (1998). Zur älteren Tyrannis: Berve (1967); de Libero (1996). Zu den Griechen im Perserreich: Hofstetter (1978); Demokedes von Kroton: Herodot 3, 129–137; zur frühgriechischen Dichtung: Fränkel (1993). Zu den ionischen Naturphilosophen: Burnet (1913); GIGON (1968); Schadewaldt (1978); Wöhrle (2009); Wöhrle (2011). Die einzige monographische Behandlung des Ionischen Aufstandes ist Tozzi (1978). Allgemein informieren – neben den entsprechenden Abschnitten in den Überblickswerken zu den Perserkriegen (siehe oben) Murray (1988); Walter (1993); Kienast (1994); Kienast (2002). Zur Geschichte Spartas vgl. einführend Clauss (1983) und Baltrusch (1998); umfassend jetzt Welwei (2004); speziell zum frühen Sparta Luther – Meier – Thommen (2006). Zum archaischen Athen vgl. Welwei (1992). Allgemein zur Geschichte des archaischen Griechenland ist am besten Murray (1995); vgl. auch Os BORNE (1996); Hall (2007). Eine kurze Einführung zur Schlacht von Marathon bietet Sekunda (2002); aktuelle monographische Abhandlungen sind BILLOWS (2010) und Krentz (2010); grundlegend sind immer noch Hammond (1968) und Hammond (1988a) sowie Doenges (1998). Zu Rezeption und Nachleben der Schlacht vgl. Flashar (1996), Hölkeskamp (2001), Gehrke (2003) und Jung (2006); Unterwerfung ganz Griechenlands: Plutarch, Aristeides 5,1; Versklavung der Athener und Eretrier: Platon, Menexenos 240A; Vorliebe des Dareios für attische Feigen: Suda s. v. Hippias; Größe des Perserheeres: Platon, Menexenos 240A; Lysias 2,21; Pausanias 4,22; Plutarch, Moralia 305B; Suda s. v. Hippias; Justin 2,9; Herodot 6,95; Gefallenenzahlen der Schlacht von Marathon: Herodot 6,117; Marathonläufer: Plutarch, Moralia 347C; Lukian, Über ein Versehen in der Begrüßung 3; Weihung des Kallimachos: IG I2 609; Inschrift auf Schatzhaus der Athener: IG I3 1463,B; Miltiadeshelm: IG I3 1472. Grundlegend zum Xerxeszug sind Hignett (1963), Hammond (1988) und Wallinga (2005). Neben den oben genannten Überblicksdarstellungen sind besonders heranzuziehen zur Schlacht an den Thermopylen Hammond (1996), Cartledge (2007), Fields (2007); zur Schlacht von Salamis Hammond (1956), Strauss (2005), Ruffing (2006), Shepherd (2010). Zu Themistokles siehe Blösel (2004). Zur Rezeption der großen Schlachten vgl. Albertz (2006) und Jung (2006). Stärke des Perserheeres: Herodot 7,184; Cornelius Nepos, Themistokles 2; Diodor 11,3; Ktesias, Persika 27; Herodot 7,228; Größe der persischen Flotte: Aischylos, Perser 341ff.; Diodor 11,3; Lysias 2,27; Platon, Nomoi. 3,699; Isokrates 4,93; Plutarch, Themistokles 14; Themistoklesdekret: Brodersen – Günther – Schmitt (1992) 35; Eid von Plataiai: Siewert (1972); Gefallenenzahlen von Plataiai: Herodot 9,70; Plutarch, Aristeides 19; Diodor 11,33. Schlangensäule: Thukydides 1,132; Meiggs – Lewis (1988) Nr. 27. Kalliasfrieden: Diodor 12,4; Plutarch, Kimon 13. Grundlegend zur historischen Einordnung: Wiesehöfer (2002). Zitate: Bengtson (1977) 181f.; Bengtson (1965) 68; Hanson (2002) 32f.; Meier (1993) 35.

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Bibliographie

Die Quellenübersetzungen wurden folgenden Ausgaben entnommen: Aischylos: Die Perser. Sieben gegen Theben. Übersetzung, Anmerkungen und Nachwort von Emil Staiger. Stuttgart 1974. Aristoteles: Der Staat der Athener. Übersetzt und herausgegeben von Martin Dreher. Stuttgart 1993. Diodor: Griechische Weltgeschichte. Buch 1–10. Teil 2. Übersetzt von Gerhard Wirth und Otto Veh. Eingeleitet und kommentiert von Thomas Nothers. Stuttgart 1993. Buch 11–13. Übersetzt von Otto Veh. Eingeleitet und kommentiert von Wolfgang Will. Stuttgart 1998. Herodot: Historien. Herausgegeben von Josef Feix. München 1963. LYSIAS: Reden. Eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Ingeborg Huber. 2 Bände, Darmstadt 2004. Cornelius Nepos: De viris illustribus. Biographien berühmter Männer. Herausgegeben und übersetzt von Peter Krafft und Felicitas Olef-Krafft. Stuttgart 1993. Pausanias: Beschreibung Griechenlands. Ein Reise- und Kulturführer aus der Antike. Ausgewählt, aus dem Griechischen übersetzt und mit einem Nachwort von Jacques Laager. Zürich 1998. Plutarch: Große Griechen und Römer. Eingeleitet und übersetzt von Konrat Ziegler (mit Walter Wuhrmann). Zürich 1954–1965. Pompeius Trogus: Weltgeschichte von den Anfängen bis Augustus im Auszug des Justin. Eingeleitet, übersetzt und erläutert von Otto Seel. Zürich – München 1972. Thukydides: Der Peloponnesische Krieg. Übersetzt und herausgegeben von Helmuth Vretska und Werner Rinner. Stuttgart 2000. Xenophon: Kyrupädie – Die Erziehung des Kyros. Griechisch-Deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Rainer Nickel. München 1992

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BIBLIOGRAPHIE

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Register

Personenregister Achaimenes, 52, 54 Adeimantos 158, 168 Agasias 139 Agasikles 63 Agesilaos 8, 23f. Aischylos 26ff., 135, 172f., 177 Alexander I. 148, 183, 185 Alexander III. (der Große) 8, 33 Alkaios 76 Alkman 90 Alyattes 40, 42, 68 Amasis 43, 50, 72ff. Ameinias 175 Anakreon 72, 77 Anaxandrides 90 Anaximandros 78 Anaximenes 78 Anchimolios 96 Antonius, Marcus 25 Apollonides 71

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REGISTER

Archelaos 29 Archilochos 17 Ardys 42 Ariaramnes 52 Aristagoras 18, 81ff., 86, 90ff., 99ff., 130 Aristarchos (Alexandria) 15 Aristarchos (Athen) 68 Aristeides 25, 107, 138ff., 175, 187, 190, 194 Aristogeiton 95, 114 Ariston 109 Aristonike 144 Aristophanes (Athen) 117 Aristophanes (Boiotien) 25 Aristoteles 94f., 137, 141, 204 Arktinos 75 Arsames 52 Artabanos 130f. Artabazos 190

Artaphernes (Vater) 18, 82, 97, 99ff., 104 Artaphernes (Sohn) 16, 107f., 115, 119, 130 Artaxerxes I. 32f., 197, 205 Artaxerxes II. 20, 22f., 25 Artaxerxes III. 22, 59 Artemisia 135f., 168ff., 174f. Artystone 54 Aryenis 40 Asios 75 Aspathines 52 Assurbanipal 38 Astyages 40, 43, 129 Atossa 28, 54, 71, 127 Augustus 25 Bardiya 51, 53f. Bengtson, Hermann 201ff. Bias 70

Cartledge, Paul 8 Catull 25 Charon 21f. Choirilos 29 Cicero 18, 25, 41

Gelon 146f. Gobryas 52, 54, 129 Gorgo 88, 92 Gorgos 100 Gyges 40ff., 76

Dareios I. 8, 16, 28, 32f., 35, 50ff., 71, 81ff., 97, 101f., 105ff., 112, 127ff., 141, 180 Datis 16, 106ff., 113ff., 118f., 130 Daurises 101 Demaratos 90, 98, 109, 136 Demokedes 71f. Demokritos 166 Demophilos 22 Dienekes 154 Dinon 22 Diodor 22f., 113f., 135, 147f., 151, 154f., 170f., 175ff., 179, 186 Dionysios (Milet) 21 Dionysios (Phokaia) 103 Dorieus 90

Fuller, John 124

Hamilkar 147 Hanson, Victor Davis 203 Harmodios 95, 114 Harpagos (Meder) 40 Harpagos (Perser) 45, 69 Harpalos 71, 133 Hebbel, Friedrich 41 Hegel, G. W. F. 201 Hegesipyle 112 Hekataios 18, 71, 83 Hellanikos 21 Herakleides (Kyme) 22 Herakleides (Pontos) 119 Herakleitos 79f. Herodes 25 Herodot passim Hesiod 17 Hieron 29 Hipparchos (Sohn des Charmos) 110, 139 Hipparchos (Sohn des Peisistratos) 95 Hippias 95f., 99, 107f., 110, 114, 118 Hipponax 76 Histiaios 81ff., 85f., 101f. Holland, Tom 8 Homer 17, 75, 134f. Hydarnes (Feldherr) 151f. Hydarnes (Mitverschwörer) 52 Hymaies 101

Gadatas 35, 59 Gaumata 51ff. Gellius, Aulus 18

Ibykos 72 Inaros 199 Intaphernes 52

Isagoras 96ff. Isokrates 22, 135, 177 Iustinus 23, 115f., 118, 154, 178 Josephos 18

Echetlaios 118 Ephialtes 152 Ephoros 22f., 25, 147, 154 Erechtheus 158 Euainetos 148 Eumenes 175 Eupalinos 72 Euphrantides 171 Eurybiades 158, 166ff., 175, 180

Kallias (Sohn des Hipponikos) 199 Kallias (Sohn des Kratios) 139 Kallimachos 30, 114, 116, 118, 121ff., 168 Kallinos 76 Kambyses I. 40, 47 Kambyses II. 16, 40, 47f., 50ff., 70, 74, 83, 129, 131 Kandaules 40f. Kimon d. Ältere 111 Kimon d. Jüngere 112, 122f., 199 Kleisthenes 96ff., 138 Kleombrotos 90, 170, 185 Kleomenes 88, 90ff, 96ff., 109 Kleopatra 25 Kodros 61 Kreophylos 75 Kroisos 16, 42ff., 68f., 92, 95 Ktesias 20ff., 25, 71, 118, 135, 177 Kyaxares 39ff. Kylon 96 Kyros I. 38 Kyros II. 16, 23, 31, 34, 40, 43, 45ff., 53f., 57, 60, 69, 92, 129, 131 Kyros d. Jüngere 23f. Leagros 139

REGISTER

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Leonidas 25, 88, 90, 109, 151, 153ff., 170, 185 Leotychidas 109, 184, 195 Lukianos 119 Lygdamis (Halikarnassos) 13f., 75, 136 Lygdamis (Naxos) 72, 92 Lykidas 185 Lykurgos 88 Lysandros 29 Lysias 26, 115, 124f., 133, 135, 177, 182 Mandane 40 Mandrokles 71 Mardonios 16, 104ff., 129ff., 147, 180, 183ff. Mazares 45f., 69 Medon 61 Medos 113 Megabates 82, 86 Megabazos 81 Megabyzos 52 Megakles (7. Jh.) 96 Megakles (Sohn des Hippokrates) 139 Megistias 152 Melanthios 99 Menon 139 Midas 42 Mill, John Stuart 124 Milo 71 Miltiades d. Ältere 111 Miltiades d. Jüngere 25, 30, 111ff., 121ff., 139, 168, 185, 199 Mimnermos 76 Nabonid 43, 46ff. Nabopolassar 39 Necho II. 55 Nepos, Cornelius 22, 25, 115, 135

220

REGISTER

Nikolaos 25, 41 Ninos 23 Oloros 112 Onasias 191 Onesilos 100 Oreithyia 158 Oroites 71, 74 Otanes (Feldherr) 101 Otanes (Verschwörer) 52, 54 Paktyas 45, 69 Pantagnotos 72 Panyassis 13, 17, 75 Parmys 54 Pausanias (Perieget) 26, 61, 115, 118, 120ff. Pausanias (Sparta) 25, 185ff., 189ff., 193, 197, 201 Peisistratos 67, 72, 95, 110f. Perikles 14, 28, 111, 123, 139, 185 Phanias 172 Phaÿllos 166 Pheidias 122, 191 Pheidippides/Philippides 108 Phokylides 75 Photios 20 Phrynichos 26, 28 Pindar (Dichter) 17, 162 Pindaros (Ephesos) 68 Platon 41, 64, 107f., 115, 135, 141, 204 Pleistarchos 185 Plutarch 19, 22, 24f., 88f., 107, 109, 115, 118f., 139ff., 151, 154, 161f., 171f., 177f., 190, 194, 199

Polygnotos 191 Polykrates 50, 71ff., 77, 79, 92 Polykritos (Aigina) 175 Polykritos (Mende) 71 Protagoras 14 Psammetich III. 50 Pythagoras (Ephesos) 67 Pythagoras (Milet) 101 Pythagoras (Samos) 72, 79 Ranke-Graves, Robert von 125 Sadyattes 42 Sandake 171 Sappho 17, 76f. Schiller, Friedrich 74, 156 Semonides 76 Sikinnos 170f., 180 Simonides 17, 29f., 124, 135 Skylax 71 Skyllias 160 Solon 45, 93ff., 97 Sophokles 14 Stesagoras 111 Strabon 26, 61 Strauss, Barry 8 Syloson 72 Teispes 38, 40, 47, 52 Telesinos 137 Terillos 147 Terpandros 76, 90 Thales 39, 78 Theagenes 96 Themistokles 24ff., 30, 138, 140ff., 148, 158, 161, 163, 166, 168, 170ff., 175, 178ff., 182, 85f., 197, 204f.

Theodoros 73 Theopomp 125 Theron 147 Theseus 118, 122, 163 Thestorides 75 Thukydides 18, 20, 23, 60, 140, 177, 193 Timon 145 Timosthenes 197 Timotheos 29, 178f.

Tissaphernes 60 Trogus, Pompeius 23, 115 Tudo 41 Ugbaru 46 Xanthippos 139, 185, 197 Xanthos 25, 41 Xenophanes 78f.

Xenophon 23, 48f., 120 Xerxes I. 8, 16, 28f., 58, 71, 107, 127, 129ff., 135f., 141f., 144, 146f., 151ff., 156, 161f., 168, 170, 174f., 177ff., 183ff., 191, 197, 203, 205 Zarathustra 60

Register geographischer Bezeichnungen Abdera 14, 65, 70, 77 Abydos 65, 132f. Achaia 61, 148 Acharnai 30 Acheron 166 Ägypten 14, 16, 18, 34, 42, 50ff., 70, 72ff., 83, 95, 127, 129, 205 Ägypter 43, 57, 73, 102, 127, 199, 201 Aigaiai 63 Aigilia 119 Aigina 71, 106f., 137, 141f., 146, 162, 166ff., 175, 184 Aigineten 106, 141, 163, 165, 168, 170, 175, 193 Aigiroessa 63 Aioler 62f., 69, 102, 196 Aiolien 101 Aithiopier 133 Akkad 47f. Alalia 70 Alexandreia 15 Amorgos 76 Amprakia 187 Amprakioten 165 Amyklai 86

Anaktorier 187, 193 Andros 183 Anšan 38, 40, 47 Antipolis 65 Antissa 76 Aphetai 157, 160 Araber 50, 133f. Arabien 52, 58, 71 Arachosien 52, 57f. Areia 52, 58 Argos 146, 197 Armenien 52, 58 Armenier 134 Asopos 186ff. Aspendos 199 Assur 39, 47 Assyrer 20, 34, 38f., 42, 59, 133 Assyrien 52, 58 Athen 14, 19f., 25f., 30f., 61, 67, 77, 92ff., 105ff., 109ff., 137ff., 158, 162ff., 169, 183ff., 197, 199, 204f. Athos 106, 129, 132f. Attika 61, 98, 116, 164f., 186 Aulai 59

Babylon 14, 31f., 34, 38, 46ff., 54, 57, 60, 127 Babylonier 39, 43, 57, 59, 79 Baktrien 52, 57f. Baktrier 133 Bisitun 32f., 51f., 56, 58, 60 Boioter 98, 122, 194 Boiotien 24f., 162, 185ff. Bosporus 55, 71 Bosporus, kimmerischer 42 Bottiaier 134 Bryger 106, 134 Byzantion 100, 102, 197 Chaldaier 133 Chalkidier 98, 166, 187, 193 Chalkidike 132, 134 Chalkis 65, 100 Chios 46, 63, 69, 82, 102, 125 Chorasmien 52, 57 Chorasmier 133

REGISTER

221

Delos 108, 184, 195, 198f. Delphi 17, 24, 42f., 65, 67, 69, 88, 109, 120, 122, 144ff., 156, 162, 165, 181, 191 Der 47 Didyma 83, 103 Doloper 134 Donau 81, 180 Dorer 62f. Doriskos 133, 177 Drangiana 52, 58 Dryoper 166 Ekbatana 40, 45, 57 Elam 32, 34, 52, 57f. Elamer 38 Elea 70 Eleier 193 Eleusis 98, 186 Emporion 65 Eorder 134 Ephesos 60, 63, 67ff., 76, 79, 100, 103f. Epidaurier 165, 187, 193 Eretria 65, 100, 105, 107f., 119, 187 Eretrier 100, 108, 119, 166, 193 Erythrai 63 Erythraier 102 Eschnunna 47 Etrusker 70 Euboia 82, 99, 108f., 148, 157ff., 177, 180 Eurymedon 199 Gandhara 52, 57f. Gela 27 Gryneion 63 Gutium 47

222

REGISTER

Halikarnassos 13f., 63f., 75, 136, 140 Halos 148 Halys 39, 42f. Hellespont 65, 71, 82f., 100f., 105, 130, 132f., 174, 179f. Hermioneer 165, 187, 193 Histria 65 Ialysos 63f. Ilissos 158 Imbros 112 Inder 133 Indien 33, 57f. Indus 71 Ionien 42, 52, 57, 62, 81, 83, 91, 99, 101f., 205 Ionier 39, 42, 57f., 62f., 69f., 83, 91, 99ff., 116, 161, 166, 178, 195f. Ipnoi 158 Iran 33f., 38, 58, 203 Istanbul 30 Isthmos von Korinth 146, 148, 166ff., 179, 181, 185f. Jaxartes 48 Kalynda 174 Kamiros 63 Kap Artemision 16, 30, 148, 151, 157ff., 177, 201 Kap Sepias 135, 157f. Kap Sunion 119 Kappadokien 43, 52, 58 Karer 42, 57, 63, 101 Karien 58, 71, 100f., 104 Karyanda 71 Karystos 108, 180

Kaspier 133 Kasthanaia 158 Kaukasus 42 Keos 29, 166 Kerkyra 146 Kerman 57 Kiliker 102, 176 Kilikien 108 Killa 63 Kios 65, 101 Kition 199 Klazomenai 63, 76, 101 Knidos 20, 63f., 71 Kolophon 22, 63, 76, 78 Korinth 65, 146, 148f., 158, 166, 170, 185f., 191, 193 Korinther 19, 92, 98, 142, 163, 165, 168, 175, 187, 193, 196 Korsika 70 Kos 63f., 71 Kreta 136, 146 Kroton 71, 166 Kusch 58 Kyme 22, 63, 69, 101 Kynosura (Attika) 118 Kynosura (Lakonien) 86 Kyprer 102, 176 Kypros (Zypern) 50, 100, 197, 199 Kyrenaika 14 Kythnier 166, 193 Kyzikos 65 Labraunda 101 Lade 102ff., 115 Lakedaimon 86 Larisa 63 Lebedos 63 Leleger 63 Lemnos 112 Lepreaten 187, 193

Lesbos 21, 69, 76, 90, 102, 172 Leukadier 165, 187, 193 Libanon 57 Libyen 55, 58, 90, 148 Libyer 134 Limnai 86 Lindos 63f., 108 Lyder 16, 39ff., 57, 68f., 78, 80, 92, 134 Lydien 22, 25, 33, 41f., 57f. Magnesia (Griechenland) 157f., 177 Magnesia am Maiandros 35, 197 Maka 52, 58 Makedonen 29, 134 Makedonien 14, 55, 57, 105, 129, 131, 185 Malis 152 Marathon 7, 16, 27f., 30f., 109ff., 127, 131, 137, 139ff., 144, 201, 204 Marsyas 101 Massalia 65 Meder 20, 27f., 38ff., 42f., 53, 57, 78, 107f., 113f., 120f., 124, 129, 133f., 151, 154, 180, 193 Medien 32, 39, 52ff., 58, 108, 113 Megara 65, 72, 96, 166ff., 171 Megarer 165, 168, 170, 175, 187, 193 Meliboia 158 Melier 166, 193 Meli[t]e 63 Mesoa 86

Messenien 61, 87 Messenier 61 Meturnu 47 Milet 14, 16, 18, 21, 26, 29, 39, 42, 45f., 61ff., 65, 68ff., 75, 77, 81ff., 90, 99, 101ff., 130, 178 Minoa 76 Mykale 8, 16, 63, 103, 195f. Mykene 149, 187 Mykener 193 Myndos 82 Myous 63, 102 Myrina 63 Myrkinos 81, 101 Myser 134 Mytilene 69, 76 Naqš-i Rustam 58, 127f. Naukratis 83 Naxier 82, 86, 166, 193 Naxos 72, 81f., 85f., 108, 166 Neonteichos 63 Nikaia 65 Ninive 23, 39, 47 Nippur 34 Notion 63 Nubien 33, 50, 57 Odessos 65 Olbia 65 Olympia 30, 64, 71, 120f., 123, 191 Opis 46 Orchomenier 187, 193 Orchomenos 149 Oxus 48 Paionier 134 Pakistan 55, 57

Paktyer 133 Pallene 113, 187 Pamphylien 199 Pamphylier 176 Pantikapaion 65 Paphlagonier 134 Paroikia 122 Paros 122f., 137, 180 Parther 133 Parthien 52, 58 Pasargadai 49f., 56f. Pedasa 101 Peloponnes 86f., 98, 120, 149, 165, 167ff., 180f., 185f., 189 Pelusion 50 Persepolis 32ff., 57, 60 Persis 32ff., 38 Phaleron 96, 119, 140 Phasis 65 Phoiniker 83, 85, 102, 175, 26 Phoinikien 83 Phokaia 62f., 65, 70, 75, 103 Phryger 42, 134 Pierer 134 Pierien 144 Piräus 140 Pitane (Kleinasien) 63 Pitane (Lakonien) 86 Plataiai 89, 113, 124, 139, 188ff., 193f., 196, 201, 104 Plataier 116, 118, 120, 122, 144, 187, 193 Poteidaia 187 Poteidaiaten 193 Priene 46, 63, 70, 102 Psyttaleia 171 Pteria 43 Pylos 61

REGISTER

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Rhodos 108 Rotes Meer 55, 71 Sais 50 Saken 33, 58, 118, 133f., 201 Salamis (Insel) 8, 16, 20, 25ff., 108, 124, 135, 141f., 145, 162ff., 177, 179f., 185f., 201, 204 Salamis (Zypern) 100f., 199 Samos 13, 29, 55, 63, 71ff., 79, 108, 185, 195f. Sarangen 133 Sardeis 25, 42, 45, 60, 69, 74, 82, 95, 97, 100ff., 113, 130f., 146 Sattagydien 52, 58 Schoinias 113 Schwarzes Meer 23, 64, 133 Seriphier 166 Sestos 16, 133, 197 Sikyonier 165, 187, 193, 196 Sinai 50 Sinope 65 Siphnier 166, 193 Sippar 34, 46

Siwa 50 Sizilien 23, 29, 64, 90, 146f. Skythen 14, 42, 55, 58, 71, 81, 112, 115 Skythien 52 Smyrna 42, 63, 76 Sogder 133 Sogdien 33, 52, 57f. Sparta 76, 86ff., 96, 98f., 107ff., 115, 120, 144, 149, 153f., 156f., 166, 186, 191, 197 Strymon 132 Styrea 187 Styreer 166, 193 Sudan 57 Suez 71 Sumer 47f. Susa 28, 38, 47, 57, 60, 71, 82f., 91, 119, 150 Sybaris 83

Theben 61, 185f., 193 Thermopylen 8, 16, 30, 135, 147ff., 161f., 168 Thespiai 144 Thespier 144, 153f., 156f., 170, 188, 193 Thesproter 166 Thraker 58, 111, 134 Thrakien 14, 55, 57, 65, 70, 77, 81, 101, 105, 129, 131, 134, 197 Thurioi 14 Tigris 47, 103 Tomis 65 Trachis 154 Troas 101 Troia 133, 135 Troizen 30, 162f. Troizener 165, 187, 193, 196

Tegea 149 Tegeaten 187, 189, 193 Temnos 63 Tenier 193 Teos 63, 65, 70, 77, 102 Thasos 102, 106 Thebaner 144, 149, 153f., 185f., 190, 193

Urartu 39f., 42 Urmiasee 38 Uruk 34 Vansee 39 Zamban 47 Zypern 50, 100, 197

Abbildungsnachweis akg-images: S. 27, 51, 121, 138, 148, 192; Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig: S. 198 (Inv. BS 480, Foto: Andreas F. Voegelin); Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz: S. 15, 32, 44, 46, 49, 55, 112, 128, 150; http://en.wikipedia.org: S. 2 (Archäologisches Nationalmusem, Athen), 123 (Archäologisches Museum, Olympia); Oriental Institute, Chicago: S. 169; ullstein bild: S. 143. Die Karten stammen von Peter Palm, Berlin.

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