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German Pages [415]
Forschungen zum Alten Testament Herausgegeben von Bernd Janowski (Tübingen) · Mark S. Smith (New York) Hermann Spieckermann (Göttingen)
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Johannes Taschner
Die Mosereden im Deuteronomium Eine kanonorientierte Untersuchung
Mohr Siebeck
Johannes Taschner: geboren 1964; 2000 Promotion; 2007 Habilitation; derzeit Pfarrer am Comenius-Gymnasium in Düsseldorf.
e-ISBN PDF 978-3-16-151100-4 ISBN 978-3-16-149644-8 ISSN 0940-4155 (Forschungen zum Alten Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2008 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Josef Spinner in Ottersweier gebunden.
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Studie wurde im Sommersemester 2006 von der Kirchlichen Hochschule in Bethel als Habilitationsschrift angenommen. Für die Publikation habe ich sie leicht überarbeitet. Erfreulicherweise ist die Diskussion um die hermeneutische Funktion des Deuteronomiums für die Tora leidenschaftlich weitergeführt worden. Die Sekundärliteratur bis zum Jahr 2006 konnte berücksichtigt werden. Die Beschäftigung mit dem Thema ergab sich aus einer gegenwärtigen Fragestellung heraus: „Wie kann die Erinnerung an die Shoa wach gehalten werden, wenn die Augenzeugen eines Tages nicht mehr leben?“ Wie genau die Texte der Tora der Frage der Erinnerung alles verändernder Ereignisse nachgehen, gehörte für mich zu den beglückendsten Entdeckungen, die ich während der Untersuchungen machen durfte. Viele haben mich in dieser Zeit auf vielfältige Weise unterstützt. Mein großer Dank gilt zu allererst Prof. Dr. Frank Crüsemann. Er ließ mir die Freiheit, in der neue Ideen und Zugänge reifen können und hat alles getan, um mir diese Freiheit zu bewahren. Mein tief empfundener Dank gilt auch Prof. Dr. Georg Steins, der sich bereit erklärt hat, das Zweitgutachten zu erstellen. Dieser engagierte und das Projekt fördernde Schritt waren der gute Rückenwind zur rechten Zeit. Herrn Prof. Dr. Bernd Janowski und Herrn Prof. Dr. Hermann Spieckermann danke ich für die freundliche und zügige Aufnahme in die Reihe Forschungen zum Alten Testament. Frau Dr. Katrin Keita hat das Register erstellt. Auch ihr möchte ich an dieser Stelle herzlich danken. Meine Eltern, Herr Prof. Dr. H.-C. Taschner und Frau Dr. TaschnerOhlenroth, haben diesen Weg sehr aufmerksam und wohlwollend unterstützt. Insbesondere meinem Vater danke ich für sein sorgfältiges Korrekturlesen und die Gespräche, die sich daraus ergaben. Bei meinen Eltern habe ich von Kindesbeinen erfahren dürfen, wie intensiv, wichtig und beglückend generationenübergreifendes Lernen sein kann. Ihnen widme ich dieses Buch. Last but not least danke ich meiner Frau, Doris Taschner, für ihre Geduld und die vielen anregenden Diskussionen, die ich mit ihr als Gemeindepfarrerin über die Frage führen konnte, was aktualisierende Lektüre biblischer Texte bedeutet. Das war die ganze Zeit hindurch immer wieder „unser“ Thema und ist das eigentliche Thema dieser Untersuchung. Düsseldorf, im Mai 2008
Johannes Taschner
Inhaltsverzeichnis Einleitung: Die beiden Erzähler in der Tora ...................................................................1 1. Hinführung.................................................................................................................................1 2. Die „Zwischenstellung“ des Deuteronomiums in diachronen Untersuchungen ...................2 3. Die beiden Erzählebenen als Ausgangspunkt synchroner Analysen ...................................18
1. Kapitel: Theoretische Grundlegung ............................................................................26 1. „Kanon“ als wesentlicher Aspekt der Bibelauslegung..........................................................26 1.1. Der „canonical approach“ .............................................................................................26 1.2. Herausforderungen der Endgestalt................................................................................28 1.3. Grenzen der Interpretation.............................................................................................29 1.4. Die produktive Rolle des Lesers ...................................................................................30 1.5. „Hermeneutische Inversion“ .........................................................................................32 1.6. ‚Funktion‘ der Texte ......................................................................................................33 1.7. Schrift und Inspiration ...................................................................................................34 1.8. Besondere Merkmale biblischer Interpretation............................................................35 1.8.1. Die Glaubensgemeinschaft ............................................................................... 36 1.8.2. Die theologische Bedeutung der Brüche und Spannungen ............................ 36 1.8.3. Bibel als Geschichtsbuch .................................................................................. 37 1.8.4. Die unterschiedlichen Perspektiven ................................................................. 37 1.8.5. Kanon und Glaubensgemeinschaft................................................................... 39 2. Erzählen als Logik von Geschichte: die vier Typen historischen Erzählens ...................................................................................42 3. Der Perspektivenwechsel zwischen biblischem Erzähler und Mose ...................................46 3.1. Theoretische Überlegungen zur Erzählsituation ..........................................................47 3.1.1. Modus ................................................................................................................ 48 3.1.2. Person................................................................................................................. 48 3.1.3. Perspektive......................................................................................................... 49 3.1.4. Der Typenkreis .................................................................................................. 50 3.2. Die Unterscheidung von „Fabel“ und „Sujet“ .............................................................52 3.3. Die biblische Erzählsituation ........................................................................................52 3.4. Mose als Erzähler...........................................................................................................56 3.4.1. Mose – biblisch gesehen ................................................................................... 56 3.4.2. Mose – historisch gesehen ................................................................................ 58 3.4.3. Mose – „erzähltechnisch“ gesehen .................................................................. 61
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Inhaltsverzeichnis 3.5. Die Mosereden als Abschluss der Tora ........................................................................65 3.6. Circulus vitiosus oder hermeneutischer Zirkel?...........................................................68 3.7. Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ............................................................................69
Kapitel 2: Ein Geschehen – zwei Versionen ................................................................72 1. Argumentationsstrukturen im Deuteronomium.....................................................................72 1.1. Problem des Gliederns: Die Zeitenfolge ......................................................................75 1.1.1. Die Passagen des biblischen Erzählers als Gliederungsmerkmale und chronologisches Gerüst ............................................................................. 76 1.1.2. Der Generationswechsel als Zeitpunkt der Rede ............................................ 81 1.2. Die Mosereden als Bestandteil des Moabbundes.........................................................83 1.3. Die unterschiedlichen Ereignisfolgen – eine erste Gesamtschau................................86 1.3.1. Aufbau der Argumentationsfiguren in Dtn 4 .................................................. 89 1.3.2. Geschichtssummarien ....................................................................................... 95 2. Die Erzelternzeit ......................................................................................................................98 2.1. Hinführung .....................................................................................................................98 2.2. Die Erzelternzeit aus der Sicht des biblischen Erzählers ..........................................100 2.3. Die „Väter“ im Deuteronomium .................................................................................107 2.3.1. Die „Zuschwörung“ des Landes..................................................................... 108 2.3.2. Die „Zuschwörung“ der Bundesverpflichtung .............................................. 110 3. Der Exodus ............................................................................................................................115 3.1. Hinführung ...................................................................................................................115 3.2. Der Exodus in der Perspektive des biblischen Erzählers ..........................................118 3.3. Der Exodus als Erinnerungsfigur in der Moserede....................................................124 3.3.1. Der Dekalog als „Zitat“ .................................................................................. 124 3.3.2. Exodus als Begründung für das „Bewahren der Gebote“............................. 125 3.3.3. Jhwh verleugnet seine Befreiungstat (Dtn 9,12) ........................................... 126 3.3.4. Die Augenzeugenschaft in Dtn 11,1–7 .......................................................... 127 3.3.5. Der Exodus als Grundvoraussetzung der Landnahme .................................. 129 3.3.6. Die Freiheit im Land als Ziel ......................................................................... 134 3.3.7. Fazit.................................................................................................................. 137 4. Zur Epocheneinteilung in den Mosereden ...........................................................................138 4.1. Der Ausblick über das Exil hinaus .............................................................................138 4.1.1. Dtn 4,1–40 ....................................................................................................... 139 4.1.2. Dtn 30,1–10 ..................................................................................................... 140 4.1.3. Dtn 4 und 30 synchron gelesen ...................................................................... 141 4.1.4. Überlegungen zur Geschichtstheorie ............................................................. 144 4.2. Zur Epochengliederung im Dtn...................................................................................146 5. Die Neuorganisation des Rechtssystems .............................................................................153 5.1. Exodus 18,13–27..........................................................................................................154 5.1.1. Hinführung....................................................................................................... 154
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5.1.2. Die Neuorganisation ....................................................................................... 156 5.1.3. Einbindungen in den erzählerischen Kontext................................................ 167 5.2. Die Delegation des „Geistes, der auf Moses ist“ (Num 11)......................................174 5.3. Die Neuorganisation aus Moses Sicht (Dtn 1,9–18) .................................................178 5.3.1. Dtn 1,9–18 in der historisch-kritischen Forschung ....................................... 178 5.3.2. Textanalyse...................................................................................................... 180 6. Verpasste Landnahme: die Kundschaftergeschichte...........................................................190 6.1. Hinführung ...................................................................................................................190 6.2. Die Darstellung des biblischen Erzählers...................................................................192 6.3. Moses Darstellung .......................................................................................................206 7. Der Sinai- bzw. Horebbund ..................................................................................................219 7.1. Hinführung ...................................................................................................................219 7.1.1. Einbindung von Ex 32–34 in seinen Gesamtkontext.................................... 221 7.1.2. Das goldene Stierbild – zwei Annäherungen ................................................ 222 7.1.3. Der biblische Erzähler: Grundlegende Verhältnisbestimmung.................... 225 7.2. Sinai und Horeb ...........................................................................................................244 7.3. In der Moseversion: Der Horeb als Paradigma ..........................................................248 7.4. Mose stellt sich selbst als Fürbitter dar ......................................................................252 7.5. Neuer Bund oder Bundesgeschehen? .........................................................................253 7.5.1. Am Sinai ...........................................................................................................253 7.5.2. Am Horeb .........................................................................................................256
Kapitel 3: Der Moabbund ..................................................................................................262 1. Das Verhältnis zwischen Moab- und Horebbund................................................................262 1.1. Dtn 31 – „Geröll“, „Gericht und Gnade“, „Fabel“ oder „Konstellationen“?...........262 1.1.1. Welches Gliederungsschema?........................................................................ 264 1.1.2. Thematische Gliederung ................................................................................. 265 1.1.3. Die Fabel.......................................................................................................... 268 1.1.4. Konstellationen................................................................................................ 277 1.1.5. Die Reden ........................................................................................................ 278 1.1.6. Schreiben ......................................................................................................... 282 1.1.7. Die „Tora des Mose“ ...................................................................................... 286 1.2. Der Horebbund als Bestandteil des Moabbundes .....................................................288 2. Die neue Ordnung .................................................................................................................293 2.1. Neue Verfassung ..........................................................................................................293 2.2. Laubhüttenfest des Erlassjahres als „Rückkehr an diesen Ort“ ................................296 2.2.1. Laubhüttenfest ................................................................................................. 297 2.2.2. Erlassjahr ......................................................................................................... 305 2.2.3. Die Verlesung der Mose-Tora........................................................................ 311 2.2.4. Der „geschichtliche Ort“................................................................................. 313 3. Der zukünftige Ungehorsam.................................................................................................315
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3.1. Die Gottesrede in Dtn 31 .............................................................................................315 3.2. Das „zu spät“ der josianischen Reform ......................................................................322 3.2.1. Der ideale König als Topos ............................................................................ 324 3.2.2. Der ideale König angesichts des prophezeiten Untergangs ......................... 324 3.2.3. Ein theologisches Problem ............................................................................. 329 3.3. Die Zukunft in der Vergangenheit ..............................................................................332 3.3.1. Die Wiederkehr verspielter Chancen ............................................................. 333 3.3.2. Die „Nullpunktsituation“ ................................................................................ 333 3.3.3. Nie wieder Josia!............................................................................................. 335
Zusammenfassung und Ausblick: Das Deuteronomium als Paradigma der Schriftauslegung ....................................337 Literaturverzeichnis ..............................................................................................................341 Stellenregister ...................................................................................................................395
Einleitung:
Die beiden Erzähler in der Tora 1. Hinführung Zwei Erzähler präsentieren in der Tora zwei durchaus unterschiedliche Versionen ein und desselben Geschehens. Zunächst werden in den Büchern Gen bis Num die Ereignisse von einem Erzähler berichtet, der völlig in den Hintergrund tritt. Sie werden in chronologischer Reihenfolge1 dargestellt: Schöpfung, Erzelternerzählungen, Aufenthalt in Ägypten, Exodus, Sinai, Wüstenaufenthalt und Kundschaftergeschichte – um nur die herausragenden zu nennen. Am Ende kommt die zentrale Figur dieses Geschichtsbogens ausführlich zu Wort: Mose erzählt all dies noch einmal – jetzt aus seiner Sicht2. Ort und Zeitpunkt dieser Rede sind offenbar sehr gezielt ausgesucht und theologisch aufgeladen: An der Grenze zu dem bereits den Erzeltern verheißenen Land und am Tag vor der Erfüllung blickt Mose auf die Ereignisse bis zum Zeitpunkt seiner Rede zurück. Es ist zugleich der „Tag“, an dem er stirbt. Warum diese Wiederholung? Warum gerade dort? Warum gerade zu diesem Zeitpunkt? Dies sind die Fragen, denen die vorliegende Arbeit nachgehen wird. Der Umstand, dass die Tora zwei unterschiedliche Darstellungen enthält, wird in der historisch-kritischen Forschung entstehungsgeschichtlich erklärt. Die Frage, ob dieser Dopplung und dem damit verbundenen Perspektivwechsel nicht ein theologischer Sinn abgewonnen werden kann, ist damit jedoch nicht gestellt. Sind die beiden Versionen, die aller Wahrscheinlichkeit nach unterschiedlichen Entstehungskontexten entstammen – das soll hier keineswegs in Abrede gestellt werden –, sinnvoll als ein Text zu lesen? Wie ist dies möglich, ohne die Unterschiede zu nivellieren oder gar zu übertünchen? In der vorliegenden Untersuchung möchte ich der Frage nachgehen, ob das in der Imagination des Lesers entstehende Bild dieser Ereignisse nicht gerade
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Vgl. STERNBERG, Time, 82: “So for the Bible to communicate is to chronologize the surface itself, the narrative as well as the narrated sequence of events, rather than freely dechronologizing in narration what must be (re)chronologized in interpretation.” 2 Diese Aussage ist selbstverständlich nicht im „historischen“ Sinn zu verstehen. Siehe dazu die Ausführungen S. 37 und S. 56ff.
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Einleitung: Die beiden Erzähler in der Tora
durch die Doppelung der Perspektive an Plastizität und Anschauungskraft gewinnt. Wenn das der Fall sein sollte: Welche Rückschlüsse lassen sich umgekehrt von der Art der Darstellung der Ereignisse auf die Erzählsituation des Mose ziehen? Gerade die letzte Frage ist für die vorliegende Untersuchung insofern von Bedeutung, als die Erzählperspektive des Mose entscheidend durch einen Epochenwechsel bestimmt ist. Die Schlusskapitel des Deuteronomiums Kap 29–34 verdienen in diesem Zusammenhang insofern besondere Beachtung, als in ihnen in mehrfacher Hinsicht der Übergang zu einem Abschluss kommt: Die bedeutendsten Traditionslinien des Pentateuch werden noch einmal gebündelt. Mose beschließt seine Rede und schreibt sie auf (Dtn 31,9–13). In Dtn 31 ergreift der biblische Erzähler wieder mehr und mehr das Wort. Dieser Schluss markiert das Ende der 40 Jahre währenden Wüstenwanderung. Mose übergibt die Leitungsaufgaben an Josua, die Leviten und die Ältesten und stirbt, so wie Jhwh es schon lange beschlossen hatte. Mose selbst wird dieses Land, an dessen Grenze er das Volk Israel führte, nicht selbst betreten (Num 20; 27; Dtn 1,37; 3,26; 4,21). Das Deuteronomium macht insofern nur zunächst den Eindruck einer abschließenden Wiederholung. Doch gerade in den letzten Kapiteln wird deutlich, dass diese Wiederholung die Grundlage eines Neuanfanges darstellt. “Deuteronomy presents itself as something like a rehearsal and turns out to be a sequel”3. Nach den Reden des Mose liegt die Tora in schriftlicher Form vor (Dtn 31,9–13). Sie soll der nächsten Generation weitergegeben und regelmäßig verlesen werden (vgl. die Kinderfragen in Dtn 4,9.10; 6,20; 11,19 mit Dtn 31,7–13). Zu Zeiten der Josuageneration wird die Tora tatsächlich im verheißenen Land abgeschrieben (Jos 8,32), ge- und verlesen (Jos 8,34). Mehrfach wird im Josuabuch dazu aufgefordert, sie zu befolgen (Jos 1,8; 22,5; 23,6) und davon berichtet, dass dies auch tatsächlich umgesetzt wurde (Jos 8,31; 5,6–12). Die Ereignisse, von denen die ersten vier Bücher der Tora berichten, bleiben jedoch das Fundament des Ausblickes: Nach diesem Übergang am Ende des Deuteronomiums kann die nächste Generation in das Land aufbrechen, das bereits Abraham und Sarah verheißen worden war (Dtn 31,7.20).
2. Die „Zwischenstellung“ des Deuteronomiums in diachronen Untersuchungen Es kann kaum verwundern, dass die historisch-kritische Forschung sehr unterschiedliche Modelle für die Genese der Schilderung dieses Übergangs 3
SONNET, Book, 21.
Die „Zwischenstellung“ des Deuteronomiums in diachronen Untersuchungen
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Dtn 29–34 entwarf. Einige Bestandteile dieser Schlusspassage fügen sich besser in Zusammenhänge, die bereits in Gen – Num zu finden sind. Andere hingegen lassen sich mühelos mit dem von Noth so bezeichneten deuteronomistischen Geschichtswerk (Dtn – 2.Kön) in Verbindung bringen. Auf diese Weise schlägt sich der Umstand, dass sich das Deuteronomium in seiner heutigen Gestalt als ein Buch auf der Grenze präsentiert, in der Diskussion um seine Entstehung nieder. Noth selbst und die Ansätze, die im Bannkreis seiner These stehen, betonen besonders die Kluft zwischen den Traditionen, die in den ersten vier Büchern der Tora präsentiert werden, und dem Deuteronomium. Auf diese Weise wurden die Entstehung des Tetrateuch Gen – Num und die des DtrG lange Zeit getrennt voneinander diskutiert. Die sogenannte „Göttinger Schule“ fragte unabhängig von der übrigen Pentateuchdebatte nach Schichtungen des DtrG4. Doch aus Form und Inhalt der Geschichtsdarstellung im Deuteronomium wird deutlich, dass es Vorkenntnisse über die in ihm dargestellten Ereignisse bei seinen Lesern bzw. Hörern5 voraussetzt. Schon Noth kam nicht ohne die Annahme von älteren, uns allerdings nicht mehr überlieferten Darstellungen aus, auf die der Autor von DtrG „in überlegter Auswahl“ zurückgegriffen habe6. Skweres war der erste Forscher nach Noth, der sich auf die Suche nach literarischen Bezügen in den Tetrateuch hinein machte7. Diese Fragestellung wurde dadurch gefördert, dass die Überlieferungen des Tetrateuch, die weder einer im weitesten Sinne deuteronomischdeuteronomistischen noch einer priesterschriftlichen Schule zugeordnet werden können, nicht mehr im Sinne der „klassischen“ neueren Quellenhypothese gedeutet wurden. In diesem Zusammenhang sind Schmid8 und van Seters9 zu nennen, die zwar noch an einer Quelle „J“ festhalten, diese jedoch in die gleiche Zeit wie die deuteronomistische Schule oder später datieren. Die generelle Infragestellung von durchlaufenden Quellenschrif-
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Siehe dazu die Darstellungen: PREUSS, Deuteronomium; RÖMER , Historiographie, 50–58; V EIJOLA, Deuternonomismusforschung. 5 Um einerseits Frauen nicht unter die männlichen Sprachformen zu subsummieren und andererseits unschöne Doppelungen so weit wie möglich zu vermeiden, spreche ich in der vorliegenden Arbeit vom „Leser“, der „lesenden Person“ oder den „Tora Lesenden“. Diese bildhafte Sprache ändert nichts an dem Umstand, dass die Figur der Leserin oder des Lesers in der vorliegenden Arbeit beinahe ausschließlich vom Text her definiert wird. Siehe auch S. 32. 6 N OTH, ÜS, 27. 7 SKWERES, Rückverweise. Zur Diskussion dieser Analyse siehe BLUM, Pentateuch, 173–175. 8 SCHMID, Jahwist. 9 Van Seters, Search of History. Den „Jahwisten“, an dem er immer noch festhält, datiert er in die exilische Zeit. Er ist eine „Reaktion“ auf das DtrG und legt diesem gegenüber „a more universalistic fashion“ an den Tag. (vgl. D ERS., aaO, 361).
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Einleitung: Die beiden Erzähler in der Tora
ten im Tetrateuch durch Rendtorff10 tat ihr Übriges, dass das Verhältnis von Dtn zu Gen – Num neu bestimmt werden musste. Die beiden Untersuchungen von Römer und Blum widmen sich dieser Fragestellung auf ihrem je eigenen Weg. Die Untersuchung von Römer über die „Väter“ im Deuteronomium11 kommt dabei allerdings zu einem negativen Ergebnis: Römer hält die expliziten Rückverweise auf die Erzeltern im Dtn für spätere Nachträge. Diese Ergänzungen funktionierten die anderen Stellen, an denen im Dtn von den „Vätern“ die Rede ist, in ihrem Sinne um. Ursprünglich hätte das Deuteronomium nach seiner Einschätzung nur die Exodusgeneration im Blick gehabt. Hinter dieser Konzeption liege eine „golaorientierte“, „exodische“ Ursprungskonzeption. Sie stehe im Gegensatz zu einem „autochtonen“ Ursprungsmythos, der in den Erzelternerzählungen der Genesis zum Ausdruck gebracht werde12. Blum hat sich diesem Fragehorizont des Zusammenhanges von Dtn und Tetrateuch auf einem anderen Weg genähert13. Er geht auch von der These Noths eines eigenständigen DtrG aus14, fragt aber nach der Bedeutung der deuteronomisch-deuteronomistischen Traditionsbildung für die Komposition des Pentateuch insgesamt. Die von ihm angenommene KD-Schicht 15 greift dabei auf ihr vorliegende Traditionsblöcke zurück und integriert sie als „eine Art ‚Vorschaltung‘“16 in das große Geschichtswerk. „Unsere Komposition stellt die im ‚DtrG‘ selbst als bekannt vorausgesetzte, zum Teil auch rekapitulierte, ‚Heilsgeschichte‘ diesem in transformierter Gestalt unmittelbar voraus und ‚verknotet‘ diese Anbindung über ihre Bearbeitungen in den Schlußkapiteln des Deuteronomiums.“17 Unter dieser Voraussetzung vergleicht Blum die Episoden, die im Deuteronomium „wiederholt“ werden, allerdings unter auktorialem Gesichtspunkt18. Insofern ergibt sich dabei in erster Linie ein Unterschied zwischen freier und gebundener Neugestaltung19. Zwar verweist er durchaus auch (in einer 10
RENDTORFF, Problem. RÖMER , Väter. Näheres zu dieser Untersuchung siehe S. 99. 12 RÖMER , Väter, 573; siehe auch D ERS . / DE PURY, Historiographie, 88. AaO, 117, führen RÖMER und DE PURY aus: «Si cette thèse – [...] – se verifiait, elle signifierait que l’ideologie dtr se constuit en opposition à une idéologie clanique qui, elle, s’appuie d’abord sur la tradition des Patriarches, Abraham et JACOB. A l’Israel ‹généalogique›, HD oppose un Israel ‹vocationnel›». 13 BLUM , Vätergeschichte; D ERS., Pentateuch. 14 BLUM , Pentateuch, 109 Anm 35. 15 Zum Verhältnis DtrG zu dieser Schicht siehe BLUM, Pentateuch, 164–188. 16 BLUM , Pentateuch, 188. 17 BLUM , Pentateuch, 109. 18 BLUM , Pentateuch, 111ff. 19 BLUM, Pentateuch, 177. Wie sich das z.B. seiner Ansicht nach für Dtn 9 auswirkt, siehe S.187. 11
Die „Zwischenstellung“ des Deuteronomiums in diachronen Untersuchungen
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Fußnote) auf die teilweise „nachholende“ Darstellungstechnik, die sich in den Versionen des Deuteronomiums finden lässt20. Eine eingehende Reflexion der Erzählebenen, auf der die Versionen dargestellt werden, liefert Blum jedoch nicht. Aus diesem Grund verläuft die Linie, entlang der der Erzählstoff neu interpretiert wird und die er eingehend untersucht, nicht zwischen dem biblischen Erzähler und der Moserede, sondern zwischen dem älteren Traditionsgut und der von ihm angenommenen KD-Schicht. Das von KD bearbeitete und geprägte Erzählgut weist nach seinen Untersuchungen inhaltlich keine großen Differenzen mehr zu der Darstellung innerhalb des Deuteronomiums auf 21. Der Umstand, dass manche Erzählungen in zwei Versionen vorliegen, wird auf diese Weise mit der Genese der Texte erklärt. Die Frage, was die Doppelung der Perspektive durch die Versionen im Deuteronomium theologisch bedeutet, wird von ihm nicht beantwortet. Dabei lässt sich zeigen, dass die beiden Versionen jeweils inhaltlich zwar ähnlich ausgerichtet sein mögen, aber dennoch bezeichnende Differenzen aufweisen, die sich nur anhand der unterschiedlichen Erzählperspektiven angemessen würdigen lassen. Die Untersuchung von Schmid modifiziert die These Noths dahingehend, dass er die Rückverweise des Deuteronomiums auf das Exodusgeschehen unterstreicht und von einem Geschichtswerk ausgeht, das mit Ex 2* beginnt und bis 2 Kön 25 reichte. Die theologische Zielsetzung dieses Werkes unterscheidet sich nicht von dem DtrG Noths: Es stellte seiner Ansicht nach eine große Gerichtsdoxologie für den Untergang Judas dar22. Erst durch die Vorschaltung von Gen entsteht nach Schmid folgende Rhythmisierung der Geschichte: Gen–Jos: Heilsgeschichte; Ri bis 2 Kön: Unheilsgeschichte. Die Revision der These Noths geht in jüngster Zeit sogar so weit, dass sich die Bezüge des Deuteronomiums in den Tetrateuch hinein größerer Aufmerksamkeit erfreuen als die in die nachfolgenden Bücher Jos – 2.Kön. So wird das Deuteronomium gar als „Wiege des Pentateuch“ angesehen23. Für Otto ist das Deuteronomium der Kristallisationspunkt24, an dem weitere Bestandteile des Pentateuch – vor allem die Priesterschrift – integriert wurden. Für ihn ist es insofern das „Konstitutionsbuch“ (265) des Pentateuch schlechthin.
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BLUM , Pentateuch, 178 Anm 351. Vgl. dazu nur die Bedeutung, die B LUM den „Vätern“ innerhalb des Deuteronomiums und der Genesis zuschreibt: D ERS ., Vätergeschichte, 363f.389ff. und D ERS., Pentateuch, 189ff. 22 SCHMID, Erzväter, 163. 23 O TTO, Dtn im Pentateuch und Hexateuch, 265 u.ö. 24 Diese Untersuchung wird hier ausführlicher referiert, weil sie in dem jüngsten Forschungsüberblick von V EIJOLA, Deuteronomismusforschung, noch nicht enthalten ist. 21
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Einleitung: Die beiden Erzähler in der Tora
Gerade in Dtn 31–34, so Otto, „verzahnen sich Redaktionsstränge, die sowohl in den Tetrateuch zurück- wie in das Josuabuch vorausweisen“. Er wählt für seine Analyse des Endes der Tora das Bild von der „Entwirrung“ eines „Knotens“(175). Für Otto besteht folglich die exegetische Aufgabe darin, die unterschiedlichen Fäden, die auch er gerade am Ende des Dtn so verknotet sieht, voneinander zu lösen (211). Otto hebt dabei die institutionelle Konstanz hervor, die ein solch vielschichtiges Werk wie das Dtn (und für ihn letztendlich den Pentateuch) erst ermöglicht haben. Er geht davon aus, dass die Verfasserkreise, die an diesem Werk mitgewirkt haben, durchgehend priesterliche Schriftgelehrte gewesen sein müssen (248ff). Dies begründet er damit, dass die Hauptprotagonisten der dargestellten Handlung – Jhwh (Dtn 5,22; 10,4), Mose (Dtn 31,9.22) und der König (Dtn 17,14–20) – allesamt als „Schreiber“ gezeichnet werden. Otto legt in zahlreichen Aufsätzen und Monografien ein entstehungsgeschichtliches Modell vor, das in mehrere Bearbeitungsschichten untergliedert ist25. Das Dtn wurde demnach im Laufe der wechselvollen Geschichte vor und nach dem babylonischen Exil von Trägerkreisen fortwährend weitergeschrieben, die sich alle einer einzigen (seiner Ansicht nach priesterlichen) Tradition verpflichtet sahen. Insgesamt macht er dabei sieben verschiedene Schichten aus, die sich im Laufe der Entstehungsgeschichte des Pentateuch übereinandergelagert haben. Das Verhältnis dieser Strata ist nach seiner Überzeugung kein additives, sondern ein integratives: Er sieht in dem Ineinanderwachsen der Schichten eine „Synthese im Hegelschen Sinne“26. Insofern stellt er sich gegen all diejenigen, die in dem Pentateuch in seiner uns heute vorliegenden Gestalt einen Kompromiss laikaler und priesterlicher Gruppen sehen, die unter dem Druck der persischen Reichsautorisation stehen, sich auf einen gemeinsamen Gesetzeskorpus zu einigen. Vielmehr gehe der Pentateuch auf eine komplexe Geschichte der nachexilischen Priesterschaft zurück, in deren Verlauf die unterschiedlich geprägten Textgefüge – darunter auch die Priesterschrift – nicht nebeneinander gestellt, sondern integriert wurden. Auf dieser Grundlage meint Otto, auch mit synchronen Ansätzen – insbesondere mit dem von Sonnet27 – ins Gespräch kommen zu können. Wenn die ‚letzte Hand‘ all die davor liegenden Schichten wirklich integriert, so nähern sich Redaktionsgeschichte und synchrone Analyse einander an, allerdings unter dem Primat der Redaktionsgeschichte: „Ein synchroner Zugang zum Deuteronomium kann nur der auf der Ebene literarischer Formierung des Pentateuch in der Perspektive der Pentateuchredak25
Siehe dazu die Gesamtgraphik bei O TTO, Dtn im Pentateuch und Hexateuch, 242. O TTO, Dtn im Pentateuch und Hexateuch, 262. Die Seitenzahlen in Klammern im folgenden Abschnitt beziehen sich ebenfalls auf diese Untersuchung. 27 SONNET, Book. 26
Die „Zwischenstellung“ des Deuteronomiums in diachronen Untersuchungen
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tion sein.“ (266) So ist dann auch der synchrone Zugang definiert: „Diachron gesprochen zeichnet eine synchrone Auslegung des Deuteronomiums die Perspektive der Pentateuchredaktion nach.“ (266) Ob damit eine präzise Verhältnisbestimmung zwischen diachronen und synchronen Textzugängen gelungen ist, wird unten noch zu diskutieren sein. Zunächst sollen im Folgenden die sieben unterschiedlichen Schichten kurz skizziert werden, von denen Otto ausgeht. Die Grundthese Ottos lautet dahingehend, dass das Urdeuteronomium von Dtn 13* und 28* her als eine Reformulierung des Bundesbuches unter subversiver Rezeption des Loyalitätseides Asarhaddons angesehen werden muss (237). Dies sei die Keimzelle des Urdeuteronomiums, dessen Entstehung er um 672 datiert. Es stelle die Grundlage eines spätvorexilischen Reformprogrammes dar (Dtn 6,4f.; Dtn 12,13–28,44*), dessen Hauptbestandteile die Zentralisierung, die Bestimmungen zum Jahreszehnt, die Darbringung der Erstlinge (Dtn 26), die Festordnung (Dtn 16,1–17) und die Gerichtsordnung (Dtn 16,18–18,4) seien. Insgesamt lägen diesem Reformprogramm eine Neustrukturierung des Heiligkeitskonzeptes zu Grunde. Trotz zentralem Heiligtum sei das ganze Land heilig und solle nicht durch Übertretung der Gebote des Einzelnen verunreinigt werden. Das Tun jedes Einzelnen solle dem Recht und dem Ethos des Gotteswillens unterworfen werden. Im Gegensatz zu vielen anderen Forschern28 sieht Otto nicht „Laien“ als Verfasser dieses Reformprogrammes an, sondern Jerusalemer Priesterkreise. Für ihn sind die vielen „nicht-sakralen“ Themenbereiche der Rechtssätze damit zu erklären, dass die Adressaten „Laien“ seien (253). Durch die exilische Bearbeitung dieses Rechtskorpus (bei Otto DtrD) entstehe die Fiktion einer Moserede, die in Dtn 5; Dtn 9–10 am Horeb lokalisiert ist. Der Dekalog werde jetzt dem Gesetzeskorpus vorangestellt. Wie schon das Urdeuteronomium sei auch diese Gesetzesverkündigung ein Bundesschluss, ein Loyalitätseid. Hier schon werde, so Otto, die Differenzierung eingeführt zwischen dem, was das Volk direkt höre (Dekalog) und dem, was durch Mose vermittelt sei (Gesetze). Der schon einmal gebrochene und dann wieder restituierte Bund werde somit zur Grundlage der Gesetzesverkündigung: „Wie die Erneuerung des Dekalogs ist die Promulgation des Deuteronomiums Unterpfand dafür, daß trotz der Sünde des Volkes, das gegen das Hauptgebot des Dekalogs verstoßen und den Bund gebrochen hat, der am Horeb geschlossene Bund in Kraft bleibt. Der Autor DtrD beantwortet damit die Frage, wie das spätvorexilische Deuteronomium, das als Gegenentwurf zu Ansprüchen der neuassyrischen Hegemonialmacht entstanden war, der spätbabylonischen Katastrophe Judas zum
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A LBERTZ, Deuteronomisten; D ERS., Exilszeit, 216–218; CRÜSEMANN, Tora, 248– 251.393ff.
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Trotz dennoch Autorität beanspruchen konnte.“ (238/9) Und: „Der hermeneutische Kunstgriff, um das Deuteronomium zu archaisieren und gleichzeitig für die Exilsgeneration zu aktualisieren, besteht in der Identifizierung der Adressaten des Deuteronomiums mit der Horebgeneration als Adressaten des Mose (Dtn 5,3). Deshalb kleidet DtrD das Deuteronomium in die Gestalt einer Rede, die die Differenz zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit überspringen läßt.“ (239). Jede Generation, die die Rede des Mose in diesem (Entstehungs-) Stadium höre, wird mit der Horebgeneration identisch. Damit schaffe DtrD einen dritten „Ursprungsmythos“ für Israel: Den Horebbund (121). Von dem wird nach Ottos Ansicht in Dtn 26,16–19 berichtet. Hierbei unterscheidet er zwei Akte (120), der ersten, von dem Dtn 5,2–5 erzählt und den zweiten, bei dem Moses das Dtn promulgiert. Dazwischen liege der Bundesbruch des Volkes durch die Verletzung des ersten Gebotes. Der Dekalog bleibe jedoch in Geltung. „Das Deuteronomium, eingebettet in eine Bundesschlussszene, verkündet Mose nach dem Bundesbruch des Volkes. In der narrativen Situation der erzählten Zeit des Deuteronomiums der dtr Hauptredaktion (DtrD) blickt Mose bei der Promulgation des Deuteronomiums (Dtn 5,1*; 26,16–18) auf den Bundesbruch des Volkes (Dtn 9–10*) zurück. In der Kommunikation mit seinen Adressaten blickt der dtr Hauptredaktor (DtrD) in der Erzählzeit aus der Perspektive des Exils auf die vorexilische Zeit als die des Bundesbruches zurück.“ (120) „Mit der Promulgation des Deuteronomiums stehen die Adressaten des Mose und des Deuteronomiums im zweiten Akt des Bundesschlusses nach dem Bruch des ersten Dekaloggebotes.“ (121) Durch die Verortung dieses „Ursprungsmythos“ in der Vor- und Frühgeschichte Israels gelinge DtrD eine Immunisierung des deuteronomischen Gesetzes gegen eine Funktionalisierung durch Herrscher und schaffe damit gleichzeitig eine Verarbeitungsmöglichkeit der Exilserfahrung. Die Offenbarungstheorie von DtrD funktioniere auch im Exil. Sie sei unabhängig vom Aufenthalt Israels im Land. Jede Generation sei ab jetzt die, die nach dem Abfall am Horeb stehe. Die Tatsache, dass das Dtn promulgiert wird, sei Beweis dafür, dass die Bundesrelation zwischen Jhwh und Israel nicht abgebrochen sei (122). DtrD formuliere damit ein ganz eigenes Verhältnis zum Gesetz: Das Exil könne durch Gesetzesbefolgung vermieden werden. Die wesentlichen Punkte des Horizontes der Bearbeitung der darauf folgenden Bearbeitungsschicht (DtrL) seien die Landnahme und Integration des Josuabuches (Dtn 1–3; 29–30; Jos 1–11; 23; Ri 2,6–9). Dabei dienten die Einführungskapitel des Deuteronomiums (Dtn 1–3) dazu, auf das Ende von DtrL (Ri 2,6–9) zu zielen und den Horebbund zu historisieren. In diesem Stadium kämen die Kriegsgesetze (Dtn 20) und die Abgrenzung von den Völkern (Dtn 7) hinzu. Das Motiv der „Landesbewohner“ sei transparent für die vorexilische Geschichte. Das Kernmotiv dieser Bearbei-
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tungsschicht, die Otto in die späte Exilszeit datiert, lautet: „Denn Du bist ein Volk, das JHWH, deinem Gott heilig ist.“ (Dtn 14,2; 7,6; 14,21*) (256). Ein weiteres Motiv sieht Otto in der Ruhe im Lande, die er aber in priesterlich-theologischer Perspektive versteht. Sie sei vor allem durch die Abgrenzung von den Fremdvölkern geprägt: „Integrierende Mitte dieser dtr Theologie ist also eine priesterliche Heiligkeitskonzeption, die Israel vor und nach der Landnahme, d.h. vor und nach der Beendigung des Exils, als heiliges Volk abgrenzt und sieht.“ (258) Diese Bearbeitungsschicht verlege unter Hinzufügung der Wüstenwanderung die Promulgation des Dtn in die Gefilde Moabs, wodurch dem Horebbund eine völlig neue Stellung zukomme. Er „wird zu einem Präludium einer scheiternden Generation für den Moabbund degradiert und die Promulgation des Deuteronomiums dorthin verlagert (Dtn 28,69–30,20*).“ (240) Darauf folge die Antwort auf die Frage, weshalb die künftige Generation im Gegensatz zu ihren Vätern dem Exil entgehen könnte: Die Vätergeneration kannte das Dtn noch gar nicht. Jetzt trete das Thema Wanderung ins Land in den Vordergrund. „Die Situation der Adressaten des Mose als zweiter Generation auf der Wanderung ist die der Adressaten des Deuteronomiums als zweiter Generation im Exil, die die baldige Rückkehr ins zugesagte Land erwartet und sich gleichzeitig von ihrer Vätergeneration, die den Untergang Judas und Jerusalems erlebte, absetzt.“ (240/241) Während also DtrD die Frage nach den Konsequenzen des gebrochenen Bundes nach dem entstehungsgeschichtlichen Modell Ottos nicht beantworten konnte, sei erst DtrL dazu in der Lage: Die Kundschaftergeneration muss in der Wüste sterben. Die Hexateuchredaktion spanne dann den Bogen von Gen – Jos 24 und integriere in diesem Zuge die Priesterschrift, die mit der Sinaiperikope ende. Aber diesem aaronidischen Programm werde durch die dtn Hexateuchredaktion die Spitze dadurch genommen, dass der Kult am Sinai nicht mehr die Krone der Schöpfung darstellt. Vielmehr laufe nun der von dieser Redaktion gestaltete Geschichtsbogen auf den Bundesschluss in Sichem hinaus. Dtn 34,4 verweise auf Gen 12,7, wo durch das Stichwort „Zeigen des Landes“ an die Landverheißung für die Nachkommen Abrahams erinnert werde. Auf diese Weise ergäben die Texte des Landschwurs eine Kette: Gen 50,24; Ex 32,13; 33,1; Num 32,11; Dtn 34,4. Diese Kette reicht bis Jos 24,32 (Gebeine Josefs). Otto zufolge lässt die Hexateuchredaktion Josua und Abraham bis nach Sichem ziehen. Auf dieser redaktionsgeschichtlichen Ebene werde festgelegt, dass Mose nicht ins Land darf. Otto rechnet darum Num 20,24; Dtn 1,37; Dtn 3,27; Dtn 31,2; Dtn 32,52; Dtn 34,4 insgesamt der Hexateuchredaktion zu (224). Er datiert diese Schicht in die Perserzeit: wie bereits in DtrD (Subversion des assyrischen Gedankengutes) so präge auch hier eine Umdeutung der herrschenden Denksysteme die dtn-Theologie dieser Redaktionsschicht:
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Nicht der persische Gott Ahuramazda erhalte eine Ordnung aufrecht, nach der jedem Volk ein Platz zugewiesen ist, sondern Jhwh, der Schöpfer der Welt, habe dem Volk Israel seine Stellung gegeben (247). Es ist nach Otto dann die Pentateuchredaktion, die das Buch Josua abtrennt. Hatten DtrL und die Hexateuchredaktion ihren Ziel in einem Bundesschluss ohne Mose im Kulturland nach erfolgreicher Beendigung der Landnahme (Jos 24), so trenne jetzt der Pentateuchredaktor das Josuabuch ab. Die Tora werde als zentrales Heilsgut ins Zentrum gerückt. Für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit sind nun Ottos Analysen der Schlusskapitel des Dtn aufschlussreich, in denen er die Hexa- und vor allem die Pentateuchredaktion am Werk sieht. Ottos Interesse zielt in diesem Zusammenhang vor allem auf die Verschriftungstheorie von Dtn 31,9–13, die für ihn ein weiterer Integrationspunkt für viele Bestandteile des Pentateuch darstellen: Als Vorbild für diese Verschriftung diene diejenige des Bundesbuches in Ex 24,4.7. Auf dieses Buch (hrwø;tAh rRpEs) werde in Dtn 28 und 29 Bezug genommen. Dtn 31,9ff. sei jedoch ein Text der Pentateuchredaktion, der bereits die schriftliche Niederlegung der gesamten Tora im Blick hat. Da das Heiligkeitsgesetz bislang nicht aufgeschrieben worden ist und Dtn 4 (nach Otto ebenfalls Pentateuchredaktion) das Dtn als Auslegung des Heiligkeitsgesetzes darstellt, falle dieser gesamte Block unter die Verschriftung. Der Pentateuchredaktor füge demzufolge das Bundesbuch ein, eine vorgegebene Fassung des DtrD, vermittele Bundesbuch, Dekalog, Priesterschrift und Deuteronomium im Heiligkeitsgesetz und „strukturiert die Sinaiperikope wiederum mit der Verwendung der DtrD in Dtn 5; 9–10 vorgegebenen Quellentexten als Bundesschlußerzählung, die die priesterschriftliche Kultgründungsüberlieferung integriert.“ (246) Daraus folgt für seine Analyse von Dtn 34: „In Dtn 34 als Abschluß des Pentateuch werden mehrere literarische Fäden verknotet, die im folgenden zu lösen sind.“ (211) Im Anschluss an Perlitt sieht er Dtn 34,1a.7–9 als ein im „produktiven Deuteronomismus“ verankertes vielschichtiges Gebilde an, deren Verfasser „schriftgelehrte Redaktoren sind, denen das Dtr wie das priesterschriftliche Erzählwerk längst zur Disposition stand“29. Mit anderen Worten: Dtn 34 sei nicht der Abschluss der priesterlichen Grundschrift, wie von vielen Forschern immer wieder behauptet, sondern insgesamt das Werk von deuteronomistisch geprägten, sehr späten produktiven Redaktoren, die den Pentateuch bzw. den Hexateuch im Blick gehabt hätten (siehe dazu die Diskussion S.213 Anm 249). Während Dtn 34,1–8 noch auf das Josuabuch schaue, wird diese Erwartung durch Dtn 34,10–12 „jäh unterbrochen“ (230). Die Pentateuchredaktion mache durch diese Hervor-
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Zitat von P ERLITT bei O TTO, aaO, 213.
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hebung des Mose als Schreiber und außerordentlichen Propheten deutlich, dass mit dem Dtn die mosaische Epoche beendet sei. Sowohl die Hexa- wie auch die Pentateuchredaktion sind Otto zufolge in die Zeit um 5. Jh. v. Chr. bzw. dem frühen 4.Jahrh. n. Chr. zu datieren. Die Hexateuchredaktion setze Nehemia voraus, die Pentateuchredaktion müsse vor Esras Wirken fertig sein. Aber auch in der Folgezeit müssten Pentateuch- und Hexateuchausgaben im Umlauf gewesen sein, die beide postredaktionell noch aufeinander reagierten. So rechnet Otto damit, dass im 4.Jahrhundert noch beide Ausgaben nebeneinander existiert haben müssen und sich in den Spuren dieses Diskurses wohl die Diskussion zwischen den Exulanten und den Daheimgebliebenen widerspiegele. Otto begründet seine Annahme damit, dass sich ähnliche Diskurse auch in Ez und Jer feststellen ließen. (248) Die Hexateuchredaktion wende sich gegen golaorientierte Positionen, die das Land als völlig entvölkert darstellten. Sie setze die Landverteilung zu Josuas Zeiten dagegen. Demgegenüber entstamme die Pentateuchredaktion Golakreisen, die die Tora als Heilsgabe Jhwhs in den Mittelpunkt stellten. Doch mit der Abtrennung des Josuabuches durch die Pentateuchredaktion war dem entstehungsgeschichtlichen Modell Ottos zufolge die uns heute vorliegenden Gestalt der Tora noch nicht vollendet. Die Rahmung des Liedes (Dtn 31,16–22.27–29) schreibt Otto einem postredaktionellen Autor zu, der Mose als Prophet herausstellen wollte. Als Grundlage diene diesem dabei Dtn 18,9–22. Diesem Zusatz zufolge ergeht in Moab noch einmal eine Offenbarung mit der Ansage des Unheils. Auf diese Weise wird der Pentateuch noch einmal völlig umgedeutet: „Die um das Moselied erweiterte Tora übernimmt die prophetische Funktion des Mose. So wenig die bisherige Offenbarung den Bundesbruch am Gottesberg und in der Wüste verhindert hat, wird sie es auch im Kulturland jenseits der Jordans vermögen. Nur das Vertrauen auf die Prägekraft der pentateuchischen Tradition von der Überwindung des Bundesbruches (Ex 32; Dtn 9f.) läßt den Autor des Moseliedes am Schluß der Paränese zum Gesetzesgehorsam auf einen Weg zum Leben jenseits des Bundesbruches hoffen, ohne wie die Pentateuchredaktion in Dtn 4,25–31 auf den Väterbund zu rekurrieren.“ (195) Otto sieht in dem Moselied und dessen Einbettung einen späten Zusatz, der Moses Worte in Lev 26,14ff und Dtn 4,25ff „überholt und korrigiert“ (195). Hintergrund dieser „postredaktionellen“ Bearbeitung ist nach Otto ein Streit mit den Verfasserkreisen von Jer 31,31–34, das eine Auflösung der Offenbarungstheorie des Pentateuch und damit des Schriftgelehrtenstandes zum Ziel habe und dem Deuteronomium gegenüber die Hoffnung auf ein Einschreiben der Tora im Herzen ausformuliere. Die postredaktionelle Schicht (Dtn 6,6–9; 29,28; 30,11–14 mit Dtn 31,19.22.24) lege einen Rahmen um das dtn-Gesetz und antworte damit auf Jer 31,31-34 und setze den Stand der Schriftgelehrten in ihr Recht.
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Aus der Sicht eines konsequent synchronen Textzugangs ergibt sich in erster Line Diskussionsbedarf über die Gleichsetzung der redaktionsgeschichtlichen Fragestellung nach der „letzten Hand“ mit der Analyse der Endgestalt. Otto findet auf diesem Weg seinen Zugang zu der Arbeit von Sonnet, die einen synchronen Zugang zum Deuteronomium darstellt30: „Sonnet beschreibt weitgehend die Perspektive der Pentateuchredaktion.“ (268) 31 Ottos Vorwurf gegen Sonnet ist nun jedoch, dass er mit seiner Konzentration auf das Deuteronomium bestimmte Zusammenhänge innerhalb des gesamten Pentateuch nicht recht in den Blick bekommt. So gelinge Sonnet die Klärung der hrwø;tAh rRpEs - Belege in Dtn 28 und 29 durch eine Modifizierung der Fabel-Theorie Lohfinks32 nicht wirklich überzeugend33. Otto meint nun, den gordischen Knoten durch seine Vorstellung der Pentateuchredaktion durchschlagen zu haben. Sie sei es, die das Bundesbuch in den Pentateuch integriert habe und Dtn 28 und 29 bezögen sich eben darauf (s.o.). Er kommt deswegen zu dem Schluss: „Ein synchroner Zugang zum Deuteronomium kann nur der auf der Ebene literarischer Formierung des Pentateuch in der Perspektive der Pentateuchredaktion sein. Er kann also nur eine Auslegung des Deuteronomiums als Teil des Pentateuch sein, die den gesamten voranstehenden Tetrateuch zur Vorraussetzung hat. Diachron gesprochen zeichnet eine synchrone Auslegung des Deuteronomiums die Perspektive der Pentateuchredaktion im Deuteronomium nach.“ (266) Bei aller berechtigten Kritik an Sonnets nicht durchgängig überzeugender Verhältnisbestimmung des Dtn zu den übrigen vier Büchern des Pentateuch34, stellt sich doch die Frage, ob dieses Defizit nur durch einen diachronen Ansatz zu überwinden ist. Sicherlich bekommt Otto durch seine Vorstellung einer Pentateuchredaktion einige wesentliche Textbezüge in den Blick, weil seiner Ansicht nach diese Redaktionsschicht die Priesterschrift schon kannte und auf sie reagierte. Zweifellos sind diese Textbeobachtungen insofern für eine Auslegung der Endgestalt von Interesse. Es bleibt jedoch insgesamt schwer vorstellbar, wie diese Endredaktoren mit ihrer Intention den Text so prägen konnten wie Autoren. Schließlich geht er selbst bei seiner Darstellung der Genese des uns heute vorliegenden Textes davon aus, dass die späteren Redaktoren den Text eben nicht völlig neu schrieben, sondern die älteren, ererbten Segmente stehen ließen. Wenn denn die „Intention“ der letzten prägenden Hand mit der Auslegung der 30
SONNET, Book. Siehe auch O TTOs Rezension dieser Untersuchung: D ERS., Mose der Schreiber, siehe bes. S.326. 32 LOHFINK, Bundesschluß; D ERS ., Fabel, siehe dazu die Diskussion bei S ONNET , Book, 112–116. 33 So O TTO, Mose der Schreiber, 322; D ERS., Deuteronomium im Pentateuch, 183 bes. Anm 133. 34 Mehr dazu S. 21. 31
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Endgestalt in eins ginge, warum vergleicht Otto dann noch seine exegetische Arbeit mit der Entwirrung von Knoten (175, s.o.)? Wie verträgt sich die „Entwirrung“ der Knoten mit seiner Gleichsetzung seines Pentateuchredaktors mit der Endgestalt? De facto bezieht Otto eben doch im Rahmen seiner Untersuchung der von ihm angenommenen Pentateuchredaktion bestimmte Texte aufeinander, die seinem Bild von dieser Bearbeitungsschicht entsprechen. So werden in seiner konkreten Analyse die Texte zunächst einer Schicht zugewiesen und dann vor ihrem – angenommenen – historischen Hintergrund ausgelegt und nicht mehr in ihrem jetzigen „Sitz im Text“, der von Segmenten einer ganz anderen Schicht geprägt sein mag. Ein solcher Weg birgt Gefahren: Verschiedene theologische Motive werden einer Schicht zugeordnet, wodurch die spezifische Funktion dieses einzelnen Textsegmentes in seinem jetzigen Zusammenhang zwangsläufig vernachlässigt wird. Gerade bei einem Epochenschwellen-Buch wie dem Deuteronomium kann die hochkomplexe Profilierung der einzelnen Epochen einer so verstandenen diachronen Analyse zum Opfer fallen. Dafür, dass dies bei Otto auch tatsächlich so geschieht, hier ein Beispiel: Er rechnet die Zusammenkunft Moses, Josuas und Jhwhs im Zelt der Begegnung (Dtn 31,14.15.[23]) der Pentateuchredaktion zu und hebt den Zusammenhang zu Ex 33,7–11 hervor (188). Zu dem Zeitpunkt, als die Offenbarungsmittlerschaft nach der Episode vom goldenen Kalb (Ex 32) allein auf Mose übergeht, findet dies im Zelt der Begegnung statt. Beide Texte muss Otto der Pentateuchredaktion – und nicht etwa der Hexateuchredaktion – zuordnen, weil das Motiv des Zeltes der Begegnung und der Wolkensäule später nicht mehr vorkommt. Das Zelt der Begegnung gehört der Sache nach in die Moseepoche. Diese Profilierung der Moseepoche geht Otto zufolge auf das Konto der Pentateuchredaktion: „Am Tage der Amtsübergabe, der Moses Todestag ist, tritt das Zelt zu Josuas Einsetzung zum letzten Mal in Aktion.“ (188) Wie aber ist nun Dtn 31,14.15.23 auf der einen Seite mit den Schilderungen der Amtsübergabe von Mose auf Josua zusammenzulesen, die Otto der Hexateuchredaktion zuordnet? Und welcher Sinn ergibt sich auf der anderen Seite, wenn diese Verse im Zusammenhang der Gottesrede (Dtn 31,16–21) wahrgenommen werden? Jhwhs Ankündigung des Ungehorsams (V.16–21) schreibt er einer „postredaktionellen Bearbeitungsschicht“ zu. Zunächst zum Verhältnis der Nachfolgekonzeptionen der Pentateuchredaktion zu den nach Ottos Sicht ihr vorangehenden Textschichten: DtrL hatte Jos 24 als Ziel, d.h. einen Bundesschluss ohne Mose im Land nach erfolgreicher Landnahme. DtrL und mit ihr die Hexateuchredaktion stehen für den Übergang von Wüstenzeit zu Landnahmezeit, für das Bleibende, für die Kontinuität, so z.B. der Blick des Mose auf das Land, das den Vätern versprochen worden war. Die Pentateuchredaktion stellt demgegenüber die
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Heilsgabe der durch Mose schriftlich niedergelegten Tora als Zentrum. Der Pentateuchredaktion ordnet Otto demgegenüber Dtn 34,10–12 zu35. Damit stehen zwei theologische Konzeptionen im Grunde doch unverbunden nebeneinander. Der Tod des Mose steht infolge dessen in der Hexateuchschicht völlig losgelöst von der Verschriftung in Dtn 31,9–13. Somit ist auch die Liaison von Tod und Erzählen hinfällig, die Lux so eindrücklich herausgearbeitet hat36 und der sich das Buch Deuteronomium nach eigener Aussage verdankt. Mit ihr geht eine wesentliche theologische Pointe des Dtn insofern verloren, als sie dann auch die Verbindung von Abbruch und Kontinuität, die den Epochenwechsel am Ende des Deuteronomium prägt, nicht wirklich in den Blick bekommt. Zum Verhältnis von Pentateuchredaktion zur letzten „postredaktionellen“ Schicht, die Otto zufolge Dtn 31,16–22.24–30 stammt: Von letzterer kann Otto nun kaum behaupten wollen, dass deren Perspektive mit der Endgestalt in eins zu setzen sei. Dann käme den Gesetzesbestimmungen der Tora insgesamt nur noch die Funktion einer Anklage gegen Israel zu!37 Soll ab dieser Schicht nur noch „das Vertrauen auf die Prägekraft der pentateuchischen Tradition von der Überwindung des Bundesbruches (Ex 32; Dtn 9f.) [...] auf einen Weg zum Leben jenseits des Bundesbruches“ gelten? (195 s.o.) Ganz abgesehen, dass die Formulierung d`EoVl äÔKV;b M¶Dv_hÎy`Dhw in Dtn 31,26 noch einmal einer genaueren semantischen Analyse bedarf, so ist dennoch zu fragen, wie das Moselied und dessen Einleitung, die das Scheitern des Toraprojektes voraussagen, zusammen mit von Ermahnungen und Ermutigungen begleiteten Schilderungen der Amtsübergabe von Mose auf Josua zu lesen sind. Einerseits Verschriftung der Tora (Dtn 31,9– 13), ihre Herausstellung als zentrales Heilsgut und auf Kontinuität zielende Amtsübergabe von Mose auf Josua, andererseits die Tora als scheiterndes Projekt – das ist die Herausforderung, der sich eine Auslegung der Endgestalt zu stellen hat. Wird nicht erst durch diese (scheinbaren?) Gegensätze die ständige Rückkehr Israels an diesen vom Deuteronomium definierten Ort „Moab an der Grenze zum den Vorfahren verheißenen Land“ der Toraverkündigung begreiflich, an dem trotz allen Scheiterns über Generationen an diesem Konzept festgehalten wird? Nicht umsonst gelingt es Sonnet – wie ich meine aufgrund seiner konsequent synchronen Perspektive – die engen Verknüpfungen von Dtn 31,16–22.24–30 zu Dtn 9–10 herauszuar-
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O TTO, Deuteronomium im Pentateuch, 228ff. LUX, Tod des Mose. 37 Siehe dazu O TTO, Mose der Schreiber, 325, wo er SONNETs These zustimmt, dass die Einleitung des Liedes in Dtn 31,16–22.24–30 die Tora zu einem „witness against“ umfunktioniere. Genau diese Textsegmente schreibt O TTO seiner „postredaktionellen Bearbeitung“ zu (s.o.). 36
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beiten38, Bezüge, die Otto aufgrund seines Schichtenmodells folgerichtig gar nicht erst in den Blick bekommen kann. Die nächste Anfrage, die sich gegenüber einem Ergebnis der Schichtenanalyse ergibt, jedoch an einen noch wesentlich grundsätzlicheren Themenkomplex rührt, ist die nach der „Historisierung“ (240) des Horebbundes, den Ottos Ansicht nach schon DtrL zu verantworten hat. Das Schichtenmodell, das er entwirft, führt zwangsläufig zu einer derartigen Verhältnisbestimmung der einzelnen Bundesverpflichtungen39 zueinander. Da Otto Horeb- und Moabbund verschiedenen Schichten zuordnet, und seiner Sicht nach jeder Bundesschluss dem jeweiligen Textkorpus des entstehenden Dtn ein völlig neues theologisches Profil verleihe, „überbieten“ die „jüngeren Bundesschlüsse“ die jeweils „älteren“. Das betrifft auch die Generationenproblematik, die die vorliegende Untersuchung zum Gegenstand hat: Sie wird von der Textebene auf die Ebene der angenommenen Generationen von Bearbeitern des Deuteronomiums verlagert. Otto betont zwar immer auch die Konstanz der Traditionslinien, die die verschiedenen Generationen der deuteronomistischen Bearbeiter durchziehen. Auf der anderen Seite geht er aber de facto davon aus, dass die nächst jüngere Generation das Zentrum der Theologie der Vorgängergeneration, den jeweiligen Bundesschluss, „historisierte“, Otto spricht sogar von „degradierte“ (240, Zitat siehe oben). Die grundsätzlichen theologischen Schwierigkeiten, die Lesarten des AT mit sich bringen, die von einer „Historisierung“ von Bundesschlüssen ausgehen, sind an dieser Stelle nicht zu verhandeln. Hier ergibt sich zunächst nur die um so dringlichere Aufgabenstellung, ein besonderes Augenmerk auf das Verhältnis der einzelnen Bundesverpflichtungen zueinander zu werfen, so wie sie sich aus dem uns heute vorliegenden Text des Dtn ergeben. Es wird dort – so viel sei jetzt schon vorweggenommen – ein wesentlich behutsameres Verhältnis der Generationen und Bundesverpflichtungen zueinander beschrieben. 38
SONNET, Book, 163–180. K UTSCH, Verheißung und Gesetz, hat nachgewiesen, dass die Übersetzung von tyIrV;b mit dem deutschen Begriff „Bund“ an den meisten Stellen des Alten Testaments fehl am Platze ist. Bei den meisten Belegen fehlt die Gegenseitigkeit, so dass viel eher eine Übersetzung mit „unverbrüchlicher Zusage“, „Versprechen“ oder „Verpflichtung“ angebracht ist. Siehe D ERS ., tyIrV;b , 342. Eine „Gegenleistung oder eine Gegenverpflichtung derer, denen die berit zugute kommt, ist an keiner dieser Stellen noch in dem Begriff berit mitenthalten.“ (ders., aaO, 345). Wie man diesen Begriff im Einzelfall übersetzt, wird also je nach Kontext stark variieren. LOHFINK, Bund als Vertrag, 215ff hat versucht, die so entstandene Breite der Übersetzungsmöglichkeiten wieder etwas einzugrenzen. Auf seinen Vorschlag wird im weiteren Verlauf der vorliegenden Untersuchung noch einzugehen sein. So viel kann jetzt schon gesagt werden: Hinter die Einsichten von K UTSCH wird man so ohne Weiteres nicht zurückkönnen. Darum ist an dieser Stelle darauf aufmerksam zu machen, dass der deutsche Begriff „Bund“ den sematischen Gehalt von tyIrV;b nur sehr ungenau wiedergibt. 39
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Einem anderen wesentlichen Aspekt des Deuteronomiums wird in der Untersuchung Ottos nicht die Bedeutung zugemessen, der für ein Verständnis der Endgestalt maßgeblich ist: Wenn der allmähliche Wechsel der Erzählperspektive in Dtn 31 von Mose hin zum Bucherzähler mit „diachron zu beschreibende[n] Ursachen“ erklärt wird, genauer mit einer Verzahnung von Redaktionssträngen, „die sowohl in den Tetrateuch zurückwie in das Josuabuch vorausweisen“40, dann wird der möglichen erzählerischen Funktion dieses Perspektivwechsels u.U. nicht die nötige Beachtung geschenkt. Dies lässt sich beinahe generalisieren: Obwohl das Buch Dtn oft als „archimedischer Punkt“ der historisch-kritischen Forschung angesehen wird, bleiben seine literarischen Mittel in der Diskussion merkwürdig außen vor. “Deuteronomy, paradoxically, is still in want of a critical establishment of its basic literary architectonics.”41 Hardmeier arbeitet demgegenüber in seiner Untersuchung42 zunächst die besondere Redesituation, in der Moses dem Volk seine Geschichtsrückblicke vorträgt, sehr deutlich heraus. Sie ist für ihn der Schlüssel, um das Verhältnis von „Geschichten“ zu „Geschichte“ im Deuteronomium zu klären (3). Dabei geht er vom DtrG als Arbeitshypothese aus und versucht so, dem „synchronen Gestaltungswillen der späten Exilszeit“ auf die Spur zu kommen (4). Hardmeier weist dabei auf den großen Geschichtsbogen hin, in den das Dtn innerhalb des DtrG eingebettet ist: Das Dtn wird zwar aufgeschrieben (Dtn 31,9–13), dann aber vergessen und taucht erst in 2.Kön 22,11ff wieder auf. Dieser große Werkzusammenhang mache implizit die „Selbstreflexivität der dtr Geschichtsschreibung“ (5) deutlich, die in Moses besonderer Redesituation zum Ausdruck komme. Diese Selbstreflexivität sei ein „fundamentales und damit maßgebendes Moment der alttestamentlichen Tora selbst, wie sie sich explizit in Dtn 1–30 als Redevollzug definiert“ (5). Hardmeier zufolge beherrschen zwei „aktuelle“ Themen die Rede insgesamt: Einmal die Erneuerung der unbedingten Loyalitätsverpflichtung gegenüber Jhwh und zum anderen die Vertrauensbeziehung zu Jhwh. Um dieser Themen willen würden die Episoden in Dtn 1–3, die weiteren Episoden im Dtn und insbesondere die Ereignisse am Horeb erzählt. Was die ersten drei Kapitel des Dtn anbelangt, so macht Hardmeier in 2,16 eine Wasserscheide aus: Die Kundschaftergeschichte führe den Hörern exemplarisch das mangelnde Vertrauen des Volkes gegenüber Jhwh und den daraus resultierenden Misserfolg vor Augen, wohingegen sich nach dem in 2,16 geschilderten Generationswechsel der militärische Erfolg gegen die Amoriterkönige einstelle. Dieser gründe nicht in starken Bataillonen und Wunderwaffen, sondern in „Fehleinschätzungen und Selbsttäu40
O TTO, Dtn im Pentateuch, 175. Vgl. BLUM, Pentateuch, 109. SONNET, Book, 3. 42 H ARDMEIER, Geschichten. Die Zahlen in Klammern im folgenden Abschnitt beziehen sich auf diesen Aufsatz. 41
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schungen der Feinde“ (10). Die Sihon-Episode beleuchte „modellhaft das Wirken JHWHs in der geschichtlichen Wirklichkeit und was es heißt, dass er die Feinde in die Hand Israels gegeben hat.“ (10) Es gehe, so Hardmeier, bei diesen Geschichtsrückblicken nicht um Legitimation von Gebietsansprüchen, sondern um „die Angst- und Vertrauensproblematik angesichts von realen Macht- und Gewaltverhältnissen“ (10/11). Im Zentrum dieser Geschichtsdarstellung stehe die „Minimierung von Zukunftsangst der Angesprochenen selbst (3,22), um ihr Vertrauen auf Jhwh und damit in die unverfügbare Offenheit aller Zukunft zu stärken.“ (10) Geschichtliches Erinnern habe hier „explizit die Funktion der Zukunftsorientierung und der Konditionierung eines kairos-offenen Spürsinns“ (10). In der Horebreminiszenz Dtn 9,24 werde deutlich gemacht, dass am Horeb der „Ur-Skandal“ geschehen sei. Dieser werde mit der ganzen Reihe anderer Episoden parallelisiert, insbesondere mit der oben erwähnten Kundschaftergeschichte. Dabei würden in Dtn 9,22ff jedoch nur noch die Orte genannt. „Jeder der genannten Orte steht – sozusagen als narrativer Oberbegriff – für Skandal-Episoden der gespannten Jhwh-Beziehung und damit für weitere Fall-Beispiele, die bei den Zuhörern als bekannt vorausgesetzt werden“ (13). Für das alttestamentliche Geschichtsdenken habe das folgende Konsequenzen: „Die narrativen Rückblicke machen an Fall-Beispielen anschaulich, wie Jhwh in der geschichtlichen Realität und Erfahrungswelt zum Guten wie zum Bösen gewirkt hat, um seine zukünftige Mitwirksamkeit in Korrelation zum eigenen Verhalten richtig einzuschätzen.“ (15) Auf diese Weise entstünden außerordentlich dichte und „abstrakte“ Erfahrungsmodelle, „die sich zwar ganz auf geschichtliche Erfahrungen beziehen und an ihnen gewonnen sind, jedoch diese Erfahrungen in der narrativen Reflexion auf das Modellhafte konzentrieren und auf das Typische der reflektierten Jhwh-Beziehung reduzieren.“ (15) Es komme zur phraseologischen Begriffsbildung und der Horeb werde für die gesamte dtr-Tora der General-Topos, auf den die Rede des Mose immer wieder neu zurückgreife. Es gehe in diesen Rückblicken in der Moserede um eine „Synthetisierung von weiter gespannten Zeiträumen als Geschichte“ (17). Hardmeier geht sogar so weit, dass er alle entscheidenden Ereignisse, von denen im DtrG berichtet wird, bereits im Dtn vorabgebildet sieht (18). Somit habe Dtn 1–30 die Funktion einer prophetischen Geschichts-Tora, die am Anfang der Geschichte lehrt und vorwegnimmt, „was in der Folgezeit zwar einerseits nicht eingelöst wurde und angesichts von JHWHs ungestilltem Zorn in die Katastrophe führte.“ (19) Hardmeier fährt fort: „Was die Geschichts-Tora im Deuteronomium somit vorab in nuce lehrt, ist Modell und hermeneutischer Schlüssel für die Gesamtanlage des DtrG mit seiner gegenwarts- und zukunftsorientierten Funktion für die Exilsgruppen.“ Das althebräische Geschichtsdenken habe somit primär die Funktion der Gegenwartserhellung und der Zukunftsorientierung. An Geschichte
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Einleitung: Die beiden Erzähler in der Tora
werde die Mitwirksamkeit Jhwhs gezeigt. Exemplarisch werde dies schon an der Herleitung des Gottesnamens in Ex 3,14 deutlich. „Damit konditioniert dieses Denken einen prophetischen Spürsinn, der im bewussten Gegenüber zum Unverfügbaren die Chancen und Risiken von Situationen tendenziell unverzerrt wahrzunehmen und einzuschätzen vermag.“ (23) Grundsätzlich ist den Ausführungen Hardmeiers zuzustimmen, vor allem seiner Einschätzung der besonderen Situation, in der das Dtn Mose seine Reden halten lässt. Sie bildet in der Tat eine Art hermeneutischen Schlüssel, von dem aus die Funktion der Geschichtsrückblicke erst angemessen erfasst werden kann. Allerdings wird bei Hardmeier nicht unmittelbar deutlich, worin die Zukunftsorientierung nun eigentlich liegt, zumal er auf die diesbezüglich relevanten Texte Dtn 4 und 30 nicht eingeht. Erst in ihnen wird jedoch die Verknüpfung von Geschichtserfahrung und Zukunftsperspektive ausformuliert. In der vorliegenden Arbeit wird es darüber hinaus darum gehen, Moses besondere Redesituation und die didaktische Funktion seiner Geschichtsrückblicke im Gegenüber zu den Varianten herauszuarbeiten, die aus der Perspektive des Bucherzählers in den Büchern Ex – Num berichtet werden. Damit soll versucht werden, das einzigartige Kommunikationsgefüge des Deuteronomiums noch deutlicher zu profilieren.
3. Die beiden Erzählebenen als Ausgangspunkt synchroner Analysen Polzin hat das Verhältnis der beiden Erzählebenen zueinander eingehend unter literarischen Gesichtspunkten untersucht. Er macht zunächst deutlich, dass der biblische Erzähler in Dtn nur Mose43 und Jhwh (in 31,14.16– 21.23; 32,49–52 und 34,4) zu Wort kommen lässt. Damit stellt sich natürlich die Frage, wie sich diese Stimmen zueinander verhalten: Einerseits scheine Moses genau auf der Linie des biblischen Erzählers zu liegen: “We can apply this assumption to the Book of Deuteronomy itself by stating that the ultimate ideological stance of the book ought to be looked for both in the reporting words of the narrator, its ‘author’s’ spokesman, and in the reported words of Mose, its hero.” (28). Warum aber kommen dann im Dtn verschiedene Erzähler zu Wort? “... it is clear that Deuteronomy emphasizes, even on the phraseological plane, a distinction between the word of Moses and the word of the narrator. What are the implications of such an arrangement?” Während die Redeeinleitungen in der historisch-kritischen Forschung bislang als Anhaltspunkte für die Genese des Buches Dtn dien-
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In Dtn 27,1–10 gemeinsam mit den Ältesten bzw. den Leviten. Die Seitenklammern im folgenden Textabschnitt beziehen sich auf P OLZIN, Moses.
Die beiden Erzählebenen als Ausgangspunkt synchroner Analysen
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ten, möchte Polzin auf diese Weise der Funktion der Redeeinleitungen innerhalb des uns heute vorliegenden Textes nachgehen. (29) Polzin macht aufgrund des deutlichen Übergewichtes der Redeanteile des Mose gegenüber den wenigen Passagen des biblischen Erzählers eine verborgene Spannung aus: “... there are in fact two ideological perspectives that interfere with one another to such an extent that the narrative carries within itself [...] a hidden tension concerning the pre-eminence of Moses.” (30). Die wenigen Unterbrechungen des biblischen Erzählers dienen ihm einerseits dazu klarzustellen, dass er der “sole authentic interpreter of Moses’ words.” (31) ist, andererseits dazu, eine zeitliche Distanz herzustellen zwischen der Zeit, von der Mose berichtet, und der Zeit, in der er erzählt. “By breaking frame five times, the Deuteronomist may well be forcing the reader to shift back and forth a number of times between narrated past and narrator’s present.” (32) Dabei sei der biblische Erzähler der „vital link“ zwischen Moses und der Gegenwart des Erzählens. In den ständigen Unterbrechungen sieht Polzin eine “subtle but effective strategy on the part of the Deuteronomist gradually to diminish the unique status of his hero at the very same time as the retrospective elements of Moses’ own utterances are enhancing that status.” (35). Am Ende des Buches in Dtn 34 sei es dann soweit: “We are well disposed to interpret this first explicit and direct evaluation of Moses’ unique status in the proper perspective.” (35) Zu dem Zeitpunkt, an dem der biblische Erzähler die Einzigartigkeit des Mose beteuert (Dtn 34,10), ist der Leser nach Polzin so weit, dass er dem biblischen Erzähler eine noch größere Autorität zuschreiben möchte als Mose. Dieses Verhältnis zwischen Mose und dem biblischen Erzähler bildet den Ausgangspunkt von Polzins Untersuchung, die dem Text des Dtn entlang geht und immer wieder danach fragt, wie die beiden Stimmen miteinander interagieren und welches Gewicht ihnen dabei jeweils zukommt44. Nun ist zunächst festzuhalten, dass Polzin, obwohl pointiert synchron arbeitender Exeget, unausgesprochen auf dem DtrG Noths aufbaut45. Das Verhältnis zwischen der Numeri- und der Dtn-Version und damit den literarischen Horizont der Tora nimmt Polzin nicht in den Blick. Gerade durch diesen Vergleich ergibt sich – und so viel lässt sich an dieser Stelle schon 44
Zur Diskussion, ob sich die beiden Stimmen einander annähern oder sich in einer Konkurrenzsituation befinden, siehe TALSTRA, Dtn 31, 95, der gegen POLZIN anführt, dass die beiden Stimmen keinesweges „not on the same level“ seien. 45 SONNET, Book, 23.24, trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er schreibt: “Thus the DtrH hypothesis, which is a genetic hypothesis, does not provide the soundest ground for an approach to Deuteronomy’s overall poetics.” O TTO sieht dieses Defizit POLZINs als grundsätzliche Schwäche eines synchronen Ansatzes: „Er [Polzin J.T.] bringt damit via negationis richtig zum Ausdruck, daß eine synchrone Analyse sich nicht von der Frage nach dem literarischen Horizont, in den das Deuteronomium hineingehört, dispensieren kann.“ ( DERS., Mose der Schreiber, 329). Siehe auch DERS., Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 268.
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sagen – auf der synchronen Ebene noch einmal eine ganz andere Anschauung des Verhältnisses zwischen dem biblischen Erzähler und der Stimme des Mose. Auf der Unterscheidung zwischen den beiden Erzählebenen des Deuteronomiums beruht auch die inspirierende Studie von Sonnet46. Ihm geht es vor allem um eine sorgfältige Verhältnisbestimmung zwischen diesen Ebenen, die ihm anhand eines komplexen Kommunikationsmodells gelingt. “In this study I intend to describe Deuteronomy’s way of combining the two levels of communication: Moses’ adress, in the represented world (to the sons of Israel in the plains of Moab), and the book’s address to its reader. [...] The working hypothesis will be that a meaningful analogy exists between communication in Deuteronomy’s represented world and in Deuteronomy’s representing medium. On both levels, communication is either actually or eventually achieved by a written ‘book’“. (1) Zwar hat Polzin bereits die Kombination zwischen ‘reporting and reported speach’ untersucht. Weil er aber nur die unterschiedlichen ‘points of view’ der beiden Erzähler im Blick hat, bekommt er keinen Zugang zu der Verbindung von der Rede des Mose zum narrative plot der Erzählebene des biblischen Erzählers. Insofern bleibt Polzins Verhältnisbestimmung zwischen dem Buch, das Mose schreibt, und den „books“, womit er die „framing Book of Deuteronomy and the Tora“ meint, ungenau (3). Dabei konstatiert Sonnet zunächst eine gewisse Isolation des Deuteronomiums innerhalb der vorangehenden und der folgenden Bücher. “The interplay of Deuteronomy’s own poetic components, from overall plot to lexical texture, is to be presumed totally self-sufficient within the limits of the work.” (21) Das Deuteronomium gipfelt nach Ansicht Sonnets im Aufschreiben der Tora in Dtn 31,9–13. Diese daraus entstehende Schrift ist die Grundlage für das Buch, das uns heute vorliegt: “A critical approach attentive to Deuteronomy’s poetics can bring out a powerful analogy: in the Pentateuchal canon Deuteronomy is the book that tells about the rise of the (Tora) ‘book’“. (3). Aus dieser Argumentation heraus rückt Sonnet das Schreiben als Kommunikationsform im Deuteronomium in den Mittelpunkt seiner Untersuchungen. Das Verhältnis der beiden Erzählebenen wird nach seiner Sicht wesentlich durch das Schreiben bestimmt. Mose erzählt davon, wie Jhwh das „Zehnwort“ auf steinerne Tafeln schreibt, die in die Lade gelegt werden (Dtn 5; 10). Der biblische Erzähler berichtet von der Verschriftung der Tora durch Mose (Dtn 31,9–13), die neben der Lade aufbewahrt wird. Beide Schriftstücke werden so auf je unterschiedliche Weise mit der Lade in Verbindung gebracht (Dtn 10,5; 31,10). Dieser Vorgang zielt darauf ab, dass die Tora des Mose im Land gelehrt und an die
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SONNET, Book. Die Seitenzahlen in Klammern im folgenden Abschnitt beziehen sich auf diese Monografie.
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kommenden Generationen weitergegeben wird. Insofern stellt das Thema „Schreiben“ in der Tat die entscheidende Verbindungslinie zwischen den Erzählebenen her: Einerseits zwischen der Erzählebene des Mose und der des biblischen Erzählers und anderseits zwischen dem biblischen Erzähler und dem Leser des Deuteronomiums. Die Konzentration Sonnets auf das Schreiben als Determinante der Kommunikation ausschließlich innerhalb des Deuteronomiums als dessen Vermittlungsstrategie führt zu einer Konzentration, die Gefahr läuft, einseitig zu werden. Ottos Kritik an Sonnet setzt genau hier ein: „Es wird aber nirgends in dieser so anregenden Monographie geklärt, wie sich die postulierte Eigenständigkeit des Deuteronomiums zu seiner Einbindung in den Pentateuch verhält.“47 Die richtige Beobachtung Sonnets ist demzufolge in den weiteren Horizont der Tora insgesamt zu stellen. Die Wiederholung der Geschichte aus der Sicht des Mose, die Verschriftung des Dekaloges und der Tora erfolgen an einem ganz besonderen Ort in der Geschichte48. Insofern ist das Phänomen des Gedenkens, der Rekapitulation an einer Epochenschwelle bzw. bei einem Generationswechsel mit zu bedenken. Offenbar handelt es sich bei der Rede des Mose um eine bewusste Erinnerung an die für Israel grundlegenden Ereignisse an der Schwelle zu der Erfüllung dessen, worauf die gesamte Erzählstruktur des Pentateuch hin angelegt ist: die Landnahme. Insofern ist das Dtn einerseits ein Buch für sich, das sich aber andererseits auf das ihm Vorausliegende in dieser Weise bezieht. Karin Finsterbusch stellt in ihrer Untersuchung49 die These auf, dass das Buch Deuteronomium „ein regelrechtes, den Israelitinnen und Israeliten gebotenes Lehr- und Lernprogramm“ enthalte. Um diese These zu überprüfen, wählt sie einen synchronen Textzugang: „Die Frage nach der Bedeu47
O TTO, Mose der Schreiber, 328. O TTO schließt daraus: „Ein synchron zu analysierendes Deuteronomium unter Absehen vom übrigen Pentateuch gibt es nicht und wäre eine unhistorisch-fiktive Größe, die auch nicht durch das eigene Überschriftensystem des Deuteronomiums in Dtn 1,1–5, das nicht prinzipiell von den drei weiteren Überschriften des Deuteronomiums geschieden ist, konstituiert wird.“ ( DERS., Mose der Schreiber, 324, vgl. 327). Ob dies ausgerechnet der Ort ist, die Unverzichtbarkeit der diachronen Textzugänge zu fordern, wie O TTO dies tut, mag bezweifelt werden: „Eine synchrone Analyse muß also einen Begriff davon haben, wie Deuteronomium, Tetrateuch und, angesichts der zahlreichen Züge im Deuteronomium, die auf eine Fortsetzung im Westjordanland dringen, auch das Josuabuch miteinander zusammenhängen.“ (aaO, 328). 48 Vgl. BRAULIK, Dtn I, 23: „Der 1,6–8 einsetzende Rückblick vergegenwärtigt gemeinsame Erfahrungen (‚uns‘, ‚wir‘), ist Nacherzählung von (literarisch) Bekanntem in einer theologisch neuen Konzeption.“ Ähnlich LOHFINK, Kerygmata, 129: „Vielmehr ist im gesamten Text das redende Ich als das Ich Moses zu erkennen, und in stereotypen Wendungen wird die Redesituation immer wieder ins Gedächtnis gerufen.“; Vgl. PERLITT, Streit, 161. 49 FINSTERBUSCH, Weisung. Die Zahlen in Klammern im folgenden Abschnitt beziehen sich auf diese Monografie.
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tung von religiösem Lehren und Lernen im Deuteronomium ist, so eine der Thesen der Untersuchung, untrennbar mit den im Buch erkennbaren narrativen Prozessen verbunden.“ (10) Sie geht bei ihrer Analyse den Belegen für dml, hry III hif. und rsy nach und entdeckt dabei, wie Mose vor der Hörerschaft in Moab bzw. vor der Leserschaft des Buches seine Lehre „entfaltet“ (10). „Die Lehre ist als Prozess angelegt, dessen zentrale Aussageintentionen sich nur in der Wahrnehmung der Gesamtheit dieses Prozesses erschließen. Von daher ist für die Analyse dieser Lehre eine synchrone Exegese sinnvoll.“ (10) Die erste Rede, die Finsterbusch in Dtn 1,6–4,40 ausmacht, leite diesen Prozess ein. Das in der Forschung vieldiskutierte Verb rab sei für Verständnis dieses ersten Abschnittes der hermeneutische Schlüssel (123). Die eigentliche Tora beginne erst mit Dtn 5,1. Dtn 1,6–3,29 und 4,1–40 hätten somit den Charakter einer „Voraberklärung“ (122), durch die Folgendes verdeutlicht wird: a) Die Existenz der Tora und warum Mose sie promulgieren muss: Gott will, dass Israel diese Gesetze im Land halten soll (Dtn 4,5.8.14). b) Ort und Zeitpunkt der Übermittlung der Tora: In 4,14 wird berichtet, dass Mose am Horeb den Auftrag erhalten hat, die Tora zu promulgieren. Von 1,19ff her wird jedoch deutlich, dass die Inbesitznahme des Landes die Promulgation der Tora eigentlich nicht voraussetzte. Da Mose aber wegen Israel das Land nicht betreten dürfe (Dtn 1,37), müsse er noch vor dem Einzug Israels ins Land die Tora mitteilen. (146) c) Die Bedeutung der Tora: Sie ist für Israel absolut verbindliches Gesetz. Wenn Israel sie nicht befolge, dann werde es wieder aus dem Land vertrieben (Dtn 4,25–28). d) Der Charakter der Tora: Anhand von Dtn 1,9–18 werde deutlich, dass Mose durch die dort berichteten Maßnahmen frei werde, den Israeliten MyîrDb;dAh zu erteilen (Dtn 1,18). Sie sollen Streitigkeiten vorbeugen. Dem stehen die Satzungen und Rechtsvorschriften (4,2) gegenüber, die Mose im Auftrag von Jhwh selbst „gebietet“. Ihr Gültigkeitsbereich sei das Land (Dtn 4,5.14). Demgegenüber ziele 4,13 auf das Bundesgesetz ab, das universelle Gültigkeit beanspruche (147 vgl. ihre Ausführungen S.137). Dieser in der ersten Rede präsentierte Stoff passe gut zu der Bestimmung in Dtn 1,5: „Erklärung der Tora“. Finsterbusch räumt jedoch ein: „Allerdings erfolgt die Erklärung in Bezug auf ihren Sinn, in Bezug auf die näheren Umstände der Promulgation ihrer Gebote sowie in Bezug auf ihre Bedeutung und ihren Charakter überwiegend indirekt.“ (148) Die nächste markante Station in dem Prozess des Lehrens und Lernens sei die erste Erwähnung der Ereignisse am Horeb in Dtn 5. Finsterbusch macht dabei die interessante Beobachtung, dass Gott Mose genau das aufträgt (5,31), was das Volk zuvor (5,27) von ihm gefordert hatte. Dabei stellt sie jedoch einen bezeichnenden Unterschied zwischen diesen beiden
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Versen fest: In V.27 soll Mose mit dem Volk das „reden“ (rbd), was Gott zuvor mit ihm geredet hat. In V.31 aber trägt Gott Mose auf, das Volk all das zu „lehren“ (dml hif), was er von ihm „gesagt“ bekommt. Finsterbusch legt diesen Befund folgendermaßen aus: „JHWH, der ja größtes Interesse an der Umsetzung seiner Gebote hat, hätte durch den Lehrauftrag an Mose diesem ausdrücklich eine Kompetenz verliehen, die über die getreue Weitergabe der gehörten Satzungen und Rechtsvorschriften hinausgehen würde – im Interesse der Umsetzung dieser Gebote durch die Israelitinnen und Israeliten. Die Lehre der Satzungen und Rechtsvorschriften müsste also zum einen aus der getreuen Weitergabe des Wortlauts der Gebote bestehen, da eine genaue Kenntnis der Satzungen und Rechtsvorschriften selbstredend die Voraussetzung für deren Umsetzung ist. Sie müsste zum anderen Ausführungen in Bezug auf die Satzungen und Rechtsvorschriften beinhalten, die insbesondere das Tun derselben thematisieren und zum Tun motivieren könnten.“ (168) Auch die zweite Darstellung der Ereignisse am Horeb in Dtn 9,1–10,11 deutet Finsterbusch als Teil der Lehre des Mose. Sie versucht nun, genauer einzugrenzen, wie sich dieser Abschnitt in das gesamte Lehrprogramm einordnet. Diese zweite Horebreminiszenz sei zwar integraler Bestandteil der von ihr eingegrenzten Tora, die in 5,1 beginnt. Die Darstellung sei aber kein Gesetzestext und keine Wiedergabe der Instruktionen Jhwhs. Das bedeute: „Lehren der Satzungen und Rechtsvorschriften kann in auktorialer Perspektive heißen, dass Ausführungen gemacht werden, die im Hinblick auf die Motivation zur Befolgung der Satzungen und Rechtsvorschriften durch Israel eine wichtige Funktion erfüllen [...], die mit den Satzungen und Rechtsvorschriften jedoch nichts zu tun haben.“ (212) Mose erhält in Moab einen weiteren Lehrauftrag, der jedoch auf zukünftige Lernsituationen abziele (218ff): Der Lernzusammenhang für die Tora werde in Dtn 31,9–13 mit dem Zeitpunkt ihrer Verlesung angegeben: Am Laubhüttenfest des Siebtjahres werde die Identität der Versammelten definiert: „Sie lernen, wo sie herkommen: von der Versammlung vor JHWH am Horeb [...], wo sie ‚heute‘ stehen: in Moab vor dem dtn Mose bzw. vor JHWH, wo sie ‚ab heute‘ sein werden: in dem den Vätern zugeschworenen Land, und was sie ‚ab heute‘ zu tun haben: JHWH fürchten und seine Gebote halten. [...] Am Laubhüttenfest des Siebtjahres nimmt Israel also nicht nur die ganze Tora als Grundlage seines Handelns neu bzw. erneut wahr, es lernt sich zugleich auch als Volk JHWHs durch die Geschichte hindurch neu bzw. erneut begreifen. Dieses ritualisierte kollektive religiöse Lernen ist damit ein zentraler Faktor im Leben Israels.“ (292) Dieses Lernritual ziele nicht zuletzt auf das Lernen der Kinder ab: Die Kinder sollen lernen, Jhwh zu fürchten (Dtn 31,13). Die Versammlung des Volkes am Laubhüttenfest des Siebtjahres sei der Ort, an dem sich religiöses Lernen vollziehe.
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Einleitung: Die beiden Erzähler in der Tora
Die Perpetuierung der Lernsituation werde nicht zuletzt an der Kinderfrage in Dtn 6 deutlich (250): Finsterbusch weist auf den Wechsel des Numerus bei den Personalpronomen in der Frage und der Antwort hin. Das Kind fragt: „Was sind das für Gebote, die Jhwh, unser Gott euch gegeben hat?“ (Dtn 6,20). Bei der Antwort spricht der Erwachsene: „Und es wird uns Gerechtigkeit eignen, wenn wir darauf achten, dieses ganze Gebotene zu tun vor JHWH, unserem Gott, wie er uns gebot.“ (Dtn 6,25) Finsterbuch interpretiert diesen Befund folgendermaßen: „Die volle Bedeutung des von JHWH gebotenen Gesetzes kann das Kind jedenfalls erst erfassen, wenn es lernt, mit den Erwachsenen zu sagen: Es wird uns Gerechtigkeit eignen, wenn wir darauf achten, dieses ganze Gebotene zu tun vor JHWH, unserem Gott, wie er uns gebot.“ (252) Die Eltern sind zeitübergreifend Repräsentanten des Jhwh-Volkes Israel. Ihr Lehren zielt darauf ab, dass sich die Kinder als Teil dieser religiösen Gemeinschaft begreifen lernen. „Damit kann kollektive Identität generationenübergreifend gesichert werden.“ (253) Am Ende ihrer Untersuchung geht Finsterbusch näher auf den semantischen Befund von dml ein (313): Neben dem textbezogenen Lernen (Dtn 5,1) bezeichnet das „ohne Objekt stehende dml q. [...] hier aber wohl auch den Gewinn bestimmter Einsichten, die sich durch die Kenntnisnahme des gesamten Toratextes ergeben.“ (313) Letztlich gehe es dabei um Annahme und Vertiefung von Gottesfurcht, die durch ein bestimmtes Erleben bzw. durch ein bestimmtes Handeln bedingt sei. Es gelingt Finsterbusch durch ihre Analyse, die Bedeutung des Lernens für die Identität Israels klar zu umreißen: „Leben die Israelitinnen und Israeliten als Lehr- und Lerngemeinschaft im Sinn des Deuteronomiums, werden sie niemals vergessen, woher sie kommen, wer sie sind und wer sie morgen sein werden.“ (316) Mit ihrer Konzentration auf den Vorgang des Lehrens und Lernens erfasst Finsterbusch mit Sicherheit einen wesentlichen Zug der im Deuteronomium beschriebenen Kommunikationsvorgänge. Insofern stellt ihre Untersuchung eine logische Weiterführung der Arbeit Sonnets dar. Jedoch stellt sich die Frage, ob ihre Konzentration auf die Belegstellen im Deuteronomium, an denen vom Lehren bzw. Lernen die Rede ist, nicht zugleich eine Verkürzung mit sich bringt. Wie Sonnet arbeitet auch sie, trotz ihres insgesamt synchronen Ansatzes, auf der Grundlage des DtrG, wie Martin Noth es sah. Wenn sie als wesentliches Merkmal des Lernens den Bezug zur geschichtlichen Situation und Erfahrung herausarbeitet, in der gelehrt bzw. gelernt wird, stützt sie sich dabei nur auf das Dtn und lässt die vorangehenden Bücher weitgehend außer Betracht. Sicherlich wird grundsätzlich mit dieser Verbindung von Geschichtsdarstellung und Gesetzestexten die Motivation zur Befolgung der Gebote erst geschaffen. Damit stößt sie jedoch auf ein wesentliches Merkmal nicht nur des Deuteronomiums, son-
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dern der Tora insgesamt, die ja gerade aus einer Kombination von Gesetzestexten und Geschichtsdarstellung beruht50. Ihre Analyse der im Dtn avisierten Lernvorgänge basiert auf einer besonderen Eingrenzung des Begriffes Tora: Ohne es genauer zu begründen, sieht Finsterbusch damit in erster Linie die Gesetzestexte angesprochen, wenn sie in Bezug auf Dtn 1–3 schreibt: „Viel ‚Geschichte‘ und keine ‚Tora‘“ (124). Lernen im Dtn beruht ihrer Ansicht nach auf der Kombination von Gesetzestexten und Geschichtsdarstellungen. Insofern klingen ihre Erläuterungen zur ersten Rede in Dtn 1–4 und den Horebreminiszenzen Dtn 5 bzw. 9–10 in Bezug auf den Lernprozess sehr ähnlich. Zwischen dem „Erklären“ ( rab) von Dtn 1,5 und dem „Lehren“ in Dtn 9–10 besteht kein wirklicher Unterschied. Das gesamte Dtn hindurch werden, wie in den fünf Büchern Mose überhaupt, Verbindungen zwischen Geschichtsdarstellungen und Gesetzestexten hergestellt. Damit stellt sich jedoch die Frage, was das Dtn von den übrigen Büchern der Tora unterscheidet. Hier ist zu allererst der Perspektivwechsel zu nennen, der sich in dieser Form im Alten Testament kein zweites Mal findet. Sicherlich hat dieser eine eminent didaktische Funktion, aber er geht darin nicht auf. Um zu beschreiben, was im Dtn vor sich geht, muss mehr in den Blick genommen werden. Unter historiografischen Gesichtspunkten stellt sich die Frage, warum Mose ausgerechnet an diesem Ort und zu diesem Zeitpunkt der Geschichte Israels seine Reden hält. Von daher muss untersucht werden, wie die Darstellung des Mose im Dtn und die dort inszenierte Redesituation zusammengehören. Diese Frage lässt sich jedoch nur beantworten, wenn die Geschichtsdarstellungen in den Mosereden mit den vorangegangenen verglichen werden, die schließlich aus einer ganz anderen Perspektive erzählen. Vor diesem Hintergrund – so der Ansatz der vorliegenden Arbeit – lässt sich das Spezifische der Lernsituation noch deutlicher analysieren, von der das Dtn handelt. Wenn nun der Wechsel der Erzählperspektive im Deuteronomium ein so wesentliches Charakteristikum seiner Präsentation von Geschichte darstellt, liegt es nahe, nach der historiografischen Funktion dieses Perspektivwechsels zu fragen. Eines haben beide Standpunkte gemeinsam. Von beiden aus wird Geschichte erzählt. Darum sind, bevor wir uns der konkreten Textanalyse zuwenden, einige grundsätzliche Überlegungen zur Bedeutung des Erzählens für die Darstellung von Geschichte notwendig. Da die hier vorgetragene Fragestellung von dem Endtext des Alten Testaments in seiner uns heute vorliegenden Gestalt ausgeht, möchte ich jedoch zunächst die wesentlichen Aspekte eines kanonischen Textzugangs kurz darstellen.
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Hier ist z.B. die „Entdeckung“ des Sabbatgebotes in Ex 18 zu nennen.
1. Kapitel:
Theoretische Grundlegung 1. „Kanon“ als wesentlicher Aspekt der Bibelauslegung 1.1. Der „canonical approach“ Die Frage, inwieweit die beiden unterschiedlichen Versionen desselben Geschehens sich sinnvoll hintereinander lesen lassen, berührt die Tora in ihrer Eigenschaft als ein Text mit kanonischer Dignität. Diese zu würdigen, bedeutet nicht, hinter die Ergebnisse historisch-kritischer Forschung zurückzufallen oder sie gar zu leugnen. Im Gegenteil: Die Begründer des „canonical approach“, B.S. Childs und J.A. Sanders, haben ihren Ansatz mit der Genese der biblischen Texte gerechtfertigt. Sie haben Merkmale innerhalb des Wachstumsprozesses der Hebräischen Bibel ausgemacht, die sich als „canonical steps“ bezeichnen lassen. Israel nahm ältere Traditionen auf, tradierte sie weiter und machte sie für die jeweilige Gegenwart fruchtbar. Damit lautet die Frage: In welcher Funktion konnten die Texte der Vergangenheit eine so hohe Bedeutung für eine Glaubensgemeinschaft erlangen? Der Prozess der produktiven Fortschreibung der Traditionen ist insbesondere von Childs und Sanders unter dem Begriff „canonical process“ untersucht und behandelt worden. „Mit dem Begriff des Kanons ist im wesentlichen nicht eine späte kirchliche Festlegung des Umfangs der normativen Schriften gemeint (eigentliche Kanonisierung), sondern ein tief im Schrifttum selbst wurzelndes Bewusstsein. Es erwächst aus einer besonderen Haltung der Tradenten gegenüber der Autorität der Schrift und spiegelt sich in der Weise, in der die Texte von verschiedenen Glaubensgemeinschaften empfangen, bewahrt und überliefert wurden.“1 Vor allem J.A. Sanders hat die Produktivität hervorgehoben, mit der Israel mit den Schriften der Tradition umging. Indem er die Funktion der Texte für die Identität Israels untersucht, stellt er im Grunde die hermeneutische Kernfrage: Wie ist dieser Prozess des Auslegens, Auswählens und Umgestaltens vor sich gegangen, so dass die Texte der Vergangenheit für Israel relevant blieben? Diese besondere Funktion konnten die Texte aufgrund ihrer Eigenschaft als stabiles und zugleich anpassungsfähiges Gebilde übernehmen. Eine Tradition wurde aufgenommen, weil sie auch in einer neuen Situation als dienlich empfunden wurde. Für Sanders stehen darum
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CHILDS, Theologie, 13.
„Kanon“ als wesentlicher Aspekt der Bibelauslegung
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„die Fragen nach dem Wesen der Autorität und nach der Hermeneutik, der gemäß diese Autorität in der Situation, in der sie gebraucht wurde, eingesetzt wurde“2 im Zentrum des canonical criticism. Die Lebendigkeit und Produktivität dieses Prozesses macht ihn zu einem Unternehmen von großer theologischer und hermeneutischer Kraft. Sanders ist vorgeworfen worden, die Frage nach dem Abschluss des Kanons nicht genügend berücksichtigt zu haben, die schließlich wesentlich zu dem Phänomen „Kanon“ gehöre3. Er bleibt bei der historischen Fragestellung, wie das Werden der Hebräischen Bibel zu verstehen sei, wodurch er die Situation eines heutigen Mitgliedes einer Glaubensgemeinschaft, das sich auf einen festgelegten Umfang und auf die Gestalt der Texte beziehen kann, nicht in den Blick bekommt. Hier setzt die Kritik von B. Childs ein, der in dem Abschluss des kanonischen Prozesses eine theologische Auszeichnung der uns vorliegenden Gestalt sieht, die für die heutige theologische Auslegung als Maßstab dienen sollte. “The reason for insisting on the final form of scripture lies in the peculiar relationsship between the text and people of God which is constitutive of the canon. [...] It is only in the final form of the biblical text in which the normative history has reached an end that the full effect of this revelatory history can be perceived.”4 Damit erhält die „final form“ eine Auszeichnung, die sie von allen Vorstufen des Wachstumsprozesses abhebt. Er rückt nicht die „ursprüngliche“ Fassung des Textes in den Mittelpunkt seiner Untersuchungen, wie dies die traditionelle historische Kritik tut, sondern die Endgestalt, allein diese Textgestalt und nur sie. Zwar ist Childs besonders an der Arbeit der Redaktoren interessiert, an den redaktionellen Anfügungen, um zu verstehen, welcher Anspruch beim Erreichen der Endgestalt eines Buches beabsichtigt war, dennoch hat die Intention der Redaktoren für ihn keine normative Bedeutung für seine Auslegungen. Maßgeblich für die Auslegung des Textes ist allein der literarische Kontext innerhalb der Bibel als Kanon. Die Hervorhebung der Endgestalt geht bei Childs konsequenterweise einher mit der scharfen Trennung zwischen Wachstum der biblischen Texte vor dem Abschluss und der hernach einsetzenden Kommentierung der Bibel. “When Israel later reinterpreted its scriptures to adress the changing needs, it did so in the form of the targum, that is to say, commentary, which was set apart sharply from the received text of scripture.”5 In der uns jetzt vorliegenden Gestalt hat der Text die Autorität, die der Ausleger zu respektieren hat. Auf diese Weise bezieht Childs die Situation des heutigen Lesers mit ein, der sich seiner Ansicht nach von theologischen Frage-
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SANDERS, Story, 182. Vgl. D OHMEN / O EMING, Kanon, 23–24. 4 CHILDS, Introduction, 75–76. 5 CHILDS, Introduction, 59. 3
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1.Kapitel: Theoretische Grundlegung
stellungen leiten lassen muss, will er die biblischen Texte angemessen verstehen. 1.2. Herausforderungen der Endgestalt Die Vielschichtigkeit des Endtextes der Hebräischen Bibel ist Hinweis auf seine außerordentlich komplexe Entstehungsgeschichte. Die Frage nach der diachronen Schichtung des Textes liegt nur allzu nahe und ist aus literaturhistorischem und religionswissenschaftlichem Interesse heraus aufschlussreich und geboten. Die Neuinterpretationen geben sich gerade im Pentateuch als relecture der Vorgängertraditionen zu erkennen6 die allerdings nicht gestrichen werden, sondern vielmehr als zusätzliche Stimme neben der Neuinterpretation stehen bleiben. Es scheint sogar angemessen, von einem „Prinzip der Kanontradenten“7 zu sprechen, die diese Vielfalt hervorbrachten und erhielten. In dem Abschluss des Kanons kann man demzufolge eine Festschreibung der Differenzen sehen, da eine offene Fortschreibung der Texte die Spannungen wohl eher entschärft und abgeschwächt hätte8. Dem heutigen Leser begegnen diese zum Teil widersprüchlichen Aussagen nebeneinander in einem Text. Der Rezipient, die Rezipientin müssen sich mit aller Deutlichkeit die Frage stellen, was „eine Einheit von offenkundig Verschiedenem“9 für ihn bedeutet und wie er mit einem solchen Textgefüge umgeht. Eine Analyse der diachronen Schichtung kommt einer Entflechtung des Ineinandergewobenen gleich. Wenn sich ein Leser jedoch der Herausforderung des Kanons in seiner jetzigen Gestalt stellen will, muss er die Vielzahl der Stimmen wahrnehmen, die innerhalb des kanonischen Textkorpus versammelt sind. Die Hervorhebung einer Autorenintention, wie z.B. der des Endredaktors, löst dieses Problem nicht wirklich. Zu umfangreich, zu vielschichtig sind die Textblöcke, die die Redaktoren bereits vorgefunden haben, als dass der Sinn des Endtextes über ihre Intention abgedeckt wäre. Im Gegenteil: Die Redaktoren haben neben all ihrer Gestaltungskraft, die sicherlich auf die Texte eingewirkt hat, doch auch gerade Widersprüchliches nebeneinander stehen lassen. Die Konzentration auf die Redaktoren muss sich demzufolge dem Vorwurf einer „bequemen ‚Reduktion von Komplexität‘“10 ausgesetzt sehen. Wir
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Beispiele: Ex 3 und 6; Gen 28 und 35; Dtn 5 und Ex 20, um nur die gängigsten zu nennen. 7 O EMING, Texte, 249. 8 FISCHER, Kunst, 94. 9 CRÜSEMANN, Tora, 17, hier im Zusammenhang mit der Rechtsproblematik, der sich jedoch ebenso auf die narrativen Passagen des Pentateuch ausdehnen lässt. 10 BLUM, Endgestalt, 49, der hier eine Vielzahl von Redaktionen anführt und damit anschaulich macht, wie schwierig hier die Wahl fallen würde. Den in der Diskussion so oft zitierten Endredaktor sieht er lediglich als „exegetisches Konstrukt“. Die im folgenden in Klammern stehenden Seitenzahlen beziehen sich auf diesen Aufsatz.
„Kanon“ als wesentlicher Aspekt der Bibelauslegung
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müssen beim Pentateuch von einer „spezifischen Schwierigkeit bei der Frage nach der Aussageintention“ (49) ausgehen, zumal wir es sogar mit intendierten Diskontinuitäten in den Texten zu tun haben11. Blum sieht hierin sogar „ein[en] wesentlichen Schlüssel für das Verstehen unseres Pentateuch[s]“ (50). Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass der Text des Pentateuch an die Produktivität des Lesers besondere Herausforderungen stellt, der sich hier kaum der Intention eines Autors überlassen kann, um aus der Endgestalt einen Sinn zu erschließen. Woran kann sich der Leser dann orientieren? Bleibt angesichts dieses Befundes nur die Möglichkeit im Hinblick auf die Endgestalt, „diesen Text als ein offenes Potential für unbegrenzte Sinnrealisierungen frei[zu]geben?“(48) 1.3. Grenzen der Interpretation Blum, der die Probleme der Rückfrage nach „Intentionen“ sehr scharf sieht, hält eine rezeptionsästhetische Analyse auch deshalb für unangebracht, weil sie die „regulativen Prinzipien“ nicht bereitstelle, anhand derer „die Frage nach einer ‚angemessenen‘ Interpretation“ überhaupt diskutiert werden könne12. Im Falle des Pentateuch, bei dem die Textstrukturen nur teilweise auf „primäre Textbildungsstrategien“ zurückzuführen seien, liefe dies auf eine Freigabe des Textes „als offenes Potential für unbegrenzte Sinnrealisierungen“ hinaus (48). Für eine religiöse Rezeption sei dies durchaus sinnvoll. Auch die Midraschauslegung, die er freilich ebenfalls bereits innerhalb des Pentateuch am Werke sieht, sei auf Entschränkung des Bedeutungspotentials angelegt (57). Bei solchen „dominant rezeptionsgeleiteten Deutungen“ (Midraschexegese und „neuzeitlich - literarische Ansätze“ werden hierunter subsumiert) seien die Grenzziehungen der Interpretation „vorrangig durch die Erfahrungen und Maßstäbe der betreffenden Gemeinschaft bestimmt“ (57). Für die „Exegese als wissenschaftliche Disziplin“, die von der „Konsensfähigkeit im offenen Diskurs“ lebe, bleibe die Frage nach „regulativen Prinzipien“ für die Interpretation der Texte unverzichtbar (48). Er stellt darum die These auf, dass „ein solches elementares Regulativum [...] notwendigerweise die Orientierung an der Aussageintention“ (48) bleibe, und schreibt damit die „Regulativfunktion“ einer „möglichen Intention der geschichtlichen Tradenten“ der Pentateuchtraditionen zu (48/49). Diese diachronen Abklärungen sieht er dann als „Vorarbeiten“ für das Verstehen der Endgestalt. Maß und Ziel der exegetischen Anstrengungen sei dann deren „Sinnrelief“ (53).
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Für den Bereich der Rechtsgelehrsamkeit stellt CRÜSEMANN, Tora, 407, fest: „Der Zwang zum sachlichen Ausgleich, die Entscheidung, wonach jeweils in der Realität zu verfahren war, wurde dabei der Schrift- und Rechtsgelehrsamkeit überwiesen.“ 12 BLUM , Endgestalt, 48. Die nachfolgenden Seitenzahlen in Klammern beziehen sich wiederum auf diesen Aufsatz.
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1.Kapitel: Theoretische Grundlegung
In den Beispielen begibt sich Blum auf die Suche nach „intendierten kompositorischen Zusammenhängen“, die sich auch „jenseits der spezifischen Bedingungen der Narratio“ (56) finden lassen. Damit ist die Frage, wie mit einem Text zu verfahren ist, der eine „Einheit von offensichtlich Verschiedenem“ darstellt und der von „mehr als einem Gestaltungswillen“ (53) geprägt ist, im Kern nicht gelöst. Blums Beispiele machen deutlich, dass er doch der jeweils späteren Überlieferungsschicht die eigentliche Autorität zukommen lässt: Gen 35 sieht er als korrigierende „ätiologische“ Erzählung von Gen 28: „Das ‚richtige‘ Verständnis wird also nicht mit Hilfe einer Bearbeitung in den alten Text eingetragen, sondern in unverdecktem Widerspruch daneben gestellt.“ (50) Auch Ex 6,3 sieht er als verbindliche Interpretation der gesamten vorangehenden Darstellung, „einschließlich seiner widerständigen Komponenten“ (51). Das gibt jedoch Anlass zur Frage, ob dem Rezipienten durch diesen Text nicht mehr aufgetragen wird als nur die „Korrektur“ einer späteren Tradentenschicht nachzuvollziehen. Wenn es den späteren Tradenten lediglich um ihre Sicht der Dinge gegangen wäre, hätten sie die ältere Tradition ohne Weiteres streichen können. Die ererbten Texte blieben jedoch stehen. Dafür, dass die diskontinuierliche Fügung das Ausdrucksmittel des Anspruches der späteren Schicht sein soll (51), fehlt bei Blum die Begründung. Es bleibt dabei: Die Frage nach Autorenintentionen und Auslegung der Endgestalt des biblischen Textes vertragen sich nicht. 1.4. Die produktive Rolle des Lesers Bei einem Text, der offensichtlich so hohe Anforderungen an die Sinnkonstitution des Lesers stellt, und bei dem darüber hinaus die ursprünglichen Autorenintentionen offensichtlich nur wenig zum Verständnis des Gesamttextes beitragen können, lohnt es sich, die aktive Rolle des Lesers genauer zu analysieren. Modelle, die in den letzten 30 Jahren innerhalb der Literaturwissenschaft entwickelt wurden, stellen ein reiches Instrumentarium bereit, das Phänomen „Lesen“ wissenschaftlich zu untersuchen13. Die ver-
13
Bekanntlich sind text- und leserorientierten Ansätze zunächst weniger in Deutschland, sondern vor allem im angelsächsischen Bereich (USA und Großbritannien), den Niederlanden, Frankreich und Israel rezipiert worden. Das mag u.a. institutionelle Gründe haben: In der angelsächsischen Welt ist die Exegese integraler Bestandteil der „Humanities“. Von dieser Nähe zu den Literaturwissenschaften hat die Exegese dort enorm profitiert. (Siehe O EMING / Pregla, Criticism, 6. In diesem Beitrag ist auch weiterführende Literatur zu diesem Themenbereich zu finden). In Deutschland ist die Abkehr von der Frage nach der Autorenintention mit der Aktualisierung der biblischen Texte gleichgesetzt worden. Aus diesem Grund sind die leserorientierten Ansätze vornehmlich von der Systematischen oder Praktischen Theologie rezipiert worden. Siehe dazu etwa die beiden Arbeiten zur Homiletik: Martin, Predigt und aus jüngerer Zeit G EHRING, Schriftprinzip. Die Fruchtbarkeit einer leseorientierten Fragestellung für die Systematische Theologie haben aufgezeigt: K ÖRTNER, Lector; SAUTER, Kunst; FISCHER, Kunst.
„Kanon“ als wesentlicher Aspekt der Bibelauslegung
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schiedenen Ansätze gehen dabei im Kern von unterschiedlichen „Lesern“ aus. Nur einige seien hier exemplarisch aufgeführt: Empirische Untersuchungen nehmen den „realen Leser“ (leider zu selten die „reale Leserin“) in den Blick. Anhand von empirisch-soziologischen Untersuchungen wird das Leseverhalten einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder -schicht untersucht, um damit Einblicke in reales Leseverhalten zu gewinnen. Mehr autorenzentrierte Modelle nehmen den „intendierten Leser“ in den Blick. Beim „idealen Leser“ geht man davon aus, dass die Kommunikation zwischen Autor und Leser ohne Missverständnisse funktioniert. W. Iser hat mit seinem Konzept des „implizierten Lesers“ das wohl meistdiskutierte Modell vorgelegt. Er geht dabei von den Textstrukturen aus, um die Wirkung zu beschreiben, die ein Text beim Leser auslösen kann. Dadurch bekommt er den Blick frei für den Anteil, den der Leser zu diesem „Akt des Lesens“14 beiträgt. Der Text, so Iser, ist zunächst eine „Partitur“, die der Leser erst in einem „Prozeß der Realisierung“15 durch einen Akt seines Bewusstseins zu neuem Leben erwecken muss. Die Nichtidentität der im Text dargestellten Wirklichkeit und der Welt des Lesers versteht Iser als Ausgangspunkt und Antriebsenergie für die Lektüre. Sie verläuft nicht ziel- und grenzenlos, sondern wird vom Text ausgesteuert. „So rückt das Konzept des implizierten Lesers die Wirkungsstrukturen des Textes in den Blick, durch die der Empfänger zum Text situiert und mit diesem durch die von ihm ausgelösten Erfassungsakte verbunden wird.“(61) Die Mittel, die der Text dazu parat hält, bestehen aus Segmenten, die der Autor bei dessen Produktion in den Text einzieht: Elemente, die er aus seinem sozio-kulturellen Hintergrund auswählt. Sie bezeichnet Iser als das ‚Repertoire‘ eines Textes (115), das der Autor in dem von ihm produzierten Text aus seiner Gestaltungsperspektive heraus zu einer ‚Strategie‘ organisiert (143f). Auf diese Weise richtet der Text Perspektiven für den Leser ein, die der Leser mit seinem „wandernden Blickpunkt“ (177f.) nacheinander einnimmt. Der Text bewirkt somit während der Lektüre eine Sequenz von Vorstellungsakten, wodurch sich im Bewusstsein des Lesers eine Gestalt herauszubilden beginnt. Die Hervorbringung dieser Gestalt ist zwar vom Text ausgesteuert, vom Leser jedoch erzeugt, der dabei – bewusst oder unbewusst – auf seine eigene Lebenswirklichkeit und -erfahrung zurückgreift. Der Leser trägt ein bestimmtes Vorverständnis an den Text heran, das im Lauf der Lektüre vom Text korrigiert, umgelenkt, enttäuscht oder bestätigt wird. Gleichzeitig werden vom Text wieder neue Erwartungen erzeugt, die wiederum im Sinne des Textes gelenkt werden. Es entsteht eine Interaktion zwischen Text und Leser. Durch die vom Text ausgesteuerten Vorstel14
So der Titel des wohl einschlägigsten Werkes: I SER, Akt. Siehe aaO, 113. Die im folgenden in Klammern stehenden Seitenzahlen beziehen sich auf diese Monografie. 15
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1.Kapitel: Theoretische Grundlegung
lungssequenzen geschieht etwas in der Imagination des Lesers, das als Wirklichkeit erlebt wird16. Jeder literarische Text wird einige seiner Aussagen nicht explizit ausdrücken, sondern vielmehr den Leser an bestimmten Punkten durch Weglassen von bestimmten Informationen zu einer „projektiven Besetzung des Ausgesparten“ (265) veranlassen. (Eine literarische Figur gewinnt z.B. erst durch die Schilderung ihrer widersprüchlichen Seiten an Kontur. Die verschiedenen Züge in einer Person zu vereinigen, ist Sache des Lesers.) Für die projektive Besetzung steht dem Leser seine eigene Lebenserfahrung zur Verfügung, die er besonders an den „Leerstellen“ des Textes „einstiften“ kann. „Die Leerstellen sparen die Beziehungen zwischen den Darstellungsperspektiven des Textes aus und ziehen dadurch den Leser zur Koordination der Perspektiven in den Text hinein: sie bewirken die kontrollierte Betätigung des Lesers im Text.“ (267) Wer sich dieses Textzuganges bedient, wird vom „Leser“ bzw. der „lesenden Person“ sprechen, die oder der jedoch ausschließlich von den vorliegenenden Textstrukturen her definiert wird. 1.5. „Hermeneutische Inversion“ Der Leser bringt während der Lektüre seine eigenen Erfahrungen mit ins Spiel, die durch den Text in neue, möglicherweise für den Leser ungewohnte Zusammenhänge gebracht werden: Sie werden zur „Disposition des Textes gestellt“17. Damit wird aber gleichzeitig das Wertgefüge des Lesers hinterfragt und die gemachten Lebenserfahrungen können möglicherweise in einem anderen Licht gesehen und neu interpretiert werden. Iser redet in diesem Zusammenhang von einer „Umschichtung sedimentierter Erfahrung“ (143). Der Leser macht eine „Erfahrung mit seiner Erfahrung“, auch als „ästhetische Erfahrung“ (217) zu verstehen, die dann nichts mit „genießerischer Unverbindlichkeit“ gemein hat. Sie zielt vielmehr auf die Kritik und bereitet damit der Veränderung bestehender Ver16
D IECKMANN, Segen, 120, sieht bei dem Konzept des „impliziten Lesers“ das Problem, „dass das Rollenangebot nie ‚objektiv‘, d.h. niemals unabhängig vom Verstehenshorizont der Rezipient/inn/en zu analysieren ist.“ Es ist kaum zu bestreiten, dass verschiedene Leser im Laufe der konkreten Lektüre das Rollenangebot des Textes sehr unterschiedlich realisieren. Für die Arbeit am Text halte ich es dennoch für ein handhabbares Konzept, weil es den Blick auf die Textstrukturen selbst frei gibt. Eine Analyse der konkreten Lektüren im Laufe der Wirkungsgeschichte erfordert einen enormen Aufwand, der von der Arbeit am Text ablenken kann. Dies ist jedoch ein rein pragmatisches Argument, kein grundsätzliches. Im konkreten Vollzug seiner Auslegung geht D IECKMANN beinahe ausschließlich von den gegebenen Textstrukturen aus. Auch der von ihm dargestellte Lektüreprozess bleibt letztlich eine „hypothetische Konstruktion“ (aaO, 132). Zur theoretischen Grundlegung eines wirkungsgeschichtlichen Konzeptes siehe JAUSS , Literaturgeschichte, das in der Exegese im deutschsprachigen Raum von ERBELE-K ÜSTER im Blick auf die Psalmen rezipiert worden ist (dies, Akt). 17 FREY, Leser, 272.
„Kanon“ als wesentlicher Aspekt der Bibelauslegung
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hältnisse den Weg. Der Leser gerät mit seinen Erfahrungen in den Text hinein und lernt sich selbst neu zu verstehen. Nicht der Leser versteht den Text, sondern der Text „versteht den Leser um“18. Damit bietet sich eine andere Rede als die vom „Sinn“ eines Textes an. Der „Sinn“ wäre dann nicht mehr durch möglichst geschicktes Nachfragen „hinter“ den Text zu ermitteln (etwa nach der Intention des Autors), der dann in diskursiver Sprache zu verhandeln wäre. Eine gegenüber dem erzählenden Text bedeutende Reduktion der Sprache wäre die Folge. Die Erzählung wäre dann mit einem Rätsel vergleichbar, das einmal gelöst, seinen Reiz verlöre. Der Leser wäre nur der Konsument eines „Sinnes“, den der Autor im Text verborgen hätte19. Geht man von der wechselseitigen Kommunikation zwischen Text und Leser aus, muss vielmehr von der Bedeutung zu handeln sein, die der Text durch seine verändernde Wirkung für einen Leser bekommt. Die Applikation ist integraler Bestandteil des Verstehens20. So gesehen gewinnt die Rezeptionsästhetik dem Umstand, dass ein Text seine Ursprungssituation transzendiert, etwas Positives ab. Eine Erzählung kann überhaupt erst wieder in einen neuen Lebensbezug eingefügt werden, wenn sie aus dem Kontext herausgelöst wird, in dem sie entstand. „Erst dadurch, dass jeder Text die Situation seines Entstehens übersteigt, wird er für andere lesbar und dafür offen, in neuen Situationen bedeutsam zu sein.“21 1.6. ‚Funktion‘ der Texte Wenn beim Ansatz W. Isers der Text unter dem Blickwinkel seiner Wirkmöglichkeiten auf den Leser betrachtet wird, wird er in seiner Funktion gesehen, auf die er hin angelegt ist. Wenn demzufolge von seinen „Sinnpotentialen“ die Rede ist, die sicherlich die Vielheit der Interpretationen zulässt, heißt dies nicht, dass der Leser bei der Konkretisierung des Textes an keine Grenzen stößt. Der Isersche Ansatz macht lediglich die Erfassungsakte bei der Lektüre anhand phänomenologischer Kategorien verstehbar und beschreibt das Lesen als Prozess der Interaktion zwischen der Subjektivität des Lesers und den ihn leitenden Strukturen des Textes. Damit bekommt er die Gegebenheiten in den Blick, die – auch für die wissenschaftliche – Lektüre der Texte relevant sind. Eine eher autorenzentrierte Betrachtungsweise wird ergänzt und relativiert durch die Beleuchtung einer weiteren, nicht weniger wesentlichen Beziehung in dem Kommunikationsdreieck Autor – Text – Leser, der Interaktion zwischen Text und Leser.
18
Vgl. K ÖRTNER, Leser, 111. I SER, Akt, 14f. 20 G ADAMER, Wahrheit, 312. 21 D IECKMANN, Segen, 114, unter Bezugnahme auf Ricoer, Hermeneutik, 28–29. 19
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1.Kapitel: Theoretische Grundlegung
Unter diesem Aspekt muss der funktionale Aspekt des Textes in den Blick kommen. Es wird die „Beziehung der Beschaffenheit der Zeichen und der Reaktion des Empfängers berücksichtigt.“22, die einen wesentlichen Faktor im Prozess des Verstehens ausmachen und die ansonsten unberücksichtigt blieben. Es stellt sich die Frage, ob sich bei Blum durch die Heraushebung zwar nicht des Endredaktors, doch der jeweils letzten Hand an einem Textkomplex, nicht doch durch die Hintertür die „bequeme Reduktion von Komplexität“ einschleicht, die er am Anfang seiner Untersuchung zu vermeiden suchte23. Diese würde erst dann vermieden, wenn die Widersprüche und Spannungen des Endtextes stehengelassen und ausgehalten würden, ohne dass einer Überlieferungsschicht größere Autorität gegenüber der anderen eingeräumt würde. Dann aber bleibt die Frage, ob die Rückfrage nach den Intentionen der Tradenten überhaupt so etwas wie „regulative Prinzipien“ für das Verständnis des Endtextes bereitstellen. Hätte man verschiedene, sich wohlmöglich widersprechende Intentionen herausgearbeitet und würde gänzlich auf die Hervorhebung einer Tradentenschicht verzichtet, bliebe dann immer noch die Frage, wie der heutige Leser auf die Widersprüche und Spannungen im Textgefüge reagiert. Der Sinnkonstitution wären dann immer noch keine Grenzen gesetzt. Liegt es da nicht näher, die einzelnen Segmente des so gewachsenen Textes in ihrer Funktion für den heutigen Leser zu beschreiben? Sie geben einen greifbaren Anhaltspunkt für eine Begründung, warum jemand den Text so und nicht anders liest. 1.7. Schrift und Inspiration Zu diesem oben skizzierten kanonischen Prozess gehört eine weitere, bisher nur angedeutete Größe. Die Traditionen konnten nur innerhalb einer Gemeinschaft produktiv fortgeschrieben werden, die auf Gott vertraute, dessen Geschichte mit seinem Volk nicht nur bedeutungslose Vergangenheit war. Vielmehr sind die produktiven Rezeptionen der alten Traditionen, ihre Neuerschließung für die Gegenwart Ausdruck des Gottvertrauens Israels. Das Wachstum des biblischen Schrifttums ist also nicht der Wirksamkeit der Texte allein zuzuschreiben, vielmehr gehört zu deren Verständnis 22
FREY, Leser, 267. BLUM, Endgestalt, 49, bezeichnet mit dem Ausdruck der „Reduktion von Komplexität“ die Vernachlässigung der Tatsache, dass beim Pentateuch mehr als nur ein Gestaltungswille am Werk war. In der Rezeptionsästhetik ist diese Wendung ein seit langem gängiges Schlagwort, die einen Umgang mit Texten qualifiziert, der durch die Frage nach der Autorenintention der prozessualen Entfaltung der Wirkung des Textes beim Akt des Lesens nicht Rechnung getragen wird. I SER, Akt, 36: „Rückt dieser Sachverhalt in den Blick, dann kann sich die Interpretation nicht mehr darin erschöpfen, ihren Lesern zu sagen, welchen Inhalts der Sinn des Textes sei; vielmehr muß sie dann die Bedingung der Sinnkonstitution selbst zu ihrem Gegenstand machen. Sie hört dann auf, ein Werk zu erklären, und legt stattdessen die Bedingung seiner möglichen Wirkung frei.“ 23
„Kanon“ als wesentlicher Aspekt der Bibelauslegung
35
die Inspiration, die sich im Gottvertrauen manifestiert, untrennbar hinzu. Die prinzipielle Unabgeschlossenheit der Texte und die von Situation zu Situation neu zu hörende viva vox gehören zusammen, nur so lässt sich verstehen, warum dieser Wachstumsprozess so fruchtbar geblieben und nicht erstarrt ist. „Die Festschreibung des göttlichen Willens in schriftlicher Form in Gestalt eines Buches bedarf der Ergänzung durch weitergehende innovative Gottesrede, soll sie nicht zur Erstarrung führen. Der Kanon und die viva vox gehören zusammen.“24 Dabei fällt auf, dass nicht Staat, Königtum oder eine Aristokratie Träger der literarischen und religiösen Entwicklung in den entscheidenden Phasen der Kanonbildung waren, sondern „kleine, freie Bauern, Priester und anderes Kultpersonal, Beamte, Schreiber und Schriftgelehrte, kurz ‚Mittelschichten‘.“25 Die Frage der Schriftinspiration kreist nicht um einzelne Autoren, sondern um eine Gemeinschaft, die sich im Vertrauen auf die Gegenwart Gottes die Traditionen produktiv aneignete und somit ihre Situation aus vergangener Erfahrung erhellte. Inspiration ist somit als Lebensvollzug einer Glaubensgemeinschaft zu begreifen26, die sich angemessener mit einem soziologischen Ansatz beschreiben lässt, wie ihn Pierre Grelot vorgelegt hat27. Erst so kann deutlich gemacht werden, dass das Wachstum des Textkorpus der Hebräischen Bibel in einer konkreten Glaubensgemeinschaft gründet. 1.8. Besondere Merkmale biblischer Interpretation Die oben diskutierten rezeptionsästhetischen Ansätze sind an literarischen Texten entwickelt worden. Die Exegese wird sich jedoch die besonderen Merkmale der biblischen Texte vor Augen zu führen haben, die eine unkritische Übernahme dieser Textzugänge für ihre Interpretation verbieten28.
24
CRÜSEMANN, Tora, 422. CRÜSEMANN, Vaterland, 65. 26 Vgl. D OHMEN / O EMING, Kanon, 48: „Daraus folgt, dass die Offenbarung über die Inspiration einer bestimmten Schrift dadurch ergeht, dass diese Schrift als Lebensvollzug der Glaubensgemeinschaft entsteht und in dieser Glaubensgemeinschaft (produktiv) rezipiert wird. Diese spezifische Form der Rezeption, die das zutage fördert, was Inspiration aussagen will, stellt zugleich den Ausgangspunkt des kanonischen Prozesses dar, so dass letztendlich Inspiration und Kanon dieselbe Wurzel haben und untrennbar miteinander verbunden sind.“ 27 G RELOT, Überlegungen, insbesondere 568, siehe bei D OHMEN / O EMING, Kanon, 46. 28 FISCHER, Kunst, 68. In jüngerer Zeit sind etliche exegetische Arbeiten erschienen, die anhand rezeptionsorientierter Ansätze die kanonische Endgestalt würdigen. Um nur einige zu nennen: MAYRDOMO, Anfang; STEINS, Bindung; D IECKMANN, Segen; ERBELEK ÜSTER, Akt; TASCHNER, Verheißung; N ISSLMÜLLER, Rezeptionsästhetik; K LEIN, Leseprozess; BUTTING, Prophetinnen; N ITSCHE , David. All diese Arbeiten enthalten theoretische Begründungen ihres Textzugangs. 25
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1.Kapitel: Theoretische Grundlegung
1.8.1. Die Glaubensgemeinschaft Die „Glaubensgemeinschaft“ droht bei Childs zu einer zeitlosen, abstrakten theologischen Größe zu werden, die sich in der „final form“ der Hebräischen Bibel wiederfindet und sich ihr anvertraut. Durch die hohe theologische Auszeichnung, die er der Endgestalt zukommen lässt, droht die historisch greifbare Dynamik des gesamten Entstehungsprozesses, der zu dem uns heute vorliegenden Text führte, belanglos zu werden. Womit möchte Childs den qualitativen Unterschied der Glaubensgemeinschaften, die die Traditionen weitertradierten, gegenüber denjenigen rechtfertigen, die die Texte zu ihrem Abschluss gebracht haben?29 Durch die Hochschätzung der „final form“ besteht die Gefahr, dass für ihn die Glaubensgemeinschaft und mit ihr der Gehalt der Texte zu blutleeren Chiffren werden. Es ist John Barton zuzustimmen, wenn er Childs in die Nähe des literary criticism, der nordamerikanischen Variante der werkimmanenten Interpretation, rückt30. Von daher sind Childs Rede von „der Glaubensgemeinschaft“ und seine Versuche verstehbar, zu einer „kanonischen Einheitsschau“31 zu gelangen. 1.8.2. Die theologische Bedeutung der Brüche und Spannungen Aus dem Entstehungsprozess der Hebräischen Bibel ist jedoch ein Text voller Brüche, Spannungen und Widersprüche erwachsen. Damit ist nicht gesagt, dass der Tradtionsprozess, dem sich die biblischen Texte verdanken, richtungs- und ziellos verlaufen wäre. Gott selbst ist die Mitte, um die es den Texten immer wieder geht32. Daran festzuhalten ist für eine theologisch reflektierte Exegese unverzichtbar. Es gehört zum Wesen dieser „Sachmitte“, dass sie sich nicht ein- für allemal ergreifen und sichern lässt. Der Kanon ist nicht umsonst weit davon entfernt, eine in sich geschlossene Einheit zu bilden. Er ist vielmehr „ein Raum, innerhalb dessen die theologische Reflexion zu je ihrer Zeit lebendig und differenziert bleiben muss. Ein streng kanonischer Zugang wird gerade nicht von der kanonischen Sicht des Alten Testamentes sprechen können.“33 In diesem Zusammenhang führt Dohmen das eindrückliche Beispiel von dem Nebeneinander der beiden Dekalogvarianten von Ex 20 und Dtn 5 als Hinweis darauf an, dass die Kanonisierung nicht das Ende der Glaubensgeschichte bedeuten will, sondern dessen Fortschreibung34. Durch das Stehenlassen der Widersprüche und Spannungen legt sich ein Umgang mit den Texten nahe, dem die produktive Neulektüre während des kanonischen Prozesses nicht grund-
29
D OHMEN / O EMING, Kanon, 24. BARTON, Reading, 90. 31 O EMING, Text, 250. 32 JANOWSKI, Kanon, 19. 33 O EMING, Text, 250. 34 Vgl. D OHMEN / O EMING, Kanon, 25. 30
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sätzlich wesensfremd ist, sondern mit dem tief im Schrifttum eingewurzelten kanonischen Bewußtsein im Einklang steht. Damit liegt die Suche nach einem eindeutig für alle Zeiten bestimmbaren Sinn, das Streben nach umfassender Konsistenz im Kanon im deutlichen Widerspruch sowohl zu der Entstehungsgeschichte als auch zu der Textgestalt der Hebräischen Bibel, weil sie sich der „erdrückenden Komplexität“35 nicht stellt. Zu der „Herausbildung einer Sachmitte“36 gehört ganz offenbar auch das Stehenlassen von Brüchen und Spannungen, die der Traditionsprozess hervorbrachte. Keine menschlich begreifbare Kohärenz kann Gott je ganz einfür allemal fassen. Jede Generation muss sich auf das „Wagnis des Zusammen-Denkens“37 der unterschiedlichen biblischen Aussagen und Erzählungen über Gott neu einlassen. 1.8.3. Bibel als Geschichtsbuch Ein wesentlicher Unterschied der Bibel zu herkömmlicher Literatur besteht darin, dass sie den Anspruch erhebt, von historischen Ereignissen zu berichten, wenn auch aus der ihr eigenen Perspektive. Der „Realitätsgehalt“ ihrer Angaben ist in diesem Zusammenhang nicht zu diskutieren. Wesentlich ist ihr Anspruch, von Geschehnissen zu handeln, die auch für den heutigen Leser relevant sind. Daran ist aus theologischer Sicht grundsätzlich festzuhalten, will man den Bezug Gottes zu seiner Schöpfung und der Geschichte mit seinem Volk nicht preisgeben. Dieser Anspruch lässt sich jedoch in das Kommunikationsmodell der oben skizzierten, rezeptionsästhetischen Textzugänge einzeichnen. Es wird genau zu beobachten sein, auf welche Art und Weise der biblische Text den Leser mit diesem Anspruch konfrontiert und ihn dadurch zu dem Berichteten einstellt. Damit geraten jedoch gleichzeitig die Perspektiven in den Blick, die der Text für den Leser einrichtet, das berichtete Ereignis zu betrachten. 1.8.4. Die unterschiedlichen Perspektiven Dem Umstand, dass jedes Ereignis aus unterschiedlichen Perspektiven gesehen werden kann, wird innerhalb des biblischen Kanons durch die häufigen Mehrfachüberlieferungen Rechnung getragen38. Durch sie werden für den Leser mehrere Standpunkte eingerichtet, um ein- und dasselbe Geschehen in Augenschein zu nehmen. Diese Vielzahl an Perspektiven und
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O EMING, Text, 250. JANOWSKI, Kanon, 19 (s.o.). 37 JANOWKSI, Kanon, 36, der sich hier auf SAEBO, „Zusammen-Denken“ beruft (siehe dort Anm. 74). 38 Beispiele: Die vier Evangelien im NT, das Hintereinander von Tetrateuch und Dtn; das Nebeneinander der Geschichtsbogens, der von Gen – 2.Kön reicht und des Chronistischen Geschichtswerkes. 36
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1.Kapitel: Theoretische Grundlegung
die aus ihr resultierende Pluralität kann für sich jedoch kanonischen Rang beanspruchen. Unter diesem Blickwinkel ist eine andere Würdigung der Wiederholungen innerhalb des AT und des NT möglich39. Im Rahmen des historischkritischen Paradigmas ist die Wiederholung ein Anzeichen dafür, dass mehrere Autoren am Werk sind. Das lässt sich damit erklären, dass die historisch-kritische Forschung in einer „Ästhetik der Originalität“ wurzelt40. Intertextuelle, rabbinische und rezeptionsorientierte Konzepte können demgegenüber der Wiederholung durchaus ihren Reiz abgewinnen. „Denn sie [die Wiederholungen] führen in einen Raum der Orientierung und Sicherheit, in dem wir uns zu Hause fühlen und glücklich sind, das Bekannte wiederzufinden, so dass wir immer wieder gern an diesen Ort zürückkehren.“41 Doch auch die gegenteilige Erfahrung ist möglich: „Jede Wiederholung innerhalb einer Erzählung bzw. jede wiederholte Aufführung gibt Raum für den Reiz des Neuen, das spannungsreiche Spiel mit dem Gewohnten: mit der Wort-Semantik, die sich bei jeder Erwähnung ein wenig verschiebt, oder mit der Erzählgrammatik, die stets etwas abgewandelt wird – von der kleinen Abweichung bis zur Auflösung der Erzählstrukturen.“42 Die Bedeutung, die die Ereignisse der im AT und NT dargestellten Geschichte für den heutigen Leser haben, lässt sich somit nicht auf eine einzig mögliche reduzieren. Sie wird wie die Konkretisierung der Texte innerhalb innerhalb des oben aufgezeigten Kommunikationsdreiecks immer wieder neu zu erstellen sein. Damit steht allerdings das Streben nach einer „möglichst authentische(n) Begegnung mit dem historischen Gegenstand“43, das Berger fordert, in Widerspruch. Er sieht darin den Ausdruck der Glaubensgemeinschaft (in diesem Fall der Kirche), „sich immer wieder an den Anfängen orientieren zu wollen“ und so in den „Bannkreis seiner Fremdheit und Anstößigkeit“44 zu gelangen. Erstens nimmt dieses Streben die für die religiöse Gemeinschaft kanonisch gewordenen – und damit normativen – Texte mit den ihnen eigenen Perspektiven nicht ernst. Zweites ist mit der auf diese Weise sichergestellten „Fremdheit“ der Texte noch nichts über ihre Relevanz für den Glauben des Lesers ausgesagt, wie Berger meint, da von der Fremdheit des sozio-kulturellen Kontextes der Entstehung der biblischen Texte und der aus ihr heute möglicherweise herauszulesenden umfassenden Herausforderung Gottes an gegenwärtige Le39
Diesen Aspekt hat D IECKMANN , Segen, in seiner Einleitung (S.11–132) anschaulich herausgestellt. 40 D IECKMANN, Segen, 103. 41 D IECKMANN, Segen, 104. 42 D IECKMANN, Segen, 105. 43 BERGER , Hermeneutik, 160–161. 44 BERGER , Hermeneutik, 161.
„Kanon“ als wesentlicher Aspekt der Bibelauslegung
39
bensgewohnheiten nicht sorgfältig geschieden wird45. Erst die Abhebung des historischen Erwartungshorizontes vom gegenwärtigen kann hier zur notwendigen Klarheit führen. Erst so wird getrennt, was das Streben nach möglichst authentischer Begegnung mit dem historischen Gegenstand vermischt. Der historisch-kritischen Forschung kann es nur um die ursprüngliche Funktion des Textes gehen und auf diese Weise „nur ein Teil der Befestigung [eines] Spannungsbogens liefern.“46 1.8.5. Kanon und Glaubensgemeinschaft Ein weiteres wesentliches Merkmal, das die Bibel von anderer Literatur unterscheidet, ist, dass sie als Kanon einer Glaubensgemeinschaft verstanden werden will und damit einen anderen Grad der Verbindlichkeit einfordert. Diese darf jedoch nicht dazu führen, dass sie als „autoritative“ Texte eingestuft werden, deren Sinn im Grunde von vorne herein feststeht, wie Jauß dies versteht: „Im Unterschied zur religiösen Erfahrung mit autoritativen Texten, deren Sinn vernehmen kann, wer ‚Ohren hat zu hören‘, ist der poetische Text auf den freieren Spielraum eines dialogischen Verstehens angelegt, in dem sich ein nicht schon ‚geoffenbarter Sinn‘ im vermittelnden Horizont von Frage und Antwort von Rezeption zu Rezeption weiter konkretisiert.“47 Die Bedeutung dieser Anrede steht beileibe nicht von vorne herein fest, wenn einer nur „Ohren hat zu hören“. Vielmehr muss sich der heutige Leser genauso auf das Wechselspiel von Frage und Antwort einlassen, will er diese als Anrede Gottes vernehmen. Dieses verläuft jedoch nach „kanonischen“ Spielregeln, die die Autorität der biblischen Texte anders begründbar machen. Sie wird darin zu suchen sein, dass der „Frage des Textes an mich“ eindeutig der Vorrang einzuräumen ist48, denn nur so werden die Texte als Anrede Gottes verstanden49. Hierin liegt ein entscheidender Unterschied zur herkömmlichen Literatur. Das Wechselspiel zwischen Text und Leser findet aber dennoch in einer Weise statt, die sich mit rezeptionsästhetischen Kategorien beschreiben lassen. Der Kanon verweist zum einen auf die Glaubensgemeinschaft, innerhalb derer er eine besondere Funktion einnimmt, zum anderen auf den lebendigen Gott, von dem in den biblischen Texten die Rede ist. Beides lässt sich nicht voneinander trennen.
45
Vgl. auch O EMING, Lob, der die Fremdheit der Texte ebenfalls allein durch ihren soziokulturellen Abstand gesichert sehen will. 46 D OHMEN, Schriftsinn, 55. 47 JAUSS, Abgrenzung, 740. 48 JAUSS, Abgrenzung, 398. 49 FISCHER, Kunst, 80: „Unter der theologischen Voraussetzung, in der Bibel das Wort Gottes zu vernehmen, ihre Texte mithin als Anrede zu verstehen, erkennt der Bibelleser dem Bibeltext das erste, maßgebliche Wort zu; Darin liegt gleichsam der innere Grund der ‚Kanonizität‘.“
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1.Kapitel: Theoretische Grundlegung
Bei der Lektüre des Kanons werden die Leser vor die ungewöhnliche Aufgabe gestellt, den Willen Gottes aus einer nicht immer eindeutigen Anordnung von Texten zu erschließen. Biblische Texte stehen im Unterschied zu literarischen Werken innerhalb eines klar umgrenzten Kanons, der innerhalb einer Glaubensgemeinschaft unmittelbare Relevanz für die Lebensführung beansprucht. Der Kanon etabliert somit samt seinen Wiederholungen einen verbindlichen Kontext, innerhalb dessen der je einzelne Text gelesen wird50. Wenn aber gilt, dass der Kanon nach außen hin geschlossen, aber in sich offen ist, so gilt es die Dialogizität der Texte im Sinne einer „konturierten Intertextualität“51 zu nutzen: „Der Kanon stellt einen Spielraum von Kontextualisierungsmöglichkeiten bereit. Er leitet an zu einer kreativen Lektüre und erfordert diese, um das Potential auszuschöpfen. Im Blick auf diese Funktion des Kanons ist es die Aufgabe der Exegese, Rezeptionsmöglichkeiten auszuloten, die Potentialität des Textes aufzudecken.“52 Dies kann jedoch nur in Gemeinschaft mit anderen Mitgliedern der Glaubensgemeinschaft und im Vertrauen auf die Gegenwart Gottes geschehen. Die Glaubensgemeinschaft hält die Erfahrungen und Maßstäbe bereit, mit denen die Texte ausgelegt werden. Neben den Textstrukturen ist hierin die zweite Instanz zu sehen, die der Beliebigkeit im Umgang mit biblischen Texten einen Riegel vorschiebt. Welche Interpretation ‚möglich‘ oder ‚unmöglich‘ ist, wird „immer unmerklich durch die jeweilige Auslegungsgemeinschaft festgelegt“53. Daraus wird jedoch auch ersichtlich, dass ‚Kanon‘ nie nur einen besonderen Textumfang oder -inhalt bezeichnet. Dieses Phänomen lässt sich ohne die dazugehörige Gemeinschaft gar nicht verstehen. „Die unterschiedlichen überlieferten Kanongestalten sind nicht etwa Unglücksfälle einer bedauerlicherweise nicht einlinig verlaufenen, zerfaserten Überlieferungsgeschichte, sondern Ausdruck unterschiedlicher Rezeptionen und damit Interpretationen der ‚Geschichte Gottes mit Israel und Kirche‘.“54 Nun liegt für das Alte Testament eine Fülle unterschiedlicher Kanones vor. Allein für die Hebräische Bibel gibt es viele unterschiedliche „Endtexte“. Und doch lassen sich für die Exegese zwei Fixpunkte ausmachen. Der erste: Mit dem masoretischen Text (MT) steht uns eine ausgesprochen zuverlässige Grundlage zur Verfügung. Vergleiche mit den in Qumran gefundenen Handschriften haben gezeigt, dass die Überlieferung des Konsonantenbestandes mit einer Zuverlässigkeit und Genauigkeit in der schriftlichen Überlieferung erfolgt sein muss, wie sie in unserem Kulturkreis ih50
Georg STEINS, Bindung, 17. Georg STEINS, Bindung, 23. 52 Georg STEINS, Bindung, 26. Zur Operationalisierung dieses Konzeptes s.S. 99–102. 53 D IECKMANN, Segen, 119. 54 STEINS, Bindung, 33. 51
„Kanon“ als wesentlicher Aspekt der Bibelauslegung
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resgleichen sucht. Der zweite Fixpunkt ist sicherlich hypothetischer Natur: Mit der Kanonisierung und dem Beginn der Textüberlieferung wird es eine Textfassung gegeben haben, die auf literarischer Ebene als abgeschlossen gegolten haben muss. Bei aller Konstanz in der Überlieferung ist diese Fassung jedoch nicht immer genau zu bestimmen. Rekonstruktionen an den wenigen fraglichen Stellen müssen meist hypothetisch bleiben. Was die in der vorliegenden Arbeit zu analysierenden Texte betrifft, so ergeben sich inhaltlich kaum relevante textkritische Probleme. Insbesondere für das Deuteronomium kann gelten, dass der Textbestand „relativ gut erhalten“ ist und eine „zuverlässige Textgrundlage für die Übersetzung“55 darstellt. Die heute gebräuchlenen Bibelausgaben unterscheiden sich in ihrer Gestalt als Kodex von den Schriftrollen, die bis heute noch in synagogalen Gottesdiensten verwendet werden. Die modernen Textausgaben ermöglichen dem Leser durch ihre besseren Nachschlagemöglichkeiten noch in viel stärkerem Maße, Verweisen und Parallelstellen nachzugehen. Diese Tendenz wird durch die modernen Computerkonkordanzen in erheblichem Maße verstärkt. Das ist für den Vorgang der Lektüre kein unerhebliches Detail. Auf der anderen Seite lassen Talmud und Midrasch ein so hohes Maß an Bibelkenntnis erkennen, dass die modernen Hilfsmittel nur annähernd in der Lage sind, heutigen Lesern einen vergleichbaren Überblick zu verschaffen56. Der Erwartungshorizont, auf denen die biblischen Texte treffen, ist durch ihren Bezug auf die Glaubensgemeinschaften ausdrücklich von einem hermeneutischen Schlüssel geprägt (in der Alten Kirche der Kanon als Auslegungsregel), der in dieser expliziten Form der allgemeinen Literaturrezeption fehlt. In dem Wechselspiel von biblischem Text und dem so geprägten Erwartungshorizont wird nach dem verbindlichen Gotteswort und damit der relevanten Konkretisierung des Textes immer wieder neu zu fragen sein57. Der in diesem Kommunikationsgeschehen zu erschließende Gotteswille ist auf die Offenheit der Texte geradezu angewiesen, die nicht einen ein für alle Mal festgelegten Sinn ergeben, sondern den Raum für
55
V EIJOLA, 5.Mose, 1. Zu den Parallelen der kanonisch-intertextuellen und der jüdischen Auslegung siehe O EMING, Lob; D IECKMANN, Segen, 117; STEINS, Bindung, 95; Bodendorfer, Drama, 344; MILLARD, Genesis, 25–30. 57 Es ist keineswegs automatisch davon auszugehen, dass die Erfahrungen und Maßstäbe der betreffenden Gemeinschaft letztlich die Auslegungen beschränken (vgl. BLUM, Endgestalt, 57). Damit verlöre die Exegese jegliche Relevanz für die Gegenwart. Anhand der rezeptionsästhetischen Kategorien lassen sich Aussagen darüber machen, inwieweit eine Glaubensgemeinschaft sich von einem Text hat herausfordern lassen. CRÜSEMANN, Anstöße, 544: „Wissenschaftliche Exegese muß sich m.E. wieder klar darüber werden, daß sie ihren Auftrag für das theologische Subjekt der Schriftauslegung, also für Kirche und Gemeinde stellvertretend tut, und daß sie das nur tun kann, wenn sie sich auf das Gespräch mit der Situation genauso wie auf das mit dem Text einläßt.“ 56
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1.Kapitel: Theoretische Grundlegung
Neuinterpretationen lassen. Was unter rezeptionsästhetischem Gesichtspunkt als Verzicht auf eine interpretatorische Festlegung als eine einzige, dem Anspruch nach unveränderliche Bedeutung in den Blick gekommen war, wird unter dem theologischem Gesichtspunkt der Freiheit der Selbstkundgabe Gottes zu verhandeln sein58. Die hier diskutierten rezeptionsästhetischen Ansätze können dazu beitragen, die applicatio als wesentlichen Bestandteil eines umfassenden Verstehens biblischer Texte wieder zu integrieren. Das Recht der eigenen Analyse erweist sich daran, ob sie den Text wieder neu und anders zu verstehen erlaubt. Die Neuheit muss gleichzeitig erklären können, inwiefern sie in Beziehung zu der historischen Erfahrung am gleichen Text in Beziehung steht. In diesem Moment der behutsamen und gleichzeitig produktiven Aktualisierung von Texten sehe ich eine mögliche Verbindungslinie zwischen der Entstehung und der Rezeptionsgeschichte der Hebräischen Bibel. Deutlich wird dies vor allem in dem Schnittpunkt zwischen beiden, der Textgestalt, die zum produktiven Umgang geradezu herausfordert. Theologisch gesprochen ist dies möglich im Vertrauen auf den lebendigen Gott, der sich als der erweist, der er ist.
2. Erzählen als Logik von Geschichte: die vier Typen historischen Erzählens Die Bibel erhebt den Anspruch, von historischen Ereignissen zu berichten. Darin besteht ein wesentlicher Unterschied zu Literatur, die sich von vorne herein als fiktive Erzählung zu erkennen gibt. Das gilt unabhängig davon, ob durch archäologische Befunde oder außerbiblische Quellen vielfach erwiesen ist, dass die Ereignisse, wie sie in der Bibel berichtet werden, so nicht stattgefunden haben können. Dieses Problemfeld ist nicht Thema der vorliegenden Untersuchung59. Für unsere Fragestellung ist jedoch bemerkenswert, dass in der jüngeren Geschichts- und Literaturwissenschaft die Gegenüberstellung „Fiktion – Realität“ in Frage gestellt worden ist. In den Diskussionen wurde zunehmend klarer, dass jedes historische Verstehen stets auch eine fiktive Leistung ist, da der historische Gegenstand nur von einem bestimmten Standpunkt aus betrachtet werden kann. „Fiktionalisierung ist in geschichtlicher Erfahrung immer schon am Werk, weil das ereignishafte Was eines historischen Geschehens immer schon durch das perspektivische Wann seiner Wahrnehmung oder Rekonstruktion, aber auch durch das Wie seiner Darstellung bedingt ist, in seiner Bedeutung also
58 59
Vgl. FISCHER, Kunst, 94. Siehe oben S. 37.
Erzählen als Logik von Geschichte: die vier Typen historischen Erzählens
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ständig weiterbestimmt wird.“60 Erst dadurch wird Geschichtsschreibung zu mehr als bloßer Archivierung, denn „die Erfahrung der Vergangenheit wird für die jeweilige Gegenwart kraft der Fiktion fruchtbar gemacht.“61 Historische Erfahrung muss in irgendeiner Weise gedeutet und organisiert werden, soll sie in der Gegenwart Sinn machen und Auswirkungen auf die zukünftige Lebenspraxis haben. Erzählend vollzieht sich diese Deutung und Organisation vergangener Ereignisse. „Erzählen ist Sinnbildung über Zeiterfahrung, es macht aus Zeit Sinn.“62 Rüsen baut dabei auf der Erkenntnis der Geschichtstheorie auf, dass jedes historische Denken auf einer narrativen Struktur beruht63. Durch das historische Erzählen vollbringt der Mensch „sinnbringende Konstitutionsleistungen“ (155), durch die die Identität derjenigen angesprochen wird, für die diese Erzählungen gedacht sind: „[Historisch erzählte Geschichten] formulieren Identität als Dauer im Wandel der Zeit.“ (169). Erzählen ist eine „Basisoperation des Geschichtsbewußtseins“64. Dies ist spätestens seit Whites Nachweis der narrativen Strukturen bei den Historikern und den Geschichtsphilosophen des 19. Jahrhunderts ins Bewusstsein gerückt65. Es ist deutlich geworden, dass sich die in dieser Epoche so gepflegte kognitiv-rationale Erforschung dessen, „wie es eigentlich gewesen ist“ (Ranke), nie von der poetischrhetorischen Seite des Geschichtsbewußtseins ablösen lässt. Durch das Erzählen wird eine Auswahl aus den Fakten getroffen, die in einen für die betreffende Gegenwart sinnvollen Zusammenhang gebracht werden. Die jeweilige Deutung der Vergangenheit lässt sich demzufolge an den narrativen Strukturen der Geschichte darstellenden Texte ablesen. Die „vier Typen historischen Erzählens“, die Rüsen unterscheidet66, stellen m.E. ein differenziertes Instrumentarium zur Einordnung von Geschichtsdarstellungen und der Charakterisierung der in ihnen geschilderten 60
JAUSS, Abgrenzung, 326. JAUSS, Abgrenzung, 326. 62 RÜSEN, Orientierung, 38. 63 „Droysens Frage, wie aus Geschäften Geschichte wird, hat die Antwort gefunden: durch Erzählen.“ (Rüsen, Zeit, 153). Die folgenden Zahlen in Klammern beziehen sich auf diesen Titel. 64 RÜSEN, Zeit, 36. 65 W HITE, Metahistory. Er weist nach, dass die Darstellungen im 19. Jahrhundert eigentlich nicht kognitiv, sondern vielmehr durch die poetischen Weltwahrnehmungen strukturiert sind, die den Texten zu Grunde liegen. „Die Wahl zwischen den verschiedenen poetischen Tiefenstrukturen folgt eher ästhetischen als moralischen oder erkenntnistheoretischen Kriterien.“ (aaO, 273). Er greift auf Norhrop Fryes „archetypische Erzählformen“ zurück und führt die Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts auf diese Archetypen zurück. W HITE macht die Formen der Darstellung zur Basis der geschichtswissenschaftlichen Arbeit, von der aus „Fakten“ erst relevant und Theorien und Begriffe erst formulierbar werden. 66 RÜSEN, Zeit. Die Seitenzahlen in Klammern im Folgenden beziehen sich auf diesen Beitrag. 61
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1.Kapitel: Theoretische Grundlegung
Epochen dar. Der Vorteil dieses Konzeptes liegt darin begründet, dass es eine Vielzahl von Gesichtspunkten zusammenträgt, unter denen Geschichte erzählt werden kann. Je nach den Gesichtspunkten, die eine solche Geschichtsdarstellung prägen, bilden sich unterschiedliche Typen des historischen Erzählens heraus. Rüsen unterscheidet insgesamt vier: traditionales, exemplarisches, kritisches und genetisches Erzählen. Es ist ihm dabei wichtig zu betonen, dass diese keine für sich abgeschlossenen Kategorien sind, die sich womöglich auf einer Entwicklungslinie des Geschichtsbewußtseins anordnen lassen. Dennoch verfolgt Rüsen mit seiner Typologie durchaus eine systematisierende Absicht. „Die Typologie der systematisch verschränkten vier historischen Erzählweisen stellt ein theoretisches Instrumentarium für die Bestimmung der Eigenart von Geschichtsdarstellungen dar.“ (205) Die Systematisierung erfolgt durch die Untersuchung der Konstellationen von Aspekten, unter denen ein historisches Ereignis erzählt wird. Insofern lässt sich keine Geschichtsdarstellung einem bestimmten Typ rein zuordnen: „...aus diesen Gesichtspunkten [soll die Typologie] Konstellationen von Erzählweisen konstruktiv bilden, mit deren Hilfe sich die Eigenart konkreter historischer Darstellungen als (je verschiedene) Ausprägungen solcher Konstellationen begrifflich trennscharf bestimmen lassen.“ (156). Für Rüsen wird der Blick durch eine derartige theoretische Reflexion justiert: „Die Theorie des historischen Erzählens ist gleichsam das Auge, das die Anschauung der empirischen Vielfalt des historischen Erzählens braucht, um nicht ohne Begriffe, d.h. blind, zu sein.“ (175) Beim traditionalen Erzählen rufen die Geschichten den Ursprung von Lebensumständen in der Weise zurück, dass „dem wirklichen Zeitverlauf in der Erinnerung etwas Überdauerndes abgewonnen wird, das sich in den Veränderungserfahrungen der Gegenwart wiederfinden (erneuern, bestätigen) läßt, so daß es absichtsvoll und als Zukunft erwartet werden kann.“ (179) Derartige Geschichten lassen den Ursprung der (institutionalisierten) Handlungsregelungen als Sinnstiftung wieder aufleben. Sie stellen Kontinuität als Dauer dieses Ursprungs vor. Alle drei Zeitdimensionen werden so in einer übergeordneten Einheit verschmolzen, die der Vergänglichkeit enthoben ist. Das exemplarische Erzählen begreift die Geschichte als magistra vitae: Zeitliche Veränderungen werden auf Zeit übergreifende regelhafte Vorgänge hin durchsichtig gemacht. Das Erzählen aktualisiert Erinnerungen als empirische Konkretisierung solcher Regeln und befähigt dazu, diese Regeln in der jeweiligen Gegenwart auch anzuwenden. (181) Über den Veränderungen erstreckt sich ein Ensemble von Lebensregeln: Es geht dem exemplarischen Erzählen um die Vermittlung von Regelkompetenz (181). Insofern verfolgt es immer eine praktische Absicht (183). Dem kritischen Erzählen kommt es darauf an, vorherrschende Deutungsmuster durch Gegengeschichten zu durchbrechen. Der Diskurs wird
Erzählen als Logik von Geschichte: die vier Typen historischen Erzählens
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als Mittel zur Abgrenzung des Eigenen vom Anderen und zur Durchsetzung eigener Interessen genutzt. Dies geschieht meist durch Ausformulieren einer Gegengeschichte (186). Rüsen führt hier die feministische Geschichtsschreibung als Beispiel an. Das genetische Erzählen interpretiert die zeitlichen Veränderungen selbst als Modi der Kontinuierung. Der Schrecken, anders zu werden, wird als Chance sichtbar gemacht, die Unruhe als Motor, die Kräfte der Veränderung als Faktoren der Kontinuierung. Zukunft kann als Überbietung von Herkunft erwartet werden. Zwischen beiden wird eine qualitative Differenz postuliert und ausformuliert. Damit kommt ein „dynamisches Moment“ in die Deutungsmuster (188). Dabei ist es Rüsen jedoch wichtig zu betonen, dass die Veränderung nicht immer Fortschritt heißen muss: es kann beim genetischen Erzählen durchaus auch der Verfall als Grundrichtung angedeutet werden. Eine Typologie der Geschichtsschreibung, die auf die vier Typen des historischen Erzählens und ihre vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten zurückgeht, bietet daher einen Bezugsrahmen zur Interpretation historischer Darstellungen an, der „einerseits allgemein genug ist, um der Variationsbreite des historischen Erzählens gerecht zu werden, und andererseits über genügend Differenzierungen verfügt, um konkrete Befunde innerhalb dieser Variationsbreite begrifflich genau bestimmbar zu machen.“ (192) Ein historiografischer Text wird dadurch erschlossen, dass das Verhältnis dieser vier Weisen historischen Erzählens untereinander bestimmt wird, denn „die vier Erzählweisen stehen in einem inneren Zusammenhang, der keine unberührt läßt. [...] Die Erzählweisen sind in der Geschichte ineinander verschränkt, und nur aufgrund dieser Verschränkung können Geschichten, in denen sie (unterschiedlich) verwendet werden, Handlungssubjekte in der Zeit hinreichend orientieren.“ (194) Bei der Beschreibung der Verschränkungen der unterschiedlichen Typen historischen Erzählens geht Rüsen darauf ein, wie die exemplarische die traditionale Erzählweise impliziert: Ohne den Rückgang auf Traditionen lässt sich die historische Erfahrung nicht durch Beispiele veranschaulichen. „Die exemplifizierende Tätigkeit der historischen Urteilskraft ist nur unter traditionalen Deutungsvorgaben möglich.“ (196) Was gelten soll, muss erst durch Tradition begründet sein. Die Gültigkeit dieser Regeln lässt sich dann an historischer Erfahrung in durchaus pädagogischer Absicht verdeutlichen. Rüsen führt das Beispiel eines „guten Herrschers“ an: Der Ursprung des Herrschers oder des Herrschergeschlechtes muss (traditional) legitimiert sein, damit dann auch die guten Erfahrungen mit diesem Herrscherhaus exemplifiziert werden können und auf diese Weise zugleich gezeigt wird, was gute Herrschaft ausmacht (197). Es reicht also nicht aus, durch Beispiele auf „allgemeine Erfahrungen“ hinzuweisen, wenn diese nicht zugleich auch durch traditionale Erzählungen begründet sind.
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Gesichtspunkte jeder der vier Typen historischen Erzählens lassen sich in den Geschichtsdarstellungen des Dtn ausmachen. In der vorliegenden Untersuchung werde ich immer wieder auf dieses Instrumentarium zurückgreifen und danach fragen, wie sich die verschiedenen Aspekte dieses Modells in dieser Geschichtsdarstellung zueinander verhalten, welche dominieren, welche in den Hintergrund treten und wie sie durch die Epocheneinteilung untereinander verschränkt sind. Was hat es z.B. zu bedeuten, dass an der Schwelle von der Wüsten- zur Landnahmeepoche die Zeit von der Offenbarung der Tora am Horeb bis an die Schwelle zur Erfüllung der Verheißung von Mose noch einmal aus seiner Perspektive wiederholt wird?
3. Der Perspektivenwechsel zwischen biblischem Erzähler und Mose Das Deuteronomium weist eine Erzählkonstruktion auf, die es grundlegend von anderen biblischen Büchern unterscheidet. Um sie zu veranschaulichen, ist es hilfreich, zunächst einen vergleichenden Blick auf das Nehemiabuch zu werfen. Im Gegensatz zu dem „Ich-Erzähler“ in diesem Werk ist Mose im Dtn ein eigens eingeführter Erzähler. Nehemia und der Bucherzähler gehen ineinander auf, wohingegen es in Dtn 1,1 heißt: „Dies sind die Worte, die Mose zu ganz Israel redete...“. Gleich zu Beginn des Deuteronomiums betreten somit zwei unterschiedliche Erzähler die Bühne. “The Mosaic voice, about to be heard, and the voice that introduces it, turn out to be irreducible to each other.”67 Wie unten noch genauer darzulegen sein ist, wird das Geschehen in den ersten vier Büchern der Tora aus einer unpersönlichen Erzählsituation heraus geschildert. Der Narrator gehört nicht der dargestellten Wirklichkeit an, sondern berichtet von einem Standort außerhalb des Geschehens. Geht man nun von der Tora in ihrer Endgestalt aus, dann sind ihre fünf Bücher in ihrer kanonischen Anordnung auf eine durchlaufende Lektüre hin angelegt. So gesehen kennt der Leser, der am Anfang des Deuteronomiums angelangt ist, den Geschichtsverlauf bereits, den Mose in seinen Reden noch einmal aus seiner Sicht darstellen wird. Die Geschichtsrückblicke des Mose wiederholen Bekanntes aus einer neuen Perspektive68. Dadurch erst entsteht die besondere Kommunikationssituation des Deute-
67
SONNET, Book, 10. SONNET, Book, 22, hebt hervor: “... and what he [Moses] tells in a disorderly fashion, he actually retells on the basis of a known ordered sequence.” 68
Der Perspektivenwechsel zwischen biblischem Erzähler und Mose
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ronomiums. Als Wiederholung von schon Bekanntem69 nimmt es den vorangegangenen Büchern gegenüber eine Sonderstellung ein. Insofern ist es zunächst notwendig, die beiden Standpunkte, von denen aus erzählt wird, sorgfältig voneinander abzuheben und zu unterscheiden. Hierzu sind in den Literaturwissenschaften Instrumentarien entwickelt worden, die ich im Folgenden kurz vorstellen werde. 3.1. Theoretische Überlegungen zur Erzählsituation Jede Erzählung, und damit auch jede Darstellung von Geschichte, vermittelt die Wirklichkeit, die sie darstellt, von einem bestimmbaren Standpunkt aus. Von dort kann der Leser die Ereignisse mitverfolgen und erleben. Die Gestalt dieser Mittelbarkeit kann von Erzählung zu Erzählung jedoch stark variieren. Hier öffnet sich eine Fülle von Möglichkeiten, die F.K. Stanzel in seinem Standardwerk „Theorie des Erzählens“ systematisiert hat. Er bezeichnet die Mittelbarkeit als „Gattungsspezifikum des Erzählens“70. Stanzel hat ein in sich geschlossenes System entwickelt, anhand dessen sich die unterschiedlichen Erzählsituationen exakt beschreiben lassen, aus denen heraus das Geschehen und die Charaktere einer Erzählung dem Leser vermittelt werden. In der modernen Erzähltheorie ist die Unterscheidung zwischen „auktorialem“ und „personalem“ Erzähler klassisch geworden71. Das auktoriale Erzählen steht für eine „Überschau“ auf das Geschehen, wohingegen das personale Erzählen aus der Perspektive einer selbst am Geschehen beteiligten Person erfolgt. Für Stanzel stellt sich das Problem der Mittelbarkeit jedoch komplexer dar. Sie lässt sich seiner Meinung nach nicht nur alleine anhand der Frage entscheiden, inwieweit der Erzähler in den Vordergrund rückt oder hinter das Erzählte zurücktritt. Darum arbeitet das von ihm entworfene Modell mit einer Kombination von drei „Konstituenten“: Modus, Person und Perspektive. Es entsteht somit ein „triadisch angelegtes System“ (190), anhand dessen sich eine Erzählsituation äußerst differenziert beschreiben lässt. Jede dieser drei Konstituenten ist durch einander gegenübergestellte Begriffspaare bestimmt.
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Wie oben bereits angeführt, ging N OTH, ÜS, 27, von Überlieferungen aus, die den ursprünglichen Lesern des von ihm angenommenen DtrG bekannt gewesen seien. Aus kanonischer Sicht ist daran festzuhalten, dass der Leser aus der dem Dtn vorangegangenen Lektüre der ersten vier Bücher der Tora mit der Geschichte Jhwhs mit seinem Volk bis zum Zeitpunkt der Mosereden vertraut ist. 70 STANZEL, Theorie, 70. Die Zahlen in Klammern im folgenden Abschnitt beziehen sich auf diese Monografie. 71 Siehe dazu Metzler-Literatur-Lexikon, Art. „auktoriales Erzählen“, 32.33, und Art. „personales Erzählen“, 347.
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3.1.1. Modus Für die Konstituente „Modus“ führt Stanzel vor allem das Gegensatzpaar „Mittelbarkeit“ und „Unmittelbarkeit“ an. Es besteht die Möglichkeit, dass ein Erzähler sich ganz eindeutig zwischen die dargestellte Wirklichkeit und den Leser stellt, oder aber er tritt ganz in den Hintergrund. Letzteres kann durch zweierlei Weisen geschehen: Entweder können weitgehend dialogisierte Szenen mit knappen, unpersönlich gehaltenen Hinweisen auf die Sprechsituation beim Leser den Eindruck der Unmittelbarkeit erwecken. Dies bedarf keiner näheren Erläuterung. Der Erzähler lässt seine Figuren selbst unmittelbar zu Wort kommen. Das ist keine Erzählung im eigentlichen Sinne, sondern eine szenische Darstellung. Oder aber das fiktionale Geschehen wird im Bewusstsein einer Romangestalt gespiegelt. Stanzel nennt sie auch „Reflektor“ (70). Wenn der Leser z.B. die dargestellte Wirklichkeit durch einen solchen Charakter äußerst fragmentiert und bruchstückhaft mitbekommt, dann entsteht bei ihm ebenfalls der Eindruck der Unmittelbarkeit. Nicht das Geschehen, sondern die Figur, in der sich die Handlung spiegelt, rückt in den Vordergrund. Ihre Art des Umgangs mit der sie umgebenden „Realität“ bekommt der Leser „hautnah“ mit. „Somit ist auch für die Opposition Erzähler-Reflektor erwiesen, daß mit ihr strukturell gegensätzliche Formen der Gestaltung der Mittelbarkeit einer Erzählung gegeben sind.“ (85) Gerade das Verhältnis zwischen Erzähler und Reflektor ist für den Eindruck der Unmittelbarkeit beim Leser zur dargestellten Wirklichkeit entscheidend: „Unter Modus ist die Summe der möglichen Abwandlungen der Erzählweisen zwischen den beiden Polen Erzähler und Reflektor zu verstehen: Erzählen im eigentlichen Sinne der Mittelbarkeit; d.h. der Leser hat die Vorstellung, daß er einem persönlichen Erzähler gegenübersteht, und Darstellen, d.h. Spiegelung der fiktionalen Wirklichkeit im Bewußtsein einer Romangestalt, wobei im Leser die Illusion der Unmittelbarkeit seiner Wahrnehmung der fiktionalen Welt entsteht.“ (71) Mit der Opposition „Modus“ werden die zwei folgenden Erscheinungsweisen des Gattungsspezifikums Mittelbarkeit theoretisch erfasst: „Die thematisierte Mittelbarkeit des Erzählens und die verleugnete oder verdrängte Mittelbarkeit, die beim Leser die Illusion der Unmittelbarkeit erzeugt. Beim Erzählen schwingt das Pendel ständig zwischen diesen beiden Polen hin und her.“ (190) Diese beiden Pole gehen mit der „Verpersönlichung und Entpersönlichung des Erzählvorganges“ einher (192). 3.1.2. Person Anhand der Konstituente „Person“ lassen sich die Relationen zwischen dem Erzähler und den Romanfiguren beschreiben: „die Seinsbereiche, in denen Erzähler und Charaktere beheimatet sind, können identisch oder getrennt, also verschieden, nicht-identisch sein.“ (71) Das ist für Stanzel die wesentliche Unterscheidung. Es ist für eine Erzählung entscheidend, ob
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der Erzähler am dargestellten Geschehen selbst beteiligt ist oder nicht. Die beiden Pole dieser Konstituente lauten somit: Identität und Nicht-Identität der Seinsbereiche des Erzählers und der Charaktere. Sie sind „grundsätzlich verschiedene Voraussetzungen für den Erzählvorgang und seine Motivation.“ (72) Stanzel betont, dass damit nicht automatisch auf der einen Seite der Ich-Erzähler und auf der anderen Seite der Er-Erzähler stehen muss. Es kann durchaus ein Erzähler-Ich geben, dass in der fiktionalen Wirklichkeit der Erzählung gar nicht beheimatet ist, wie das die meisten Er-Erzähler tun. „Nicht der Aspekt der Persönlichkeit (Ich-Erzähler) und der Unpersönlichkeit (Erzählfunktion) des Erzählvorganges ist [...] ausschlaggebend, sondern das Maß der ‚Leiblichkeit‘ des ‚ich‘-sagenden Erzählers.“ (125) Viel bezeichnender ist für ihn somit die Frage, ob das Ich des Erzählers ein „Ich mit Leib“ ist. Die Körperlichkeit des „Ich mit Leib“ ist Teil seiner Existenz, „die als erlebendes Ich beim Leser bekannt gemacht wird.“ (124) Der Leser erhält somit die Möglichkeit, ein solches Erzähler-Ich mit Leib kennenzulernen wie eine Person. Für ein „Ich mit Leib“ besteht eine existentielle Motivation zum Erzählen – ein Umstand, der für die vorliegende Untersuchung von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist, wenn man sich Mose als Erzähler vor Augen hält. Für ein „Ich mit Leib“ hängt das Erzählte „direkt mit seinen Lebenserfahrungen, seinen erlebten Freuden und Leiden und seinen Stimmungen, Bedürfnissen zusammen. Sie kann von daher etwas Zwanghaftes, Schicksalhaftes, Unausweichliches erhalten [...].“ (127) Es kommt zu einer „Einheit von Erleben und Erzählen“ (128). Es mag sein, dass der Leser sich dessen nicht bewusst wird, der suggestiven Wirkung einer solchen Erzählsituation, insbesondere der existentiellen Motivation eines erzählenden „Ich mit Leib“ wird er sich kaum entziehen können. Für eine analysierende Interpretation einer Erzählung ist es jedoch unverzichtbar, sich diese Grundstruktur zu vergegenwärtigen. „Damit wird [...] die Motivation für die besondere Art und Weise des Erzählaktes und der Vorgang der Auswahl des Erzählten einschaubar und aus dem aufgezeigten Zusammenhang interpretierbar.“ (129) 3.1.3. Perspektive Bei dieser Konstituente wird „die Aufmerksamkeit auf die Art und Weise der Wahrnehmung der dargestellten Wirklichkeit durch den Leser gelenkt“ (72). Die Rezeption der Handlung hängt wesentlich davon ab, ob der Standpunkt, von dem aus das Erzählte präsentiert wird, sich innerhalb der dargestellten Handlung befindet, d.h. in der Hauptfigur oder im Zentrum des Geschehens, oder ob ein unbeteiligter Chronist berichtet. Die Frage ist also nicht, welchem Seinsbereich der Erzähler angehört, sondern wie nahe er sich am jeweils wichtigsten Sachverhalt der Erzählung befindet. Dementsprechend ist Innenperspektive und Außenperspektive zu unterscheiden: „Innenperspektive herrscht vor, wenn der Standpunkt, von dem aus die
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erzählte Welt wahrgenommen oder dargestellt wird, in der Hauptfigur oder im Zentrum des Geschehens liegt. [...] Außenperspektive herrscht vor, wenn der Standpunkt, von dem aus die erzählte Welt wahrgenommen oder dargestellt wird, außerhalb der Hauptfigur oder an der Peripherie des Geschehens liegt.“ (150) Auch dies macht für die Wahrnehmung des dargestellten Geschehens durch den Leser einen grundlegenden Unterschied. „Die Opposition Innenperspektive – Außenperspektive erfaßt [...] die Steuerung des Apperzeptionsvorganges, den der Leser zu vollziehen hat, um zu einem konkreten Vorstellungsbild der dargestellten Wirklichkeit zu gelangen.“ (149) Je nachdem, welche Perspektive gewählt ist, gehen damit natürlich Unterschiede in der „Art der Eingrenzung des Wissens- und Erfahrungshorizontes des Erzählers oder Reflektors“ einher (73). Auf diese Weise können die Voraussetzungen erklärbar gemacht werden, die „die Wahl eines bestimmten Weltausschnittes für die Darstellung der Selektion der einzelnen Dinge und Ereignisse innerhalb der fiktionalen Welt“ (149/150) prägen. Die Innenperspektive bringt es natürlich mit sich, dass die Perspektivität generell mehr in den Vordergrund rückt. „In die Opposition Innenperspektive – Außenperspektive geht daher auch der Gegensatz zwischen Perspektivismus und Aperspektivismus ein.“ (151) Bei der Außenperspektive gewinnt „nicht selten ein gewisser Aperspektivismus die Oberhand.“ (151) Auch dieser Sachverhalt wird uns bei der Analyse der Versionen, die Moses von dem zuvor in den Büchern Gen – Num dargestellten Geschehen vorträgt, noch näher beschäftigen. Für die Konstituente der Perspektive ist der „Fokus“ des Geschehens ein wesentlicher Aspekt. „Der Fokus einer Erzählung, bzw. die scharfe Fokussierung eines Teiles der dargestellten Wirklichkeit, lenkt die Aufmerksamkeit des Lesers auf den thematisch jeweils wichtigsten Sachverhalt einer Erzählung oder eines Teiles einer Erzählung.“ (152) Der Fokus muss bestimmt werden, um für die zu analysierende Erzählung den Punkt auf der Achse „Außen- und Innenperspektive“ festlegen zu können. Stanzel betont dabei den Unterschied zu G. Genettes Begriff der „focalisation“, der sich weitgehend mit seinem Begriff „Perspektive“ deckt. Bei Stanzel bezeichnet der Begriff „Fokus“ die „thematische Akzentuierung innerhalb der Opposition Innenperspektive – Außenperspektive“ (153). 3.1.4. Der Typenkreis Stanzel ordnet die drei Konstituenten „Modus“, „Person“ und „Perspektive“ zu einem Typenkreis zusammen. Jede Konstituente ist dabei durch eine Achse repräsentiert, auf denen die jeweils bestimmenden Gegensatzpaare einander gegenüberliegen. Die Pole der einzelnen Konstituenten stellen für ihn „Idealtypen“ von Erzählsituationen dar. Die „den Idealtypen der drei Erzählsituationen entsprechenden Stellen [sind] jeweils an einem Polende der drei die Oppositionen repräsentierenden Achsen des Typenkreises
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zu lokalisieren.“ (86) Stanzel bleibt so bei der Analyse einer Erzählsituation nicht auf eine binäre Opposition beschränkt, sondern kann Feinabstufungen vornehmen, die sowohl zwischen den jeweiligen Polen als auch zwischen den Konstituenten liegen. Auf diese Weise kann eine Interpretation, die dieses System verwendet, den jeweiligen Erzählsituationen gerecht werden. „Die Anordnung der typischen ES [=Erzählsituation] auf dem Schema des Typenkreises ermöglicht eine Darstellung des systematischen Ortes aller denkbaren typischen Formen und Modifikationen der Haupttypen.“ (86) Dies ist nur möglich, weil das System zwar Kategorien benennt, die aber keine Grenzen, sondern offene Übergänge darstellt. Diese Typologie will „die Vielfalt der Möglichkeiten des Erzählens nicht beschränken, sondern, im Gegenteil, sichtbar machen.“ (86) Stanzel vergleicht die Idealtypen nicht mit Schubladen, sondern mit „trigonometrischen Vermessungspunkten [...], nach denen sich die Beschreibung der literarischen Erzähllandschaft mit ihrer unübersehbaren Vielfalt an topographischen Erscheinungen und Formen orientieren kann.“ (87) Es stellt sich natürlich die Frage, ob dieses System, das in Auseinandersetzung mit modernen Romanen entwickelt wurde, auch auf einen antiken Text wie die Tora anwendbar ist. Moderne Literatur setzt die Veränderung der Erzählsituation ganz bewusst als Stilmittel ein. Insofern erhält dieser Einwurf noch mehr Gewicht. Nun ist auf der anderen Seite nicht abzustreiten, dass auch die Erzähltexte der Tora die Handlung aus einer ganz bestimmten Erzählsituation heraus darstellten. Auch hier gibt es einen Erzähler, der sich, wie noch im Einzelnen darzulegen sein wird, meist völlig im Hintergrund hält, aber dennoch unmittelbar im Fokus des Geschehens ist. Unübersehbar ist auch, dass sich die Erzählsituation im Deuteronomium grundlegend ändert, wenn Mose das zuvor aus einer anderen Perspektive Dargestellte noch einmal selbst zur Sprache bringt. Ob die unterschiedlichen Erzählsituationen völlig außerhalb des von Stanzel entworfenen Typenkreises liegen oder ob sie sich anhand dessen differenzierter beschreiben lassen, muss sich in der konkreten Textanalyse erweisen. Stanzel selbst hat bei seinen Idealtypen von Erzählsituationen von „ahistorischen Konstanten“ gesprochen, die durch den Typenkreis miteinander verbunden werden. „Der Typenkreis verbindet also Idealtypen, oder ahistorische Konstanten, das sind die drei typischen ES, mit historischen Formen des Erzählens, die sich als Modifikationen der Idealtypen beschreiben lassen.“ (86) Stanzel ist für diesen Standpunkt kritisiert worden. Wenn dies richtig wäre, so das Gegenargument, dann müssten sich auch literarische Werke mit neuen Erzählsituationen vorhersagen lassen. Das aber ließe sich jederzeit falsifizieren, indem man eine Erzählung entwerfe,
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die sich jenseits der aufgeführten Konstanten bewege72. Stanzel hält dagegen: „Dem historischen Wandel unterliegen nicht die Idealtypen als gedankliche Konstrukte charakteristischer Möglichkeiten narrativer Gestaltung, sondern die historischen Formen, die sich diesen Idealtypen mehr oder weniger nähern.“ (319) 3.2. Die Unterscheidung von „Fabel“ und „Sujet“ An dieser Stelle sei eine kurze Klärung der Begriffe „Fabel“ und „Sujet“ eingeschoben, weil sie für den weiteren Gang der vorliegenden Untersuchung keine unerhebliche Rolle spielen73. Unter „Fabula“ wird die objektive Reihenfolge der Ereignisse verstanden, so wie sie ein Augenzeuge, eine Augenzeugin miterlebt. „Sujet“ ist für sie hingegen die Reihenfolge, so wie sie in der Erzählung repräsentiert ist. Diese Begriffe eigenen sich insofern gerade für eine Analyse des Deuteronomiums, als das Deuteronomium die gleichen Ereignisse noch einmal darstellt, jedoch in völlig anderer Reihenfolge aus einer anderen Erzählperspektive. Wendet man diese Begriffe bei der Exegese der biblischen Texte an, so besteht die Gefahr, dass unter „Fabel“ die Reihenfolge der Ereignisse verstanden werden könnte, soweit sie sich von der modernen Geschichtswissenschaft rekonstruieren lassen. In der Literaturwissenschaft wird der Begriff „Fabel“ jedoch für die Folge der erzählten Handlung verwendet74. 3.3. Die biblische Erzählsituation Die eingehenden Untersuchungen zu diesem Themenkreis müssen an dieser Stelle nicht im Einzelnen referiert werden75. Nur einige, für den Argumentationszusammenhang wichtige Linien möchte ich im Folgenden skizzieren: Aus den vorangegangenen Überlegungen ist deutlich geworden, dass Autoren spezifische Erzählsituationen schaffen, aus denen heraus sie das Geschehen darstellen. Der Erzähler ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Situation, die der Leser aus dem Text erschließen muss. Der Erzähler ist somit keinesfalls mit dem Autor identisch, sondern dessen „Sprachrohr“76. Der Erzähler ist keine Person aus Fleisch und Blut, sondern eine im Text 72
Siehe dazu die ergänzende Fußnote der zweiten Auflage bei S TANZEL, Theorie,
318. 73
Diese Begriffe russischer Formalisten sind von LOHFINK in die Debatte eingeführt worden. (Vgl. u.a. jüngst wieder in: D ERS ., Bund als Vertrag, 229). Die „Fabel“ wird demnach vom „sjuzhet“ (Erzählstruktur) unterschieden. Die Fabel bezeichnet demnach das erzählte Geschehen selbst. Siehe dazu auch STANZEL, Theorie, 39 Anm 1 und LEMON/ REIS, Criticism, 61–95. 74 Siehe dazu S ONNET, Book, 18. 75 Siehe dazu vor allem STERNBERG, Poetics, 58–185; BAR-EFRAT, Art, 13–45; S KA, Fathers; BERLIN, Poetics; U TZSCHNEIDER / N ITSCHE , Arbeitsbuch, 176–178. 76 D IECKMANN, Segen, 126.
Der Perspektivenwechsel zwischen biblischem Erzähler und Mose
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selbst angelegte Struktur. Indem der Leser die Anweisungen nachvollzieht, die der Text bereit hält, entsteht in seiner Imagination die Erzählsituation und mit ihr der Erzähler. Dieser hat immer Züge einer Person. Er kann sich im Hintergrund halten oder in den Vordergrund treten; er kann sehr charakteristische Merkmale aufweisen oder scheinbar ohne besondere Eigenschaften auftreten. Wenn ich bei der Beschreibung der biblischen Erzählsituationen von einem „Erzähler“ spreche, ist das in diesem Sinne zu verstehen77. Cum grano salis kann gelten, dass in den biblischen Geschichtswerken ein Erzähler das Wort ergreift, der so gut wie nicht in Erscheinung tritt, sondern namen-, körper- und gesichtslos78 bleibt. Es ist erstaunlich, wie sehr sich die Erzählsituationen in den verschiedenen biblischen Büchern gleichen. “Take books as far removed from one another – in subject matter and very possibly origin and date of final shaping too – as Genesis, Samuel, and Jonah. In all three for instance the storyteller appears only as a disembodied voice, nameless and faceless.”79 Von der Warte der Entstehung der biblischen Texte aus gesehen kann deswegen auf eine erstaunlich stabile Erzähltradition geschlossen werden. Sie hat sich durch alle Stadien des komplexen Textwachstums dieser großen Geschichtswerke offenbar über Jahrhunderte erhalten. “Again, the more various the sources of a narrative book, the more tortuous the genesis, and the more diverse the intentions attributed to the line of contributors – the wildest guesswork will do for the purpose – the more striking the adherence to a single model of narration.”80 Doch es ist nicht das Anliegen der vorliegenden Untersuchung, der Genese dieses besonderen Merkmals biblischer Erzählungen nachzugehen. Vielmehr soll es im Folgenden darum gehen, das Phänomen der biblischen Erzählsituation als solches näher zu beschreiben, die in den biblischen Geschichtswerken insgesamt vorherrscht. Die Perspektive des biblischen Erzählers ist nicht limitiert. Er ist ein „allwissender, der Erzählwelt enthobe-
77
STANZEL, Theorie, 24–38, widmet der „Mittelbarkeit und der Person des Erzählers“ einen eigenen Abschnitt. Bei der Beschreibung seiner unterschiedlichen Typen von Erzählsituationen ist immer wieder die Rede von „Erzählern“ (vgl. etwa aaO, 70.72.73. 125.152 u.a.). 78 Vgl. STERNBERG, Poetics, 71. Was die Geschichtswerke angeht, bilden die Bücher Esra und Nehemia eine Ausnahme. Die sog. „Nehemiadenkschrift“ ist bekanntlich aus der Perspektive eines Ich-Erzählers dargestellt, der sich in formelhaften Wendungen immer wieder selbst zu Wort meldet: Neh 5,19; 13,14.22.31. Vgl. auch die Überschrift in Neh 1,1; für das Esrabuch siehe Esr 7,6 und der in der 1.Pers. gehaltende Bericht in 8,15–9,15. Beide, Esra und Nehemia, treten damit sowohl als Handlungsträger als auch als Chronisten in Erscheinung. 79 STERNBERG, Poetics, 71. 80 STERNBERG, Poetics, 74.
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1.Kapitel: Theoretische Grundlegung
ner Narrator“81. Mit den Kategorien Stanzels gesprochen bedeutet dies für die Konstituente „Person“, dass er von dem Seinsbereich der dargestellten Wirklichkeit strikt getrennt ist. Nirgendwo tritt der biblische Erzähler den biblischen Figuren als Gesprächspartner entgegen. Ätiologische Wendungen wie „bis auf den heutigen Tag“82 signalisieren vielmehr, dass der Erzähler der Welt seiner Leser angehört83. Was die Konstituente „Perspektive“ anbelangt, so ist der biblische Erzähler jedoch keinesfalls marginalisiert. Der Umstand, dass er grundsätzlich vom Seinsbereich der dargestellten Wirklichkeit enthoben ist, bedeutet nicht, dass er nicht ständig unmittelbar am Fokus des Geschehens ist und es bis in alle Einzelheiten überblickt. Er ist nicht an Raum und Zeit gebunden. Sein Überblick ist nicht ohne Grund immer wieder in die Nähe der Allwissenheit Gottes gerückt worden84. “Omniscience involves omnipresence. God knows everything because He is everywhere all the time.”85 Der biblische Erzähler kennt die inneren Beweggründe, die Gefühle, das Wollen seiner Figuren ebenso wie Gott um sie weiß. Nie werden dabei psychologische Prozesse beschrieben, sondern das Innenleben der Handlungsträger wird unmittelbar mit ihren Aktionen in Beziehung gesetzt86. Der biblische Erzähler ist aufgrund seiner Übersicht jedoch nicht unüberlegt mit der „Objektivität“ und Neutralität ineins zu setzen, die einem nüchternen Chronisten gemeinhin zugesprochen werden. Der biblische Erzähler ergreift – ebenso wie Gott – Partei. Durch eine Fülle von rhetorischen Stilmitteln gibt er an vielen Stellen Hinweise zur Bewertung der dargestellten Handlungsabläufe. Wenn es bei der Beschreibung von Schebas Aufstand z.B. heißt, dass eine kluge Frau (h™DmDkSj h¶DÚvIa ) aus der Stadt
81
D IECKMANN, Segen, 126. Gen 19,37.38; 26,33; 32,33; 35,20; 47,26; Jos 6,25; 7,26; 8,28 u.a. 83 Es wäre eine spannende Frage, der hier nicht weiter nachzugehen ist, welcher „Tag“ und welcher „Leser“ hier gemeint ist. Dass der „Tag“ über den Zeitpunkt der Entstehung der Texte weit hinausreicht, durfte kaum zu bezweifeln sein. Auch die Leser dürften kaum ausschließlich die Zeitgenossen der Autoren sein. 84 Siehe S TERNBERG , Poetics, 59ff., der Megilla 7a zitiert, wo die Inspiriertheit und damit die kanonische Dignität des Esther-Buches gerade durch die Allwissenheit des Erzählers begründet wird, der das Innenleben seiner Figuren kennt und beschreibt. Als Beispiel aus dem Deuteronomium mag Dtn 1,1 diesen Sachverhalt noch genauer zu veranschaulichen: Wenn der biblische Erzähler mit „Dies sind die Worte...“ beginnt, dann nimmt er für sich in Anspruch, all die Worte des Mose zu kennen. Diese eine Überschrift “sets up the spatial and temporal parameters of the action and launches the work’s overall poetics ...” (Sonnet, Book, 17). 85 BAR-EFRAT , Art, 17. 86 Als Beispiel führt BAR-EFRAT, Art, 20, 1 Sam 3,8 an: „Jhwh rief Samuel wieder, zum drittenmal. Und er stand auf und ging zu Eli und sprach: Siehe, hier bin ich! Du hast mich gerufen. Da merkte Eli, dass Jhwh den Knaben rief.“ Der biblische Erzähler lässt die diesen Bericht Lesenden am Erkenntnisvorgang Elis teilhaben, der dann seinen Auftrag an Samuel zur unmittelbaren Folge hat. 82
Der Perspektivenwechsel zwischen biblischem Erzähler und Mose
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den drohenden Krieg abwendet (2 Sam 20,16), so steht ihre Handlung für die diesen Text lesende Person von vorne herein unter einem guten Vorzeichen. Auch dadurch, dass der biblische Erzähler seinen Figuren Namen gibt, schafft er eine große Nähe zwischen ihnen und dem Leser87. Eine andere Möglichkeit der Parteinahme besteht für den biblischen Erzähler des AT schließlich darin, dass er seine Perspektive der des Handlungsträgers annähert, was bis hin zur „Koalition“ mit ihm reichen kann88. All diesen stilistischen Möglichkeiten zum Trotz bleibt die direkte und explizite Einflussnahme des biblischen Erzählers auf den Leser auffällig gering. Äußerst selten wird eine Handlung oder eine Person ausdrücklich auf einer Metaebene qualifiziert. Umso mehr ist die lesende Person natürlich gefordert, die Handlung selbst zu beurteilen und ihre Schlüsse zu ziehen89. Gerade in der Zurückhaltung mit offenen, ethisch-moralischen Bewertungen liegt jedoch eine oft viel gezieltere und im Grunde geschicktere Einflussnahme auf den Leser. “On the contrary, just because it is not conspicous and functions covertly, it tends to be more effective in transmitting narrators’ values to the readers.”90 Oft ist es der Handlungsverlauf selbst, der eine Bewertung in eine bestimmte Richtung lenkt91. Insofern ist der biblischen Erzählsituation bezüglich der Konstituente „Modus“ ein Höchstmaß an Unmittelbarkeit zu attestieren. Dialoge werden ohne große erzählerische Einleitungen präsentiert, so dass der Leser den Eindruck gewinnt unmittelbar vor Ort zu sein. Auch das andere erzählerische Mittel, Unmittelbarkeit zu erzeugen, das Stanzel anführt, lässt sich in den biblischen Erzählungen aufspüren: Die Reflektorfigur. „Der Leser erhält, wie es scheint, unmittelbar, das heißt durch direkte Einschau in das Bewußtsein der Reflektorfigur, Kenntnis von den Vorgängen und Reaktionen, die im Bewußtsein der Reflektorfigur ih-
87
Hierfür führt BAR-EFRAT, Art, 37/38 die Batsebageschichte in 2 Sam 11+12 an, in deren Verlauf aus „Uriahs Frau“ „Batseba“ wird. 88 Siehe dafür die Hinweise BAR-EFRATS, Art, 39, auf den Gebrauch der Perspektivierung in der Darstellung der Abschalomrevolte 2 Sam 15–19. 89 Als schon klassisches Beispiel kann hier der Gang Abrahams mit seinem Sohn auf den Berg Moria gelten (Gen 22,6). Hier wird die Handlung nur von außen geschildert. Die Dialoge werden dem Leser unmittelbar präsentiert. Was sich jedoch bei Vater und Sohn im Inneren abspielt, bleibt der Imagination des Lesers überlassen: So stellt A UERBACH, Mimesis, 13, fest: „Gott gibt seinen Befehl in direkter Rede, doch er verschweigt sein Motiv und seine Absicht; Abraham, als er den Befehl empfängt, verstummt, und handelt, wie ihm befohlen ist. Das Gespräch zwischen Abraham und Isaak auf dem Weg zur Opferstätte ist nur eine Unterbrechung des schweren Schweigens, wodurch dies nur noch lastender wird.“ 90 BAR-EFRAT , Art, 33. 91 Für die Jakob-Esau-Erzählung der Genesis stellt CRÜSEMANN, Herrschaft, 614, fest: „Freilich wird diese Ethik nicht expliziert, sie liegt vielmehr allein im erzählerischen Ablauf selbst.“
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1.Kapitel: Theoretische Grundlegung
ren Niederschlag finden.“92 Hierfür lässt sich das von Bar-Efrat angeführte Beispiel 1.Sam 3,8 nennen. Samuel selbst wird in der Berufungsgeschichte in diesem Moment des Innewerdens zum Brennglas, in dem sich die Linien des gesamten Geschehens brechen. Sicherlich dienen die Figuren in dem aufgeführten Beispiel nur sehr punktuell als Reflektorfiguren. In modernen Romanen lässt sich dieses Phänomen noch viel eingehender beobachten. Dennoch lässt sich festhalten, dass im Alten Testament der allwissende Überblick des Erzählers mit seiner Eigenschaft, manchen der Figuren in der erzählten Wirklichkeit derart nahe zu kommen, so kombiniert wird, dass diese als Reflektorfiguren im Stanzelschen Sinne anzusehen sind. Es kann an dieser Stelle der vorliegenden Untersuchung ohnehin nur darum gehen, einen ersten Einblick in die biblischen Erzählsituationen zu geben. Bei der Analyse der Texte wird dieses Thema jeweils neu zu diskutieren sein. Soviel kann jetzt jedoch schon angedeutet werden: In den Passagen des Deuteronomiums, in denen Mose nicht das Wort ergreift, stimmt die Erzählsituation in hohem Maße mit der überein, die auch sonst in den Geschichtsbüchern des AT vorherrscht. 3.4. Mose als Erzähler Wer ist dieser Mose? Was zeichnet seine Perspektive aus, dass der biblische Erzähler ihm über so weite Strecken das Wort überlässt? Da es hier zunächst um Mose als „erzähltechnische Größe“ geht, wird es zunächst nur um das Bild gehen, das die Tora selbst von ihm zeichnet. Davon zu unterscheiden sind die historischen Umstände, unter denen dieses Bild entstanden ist. Streng genommen gehören sie nicht in das kanonisch gewordene Mosebild. Es kann jedoch durch die Ergebnisse der historisch-kritischen Forschung an einigen Stellen erhellt und konturiert werden. Darum sollen sie in einem zweiten Schritt wenigstens überblickartig zur Sprache kommen. In einem dritten Schritt möchte ich die Erzählsituation, aus der Mose seine Reden hält, überblickartig skizzieren. Auch dies wird in den konkreten Textanalysen im Laufe der vorliegenden Untersuchung zu vertiefen sein. 3.4.1. Mose – biblisch gesehen Der Abstammung nach ist Mose zwar ein Israelit, aber sein Werdegang spielt sich ausschließlich im „Ausland“ ab. Nicht nur, dass er das den Erzeltern versprochene Land in seinem ganzen Leben nicht einmal betritt: er wird in Ägypten erzogen. Er heiratet eine midianitische Frau, bekommt zwei Söhne. Einer von ihnen bezeichnet sich als „Gast im fremden Lande“ (Ex 2,22; 18,2). Mose lässt sich von seinem Schwiegervater in so wichti92
STANZEL, Theorie, 194.
Der Perspektivenwechsel zwischen biblischem Erzähler und Mose
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gen Angelegenheiten wie der Rechtspflege beraten (Ex 18)93. Er ist somit jemand, der einerseits zu Israel gehört, seinem Volk andererseits jedoch immer auch als „nicht ins Land Gehöriger“ gegenüber tritt. Den Gefahren im Land, vor denen das Deuteronomium wieder und wieder warnt, den Göttern, den Sitten und Gebräuchen der Landesbewohner, wird er im Laufe seines Lebens nicht ausgesetzt. Unabhängig von den Gründen, die in der Tora für seinen Tod angegeben werden, ist es schon allein von seinem Lebensweg her nur konsequent, wenn er an der Grenze zum verheißenen Land stirbt. Er ist einerseits ein Mensch aus Fleisch und Blut, mit dem sich der Leser identifizieren kann. Andererseits aber ist er ein Mensch, bei dem die Außenperspektive gegenüber dem Land die ganze Tora hindurch konsequent beibehalten wird. Nicht auf die quasi göttliche Distanz des biblischen Erzählers scheint es an der Schwelle zum verheißenen Land anzukommen, sondern auf diese – durch und durch menschliche – Außenperspektive. Insofern wird in der Tora das Volk Israel in zweifacher Hinsicht von außen gesehen. Auf der einen Seite steht der biblische Erzähler, der von dem Seinsbereich der dargestellten Wirklichkeit grundsätzlich abgeschieden ist. Auf der anderen Seite steht Moses, dessen Außenperspektive in der dargestellten Handlung selbst begründet ist. Das Erstaunliche ist nun, dass dieser Zug der Figur des Mose in der gesamten Tora durchgehalten wird. Mit seiner Außenperspektive ist sicherlich ein erster Punkt benannt, der ihn als Erzähler insbesondere an der Schwelle zum verheißenen Land interessant macht. Alles, was er zu erzählen hat, spielt im Ausland, in der Wüste. In Moses Reden geht es im Grunde darum, die Rechte, Gebote und die Erfahrungen der Wüstenzeit in und für das Leben im Land „hinüberzuretten“94. Wer sich im Land an seine Stimme erinnert, womöglich in seinem Auftrag spricht, wird unweigerlich in die Wüstenzeit zurückgeführt und gerät so in Distanz zu seinem eigenen Leben im Land. Die besondere Funktion des Mose für das Selbstverständnis Israels wird jedoch erst verständlich, wenn man sich die Begrenztheit seines Lebens genauer vor Augen führt. Mose gehört zur Ursprungsgeschichte Israels: Er ist aus dem Exodus und den Ereignissen am Sinai nicht wegzudenken. Hier werden die für Israel zentralen Fundamente des Rechtes und des Kultes gelegt. Der Exodus ist ein für Israel unverlierbares, grundlegendes Ereignis. Gleiches gilt für die Geschehnisse am Sinai. In beiden Etappen spielt Mose die zentrale Rolle. Der Exodus, der Sinai und damit Mose selbst
93
Siehe dazu F ISCHER, Mosebild, 109: „Das Leben des Mose zeigt eine grundsätzlich große Offenheit auch für die Aufnahme fremder Elemente.“ 94 Der Wechsel der Erzählperspektive kurz vor dem Eintritt ins Land ist hier nur eine rhetorische Strategie unter vielen anderen, die im Folgenden unter diesem Gesichtspunkt noch analysiert werden.
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1.Kapitel: Theoretische Grundlegung
bleiben „jeder Macht entzogen und jeder Macht vorgeordnet“95. Insofern ist Mose – so viel lässt sich hier schon andeuten – eindeutig den traditionalen Bestandteilen des Geschichtsbogens zuzuordnen, der von Gen – 2.Kön reicht. Damit ist Mose jedoch eine Gestalt, der sich kein Mensch und keine gesellschaftliche Gruppe in irgendeiner Weise bemächtigen kann. Gerade in diesem Punkt ist die Figur des Mose besonders abweisend. Seine Eltern entstammen beide aus dem Hause Levi (Ex 2,1ff), er ist somit Levit, was auch sämtliche Genealogien bezeugen (Ex 6,16–25; Num 26,59; 1.Chr 5,27–29). Die Leviten berufen sich jedoch auf seinen Bruder Aaron (Lev 1,5f.)96. Moses Söhne Gerschom und Elieser sind keine „Nachfolger“, sondern bleiben im Laufe der weiteren Geschichte eher Randfiguren (Ex 2,22; 4,20; 18,2–6)97. Mose gründet keine Institution, auf die sich bestimmte Amtsinhaber berufen könnten. Alles, was er hinterlässt, ist eine von Jhwh ausgewählte Leitungsfigur, Josua (Num 27,12–23), die Tora (Dtn 31,9–13) und seinen Geist, der auf die Ältesten übergeht (Num 11). Josua ist jedoch gerade nicht Moses Nachfolger und keineswegs ein „zweiter Mose“, sondern übernimmt nur einen kleinen Teil der Aufgaben, mit denen Mose betraut war98. Josua selbst hat überhaupt keinen eigenen Nachfolger mehr. Die Tora wird alle sieben Jahre am Laubhüttenfest des Erlassjahres verlesen. Diese Einrichtung kommt der Autorität des Mose noch am nächsten, wie unten noch zu zeigen sein wird. Doch hier hat ein Text und keine Institution und keine Person die Autorität inne. Die Ältesten legitimieren zwar ihre Autorität von Mose her, ohne jedoch auch nur annähernd seine Position einzunehmen. Mit anderen Worten: Die Figur des Mose fügt sich nicht in das Gefüge der altisraelitischen Gesellschaft ein. Obwohl einer der ihren, bleibt Mose für die Israeliten doch ein Mensch, der in der Erinnerung durch seinen außergewöhnlichen Lebensweg ein kritisches Gegenüber bleibt. 3.4.2. Mose – historisch gesehen Um das biblische Mosebild besser einordnen zu können, ist es sinnvoll, einen Blick auf die literaturgeschichtlichen und historiographischen Traditionen zu werfen, die es hervorgebracht haben.
95
CRÜSEMANN, Tora, 75. Vgl. CRÜSEMANN, Tora, 78; FISCHER , Mosebild, 111. 97 Siehe auch die in diesem Zusammenhang immer wieder erwähnte „Korrektur“ der n Masoreten in Ri 18,30, bei der aus hvm der Name hv m gemacht worden ist. 98 Siehe dazu die Studie von SCHÄFER-LICHTENBERGER, Josua und Salomo. Sie spricht von der „qualitativen Differenz zwischen Moses Position und derjenigen Josuas“ (aaO, 191 u.ö.). Auf diesen Themenkreis werden wir unten im Zusammenhang der in den Mosereden verhandelten Themen eingehen. 96
Der Perspektivenwechsel zwischen biblischem Erzähler und Mose
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Über den historischen Mose lässt sich kaum etwas sagen. Diese Frage hat in der Forschung zu keinen gesichterten Ergebnissen geführt99. Die Figur des Mose, so wie sie uns heute aus den Texten entgegentritt, ist über Jahrhunderte entstanden, Generationen von Schreibern haben an ihr mitgewirkt. Umso mehr drängt sich die Frage auf, welche Institution, welche Bevölkerungs- und Interessengruppen zu diesem Mosebild beigetragen haben, genauer: zu einem Mose, der sich so merkwürdig gegen jede Art von Nachfolge welcher Art auch immer sperrt. Trotz der Einführung des Königtums muss das Recht Israels ein Recht gewesen sein, das nicht in der Hand des Königs, sondern der verschiedensten Bevölkerungsgruppen lag100. Dies wird besonders an der Legitimation der Rechtsorganisation in dem vorexilischen Text Ex 18 ersichtlich: Alle Richter führen ihr Amt auf einen Auftrag Moses zurück. Ganz offensichtlich werden hiermit die in der Königszeit amtierenden Lokalgerichte101 legitimiert. Nur die Fälle mit Präzedenzcharakter sollen laut Ex 18,22 Mose persönlich überstellt werden. Er soll „befragt“ (vrd) werden. Damit kommt aber Mose genau die Rolle zu, die laut 2.Chr 19102 dem Jerusalemer Zentralgericht obliegt. Dieses ist laut 2.Chr 19,8 aus den verschiedensten Bevölkerungsgruppen zusammengesetzt. Den Entscheidungen dieses Gremiums kommt das gleiche Gewicht zu wie den Worten des Mose: sie müssen „bekannt gegeben“ (dgn) und „gelehrt“ (hry) werden (2 Chr 19,10). Sie gelten als „Tora“, an die sich die lokalen Gerichte halten müssen. Mit anderen Worten: Ein aus den verschiedensten Bevölkerungsgruppen zusammengesetztes Gremium kann Rechtsentscheide erlassen, die die gleiche Qualität wie die Worte des Mose besitzen. „Die Eigenheit des mosaischen Rechts jedenfalls, ganz Israel für Recht und Gerechtigkeit verantwortlich zu machen und das Recht so dem Staat zu entwinden und dem Volk anzuvertrauen, hat in der in der Königszeit entstandenen hebräischen Rechtsgemeinde ihre soziale Basis.“103 Die Rechtspflege oblag demzufolge dem Volk. Diese Tradition wird in der in der Exilszeit entstandenen Passage Dtn 1 fortgesetzt. Zwischen den beiden Texten Ex 18 und Dtn 1 ist eine Verschiebung der Autorität zugunsten der verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu beobachten. „Stammesoberhäupter, weise Männer, Militärs und 99
Siehe dazu CRÜSEMANN, Tora, 76.77. Hier ist anzunehmen, dass es sich um das „Gericht im Tor“ gehandelt haben muss, das eben nicht in die vorstaatliche, sondern in die Königszeit zu datieren ist. Siehe dazu CRÜSEMANN, Tora, 98–104. 101 Dass es sich hierbei um das „Gericht im Tor“ handelt, das keineswegs in die vorstaatliche Zeit hinein datiert werden kann – Texte wie Rt 4 und Gen 31 sind allenfalls Projektionen in die Vergangenheit –, hat CRÜSEMANN, Gericht, gezeigt. Vgl. D ERS ., Tora, 80ff. 102 Ganz offensichtlich liegt diesem Text eine ältere Notiz zugrunde. Siehe dazu CRÜSEMANN, Tora, 113ff. 103 CRÜSEMANN, Tora, 104. 100
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Richter, sie alle haben die Aufgabe des Mose, sie werden ausgewählt durch das Volk selbst, durch niemand anderen und haben dennoch – oder gerade deshalb – Teil an mosaischer Autorität, und das gilt gerade auch für das Gegenüber zu Gott. Für Mose selbst ist kaum noch etwas geblieben.“104 Für ihn bleiben nur noch die Fälle, in denen die bisherigen Rechtsnormen nicht ausreichten und somit Präzedenzcharakter hatten. Dies ist ein Zug der altisraelitischen Rechtspflege, der sich bis in die Exilszeit und weit darüber hinaus erhalten hat. Wer „Mose“ für die jeweilige Gegenwart war, darauf mussten sich die verschiedensten Gruppen und Verbände immer wieder neu einigen. Das erklärt, warum die Außenperspektive in der Figur des Mose so konsequent durchgehalten wurde. Nur auf eine Figur, die überparteilich bleibt und eine gewisse Distanz zu allen Bevölkerungsgruppen wahrt, kann diese integrierende Funktion überhaupt einnehmen105. Diese Eigenschaft des Mose als einer Integrationsfigur, die den Konsens ermöglicht und von der somit immer wieder neue Weisung ausgeht, spiegelt sich auf zweifache Weise in den Texten des Pentateuch wider: Zum einen darin, dass die so unterschiedlichen Texte der Tora – man denke allein an die drei völlig unterschiedlichen Gesetzeskorpora – unter seinem Namen integriert worden sind106. Zum anderen enthält der Pentateuch nicht wenige Erzählungen von Situationen, aus denen heraus Fragen an Mose gerichtet werden, der dann als der Vertraute Jhwhs in diese jeweilige Gegenwart hinein spricht. Dabei ist zunächst an Rechtsanfragen wie die nach dem Erbrecht für Frauen (Num 27; 36), nach der Rechtsstellung von Fremden (Lev 24), nach der kultischen Nachfeier des Pessachfestes (Num 9) und nach der Todesstrafe beim Sabbatbruch (Num 15) zu denken107. Man wird aber auch die Fülle der Anweisungen erwähnen können, die Mose als Führungsfigur auf den Befehl Jhwhs während der Wüstenwanderung seinem Volk erteilt: sei es der Auftrag, Kundschafter auszusenden (Num 13,1), sei es die Anweisung im Umgang mit den aufständischen Korachiten (Num 16), die Reaktion auf den Abfall Israels bei Bet-Peor (Num 25,1–5) und die Bestimmungen für die Nachkommen des Pinhas nach dessen Gehorsam (Num 25,6–18). Während der gesamten Wüstenzeit bis zum Aufenthalt in den „Gefielden Moabs“ ist Mose derjenige, der auf die jeweils 104
CRÜSEMANN, Tora, 111. Damit soll keineswegs bestritten werden, dass im Laufe der Rezeptionsgeschichte die Mosefigur auch ausgrenzende Funktion hatte. So gab es immer wieder Gruppierungen im Judentum, die z.B. das Konzept der mündlichen Tora, die sich auch auf Mose berief, nicht anwendeten. Das ändert jedoch nichts an dem grundsätzlichen Befund des Mose als einer „distanzierten Integrationsfigur“, die literarhistorisch gesehen eine enorme Kraft entwickelt haben muss. Dies wird schon allein durch die Verschiedenheit der unterschiedlichen Pentateuchschichten angezeigt, in denen Mose jeweils eine zentrale Rolle spielt. 106 Siehe dazu CRÜSEMANN, Tora, 393ff. 107 Siehe dazu CRÜSEMANN, 124–131. 105
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besondere Situation eingeht und in sie hinein den Willen Jhwhs kundtut. Jede seiner Äußerungen ist dabei durch den Mund Jhwhs legitimiert108. Diese Erzählungen häufen sich in der zweiten Hälfte des Buches Numeri, so dass die Redesituation des Mose im Deuteronomium von der kanonischen Lesefolge her gut vorbereitet ist. Die Reden des Mose am Eingang zum Land, das den Erzeltern verheißen worden war, stellen insofern keinen Einzelfall dar. Es ist eine besondere Situation, in der das Volk steht und in die hinein Mose wieder die Gebote und Bestimmungen hineinspricht, die er von Jhwh empfangen hat. Nichts anderes sind die „deuteronomischen“ Gesetze: Immer wieder betont Mose, dass er sie am Horeb von Jhwh empfangen hat und nun in Moab dem Volk verkündet (Dtn 1,3; 5,31; 4,5.13.14). So heißt es im Gegensatz zu Ex 20 in Dtn 5,31, dass Mose vor Jhwh auf dem Berg stehen bleiben soll, „damit ich dir kundtue die ganze Tora...“. Was er dort hört, verkündet er vierzig Jahre später in Moab. Auf diese Weise sind sowohl das sog. Heiligkeitsgesetz (Lev 17–26) als auch das deuteronomische Gesetz auf dem Berg Sinai dem Mose mitgeteilt worden. Von der Legitimation von Jhwh her lässt sich demzufolge kein Autoritätsunterschied der beiden Gesetzeskorpora ableiten109. Nur durch den Umstand, dass Mose selbst seine Erfahrungen und die am Horeb empfangenen Gesetze an der Schwelle zum verheißenen Land dem ganzen Volk verkündet, ergibt sich eine neue Gewichtung. Die Stimme, von der in den unterschiedlichsten Situationen immer wieder neu „Tora“ ausgeht, ergreift ausgerechnet an der Landesgrenze das Wort. Was sagt das über das Gewicht dessen aus, was die Stimme Israel zu sagen hat? Es hat alle Wahrscheinlichkeit für sich, dass entstehungsgeschichtlich gesehen die Einkleidung der deuteronomischen Gesetze in eine Moserede aus der Zeit der josianischen Reform (2.Kön 22–23) stammt. Zu dieser Zeit hat sie den Zweck gehabt, die Autorität des Mose gegenüber dem König zu betonen110. Diese kritische Funktion gegenüber den Instanzen zum Entstehungszeitpunkt der Texte findet in der Wahl des geschichtlichen Ortes, an dem Mose seine Rede hält, ihre Entsprechung. 3.4.3. Mose – „erzähltechnisch“ gesehen Was ändert sich nun, wenn anstelle des biblischen Erzählers Mose als quasi personaler Erzähler das Wort ergreift? Damit soll an dieser Stelle noch nicht der Frage nachgegangen werden, was es bedeutet, dass Mose als Redner am Ende seines Vortrags stirbt. Sie berührt das Thema „Tod des 108
Immer wieder taucht die stereotype Wendung auf: „Und Jhwh redete mit Mose und sprach...“ (Num 9,1; 10,1; 13,1; 15,1 usf.) 109 CRÜSEMANN, Tora, 413: „... die Priesterschrift kann keine Überlegenheit aus ihrer sinaitischen Herkunft ableiten.“ 110 So CRÜSEMANN, Tora, 315.
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Erzählers“111 generell und kann nur im Zusammenhang mit der in Num und Dtn dargestellten Handlung umsichtig beantwortet werden. Hierzu muss zunächst der Erzählfaden, der bis hin zum Tod des Mose führt, herausgearbeitet werden. Zunächst soll an dieser Stelle nur generell gefragt werden, was es bedeutet, wenn der biblische Erzähler seinem wichtigsten Protagonisten das Wort überlässt. “Whenever the characters use direct speech in the narrative their point of view is, naturally, reflected. In these instances the narrator’s existence is least apparent, being pushed aside and becoming practically imperceptible. When the characters’ voices are heard the narrator’s voice is silent; and then all intents and purposes the narrator is absent.”112 Das heißt, dass der biblische Erzähler im Deuteronomium über weite Strecken auf all seine – wenn auch subtilen – Möglichkeiten verzichtet, den Leser von seiner Sicht zu überzeugen. Oder ist Mose die geeignetere Figur, das Anliegen des Erzählers vorzubringen? Lässt er Mose reden, gerade weil es ein so entscheidender Moment ist? Der biblische Erzähler und Mose kommen beide deutlich voneinander abgehoben zu Wort. Sie sind zwei klar zu unterscheidende, gleichsam erzähltechnische Größen. Mose bleibt als personaler Erzähler im Hinblick auf das Volk Israel auf seine menschlichen Möglichkeiten beschränkt. Äußerungen über das Innenleben der an der Handlung beteiligten Personen finden sich in den Reden des Mose im Unterschied zum biblischen Erzähler nicht. Die allwissende Überschau ist preisgegeben. Durch diese auf das menschliche Maß beschränkte Sicht wird Mose als personaler Erzähler erst glaubwürdig. Während der biblische Erzähler wie in den vier vorangehenden Büchern der Tora eine körper-, namen- und gesichtslose Stimme bleibt, bekommt Mose als tragende Figur innerhalb des großen von Ex bis Dtn dargestellten Geschichtsbogens ein prägnantes Gesicht. Mit seinem Namen verbinden sich die großen, grundlegenden Ereignisse der Geschichte des Volkes. Sein Körper wird von Gott selbst am Ende dieser seiner Zeit außerhalb des verheißenen Landes begraben. Aus dem unberührbaren biblischen Erzähler wird durch den Perspektivwechsel ein verwundbarer Mensch aus Fleisch und Blut, ein Augenzeuge, der die Folgen der Ereignisse, die er bezeugt, von denen er redet, am eigenen Leib zu spüren bekommt. Die Kategorie des „Ich-Erzählers“ greift hier viel zu kurz. Mose ist ein „Ich mit Leib“113. Keine andere Figur der Bibel wird so ausführlich dargestellt wie die des Mose. Von der Geburt, über seine Heirat, seine Berufung und seine Taten für Israel bis hin zu seinem Tod wird alles geschildert, so dass vor den Augen des Lesers ein plastisches und anschauliches Bild seiner Person entsteht. Schon allein von daher ist der Perspektivwech-
111
Siehe dazu den Beitrag von LUX, Tod. BAR-EFRAT , Art, 41. 113 STANZEL, Theorie, 124. 112
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sel im Deuteronomium nicht zu vernachlässigen: Nicht irgendjemand bekommt das Wort, sondern hier redet einer, den die Person, die die Tora liest, aus der Perspektive des biblischen Erzählers in den vorangegangenen Büchern bereits genau kennen gelernt hat. Mose ist eine Existenz, die – um es mit Stanzels Worten zu sagen – als „erlebendes Ich dem Leser bekannt gemacht wird“114. Was die drei Konstituenten anbelangt, so ändert sich durch den Perspektivwechsel Entscheidendes. Der Modus der Erzählsituation verschiebt sich von der Unmittelbarkeit, aus der der Leser in den drei vorangegangenen Büchern das Geschehen miterleben konnte, hin zur Mittelbarkeit. Sie prägt die Situation, aus der heraus die gesamte Geschichte Jhwhs mit seinem Volk bis an die Schwelle zum verheißenen Land noch einmal wiederholt wird. Durch den Umstand, dass Mose als wohlbekannter Erzähler dem Leser entgegentritt, bekommt das Mitgeteilte noch einmal neues Gewicht. Es wird in der vorliegenden Arbeit zu untersuchen sein, inwiefern sich aus der Mittelbarkeit viele Eigenheiten der erneuten Geschichtsdarstellung erklären lassen. Dass sich für die Konstituente „Person“ die Gewichte massiv verschieben, verwundert nicht. Mose gehört eindeutig dem Seinsbereich der dargestellten Wirklichkeit an. Dort, wo die ätiologische Formel „bis auf diesen Tag“ vorkommt (etwa in Dtn 2,22.30; 3,14), zielt Mose damit auf den Tag seiner Reden ab. Er ist von der Welt der Leser getrennt. Sein Tod markiert die Grenze der beiden Seinsbereiche, wodurch das durch und durch Menschliche an seiner Perspektive deutlich wird. Weil Mose ein Mensch ist, den sein Lebensweg ausschließlich außerhalb des verheißenen Landes führt, nimmt er eine Außenperspektive ein. Innerhalb der in der Tora dargestellten Welt gehört er, was den Auszug aus Ägypten und die Wüstenzeit anbelangt, in den Fokus des Geschehens. Was die Epoche der Landnahme und des Lebens im Land betrifft, so bleibt er als Erzähler von dem Seinsbereich dieser Epoche grundsätzlich geschieden. Damit ist aber zugleich das Entscheidende über die Konstituente „Perspektive“ gesagt. Der Erzähler Mose ist als „Ich mit Leib“ nur während einer bestimmten Epoche der Geschichte Jhwhs mit seinem Volk im Fokus des Geschehens. Auch der Erzelternzeit steht er in einer großen zeitlichen Distanz gegenüber115. Insofern verschiebt sich das Gewicht auf dieser Achse im Laufe seiner Darstellungen immer wieder. Dass Mose ausgerechnet an der Schwelle zum verheißenen Land so ausführlich das Wort ergreift, schafft ebenso einen Abstand zum Leben im Land. Auch dies ist bei der Beschreibung der Konstituente „Perspektive“ 114
STANZEL, Theorie, 124. Dies wird schon in der Berufungsgeschichte deutlich, in der Jhwh sich Mose als der „Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs“ offenbart (Ex 3,6). 115
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1.Kapitel: Theoretische Grundlegung
mit zu bedenken. Die Mitglieder des Volkes, die seine Rede alle sieben Jahre vorgelesen bekommen (Dtn 31,9–13), werden so in ihrer Imagination in eine Situation außerhalb ihres alltäglichen Lebens im Land versetzt. Doch inwiefern ist die Schwelle zum verheißenen Land rechtssystematisch und geschichtstheologisch ein so zentraler Ort, dass Mose sich derart ausführlich zu Wort melden muss und zwar viel ausführlicher, als bei den oben genannten Erzählungen, in denen Mose in den unterschiedlichsten Situationen zu Rat gezogen wird? Zwei wesentliche Momente des alttestamentlichen Rechtes greifen genau an der Schwelle von der Wüste zum verheißenen Land ineinander: Wüste und Land sind aus dem alttestamentlichen Rechtsverständnis nicht wegzudenken. Die meisten Gesetze, die Mose mit der Legitimation Jhwhs in der Wüste verkündet hat, sollen im Land gelten. Wie noch zu zeigen sein wird, sollen wesentliche Aspekte der Wüstenzeit in das Leben im Land integriert werden. Um dies zu erreichen, muss die Außenperspektive des Mose konsequent gewahrt bleiben. Die Geltung der Gesetze und die Bedeutung der Erfahrungen in der Wüste sollen für das Leben im Land besonders betont werden. Dies ist durch die Rede des Mose an der Landesgrenze gewährleistet. Moses Perspektive und die besondere Situation, in der er seine Reden hält, wirken im Blick auf das verheißene Land zusammen. Einen Zug hat er mit dem biblischen Erzähler des Alten Testamentes gemein: Mose kennt Gottes Innerstes. Er hat als Fürbitter und als Mittler den Zorn Jhwhs und sein Erbarmen noch einmal aus viel größerer Nähe mitbekommen als das Volk (vgl. etwa Ex 33,12–19). Das aber ist ein besonderes Kennzeichen dieser Epoche. Einen wie Mose, der mit Jhwh von Angesicht zu Angesicht redet, wird es in Israel nicht mehr geben (Dtn 34,10). Seine Mittlerstellung zwischen Jhwh und den Menschen spiegelt sich jedoch, wie noch zu zeigen sein wird, an vielen Stellen in seiner Erzählperspektive, in die die Lesenden mit hineingenommen werden. Auf diese Weise geraten sie durch die Rede des Mose sogar in die Nähe des Standpunktes Jhwhs. Für die Kundschaftergeschichte, bei der es das Volk kurz vor der Landnahme mit der Angst zu tun bekommt, heißt das nun: Die Lesenden erleben das Abfallen des Volkes, dessen mangelndes Vertrauen in der Wüste aus der Perspektive des Mose mit. Diese Nähe zieht zwangsläufig eine Distanz zum mutlosen Verhalten des Volkes in dieser Situation nach sich. Der Abstand wird durch die Identifikation der Lesenden mit Mose noch verstärkt. Die Not-wendigkeit des beherzten Zugriffs, der in der vom Deuteronomium inszenierten Situation unmittelbar bevorsteht, kann rhetorisch kaum geschickter dargestellt werden. Auf diese Weise wird durch Moses Erzählperspektive das zentrale Anliegen Jhwhs, dass Israel in das verheißene Land einziehen soll (Dtn 1,6–7), den Angehörigen des Volkes Israel gegenüber zur Sprache gebracht.
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Unter diesen Vorzeichen wird Mose jedoch die eine große Stimme, die in der Wüste zurückbleibt, zur Stimme, die viele andere Stimmen in Israel auffordert zu erzählen. In der Tat melden sich im Dtn viel mehr Stimmen zu Wort als die von Polzin diskutierten116. Sie alle legitimieren sich von Mose her und erzählen von seiner Zeit117. Die Person, die Antwort auf die Kinderfragen in Dtn 6,20–25 gibt, fasst den Auszug aus Ägypten zusammen. Der Israelit, der bei der Wallfahrt seine Erstlingsfrüchte darbringt, soll von dem Lebensweg des „umherirrenden“ Vaters und dem Gott erzählen, an den sich Israel in der Zeit der Bedrängung in Ägypten wenden konnte (Dtn 26,5–9). Es ist der Gott, den die Vorfahren in der Wüste kennen gelernt haben und der dem Darbringer der ersten Früchte das Land geschenkt hat. Auf diese Weise beauftragt die große Stimme, die in der Wüste zurückbleibt, die vielen Stimmen des Volkes – Eltern und Wallfahrer –, von der Wüstenzeit, dem Gesetz und den Erfahrungen zu erzählen, die Israel in dieser Zeit gemacht hat. Mose gibt gleichsam die Autorität zurück, die Israel ihm verliehen hat. Anhand der Figur des Mose wird die Erinnerung an die Wüstenzeit zu den verschiedensten Anlässen in die Lebensvollzüge im Land eingestiftet. So gesehen ermöglicht Mose es den Angehörigen des Volkes Israel, zu besonderen Anlässen, sei es eine Kinderfrage oder eine Wallfahrt, seine Erzählperspektive einzunehmen. 3.5. Die Mosereden als Abschluss der Tora Wenn nun das bisherige Geschehen aus der Sicht des Mose kurz vor seinem Tod noch einmal wiederholt wird, so ist dies offenbar als Signal für den Qualitätsunterschied zweier Epochen zu verstehen: Dohmen und Oeming stellen in ihrer richtungsweisenden Untersuchung über den biblischen Kanon heraus: Es ist der „Tod des Offenbarungsmittlers, weil allein er äußeres Ende und inneren Abschluss der durch ihn vermittelten Offenbarung darstellt.“118 Dadurch wird das Dtn zur Gründungsurkunde. Jos – 2.Kön greift auf dieses Buch als Maßstab zurück und: „Der durch den Tod des Mose in Dtn 34,1–9 gesetzte Schnitt in einen vormals zusammengehörigen literarischen Kontext stellt einen qualitativen (theologischen) Schnitt und nicht einen thematischen dar.“119 Das Verweissystem der Texte, die um das Thema „Tod des Mose“ kreisen, reicht weit über das Deuteronomium hinaus: Passagen wie Num 20,12+13; 27,12–23 und sogar die Erzel-
116
Vgl. dazu O LSON, Death, 180. H ARDMEIER, Erinnerung, 151: „Mit dieser ursprungsgeschichtlichen Aufweitung des Selbsterfahrungsraumes gewinnt das in Erinnerung Gerufene jedoch zugleich seine überindividuelle normative Kraft.“ Siehe dazu auch FINSTERBUSCH, Weisung, 250–253. 118 D OHMEN / O EMING, Kanon, 65. 119 D OHMEN / O EMING, Kanon, 65. 117
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1.Kapitel: Theoretische Grundlegung
tern-Erzählung (Dtn 34,4)120 sind bei einer kanonischen Lektüre des Deuteronomiums mit einzubeziehen121. „Auf der anderen Seite ergeben die an der Schwelle zum verheißenen Land verkündigten Gesetze den Maßstab für das Leben im Land. Allein schon diese Konstruktion bedingt eine schriftliche Fixierung. Insofern ist Dtn 34,1–9 nicht nur die Geburt des Pentateuch, sondern auch die Geburt der Kanonidee im engeren Sinne.“122 Hinzu kommt die Unvergleichlichkeitsaussage in V.10, d.h. Dtn 34,1–9 gibt demzufolge die Rangordnung zwischen beiden Kanonteilen „Tora“ und „Propheten“ an, „... so daß von hierher Tora im Horizont der Kanonisierung zum Ersatzwort für Offenbarung wird.“123 Das letzte Kapitel des Deuteronomiums verweist auf den gesamten Pentateuch. Dieses Ende ist tief in dem „Epochenschwellenbuch“ Deuteronomium verankert. Der Tod des Mose ist aus kanonischer Sicht mit dem Wechsel der Erzählsituation im Deuteronomium verbunden. Beide zusammengenommen bilden den wirksamen Abschluss des Kanons der Tora. Sonnet vergleicht zu Recht die Kommunikationssituation des Deuteronomiums mit der einer Bühne: Sie wird durch den biblischen Erzähler geschaffen, auf ihr trägt Mose all das vor, was seine Hörer, die sich ebenfalls auf der Bühne befinden, im verheißenen Land brauchen. Genau dadurch aber übermittelt der biblische Erzähler dem Leser die Tora des Mose. “It is by showing Moses as he attempts to bring home (to the sons of Israel and to the land of Israel) his ultimate teaching that Deuteronomy brings home (to the reader) Moses’ Torah. The two communicational purposes cooperate as do weels within weels. Deuteronomy therefore stands or falls on its ability to combine inner and outer communication.”124 Um das herauszuarbeiten, wählt Sonnet einen konsequent leserorientierten Zugang. “In this view, the Book of Deuteronomy primarily aims to help its reader face historical and existential challenges by rehearsing the paradigmatic scene of the entry into the land.” (6) Von der historisch-kritischen Forschung ist immer wieder hervorgehoben worden, dass sich in der Exilssituation die im Dtn dargestellte Moabsituation widerspiegelt. Das aber, so hebt Sonnet zu Recht hervor, wird einem wesentlichen Merkmal des Deuteronomiums nicht gerecht: Es erzählt von einem Geschehen „once and for all“ (5). Dabei initiiert das Dtn den geschichtlichen Kontext selbst, indem es seine Aussagen verortet. Als Erzählung hält es die zum Verständnis notwendigen Informationen bereit. “In Deuteronomy, like in the rest of the Hebrew Bible narrative, there is no 120
D OHMEN / O EMING, Kanon, 66. Siehe bei D OHMEN / O EMING, Kanon, 61–66. 122 D OHMEN / O EMING, Kanon, 67. 123 D OHMEN / O EMING, Kanon, 68. 124 SONNET, Book, 4. Die Seitenzahlen in Klammern im Folgenden beziehen sich auf diese Untersuchung. 121
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hermeneutic shortcut, the reader has everything to gain by playing by the historiographical and narrative rules of the work.” (5). Das ist der Grund für Sonnet, sich vor allem der Verhältnisbestimmung der beiden Erzählebenen zuzuwenden. Leider beschränkt Sonnet sich, was den Bucherzähler angeht, auf das Deuteronomium. Wie die Mosereden durch Wiederholung von bereits Bekanntem die Tora abschließen, wird jedoch erst durch einen unmittelbaren Vergleich der beiden Versionen deutlich. Nicht allein das Deuteronomium allein, sondern die Tora insgesamt, inszeniert den „geschichtlichen Ort“ der Mosereden. Dabei gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass die Fassung des Mose offenbar die „Intertextualität zu jenen Ereignissen“ sucht125. Das heißt, dass Moses Rede nur vor dem Hintergrund des biblischen Erzählers voll erfasst werden kann. Dazu ein Beispiel: Die Rede des Mose selbst legt an einer Stelle ganz ausdrücklich eine solche intertextuelle Lektüre nahe, wie ein Vergleich zwischen Dtn 26,19 mit Lev 19,2 zeigt126: Lev 19,2
Dtn 26,19
t¬ådSo_lD;k_lRa rE;bå;d M™RhElSa ¶D;trAmDaw l¢EarVcˆy_y´nV;b h™D;lIhVtIl h$DcDo rRvSa ‹Mˆywø…gAh_lD;k l§Ao NwGøyVlRo ÔKV;tItVlá…w t®r¡DaVpItVl…w MEvVl…w …wóyVhI;t MyIvOdVq :M`RkyEhølTa h¶Dwhy y™InSa vw$ødq yI;k
vÿOdq_MAo ¬ÔKVtOyVh`Ilw ÔKy™RhølTa h¶DwhyAl :r`E;bî;d r¶RvSaA;k
Inhaltlich stimmen die beiden Aussagen überein: Israel soll für Jhwh ein heiliges Volk sein. Diese Aussagen lassen sich durchaus auch innerhalb der Moserede finden (Dtn 7,6; 14,2.21; 28,9). Durch den Nachsatz r¶RvSaA;k r`E;bî;d in Dtn 26,19 bezieht sich Mose jedoch deutlich auf eine Äußerung Jhwhs, die sich in dieser Form innerhalb des Deuteronomium nicht finden lässt, sehr wohl jedoch im sog. „Heiligkeitsgesetz“. Unabhängig von der
125 126
350.
LOHFINK, Endtextstruktur, 55. Siehe dazu G RÜNWALDT, Heiligkeitsgesetz, 252; A CHENBACH, Heiligkeitsgesetz,
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1.Kapitel: Theoretische Grundlegung
Frage, welcher Redaktionsschicht Dtn 26,19 nun zuzuordnen ist127, lässt dieser Vers einen anderen Gesetzestext „mitschwingen“, der Mose ebenfalls am Sinai bzw. Horeb von Jhwh mitgeteilt worden ist. Bei diesem intertextuellen Geflecht gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass die Moserede den Abschluss der Darstellung der Wüstenzeit und der in ihr gegebenen Bestimmungen bildet und aus dem Mund Moses kommt. Diesen Umstand gilt es in der vorliegenden Arbeit sowohl aus geschichtstheologischer als auch aus rechtshermeneutischer128 Sicht näher zu untersuchen. 3.6. Circulus vitiosus oder hermeneutischer Zirkel? Da der Ort und der Zeitpunkt, an dem Mose seine Version der Ereignisse liefert, derart genau definiert und theologisch qualifiziert wird, erscheint es zulässig, von diesem „geschichtlichen Ort“ Rückschlüsse auf das dort Gesagte zu ziehen. Da noch die Fassung aus einer allwissenden Überschau zuvor präsentiert wird, ist ein derartiges Fragen sogar geboten. Auf der Ebene des kanonischen Endtextes lässt sich sagen, dass die Ereignisse, von denen Mose erzählt, den Lesern der Tora bereits bekannt sind. So ist anzunehmen, dass den Ereignissen, die Mose an der Grenze zum verheißenen Land herausgreift, in der neuen Reihenfolge und dem neuen Zusammenhang, in den sie gestellt werden, noch einmal eine ganz eigene Bedeutung zukommt. Die umgekehrte Denkbewegung erscheint ebenfalls möglich: Die Art und Weise, wie Mose die Ereignisse darstellt, wirft ein Licht zurück auf den „Tag“, an dem er seine Reden hält. Es ist ein Zeitpunkt, der sich von den unzähligen Tagen der Wüstenwanderung abhebt, der Tag, an dem Mose eine Standortbestimmung in der Geschichte Gottes mit seinem Volk vornimmt129. Dazu dienen ihm zu allererst die Verheißungen Jhwhs an die Erzeltern. Mose eröffnet seine Rede, indem er an die Land- und Mehrungsverheißung erinnert (Dtn 1,6–10). Er macht darauf aufmerksam, dass sich die Mehrungsverheißung bereits erfüllt hat. Die Einnahme des verheißenen Landes steht unmittelbar bevor. Damit ist für Mose der Zeitpunkt der Rückschau und der Besinnung auf Zukünftiges (Dtn 4,25–31; 30,3–10) gekommen. Im Zuge der vergleichenden Analyse der einzelnen Abschnitte 127
O TTO, Dtn im Pentateuch, 183 Anm 133, ordnet diesen Vers natürlich seiner Pentateuchredaktion zu. Da er das Heiligkeitsgesetz später datiert als das Gesetzeskorpus des Dtn, sieht er es als dessen „Auslegung“ an. Vers 26,19 stellt nach Ansicht O TTOs dieses „faktische Auslegungsverhältnis zwischen Heiligkeitsgesetz und Deuteronomium in ihrer Offenbarungs- und Verschriftungstheorie auf den Kopf“. 128 Insbesondere bei der Auslegung der Bestimmung des Mose, seine Tora am Laubhüttenfest des Erlassjahres zu verlesen (Dtn 31,9–13), stellt sich natürlich zunächst die Frage, welche Rolle dabei die „nicht-deuteronomischen“ Bestimmungen für diese beiden Feste spielen. Siehe dazu LOHFINK, Deuteronomium und Pentateuch, 30–31 und die Ausführungen S. 296ff. 129 Siehe dazu H ARDMEIER, Geschichten, 6. Vgl. dazu oben S.16ff.
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lässt sich dieser Tag der Reden noch genauer qualifizieren. Die Auswahl und Art der Darstellung der Ereignisse sagt viel über die Situation aus, in der Mose erzählt und weitere Gesetze verkündet, die er am Horeb von Jhwh mitgeteilt bekommen hat (Dtn 5,31). An dieser Stelle mag der Hinweis genügen, dass wir es bei dem Rückschluss von der Darstellung auf den geschichtlichen Ort nicht mit einem Circulus vitiosus zu tun haben, der lediglich seine Voraussetzungen beweist. Vielmehr treten wir mit dieser Denkbewegung in eine Art hermeneutischen Zirkel ein, bei dessen Abschreiten immer auch wieder nur die eine Seite getrennt von der anderen untersucht werden muss, bevor wir uns wieder der anderen Seite zuwenden. Erst so kann es zu einem wirklichen Erkenntnisfortschritt kommen. Während bislang die Aussagen über den „geschichtlichen Ort“ bzw. die Erzählsituation der Mosereden Gegenstand der Untersuchung waren, wenden wir uns nach einer eingehenden Gliederung des Deuteronomiums der Differenz der unterschiedlichen Geschichtsdarstellungen zu. Zunächst werde ich dabei die beiden verschiedenen Darstellungsfolgen kurz einander gegenüberstellen, um anschließend die Schilderungen der wesentlichen Stationen im Einzelnen miteinander zu vergleichen. Nach einer geschichtstheologischen Einordnung dieser Differenz möchte ich schließlich von dort aus versuchen, noch einmal die theologische Relevanz des „geschichtlichen Ortes“ der Moserede zu beschreiben. 3.7. Zielsetzung der vorliegenden Arbeit Für Otto stellt das Deuteronomium die Grundlage dar, aus der heraus sich der Pentateuch entwickelt hat. Dadurch nähert er sich – vermutlich ohne es zu wollen – der Darstellung der Entstehung der Tora an, die das Deuteronomium an seinem Ende zeichnet. Auch nach Ottos Sicht laufen alle entscheidenden Fäden in dem Textbereich um die Verschriftungsnotiz (Dtn 31,9–13) herum zusammen. Seinem Entstehungsmodell zufolge sind diese Schlussbausteine des Deuteronomiums den Redaktoren zu verdanken, die bereits die Hauptbestandteile vor Augen hatten, aus denen die Tora heute besteht, so dass sie auf diese integrierend reagieren konnten130. Besonders deutlich wird dies bei seiner Vorstellung von der Pentateuchredaktion in Bezug auf die Priesterschrift. Da diese Schicht von Otto auch gleichzeitig die Textmerkmale zugeordnet bekommt, die die Abgrenzung der Wüstenvon der Landnahmeepoche markieren, kann er Textzusammenhänge quer über den gesamten Pentateuch aufzeigen, die für eine synchrone Betrachtung der Tora wertvoll sind. Doch, wie oben beschrieben, führt das entstehungsgeschichtliche Schichtenmodell, das Otto entwirft, zu logischen Abblendungen. Dadurch bekommt er zwar Texte in den Blick, die er seiner Pentateuchredaktion zuordnet, aber eben doch nicht die Endgestalt. Zwar
130
Siehe oben S. 7ff.
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kann er viele Textmerkmale entstehungsgeschichtlich erklären. Die Segmente, die er unterschiedlichen Schichen zuordnet, hat er darum noch nicht wirklich zusammengelesen und konsequent nach ihrer Funktion innerhalb ihres heutigen „Sitzes im Text“ gefragt131. Das führt dazu, dass die entstehungsgeschichtliche Gliederung der Epochen jene hochkomplexe der Geschichte Israels überlagert, die das Deuteronomium zeichnet. Sie kommt erst in den Blick – und hier führen die Ansätze Polzins und vor allem Sonnets weiter –, wenn das Verhältnis der beiden Erzählebenen innerhalb der gesamten Tora einer genauen Analyse unterzogen wird. Der vorliegenden Arbeit geht es infolgedessen nicht darum zu versuchen, die verschiedenen Schichten voneinander zu trennen, wie dies schon vielfach unternommen worden ist. Die Endkapitel des Deuteronomiums sollen nicht als „ein Knoten“ betrachtet werden, den die Exegese zu entwirren hätte132. Die Gefahr eines solchen Verfahrens liegt auf der Hand und ist bereits mehrfach beschworen worden: Das Ineinander dieses Geflechtes in seiner uns heute vorliegenden Gestalt kann dann nur noch als wirr oder als „Traditionsgeröll“133 begriffen werden. Der Sinn der Bündelung der unterschiedlichen Themen und die geschichtstheologische Bedeutung des Wechsels der Erzählperspektiven gerade an der Schwelle zum Übergang ins Land kann sich der Auslegung dann kaum noch erschließen. An Sonnets Weiterführung von Polzins Ansatz knüpft die vorliegende Untersuchung an. Es wird darum gehen, die besondere Erzählsituation im Deuteronomium gegenüber den übrigen Büchern der Tora herauszuarbeiten. Ich möchte so das Deuteronomium als Epochenschwellenbuch stärker profilieren und dadurch seinen Wiederholungscharakter deutlicher herausstellen. Ich möchte damit veranschaulichen, wie sehr der Wechsel der Erzählperspektive durch historiografische Gesichtspunkte motiviert ist. Daraus ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit, die Bezüge der beiden Erzählebenen zum übrigen Pentateuch und zum Josuabuch unter dem Gesichtspunkt des Generationswechsels genauer zu untersuchen. Die vorliegende Untersuchung wird im Unterschied zu Sonnet die Versionen des biblischen Erzählers in den ersten vier Büchern der Tora in den Blick nehmen und möglichst genau die Unterschiede der jeweiligen Versionen herausarbeiten. Daraus lassen sich wiederum Rückschlüsse auf die verschiedenen Erzählsituationen ziehen. Um die Bedeutung des „geschichtlichen Ortes“ näher zu bestimmen, an dem das Deuteronomium seine Theologie entfaltet, ist dies ein unerlässlicher Schritt. Sein „geschichtlicher Ort“ und seine besondere Erzählperspektive lassen sich nicht getrennt voneinander betrachten.
131
Siehe dazu TASCHNER, Kanon-Lese, 169–170. Siehe oben unter S. 6 mit Hinweis auf O TTO, Dtn im Pentateuch, 175. 133 So V.RAD, fünfte Buch, 136. 132
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Die Epochenschwelle, die im Deuteronomium mit einem Generationswechsel einhergeht, ermöglicht als Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung – so die Arbeitshypothese – einen Zugang zur komplexen Architektur des Deuteronomiums in seiner uns heute vorliegenden Gestalt. Dabei möchte ich auf zwei Dinge achten, die nach meiner Ansicht in der Forschung bislang zu wenig Aufmerksamkeit gefunden haben: Die gleichen Themen werden a) in unterschiedlichen Epochen und b) in unterschiedlichen Kommunikatiossituationen behandelt. Das Wort Jhwhs ist in der Wüstenepoche durch Mose vermittelt, in der Josuaepoche durch die bereits durch Mose schriftlich niedergelegte Tora. Es ist dabei zu untersuchen, ob und inwiefern sich viele der Differenzen in der Behandlung der Themen aus den unterschiedlichen Epochen und der jeweils anderen Kommunikationssituation ergeben. Es soll hier der Versuch unternommen werden, neben die in der Forschung bereits gut begründete entstehungsgeschichtliche Erklärung der „Doppelung“ der Darstellung deren inhaltliche Deutung zu stellen.
Kapitel 2:
Ein Geschehen – zwei Versionen Kernstück der vorliegenden Arbeit ist der Vergleich der beiden verschiedenen Geschichtsdarstellungen in der Tora unter historiografischen und erzähltheoretischen Gesichtspunkten. Wie sollte diese Gegenüberstellung aufgebaut sein? Folgten wir bei diesem Durchgang den Argumentationsstrukturen des Deuteronomiums, so bestünde die Gefahr, dass die Darstellung unübersichtlich würde. Darum erscheint es ratsam, die Epochen in der Reihenfolge der Fabel1 zu untersuchen. Einen Überblick über die komplexe Architektur des Deuteronomiums möchte ich diesem unmittelbaren Vergleich voranstellen. Auf diese Weise können die nachfolgenden Analysen der Moseversion besser eingeordnet werden.
1. Argumentationsstrukturen im Deuteronomium Die historisch-kritische Forschung hat sich vielfach darum bemüht, das ursprüngliche Deuteronomium aus dem uns vorliegenden Textbestand herauszuschälen. Es wird gemeinhin als Gesetzeskodex angesehen, der einen vorexilischen Verfassungsentwurf darstellt2. Bei all diesen Untersuchungen ist immer schon der konzentrische Aufbau des Deuteronomiums gesehen worden. Das eigentliche Gesetzeskorpus Dtn 12–26 wird von erzählenden Partien und die Paränesen gerahmt. Es ist darauf hingewiesen worden, dass man im Grunde von mehreren „Rahmungen“ sprechen muss, weil bestimmte Segmente der Einleitungskapitel thematische und sachliche Entsprechungen in den Schlusskapiteln haben3. Dabei ist man insbesondere in den Rahmenteilen von höchst unterschiedlichen Textgattungen ausgegangen: So sind in ihnen aufgeschriebene Predigten der Priester gesehen wor-
1
Zur Unterscheidung von „Fabel“ und „Sujet“ siehe S. 72. Siehe dazu die Forschungsüberblicke: PREUSS, Deuteronomium; O TTO, Forschungen; W EIPPERT, Geschichtswerk; RÖMER, Qête des origines; D ERS. / DE PURY, Historiographie; V EIJOLA, Deuteronomismusforschung, Teil I. 3 Siehe dazu etwa den Aufriss bei S CHMIDT, Einführung, 120.121. K NAPP, Deuteronomium 4, geht davon aus, dass sich diese Technik der Rahmung in mehreren Bearbeitungsschichten wiederfinden lässt. Auch der streng mit synchronen Methoden arbeitende Kommentar von CHRISTENSEN gliedert chiastisch und rückt dabei das Gesetzeskorpus ins Zentrum. (Siehe DERS., Deuteronomy 6A, 6). 2
Argumentationsstrukturen im Deuteronomium
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den, die am Heiligtum von Sichem ihren Dienst versahen4. Diejenigen, die vergleichbare Dokumente aus der altorientalischen Umwelt heranziehen, sehen in ihm vor allem ein Vertragsdokument bzw. eine Bundesurkunde5. All diesen Zugängen ist gemeinsam, dass sie den Rahmen und damit auch die Schlusskapitel 29–34, auf die sich das Augenmerk der vorliegenden Untersuchung in erster Linie richtet, als spätere Zusätze, als „Anhang“ ansehen6. Die meisten Textsegmente dieser Kapitel werden als exilische Bearbeitungen angesehen, die zum einen Teil zur Reaktualisierung der Horeb- durch den Moabbund dienen, zum anderen als Eingliederung des Deuteronomiums in den Pentateuch7. In jüngster Zeit erfreuen sich genau diese Kapitel einer besonderen Aufmerksamkeit. Für die diachrone Forschung, die das Entstehen des Pentateuch vom Deuteronomium her erklären8, sind diese Schlusskapitel, insbesondere die nachweisbaren Bezüge in die ersten vier Bücher des Pentateuch hinein, von großem Interesse. Aber auch die Forscher, die noch stärker von einem DtrG ausgehen, richten ihr Augenmerk verstärkt auf die als relativ jung angesehene Einbettung der Gesetzesverkündigung in den Bundesschluss im Moabgebiet. Mit diesen Sichtweisen ist zweifelsohne eine Annäherung der Perspektive an Untersuchungen gegeben, die nach die Endgestalt des Deuteronomiums fragen: Braulik und Lohfink haben ein diachrones Modell vorgelegt, das die unterschiedlichen Textgattungen integriert, indem sie sie auf unterschiedliche diachrone Schichten verteilt. Demnach ist das Gesetzeskorpus schon zu Josias Zeiten in die Gestalt einer Bundesurkunde gekleidet worden. Auf dieser Stufe fehlt noch die narrative Einbettung. Noch zu Josias Zeiten ist diese Urkunde, so Lohfink, in eine Vorform des DtrG, die „joschijanische Landeroberungserzählung“, eingestellt worden. Bereits auf dieser Stufe erhält die Urkunde die Gestalt einer Moserede, die er bei der Inkraftsetzung des Moabbundes hält. Hier werden Horeb- und Moabbund miteinander verknüpft9. Nach dieser Sicht stellt diese jüngere Schicht das Deuteronomium als Erzählung eines Bundesschlusses dar. Das Überschriftensystem, das das Deuteronomium durchzieht und es als eine „Art Archiv“10 erscheinen lässt, wird diesem entstehungsgeschichtlichen Modell zufolge
4
So der Ansatz V.RADs in seinem Kommentar, s.S. 13ff. BALTZER, Bundesformular. 6 Siehe bei TALSTRA, Dtn 31, 87–94; PREUSS, Deuteronomium, 149; Diese Sichtweise liegt unter anderem auch darin begründet, dass sich nur schwer inhaltliche und strukturelle Parallelen zu den Eingangskapiteln herstellen lassen. 7 Siehe hierzu klassisch N OTH, ÜS, 212.213. 8 Z.B. O TTO, siehe die Zusammenfassung seines entstehungsgeschichtlichen Modells oben. 9 Siehe dazu: BRAULIK, Buch (Zengereinleitung), 129–135; LOHFINK, Bundesschluss; D ERS., Unterschied. 10 BRAULIK, Dtn I, 5. 5
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
erst bei der Eingliederung des Deuteronomiums in den Pentateuch hinzugefügt: Dtn 1,1; 4,44.45; 28,69; 33,1. Insgesamt hat die diachrone Forschung die Fülle der verschiedenen Textgattungen vor Augen geführt, die im Deuteronomium zu finden sind. Umso schwerer fällt es, das Deuteronomium in seiner uns heute vorliegenden Gestalt einer bestimmten Gattung zuzuordnen Olson11 hat versucht, die Selbstbezeichnung des Dtn als „Tora“ als Gattung zu verstehen. Immerhin ist das Dtn das einzige Buch, das sich selbst mit diesem Begriff (Dtn 1,5) bezeichnet (8). Dabei versteht Olson Tora als „a program of catechesis“: “Catechesis in this broad sense is the process of education in faith from one generation to another based on a distillation of essential tradition.” (11) Insofern zielt das Deuteronomium darauf ab, die Grundlage für das Leben und die Identität Israels zu sein. In diesem Sinne nimmt Olson die Selbstbezeichnung des Deuteronomiums als Tora auf und versucht auf diesem Wege, die Form einer Abschlussrede an der Grenze zum Verheißenen Land zu erklären (11). Der Erzählfluss ist auf weite Strecken nach Ansicht Olsons unterbrochen, um der nächsten Generation die „fundamental story“ zu übermitteln. Das Motiv vom Tod des Katecheten Mose dient dazu, die Notwendigkeit dieser Traditionsweitergabe zu vermitteln (21), ebenso die Instruktionen und Mechanismen, mit denen Tora übermittelt werden soll (Dtn 31,9–13; 4,9.10; 6,7; 11,19). Damit sind die wesentlichen Gesichtspunkte angegeben, nach denen Olson seine Gliederung vornimmt. Die Ursache des Todes des Mose außerhalb des Landes wird am Anfang in der Kundschaftergeschichte benannt und am Ende wird dieser Tod berichtet: “They form a key interpretative framework as an inclusio for the entire book.” (18) Olson geht ebenfalls von dem Überschriftensystem aus und trägt dabei seine Gliederung auf einem Zeitstrahl ein12: Dtn 1–4 steht als Geschichtsrückblick für die Vergangenheit. Das Gemeinschaft prägende Gesetz in Dtn 6–28 bezieht Olson auf die Gegenwart. Die „provisions for a new covenant with future Generations“ werden seiner Ansicht nach in Dtn 29–32 und in der „ultimative blessing“ (Dtn 33–34) getroffen (17). Dabei versteht er Dtn 5 als eine eine „miniature-version“ bzw. als „blueprint“ des Deuteronomiums13. Auch bei diesem Kapitel steht nach Olsons Sicht ein lineares Zeitverständnis im Hintergrund: Dtn 5,6 entspricht in seiner Funktion als Rückblick den Kapiteln Dtn 1–4, das Gesetz für die Gegenwart in Dtn 5– 28 entspricht Dtn 5,7–21, der Ausblick auf die Zukunft in Dtn 29–32 wird bereits in Dtn 5,22–31 vorabgebildet und der Segen als letztes Wort findet sich sowohl in Dtn 5,32–33 als auch in Dtn 33–34. 11
O LSON, Death of Moses. Die Seitenzahlen in Klammern im folgenden Abschnitt beziehen sich auf diese Monografie. 12 Siehe dazu die Skizze aaO, 16. 13 Siehe dazu das Schema aaO, 40/41.
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Für Olson überträgt sich die Gegenwart des Deuteronomiums auf jede Gegenwart, in der es vorgelesen wird: “The phrase ‘this day’ or ‘today’ occurs twenty-seven times in Deuteronomy. In this narrative context it refers to the time of Moses. But as the book of Deuteronomy was read and carried from one generation to another, ‘this day’ came to mean any festival or liturgical day on which these same words were read and throughout Israel’s history [...]” (41). Dieser Zeitpunkt der Vergegenwärtigung des „Heute“ im Deuteronomium lässt sich im Hinblick auf eine Analyse von Dtn 31,9–13 noch wesentlich genauer fassen. In der Tat bezeichnet der „Tag“ im Deuteronomium eine Gegenwart, die über einen nur durch modernes historisches Denken definierbaren Zeitpunkt weit hinaus geht. Doch diese Gegenwart wird nicht nur während des Verlesens der niedergeschriebenen Mosereden zu einem bestimmten Anlass präsent, sondern spielt auch bei der Epocheneinteilung, die es insgesamt vornimmt, noch eine wesentliche Rolle. Dies wird bei der Analyse der Kapitel 4 und 30 mit ihren Ausblicken über die Exilszeit hinaus noch deutlich werden. Insofern lässt sich besonders Kap 4 nicht der „Vergangenheit“ zuordnen. Rückblicke, Ausblicke und Aufforderungen an die Hörerinnen und Hörer, „präsent“ zu sein, wechseln innerhalb des Deuteronomium in kurzen Intervallen ab. Dann aber taugt die (moderne) Unterscheidung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht für eine Gliederung des Buches. Zwar lässt sich der Text des Deuteronomium nicht anhand der Zeit strukturieren. Eine umgekehrte Aussage ist jedoch sehr wohl möglich: Das Deuteronomium teilt in der Tat die Zeit ein, stellt die Geschichte aber auf der Ebene der Moserede nicht linear dar. Dies wird im Einzelnen noch zu zeigen sein. Insofern stellt sich die Frage, ob sich Olson durch seine (Gattungs-) Definition von Tora als Katechismus nicht den Blick auf wesentliche Strukturmerkmale des Deuteronomium verstellt. Ein moderner Katechismus mag aus didaktischen Gründen entsprechend der (modernem Denken gemäßen) linearen Zeitachse strukturiert sein. Die Strategien der Vergegenwärtigung im Deuteronomium funktionieren jedoch anders: Die Aussagen über die Zukunft lassen sich gleichzeitig als Rückkehr in die (Erzähl-) Gegenwart des Deuteronomiums verstehen, die wiederum eindeutig in der Vergangenheit lokalisiert ist. 1.1. Problem des Gliederns: Die Zeitenfolge Mit dem Gliederungsversuch Olsons wird jedoch deutlich, dass Gliederungsfragen im Deuteronomium immer mit der Frage der Abfolge der berichteten Ereignisse einhergeht. In Dtn 1–3; 5; 9–10 treten Erzähl- und Handlungsfolge deutlich auseinander: Erst blickt Mose in Dtn 1–3 auf die Ereignisse zwischen dem Aufbruch vom Horeb bis zum Aufenthalt in Moab am Tag vor der Landnahme zurück. In Dtn 5 und 9-10 werden dann die Ereignisse am Horeb selbst erzählt. Gerade durch diese Differenz zwischen
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Fabel und Erzählfolge wird die theologische Pointe dieser gewichtigen Partien des Dtn zum Ausdruck gebracht, die die Lesenden sukzessive an das Innere der Horebbund heranführen. Dadurch erscheint quasi von hinten her gesehen das mangelnde Vertrauen Israels in Dtn 1 in umso grellerem Licht. Hier wird in der Tat deutlich „... wie elegant in Dtn 1-3, Dtn 5 und Dtn 9f. durch ein mehrfach gestaffeltes System von Rückblenden Fabel und Erzählstruktur gerade im Auseinanderklaffen beziehungsreichen neuen Sinn produzieren ...“14. 1.1.1. Die Passagen des biblischen Erzählers als Gliederungsmerkmale und chronologisches Gerüst Wenn man sich die Gliederung nicht von – immer von außen heran getragenen – „Gattungen“ vorgeben und sich die heute vorliegende Architektur nicht von der Frage nach ihrer Genese verstellen lässt, sondern auf die Signale achtet, die der Text selbst vorgibt, wird man den Wechsel der Erzählperspektiven als Ausgangspunkt der Gliederung wählen. Geht man von der Ebene des uns heute vorliegenden Textes15 aus, so leitet der biblische Erzähler mit der Wendung taäøzAh hñrwø;tAh_tRa r¢EaE;b (Dtn 1,5) die erste Moserede (Dtn 1,6–4,40) ein16. Die Bedeutung des Verbes rab ist nicht leicht zu bestimmen und in der Exegese dementsprechend eingehend diskutiert worden17. Auf den ersten Blick lässt der Konkordanz-
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LOHFINK, Fabel, 261. Ohne den Streit um die exegetischen Methoden wieder aufgreifen zu wollen, sei an dieser Stelle auf LOHFINK, Darstellungskunst, MITTMANN, Deuteronomium, 3–5; BRAULIK, Literarkritik, 351–383 verwiesen. Siehe die Forschungsüberblicke: LOHFINK, Deuteronomium und Pentateuch, 13–38; BRAULIK, Buch Deuteronomium, 125–141; RÖMER/DE PURY,Historiographie, 9–120. 16 In der exegetischen Forschung ist Dtn 1,1–5 stets als eigenständige, von Dtn 1,6ff unabhängige Einheit diskutiert worden. Als Argument für die literarkritische Entscheidung wird immer wieder angeführt, dass Mose bereits in Dtn 1,5 als Schreiber, wohingegen er im direkten literarischen Umfeld als Redner vorgestellt wird. Siehe MITTMANN, Deuteronomium, 13.14; ihm folgt in der Argumentation u.a. N IELSEN, Deuteronomium, 20. Bereits N OTH, ÜS, 28, betrachtet Dtn 1,1–5 gesondert: Er muss zwar auf der einen Seite zugestehen, dass das „Tal gegenüber von Beth-Peor“ in Dtn 3,29 und 34,6 wieder begegnet. N OTH sieht jedoch einen Widerspruch zwischen dieser Überschrift und dem Folgenden: „V.5 [...] ist ein den Satzzusammenhang störender Einschub, der gegen die Meinung von Dtr schon hier das Gesetz erwähnt [...]“. Ähnlich NIELSEN, Deuteronomium, 20. Auch PERLITT, Streit, diskutiert die Funktion dieser Überschrift für alles Folgende bezeichnenderweise nicht. Siehe jedoch D ERS., Deuteronomium, 24, wo er Dtn 1,5 als nachträgliche Interpretation des Geschichtsrückblickes als Bestandteil der Tora begreift. Zum chiastischen Aufbau der Einleitung Dtn 1,1–5 insgesamt siehe BRAULIK / LOHFINK, Rechtskraft, 35. 17 Siehe den umfassenden Überblick über die Diskussion bei BRAULIK / LOHFINK, Rechtskraft, 36–43; siehe auch bei FINSTERBUSCH, Weisung, 119–123, die für ihre Auslegung von rab hier die besondere Funktion dieser Einleitung für die Gesamtgliederung 15
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befund von rab eher an einen schriftlichen Vorgang denken. Das Verb kommt außer in Dtn 1,5 ausschließlich im Kontext von „Schrift“ vor: Dtn 27,8 und Hab 2,2. Doch ob es dabei den Vorgang des Schreibens selbst zum Ausdruck bringt18, ist zweifelhaft. Eher wird man bei den Belegstellen Hab 2,2 und Dtn 27,8 zunächst an eine adverbielle Bestimmung denken müssen. In Hab 2,2 bekommt der Prophet von Jhwh den Auftrag:
twóøjU;lAh_lAo r™EaDb…w bwâøtV;k Ganz eindeutig liegt hier kein Parallelismus membrorum vor19: NwYøzDj und twóøjU;lAh_lAo sind nur „schwer vergleichbare Objekte“20. Darum können btk und rab an dieser Stelle nicht ohne weiteres als Synonyme gelten. Eher ist an eine „Fortführung des Auftrages in einem anderen Sinne“21, zu denken. Die LXX übersetzt mit safw/j. Das unterstützt eine adverbielle Wiedergabe von rab. Der Konsekutivsatz Hab 2,2b erinnert an eine Szene, bei der die Vorüberlaufenden Geschriebenes lesen können sollen. Insofern zielt die Zusatzanweisung twóøjU;lAh_lAo r™EaDb – für welche Übersetzung man sich auch immer im Einzelnen entscheiden mag – ganz offensichtlich darauf ab, dass der Prophet irgendetwas tun soll, damit seine Schrift gut lesbar wird. So ließe sich Hab 2,2 etwa übersetzten: „Schreib das Gesicht auf, und zwar deutlich auf die Tafeln“. In die gleiche Richtung geht der Befund bei dem Beleg in Dtn 27,8: „Du sollst auf die Steine alle Worte der Tora schreiben – b`EfyEh r¶EaA;b“. Auch hier ist rab nicht synonym mit bhk, sondern mit bfyh verwendet22. Beide Verben stehen hier im infinitivus absolutus und bringen ebenfalls die Art und Weise zum Ausdruck, wie „alle Worte dieser Tora“ nach dem Eintritt ins Land auf die Gedenksteine geschrieben werden sollen.
des Dtn miteinbezieht. Zur Auseinandersetzung mit ihrer Argumentation siehe die Ausführungen in der Einleitung der vorliegenden Arbeit S. 22. 18 MITTMANN, Deuteronomium, 14, ging davon aus, dass hier bereits an Mose, den Schreiber zu denken sei. 19 Auf dieser Annahme baut die Argumentation von MITTMANN, Deuteronomium, 14, auf. 20 PERLITT, Deuteronomium, 22. 21 PERLITT, Deuteronomium, 22; G ESENIUS, 1987 18 , 120, gibt als Übersetzungsvorschlag der Wendung b`Ef yEh r¶EaA;b ... D;tVb AtDkw in Dtn 27,8 an: „du sollst .. recht deutlich schreiben“ und für Hab 2,2: r™EaDb …w ... bwâøtV;k „schreibe recht deutlich“. 22 Siehe PERLITT , Deuteronomium, 22, der auf die adverbielle Verwendung von bfyh auch in Dtn 9,21; 13,15; 17,4; 19,18; 2.Kön 11,18 hinweist.
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Daraus ist zu folgern: Obwohl die beiden Belegstellen von rab im Kontext des „Schreibens“ zu finden sind, ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass das Verb selbst diesen Vorgang zum Ausdruck bringt23. Einmal wird die Art und Weise des Schreibens durch eine adverbielle Bestimmung im infinitivus absolutus näher bestimmt (Dtn 27,8), das andere Mal durch einen Imperativ (Hab 2,2). Beide Male geht es um das Gleiche: Es soll deutlich wahrnehmbar geschrieben werden. Dies ist für die Fabel des Dtn nicht unerheblich. Somit ist klar, dass Mose seine Reden erst mündlich vorträgt und abschließend aufschreibt (Dtn 31,9–13)24. In Dtn 1,5 begegnet nun eine finite Form des Verbes rab. Eine Übersetzung muss nun das, was über die Art und Weise des Schreibens an den anderen beiden Belegstellen gesagt wurde, als einen aktiven Vorgang zum Ausdruck bringen. Hier bieten sich zunächst die Verben „verdeutlichen“, „erklären“, „einprägen“ an. Es dürfte deutlich sein, dass dies keineswegs schriftlich erfolgen muss. Wie ist nun die gesamte Wendung taäøzAh hñrwø;tAh_tRa r¢EaE;b zu verstehen? Es kann sich nicht um irgend eine hñrwø;t (Weisung) handeln, da hñrwø;t hier determiniert ist. Ganz offensichtlich handelt es sich um die Tora, die Mose dem Volk an diesem Tag mitteilt. Einen Stichwortbezug zu den ersten vier Büchern der Tora sucht man vergebens25. Die Verweise von taäøzAh hñrwø;tAh in das Dtn hinein sind jedoch von aller wünschenswerten Deutlichkeit26. Das bedeutet, dass der Leser erst im weiteren Verlauf der Lektüre erfährt, was mit „dieser Tora“ in Dtn 1,5 eigentlich gemeint ist. Mose fängt hier nur an, etwas zu tun, was ganz offenbar erst im Verlauf der weiteren Reden, deutlicher wird. Die Wendung wird auch eingeleitet mit dem Verb lay hif („beginnen“). „Mose fängt hier nur an, in Bezug auf taäøzAh hñrwø;tAh etwas zu unternehmen. Die mit rab ausgedrückte Handlung läuft also auch nach der hier eingeleiteten Moserede noch weiter.“27 In Dtn 4,44 heißt es:
:l`EarVcˆy y¶EnV;b y™EnVpIl h$RvOm MDc_rRvSa hórwø;tAh taäøzw Die folgenden Verse sind noch Äußerungen des biblischen Erzählers, die noch einmal den in Dtn 1,1–5 bezeichneten Zeitpunkt und Ort nennen. Der Text dieser Tora beginnt mit 5,1. In Dtn 31,9–13 schreibt Mose „diese To23
Das kann mittlerweile als Konsens in der Forschung gelten. Siehe BRAULIK / LOHFINK, Rechtskraft, 39. 24 Das hat S ONNET , Book, 41–182, eindrücklich gezeigt. 25 BRAULIK / LOHFINK, Rechtskraft, 38 mit Verweis auf LEVINSON, Deuteronomy und O TTO, Deuteronomium im Pentateuch, die beide das Deuteronomium anhand des Verbes rab als einen Kommentar bzw. eine Reformulierung des Bundesbuches auffassen. 26 Vgl. die folgenden Stellen: 1,8.21; 2,31.33.36; 7,2.23; 11,26.32; 23,15; 30,1.15.19; 31,5. 27 BRAULIK / LOHFINK, Rechtskraft, 44.
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ra“ auf. Spätestens da muss Mose seinen Vortrag beendet haben. Ist somit Moses erste Rede, die mit Dtn 1,5 eingeleitet wird, nicht „Tora“? Braulik und Lohfink ziehen die Bedeutungsverwandschaft von rab mit der assyrischen Wurzel baru(m) III in Erwägung und schlagen eine Übersetzung vor, die sich mit „ein die Rechtssituation klärendes oder eine neue Rechtslage schaffendes Mittel einsetzen“28 paraphrasieren ließe. Das deckt sich in der Tat mit dem, was Mose durch den rituellen Vollzug des Bundesschlusses in Moab tut: durch seinen Vortrag, der Geschichtsrückblicke umfasst, durch die Bundesverpflichtungen Jhws und Israels und durch deren Niederschrift verleiht er der Tora Rechtskraft. Grundsätzlich unterscheidet sich demzufolge die erste Moserede mit ihrem Geschichtsrückblick nicht von den übrigen. „Mose fängt mit dem Vollzug dessen, was rab meint, in der ersten Rede also tatsächlich an.“29 Insofern ist Dtn 1,5 für das Verständnis aller folgenden Mosereden von fundamentaler Bedeutung: Sie sind samt ihren Geschichtsrückblicken und ihren Gesetzestexten „Tora“30. Ihr wird Rechtskraft verliehen durch die vom biblischen Erzähler im Deuteronomium geschilderte Handlung, die vornehmlich darin besteht, dass Moses redet und den Bundesschluss in Moab vollzieht. Des weiteren sind auf der Ebene des biblischen Erzählers die Wortmeldungen hervorzuheben, die sich eindeutig als Einleitungen der Redepassagen des Mose zu erkennen geben. Darüber hinaus sind jedoch auch die Sequenzen dieser Ebene zu untersuchen, die sich am Ende des Deuteronomiums ab Kapitel 31 auffällig häufen. Sie erst treiben die Handlung bis zum Tod des Mose voran. Doch zunächst zu den Überschriften (Dtn 1,1; 4,44.45; 28,69; 33,1)31. Sie überschreiben dabei jeweils folgende Passagen: Dtn 1,1–5 leitet den Geschichtsrückblick Dtn 1–3 ein, Dtn 4,44 die historische Legitimierung der Gesetzgebung am Horeb samt die für die Redesituation wichtigen Geschichtsrückblicke, mit 28,69 beginnt der rituelle Teil der Moabbund, mit 33,1 ist schließlich der Mosesegen überschrieben32. 28
BRAULIK / LOHFINK, 47. BRAULIK / LOHFINK, 48. 30 Vgl. CRÜSEMANN, Pentateuch, 252f. ; D ERS., Tora, 385, mit einem Verweis auf Ps 78,1.5.10.12; H ARDMEIER, König, 91. 31 Siehe dazu die Aufstellung bei SONNET, Book, 17 und bei BRAULIK / LOHFINK , Rechtskraft, 36. Das Überschriftensystem wurde von KLEINERT, Deuteronomium entdeckt. Seine Ergebnisse wurden von LOHFINK, Bundesschluss; D ERS., Bund als Vertrag; D ERS., Dtn 28,69 – Überschrift, wieder aufgegriffen und weitergeführt. Auch BRAULIK legt dieses Überschriftensystem seinen Analysen des Deuteronomiums zu Grunde: ders, Dtn I, 5. Für BRAULIK und LOHFINK machen diese Überschriften aus dem Deuteronomium eine „Sammlung von Reden“ bzw. ein „Archiv“. 32 Siehe dazu u.a. BRAULIK, Buch, 126; LOHFINK, Bundesschluß, 53. O TTO, Deuteronomium, 120 Anm. 55, unterscheidet bereits innerhalb seines DtrD drei Ebenen voneinander: „1. die Ebene des Erzählers; 2. Die Ebene des erzählenden und promulgierenden 29
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Die vier Überschriften sind syntaktisch parallel aufgebaut33. Im ersten Teil enthalten sie fast so etwas wie eine Gattungsbezeichnung der folgenden Redepassage: My#îrDb;dAh in Dtn 1,1; hrwø;tAh und Myäî;qUj`Ahw t$OdEo`Dh My¡IfDÚpVvI;mAhw in Dtn 4,44.45; ty%îrV;bAh y°érVbîd in Dtn 28,69 und h#DkrV;bAh taâøz als Überschrift des Segens in Dtn 33,134. An diesen ersten Teil schließt sich jeweils ein rva Satz an, der jedes Mal eine Orts- oder Zeitangabe enthält35. In Dtn 1,1 ist die Angabe, dass Mose diese Worte „jenseits des Jordan“ übermittelt, Orts- und Zeitangabe zugleich. Rein chronologisch betrachtet schließt die Rede an den Sieg über die amoritischen Könige an (Dtn 1,4). Ort und Zeit sind für die lesende Person, die vom Numeribuch (Kap. 21) herkommt, klar. Diese Angabe wiederholt sich in Dtn 4,46 und wird in V.45 noch durch die allgemeinere Zeitangabe MˆyárVxI;mIm M™DtaExV;b ergänzt. Der rva - Satz in Dtn 28,69 gibt als Ort der „Worte der tyrb“ das Land Moab an und setzt sie gleichzeitig in ein Verhältnis zum Horebbund. Dtn 1,5 nennt als Ort der Rede ebenfalls das „Land Moab“. Da diese Angabe von Beginn des Deuteronomiums mit einem Zeitpunkt konnotiert ist, ist auch hiermit der Zeitpunkt des auf 28,69 folgenden Redeabschnittes klar. Dtn 33,1 führt aus, dass Mose vor „seinem Tod“ Israel noch einmal gesegnet hat. Alle Abschnitte, die den Tod des Mose vorhersagen bzw. berichten (Dtn 1,37; 3,23–29; 32,48–52; 34), weisen „jenseits des Jordan“ als Ort dieses Geschehens aus. Von diesen Einleitungen her, d.h. auf der Ebene des biblischen Erzählers, ergibt sich zunächst einmal keine Notwendigkeit anzunehmen, dass die Fabel des im Deuteronom dargestellten „Tages“ nicht der Erzählfolge entsprechen würde. An keiner Stelle wird davon berichtet, dass sich die Reden auf mehrere Zeitpunkte verteilen würden. Dieser Gesichtspunkt der Gliederung wird dadurch gestützt, dass Mose im Laufe seiner Rede durch
Mose; 3. Die Ebene des von Mose erzählten Geschehens.“ Hierbei ist jedoch zu bemerken, dass die letzte Ebene erzähltheoretisch im Grunde in eine andere Kategorie gehört. 33 Siehe dazu S CHÄFER-LICHTENBERGER, Josua und Salomo, 53ff.68f., die gegenüber SEITZ, Studien, gegen eine diachrone Auflösung dieses Überschriftensystems argumentiert. Dieser teilt unabhängig von der Erzählebene die Überschriften in zwei unterschiedliche Reihen auf. Als Unterscheidungsmerkmal dienen ihm die einleitenden Präpositionen. ( DERS., aaO, 303ff.) Demgegenüber führt SCHÄFER-LICHTENBERGER zu Recht an: „Die Übereinstimmungen zwischen den beiden Reihen hinsichtlich der in ihnen enthaltenen Aussagen wie auch ihrer syntaktischen Struktur sind größer als die Abweichungen zwischen ihnen.“ (dies., aaO, 54). 34 So LOHFINK, Fabel, 65–78; D ERS., Bund, 228–233. 35 Im Gegensatz zu S ONNET, Book, 20, der nur bei der ersten und letzten Überschrift eine Zeitangabe ausmacht.
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die Zeitangaben MwYø¥yAh und h`RzAh Mwñø¥yAh36 wiederholt auf den Zeitpunkt seiner Rede, seinen Todestag verweist. “The successive headings provide the reader with a straightforward guideline in Moses’ last – and quite full – day.”37 1.1.2. Der Generationswechsel als Zeitpunkt der Rede Der biblische Erzähler38 gibt in knappen Worten Ort und Zeitpunkt der Rede des Mose an (Dtn 1,1–5), die sich sehr genau in die Gesamtarchitektur des Deuteronomiums einfügen. Der sich daran unmittelbar anschließende erste Rückblick, den Mose vorträgt (Dtn 1,6–3,29), läuft genau auf Zeitpunkt und Ort zu, an denen Mose ein letztes Mal zu Israel spricht. Mose beginnt mit dem Aufbruch vom Horeb (Dtn 1,6) und endet nach dem Sieg über die beiden Könige Og und Baschan und der Verteilung des Ostjordanlandes mit dem Auftrag Jhwhs an Mose, den Gipfel des Gebirges Pisga zu besteigen und das verheißene Land zu sehen (Dtn 3,27). Die Kundschaftergeschichte und die Einnahme des Ostjordanlandes sind von der Fabel her betrachtet die letzten Ereignsse vor der Rede. Mit ihnen ist jedoch auch genau der Zeitpunkt der Einleitung (Dtn 1,4.5) erreicht. Mose ordnet die Ereignisse so an, dass es den Anschein hat, als liefen sie alle auf eben diesen besonderen Zeitpunkt der Rede hinaus. Das macht den „epochalen“ Charakter seiner Ansprache aus. Mose hält sie im „vierzigsten Jahr am ersten Tage des elften Monats“ (1,3). Diese Zeitangabe lässt sich mit den übrigen im Buch, vor allem mit Dtn 32,48–52 und auch Jos 5,10, in Einklang bringen39. Das Überschriftensystem des Deuteronomiums läuft ebenfalls auf eben diesen „einen Tag“ hinaus40. Die Zeitangabe von „40 Jahren“ in Dtn 1,3 dient hier wie auch sonst in Geschichtsdarstellungen des Alten Testaments dazu, Epochen ein-
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Mwø¥yAh: 1,10.39; 4,4.8.26.39; 5,1.3; 6,6; 7,11; 8,1.11.19; 9,1.3; 10,13; 11,2.8.13. 26.27.28.32; 12,8; 13,9; 15,5.15; 26,16.17.18; 27,1.4.9.10; 28,1; 28,13.14.15; 29,9.11.12.14.17; 30,2.8.11.15.16.18.19; 31,2.13.21.27; 32,46; h`RzAh Mwñø¥yAh : 2,22.25.30; 3,14; 4,20.38; 6,24; 8,18; 10,8.15; 11,4; 29,3. In 32,48 verweist der biblische Erzähler auf diesen „Tag“. Diese Zeitangaben sind grundsätzlich von der Wendung aw™Ih Ah t¶EoD;b zu unterscheiden, die sich grundsätzlich auf einen andern Zeitpunkt als den Tag der Reden bezieht. Siehe dazu S. 180. 37 SONNET, Book, 116. Zur Diskussion um die Fabelfolge im Deuteronomium siehe S. 72 und S. 268. 38 Unabhängig von historischen Erwägungen und Einsichten muss festgestellt werden, dass die Situation, aus der der Erzähler, der im Deuteronomium über so weite Strecken Mose das Wort überlässt, der der übrigen Geschichtsbücher des AT gleicht. Siehe dazu die Überlegungen unter S. 56. 39 Vgl. PERLITT , Deuteronomium, 16; VAN G OUDOEVER, Liturgical Significance, 145. 40 Siehe oben S. 79.
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zuteilen und / oder Generationswechsel zu markieren41. Damit ist gleich zu Beginn des Dtn die Epoche seit dem Aufbruch vom Horeb thematisiert (1,6.19). Um genauer zu verstehen, was es mit diesem „Tag“ auf sich hat, ist es notwendig, zunächst die Epoche der Wüstenwanderung genauer zu betrachten. Was macht diese Zeit aus? Gottes Antwort darauf, dass das Volk sich durch den Bericht der Kundschafter einschüchtern ließ (1,28)42 und seiner Aufforderung, beherzt in das Land einzuziehen (1,21), nicht nachgekommen war, lautet: „Es soll keiner von diesem bösen Geschlecht das gute Land sehen, das ich ihren Vätern zugeschworen habe ...“ (1,34). Diese Ankündigung erfolgt noch vor der Aussage Jhwhs, dass Mose das Land nicht mehr betreten wird. Daran schließt eine ungewöhnlich genaue, juristisch exakte Festlegung an, wer von denen, die damals dabei waren, in das Land kommen darf und wer nicht: Säuglinge und Kinder, die „weder Gutes noch Böses verstehen“ (1,39), sollen ins Land kommen, also diejenigen, die zu dem Zeitpunkt der Gottesrede 1,35–40 noch keine Verantwortung für das Gesamtverhalten des Volkes trugen, die demzufolge, um es mit einem modernen juristischen Begriff auszudrücken, noch nicht „schuldfähig“ waren. In der Forschung wird die Zeitangabe von Dtn 2,14 fast einhellig als Eintreffen des in der Jhwh-Rede von 1,35–40 Angekündigten verstanden43. Der Zusatz, „wie ich euch zugeschworen habe“, setzt das Sterben der Kriegsleute eindeutig in Beziehung zu der Strafankündigung Dtn 1,35. Die 38 Jahre verraten ein erzähllogisches Interesse an den „40 Jahren“ von 1,3. Auf diese Weise bleiben noch zwei Jahre für die Zeit, die zwischen dem Aufbruch von Kadesch Bernea Dtn 2,1 und der Überschreitung des Baches Sered liegen. Damit ist aber zugleich deutlich, dass 2,14–16 das Ende vierzigjährigen Periode von 1,3 markieren44. Wenn 2,14.15 auf 1,35–40 zu beziehen ist, dann müsste zu diesem Zeitpunkt (welches nicht der Tag ist, an dem Mose seine Rede hält) auch das Verdikt gegen Mose eintreffen. Das aber bedeutet, dass der in 2,14–16 angezeigte Zeitpunkt nicht sehr viel 41 PERLITT, Deuteronomium, 16 stellt sich gegen die weit verbreitete Auffassung, die Angabe der „40 Jahre“ in Dtn 1,3 stamme aus priesterschriftlicher Feder. Er versteht sie als „quasi religiösen Topos“, der sowohl in der deuteronomisten Literatur begegnet (etwa in den Periodisierungen der Richterzeit [Ri 3,11; 5,31; 8,28], in Dtn 8,2.4; 29,4; Jos 5,6) als auch außerhalb: Am 2,10; 5,25; Ps 95,10). Zu weiterführender Lit. siehe S. 1 und die Ausführungen bei Gomes DE A RAÚJO, Theologie, 30–40. 42 Zum Verhältnis zu dieser Version der Kundschaftergeschichte zu den Paralleltexten Nu 13/14 siehe unten den Abschnitt „Verpasste Landnahme: die Kundschaftergeschichte“, S. 190. 43 Um nur einige zu nennen: N OTH, ÜS, 35; LOHFINK, Darstellungskunst, 129; D ERS., Individuum und Gemeinschaft, 47; PERLITT, Deuteronomium, 170; RÖMER, Väter, 20; BRAULIK, Deuteronomium, 32; Gomes DE A RAÚJO, Theologie, 58; für eine stilistische Analyse dieser Passage siehe MORAN, War, 334. 44 PERLITT, Deuteronomium, 170.
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früher liegen kann als der Tag, an dem Mose seine Rede hält. Auf diese Weise würde sich auch die zunächst verwirrende Angabe in 2,7 in das Zeitraster einfügen: Dort richtet sich – tatsächlich vierzig Jahre nach dem Aufbruch vom Horeb – Mose direkt an seine Zuhörer45. Das hieße, dass nach der Erzähllogik von Dtn 1–3 die Eroberung und Verteilung des Ostjordanlandes (Dtn 2,24–3,22) weniger als ein Jahr gebraucht haben kann. Der Umstand, dass bei der Überschreitung des Baches Sered jedoch nur die Kriegsleute sterben, ist als Hinweis darauf zu verstehen, dass damit das juristisch so exakt formulierte Verdikt 1,39 noch nicht vollkommen eingetroffen ist. Alle anderen Mitglieder des Volkes müssen nach der Überschreitung des Sered demzufolge noch leben. Wenn aber die Verteilung des Ostjordanlandes weniger als ein Jahr gebraucht haben kann, folgt daraus, dass die Ankündigung von Dtn 1,34–40 sich in Bezug auf das ganze Volk genau an jenem Tag bewahrheitet, an dem Mose seine Reden hält und stirbt, zu dem Zeitpunkt also, an dem der Generationswechsel stattfindet46. Zweifelsohne verrät dies eine sehr „typologische“, mit theologischen Mustern durchsättigte Erzählweise. Dies ist jedoch bekanntlich im Deuteronomium kein Einzelfall47. 1.2. Die Mosereden als Bestandteil des Moabbundes Im Laufe der Lektüre des Deuteronomiums erfährt der Leser, dass das Buch in irgendeiner Form mit dem Abschluss des Moabbundes zu tun hat, die in einem besonderen Verhältnis zu dem am Horeb zugesagten Bund steht. Es heißt in Dtn 28,69:
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LOHFINK, Stimmen, 213, der auf diese Differenz zwischen den 38 Jahren in 2,14 und den vierzig in 1,3 eingeht, schließt daraus, dass die Zeitangabe in 2,7 nur so verstehbar ist. 46 RÖMER, Väter, 20.21, geht mit der Mehrzahl der Forscher davon aus, dass in 2,14 die gesamte Generation vor der Landnahmegeneration ausgestorben ist (s.o.). Auf der anderen Seite konstatiert er, dass Mose immer noch genau diese Generation in seiner Rede anspricht (4,3f; 4,21; 5,2 u.a.). Dies sieht er als „Spannung“, nach deren theologischem Sinn er jedoch fragt: „Sie [die Spannung] verdeutlicht gewissermaßen, daß das Deuteronomium literarische Fiktion ist, indem es die Adressaten mit bestimmten Generationen ((erste) Wüstengeneration, ‚Landnahmegeneration‘) gleichsetzt, sie aber ebenso davon abhebt. Die Adressaten können als die Generation angesprochen werden, die in der Wüste stirbt oder als diejenige, die das Land in Besitz nehmen (und ‚leben‘) wird.“ Im Laufe seiner Untersuchung versucht RÖMER aber dann eben doch, diesem Phänomen mit redaktionsgeschichtlichen Methoden auf die Spur zu kommen. Die Generationenschwelle ist m.E. jedoch integraler Bestandteil der fiktiven Redesituation. 47 Vgl. RÖMER, Quête des origines, 74: «Cette ‘ambiguité de l’indentification des destinataires montre que le Deutéronome ne cherche nullement à cacher son caractère fictif. PERLITT a raison de faire remarquer que la volonté dtr de rendre présente, dans un but parénétique, l’histoire passée ne se soucie guère de la chronologie. Les Deutéronomistes savent que leur public est capable de comprendre cette suppression des époques, et de s’approprier l’histoire présentée.» Vgl. dazu P ERLITT, Deuteronomium, 134.
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tÿOrVkIl h#RvOm_tRa hDwhy hªD…wIx_rRvàa ty%îrV;bAh y°érVbîd ·hR;lEa ty$îrV;bAh dAbV;lIm b¡Dawøm X®rRaV;b l™EarVcˆy y¶EnV;b_tRa :báérOjV;b M™D;tIa tñårD;k_rRvSa Beide Bundesverpflichtungen stehen in einem besonderen Verhältnis zueinander: Jhwh teilt Mose die Gesetze Dtn 12–26 zweifelsfrei am Horeb mit (Dtn 5,31), wo er auch den Dekalog offenbart hatte. Das ist für die Stellung des Dekalogs zu den übrigen Gesetzen nicht unerheblich. Zudem wiederholt Mose die Ereignisse am Horeb noch einmal in seinen Reden (Dtn 5; 9–10), die er in Moab hält. In der Forschung ist die Frage viel diskutiert worden, ob Dtn 28,69 als Über- oder Unterschrift anzusehen ist. Bezieht sich die Wendung ·hR;lEa ty%îrV;bAh y°érVbîd auf Vorangegangenes oder folgen diese „Worte“ ab jetzt? Wenn es eine Überschrift ist, wie heute vielfach angenommen wird, wie ist dann der folgende Textzusammenhang Kap 29–30 zu verstehen, der auf den ersten Blick einen eher disparaten Eindruck macht? Zur Beantwortung dieser Frage sind ebenfalls Vertragstexte aus der Umwelt des Alten Testaments herangezogen worden. Lohfink hat den vielbeachteten Versuch unternommen, die auf Dtn 28,69 folgenden Kapitel 29–32 auf das seinerzeit in die Diskussion von Balzer eingebrachte Bundesformular hethitischer Vasallenverträge zu beziehen48. Um das Bundesformular auf Dtn 29–32 übertragen zu können, muss Lohfink jedoch von massiven Differenzen zwischen Erzählfolge und „Fabel“ ausgehen. Lohfink selbst räumt bereits in seinem ersten Versuch der Rekonstruktion einer Bundeszeremonie ein: „Aber bei einer Übersetzung des Ritus mußten ja Abwandlungen entstehen ...“49. Da Lohfink jedoch weniger formgeschichtlich fragt und eher von einer eher literarischen (Nach-)Gestaltung dieses hethitischen Vasallenvertrages ausgeht, ist er sehr viel mehr in sprachliche Details gegangen als Baltzer. So hat er versucht, für die Dtn 29,69 folgenden Kapitel 29–33,1 einen planvollen Aufbau nachzuweisen50. Wesentlich sind die direkten sprachlichen Bezüge, die Lohfink von Dtn 28,69 zu dem darauf folgenden Textbereich ausmacht: Der Begriff tyâîrV;b wird immerhin gleich dreimal hintereinander aufgegriffen: 29,8.11.13. Hinzu kommt, dass sich Mose in Kap 29 nun verstärkt direkt an seine Hörer und Hörerinnen wendet: Auf diese Weise ist 29,1–20 durch ein dreifaches M°R;tAa gegliedert:
48
Siehe dazu LOHFINK, Bundesschluß; BALTZER, Bundesformular; zur älteren Diskussion, siehe PREUSS, Deuteronomium, 157–159. 49 LOHFINK, Bundesschluß, 67; zur ausführlichen Diskussion der Fabelrekonstruktion LOHFINKs siehe S. 268ff. 50 Auflistung der „Bauelemente“ bei LOHFINK, Bundesschluß, 66.
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a) V.1–8: Die Geschichte läuft auf „diesen Tag“ und „diesen Ort“ (V.3.6a) zu. Sie werden zu „den eigentlichen Achsen des raumzeitlichen Koordinatensystems der Geschichte“51. b) V.9–14: Unterteilung in fünf Segmente, denen auch jeweils ein „heute“ zugeordnet ist. c) V.15–20: Predigt. In ihr spiegelt sich das Bundesformular als Ganzes wider52. d) V.21–27: Mit der Topik der überlieferten Fluchreihen werden den Zuhörern die Folgen der Nichtbeachtung des Hauptgebotes vor Augen geführt (vgl. 1.Kön 9,8f.). Unabhängig von der Frage, ob diesem Abschnitt die Gattung eines „Bundesformulars“ zu Grunde liegt oder nicht, deutet die Häufung der die Hörerinnen und Hörer unmittelbar ansprechenden Elemente doch darauf hin, dass nun etwas anderes geschieht als die Promulgation von Gesetzen. Lohfink hat später seine These dahingehend präzisiert, dass er im letzten Drittel des Deuteronomiums – vor und nach 28,69 – „performative Sprechakte“53 ausmacht, die, indem sie gesprochen werden, die Bundesverpflichtungen rechtskräftig konstituieren. Lohfink nennt bezeichnenderweise Texte, die immer wieder im Zusammenhang mit der Diskussion um 28,69 auftauchen: 26,17–19; 27,9 und 29,9–1154. Das würde bedeuten, dass die Frage, die in der Exegese lange so leidenschaftlich geführt wurde, ob 28,69 eine Unter- oder eine Überschrift ist, das Verständnis des gesamten Textbereiches um diesen Vers herum nicht wirklich weiterführt55. Davor und danach finden sich Äußerungen des Mose, durch die Israel in den Moab-
51
LOHFINK, Bundesschluß, 60. LOHFINK, Bundesschluß, 62. 53 Hier bedient sich LOHFINK, Bund als Vertrag, 221ff der modernen Sprechakttheorie Searles. Ein „performativer Sprechakt“ ist demnach kein Bericht und keine Erzählung, sondern vielmehr dann gegeben, wenn Aussage und Vollzug einer Handlung ineins fallen. Das Bsp. Austins, das in diesem Zusammenhang immer wieder gerne angeführt wird, ist das „Ja“ bei einer Hochzeit. 54 So sieht BRAULIK, Dtn II, 210–211, einerseits Verbindungen zu Dtn 26,17–19 und 27,1.8, aufgrund derer er vermutet, dass 28,69 in einem Vorstadium des Deuteronomiums einmal eine Unterschrift gewesen sein muss. Andererseits versteht er 28,69 innerhalb des uns heute vorliegenden Textes als Überschrift über den folgenden Textbereich. Dies begreift er so, dass dieser Vers sich jetzt nicht mehr auf den Text bezieht, auf den Israel sich verpflichtete. Bei den „Worten“ handelt es sich jetzt um die auf 28,69 folgende Eideszeremonie, „innerhalb“ derer Israel sich verpflichtete. Wie sich innerhalb des kanonischen Textes jetzt die Bezüge von 28,69 zu 26,17–19 und 27,1.8 auswirken, beschreibt BRAULIK nicht. 55 CHRISTENSEN, Deuternomy, 704–705, schreibt 28,69 aufgrund struktureller Textbeobachtungen eine Doppelfunktion als Abschluss von Dtn 26,16–28,69 und als Einleitung der „covenant of Moab“ 28,69–32,47 zu. 52
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bund eintritt56. Diese „performativen Äußerungen“ sind, wie unten noch zu zeigen sein wird, insbesondere über die Verschriftungsnotiz in Dtn 31,9– 13 in das Gesamtgefüge der Moserede genau eingepasst57. Mose schreibt auf, was er zuvor geredet hatte. Dazu gehört der gesamte Textbereich um 28,69 herum. Dieser ist somit Bestandteil des Bundesdokuments. Dass die Anfertigung eines solchen Dokuments jedoch wiederum Teil eines Bundesschlusses sind, wird von niemandem bezweifelt58. So viel ist hier bereits festzuhalten: Es bleibt nur der Schluss, die Mosereden insgesamt als Teil des Moabbundes anzusehen59. 1.3. Die unterschiedlichen Ereignisfolgen – eine erste Gesamtschau Chronologisch betrachtet, laufen die Version des biblischen Erzählers und die des Mose auf den gleichen Zeitpunkt zu: den Tag, an dem Mose seine Reden hält. Da sich die Darstellung Moses von der Fabel löst, ist dieser Tag schon am Ende von Dtn 3 erreicht. Mose greift dann im Fortgang seiner Reden immer weiter in die Vergangenheit zurück. Demgegenüber setzt die Darstellung des biblischen Erzählers mit dem „Tag“ ein, an dem Mose seine Reden hält. Jede seiner weiteren Äußerungen beziehen sich auf diesen einen Tag. Das führt zu der oben beschriebenen Berührung der beiden Erzählebenen mit der damit verbundenen Interaktion, die es nun im Folgenden ins Auge zu fassen gilt. Mose teilt dem Volk Israel die zunächst vom biblischen Erzähler dargestellten Ereignisse in umgekehrter Reihenfolge mit. Er „tastet“ sich quasi gegen den chronologischen Ablauf der Ereignisse zunächst an die Ereignisse am Horeb „heran“: Erst berichtet er von den Ereignissen nach dem Aufbruch vom Horeb bis zu dem Tag, an dem er die Rede hält (Dtn 1–3), dann folgt die Gabe des Dekalogs am Horeb mit der Ätiologie seiner Mittlerstellung in Dtn 560 und schließlich die Wiederholung der Episode vom Guss des Stierbildes mit der Neugabe der Tafeln in Dtn 9–10. Der Umstand, dass in Dtn 11 noch einmal eine ausführliche Erinnerung an den Exodus (Dtn 11,1–7) folgt, stellt den Lauf der Ereignisse völlig auf den Kopf. Der Leser bekommt demzufolge während der Toralektüre zunächst eine chronologische Abfolge der Ereignisse geliefert und anschließend aus dem Mund des Mose eine Version, die in der Befreiungstat Jhwhs in Ägypten gipfelt. Dann erst folgen die Gesetze Dtn 12–26. 56
Von daher ist es angebracht, wenn LOHFINK das gerade in diesen Texten wiederholt auftauchende Mwñø¥yAh mit „hiermit“ übersetzt. D ERS., Bund als Vertrag, 223ff. 57 Siehe dazu den Abschnitt S. 282ff. Insbesondere die Fabel des Deuteronomiums wird dort noch zu diskutieren sein. 58 Das zeigen schon die innerbiblischen Belege Gen 31; Ex 24,3–9; Jos 24; 2 Kön 23,1–3. 59 Siehe dazu auch TALSTRA, Dtn 31, 102. 60 Vgl. dazu CRÜSEMANN, Tora, 410–413.
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Eine schematische Gegenüberstellung der beiden Darstellungsfolgen mag dies noch einmal verdeutlichen: Der biblische Erzähler – Bedrückung Israels und Auszug aus Ägypten (Ex 1–15)
– Neuorganisation des Rechtswesens (Ex 18) – Mittlerstellung des Mose / Dekalog (Ex 19/20) – Bundesbruch und Restitution (Ex 32–34) – Nach dem Aufbruch vom Sinai – Kundschaftergeschichte (Num 13– 14) – Amoriterkönige (Num 21) – Mose auf dem Berg /Einsetzung Josuas (Num 27) – Verteilung des Ostjordanlandes (Num 32)
Mose als Erzähler – Nach dem Aufbruch vom Horeb – Neuorganisation des Rechtswesens (Dtn 1,9–18 – Kundschaftergeschichte (Dtn 1,20–46) – Amoriterkönige (Dtn 2,24–3,11) – Mose auf dem Berg / Auftrag zur Einsetzung Josuas (Dtn 3,23–29) – Verteilung des Ostjordanlandes (Dtn 3,12–22) – Neuorganisation des Rechtswesens (Dtn 1) – Mittlerstellung des Mose / Dekalog (Dtn 5) – Bundesbruch und Restitution (Dtn 9–10) – Bedrückung Israels und Auszug aus Ägypten (Dtn 11)
Schon bei dieser groben Übersicht fällt auf, dass Mose von allen Ereignissen, in denen in den Büchern Gen – Num berichtet wird, ausgerechnet auf die Einsetzung der Richter, die Kundschaftererzählung und die Geschehnisse am Horeb besonders ausführlich zurückgreift. Der Exodus und erst recht die Erzelternzeit nehmen vergleichsweise wenig Raum ein, wiewohl sie – wie noch zu zeigen sein wird – innerhalb des Gedankenganges eine zentrale Rolle spielen. Die Kundschaftererzählung und die Geschehnisse am Horeb haben gemein, dass sie Ereignisse sind, in denen Gott seinem Volk eine zweite Chance einräumt. Beim Horeb geschieht dies durch die Erneuerung der Tafeln (Ex 34; Dtn 10,1–5). Bei der verspielten ersten Landnahme (Num 13/14; Dtn 1) steht diese Chance nach erfolgtem Generationswechsel noch aus. Israel ist zum Zeitpunkt der Rede im Begriff, diese zweite Möglichkeit zu ergreifen. Wenn nun die Kundschafterge-
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schichte an so prominenter Stelle in der Moserede steht, stellt die bevorstehende Landnahme die eigentliche Denkvoraussetzung aller Reden insgesamt dar. Mose teilt der neuen Generation Israels jetzt kurz vor der Bewährung all das aus der Zeit der Vorfahren noch einmal mit, was sie braucht, um diese zweite Chance zu nutzen, die die Eltern verspielt haben. Dem wird noch die Erinnerung an die Neuorganisation des Rechtswesens vorangestellt. Dies scheint für das vorausliegende Leben im Land von allerhöchster Bedeutung zu sein. Bei alledem – und das wird unten noch genauer zu untersuchen sein – spricht er die neue Generation als eine an, die selbst die Ereignisse der Wüstenzeit erlebt hat (Dtn 5,2–5; 9,7–24 u.ö.). Mose begründet insofern durch seinen Geschichtsrückblick einen Generationen übergreifenden Zusammenhang, ohne den die Identität des Volkes Israel nicht denkbar wäre. Alle geschichtliche Darstellung tritt in den Dienst dieser gleichsam homiletischen Situation. Zugleich wird die Bedeutung des Erzählens von Geschichte hier selbst zum Gegenstand: Es wird erzählt, weshalb das Erzählen von Geschichte in dieser besonderen Situation des Überganges unerlässlich ist. Natürlich verschieben sich damit gegenüber dem biblischen Erzähler noch einmal die Akzente in der Darstellung der Ereignisse. Jetzt geraten die Geschehnisse in einen argumentativ-theologischen Zusammenhang. Ich möchte damit nicht bestreiten, dass auch in der Priesterschrift oder anderen Schichten der Tora mit der Darstellung der Geschichte eine theologische Absicht verfolgt wird. Das Besondere am Deuteronomium ist nur, dass hier diese Kontextualisierung inszeniert wird. Diese Verschiebung – und das ist die rhetorische Finesse des Deuteronomiums – ist sorgfältig ausgestaltet. Auf diese Weise wird die Grundsituation der Rede des Mose und was mit ihr auf dem Spiel steht, den Lesenden vor Augen gemalt. 61 Ein Grundthema des Deuteronomiums in seiner jetzigen Gestalt ist durch die Kundschaftergeschichte im ersten Kapitel vorgegeben: die bevorstehende Landnahme. Die Inszenierung der Wiederholung aus der besonderen Perspektive der Mosereden macht deutlich, wie die Erinnerung bzw. die Geschichtsdarstellung der Zukunft dienen kann. Es ist nicht mehr und nicht weniger als eine „Lehrstunde der Geschichtsdidaktik“. Der in Kap 2 und 3 folgende Komplex der Einnahme des Ostjordanlandes, der auch noch relativ ausführlich wiederholt wird, bestätigt dies nur: Die „zweite Chance“ steht nicht nur bevor, sondern Israel hat sie zum Teil bereits erfolgreich ergriffen. Die Ereignisfolge der Wüstenzeit nach dem Aufbruch vom Sinai bzw. Horeb ist dementsprechend in beiden Versionen gleich. Dass Mose sich selbst als Redner am Ende dieser ersten drei Kapi-
61
LOHFINK, Endstruktur, 43, gliedert Dtn 1–11 insgesamt anhand der Aufforderung
lEarVcˆy o™AmVv in 5,1; 6,4; 9,1; 10,12.
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tel als Kontrastfigur einführt, an der noch einmal deutlich wird, wie wenig selbstverständlich diese zweite Chance ist, die Jhwh gewährt, soll an dieser Stelle schon einmal angedeutet, in der genauen Gegenüberstellung der einzelnen Geschichtsversionen jedoch ausführlich dargestellt werden. In beiden Versionen – der des biblischen Erzählers und der des Mose – folgt auf den Dekalog die Erzählung vom Bundesbruch und der Restitution. Dieser Komplex steht in der Darstellung des biblischen Erzählers zwischen Exodus und der Zeit nach dem Aufbruch vom Berg Gottes. Bei der Darstellung des Mose ist diese Reihenfolge getauscht. Zuerst berichtet er von den Ereignissen nach dem Aufbruch vom Horeb, auf die Geschehnisse am Horeb folgt die längste und eindringlichste Erinnerung an den Exodus (Dtn 11). Was hat dieser Austausch der Elemente „Exodus“ und „Wüstenwanderung“ in der Geschichtsdarstellung des Mose theologisch zu bedeuten? Warum schildert Mose am Tag vor der Landnahme zuerst die Ereignisse am Horeb und dann erst den Exodus? Diese Frage muss nach Gegenüberstellung der beiden Versionen beantwortet werden. 1.3.1. Aufbau der Argumentationsfiguren in Dtn 4 Es ist immerhin auffällig, dass sich diese Folge auf der Makroebene der Mosedarstellung auch als Argumentationsfigur innerhalb der einzelnen Redeabschnitte in „argumentativen Zusammenhängen“ nachweisen lässt. So folgt auf die Ermahnung, auf die MyI;qUj und MyIfDÚpVvI;m zu hören (Dtn 4,1) zunächst, eingeleitet durch NAoAmVl, die Landnahme und das Leben im Lande als deren Zielsetzung. Die sich daran anschließende Kanonformel („nichts dazutun und nichts davontun“) in V.2 wird wiederum mit dem Bewahren der tOwVxIm begründet. Kanonformel, das Hören und Bewahren der Gebote und das Leben im Land bilden einen Argumentationsstrang, der nun ab V.3 durch einen Blick in die Geschichte untermauert wird. Mose erinnert an die Episode vom Baal-Peor62, die der biblische Erzähler in Num 25,3–9 schildert. Diese Erwähnung durch Mose ist ein sprechendes Beispiel dafür, dass die Kenntnis der Numeriversion beim Leser als bekannt vorausgesetzt werden muss. Eine kurze Erwähnung des Namens und an den Ausgang der Begebenheit im Ostjordanland genügt, um die Gefahr des Abfalls von Jhwh vor Augen zu führen. Es geht dabei um Leben und Tod (4,4). “The 62
In Num 25,3.5 lässt sich „Baal Peor“ als Name einer Gottheit verstehen, wohingegen sich die erste Erwähnung in Dtn 4,3 wie ein Ortsname liest (vgl. „gegenüber von Bet-Peor“ als Ort des Aufenthaltes Israels nach der Verteilung des Ostjordanlandes in 3,29 und als Begräbnisort des Mose in 34,6). Offenbar verbergen sich hinter dem Namen eine Kultstätte und Gottheit zugleich (so N IELSEN, Deuteronomium, 55). Er verbindet sich in der Numeriversion mit dem Verb dmx. Diese Wendung findet sich ebenso in Ps 106,28. Dort wird den Anhängern dieses Kultes vorgeworfen, sie hätten von den Opfern gegessen, die für die Toten bestimmt waren. Mit dem Verb rzn auch Hos 9,10.
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narrative of Peor as such holds no interest for Deuteronomy. It is cited only as illustration of the high stakes at play in a decision for obedience or disobedience.”63 Auf die Erinnerung an diese Episode während des Aufenthaltes im Ostjordanland lässt Mose die ausführliche Abhandlung über die MyI;qUj und MyIfDÚpVvI;m folgen, die Jhwh Israel geboten hat (V.5–19). Sie gipfelt in der ersten Schilderung der Ereignisse am Horeb im Deuteronomium (V.10–14), in denen ausdrücklich die Tafeln und die MyI;qUj und MyIfDÚpVvI;m erwähnt werden, die Israel im Land befolgen soll. Am Ende dieses ersten Rückblicks auf den Horeb erinnert Mose noch einmal eindringlich an das erste Gebot. Der Gott Israels hat die Himmelskörper und die Heerscharen den anderen Völkern zugewiesen ( qAlDj in V.19). Die darauf folgende Erinnerung an den Exodus Israels aus Ägypten steht in Opposition zu dieser Zuweisung (Dtn 4,20):
l™RzrA;bAh r…wñ;kIm M¢RkVtRa a¶Ixwø¥yÅw hYÎwhy jâåqDl ‹MRkVtRaw :h`RzAh Mwñø¥yA;k h™DlSjÅn M¶AoVl wöøl twñøyVhIl MˆyórVxI;mIm Der Gegensatz64 zwischen Israel und den anderen Völkern wird durch die Angehörigkeit zu anderen Göttern definiert. Da zuvor (V.19) die Anklänge an Dtn 5,8.9 nicht zu übersehen sind (Verben dbo und hwj), erscheint es durchaus angebracht, von einer „Dekalogparaphrase“65 zu sprechen. Wie in der Eröffnung des Dekaloges wird auch hier in Kap 4,19.20 ein Gegensatz zwischen der Sichtbarkeit der anderen Gottheiten und der Befreiungstat Jhwhs aufgebaut. Daran schließt sich das Thema der Landnahme an, das Mose aus seiner ganz eigenen Perspektive schildert. In V.21 wird noch einmal das Verdikt von Num 20,12; Dtn 1,37 und 3,26 aufgegriffen, das besagt, dass Mose nicht in das Land darf, das Israel als „Erbe“ erhält. Dieser Gegensatz zwischen Israel und Mose wird gleich zwei Mal betont: einmal in Dtn 4,21 und in V.22b mit einem invertierten Verbalsatz:
:taáøzAh h™DbwøÚfAh X®r¶DaDh_tRa M›R;tVvîry`Iw My$îrVbáOo ‹MR;tAaw Als ob der Tod des Mose als Warnung an Israel zu verstehen sei, folgt im Anschluss daran eine Mahnung, die Bündnisverpflichtung Jhwhs nicht zu vergessen und eine abschließende, mit yI;k angeschlossene Aussage über die Unvergleichlichkeit Jhwhs. Dtn 4,24 begründet die Mahnung von V.23:
63
BRUEGGEMANN, Deuteronomy, 51. In ähnliche Richtung auch BRAULIK, Dtn I, 40: „Die Gotteserfahrung von Bet-Pegor präludiert das Hauptthema des Kapitels.“ 64 Das Wortspiel mit den Verben qlj und jql verstärkt und unterstreicht diesen Gegensatz. 65 BRAULIK, Dtn I, 42.
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:a`D…nåq l™Ea a…wóh h™DlVkOa v¶Ea ÔKy$RhølTa hDwhy yI;k Die Wendung a`D…nåq l™Ea ist Bestandteil des ersten Gebotes (Dtn 5,9). Insofern läuft der Gedankengang des ersten Teils von Dtn 4 auf das erste Gebot hinaus. Überblickt man den Textabschnitt Dtn 4,1–24 noch einmal insgesamt, so kann festgehalten werden, dass die Geschichtsrückblicke, die Mose in dieser Reihenfolge in seine Argumentation einbaut (Erinnerung an die Begegnung mit Moab (V.3.4), Schilderung der Horebereignisse (V.10–14), des Exodus (V.20) und Thematisierung der bevorstehenden Landnahme (21–24)), insgesamt der Untermauerung des ersten Gebotes dienen66. Dies kann schon als erstes Anzeichen darauf gewertet werden, dass es Mose primär nicht um eine im modernen Sinne „objektive“ Darstellung von Geschichte geht. Die Geschichtsrückblicke sind Bestandteil einer theologischen Argumentationsführung und stehen in ihrem Dienst. Es „werden Paränese und Geschichte zu einer rhetorisch glanzvollen, theologischen Synthese verbunden.“67 Der Rückblick auf die Episode in Bet Peor dient dabei ganz offensichtlich dazu, exemplarisch die Notwendigkeit der Treue gegenüber Jhwh zu veranschaulichen. Wie diese Treue auszusehen hat, wird in der Horebreminiszenz erkennbar. In der Erinnerung an den Exodus wird schließlich deutlich, dass Israel es mit dem unsichtbaren Gott zu tun hat, der in der Befreiungstat des Exodus gezeigt hat, wer er ist. Diese Freiheit auch im Land zu bewahren, hängt von der Bewahrung des JhwhBundes im Land ab. Das ist nur möglich, wenn sich Israel vor Augen hält, dass Jhwh ein „verzehrendes Feuer und ein eifernder Gott ist“. Mit dieser Aufteilung unter dem Gesichtspunkt der Geschichtsrückblicke ist ein Kriterium gegeben, nach dem sich Dtn 4 ebenfalls sinnvoll gliedern lässt. Es ist nicht von außen an den Text herangetragen, sondern quasi aus einer kanonischen Gesamtsicht der Tora heraus durch die Differenzierung der beiden Erzählperspektiven gewonnen. Braulik68 greift auch bei der Gliederung dieses Kapitels auf das Modell des Gesetzeskodex Hammurapis zurück und unterteilt Kap. 4 in drei Teile: 1–8 Prolog; 9–31 Gesetzeskern; 32–40 Epilog, wobei der zweite Teil sich seiner Ansicht nach an den Aufbau von Vasallenverträgen anlehnt: 10–14 Vorgeschichte, 15– 19.23f Hauptgebot, 25–31 Fluch und Segen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass etwa solche gezielten geschichtlichen Rückgriffe wie Dtn 4,3.4 unter
66
BRAULIK, Monotheismus, 177: „Die Paränese bezüglich dieses Anspruches JHWHs auf Israels bilderlose Verehrung ist in Geschichtsresümees eingebettet.“ 67 BRAULIK, Dtn I, 39. 68 Zu seiner Gliederung von Dtn 4 siehe D ERS., Stratigraphie; D ERS., Literarkritik, 34–35.
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der doch sehr allgemeinen Überschrift „Prolog“ verhandelt werden69. Wir hatten demgegenüber in Kap 4 eine schon im Gesamtaufriss des ersten Redeteils Dtn 1–11 auffindbare Darstellungsfolge der Geschichte aufgespürt. Das führt uns relativ mühelos zu einem ersten Abschnitt, der mit V.24 endet. Damit befinden wir uns in Übereinstimmung mit der Einteilung der Masoreten, die hinter diesem Vers eine Parascheneinteilung gesetzt haben. Auch im zweiten Teil von Dtn 4 (V.25–40) lässt sich ein vergleichbarer Aufbau ausmachen, wenn auch mit bezeichnenden Varianten. Auch hier erinnert Mose an die Ereignisse am Horeb, wenn auch zweimal. In 4,33 hebt er auf die „Stimme Gottes aus dem Feuer“ ab, die Israel dort gehört hat, und dennoch am Leben blieb. In 4,36 erinnert er Israel an die „Stimme vom Himmel her“, durch die Jhwh Israel „zurechtwies“ ( rsy) und an sein „großes Feuer, das er hat sehen lassen“ und aus dem heraus er gesprochen hat. Beides sind eindeutige Anspielungen auf das Sinai- bzw. das Horebgeschehen70. Auf beide folgen wieder, wie in Dtn 4,10–20, Reminiszenzen an das Exodusgeschehen71. Die erste, die auf V.33 folgt, reiht sich nahtlos in die Beweisführung der Unvergleichlichkeit Jhwhs ein. Sie ist dementsprechend in eine rhetorische Frage gekleidet: V. 33 wird mit einem Interrogativpartikel eingeleitet, woran sich V.34 das wøa anschließt. Der Argumentationsgang mündet in der Schlussfolgerung, dass Jhwh allein Gott ist (Dtn 4,35):
dwäøo Ny¶Ea My¡IhølTaDh a…wâh h™Dwhy y¶I;k tAo$ådDl DtEarDh ‹hD;tAa :wíø;dAbVlIm
69
Mit BRAULIK stimme ich darin überein, dass sich eine Makrostruktur des Deuteronomiums hier in Kap 4 wiederfinden lässt. Da er von dem Aufbau der altorientalischen Gesetzeskodizes ausgeht, sieht er die Parallele jedoch zwischen der zweiten Moserede 5– 28 und Kap 4 (DERS., Dtn I, 38). 70 Dabei ist zu beachten, dass die Wendung „reden vom Himmel her“ ein Zitat aus Ex 20,22 ist, wohingegen die „Stimme aus dem Feuer“ mehrfach in der durch Mose mitgeteiten Version des Dekaloges vorkommt (Dtn 5,4.5.22.24.26). Das Wunder, dass Israel die Stimme Gottes gehört hat und dennoch am Leben blieb, begegnet in beiden Dekalogfassungen: Ex 20,19; Dtn 5,25.26. 71 Auch BRAULIK, Dtn I, 46, macht auf die besondere Stellung der Horebereignisse aufmersam. Er sieht sie allerdings insgesamt in einer Reihe „einer im AT rhetorisch unüberbotenen, siebengliedrigen Reihe göttlicher Machtmanifestationen“. Dass zwischen den beiden Erwähnungen der Horebereignisse eine Erinnerung an das Exodusgeschehen zu finden ist, findet bei ihm keine weitere Beachtung. Siehe demgegenüber die mit meiner Gliederung vergleichbare Strukturierung bei RÖMER, Väter, 25, der V.32 als Einleitung für die beiden parallel aufgebauten Abschnitte 33–35 und 36–39 ansieht, die dann mit V.40 ihren Abschluss finden. Ganz ähnlich K NAPP, Dtn 4,40f.
Argumentationsstrukturen im Deuteronomium
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Horebereignis und Exodus – in dieser Reihenfolge – dienen Mose als Argument dafür, dass Jhwh Gott ist und „kein Gott außer ihm ist“72. Auch diese theologische Beweisführung mündet in einer Aussage über die Einheit und Einzigartigkeit Gottes, vergleichbar mit dem Argumentationsgang in Dtn 4,10–20. Auch auf die Erwähnung des Horebgeschehens in V.36 folgt ein Rückgriff auf den Exodus, hier allerdings gepaart mit einem vorangehenden Verweis auf die „Väter“ (V.37)73. Dieser ist begründend (y§I;k tAjAt74) eingeleitet. Diese Formulierung lässt offen, ob Jhwhs Liebe zu den Vätern nun das Horebgeschehen oder die Erwählung (rjb) und die wiederum den Exodus begründet. Für unseren Zusammenhang kann diese Frage auch offen bleiben75. Entscheidend ist vielmehr, dass auch hier wieder die Erinnerung an den Exodus den Argumentationsgang abschließt, der wie V. 33–35 wiederum in der Unvergleichlichkeitsaussage Dtn 4,39 mündet:
a…wâh ‹hÎwhy y§I;k ~ÔKRbDbVl_lRa DtObEvShÅw MwGø¥yAh D;tVoådÎyw :dwáøo Ny™Ea tAj¡D;tIm X®r™DaDh_lAow lAo$A;mIm MˆyAmDÚvA;b My$IhølTa`Dh Hier wird, wie in V.35, nicht nur Gottes Einzigartigkeit herausgestellt, sondern darüber hinaus gesagt: dwáøo Ny™Ea. Außer Jhwh gibt es keine anderen Götter. Diese Aussage ist wie am Ende des ersten Teiles von Dtn 4 wieder mit dem Thema „Landnahme“ gekoppelt. Dabei steht neben der Vertreibung der anderen Völker wieder die Gabe der h™DlSjÅn im Vordergrund (V.38). Das Verbleiben im Land ist an das Halten der Gebote und Rechte gebunden, die Mose Israel „heute“ mitteilt (V.40).
72
Dies ist eine eindeutig monotheistische Aussage. Die Existenz anderer Gottheiten wird geleugnet. Vgl. dazu Jes 43,10–13; 44,6–8; 45,5–7.14.18f; 46,9. Ob diese Aussagen allerdings den Anfang des Monotheismus darstellen, wie von vielen Kommentatoren immer wieder behauptet wird, ist eine Frage, die wir für unseren Zusammenhang nicht diskutieren müssen. Siehe dazu BRAULIK, Monotheismus. 73 Vgl. die Parallelformulierung in 10,15. Auf der kanonischen Ebene sind mit den „Vätern“ die Patriarchen der Genesis gemeint. Daran lässt auch RÖMER , Väter, 269, keinen Zweifel (s.u. S.284). Allerdings ist gerade dieser Text Dtn 4,37 einer der Kronzeugen für ihn anzunehmen, dass in den älteren Schichten des Deuternomiums mit den „Vätern“ nicht die Patriarchen der Genesis gemeint waren: Siehe dazu RÖMER, Väter, 26–28, der auf den Aufbau des Geschichtspsalms Ps 136 aufmerksam macht, in dem die Patriarchen ebenfalls fehlen. Darüber hinaus verweist das Verb bha eher auf Hos 11,1, wo von Jhwhs Liebe zu Israel in Ägypten die Rede ist. 74 BHS App. schlägt vor, hier in Analogie zu V.33 yjtw zu lesen. Dies ist jedoch eine unnötige Korrektur, da yk tjt ansonsten durchaus belegt ist, vgl. etwa Pr 1,29, wo es auch eindeutig eine begründende Funktion hat. 75 Der Übersetzung durch BRAULIK, Dtn I, 46 zufolge begründet die Liebe Jhwhs zu den Vätern die Erwählung der Nachkommen und damit auch die Befreiung aus Ägypten.
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
Hält man sich den Aufbau der beiden Teile von Dtn 4 noch einmal insgesamt vor Augen, so ergibt sich folgendes Schema: 4,3ff. Erinnerung an die Episode vom Abfall zum Baal-Peor
4,25–31 Israels Ungehorsam; Vertreibung aus dem Land; Erinnerung an die Bundesverpflichtung, die den „Vätern“ zugeschworen ist; Umkehr im Exil
4,10–19 Horebgeschehen
4,32–33 Erinnerung an die Schöpfung und das Horebgeschehen
4,36 Horebgeschehen
4,20 Exodus
4,34 Exodus
4,37 „Väter“ / Exodus
4,21.22 Landnahme
4,38 Landnahme
4,23.24 Unvergleichlichkeitsaussage 4,35 Unvergleichund Bewahren der Bundesverpflich- lichkeitsaussage tung
4,39–40 Unvergleichlichkeitsaussage / Halten der Rechte und Gebote
Aus dieser Aufstellung wird noch einmal ersichtlich, dass wir es mit zwei parallel aufgebauten Argumentationsgängen zu tun haben, wobei sich der zweite Strang noch einmal in sich unterteilen lässt. Für den Gang der vorliegenden Untersuchung ist vor allem die sich insgesamt drei Mal wiederholende Folge Horeb – Exodus im Blick auf die Parallele im Aufbau der gesamten Moserede bemerkenswert76. Auch hier schließt ein Gefüge von Ausblicken auf die Landnahme (Dtn 11,8–15.20–25.29–31) und nochmaligen eindringlichen Mahnungen, die Gebote und Rechte Jhwhs zu halten (11,16–19.26–28.32), den Gedankengang vor der konkreten Verkündigung der Rechte und Gebote 12–26 ab. Bezüglich des Aufbaus von Kap 4 ist noch hervorzuheben, dass die Erinnerung an die erste Berührung mit dem moabitischen Volk in Dtn 4,3ff mit der Vorhersage des Ungehorsams Israels und des Landverlustes in 4,25–31 parallelisiert ist. Bevor Mose den Horeb in Dtn 4,32ff zum zweiten Mal in Kap 4 thematisiert, sagt er Israel in der Passage 4,25–31 seinen Ungehorsam, den Verlust des Landes und die Zerstreuung unter die ande76
Auf Dtn 9 und 10 (Schilderung der Ereignisse am Horeb) folgt in Dtn 11 eine ausführliche Erinnerung an den Exodus (siehe S.86). Zu der Frage, inwieweit sich die Erwähnung der Episode von Datan und Abiram in 11,5.6 ebenfalls mit dem Exodus in Verbindung bringen lässt, siehe S.128.
Argumentationsstrukturen im Deuteronomium
95
ren Völker voraus. Vom Gesamtaufbau des Kapitels her steht diese Passage parallel zu der ersten Berührung mit den Moabitern in 4,3ff. Beide Perioden bilden für den Teil, den sie einleiten, jeweils den Ausgangspunkt für den theologischen Argumentationsgang. Das Exil ist durch den Ungehorsam Israels, genauer den Götzendienst geprägt. Israel wird, zerstreut unter den Völkern, handgemachten Götzen dienen (4,28). Damit setzt es jedoch nur das fort, was es gleich zu Beginn bei der ersten Berührung mit Moab getan hat (4,3ff) und was es im Land weiterhin praktiziert hat (4,25–26). Jedes Mal ist die Folge des Verstoßes gegen das erste Gebot eine radikale Dezimierung der Bevölkerung (vgl. Dtn 4,3 [Stichwort dmv] mit 4,26 [wiederum: dmv] und 27). Die im Argumentationsgang vergleichbare Stellung von Wüste und Exil überrascht nach der oben durchgeführten Analyse der Epocheneinteilungen des Deuteronomiums nicht. Beide Orte sind theologisch ganz ähnlich qualifiziert als Orte, wohin Jhwh Israel verstößt (vgl. Dtn 1,35ff.). Es sind Orte des Götzendienstes, aber auch Orte der Umkehr und des Neubeginns, der am Horebgeschehen, dem Exodus und den Rechten und Geboten Jhwhs orientiert ist. Die beiden Argumentationsgänge beginnen demzufolge mit dem Thema der Gottverlassenheit, die aus dem Bruch des ersten Gebotes folgt, und enden mit ausdrücklichen Zitaten daraus (Dtn 4,23.24) bzw. Aussagen über die Einzigartigkeit Jhwhs. Die Stationen, die Mose dabei abschreitet, dienen demzufolge ausschließlich der Untermauerung des ersten Gebotes. Damit stellt sich jedoch die bereits oben gestellte Frage noch einmal verschärft: Warum wird in einem Argumentationsgang, der die Bedeutung des ersten Gebotes veranschaulichen soll, zuerst von den Horebereignissen und dann vom Exodus erzählt? Dieser Aufriss folgt ganz offensichtlich thematisch-theologischen Gesichtspunkten, deren Sinn sich erst im unmittelbaren Vergleich mit der Darstellung auf der Ebene des biblischen Erzählers erschließt. 1.3.2. Geschichtssummarien Die Geschichtssummarien im Deuteronomium 6,20–25; 26,5–11 raffen Kernereignisse auf ein Minimum an Erzählzeit zusammen77. Für den Zusammenhang der vorliegenden Untersuchung ist nun hervorzuheben, dass sich diese Bekenntnisse – im Gegensatz zu der Reihenfolge, in der Mose die Ereignisse darstellt – wieder an den Ablauf der Ereignisse halten, so
77
Die ältere Diskussion um die Rolle von Dtn 26,5–9 als Keimzelle der Hexateuchbildung ( V.RAD, Problem) bzw. als Abschluss einer Systembildungsphase (Rost, Credo) braucht hier nicht aufgeführt zu werden. Siehe dazu PREUSS, Deuteronomium, 145–147; zur Gliederung von Dtn 26,1–11 siehe die bei RÖMER , Väter, 57 angegebene Literatur.
96
2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
wie sie vom biblischen Erzähler präsentiert werden. Das folgende Schema mag dies verdeutlichen78: Ereignis
Dtn 6,20–25
„Väterzeit“, Wanderung nach Ägypten, Volkwerdung
Dtn 26,5–11 V.5
Bedrückung in Ägypten
V.21a
V.6
Exodus
V.21b.22
V.7.8 (schreien zum „Gott der Väter“)
Landgabe
V.23 (in das Land, das er den Vätern geschworen hatte)
V.9
Nur in der Antwort auf die Kinderfrage in Dtn 6,20–15 fehlt zunächst eine Erinnerung an die „Väterzeit“. Sie taucht jedoch als die Landnahme begründende Epoche am Ende (V.23) auf. Die Folge Bedrückung in Ägypten – Exodus – Landgabe weisen jedoch beide Summarien auf. Das in der Forschung immer wieder unter diachronen Gesichtspunkten diskutierte Fehlen des Horeb79 verlangt vom Standpunkt des Endtextes aus betrachtet noch einmal nach einer anderen Antwort. Bei beiden wird ausdrücklich ein ganz bestimmter „Sitz im Leben“ angegeben80. Er hat die Gestalt eines Auftrages, d.h. die Summarien sollen zu bestimmten Anlässen im Land gesprochen werden: 6,20–25 soll die Antwort auf die Kinderfrage nach den Rechten und Geboten sein, die die Erwachsenen befolgen, 26,5–11 ist das Bekenntnis bei der Abgabe der Erstlingsfrüchte. Dieser angeordnete „Sitz im Leben“ könnte die Reihenfolge der geschichtlichen Ereignisse erklären. Der in diesen Summarien angedeutete Geschichtsbogen läuft jeweils ausdrücklich auf den angegebenen „Sitz im Leben“ zu. In 6,24 gibt das Elternteil seinem Kind weiter, dass Jhwh die Gebote gegeben hat „zu unse-
78
Vgl. dazu W ESTERMANN, Mahnung, 61. Dies galt immer als Hauptargument für das hohe Alter dieser Geschichtssummarien, da entstehungsgeschichtlich die Sinai- bzw. Horebtradition als eher jung angesehen wird. Näheres dazu S.219. 80 Insofern ist Dtn 29,1–8 ein Sonderfall. Hier erinnert Mose zu Beginn des rituellen Vollzuges des Moabbundes noch einmal an den Exodus und die vierzigjährige Wüstenzeit. Dieses Summarium ist demzufolge nur mit der Angabe eines einmaligen Anlasses, nicht aber mit einem wirklichen „Sitz im Leben“ versehen. 79
Argumentationsstrukturen im Deuteronomium
97
rem Besten alle Tage, damit wir leben“. Dieser Satz endet mit der Zuspitzung auf die Gegenwart des Sprechenden: h`RzAh Mwñø¥yAhV;k. Diese Angabe ist zwar vom Zeitpunkt her präzise, merkwürdig ungenau hingegen, was den Ort anbelangt. Anders hingegen das Ende des Bekenntnisses Dtn 26,5–9. Der Geschichtsrückblick endet mit der Nennung des Ortes, an dem die Erstlingsfrüchte abgegeben werden sollen (Dtn 26,9a):
taYøzAh X®rDaDh_tRa ‹…wn‹Dl_NR;tˆ¥yÅw h¡RzAh MwêøqD;mAh_lRa …wn™EaIbyÅw Diese kurzen, bekenntnishaften Geschichtsabrisse sollen nun genau an den Punkten gesprochen werden, an denen im „normalen“ Lebensvollzug etwas Neues anbricht: Bei den Fragen der noch unwissenden Kinder und bei der Ernte der ersten Früchte im Jahr. Gerade der Generationswechsel stellt eine Gefährdung der Tradition der Vorfahren dar81. Aber auch die Ernte der ersten Früchte im Jahr droht zur schlichten Selbstverständlichkeit zu verkommen, wenn sie nicht als besonderes Ereignis herausgehoben wird. Israel soll sich gerade dann der Besonderheit seiner Geschichte mit Jhwh bewusst werden82. Sowohl die Gebote als auch das Leben im Land mit seinen Früchten gründen in den Taten, die Jhwh an seinem Volk vollzog. Wenn überhaupt eine Tradition lebendig gehalten werden kann, dann an diesen sehr genau ausgesuchten „Sitzen im Leben“, an denen Israel sich seine Geschichte bewusst machen soll, die zu den Geboten und dem Landbesitz geführt haben. Dass es hier darum geht, ererbte Tradition zu leben, wird auch an der Begründung aus der „Väter“-zeit heraus sichtbar, die in jeder dieser beiden Geschichtssummarien begegnet. Trotz ihrer Kürze wird auf diese Weise ein besonderes Verhältnis zwischen den einzelnen Epochen beschrieben, die hier anklingen. In 6,23 wird die Landgabe mit dem Versprechen Gottes an die „Väter“ begründet, in 26,7 rufen die Israeliten und Israelitinnen zum „Gott der Väter“, der sie dann aus Ägypten befreit. Mit anderen Worten: Befreiung aus Ägypten und die Landgabe gründen in der Zeit der Vorfahren. So wie die „Zeit der Väter“ Exodus und Landgabe begründen83, lohnt es sich, die Geschichte der Vorfahren insgesamt im Gedächtnis zu behalten. Sie ist das eigentliche Interpretament, um die Situation zu deuten, in der das Bekenntnis gesprochen werden soll84. Das Ret81
Vgl. BRAULIK, Dtn I, 60. V .RAD , Theologie I, 267: „Aber [..] alle offiziellen Naturalabgaben, die Erstlinge, sind so zu verstehen: eigentlich ist die ganze Ernte Jahwe heilig, aber als Zeichen seines Verpflichtetseins und seines Dankes gibt der Mensch das Heiligste, die Erstlinge oder die Erstgeburten, Gott zurück.“ 83 Siehe dazu unten näheres bei Analyse der Funktion der Erinnerung an die „Väterzeit“ und den Exodus im Rahmen der Moserede. 84 Insofern erscheint es angebracht, diese Summarien als „Katechese“ zu bezeichnen. (Braulik, Dtn I, 60). Vermutlich bildete Dtn 6,20ff gemeinsam mit dem Schma Jisrael (6,4ff) die Eröffnung der ältesten Fassung des deuteronomischen Gesetzes. Siehe dazu 82
98
2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
tungshandeln Jhwhs wird so zusammengefasst und als Ätiologie der Freiheit im Land hingestellt. Die Geschichtssummarien zielen somit gegenüber dem biblischen Erzähler und Mose auf eine zusätzliche Kommunikationsebene der Geschichtsvergegenwärtigung ab. Sie geben Antwort auf die Frage, wie es zu der Situation gekommen ist, an der die Sprecherin, der Sprecher jetzt steht. Insofern wandelt sich noch einmal die Perspektive, von der aus die grundlegenden Ereignisse der Geschichte Israels in den Blick genommen werden, gegenüber dem Standpunkt des biblischen Erzählers und dem des Mose. „Da wird aus persönlicher Betroffenheit (Gebete!) heraus geredet, die Jahwe in seinen Taten erkennt und bekennt, und das bekennende Erzählen will und soll analoge Hoffnung erwecken und begründen.“85 Führt man sich diese Zielsetzung der Summarien vor Augen, wird vielleicht deutlich, weshalb die Horebereignisse hier keine Erwähnung finden. In diesen Summarien geht es eben darum, die Rettungstaten Jhwhs an seinem Volk in der Geschichte wieder und wieder ins Gedächtnis zu rufen. So werden die Situationen – Kinderfrage und Abgabe der Erstlingsfrüchte – mit den Taten Jhwhs erklärt. Die regelmäßige Wiederholung der am Horeb erteilten Gebote wird in den Mosereden mit dem Laubhüttenfest und dem Erlassjahr verknüpft (Dtn 31,9–13) und somit noch einmal eigens thematisiert86. So viel zur Folge, in der in den Summarien an die für Israel grundlegenden Ereignisse erinnert wird. Sie lässt sich mit deren ganz spezifischer Funktion und Kommunikationssituation erklären, für die sie vorgesehen sind. Diese sind von dem Kontext, den das Deuteronomium für die Moserede inszeniert, grundsätzlich verschieden.
2. Die Erzelternzeit 2.1. Hinführung Auf keine der in den ersten vier Büchern der Tora ausführlich geschilderten Ereignisse greift Mose so ausführlich zurück wie auf die Horebereignisse oder die Kundschaftergeschichte. Daraus könnte der Schluss gezogen werden, die Epoche Abrahams und Sarahs, Isaaks und Rebekkas,
CRÜSEMANN, Tora, 256, der von diesen Texten aus auf die ursprünglichen Adressaten als „landbesitzende, freie, erwachsene, israelitische Männer“ schießt. 85 PREUSS, Deuteronomium, 147. Ob hier allerdings wirklich Gebete vorliegen, mag bezweifelt werden. Angemessener erscheint mir die Kategorie des „Glaubensbekenntnisses“, die sich auch in der Diskussion durchgesetzt hat. Siehe dazu BRAULIK, Dtn II, 192. 86 Siehe dazu unten S.296.
Die Erzelternzeit
99
Jakobs, Rahels und Leas würde für den bevorstehenden Einzug ins Land für Israel keine Rolle mehr spielen. Betrachtet man die vielen, beinahe formelhaften Erwähnungen der „Väter“ im Einzelnen, wird sehr schnell deutlich, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Die ausführliche und teilweise mit großer Schärfe geführte Debatte über die Frage, ob mit den „Vätern“ im Deuteronomium ursprünglich die Erzeltern der Genesis gemeint sind87, braucht hier nicht wiederholt, geschweige denn weitergeführt zu werden. Auf der Ebene des uns heute vorliegenden Textes kann kein Zweifel daran bestehen, dass mit den „Vätern“ die Erzeltern gemeint sind88. Es soll im Folgenden um die Frage gehen, welchen Aspekt der Erzelternepoche Mose herausgreift und wie er sie in seiner besonderen Redesituation interpretiert. Damit folgen wir der Grenze, die das Deuteronomium selbst zieht, jenseits derer bereits präsentierter Erzählstoff neu interpretiert wird. Auch Blum geht einer Neuinterpretation der Erzelternüberlieferungen nach, die er in die Nähe der Endfassung des Deuteronomiums rückt. Die von ihm angenommenen Kompositionsschichten haben die vorgefundenen Erzelternüberlieferungen durch die Verheißungsreden Jhwhs in der Genesis verküpft, mit denen er sich an jede „Väter“-generation neu wandte89. Insbesondere die von ihm angenommene „KD-Schicht“ hatte daran maßgeblichen Anteil90. Diese Bearbeitung ist seiner Ansicht nach jedoch zeitlich und inhaltlich in die Nähe der „Hände“ zu rücken, von denen die Moserede des Deuteronomiums stammt. Insofern wirkt Blums Verfahren auch auf das Verständnis der Belege der Erzeltern in der Moserede zurück. Der Unterschied zwischen den Eingriffen in die Überlieferung der Genesis und Abfassung der Moserede liegt seiner Ansicht nach nur in der literarischen Freiheit. Bei der Bearbeitung der Überlieferung haben wir es mit „gebundener Neugestaltung“, in der Moserede mit „freier Neugestaltung“ zu tun91. Die sachlich-theologische Ausrichtung ist jedoch die gleiche. Die von der Tora erzählerisch gezeigte Freiheit der Interpretation in der Moserede kommt auf diese Weise jedoch nur am Rande in den Blick.
87
Siehe dazu RÖMER , Väter. Seiner Ansicht nach sind die Namen Abraham, Isaak und Jakob an den entscheidenden Stellen hinzugefügt (Dtn 1,8; 6,10; 9,5.27; 29,12; 30,20; 34,4). LOHFINK, Väter hat sich in zum Teil scharfer Form mit dieser Sicht der Textgenese auseinandergesetzt. 88 Das räumt RÖMER, Väter, 269 selbst ein: „Durch die Gleichsetzung der twba mit den Erzvätern an ‚strategisch‘ wichtigen Stellen wurde ein konstanter Eingriff in die Väterschwurtexte unnötig, da sich nun eine Identifikation mit den Patriarchen von selbst nahelegt.“ 89 BLUM, Vätergeschichte, 289–297, für die „vordeuteronomistischen“ Kompositionen. 90 BLUM , Vätergeschichte, 389ff. 91 BLUM , Pentateuch, 177. Vgl. Darstelltung des Ansatzes von BLUM oben S. 4ff.
100
2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
2.2. Die Erzelternzeit aus der Sicht des biblischen Erzählers Natürlich ist es im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht möglich, eine auch nur annähernde „Zusammenfassung“ dieser Epoche zu liefern. Die Themen der einzelnen Episoden sind zu vielschichtig, unterschiedlich und komplex, als dass sie sich angemessen auf eine „Ausrichtung“ reduzieren ließen. Mit Blick auf die Rückgriffe auf diese Zeit in der Moserede lassen sich aber doch einige markante Aspekte herausstellen92. Die gesamte Genesis beschreibt eine Zeit «avant la lettre» 93, d.h. eine Epoche, in der die Tora vom Sinai noch nicht offenbart war. Als solches stellt dieses Buch jedoch eine feste „Untereinheit“94 der Tora dar. „In der Genesis werden grundlegende Verhältnisse geschildert, die geeignet sind, Normen zu begründen.“95 Das bedeutet, dass in den Erzählungen der Genesis eine „narrative Ethik“96 expliziert wird, die sukzessive auf die Offenbarung der Gesetze und Gebote am Sinai hinführt. Die einzelnen Formen, wie dies erzählerisch entfaltet wird, können höchst unterschiedlich sein. Eine Möglichkeit ist das „zufällige“ Finden von „Tora“ in der Auseinandersetzung mit anderen Völkern. Ein anschauliches Beispiel ist die Episode von Abraham und Sara bei Abimelech in Gen 20, an deren Höhepunkt Abraham feststellen muss, dass bei den Fremden mehr Gottesfurcht herrscht als bei ihm selbst97. Daraus lässt sich als Norm ableiten: „In diesem Land kann man von einer Gottesbeziehung der dort ansässigen Menschen ausgehen und diese Gottesbeziehung begründet auch einen ethischen Minimalkonsens.“98 Eine andere Möglichkeit, der sich die Erzählungen der Genesis gerne bedienen, ist die Schilderung der Figuren als solche, die die Tora schon befolgen, obwohl sie sie noch gar nicht kennen. Als prominentestes Beispiel ist hier natürlich Abraham im Zusammenhang mit der „Bindung Isaaks“ zu nennen. Gen 22 steht in kanonisch-intertextuellen Konstellationen zu Gen 12,1–999, insofern die Verheißungen am Ende von Gen 22 wieder restituiert werden (V.16–19). „In Gen 22 scheint diese Geschichte noch 92
Es kann in diesem Rahmen auch nicht darum gehen, die Debatte darüber aufzugreifen, ob die Erzelterngeschichten in ihrer uns heute vorliegenden Gestalt, wie heute vorwiegend angenommen wird, allesamt jünger sind als die deuteronomistischen Texte. „Die Frage ist nicht ob, sondern wie die Genesis als erstes Buch des Pentateuch zu verstehen ist.“ (Millard, Genesis, 363. [Hervorhebungen im Original, J.T.]). 93 STEINS, Bindung, 172. 94 MILLARD, Genesis, 363. 95 MILLARD, Genesis, 363. 96 CRÜSEMANN, Herrschaft, 614. 97 Siehe hierzu die Auslegung dieser Geschichte als „Lehrerzählung“ bei MILLARD , Genesis, 314–362, bes. 328ff.334ff. 98 MILLARD, Genesis, 338. 99 STEINS, Bindung, 135ff. Die Seitenzahlen in Klammern im folgenden Abschnitt beziehen sich auf diese Untersuchung.
Die Erzelternzeit
101
einmal von vorne beginnen zu wollen. Insofern kann Gen 22 im Blick auf Gen 12 als ‚Wieder-holung‘ beschrieben werden, als Einholung der Mächtigkeit, d.h. der Möglichkeiten des gottgesetzten Anfangs. Erst an Gen 22 wird deutlich, was in diesem Anfang ‚steckte‘“. (147) Es gibt jedoch einen markanten Unterschied zu Gen 12,1–3: Hier gehen die Segensverheißungen der Tat voran, in 22,15–18 folgen sie der Tat. „Die göttlichen Verheißungen werden nicht konditioniert und damit kontingent. Aber dennoch ändern sie sich in einer wichtigen Hinsicht, ihr Bezugspunkt wird transformiert; Abrahams Tat wird im wahrsten Sinne des Wortes in die Verheißungen eingeschrieben.“(142). Daraus folgt: “Henceforth Israel owes its existence not just to Yahweh but also to Abraham”100. Andere kanonisch-intertextuelle Bezüge, wenn auch von anderer Qualität, verweisen auf Ex 19–24. Einmal ist an dieser Stelle die viel diskutierte Ortsbezeichnung zu nennen. h™Dwhy r¶Ah verweist außerhalb des Pentateuch immer wieder auf Jerusalem101. Innerhalb des Pentateuch ist diese Bezeichnung nur noch in Num 10,33 zu finden. Dort bezeichnet sie jedoch den Sinai. Die Benennung des Ortes in Gen 22,14, an dem Abraham seinen Sohn beinahe geopfert hätte, verweist auf der literarischen Ebene auf den Berg, „an dem Gott erscheint“ (Ex 24,17). „Für Gen 22 stellt sich also nicht die Alternative ‚Sinai‘ oder ‚Jerusalem‘, da der Text über die offenen Ortsangaben und die zuvor beschriebenen Ähnlichkeiten jenseits der geographischen Referenz auf Jerusalem funktionale Bezüge auf den Sinai aufbaut.“ (171). Bis in die textlichen Einzelheiten hinein lassen sich Parallelen zwischen den beiden Szenen in Gen 22,5 und Ex 24,14 aufzeigen, in denen sich jeweils eine „Spitzengruppe“ vor der Besteigung des heiligen Berges von den Übrigen ablöst102. Abrahams Gang auf den Berg ist in gewisser Weise als Antizipation des Aufstiegs Moses mit den Ältesten Israels zu verstehen. Aus dieser Konstellation lässt sich folgern: „Abraham hat bereits auf die Stimme Gottes gehört, von ihm wird es zuerst und – bis zur Aufforderung Israels am Sinai, es Abraham gleichzutun – allein konstatiert. Abraham hat somit avant la lettre die Forderung der Sinaitora erfüllt, die dort entfaltete Gottesbeziehung (vgl. Ex 19,3–6) ist ihm schon eröffnet. ,Israel as a community is to respond as Abraham did‘.“ (172/3). Darüber hinaus lassen sich weitere Bezüge zu Ex 20,20 herstellen. Auch dort „versucht“ (hsn vgl. Gen 22,1) Jhwh Israel, damit es die Gottesfurcht vor Augen hat (vgl. Gen 22,12). Gottesfurcht und „Versuchung“ sind demzufolge zentrale Themen sowohl der Bindung Isaaks als auch der Ankunft Israels am Sinai. In beiden Erzählungen wird die Erprobung Israels mit der Gebotsbefolgung und der Gottesfurcht verbunden. „So kann Abraham ‚als
100
Zitat Moberly bei S TEINS, Bindung, 142. Jes 2,2; 30,29; Mi 4,2; Sach 8,3; Ps 24,3. 102 Zur Gegenüberstellung der beiden Verse siehe STEINS, Bindung, 169. 101
102
2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
Typos oder Modell für Israel‘ bezeichnet werden. [...] Der Befehl, der natürlich nicht von der weiteren Interaktion zwischen Gott und Abraham isoliert werden darf, ist beispielhaft für die Tora insgesamt.“ (176) Gen 22 handelt eben nicht von einer Auslösung der Erstgeburt, sondern von dem Toragehorsam insgesamt. „Die Erprobung Abrahams durch Gott wird durchsichtig auf das Geschehen am Sinai hin.“ (185). Das Bezeichnende ist jedoch, dass in der Abrahamerzählung dieser Gehorsam dem Gottesbefehl gegenüber mit der Mehrungs-, und Segensverheißung verknüpft ist103. Diesen Aspekt gilt es, unten mit den Belegstellen der Erzeltern in der Moserede zu vergleichen. Mose spricht in seiner Rede wiederholt davon, dass Jhwh den Erzeltern eine Bundesverpflichtung „zugeschworen“ ( obv nif.) habe (Dtn 4,31; 7,12; 8,18; 29,12). Von tyrb obvn ist in der Genesis an keiner Stelle die Rede. Nur Gen 15 und 17 sprechen von einer Bundesverpflichtung, die Jhwh Abr(ah)am gewährt. Das begleitende Verb ist in diesen Texten jedoch „schneiden“ (trk in Gen 15,18), „geben“ (Ntn in Gen 17,2) und „aufrichten“ (Mwq in Gen 17,7). Gen 15 berichtet ganz offensichtlich von dem rituellen Vollzug des Bundes (V.9–21). Land- und Mehrungsverheißung werden in diesem Kapitel getrennt voneinander verhandelt104. Der erste Teil, in dem Jhwh Abram so viele Nachkommen verheißt, wie Sterne am Himmel stehen, schließt mit der bekannten Feststellung in V.6 ab. Die Verheißung des Landes ist offensichtlich problematischer: Hier verlangt Abram von Jhwh ein Zeichen (V.8). Darauf folgt der rituelle Vollzug der Bundesverpflichtung, mit der Jhwh-Rede (V.13–16), die von Rad als „Kabinettstück alttestamentlicher Geschichtstheologie“105 bezeichnete. In ihr wird die Zukunft der Nachkommen Abrahams vorhergesagt. Die Erfüllung der Verheißung wird erst nach vier Generationen erfolgen (V.16). Diese Zusage beeidigt Jhwh in einer Bundesverpflichtung (V.18), wobei hier das Tempus zu beachten ist: Das Verb Ntn steht nicht wie sonst in den Verheißungen an die Erzeltern in der PK oder AK-cons, sondern in der AK yI;tAtÎn. Blum spricht hier zu Recht von einer „performativen Zueignung“, die durch dieses Tempus zum Ausdruck kommt. „Zugleich bedeutet dies auch eine inhaltliche Steigerung, wird hier doch das Land den Nachkommen Abrahams schon in aller Form ‚übereignet‘“106. Darüber hinaus fehlen die in den Verheißungen sonst üblichen Zusagen an den Angesprochenen selbst. Dies
103
Siehe dazu MILLARD, Genesis, 144–146. Das hat in der historisch-kritischen Forschung zu den bekannten Aufteilungen des Kapitels geführt. Siehe dazu BLUM, Vätergeschichte, 377, mit weiterer Literatur. 105 von Rad, Erste Buch Mose, 145. 106 Dies stellen BLUM, Vätergeschichte, 381 und LOHFINK, Dtn 12,1, 271, heraus. 104
Die Erzelternzeit
103
entspricht dem Inhalt der Gottesrede, nach der erst die Nachkommen107 der vierten Generation das Land zum Besitz erhalten sollen. Folgende Aspekte dieses komplexen Textes sind für unsere Fragestellung festzuhalten: Zwar wird von dem Vollzug eines Bundesschlusses erzählt. Das wird an den rituellen Tierschlachtungen (V.9–11), den Feuererscheinungen in V.17 und der performativen Zueignung des Landes in V.18 deutlich. Und doch ist dieser Bundesschluss eigentümlich von der Gegenwart Abrams entfernt. Er erfährt sie in einem Tiefschlaf (V.12). Die Verwirklichungen der Zusagen Jhwhs liegen weit in der Zukunft. Tatsächlich finden sich die nächsten Bezüge der Feuer- und Raucherscheinungen aus V.17 in Ex 19,18, dort also, wo das ganze Volk zum Zeugen der Erscheinung Jhwhs wird und das Bundesgeschehen von Ex 19–34 beginnt. Dort allerdings sind alle Beteiligten hellwach an den Ereignissen beteiligt. In jedem Fall zeigt dieser Verweis, dass die Verheißungen aus Gen 15 nicht nur ihre Erfüllung in der Volkwerdung und der Landnahme finden, sondern auch in den Geschehnissen am Sinai. Doch damit ist das Potenzial der Vorausverweise von Gen 15 noch nicht erschöpft: Der Teil der Erzählung, in dem die Landverheißung verhandelt wird, beginnt damit, dass Jhwh Abram daran erinnert, dass er ihn aus Ur in Chaldäa „geführt“ (axy hif.) hat. Unmittelbar daran schließt sich der Ausblick auf die Landgabe an (V.7). „Die sonst auf den Exodus gemünzte Herausführungsformel ist hier auf den Auszug Abrahams aus Mesopotamien bezogen.“108 In der Abramsgestalt, wie sie in Gen 15 geschildert wird, spiegelt sich die Geschichte Israels wider. Die Bezüge von Gen 15 zu den Belegstellen der Erzeltern in der Moserede sind so offensichtlich, dass hier in der Forschung entstehungsgeschichtliche Zusammenhänge vermutet werden109. Dabei gilt es an dieser Stelle festzuhalten, dass Gen 15 innerhalb der Erzelternerzählungen einen Sonderfall darstellt. Schon Gunkel urteilte aufgrund der fehlenden Verwicklung, dass dieser Text „kaum eine ‚Geschichte‘ zu nennen“ sei110. Abwege wie die dreifache Preisgabe Sarahs, die ungerechte Behandlung Hagars, der Streit der Zwillinge Jakob und Esau prägen die Handlungen der Erzelterngeschichten viel eher. Auf der anderen Seite ist Gen 15 jedoch 107
Dass hiermit auch die Nachkommen Ismaels mitgemeint sind, versteht sich aus der Anordnung der Episoden von selbst. 108 BLUM, Vätergeschichte, 380, der dies freilich von den Adressaten des durch die DSchicht entstandenen Textkorpus bezieht: „Mit dieser Aktualisierung auf die Lage der Exilierten/Diaspora in Babylonien hin wird zugleich die Fundierung der Heilsgeschichte über Ägypten hinaus in der frühestmöglichen Ursprungsgeschichte Israels gesucht.“ (ebd). 109 Für BLUM selbst ist Gen 15 als Einheit der „Basistext für die Mehrungs- und Landverheißung im Kontext der D-Überlieferung“ ( DERS., Vätergeschichte, 382). Dem stimmt O TTO, Pentateuch, 219 zu. Siehe aber auch SCHMID, Erzväter, 172–186.294ff. 110 G UNKEL, Genesis, 183. Zitat auch bei BLUM , Vätergeschichte, 382.
104
2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
tief in den Bogen der Erzelternerzählungen eingebunden: Es ergeht an jede Generation die Land- und Mehrungsverheißung in ganz ähnlicher Form, wie sie in Gen 15 zur Sprache kommt111. Wie tief eben jene Verheißung etwa mit der Handlung der Jakoberzählung verwoben ist und andere Formen der „Generationenlegitimierung“, wie sie etwa Isaak in Gen 27 versucht, abgelehnt werden, habe ich an anderer Stelle zu zeigen versucht112. Da dies, wie oben dargestellt, auch für die Abrahamerzählung gilt, können die Land- und Mehrungsverheißungen als Grundinterpretamente der Erzelterngeschichten gelten. In Gen 15 werden sie noch einmal auf das Thema „Bund“ konzentriert. Die bislang aufgezeigten Querverbindungen sind in der Forschung seit längerem schon gesehen worden. Daraus sind Schlüsse über die Genese des Pentateuch gezogen worden, die jetzt im Einzelnen nicht zu referieren sind113. Die Sonderbehandlung der „priesterlichen“ Schicht führt dazu114, dass nach Bezügen von Gen 17 zum Deuteronomium kaum gefragt wird115. Vom Ansatz der vorliegenden Untersuchung her muss dies jedoch geschehen, schließlich wird hier von der zweiten Bundesverpflichtung Jhwhs Abraham gegenüber berichtet. Somit sind die tyrb obvn - Belege der Moserede auf der Ebene des uns heute vorliegenden Textes auch auf Gen 17 zu beziehen. Hierbei ist zu beachten, dass Gen 15 aus kanonischer Sicht entsprechend der Leserichtung auf Gen 17 hinweist und nicht umgekehrt. Die Einordnungen dieser Erzählung in das priesterliche Geschichtsbild sind bekannt. Bei den Bezügen auf das Deuteronomium stellen sich jedoch zunächst erst einmal ähnliche Probleme wie bei Gen 15. Die Formulierung tyrb obvn fehlt auch hier. Statt dessen ist in Gen 17,2 von tyrb Ntn und in V.7 von tyrb Mwq die Rede. Bezeichnenderweise taucht hier das Verb trk nicht auf. Allerdings ist in Gen 17 die Verwendung der Tempora außergewöhnlich. Der Kohortativ h¶DnV;tRa in V.2 bringt ein Vorhaben, ein Wollen oder eine Selbstaufforderung zum Ausdruck und ist somit eher nicht als „performativer Sprechakt“ zu bezeichnen. Die AK-cons yItOmIqSh in V.7 hängt 111
Gen 12,1–3.7; 13,14–17; 15,1–6.18; [17,4–8]; 18,10; [21,13]; 22,16–18; 26,2– 5.24; 28,13–15*; [35,9–13]. 112 TASCHNER, Verheißung. 113 Siehe dazu den Forschungsüberblick A.I.2. 114 So auch MILLARD, Genesis, 142–144, der Gen 17 im Zusammenhang der priesterlichen Reihe Gen 9 und Ex 12 auslegt. Bei jeder dieser „Stationen“ wird der Personenkreis, für den die jeweils erlassenen Gebote gelten sollen, weiter eingeengt (Gen 9: die gesamte Menschheit; Gen 17: alle Nachkommen Abrahams; Ex 12: nur Israel). Die kanonische Perspektive holt MILLARD dadurch wieder ein, dass er diesen Strang neben andere, Normen begründende oder auf Normen hinweisende Erzählungen stellt (siehe dazu D ERS., aaO, 144–169). 115 Wenn, dann werden hierfür nur die als sehr spät eingestuften Partien wie Dtn 4 in Betracht gezogen. Siehe dazu LOHFINK, Väter, 71–74.
Die Erzelternzeit
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über die AK-cons y§ItérVpIhw in V.6 und h§DyDhw in V.5b von der PK añér;qˆy_aøl in V.5a ab. Die letztgenannte Verbform zielt nun jedoch eindeutig auf die Zukunft, alle weiteren AK-cons-Formen stehen auf der gleichen Zeitstufe. Der Bund, den Jhwh hier „gibt“ oder „aufstellt“, richtet sich ganz offensichtlich in erster Linie auf die Zukunft, was sich auch in der Rede von der MDlwøo tyîrVb in Gen 17,7 zeigt. Es wird von keiner rituellen Komponente berichtet116. Die Umbenennung Abrams in Abraham hängt eindeutig mit der Mehrungsverheißung zusammen. Die innere Dynamik des Kapitels zielt darauf ab, den Inhalt der Bundesverpflichtung inhaltlich näher zu bestimmen117. In diesem Kapitel wird das Eingehen der Bundesverpflichtung „unter äußerster Reduktion auf das Theologische“ dargestellt118. Die verschiedenen Aspekte des Bundesschlusses werden von allen Seiten ausgeleuchtet. Natürlich geht es auch hier um die Mehrung der Nachkommen (V.6)119 und um den künftigen Landbesitz (V.8). Dieser Bundesschluss wird jedoch mit einem „Zeichen“ (twøa) versehen: Das Gebot der Beschneidung wird erlassen. Abraham folgt dieser Bestimmung in V.23. Dies ist jedoch an dieser Stelle nicht mehr Bestandteil einer Bundeszeremonie im strengen Sinn. Die Beschneidung wird in der Moserede in dieser Form nicht wieder aufgegriffen, sondern erst in Jos 5 nach vollzogenem Epochenwechsel. Ein weiterer Aspekt kommt in Gen 17 gegenüber Kap 15 hinzu: Die Landverheißung wird in 17,8 mit der sog. „Bundesformel“ verknüpft, die immer eindeutig der priesterlichen Schicht zugeordnet wird. Und doch taucht sie in der Moserede genau im Zusammenhang mit dem „Schwur“ des Bundes an die Väter wieder in Dtn 29,9–14 (vgl. 26,18) auf. Dies sind nun jedoch, wie noch im Einzelnen zu zeigen sein wird, für die Konstitution des Moabbundes entscheidende Texte120. Bevor wir uns den Rückgriffen auf die Erzelternzeit in der Moserede insgesamt zuwenden, noch ein Hinweis. Der biblische Erzähler bezeichnet Jhwhs Eingehen der Bundesverpflichtung Abraham gegenüber im weiteren Verlauf mit der Wurzel obv nif. In Gen 26,3 spricht Jhwh von dem h$DoUbVÚvAh, die er Abraham zugeschworen hat. Eine ganz ähnliche Terminologie begegnet dann auch in 24,7121. Das bedeutet, dass nicht nur Mose in seinem
116
SEEBASS, Vätergeschichte I, 98: „Übereinstimmung herrscht darin, daß das Kapitel keine Erzählung enthält.“ 117 BLUM , Vätergeschichte, 421. 118 von Rad, Erste Buch Mose, 154. 119 W ESTERMANN, Genesis, 316, sieht in der Mehrungsverheißung das eindeutige Übergewicht gegenüber der Landverheißung. 120 Siehe S. 275ff und S.111. 121 BLUM, Vätergeschichte, 376: „Denkbar ist auch, daß die Rede vom Väterschwur eine Interpretation der Väterverheißungen darstellte, ohne daß als Eid stilisierte Bezugs-
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
Rückblick auf diese Epoche davon sprechen kann, dass Jhwh den Erzeltern etwas „zugeschworen“ (obv nif.) hat. Wenn in diesem Zusammenhang schon auf der Ebene des biblischen Erzählers von obv nif. die Rede ist, liegt der Schluss nahe, dass die Zusagen Jhwhs generell im Rückblick mit diesem Verb bezeichnet werden können. Die Erzählsituation, aus der heraus die Epoche der Erzeltern geschildert wird, ist von Unmittelbarkeit geprägt. Über weite Strecken kommen die handelnden Figuren in Dialogen selbst zu Wort. Als Beispiel können hier die langwierigen Gespräche Jakobs mit seinen Frauen (Gen 31,4–16) und mit seinem Schwiegervater Laban (Gen 31,26–53) angeführt werden. Nicht selten spiegelt sich das Geschehen in einem der Protagonisten. Hierfür lässt sich die Schilderung der Situation Jakobs kurz vor der Wiederbegegnung mit seinem Bruder als Beispiel anführen (Gen 32,4–22). In V.8 und 9 heißt es: 8
Da geriet Jakob in große Furcht und Bedrängnis. Und er teilte die Leute, die bei ihm waren, das Kleinvieh, die Rinder und die Kamele in zwei Lager. 9 Er sagte sich: Wenn Esau kommt und das eine Lager schlägt, ist das übrig gebliebene Lager die Rettung.
Der Erzähler gewährt dem Leser für einen Moment einen Einblick in die Pläne Jakobs, die Gefahr abzuwenden, die ihm durch die entgegenkommende Reiterei seines Bruders droht. Wenn sie schon ihn und seine Gefolgschaft umbringen wollen, dann soll ihnen nur eine Hälfte des Lagers in die Hände fallen. Durch diese Informationen werden dem Leser die Ernsthaftigkeit der Gefahr und Jakobs Schläue unmittelbar vor Augen geführt. Die weiteren „Vorsichtsmaßnahmen“ Jakobs tauchen in ein ganz anderes Licht. Insgesamt tritt der Erzähler als Person in den Erzelterngeschichten völlig zurück. Er ist nicht Teil des Seinsbereiches der dargestellten Handlung. Die in der Genesis besonders häufige ätiologische Wendung „bis auf den heutigen Tag“122 macht vielmehr deutlich, dass sich der Erzähler dem Seinsbereich des Lesers bzw. Hörers zurechnet. Da der Erzähler als Person nicht in Erscheinung tritt, kann er auch innerhalb der dargestellten Handlung keinen Standpunkt beziehen. Dennoch ist er immer unmittelbar am Fokus des Geschehens, das sich im weitesten Sinne um die Erfüllung der Versprechungen Jhwhs, insbesondere der Mehrungsverheißungen dreht. Historiografisch lassen sich die Berichte einer eher exemplarischen Erzählweise zuordnen. Das Leben wird von den Figuren als magistrae vitae erfahren. Insofern erfüllt die Unmittelbarkeit, mit der die Ereignisse ge-
stellen notwendig vorausgesetzt wurden.“ B LUM verweist von diesen Genesis–Belegen direkt auf die entsprechenden Stellen im Dtn (4,31; 8,18 usw.). 122 Gen 19,37.38; 26,33; 32,33; 35,20; 47,26.
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schildert werden, ihre Funktion. Der Leser empfindet die Notwendigkeit der Lebensregeln, die den Kern der am Sinai bzw. Horeb offenbarten Gebote und Rechte darstellen, ganz unmittelbar. Dennoch erfasst die Kategorie der exemplarischen Erzählweise die Darstellung dieser Epoche nicht vollständig. Durch die an jede Generation der Erzelternfamilie ergehenden Verheißungen wird ein Fundament gelegt, das weit über diese Epoche hinausweist. In den Erzelternerzählungen geht es auch um die Schilderung eines Ursprungs. Insofern begegnet hier auch ein traditionales Element. Nimmt man jedoch die Genesis für sich, so wäre dieser Ursprung ein einmaliges Geschehen. Es bliebe die Frage offen, ob und inwiefern Israel auf diesen Ursprung zu späteren Zeiten wieder aufbauen und wie es ihn je und je neu in seine Gegenwart hineinholen könnte. Nur die Beschneidung wäre das Element, durch das die Epoche bei seinen rituellen Vollzug wieder lebendig gemacht werden könnte. Wir hatten jedoch oben gesehen, wie sehr der Bund, auf den die Beschneidung als Zeichen hinweist, auf Zukunft ausgerichtet ist. Ohne den weiteren Fortgang der Erzählung bliebe somit auch die Beschneidung ohne wirkliche Bedeutung. 2.3. Die „Väter“ im Deuteronomium Die Rückgriffe auf die Erzelternepoche in der Moserede lassen sich überblickartig in folgende Kategorien unterteilen123: Landschwur an die „Väter“
1,8.35; 6,10.18.23; ; 7,13; 8,1; 10,11; 11,9.21; 19,8; 26,3.15; 30,20; 31,20.21; 34,4
Schwur der Bundesverpflichtung
4,31; 7,12; 8,18; 29,11–14
Jhwh hat keinen Bund mit den Vätern geschlossen ( tyâîrV;bAh_tRa h™Dwhy tñårD;k)
5,3
Schwur der Mehrungsverheißung
13,18 [1,10]
Schwören der hDoUb Vv
7,8
Schwur des rDb d
9,5
Jhwhs MyîdDb So Abraham, Isaak und Jakob
9,27
„Schuld“ der Väter
5,9
123
Vgl. die Zusammenstellung der Belege bei RÖMER, Väter, 9–18.
108
2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
„Gott der Väter“
1,11.21; 4,1; 6,3; 12,1; 26,7; 27,3; 29,24
„Nicht-Kennen“ der Väter ( ody
al)
„Sich zu den Vätern legen“
8,3; 8,16; 13,7; 28,36.64; 32,17 31,16
Von Jhwhs „Liebe zu den Vätern“ ist in 4,37 und in 10,15 die Rede, von seiner Freude an ihnen in 30,9. Das „Herabziehen der Väter nach Ägypten“ wird in 10,22 und 26,5 erwähnt. 2.3.1. Die „Zuschwörung“ des Landes Die in der Moserede übliche Formulierung des „Landschwurs“ lautet124:
M%RkyEt°ObSaAl hÎwhy oA;bVvˆn rRvSa X®r$DaDh_tRa Schon dieser erste Überblick zeigt, dass die Erwähnung der Landverheißung den weitaus größten Teil der Belege ausmachen. Dass hier das Hauptgewicht liegt, lässt sich ohne Weiteres mit der Redesituation des Mose erklären. Die unmittelbar bevorstehende Landnahme gründet tief in der Geschichte des Volkes und seiner Vorfahren mit Jhwh. Wie zentral diese Verheißungen in der Erzelternzeit für Mose sind, wird gleich bei der Eröffnung der zweiten ausführlichen Geschichtsdarstellung deutlich, der sog. „Kundschaftergeschichte“. Doch noch vorher, gleich zu Beginn der Rede, fordert Mose das Volk dazu auf, in das Land hineinzugehen und es einzunehmen (Dtn 1,8):
…wâvr…w …waø;b£ X®r¡DaDh_tRa M™Rky´nVpIl yI;t¶AtÎn h¢Ear °DhrVbAaVl M%RkyEt°ObSaAl hÎwhy oA;bVvˆn rRvSa X®r$DaDh_tRa Das Verb Ntn steht hier in der AK und bezeichnet hier zweifelsohne einen „performativen Sprechakt“. Während Ntn in den Erzelternverheißungen fast ausschließlich in der PK begegnet, wird hier in Dtn 1,18 das unmittelbare Zueignen des Landes zum Ausdruck gebracht. Wir hatten oben gesehen, dass in Gen 15,18 zwar ebenfalls Ntn in der AK steht, der erzählerische Zusammenhang jedoch auf eine zukünftige Erfüllung dieser Übereignung abzielt. Die AK hier in Dtn 1,18 zeigt an, dass genau dieser Moment jetzt gekommen ist. Die Imperative wâvr…w …waø;b£ unterstreichen dies. Dass die
124
Belegstellen siehe Tabelle oben. Siehe dazu auch LOHFINK, Dtn 12, 257ff, der aufgrund des Vorkommens des Verbes Ntn in der 3.Pers. sg. AK in Dtn 12,1 nur diese Stelle als Rückbezug auf Gen 15,18 wertet. Grundlage dieser Auslegung sind jedoch textgenetische Vorentscheidungen, nach denen die anderen Belege für den „Landschwur“ an die Väter sehr viel später hinzugekommen sind.
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Landverheißungen hier und an allen anderen Belegen mit dem Verb obv nif. quasi „zusammengefasst“ werden, braucht nach den oben dargelegten Überlegungen nicht mehr zu verwundern. Schon der biblische Erzähler hatte dieses Verb gebraucht, um die Versprechen Jhwhs an Abraham zu fokussieren125. Am Anfang seiner Rede verleiht Mose dieser Auforderung, der Landverheißung an die Erzeltern Vertrauen zu schenken, Nachdruck, indem er auf die Erfüllung der Mehrungsverheißung hinweist. Auch wenn Dtn 1,9– 17 (par. Ex 18,13–27126 und Num 11,11–17), wie vielfach angenommen, einen späteren Einschub darstellt, so ist der Ort doch mit Bedacht gewählt. Jhwh hat sein Versprechen den Erzeltern gegenüber, aus ihnen ein ganzes Volk entstehen zu lassen, in dem Maße erfüllt, dass Mose alle Rechtssachen jetzt nicht mehr alleine erledigen kann. Das Zitat der Mehrungsverheißung in Dtn 1,10 (vgl. Gen 22,17; 26,4 [15,5]) macht deutlich, unter welchem Gesichtspunkt dieser Bericht über die Aufgabenverteilung hier zu verstehen ist127. An dieser Stelle vertieft und fördert er das Vertrauen auf Jhwhs Zusage bei der bevorstehenden Landnahme. In Dtn 9,5 ist von dem rDb;d die Rede, der Jhwh Abraham, Isaak und Jakob „zugeschworen“ hat. Der Bezug auf das Land ist im Textzusammenhang dennoch eindeutig, macht dieser Vers doch deutlich, dass Israel die bevorstehende Landnahme nicht seiner eigenen Gerechtigkeit zu verdanken hat, sondern dem Schwur Jhwhs an Abraham, Isaak und Jakob. Es kommt an dieser Stelle jedoch noch eine weitere Begründung hinzu, die sich direkt auf die Jhwh-Rede an Abraham in Gen 15,13-16 beziehen lässt. Dort wird die Erfüllung der Landverheißung in vier Generationen nach Abram damit begründet, dass die „Missetat“ (NOwSo in Gen 15,16) der Amoriter noch nicht voll sei. Hierin ist der Grund zu sehen, warum in Dtn 9,5 nicht von der tyîrVb, sondern von dem rDb;d die Rede ist. Es geht hier nicht nur um den Bund, den Jhwh mit Abram geschlossen hat, sondern auch um „das Wort“ über die Völker im Land. Schließlich sind die Amoriter nach Darstellung der Moserede das erste Volk, das Israel schlägt (Dtn 2,24–3,11 vgl. Num 21,21–35). Diesen Krieg stellt Mose als den Beginn der Erfüllung der Landnahmeverheißung dar. Insofern könnten die Amoriter hier als pars pro toto stehen. Wenn es nun in Dtn 9,5 heißt, dass Jhwh „diese Völker“ um ihrer „Schlechtigkeit“ (hDoVvîr) willen vertreibt, so lässt sich das
125
Siehe dazu S.102. Zum Vergleich der beiden Parallelen in Ex 18 und Dtn 1 unter institutionsbegründender Hinsicht siehe CRÜSEMANN, Tora, 109ff. Auffällig ist an der deuteronomistischen Variante, dass hier nicht nur die „Richter“ mosaische Aufgaben übernehmen, sondern die gesamte Führungsschicht Israels. 127 So auch BRAULIK, Dtn I, 24. 126
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vor dem Hintergrund von Gen 15,16 so interpretieren, dass das „Maß“ der Übeltat der Völker, die im Land leben, zum Zeitpunkt der Rede voll ist128. 2.3.2. Die „Zuschwörung“ der Bundesverpflichtung Mit diesem Rückgriff auf die Epoche der Erzeltern ist das zweite große Thema der Moserede benannt. Mose entfaltet und veranschaulicht es anhand seiner dritten ausführlichen Geschichtsdarstellung, der Ereignisse am Horeb (Dtn 5; 9–10). In Dtn 5,2–3 spricht Mose seine Hörer und Hörerinnen direkt an: Er redet ausdrücklich von „uns“, als er an den Horebbund erinnert, und hebt diesen Kreis von den „Vätern“ ab. Mit denjenigen, die Mose noch zuhören, hat Jhwh eine tyîrV;b „geschnitten“ (trk). Diese Aussage deckt sich mit den anderen Stellen, an denen von tyîrV;b trk , „eine tyîrV;b schneiden“, im Deuteronomium die Rede ist: 4,23; 5,2; 9,9; 28,69 (2x); 29,11.13.24; 31,16. Hier ist zwar nicht jedes Mal von dem Horebbund die Rede, aber die Hörer und Hörerinnen der Moserede werden als solche angesprochen, mit denen Jhwh einen Bund schließt (wörtlich: „schneidet“). Demgegenüber begegnet im Zusammenhang von den „Vätern“ immer die Wendung tyîrV;b obvn129. Das Bundesgeschehen ist demzufolge eingebettet in das Theologumenon von Verheißung und Erfüllung. Die Bundesverpflichung, die den Eltern „zugeschworen“ ( obv) worden ist, hat Jhwh mit den Nachfahren „geschnitten“ (trk). Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass die Wendung tyîrV;b trk bezüglich des Horeb- bzw. Moabbundes indifferent ist. Wie tief der dort gewährte Bund und der Moabbund, in dessen Rahmen Mose seine Rede hält, miteinander verbunden sind, wird unten noch im Einzelnen zu untersuchen sein130. Wie sehr beide Vorgänge wiederum in der Erzelternepoche wurzeln, zeigt Dtn 29,9–14: 9
Ihr steht heute alle hier vor Jhwh, eurer Gottheit: die führenden Köpfe eurer Stämme, eure Ältesten und eure Führung über ganz Israel. 10Eure Kinder und Frauen, deine Fremden, die sich mitten in deinem Lager aufhalten, von den Leuten, die dein Holz schlagen, bis zu denen, 128
Vgl. LOHFINK, Dtn 12, 271: „Das kann, nimmt man das buchübergreifende Gesamt-Aussagensystem des Pentateuchs, auch schon des vorpriesterschriftlichen, keine andere Landschenkung sein als die, die im Deuteronomium unmittelbar bevorsteht.“ 129 Auf diese Unterscheidung macht RÖMER, Väter, 50.51, aufmerksam. Siehe demgegenüber LOHFINK, Landverheißung, der davon ausgeht, dass obv und trk in diesem Zusammenhang bedeutungsgleich seien. Diese Auffassung kann durch RÖMERs Nachweis, dass jede dieser Wendung sich auf jeweils eine bestimmte Generation beziehen, als widerlegt gelten. RÖMER geht jedoch hinter seine Einsichten wieder zurück, indem er auch für Dtn 5,2 seine These zu beweisen versucht, wonach die „Väter“ ursprünglich im Dtn nicht die Erzeltern bezeichnen: „Die Väter sind insoweit allgemein die ‚Vorfahren‘, als sie den ‚Bruch‘ mit der Vergangenheit symbolisieren.“ ( DERS., Väter, 53). Auf der Ebene des uns heute vorliegenden Textes kann jedoch kein Zweifel bestehen, dass mit den „Vätern“ die Erzeltern gemeint sind, wie er selbst am Schluss seiner Untersuchung einräumt. Siehe oben und D ERS., Väter, 269. 130 Siehe dazu S. 288ff.
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die dein Wasser schöpfen. 11Ihr alle steht heute hier, um in die Bundesverpflichtung und den Eid Jhwhs, deiner Gottheit, einzutreten, die Jhwh, deine Gottheit, heute mit dir eingeht. 12Auf diese Weise setzt sie dich heute für sich als Volk ein. Sie aber wird für dich Gottheit sein, so wie sie es dir zugesagt hat und wie sie es deinen Vorfahren, den Familien Abrahams, Isaaks und Jakobs durch einen Schwur zugesagt hat. 13Doch nicht allein mit euch gehe ich diese Bundesverpflichtung und diesen Eid ein, sondern sowohl mit all jenen, 14die heute hier mit uns vor Jhwh, unserer Gottheit stehen, als auch mit jenen, die heute nicht mit uns hier sind.
Aus der ausführlichen Aufzählung aller Beteiligten zu Beginn dieses Abschnittes lässt sich zweierlei herauslesen: Einerseits wird hiermit unterstrichen, dass das ganze Volk, das die Rede des Mose hört, auf die Bundesverpflichtung in Moab verpflichtet wird und nicht nur etwa die Priester oder die Oberen des Volkes. Andererseits ist hierin jedoch auch möglicherweise noch einmal ein Hinweis auf die Erfüllung der Mehrungsverheißung zu sehen. Für unseren Zusammenhang ist entscheidend, dass der Moabbund explizit in eine Beziehung zu der Bundesverpflichtung gesetzt wird, die Jhwh den „Vätern“ zugeschworen hat und damit ein Generationen übergreifendes Bundesgeschehen zur Sprache gebracht wird. Schon Lohfink hat auf den klaren chiastischen Aufbau dieses Abschnittes hingewiesen, in dessen Mitte die sogenannte „Bundesformel“ zu finden ist (29,12: „er richtet dich zu seinem Volk auf und er wird für dich Gott sein“)131. Wir hatten oben bereits darauf hingewiesen, dass diese Formel tatsächlich in Gen 17,8 im Zusammenhang mit dem „Väter“-Bund begegnet132. Wir hatten oben gesehen, dass der Bundesverpflichtung in Gen 17 ein stark auf die Zukunft ausgerichteter Zug innewohnt133. Lohfink hat gezeigt, dass sich demgegenüber unser Abschnitt Dtn 29,9–14 in seiner Gestalt als „performativer Sprechakt“ unmittelbar auf die Redesituation des Mose bezieht134. Wie unten noch zu zeigen sein wird, vollzieht Mose mit genau dieser und ihr verwandten Äußerungen den rituellen Teil des Moabbundes. Dtn 29,12 verweist über Gen 17 hinaus mit der Wendung ÔKVl r`E;bî;d r¶RvSaA;k auf Dtn 26,17–19. Hier begegnet die sog. „Bundesformel“ in einer von Mose zitierten Jhwh-Rede (V.17):
My%IhølaèEl °ÔKVl ·twøyVhIl Mwóø¥yAh D;tr™AmTaRh h¶Dwhy_tRa 131
LOHFINK, Bundesschluß, 61; siehe auch RÖMER, Väter, 154 Anm 776. Für RÖMER ist das Vorkommen der Bundesformel natürlich ein willkommenes Argument für die Identifizierung der „Väter“ mit der Exodusgeneration (aaO, 159ff). 132 Dieser Befund – der Verweis auf einen priesterlichen Text inmitten des Deuteronomiums – hat natürlich in der historisch-kritischen Forschung Irritationen ausgelöst und zu allerlei Hypothesenbildungen geführt. Siehe dazu L OHFINK, Bundesschluß, 67–68; RÖMER, Väter, 156. 133 Siehe oben S.104, wo ich auf den Kohortativ in Gen 17,2 hingewiesen hatte. 134 LOHFINK, Bund als Vertrag, 221–228, der auf das wiederholte Mwäø¥yAh und die Wendung työîrVbI;b rbo hinweist.
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
Dieser Akt wird „heute“ vollzogen, am Tag der Moserede. Zieht man jetzt noch Dtn 5,3 hinzu, ergibt sich eine Spannung sowohl zu Gen 15 als auch zu Gen 17. Am Anfang von Dtn 5 heißt es, dass den Erzeltern die Bundesverpflichtung „zugeschworen“ (obv) wurde, die am Horeb „geschnitten“ (trk in 5,2) wurde. Diese Differenz zwischen den Genesistexten und der Moserede darf nicht übertüncht werden. Noch einmal sei daran erinnert, dass die Formulierung tyîrV;b obv weder in Gen 15 noch Gen 17 vorkommt. Und doch hat sich gezeigt, dass der Bezug zur Gegenwart Abrahams in beiden Texten eigentümlich gebrochen ist. Während der Bundeszeremonie in Gen 15 ist Abram in einen Tiefschlaf verfallen. In Gen 17 ist die Gottesrede, die die Bundesverpflichtung ankündigt, mit einem Kohortativ eingeleitet (17,2). Der rituelle Vollzug fehlt in diesem Kapitel. Wenn, dann ist er nur durch die Umbenennung und die Beschneidung angedeutet. Die Umbenennung hängt unmittelbar mit der Mehrungsverheißung zusammen. Die Beschneidung ist ein „Zeichen“ (tOwa). Die Wendung tyîrV;b obv bringt diesen auf die Zukunft ausgerichteten Aspekt von Gen 15 und 17 zum Ausdruck. Hier ist der oben herausgestellte Zug der Erzeltern in der Genesis mitzubedenken, der ihr Verhalten als eines «avant la lettre» kennzeichnet. Kurz: Dtn 5,2–3 machen deutlich, dass in der Erzelternzeit ein Geschehen anhebt, das erst mit dem Moabbund zu seinem Abschluss kommt135. Die Geschichte, die Mose rekapituliert, läuft auf sie, die Hörerinnen und Hörer der Moserede zu. Für die bevorstehende Landnahme ist dies von entscheidender Bedeutung. Wie sehr in dieser Epoche die Grundlagen zu finden sind, aus der die Moserede ihre Hoffnung schöpft, zeigt sich an Dtn 4,31. Diesem Vers geht die erste Ansage des Exils nach der bevorstehenden Landnahme voraus. Israel wird aus dem Land wieder „ausgetilgt“ (dba) werden, in das es „heute“ einzieht (4,26). Israel wird unter die Völker zerstreut werden (V.27), aber von dort ( MDÚvIm in V.29) wird es wieder nach Jhwh suchen. Dtn 4,29–35 beschreibt diese neue Hinwendung Israels zu Jhwh: 29 Ihr werdet dort nach Jhwh, Gott für dich, suchen und du wirst ihn finden, denn du wirst dich mit Herz und Verstand und mit jedem Atemzug nach ihm sehnen. 30Wenn es eng wird für dich und nach einiger Zeit all diese Vorhersagen eintreffen, dann wirst du zu Jhwh, Gott für dich, umkehren und auf seine Stimme achten. 31Ja, eine liebevolle Gottheit ist Jhwh, Gott für dich, die dich nicht im Stich lässt und nicht zu Grunde richtet. Sie vergisst nicht die Zusage, die sie deinen Vorfahren zugeschworen hat. 32Ja, befasse dich doch mit der Urzeit, die vor deinen Tagen liegt, mit der Zeit, seit die Gottheit Menschen auf dem Erdboden erschuf! Suche von einem Ende des Himmels bis zum anderen: Hat es jemals solch ein Ereignis von solchem Gewicht gegeben oder hast du jemals Vergleichbares gehört, 33dass ein Volk eine göttliche Stimme mitten aus dem Feuer reden hörte, so wie du sie gehört hast, und am Leben geblieben ist? 34Oder hat je eine Gottheit versucht, hinzugehen und ein Volk mitten aus einem
135
Vgl. Dtn 5,31, woraus hervorgeht, dass Moses die Gesetze, die er in Moab verkündigt, 40 Jahre zuvor am Horeb empfangen hatte.
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anderen Volk durch Versuchungen, Zeichen und Wundertaten, durch Krieg, mit starker Hand und ausgestrecktem Arm und mit großen Schreckenstaten herauszuholen, so wie Jhwh, Gott für euch, es in Ägypten vor deinen Augen tat? 35Du hast es gesehen, damit du erkennst: Jhwh ist die Gottheit, außer ihm gibt es keine.
Die Wiederherstellung des Gottesverhältnisses erfolgt in der Fremde. „Von dort aus“ (MDÚvIm in V.29)136, also in der Fremde, unter den Völkern wird Israel nach Jhwh trachten und ihn suchen. Die hier verwendeten Begriffe vrd und vqb umfassen beide ein relativ breites Bedeutungsspektrum, so dass sich das Verständnis sehr stark jeweils vom Kontext her ergeben muss137. Beide begegnen gerade auch in dieser Kombination in theologischen Zusammenhängen138. Hier in Dtn 4,29 ist axm der sprechendste Gegenbegriff zu beiden Lexemen, die hier offensichtlich als Ausdruck der Rückkehr (bwv) zu dem Gott Israels zu verstehen sind139. „Bei der Forderung von Bekehrung und der Beschreibung des Umkehrens wird dasjenige, das positiv getan wird bzw. getan werden soll, u.a. mit ‚Gott-suchen‘ umschrieben.“140 Während die Verben in V.29–31 in der AK cons bzw. in der PK stehen, ist lav imperativisch ausgedrückt. Damit werden die Hörer und Hörerinnen der Moabrede unmittelbar angesprochen. Zu erwarten wäre das im Dtn sonst übliche rkz, mit dem normalerweise auf die Geschichte, insbesondere den Exodus zurückgegriffen wird141. Da lav viel mehr die Konnotationen von „sich erkundigen“ und „untersuchen“ mit sich trägt142, zielt der Ge-
136
Vgl. die Parallelstelle (1.Kön 8,48), die in diesem Zusammenhang immer wieder angeführt wird und die von einer Umkehr fern des „Landes“ spricht. 137 Für vrd siehe W AGNER, vrd , 314–329. Mit diesem Lexem wird „loyale, positive, zugewendete Haltung zu JHWH umschrieben...“ (aaO, 321). 138 W AGNER, vrd , 318; D ERS., vqb , 763ff. Für beide Begriffe gibt es Belege, die auf eine gottesdienstlich-kultische Zusammenhänge hinweisen, die das Aufsuchen einer besonderen Lokalität mit beinhalten: Für vqb siehe etwa Hos 5,15 und für vrd siehe neben Gen 25,22 auch 1.Sam 9,9; 2.Kön 22,13. vgl. auch W ESTERMANN, Begriffe, 2–30. K NAPP, Dtn 4, 92.93 weist darauf hin, dass die Parallelstellen allesamt literaturgeschichtlich recht spät anzusetzen sind und meist nur in der prophetischen Literatur auftauchen. 139 W AGNER, vrd, 322. 140 W AGNER, vqb , 764, mit folgenden Parallelstellen: Hos 3,5; 5,15; 7,10; Jer 50,4; 2.Chr 7,14; 15,4; vgl. Jer 29,13. Die wohl sprechendste Parallele ist Jer 29,13, wo das gesamte Wortfeld vrd; vqb ; axm; bl_lkb ; bwv begegnet, weshalb hier auch immer wieder direkte literarische Abhängigkeiten vermutet werden. Siehe etwa KNAPP, Dtn 4, 92.93. Siehe aber auch Hos 3,5 mit bwv und vqb . 141 Siehe BRAULIK, Deuteronomium, 46, der die geforderte Gedankenleistung des Vergleichs als Grund anführt. Vgl. rkz im Zusammenhang mit dem Exodus: Dtn 5,15; 7.18; 8,2.18; 9,7.27; 15,15.12; 24,9.18.22; 25,17. Allgemeiner „gedenke der Mwlo twmy “ Dtn 32,7. W EINFELD, Translation, 211, verweist auf Hi 8,8 (dort mit lav ) als Parallele. 142 Vgl. FUHS, lav , 916.917, der Dtn 32,7 dem „weisheitlichen Fragen“ zuordnet. Siehe dazu BRAULIK, Monotheismus, Anm. 43 (mit zusätzlicher Lit).
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
dankengang ganz offensichtlich auf einen Lern- und Erkenntnisprozess ab, den jedes einzelne Mitglied des Volkes nachvollziehen soll143. Der Übergang von der Suche zum Finden ist bereits in V.29 mit einem recht abrupten und damit intensivierenden Numeruswechsel von der 2. Pers.pl zur 2.Pers.sg. verbunden144. Voraussetzung für dieses „Finden“ ist das „Suchen“ von „ganzem Herzen und mit allem, was dich ausmacht“ (V.29). Dieser Prozess des Fragens, Trachtens und Suchens nach Jhwh wird weitergeführt und konzentriert durch die Aufforderung, nach den My˝ˆnOvaáîr My°ImÎy zu fragen (lav in Dtn 4,32a). Die Wendung My˝ˆnOvaáîr My°ImÎy ist eine allgemeine Bezeichnung der Vergangenheit145. Bezeichnend ist jedoch, dass unter dieser Überschrift die drei Epochen der Vergangenheit – von dem „Tag“ des Dtn aus gesehen – in Erinnerung gerufen werden: Schöpfung – Erzelternzeit – Exodus. Diese Kombination begegnet bekanntlich nur hier im Dtn. Die eindeutige Grundlage dieses epochenübergreifenden Überblickes ist jedoch die Bundesverpflichtung, die Jhwh den „Vätern“ zugeschworen hat. Sonst würde sie in V.31 nicht den Anfang des Geschichtsabrisses in 4,29–35 bilden. Hinzu kommt die begründende Abschlusswendung in V.37a:
ÔKy$RtObSa_tRa ‹bAhDa y§I;k tAj#Atw Im zweiten Versteil beginnt mit mit der PK-cons ¬ÔKSa`Ixwø¥yÅw ein neuer Begründungszusammenhang. V.37a bezieht sich demzufolge eindeutig auf das vorangehende Horebgeschehen. Es gründet in Jhwhs (unzerstörbarer) Liebe zu den „Vätern“. Der Moabbund zielt auf das Handeln Israels im Land ab. Die Überschrift über das Gesetzeskorpus Dtn 12–26 bindet die Geltung der Satzungen und Bestimmungen an das Leben Israels im Land. Der Bundesverpflichtung Jhwhs, die er den Vätern „zugeschworen“ hat, soll Israel dadurch entsprechen, dass es die in der Rede des Mose verkündeten Satzun143
Der lehrhafte Charakter von Kap.4 wird bereits in V. 1 mit dml deutlich. W EINFELD, Translation, 199.200, spricht von einem „strong didactic tone“ und verweist darauf, dass dieses Lexem das Kapitel durchzieht: V.9–10, 20ff. 144 W EINFELD, Translation, 221.222, dazu: “The shift from singular to plural or vice versa serve to bring out the contrast or to heighten the tension. [...] When the author wants to dramatize the experience of the Israelites in the Sinai revelation he changes his manner of address from ‘plural’ to ‘singular’.” Der Numeruswechsel ist darum für ihn ein „stylistic device“ (aaO). Siehe dazu auch BRAULIK, Mittel, 146–159 mit ausführlicher Diskussion. Seiner Meinung nach „kennzeichnet [der Numeruswechsel] Höhepunkte innerhalb einzelner Abschnitte, markiert den Einsatz des Hauptteiles und steigert durch mehrmaliges Umspringen der Anrede die Intensität der Emphase.“ (aaO, 149). 145 Vgl. Sa 8,11; Pred 7,10; Num 6,12; Dtn 10,10 hier am besten „wie das erste Mal“ zu übersetzen. Der konkrete Bezug auf ein genau definiertes Ereignis und damit der Charakter der Wiederholung ist an dieser Stelle deutlich zu erkennen. Ganz offensichtlich handelt es sich um eine sehr allgemeine Vergangenheitsbezeichnung.
Der Exodus
115
gen und Bestimmungen befolgt und sein Handeln danach ausrichtet (Dtn 7,12). Auch der Umkehrschluss ist zulässig: Wieder und wieder betont Mose in seiner Rede, dass Israel des verheißenen Landes verlustig gehen wird, wenn es die in Moab verkündeten Gesetze nicht befolgt (Dtn 4,25ff; 28,15ff.45ff.; 29,27 u.a.). Die Ausblicke über das Exil hinaus und die damit verbundenen Rückverweise auf die Erzelternverheißungen zeigen jedoch, dass damit die Versprechen Jhwhs und damit seine Bundeszusagen nicht hinfällig werden, sondern auch dann noch gültig bleiben. Insofern fügt sich auch die Rede von der verheißenen MDlwøo tyâîrVb in Gen 17,7a (!) überraschend gut in das Geschichtsbild der Moserede. Wie sehr auf der anderen Seite jedoch die Bundesverpflichtung, die Jhwh Abraham zugesagt hat, für all diejenigen von grundlegender Bedeutung bleibt, die in den Moabbund eingetreten sind, zeigt die herausgehobene Stellung der Beschneidung in Jos 5 kurz nachdem Israel ins Land gekommen ist. Mose greift als ein Erzähler, der sich treffend als „Ich mit Leib“ charakterisieren lässt, aus seiner ganz eigenen Perspektive auf die Erzelternepoche zurück. Grundsätzlich gehört er zwar dem Seinsbereich der Erzeltern an, aber er lebt und wirkt in einer völlig anderen Epoche. Insofern entsteht vor den Augen des Lesers ein höchst realistisches Bild, auch wenn Mose keine Einzelheiten aus dieser Epoche nennt. Mose kennt diese Zeit nur aus seiner Berufung. Der Modus der Mittelbarkeit, in dem die Erzelternepoche im Dtn behandelt wird, trägt insofern zum Realismus der gesamten Geschichtsdarstellung der Tora bei. Aber gerade die zeitliche Distanz, die Mose als „Ich mit Leib“ zu dieser Epoche hat, unterstreicht ihre Bedeutung für spätere Generationen. Ohne die grundlegenden Verheißungen und ihre partielle Erfüllung zum Zeitpunkt der Reden wäre die gesamte Situation gar nicht denkbar, in die hinein Mose spricht. Die Mehrungsverheißung ist bereits erfüllt, das Volk steht nun an der Grenze des Landes, das Abraham, Isaak und Jakob verheißen worden war. An der Schwelle zu diesem Land wird der Bund geschlossen, auf den die Wendung tyîrV;b obvn abzielte. Mehr noch: Auch nach dem Verlust des Landes kann Israel auf den Fundamenten wieder aufbauen, die in der Epoche der Erzeltern gelegt worden sind. Insofern wird das traditionale Element der Erzelternzeit erst durch die Rede des Mose und seine Rückgriffe auf diese Epoche in seiner vollen Tragweite erkennbar.
3. Der Exodus 3.1. Hinführung Die Befreiung Israels aus der Unterdrückung in Ägypten in Ex 1–15 ist überaus spannend erzählt. Eine durchlaufende Handlungsfolge ist erkenn-
116
2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
bar. An ihrem Anfang steht ein Generationswechsel, der die guten Umstände für die Erzelternsippe nach der Zeit Josefs schlagartig in ihr Gegenteil verkehrt (Ex 1,1–10). Am Ende sieht das Volk Israel vom sicheren Ufer des Schilfmeeres aus die Unterdrücker im Meer versinken (14,28– 31). Dazwischen finden sich eine Reihe von erzählerischen Motiven, die sich allerdings sehr deutlich voneinander abheben lassen. Auf die Kindheitsgeschichte des Mose (Ex 1 und 2) folgen seine beiden Berufungen in Ex 3–4 und 6, der sog. „Plagenzyklus“ 7–11, das Schlagen der Erstgeburt, das Pessachfest und der Auszug in Ex 12 und 13, der Durchzug durch das Schilfmeer in Ex 14 und schließlich der Lobgesang des Mose und der der Mirjam in Ex 15. Ein außerordentlich komplexes Kommunikationsgefüge, innerhalb dessen die Handlung dargestellt wird, steigert noch die Vielschichtigkeit der Erzählung: „Der bei weitem auffälligste Zug unserer ‚Befreiungsgeschichte‘ ist das Maß, in dem hier der Handlungsverlauf selbst reflektiert wird (auch von handelnden Personen), wobei es wesentlich um Jhwh als das Subjekt allen Geschehens geht.“146 Das beginnt bei dem ausführlichen Berufungsgespräch in Ex 3 und 4 und findet in den langen Wortbeiträgen des Pharao während der Plagen seine Fortsetzung. Das Schlagen der Erstgeburt, die Pessachfeier und der Auszug erfährt der Leser beinahe ausschließlich aus der Perspektive einer Jhwh- oder einer Moserede. Die so unterschiedlichen Erzählmotive und die ausführlichen Reflexionen der Handlung in Reden sind in der historisch-kritischen Forschung die Einsatzpunkte, von denen aus man versucht hat, verschiedene Quellen oder Bearbeitungsschichten voneinander zu unterscheiden. Die klassische Urkundenhypothese meinte, in diesen ersten Kapiteln des Exodusbuches vor allem die beiden Quellen J und P herausarbeiten zu können, die je ihre eigene Berufungsgeschichte (Ex 3 J und Ex 6 P) in den Endtext mit einbrachte147. Auch wenn man von diesem Quellenmodell heute kaum noch ausgeht, wird immer wieder die Frage nach „Vorstufen“ des heutigen Textzusammenhanges laut. So gehen u.a. Blum und Römer von einer „vita Mosis“ aus, die von späteren Tradenten in den Text eingearbeitet wurde148. Albertz, der Blum in der Annahme der KD-Schicht folgt, fragt hinter sie zurück und versucht, eine nicht mehr ganz vollständig erhaltene PlagenAuszugserzählung herauszuarbeiten149. Schmid macht darauf aufmerksam, dass der Exodus als Ursprungstradition Israels schon recht früh eine sehr weite Verbreitung gefunden haben muss. Die Befreiung Israels aus Ägypten ist in vielen Bekenntnisformulie146
BLUM , Pentateuch, 9–10 (Kursivierung im Originial [J.T.]). Auf dieser Basis arbeitet noch der Kommentar von SCHMIDT, Exodus. 148 BLUM , Pentateuch, 213–218; RÖMER, Transformations, 4; vgl. VAN SETERS , Life; siehe dazu SCHMID, Erzväter, 133, mit weiterer Literatur. 149 A LBERTZ, Religionsgeschichte, 71ff, mit weiterer Literatur. 147
Der Exodus
117
rungen auch außerhalb des Pentateuch vielfach belegt150. Die Verbindung der Exodustraditionen mit Pessach-, Wochen- und Laubhüttenfest zeigt, dass „der Exodus als das entscheidende Ursprungsereignis gilt, dem Israel seine Qualität als Gottesvolk zu verdanken hat.“151 Die „Erzväter“-tradition sieht Schmid als eine sehr viel später zu datierende, der Exodustradition gegenüber konkurrierende Überlieferung an. Die Exodustradition ordnet er religionsgeschichtlich anders ein als die der Erzeltern. Sie ist Schmids Ansicht nach im Gegensatz zu den Vätergeschichten allochton, exkludierend und aggressiv152. Erzväter- und Exodustradition sind erst sehr spät vereinigt worden. Die Bezüge im Exodusbuch zu den nachfolgenden Büchern sieht Schmid so tief in dem Erzählgut verwurzelt, dass er von einem Geschichtswerk ausgeht, das ursprünglich von Ex bis 2.Kön gereicht hat153. Von den Erzelterngeschichten herkommend hat Blum die von ihm angenommenen Schichten („KD“ und „KP“) auch in Ex 1–15 ausgemacht. Um diese These zu beweisen, hat er sowohl die Bezüge von Ex 1–15 zu den Erzelterngeschichten (KP und KD) als auch zum Deuteronomium (KD) herausgestellt154. Die Stringenz der uns heute vorliegenden Exoduserzählung Ex 1–15 verdankt sie Blum zufolge in erster Linie der KDSchicht. Demgegenüber hat Fischer innerhalb von Ex 1–15 auf zahlreiche Querbezüge aufmerksam gemacht, die z.T. über die sonst angenommenen „literarischen Nähte“ hinausweisen155. Es kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht darum gehen, die Debatte um die Genese von Ex 1–15; bzw. gar um die „Historizität“ der dargestellten Ereignisse aufzunehmen und weiterzuführen156. Die oben genannten Gesichtspunkte sind für uns jedoch insofern von Bedeutung, als sich in ihnen schon einiges von der Erzählweise spiegelt, in der die Befreiung Israels dargestellt ist.
150
Auflistung der Belege bei S CHMID, Erzväter, 130. SCHMID, Erzväter, 130. 152 SCHMID, Erzväter, 161. 153 SCHMID, Erzväter, 143. Es muss seiner Ansicht nach im weitesten Sinne deuteronomistisch geprägt gewesen sein (aaO, 158). Siehe oben S. 117. 154 Siehe B LUM, Pentateuch, 9–44 für die KD-Schicht in Ex 1–15; aaO, 229ff für „KP“. 155 FISCHER, Exodus, 117, meint damit nachweisen zu können, dass der ganze Text Ex 1–15 „aus einer Hand“ stammt. Ob mit der Autorenintention sinnvoll die Einheit des kanonischen Textes abgesichert werden kann, möchte ich bezweifeln. Siehe dazu TASCHNER, Kanon-Lese, 170. 156 Siehe dazu den forschungsgeschichtlichen Überblick bei U TZSCHNEIDER , Atem, 77–91. Er hat sich daneben mit der Frage der „Historizität“ bzw. „Fiktionalität“ der Exoduserzählung auseinandergesetzt: „Man mag diese Wirklichkeit fiktiv nennen. Sie bleibt aber nichtsdestoweniger Wirklichkeit, wenn und insofern sie zur ‚historischen‘, lebensweltlichen Wirklichkeit in Beziehung tritt.“ ( DERS., aaO, 76) 151
118
2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
3.2. Der Exodus in der Perspektive des biblischen Erzählers Als Mose gemeinsam mit Aaron seinem Auftrag gemäß (Ex 3,[11]18) vor Pharao erscheint und ihm die Aufforderung Jhwhs überbringt, er möge Israel ziehen lassen (Ex 5,1), antwortet Pharao (V.2):
l¡EarVcˆy_tRa j™A;lAvVl w$ølOqV;b oAmVvRa rRvSa ‹hÎwhy y§Im :Aj`E;lAvSa añøl l™EarVcˆy_tRa M¶Agw hYÎwhy_tRa ‹yI;tVo‹ådÎy aôøl Zunächst bewirkt die Botschaft, die Mose und Aaron überbringen, bei Pharao nur, dass er den Leistungsdruck (5,7ff) erhöht. Mose muss feststellen, dass seine Sendung genau das Gegenteil von dem bewirkt, was zu erreichen er ursprünglich beauftragt war (5,22–23): Die völlige Befreiung Israels aus der Knechtschaft Pharaos (3,9–10). Mose muss erst wieder von Jhwh beauftragt werden (Ex 6), um dann erneut vor Pharao zu erscheinen (Ex 7). Einerseits erhöht die Frage von Pharao in 5,2 vor dem Hintergrund der Berufung und Beauftragung des Mose (Ex 3 und 4) die erzählerische Spannung: Wenn Mose seinen Auftrag erfolgreich durchführt, wird Pharao eine Antwort auf seine Frage erhalten. Damit kommen jedoch Dimensionen der Wirksamkeit Jhwhs in den Blick, die jene, von denen die Genesis berichtet, weit überschreiten. Im Verlauf der Plagenschilderung wird Jhwh als der allein Handelnde dargestellt. Diese Aussagen werden verbunden mit den Erkenntnisformeln, die meist mit NAoAmVl eingeleitet werden: 7,17; 8,6.18; 9,14.29; 10,2. Mose soll vor Pharao im Auftrag Jhwhs sagen (Ex 8,6):
:…wny`EhølTa h¶DwhyA;k Ny™Ea_yI;k o$ådE;t NAoAmVl $ÔKrDbdI;k Die Plagen zielen darauf ab, dass Pharao erkennt, es gäbe keinen anderen Gott als den Gott Israels157. „Das soll heißen, daß ich, der dir (Pharao) solches gebietet, der Allmächtige bin, der Herr der Welt, der die Mittel besitzt, durchzusetzen, was er sich vornimmt und darum J-h-w-h heißt.“158 Die Plagen lassen sich demzufolge auch als Kampf zwischen Jhwh und Pharao lesen, in dessen Verlauf Jhwh seine Stärke demonstriert. Dies geht so weit, dass Jhwh sogar über das Herz von Pharao Macht besitzt und es zu dessen eigenen Nachteil verstocken kann, wann immer er es will159, ja, dass er durch seine Maßnahmen Pharao sogar dazu bewegt, Israel selbst aus dem Land zu treiben (Ex 6,1; 11,1; 12,33). Das Schlagen der Erstgeburt ist die letzte Plage, die schließlich Pharao dazu bringt, dass er sogar Mose und 157
Vgl. SCHMID, Erzväter, 143.144; JACOB, Exodus, 180–185; BLUM, Pentateuch,
14.18. 158 159
Paraphrase von JACOB, Exodus, 181. Siehe 4,21;7,3.13.14.22.23;8,11.15.28;9,7.12.34.35; 10,1.20.27; 11,10; 14,4.8.17.
Der Exodus
119
Aaron darum bittet, sie mögen bei Jhwh um Segen für ihn (allein!) bitten. (Ex 12,32). Der Gegenspieler Jhwhs ist ihm in dem Maß ausgeliefert, dass er selbst genau das tun muss, was Jhwh will. Daran können alle Beteiligten erkennen: h`Dwhy y¶InSa (Ex 12,12; 14,4; 14,18). Ex 12,32 steht mitten in der Gottesrede an Mose zu Beginn des Auszugs selbst (12,3-20), die sich letztlich an Israel richtet. Nicht nur Pharao soll die Größe Jhwhs kennen lernen, sondern ebenso das Volk Israel selbst. Jhwh gibt Handlungsanweisungen für die konkrete Pessachnacht. Diese Gottesrede enthält jedoch Bestimmungen, die nicht nur für das unmittelbare Geschehen relevant sind, sondern zugleich künftig gelten werden. Dies wird in V.14 deutlich, in dem darauf hingewiesen wird, dass die Anweisung Jhwhs nicht nur für diese eine Nacht gilt, sondern für „alle eure Generationen danach“160 (Ex 12,14):
gAj wäøtOa M¶RtO…gAjw Nw$ørD;kˆzVl ‹MRkDl h§RzAh Mwø¥yAh ·hÎyDhw :…wh`U…gDjV;t M™Dlwøo tñå;qUj M$RkyEtêOrOdVl h¡Dwhy`Al Dies ist in Zusammenhang mit dem besonderen Kommunikationsgefüge und der ungewöhnlichen Erzählweise in Ex 12–13 näher zu betrachten. So viel steht fest: Aus der Erzählung geht eindeutig hervor, dass Israel in der Pessachnacht, von der in 12,29 berichtet wird, das Pessachmahl gehalten hat. Wir begegnen hier jedoch einer eigentümlichen Erzählsituation. Die Unmittelbarkeit, die sie sonst prägt, bleibt zwar erhalten. Der Leser erfährt über die Ereignisse jedoch nicht direkt vom biblischen Erzähler, sondern über den Umweg der Gottesrede (12,3–20), die Mose etwas abgewandelt (V.21–27) an das Volk weitergibt. In V.28 (p V.50.51) wird nur kurz bestätigt, dass Israel sich an die Befehle Jhwhs gehalten hat. Auf diese Weise werden seine Anweisungen mit der Erzählebene verbunden. Die diesen Bericht Lesenden erfahren den so wichtigen Teil der Feier des Pessachmahles in der Form der Gottesrede. Insofern kann von einer unmittelbaren Erzählsituation gesprochen werden. Die Handlungen selbst muss sie sich jedoch mittelbar aus der Gottes- bzw. Moserede erschließen. Auf diese Weise schildert der Text einerseits einmalige Ereignisse und ist andererseits doch eine „ewige Bestimmung“, die zu allen Zeiten gültig ist: „Aber diese Erlebnisse und die besonderen begleitenden Umstände sollten auch Gesetze für die Zukunft begründen und mußten nach den Prinzipien der Tora zu lebendiger Eindringlichkeit sogleich damit verknüpft werden.“161 In den Anweisungen für die Antworten an die Kinder, wenn sie fragen 160
CRÜSEMANN, Tora, 346: „Hat schon die rituelle Sprache von V.2 die Tendenz, die erzählte Einmaligkeit zu einer dauerhaften und gültigen Ritualanweisung hin zu durchbrechen, so wird das in V.14 explizit: Es geht um die ewige Satzung (huqqat ‘olam), die von allen kommenden Generationen als Erinnerung (zikkaron) begangen werden soll.“ 161 JACOB, Exodus, 299.
120
2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
werden, was dies für ein Brauch sei (12,26.27), wird diese Ausrichtung des Berichtes auf die Zukunft vollends deutlich. Damit sind die rhetorischen Mittel umrissen, mit der bereits auf der Ebene des biblischen Erzählers das letzte Mahl Israels in Ägypten als traditionale Geschichtsschreibung gekennzeichnet ist. In Ex 12,11 berühren sich die beiden Ebenen. Jhwh fordert Israel über Mose dazu auf, das Pessachmahl „in Eile“ (NwYøzDÚpIjV;b) zu essen: Dies lässt sich einerseits als Aufforderung verstehen, sich die Ursprungssituation zu vergegenwärtigen, andererseits als Hinweis auf die Ursprungssituation selbst. In beiden Fällen weist diese Aufforderung zur Eile auf die Dramatik des Geschehens in dieser Nacht. „Liegt es schon in der Natur des Menschen, dass ein bevorstehendes großes Geschehen in eine innere Unruhe und eine Art Fieber versetzt, so muß man sich erst recht das Ungeheure lebendig vorstellen, das sich in dieser Nacht begeben soll.“162 Dem soll Israel dadurch begegnen, dass es das Blut des Pessachtieres an die Türpfosten streicht, was dadurch „für euch zum Zeichen“ (V.13) wird. Jacob verweist auf Dtn 6,8 und 11,18: „Das Blut an euren Häusern ist ebenso wie die Tefillin ein sichtbar für euch sprechendes Zeugnis, daß ihr euch zu IHM bekennt und IHM gehört.“163 Nur von 27b–30 wird kurz angemerkt, dass Israel die Anweisungen Jhwhs befolgt hat, und geschildert, wie Jhwh alle Erstgeburt in Ägypten schlägt. Das aber lässt sich wiederum als narrative Unterstützung der Feierbestimmungen Jhwhs in 12,3b–20 verstehen. Auf diese Weise wird erzählerisch untermauert und demonstriert, dass es bei diesem Fest um die Errettung vom Tode geht. Auch in der unmittelbaren Schilderung der Ereignisse dieser Nacht 12,34–42 erfolgt ein deutlicher Rückbezug auf die Jhwh-Rede in 12,3b–20, so dass Gottesrede und unmittelbare Erzählung auch hier ineinander greifen. So, wie es die Gebote verlangen, die das ungesäuerte Brot, betreffen, (V.15.17–20 vgl. 13,3) nehmen die Israeliten den ungesäuerten Teig in Mänteln und Bachschüsseln mit (V.34 und 39) auf die Flucht. Die Begründung für das ungesäuerte Brot auf der Erzählebene in V.39 muss nicht als Widerspruch zu den Geboten der Jhwh-Rede aufgefasst werden. Es lässt sich auch als nachträgliche Veranschaulichung der Gebote in der JhwhRede verstehen, in der selbst keine Begründung für das ungesäuerte Brot geliefert wird. So wird vom Schluss her der Sinn der Anweisungen deutlich. Dieser Abschnitt 12,34–42 der direkten Schilderung der Ereignisse ist umgekehrt wiederum als ätiologische Begründung zu verstehen: Jhwh hat in dieser Nacht gewacht, deswegen sollen nachfolgende Generationen auch diese Nacht „bewahren“ (V.42).
162 163
6,9).
JACOB, Exodus, 319. JACOB, Exodus, 321, d.h. in der Moserede werden die Worte zum Zeichen (Dtn
Der Exodus
121
Ein weiteres Beispiel für die Verkettung von Gebotsanordnung und Erzählung sind die Regelungen, wer am Pessachmahl teilnehmen darf (Ex 12,43–49): Von der Handlungsfolge steht das Thema „Fremde“ genau hier an164. In 12,3 ist einerseits zum ersten Mal in der Tora von „der ganzen Versammlung Israels“ die Rede, in 12,38 heißt es andererseits, dass viel „fremdes Volk“ mit Israel auszog. Hinzu kommt, dass Israel bei seinem Auszug viele Ägypter „rettete“ (12,36):
M…wólIaVvÅ¥yÅw MˆyäårVxIm y¶EnyEoV;b M¢DoDh N¶Ej_tRa N°AtÎn hHÎwhy`Aw :MˆyárVxIm_tRa …wälV…xÅny`Aw Jacob weist darauf hin, dass die Tradition, diesen Vers im Sinne eines „Raubes“ zu übersetzen, am Sinn des Textes vorbeigeht165. Die Aktion ist gut vorbereitet: In 3,21.22; 11,1–3 wird sie bereits reflektierend vorweggenommen. An jeder dieser Stellen ist das Verb lav belegt, das kaum einen in irgendeiner Form gewaltsamen Vorgang bezeichnen kann. „Dieses Wort bedeutet, daß man von einem anderen etwas wissen oder haben will. [...] Die gewöhnliche Bedeutung ist bitten, verlangen.“166 Jacob versteht die Gabe der Ägypter unter Verweis auf 1.Sam 2,20ff und 1.Chr 29,14 als Freundschaftsgeschenke, bzw. Weih- und Leihgaben. In den Parallelstellen, die er nennt, geht es um vergleichbare Vorgänge. In 12,36 gipfelt dieser lang vorbereitete Vorgang zwischen Ägyptern und Israeliten in einem gegenseitigen M…wlIaVvÅ¥yÅw. Darüber hinaus kann das Verb lxn Hif. nicht mit „ausplündern“ übersetzt werden. „Es bleibt gar nichts anderes übrig, als auch hier zu übersetzen: und ihr sollt Ägypten retten – und so retteten sie Ägypten – , nämlich durch ihre auf Gottes Wunsch unter Vermittlung Moses ergriffene Initiative, den Ägyptern beim Abschied die Hand zu reichen.“167 Sicherlich wird man hier nicht an eine umfassende Rettung „Ägyptens“ denken dürfen – dagegen spricht schon allein Kap 14 –, aber 12,36.38 machen dennoch deutlich, dass der Exodus kein derart exkludierendes Ereignis ist, wie er gerne dargestellt wird. Das zeigt sich dann auch an den Zulassungsbestimmungen zum Pessachmahl, die – wie gesagt vom Handlungsverlauf her sachgemäß – auf 12,36.38 folgen. In der Gottesrede 12,43–49 wird festgelegt, dass Fremde unter der Voraussetzung der Beschneidung am Pessachmahl teilnehmen können168.
164
FISCHER, Exodus, 158. Siehe dazu JACOB, Exodus, 346ff 166 JACOB, Exodus, 348–349. (Hervorhebungen im Original [J.T.]). 167 JACOB, Exodus, 358. 168 Die Bestimmungen dieser Rede werden der Priesterschrift zugeschrieben. Zum darin vorgesehenen Umgang mit den Fremden siehe C RÜSEMANN, Tora, 359ff.: „Entscheidend ist allein der Faktor, der für das priesterliche Denken insgesamt bestimmend 165
122
2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
Die Reihenfolge der Kommunikationskonstellationen wiederholt sich in Kap 13: Zunächst spricht Jhwh zu Mose. Thema seiner kurzen Rede, das Mose in seiner darauf folgenden Rede (13,3–16) erst gegen Ende aufnimmt (V.13), ist die Erstgeburt (13,2). Hauptgegenstand der Moserede an das Volk ist die Erinnerung an das ungesäuerte Brot (3–7). Das lässt sich jedoch auch als „ätiologischer Rückbezug“ auf den Umgang mit dem Brotteig in 12,34.39 begreifen. Auf diese Weise ergibt sich eine durchaus sinnvolle Reihenfolge: Jhwh befielt dem Volk, den Sauerteig aus den Häusern zu tun (12,15.19.20). Israel befolgt dieses Gebot, das sich als der Situation angemessen herausstellt (12,34.39). Mose schärft dem Volk noch einmal ein, dies als Ordnung von Jahr zu Jahr zu halten (13,10 p 12,17). Auch die Moserede in Kap 13 wird von einer Kinderfrage (13,8) und der Antwort (V.8b–10) unterbrochen. Thema der ersten Unterbrechung ist das Pessachfest. Der zweite Teil der Moserede schließt thematisch an die Gottesrede 13,2 an (Erstgeburt) und mündet wiederum in einer Kinderfrage (V.14) und der Antwort darauf (V.14b–16). Die Moserrede in Kap 13,3–16 hat insofern etwas die vorangehenden Ereignisse Abschließendes: Pessach und das Fest der ungesäuerten Brote werden abschließend allen weitergegeben, einschließlich den Kindern. Hier wird die Moserede im Deuteronomium quasi vorweggenommen169. Im Grunde fängt mit 13,20ff bereits ein neuer Abschnitt an. Zum ersten Mal begegnet Jhwh Israel in der Feuer- und Wolkensäule (13,21.22). Diese Säule ist es denn auch, die in 14,24 dem ägyptischen Heer den entscheidenden Schrecken einjagt, indem es erkennen muss, dass „Jhwh für sie gegen Ägypten streitet“ (V.25). Den Handlungen gehen auch hier immer wieder Reden voran, die die Schilderung gliedern. „Diese Reden im voraus (14,1–4.15–18.26) bewirken, daß alles Geschehene zum Eintreffen und damit zur Bestätigung des Angesagten wird.“170 So gesehen dienen die Dialoge der Steigerung der Dramatik. Sogar der immer als literarischer Bruch angesehene Wortwechsel zwischen V.14 und 15 lässt sich in diese Richtung hin begreifen. Immerhin besteht ein Gegensatz zwischen dem …wbVxÅyVt`Ih in V.13 und dem osn in V.15. „Nach den meisten [jüdischen] Auslegern soll Gottes Antwort sagen: spare Worte und Gebete, zu denen jetzt nicht
ist: die Nähe zu Gott. In seinem Kraftfeld sind Regeln einzuhalten, sie gelten so ‚objektiv‘, wie das heute für eine Starkstromquelle zu gelten hätte.“ 169 Die ältere Forschung sah denn auch hierin „deuteronomistisch stilisierte Zusätzte“. So N OTH, ÜP, 32. Zur Literatur, die sich dieser Sicht anschließt, siehe bei BLUM, Pentateuch, 167. BLUM selbst ordnet die Moserede 13,3–16 gemeinsam mit 12,25–27 der von ihm angenommenen „KD-Schicht“ zu. Siehe dazu D ERS., Pentateuch, 203. 170 FISCHER, Exodus, 170.
Der Exodus
123
die Zeit ist. [...] Die Israeliten sollen sich in Bewegung setzen, und wenn du fragst: wohin?, so antworte ich: geradeaus! Und das Meer?“171 Der wohl für das Verständnis des ganzen Komplexes Ex 1–15 zentrale Bezug dieses Kapitels zum vorangehenden Erzählstoff sei hier herausgegriffen: Ex 14 endet damit, dass Israel Jhwh und seinem Knecht Mose „vertraute“ (Nma Hi in V.31):
:wíø;dVbAo h™RvOmVb…w hYÎwhy`A;b ‹…wny‹ImSaìÅ¥yÅw Dieser Abschluss lässt sich zugleich als Höhepunkt des gesamten Befreiungsgeschehens verstehen. Mit einem ganz vergleichbaren Vers schließt die Berufungsgeschichte des Mose ab (4,31). Dort beantwortet Jhwh Moses’ Frage nach seinem Namen noch mit einer Tautologie (3,14), die im Grunde am Anfang des Exodusbuches nicht mehr als eine Leerstelle ist und die Aufmerksamkeit des Lesers auf den Namen Jhwhs lenkt. Jetzt am Ende der Befreiungsgeschichte hat Israel Jhwh „kennen gelernt“, so wie er es in der zweiten Berufungsgeschichte vorhergesagt hatte (Ex 6,7):
My¡Ihøla`El M™RkDl yIty¶IyDhw M$DoVl ‹yIl M¶RkVtRa y°I;tVjåqDlw M$RkVtRa ayIxwø;mAh M$RkyEhâølTa ‹hÎwhy y§InSa yI;k M#R;tVoådy`Iw :MˆyárVxIm twñølVbIs tAj™A;tIm Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Erkenntnis Gottes durch alle am Geschehen Beteiligten als eines der Kernthemen von Ex 1–15 anzusehen ist. Wie in keinem anderen Abschnitt der Tora geht es hier um die Frage, wer Jhwh, der Gott Israels ist. Seine Allwirksamkeit beginnt sich schon in den ersten Kapiteln zu zeigen. Bereits das fortwährende Scheitern der Bemühungen Pharaos, das Volk Israel zu dezimieren (Ex 1 und 2), deutet auf die verborgende Wirksamkeit Jhwhs hin172. Die Hebammen Schifra und Pua retten Israel vor dem tödlichen Befehl Pharaos (1,16), indem sie sich seiner Anordnung widersetzen. Auf diese Weise werden die Mehrungsverheißungen Jhwhs an die Erzeltern nicht obsolet. Insofern ist dieser Vorgang zutiefst mit der Erzelternerzählung verbunden und von tiefer theologischer Bedeutung. Die ausführlichen Gespräche zwischen Mose und Jhwh in der Berufungserzählung Ex 3 und 4 machen schon zu Beginn der Neubegründung des Verhältnisses zwischen Jhwh und seinem Volk deutlich, wie sehr es im Folgenden um die Taten Jhwhs gehen wird. Der Plagenzyklus zielt dabei sicherlich in erster Linie auf die Beantwor-
171
JACOB, Exodus, 412. (Sinngemäße Ergänzung in Klammern von mir. J.T.) BLUM, Pentateuch, 10. Utschneider, Atem, 75, spricht von einer „streng theonomen politischen Theologie: Der Gott Israels ist das alleinige und vor allem unmittelbare Subjekt und Agens der Befreiung Israels.“ 172
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
tung der Frage Pharaos in Ex 5,2, die darauf folgende Schilderung des Auszuges Kap 12ff hingegen auf die Gotteserkenntnis Israels. Die Befreiung selbst erfährt der Leser aus einem ganz besonderen Kommunikationsgefüge heraus, das aus Jhwh-, Moserede und direkter Schilderung zusammengesetzt ist. In Ex 12–13 bekommt Israel gleichzeitig mit seiner Befreiung aus der Unterdrückung durch Ägypten die ersten Gebote in Form von Gesetzen mitgeteilt173. Dies ist nun allerdings ein Aspekt, der für die Erwähnungen des Exodus in der Moserede nicht unerheblich ist. 3.3. Der Exodus als Erinnerungsfigur in der Moserede 3.3.1. Der Dekalog als „Zitat“ In dem ersten Satz des Dekaloges (Ex 20,2; Dtn 5,6) wird deutlich, dass der Exodus als die „Selbstdefinition“174 Jhwhs anzusehen ist. In dieser Eröffnung bringt Jhwh die grundlegende Beziehung zu seinem Volk zur Sprache. Crüsemann beleuchtet diesen Beziehung stiftenden Aspekt anhand kommunikationstheoretischer Überlegungen und kommt zu dem Schluss: „So liegt in der knappen Formulierung des Prologs implizit eine gegenseitige Bestätigung der jeweiligen Ich- und Du-Definitionen Gottes und der Angeredeten vor. Er hat sie befreit, ist deshalb von ihnen als ‚ihr Gott‘ erkannt und anerkannt und redet sie jetzt auf diese in der Geschichte gestiftete Beziehung, d.h. auf ihre reale Freiheit an.“175 Die nachfolgenden Gebote sind somit als Ausdruck der Freiheit zu verstehen, die Jhwh seinem Volk beim Auszug aus Ägypten geschenkt hat. Insofern konzentriert der Dekalog das, was bei der Schilderung des Exodus in Ex 12–13 angelegt ist. Israel erfährt die Freiheit des Exodus in Gestalt der Weisung Jhwhs. Seine Gebote und seine Gabe der Freiheit sind in letzter Hinsicht nicht voneinander zu trennen. Die Gebote dienen Israel dazu, die im Exodus von Jhwh geschenkte und erfahrene Freiheit zu bewahren176. Nun ist diese Eröffnung des Dekalogs kein Spezifikum der Moserede, sondern vor allem aus der besonderen Erzählsituation Ex 19–34 heraus als ein die Ereignisse zuspitzender Rückblick zu begreifen (neben Ex 19,4). Allerdings ist der Dekalog samt seiner Eröffnung in Dtn 5 einer der ganz wenigen Texte, die auf den Leser wie ein Zitat aus dem Tetrateuch wirken müssen. Tatsächlich fügt sich gerade die Eröffnung ausgesprochen gut in
173
Ganz offensichtlich ist dies ein Zug der Erzählung, der sich quer durch alle diachron zu verifizierenden Schichten zieht. 174 CRÜSEMANN, Bewahrung, 38. 175 CRÜSEMANN, Bewahrung, 38. 176 CRÜSEMANN, Bewahrung, 80: „Thema des Dekalogs sind die elementaren Forderungen, die zur Bewahrung der im Prolog beschriebenen Freiheit eingehalten werden müssen.“
Der Exodus
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die Funktion des Exodus als Erinnerungsfigur in der Moserede177. Dass auf dieser Stelle sogar ein ausgesprochenes Gewicht liegt, zeigt sich auch in dem Umstand, dass das Sabbatgebot hier nicht wie in Ex 20,11 mit der Schöpfung, sondern mit dem Auszug aus Ägypten begründet wird (Dtn 5,15). Aus kanonischer Sicht könnte man demzufolge sagen, dass Mose diese Erinnerungsfigur in der Eröffnung des Dekaloges aufnimmt und in seiner Rede entfaltet. Der Dekaloganfang greift damit einen entscheidenden Aspekt der Exodusdarstellung in Ex 1–15 auf. Ich hatte oben zu zeigen versucht, dass diese Kapitel insgesamt einen stark reflektierenden Darstellungsstil aufweisen und die Handlung sehr auf die Konfrontation mit Pharao hin angelegt ist. In der Befreiung Israels aus Ägypten zeigt sich Jhwh, wie er wirklich ist. Genau diesen Aspekt greift Mose mit seinen Rückgriffen auf die Exodustradition besonders heraus, wie im Folgenden zu zeigen sein wird178. 3.3.2. Exodus als Begründung für das „Bewahren der Gebote“ Der erste argumentierende Rückblick von Dtn 4 (V.1–24) läuft nach der Horeberinnerung auf das erste Gebot hinaus. Insofern lässt sich die Passage ab V.15ff. geradezu als Hinführung zum ersten Gebot verstehen. Nach der ersten ausführlichen Horebreminiszenz richtet sich Mose mit einer Ermahnung direkt an das Volk (Dtn 4,15):
‹MRtyIar aôøl yI;k M¡RkyEtOvVpÅnVl däOaVm M¶R;trAmVvˆnw JKwñø;tIm bäérOjV;b M¢RkyElSa hªDwhy r°R;bî;d MwGøyV;b hYÎn…wmV;t_lD;k :v`EaDh Zunächst hat es demzufolge den Anschein, als würde das Bilderverbot damit begründet, dass Israel am Horeb nichts gesehen, sondern nur gehört hat. V.15b wird mit einem begründenden yIk eingeleitet. Darauf folgt – wie in beiden Dekalogfassungen – erst das Bilderverbot, hier nur in deutlich ausführlicherer Form. Die Stichworte lRsRp und hÎn…wmV;t und die allumfassende Bestimmung für Geschöpfe des gesamten Lebensraumes (‹Mˆy‹AmDÚvA;b tAj%D;tIm X®r™°DaD;b ·r¶RvSaÅw lAo&$A;mIm), die nicht abgebildet werden sollen, tauchen sowohl in 5,8 als auch in 4,16.17 auf. In 4,16.17 werden konkrete Beispiele genannt 177
Entstehungsgeschichtlich ist dies immer mit der Abhängigkeit von Ex 20 von Dtn 5 erklärt worden. Siehe dazu CRÜSEMANN, Tora, 66.407ff.; BLUM, Pentateuch, 93.94. Diese Sicht lässt sich mit der ausgesprochen „lockeren“ Einbindung von Ex 20 in seinen Kontext gut begründen. Die Begründung des Sabbatgebotes in Ex 20,10–11 spricht für eine priesterliche Überarbeitung. 178 In der Beschreibung der verschiedenen Funktionen des Exodusmotivs für die Reden in der kanonischen Endgestalt unterscheide ich mich von K REUZER, Exodustradition, der untersucht, wie sich das Exodusmotiv im Laufe des Wachstums des Deuteronomiums verändert hat. Er möchte die Exodusbezüge „in ihrer Entwicklung“ darstellen ( DERS., aaO, 81).
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und das Bilderverbot dahingehend verschärft, dass man noch nicht einmal die Augen gen Himmel heben darf, um die Himmelskörper zu betrachten179. Man soll nicht in Versuchung zu geraten, diese als Gottheiten anzubeten und sich ihnen zu unterwerfen. Israel soll all diese Erscheinungen, die andere Völker als Götter ansehen, nicht anbeten und ihnen nicht dienen. Es geht dabei nicht um die Anbetung der Bilder selbst. Die im Alten Orient verbreiteten Götterfiguren waren allenfalls Garanten der Anwesenheit des Gottes, die dessen Eigenschaften pointiert zum Ausdruck bringen sollten. Die Befreiungstat Jhwhs lässt sich jedoch in keinem Bild fassen. „Es ist also die Beziehung zu Israel, zu jedem, der im Dekalog angesprochen ist, es ist die darin begründete, geschichtlich–konkret erfahrene Freiheit, die den entscheidenden Teil der Selbstdefinition ausmacht.“180 Von daher kann es kaum verwundern, wenn der Argumentationsgang in Dtn 4,15ff nach dem Bilderverbot in der Schilderung des Exodus mündet (4,20–22). Eingeleitet wird diese erste ausführliche Erinnerung an den Exodus durch V.20, einen invertierten Verbalsatz. In ihm wird der Gegensatz zu den anderen Völkern herausstellt. Durch den Exodus wird begründet, dass Israel heute – im Gegensatz zu den anderen Völkern – die h™DlSjÅn Jhwhs ist181. Zugleich wird dadurch der Sinn des ersten Gebotes deutlich, das Israel beim Horeb gegeben worden ist. Befolgte Israel dieses Gebot nicht, würde es die von Jhwh geschenkte Freiheit verlieren. 3.3.3. Jhwh verleugnet seine Befreiungstat (Dtn 9,12) Die Kapitel Dtn 5 und 9–10 werden unten bei dem Vergleich mit der Sinaiperikope Ex 19–34 noch Gegenstand ausführlicher Analysen sein182. Hier soll es zunächst nur um die Bedeutung des Exodus in der Darstellung der Horebereignisse in der Moserede gehen. Nach seiner Schilderung erfährt Mose von dem Stierbild, das sich Israel gegossen hat, aus dem Munde Jhwhs (Dtn 9,12):
Dta™Exwøh r¶RvSa $ÔKV;mAo tEjIv yI;k£ hY‰zIm ‹rEhAm dôér M…wêq …wñcDo M$Ityˆ…wIx rRvSa ‹JK®r‹®;dAh_NIm r#EhAm …wrDs MˆyórVxI;mIm :h`DkE;sAm M™RhDl Israel hat sich ein Bild183 gemacht und es angebetet. Dadurch ist es „verdorben“ (tjv). Mit dem Brechen des ersten Gebotes hat Israel die Bezie179
Historisch gesehen ist dies mit der Auseinandersetzung des mesopotamischen Gestirnskultes zu erklären. Siehe dazu BRAULIK, Dtn I, 43. 180 CRÜSEMANN, Bewahrung, 50. 181 Siehe dazu das Wortspiel mit den Begriffen qlj / jll / hljn in V.19.20. 182 Siehe dazu unter S. 219ff. 183 Daran, dass hier in Dtn 9,12.16 von einer hksm die Rede ist (vgl. Ex 32,4.8), wohingegen in Dtn 5,8 (und Ex 20,4) von lsp und hnwmt gesprochen wird, braucht kein
Der Exodus
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hung gestört, die Jhwh durch den Exodus mit ihm gestiftet hat. (Ex 32–34). In seiner Fürbitte, so wie Mose sie in seiner Rede darstellt, geht Mose auf diesen Vers 9,12 ein. Dtn 9,26 ist beinahe so etwas wie ein Gegenstück zu V.12:
ÔK¡RldÎgV;b DtyäîdDÚp r¶RvSa $ÔKVtDlSjÅnw ‹ÔKV;mAo t§EjVvA;t_lAa :háqÎzSj d¶DyV;b MˆyäårVxI;mIm Dta¶Exwøh_rRvSa Die Bitte des Mose an Jhwh, die Beziehung zu seinem Volk wiederherzustellen, findet darin ihre Konkretisierung, dass Jhwh sein eigenes Befreiungswerk anerkennt. Die Restitution der Tafeln in 10,1–5 mit den Geboten, durch die Israel seine Freiheit bewahren (wieder herstellen?) soll, ist somit zugleich die Bestätigung genau dieses Sachverhaltes. Die Gebote zeigen somit den Weg auf, den Jhwh Israel aufgetragen hat (9,12). Dieser Weg kann mit dem Weg, den Jhwh Israel aus Ägypten geführt hat, gleichgesetzt werden. Bei der Bestimmung zum Umgang mit einem falschen Propheten wird dies besonders deutlich (13,6):
—MRkVtRa ay¶Ixwø;mAh M%RkyEháølTa hÎwhy_lAo hrDs_rR;bîd yI;k ‹ÔKSjyáî;dAhVl My$îdDbSo tyE;bIm ‹ÔKdáOÚpAhw Mˆy#årVxIm X®rRaEm ;h¡D;b tRkRlDl ÔKy™RhølTa h¶Dwhy öÔK…wIx rªRvSa JK®r$®;dAh_NIm :ÔK`R;brI;qIm oärDh ¶D;trAo`Ib…w Mit dem falschen Propheten soll deswegen so hart verfahren werden, weil er das Volk von Jhwh weggeführt hat, indem er es von dem Weg abgebracht hat, den Jhwh seinem Volk geboten hat. Gleichzeitig wird jedoch Ägypten zusätzlich mit dem „Haus der Knechtschaft“ gleichgesetzt, aus dem Jhwh Israel „losgekauft“ hat. Damit wird deutlich, dass der falsche Prophet die im Exodus geschenkte Freiheit aufs Spiel setzt. Eine ganz ähnliche Argumentationsfigur findet sich in 13,11184. 3.3.4. Die Augenzeugenschaft in Dtn 11,1–7 Wie sehr das (bloß) Augenfällige in der Moserrede in Frage gestellt wird, zeigt auch der nun zu untersuchende Abschnitt. Die große Horebreminiszenz endet in 10,12. Darauf folgt ein paränetischer Teil, in dessen Verlauf Mose immer wieder auf Ereignisse vor dem Horeb zurückgreift. Zunächst erinnert er die Mitglieder des Volkes Israel daran, dass sie selbst als
Argument gegen das erste Gebot zu sein, das hier im Hintergrund steht. hksm kann synonym neben lsp stehen: vgl. Dtn 27,15; Ri 17,3f.; 18,14.17f.; Jes 42,17; Nah 1,14; Hab 2,18. 184 Siehe dazu CRÜSEMANN, Tora, 256.
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Fremdlinge in Ägypten gelebt haben. Es soll deswegen die Fremden „lieben“ (bha in 10,19). Als Beispiel für die großen und wunderbaren Taten verweist er auf die Erfüllung der Mehrungsverheißung in Ägypten (10,22). Darauf folgt wiederum eine eingehende Ermahnung, die Satzungen, Ordnungen und Rechte zu halten (11,1), die mit einer recht ausführlichen Erinnerung an den Exodus begründet wird (11,2–4). Danach erwähnt Mose die Episode von Datan und Abiram aus Num 16,25–34. Am Anfang und am Ende der Einheit 11,2–7 spricht Mose seine Hörerinnen und Hörer ausdrücklich als Menschen an, die die Ereignisse, von denen er berichtet, mit eigenen Augen „gesehen“ haben (har in 11,7). So heißt es in 11,2: Ihr selbst habt heute die Unterweisung Jhwhs, eurer Gottheit, vor Augen, auch ihre Größe, ihre starke Hand und ihren ausgestreckten Arm – ganz im Gegensatz zu euren Kindern, die all dies nicht miterlebt und nicht mit eigenen Augen gesehen haben.
Hier wird auf den ersten Blick ein deutlicher Unterschied zwischen den Generationen gemacht. Die Augenzeugengeneration wird vor den Kindern hervorgehoben, die die Ereignisse, von denen die Rede ist, selbst nicht mit eigenen Augen gesehen haben. Merkwürdigerweise werden die Hörer und Hörerinnen jedoch dazu aufgefordert, diese Ereignisse zu „erkennen“ (ody). Ganz offensichtlich wird in diesem Abschnitt sehr deutlich zwischen der Wahrnehmung durch das „Sehen“ (har) und durch das „Erkennen“ (ody) unterschieden. Die angesprochene Augenzeugengeneration ist jedoch mit den Kindern insofern gleichgestellt, als beide die Ereignisse noch nicht „erkannt“ haben, sonst müsste die Augenzeugengeneration nicht dazu eigens aufgefordert werden. Der gesamte Redeabschnitt dient demzufolge dazu, die Ereignisse in ihrer Bedeutung für die Hörerinnen und Hörer in ihrer besonderen Situation zu erschließen. Von hier aus lässt sich auch die in der Moserede einmalige Zusammenstellung des Exodusmotivs mit der Episode von Datan und Abiram verstehen. Es handelt sich hierbei nicht um eine willkürlich herausgegriffene Episode, an der Jhwh eben auch seine Macht gezeigt hat, so wie in Ägypten. Bei dem Aufstand der Korachiten geht es um die Autorität des Mose (Num 16,3). Datan und Abiram sind die beiden Männer, die Mose während des Aufstandes rufen lässt. Sie aber lehnen es ab, vor Mose zu erscheinen und begründen ihre Antwort damit, dass Mose ein Mann sei, der Israel aus Ägypten geführt habe, „dem Land, in dem Milch und Honig fließt“ (Num 16,13). Sie werfen Mose vor, die Geschichte völlig zu verdrehen. Sie verweisen auf die Situation Israels in der Wüste und stellen dies der Landverheißung gegenüber. Sie werfen Mose vor, dass seine Geschichtsdeutung so irrig sei, dass man sich am besten gleich die Augen herausreißen könnte (Num 16,14). Datan und Abiram untergraben diese Autorität, indem sie die von Mose vertretene Geschichtsinterpretation unterminieren und in Zweifel ziehen. Ihre Sicht von Ägypten als einem Land, in dem Milch und Honig fließt, stellt nun allerdings die Art und Weise, wie an den Exodus nicht
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nur in der Moserede, sondern auch in der Tora insgesamt erinnert wird, in der Tat exakt auf den Kopf. Der Ausgang der Episode mit dem wunderhaften Gericht Jhwhs (Num 16,27–35) gibt Mose Recht. Datan und Abiram sind demzufolge zwei abschreckende Beispiele dafür, wie man den Exodus zwar „sehen“, aber nicht „erkennen“ kann. Diese eindringliche, durch geschichtliche Beispiele unterlegte Aufforderung, den Exodus zu „erkennen“, folgt jedoch der großen Horebreminiszenz Dtn 9–10. Unmittelbar folgt diese Erinnerung an den Auszug aus Ägypten auf die Ermahnung, Gott zu lieben und seine Gebote zu halten (11,1). Es liegt somit ein ähnlicher Gedankengang wie in 4,15–22 vor, bei dem ebenfalls die Erinnerung an den Horeb die an den Exodus nach sich zieht. In Dtn 11 ist die Aufforderung, den Exodus zu „erkennen“, mit der Ermahnung, die Gebote zu halten, quasi überschrieben. Daran wird deutlich, wie sehr beides untrennbar zusammengehört. Die Gebote zu befolgen und den Exodus zu erkennen, sind somit zwei Seiten derselben Medaille. 3.3.5. Der Exodus als Grundvoraussetzung der Landnahme Die Geschichtssummarien Dtn 6,21–25 und 26,5–9 sind an einem anderen Ort des Kommunikationsgefüges verankert185 und zielen auf den „Sitz im Leben“ im Land ab, in dem sie gesprochen werden sollen. Dennoch sind sie zugleich Teil der Moserede, deren Anliegen diese Bekenntnisse im alltäglichen Leben im Land weitertragen sollen. Von daher ist zu erwarten, dass die Funktion des Exodus als Erinnerungsfigur in beiden Geschichtssummarien sich nicht von der Bedeutung des Auszugs aus Ägypten in der gesamten Moserede grundlegend unterscheidet. So lässt sich die Frage stellen, warum die Antwort auf die Frage der Kinder nach den „Weisungen, Bestimmungen und Rechtssätzen“ (Dtn 6,20) unmittelbar mit dem Exodus beginnt. Läge ein Verweis auf den Horeb nicht sehr viel näher? Wenn nicht diachrone Gründe herangezogen werden sollen186, stellt sich diese Frage auf der inhaltlichen Ebene des uns heute vorliegenden Textes. Ist dies nur damit zu begründen, dass es in diesen Bekenntnissen nicht so sehr um das geht, was Jhwh fordert, sondern um das, was er an Israel getan hat?187 Allerdings scheint es beinahe so, als würde das Kind den wesentlichen Kern des Horebereignisses schon kennen. Es weiß, dass all diese Rechte und Ordnungen von Jhwh geboten sind (Dtn 6,20):
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Siehe oben S.95ff. Das Fehlen des Horeb in den Geschichtssummarien wird vielfach noch als Beleg dafür angesehen, dass es sich bei ihnen um relativ gesehen ältere Überlieferungen handelt, bei denen der Horeb bzw. der Sinai noch nicht in das Geschichtsbild integriert war. 187 PREUSS, Deuteronomium, 146. 186
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
h¶Dwhy h¢D…wIx r¶RvSa My$IfDÚpVvI;mAhw ‹MyI;qUj`Ahw t#OdEoDh hDm :M`RkVtRa …wny™EhølTa Diese Formulierung trifft man immer wieder im Zusammenhang mit dem Horebereignis (Dtn 4,5.13.14) oder generell der Gebotsmitteilung Jhwhs (6,1; 26,16). Diesen Vorgang scheint das Kind bereits zu kennen, wenn es in dem Nebensatz eben diese Wendung quasi „zitiert“. Das Kind fragt folglich nicht nach der Herkunft dieser Gebote, sondern nach dem, was diese Gebote ausmacht. Es bekommt darauf folgerichtig nicht die Ereignisse vom Horeb, sondern zuerst die Bedrückung in Ägypten und die Befreiung hieraus erzählt. Betrachtet man den intendierten Gesprächsverlauf insgesamt, dann ergibt sich auch hier wieder die Folge: Anspielung auf den Horeb (in der Kinderfrage selbst) – Erinnerung an den Exodus. Es geht in diesem Dialog nicht um eine geschichtliche Herleitung der Gebote, Rechte und Ermahnungen. Dann hätte eine Erinnerung an die Ereignisse am Horeb oberste Priorität bei der Antwort. Dass die Gebote von Jhwh geboten worden sind, weiß das Kind schon längst. Es geht vielmehr um so etwas wie den Kern dieser Gebote, um das, worauf sie abzielen188. An dieser Stelle muss bei der Antwort der Exodus, die Befreiung aus der Unterdrückung in Ägypten die oberste Priorität haben. Der Exodus dient an dieser Stelle jedoch als Begründung der Landgabe. Dies zeigt die Formulierung in 6,23:
‹…wn‹Dl tRt§Dl …wn$DtOa ayIbDh ‹NAo‹AmVl M¡DÚvIm ayIxwøh …wn™Dtwøaw :…wny`EtObSaAl o™A;bVvˆn r¶RvSa X®r$DaDh_tRa Dass hier ein Begründungsverhältnis vorliegt, zeigt unmissverständlich die Partikel NAoAmVl. Die Antwort läuft jedoch am Ende genau auf die Frage des Kindes hinaus und führt sie gleichzeitig weiter. Jhwh hat die MyI;qUj, nach denen sich das Kind erkundigt hatte, mit dem Ziel der „Gottesfurcht“ gegeben, die ein Wohlergehen mit sich bringen, „so wie es heute ist“ (V.25). Diese letzte Wendung bezieht sich auf den „Sitz im Leben“, in dem der Dialog mit dem Kind stattfinden soll. Das Befolgen der Gebote (6,16–19), das die Kinderfragen ausgelöst hatte, dient demzufolge letztlich dem Wohlergehen im Land. In diesem Sinne soll der Erwachsene es dem Kind erklären. Der Argumentationsgang dieser Antwort lässt auch den Schluss zu, dass ein Leben im Land, so wie es Jhwh für sein Volk will, ohne die Vorgeschichte des Exodus aus Ägypten gar nicht möglich wäre. Ein ähnliches Bild bietet sich bei dem Geschichtssummarium, das bei der Darbringung der Erstlingsfrüchte gesprochen werden soll (Dtn 26,5–9). Auch dieses Bekenntnis ist eingebettet in einen Dialog, diesmal zwischen
188
Siehe dazu F INSTERBUSCH , Weisung, 249–253.
Der Exodus
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Priester und dem Israeliten, der die ersten Früchte im Jahr in einem Korb zum zentralen Heiligtum bringt. Seine ersten Worte erinnern zunächst an die Landgabe (Dtn 26,3):
X®r$DaDh_lRa ‹yIta‹Db_yI;k ÔKy$RhølTa hDwhyAl ‹Mwø¥yAh yI;td§A…gIh :…wn`Dl tRt¶Dl …wny™EtObSaAl h¢Dwhy oªA;bVvˆn r°RvSa Auch diese Äußerung kann zunächst verwundern. Warum sagt der Wallfahrer nicht zuerst, dass er jetzt die ersten Früchte der Ernte überbringen wird? Statt dessen steht die Landverheißung an die Erzeltern und die Landgabe gleichsam als Überschrift über der ganzen Handlung. Am Ende des kurzen geschichtlichen Abrisses in V.10.11 stellt der oder die Bekennende ausdrücklich die Verbindung her zwischen den ersten Früchten des Landes und dem „Land, das du, Jhwh, mir gegeben hast“. Dies ist aber nur die letzte Station einer Reihe von Taten Gottes, die allesamt eine logische Folge bilden, welche bis zu der Situation des Sprechenden geführt hat. Zunächst beginnt das Bekenntnis mit der Schilderung von Ereignissen, bei denen von Gott zunächst überhaupt nicht die Rede ist. Der Rückblick setzt mit dem „umkommenden“189 Aramäer ein, der offenbar aus der Not heraus nach Ägypten zieht. Auch die Volkwerdung wird in diesem Bekenntnis nicht auf Jhwh zurückgeführt. Dann aber kommt eine Kette von PK-cons.Formen ab V.7, die insgesamt die direkte Linie bis zur Übergabe der ersten Früchte des Feldes ausziehen. Jhwh antwortet auf das „Schreien“ Israels mit einer Folge von Handlungen: „Hören“ – „Sehen“ – „Hinausführen“ – „Hineinbringen“. Allerdings wird diese Handlungsfolge durch das Schreien Israels zum „Gott der Väter“ (V.7) ausgelöst. Was er allerdings getan hat, um das Vertrauen zu rechtfertigen, wird innerhalb dieses Geschichtssummariums nicht deutlich. Gottes Taten beginnen in Ägypten. Bei der Begründung dafür, dass der oder die Bekennende die ersten Früchte des Feldes darbringt, gilt der Exodus auch hier wieder als die erste grundlegende Tat Jhwhs. Die Landgabe erscheint vor diesem Hintergrund im Grunde erneut als logische Konsequenz des Exodus. Mit anderen Worten: Die Gabe des Landes und die ersten Früchte, die dargebracht werden, gründen in einer Folge von Handlungen Jhwhs, die mit dem Zuschwören des Landes ihren Anfang nimmt und dem Erhören des Schreien Israels in Ägypten ihre Fortsetzung findet. Die Befreiungstat Jhwhs erscheint schließlich unter diesen Umständen als die Tat Gottes, mit der er beginnt, seine Verheißungen einzulösen. 189
dba begegnet auch in der Wendung „verlorenes/ umherirrendes Schaf“ in Ps 119,176; es kann aber auch im Sinne von „umkommen“ verwendet werden, siehe Hi 29,13 und Dtn 7,20. In der Tat betont dba meist das Gefahrenmoment. Siehe zu den Argumenten für die letztere Übersetzungsvariante RÖMER, Väter, 61–65, mit weiterführender Literatur.
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
Das eigentliche Thema dieses Dialoges zwischen dem Priester und denen, die die ersten Früchte darbringen, ist die Landgabe. Das macht die Einleitung dieses Summariums unmissverständlich deutlich. Sie wäre jedoch in der Form ohne den Exodus nie möglich geworden. Der Exodus ist zwar nicht das Thema dieses Geschichtssummariums. Es verdeutlicht aber, dass das Darbringen der Früchte über die Landgabe Jhwhs letztlich auf dem Handeln Gottes für Israel beruht, das mit der Befreiung aus Ägypten beginnt. Die Überlegungen zu Dtn 6,20–25 und 26,5–9 lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Beide sind jeweils mit einem besonderen „Sitz im Leben“ versehen, die an „Neuanfänge“ im alltäglichen, profanen Leben ansetzen, bei der Frage der Kinder nach der Tradition und bei der Ernte der ersten Früchte des Jahres. Sie finden demzufolge in einer von dem biblischen Erzähler auf der einen und Mose auf der anderen Seite zu unterscheidenden Kommunikationssituation ihren Platz. Auffällig ist dabei zunächst, dass die Reihenfolge, in der auf die geschichtlichen Ereignisse abgehoben wird, der des biblischen Erzählers entspricht190. Darin unterscheidet sich die Erwähnung des Exodus in den Geschichtssummarien von der übrigen Moserede. Bei näherem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass das Exodusmotiv in beiden Bekenntnissen eine begründend-erklärende Stellung einnimmt. Im Fall der Antwort auf die Kinderfrage in 6,20–25 liefert das Exodusmotiv keine geschichtliche Herleitung der Gebote, nach denen das Kind gefragt hatte, sondern legt aus, worum es bei diesen Geboten im Kern geht: die Freiheit, die Jhwh Israel im Exodus geschenkt hat. Etwas anders liegen die Dinge bei dem Bekenntnis, das zum Anlass der Darbringung der ersten Früchte der Ernte gesprochen werden soll. Es handelt sich in der Tat um eine Art geschichtlicher Herleitung der Sprechsituation. Sie ist ohne das befreiende Handeln Jhwhs in Ägypten gar nicht denkbar. Alles andere, was hier erzählt wird, erscheint dann nur als logische Hinführung bzw. Folge dieses grundlegenden Handelns. Damit ist jedoch eine besondere Haltung zum Land intendiert. Auf genau dieses besondere Verhältnis zum Land zielt jedoch die Moserede insgesamt ab. Dem ist jetzt noch weiter nachzugehen. In Dtn 7,17 geht Mose auf eine mögliche Überlegung des Volkes ein, die seine Sprechsituation wie kaum eine andere kennzeichnet:
h¶DkyEa yˆ…n¡R;mIm hR;l™EaDh M¶Iywø…gAh My¢I;bår $ÔKVbDbVlI;b ‹rAmaøt y§I;k :M`DvyîrwøhVl l™Ak…wa Schon die prominente Stellung der Kundschaftergeschichte als Eröffnung der Moserede (Dtn 1,20–46) macht deutlich, dass die gesamte Rede unter anderem darauf abzielt, dem Volk die Furcht vor dem unmittelbar bevor190
Siehe oben S.95.
Der Exodus
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stehenden Eintritt ins Land zu nehmen. Die in 7,17 angesprochenen Ängste entsprechen genau den Sorgen, von denen Mose in der Kundschaftergeschichte erzählt (1,18): Die Völker im Land sind „zahlreicher“ als Israel. Sowohl in 1,30ff als auch in 7,18ff begegnet Mose diesen Ängsten mit einem Verweis auf den Exodus. In 7,18 gebietet er Israel, sich nicht zu fürchten, sondern an das zu denken ( rkz in einer figura etymologica), was Jhwh „an Pharao und ganz Ägypten getan hat“. Diese Erinnerung an den Exodus ist nicht nur eine Anspielung. In V.19 zählt Mose all die großen „Wundertaten“, die „Zeichen“ und „Wunder“ noch einmal auf. Auch die „starke Hand“ und den „ausgestreckten Arm“ werden noch einmal erwähnt und die Hörer und Hörerinnen dabei ausdrücklich als Augenzeugen angesprochen. Die Vertreibung der Völker des Landes wird mit diesem Vorgehen ausdrücklich gleichgesetzt (Dtn 7,19):
h¶D;tAa_rRvSa My$I;mAoDh_lDkVl ‹ÔKy‹RhølTa h§Dwhy hRcSoÅy_N`E;k :M`Rhy´nVÚpIm aäérÎy Sie wird ein genauso wunderhaftes und unglaubliches Geschehen sein wie der Exodus es war. In die gleiche Richtung zielt die Antwort des Mose, von der er selbst in Dtn 1,29–31 berichtet. Mose versucht die Angst des Volkes vor der ersten Landnahme dadurch zu beschwichtigen, dass er auch hier an den Exodus erinnert. Jhwh wird genau so vor Israel herziehen, wie er damals in Ägypten vor seinem Volk hergezogen ist (1,30). Damit ergibt sich jedoch eine eigentümliche Doppelung der Erinnerung an den Exodus. Mose ruft demzufolge in zwei unterschiedlichen, aber dennoch sehr vergleichbaren Situationen den Exodus ins Gedächtnis. Er berichtet an dem Tag vor der Landnahme davon, dass er kurz vor der ersten, gescheiterten Landnahme an den Exodus erinnert hat (1,29–30) und bedient sich genau der gleichen Argumentationsfigur wie am Tag vor der nun erneut bevorstehenden (7,18–19). Daran zeigt sich, dass der Exodus offenbar eine „Grundtat“ Gottes ist, auf der Israel auch nach Abwegen – in diesem Fall die erste gescheiterte Landnahme (Dtn 1) – immer wieder neu aufbauen kann191. Israel wird darin auch wieder eine verlässliche Grundlage haben, wenn es im Exil, also nach dem von Mose in seiner Rede anvisierten Landaufenthalt, wieder nach Gott fragen wird (Dtn 4,30–32). Dort, zerstreut unter die Völker mit ihren Göttern, wird Israel wieder nach Jhwh fragen (V.29). Als unverbrüchliche Grundlage wird die Bundesverpflichtung genannt, die Jhwh den „Vätern zugeschworen“ hat192. Dies wird nun anhand des Rückblickes V.32–38 veranschaulicht.
191 192
Siehe dazu CRÜSEMANN, Freiheit, 112–113. Siehe dazu oben S. 111.
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
Er schließt mit einer Erinnerung an den Exodus ab, die wiederum die Landnahme begründet (V.37b–38a):
:MˆyárVxI;mIm lëOdÎ…gAh wñøjOkV;b wy¢DnDpV;b ¬ ÔKV;mIm My¢ImUxSoÅw MyªIlOd…g M¢Iywø…g vy#îrwøhVl Die PK-cons ÔKSa`Ixwø¥yÅw knüpft an V.37a an. Damit wird deutlich, dass die Befreiungstat Jhwhs einerseits in seiner Liebe zu den Vätern gründet. Andererseits schließt V.38 mit der Präposition l vor dem Verb vry im Inf.cs. Hif. an 37b an und ist hier eindeutig final-konsekutiv zu verstehen. Jhwh hat Israel aus Ägypten geführt, um die Völker, die allesamt stärker und größer sind, vor Israel herzutreiben. Innerhalb der Moserede wird somit auf nicht weniger als drei Landnahmen Bezug genommen: In der Kundschaftergeschichte, auf die unmittelbar nach der Rede bevorstehende und auch jene nach dem Exil. Jedes Mal wird dabei in ganz ähnlicher Weise auf den Exodus rekurriert. Er ist das einmalige Ereignis, von dem die Landnahme jedes Mal wieder neu abgeleitet wird. 3.3.6. Die Freiheit im Land als Ziel Nicht nur für die Landnahme ist der Exodus von tragender Bedeutung, sondern noch viel mehr für das Leben im Land. Die Geschichtssummarien Dtn 6,21–25 und 26,5–9 erinnern an den Exodus mit dem Ziel, ein besonderes Verhältnis Israels zu dem Land zu begründen, in das es nach der Rede einziehen wird193. Neben der Kinderfrage und dem Moment der Darbringung der Erstlingsfrüchte soll jedoch zuallererst das Pessachfest selbst dazu dienen, dass die Erinnerung an den Auszug durch das alltägliche Leben im Land nicht verblasst. Beide in Ex 12 noch getrennten Grundelemente, das Schlachten des Pessach und das Matzenfest, sind hier zu einem Fest verbunden194. Der Zeitpunkt des Pessach195 im Monat Abib muss der Angabe in Ex 12,1 nicht widersprechen. Auch laut Ex 13,4 findet der Auszug in diesem Monat statt. Die einzelnen traditionsgeschichtlichen Zusammenhänge des Pessach- und Mazzotfestes sind hier nicht im Einzelnen darzustellen196. Für unseren Zu-
193
Siehe dazu oben S. 95. In der Forschung wird meist angenommen, dass die Pessach- und Mazzotordnung erst durch die deuteronomische Tradition miteinander verknüpft wurden. Siehe dazu K REUZER, Exodustradition, 85, N IELSEN, Deuternomium, 166ff. K REUZER nimmt an, dass die Exodustradition über diese Pessach- und Mazzotordnung erst in das deuteronomische Gesetzeskorpus gelangt ist. Siehe D ERS., aaO, 101. 195 Pessach ist im Gegensatz zum Wochen- und Laubhüttenfest laut deuteronomischen Festkalender kein gj . 196 Siehe dazu O TTO, jsp. 194
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sammenhang sind jedoch die konkreten Anweisungen zur szenischen Vergegenwärtigung der Pessachnacht von Interesse: Das Verbot, „Gesäuertes“ (X$EmDj) zu essen, wird unmittelbar mit der eiligen Hast in Verbindung gebracht, mit der Israel aus Ägypten auszog (Dtn 16,3)197:
Dta‹DxÎy NwGøzDÚpIjVb yI;k Diese Eile soll Jahr für Jahr reinszeniert werden, „damit“ (begründendes NAoAmVl) Israel dieses Datum nie vergisst. Das Besondere an den Anweisungen zum Pessach bzw. Mazzotfest in der Moserede ist bekanntlich die Aufforderung, es an einem zentralen Ort zu begehen, „den Jhwh erwählen wird“ ( rjb). Diese Wendung taucht in den Bestimmungen insgesamt dreimal auf: V.2.6.7. Dieser „erwählte“ Ort steht im Gegensatz zu den „Städten“ ( MyîrDoVÚv), die Jhwh Israel „geben“ (Ntn) wird (V.5). Dort ist nicht der Ort, das Pessachmahl bzw. das Mazzotfest zu begehen. Nun ist der Ausdruck „die Städte, die Jhwh Israel gegeben hat /gibt“, eine feststehende Redewendung im Deuteronomium198. Wenn Israel sich für das Pessachmahl genau davon nicht nur innerlich, sondern ganz konkret durch eine Reise zu dem zentralen Heiligtum distanzieren soll, dann ist schon alleine darin ein erster Schritt zur Reinszenierung der Ursituation des Auszugs getan199. Wenn nun das Pessachtier am Abend des ersten Tages am zentralen Heiligtum geschlachtet wird und jedes Volksmitglied sich fern von seinem konkreten Zuhause befindet, so versetzt sich Israel insgesamt wieder in die Situation wie beim Auszug aus Ägypten. „Das gemeinsame Essen stiftet wieder die Einheit des ganzen Volkes und die communio mit seinem Gott. Es lässt zugleich jeden Israeliten persönlich erleben, daß auch er in die beim Auszug erfahrende Befreiung einbezogen ist. Wer so den Exodus liturgisch vollzieht, kann seiner dann auch im Alltag gedenken, das heißt, diese Rettungstat Gottes im eigenen Leben bestimmend werden lassen.“200 Durch das Pessachmahl geht Israel wieder in seiner Geschichte zurück vor die Landnahme. Am Anfang des Jahres soll es dem Dtn zufolge einen Zeitpunkt geben, an dem Israel die Freiheit, die Jhwh Israel in der Aus-
197
Der Begriff Xmj taucht im Deuteronomium nur hier in 16,3 auf. In der Schilderung der Auszugsnacht begegnet er hingegen recht häufig: Ex 12,15;13,3.7. 198 12,15; 15,7; 16,18; 17,2; 28,52. 199 Fragt man nach der historischen Genese der Zentralisationsformel, so liegen konkrete religionspolitische Beweggründe als entscheidende Faktoren nahe. In einer Zeit, da das judäische Gebiet zu größten Teilen von Assyrern besetzt war, konnte dem Synkretismus von Jerusalem aus nicht mehr gewehrt werden. Doch ist dieses zentrale Heiligtum ganz offensichtlich als „machtloses Zentrum“ gedacht, was sich schon alleine in der Rolle des Zehnten zeigt. Siehe dazu CRÜSEMANN, Tora, 251–256.259–262. 200 BRAULIK, Dtn I, 117.
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zugsnacht schenkte, noch einmal durchlebt. Diese Freiheit soll auch im alltäglichen Leben im Land erhalten und bewahrt werden. Offenbar ist daran gedacht, am ersten Tag das Pessach zu schlachten. Am nächsten Morgen soll Israel wieder nach Hause zurückkehren (V.7) und weitere sieben Tage kein gesäuertes Brot mehr essen. Bemerkenswert ist nun, dass „Städte“ oder „Tore“ ( MyîrDoVÚv), als die zwei Verse zuvor noch das Zuhause bezeichnet wird (V.5), bei der Beschreibung der Rückkehr hier „Zelte“ (lRhOa) geworden sind. Im Deuteronomium sind damit jedoch ausdrücklich nur die Behausungen während der Wüstenzeit bezeichnet201. Dies lässt sich als Hinweis darauf verstehen, dass Israel in diesen auf das Pessachmahl folgenden sieben Tagen, an denen nur ungesäuertes Brot gegessen werden darf, die Tage in der Wüste direkt nach dem Auszug aus Ägypten noch einmal durchlebt202. Mit den Matzot bringen die Israeliten den Übergang von der Knechtschaft in die Freiheit mit nach Hause, das dadurch zu Zelten der Wüstenzeit wird. Alle Bestimmungen Dtn 16,1–8 zielen somit darauf ab, die im Exodus geschenkte Freiheit in das Alltagsleben im Land hinein- und weiterzutragen. Nicht nur die Bestimmungen zur regelmäßigen Reinszenierung der Auszugsnacht weisen Israel den Weg zurück in die Freiheit. Mose spricht seine Hörer und Hörerinnen am Tag vor dem Einzug ins Land als von Gott Befreite an203. In all den Bestimmungen, die Mose erlässt, ist „die Befreiung aus dem Sklavenhaus [...] die Voraussetzung, und zwar die real wirksame und erfahrbare Befreiung.“204 Die Freiheit ist jedoch gefährdet. Sie kann nur durch das Befolgen der Gebote bewahrt werden, die Mose am Horeb empfangen hat und an jenem Tag Israel mit auf den Weg ins Land gibt. Darum werden viele Gebote in der Moserede mit dem Exodus begründet: die Bestimmungen zur Freilassung eines Sklaven (15,15), die Schutzgesetze für die Fremden, Witwen und Waisen (10,19; 24,18.22), die Bestim-
201
1,27; 5,30; 11,6. Vgl. BRAULIK, Dtn I, 118, interpretiert den Ablauf des Pessachmahles und Mazzotfestes wie folgt: „Auf dem unterschiedlich langen Rückweg der Israeliten zu ihren Siedlungen werden daher nur Mazzen gegessen. Sie repräsentieren jetzt nicht mehr die Speise der Bedrängnis beim hastigen Aufbruch, sondern sind Inbegriff des Unterwegsseins. Die Heimkehr wird somit durch den Genuß von ungesäuertem Brot als Zug ins Verheißungsland gedeutet.“ 203 Dieser Befund spiegelt ganz offensichtlich die Situation, in der der große Teil der deuteronomischen Gebote und Bestimmungen verfasst worden ist. Die älteste Fassung des Deuteronomiums richtet sich in der Zeit der Regentschaft des Kindkönigs Josia vornehmlich an „landbesitzende, freie, erwachsene, israelitische Männer“ (CRÜSEMANN , Tora, 257). Ihnen wird durch die Einkleidung der Gesetze in eine Moserede aus ferner Vergangenheit vor Augen gehalten, dass sie ihre Freiheit Jhwh verdanken, der diese Gesetze erlassen hat (aaO, 258). 204 CRÜSEMANN, Tora, 256. 202
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mungen zum Wochenfest (16,12). Israel wird daran erinnert, dass es das Fremdsein und die Unterdrückung am eigenen Leib erfahren hat. Würde Israel die Fremden, Sklaven, Witwen und Waisen so behandeln wie es selbst von Pharao behandelt worden ist, würde es den „Weg zurück nach Ägypten“ (28,68) nehmen und keine andere Behandlung verdienen als die Ägypter (28,60). Die Person, die am meisten gefährdet ist, Israel zu diesem Weg zu verleiten, ist der König205. Im sog. „Königsgesetz“ wird Israel ausdrücklich davor gewarnt, sich von seinem König „wieder nach Ägypten“ führen zu lassen (Dtn 17,16). Wenn er sich viele Pferde hält und viele Frauen an seinen Hof holt, ist das genau der Weg, den Israel nicht wieder gehen soll. In die gleiche Richtung gehen auch die Bestimmungen zur Zehntabgabe (Dtn 14,22–29). Der König erhält von diesen Abgaben nichts. Vielmehr soll damit regelmäßig ein Fest unter Einbeziehung der Schwachen gefeiert werden und die Leviten davon unterhalten werden206. All diese Gebote weisen demzufolge darauf hin, dass Israel auch im Land den Weg weitergeht, der mit seiner Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten begann. 3.3.7. Fazit Mose erzählt den Auszug Israels aus Ägypten nicht noch einmal neu, weist jedoch an entscheidenden Stellen seiner Rede immer wieder darauf hin. Der Exodus gerinnt zu einer Erinnerungsfigur, weil in dieser Epoche das geschehen ist, was theologisch betrachtet den höchsten Rang beanspruchen kann. Mit dem Auszug aus Ägypten ist die Freiheit begründet worden, die Israel bewahren soll, will es seinem Gott treu bleiben. Alle am Horeb und in Moab erlassenen Gesetze dienen der Bewahrung dieser Freiheit. Letztlich ist dies auch der Zielpunkt des Deuteronomiums. Sonst würde der biblische Erzähler das Buch nicht mit der Befreiung aus Ägypten als dem großen Werk des Hauptredners beschließen (Dtn 34,11–12). Die enge Verflechtung von Gebot und Freiheit zeigt sich schon in der Schilderung der Auszugsnacht in Ex 12–13 selbst. Der Leser erfährt die Handlung beinahe ausschließlich durch die Gebote, die Jhwh und Mose im Auftrag Jhwhs in dieser Nacht erlassen. Von Anfang an wird somit deutlich gemacht, dass die Gebote Jhwhs zur Freiheit gegeben sind, die Jhwh selbst in dieser Nacht begründet hat. Diesen engen Zusammenhang von Gebot und Freiheit verstärkt Mose in seiner Rede. Gleichzeitig stellt er den Exodus als Ereignis heraus, auf dem Israel trotz aller Abwege immer wie205
„In V.16 und 17 des Königsgesetzes geht es darum, alles zu vermeiden, was den König von seiner engen Beziehung zu Jhwh abhalten könnte; anders gesagt, es geht um die Exklusivität und den Vorrang des ersten Gebotes.“ (Kreuzer Exodustraditionen, 95). Das grundlegende heilsgeschichtliche Ereignis soll gewahrt bleiben. Es darf durch den König nicht tangiert werden darf. 206 Siehe dazu CRÜSEMANN, Tora, 251–256.
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der neu aufbauen kann. Die konkrete Lebensgrundlage und sogar die politische Freiheit mag Israel durch Schuld und Versagen verspielen, den Exodus als Urdatum seiner Geschichte niemals207.
4. Zur Epocheneinteilung in den Mosereden Innerhalb der Moserede werden alle Zeitabschnitte der biblischen Geschichtsdarstellung von der Schöpfung bis zur Rückkehr aus dem Exil behandelt. Die Erzeltern- und die Exodusepoche nehmen jedoch eine Sonderstellung ein, die in einem Zwischenschritt nun herausgearbeitet werden soll. 4.1. Der Ausblick über das Exil hinaus Das Problem der Epocheneinteilung im Deuteronomium erschließt sich am einfachsten vom Ende her. In zwei Kapiteln wird dargestellt, dass Mose an zwei Stellen in seinen Reden über die Zeit nach dem Exil hinausblickt (Dtn 4 und 30,1–14). Die Konstruktion, in der diese Aussagen verankert sind, kann moderne Leser zunächst befremden: Schließlich spricht Mose in seiner Rede am „Tag“ vor der Landnahme bereits wieder vom Verlust des Landes, dem eine – diesmal friedliche – Rückkehr folgen wird208. Die Hoffnung auf eine nochmalige Rückkehr ins Land wird in Dtn 4 wie vor der ersten Landnahme mit der Bundesverpflichtung, die Jhwh den Erzeltern zugeschworen hat (V.32[37]), und dem Heilshandeln Jhwhs im Exodus (V.37.38) begründet209. L’histoire se répète? Nicht ganz, denn diese beiden Texte malen ein Hoffnungsbild für Israel, in dem die sonst im Dtn üblichen Gegenüberstellungen von Segen und Fluch, Landnahme und Landverlust, Halten und Missachten der Gebote nicht begegnen. Androhungen des Fluches210 fehlen in diesen beiden Passagen völlig. Statt dessen wird in einfachen AK cons.Formen ausgesagt, dass Israel sich in der Fremde wieder zu Jhwh wenden und auf seine Stimme hören wird (4,30; 30,8). Diese Umkehr wird nicht umsonst sein, denn Jhwh ist barmherzig und vergisst die Bundesverpflichtung nicht, die er den Erzeltern gegenüber eingegangen ist (4,31). Auch Jhwh wird sich Israel wieder zuwenden (30,3). Es finden sich dort Aussagen wie die, dass Israel Jhwh dann erst wirklich in seiner Einzigartigkeit
207
Vgl. CRÜSEMANN, Freiheit, 113. Siehe dazu BRAULIK, Völkervernichtung, 36. 209 Siehe dazu S. 130ff. 210 4,9.10; 5,9.10; 7,9–11; 8,19.20; 11,28–30; 28,15–28 u.a. 208
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erkennen211 und seine Gebote halten wird. Israel wird es darüber hinaus nach einer erneuten Rückkehr ins Land besser gehen wird, als einst den Eltern (Dtn 4,25–39; 30,1–6). 4.1.1. Dtn 4,1–40 In der Forschung wird dieser Befund meist entstehungsgeschichtlich erklärt. Beide Texte gelten als spätere Zusätze212, die in die spätexilische oder sogar frühnachexilische Zeit datiert werden. Beide Abschnitte sind in sich recht geschlossen und lassen sich klar abgrenzen: Bereits Noth vertrat die Auffassung, dass Kapitel 4 in seiner jetzigen Gestalt „kaum notwendig“213 sei, weil das Gesetz, das sein Deuteronomist vorfand, bereits eine Einführung besaß (4,44ff.). Das Grundgerüst214 von Dtn 4 ist seiner Ansicht nach ein Verbindungsstück zwischen dem bereits vorliegenden Gesetzeskorpus und dem geschichtlichen Rückblick Dtn 1–3. Tatsächlich erfolgt zwischen Dtn 3 und 4 ein „tiefer Einschnitt“215. Der erste Geschichtsrückblick ist mit Moses Besteigung des Berges Pisga, von dem aus er noch einmal ins verheißene Land schauen darf, und der anschließenden Beauftragung Josuas beendet. Diese Abschnitte weisen zu 4,1–40 kaum einen Bezug auf. Es folgt in 4,1ff. eine Paränese, eingeleitet mit:
My$IfDÚpVvI;mAh_lRaw ‹MyI;qUj`Ah_lRa o§AmVv l#EarVcˆy hD;tAow Die Einheit schließt 4,40 mit der Zusicherung, dass Jhwh Israel das Land für „alle Tage“ gegeben hat. Die Bestimmung von Asylstätten 4,41–43 und die Neueröffnung der Moserede in 4,44 befinden sich wieder auf der Ebene des biblischen Erzählers. Darauf folgt die erste Horebreminiszenz. Dtn 4
211
Siehe dazu vor allem die Aussagen in Dtn 4,35.39; 30,6. Zur Frage, wie besonders in Dtn 4 aus der dargestellten Geschichte die Einzigartigkeit Jhwhs abgeleitet wird, siehe BRAULIK, Geburt, 283; D ERS ., Monotheismus, 185–194; CRÜSEMANN, Glaube, 121–123. 212 W OLFF, Kerygma des deuteronomistischen Geschichtswerkes, 321 spricht von einer „enge[n] thematischen Verwandtschaft“ der beiden Texte und ordnet sie bekanntlich der von ihm angenommenen „zweiten Hand“ zu, die das DtrG in seiner heutigen Gestalt und Aussage geprägt habe. 213 N OTH, ÜS, 38. 214 N OTH, ÜS, 39, sieht nur 1.2.5–8.10–14.22.23a als ursprünglich an. Die Verse 25ff., in denen es um die Zeit nach dem Exil geht, diskutiert er nicht – aus seiner Sicht des DtrG verständlich. 215 von Rad, Das fünfte Buch Mose, 35. Zur Literatur bis 1987, die diesen Einschnitt entstehungsgeschichtlich untersucht hat, siehe K NAPP , Deuteronomium 4, 28 Anm. 193. Für die Diskussion danach siehe die Forschungsüberblicke bei LOHFINK, Deuteronomium und Pentateuch, 13–38; DE PURY / RÖMER , Historiographie, 9–120; V EIJOLA, Deuteronomiumsforschung, 273–327; siehe auch die unter G ROSS, Zukunft, 40 und die unter Anm. 45–48 angegebene Literatur; O TTO, Dtn 4. Darüber hinaus hat BLUM, Pentateuch, 93ff.176, Dtn 4/5 insgesamt als Interpretationen von Ex 20,18–21 wahrscheinlich gemacht.
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ist somit von den Darstellungen der Kundschafterepisode und der Ereignisse am Horeb eingerahmt. Es ist der erste unmittelbar paränetische Teil der Rede, in dem Mose seine Hörer und Hörerinnen argumentierend anspricht. Im Verlauf dieses einen Kapitels rührt er an alle Epochen, die der biblische Erzähler in dem Geschichtsbogen Gen – 2.Kön darstellt: Schöpfung (V.32), Erzelternzeit (V.31.37), Exodus (20–22.37), Horeb (10–15; 33– 36), Wüstenzeit (3), Landnahme (22.38), Leben im Land (25), Exil (26– 31). Die erneute Rückkehr ins Land ist durch die Erinnerung an die erste Landnahme in V.38 angedeutet, die wiederum auf die Kundschaftergeschichte in Dtn 1 verweist216. Das bedeutet: In Dtn 4 liefert Mose so etwas wie eine umfassende Geschichtsdeutung, bei der er alle Epochen, von denen der biblische Erzähler berichtet, in einen ganz eigenenen Argumentationszusammenhang bringt. Der Stellenwert der Erzelternepoche und des Exodus in der Moserede wurde oben bereits herausgearbeitet. Im Folgenden geht es nun darum, das Verhältnis dieser beiden Epochen zu den übrigen näher zu bestimmen. Neben den bereits oben angestellten Überlegungen zu 4,32–38 muss dazu nun Dtn 30 näher in den Blick genommen werden. 4.1.2. Dtn 30,1–10 Diesem Kapitel geht zunächst die große Darstellung der Alternative voran, vor die Israel vor dem Eintritt in das Land gestellt ist: Segen oder Fluch. Segen erwächst aus dem Befolgen der Weisungen der Tora und bedeutet von Jhwh geschütztes, kinderreiches und materiell gut gestelltes Leben im Land. Dagegen zieht eine Vernachlässigung der Weisungen der Tora Fluch nach sich, der im Verlust des Landes gipfelt: Und wie Jhwh seine Lust daran hatte, euch wohl zu tun und euch zahlreich zu machen, so wird Jhwh seine Lust daran haben, euch zu vernichten und euch zu vertilgen, so dass ihr herausgerissen werdet aus dem Lande, dahin du ziehen wirst, es zu besetzen. Und Jhwh wird dich unter alle Völker zerstreuen, von einen Ende der Erde bis zum anderen. (Dtn 28,63.64a)
Darüber hinaus wird Israel in 29,21–27 dazu aufgefordert, das Exil aus der Perspektive der künftigen Generationen und der Fremden zu reflektieren (Dtn 29,23–27). Hervorzuheben ist das h`RzAh Mwñø¥yA;k in V.27: „Und Jhwh riss sie aus ihrem Land in Zorn und Grimm und mit großem Groll und warf sie in ein anderes Land, wie an diesem Tag.“ An vielen anderen Stellen des Deuteronomiums ist mit h`RzAh Mwñø¥y bzw. MOwyAh immer der „archetypische“ Tag vor der Landnahme bezeichnet217, an dem Mose Israel ein letztes Mal daran erinnert, die Weisungen Jhwhs zu halten. Hier aber ist es der Tag, an dem sich die Drohungen Jhwhs für den Fall, dass Israel die Weisungen nicht befolgt, bewahrheitet haben. Zwei Epochen überlagern sich hier offenbar: 216 217
Siehe dazu S. 89ff. Vgl. Dtn 1,10; 4,4.8.20.26.38.39.40; 5,1 u.a. Siehe S. 79.
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Die „gute“ Zeit vor der Landnahme, in der Tora–Gehorsam jedenfalls streckenweise glückte und die Exilszeit, die als Folge des Zornes interpretiert wird. Das h`RzAh Mwñø¥y zielt hier in Dtn 29,27 offenbar auf beide Epochen ab. Auf den poetischen wie rätselhaften Vers 29,28 folgt dann der Neueinsatz in Dtn 30,1–3: 1
All das wird über dich kommen, der Segen und der Fluch, die ich dir vorgelegt habe. Du wirst inmitten all der Völker, unter die dich Jhwh, deine Gottheit, vertrieben hat, wieder zu Verstand kommen. 2Du und deine Nachfahren werden wieder mit Herz und Verstand und jedem Atemzug zu Jhwh, deiner Gottheit, zurückkehren und so auf ihre Stimme hören, wie ich es dir heute auftrage. 3Jhwh, deine Gottheit, wird sich deiner Rückkehr zuwenden, menschlich mit dir umgehen und selbst umkehren. Jhwh, deine Gottheit, wird dich aus allen Völkern wieder versammeln, unter die sie dich verstoßen hat.
Der Text beschreibt eine Umkehr zu Jhwh in der Exilszeit. Es ist gleichzeitig eine Umkehr zu dem, was Israel heute – sprich am Tag vor der Landnahme – aufgetragen bekommt. Die gedoppelte Zeitstruktur zieht sich im weiteren Verlauf des Kapitels weiter durch: Diese Umkehr Israels wird noch einmal in V.8 verheißen. Es werden an dieser Stelle genau die Formulierungen von 28,15 aufgegriffen, jetzt nur ins Positive gewendet. Die Umkehr Israels hat zwei Folgen: Sie wird zum einen eine erneute Landnahme (nach dem Exil) nach sich ziehen: in das Land, das die Vorfahren besessen haben (V.5). Die Umkehr Israels wird zum anderen dazu führen, dass Jhwh den Ertrag von Israels Arbeit im Überfluss belohnen wird und dass er – so wörtlich – „wieder umkehrt zu der Freude an dir zu deinem Besten“ (V.9). Auf die Umkehr Israels folgt die Umkehr Jhwhs. Er wird sich – wohlgemerkt im Exil – der Freude an seinem Volk wieder zuwenden. An die Einheit schließt sich organisch die Reflexion über die Befolgbarkeit der Tora 30,11–14 an. Doch dann folgt ab V.15 wieder die für das Dtn typische Gegenüberstellung von Leben und Tod, Glück und Unglück, die in 30,1–10 fehlt. Dies, der Ausblick über das Exil hinaus und die Wiederholung der schon vorher entfalteten Themen, sind immer wieder die Argumente, mit dem Dtn 30,1–10 für eine späte Zufügung gehalten wird218. 4.1.3. Dtn 4 und 30 synchron gelesen Insgesamt werden Dtn 4 und Dtn 30,1–10 auf die spätexilische219 bzw. nachexilische220 Zeit datiert, demzufolge einer „Ära der Interpretation“221 zu218
Vgl. etwa von Rad, fünfte Buch, zur Stelle. Siehe auch ROSE, 5.Mose, der zu Dtn 30 ausführt: „wie man überhaupt Mühe haben wird, in diesem Text noch Themen zu entdecken, die nicht vorher schon entfaltet worden wären.“ 219 BRAULIK, Buch, 130. 220 N IELSEN, Deuteronomium, 63, datiert frühnachexilisch; A LBERTZ, Exilszeit, 217: „wahrscheinlich erst aus der Epoche nach 539, letzterer [Dtn 30,1–10] wahrscheinlich
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geschrieben. Die Einfügung von Dtn 4 vor dem Dekalog dient aus entstehungsgeschichtlicher Sicht der Neuinterpretation des Horebgeschehens. Dtn 4 ist dann so etwas wie der „hermeneutische Schlüssel“ zu dessen (Neu–) Verständnis222. Eine Interpretationsweise, die versucht, die theologiegeschichtliche Entwicklung nachzuzeichnen und dabei von einer „Prophetisierung“ des Dtn oder gar des Pentateuch ausgeht, läuft dabei Gefahr, die ausgemachten „älteren Schichten“ lediglich als überholte Stadien zu betrachten. Mit dem Fehlen jeglicher Warnung bzw. Alternative zwischen Segen und Fluch käme dann das unkonditionierte Handeln Jhwhs zum Ausdruck, das diese spätdeuteronomistische Theologie prägt. Die theologischen Aussagen des Moab- und Horebbundes werden nach diesem Verständnis durch den vorangestellten „hermeneutischen Schlüssel“ quasi „überwunden“. In diesem späten Stadium steht die Einzigartigkeit Jhwhs im Vordergrund, womit jedoch eine immer weitergehende Abstraktion der theologischen Aussagen einhergeht223. Es könnte dabei das Bild einer theologiegeschichtlichen Entwicklung entstehen, in der das konkrete Befolgen der Gebote der Tora immer weiter in den Hintergrund gerät224. Wie lassen sich die Aussagen des Horeb- und Moabbundes auf der Ebene des uns heute vorliegenden Textes mit den Ausführungen von Dtn 4 und 30,1–14 verstehen?
erst aus der Zeit, als sich mit Darius (522/1) die Chance zur Rückwanderung eröffnete.“; SCHMID, Erzväter und Exodus, 165, datiert Dtn 4 in die Perserzeit. 221 Zitat siehe bei K NAPP, Dtn 4, 163; LOHFINK, Deuteronomium und Pentateuch, 24; V ANONI, Geist. 222 Siehe dazu vor allem jetzt aus jüngerer Zeit die Überlegungen bei GROSS, Zukunft, 27–44. 223 Siehe dazu BRAULIK, Monotheismus im Deuteronomium. ROSE, 5. Mose, 503, führt aus: „Wollten die Verfasser der Schicht III schon den Dekalog (Kap.5) als Resümee für das ausführliche Gesetzeskorpus (Kap. 12–25) verstanden wissen, so bieten die Theologen der Schicht IV nun im neuen Vorspann (Kap.4) eine Meditation über das, was ihnen ihrerseits am Dekalog am allerwichtigsten erscheint: das Bekenntnis zur Ausschließlichkeit Jahwes (bes. [Kap.4] V.35 u. 39) und das Verbot jeder bildlichen GottesDarstellung (V.12, 15–19, 23,28 u.ö.).“ Vgl. jetzt auch G ROSS, Zukunft, 39, der aus diesem Grund die Berit-Konzeption von Dtn 4 kritisiert. 224 Davor warnt CRÜSEMANN, Tora, 238: „Aus dieser begrifflichen Entfaltung des Grundansatzes einer biblischen Theologie ist die Gabe der Tora, Gottes in Gebote des Lebens gefaßte Liebe, nicht wegzudenken, mehr: Sie ist das Zentrum, ist die Gestalt gewordene Verbindung zwischen Gott und seinem Volk, die Gabe, mit der allein das Freiheit stiftende Verhältnis realisiert und bewahrt werden kann. Es ist das Dilemma einer verbreiteten christlichen Rezeption, daß sie meinte, diese theologische Reflexion auf die Gotteserfahrung, die hier Wort geworden ist, festhalten zu können ohne den Inhalt, um den all diese Reden kreisen, ohne die Tora, das deuteronomische Gesetz in Dtn 12–26.“
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Für beide Abschnitte lässt sich – und das ist in der Forschung unbestritten – „überwiegend spät-dtr Terminologie“225, eine ausgesprochene Nähe zur prophetischen Literatur und zu priesterschriftlichen Denkmustern nachweisen. So werden in der Diskussion immer wieder die Bezüge von Dtn 4 zur jeremianischen Überlieferung betont. Das Motiv des Jhwh-Suchens und Findens begegnet in der Form im Dtn sonst nicht. Es lassen sich aber wörtliche Bezüge von Dtn 4,29 zu Jer 31,13 und 29,13.14 nachweisen226. Ebenso verhält es sich mit dem sowohl in Dtn 4 als auch Dtn 30 dominanten Motiv der Umkehr (bwv) des Volkes und Jhwhs, das sich mit Jer 23,3; 29,14; 30,3.18 in Verbindung bringen lässt227. Vorsicht ist allerdings hinsichtlich der Rede vom „neuen Bund“228 in Jer 31 in Bezug auf Dtn 4 und 30 geboten. In den Dtn-Stellen ist zwar von einer Wiederherstellung des Verhältnisses Jhwh – Israel die Rede, nicht jedoch von einem neuen Bund. Vielmehr erinnert Mose Israel wieder daran, dass Jhwh die ÔKy$RtObSa tyâîrV;b nicht vergessen wird (4,31[37]). Von daher ist es angebrachter, hier von einer „Bundesbestätigung“229 zu sprechen. Einige Elemente von Dtn 4 werden in der historisch-kritischen Forschung vielfach in die Nähe der priesterschriftlichen Literatur gerückt230. Als Argumente werden zunächst sprachliche Wendungen aus 4,16–18.32 genannt, die eindeutige Parallelen in der priesterlichen Schöpfungsgeschichte aufweisen231. Auch der Rückgriff auf die Erzelternzeit lässt sich sprachlich auf Gen 17 beziehen232. Der Bund Jhwhs wird nicht mehr an den
225
Für Dtn 4,1ff. K NAPP, Dtn 4, 29; für Dtn 3 aaO, 154–157. K NAPP, Dtn 4, 91. Kvpn_lkbw knüpft dann aber wieder an Dtn 6,5 an. 227 Siehe bereits Wolf, Kerygma, 319, der diese Texte „auf den gleichen Verfasser“ zurückführte, „der sich in diesen Partien ganz besonders stark an die Jeremiatraditionen anschloß.“ W EINFELD, Translation, 218, spricht von einer „Theology of repentance“, und zieht die Parallelen zu 1.Kön 8,44–53 und Hos 5,15–6,1 und führt dies auf eine Theologie zurück, die sich in den Gebeten und Predigten der Exilszeit niedergeschlagen hat. 228 BRAULIK, Testament, 141. 229 LOHFINK, Neue Bund, 120 unter Aufnahme der Begrifflichkeit von BALTZER, Bundesformular. Sicherlich ist diesen Stellen ein „gemeinsamer theologischer Erwartungshorizont“ der Exilszeit gemeinsam (vgl. VANONI, Geist und der Buchstabe, 92f.), mehr aber nicht. 230 Vgl. O TTO, Deuteronomium 4, 221; LOHFINK, Deuteronomium und Pentateuch, 24; V ANONI, Geist und Buchstabe. 231 Siehe dazu die bei K NAPP , Dtn 4, 90 aufgeführten Belege. Deutlichster Hinweis ist das Auftauchen des Verbes arb in Dtn 4,32. 232 So hat LOHFINK, Väter Israels, 71, nachgewiesen, dass in 4,37 eine „Kurzzitation“ aus Gen 17 vorliegt: Die Formulierung wyrja worzl bezogen auf die Erzeltern begegnet im Alten Testament nur in Gen 17,19 und Dtn 4,37. 226
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Gehorsam Israels gebunden233. Es stellt sich jedoch die Frage, wie die Aussagen in Dtn 4 im Zusammenhang des Deuteronomiums in seiner uns heute vorliegenden Gestalt zu verstehen sind. Die Götzenpolemik in 4,23.24 und die Betonung der Ausschließlichkeit Jhwhs im Geschichtsrückblick 4,32–39 erinnern schließlich stark an die Theologie Dtjes234. Der Gegensatz zwischen den stummen Gottesbildern und dem geschichtsmächtigen Jhwh wird anhand der Geschichte vor dem „Tag“ des Deuteronomiums hervorgehoben. Anhand dieser Geschehnisse wird jedoch nicht nur die Einzigartigkeit Jhwhs dargestellt235, sondern auch Israels besondere Stellung unter den Völkern (4,33). Es geht in Dtn 4 um die „Beachtung der radikalen Ausschließlichkeit des Gottes Israels“236. Damit weitet sich zugleich der Horizont der deuteronomistischen Theologie: Israel vergleicht sich mit anderen Völkern. 4.1.4. Überlegungen zur Geschichtstheorie Die diachrone Interpretation kann auf ihre Weise die neuen theologischen Akzentuierungen erklären. Demnach wurden im Laufe der Literaturgeschichte des Dtn dieselben historischen Ereignisse, der Aufenthalt im Land, das Exil und eine mögliche Rückkehr ins Land, mit veränderten theologischen Denkmustern gedeutet. Die 40 Jahre werden als „Typos für das spätere Israel des Exils und der nachexilischen Zeit“ angesehen237. Der Umstand, dass in Dtn 4 und 30 explizit von einer erneuten Landnahme nach dem Exil die Rede ist, dient letztlich dazu, die Moabsituation auf die historische Lage der Adressaten im Exil hin durchsichtig zu machen: „Nur mehr ganz dünn ist die Wand zwischen den literarisch angeredeten Israeliten in Moab und den in Wahrheit angesprochenen im Exil. [...] Jetzt ist der Punkt der Geschichte direkt im Blick, an dem sich die wirklichen Adressaten befinden.“238 Aber im Grunde wird in der diachronen Forschung zwi233
BRAULIK, Buch, 133. „Sie bindet, zum Teil unter Rückgriff auf die Traditionen vom Bund mit Abraham und den Erzvätern (vgl. Gen 15,18; 17), JHWHs Bundeszusage nicht mehr an den Gehorsam Israels (4,31; 7,9; 9,5; 30,6).“ 234 Vgl. etwa 4,35b mit Jes 43,11; 44,6; 45,5.6.14.18.21.22; 46,9. Zur detaillierten Analyse siehe K NAPP , Dtn 4, 105f.; N IELSEN, Deuteronomium, 63 mit den Stellen. Er vermutet sogar, dass Dtn 4 von den Schülern Dtjes inspiriert sei. 235 Vgl. W EINFELD, Translation, 215: Er sieht den Abschnitt als „elaborate sermon“ an, der weniger auf Geschichte (wie Dtn 1–3) denn “to the glorious acts of salvation such as the Exodus (Vv. 20.34.37) and the theophany at Sinai (VV. 10–13.36). These serve the basic motivation for the staying away from idolatry,...”. 236 ROSE , 5.Mose, 491; BRAULIK, Deuteronomium I, 46; D ERS., Monotheismus im Deuteronomium; K RATZ, Komposition, 149, C RÜSEMANN , Glaube, 121–123, sprechen in diesem Zusammenhang von Monotheismus. 237 DE A RAUJO , Theologie, 331. 238 BRAULIK, Literarkritik, 34; vgl. LOHFINK, Bund, 119: „Er [der dtn-Erzähler] durchbricht die fiktionale Moabsituation und sagt seinen Zuhörern in Moab Dinge, die an sich der Bucherzähler seinen exilisch-nachexilischen Lesern sagen möchte.“ W EINFELD,
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schen der Landnahme, von der sonst im Dtn die Rede ist, und der in Dtn 4 und 30 in Aussicht gestellten kein Unterschied gemacht. Einen Aspekt des dahinter stehenden Geschichtsverständnisses hat Hoffman folgendermaßen formuliert: Er unterscheidet zwei Arten von Historiografien: Die eine, deren „main interest in the past“ liege, und die andere, deren „real concern is the present“. Für Dtn gilt: “Its aim is contemporary preaching, with historiography being only a tool.”239 Doch dieser Gesichtspunkt allein scheint noch nicht auszureichen, um zu beschreiben, wie die Interpretation von Gegenwart durch Geschichte im Dtn funktioniert, weil sie den Aspekt der Parallelisierung bestimmter Epochen innerhalb des Geschichtsbildes nicht ausreichend erfasst. Doch gerade diesem Phänomen begegnen wir in Dtn 4 und 30,1–10, wenn die Rückkehr ins Land, von der hier die Rede ist, nicht von vornherein mit der ersten Landnahme gleichgesetzt wird, von der sonst im Dtn gesprochen wird. In der Geschichtsschreibung des Alten Testaments tauchen Handlungsmuster bestimmter Epochen auf einmal völlig überraschend in anderen Perioden wieder auf. In Rückblicken dominieren manche Epochen, andere Ereignisse werden gar nicht erst erwähnt. Wenigstens bleibt die chronologische Reihenfolge der dargestellten Handlung insgesamt noch einigermaßen erkennbar. In den Mosereden ist dies nicht der Fall240. Obwohl nach der Geschichtskonstruktion Israel am „Tag“ vor der Landnahme aus Ägypten kommt, droht Jhwh in Dtn 17,18; 28,68 dem Volk damit, dass es nach Ägypten zurückmuss. Oder: Die Horebreminiszenz Dtn 9+10 verarbeitet und konzentriert ganz offensichtlich die Erfahrungen, die ab 1.Kön 12 breit geschildert werden241. Schon allein dadurch wird deutlich, dass die Darstellung des „Tages“ vor der Landnahme auf ganz konkrete Erfahrungen und Denkprozesse des Exils hin durchsichtig ist242. Auf diese Weise entsteht eine Gleichzeitigkeit zweier Epochen, die einem linearen Geschichtsbild entgegensteht. Offensichtlich geht es bei der Schilderung um mehr und anderes als die Darstellung von Ereignissen, die logisch aufeinander folgen und darum sinnvoll chronologisch geordnet werden können. Die biblische
Translation, 216: “Chapters 4 and 30 as well as 31:16–29 may then be seen as a kind of envelope for Deuteronomy, which conveys the basic message for the audience to which the book addresses itself.”). 239 Hoffman, Deuteronomist and the Exile, 664. 240 Siehe dazu oben S. 86ff. 241 Siehe dazu H ARDMEIER, Sch e ma’ Jisra’el, 68–72. 242 LOHFINK, Bund, 119, spricht in diesem Zusammenhang von „typologischer Doppelbödigkeit“.
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Geschichte kennt dies zwar auch243, aber der Text lässt sich damit alleine nicht erklären. Es stellt sich somit die Frage, wie sich der oben angedeutete Befund von quer zu den Epochen auftauchenden Handlungsmustern im Deuteronomium beschreiben lässt. Wenn Israel am Horeb das gleiche Verhalten an den Tag legt, worin es nach Auskunft der Königebücher seit Jerobeam I. befangen war, dann spielt ganz offensichtlich die Chronologie nur noch eine untergeordnete Rolle. Mit Warnung vor der Rückkehr nach Ägypten im Königsgesetz Dtn 17,18 und der Schlusssequenz des großen Segen-Fluch Kapitels 28,68 ist Ägypten längst eine Chiffre für die Unterdrückung in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht244. 4.2. Zur Epochengliederung im Dtn Um die Hoffnung über das Exil hinaus zum Ausdruck zu bringen, greift Dtn 4,27–40 und 30,1–14 jedoch, wie oben gesehen, auf alle Epochen zurück, die auch sonst im Deuteronomium eine Rolle spielen: Erzelternzeit, Exodus, Landnahme und die Zeit im Land. Doch offenbar gibt es zwischen diesen Perioden qualitative Unterschiede. Zunächst möchte ich versuchen, dieses Phänomen genauer zu beschreiben, um dann in einem zweiten Schritt zu untersuchen, inwiefern diese Differenzierung insgesamt im Dtn durchgehalten wird. Damit ließe sich die Verankerung der beiden hier behandelten Passagen im Geschichtsbild des Dtn genauer beschreiben. Als Grund für die Zerstreuung Israels unter die Völker nach der ersten Landnahme wird in dem Abschnitt Dtn 4,25–28 die Bilderverehrung und das Tun des „Bösen“ angeführt. Deswegen sollen die Tage im Land nicht lange währen (V.26) und auch dort, verstreut unter den Völkern, wird Israel steinernen und hölzernen, handgefertigten Göttern dienen (V.28). Aus der Sicht des „Tages“ der Moserede erscheint dies als zukünftiges Ereignis nach dem Aufenthalt im Lande vorhergesagt. Das entspricht jedoch gleichzeitig der unmittelbaren Vergangenheit aus der Sicht der Entstehungszeit dieses Textes245. Die Warnung an zukünftige Generationen wird somit in die ferne Vergangenheit verlegt und an den Ort, an dem schon die Vorfahren von Mose gewarnt worden sind: jenseits des Jordans. Der „Tag“ des Deuteronomium kehrt wieder. Israel wird erneut eine Rückkehr ins Land in Aussicht gestellt. Mose bringt dies ausdrücklich mit diesem „Tag“ in Verbindung: Bei einer erneuten Rückkehr ins Land wird Israel die Gebote befolgen, die Mose dem Volk „heute“ ( Mwø¥yAh, sprich: am Tag vor der ersten Landnahme, vgl. 30,2.8.11) gebietet. 243
Z.B. in Ex 1,6–9. Vgl. K ESSLER , Ägyptenbilder, 102.103 und CRÜSEMANN , Tora, 276, der in Bezug auf die Erwähnung Ägyptens im Königsgesetz feststellt: „Der Ausdruck ist zweifellos übertragen gebraucht.“ 245 Vgl. ROSE, 5. Mose, 499; W EINFELD, Translation, 207.209. 244
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Dabei weisen die erste Landnahme und die Rückkehr ins Land nach dem Exil bei aller Parallelität einige bezeichnende Unterschiede auf. Während in Dtn 7 das sogenannte „Banngebot“ für die erste Landnahme eingeschärft wird, ist davon bei der Verheißung der erneuten Rückkehr ins Land in Dtn 30,1–10 nicht mehr die Rede246. Hier begegnet nur noch das Verb vry (Dtn 30,5) in dem Sinne, wie es bei der Neuverteilung des Landes nach dem Erlassjahr verwendet wird247. Grundsätzlich ist jedoch daran festzuhalten, dass die erneute Rückkehr ins Land in Analogie zur ersten Landnahme gesehen wird. Israel bekommt eine zweite Chance. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft werden zugunsten von Handlungsmustern transzendiert, die bestimmten Epochen entlehnt werden. Wüstenzeit und Leben im Land sind Stationen der Geschichte Israels, an die es wieder zurückkehren kann. Die Frage ist nun jedoch, warum Israel sich an diesen „Tag“ und nicht nach Ägypten zurückversetzt sieht. Dem Exil soll der Aussage beider Stellen zufolge nach der Umkehr inmitten der Völker (4,30; 30,3) unmittelbar die Landnahme folgen. Eigentlich lassen die chronologische Reihenfolge von Gen – 2.Kön, aber auch die vielen geschichtlichen Bekenntnisse (Dtn 6,21–25; 26,5–9) zwischen Exil und erneuter Landnahme den Exodus als Option für die Zeit nach dem Exil an beiden Stellen erwarten. Die ständige Wiederholung des Exodusmotives an anderen Stellen im Deuteronomium248 würde dies zumindest nahe legen. Wie ist dieser Befund zu erklären? Offensichtlich kommt der Exodus als reale Option nach dem Exil jedoch nicht in Frage. Warum fehlt hier die Rede von einem neuen Exodus, wie dies aus der Tradition des Jesajabuches bekannt ist?249 Warum gerinnt die Befreiung aus Ägypten in der Moserede durchgängig zur Argumentationsfigur250? Der in vielerlei Hinsicht verwandte Text Dtn 30,1–10 baut auf denselben Grundlagen auf. Die Umkehr erfolgt „inmitten all der Völker, wohin Jhwh dich verstoßen hat“ (30,1). Die Umkehr ist eine Rückkehr zu den Inhalten des „Tages“ des Dtn (30,2a):
Mwóø¥yAh äÔK…wAxVm y¶IkOnDa_rRvSa löOkV;k w$ølOqVb D;tVoAmDvw 246
Zu den sprachlichen Ähnlichkeiten zwischen Dtn 30,1–10 und Dtn 7, die dann die Unterschiede zwischen erster (gewaltsamer) Landnahme und zweiter (friedlicher) Rückkehr umso deutlicher hervortreten lassen, siehe BRAULIK, Völkervernichtung, 33–37; CRÜSEMANN, Gewaltimagination. 247 BRAULIK, Völkervernichtung, 36. 248 K ESSLER, Ägyptenbilder, 102, spricht zu Recht von Unterdrückung und Auszug als einem „Grunddatum“ für das Dtn. Zur entstehungsgeschichtlichen Analyse der Exodusmotives im Dtn siehe CRÜSEMANN, Freiheit, 112–113; K REUZER, Exodustradition, 81– 106. 249 Vgl. Jes 43,16ff; 48.20ff; 50,2; 50,10.11; 51,9–11; 52,11.12; 55,12.13 . 250 Dtn 4,34.37; 5,6; 6,21.22; 7,8.18; 9,12.26; 10,22; 16,1.6.12; 23,5; 24,18; 26,5ff.
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Eingeleitet wird dieser Teilvers mit einer AK cons, die zeitlich an die Umkehr und diese wiederum an die Vertreibung unter die Völker anschließt. Die gleiche Zeitstruktur begegnet in V.8b: „und du wirst alles tun, was ich dir ‚heute‘ gebiete“. In V.10 läuft die Argumentation nicht anders: Auf alles, was geschrieben steht im Buch der Tora – die schriftliche Abfassung fand an jenem „Tag“ statt (31,9) –, wird Israel hören. Der Abschnitt 30,1– 10 stellt demnach eine Rückkehr zu dem in Aussicht, was an jenem „Tag“ gelehrt worden ist. Damit fest verknüpft ist eine erneute Landnahme und ein Aufenthalt im Lande, die die ersten übertreffen werden (VV.7–9). All diese Verheißungen sind Wiederholungen von Epochen, die Israel bereits durchlebt hatte. Gegenwart und Zukunft werden mit Epochen des deuteronomistischen Geschichtsbildes ausdrücklich parallelisiert. Die Umkehr zu den Inhalten des „Tages“ und die Aussicht auf eine erneute Landnahme folgt allerdings nicht einem erneuten Exodus, sondern einer Sammlung aus den Völkern, in die Jhwh Israel vertrieben hatte (V.4). Die dort auftauchenden Verben Xbq und jql sind nicht der Exodusterminologie entlehnt. Die breite Palette unterschiedlicher Epochen, auf die diese beiden Kapitel 4 und 30 zurückgreifen, können alle erneut durchlebt, vermieden oder gesteigert werden. Nur der Exodus und die Erzelternzeit, in der Jhwh das Land und die Bundesverpflichtung „zugeschworen“ hat, gerinnen in diesen Texten zu Erinnerungs- und Argumentationsfiguren. Ein diesen Epochen vergleichbarer Geschichtsabschnitt kommt für die Zukunft Israels nirgendwo in den Blick. Für den Vorgang, der sich am ehesten mit dem Exodus vergleichen ließe, die Sammlung aus den Völkern, wird Exodusterminologie offenbar bewusst vermieden. Auch hier zeigt sich: Es braucht nach deuteronomistischem Verständnis keinen neuen Exodus zu geben, so wie er etwa in dem zweiten Teil des Jesajabuches immer wieder beschrieben wird. Der Exodus ist in Dtn 4 und 30 die unverlierbare Grundlage, nach der wieder neu gefragt, zu der wieder umgekehrt und auf der wieder aufgebaut werden kann251.
251
BLUM, Pentateuch, 191, spricht von „bleibenden Konstituenten“ Israels. Nun geht er aufgrund der von ihm angenommenen „KD-Schicht“ davon aus, dass bereits die Darstellungen des biblischen Erzählers so angelegt sind, dass „jede Generation sich angesprochen sehen darf“ (ders, aaO, 193, im Hinblick auf Ex 19,3–6). Als Argument hierfür dient ihm der „paränetisch-programmatische“ Charakter des Textes. Auf der Ebene des Endtextes stellt sich der Sachverhalt jedoch ungleich komplizierter dar. Tatsächlich kommt Israel wieder in die Moabsituation zurück und wird dadurch auch wieder Zeuge des Horebgeschehens. Siehe dazu unten zur Verhältnisbestimmung von Horeb- und Moabbund S. 288ff.
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Die Rückkehr zu den heilvollen Anfängen252 bedeutet im Deuteronomium der Neuaufbau auf den Grundlagen, auf denen auch der Neuanfang des „Tages“ der Moserede ruhte. Das zeigen die expliziten Parallelisierungen des „Tages“ vor der Landnahme mit der Zeit vor der erneuten Landnahme nach dem Exil (Dtn 4,38; 30,5 s.o.). Die im Dtn geschilderte Grenzsituation ist der alte und neue Ausgangspunkt, an den Israel nach dem Verständnis des Deuteronomiums wieder zurückkehren muss. Es gehört zu diesem Anfang, dass die Zeit der Erzeltern und der Exodus nicht wieder durchlebt, sondern dass diese beiden Epochen in der vom Dtn geforderten Weise erinnert werden253. Damit – und das ist für den folgenden Gedankengang entscheidend – sind der Exodus und die Zeit der Erzeltern jedoch keine Perioden, die sich wie die Landnahme, der Abfall oder der „Tag“ des Deuteronomiums wiederholen und erneut durchleben ließen. Es gibt Zeiten, die nach deuteronomistischem Verständnis wie eine erneute Landnahme, wie ein erneuter Abfall oder wie der „Tag“ des Deuteronomiums sein können. Ein Ereignis wie den Exodus wird es nicht wieder geben: er ist so einmalig wie einzigartig. Grundsätzlich entspricht der Umgang mit dem Exodusmotiv und mit der Bundesverpflichtung, die den Erzeltern zugeschworen worden war, in Dtn 4 (und 30) dem Stellenwert dieser Epochen an anderen Stellen der Moserede. Es sei nur noch einmal an ihre zentrale Stellung in den beiden credoartigen Geschichtsabrissen Dtn 6,20–25; 26,5–9, an die vielen Belege zur Gesetzesbegründung254 und in den Festvorschriften255 erinnert. Ebenso verhält es sich mit der Epoche der Erzeltern256: Ihre Verheißungen lassen sich grundsätzlich nicht umstürzen. Die begründende Funktion dieser Rückgriffe auf den Exodus und auf die Erzeltern ist wie in Dtn 4 in all diesen übrigen Belegen des Dtn nicht zu übersehen. Ebenso wie alle anderen Gedankengänge auf dem Exodus und den Erzeltern aufbauen können, so kann in Dtn 4 und 30 auch die Hoffnung auf die Rückkehr ins Land mit diesen beiden Epochen begründet werden. Was die Genese dieser Texte anbelangt, so lässt sich sagen, dass die Funktion beider Epochen somit eine der Grundzüge des Deuteronomiums ist, die auch durch spätere Überarbeitungen nicht angetastet, auf denen
252
Die Rückkehr zu den heilvollen Anfängen gehört zu den grundlegenden Charakteristika biblischen Geschichtsdenkens. Zum Alter dieses Denkmusters siehe C RÜSEMANN, Hosea, 122. 253 Als Beispiel für Rückkehr zu den Anfängen aus der prophetischen Literatur sei hier nur Hos 12,10 angeführt: „Ich will dich noch einmal in Zelten wohnen lassen wie in den Tagen der Vorzeit“ ( dowm ymy). 254 Etwa 5,6.15; 10,19; 13,6.11; 15,15; 20,1; 21,18; 24,18. 255 Etwa 16,1.12. K REUZER, Exodustradition, 82.83. 256 Dtn 7,12.13; 8,18; 9,5; 29,24.
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vielmehr aufgebaut wurde257. Es gibt mehrere Linien, die durch die vielen Überarbeitungen immer weiter ausgezogen und dadurch theologisch vertieft wurden. (Z.B. die „Kultuseinheit“ oder die „soziale Vermenschlichung des Rechtes“, „Gültigkeit der Bundesschlüsse“258). Scheinbar hat es in diesen Fragen trotz aller innovativen Überarbeitungen einen nicht in Frage gestellten Konsens innerhalb der deuteronomistischen Tradition über die Generationen hinweg gegeben. Für den Endtext des Deuteronomiums bedeutet dies, dass die unterschiedlichen Epochen durchgängig die gleiche qualitative theologische und historiografische Gewichtung erfahren. Die Gesichtspunkte jeder der vier Typen historischen Erzählens, die Rüsen unterscheidet259, lassen sich in der Rahmenerzählung des Dtn ausmachen. Im Folgenden möchte ich danach fragen, wie sich die verschiedenen Aspekte dieses Modells in der Geschichtsdarstellung im Deuteronomium zueinander verhalten. Haben wir es eher mit einer exemplarischen oder eher traditionalen Geschichtsschreibung zu tun? Welche Züge dominieren? Welche treten in den Hintergrund? Wie sind sie durch die Epocheneinteilung untereinander verschränkt? Dabei kann kaum ein Zweifel bestehen, dass die Erzelternverheißung und das Exodusmotiv die traditionalen Elemente der historischen Erzählung des Dtn-Rahmens repräsentieren. Allein schon die prominente Stellung in den Bekenntnissen, Feiern und Gesetzesbegründungen lassen hier schwerlich einen anderen Schluss zu. Doch nicht nur der jahreszeitliche Rhythmus wird zum Anlass genommen, sich dieses begründenden Ursprunges zu vergewissern. Auch die historische Erfahrung des Exils wird zum Anlass genommen, den Exodus wieder zu vergegenwärtigen. Dass die Handlung des Exodus an sich nicht wieder historische Realität zu werden braucht, sondern im Exil allein die „Errungenschaften“ und die aus dieser Zeit gestifteten Institutionen restauriert werden, fügt sich genau in die Kategorie des traditionalen Aspektes von historischer Erzählung ein. Es findet dabei deutlich keine Überbietung der Vergangenheit statt, sondern es wird, wie wir oben gesehen hatten, nur darauf geachtet, dass auf den gleichen Grundlagen wieder aufgebaut wird, wie an jenem „Tag“ vor der Landnahme. Dabei stellt Dtn 30,5 zwar eine Steigerung der Ernten gegenüber der ersten Landnahme in Aussicht, dennoch handelt es sich hierbei nicht um einen qualitativen Unterschied der Epochen, wie ihn z.B. die Eschatologie kennt. Grundsätzlich werden der „Tag“ und das Exil, erste und
257
H ERRMANN, Restauration, 157, sieht das Dtn als Produkt einer Konzentration: „..daß aber das Dtn selbst offenbar einen verzweigten Überlieferungsprozeß unterschiedlicher Geschichts- und Rechtstraditionen aufgefangen, kanalisiert, konzentriert, systematisiert, ja fast sogar ideologisiert hat. [...] [H]ier artikuliert sich deutlicher als anderwärts, wie sich Israel selbst verstanden wissen wollte.“ 258 Siehe dazu LOHFINK, Bund. 259 Siehe dazu oben S. 43ff.
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erneute Landnahme parallelisiert, indem sie jeweils auf den gleichen Grundlagen beruhen. Erzelternverheißung und Exodus bilden das Überdauernde, das nicht mehr verloren gehen kann. Der qualitative Unterschied zwischen den Epochen, der im Deuteronomium durchgehalten wird, zeigt auf, was Israel im Laufe der Zeit wieder verlieren kann und was nicht, genauer, was Israel schuldhaft verspielen und auf was es auch unter den widrigsten Umständen wieder zurückgreifen kann. Wird diese Differenz zwischen den Epochen untereinander beachtet, lässt sich verstehen, welche Zuwendungen Jhwhs konditioniert sind und welche nicht. Die Landverheißung an die Erzeltern und das Wissen um die Einzigartigkeit Jhwhs, der seinem Volk die Freiheit geschenkt und mit ihnen aus dem Feuer geredet hat260, sind die unkonditionierten Grundlagen, die die Ursprünge Israels darstellen. Sowohl Dtn 4 als auch Dtn 30 – mögen sie spätere Zusätze sein – sind im Geschichtsbild des Deuteronomiums verankert, indem sie dessen Qualifizierungen der Epochen übernehmen. Von diesem Punkt aus kommen nun die exemplarischen Aspekte der Dtn-Rahmenerzählung in den Blick: An erster Stelle wäre hier sicherlich der Zusammenhang von Abfall von Jhwh und Verlust des Landes zu nennen. Dies ist sicherlich die bedeutendste zeitübergreifende Regel, die Israel aus seinen historischen Erfahrungen abgeleitet und in Dtn – 2.Kön niedergelegt hat. Das Geschichtswerk will diejenigen, die es lesen, dazu anleiten, diese Lebensregel in Zukunft zu beherzigen. Dieser Zusammenhang wird nun nicht nur als abstrakte Regel (Dtn 4,26.27; 8,19.20; 9,14; 28; 29,21– 27), sondern auch durch exemplarisches Erzählen veranschaulicht. Besonders deutlich lässt sich das an der Kundschaftererzählung (Dtn 1,19–46) beobachten. Bereits hier verspielen die Israeliten ihre erste Chance zur Landnahme durch ihr mangelndes Vertrauen. Demgegenüber steht die Regel, dass Vertrauen auf Jhwh und Bewahren der Gebote und Satzungen ein segensreiches und langes Leben im Land mit sich bringen wird. Auch dieser Zusammenhang wird als allgemeine Regel (vgl. Dtn 7,15–26; 8,6–18; 28; 30,8–10) und in Form einer lehrreichen Geschichte (die glückende Einnahme und Verteilung des Ostjordanlandes Dtn 2,25–3,22) zum Ausdruck gebracht. Insofern ist es sicherlich angebracht, von einer „Vermittlung von Regelkompetenz“261 im Dtn zu sprechen. Nun lässt sich die durch die Differenzierung zwischen traditionalem und exemplarischem Erzählen gewonnene Argumentationsgrundlage dazu nutzen, die theologischen Unterschiede von Dtn 4 und Dtn 30,1–10 gegenüber den sonstigen Aussagen im Dtn auf synchroner Ebene zu erklären. Dazu wäre zunächst die im Text selbst deutlich markierte Differenzierung zwischen der Landnahme nach dem „Tag“ des Dtn und der nach dem Exil auf-
260 261
Dtn 4,11.12.15.32–40; 5,4.22; 9,10; 10,4. RÜSEN, Zeit und Sinn, 181, siehe oben S. 43.
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
zunehmen. Betrachten wir zunächst die exemplarischen Gesichtspunkte des Erzählens im Deuteronomium, dann ergibt sich auf der uns heute vorliegenden Textebene folgende Konstruktion: Mose legt Israel vor der Landnahme die Alternative von Segen und Fluch vor. Hierfür stehen der Moab- und die Horebbund. In Jos – 2. Kön wird dann exemplarisch dargelegt, wie beides eingetroffen ist, wobei der Fluch gegen Ende überwiegt und das Land verloren geht. Das Lernen aus der Geschichte ist durch die vorhergehende Androhung des Fluches noch verstärkt. Dieses Lernen aus der Geschichte ermöglicht dann einen Neuaufbau auf genau den Traditionen, auf denen Israel vor der Landnahme bereits schon einmal aufgebaut hatte: Die Bundesverpflichtung, die den Eltern zugeschworen worden ist, und die Exodustradition. Wir hatten oben gesehen, dass beide die traditionalen Elemente des Geschichtsbildes des Dtn darstellen. Und tatsächlich ermöglicht die Lektion, die Israel aus seiner Geschichte gelernt hat, die zentralen theologischen Aussagen des Bundes-Schwurs an die Erzeltern und des Exodus – die Treue und die Einzigartigkeit Jhwhs – noch einmal neu zu formulieren. Diese Lektion macht jetzt jegliche Androhung des Fluches bei der erneuten Landnahme nach dem Exil überflüssig, weil Horeb- und Moabbund, die die Zuwendung Jhwhs vom Halten der Gebote und Satzungen abhängig machen, keineswegs überholt sind262: Sie bilden vielmehr mit dem Geschichtsbogen Jos – 2.Kön insgesamt einen Zusammenhang, der exemplarisch verdeutlicht, wie wichtig es für Israel ist, die Satzungen und Gebote der Tora zu halten. Die Einteilung in Epochen unterschiedlicher Qualität dient somit im Dtn dazu, eine fein abgestimmte Theologie auszuformulieren, in der genau zwischen dem unterschieden wird, was Israel im Laufe seiner Geschichte durch schuldhaftes Handeln verspielen und was unwiderruflich von Jhwh zu jeder Zeit als verlässliche Grundlage eines Neuaufbaus dienen kann. All dies kommt jedoch nur dann in den Blick, wenn die unterschiedlichen Aussagen über das Verhältnis Jhwh – Israel nicht in ein entstehungsgeschichtliches Nacheinander eingeordnet werden, bei dem die unkonditionierten Aussagen als Zielpunkt gesehen werden, die die konditionierten „überbieten“. Beide Aussagengruppen müssen sich nicht von vorneherein widersprechen, wenn die vom Text selbst sorgsam vorgenommene Epocheneinteilung mit in die Interpretation einbezogen wird. Die verschiedenen Ak262
Der Gefahr der Überwindung älterer Texte durch jüngere Zusätze entgeht auch G ROSS, Zukunft nicht ganz, obwohl er mit V ANONI, Anspielungen, 383–395, Dtn 30,11– 14 als Antwort auf Dtn 4,29–35 begreift und insofern nach seinem Verständnis die Reflexion über Möglichkeiten der Tora-Rezeption am Ende der Entwicklung stehen. G ROSS hebt dabei jedoch hervor, dass der Begriff tyrb in Dtn 30,1–14 fehlt, weil er „in dieser Tradition für reine Gnadenhaftigkeit des Gottesverständnisses nicht brauchbar“ war. (Groß, Zukunft, 44). Damit ist implizit ausgesagt, dass die älteren tyrb - Aussagen des Dtn in dieser späteren Zeit zur Beschreibung des Verhältnisses Jhwh – Israel nicht mehr brauchbar waren.
Die Neuorganisation des Rechtssystems
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zente und Themen lassen sich bestimmten Epochen zuordnen und so auf der Ebene des uns heute vorliegenden Textes als eine – dann allerdings sehr differenzierte – Theologie verstehen, in der das Verhältnis von Zuspruch, Warnung und exemplarischem Lernen aus der Geschichte sehr genau gegeneinander abgewogen ist. „Nicht Bund und Erwählung, die unmittelbar aus der Liebe Gottes kommen, werden durch Schuld und Versagen Israels in Frage gestellt, wohl aber die konkrete Lebensgrundlage und die politische Freiheit.“263 Inmitten dieser unterschiedlichen, aufeinander folgenden Epochen gibt es – dies ist als Ergebnis der vorliegenden Untersuchung entscheidend – einen festen Ort, an den Israel zu unterschiedlichen Zeiten wieder zurückkehrt, um von dort aus wieder in eine neue Epoche zu aufzubrechen: So ist die Zeit des Exils davon geprägt, dass Israel wieder nach Gott sucht ( vrd) und zu ihm zurückkehrt (bwv). Auf diese Weise wird es wieder in genau die Situation versetzt, in der sich Israel vor der Landnahme befand: Den Moabbund. Es hört wieder neu von den großen Taten Gottes: der Bundesverpflichtung, die Jhwh den Erzeltern geschworen hatte, der Landverheißung, den Befreiungstaten in Ägypten, dem Hören-lassen seiner Stimme vom Himmel her als Teil des Horebbundes. Somit steht die Landnahme erneut bevor (Dtn 4,34–38). Das Land kann somit zwar verloren gehen. Da aber der Schwur an die Erzeltern und der Exodus untrennbar mit der Landgabe verbunden ist, kann dieser Verlust nur ein Verlust „auf Zeit“ sein. Es gibt einen Punkt in der Geschichte, an den Israel nach Ablauf der Epochen immer wieder zurückkehren wird, an dem es sich die Taten Gottes neu vergegenwärtigt, die Verheißungen neu sagen lässt und von dem aus es im Vertrauen auf die Verheißungen der „ersten Tage“ und auf den Bund Jhwhs erneut aufbrechen kann. Das ist der „Tag“, an dem Mose seine Reden hält.
5. Die Neuorganisation des Rechtssystems An drei Stellen wird in der Tora davon berichtet, dass Mose personell entlastet wird: In Ex 18,13–27; Num 11,10–17.24–30 und Dtn 1,9–18. Diese Berichte erfolgen an markanten Punkten der Tora: Die beiden Darstellungen aus der Sicht des biblischen Erzählers in den Büchern Exodus und Numeri sind bei Ankunft Israels am Sinai und beim Aufbruch von dort zu finden. Mose stellt demgegenüber im Buch Deuteronomium seine Sicht dieser Umorganisation gleich an den Anfang seiner ersten Rede. Schon diese Anordnung zeigt, dass es bei der Entlastung Moses von einigen seiner Aufgaben um mehr gehen muss als um eine möglichst geschickte Arbeitsteilung. 263
CRÜSEMANN, Freiheit, 113.
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
5.1. Exodus 18,13–27 5.1.1. Hinführung Der große Stellenwert der Midianiter in der Exodustradition ist seinerzeit mit der sogenannten Midianiterhypothese erklärt worden. Sie ging von sehr alten Traditionen aus und besagt, dass Jhwh, ursprünglich ein Bergund Wettergott, den Israeliten durch die Midianiter vermittelt worden sei264. In Abwandlungen wird diese These bis heute vertreten. So hält Knierim es durchaus für möglich, dass diese Geschichte eine ätiologische Begründung für die „auffallende Tatsache geben wollte, daß die Keniter [...] Jahveverehrer waren.“265 Ähnlich Albertz: „Es ist durchaus wahrscheinlich, dass der ‚Sinai‘ einmal ein Bergheiligtum im edomitisch-midianitischen Grenzland war, das von den verschiedenen nomadischen Stämmen der Region, insbesondere von den Midianitern, aufgesucht wurde und an dessen Kult sich nun auch die Exodusgruppe beteiligte“266 Ob jedoch mit dem gemeinsamen Mahl, das Jitro mit Mose, Aaron und den Ältesten hält (18,12), eine Wallfahrtstradition begründet werden kann, darf mit guten Gründen bezweifelt werden. Die priesterlichen Funktionen Jitros bei diesem gemeinsamen Essen sind kaum ausgeprägt. Ebenso wenig ist in diesem Text von einem Wallfahrtsheiligtum die Rede267. Dennoch gibt es weiterhin gute Gründe, Jhwh und die Midianiter religionsgeschichtlich nahe beieinander zu sehen268. Insofern wird in Ex 18 eine zuverlässige Spur und ein religionsgeschichtlich wertvolles Zeugnis der Anfänge des Jhwh-Glaubens gesehen. Dabei ist dennoch zu beachten, dass die Texte zu dem schweigen, was unter historischen Gesichtspunkten von höchstem Interesse sein könnte. “In sum, there are tensions within the text which scholars have rightly seen, pointing to a development within the growth of tradition. However, the tradition itself has gone its own way toward resolving them, but in a manner which often fails to satisfy those whose concern with the text is chiefly historical.”269 Das Kapitel Ex 18 fügt sich nicht nahtlos in seinen erzählerischen Kontext. Immer wieder ist Ex 18 darum „in literaturhistorischer Hinsicht zu einem Problemfall“270 gemacht worden. Von den Spannungen, die in der Diskussion immer wieder benannt werden, seien hier nur die wichtigsten
264
G RESSMANN, Mose, 163. K NIERIM, Exodus 18, 148. 266 A LBERTZ, Religionsgeschichte I, 88. 267 FREVEL, Exodus 18, 11. 268 Siehe F REVEL, Exodus 18, 12. 269 CHILDS, Exodus, 323–324. 270 FREVEL, Exodus 18, 6. 265
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genannt271: In Ex 18,5 wird gesagt, Israel sei bereits am Berg Gottes, und in Ex 19,2 wird berichtet, Israel komme jetzt erst am Sinai an. Die Organisationsform, von der in 18,13ff berichtet wird, setzt einen längeren Aufenthalt an ein- und demselben Ort voraus. In Ex 24,14 scheint aber das Amt des Richters noch gar nicht bekannt zu sein, obwohl es in Ex 18,25 eingesetzt wird. Vor allem fällt auf, dass Mose nach eigener Aussage die Tora und die Rechtsbestimmungen lehrt (Ex 18,16b), die doch erst am Sinai offenbart werden. In der Tat erfolgt Dtn 1,9 zufolge die Ämteraufteilung erst nach dem Aufenthalt am Horeb (vgl. Num 10,29–32). Darum ist schon die Überzeugung vertreten worden, dass der ursprüngliche Platz dieses Kapitels am Ende der Sinaiperikope zu suchen sei. Die passende Stelle läge dann zwischen Num 10,10 und vor 10,11, also unmittelbar vor dem Aufbruch vom Sinai272. Die Spannungen sind in jeweiliger Entsprechung zu den entstehungsgeschichtlichen Modellen erklärt worden. Lange Zeit galt Ex 18 als „Paradetext des Elohisten“273, die Zuordnung zum Jehowisten bzw. zum Jahwisten bereitete immer besondere Schwierigkeiten. Auffällig sind die Probleme, Ex 18 in kompositionsgeschichtliche Modelle zu integrieren. So muss E. Blum auch an dieser Stelle auf seine Theorie einer „vita mosis“-Tradition zurückgreifen: „Wie es scheint, werden hier die Umrisse einer separaten, zusammenhängenden Moseüberlieferung sichtbar, die auszugsweise eben von KD aufgegriffen (Ex 3f.), zu einem anderen Teil aber erst in einer späteren Bearbeitung nachgetragen wurde (Ex 18).“274 Schließlich ist auch die Einheit von Ex 18 insgesamt in Frage gestellt worden275. In der Tat taucht das Tetragramm nur im ersten Teil V.1–12 [V.1+8(2x) + 9 + 10 + 11] auf, im zweiten Teil V.13–27 jedoch nicht einmal. Es ist vermutet worden, dass Ex 18,13–27 ursprünglich einmal zur Legitimation einer Rechtsorganisation zu Zeiten Joschapats diente. Knierim zieht dazu 2 Chr 19 heran und verweist darauf, dass nach diesem Bericht
271
Eine vollständige Aufführung der Beobachtungen, die sich aus diachroner Sicht anführen lassen, findet sich bei F REVEL, Ex 18, 7–8. Siehe auch H OUTMAN, Exodus II, 400. 272 So schon Ibn Esra, siehe dazu BLUM, Studien, 153–155 und HOUTMAN, Exodus II, 400. 273 FREVEL, Ex 18, 4. 274 BLUM, Studien, 156. Zur Auseinandersetzung mit dieser Annahme siehe CRÜSEMANN, Tora, 105 Anm 168. O TTO, Deuteronomium, 244, versucht, den Text seinem Pentateuchredaktor zuzuschreiben, trennt ihn jedoch von Ex 3–4 ab, was entstehungsgeschichtlich kaum zu halten ist. Siehe dazu F REVEL , Ex 18, 5 Anm 7. 275 Siehe dazu S CHÄFER-LICHTENBERGER, Exodus 18, 61–62, die die wechselnde Namensbezeichnung des Schwiegervaters und den Wechsel des Gottesnamens und der Gottesbezeichnung als literarkritisches Argument für die Trennung von Ex 18,1–12 und 13– 27 anführt.
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
Joschafat in den befestigten Orten seine Richter eingesetzt hat, also an Orten, wo er seine Organisation auf ein schon bestehendes Heer aufbauen konnte276. Schäfer-Lichtenberger277 hält der Datierung in die Zeit Joschapats entgegen, dass in dieser Epoche die Gesellschaft bereits weitaus differenzierter war, als sich dies in Ex 18,13ff* spiegelt. Sie geht darum mit ihrer Datierung noch weiter zurück bis in die Zeit Davids278. Unabhängig vom Problem der genauen Datierung ergibt sich die Frage: Welche Institution könnte hinter der Figur des Mose gestanden haben? Immerhin ist der Text über einen längeren Zeitraum tradiert worden, was auf eine Institution schließen lässt, die sich auf das in Ex 18 beschriebene Ereignis zurückführte. Für wen könnte Ex 18,13-27 die ätiologische Begründung geliefert haben? Es kann kaum bestritten werden, dass die auffällige Distanz des altisraelitischen Rechts zur Instanz des Königs ohne Mose nicht denkbar ist. „Wo andernorts der König steht, steht in Israel Mose.“279 Dann muss es jedoch im vorexilischen Israel eine Institution gegeben haben, die sich auf Mose berief. Mit guten Gründen ist hier das Jerusalemer Zentralgericht in die Debatte eingebracht worden, das laut 2 Chr 19,5ff von Joshafat im 9.Jahrhundert gegründet wurde und das in Dtn 17,8ff seine gesetzliche Grundlage erhalten hat. Ihm oblag es, neue Gesetze zu erlassen, die in ihrer Autorität der von Mose am Sinai in Empfang genommenen Rechtsbestimmungen in nichts nachstanden280. Im Zuge der literarhistorischen Diskussion sind wertvolle Textbeobachtungen gemacht worden, die im Zuge der Auslegung einer Endgestalt – wenn auch unter anderen Gesichtspunkten – mit bedacht werden müssen. An der Debatte um die Genese dieses Textes ist in jedem Fall bemerkenswert, dass eine Einordnung in größere Textzusammenhänge nie recht gelingen wollte. Dies deutet auf Eigentümlichkeiten des Textes hin. Eine Erklärung für seine Stellung in dem uns heute vorliegenden kanonischen Erzählzusammenhang nach dem Exodus und den ersten Episoden der Wüstenwanderung und vor der eigentlichen Sinaiperikope wird erst in jüngerer Zeit diskutiert281. 5.1.2. Die Neuorganisation Die Neuorganisation des Rechtssystems Israels auf das Anraten Jitros hat auf den ersten Blick pragmatischen Charakter. Die Entlastung, die diese Maßnahme für Mose mit sich bringt, ist jedoch von außerordentlicher theologischer Tragweite. Diese politische Restrukturierung betrifft keineswegs 276
K NIERIM, Exodus 18, 163–166. SCHÄFER-LICHTENBERGER , Exodus 18, 81. 278 SCHÄFER-LICHTENBERGER , Exodus 18, 83. 279 CRÜSEMANN, Tora 113. 280 Siehe dazu CRÜSEMANN, Tora, 108–109.113–121. 281 Siehe dazu F REVEL, Exodus 18, 14–22; zuvor schon BLUM, Studien, 155–160. 277
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nur die Gerichtsbarkeit Israels, sondern eröffnet überhaupt erst die Möglichkeit, dass Israel auf dem Weg weitergehen kann, der bereits den Erzeltern verheißen worden ist. Im Folgenden werde ich zunächst die konkrete Umverteilung der Ämter näher beleuchten, um dann in einem zweiten Schritt die theologische Tragweite dieser Maßnahme in den Blick zu nehmen. Die Perikope Ex 18,13–27 schließt durch eine ungewöhnlich genaue Zeitangabe an den unmittelbar vorangehenden Abschnitt an282: „Es geschah am anderen Morgen...“(V.13). Dieser Übergang fügt sich in die insgesamt ausgesprochen plastische szenische Darstellung innerhalb des gesamten Kapitels, die im Gegensatz zur lockeren erzählerischen Einbindung von Ex 18 steht. Die beiden unterschiedlichen Themen, die in den beiden Abschnitten V.1–12 und 13–27 verhandelt werden, sind durch die zeitliche Abgrenzung in natürlicher, für den Leser vorstellbarer Weise voneinander unterschieden. Was nun geschieht, steht auf einem anderen Blatt, es findet am darauf folgenden Tag statt. Die Verse 13–16 handeln von Moses Aufgabenbereich vor der Umorganisation. Was er jedoch genau zu tun hatte, lässt sich nicht so einfach bestimmen. In der Literatur werden sehr unterschiedliche Deutungsmuster angeboten. Völlig eindeutig ist zunächst einmal die Richterfunktion des Mose. Das Verb fpv begegnet sowohl auf der Ebene des biblischen Erzählers (V.13) als auch in der Eigenaussage des Mose (V.16). Auch zur Beschreibung der Tätigkeit, die die Amtsleute verrichten sollen, die einen Teil der Aufgaben Moses’ übertragen bekommen, wird dieses Verb verwendet (V.22 [2x] V.26). Mose „sitzt, um das Volk zu richten“ (V.13). Dass wir es an dieser Stelle offensichtlich mit einem terminus technicus283 zu tun haben, zeigt schon die Anfrage Jitros: „Warum sitzt du alleine?“ (V.14). Das Verb bvy alleine genügt an dieser Stelle, um die gesamte Tätigkeit Moses’ zu bezeichnen. Diesem „Sitzen, um zu Richten“ entspricht die Tätigkeit des Volkes: Es „steht“ (dmo) gegenüber Mose. Moses’ Schwiegervater weist auf diesen Sachverhalt mit der Wendung ÔKy™RlDo b¶D…xˆn hin (V.14). Beide Wendungen sind
282
CHILDS, Exodus, 329–330. SCHÄFER-LICHTENBERGER, Exodus 18, 63, sieht hierin eine „literarische Verknüpfung“. Grundsätzlich haben die beiden Teile des Kap 18 (V.1– 12 und 13–17) „keine sachliche Beziehung zueinander“. Sie sind „nur durch die gemeinsame Verumständung in dem schwiegerväterlichen Besuch miteinander vereinigt worden.“ (aaO, 64). 283 Vgl. dazu die wohl sprechendste Parallele Joel 4,12: „Die Völker sollen sich aufmachen und heraufkommen zum Tal Joschafat. Ja, dort will ich [Jhwh] sitzen ( bvy) und richten ( fpv ) alle Völker ringsumher.“
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
insgesamt recht unspezifisch. In diesem Kontext ist wohl durchaus an ein hierarchisches Gefälle gedacht, wie es etwa in der Hofhaltung begegnet284. Was in diesem Zusammenhang genau unter dem in V.13 beschriebenen Vorgang zu verstehen ist, wird noch einmal in Moses Antwort näher erläutert (Ex 18,15b–16):
h‰yVhˆy_y`I;k :My`IhølTa võOrdIl M™DoDh y¢AlEa añøbÎy_y`I;k …wh¡Eoér NyEb…w vy™Ia Ny¶E;b y$I;tVfApDvw y$AlEa aD;b ‹rDb;d M§RhDl :wy`DtOrwø;t_tRaw My™IhølTaDh yñé;qUj_tRa y¢I;tVoådwøhw Doch auch hier wird die Rolle des Mose nicht wirklich deutlicher. Im ersten Teil der Antwort (V.15) begegnet die Wendung My`IhølTa võOrdIl. Wenn das Volk „Gott suchen / befragen will“, setzt Moses Tätigkeit ein. Seit Westermanns grundlegender Studie meint man, in My`IhølTa võOrdIl einen terminus technicus für die Orakeleinholung zu sehen285. Grundsätzlich lässt sich dies auch kaum mit guten Gründen in Zweifel ziehen. Stellen wie 1.Sam 9,9 sprechen hier eine eindeutige Sprache. Besonders wenn eine Mittlerperson an dem Prozess beteiligt ist, weist die Mehrzahl der Befunde recht eindeutig in das Milieu der Orakelbefragung286. Jedoch ist die Wendung My`IhølTa / hwhy / lEa võOrdIl keineswegs darauf festgelegt. Sie hatte offenbar auch in der prophetischen Bußpredigt seinen Platz: Jes 55,6–7 (vgl. Dtn 4,29). In Am 5,4–6 begegnet die Wendung sogar in unmittelbar rechtlichem Kontext: 4 Denn so spricht Jhwh zum Haus Israel: Sucht mich und lebt! 5 Und sucht nicht Bethel auf und geht nicht nach Gilgal und geht nicht hinüber nach Beerscheba! Denn Gilgal wird ganz bestimmt gefangen wegziehen, und Bethel wird zum Unheil werden. 6 Sucht Jhwh und lebt, damit er nicht für das Haus Josef wie Feuer wirkt, das um sich frisst, und für Bethel niemand da ist, der löscht. 7 Weh denen, die Recht in Wermut verwandeln und Gerechtigkeit zu Boden werfen!
Ganz offensichtlich ist das „Gott suchen“ hier in rechtlich-soziale Verpflichtungen eingebettet. Nicht anders ist dies in Hos 10,12:
284
In Ri 3,19; 1.Kön 22,19; und Jer 36,21 wird mit der Wendung lo dmo das „Stehen“ der Hofleute vor dem König oder des Himmelsheeres vor Jhwh bezeichnet. lo bxn findet sich in vergleichbarem Sinn in 1.Sam 22,6f.17 und 2.Sam 15,2f. Siehe S CHÄFERLICHTENBERGER, Exodus 18, 66. 285 W ESTERMANN , Begriffe. Siehe dazu K NIERIM, Exodus 18, 154, Belegstellen in Anm 18; SCHÄFER-LICHTENBERGER, Exodus 18, 66 Anm 16. 286 W AGNER, vrd, 323. SCHÄFER-LICHTENBERGER, Exodus 18, 70, zufolge wird Moses in V.15 als Gottesmann – eine Institution der frühen Königszeit – gezeichnet, der mit „konkreten Alltagsproblemen befaßt“ ist. Sie verweist auf Parallelen wie 1.Kön 14,1ff; 2.Kön 8,8ff; 1.Kön 22,5ff; 2.Kön 3,10; Jer 21,2. CHILDS, Exodus, 330, führt die Stellen 1.Sam 9,9; 2 Kön 22,18; Jer 37,7 an und sieht Moses hier als einen „preacher of devine will“ an.
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Säet für euch nach Gerechtigkeit! Erntet gemäß der Gnade! Brecht euch einen Neubruch! Es ist Zeit, Jhwh zu suchen, damit er kommt und euch Gerechtigkeit regnen läßt.
Das „Gott suchen“ hat offenbar nicht nur seinen Ort im Zusammenhang mit persönlichen Nöten, sondern geschieht ganz offenbar ebenso aus geschichtlich-sozialen Zusammenhängen heraus. Dies findet ebenso seinen Niederschlag in den Psalmen287. Was den näheren erzählerischen Kontext angeht, hat die Aussage in Ex 18,15 zunächst ihre am nächsten liegende sachliche Parallele in Ex 33,7288. Jemand, der Gott sucht, muss nun, nachdem Jhwh es abgelehnt hat, im Lager Israels zu wohnen, zu dem außerhalb aufgeschlagenen Zelt der Begegnung gehen289. Zwar ist Mose hier eindeutig auch als Mittler gedacht, aber die Anwesenheit Jhwhs ist für das gesamte Volk augenfällig: Es sieht seinen Gott, der in einer Wolkensäule am Eingang des Zeltes stehen bleibt (Ex 33,9–10). Ob es sich hier auch um Rechtsangelegenheiten handeln könnte, lässt sich nicht genau sagen. Ein Unterschied zwischen Ex 18,15– 16 und Ex 33,7 liegt jedoch auf der Hand: In unserem Text Ex 18,15–16 heißt es: Wenn jemand Gott sucht oder eine Angelegenheit klären will, so „kommt er zu mir“ (V.16), erwidert Mose in seiner Antwort. In seiner ganzen ersten Entgegnung in V.15–16 spielt Jhwh im Grunde überhaupt keine eigenständige Rolle. Vor dem Hintergrund der sich im Exodusbuch entfaltenden Beziehungen zwischen Jhwh, Mose und Israel ist dies ein nicht zu vernachlässigendes Detail. Im weiteren Verlauf des Dialoges zwischen Mose und seinem Schwiegervater geht es vielmehr genau um diese Neubestimmung der Rolle Moses zu Jhwh. In einem zweiten durch die Präposition yIk eingeleiteten Satz (V.16) beschreibt Mose nun seine eindeutig richterliche Tätigkeit. Der in V.16a geschilderte Vorgang hat in 2.Sam 15,2 seine nächste Parallele: Dort wird jedoch noch sehr viel genauer auf einen Rechtstreit abgehoben: „Wenn jemand einen Rechtstreit (byîr) hatte, dann kam er zu dem König ...“. Inwieweit das Unterrichten der Tora in V.16b nun allerdings unmittelbar mit Moses richterlicher Tätigkeit zusammenhängt, wird anhand des Anschlusses durch eine Kopula in V.16b nicht unbedingt genau festgelegt. Denkbar ist beides: Entweder Mose unterrichtet die beiden Parteien des Rechtsstreites im Zuge des Gerichtsverfahrens über die Rechtsordnungen und die Tora, oder es ist an eine allgemeine juristische Lehrtätigkeit des Mose gedacht. Das wäre dann das dritte Amt, das Mose nach eigener Aussage innehat290. Genau lässt sich das aufgrund des Textbefundes jedoch nicht ent287
Ps 78,34; 14,2 (=53,3); 77,3. Anstelle von vrd steht in Ex 33,7 die „Parallelwurzel“ (Wagner, vrd, 313) vqb . 289 Siehe H OUTMAN, Exodus III, 685. 290 So mit CRÜSEMANN, Tora, 105. Anders CASSUTO, Exodus, 219, der das Unterrichten im Zusammenhang mit der Gottsuche und der Gerichtstätigkeit sieht: “...when they come to ask for instruction and guidance, and I answer in God’s name, and I make them 288
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scheiden. Für unsere Analyse ist es jedoch zunächst wichtig festzuhalten, dass die Lehrtätigkeit in der Antwort des Mose mit dem Verb ody hif. beschrieben wird, wohingegen Jitro Mose in V.20 rät, das Volk anhand der Rechtssatzungen und der Tora zu „verwarnen“ (rhz). Inwieweit letzteres noch unter die klassische juristische Lehrtätigkeit fällt, muss weiter unten noch genauer analysiert werden. Das Verb ody verwendet Jitro in V.20, um die Lehrtätigkeit des Mose bezüglich „des Weges, den sie [die Israeliten] gehen sollen“, zu bezeichnen. Welche Veränderung der Rolle des Mose sich auch immer hinter diesen leicht veränderten Formulierungen Jitros verbirgt: Der dritte Teil der Antwort des Mose in V.16b umschreibt zunächst einmal eine im weitesten Sinne juristische Lehrtätigkeit. In der historisch-kritischen Forschung ist hier eine Widersprüchlichkeit in der Rollenzuschreibung des Mose gesehen worden, die dann auf die Genese des Textes zurückgeführt wurde291. Die Frage, wie die Antwort des Mose in ihrer uns heute vorliegenden Form zu verstehen ist, wurde dabei nicht gestellt. Die in der Einleitung aufgeworfene grundsätzliche Frage, ob ein Text dann „verstanden“ ist, wenn die Genese seiner Merkmale geklärt ist, stellt sich auch hier wieder. Mit der Möglichkeit, dass die ungewohnte Zusammenstellung einzelner Segmente auch einen Sinn ergeben könnten, wird gar nicht mehr gerechnet. Ein Blick auf die grammatische Struktur von Moses Antwort (Ex 18,15b.16) mag hier weiterhelfen: Die ersten beiden Satzteile sind mit der Präposition yIk eingeleitet, der dritte durch eine einfache Kopula. Die ersten beiden Satzteile sind als zwei parallele Bedingungssätze aufzufassen. Es stellt sich nur die Frage, ob hiermit eine Alternative zum Ausdruck gebracht werden soll oder der zweite Satzteil den ersten erläutert. An eine Alternative „Gott suchen / befragen“ auf der einen und Streit schlichten
know the statutes of God and His directions.” In diesem Sinne auch JACOBS, Exodus, 513. 291 Siehe K NIERIM, Exodus 18, 154, der 16b.20 und 21b.25b für literarische Zusätze hält; SCHÄFER-LICHTENBERGER, Exodus 18: vgl. die ihre Untersuchung zusammenfassenden Ausführungen S. 77f: Ex 18,13–27 ist ihrer Ansicht nach in drei Schritten überarbeitet worden: V. 15b und 20b sehen Mose als den Gottesmann, der wie der unbekannte Seher in 1.Sam 9 in alltäglichen Lebensfragen Gott für seine Klienten befragt. In 16a und 20a wird Mose als der Gesetzesverkünder dargestellt, wohingegen 21b und 25b an die sozialen Differenzierungen des Heerwesens anknüpfen. Sogar CHILDS, Exodus, 329–332, unterstreicht nur die Fülle von Rollen, die Mose hier sich selbst zuschreibt oder von Jitro zugeschrieben bekommt und führt dies dann ebenfalls auf die lange Genese des Textes zurück. Eine genaue Analyse der Verschiebung der Rolle Moses im Laufe des Dialoges legt CHILDS nicht vor. Zu dieser Art der Differenzierung bemerkt CRÜSEMANN, Tora, 106: „Die angeblichen Spannungen im Text, die zu literarkritischen Operationen führen, verdanken sich also ausschließlich modernen Annahmen darüber, worum es in diesem Text geht.“
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auf der anderen Seite, ist hier offenbar nicht gedacht. Dies wäre im Hebräischen entweder durch ein yI;k wøa wie etwa in Ex 21,33 oder ein yIkw wie in Gen 3,6 und Ex 3,11 zum Ausdruck zu bringen gewesen. Der erste Satzteil muss in der vorliegenden Form dann als einleitende Überschrift aufgefasst werden, die durch den folgenden yI;k -Satz und den dritten Satzteil näher erläutert werden292. Ein weiterer Hinweis auf die enge Zusammengehörigkeit von V.15b mit V.16a lässt sich auch durch das Personalpronomen MRhDl in V.16a ablesen, das sich auf MDoDh in V.15b bezieht. Dies bedeutet aber nun, dass wir vor dem im AT sonst ungewöhnlichen Befund stehen, dass MyIhølTa vOrdIl hier in einem unmittelbarem Zusammenhang mit einem juristischen Vorgang steht. Die Gottespräsenz, die in den Kapiteln zuvor und vor allem auf dem Höhepunkt der Sinaiperikope erzählerisch mit allen Farben ausgemalt wird, fällt in dieser Antwort des Mose völlig aus. Wenn das Volk Gott sucht, bzw. wenn es einen Rechtsstreit hat, dann kommt es zu Mose. So ließe sich die Situation vor dem Ratschlag Jitros paraphrasieren. Dass dies nun angesichts der in Ex 18 geschilderten geschichtlichen Situation auffällig wenig ist, dürfte jeden Leser irritieren, der die Berufung des Mose Ex 3 und 4 noch im Kopf hat. Was ist aus dem großen geschichtlichen Rahmen geworden, innerhalb dessen sich der Dialog zwischen Jitro und Mose abspielt? Was ist mit den Themen, die nach wie vor den Hintergrund für diese Begebenheit abgeben? Was ist mit der Landverheißung (Ex 3,8.17; 6,4.8)? Was ist mit der Führungsposition des Mose (Ex 3,10)? Schon in der Nachfrage Jitros in V.14 deutet ebenfalls ein Merkmal auf diese merkwürdige Verengung der Rolle des Mose hin: Jitro sieht, „alles, was er (Mose) für das Volk macht“. Genau diese Wendung wiederholt Jitro in seiner Rede. Mit genau dieser Phrase ist jedoch das gesamte Kapitel eingeleitet und quasi überschrieben (Ex 18,1a)293:
r°RvSa_lD;k ·tEa h$RvOm NEtOj ‹NÎydIm N§EhOk w°ørVtˆy oAmVvˆ¥yÅw wóø;mAo l™EarVcˆyVl…w h$RvOmVl ‹MyIhølTa h§DcDo Für das Beziehungsgeflecht Mose – Jhwh – Volk heißt dies: In Ex 18,1 wird betont, was Gott für Mose und für Israel getan hat. Diese Taten bilden überhaupt erst die Grundlage für die gesamte Begegnung. In V.14 ist es
292
Vgl. CASSUTO , Exodus, 219, sieht V.15 als Überschrift an und führt dann weiter aus: “…this inquiry can take two forms…”. Eine sprachliche Parallele liegt in Ex 32,25 vor:
N$OrShAa hâOorVp_y`I;k a…wóh AoäürDp y¶I;k M$DoDh_tRa ‹hRv Om ar§A¥yÅw Auch hier erläutert der zweite Ki-Satz den ersten: „Mose sah, wie verwildert das Volk war, ja, Aaron hatte es verwildern lassen.“ 293 Diesen Zusammenhang zwischen Ex 18,14 und Ex 18,1 stellt auch CASSUTO, Exodus, 218, her.
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
nur noch Mose, der für das Volk etwas tut. Der Kontrast wird dadurch betont, dass die Wendung von V.1 in V.14 gleich zweimal wieder aufgegriffen wird – hier nun um die Einseitigkeit der Tätigkeit des Mose herauszustellen. Genau dieser „Missstand“ wird durch den Ratschlag Jitros beseitigt. Er fragt nach und wiederholt das, was er gesehen hat. Schon in V.14b stellt er dann fest: Durch Moses Praxis muss das Volk „vom Morgen bis zum Abend“ stehen. Das aber deckt sich mit der Aussage des biblischen Erzählers in der Einführung (V.13). Schon daran ist zu erkennen, wie sehr er seinen Standpunkt in der Nähe Jitros EINGENOMMEN hat. Ansonsten gehört er auch hier nicht dem Seinsbereich der beschriebenen Handlung an. Der biblische Erzähler ist auch hier am Fokus des Geschehens und gibt sich aber als Person nicht zu erkennen. Dennoch zeigen die Formulieren, wie wenig er ein „neutraler Chronist“ ist und wie sehr er mit Moses Schwiegervater sympathisiert. Jitros Reaktion auf Moses Antwort in V.15–16 lässt sich schon beinahe als kleine Rede bezeichnen. Sie umfasst die Verse 17–23 und lässt sich in Analyse der Situation (V.17–18) und Ratschlag (V.19–23) gliedern. Jitro nimmt Stellung zu dem Gehörten unter Wiederholung der gleichen Terminologie seiner Frage in V.14, wo er sich nach der „Sache“ ( rbd) erkundigt hatte, die Mose dort bewerkstelligt. In V.17b eröffnet Jitro seine Rede, indem er eben diese „Sache“ nach der Antwort des Mose zunächst einmal bewertet: „nicht gut ist die Sache, die du dort tust“ (V.17b). Jitros pragmatische Begründung lautet (Ex 18,18):
JK¡D;mIo rRvSa h™RzAh M¶DoDh_MÅ…g h›D;tAa_MÅ…g l$O;bI;t lâObÎn :ÔKá®;dAbVl …whäOcSo l¶Ak…wt_aøl r$Db;dAh ‹ÔKV;mIm d§EbDk_y`I;k Die figura etymologica, die aus der Wurzel lbn gebildet ist, zielt ohne Umschweife unmittelbar auf den Grund, weshalb Jitro zu seiner Bewertung gekommen ist: Sowohl Mose als auch das Volk werden durch diese Praxis „welk“294. Die Belege für dieses Verb zeigen, dass es in unserem Text durchaus im Sinne von „absterben“ aufgefasst werden kann. Dieses Verständnis legt sich aufgrund der exponierten Stellung der figura etymologica gleich zu Beginn der Rede nahe. Hinzu kommt, dass Mose nicht nur sich selbst durch seine Praxis gefährdet, sondern das Volk ebenfalls in Mitleidenschaft zieht. Die Erschöpfung hat eine einfache Ursache: Der nachfolgende yI;k - Satz ist der erste Teil eines synonymen Parallelismus, der eine doppelte Be294
Das Verb lbn begegnet in der alltäglichen Bedeutung zunächst einmal häufig im Zusammenhang mit Pflanzen, die kein Wasser mehr haben. So lautet die Drohung in Jes 1,30: „Denn ihr werdet sein wie eine Terebinthe, deren Laub verwelkt ( lbn ) ist, und wie ein Garten, der kein Wasser hat.“ Vgl. Jes 28,1.4; Ps 1,3. Im übertragenen Sinne wie hier in Ex 18,18 begegnet es noch in Jes 24,4; 2 Sam 22,46; vgl. Ps 18,46.
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gründung liefert: „Die Angelegenheit ist zu schwer für dich“ und: „du vermagst dies nicht alleine zu bewerkstelligen“. Auf genau diesen Missstand geht Jitros konkreter Vorschlag zu Moses Entlastung ein (Vv 21–22). Mose soll sich vertrauenswürdige Männer aussuchen, die seine Richterfunktion übernehmen sollen. Nach seinem konkreten Vorschlag zur Entlastung des Mose stellt Jitro die Vorteile eines solchen Vorgehens dar (V.22.23). Er geht dabei noch einmal auf den Anfang seiner „Rede“ ein. Das ÔKV;mIm d§EbDk_y`I;k von V.18 hat seine Entsprechung in V.22: Mose soll sich „entlasten“ (llq), indem die so eingesetzten Richter seine Last mit ihm tragen. Auch das Verb lky taucht am Ende von Jitros Ausführungen wieder auf: Wenn Mose das befolgt, was Jitro ihm aufträgt, dann wird er „standhalten können“ (V.23 vgl. V.18). Jitro leitet seinen Rat mit einer hochkarätigen theologischen Referenz ein (Ex 18,19a):
JK¡D;mIo My™IhølTa y¶Ihyˆw $ÔKVxDoyIa ‹yIlOqV;b o§AmVv hD;tAo Der Rat Jitros und die Beistandsverheißung sind in diesem Satz durch eine einfache Kopula miteinander verknüpft. Der zweite Teil wird mit einer Jussivform des Verbs hyh eingeleitet. Die meisten Kommentare fassen diesen Versteil denn auch als einen Wunsch Jitros auf295. Dem ist nicht grundsätzlich zu widersprechen, nur ist ebenfalls in Betracht zu ziehen, dass Finalsätze mit Jussiv nach der Kopula durchaus belegt sind296. Das würde jedoch bedeuten, das von der Befolgung des Ratschlages der Beistand Gottes abhinge. Die Beistandszusage verweist jedoch zurück auf die Berufungsgeschichte (Ex 3,12). Mit anderen Worten: Von der Befolgung von Jitros Ratschlag hängt der Erfolg der Berufung des Mose ab. Mose wird durch seinen ausländischen Schwiegervater wieder an seine ihm von Jhwh zugeteilte Aufgabe erinnert. Diese theologischen Anspielungen werden am Ende der Rede noch einmal aufgegriffen und ausgestaltet (Ex 18,23a):
dóOmSo ™D;tVlDk`Dyw My$IhølTa ÔK…wIxw h$RcSoA;t ‹h‰zAh r§Db;dAh_tRa MIa Die Vermutung, es könne sich bei V.19 um einen Finalsatz handeln, bekommt durch diesen Bedingungssatz (V.23) weitere Unterstützung. Die Bedingung lautet: „Wenn du diese Angelegenheit bewerkstelligst...“. Es folgen nun drei Satzteile, die durch eine Kopula eingeleitet sind. Damit ist
295
CHILDS, Exodus, 319, übersetzt: “Let me advise you and may God be with you”. Ähnlich H OUTMAN, Exodus, 393. JACOB, Exodus, 514: „Ich berate dich und Gott sei mit dir!“ 296 Ex 9,1; 2 Sam 16,11; 1 Kön 5,20; Ps 59,14; 86,17; Hi 21,19. Siehe dazu G ESENIUSKautsch § 165 (1).
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nicht eindeutig bestimmbar, wo die Protasis aufhört und wo die Apodosis anfängt. Zunächst zum ersten der durch eine Kopula eingeleiteten Versteil: Kann die Ausführung des Rates wirklich nicht die „Bedingung für die Behauptung von V.23aß ‚und Gott befiehlt es dir‘ sein“297? Es gibt jedoch durchaus analoge Befunde, aus denen sich sogar eine Regel ableiten lässt298. Wenn im durch MyIa eingeleiteten Bedingungssatz eine PK steht, dann kann der Nachsatz, der die Folge zum Ausdruck bringt, durch eine Kopula eingeleitet werden. Der Wechsel von der Protasis hin zur Apodosis könnte somit bereits zu Beginn von 23aß erfolgen. Dann wäre zu übersetzen: „Wenn du diese Angelegenheit bewerkstelligst, dann wird Gott dir befehlen.“299 Diese Lesart liegt durchaus auf der Linie anderer Aussagen, die Jitro in seiner Rede macht: Die erste Konkretion seines Vorschlages beginnt mit einer neuen Rollenzuschreibung für Moses, die in doppelter Hinsicht auf Gott hingeordnet ist (Ex 18,19b):
h¢D;tAa ¶DtaEbEhw My$IhølTa`Dh l…wm£ M#DoDl hD;tAa hªEyTh :My`IhølTaDh_lRa MyäîrDb;dAh_tRa Mose soll für das Volk „gegenüber“ der Gottheit stehen und soll dessen Angelegenheiten vor sie bringen. Es stellt sich nun die Frage, ob dies im ausschließlich juristischen Sinne zu verstehen ist. Tatsächlich liegt eine parallele Formulierung in Ex 22,8a vor:
M¡Rhy´nVv_rAb;d aäøbÎy My$IhølTa`Dh dAo£ Dort soll ein Streitfall zweier Einzelpersonen „vor Gott“ gebracht werden. Hier in Ex 18,19 soll Mose jedoch „für das (gesamte) Volk“ die Angelegenheiten vor Gott bringen. Dies hat zunächst einmal mit Rechtssprechung im strengen Sinn nichts zu tun. Während Mose sich selbst in V.16 noch als Richter und Vermittler zwischen zwei Parteien in einem Rechtsstreit dar-
297
SCHÄFER-LICHTENBERGER, Exodus 18, 73. Darum meint sie, dass das Verhältnis von V.23a und 23aß „etwas ungereimt“ sei. Für sie ist das der Ausgangspunkt ihrer literarkritischen Entscheidungen. 298 G ESENIUS-Kautsch, §159 q, der als Belegstellen Num 32,23; Hi 20,12–14 anführt. 299 Die meisten Kommentatoren sehen den Wechsel von Protasis zu Apodosis nach V.23 aß. So CASSUTO, Exodus, 220/221: “If you do this thing and God so commands you, then you will be able to stand up...”. In diesem Sinne auch JACOB, Exodus, 514. H OUTMAN, Exodus, 420/421, folgt CHILDS, Exodus, 331. Beide verstehen V.23aß als “an aside remark, with which Jitro reinforces his recommendation”, die aber sinngemäß auf dasselbe hinausläuft wie wenn dieser Versteil noch zur Protasis gerechnet wird. H OUTMAN, Exodus, 421, paraphrasiert die Aussage Jitros: “...if you don’t follow my advice, you go against the will of God.”
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stellt, ist er hier ab V.19 ein Vermittler zwischen dem Volk und Jhwh300. Dies ist nun allerdings ein Merkmal unseres Kapitels, das unmittelbar zu seinem „Sitz im Text“ nach den ersten Konflikten auf der Wüstenwanderung (Ex 16–17) und vor der Sinaiperikope (Ex 19ff) hineinpasst. Besonders in Ex 33–34 spielt Mose als Vermittler die alles entscheidende Rolle. Hier in Ex 18 wird diese Rolle zum erstenmal von den beteiligten Figuren thematisiert. Es lässt sich auch so sagen: Der Rat des ausländischen Schwiegervaters schafft zu allererst die Voraussetzungen für die so zentrale Rolle des Fürbitters. Doch der Rahmen von Jitros Rede (V.19 und V.23) weist noch auf eine andere Aufgabe Moses hin, für die er aufgrund der Umorganisation nun frei wird. Als abschließendes Ziel seines Vorschlages formuliert Jitro (Ex 18,23b):
:MwáølDvVb añøbÎy wäømOqVm_lAo hY‰zAh MDoDh_lD;k ‹MÅgw Wenn Mose den Ratschlag befolgt, dann wird das Volk „in Frieden an seinen Ort kommen“. Wie ist MwøqDm hier in V.23 zu verstehen? Grundsätzlich könnte damit die Behausung der Israeliten und Israelitinnen während der Wüstenwanderung gemeint sein, wie Ex 16,29 zeigt. Dann würden die eingeleiteten Veränderungen es den Israeliten ermöglichen, jetzt nach der Umorganisation nach Hause, in ihr Zelt zu gehen301. Allerdings sind diese Belege selten. Deswegen ist die Wendung als Hinweis dafür gesehen worden, dass der Text aus einem sesshaften Kontext entstammt302. Nun liegen jedoch durchaus Stellen vor, in denen mit MwøqDm das Land Kanaan bezeichnet wird303. Insofern würde V.23 auch einen Gegensatz zu dem „welk werden“ bei der bisherigen Praxis (V.18) bilden. Die neue Handhabe würde jedoch, so Jitro, die Aussicht eröffnen, dass das Volk in Frieden zu seinem Ort kommen kann304. Auch diese Sequenz verweist dann zurück auf den Anfang der Geschichte Moses mit Jhwh, auf die Berufung: Erst durch die Erleichterung kommt die Erfüllung der Landverheißung an die Erzeltern wieder in den Blick (Ex 3,8.17). Es bleibt festzuhalten: Der Ratschlag Jitros ist demnach eingerahmt (V.19 – V.23) durch Bezüge, die unmittelbar mit der theologischen Qualifizierung der Sendung des Mose zu tun haben.
300
So auch CHILDS, Exodus, 330; CASSUTO, Exodus, 220: “Indeed, in V.19 Moses functions as a mediator, not between disputing Israelites, but between God and Israel.” 301 H OUTMAN, Exodus II, 421; ähnlich CASSUTO, Exodus, 221. 302 So SCHÄFER-LICHTENBERGER , Exodus 18, 62. 303 Siehe etwa Ex 23,20 und Num 10,29. 304 Dass dies nicht der einzige Beleg dafür ist, dass der Schwiegervater Moses und die Landverheißung in einem Zusammenhang stehen, zeigt Num 10,29–32.
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Doch damit ist die Festlegung der neuen Rolle für Mose noch nicht abgeschlossen. Mose soll darüber hinaus von nun an als Lehrer auftreten (Ex 18,20):
D;tVoådwøhw túOrwø;tAh_tRaw Myäî;qUjAh_tRa M$RhVtRa hD;trAhzIhw :N…wácSoÅy r¶RvSa h™RcSoA;m`Ah_tRaw ;h$Db …wkVlEy ‹JK®r‹®;dAh_tRa M#RhDl Das Verhältnis Mose – Volk wird durch Jitro ebenfalls neu bestimmt: Mose soll ihnen die Rechtssätze und die Weisungen „androhen“ (rhz). Auch Mose hatte davon gesprochen, dass er dem Volk die Rechtssätze Gottes und seine Tora „kundtut“ (V.16). Dort steht jedoch das Verb ody hif. Wie ist nun dieser Wechsel zu rhz hier in V.20 zu verstehen? Das Verb rhz taucht eigentlich nie in der Bedeutung „lehren“ auf, sondern ist eher im Sinne von „warnen vor“ zu verstehen305. Dieser Wechsel der Verben deutet hier offenbar eine Intensivierung der Lehrtätigkeit an, die über rein kasuistische Rechtsprechung weit hinausweist. So erscheint die Übersetzung B. Jacobs angemessen: „... und mache ihnen die Satzungen und Weisungen klar..“306. Die wohl sprechendste Parallele ist in 2.Chr 19,10 zu finden307. Dort lautet die Begründung für dieses „klar machen“: „damit sie nicht an Jhwh schuldig werden und damit nicht ein Zorn über euch und über eure Geschwister kommt“. Dieses Verständnis lässt nun jedoch in der Tat unmittelbar an eine so grundsätzliche Lehrtätigkeit denken, wie Moses sie etwa im Deuteronomium praktiziert, in der das Befolgen der Gebote mit dem Lauf der Geschichte des Volkes in einen direkten Zusammenhang gebracht wird308. Diese Ausweitung des Horizontes wird im Verlauf von V.20 durchgehalten. Mose soll sie den Weg erkennen lassen (hier nun wieder ody hif), den das Volk gehen und wie es handeln soll. Die Formulierung ;h$Db …wkVlEy ‹JK®r‹®;dAh_tRa M#RhDl D;tVoådwøhw ist so offen, dass sie zu mindestens auch auf die Wüstenwanderung bezogen werden kann (vgl. Dtn 1,31; 8,2). In Dtn 8,6; 11,22 bezeichnet sie jedoch die Gebotsbefolgung. Der Text ist für beide Verständnismöglichkeiten offen. Eine Entscheidung ist hier nicht möglich und wohl auch nicht nötig, da Mose in beiderlei Hinsicht im weiteren Verlauf der im Exodusbuch dargestellten Geschichte tätig wird. Es wird genau berichtet, wie Mose die Leute, die ihn entlasten sollen, auswählt und sie einsetzt. Die Schilderung in V.25 ist eine wörtliche Wiederholung von V.21. Damit wird der Gehorsam Mose gegenüber dem Rat305
Vgl. etwa Ez 3,21. Siehe auch 2. Kön 6,10: Der „Mann Gottes“ (Elisa) geht zum König von Israel und gibt den Hinterhalt der Aramäer bekannt, so dass das israelitische Heer informiert und gewarnt ist. 306 D ERS., Exodus, 514. 307 K NIERIM, Exodus 18, 164.165 Anm 49. 308 Hier ist besonders an Dtn 28 zu erinnern.
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schlag seines Schwiegervaters unterstrichen. Die Amtsinhaber (rc), auf die Mose bei seiner Etablierung einer Rechtsorganisation zurückgreifen soll, spielen im Verlauf der weiteren Wüstenwanderung sonst nur noch einmal in Num 31 eine Rolle, dort aber in ausschließlich kriegerischen Zusammenhängen309. Auch dass diese Leute genau das machen, wozu sie ausgewählt wurden, wird ausdrücklich erwähnt (V.26). Es ist die Tätigkeit des Mose zu Beginn des Dialoges ( fpv in V.16). Dass dies eine Aufgabe ist, die alle Zeit in Anspruch nimmt, unterstreicht das tEo_lDkV;b in V.26a noch einmal. Grundsätzlich bleibt dabei Moses Richterfunktion jedoch erhalten, sie wird aber auf die schweren Fälle beschränkt310. In Lev 24,10ff.; Num 9,6ff; 15,32ff.; 36,1ff. wird von diesen Fällen erzählt, die vor Mose gebracht werden311. Die Anwendung des bereits erlassenen Rechts ist jetzt Sache der bestellten Richter. Das Befragen Gottes und das Erlassen neuer Gesetze bleibt Mose vorbehalten. Der direkte Kontakt Moses mit Jhwh spielt ja dann auch in all diesen Texten eine entscheidende Rolle. „Das sind solche Präzedenzfälle, in denen Mose genauso verfährt, wie es Ex 18 schildert und in denen alle drei Tätigkeiten des Mose sich sachlich und organisch untrennbar verbinden. [...] Das Amt des Mose vereint hier Züge, die zwar sonst häufig getrennt sind und von verschiedenen Gestalten ausgeübt werden, die aber sonst gerade bei Mose zusammen vorkommen und die in gewisser Weise das Spezifische dieses ‚Mose‘ ausmachen.“312 Die vorliegende Analyse hat zu zeigen versucht, dass Mose durch diese Maßnahme für die Aufgabe, das Volk in das den Erzeltern verheißene Land zu führen, für das Fürbitten- und das Lehramt entlastet wird. Das ist nun für den kanonischen Zusammenhang, in dem unser Text heute steht, von zentraler Bedeutung. 5.1.3. Einbindungen in den erzählerischen Kontext Nach dem Gespräch zwischen Jitro und Mose steht dem Leser die Komplexität des Moseamtes deutlich vor Augen. Im Folgenden wird es nun um die Frage gehen, warum diese Episode genau an dieser Stelle im Kanon erzählt wird. Warum wird genau hier nach dem Exodus, den ersten Episoden der Wüstenwanderung und vor der Sinaiperikope die Grundlage für die erzählerische Entfaltung der Rolle des Mose gelegt? “An exegetically more 309
Außerhalb des Pentateuch sind die Myrc in vergleichbarer Stellung noch in 1 Sam 22,7; 2 Sam 18,12; 17,18; 2 Kön 11,4.9f. 15.19; 1 Chr 13,1 belegt. Siehe dazu N IEHR, rc , 870. 310 Diese Veränderung der richterlichen Funktion hebt CRÜSEMANN, Tora, 107, deutlich hervor. 311 SCHÄFER-LICHTENBERGER, Exodus 18, 106, macht in diesem Zusammenhang auf diese Texte aufmerksam. 312 CRÜSEMANN, Tora, 106; vgl. auch H OUTMAN, Exodus II, 415.
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
promising question is why the writer has put the meeting between Moses and Jethro at this particular place in Exodus, and why it is here that he brings up an aspect of Moses’ work not touched on before as well as the new legal system put in place by Moses at the suggestion of his father-inlaw.”313 Die Familie des Mose und seine Aufgabe für Israel bleiben über die ganze Epoche des Exodus und der Wüstenwanderung sorgfältig getrennt. Wo sich aber beide Bereiche berühren, entsteht eine eigentümliche Spannung314. Bei der Begegnung Moses mit seiner Familie in V.1–12 verlangsamt sich der Rhythmus der Erzählung. Jetzt gerät der Erzählfluss merklich ins Stocken, was sich schon allein an all den Höflichkeitsbezeugungen ablesen lässt, die ausführlich referiert werden315. So wird die Situation, in die hinein Mose erzählt und Jitro sein Bekenntnis ablegt, dem Leser deutlich vor Augen geführt. Die Wiedereinführung Jitros erinnert den Leser zunächst an den Anfang des Exodus, noch bevor Mose dazu berufen wurde, Israel aus Ägypten herauszuführen. In der Zwischenzeit haben sich die Figuren jedoch entwickelt: Jitro ist nicht mehr nur der Schwiegervater, der seinen Schwiegersohn die Schafe hüten lässt (Ex 3,1). Vielmehr nimmt Jitro aktiv an der Geschichte seines Schwiegersohnes und dessen Volk teil, ja spielt darin sogar eine wesentliche Rolle. Auch Mose wird zum ersten Mal seit der Befreiung Israels aus Ägypten wieder als Person mit all seinen familiären Bezügen kenntlich. Doch jetzt begegnen sich Schwiegervater und -sohn ganz anders. Jitro zieht Mose in die Wüste entgegen, als er hört, dass Jhwh Israel aus Ägypten geführt hat (Ex 18,1). Anschaulicher kann im Grunde nicht dargestellt werden, von welcher Qualität das Geschehen ist, von dem in der Zwischenzeit berichtet wurde. Diese familiäre Szenerie ist zugleich eine gute dramaturgische Voraussetzung, Moses alltägliche Arbeitsbelastung zu veranschaulichen, der er mittlerweile ausgesetzt ist. Am Beginn von Ex 18 erfahren die diesen Bericht Lesenden erst im nachhinein, dass Mose seine Frau Zippora zurückgeschickt hatte (18,2). Nach Ansicht vieler Exegeten fügt sich diese Anmerkung nicht nahtlos in den Kontext316. Hat dieses nachholende Erzählen irgendeine besondere Funktion? Das letzte Mal wird Zippora in der merkwürdigen Episode Ex 4,24–26 erwähnt, bei der sie Mose durch die Beschneidung ihres Sohnes vor der Tötungsabsicht Jhwhs rettet. Wenn die Lebensretterin hier wieder eingeführt wird als eine, die Mose zurücklassen musste, lässt sich auch dies als Hinweis auf das Außerordentliche des Exodus und der Aufgabe 313
H OUTMAN, Exodus II, 399. So auch in Num 12. 315 CHILDS, Exodus, 327. 316 CHILDS, Exodus, 326, stellt fest: Ex 18,2 “does not fit too well with the ongoing narrative”. 314
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des Mose verstehen. Erst nach dem Exodus taucht Zippora mit ihrem Vater und den beiden Söhnen wieder auf. Und doch spiegelt sich in der Benennung der beiden Söhne das grundlegende Ereignis des Exodus wider: Normalerweise stehen die Begründungen für die Namen im Alten Testament immer im Zusammenhang mit Geburtsgeschichten317. Hier werden die Namensherleitungen im Zuge der Wiederbegegnung eingeführt bzw. wiederholt. In ihnen schlägt sich das Exodusereignis nieder, indem sie an Moses Situation vor und nach dem Auszug aus Ägypten erinnern. Die Begründung für den Namen des ersten Sohnes, Gerschom, wird jetzt noch einmal wiederholt (vgl. Ex 2,22 mit Ex 18,3): „Ich bin Gast geworden im fremden Lande“. Der zweite Sohn, Elieser, wird jetzt überhaupt erst eingeführt. Die Begründung für seinen Namen lautet: „Der Gott meines Vaters ist meine Hilfe gewesen und hat mich errettet vor dem Schwert des Pharao“ (Ex 18,4). Moses Söhne dienen nur der Spiegelung der Ereignisse, die ihr Vater mit Jhwh und dem Volk Israel erlebt. Eine eigenständige Rolle spielen sie im gesamten Verlauf der Exoduserzählung nicht mehr. Diese Bezüge zu Ex 2–4 machen deutlich, dass der Midian-Komplex insgesamt die Exoduserzählung rahmt. “Now ch.18 functions as concluding scene.”318 Es wird das gleiche idyllische Familien-Szenario gezeichnet wie in Ex 2 und 4, das ebenfalls mit den Erzelternerzählungen vergleichbar ist. „Die Wiederaufnahme des Ortes und der Personen aus dem Anfang der Exoduserzählung motiviert den Übergang zu etwas Neuem, gibt ihm erwartungsvolle Schubkraft.“319 Es ist ein Rahmen, der durch die Entwicklung der Figuren anzeigt, von welch elementarer Bedeutung das Ereignis ist, das er umgibt. Das ist somit die erste kompositorische Funktion von Ex 18 an seinem jetzigen Ort. Besonders deutlich wird der Fortschritt der Handlung durch das „Bekenntnis“ Jitros als Reaktion auf den Bericht des Mose: „Jetzt habe ich erkannt, dass Jhwh größer ist als alle anderen Gottheiten“ (Ex 18,12)320. Wie ist diese Aussage Jitros einzuschätzen? Von einer angeblichen Rückständigkeit Jitros, der nur eine schwache Ahnung von dem habe, wovon er rede, bis hin zur Überlegenheit, aus der heraus er Israels Geschichte interpretiere, ist alles in der Auslegungsgeschichte vertreten worden. In jedem Fall erfolgt mit Jitro der erste Geschichtsrückblick nach dem Exodus, womit eine Zäsur erreicht ist. Nicht umsonst ist dies der Ort, an dem die Verheißungen an die Erzeltern wieder zur Sprache kommen (Ex 18,23). 317
Siehe etwa Gen 25,25–26; 29,31–30,24. CHILDS, Exodus, 327. 319 FREVEL, Exodus 18, 18. 320 Dieses „Bekenntnis“ unterscheidet sich von der streng monotheistischen Aussage Naamans über Jhwh in 2 Kön 5,15. Jitro preist Jhwh mit einer Sprache, die dem 135. Psalm vergleichbar ist. Siehe dazu CHILDS, Exodus, 323/328. 318
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Vor dem Hintergrund der verhüllenden Einführung des Gottesnamens in der Berufungsgeschichte Ex 3,14 steht nun in der Wiederbegegnung Moses mit seiner Familie allen Beteiligten vor Augen, inwiefern Jhwh sich durch die Befreiung Israels aus Ägypten einen Namen gemacht hat. “The confession is an acknowledgement of a new understanding of God which has resulted from his action.”321 Jhwh ist größer als alle anderen Götter, weil er seine Verheißungen wahr gemacht und Israel in die Freiheit geführt hat. So gesehen leistet Jitro schon so etwas wie eine „Interpretationshilfe“322. Die beiden Berufungsgeschichten in Ex 3 und 6 und der Bericht über die Befreiung Israels aus Ägypten bilden erst zusammengenommen die Offenbarung des Jhwh-Namens an Israel. Zwischen Ex 3 und dem Aufenthalt am Sinai reagieren drei verschiedene Völker auf diesen Vorgang323. Pharao erkennt „noch nicht“ ( MRrRf), dass „Jhwh die Gottheit“ ist (Ex 9,30). Die Formel MyIhølTa hDwhy ist eine Wiederaufnahme aus Gen 2, spielt somit auf die Universalität möglicher Gotteserkenntnis an. Doch zielt der gesamte Plagenzyklus darauf ab, dass Pharao und sein Volk es zwar mit Jhwh zu tun bekommen, ihr Gehorsam Mose und Aaron gegenüber aber immer nur von äußerst kurzer Dauer ist. Amalek ist das erste Volk, dem Israel nach dem Exodus begegnet (Ex 17,8–15). Es führt in der Wüste Krieg gegen Israel. Ein Grund für diesen Angriff wird nicht genannt. Mit diesem Krieg gegen das wehrlose Volk steht dessen Existenz und damit die Verheißungen Jhwhs an die Erzeltern auf dem Spiel. Wie unmittelbar hier offenbar an eine Auseinandersetzung gedacht ist, in die Jhwh selbst mit eingreift, zeigt der Zusammenhang zwischen der Gebetshaltung Moses und dem Kriegsgeschick Israels (17,11). “The reader realizes that through Moses’ action YHWH again demonstrated that he was with Israel, also in the wilderness (cf. 17:7). He delivers not only from hunger and thirst, but also from the enemy.”324 Damit wird zugleich die für Israels Überleben zwingend notwendige Mittlerfunktion Moses anschaulich dargestellt. Dies ist der erste deutliche Kontrast zu Ex 18, wo beschrieben wird, dass Mose durch seinen Schwiegervater an diese Mittlerrolle zu allererst wieder erinnert werden muss. Die Bewertung des Angriffs auf Israel durch Amalek folgt unmittelbar auf den Bericht des Kampfgeschehens. „... denn ich will die Erinnerung an Amalek unter dem Himmel bestimmt ausreißen“ (Ex 17,14). Amalek wird in der Tradition zur Personifikation des Erzfeindes schlechthin325.
321
CHILDS, Exodus, 329. H OUTMAN, Exodus II, 395, zur Stelle: “If the mouth of outsiders cannot remain silent at the testimony about YHWH’s mighty deeds ... , can Israel’s mouth remain silent?” 323 Siehe dazu und im Folgenden CRÜSEMANN, Gott aller Menschen, 140–141. 324 H OUTMAN, Exodus II, 371. 325 Siehe JACOB, Exodus, 504–506. 322
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Die Wiederbegegnung Moses mit seinem midianitischen Schwiegervater ist schließlich der dritte Fall einer Begegnung Israels mit einem Angehörigen eines fremden Volkes. „An ihm wird durchgespielt, dass es zum Verhalten der Amalekiter, die auf Israels Erwählung kriegerisch reagieren (Ex 17) eine positive Alternative gibt.“326 Ein härterer Kontrast zu Amalek ist kaum denkbar. „Beider Handeln hat dort Israel zu gedenken – mit den entsprechenden Konsequenzen. M.E. spricht alles dafür, daß die Tradenten von Ex 18 bewußt diese in der Tradition vorgegebene ‚Paarung‘ – in der Überlieferung vom Exodus selbst – kompositorisch realisieren und damit für das in Kap 18 sozusagen an Mose personalisierte Thema ‚Israel und die Völker‘ eine weitere paradigmatische Dimension anklingen lassen: Die Erfahrung mit Amalek hat ihr Gegengewicht in der Begegnung mit Jethro.“327 Jitro freut sich über die Befreiung Israels. Er bekennt, dass Israels Gottheit Jhwh größer ist als alle anderen Gottheiten und richtet ein gemeinsames Mahl aus. Dabei wird nicht auf die Schöpfermacht Jhwhs rekurriert wie bei Jes oder in den Ps, sondern Jitro liefert ein Bekenntnis zu dem Gott ab, der durch den Exodus ein besonderes Verhältnis zu Israel stiftet. Jitro ist der erste, der zur Gotteserkenntnis kommt, obwohl er selbst beim Auszug nicht dabei war: Nur weil Mose ihm davon erzählt. Es handelt sich um eine Gotteserkenntnis aufgrund tradierter Erfahrung. „Jitro verehrt Jhwh als Elohim und Elohim als Jhwh – aber so, dass Ausgangspunkt und Basis die Verbindung Gottes mit Israel ist.“328 Damit wird ein „zweiter Zielpunkt“329 des Erzählflusses erreicht: In Ex 6,2.6.7 wird ausdrücklich gesagt, dass der Exodus zum Ziel hat, dass Israel erkennt, wer Jhwh ist. Mose, Mirjam und mit ihnen ganz Israel loben Jhwh nach dem Exodus. Schließlich ist es dann der Ausländer Jitro, der diese Jhwh-Erkenntnis auf den Punkt bringt330. Zugleich geschieht mit dem „Bekenntnis“ Jitros so etwas wie eine „Wiederaufnahme der Sprache der Urzeit“331, d.h. Jithro
326
FREVEL, Exodus 18, 13. BLUM , Studien, 163. 328 CRÜSEMANN, Gott aller Menschen, 141. Vgl. zum Kontrast zwischen Amalek und den Midianitern CASSUTO , Exodus, 211; H OUTMAN, Exodus II, 401; CASSUTO, Exodus, 211; BLUM, Studien, 163. 329 CRÜSEMANN, Gott aller Menschen, 141. 330 BLUM , Studien, 159: „Schließlich handelt die Episode davon, wie Jethro (nicht Israel!) zur Erkenntnis Jhwhs kommt (v.10–12).“ Mit BUBER, Moses, 112ff. BLUM verkürzt diesen Textzusammenhang jedoch dann darauf, dass es in dem gesamten Textkomplex nur um die Auseinandersetzung mit Moses nicht-israelitischer Frau ging. 331 CRÜSEMANN, Gott aller Menschen, 141. 327
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verehrt Jhwh als Elohim und Elohim als Jhwh (vgl. Gen 26,28f. oder Ex 5,2)332. Trotz der lockeren erzählerischen Einbindung von Ex 18 lassen sich theologisch aussagekräftige Bezüge zu den ersten Episoden der Wüstenwanderung ausmachen. Der Bericht über den Exodus findet seinen Abschluss mit dem Mirjamlied (Ex 15,21). Ex 19,1 stellt den Beginn der so genannten Sinaiperikope dar. Die Texte dazwischen (Bitterwasser bei Mara (Ex 15,22–27), Manna-Wachtel-Erzählung (Ex 16) und die Erzählung von Massa und Meriba (Ex 17) bilden somit einen „Übergangsbereich zwischen den beiden großen Hauptteilen, der Exoduserzählung und der Sinaierzählung.“333 Frevel hat überzeugend herausgearbeitet, dass all diese Geschichten dieses Übergangsbereiches eigentümlich auf den Sinai hindeuten: In Ex 16 ist zum ersten Mal von der hYÎwhy dwâøbV;k die Rede (V.7), obwohl die nach der priesterschriftlichen Theologie eigentlich erst am Sinai in Erscheinung treten dürfte. Ganz offensichtlich reicht die Gottesgegenwart des Berges schon in die Wüste hinein. Der Felsen, zu dem Mose vorausgeschickt wird und aus dem er Wasser holt, ist am Horeb zu finden (Ex 17, 6). „Hier wie an den anderen Stellen scheint die Spannung zwischen Wandernotiz und Lokalisierung der Erzählung bewusst in Kauf genommen zu sein, um ein Oszillieren der Erzählung zwischen Wüste und Sinai zu erzielen.“334 Auch das nächste erzählerische Spannungsmoment, das Ex 18 zu seiner Umgebung aufweist – die Rechtssatzungen und die Tora, die Mose lehrt (V.16), die aber doch erst ab Ex 19 offenbart werden – gerät unter sachlichen Gesichtspunkten in ein anderes Licht. Schon vor der Ankunft am Sinai werden Gesetze erlassen: Schon in Mara hält Mose Gesetze und Rechtssatzungen fest (15,25). Israel „entdeckt“ eines der zentralen Gebote, den Sabbat, hier auf den ersten Strecken der Wüstenwanderung (Ex 16,4.28). “The impression is given that from the start of its sojourn in the wilderness Israel was initiated into a life with YHWH and attendant rules.”335 Ebenso geht die Offenbarung von Geboten auch nach dem Aufbruch vom Sinai weiter. Die Gesetzgebung ist demzufolge keineswegs nur auf den Sinai beschränkt. “Consequently, in the Pentateuch in its current form, Israel’s encounter with YHWH at the Sinai is ‘only’ culmitation and focus of the giving of the Law.”336 Darüber hinaus werden schon in der
332
Zum Umgang mit dem Tetragramm in den Büchern Gen und Ex insgesamt und der erstaunlich konzisen Linie, die sich hier aufweisen lässt, siehe CRÜSEMANN, Gott aller Menschen, 137–141. 333 FREVEL, Exodus 18, 14. 334 FREVEL, Ex 18, 18. 335 H OUTMAN, Exodus II, 400/401. 336 H OUTMAN, Exodus II, 401.
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Genesis viele Gesetze und Bestimmungen für Israel erlassen, andere zeichnen sich sich bereits ab337. Dennoch wird Mose in Ex 18,13–27 durch seinen Schwiegervater Jitro für die Rolle vorbereitet, die er am Sinai einnehmen wird: “The administrative structure so put in place involves on the one hand a precise delineation of Moses’ position, and on the other hand a tight organisation of the people. It enables Moses to concentrate on the task of being mediator before God and lawgiver.”338 Vor den Sinaiereignissen werden die Voraussetzungen geschaffen, unter denen die Kommunikation zwischen Mose, dem Volk und Jhwh stattfinden kann339. In der Tat lässt sich insbesondere Ex 24,1–8 als eine erste Einlösung des in Ex 18,13ff Beschlossenen begreifen. Hier nimmt Mose seine Mittlerposition ein. Zunächst tritt er allein auf dem Berg vor Jhwh, um dann das Gesagte dem Volk mitzuteilen (Ex 24,3). Darüber hinaus ist noch zu erwähnen, dass in Ex 18,12 die Szene aus Ex 24 präfiguriert wird340: Jitro opfert – er nimmt somit priesterliche Funktionen war – und speist mit Aaron und den Ältesten341. Das erinnert an Ex 24,11, den ersten Höhepunkt der Sinaiperikope, wo auch Mose, Aaron und 70 von den Ältesten nach der Kundgabe des sogenannten „Bundesbuches“ vor Gott essen. Was hier auf dem Berg Gottes zwischen Jhwh und den Vertretern Israels geschieht, wird durch den ausländischen Schwiegervater des Mose nicht nur ermöglicht, sondern findet in Gestalt einer „Vorform“ bereits zuvor mit ihm gemeinsam statt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ex 18 – seiner erzählerisch nicht spannungsfreien Einbindung in seinen Kontext zum Trotz – für die Architektur des Pentateuch in seiner uns heute vorliegenden Gestalt eine der tragenden Säulen darstellt. Festzuhalten bleibt zunächst, dass Ex 18 in der Architektur des Pentateuch eine doppelte Spiegelfunktion einnimmt: Einmal als ein Rahmenteil um den Exodus, sodann als Rahmenteil um die Sinaiperikope342. Jitros bekenntnisartige Reaktion auf den Bericht über die Befreiungstaten Gottes ist ein Meilenstein auf dem Wege der Erschließung des Namens Gottes. Sein gemeinsames Mahl mit Aaron und den Ältesten Israels ist eine Vorabbildung der großen Mahlfeier in Ex 24,9–11. Jitros Ratschlag zur Organisation des Rechtswesens schließlich erinnert Mose
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Siehe etwa Gen 17,11. Näheres bei H OUTMAN, Exodus II, 414. Grundsätzlich dazu die Studien von MILLARD, Genesis und STEINS, Bindung. 338 H OUTMAN, Exodus II, 395. 339 H OUTMAN, Exodus II, 396. 340 FREVEL, Exodus 18, 9. 341 Es gibt wohl keinen Anhaltspunkt dafür, dass Jitro durch sein Bekenntnis „das Recht“ dazu erworben hätte, am Jhwh-Kult teilzunehmen. Eher ist das gemeinsame Mahl eine natürliche Folge seines Bekenntnisses. 342 Zu dieser Doppelfunktion siehe F REVEL , Exodus 18, 15–20.
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wieder an seine Berufung und damit an die Verheißungen Jhwhs. Mose wird entlastet, damit er das Volk „an seinen Ort“, in das bereits den Erzeltern verheißene Land führen und die Mittlerfunktion zwischen Jhwh und Israel wahrnehmen kann. Mit diesem Ratschlag Jitros werden somit zunächst die Voraussetzungen für das Geschehen am und auf dem Sinai geschaffen, indem Mose für seine außerordentliche und nach der biblischen Geschichtsdarstellung einmaligen Rolle freigestellt wird. Hier in Ex 18 wird das Amt des Mose ein entscheidendes Stück weiter aufgebaut, das Amt, das nur er allein innehat und innehaben wird. Gleichzeitig wird damit aber auch die Einzigartigkeit und Unwiederholbarkeit der Epoche unterstrichen, in der Mose das Volk aus Ägypten, durch die Wüste und an den Sinai führt. 5.2. Die Delegation des „Geistes, der auf Moses ist“ (Num 11) Die Entlastung Moses durch Vertreter des Volkes in Ex 18,13–27 hat seine Entsprechung in Num 11343. In diesem Kapitel sind zwei Motive miteinander verzahnt: Auf der einen Seite steht ein Konflikt zwischen Jhwh, Mose und dem Volk. Er bricht auf, als das Volk kurz nach dem Aufbruch vom Sinai begehrt, Fleisch zu essen und sich nach Ägypten zurücksehnt (Num 11,5). Auf der anderen Seite geht es in dieser Episode um Moses Führungsposition (Num 11,11–17). Möglicherweise liegen dem Kapitel zwei ursprünglich selbständige Erzähltraditionen zu Grunde, doch schon Noth urteilte, dass beide Stoffe zu „einer nicht mehr auflösbaren Einheit verschmolzen“344 seien. Es ist unschwer zu erkennen, dass die theologische Pointe der Erzählung gerade in der Verbindung der beiden Motive liegt. Num 11 wird mit einer Episode eingeleitet, die von dem übrigen Erzählfluss merkwürdig isoliert ist. Die nur aus drei Versen bestehende Notiz gibt eigentlich nur das von der Wüstenwanderung her (Ex 16–17) bekannte Schema „murrendes Volk – Moses Fürbitte – Lösung des Konfliktes“ wieder. Es fehlt beinahe jede erzählerische Ausgestaltung. Weshalb sich das Volk diesmal beklagt, wird noch nicht einmal deutlich. In Num 11,1 heißt es nur, dass es ihm „schlecht“ gehe. Mose tritt vor Jhwh wirksam als Fürbitter ein, dieser hebt seine Sanktion, das an den Rändern des Lagers zehrende Feuer, wieder auf. Diese so kurze und eigenartig schematisch erzählte Episode spielt jedoch für die Lektüre von Num 11 insgesamt eine entscheidende Rolle, indem es die Wüstenwanderung Israels vor dem Aufenthalt am Sinai wieder in Erinnerung ruft345. Die Kapitel Ex 16–17 bilden demzufolge den Hintergrund, vor dem unser Kapitel verstanden und ausge343
Siehe dazu BLUM, Studien, 157; CRÜSEMANN, Tora, 111–113. N OTH, Pentateuch, 34 Anm 119. Zur weiteren Literatur, die sowohl entstehungsgeschichtliche Modelle als auch die kompositionelle Einbindung des Kapitels diskutiert, siehe CRÜSEMANN, Tora, 111 Anm 184. 345 Vetter, Menschen, 500: „Der Eingangsabschnitt V.1–3 bereitet Verstehen vor.“ 344
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legt sein will. Bei allen Analogien wird es in der Analyse von Num 11 vor allem auf die Differenzen zu den Berichten von der Zeit vor der Ankunft Israels am Sinai ankommen. An ihnen lässt sich ablesen, was sich nach dem Aufbruch vom Sinai grundlegend geändert hat. Auch das zweite Motiv, das Num 11 durchzieht und prägt, Moses Entlastung, hat sein Pendant in Ex 18,12–27 unmittelbar vor der Sinaiperikope. 346 Der Bericht vom Aufenthalt Israels am Sinai (Ex 19–Num 10,10) ist insofern mehrfach gerahmt. Zunächst zu dem Konflikt, den das Volk durch seine Unzufriedenheit auslöst. Die Klage, es sehne sich nach Fleisch, verwundert insofern, als zuvor mehrfach die Rede davon ist, dass das Volk schon in der Wüste reichlich Vieh hat (Ex 12,38; 17,3; 19,3; 34,5; Num 14,33; 32,1)347. Das Verstörende an Jhwhs Reaktion auf diese Klage liegt darin, dass er wie in den Episoden Ex 16–17 dem Ansinnen des Volkes zwar nachkommt, dies aber jetzt eher einer Strafe gleichkommt. Das Volk verlangt nach Fleisch (Num 11,4), Jhwh kündigt an, ihm so viel davon zu essen zu geben, dass es sich davor ekeln wird (Num 11,20). Am Ende schlägt er das Volk, dem das Fleisch noch zwischen den Zähnen hängt, mit einer schweren Plage (Num 11,33). Während Jhwh den Bitten des Volkes nach Brot (Ex 16,3) und Wasser (Ex 15,24; 17,2) vor dem Aufenthalt am Sinai nachkommt und der Konflikt damit gelöst ist, kippt die Gabe des Fleisches hier in Num 11 in eine Bestrafung um (V.18b–20). Bei diesem Beschluss bleibt es auch. Als Jhwh ihn durchführt, kommt sogar noch die „schwere Plage“ dazu (Num 11,33). Auch das zweite Motiv der Erzählung in Num 11, Moses besondere Rolle in dieser einzigartigen Epoche, weicht in entscheidenden Punkten von dem Schema der Episoden vor dem Aufenthalt am Sinai ab. In Ex 16 richtet Mose ausschließlich die Befehle Jhwhs aus (Ex 16,6.9.15.19.25.32– 34). Dies ist in Ex 17 anders. Als das Volk vor Durst fast umkommt, ruft er Jhwh an, weil er befürchtet, gesteinigt zu werden (Ex 17,4). Moses Intervention hat Erfolg, das Volk hat am Ende zu trinken (V.8). Wie so vieles in diesen Kapiteln ist auch dieser Erzählzug eine Vorahnung von dem, was am Sinai endgültig bestätigt wird. Moses Intervention bei Jhwh in Ex 17,4 spielt auf die Dialoge in Ex 32–34 an, in denen davon berichtet wird, wie Mose in seine Rolle als Fürbitter endgültig hineinfindet348. In Num 11 hingegen legt Moses ein Verhalten an den Tag, das sich von den Episoden in Ex 16–17 abhebt. Als das Volk seine Lust auf Fleisch vorgetragen hat, wendet sich Mose an Jhwh, noch bevor von dessen Zorn auf das Verhalten des Volkes überhaupt die Rede ist (Num 11,11–14). Es
346
Siehe dazu die Aufstellung bei FREVEL , Exodus 18, 19. Darauf hat bereits Rashi aufmerksam gemacht. Siehe dazu LEVINE, Numbers, 321. 348 Siehe dazu S. 252ff. 347
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befremdet zunächst einmal, dass Mose das Fehlverhalten des Volkes Jhwh anlastet (V.11). In seiner Rede (V.11–15) taucht die Wurzel acn insgesamt dreimal auf (V.11.12.14). Jedes Mal ist sie auf Mose bezogen, der von sich sagt, dass er die Last des Volkes „trägt“. Genau diesen Aspekt wiederholt Mose in seiner Wiedergabe der beiden Episoden Ex 18,13–27 und Num 11 in seiner Abschiedsrede (Dtn 1,12). Zu Beginn der Sinaiperikope heißt es aber ausdrücklich, dass das „Tragen“ des Volkes die Angelegenheit und Aufgabe Jhwhs ist (Ex 19,4). Mose geht in seiner Klage sogar so weit, dass er sich als Erfüller der Landverheißung sieht (Num 11,12). Er rückt damit beinahe an die Stelle Jhwhs. Änliches lässt sich auch in Ex 32,25–27 beobachten349. Jhwh erhört Moses Bitte. Dabei geht es zu allererst um dessen Entlastung (V.16–17) und erst in zweiter Linie um die Klage und das Verhalten des Volkes (V.11–21). Auf das „Umkippen“ von dem Erhören der Klage in eine Strafe reagiert Mose nur mit Unglauben (V.22). Davon, dass Mose wie in Ex 17,4; 32,11–13 beherzt für das Volk eintritt, findet sich hier keine Spur. Dies lässt sich als Fortführung der Kritik verstehen, die bereits in Ex 32–34 laut wird. Sie wird sich in den folgenden Kapiteln noch steigern und schließlich in dem Beschluss münden, dass er nicht ins Land darf (Num 20,12; 27,14). Vor diesem Hintergrund ist die Delegation „des Geistes, der auf ihm liegt“ (V.17) auf die 70 Ältesten Israels zu verstehen, die Mose ausgewählt hat. Während in Ex 18,13–27 der Schwerpunkt der Erzählung darin lag, dass Mose für seine Führungsaufgaben entlastet wird, setzt mit der Sinaiperikope ein entgegengesetzter Prozess ein. Mose wird zwar nicht direkt vom biblischen Erzähler kritisiert, es legen sich aber aufgrund der dargestellten Handlung Schlüsse nahe, die auf eine Kritik an Moses hinauslaufen. Unweigerlich stellen sich Fragen wie: Warum meint er Lasten tragen zu müssen, die alleine Gott auf sich nehmen kann? Warum nimmt er auf der anderen Seite seine eigentliche Aufgabe, die Fürbitte, nicht wahr? Dass diese Kritik innerhalb einer Erzählung laut wird, die im weitesten Sinne von Moses „Nachfolge“ handelt, kann kaum als Zufall bezeichnet werden. Mose hat im eigentlichen Sinne niemanden, der nach ihm seine Rolle übernimmt. Insofern hat Mose kein „Amt“ inne, dass er an einen Nachfolger übergeben könnte350. Nach seinem Tod werden seine Aufgaben an verschiedene Personen, Gruppierungen und Institutionen delegiert. Der Anfang wird hier in Num 11 gemacht. Jhwh nimmt Moses Geist und verteilt ihn auf das Gremium der 70 Ältesten. „Mose gibt seine Autorität – zwar nicht auf der Erzählebene, wohl aber auf der Sachebene – an sie ab. 349
Siehe dazu S. 230ff. SCHÄFER-LICHTENBERGER, Josua und Salomo, 166: „Theologisch betrachtet hat Mose als die von JHWH bestimmt oberste Autorität keinen Nachfolger. Die Position Moses hört mit seinem Tode auf zu bestehen.“ Siehe dazu S. 278ff.293ff. 58ff. 350
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Sie repräsentieren ihn so, wie er sie legitimiert.“351 Dadurch, dass die „Nachfolge“-regelung in dieser Art mit Kritik an Mose gepaart ist, wird jeder Art von Ruf nach einer einzigen starken Person, in deren Hand alle Fäden zusammenlaufen, subtil, aber wirksam der Boden entzogen. Levinson352 hat nachgewiesen, dass aus den 70 Ältesten durch die Verteilung des Geistes in Num 11 nicht unbedingt ekstatische Propheten werden müssen. In der Forschung ist aufgrund des Verbes abn hitp. (Num 11,25–26) immer 1 Sam 10,5ff; 19,2ff herangezogen worden. Es kann kaum ein Zweifel bestehen, dass es sich bei der Prophetenschar, in die Saul hineingerät, um Ekstatiker handelt. Dafür, dass es sich jedoch in Num 11 anders verhält, lassen sich im Text einige Hinweise finden. Dieser Wandel auf der institutionellen Ebene wird bereits in Ex 24, einem der zentralen Kapitel der Sinaiperikope, vorbereitet. In Ex 24,11 werden die 70 Ältesten als lEarVcˆy yEnV;b yElyIxSa (meist mit „die Edlen“ übersetzt) bezeichnet. Dieser Begriff ist in diesem Bedeutungszusammenhang Hapax und muss wohl mit dem Verb lxa in Verbindung gebracht werden, mit dem die Umverteilung des Geistes von Mose auf eben jene 70 Ältesten beschrieben wird (Num 11,17.25). Darüber hinaus haben sie schon am Sinai wie Moses, Aaron, Nadab und Abihu Jhwh geschaut, gegessen und getrunken. Ihnen war demzufolge schon zu diesem Zeitpunkt die gleiche Qualität der Offenbarung zuteil geworden wie Moses. “Although the narrator does not disclose the contents of this vision, the association of this account with Exodus 24 suggests that the elders’ experience of ecstasy in a central social context led them, along with Moses, into a vision of God not unlike the one on Mt. Sinai and prerequisite to the support they would give to Moses.”353 Offenbar ist in Num 11 nicht an grundlegend anderes gedacht, als an das in Ex 24 Berichtete: “What was alluded to in Ex 24,11, is spelled out in Numbers.”354 Darüber hinaus ist in Num 11,25 davon die Rede, das der Geist auf den Ältesten „ruhte“ (jwn). Dieses Verb fehlt in 1 Sam 10,5ff; 19,20ff und spricht ebenfalls eher gegen irgendeine Form von ekstatischer Prophetie. Ganz offensichtlich bewirkt die Umverteilung des Geistes in erster Linie einen Wandel auf institutioneller Ebene355. Diese Neuorganisation wird erzählerisch nicht eingelöst, sondern nur auf der Sachebene konstatiert356. Wir haben es hier mit einer Erzählung zu tun, die auf Zustände einer „nachmosaischen Zeit“ abzielt. Die Institution, die sich auf Ereignisse in
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CRÜSEMANN, Tora, 113. LEVINSON, Prophecy. 353 LEVINSON, Prophecy, 515. 354 LEVINE, Numbers, 339. 355 Siehe dazu die Ausführungen bei WELKER, Gottes Geist, 81–85. 356 Darauf macht CRÜSEMANN, Tora, 113, aufmerksam. 352
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der Moseepoche zurückführt, weiß sich selbst qualitativ grundlegend von dieser Zeit getrennt, bekennt aber, dass ihr Grundstein damals gelegt wurde. Wir haben es somit in Num 11 mit einer Geschichtsschreibung zu tun, die unverkennbar traditionale Züge trägt. Mit Num 11 setzt ein Prozess der „Demokratisierung“ ein, der von Mose selbst sogar so weit getrieben wird, dass er sich in Num 11,29 wünscht, das gesamte Volk bestünde aus Propheten. Dies erfährt zwar zunächst in Num 12,7.8 wieder eine klare Korrektur, macht aber deutlich, wohin der Prozess laufen wird, der hier angestoßen wurde. Unmittelbar nach der Sinaiperikope wird bereits festgestellt, dass es eine Gestalt wie Mose nicht noch einmal geben wird. 5.3. Die Neuorganisation aus Moses Sicht (Dtn 1,9–18) Der Bericht über die Neuorganisation des Rechtswesens erfolgt an prominenter Stelle innerhalb der Mosereden. Gleich zu Beginn seiner Ausführungen (Dtn 1,9–18) erinnert Mose das Volk daran, wie er den Großteil seiner juristischen Aufgaben an die führenden Köpfe delegiert hat. Ausgelöst wird diese Maßnahme in Moses Darstellung nicht durch seinen Schwiegervater, sondern durch einen Befehl Jhwhs zum Aufbruch vom Horeb in das den Erzeltern verheißene Land. Moses Version des Ereignisses lässt ein großes Interesse an den Institutionen Israels erkennen. 5.3.1. Dtn 1,9–18 in der historisch-kritischen Forschung Der Befehl Jhwhs zum Aufbruch vom Horeb in Dtn 1,6–8 wird erst in V.19 befolgt. Dort wird dann allerdings wörtlich an V.7a angeknüpft. Darum ist der Abschnitt 1,9–18 immer schon als sekundärer Einschub betrachtet worden357. Als Anlass der Einfügung an dieser Stelle ist der Aufbruchsbefehl Dtn 1,6–8 gesehen worden: „Vielleicht bringt man diesen Absatz doch besser in sachlichen Zusammenhang mit dem Eingang der Moserede in Dtn 1,6–8, der den Aufbruch vom Gottesberg zum Gegenstand hat und eine Bemerkung über die äußere Organisation der nunmehr durch die Wüste wandernden Stämme leicht veranlassen konnte.“358 Der Abschnitt Dtn 1,9–18 selbst ist literarhistorisch in der Forschung unterschiedlich mit den anderen Perikopen in Beziehung gesetzt worden, die von der Entlastung Moses durch führende Vertreter des Volkes berichten (Ex 18,13–27 und Num 11, 10–17.24–30). Ist Dtn 1,9ff* eine „freie Widergabe von Ex 18,12ff und Num 11“359? Houtman sieht in dem Abschnitt zu Beginn des Deuteronomiums eine „Harmonisierung“ der beiden
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So auch weiterhin in dem neuesten Kommentar von V EIJOLA, 5.Mose, 21, der ihn DtnN zuordnet. 358 N OTH, Studien, 15. Auch zitiert bei HARDMEIER , Moses, 102. 359 K NIERIM, Exodus 18, 167.
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Texte in Ex und Num360. Veijola geht von einer literarhistorischen Reihenfolge Ex 18, Dtn 1 und Num 11 aus361. In allen diesen Modellen wird Ex 18,13–27 als ältester Text angesehen, von dem Dtn 1,9–18 literarisch abhängig ist362. Damit ist zugleich gesagt, dass es im Alten Israel zunächst eine große Wertschätzung der Begegnung mit Angehörigen fremder Völker gegeben hat. Die Erzählung über den Midianiter Jitro in Ex 18 ist hierfür ein Musterbeispiel. Im weiteren Verlauf der Literaturgeschichte hat es diesen Modellen zufolge eine Traditionslinie gegeben, die diese Erzähltradition völlig unterdrückt hat, so dass Mose in Dtn 1,9–18 seinen Schwiegervater mit keinem Wort mehr erwähnt. Zwar werden die verschiedenen Ausrichtungen dieser vergleichbaren Texte sorgfältig diskutiert, aber es wird nie die Frage gestellt, wie das Nebeneinander der unterschiedlichen Versionen eigentlich zu verstehen ist. Die Tora in ihrer uns heute vorliegenden Gestalt bewahrt die Erinnerung an den Initiator der Neuorganisation. Für den Leser stellt sich durch das Nebeneinander der beiden Versionen aber unweigerlich die Frage, warum Mose seinen Schwiegervater in seiner Version verschweigt. Die Person Mose bekommt so ihre Tiefenschärfe, wodurch zugleich die Möglichkeit der kritischen Distanz eröffnet wird. Auch die innere Einheitlichkeit des Abschnittes Dtn 1,9–18 ist in Frage gestellt worden. Die Forschung geht vielfach davon aus, dass es zunächst um die Einsetzung militärischer Führer zur Entlastung Moses ging und in einem Nachtrag die Belehrung der Richter verhandelt wurde363. In der Tat begegnen bei der Neuorganisation in V.15 die gleichen militärischen Strukturen wie in Ex 18,21+25. Nach der Einsetzung der ausgewählten Leute in ihre Ämter berichtet Mose, dass er sich mit seiner Mahnung in Dtn 1,16–17 an „Richter“ ( MyIfVpOv) gewendet hat. Viele Forscher sehen hierin jedoch keinen grundsätzlichen Widerspruch. Sie gehen davon aus, dass die militärische Struktur bei der Justizreform eine tragende Rolle gespielt haben könnte. Immerhin kann das Amt eines rc, das diesen militärischen Strukturen vorstehen soll (Dtn 1,15), durchaus auch dem zivilen Be-
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H OUTMAN, Interpretation, 58. V EIJOLA, 5.Mose, 22–23. Er vermutet, dass Dtn 16,18f einen Einfluss auf Dtn 1 ausgeübt hat, also DtnN ebenfalls schon vorlag. Zu weiterer Literatur, die die literarhistorische Reihenfolge ausführlich diskutiert, siehe ebd, Anm. 83. 362 BLUM, Studien, 157, nimmt zwar an, dass in Dtn 1,9ff sich die ältere Zeitangabe erhalten hat, es aber eine vor-dtr Fassung von Ex 18 gegeben haben muss. 363 So bereits STEUERNAGEL , Deuteronomium, 51; V EIJOLA, 5.Mose, 22; P ERLITT, Deuteronomium, 60; MITTMANN, Deuteronomium, 25–26. Zur neueren Diskussion siehe H ARDMEIER, Moses, 119–124. 361
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
reich angehören364. So gesehen bestünde zwischen militärischer Struktur und Gerichtsbarkeit kein unüberwindbarer Gegensatz. Schließlich wird auch die Zugehörigkeit der Erinnerung an Moses Lehrtätigkeit (V.18) im Anschluss an die Mahnung an die Richter (V.16–17) zu unserem Abschnitt problematisiert. Mit V.16–17 schließt der Gedanke der Entlastung Moses und der Einführung der Mitarbeiter im Grunde ab. Es stellt sich somit die Frage, welche „Worte“ Mose noch am Horeb an das Volk gerichtet haben könnte, zumal Moses die Gesetze des Dtn nach deuteronomistischer Konzeption zwar am Horeb empfängt, aber dem Volk erst in Moab mitteilt (Dtn 5,31)365. 5.3.2. Textanalyse Die Neuorganisation selbst findet nicht zum Zeitpunkt der Rede, sondern bereits am Horeb statt. Mose erinnert nur am Anfang seiner Rede an dieses Ereignis. Gleich dreimal wird mit der im Deuteronomium immer wieder auftauchenden Zeitangabe aw™IhAh t¶EoD;b366 auf diesen Umstand verwiesen (1,9.16.18). Alle drei Handlungen, von denen Dtn 1,9–18 berichtet, sind zeitlich einander zuzuordnen: Die Umorganisation (V.9–15), die Anweisung an die Richter (V.16–17) und das Unterrichten des Volkes (V.18) folgen insgesamt auf den Aufbruchsbefehl Jhwhs (V.6–8)367. Weshalb ist diese Zeitangabe so wesentlich? Es spielt ganz offensichtlich eine wesentliche Rolle, dass die Neuorganisation am Horeb stattfindet, um ihr den Rang der dort erlassenen Gesetze zukommen zu lassen368. Doch das ist nur ein Teil der Antwort. Schließlich differiert der Zeitpunkt in Moses Darstellung von dem Bericht in Ex 18. In der Version des biblischen Erzählers begegnen sich Jitro und Mose vor dem Aufenthalt am Sinai. Hier in Dtn 1 stellt Mose es so dar, als erfolge die Umorganisation im Zuge des Aufbruches vom Horeb. Unmittelbar zuvor gibt Jhwh Israel dazu den Befehl. Es soll das Land einnehmen, das er den Erzeltern verheißen hat (Dtn 1,6–8). Dieser Übergang prägt die sprachliche Gestalt des Textes. In Dtn 1,9 beginnt gegenüber dieser Jhwh-Rede in Dtn 1,6–8 ein neuer Sprechakt. 364
H ARDMEIER, Moses, 108, der sich auf W EINFELD, Judges, 73 bezieht. Siehe auch N IEHR, Art. rc, 870. Als Belege können Gen 37,36; Ex 2,14; Jes 1,23; 32,1 herangezogen werden. 365 V EIJOLA, 5.Mose, 27, spricht denn auch von einem „konzeptionellen Versehen“. 366 2,34; 3,4.8.12.18.21.23; 4.14;5,5;9,20;10,1.8. Den einzelnen Belege ist PLÖGER, Untersuchungen, 218–222 näher nachgegangen. Siehe auch den Exkurs bei H ARDMEIER, Moses, 125–127. 367 PERLITT, Deuteronomium, 61, paraphrasiert: „‚Zu jener Zeit‘, als Jahwe am Horeb den Aufbruchsbefehl gab (6b–8), also ‚in diesem Zusammenhang sage ich‘“. Sicherlich ist in V.18 noch einmal eine eigene Rede Moses gemeint, so H ARDMEIER, Moses, 116, was aber nicht bedeutet, dass ganz offensichtlich der zeitliche Zusammenhang mit dem Aufbruchsbefehl intendiert ist. 368 V EIJOLA, 5.Mose, 23.
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Auf die Imperative in den Versen 6–8 wird ab Dtn 1,10 von vergangenen Ereignissen erzählt369. Verbunden sind beide Segmente durch die Verheißungen an die Erzeltern. Beide, die Land- und die Mehrungsverheißung, kommen zur Sprache: Die Aufforderung Jhwhs an Israel, nun vom Horeb aufzubrechen, wird mit der Landverheißung begründet. Beinahe wörtlich wird dabei Jhwhs Verheißung an Abram in Gen 15,18 in Dtn 1,7 wiederholt. In Dtn 1,8 werden die „Väter“ und die Verheißung an sie sogar ausdrücklich erwähnt. Damit ist auch der Grund benannt, weshalb Mose in seiner Version einen anderen Zeitpunkt des Geschehens angibt als der biblische Erzähler in Ex 18: Die Verankerung der Neuorganisation des Rechtswesens in den Erzelternverheißungen ist eines von Moses Kernanliegen. Als Begründung für die Umorganisation führt Mose in 1,9 an, dass er das Volk nicht mehr alleine „tragen“ kann. Der Grund: Die Erfüllung der Mehrungsverheißung, die seinerzeit an die Erzeltern ergangen war. Mose erinnert zwar nur mittelbar daran, dass die Größe des Volkes Israel als Erfüllung der Zusage an die Erzeltern zu verstehen ist, die Anspielungen sind aber nicht zu übersehen. Das Volk ist so zahlreich „wie die Sterne am Himmel“ (Dtn 1,10). Das hat Jhwh mit diesem Bild schon Abraham (Gen 15,5; 22,17) und Isaak (Gen 26,4) versprochen. Dtn 1,11 bringt in Gestalt eines Gebetsrufes die Hoffnung zum Ausdruck, dass diese Verheißung auch weiterhin erfüllt werden wird. Der Rückbezug dieser Bitte auf die Erzelternverheißungen ist durch die Bezeichnung Jhwhs als dem „Gott eurer Väter“ angedeutet. Auf diese Weise wurzelt alles, wovon in Dtn 1,9–18 berichtet wird, in der Erfüllung der Verheißungen Jhwhs. In Ex 18 und Num 11 werden demgegenüber ganz andere Anlässe und Ursachen für die Neuorganisation angeführt. Durch sie begegnet in diesen Texten ein lebensechteres Bild von Mose: Ex 18 ist er einer, der zur Beurteilung der eigenen Situation nicht in der Lage, in Num 11 jemand, der dem rebellischen Volk nicht gewachsen ist. Dadurch, dass in Dtn 1 die Erfüllung der Verheißungen Jhwhs Anlass und Grund für die Umorganisation sind, entsteht in der Moserede der Eindruck, dass der Redner ein durch und durch positives Bild von sich zeichnet. Dies wird dadurch noch verstärkt, dass Mose das Volk an seiner Entscheidung beteiligt370. Dadurch dass die Erzählsituation von Mose als „Ich-Erzähler mit Leib“ geprägt ist, bekommt der Leser die Möglichkeit, sich von ihm kritisch zu distanzieren. Sie vollzieht damit genau die Bewegung nach, die in den Texten auf der Erzählebene bereits vorgezeichnet ist. Wenn Mose am Anfang seiner ersten Rede sagt, er könne das Volk nicht mehr alleine „tragen“ (acn), dann greift er damit unabhängig von den Erz-
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Auf diese Veränderung der Sprache macht H ARDMEIER, Moses, 95 aufmerksam. H OUTMAN, Interpretation, 60.
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elternverheißungen zu einer theologisch aufgeladenen Formulierung. Wir hatten oben bereits festgestellt, dass das „Tragen“ des Volkes eine Angelegenheit Jhwhs ist371. Ein ähnliches Bild liegt in Dtn 1,31 vor. Es ist geradezu „Jahwes Vermögen und Wille, sein Volk zu tragen, ein Aspekt seiner Gottheit“372. Hier in Dtn 1,9 sieht sich nun Mose nicht mehr in der Lage, das Volk alleine zu „tragen“. Er ist nicht von seiner Position abgerückt, die unterschwellig bereits in Num 11 der Kritik des biblischen Erzählers unterliegt. In V.12 taucht das Verb acn erneut auf, wobei Mose jetzt erläutert, woran er so zu tragen hat (Dtn 1,12):
:M`RkVbyáîrw M™RkSaAÚc`Am…w M¶RkSjrDf yóî;dAbVl a™DÚcRa h¶DkyEa Mose kleidet die Initiative zu seiner Entlastung in eine Frage. Hat dies den Sinn, seinem Vorschlag der Delegation der Aufgaben Nachdruck zu verleihen?373 Immerhin denkbar ist, dass die Aufzählung der Begriffe „die persönlich empfundene Schwere des Auftrags zum Ausdruck“374 bringt. Zunächst zur Begrifflichkeit dieses Verses, um genauer zu klären, was Mose denn nicht mehr tragen kann: jArOf begegnet äußerst selten im AT. Er wird sonst nur noch in Jes 1,14 verwendet. Dort heißt es, dass Jhwh die „Neumonde und Feste“ Israels zur jArOf geworden sind. Meist wird dies dann mit „Last“, „Beschwerde“ oder „Belästigung“ übersetzt. aDÚcAm ist zunächst im einfachen Sinne des Wortes die Last, die ein Tier oder ein Mensch zu tragen hat (Ex 23,5; Jer 17,21–27). Wenn ein Mensch dem anderen „zur Last“ fällt, kann dies auch mit aDÚcAm zum Ausdruck gebracht werden (2 Sam 15,33). Es handelt sich hierbei um einen sehr weiten Begriff. byIr ist nicht unbedingt alleine ein Streit vor Gericht375. Nimmt man die drei Begriffe zusammen, so ist an dieser Stelle noch nicht ausschließlich von der Neuorganisation des Rechtswesens die Rede. Zunächst scheint es sehr generell darum zu gehen, das Volk mit all seinen alltäglichen Sorgen, Lasten und eben auch Streitereien zu leiten. Warum aber heißt es bei Mose zwei Mal, dass er all dies nicht mehr alleine „tragen“ kann? Die Nähe dieser Wendung zu den Stellen, in denen davon die Rede ist, dass Jhwh das Volk „trägt“, lässt sich im Grunde nur als indirekte Kritik an Moses verstehen, der seine Aufgabe zu nahe an das
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Siehe S. 228ff. Darauf macht auch V EIJOLA, 5.Moses, 23, aufmerksam. PERLITT, Deuteronomium, 63. 373 H ARDMEIER, Moses, 100, zufolge trägt die Frageform „persuadierenden Charakter“. 374 V EIJOLA, 5.Mose, 24. 375 Siehe LIEDKE, byr, 771–777. 372
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Handeln Gottes rückt376. Auf diese Art der unterschwelligen Distanz waren wir bereits in anderen Zusammenhängen gestoßen. Jedes Mal ging es um genau diese Nähe, in der Mose sich zu Jhwh stellte. Dieser Vorbehalt ist nie direkt ausgesprochen, darum aber nicht weniger eindeutig. Der Leser muss ihm selbst auf die Spur kommen377. Die Delegation an führende Vertreter des Volkes stellt insofern den Abstand zwischen Jhwh und den Amtsinhabern im Volk wieder her. In den Anweisungen, wie sie ihr Amt ausführen sollen, fehlt jede Formulierung, die auch nur in die Richtung ginge, dass sie von nun an das Volk „tragen“ sollten. Im Gegenteil: Die neu eingesetzten Richter werden daran erinnert, dass die Rechtsprechung, die sie pflegen sollen, „ein Gericht Gottes“ ist (Dtn 1,17). Mose fordert das Volk auf, weise (MDkDj), kluge (NyIb) und erfahrene (ody) Leute herbeizubringen (V.13). Diese Kombination von Adjektiven findet sich im Alten Testament nicht noch einmal. Am nächsten kommt dem noch Dtn 4,6–8378. In jedem Fall ist hier zunächst an keine feste, bereits bestehende Gruppe oder Institution gedacht, vielmehr lässt dieser Befehl des Mose dem Volk „erstaunliche Wahlfreiheit“379. Diese wird insofern eingegrenzt, als dass diese Wahl in irgendeiner Form „stammesbezogen“ (MRkyEfVbIvVl) erfolgen soll, ein Aspekt, der in Ex 18,21 fehlt. Diese Leute will Mose dann als Oberhäupter über das Volk setzen. Während es in Ex 18,24 nur nüchtern heißt, dass Mose den Ratschlag seines Schwiegervaters befolgt, hebt er in seiner Darstellung hervor, dass er sich über die Maßnahmen mit dem Volk verständigt hat (Dtn 1,13+14). Dabei scheint es jedoch einen Widerspruch zwischen der Aufforderung des Mose zu geben, bewährte Leute herbeizubringen (V.13), und deren Ausführung (V.15). Hier wird erklärt, Mose hätte die Leute selbst ausgewählt. Auf alle Fälle erinnert er das Volk daran, dass es mit seinem Vorschlag einverstanden gewesen ist. Er stellt auf diese Weise wird eine Art „kollegiales Verhältnis“380 zwischen sich und seinen Hörern her. Mose wählt die Oberhäupter der Stämme aus (V.15)381, die zum Teil die in V.13 geforderten Eigenschaften aufweisen (My™Ioüdyˆw My¢InObn…w MyªImDkSj) und 376
PERLITT, Deuteronomium, 63, sieht das Problem ebenfalls sehr deutlich. Allerdings hat seine Deutung, dass das Verbum acn im Zusammenhang mit Mose „nicht das Schwergewicht“ habe, keinen wirklichen Anhalt am Text. 377 Siehe dazu die Überlegungen zu Num 20,10–12 S. 199ff. 378 Weitere Parallelen: Gen 41,33.39; 1 Kön 3,12; Jes 5,21. Ganz offensichtlich kommt diese Vorgabe einem weisheitlichen Ideal nahe, wie auch Spr 1,5 zeigt. 379 PERLITT, Deuteronomium, 66. 380 H ARDMEIER, Moses, 105. 381 Ganz offensichtlich sind diese „Häupter der Stämme“ bereits vor der Maßnahme im Amt. Diese Lesart des Textes widerspricht nicht Dtn 1,9 und 12, in denen Mose aussagt, er würde das Volk „alleine“ tragen (so die Argumentation von H ARDMEIER, Moses, 106 Anm 214). Mose trägt die in V.12 aufgeführten Belastungen alleine. Damit ist aber nicht gesagt, dass es nach dem Verständnis des Textes schon vor der Neuorganisation ein
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setzt sie als „eure Oberhäupter“ (M`RkyEvarV;b) ein. V.15b kann eigentlich nur erläuternd verstanden werden: Bis in die Untergruppierungen hinein setzt Mose diese von ihm ausgewählten Leute als „Oberste“ ( rAc) ein. Über die Stämme bestimmt er sie als „Listenführer“ ( rEfOwv) ein. Hier stehen nun zwei unterschiedliche Organisationsformen unmittelbar nebeneinander, die sonst nicht viel miteinander zu tun haben: Die Stämme und die militärische Struktur. Dort, wo die Stämme erwähnt werden382, taucht sonst nie eine solche Untergliederung auf, wie wir sie hier in Dtn 1,15b und Ex 18,21.25 finden. Belege für die Heeresstruktur finden sich noch in 1 Sam 8,12; 1 Sam 22,7; 2 Sam 18,1; 1 Chr 27,1. Die komplette Reihe von 1000 bis 10 begegnet nur in unseren Texten Dtn 1,15b und Ex 18,21.25. Doch wird die Stämmestruktur in Dtn 1,15b nicht völlig abgeschafft. Allerdings werden die „Listenführer“ ( MyîrVfáOv383) über die Stämme erst ganz am Ende der in der Hierarchie eindeutig abfallenden Reihe eingesetzt384. Der uns heute vorliegende Text ist nicht paradox oder unverständlich, wie häufig in der Literatur behauptet wird385. Mose führt hier ganz eindeutig eine Dominanz der militärischen Hierarchie ein. Die LXX drängt den Bezug zum Stämmesystem noch weiter zurück. Bei ihr spielt es nach der Neuorganisation überhaupt keine Rolle mehr: Sie bezeugt in V.15a anstelle von M#RkyEfVbIv yEvar einfach evx u.mw/n. Auch in V.15b macht sie aus M`RkyEfVbIvVl MyäîrVfOvw „und die Listenführer zu Richtern“ (grammatoeisagwgei/j toi/j kritai/j u`mw/n). Es ist angenommen worden, dass diese Lesart aus einer Verwechselung von fRbRv („Stamm“) und fpv („richten“) resultiert386. In diesem Fall wird man jedoch kaum von einem Versehen der Übersetzer sprechen können, denn in V.16 verfährt die LXX nicht anders387. Damit aber verstärkt die LXX noch den Trend des MT.
Stämmesystem mit Anführern gegeben hat. Siehe etwa Dtn 5,23, wo nach Moses Darstellung bereits zu Beginn des Horebaufenthaltes „Häupter über die Stämme“ eingesetzt waren. 382 Aussagekräftige Belege für die Stammesorganisation siehe Dtn 5,23; 29,9; Jos 23,2; 24,1. Dort jeweils auch mit Myvar an der Spitze. Näheres dazu bei V EIJOLA, 5.Mose, 25. 383 Dieses Amt hat seinen Ort ansonsten im Rechtswesen (Dtn 16,18) und im Heer (Dtn 20,1–9). Weitere Belege bei V EIJOLA, 5.Mose, 25. 384 Vgl. G ERTZ, Gerichtsorganisation, 35, mit Überlegungen dieser Aussagen zur Leitungsstruktur in den V.13 + 15. Ein Versuch, den heute vorliegenden Text zu verstehen, erfolgt dort jedoch nicht. 385 H ARDMEIER, Moses, 106; G ERTZ , Gerichtsorganisation, 36; P ERLITT, Deuteronomium, 69. 386 Siehe dazu H ARDMEIER, Moses, 106. 387 Vgl. H ARDMEIER, Moses, 110, der allerdings meint, der LXX wegen der besseren Kohärenz der Lesart der LXX Priorität zukommen lassen zu müssen. Allerdings lässt sich auch in Dtn 29,9 und 1 Chr 28,1 eindeutig ein inhaltliches Interesse der LXX ausmachen, wo sie ganz ähnlich verfährt. Auch dort macht die LXX aus den „Stämmen“ „Richter“.
Die Neuorganisation des Rechtssystems
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Während im MT die Stammesstruktur nach der Neuorganisation noch eine – wenn auch geringe – Rolle spielt, ist sie laut LXX völlig hinfällig. In diesem Ringen der griechischen Übersetzung des Alten Testaments spiegelt sich das vitale Interesse von Dtn 1,9–18 an den Institutionen Israels. Dies ist für unsere Frage nach dem Einfluss der Erzählsituation auf die Färbung des Berichtes von großer Bedeutung: Warum bringt Mose am Beginn seiner Abschiedsrede diesen Ämtern und Institutionen ein solches Interesse entgegen? Wir werden unten darauf zurückkommen. Auch wenn Mose nach eigener Darstellung seine Neuorganisation vornehmlich auf militärischen Strukturen aufbaut, macht der gesamte Abschnitt jedoch deutlich, dass dies nicht in irgend einer kriegerischen Absicht geschieht: „Unter Berücksichtigung der Einteilung des Volkes in Stämme wird die Organisation des Volkes nach militärischer Art durchgeführt, ebensowenig wie in Ex 18 mit militärischer Zielsetzung, sondern um eine optimale Verwaltung des Volkes ausüben zu können.“388 V.15 für sich genommen ließe sich als Bericht über eine allgemeine Verwaltungsreform lesen. Die Eingrenzung der von Mose ausgewählten Leute auf die Funktion des Richtens erfolgt erst in V.16+17. Hier in V.16a spricht Mose ausdrücklich davon, dass er die „Richter“ aufforderte, ihr Amt gerecht auszuüben. Aus dem uns heute vorliegenden Textes geht hervor, dass die zuvor ausgewählten Personen mindestens mit angesprochen sein müssen. Dies ist die Nahtstelle zwischen militärischer Struktur und dem neu eingerichteten Rechtssystem. Es liegt hier jedoch kein eindeutiger Bruch innerhalb des Textes vor, da schließlich bereits in V.12 auch von „Streiterein“ (byIr) die Rede ist389. Die Einweisung in das Richteramt erscheint im Gesamtduktus von Dtn 1,9–18 auch insofern nicht unmotiviert, als dass Moses Appell gut zu den Eigenschaften der Leute passt, die ausgewählt wurden (V.13.15). Das Leitwort dieser Anweisung Moses an die Richter, die er an der Schwelle zum verheißenen Land noch einmal wiederholt (Dtn 1,9–18), ist das Verb „hören“ (omv). Mit ihm beginnt diese kurze Rede und mit ihm endet sie. Zusätzlich begegnet die Wurzel omv noch einmal in der Mitte
388
H OUTMAN, Interpretation, 62. PERLITT, Deuteronomium, 70, spricht in diesem Zusammenhang von einer exilisch-nachexilischen „Idealvorstellung“ von den Zuständen vorstaatlicher Zeit. 389 Vgl. PERLITT, Deuteronomium, 72; V EIJOLA, 5.Mose, 22; G ERTZ, Gerichtsorganisation, 36.
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
(V.17a)390. Der erste Beleg in V.16 ist ein Imperativ, mit dem sich Mose an die Richter wendet. Dann fordert er sie auf, „Klein und Groß“ zu hören (V.17). Dieser Befehl ist umrahmt von der Anweisung, die Person nicht anzusehen und der Warnung, sich vor Menschen zu fürchten. Damit sind die beiden wesentlichen Gefahren benannt, die das genaue Hören auf den Einzelfall verhindern könnten. Der letzte Beleg der Wurzel omv in der Ansprache bezieht sich auf Mose selbst. Er will alle Fälle hören, die zu schwer (hRvAq) für die Richter sind. Das Hören bleibt sowohl für die Richter als auch für Mose eine zentrale Voraussetzung dafür, dass sie ihre Aufgabe erfüllen können. Die lockere Anbindung an die vorangehenden Verse lässt mindestens offen, ob jetzt ausschließlich die in V.15 ausgewählten Amtleute als Richter angesprochen werden oder ein Personenkreis, der darüber hinausgeht. Das Richteramt erfährt hier in jedem Fall eine außerordentliche Aufwertung. Dies ist vor dem Hintergrund der im Alten Orient üblichen richterlichen Kompetenzen des Königs eine immer wieder zu Recht hervorgehobene Besonderheit israelitischen Rechts391. Die Einweisung der Richter wird zweimal gehört: Einmal zu dem Zeitpunkt, als Mose sich im Zuge des Aufbruchs vom Horeb direkt an diesen Personenkreis wendet. Zum anderen bekommt das gesamte Volk an der Schwelle zum verheißenen Land diese Rede noch einmal zu hören. Schon diese Öffnung der Kommunikationssituation macht deutlich, wie sehr ein gerechtes Richten Sache des gesamten Volkes sein soll. Hierin ist wohl auch der Grund zu suchen, dass Mose seinen Schwiegervater Jitro in diesem Zusammenhang verschweigt. Es geht bei seiner Version nicht so sehr darum, wer der Initiator der Neuorganisation war. In der im Dtn dargestellten Redesituation steht die Übergabe der Verantwortung für das Rechtswesen im Vordergrund. Die Reaktion anderer Völker auf die Befreiung Israels ist jetzt nicht mehr das Thema. Am Anfang der ersten Moserede ist die Erinnerung an die Landverheißung und ihre bevor stehende Erfüllung das Entscheidende. Das Volk kann auf Jhwh vertrauen und dementsprechend Verantwortung übernehmen. Daran will Mose das Volk erinnern. Gegenüber dem möglichen Vorwurf einer fremdenfeindlichen Tendenz des Dtn ist festzuhalten, dass die neu eingerichtete Gerichtsbarkeit nicht nur für Angehörige des Volkes Israel zuständig ist. Sicherlich geraten diese zunächst einmal in den Blick: Das macht die Verwendung des Begriffs „Bruder“ (jAa) in V.16 deutlich. Aber auch die Fremden sind ausdrücklich mit eingeschlossen (Dtn 1,16). Damit macht Mose gleich zu Beginn seiner
390
Es handelt sich hierbei beinahe um die numerisch genaue Mitte: Die kurze Ansprache umfasst insgesamt 33 Worte. 17 Worte stehen vor dem Nwomvt und 15 danach. 391 Siehe etwa CRÜSEMANN, Tora, 118–121; V EIJOLA, 5.Mose, 27.
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Rede deutlich, dass auch sie unter dem Schutz des Rechts stehen, das er an der Schwelle zum verheißenen Land verkündet392. Zum Zeitpunkt, als diese kleine Ansprache zum ersten Mal den Richtern gehalten wird, macht die Aufgabenverteilung in V.17 durchaus Sinn: Für Mose bleiben nur die Fälle übrig, die für die Richter zu „schwer“ ( hRvAq) sind. In der Tat werden nach dem Aufbruch vom Horeb Mose mehrere schwere Fälle zur Entscheidung vorgelegt (Num 15,32–36; 32,1ff; 36,1– 13). Im Laufe seiner Reden am Tag vor der Landnahme macht Mose jedoch deutlich, wer von nun an die schweren Fälle verhandeln soll: Das Jerusalemer Zentralgericht (Dtn 17,8–10). Damit ist deutlich, welche Institution im Land diesen Aufgabenbereich weitertragen soll393. Die Auswahl der Richter und Amtleute soll das mit „Du“ angeredete Volk übernehmen (Dtn 16,18–20): 18 Personen, die unter euch Recht sprechen, und eine Führung sollst du in jeder deiner Städte einsetzen, die Jhwh , deine Gottheit, dir in deinen Stammesgebieten gibt. Sie sollen dem Volk durch gerechte Urteile Gerechtigkeit widerfahren lassen. 19Beuge nicht das Recht und kenne kein Ansehen der Person. Nimm keine Bestechung an, denn Bestechung macht die Augen der Weisen blind und verdreht die Sache der Gerechten. 20Gerechtigkeit! Gerechtigkeit! Jage ihr nach! Dann wirst du leben!
Die Anweisung, das Recht nicht zu beugen und kein Ansehen der Person zu kennen, geht hier unmittelbar an das gesamte Volk. „Das Recht, in der Ortschaft als Richter zu fungieren, steht im Deuteronomium jedem Vollbürger zu; nur unter dieser Maßgabe läßt sich der Übergang von Dt 16,18 auf Dt 16,19 verstehen. Auch die Anrede in Dtn 17,8, die einen solchen Lokalrichter im Blick hat, ergeht nicht in der dritten Person, sondern in der zweiten. Dadurch kommt der Ausdruck, daß jeder der im Deuteronomium Angesprochenen in die Lage kommen kann, daß er einen Entscheid am Zentralgericht suchen muß, mithin also selbst Ortsrichter ist.“394 Daraus folgt: Mit der Erinnerung an die Neuorganisation der Verwaltung und des Rechtswesens am Anfang seiner ersten Rede in Dtn 1,9–18 leitet Mose den Prozess der Übergabe seiner eigenen richterlichen Befugnis an das ganze Volk ein. „Stammesoberhäupter, weise Männer, Militärs und Richter, sie alle haben die Aufgabe des Mose, sie werden ausgewählt durch das Volk selbst, durch niemand anderen, und haben dennoch – oder gerade deshalb – Teil an mosaischer Autorität, und das gilt gerade auch für das Gegenüber zu Gott.“395 Mose beendet seinen Rückblick auf die Umorganisation mit der Erinnerung daran, dass er dem Volk „zu jener Zeit all die Dinge auftrug“, die es 392
Vgl. Dtn 5,14; 10,18–19; 14,29; 16,11.14; 24,14.17.19–21; 26,11–13; 27,19;
31,12. 393
Siehe dazu CRÜSEMANN, Tora, 113–121. RÜTERSWÖRDEN, Gemeinschaft, 100. 395 CRÜSEMANN, Tora, 111. 394
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
tun soll (Dtn 1,18). Wie in 1,16 taucht auch hier wieder das Verb „gebieten“ (hwx) auf, nur wendet Mose sich jetzt nicht an die Richter, sondern erinnert hier bereits daran, dass er damals bereits das gesamte Volk unterwiesen hat. Schon in der Erinnerung an die in Dtn 1,9–18 geschilderten Ereignisse erfolgt am Ende eine erste Ausweitung des Adressatenkreises, wenn auch noch nicht so explizit wie in Dtn 16 und 17. Dort wird in Moab das Volk unmittelbar angesprochen. Von der Logik der Argumentation in Ex 18 kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass Mose hier in Dtn 1,18 genau das beschreibt, was sein Schwiegervater Jitro ihm geraten hat: Mose soll sich entlasten, damit er frei wird, das Volk die Satzungen und die Tora zu lehren (rhz in Ex 18,20b)396. Nun ist diese Lehrtätigkeit durch die einleitende Wendung aw™IhAh t¶EoD;b eindeutig an den Horeb verlegt. Es stellt sich die Frage, welche Dinge (MyîrDb;d) Mose Israel am Berg mitgeteilt hat. In Num wird nicht von einer vergleichbaren Lehrtätigkeit berichtet. Immerhin ist es denkbar, dass mit diesem Verweis eine Verkündigung des Bundesbuches (Ex 21,1–23,19) gemeint sein könnte397. Eine eindeutige Antwort wird sich hier nicht finden lassen. Immerhin bleibt die Frage unbeantwortet, wo das Gesetzeskorpus Lev 11–26 (sog. „Heiligkeitsgesetz“) dem Volk mitgeteilt worden ist. Es fällt jedoch auf, dass die Verbindung des Verbes hwx mit rbd, die in Dtn 1,18 begegnet, nicht so unspezifisch ist, wie sie häufig in der Sekundärliteratur hingestellt wird. In allen Belegen398 ist im weitesten Sinne das gemeint, was Mose im Deuteronomium vollzieht: Er nennt Israel all die Dinge, die es tun soll. Ganz offensichtlich zielt Dtn 1,18 darauf ab, dass Mose die Gesetze, die er von Jhwh empfing, auch am Ende dem Volk weitergab. Da der Abschnitt Dtn 1,9–18 in der Forschung meist als später Einschub betrachtet wird, wird diese Frage nicht vorrangig diskutiert. Wenn Antworten versucht werden, fallen sie sehr unterschiedlich aus. Heckl begründet den Anfang der Moserede mit der bevorstehenden Erfüllung der Landverheißung: „Die Aufforderung zum Weg in das Land und zu seiner Inbesitznahme (1,6–8) gehören mit der Schaffung der administrativen Institution und ihrem gerichtlichen Auftrag zusammen [...]. Es ist wahrscheinlich, dass die neue Situation, vor der das Volk steht, auch der Anlass zu einer
396
V EIJOLA, 5.Mose, 27 Anm 106, bestreitet den Bezug aufgrund der geringen sprachlichen Verwandtschaft von Dtn 1,18 und Ex 18,20b. Unter entstehungsgeschichtlichem Gesichtspunkt ist dieser Argumentation zuzustimmen. Bei dem Bemühen, die Handlungsfolge und das Kommunikationssystem des vorliegenden Textes zu verstehen, muss diese Verbindung jedoch hergestellt werden. 397 So die Überlegungen von H ARDMEIER, Moses, 396ff. Allerdings ist vom Handlungsablauf relativ deutlich, dass Mose das Bundesbuch dem Volk in Ex 24,3 mitteilt. 398 Dtn 1,3; 4,2.13; 6,6; 12,28; 13,1.6; 15,15; 18,18.20; 24,18.22; 28,14.69; 32,46.
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Veränderung seiner politischen Struktur ist.“399 Dem ist insofern zuzustimmen, als sowohl der Zeitpunkt des Geschehens als auch die Erinnerung daran in der Moserede mit der Landverheißung unmittelbar zu tun haben. Was den Zeitpunkt anbelangt, so folgt ja die Umorganisation auf die Anordnung Jhwhs an Israel, nun vom Horeb aufzubrechen. Dieser Befehl ist mit der Landverheißung begründet. Die Erinnerung an die Entlastung Moses erfolgt an der Schwelle zur Erfüllung der Landverheißung. Insofern ist das Geschehen durch das Kommunikationsgefüge in doppelter Hinsicht in der Landnahmeverheißung verankert. In der Situation, in der Mose seine Rede hält, lebt Israel in der Erwartung, dass die noch ausstehende Landzusage nun Wirklichkeit werden kann. Insgesamt sind die Bedingungen erfüllt, dass das Volk Jhwh vollkommen vertrauen kann. „Damit ist implizit gesagt, dass Israel Verantwortung übernimmt und daraufhin angesprochen werden kann.“400 Hierin liegen die wesentlichen Unterschiede von Dtn 1,9–18 zur Version in Ex 18, 13–27 begründet: Jitro machte seinem Schwiegersohn einen Vorschlag zu seiner Entlastung. Dies hatte zum Ziel, dass Mose so erst zu der Mittlerfigur zwischen Jhwh und seinem Volk werden konnte, zu der er berufen war. Ich hatte oben zu zeigen versucht, dass auch in der Version des Bucherzählers die Landnahmeverheißung eine wesentliche Rolle spielt. Mose sollte entlastet werden, damit er die Angelegenheiten des Volkes vor Gott bringen (Ex 18,19) und es in Frieden an seinen Ort bringen konnte (Ex 18,23). Diese Mittler- und Leitungsfunktion ist in dieser Gestalt in der Israel nun bevor stehenden Epoche nicht mehr vonnöten wie am Horeb und in der Wüste. Josua übernimmt nicht Moses Funktion. Vielmehr zielen die Mosereden im Dtn darauf ab, dass Mose sich selbst als Person überflüssig macht und das, was er zu tun hatte, an andere delegiert. Hierhin gehören sowohl die Linie der Amtseinsetzung Josuas als auch die schriftliche Darlegung der Tora in Dtn 31,9–13. „Mose ist durch die Bekanntgabe der Tora überflüssig geworden. In der Beziehung JHWH – Mose – Israel wird der Mittler durch sein eigenes Wort abgelöst.“401 Dtn 1,9–18 ist der Anfang dieses Prozesses. Auch den wesentlichen Teil seiner Amtsaufgaben, die Rechtspflege, gibt er nun an das Volk selbst ab. Gleichzeitig wird nun aber auch die Einmaligkeit Moses deutlich. „Der den Anfang gestaltende ideale charismatische Anführer kann seine Position nicht in den Alltag der Gemeinschaft retten.“402 Moses besondere Aufgabe, die Mittlerfunktion, für die sein Schwiegervater die Grundlagen gelegt hatte, erlischt mit seinem Tod. Eine solche Gestalt wie Mose, die Jhwh von Angesicht zu Angesicht kennen gelernt hat, wird es nie wieder geben (vgl. Dtn 34,10). Insofern 399
H ARDMEIER, Moses, 127. H OUTMAN, Interpretation, 65. 401 SCHÄFER-LICHTENBERGER , Josua und Salomo, 214. 402 SCHÄFER-LICHTENBERGER , Josua und Salomo, 173. 400
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
lassen sich die drei Versionen der Umorganisation mit drei Pfeilern vergleichen. In Ex 18 wird Mose in seine Rolle als Mittlerfigur vor dem Aufenthalt am Sinai eingewiesen; in Num 11 wird unterschwellige Kritik an ihm laut, zugleich delegiert Jhwh von dem „Geist, der auf ihm liegt“ an die 70 Ältesten; gleich zu Beginn seiner Rede in Dtn 1 fängt Mose an, sich selbst als Person überflüssig zu machen. Wie nötig das ist, zeigt die unterschwellige Kritik seiner Tendenz in Num 11 und Dtn 1, sich selbst immer wieder in die Nähe Jhwhs zu rücken, wenn er sagt, er könne das Volk nicht mehr alleine „tragen“403. Dieser Prozess kommt damit an sein Ende, dass Mose seine Reden und sein Lied aufschreibt (Dtn 31,1–32,47) und das Volk segnet. Zu einer sorgfältigen Rechtspflege sind ein guter Gesetzestext und ein verantwortungsbewusstes Personal vonnöten. Beides zusammen wird weiterführen, wofür Mose inhaltlich steht. So gesehen bilden Dtn 1,9–18 und Dtn 31,9–13 wiederum einen Rahmen, in dem das Kernanliegen des Dtn zur Sprache gebracht wird: Mose als Person überflüssig werden zu lassen und dabei für künftige Generationen das fortzuführen, was er gelehrt hat.
6. Verpasste Landnahme: die Kundschaftergeschichte 6.1. Hinführung Neben der Schilderung der Eroberung des Ostjordanlandes (Dtn 2 und 3) und der Ereignisse am Horeb (Dtn 5;9–10) ist die sogenannte „Kundschaftergeschichte“ (Dtn 1,19–46) eine der Episoden, die Mose ausführlich darstellt. Schon in der Version des biblischen Erzählers zeichnen sich diese Begebenheiten dadurch aus, dass Jhwh in ihnen seinem Volk eine zweite Chance einräumt. Die Restitution der Tafeln in Ex 34,1–10.27–28 begründet das Verhältnis zwischen Jhwh und seinem Volk auf der Basis eines gewährten Bundes (32,10) neu404. Aber auch mit der Verteilung des Ostjordanlandes in Num 32 ergreift Israel eine Möglichkeit, die sich ihm schon einmal geboten hatte: Die Inbesitznahme des Gebietes vollzieht sich erst nach dem in Num 14,28ff angekündigten und in Num 26 abgeschlossenen Generationswechsel. Ausdrücklich dient in Num 32,8–15 das zögerliche Verhalten der „Väter“, das in Num 13–14 geschildert wird, als abschreckendes Beispiel, das es nicht zu wiederholen gilt. Sowohl bei der Analyse der sogenannten „Kundschaftergeschichte“ als auch bei der Untersuchung der Schilderung der Ereignisse am Horeb wird dieses Merkmal der „zweiten Chance“ mit zu bedenken sein.
403 404
Siehe oben die Ausführungen zu Dtn 1,9.12. Siehe dazu unter VI.4.
Verpasste Landnahme: die Kundschaftergeschichte
191
Schon beim ersten vergleichenden Blick auf Num 13–14 und Dtn 1,19–46 fällt auf, dass der biblische Erzähler die fehlgeschlagenen Bemühungen um den ersten Landnahmeversuch sehr viel ausführlicher schildert. Seine Version enthält eingehende Dialoge mit einem völlig offenen Ausgang. An dieser Stelle sei zunächst nur auf den Streit zwischen Kaleb und den anderen Kundschaftern in Num 13,30–33 und die Fürbitte des Mose (Num 14,13–19) mit Jhwhs Antwort in 14,20 hingewiesen. Beide Auseinandersetzungen wiederholt Mose in seiner Darstellung nicht, sondern schildert jeweils nur kurz das „Ergebnis“ (Dtn 1,26 und 1,34ff). In der Version des biblischen Erzählers finden sich darüber hinaus mehrere durchaus redundante Komponenten, die in der Forschung gemeinhin als „Doppelungen“ angesehen werden. Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass sich in Num 13–14 ohne große Schwierigkeiten „priesterliche“ Bestandteile finden und abheben lassen. So gelten cum grano salis vor allem die Liste der Kundschafter in Num 13,1–17, die Reaktion des Volkes und die Ansprache Kalebs und Josuas in Num 14,1–10 und die zweite Reaktion Jhwhs in Num 14,26–38 als priesterschriftlich405. Uneinigkeit herrscht jedoch über die Zusammensetzung des vorpriesterlichen Materials. Hier wird insbesondere die große Ähnlichkeit der Fürbitte in Ex 32,7–14 und Num 14,11–25 zum Ausgangspunkt der Diskussionen406. Blum schließt aus diesen Bezügen: „Alles in allem macht dieser Befund deutlich, daß die Kundschafterepisode in der D-Komposition – nach Ex 32–34 – einen zweiten Schwerpunkt theologischer ‚Reflexion‘ über Schuld und Gericht bildet, hier, dem kontextuellen Ort angemessen, im Zusammenhang des zentralen Themas ‚Land/Landgabe‘.“407 Für eine kanonische Perspektive ergeben sich aus der thematischen Kongruenz von Ex 32–34 mit Num 13–14 folgende Bezüge: In beiden Episoden leugnet das Volk ausdrücklich den Exodus (vgl. Ex 32,4–5 mit Num 14,1–4) und stellt damit Jhwh selbst in Frage408. Wie tief der Bruch dieses Verhältnisses reicht, 405
Vgl. die Aufstellungen bei N OTH, Numeri, 87ff und siehe dazu SCHÄFERLICHTENBERGER, Josua und Salomo, 137–139. Insgesamt versteht sie die P-Fassung der Kundschaftergeschichte als einen „Beleg für die Kardinalsünden des Volkes und seiner Vertreter“ (dies., aaO, 140). Zum Umfang der P-Bestandteile siehe auch BLUM , Pentateuch, 133; O LSON, Numbers, 132–138, jeweils mit weiterführender Literatur. B LUM , aaO, 133 Anm 129, zählt folgende Bestände zu „P“: Num 13,1–7a.21.25.26*.32.; 14,1– 10.26–38. Bei der dann übrigbleibenden „vorpriesterlichen“ Version, die die Fürbitte und die positive Antwort Jhwhs enthält (14,11–25), wird jedoch nicht recht deutlich, worin eigentlich die Vergebung Jhwhs besteht. Der Hinweis auf die Gewährung der Ausnahme für Kaleb (14,24) kann da kaum befriedigen. 406 O LSON, Numbers, 144; BLUM, Pentateuch, 134, macht hier seine „KD-Schicht“ aus und verweist auf die Bezüge: „Angebot“ an Mose, aus ihm ein großes Volk zu machen in Ex 32,10 p Num 14,12; Moses Appell an Gottes „Ehre“ gegenüber Ägypten in Ex 32,12 und Num 14,13ff. 407 BLUM , Pentateuch, 134–135. 408 Vgl. O LSON, Numbers, 145.
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
zeigt sich daran, dass Jhwh in beiden Episoden das Volk vernichten will und Mose anbietet, aus ihm ein neues Volk zu machen (vgl. Ex 32,10 mit Num 14,12). In beiden Fällen erreicht Mose durch seine Fürbitte den Fortbestand des Volkes und die Wiederherstellung des Verhältnisses zwischen Israel und Jhwh, wenn auch unter verändertem Vorzeichen. Der Umstand, dass diese beiden Episoden jedoch durch eine Kompositionsschicht eine bestimmte inhaltlich-theologische Prägung erfahren haben und aufeinander bezogen worden sind, erklärt aber noch nicht, warum beide Begebenheiten am Ende der Tora aus der Perspektive des Mose noch einmal wiederholt werden. Dabei lässt sich zeigen, dass diese zweite Version der Kundschaftergeschichte und der Ereignisse am Horeb im Deuteronomium zwar theologisch ähnlich ausgerichtet sein mögen, aber dennoch bezeichnende Differenzen aufweisen, die sich nur mit der neuen Erzählperspektive erklären lassen. Für den Lektüreprozess des Deuteronomiums ist durch diese Analogien schon eine gewisse Vorbereitung getroffen, wenn ausgerechnet diese beiden Episoden noch einmal ausführlich wiederholt werden. 6.2. Die Darstellung des biblischen Erzählers Der biblische Erzähler stellt auch im Numeribuch die Ereignisse in ihrer chronologischen Folge dar. Das Datum des Aufbruches vom Sinai ist auf den Tag genau angegeben (Num 10,11). Die sich daraufhin ereignenden Begebenheiten während der Wüstenwanderung sind in den Rahmen eines durchlaufenden Itinerars eingespannt: Num 10,12: Aufbruch vom Horeb in die Wüste Paran; Num 11,34–35: von der Stätte der „Lustgräber“ nach Hazerot; 12,16: Von Hazerot in die Wüste Paran, von wo aus Mose die Kundschafter ins Land schickt; in 13,26 wird diese Angabe noch dahingehend präzisiert, dass die Kundschafter nach Kadesch in die Wüste Paran ziehen409. Die Kundschaftergeschichte hebt sich jedoch in mehrfacher Hinsicht von den anderen Episoden ab: „In dieser Erzählung entscheidet sich das Schicksal der Exodus-Generation.“410 Das Volk findet sich nach dem Bericht der Kundschafter 13,27–29 vor die Entscheidung gestellt, ob es der Verheißung Jhwhs folgt, die ganz zu Beginn in 13,2 noch einmal ausdrücklich anklingt, oder sich angesichts der Stärke und Größe der Landesbewohner den Mut nehmen lässt. Das Volk vertraut Jhwh nicht, weil es befürchtet, durch das Schwert umzukommen. Es bereut den Auszug aus Ägypten und geht sogar so weit zu sagen, dass es lieber dort umgekommen wäre (14,1–4). Damit stellt es jedoch die Beziehung zu Jhwh in Frage, der 409
Siehe dazu den Exkurs bei MILGROM , Numbers, 497–499. SCHÄFER-LICHTENBERGER, Josua und Salomo, 136. Sie untersucht Num 13–14 vornehmlich in der um P erweiterten Fassung, weil in P die für ihre Fragestellung zentrale Figur des Josua reflektiert wird (siehe D IES., aaO, 136–166). 410
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sich über die Befreiung seines Volkes aus der Sklaverei selbst definiert (Ex 20,2; Dtn 5,6). Die anfängliche Absicht Jhwhs, sein Volk preiszugeben (14,11–12), kann Mose durch seine Fürbitte noch abwenden, so dass nur die Exodusgeneration von den Sanktionen betroffen ist (14,26–39). An denjenigen, die jünger als 20 Jahre alt sind (14,29), soll sich die Landverheißung erfüllen (14,31). Olson hat die herausragende Bedeutung von Num 13–14 für den Gesamtaufriss des Numeribuches überzeugend herausgearbeitet. “The spy story contributes an essential component to the overarching editorial unity and structure of the book.”411 Da ist zunächst auf die Bezüge der beiden Stammeslisten in Num 1 und Num 26 zu verweisen: In der Überschrift zu der Liste in Num 1 heißt es ausdrücklich, dass alle diejenigen, die älter als 20 Jahre alt sind, im Folgenden aufgezählt werden (Num 1,3). Das ist jedoch genau der Personenkreis, über den Jhwh in Num 14,29 die Sanktion verhängt, dass sie in der Wüste sterben müssen (139). In Num 26,63–65 wird hervorgehoben, dass die in Num 26 aufgeführte Generation nicht die in Num 1 ist (Num 26,64). Der Wechsel wird ausdrücklich mit der Kundschaftergeschichte in Verbindung gebracht (Num 26,65). Zuvor wird in Num 25,9 erzählt, dass 24.000 Leute durch eine Plage umgekommen sind, so dass anzunehmen ist, dass hierbei die letzten Angehörigen der ExodusGeneration das von Jhwh verhängte Schicksal ereilt hat. Aber: “The census in Numbers 26 does not function only as a negative indication that the punishment of the old generation has been completed. The census is also a tangible sign that the promise of innumerable descendants and the land of Canaan has been extended to a new generation which includes all Israel.” (140). Einerseits machen die Listen deutlich, dass die Mehrungsverheißung an die Erzeltern auch weiterhin ungebrochen erfüllt wird. Andererseits wird die Gültigkeit der Landverheißung für die neue Generation in dem Teil des Numeribuches nach Kap 26 immer wieder aktuell. Das zeigt sich nicht nur an der Verteilung des Ostjordanlandes in Num 32, sondern auch daran, dass dieser zweite Teil des Buches durch das Problem des Erbrechtes der Töchter des Zelofhads gerahmt wird (Num 27,1–11 und Kap 36). Diese ist als „positive and hopeful inclusio for the matters pertaining to the second generation” zu werten. Schon allein das Thema dieses Rechtsstreites macht deutlich: “One senses that the fulfillment of the promises of the past are near at hand.” (182) Die beiden Listen in Num 1 und Num 26, anhand derer der biblische Erzähler verdeutlicht, dass ab Num 26 eine andere Generation die Bühne betreten hat, strukturieren somit das gesamte Buch (129). Im ersten Teil, der von der Exodusgeneration handelt, ist die Schilderung so lange noch in
411
O LSON, Numeri, 141. Vgl. dazu seine Ausführungen aaO, 129–152.179–196. Die Seitenzahlen in Klammern im folgenden Abschnitt beziehen sich auf diese Untersuchung.
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ein positives Licht getaucht, wie sich das Volk noch am Sinai aufhält (Num 1,1–10,10). Aber mit dem Aufbruch von dort beginnt sich das radikal zu ändern. Die Rebellionen des Volkes gegen Mose und Jhwh steigern sich von da an. Der Höhepunkt ist in der Kundschaftergeschichte durch die Anzweifelungen des Exodus gegeben (181)412. Damit stehen die Themen „neue Generation / Land“ ab Num 13ff im Raum. Es wird in Num 20,12f auf die Frage zugespitzt, wer beim Übergang ins neue Land Mose und Aaron ablösen wird413. Auch diese Episode (Num 20) hängt mit der Kundschaftergeschichte insofern eng zusammen, als auch Mose und Aaron als Angehörige der Exodustradition nicht in das Land dürfen. Mit dem Generationswechsel ist jedoch der Gehorsam keineswegs zwangsläufig garantiert. Auch die neue Generation bleibt gefährdet: In Num 32 wird die Kundschaftergeschichte noch einmal ins Gedächtnis zurückgerufen „as a word of warning“ (183). Wie diese neue Generation handelt, deren Weg der zweite Teil des Numeribuches schildert, bleibt bis zum Ende völlig offen. Insofern funktioniert diese neue Generation “as a paradigm for every succeeding generation of God’s people. [...] God calls a new generation of his people into being and actualizes for them the warnings and promises of the past.” (183)414. Wie wichtig dabei die Aktualisierung der am Sinai gegebenen Tora für die neue Generation ist, machen die vielen nachsinaitischen Gesetze deutlich, die auf dem Weg durch die Wüste erlassen werden. Sie greifen die großen Themen auf und beziehen sie auf die veränderten Umstände, unter denen diese neue Generation lebt. Die letzten Gesetze des Numeribuches werden bereits an dem Ort verkündet, an dem Mose seine Reden hält415.
412
Siehe dazu S EEBASS, Numeri, 113. D ERS ., aaO, 127, führt dazu aus: „Hier richtet sich der Aufruhr unmittelbar gegen Gott selbst, und die Erzählung stellt den Aufruhr als ein Politikum heraus, das nur politisch zu beantworten war.“ 413 SCHÄFER-LICHTENBERGER , Josua und Salomo, 144. 414 Für O LSON dominiert die priesterliche Schicht die Gesamtkomposition (DERS., aaO, 185). Diese ist jedoch nach seiner Ansicht mehrfach überarbeitet worden, so dass schon das Numeribuch selbst insgesamt über mehrere Generationen hinweg als Muster für die Bewältigung von Geschichte gedient haben muss. “In other words, the book was understood as a model and paradigm for generation after generation” (Olson, Numeri, 185). Hierbei spielt die Kundschaftergeschichte eine herausragende Rolle: “The experience of Israel in the wilderness is presented as a paradigm by which succeeding generations may understand and interpret their present experience and future hope in their life before God.” Das zeigen auch die vielen Belege außerhalb der Tora, in denen ausführlich auf die Kundschaftergeschichte zurückgegriffen wird: Ps 95,8–11; Ez 20,35–38.40–42; 37,11–12; Jes 42,9; 44,26–28; 65,17; 66,22–24; Sach 10,7–9. Siehe auch die Zusammenstellung der Stellen bei OLSON, Numeri, 195. Diese traditionsgeschichtliche Linie lässt sich noch bis in das Neue Testament hinein verlängern: Siehe Hebr 3 und 4. 415 Siehe dazu CRÜSEMANN, Tora, 419–423.
195
Verpasste Landnahme: die Kundschaftergeschichte
In der Version des biblischen Erzählers kommt der Auftrag, das Land zu erkunden (rwt)416, von Jhwh (V.2 und 3). Dabei wird von Anfang an kein Zweifel daran gelassen, dass Jhwh Israel dieses Land geben wird. Mose bekommt von Jhwh die Anweisung (Num 13,2a):
y¶InSa_rRvSa NAoYÅnV;k X®rRa_tRa ‹…wr‹UtÎyw My#IvÎnSa ÔKVl_jAlVv l¡EarVcˆy yEnVbIl N™EtOn Für das Unterfangen werden hochrangige Leute herausgesucht ( ay¶IcÎn in V.2), wodurch der Aufruhr in 14,1–4 als Reaktion auf den „Bericht“ und den nachfolgenden Disput in 13,26–33 verständlicher wird. Die Kundschafter verdanken ihre Position weder Jhwh noch Mose, der sie aussendet. „Diese Qualifikation der Kundschafter entlastet Mose von der alleinigen Verantwortung für ihre Auswahl und bezieht das Volk von Anfang an mit in die Verantwortung ein.“417 Der Inhalt des Auftrages, den Mose dann an die Kundschafter weitergibt, wird sehr ausführlich geschildert (Num 13,17–20). In dieser kurzen Rede fällt vor allem die gleichmäßige Strukturierung auf. Mit der Wendung X®rDaDh hDm wird jeweils ein neuer Vers eingeleitet (V.18.19.20), was darauf hinweist, dass es bei der Erkundung vor allem um die Qualität des Landes gehen soll. Die Reihenfolge der Themen im Auftrag des Mose sprechen jedoch bereits eine andere Sprache: Mose fordert als erstes dazu auf, in Erfahrung zu bringen, ob die Bewohner des Landes „stark“ ( qzj) oder „schwach“ (hpr), „zahlreich“ (br) oder „wenige“ (fom) sind (13,18). Dann erst nennt Mose die Punkte, die sich unmittelbar auf die Qualität des Landes beziehen. Beide Themen, Qualität des Landes und die Stärke der Bewohner, ziehen sich von da an wie ein roter Faden durch die folgenden Abschnitte. Das zeigt sich bereits bei der Schilderung des vierzigtägigen Aufenthaltes der Kundschafter im Land: Der biblische Erzähler zählt lediglich die drei Söhne Anaks in 14,22b auf, ohne irgend eine Wertung hinzuzufügen. Die Qualität des Landes wird demgegenüber in 14,23–24 ausführlich, hyperbolisch, bis hin zu der Aufzählung der Früchte, die sie mitbringen, in lebhaften Farben geschildert. An der Güte des Landes bleibt somit kein Zweifel. Der Bericht der Kundschafter wird damit eingeleitet, dass sie den Israeliten die „Früchte des Landes“ zeigen (13,26b). Doch schon ihre erste Äußerung macht vor dem Hintergrund des Anfangs der Episode stutzig (Num 13,27a):
416
Zu dem überwiegend nicht-militärischen Charakter des Verbs Numeri, 101. 417 SCHÄFER-LICHTENBERGER , Josua und Salomo, 140.
rwt siehe SEEBASS,
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
…wn¡D;tVjAlVv rRvSa X®r™DaDh_lRa …wna›D;b Davon, dass die Initiative, das Land zu erkunden, von Jhwh ausgegangen war, ist jetzt nicht mehr die Rede418. Die Kundschafter beziehen sich mit dem …wnD;tVjAlVv nur auf die Sendung des Mose (13,3.7), nicht auf den ursprünglichen Auftrag Jhwhs (13,2 [2x]). Dabei wird in V.3 ausdrücklich betont, dass Mose die Kundschafter „auf Geheiß Jhwhs“ hin aussendet. Genau dieser fehlende Gottesbezug macht sich noch an anderer Stelle dieses Abschnittes 13,26–33 bemerkbar. Zunächst ist in V.27–33 eine Steigerung zu verzeichnen. Bei ihrem Bericht (V.27–29) heben die Kundschafter als erstes die Güte des Landes hervor: „Es fließt Milch und Honig darin“ (Num 13,27). Doch der Bericht zerfällt in zwei Teile. V.28 wird eingeleitet durch y`I;k sRpRa. sRpRa muss als Nomen mit „Ende“, „Nichtsein, Nichts“ übersetzt werden. Hier in Num 13,28 begegnet es jedoch als stark einschränkende Partikel419. Es folgt eine Schilderung der Landesbewohner, die sich kaum mehr mit der Beschreibung des Aufenthaltes der Kundschafter im Land in 13,21–25 zur Deckung bringen lässt. Mit den „Städten mit großer Befestigung“ könnte Hebron gemeint sein (vgl. 13,28 mit 13,22). Doch aus der einen Stadt Hebron ist in dem Bericht der Kundschafter ein unbestimmter Plural geworden. Zwar tauchen die „Kinder Anaks“420 an exponierter Stelle wieder auf (V.28), aber die Liste wird um die Amalekiter, die Hethiter, Jebusiter und Amoriter erweitert (V.29). Bis V.29 handelt es sich nur um einen – wenn auch stark gefärbten – Bericht, den die Kundschafter insgesamt bei Mose, Aaron und der Gemeinde abliefern. Welche Schlüsse aus dieser Mission zu ziehen sind, bleibt bis dahin noch völlig offen. Kaleb bewertet die Situation als erster. Allerdings lässt die Einleitung zu seiner Stellungnahme Fragen aufkommen (13,30a):
h¡RvOm_lRa M™DoDh_tRa b¢ElD;k sAhªA¥yÅw Kaleb beruhigt das Volk hRvOm_lRa. Er ist auf merkwürdige Weise in diese erste Stellungnahme Kalebs eingebunden. Was bedeutet in diesem Zusammenhang das hRvOm_lRa? Ein Blick auf die LXX bringt auch keine unmittelbare Klärung. Sie übersetzt mit: kai. katesiw,phsen Caleb to.n lao.n pro.j Mwush/n
418
SEEBASS , Numeri, 110. Vgl. Am 9,8, wo mit spa der Vernichtungsbeschluss Jhwhs eingeschränkt wird. Hier am besten mit „wiewohl“ zu übersetzen. 420 In Jos 15,14 wird berichtet, wie ausgerechnet Kaleb die Anaksöhne ohne weiteren Aufwand vertreibt. 419
Verpasste Landnahme: die Kundschaftergeschichte
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In der griechischen Übersetzung könnte das pro.j einfach lokal aufgefasst werden, so dass man sinngemäß paraphrasieren könnte: „Kaleb beruhigte das Volk, das bei Mose war“. Da aber die Präposition lRa immer auch einen Bewegungsaspekt mit einschließt421, kommt dieses Verständnis für den hebräischen Text nicht wirklich in Frage. Kaleb beruhigt (hsh) das Volk. Dies muss jedoch offenbar als ein Vorgang verstanden werden, der auf Mose, zu Mose hinführt und in dessen Interesse liegt422. In jedem Fall ist es auffällig, dass er nicht schon hier nach dem Bericht der Kundschafter das Wort ergreift, so dass es zu dem Streit überhaupt kommen kann, der nun folgt. Im Blick auf die Wiederholung der Landverheißung in der JhwhRede in 13,2 hätte diese Diskussion überhaupt gar nicht erst aufkommen müssen. Auf die Landverheißung geht Kaleb in seiner Stellungnahme mit keiner Silbe ein. An der zweifachen Verwendung einer figura etymologica wird deutlich, dass er seine Aufforderung, dass Israel in das Land einziehen soll, mit großem Nachdruck vorträgt (13,30b):
:;h`Dl l™Ak…wn lwñøkÎy_y`I;k ;h$DtOa …wnVvâårÎyw ‹hRlSoÅn hôølDo Sowohl das Verb hlo als auch das Verb lky werden auf diese Weise besonders betont. Dem widersprechen direkt die übrigen Kundschafter (V.31). Sie verwenden genau die selben Verben hlo und lky. Die Begründung für deren Ablehnung ist noch einigermaßen rational: „Die anderen Völker sind stärker als wir.“ Diese Begründung baut jedoch bereits auf der Differenz zwischen der Darstellung des Kundschafteraufenthaltes in 13,21–25 und dem Bericht darüber in 13,26–29 auf, in dem von Völkern die Rede ist, die vorher noch gar nicht aufgetaucht waren (s.o.). Auf diese Weise entfernt sich die Debatte Stück für Stück von der Verheißung Jhwhs und der „Realität“, so wie sie vom biblischen Erzähler in 13,21–25 geschildert worden war. Schließlich gibt das Gerücht (hD;bî;d)423, das die Kundschafter ausstreuen (V.32–33), den Ausschlag für die Reaktion des Volkes. Es geht wie in den Abschnitten zuvor auf die beiden Themen „Land“ und seine Bewohner ein, aber übersteigt mit seinem Gerede vom „Land, das seine Bewohner frisst“ (lka) nun völlig jede Realität. Aus der hyperbolischen Beschreibung der Fruchtbarkeit des Landes in der „objektiven“ Sicht des biblischen Erzählers in 13,21–25 ist im Laufe der Dialoge ein Gerücht geworden, das nur noch ein monströses Bild im Bewusstsein des Volkes zurücklässt. 421
G ESENIUS, Wörterbuch, 37, zu la: „Präposition d. Bewegung, d. Strebens, auch d. bloßen Richtung n. einem Orte, sowohl im phys. als auch geist. Sinn.“ 422 SEEBASS , Numeri, 79, übersetzt mit: „Da beruhigte Kaleb das Volk im Blick auf Mose...“. 423 SEEBASS , Numeri, 79.112, übersetzt diesen Begriff mit „böses Gerede“.
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
Die nun folgende Rebellion des Volkes in 14,1–4 hat ihre Ursache demzufolge in einer Entwicklung und Dynamik, die in jedem ihrer Schritte nachvollziehbar dargestellt wird. Vom kurzen und knappen Auftrag Jhwhs an Mose, das Land zu erkunden (13,2), bis hin zu dem überschäumenden Gerücht zieht sich eine Linie, in deren Verlauf sich Israel mehr und mehr von der ihm zugesagten Verheißung und damit der Realität entfernt. Die Reaktion des Volkes erfährt der Leser ebenfalls in wörtlicher Rede (Num 14,1–4). Sie hebt an mit der radikalsten Pervertierung und Zurückweisung der Befreiungstat Jhwhs, die sich überhaupt denken lässt: „Wären wir doch besser in Ägypten gestorben!“ (V.2). Begründet wird dieser Wunsch mit der konkreten Angst vor den Bewohnern des Landes (Num 14,2b–4). Die Entstehung und das Anwachsen dieser Befürchtungen ziehen jetzt konkrete Forderungen nach sich: Am Ende dieses Abschnittes beschließt das Volk sogar, sich andere Führer zu suchen, als den von Jhwh berufenen Mose, die sie zurück nach Ägypten bringen sollen. Auf den ersten Blick macht dies einen unlogischen Eindruck: In 2b wünscht sich das Volk, dass es noch in Ägypten gestorben wäre, in V.3b wollen sie nach Ägypten zurückkehren424. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass Ägypten in Ex 1–15 immer mit dem Tod konnotiert ist425, dann macht genau diese Zusammenstellung durchaus ihren Sinn. Rückkehr nach Ägypten und sterben wollen sind an dieser Stelle Synonyme. Für den Leser wird vor dem Hintergrund der Schilderung des Aufenthaltes in Ägypten und der Befreiung Israels in Ex 1–15 deutlich, dass das Volk mit seiner Rede insgesamt nichts anderes will als seinen eigenen Tod. Ein solcher Umgang mit der Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten kommt einer Abweisung Jhwhs gleich. “In seeking another leader to return to Egypt, they have renounced God and his covenant with his people.”426 Wie oben bereits erwähnt, besteht hierin die Verwandtschaft der Kundschaftergeschichte mit der Episode vom goldenen Stierbild Ex 32–34. Darum reagiert Jhwh im Vergleich zur Rebellion in Num 11,1.4–6.10 hart, wie es in 14,11–12 beschrieben wird427. Als Reaktion auf den Beschluss, nach Ägypten zurückzukehren, fallen Mose und Aaron vor dem Volk auf ihr Angesicht (Num 14,5):
424
Für SEEBASS, Numeri, 113, kommt diese Zusammenstellung durch die Verknüpfung zweier Fäden (V.2 P; V.3 J), die wodurch jetzt V.2 vor V.3 „übertrieben“ bzw. V.3 nach V.2 „inkonsequent“ wirke. 425 Siehe dazu S. 120ff. 426 O LSON, Numeri, 145. 427 Neben Ex 32,10 lässt sich die Reaktion auch mit dem Umgang mit Datan und Abiram in Num 16,13–14 vergleichen. Dort sind die Sanktionen, die beide Leugner des Exodus (Num 16,13–14) treffen, von vergleichbarer Härte. Siehe Num 16,31–33.
Verpasste Landnahme: die Kundschaftergeschichte
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täådSo l¶AhVq_lD;k yÁ´nVpIl M¡Rhy´nVÚp_lAo NëOrShAaw h¢RvOm lñOÚpˆ¥yÅw :l`EarVcˆy y¶EnV;b Die Begrifflichkeit begegnet ansonsten nur dann, wenn Menschen Jhwh anbeten (vgl. Lev 9,24; Num 16,22; 17,10; 20,16). Josua und Kaleb treten statt dessen dem Volk entgegen (14,6–9)428. Das unterwürfige Verhalten, das Mose und Aaron dem Volk gegenüber an den Tag legen, passt jedoch sehr gut in das Bild, das im Numeribuch auch an anderen Stellen von den beiden gezeichnet wird. In diesem Zusammenhang ist besonders auf die Episode an den Wassern von Meriba in Num 20,1–13 zu verweisen. Als die Gemeinde Israels sich bei Mose und Aaron beschwert, dass sie nicht genug zu trinken habe und sich wieder nach Ägypten zurückwünsche, antworten Mose und Aaron (Num 20,10):
:Mˆy`Dm M™RkDl ay¶Ixwøn hY‰zAh oAlR;sAh_NImSh Das Verb axy Hif 1.Pers pl com. bezieht sich eindeutig auf diejenigen, die diese Frage stellen, Mose und Aaron. Am Schluss dieser Episode heißt es jedoch, dass Jhwh eigentlich dieses Wunder vollbringt und sich auf diese Weise der Gemeinde gegenüber als „heilig erweist“ (vdq in V.13). In ihrer Frage stellen sich Mose und Aaron jedoch selbst als diejenigen dar, die Israel das Wasser in der Wüste verschaffen429. Unmittelbar nach der Frage schlägt Mose mit seinem Stab an den Felsen, woraufhin sich das Wunder ereignet und das Wasser aus dem Felsen hervorquillt. Am Ende des Paralleltextes Ex 17,1–7 heißt es dort nur lapidar, dass Mose alles so gemacht hat, wie Jhwh es ihm aufgetragen hat (17,6). Von diesem Gottesbezug des Wunders fehlt jedoch in der Frage des Mose an das Volk in Num 20,10 jede Spur. Darüber hinaus hat der Stab, mit dem Mose auf den Felsen schlägt, von Num 17,25ff. her eine besondere Funktion430. Eigentlich ist er im Verlauf der Wüstenwanderung zum „Zeichen“ (tOwa) für die Widerspenstigen geworden. In der Tat erhält Mose von Jhwh in 20,8 den Auftrag, den Stab zu nehmen, die Gemeinde zu versammeln und zum Felsen zu „reden“. In der Ausführung dieses Befehls verfährt Mose jedoch genau umgekehrt. Er re-
428
Diesen Gegensatz hebt auch S CHÄFER-LICHTENBERGER , Josua und Salomo, 141 heraus: „Mose und Aaron fallen angesichts des offenen Aufruhrs stumm auf die Knie (Num 14,5). Josua und Kaleb handeln demonstrativ (14,6) und treten dem Volk beredt entgegen (Num 14,7–9).“ SEEBASS , Numeri, 113, dazu: „Vielmehr folgt dem Gestus ein Kontrast: Josua und Kaleb tun das, was man, wenn nicht von Aaron, sondern zumindest von Mose erwarten würde.“ S EEBASS schließt jedoch ohne nähere Begründung von vorne herein aus, dass sich Mose und Aaron mit dieser Geste dem Volk beugen. 429 So die Auslegung von MILGROM, Magic. 430 Siehe dazu im Einzelnen BLUM, Pentateuch, 271–276.
200
2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
det zum Volk (V.10) und schlägt mit dem Stab auf den Felsen431. „Wenn mit Bezug darauf dann in Nu 20,24; 27,14 gesagt wird, Mose und Aaron seien ‚widerspenstig‘ gewesen [...] (und dürften deshalb das Land nicht betreten), so wird damit die Ironie der Situation von V.10f. beleuchtet: Gerade in seinem Eifer, in dem Mose das Volk als ‚Widerspenstige‘ zurechtweisen will und das Zeichen der yrm ynb in seiner Hand schwingt, ist er selbst ‚widerspenstig‘ gegenüber Jhwh!“432 Gleich in mehrfacher Hinsicht setzen sich Mose und Aaron somit an die Stelle Jhwhs. Moses vollbringt Wunder und stellt dies als sein eigenes dar. Darüber hinaus lässt er seinen Zorn an die Stelle des erwarteten Gotteszornes treten. Das ist die Schuld des Mose, in die Aaron ebenfalls verstrickt wird433. Das Verdikt, dass weder Mose noch Aaron Israel in das verheißene Land führen darf, folgt unmittelbar im Anschluss an diese Episode (Num 20,12):
MR;tnAmTaRh_aøl NAoÅyï ~NOrShAa_l`Raw hRvOm_lRa hÎwhy rRmaâø¥yÅw ‹…way‹IbDt aôøl N#EkDl l¡EarVcˆy yEnV;b y™EnyEoVl yˆn$Evyî;dVq°AhVl y$I;b :M`RhDl yI;t¶AtÎn_rRvSa X®r™DaDh_lRa hY‰zAh lDh;qAh_tRa Für Aaron trifft das hier Verhängte sehr bald ein (Num 20,24):
r¶RvSa X®r$DaDh_lRa ‹aøbÎy aôøl yI;k wy$D;mAo_lRa ‹NOrShAa P§EsDa´y y¶EmVl y™IÚp_tRa M¶RtyîrVm_rRvSa l¢Ao l¡EarVcˆy yEnVbIl yI;t™AtÎn :h`DbyîrVm Mose und Aaron haben nicht auf Jhwh vertraut (Nma) und ihn nicht vor den Augen Israels geheiligt ( vdq in 20,12). Diese Aussage Jhwhs zieht die viel diskutierte Frage nach sich, ob sie sich auf die unmittelbar vorangehende Erzählung bezieht, in der die Israeliten an den Wassern Meribas zu trinken finden. Die Paragrapheneinteilung des Petropolitanus legt jedoch ein sehr viel breiteres Bezugsfeld nahe434. In der Tat lässt sich Num 20,12 zwar auch mit der Episode an den Wassern von Meriba in Verbindung bringen. Die Formulierung ist jedoch so offen, dass sich auch andere Möglichkeiten ergeben. Insofern ist auch ein Bezug der V.12.13 auf Num 14,5 durchaus denkbar, wenn es dort heißt, dass Mose und Aaron zu dem Zeitpunkt vor dem Volk auf ihr Angesicht fallen, an dem sie von ihrem Auftrag her Israel eigentlich an die Landverheißung hätten erinnern sollen. Auch dort haben
431
Siehe dazu die Synopse von Befehl und Ausführung in Num 20,8–10 bei BLUM, Pentateuch, 174 Anm 171. 432 BLUM , Pentateuch, 274–275. (Hervorhebung im Original). 433 Es lässt sich zeigen, dass Mose diesen stellvertretenden Zorn bereits in Ex 32–34 an den Tag legt. Näheres dazu S. 226. 434 Siehe die Setuma ( s ) unmittelbar hinter Num 20,11.
Verpasste Landnahme: die Kundschaftergeschichte
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Mose und Aron Jhwh nicht „geheiligt“ und ihm nicht „vertraut“435. Insofern deckt die Formulierung in 20,12 sowohl die Kundschafterepisode als auch die Begebenheit an den Wassern von Meriba ab. Wenn der biblische Erzähler in Num 20,24; 27,14 und Dtn 32,50–51 den Tod des Mose jenseits des verheißenen Landes ausdrücklich mit der Episode am Haderwasser in Verbindung bringt, so kann dies nur als Hinweis im Sinne eines „pars pro toto“ verstanden werden, der mehr umgreift, als nur diese eine Begebenheit. Ausgerechnet die Formulierung des Verdiktes (Num 20,12) unmittelbar nach der Episode ist so unspezifisch formuliert, dass auch andere Ereignisse auf der Wüstenwanderung in den Blick kommen. Dies haben die Masoreten erkannt und durch die Gliederung des Textes zum Ausdruck gebracht. Insofern fügt sich das Verhalten von Mose und Aaron in Num 14,5 in ein durchaus kritisches Gesamtbild dieser beiden Führungsfiguren, das insbesondere im Numeribuch gezeichnet wird. Sie werden nicht als tadellose Führungspersönlichkeiten geschildert. Der Umstand, dass ihr Amt auf die Wüstenzeit beschränkt bleibt, hat auch mit ihrem Versagen während dieser Epoche zu tun436. Josua und Kaleb betonen in ihrer Ansprache an das Volk gleich zu Beginn zweimal, wie gut das Land ist (Num 14,7b.8). Zum einen heben sie hervor, dass es sehr gut ist, dann, dass darin Milch und Honig fließt. Doch auch in diesem Abschnitt kommt das Thema „Bewohner des Landes“ nicht zu kurz: Das Streiten Jhwhs wird jedoch nicht geschichtlich (etwa mit dem Exodus) begründet. Es heißt dort nur: „wenn er Wohlgefallen hat“ (XEpDj_MIa in V.8), wird Jhwh Israel in das Land bringen. Insofern ist der Bezug auf die Landverheißung eigenartig gebrochen. In keiner der Landverheißungen wird die Erfüllung noch einmal zusätzlich von dem „Wohlgefallen“ Jhwhs abhängig gemacht. Mit einem MR;tAa, das aus dem Satzgefüge von V.9 etwas herausragt, sprechen Josua und Kaleb das Volk am Ende ihrer Rede noch einmal unmittelbar an. Es taucht dann bei der Strafrede Jhwhs in V.32 wieder auf. Auch die zweite Begründung Josuas und Kaleb dafür, dass Angst vor den Bewohnern des Landes unbegründet sei, hebt sich von den Landverheißungen insgesamt ab. Sie behaupten, dass der „Schutz“ (lEx) von den Völkern gewichen ist (14,9). Diese Begründung lässt allenfalls an die Landverheißung in Gen 15, insbesondere an die Ursache für ihre Verzögerung in Gen 15,16 denken. Allerdings wäre dies nur ein sehr vager Bezug, der lediglich auf der inhaltlichen Ebene zu konstatieren wäre. Der Begriff 435
Diesen Bezug heben die Forscher besonders hervor, die von einer Grundschicht ausgehen, die Mose noch nicht in der Form idealisiert hat (erst später gibt es eine PVersion und dann eine Pentateuchschicht, die die ursprüngliche Schicht überlagert), siehe bei A RTUS , Études, 240–243. Auf der Ebene der Endgestalt wird diese Verbindung, so weit ich sehe, durch nichts relativiert. 436 Näheres dazu S. 199ff.
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
lEx taucht in Gen 15 nicht auf und von der Schuld der Völker ist in Num 14,9 nicht die Rede. Allenfalls ließe sich anführen, dass in beiden Texten die Amoriter genannt werden. Auch die Zusage, dass Jhwh „mit euch“ ist und sich das Volk darum nicht vor den anderen Völkern zu fürchten braucht, findet sich in dieser Form nicht in den Landverheißungstexten437. Diese leichten Abweichungen im Umgang mit der Landverheißung in der Rede Josuas und Kalebs in Num 14,5–10 sind bei der Auslegung nicht zu vernachlässigen. Zweifelsohne wird ihr Mut, der sie beinahe das Leben gekostet hätte (V.10a), von Jhwh selbst dadurch belohnt, dass sie als einzige ihrer Generation das Land betreten dürfen (V.30.38). Ein Blick auf die Rede des Mose in Num 32, die er in einer vergleichbaren Situation hält, zeigt jedoch, dass er sich „korrekt“ auf die Landverheißungen bezieht. Hier findet man die Terminologie, die der Leser auch aus anderen Landverheißungen her kennt (Num 32,7). Mose nennt auch ausdrücklich die Überschreitung des Jordan und verheißt das „Vertreiben der Feinde vor ihnen her“ (Num 32,21):
dªAo h¡Dwhy yEnVpIl Näé;drÅ¥yAh_tRa X…wölDj_lD;k MªRkDl r°AbDow :wy`DnDÚpIm wy™DbyOa_tRa wöøvyîrwøh Mose, der allerdings auch unsere Kundschaftergeschichte noch einmal als abschreckendes Beispiel ins Gedächtnis ruft, hat mit seiner Rede den gewünschten Erfolg. Die Stämme Gad und Ruben willigen ein, sich als Ostjordanstämme an dem Feldzug zu beteiligen (32,32). Dieses Ergebnis steht in scharfem Kontrast zu der Reaktion des Volkes auf die Rede Josuas und Kalebs. Sie entkommen der „Lynchjustiz“438 nur dadurch, dass der dwâøbVk hÎwhy im Zelt der Begegnung erscheint (14,10)439. Josuas und Kalebs mutiges Entgegentreten qualifiziert sie beide als potentielle Nachfolger Moses. Sie erweisen sich grundsätzlich beide als Vertreter des Volkes, die in kritischen Situationen den richtigen Weg zu weisen wissen440. Die Erzählung lässt sich in ihrer Endgestalt jedoch auch als einen Hinweis auf die Notwendigkeit der „richtigen“ Weitergabe der Verheißungen verstehen: Gott gibt das Land nicht dann, wenn es ihm „gefällt“ oder weil ein „Schutz“ von den Völkern gewichen ist, wie Kaleb und Josua in ihrer Rede ausführen (Num 14,8–9), sondern er gibt es, weil er es Abraham, Isaak und Jakob verheißen hat. Darauf bezieht sich Mose in seiner 437
Die Aufforderung, sich nicht zu fürchten, ist im Zusammenhang mit der Landnahmethematik zwar gängig. Aber in dieser Form in Kombination mit Mta als Beistandszusage, die die Furchtlosigkeit begründen soll, taucht sie sonst nicht auf. 438 SEEBASS , Numeri, 115. 439 Siehe dazu den knappen, aber informativen Exkurs über hwhy dwbk bei SEEBASS, Numeri, 116. 440 SCHÄFER-LICHTENBERGER , Josua und Salomo, 142.
Verpasste Landnahme: die Kundschaftergeschichte
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Rede in Num 32. In den Reden im Deuteronomium stellen die Landverheißungen an die Erzeltern eine der entscheidenden theologischen Grundlagen dar441. Ein Blick auf die Begründungen dafür, dass Josua und Kaleb innerhalb ihrer Generation eine Ausnahme bilden, bestätigt, dass die Rede in Num 14,5–10 durchaus kritisch beurteilt wird. Nur bei Kaleb wird an einer Stelle sein Verhalten als Grund dafür angegeben, dass er in das Land darf (siehe 14,24, wo Jhwh ihn sogar als yî;dVbAo bezeichnet). Zwar wird in 14,30 und in 14,38 Josua gemeinsam mit Kaleb als Ausnahme von dem Verdikt über das Volk erwähnt, eine Begründung dafür fehlt jedoch an beiden Stellen. Die Rede, die Kaleb mit Josua gemeinsam gehalten hat, findet keine weitere Erwähnung. Die Wendung: „weil ein anderer Geist in ihm war“ (14,24), kann sich somit nur auf Kalebs Aufforderung an das Volk beziehen, in das Land hinaufzuziehen (13,30)442. Dennoch kann natürlich kein Zweifel daran bestehen, dass Josua und Kaleb als Kundschafter besonders herausgehoben werden443: Schließlich sind sie es, die dem ungehorsamen Volk als einzige entgegentreten. Innerhalb der Kundschaftergeschichte sind sie damit die qualifizierteren Führungspersönlichkeiten als Mose und Aaron. Das Thema „Nachfolge des Mose“ wird zwar nicht direkt angesprochen, deutet sich aber hintergründig in der Kundschaftergeschichte Num 13–14 bereits an. Es ergibt sich die Führungsalternative Josua oder Kaleb, die jedoch aufgrund Jhwhs freier Wahl zugunsten Josuas endgültig entschieden wird: Mose bittet nach dem erfolgten Generationswechsel in Num 26 um einen „Mann, der vor ihnen aus- und eingeht und sie aus- und einführt, damit die Gemeinde Jhwhs nicht sei wie die Schafe ohne Hirten“ (Num 27,12ff.). Jhwh trägt Mose auf, Josua zu sich zu nehmen und ihm als seinem Nachfolger die Hände aufzulegen. Damit wird deutlich, dass die letzte Entscheidung über den Nachfolger bei Jhwh liegt. „Dieser Umstand impliziert eine bedeutsame Verminderung einer scheinbar ihrem Ursprung nach charismatischen Autorität.“ (164) Josua tritt aber nicht anstelle des Mose, sondern bleibt auch nach seinem Tod ihm nachgeordnet und dem Priester unterstellt (165). „Theologisch betrachtet hat Mose als die von JHWH bestimmte oberste Autorität keinen Nachfolger. Die Position Moses hört mit seinem Tode auf zu bestehen.“ (166) Der nun folgende Abschnitt Num 14,11–19 hat, wie bereits oben erwähnt, seine direkte Parallele in Ex 32,7–14. An beiden Stellen wird be441
Siehe dazu oben S. 107ff. In der historisch-kritischen Forschung ist dies auch generell üblich, da beide Passagen dem nicht-priesterschriftlichen Bestand der Kundschaftergeschichte zugeschrieben werden. 443 Siehe dazu SCHÄFER-LICHTENBERGER, Josua und Salomo, 163f. Die Seitenzahlen in Klammern im folgenden Absatz beziehen sich auf diese Untersuchung. 442
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schrieben, wie Jhwh sein Volk zunächst vernichten möchte und Mose statt dessen anbietet, ihn zu einem großen und starken Volk zu machen (vgl. Ex 32,10 mit Num 14,12b). Erst die selbstlose Fürbitte des Mose vermag Jhwh von seinem zorngeleiteten Vorhaben abzubringen. Da Jhwh hier in Num 13–14 zum zweiten Mal auf diese Weise auf den Ungehorsam des Volkes reagiert, ließe sich sein Verhalten als Aufforderung zur intercessio begreifen: “...that is, in the two major demonstrations of apostasy, the incidents of the golden calf and the scouts, God asks Moses to intercede on behalf of Israel. [...] God is actually cuing Moses in his role als intercessor and intermediary – perhaps even testing him – that by his intercession he may save his people (cf. Ex 32:10).”444 Mose geht in seiner Fürbitte ganz ähnlich vor wie in Ex 32,12ff. Wieder ruft er als mögliche Zeugen des Geschehens die Unterdrückermacht Ägypten auf den Plan. Hier in der Kundschaftergeschichte kommen jedoch darüber hinaus noch die Bewohner des Landes als „Beurteilungsinstanz“ hinzu (V.13–14). Sie werden von den Ägyptern die Ereignisse um die Befreiung Israels erfahren und nicht umhinkommen, den Schluss zu ziehen, dass Jhwh all dies getan hat, um sein Volk in der Wüste umzubringen (14,16). Der Übergang von V.13 auf V.14 bietet grammatikalisch keine weiteren Probleme: Sinngemäß warnt Mose Jhwh davor, dass die Ägypter den Bewohnern des Landes von ihren Erfahrungen mit dem Gott Israels berichten445. Gerade in der Verbindung zwischen den Ägyptern und den Bewohnern des Landes liegt die Pointe dieser Fürbitte und ihr Fortschritt gegenüber Ex 32,12, dient hier doch die Verbindung zwischen Exodus und Landnahme Mose als schlagendes Argument446. Zu Beginn der Landnahme stellt Rahab als Bewohnerin des Landes genau diese Verbindung zwischen Exodus und Landnahme her (Jos 2,10) und erweist sich somit als „Rechtgläubige“ par excellence. Mose zeigt demgegenüber Jhwh auf, dass sein Vorhaben, Israel zu „schlagen“ ( hkn in 14,12) letztlich denjenigen Recht geben würde, die lieber gleich in Ägypten gestorben wären (14,2b). Die Fürbitte des Mose hat wie in Ex 32 durchschlagenden Erfolg: Denkbar knapp fällt die Antwort Jhwhs aus, dass er vergeben habe (V.20). Dieser Akt der Vergebung hat zunächst einmal zur Folge, dass Israel Jhwhs Volk bleibt. Vergebung bedeutet hier die Restitution der Verheißungen für die kommende Generation447. Darüber hinaus zieht Jhwhs Eingehen auf die Fürbitte des Mose eine Differenzierung innerhalb Israels zwischen den Kundschaftern, dem Volk insgesamt und der nachwachsen444
MILGROM , Numbers, 109. Siehe dazu auch Ez 36,22–25. 446 SEEBASS, Numeri, 118, will gerade die Bezüge auf den Exodus herausstreichen („Glosse“), womit der Zusammenhang zwischen Exodus und Landnahme, auf dem diese Fürbitte aufbaut, zerstört wäre. 447 Vgl. dazu O LSON, Numbers, 150. 445
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den Generation nach sich. Die Sanktionen für diejenigen, die das Land erkundet haben, werden in 14,21–23.36–37 behandelt. Doch auch unter den Kundschaftern wird noch einmal unterschieden. Während es in V.21– 23 nur heißt, dass diejenigen, die das Land „gesehen“ (har) haben, das Land nicht „sehen“ (har) sollen, wird in V.36–37 von dem sofortigen Tod der Kundschafter durch eine Plage berichtet, die das Gerücht gestreut hatten (14,37)448. Mit dem Wortspiel in der Beschreibung der Sanktion der Kundschafter mit dem Verb har in 14,22.23449 steht der Umgang mit dem Verb ody in V.31.34.35 in einer gewissen Entsprechung. Die Kinder, die zu diesem Zeitpunkt jünger als 20 Jahre sind (siehe die genaue juristische Bestimmung in 14,29), sollen das Land „erkennen“ (ody in V.31)450. Demgegenüber sollen all diejenigen, die „gemurrt“ (Nwl) haben, die „Abwendung“ (hDa…wnV;t) „erkennen“ (14,34)451. Das ist der gleiche Personenkreis, der sich gegen Jhwh „versammelt“ (doy Nif in V.35) hat. Die Vertauschung der Buchstaben o und d machen deutlich, dass die mit diesen Verben bezeichnete Handlung aufeinander zu beziehen ist. Ganz offensichtlich ist einerseits zwischen dem doy der Exodusgeneration, das nur die „Abwendung“ Jhwhs „erkennen“ wird, und andererseits dem ody der Generation, die ins Land kommen wird, ein Gegensatz zu denken. Der Exodusgeneration bestätigt Jhwh im Grunde genau deren Befürchtungen, die sie nach dem Aufkommen des Gerüchtes geäußert hatten (14,2b.3). Der Versuch einer eigenständigen Landnahme schließt die Erzählung ab, die in einem völligen Desaster endet (Num 14,40–45). Eine erneute Intervention Jhwhs ist als Reaktion auf den Beschluss des Volkes, in das Land hinaufzusteigen, nach dem Verdikt in Num 14,21–38 nicht mehr nötig. Mose versucht, das Volk von dieser eigenmächtigen Aktion abzuhalten (V.41–43). Er kann auf den „Mund Jhwhs“ (V.41) verweisen, wo bereits in wörtlicher Rede das Verbot Jhwhs an diese Generation ergangen ist, das Land zu betreten (Num 14,22.29). Dieser Terminus hDwhy yIÚp „Mund Jhwhs“ von V.41 verweist zurück an den Anfang (Num 13,3). Mose hatte die
448
SEEBASS , Numeri, 126, vermutet, dass die Härte der Strafe darin liegt, dass sie mit dem Gerücht Moses umgangen hatten (13,32). Insofern muss aber die Sanktion für die Kundschafter in 14,21–24 nicht unbedingt als Dublette zu 14,36–38 angesehen werden. 449 Die Generation Num 1–26 wird insgesamt als „Augenzeugengeneration“ geschildert. Siehe dazu O LSON, Numeri, 181. 450 Auch wenn beide Textsegmente möglicherweise zwei unterschiedlichen Schichten zugeordnet werden müssen (14,21ff vorpriesterschriftlich; 14,26–38 P), so ist dieser Gegensatz auf der Ebene der Endgestalt allzu offensichtlich und muss deswegen ausgelegt werden. 451 Siehe in V.32 das wie in V.9 oben bereits erwähnte hervorgehobene Mta.
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Kundschafter „auf Geheiß Jhwhs“ in das Land geschickt452. Dieser Bezug macht deutlich, wie sehr der gleiche Vorgang nach all den berichteten Ereignissen sich in sein genaues Gegenteil verkehren kann. Warum bricht das Volk dennoch auf? Das Volk unterstellt entweder, dass Mose den Willen Gottes nicht richtig wiedergegeben hat, oder setzt es auf Jhwhs Nachgiebigkeit?453 In 14,40 gibt das Volk die Begründung an: …wna`DfDj y¶I;k. Damit würde jedoch die Landnahme zum reinen Bußakt. Unter diesem Vorzeichen wird das Land nur noch zum MwøqD;m. Am Ende kommen viele aus Israel durch das Schwert um (14,43). Diese Wendung ist ein Rückverweis auf 14,3. Mit anderen Worten: Mose kündigt jetzt genau das an, wovor sich das Volk in 14,3 gefürchtet hatte, und das dann in Num 14,45 eintrifft. Die Fassung des biblischen Erzählers bietet so etwas wie eine „Analyse einer groben Fehlentscheidung aus Unglauben“. Der Diskurs, der zu dieser Entwicklung führte, wird minutiös und detailgenau geschildert. Am Ende sind die Bewohner des Landes in Israels Augen eine so massive Bedrohung, dass sie sich wünschen, der Exodus habe nie stattgefunden. Dabei schält sich im Laufe der Erzählung der Leitgedanke der ganzen Erzählung heraus: Das Volk bekommt genau das, was es erwartet454. Es befürchtet, von den Landesbewohnern erschlagen zu werden (14,3.4). Am Ende trifft genau dies ein (14,43)455. Ebenso geht es mit den anderen Äußerungen der Gemeinde in 14,1–4: Sie wollen ihre Kinder retten (14,3). In der Tat sollen diese in das Land kommen und es „erkennen“ (14,31). Das Volk fasst den Beschluss, nach Ägypten zurückzukehren (14,4). Genau dies trägt Jhwh ihnen dann auf (14,25). “Their fear of death ironically leads to the fate which they bring upon themselves: death in the wilderness.”456 6.3. Moses Darstellung Die Nacherzählung der Kundschafterepisode beginnt mit dem Befehl Jhwhs zum Aufbruch vom Horeb (Dtn 1,7.8). Dieser Aufbruchsbefehl hat ein klares Ziel: Israel soll das Land in Besitz nehmen, das den Erzeltern verheißen worden war. Dieses Versprechen ist unumstößlich. Auch die Schuld der Exodusgeneration, insbesondere in der Kundschaftergeschichte,
452
Für MILGROM, Structures, 56 ist dies der wesentlichste Hinweis auf eine chiastische Struktur, die er in Num 13–14 auszumachen können meint. 453 Diese beiden Möglichkeiten zieht SEEBASS , Numeri, 125, in Erwägung. 454 Siehe die vollständige Auflistung der Entsprechungen bei MILGROM, Structures, 56 und O LSON, Numeri, 147–148. 455 MILGROM, Structures, 56: “The scouts conclude that Israel cannot conquer the land; Caleb avers that it can, but the nations conculde that it is God who cannot. Therefore when the scouts say that Israel cannot, they really mean that God cannot (cf. 14:3, 4, 43).” 456 O LSON, Numeri, 182.
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kann daran nichts ändern. Der im Numeribuch dargestellte Generationswechsel macht dies unmissverständlich deutlich457. Das Verdikt Jhwhs betrifft nur die Generation, die sich selbst schuldig gemacht hat. Das dahinter stehende Rechtsmodell ist eindeutig: „Da der Väterschwur umfassend ist und nur eine Generation zurückgetreten ist, kann Gott seine ältere Selbstverpflichtung auch nur für diese eine Generation rückgängig machen, nicht dagegen endgültig, weshalb er sofort für die folgende Generation neue Verfügungen trifft.“458 Dadurch, dass Mose gleich zu Beginn seiner Rede an die Erzelternverheißung erinnert und die Kundschaftergeschichte noch einmal darstellt, steht die Restitution der Verheißungen für die kommende Generation im Hintergrund der gesamten Moserede. „Weil der Väterschwur aber ein Akt einseitiger göttlicher Gnade ist und durch den fehlenden Vertragswillen des Partners nicht endgültig vereitelt werden kann, wird der Gotteseid bei der nächsten Generation, die noch keine moralisch verantwortbare Entscheidung treffen konnte, erneut wirksam.“ 459 Der biblische Erzähler setzt im Deuteronomium genau an diesem Punkt des sich vollziehenden Generationswechsels ein460. Die Unterscheidung der Generationen, die Mose in Dtn 1,35 seinen Hörern und Hörerinnen ins Gedächtnis ruft, wird dadurch zum hermeneutischen Schlüssel der Mosereden des Deuteronomiums insgesamt. An die Kundschafterepisode erinnert Mose im Zusammenhang mit der Darstellung der Ereignisse am Horeb in Dtn 9,23 und ordnet sie neben den anderen Rebellionen Israels in der Wüste paradigmatisch den Abwegen am Horeb unter461. Wie unten noch zu zeigen sein wird, systematisiert die Darstellung der Begebenheiten am Sinai bzw. Horeb in der Moserede gegenüber der Version des biblischen Erzählers in Ex 32–34 die Ereignisse so stark, dass jede erzählerische Spannung völlig verloren geht462. Die Gesichtspunkte, von denen sich Mose in seiner Rede ganz offensichtlich leiten lässt, sind somit beinahe als „systematisch-theologisch“ zu bezeichnen. Die Kundschaftergeschichte bildet hier keine Ausnahme. Sie wird zu einer der vielen Abwege Israels, eingereiht in eine scheinbar endlos scheinende Kette von Beispielen, die belegen, dass Israel seinem Gott immer wieder untreu geworden ist. Fast resigniert klingt die Aussage, die diesen Reigen abschließt (Dtn 9,24):
457
Siehe oben S. 193ff. LOHFINK, Darstellungskunst, 127. 459 BRAULIK, Dtn I, 28. 460 Zum Ort der Rede genau auf der Grenze des Generationswechsels siehe oben S. 81ff. 461 Ausdrücklich werden in Dtn 9,22 „Tabera“ (vgl. Num 11,3), „Massa“ (Ex 17,7) und die „Lustgräber“ (Num 11,34) genannt. 462 Siehe S. 252ff. 458
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:M`RkVtRa y¶I;tVoå;d Mwäø¥yIm h¡Dwhy_MIo M™RtyˆyTh MyñîrVmAm Das bedeutet, dass sich auch durch den Horebbund nichts an der grundsätzlichen Feststellung geändert hat, dass Israel Jhwh „widersteht“ ( hrm). “But 9:6–7 and 9:22–24 recognize this one rebellion as characteristic of Israel’s entire history.”463 Charakteristisch für Israels Sünde kann das „Antibekenntnis“ in Dtn 1,27.28 gelten, das der Einleitung der Darstellung der Horebereignisse in 9,1–2464 und dem Befehl zum Aufbruch am Horeb in 1,8 diametral widerspricht. Damit lässt sich bereits hier die erste Analogie zwischen der Stierbildepisode und dem Horebbund auf der einen und den Mosereden und dem darin beschlossenen Moabbund auf der anderen Seite ziehen: Am Horeb gibt Jhwh seinem Volk trotz des Versagens neue Weisungen in Gestalt der wiederhergestellten Tafeln (10,1–5). Der Unterschied liegt nur darin, dass als Beleg für Israels Sünde an die Stelle des Gusses des Stierbildes (9,12.16) in der Moserede die Landnahmeerzählung tritt. Der Umstand, dass sich Mose im Gefilde Moab Israel wieder zuwendet und neue, am Horeb empfangene (Dtn 5,31) Gebote verkündet, ist somit in Analogie zu der Restitution der Tafeln am Horeb und dem Akt der Vergebung am Berg Jhwhs zu verstehen465. Insofern gehört die Kundschaftererzählung alleine schon als Höhepunkt der Wüstenrebellionen, die sich zwischen dem Aufbruch vom Sinai und dem Generationswechsel ereigneten, an den Anfang der Mosereden im Moabgebiet. Die Darstellung der Kundschaftergeschichte wird auf diese Weise zum integralen Bestandteil des Moabbundes. Diese „systematisch-theologische“ Argumentationsweise erklärt auch, warum sich Mose in seiner Darstellung der zurückliegenden Ereignisse so deutlich von dem chronologischen Ablauf löst. Diese Voraussetzungen prägen die Moseversion der Kundschaftergeschichte bis in die Einzelheiten hinein. Hier kommt die Idee, vor der Landnahme Kundschafter vorauszuschicken, vom Volk und nicht wie in Num 13 von Jhwh. Die Form hDjVlVvˆn Kohortativ pl Qal in Dtn 1,22 bringt dies unmissverständlich zum Ausdruck. Das Volk stellt sich dadurch mit Mose auf eine Stufe. Schon von Rad bemerkte dazu: „das Volk [wird] als Subjekt in den Vordergrund geschoben.“466 Der Vorschlag des Volkes hat eindeutig militärischen Charakter. Das Verb rpj in Dtn 1,22b kommt noch in Jos 2,2.3 vor, wo der militärische Aspekt nicht zu übersehen ist. In Hi 39,29 wird es verwendet, um den Adler zu beschreiben, der nach seiner Beute sucht. Insgesamt macht das Vorhaben in 1,22 einen sehr „techni-
463
O LSON, Death, 57. LOHFINK, Darstellungskunst, 111. 465 Zum Verhältnis von Horeb- und Moabbund siehe S. 288ff. 466 von Rad, Gottesvolk, 18 Anm 2. 464
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schen“ Eindruck: Es soll der Weg erkundet werden, den das Volk gehen wird, und wie die Städte sind. Tatsächlich nehmen die Kundschafter in dem Gerede in Dtn 1,28 auf die Städte Bezug. Die Frage in 1,28: „Wo sollen wir hinaufziehen?“ ist rein militärischer Natur. Gegenüber der Komplexität der Auseinandersetzungen in Num 13–14 herrscht hier ein völlig eindimensionaler Dialog: Das Volk möchte die militärischen Informationen haben. Das Gerücht in 1,28 gibt genau darauf eine Antwort, wenn auch eine ins Maßlose gesteigerte. Die sukzessive Steigerung der Dramatik in der Version des biblischen Erzählers fehlt hier völlig. In Num 13,3 führt Mose den Auftrag Jhwhs aus, indem er die Kundschafter losschickt, die alle namentlich als Oberste ihrer Stämme ausgewiesen sind (V.4–16). Demgegenüber heißt es in seiner Rede nur lapidar, dass er einen Kundschafter pro Stamm „genommen“ hat (jql in Dtn 1,23). Darüber hinaus verschweigt Mose, dass er es war, der die Kundschafter geschickt hat. Sie „wenden sich um“ (hnp in 1,24) und „steigen“ ins Gebirge auf (hlo). Angesichts des klaren Auftrages Jhwhs in 1,7.8 ist die Aussendung der Kundschafter an sich „theologisch bereits ambivalent. Letztlich schiebt das Volk damit die Einlösung des Gotteswillens hinaus.“467 Es geht in der Moseversion nicht darum, in komplexen Dialogen aufzuzeigen, wie eine Fehlentscheidung zustandekommt, die auf Gerüchten und Zaghaftigkeit beruht, sondern darum, dem Volk den Nachweis der Schuld der gesamten Generation zu erbringen, die nicht ins Land ziehen darf. Der Aufenthalt der Kundschafter im Land wird nur in kurzen, knappen Zügen geschildert. Die Schilderung in Num 13,21–25 zusammenfassend468 heißt es nur, dass sie „von den Früchten des Landes“ mitbringen (Dtn 1,25). Die Hyperbolik einer so großen Traube, dass sie nur von zwei Personen getragen werden kann, fehlt hier. Allerdings nehmen die Kundschafter in ihrem Bericht im Gegensatz zur Numeriversion ausdrücklich Bezug auf die Landverheißung (Dtn 1,25b)469:
:…wn`Dl N¶EtOn …wny™EhølTa h¶Dwhy_rRvSa X®r$DaDh hDbwøf Auch von den Bewohnern des Landes erzählen die Kundschafter zunächst nichts. Vor dem Hintergrund dieser Aussage erscheint die Reaktion um so unverständlicher, wenn es heißt: „Dem Geheiß Jhwhs ( h™Dwhy y¶IÚp) widerstandet (hrm) ihr“ (1,26). Mit dieser Wendung steht die Aufforderung Jhwhs zur Landnahme in Dtn 1,8 im Raum, die Mose in 1,21 wiederholt hatte. Auf diese Weise wird das „Widerstehen“ des Volkes unmittelbar als Wi467
BRAULIK, Dtn I, 26. BRAULIK, Dtn I, 25, geht davon aus, dass die Kenntnis der Numerifassung für das Verständnis der Moserede notwendig ist. Das zeige sich vor allem an den Versen 25.36.39. 469 Vgl. etwa Dtn 6,10; 8,10; 9,6. 468
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
derstehen gegen die Landverheißung herausgestellt470. Der Streit in Num 13,30–31 darüber, ob die Bewohner des Landes nicht zu stark sind und ob man es wagen kann hinaufzuziehen (Stichworte lky und hlo in Num 13,30.31), fehlt in der Moseversion völlig. Von daher wirkt das NichtWollen des Volkes in Dtn 1,26 völlig unmotiviert. Die Reaktion des Volkes weist auf den ersten Blick eine merkwürdige Reihenfolge auf471. Zuerst unterstellt es Jhwh, er habe es nur aus Hass aus Ägypten geführt, um es in die Hände der Amoriter zu geben, damit diese es vertilge472. Dieses Motiv des Zweifels am Sinn und Ziel des Exodus ist dem aus der Version des biblischen Erzählers (Num 14,1–4) vergleichbar. Die Genese dieser Beurteilung der Lage wird von Mose jedoch nicht in dem Sinne „nachvollziehbar“ wiedergegeben wie dort. Er erzählt demgegenüber erst, wie das Volk den Exodus in sein Gegenteil verkehrt und lässt es dann noch die Schuld auf die Kundschafter schieben: „Sie haben unser Herz verzagt gemacht“ (1,28). Der Inhalt von 1,28 befindet sich somit auf einer anderen Kommunikationsebene und ist als Gerücht gekennzeichnet473. Es steht im Widerspruch zu der Auskunft der Kundschafter in V.25, die in dieser Darstellung keine Schuld trifft. So lastet aber alle Verantwortung in der Version des Mose auf dem Volk und nicht auf den Kundschaftern. Insofern fügt sich der Aufbau der Verse 26–28 nahtlos in den Gesamtduktus der Rede. In der Version des biblischen Erzählers folgt auf den Beschluss des Volkes, nach Ägypten zurückzukehren (Num 14,4), die Rede Josuas und Kalebs (14,5–10). Mose stellt in seiner Version hingegen die Ereignisse so dar, dass er die Ermutigungsrede (1,29–33) gehalten hätte. Ob hierin nun ein menschlicher Zug zu sehen ist, lässt sich nicht abschließend entscheiden. Wichtiger ist der inhaltliche Unterschied zu der Rede Josuas und Kalebs. Mose begründet seine Mahnung zur Furchtlosigkeit im Gegensatz zu
470
Um diesen Widerspruch des Volkes klar herauszuheben, könnte das „Gerücht“ Dtn 1,28 hinter den „Bericht“ V.25 stehen. In der historisch-kritischen Forschung wird gemeinhin V.28–33 als späterer Einschub gesehen. Siehe P ERLITT, Deuteronomium, 105– 114. Als Argument dient der angeblich „blanke Widerspruch“ zu V.25. (DERS., aaO, 105). Mehr dazu im Folgenden. 471 Nach BRAULIK, Dtn I, 27, springt ab hier die Darstellung in ein „Anti-Schema“. Er untermauert dies mit einer chiastischen Gliederung des gesamten Abschnittes Dtn 1,6– 42, die er von LOHFINK, Darstellungskunst, 122, übernimmt. In der Tat lassen sich einige Spiegelungen aufweisen: z.B. die Verwendung der Wendung hwhy yp in V.26 und V.43, wo „dem Geheiß Jhwhs widerstreben“ jeweils genau das Gegenteil bedeutet. Mehr dazu am Ende dieses Abschnittes. 472 BRAULIK, Dtn I, 27, spricht von einem „Anti-Credo“. 473 Vgl mit Dtn 9,1–2, wo die Sorge vor den Anakitern ebenfalls als „Gerücht“ charakterisiert ist.
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Josua und Kaleb mit dem Exodus und Jhwhs Führung in der Wüste474. Die kurze Rede des Mose, die er in seiner Rede wiedergibt, zielt auf den Zusammenhang zwischen den Taten des Exodus, der Bewahrung in der Wüste und der erhofften Landnahme ab475. Mose stellt genau diesen Zusammenhang somit der neuen Generation, die ihm zuhört, vor Augen, wie ihre Eltern in einer vergleichbaren Lebenssituation nicht „glaubten“. Mose hat damit die gleiche Rolle inne, wie in der gesamten Rede, die er im Moabgebiet hält. Die neue Generation soll genau diesen Zusammenhang von Jhwhs heilvollem Handeln im Exodus, während der Wüstenzeit und eben auch bei der bevorstehenden Landnahme begreifen. Das ist schließlich der Grund, weshalb Mose der neuen Generation an der Grenze zum verheißenen Land seine Reden hält476. Ab V.32 hebt sich diese Ansprache über die konkrete Situation der Kundschaftergeschichte hinaus und wird zu einer generellen Klage über Israels Verhalten während der gesamten Wüstenzeit. Es hat dem Heilshandeln Jhwhs kein „Vertrauen“ (Nma) entgegengebracht477. In Vers 33 stellt Mose Jhwh sogar selbst als Kundschafter dar, der in Gestalt einer Feuersäule des Nachts und einer Rauchsäule tagsüber ausgezogen ist, um für sein Volk einen „Lagerort“ tOnSjAl MwøqDm zu finden478. Damit ist eine einmalige Verknüpfung zwischen Wüstenzeit und der Kundschaftergeschichte gegeben. Das Verb rwt, das sonst das gängige Verb für „auskundschaften“ in Num 13–14 ist, kommt nur hier im Deuteronomium vor479. Dieses Bild von Jhwh, der selbst als Kundschafter auszieht, fügt sich ausgezeichnet zu dem oben herausgearbeiteten Umstand, dass in der Moseversion die Aussendung der Kundschafter als völlig überflüssige Verzögerung dargestellt wird480. Die Gerichtsrede Jhwhs in Dtn 1,36–40 ist gegenüber der Numeriversion ausgesprochen „ergebnisorientiert“. Der lange Weg zu dem Beschluss Jhwhs, innerhalb der Kundschafter und der Generationen zu unterscheiden, 474
Vgl. V.31 mit 8,2, wo die gesamte Wüstenwanderung unter der Überschrift der „Versuchung“ ( hsn) noch einmal wiederholt wird. 475 Gomes DE A RAUJO, Theologie, 93. „So entsteht das Bild eines kontinuierlichen Gotteshandelns.“ Die Bewahrung in der Wüste ist jedoch kein Spezifikum der Mosereden, sondern wird bereits aus der Sicht des biblischen Erzählers geschildert. 476 Insofern gibt es durchaus Berührungspunkte mit der Moserede in Num 32. Siehe dazu S. 132ff., wo der Zusammenhang von Dtn 1,29–30; 7,19 und 4,30–32 analysiert wird. 477 Vgl Gerichtsrede Jhwhs in Num 14,11, wo Jhwh dem Volk ebenfalls mangelndes Vertrauen (auch hier das Verb Nma) vorwirft. 478 Dtn 1,33 könnte sich tatsächlich auf Num 10,33 beziehen, wo es heißt, dass Jhwh vor ihnen herzieht, um ihnen einen „Ruheplatz“ ( hjwnm) zu zeigen. Vgl. auch Ex 13,21f. 479 Diese Anspielung lässt sich aber nur vom Numeribuch her verstehen. 480 Insofern wird man V.33 wohl kaum als „Brockensammlung“ (Perlitt, Deuteronomium, 111) bezeichnen können.
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wird von Mose nicht noch einmal wiederholt. Die Fürbitte Num 14,13–19 fehlt völlig. Dies könnte einer Schematisierung zu verdanken sein, dass sich Mose in Dtn 9–10 ein für alle Mal als der Fürbitter schlechthin darstellt481. Doch würde die Fürbitte auch nicht in den Gesamtduktus der Nacherzählung passen, in der der Schwerpunkt sehr konkret auf dem Nachweis der Mutlosigkeit des ganzen Volkes liegt482. Das Verdikt Jhwhs über Mose in 1,37 bedarf einer gesonderten Untersuchung, die im nächsten Unterabschnitt erfolgt. So viel sei nur hier schon angemerkt: Im Gegensatz zur Version des biblischen Erzählers bringt Mose seinen Tod direkt mit der Schuld des Volks in Verbindung. Das „um euretwillen“ (MRkVlAlgI;b) von Dtn 1,37 ist auffällig unbestimmt und lässt somit zunächst alle Bezugsmöglichkeiten offen. Vom Ansatz der vorliegenden Untersuchung her ist eine Suche über die Grenzen des Deuteronomiums natürlich geboten. Der Grund für die beiden Ausnahmen Josua und Kaleb wird ohne die Kenntnis der Numeriversion nicht deutlich. Die direkten Bezüge zeigen sich insbesondere an der Wendung in 1,36 hDwhy yérSjAa aE;lIm, die man auch in Num 14,24 im Zusammenhang mit Kaleb findet483. Die juristischen Bestimmungen über die Schuldfähigkeit weichen in beiden Versionen voneinander ab. In Num 14,29 wird sie nur über das Alter definiert, in Dtn 1,40 hingegen über die Fähigkeit, „Gut und Böse zu unterscheiden“. Diese Bestimmung fügt sich ebenfalls in den Gesamtduktus des Schuldnachweises von Dtn 1. Auch beim eigenmächtigen Eisodus des Volkes sind noch einige bezeichnende kleine Unterschiede zu nennen: In 1,41 hat es zunächst den Anschein, als reagiere das Volk angemessen auf die Situation, indem es ein Schuldbekenntnis (Stichwort …wnaDfDj) ausspricht. Daraufhin berufen sie sich im Unterschied zur Version des biblischen Erzählers auf den anfänglichen Landnahmebefehl (V.42). Während in Num 14,41 Mose das Volk von seinem eigenmächtigen Tun abzubringen versucht, schreitet in Dtn 1,42 Jhwh selber ein. Der Inhalt ist der gleiche. Dtn 1,42 nimmt Num 14,42 481
Siehe dazu S. 252ff. Allerdings kann ich der Auffassung LOHFINKs nicht zustimmen, wonach in Dtn 1 aufgrund des Fehlens der Fürbitte nicht von der Vergebung die Rede sei: „Gottes Zorn wird nicht aufgehoben oder abgewendet. Kein Fürsprecher tritt auf. ... Hier geschieht eine Ursünde, die schon das bittere Ende von 2 Kön vorwegnimmt.“ (Lohfink, Darstellungskunst, 118). Für den Leser, der vom Numeribuch herkommt und den geschichtlichen Ort der Moserede an der Generationenschwelle wahrnimmt, steht dieses Kapitel und mit ihm alle Mosereden von vorne herein unter dem Vorzeichen der unverbrüchlichen Zusage Jhwhs (s.o.). 483 BRAULIK, Dtn I, 28, vermutet, sie sei „aus der Tradition vorgegeben“ und verweist auf Jos 14,6–15. Schon für N OTH, ÜS, 97, ist das Fehlen der Begründung für Kalebs Begnadigung ein eindeutiger Hinweis darauf, dass Dtn 1–3 „bekannte Überlieferung voraussetzt.“ Vgl. auch LOHFINK, Darstellungskunst, 108. 482
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wörtlich auf. In 1,43 kommt die Wendung hÎwhy yIÚp_tRa …wrVmA;t wie in 1,26 auch vor, bezieht sich aber jetzt auf das Verbot, ins Land einzuziehen in 1,42. Die Ausgangssituation hat sich für die Augenzeugengeneration genau in ihr Gegenteil verkehrt. Dies macht noch einmal deutlich, dass es eine neue Chance erst nach dem Generationswechsel geben wird. Es ist an den Hörerinnen und Hörern der Moserede, sie zu ergreifen. Die Bedeutung des Verdiktes, dass Mose selbst nicht in das verheißene Land darf, ist in der Forschung immer wieder Gegenstand der Diskussion. Dabei ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht die Frage nach Ursprung und Historizität dieser literarischen Tradition weiterführend484, sondern vielmehr die, welche erzählerische und theologische Bedeutung dem Tod des Mose vor dem Eintritt ins verheißene Land innerhalb der hier zu untersuchenden Geschichtsdarstellung zukommt485. Auf erzähltheoretischen Überlegungen beruht der Vorschlag von Lux486. Er wählt Benjamins Gedanken einer „geheimen Liaison zwischen Tod und Erzähler“487 als Ausgangspunkt seiner Analyse von Dtn 32,48–52 und Dtn 34. Der Tod „setzt ... Kräfte zur Bewahrung des Lebens in erzählter Tradition frei.“488 Diese Dynamik wird, so Lux, beim Tod des Mose noch verstärkt, da dieser nach gängigen Maßstäben völlig „absurd“ ist489. Erst dadurch, dass Mose auf Geheiß Jhwhs stirbt, ergibt sich überhaupt eine Deutungsmöglichkeit. „Die Außergewöhnlichkeit und Unerhörtheit dieses Todes werde als ein Geschehen sub verbo deo gedeutet und angenommen.“490 Erst „indem der Erzähler mit Hilfe der direkten Rede die Geschichte vom Tod des Mose als Geschichte zwischen Jahwe und Mose deutend weitererzählte, öffnete er die individuelle Lebensgeschichte dieses Mannes und ließ sie in die Geschichte Gottes mit seinem Volk einmünden.“491 Erst der Dialog mit Jhwh ermöglicht nach Meinung von Lux die herausragende Bedeutung dieses Todes über viele Generationen hinweg. Mose wird zunächst zur Identifikationsfigur für die Generation, die im Exil alt geworden war und Angst hatte, darüber hinwegzusterben. In späteren Zeiten konnte Ähnliches im Laufe der schweren Geschichte des jüdischen Volkes immer wieder geschehen. Diese sicherlich beeindruckende Deutung geht von Dtn 32,48–52 und Dtn 34 als Textbasis aus. Da Num 13–14 und 20 aufgrund des textgeneti484
LUX, Tod, 400 A 20.21. Siehe die dort angegebene Literatur zur Diskussion um das Mosegrab. 485 Vgl. CRÜSEMANN, Tora, 76f. 486 LUX, Tod. 487 BENJAMIN, Erzähler, 450; siehe bei LUX, 395. 488 LUX, Tod, 395. 489 LUX, Tod, 415. 490 LUX, Tod, 415. 491 LUX, Tod, 416.
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
schen Modells, mit dem Lux arbeitet, nicht mit einbezogen werden, wird die Frage der Schuld Moses an seinem Tod bei dieser Auslegung nicht diskutirert. Braulik beleuchtet demgegenüber den Aspekt der Schuld. Dabei geht er von Moses eigener Begründung in Dtn 1,37 aus und versteht sie als Gegensatz zur Numeriversion. Während dort in Num 20 eine persönliche Schuld des Mose ausdrücklich genannt wird, lässt sich Vergleichbares in Dtn 1,37 nicht feststellen. Aus diesem Grunde ist Braulik der Ansicht, dass Mose persönlich unschuldig ist und wie ein altorientalischer Herrscher für sein Volk haftet492. Die Rede des Mose will, so Braulik, den Gedanken der Individualschuld überwinden „und sich mit der Gesamtschuld und -sühne des Volkes solidarisch wissen.“493 Gerade die Tatsache, dass Mose selbst keine Schuld trifft, bringt seine Verbundenheit mit dieser Generation umso stärker zum Ausdruck494. Die aufgeführten Interpretationen gehen von einem Bestand des Deuteronomiums als Textbasis aus, das später durch priesterschriftliche bzw. redaktionelle Zusätze erweitert wurde. Auf diesem Weg können die gegensätzlichen Aussagen über die Gründe, weshalb Mose nicht ins Land darf, eingeordnet werden. Vom Ansatz der vorliegenden Untersuchung her ist jedoch zu fragen, ob sich diese Gegensätze innerhalb des uns heute vorliegenden Textes nicht doch sinnvoll aufeinander zu beziehen sind. An folgenden Stellen findet sich eine Begründung, warum Mose nicht ins Land darf: Num 20,24; Num 27,14; Dtn 1,37; Dtn 3,26; Dtn 4,21 Dtn 31,2; Dtn 32,52; Dtn 34,4495. Stellt man die Frage nach der Textgenese einmal hintan und fragt nach den Kommunikationsebenen, auf denen diese Aussagen getroffen werden, so ergibt sich folgende Unterscheidung: Num 20,24; Num 27,1–2; Dtn 32,52; Dtn 34,2 sind Ausführungen des biblischen Erzählers, Dtn 1,37; Dtn 3,26; Dtn 4,21 und Dtn 31,2 stammen aus dem Mund Moses496. Es lässt sich zeigen, dass sich innerhalb der Aussagen, die sich jeweils auf einer Ebene befinden, keine fundamentalen Spannungen
492
BRAULIK, Dtn I, 28. BRAULIK, DtnI, 29. 494 So auch der Grundgedanke bei LOHFINK, Individuum und Gemeinschaft, 48. Auf einer ganz ähnlichen Grundvorstellung baut ebenfalls O LSON, Death, 26 auf: Auch er begreift die Verknüpfung des Mosetodes mit der Kundschaftergeschichte als Gegensatz zu Num 20: “Dtn 1:37 is the inclusion of Moses among those who will die in the wilderness. This is a unique Deuteronomic addition to the story.” 495 Eine Synopse der Bestimmungen Jhwhs, dass Mose nicht ins Land darf, findet sich bei O TTO, Dtn im Pentateuch, 224. Dtn 4,21 lässt er jedoch aufgrund seines textgenetischen Modells außen vor. 496 Siehe K RATZ, Literarischer Ort, 102–105, der zwar auf den Zusammenhang der Belege hinweist, allerdings ebenfalls nicht wirklich zwischen den Kommunikationsebenen unterscheidet, sondern nur anmerkt, dass Dtn 1,37f.; 3,23–28; 4,21f; 31,2b „das Ihre“ zum Gesamtbild beitragen. 493
Verpasste Landnahme: die Kundschaftergeschichte
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ausmachen lassen. Wie ist jedoch mit den widersprüchlichen Aussagen zwischen dem biblischen Erzähler und Moses zu verfahren? Um diese Frage zu klären, analysieren wir zunächst die Belege nach Kommunikationsebenen getrennt voneinander. Wie oben bereits angedeutet497, lässt die erste Begründung, die Moses für seinen Tod außerhalb des Landes angibt, viele Deutungsmöglichkeiten offen (Dtn 1,37):
h™D;tAa_MÅ…g róOmaEl M™RkVlAlgI;b hYÎwhy PA…nAaVtIh ‹yI;b_MÅ…g :M`Dv añøbDt_aøl Der Grund für Jhwhs Zorn bleibt auffällig unbestimmt. Mose nennt kein eigenes Vergehen, das Jhwhs Zorn über ihn erklären würde, sondern nur das Volk als Grund für den Zorn, der auch Mose trifft. Unmittelbar mit dieser Stelle verwandt ist Dtn 3,26. Mose berichtet von der Reaktion Jhwhs auf seine Bitte, doch noch ins Land zu dürfen:
:h`RzAh r¶Db;dA;b dwäøo y¢AlEa r¶E;bå;d PRsw#ø;t_lAa JK$Dl_bår Der Zorn Jhwhs ist hier durch rbo II Hitp mit der Präposition b beschrieben. „Objekt“ des Zornes ist Mose, aber auch hier ist der Grund wiederum nicht in einer Verfehlung des Mose zu sehen, sondern in den Adressaten und Adressatinnen seiner Rede. Von der Grundaussage her sind somit beide Stellen miteinander vergleichbar. Nur die Präpositionen, mit denen auf das Volk als eigentliche Ursache des Zornes hingewiesen wird, sind verschieden: In Dtn 1,37 mit MRkVlAlgI;b und in 3,26 mit M$RknAoAmVl. Wie SchäferLichtenberger anhand von Gen 12,13 veranschaulicht, gibt lDlDgV;b den Grund für einen Sachverhalt an, wohingegen NAoAmVl auch und vor allem final-konsekutiv aufgefasst werden muss498. Das bedeutet aber, dass Mose in Dtn 1,37 eindeutig das Volk als Grund für den Zorn über seine Person angibt. Dies entspricht auch im oben herausgearbeiteten Duktus der Darstellung der Kundschafterepisode in Dtn 1499. Der final-konsekutive Aspekt von NAoAmVl muss dann in die Richtung interpretiert werden, dass Dtn 3,26 in die Zukunft blickt, so dass sich die Paraphrase aufdrängt: „... es liegt nicht im Interesse der Zukunft Israels, daß Mose mit über den Jordan zieht.“500 Wieder in die Richtung von Dtn 1,37 geht die Begründung in 4,21a:
M¡RkyérVbî;d_lAo y™I;b_P‰…nAaVtIh h¶Dwhy`Aw
497
Siehe oben den vorangehenden Abschnitt. SCHÄFER-LICHTENBERGER , Josua und Salomo, 172–173. 499 Siehe oben den vorangehenden Abschnitt. 500 SCHÄFER-LICHTENBERGER , Josua und Salomo, 173. 498
216
2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
Auch hier gibt Mose keine eigene Schuld zu, sondern verweist auf die „Angelegenheiten“ (MyîrDb;d) des Volkes, die der Grund für den Zorn Jhwhs auf Mose sind. Allerdings stellt Mose im nächsten Vers besonders den Gegensatz seines Schicksals zur Zukunft seiner Hörerinnen und Hörer heraus, wenn er in V.22b betont, dass sie in das gute Land hineinziehen dürfen501. In Dtn 31,2 nennt Mose zwei Gründe dafür, dass er nicht das verheißene Land betreten darf:
MwYø¥yAh ‹yIkOnDa h§DnDv My°îrVcRow ·hDaEm_NR;b M#RhElSa rRmaâø¥yÅw añøl y$AlEa rAmDa ‹hÎwhy`Aw awóøbDlw taExDl dwäøo l¶Ak…wa_aøl :h`RzAh Nñé;drÅ¥yAh_tRa räObSoAt Zum einen weist er auf sein Alter hin, das es ihm nicht mehr ermöglicht, „ein- und auszugehen“ (Verben awb und axy). Diese Wendung wird meist militärisch gedeutet502. Sie taucht jedoch auch in offenbarungstheologischem Zusammenhang in Ex 34,34 und im Sinne allgemeiner Leitung in Num 27,17.21 auf. Zum anderen zitiert er einen Ausspruch Jhwhs, der besagt, dass Mose nicht den Jordan überschreiten soll. Hier fehlt jegliche Begründung für Jhwhs Entschluss. Nach diesem Durchgang lässt sich festhalten, dass Mose an keiner Stelle auf sein eigenes Versagen hinweist, sondern den Zorn Jhwhs auf sich immer als Zorn auf das Volk begreift. Das zeigt sich auch an dem Umstand, dass er seine Bitte an Jhwh, doch ins Land zu dürfen, dem Volk vorträgt (Dtn 3,23–29). Damit macht Mose auch deutlich, dass er dieses Verdikt für nicht gerechtfertigt hält. Der biblische Erzähler nimmt Mose am Ende des Deuteronomiums das Argument, er sei zu alt, um Israel in das Land zu führen. Dtn 34,7 steht mit seiner Aussage, Mose habe trotz seiner 120 Jahre seine Kraft nicht verloren und seine Augen seien nicht schwach geworden, der Eigenbeschreibung des Mose in 32,2 diametral entgegen503. Von seinen Kräften her wäre Mose demzufolge durchaus zur Landnahme in der Lage gewesen. In der historisch-kritischen Exegese wird dieser Widerspruch durch die Zuordnung der beiden Stellen auf verschiedene Entstehungsschichten des Deute501
Ob Moses es in Dtn 4,22 vermeidet, eine direkte Verbindung zwischen seinem Tod in Moab und der Nichtüberquerung des Jordans herzustellen, wie SONNET, Book, 34 meint, vermag ich nicht festzustellen. Sein Hauptargument ist, dass hier sogar das sonst immer verbindende w in V.22a zwischen dem Tod Moses und dem Verbot, ins Land zu kommen, fehlt. S ONNET blendet in seiner Argumentation V.21 völlig aus. Hier ist jedoch die Verbindung zwischen dem Zorn Jhwhs und der Nichtüberquerung zunächst gegeben, woran dann mit begründendem yk auch sein Tod im Land Moab anschließt, der dann auch noch mit dem Zorn Jhwhs in Verbindung gebracht werden kann. 502 So bereits die Deutung Ibn Ezra, siehe bei S ONNET, Book, 129; BRAULIK, Dtn II, 222. Vgl. etwa 1.Sam 18,13.16; Jos 14,11; 1.Kön 3,7. 503 O TTO, Dtn im Pentateuch, 226.
Verpasste Landnahme: die Kundschaftergeschichte
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ronomiums erklärt (s.o.)504. Wenn man jedoch die unterschiedlichen Kommunikationsebenen als Ausgangspunkt seiner Interpretation wählt, ergeben diese Widersprüche durchaus einen Sinn. Der Gegensatz zwischen biblischem Erzähler und Mose wird insbesondere in der Frage von Mose Tod außerordentlich deutlich. In Dtn 32,51 nimmt der biblische Erzähler genau die Begründung für Moses Tod außerhalb des verheißenen Landes von Num 20,12 und 27,14 wieder auf. So heißt es in Dtn 32,51:
l$EarVcˆy yEnV;b ‹JKwøtV;b y#I;b M%R;tVlAoVm r°RvSa · lAo ‹MR;tVvå;dIq_aáøl r§RvSa lAo N¡Ix_rA;bdIm väédq t¶AbyîrVm_y`EmV;b :l`EarVcˆy y¶EnV;b JKwäøtV;b y$Itwøa Wir hatten oben gesehen, dass die Formulierung in Num 20,12 sich nicht auf die Begebenheit an den Wassern von Meriba in Num 20,1–11 allein beziehen lässt. Dazu ist die Begründung des Verdiktes zu allgemein formuliert. Auch in der Kundschaftergeschichte der Numeriversion haben Mose und Aaron Jhwh nicht „vertraut“ ( Nma) und ihn nicht „geheiligt“ (vdq)505. Dieses mangelnde Vertrauen und die Verfehlung des Auftrages, Jhwh zu heiligen, schlägt sich bei Moses in der Kundschafterepisode als Unterwürfigkeit dem Volk gegenüber (14,5) und in der Begebenheit an den Wassern von Meriba als Identifikation mit dem Gotteszorn nieder. Beides erschließt sich durch das Verdikt von Num 20,12 als zwei Seiten ein und derselben Medaille. In Num 27,14 wird der gleiche Vorgang mit der Wendung „dem Mund Jhwhs widerstehen“ bezeichnet. Da sich diese Ortsbezeichnung „Wasser von Meriba“ schon in Num 20 zu einer Typologie verfestigt, kann hiermit das gesamte Fehlverhalten Moses und Aarons umrissen werden. Auch Dtn 32,51 lässt sich in dieser Weise interpretieren. Sowohl hier als auch in Num 27,14 heißt es, dass Mose es unterlassen habe, Jhwh vor dem Volk Israel zu „heiligen“. Aus der Sicht des biblischen Erzählers ist das die Sünde des Mose, weshalb er nicht in das den Erzeltern verheißene Land darf. Wie ist dieser Widerspruch zwischen dem biblischen Erzähler und der Darstellung Moses in diesem so wichtigen Punkt zu interpretieren?506 Dazu ist es notwendig, sich noch einmal zu vergegenwärtigen, was konkret geschehen ist, als Mose und Aaron sowohl in der Kundschaftergeschichte als auch bei der Begebenheit an den Wassern zu Meriba es unterließen, Jhwh vor der Gemeinde zu „heiligen“. Bei der Analyse der Kundschafterge504
Beide Stellen des biblischen Erzählers werden traditionell P zugeordnet. Siehe oben S. 199ff. 506 Genau an diesem Punkt macht P OLZIN, Moses, seinen Ansatz leider nicht fruchtbar. Siehe dazu auch K ISSLING, Characters, 50–51, der diesen Widerspruch zwar konstatiert, aber nicht wirklich interpretiert. 505
218
2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
schichte in Num 13–14 hatten wir gesehen, dass der Moment, in dem Mose und Aaron vor dem Volk auf ihr Angesicht fielen, der Augenblick gewesen wäre, in dem sie Israel an die Verheißungen Jhwhs hätten erinnern müssen. Indem sie sich jedoch dem Beschluss des Volkes beugen, sich neue Führer zu wählen und nach Ägypten zurückzuziehen (Num 14,4), gleicht ihre Haltung dem Gebaren der Menge. Genau das Gleiche geschieht an den Wassern von Meriba in Num 20, wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen. Indem Mose sich den Zorn Jhwhs zu eigen macht und das Wunder für sich reklamiert, „widersteht“ er dem Auftrag Jhwhs in 20,8 und stellt sich gerade darin mit dem Volk auf eine Stufe507. In beiden Fällen ist zwar das Volk der Auslöser für die „Schuld“ des Mose, aber am Ende dieser Episoden unterscheidet sich Moses Verhalten nicht von dem des Volkes. Insofern hat die Art, wie Moses seinen Tod interpretiert, auch ihr Recht. Aus seiner Perspektive ist er „wegen“ des Volkes schuldig geworden. Doch der biblische Erzähler fügt seine Sichtweise hinzu: Das hätte anders kommen können, wenn Mose Jhwh vor der Gemeinde „geheiligt“ hätte. Gerade aus dieser Doppelung der Perspektive ergibt sich somit eine Reflexion über die Ausführung eines religiösen Amtes auf höchstem Niveau. Die wirklich tiefgehende Kritik der Tora an Mose, die diese beiden Sichtweisen umschließt, besteht jedoch darin, dass sie Mose selbst nicht zu dieser Erkenntnis gelangen lässt. Nur der Leser wird dazu aufgefordert, aus der doppelten Perspektive seine Schlüsse zu ziehen. Diese subtile Kritik an Mose als Individuum, in der sich die Gefährdungen des religiösen Amtes generell spiegeln, ändert jedoch nichts an seiner alles überragenden Bedeutung. Das zeigt sich insbesondere an der schriftlichen Niederlegung „seiner“ Tora in Dtn 31,9–13508. Sein Tod markiert zugleich das Ende der Gründungszeit Israels, die er als „charismatischer“ Anführer des Volkes prägte509. In der Folgezeit kann Israel nicht mehr „hinter die von Mose verkündete Ordnung [...] zurück, ohne sein Verhältnis zu JHWH in Frage zu stellen. Die Tora Moses ist die Basis, auf der hinfort Israel JHWH begegnet. Die von JHWH inszenierte Verpflichtung Josuas auf die Tora zeigt, daß es künftig keinen neuen Mose als Führer Israels mehr geben wird. Mose ist durch die Bekanntgabe der Tora überflüssig geworden. In der Beziehung JHWH – Mose – Israel wird der Mittler durch sein eigenes Wort abgelöst. Die Überlieferung dieses Wortes verhindert, daß jemals wieder ein Mensch in der Geschichte Gottes mit Israel die Position Moses einzunehmen vermag.“510 Insofern überdauert Mose seinen Tod. Seinem Nachfolger Josua soll die von ihm niedergeschriebene
507
Siehe BLUM , Pentateuch, 275. Siehe dazu S. 282ff. 509 Siehe dazu S CHÄFER-LICHTENBERGER, Josua und Salomo, 46ff. 510 SCHÄFER-LICHTENBERGER , Josua und Salomo, 214. 508
Der Sinai- bzw. Horebbund
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schriebene Tora nicht aus dem Mund kommen (Jos 1,8), er soll davon weder zur Rechten noch zur Linken abweichen (V.7).
7. Der Sinai- bzw. Horebbund 7.1. Hinführung Wenn im Rahmen der vorliegenden Untersuchung der Weg einer synchronen Lektüre der beiden Versionen eingeschlagen wird, so gehen wir damit einen Schritt über die diachronen Auslegungen dieser Textkorpora hinaus. Cum grano salis kann gelten, dass die sogenannte „hintere“ Sinaiperikope Ex 32–34 immer schon für älter d.h. „vordeuteronomistisch“ gehalten wurde. Hier scheint der erste Zusammenhang von Recht und Berg vorzuliegen, der sich in der israelitischen Rechtsgeschichte nachweisen lässt511. Es ist kaum mit guten Gründen bestreiten, dass die Grundbestandteile der Kapitel Ex 32–34* ursprünglich zusammen gehören512. Sie haben ihren sozialgeschichtlichen Ort nach dem Zusammenbruch des Nordreiches 722, den sie verarbeiten. „Auf diesem Hintergrund geht es in dem langen Ringen zwischen Mose und Gott um die Frage, ob und wie Gott weiter mit und bei seinem Volk sein wird, um die Zukunft des sündig gewordenen Israels mit diesem Gott.“513 Demgegenüber wird Dtn 9–10 in der Forschung fast einhellig als exilisch-nachexilischer Text angesehen, der auf seine Weise die Katastrophe des Exils deutet und die Möglichkeit eines Neuanfanges ausformuliert514. Der Autor dieser späteren Ausgabe des Dtn beantwortet nach dieser Einschätzung die Frage, wie das „spätvorexilische Deuteronomium, das als Gegenentwurf zu Ansprüchen der neuassyrischen Hegemonialmacht entstanden war, der spätbabylonischen Katastrophe Judas zum Trotz dennoch Autorität beanspruchen konnte.“515 Wenn Mose in seiner Rede noch einmal so sehr auf die Sinai- bzw. Horebereignisse eingeht, hat dies ganz offensichtlich auch deswegen mit sei-
511
Dass dieser Zusammenhang keineswegs ursprünglich ist, hat CRÜSEMANN, Tora, 39–75, gezeigt. 69–71. 512 Gemeinhin wird der Abschnitt Ex 32,7–14 für einen späteren Zusatz gehalten. Näheres dazu siehe unten. 513 CRÜSEMANN, Tora, 70. 514 LOHFINK und BRAULIK sehen Dtn 9–10 bereits als Bestandteil der von ihnen angenommenen „josianischen Landeroberungserzählung“, deren Grundbestandteil heute noch in den Büchern Dtn – Jos zu finden ist. Durch die Rückblenden Dtn 5 und Dtn 9–10 enthielte dieses Werk eine Ätiologie des Gesetzes als einer Gesellschaftsordnung im Verheißungsland. Siehe dazu BRAULIK, Buch, 133; LOHFINK, Endtextstruktur, 66–77; D ERS., Dtn und Pentateuch; vgl. aber auch TALSTRA, Deuteronomy 9 and 10. 515 O TTO, Dtn im Pentateuch, 238/9.
220
2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
ner Redesituation vor der Landnahme zu tun, weil sein Rückblick auf die Horebereignisse mit der Aufforderung Jhwhs endet, vom Sinai aufzubrechen (Dtn 10,11). Damit hat, chronologisch betrachtet, Mose den Ausgangspunkt seiner Rede erreicht (Dtn 1,6.7). Schon alleine an diesem Punkt greifen die Erinnerung an die vertane erste Landnahme und die an die Horebereignisse ineinander: Der letzte, in seiner Ausführlichkeit mit der des biblischen Erzählers vergleichbare geschichtliche Rückblick Dtn 9–10 endet mit der Erinnerung an den Befehl Jhwhs zum Aufbruch nach dem gravierenden Scheitern Israels am Horeb. Das ergibt am Tag vor dem Aufbruch ins Land nach einem ersten gescheiterten Versuch, an den ebenfalls ausführlich erinnert wird, einen auf die Situation bezogenen Sinn: Wohl kaum umsonst greift Mose an der Schwelle zum verheißenen Land ausgerechnet auf den Tanz um das goldene Stierbild so ausführlich zurück. Israel muss offensichtlich noch einmal vor den Göttern der Landesbewohner gewarnt werden. Von daher haben beide ausführlichen Geschichtsrückblicke des Mose ein gemeinsames Thema, das unter dem Gesichtspunkt der „zweiten Chance“ verhandelt wird: Die bevorstehende Landnahme. Insbesondere für Moses Nacherzählung der Horebereignisse gilt: Sie kann nur vor dem Hintergrund der Version des biblischen Erzählers voll erfasst werden. An mehreren Stellen spielt Mose nur kurz auf bestimmte Sequenzen an, fasst zusammen und ordnet neu. Mit dem Bericht des biblischen Erzählers und der von ihm dargestellten Fabel im Hinterkopf können z.B. erst die unterschiedlichen Segmente der Rede des Mose richtig eingeordnet werden, in denen er auf seine Fürbitte eingeht (Dtn 9,18.19; 25–29; 10,10.11). Doch auch der umgekehrte Vorgang findet bei der wiederholten Lektüre der Tora statt: Wer die Moserede kennt, liest den Bericht des biblischen Erzählers mit anderen Augen. Dessen teils etwas verworrene Darstellung gewinnt vor dem Hintergrund der Moseversion an Durchsichtigkeit. Lohfink hat auf diesen Prozess der gegenseitigen Klärung der beiden Versionen hingewiesen: „Damit taucht aber die Erzählung im Deuteronomium die Erzählung im Buch Exodus in ein ganz bestimmtes Licht. Liest man diese später wieder, mit dem Deuteronomium im Ohr, dann gewinnt sie von dort aus neue, zumindest klarere Konturen. Diese Konturenklärung ist der nächste Gesichtspunkt. Doch ihr entspricht umgekehrt, daß der Leser des Deuteronomiums die Horeberzählung Moses vor einem reichhaltiger dimensionierten Hintergrund vernimmt, mit Facetten, die jetzt bei Mose gar nicht zur Sprache kommen.“516 Kurz: Durch die Lektüre der beiden
516
LOHFINK, Endtextstruktur, 56.
Der Sinai- bzw. Horebbund
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Versionen ergeben sich „Fabelfixpunkte, die beiden Darstellungen gemeinsam sind.“517 Der Leser gerät so in eine Textwelt hinein, die einem „realen“ Erleben durchaus nahekommt: Auf der einen Seite erlebt er die Ereignisse in der Wüste aus der Perspektive des biblischen Erzählers quasi wie ein Augenzeuge und schließlich noch einmal aus der – als solche markierten – Rückschau. Damit aber gerät er in genau die Situation der Hörer und Hörerinnen der Moserede hinein. Der Leser wird durch die doppelte Erzählperspektive quasi an den gleichen „Ort“ versetzt, an dem sich Israel an dem Tage befand, bevor es in das verheißene Land einzog: Schließlich wendet sich Mose ausdrücklich auch an die, die die Wüste noch mit eigenen Augen gesehen haben (Dtn 4,3; 5,3). Nach ihrem „unmittelbaren“ Erleben hören sie noch einmal die Version des Mose und geraten somit in eine Doppelperspektive hinein, die es im Folgenden zu untersuchen gilt. Auf diese Weise erfahren sie, was sie im Land von ihrer Geschichte auf keinen Fall wieder vergessen dürfen. 7.1.1. Einbindung von Ex 32–34 in seinen Gesamtkontext Nach der Ankunft des Volkes am Sinai in Ex 19 berichtet der biblische Erzähler in der Folge von insgesamt drei Bundesschlüssen: Ex 24,8; 34,10; 34,27. Wie und auf welches Ziel hin rekapituliert Mose dieses Bundesgeschehen in seiner Abschlussrede, die wiederum Bestandteil des Moabbundes ist? Will man sich nicht mit diachronen Überlegungen zur Genese dieses Gefüges zufrieden geben, steht man vor einer schwierigen Aufgabe. Einerseits stellt sich die Frage, wie sich die drei Bundesschlüsse in der Fassung des biblischen Erzählers zueinander verhalten. Andererseits muss darüber hinaus geklärt werden, in welcher Beziehung diese Eidesverpflichtungen Jhwhs zum Moabbund stehen, bei dem der Siniai- bzw. Horebbund noch einmal rekapituliert wird. Dieser Fragenkomplex verlangt im Grunde einen umfassenden Vergleich von Dtn 9–10 mit dem gesamten Aufenthalt am Sinai Ex 19 – Num 10,11. Doch das würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen. Da Sinn und Zweck von Moses Erinnerung an die Ereignisse im Zentrum stehen soll, müssen wir uns auf die Texte beschränken, die einen unmittelbaren Vergleich der beiden Versionen zulassen. Der erzählerische Kontext von Ex 32–34 beginnt in Ex 24: Mose geht nach der Bundeszeremonie in 24,8 auf den Befehl Jhwhs hin auf den Berg und bleibt dort vierzig Tage und Nächte (Ex 24,12–18). Dort teilt Jhwh Mose erst einmal die Bestimmungen für das Heiligtum mit (Ex 25,1– 31,17) und übergibt ihm die ersten Tafeln (Ex 31,18). Hieran schließt er517
LOHFINK, Endtextstruktur, 56 siehe Tabelle dort. Ähnlich bereits JACOB , Buch, 923: „Das Ereignis wird im fünften Buche (Dt 9) referiert, wodurch das Verständnis wertvolle Hilfen erfährt.“
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
zählerisch Ex 32,1ff unmittelbar an. Nach langer Zeit, die der Leser gemeinsam mit Mose und Jhwh quasi auf dem Gipfel des Berges verbringt518, wechselt abrupt der Schauplatz: Am Fuß des Berges spielen sich unterdessen ganz andere Szenen ab, die vom biblischen Erzähler detailgenau wiedergegeben werden. Gerade die Szene, in der das Volk Israel und Aaron das goldene Stierbild gießen, ist insgesamt am besten in den unmittelbaren Kontext der Offenbarung Jhwhs eingebunden: „... die Szenerie, das Opferfest (Ex 32,5f.), steuert die Opposition in der Weise an, daß Ex 32 als Gegenveranstaltung zur Sinaiperikope von Ex 19–24 gesehen werden kann.“519 Von der Anlage der Erzählung ist das Bilderverbot nicht unbedingte Voraussetzung520. Es scheint denkbar, dass Ex 32–34* auch ohne den Dekalog Ex 20 in einer Vorstufe existiert haben mag521. In dieser Gestalt wäre der Bau des Stierbildes ein „einmaliges Geschehen, dass sein Profil allein vor der im Hintergrund stehenden Einmaligkeit der Theophanie her gewinnt. Eine größere Sünde als diese Abwendung vom erscheinenden Gott ist nicht denkbar.“522 Das Stierbild ist nicht einfach ein anderer Gott, sondern in mehrerer Hinsicht auf Jhwh bezogen. Ex 32,4.5: Die Taten Jhwhs werden dem Stierbild zugeschrieben523, Aaron baut einen Altar und ruft ein Jhwh-Fest aus. Das Stierbild soll das vollbringen, was bislang die Aufgabe Moses und Jhwhs war: Es soll vor dem Volk hergehen524. Damit ist das gesamte bisherige Beziehungsgefüge zwischen Jhwh, Mose und dem Volk völlig auf den Kopf gestellt. 7.1.2. Das goldene Stierbild – zwei Annäherungen Die Episode vom Bau des goldenen Stierbildes wird vom biblischen Erzähler mit dem Verb vwb („zaudern“; vielleicht sogar „sich schämen“) des Mose eingeleitet (Ex 32,1), vom Berg herunterzukommen. Vielleicht lässt sich hier sogar ein versteckter Vorwurf des biblischen Erzählers an Mose 518
H OUTMAN, Exodus, 610: “Along with Moses, the reader was spending time in heavenly spheres.” Auch CRÜSEMANN, Tora, 64, macht auf diesen Gegensatz des uns heute vorliegenden Textes aufmerksam: „Während Mose auf dem Berg alles über den gottgewollten Kultort erfährt, baut das Volk mit Aaron seinen eigenen auf.“ 519 D OHMEN, Sinaibund, 58; D ERS., Bilderverbot, 139ff. 520 D OHMEN, Sinaibund, 59. 521 Siehe dazu die Ausführungen bei CRÜSEMANN, Tora, 66.407ff. 522 D OHMEN, Sinaibund, 59. 523 BRAULIK, Dtn I, 77, spricht zu Recht von der „Perversion des Urbekenntnisses“. 524 JACOB, Buch, 924, macht auf die Ironie aufmerksam, mit der diese Szene geschildert ist: „‚Mache uns Götter!‘ – ein schon an sich absurder Gedanke: ‚Kann denn ein Mensch sich Götter machen?! Das sind ja keine Götter!‘ (Jer 16,20). Aber so scheinen sie es denn doch nicht zu meinen, da sie fortfahren: ‚die vor uns einhergehen‘. Die gemachten ‚Götter‘ sollen also nur repräsentieren, und zwar – so hört es sich an – den verschwundenen Mose.“
Der Sinai- bzw. Horebbund
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heraushören. Warum blieb er so lange aus? Die Äußerung des Volkes: „Wir wissen nicht, was mit diesem Mann Mose ist“, erscheint in diesem Erzählduktus nur eine allzu logische Folge. Insofern lässt sich das Ausbleiben des Mose in dieser Version als Auslöser für die verhängnisvolle Entwicklung verstehen. Sie bahnte sich jedoch schon länger an: Bereits bei der Verkündigung des Dekalogs durch Jhwh in Ex 20 fordert das Volk Mose auf, dass er mit ihm reden soll, weil es die Rede Jhwhs nicht ertragen kann (V.19). Von einem Verweis, dass sie durch Mose den Willen Jhwhs erfahren wollen, wie er in Dtn 5,27 zu finden ist, fehlt hier in Ex 20 jede Spur. So ist es immerhin denkbar, dass das Volk in einem ersten Schritt bereits hier beginnt, sich von Jhwh abzuwenden und Mose an dessen Stelle setzt. Die Augenfälligkeit Gottes scheint bereits hier das untergründige Thema dieser Darstellung zu sein. Mose deutet die Erscheinung Jhwhs als „Gewährung“ (hsn) seiner Präsens525, damit das Volk „seine Furcht vor euren Angesichtern“ (M™Rky´nVÚp_lAo) habe und sie nicht „sündigen“ ( afj) (Ex 20,20). Immerhin fordert Jhwh in Ex 20,22–23 Mose auf, Israel zu sagen, dass es „gesehen“ (har) hat, dass Jhwh vom Himmel her redet und dass es sich keine anderen Götter machen soll. Das Unheil von 32,1–6 kündigt sich demzufolge bei der Offenbarung des Dekaloges Ex 20 bereits an. Mose berichtet in Dtn 9,9.10 von dem ersten vierzigtägigen Aufenthalt auf dem Berg. Der Wechsel des Schauplatzes an den Fuß des Berges, wie in Ex 32,1–6, fehlt jedoch in der Moserede. Den Tanz um das goldene Stierbild beschreibt Mose in seiner Version konsequent aus seiner Perspektive, so wie er davon erfahren hat: Aus dem Mund Jhwhs selbst (V.12). Das entspricht der Version des biblischen Erzählers. Auch er berichtet, dass Jhwh Mose von den Abwegen Israels in Kenntnis setzt (Ex 32,7.9). Da die Tora Lesenden die Szene in Ex 32,1–6 schon ausführlich geschildert bekommen haben, ist der Moment, in dem Mose das Stierbild zu Gesicht bekommt, in der Version des biblischen Erzählers knapp gehalten (Ex 33,19). Zwar werden die Geräusche, die aus dem Lager an die Ohren von Mose und Aaron dringen, ausführlich thematisiert (Ex 32,17.18), was den Realismus der Schilderung noch steigert. Das, was Mose jedoch konkret zu Gesicht bekommt, wird nur kurz erwähnt. Darauf folgt unmittelbar der für den Fortgang dieser Version so entscheidende Einblick in die Gefühle des Mose: Er wird zornig (V.19). Mose jedoch übergeht in seiner Version diesen Zorn, der seine folgenden Handlungen bestimmt. 525
BLUM, Pentateuch, 94.176, der wohl zu Recht hsn mit Greenberg als „Gewähren“ versteht. BLUM deutet diesen Vorgang in Dtn 5 dann als Probe, die das Volk durch seinen angemessenen Umgang mit der Theophanie besteht. Auf diese Weise gebe sich Dtn 5 als „eigenständige Weiterführung der Überlieferung in Ex 20 zu erkennen“ (aaO, 176). Doch scheinen mir die oben genannten Bezüge insgesamt eher auf Ex 34,1–6 hinzudeuten. Dtn 5 thematisiert eher die Mittlerstellung des Mose (s.u.).
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
Mose beschreibt das „Ergebnis“ der Taten Israels in Dtn 9,16:
M$RkDl MRtyIcSo M$RkyEháølTa hDwhyAl ‹MRtaDfSj h§E…nIhw a®r#EaÎw h™Dwhy h¶D…wIx_rRvSa JK®r›®;dAh_NIm r$EhAm MR;trAs h¡DkE;sAm l‰g™Eo :M`RkVtRa Da die Detailschilderung des Gusses des goldenen Stierbildes in seiner Version fehlt, betont Mose dort noch einmal ausdrücklich, dass Israel es hergestellt hat. Ein solcher Hinweis ist in der Version des biblischen Erzählers nicht zu finden. Der Vergleich zeigt aber besonders, wie Mose an dieser Stelle das Ereignis bereits theologisch deutet: Schon das „ihr habt euch an Jhwh, eurem Gott, versündigt“ als Einleitung des Satzes und die Wiederaufnahme der Wendung „ihr seid schnell abgewichen von dem Weg, den euch Jhwh, geboten hat“ aus der Gottesrede in Dtn 9,12 weisen auf die theologische Interpretation des Geschehens hin526. Dadurch, dass Mose eine Wendung aus der Gottesrede wiederholt und sich auf diese Weise die Bewertung Jhwhs zu eigen macht, stellt er sich auf dessen Seite. Mose und Jhwh beziehen in der ganzen Auseinandersetzung um den Horebbund in der Moseversion keine grundsätzlich unterschiedlichen Positionen. Infolgedessen fehlen die kapitellangen Dispute zwischen Jhwh und Mose, die die Version des biblischen Erzählers prägen (Ex 32,30–34,9). Mose notiert nur kurz den zweiten Bergaufenthalt (Dtn 10,1.2). Dort werden die beiden neuen Tafeln angefertigt, beschrieben und die Lade hergestellt. Nur darum geht es in dem kurzen Gespräch zwischen Mose und Jhwh. Mose wiederholt nicht noch einmal die tastenden, ringenden Streitgespräche zwischen Jhwh und ihm um die Frage, wessen Volk Israel denn nun sei, um Gnade und um die Verlässlichkeit der Verheißungen. In der Version des Mose ist aus dem Bundesgeschehen am Sinai, bei dem, wie noch zu zeigen sein wird, drei Konfliktparteien beteiligt sind, ein zweidimensionaler Streit geworden, in dem Mose eindeutig auf der Seite Jhwhs steht. Damit sind bereits die beiden Motive benannt, anhand derer im Folgenden die beiden Versionen vergleichend in den Blick genommen werden sollen: a) Der biblische Erzähler beschreibt, wie Mose, Jhwh und Israel zu einer Neubestimmung ihres Verhältnisses kommen. Diese Version trägt insgesamt vielmehr den Charakter eines einmaligen Geschehens. b) Mose hält demgegenüber Israel das Horebereignis als den „klassischen“ Sündenfall vor Augen527, an dem es seine grundsätzliche Gefährdung erkennen kann und den es deshalb nie vergessen darf. Das Ereignis am Horeb wird zum Paradigma für Israels Untreue. 526
In den „Verhandlungen“ zwischen Mose und Jhwh in Ex 32,30.32.34 ist der Stier dann auch schon Gegenstand der Dispute. Er wird dort bereits als tafj bezeichnet. 527 Siehe hierzu die bei LOHFINK, Endtextstruktur, angegebene Literatur.
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7.1.3. Der biblische Erzähler: Grundlegende Verhältnisbestimmung Der über weite Strecken unübersichtliche Gesprächs- und Handlungsverlauf in Ex 32–34 hat in der Forschung zu den unterschiedlichsten Schichtungsmodellen geführt528. So besteht z.B. Konsens darüber, dass in Ex 32,7–14 ein späterer Zusatz ist529: In V.14 scheint der Konflikt bereits gelöst zu sein, wohingegen er in V.15ff doch wieder fortgesetzt wird. Doch gehen viele der Auslegungen von der meist unreflektierten Voraussetzung aus, dass a) Gott und Mose in diesem Konflikt gegenüber Israel die gleiche Position einnehmen, so dass von daher das von Mose angezettelte Strafgericht in Ex 32,25–29 keine weitere Problematisierung erfährt und dass b) Mose alle Gedanken Jhwhs kennt, ohne dass er sie explizit mitgeteilt haben muss. In 32,14 erfährt aber nur der Leser vom biblischen Erzähler etwas davon, dass Jhwh das Böse gereut, was er in seiner ersten Reaktion (V.7–10) über Israel verhängt hat. Geht man bei der Analyse dieses Dialoges davon aus, dass es hier drei im Grunde voneinander unabhängige Größen miteinander zu tun bekommen, deren Verhältnis zueinander alles andere als abgeklärt ist530, dann lassen sich manche seiner unerwarteten Wendungen noch einmal anders interpretieren. Mit menschlich – allzumenschlichen Reaktionen Jhwhs ist zu rechnen, sein Verhältnis zu Israel wird nachhaltig von Mose mitgestaltet. Mose begeht Taten im Namen Jhwhs, zu denen er nie beauftragt worden ist. Israel hat am Ende zwar die Tafeln wieder, doch bleibt es in Zukunft auf Mittlerschaft zu Jhwh angewiesen. Jede der drei Konfliktparteien steht am Ende des Streites grundlegend anders da als zu dessen Beginn. Schon allein von daher wird deutlich, dass der allwissende Erzähler ein einmaliges Geschehen wiedergibt. Erst am Ende des Dialoges haben die Verhältnisse von Jhwh, Mose und Israel zueinander klarere Konturen gewonnen. Es ist ein ganzer Prozess, der hier geschildert wird. Das Wachsen dieser Beziehungen lässt sich bis zurück an den Anfang des Exodusbuches verfolgen. Jhwh stellt sich Mose zunächst nur mit einer reinen Tautologie vor (Ex 3,14), die im Grunde noch völlig inhaltsleer ist. Die ganze Berufungsgeschichte des Mose ist als Eröffnung eines Prozesses zu verstehen, in dessen Verlauf sich für die Tora Lesenden Schritt für Schritt herausstellt, wer Jhwh für Israel überhaupt ist. Jhwh hat zwar eine Geschichte und damit auch eine Beziehung zu den Erzeltern Israels (Ex 528
Siehe dazu S CHMID, Israel. Siehe bereits N OTH, Pentateuch, 33 Anm 113; A URELIUS, Fürbitter, 41ff. und BLUM, Pentateuch, 73f. 530 BLUM, Pentateuch, 47: „Der Text handelt in ‚erzählender Theologie‘ von den Grundmöglichkeiten der Beziehung zwischen Jhwh und Israel, ja stellt diese in letzter Zuspitzung vor und gewinnt dabei, nimmt man ihn beim Wort, eine beeindruckende innere Dramatik.“ Wie noch im Einzelnen zu zeigen sein wird, ist hier Mose als dritte, eigenständige Größe mit einzubeziehen. 529
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
3,6), aber das Volk selbst hat zu ihm zunächst noch überhaupt keine Bindung. Im Gegenteil: Ex 1,7 erzählt von den Nachkommen der Söhne Jakobs, die offenbar von der Geschichte ihrer Vorfahren mit Jhwh nichts erfahren haben, sonst müsste sich Jhwh Mose nicht in dieser Form vorstellen. Infolgedessen hat Israel vor der Ankunft am Sinai Jhwh als den Befreier aus der Knechtschaft in Ägypten kennen gelernt531. Es wird im Folgenden zu zeigen sein, wie Israel und Mose im Laufe der langwierigen Gespräche zu einem neuen Verhältnis finden, das zwar auch wieder in einer Tautologie zur Sprache kommt (Ex 32,19), diesmal jedoch ausdrücklich bereits einen Wesenszug Jhwhs festschreibt. Der Ausgangspunkt der gesamten Sinaiperikope ist zunächst noch ein anderer: Jhwh hat Israel aus Ägypten befreit, wie er es in Ex 3,7–9 versprochen hatte. Das ist das Ereignis, durch das Israel Jhwh erst einmal kennengelernt hatte (Ex 14,31):
‹hÎwhy h§DcDo r°RvSa h#DlOd…gAh dD¥yAh_tRa l%EarVcˆy arÅ¥yÅw hYÎwhy`A;b ‹…wny‹ImSaìÅ¥yÅw h¡Dwhy_tRa M™DoDh …wñary`I¥yÅw Mˆy$årVxImV;b :wíø;dVbAo h™RvOmVb…w Vor diesem Hintergrund wird das Perfide an der Anfertigung des Stierbildes und vor allem seiner Begleitumstände deutlich: Das Stierbild ist nicht einfach ein anderer Gott, sondern Israel bezieht es in mehrfacher Hinsicht auf Jhwh: Die Taten Jhwhs werden dem Stierbild zugeschrieben (Ex 32,4)532: „Damit haben sie für sich das Fundament der Religion Israels gesprengt, die Einheit und Einzigkeit Gottes und seine Rettungstat in Ägypten.“533 Aaron baut einen Gegenaltar zu dem Altar auf, den Mose errichtet hatte (Ex 24,4) und ruft – als ob er die Situation noch retten wolle – ein Jhwh-Fest aus534. Vor seinem historischen Hintergrund betrachtet ist in dieser kurzen Episode Ex 32,1–6 eine massive Kritik eines Synkretismus zu sehen, wie er wohl am ehesten im Nordreich anzutreffen war. Insofern lässt sich unsere Perikope historisch vielleicht am besten unter den Umständen des Zusammenbruches des Nordreiches von 722 erklären. Auf der Ebene der Beziehungen, die im Buch Exodus entfaltet werden, stellt Israel in dieser Episode das zu diesem Zeitpunkt erste und einzige Beziehung stiftende Ereignis zwischen ihm und Jhwh in Frage. Nicht umsonst zwei-
531
Die Episode Ex 15,25–27, in der Israel zum ersten Mal von Jhwh „Recht und Gesetz“ empfängt, bildet hier eine Ausnahme. Allerdings ist über den Inhalt dieser Gesetze an dieser Stelle noch nichts gesagt. Auch von der Vergebungsbereitschaft Jhwh findet sich hier noch nichts. 532 Vgl. 1 Kön 12,28. Siehe dazu CRÜSEMANN, Tora, 66ff.; D ERS., Freiheit, 110–111. 533 JACOB, Buch, 928. [Die Kursivierungen im Original]. 534 JACOB, Buch, 928: „Das ist eine gefährliche Zweideutigkeit...“.
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felt Jhwh im Verlauf des Gespräches sein Verhältnis zu Israel mehrfach insgesamt an (Ex 32,7;33,1–3)535. Durch die verschiedenen Schauplätze, an denen die Gespräche stattfinden, werden die Beziehungen verräumlicht. Die beiden Bereiche unten am Berg und oben auf dem Berg sind „two different worlds“536, wobei noch zu untersuchen sein wird, inwieweit die Sequenz 32,31ff. wirklich, wie vielfach angenommen, ebenfalls oben auf dem Berg spielt. In jedem Fall sind die Redesituationen, wer wann mit wem redet, auffällig deutlich voneinander abgegrenzt. Dem Volk wird hier in der „hinteren“ Sinaiperikope der Platz unten am Berg zugewiesen. Das ist vor dem Bau des Stierbildes noch anders: In Ex 24,9–11 steigt Mose gemeinsam mit Aaron, Nadab Abihu und siebzig von den Ältesten auf den Berg. Nach der Episode vom goldenen Kalb begegnet eine derartige Redesituation ebensowenig noch einmal wie der Umstand, dass das ganze Volk die Stimme Gottes vom Himmel her hört (Ex 20,18ff.)537. Israel ist somit an den wesentlichen Verhandlungen, in denen es um sein Verhältnis zu Jhwh geht, selbst kaum beteiligt538. Wie wenig selbstverständlich diese Beziehung ist, erfährt es aus der Perspektive des biblischen Erzählers. Er lässt das Volk Israel, für den sein Bericht bestimmt ist, an den Gesprächen zwischen Jhwh und Mose teilhaben, in denen die Verhältnisse zuerst begründet werden. In der ersten Reaktion (Ex 32,7–10) kündigt Jhwh an, das Volk zu verzehren (lka in V.10), weil das Volk „verdorben“ ( tjv in V.7) ist. Das Verb lka bringt, wenn ein Volk als Akkusativobjekt folgt, den Vernichtungswillen des jeweiligen Subjektes am deutlichsten zum Ausdruck (vgl. Dtn 7,16)539. Diese erste Rede Jhwhs nach dem Bau des Stierbildes ist in beiden Versionen relativ ähnlich gehalten (vgl. Dtn 9,12–14). In Ex 32,8b wiederholt Jhwh noch einmal das, was Israel dem Stierbild zugeschrieben hat (vgl. V.4b). Jhwh hebt in der Version des biblischen Erzählers durch die Wiederholung dieses Satzes den Beziehungsaspekt besonders hervor. Auch beim letzten Satz der Rede (Ex 32,10b) steht er im Vordergrund: Anstatt des Volkes Israel will Jhwh jetzt aus Mose ein großes Volk ma535
H OUTMAN, Exodus, 614 zur Stelle: “The reader is perplexed. He senses that while the Israelites owing to Moeses’ intercession, have escaped with their life, the worship of the bull statue has effectively severed their bond with YHWH. He realizes that image worship is dynamite under YHWHs covenant with Israel.” 536 H OUTMAN, Exodus, 610. 537 Mit dieser Szene „erfüllt sich das Mose bei seiner Berufung (3,12) angekündigte ‚Zeichen‘“, so BLUM, Pentateuch, 53. Er hebt hervor, dass sich in den erzählenden Teilen das Alten Testamentes keine „auch nur annähernde“ Parallele findet. 538 Die einzige Ausnahme ist sicherlich in Ex 33,4–6 zu sehen. 539 In Jer 10,25 steht es im synonymen Parallelismus mit hlk, das hier zu übersetzen ist mit „beenden“, „aufreiben“; siehe auch Jer 30,16, wo lka im Zusammenhang der Verben aufgeführt wird, die die physische und psychische Vernichtung Israels bezeichnet.
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chen. Damit ist schon gleich zu Beginn das Thema angesprochen, das sich durch die Gespräche wie ein roter Faden zieht: Wessen Volk ist Israel? Das Angebot Jhwhs, aus Mose ein großes und starkes Volk zu machen, ist in Dtn 9,14b sogar noch ausgebaut. Hier dient es jedoch dazu, Moses Rolle als selbstloser Fürbitter zu unterstreichen. Das Thema „wessen Volk ist Israel?“ taucht zwar bei Mose noch in Dtn 9,26.29 auf, es ist dort aber längst nicht mehr Gegenstand eines offenen Disputes. Auch an diesen beiden anderen Stellen fügt sich das Thema gut in das Bild, das Mose von sich als selbstloser Fürbitter zeichnet. Ab dann aber ergeben sich signifikante Unterschiede in der Reihenfolge, in der der Gesprächsverlauf in den beiden Versionen dargestellt wird. Der folgende erste Vergleich soll vor allem der Entfaltung der Beziehungsstruktur in der Version des biblischen Erzählers nachspüren: Biblischer Erzähler – Erste Fürbitte (Ex 32,11–14)
Mose – Mose steigt vom Berg, zerbricht die Tafeln (Dtn 9,15–17)
– Mose kommt vom Berg, zerbricht
– Erste Fürbitte (Dtn 9,18.19)
die Tafeln (Ex 32,15–19) – Mose zerstört das Stierbild (Ex 32,20) – Mose verhört Aaron (Ex 32,21–24)
– Mose bittet auch für Aaron (Dtn 9,20) – Mose zerstört das Stierbild (Dtn 2,21)
In der Version des biblischen Erzählers bereut Jhwh nach der ersten Fürbitte des Mose in Ex 32,11–13 bereits alles, was er in seiner Rede angekündigt hatte (V.14). Damit ist nicht gesagt, dass Jhwh dem Volk die Sünden vergeben hat, sondern nur, dass ihn gereut, was er angekündigt hat. Der Leser bekommt letztlich nicht mit, was bei Jhwh den Sinneswandel herbeigeführt hat. “For the reader it is enough to know that YHWH is so great that in response to intervention by a man of God, he can come back on an earlier division without losing face. To the reader, seeing the result of the intercession accomplished, it reafirms Moses’ reputation as a unique human being.”540 Dabei ist jedoch für den nun folgenden Gang der Ereignisse nicht unerheblich, dass Mose nicht mitgeteilt bekommt, dass Jhwh sich erbarmt hat541. 540
H OUTMAN, Exodus, 613. JACOB, Buch, 933, der das Problem genau sieht, geht davon aus, dass Mose keiner ausdrücklichen Antwort bedarf, er habe es Gott angesehen, dass der Vernichtungszorn gewichen sei. 541
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Der biblische Erzähler lässt es nur den Leser wissen, der vor diesem Hintergrund von den nun folgenden wutgeleiteten Handlungen Moses erfährt. Als Mose vom Berg steigt, den Lärm hört und das Kalb sieht, entbrennt sein Zorn (Ex 32,19). Es folgen eine ganze Reihe von Taten des Mose, die vor dem Hintergrund von V.14 völlig eigenmächtig erscheinen: Er zerbricht die Tafeln (Ex 32,19 vgl. Dtn 9,17), die er gerade von Jhwh bekommen hat. Schon alleine diese Handlung kann nicht im Sinne Jhwhs gewesen sein, schließlich wirft er Mose diese Tat auch in Ex 34,1 vor. Diesen Vorwurf verschweigt Mose in seiner Rede nicht (vgl. Dtn 10,2). Die Wiederherstellung der Tafeln hat demzufolge nicht nur etwas mit den Abwegen Israels zu tun, sondern auch mit dem Wutausbruch des Mose. Und doch lassen sich bezeichnende kleine Unterschiede zwischen den Versionen ausmachen: In Ex 32,19 heißt es, dass Mose die Tafeln vom „Berg herab“ geworfen habe, nachdem sein Zorn entbrannt war. In seiner Rede erzählt Mose nichts von seinem Zorn, sondern betont, dass er die Tafeln „vor den Augen“ des Volkes zerbrochen habe (Dtn 9,17). So macht das Zerschmettern der Tafeln den Eindruck einer Zeichenhandlung, die dem Volk die Konsequenzen seines Handelns vor Augen führen soll. Und: In der Moseversion schließt das Zerbrechen der Tafeln (Dtn 9,15–17) unmittelbar an die Gerichtsrede Jhwhs in Dtn 9,12–14 an. Auf diese Weise gerät der Zorn des Mose in die Nähe des Zornes Jhwhs und erscheint als eine unmittelbare Reaktion darauf. Dann erst berichtet Mose von seiner Fürbitte in Dtn 9,18.19, die in der Version des biblischen Erzählers auf das Zerbrechen der Tafeln folgt (siehe Tabelle oben). Versucht Mose sich auf diese Weise von dem Vorwurf zu entlasten, dass er die Tafeln zerbrochen hat? In Ex 32,20 zerstört Mose das Stierbild und zermalmt es zu Staub. Diese Tat ist in beiden Versionen recht ähnlich erzählt. (vgl. Ex 32,20 mit Dtn 9,21). Dass Mose den Staub jedoch mit Wasser vermischt und Israel zu trinken gibt542, fehlt in der Moseversion (Dtn 9,21). Hier wird der Stier offenbar weniger „stofflich“ gedacht und explizit noch einmal als MRkVtaAÚfAj bezeichnet. Auffällig auch hier wieder die Reihenfolge: Dtn 9,21 folgt auf die Fürbitte für Israel in Dtn 9,18.19 und für Aaron V.20. So erscheint das Zermahlen des Stierbildes als wohlüberlegtes Strafgericht, das quasi in die Reihe von „Wiedergutmachungen“ gehört, zumal auf diese Zerstörung
542
Vor dem historischen Hintergrund des Unterganges des Nordreiches ist in dem Trinken dieses Wassers sicherlich bildlich das Tragen der Folgen des Unterganges von 722 zu sehen. Siehe CRÜSEMANN, Tora, 70. Die Tat an sich könnte als spöttischer Hinweis auf die Stofflichkeit des Stiers verstanden werden. Der Staub wird auf diese Weise verdaut und bald ausgeschieden (Jacob, Exodus, 937). Als Parallelstelle wird immer wieder auf Num 5,11ff verwiesen. Dort wird der Trunk jedoch verabreicht, um herauszufinden, ob die Frau eine Ehebrecherin ist oder nicht. „Die Sünde mit dem goldenen Kalb war aber evident.“ (ebd)
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dann noch der universale Schuldaufweis in Dtn 9,22–24 folgt. Demgegenüber steht in der Version des biblischen Erzählers die Zerstörung des Stierbildes unmittelbar nach dem Zerbrechen der Tafeln, so dass beide Taten gemeinsam unter der Überschrift des Zornes stehen, der Mose ergriffen hat (Ex 32,14). Es folgt das Verhör des Aaron durch Mose (Ex 32,21). Durch die Umstellung taucht Aaron in der Moseversion nur noch im Zusammenhang mit der Fürbitte auf (Dtn 9,18.19.20), wohingegen in Ex 32,21–24 dieses Verhör nach der Zerstörung des Stierbildes kommt. Das erhöht die Dramatik und die anschuldigende Haltung des Mose in diesem Dialoges noch und es kommt ebenfalls unter das Vorzeichen eines Wutausbruches (32,19) zu stehen. Das Verhör wirft ein schlechtes Licht auf Aaron. Er gibt wörtlich wieder, was vorgefallen ist und zitiert dabei bezeichnenderweise den Vorwurf des Volkes, dass Mose so lange ausgeblieben sei (vgl. Ex 32,23 mit V.1b). Auch bei der Entstehung des Stierbildes versucht Aaron, jede Schuld so weit wie möglich von sich zu weisen: In seinem Bericht hat es fast den Anschein, als habe sich das Stierbild im Feuer wie von selbst gebildet543. In Ex 32,26ff folgt Moses Strafgericht mit Hilfe der Leviten (32,26). Er legitimiert in V.27 seine Aktion durch einen Befehl Jhwhs. Allerdings hat Jhwh diesen Befehl nie erteilt544. Die negative Bewertung dieses Vorganges lässt sich denn auch unschwer zwischen den Zeilen herauslesen: Die Zahl der Opfer wird genau mit 3000 angegeben (V.28). An den anderen Stellen, an denen „Brüder“ oder „Nächste“ das Schwert gegeneinander erheben, ist dies Ausdruck tiefsten Unheils. Die Beschreibung des Strafgerichtes verweist auf Stellen wie Lev 26,37, wo der vergleichbare Vorgang Zeichen des Fluches ist, der aus dem Ungehorsam Israels gegenüber Jhwh folgt: Ein Mann fällt über seinen Bruder her, als würden sie vom Schwert verfolgt. In 2 Sam 2,26 wird mit ähnlichen Wendungen der Bruderkrieg zwischen Juda und Israel beschrieben. In 2 Chr 21,4 erschlägt Joram alle seine Brüder mit dem Schwert. Mit dieser Tat führt er sich ein. Der biblische Erzähler teilt wenige Verse später mit, dass Joram tat, „was Jhwh missfiel“ (V.6). In Jer 34,17 ist ein vergleichbares Blutvergießen Folge des 543
rxy kal, Subjekt ist lgo in V.24. HOUTMAN, Exodus, 662, weist zu Recht darauf hin, dass Aaron hier im Gegensatz zu Mose überhaupt keine fürbittende Rolle zukommt, er sucht nur seinen eigenen Vorteil: “He only thinks of his own position.” 544 Dieser Umstand wird bei den meisten Auslegungen übergangen. H OUTMAN, Exodus, 666, meint kurzerhand: “As a true representative of YHWH, Moses can speak like that.” JACOB, Buch, 941, problematisiert die fehlende Legitimation und vermutet dann: „Gott muß den Mose also dazu ermächtigt haben, und auch dieses muß in dem Gespräch v.7ff. geschehen sein: Gehe hinab und überzeuge dich selbst! – Schaffe erst den Greuel aus der Mitte Israels weg, rufe du meine Getreuen auf und strafe du die Missetäter, dann wollen wir weiter sehen.“ Genau dieser Auftrag fehlt jedoch in dem Gespräch zwischen Jhwh und Mose in Ex 32,7–14.
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Nichteinhaltens des Erlasses: Anstatt eines von Jhwh für den Bruder geforderten, regiert jetzt nur noch das Schwert. Auch in Ez 21,20 wird beschrieben, dass das Schwert innerhalb der Tore wütet: Hier wird jedoch ausdrücklich gesagt, dass dies als Ausdruck des Zornes Jhwhs zu verstehen ist. Ein vergleichbarer Hinweis oder eine direkte Legitimation von Jhwh her fehlt in Ex 32. Der Gipfel ist dann in Ex 32,29 erreicht: Mose fordert die Leviten auf, „eure Hände zu füllen für Jhwh“. In der Tat ist das „Hände Füllen“ (dAy alm) ein gängiger Ausdruck für die Abgaben an das Priestertum (vgl. Ex 28,41; 29,9; Lev 8,33; 16,32; 21,10; Num 3,3). An keinem dieser Belege ist jedoch davon die Rede, dass sich die Priester eigenmächtig die Hände füllen. Dort, wo es beschrieben wird (1.Sam 2,12–17), werden die Betreffenden als „ruchlos“ ( lAoD¥yIlVb in V.12) bezeichnet. Von daher stellt sich die Frage, ob hier in der Sinaiperikope so etwas wie eine Einsetzung der Leviten in das Priesteramt intendiert ist, wie dies in der traditionellen Forschung stets behauptet wurde545. Immer wieder wird der Rigorismus der Leviten mit kultischer Notwendigkeit begründet: “Idol worship is so terrible that immediate action is needed.” Und: “Only bold action can break that hold.”546 Moses Motive und Absichten können dieser Lesart zufolge offenbar nur eindimensional ganz dem Wohl des Volkes dienen: “Moses’ sincere concern is the well-being of the people; giving one’s all for the purity of the cult is something that compels respect...”547 Die Bluttat wird sogar als Voraussetzung für den priesterlichen Dienst verstanden: “The reader can only conclude that from that time on the Levites, as exemplary champions of the pure YHWH worship, were rightly given the honour of ministering before YHWH.”548 Darauf, dass der Auftrag zu diesem Brudermord nie erteilt wurde, sondern in 32,14 vielmehr davon die Rede ist, dass Jhwh seinen eigenen Vernichtungswillen bereits bereute, geht Houtman an keiner Stelle ein. Houtman zieht noch nicht einmal in Erwägung, dass Mose und Jhwh gerade in dieser Perikope nicht in allen Punkten in ihren Motiven austauschbar sind.
545
W EIMAR, Kalb, 158; EHRLICH, Randglossen I, 398; siehe aber auch demgegenüber RUPPRECHT, Quisquilien, 88. 546 H OUTMAN, Exodus, 614.615. Auch JACOB, Buch, 940–942, hebt die Notwendigkeit eines solch scharfen Vorgehens hervor, gesteht jedoch ein, dass es durch keine Bestimmung der Tora abgedeckt ist: „Was er tut, ist nicht ein Verfahren nach dem Buchstaben des Gesetzes, sondern ein Standgericht, ein Gebot der Stunde (hov tarwh ) und im Sinne Gottes.“ 547 H OUTMAN, Exodus, 630. 548 H OUTMAN, Exodus, 615. BLUM, Pentateuch, 56, betrachtet die Levitenepisode unter kompositorischen Gesichtspunkten: „Die Einsetzung einer ausgesonderten Priesterschaft markiert das Ende des in Ex 19,6 für Israel vorgesehenen und in 24,3ff verwirklichten ‚allgemeinen Priestertums‘!“
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Auch die Sicht von Dahmen549 vermag nicht recht zu überzeugen: Immerhin macht er auf die eklatanten Unterschiede zwischen den sonstigen Belegen von dAy alm im Zusammenhang mit dem Priestertum aufmerksam: „Da ist zunächst einmal die Tatsache zu nennen, daß die bene lewi sich selbst ‚die Hand füllen‘...“. Unter Hinweis auf 1 Chr 29,5 und 2 Chr 29,31 kommt er jedoch zu dem Schluss: „... die bene lewi sollen sich – nach der Verunreinigung an den / durch die Erschlagenen – aufs Neue bemächtigen, mit Kraft ausrüsten, damit sie fähig sind, den Segen JHWHs zu erlangen (v.29b), der das Ziel, den Effekt dieser ‚Handfüllung‘ darstellt, die sich wiederum aus vv. 27 ergibt.“ Diesen Vorgang möchte Dahmen jedoch auf das „heute“ von V.29 beschränkt sehen, so dass „keine über den Tag hinausreichenden Verpflichtungen resp. Rechte / Rechtsansprüche der bene lewi“550 aus der Erzählung abgeleitet werden können. Auch in dieser Auslegung fehlt jeder Hinweis auf Ex 32,14 und die nicht vorhandene Legitimation für das Strafgericht durch Jhwh selbst551. In seiner Version verliert Mose kein Wort über dieses Blutbad. Er wiederholt noch nicht einmal den Beitrag Aarons am Guss des Stierbildes. Nur im Zusammenhang mit der Fürbitte taucht Aaron auf einmal in Dtn 9,20 auf. Ohne Kenntnis der Version des biblischen Erzählers bliebe diese Erwähnung in dem Zusammenhang der Moserede allerdings völlig unverständlich. Das heißt, die unrühmliche Rolle Aarons und der Leviten schwingt in der Version des Mose durchaus mit, sie wird nur nicht noch einmal eigens hervorgehoben. Auch die Aussonderung der Leviten berichtet Mose erst ganz am Schluss in Dtn 10,8.9. Sie wird nur mit ihrem Dienst vor Jhwh begründet. Der Tod des Aaron (Dtn 10,6) bleibt völlig ohne Zusammenhang mit den Ereignissen am Horeb. Unmittelbar darauf folgt die Notiz über die Aussonderung des levitischen Stammes (Dtn 10,8–9). Der biblische Erzähler bringt demgegenüber Aarons Tod ausdrücklich mit der Verweigerung des Hinaufziehens in Num 14,32ff in Verbindung (Num 20,24)552. Es lässt sich demzufolge zunächst festhalten: Insgesamt „schont“
549
D AHMEN, Leviten, 80–85. D AHMEN, Leviten, 85. 551 So trifft die explizite Kritik Reimarus an dem Vorgehen Moses’ und der Leviten – wiewohl Theologe der Aufklärung – vielleicht den Punkt, der implizit in der Erzählung angelegt ist: „Behüte Gott! welch abscheuliges Ansinnen! welche wilde menschliche Wuht! [...] Urteilet, vernünftige und tugendhafte Menschen, ob es Mosi und Aron um die Bekerung und Wohlfahrt der Israeliten, oder vielmehr um die Behauptung ihrer eigenen Herrschaft, es kost was es wolle zu thun ist. Urtheilen, ob das würdige Priester des Herrn sind, die gestern noch dem Egyptischen Götzen im Wohlleben freudig dienten; heute durch Verheissung reicher Einkünfte erkaufft, sich durch den grausamsten Mord an ihren Brüdern, zu Dienern Gottes? nein, zu Mosis Schergen weyhn!“ Zitat bei H OUTMAN, Exodus, 630, mit dem er sich anhand der oben aufgeführten Argumente kritisch auseinandersetzt. 552 Zu diesem Problemkreis siehe die Studie von D AHMEN, Leviten, 74–106. 550
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Mose Aaron und die Leviten553. Der Umstand, dass das durch Jhwh nicht legitimierte Strafgericht, zu dem Mose die Leviten aufgefordert hatte (Ex 32,26), in seiner Version nicht mehr auftaucht, mag für sich sprechen. Auch dieses Schweigen kann als durchaus menschlicher Zug des Mose gewertet werden, der im Rückblick auf sein eigenes Leben eigene Fehler nicht mehr unterstreicht und die Autorität der Leviten nicht untergraben will. Schließlich setzt er sie neben Josua als die tragenden Autoritäten ein, denen er seine Tora anvertraut (Dtn 31,9–13). Auch geht es ihm in seiner Rede nicht mehr um das Werden des Beziehungsgeflechtes zwischen ihm, Israel und Jhwh, sondern darum, dass sich Israel im Land konsequent auf sein eigenes Handeln besinnt. Doch auch innerhalb der Version des biblischen Erzählers lässt sich eine ausdrückliche Kritik an dem Vorgehen des Mose und der Leviten ausmachen. In Ex 32,31 heißt es zunächst doppeldeutig:
h™Dwhy_lRa h¢RvOm bDvªD¥yÅw Bedeutet das, dass Mose in dem folgenden Gespräch wieder auf dem Berg ist? Immerhin wird das Volk in Ex 33,4 Zeuge der auf 32,31 folgenden Unterredung zwischen Mose und Jhwh. Ex 33,7 besagt, dass Mose das Zelt außerhalb des Lagers aufstellt, von dem er dann in V.11 zurückkehrt. Diese Vorgänge sprechen dagegen, dass in 32,31 an eine Rückkehr des Mose auf den Berg gedacht ist. Das heißt, dass die ganze Auseinandersetzung von Kap 33 nicht auf dem Berg stattfindet. Der Sinai scheint für die Kundgabe von Gesetzen und der Übergabe der Tafeln vorbehalten zu sein. Alles, was sich ab 32,31 abspielt, dient ganz offensichtlich der Beziehungsklärung bzw. -findung zwischen Mose, Jhwh und dem Volk. Tatsächlich kommt Jhwh in diesem Gespräch noch einmal auf die Frage nach einer Strafe für das Volk zu sprechen. Vor dem oben aufgezeigten Hintergrund der Eigenmächtigkeit der Handlungen des Mose und der Leviten kann man 32,34 auch als Kritik Jhwhs an Mose lesen. Jhwh hebt dort hervor:
:M`DtaDÚfAj M™RhyElSo y¶I;tdåqDp…w y$îdVqDÚp MwâøyVb…w Jhwh bestimmt den Zeitpunkt dieser Heimsuchung und nicht Mose. Tatsächlich wird ja auch in V.35 erzählt, dass Jhwh dann die Strafaktion 553
Die prominente Rolle der Leviten im Dtn ist immer schon gesehen und meist mit der sozialen Zusammensetzung der „deuteronomistischen“ Kreise begründet worden. Siehe etwa A LBERTZ, Intention, 48; D ERS. Religionsgeschichte I, 346f.; D ERS., Exilszeit, 214ff.; H ARDMEIER, Prophetie, 247–251.440f.; CRÜSEMANN, Tora, 311–322; siehe auch O TTO, Dtn im Pentateuch, 185, der diesen Zug des Dtn eher der Pentateuchredaktion zuschreibt und auf die Bezüge von Dtn 31,9 zu Dtn 17,9–11.18f (Königsgesetz) und Dtn 18 aufmerksam macht.
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durchgeführt hat – aber eben an dem Tag „seiner“ Heimsuchung. Bei diesem Vers gilt es, genau auf die Terminologie zu achten. Schließlich hatte Jhwh in 32,10 noch davon gesprochen, Israel zu „vertilgen“ (lka), was er jedoch in 32,14 bereits bereut hatte. Tatsächlich heißt es nun in 32,35, dass Jhwh das Volk „schlug“ (Pgn) ). Dieses Verb ist eher mit „plagen“ zu übersetzen, wie ein Blick auf Ex 7,27 zeigt554. In jedem Fall steht es in keinem Verhältnis zu dem lka von Ex 32,10. Davon hat Jhwh grundsätzlich Abstand genommen, wie Ex 33,3 zeigt. Die Kürze, in der Jhwhs Maßnahme in 32,35 geschildert wird, zeigt den deutlichen Unterschied zu der Ausführlichkeit, mit der von der Strafaktion der Leviten in 32,25–29 erzählt wird. Sogar die Zahl der Opfer wird nicht verschwiegen (V.28). Bei alledem darf die Rolle des Mose als Fürbitter nicht übersehen werden: In Ex 32,30 nimmt Mose sich vor, auf den Berg zu steigen, mit der Absicht, die Sünde zu „sühnen“ ( rpk). Das folgende Gespräch 32,31–34 muss nicht unbedingt die Ausführung dieses Vorhabens sein. Die Terminologie von 32,30 taucht erst in 34,4 wieder auf, dann allerdings auf den ausdrücklichen Befehl Jhwhs in 34,2 hin. Das hieße, dass die Sünde erst wirklich durch die Gabe der neuen Tafeln „gesühnt“ ist. Das ist der wirklich entscheidende Vorgang, der sich aus diesen Dialogen herausschält. Diesen Punkt hebt Mose in seiner Rede wieder hervor (Dtn 10,1–2). Mit kurzen und knappen Worten wiederholt er genau diese Wiederherstellung der Tafeln. Dieser Vorgang ist das entscheidende Resultat der ganzen Auseinandersetzung, den die kommenden Generationen in Erinnerung behalten sollen. Mit dieser Interpretation der Gespräche zwischen Jhwh und Mose soll nicht gesagt werden, dass die Handlungen des Mose insgesamt im Nachhinein zu verwerfen sind. Das Zerbrechen der Tafeln bekommt Mose von Gott vorgeworfen, das Zermalmen des Stierbildes nicht. An dem Strafgericht, das Mose gemeinsam mit den Leviten veranstaltet, lässt sich verhaltene, aber doch deutliche Kritik Jhwhs heraushören. Für unsere Fragestellung ist es mir nur wichtig herauszustellen, dass Mose mit seinen Motiven und Handlungen nicht einfach mit Jhwh gleichgesetzt werden kann. Mose ist Teil eines fragilen Beziehungsgeflechtes, innerhalb dessen seine Rolle alles andere als festgeschrieben ist. Er ist ebenso Lernender wie Israel und letztendlich der Leser selbst.
554
Zur Diskussion, worauf sich denn Ex 32,35 bezieht, siehe H OUTMAN, Exodus, 675. Auf V.20 (so Raschi)? Auf das Blutbad in 27–29 oder auf 33 (so Nachmanides)? Oder ist V.35 ein „concluding comment“? Für H OUTMAN ist es eine „note“, die sich auf den historischen Hintergrund des Textes bezieht: sei es Untergang des Nordreiches, sei es auf das Gericht über ganz Israel in der Exilszeit.
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Ist Israel Moses Volk oder das Volk Jhwhs? Das Thema zieht sich durch die Gespräche zwischen Jhwh und Mose wie ein roter Faden555 und ist mit der Frage der Eigenmächtigkeit des Mose untrennbar verwoben. Der Konflikt ist jedoch erst, wie noch zu zeigen sein wird, mit der Gabe des sogenannten „kultischen Dekalogs“ (Ex 34,11–26) beigelegt. Auch dieser Streit entzündet sich an dem Ereignis, das bis zu dem Zeitpunkt der Erzählung die Beziehung zwischen Israel und Jhwh stiftet: dem Exodus. Um die Störung des Verhältnisses zwischen ihm und dem Volk anzuzeigen, hebt Jhwh immer wieder hervor, dass Mose es war, der Israel aus Ägypten befreit hat (vgl. Ex 32,7.11; 33,1). Gleich zu Beginn seiner ersten Reaktion auf den Guss des goldenen Stierbildes weist Jhwh den Exodus Mose zu und bezeichnet Israel als „sein“ (Moses) Volk (Ex 32,7):
:MˆyárVxIm X®r¶RaEm Dty™ElToRh r¶RvSa $ÔKV;mAo tEjIv yI;k£ Gleichsam als Begründung hierfür, wiederholt Jhwh noch einmal den Umstand, dass Israel dem goldenen Stierbild den Exodus zugeschrieben hatte (Ex 32,8):
:MˆyárVxIm X®r¶RaEm ÔK…wälToèRh r¶RvSa l$EarVcˆy ‹ÔKy‹RhølTa hR;l§Ea Durch diese Rede Jhwhs bekommt Mose dessen Zurückweisung durch Israel am eigenen Leib zu spüren: Israel verkennt nicht nur das, was Jhwh für Israel getan hat. Es erkennt noch nicht einmal die Verdienste des Mose an. Statt dessen bringt es durch das Stierbild noch eine dritte Größe ins Spiel, die – so die Erzählung – überhaupt nichts mit dem Exodus zu tun hat556. So gesehen ist Jhwh ein Gesprächspartner, der Mose durchaus genau an einem wunden Punkt zu treffen vermag. Das ist jedoch eben die Stelle, an der Jhwh selbst durch den Guss des Stierbildes und der Zuschreibung seiner Taten auf diesen anderen Gott getroffen ist. Ist in dieser Intervention Jhwhs die eigentliche Ursache der Wut Moses zu sehen, die seine folgenden Handlungen zunächst bestimmt? Ist Mose darum so wütend auf das Volk, weil es auch seine Verdienste nicht anerkennt? In jedem Fall kommt durch die Rede Jhwhs das der Beziehung zu Jhwh unangemessene Verhalten Israels noch deutlicher in den Blick. Nach der Logik dieser Argumentation müsste Mose im Grunde völlig auf der Seite Jhwhs stehen. Wie unter-
555
JACOB, Buch, 930: „‚Dein Volk‘ – um dieses Wort wird es im ganzen Gebetskampf Moses mit Gott gehen.“ 556 Dies gilt auf der Ebene des uns heute vorliegenden kanonischen Textes. Dass historisch gesehen der Stier durchaus im Nordreich mit dem Exodus in Zusammenhang gebracht werden konnte, soll damit nicht bestritten werden. Siehe dazu A LBERTZ, Religionsgeschichte I, 217–219; S CHMID, Erzväter, 158–159; CRÜSEMANN, Freiheit, 108–110.
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schiedlich beide jedoch auf diese Situation reagieren, ist eine der Pointen dieses Textes. Die Reaktion Jhwhs erscheint zunächst nur zu konsequent: Jhwh will das Volk vernichten, wohingegen er Mose zu einem großen Volk machen möchte (32,10). Dieses Angebot läuft auf einen Neuanfang hinaus, der mit dem der Erzeltern vergleichbar ist (vgl. Gen 12,2; 18,18; 46,3)557. Mose betont es in seiner Rede noch einmal und verstärkt es sogar noch: Nach der Wiedergabe des Mose hat Jhwh das Volk, das von ihm hervorgehen soll, sogar noch mit Israel unmittelbar verglichen (Dtn 9,14b):
:aw`IhAh MAo¶AÚpA;b M™A…g y$AlEa ‹hÎwhy o§AmVvˆ¥yÅw Dieser kleine „Zusatz“ fügt sich nahtlos in das Bild des selbstlosen Fürbitters, das Mose von sich in seiner Rede zeichnet. Es folgt die erste Fürbitte Ex 32,11–14, in der Mose präzise auf die erste Rede Jhwhs eingeht. Er erinnert Jhwh an seine Taten in Ägypten an „seinem“ Volk (V.11) und an die Verheißungen an die Erzeltern (V.13). Dabei weist Mose noch einmal namentlich auf die Personen hin, denen Jhwh genau das versprochen hatte, was er soeben ihm selbst zugesagt hatte. Der implizite Vorwurf des Mose an Jhwh, der sich hier zwischen den Zeilen herauslesen lässt, lautet: „Was ist deine Verheißung an mich wert, wenn du von den Verheißungen an Abraham, Isaak und Jakob Abstand nimmst?“558 Das entscheidende Argument jedoch ist Jhwhs Ansehen in den Augen derer, von denen er Israel befreit hat (V.12). Was die Ägypter dann sagen würden, wäre noch vernichtender als die Deutung des Exodus, die Israel bei dem Guss des goldenen Stierbildes vollzogen hat. Nicht ein anderer Gott hat Israel aus Ägypten befreit, sondern Jhwh hat Israel „zum Schlechten“ (hDorV;b) aus Ägypten herausgeführt, damit es völlig vom Erdboden verschwindet (V.12). “The Egyptians will draw the conclusion that YHWH is an evil genius who uses his power to work evil. YHWH’s reputation as the God who is faithful to his promises – there is a kind of fast forward to 32,:13 – is at stake.”559 Die Unterdrücker, von denen Jhwh sein Volk befreite, hätten dann Recht behalten. Diese Desavouierung der Exodustat wäre noch perfider als die, die sich Israel hat zu Schulden kommen lassen. Indem Mose Jhwh derart geschickt auf den Exodus hin anspricht, erweist er sich mit seiner Fürbitte als vorzüglicher „Kenner Gottes“. Jhwh lässt auf die Rede des Mose hin von seinem Vorhaben, das Volk zu „ver557
Vgl. H OUTMAN, Exodus, 612.645–646. Vgl. aber auch die Lesart von JACOB, Buch, 931, in der er davon ausgeht, dass Jhwh Mose schon in 32,10 das Argument der Verheißung an die Erzeltern in die Hand gegeben habe, indem er mit Mose einen vergleichbaren Neubeginn starten wollte. 559 H OUTMAN, Exodus, 649. 558
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tilgen“ (lka aus 32,10) ab und kommt der Bitte nach, sich das Böse gereuen zu lassen (Mjn nif. in 32,12 und 14). Moses Fürbitte ist erfolgreich. Darum wiederholt er diesen Teil des Gesprächsganges beinahe wortwörtlich in seiner Rede (Dtn 9,22–29). Hier ist allerdings jede Dramatik des Gespräches dadurch allein schon völlig herausgenommen, dass das Ergebnis durch die überschriftartige erste Erwähnung der Fürbitte in Dtn 9,18– 19 bereits mitgeteilt ist. So erfahren die Tora Lesenden bereits vor dem Wortlaut der Bitte das Ergebnis des Dialoges: Jhwh erhört Mose (V.19)560. Bei der Wiedergabe des Wortlautes der Fürbitte in Dtn 9,25–29 ist allerdings auch die Reihenfolge der einzelnen Elemente gegenüber der Fassung in Ex 32,11–14 etwas vertauscht: Auf die Bitte des Mose, doch „sein“ – Jhwhs – Volk nicht zu vernichten, das er (Jhwh !) aus Ägypten herausgeführt hat, folgt nicht der Hinweis auf das mögliche Urteil Ägyptens, sondern unmittelbar die Erinnerung an die Verheißungen an die Erzeltern (Dtn 9,27). Dann erst kommt die Warnung vor dem Urteil „derjenigen, die in dem Land leben, aus dem du uns herausgeführt hast“ (V.28). Diese Umkehrung hat mit der Funktion der Erinnerungsfigur an die Erzeltern in der Moserede zu tun, die in vielen Argumentationsgängen am Anfang steht oder zu mindest einen Ausgangspunkt bildet561. Immer wieder bildet die Zuwendung Jhwhs an die Erzeltern in der Moserede die unverlierbare Grundlage, die durch keine Sünde von Seiten Israels mehr zerstört werden kann. Wenn Mose seinen Hinweis auf das mögliche Urteil Ägyptens der Aufforderung folgen lässt, doch an die Erzelternverheißung zu denken, so wird der Gegensatz zwischen beiden Segmenten im Grunde noch verstärkt. Dieser Zug der Fürbitte wird dadurch noch gesteigert, dass Mose darauf wiederum noch einmal eine Erinnerung an den Exodus folgen lässt und Jhwh Israel als seine hDlSjAn ins Gedächtnis ruft (Dtn 9,29). In seiner Version berichtet Mose noch nicht einmal davon, dass Jhwh sich erbarmt hat. Er lässt vielmehr unmittelbar darauf die Aufforderung Jhwhs an Mose folgen, neue Tafeln zuzubereiten (Dtn 10,1). In der Moseversion ist damit die Debatte abgeschlossen, wessen Volk Israel denn nun sei. Anders in der Version des biblischen Erzählers: Hier wird diese Frage nun noch ausführlich weiter verhandelt. Dabei ist zu beachten, dass der gesamte folgende Dialog in der Wiedergabe des Mose völlig fehlt. Ex 32,30–33,23 ist ohne direkte Parallele im Dtn. Ebenfalls ist in Erinnerung zu behalten, dass der gesamte weitere Gesprächsgang unter der Prämisse steht, dass Jhwh all das Böse, das er über Israel bringen wollte, bereits bereut hat (Ex 32,14). Und: Mose hat gemeinsam mit den Leviten ein Straf560
Vgl. LOHFINK, Endtextstruktur, 59–61, der bei der Mose-Version von einem „die Versöhnungsmaßnahmen Moses zusammenfassend berichtenden Charakter“ spricht (aaO, 59). 561 Vgl. Dtn 4,1.31.37;6,3.10.18.23; 9,5; 7,8.12.13; 8,1; 10,11; 26,5; 27,3; 28,11; 29,12.24; 30,5.9.20. Siehe dazu S. 107ff.
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gericht über Israel abgehalten, das von Jhwh in keiner Weise legitimiert, geschweige denn angeordnet war. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Frage, wessen Volk Israel denn nun eigentlich sei, noch einmal eine ganz andere Brisanz. Immerhin macht Jhwh in dem auf das Strafgericht (Ex 32,25–29) unmittelbar folgenden Abschnitt deutlich, dass er das Volk zu einem Zeitpunkt auf eine Weise heimsucht, wann und wie er es für angemessen hält (Ex 32,34). Mose hatte das Thema, wessen Volk Israel denn nun sei, in Ex 32,31 bereits wieder aufgenommen. Allerdings hatte er Jhwh entgegenkommend neutral nur vom hzh Moh gesprochen. In dieser zweiten Fürbitte macht Mose deutlich, dass er nicht leben will, wenn Jhwh Israel nicht vergibt und damit alle bisherige Geschichte umsonst wäre (Ex 32,32). Mose möchte aus dem Buch vertilgt werden, wenn Jhwh dem Volk nicht vergibt562. Mose bindet sein Schicksal daran, dass Jhwh seinem Volk verzeiht. Diese Äußerung lässt sich durchaus als krasse Ablehnung des Angebotes Jhwhs von 32,10 interpretieren, aus Mose ein großes Volk zu machen und Israel zu verzehren. Die Tora lesende Person weiß jedoch, dass es um diese Frage schon gar nicht mehr geht (Ex 32,14!). Die Doppeldeutigkeit der Äußerung Jhwhs, dass er denjenigen, der sündigt, aus dem Buch tilgen wird (V.33), wird vor diesem Hintergrund deutlich. Die Formulierung lässt jeden erdenklichen Spielraum zu. Immerhin spricht Jhwh in V.34 schon neutral von „dem Volk“. Er schickt Mose weg, er soll „das Volk“ (nicht mehr „dein“ Volk) dahin führen, wohin Jhwh es ihm sagt. Distanzierend wirkt da der Hinweis auf den Boten, der von nun an Mose vorangehen soll. Die Frage, die jetzt wirklich im Raum steht, ist die, ob sich Jhwh noch weiterhin Israel zuwendet oder nicht und wer das Recht hat, seine Sünde „heimzusuchen“. Wenn Jhwh jetzt in V.34 klar macht, dass dies seine Angelegenheit sei, geht er damit indirekt schon einen Schritt auf Mose zu, allerdings nicht in dem Sinne, wie dieser es in seiner Eigenmächtigkeit zunächst dachte. Die nun in Ex 33,1f folgende Äußerung Jhwhs lässt einerseits offen erkennen, dass er Mose entgegenkommt: Er macht deutlich, dass er sich an seine Versprechen Abraham, Isaak und Jakob gegenüber erinnert. Andererseits beharrt er darauf, dass Mose das Volk aus Ägypten geführt hat und dass er von nun an einen Boten vor Mose hergehen lassen möchte (vgl. 32,34). Ausdrücklich heißt es, dass Jhwh selbst nicht mitgehen wird, weil er Israel auf dem Weg „verzehren“ würde (vgl. 32,10). Das bedeutet jedoch, dass die Ablehnung, ab jetzt noch unmittelbar in der Form mitzuziehen, wie sie noch vor der Ankunft am Sinai möglich war (vgl. etwa Ex 31,21;16,10), im Zusammenhang mit der Reue Jhwhs in 32,14 zu sehen ist. „Mit dem ‚Sündenfall‘ um das ‚goldene Kalb‘ hat Israel gleichsam seine 562
JACOB, Buch, 943, macht an dieser Stelle zu Recht darauf aufmerksam, dass es sich hier nicht um die „Anbietung seines Lebens als Sühnepreis für die göttliche Verzeihung“ handelt.
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Unschuld verloren, es wird nicht mehr in denselben Stand eingesetzt wie zuvor.“563 Und doch lässt sich auch diese Äußerung Jhwhs als Fortschritt gegenüber der Strafrede 32,7–10 verstehen, wo er noch das Volk „vertilgen“ wollte. Auch wenn nach all den lang währenden Gesprächen zwischen Jhwh und Mose wieder ein Gottesbezug möglich sein wird, so ist doch die ursprüngliche Unmittelbarkeit unwiederbringlich verloren. Dieses Verdikt ist dann auch das Letzte, was das Volk noch unmittelbar von Jhwh zum „Mit-hören“ bekommt (Ex 33,4). Direkt danach wendet er sich ausdrücklich über Mose an das Volk (33,5). Dies ist jedoch auch wiederum als „Fortschritt“ zu werten: „Das ist nicht nur das erste Mal, daß er wieder eine direkte Botschaft an das Volk richtet, was weder 32,7ff. noch V. 33ff. geschehen war, also den Verkehr mit ihnen wieder aufnimmt, sondern er nennt sie auch zum ersten Mal wieder mit offiziellen Namen ‚bene Israel‘, nicht Mo =< oder Kmo.“564 Israel kommt der Aufforderung nach (V.6). Ausdruck dieser völlig neuen Kommunikationssituation ist das dEowøm lRhâOa, das Mose nun außerhalb des Lagers aufspannt (V.7). Das Volk wird jetzt nur noch Zeuge, dass Jhwh mit Mose spricht. Über den Inhalt erfährt das Volk unmittelbar nichts mehr (V.8). Ausdrücklich wird hervorgehoben, dass für Mose die Gottesunmittelbarkeit erhalten geblieben ist (Ex 33,11a)565:
r¶E;bådy r¢RvSaA;k MyYˆnDÚp_lRa MyInDÚp ‹hRvOm_lRa h§Dwhy r°R;bîdw …wh¡Eoér_lRa vy™Ia Jetzt im Zelt der Begegnung greift Mose ab 33,12ff genau diese Debatte um die Frage, wessen Volk Israel denn nun sei, ein letztes Mal auf: Er erinnert Jhwh an seinen Auftrag an ihn, das Volk heraufzuführen (Ex 33,1), und fragt sich jetzt, wer denn nun konkret mit ihm diese Führungsaufgabe übernehmen soll. Das Problem, wessen Volk Israel denn nun sei, wer die Leitung übernimmt, stellt sich nach Jhwhs Ankündigung, Mose einen JKDaVlAm voranzuschicken (Ex 32,34;33,2), noch einmal neu. Jhwh hatte in 33,1 aufs Neue betont, dass Mose das Volk aus Ägypten herausgeführt hatte, jedoch nicht recht deutlich gemacht, welche Aufgabe Mose ab jetzt haben werde, als er sagte (33,1):
563
BLUM, Pentateuch, 56, der dies hier auf die Einsetzung des Priestertums bezieht. Ich denke jedoch, dass dies in einem sehr viel umfassenderen Sinn gelten kann und damit auch die Art und Weise der Gegenwart Jhwhs bei Israel mit berührt. 564 JACOB, Buch, 947. 565 JACOB, Buch, 951, macht darauf aufmerksam, dass an allen Stellen, an denen das „Begegnungszelt“ auftaucht (Num 11,16.24.26; Num 12,4; Dtn 31,15 und hier in Ex 33,7ff.), „Moses Vorzugsstellung im Verkehr mit Gott“ herausgestellt wird.
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X®rRaEm Dty™IlToèRh r¶RvSa M$DoDhw hD;tAa hY‰zIm hElSo JKEl MˆyórVxIm Das Verb hlo ist hier ein ganz einfacher Imp. Qal, der nur besagt, dass Mose und das Volk hinaufsteigen sollen. Mose steht mit den Volk auf einer Stufe. Der Streit hat sich verlagert. Es geht schon nicht mehr um die Frage, wessen Volk Israel ist und wer überhaupt Verantwortung für das ganze Unternehmen „Freiheit“ übernehmen soll, sondern ganz konkret um die Leitungsstruktur nach dem „Sündenfall“. Welche Rolle soll Mose zukünftig spielen?566 Vor diesem Hintergrund ist verständlich, dass Mose sich nach den „Wegen Jhwhs“ erkundigt (V.13). Was unterschwellig schon anklang, bringt Mose jetzt explizit zur Sprache: Er bittet um Gnade für sich selbst! Er beharrt auf der „alten“ Zuweisung, die noch galt, als Jhwh Mose berufen und beauftragt hatte, sein Volk aus Ägypten herauszuführen (Ex 33,13b):
:h`RzAh ywñø…gAh äÔKV;mAo y¶I;k h›Ear…w In Ex 3,7.10 hatte Jhwh Israel noch ausdrücklich als „sein“ Volk bezeichnet. Insofern wäre es laut Mose Ausdruck der Gnade Jhwhs für das Volk und ihn, wenn Jhwh selbst (und nicht der Bote) mit „uns“, sprich Mose und dem Volk gehen würde (V.16). Damit erst wären Mose und das Volk aus allen Völkern herausgehoben. Mose bindet die Gnade gegenüber sich selbst und gegenüber Israel und das Heraufführen und das Erhobensein aus den Völkern zusammen. V.17 bringt einen entscheidenden Wendepunkt: Jhwh erbarmt sich über – Mose. Wenn die oben dargelegte Analyse richtig ist, dann hatte Mose diese Gnade ebenso nötig wie das Volk, wenn auch wegen eines anderen Vergehens: Mose hatte eigenmächtig gemeinsam mit den Leviten ein Blutbad angerichtet. Jetzt teilt Jhwh zum ersten Mal seine Gnade auch wirklich mit567. Wenn Mose nun in Ex 33,18 Jhwh bittet, dass er ihn seine dOwbD;k sehen lassen möge, ist dies auch als Bitte um die Rücknahme der Ankündigung zu verstehen, dass von nun an der „Bote“ vor Mose und dem Volk hergehen wird (32,34; 33,2). Die Gnade Jhwhs wirkt sich so aus, dass Jhwh der Bitte tatsächlich nachkommt (33,19): Er lässt seine „Güte“ an ihm „vorübergehen“, so dass Mose selbst hinter Jhwh hersehen kann (V.23). Mose bleibt „im Amt“. Von dem „Boten“, der vor Mose hergehen soll, ist tatsächlich von diesem Gesprächsgang an nicht mehr die Rede.
566
So bereits in den Auslegungen von D ILLMANN, Strack, CASSUTO und Nachmanides. Siehe dazu H OUTMAN, Exodus, 696. JACOB, Buch, 955 paraphrasiert die inneren Beweggründe des Mose: „Aber muß ich denn ein Geleit minderen Grades haben?“ 567 Darauf macht JACOB , Buch, 958, aufmerksam.
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Die Tautologie in 33,19b muss im Zusammenhang mit Ex 3,14 gelesen werden. Jhwh ist, der er ist. Er ist, indem er sich als gnädig erweist, wem er sich gnädig erweist. Diese zweite Tautologie enthält gegenüber der in der Berufungserzählung Ex 3 einen deutlichen Beziehungsaspekt. Beide Stellen thematisieren ganz offensichtlich die Beziehung zwischen Jhwh, Mose und dem Volk Israel – jede auf ihre Art und Weise. Dabei ist zu beachten, dass die Berufungsgeschichte Ex 3 eine Epoche eröffnet. Die Tautologie ist die Antwort auf eine Frage des Mose, in der alle Pole des Kommunikationsdreieckes Jhwh – Volk – Mose enthalten sind (Ex 3,13). Mose fragt Jhwh nicht: Wie ist dein Name, sondern fragt, was er antworten soll, wenn ihn die Israeliten fragen werden. Obwohl Mose durch die Tautologie (3,14) zunächst zufrieden gestellt ist, ist die Aufmerksamkeit des Lesers darauf gelenkt, was sich hinter dieser tautologischen Antwort verbirgt. Durch die Befreiungstat des Exodus wird sich Jhwh einen „Namen“ machen. Genau dies ist der Punkt, den Israel durch den Guss des goldenen Stierbildes in Frage stellt. Durch die Antwort Jhwhs mit der Tautologie in Ex 33,19 kommt eine weitere, Beziehung stiftende Eigenschaft von ihm hinzu: seine Gnade. Auf die Bitte Moses, Jhwh möge ihn seinen dOwbD;k sehen lassen, folgt eine Sequenz, bei der genau auf die verwendeten Begriffe zu achten ist. Die dort getroffenen Aussagen dürfen nicht vorschnell in Gegensatz zu den Passagen gebracht werden, in denen vom Umgang Moses mit Jhwh „von Angesicht zu Angesicht“ (MyˆnDÚp_lRa MyInDÚp ) die Rede ist (Ex 33,11; vgl. Num 12,8; Dtn 34,10). In Ex 33,18 spricht Mose vom „sehen“ (har) der dOwbD;k. Ganz offensichtlich ist auch für Mose hier, wie für Jakob (Gen 32,31) und Manoah (Ri 13,22), eine für immer feststehende Grenze gesetzt, die auch als solche formuliert ist (Ex 33,23)568. Gerade diese Grundsätzlichkeit stellt Mose wieder auf eine Stufe mit allen Menschen. Auf der anderen Seite eröffnet Jhwh in diesem V.23 die Möglichkeit, wie er selbst derjenige bleiben kann, der Mose vorausgeht. Auch hier wird wieder deutlich, dass das Gespräch schon längst an einem Punkt angelangt ist, bei dem es längst nicht mehr um die Sünde Israels geht, sondern um die zukünftige Rolle des Mose, die hier allererst festgelegt wird. Dies zeigt sich auch darin, dass Jhwh ja in Ex 33,19 zunächst nur ankündigt, all sein b…wf vorübergehen zu lassen. Jhwh vollzieht diese Handlung erst auf dem Berg (!) in Ex 34,6:
568
Vgl. dazu JACOB, Buch, 960: „Diese Zurückhaltung ist nur daraus zu verstehen, daß sich der Hebräer bewußt war, was alles in dem Angesicht des wahren Gottes liege: eine nicht faßbare noch auszudenkende unermeßliche Fülle und ungeheure Gewalt des Lebens und unnahbare Heiligkeit. Wenn sie den Menschen in ihrer vollen Unmittelbarkeit träfen, würden sie ihm ‚den Atem rauben‘, ihn blenden, wie ein voller Blick in die glühende Sonne.“
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
wyÎnDÚp_lAo —h¶Dwhy r°ObSoÅ¥yÅw Dieses Vorübergehen findet statt, nachdem Israel, der dritte Pol in dem Beziehungsdreieck, durch das Erneuern der Tafeln (Ex 34,1–4) wieder mit einbezogen ist. Die Übergabe der neuen Tafeln569 ist Ausdruck der Gnade, die in 33,19 angekündigt wird. Genau dies bestätigt Mose durch seinen Ausruf in Ex 34,6b.7, der nichts anderes, ist als ein großer Lobpreis auf die Gnade Jhwhs. Doch Mose geht in seinen Forderungen noch einen Schritt weiter: Moses bittet nach dem Freudenausruf über die Barmherzigkeit Gottes (V.7) als erstes darum, dass Jhwh wieder in „unserer Mitte“ ziehen solle (Ex 34,9). Die Begründung allerdings verblüfft: Weil Israel ein halsstarriges Volk ist. Das ist nun allerdings genau die Begründung, mit der Jhwh von sich gewiesen hatte, dass Israel sein Volk sei, bzw. dass er in Israels Mitte ziehen könne (Ex 32,9; 33,3.5). Mose dreht die Argumentation jetzt um: Gerade weil Israel ein halsstarriges Volk ist, soll Jhwh in seiner Mitte ziehen570. In V.10 sieht es auf den ersten Blick so aus, als beharre Jhwh wieder darauf, dass es Moses’ Volk ist, wenn er sagt: „Vor ‚deinem‘ Volk werde ich Wunder tun.“ Doch der Schein trügt. Nach dem ganzen Gesprächsgang, in dessen Verlauf Mose in seine Rolle als Erneuerer der Tafeln eintritt, als Leiter des Volkes, dem Jhwh bei all seinen Taten vorangeht, hat die Aussage, dass es „sein“ (Moses) Volk sei einen völlig anderen Klang. „Er [Jhwh] nennt zunächst das Volk wieder dein Volk. Aber schon nicht mehr mit dem Relativsatz ‚das du aus dem Lande Ägypten herausgeführt hast‘, wie in 32,7; 33,1. Es heißt jetzt schlechthin Moses Volk, aber weiterhin: in dessen Mitte du bist.“571 Im gleichen Atemzug kann Jhwh jetzt auch neutral von „dem“ Volk reden, „in dessen Mitte du (Mose!) bist“. In diesem Dialog wird durch die gleichen Formulierungen, die sich zunächst auf Jhwh, dann auf Mose beziehen, eine grundsätzliche Grenze zwischen Jhwh und Mose gezogen. Das, was Jhwh immer wieder abgelehnt und Mose immer wieder von Jhwh erbeten hatte, dass er „in der Mitte des Volkes“ ziehen möge (33,3.5; 34,9), sagt Jhwh jetzt von Mose aus. Durch die wunderbaren 569
Durch das Verb lsp in 34,1.4 für das Zurechthauen der neuen Tafeln wird eine „assoziative Verbindung“ zum verbotenen Gottesbild (psl) hergestellt. „Da dann die so hergestellten Tafeln erstmals auch beschriftet werden, legt sich die Konkurrenz von Wort und Bild nahe.“ (Dohmen, Sinaibund, 74). „... das Bundessymbol von Ex 24,12; 31,18; 32,19 wird weitergeführt und mit eigenem Leben gefüllt (Opposition Wort – Bild!).“ (AaO, 75). 570 JACOB, Buch, 971, paraphrasiert: „O, gehe doch in unserer Mitte einher, o, bleibe bei uns gerade weil sie ein hartnäckiges Volk sind.“ (kursive Hervorhebungen im Original). 571 JACOB, Buch, 974 [die kursiven Hervorhebungen im Original, die Zufügung in eckigen Klammern von mir (J.T.)].
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Taten, die Jhwh an Mose tun und die das gesamte Volk sehen wird, wird Mose an den Ort gestellt, an den er wirklich gehört. Damit ist die Grundlage für die Bundesverpflichtung gegeben, die Jhwh „vor“ ganz Israel schließen wird (Ex 34,10). Dieses „Wunderbare“ (arwøn), das Jhwh an Mose tun wird (34,10), muss die Gabe des sogenannten „kultischen Dekalogs“ (Ex 34,11–26) sein, die unmittelbar darauf folgt. Die Besonderheit dieses Bergaufenthaltes wird durch das Fasten, das in der Version des biblischen Erzählers nur hier vorkommt (34,28), noch besonders hervorgehoben. Auf der einen Seite beauftragt Jhwh Mose, die vorangegangenen Gesetze und Bestimmungen aufzuschreiben (V.27). Auf der anderen Seite bleibt es völlig in der Schwebe, wer die Worte niedergelegt hat. Die vieldiskutierte Frage, wer das Subjekt in V.28 ist, lässt sich vielleicht gar nicht endgültig entscheiden. Womöglich liegt gerade in der Schwebe die Pointe: Ist dieses „gemeinsame“ Schreiben bereits die Erfüllung dessen, was Jhwh in Ex 34,10 verheißen hatte? Bemerkenswert an diesem Abschnitt ist in jedem Fall, dass hier zum ersten Mal das Volk Israel aus dem Munde Jhwhs völlig „neutral“ als „Israel“ bezeichnet wird und Mose auf die gleiche Ebene gestellt wird (34,27):
tyäîrV;b öÔKV;tIa yI;t¬årD;k hR;l#EaDh MyâîrDb;dAh —yIÚp_lAo yI;k :l`EarVcˆy_tRaw Jetzt erst ist der Konflikt gelöst, der sich an der Frage entzündete, wessen Volk Israel denn nun sei, und in dessen Verlauf, wie ich zu zeigen versucht habe, mehr und mehr die Rolle des Mose zum Gegenstand hatte. Jetzt wird der Bund „geschnitten“ (V.27), den Jhwh in 34,10 angekündigt hatte572. Dass jetzt die Verhältnisse geklärt sind, kommt durch den eindrücklichen Abschluss (Ex 34,29–35) zum Ausdruck, der das Glänzen auf Moses Angesicht beschreibt. All dies wiederholt Mose in seiner Rede nicht. Nur das Wiederherstellen und Beschreiben der Tafeln gibt Mose an die nächste Generation weiter (Dtn 10,1–5). Die langwierigen, tastenden Verhandlungen, die zu dem Bundesschluss geführt haben und in denen Mose allererst in seine Rolle hineinfand, breitet er an der Schwelle zum verheißenen Land nicht noch einmal aus. Das ist zu diesem Zeitpunkt Selbstverständlichkeit, wie das Niederschreiben der Tora in Dtn 31,9–13 zeigt. Wie Mose dieses Gesche-
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CRÜSEMANN, Tora, 70, liest diese Bundesschlüsse vor dem Hintergrund des Zusammenbruches von 722 (s.o.). Die beiden Erwähnungen der Bundesschlüsse in Ex 34,10 und 34,27 beziehen sich beide auf den einen Bund, dessen schriftliche Grundlage im sogenannten „kultischen Dekalog“ in Ex 34,11–26 zu sehen ist. Der überwiegend kultische Inhalt zielt darauf ab, Jhwh nach der Katastrophe wieder in der Mitte des Volkes zu sehen.
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hen am Ende seines Lebens ganz im Hinblick auf das Volk noch einmal zusammenfasst, ist nun im Folgenden darzustellen. Mit dieser abschließenden Hinwendung zum Volk wird Mose der Mittlerolle gerecht, zu der er am Sinai gefunden hatte573. 7.2. Sinai und Horeb Auf den ersten Blick scheint der Befund eindeutig zu sein: In der Version des biblischen Erzählers heißt der Berg, an dem Israel die Gebote Jhwhs empfängt, Sinai, in Moses Version Horeb. Das Nebeneinander dieser beiden Namen stellte für die Forschung so lange kein ernsthaftes Problem dar, wie die beiden Textkorpora unterschiedlichen Verfasserkreisen zugeordnet wurden. „In Wahrheit ist nach der Bibel zwischen Sinai und Horeb kein Unterschied; es sind verschiedene Namen desselben Gegenstands und die Namen wechselten nur nach den Schriftstellern.“ 574 Doch bleibt die Frage, warum ein Kreis von biblischen Autoren den einen Namen verwendete und den anderen so konsequent vermied. Perlitt will sich mit der Vermutung Noths nicht zufrieden geben, wonach der Name Horeb „aus einer uns verlorenen Überlieferung“575 stammt, die von Dt bzw. Dtn dann übernommen worden sei. „Solange es keine andere Erklärung gibt, tut diese ‚Vermutung‘ niemandem weh; aber sie ersetzt eben keine Erklärung des so verblüffenden Namenwechsels durch [...] Dtr sowie vor allem dieses ‚Namens‘ selber.“576 Perlitt geht davon aus, dass die unterschiedlichen Namen nicht nur dem mehr oder weniger zufälligen Ineinanderfließen zweier Traditionen zu verdanken seien. Die deuteronomistische Schule habe den Namen „Sinai“ bewusst durch die Bezeichnung „Horeb“ ersetzt. Diese These macht Perlitt an der Wegnotiz Dtn 2,14ff fest. Durch sie würde ausgeschlossen, dass der Berg Gottes in Seir, dem Gebiet Edoms liege. „Damit ist in dieser dtr Horeb-Schicht der Ort der Jhwhoffenbarung jeder Gefahr entnommen, mit Seir zusammengebracht zu werden, und hinter dieser Trennung steht ein Programm.“ (314) Dabei verweist Perlitt zunächst darauf, dass die ältere Sinaitradition mit mehr oder weniger genauen Ortsangaben verbunden ist. Ri 5,4–5 deutet darauf hin, dass sich der Sinai auf edomitischem Gebiet befindet. In Ex 19 dient der Sinai zur Bezeichnung eines midianitischen Gottesberges (304–306). Diese unterschiedlichen Lo-
573
Natürlich hatte Mose bereits in Ex 1–14 und vor allem in Ex 16 und 17 bereits eine vermittelnde Funktion. Die Rolle, in die Mose in Ex 19–34 hineinfindet, geht jedoch weit über die Schlichtung der Konflikte während der Wüstenwanderung zwischen Schilfmeer und Sinai hinaus. Dort muss Mose nirgendwo den Vernichtungswillen Jhwhs abwenden und gerät nicht in Gefahr, sich mit dem Gotteszorn zu identifizieren. 574 D ILLMANN, Exodus, 31. Zitiert bei P ERLITT, Sinai, 310. 575 N OTH, ÜS, 29. Zitiert bei PERLITT , Sinai, 310. 576 PERLITT, Sinai, 310. Die Seitenzahlen in Klammern im folgenden Abschnitt beziehen sich auf diesen Aufsatz.
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kalisierungen stellten in der älteren Tradition insofern kein Problem dar, als es in diesen Texten vornehmlich um den Sinai als den Berg gehe, der in die Epoche der Urerfahrung gehöre, die vor dem Kulturland gelegen habe (306). Perlitt vermutet, dass für die deuteronomistische Schule der Name Sinai als Bezeichnung für den Ort der Jhwh-Offenbarung schlechthin in doppelter Hinsicht anstößig geworden sei. „Die Vorstellung, dass der Ort des anfänglichen Erscheinens Jahwes in jetzt (und längst) fremden Lande gelegen habe, muss der dt/dtr Schultheologie unerträglich erscheinen, da sie auf nichts so allergisch reagierte wie auf fremde Götter, fremde Kulte und eben auch fremde Völker.“ (313). Darüber hinaus müsse der Name Sinai gerade in vorexilisch-exilischer Zeit Assoziationen mit dem assyrischbabylonischen Mondgott Sîn geweckt haben. Dies könnten, so Perlitt, die Gründe dafür sein, dass die Deuteronomisten eine Bezeichnung für den Gottesberg gewählt haben, die weder auf die geografische Nähe zu fremden Völkern schließen ließ noch an deren Göttern erinnerte. „Horeb“ ist in der Tat kein Name. Vieles deutet darauf hin, dass wir es hierbei mit einer künstlich geschaffenen Bezeichnung zu tun haben, die offenbar mit Bedacht gewählt wurde. Die Wurzel brj ist im Alten Testament gut belegt und im semitischen Sprachraum war sie seinerzeit weit verbreitet. Sie sei mit „wüst liegen, verwüstet sein“, „trocken sein, austrocknen“ zu übersetzen, so Perlitt (315). Die Punktierung als Part. akt. Kal gehe nicht erst auf die Masoreten zurück. Die Wiedergabe in der LXX mit Cwreb zeige an dass diese Partizipialkonstruktion älter, wenn nicht ursprünglich sei. Perlitt hat gezeigt, dass die Wahl ausgerechnet dieser grammatischen Form nicht ohne Analogien ist. Die Zeitgenossen der Deuteronomisten müssten demzufolge bei der Bezeichnung bErOwj die Bedeutung „wüst liegend“, „Ödland, Wüstengebiete“ verstanden haben (318)577. Bei allen Belegstellen für „Horeb“ lasse sich der damit bezeichnete Ort nicht lokalisieren. Nur in Dtn 1,2ff ist der Name Bestandteil einer ausführlichen Ortsangabe. Diese diene jedoch nur dazu, den Platz näher zu bestimmen, an dem Mose seine Reden hält (307). Darüber hinaus veranschaulicht diese Notiz den Umweg, den Israel gehen musste, weil es bei der ersten Landnahme Jhwh nicht vertraute578. Perlitt geht davon aus, dass in der Zeit, als die Priesterschrift verfasst wurde, die Vermeidung des Namens wieder hinfällig geworden sei. „P kehrt zurück zur Sinai-Überlieferung mit Einschluß des durch Alter und Überlieferung geheiligten Gottesnamens.“ (321). Dem Modell Perlitts zufolge wurde in einer Epoche der Literaturgeschichte des antiken Israel der
577 578
BRAULIK, Dtn I, 21 praraphrasiert Horeb mit „wüstes Gebiet“. Näheres dazu siehe S. 206ff.
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
Name „Sinai“ durch die Bezeichnung „Horeb“ ersetzt. Das erkläre das Nebeneinander von Sinai und Horeb in dem uns heute vorliegenden Text. Die Regel, dass die Bezeichnung „Horeb“ nur im Deuteronomium vorkommt, hat bezeichnende Ausnahmen. In Ex 3,1; 17,6; 33,6 ist bereits vom Horeb die Rede. Die historisch-kritische Forschung erklärt diesen Befund mit deuteronomistischen Zusätzen579 bzw. Redaktionsschichten580. Aus kanonischer Sicht muss der Tatsache besondere Beachtung geschenkt werden, dass bereits auf der Ebene des biblischen Erzählers in Ex 3,1 der Horeb noch vor dem Sinai eingeführt wird. Auch die anderen beiden Stellen Ex 17,6 und 33,6 sind für den theologischen Gehalt der Geschichtsdarstellung von großer Bedeutung. Moses Berufung findet an dem Ort statt, zu dem er das Volk später führen wird (Ex 3,12). Wir haben es hier mit dem literarischen Stilmittel der Prolepse zu tun. Doch die Bezeichnung „Horeb“ für diesen Ort bleibt in der Berufungsgeschichte nicht ohne Konkurrenz. Das hebräische Wort für Dornbusch hRnVs deutet auf den Namen „Sinai“ hin. Es wird in fünf Versen fünfmal genannt. Das „läuft nach der ‚Logik‘ hebräischer Erzählungen auf eine Erklärung des Namens ynys hinaus.“581 Daraus folgt, dass in dieser proleptischen Erzählung, in der zum ersten Mal vom Ort der Offenbarung Jhwhs die Rede ist, im Grunde beide Bezeichnungen gemeinsam eingeführt werden. Im weiteren Verlauf des Exodusbuches fällt jedoch auf, dass sie unterschiedlich verwendet werden. Während „Sinai“ vornehmlich als mehr oder weniger konkrete Ortsangabe zu verstehen ist, lässt sich das für die Bezeichnung „Horeb“ nicht so eindeutig sagen. Zunächst zu Ex 17,6: Obwohl sich Israel noch mitten in der Wüste befindet und erst in Ex 18,5 bzw. 19,1 am Berg Gottes bzw. der „Wüste Sinai“ ankommt, will Jhwh hier bereits vor Mose „auf den Horeb treten“, woraufhin dieser auf den Fels schlagen soll (Ex 17,6). Diese Angabe hat in der Forschung zu den bekannten Diskussionen um die Lokalisierung dieser Episode geführt582. Auch hier haben wir es mit dem Stilmittel der Prolepse zu tun, das in den Berichten über die Wüstenwanderung Ex 16–17 immer wieder zu finden ist583. Die Unschärfe, die diese Ortsangabe in ihrem Kontext mit sich bringt, und der Umstand, dass sie die Bedeutung „Wüstenge579
SCHMIDT, Exodus, 136–144. Für BLUM, Studien, 9–37, ist Ex 3,1–4,18 neben 11,1–3 einer der Schlüssettexte der von ihm angenommenen „KD–Schicht“. 581 BLUM , Studien, 41, führt als Beispiele Gen 11,1–10; Gen 28,11ff und 32,2ff an. Vgl. S CHMIDT, Exodus, 116: „Nur der Name des Strauches hns [...]klingt nach weithin einhelliger Auffassung an den Bergnamen ynys an.“ Siehe Maiberger/Dohmen, ynys , 822 und bereits N OTH, ÜP, 220ff. 582 Siehe dazu stellvertretend H OUTMAN, Exodus II, 366. 583 Siehe F REVEL, Ex 18, 17–18. 580
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biet“ bzw. „trocken liegend“ transportiert, macht hier bereits deutlich, dass es sich hierbei um mehr als einen Ort handelt, zu dem man eine Wegbeschreibung liefern könnte. Schließlich ist für unsere Fragestellung Ex 33,1–6 ein wichtiger Text. Ich habe oben die Komplexität des Verhältnisses Jhwh – Moses – Volk in Ex 32–34 aufzuzeigen versucht584. In Ex 33,1–6 ist genau der Wendepunkt erreicht, an dem sich der Konflikt zu lösen beginnt. „[E]r nennt sie auch zum ersten Mal wieder mit offiziellem Namen ‚bene Israel‘, nicht Mo oder Kmo, weil sie mit ihrer Trauer und bußfertigen Haltung Gnade in seinen [Jhwhs] Augen gefunden haben.“585 Als Zeichen ihrer Umkehr legt das Volk seinen Schmuck ab. Am Ende dieser Passage, in Ex 33,6, steht die Wendung bérwøj rAhEm, die den Auslegern schon immer Kopfzerbrechen bereitet hat, weil die Aussage, dass die Israeliten ihren Schmuck abgetan haben, nicht recht zu einer reinen Ortsangabe passen will586. Es ist Jacob zuzustimmen, wenn er NyIm hier temporal auffasst, auch wenn es vor „Horeb“ steht, das normalerweise als Ortsangabe verstanden wird. Doch auch hier deutet es offenbar auf mehr als einen Ort hin. Ex 33,6 markiert eine Art Epochenschwelle. Vom Horeb an entledigten sich die Israeliten ihres Schmuckes. „Horeb“ ist an dieser theologisch bedeutenden Stelle eher eine Chiffre, mehr Zeit- als Ortsangabe. Die drei genannten Belegstellen für „Horeb“ im Exodusbuch lassen sich demzufolge sinnvoll aufeinander beziehen. Zunächst wird die Bezeichnung in Ex 3 parallel zum Namen „Sinai“ eingeführt. Während in den darauf folgenden Berichten Sinai als konkrete Ortsbezeichnung dient, deuten die Belegstellen für Horeb darüber hinaus. In Ex 17,6 ist „Horeb“ integraler Bestandteil einer Prolepse, die auf das Geschehen verweist, von dem ab Ex 19 berichtet wird. In Ex 33,6 ist Horeb mehr Zeit- als Ortsangabe. Die Bezeichnung markiert eine deutliche Zäsur zwischen der Rebellion Israels und dem neuen, auf der Gnade Jhwhs beruhenden Verhältnis zwischen ihm und seinem Volk. Ganz offensichtlich bleibt die übertragene Bedeutung für die Bezeichnung „Horeb“ reserviert. Wenn im Deuteronomium der biblische Erzähler und Mose vom „Horeb“ sprechen, so ist diese Bezeichnung bereits eingeführt. Als Ortsangabe ist sie von untergeordneter Bedeutung. Sie steht vielmehr für die Wüstenepoche insgesamt, in der Israel seine Gesetze empfängt und Jhwh seine Bundesverpflichtung gegenüber Israel eingeht. Für die Hörerinnen und Hörer der Moserede ist vom Tag der Landnahme an ein ganz anderer Ort
584
Siehe S. 225ff. JACOB, Exodus, 947. 586 CASSUTO , Exodus, 428, vermutet an dieser Stelle ein Zitat aus einem Gedicht, das uns nicht mehr erhalten sei. PERLITT, Sinai, 309, urteilt, dass der Satz „sprachlich singulär und ganz ungeschickt, wenn nicht gar unverständlich“ sei. 585
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
entscheidend: Es ist „der Ort, den Jhwh auswählen wird“ (Dtn 12,5.11.14 u.ö.). Der Wechsel von der konkreten Ortsbezeichnung „Sinai“ zum eher typologischen Namen „Horeb“ ergibt somit einen didaktischen Sinn. Sinai ist ein Ort, der in der Urzeit Israels eine wesentliche Rolle spielte. Grundlegendes ist hier geschehen. Israel erfuhr an diesem Berg die Weisung und Gnade Jhwhs. Das ist jedoch ein Geschehen, das sich auch in der Zukunft Israels immer wiederholen wird. Was Israel am Sinai erfuhr, ist nicht mehr an jene örtliche Gegebenheit gebunden. Wie noch zu zeigen sein wird587, ist das, was am „Tag“ der Moserede in Moab an der Grenze zum verheißenen Land geschieht, in vielerlei Hinsicht mit den Ereignissen am Sinai bzw. Horeb vergleichbar. Durch den Wechsel der Namen „Sinai“ und „Horeb“ wird somit das Paradigmatische der dort geschehenen Ereignisse angezeigt. Er ist im Zusammenhang der „abstrakten Erfahrungsmodelle“ zu verstehen, „die sich zwar ganz auf geschichtliche Erfahrungen beziehen und an ihnen gewonnen sind, jedoch diese Erfahrungen auf das Modellhafte konzentrieren und auf das Typische der reflektierten JHWH-Beziehung reflektieren.“588 Gnade und Weisung Jhwhs sind nicht an den Berg im Gebiet Seir gebunden, sondern an einen „Ort“, dessen Name sehr an die Wüstenzeit im Allgemeinen und an die Rettungstaten Jhwhs im Einzelnen erinnert589. 7.3. In der Moseversion: Der Horeb als Paradigma Mose erzählt von den Ereignissen am Sinai bzw. am Horeb unter dem Eindruck der bevorstehenden Landnahme. Das spiegeln die zu dem Bericht hinführenden Verse Dtn 9,1–6590 ebenso deutlich wider, wie der Auf587
Siehe dazu S.288ff. H ARDMEIER, Geschichten, 15. 589 Die erste allgemeine Bedeutung von brj I kann zunächst einmal allgemein die lebensfeindliche Dürre bezeichnen, vgl. Jes 19,5f. Die Bedeutung „trocken“ taucht jedoch auch wiederholt im Zusammenhang mit den grundlegenden Rettungstaten Jhwhs auf. Vgl die Stellen Gen 8,13; Ex 14,21 und Ps 106,9; Jes 51,10. An diesen Belegen wird davon berichtet, wie Jhwh Wasser in trockenes Land verwandelt und so Leben allgemein (Gen 8,13) wieder ermöglicht bzw. Israel aus der Hand der Ägypter rettet (Ex 14,21). Siehe dazu K AISER, brj I, 160. Aber auch die zweite Bedeutung von brj I dürfte beim Namen „Horeb“ mitzuhören sein. Jes 60,12; Jer 26,12; Ez 6,6; 12,20; Am 7,9 ist die Wurzel im Sinne von „in Trümmern liegen“ zu verstehen und somit in den Zusammenhang mit Jhwhs Gerichtshandeln zu stellen. Siehe dazu v.a. Jer 7,34; 25,9ff; 44,2.6.22. Vgl. K AISER, aaO, 163. 590 LOHFINK, Endtextstruktur, 47, sieht die Verse 1–7 als Einleitung und somit V.7 als Abschluss dieser Redefigur. Es ist jedoch zu fragen, inwiefern er hier nicht einem Systemzwang unterliegt, wenn er auch diese Einleitung nach dem von ihm postulierten deuteronomischen Paränese-Schema ‚wahrnehmen – urteilen – handeln‘ gliedert. Er macht auf dieser Grundlage eine chiastische Struktur aus, in der sich das rkz von V.7 mit dem omv von V.1 spiegelt. M.E. ist jedoch V.7 u.a. aufgrund seiner engen Verbindung zu V.8 588
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bruchsbefehl am Ende dieser Horebreminiszenz Dtn 10,11. Auf diese Weise bildet die Landnahme einen Rahmen um die gesamte Schilderung. Er gibt das Ziel und den Zweck der Erinnerung an dieses für Israel so zentrale Ereignis vor. Die Anrede „Höre Israel“ in Dtn 9,1 markiert einen nicht zu übersehenden Einschnitt in der Rede des Mose (vgl. Dtn 4,1; 5,1; 6,4; 27,9; vgl. aber auch 10,12 als Einleitung des auf unseren Abschnitt folgenden Gedankengangs). Auf diesen paränetischen Einstieg folgt sofort die Situation, in die hinein Mose der vergangenen Ereignisse nacherzählt (Dtn 9,1a):
N$é;drÅ¥yAh_tRa ‹Mwø¥yAh r§EbOo h°D;tAa Anrede und Benennung der Situation kennzeichnen somit die nun folgenden Ausführungen als etwas, was unserem heutigen Verständnis von „Predigt“ vergleichbar erscheint. Damit ist deutlich, dass die nun folgende Nacherzählung alles andere als im modernen Sinne „objektiv“ sein wird. Vielmehr steht sie eindeutig im Dienst der gegenwärtigen Situation, in die hinein Mose erzählt. Daraus ergibt sich die in seiner Version vorzufindende „sachliche und rhetorisch wirksame Ordnung der Fakten, die zu vermitteln sind.“591 Mose benennt bereits in der Hinführung das Ziel seiner „Predigt“ (9,5a):
tRvâ®rDl a™Db h¶D;tAa $ÔKVbDbVl ‹rRv‚OyVb…w #ÔKVtqdIxVb aâøl M¡DxrAa_tRa Israel hat sich durch sein Verhalten im Laufe der Wüstenzeit kein „Anrecht“ auf das Land erworben592. Zwei Motive Jhwhs benennt Mose für die Landnahme Israels: die „Schlechtigkeit“ (hDoVvIr) der Völker und das „Aufrichten“ (Mwq) der Verheißungen an die Erzeltern. Um das Ziel zu unterstreichen, wird der Anfang von V.5 in V.6 wiederholt und mit der Aufforderung versehen, dies doch zu „erkennen“ (ody). Die Einleitung schließt mit der Feststellung, dass Israel ein „halsstarriges“ Volk ist. Kernpunkt der Paränese ist somit, „daß Israel innerlich akzeptiert, sein Land als stets re-
eher als Überschrift über den ganzen Bericht anzusehen, die dessen Rezeption entscheidend beeinflusst. Näheres dazu im Folgenden. 591 LOHFINK, Endtextstruktur, 50. 592 Siehe dazu die Ausführungen von BRAULIK, Dtn I, 75, der allerdings in der Gefahr steht, diese Einführung von der paulinischen Rechtfertigungslehre her zu verstehen, wenn er schreibt: „Es besteht somit grundsätzlich keine Kausalverbindung zwischen der Inbesitznahme des Landes [...] und einer vorausgegangenen Leistung...“.
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
bellisches Volk von seinem Gott nach Moses Fürsprache im Blick auf die Erzväter aus reiner Gnade geschenkt zu bekommen.“593 Damit bildet aber genau die Schlusspointe der langwierigen Dialoge zwischen Jhwh und Mose in Ex 34,9 – Jhwh soll in der Mitte Israels mitgehen, gerade weil es ein halsstarriges Volk ist594 – den Ausgangspunkt für Mose, von dem aus er seine Darstellung eben jener Ereignisse beginnt. Mose erinnert Israel mit seiner Version an die Qualität und das Wesen seines Verhältnisses zu Jhwh, das sich am Sinai herausgebildet hatte. Dort hatte Israel gelernt, dass Jhwh trotz der Halsstarrigkeit seines Volkes einen Bund mit ihm schließt. Das hatte Moses durch seine geschickten Fürbitten erreicht. Dass er selbst in diesen Gesprächen mit Jhwh in diese „Rolle“ hineingefunden hatte, war ein weiteres Ergebnis, das am Ende der sog. „hinteren Sinaiperikope“ feststand. In seiner Rede streicht Mose, wie noch zu zeigen sein wird, diesen Umstand deutlich heraus. Er wiederholt jedoch nicht noch einmal den Weg dorthin. Er zeigt nur, wie bedeutend dieses „Amt“ des Fürbittenden für Israel ist. Damit werden noch einmal die unterschiedlichen Perspektiven der beiden Versionen deutlich: Der biblische Erzähler berichtet quasi „von vorne„ auf das „Ergebnis“ hin, das am Anfang seines Berichtes noch nicht ausgemacht war. Mose schaut demgegenüber zurück. Das Ergebnis liegt bereits fest. Es wird durch seinen Rückblick noch einmal veranschaulicht, eingeschärft und untermauert. Liest man Dtn 9,7 als Überschrift, so wird deutlich, dass es Mose um einen umfassenden Schuldaufweis geht, der über den gesamten Zeitraum vom Auszug aus Ägypten bis zur Gegenwart der Rede reicht. Israel wird aufgefordert, sich angesichts der bevorstehenden Landnahme zu „erinnern“ (rkz) und nicht zu „vergessen“ (jkv), wie es „widerständig“ (hrm) war und damit Jhwh „erzürnt“ ( Pxq) hat. Diese Aufforderung ist völlig allgemein gehalten. Wie grundlegend die Ereignisse am Sinai bzw. am Horeb waren, wird auch dadurch deutlich, dass das Panorama in 9,22–24 wieder ausgeweitet wird. Alle Stationen, an denen Israel versagt hat, werden dort noch einmal unter Verwendung der gleichen Begriffe (Pxq / hrm) aufgezählt und dadurch mit dem Horebereignis parallelisiert595. Insofern bilden 9,7.8 und 9,22–24 so etwas wie das thematische Rückgrat dieser Horebreminiszenz596. Zugleich fällt in Dtn 9,7 die „schwebende syntaktische Zuordnung
593
LOHFINK, Endtextstruktur, 54. Siehe dazu den vorangehenden Abschnitt. 595 Siehe dazu H ARDMEIER, Geschichten, 12–14. Intertextuelle Bezüge siehe die bei LOHFINK, Endtextstruktur, 61, aufgeführte Tabelle. „Für die Sünden Israels stellt Mose in Deuteronomium 9–10 Intertextualität also nicht nur zu Exodus 32–34 her, sondern zur ganzen Pentateucherzählung seit dem Auszug aus Ägypten“ (aaO, 61). 596 Diesen Zusammenhang droht BRAULIK, Dtn I, 76, zu zerreißen, wenn er Dtn 9,20.22–24; 10,6f.8f „anderen Autoren“ zuschreibt. 594
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der Zeitbestimmung“597 des Relativsatzes auf, die in der „iterative(n) Partizipialkonstruktion“ in 9,22–24 ihre Entsprechung findet598. Auch hierdurch zeigt Mose an, dass er mit seiner Erzählung vom Guss des Stierbildes Grundsätzliches zur Sprache bringt. Erst in V.8 folgt die Konzentration auf die Ereignisse am Horeb, der jedoch dann durch Inversion besonders hervorgehoben wird599. Die nochmalige Verwendung des Verbs Pxq macht jedoch sofort deutlich, dass die Episode am Horeb nur eine von vielen Vorfällen ist, durch die Israel Jhwh zum Zorn gereizt hat. Mose geht es in seiner Version nicht mehr um die über weite Strecken beinahe dramatische und durchaus realistische Schilderung der Begegnung dreier Größen, die zuallererst eine Beziehung zueinander finden müssen. Es geht jetzt darum, Israel die Vorzeichen vor Augen zu führen, unter denen die Landnahme stattfinden wird. Somit ist diese „Horeberzählung Moses [...] die literarische Gestaltung eines Typos, nicht eines einmaligen Geschehens“600. Auch aus diesem Grund können die Schilderung des Gusses des Stierbildes und die langwierigen Dialoge zwischen ihm und Jhwh wegfallen. Mose referiert nur noch den äußeren Vollzug des Geschehens: Nur das Zuhauen der Tafeln, das durch das Bauen der Lade (Dtn 10,1) noch erweitert wird, das Steigen auf den Berg und das erneute Beschreiben der Tafeln ruft Mose noch einmal in Erinnerung. Dies ist ein am „Ergebnis“ orientiertes Erzählen. Der theologische Gehalt der Ereignisse von damals ist in der Vorrede und der Überschrift bereits gesagt. Durch die Wiedergabe der „Ergebnisse“ ruft Mose bei den Augenzeugen die Erinnerung hervor, die er jedoch gleichzeitig durch seine Einleitung in die von ihm gewünschten Bahnen lenkt. Auf diesem Weg hinterlässt Mose Israel seine Botschaft in dieser besonderen Situation. Die Tora Lesenden bekommen
597
LOHFINK, Endtextstruktur, 43 Anm 10. LOHFINK, Endtextstruktur, 45. 599 Keine der von LOHFINK, Endtextstruktur, 44.45 vorgeschlagenen Übersetzungen „und zwar am Horeb“, „auch am Horeb“, „sogar am Horeb“ kann wirklich überzeugen, weil keine die paradigmatische Funktion der Erzählung in der Moseversion wirklich zum Ausdruck bringt, die spätestens in 9,22–24 vollends zur Sprache kommt. 600 LOHFINK, Endtextstruktur, 65. Er deutet die Typologisierung von der Exilszeit her: „Was im Pentateuch geschieht, gilt im Sinne des Erzählers indirekt seinen Lesern. Sie sind außerhalb des Landes, ebenso wie Mose und seine Zuhörer noch außerhalb des Landes waren. Insofern wird die im Horebgeschehen von Deuteronomium 9–10 typologisch zusammengefaßte Wüstenzeit, an deren Ende Mose spricht, zum Typos einer viel umfassenderen Wüstenzeit: der bisherigen Geschichte Israels. [...] Vielmehr bedarf die Vielfalt der Wüstenereignisse einer Zusammenfassung, die dann als solche auf die Gesamtsituation des Lesers im Exil bezogen werden kann.“ (aaO, 66). Die Frage nach der Typologisierung in der vom Dtn inszenierten Situation ist damit jedoch nicht beantwortet. 598
252
2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
durch dieses Verfahren exemplarisch vor Augen geführt, wie ein grundlegendes Ereignis für die Gegenwart fruchtbar gemacht wird601. 7.4. Mose stellt sich selbst als Fürbitter dar Aus den Dialogen zwischen Jhwh und Mose ist jegliche Spannung genommen. Ganz offensichtlich beziehen sich die drei Blöcke, in denen Mose als Fürbitter in Erscheinung tritt, auf den zweiten Bergaufenthalt602. Dtn 9,25–29 und 10,10–11 sind nur noch „szenische Entfaltungen“ dessen, was in Dtn 9,18–19 bereits gesagt ist603. Das lässt sich daran erkennen, dass Dtn 9,25 durch den gleichen Anfang gekennzeichnet ist. Die figura etymologica in V.25 zeigt an, „daß es sich um schon Bekanntes handelt“604. Nicht anders verhält es sich mit der Fürbitte in 10,10, die die Formulierung von 9,19 wieder aufnimmt605. Durch diesen Aufbau ist jedoch das Ergebnis der Verhandlungen schon gleich zu Beginn in Dtn 9,19 vorweggenommen:
:aw`IhAh MAo¶AÚpA;b M™A…g y$AlEa ‹hÎwhy o§AmVvˆ¥yÅw Die nähere Ausgestaltung der Fürbitte folgt dann auf die das Horebgeschehen verallgemeinernde Passage (V.22–24) in Dtn 9,25–29. In der Version des biblischen Erzählers kommt die Fürbitte (Ex 32,11–14) demgegenüber direkt hinter der Aussage Jhwhs, dass Israel sich beeilt hat, von seinem Weg abzuweichen (Ex 32,7–10). Die Fürbitte ist gewissermaßen die unmittelbare Reaktion auf Jhwhs Androhungen. Dadurch entsteht ein gewisser „Realismus“, der in der Moseversion beinahe völlig fehlt. Nach der Aufzählung aller Verfehlungen Israels in Dtn 9,22–24 bekommt die Fürbitte des Mose beinahe schon etwas Grundsätzliches: Mose hat jetzt bereits das „fürbittende Amt“ inne, in das er am Sinai zum ersten Mal mit all seinen Konsequenzen eingeführt wurde. Von daher handelt es sich in Dtn 9,25 um so etwas wie die „Ur-Fürsprache“ Moses, die für alle Verfehlungen der vergangenen 40 Jahre Vergebung erbittet 606. Warum betont Mose seine Rolle als Fürbittender noch einmal derart in dieser besonderen Situation? Allein mit den menschlich-allzumenschlichen Zügen, die die Moserede auch an anderen Stellen aufweist, ist dieses wichtige Merkmal sicherlich nicht zu erklären.
601
Siehe dazu H ARDMEIER, Geschichten, 14–23. Vgl. die Ausführungen zur Funktion des Verbes im Dtn, insbesondere in den Kapiteln 9 und 10 bei F INSTERBUSCH, Weisung, 212. 602 Siehe dazu die Ausführungen bei LOHFINK, Endtextstruktur, 47–50. 603 Vgl. BLUM, Pentateuch, 182–183. 604 LOHFINK, Endtextstruktur, 48. 605 LOHFINK, Endtextstruktur, 49. 606 LOHFINK, Endtextstruktur, 62; BLUM, Pentateuch, 183.
Der Sinai- bzw. Horebbund
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Wenn es richtig ist, dass Mose in Bezug auf die Erinnerungskultur in Israel so etwas wie eine Vorbildfunktion übernimmt, mehr noch: die eine große Stimme ist, die die vielen Stimmen im Volk beauftragt, die Geschichte des Volkes Israel zu bestimmten Gelegenheiten zu erzählen607, dann kann in dieser Betonung seiner Fürbitten nur die Ermunterung für das Volk liegen, auf die eigene Fürbitte zu vertrauen. Eine sprachliche Wendung deutet unmissverständlich darauf hin: Die Wendung „auch diesmal“ in dem oben bereits zitierten Vers Dtn 9,19 hat seine Parallelen in Gen 16,11; 21,17; 30,17; 30,22. „Da hört Gott zwar nicht auf Mose, aber er hört auf jemanden. Und es geht an allen vier Stellen um die Zukunft von Völkern und Stämmen. Natürlich wäre dann ein sehr weiter Horizont evoziert, weit über die Mosegeschichte hinaus.“608 Das hieße, dass Mose mit dieser Wendung in V.19 in seiner „Ur-Fürbitte“ all die Male in Erinnerung rufen möchte, in denen Jhwh auf Fürbitten gehört hat. Vor dem Hintergrund des grundsätzlichen Charakters der Wiedergabe der Horebereignisse kann dies nur als Hinweis darauf verstanden werden, wie sehr Israel unabhängig von der Person Moses auf Fürbitte angewiesen war, ist und bleibt. Damit sind wir jedoch schon bei der Frage nach der Perpetuierung des Moseamtes angelangt. Sie kann jedoch nur angemessen im Zusammenhang mit der Analyse des Moabbundes und der in diesem Rahmen stattfindenden schriftlichen Abfassung der Tora behandelt werden. Dazu ist es jedoch zunächst notwendig, einen Zugang zu dem Bundesgeschehen am Sinai zu finden, um anschließend von dort aus dessen Wiederholung im Rahmen des Moabbundes verstehen zu können. 7.5. Neuer Bund oder Bundesgeschehen? 7.5.1. Am Sinai Auf Anhieb lassen sich die drei Erwähnungen eines Bundes (Ex 24,8; 34,10; 34,27) während Israels Aufenthalt am Sinai nicht in ein „System“ bringen. Nicht nur die alte Frage, die schon Goethe beschäftigte, was denn nun auf den Tafeln am Sinai stand, stellt sich hier609. Auch wird zunächst nicht recht klar, wie sich die verschiedenen Bundesschlüsse zueinander verhalten. Ohne Zweifel liegen die Ursachen für die Inkohärenzen, die in diesem Textbereich zu Tage treten, in dessen komplexer Entstehungsgeschichte. So wird zu Recht immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass der Dekalog ausgesprochen locker in die Perikope eingebunden ist. Nur ganz am Schluss in Ex 34,28 findet sich in der Formulierung „zehn Worte“ ein 607
An dieser Stelle sei nur an Dtn 6,20–25; 26,5–9 erinnert. Siehe dazu die Ausführungen oben S. 95. 608 LOHFINK, Endtextstruktur, 59, der diese Lösung favorisiert. 609 Siehe dazu CRÜSEMANN, Tora, 66.
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2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
Rückverweis auf den Dekalog. Hierin ist ganz offensichtlich ein später Ausgleich zur dtn-Version zu sehen610. Die beiden Schwierigkeiten, denen man in Ex 34,28 begegnet, wollen also Ex 34 mit Deuteronomium und Dekalog versöhnen. Daraus lässt sich schließen, dass der sogenannte „kultische Dekalog“ (Ex 34,11–26) das ursprüngliche Rechtskorpus war, das auf den Tafeln stand. Aus der ursprünglichen Fassung der Sinaiperikope, die vor dem Hintergrund der Ereignisse von 722 formuliert wurde, waren auf den Tafeln die Bestimmungen von Ex 34,11–26 zu lesen. Sie enthielten den ersten Rechtstext im Alten Testament, der an einem „Berg“ erlassen wurde. Davon erzählt die ursprüngliche Fassung der Erzählung vom goldenen Stierbild611. Die Einbindung des Bundesbuches als Bundesdokument in Ex 24,3.4 ist ebenso wie der Auftakt der Sinaiperikope Ex 19,3ff demgegenüber eher deuteronomistischen Kreisen zuzuschreiben. „Ja, hier läßt sich offenbar ein stabiles, [...] eindeutiges Netz kompositioneller Konnexionen knüpfen: 24,3–8 bildet den zweiten Teil des erzählerischen Rahmens, in dem das Bundesbuch hängt, es ist stukturverwandt mit dem Abschnitt 19,3b–8, zu dem aber auch die Eröffnung des Bundesbuches Ex 20,22 enge Parallelen zeitigt.“612 Allerdings ist mit einer Rekonstruktion der Genese dieses Textabschnittes die Frage noch nicht beantwortet, wie dieses Gefüge der offenbar auch ineinandergreifenden Bundesschlüsse zu verstehen ist. Nach der Ankündigung Jhwhs bei der Ankunft Israels am Sinai, mit Israel einen Bund zu schießen (Ex 19,5), ist erst wieder nach der schriftlichen Niederlegung „aller Worte Jhwhs“ (Ex 24,4) in 24,7.8 von einem Bund die Rede. Die Formulierung in 24,4 ist auffällig ungenau:
hYÎwhy yâérVbî;d_lD;k Welche Worte sind damit gemeint? Das Bundesbuch? Oder bezieht sich die Wendung im uns heute vorliegenden Text auch auf den Dekalog? In der Formulierung in 24,8 ist rDbD;d zwar mit einem Artikel und einem Demonstrativpronomen versehen, eine genaue Eingrenzung der zuvor von Jhwh gesprochenen Worte ist aber dennoch nicht möglich. Diese Ungenauigkeit hat die bekannten Diskussionen ausgelöst. Nach diesem ersten, auch rituell abgeschlossenen Bund fordert Jhwh Mose auf, zu ihm auf den Berg zu kommen, damit er ihm die „steinernen
610
CRÜSEMANN, Tora, 68. Siehe dazu CRÜSEMANN, Tora, 66–75.153–170. Vgl. die Ausführung im vorangehenden Abschnitt. 612 BLUM , Pentateuch, 92, der dieses „Netz“ seiner KD-Schicht zuordnet, siehe aaO, 98. Die Diskussion bis 1990 fasst er S.170ff. zusammen. Für die jüngere Diskussion siehe SCHMID, Israel. 611
Der Sinai- bzw. Horebbund
255
Tafeln“ gebe (24,12). Nach dem ersten Teil der Gesetze über die Errichtung des Heiligtums (25,1–31,17) übergibt Jhwh Mose die in 24,12 angekündigten Tafeln (31,18). Von ihnen heißt es nur, sie seien mit dem „Finger Gottes“ beschrieben. Über den Inhalt ist wiederum nichts genaues gesagt. Bei dem uns vorliegenden Textzusammenhang muss man davon ausgehen, dass der erste Teil der Bestimmungen zum Bau des „Zeltes der Begegnung“ (Ex 25,1–31,17) zumindest neben anderen Gesetzen Inhalt der Tafeln ist. Doch des Schreibens damit nicht genug: In Ex 34,1 fordert Jhwh Mose auf, die Tafeln zuzubereiten, damit er (Jhwh!) die Worte auf diese neuen Tafeln schreiben kann, die auf den ersten Tafeln standen. Da aus dem Text aber nicht genau zu ermitteln ist, was auf diesen ersten Tafeln stand, bleibt auch diese Formulierung vage. In 34,10 kündigt Jhwh an, dass er mit Mose und dem Volk einen Bund schließen möchte. Auf diese Ankündigung folgt unmittelbar die Mahnung, die „Worte, die ich dir heute gebiete“, zu bewahren. Diese Formulierung bezieht sich eindeutig auf den nun folgenden sog. „kultischen Dekalog“, denn der Fabel nach sind weder der Dekalog noch das Bundesbuch an diesem Tag von Jhwh erlassen worden613. Der Abschluss dieses Rechtskorpus in 34,27 spricht von „diesen Worten meines Mundes“, die die Grundlage für den Bund darstellen, die Jhwh mit Mose und Israel „schneidet“. Von der Stellung dieses Verses im Kontext her könnte man ihn auf 34,11–26 beziehen. Doch diese Bestimmtheit geht beim darauf folgenden Vers wieder völlig verloren (34,28):
t®r™RcSo ty$îrV;bAh yâérVbî;d tEa£ t#OjU;lAh_lAo bâO;tVkˆ¥yÅw :MyáîrDb;dAh Diese Formulierung vereint alle Bundes- und Verschriftungsmotive der Sinaiperikope. Die vergeblichen Versuche, „das Zehnwort“ auf 34,11–26 zu beziehen, brauchen hier nicht referiert zu werden 614. Ganz offensichtlich ist mit diesem Begriff der Dekalog in Ex 20 gemeint615. Auf der anderen Seite taucht hier das Tafelmotiv von 24,12 und 34,1.28 wieder auf. Ganz offensichtlich handelt es sich bei 34,28 um die Ausführung dessen, was Jhwh in 34,10 angekündigt hatte616. Jetzt bei dem Abschluss des Bundes wird aber auch das geschrieben, was in 34,1 angekündigt worden war. Auf den Tafeln sollte 34,1 zufolge jedoch genau das geschrieben stehen, was auf den ersten Tafeln stand.
613
Siehe Ex 24,18 (vierzig Tage); 32,30 (ein Tag). Siehe dazu CRÜSEMANN, 68–69. 615 BLUM, Pentateuch, 67ff. versucht die Schwierigkeit dadurch zu lösen, dass er 34,28 allein auf den Dekalog bezieht und 34,12–26 sehr spät datiert. 616 D OHMEN, Sinaibund, 61, „Der Schlußpunkt in Ex 34,28 aber zwingt geradezu dazu, die Tafeln mit dem Bundesschluß vom Sinai in Verbindung zu bringen.“ 614
256
2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
Aus diesem Befund kann nur geschlossen werden, dass wir es auf der Ebene des uns heute vorliegenden Textes nicht mit verschiedenen „Bünden“ und schon gar nicht mit einem „gebrochenen und wiederhergestellten Bund“ zu tun haben, sondern insgesamt mit einem Bundes-geschehen617. Wer von dem Horebbund erzählen will, muss auch vom Guss des goldenden Stierbildes berichten. Zur ihm gehören nicht nur die Zehn Gebote, sondern auch die Umstände, unter denen dieser Bund zustandegekommen ist. In diesem Gesamtgeschehen haben das Volk Israel, Jhwh und Mose erst zu dem Beziehungsgefüge gefunden, das mit dem Bund besiegelt werden konnte. Die Frage, welches denn nun die „Urkunde“ dieses Bundesgeschehens sei, lässt sich nur mit dem beantworten, was konkret in 24,12; 34,1.10.28 zu lesen ist: Alle Worte, die Jhwh während des Aufenthaltes Israels am Sinai gesprochen hat. Keinem der Rechtskorpora ist hier in irgendeiner Form ein Vorzug vor den anderen einzuräumen. Das ist der theologische Sinn der sich durchziehenden, oben beschriebenen Unschärfe der Formulierungen über den Inhalt der „Dokumente“. Das bedeutet eben nicht, dass es letztlich auf den Inhalt nicht mehr ankäme – das genaue Gegenteil ist der Fall: Alle Rechtskorpora, die am Sinai gegeben werden, sind und bleiben in gleicher Weise gültig. 7.5.2. Am Horeb Mose entfaltet in seiner Rede das Thema Bund wie die anderen Themen ebenfalls nicht erzählerisch, sondern sachlich618. Die Dramatik der Handlung, die in Ex 19–34 auf die „Schneidung“ des Bundes hinführte, sucht man in der Darstellung des Mose vergebens. Er rekapituliert das Horebgeschehen im Rahmen des Moabbundes. Die Erinnerung an die Episode vom gegossenen Stierbild ist demzufolge Bestandteil dieses weiteren Bundes. Wie Horeb- und Moabbund zusammenhängen und aufeinander bezogen sind, kann erst nach einer genauen Analyse von Dtn 28,29 und Dtn 31 dargelegt werden. Im folgenden Abschnitt soll es zunächst darum gehen, die Rekapitulation des Themas „Horebbund“ in der Moserede zu untersuchen. Der konkrete Erzählanfang in Dtn 9,9 nach der Überschrift in V.7.8 ist im Grunde ein Anschluss an Dtn 5,31. Ohne die Gabe des Dekalogs hinge Dtn 9,9ff völlig in der Luft. Sie ist in der Moserede integraler Bestandteil des Horebgeschehens619. Dtn 9,10.11 fasst die Ereignisse von 5,1–22 noch einmal zusammen. Die Einleitung dieser Abhandlung des Themas „Horeb-
617
Ob man von Ex 19,5 ausgehend allerdings einen Bogen bis hin in die Erzelternzeit spannen kann, wie D OHMEN, Sinaibund, 72, dies versucht, der dann von einem „umfassenden Bundesgeschehen“ ausgeht, erscheint fraglich. Dazu sind m.E. die Bezüge innerhalb der Sinaiperikope doch zu genau aufeinander abgestimmt. 618 LOHFINK, Endtextstruktur, 55. 619 Siehe dazu CRÜSEMANN, Tora, 407–413.
Der Sinai- bzw. Horebbund
257
bund“ beginnt mit „Höre Israel“ (5,1). Damit kommt dem Abschnitt 5,1–5 die Funktion der Einleitung zum Thema Bundesgeschehen zu. Oben war bereits auf die Unterscheidung der Generationen in Dtn 5,2–3 hingewiesen worden620. Mit seinen Hörern hat Jhwh einen Bund „geschnitten“. Dies ist jedoch zugleich die Bundesverpflichtung, die den Eltern „zugeschworen“ worden ist. Das Bundesgeschehen ist demzufolge eingebettet in das Theologumenon von der Verheißung und Erfüllung. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass die Wendung tyIr;Vb trk sowohl auf den Horebals auch auf den Moabbund bezogen werden kann. Mose behandelt das Thema „Bund“ somit weniger unter dem Gesichtspunkt „erneuerter“ oder gar „neuer“ Bund als vielmehr unter dem der „Verheißung und Erfüllung“. In seiner Einleitung betont Mose, dass seine Hörer und Hörerinnen den Bund nicht nur verheißen bekommen haben. Sie haben am Horeb bereits Erfüllung erfahren. Da dies jedoch im Zusammenhang mit den Abwegen Israels in den Blick kommt, stellt Mose anhand der Horebereignisse dar, dass Jhwh trotz Israels Sünde zu seinen Verheißungen steht. Die Aufmerksamkeit wird in dieser Einleitung anschließend auf die „Gebote und Rechte“ gelenkt, die Mose „heute“ vor Israel darlegt. Mose übernimmt zu Beginn seiner Darstellung sein Amt des „Mittlers“, auf das er in V.4–5 sogleich explizit zu sprechen kommt621. Er stellt die Ereignisse so dar, dass er schon bei der Verkündigung des Dekalogs durch Jhwh zwischen ihm und dem Volk stand. Mose benennt das Ziel dieser „Stellung“: „um euch die Worte Jhwhs bekannt zu machen“ (V.5a). Mit anderen Worten: Die ausführliche sachliche Abhandlung des Themas „Horebbund“ steht von Anfang an unter der Überschrift der Mittlerschaft Moses. Hier ist wieder das gleiche Phänomen zu beobachten, dem wir bei der Darstellung des Themas „Sünde des Volkes“ in Dtn 9,1–5 bereits begegnet sind. Auch hier in Dtn 5 gibt Mose in den auf die Erzählung hinführenden Versen genau an, unter welchem Gesichtspunkt seine Darstellung gehört werden soll. Auch nach der Bekanntgabe des Dekalogs ab Dtn 5,23ff läuft der gesamte Duktus der Nacherzählung direkt auf die Mittlerstellung des Mose zu622. Das Volk fordert jetzt die Mittlerschaft des Mose (Dtn 5,24–26). Auch lässt sich diese Version jetzt nicht mehr so lesen, als wolle das Volk Mose durch Jhwh ersetzen. Jetzt betonen sie ausdrücklich, dass sie alles hören und tun wollen, was Jhwh durch Mose sagt (V.27b). Jhwh bestätigt das Volk in dieser Aussage noch einmal ausdrücklich (V.28)623. 620
Siehe S. 110. Davon, dass V.4–5 „ein anderes Thema“ behandelt, wie P ERLITT, Bundestheologie, 81, meint, kann demzufolge nicht die Rede sein. 622 CRÜSEMANN, Tora, 411, spricht an dieser Stelle von einer „Ätiologie für die Mittlerstellung des Mose“. 623 BLUM , Pentateuch, 176, deutet die Erwähnungen des Problems der Gottesunmittelbarkeit am Horeb bzw. Sinai in Dtn 4/5 insgesamt als „breit ausgeführte Interpretationen 621
258
2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
Auch diese Wiedergabe ist ausschließlich auf die Ergebnisse der dramatischen Entwicklungen reduziert, von denen der biblische Erzähler zu berichten wusste. In der ersten Reaktion auf die Erscheinung Jhwhs am Sinai hatte das Volk Mose nur beauftragt: „rede du (anstatt dessen) mit uns“ (Ex 20,19) und damit den ersten Schritt hin zur Katastrophe in Ex 34,1–6 eingeleitet. Am Ende der langwierigen Verhandlungen und Irrwege steht jedoch auch in der Version des biblischen Erzählers genau das Ergebnis624, das Mose jetzt noch einmal in Dtn 5,23–31 festhält. Mose ist der Mittler, dessen Aufgabe es ist, die Gebote Jhwhs zu hören und dem Volk mitzuteilen. Wie zentral die Mittlerstellung des Mose in seiner Version mit der Gabe des Dekaloges verknüpft ist, zeigt auch ein Blick auf Dtn 4,10–14: Mose bekommt zuerst den Auftrag, das Volk zu versammeln (V.10). Das Volk sieht zwar keine Gestalt, hört aber die Worte Jhwhs. Er verkündigt die zehn Worte, die hier mit dem Bund gleichgesetzt werden. Unmittelbar an die Gabe der Tafeln schließt sich auch in Dtn 4,14 der Vermittlungsauftrag Jhwhs an Mose an. Er soll das Volk die Gebote und Rechte „lehren“ (dml Piel), damit es diese im Land befolge. Dieser Ausblick auf die Zukunft im Zusammenhang mit der Mittlerstellung des Mose (vgl. Dtn 5,27) findet sich auch in Dtn 5,29:
M¢RhDl b¶Afyˆy NAo°AmVl My¡ImÎ¥yAh_lD;k y™AtOwVxIm_lD;k_tRa rñOmVvIlw :M`DlOoVl M™Rhy´nVbIlw Die Mittlerstellung des Mose wird demzufolge einerseits in der Geschichte verankert, indem die „Ergebnisse“ der damaligen Ereignisse noch einmal festgehalten werden. Andererseits wächst der Stellung des Mose in seiner Rede eine zusätzliche Funktion zu. Es soll dazu dienen, dass die kommenden Generationen Jhwhs Gebote halten. Damit stoßen wir jedoch abermals auf das Thema der Perpetuierung der Aufgaben, die Mose innehatte. Dieser Grundgedanke wird im Zusammenhang der Analyse des Moabbundes noch weiter zu untersuchen sein625.
der Elemente in Ex 20,18–21, besonders in der Ausführung der pädagogischtheologischen Bedeutung der unmittelbaren Anrede durch Gott (4,10ff.36) bzw. in der Deutung der Reaktion des Volkes als vorbildliche Bewährung (5,28f) – liegt hier doch beide Male der deutend-explizierende Bezug auf den Wortlaut von Ex 20,20a sehr nahe“. Nur verläuft die Grenze zur Neuinterpretation BLUM zufolge nicht zwischen dem biblischen Erzähler und der Moserede, sondern zwischen dem älteren Traditionsgut und der von ihm angenommenen KD-Schicht, die er auf die gleiche Entstehungsstufe stellt wie das Deuteronomium. Siehe dazu auch die Ausführungen S. 4. 624 Siehe dazu S. 243ff. 625 Vgl. dazu vor allem Dtn 29,13ff., wo dieser Aspekt noch weiter erörtert wird.
Der Sinai- bzw. Horebbund
259
Mose bezeichnet die Tafeln, die beschrieben, zerschmettert und wieder beschrieben werden, wiederholt als „Bundes-Tafeln“ (vgl. 4,13; 5,2.3; 9,9.10.11). Die Frage, die sich bei der Lektüre der Version des biblischen Erzählers stellt, was denn nun auf den Tafeln stand, ergibt sich hier nicht. Darüber, was auf den Tafeln steht, lässt Mose seine Hörer und Hörerinnen nicht im Unklaren: Dort stehen die Worte, die Jhwh zum Volk gesprochen hat (9,10). Sind damit die anderen Gesetzeskorpora, Bundesbuch und sog. „kultischer Dekalog“, hinfällig, die am Sinai gegeben worden sind? Eine kleine, aber bezeichnende Differenz zwischen der Version des biblischen Erzählers und der Moserede steht dem diametral entgegen: Während Jhwh in der Version des biblischen Erzählers Israels „Perversion des Urbekenntnisses“ in Ex 32,8b wiederholt und damit den Exodus thematisiert, findet sich in der Wiedergabe dieser Rede bei Mose der Zusatz h`DkE;sAm M™RhDl …wñcDo (Dtn 9,12). Das aber verweist nicht, wie anzunehmen wäre, auf die Fassung des Bilderverbotes in Dtn 5,8f., sondern auf die im sog. „kultischen Dekalog“ in Ex 34,17626. Das kann jedoch nur bedeuten, dass der Inhalt der „Bundestafeln“ nicht so ohne weiteres mit dem Dekalog in der dtn-Fassung enggeführt werden darf. Vielmehr ist hierin ein intertextueller Verweis gegeben, der dazu auffordert, die Version des biblischen Erzählers bei der Lektüre der Moserede immer mit einzubeziehen. Auf diese Weise löst nicht ein Gesetzeskorpus den anderen ab, der dann als „veraltet“ gelten müsste. Diese bezeichnende kleine „Ungenauigkeit“ in Dtn 9,12 deutet vielmehr darauf hin, dass die Tafeln in der Version des Mose uneingeschränkt für alle Gesetze stehen, die am Sinai bzw. Horeb gegeben worden sind. Sie sind alle direkt von Jhwh Mose mitgeteilt worden (Dtn 5,31) und beanspruchen von daher den gleichen Rang627. In dem Dekalog in Dtn 5 „schwingen“ die Gesetzeskorpora Ex 21,1–23,19 (das sogenannte „Bundesbuch“) und Ex 34,11–26 (der sogenannte kultische Dekalog) mit. Aus dieser nach sachlichen und nicht nach erzählerischen Gesichtspunkten gestalteten Wiedergabe der Dekalogverkündigung und der Stierbildepisode628 sind nun noch folgende Schlussfolgerungen zu ziehen: Es geht nicht darum, eine Folge von Ereignissen darzustellen, in der zuerst Jhwh in Dtn 5 einen Bund gestiftet hat, der das Volk in Dtn 9 dann gebrochen und die Jhwh in Dtn 10,1ff schließlich wiederhergestellt hat. Auch kann nicht
626
Darauf weist BRAULIK , Dtn I, 77, hin und schließt daraus: „Der ‚moderne‘ DtnDekalog wird damit als dem (historisch) älteren Privilegrecht Ex 34,11–26 gleichwertig erachtet.“ 627 Siehe dazu die Ausführungen bei CRÜSEMANN, Tora, 410–413. 628 Vgl. BLUM , Pentateuch, 183: „Indem die Tradenten also ihre Rekapitulation nicht nach einer Erzähllogik organisieren, sondern nach sachlich argumentativen / assoziativen Zusammenhängen, gelingt es ihnen, bestimmte Themenkreise in den Vordergrund zu schieben.“
260
2. Kapitel: Ein Geschehen – zwei Versionen
davon gesprochen werden, dass Mose das Bundesgeschehen noch einmal nacherzählt, so wie Dohmen den Sachverhalt auffasst: „Der Bund von Dtn 5 selbst findet seinen Abschluß auch erst in der Deponierung dieser Bundesurkunde, der ‚neuen Tafeln‘, in der dafür eigens angefertigten Lade.“629 Diese Sichtweise setzt eine Dramatik voraus, die der Version des Mose überhaupt nicht mehr innewohnt. An keiner Stelle wiederholt Mose die Zeremonie des „Schneidens“ des Bundes, so dass gar nicht genau gesagt werden kann, an welchem Punkt der Nacherzählung ein solcher „Abschluss“ stattgefunden hat. Mose erwähnt vielmehr von Anfang an in Dtn 5,2, dass der Bund bereits geschlossen ist. Er wiederholt Bestandteile des Bundesgeschehens unter den oben genannten Gesichtspunkten, die sich jetzt in den Vordergrund schieben. Der Abschluss des Bundes ist bereits vorausgesetzt und kommt im Rückblick als Geschehen insgesamt in den Blick. Der Aspekt, der sich am Ende der Version des biblischen Erzählers herausschälte, ist hier bei Mose längst Voraussetzung: Der Guss des Stierbildes ist mit dem Horebbund verknüpft. Die Gabe der Tafeln, Israels Abwege, das Zerbrechen der Tafeln und ihre Wiederherstellung ist ein Bundesgeschehen, das in der Moserede als Ganzes in den Blick kommt, von der aber im Nachhinein erzählt wird. Mose wiederholt die Gabe des Dekalogs unter dem Aspekt seiner Mittlerschaft und den Guss des Stierbildes unter dem der Sündhaftigkeit Israels630. Beides thematisiert Mose im Hinblick auf die bevorstehende Landnahme. Eine erzählerische Inszenierung der Dramatik des Geschehens wäre in dieser Situation völlig fehl am Platz. Diese thematisch-sachliche Rekapitulation des Bundesgeschehen am Horeb an der Schwelle zum dem den Erzeltern verheißenen Land hängt damit zusammen, dass Mose an diesem Ort seine besondere Sicht der Ereignisse zum Ausdruck bringt. In seiner Zusammenschau der Themen nimmt er ganz andere Zeitspannen in den Blick. Der Horebbund ist aus seiner Perspektive immer sogleich auch schon der den Erzeltern verheißene Bund. Mose rekapituliert in der Tat ein die Erzelternzeit mit umgreifendes Bundesgeschehen631. Indem Mose es jedoch derart auf den besonderen geschichtlichen Ort der Geschichte Israels bezieht und sachlich-thematisch neu ordnet, spannt er diesen Bogen nicht nur weit in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft hinein. Der den Erzeltern „zugeschworene“, mit den Hörern und Hörerinnen „geschnittene“ Horebbund wird im Rahmen des Moabbundes im Dienst der Gegenwart und Zukunft Israels rekapituliert. Wie dieses Bundesgeschehen in die Zukunft hinein fortgesetzt 629
D OHMEN, Sinaibund, 63. In eine ähnliche Richtung zielt die Formulierung LOHFINK, Endtextstruktur, 60, dass der Bund „schon durch die Krise der Sünde Israels hindurchgegangen, ehe er voll zustande kam.“ 630 Zu dem gleichen Schluss gelangt BLUM, Pentateuch, 183. 631 Dies ist im Gegensatz zu D OHMEN, Sinaibund, 72, zu unterstreichen, der dies bereits für den biblischen Erzähler postulierte (s.o.).
Der Sinai- bzw. Horebbund
261
werden soll, muss nun im Folgenden im Zusammenhang der Untersuchung des Verhältnisses von Horeb- und Moabbund behandelt werden.
Kapitel 3:
Der Moabbund 1. Das Verhältnis zwischen Moab- und Horebbund Bevor wir der Frage nach dem Verhältnis zwischen Moab- und Horebbund nachgehen, muss zunächst das vieldiskutierte Problem der Fabelfolge des Deuteronomiums geklärt werden. Im Zuge der Gliederung ist deutlich geworden, dass sich alle Reden, Dialoge und Handlungen an einem Tag ereignen1. Im Folgenden Abschnitt soll nach dem Ablauf der Vorgänge gefragt werden. Auf diese Weise können wir uns ein Bild von der Gewährung des Moabbundes machen und beschreiben, wie in ihrem Rahmen die Horebereignisse rekapituliert werden. Die Diskussion dieser Frage hat gezeigt, dass Kapitel Dtn 31 und natürlich 28,69 in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle spielen. Diese Texte müssen zunächst in ihrem literarischen Zusammenhang genau analysiert werden, bevor wir versuchen, die Handlung nachzuvollziehen. 1.1. Dtn 31 – „Geröll“, „Gericht und Gnade“, „Fabel“ oder „Konstellationen“? Der Aufbau dieses Kapitel ist auf den ersten Blick so undurchsichtig, dass er scheinbar nur durch die Textgenese einigermaßen sinnvoll zu erklären ist. Da jedoch der häufige Wechsel der Erzählebenen in diesem Text die meisten Schwierigkeiten bereitet, muss sich die oben durchgeführte Gliederung des gesamten Deuteronomiums2 an diesem Text besonders bewähren. Daran ist festzuhalten, zumal sich in diesem Kapitel ein lebhafter Eindruck gewinnen lässt, wie sich die Ebene des biblischen Erzählers zu den unterschiedlichen kurzen Reden in Dtn 31 – also im Vollzug des Moabbundes – verhält. Genau an dem Punkt im Deuteronomium, an dem die Handlung zum ersten Mal fortschreitet und die Fiktion der großen Moserede an ihr Ende kommt, scheint auf den ersten Blick die Gedankengang aus dem Tritt zu geraten. Während die Reden bis Kap 30 weit ausholten und große Bögen spannten, meldet sich hier in Dtn 31 der biblische Erzähler gleich achtmal zu Wort. Mose gibt demgegenüber nur noch relativ kurze, konkrete Anweisungen. Die längste Rede ist die Jhwhs. Es ist nach Moses Ausführun1 2
Siehe S. 79. Siehe S. 75.
Das Verhältnis zwischen Moab- und Horebbund
263
gen die erste Jhwh-Rede, die die Tora Lesenden aus der Perspektive des biblischen Erzählers erfahren. Es werden nun gleich mehrere Themen auf einmal angeschnitten: Tod des Mose, die Amtsübergabe an Josua, die Verschriftung der Tora und des Liedes. Diese Häufung von Motiven, Themen und Erzählfäden lässt zunächst keinen Gesichtspunkt erkennen, nach dem der Text strukturiert sein könnte. Nicht umsonst gilt Dtn 31 als „pièce de résistance“3 für Textzugänge, die nach den Schichtungen des Dtn fragen. So urteilte v.Rad über Dtn 31: „Das ganze Kapitel bietet ja mehr Traditionsgeröll als ein wirkliches Fortschreiten in der erzählenden Darstellung.“4 Auf der anderen Seite kann dieser Text wegen der Aufforderung zur regelmäßigen relecture der Tora (V.9–13) geradezu als Kronzeuge für kanonische Herangehensweisen gelten, die nach der Bedeutung des Textes für die Glaubensgemeinschaft und nach seinen Funktionsmöglichkeiten in seiner heutigen Gestalt fragen5. Die Erzählfäden und Themen, die in diesem Kapitel aufgegriffen werden, und die vor allem die Rahmenteile des Deuteronomiums6 durchziehen, werden auf eine ganz neue Ebene gehoben7. Was sich vorher nur ankündigte, angedeutet wurde und erahnen ließ, wird in diesem Text in die Tat umgesetzt. Diese Vorgänge zu beschreiben, um auf diese Weise der vorliegenden Gestalt von Dtn 31 einen Sinn zu geben, ist die Intention des folgenden Kapitels. Dazu zunächst ein kurzer Überblick über die Gliederungsmöglichkeiten, die in der Forschung bereits diskutiert wurden.
3
SONNET, Book, 118. V .RAD , Deuteronomium, 136. 5 Siehe dazu S ONNETs beeindruckende Analyse, in: D ERS ., Book, 140–147. 6 Es kann – wie noch zu zeigen sein wird – mitnichten davon die Rede sein, „daß die von ihnen [die von Dtn 31 umschlossenen Einheiten] behandelten Gegenstände mehr oder minder alle außerhalb dessen liegen, mit dem sich das Dt. bisher beschäftigt hat.“ ( V.RAD, Deuteronomium, 134). 7 Auf die sicherlich komplexe Entstehungsgeschichte dieses Kapitels ist hier nicht weiter einzugehen. Siehe dazu die detaillierte Untersuchung bei S CHÄFER-LICHTENBERGER, Josua und Salomo, 176–184 mit weiterer Literatur. In ihrer Analyse geht es in erster Linie darum, eine deuteronomistische Konzeption der Nachfolge Josuas herauszuarbeiten. Unter dieser Fragestellung lässt sich sicherlich mit guten Gründen die Theophanieszene 31,16–22 zunächst herauslösen und gesondert behandeln. Zur Regelung der Nachfolge des Mose siehe dazu in der vorliegenden Arbeit S. 58, 293 und 278. O TTO, Dtn im Pentateuch, 175, ist es generell um die „Entwirrung“ dieser Knoten zu tun. Seiner Ansicht nach verzahnen sich „in Dtn 31–34 Redaktionsstränge, die sowohl in den Tetrateuch zurück- wie in das Josuabuch vorausweisen.“ Literarkritische Operationen werden so generell zur Vorbedingung des Textverständnisses. In der vorliegenden Untersuchung soll es demgegenüber darum gehen, dem Text in seiner heutigen Gestalt nachzugehen und zu versuchen, dem Ineinander der so unterschiedlichen Motive und Themen in Dtn 31 doch einen Sinn zu geben. 4
264
Kapitel 3: Der Moabbund
1.1.1. Welches Gliederungsschema? Olson legt Dtn 31 im Rahmen von Dtn 29–32 aus8, in denen er unter der Überschrift Dtn 29,1 „three versions of the new covenant of Moab“ dargestellt sieht. Die erste reiche von Kap 29–30, in denen sich eine Beschreibung des Bundesrituals findet. In der zweiten Version Kap 31 gehe es um den Führungswechsel und den Vertragstext. In Kap 32 sieht Olson schließlich in dem Moselied eine „covenant poetry“9. In jeder dieser drei Versionen werde dabei die Grundbewegung des Deuteronomium, so wie sie sich ihm darstellt, in nuce noch einmal wiederholt: A) Gottes Treue in der Vergangenheit B) die gegenwärtige condition humaine C) Gottes zukünftiges Handeln. Für die Gliederung von Dtn 31 heißt das: In den V.1–6 werden die vergangenen Segnungen in Erinnerung gerufen, um die Hoffnung auf die Zukunft zu begründen. Die condition humaine sieht Olson durch das Thema „Tod des Mose“ und „Ungehorsams des Volkes“ in V.14ff. repräsentiert, in den V.9–13.19.24–29 die Mechanismen, die die Tradition und den Glauben für zukünftige Generationen weitertragen sollen. Sicherlich werden die Bereiche Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in diesen Texten thematisiert, was jedoch bei jeglicher Form von Geschichtsschreibung nicht weiter verwundert. Olsons eklektische Behandlung der Verse verweist jedoch darauf, dass Olson dem eigentlichen Aufbau des Textes durch sein Schema nicht gerecht wird. Unter der Überschrift „The third Adress of Moses“ behandelt Polzin den Textabschnitt Dtn 29,1–31,610. Polzin, der als erster die Unterscheidung der Erzählebenen im Deuteronomium zum Ausgangspunkt der Analyse gemacht hat, unternimmt diese Eingrenzung trotz der Wortmeldung des biblischen Erzählers in 31,1. Begründung: Weil in diesem Textkorpus Dtn 29,1–31,6 der “focal awareness ... is kept exclusively on an exilic disaster and a post-exilic hope that must have been central elements in the present reality of the deuteronomic audience”11. Es überrascht, dass ausgerechnet Polzin an dieser Stelle ein klassisches Argument der historisierenden Auslegung heranzieht, indem er auf eine mögliche ursprüngliche Hörerschaft rekurriert und dabei seine eigenen Denkvoraussetzungen verlässt. Dadurch aber, dass er die exilische Situation in das Zentrum seiner Überlegungen rückt, greift er gleichzeitig auf die klassische Zeiteinteilung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zurück und macht diese zur Grundlage seiner Textbetrachtung. Doch wie wenig er damit den Aufbau des uns heute vorliegenden Textes in den Griff bekommt, mag an folgenden Rückfra8
Siehe dazu O LSON, Death, 129–131. O LSON, Death, 129. 10 POLZIN, Moses, 69. 11 POLZIN, Moses, 69. 9
Das Verhältnis zwischen Moab- und Horebbund
265
gen deutlich werden: Inwiefern ist Dtn 31,1–6 noch Teil des nachexilischen Ausblickes und die Bestärkung Josuas vor dem Volk, dann aber nicht mehr? 31,1–6 handelt doch wieder von der ersten Landnahme, genauso wie Dtn 31,7ff auch. Auf diese Weise passen seine Gliederung und seine Denkvoraussetzungen nicht zusammen. Ganz offensichtlich eignet sich die moderne lineare Einteilung der Zeit in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht dazu, den Aufbau von Dtn 31 sinnvoll zu deuten. Will man nicht vorschnell auf diachrone Erklärungsmuster für den undurchsichtigen Aufbau dieses Kapitels zurückgreifen, müssen andere Möglichkeiten durchgespielt werden. 1.1.2. Thematische Gliederung Neben der Gliederung nach zeitlichen Gesichtspunkten versucht Olson12, die in Dtn 31 behandelten Themen herauszuarbeiten. Er unterscheidet drei Leitgedanken, die er sorgfältig ineinander gewoben sieht: 1. “The transfer of leadership from Moses to Joshua”13: Die Einsetzung Josuas wird dreimal berichtet: In V.7.8 / 14.15 / 23. Dabei hält Olson fest, dass jede dieser Einsetzungen in einer jeweils anderen Kommunikationssituation erfolgt: Erst setzt Moses Josua ein, dann beauftragt Jhwh Mose, Josua einzusetzen, schließlich setzt Jhwh den Josua alleine ein. Dieser Befund wird unten noch zu diskutieren sein. Darüber hinaus hält Olson fest, dass Mose nicht nur einfach durch einen ebenbürtigen Nachfolger ersetzt wird. An die Stelle des Mose tritt eine Kombination von einem „human leader“14, einem Text und einem Lied15. 2. “The transfer of Moses’ oral word to a written text”16: Bei diesem Thema kommt für Olson wieder die Zeit ins Spiel. Die Verschriftung hat auch mit der Frage nach dem zu tun, was auf Mose folgen soll. “Thus this first passage [V.9–13] about the transfer from oral to written tora focuses on the element of time and generations.”17 Nicht umsonst wird genau berichtet, was mit dem Schriftstück geschieht, nachdem es abgefasst ist. Es wird im Gegensatz zu den Tafeln, die in die Lade gelegt werden (Dtn 10,1–5), neben der Lade platziert (Dtn 31,26)18. Auch Olson betont, dass sich Israel damit im Gegensatz zu vielen anderen Völkern des Alten Ori-
12
O LSON, Death, 133–138. O LSON, Death, 134. 14 O LSON, Death, 134. 15 Hier wären noch die Ältesten und die Priester zu ergänzen, siehe dazu S CHÄFERLICHTENBERGER, Josua und Salomo, 175ff. 16 O LSON, Death, 135. 17 O LSON, Death, 135. 18 Ob man daraus jedoch den “derivative and secondary character in relation to the Decalogue itself” ableiten kann, wie O LSON, Death, 135, behauptet, wird im Zusammenhang mit der Gegenüberstellung von Ex 32–34 und Dtn 9–10 noch zu diskutieren sein. 13
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Kapitel 3: Der Moabbund
ents mit der Lade kein festes Heiligtum am Ort der Verschriftung geschaffen hat, sondern ein bewegliches: “the tora could move with the people”19. Hinzukommen die Vergegenwärtigungsstrategien, mit denen gesichert wird, dass auch künftige Generationen die Worte des Mose übermittelt bekommen. Insgesamt ist mit der Tora in der Lade nach Ansicht Olsons so etwas wie ein „objective center“20 geschaffen, das für die Wahrheit steht, auch wenn die Israeliten und Israelitinnen einen anderen Weg gehen. 3. “The introduction of the song”21: Hier stellt Olson vor allem die Funktion des Liedes als „witness for me against the Israelites“22 in den kommenden Notzeiten heraus. Darin ist es mit der Tora vergleichbar, nur dass das Lied mit seiner Poesie keines festgelegten Lernrituals bedarf. Es pflanzt sich von alleine von Generation zu Generation fort (Dtn 31,21). Dennoch ist das Lied auch in diesem Generationen übergreifenden Aspekt mit der Tora vergleichbar. Es kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass diese drei Themen in Dtn 31 behandelt werden. Doch auch hier ist bezeichnend, dass Olson mit seiner Analyse dem eigentlichen Aufbau des Textes überhaupt nicht auf die Spur kommt. Darum wird auch nicht deutlich, wie diese Themen ineinander gewoben sind und miteinander interagieren. Christensen gliedert ebenfalls nach thematischen Gesichtspunkten und verbindet dies sehr dezidiert mit einer Strukturanalyse23. Dabei ist auffällig, dass auch er die Theophanie als Zentrum ansieht. Er untergliedert Dtn 31 in neun unterschiedliche Segmente, deren Inhalt er mit Überschriften wiederzugeben versucht. Doch stellt sich die Frage, ob er damit den einzelnen Abschnitten wirklich gerecht wird und ob und mit welchen Gründen sie sich als gegenüberliegende Abschnitte in einem Chiasmus verstehen lassen. Während z.B. in dem von ihm als Abschnitt A aufgefassten Segment V.1–6 die Nachfolge Moses durch Josua im Zentrum steht, fällt darüber in dem von Christensen als A’ bezeichneten Abschnitt (31,24–30) kein Wort. Er überschreibt ihn mit “The Tora and song are given as witnesses to future generations” (753). Sollte dies als Komplementarität verstanden werden, so verwundert, dass in der Paarung B-B’ tatsächlich das gleiche Thema begegnet: B (31,7–8): “Moses appoints Joshua and his successor” – B’ (31,23): “YHWH appoints Joshua to succeed Moses”. Die Rede, mit der Mose die Tora den Leviten und Priestern übergibt (V.10– 13), unterteilt Christensen in zwei Teile – womöglich um einen Gegenab19
O LSON, Death, 136; siehe dazu vor allem CRÜSEMANN, Vaterland. O LSON, Death, 136. 21 O LSON, Death, 136. 22 O LSON, Death, 136. Ob die hebräische Wendung b do in Dtn 31,19.21 angemessen mit „witness against“ wiedergegeben werden kann, wird – wie bereits angekündigt – unten noch zu diskutieren sein. 23 CHRISTENSEN, Deuteronomy II, 753. 20
Das Verhältnis zwischen Moab- und Horebbund
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schnitt zur Unheilsankündigung in V.16–18 zu haben. Auf diese Weise ergibt sich die Paarung D-D’ durch ein Segment V.13 (D: “Future generations will learn to fear YHWH”) und einen Abschnitt V.16–18 (D’: “Israel’s future apostasy and its consequences”). Dabei würde jedoch V.12b ein viel besseres Gegengewicht zu V.16–18 abgeben, da hier die Bewahrung der Tora auf der einen und der Abfall auf der anderen Seite ausdrücklich thematisiert werden. Zudem reißt die Unterteilung die thematisch außergewöhnlich geschlossene Rede V.10b–13 auseinander. Die Verklammerung von V.12 und V.13 wird gerade durch die wörtliche Wiederholung der Leitbegriffe omv / dml / Myhla ary deutlich gemacht. Einleuchtend ist die Gegenüberstellung von Tora und Lied, die Christensen in der zweiten Hälfte des Kapitels (V.16–30) ausmacht. Diese findet sich jedoch auch auf der begrifflichen Ebene des Textes wieder. Sowohl die Tora als auch das Lied werden als dEo bezeichnet (VV. 19.20.26). Auf diese Parallelität wird noch einzugehen sein. An die Herangehensweise von Christensen ist die Frage zu stellen, ob er nicht mit seiner chiastischen Untergliederung einem Systemzwang unterliegt und darum auf das markanteste Gliederungssignal des ganzen Deuteronomium: „Mose berief Josua vor den Augen ganz Israels“ (Dtn 31,7) nicht weiter eingeht. Mit anderen Worten: Eine ausschließlich an einer vorgegebenen Struktur orientierte Gliederung läuft Gefahr, an den Signalen vorbeizusehen, die der Text selbst deutlich vorgibt. Bei einer Gliederung dieses komplexen Textes müssen die Konstellationen mitberücksichtigt werden, in denen die unterschiedlichen Themen behandelt werden. Mose knüpft mit der Einsetzung Josuas in Dtn 31,7 genau an den letzten Punkt in der Chronologie des Dtn seines Rückblickes Dtn 3,21–29 an und führt präzise das aus, was ihm dort von Jhwh aufgetragen worden war. Die Stichwortverbindungen sind an dieser Stelle kaum zu übersehen24:
24
Siehe dazu S CHÄFER-LICHTENBERGER, Josua und Salomo, 370; LOHFINK, Darstellung, 95f.; O TTO, Deuteronomium im Pentateuch, 178: Im Gegensatz dazu sieht SONNET, Book, 131, eine Anknüpfung an Num 27,12–23.
268
Kapitel 3: Der Moabbund Befehl Jhwhs (Dtn 3,28)
Ausführung durch Mose (Dtn 31,7)
…wh¡ExV;mAaw …whâéqzAjw Ao™Uvwøhy_tRa w¶Axw
Ao#Uvwøhy`Il h%Rv Om a°rVqˆ¥yÅw lEarVcˆy_lDk yEnyEoVl wy%DlEa rRmaø¥yÅw XDmTa‰w qAzSj
hY‰zAh MDoDh ‹y´nVpIl r#ObSoÅy a…wâh_yI;k
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Dieses ausdrückliche Aufgreifen des Handlungsfadens ist auch innerhalb von Dtn 31 ein so markantes Merkmal der Gliederung, weil sich die Fortführung der Handlung von Vers 7 an in regelmäßigen Abständen immer wieder finden lässt: V. 1.2a / 14–16 / 22.23 / 30. Daran ist bemerkenswert, das dies jeweils auf der Ebene des biblischen Erzählers geschieht. Gleichzeitig kreuzen sich die verschiedenen Ebenen genau an dieser Stelle: In 31,7 wird vom biblischen Erzähler mitgeteilt, dass Mose den in einer Gottesrede in Dtn 3,28 erhaltenen Auftrag umsetzt. Dieser Befehl wird dem Leser jedoch noch im Rahmen des Moserückblickes mitgeteilt. Der erste wirkliche Handlungsfortschritt im Deuteronomium bezieht sich explizit auf eine Aussage aus dem Rückblick des Mose. Damit ist nun jedoch die Frage nach der Fabel von Dtn 31 insgesamt aufgeworfen. Da sie ein ernsthafter Anhaltspunkt für eine dem Text angemessene Gliederung zu sein scheint, ist diese Frage zunächst zu klären, bevor abschließend der Aufbau von Dtn 31 noch einmal diskutiert wird. 1.1.3. Die Fabel Lohfink schließt von dem Auseinanderfallen von Fabel und Erzählfolge im Deuteronomium insgesamt auf die Erzählstruktur in Dtn 3125. Auch dieses Kapitel ist wie das gesamte Deuteronomium seiner Auffassung zufolge eher nach systematischen Gesichtspunkten gegliedert und nicht nach dem Ablauf der Ereignisse, von denen es berichtet26.
25
Siehe dazu LOHFINK, Fabel 31. Die Zahlen in Klammern im Folgenden beziehen sich auf diese Untersuchung. Siehe dazu auch die Ausführungen bei D ERS., Bund als Vertrag und S ONNET, Book, 112–116. 26 So schon der ältere Standpunkt von LOHFINK, Bundesschluß, 73/74. Daran hat er grundsätzlich auch in seiner späteren Studie, D ERS., Fabel 31, 263, festgehalten: „Durch seine Struktur wird das Kapitel vor allem aussagen wollen, daß Nachfolgeregelung und im Bund gegebene Tora engstens zusammengehören.“
Das Verhältnis zwischen Moab- und Horebbund
269
Grundlage von Lohfinks Argumentation ist die Erzählerstimme, die sich insgesamt achtmal (Dtn 31,1.7.9.14.14bff.22.24.30) zu Wort meldet. „Ein Erzähler erzählt“ (257). Wo ein Erzähler ist, muss auch eine Handlungsfolge auszumachen sein. Dieser Grundsatz zwingt nach Lohfinks Ansicht jedoch nicht dazu, dass sich dieser Erzähler unbedingt an die Reihenfolge der Ereignisse hält. Andere Gesichtspunkte können bei der Nacherzählung in den Vordergrund treten. Dennoch unternimmt Lohfink den Versuch, die Ereignisfolge, sprich die Fabel, zu rekonstruieren, die hinter dem Kapitel 31 steht, weil sie von den zeitgenössischen Hörern und Hörerinnen wie selbstverständlich zu den Rezeptionserwartungen und -voraussetzungen gehört haben muss. Bei der Rekonstruktion der Fabel geht Lohfink zunächst davon aus, dass die beiden Berichte der Übergabe der Tora in Dtn 31,9f und 24f. das gleiche Geschehen bezeichnen. Es wird jeweils „unter verschiedener Rücksicht und in unterschiedlicher Konkretisierung erzählt“ (264). In V.9ff übergibt Mose die Tora den Priestern und Ältesten, in V.24.25 wird dies noch ein wenig konkreter geschildert: Das Buch, in das die Tora geschrieben wird, findet dort Erwähnung. Hier werden nur die Leviten, die Träger der Lade, beauftragt, es zu übernehmen. Sie sollen dann die Ältesten zusammenrufen (V.28). Mose wird daraufhin „diese Worte“ vor ihren Ohren sprechen. Mit „diesen Worten“ ist nach Lohfinks Ansicht das Lied gemeint. Er folgert: „Mose muß – so wird die Fabel laufen – zunächst den Leviten die Tora übergeben, dann die Ältesten das Lied gelehrt (31,28 und 30) und schließlich den Leviten und Ältesten zusammen die Vorschrift zur Gesetzesverlesung gegeben haben (31,10–13).“ Das Lied ist dann aber Mose bereits vor der Niederschrift der Tora mitgeteilt worden. Dies findet wiederum im Rahmen der Theophanieszene in V.14–23 statt, weshalb sie vor der Verschriftung und Übergabe anzusetzen ist. Schließlich macht Lohfink darauf aufmerksam, dass das Publikum, dem das Lied vorgetragen wird, unterschiedlich bezeichnet wird. In 31,30 ist von l$EarVcˆy lAhVq_lD;k die Rede, in 32,45 von l`EarVcˆy_lD;k. Zudem trägt Mose in 31,30 das Lied alleine vor, in 32,45 wird zusätzlich noch Josua als Vortragender genannt. Vortragende und Empfänger sind jeweils verschieden bezeichnet. l$EarVcˆy lAhVq_lD;k ist nach Lohfinks Auffassung nicht die „Vollversammlung“ Israels, sondern die Zusammenkunft seiner Notablen27. Demzufolge hat Mose zunächst das Lied alleine den Notablen 27
LOHFINKs Argumente dazu siehe aaO, 275–278. Sein stärkstes Argument fußt auf Jos 8,35, wo hinter der Wendung larcy lhq lk durch eine Kopula angeschlossen die Frauen, Kinder und mitziehenden Fremdlinge erwähnt werden. LOHFINK interpretiert: „Sie waren also zusätzlich zu larcy lhq lk anwesend.“ (aaO, 276). Den gleichen grammatischen Befund interpretiert er jedoch unmittelbar danach als Heraushebung der nach der Kopula stehenden Gruppen. In Jos 8,33 ist von ...w larcy lk die Rede und anschließend werden alle gesellschaftlichen Gruppen herausgehoben, die LOHFINK eigent-
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Kapitel 3: Der Moabbund
vorgetragen. V.28 würde dann der Auftrag sein, der den Vortrag in V.30f. vorbereitet. Anschließend haben es dann Mose und Josua gemeinsam der „Vollversammlung“ Israels vorgetragen. In Bezug auf die Handlungsfolge im größeren Umfeld von Dtn 31 ergibt sich noch folgende Frage: Wie kann in den Kapiteln zuvor schon von einem „Buch“ die Rede sein, das ganz offensichtlich mit jenem identisch ist, das in Dtn 31,9.24 zuerst geschrieben wird? Wie verhält sich folglich die in Dtn 29–30 geschilderte Bundesversammlung zu der in Dtn 31,1ff eingeführten Versammlung? Die Versammlung von Dtn 28,69ff muss in jedem Fall nach der Verschriftung beginnen, die Übergabe an die Leviten kann jedoch erst sinnvoll nach der Bundesversammlung angesetzt werden. Lohfink zieht das von Balzer an hethitischen Verträgen herausgearbeitete „Bundesformular“ als Argumentationsgrundlage heran und rechnet mit „Ablauferwartungen“ der Hörer und Hörerinnen der Texte. Demnach würde die Übergabe von Dokumenten erst nach der Niederschrift und der Verlesung erfolgen28. Aus alledem ergebe sich, dass die Verschriftung und die Übergabe, die in Dtn 31,9.10 unmittelbar hintereinander berichtet werden, keine unmittelbar aufeinander folgenden Ereignisse gewesen sein könnten. Das lasse sich jedoch in der Tat nicht von vorne herein ausschließen, zumal die PKcons Form bâO;tVkˆ¥yÅw in V.9 durchaus im Sinne eines Plusquamperfektes verstanden werden könnte. Zuweilen kann eine PK-cons Form über das unmittelbar zuvor erwähnte Ereignis hinweg auf weit davor liegende Begebenheiten zurückgreifen29. Ein solches Heraustreten aus der Handlungsfolge muss jedoch aus dem Kontext heraus zu begründen sein. Das Aufeinandertreffen von Niederschrift und Übergabe könne in Dtn 31,9+10 folgendermaßen motiviert sein: Das Aufschreiben in V.9 rufe noch einmal all die Erwähnungen des Buches von Dtn 29 und 30 in Erinnerung. Die jetzige Folge der Darstellung betone erneut, dass Mose sowohl Schreiber als auch
lich
larcy lhq lk vorbehalten sieht. Damit soll nicht bestritten werden, dass der Begriff larcy lhq lk ganz offensichtlich institutionell verfestigt ist. Dafür spricht schon allein seine häufige Verwendung in kultischen Kontexten (siehe vor allem Jos 8 und 1.Kön 8). Diese Versammlungen wird man jedoch von Dtn 5,22; 9,10; 10,4 und 18,1 her im Zusammenhang mit der Horebversammlung und deren Nachfolge verstehen müssen. Siehe FABRY, lhq, 1213. 28 LOHFINK, Fabel 31, 268, der dort auf BALTZER, Bundesformular, 43–45 verweist. 29 Siehe dazu die bei S ONNET, Book, 136 Anm 63 aufgeführte Literatur und der Vorschlag bei D OHMEN / O EMING, Kanon, 64 den Verschriftungsprozess bereits in Dtn 1,5 beginnen zu lassen.
Das Verhältnis zwischen Moab- und Horebbund
271
Übergeber der Tora sei (268)30. Damit ergibt sich für Lohfink als Handlungsfolge (270): – (Zu unbestimmter Zeit:) Niederschrift der Tora durch Mose (31,9.24) – Allgemeine Volksversammlung, in der Mose den Moabbund schließt (29–30), ganz Israel auf die kommende Eroberung des Westjordanlandes ausrichtet (31,1–6) und Josua zum Feldherren und Landverteiler einsetzt (31,1–6) – Theophanie vor Mose und Josua, in ihr Offenbarung des Moseliedes und Einsetzung Josuas durch Gott zum Feldherren bei der Landeseroberung (31,14–23) – Einberufung der Leviten durch Mose und Übergabe der schriftlichen Tora an sie (31,24–27, vgl. 31,9) – Einberufung der Ältesten durch die Leviten, mündliche Übergabe des Liedes an sie (vgl. 31,28–30) – Anweisung an beide Gruppen zusammen zur Durchführung der Gesetzesverkündung jedes siebte Jahr (31,10–13) – Allgemeine Volksversammlung, in der Mose ganz Israel auf die kommende Eroberung des Westjordanlandes ausrichtet (31,1–6), Josua zum Feldherren und zum Landverteiler einsetzt (31,7f) und dann zusammen mit Josua das ganze Volk das Lied lehrt (32,44) – Letzte Worte Moses vor ganz Israel (32,45–47)
Es stellt sich bei diesem Versuch der Rekonstruktion einer Handlungsfolge, die der Text vermitteln könnte, die Frage, inwieweit sie für zeitgenössische Leser bzw. Hörerinnen einfach zu komplex ist31. Um sich eine derartiges Kommunikationsgefüge vorstellen zu können, muss schon ein gehöriges Maß an Wissen um derartige Bundeszeremonien und Verschriftungsvorgänge bei den zeitgenössischen Lesern vorausgesetzt werden. Selbst wenn eine solche Fabel zugrunde liegen sollte, bleibt immer noch die vielleicht viel fruchtbarere Frage, warum die Ereignisfolge derart umgestellt wurde und nach welchem Schema die einzelnen Handlungen und Reden jetzt angeordnet sind. Hierzu hat Lohfink in seiner Analyse des Verhältnis30
Diesen Punkt der Argumentation LOHFINKs greift SONNET, Book, 137 auf und verweist auf die durch diese Folge von Verschriftung und Übergabe entstehende Parallele zu Dtn 5,22f. und 10,4. 31 SONNET, Book, 124: “In my view, LOHFINK’s reconstruction of the ‘fabula’ is oversophisticated, and exceeds any […] reader’s competence. Such a fundamental reshuffling of the narrative data overlooks textual hints that keep the order of events fairly close to the order of presentation (without excluding temporal deformation), and confer on the text a dramatic quality that escaped LOHFINK.” LOHFINK, Bund als Vertrag, 233, gibt für die komplexe Beziehung zwischen Textablauf und Handlungsfolge diachrone Gründe an: „Man kann natürlich fragen, warum sich der Textablauf im Kernbereich des Deuternomiums so weit von der Fabelfolge entfernte. Vielleicht ist die Antwort nur in der zweifellos höchst komplizierten Wachstumsgeschichte des Textes zu suchen.“ Doch beantwortet dies nicht die Frage, wie sich dann ein Text über Generationen durchgesetzt hat, bei dem die Handlungsfolge kaum noch durchschaubar war.
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Kapitel 3: Der Moabbund
ses von Erzähl- und Handlungsfolge einige hilfreiche Beobachtungen gemacht, auf die unten einzugehen sein wird. Eines der Hauptargumente Lohfinks, eine Analogie in dem Auseinanderbrechen von Darstellungsfolge und Fabel zwischen Dtn 31 auf der einen und Dtn 1–3; 5; 9–10 auf der anderen Seite zu vermuten, besteht darin, dass beide im gesamten Deuteronomium auseinander treten32. Dies ist jedoch im Blick auf Dtn 31 in Frage zu stellen: Bis zum Ende von Dtn 30 handelt es sich ausschließlich um Rückblicke aus der Perspektive des Mose. In Dtn 31 wird dies zum ersten Mal durchbrochen. Der biblische Erzähler hat bis Kap 30 lediglich die Funktion, den geografischen und geschichtlichen Ort der Moserede bekannt zu geben (Dtn 1,1–5), in Erinnerung zu rufen (Dtn 4,44–49) und die abschließende Bundeszeremonie einzuleiten (Dtn 28,69)33. Die Handlung, von der nur das Dtn berichtet, macht bis Dtn 30 einschließlich keinerlei Fortschritte, sie ist noch an genau dem Punkt von Dtn 1,1–5. Exakt diese Situation ändert sich in Dtn 3134 durch die mehrfachen, kurz aufeinander folgenden „Wortmeldungen“ des biblischen Erzählers, die jeweils Handlungsfortschritte beschreiben35: Die Berufung des Josua durch Mose, das Aufschreiben und Übergeben der Tora in V.9.10, der Ruf Jhwhs an Mose, er und Josua mögen in das Zelt der Begegnung eintreten und dessen Befolgung (V.14–16a), die Einsetzung Josuas (V.23) und schließlich der Vortrag des Liedes (V.30)36. Dass sich diese Linie von dem Auftrag Jhwhs an Mose, nun auf den Berg zu steigen, in Dtn 32,48–52 bis zum Bericht von Mose Tod in Dtn 34 durchziehen lässt, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Das Hauptproblem Lohfinks, das ihn zu seiner komplexen Fabelrekonstruktion veranlasst, sind die hrwø;tAh rRpEs - Belege in Dtn 29 und 3037 vor 32
LOHFINK, Fabel, 261. Zitat s.o. Eine Ausnahme besteht in Dtn 3,41–43, der Aussonderung der Zufluchtsstätten. Doch auch diese Maßnahme ist durch Dtn 19,2–13 gewissermaßen „gedeckt“. Mose führt hier nur aus, was er in 19,1–13 als Gesetz erlässt. Die genaue Funktion von Dtn 28,69 wird unten zu verhandeln sein. 34 Darauf ist immer schon hingewiesen worden. Siehe etwa V.RAD, Deuteronomium, 134; POLZIN, Moses, 25; SONNET, Book, 125. 35 POLZIN, Moses, 71, spricht an dieser Stelle zu Recht von einem “general breakdown of the construction by which the author had generally maintained the internal point of view of the narrative.” 36 Vielleicht ist bereits das Klyw von 31,1 vor diesem Hintergrund als erste Ankündigung des Handlungsfortschrittes zu verstehen. Es hat den Auslegern schon immer Kopfzerbrechen bereitet, warum und wohin Mose nach der Rede von Dtn 29+30 gegangen sein könnte. So schlägt N IELSEN, Deuteronomium, 277 vor, Klyw durch lkyw zu ersetzen. wie es die LXX und ein Qumranfragment bezeugen. Doch der MT ließe sich dahin gehend verstehen, dass hier am Anfang von Dtn 31 ein Textsignal gegeben wird, das andeutet, dass die Erzählung des Dtn zum ersten Mal voranschreitet. So POLZIN , Moses, 69; ihm folgt TALSTRA, Deuteronomy 31, 97. 37 Dtn [17,18]; 28,58.61; 29,20; 30,10 (neben 31,24.26). 33
Das Verhältnis zwischen Moab- und Horebbund
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der Niederschrift der Tora in Dtn 31,9–13. Mittlerweile sind andere Lösungsansätze vorgeschlagen worden: Nach Ansicht Ottos38 verweisen diese Belege auf das in Ex 24,4.7 schriftlich niedergelegte Bundesbuch. Es liegt in der „Welt des Mose“ zum Zeitpunkt seiner Rede bei dem Moabbund bereits eine Gesetzessammlung in schriftlicher Form vor. Otto verweist darauf, dass auch dort Mose das von Jhwh Empfangene aufschreibt und dem Volk vorliest. Otto sieht bei der Verschriftungsnotiz in Dtn 31,9ff die Pentateuchredaktion am Werk: „In der Welt des Pentateuch hat es [das Bundesbuch] für die Adressaten des Mose die Funktion, die die in der Welt der Pentateuchredaktion von Mose in Dtn 31,9 verschriftete Tora für die Adressaten des Pentateuch hat.“39 Nun sind jedoch gerade die Verweise innerhalb Dtn 31 auf die anderen Belege innerhalb des Deuteronomiums von aller wünschenswerten Deutlichkeit, vor allem auf die Überschrift in Dtn 4,44. Allerdings reichen diese Bezüge nicht in Ex 24 hinein. Auch verweisen die Belege in Dtn 29 und 30 eher auf inhaltliche Zusammenhänge innerhalb des Dtn als auf das Bundesbuch: In Dtn 28,58 folgt aus der Lektüre des hârwø;tAh rRp™Es eine „Furcht vor dem Namen“, eine Wendung, die im Dtn zwar singulär ist, aber Anklänge an Dtn 6,13; 10,20; 14,23; 31,13 aufweist. In Dtn 28,61 ist von „Krankheiten und Plagen“ die Rede, die in dem hârwø;tAh rRp™Es nicht aufgeschrieben sind. Es muss sich demzufolge um ein Buch handeln, in dem von „Krankheiten und Plagen“ in der Form die Rede ist, wie dies in Dtn 28 der Fall ist. Dies trifft jedoch für das Bundesbuch nicht zu. Dtn 29,20 handelt von den „Flüchen des Bundes, die in diesem Tora-Buch geschrieben stehen“. Solche twølDa tauchen im Bundesbuch ebenfalls nicht auf. Ebenso verhält es sich mit dem letzten Beleg in Dtn 30,10: Hier werden die tOwVxIm und My;IqUj erwähnt, die in diesem Tora-Buch aufgeschrieben sind. Auch diese Rechtstermini begegnen im Bundesbuch nicht. So verlockend Ottos Beobachtung auf den ersten Blick – gerade in synchroner Perspektive – zu sein scheint, hält sie doch näherer Überprüfung nicht stand. Sonnet zieht zur Lösung des Problems der hârwø;tAh rRp™Es - Belege vor der Verschriftung des Tora-Buches literarische Erwägungen von Meir Sternberg heran und interpretiert die Erwähnung des Torabuches in Kap 29 und 30 als Lücke, die „curiosity and suspense“ beim Leser erzeugt: “Faced with repeated reference to a written record, the reader cannot fail to wonder: what is the genesis of the document in question?”40 Sonnet schreibt dem Beleg in Dtn 17,18 die selbe Funktion zu. Wenn der Leser zu Kap 31
38
O TTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 183, siehe besonders Anm.
133. 39 40
Ebd. (Hinzufügung in Klammern von mir J.T. ) SONNET, Book, 110ff. mit Verweis auf S TERNBERG, Poetics, 283.
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Kapitel 3: Der Moabbund
kommt, so Sonnet, ist die Spannung so gestiegen, dass er oder sie die Bedeutung der Verschriftungsnotiz in Dtn 31,9ff erfassen kann: “No less than curiosity (what is the genesis of the sepher displayed by Moses in Moab?), suspense (are both written transscriptions of the Torah meant to coalisce, and how, beyond Moses’ death?) defines the reader’s state of mind at the turn of Deuteronomy 31.”41 Für eine Erstlektüre mag der Leseprozess in der Tat so verlaufen, wie Sonnet ihn beschreibt. Die literarischen Hinweise Sternbergs sind auf Literatur bezogen, die auf einen linearen, einmaligen Leseprozess hin angelegt ist. Doch das Deuteronomium gibt sich selbst gerade bei der Verschriftungsnotiz in Dtn 31,9–13 als Buch zu erkennen, das wiederholt gelesen wird. Wie noch zu zeigen sein wird, ist das „Heute“ des Deuteronomiums, der Redetag des Mose, ein „Heute“, das schon einmal war, aber in regelmäßigen Abständen, alle sieben Jahre, wiederkehrt und reinszeniert werden soll. Das Deuteronomium ist „Erinnerungsliteratur“, die wieder und wieder gelesen werden soll. Insofern kennen die Tora Lesenden von Anfang der Lektüre an bereits den Inhalt und wissen somit die hârwø;tAh rRp™Es Belege bereits vor der Verschriftung des Tora-Buches einzuordnen. Insofern bieten dessen Erwähnungen vor seiner schriftlichen Abfassung in Dtn 29 und 30 keine ernsthafte Infragestellung der Fabelfolge, so wie sie vom biblischen Erzähler präsentiert werden. Sonnet hat sich eingehend mit Lohfinks Rekonstruktion der „Fabula“ auseinandergesetzt42. Ohne grundsätzlich in Zweifel zu ziehen, dass die Gattung der hethitischen und neo-assyrischen Vasallenverträge den Aufbau des Deuteronomium durchaus mit beeinflusst hätten, könnten sie z.B. die Grundstruktur des Deuteronomiums nicht erklären, die in den Überschriften sichtbar werde. Insbesondere das Ineinandergreifen der unterschiedlichen Erzählebenen43 am Ende des Deuteronomiums könne von altorientalischen Rechtskorpora her nicht ohne weiteres gedeutet werden. Insofern löst sich Sonnet etwas von den Textgattungen der hethitischen und neoassyrischen Vasallenverträge und versucht, nur vom Befund im Deuteronomium selbst so etwas wie eine Fabel zu rekonstruieren. Sonnet geht zunächst mit Lohfink davon aus, dass Dtn 5,1 und 29,1 auf ein- und dieselbe Versammlung abzielen, die Moabversammlung. Auf ihr 41
SONNET, Book, 112. Siehe dazu den Exkurs bei SONNET, Book, 112–116. 43 SONNET, Book, 14, ordnet den beiden Erzählebenen unterschiedliche Erzählweisen zu und bedient sich dabei der Unterscheidung Booth’s zwischen „showing“ und „telling“: Dabei versteht er unter "to tell" schlicht "what happend", wohingegen eine Erzählweise des „to show“, im Sinne von „setting before“, eher szenisch verfährt. Das Deuteronomium ist demnach mit seinem „bringing the speech–act into the foreground“ in erster Linie dem „showing“ zuzuordnen. Auf diese Weise trägt SONNET dem Umstand Rechnung, dass der im Alten Testament dargestellte Geschichtsablauf im Deuteronomium selbst kaum vorankommt. 42
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verliest Mose die gesamte Tora. Für Lohfink ist die Gattung der Vasallenverträge für das Deuteronomium so prägend, dass seiner Meinung nach vor Dtn 29,11 („Du trittst heute in den Bund ein“) die Tora nicht übermittelt worden sein könne. In Dtn 29,19 ist jedoch zum ersten Mal von „diesem Buch“ die Rede. Die dazu gehörige rhetorische Einheit beginnt in Dtn 29,15, woraus Lohfink folgert, dass zwischen Dtn 24,14 und 15 die Tora verlesen worden sein müsse. Das Verlesen der Tora wäre demzufolge integraler Bestandteil der Bundeseremonie in Moab44. Sonnet meint, dass Lohfinks Vorschlag die Angelegenheit unnötig kompliziert und vertritt demgegenüber die Auffassung: “The succession of Deuteronomy 5–28 and 29–30 can be understood as the representation of two distinct and successive covenantal procedures: an oral transaction in Deuteronomy 5–28, and a ritual ‘crossing into the covenant’ in Deuteronomy 29–30.”45 Dann wäre die Passage Dtn 29 und 30 die rituelle Vervollständigung der Bundes-Zeremonie nach Verlesen der Tora. Dieser rituelle Aspekt kommt gerade in Dtn 29,11 durch das tyîrVbI;b rbo46 besonders zum Ausdruck. Sowohl Lohfink als auch Sonnet ziehen zur Rekonstruktion den Bundesschluss in Ex 24,3–8 heran47, dessen Abfolge sich folgendermaßen umreißen lässt: Mose trägt die Worte vor, die er von Jhwh empfangen hat – Zusage des Volkes – Aufschreiben – Altarbau – Opferung – Verlesen des Buches – erneute Bekräftigung des Volkes – Besprengung des Volkes mit Blut – Aufstieg Mose mit Aaron, Nadab und Abihu und 70 Ältesten. Sonnet und Lohfink verorten den Vortrag der Tora Dtn 5–26(28) an unterschiedlichen Stellen dieses Ablaufes. Lohfink setzt den Toravortrag des Mose im Dtn mit dem Vortrag nach der Verschriftung in Ex 24,7 parallel48. Als Begründung dienen die von ihm als „performative Sprechakte“ angesehenen Texte Dtn 26,17–19; 27,9; 29,9–14, durch die Mose den Moab-
44
Siehe dazu LOHFINK, Fabel, 65–78; ders, Bund, 228–33. Zur Frage, was mit ‘Tora’ an dieser Stelle gemeint sein könnte, siehe unten. 45 SONNET, Book, 114. 46 Diese Wendung ist in der Hebräischen Bibel einzigartig. b rbo ist normalerweise immer „durchziehen, durchkommen“ (Jos 3,11; 4,7; Ri 9,26; Hi 33,28). Allerdings kommt rbo in Gen 15 und Jer 34 im Zusammenhang mit tyrbb awb vor. LOHFINK vermutet, dass in Dtn 29,11 eine Kontamination der beiden Wendungen mit awb und rbo vorliegen könne. Womöglich lasse sich eine intertextuelle Beziehung zu Gen 15 und Jer 34 herstellen. Für Dtn 29,11 hieße das: „Es ist also von einem Ritus die Rede.“ (Lohfink, Bund als Vertrag, 227). Siehe zu diesem Problem auch S ONNET, Book, 114–116; MAIER, Jeremia, 274ff. 47 LOHFINK, Bund als Vertrag, 231ff.; S ONNET, Book, 116 Anm 72. 48 LOHFINK, Bund als Vertrag, 232.
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Kapitel 3: Der Moabbund
bund vollzieht49. „Innerhalb der vom Bucherzähler dargestellten Szenerie wird vor den Augen des Lesers der erste Rechtsakt eines Bundesschlusses, nämlich die Konstitution der dazu befähigten Versammlung, durch Worte performativ vollzogen. Fasst man alle aufgesammelten performativen Äußerungen Moses zusammen ins Auge, dann dürften alle konstitutiven Akte eines Bundesschlusses vorhanden sein.“50 Der „performative Sprechakt“ des Mose muss sich Lohfink zufolge innerhalb der „formellen Bundesschlussversammlung“ vollziehen, die er mit der in Ex 24,7ff gleichsetzt51. Sonnet setzt demgegenüber den Tora-Vortrag des Mose im Dtn mit dem ersten, nicht abgelesenen Vortrag in Ex 24,3 parallel. Den Ritus des Abschlusses findet er in Dtn 29 und 30, der sich mit dem in Ex 24,4–8 beschriebenen vergleichen lasse52. Dem kann ich deswegen zustimmen, weil es an keiner Stelle im Deuteronomium heißt, Mose würde seine Tora „verlesen“. Der Akt der Verschriftung ist sowohl in Ex 24,4 als auch in Dtn 31,9–13 so deutlich markiert, dass er als Bestandteil des Ritus nicht zu vernachlässigen ist. Wenn es richtig ist, dass sich der Leser die Handlungsfolge auch im Deuteronomium vom biblischen Erzähler vorgeben lassen kann, dann kann der Tora-Vortrag des Mose noch nicht abgelesen worden sein. Wenn aber der rituelle Vollzug des Moabbundes ein Sprechakt ist, wie Lohfink m.E. zu Recht herausgearbeitet hat, was bedeutet das dann für das Gesamtversständnis des Moabbundes, wenn Mose seinen Tora-Vortrag verschriftet und anordnet, dass er – samt den „performativen Sprechakten“, wie noch zu zeigen sein wird – regelmäßig verlesen werden soll? Dieser Frage muss im nächsten Abschnitt noch nachgegangen werden. Zurück zur Handlungsfolge des Deuteronomiums: Sie erschließt sich somit von Dtn 28,69 her. Hier erfährt der Leser, dass die folgenden Worte den Vollzug des Moabbundes darstellen, nachdem Mose die Geschichtsrückblicke und die Gesetze vorgetragen hatte53. Bei der Einführung des Josua in sein Amt (31,1–8) wird erst deutlich, dass alles Gesprochene die letzten Worte des Mose vor seinem Tod sind54. Dann realisiert der Leser, dass die Fabel parallel zum „sujet“ gelaufen ist. Demzufolge liegt es von diesem Befund her nahe – das kann als bisheriges Ergebnis festgehalten werden –, sich die Struktur des Deuteronomi49
LOHFINK, Bund als Vertrag, 221–228. Siehe dazu auch S. 296. Zu Dtn 26,16–19 siehe auch CRÜSEMANN, Tora, 319, der ebenfalls den Gegenwartsbezug dieser Passage anhand der gleichen sprachlichen Merkmale herausstellt. 50 LOHFINK, Bund als Vertrag, 228. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die „Konstitution der dazu befähigten Versammlung“ das Entscheidende dieses performativen Sprechaktes ist. In der Zusammenfassung spricht er auch davon, dass die Sprechakte den „Bundesschluss“ konstituieren (AaO, 238). Näheres dazu siehe im folgenden Abschnitt. 51 LOHFINK, Bund als Vertrag, 232. 52 SONNET, Book, 116 Anm 72. 53 Siehe oben. 54 SONNET, Book, 19.
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ums vom biblischen Erzähler vorgeben zu lassen. Jede seiner Äußerungen zielt auf den einen Tag ab, an dem Mose seine Reden hält, den Ritus des Bundesschlusses in Gestalt eines „performativen Sprechaktes“ vollzieht, die Führung an Josua, die Leviten und Ältesten übergibt und schließlich stirbt. Hier ist eine klare Handlungsfolge erkennbar. Im Unterschied zu der Erzählebene des Mose treten Darstellungsfolge und Fabel nicht auseinander. 1.1.4. Konstellationen Geht man von diesen Äußerungen des biblischen Erzählers als Gliederungsmerkmale aus, so lässt sich darüber hinaus eine weitere Textstruktur heranziehen. Die Textpassagen, die die Handlung vorantreiben, leiten insgesamt sieben Reden ein. Kurze und lange Reden wechseln einander ab55. Jede dieser Reden wird in einer anderen Kommunikationssituation gehalten. Cum grano salis ist es möglich, in dem Schlusskomplex des Dtn eine chiastische Struktur der Adressaten und Adressatinnen der Reden auszumachen56: Ganzes Volk (Dtn 28,69–31,8) Repräsentantenversammlung (Älteste und Priester) (31,9–13) Mose und Josua (Theophanie in 31,14–23) Repräsentantenversammlung (Leviten) (31,24–29) Ganzes Volk (31,30f.)
Das bedeutet jedoch, dass wir nicht nur von einer einzigen großen „Moabversammlung“ ausgehen können. Die Struktur des Textes stellt vielmehr die hierarchische Gliederung des Volkes in den Vordergrund. Mose und Josua, die beide als einzige mit einer direkten Gottesrede gewürdigt werden, stehen an der Spitze des Volkes und im Zentrum dieses Chiasmus. Die nächste, niedere Stufe stellen die Repräsentanten des Volkes, die Leviten und Ältesten dar. Ihnen wird die aufgeschriebene Tora anvertraut. Die an sie gehaltenen Reden des Mose rahmen die Theophanieszene. Die Reden an das breite Volk stellen als dritte Stufe schließlich den äußersten Rahmen dieses Gesamtkomplexes. Verfolgt man jedoch die Stellen im Einzelnen, an denen sich der biblische Erzähler zu Wort meldet, so fällt auf, dass sich die Gesprächskonstellation in Dtn 31,7 grundlegend dadurch ändert, dass Mose Josua herbeiruft und ihn vor dem Volk in sein Amt einsetzt. Zudem ist die Theophanie noch einmal in sich gegliedert: Zu Beginn der Rede erinnert Jhwh Mose daran, dass er nun bald sterben wird. Er fordert Mose auf, mit Josua gemeinsam in das Zelt der Begegnung einzutreten (V.14). Im zweiten Teil der Gottesrede sagt Jhwh Mose und Josua den Ungehorsam Israels und das daraus
55 56
LOHFINK, Fabel 31, 262. Siehe dazu LOHFINK, Fabel 31, 267.
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resultierende Unheil voraus (V.16–21). Dies sind thematische Differenzierungen, die durch die „Wortmeldungen“ des biblischen Erzählers durchaus markiert werden, die dann aber keiner chiastischen Struktur mehr folgen. Insofern ist dieses Textsegment noch einmal gesondert zu betrachten. Aus dem Blick auf die so kunstvoll aufgebaute Anordnung der am Diskurs jenes „Tages“ Beteiligten kann geschlossen werden: Die Kommunikationsstruktur beginnt, sich zu differenzieren. Nach der großen Moserede kommen andere zu Wort und werden mit neuen Aufgaben und Ämtern betraut. 1.1.5. Die Reden Die Passagen des biblischen Erzählers haben sich in ihrer Funktion als „Handlungsgerüst“ als die entscheidenden Gliederungsmerkmale in Dtn 31 bewährt. Die plötzliche Häufung der Äußerungen des biblischen Erzählers zeigt an, dass der Text an einem ganz wesentlichen Punkt seiner Darstellung angelangt ist. Darüber hinaus ist nun im Folgenden ein Blick auf die durch die Äußerungen des biblischen Erzählers abgegrenzten Reden zu werfen. Bei einer ersten Durchsicht fällt vor allem die starke thematische Geschlossenheit auf57: In der ersten Rede (V.2–6) teilt Mose dem Volk mit, dass er bald sterben wird. Er zitiert in V.2 die Gottesrede in Dtn 1,37, die noch einmal in 3,27 bestätigt wird. Josua wird sein Nachfolger. Er wird Israel ins verheißene Land führen. Besonders auffällig an dieser Rede ist die direkte Parallelisierung der Taten Jhwhs und Josuas. Mit der Wendung ÔKyG‰nDpVl rEbOo a…wh wird zunächst in V.3a Jhwhs Tun beschrieben, in V.3b dann das Josuas. Beide vernichten die Völker (V.3+4). Die zweite Rede (V.7+8) findet in einer anderen Konstellation statt: Mose wendet sich jetzt an Josua, das Volk hört zu. Die Zusage Moses aus der ersten Rede an das Volk, „fest“ und „mutig“ (qzj / Xma) zu sein (V.6), eröffnet die zweite Rede (V.7). Der Satz, in dem Moses in der ersten Rede dem Volk verspricht, dass Jhwh sie nicht verlassen wird ( D;K`RbzAoÅy añølw äÔKVÚprÅy añøl in V.6), beschließt die zweite Rede (V.8). Jetzt wird der Beistand Josua zugesagt. Auch die Beistandsformel JK$D;mIo JKElOhAh a…wh£ ÔKy#RhølTa hDwhy taucht in beiden Reden auf (V.6 und in V.8). In V.8 begegnet sie in ihrer ausführlichen Form. Ebenso ist es mit der Ermahnung, sich nicht zu fürchten: …wäxrAoA;t_lAaw …wñary`I;t_lAa („Fürchtet euch nicht und schreckt nicht zurück“ in V.6). Sie taucht in V.8 am Ende der zweiten Rede in abgewandelter Form noch einmal auf:
57
Siehe dazu den Anhang mit dem hypografisch entsprechend dargelegten hebräischen Text und die Ausführungen bei TALSTRA, Deuteronomy 31, 96–102, dessen Untergliederung in „narrative sections“ in eine sehr ähnliche Richtung geht.
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:t`DjEt añølw aäryIt añøl Es fällt also zunächst auf, dass Mose sich als unmittelbare Reaktion auf die Ankündigung seines Todes zunächst nicht an seinen Nachfolger wendet, sondern an das Volk. Erst in nachgeordneter Stelle spricht Mose Josua all die Dinge zu, der er vorher bereits dem Volk zugesagt hatte. Die dritte Rede (V.10–13) kreist um ein neues Thema, die Verschriftung der Tora und ihre Übergabe an die Ältesten und die Priester. Auffällig ist die doppelte Formulierung des Zieles dieser Aktion in V.12:
…w#dVmVlˆy NAoAmVl…w …w%oVmVvˆy NAo°AmVl M$RkyEháølTa hDwhy_tRa ‹…war`Dyw Sie wird dann mit fast den gleichen Worten in V.13 noch einmal wiederholt. Das Hören, das Lernen und die daraus resultierende Gottesfurcht sollen durch diese Maßnahmen beim Volk bewirkt werden. Genau dies wird jedoch in aller Breite noch einmal für die nachfolgende Generation in V.13 wiederholt. In der vierten Rede (V.14ab.b) erinnert Jhwh selbst nun an den nahenden Tod des Mose und fordert diesen auf, Josua herbeizurufen und in das Zelt der Begegnung einzutreten. Die Anspielungen auf Ex 33,7–11 sind nicht zu übersehen58. Vom Volk ist hier überhaupt nicht die Rede. Während in der zweiten Rede nach dem arq die Worte an Josua mit einem einfachen rRmaø¥yÅw eingeleitet werden, folgt in der Gottesrede auf das arq das sehr viel stärkere hwx. In der fünften Rede (16ab–21), ebenfalls einer Gottesrede, wird wiederum zunächst an den bevorstehenden Tod des Mose erinnert. Anschließend folgt die Vorhersage des Abfalls von Jhwh und der Bruch der Verpflichtung Jhwhs durch Israel. Daraus folgt das Übel, das Israel treffen wird. Diese Wendung taucht in leichter Abwandlung in der Rede gleich dreimal auf (V.17(2x)+21):
twúørDxw twäø;bår twñøor …wh¢UaDxVm…w Jhwh fordert Mose und Josua auf (der Imp. Plural …wbVtI;k macht dies unmissverständlich), das Lied aufzuschreiben. Es soll in Israel als Zeuge (dol) dienen (V.19). Diese Rede hat wenig mit vorangehenden Texten des Dtn zu tun, was ihren Charakter als Intervention noch unterstreicht59. Auch die sechste Rede (V.23ab–24) ist Gottesrede, selbst wenn das Subjekt in V.23 nicht ausdrücklich bezeichnet ist und sich von daher auch die Möglichkeit ergäbe, dass Mose diese Worte an Josua richtet. Die Bei58 59
Darauf weist TALSTRA , Deuteronomy 31, 97 hin. Siehe TALSTRA, Deuteronomy 31, 98.
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standsformel in V.23 ist in der ersten Person singular gehalten und muss sich von daher auf Gott beziehen. Auffällig ist die Parallelität der Formulierung: „Und du wirst die Kinder Israel in das Land bringen ...“ (V.23) mit der Zusage an Mose in V.7. Einziger Unterschied: In der Gottesrede in V.23 steht das Verb awb im Hifil, womit eindeutig eine aktivere Nuance der Rolle Josuas zum Ausdruck kommt60. Zwei Elemente, die schon in der ersten und zweiten Rede begegneten, tauchen hier in dieser kurzen Gottesrede wieder auf: Zum einen die Ermutigung XDmTa‰w qAzSj (V.6+7), zum anderen die Beistandsformel JK$D;mIo hRyVhˆy a…wh (V.8). Daraus folgt, dass diese drei Zusagen: das Kommen ins Land, die Ermutigung und die Beistandszusage ausdrücklich geradezu schematisch in den drei verschiedenen Kommunikationskonstellationen begegnen: Mose – Volk; Mose – Josua (vor dem Volk); Jhwh – Josua. Nur in der Gottesrede V.16–21 findet sich von diesen Motiven nichts. Der Tod des Mose prägt auch die siebte Rede (V.26–29), in der Mose die Leviten mit der Aufbewahrung des Torabuches betraut. Hier wird der Ungehorsam Israels unmittelbar mit dem Ableben des Mose in Verbindung gebracht. Auch dieses Motiv kommt zweimal vor: In V.27 und V.29. Dieser Ungehorsam wird jeweils wieder mit einer „Zeugenschaft“ in Verbindung gebracht: In V.26 soll das Torabuch in der Zeit des Ungehorsams und des Widerstrebens als Zeuge in/unter (b dwo) Israel fungieren. In V.28 sollen Himmel und Erde bezeugen, dass Israel nach dem Tod des Mose von dem Weg abweichen wird, den Mose ihm gewiesen hat. Bei dieser Durchsicht fallen zwei Merkmale des Textes auf: Erstens: Trotz der thematischen Diversität der sieben Reden gibt es doch ein Motiv, das sie alle wie ein roter Faden durchzieht: Mose Tod. Selbst bei der dritten Rede wird durch die direkte Anrede derer, „die in dem Land leben werden, in das hinein sie überqueren werden“ (V.13b) wird deutlich auf das Ableben des Mose angespielt. Zweitens: Alle diese Reden lassen sich trotz der großen thematischen Unterschiede erstaunlich gut unter der Überschrift „Übergang“ einordnen. Jede dieser Reden beleuchtet einen Aspekt des Übergangs von Mose auf die Zeit danach. Insgesamt geht der Text dabei erstaunlich systematisch vor. Zunächst wird die personale Nachfolge geregelt, dann dafür gesorgt, dass das, was Moses dem Volk mitgeteilt hat, auch künftigen Generationen wieder zur Verfügung steht. Die verschiedenen Aspekte der hochkomplexen Mosefigur werden jetzt auf verschiedene Schultern verteilt61. Die Auf60
Vgl. SONNET, Book, 155. Ob dies daran liegt, dass Josua nach der zweiten Gottesrede um die zukünftige Katastrophe weiß und deswegen eine besondere Ermutigung braucht, kann hier zunächst offen bleiben. 61 SCHÄFER-LICHTENBERGER, Josua und Salomo, 189: „Das Endmodell der Autorität ist eine Differenzierung des Ausgangsmodells.“ Und daraus folgt: „Mose fungiert als der Ausgangspunkt, von dem her alle Beteiligten ihre gegenwärtige Beziehung bestimmen.“
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gabe der Leviten, die Lade zu tragen, hatte Mose bereits im Zusammenhang mit der Erinnerung an die Horebereignisse festgelegt (Dtn 10,8–9)62. Diese Verteilung der Aufgaben, wie sie in den Reden zum Ausdruck kommt, ist jedoch nicht mehr Geschichtsrückblick, Gesetzesverkündigung oder Ermahnung, so wie sie fast über das gesamte Deuteronomium aus dem Mund des Mose zu vernehmen sind. Gerade die Einsetzung Josuas, die Übergabe der Tora und des Liedes erscheinen zwar in der Gestalt einer Rede, sind aber im Grunde schon selbst Teil der fortschreitenden Handlung des Moabbundes. Die Ebene des biblischen Erzählers und die „Redeebene“ nähern sich im Vollzug der Zeremonie, insbesondere in Dtn 31, Schritt für Schritt einander an. Die Dominanz dieser Merkmale fügt sich nun aber nahtlos in die Gesamtkomposition des gesamten Buches Deuteronomium: Dtn 31 ist genau der Punkt, an dem sich der Geschichtsrückblick Dtn 1–3 und die Ebene des biblischen Erzählers berühren63. Mose kommt in der Rede V.7+8 genau der Forderung Jhwhs von Dtn 3,28 nach, deren Ursache wiederum in den in Dtn 1,19–46 geschilderten Begebenheiten zu suchen ist. Damit bekommt der Tod des Mose eine ganz besondere Bedeutung: “As the book began with a historical example enshrining its theological message, so it closes. The death of Moses outside the land at the place of decision sounds a solemn warning to the nation of the consequences of disobedience.”64 In der Tat spiegelt sich hierin eine gewisse Ironie: “The final compositional irony of the book is that the Deuteronomist uses the basic device of reported word of God as account of its promise of its precise fulfillment.”65 Insofern bewährt sich die Gliederung nach thematischen Gesichtspunkten noch einmal auf ganz andere Weise als in den oben diskutierten Ansätzen. Der Aufbau von Dtn 31 lässt sich weniger durch eine Abfolge unterschiedlicher Themen erklären. Vielmehr hilft es weiter, in einem ersten Schritt die Ebene des biblischen Erzählers, auf der die Handlung im Deuteronomium zum ersten Mal wirklich voranschreitet, von den Reden zu unterscheiden. In einem zweiten Schritt ist dann der Entfaltung des Themas „Übergang“ in den auf diese Weise abgegrenzten sieben Reden nachzugehen. Dadurch gelingt es, den Aufbau dieses auf den ersten Blick so disparat wirkenden Kapitels zu erklären.
(aaO, 214). Vgl. dazu O TTO, Dtn im Pentateuch, 190ff., der dort seine These von der schrittweisen Differenzierung der Ämter bis hin zu Neh 8 entfaltet. 62 Siehe dazu S ONNET, Book, 138. 63 Vgl. dazu LOHFINK, Übergang, 84f.; P OLZIN, Moses, 25,f.71f.; S ONNET, Book, 125. Näheres dazu oben S. 79. 64 MILLAR , Place, 87. 65 POLZIN, Moses, 71.
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1.1.6. Schreiben Mose schreibt seine Tora auf, übergibt sie den Ältesten und Leviten mit dem Auftrag, sie jeweils am Laubhüttenfest des Erlassjahres zu verlesen (Dtn 31,9–12). Mit dem Schreiben geht der mündliche Vortrag des Mose in die neue Kommunikationsform der Lesung über66. Dieser Vorgang ist, wie ich zu zeigen versucht habe, in Analogie zu der Bundeszeremonie in Ex 24,4–7 zu sehen. Doch auch innerhalb der Moserede ist die Verschriftungsthematik nicht neu: So lassen sich genaue Bezüge zwischen Dtn 5,22, Dtn 10,4 und Dtn 31,9 aufzeigen67. An allen drei Stellen begegnen die Verben Ntn und btk in der PK.cons. in Folge. Diese Form von btk ist im Deuteronomium sonst immer für Gott reserviert (Dtn 4,13; Dtn 5,19, Dtn 10,4). In Dtn 5,22 und 10,4 ist es Jhwh, der auf die Tafeln schreibt und diese Mose übergibt. Mose ist der erste im Deuternomium, der Gott beim Schreiben ablöst. Es wird jetzt auf Mose (31,9) und Josua (V.19) ausgeweitet68, allerdings nur auf sie: In Dtn 31,24 wird ausdrücklich die Vollendung ihrer Niederschrift erwähnt. Diese Aussage lässt sich als ein Hinweis auf die Kanonisierung verstehen69. Mit dieser Verschriftung ist gleichzeitig ein Epochenwechsel markiert. Sonnet betont, dass im Pentateuch an keiner Stelle aus der Tora vorgelesen wird. “This first passage about the transfer from oral to written tora focusses on the element of time and generations. The periodic reading of the tora transcendens and overcomes the limits of human time and mortality so that the tora may be made new for each generation.”70 Insgesamt lässt sich somit anhand des Verschriftungsmotives so etwas wie eine Epochengliederung vornehmen: „Die Epoche der Erzväter ist eine schriftlose Zeit.[...] Gottes Schreiben ist an den Sinai/Horeb als Höhpunkt der Gründungsgeschichte Israels gebunden. Hier setzt auch die mosaische Verschriftung der Tora ein, um in Moab im Horizont der ‚zweiten Generation‘, die in das Land kommen wird, zu Ende geführt zu werden.“71 Doch wird im Deuteronomium der Beginn einer Schreibtradition geschildert. Es lohnt, sich noch einmal vor Augen zu führen, wer wann für wen schreibt und wo die jeweiligen Schriftstücke dann deponiert werden: 66
Vgl. dazu S ONNET , Book, 140. Für O TTO, Dtn im Pentateuch, 190, ist die Pentateuchredaktion für Dtn 31,9–12 verantwortlich: „Mit Dtn 31,9–12 wird die kommmunikative Situation der Torapromulgation des Mose auf Dauer gestellt.“ O TTO verhandelt diese Perpetuierung jedoch nicht im Rahmen des Moabbundes. 67 O TTO, Dtn im Pentateuch, 182. 68 SONNET, Book, 136. 69 O TTO, Dtn im Pentateuch, 192 rechnet an dieser Stelle mit einem postredaktionellen Autor. 70 O LSON, Deuteronomy, 135. Zitat auch bei SONNET, Book, 146. 71 O TTO, Dtn im Pentateuch,182/183.
Das Verhältnis zwischen Moab- und Horebbund
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Nachdem Jhwh die Zehn Gebote vor ganz Israel verkündet hat, schreibt er sie mit seinem eigenen Finger auf zwei Tafeln und übergibt sie Mose (Dtn 5,22; 9,10). Diese zerbricht Mose, als er sieht, wie Israel um das gegossene Stierbild tanzt (Dtn 9,17). Nach Moses Fürbitte fordert Jhwh Mose dazu auf, neue Tafeln zurechtzuhauen und wieder auf den Berg zu kommen. Auf diese Tafeln schreibt Jhwh erneut die Zehn Gebote und übergibt sie Mose mit der Aufforderung, sie in die Lade zu legen (Dtn 10,1–5). Als Mose die gesamte Tora fertig aufgeschrieben hat, übergibt er sie an die Leviten und weist sie an, dieses Schriftstück neben die Lade zu legen (Dtn 31,26). Ganz offensichtlich wird mit dieser Differenzierung die Erzählung von der (Nicht-) Befolgung der Verlesungsbestimmungen von Dtn 31,9–13 vorbereitet72. Es lassen sich anhand des Motives der Verschriftung somit Linien quer durch die drei Epochen ziehen: Der Schritt der schriftlichen Abfassung hat zum Ziel, dass das, was Mose zu sagen hatte, im Land verlesen wird. “But the mediation of the written Torah enables Moses to provide for a reenactment, in the land, and before the assembled people, of the foundational Horeb event. The telos of Moses’ writing is thereby revealed.”73 Direkt nach dem Verschriftungsauftrag 31,9–11 folgt in V.12–13 eine ausführliche Aufzählung aller, die diese Lesung zu hören bekommen sollen. Sie ist mit der in Dtn 29,9–10 durchaus vergleichbar. Beide Male werden listenartig alle Mitglieder bis hin zu den Kindern und Fremdlingen aufgezählt, die in den Moabbund eintreten bzw. die Tora des Mose hören sollen. Der Adressatenkreis der Toralesung am Laubhüttenfest des Erlassjahres und die Versammlung derer, die den Ritus der Bundesschlusses in Moab vollziehen, ist demzufolge durchaus vergleichbar. An beiden Stellen wird besonders betont, dass es sich jeweils um das ganze Volk handelt. Diese Linie lässt sich jedoch auch bis an den Horeb zurückverfolgen: Was es mit dieser Versammlung, vor der die Tora des Mose gelesen werden soll, auf sich hat, wird schon am Horeb (Dtn 4 und 5) festgelegt. So lassen sich genaue Bezüge anhand der Leitworte lhq / dml / omv /ary zwischen Dtn 4,10 und Dtn 31,12 aufweisen74. Dabei kommen bereits in 4,10 die nächsten Generationen in den Blick. Die Angesprochenen sollen ihre Kinder lehren:
y#ItOa hDarˆyVl N…w%dVmVlˆy r°RvSa yórDb;d_tRa M™EoImVvAaw M™Rhy´nV;b_tRaw h$DmdSaDh_lAo ‹Myˆ¥yAj M§Eh r°RvSa ‹MyImÎ¥yAh_lD;k :N…wídE;mAly
72
Näheres dazu unten S. 323. SONNET, Book, 140. 74 Siehe dazu die detaillierte Tabelle bei S ONNET, Book, 143. 73
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Kapitel 3: Der Moabbund
Das Verb dml begegnet in diesem Vers zweimal. Einmal sollen diejenigen, die das Horebgeschehen direkt miterlebt haben, die Gottesfurcht „erlernen“ (dml Qal), damit sie daraufhin wieder ihre Kinder „lehren“ ( dml Piel) können. Eine Generationen übergreifende Gottesfurcht kommt demzufolge bereits am Horeb in den Blick, die dann im Rahmen des Moabbundes und beim Auftrag zur Verlesung der Tora am Laubhüttenfest des Erlassjahres wieder thematisiert wird. Je weiter man die Analyse von Dtn 31 vorantreibt, desto mehr schiebt sich die Frage der Perpetuierung des Moabbundes in den Vordergrund. Es muss nun noch geklärt werden, welchen Umfang dieses Schriftstück hat, das alle sieben Jahre verlesen werden soll. Was ist mit „dieser Tora“ (taøzAh hârwø;tAh in 31,9) gemeint, die Mose den Leviten und Ältesten übergibt? Beschreibt 31,9 den Verschriftungsvorgang insgesamt oder setzt er schon viel früher in Dtn 1,5 ein, so dass in 31,24 nur noch der Abschluss dieses Vorgangs berichtet wird? Wenn letzteres der Fall sein sollte, müsste Mose schon in Dtn 1,5 mit dem Schreiben beginnen. Das Verb (rab) würde dann am Anfang des Deuteronomiums einen Verschriftungsvorgang bezeichnen75. Dies halte ich aus den oben dargelegten Gründen für ausgeschlossen: Einmal bezeichnet rab in Dtn 1,5 keinen schriftlichen Vorgang76 und außerdem entspräche dies nicht der im Deuteronomium dargestellten Handlungsfolge eines Bundesgeschehens, innerhalb dessen die Verschriftung des Vorgetragenen ihren festen Ort hat77. Die Wendung taøzAh hârwø;tAh (31,9) verweist somit auf zwei mögliche Anfänge des Schriftstückes: Dtn 1,5 und 4,44. An beiden Stellen taucht sie wieder auf. Da das Demonstrativpronomen in 31,9 deutlich auf eine vormalige Erwähnung der Begriffes hrwø;t verweist, kommen grundsätzlich beide Stellen in Frage78. Der Umfang dessen, was Mose vorträgt und aufschreiben lässt, beinhaltet in jedem Fall die Nacherzählung des Horebbundes. Nun wird jedoch auch die gesamte Nacherzählung der Neugliederung des Rechtssystems, der Kundschaftergeschichte und der Einnahme des Ostjordanlandes ausdrücklich als „diese Tora“ bezeichnet, so dass nicht einzusehen ist, weshalb 31,9 nicht auch darauf abzielen sollte. Doch dies 75
Diese Auffassung vertreten D OHMEN / O EMING, Kanon, 64–66. Sie müssen jedoch eingestehen, dass der Beginn des Schreibens hier nur sehr „vage“ angezeigt wird. Davon geht auch FREVEL, Abschied, 218, aus, allerdings ohne nähere Begründung. 76 Siehe dazu S. 76. 77 Siehe dazu die Ausführungen S. 282ff. 78 Dass 31,9 auf jeden Fall auf die Textbereiche zuvor (und nicht danach) verweist, steht wohl außer Frage. Siehe dazu S ONNET, Book, 248. Für ihn kommt jedoch nur 4,44 mit der Begründung in Frage, dass dies der nächstliegende vorausschauende Beleg tazh hrwth sei, der mit 31,9 korrespondiere. Siehe dazu auch die ausführliche, bereits oben referierte Auseinandersetzung mit SONNETs These bei O TTO, Dtn im Pentateuch, 182/3 Anm 133.
Das Verhältnis zwischen Moab- und Horebbund
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ist zunächst ein sehr formales Argument. Wie ich oben zu zeigen versucht habe, greift Mose nicht umsonst ausgerechnet auf die Kundschafterepisode und die Ereignisse am Sinai bzw. Horeb zurück. Beide erzählt Mose unter dem Gesichtspunkt der „zweiten Chance“ nach, der so etwas wie die innere Gestalt des Moabbundes ausmacht. Wie unten noch zu zeigen sein wird, hat das Laubhüttenfest des Erlassjahres, an dem die Tora des Mose alle sieben Jahre wieder verlesen werden soll, sehr viel mit einer Wiederholung der Wüstensituation zu tun. Schon alleine von daher würde sich die Verlesung der Kundschaftergeschichte außerordentlich gut in das Konzept der Perpetuierung des Moabbundes fügen, auf die Dtn 31 ganz offensichtlich angelegt ist. An diesem imaginären „Wüstenort“ am Laubhüttenfest des Erlassjahres bekommt Israel eine Rede zu hören, die mit der Neuordnung des Rechtssystems und der Kundschaftergeschichte beginnt. Es wird auf diese Weise daran erinnert, dass geordnete Verhältnisse, Landbesitz und Vertrauen auf Jhwh untrennbar zusammengehören. Nun gehören zum Umfang dessen, was am Laubhüttenfest des Erlassjahres verlesen werden soll, auch der Textbereich nach 28,69. Die Weite des Begriffes hrwø;t lässt es durchaus zu, dass die sprachlichen Wendungen in Dtn 1,5 und 4,44 Geschichtsrückblicke, Gesetzeskorpora und den Vollzug von Bundesschlüssen wie in 28,69 überschreiben79. Auch der Rückbezug in 31,9 müsste sich auf einen Text zwei Kapitel zuvor beziehen, wenn man die Kapitel 29 und 30 nicht als Bestandteil des ansehen würde. Das bedeutet jedoch, dass die „performativen Sprechakte“ in Dtn 26,17–19; 27,9; 29,9–14, die Lohfink herausgearbeitet hat 80, am Laubhüttenfest des Erlassjahres mit verlesen werden. Wenn es richtig ist, dass der Moabbund durch diese Worte des Mose rituell vollzogen wird, sind sie auch von entscheidender Bedeutung für die Perpetuierung des Moabbundes. Der anhand der „performativen Sprachakte“ sich vollziehende rituelle Teil, der Ex 24,5–8 entspricht, wäre dann nicht nur mit der Moserede in Verbindung zu bringen, wie Lohfink dies vorgeschlagen hat, sondern auch mit der regelmäßigen Verlesung am Laubhüttenfest des Erlassjahres. Immerhin gehört auch in Ex 24 der rituelle Teil zu dem Verlesen der Rechte und Bestimmungen. Genau dieser Zusammenhang begegnet auch wieder bei dem Bund, den Josia vor Jhwh abschließt (2 Kön 23,1–3). Dort heißt es auch nach der Verlesung des Torabuches durch Josia, dass alles Volk in den Bund „eintrat“ (dmo)81. Das bedeutet für den Moabbund, dass seine rituel79
CRÜSEMANN, Pentateuch, 252–254. LOHFINK, Bund als Vertrag, 221–228 (s.o.). 81 Vgl. SONNET, Book, 106 Anm 50. Er weist darauf hin, dass in Jos 24,25–26 die Reihenfolge vertauscht ist. Doch ganz offensichtlich zielt der Aufbau in Jos 24 darauf ab, die Figur des Josua analog zu Mose erscheinen zu lassen. Nach dem Geschichtsrückblick vollzieht Josua den Ritus des Bundesschlusses und schreibt anschließend alles auf. Die Minimierung der Rolle des Mose innerhalb des Geschichtsabrisses in Jos 24, auf die 80
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Kapitel 3: Der Moabbund
len Bestandteile bei jedem Laubhüttenfest im Erlassjahr wieder zur Sprache kommen und reinszeniert werden. 1.1.7. Die „Tora des Mose“ Wie verhält sich das Tora-Buch, die schriftliche Fassung von Moses Reden (Dtn 31,9) zu der Tora, die uns heute in Gestalt der fünf Bücher Mose vorliegt? Diese Arbeit hier geht in ihrer Analyse von einem Leseprozess aus, der mit der Genesis beginnt, und in Dtn 34 an ein vorläufiges Ende gelangt, um dann mit Gen 1 wieder von vorne zu beginnen. Insofern laufen ein kanonischer Ansatz und die synagogale Leseordnung der jüdischen Tradition parallel zueinander82. Wie lässt sich eine solche Lektüre der gesamten fünf Bücher mit Moses Auftrag vereinbaren, seine aufgeschriebenen Reden regelmäßig zu verlesen (Dtn 31,10–11)? Der Umfang der zu lesenden Texte weichen erheblich voneinander ab. Um diese Frage zu beantworten, ist es notwendig, sich noch einmal die Kommunikationsebenen im Dtn vor Augen zu führen. “Thus, while reproducing Moses’ address to the sons of Israel in the plains of Moab, the narrator at times produces his own (offstage) voice in a direct disclosure to the reader.”83 Mose hält seine Reden vor dem Volk in einer besonderen geschichtlichen Situation. Er ist als „Ich-Erzähler mit Leib“ Teil dieses Seinsbereiches. Der biblische Erzähler ist zwar nahe am Fokus des Geschehens, gehört jedoch eindeutig der Welt des Lesers84 an. Besonders in Dtn 2–3 versorgt der biblische Erzähler den Leser mit Informationen, die für das Verständnis der Moserede unerlässlich sind. Es ist eine besondere geschichtstheologische Konzeption, die hier aufscheint, wobei gerade der biblische Erzähler den weitesten Horizont aufweist 85. Zu einer der ganz wenigen Handlungen, von denen der Leser des Deuteronomiums aus der Perspektive des biblischen Erzählers erfährt, gehört die schriftliche Darlegung von Moses Reden (Dtn 31,9.24). Schon allein daran wird deutlich, dass die von Moses aufgeschriebene Rede, „sein“ ToraBuch, nicht mit dem Deuteronomium und schon gar nicht mit den fünf Bü-
SCHÄFER-LICHTENBERGER, Josua und Salomo, 217 Anm 543 hinweist, muss der analogen Rolle des Josua zu der des Mose innerhalb des Bundesschlusses nicht unbedingt widersprechen. 82 Siehe dazu JACOBS, Tora, 1246–1248. 83 SONNET, Book, 240. 84 Der Leser ist hier zwar als reale Person zu verstehen, er ist jedoch keiner spezifischen Epoche zuzuordnen und insofern auch eine vom Text selbst her zu denkende Figur. Das Einzige, was sich über „seine Zeit“ sagen lässt, ist, dass er einer „nachmosaischen Epoche“ angehört. 85 LOHFINK, Stimmen, 218. Er bezeichnet die in der vorliegenden Arbeit als „biblischer Erzähler“ diskutierte Größe als „Bucherzähler“.
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chern Mose identisch ist. “The ‘book’ in question, being an element von Deuteronomy’s represented world, is distinct from Deuteronomy’s framing book. Never is it stated, or even suggested, that Moses’ Torah ‘book’ is one and the same with the Book of Deuteronomy.”86 Wir haben es im Deuteronomium mit einem „Buch in einem Buch“ zu tun. Das Vortragen von Reden und deren schriftliche Niederlegung in einem Buch wird selbst zum Gegenstand eines Buches. Über das von Mose verfassten Tora-Buch erfahren wir nur durch das Deuteronomium. Es erzählt von diesem einmaligen Vorgang, dass Mose in Moab dem Volk seine Sicht der Ereignisse schildert, die zu diesem einzigartigen Moment in der Geschichte führten. Das Deuteronomium berichtet darüber hinaus, dass Mose all das aufschreibt, damit kommende Generationen davon profitieren können. Erzählerisch wird jedoch deutlich gemacht, dass dies die ganz eigene Version des Moses darstellt, die auch von diesem geschichtlichen Ort nicht zu trennen ist. Insofern reflektiert das Deuteronomium seine eigene Mittelbarkeit auf hohem Niveau87. Moses Darstellung ist dabei von dem geschichtlichen Ort, an dem er seine Reden hält, nicht zu trennen. Zu deren angemessenen Verständnis gehört die Kenntnis dieser Sprechsituation untrennbar hinzu. Was Moses Hörer und Hörerinnen aus eigener Erfahrung „kennen“88, müssen sich die Nachgeborenen erst anlesen. Dazu brauchen sie jedoch das Deuteronomium: “For whomever exists in history, however, as against represented history, the Book of Deuteronomy is the unique channel through which the Tora ‘book’ may be apprehended. In the reader’s world, Moses Torah ‘book’ is never ‘read’ outside the Book of Deuteronomy. The aim of the inset ‘book’ – to be read to the sons – is thus fulfilled by the reading of the framing book.”89 Um die Eigenart des geschichtlichen Ortes, an dem Mose seine Reden hält, in seiner Tiefe zu erfassen, bedarf es jedoch nicht nur des Deuteronomiums, sondern der fünf Bücher Mose insgesamt. Erst aus deren Lektüre wird der ganze Bogen erkennbar, der sich von den Verheißungen an Abraham, Isaak und Jakob über die Befreiung Israels aus Ägypten und über die Gabe der Tora am Sinai bis hin zur Schwelle zum versprochenen Land spannt. Erst nach der Lektüre dieser Geschichtsdarstellung ist der Leser in der Lage, den geschichtlichen Ort, an dem Moses seine Reden hält, und damit „seine“ Tora angemessen zu verstehen. Wenn die Nachgeborenen demzufolge Moses Auftrag nachkommen wollen, seine 86
SONNET, Book, 246. SKA, Wellhausen, 259 ordnet dieses Phänomen literaturgeschichtlich ein und nennt diesen Vorgang «une passage d’une narration simple à une narration réflexive, avec l’apparition de l’écrit dans la narration elle-même.» (Zitat auch bei S ONNET, Book, 249). 88 Es versteht sich von selbst, dass diese Aussage nicht im historistischen Sinn zu verstehen ist, sondern als Teil der Geschichtskonstruktion, die das Deuteronomium entwirft. 89 SONNET, Book, 261. 87
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Tora regelmäßig zu verlesen, geht dies nur über den Weg der Lektüre der Tora in ihrer uns heute vorliegenden Gestalt. Nur so werden sie in diese besondere „Ursituation Israels“ hineinversetzt, von der das Deuteronomium handelt. 1.2. Der Horebbund als Bestandteil des Moabbundes Dieses Thema kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht in allen seinen Facetten diskutiert werden. Für unseren Zusammenhang soll nur der Aspekt noch einmal aufgegriffen werden, der bei dem unmittelbaren Vergleich zwischen der Version des biblischen Erzählers und der des Mose hervorgetreten ist: Während der Abschluss des Bundes in Ex 34,28 Bestandteil einer erzählerischen Dramatik ist, behandelt Mose dieses Thema unter dem Gesichtspunkt seiner Mittlerstellung (Dtn 5) und der Treue Jhwhs, der trotz der Abwege seines Volkes an dem Versprechen festhält, das er den Erzeltern gegeben hatte90. Der Frage, wie diese „Versachlichung“ – man könnte sogar von „Systematisierung“ des Themas „Bund“ in der Moserede sprechen – mit der Verzahnung des Horeb- mit dem Moabbund zusammenhängt, möchte ich nun nachgehen. In der Forschung gibt es zahlreiche Versuche, das Verhältnis zwischen Horeb- und Moabbund anhand eines Vergleiches von Dekalog (Dtn 5) mit dem Gesetzeskorpus Dtn 12–26 näher zu bestimmen91. Fast immer wird der Dekalog den übrigen Gesetzen über- oder untergeordnet. So hat Braulik die viel diskutierte These aufgestellt, dass der Dekalog das Gliederungsprinzip für die übrigen Gesetze abgibt92. Für ihn ist das der Beleg dafür, dass sich die Gesetzesverkündung im Dtn als eine „‚Auslegung‘ zuvor ergangener Jahwegebote“ versteht93. Für Lohfink kommt dem Dekalog aufgrund seiner Stellung eine „Schlüsselposition“ zu, die gegenüber den in Dtn 12–26 verkündeten Gesetzen den Unterschied zwischen „Bleibendem und sich Wandelndem im Gotteswillen“ markiert94. In eine ganz andere Richtung geht die Einschätzung von Otto, nach dessen Sicht der Horebbund durch die Bearbeitung seines DtrL „zu einem Präludium einer scheiternden Generation für den Moabbund degradiert und die Promulgati-
90
Siehe dazu S. 111ff. Zur älteren Forschung siehe P REUSS, Deuternomium, 93ff. 92 BRAULIK, Abfolge; D ERS., Dtn I, 12–13. Zur Diskussion dieser These siehe CRÜSEMANN, Tora, 240–242. 93 BRAULIK, Abfolge, 253. Aus seinen Untersuchungen zieht er den Schluss: „Doch gibt es seither hermeneutisch kein Zurück mehr hinter das Prinzip einer solchen Verbindung von Dekalog und Einzelgesetzen als seinen Ausführungsbestimmungen.“ 94 LOHFINK, Unterschied, 146. Zitat auch bei CRÜSEMANN, Tora, 410, der auf den folgenden Seiten die Problematik der christlichen Verkürzung der Tora auf den Dekalog aufzeigt und zu einer ganz anderen Verhältnisbestimmung zwischen Dekalog und Dtn 12–26 gelangt. Dazu näheres im Folgenden. 91
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on des Deuteronomiums dorthin verlagert (Dtn 28,69–30,20*)“ wird95. Die Verortung der Moserede in das Moabgebiet, die DtrL vornimmt, führt dazu, dass auf die Horebereignisse „bei der Deuteronomiumspromulgation im Rahmen des Moabbundes aus großem zeitlichen und örtlichen Abstand zurückgeblickt wird (Dtn 5,2ff.)“96. Damit ordnet Otto die beiden Bundesschlüsse unterschiedlichen Schichten zu, bei der die jüngere die ältere dominiert. Auf diese Weise würde der Horebbund im modernen Sinne „historisiert“ werden, d.h. er wäre für die Gegenwart bar jeglicher Relevanz. Es wird demgegenüber im Folgenden zu zeigen sein, mit welchen rhetorischen Mitteln das Dtn in seiner uns heute vorliegenden Gestalt genau diesen Zeitabstand zwischen den beiden Bundesschlüssen überbrückt. Auch für die an der Endgestalt orientierte Untersuchung Olsons ist Dtn 5 ein „blueprint“ für das Deuteronomium insgesamt97. Diese Stukturierung anhand von Dtn 5 baut jedoch auf einem sehr linearen Zeitverständnis auf, das Olson bei der Gliederung des Deuteronomium immer wieder durchblicken lässt98. Für die Vergangenheit steht Dtn 5,6, das er als Parallele zu dem Rückblick Dtn 1–4 auffasst. Das Gesetz für die Gegenwart (Dtn 5,7–21) bezieht er auf Dtn 5–28. Die Zukunft sieht er in Dtn 5,22–31, wie in Dtn 29–32 thematisiert. Der Segen als letztes Wort bestimmt die Passagen Dtn 5,32–33 und Dtn 33–34. Ob allerdings dem Deuteronomium ein so lineares Zeitverständnis zugrunde liegt, möchte ich bezweifeln. Es wird im weiteren Verlauf der Untersuchung noch zu zeigen sein, dass der „Tag“, an dem Mose seine Reden hält, kein „Zeitpunkt“ im moderenen Sinne ist. Sicherlich könnte man auch ihn auf einem Zeitstrahl verorten. Damit würde man diesem „Tag“ jedoch nicht gerecht. Er ist vielmehr ein „geschichtlicher Ort“, an den Israel im Laufe seiner Geschichte immer wieder zurückkehrt. Von seinem Ansatz her ist es nur konsequent, wenn Olson den zehn Geboten eine Sonderstellung einräumt: “The rest of Deuteronomy is a secondary interpretation of the Decalogue.”99 Seine Auslegung untermauert er durch die vielleicht in der Tat nicht ganz unwesentliche Einzelheit, dass die Tafeln mit den Zehn Geboten in die Lade (Dtn 10,5), das von Mose Geschriebene dagegen neben die Lade kommt (Dtn 31,26)100. Ob dieser Befund jedoch die ganze Last der Argumentation zu tragen vermag, die Olson ihm aufbürdet, bleibt fraglich. Immerhin werden beide Schriftstücke 95
O TTO, Dtn im Pentateuch, 240. Aus dieser Einordnung des DtrL wird nach O TTOs Einschätzung der Horebbund auch durch spätere Überarbeitungen nicht mehr herausgeholt. 96 O TTO, Dtn im Pentateuch, 240. 97 Siehe das Grundschema bei O LSON, Death, 40/41. 98 Siehe dazu A.I.3. 99 O LSON, Death, 12. 100 Auf diesen Unterschied macht auch SONNET, Book, 165, aufmerksam.
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in / bei der Lade deponiert, was vor allem die „Verwandtschaft“ von Horeb- und Moabbund unterstreicht. Olson zufolge ist erst ab der Überschrift in 28,69 vom Moabbund die Rede. Sie wird in drei unterschiedlichen Varianten präsentiert: Dtn 29–30: Gottesdienst / Liturgisch; Dtn 31: Das Wort; Dtn 32: Das Lied. Auch hier geht er davon aus, dass sich die Grundbewegung des Dtn in nuce noch einmal wiederholt: A) Gottes Treue in der Vergangenheit B) die gegenwärtige condition humaine C) Gottes zukünftiges Handeln. Den Hauptunterschied zwischen Horeb- und Moabbund macht Olson an einer Gegenüberstellung von Dtn 10,16 und 30,6 fest: In Kapitel 10 soll ganz Israel selbst sein Herz beschneiden, in 30,6 tut es Jhwh. Dtn 30,6 begreift er als ein Echo auf Dtn 10,16 und stellt fest: “the command is drammatically transformed [...]. Command human action has now become a promised divine gift.”101 Das heißt, dass Gott zum Gehorsam seinen Geboten und Gesetzen gegenüber selbst befähigt. Allerdings wird der Horebbund nicht ersetzt. Auch der Moabbund drängt dazu, die Gebote und Satzungen zu halten: Dtn 30,11–20; 31,9–13; 32,46102. Aber beim Horebbund ist Gott der Hauptakteur: Er wird ihr Herz beschneiden, so dass sie Jhwh lieben und die Gebote halten. Im Moselied ist Jhwh der „main protagonist“. Während der Horebbund mit 28,63 endet und damit mit der Ansage der Katastrophe, wendet der Moabbund diese Katastrophe in eine Verheißung (Dtn 30,9)103. “In the Moab covenant, Yahweh is a God who fractures and transcends all humanly created boundaries and restrictions.”104 Mit der folgenden Formulierung befindet sich Olson dann vollends auf dem Boden der klassischen lutherischen Entgegensetzung von „Altem“ und „Neuem Bund“: “The two simultaneaous covenants – the law of Horeb and the mercy of Moab – involve a theological dynamic that cannot be fully captured into a single logical formulation.”105 Dennoch stellt Olsons Untersuchung einen Versuch dar, von dem kanonischen Text ausgehend zu einer Verhältnisbestimmung zwischen Horeb- und Moabbund zu kommen. Wie ich nachzuweisen versucht habe, wiederholt Mose den Dekalog in erster Linie unter dem Gesichtspunkt seiner Mittlerschaft. Bei der Darstellung des Gusses des Stierbildes geht es ihm darum zu zeigen, dass Jhwh sich trotz der Abwege Israels an die Versprechen hält, die er den Erzeltern gegeben hatte. Beide Aspekte sind nun für das Verständnis des Moabbundes von zentraler Bedeutung. In Dtn 5,31 heißt es ausdrücklich: 101
O LSON, Death, 127. O LSON, Death, 151. Siehe auch oben unter A.I.3. 103 O LSON, Death, 152. 104 O LSON, Death, 153. 105 O LSON, Death, 158. [Kursivierungen von mir. J.T.] 102
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tªEa ÔKy#RlEa hârV;bådSaÅw ~yîdD;mIo dâOmSo hOÚp h#D;tAaw …wâcDow MóédV;mAlV;t rRvSa My™IfDÚpVvI;mAhw Myñî;qUjAhw h¢DwVxI;mAh_lD;k :;h`D;tVvîrVl M™RhDl N¶EtOn y¢IkOnDa rªRvSa X®r$DaDb Das heißt, dass Mose alle in Moab 40 Jahre später verkündigten Gebote und Gesetze am Horeb empfängt. Deswegen ist der Dekalog den Gesetzen Dtn 12–26 gegenüber grundsätzlich gleichrangig106. So wie Mose den Verlauf der Ereignisse darstellt, fragt sich der Leser von 5,31 her, wann Mose verkünden wird, was er über den Dekalog hinaus von Jhwh empfangen hat. Es ist der Abweg Israels in Dtn 9, der diese Bekanntgabe noch vor dem Abstieg Moses vom Berg verhindert (V.12). Mose steigt nicht etwa vom Berg, um die Gesetze zu verkünden. Der Auftrag Jhwhs steht in diametralem Gegensatz dazu. Mose soll den Abstieg beginnen, „weil sie [die Israeliten] schnell abgewichen sind vom Wege, den ich ihnen geboten hatte.“ (Dtn 9,12) Mit anderen Worten: Aus Dtn 5,31 geht hervor, dass Mose in Moab das kundtut, was er am Horeb empfangen hat. Dem Handlungsablauf der Moserede zufolge hat Mose all diese Worte empfangen, bevor er mit den Tafeln in der Hand vom Berg herunterkam. Von daher kann die Restitution der Tafeln nur ein erster Schritt sein, dem von der Logik der Darstellung her ein zweiter folgen muss. Erst mit der Verkündung der Worte in Moab, die Mose auf dem Berg gehört hat, kommt das Horebgeschehen zu einem vorläufigen Abschluss. Auf diese Weise wurzelt der Moabbund tief in den Ereignissen am Horeb. Es ist nun in der Tat schwierig, das dynamische Verhältnis zwischen Horeb- und Moabbund mit den richtigen Begriffen wiederzugeben. Der Horebbund dient nicht nur zur Veranschaulichung dessen, was eigentlich im Moabbund geschieht. Es geht um mehr, als dass die Tora Lesenden durch dieses Verfahren exemplarisch vor Augen geführt bekommen, wie ein grundlegendes Ereignis der Vergangenheit für die Gegenwart fruchtbar gemacht wird. Auch die Terminologie vom Urbild – Abbild trifft nicht das, was an dieser Stelle der Moserede geschieht. Dazu sind die beiden Ereignisse doch zu tief durch eine Handlungsfolge miteinander verbunden, wenn es heißt, dass Mose die Gesetze und Gebote, die er in Moab verkündet, auf dem Horeb empfangen hat. Deswegen erscheint mir auch der Begriff der „Erneuerung“ nur partiell das zu treffen, was den Moabbund ausmacht. Und doch lassen sich erst einmal Analogien aufzeigen: Wie im Horebbund geht es darum, dass Jhwh seine Verheißungen trotz der Abwege Israels hält und seinem Volk dennoch seine Gesetze und Weisungen gibt, nur dass an die Stelle des Gusses des Stierbildes nun die Kundschaftererzählung tritt. Im Rahmen des Horebbundes erhält Israel trotz seiner Abwege neue Tafeln, im Rahmen des Moabbundes empfängt es trotz seines man-
106
Darauf macht CRÜSEMANN, Tora, 410–413 aufmerksam.
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gelnden Vertrauens in der Kundschafterepisode im Auftrag Jhwhs die Gesetze, die Mose am Horeb empfangen hatte. Die Kundschafterepisode wird in Dtn 9,23 mit dem Guss des Stierbildes ausdrücklich parallelisiert. Das Verhältnis der beiden Bundesschlüsse ist demzufolge gerade nicht durch einen Antagonismus bestimmt, sondern von einer Analogie, die nur den Schluss zulässt, dass Jhwh sich selbst und seinem Volk gegenüber treu bleibt. Insofern greift der Moabbund in zwei Richtungen über Generationen hinweg. Er wird genau an der Grenze zwischen den Generationen geschlossen und repristiniert gleichzeitig den Horebbund, besser gesagt, „veröffentlicht“ das am Horeb zwischen Jhwh und Mose Gesprochene. Insofern wird ein Kernereignis der Wüstengeneration für die Landnahmegeneration erst wirklich relevant. Die innere Bedeutung dieses Ereignisses am Horeb bleibt für die Wüstengeneration zunächst noch völlig ohne Bedeutung. Es wird ihr noch nicht einmal mitgeteilt. Die Landnahmegeneration gründet sich auf der anderen Seite auf etwas, das tief in der vorangegangenen Epoche verankert ist. Der Moabbund schließt jedoch die Ereignisse am Horeb nicht ab, sondern perpetuiert sie im Gegenteil in die Zukunft Israels im Land hinein. So wie Mose die Ereignisse am Horeb in Moab wiederholt, sollen die Leviten und Ältesten durch die Verlesung der Tora den Moabbund vergegenwärtigen. In diesem Rahmen kommt auch wieder der Horebbund zur Sprache. Beim Verlesen der Tora kehrt Israel an den Ausgangspunkt zurück: “A Torah-beyond-Moses, the ‘book’ of the Torah will perpetuate the Horeb experience when it is read in the land.”107 Auf diese Art entsteht eine Art „Bundes-Spirale“, die schließlich in der Bundesverheißung an die Erzeltern gründet, am Horeb ihre erste Konkretisierung erhält, durch die Moserede weiter entfaltet und schließlich durch die regelmäßige Verlesung durch die Generationen getragen wird. Dieses Bundeskonzept unterliegt jedoch keineswegs der idealistischen Illusion, dass Israel von nun an immer und ewig den Geboten Jhwhs folgen würde. Innerhalb der Bundesgeschichte hat der Ungehorsam Israels seinen Platz. Das heißt nicht, dass er damit sanktioniert oder gar legitimiert wäre. Im Gegenteil: Mose führt seinen Hörerinnen und Hörern die Folgen der Untreue Jhwh gegenüber immer wieder deutlich vor Augen (vgl. nur Kap 28). Und doch kann dieser Ungehorsam die „Bundes-Spirale“ nicht anhalten oder unterbrechen. Das ist für den Bund nach deuteronomischem Verständnis geradezu konstitutiv. Die Ansage des zukünftigen Ungehorsams in Dtn 31,16–22.24–30 samt dem Moselied ist damit grundlegender Bestandteil des Moabbundes108. So 107
SONNET, Book, 128. In der historisch-kritischen Forschung besteht Einigkeit, dass dieser Abschnitt gemeinsam mit der Einfügung des Moseliedes in Kap 31 hinzugefügt wurde. Siehe P REUSS, 108
Die neue Ordnung
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weisen Moses Vorhersage des zukünftigen Ungehorsams in 31,27ff und die Neuerzählung der Horebereignisse in Dtn 9 zum Teil verblüffende Parallelen auf109. So wie Israel am Horeb „halsstarriges Volk war (vgl. Dtn 9,6 mit 31,27), das „Jhwh widerstrebte“ (9,7[23.24] und 31,27), „schnell vom Wege abwich“ (9,12.16 und 31,29), wird es auch in Zukunft sein. Wenn Israel die Folgen des zukünftigen Ungehorsams zu spüren bekommt, ist es das Lied, das die Nachkommen nicht vergessen werden und das dann von Jhwh zeugen wird (31,21). Auch dieser Ungehorsam wird demzufolge wieder „aufgefangen“. Beide Stränge des Moabbundes müssen nun im Folgenden weiter verfolgt werden: Die regelmäßige Verlesung des Vortrages durch die Ältesten und die Leviten auf der einen Seite und der zukünftige Ungehorsam Israels auf der anderen.
2. Die neue Ordnung 2.1. Neue Verfassung Nach der schriftlichen Niederlegung der Tora (Dtn 31,9–13) und dem Tod des Mose (34,5) wird das Sozialgefüge in Israel vollkommen neu strukturiert. In Dtn 31 wird diese Umgestaltung bereits in Bahnen gelenkt. Mit dem Übergang von Mose auf Josua vollzieht sich der Wechsel hin zu einem neuen Leitungskonzept. Mose ist der charismatische Führer, der seine Autorität in einem theologisch sauber durchdachten Verfahren an Josua überträgt110. Schäfer-Lichtenbeger macht darauf aufmerksam, dass die Autorität des Mose stets durch Jhwh selbst legitimiert werde (Dtn 1,3.6; 2,2ff.; 3,18 [46]). Immer wieder begegne die Erzählstruktur, dass Jhwh dem Mose direkt befehle, dem Volk etwas zu befehlen (ebd.). Mose könne jedoch als charismatische Führungsfigur nach der Verkündigung der Tora im Land nicht mehr gebraucht werden. Der Übergang über den Jordan sei auch ein Übergang zu einer völlig anders gearteten Führungspersönlichkeit und damit eben einer anderen Organisationsform des Volkes Israel. Josua habe die Aufgabe, die Eroberung des Landes zu leiten und die Verteilung des Landes vorzunehmen. Josua ersetze Mose als Führungsfigur, „wobei seine Kompetenzen enger umgrenzt sind als diejenigen Moses. Deuternomium, 163ff.; S CHÄFER-LICHTENBERGER , Josua und Salomo, 179; O TTO, Dtn im Pentateuch, 191ff. mit weiterer Literatur. Grundsätzlich soll dies in der vorliegenden Untersuchung auch nicht bestritten werden, sondern es soll nur darauf aufmerksam gemacht werden, dass der kanonisch gewordende Text sich überraschend gut in die Bundeskonzeption der Moserede einfügt. 109 Siehe dazu die detaillierte Aufstellung der Bezüge bei SONNET, Book 167–169. 110 Siehe dazu SCHÄFER-LICHTENBERGER, Josua und Salomo, 167–224. Die folgenden Zahlen in Klammern beziehen sich auf die Seitenzahlen dieser Monografie.
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[...] Ungleich Mose wird Josua in seinem Führungshandeln an die Einhaltung einer schriftlichen Verfassung gebunden werden. Diese Differenz zwischen Mose und Josua, zwischen dem Ersten und dem Zweiten, markiert den Unterschied zwischen dem Charismatiker Mose und dem von ihm bestimmten Nachfolger.“ (174/5). Dies werde an der in Dtn 3,28 angekündigten und in Dtn 31 ausgeführten Einsetzung Josuas zum ersten Mal deutlich. Aus dieser Passage gehe hervor, dass Josua öffentlich eingesetzt wird (Dtn 31,1ff.7), und dass eindeutig auf das an diesem Tag Gebotene, insbesondere auf das Banngebot, hingewiesen werde (V.5[184]). Die unmittelbar daran anschließende schriftliche Niederlegung der Tora (V.9–13) sei schon ein klarer Verweis darauf, dass Josua das Volk nicht mehr so führen werde wie Mose. Josua sei an die Schrift gebunden. Grundlage für jede seiner Handlungen sei die Tora (Jos 1,7a). „Sofern Josua sich an die durch die Tora vorgeschriebene Lebens- und Gesellschaftsordnung hält, wird ihm ein jeder seiner Schritte gelingen.“ (200). Damit sei Josua nicht mehr so gottunmittelbar gestellt wie es Mose noch war. Sein Verhältnis zur „Schrift“ werde gleich zu Beginn des Josuabuches genau festgelegt: „...das Buch der Tora werde nicht aus seinem Munde weichen, korrespondiert die Weisung, es sich beständig zu vergegenwärtigen, so daß V.8a durchaus als eine Art ‚Anleitung zu verstehen‘ ist, wie das ‚darauf achten, so zu handeln...‘ von V.7a zu bewerkstelligen ist.“ (201)111. Der Generationswechsel im Deuternomium markiere demzufolge auch den Übergang von der Augenzeugenschaft zur Schrift. Nicht die Augenzeugen, sondern das schriftlich Niedergelegte beanspruche letzte Verbindlichkeit. Assmann hat den Vorgang als Übergang vom „kommunikativen“ zum „kulturellen Gedächtnis“ bezeichnet112. Ein weiterer wichtiger Grund für den Tod des Mose sei somit in der Sicherung der Autorität des im Buch Deuteronomium Niedergelegten zu sehen. Für das neu entstehende Gesellschaftsgefüge bleibe dennoch die Figur des Mose durch die von ihm geschriebene Tora bestimmend. „Mose fungiert als der Ausgangspunkt, von dem her alle Beteiligten ihre gegenwärtige Beziehung bestimmen. [...] Hinter die von Mose verkündete Ordnung kann Israel nicht mehr zurück, ohne sein Verhältnis zu JHWH in Frage zu stellen. Die Tora Moses ist die Basis, auf der hinfort Israel JHWH begegnet. Die von JHWH inszenierte Verpflichtung Josuas auf die Tora zeigt, daß es künftig keinen neuen Mose als Führer Israels mehr geben wird. Mose ist durch die Bekanntgabe der Tora überflüssig geworden. In der Beziehung JHWH – Mose – Israel wird der Mittler durch sein eigenes Wort abgelöst. Die Überlieferung dieses Wortes verhindert, daß jemals wieder ein Mensch in der Geschichte Gottes
111
SCHÄFER-LICHTENBERGER , Josua und Salomo, 202, macht auf die Parallelen in Ps 1,2f und Jes 59,21 aufmerksam. 112 A SSMANN, Gedächtnis, 217.
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mit Israel die Position Moses einzunehmen vermag.“113 Es sind eben jene Züge, die einen Vergleich mit dem, was wir heute „Verfassung“ nennen, nicht unangebracht erscheinen lässt. Das Deuteronomium und der es auslegende Mose werden in eine nicht mehr veränderbare, quasi „kanonische“ Vergangenheit verlagert, um beide durch diese historische Fiktion „jeder denkbaren Macht der Gegenwart“ zu entziehen und so die „gegenwärtige Freiheit ...[in ihrer]... Form der Bindung an eine kanonische Vergangenheit“114 zu bewahren. Nur bei der Verteilung des Landes kann das Individuum Moses nicht durch die Tora ersetzt werden. Dafür steht Josua in der nachfolgenden Epoche. Vor diesem Hintergrund ist die Verpflichtung Josuas auf die Tora in der ersten Gottesrede unmittelbar nach dem Tod des Mose in Jos 1 zu sehen. Neben der Beistandszusage JKD;mIo hRyVhRa in Jos 1,5 erfolgt die Legitimation der Autorität bei der Verteilung des Landes (V.6) und schließlich die Ermahnung, die Tora zu halten, die Mose, der Knecht Jhwhs, geboten hat (V.7). „Die Tora des Moses wird zur Grundlage des Führungshandelns Josuas.“ (201). Die besondere Bedeutung der Tora im Josuabuch braucht im Rahmen dieser Untersuchung nicht weiter verfolgt zu werden. Wesentlich ist zunächst nur, die besondere Rolle der Tora bei diesem theologisch so aufgeladenen Übergang von der einen zur anderen Organisationsform an der Schwelle zum Generations- und Epochenwechsel noch einmal zu unterstreichen. Von hier aus sei wenigstens auf die Bedeutung der Kenntnis der Tora für den weiteren Geschichtsverlauf insgesamt hingewiesen115. Wieder und wieder wird Josuas Analogie zu Mose betont (Jos 1; 3; 8,31–35; 11,15–23; 22,1–8), ohne jedoch dabei den qualitativen Unterschied zwischen beiden Führungspersönlichkeiten zu verwischen116. Die Aufforderung von Dtn 31, die Tora alle sieben Jahre einmal öffentlich zu verlesen, wird in Jos 8,34 noch einmal befolgt, dann aber vergessen. Davon berichtet Ri 2,6–12, bezeichnenderweise wiederum im Zusammenhang mit einem Generationswechsel. Erst von König Josia wird gesagt, dass er hRvOm tårwø;t lOkV;k gewandelt sei117. Die Richter- und Königszeit ist aufs Ganze gesehen „toralose“ Zeit. Die Bücher Ri – 2.Kön lassen sich demzufolge als Erzählung begreifen, die exemplarisch vor Augen führt, wohin Toravergessenheit führt. Von dem Beginn der Richterzeit an finden sich bis auf 2.Sam 7 keine substantiellen traditionalen Elemente mehr. Diese negativen Erfahrungen mit 113
SCHÄFER-LICHTENBERGER , Josua und Salomo, 214. CRÜSEMANN, Tora, 289. 115 Siehe dazu die Ausführungen bei H ARDMEIER, König Joschija, 92.93. 116 Siehe dazu S CHÄFER-LICHTENBERGER, Josua und Salomo, insbesondere 210ff. 117 Zur Einzigartigkeit Josias in der dtr Geschichtskonstruktion siehe H ARDMEIER, König Joschia, 91. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit seiner Position erfolgt S. 330ff. 114
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der Toravergessenheit werden jedoch bewahrt und definieren gemeinsam mit den traditionalen Elementen der Tora den geschichtlichen Ort von Torarezeption. Es gibt für Israel aus der Toravergessenheit heraus immer wieder einen Weg zu der „Urspungssituation“ des „Tages“ vor der Landnahme hinein, des „Tages“, der im Toragehorsam in Form einer regelmäßigen Wiederkehr verankert ist. Diese Linie ist jedoch im Zusammenhang mit dem schon in Dtn 31,16ff vorhergesagten Ungehorsam Israels zu behandeln. Zunächst soll die von Mose aufgetragene Verlesung seiner Tora am Laubhüttenfest des Erlassjahres und ihr Zusammenhang mit dem Moabbund näher untersucht werden. 2.2. Laubhüttenfest des Erlassjahres als „Rückkehr an diesen Ort“ Der „Tag“ des Deuteronomiums lässt sich einerseits, wie oben gesehen, von der Zusage der Bundesverpflichtung am Horeb und im Land Moab her bestimmen. Dieser „Tag“ oder diese beiden Bundesschlüsse werden durch Anordung der regelmäßigen Verlesung am Laubhüttenfest des Erlassjahres perpetuiert. Warum aber ist als Zeitpunkt der Lektüre ausgerechnet das Laubhüttenfest im Erlassjahr ausgewählt (31,10)? Um dieser Frage nachzugehen, möchte ich zunächst wenigstens skizzenhaft beide Termine im Festkalender erst einmal getrennt behandeln. In den vergleichenden Darstellungen der Festkalender werden dabei zunächst die (angenommenen) älteren und anschließend die jüngeren Fassungen abgehandelt, um so etwas wie eine traditionsgeschichtliche Linie nachzeichnen zu können118. An dieser Stelle soll der Versuch unternommen werden, den verschiedenen Anweisungen zum Laubhüttenfest in der Lesefolge der Tora nachzugehen. Auf diese Weise wird die Verordnung des Mose, die Tora am Laubhüttenfest des Erlassjahres zu verlesen (Dtn 31,9–13), in den Horizont des gesamten Pentateuch gestellt. Unabhängig von der Frage, welcher Textumfang mit „Tora“ in dieser Leseverordnung gemeint ist, klingen bei dem Datum „Laubhüttenfest des Erlassjahres“ für einen Leser der gesamten Tora auch die Festbestimmungen aus dem Buch Exodus, Leviticus und Numeri mit an. An dieser Stelle sei noch einmal daran erinnert, dass sich in der Moserede direkte Hinweise auf eine solche intertextuelle Lektüre finden119. Abschließend ist nach den inhaltlichen Schnittpunkten der beiden Feste zu fragen, um vielleicht eine Antwort auf die Frage zu erhalten, warum Mose die Tora ausgerechnet am Laubhüttenfest des Erlassjahres verlesen lässt.
118
Vgl. die Artikel in den einschlägigen Lexika: K RONHOLM, Kks ; Angersdorfer, Laubhüttenfest; O TTO , Feste. Auch die Arbeit von K ÖRTING, Schall ist so aufgebaut. 119 So verweist z.B. Dtn 26,19 auf Lev 19,2. Siehe dazu S. 67ff.
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2.2.1. Laubhüttenfest Die außerordentliche Bedeutung dieses Festes lässt sich schon alleine daran ablesen, dass es in allen großen Festkalendern der Tora seinen Ort hat120. Da diese Kalender wahrscheinlich aus sehr unterschiedlichen Zeiten stammen, muss damit gerechnet werden, dass dieses Fest über Jahrhunderte hohes Ansehen besaß121. Das lässt sich auch am Sprachgebrauch festmachen: Immer wieder ist von dem Herbst- bzw. Laubhüttenfest als von „dem Fest“ (gDjRh) die Rede122. Dabei ist in der Forschung stets mit guten Gründen dafür argumentiert worden, in dem Laubhüttenfest gleichzeitig so etwas wie ein Neujahrsfest zu sehen: „Das Laubhüttenfest wurde zum Abschluß des Jahres begangen, blickt aber in seiner Funktion als Erntedankfest sicher über das Ende des Jahres hinaus in das neue Jahr und auf die neue Ernte.“123 In allen Festkalendern wird das Herbstfest als „Fest des Sammelns“ (mit Psa in Ex 23,16124; 34,22; Lev 23,39; Dtn 16,13) und als Wallfahrtsfest bzw. als Fest der Volksversammlung gekennzeichnet. Neben diesen grundlegenden Gemeinsamkeiten bestehen jedoch z.T. erhebliche Abweichungen in der jeweiligen inhaltlichen Ausrichtung dieses Festes in den verschiede-
120
Vgl. Ex 23,16; 34,22; Lev 23, 34.36.39–44; Dtn 16,13–15. Siehe dazu die Untersuchung der Herbstfeste von K ÖRTING, Schall. Der Name des Festes lässt sich von dem Verb Kks „sich bewaffnen, schirmend bedecken“ herleiten. Das entsprechende Nomen hks hat die Bedeutung Dickicht; Hütte, Laube, Schirmdach. Als profaner Hintergrund des Laubhüttenfestes sind somit die Hütten derjenigen zu vermuten, die bei der Ernte mitarbeiteten. Sie haben während der Erntezeit in Hütten geschlafen. Die Wächterhütte im Weinberg ist vor allem im Jesajabuch zu einem wesentlichen Theologumenon ausgebaut worden. So wird in Jes 1,8 der Rest Israels mit einer Mrkb hks verglichen und mit mit einer hvqmb hnwlm „Nachthütte eines Wächters im Garten“ parallelisiert. 122 1 Kön 8,2.65; 12,32; Ez 45,25; Neh 8,14; 2 Chr 5,3; 7,8. 123 Die Ursprünge dieses Festes sind ungeklärt, höchstens unterschiedliche Theorien sind erwogen worden: Zeltfest von Nomaden (K RAUS); vorstaatliches Bundeserneuerungsfest ( V.RAD); Thronbesteigunugsfest (Mohwinkel). Als einigermaßen gesichert kann gelten, dass das kanaanäische Herbstfest (mögliche biblische Anklänge in Ri 9,26ff; 21,19) Parallelen zum ugaritischen Neujahrsfest aufweist, bei dem die „Erstlinge des Weins“ in einem Königsritual dargebracht werden. Dabei hat sich der König in „vier Wohnungen aus abgeschnittenen Laubwerk“ aufzuhalten. Der Zweig ist ein im Alten Orient weit verbreitetes Symbol der Regeneration, so z.B. als Fruchtbarkeitszepter der Aschera. Auch im biblischen Laubhüttenfest ist der Zweig besonders in späteren Texten nicht wegzudenken: Er spielt auch in Neh 8 und in 2 Makk 10, der Einführung des Channukka-Festes, von dem es heißt, es würde „wie das Laubhüttenfest“ gefeiert (V.6), eine wesentliche Rolle zum Bau der Hütte(n). 124 Zusätzlich als ryxqh gj . 121
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nen Festkalendern, die in der Forschung mit ihrem unterschiedlichen Alter erklärt werden125. In den Festkalendern des sogenannten „kultischen Dekalogs“ (Ex 34,11–26) und des Bundesbuches (Ex 21,1–23,19) wird das Herbstfest einfach als PIsDaDh g§Aj (((„Fest des Sammelns“) bezeichnet. Der wohl älteste Hinweis auf das Herbstfest innerhalb eines Kalenders findet sich in Ex 34,11–26126, dem einzigen Rechtskorpus, der ausschließlich kultischreligiöse Weisungen enthält. Das Herbstfest ist eines der drei Wallfahrtsfeste (V.23). Dort wird es mit hDnDÚvAh tAp…wqV;t („Drehung des Jahres“) bezeichnet (Ex 34,22). Im Unterschied dazu fällt in den Angaben des Bundesbuches zunächst die kalendarische Terminierung auf: Der Festtermin wird in Ex 23,16 mit hÎnDÚvAh taExV;b („Ausgang des Jahres“)127 angegeben. Dabei heißt es in Ex 23,16 noch ergänzend: ÔKVÚpVsDaV;b „während deines Einsammelns“, so dass in diesem ersten Festkalender der Termin sowohl kalendarisch als auch vom bäuerlichen Lebensrhythmus her bestimmt ist. Der Festkalender in Ex 23 steht insgesamt unter der Überschrift des „Feierns für Jhwh“, wenn es gleich zu Beginn der als Gottesrede gehaltenen Bestimmungen heißt: „feiere mir ein Fest“ (in yIl gOjD;t in Ex 23,14). Über die Länge der Feste wird in diesen beiden Festkalendern nur etwas zum Mazzenfest gesagt: Es soll sieben Tage dauern (Ex 23,15; 34,18). Die Bestimmung zum Mazzenfest in Ex 23,15 und 34,20, nicht mit leeren Händen vor Jhwh zu erscheinen, werden erst im deuteronomischen Festkalender auf alle drei Feste ausgeweitet (Dtn 16,16). Die Anordnung in Ex 23,17 und Ex 34,23, dass alles Männliche vor Jhwh zu erscheinen hat, gilt jedoch gleich hier in den ersten Festtagsbestimmungen für alle drei Feste. Die Bestimmungen zum Laubhüttenfest des sogenannten Heiligkeitsgesetzes in Lev 23,33–36.39–42 sind in ihren Angaben zum Datum genauer: Am 15. Tag des siebten Monats soll ein ingesamt siebentägiges Fest gefei-
125
Siehe dazu K RAUS, Gottesdienst; DE V AUX, Lebensordnungen, 322ff. CRÜSEMANN, Tora, 146ff, rechnet die Festanordnungen einer älteren Vorstufe zu und datiert diese aufgrund sachlicher Parallelen zu Hosea und ähnlichen Konfliktsituationen (Jehu und Elia) vorsichtig in das 9.Jahrh. (aaO, 150). Die spätere Überarbeitung dieses Gesetzeskorpus ist im Zusammenhang mit der Verarbeitung der Katastrophe von 722 zu sehen: Im Rahmen der Erzählung vom Guss des Stierbildes Ex 32–34* weist dieses Gesetzeskorpus einen Weg auf, wie ein erneutes Leben im Land mit Jhwh möglich ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde er in Steintafeln gemeißelt und anstelle der beiden Stierbilder in Bethel und Dan aufgestellt. Siehe dazu CRÜSEMANN, Tora, 66– 75.153–170. Siehe demgegeüber die Datierung von BLUM, Pentateuch, 68ff.369ff., der diesen Rechtskorpuns für nachdeuternonomisch hält. 127 K ÖRTING, Schall, 65, die hier vor allem mit dem Äquinoktium argumentiert und dabei vor allem auf die Begriffe hnvh haxb (Ex 23,16) und hnvh tpwqt (Ex 34,22) verweist. Vgl. dazu K UTSCH, Ende. Zur Diskussion, ob in dem Erntefest ein Neujahrsfest zu sehen ist, siehe den Forschungsüberblick bei K ÖRTING, Schall, 62ff. und bei K RONHOLM, Kks, 849.850. 126
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ert werden. Am ersten und letzten Tag ist eine v®dOq_arVqIm (Lev 23,35), eine „heilige Festversammlung“ abzuhalten, an ihnen sollen hRÚvIa-Opfer dargebracht und keine Arbeit verrichtet werden. Die Ausführungsbestimmungen in Num 29,12.13 und 35.36 decken sich mit diesen Angaben und bauen sie noch weiter für die dazwischen liegenden Tage aus, indem sie die entsprechenden Opferarten dafür festlegen. Aber auch hier klingt der bäuerliche Lebensrhythmus an, wenn in Lev 23,39 das Datum durch MRkVÚpVsDaV;b „während deines Sammelns“ der Erzeugnisse des Landes ergänzt wird. Insgesamt wird das Fest für Jhwh gefeiert: Die Formulierung Vl gAj aus Ex 23,14 begegnet auch hier in Lev 23,34. Etwas später heißt es (Lev 23,39)128:
h™Dwhy_gAj_tRa …w…gñOjD;t Hier wird das Verhältnis der Feiernden zum Fest und zu Jhwh durch gwj mit dem Akkusativ bestimmt, der wiederum durch eine ConstructusVerbindung determiniert ist. Damit ordnen alle bisherigen Bestimmungen das Laubhüttenfest ausdrücklich Jhwh selbst zu. Hiervon macht der deuteronomische Festkalender eine Ausnahme, wenn es dort heißt (Dtn 16,13):
äÔKVl h¶RcSoA;t töO;kU;sAh gªAj Zwar findet sich auch die Wendung Vl gAj in Dtn 16,15. Dennoch stellt sich die Frage, warum diese Formulierung in V.13 ausgerechnet in der deuteronomischen Fassung der Bestimmung zum Laubhüttenfest begegnet. Im Buch Leviticus taucht zum ersten Mal in der Tora die Bezeichnung des Herbstfestes als twø;kU;sAh gAj auf (Lev 23,34). Das wesentliche Merkmal dieser Ordnung des Laubhüttenfestes ist denn auch dessen heilsgeschichtliche Begründung. Das Wohnen in den Hütten während des Festes soll an die Bedingungen der Wüstenzeit erinnern. Bermerkenswerter Weise werden hier die nachfolgenden Generationen genannt (Lev 23,43). Sie sind es, die erkennen sollen (ody), dass ihre Vorfahren in Hütten wohnten, als sie aus Ägypten auszogen129. Schließlich ist noch die Festfreude eigens hervorzuheben, die sich mit den äußeren Insignien dieses Festes verbindet (Lev 23,40). Die Feiernden sollen die Früchte von den Bäumen, Palmwedel und Zweige nehmen und sich sieben Tage lang vor „Jhwh, eurer Gottheit“ freuen. Die Festfreude 128
Siehe auch die ganz ähnliche Formulierung in V.40. Dem Hinweis von K ÖRTING, Schall, 152, dass es sich hierbei nicht um eine Begründung in myhtischer Urzeit handelt, sondern konkretes geschichtliches Handeln Gottes, ist sicherlich zuzustimmen. Dennoch ist zu beachten, dass die Auszugs- und Wüstenzeit durch mehrere Merkmale im Sinne RÜSENs als „fundierende“ Epoche gekennzeichnet ist. Diese Charkerisika der Epochen wird unten noch zu diskutieren sein. 129
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wird bei den Bestimmungen zum Laubhüttenfest im deuteronomischen Festkalender ganz besonders betont (Dtn 16,14.16). Der Kreis derjenigen, die an dieser Festfreude teilhaben, ist nach den Bestimmungen des Festkalenders in Lev 23 jedoch auf die Mitglieder des Volkes Israel begrenzt. lEarVcˆyV;b jrzRaDh_lD;k sollen in Laubhütten wohnen (Lev 23,42)130. Das Herbstfest des deuteronomischen Festkalenders ist wie der Festbestimmungen des sogenannten Heiligkeitsgesetzes das Laubhüttenfest (tO;kU;sAh gAj in Dtn 16,13a und Lev 23,34). Im Deuteronomium fehlt jedoch ein feststehendes Datum. Der Zeitpunkt wird nur allgemein an die Ernte gebunden (Dtn 16,13b):
ÔK`RbVqˆ¥yIm…w äÔKnrÎ…g`Im $ÔKVÚpVs°DaV;b Die Wurzel Psa, die, wie oben erwähnt, in allen Bestimmungen zum Herbstfest auftaucht, dient hier wie auch in Ex 23,16 und Lev 23,39 als Zeitangabe. Zugleich wird der soziale Aspekt im deuteronomischen Festkalender durch die Erwähnung aller Teilnehmenden besonders betont: „Sohn, Tochter, Knecht, Magd, Levit, Fremder (rg), der Waise und die Witwe, die in deinen Toren sind“ (15). Dieser Versammlungscharakter gleicht in seiner zeitlichen Ansetzung auf sieben Tage dem Wochenfest im deuteronomischen Festkalender (16,10ff) und den Bestimmungen zum Laubhüttenfest in Lev 23. Jedoch sind hier nicht nur der erste und der letzte Tag dieser beiden Festen frei von Arbeit, sondern alle sieben. Von beiden Festen, vom Wochenfest und insbesondere vom Laubhüttenfest131, wird ausdrücklich zweimal gesagt, dass sie fröhlich (jmc in Dtn 16,14.15) gefeiert werden sollen. Dieser freudige Charakter des Festes fehlt in den Festkalendern des Buches Exodus, ist aber im sogenannten „priesterlichen“ Festkalender enthalten (Lev 23,40 und s.o.). Der Bezug der deuteronomischen Bestimmungen des Laubhüttenfestes zur Wüsenzeit fehlt zwar im Festkalender Dtn 16, gewinnt jedoch auf ganz eigene Weise im Zusammenhang mit dem Erlassjahr und der Leseordnung der Tora wieder Bedeutung. Dies wird unten noch zu diskutieren sein. Zu den Festkalendern des Exodusbuches lassen sich ebenfalls ausdrückliche Bezüge herstellen: Die Aufforderung, dass alles Männliche bei den
130
Dass es sich bei dem jrza um den „Nicht-Fremden“ handelt, geht besonders aus Ex 12,48.49 hervor, wo es in Opposition zu rg steht. Siehe auch Lev 16,29. 131 Im Zusammenhang mit dem Laubhüttenfest wird die Festfreude zweimal betont, in V.15 sogar dazu aufgefordert, dass an diesem Fest „nur“ (das stark adverbiell hervorhebende Ka) Freude herrschen soll. Bei der Ordnung des Wochenfestes begegnet die Wurzel jmc nur einmal in Dtn 16,11.
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drei Festen vor Jhwh zu erscheinen hat132 (Dtn 16,16), erscheint geradezu wie ein wörtliches Zitat von Ex 23,17 und 34,23. Sonst findet sich diese Formulierung nirgendwo im Alten Testament. Dass es sich offenbar um eine Anordnung zur Wallfahrt handeln kann, zeigt die ähnliche Wendung in 1 Sam 1,22. Auch die Ermahnung im Bundesbuch (Ex 23,15) und in Ex 34,20, zum Mazzotfest nicht mit leeren Händen zu erscheinen, findet sich als wörtliches Zitat in Dtn 16,16 zur Bestimmung für die drei Jahresfeste insgesamt. Dies ist im Zusammenhang mit der Abgabenregelung im Buch Deuteronomium, an die der Segen Jhwhs gebunden ist133, nicht irrelevant: Die freiwillige Gabe am Heiligtum wird nicht als Steuer an einen König oder eine Priesterschaft erhoben, sondern unter Berücksichtigung aller, insbesondere der Schwächsten gemeinschaftlich verzehrt. Auf diese Weise werden die Feiern in das Sozialsystem des Deuteronomiums eingefügt: „Der Segen, der wohl immer schon von einer Einführung in den sakralen Zeitrhythmus erwartet wurde, wird so im Deuteronomium an die Einhaltung der Sozialgesetze gebunden.“134 Damit und mit der Ausdehung der Freiheit von Arbeit auf alle sieben Tage des Festes ist neben den Gemeinsamkeiten mit den im Text der Tora vorangehenden Festkalendern schon eine wesentliche Besonderheit der Bestimmungen zum Laubhüttenfest genannt, die Mose am Ende der Wüsenzeit an der Schwelle zum verheißenen Land formuliert. Diese nach modernen Kategorien ausgesprochen soziale Tendenz setzt sich in den Listen der am Wochen- und Laubhüttenfest Teilnehmenden in 16,11.14 weiter fort. Im Unterschied zu Lev 23,42, wo nur „die in Israel einheimisch sind“ (l$EarVcˆyV;b ‹jrzRa`Dh_lD;k )) in den Laubhütten wohnen sollen, feiern die Fremden (rEg) ausdrücklich mit (Dtn 16,11.14). Auch hinter dem Fehlen einer kalendarischen Eingrenzung könnte in Verbindung mit dem Schuldenerlass in Dtn 31,9–13 ein sozialer Aspekt stehen: Wenn Schulden eingetrieben werden können, dann doch wahrscheinlich während der „Zeit des Sammelns“, der Erntezeit. Wenn nun genau zu diesem Zeitpunkt die Schulden erlassen werden sollen, besteht für den Schuldner, die Schuldnerin gerade dann eine gewisse Chance auf Prosperität. Hierin könnte die Antwort auf die oben gestellte Frage zu finden sein, warum das Laubhüttenfest das einzige der drei Feste ist, das im deuteronomischen Festkalender auch ÔKVl „für dich“ (Dtn 16,13) gefeiert werden soll135, wohingegen Pessach und Wochenfest 132
Dass dies nicht so exklusiv-männlich zu lesen ist, wie es auf die erste Lektüre hin den Anschein hat, ergibt sich schon allein aus den Listen der Teilnehmenden zum Wochen- und Laubhüttenfest V.11 und 14. 133 Vgl. Dtn 15,10.18; 16,15; 23,21; 24,19. 134 CRÜSEMANN, Tora, 263; vgl. K ÖRTING, Schall, 90. 135 Dass auch dieses Fest für Jhwh gefeiert werden soll, kommt in Dtn 16,15 zum Ausdruck.
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ausschließlich hDwhyAl „für Jhwh“ (Dtn 16,1.10) zu begehen sind136. Dies ist insofern bemerkenswert, als beim Laubhüttenfest der Bezug zum bereits ergangenen Segen Jhwhs ausdrücklich in den Vordergrund gestellt wird. Insofern wird die materielle Seite des Laubhüttenfestes bei diesem letzten Festkalender durch Andeutungen in den Formulierungen unzweideutig betont. Gleichzeitig findet sich der Bezug des Laubhüttenfestes zur Wüstenzeit, den es im „priesterlichen“ Festkalender hatte, in veränderter Form auch im Deuteronomium wieder. Diese Verbindung wird durch Moses Anordung am Ende der Wüstenzeit hergestellt, die Tora am Laubhüttenfest des Erlassjahres zu verlesen (Dtn 31,9–13). Dieser Vorgang verknüpft Laubhüttenfest und Erlassjahr mit dem letzten „Tag“ der Wüstenzeit, an dem Mose seine Abschiedsrede hält. Durch das Lesen der Tora wird diese Zeit und die sie begleitenden Umstände zurückgeholt und das Wohnen zu einem Wohnen wie in der Wüstenzeit gemacht137. Dieser Aspekt wird nach der Durchsicht der Bestimmungen zum Erlassjahr noch einmal aufzugreifen sein. Bislang sind die beiden unterschiedlichen Kommunikationssituationen in den Blick gekommen, innerhalb derer die Bestimmungen zur Feier des Laubhüttenfestes präsentiert werden: In den Büchern Exodus, Leviticus und Numeri als direkte Gottesrede aus der Perspektive des biblischen Erzählers, im Deuteronomium aus dem Mund des Mose an der Epochenschwelle zwischen Wüstenwanderung und Landnahme. Innerhalb des Tenach stößt man in den Ketubim, den Schriften von geringerem kanonischen Gewicht, auf einen Bericht von der ersten Feier des Laubhüttenfestes nach dem Exil, zum ersten Mal seit Josuas Zeiten (Neh 8,17). Ausdrücklich ist darin von der Freude die Rede (Neh 8,12.17), die in allen Bestimmungen zum Laubhüttenfest begegnet138. Die Formulierung, mit der auf die Tora Bezug genommen wird, schließt jedoch ausdrücklich an den deuteronomischen Festkalender an (Neh 8,14a):
h$RvOm_dÅyV;b ‹hÎwhy h§D…wIx r°RvSa hórwø;tA;b b…wâtD;k …wäaVxVmˆ¥y`Aw Das Geschriebene ist damit eindeutig zur Grundlage des Festes bestimmt. Diese Schrift entstammt der Hand des Mose, deren Inhalt Jhwh erlassen hat. Das ist exakt die Denkweise von Dtn 31,9–13. Von der Geschichtsdarstellung im Deuteronomium und im Josuabuch her wird auch die Bemer-
136
Auf diesen Unterschied weist K ÖRTING, Schall, 52 hin. BRAULIK, Gedächtniskultur, 21/22: „Deshalb kann man, wo die Tora vorgetragen wird, wieder in diese Ursituation hineingeraten. Wenn die Tora jetzt verlesen wird, soll freilich die Versammlung Israels im Land Moab vergegenwärtigt werden.“ 138 K ÖRTING, Schall, 241. 137
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kung Neh 8,17 verständlich, dass das Laubhüttenfest zu Esras Zeiten das erste seit den Tagen Josuas ist139. Und doch folgt auf die Formulierung in 8,14a die Mitteilung, dass Israel bei diesem Laubhüttenfest zu Esras Zeiten in Laubhütten gewohnt hat, was wiederum auf den „priesterlichen“ Festkalender verweist (Lev 23,34.42). Auch die Bedeutung, die dem Material der Laubhütten, den Zweigen, beigemessen wird (Neh 8,15), gründet ganz offensichtlich in Lev 23,40. Ob in den „priesterlichen“ Bestimmungen die Zweige jedoch zum Bau der Hütte verwendet werden sollen, wird zumindestens nicht ausdrücklich gesagt140. Sie sollen gesammelt werden und dem Fest einen freudigen Charakter verleihen. Der Unterschied zwischen dem „priesterlichen“ Festkalender und dem Bericht über die Wiedereinführung des Laubhüttenfestes besteht jedoch darin, dass aus den Zweigen Hütten gebaut wurden (Neh 8,15). Diese sind nicht nur im Vorhof des Tempels selbst errichtet worden, sondern „jeder [baute sie] auf seinem Dach und in seinem Hof“ (Neh 8,16)141. In jedem Fall mussten sie offenbar unter freiem Himmel erbaut werden, worin wohl ein Bezug auf die geschichtliche Rückbindung an die Wüstenzeit des „priesterlichen“ Festkalenders in Lev 23,42.43 zu sehen ist. All diese Einzelheiten des Berichtes der Wiedereinführung des Laubhüttenfestes unter Esra deuten auf ein Verständnis der Tora hin, das über das Deuteronomium hinausweist142. In den Ausführungen in Neh 8 finden sich ihnen „vorangehende“ Traditionen, wobei manche verändert, manche übernommen werden, andere wiederum völlig unter den Tisch fallen143. In diesem Punkt ist der Bericht mit den deuteronomischen Bestimmungen zum Laubhüttenfest vergleichbar. Und doch steht der Vorgang des Aufnehmens und der Neugestaltung im Deuteronomium unter einem völlig anderen Vorzeichen. Die Warte, von der aus Mose selbst am Ende der Tora das 139
Vgl. dazu K ÖRTING, Schall, 244.245. K ÖRTING, Schall, 257, geht im Hinblick auf 2 Makk 10,5ff davon aus, dass auch hier in Lev 23,40 bereits an Feststräuße gedacht ist. Aber ob diese späte Tradition, die zweifelsohne in Jos Ant III 10,4 und in Jub 16,31 begegnet, hier schon aufzufinden ist, muss offenbleiben, weil die Zweige in Lev 23,40 ebensogut zum Bau von Laubhütten verwendet werden könnten. 141 K ÖRTING, Schall, 256. 142 Zur Diskussion, welcher Textumfang der Tora dem Vortrag Esras zugrunde gelegen hat, siehe K ÖRTING, Schall, 246 (mit weiterführender Literatur). 143 Das lässt sich an folgenden Einzelheiten festmachen: In Dtn 31,9–13 soll die Priesterschaft das Gesetz regelmäßig vortragen, in Neh 8 nimmt Esra diese Aufgabe wahr. Die Leviten machen die Tora verständlich ( Nyb im Hif) und „stellen die Einsicht auf“ ( lkc Mwc). OTTO, Dtn im Pentateuch, 202.203: „Der Autor der Esra-Denkschrift setzt in Neh 8 also Dtn 31 einschließlich der Ergänzung durch den Rahmen des Moseliedes voraus und entwickelt seine Darstellung von Esras Tora-Promulgation aus der Exegese dieses für die den gesamten Pentateuch zentralen Kapitels zur Ämterübergabe unmittelbar vor Moses Tod. Die weitere Quelle, aus der der Autor von Neh 8 geschöpft hat, ist die Festordnung des Heiligkeitsgesetzes Lev 23.“ 140
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deuteronomische Gesetz verkündet und die Geschichte noch einmal erzählt, verleihen seiner Version eine völlig andere Dignität. Mose ist die Zentralfigur des Auszugs aus Ägypten, des Aufenthaltes am Sinai und in der Wüstenzeit. Wenn er am Ende dieser Zeit, auf der Epochenschwelle, am Tag seines Todes diese Ereignisse noch einmal aus seiner Sicht rekapituliert und das am Horeb empfangene Gesetz darbietet, hat dies etwas Abschließendes, nicht mehr zu Überbietendes, das menschlicher Autorität entzogen bleibt144. Der fundierende Bestandteil des alttestamentlichen Geschichtsbildes kommt hier an sein Ende. Alle weiteren Ereignisse können sich nur darauf beziehen, darauf aufbauen, sich davon abgrenzen, es aber keinesfalls überbieten. Der Bericht in Neh 8 gibt sich demgegenüber als exemplarische Geschichtsschreibung zu erkennen, die ausdrücklich auf das einmal Grundgelegte aufbaut (Neh 8,2.5.8.13.14) und von daher zu einer eklektischen Neulektüre der Tradition kommt. Neh 8 reproduziert das Deuteronomium und Lev 23 nicht als norma normans, sondern legt es aus und appliziert es145. Durch das Erzählen werden Erinnerungen als empirische Konkretisierungen aktualisiert und dazu befähigt, diese Regeln in der jeweiligen Gegenwart auch anzuwenden146. Zielpunkt von Neh 8 ist der Umstand, dass die Tora verlesen und danach gehandelt werden kann und wird147. 144
Siehe dazu CRÜSEMANN, Tora, 74.75, vor allem aber 76–131.273–291. O TTO, Dtn im Pentateuch, 203. 146 RÜSEN, Zeit, 181 (siehe oben). Insofern lässt sich Neh 8,9+10 als exemplarische Beschreibung der Wirkung der Toralektüre verstehen: Nach der Lesung weint das ganze Volk. O TTO, Dtn im Pentateuch, 201ff schreibt diese Reaktion den Unheilsankündigungen Dtn 31,17.18 zu. Erst nach der Auslegung der Tora kann das Volk getröstet werden und Esra zur Freude und zum Genuss fetter Speisen ermutigen. Den Grund für das Weinen erklärt O TTO wie folgt: Bei der Verlesung der Tora in Neh 8 muss die nachexilische Generation die im Dtn angesagte Katastrophe demzufolge im Rücken gehabt haben. Wenn sie sich aber mit der Moabsituation identifizierte, dann stand die angesagte Katastrophe wieder bevor. „Nur eine konsequente Historisierung der Welt des Pentateuch und damit der Moabsituation konnte dem wehren.“ ( DERS., aaO, 209.210). Damit begegnet bei O TTO wiederum die Argumentationsfigur, der er sich bereits bei der Verhältnisbestimmung vom Horeb- zum Moabbund bedient hatte (siehe D ERS., Dtn im Pentateuch, 240). Worin hier in Neh 8 der „Trost“ lag, wird nicht näher bestimmt. Von einer „Historisierung“ ist jedenfalls nicht die Rede. Die Hauptaussage Esras ist vielmehr die Heiligkeit des „Tages“, an dem die Tora vorgelesen wird (Neh 8,10). Wenn man die Grundstruktur des Deuteronomium ernst nimmt, die auf den einen „Tag“ zuläuft, an dem Mose seine Reden hält, dann wird man eher von einer „Vergegenwärtigung“ des Gelesenen und damit der Moabsituation sprechen müssen. Der „Trost“ wird wohl darin gelegen haben, dass Israel sich selbst wieder an seiner „Ursprungssituation“ wußte. 147 Insofern gehört Neh 8 in die Kette der Repristinierungen des Laubhüttenfestes, wie sie auch in Sach 14,16f. begegnet. Hier trägt es ausgesprochen universalistische Züge: Die große Wallfahrt der Völker findet am Laubhüttenfest statt. In 2 Makk 10,6 feiern Makkabäus und seine Leute nach der Wiedereinnahme Jerusalems eine Feier „wie beim Laubhüttenfest“ mit Zweigen und „laubumwundenen Stäben“. Gleichzeitig finden sich jedoch bei dieser Einführung des Channukka-Festes auch deutliche Anklänge an das 145
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2.2.2. Erlassjahr Auch diese Institution soll im Folgenden in den Lesehorizont des gesamten Pentateuch gestellt werden. Ebenso wie bei der Erwähnung des Laubhüttenfestes in Dtn 31,9–13 alle in der Tora vorangegangenen Bestimmungen dieses Festes mitschwingen, wird im Verlauf einer durchgehenden Lektüre des Pentateuch genau festgelegt, worum es sich bei dem Erlassjahr ( hDÚfImVÚvAh tAnVv) handelt. In diesem Fall ist die Stuktur der Querverweise relativ überschaubar. Innerhalb des Deuteronomiums finden sich in Kap 15 Anweisungen, was bei diesem alle sieben Jahre stattfindenen Erlassjahr zu beachten ist. Die Wurzel fmv und der siebenjährige Rhythmus verweisen darüber hinaus auf Ex 23,10–13. Von dort aus ergibt sich über den Sabbatgedanken eine Verbindung zu Lev 25. Die folgende Analyse wird verdeutlichen, warum die dortigen Bestimmungen zum Jobeljahr jedoch mit den deuteronomischen Bestimmungen zum hDÚfImVÚv-Jahr weder begrifflich noch inhaltlich ohne Weiteres in Einklang zu bringen sind. Zunächst zu den Bestimmungen des Bundesbuches. Hier wird das siebte Jahr als agrarische Brache festgelegt (Ex 23,10–11): Sechs Jahre sollst du dein Land bewirtschaften und seinen Ertrag einfahren. Aber im siebten 148 Jahr sollst du es [das Land] brach liegen lassen (fmv ) und nicht bestellen, dass die Armen unter deinem Volk davon essen; und was übrig bleibt, soll das Wild auf dem Feld essen. Ebenso sollst du verfahren mit deinem Weinberg und deinen Ölbäumen.
Diese Bestimmung denkt von der Bewirtschaftung des Landes her. Der soziale Aspekt ist eine „wichtige Nebenfolge“149. Immerhin ergibt sich eine Kombination von religiösen, ökonomischen und ökologischen Motiven. Diese Anordnung ist streng vom Sabbat her gedacht: Indiz dafür ist neben dem Siebener-Rhythmus die Verbindung der beiden Verben tbv und jwn,
Tempelweihfest 1 Kön 8. Schließlich ist auf Joh 7, 2–52 hinzuweisen, wo der johannneische Jesus sagt: „Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ (V.38) Ist hierin ein von unterschiedlichen Tradtionen her „kontaminiertes Zitat“ zu sehen, wie Wengst, Johannesevangelium, 292, es sieht? In jedem Fall steht neben dem Laubhüttenfest, an dem Jesus diese Worte äußert, auch eine Weiterführung der Tradition von Ez 47 hinter diesem Ausruf. Hier ist von dem großen Paradiesstrom die Rede, der aus dem Tempel entspringt. Interessant könnte an diesem Jesuswort auch der explizite Verweis auf die Schrift sein, da sich die Verbindung von Laubhüttenfest und Schrift immerhin in Dtn 31 und Neh 8 findet. Zu der Problematik insgesamt siehe S PRINGER, Neuinterpretation. 148 Dieses Verb kann im profanen Gebrauch auch „hinauswerfen“, „hinabstürzen“ bedeuten: vgl. 2 Kön 9,33, ebenso „außer Kontrolle geraten“: vgl. 2 Sam 6,6. Hier in Ex 23,22 und in Dtn 15,3 ist wohl eine Übersetzung mit „brach liegen lassen“ oder „nicht beachten“ angemessen. Siehe dazu Mulder, fmv , 199.200. 149 CRÜSEMANN, Tora, 267.
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die sich auch in Ex 16,23 und in den Sabbatgeboten der beiden Dekalogfassungen (Ex 20,11 und Dtn 5,14) findet. In beiden letztgenannten ist schon allein durch die Aufzählung all derjenigen, die den Sabbat ebenfalls halten sollen, der soziale Aspekt mitgegeben. Während die antiken Gesellschaften die Freiheit der sozialen Herkunft entsprechend verteilten, kommt nach dieser Regelung der freie siebte Tag allen Mitgliedern der Gesellschaft zugute150. Durch die Mannageschichte in Ex 16, die davon berichtet, wie Israel den Sabbat während der Wüstenwanderung „entdeckte“, ist der freie Tag mit der Wüstenzeit verknüpft. Die Regelung des Sabbatjahres in Lev 25, 2–7 steht noch sehr viel expliziter unter dem Gesichtspunkt der Sabbatruhe für das Land als im Bundesbuch (Lev 25,2). Hier ist das Land das Subjekt des Verbes tbv (AK cons kal), das als Objekt in einer Figura etymologica den Sabbat mit sich führt. Das Land erscheint wie eine Person, die den Sabbat hält. Bei dieser Bestimmung tritt der soziale Aspekt beinahe völlig in den Hintergrund: Alles, was das Land trägt, ohne bewirtschaftet worden zu sein, steht denen zur Verfügung, für die das Recht gilt, und ihrer unmittelbaren Umgebung: den Bediensteten und den Flüchtlingen (V.6.7). In Ex 23 sind die Nutznießer der Sabbatjahr-Regelung ausdrücklich die „Armen deines Volkes“ (ÔKR;mAo yEnOyVbRa in V.6.11). Diese Bevölkerungsgruppe wird in der gesamten „priesterlichen“ Gesetzgebung überhaupt nicht erwähnt. Der soziale Aspekt kommt in Lev 25 erst durch das Jobeljahr hinzu, das erst alle sieben Sabbatjahre, d.h. alle 49 bzw. 50 Jahre ausgerufen wird. Für unsere Fragestellung sind die hier verwendeten Begriffe und das Datum entscheidend: Das Jobeljahr steht unter der Überschrift der X®rDaD;b rwør;d, der „Freilassung im Land“ (Lev 25,10)151. Es soll zudem am Versöhnungstag eben jenen Jahres ausgerufen werden (V.9). Ganz offensichtlich ist in Lev 25,10ff dabei an eine vollständige Restitution der ursprünglichen Besitzverhältnisse gedacht (Lev 25,13):
wáøtÎzUjSa_lRa vy™Ia …wb›UvD;t taóøzAh l™Ebwø¥yAh t¶AnVvI;b Mit anderen Worten: „Alle Veränderungen im Besitz an Land und Boden sollen im Jobeljahr aufgehoben werden.“152 Hier hinein fügen sich auch die 150
MÜLLNER / D SCHULNIGG, Feste, 12. In Jer 34,17ff werden die Folgen der Nichtbeachtung der Freilassung geschildert. Dort wird die Freilassung mit dem Begriff rwrd bezeichnet. Zum Verhältnis von Jer 34,17f zu den entsprechenden Bestimmungen der Tora siehe MAIER, Jeremia, 266ff. 152 CRÜSEMANN, Tora, 330, der als historischen Hintergrund dieser Bestimmung das Ende des Exils ausmacht. Die 50 Jahre wären demnach genau die zwischen der Exilierung 587/6 und dem Kyrosedikt 538/7. Demnach würde das Exilsende mit einer Wiederherstellung der ursprünglichen Besitzverhältnisse einhergehen. Insofern kann Lev 25 als Ausdruck der Hoffnung gelesen werden, dass umfassende Gerechtigkeit auch nach langer Ungerechtigkeit wieder möglich ist. Siehe dazu C RÜSEMANN / CRÜSEMANN, Jahr, 22. 151
Die neue Ordnung
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Handelsbedingungen in Lev 25,14–19 und die endgültige Begründung dieser Restitution, in der Jhwh als der eigentliche Eigentümer des Landes in Erscheinung tritt (Lev 25,23):
My¢IbDvwøtw My¬îr´g_y`I;k X®r¡DaDh y™Il_yI;k t$UtImVxIl ‹rEkD;mIt aôøl X®r#DaDhw :yáîdD;mIo M™R;tAa Der soziale Aspekt ist demnach streng von dieser Wiederherstellung der ursprünglichen Besitzverhältnisse her gedacht, die auf das eine dominierende Besitzverhältnis zurückverweisen: Das Land gehört Jhwh153. Sowohl die Begrifflichkeit „Freilassung im Land“ (X®rDaD;b rwør;d in Lev 25,10) als auch das Datum (Versöhnungstag alle 50 Jahre) des Jobeljahres machen den Unterschied zu der in Dtn 31,9–13 avisierten regelmäßigen Verlesung der Mose-Tora am Laubhüttenfest des hDÚfImVv-Jahres deutlich. Verlesung der Tora und Jobeljahr haben nichts miteinander zu tun. Die Bestimmungen in Dtn 15 und 31 auf der einen und von Lev 25 auf der anderen Seite sind demzufolge bei einer verbindenden Gesamtschau der Festbestimmungen voneinander zu unterscheiden. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie sich dabei gegenseitig ausschließen. Im Gegensatz zu den Bestimmungen im Bundesbuch zum hDÚfImVv-Jahr und in der „priesterlichen“ Ordnung zum Sabbatjahr steht in der Bestimmung des Deuteronomiums der soziale Aspekt im Vordergrund (Dtn 15,1– 2). Bereits anhand der Einbettung durch das vorangehende Zehntgesetz Dtn 14,22–29 wird die beherrschende Stellung des Sozialen für das deuteronomische Erlassjahr überdeutlich markiert. Im Drei-Jahresrhythmus soll der Zehnte nicht am Zentralheiligtum abgegeben und davon ein großes Essen ausgerichtet werden (14,22–27), sondern am Wohnort in ein Essen für die Leviten und Bedürftigen umgesetzt werden (V.28). Die Konzentration auf das Freudenmahl und damit auf die Sozialgesetzgebung lässt sich somit nicht übersehen154. Dieser soziale Zug setzt sich in den Bestimmungen zum Erlassjahr fort, indem gleich zu Beginn ein genereller Schuldenerlass alle sieben Jahre gefordert wird. Dass dieses Gesetz unmittelbar auf die Armutsbekämpfung hin ausgerichtet ist, macht V.11 als Zielpunkt der Argumentation deutlich (Dtn 15,11): Ja, die Armut wird nicht aus dem Inneren des Landes weichen. Darum gebiete ich dir: Öffne ganz bestimmt deine Hand gegenüber deinem Bruder und deiner Schwester, gegenüber deinem Bedrückten und deinem Armen in deinem Land.
153 154
Siehe dazu CRÜSEMANN, Tora, 353ff. CRÜSEMANN, Tora, 251–256.
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Kapitel 3: Der Moabbund
Die Eröffnung der deuteronomischen Fassung dieses Gesetzes setzt die Institution der hDÚfImVv offensichtlich als bekannt voraus155. Auf kanonischer Ebene muss die unvermittelte Erwähnung der hDÚfImVv als Stichwortverweis auf Ex 23,10–13 verstanden werden156. Insofern ergibt sich die Möglichkeit, diese deuteronomische Bestimmung als Ausweitung der vorangegangenen Bestimmugen zum hDÚfImVv-Jahr in Ex 23 zu begreifen. Vom hDÚfImVv-Jahr zum Sabbatjahr in Lev 23 ist insofern eine Verbindung herzustellen, als hier zum einen der gleiche Zeitrhythmus vorgegeben ist und sich zum anderen über Ex 23,12 eine Verbindung von Sabbatruhe und der hDÚfImVv recht mühelos herstellen lässt. Während bei diesen beiden Bestimmungen die soziale Komponente neben der agrarischen Brache eher ein „wichtiger Nebenaspekt“ war, setzt das deuteronomische Gesetz genau hier den eindeutigen Schwerpunkt. Im Gesamthorizont des Pentateuch stellen die deuteronomischen Bestimmungen zum Erlassjahr die agrarische Brache nicht in Frage, sondern bleiben – das zeigen die Stichwortverbindungen und der Zeitrhythmus an – durchaus auf sie bezogen. Vertraut man sich der kanonischen Darbietung der Gesetze und Satzungen an, lässt sich sagen: Mose verschärft am Ende der Tora die vorangegangenen Bestimmungen, ohne sie in dem Sinne zu „überbieten“, dass sie obsolet würden. Vom Gesamthorizont der Tora ließen sich demzufolge die Bestimmungen zum hDÚfImVv-Jahr bzw. Sabbatjahr folgendermaßen paraphrasieren: Alle sieben Jahre soll auf den Ertrag des Ackers und darüber hinaus auf sämtliche Außenstände bei den Angehörigen des eigenen Volkes verzichtet werden157.
155
N IELSEN, Deuteronomium, 159, der freilich entstehungsgeschichtlich argumentiert und davon ausgeht, dass das Erlassjahrgesetz Ex 23,10–13 zum Zeitpunkt der Abfassung der dtn-Gesetze bereits etabliert war. 156 Entstehungsgeschichtlich wird auch für das deuteronomische Gesetz als Ursprung eine agrarische Brache angenommen. Siehe dazu BRAULIK, Dtn I, 110–111. Schließlich lassen sich auch in der AO-Umwelt vergleichbare Regelungen nachweisen, die u.a. auch eine soziale Komponente beinhalteten. Diese Erlasse waren jedoch unregelmäßig und unberechenbar. Siehe dazu das bei KRAUS, Verfügungen, gesammelte Material. Hier im Deuteronomium ist die Berechenbarkeit festgelegt: „Wer mit dem – versteckten oder offenen – Ziel leiht, dadurch Abhängigkeiten zu erzeugen, Menschen und Land in seine Hand zu bekommen, was die Regel gewesen sein dürfte, verliert durch ein solches Gesetz seine Grundlage.“ (CRÜSEMANN, Tora, 267). Zur Erinnerung: Es handelt sich nach AORecht immer auch um Abhängigkeiten des Schuldners, der Schuldnerin, die bis in die eigene Familie bzw. sogar eigenen Leib hineingingen. Um die Loslösung solcher Leibeigenschaften geht es hier in Dtn 15. So gesehen wird entstehungsgeschichtlich betrachtet aus dem Loslassen der Erträge eines Wirtschaftsjahres das Loslassen aller Schulden, aus dem Verzicht auf Ernteerträge ein Verzicht auf alle Schulden. 157 Dass es sich dabei um ein bloßes Moratorium im siebten Jahr handelt, wird man kaum annehmen können. Dagegen spricht die Bedeutung des Verbs fmv „losslassen“, „verlassen“, „preisgeben“ (s.o.) und die Warnungen in Dtn 15,9.10. So auch N IELSEN, Deuteronomium, 160; BRAULIK, Dtn I, 111.
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Das Erlass- bzw. Sabbatjahr erfährt zusätzlich noch außerhalb der Tora eine wesentliche Näherbestimmung. Der Bericht über die Beschneidung der Israeliten durch Josua schließt mit der ersten Passahfeier im Land ab (Jos 5). Mit diesem Fest ist die Zeit, mit der Israel von Jhwh durch das Manna gespeist wurde, endgültig vorbei (Jos 5,12):
X®r$DaDh r…wâbSoEm ‹MDlVkDaV;b t#rFjD;m`Im N%D;mAh t°O;bVvˆ¥yÅw ‹tAa…wbV;tIm …w#lVkaø¥yÅw N¡Dm l™EarVcˆy y¶EnVbIl dwöøo hÎy¶Dh_aølw :ay`IhAh h™DnDÚvA;b NAoYÅnV;k X®rRa Es ist schon immer gesehen worden, dass sich im Anfang des Josuabuches, insbesondere in Kap 5 Verweise in den gesamten Pentateuch hinein finden lassen158. So können mühelos Bezüge vom Bericht der Passahfeier in Jos 5,10–12 zu den „priesterlichen“ Pessachbestimmungen in Ex 12 und Lev 23 hergestellt werden159. Die Andeutungen von Jos 5,12 gehen jedoch noch darüber hinaus: In Lev 25,2 heißt es zu Beginn der Gesetze zum Sabbatjahr, dass das Land bei der Einnahme durch Israel „einen Sabbat für Jhwh“ feiern wird. Was Israel in diesem Jahr essen wird, hat es nicht selbst gesät (Lev 25,4.6.7). Nun sind in Jos 5,12 genau diese Umstände gegeben. Israel ißt im Jahr der Landnahme von den „Hervorbringungen des Landes“ (vgl. Lev 25,7.12.22), ohne sie gesät zu haben. Mit anderen Worten: Im Jahr der Landnahme erfüllt Israel exakt die „priesterlichen“ Bestimmungen des Sabbatjahres160. Die Aussage von Lev 25,2 wird demzufolge in Jos 5,12 endgültig bestätigt: Das Jahr der Landnahme ist ein Sabbatjahr. In Jos 5,12 fällt darüber hinaus die präzise, auf den Tag genaue Angabe des Tages (trFjD;mIm) auf, an dem die Speisung durch das Himmelsbrot an ihr Ende kommt. Zweifelsohne ist hiermit ein Verweis auf Ex 16,35 und damit auf den Beginn des Manna gegeben. Bereits am Anfang wird darauf hingewiesen, dass das Himmelsbrot nur für die Wüstenzeit gegeben werden soll, bis zu der Zeit, in der sie in „bewohntes Land“ kommen. Die Speisung durch Manna und die Wüstenzeit werden in Ex 16 darüber hinaus 158
Siehe dazu BLUM, Beschneidung. BLUM, Beschneidung, 300–302, der hier insbesondere auf die Parallele von Jos 5,11 zu Lev 23,5 und Ex 12,18–10 verweist. Er erwägt in diesem Zusammenhang, von einem „Midrasch“ der genannten Passahbestimmungen zu sprechen. Allerdings bedarf BLUMs Deutung, dass es sich in Jos 5 um eine Wiederholung des Exoduspassah im Sinne einer „göttlichen Typologie“ handelt, aus kanonischer Perspektive weiterer Differenzierung. Der „Wiederholung“ kommt – schon alleine aufgrund ihres Sitzes im Kanon außerhalb der Tora – eine völlig andere Stellung innerhalb des Geschichtsbildes zu als dem Ursprungsereignis. Auch hier würde für eine nähere Betrachtung dieser Differenz RÜSEN s Unterscheidung zwischen „fundierender“ und „exemplarischer“ Geschichtsschreibung weiterhelfen. Siehe dazu die Überlegungen unter A.II. 160 Dies mag zusätzlich durch die Verwendung des Verbs tbv am Anfang von Jos 5,12 mit angezeigt sein. Allerdings ist der „profane“, d.h. nicht unmittelbar auf den Sabbat bezogenene Gebrauch dieses Verbs auch breit belegt, siehe etwa Gen 8,22; Jes 24,8. 159
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untrennbar mit dem Sabbat verknüpft. Die Zahl Sieben gibt einen Zeitrhythmus vor, der eine absolute Verteilungsgerechtigkeit garantiert. Unabhängig davon, wieviel der oder die Einzelne sammelt, am Ende hat jeder soviel gesammelt, dass es zum Sattwerden reicht (Ex 16,17.18). Vorräte unter der Woche verderben (V.18.19). Nur an dem Tag vor dem Sabbat erhält Israel die doppelte Menge Manna (V.23.24), so dass es für den Feiertag reicht. Die Zeit des Manna wird in der Erzählung Ex 16 durch den Sabbatrhythmus zum Inbegriff der Verteilungsgerechtigkeit in der Wüste. Diese Mannazeit geht in das erste Sabbatjahr über, in dem sich Israel ebenfalls wie im Jahr vor dem Sabbatjahr auf den von Jhwh gewährten doppelten Ertrag des Landes verlassen soll (Lev 25,21.22). Israel wird im Sabbatjahr zurück in die Wüstenzeit versetzt. Aus den unterschiedlichen Bestimmungen der Tora mit ihren besonderen Kommunikationsgefügen, innerhalb derer sie mitgeteilt werden, ergibt sich für die Auslegung ein Spielraum, den es bei der konkreten Anwendung dieser Bestimmungen zu nutzen gilt161. Das Nehemiabuch hält auch für die Bestimmungen des Erlass- bzw. Sabbatjahres der Tora eine exemplarische Geschichtserzählung bereit, bei der sich inhaltliche und begriffliche Übereinstimmungen mit allen drei Erlass- bzw. Sabbatjahrbestimmungen finden lassen (Neh 10,32):
MwôøyV;b rRb%Rv_lDkw tw°øj;qA;mAh_tRa ·MyIayIbVm`Ah X®r&DaDh yE;mAow v®dúOq MwâøyVb…w t™D;bAÚvA;b M¢RhEm jñå;qˆn_aøl rw$ø;kVmIl ‹tD;bAÚvAh :d`Dy_lDk a¶DÚvAm…w ty™IoyIbVÚvAh h¶DnDÚvAh_tRa vöOÚfˆnw Zunächst ist dieser Bericht – ähnlich wie in Neh 8,14 – mit einer Formulierung eingeleitet (V.30), der sowohl an der Autorität Gottes als auch an der Mittlerstellung des Mose in Bezug auf die Tora festhält. Die Kommunikationsebenen der Gesetzesvermittlung in der Tora finden auch hier ihren Niederschlag. Ein wörtlicher Bezug lässt sich zu den Erlassjahrbestimmungen des Bundesbuches und des Deuteronomiums herstellen: Das Verb vfn zur inhaltlichen Bestimmung des Erlassjahres begegnet in Ex 23,11 neben fmv. Das ist insofern bemerkenswert, als dass das Verb, das im Bundesbuch die agrarische Brache beschreibt, hier in Neh 10 mit der Wendung von Dtn 15,2 mit den wødÎy hEÚvAm lAoA;b_lD;k zusammengefügt wird und es somit zur Ausformulierung des Schuldenerlasses dient. Ganz offensichtlich begegnen wir im Nehemiabuch einer für die konkrete Anwendung typischen eklektischen Lektüre der Erlassjahrbestimmungen162. Allerdings, das 161
Vgl. dazu die Ausführungen bei CRÜSEMANN, Tora, 418–423. Dass die sog. „priesterlichen“ Bestimmungen bei diesem Bericht nicht gänzlich ausgespart sind, zeigt Neh 10,35, die Bestimmung des innerhalb der levitischen Sippen rotierenden Dienstes am Heiligtum. Hier wird ausdrücklich auf Lev 6,5 Bezug genommen. 162
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hat dieser Durchgang gezeigt, ergibt sich sowohl für die Rezeption in Neh 8 als auch in Neh 10 eine deutliches Übergewicht der deuteronomischen Bestimmungen, also der durch Mose übermittelten Gesetze. 2.2.3. Die Verlesung der Mose-Tora Nun stellt sich die Frage, warum die Tora am Laubhüttenfest des Erlassjahres verlesen werden soll. Warum werden ausgerechnet diese beiden Größen in den Festkalendern miteinander verbunden und als Termin der relecture ausersehen? Beiden ist gemeinsam, dass sie mehrfach auf die Wiederherstellung der Wüstensituation abzielen. Damit wird die Situation des „Nullpunktes“163 vor der Landnahme164, die von der im Exodus geschenkten Freiheit geprägt ist, zum regelmäßig wiederkehrenden Bestandteil des Lebens im Land. Dies gilt es, im Folgenden noch etwas näher zu entfalten. Laubhüttenfest und Erlassjahr sind beide auch ohne ihre heilsgeschichtliche Einbindung „Neuanfangsfeste“. Ich hatte oben zu zeigen versucht, dass auf kanonischer Ebene das Laubhüttenfest insgesamt als „Fest des Sammelns“ verstanden werden kann. Schon allein von den Bestimmungen des Bundesbuches her (Ex 23,16) ergibt sich damit jedoch, dass an diesem Datum der Jahreswechsel stattfindet. Auf das Vergangene wird zurückgeblickt und das Kommende in den Blick genommen. Der ausdrückliche Bezug des Laubhüttenfestes zur Wüstenzeit ergibt sich in den „priesterlichen“ Bestimmungen Lev 23,42.43, in denen zugleich eine ausdrücklich didaktische Zielrichtung festgehalten ist: Die Nachkommen sollen dadurch lernen, wie es der Wüstengeneration ergangen ist. Die Liste der am Laubhüttenfest Teilnehmenden in Dtn 16,14 fügt diesem Datum noch den sozialen Charakter hinzu. Doch erst durch die Verbindung des Laubhüttenfestes mit dem Sabbatbzw. dem Erlassjahr bekommt die soziale Ausrichtung des Datums der Toraverlesung ihren eindeutigen Maßstab. Zwar scheinen die Ordnungen des Bundesbuches (Ex 23,10–13) und des Heiligkeitsgesetzes (Lev 25,1–7) auf den ersten Blick nur von einem „Sabbat des Landes“, sprich von einer agrarischen Brache her zu denken. Neben der restitutio in integrum werden bei näherem Hinsehen – vor allem von Jos 5 her – die intertextuellen Bezüge zu Ex 16 unübersehbar. Damit aber kommen die sozialen Aspekte des durch die Siebenzahl strukturierten Zeitrhythmus’ in den Blick, der auf
163
H ARDMEIER, Schema’ Jisrael, 65. LOHFINK, Sonntagslesung, 494, sieht in dem Vorschlag BRAULIKs einer Liturgiereform, in der in einem dreijährigen Zyklus die gesamte Tora verlesen wird, die Chance zur Einholung der Schwellensituation, an der Mose den Auftrag zur regelmäßigen Verlesung der Tora erteilt. Dies sei dem christlichen „Schon und noch Nicht“ angemessen. Inwieweit dies möglich ist, ohne sich dann nicht doch wieder eine „Christianisierung“ des Alten Testamentes einzuhandeln, müsste im Einzelnen diskutiert werden. 164
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absolute Verteilungsgerechtigkeit abzielt. An die Stelle des Manna treten im ersten Jahr der Landnahme die Erträge, die das Land hervorbringt, ohne dass Israel zuvor gesät hat. Man wird annehmen dürfen, dass mit jedem Jahr, in dem das Land seinen Sabbat feiert, die Manna-, also die Wüstenzeit wieder in Erinnerung gerufen wird. Sie ist der Maßstab für die Verteilungsgerechtigkeit, die in Israel in regelmäßigen Abständen hergestellt werden soll, wenn die Tora verlesen wird. Ein weiterer Aspekt der Verbindung von Laubhüttenfest und Erlassjahr ist hier ebenfalls zu bedenken: Die Erntezeit, so steht zu vermuten, ist der Zeitpunkt, an dem die Armen – wenn überhaupt – ihre Schulden bezahlen konnten. Von daher ist das Laubhüttenfest der Zeitpunkt, an dem die größte Chance besteht, dass die Schuldner bzw. Schuldnerinnen zu den Einkünften kommen, die sie erarbeitet haben und sich somit aus der in der Antike weit verbreiteten Schuldabhängigkeit165 lösen können. Eine so gründliche, radikale Regelung zielt letztlich auf die „Befreiung des Gottesvolkes von jeglicher Armut“166 ab. Mit anderen Worten: Die Mitglieder des Volkes sollen wieder materiell untereinander gleichgestellt sein, d.h. die Grundbedingungen der Zeit sollen die gleichen sein wie die zur Wüstenzeit, zu der Zeit also, an deren Ende Mose den Auftrag gab, die Tora regelmäßig zu verlesen. Wenn Mose bei der schriftlichen Niederlegung der Tora anordnet, dass sie alle sieben Jahre verlesen werden soll (Dtn 31,9–13), dann ist hierin demzufolge eine Rückkehr zum „Tag“ des Deuteronomiums zu sehen: „Im rituellen Spiel des Lernens eines ganzen Volkes gerät dieses wieder in die Ursituation hinein, aus der seine Lebensordnung entspringt. [...] In einem öffentlichen Lernritual steht Israel als ‚Versammlung‘ wieder am Horeb, und die Gesellschaft Jahwes wird im kollektiven Bewußtsein neu geboren.“167 Wie ich oben versucht habe zu zeigen168, findet die Versammlung am Horeb ihre Entsprechung in den Hörern und Hörerinnen der Moserede und damit auch in der Festversammlung am Laubhüttenfest des Erlassjahres169. Das Lernziel am Laubhüttenfest des Erlassjahres wie bei den beiden
165
Siehe dazu K ESSLER, Schuldenwesen; CRÜSEMANN, Tora, 218ff. BRAULIK, Dtn I, 112. 167 LOHFINK, Sonntagslesung, 159. 168 Siehe oben S. 296ff. 169 Für O TTO, Dtn im Pentateuch, 180, ist diese Verknüpfung von Laubhüttenfest und Erlassjahr ein Werk der Pentateuchredaktion: „Geschickt verknüpft der Pentateuchredaktor in Dtn 31,10 die Formierung eines ‚Sitzes im Leben‘ für den Pentateuch, der zunächst rein literarischer Natur ist, aber wie Neh 8 zeigt, kultische Realisierung erfahren hat, mit der Semitta-Gesetzgebung des Deuteronomiums in Dtn 15,1 und der Festordnung des Laubhüttenfestes in Dtn 16,13–16. Die von Mose einberufene Versammlung in Moab wird zum Vorbild für das alle sieben Jahre zusammenströmende Auditorium zur Verlesung der Tora während des Laubhüttenfestes. Die Moabversammlung ihrerseits hat für 166
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vorgängigen Bundesversammlungen ist das gleiche: „Jhwh fürchten“. Die Lernpraxis und Gotteserfahrung hat ihren Ort am Fest170. 2.2.4. Der „geschichtliche Ort“ Nach dem Gang durch die Torabestimmungen von Laubhüttenfest und Erlassjahr und einer näheren Bestimmung dessen, worauf die Kombination beider Institutionen in Dtn 31,9–13 abzielt, lassen sich Schlussfolgerungen über den geschichtlichen Ort der Moserede und damit zugleich des Toralernens im Land ziehen. Wenn hier vom „geschichtlichen Ort“ die Rede ist, so möchte ich damit zum Ausdruck bringen, dass dies kein „Zeitpunkt“ ist, der sich mit dem modernen, linearen Zeitverständnis begreifen und auf einem Zeitstrahl bestimmen ließe. Ein rein produktionsästhetischer Zugang, der die Texte unter dem Gesichtspunkt ihrer Entstehung chronologisch einordnet, genügt an dieser Stelle nicht171. Die Textgenese allein – und damit der Text selbst – ist ein Ereignis, dem unter den vielen anderen Ereignissen keine besondere Bedeutung zukommt. So aber bleibt das komplexe System völlig ausgeblendet, wie sich die biblische Geschichte mit der jeweiligen Gegenwart der Nachkommenden verbindet, vergegenwärtigt, ja sich ihrer sogar bemächtigt. Mit dem modernen Geschichtsverständnis kommen wir dem biblischen Geschichtsverständnis, so wie es an dieser Stelle greifbar wird, nicht näher, sondern es wird dadurch eher verstellt. Die Rede des Mose und das Tora-lernen vollziehen sich an einem geschichtlichen Ort, der immer wieder eingeholt und in Festen aufgesucht wird. Seine besonderen Umstände und die mit ihnen gegebene Qualität zeichnen ihn aus. Während eine historische Auslegung der Texte der Tora den möglichen Entstehungshintergrund rekonstruiert, um vor ihm diese Texte zu verstehen, wird eine kanonische Auslegung versuchen, den
den Pentateuchredaktor ihr Vorbild in der Versammlung des Volkes am Sinai / Horeb (Dtn 4,10 / Dtn 5,1).“ BRAULIK, Gedächtniskultur, 21ff datiert demgegenüber Dtn 31,9–13 sehr viel früher mit der Begründung, dass die Anordnung, die Tora zu verlesen, wohl immer ihren sachgemäßten Platz am Ende des Buches hatte, das in der josianischen Zeit wichtig war. Es geht (wie in den hetitischen Vasallenverträgen) um das Kennen und Bewahren des Vertragstextes. Es ist auffällig, dass sich 31,10–13 an die Autoritäten des Volkes richtet. Der archetypische Ort ist der Horeb. Dies macht BRAULIK am Stichwort lhq in 5,22 und 31,12 fest. Wo Tora verlesen wird, tritt Israel wieder in diese Ursituation mit ein. 170 BRAULIK, Gedächtniskultur, 23. 171 Vgl. LOHFINK, Sonntagslesung, 489, der gerade im Zusammenhang mit der hier verhandelten Problematik ausführt: „... dann ortet man sie auf dem geheimen Geschichtsfries da, wo sie nach Meinung der modernen Literaturhistoriker geschrieben worden sind.“
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Grundkoordinaten der Rezeptionsumstände nachzuspüren, die der Text selbst festlegt. Die Tora bestimmt, unter welchen Bedingungen sie angemessen verstanden wird, indem sie von der „Ursituation“ ihrer Promulgation erzählt und anweist, diese in regelmäßigen Abständen zu wiederholen. Entstehungsgeschichtlich gesehen hatte die Anordnung, die Tora zu verlesen, wohl immer ihren sachgemäßen Platz am Ende des Buches, das in der josianischen Zeit wichtig war. Formal gesehen geht es um das Kennen und Bewahren des Vertragstextes. Doch der erzählerische Rahmen geht darüber hinaus: Wo Tora verlesen wird, tritt Israel wieder die Ursituation ein. Dabei fordert die Tora Israel nicht dazu auf, sich in einer gleichsam theatralischen Prozession wieder an die Grenze des Landes nach Moab zu begeben. In Dtn 31,9–13 kommt viel Weitreichenderes in den Blick: In regelmäßigen Abständen soll das wesentliche Moment der Wüstenerfahrung erneuert werden: Die materielle Gleichstellung aller Mitglieder des Volkes und der Fremdlinge. Das ist die Grundbedingung, unter der Tora so gelernt werden kann, wie Israel damals von Mose die Tora lernte. Diese besondere Eigenschaft des Kanon, sich seine Rezeptionsbedingungen quasi selbst zu schaffen, lässt sich wohl nicht in irgendeiner Form „methodisch“ einfangen. Die Erfahrungen, die beim „Loslassen“ gemacht würden, die Beziehungen, die dadurch neu entstünden, wären wohl der Hintergrund, der Kontext, in dem die Texte der Tora angemessen verstanden würden. Die Tora ist als Kanon nicht nur ein fest umgrenzter Textkorpus, sondern er definiert als Geschichtsschreibung einer Gemeinschaft zugleich den geschichtlichen Ort, an dem er rezipiert werden will. Genauer: Aus der „Gründungszeit“ ragt ein Auftrag in die Gegenwart hinein, der die Mitglieder der Gemeinschaft in eine qualitativ gleiche geschichtliche Situation bringt. Dies war eine Situation, in der alle gleich viel besaßen, wie damals vor dem Eintritt in das Land (vor der Verteilung des „Erbteiles“ in Jos 13ff.). Damit gelangt Israel an den „Ort“, an dem es wieder neu lernt, seinen Gott von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit aller Kraft zu lieben. Für den Fortgang der vorliegenden Untersuchung bleibt festzuhalten: Das Laubhüttenfest im Erlassjahr und das Exil sind beide qualifiziert durch die Moserede in Moab, die nun wiederum bei einem Generationswechsel an der Epochenschwelle zum verheißenen Land gehalten wird. Dabei werfen die Bestimmungen zum Laubhüttenfest und zum Erlassjahr ein bezeichnendes Licht zurück auf diesen „Ort“: An ihm werden die Maßstäbe gesetzt für ein toragemäßes Leben im Land. Er bleibt immer ein kritisches Korrektiv gegenüber allem Wirtschaften, Handeln und Arbeiten, das sich im Land abspielen mag. Wird dieser „Ort“ durch das toragemäße Feiern nicht in regelmäßigen Abständen aufgesucht, verliert Israel damit auch seinen Gottesbezug, damit jedoch gleichzeitig das, was den Erzeltern verheißen worden war. Diesen (Ab-)Weg zeigt der in den Büchern Ri – 2.Kön dargestellte Geschichtsbogen auf. Der Aspekt des aus der Sicht des Deute-
Der zukünftige Ungehorsam
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ronomiums zukünftigen Ungehorsams ist nun Gegenstand des folgenden Abschnittes.
3. Der zukünftige Ungehorsam 3.1. Die Gottesrede in Dtn 31 Die Analyse von Dtn 31 hatte ergeben, dass die Nachfolgeregelungen des Mose bis zu dem Zeitpunkt, an dem Jhwh im Zelt der Begegnung das Wort ergreift, ihren ungestörten Gang gehen (Dtn 31,16–21.23.26–19)172. Mose setzt Josua in sein Amt ein (V.1–8) und befolgt damit den ausdrücklichen Befehl Jhwhs (Dtn 1,38; 3,28). Mose schreibt darüber hinaus die Tora auf und übergibt sie den Ältesten und Priestern (V.9–13). All dies fügt sich in eine gewisse Ordnung, diejenige des bisherigen Duktus des Deuteronomiums. Wenn nun in V.14 Jhwh in seiner Rede zunächst noch einmal Mose an seinen nahen Tod erinnert und ihn und Josua in das Zelt der Begegnung bestellt, so wäre nun besonders nach der Parallelität der beiden ersten Reden zu erwarten, dass Josua in seiner Führungsposition von Jhwh selbst noch einmal bestätigt wird, was dann ja auch in V.23 (und später in Jos 1 noch einmal) geschieht. Doch nach der feierlichen Einbestellung Moses und Josuas beginnt die große Gottesrede in V.16f. mit der Ansage des Ungehorsams Israels nach Moses Tod. Wie lässt sich der Text in seiner jetzigen Gestalt überhaupt sinnvoll lesen? Warum schildert der biblische Erzähler erst ausführlich in aller Differenziertheit die Nachfolgeregelungen des Mose, um dann im nächsten Atemzug das gründliche Scheitern dieser Konzeption vorherzusagen? Hängt der Gehorsam Israels doch an Mose? Dreimal (V.16.27.29) betont Jhwh in seiner Rede, dass Israel wieder auf Abwege geraten wird, sobald Mose gestorben ist173. Nicht nur der Sinn der Nachfolgeregelungen steht damit in Frage, sondern der der Mosereden an der Schwelle zum verheißenen Land überhaupt. Streicht sich das Buch Deuteronomium an seinem Ende selbst durch? Die ältere Forschung sprach denn auch von einem „Gipfel der Konfusion“174, der an dieser Stelle erreicht sei. Tatsächlich gibt es gute Gründe, davon auszugehen, dass die Gottesrede (V.16–21.23.26–29) später in den Text eingetragen wurde. Der logische Anschluss von V.23 an V.15 ist die Grundlage für die literarkritischen Operationen der nach der Genese dieses Textes fragenden Forscher und
172
Siehe S. 268ff. Die Nichtanwesenheit Moses war bereits in Ex 32,1 (vgl. Ex 20,19) nach Darstellung des biblischen Erzählers der Auslöser dafür, dass Israel auf Abwege geraten ist. Siehe S. 223. 174 So noch Staerk, Zitat bei PREUSS, Deuteronomium, 163. 173
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Forscherinnen. So urteilte Noth: „Zuletzt ist dann doch die sehr sekundäre Einleitung zum Moselied (Dtn 31,16–22) recht ungeschickt mitten in das zusammenhängende Stück Dtn 31,14.15.23 eingeschoben worden und ebenso der weder nach rückwärts noch nach vorwärts im Zusammenhang verankerte ‚Segen Moses‘ (Dtn 33,1–29).“175 Noth ging sogar noch weiter und sah die Theophanieschilderung (V.14.15.23) insgesamt als sekundär an und vermutete einen Redaktor, der hinter dem Gespräch V.7.8 eine Feierlichkeit im Sinne von P setzte176. Schäfer-Lichtenberger geht ebenfalls von einer ursprünglich selbständigen Theophanieszene aus, die dann durch die Gottesrede auseinanderdividiert und auf den jetzigen Text verteilt werde. Ihr Argument für ein spätes Hinzukommen der Theophanie liegt darin begründet, dass Offenbarungen im Lande Moab für einen dtn/dtr Erzähltext „mehr als ungewöhnlich“ sei. Der Ort der Theophanie sei laut Dtn 5; 9–10 der Horeb177. Demgegenüber sieht sie den ersten Teil der Jhwh-Rede V.16–19 zusammen mit der Amtsübergabe an Josua V.1–3a.4–13 als deuteronomistisch an178. Wieder an die herkömmliche Sicht anknüpfend, schreibt Otto die Verankerung des Liedes (Dtn 31,16–22.27–29) einem postredaktionellen Autor zu, der Mose als Prophet herausstellen wolle. Als sachliche Grundlage dieser Erweiterung dient Dtn 18,9–22. In Moab ergehe eine erneute Offenbarung mit der Ansage des Unheils. Auf diese Weise werde der gesamte Pentateuch noch einmal völlig umgedeutet: „Die um das Moselied erweiterte Tora übernimmt die prophetische Funktion des Mose.“179 Beides, die ungewöhnliche Stelle der Theophanie im Erzählduktus und die veränderte Rolle der Tora, ist im Folgenden zu diskutieren. Der Ort der Theophanie, das „Zelt der Begegnung“, ist im Zusammenhang der Abwege Israels dem Leser der kanonischen Endgestalt der Tora von Ex 33 her wohlbekannt. Hier hatte Mose mit Jhwh nach dem Guss des goldenen Stierbildes die Voraussetzungen für die Bundesschlüsse in Ex 34,10.27.28 ausgehandelt und so erst zu seiner Mittlerstellung gefunden180. Diese Funktion behält das „Zelt der Begegnung“ bekanntlich im Laufe der Wüstenzeit. So in Num 14,10: Als das Volk Josua und Kaleb steinigen möchte, weil sie trotz der Ängste der Landverheißung Vertrauen schenken
175
N OTH, ÜS, 40. Vgl. N IELSEN, Deuteronomium, 275. N OTH, ÜS, 35 Anm 126. 177 Siehe SCHÄFER-LICHTENBERGER, Josua und Salomo, 179, die darauf hinweist, dass diese Konzeption „in allen dtr Texten durchgehalten“ worden ist. Elia muss bis zum Horeb wandern, um einer Theophanie teilhaftig zu werden (1.Kön 19). 178 SCHÄFER-LICHTENBERGER, Josua und Salomo, 182–183. Allerdings hält sie die Veränderung des Verbes btk in V.19 in den Plural für sekundär. Er wurde erst eingetragen, als auf einer späteren Stufe – und das ist für ihre Fragestellung wichtig – Josua zum Mitverfasser der Tora wurde (s.u.). 179 O TTO, Dtn im Pentateuch, 195. 180 Siehe dazu S. 243ff. 176
Der zukünftige Ungehorsam
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möchten, erscheint Jhwh mitten im Aufstand im Zelt der Begegnung181. Auch hier kommt Mose wieder seiner Rolle als Fürbittender nach und bewegt Jhwh dazu, dass wenigstens die nachfolgende Generation ins Land darf. Hier in Dtn 31 fehlt das dialogische Element, das sonst mit dem „Zelt der Begegnung“ einhergeht. Dies ist ein erster Hinweis auf die Grundsätzlichkeit, mit der in diesem Kapitel die Abwege Israels behandelt werden182. Geht man bei der Analyse von der Lektüre von Dtn 31 in seiner kanonisch gewordenen Gestalt aus, dann erfolgt die Rede, in der Jhwh den Ungehorsam Israels vorhersagt, immerhin an einer markanten Stelle. Der Bericht der Einsetzung Josuas und die schriftliche Niederlegung der Tora ließe eine Bestätigung Josuas und eine Inkraftsetzung der Tora aus dem Munde Jhwhs erwarten. Jhwh bestätigt tatsächlich nach der Ansage des Ungehorsams die Amtsübergabe an Josua (V.23). Über die von Mose aufgeschriebene Tora fällt zunächst noch kein Wort. Stattdessen wird das Lied, das ja in der Tat u.a. den Ungehorsam Israels besingt (32,15ff), in der Theophanierede „eingesetzt“: Von Jhwh selbst kommt – entgegen möglicher Leseerwartungen – der Auftrag, das Lied aufzuschreiben (V.19), das in den Zeiten des Übels als Zeuge in Israel fungieren soll. Jhwh selbst garantiert, dass es von zukünftige Generationen nicht vergessen wird (V.21). So ergibt sich folgende schematische Gliederung183:
181
Vgl. dazu die ganz ähnliche Funktion in Num 11,24ff. Auch hier schlichtet Mose den Konflikt zwischen Jhwh und seinem Volk in dem „Zelt der Begegnung“. Siehe dazu S. 233ff. 182 O TTO, Dtn im Pentateuch,188, rechnet auch Dtn 31,14ff der Pentateuchredaktion zu und hebt ebenfalls den Zusammenhang zu Ex 33,7–11 hervor. Er begründet diese Zuordnung damit, dass das Motiv des Zeltes der Begegnung und der Wolkensäule nicht mehr vorkommt. Durch diese entstehungsgeschichtliche Argumentation bekommt er nicht in den Blick, dass die Epochen in ihrer Qualität voneinander abgegrenzt sind. Das Zelt der Begegnung, die Tatsache, dass Gott mit Mose redet wie er mit einem Freund redet (Ex 33,11), all das gehört der Sache nach in die Moseepoche. Hier, in Dtn 31, befinden wir uns jedoch bereits an einer Epochenschwelle, wodurch sich der Charakter des Dialoges zwischen Mose und Jhwh verändert hat (Dtn 3,26 könnte grundsätzlicher gemeint sein als bislang angenommen). Dieser Qualitätsunterschied der verschiedenen Erwähnungen des „Zeltes der Begegnung“ sollte nicht aufgelöst werden, sonst wird das Profil des biblischen Geschichtsbildes verwischt. 183 Die Segmente, in denen sich der biblische Erzähler zu Wort meldet, sind normal, die Reden sind kursiv gesetzt.
318
Kapitel 3: Der Moabbund
1.2a Mose richtet sich an das gesamte Volk
14a Jhwh wendet sich an Mose
23 Jhwh wendet sich an Josua
3–6 Mose Tod; Jhwh / Josua wird vor dem Volk ins Land ziehen, Ermahnung, „fest und mutig“ zu sein, Gebot der Furchtlosigkeit, Beistandszusage
14b Mose Tod; Josia soll in das Begegnungszelt kommen
Ermahnung, „fest und mutig“ zu sein, Zusage des Beistandes
9.10a Mose legt die Tora schriftlich nieder und übergibt sie den Ältesten und Leviten
14b–16a. Mose & Josua im Zelt der Begegnung
24.25a Mose vollendet das Schreiben des Torabuches und beauftragt die Leviten
10b–13 Auftrag zur regelmäßigen Verlesung der Tora mit dem Ziel: hören, lernen, Gottesfurcht > auch für künftige Generationen
16b–21 Nach Mose Tod folgt der Ungehorsam Israels und das daraus resultierende Unheil. Beide sollen das Lied aufschreiben, das als dEo in Israel fungieren
26–29 Tora-Buch soll in der Lade aufbewahrt werden. Nach Mose Tod folgt der Ungehorsam Israels und das daraus resultierende Unheil. Auch das Torabuch soll in dieser Zeit als dEo in Israel fun-
7a Mose beruft Josua vor dem gesamten Volk 7b.8. Josua wird in das Land kommen und es verteilen; Ermahnung, „fest und mutig“ zu sein, Gebot der Furchtlosigkeit, Beistandszusage
soll
gieren
Anhand dieses Schemas lässt sich veranschaulichen, dass Jhwh zwar jede Handlung des Mose bestätigt, aber doch durchaus auf eine Weise, die z.T. auf einen krassen Widerspruch hinausläuft. So bestätigt Jhwh zwar die Einsetzung Josuas (V.23) und spricht auch vom „Tora-Buch“ (V.26). Nach der Ansage des künftigen Ungehorsams erscheinen diese Maßnahmen jedoch in einem völlig anderen Licht. Josua selbst wird darüber hinaus zum Schreiber und zum Vortragenden des Liedes, das den künftigen Ungehorsam vorhersagt (V.19 vgl. Dtn 32,44b, wo Josua noch einmal ausdrücklich
Der zukünftige Ungehorsam
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als Mitvortragender des Liedes erwähnt wird)184. So gesehen ist er nicht mehr nur derjenige, unter dessen Führung Israel das verheißene Land einnehmen wird, sondern auch jemand, der um den künftigen Ungehorsam weiß. Dieses Wissen gibt Josua kurz vor seinem Tod an die darauf folgende Generation weiter (Jos 23,15–16; 24,19)185. Mose hatte für schriftliche Niederlegung seiner Tora nie einen Auftrag bekommen186. Das ist beim Lied anders: In V.19 fordert Jhwh ausdrücklich Mose und Josua dazu auf, es aufzuschreiben, was in V.22 dann auch geschieht. Daraufhin erst spricht der biblische Erzähler davon, dass Mose das Tora-Buch abgeschlossen hat. Schließlich fordert Jhwh Mose dazu auf, das Tora-Buch neben die Lade zu legen (V.26). Das kann nur bedeuten, dass ohne das Lied die Tora nicht vollständig ist. Das jetzt aus zwei Teilen bestehende Buch wird zum Zeugen in Israel, wenn aufgrund der erneuten Abwege Israels das Böse (V.17.21) eintrifft. Die Nachkommen werden dieses Lied nie vergessen. Das Lied prägt sich den nachkommenden Generationen auf anderem Wege ein als durch regelmäßige Wiederholung. Diese Aussage ist mit der wohl grundsätzlichsten und gleichzeitig abgründigsten Feststellung des Deuteronomiums und der Tora generell verknüpft (Dtn 31,21):
r°RvSa w#ørVxˆy_tRa yI;tVoâådÎy yªI;k wóøorÅz yIÚpIm j™AkDÚvIt añøl y¢I;k r¶RvSa X®r™DaDh_lRa …w…n$RayIbSa M®rRfV;b MwYø¥yAh ‹hRcOo a…wôh :yI;tVo`D;bVvˆn Dieser Vers beschreibt das Vorzeichen, unter dem Jhwh das Lied Israel mit auf den Weg gibt: Er kennt den rRxEy des Volkes Israel. Dieses Nomen be-
184
Siehe dazu S CHÄFER-LICHTENBERGER, Josua und Salomo, 180, die davon ausgeht, dass die Mitverfasserschaft Josuas nach der Einfügung der Theophanieszene notwendig wurde. „Nach Einfügung der Theophanie vor Mose und Josua war Josua neben Mose zum Offenbarungsempfänger des Liedes geworden.“ Somit gehört diese Rolle Josuas ihrer Ansicht nach einer späten Schicht an, der vor allem daran lag, „daß die Einsetzung des Führers Israels aus sakraler Sicht rite erfolgte.“ (aaO). Zu Recht macht SCHÄFERLICHTENBERGER auf die Doppelungen und Differenzen zu Jos 1,1–9 aufmerksam, so dass die späte Bearbeitung von Dtn 31 erst erfolgt sein kann, als das Dtn von Jos abgetrennt worden war. Sie war nötig geworden, weil jetzt die Beglaubigung Josuas durch Jhwh nach der Abtrennung des Josuabuches fehlte. Vgl. S ONNET, Book, 180. 185 An beiden Stellen handelt es sich wohl nicht um eine bedingte Unheilsansage. Dagegen spricht in Jos 23,16 die Einleitung rvak hyhw , die sich auch z.B. in Dtn 28,63 findet, mitten in dem Teil also, in dem der Duktus der Rede nach V.45 von der bedingten zur feststehenden Unheilsansage übergegangen ist. In Jos 24,19 steht das lky in der PK, das yk in V.20 kann durchaus begründend aufgefasst werden. Auf der Ebene der kanonischen Endgestalt des Textes bleibt der Widerspruch der Ansage des Mose, dass der Ungehorsam kurz nach seinem Tod einsetzen würde (Dtn 31,27.29), zum tatsächlichen Verlauf der Josuaepoche, die insgesamt als „toragemäße“ Zeit geschildert wird. 186 Darauf macht SCHÄFER-LICHTENBERGER , Josua und Salomo, 50, aufmerksam.
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Kapitel 3: Der Moabbund
gegnet in der Tora nur noch im Zusammenhang mit dem Noahbund in Gen 6,5; 8,21. Diese Bundesverpflichtung geht Jhwh bekanntlich ein, obwohl die bEl rRxEy der Menschen schlecht sind von den Tagen der Jugend an. Der Noahbund, der die sogenannten „noachitischen Gebote“ enthält, gilt für alle Menschen. Wenn hier am Ende der Tora diese Bundesverpflichtung, die allen Menschen gilt, wieder anklingt, könnte das eine Anspielung darauf sein, dass Israel mit seinen Abwegen nicht besser ist als andere Völker auch. Dies würde sich immerhin in den Duktus von Dtn 7,7 und 9,5 einfügen. Israels einziger Vorzug liegt in der Zuwendung Jhwhs zu ihm (Dtn 10,15). Ist in dieser Gleichstellung mit den anderen Völkern auch der Grund zu finden, warum ausgerechnet die Theophanie, die Ungehorsam Israels zum Thema hat, in Moab ergeht? Zunächst heißt es nur vom Lied, dass es zum „Zeugen für“ (V;b dEo in V.19 und 27 und dEoVl in V.21) Israel wird. In der Forschung wird diese Wendung ;Vb dEo meist als Zeugenschaft „gegen“ aufgefasst. Diese Sicht beruht auf der Verknüpfung von Ungehorsam und Lied. Eine solche Auslegungstradition ist insofern für das Verständnis des gesamten Deuteronomiums verhängnisvoll, als ihr zufolge durch den in 31,16ff angesagten Ungehorsam auch die Tora und mit ihr das ganze Tora-Buch zum „Zeugen gegen Israel“ wird187. „In 31:27 Moses legitimates the status of the ‘book’ as ;Vb dEo, ‘witness against’, in a sentence that subtly superimposes references to Israel’s past and future sin..“188. ;Vb dEo kommt in Hi 19,24; Ps 89,38; Jer 32,44; Joel 2,12; Sach 3,6; direkt verwandte Stellen Dtn 4,26; 30,19 vor. An diesen Stellen kann das V;b jeweils lokal aufgefasst werden. Aufschlussreich ist noch die Stelle 1.Kön 2,42, an der ;Vb dwo wohl am besten mit „warnen vor“ übersetzt werden muss. Die gleiche Bedeutung ist für Ex 19,21.23 anzunehmen, wo Mose Israel davor „warnt“, dem Berg Sinai zu nahe zu kommen. Eines ist festzuhalten: Bei keinem dieser Belege ist eine Übersetzung von V;b dEo mit „bezeugen gegen“ auch nur naheliegend. Von daher käme in Dtn 31 die Bedeutung von „bezeugen in Israel“ oder „Israel warnen“ in Frage. Letzteres erscheint jedoch für V.28 wenig sinnvoll, so dass wohl die Übersetzung „bezeugen in Israel“ die richtige ist. 187
SONNET, Book, 180 spricht in diesem Zusammenhang von “‘cataractic’ function, the Song that exposes the people’s unfaithfulness is now adjuvant to the people’s faithfulness to the Torah.” Dass hier ein traditionelles Verständnis der paulinischen Rechtfertigungslehre im Hintergrund steht, kann nur vermutet, an dieser Stelle jedoch im Einzelnen nicht nachgewiesen werden. 188 SONNET, Book, 170–171; vgl. aber auch O LSON, Death, 136; BRAULIK, Dtn II, 225; PREUSS, Deuteronomium, 164. In die gleiche Richtung läuft die Argumentation von TALSTRA, Deuteronomy 31, 100: “The Torah as a whole takes the status YHWH had given to the Song: that of being witness against Israel. The song becomes its dominating voice. This seems to imply that Levites and elders can no longer fully cooperate. With the Torah as an instruction for daily life in the land they can and must cooperate (verse 9; cf. 21,2.5; 27,1.9), but with the Torah as a witness they cannot.”
Der zukünftige Ungehorsam
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Dieses Verständnis fügt sich auch gut in V.21 ein, wo es heißt, dass das Lied in der Zeit, wenn das angesagte Übel über Israel hereinbricht, es ihm dEoVl dienen soll (hier wohl zu übersetzen mit „um zu bezeugen“). Unter dieser Prämisse wird die Angleichung der Funktion der Tora an die des Liedes verständlich. Gemeinsam mit dem Lied wird sie in den Zeiten, in denen Israel das „Böse“ trifft, Israel die Deutung seiner Geschichte ermöglichen. Genauer: Die Niederschrift des Mose und das Lied werden in dessen Verlauf zu einem hrwø;tAh rRpEs, das dann neben die Lade gelegt wird, in der sich die Tafeln befinden (V.26). Hier ist nun allerdings die sprachliche Nähe zu Moses Nacherzählung der Horebereignisse nicht zu übersehen189: Dtn 10,5
Dtn 31,26
t$OjU;lAh_tRa ‹MIcDa`Dw
w$øtOa MR;tVmAcw
M$Dv …wyVhI¥yÅw yIty¡IcDo rRvSa NwëørDaD;b
M¡RkyEhølTa h™Dwhy_tyîrV;b NwõørSa d¢A…xIm
:h`Dwhy yˆn™A…wIx r¶RvSaA;k
:d`EoVl äÔKV;b M¶Dv _hÎy`Dhw
Da Dtn 31,26 Bestandteil der Jhwh-Rede ist, lässt sich auch zum letzten Versteil von 10,5 eine sachgemäße Parallele herstellen190. Daraus folgt: Die Tafeln liegen in der Lade, das Tora-Buch daneben. Beide haben ihren Ort aufgrund einer Anweisung Jhwhs. Der Vergleich der Moseversion der Horebereignisse mit Ex 32–34 hatte ergeben, dass in Dtn 10 die Pointe darin lag, dass Jhwh die Tafeln trotz der Abwege Israels gab. Strukturell erfolgt der Auftrag zur Ablage des Torabuches an genau der Stelle, an der die Tafeln in die Lade gelangten. Auch am Ende des rituellen Teils des Moabbundes lässt Jhwh trotz der bevorstehenden Abwege Israels das Tora-Buch neben die Lade legen. Vor diesem Hintergrund eröffnet sich vielleicht noch einmal ein neues Verständnis des schwierigen V.21: Jhwh weiß bereits vor der Landnahme, dass Israel wieder sündigen wird und hält dennoch an seinen Bundesverpflichtungen und der Landverheißung fest. Der Toravergessenheit, die in den Büchern Ri – 2.Kön beschrieben wird, begegnet er mit dem Lied, das den Nachkommen nicht aus dem Sinn gehen wird. Trotz seiner Abwege bleibt Israel in dem Bundesgeschehen, das mit dem Schwur an die Erzel189
Vgl. die Gegenüberstellung bei SONNET, Book, 165. Siehe darüber hinaus das sok von Dtn 31,29, das auf Dtn 9,18 und Dtn 4,25 anspielt. Hier werden der Geschichtsausblick in Dtn 4 und die Horebreminiszenz miteinander verknüpft. 190
322
Kapitel 3: Der Moabbund
tern begann, über den Horeb seine erste Erfüllung fand, in Moab fortgesetzt wurde und hier in Dtn 31 in die Zukunft hinein perpetuiert wird. Dieses Bundesgeschehen lässt sich durch keinen Abweg Israels aufhalten191. Um Mose geht es in Dtn 31 beinahe überhaupt nicht, wohl aber um das, was er aufgeschrieben hat: Es geht um das Verhältnis von Tora, Lied und dem zukünftigen Ungehorsam. In diesem Zusammenhang wird die Rolle mündlicher Überlieferung und schriftlicher Tradition in der Geschichte reflektiert. Beide zusammen, die Mosetora und das Lied, dienen Israel in der Katastrophe192 als Orientierung bei der Deutung seiner Geschichte. Dieses Bundesgeschehen schließt überhaupt nicht aus, dass Mose am Ende des Liedes Israel dazu ermahnt, seinen Kindern einzuschärfen, alle die Worte der Tora zu bewahren und ihnen zu folgen. Alle eindringlichen Warnungen vor dem Nichtbeachten der Tora, die die gesamte Moserede durchziehen, sind hier mitzuhören. Auf der anderen Seite kann Israel durch diese Worte der Tora „die Tage im Land verlängern“ (Dtn 32,47). Mose kann dies gerade vor dem Hintergrund des Bundesgeschehens umso vehementer fordern. Es entsteht durch die Darstellung dieser zusammenhängenden Bundesschlüsse ein plastisches Bild davon, was Israel auf der einen Seite durch seine Untreue konkret immer wieder verspielt und auf der anderen Seite nie verlieren kann: die Treue Jhwhs zu seinen Bundesverpflichtungen. Dieser Dialektik möchte ich im Schlussteil der vorliegenden Untersuchung nachgehen. 3.2. Das „zu spät“ der josianischen Reform Die Bücher Ri – 2 Kön erzählen an keiner Stelle, dass die Anordnungen des Mose zur Verlesung der Tora am Laubhüttenfest des Erlassjahres (Dtn 31,9–13) irgendwann einmal befolgt worden sind. Das neben der Lade verwahrte Tora-Buch spielt jedoch nur in der Josua-Epoche noch einmal
191
Nach O TTO, Dtn im Pentateuch, 195, hat der Abschluss nach Einfügung des Moseliedes und der Gottesrede folgende Bedeutung: „So wenig die bisherige Offenbarung den Bundesbruch am Gottesberg und in der Wüste verhindert hat, wird sie es auch im Kulturland jenseits des Jordans vermögen. Nur das Vertrauen auf die Prägekraft der pentateuchischen Tradition von der Überwindung des Bundesbruches (Ex 32; Dtn 9f.) läßt den Autor des Moseliedes am Schluß der Paränese zum Gesetzesgehorsam auf einen Weg zum Leben jenseits des Bundesbruches hoffen, ohne wie die Pentateuchredaktion in Dtn 4,25–31 auf den Väterbund zu rekurrieren.“ Diese Auffassung ist aus mehreren Gründen nur teilweise richtig. O TTO geht immer noch von einem Verständnis des Begriffes tyrb aus, das dem deutschen Wort „Bund“ gleichkommt. Das führt ihn zu der Annahme, der Text habe ein „Leben jenseits des Bundesbruches“ vor Augen. Alle bisher untersuchten Texte gehen davon aus, dass Jhwh einseitig einen „Bund“ gewährt, schließt oder gibt, trotz der Abwege Israels. 192 Im Laufe der Wirkungsgeschichte muss man leider von Katastrophen sprechen, innerhalb derer sich dieses Konzept auf je unterschiedliche Weise immer wieder neu bewährt hat.
Der zukünftige Ungehorsam
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die ihm zugedachte Rolle (Jos 1,8 und 8,34193), dann gerät es offensichtlich in Vergessenheit194. Zu Beginn der Richterepoche heißt es ausdrücklich (Ri 2,10.11a): Als nun die ganze Generation zu ihren Vorfahren versammelt war, kam nach ihr eine andere Generation auf, die von Jhwh nichts wusste noch von den Taten, die er für Israel getan hatte. Da tat Israel, was Jhwh missfiel.
Bei der Einweihung des Tempels durch Salomo werden nur die Tafeln, nicht aber das Torabuch des Mose noch einmal erwähnt. Ausdrücklich heißt es in 1.Kön 8,9: Nichts war in der Lade als nur die beiden steinernen Tafeln, die Mose am Horeb dort hineingelegt hatte, als Adonaj mit den Söhnen Israel eine Bundesverpflichtung einging, als sie aus dem Land Ägypten zogen.
Vom Torabuch ist zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht mehr die Rede. Daran, dass das Tora-Buch zum Anlass der feierlichen Einweihung des Tempels noch einmal verlesen werden könnte, wird überhaupt kein Gedanke verschwendet. In 2.Kön 14,6 wird berichtet, dass der König von Juda Amazja die Söhne derjenigen, die seinen Vater Joahas erschlagen hatten, nicht umbrachte. Ausdrücklich wird diese Verschonung vom biblischen Erzähler mit Dtn 24,16 in Verbindung gebracht. In der wörtlichen Rede der beteiligten Personen fehlt von diesem Bezug jedoch jede Spur. Das macht deutlich, dass es sich hier doch wohl eher um eine zufällige Befolgung einer Torabestimmung handelt. Im Übringen findet das so aufwendig im Deuteronomium eingeführte Tora-Buch des Mose über Generationen keine Beachtung mehr. Erst am Ende des Geschichtsbogens in 2.Kön 23 wird es unter König Josia auf einmal von dem Priester Hilkija im Tempel wieder gefunden. Josia liest darin, befolgt es und wird auf diese Weise nach den Maßstäben des Deuteronomiums zum „idealen König“. Und doch werden ihm die Verheißungen der Moserede für diejenigen, die sich an die Gebote und Gesetze Jhwhs halten, nicht zuteil. Im Gegenteil: Josias Amtzeit kann die bereits im Dtn vorhergesagte Katastrophe des Exils nicht abwenden. Warum?
193
Mit leicht veränderter Nomenklatur
hvm hrwt rps in Jos 8,31; 23,6; 24,26; 2.Kön
14,6. 194
Zur Frage, ob das hrwt rps tatsächlich verloren und in Vergessenheit geraten war, siehe u.a. RÖMER, Transformations in Deuteronomistic and Biblical Historiography, 6f., der zu dem Schuss kommt: “This literary strategy intends to show that the ‘golden age’ of the conquest had virtually come back with Josiah.” (Siehe S. 7).
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Kapitel 3: Der Moabbund
3.2.1. Der ideale König als Topos Der ideale König ist ein in den verschiedenen Kulturkreisen weit verbreiteter Topos195. Dafür möchte ich zunächst ein Beispiel aus der altorientalischen Umwelt des Alten Testamtents anführen196, die sog. Königsinschriften Assurbanipals, der das Neuassyrische Reich von 669–631 v.Chr. regierte, also Zeitgenosse Josias war. Assurbanipal kann wohl als der letzte große neuassyrische König gelten. Er ist vor allem durch die Gründung der großen Bibliothek von Ninive in die Geschichte eingegangen. Auf dem Prisma B §1–6 der Königsinschriften Assurbanipals heißt es197: „Ich Assurbanipal, großer König, mächtiger König, König der Welt, König von Assyrien, König der vier Weltsektoren, Spross des Asarhaddon, König von Assyrien, Gouverneur von Babel, König von Sumer und Akkad, Nachkomme von Sanherib, König der Welt, König von Assyrien – die großen Götter haben in ihrer Versammlung mir ein gutes Geschick bestimmt, sie haben mir ein weites Ohr geschenkt und mein Inneres die gesamte Tafelschreibekunst erfassen lassen. In der Versammlung der ‚Hirsche‘ (d.h. Fürsten) haben sie die Erwähnung meines Namens verherrlicht, meine Königsherrschaft groß gemacht. Stärke, Mannhaftigkeit und hohe Kraft haben sie mir verliehen. Die Länder der Unbotmäßigen haben sie mir übergeben und mich meine Herzenswünsche erreichen lassen. Sie trugen Verlangen nach meinem Priestertum, meine Opfergaben gefielen ihrer Gottheit. Die Heiligtümer der großen Götter habe ich vollendet und mit Gold und Silber verkleidet.“
Die Weisheit und literarische Bildung des Königs werden besonders hervorgehoben: Er beherrscht die Kunst des Schreibens und kann sich in der Versammlung der Fürsten innenpolitisch durchsetzen. Assurbanipal rühmt sich seiner priesterlichen Aufgaben. Er vollendet die großen Heiligtümer der Götter und stellt goldene und silberne Tempelgerätschaften zur Verfügung. Von daher steht Josia mit seiner besonderen, im Folgenden zu untersuchenden Beziehung zu „dem Tora-Buch“, das während seiner Regentschaft auftaucht und das er sich so zu Herzen nimmt, sowie mit seinem Auftrag, den Jerusalemer Tempel ausbessern zu lassen, nicht alleine da. Auch für seine innenpolitische Durchsetzungsfähigkeit lassen sich Parallelen zu dieser assyrischen Königsinschrift ziehen. Die Idealisierung Assurbanipals läuft auf die Untermauerung des Machtanspruches hinaus, wie das Ende der Königsinschrift deutlich zu erkennen gibt: „Die Könige vom Sonnenaufgang und vom [Sonnen]untergang brachten mir ihren schweren Tribut. Völker der Mitte des Meeres und (Völker), die hohe Gebirge bewohnen, habe ich 195
Zur Veranschaulichung des Gedankengangs seien an dieser Stelle einige Beispiele angeführt. Für die Antike und die mittelalterliche Literatur und Geschichtsschreibung hat CURTIUS, Literatur und Lateinisches Mittelalter, 184ff, einige sprechende Beispiele zusammengetragen. 196 Es geht im Folgenden nicht darum, literarische oder historische Abhängigkeiten der beiden Könige und ihrer Darstellungen aufzuweisen. Vielmehr dient das folgende Beispiel dazu, die unterschiedlichen Funktionen der Idealisierung zu veranschaulichen. 197 Übersetzung: BORGER , Beiträge zum Inschriftenwerk Assurbanipals, 205.
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meinem Joche unterworfen. Auf Geheiß des Assur und der Istar küssen Könige, die auf Hochsitzen thronen, meine Füße. Grosse Herrscher vom Osten und vom Westen blicken auf 198 mich als ihren Bundesgenossen.“
Hier liegt jedoch bereits ein markanter Unterschied zu der Darstellung der Josianischen Epoche. Josias Bemühungen, durch die er sich als idealer König erweist, werden von Anfang an in den Kontext des sicheren Untergangs Judas gestellt. Diese Schilderung läuft darauf hinaus, dass alle Belesenheit und alle Taten Josias letztlich umsonst sind. Welche Bedeutung haben die idealisierenden Züge Josias in der biblischen Darstellung aber dann? 3.2.2. Der ideale König angesichts des prophezeiten Untergangs Am Ende des großen Geschichtsbogens, der von Gen – 2.Kön reicht, taucht das hrwø;tAh rRpEs wieder auf. Es wird zur Grundlage einer einzigartigen Reform. Die Umstände, unter denen dieses Schriftstück ins politische Spiel kommt, sind recht eigenartig: Der König Josia erteilt einen Auftrag zur Ausbesserung des Tempels und bekommt dann über seinen Schreiber Schafan die Nachricht, dass der Priester „ein Buch“ im Tempel gefunden habe. Der König lässt sich dieses Buch daraufhin vorlesen. König Josia schickt seinen Schreiber Schafan zum Priester Hilkija mit dem Auftrag, das von den Torwächtern gesammelte Geld für Renovierungsarbeiten am Tempel auszuschütten. Handwerker und Bauleute sollen beauftragt werden, die Schäden am Gotteshaus auszubessern. Das erste, was in diesem Zusammenhang jedoch von dem Priester Hilkija berichtet wird, ist dessen Äußerung gegenüber Schafan dem Schreiber: „Ich habe das Tora-Buch im Tempel Jhwhs gefunden.“ (2 Kön 22,8)199. Als der König sich dann bei dem Schreiber Schafan nach dem Ergehen seines Auftrages zur Ausbesserung des Tempels erkundigt, bestätigt der Schreiber ihm, dass alles so verläuft, wie es der König angeordnet habe. Doch dann kommt der Schreiber sehr schnell auf die in seinen Augen viel wichtigere Angelegenheit zu sprechen: Auf das vom Priester Hilkija gefundene Buch. Es entfaltet eine große Wirkung und löst die sog. Josianische Reform aus, die in 2 Kön 22 198
Ebd. Dass dieses Buch bei Renovierungsarbeiten gefunden wurde, wird immer wieder in der Sekundärliteratur behauptet. So wird es in der Tat aber nur in 2.Chr 34,14 berichtet. In 2 Kön 22,1–8 wird der Fund jedoch nicht ausdrücklich mit den Renovierungsarbeiten in Verbindung gebracht. Die Aussage Hilkijas, er habe das Buch gefunden, lässt sich vielmehr als unmittelbare Reaktion auf den Renovierungsauftrag verstehen. Dies könnte das Fehlen des Szenenwechsels beim Übergang von V.8 an V.7 erklären. Die dargestellte Handlung lässt sich demzufolge auch so interpretieren, dass Hilkija einen Zeitpunkt für die Übergabe des Buches abwartete, der ihm dafür günstig erschien. Für ihn wäre dieser Moment dann mit der Beauftragung zur Renovierung des Tempels gekommen. Diese Lesart würde eine viel größere Eigenständigkeit des Priesters Hilkijas implizieren. (Diese Anregung verdanke ich einem Gespräch mit Diana Klöpper und Kerstin Schiffner). 199
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und 23 dargestellt wird. Bei dieser Schilderung der Ereignisse, die beinahe den Schlussakkord des großen Geschichtsbogens Gen – 2.Kön bildet, wird der aufmerksame Leser nun auf Schritt und Tritt an die Moserede des Deuteronomiums erinnert200: Schon alleine die Bezeichnung des Buches als hrwø;tAh rRpEs deutet darauf hin. Von diesem hrwø;tAh rRpEs ist im Dtn insgesamt siebenmal die Rede201. Ganz offensichtlich wird hier ein Bezug zu dem Tora-Buch hergestellt, das die niedergeschriebene Rede des Mose enthält (Dtn 31,9–13)202. Natürlich stellt sich die Frage, ob sich ein Zusammenhang herstellen lässt zwischen den Stellen im Deuteronomium, an denen es heißt, dass dieses Buch neben die Lade gelegt wird (Dtn 31,26 u.ö.), und der geringen Rolle, die es in den Büchern Ri bis 1.Kön spielt. Wird im Deuteronomium das Vergessen der Tora durch die nachfolgenden Generationen schon vorbereitet? Dieses hrwø;tAh rRpEs taucht bekanntlich erst ganz am Ende der in Gen – 2.Kön dargestellten Zeitläufte in der oben skizzierten Szene wieder auf, als der Priester Hilkija dieses Buch über den Schreiber Schafan ins Spiel bringt. Vor dem Hintergrund der Anordnung des Mose an die Ältesten und Priester, sein Buch alle sieben Jahre am Laubhüttenfest des Erlassjahres verlesen zu lassen, ist dies nun ein bemerkenswerter Vorgang. Dem aufmerksamen Leser drängen sich nun natürlich Fragen auf. Hat Jhwh mit seiner Ansage des Ungehorsams (Dtn 31,16ff) nicht Recht behalten? Was wird dann aber aus den Ansagen des aus den Abwegen folgenden Unheils, die in diesem Buch aufgeschrieben sind? Als der Schreiber Schafan dem König das Tora-Buch vorliest, erweist sich Josia als dessen idealer Zuhörer. Zunächst einmal ist er ein König, der dieses Buch überhaupt zu Kenntnis nimmt. Schließlich hatte Mose in seiner Rede gefordert, dass der König eine Abschrift des Buches besitzen und regelmäßig darin lesen solle (Dtn 17,18–20).: 18 Wenn er dann auf dem Thron seines Königreiches sitzt, soll er für sich auf einer Buchrolle eine Zweitschrift dieser Tora schreiben lassen, so wie sie den levitischen Priestern voliegt. 19 Diese Zweitschrift soll bei ihm verbleiben. Der König soll Zeit seines Lebens darin lesen und lernen, Jhwh, seinen Gott, zu fürchten und alle Worte dieser Tora zu beachten und sich nach diesen Bestimmungen zu richten. 20Das soll ihn davor bewahren, sich mit Herz und Verstand über seine Geschwister zu erheben und von dem Gebotenen zur Rechten oder zur Linken abzuweichen. Dann werden er und seine Nachfahren lange regieren in Israel.
200
Zu den literarischen Querverbindungen zwischen der Moserede und dem wiedergefundenen Tora-Buch siehe auch die systematische Auflistung der Bezüge bei H ARDMEIER, König Joschija, 92 Anm. 24 und bei BUTTING, Prophetinnen, 146 Anm. 73, dort Verweise auf SPIECKERMANN, Juda, 77 und PERLITT, Bundestheologie, 195. 201 Dtn 17,18; 28,58.61; 29,20; 30,10; 31,24.26 202 Siehe S. 282ff.
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König Josia nimmt sich das Gelesene zu Herzen. Er zerreißt seine Kleider, weil er offenbar den richtigen Schluss zieht: Nach all dem, was das Buch Deuteronomium fordert, verheißt und androht, steht der Verlust des Landes unmittelbar bevor. Josia schickt seine Entourage los, „um Jhwh zu befragen“, wie es in den Übersetzungen immer wieder heißt203. Josias Hofstaat kennt offenbar die richtige Person für diesen Auftrag: Sie gehen zur Prophetin Hulda. Josia hatte sie mit keinem Wort erwähnt204. Hulda richtet der Delegation einen Gottesspruch aus, der die Befürchtungen Josias bestätigt. Auf das Tora-Buch nimmt sie ausdrücklich Bezug (2.Kön 22,16), bestätigt den Zorn Jhwhs über „diesen Ort und seine Bewohner“ und kündigt noch einmal den bevorstehenden Untergang Jerusalems an, „zur Strafe dafür, dass sie mich verlassen und anderen Göttern geopfert haben“ (2.Kön 22,16.17). Damit aber nimmt das Tora-Buch genau die Funktion ein, die ihm durch die Verbindung mit dem Lied von Jhwh zugedacht worden ist: Es wird ;Vb dEo „zum Zeugen in“ Israel (Dtn 31,19, vgl. 31,21.27). In der Zeit der in der Gottesrede angesagten Toravergessenheit, hilft es Israel, jetzt mit Hilfe einer Prophetin seine Geschichtssituation zu deuten205. Allerdings folgt sogleich die Einschränkung, dass der König Josia wegen seiner vorbildlichen Reaktion auf die Lektüre des Buches die Katastrophe nicht mit eigenen Augen ansehen muss. Vielmehr soll er „in Frieden in seiner Grabstätte geborgen werden“ (2.Kön 22,19.20)206. Trotz dieses negativen Vorzeichens „schneidet“ ( trk) Josia einen Bund vor Jhwh (2.Kön 23,1–3) und führt eine Reform durch, die in vielerlei Hinsicht auf der von den gesetzlichen Bestimmungen im Dtn geforderten Linie liegt. Diese Maßnahmen lassen ihn quasi als Mose redivivus erscheinen. Wie einst Mose seine Rede vor dem ganzen Volk gehalten hatte, so verliest Josia das Tora-Buch vor dem gesamten Volk (2.Kön 23,2). Damit entspricht Josia gleichzeitig der Forderung von Dtn 31,11ff. Wie Mose das Volk in seinen Reden in Moab auf einen Bund verpflichtet, so klettert Josia auf einen erhöten Standpunkt beim Tempel und verpflichtet sich, alle 203
Die Konnotationen des Verbes vrd sind im Deutschen nicht leicht wiederzugeben. Neben dem rein informativen Aspekt scheint es bei dem Verb in Kombination mit der Präposition dob auch um so etwas wie die „Intervention zugunsten der Betroffenen“ zu gehen. Siehe dazu RÜTERSWÖRDEN , Prophetin Hulda, 238, der an dieser Stelle auf Jes 8,19 und Jer 21,2 verweist. Inwieweit die Entourage Josias eine Interpretation des Buches von der Prophetin einholen oder diese zur Fürbitte veranlassen soll, ist für unsere Fragestellung nicht weiter relevant. 204 Dies ist ein weiterer Hinweis auf die relative Eigenständigkeit der Entourage Josias. 205 Die Deutung der Situation durch das geschriebene Wort ergibt sich jedoch nicht „von alleine“. Die wesentliche Rolle der Prophetin Hulda in diesem Vorgang arbeitet BUTTING, Prophetinnen, heraus. Siehe besonders 136–139. 206 Auf die Einheitlichkeit des Aufbaus der Rede Huldas weisen H OFFMANN, Reform, 170–180 und BUTTING, Prophetinnen, 142ff. hin.
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Bestimmungen des Tora-Buches zu halten. Das Volk geht diese Bundesverpflichtung ebenfalls ein (2.Kön 23,3). So wie Josia die Kultgegenstände der anderen Gottheiten beseitigt, zerstampft und den Staub im Kidrontal verstreut (2.Kön 23,6.12), wird man unweigerlich an die Art und Weise erinnert, wie Mose das goldene Kalb zermalmt und dessen Staub in einen nicht näher bezeichneten Bach streut, „der vom Berge herabkommt“ (Dtn 9,21)207. „Mose – der erste Kultreformer in der Geschichte Israels und Josia – der letzte Kultreformer in der Geschichte Israels gehören in diesem systematischen Rahmen der dtr Kultgeschichtsschreibung auf diese Weise ganz eng zusammen.“208 Das Passafest, dessen jährliche Feier ebenfalls im Dtn gefordert wird, und das zum ersten Mal seit Josuas Zeiten (Jos 5,10.11) auf Anordnung Josias nun in Jerusalem erneut begangen wird (2.Kön 23,21), rundet das Bild des idealen Königs ab. Dies wird am Ende der Schilderung der Reform auch ausdrücklich betont (2.Kön 23,25): Seinesgleichen ist vor ihm kein König gewesen, der sich so von ganzem Herzen und von ganzer Seele und mit aller seiner Kraft zu Jhwh umkehrte, ganz nach der Tora des Mose, und seinesgleichen ist nicht erstanden.
Der „Dreiklang“, mit dem die Umkehr Josias charakterisiert wird – mit seinem ganzen Herzen, seiner ganzen Seele und mit aller seiner Kraft – begegnet sonst noch in Dtn 6,4, im sog. Schema Israel209. „Höre Israel, Jhwh, unser Gott ist einer. Du sollst Jhwh lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“ Nur von Josia wird eine so grundlegende Umkehr tatsächlich erzählt. Trotzdem wird unmittelbar im Anschluss daran das negative Vorzeichen der Prophetin Hulda, unter dem die Josianische Reform von allem Anfang an gestanden hatte, bestätigt (2.Kön 23,26.27): Und doch kehrte Jhwh nicht von seinem großen Grimm und Zorn, der gegen Juda entbrannt 210 war wegen all des Verdrusses, mit dem Manasse ihn verdrossen hatte. Und Jhwh sprach: „Auch Juda werde ich beseitigen von meinem Angesicht, wie ich Israel beseitigt habe und die Stadt verwerfen, die ich erwählt habe: Jerusalem.“
Mit anderen Worten: Die Bundesverpflichtung und die Reform Josias finden in einem Generationen übergreifenden Schuldzusammenhang statt. Die Prophetin Hulda hatte sich ausdrücklich auf die Unheilsankündigungen der Moserede bezogen. Unter diesen Voraussetzungen kann Josia als einzelner König das drohende Unheil nicht mehr abwenden. Nur für sich alleine
207
Auf diese Parallelen machen H OFFMANN, Reform, 312.313 und H ARDMEIER, König Joschija, 107, aufmerksam. 208 H OFFMANN, ebd. 209 Siehe dazu BUTTING, Prophetinnen, 146. 210 Über den judäischen König Manasse, dem Großvater Josias, heißt es in 2. Kön 21, dass er fremden Gottheiten Standbilder aufgestellt hat (V.7) und dass er so viel unschuldiges Blut vergossen habe, dass er Jerusalem damit „füllte“ (V.16).
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kann er noch erreichen, dass er all dies nicht mit eigenen Augen mitansehen muss. 3.2.3. Ein theologisches Problem Welchen Sinn hat die Idealisierung eines Königs, dessen Taten das Unheil zwar noch um eine Generation verschieben, aber nicht mehr aufhalten können? Die Cross-Schule hat dieses Problem bekanntlich anhand der Literarkritik gelöst. Für sie endete das von ihnen angenommene „deuteronomistische Geschichtswerk“ – ihrer Ansicht nach eine Propagandaschrift aus josianischer Zeit – mit 2 Kön 23,25, d.h. mit dem überschwänglichen Lob Josias211. Die sich daran anschließende bittere Feststellung, dass Jhwh nicht von seinem Zorn abließ, war ihrer Ansicht nach das Produkt einer zweiten, exilischen Redaktion des DtrG. Doch kam das zunächst so einfach scheinende sog. „Blockmodell“ im weiteren Verlauf der Diskussion nicht ohne weitere massive literarkritische Operationen aus. Schon allein das Auftreten der Prophetin Hulda vor den Reformmaßnahmen will sich so gar nicht in das Bild einer triumphalistischen Propagandaschrift aus josianischer Zeit fügen212. Die beiden klassischen Antagonisten in der Interpretation des „Zieles“ des DtrG, Noth und von Rad sind sich zumindest in einer Frage einig: Für beide ist die josianische Reform eine relativ unbedeutende Episode. Sie spielt bei ihrer Interpretation des gesamten Geschichtswerkes eine eher untergeordnete Rolle. Stellt die Reform Josias und der durch sie immerhin bewirkte Aufschub nur ein „retardierendes Moment“ dar, das kurz vor der Katastrophe noch einmal „im Grunde nur zeigt, wie es immer hätte sein sollen?“213. Nach dieser Diktion Noths gerät Josia vollends zur tragischen Figur. Oder ist die Mustergültigkeit Josias eigentlich ohne große Bedeutung, weil seine Reform ohnehin nur eine kleine Episode in dem großen Heilsplan Jhwhs darstellt, der auf die Erfüllung der Natansverheißung 211
CROSS, Themes, 274–289. Vgl. die neueste Untersuchung aus dieser Schule: SWEENEY, King Josiah. Schwerpunkt seiner Untersuchung ist “the historical reality of Josiah’s reform as a program that was designed to unify Israel and Judah around the Jerusalem Temple under Davidic rule. I argue that the DtrH presents an ideologically charged history directed particulary to the northern tribes of Israel. The DtrH maintains that , from the time of Joshua on, the northern tribes were never able to rule themselves according to the ideal Mosaic model of leadership and only King Josiah represented the proper Mosaic model of ideal centralized leadership of a united people of Israel.” (AaO, 19). Für SWEENEY ist dieser Vorgang insofern von zentraler Bedeutung, als hier zum ersten Mal die Denkfigur einer messianischen Rettung entsteht. (Vgl. aaO, 20). 212 Dies kritisiert auch SWEENEY, King Josiah, 11, an den bisherigen Studien, die auf dieser Grundlage gearbeitet haben. (Siehe dazu bes. Anm. 25 und die dort angegebene Literatur). Er selbst unterzieht das Huldaorakel im Zuge seiner redaktionsgeschichtlichen Überlegungen einer literarkritischen Operation. Er teilt es in zwei Teile: 2. Kön 22,18b– 20a (josianische Ausgabe) und 2.Kön 22,16–17 (exilische Überarbeitung). (AaO, 46–49). 213 N OTH, ÜS, 86.
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(1.Sam 7) hinausläuft, nach der es immer einen Nachfolger auf dem Thron Davids geben wird? von Rad hatte die Josianische Reform unter dem gleichen Blickwinkel gesehen wie den unverdienten Fortbestand Judas. Viel wichtiger ist bei ihm die Geduld Jhwhs: „Weil Jahwe mit dem Hause Davids seine besonderen Geschichtspläne hatte und weil er David die Verheißung gegeben hatte, ihm für alle Zeiten eine Leuchte zu geben, darum waren Juda und Jerusalem trotz des längst fälligen Gerichts in der Geschichte erhalten geblieben.“214 Durch eine derartige Betonung des heilsgeschichtlichen Überbaus drohen jedoch die konkret geschilderten Ereignisse aus dem Blick zu geraten: Warum ist in 2.Kön 22 und 23 die Analogie Mose – Josia so weit geführt? Warum sind die so gegensätzlichen Erzählstränge des angekündigten Untergangs Judas und der Idealisierung Josias derart sorgfältig ineinander gewoben?215 Es ist natürlich zunächst naheliegend, in der Idealisierung der Taten Josias eine Vorbildfunktion für die exilische bzw. die nachexilische Zeit zu sehen. Zeichnet das DtrG „in einem letzten, vergeblichen Versuch der Umkehr zu einer strikten Einhaltung der dtn Kultvorschriften [...] ein ideal-illusionäres Modell für die Zukunft eines möglichen Neubeginns nach der Katastrophe.“216? In eine ähnliche Richtung gehen die Überlegungen Hardmeiers: „Als Idealkönig für die spätexilische Zeit, in der Rückkehrerwartungen aufkeimen und gemäß Dtn 30,1ff. wie auch in Jer-D eine Schicksalswende erwartet wird, so übernimmt Joschija in 2Reg 22f. die Rolle eines Vorläufers, der zu früh und noch vergeblich in vorbildlicher Tora-Gefolgschaft dieser Wende den Weg zu bereiten versucht hat.“217 Hardmeier fährt dann fort: „So wie Joschija in der Gefolgschaft des Mose am Horeb (Dtn 9,21) zumindest in infrastruktureller Hinsicht der Fremdgötterverehrung bereits ein radikales Ende bereitet hat, ohne jedoch den Zorn Jhwhs abwenden zu können (2Reg 23,26!), so soll künftig die babylonische Gola und der erwartete Davidide aus der Nachkommenschaft Jojachins dem Vorbild Joschijas folgen, um den auch in der Exilszeit weiter fortwirkenden Zorn Jhwhs zu besänftigen und einen Neuanfang durch Beseitigung der hinderlichen Fremdgötterkulte von Jer 44 den Weg zu bereiten.“218 Ist Josia trotz seines Scheiterns doch so etwas wie eine messiani-
214
von Rad, Theologie I, 353. Dieser Frage stellt sich auch SWEENEY, King Josiah, 45, der dieses Ineinander jedoch redaktionsgeschichtlich erklärt. Demnach stammen die idealisierenden Züge Josias aus der josianischen Zeit und alle anderen Bestandteile, die auf den Untergang Judas hinweisen, datiert er exilisch. Vgl. ders, 40–51. S WEENEY hält keinen Vorschlag bereit, wie der uns jetzt vorliegende Text zu verstehen ist. 216 H OFFMANN, Reform, 207. 217 H ARDMEIER, König Joschija, 114. 218 H ARDMEIER, König Joschija, 132–133. In die gleiche Richtung gehen die Überlegungen von H.W. Wolf, Das Kerygma des Deuteronomistischen Geschichtswerkes, 215
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sche Figur? Butting hebt weniger die Beseitigung der fremden Kulte als vielmehr Josias Reaktion auf die Verlesung des Buches als mögliche Vorbildfunktion für das Exil hervor: „In seiner Reaktion wird eine Möglichkeit der heilvollen Auseinandersetzung mit Israels unheilvoller Geschichte sichtbar.“219 Für Th. Römer ist nicht so sehr die Person Josias als vielmehr der Fund des Buches von Bedeutung: “Nevertheless the book is back and helps to live in exile or diaspora.”220 Doch, so möchte ich fragen, was nützt ein Buch im Exil oder in der Diaspora, das im Land den Verlust der politischen Eigenständigkeit nicht aufhalten konnte? Diese Interpretationen können insgesamt die idealisierenden Züge der Schilderung in 2 Kön 22 und 23 sehr gut einfangen. Aber die Frage nach dem negativen Vorzeichen, unter dem diese Idealisierung steht, bleibt damit unbeantwortet. Wenn die Josianische Reform wirklich als Vorbild für die Zukunft dienen soll, warum wird sie dann in den Zusammenhang des unausweichlichen Untergangs gestellt? Als Zukunftsperspektive gelesen kann doch die Schilderung der Josianischen Reform in dieser Gestalt demotivierender nicht sein: Selbst ein König, der sich exakt an das ToraBuch gehalten und die Reformen mit aller Entschlossenheit durchgeführt hat, vermag den Zorn Jhwhs, der sich über Generationen hin angestaut hat, nicht mehr zu abzuwenden. Butting weist darauf hin, dass an Gottes Hören und Antworten festgehalten wird. Es wird durch die Prophetin Hulda verkündigt, dass „Gott hört und antwortet“. Josia bleibt selbst noch von dem Unheil verschont. Durch die Rede der Prophetin wird das hrwø;tAh rRpEs (2 Kön 22,8.11) zu einem tyîrV;bAh rRpEs (2 Kön 23,2.21)221. Dagegen ist einzuwenden, dass das Hören und Antworten Jhwhs nur für Josia und seine Generation einen Aufschub bringt. Die Prophetin vermag insofern keine wirklichen Zukunftsperspektiven für Israel mehr zu eröffnen. Der Verweis auf den Bund ist zumindest mit einer großen Ambivalenz behaftet, erinnert er doch an den Moabbund in Dtn 29, der eindeutig in Generationen übergreifender Perspektive (V.15ff.) den Landbesitz für den Fall in Frage stellt, dass Israel sich nicht an die Weisungen des Buches hält (Dtn 29,27). Die krasse Nebeneinanderstellung von Idealisierung einerseits und sicherem Untergang andererseits ist tief in der Schilderung der josianischen Epoche angelegt. Der Durchgang durch diese beiden Kapitel 2 Kön 22 und 23 hat gezeigt, dass sie den Gegensatz nicht verschleiern, sondern vielmehr so angelegt sind, dass sie das Unfassbare noch zuspitzen. Aus der erzähle-
D ERS., Gesammelte Studien zum Alten Testament, München 1964, 315, der hervorhebt, „dass die Umkehr das schon beschlossene Gericht für den Umkehrenden aufhebt.“ 219 BUTTING, Prophetinnen, 147. 220 RÖMER , Transformations, 7. 221 BUTTING, Prophetinnen, 146.
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rischen Anlage der Schilderung lässt sich in der Tat ableiten: “The important point about the reign and the reform of Josiah is their failure.”222 Im Gegensatz zu den Reformen des Mose sind die des Josia für die Nachwelt ohne jede Folgen. Ganz offensichtlich kommt in der Kontrastierung von Ideal und Untergang das wohl „schwerste theologische Problem“ zum Ausdruck, mit dem die Verfasser des großen Geschichtswerkes zu tun hatten: „Warum Juda trotz der Josianischen Reform untergegangen war.“223 Ist es dann nicht naheliegend, davon auszugehen, dass für die Autoren des DtrG der Untergang Jerusalems „den Charakter eines Verhängnisses besitzt (vgl. 2 Kön 24,3.20), das nicht voll erklärbar war“224? Daraus würde eine Verlegenheit entstehen, die eine „conspirancy of silence“225 nach sich zieht. Ist da nicht Sara Japhet Recht zu geben, die meint, dass die Umkehr Josias angesichts von Gottes unumkehrbaren Zorn eher sinnlos ist?226 3.3. Die Zukunft in der Vergangenheit Das Zweite Königebuch endet bekanntlich damit, dass der vorletzte König Judas, Jojachin (der Urenkel Josias), im Exil aus dem Kerker entlassen wird und in Ruhe seine Pension am babylonischen Königshof verzehren darf. (2.Kön 25,27–30). Diese dürre Notiz hat die bekannten Kontroversen ausgelöst und beinahe jedes theologische Schwergewicht schultern müssen. Die Diskussion, ob in der Begnadigung eine versteckte Zukunftsbotschaft enthalten sei, ist hier nicht wieder aufzurollen. Es bleibt aber die Frage: Fügt sich dieser Bericht in das Gesamtbild des in Gen – 2 Kön dargestellten Geschichtsbogens, in dem jeder Epochenübergang sonst mit ausführlichen Reden der Handlungsträger überdeutlich markiert ist? Geht die Vorstellung, dass sich die Zukunftsaussagen am Ende einer Geschichtsdarstellung finden müssen, nicht zu einseitig von einem linearen, d.h. neuzeitlichen Zeitverständnis aus? Wie verhält sich dieses Ende zu der Gottesrede in Dtn 31,16ff, die den Ungehorsam Israels und dessen Folgen schon vor der Landnahme vorhersagte? Am Ende des Zweiten Königebuches wird ausschließlich etwas über den Verlust des Landes und über den Aufenthalt im Exil gesagt und an 222
H OBBS, 2 Kings, XXV. A LBERTZ, Exilszeit, 213. 224 A LBERTZ, Exilszeit, 213. Dieses Verhängnis beeinträchtigt nach Ansicht A LBERTZ’ jedoch nicht die Zukunftsperspektiven: „König, Tempel und Volk werden ihr feierlich und offiziell in einem förmlichen Bundesschluß unterstellt (23,1–3), der Kult wird nach den Normen der Tora gereinigt (23,4–24). Dies verhindert zwar nicht den Landverlust; aber es bildet eine Option für die Zukunft.“ (Siehe S. 218). Doch diese Option kann angesichts des „Verhängnisses“ dann nicht mehr mit dem Land verbunden werden. 225 BRICE, Death, 369–382. 226 JAPHET, Chronicles, 1033. Siehe auch bei BUTTING, Prophetinnen, 145. Vgl. auch SWEENEY, King Josiah, 45: “In the present form of the narrative, they [Josiah's reform measures] are completely useless ...” 223
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keiner Stelle eine Perspektive darüber hinaus eröffnet. Das geschieht ausdrücklich an anderen Stellen, bezeichnenderweise im Deuteronomium in 4,25–31; 29,15–30,10227. Dabei ist es für unsere Fragestellung unerheblich, ob diese Texte, wie in der Forschung allgemein angenommen228, relativ spät eingefügt worden sind. Indem Israel aus dem Land vertrieben wird, kehrt es zugleich an den „geschichtlichen Ort“ zurück, an dem es sich vor der Landnahme befand. Hier kann es neu auf den unerschütterlichen Grundlagen wieder aufbauen, die Jhwh in der Verheißung an die Erzeltern und dem Exodus gelegt hatte229. 3.3.1. Die Wiederkehr verspielter Chancen Israel gerät deswegen trotz Josias Reformen ins Exil. Israel trifft all das „Böse“, das – so die Geschichtskonstruktion – Jhwh schon kurz nach der Übergabe der Tora an die Ältesten und Priester vorhergesagt hatte (Dtn 31,16ff). Wir hatten jedoch oben gesehen, dass die Ansage des zukünftigen Ungehorsams wieder und wieder auf den Guss des Stierbildes in Dtn 9 und 10 anspielt230. Das aber bedeutet, dass dieser zum Paradigma für die Abwege Israels wird, die in den Büchern Ri – 2 Kön ausführlich beschrieben werden. Doch auch die Neu-Gabe der Tafeln in Dtn 10,1–5 hat ihre Analogie in der Situation des Exils. Indem das Exil mit dem „Tag“ vor der Landnahme gleichgesetzt wird (Dtn 29,27) und das gesamte Volk wieder in die Situation des Moabbundes hineingeraten ist, hört es alle Rechte und Bestimmungen, die Mose verkündet hatte, noch einmal wieder neu. Hier wird nun endgültig deutlich, dass Israel durch seinen Ungehorsam zwar alles verlieren kann, jedoch niemals die Treue Jhwhs, die in dem Bundesgeschehen gründet. Vielmehr werden die Bundesschlüsse, die ineinandergefügt, voneinander abhängig und strukturverwandt sind, für Israel zum wesentlichen Interpretament seiner Geschichte. 3.3.2. Die „Nullpunktsituation“ Die Beschreibung der fernsten Vergangenheit, genauer: der Epoche vor dem Eintritt in das von Jhwh verheißene Land wird spätestens durch die hier aufgeführten Texte für die Situation des Exils unmittelbar durchsichtig. Das Exil ist wie der „Tag“, an dem Mose noch einmal die geschichtlichen Erfahrungen Revue passieren lässt. Es ist, und das ist für unsere Fragestellung entscheidend, der „Tag“, an dem Jhwh den Moabbund mit Israel 227
Die Ansage des Exils und die Bitte um Jhwhs Gnade in 1.Kön 8,46–53 bedarf einer gesonderten Betrachtung der Darstellung Salomos, die den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen würde. 228 Für Dtn 30,1–10 u.a.: K NAPP, Deuteronomium 4, 128ff.; dem zustimmend K AISER, Grundriß, 94f.; siehe auch WOLFF, Kerygma, 319. 229 Siehe S. 148ff und S. 111ff. 230 Siehe S. 315ff.
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schließt. Es ist der „Tag“ vor der Überquerung des Jordans. Auch wenn die josianische Reform die eingangs aufgeführten Parallelen zu diesem „archetypischen Tag“ vor der Landnahme aufweist – bezeichnender und theologisch relevanter sind die Unterschiede zwischen diesen beiden Epochen: 1. Im Deuteronomium befindet sich Israel in der Wüste, außerhalb des verheißenen Landes. 2. Der Generationswechsel bewirkt in der Wüste eine Tilgung der Schuld der vorangegangen Generation (Dtn 1,39), wohingegen die Reform Josias die Schuld seines Vaters Manasse nicht aufzuheben vermag (2.Kön 23,26). 3. Nur in der „Nullpunktsituation“231, im Rahmen des Moabbundes, kehrt Jhwh sich wieder zu seinem Volk (Dtn 30,9), und nicht am Ende einer Reform, die erst nach der bereits beschlossenen Vertreibung aus dem Land erfolgte (2 Kön 21,10ff). 4. Im Dtn wird die Umkehr des ganzen Volkes in Aussicht gestellt (Dtn 30,2.8). In der Zeit Josias wird dies ausdrücklich nur vom König gesagt (2.Kön 23,25). In Dtn 30,9 heißt es, dass sich Jhwh dort wieder zu seinem Volk wenden wird. Genau diese Umkehr hatte Jhwh jedoch im Anschluss an die Josianische Reform verweigert, obwohl es ausdrücklich hieß, dass kein König so mit ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzer Kraft umgekehrt ist wie Josia (2 Kön 23,24.25). Vor diesem Hintergrund muss auch die „deuteronomistische Didaktik“ gesehen werden, die vom gesamten Volk 232 durchgängig eine Hinwendung zu Jhwh fordert.
Der Tag vor der Landnahme, an dem der Moabbund geschlossen wurde, lässt sich auch als eine einzige große Bildungsveranstaltung für das gesamte Volk beschreiben. Dieses Merkmal wies die Moserede vermutlich schon zur josianischen Zeit auf233, jetzt im Exil wird dieses Merkmal jedoch massiv ausgebaut234. Nicht einzelne Eliten oder herausgehobene Personen wie ein König stehen im Mittelpunkt des Geschehens, sondern ganz Israel ist Adressat der Moserede. Es ist symptomatisch, dass sich ein solcher Spitzentext wie das Schema Israel nicht an irgendeine Elite oder irgendeinen besonderen Personenkreis wendet, sondern an das breite Volk insgesamt. Tora soll vermittelt werden, insbesondere an die nächste Generation. Sie soll nicht zuletzt darum an die Türpfosten, Tore und sogar auf die Körper geschrieben werden, um die Fragen der Kinder zu provozieren. „Was sind das für Weisungen, Gebote und Satzungen, die euch Jhwh, unser Gott geboten hat?“ (Dtn 6,20). Nicht umsonst soll auf diese Frage hin vom Exodus erzählt werden. Er bildet die geschichtliche Grundlage, zu der Israel im Exil wieder zurückkehren und der dort wieder in das Bewusstsein des Volkes eingestiftet wird. Genau in diesem Punkt liegt der Grund, weshalb die Zukunftsaussagen des Geschichtsbogens Gen–2.Kön nicht an dessen Ende, 231
Diesen Begriff übernehme ich von H ARDMEIER, Schma’ Jisra’el, 65. Adressat der Moserede ist das ganze Volk. Die Traditionsvermittlung an die nächste Generation wird ausdrücklich geregelt: vgl. etwa Dtn 4,9; 6,7ff.20f.; 11,19; 32,7f. und die bekenntnisartigen Formulierungen Dtn 6,4f.; 10,12f. u.a. 233 Siehe dazu CRÜSEMANN, Tora, 316–322. 234 Dies gilt vor allem im Hinblick auf Dtn 4. BRAULIK, Gedächtniskultur, 9–31, stellt die diachrone Entwicklung der Lernthematik innerhalb des Wachstumsprozesses des Dtn dar. Er kommt zu dem Schluss: „So geht es dem Dtn zuerst und zuletzt um das Lehren und Lernen eines gesellschaftsbezogenen ‚Glaubens‘“. 232
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sondern vor der Landnahme stehen müssen: Um Zukunft zu gewinnen, muss Israel an den Anfang seiner Geschichte, in die in der Tora beschriebene Wüstenzeit, die seine Gründungszeit ist, zurückkehren235. Der Moabbund, in deren Rahmen Mose all die wesentlichen Ereignisse wiederholt, ist genau der Ort, an dem diese Anfänge noch einmal ins Gedächtnis zurückgerufen werden und der selbst dadurch so etwas wie ein Neuanfang ist. Das bedeutet, dass mit dem Landverlust nicht alles verloren ist. Die Situation in der Wüste, die der Rahmen des Dtn umschreibt, ist von der Freiheit geprägt, die Jhwh seinem Volk durch den Exodus geschenkt hat. Diese Freiheit ist Grundlage und Ziel der Argumentation, derer sich Mose in seiner Rede bedient236. Um diese Freiheit wieder zu erlangen, muss Israel erneut in die Situation des Moabbundes hineingestellt werden, in der sie neu begründet wird237. 3.3.3. Nie wieder Josia! Damit stellt sich die Frage nach der Funktion der Idealisierung des Königs Josia noch einmal neu. Angesichts des sicheren Untergangs, den auch er nicht mehr aufhalten kann, eignet er sich nicht als Grundlage, geschweige denn als Vorbild für einen Neuanfang. Zu den Zeiten, als Josia den Thron Judas bestiegen hatte, hatte Israel die Tora lange schon vergessen. Die Idealisierung Josias und sein Scheitern wirft ein Licht auf seine Vorfahren und auf die Verfahrenheit der Situation, in der er seine Reform anpackt. Mit der Idealisierung Josias wird der Abgrund ausgemessen, in den Israel durch das Vergessen der Tora und insbesondere nach der Regierungszeit Manasses geraten war. Die Schilderung des Scheiterns seiner Bemühungen hat dabei jedoch bei der Ausformulierung einer Hoffnung über das Exil hinaus durchaus eine orientierende Funktion: Josias Reform lässt sich als eindringliche Warnung verstehen: Wenn es jetzt nach dem Exil eine erneute Rückkehr ins Land geben wird, dann darf es nie wieder ein „zu spät“ geben, wie es für Josia bereits „zu spät“ war. Wenn die Tora über einen so langen Zeitraum vergessen wird, wie sie in der Vergangenheit missachtet worden war, wenn sich nicht tora-gemäßes Verhalten über einen so langen Zeitraum einschleift, wie es in der Vergangenheit zur schlichten Gewohnheit geworden war, wenn zu viel Schuld aufgehäuft worden ist, kann auch 235
LOHFINK, Heilsgeschichte, 90: „Dann wäre noch mitausgesagt, daß anderes Jahwewirken in anderen Perioden der Geschichte immer nur Repetition und Teilhabe an diesem primordialen Jahwewirken für Israel sein könnte. Dies ist sicherlich ein Denken, dass eher von der Schriftprophetie her vertraut ist.“ Siehe dazu CRÜSEMANN , Hosea, 109–125. H ARDMEIER, Zeitverständnis, 326, verweist in seiner Untersuchung von Jer 2–6 auf einen ähnlichen Gedankengang in Jer 2,2ff.32. 236 Siehe in dem Abschnitt S. 124ff, in dem ich versucht habe darzulegen, weshalb der Exodus zwar als Erinnerungsfigur eine Rolle spielt, aber keine eigene Station innerhalb des Geschichtsrückblickes darstellt. 237 Vgl. dazu bereits CRÜSEMANN, Freiheit, 112–114.
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Kapitel 3: Der Moabbund
irgendwann einmal die noch so mutige Reform eines noch so idealen Königs nichts mehr am Verlust des Landes ändern. Der grundsätzliche Unterschied zwischen dem josianischen Bund und der anschließenden Reform einerseits und der Interpretation des Exils als Rückkehr in die Situation des Moabbundes andererseits ist nun mit Händen zu greifen: Das ganze Volk muss nach dem Generationen übergreifenden Schuldzusammenhang wieder in die „Ur-Situation“ des Moabbundes hineingestellt werden. Unter dieser Voraussetzung wendet sich Mose zum Zeitpunkt des Generationswechsels in der Wüste auf breiter Ebene an das ganze Volk: Die Deuteronomisten haben ihre Inhalte, genauer ihre Rechtsordnung, die vermutlich in josianischer Zeit formuliert worden ist238, auch im Exil wieder in den Vordergrund gestellt. An dem Inhalt der Gebote und Bestimmungen wird nicht grundsätzlich etwas geändert. In Dtn 10,1.3 wird ausdrücklich gesagt, dass die neu hergestellten Tafeln am Horeb wie die ersten sind (MyˆnOvaâîrD;k). In der Struktur der Bundesschlüsse entsprechen die Tafeln vom Horeb den in Moab erlassenen Gesetzen. Der Geschichtskonstruktion des Deuteronomiums zufolge kommt Israel wieder in die Ursituation des Moabbundes hinein und hört genau die Gesetze und Gebote noch einmal, die die Vorfahren am „Tag“ vor der Landnahme schon einmal vernommen hatten. Genauso wie damals hört jetzt das „ganze“ Volk. Nicht durch die Reform eines einzelnen Königs oder geschicktes Handeln am Hof wird eine nachhaltige Reform des Sozialwesens installiert. Die Interpretation des Exils als Ort des Moabbundes zieht die Vermittlung von Tora an das gesamte Volk in der Wüste nach sich, das jetzt erneut unter diesen Umständen die Worte des Mose und damit auf die große Stimme der Wüste hört, die seinerseits die vielen Stimmen beauftragt, von den großen Taten Jhwhs zu erzählen239. Vor allem in der Erziehung der nächsten Generation, der Kinder im Sinne der Tora, ruht in erster Linie die Hoffnung auf eine Neugestaltung der politischen Verhältnisse nach dem Exil.
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Zur historischen Rekonstruktion des Ursprungs des Deuteronomium anhand von 2.Kön 22–23 siehe CRÜSEMANN, Tora, 311–322; H ARDMEIER, Prophetie, 440ff; K ESSLER, Staat. 239 Die Einkleidung in eine Moserede, die vor der Landnahme gehalten wurde, wird das Deuteronomium wohl schon in seiner Entstehungszeit gehabt haben. Nur so war eine Bindung an eine Autorität jenseits des Königs am jerusalemer Zentralgericht möglich. Siehe dazu CRÜSEMANN, Tora, 315. Die oben dargestellte Auslegung betrachtet die josianische Reform aus der Perspektive des Exils, bei der sich die Frage nach dem Scheitern der josianischen Reform allererst stellt.
Zusammenfassung und Ausblick:
Das Deuteronomium als Paradigma der Schriftauslegung Was den weitaus größten Anteil der biblischen Erzählungen anbelangt, stehen wir vor dem immer wieder hervorgehobenen Befund, dass der biblische Erzähler ebenso in den Hintergrund tritt wie die biblischen Autoren. “Biblical narrative exhibits such a rage for impersonality as must lead to the conclusion that its writers actively sought the cover for anonymity.” (Meir Sternberg). Cum grano salis kann gelten, dass in den biblischen Geschichtswerken ein Erzähler das Wort ergreift, der so gut wie nicht in Erscheinung tritt, sondern namen-, körper- und gesichtslos bleibt. Dabei kann jedoch bei dem biblischen Erzähler immer von einem gewissen „Realismus“ ausgegangen werden. Vom ihm darf der Leser eine große Übereinstimmung mit der Handlungsfolge erwarten. Während der biblische Erzähler als Person so in den Hintergrund tritt, bekommt Mose als tragende Figur innerhalb des großen von Ex bis Dtn dargestellten Geschichtsbogens ein prägnantes Gesicht. Mit seinem Namen verbinden sich die großen, grundlegenden Ereignisse der Geschichte des Volkes, sein Körper wird von Gott selbst am Ende dieser, seiner Zeit jenseits des verheißenen Landes begraben (Dtn 34,6). Nach dem unberührbaren biblischen Erzähler ergreift am Ende der Tora im Buch Deuteronomium, so die bibische Darstellung, mit Mose ein verwundbarer Mensch aus Fleisch und Blut das Wort. Er ist ein Augenzeuge, der die Folgen der Ereignisse, die er bezeugt, von denen er redet, am eigenen Leib zu spüren bekommt. Was zeichnet Mose aus, dass seine Perspektive so bedeutsam ist? Er ist ein Mensch1, bei dem die Außenperspektive die ganze Tora hindurch konsequent beibehalten wird. Er betritt das den Erzeltern versprochene Land in seinem ganzen Leben nicht einmal. Er wird in Ägypten erzogen, hat demzufolge einen ägyptischen Namen. Er heiratet eine midianitische Frau, bekommt einen Sohn, der sich als „Gast im fremden Lande“ bezeichnet (Ex 2,22; 18,2), und lässt sich von seinem Schwiegervater in so wichtigen Angelegenheiten wie der Rechtspflege beraten (Ex 18). Mose ist somit jemand, der einerseits zu Israel gehört, seinem Volk andererseits jedoch immer auch als „nicht ins Land Gehöriger“ gegenüber tritt. Den Gefahren im Land, vor denen das Deuteronomium wieder und wieder warnt, den 1
Diese Aussage ist natürlich nicht im „historischen“ Sinne zu verstehehen. Siehe dazu die Ausführungen S.37 und S. 56ff.
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Zusammenfassung und Ausblick
Göttern, den Sitten und Gebräuchen der Landesbewohner, wird Mose im Laufe seines Lebens nicht ausgesetzt. Unabhängig von den Gründen, die in der Tora für seinen Tod angegeben werden, ist es schon allein von seinem Lebensweg her nur konsequent, wenn er an der Grenze zum verheißenen Land stirbt. Nicht auf die quasi göttliche Distanz des biblischen Erzählers scheint es bei den Reden des Mose anzukommen, sondern auf diese – durch und durch menschliche – Außenperspektive. Mose trifft eine Auswahl aus den Ereignissen, von denen der biblische Erzähler in den Büchern Gen – Num berichtet. Ausgerechnet auf die Kundschaftererzählung und die Geschehnisse am Sinai bzw. Horeb greift er ausführlich zurück. Der Exodus und erst recht die Erzelternzeit nehmen vergleichsweise wenig Raum ein, wiewohl sie innerhalb des Gedankenganges eine zentrale Rolle spielen. Die Kundschaftererzählung und die Geschehnisse am Horeb haben gemeinsam, dass sie Ereignisse sind, in denen Gott seinem Volk eine zweite Chance einräumt. Beim Horeb geschieht dies durch die Erneuerung der Tafeln (Ex 34; Dtn 10,1–5). Nach der verspielten ersten Landnahme (Num 13/14; Dtn 1) steht diese Chance nach erfolgtem Generationswechsel noch aus. Die neue Generation ist zum Zeitpunkt der Rede des Mose im Begriff, sie zu ergreifen. Wenn nun die Kundschaftergeschichte die Moserede eröffnet, wird deutlich, dass die bevorstehende Landnahme die eigentliche Überschrift aller Reden insgesamt darstellt. Mose teilt der neuen Generation Israels jetzt kurz vor der Bewährung all das aus der Zeit der Eltern noch einmal mit, was sie braucht, um die Möglichkeit zu nutzen, die die Eltern beim ersten Landnahmeversuch verspielt haben. Die bewusste Inszenierung der Wiederholung aus der besonderen Perspektive der Mosereden macht deutlich, wie Erinnerung und Darstellung von Geschichte der Zukunft dienen kann. Ich möchte damit nicht bestreiten, dass auch in der Priesterschrift oder anderen Schichten der Tora mit der Darstellung der Geschichte eine theologische Absicht verfolgt wird. Das Besondere am Deuteronomium ist nur, dass es diese Kontextualisierung inszeniert. Auf diese Weise wird die Grundsituation der Rede des Mose und was mit ihr auf dem Spiel steht, den Tora Lesenden vor Augen gemalt. Alle geschichtliche Darstellung tritt in den Dienst dieser gleichsam homiletischen Situation. Zugleich wird die Bedeutung des Erzählens von Geschichte hier selbst zum Gegenstand des Erzählens: Es wird erzählt, weshalb das Erzählen von Geschichte in dieser besonderen Situation des Überganges unerlässlich ist. Natürlich verschieben sich mit dem Perspektivwechsel noch einmal die Akzente in der Darstellung der Ereignisse. Jetzt geraten die Geschehnisse in einen argumentativ-theologischen Zusammenhang. Diese Verschiebung – und das ist die rhetorische Finesse des Deuteronomiums – ist sorgfältig ausgestaltet. Die Widersprüche zum „objektiveren“ biblischen Erzähler sind insofern nicht als „Mangel“ einer Geschichtsschreibung anzusehen,
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die sich noch nicht absolut der Darstellung der Ereignisse verschrieben hatte, „so wie sie wirklich waren“. Das Deuteronomium ist nicht mehr und nicht weniger als eine „Lehrstunde der Geschichtsdidaktik“.
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Stellenregister
Genesis 1 2 3,6 6,5 8,13 8,21 8,22 9 11,1–10 12 12,1ff. 12,1–9 12,2 12,7 12,13 13,14–17 15
15,1–6 15,5 15,6 15,7 15,8 15,9ff. 15,9–21 15,12 15,13–16 15,16 15,17 15,18
16,11 17
17,2 17,4–8
286 170 161 320 248 Anm.589 320 309 Anm.160 104 Anm.114 246 Anm.581 101 101. 104 Anm.111 100 236 9. 104 Anm.111 215 104 Anm.111 102. 103 s.a. Anm.109. 104f. 112. 201f. 275 Anm.46 104 Anm.111 109. 181 102 103 102 103 102 103 102. 109 102. 109f. 201 103 102f. 104 Anm.111. 108 s.a. Anm.124. 144 Anm.233. 181 253 102. 104 s.a. Anm.114. 111f. 143. 144 Anm.233 102. 104. 111 Anm.133. 112 104 Anm.111
17,5 17,6 17,7 17,8 17,11 17,19 17,23 18,10 18,18 19,37. 38 20 21,13 21,17 22,1 22,5 22,6 22,12 22,14 22,15–18 22,16ff. 22,16–19 22,17 24,7 25,22 25,25f. 26,2–5 26,3 26,4 26,24 26,28f. 26,33 27 28 28,11ff. 28,13ff. 29,31–30,24 30,17 30,22 31
105 105 102. 104f. 115 105. 111 173 Anm.337 143 Anm.232 105 104 Anm.111 236 54 Anm.82. 106. 122 100 104 Anm.111 253 100ff. 101 101 55 Anm.89 101 101 101 104 Anm.111 100 109. 181 105 113 Anm.138 169 Anm.317 104 Anm.111 105 109. 181 104 Anm.111 172 54 Anm.82. 106 Anm.122 104 28 Anm.6. 30 246 Anm.581 104 Anm.111 169 Anm.317 253 253 59 Anm.101. 86 Anm.58
382 31,4–16 31,26–53 32,2ff. 32,4–22 32,8. 9 32,31 32,33 35 35,9–13 35,20 37,36 41,33. 39 46,3 47,26 50,24 Exodus 1. 2 1–2 1–14 1–15
1,1–10 1,6–9 1,7 1,9 1,16 2 2ff. 2,1ff. 2,14 2,22 3 3. 4 3f. 3. 6 3,1 3,1–4,18 3,6 3,7. 10 3,7ff. 3,8. 17 3,9f. 3,10 3,11 3,11. 18
Stellenregister 106 106 246 Anm.581 106 106 241 54 Anm.82. 106 Anm.122 28 Anm.6. 30 104 Anm.111 54 Anm.82. 106 Anm.122 180 Anm.364 183 Anm.378 236 54 Anm.82. 106 Anm.122 9
123 116 244 Anm.573 87. 115. 117 s.a. Anm.154 u. 155. 123. 125. 198 116 146 Anm.243 226 155 123 5 169 58 180 Anm.364 56. 58. 169. 337 28 Anm.6. 116. 118. 241. 247 123. 161 116. 155 s.a. Anm.274 170 168. 246 246 Anm.580 63 Anm.115. 226 240 226 161. 165 118 161 161 118
3,12 3,13 3,14 3,21. 22 4 4,20 4,21 4,24ff. 4,31 5,1 5,2 5,7ff. 5,22f. 6 6,1 6,2 6,3 6,4. 8 6,6. 7 6,7 6,9 6,16–25 7 7–11 7,3 7,13. 14 7,17 7,22. 23 7,27 8,6. 18 8,11. 15 8,28 9,1 9,7. 12 9,14. 29 9,30 9,34. 35 10,1 10,2 10,20. 27 11,1 11,1ff. 11,10 12 12f. 12ff. 12,1 12,2
163. 227 Anm.537. 246 241 18. 123. 170. 225. 241 121 118 58 118 Anm.159 168 123 118 118. 124. 172 118 118 28 Anm.6. 116. 118 118 171 30 161 171 123 120 Anm.163 58 118 116 118 Anm.159 118 Anm.159 118 118 Anm.159 234 118 118 Anm.159 118 Anm.159 163 Anm.296 118 Anm.159 118 170 118 Anm.159 118 Anm.159 118 118 Anm.159 118 121. 246 Anm.580 118 Anm.159 104 Anm.114. 134. 309 116. 119. 124. 137 124 134 119 Anm.160
Stellenregister 12,3 12,3–20 12,11 12,12 12,13 12,14 12,15 12,17 12,17–20 12,18ff. 12,19. 20 12,21–27 12,25ff. 12,26. 27 12,27–30 12,28 12,29 12,32 12,33 12,34. 39 12,34–42 12,36 12,38 12,43–49 12,48. 49 12,50. 51 13 13,2 13,3 13,3. 7 13,3–7 13,3–16 13,4 13,8 13,8ff. 13,10 13,13 13,14 13,14ff. 13,20ff. 13,21f. 14 14,1–4 14,4 14,4. 8 14,13 14,14. 15 14,15–18 14,17 14,18 14,21
121 119f. 120 119 120 119 s.a. Anm.160 120. 122. 135 Anm.197 122 120 309 Anm.159 122 119 122 Anm.169 120 120 119 119 119 118 120. 122 120 121 121. 175 121 300 Anm.130 119 122 122 120 135 Anm.197 122 122 s.a. Anm.169 134 122 122 122 122 122 122 122 211 Anm.478 116. 121 122 119 118 Anm.159 122 122 122 118 Anm.159 119 248 Anm.589
14,24 14,25 14,26 14,28–31 14,31 15 15,21 15,22–27 15,24 15,25 15,25ff. 16 16. 17 16f. 16,3 16,4. 28 16,6 16,7 16,9. 15 16,10 16,17. 18 16,18. 19 16,19. 25 16,23 16,23. 24 16,29 16,32ff. 16,35 17 17,1–7 17,2 17,3 17,4 17,6 17,7 17,8 17,8–15 17,11 17,14 18
18,1 18,1. 14 18,1–12
383 122 122 122 116 123. 226 116 172 172 175 172 226 Anm.531 172. 306. 309ff. 244 Anm.573 165. 174f. 246 175 172 175 172 175 238 310 310 175 306 310 165 175 309 171f. 199 175 175 175f. 172. 199. 246f. 170. 207 Anm.461 176 170 170 171 25 Anm.50. 57. 59. 87. 109 Anm.126. 154ff. 165. 167. 169– 172. 174. 179 s.a. Anm.362. 180f. 188. 190. 337 161f. 168 161 Anm.292 155 s.a. Anm.275. 156. 157 s.a. Anm.282. 168
384 18,2 18,2–6 18,3 18,4 18,5 18,10ff. 18,12 18,12–27 18,13–27 18,19 18,20 18,21 18,21. 25 18,22 18,23 18,24 19 19f. 19ff. 19–24 19–34
19,1 19,2 19,3 19,3ff. 19,3–6 19,3–8 19,4 19,5 19,6 19,18 19,21. 23 20
20,2 20,4 20,10–11 20,11 20,18ff. 20,18–21 20,19 20,20 20,22 20,22ff.
Stellenregister 56. 168 s.a. Anm.316. 337 58 169 169 155. 246 171 Anm.330 154. 169. 172 175 109. 153. 154– 174. 176. 178. 189 189 188 s.a. Anm.396 183 179. 184 59 189 183 172. 221 87 165 101 103. 124. 126. 222. 244 Anm.573. 256 172. 246 155 175 254 101. 148 Anm.251 254 124. 176 254. 256 Anm.617 231 Anm.548 103 320 28 Anm.6. 36. 61. 125 Anm.177. 222. 223 s.a. Anm.525. 255 124. 193 126 Anm.183 125 Anm.177 125. 306 227 139 Anm.215. 258 Anm.623 92 Anm.70. 223. 315 Anm.173. 258 101. 223 92 Anm.70. 254 223
21,1–23,19 21,33 22,8 23 23,5 23,6. 11 23,10–13 23,11 23,12 23,14 23,15 23,16
23,17 23,20 23,22 24 24,1–8 24,3 24,3. 4 24,3ff. 24,3–8 24,3–9 24,4 24,4. 7 24,4–7 24,4–8 24,5–8 24,7 24,7. 8 24,7ff. 24,8 24,9ff. 24,11 24,12 24,12–18 24,14 24,17 24,18 25,1–31,17 28,41 29,9 31,18 31,21
188. 259. 298 161 164 308 182 306 305. 308 s.a. Anm.155. 311 310 308 298f. 298. 300 297 s.a. Anm.120. 298 s.a. Anm.127. 300. 311 298. 301 165 Anm.303 305 Anm.148 173. 177. 221. 273. 285 173 173. 188 Anm.397. 276 254 231 Anm.548 254. 275 86 Anm.58 226. 254. 276 273 10. 282 276 285 275 254 276 221. 253f. 173. 227 173. 177 242 Anm.569. 255f. 221 101. 155 101 255 Anm.613 221. 255 231 231 221. 242 Anm.569. 255 238
Stellenregister 32 32ff.
32,1 32,1ff. 32,1–6 32,4 32,4. 5 32,4f. 32,4. 8 32,5f. 32,7 32,7. 9 32,7. 11 32,7ff. 32,7–10 32,7–14
32,8 32,9 32,10
32,11ff. 32,11–14 32,12 32,12ff. 32,13 32,14 32,15ff. 32,15–19 32,17. 18 32,19 32,20 32,21 32,21–24 32,23 32,25 32,25ff.
11. 13f. 222. 231. 322 Anm.191 87. 127. 175f. 191. 200 Anm.433. 207. 219. 221f. 225. 247. 250 Anm.595. 298 Anm.126. 321 222. 315 Anm.173 222 223. 226 226 222 191 126 Anm.183 222 227. 235. 242 223 235 239 225. 227. 239. 252 191. 203. 219 Anm.512. 225. 230 Anm.544 227. 235. 259 242 190. 191 Anm.406. 192. 198 Anm.427. 204. 227. 234. 236 s.a. Anm.558. 237f. 176. 228 228. 236f. 252 191 Anm.406. 237 204 9 225. 229–232. 234. 237f. 225 228 223 223. 226. 229f. 242 Anm.569 228f. 234 Anm.554 230 228. 230 230 161 Anm.292 176
32,25–29 32,26 32,26ff. 32,27 32,27ff. 32,29 32,30–33,23 32,30–34,9 32,30 32,31 32,31ff. 32,31–34 32,32 32,32. 34 32,33 32,33ff. 32,34 32,35 33 33f. 33,1 33,1f. 33,1ff. 33,1–6 33,2 33,3 33,3. 5 33,4 33,4ff. 33,5 33,6 33,7 33,7ff. 33,7–11 33,9f. 33,11 33,12ff. 33,12–19 33,13 33,16 33,17 33,18 33,19 33,23 34 34,1 34,1. 4 34,1–4 34,1–6
385 225. 234. 238 233 230 232 234 Anm.554 231f. 237 224 224 Anm.526. 234. 255 Anm.613 233. 238 227 234 238 224 Anm.526 234 Anm.554. 238 239 233. 238. 240 233. 234 s.a. Anm.554 233. 316 165 9. 235. 239f. 242 238 227 247 240 234 242 233. 239 227 Anm.538 239 246f. 159 s.a. Anm.288. 233 239 Anm.565 13. 317 Anm.182 159 239. 241 239 64 240 240 240 240f. 223. 240ff. 240f. 87. 254. 338 229. 255f. 242 Anm.569 242 223 Anm.525. 258
386 34,1–10 34,2 34,4 34,5 34,6 34,6. 7 34,9 34,10
34,11–26
34,12–26 34,17 34,18 34,20 34,22
34,23 34,27
34,27. 28 34,27f. 34,28
34,29–35 34,34 Leviticus 1,5f. 6,5 8,33 9,24 11–26 16,29 16,32 17–26 19,2 21,10 23
23,5 23,15 23,33–36 23,34 23,34. 36
Stellenregister 190 234 234 175 241f. 242 242. 250 221. 242. 243 s.a. Anm.572. 253. 255f. 316 235. 243 s.a. Anm.572. 254f. 259 s.a. Anm.626. 298 255 Anm.615 259 298 298 297 s.a. Anm.120. 298 Anm.127 298. 301 221. 243 s.a. Anm.572. 253. 255 316 190 243. 253f. 255 s.a. Anm.615 u. 616. 256. 288 243 216
58 310 231 199 188 300 Anm.130 231 61 67. 296 231 300. 303 Anm.143. 304. 308f. 309 Anm.159 301 298 299f. 303 297 Anm.120
23,35 23,39 23,39–42 23,39–44 23,40 23,42 23,42. 43 23,43 24 24,10ff 25 25,1–7 25,2 25,2–7 25,4 25,6. 7 25,7 25,9 25,10 25,10ff. 25,12. 22 25,13 25,14–19 25,21. 22 25,23 26,14ff. 26,37 34,20 Numeri 1 1–26 1,1–10,10 1,3 3,3 4,43 5,11ff. 6,12 9 9,1 9,6ff. 10. 11 10,1 10,11 10,12 10,29 10,29–32 10,33
299 297. 299f. 298 297 Anm.120 299f. 303 s.a. Anm.140 300f. 303 311 299. 303 60 167 305. 306 s.a. Anm.152. 307 311 309 306 309 309 309 306 306f. 306 309 306 307 310 307 11 230 301
193 205 Anm.449 194 193 231 206 Anm.455 229 Anm.542 114 Anm.145 60 61 Anm.108 167 155 61 Anm.108 192 192 165 Anm.303 155. 165 Anm.304 101. 211 Anm.478
Stellenregister 11 11,1. 10 11,1ff. 11,3 11,4ff. 11,10–17 11,11–17 11,16 11,24. 26 11,24ff. 11,24–30 11,34 11,34f. 12 12,4 12,7. 8 12,8 12,16 13 13. 14 13f.
13ff. 13,1 13,1–7 13,1–17 13,2 13,2. 3 13,3 13,7 13,4–16 13,17–20 13,18 13,19. 20 13,21. 25 13,21–25 13,22 13,26 13,26. 32 13,26–29 13,26–33 13,27 13,27ff. 13,27–33 13,28 13,29 13,30 13,30f.
58. 174–178. 179. 181f. 190 198 174 Anm.345 207 Anm.461 198 153 109 239 Anm.565 239 Anm.565 317 Anm.181 153 207 Anm.461 192 168 Anm.314 239 Anm.565 178 241 192 208 338 87. 190f. 192 Anm.410. 193. 203f. 206 Anm.452. 209. 211. 213. 218 194 60. 61 Anm.108 191 Anm.405 191 192. 196ff. 195 196. 205. 209 196 209 195 195 195 191 Anm.405 196f. 209 196 192. 195 191 Anm.405 197 195f. 195f. 192. 196 196 196 196 196f. 203 210
13,30–33 13,31 13,32 13,32. 33 14,1–4 14,1–10 14,2 14,2. 3 14,2ff. 14,3 14,3. 4 14,4 14,5
14,5–10 14,6 14,6–9 14,7. 8 14,7ff. 14,8f. 14,9 14,10 14,11 14,11f. 14,11–19 14,11–25 14,12 14,13f. 14,13ff. 14,13–19 14,16 14,20 14,21ff. 14,21–24 14,21–38 14,22 14,22. 29 14,23. 24 14,24 14,25
387 191 197 205 Anm.448 197 191ff. 195. 198. 206. 210 191 s.a. Anm.405 198 Anm.424. 204 205 198 198 Anm.424. 206 Anm.455 206 210. 218 198. 199 Anm.428. 200f. 217 202f. 210 199 Anm.428 199 201 199 Anm.428 202 201f. 205 Anm.451 202. 316 211 Anm.477 193. 198 203 191 s.a. Anm.405 191 Anm.406. 192. 204 204 191 Anm.406 191. 212 204 191. 204 205 s.a. Anm.450 205 Anm.448 205 195 205 195 191 Anm.405. 203. 212 206
388 14,26–38
14,26–39 14,28ff. 14,29 14,30 14,30. 38 14,31 14,32 14,32ff. 14,33 14,34. 35 14,36f. 14,36ff. 14,38 14,40 14,40–45 14,41 14,41ff. 14,42 14,43 14,45 15 15,1 15,32ff. 15,32–36 16 16,3 16,13. 14 16,13f. 16,22 16,25–34 16,27–35 16,31ff. 17,10 17,25ff. 20 20,1–11 20,1–13 20,8 20,8ff. 20,10 20,10ff. 20,11 20,12 20,12. 13 20,12f. 20,13
Stellenregister 191 s.a. Anm.405. 205 Anm.450 193 190 193. 205. 212 203 202 193. 205f. 202. 205 Anm.451 232 175 205 205 205 Anm.448 203 206 205 212 205 212f. 206 206 60 61 Anm.108 167 186 60 128 128 198 Anm.427 199 128 129 198 Anm.427 199 199 2. 213. 214 s.a. Anm.494. 217f. 217 199 199. 218 200 Anm.431 199f. 183 Anm.377 200 Anm.433 90. 176. 200f. 217 200 65. 194 199
20,16 20,24 21 21,21–35 25,1–5 25,3. 5 25,3–9 25,6–18 25,9 26 26,59 26,63ff. 26,64 26,65 27 27,1f. 27,1–11 27,12ff. 27,12–23 27,14 27,17. 21 29,12. 13 29,35. 36 31 32
32,1 32,1ff. 32,7 32,8–15 32,11 32,21 32,23 32,32 36 36,1ff. 36,1–13 Deuteronomium 1
199 9. 200f. 214. 232 87 109 60 89 Anm.62 89 60 193 190. 193. 203 58 193 193 193 2. 60. 87 214 193 203 58. 65. 267 Anm.24 176. 200f. 214. 217 216 299 299 167 87. 190. 193f. 202f. 211 Anm.476 175 186 202 190 9 202 164 Anm.298 202 60. 193 167 186
59. 87. 109 Anm.126. 133. 140. 179 s.a. Anm.361. 180. 190. 212 s.a. Anm.482. 215. 338
Stellenregister 1ff.
1–4 1–11 1–30 1,1 1,1–5
1,2ff. 1,3
1,3. 6 1,4 1,4. 5 1,5
1,6 1,6. 7 1,6. 19 1,6f. 1,6ff.
1,6–10 1,6–42 1,6–3,29 1,6–4,40 1,7 1,7. 8 1,7ff. 1,8 1,8. 21 1,8. 35 1,9 1,9. 12 1,9ff. 1,9–17 1,9–18
8. 16. 25. 75f. 79. 83. 86. 139. 144 Anm.235. 212 Anm.483. 272. 281 25. 74. 289 88 Anm.61. 92 16f. 46. 54 Anm.84. 74. 79f. 21 Anm.47. 76 Anm.16. 78f. 81. 272 245 61. 81. 82 s.a. Anm.41. 83 Anm.45. 188 Anm.398 293 79 81 22. 25. 74. 76 s.a. Anm.16. 77– 80. 270 Anm.28. 284f. 81 220 82 64 21, Anm.48. 76 Anm.16. 178. 180 s.a. Anm.367. 181. 188 68 210 Anm.471 22. 81 22. 76 178. 181 209 206 99 Anm.87. 108. 181. 208f. 78 Anm.26 107 183 Anm.381 190 Anm.403 179 Anm.362 109 22. 87. 153. 178– 190
1,10 1,10. 39 1,11. 21 1,12 1,13. 15 1,18
1,19 1,19ff. 1,19–46 1,20–46 1,21 1,22 1,23 1,24 1,25
1,26
1,26ff. 1,27 1,27. 28 1,28 1,28–33 1,29f. 1,29ff. 1,30ff. 1,31 1,32 1,33 1,34 1,34ff. 1,34–40 1,35 1,35ff. 1,35–40 1,36 1,36. 39 1,36–40 1,37
1,37f. 1,38
389 107. 109. 140 Anm.217. 81 Anm.36 108 183 Anm.381 184 Anm.384 108. 133. 180 Anm.367. 188 Anm.396 178 22 151. 190f. 281 87. 132 82. 209 208 209 209 209 s.a. Anm.468. 210 s.a. Anm.470 191. 209. 210 s.a. Anm.471. 213 210 136 Anm.201 208 82. 209. 210 s.a. Anm.470 210 Anm.470 211 Anm.476 133. 210 133 166. 182. 211 Anm.474 211 211 s.a. Anm.478 u. 480 82 191 83 82. 207 95 82 212 209 Anm.468 211 2. 9. 22. 80. 90. 212. 214 s.a. Anm.494. 215. 278 214 Anm.496 315
390 1,39 1,40 1,41 1,42 1,43 2. 3 2f. 2,1 2,2ff. 2,7 2,14 2,14ff. 2,16 2,22. 30 2,24–3,11 2,24–3,22 2,25 2,25–3,22 2,31 2,33. 36 2,34 3 3. 4 3,4. 8 3,12. 18 3,12–22 3,14 3,18. 46 3,21. 23 3,21–29 3,22 3,23–28 3,23–29 3,26 3,27 3,28 3,29 3,41ff.
Stellenregister 82f. 334 212 212 212f. 210 Anm.471. 213 190 88. 286 82 293 83 s.a. Anm.45 82. 83 Anm.45f. 82. 244 16 63. 81 Anm.36 87. 109 83 81 Anm.36 151 78 Anm.26 78 Anm.26 180 Anm.366 86. 143 Anm.225 139 180 Anm.366 180 Anm.366 87 63. 81 Anm.36 293 180 Anm.366 267 17 214 Anm.496 80. 87. 216 2. 90. 214f. 317 Anm.182 9. 81. 278 268. 281. 294. 315 76 Anm.16. 89 Anm.62 272 Anm.33
4
4. 5
4,1
4,1. 2 4,1ff. 4,1–24 4,1–40 4,2 4,2. 13 4,3 4,3f. 4,4 4,4. 8 4,5 4,5. 8 4,5–8 4,6ff. 4,8. 20 4,9 4,9. 10 4,9f. 4,10 4,10ff. 4,10–14 4,10ff. 4,11. 12 4,12 4,13 4,13. 14 4,14 4,15 4,15ff.
10. 18. 75. 89– 95. 91 Anm.68. 92 Anm.69. 104 Anm.115. 138. 139 s.a. Anm.211. 141– 144. 142 Anm.220 u. 223. 144 Anm.234. 145 s.a. Anm.238. 148f. 151 139 Anm.215. 257 Anm.623. 283 108. 114 Anm.143. 237 Anm.561. 249 139 Anm.214 143 Anm.225 125 22. 139f. 22 188 Anm.398 89 s.a. Anm.62. 221 83 Anm.46 140 Anm.217 81 Anm.36 61. 130 22 139 Anm.214 183 140 Anm.217 334 Anm.232 2. 74. 138 Anm.210 114 Anm.143 258. 283f. 313 Anm.169 258 Anm.623 139 Anm.214. 258 144 Anm.235 151 Anm.260 142 Anm.223 22. 259. 282 61. 130 22. 180 Anm.366. 258 151 Anm.260 125f.
Stellenregister 4,15–19 4,15–22 4,19. 20 4,20 4,20. 38 4,20ff. 4,21
4,21f. 4,22 4,22. 23 4,23 4,23. 28 4,25 4,25ff. 4,25–28 4,25–31 4,25–39 4,26 4,26. 27 4,26. 38 4,26. 39 4,27 4,27–40 4,29 4,29ff. 4,29–35 4,30 4,30ff. 4,31
4,31. 37 4,32 4,32. 37 4,32–38 4,32–40 4,33 4,33ff.
142 Anm.223 129 126 Anm.181 144 Anm.235 81 Anm.36 114 Anm.143. 126 2. 83 Anm.46. 214 s.a. Anm.495. 215. 216 s.a. Anm.501 214 Anm.496 216 s.a. Anm.501 139 Anm.214 110 142 Anm.223 321 Anm.190 11. 115. 139 Anm.214 22. 146 11. 68. 322 Anm.191. 333 139 112. 320 151 140 Anm.217 81 Anm.36 112 146 112ff. 133. 158 113 112ff. 152 Anm.262 138. 147 133. 211 Anm.476 102. 106 Anm.121. 107. 112. 114. 138. 144 Anm.233 143. 237 Anm.561 92 Anm.71. 114. 143 Anm.231 138 133 151 Anm.260 93 Anm.74 92 Anm.71. 93
4,34. 37 4,34–38 4,35 4,35. 39 4,36 4,36–39 4,37
4,37. 38 4,37f. 4,38 4,39. 40 4,40 4,41ff. 4,44 4,44. 45 4,44ff. 4,44–49 4,46 5
5–26 5–28 5,1
5,1. 3 5,1–5 5,1–22 5,2
5,2. 3 5,2f 5,2ff.
391 144 Anm.235 147 Anm.250 153 144 Anm.234 139 Anm.211. 142 Anm.223 144 Anm.235. 258 Anm.623 92 Anm.71 93 s.a. Anm.73, Anm.74. 108. 114. 143 Anm.232 138 134 149 140 Anm.217 92 Anm.71. 93 139 78. 139. 273. 284 s.a. Anm.78. 285 74. 79f. 139 272 80 7. 10. 20. 22. 25. 28, Anm.6. 36. 74ff. 84. 86f. 110. 124. 125 Anm.177. 126. 142 Anm.223. 190. 219 Anm.514. 223 Anm.525. 259f. 272. 288f. 316 275 92 Anm.69. 74. 275. 289 8. 22ff. 78. 88 Anm.61. 140 Anm.217. 249. 257. 274. 313 Anm.169 81 Anm.36 257 256 83 Anm.46. 110 s.a. Anm.129. 260 259 110. 112. 257 289
392 5,2–5 5,3 5,4. 5 5,4. 22 5,4f 5,5 5,6
5,6. 15 5,7–21 5,8 5,8. 9 5,8f. 5,9 5,9. 10 5,14 5,15 5,19 5,22
5,22. 24 5,22f. 5,22–31 5,23 5,23ff. 5,23–31 5,24ff. 5,25. 26 5,26 5,27 5,28 5,28f. 5,29 5,30 5,31
5,32f. 6 6–28 6,1 6,3 6,3. 10
Stellenregister 8. 88 8. 107. 112. 221 92 Anm.70 151 Anm.260 257 s.a. Anm.621 180 Anm.366 74. 124. 147 Anm.250. 193. 289 149 Anm.254 74. 289 125. 126 Anm.183 90 259 91. 107 138 Anm.210 187 Anm.392. 306 113 Anm.141. 125 282 6. 270 Anm.27. 282f. 313 Anm.169 92 Anm.70 271 Anm.30 74. 289 184 Anm.381 u. 382 257 258 257 92 Anm.70 92 Anm.70 22f. 223. 258 257 258 Anm.623 258 136 Anm.201 22f. 61. 69. 84. 112 Anm.135. 180. 208. 256. 259. 290f. 74. 289 24 74 130 108 237 Anm.561
6,4 6,4f. 6,4ff. 6,5 6,6 6,6–9 6,7 6,7ff. 6,8 6,10 6,13 6,16–19 6,18. 23 6,20 6,20f. 6,20ff. 6,20–25 6,21. 22 6,21–25 6,23 6,24 6,25 7 7,2. 23 7,6 7,7 7,8 7,8. 18 7,9 7,9ff. 7,11 7,12 7,12. 13 7,13 7,15–26 7,16 7,17 7,18 7,18ff. 7,19 7,20 8,1
88 Anm.61. 249. 328 7. 334 Anm.232 97 Anm.84 143 Anm.226 81 Anm.36. 188 Anm.398 11 74 334 Anm.232 120 99 Anm.87. 107. 209 Anm.469 273 130 107. 237 Anm.561 2. 24. 129f. 334 334 Anm.232 97 Anm.84 65. 95f. 132. 149. 253 Anm.607 147 Anm.250 129. 134. 147 96f. 130 81 Anm.36. 96 24. 130 8. 147 s.a. Anm.246 78 Anm.26 9. 67 320 107. 237 Anm.561 147 Anm.250 144 Anm.233 138 Anm.210 81 Anm.36 102. 107. 115 149 Anm.256. 237 Anm.561 107 151 227 132f. 113 Anm.141 133 211 Anm.476 131 Anm.189 81 Anm.36. 107. 237 Anm.561
Stellenregister 8,2 8,2. 4 8,2. 18 8,3 8,6 8,6–18 8,10 8,11. 19 8,16 8,18
8,19. 20 9
9. 10 9f.
9,1 9,1. 3 9,1f. 9,1–6 9,1–7 9,1–10,11 9,5
9,5. 27 9,6 9,6f. 9,7 9,7. 8 9,7. 27 9,7–24 9,8 9,9
166. 211 Anm.474 82 Anm.41 113 Anm.141 108 166 151 209 Anm.469 81 Anm.36 108 81 Anm.36. 102. 106 Anm.121. 107. 149 Anm.256 138 Anm.210. 151 94 Anm.76. 221 Anm.517. 259. 293 145. 333 7f. 10f. 14. 25. 75f. 84. 86f. 110. 126. 129. 190. 212. 219 s.a. Anm.514. 220f. 250 Anm.595. 251 Anm.600. 252 Anm.601. 265 Anm.18. 272. 316. 322 Anm.191 88 Anm.61. 249 81 Anm.36 208. 210 Anm.473 248 248 Anm.590 23 107. 109. 144 Anm.233. 149 Anm.256. 237 Anm.561. 249. 320 99 Anm.87 249. 293 208 250. 293 250. 256 113 Anm.141 88 251 110. 256
9,9. 10 9,9ff. 9,10
9,10. 11 9,11 9,12 9,12. 16 9,12. 26 9,12ff. 9,14 9,15ff. 9,16 9,17 9,18 9,18. 19 9,18f. 9,19 9,20
9,21 9,22 9,22ff.
9,22–29 9,23 9,23. 24 9,24 9,25 9,25–29 9,26 9,26. 29 9,27 10 10,1 10,1. 2 10,1. 3 10,1. 8 10,1f. 10,1ff. 10,1–5
10,2
393 223. 259 256 151 Anm.260. 259. 270 Anm.27. 283 256 259 126f. 224. 259. 291 126 Anm.183. 208. 293 147 Anm.250 227. 229 151. 228. 236 228f. 224 229. 283 321 Anm.190 220. 228ff. 237. 252 252f. 180 Anm.366. 228ff. 232. 250 Anm.596 77 Anm.22. 228f. 328. 330 207 Anm.461 17. 208. 230. 250 s.a. Anm.596. 251 s.a. Anm.599. 252 237 207. 292 293 17. 207f. 252 237. 252 127 228 107 20. 94 Anm.76. 321 237. 251 224 336 180 Anm.366 234 259 87. 127. 208. 243. 265. 283. 333. 338 229
394 10,4
10,5 10,6 10,6f. 10,8. 9 10,8. 15 10,8f. 10,10 10,10. 11 10,10f. 10,11 10,12 10,12f. 10,13 10,15 10,16 10,18f. 10,19 10,20 10,22 11 11,1–7 11,2. 8 11,4 11,5. 6 11,6 11,8–15 11,9. 21 11,13. 26 11,16–19 11,18 11,19 11,22 11,20–25 11,26. 32 11,26ff. 11,27. 28 11,28ff. 11,29ff. 11,32 12–25
Stellenregister 6. 151 Anm.260. 270 Anm.27. 271 Anm.30. 282 20. 289. 321 232 250 Anm.596 232 81 Anm.36 250 Anm.596. 281 114 Anm.145. 252 220 252 107. 220. 237 Anm.561. 249 88 Anm.61. 127. 249 334 Anm.232 81 Anm.36 93 Anm.73. 108. 320 290 187 Anm.392 128. 136. 149 Anm.254 273 108. 128. 147 Anm.250 86f. 89. 94 Anm.76 86. 127–129 81 Anm.36 81 Anm.36 94 Anm.76 136 Anm.201 94 107 81 Anm.36 94 120 2. 74. 334 Anm.232 166 94 78 Anm.26 94 81 Anm.36 138 Anm.210 94 81 Anm.36. 94 142 Anm.223
12–26
12,1 12,5 12,8 12,11. 14 12,13–28,44 12,15 12,28 13 13,1. 6 13f. 13,6 13,6. 11 13,7 13,9 13,11 13,15 13,18 14,2 14,2. 21 14,21 14,22–27 14,22–29 14,23 14,29 15 15,1 15,1f. 15,2 15,3 15,5. 15 15,7 15,9. 10 15,10. 18 15,11 15,15
16 16,1. 10 16,1. 12 16,1–8 16,1–17 16,2
72. 84. 86. 94. 114. 142 Anm.224. 288 s.a. Anm.94. 291 108 s.a. Anm.124 248 81 Anm.36 248 7 135 Anm.198 188 Anm.398 7 188 Anm.398 82 Anm.41 127 149 Anm.254 108 81 Anm.36 127 77 Anm.22 107 9 67 9 307 137. 307 273 187 Anm.392 305. 307. 308 Anm.156 312 Anm.169 307 310 305 Anm.148 81 Anm.36 135 Anm.198 308 Anm.157 301 Anm.133 307 113 Anm.141. 136. 149 Anm.254. 188 Anm.398 300 302 147 Anm.250. 149 Anm.255 136 7 135
Stellenregister 16,3 16,5 16,6. 7 16,7 16,10ff. 16,11 16,11. 14
16,12 16,13 16,13ff. 16,13–16 16,14 16,14. 16 16,15 16,16 16,18 16,18f. 16,18ff. 16,18–18,4 16,29 17,2 17,4 17,8ff. 17,9ff. 17,14–20 17,16. 17 17,17 17,18
17,18f. 17,18ff. 18 18,1 18,9–22 18,18. 20 19,1–13 19,8 19,18 20 20,1 20,1–9 21 21,2. 5 21,18 23,5 23,15
135 s.a. Anm.197 135f. 135 136 300 300 Anm.131 187 Anm.392. 301 s.a. Anm.132 137 297. 299ff 297 Anm.120 312 Anm.169 311 300 299f. 301 Anm.133 u. 135 298. 301 135 Anm.198. 184 Anm.383 179 Anm.361 187 7 300 Anm.131 135 Anm.198 77 Anm.22 156. 187 233 Anm.553 6 137 Anm.205 137 145f. 272 Anm.37. 273. 326 Anm.201 233 Anm.553 326 233 Anm.553 270 Anm.27 11. 316 188 Anm.398 272 Anm.33 107 77 Anm.22 8 149 Anm.254 184 Anm.383 80 320 Anm.188 149 Anm.254 147 Anm.250 78 Anm.26
23,21 24,9 24,14. 17 24,14. 15 24,16 24,18 24,18. 22
24,19 24,19ff. 25–29 25,17 26 26,1–11 26,3 26,3. 15 26,5 26,5ff. 26,5–9
26,5–11 26,7 26,9 26,10. 11 26,11ff. 26,16 26,16. 17 26,16ff. 26,16–19 26,16–28,69 26,17ff. 26,18 26,19
27,1. 4 27,1. 8 27,1. 9 27,1–10 27,3 27,8 27,9 27,9. 10 27,15
395 301 Anm.133 113 Anm.141 187 Anm.392 275 323 147 Anm.250. 149 Anm.254 113 Anm.141. 136. 188 Anm.398 301 Anm.133 187 Anm.392 220 113 Anm.141 7 95 131 107 108. 237 Anm.561 147 Anm.250 65. 95 Anm.77. 97. 129f. 132. 134. 147. 149. 253 Anm.607 95f. 97. 108. 131 97 131 187 Anm.392 130 81 Anm.36 8 8. 276 Anm.49 85 Anm.55 85 s.a. Anm.54. 275. 285 81 Anm.36. 105 67. 68 s.a. Anm.127. 296 Anm.119 81 Anm.36 85 Anm.54 320 Anm.188 18, Anm.43 108. 237 Anm.561 77 s.a. Anm.21. 78 85. 249. 275. 285 81 Anm.36 127 Anm.183
396 27,19 28
28,1 28,9 28,11 28,13. 14 28,14. 69 28,15 28,15ff. 28,15–28 28,29 28,36. 64 28,45ff. 28,52 28,58 28,58. 61 28,60 28,61 28,63 28,63. 64 28,68 28,69
28,69ff. 28,69–30,20 28,69–31,8 28,69–32,47 29 29. 30 29f. 29–32 29–33,1 29–34 29,1 29,1–8 29,1–20 29,1–31,6 29,3 29,4 29,8 29,9
29,9f.
Stellenregister 187 Anm.392 7. 10. 12. 151. 166 Anm.308. 273. 292 81 Anm.36 67 237 Anm.561 81 Anm.36 188 Anm.398 81 Anm.36. 141 115 138 Anm.210 256 108 115 135 Anm.198 273 272 Anm.37. 326 Anm.201 137 273 319 Anm.185 140 137. 145f. 74. 79f. 83f. 85 s.a. Anm.54f. 86. 110. 262. 272 s.a. Anm.33. 276. 285. 290 270 9. 289 277 85 Anm.55 10. 12 272 Anm.36. 273f. 276. 285 8. 84. 270f. 275. 290 74. 84. 264. 289 84 2f. 73 264. 274 85. 96 Anm.80 84f. 264 81 Anm.36 82 Anm.41 84 81 Anm.36. 184 Anm.382. 185 Anm.387 283
29,9ff. 29,9–14 29,11 29,11. 12 29,11. 13 29,11–14 29,12 29,12. 24 29,13ff. 29,14. 17 29,15 29,15ff. 29,15–20 29,15–30,10 29,17ff. 29,19 29,20
29,21–27 29,23–27 29,24 29,27 29,28 30
30,1 30,1ff. 30,1–6 30,1–10
30,1–14 30,2 30,2. 8 30,3 30,3–10 30,4 30,5
85 85. 105. 110f. 275. 285 275 s.a. Anm.46 81 Anm.36 84. 110 107 99 Anm.87. 102. 111 237 Anm.561 258 Anm.625 81 Anm.36 275 331 85 333 111 275 272 Anm.37. 273. 326 Anm.201 85. 140. 151 140 108. 110. 149 Anm.256 115. 140f. 331. 333 11. 141 18. 75. 141 Anm.218. 143f. 145 s.a. Anm.238. 149. 151 78 Anm.26. 147 330 139 140f. 141 Anm.220. 145. 147 s.a. Anm.246. 148. 151. 333 Anm.228 138. 142. 146 147f. 81 Anm.36. 146. 334 138. 147 68 148 147. 149f. 237 Anm.561
Stellenregister 30,6
30,7ff. 30,8 30,8ff. 30,9 30,9. 20 30,10
30,11 30,11–14 30,11–20 30,15. 16 30,15. 19 30,18. 19 30,20 31
31–34 31,1 31,1ff. 31,1–32,47 31,2 31,2. 13 31,5 31,7 31,7. 20 31,9
31,9. 22 31,9ff. 31,9–12
139 Anm.211. 144 Anm.233. 290 148 138. 148 151 108. 290. 334 237 Anm.561 148. 272 Anm.37. 273. 326 Anm.201 81 Anm.36. 146 11. 152 Anm.262 290 81 Anm.36 78 Anm.26 81 Anm.36 99 Anm.87. 107 16. 256. 262– 288. 263 Anm.6 u. 7. 272 Anm.36. 290. 292 Anm.108. 293ff. 305 Anm.147. 307. 315–322 6. 79. 263 Anm.7 272 Anm.36 294 190 9. 214 s.a. Anm.496. 216 81 Anm.36 78 Anm.26. 294 294 2 148. 233 Anm.553. 284 Anm.78 6 10 282 Anm.66
31,9–13
31,10 31,10–13 31,11ff. 31,12 31,13 31,14 31,14. 15 31,14ff. 31,15 31,16 31,16ff. 31,16–21 31,16–22 31,16–29 31,17. 18 31,19 31,19. 21 31,19. 22 31,20. 21 31,21 31,21. 27 31,23 31,24 31,24. 26 31,24–30 31,26 31,27ff. 31,29 32 32ff. 32,2 32,7 32,7f. 32,15ff.
397 2. 10. 14. 16. 20. 23. 58. 64. 68 Anm.128. 69. 74f. 78. 86. 98. 189f. 218. 233. 243. 290. 293f. 296. 301f. 303 Anm.143. 305. 307. 312. 313 s.a. Anm.169. 314. 322. 326 20. 296. 312 Anm.169 313 Anm.169 327 187 Anm.392. 313 Anm.169 23 18 13 317 Anm.182 239 Anm.565 108. 110 296. 326. 332f. 13. 18 11. 14. 263 Anm.7. 292 145 Anm.238 304 Anm.146 316 Anm.178. 327 266 Anm.22 11 107 293 81 Anm.36. 327 13. 18 11 272 Anm.37. 326 Anm.201 14. 292 14. 289. 326 11. 293 321 Anm.190 290 265 Anm.18 216 113 Anm.141 u. 142 334 Anm.232 317
398 32,17 32,44 32,45 32,45ff. 32,46 32,47 32,48 32,48–52 32,48–54 32,49–52 32,50f. 32,51 32,52 33f. 33,1 33,1–29 34 34,1 34,1–8 34,1–9 34,4
34,5 34,6 34,7 34,7ff. 34,10 34,10ff. 34,11f. Josua 1 1–11 1,1–9 1,5 1,6 1,7 1,7. 8 1,8 2,2. 3 2,10 3 3,11 4,7 5 5,6
Stellenregister 108 271. 318 269 271 81 Anm.36. 188 Anm.398. 290 322 81 Anm.36 80f. 213 272 18 201 217 9. 214 74. 289 74. 79f. 316 10. 19. 80. 213. 272. 286 10 10 65f. 9. 18. 66. 99 Anm.87. 107. 214 293 76 Anm.16. 89 Anm.62. 337 216 10 19. 64. 66. 189. 241 10. 14 137
295. 315 8 319 Anm.184 295 295 294f. 219 2. 294. 323 208 204 295 275 Anm.46 275 Anm.46 115. 309 s.a. Anm.159. 311 82 Anm.41
5,6–12 5,10 5,10. 11 5,10ff. 5,11 5,12
24,25f. 24,26 24,32
2 81 328 309 309 Anm.159 309 s.a. Anm.160 54 Anm.82 54 Anm.82 270 Anm.27 54 Anm.82 2. 323 Anm.193 295 2 269 Anm.27 2. 323 269 Anm.27 295 314 212 Anm.483 216 Anm.502 196 Anm.420 295 2 8 184 Anm.382 2. 323 Anm.193 319 319 Anm.185 10. 13. 86 Anm.58. 285 Anm.81 184 Anm.382 319 s.a. Anm.185 285 Anm.81 323 Anm.193 9
Richter 2,6–9 2,6–12 2,10. 11 3,11 3,19 5,4f. 5,31 8,28 9,26 9,26ff. 13,22 17,3f.
8 295 323 82 Anm.41 158 Anm.284 244 82 Anm.41 82 Anm.41 275 Anm.46 297 Anm.123 241 127 Anm.183
6,25 7,26 8 8,28 8,31 8,31–35 8,32 8,33 8,34 8,35 11,15–23 13ff. 14,6–15 14,11 15,14 22,1–8 22,5 23 23,3 23,6 23,15f. 23,16 24
24,1 24,19
399
Stellenregister 18,14 18,17f. 18,30 21,19 1. Samuel 1,22 2,12–17 2,20ff. 3,8 7 8,12 9 9,9
127 Anm.183 127 Anm.183 58 Anm.97 297 Anm.123
22,17
301 231 121 54 Anm.86. 56 330 184 160 Anm.291 113 Anm.138. 157 177 216 Anm.502 177 158 Anm.284 167 Anm.309. 184 158 Anm.284
2. Samuel 2,26 6,6 7 11f. 15–19 15,2 15,2f. 15,33 16,11 17,18 18,1 18,12 20,16 22,46 23,1ff.
230 305 Anm.148 296 55 Anm.87 55 Anm.88 159 158 Anm.284 182 163 Anm.296 167 Anm.309 184 167 Anm.309 55 162 285
10,5ff. 18,13. 16 19,2ff. 22,6f. 22,7
1. Könige 2,42 3,7 3,12 5,20 8 8,2. 65 8,9 8,44–53 8,46–53 8,48
320 216 Anm.502 183 Anm.378 163 Anm.296 270 Anm.27. 305 Anm.147 297 Anm.122 323 143 Anm.227 333 Anm.227 113 Anm.136
9,8f. 12ff. 12,28 12,32 14,1ff. 19 22,5ff. 22,19 2. Könige 3,10 5,15 6,10 8,8ff. 9,33 11,4 11,9f. 11,15. 19 11,18 14,6
85 145 226 297 158 316 158 158
Anm.532 Anm.122 Anm.286 Anm.177 Anm.286 Anm.284
23,2. 21 23,3 23,4–24 23,6. 12 23,21 23,24. 25 23,25 23,26 23,26. 27 24,3. 20 25,27–30
158 Anm.286 169 Anm.320 166 Anm.305 158 Anm.286 305 Anm.148 167 Anm.309 167 Anm.309 167 Anm.309 77 Anm.22 323 s.a. Anm.193 328 Anm.210 334 61. 325f. 330f. 336 Anm.238 325 Anm.199 325 331 16 113 Anm.138 327 329 Anm.212 158 Anm.286 329 Anm.212 327 323 86 Anm.58. 327. 332 Anm.224 331 328 332 Anm.224 328 328 334 328f. 334 330. 334 328 332 332
Jesaja 1,8
297 Anm.121
21,7. 16 21,10ff. 22f. 22,1–8 22,8 22,8. 11 22,11ff. 22,13 22,16. 17 22,16f. 22,18 22,18ff. 22,19. 20 23 23,1ff.
400 1,14 1,23 1,30 2,2 5,21 8,19 19,5f. 24,4 24,8 28,1. 4 30,29 32,1 42,9 42,17 43,10–13 43,11 43,16ff. 44,6 44,6ff. 44,26ff. 45,5. 6 45,5ff. 45,14 45,14. 18f. 45,18f. 45,21. 22 46,9 48,20ff. 50,2 50,10. 11 51,9ff. 51,10 52,11. 12 55,6f. 55,12. 13 59,21 60,12 65,17 66,22ff. Jeremia 2,2ff. 2,32 7,34 10,25 16,20 17,21–27 21,2 23,3 25,9ff.
Stellenregister 182 180 Anm.364 162 101 Anm.101 183 Anm.378 327 Anm.203 248 Anm.589 162 309 Anm.160 162 101 Anm.101 180 Anm.364 194 Anm.414 127 Anm.183 93 Anm.72 144 Anm.234 147 Anm.249 144 Anm.234 93 Anm.72 194 Anm.414 144 Anm.234 93 Anm.72 144 Anm.234 93 Anm.72 93 Anm.72 144 Anm.234 93 Anm.72. 144 Anm.234 147 Anm.249 147 Anm.249 147 Anm.249 147 Anm.249 248 Anm.589 147 Anm.249 158 147 Anm.249 294 Anm.111 248 Anm.589 194 Anm.414 194 Anm.414
26,12 29,13
5,15–6,1 7,10 9,10 10,12 11,1 12,10
113 Anm.140 113 Anm.138 u. 140 143 Anm.227 113 Anm.140 89 Anm.62 158f. 93 Anm.73 149 Anm.253
335 335 248 227 222 182 158 327 143 248
Joel 2,12 4,12
320 157 Anm.283
Amos 2,10 5,4ff. 5,25 7,9 9,8
82 Anm.41 158 82 Anm.41 248 Anm.589 196 Anm.419
Anm.235 Anm.235 Anm.589 Anm.539 Anm.524 Anm.286. Anm.203 Anm.589
29,14 30,3. 18 30,16 31,13 31,31–34 32,44 34 34,17 34,17ff. 36,21 37,7 44 44,2. 6 44,22 50,4
248 113 143 143 143 227 143 11 320 275 230 306 158 158 330 248 248 113
Ezechiel 3,21 6,6 12,20 20,35–38 20,40ff. 21,20 36,22–25 37,11f. 45,25 47
166 248 248 194 194 231 204 194 297 305
Hosea 3,5 5,15
Anm.589 Anm.140.
Ann. 539
Anm.46 Anm.151 Anm.284 Anm.286 Anm.589 Anm.589 Anm.140
Anm.305 Anm.589 Anm.589 Anm.414 Anm.414 Anm.445 Anm.414 Anm.122 Anm.147
401
Stellenregister Micha 4,2
101 Anm.101
Ruth 4
59 Anm.101
Nahum 1,14
127 Anm.183
Kohelet 7,10
114 Anm.145
Esra 7,6 8,15–9,15
53 Anm.78 53 Anm.78
Habakuk 2,2 2,18
77 s.a. Anm.21. 78 127 Anm.183
Sacharja 3,6 8,3 8,11 10,7ff. 14,16f.
320 101 114 194 304
Psalmen 1,2f. 1,3 14,2 18,46 24,3 53,3 59,14 77,3 78,1. 5 78,10. 12 78,34 86,17 89,38 95,8–11 95,10 106,9 106,28 119,176 135 136
294 Anm.111 162 159 Anm.287 162 101 Anm.101 159 Anm.287 163 Anm.296 159 Anm.287 79 Anm.30 79 Anm.30 159 Anm.287 163 Anm.296 320 194 Anm.414 82 Anm.41 248 Anm.589 89 Anm.62 131 Anm.189 169 Anm.320 93 Anm.73
Hiob 8,8 19,24 20,12–15 21,19 29,13 33,28 39,29
113 320 164 163 131 275 208
Proverbien 1,29 1,5
93 Anm.74 183 Anm.378
Anm.101 Anm.145 Anm.414 Anm.147
Anm.141 Anm.298 Anm.296 Anm.189 Anm.46
Nehemia 1,1 5,19 8
8,15 8,16 8,17 8,30 10 10,32 10,35 13,14. 22. 31 13,31
53 Anm.78 53 Anm.78 297 Anm.123. 303 s.a. Anm.143. 304 s.a. Anm.146 u. 147. 305 Anm.147. 311. 312 Anm.169 304 304 304 Anm.146 302 297 Anm.122. 302ff. 310 303 303 302f. 310 311 310 310 Anm.162 53 Anm.78 53 Anm.78
1. Chronik 5,27ff. 13,1 27,1 28,1 29,5 29,14
58 167 Anm.309 184 185 Anm.387 232 121
2. Chronik 5,3 7,8 7,14 15,4 19 19,5ff. 19,8
297 Anm.122 297 Anm.122 113 Anm.140 113 Anm.140 59. 155 156 59
8,2. 5 8,8. 13 8,9. 10 8,12 8,14
402 19,10 21,4 29,31 34,14 2 Makkabäer 10 10,5ff. 10,6
Stellenregister 59. 166 230 232 325 Anm.199
297 Anm.123 303 Anm.140 304 Anm.147
Johannes 7,2–52
305 Anm.147
Hebräerbrief 3 4
194 Anm.194 194 Anm.194