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German Pages 447 Year 2011
Schriften zur Verfassungsgeschichte Band 84
Die Länderkammer der Deutschen Demokratischen Republik (1949-1958) Eine verfassungsgeschichtliche Darstellung von der Entstehung bis zur Auflösung
Von Christian Thiem
Duncker & Humblot · Berlin
CHRISTIAN THIEM
Die Länderkammer der Deutschen Demokratischen Republik (1949–1958)
Schriften zur Verfassungsgeschichte Band 84
Die Länderkammer der Deutschen Demokratischen Republik (1949–1958) Eine verfassungsgeschichtliche Darstellung von der Entstehung bis zur Auflösung
Von Christian Thiem
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Wintersemester 2010/2011 als Dissertation angenommen.
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D 29 Alle Rechte vorbehalten
© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0553 ISBN 978-3-428-13599-8 (Print) ISBN 978-3-428-53599-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-83599-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Die vorliegende Arbeit stellt eine leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation dar, die von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Wintersemester 2010/2011 angenommen wurde. An dieser Stelle gebührt etlichen Menschen besonderer Dank. Zuvörderst meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Heinrich de Wall. Ihm ergeht ein herzliches Vergelt’s Gott! Von der ersten Stunde an fühlte ich mich bei ihm aufgrund seines Interesses an der vorliegenden Arbeit in guten Händen. Ebenfalls zu danken habe ich Herrn Professor Dr. Dr. h. c. mult. Christoph Link, der freundlicherweise das Zweitgutachten erstattete. Der Fakultät und namentlich ihrem seinerzeitigen Prodekan, Herrn Professor Dr. Matthias Jestaedt, danke ich für die zügige und wohlwollende Durchführung des Promotionsverfahrens. In diesem Zusammenhang darf Frau Ass. jur. Dagmar Schwarzbach nicht unerwähnt bleiben. Herrn Dr. Florian R. Simon sei gedankt für die Aufnahme in die Reihe „Schriften zur Verfassungsgeschichte“. Die vorliegende Arbeit wurde großzügig durch die Hans Liermann-Stiftung gefördert. Sie wurde mit dem Dr. Alfred und Ida Marie Siemens-Preis des Jahres 2011 sowie dem Promotionspreis des Fachbereichs Rechtswissenschaft ausgezeichnet. Dies ist mir Ehre und Verpflichtung zugleich. Herzlich verbunden danke ich meinem treuesten Freund, Herrn Gunnar Seelow, der die Zeit als Doktorand in weiten Teilen zusammen mit mir beschritten hat. Der viele Jahre gemeinsam über alle Fächergrenzen hinweg gefochtene akademische „drôle de guerre“ wird mir unvergesslich bleiben. Meinem Freund und ehemaligen Referendarskollegen Herrn Notarassessor Benedikt Drempetic sei für seine wertvollen Denkanstöße von Herzen gedankt. Er möge mir mein manchmal ungeduldiges Wesen verzeihen. Sein Judiz wird mir unerreichbarer Maßstab bleiben. Den Mitarbeitern der im Quellenverzeichnis genannten Archive bin ich für Ihre beständige Hilfsbereitschaft besonders verpflichtet. Ebenso herzlich gedankt sei Frau Dr. Inge Münz-Koenen, Enkelin des Herrn Staatssekretärs und vormaligen Leiters des gemeinsamen Sekretariats
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Vorwort
der Volks- und Länderkammer, Wilhelm Koenen, die mir freundlicherweise Einsicht in den Nachlass ihres Vorfahren gestattete. Dem wichtigsten Menschen in meinem Leben, Frau Dr. Daniela Stöcklein, verdanke ich so vieles. Für den Versuch dies in Worte fassen zu wollen, gilt der alte Satz: Ad impossibilia nemo tenetur. Gleiches gilt für meine Eltern, Gabriele und Hans Thiem. Deren Unterstützung verdanke ich das Entstehen dieser Arbeit. Ihnen sei sie darum aus tiefstem Herzen zugedacht. Berlin und Erlangen, im Sommer 2011
Christian Thiem
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 1 Der Marxismus-Leninismus und die Ordnung des Staates
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A. Das Dynamische in der Staatslehre des Marxismus-Leninismus . . . . . . . . . . .
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B. Das Föderative in der Staatslehre des Marxismus-Leninismus. . . . . . . . . . . . .
32
C. Das Prinzip des demokratischen Zentralismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Begriff bei Lenin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Begriff als staatsrechtliches Ordnungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Demokratischer Zentralismus und Gewaltenkonzentration . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Unvereinbarkeit des Prinzips des demokratischen Zentralismus mit der Existenz der Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 38 39 39 43 45
D. Verfassungswandel als zwingende Folge der marxistisch-leninistischen Staatslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 2 Die Verfassungsvorstellungen der Parteien in der sowjetischen Besatzungszone – Zwischen Kontinuität und Wandel der staatsorganisatorischen Konzepte A. Die Verfassungsvorstellungen der CDU als Impuls für eine Vertretung der Länder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Weg zum SED-Verfassungsentwurf des Jahres 1946 . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der erste Verfassungsentwurf der SED vom 10. August 1946 . . . . . . . II. Die „Grundrechte des Deutschen Volkes“ als Richtschnur der weiteren Verfassungsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Beratungen des Verfassungsausschusses am 11. November 1946 – Absage an eine Ländervertretung in nuce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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56 62 62 66 67
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Inhaltsverzeichnis IV. V.
Der Verfassungsentwurf der SED vom 14. November 1946 als Programm ohne Konzessionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die zweite Kammer als Antipode der Verfassungsvorstellungen der SED . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70 73
Kapitel 3 Der Weg zur Schaffung der Länderkammer – Die Beratungen im Verfassungsausschuss des Deutschen Volksrates
77
A. Rezeption vergangener Staatstradition oder Schaffung von Neuem als Prämissen der Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
B. Die zweite Kammer im „Plan für die Generalaussprache“. . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Molotow als spiritus rector einer zweiten Kammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Die Frage der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen und die bikamerale Wahl des Staatsoberhaupts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Die „Richtlinien für eine deutsche Verfassung“ – Ursprung der Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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F.
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Die Namensfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
G. Die Beratungen um die Rechte der Länderkammer – Fixierung ihrer untergeordneten Stellung im Verfassungsgefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 I. Antragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 II. Das Einspruchsrecht der Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 H. Die Länderkammer in den „Richtlinien für die Verfassung der deutschen demokratischen Republik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 I. Vorstellung der Verfassungsrichtlinien in der Vollversammlung des Deutschen Volksrates. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 II. Aussprache über die Richtlinien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 I.
Paragraphierung der Verfassung anhand der vom Deutschen Volksrat gebilligten Richtlinien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 I. Bericht des Unterausschusses über die Ausarbeitung des Verfassungsentwurfs in der 11. Sitzung des Verfassungsausschusses am 27. September 1949. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 II. Aussprache über den Verfassungsentwurf anlässlich der 12. Sitzung des Verfassungsausschusses am 8. Oktober 1948. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
J.
Aussprache über den Entwurf einer Verfassung in der 5. Tagung des Deutschen Volksrates am 22. Oktober 1948 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 I. Vorbereitung der Tagung im Präsidium des Deutschen Volksrates . . . . 117 II. Die Billigung des Verfassungsentwurfs durch die 5. Tagung des Deutschen Volksrates am 22. Oktober 1948 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
K. Auf dem Weg zur ersten Verfassung der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 I. Die 13. Sitzung des Verfassungsausschusses am 18. Februar 1949 . . . . 122
Inhaltsverzeichnis II. III.
Ablehnung der Arbeit des Parlamentarischen Rates. . . . . . . . . . . . . . . . . Die letzte Sitzung des Verfassungsunterausschusses am 27. Februar 1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die letzte Sitzung des Verfassungsausschusses am 2. März 1949. . . . . V. Grotewohls Bericht in der 10. Sitzung des Präsidiums des Deutschen Volksrates am 4. März 1949. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Annahme der Verfassung durch die 6. Tagung des Deutschen Volksrates am 19. März 1949. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Bestätigung der Verfassung durch den 3. Deutschen Volkskongress am 30. Mai 1949. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Änderungsvorschläge, Stellungnahmen und Anregungen zu den Vorschriften über die Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. CDU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. DBD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. LDPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. FDJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. NDPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Eingaben von Staatsrechtslehrern aus dem Westen, von Studenten und aus der Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Die Länderkammer in der Verfassungspropaganda . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 4 Die Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
148
A. Prolog: Die staatsrechtliche Gestalt der DDR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 I. Die DDR als Bundesstaat? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 II. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Republik und Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 B. Vorgaben durch Verfassung und Geschäftsordnungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine verfassungsrechtliche Stellung der Länderkammer. . . . . . . II. Die Länderkammer als Organ der Republik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Mitgliedschaft in der Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammensetzung der Länderkammer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zusammensetzung der Provisorischen Länderkammer . . . . . . . . . . . . 2. Zusammensetzung der Länderkammer späterer Wahlperioden. . . . . V. Zum Begriff „Wahlperiode der Länderkammer“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Der Präsident der Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Befugnisse nach der Verfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Die Beteiligung der Länderkammer an der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . 1. Zwingende Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . 2. Exkurs: Außenwirkung der Länderkammer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
155 155 162 163 164 166 167 169 170 170 172 172 172 174
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Inhaltsverzeichnis 3. Gesetzesinitiativrecht (Art. 78 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art. 82 Abs. 1 S. 1 Var. 2 DDV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Einspruchsrecht der Länderkammer gegen Gesetzesbeschlüsse der Volkskammer (Art. 78 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 84 DDV). . . . . . a) Einspruch gegen einfache Gesetze, Art. 78 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 84 Abs. 1 S. 1 DDV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Fiktion des Art. 84 Abs. 1 S. 3 DDV. . . . . . . . . . . . . . . . bb) Suspensive Wirkung des Einspruchs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einspruchsbeschluss der Länderkammer mit einfacher Mehrheit (Art. 84 Abs. 2 DDV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einspruchsbeschluss der Länderkammer mit qualifizierter Mehrheit (Art. 84 Abs. 3 DDV) . . . . . . . . . . . . . . b) Einspruch gegen verfassungsändernde Gesetze (Art. 78 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 84 Abs. 4 DDV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Wahl des Präsidenten der Republik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Der Verfassungsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Organübergreifende Mitwirkungs-, Rede- und Kontrollrechte . . . . . . . . 1. Teilnahmebefugnis und Teilnahmepflicht der Mitglieder der Regierungen (Art. 79 Abs. 1 DDV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Teilnahmebefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Teilnahmepflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zitationsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auskunftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rederecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Redebefugnis beauftragter Abgeordneter der Volks- und Länderkammer und beauftragter Mitglieder der Landesregierungen (Art. 79 Abs. 2 DDV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Erfordernis des besonderen Anlasses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abgeordnetenstellung und Beauftragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
C. Die Geschäftsordnungen der Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Vorläufige Ordnung für den Geschäftsverkehr in der Provisorischen Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Geschäftsordnung der Provisorischen Länderkammer vom 28. Februar 1950 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Inhalt der Geschäftsordnung der Provisorischen Länderkammer . . . . . . 1. Das Präsidium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Präsident der Länderkammer und das Sekretariat . . . . . . . . . . . . 3. Öffentlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Fraktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gemeinsame Tagungen mit der Volkskammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Behandlung der Vorlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Die Sitzungen der Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
176 178 179 180 180 181 181 182 183 184 187 188 188 189 189 190 190
191 191 192 193 193 195 196 196 197 200 200 201 201 202 203
Inhaltsverzeichnis IV.
Teilrevision durch die Geschäftsordnung vom 27. September 1955 . . 1. Aufbau der Geschäftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Neubearbeitungsbeschluss vom 29. November 1954 . . . . . . . . . 3. Exkurs: Die Denkschrift zur Verbesserung der Arbeit der Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Änderungen im Vergleich zur vorangegangenen Geschäftsordnung
11 204 204 204 205 206
D. Die Ausschüsse der Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 I. Die Ausschüsse der Provisorischen Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 II. Einstellung der Ausschusstätigkeit ab der 1. Wahlperiode . . . . . . . . . . . 211 E. Die rechtliche Stellung der Abgeordneten der Länderkammer. . . . . . . . . . . . . I. Nach der Verfassung vom 7. Oktober 1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Problem des freien oder imperativen Mandats. . . . . . . . . . . . . . . a) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Genetische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Dogmengeschichtliche Auslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Teleologische Auslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Resümee der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Die Veränderung des Mandats durch die Schaffung der Bezirke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Permeabilität des Abgeordnetenmandats der Länderkammer . . . . . . 3. Die Rechte der Abgeordneten der Länderkammer (Art. 80 Abs. 1 i. V. m. Artt. 67 ff. DDV). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Indemnität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Immunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot . . . . . . . . d) Urlaub. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Aufwandsentschädigung und Freifahrtberechtigung . . . . . . . . . . . II. Die Rechte der Abgeordneten nach den Geschäftsordnungen . . . . . . . . III. Erlöschen des Mandats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erklärung des Erlöschens durch den Präsidenten der Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neuregelung des Umgangs mit Mandatsveränderungen durch die Sitzung des Präsidiums des Nationalrates vom 30. Oktober 1952 . .
213 213 216 217 220 220 221 222 223 224 229 233 233 234 235 235 235 238 238 238 240
Kapitel 5 Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
244
A. Die Konstituierung der Provisorischen Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 I. Vorgaben durch die konstituierende Sitzung der Provisorischen Volkskammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 II. Wahl der Abgeordneten der Länderkammer durch die Landtage am 10. Oktober 1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
12
Inhaltsverzeichnis III. IV. V. VI.
Die konstituierende Sitzung der Provisorischen Länderkammer am 11. Oktober 1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbstverständnis der Provisorischen Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Die Länderkammer als Bühne für Agitation und Propaganda . Egalisierung der Sonderstellung Berlins – Die Berliner „Beobachter“.
251 252 254 257
B. Die Wahlen zur Länderkammer der 1. Wahlperiode im Jahr 1950 . . . . . . . . . I. Die veränderte Zusammensetzung der Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Beschluss des Ständigen Ausschusses der Volkskammer über die Zusammensetzung der Länderkammer vom 30. Oktober 1950. . . . . . . . III. Sanktionierung des Ausschuss-Beschlusses durch die Volkskammer . .
259 259
C. Die Schaffung der Bezirke im Jahre 1952 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grotewohls Referat über „Veränderungen in der staatlichen Struktur der DDR“ vor dem Demokratischen Block am 7. Juli 1952. . . . . . . . . . II. Die Popularisierung der beabsichtigen staatsorganisatorischen Maßnahmen durch die 2. Parteikonferenz der SED. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das sogenannte „Demokratisierungsgesetz“ vom 23. Juli 1952 . . . . . . . 1. Präambel und Inhalt des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begründung des Gesetzes vor Volks- und Länderkammer . . . . . . . . . a) Volkskammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgen für die Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Problem des Endes der Legislaturperiode der Landtage im Jahre 1953. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Vermerk für den Präsidenten der Länderkammer vom 1. Juni 1953 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Sitzung des Demokratischen Blocks am 8. Oktober 1953 . . . . . 3. Die 13. Sitzung des Präsidiums der Länderkammer am 8. Oktober 1953 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
266
261 264
268 271 276 276 279 279 281 284 286 286 288 292
D. Die Wahl der Länderkammerabgeordneten durch die Bezirkstage im Jahr 1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 E. Die Länderkammer im Jahr der 3. Parteikonferenz der SED (1956) . . . . . . . . 297 I. Der Verfassungsplan – Abschaffung ad portas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 II. Die propagierte neue Rolle der Volksvertretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 F.
Der Auflösung der Länderkammer vorausgegangene staatsorganisatorische Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 I. Das Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 17. Januar 1957 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 II. Das Gesetz über die Vervollkommnung und Vereinfachung der Arbeit des Staatsapparates vom 11. Februar 1958 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306
G. Die Auflösung der Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 I. Der Auftrag des Politbüros zur Anfertigung einer juristischen Expertise über die Auflösung der Länderkammer vom 11. November 1958 311
Inhaltsverzeichnis II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII.
Die Vorbereitung der Auflösung der Länderkammer durch die Abteilung Staats- und Rechtsfragen im ZK der SED. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weichenstellung der Auflösung durch die Politbürositzung vom 18. November 1958 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paragraphierung des Auflösungsgesetzes durch die Abteilung Staatsund Rechtsfragen im ZK der SED . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Sitzung des Politbüros vom 26. November 1958 . . . . . . . . . . . . . . . Parteiübergreifende Einigkeit über die Entbehrlichkeit der Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Auflösungsbeschluss im ZK der SED am 2. Dezember 1958 . . . . Der Gesetzentwurf über die Auflösung der Länderkammer im Rechtsausschuss der Volkskammer am 5. Dezember 1958 . . . . . . . . . . . Die letztmalige Wahl der Abgeordneten der Länderkammer durch die Bezirkstage im Jahr 1958. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Gesetz über die Auflösung der Länderkammer vom 8. Dezember 1958 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begründung des Auflösungsgesetzes vor der Volkskammer. . . . . . . . . . Die letzte Sitzung der Länderkammer am 10. Dezember 1958 . . . . . . . Nachwirkung der Auflösung in den Parteigremien . . . . . . . . . . . . . . . . . .
H. Exkurs: Renaissance der Länderkammer im Verfassungsentwurf des „Zentralen Runden Tisches“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die späte Alternative zum Einheitsstaat marxistisch-leninistischer Prägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Länderkammer im Verfassungsentwurf vom 4. April 1990 . . . . . . 1. Das Verhältnis von Bund und Ländern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vorschriften über die Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Beteiligung der Länderkammer an der Gesetzgebung . . . . . . . . 4. Sonstige Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
312 316 317 318 319 324 325 328 329 331 333 339 341 341 343 344 345 346 347
Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Übersicht Nr. 1: Präsidien und Fraktionen der Länderkammer der DDR 1949–1958 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Provisorische Länderkammer (1949/50) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Länderkammer, 1. Wahlperiode (1950–1954) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Länderkammer, 2. Wahlperiode (1954–1958) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Länderkammer, 3. Wahlperiode (1958) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
357 357 357 357 358
Übersicht Nr. 2: Von den Landtagen gewählte Abgeordnete der Provisorischen Länderkammer (1949/50). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Übersicht Nr. 3: Von den Landtagen gewählte Abgeordnete der Länderkammer, 1. Wahlperiode (1950–1954) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 Übersicht Nr. 4: Von den länderweise zusammengetretenen Bezirkstagen gewählte Abgeordnete der Länderkammer, 2. Wahlperiode (1954–1958) . . . . . . . 368
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Inhaltsverzeichnis
Übersicht Nr. 5: Von den Bezirkstagen gewählte Abgeordnete der Länderkammer, 3. Wahlperiode (1958) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 Übersicht Nr. 6: Die Sitzungen der Länderkammer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 Übersicht Nr. 7: Gesetzgebungstätigkeit der Provisorischen Länderkammer (1949/50) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 A. Der Provisorischen Länderkammer zugeleitete Gesetzesbeschlüsse der Volkskammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 B. Beschlussfassung der Provisorischen Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Übersicht Nr. 8: Gesetzgebungstätigkeit der Länderkammer, 1. Wahlperiode (1950–1954) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 A. Der Länderkammer zugeleitete Gesetzesbeschlüsse der Volkskammer . . . 383 B. Beschlussfassung der Länderkammer (1. Wahlperiode) . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Übersicht Nr. 9: Gesetzgebungstätigkeit der Länderkammer, 2. Wahlperiode (1954–1958) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 A. Der Länderkammer zugeleitete Gesetzesbeschlüsse der Volkskammer . . . 389 B. Beschlussfassung der Länderkammer (2. Wahlperiode) . . . . . . . . . . . . . . . . 396 Übersicht Nr. 10: Gesetzgebungstätigkeit der Länderkammer, 3. Wahlperiode (1958). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 Übersicht Nr. 11: Photographische Aufnahme des Sitzungssaals der Länderkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438
Abkürzungsverzeichnis a. A. Abg. ACDP ADL a. F. AG AöR Arg.e.c. BArch Bd./Bde. BHG BStU CDU DA DBD DDP DDR DDV ders. DFD DFS dies. DO DÖV Drs. DVBl. d. Vf. DVP DVR DWK ebd.
andere Ansicht Abgeordneter Archiv für Christlich-Demokratische Politik, St. Augustin Archiv des Liberalismus, Gummersbach alter Fassung Arbeitsgemeinschaft Archiv des öffentlichen Rechts bzw. Archiv für öffentliches Recht (1886–1910) argumentum e contrario Bundesarchiv Band/Bände Bäuerliche Handelsgenossenschaft Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Christlich-Demokratische Union Deutschlands Demokratischer Aufbau – Monatszeitschrift für die Mitarbeiter der staatlichen Organe Demokratische Bauernpartei Deutschlands Deutsche Demokratische Partei Deutsche Demokratische Republik Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949, GBl. S. 5 (1949) derselbe Demokratischer Frauenbund Deutschlands Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft dieselbe/dieselben Dienstordnung für die Regierung der DDR vom 3. November 1949 Die Öffentliche Verwaltung Drucksache Deutsches Verwaltungsblatt der Verfasser Deutsche Volkspartei Deutscher Volksrat Deutsche Wirtschaftskommission ebenda
16 Einheit EinigVtr EK-BT
Erkl. FDGB FDJ FESt Fn. GBl. gem. Gen. GG GiW GO-BR GO-LK GO-PLK GO-Reg. GO-VK GS HdStR HPM Hrsg. hrsg. i. V. m. i. w. S. JöR Kap. KB konst.
Abkürzungsverzeichnis Einheit – Theoretische Zeitschrift des wissenschaftlichen Sozialismus Einigungsvertrag vom 31. August 1990, BGBl. II S. 889 (1990) Materialien der Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestages Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur (12. Wahlperiode) und Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit (13. Wahlperiode) (! Literaturverzeichnis: Deutscher Bundestag) Erklärung Freier Deutscher Gewerkschaftsbund Freie Deutsche Jugend Friedrich-Ebert-Stiftung Fußnote Gesetzblatt der DDR gemäß/gemeinsam Genosse/Genossenschaften Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 Geschichte im Westen – Zeitschrift für Landes- und Zeitgeschichte Geschäftsordnung des Bundesrates Geschäftsordnung der Länderkammer der DDR vom 27. September 1955 Geschäftsordnung der Provisorischen Länderkammer der DDR vom 28. Februar 1950 Geschäftsordnung der Regierung der DDR vom 20. Oktober 1949 Geschäftsordnung der Volkskammer der DDR vom 19. November 1954 Preußische Gesetzsammlung Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland (Literaturverzeichnis: Isensee/Kirchhof) Historisch-Politische Mitteilungen Herausgeber herausgegeben in Verbindung mit im weiteren Sinne Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Kapitel Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, ab 1958 Deutscher Kulturbund konstituierend/konstituierende
Abkürzungsverzeichnis KPdSU LDPD LK Ltg. Ltr. LV m. MdB MdLK MdR MdVK MdVR MEW MfS Min. MinBl. m. w. N. ND NDPD N.F. NJ NJW NSDAP o. A. o. J. o. O. PDS PkV PLK PV PVK RdJB Rdnr./Rdnrn. RGBl. RV-1871 SAPMO SBZ
17
Kommunistische Partei der Sowjetunion, bis 1952 mit Zusatz Bolschewiki (B) Liberal-Demokratische Partei Deutschlands Länderkammer der DDR Leitung Leiter Landesvorstand mit Mitglied des Deutschen Bundestages Mitglied der Länderkammer Mitglied des Reichstags Mitglied der Volkskammer Mitglied des Deutschen Volksrates Marx-Engels-Werke Ministerium für Staatssicherheit der DDR Minister/Ministerium Ministerialblatt der DDR mit weiteren Nachweisen Neues Deutschland – Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands National-Demokratische Partei Deutschlands Neue Folge Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ohne Autorenangabe ohne Jahresangabe ohne Ortsangabe Partei des Demokratischen Sozialismus Verfassung des Deutschen Reiches vom 28. März 1849, RGBl. S. 101 (1849) (Paulskirchenverfassung) Provisorische Länderkammer der DDR Parteivorstand Provisorische Volkskammer der DDR Recht der Jugend und des Bildungswesens – Zeitschrift für Schule, Berufsbildung und Jugenderziehung Randnummer/Randnummern Reichsgesetzblatt Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871, RGBl. S. 63 (1871) (Bismarckverfassung) Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv Sowjetische Besatzungszone
18 SDA SED SMAD SPD SS Stellv./stellv. StR Sts. SuR u. a. UdSSR VdgB VEB verb. VerfA VerfUA VfZ v. H. VK VKP(b) Vors. VVN WP WRV z. B. ZdF ZfG zit. ZK ZPKK ZRP
Abkürzungsverzeichnis Sozialdemokratische Aktion Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sowjetische Militäradministration in Deutschland Sozialdemokratische Partei Deutschlands Schutzstaffel der NSDAP Stellvertreter/stellvertretend/stellvertretende(r) Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland (! Literaturverzeichnis: Stern) Staatssekretär Staat und Recht unter anderem/und andere Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe Volkseigener Betrieb verbunden Verfassungsausschuss des DVR Verfassungsunterausschuss des VerfA des DVR Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte vom Hundert Volkskammer der DDR Allunionistische Kommunistische Partei (Bolschewiki), ab 1952: KPdSU Vorsitzende(r) Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Wahlperiode Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, RGBl. S. 1383 (1919) (Weimarer Reichsverfassung) zum Beispiel Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat Zeitschrift für Geschichtswissenschaft zitiert Zentralkomitee der SED Zentrale Parteikontrollkommission beim ZK der SED Zeitschrift für Rechtspolitik * * *
Bei nicht genannten Abkürzungen sei verwiesen auf: Kirchner, Hildebert (Hrsg.): Abkürzungsverzeichnis der Rechtsprache, 6. Aufl., Berlin 2008.
Einleitung Es ist einem Vorwort eigen, dass man den Untersuchungsgegenstand kurz und präzise umschreibt, seine ihn kennzeichnenden Wesensmerkmale darstellt und dem geneigten Leser das Ergebnis der Untersuchung so in gewisser Weise vorwegnehmend präsentiert. In solch einem Versuch liegt gleichzeitig die größte Schwierigkeit darin, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu scheiden und das Eigentümliche zu destillieren. Das sprichwörtliche auf einen Nenner bringen bereitet in vielen Disziplinen die ärgsten Verlegenheiten1. Hinsichtlich des vorliegend zu untersuchenden Verfassungsorgans liegt es daher nahe, sich dazu zweier altgedienter Staatstheoretiker zu bedienen, die – jeder in seiner Zeit und für völlig andere Gegenstände – Gesetzmäßigkeiten und Erklärungsmodelle formuliert haben, welche beschlagnehmend für die Länderkammer der DDR ihren Wert erneut beweisen. Die Rede ist von Samuel von Pufendorf und John Locke. Mit ersterem lässt sich die Länderkammer der DDR positiv umschreiben, mit letzterem sich diese – aus Sicht des heutigen Staatsverständnisses – negativ ad absurdum führen. Zum einen: Das Alte Reich in toto charakterisierte Pufendorf als „irregulare aliquod corpus et monstro simile“2 – es ist Aufgabe dieser Arbeit, zu untersuchen, ob dies in concreto auch für die Länderkammer der DDR galt. Vorweggenommen sei gesagt: Zwar geht die Beschreibung als Monstrum ob ihrer Stellung und ihrer Möglichkeiten fehl, doch ein irregulärer Körper im Verfassungsgefüge war sie allemal. Zum anderen: Locke, der Doyen der neuzeitlichen Gewaltenteilungslehre, propagierte die strikte Trennung der Exekutive von der legislativen Gewalt.3 Eine Forderung, die für die Staatstheorie des Marxismus-Leninismus und damit auch für die 1 „Alles ist einfacher, als man denken kann, zugleich verschränkter, als zu begreifen ist“, v. Goethe, Maximen und Reflexionen, Nr. 1209 (S. 651). 2 v. Pufendorf, De statu Imperii Germanici, Kap. VI, § 9 (S. 198); vgl. dazu auch: Haas, Die Reichstheorie in Pufendorfs „Severinus de Monzambano“, passim, insbesondere S. 39 ff. 3 Die allgemeine Abhilfe gegen eine Machtkonzentration im Staate lautete: „[. . .] balancing the power of government, by placing several parts of it in different hands“, Locke, Two Treatises of Government, II, § 107 (S. 193); weiterführend: Zippelius, § 31 (S. 238 ff.).
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Einleitung
führende Partei in der DDR gänzlich ausgeschlossen war, sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Hinsicht. Zu Beginn dieser Arbeit jährt sich die formale Auflösung der Länderkammer – die von westdeutscher Seite wahlweise als „Reststück des Föderalismus“4, „Kuriosum“5, „Haus minderer Rechte und minderen Ranges“6, „Repräsentation ohne rechtliche Einflussmöglichkeit“7, gar als „institutionalisierter Stumpfsinn“8 bezeichnet wurde – zum fünfzigsten Mal. Die Länderkammer der DDR, eine verfassungsrechtliche Besonderheit als adaptiertes Föderativorgan eines sich von Beginn an auf Einheitsstaatlichkeit ausrichtenden Staates marxistisch-leninistischer Prägung, fand jedenfalls durch das Gesetz über die Auflösung der Länderkammer der Deutschen Demokratischen Republik9 vom 8. Dezember 1958 ihr rasches – und absehbares – Ende. Sie musste dem von der marxistisch-leninistischen Partei ideologisch präferierten und nur schwerlich zu verbrämenden Prinzip des demokratischen Zentralismus weichen. Die Länderkammer stand pars pro toto für ein System, in dem Föderalismus von Anbeginn eher Atavismus als Idee war, geschweige denn staatsrechtliche Denkform, dem etwa ein Bundesstaat als Fundament dienen konnte. So nimmt es nicht wunder, dass in der rechtswissenschaftlichen Literatur der DDR keine einzige Schrift erschienen ist, die die Länderkammer zum vorrangigen Gegenstand hatte und die sie unmittelbar betreffenden staatsorganisatorischen Veränderungen nur am Rande publizistisch begleitet wurden.10 Der Marxismus geht anders als der im westlichen Teil Deutschlands in eine Verfassung gegossene Liberalismus von so unterschiedlichen Determinanten aus, dass eine vollkommene Untersuchung auch eine Auseinanderset4
Mampel, Die Verfassung der SBZ, vor Art. 71, Erl. 2. Mampel, Die Entwicklung der Verfassungsordnung, S. 527. 6 Abendroth, AöR 37 N.F. (1950/51), 1 (12). 7 Leissner, S. 19. 8 Lapp, Die Volkskammer der DDR, S. 40. 9 GBl. S. 867 (1958). 10 Ein Aufsatz über die Schaffung der Bezirke und die damit verbundene – seitens des Autors weitgehend positiv bewertete – Entmachtung der Länder und ihrer Organe erschien erst im September 1989; der Autor bemerkte zur Länderkammer: „Die Auflösung der Länderkammer im Jahr 1958 war eine späte, aber notwendige Konsequenz, die nicht zuletzt auch durch die 1955 mit dem NATO-Beitritt der BRD zementierte Spaltung Deutschlands beeinflußt wurde“, Wietstruk, SuR 1989, 753 (758). Selbst in den Schriften Wilhelm Koenens (vgl. Literaturverzeichnis) – Leiter des gemeinsamen Sekretariats der Volks- und Länderkammer – findet sich keine Stelle, an der der Autor auf seine frühere Tätigkeit eingeht oder sich mit der Länderkammer auseinandersetzt. 5
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zung mit der Staatstheorie des Marxismus-Leninismus umfassen müsste, was hier nur in Ansätzen und dort wo es notwendig erscheint erfolgen kann. Der Länderkammer wohnte Zeit ihres Bestehens der sonderbare Umstand inne, dass eher der freiheitlich-bürgerliche Liberale als der Marxist-Leninist das Vorhandensein im Staatsgefüge der DDR mit seinen staatsrechtlichen Denkmodellen widerspruchsfrei erklären konnte. Dieses – anfangs bewusst aufrechterhaltene – Paradoxon führte schließlich dazu, dass die Länderkammer im Jahre 1958 aus dem Verfassungsgefüge getilgt wurde. Vor dieser endgültigen Beseitigung bedurfte es zu ihrer – zum Teil selbstauferlegten, zum Teil instruierten – verfassungsrechtlichen und organisatorischen Wirk- und Wirkungslosigkeit keiner gravierender Einschnitte in ihre Kompetenzen, die sie kaum besaß, sondern letztlich nur der höchsten Form der Nichtachtung, der Nichtbeachtung, die schließlich den Weg für ihre Abschaffung bereitete.
Forschungsstand Es ist eine einfache Wahrheit, dass jede verfassungsgeschichtliche Untersuchung der Nachkriegszeit ihren Ausgangspunkt in dem Zusammenbruch des Dritten Reiches haben müsste. Die Kapitulation der Wehrmacht zum 8. Mai 1945 war der Ausgangspunkt neuaufkeimenden – zum Teil restaurierten – Staatslebens in den jeweiligen Besatzungszonen. Das völlige Darniederliegen der staatlich-politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sittlichen Ordnung war insofern conditio sine qua non für die Entstehung zweier Staaten auf deutschem Boden. Gleichwohl entfaltete sich rasch neues staatliches Leben. Man denke an die Wiedererrichtung staatlicher Strukturen, die interzonale Zusammenarbeit, die Verfassungsgebung in den zum Teil neu geschaffenen Ländern und schließlich die Verfassungsentstehung im Parlamentarischen Rat im Westen sowie im Deutschen Volksrat des Ostens als Teil der Volkskongressbewegung. Vorausgeschickt sei insofern was diese Arbeit nicht zu leisten vermag, nämlich eine umfassende und stringente Darstellung der Verfassungsgebung und Staatswerdung – insbesondere mit Blick auf die ostzonalen Länder1 – 1 Mit der Auflösung – aber auch der Errichtung – der Länder im Gebiet der sowjetischen Besatzungszone setzt sich Mielke umfassend auseinander, untersucht die Länderkammer aber nur am Rande, vgl. ders., Die Auflösung der Länder in der SBZ/DDR, passim – mit umfangreicher Literatur. Zur Länderkammer ebd., S. 149–153. Vgl. auch: Kilian, Wiedererstehen und Aufbau der Länder im Gebiet der vormaligen DDR, in: HdStR VIII, § 186 Rdnrn. 1–11. Für die Zeit zwischen Kriegsende bis zur Gründung der DDR, vgl.: Fait, GiW 1991, 7, passim, wenn-
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in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands vorzulegen. Auf das Voranstellen einer solchen in gekürzter Form wurde bewusst verzichtet. Jene Konzentration ließe es nicht zu, ein wissenschaftlicher Methodik genügendes Ergebnis zu liefern. Diesbezüglich sei auf die unten angegebenen Arbeiten verwiesen. Nur dort, wo die Vorschriften der Verfassung über die Länderkammer tangiert werden, konnte eine solche Darstellung der Verfassungswerdung erfolgen. Geschichtlich-politische Ereignisse, die als Determinanten und zur Charakterisierung eines Staates und dessen Verfassungsordnung unverzichtbar sind, können nur am Rande und nur dort, wo sie das Thema der vorliegenden Arbeit unmittelbar berühren Berücksichtigung finden.2 Zwei Jahrzehnte nach dem von Willy Brandt geprägten Wort des Zusammenwachsens, was zusammen gehört, der Öffnung der Archive, liegt eine tiefgreifende Untersuchung der Verfassungswerdung der DDR, zumindest aus juristischer Sicht, nicht vor. Auch eine edierte Ausgabe der Arbeiten des Verfassungsausschusses des Deutschen Volksrates ist nicht in Sicht und bleibt eine Aufgabe von großem historiographischen Wert. Das Fehlen einer solchen wundert umso mehr, als dass dem Alltagsleben der ehemaligen DDR eine weit gründlichere Analyse – auch im Banalen – widerfährt als den Fundamenten, auf denen dieser erste sozialistische Staat auf deutschem Boden ruhte. In jüngeren Untersuchungen über die frühe Verfassungsordnung der DDR findet sich zumeist zwar ein kurzer Hinweis auf das Vorhandensein einer Länderkammer im Verfassungsgefüge, doch wird deren Stellung als so untergeordnet empfunden, dass eine gründliche Untersuchung unterbleibt.3 Das zeitgenössische Schrifttum der DDR befasste sich mit der Länderkammer nur en passant4 und beschränkte sich im Allgemeinen auf die Wiegleich die These, es habe bis zum Jahr 1952 einen Föderalismus gegeben, der „[. . .] tatsächlich mehr als eine leere Formel war [. . .]“ durchaus angreifbar erscheint, ebd., 7. Streiflichtartig zu diesem Thema, insbesondere mit kartographisch-statistischen Übersichten: Multhaupt/Hoffmann, Die Länder in der DDR, passim. 2 Verwiesen sei insofern auf die umfassende Darstellung der Geschichte der DDR von Schroeder, Der SED-Staat, passim und Weber, Die DDR 1945–1990, passim. Die Zeit der Gründung bis zum Jahr 1952 stellt dar: Staritz, Die Gründung der DDR, passim. 3 Dies gilt für alle gängigen Werke des deutschen Staats- und Verfassungsrechts und in juristischer Sicht für die Staats- und Verfassungsordnung der DDR insgesamt. Stern begründet diesen Mangel der nur kursorischen Abhandlung zustimmungswürdig mit der Sichtweise auf die DDR als ein sich vom „eigentlichen“ Staat der Deutschen unberechtigterweise abspaltendes, sezedierendes, vom Volk nicht demokratisch legitimiertes „Phänomen“, Stern, StR V, § 134 I 1 a) a (S. 1595).
Forschungsstand
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dergabe zumeist propagandistisch gefärbter Aufsätze, Reden und Gesetzesbegründungen führender Politiker und Juristen in den staatlich sanktionierten Periodika der rechtswissenschaftlichen Literatur der DDR, Neue Justiz und Staat und Recht, die zumindest für das hier interessierende Thema zum Teil wenig ergiebig sind. Dem Rechnung trägt freilich der Umstand, dass Machtträger nach der Verfassung die Volkskammer, in der Verfassungswirklichkeit hingegen die Parteiführung der SED war und somit eine Vertiefung von staatsorganisatorischen und verfassungsrechtlichen Fragen auf dieser Ebene erfolgte und aus naheliegenden Gründen überwiegend im Geheimen stattfand. Ostdeutsche Kommentarliteratur zur Verfassung der DDR von 1949 ist nicht vorhanden. Ein Kommentar zur DDR-Verfassung, welcher von Karl Steinhoff 5 (SED) 1949 verfasst wurde, ist nicht erschienen und konnte bis heute nicht aufgefunden werden.6 Ein westdeutscher Kommentar von Siegfried Mampel erörtert die Vorschriften über die Länderkammer zwar retrospektiv, aufgrund der Zeit des 4 Angenommen werden darf freilich, dass eine publizistische Begleitung dieses Verfassungsorgans auch nicht erwünscht war. 5 1946–1949 Ministerpräsident von Brandenburg, DWK 1948/49, 1949–1954 MdVR bzw. MdVK, Mitglied des Verfassungsausschusses des DVR, 1949–1952 Minister des Innern des DDR, bis 1955 Professor für Verwaltungsrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin, 1949/50 Kandidat des Politbüros, 1950–1954 Mitglied im ZK der SED, vgl. zur Person auch: Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 1036. 6 In einer von Steinhoff herausgegebenen Textausgabe der Verfassung vom Herbst 1949 vermerkt noch der Klappentext: „Vom gleichen Autor erscheint in Kürze eine kommentierte Ausgabe der Verfassung [. . .]“, vgl. ders., Die Verfassung der Deutschen demokratischen [sic!] Republik, Klappentext. Am 18. April 1950 beschloss das Politbüro der SED: „Die Herausgabe eines Kommentars zur Verfassung der DDR wird als nicht zweckmäßig erachtet“, Politbüro, Sitzung vom 18. April 1950 (Protokoll Nr. 84), in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2/84. Zu diesem Vorgang ausführlich – auch mit Hinweisen von ehemaligen Mitarbeitern Steinhoffs, die die Anfertigung eines Kommentars bezeugen: Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 330 f. Der Verfassungskommentar sollte auf ein Seminar Steinhoffs an der Humboldt-Universität zu Berlin aufbauen, an der Steinhoff seit 21. April 1947 einen Lehrauftrag für Verwaltungskunde und ab 2. September 1949 die Stellung eines „Professors mit Lehrauftrag“ innehatte, vgl. Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin, Personalakte Steinhoff, Karl, ST 71, Bl. 1 u. 22. In BArch, DA 1/166, Bl. 73 findet sich eine handschriftliche Vorlage von Steinhoff, wohl an das Sekretariat des Deutschen Volksrates vom 22. Juni 1949, die überschrieben ist mit „Arbeitsgemeinschaft zur Ausarbeitung eines Verfassungskommentars“ Darin bat Steinhoff den „[. . .] aufgeführten Studenten die der von mir geleiteten Arbeitsgemeinschaft angehören, bei ihrer Arbeit zu unterstützen und ihnen die Durchsicht der Protokolle und Aufzeichnungen [des Verfassungsausschusses, d. Vf.] zu gestatten.“
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Forschungsstand
Erscheinens, 1. Auflage 19627 bzw. 2. Auflage 1966, wurde eine detaillierte Kommentierung obsolet. Grundlegend und wegweisend bleiben seine mannigfaltigen Arbeiten über das Staatsrecht der DDR aus westdeutscher Sicht – gerade auch für das hier zu bearbeitende Thema – dennoch. Ebenso jene von Braas über die Entstehung der Länderverfassungen in der sowjetischen Besatzungszone von 1984 sowie von Travers aus dem Jahr 1962, der ohne Zugang zu den maßgeblichen Akten und Protokollen eine – für die damalige Zeit – umfassende Darstellung der Verfassungsarbeiten vorlegen konnte.8 Erst in jüngster Zeit wurde von Amos9 eine beachtliche geschichtswissenschaftliche Untersuchung über die Entstehung der ersten Verfassung der DDR vorgelegt, von der eine juristische, verfassungsgeschichtliche Auseinandersetzung en détail allerdings nicht verlangt werden kann. Eine Arbeit, die sich zur Aufgabe gemacht hat dieses Desiderat in Teilen zu beseitigen, musste sich also zuvörderst an den Primärquellen orientieren, die betreffs der Länderkammer der DDR vorrangig im Bundesarchiv zu Berlin ihre Heimstatt haben.10 Angemerkt sei auch, dass gerade hinsichtlich der die Länderkammer umreißenden Normen in der ersten Verfassung der DDR eher das Sollen als das Sein erörtert werden kann, mehr die formelle als die materielle Staatsverfassung.11 Die nach der marxistisch-leninistischen Staatstheorie jederzeit mögliche Verfassungsänderung und Verfassungsdurchbrechung, je nach Entwicklungsstand des Staates, bedingte sonst in weiten Teilen – etwa der kommentatorischen Einbettungen – eine nur spekulative Studie, deren Inhalt sich in, wenngleich nicht stereotyp als verfassungswidrig12 zu nennenden, so doch als mit heute geltender juristischer Methode nicht erklärbaren Handlungen erschöpfen müsste.
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Mampel, Siegfried, Die Verfassung der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, Text und Kommentar, Frankfurt a. M., Berlin 1962. 8 Vgl. Literaturverzeichnis. 9 Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, Münster 2006, vgl. Literaturverzeichnis. 10 Wenngleich in speziell parteipolitischen Fragen die Überlieferungen des Archivs für Christlich-Demokratische Politik in St. Augustin, des Archivs des Liberalismus in Gummersbach sowie die Unterlagen der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ebenso gewichtige Anregungen gaben. 11 Gleichwohl an anderer Stelle die „Verfassung hinter der Verfassung“ nicht minder Berücksichtigung finden muss. Zu diesem Begriff: Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, S. 110 f. 12 Vgl. dazu ausführlich: unten, Kap. 1 D.
Kapitel 1
Der Marxismus-Leninismus und die Ordnung des Staates Eine verfassungsgeschichtliche Untersuchung der Länderkammer im Staatsgefüge der DDR muss die staatstheoretischen Grundlagen berücksichtigen auf denen die Staatsordnung ruhte. Trotz der Beteiligung bürgerlicher Parteien an der Verfassungsgebung stand die Letztentscheidung der wesentlichen Fragen einer Partei zu, die sich nach ihrem Selbstverständnis an den von Marx und Engels begründeten und von Lenin und Stalin – von letzterem in geringem Maße1 – weiterentwickelten staatstheoretischen Auffassungen orientierte. Damit stellt sich die Frage nach der Verträglichkeit eines solchen Organs mit einem Staatswesen, das von einer marxistisch-leninistischen Partei geführt wurde. Das Verstehen der Fundamente der DDR, insbesondere der Staatslehre des Marxismus-Leninismus, ist damit der Schlüssel für die (1) Frage der Existenz der Länderkammer überhaupt, (2) für deren Stellung in der sie umgebenden Ordnung, sowie (3) ihrer später erfolgten Abschaffung. Freilich ist es nicht Aufgabe dieser Arbeit eine umfassende Grundlegung marxistisch-leninistischer Philosophie2 voranzustellen.3 Berücksichtigung 1 Maßgeblich wohl Stalins These von der „[. . .] Möglichkeit des Sieges des Sozialismus in einem Lande [. . .] ohne vorhergehenden Sieg der proletarischen Revolution in anderen Ländern“, vgl. ders., Zu den Fragen des Leninismus, in: Ausgewählte Werke, Bd. 1, S. 377. Vgl. dazu auch: Kołakowski, Marxismus, Bd. 3, S. 32–35; Sommermann, S. 120 ff. m.w.N. 2 Schon die Einordnung der Lehre als Philosophie ist strittig. An dieser Stelle sei nur Kołakowskis zustimmungswürdige These vom „[. . .] philosophischen Projekt [. . .]“ Marxismus genannt, das „[. . .] in ökonomischen Analysen und der politischen Lehre seine Präzisierung erfuhr“, ders., Marxismus, Bd. 1, S. 15. 3 Eine solch umfassende Lehre ließe dies auch nicht zu. Grundlegend zur Geschichte des Marxismus und seinen Verästelungen: Kołakowski, Marxismus (3 Bde.), vgl. Literaturverzeichnis. Als für die Frühzeit der DDR verbindliches Standardwerk kann gelten: Autorenkollektiv (Ltg.: Kuusinen), Grundlagen des Marxismus-Leninismus, passim. Mit Blick auf die Staatstheorie des Marxismus-Leninismus und deren Einfluss auf die Verfasstheit der frühen DDR sowie deren spezifisch ostdeutsche Interpretation dürfen als maßgebliche Werke gelten: Polak, Zur Dialektik in der Staatslehre, passim; ders., Marxismus und Staatslehre, passim; und anlässlich der für die DDR-Rechtswissenschaft bedeutsamen Babelsberger Konferenz des Jahres
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Kap. 1: Der Marxismus-Leninismus und die Ordnung des Staates
finden müssen aber die Ansichten ihrer Stammväter über den Staatsaufbau, die Staatsorganisation und die Methoden, die es zuließen, dass ein solches Organ – die grundsätzliche Ablehnung vorweggenommen – anfänglich in der Verfassung einer Volksdemokratie4 bzw. eines sozialistischen Staates Raum finden konnte.
A. Das Dynamische in der Staatslehre des Marxismus-Leninismus Führt man sich in groben Zügen die Stellung der Länderkammer im Verfassungsgefüge der DDR vor Augen, erkennt man den raschen Wandel, dem dieses Verfassungsorgan unterworfen war. Binnen einer Zeit von nicht einmal zehn Jahren führte ihr Weg von der Annahme ihrer Gestalt in den Verfassungsberatungen des Deutschen Volksrates, über ihre Konstituierung im Jahre 1949 – der schon wenige Jahre später die Abschaffung der von ihr vertretenen Länder im Jahre 1952 folgte –, schließlich bis hin zur Auflösung im Jahre 1958. Diese Ereignisse ergaben sich aus keiner irgendwie gearteten staatspolitischen Notwendigkeit, sondern aus der schablonenhaftstringenten Befolgung der Entwicklungsgesetze eines Staates, der sich der Lehre des Marxismus-Leninismus verpflichtet fühlte. Die Staatstheorie des Marximus-Leninismus geht hinsichtlich des Verhältnisses zum Staat von einer utilitaristischen Grundüberzeugung aus, die in nachfolgenden Worten konzentriert ist: Es handelt sich darum, daß sich die marxistisch-leninistische Staats- und Rechtstheorie nur insofern mit den Funktionen des Staates beschäftigt, als sie unmittelbarer Ausdruck des Klassencharakters des Staates sind [. . .] und daß schließlich die Funktionen des Staates in ihrer praktischen Wirksamkeit die Hauptrichtungen der gesamten staatlichen Tätigkeit politisch charakterisieren, die auf die Verwirklichung der dem Staat gestellten Klassenziele gerichtet sind.5 1958, auf der man sich von der „bürgerlichen“ Vorstellung von Recht befreien wollte: Ulbricht, Die Staatslehre des Marxismus-Leninismus, passim. Vgl. zur Babelsberger Konferenz auch: Stolleis, S. 138 ff. und Sieveking, S. 55 f. Ein offizielles Staatsrechtslehrbuch erschien erstmalig im Jahre 1977 (Akademie für Staats-und Rechtswissenschaft der DDR, Staatsrecht der DDR, Berlin 1977). Einen umfassenden Überblick – vergleichend auch mit dem westlich-liberalen Rechtsbegriff – bietet Böckenförde, passim, insbesondere S. 35 ff. Vgl. dazu auch: Schulz, Recht und Staat, S. 28 ff. Zu den Grundprinzipien des Staatsrechts der DDR, vgl.: Brunner, Das Staatsrecht der DDR, in: HdStR I, § 11 Rdnrn. 13–37. 4 Der Begriff Volksdemokratie wurde 1945 von Tito geprägt und meinte damals noch nicht eine Staatsordnung in der die Diktatur des Proletariats verwirklicht ist, sondern wurde als eine Kreuzung zwischen der alten bürgerlichen und der von der Sowjetunion geschaffenen sozialistischen Staatsform angesehen, vgl. dazu: Mampel, Die Entwicklung der Verfassungsordnung, S. 466 m. w. N.
A. Das Dynamische in der Staatslehre des Marxismus-Leninismus
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Der Marxismus-Leninismus gibt eigene Erklärungen für das Wesen von Staat und Recht und setzt sich damit ausdrücklich von allen anderen bisherigen Lehren ab. Er verbindet eine aggressive Kritik an ihnen – etwa am bürgerlichen Liberalismus – mit einer Theorie, die weniger Interpretation von Entstandenem und Werdendem als vor allem Anleitung zum Handeln ist.6 Die marxistisch-leninistische Staatslehre nimmt die Vorstellungen von Marx und Engels von einem Ablauf der Geschichte nach den von Hegel übernommenen Gesetzen der Dialektik auf, bezieht sie aber statt auf Entwicklungen im Geistigen auf Prozesse in der Materie, womit Hegels Lehre nach Engels „[. . .] vom Kopf [. . .] wieder auf die Füße gestellt [. . .]“7 wurde. Damit wird die Produktion materieller Güter zum entscheidenden Faktor für das Zusammenleben der Menschen und die treibende Kraft der Geschichte (Basis); das Denken der Menschen und die Einrichtungen, die der denkende Mensch schafft (Überbau), korrespondieren mit seiner sozialen Situation.8 Als Ausfluss dieser materialistischen Dialektik gelten Staat und Recht daher nicht als etwas Originäres, sondern seien lediglich Ausdruck („[. . .] juristischer und politischer Überbau [. . .]“9) der realen momentanen Basis als Gesamtheit der ökonomischen Struktur einer Gesellschaft.10 Nach der marxistisch-leninistischen Lehre vom Staat bestimmt allein die jeweilige (ökonomische) Epoche, in der sich die Gesellschaft befindet, die Form und den 5 Weichelt, SuR 1957, 13 (14). Prägnant formuliert das offizielle Staatsrechtslehrbuch der DDR: „Die marxistisch-leninistische Verfassungslehre geht von der Erkenntnis aus, daß Verfassungsfragen stets Machtfragen sind. Die Verfassungen sind in erster Linie eine Reflexion der jeweiligen politischen und sozialen Kräfteverhältnisse [. . .]“, Akademie für Staats-und Rechtswissenschaft der DDR, Staatsrecht der DDR (1984), S. 33. 6 Vgl. Mampel, Die Entwicklung der Verfassungsordnung, S. 457. 7 Engels, Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, in: MEW, Bd. 21, S. 293. 8 Mampel, Die Entwicklung der Verfassungsordnung, S. 457. Vgl. dazu auch: Polak, Marxismus und Staatslehre, S. 19–24. 9 Marx, Zur Kritik der politischen Ökonomie, Vorwort, in: MEW, Bd. 13, S. 8; Böckenförde, S. 21 f., spricht vom Recht im kommunistischen Staat als „[. . .] seinem Wesen nach [. . .] Sekundäres, eine Folge aus den Produktionsverhältnissen und der dadurch bestimmten sozialökonomischen Formation.“ Es enthalte als Teil des Überbaues ein eigenes, normativ gestaltendes Moment, eine aktive Rolle; es werde ein Mittel, um die Basis selbst zu gestalten und weiter zu entwickeln, ebd., S. 29. 10 Vgl. Marx, Zur Kritik der politischen Ökonomie, Vorwort, in: MEW, Bd. 13, S. 8 f.; vgl. auch: Stalin, Der Marxismus und die Frage der Sprachwissenschaft, in: Ausgewählte Werke, Bd. 2, S. 348: „Der Überbau ist das Produkt einer Epoche, in deren Verlauf die ökonomische Basis besteht und wirkt. Daher besteht der Überbau nicht lange, er wird beseitigt und verschwindet mit der Beseitigung und dem Verschwinden der gegebenen Basis.“
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Kap. 1: Der Marxismus-Leninismus und die Ordnung des Staates
Inhalt des Staates (und des Rechts).11 Im Gegensatz zur bürgerlichen Staatslehre könne der Staat daher nicht Erbe von etwas Vergangenem sein und auch in seinen Formen keine Kontinuität aufweisen, sondern passe sich in seiner Gestalt den jeweiligen Gegebenheiten an und müsse dies nach den Gesetzen der Dialektik auch zwingend tun.12 Um die Ausbeutung des Menschen durch die herrschende Klasse, die Bourgeoisie, zu beenden, sei es Aufgabe des Proletariats, sich das Gemeineigentum an den Produktionsmitteln zu verschaffen. Um dies zu erreichen, müssten zuvor freilich die Machtinstitutionen, die sich die Kapitalisten zur Sicherung und Festigung ihrer Herrschaft (ihres – nicht juristisch gemeinten – Besitzes) geschaffen hätten, beseitigt werden. Diese Machtbasis der Kapitalisten sei der bürgerliche Staat, über den es in der Art und Weise seiner Beseitigung zum Schisma in der sozialistischen Bewegung kam.13 In dieser Frage entfernten sich die (ost-)deutschen Kommunisten gewissermaßen von der „reinen Lehre“ eines Marx und Engels. Einem rigorosen Umsturz und damit einer Totaländerung staatlicher Strukturen standen mehrere Gründe im Wege: (1) Eine (einheitliche) Staatsordnung, die im Zuge einer Erhebung beseitigt werden konnte, gab es nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg nicht mehr. (2) Ein (gewaltsames) Aufbegehren hätten die Besatzungsmächte verständlicherweise auch nicht zugelassen. (3) Eine revolutionär gesinnte, geschlossene Arbeiterschaft, die diesen Weg zu gehen bereit war, war nicht vorhanden. Unter diesen Voraussetzungen war letztlich nur eine „Revolution“ aus dem wenigen Bestehenden bzw. aus dem zu Schaffenden heraus möglich, welche durch eine – zum Teil aus dem Exil heimgekehrte – Avantgarde14 vorangetrieben werden sollte; und dies nur dort, wo sie – wie in der sowjetisch besetzten Zone – einen Nährboden in 11
Vgl. Marx/Engels, Die deutsche Ideologie, in: MEW, Bd. 3, S. 46. Eine umfassende Darstellung des „Problems von Inhalt und Form im Recht“ findet sich bei: Kerimow, Freiheit, Recht und Gesetzlichkeit, S. 183 ff. 12 Vgl. Polak, Zur Dialektik in der Staatslehre, S. 30. Deutlicher: Es sei keine Tradition zu übernehmen, sondern „[. . .] nur eine Tradition zu vernichten, die die klassische bürgerliche Rechts- und Staatsideologie gegen den Marxismus geschaffen hat“, ebd., S. 196. 13 Während Marx und Engels in ihren Schriften (etwa: „Der Bürgerkrieg in Frankreich“, „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“, „Herrn Eugen Dührings Umwälzung in der Wissenschaft“) auf den Weg der Gewalt verwiesen, finden sich bei anderen (Eduard Bernstein, Karl Kautsky) auch Methoden, wie das Proletariat auf friedlichen Wege unter Ausnutzung parlamentarischer Strukturen zur Herrschaft gelangen könne, vgl. dazu ausführlich: Kołakowski, Marxismus, Bd. 2, S. 43–75 u. S. 117–143; Mampel, Die Entwicklung der Verfassungsordnung, S. 459 f. m. w. N. 14 Genannt sei hier nur die aus sowjetischem Exil heimgekehrte „Gruppe Ulbricht“, dazu: Sattler, S. 119 (128 ff.).
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Form einer kompatiblen Besatzungsmacht fand. Die Richtschnur, die zum Ziel der Diktatur des Proletariats15 führen sollte, wurde durch Lenins Revolutionslehre, insbesondere manifestiert in seinen Werken Staat und Revolution und Was tun?, vorgegeben. In einem Stadium, in dem das proletarische Bewusstsein noch nicht derart ausgereift und ausreichend sei, den Staat der Kapitalistenklasse zu beseitigen, müsse eine Partei von Berufsrevolutionären das entsprechende Bewusstsein vorantreiben und als Führerin des Proletariats fungieren.16 Um den Staatsapparat des bürgerlichen Staates zu zerschlagen, kann sich die revolutionäre Partei durchaus auch Bundesgenossen in Gestalt verwandter Klassen schaffen, etwa der Klasse der Kleinbauern, sogar die Klasse der Kleinbürger kommt in Frage – indessen muss die Führung stets beim Proletariat bzw. ihrer Avantgarde verbleiben: Folglich kann die Möglichkeit, grundlegende, soziale Umwälzungen auf friedlichem Wege unter Ausnutzung des Parlaments herbeizuführen, nur unter der Bedingung praktisch verwirklicht werden, daß die Arbeiterklasse mit ihrer Vorhut an der Spitze die politische Führung in den Händen hat und imstande ist, die werktätige Bauernschaft und alle anderen demokratischen Kräfte des Volkes unter den Losungen des Kampfes für den Sozialismus um sich zu scharen.17
Eine Synthese von Lenins Revolutionsstrategie und der Ausnutzung des parlamentarischen Weges fand sich dann auch in der werdenden DDR wie15
Hinsichtlich dieses Begriffs galt in der DDR das von Carl Schmitt schon im Jahre 1922 ganz generell Gesagte: „Es darf jedoch hier schon bemerkt werden, daß von einer allgemeinen Staatslehre aus betrachtet, die Diktatur des mit dem Volk identifizierten Proletariats als Überhang zu einem ökonomischen Zustand, in welchem der Staat ‚abstirbt‘, den Begriff einer souveränen Diktatur voraussetzt [. . .]. Auch für die Staatstheorie dieses Übergangs zur Staatslosigkeit gilt das, was Engels in der Ansprache an den Bund der Kommunisten im März 1850 für seine Praxis verlangte: es ist dasselbe ‚wie in Frankreich 1793‘ “, Die Diktatur, S. 205. Kennzeichnend für diese „souveräne Diktatur“ war für Schmitt: „Die souveräne Diktatur sieht nun in der gesamten bestehenden Ordnung den Zustand, den sie durch ihre Aktion beseitigen will. Sie suspendiert nicht eine bestehende Verfassung kraft eines in dieser begründeten, also verfassungsmäßigen Rechts, sondern sucht einen Zustand zu schaffen, um eine Verfassung zu ermöglichen, die sie als wahre Verfassung ansieht. [. . .] Die souveräne Diktatur beruft sich auf den pouvoir constituant, der durch keine entgegenstehende Verfassung beseitigt werden kann“, ebd., S. 137 u. S. 139. 16 Vgl. nur Lenin, Was tun?, in: Ausgewählte Werke, Bd. I, S. 241 u. 252. 17 Kerimow, Staatslehre und Revisionismus, S. 77. Vgl. auch das Statut der SED, angenommen auf dem IV. Parteitag 1954: „Die [SED] ist die Partei der deutschen Arbeiterklasse, ihr bewußter und organisierter Vortrupp. [. . .] Die Partei läßt sich in ihrer ganzen Tätigkeit vom Marxismus-Leninismus leiten. Die Partei ist die führende Kraft aller Organisationen der Arbeiterklasse und der Werktätigen, der gesellschaftlichen und staatlichen Organisationen und führt erfolgreich den Aufbau des Sozialismus. Sie arbeitet ständig an der Festigung und Entwicklung der Staatsmacht der Arbeiter und Bauern“, Statut der SED 1954, in: Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, Protokoll der Verhandlungen des IV. Parteitages, S. 1128 f.; zu den Statuten der SED als quasi-Verfassungsrecht, vgl. Schulz, Verfassung, S. 39.
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Kap. 1: Der Marxismus-Leninismus und die Ordnung des Staates
der. Die in der SED zusammengeschlossenen kommunistischen Kräfte als Avantgarde, führten die in ein Blocksystem – auch mittels Zwang ob des ab 1948/49 begründeten Selbstverständnisses als „Partei neuen Typus“18 – eingebundenen anderen Parteien und gesellschaftlichen Kräfte an.19 Damit wurde die Diktatur des Proletariats, die Marx noch als eine Diktatur der Mehrheit über die Minderheit der früheren kapitalistischen Unterdrücker verstand, zu einer Herrschaft einer kleinen Minderheit – aus der die kommunistische Partei allerdings hoffte nicht nur eine Mehrheit zu machen, sondern das gesamte Proletariat hinter sich zu bringen.20 Gab es also unterschiedliche Auffassungen wie die Macht zu erringen sei, so war der Auftrag wenn man an der Macht war klar; treffend führt dies Lenin aus, wenn er schreibt: Es handelt sich nicht um Opposition und nicht um den politischen Kampf im allgemeinen, sondern eben um die Revolution. Die Revolution besteht darin, daß das Proletariat den ‚Verwaltungsapparat‘, ja den gesamten Staatsapparat zerstört und ihn durch einen neuen, aus bewaffneten Arbeitern bestehenden Apparat ersetzt. [. . .] Die entscheidende Frage ist, ob die alte Staatsmaschinerie (die durch tausend Fäden mit der Bourgeoisie verbunden und durch und durch von verknöcherten Gewohnheiten und Konservativismus durchsetzt ist) aufrechterhalten bleibt, oder ob sie zerstört und durch eine neue ersetzt wird. Die Revolution darf nicht darin bestehen, daß die neue Klasse mit Hilfe der alten Staatsmaschinerie kommandiert und regiert, sondern muß darin bestehen, daß sie diese Maschine zerschlägt und mit Hilfe einer neuen Maschine kommandiert und regiert.21
Wohl rückblickend die eigene Tätigkeit im Verfassungsausschuss des Deutschen Volksrates vor Augen schrieb Peter Alfons Steiniger22 (SED), 18 Dazu: Brunner, Staatsapparat und Parteiherrschaft, in: EK-BT, Bd. II/2, S. 989 (993 f.); Müller, SED, in: SBZ-Handbuch, S. 481 (496–501). 19 Später wurde der Führungsanspruch der SED auch verfassungsrechtlich fixiert. Hieß es doch in Art. 1 S. 2 der Verfassung von 1968, GBl. I S. 199 (1968): „Sie [die DDR, d. Vf.] ist die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land, die gemeinsam unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei den Sozialismus verwirklichen.“ In diesem Sinne auch in Art. 1 S. 2 nach der Verfassungsrevision von 1974, vgl. GBl. I S. 432 (1974). Zur Normierung in der Verfassung vgl. auch: Mampel, Die sozialistische Verfassung der DDR, Art. 1 Rdnr. 1 ff.; Löw, Funktion des Marxismus-Leninismus, in: EK-BT, Bd. III/2, S. 1401(1404 f.); Wisniewski, Marxismus als Voraussetzung, in: EK-BT, Bd. III/3, S. 2062 (2063 f.). 20 Vgl. Mampel, Die Entwicklung der Verfassungsordnung, S. 460. 21 Lenin, Staat und Revolution, in: Ausgewählte Werke, Bd. II, S. 414 f. 22 Staatsrechtslehrer, ab 1946 Assistenz am Lehrstuhl Hans Peters (CDU), Humboldt-Universität zu Berlin, dort 1947 Habilitation über „Das Blocksystem. Beitrag zu einer demokratischen Verfassungslehre“, ab 1948 ordentlicher Professor ebendort, 1947–1952 Präsident der Verwaltungsakademie Forst-Zinna, herausgehobene Stellung im Verfassungsausschusses des DVR (u. a. Redaktionsausschuss), bis 1950 MdVK, später verschiedene Tätigkeiten im Bereich des Völkerrechts (u. a. Lehrstuhl für Völ-
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dass man auf Grundlage der Verfassung und in Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen Kräften die Diktatur des Proletariats errichten könne, vorausgesetzt „[. . .] daß es der revolutionären Spitze gelingt, die Mehrheit der Abgeordneten zu einer solchen Ausgestaltung der Verfassung zu bewegen, daß aus dem Parlament ein Organ der Revolution wird.“23 Und weiter: Von entscheidender Bedeutung war hierbei die Klärung der Frage, ob die klassische These von Marx und Lenin über die Unvermeidlichkeit der Beseitigung des bürgerlichen Staatsapparates und seine Ersetzung durch einen neuen bei Ausnutzung des parlamentarischen Weges zum Sozialismus korrigiert werden muss. Das Gegenteil ist der Fall. Antiimperialistische Basis und imperialistischer Überbau sind nun einmal theoretisch wie praktisch vereinbar. Daher war es auch nicht die Frage der Beseitigung und Ersetzung der bürgerlichen Staatsmaschinerie in der Übergangsperiode [. . .], sondern die Frage, ob das notwendige Zerbrechen dieser Maschinerie mit lediglich normativer Gewalt erfolgen könne.24
Eine sozialistische Revolution müsse daher den [. . .] bürokratischen Staatsapparat der bürgerlichen Diktatur zerschlagen und durch den demokratischen Staatsapparat der proletarischen Diktatur ersetzt werden, für den die immer allseitigere Mitarbeit und Kontrolle der werktätigen Massen kennzeichnend ist und dessen Organisation deshalb von den Prinzipien des demokratischen Zentralismus bestimmt wird.25
Nun bestand der „Makel“ der ostdeutschen Kommunisten – Lenins Lehre betreffend – allein darin, dass sie sich die später zu zerstörende bürgerliche „Staatsmaschinerie“ erst schaffen mussten. Letzteres geschah im Einklang mit den eingebundenen anderen (bürgerlichen) Kräften, so dass gewisse Ausprägungen deren Staatsverständnis auch in der ersten Verfassung der DDR vorhanden waren. Diesen Zwiespalt beschreibt Mampel trefflich: Die Verfassung braucht noch nicht die eines sozialistischen Staates zu sein. Hatte die Revolution einen ‚bürgerlich-demokratischen‘ Charakter, so hat diesen auch die Verfassung. Für die Kommunisten ist das aber nur ein Übergangsstadium, was von ihren Verbündeten als endgültige Lösung gewollt wird.26
So verlief die staatliche Entwicklung der DDR dann auch entsprechend den Vorgaben der maßgeblichen Lehre.27 In einer ersten – antifaschistischkerrecht 1950–1970, Präsident der Liga für die Vereinten Nationen 1954–1980), vgl. zur Biographie: Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 238–240; Müller-Enbergs/Wielgohs/Hoffmann, Wer war wer in der DDR?, S. 821. 23 Vgl. Steiniger, SuR 1957, 329 (342). 24 Ebd., 329 (342 f.). 25 Ebd., 329 (353). 26 Mampel, Die Entwicklung der Verfassungsordnung, S. 473. 27 Zur Periodisierung der staatlichen Entwicklung der DDR, vgl.: Autorenkollektiv (Ltg.: Badstübner), Geschichte der DDR, S. 5 ff.
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Kap. 1: Der Marxismus-Leninismus und die Ordnung des Staates
demokratisch genannten – Etappe, die die Jahre von Kriegsende bis kurz nach der Konstituierung der DDR umfasst28, wurden die Grundlagen der Herrschaft der kommunistischen Partei gelegt (Herrschaftssicherung, Einbindung anderer Parteien in den Demokratischen Block unter Anerkennung der Vormachtstellung der SED). In einer zweiten volksdemokratischen Etappe ging man schließlich daran, die Grundlagen für die Verwirklichung des Sozialismus zu schaffen (zunehmende Kollektivierung der Produktionsmittel, Gewalteneinheit, Verwirklichung des Prinzips des demokratischen Zentralismus, erster Fünfjahrplan, 2. Parteikonferenz der SED).29 Diese Etappe beseitigte tradierte Strukturen (etwa die Länder) und löste diesem Entwicklungsprogramm entgegenstehende Institutionen wie die Länderkammer auf. In der Verfassung von 196830 führte die Präambel rückschauend dann auch folgerichtig aus: Getragen von der Verantwortung, der ganzen deutschen Nation den Weg in eine Zukunft des Friedens und des Sozialismus zu weisen, [. . .] hat sich das Volk der [DDR] fest gegründet auf den Errungenschaften der antifaschistisch-demokratischen und der sozialistischen Umwälzung der gesellschaftlichen Ordnung [. . .] diese sozialistische Verfassung gegeben.
In Art. 1 S. 1 der Verfassung von 1968 bezeichnete sich die DDR als „[. . .] sozialistischer Staat deutscher Nation“ und mit der Verfassungsrevision31 von 1974 als „[. . .] sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern.“32 Damit war zumindest das grundlegende Aufbauwerk vollendet (Realsozialismus), sprich: die als bürgerlich empfundenen Atavismen zerschlagen.
B. Das Föderative in der Staatslehre des Marxismus-Leninismus Eine Vertretung der Länder auf Ebene des Gesamtstaates ist grundsätzlich Ausweis einer irgendwie gearteten föderativen Konzeption, womit die Frage nach dem Verhältnis des Marxismus-Leninismus zum Föderalismus aufgeworfen ist. 28 Einen Überblick über die einzelnen Etappen – vielmals verschiedentlich zeitlich eingeordnet – bietet Doernberg, S. 448–473. 29 Vgl. zur Übergangsperiode auch ebd., S. 124 f. u. S. 465 f. 30 GBl. I S. 199 (1968). 31 GBl. I S. 432 (1974). 32 Zu den Merkmalen des sozialistischen Staates als Hauptinstrument zur Leitung der Gesellschaft und die Entwicklung seiner Funktionen, vgl. Autorenkollektiv (Ltg.: Weichelt), Der Staat im politischen System der DDR, S. 97 ff. Zu Art. 1 als der „[. . .] grundlegenden verfassungsrechtliche[n] Aussage über das Wesen des sozialistischen Staates, den die DDR verkörpert“, vgl. Sorgenicht/Weichelt/Riemann u. a., Verfassung der DDR, Bd. 1, S. 215 f.
B. Das Föderative in der Staatslehre des Marxismus-Leninismus
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Die politische Idee des Föderalismus ist in der Staatslehre des Marxismus-Leninismus ganz unterschiedlich ausgeprägt. Die Klassiker – Marx und Engels – standen diesem Prinzip kritisch, aber nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber.33 In einigen Fällen – wie bei den Iren – unterstützten sie den Separatismus unterdrückter Nationen, schlossen aber nicht aus, dass auf einer späteren Stufe des Zusammenlebens zwischen Iren und Engländern ein Zusammenleben in einer Föderation möglich sei.34 Für Deutschland allerdings lehnten Marx und insbesondere Engels das Prinzip des Föderalismus – zum Teil verkörpert im Bundesrat – ab, da sie es mit reaktionärem Fürstenpartikularismus und Kleinstaaterei verbanden.35 Stattdessen wurde die einheitliche Republik bevorzugt, die weniger als Hemmschuh sozialer Entwicklung angesehen wurde.36 In einem weitgehend sprachlich wie kulturell homogenen Umfeld hielt man – im Gegensatz zur späteren Sowjetunion37 – auch keine weitgehendere Auseinandersetzung mit der Idee des 33 Wenngleich sich Lenin mit Blick auf die anarchistischen und sozialrevolutionären Ideen eines Pierre-Joseph Proudhon und Michail Bakunin, in denen das Prinzip des Föderalismus eine tragende Rolle spielte, genötigt sah, Marx vom Vorwurf er sei Föderalist freizusprechen: „Marx geht sowohl mit Proudhon als auch mit Bakunin gerade in der Frage des Föderalismus auseinander [. . .]. Aus den kleinbürgerlichen Anschauungen des Anarchismus ergibt sich prinzipiell der Föderalismus. Marx ist Zentralist. Und in seinen [. . .] Darlegungen ist nicht die geringste Abweichung vom Zentralismus enthalten. Nur Leute, die vom kleinbürgerlichen ‚Aberglauben‘ an den Staat erfüllt sind, können die Vernichtung der bürgerlichen Maschinerie für eine Vernichtung des Zentralismus halten“, Staat und Revolution, in: Ausgewählte Werke, Bd. II, S. 362. Vgl. dazu auch: Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 18 III (S. 116). 34 v. Beyme, S. 552 (566); vgl. auch: Engels, Über die Beziehungen zwischen den irischen Sektionen und dem Britischen Föderalrat, in: MEW, Bd. 18, S. 80. 35 Vgl. dazu: Engels, Der deutsche Bauernkrieg, in: MEW, Bd. 7, S. 386 und S. 413 („Wer nach den beiden deutschen Revolutionen von 1525 und 1848 und ihren Resultaten noch von Föderativrepublik faseln kann, verdient nirgends anders hin als ins Narrenhaus“); ders., Die Rolle der Gewalt in der Geschichte, in: MEW, Bd. 21, S. 435 u. S. 456; ders., Zur Kritik des sozialdemokratischen Programmentwurfs 1891, in: MEW, Bd. 22, S. 235. Einen umfassenden Überblick über die Äußerungen von Marx und Engels über den Staatsaufbau und das Verhältnis der Zentralgewalt zu den Lokalgewalten während der Diktatur des Proletariats gibt Odenthal, S. 4 ff. 36 Vgl. nur: Engels, Zur Kritik des sozialdemokratischen Programmentwurfs 1891, in: MEW, Bd. 22, S. 235 f.; Marx/Engels, Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland, in: MEW, Bd. 5, S. 3; dies., Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom März 1850, in: MEW, Bd. 7, S. 252; Engels, Revolution und Konterrevolution in Deutschland, in: MEW, Bd. 8, S. 42. 37 Anlässlich der Schaffung der Verfassung der UdSSR (sog. „Stalin-Verfassung“) von 1936 bemerkte Stalin mit Blick auf die zweite Kammer, den Sowjet der Nationalitäten: „Das Einkammersystem wäre besser als das Zweikammersystem, wenn die Sowjetunion ein einheitlicher Nationalstaat wäre. Aber die Sowjetunion ist kein einheitlicher Nationalstaat. Die Sowjetunion ist bekanntlich ein Nationalitätenstaat“,
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Kap. 1: Der Marxismus-Leninismus und die Ordnung des Staates
Föderalismus für erforderlich.38 Auf die Revolutionsjahre 1848/49 rekurrierend, stellten Marx und Engels fest, dass Deutschland am „[. . .] Vorabend einer bürgerlichen Revolution [. . .]“ stehe.39 Mögen die als Demokraten bezeichneten Kleinbürger auch nach einer föderativen Republik nach dem Vorbild der Schweiz streben, müsse das Proletariat „[. . .] auf die entschiedenste Zentralisation der Gewalt in die Hände der Staatsmacht hinwirken.“40 Sie [die Arbeiter, d. Vf.] dürfen sich durch das demokratische Gerede von Freiheit der Gemeinden, von Selbstregierung usw. nicht irremachen lassen. In einem Land wie Deutschland, wo noch so viele Reste des Mittelalters zu beseitigen sind, wo noch so vieler lokaler und provinzialer Eigensinn zu brechen ist, darf es unter keinen Umständen geduldet werden, daß jedes Dorf, jede Stadt, jede Provinz der revolutionären Tätigkeit, die in ihrer ganzen Kraft nur vom Zentrum ausgehen kann, ein neues Hindernis in den Weg lege. – Es darf nicht geduldet werden, daß der jetzige Zustand sich erneuere, wodurch die Deutschen um ein und denselben Fortschritt in jeder Stadt, in jeder Provinz sich besonders schlagen müssen.41
Schließlich sei wie im Frankreich des Jahres 1793 „[. . .] heute in Deutschland die Durchführung der strengsten Zentralisation die Aufgabe der wirklich revolutionären Partei.“42 In den Fragen des Staatsaufbaus – wie über ders., Über den Entwurf der Verfassung der Union der SSR, Bericht auf dem Außerordentlichen VIII. Sowjetkongreß der UdSSR am 25. November 1936, in: Ausgewählte Werke, Bd. 2, S. 202. Die für Stalin wichtigste Voraussetzung der Akzeptanz einer zweiten Kammer – abgesehen von der Nationalitätenfrage –, die formale Gleichberechtigung gegenüber der ersten, wurde hingegen in der DDR nicht erfüllt: „Man beruft sich auf die parlamentarische Geschichte der europäischen und amerikanischen Staaten, man beruft sich darauf, daß das Zweikammersystem in diesen Ländern nur Nachteile gebracht habe, daß die zweite Kammer gewöhnlich zum Mittelpunkte der Reaktion und zu einem Hemmschuh der Fortentwicklung ausarte. Das trifft alles zu. Aber das geschieht deshalb, weil in diesen Ländern zwischen den Kammern keine Gleichheit besteht. Bekanntlich werden der zweiten Kammer nicht selten mehr Rechte eingeräumt als der ersten, und außerdem wird die zweite Kammer in der Regel auf nichtdemokratischem Wege organisiert, nicht selten durch Ernennung ihrer Mitglieder von oben. Zweifellos wird es diese Nachteile nicht geben, wenn beide Kammern die gleichen Rechte haben und die zweite Kammer ebenso demokratisch organisiert wird wie die erste“, ebd. 38 Zur anfänglichen Aufgeschlossenheit der russischen Sozialisten gegenüber der Idee des Föderalismus im Vielvölkerstaat des Zarenreiches und der späteren Sowjetunion ausführlich: v. Beyme, S. 552 (566 ff.) m. w. N. 39 Vgl. Marx/Engels, Das Manifest der Kommunistischen Partei, in: MEW, Bd. 4, S. 492. 40 Vgl. dies., Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom März 1850, in: MEW, Bd. 7, S. 252. 41 Ebd., S. 252 f. 42 Ebd., S. 252; zur späteren Abkehr Engels’ vom radikalen Zentralismus, vgl: Marx/Engels, Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom März 1859, Anmerkung von Engels zur Ausgabe von 1885, in: MEW, Bd. 7, Fn. 1 (S. 1); Odenthal,
B. Das Föderative in der Staatslehre des Marxismus-Leninismus
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alle den Staat und seine Vertretungskörperschaften betreffenden Fragen – orientierte sich Marx an dem Leitbild der Pariser Kommune, die Marx als den „[. . .] ruhmvolle[n] Vorbote[n] einer neuen Gesellschaft“43 betrachtete. In Abkehr von der vormals geforderten radikalen Zentralisation glichen die nun beschriebenen Vorstellungen denen eines dezentralisierten Einheitsstaates. Der Staat müsse als soziale Republik gestaltet werden und sich auf den Gemeinden und Bezirken aufbauen.44 Die Vertretungskörperschaft einer jeden Kommune dürfe keine parlamentarische, sondern müsse eine „[. . .] arbeitende Körperschaft [. . .]“45 sein – vollziehend und gesetzgebend zu gleicher Zeit. Die Gemeinden eines jeden Bezirks sollten ihre gemeinsamen Angelegenheiten durch eine Versammlung von Abgeordneten in der Bezirkshauptstadt verwalten, so Marx, und diese Bezirksversammlungen dann wieder Abgeordnete zur Nationalversammlung in Paris schicken – bei jederzeitiger Absetzbarkeit und Bindung an die Instruktionen der Wähler.46 Die Zentralregierung habe damit zwar wenige, aber nach Marx durchaus wichtige Funktionen, die sie durch „[. . .] streng verantwortliche Beamte [. . .]“ ausübe.47 Damit werde keineswegs die Einheit der Nation gebrochen, sondern vielmehr neu organisiert; erst durch die Vernichtung jener Staatsmacht, die sich nur als „[. . .] Schmarotzerauswuchs [. . .]“ gerierte und sich nur zum Schein als Verkörperung der Einheit ausgab, käme man zu einer (wahren) Verwirklichung der einheitlichen Nation.48 Marx verwahrte sich ausdrücklich gegen die Qualifizierung der Kommune als „[. . .] Bund kleiner Staaten [. . .]“ und „[. . .] übertriebene Form des alten Kampfes gegen Überzentralisation“49, sondern verband mit ihr etwas gänzlich Neues, das später von Engels als „[. . .] Bewegung von unten [. . .]“50 apostrophiert wurde. Im Jahr 1891 analysierte Engels den Programmentwurf des Vorstandes der SPD, der dem Erfurter Parteitag zur Annahme unterbreitet werden sollte, und nahm darin zu Fragen der Staatsorganisation Stellung. Zunächst S. 7. Gleichwohl schränkte Engels ein: „Ebensowenig aber, wie lokale und provinziale Selbstregierung der politischen, nationalen Zentralisation widerspricht, ebensowenig ist sie notwendig verknüpft mit jener bornierten kantonalen oder kommunalen Selbstsucht, die uns in der Schweiz so widerlich entgegentritt und die 1849 alle süddeutschen Föderativrepublikaner in Deutschland zur Regel machen wollten“, ebd. 43 Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich, in: MEW, Bd. 17, S. 362. 44 Vgl. Odenthal, S. 5. 45 Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich, in: MEW, Bd. 17, S. 339. 46 Vgl. ebd., S. 340. 47 Vgl. ebd. 48 Vgl. ebd. 49 Ebd., S. 340 f. 50 Engels, Zur Kritik des sozialdemokratischen Programmentwurfs 1891, in: MEW, Bd. 22, S. 236.
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Kap. 1: Der Marxismus-Leninismus und die Ordnung des Staates
führte er aus, dass die Verwirklichung der Diktatur des Proletariats und damit die Herrschaft der Arbeiterklasse nur unter der demokratischen Republik erfolgen könne.51 Engels zweiter Punkt betrifft den Staatsaufbau Deutschlands. Hier werden erstmalig wirklich konkrete Forderungen vertreten, die im Frühwerk von Marx und Engels eher vage und unausgesprochen blieben.52 So schrieb Engels: Zweitens: Die Rekonstitution Deutschlands. Einerseits muß die Kleinstaaterei beseitigt werden – man revolutioniere doch die Gesellschaft, solange es bayrischwürttembergische Reservatrechte gibt und die Karte z. B. von Thüringen das gegenwärtige Jammerbild bietet! Andrerseits muß Preußen aufhören zu existieren, muß in selbstverwaltende Provinzen aufgelöst werden, damit das spezifische Preußentum aufhört, auf Deutschland zu lasten. Kleinstaaterei und spezifisches Preußentum sind die beiden Seiten des Gegensatzes, worin Deutschland jetzt gefangenliegt und wo immer die eine Seite der anderen als Entschuldigung und Existenzgrund dienen muß. Was soll an die Stelle treten? Nach meiner Ansicht kann das Proletariat nur die Form der einen und unteilbaren Republik gebrauchen. Die Föderativrepublik ist auf dem Riesengebiet der Vereinigten Staaten jetzt noch im ganzen eine Notwendigkeit, obgleich sie im Osten bereits ein Hindernis wird. Sie wäre ein Fortschritt in England, wo vier Nationen auf den beiden Inseln wohnen und trotz eines Parlaments schon jetzt dreierlei Gesetzsysteme nebeneinander bestehn [sic!]. Sie ist in der kleinen Schweiz schon längst ein Hindernis geworden, erträglich nur, weil die Schweiz sich damit begnügt, ein rein passives Glied des europäischen Staatensystems zu sein. Für Deutschland wäre die föderalistische Verschweizerung ein enormer Rückschritt. Zwei Punkte unterscheiden den Bundesstaat vom Einheitsstaat: daß jeder verbündete Einzelstaat, jeder Kanton seine eigne [sic!] Zivil- und Kriminalgesetzgebung und Gerichtsverfassung hat, und dann, daß neben dem Volkshaus ein Staatenhaus besteht, worin jeder Kanton, groß oder klein, als solcher stimmt. Das erste haben wir glücklich überwunden und werden nicht so kindisch sein, es wieder einzuführen, und das zweite haben wir im Bundesrat und können es sehr gut entbehren, wie denn überhaupt unser ‚Bundesstaat‘ schon den Übergang zum Einheitsstaat bildet.53
Vergleicht man diese Worte Engels’ mit der späteren staatlichen Entwicklung der DDR, ergeben sich erstaunliche Parallelen. Die Kleinstaaterei wurde mit der Auflösung der Länder im Jahre 1952 auch formal beseitigt, die eine und unteilbare Republik qua Verfassung statuiert (Art. 1 Abs. 1 Hs. 1 DDV), nebeneinander existierende Rechtsord51
Vgl. ebd., S. 235. Insoweit trifft der sonst legitime Einwand nicht zu, Fragen des Staatsaufbaus seien von Marx und Engels nur wenig konkret behandelt worden und blieben meist „[. . .] im Formalen stecken [. . .]“, Odenthal, S. 13. 53 Engels, Zur Kritik des sozialdemokratischen Programmentwurfs 1891, in: MEW, Bd. 22, S. 235. 52
C. Das Prinzip des demokratischen Zentralismus
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nungen beseitigt und eine befürchtete föderalistische Verschweizerung von Anbeginn vermieden. Ein Staatenhaus fand zwar – freilich nicht expressis verbis – Eingang in die erste Verfassung, doch befolgte man zunehmend die Worte Engels’, wonach man dieses sehr gut entbehren könne, indem man die Stellung eines solchen Organs im Verfassungsgefüge entsprechend schwach gestaltete und durch – nicht nur – legislative Akte schließlich die Grundlagen dafür legte, es im Jahre 1958 gänzlich beseitigen zu können.
C. Das Prinzip des demokratischen Zentralismus Bekannte sich die DDR mit dem „Demokratisierungsgesetz“54 von 1952 offen zum Prinzip des demokratischen Zentralismus, darf die Frage aufgeworfen werden, was sich betreffs der Staatsorganisation mit diesem „[. . .] Schlüsselbegriff kommunistischer Organisationslehre [. . .]“55 verbindet – dem es unter plakativer Verwendung seitens der Staatspartei letztlich geschuldet war, dass die Länderkammer im Jahre 1958 aufgelöst wurde. Eine allgemein anerkannte, letztgültige Definition, was demokratischer Zentralismus bedeute, hat sich nicht herausbilden können.56 Der Begriff wurde mannigfaltig interpretiert.57 Er wandelte sich im Laufe der Zeit von einem zunächst von Lenin entwickelten reinen Organisationsprinzip der kommunistischen Partei, zu einem (auch) die Staats- und Wirtschaftsorganisation beschreibenden, bis hin zu einem sozialrevolutionär-soziologischen.
54 Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der [DDR] vom 23. Juli 1952, GBl. S. 613 (1952); im Gesetz selbst taucht der Begriff allerdings nicht auf. Endgültig rechtsnormativ statuiert wurde das Prinzip des demokratischen Zentralismus im Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 17. Januar 1957 und im Gesetz über die Vervollkommnung und Vereinfachung der Arbeit des Staatsapparates in der [DDR] vom 11. Februar 1958, ausführlich dazu: unten, Kap. 5 F. 55 Müller-Römer, AöR 95 (1970), 528 (544). 56 Umfassende Darstellungen des Prinzips des demokratischen Zentralismus, insbesondere bezogen auf seine Anwendung in der DDR finden sich bei Odenthal, passim und Türke, S. 142 ff. Zur Entwicklung des Begriffs vgl. auch: Hamel, S. 13–29; Horn, S. 88–93. Einen Überblick bieten Mampel, Die Entwicklung der Verfassungsordnung, S. 489 ff.; ders., Die volksdemokratische Ordnung, S. 28 ff. und – umfassender – Leissner, S. 97 ff. Eine tendenziös-offizielle Darstellung des Begriffs und seiner Geschichte findet sich bei Rost, passim; Noack/Wiederänders, S. 5, passim, insbesondere S. 5 (5–14), und Autorenkollektiv (Ltg.: Schüßler), Der demokratische Zentralismus, passim, insbesondere die zusammenfassende Darstellung seiner Hauptzüge, S. 194 ff. 57 Auf eine Parallele zur Schwierigkeit der Erfassung des (gegensätzlichen) Begriffs „Föderalismus“ darf hier hingewiesen werden, vgl. hierzu: Grzeszick, S. 23 ff.
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Kap. 1: Der Marxismus-Leninismus und die Ordnung des Staates
I. Der Begriff bei Lenin Marx und Engels kannten den Begriff des demokratischen Zentralismus nicht. Erstmals nannte ihn – im Jahre 1917 – Lenin in seiner Schrift Staat und Revolution. Hingegen hat der Begriff dort nichts mit dem zu tun, was man später – auch in der DDR – darunter verstand. Lenin schreibt: Nun, wenn aber das Proletariat und die arme Bauernschaft die Staatsgewalt in ihre Hände nehmen, sich vollkommen frei in Kommunen organisieren und das Wirken aller Kommunen vereinigen, um das Kapital zu zerschlagen, den Widerstand der Kapitalisten zu brechen und das Privateigentum an den Eisenbahnen, Fabriken, an Grund und Boden usw. der gesamten Nation, der gesamten Gesellschaft zu übertragen – wird das etwa kein Zentralismus sein? Wird das nicht der konsequenteste demokratische Zentralismus sein?58
Hier wird im Rahmen einer Polemisierung gegen die Idee des Föderalismus die von Lenin vertretene Position des Zentralismus erstmals mit dem Attribut „demokratisch“ versehen. An anderer Stelle wird der Begriff mit der einen und unteilbaren Republik assoziiert; Lenin nimmt hier Bezug auf die Ausführungen von Engels59 anlässlich seiner Analyse der staatsrechtlichen Verhältnisse in Deutschland: Engels, wie auch Marx, verficht vom Standpunkt des Proletariats und der proletarischen Revolution aus den demokratischen Zentralismus, die eine und unteilbare Republik.60
Lenins Vorstellungen vom demokratischen Zentralismus als staatsorganisatorisches Prinzip sind also noch recht verschwommen. Die Bandbreite seiner mit diesem Begriff verbundenen Prinzipien ist äußerst weit: Von der schlichten Ablehnung der Idee des Föderalismus61 bis hin zu einer irgenwie gearteten Verbindung62 von einer und unteilbarer Republik (verstanden als Zentralismus) mit dem – scheinbaren – Gegensatz von kommunaler Selbstverwaltung (verstanden als Demokratie). 58
Lenin, Staat und Revolution, in: Ausgewählte Werke, Bd. II, S. 362. Siehe oben, Kap. 1 B. 60 Lenin, Staat und Revolution, in: Ausgewählte Werke, Bd. II., S. 377. 61 „Die wirklich demokratische zentralistische Republik bot mehr Freiheit als die föderalistische“, ebd., S. 379. 62 Auf Engels rekurrierend, stellt Lenin fest, dass dieser im Gegensatz zu bürgerlichen Ideologen den Begriff des Zentralismus nicht im bürokratischen Sinne auffasse; vielmehr schließe „[. . .] Zentralismus [. . .] nicht im geringsten jene weitgehende kommunale Selbstverwaltung aus, die, bei freiwilliger Wahrung der Einheit des Staates durch die ‚Kommunen‘ und Provinzen, jeden Bürokratismus und jedes ‚Kommandieren‘ von oben unbedingt beseitigt“, Lenin, Staat und Revolution, in: Ausgewählte Werke, Bd. II, S. 378; zur „dialektischen Einheit“ von Demokratie und Zentralismus, vgl. Dohlus, Einheit 1974, 1232 (1232–1235). 59
C. Das Prinzip des demokratischen Zentralismus
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II. Der Begriff als staatsrechtliches Ordnungsprinzip 1. Allgemeine Merkmale Die Unbestimmtheit des Ausdrucks „demokratischer Zentralismus“ wurde erst mit Einführung desselben in das Parteiverfassungsrecht und der Annahme als Grundprinzip des Parteiaufbaus der bolschewistischen Partei überwunden.63 Nun nahm die Wendung konkretere Formen an. Der Begriff hatte nun nichts mehr mit dem Aufbau eines Gemeinwesens – zusammengesetzt aus kleineren Einheiten, die sich zu größeren zusammenschließen (können) – zu tun oder wurde als Gegensatz zum Begriff des Föderalismus verwandt, sondern entwickelte in Bezug auf die Parteiorganisation die dogmatischen Grundlagen der Führung. Er diente nun dazu einer – entgegen den Verlautbarungen – von oben nach unten zentralistisch organisierten Einheit ein „[. . .] demokratisches Mäntelchen [. . .]“64 umzuhängen. Aus dem Parteiverfassungsrecht65 wurde der Begriff in das Staatsrecht der Sowjetunion und aller unter ihrem Einfluss stehenden Länder transferiert. Nicht nur für die kommunistische Partei, sondern auch für den von ihr beherrschten Staat, wurde das Prinzip des demokratischen Zentralismus als Antwort auf die Frage nach dem Staatsaufbau benutzt.66 Wenngleich die Organisation des Staates nach diesem Prinzip – etwa in der DDR – nicht von Beginn an konsequent angewandt werden konnte. Der – so von der Staatsrechtlehre der DDR verstandene – Gegensatz von Zentralismus und Demokratie könne nur durch eine Synthese beider Begriffe überwunden werden.67 Beide Begriffe ständen dann im Einklang, wenn es sich um (1) eine durch den Zentralismus gelenkte Demokratie und 63 Türke, S. 143; vgl. zur Geschichte des Begriffs im Parteiverfassungsrecht der KPdSU (B): o. A., Große Sowjet-Enzyklopädie – Demokratischer Zentralismus, S. 3–5. 64 Türke, S. 144. 65 Vgl. die Strukturprinzipien der Partei nach Art. 21 der Satzung der KPdSU, abgedruckt ebd. 66 Die Übertragung der für die Partei geltenden Prinzipen auf den Staat ist für die marxistisch-leninistische Lehre zwingend, da zwischen der „[. . .] Partei und dem sozialistischen Staat kein äußerliches Verhältnis zweier voneinander unabhängiger Institutionen besteht [. . .]“, Autorenkollektiv (Ltg.: Weichelt), Der Staat im politischen System der DDR, S. 74 f. 67 Zum Attribut „demokratisch“ als organische Verbindung von Demokratie und Zentralismus, vgl.: o. A., Große Sowjet-Enzyklopädie – Demokratischer Zentralismus, S. 4. Zum Begriff Demokratie als einem „[. . .] politischen Kampfbegriff, mit dem die Fortschrittlichkeit des sozialistischen Gesellschaftssystems nachgewiesen werden soll“, Knorr, AöR 110 (1985), 55 (67) m. w. N.
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Kap. 1: Der Marxismus-Leninismus und die Ordnung des Staates
um (2) einen auf der Demokratie beruhenden Zentralismus handle.68 Der demokratische Zentralismus bedeutet demnach einerseits Leitung des Staates durch das Volk, andererseits Leitung des Volkes durch den Staat. Dazu merkt Mampel richtig an: Dieser Zirkel löst sich auf, wenn die marxistisch-leninistische Auffassung vom sozialistischen Staate und von der sozialistischen Gesellschaft sowie die Suprematie der kommunistischen Partei über beide bedacht wird. Wenn von der Leitung des Volkes (oder der Massen) durch den Staat gesprochen wird, ist der durch die kommunistische Partei geleitete Staat gemeint. Wenn von Leitung des Staates durch das Volk die Rede ist, so ist das von der Partei geführte Volk gemeint.69
Dieses Über- und Unterordnungsverhältnis, das andere staatlichen Ebenen völlig ausblendet, führt damit zu einem einheitlichen Aufbau des Staatsapparates, zum Einheitsstaat, der allein zum Zwecke der Verwaltung in Territorien eingeteilt wird. Auch im zentralistischen Staat können nicht alle Aufgaben von der Spitze erledigt werden. Dass allerdings diese schlichte Dekonzentration70 auf eine untere Ebene – etwa die späteren Bezirke der DDR – dort zu einer Herausbildung zumindest teilautonomen Handelns hätte führen können, wurde durch spezielle Ausprägungen des Prinzips des demokratischen Zentralismus verhindert. Zunächst duldet die erzieherisch wirkende marxistisch-leninistische Partei mit ihrer Vorstellung von der Identität zwischen – zu erreichendem – Volkswillen und Parteiwillen keine andersartigen Konzepte.71 Für die Staatsrechtslehre der DDR umschrieb Schulze das Prinzip des demokratischen Zentralismus dementsprechend wie folgt: Das Wesen des demokratischen Zentralismus besteht darin, den einheitlichen Willen der revolutionären Arbeiterklasse, der in der Politik ihrer marxistisch-leninistischen Kampfpartei zum Ausdruck kommt, mit Hilfe der Staatsmacht der Arbeiter und Bauern in der gesamten Gesellschaft durchzusetzen und die ganze Bevölkerung zum Sieg des Sozialismus zu führen.72
Die Verwirklichung des demokratischen Zentralismus sei, so Schüßler, engstens mit der Überwindung antimarxistischer Auffassungen verbunden, wie sie einige revisionistische Staats- und Rechtswissenschaftler noch vertreten würden.73 Der demokratische Zentralismus dürfe nicht nur als Orga68 Türke, S. 145. Zur nur scheinbaren Gegensätzlichkeit der Begriffe Zentralisation und Demokratie, vgl. ebd., S. 145 f. m. w. N. 69 Mampel, Die Entwicklung der Verfassungsordnung, S. 490. 70 Zum Verhältnis von Konzentration und Dekonzentration im demokratischen Zentralismus umfassend: Türke, S. 151 ff. 71 Vgl. dazu: Heuer, S. 25 (57). 72 Schulze, DA 1959, 158 (159). 73 Schüßler, SuR 1958, 720 (720 f.).
C. Das Prinzip des demokratischen Zentralismus
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nisations- und Strukturprinzip74 verstanden werden, sondern es müsse auch seine Bedeutung im Klassenkampf als Wirkungsprinzip berücksichtigt werden.75 Seine Grundlage fände er in dem Kampf um die Schaffung der politischen, ökonomischen, ideologischen und organisatorischen Selbstständigkeit der Arbeiterbewegung.76 Die von Lenin für das Verhältnis von Parteiführung und Mitgliedern entwickelten Grundsätze77 gelten daher auch für das Verhältnis von Zentralismus und Staatsmacht: (1) Proletarische Disziplin; Unterordnung unter den einheitlichen Willen des höchsten Führungsorgans. (2) Wahl der Führungsorgane von unten nach oben. (3) Kollektivität der Führungsorgane; enge Verbindung mit den Massen. (4) Gesamte Tätigkeit der Parteiführung gerichtet auf Befreiung des Proletariats. Übertragen auf die Staatsorganisation bedeute dies: Der sozialistische Aufbau kann nur mit Hilfe des sozialistischen Staats verwirklicht werden. [. . .] Der demokratische Zentralismus der sozialistischen Staatsmacht äußert sich vor allem auch darin, daß die höchste Staatsgewalt von den Vertretern des werktätigen Volkes selbst ausgeübt wird, wobei die Politik der Volkskammer [. . .] darin besteht, die Einheitlichkeit der Staatsgewalt zu wahren [. . .].78
Nur durch die Befolgung dieser Prinzipien könne die Ausübung der einheitlichen sozialistischen Staatsmacht von oben bis unten gewährleistet und die für die Diktatur des Proletariats nach Lenin unbedingt notwendige Einheit des Willens gesichert werden.79 Darüber hinaus kommt dem demokratischen Zentralismus nach den Äußerungen Schüßlers wohl auch eine gewisse Appellfunktion zu, wenn er schreibt: Der demokratische Zentralismus hat aber nicht nur die zentrale Leitung zu sichern. Die gesamtstaatliche Leitung ist darauf gerichtet, die leitende und führende Rolle der Arbeiterklasse und ihrer Partei in Staat und Wirtschaft immer stärker 74 So auch Schulze, DA 1959, 158 (159). Zu den – im Wesentlichen Zeit des Bestehens der DDR unveränderten – Organisationsprinzipien der SED, vgl. Alt, S. 49 f.; Malycha/Winters, S. 57–60. 75 Schüßler, SuR 1958, 720 (722). Vgl. hierzu auch Polaks Untersuchung über das Verhältnis von materialistischer Dialektik und demokratischen Zentralismus; erstere diene als „[. . .] Hebel – gleichsam als Dynamit [. . .]“, um mit der ihr innewohnenden marxistischen Geschichts- und Staatsauffassung den „[. . .] Rahmen der bürgerlichen Staatsauffassung [. . .]“ zu sprengen, ders., Zur Dialektik in der Staatslehre, S. 198. 76 Vgl. Schüßler, SuR 1958, 720 (722). 77 Zu diesen Grundsätzen, vgl. ebd., 720 (723 f.). 78 Ebd., 720 (731). 79 Vgl. ebd.
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Kap. 1: Der Marxismus-Leninismus und die Ordnung des Staates
auszubauen und auf dieser Basis die anderen werktätigen Schichten an die Lösung der staatlichen Aufgaben heranzuführen.80
Befand die kommunistische Partei die Zeit für reif, dem Prinzip des demokratischen Zentralismus vollends – und allein – Geltung zu verschaffen, war eine Ausrichtung aller gesellschaftlichen Kräfte auf dieses Ziel erforderlich: Der demokratische Zentralismus ist das Entwicklungsprinzip der sozialistischen Gesellschaft. Er besagt, daß die gesellschaftliche Entwicklung vom Kapitalismus zum Sozialismus nur durch die Einheitlichkeit ihrer Leitung gewährleistet ist, so daß alle politischen Kräfte unter der Leitung des sozialistischen Staates zu einer einheitlichen großen Kraft zusammenfließen.81
Folgende – den demokratischen Zentralismus konstituierende – Merkmale82 kamen daher zum Tragen: (1) Die obersten Organe der Staatsmacht, die Volksvertretungen (also die Volkskammer als nach der Verfassung höchstes Organ, Art. 50 Abs. 1 DDV83, die Bezirkstage, Kreistage usw. ), bildeten ein einheitliches System, auf Grund dessen die unteren Volksvertretungen den jeweils höheren unterstellt waren (Anweisungsrecht, Aufhebungsrecht, Recht der Ersatzvornahme usw.).84 (2) Die jeweiligen (territorialen) Räte wurden von den jeweils zuständigen Volksvertretungen gebildet. Etwa: Die Regierung der DDR von der Volkskammer, der Rat des Bezirks vom Bezirkstag usw. (3) Diese Organe bildeten wiederum ein einheitliches System, das die unteren Organe den höheren unterstellte. Wiederum: Anweisungsrecht, Aufhebungsrecht, Recht der Ersatzvornahme usw.; so waren etwa die Räte der Bezirke der Regierung der DDR verantwortlich. (4) Die aus den Volksvertretungen der verschiedenen Ebenen gebildeten Organe (Räte) waren sowohl den übergeordneten Räten unterstellt, als auch – freilich entgegen der Praxis – ihrer Volksvertretung. Dadurch 80
Ebd., 720 (732). Polak, SuR 1958, 225 (230). 82 Die Gliederung der einzelnen Merkmale ist angelehnt an Türke, S. 148 ff. Die offizielle Darstellung – gleichwohl nie erreicht – weist als das wichtigste Merkmal des demokratischen Zentralismus aus, dass „[. . .] mit einer effektiven und rationellen Arbeit der Staatsorgane zugleich eine ebenso effektive, schöpferische und selbstständige Mitgestaltung der werktätigen Massen an den Leitungsprozessen erreicht und der demokratische Charakter der staatlichen Leitung vertieft wird“, Autorenkollektiv (Ltg.: Weichelt), Der Staat im politischen System der DDR, S. 116. 83 Tatsächlich nur „[. . .] Resonanzkörper der Entscheidungen der Staatsführung [. . .]“, Zieger, AöR 94 (1969), 185 (198). 84 Vgl. zu den maßgeblichen normativen Akten: unten, Kap. 5 F. 81
C. Das Prinzip des demokratischen Zentralismus
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manifestierte sich das dem demokratischen Zentralismus immanente Prinzip der doppelten Unterstellung85. So war etwa der Rat des Bezirks sowohl den Anweisungen der Regierung der DDR, als auch denen des Bezirkstags unterworfen. Die unteren Organe hatten sich damit in zweifacher Hinsicht zu rechtfertigen und unterlagen einer dualen Kontrolle. 2. Demokratischer Zentralismus und Gewaltenkonzentration Darüber hinaus gilt es, das Verhältnis des demokratischen Zentralismus zu dem Prinzip der Gewaltenteilung – verstanden als Gewaltentrennung86 – zu beleuchten. Die Akzeptanz letzteren Prinzips äußert sich häufig – in seiner vertikalen Ausprägung – im Vorhandensein eines Vertretungsorgans wie der Länderkammer. In Anlehnung an Rousseaus Lehre von der Volkssouveränität wird es von den Marxisten allerdings in toto abgelehnt.87 Vielmehr gilt das Prinzip der Gewaltenkonzentration bzw. Gewalteneinheit, wenngleich man Montesquieus Grundsätze in elastischer Weise für die eigene Staatstheorie entsprechend anpasste oder als Maske des die ausgebeuteten Klassen unterdrückenden Staates der Bourgeoisie brandmarkte: Montesquieus Vorstellungen von der Gewaltenteilung in ihrer konkreten Form haben alles andere als Ewigkeitswert. [. . .] Gerade wenn man die Gewaltenteilungslehre all ihrer unsinnigen Heiligkeit entkleidet, sieht man, daß ihr [im Sinne eines „nur“, d. Vf.] eine sehr reale Forderung zugrunde liegt – die gesetzlich geregelte Kompetenzverteilung der Organe eines Staates.88 Dabei ist das Prinzip der Gewaltenteilung ein recht geeignetes Mittel, um das eigentliche Wesen des bürgerlichen Staates vor den Werktätigen zu verheimlichen, um die Massen zu täuschen und dem bürgerlichen Staat gefügig zu machen. Die Herrschaft der Bourgeoisie wurde während der ganzen Zeit, in der das Spiel zwischen den konstitutionellen Gewalten gespielt wurde, nicht für einen Augenblick beseitigt.89 85 Dazu – insbesondere zur Sicherung der „[. . .] vertikalen Unterordnung [. . .]“: Autorenkollektiv (Ltg.: Schüßler), Der demokratische Zentralismus, S. 160 ff. Vgl. zur Ausprägung in der Sowjetunion: o. A., Große Sowjet-Enzyklopädie – Demokratischer Zentralismus, S. 13 f. 86 Eine rein funktionelle Dreiteilung der Gewalten fand sich auch in der Verfassung der DDR, vgl.: Loewenstein, AöR 38 N.F. (1951/1952), 387 (401). 87 Dazu umfassend: Hauschild, S. 19 ff. Zu den unterschiedlichen Vorstellungen der einzelnen Parteien mit Blick auf das Prinzip der Gewaltenteilung, vgl. Travers, S. 56 ff., zur Ablehnung dieses Prinzips durch die SED, vgl. ebd., S. 64 f. Die Lehren Rousseaus und Montesquieus gegenüberstellend und nicht als Widerspruch begreifend: Imboden, S. 24 f. 88 Klenner, SuR 1955, 731 (751 u. 753). 89 Radew, SuR 1955, 912 (926).
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Kap. 1: Der Marxismus-Leninismus und die Ordnung des Staates
Die Lehren Montesquieus blieben, so die gängige Meinung, hinter dem Fortschritt der sozialistischen Wissenschaft weit zurück.90 Unter der Überschrift Verfassung und Gewaltenteilung merkt Loppuch – unter der Beifügung, die Lehre der Gewaltenteilung sei juristisch unhaltbar91 – an: Das Gebot der Stunde ist nicht Restauration staatsrechtlicher Verhältnisse von vorgestern und Herumdeuten an festgefahrenen Prinzipien und juristischen Dogmen einer morsch gewesenen, halbdemokratischen [wohl bezogen auf Weimar, d. Vf.] staatsrechtlichen Ordnung, sondern demokratische Neugestaltung von Grund auf.92
Man müsse das Niveau der Lehren des 18. und 19. Jahrhunderts verlassen und das Volk in den Besitz der vollen und ungeteilten Staatsgewalt setzen93 – womit man verband und erhoffte, dass aus (rein) formaler Demokratie eine reale werde.94 90
Statt vieler, vgl. nur ebd., 912 (930). Die Akzeptanz der Gewaltenteilungslehre in Deutschland ist jung. So schrieb Paul Laband noch 1901: „Eine Kritik dieser Lehre, welche die Einheit des Staates zerstört, und welche weder logisch haltbar noch praktisch durchführbar ist, kann hier unterbleiben, da in der deutschen politischen und staatsrechtlichen Literatur über die Verwerflichkeit dieser Theorie seit langer Zeit fast vollkommenes Einverständnis besteht“, Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. II, S. 6 Anm. 2. Ihre verfassungsrechtliche Verankerung erfolgte erst mit der Verfassungsänderung vom Oktober 1918, vgl. Brunner, Kontrolle in Deutschland, S. 38. 92 Loppuch, DA 1948, 173. 93 Vgl. ebd. 94 Dazu: Polak, Marxismus und Staatslehre, S. 17–19; Ulbricht, Geschichte der Arbeiterbewegung, Bd. III, S. 66. Grotewohl formulierte: Wirklicher Wille des Volkes statt eines nur „[. . .] juristisch abgezirkelten Organisationsmechanismus der höchsten Gewalten im Staate [. . .]“, ders., Im Kampf um die einige DDR, Bd. I, S. 274. Auseinandersetzungen über den Begriff der (nur) „formalen Demokratie“ wurden auch schon in der Weimarer Republik leidenschaftlich zwischen der Linken und den Bürgerlichen geführt: „Ich weiß nicht welcher Pfiffikus zuerst die geniale Entdeckung gemacht hat, daß die demokratische deutsche Republik ‚nur die formale Demokratie sei‘. Jedenfalls kann er sich rühmen, massenhaft Nachbeter gefunden zu haben. Die ganzen, halben und viertel Schüler der bolschewistischen Doktrin haben sie sofort mit Wonne aufgegriffen“, Preuß, Rede in der verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung (28. April 1920), S. 119 (123). Preuß bemerkte süffisant: „Ja, meine Herren von der äußersten Linken, dann haben sie also doch Rechte durch die Revolution bekommen [. . .]; haben sie doch Rechte bekommen durch diese ‚formale‘ Demokratie, die nach Ihrer Meinung für den Arbeiter nicht der Rede wert sein soll! [. . .] Ich möchte die Herren doch fragen: Hand aufs Herz, wo ist die Lage der Arbeiterschaft besser, in materieller und in moralischer und ideeller Beziehung: in den westlichen Demokratien oder in Sowjetrußland [. . .]. Für das Sowjetrußland kann man nur eines anführen: Die Lage der Arbeiter dort ist elend, aber die Lage der Bourgeoisie ist noch elender. Wenn Sie das glücklich macht, dann ist es zu begreifen“, ebd., S. 119 (122) – konzedierte aber doch: „Gewiß ist die formale Demokratie [. . .] nicht der Weisheit letzter Schluß. [. . .] Wenn man dieser sogenannten formalen Demokratie neuestens den sogenannten Rätegedanken entgegenstellt hat, so sehe ich hier von den zahlreichen Äußerungen ab, in denen sich 91
C. Das Prinzip des demokratischen Zentralismus
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Dementsprechend steht (1) das Prinzip des demokratischen Zentralismus mit dem der (2) Gewalteneinheit in einem Ergänzungsverhältnis.95 Das zweite bezieht sich auf die einheitliche Leitung aller Staatsorgane von einer höchsten Stelle aus – unbeschadet der Verschiedenartigkeit der Staatstätigkeiten ihrer Art nach; das erste zeigt an, wie die Leitung mit dem Volk und die staatlichen Organe miteinander verbunden werden sollen, damit die Leitung nicht als etwas Übergeordnetes, sondern so empfunden wird, als ob die Bürger und die unteren Organe frei handelten. Verneint die Gewaltenkonzentration die horizontale Gewaltenteilung, so ist der demokratische Zentralismus gegen die vertikale Gewaltenteilung gerichtet. Seine zentralistische Komponente verlangt, dass im Staate alles auf einen höchsten Bezugspunkt ausgerichtet wird; damit ist eine föderalistische Struktur ebenso ausgeschlossen wie eine Selbstverwaltung von Körperschaften personaler oder gebietlicher Natur – demgemäß ist der dem demokratischen Zentralismus entsprechende Staat der Einheitsstaat.96 3. Zusammenfassung Eine stringente Durchsetzung des Willens von oben nach unten war unter Berücksichtigung dieser Grundsätze weit einfacher zu bewerkstelligen als mit dem ursprünglich von der Verfassung vorgesehenen Staatsaufbau mit Republik, Ländern und Gemeinden, wobei vorletzten allein ob ihrer Existenz eine gewichtigere und ernstzunehmendere Rolle zukam als 14 – auch größenmäßig höchst unterschiedlichen – Bezirken, die zudem die gewachsenen Ländergrenzen zerstörten.97 Die Länder als – wenn auch nur potentielle – Unsicherheitsfaktoren wollte man mit der Zerstörung ihrer Strukturen im Jahr 1952 beseitigen. Als Überbleibsel der alten Ordnung blieb schließlich nur noch für einige Jahre die Länderkammer.
III. Die Unvereinbarkeit des Prinzips des demokratischen Zentralismus mit der Existenz der Länderkammer Was ergibt sich nun aus der Anwendung obiger Merkmale des demokratischen Zentralismus für die Stellung der Länderkammer im Verfassungsgefüge? der Rätegedanke nur als eine schön klingende Verhüllung einer gewissen Rat- und Gedankenlosigkeit zeigt“, Das Verfassungswerk von Weimar (1919), S. 87 (92). 95 Mampel, Das Recht in Mitteldeutschland, § 23 Rdnr. 468 (S. 103). 96 Ebd., § 23 Rdnr. 469 (S. 103). 97 Die Bezirks- mit den ehemaligen Ländergrenzen gegenüberstellend: Ellwein, S. 91 (111 f.).
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Kap. 1: Der Marxismus-Leninismus und die Ordnung des Staates
Die Länderkammer begegnete als Organ der Republik der Volkskammer zumindest auf gleicher Ebene, nämlich der der Republik.98 Ein zweites legislatives Organ auf einer Ebene war in den Programmsätzen des Prinzips des demokratischen Zentralismus hingegen nicht vorgesehen. Ein Einfügen im Sinne der Rangfolge Volks- und Länderkammer gleichgeordnet, nachfolgend Bezirkstage, dann Kreistage usw. war damit ausgeschlossen. Eine Gleichrangigkeit innerhalb dieser Ebene wurde zudem durch Art. 50 Abs. 1 DDV verhindert, der der Volkskammer die Stellung als höchstes Organ der Republik zuwies. Scheinbar ließe sich unter dieser Prämisse damit eine Unterstellung der Länderkammer unter die so übergeordnete Volkskammer erklären (Reihenfolge im Sinne der Unterstellungs-Systematik dann: Volkskammer, nachfolgend Länderkammer, dann Bezirkstage usw.). Doch auch dieser Versuch, die Länderkammer in die Schemata des demokratischen Zentralismus einzufügen, geht fehl. Der Staatsaufbau nach dem Prinzip des demokratischen Zentralismus verlangte auf jeder Ebene jeweils eine Volksvertretung und einen Rat. Für die DDR galt also: Auf der Ebene des Kreises bestand ein Kreistag und ein Rat des Kreises als exekutivistisches Element, auf der Ebene des Bezirks ein Bezirkstag und ein Rat des Bezirks, auf der Ebene der Republik die Volkskammer und die Regierung der DDR. Für ein nahtloses Einfügen in dieses System mit seinen Interdependenzen hätte auch die Länderkammer eines irgendwie gearteten Rats bedurft, was natürlich aufgrund ihrer verfassungsrechtlichen Gestalt ausgeschlossen war. Zudem wäre damit eine Ebene zwischen Republik und Bezirken etabliert, die nie bestand. Eine solche Zwischenebene (mit der Länderkammer als Mittelinstanz), die außerhalb des stringent-organisierten Systems stand, war mit den vorausgesetzten Prinzipien nicht vereinbar. Auch war hierfür kein Raum: Die Länderkammer war zwingend an der Gesetzgebung der Republik zu beteiligen. Ohne sie konnte kein Gesetz verfassungsrechtlich einwandfrei in Kraft treten.99 Ein Verlassen ihrer angestammten – verfassungsrechtlich vorgegebenen – Ebene war damit nicht möglich. Somit konnte sie sich – schon begrifflich – nicht dem einheitlichen System der Volksvertretungen anpassen. Sie hing mit der Schaffung der Bezirke im Jahre 1952 und des postulierten Prinzips des demokratischen Zentralismus gewissermaßen in einem luftleeren Raum. Ihren eigentlichen verfassungsrechtlichen Auftrag konnte sie nur unter der Voraussetzung der Existenz von Ländern erfüllen, die seit dem Jahre 1952 nicht mehr bestanden. Das Einfügen in eine Staatsorganisation, die nach den Prinzipien des demokratischen Zentralismus ausgestaltet war, konnte ihr nicht gelingen.100 98
Dazu unten, Kap. 4 B. II. Vgl. dazu ausführlich unten, Kap. 4 B. VII. 1. 100 Die enormen Brüche, die mit der Umgestaltung der Staatsorganisation einhergingen, erkannte – auch rückschauend – die Staatsrechtslehre der DDR nicht an. 99
D. Verfassungswandel als zwingende Folge
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Auch auf die Gefahr hin, sich dem Verdacht grober Vereinfachung auszusetzen, bedeutete das Prinzip des demokratischen Zentralismus im Ergebnis nichts anderes, als dass der Wille der Führer der kommunistischen Partei bzw. ihres Politbüros für alle staatlichen wie gesellschaftlichen Kräfte und Formen verbindlich war, womit sich andersartige Strukturen daneben, die diesen Willen irgendwie – auch allein ob ihrer Existenz – beschränken konnten, verboten. Demokratischer Zentralismus bedeutete also realiter weniger Strukturund Ordnungsprinzip des Staates, als vielmehr – wenngleich weitschweifig auch anderweitig gerechtfertigt – Herrschaftsinstrument der kommunistischen Partei. Folgerichtig war das Prinzip des demokratischen Zentralismus in Art. 47 Abs. 2 der Verfassung der DDR von 1968101 ausdrücklich verankert, in dem es hieß: Die Souveränität des werktätigen Volkes, verwirklicht auf der Grundlage des demokratischen Zentralismus, ist das tragende Prinzip des Staatsaufbaus.
D. Verfassungswandel als zwingende Folge der marxistisch-leninistischen Staatslehre Wie nachfolgende Untersuchung zeigen wird, nahm die Verfassung – als Grundlage und Rechtfertigung aller Äußerungen der Staatsgewalt – in der DDR nicht denselben Rang ein wie etwa in Staaten westlich-liberaler Prägung. Der von Carl Schmitt untersuchte Dualismus zwischen Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit beweist seine Erklärungsmacht in den Vielmehr wurden die späteren Grundfesten, etwa das Prinzip des demokratischen Zentralismus, in eine Traditionslinie gestellt, die auch die Anfangszeit der Republik umfasste: „Hinsichtlich der Verwirklichung der [. . .] Prinzipien entwickelte sich der Staatsaufbau in der DDR absolut stabil“, Akademie für Staats-und Rechtswissenschaft der DDR, Staatsrecht der DDR (1977), S. 260. 101 GBl. I S. 199 (1968). So auch wortgleich in Art. 47 Abs. 2 nach der Verfassungsrevision von 1974, GBl. I S. 432 (1974). Vgl. zu dieser Norm: Mampel, Die sozialistische Verfassung der DDR, Art. 47 Rdnr. 10 ff. und die Ausführungen im ersten offiziellen Verfassungskommentar der DDR: „Der demokratische Zentralismus war, ist und bleibt das grundlegende Ordnungs- und Führungsprinzip der sozialistischen Gesellschaft und ihres Staates“, Sorgenicht/Weichelt/Riemann u. a., Verfassung der DDR, Bd. 2, S. 240. Zur politischen Funktion der DDR-Verfassung von 1968 und zum Verfahren der Verfassungsgebung: Müller-Römer, JZ 1968, 313 (313 u. 317 f.); vergleichend mit der Verfassung von 1949: Zieger, AöR 94 (1969), 185, passim, insbesondere 185 (186 f.). Zur Totalrevision der Verfassung im Jahre 1974 als „[. . .] Schlußpunkt der Verfassungsentwicklung in der Übergangsperiode zum Sozialismus [. . .]“, Müller-Römer, Die neue Verfassung der DDR, S. 28.
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Anfangsjahren der DDR und ihrer ersten Verfassung.102 Der Zeit des Bestehens der DDR auftretende Konflikt zwischen tatsächlichem Rechtssatz und Rechtspraxis103, insbesondere in verfassungsrechtlicher Hinsicht, ist für die marxistisch-leninistische Rechts- und Staatstheorie hingegen kein Widerspruch.104 Der Charakter des Rechts sei mit dem Charakter der Staatsmacht identisch, von der das jeweilige Recht sanktioniert werde: Wandle sich die Staatsmacht, so bedinge dies gleichzeitig und unmittelbar auch einen inhaltlichen Wandel der Rechtsordnung105: Der inhaltliche Wandel des Rechts hat aber nicht unmittelbar die Wandlung seiner Form im Gefolge. Es ist vielmehr eine allgemeine Gesetzmäßigkeit, die in vollem Umfang auch für das Recht gilt, daß jede Veränderung beim Inhalt beginnt und dadurch notwendig zunächst ein Widerspruch zwischen neuem Inhalt und alter Form entsteht. Dieser Widerspruch besteht so lange, bis schließlich die Form dem neuen Inhalt angepaßt wird.106
Bezogen auf die Länderkammer bedeutete dies, dass etwa der spätere Austausch der Wahlkörper (Bezirks- statt Landtage) aufgrund der Beseitigung der Länderstrukturen im Jahre 1952 bei Aufrechterhaltung ihrer Vertretung bei der Republik – wider den Wortlaut der Verfassung – für dieses Rechtsverständnis zwar einen Widerspruch darstellte, der aber im Zuge der fortschreitenden (sozialistischen) Entwicklung hinzunehmen war: Dieser Widerspruch war und ist unvermeidlich. Es ist nicht möglich und auch nicht die unmittelbare Aufgabe einer Revolution, das ganze Gesetzeswerk sofort und umfassend neu zu gestalten.107
Der Inhalt der Rechtsordnung, der sich mit der Änderung der Machtverhältnisse in der Gesellschaft gewandelt habe – also hin zum uneingeschränkten Machtmonopol der SED –, führe nur zu einer allmählichen und 102
Dazu ausführlich: Huber, Verfassung und Verfassungswirklichkeit bei Carl Schmitt, passim, insbesondere S. 25–30. Schmitt umschreibt die Verfassungswirklichkeit der Weimarer Zeit mit dem Begriff der „konkreten Verfassungslage“, vgl. Schmitt, Der Hüter der Verfassung, S. 71 ff. 103 Der Wandel vollzog sich im Wesentlichen dadurch, indem (1) dem Wortlaut der Verfassung ein anderer Sinn untergeschoben wurde und (2) durch Gesetze, die zwar den Text der Verfassung unberührt ließen, aber entgegen Wortlaut und Sinn der Verfassung die Wirklichkeit entscheidend veränderten. Zieger sieht in der Intensität dieser Umprägung und Umkehrung des Inhalts der Gründungsverfassung der DDR gar einen einmaligen Vorgang in der deutschen Verfassungsgeschichte, vgl. Zieger, AöR 94 (1969), 185 (189). 104 Dazu – mit den entsprechenden Begründungen – ausführlich: Schöneburg, Verfassung und revolutionärer Prozeß, passim, insbesondere S. 165 (170). 105 Vgl. Posch, SuR 1957, 612. 106 Ebd. 107 Ebd., 612 (622).
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schrittweisen Überwindung der Formen des positiven Rechts der alten Rechtsordnung.108 In den Volksdemokratien, so Karl Polak (SED)109, bilde sich eine von der bürgerlichen Staatsordnung grundlegend verschiedene Staatsordnung heraus: die sozialistische Staatsordnung: Diese verändert die hergebrachten Institutionen der bürgerlichen Gesellschaft [. . .] prinzipiell; sie zerbricht die alten Formen, löst sie auf. Ganz neue gesellschaftliche, staatliche, rechtliche Verhältnisse brechen durch: die sozialistischen Verhältnisse.110
Eingriffe wider die Verfassung rechtfertigte Polak damit, dass das formale Verfassungsrecht nur die äußere Form sehe, nicht aber die Sache und den Inhalt, um den es gehe; mit so einem Verfassungsverständnis „[. . .] läßt sich heute kein Staats- und Verfassungsproblem lösen.“111 108
Vgl. ebd., 612 (621). Alexy konstatiert mit Blick auf den Rechtsbegriff Ulbrichts – und damit mit Blick auf den für die Anfangsjahre der DDR verbindlichen: „[Der Rechtsbegriff] ist insofern positivistisch, als Recht nach ihm auf äußerlich erkennbaren Willensakten beruht, nämlich auf Beschlüssen der Gesetzgebungs- und Rechtsprechungsorgane und auf hinter diesen stehenden Beschlüssen der Parteiorgane. Er ist insofern nichtpositivistisch, als die Aufhebung der Trennung von Legalität und Moralität postuliert wird“, Alexy, Der Rechtsbegriff Walter Ulbrichts, in: EK-BT, Bd. IV, S. 19 (27). Man könne daher von einer Variante „[. . .] nichtpositivistischen Positivismus [. . .]“ sprechen, ebd., S. 28. 109 Zur Biographie Karl Polaks, vgl. Howe, passim und Reichhelm, S. 23–55. Zu seiner Rolle als wichtigster Verfassungsjurist für die SED-Führung in den Anfangsjahren der Republik und Doyen der Verfassungsschöpfung, vgl. Howe, Karl Polak, S. 59 ff. und – aus ostdeutscher Sicht: Poppe/Weichelt, S. 5 (15 ff.). Zu Polaks wissenschaftlichem Wirken umfassend: Reichhelm, passim, der Polak bei aller Kritik zuerkennt, als erster Deutscher eine mehr oder weniger geschlossene marxistisch-leninistische Staats- und Rechtstheorie ausgearbeitet zu haben, ebd., S. 247. Schöneburg schreibt über die Ausrichtung der Staatslehre der DDR auf Polak recht kritisch: „Auch in der Periode des Aufbaus der Grundlagen des Sozialismus, 1949 bis 1961, hat der Staats- und Rechtstheoretiker Karl Polak eine bestimmende Rolle bei der Entwicklung der marxistisch-leninistischen Staats- und Rechtstheorie in der DDR gespielt. Karl Polak war in dieser Zeit u. a. wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Staats- und Rechtsfragen beim ZK der SED, Volkskammerabgeordneter, Mitglieder der Akademie der Wissenschaften der DDR und wurde 1961 Mitglied des Staatsrates der DDR. Die ‚Personalunion‘ von politisch-staatlichen und wissenschaftlichen Funktionen hatte positive und negative Wirkungen: Die von Polak vertretenen staats- und rechtstheoretischen Auffassungen gewannen dadurch eine besondere Durchschlagskraft und Verbindlichkeit, allerdings galt dies sowohl für ihre positiven als auch für ihre negativen Inhalte. Außerdem ich nicht zu verkennen, daß durch diese Verquickung von wissenschaftlicher Arbeit und politischem Amt der wissenschaftliche Meinungsstreit erkennbar eingeengt und dogmatisiert wurde“, Schöneburg, Karl Polak und die marxistisch-leninistische Staats- und Rechtstheorie in der DDR, S. 30 (32). 110 Polak, NJ 1950, 291. 111 Vgl. ebd., 291 (292 f.). Derselbe schon früher verallgemeinernd: „Unter der Herrschaft der alten Formaljurisprudenz kann sich keine reale Demokratie entfal-
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Richtig bleibt daher, wenn Maunz im Jahre 1956 feststellte: Das Problem der Staats- und Regierungsform der DDR bereitet besonders dem Betrachter in der Bundesrepublik erhebliche Schwierigkeiten, da die Grundnormen der Verfassung ihrem Wortlaut nach denen ihrer westlichen Schwestern derart gleichen, daß eine Gesetzesauslegung nach der im Westen gebräuchlichen Interpretationsmethode den wahren politischen wie verfassungsrechtlichen Gehalt eher verwirren als entfalten würde.112
Böckenförde beschreibt den Unterschied zwischen der marxistisch-leninistischen Auffassung von Recht und Gesetzlichkeit im Gegensatz zur westlichliberalen treffend, wenn er ausführt: Für die kommunistische Rechtsauffassung geht das Recht ganz in seiner politischen Funktion auf, ist allein und ausschließlich Moment gesellschaftlicher Praxis, während nach unserer Auffassung das Recht zugleich auch ein eigenständiges, gegenüber der Politik selbstständiges und sie begrenzendes Element aufweist.113
Die Verfassungsordnung der DDR war damit inkongruent114; zwischen ihrer Rechtsverfassung und der Realverfassung bestand eine so tiefe Kluft, dass eine Beschreibung anhand des Verfassungstextes alleine nicht möglich ist.115 Immer muss in die Analyse des Handelns der Verfassungsorgane die Staatspraxis, ergo das Primat der SED und ihre „[. . .] revolutionäre Taktik [. . .]“116, mit einbezogen werden. ten“, Polak, Rechtsstaat und Demokratie, S. 43. Weiter spricht Polak von „[. . .] bürgerlich-formalistischen Schlacken [. . .]“ der bisherigen Staatslehre, ders., Zur Dialektik in der Staatslehre, S. 198. 112 Maunz, Deutsches Staatsrecht, § 33 I (S. 271); so auch Mampel, Die Verfassung der SBZ, Präambel Erl. 7 a; vgl. auch Drath, S. 33: „Die Verfassung, die wirklich ‚gilt‘ ist größtenteils nur eine de-facto-Verfassung, keine Rechtsverfassung. Dem formell ‚gültigen‘ Verfassungsrecht fehlt die Geltungskraft in der Wirklichkeit, und dem wirklichen Verfassungszustand fehlt die rechtliche Geltung. Es handelt sich um einen grundlegenden Funktionswandel des Rechts, der einer anderen Konzeption vom Wesen des Rechts (einschließlich des Verfassungsrechts) [. . .] entspricht [. . .]“. In diesem Sinne auch Loewenstein: „Wenn die Verfassung der [DDR] von 1949 wenigstens äußerlich dem Schema des westlichen Konstitutionalismus folgt, so hat dies im Lichte des absichtlichen Gradualismus der Sowjets nicht mehr zu bedeuten, als daß man Westdeutschland nicht vor den Kopf stoßen und die Tür zu einer Einigung nicht zuschlagen wollte“, ders., AöR 38 N.F. (1951/1952), 387 (407 Anm. 16). 113 Böckenförde, S. 85. 114 Vgl. Brunner, Kontrolle in Deutschland, S. 38. 115 Feddersen weist zutreffend darauf hin, dass die Frage nach der Diskrepanz zwischen Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit eine Frage des Standpunktes sei, ders., S. 157. Es ist eine einfache Wahrheit, dass für den westlichen Beobachter festgestellte verfassungswidrige Zustände unter Zugrundelegung der marxistisch-leninistischen Auffassung vom Recht – und der Annahme der Zulässigkeit einer solchen Auslegung – keine sind. Zu diesem Komplex ausführlich: ebd., S. 154–159.
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Ungeachtet dessen soll hier nicht vor dieser Schwierigkeit kapituliert werden. Eine Untersuchung, die sich nur an der Verfassungswirklichkeit allein orientierte wäre ebenso müßig wie jene, die den Verfassungstext isoliert betrachtete.117 Insofern soll hier der Versuch unternommen werden einen Ausgleich zwischen Goethes sinnbildlichem Diktum118 von der Divergenz zwischen Theorie und Praxis zu finden. Sicher bleibt aber, dass das Aufstellen von Grundentscheidungen, die die Verfassung den obersten Staatsorganen auftrug, nicht in diesen gefällt wurden, sondern in der Parteiorganisation der SED; erstere nahmen an den Grundentscheidungen nur insofern teil, als diese ihnen von letzterer delegiert wurden.119 Die Struktur der Verfassungsordnung der DDR war damit eine monistische.120 Die Verfassung der DDR von 1949 kannte keine Verfassungsschutzbestimmungen; Sicherungsmechanismen wie etwa Art. 79 Abs. 1 und 3 GG waren der ersten Verfassung der DDR fremd.121 Art. 83 Abs. 1 DDV be116
Ebd., S. 151. Vgl. allgemein zu diesem Dilemma: Huber, Verfassung und Verfassungswirklichkeit bei Carl Schmitt, S. 28 f., der von der „[. . .] Spannung zwischen unmittelbarem Sein und normativer Geltung [. . .]“ spricht. Schon früher mahnte Dürrwanger an, man müsse „[. . .] Idee und Gestalt [. . .]“ des sowjetischen bzw. ostzonalen Verfassungsleben untersuchen, ders., S. 8, vgl. auch die Zusammenfassung der Ansichten der deutschen Staatsrechtslehre in jener Frage, ebd., S. 6 f. 118 So lässt er seinen Mephisto sprechen: „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, Und grün des Lebens goldner Baum“, v. Goethe, Faust, S. 57. 119 Vgl. dazu Brunner, Kontrolle in Deutschland, S. 116 ff. und das Kapitel „Die SED als bestimmende Kraft im DDR-Staat“ bei Richert, Macht ohne Mandat, S. 1–22, in welchem konstatiert wird: „So ist der Staatsapparat [. . .] gleichsam von oben wie von unten von parteilichem Willen ‚eingerahmt‘. Der dem Staat eingeflößte ‚Wille‘ kommt von den obersten Parteiorganen, und im Interesse seiner Verwirklichung wird die Exekutive durch die unteren, vor allem die untersten Parteiorgane unter Druck gesetzt. Dabei bleibt der Anschein der Eigenständigkeit des Staats, obwohl dieser das Hauptmedium ist, in dem sich die Umformung von Parteiwille in parteiliche Wirklichkeit vollzieht, listig gewahrt“, ebd., S. 22. Das offizielle Staatsrechtslehrbuch der DDR bekannte mit Blick auf die Quellen des Staatsrechts offen: Die Trias „aufdecken, einschätzen, formulieren“ von Gesetzmäßigkeiten des Marxismus-Leninismus sei Aufgabe der Partei, sowie deren Politik und Dokumente „[. . .] entscheidende Grundlage für das Staatsrecht der DDR [. . .]“, vgl. Akademie für Staats-und Rechtswissenschaft der DDR, Staatsrecht der DDR (1977), S. 27. 120 Brunner, Kontrolle in Deutschland, S. 126. 121 So auch der WRV – abgesehen von Art. 48, vgl. dazu: Fromme, S. 164 f. In der Verfassung der DDR von 1968 hieß es in Art. 108: „Die Verfassung kann nur von der Volkskammer [. . .] durch Gesetz geändert werden, das den Wortlaut der Verfassung ausdrücklich ändert oder ergänzt.“ Wortgleich nach der Verfassungsrevision von 1974 in Art. 106. Vgl. dazu: Mampel, Die sozialistische Verfassung der DDR, Art. 106 Rdnrn. 1–5. 117
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stimmte wie Art. 76 Abs. 1 S. 1 WRV knapp: „Die Verfassung kann im Wege der Gesetzgebung geändert werden.“ Demzufolge konstatierte Maunz, die Verfassung der DDR sei auf dem Standpunkt der Weimarer Verfassung stehen geblieben: Sie unterscheidet nicht zwischen veränderbaren und unantastbaren Bestandteilen der Verfassung, auch nicht zwischen Verfassungsgebung und Verfassungsänderungsgesetzgebung, und ebensowenig zwischen Änderung und Durchbrechung der Verfassung.122
Soweit also erlassene Gesetze nicht mit Hilfe einer extensiven Interpretationsmethode mit dem Text der Verfassung in Einklang gebracht werden konnten, behauptete die Staatsrechtslehre der DDR, dass sie rechtens seien, weil sie jeweils mit der zur Verfassungsänderung erforderlichen Mehrheit (Art. 83 Abs. 2 DDV) – ja sogar einstimmig – angenommen wurden.123 Es lag damit in vielen Fällen das Problem des verfassungsdurchbrechenden Gesetzes vor, das die Staatsrechtswissenschaft der Weimarer Republik vielfach beschäftigte.124 Schmitt katalogisierte die verschiedenen Arten des Verfassungswandels und unterschied (1) die Verfassungsvernichtung, (2) die Verfassungsbeseitigung, (3) die Verfassungsänderung, (4) die Verfassungsdurchbrechung und (5) die Verfassungssuspension – jeweils mit Unterfällen.125 Eine genaue Zuordnung der verschiedenen über die Gesetzgebungsorgane der DDR durch die SED getroffenen Maßnahmen – auch mit Blick auf die Vorschriften der Länderkammer – ist kaum möglich, da sie sich in vielen Fällen unterschieden bzw. überlagerten und im Laufe der Zeit dem jeweils Postulierten anpassten. 122
Maunz, Gesetzgebung und Verwaltung in deutschen Verfassungen, S. 255 (259). Vgl. dazu: Mampel, Die Verfassung der SBZ, Präambel, Erl. 7 c. 124 Einen Überblick der einzelnen Schulen der Weimarer Zeit gibt Mampel, Die Verfassung der SBZ, Präambel, Erl. 7 c Anm. 59 f.; vgl. dazu auch: Loewenstein, Erscheinungsformen der Verfassungsänderung, S. 164 ff. m.w.N; Ehmke, AöR 40 N.F. (1953/1954), 385 (388–392); Leibholz, AöR 22 N.F. (1932), 1 (1–21). Während einige die Ansicht vertraten, ein Gesetz, das nicht mit der Verfassung übereinstimme, aber mit der zur einer Verfassungsänderung notwendigen Mehrheit angenommen sei, sei wirksam, auch wenn der Wortlaut der Verfassung nicht verändert würde (allerdings müsse auf die Annahme mit verfassungsändernder Mehrheit in der Verkündungsklausel hingewiesen werden – was in der DDR nie geschah) konstatierte etwa Schmitt, dass „[. . .] Identität und Kontinuität der Verfassung als eines Ganzen [. . .]“ gewahrt bleiben müssten, vgl. ders., Verfassungslehre, § 11 II 2 (S. 103). Für die Verfassung der DDR könnte man darunter auch die Mitwirkung an der Staatswillensbildung der Republik durch die Länderkammer verstehen, indem man Art. 71 Abs. 1 DDV als Konkretisierung von Art. 1 Abs. 1 DDV betrachtete, der de constitutione lata wohl als den Staat konstituierendes Prinzip gelten konnte. Ohne ausdrückliche Nennung so wohl auch: Mampel, Die Verfassung der SBZ, Art. 83, Erl. 2 a und Leissner, S. 30. 125 Schmitt, Verfassungslehre, § 11 I (S. 99 f.). 123
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Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass die Methoden der Begriffsjurisprudenz mit Blick auf die Verfassungsordnung der DDR zum Scheitern verurteilt sind. Die Normen wurden im Machtbereich der SED rein teleologisch interpretiert, wobei hierfür die politisch entscheidende Instanz alleine zuständig war.126 Es lässt sich festhalten, dass nicht nur Verfassungsbestimmungen im Einzelfall durchbrochen wurden, sondern mit einiger Berechtigung eine Verfassungsvernichtung127 konstatiert werden darf. Also: die Beseitigung der bestehenden Verfassung unter gleichzeitiger Beseitigung der ihr zugrunde liegenden verfassungsgebenden Gewalt – formal das Volk – und dessen Ersetzung durch die Suprematie der SED-Führung als pouvoir constituant. Es gab infolgedessen auch kaum eine Bestimmung der Verfassung, die sich in der Praxis nicht von ihrem Wortlaut entfernte oder dem Wortlaut zuwider interpretiert wurde.128 Anerkennt man die Möglichkeit der Verfassungsdurchbrechung bzw. Verfassungssuspension durch ein Gesetz, das mit entsprechender Mehrheit nach Art. 83 Abs. 2 DDV angenommen wurde, ohne den Wortlaut der Verfassung zu ändern, wird damit zumindest die grundsätzliche Anerkennung der bzw. einer Verfassung überhaupt verbunden sein dürfen. Das Begriffspaar Verfassungsgemäßheit/Verfassungswidrigkeit ist daher für die Verfassungsordnung der DDR, die von dem Grundsatz der Gewalteneinheit ausging, untauglich, da es nur sinnvoll in einer Rechtsordnung Anwendung finden kann, die es erlaubt den Inhalt einer Norm für die jeweilige Zeit abschließend zu bestimmen und eine solche Bestimmung auch allenthalben akzeptiert ist.129 In diesem Sinne folgerichtig schrieb Steiniger daher auch: Die sozialistische Vorstellung vom Wesen einer Verfassung weicht, entsprechend der realistisch gebundenen Eigenart materialistischer Betrachtungsweise und der auf den dauernden Lebenskampf gerichteten Denkweise, von den bürgerlichen Verfassungskonzeptionen grundsätzlich ab. Gewiß ist die Verfassung des sozialis126
Vgl. Mampel, Die Verfassung der SBZ, Präambel, Erl. 7 d. Dazu: Schmitt, Verfassungslehre, § 10 III (S. 94). 128 So auch: Drath, Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit, S. 5 f. und Mampel, Die Entwicklung der Verfassungsordnung, S. 476 f. Rechtfertigend Schöneburg: „Das Problem der Verfassungsänderung ist auf dem Wege zum Sozialismus und im Sozialismus niemals mit einer positivistischen Denkhaltung erfaßbar. Die Stabilität einer nach dem Prinzip der Volkssouveränität gestalteten Verfassung besteht immer in ihrem Ausbau nach dem Willen des Volkes. Ihre Stabilität ist ihrer Dynamik“, ders., Verfassung und revolutionärer Prozeß, S. 165 (171). 129 So fehlte in der DDR auch eine Institution, die unabhängig von den normsetzenden Organen Verfassungsverstöße verbindlich feststellen konnte. Dazu ausführlich: unten, Kap. 4 B. IX. 127
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tischen Staates auch ein Grundgesetz, d.h. die Summe der gesellschaftlichen, insbesondere der wirtschaftlichen und kulturellen, der politischen und organisatorischen Grundentscheidungen, die das Leben der Menschen dieses Staates bestimmen. Eine solche Summe kann vom Standpunkt des realdenkenden Materialisten nur in einem Augenblick relativer Festigung der gesellschaftlichen Entwicklung gezogen werden.130
Und weiter: Wir sprechen somit vom sozialistischen Verfassungsrealismus im Gegensatz zur unverbindlichen, von der Wirklichkeit gelösten Programmatik bürgerlicher Verfassungen, die gepaart ist mit völliger sachlicher Indifferenz gegenüber dem Fortgang des verfassungsmäßigen Entwicklungsprozesses.131
So war das System des Staatsrechts der DDR weder mit der Ordnung der staatsrechtlichen Normativakte gleichzusetzen, noch konnte es direkt aus dem System der Verfassung abgeleitet werden. Dies galt auch, als das System des Staatsrechts mit dem der Verfassung (noch) weitgehend übereinstimmte.132 Alles Recht stand so gewissermaßen unter dem Vorbehalt der Ausübung der Einschätzungsprärogative durch die SED und ihrem Herrschaftssystem.133 Solange das gesetzte Recht seiner ihm zugedachten Funktion gerecht werden konnte, wurde es respektiert; ging man mit den marxistisch-leninistischen Entwicklungsgesetzen darüber hinaus, wurde es entweder anders interpretiert, nicht länger beachtet oder entsprechend – auch wider die Verfassung – angepasst. Diesen Verfassungsrealismus beschrieb das „Kleine Lexikon“ der monatlich für die Mitarbeiter der staatlichen Organe erscheinenden Zeitschrift Demokratischer Aufbau unter dem Stichwort „Verfassung“ knapp aber treffend; demnach müsse beachtet werden, dass [. . .] nicht Verfassungsrechtsgrundsätze maßgebend sind für die reale Gestaltung des gesellschaftlichen und staatlichen Lebens, sondern daß umgekehrt die wirklichen Machtverhältnisse in der Gesellschaft bestimmen, welchen Wert und welche Wirksamkeit Verfassungsrechtsgrundsätze haben.134 130
Steiniger, NJ 1948, 241. Ebd., 241 (242). 132 Vgl. Akademie für Staats-und Rechtswissenschaft der DDR, Staatsrecht der DDR (1977), S. 31. 133 Ob man mit Stern, StR V, § 134 I 1 c) (S. 1602), für die DDR eine Analogie zum Begriff Doppelstaat – der von Ernst Fraenkel (Der Doppelstaat, Frankfurt a. M., Köln 1974) mit Blick auf das Dritte Reich geprägt wurde – konstatieren will, der das alltägliche Funktionieren (Normenstaat) bei gleichzeitigem Macht- und Rechtsmissbrauch (Maßnahmenstaat) beschreibt, sei dahingestellt. Parallelen lassen sich sicher erkennen, besonders in der Geringschätzung tradierter (Rechts-)Vorstellungen, die wohl jeder selbsternannten Revolution innewohnt. 134 Vgl. DA 1949, S. 23; es gilt also analog das von Marx über das Verhältnis von Produktionsverhältnissen und Gesellschaft Gesagte. 131
Kapitel 2
Die Verfassungsvorstellungen der Parteien in der sowjetischen Besatzungszone – Zwischen Kontinuität und Wandel der staatsorganisatorischen Konzepte Die Verfassungsarbeiten in der sowjetischen Besatzungszone wurden im Wesentlichen von zwei Parteien geprägt: der SED und der (Ost-)CDU. Aus Gründen, die keiner weiteren Erörterung bedürfen von ersterer stärker, von letzterer weniger. Den Liberaldemokraten, die sich anfänglich einer bewussten Programmlosigkeit1 verschrieben hatten und erst spät – zwar nicht im Wege eigener Verfassungsentwürfe – Stellungnahmen zu Verfassungsfragen abgaben, kam eine untergeordnete Bedeutung zu.2 Durch die Ablehnung föderaler Strukturen3 und die Bevorzugung eines Einkammersystems4, orientierte sich jene Partei – zumindest staatsorganisatorisch – stark an den Verfassungsvorstellungen der SED und verhielt sich größtenteils eher reaktiv. NDPD und DBD, erst im Frühjahr 1948 aus taktischen Erwägungen5 der SED gegründet, gebaren sich – freilich aus anderen Gründen – ähnlich reserviert bzw. ordneten sich der SED-Doktrin vollständig unter.6 1 Vgl. Braas, S. 85 m. w. N. Dies kritisierte selbst Grotewohl, Im Kampf um die einige DDR, Bd. I, S. 75. 2 Zur LDPD im Allgemeinen, vgl.: Sommer, passim; Papke, Bedeutung und Wirkungsmöglichkeiten der Blockparteien – Die LDPD, in: EK-BT, Bd. II/4, S. 2397, passim. 3 Im Rahmen der ambivalenten Programmatik der LDPD und ihrer häufig widersprüchlichen staatsorganisatorischen Konzepte kam Travers – dessen bewusst – zu dem Schluss, die LDPD habe sich seit 1946 aufgrund der Entwicklung in Westdeutschland dem „[. . .] Föderalismus stetig genähert“, ders., S. 52. Vielmehr verhielt es sich umgekehrt; dies kann durch die Äußerungen ihrer Vertreter im späteren Verfassungsausschuss wohl belegt werden, vgl. nur: unten, Kap. 3 H. II. und K. VIII. 3. (Fn. 366). 4 Vgl. Braas, S. 87. 5 Genannt seien die Schlagworte: Stärkung der Legitimationsbasis der SED, Einbindung bestimmter Klientel, Verringerung des Gewichtes der teiloppositionellen CDU und LDPD („divide et impera“), dazu auch: Staritz, NDPD, in: SBZ-Handbuch, S. 574 (578); Wernet-Tiez, DBD, in: ebd., S. 584 (589 f.) und Richter, Entstehung und Transformation des Parteiensystems in der SBZ, in: EK-BT, Bd. II/4, S. 2507 (2540–2545).
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Kap. 2: Verfassungsvorstellungen in der sowjetischen Besatzungszone
A. Die Verfassungsvorstellungen der CDU als Impuls für eine Vertretung der Länder Früher noch als die SED, befasste sich der zentrale Berliner Vorstand der CDU mit Verfassungsfragen.7 Im Frühjahr 1946 nahm ein bei der Reichsgeschäftsstelle der CDU gebildeter Verfassungsausschuss seine Arbeit – unter dem Vorsitz des Staatsrechtslehrers Hans Peters8 und des CDU-Juristen Helmut Brandt9 – auf.10 Nur zaghaft11 allerdings – um eine angestrebte gesamtdeutsche Verfassung nicht zu hintertreiben – diskutiere die Union im Vorfeld der Parteitagung im Juni 1946 Verfassungsfragen: Der Verfassungspolitische Ausschuss (Vorsitzender Dr. Dr. Brandt, Berlin) behandelte Themen wie Einheits- oder Bundesstaat [. . .], Ein- oder Zweikammersystem usf. [. . .]; die Probleme einer neuen deutschen Verfassung müssen für einen späteren Zeitpunkt zurückgestellt werden.12 6
Einen Überblick über die Entstehungsgeschichte dieser Parteien geben: WernetTiez, DBD, in: SBZ-Handbuch, S. 584 (584 f.); Staritz, NDPD, in: ebd., S. 574 (574–576) und Frölich, Transmissionsriemen, Interessensvertretung des Handwerks oder Nischenpartei? Zur Rolle, Bedeutung und Wirkungsmöglichkeiten der NDPD, in EK-BT, Bd. II/2, S. 1542, passim. Ausführlich zur DBD: Bauer, passim; zur NDPD: Haas, Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands, passim, insbesondere S. 5–20. 7 Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 87. 8 Staatsrechtslehrer, 1933 MdL Preußen (Zentrum), Mitglied im „Kreisauer Kreis“, 1940–1966 Vorsitzender der Görres-Gesellschaft, Professor in Berlin und Köln (dort: Rektor 1964/65). Vgl. zur Biographie von Peters auch Becker/Buchstab/ Doering-Manteuffel u. a., S. 342. 9 1946–1950 Verfassungsausschuss beim Parteivorstand der CDU, kooptiertes Mitglied im Verfassungsausschuss des DVR, 1946–1948 Stadtverordneter von GroßBerlin, 1948–1949 Vizepräsident Deutsche Justizverwaltung, 1949–1950 Staatssekretär im Ministerium der Justiz der DDR, 1950 zehn Jahre Zuchthaus wegen Beteiligung an einer „Verschwörergruppe“, 1958 entlassen, erneute Verhaftung wegen „Republikflucht“, 1964 Freikauf durch die Bundesrepublik, später wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Bundestag, vgl. Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 876. 10 Zu den Mitgliedern des Verfassungsausschusses vgl. Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 87 f. 11 „Die Aufstellung einer neuen Verfassung ist von sekundärer Bedeutung. Aktuell sind zahlreiche Einzelfragen von denen [seitens des Ausschusses, d. Vf.] genannt wurden: Einheits- oder Bundesstaat, [. . .] Mehrkammersystem [. . .] u. a.m.“, „Niederschrift der Sitzung des Verfassungspolitischen Ausschusses der C.D.U. am 16. Januar 1946“, in: ACDP, Ost-CDU: Vorstand, 07-010-1927, Bl. 556; die Mitglieder des ostzonalen CDU-Verfassungsausschusses sind aufgelistet in: ACDP, Ost-CDU: Vorstand, 07-010-1701. 12 „Arbeitsbericht der Union – Für die Teilnehmer der Parteitagung vom 15.–17. Juni 1946 in Berlin“, S. 23, in: ACDP, Ost-CDU: Sekretariat des Hauptvor-
A. Die Verfassungsvorstellungen der CDU
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Schon vorher fasste Jakob Kaiser13, Vorsitzender der CDU, die grundlegenden staatsorganisatorischen Forderungen der CDU zusammen, die einen Ausgleich zwischen einheits- und bundesstaatlichen Konzeptionen versuchten und die Prämissen, unter denen die Ost-CDU Verfassungsfragen diskutierte, verdeutlichen: Es liegt mir am Herzen [. . .] noch ein Wort über die brennende Frage der Gestaltung der künftigen, der von allen ersehnten Einheit des Reiches zu sagen. [. . .] Ich will nicht daran glauben, dass es ernsthafte Politiker geben soll, die nach allem, was unser Volk in zwölf furchtbaren Jahren erlebt hat, einer destruktiven Verfassung das Wort reden. [. . .] Ich kann mir natürlich ebenso wenig denken, dass es ernsthafte Politiker gäbe, die einer grotesken Zentralisation das Wort redeten, wie sie unter der rohen Gewalt der Naziherrschaft zur Praxis geworden war. [. . .] Meine Freunde, Synthese ist die beherrschende Losung [. . .]. Man wird der Lösung des Problems näher kommen, wenn man auf die Schlagworte Einheitsstaat oder Föderalismus verzichtet und sich den Grundsatz zur Richtschnur macht, dass die Länder und Provinzen die Schwerpunkte der Verwaltung darstellen, während die Reichszentrale in erster Linie den Schwerpunkt der Gesetzgebung bildet. [. . .] Dazu eine Grundsatzgesetzgebung auf allen Gebieten, auf denen eine einheitliche Verwaltung wünschenswert und notwendig erscheint. Es wäre im Interesse der staats- und wirtschaftspolitischen Gesundung unseres Volkslebens kaum zu verwinden, wenn wir nach der grotesken Hitlerschen Überspannung der Zentralisation einen grausamen und zugleich einen lächerlichen Rückschlag in die Länderherrlichkeiten früherer Zeiten erleben würden.14
Orientierung in all diesen Fragen der Staatsorganisation sollte ein Vortrag von Hans Peters anlässlich der Sitzung des Parteivorstandes am 5. und 6. März 1946 geben. Dieser legte die grundlegenden Voraussetzungen weiterer Verfassungsdiskussionen schon konkreter fest: So ist ein Mehrkammersystem einem Einkammersystem vorzuziehen, weil dadurch den verschiedenen Stämmen und Ländern, aber auch darüber hinaus der natürlichen Volksgliederung Rechnung getragen werden kann. [. . .] Bei der obersten standes, 07-011-713; vgl. auch die Übersicht der verschiedenen Ausschüsse mit ihren Vorlagen, in: ebd. 13 Jakob Kaiser war föderativen Gedanken gegenüber eher skeptisch – ja abgeneigt („Ich muß um der inneren Wahrhaftigkeit willen bekennen: Ich bin kein Mann des Föderalismus [. . .]“); er begründete diese Haltung mit dem Hang des deutschen Volkes zur „[. . .] Eigenbrötelei [. . .]“, vgl.: „Um Deutschlands Schicksal“, Rede anlässlich des Parteitags der CDU am 16. Juni 1946 in Berlin, in: ders., Gewerkschafter und Patriot, S. 259. Sein föderalistisches Programm berührte weniger politische oder staatsrechtliche Strukturen, sondern war ein verwaltungsgestaltendes Organisationsprinzip im Sinne einer schlichten Dekonzentration, so Ley, S. 30. 14 „Der soziale und staatspolitische Wille der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands“, Rede von Jakob Kaiser auf der Vorstandssitzung am 13. Februar 1946 in Berlin, in: ACDP, Ost-CDU: Vorstand, 07-010-2179, Bl. 100 ff.; die Rede ist abgedruckt in: Kaiser, Gewerkschafter und Patriot, S. 212 ff.
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Kap. 2: Verfassungsvorstellungen in der sowjetischen Besatzungszone
Willensbildung des Reiches ist eine Erste Kammer – neben der gewählten Volksvertretung als zweiter Kammer – einzusetzen; diese erste Kammer, die gleichberechtigt neben der zweiten steht, stellt die Vertretung der Länder und Provinzen, also des föderalistischen Elements, besser der Dezentralisation, dar und wird von den Organen der Länder und Provinzen vielleicht zur Hälfte von den Landtagen gewählt, zur anderen Hälfte von den Landesregierungen ernannt und zwar grundsätzlich so, dass jedes Land gleich stark vertreten ist.15
Die Arbeit verlagerte sich im weiteren Verlauf in den Verfassungsausschuss, dessen Arbeit maßgeblich von Peters geprägt wurde. So referierte dieser am 13. März 1946 vor dem Ausschuss über „Föderalismus und dezentralisierter Einheitsstaat“.16 Das Protokoll des Referats verbarg trotz der objektiven Darstellung dieser Thematik nicht die Präferenz des Autors: Beim dezentralisierten Einheitsstaat komme man [. . .] zu einem Verfassungsaufbau, der weitgehend den Föderalisten entgegenkomme und trotzdem die Einheitlichkeit des Reiches wahre. Der dezentralisierte Einheitsstaat bedinge und lasse es auch als zweckmäßig erscheinen, dass das Zweikammer-System durchgeführt werde. Gesetze bedürfen der Zustimmung beider Kammern. [. . .] Die Bildung der Reichsregierung müsse mit Zustimmung beider Kammern erfolgen.17
Die Arbeit des ostzonalen CDU-Verfassungsausschusses mündete schließlich in die Verabschiedung von zunächst 14 Thesen, wobei hinsichtlich des hier Interessierenden folgende besondere Relevanz aufweisen: These 1: Die CDU fordert einen Deutschen Staat auf föderativer Grundlage. Die föderativen Glieder des Reiches sind die Länder. [. . .] These 3: Die Organe des Reiches sind: a) Reichs- und Ländertag; b) Reichsregierung; c) Reichspräsident [. . .] These 5: Der Ländertag besteht aus Vertretern der Länder, die je zur Hälfte von den Landtagen gewählt und von den Landesregierungen bestellt werden. Die gewählten Vertreter sind an Weisungen nicht gebunden.18 15
„Sondermaterial (Folge 3)“, Referate auf der Sitzung des Parteivorstandes der Union in Berlin am 5. und 6. März 1946: „IV. Thesen zur Verfassungspolitik: Der Begriff der Demokratie – Reich und Länder von Prof. Dr. Hans Peters“, in: ACDP, Ost-CDU: Vorstand, 07-010-2179, Bl. 145 f. 16 „Aktenvermerk über die Sitzung des Verfassungs-Ausschusses am 13.3.1946“, in: ACDP, Ost-CDU: Vorstand, 07-010-1927, Bl. 567. 17 Ebd., Bl. 568. 18 „Aktenvermerk über die Sitzung des Verfassungs-Ausschusses am 23. April 1946“, in: ebd., Bl. 577 f.; die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Reich und Ländern richtete sich im Wesentlichen nach der WRV; daneben sollte der Reichspräsident durch den Ländertag gewählt (These 7) und die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes auf Vorschlag des Ländertages durch den Reichspräsidenten ernannt werden (These 13), vgl. ebd., Bl. 578 u. 580.
A. Die Verfassungsvorstellungen der CDU
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Diese Thesen wurden dem Zonenparteitag der CDU vom 15.–17. Juni 1946 nicht vorgelegt und es fand hierüber auch keine Beschlussfassung statt; vielmehr beriet und überarbeitete eine Kommission des Parteitages, die unter dem Namen „Verfassungsausschuss der Unionstagung Berlin und der russischen Zone“ firmierte, die Thesen und verabschiedete am 15. Juni 1946 nun zwölf „Thesen zu einer neuen Reichsverfassung“.19 Damit lag ein verfassungspolitisches Grundkonzept vor, das zwar (wohl bewusst) keinen paragraphierten Verfassungsentwurf darstellte, sondern als Leitfaden zur Verständigung mit der West-CDU dienen und darüber hinaus zu einer gesamtdeutschen „Reichsverfassung“ führen sollte. Obwohl die Frage des staatsrechtlichen Aufbaus innerparteilich nicht abschließend geklärt war und eigentlich im Detail auch nie geklärt wurde20, war in den Augen der SED eine klare Festlegung der CDU in dieser Frage bereits erfolgt. Im Rahmen des Wahlkampfes anlässlich der am 20. Oktober 1946 durchgeführten – letzten halbwegs freien – Wahlen zu den Landtagen, nutzte die SED bereits die staatspolitischen Auffassungen der CDU für Diffamierungen, die hauptsächlich auf ihre angeblichen separatistischen Tendenzen abzielten. In Folge dessen beschwerte sich die Parteiführung der CDU über ein Wahlplakat der SED und präzisierte ihr Verständnis von einem staatlichen Neubeginn: In dem Plakat wird unter betonter Hervorhebung des Wortes Landesverrat ausgeführt, dass Separatismus Landesverrat und Föderalismus versteckter Separatismus heisse [sic!]. [. . .] Der Vorstand [. . .] erhebt gegen diesen Vorwurf indirekten Landesverrats als einer schweren Beleidigung aufs schärfste Einspruch. Die innen- und aussenpolitischen Gegebenheiten, unter denen Deutschland steht, zeichnen nach Auffassung der [CDU] den Weg vor, die Einheit des deutschen Volkes auf der Grundlage eines gesunden Föderalismus zu sichern.21 19 Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 90; die „Thesen zu einer neuen Reichsverfassung“ sind abgedruckt in: ebd., S. 356 f. und Börner, S. 87 f.; aus These 1 verschwand die Bezugnahme auf einen föderativen Aufbau und lautete nun: „Die CDU fordert einen Deutschen Staat auf der Grundlage einer Gliederung nach Ländern.“ 20 Anlässlich der kurz bevorstehenden Landtagswahlen am 20. Oktober 1946 beschloss der Verfassungsausschuss der CDU am 18. September 1946 noch die vage Formulierung: „Die Aufgliederung nach Ländern [. . .] wird für zweckmäßig gehalten. Die Länder sollen [. . .] gleichwertig neben den Ländern im Westen und Süden Deutschlands stehen“ (These 1), vgl. die „Thesen zur Verfassungsorganisation in der sowjetischen Besatzungszone“, abgedruckt in: Börner, S. 88 f. 21 Entschließung der Vorstandssitzung vom 25. Oktober 1946, in: ACDP, OstCDU: Vorstand, 07-010-2179, Bl. 309. Im Oktober 1946 übte Ulbricht in Wahlkampfveranstaltungen explizit Kritik an der föderalistischen Tendenz in CDU und CSU („Der Föderalismus der CDU hilft dem Gegner Deutschlands“), die wohl in Plakaten dieser Art kulminierte, vgl.: ders., Geschichte der Arbeiterbewegung, Bd. III, S. 51 f. Ebenso Grotewohl: „Wer sich heute zum föderalistischen Prinzip
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Kap. 2: Verfassungsvorstellungen in der sowjetischen Besatzungszone
Der Grund für die Skepsis, mit der die christdemokratischen Verfassungsdiskussionen seitens der SED beäugt wurden, lag wohl auch darin begründet, dass die Erörterungen um eine (gesamt-) deutsche Verfassung in weiten Teilen noch zonenübergreifend geführt wurden. Dem Heppenheimer-Verfassungsentwurf22 vorausgehend stellte der (Ost-) CDU-Vorstand folgenden Grundsatz betreffs eines Zweikammersystems auf: In einem Zweikammersystem kommt der Art der Zusammensetzung der Länderkammer besondere Bedeutung zu. Grundsatz muss sein: je stärker die Befugnisse sind, umso mehr muss bei der Zusammensetzung darauf geachtet werden, dass nicht nur die Länderbürokratie in der Kammer vertreten ist, sondern daneben auch gewählte Vertreter sitzen und dass die Stimmen der Länder Gewicht nach der Grösse [sic!] und Bedeutung der Länder bekommen.23
Dem Inhalt der ostzonalen CDU-Thesen und Forderungen wurde auch auf gesamtzonaler Ebene nicht widersprochen. Der von der „Arbeitsgemeinschaft der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union“ eingesetzte Verfassungsausschuss24, an dem auch der spätere Länderkammerpräsident Reinhold Lobedanz teilnahm25, verlangte für die Länder eine „[. . .] maßgebliche Mitbeteiligung an der politischen Willensbildung [. . .]“26. Dazu forderte man eine Länderkammer, in der jedes Land „[. . .] ohne Rücksicht auf seine Größe [. . .]“ insgesamt acht Stimmen erhalten sollte.27 Der Ausschuss folgte obigen Thesen, indem er die Länderkammer zur einen Hälfte mit von der Landesregierung Ernannten, zur anderen Hälfte mit von den Landtagen gewählten Vertretern besetzen wollte und diesen eine freie Entscheidung in der Kammer anheimstellte.28 bekennt, ist dringend verdächtig, zum Schildknappen der Reaktion zu werden“, ders., Im Kampf um die einige DDR, Bd. I, S. 74. 22 Der Heppenheimer-Verfassungsentwurf von Ende April 1947 stellte eine Zusammenfassung von Thesen dar, die einen Kompromiss zwischen den Berliner Thesen der Ost-CDU und denen der Arbeitsgemeinschaft der CDU/CSU aus den Westzonen finden sollten, vgl. dazu: Umbach, S. 370 m. w. N. 23 Protokoll über die Vorstandssitzung der CDU am 1. April 1947, ACDP, OstCDU: Vorstand, 07-010-489. 24 Zu dieser Arbeitsgemeinschaft und ihrem Verfassungsausschuss umfassend: Ley, S. 33 ff. 25 Nachfolgend riss im Jahre 1948 – auf Druck der sowjetischen Militärbehörden – das Band zwischen der CDU der sowjetischen Zone und den westlichen Schwesterorganisationen, vgl. Ley, S. 39, Benz, VfZ 1977, 776 (778). 26 „Bemerkungen über die Arbeit des Verfassungsausschusses in Heppenheim vom 28. bis 30. April 1947“, in: ACDP, Ost-CDU: Parteiarbeit, 07-012-824. 27 Vgl. ebd.; zu dieser Länderkammer siehe auch: Ley, S. 45–47 und S. 152 ff. (tabellarische Aufstellung ihrer Rechte und Pflichten).
A. Die Verfassungsvorstellungen der CDU
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Die Länderkammer sollte das Recht der gleichberechtigten Mitwirkung („echtes Kammersystem“) an der Gesetzgebung haben; Gesetze bedurften daher der übereinstimmenden Mehrheitsentscheidung beider Kammern.29 Sie sollte ferner nicht nur legislatorisch tätig sein, sondern auch im Bereich der Exekutive mitwirken; deshalb sollte es ihrer Zustimmung bei der „[. . .] Ernennung oberster Reichsbeamter [. . .]“30 bedürfen. Von dieser Vielzahl an Mitwirkungsrechten, die der Länderkammer ein überaus großes Gewicht im Verfassungsgefüge verliehen hätten, blieb in der späteren DDR-Verfassung nur wenig übrig. Ein Beharren auf einer starken Länderkammer, etwa im späteren Verfassungsausschuss des Deutschen Volksrates, hätte womöglich in letzter Konsequenz die verfassungsrechtliche Existenz an sich gefährdet, so dass man von bürgerlicher Seite die Ansprüche an jene – ursprünglich der ersten gleichberechtigte – zweite Kammer später deutlich verringerte.31 Dennoch darf es neben allgemeinen strategischen Überlegungen der SED vor allem der CDU, die an überlieferter deutscher Staatstradition dem Grunde nach festhielt, zugeschrieben werden, dass die erste Verfassung der DDR eine Vertretung der Länder überhaupt kannte.
28 Vgl. „Bemerkungen über die Arbeit des Verfassungsausschusses in Heppenheim vom 28. bis 30. April 1947“, in: ACDP, Ost-CDU: Parteiarbeit, 07-012-824. Diese Anlehnung an das Staatenhaus der Paulskirchenverfassung wurde von einzelnen CDU-Mitgliedern, etwa Anton Miller, bis zuletzt präferiert, vgl. unten, Kap. 3 K. VIII 6. Ein Novum stellte die Forderung dar, wonach die vom Landesparlament Gewählten selbigen nicht angehören durften, vgl. „Bemerkungen über die Arbeit des Verfassungsausschusses in Heppenheim vom 28. bis 30. April 1947“, in: ACDP, Ost-CDU: Parteiarbeit, 07-012-824. 29 Vgl. „Bemerkungen über die Arbeit des Verfassungsausschusses in Heppenheim vom 28. bis 30. April 1947“, in: ACDP, Ost-CDU: Parteiarbeit, 07-012-824. 30 Ebd. Daneben sollte ihr Präsident Vertreter des Bundespräsidenten sein, sowie bei „[. . .] internationalen Verträgen des Reiches und der Länder [. . .]“ zwingend zustimmen müssen um diese in Kraft zu setzen, vgl. ebd. In der Tagung des Verfassungsausschusses vom 10. März 1947 sah man gar noch vor, dass die Regierung des Vertrauens beider Kammern bedurfte, vgl. Ley, S. 153. Dadurch erhoffte man sich – mit Blick auf die Machtergreifung der Nationalsozialisten – eine zusätzliche Sicherungsfunktion, vgl. ebd., S. 42. 31 Natürlich spielte auch die schon zu dieser Zeit einsetzende „Gleichschaltung“ der CDU an die Programmatik der SED und der Missbrauch als Transmissionsorganisation im „sozialistischen Mehrparteiensystem“ für Christen und Bürgerliche, die von der Vereinbarkeit des Christentums mit den Zielen des Sozialismus überzeugt und an den sozialistischen Staat herangeführt werden sollten, in diesem Zusammenhang eine gewichtige Rolle, vgl. dazu: Agethen, Die CDU in der DDR, S. 109 (109 ff.); ders., Christlich-Demokratische Union in der SBZ/DDR, S. 457 (457 ff.), jeweils m. w. N.
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Kap. 2: Verfassungsvorstellungen in der sowjetischen Besatzungszone
B. Der Weg zum SED-Verfassungsentwurf des Jahres 1946 Ab dem Sommer des Jahres 1946 arbeitete die SED an einer Verfassung für Gesamtdeutschland.32 Die verfassungsrechtlichen Prämissen in Bezug auf ein föderales Element in der Staatsorganisation, unter denen die SED an die Ausarbeitung einer Verfassung ging, sprach Max Fechner (SED), später Minister der Justiz, deutlich aus. Anlässlich der „Kommunalen Konferenz der SED“ referierte Fechner zwar über die Ausgestaltung der Gemeindevertretungen, gab dabei aber Antworten, wie man sich die Ausgestaltung einer kommenden Verfassung für Gesamtdeutschland vorstelle, die – auch das spätere – Verhältnis der SED zu einer Ländervertretung charakterisieren: Wie wir in der Gemeindeverfassung aus demokratischen Grundsätzen heraus für das Einkammer-System eintreten, so kämpfen wir aus demselben Grunde gegen das Zweikammer-System in der Verfassung der Länder und Gesamtdeutschlands.33
I. Der erste Verfassungsentwurf der SED vom 10. August 1946 Im Auftrag der SED-Führung um Grotewohl, Ulbricht und Fechner34 verfasste Karl Polak im Juni und Juli des Jahres 1946 einen Verfassungsentwurf, der sodann am 10. August 1946 vorlag.35 Dort lautete der zweite Absatz des Art. 1: „Deutschland ist eine demokratische Republik. Das Ge32 Vgl. Howe, S. 63. Zu den frühen Verfassungsarbeiten der SED und den Konsultationen hierüber mit der Sowjetführung ausführlich: Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 37 ff.; zur Entstehung der Länderverfassungen und der zentralen Mustervorlage für jene seitens der SED, vgl. umfassend: Braas, passim. 33 „Die Kommunalpolitik der SED“, Rede Max Fechners auf der Kommunalen Konferenz der SED in der sowjetischen Besatzungszone am 1. und 2. Juli 1946, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/1.01/8, Bl. 15; dem gegenüber forderte die CDU: „Für den östlichen Teil Deutschlands wird vorgeschlagen, die kommunale Verwaltung auf dem Zweikörper-System aufzubauen“, „4. Entschließung des Kommunalpolitischen Ausschusses zur Kommunalpolitik, vorgelegt dem Parteitag der Union (15.–17. Juni 1946)“, in: ACDP, Ost-CDU: Sekretariat des Hauptvorstandes, 07-011-713. 34 Vgl. dazu auch Amos, die annimmt, der Auftrag zur Ausarbeitung einer Verfassung könnte auch direkt aus den Reihen der SMAD gekommen sein, dies., Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 48. 35 Der „Entwurf einer Verfassung für die demokratische Republik Deutschland“ vom 10. August 1946 findet sich bei Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 358 ff.
B. Der Weg zum SED-Verfassungsentwurf des Jahres 1946
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biet der Republik besteht aus den Gebieten der deutschen Länder.“36 Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen nahm die Bestimmungen des veröffentlichten Entwurfs vom 14. November 1946 und die der späteren ersten DDR-Verfassung vorweg; der Republik war auf allen Gebieten die Kompetenz-Kompetenz anheimgegeben, vgl. Art. 42 a. E. des Entwurfs. Das „[. . .] höchste Staatsorgan der Republik Deutschland [. . .]“ war gem. Art. 53 des Entwurfs das Parlament der Republik. Das Präsidium des Parlaments war eine Art zweite Kammer im Kleinen und Verfassungsgericht gleichermaßen, so dass die spätere – allseits bejahte – Feststellung Heinrich Ackers37 (SED) zutrifft, das Präsidium stelle nicht nur die Geschäftsführung des Parlaments dar, sondern sei besonderes Staatsorgan.38 Art. 59 Abs. 1 des Verfassungsentwurfs vom 10. August 1946 lautete: Das Parlament wählt in seiner ersten Sitzung ein Präsidium. Dieses besteht aus seinem Präsidenten und 24 Mitgliedern. Davon werden 13 Mitglieder aus den Reihen der Mitglieder des deutschen Parlaments gewählt und elf Mitglieder von den 1139 Landtagen. [. . .]40 36
In einer von Polak überarbeiteten Fassung des ersten Entwurfs („III. umgearbeitete Fassung nach Besprechung am 7. XI 1946, fertiggestellt am 9. XI 1946“) hieß es statt der etwas sperrigen Formulierung „Das Gebiet der Republik besteht aus den Gebieten der deutschen Länder“ nun „Deutschland ist eine unteilbare demokratische Republik. Die Republik vereinigt in sich die deutschen Länder“, Nachlass Grotewohl, SAPMO-BArch, NY 4090/379, Bl. 1 u. 72 ff.; gegen diese Formulierung verwahrte sich Heinrich Acker (SED) entschieden: Wenn man Länder vereinige, habe man einen Bundesstaat, vgl. Verfassungsausschuss der SED, Sitzung am 11. November 1946, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/1.01/23, Bl. 30. Im endgültigen Entwurf lautete Art. 1 Abs. 1 dann: „Deutschland ist eine unteilbare Republik, gegliedert in Länder“, vgl. den „Entwurf einer Verfassung für die deutsche demokratische Republik“ vom 14. November 1946, abgedruckt in: Grotewohl, Deutsche Verfassungspläne, S. 85 ff. 37 2. stellv. Oberbürgermeister im Magistrat von Groß-Berlin, 1948 MdVR, 1948/49 Mitglied im VerfA, vgl. Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 858. 38 Vgl. Verfassungsausschuss der SED, Sitzung am 11. November 1946, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/1.01/23, Bl. 30 f. 39 Amos weist mit Recht darauf hin, dass man wohl die Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin ebenso nicht berücksichtigte, wie die Provinzen Sachsen-Anhalt und Mark Brandenburg; dann blieben Bayern, Groß-Hessen, Württemberg-Baden, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Baden, RheinlandPfalz, Württemberg-Hohenzollern, Thüringen, Sachsen und Mecklenburg während das Saarland als von Frankreich annektiert galt, vgl. dies., Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 386 Anm. 53. 40 In einer von Polak überarbeiteten Fassung des ersten Entwurfs („III. umgearbeitete Fassung nach Besprechung am 7. XI 1946, fertiggestellt am 9. XI 1946“) bekam diese Norm folgende Fassung (nun Art. 58 Abs. 1): „Das Parlament wählt in seiner ersten Sitzung ein Präsidium. Dieses besteht aus einem Vorsitzenden, sowie aus Vertretern des Parlaments der Republik und der Landtage. Das Parlament der
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Kap. 2: Verfassungsvorstellungen in der sowjetischen Besatzungszone
Dieses Parlament im Parlament hatte nach Art. 60 des Entwurfs weitreichende Kompetenzen: Das Präsidium der Volksvertretung hat folgende Aufgaben: Es beruft das Parlament ein und kann es auflösen. Es beraumt den Termin für Neuwahlen an. Es fertigt die verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetze aus und verkündet sie.41 Die Beschlüsse des Präsidiums werden mit Stimmenmehrheit gefaßt sind jedoch nur wirksam, wenn mindestens die Hälfte der gesetzlichen Mitgliederzahl42 zustimmt.
Die Rolle des Präsidiums als des Parlaments immanentes Verfassungsgericht statuierte Art. 61 des Entwurfs: Das Präsidium des Parlaments entscheidet bei Verfassungsstreitigkeiten zwischen der Republik und den Ländern sowie bei Verfassungsstreitigkeiten zwischen den einzelnen Ländern nach Maßgabe eines zu erlassenden Gesetzes der Republik.43
Diesen Entwurf kommentierten Wassili Sokolowski, Marschall der Sowjetunion und Chef der SMAD44, und sein politischer Berater Wladimir Semjonow45 gegenüber Stalin und dessen Außenminister Wjatscheslaw Molotow. Republik entsendet in das Präsidium 15 Vertreter, die Landtage je 1 Vertreter. [. . .]“, Nachlass Grotewohl, SAPMO-BArch, NY 4090/379, Bl. 143 f. Hervorzuheben ist der nunmehr eingefügte Art. 58 Abs. 1 S. 3, der auch für die von den Ländern entsandten Mitglieder des Präsidiums statuierte: „Die Mitglieder des Präsidiums werden auf die Dauer der Wahlperiode des Parlaments gewählt und sind an Weisungen nicht gebunden“, ebd., Bl. 143 f. Handschriftliche Anmerkungen, wohl von Polak, auf einem undatierten – zwischen dem Entwurf vom 10. August und der überarbeiteten Fassung vom 9. November 1946 erstellten – „Entwurf einer Verfassung für die demokratische Republik Deutschland“ lassen erkennen, dass die Frage der Bestellung des Präsidiums vielfach geändert wurde; darin hieß es in Art. 59 Abs. 1: „Die Volksversammlung wählt in ihrer ersten Sitzung aus ihrer Mitte ihr Präsidium. Dieses besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied für jedes deutsche Land, gewählt aus der Zahl der von diesem Land in die Volksversammlung entsandten Abgeordneten“, ebd., Bl. 98. 41 In der Verkündung der Gesetze durch das Präsidium sah Polak die Gefahr, es könne sich dadurch eine „[. . .] Tendenz herausbilden [. . .]“, die Verfassungsmäßigkeit der zustande gekommenen Gesetze nachzuprüfen; dies lehnte Polak ab: „Dieses Nachprüfungsrecht der durch das Parlament beschlossenen Gesetze aber muß verhindert werden, denn faktisch würde dieses Nachprüfungsrecht durch das Präsidium das letzte in eine zweite Kammer verwandeln“, undatierte Vorlage für Grotewohl von Polak, in: Nachlass Grotewohl, SAPMO-BArch, NY 4090/379, Bl. 7. 42 Durch dieses Quorum war den Ländervertretern die Möglichkeit genommen, Beschlüsse des Präsidiums zu verhindern. 43 So auch wiederholend Art. 52 des Entwurfs. 44 Zur Stellung als Oberster Chef der SMAD, vgl. Foitzik, Der Oberste Chef, in: SMAD-Handbuch, S. 116 (116 f.).
B. Der Weg zum SED-Verfassungsentwurf des Jahres 1946
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In einem Telegramm nach Moskau vom 31. Oktober 1946 teilte man mit, die Führung der SED habe einen Entwurf einer deutschen Verfassung ausgearbeitet, den man einer öffentlichen Aussprache zuzuführen beabsichtige, um die Verfassung der deutschen Einheit den föderalistischen Plänen der Alliierten gegenüberzustellen.46 Die beiden Verfasser hielten den Entwurf „[. . .] grundsätzlich für annehmbar, und empfehlen, dem PV [Parteivorstand, d. Vf.] der SED zu gestatten, ihn zwecks öffentlicher Aussprache zu veröffentlichen.“47 Das Telegramm forderte ein zügiges Handeln: Daher erachten wir es als zweckmäßig, sich lediglich mit einigen grundsätzlichen Korrekturen zum Entwurf zu begnügen, und eventuelle spätere Änderungen im Verlauf der öffentlichen Aussprache über die Presse einzuarbeiten. Eine möglichst rasche Veröffentlichung des Entwurfs scheint auch deshalb zweckmäßig, weil die Notwendigkeit besteht, Verfassungen für die zur sowjetischen Besatzungszone gehörenden Länder vorzubereiten. Diese Länderverfassungen müssen sich auf die grundsätzlichen Bestimmungen des von der SED vorgelegten Entwurfs für eine gesamtdeutsche Verfassung stützen. Sollte es uns gelingen, diesen Verfassungen Gesetzeskraft zu verleihen, so werden wir über ein reales Gegengewicht zu den föderalistischen Verfassungen der westlichen Länder verfügen, was erhebliche Bedeutung erlangen wird, sobald die Annahme der Verfassung für ganz Deutschland auf die Tagesordnung rückt.48
Missfallen erregte aus taktischer Sicht vor allem die schwache Stellung der Länder. Unter Punkt 3 des Telegramms („Notwendige Korrekturen und Ergänzungen zum Verfassungsentwurf des PV der SED“) hieß es bezüglich der Länder: Der Entwurf des PV der SED hebt zu recht die entscheidende Rolle der Organe der Republik und die untergeordnete Stellung der Machtgremien der einzelnen Länder gegenüber der Regierung der Republik hervor [. . .], was sich die Föderalisten49 für ihre Angriffe auf den SED-Entwurf zunutze machen könnten. Dem 45 Zu Stellung und Biographie, vgl. Foitzik, Der Alliierte Kontrollrat in Deutschland/Sowjetische Sektion, in: SMAD-Handbuch, S. 100 (109); Perkow, Der Politische Berater beim Obersten Chef, in: ebd., S. 470 (470 ff.); Möller/Tschubarjan, SMAD-Handbuch, S. 703. 46 Telegramm Sokolowski/Semjonow an Stalin und Molotow vom 31. Oktober 1946, in: Laufer/Kynin, Die UdSSR und die deutsche Frage 1941–1948, Bd. 3, Dok. 6 (S. 39). 47 Ebd., Dok. 6 (S. 41). 48 Ebd., Dok. 6 (S. 41 f.). 49 Vgl. etwa die späteren Ausführungen Jakob Kaisers (CDU); anlässlich einer Wahlkampfkundgebung im „Palast“ zu Berlin habe dieser laut einem Bericht der SMAD vom 12. Dezember 1946 ausgeführt: „Die SED denkt offenbar, ihr totalitärer Wille ließe sich auf dem Weg zu einem Einheitsstaat am sichersten durchsetzen. Sollte dies in allen Bereichen Platz greifen, so werden wir erneut zu einer Diktatur gelangen, die wir für immer verurteilt haben. Daher bin ich zu der Schlußfolgerung
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Kap. 2: Verfassungsvorstellungen in der sowjetischen Besatzungszone
Ermessen des PV der SED ist zu überlassen, dem Entwurf notwendigerweise einige Artikel bezüglich der Rechte der Länder im Gefüge des deutschen Staates hinzuzufügen50 [. . .].51
II. Die „Grundrechte des Deutschen Volkes“ als Richtschnur der weiteren Verfassungsarbeit Vor der Veröffentlichung des noch nicht abschließend redigierten Verfassungsentwurfs publizierte man am 22. September 1946 einen „[. . .] Rumpfentwurf einer Verfassung [. . .]“52, der als „Die Grundrechte des Deutschen Volkes“53 überschrieben war und eine verfassungspolitische Synopse der SED-Verfassungsvorstellungen darstellte.54 Punkt 1 dieses Dokuments begann mit der Forderung nach einem Deutschland als „[. . .] unteilbare demokratische Republik“, in der – gem. Punkt 3 – das Parlament das höchste Staatsorgan sei, welches – allein – das Recht der Gesetzgebung ausüben solle.55 In einem diese Veröffentlichung begleitenden Aufsatz merkte Grotewohl daher auch an: Über einen Föderalismus kann man vom Standpunkt der Deutschen aus angesichts der obwaltenden Umstände in Deutschland nicht diskutieren.56 gelangt, daß ein gesunder Föderalismus aus realpolitischen Gründen die einzige mögliche Form des künftigen Bundesstaates ist“, Bericht Kazakova an Dekanozov und Smirnov vom 17. Dezember 1946, in: ebd., Dok. 6 (S. 83 f.). 50 Diese Anregungen wurden nicht aufgenommen. 51 Ebd., Dok. 6 (S. 42). 52 Braas, S. 51; die Formulierung ist nicht ganz treffend, da schon am 10. August 1946 ein erster paragraphierter Entwurf vorlag, siehe oben, Kap. 2 B. I.; dennoch trifft die Aussage die beabsichtigte Außenwirkung der SED-Führung recht passend. 53 Zentral-Sekretariat der SED, Die Grundrechte des Deutschen Volkes, passim. Die Wendung „Die Grundrechte des deutschen Volkes“ hat eine lange verfassungsgeschichtliche Tradition, an die wohl bewusst angeknüpft wurde. So war Abschnitt VI der Paulskirchenverfassung mit „Die Grundrechte des deutschen Volkes“ überschrieben, ebenso das der Verfassung vorausgehende – und später aufgehobene – Reichsgesetz, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes vom 27. Dezember 1848, RGBl. S. 49 u. 57 (1848). Vgl. dazu: Pauly, Die Verfassung der Paulskirche und ihre Folgewirkungen, in: HdStR I, § 3 Rdnr. 28 f. Auch Abschnitt II des zweiten Preuß-Entwurfs für eine Verfassung des Deutschen Reichs vom 20. Januar 1919 ist derart betitelt, abgedruckt in: Triepel, Nr. 10 (S. 10 ff.). 54 Vgl. dazu auch: Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 54 f. 55 Vgl. Zentral-Sekretariat der SED, Die Grundrechte des Deutschen Volkes, S. 4. Schon die Einleitung zu diesem Katalog an Forderungen stellte fest: „Durch eine föderalistische und separatistische Politik ist die Reaktion in den verschiedenen Gebieten unserer deutschen Heimat am Werk, die Aufteilung Deutschlands in Einzelstaaten herbeizuführen“, ebd., S. 1.
B. Der Weg zum SED-Verfassungsentwurf des Jahres 1946
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Nach Willi Barth (SED) enthalte das Papier eine Gruppe von Bestimmungen, die sämtlich dem künftigen Ausbau der Reichsgewalt dienten; davon sah er als eine der wichtigsten an: Den Grundsatz der einheitlichen deutschen Republik [. . .] (also eine Absage an den Föderalismus).57
III. Die Beratungen des Verfassungsausschusses am 11. November 1946 – Absage an eine Ländervertretung in nuce Nach der Zustimmung aus Moskau, die es der SED erlaubte einen eigenen Verfassungsentwurf zu präsentieren, der den föderalistischen Plänen der Westalliierten entgegengestellt werden konnte, beschloss das SED-Zentralsekretariat am 8. November 1946 für den 11. November 1946 einen Verfassungsausschuss einzusetzen, der den bereits vorliegenden Entwurf in die endgültige Form bringen sollte.58 Mit der Ausgestaltung des Präsidiums des Parlaments und der Entsendung von Ländervertretern in selbiges war die Mehrheit der Mitglieder des Verfassungsausschusses keineswegs einverstanden. Helmut Lehmann, Mitglied des Politbüros, führte diesbezüglich aus: Nun das Präsidium! Es ist schliesslich [sic!] nichts anderes als der Bundesrat oder Reichsrat, wenn das Präsidium so zusammengesetzt ist, wie es hier vorgeschlagen ist, mit einer kleinen Verbrämung.59 56 Grotewohl, Einheit 1946, 329 (331). Wenige Wochen vor der Publikation der „Grundrechte des deutschen Volkes“, am 6. September 1946, hielt der amerikanische Außenminister Byrnes seine berühmte Stuttgarter Rede, die Ausgangspunkt einer bizonalen Konzeption im Westen wurde. Als Reaktion hierauf kommentierte Ulbricht: „Man kann Deutschland, das in Jahrhunderten zu einem einigen Deutschen Reiche geworden ist, nicht künstlich zergliedern, wenn man verschiedene Teile Deutschlands nicht gerade in Dominions [also Kolonien, d. Vf.] verwandeln will“, ders., Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, S. 42. Deutlicher wurde rückblickend ein von der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ ausgearbeitetes – nur für den internen Gebrauch bestimmtes – Lehrbuch, das über die „Grundrechte des Deutschen Volkes“ vermerkte: „Deutschland soll kein föderatives Staatsgebilde, sondern ein Einheitsstaat werden“, Karl-Marx-Universität Leipzig – Fakultät für Journalistik, Das Staatsrecht der Deutschen Demokratischen Republik, S. 32. 57 „Die Grundrechte des deutschen Volkes“, Vortrag von Willi Barth vor Geraer Funktionären am 5. November 1946“, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/231, Bl. 63. 58 Zu den außenpolitischen Prämissen und der Zustimmung der Sowjetführung zur weiteren Ausarbeitung des Entwurfs, vgl. ausführlich: Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 57 ff. 59 Verfassungsausschuss der SED, Sitzung am 11. November 1946, in: SAPMOBArch, DY 30/IV 2/1.01/23, Bl. 36.
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Kap. 2: Verfassungsvorstellungen in der sowjetischen Besatzungszone
Dass man sich durchaus von taktischen Erwägungen60 leiten ließ, zeigen die Äußerungen Grotewohls: Gestalten wir ihn [den Verfassungsentwurf, d. Vf.] so, dass er der Ausdruck unserer prinzipiellen Auffassungen über die Frage des Einheitsstaates wird [. . .] so würde vermutlich ein Verfassungsentwurf zustande kommen, der in einigen grundsätzlichen Fragen keine Aussicht hätte, als ernsthafte Diskussionsgrundlage in Deutschland und bei den Alliierten [. . .] gewertet zu werden, dann wäre unsere Arbeit zwecklos.61
Damit war klar, dass die Bestimmungen, die das Verhältnis von Ländern und Republik regelten, hätte man freie Hand einen anderen Geist atmen würden. Polak, der den Anwesenden den bereits vorliegenden Entwurf erläuterte, stellte die wichtigsten Grundaussagen des Entwurfs vor: Das Parlament als der höchste Willensträger duldet kein Gegengewicht neben [etwa eine zweite Kammer, d. Vf.] und auch keinen Herren über sich. Daraus ergab sich weiter die Forderung der Abschaffung des Staatsgerichtshofs.62 Der Staatsgerichtshof ist immer eine Zweite Kammer; möge er sich in seinen Entscheidungen noch so juristisch gebärden, sie sind immer politische Entscheidungen und immer Entscheidungen zugunsten der reaktionären Kräfte.63
Das Konzedieren einer gewissen Länderautonomie („Wir sind nicht für einen öden Zentralismus“64) sah Polak gelassen. Habe man erst in der Verfassung die „[. . .] bestmöglichen Voraussetzungen für die Entfaltung eines politischen Kampfes [. . .]“ geschaffen, fördere man dadurch für die Zukunft „[. . .] die einheitliche Ausrichtung der Willensbildung in allen Ländern auf das maximalste“, wenngleich man derzeit die Länder „[. . .] als selbststän60 Zu Fragen der Taktik bei Schaffung der ersten DDR-Verfassung und deren Verbrämung, um bürgerliche Parteien wie (Ost-)CDU und LDPD, die damals noch in beschränktem Maße zu eigener Willensbildung fähig waren, einzubinden, vgl. auch: Müller-Römer, AöR 95 (1970), 528 (531). 61 Verfassungsausschuss der SED, Sitzung am 11. November 1946, in: SAPMOBArch, DY 30/IV 2/1.01/23, Bl. 4; Karl Steinhoff entgegnete Grotewohl: „Ich halte es für den Eintritt in Verhandlungen mit sehr gewandten und äußerst gerissenen Gegnern, vor allem solchen, die aus einer ganz anderen Welt kommen, nicht für zweckmäßig, einen solchen Kompromißentwurf vor vornherein vorzulegen, sondern man sollte ihn wenigstens etwas auf unsere Grundsätze steuern, um nachher in einem Kompromiß – das gebe ich zu – vielleicht dahin zu kommen, wo man jetzt in diesem Entwurf angelangt ist“, ebd., Bl. 32. 62 Wohl erinnerte man sich an die Worte Carl Schmitts, der den Staatsgerichtshof der Weimarer Zeit als „[. . .] spezifisch bundesstaatliche (föderalistische) Einrichtung“ charakterisierte, ders., Der Hüter der Verfassung, S. 54. Ein so beschriebenes Organ musste für die SED inakzeptabel sein. 63 Verfassungsausschuss der SED, Sitzung am 11. November 1946, in: SAPMOBArch, DY 30/IV 2/1.01/23, Bl. 9. 64 Ebd., Bl. 11; vgl. auch: Grotewohl, Im Kampf um die einige DDR, Bd. I, S. 87.
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dige, politische und staatsrechtliche Körperschaften [. . .]“ keineswegs ignoriere.65 Die Möglichkeit einer föderativen Willensbildung im zentralen Maßstab sei, so Polak, allerdings ausgeschlossen: [Der] Reichsrat, dieses Erbe des berüchtigten Bismarck’schen Bundesrats, diese Mißgeburt der deutschen Einheit, verschwindet aus unserem Projekt.66
Dafür entsende jedes Land in das Präsidium des Parlaments einen Vertreter: In diesem wichtigen Organ, das die Entscheidungen zwischen Ländern und der Gesamtrepublik oder zwischen einzelnen Ländern fällt, hat also jedes Land seinen Vertreter.67
Acker konnte der Entsendung von Ländervertretern in das Präsidium nichts Positives abgewinnen. Als Nichtmitglieder des Parlaments könnten sie an keiner Abstimmung im Plenum teilnehmen und seien daher eigentlich Fremdkörper; in diesen „[. . .] großen Staatsausschuss [. . .]“68 sollten nur Vertreter des Parlaments entsandt werden. Karl Steinhoff pflichtete den Ausführungen Ackers bei. Den Grund, warum man Ländervertreter in das Präsidium aufgenommen hatte, sprach Steinhoff endlich klar aus: Unabhängig davon [der Benennung des Präsidiums, d. Vf.] wollen wir, um den Reichsrat zu umgehen oder den anderen den Wind aus den Segeln zu nehmen, die Ländervertreter ins Präsidium aufnehmen.69
Dennoch sei die Frage der Zusammensetzung des Präsidiums, so Steinhoff, ein Punkt, der ungemein kitzlig sei und Unbehagen bereite70: Wir müssen davon ausgehen, dass jenseits der Elbe Parlamente entstehen werden, die im wesentlichen Rechtskurs steuern, so dass die Ländervertreter im Präsidium der Republik abgesehen von den Mitgliedern aus der sowjetischen Zone aus lauter rechtsgerichteten Leuten bestehen werden [. . .].71 Wir geben also eine ganz ge65 Vgl. Verfassungsausschuss, der SED, Sitzung am 11. November 1946, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/1.01/23, Bl. 11 f. In diesem Sinne auch Grotewohl in einer späteren – für die Öffentlichkeit bestimmten – Analyse des Verfassungsentwurfs: „[U]nsere Stellungnahme gegen die staatsrechtliche Aufsplitterung Deutschlands hat nichts zu tun mit der Frage der Verwaltungsautonomie, ja sogar der Staatlichkeit der Länder [. . .]. Wir lassen die deutschen Länder keineswegs zu bloßen Provinzen herabsinken“, ders., Deutsche Verfassungspläne, S. 56. 66 Vgl. Verfassungsausschuss, der SED, Sitzung am 11. November 1946, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/1.01/23, Bl. 12. 67 Ebd. 68 Ebd., Bl. 31. Beachtenswert ist hier die Parallele zu dem 1960 geschaffenen Staatsrat. 69 Ebd., Bl. 34. 70 Ebd., Bl. 35. 71 So auch Acker: „[Wir] wollen uns da keine Illusionen machen. Wenn jetzt ein deutsches Parlament gewählt wird, so wird es eine bürgerliche Mehrheit haben, und diese wird das Präsidium besetzen“, ebd., Bl. 36.
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Kap. 2: Verfassungsvorstellungen in der sowjetischen Besatzungszone
fährliche Macht einem anonymen Gremium, auf dessen Zusammensetzung wir, was die Vertreter der Länder betrifft, nicht den geringsten Einfluss haben, in die Hand. Deswegen müsste man die Ländervertretung weglassen, oder wenn sie schon hineinkommen, die Zahl der Parlamentvertreter [sic!] so hoch schrauben, dass die Möglichkeit besteht, die Ländervertreter zu überstimmen.72
Schließlich sah Steinhoff noch folgende Gefahr: Das Parlament hat man in der Hand; es ist ein Gremium, das durch Kompromiß zu bestimmten Konzessionen gebracht werden kann. Die Ländervertreter aber sagen: Was geht uns das Parlament an; wir handeln nach den Länderweisungen und sind nicht geneigt, das aufzugeben.73
In der Endfassung der SED-Verfassungsentwurfs strich man diese zweite Kammer eigener Art dann auch und betraute das Präsidium ausschließlich mit der Geschäftsführung des Parlaments, vgl. Art. 47.74 In der nach der Sitzung des Verfassungsausschusses eingesetzten Kommission, die mit der Erstellung der endgültigen Fassung beauftragt war75, überwogen wohl die Bedenken, Ländervertreter in das Präsidium mit aufzunehmen und diesem eine Stellung als „Staatsausschuss“ zuzubilligen.76 Nur die Funktion als parlamentsimmanenter Verfassungsgerichtshof blieb, wenn es gem. Art. 49 des SED-Entwurfs vom 14. November 1946 dem Präsidium oblag, bei Verfassungsstreitigkeiten zwischen der Republik und den Ländern oder Ländern untereinander zu entscheiden.
IV. Der Verfassungsentwurf der SED vom 14. November 1946 als Programm ohne Konzessionen Grotewohl referierte auf der 7. Tagung des Parteivorstands am 14. November 1946 über den Verfassungsentwurf. Da bekannt geworden sei, dass der ehemalige Reichskanzler Josef Wirth in der Schweiz im Auftrag der Engländer und Amerikaner an einem Verfassungsentwurf 77 „[. . .] auf föde72
Ebd., Bl. 34 f. Ebd., Bl. 35. 74 Vgl. den „Entwurf einer Verfassung für die deutsche demokratische Republik“ vom 14 November 1946, abgedruckt in: Grotewohl, Deutsche Verfassungspläne, S. 85 ff. 75 Vgl. Verfassungsausschuss der SED, Sitzung am 11. November 1946, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/1.01/23, Bl. 46. 76 „Die Änderung des Präsidiums ist so durchgeführt, wie wir es besprochen haben“, Übersicht der vorgenommenen Änderungen am Verfassungsentwurf (wohl von Polak für Grotewohl erstellt), undatiert, in: Nachlass Grotewohl, SAPMO-BArch, NY 4090/379, Bl. 6. 77 Diese Denkschrift einer künftigen Verfassung von Josef Wirth, Reichskanzler a. D., Otto Braun, vormals preußischer Ministerpräsident, Wilhelm Hoegner, später bayerischer Ministerpräsident, Jakob Kindt-Kiefer, Schriftsteller, und Heinrich G. 73
B. Der Weg zum SED-Verfassungsentwurf des Jahres 1946
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ralistischer Grundlage [. . .]“ arbeite, der dann zur Grundlage alliierter Beratungen werden könne, sei seitens der SED eine schnelle Entscheidung erforderlich.78 In den bisher verabschiedeten Länderverfassungen im Westen bestünde weiterhin keinerlei „[. . .] Einheitlichkeit [. . .]“79: Nach diesen Verfassungen ist also die Gefahr vorhanden, daß ein Föderalismus entwickelt wird, der nicht den bundesstaatlichen Gedanken einer engeren Zusammenfassung der Länder zum Ausdruck bringt, sondern den stark auseinanderstrebenden partikularistischen Tendenzen zum Siege verhilft.80
Grotewohl legte den Vorstandskollegen auch die verschiedenen Auffassungen der alliierten Außenminister über die zukünftige Staatsorganisation Deutschlands dar; nur Molotow wolle das Volk selbst über die Frage Föderativ- oder Einheitsstaat abstimmen lassen und sehe dies als „[. . .] Kardinalpunkt [. . .“]81. Mit der zumindest auf westalliierter Seite propagierten FödeRitzel, Oberregierungsrat und später Mitglied des Bundestages (SPD), die als „Das Demokratische Deutschland – Grundsätze und Richtlinien für den deutschen Wiederaufbau im demokratischen, republikanischen, föderalistischen und genossenschaftlichen Sinne“ überschieben ist, forderte in staatsorganisatorischer Hinsicht die „Errichtung der Deutschen Bundesrepublik (DBR) (‚Gliederung des deutschen Reiches in Länder unter Wahrung des Selbstbestimmungsrechtes der Bevölkerung. Zusammenschluss der Länderrepubliken zu einem deutschen Bundesstaat‘), in der [. . .] die Gliedstaaten [. . .] an der Gesetzgebung des Bundes durch eine Länderkammer beteiligt [. . .]“ sind. Die Denkschrift findet sich in: Nachlass Grotewohl, SAPMOBArch, NY 4090/635, Bl. 47 ff.; zu Wirths Rolle in der Nachkriegszeit und der Arbeitsgemeinschaft „Das Demokratische Deutschland“ vgl. Küppers, S. 314 ff. 78 Vgl. 7. außerordentliche Tagung des Parteivorstands der SED am 14. November 1946, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/1/12, Bl. 4. 79 Ebd., Bl. 5. 80 Ebd., Bl. 6. Deutlicher wurde später Anton Plenikowski: „Die Reaktion weiß, daß sie ihre Machtposition in einem einigen Deutschland nicht zu sichern vermag. Deshalb versucht sie, Deutschland in Einzelstaaten zu zerschlagen und durch Schaffung so reaktionärer Verfassungen wie die bayerische, durch Bildung solcher Organe wie den Länder- und Volksrat, den Weg zur erneuten Aufrichtung einer autoritären Herrschaft des deutschen Monopolkapitals zu eben“, ders., DA 1947, 1. 81 7. außerordentliche Tagung des Parteivorstands der SED am 14. November.1946, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/1/12, Bl. 6. Die Frage eines Referendums über den Staatsaufbau Deutschlands ging zurück auf einen Beschluss des Politbüros der VKP(b) vom 13. Juni 1946 und wurde nachfolgend immer wieder aufgegriffen; in diesem Beschluss hieß es unter Punkt 9: „Die Vorschläge der Alliierten, Deutschland in einen Staatenbund zu verwandeln, dessen Mitglieder sich ungehindert von Deutschland loslösen können, verdienen Beachtung. Was uns betrifft, so zweifeln wir an der Richtigkeit eines solchen Vorschlags. Sollte sich das deutsche Volk im Ergebnis eines gesamtdeutschen Plebiszits jedoch für die Umwandlung Deutschlands in einen Bundesstaat aussprechen oder im Zuge des Volksentscheids in den einzelnen ehemaligen deutschen Staaten für die Abtrennung von Deutschland votieren, so wird es unsererseits natürlich keine Einwände geben“, zit. nach: Laufer/Kynin, Die UdSSR und die deutsche Frage 1941–1948, Bd. 2, Anm. 397 (S. 733 f.), vgl. dazu auch: dies., Die UdSSR und die deutsche Frage 1941–1948, Bd. 3, Dok. 41 (S. 164 f.). In
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ralisierung, so Grotewohl, stehe man als Partei mit einer „[. . .] klaren und eindeutigen Formulierung der Einheit Deutschlands ziemlich einsam da.“82 In der sich anschließenden Vorstellung der einzelnen Bestimmungen merkte Grotewohl zur Stellung des Parlaments83 an, dass dieses der einzige und alleinige Träger des Volkswillens sei; dies komme dadurch zum Ausdruck, dass weder ein Staatspräsident noch eine zweite Kammer vorgesehen sei, die „[. . .] irgendwelche Verfassungsbestimmungen oder irgendwelche Rechte des Volkes [. . .]“ außer Kraft setzen könnten.84 Auch Wilhelm Koenen (SED)85, später Leiter des gemeinsamen Sekretariats der Volks- und Länderkammer, rief in der sich an das Referat Grotewohls anschließenden Aussprache aus: Die Kräfte, die den Föderalismus in Deutschland durchsetzen und den Zentralismus verhindern wollen, sind die Kräfte der Reaktion. Sie wollen das bekannte Wort ‚Teile und herrsche‘ in die Wirklichkeit umsetzen.86 der SED stieß dieses Ansinnen nur vordergründig auf Interesse, so berichtet Tjulpanow (Chef der „Verwaltung Information“ der SMAD) an Semjonow, Politischer Berater der SMAD: „In diesem Zusammenhang muß auch darauf hingewiesen werden, daß die Forderung nach einem Volksentscheid über den künftigen Staatsaufbau Deutschland (ein einheitliches oder föderalistisches Deutschland), die in einigen Parteidokumenten erhoben wird, nur auf dem Papier steht: eine breitangelegte Kampagne wurde nicht entfaltet, zudem sind in der SED der Ostzone und in der Kommunistischen Partei der Westzonen in letzter Zeit vermehrt Stimmen zu vernehmen, die sich mit der Zweiteilung Deutschlands abfinden und diese als vollendete Tatsache hinnehmen“, Bericht Tjulpanow an Semjonow vom 22. Juli 1947, in: ebd., Dok. 89 (S. 344). Zu Sergei Tjulpanow und seiner Stellung, vgl.: Perkow, Verwaltung Information, in: SMAD-Handbuch, S. 243 (243 ff.); Möller/Tschubarjan, SMAD-Handbuch, S. 716 f. Zu Semjonow, vgl. oben, Kap. 2 B. I. (Fn. 45). 82 Vgl. 7. außerordentliche Tagung des Parteivorstands der SED am 14. November 1946, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/1/12, Bl. 9. 83 Vgl. dazu auch die Ausführungen des seinerzeitigen sächsischen Ministerpräsidenten Rudolf Friedrichs (SED), der kommentierte, man habe das Parlament im Entwurf so geschaffen, dass in seinen Händen die Gesetzgebung ausschließlich liege, d.h. „[. . .] unter Ausschaltung jedes anderen Organs der Staatsgewalt“, ders., Einheit 1947, 30 (32). 84 Vgl. 7. außerordentliche Tagung des Parteivorstands der SED am 14. November 1946, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/1/12, Bl. 10; in diesem Sinne auch: Ulbricht, Einheit 1946, 257 (263). 85 Von 1920–1932 MdR (KPD), vgl. Bureau des Reichstags, Reichstags-Handbuch V. Wahlperiode 1930, S. 395, MdL Preußen 1932/33, 1946–1963 Mitglied des Parteivorstands bzw. ZK der SED, 1946–1948 Landesvorsitzender der SED in Sachen (zusammen mit Otto Buchwitz), 1946–1950 MdL Sachsen, ab 1948 MdVR bzw. MdVK, bis 1958 Leiter des gemeinsamen Sekretariats der Volks- und Länderkammer im Range eines Staatssekretärs, vgl. Volkskammer der DDR, Handbuch der Volkskammer, S. 328. 86 7. außerordentliche Tagung des Parteivorstands der SED am 14. November 1946, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/1/12, Bl. 17 f.
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Die 7. Außerordentliche Tagung des Parteivorstands am 14. November 1946 stimmte dem Verfassungsentwurf schließlich zu.87 Den Entwurf übersandte man auch Konrad Adenauer, der sich eine Spitze gegen die „[. . .] Herren Pieck und Grotewohl [. . .]“ nicht verkneifen mochte: Für die Übersendung Ihres Verfassungsentwurfs danke ich Ihnen. [. . .] Die Aufmachung Ihres Entwurfes mit dem breiten Notizrand ist sehr zweckmäßig.88
Der Verfassungsentwurf enthielt im Wesentlichen alle Grundforderungen der SED an den zu schaffenden Staat und war insofern ehrlicher als die spätere Arbeit im Verfassungsausschuss des Deutschen Volksrates. Während dessen Arbeit wurde zwar vieles was seitens der SED auf Ablehnung stieß ausgesprochen, fand jedoch im Verfassungstext keinen Widerhall. Der SEDEntwurf des Jahres 1946 musste auch (noch) keine Rücksicht auf das bürgerliche Lager und seine Verfassungsvorstellungen nehmen. In ihm war politisch wenig konzediert, so kannte er etwa keine Mitwirkungsrechte der Länder. Doch allein die Zeit war noch nicht reif, die Machtbasis der SED nicht ausreichend konsolidiert und damit keine Möglichkeit vorhanden, ihm in näherer Zeit Geltung zu verschaffen.89
V. Die zweite Kammer als Antipode der Verfassungsvorstellungen der SED Der Verfassungsentwurf wurde schließlich den Vertretern der In- und Auslandspresse noch am selben Tag vorgestellt. Auf dieser Pressekonferenz führte Grotewohl aus: Die Erfahrungen der Weimarer Republik lehren uns, dass für das kommende Verfassungswerk Deutschlands alle diktatorischen Institutionen aus der Verfassung herauszubrechen sind, und die Machtstellung der wirklich demokratischen Elemente weitgehendst [sic!] zu stärken ist. Das trifft besonders auf das Parlament 87 Vgl. 7. außerordentliche Tagung des Parteivorstands der SED am 14. November 1946, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/1/13, Bl. 1. 88 Brief Adenauer an Pieck und Grotewohl vom 13. Januar 1947, in: SAPMOBArch, DY 30/IV 2/13/231, Bl. 146. 89 Zudem sollte die Entwicklung der deutschen Verhältnisse auch nach sowjetischen Vorstellungen ihren Ausgang von einer bürgerlichen Ordnung nehmen, deren anfängliche Etablierung den Westen zufriedenstellen und die innerdeutschen Widerstände minimieren sollte; implicite auch durch die Schaffung eines Mehrparteiensystems mit verborgenen demokratiewidrigen Merkmalen (Blocksystem), vgl. Wettig, Abhängigkeiten und Handlungsspielräume der SBZ/DDR im Verhältnis zur UdSSR, in: EK-BT, Bd. VIII/3, S. 2547 (2548). So sprach auch Ulbricht davon, man müsse zunächst die bürgerlich-demokratische Revolution von 1848 vollenden, vgl. ders., Geschichte der Arbeiterbewegung, Bd. II, S. 435 f.
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Kap. 2: Verfassungsvorstellungen in der sowjetischen Besatzungszone
zu. Es darf in unserer Verfassung darum kein selbstständiger Willensträger neben dem Parlament aufkommen. Wir haben darum die Institutionen des Reichspräsidenten, des Reichsrates und des Staatsgerichtshofes beseitigt.90
Arthur Baumgarten, später Präsident der Deutschen Akademie für Staatsund Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“, übersandte seinen Genossen eine Stellungnahme zum Verfassungsentwurf. In diesem Dokument nahm er auch zu der Frage der zweiten Kammer Stellung, die der SED-Entwurf nicht kannte: Ein demokratischer Staat braucht, wenn man die besonderen Verhältnisse des Bundesstaats zunächst unbeachtet lässt, ein [Unterstreichung im Original, d. Vf.] Parlament. Das Zweikammersystem ist nichts weniger als eine demokratische [hier handelt es sich wohl um einen Schreibfehler, gemeint: undemokratische, d. Vf.] Institution. Es hat auch nichts mit der Idee des Rechtsstaates zu tun. Es hat sich, soviel ich sehen kann, stets ausgewirkt als eine Schmälerung der Demokratie zugunsten einer herrschenden Schicht.91
Baumgarten folgerte daher: Immerhin hatte die Weimarer Republik in höherem Grade föderativen Charakter als die Republik des Entwurfs. Das geht mit besonderer Deutlichkeit daraus hervor, dass sie [. . .] den entsprechenden Reichsrat besass [sic!] als eine Vertretung der Länder, während der Verfassung des Entwurfs ein solches Organ unbekannt ist. [. . .] In der gegenwärtigen geschichtlichen Situation scheint mir für Deutschland der Einheitsstaat den Vorzug vor dem Bundestaat zu verdienen. Man sollte alles Partikulare, Besondere, Regionale zurückstellen um im staatlichen Leben eine einmütige Kollektivarbeit in die Wege zu leiten.92
Der SED-Entwurf wurde auch propagandistisch begleitet. So beginnt ein Manuskript für eine Rundfunksendung des Mitteldeutschen Rundfunks vom 19. November 1946, ausgearbeitet von Götz Berger, stellvertretender Leiter der Abteilung Justiz im ZK der SED, mit der rhetorischen Frage „Führt der Einheitsstaat zu einem totalitären Regime?“93 „Reaktionäre föderalistische Kreise [. . .]“ spekulierten zur Verfolgung ihrer „[. . .] dunklen Ziele [. . .]“ auf die Liebe der Bevölkerung zu ihrer Heimat und versuchten ihren Föderalismus als eine demokratische Forderung hinzustellen, wobei heute gelten müsse: „Deutschland wird eine einheitliche 90
Grotewohl über den Verfassungsentwurf anlässlich der Pressekonferenz vom 16. November 1946 im Zentralhaus der Einheit zu Berlin, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/1.01/24, Bl. 9. Über die Stellung des Parlaments und die Ablehnung von „[. . .] Bremsen [. . .]“ sowie eines irgendwie gearteten Regulativs, vgl. auch: Grotewohl, Im Kampf um die einige DDR, Bd. I, S. 84 f. 91 „Referat über den Verfassungsentwurf“ von Arthur Baumgarten vom 4. März 1947, in: Nachlass Ulbricht, SAPMO-BArch, NY 4182/1104, Bl. 108. 92 Ebd., Bl. 120. 93 Vgl. Nachlass Grotewohl, SAPMO-BArch, NY 4090/379, Bl. 66.
B. Der Weg zum SED-Verfassungsentwurf des Jahres 1946
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demokratische Republik werden oder das Ende Deutschlands wird gekommen sein.“94 Anlässlich einer Kundgebung im „Palast“ zu Berlin am 19. November 1946, setzte sich Grotewohl erneut mit dem Verfassungsentwurf auseinander. Gegenüber den Westalliierten, die eine föderalistische Aufsplitterung Deutschlands präferierten, so Grotewohl, wolle die Sowjetunion mit Molotow das deutsche Volk über die Frage Föderativ- oder Einheitsstaat abstimmen lassen.95 Man müsse ferner mit Sorge feststellen, dass versucht werde einen Föderalismus zu entwickeln, dem nicht nur die bundesstaatlichen Gedanken einer engeren Zusammenfassung der Länder, sondern stark partikularistische Tendenzen zu Grunde lägen.96 Darum verlangten die Vertreter der föderalen Demokratie zur angeblichen Kontrolle des Parlaments eine zweite Kammer oder einen Senat mit berufsständischer Zusammensetzung.97 Auch glaube man nicht, so Grotewohl, dass eine föderalistische Aufspaltung Deutschlands dem Frieden diene; ein einheitliches Deutschland sei ebenso wenig eine Gefahr für die Welt, wie es ein einheitliches Frankreich oder Italien gewesen sei.98 Deutschland solle eine unteilbare Republik, gegliedert in Länder sein.99 Die Aufgaben der Länder waren nach Grotewohls Vorstellungen denkbar bescheiden: Die Aufgabe der Länder [. . .] ist es, gesellschaftliche Einrichtungen zur Befriedigung allgemeiner Bedürfnisse und zur Hebung der Lebenshaltung zu schaffen.100
Die Länder behielten das Recht zur Gesetzgebung, soweit die Republik von ihrer Kompetenz-Kompetenz keinen Gebrauch mache.101 94
Ebd., Bl. 70 f. Vgl. Kundgebung der SED am 19. November 1946, Rede Grotewohls über den Verfassungsentwurf, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/1.01/25, Bl. 4 f.; die Rede ist abgedruckt in: Grotewohl, Die Verfassung für die DDR, S. 5, passim. 96 Vgl. Kundgebung der SED am 19. November 1946, Rede Grotewohls über den Verfassungsentwurf, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/1.01/25, Bl. 6 f. 97 Ebd., Bl. 7. 98 Vgl. ebd., Bl. 10; vgl. dazu auch die Ansicht Grotewohls, wonach Deutschland aufgrund seines homogenen Staatsvolkes und seiner geringen Größe keine bundesstaatliche Verfassung bräuchte, Grotewohl, Einheit 1946, 329 (329 f.); zur Auffassung der SED, die Sicherung vor erneuten deutschen Expansionsgelüsten sei keine Frage der Staatsform, vgl. Bender, S. 39. 99 Kundgebung der SED am 19. November 1946, Rede Grotewohls über den Verfassungsentwurf, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/1.01/25, Bl. 21. 100 Ebd. 101 Ebd. 95
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Kap. 2: Verfassungsvorstellungen in der sowjetischen Besatzungszone
In dieser Form entstehe, so Grotewohl, der Einheitsstaat mit dezentralisierter Verwaltung.102 Im Zuge der Verlagerung des politischen Blickwinkels auf die Schaffung der Länderverfassungen und der gegenwärtig noch nicht vorhandenen Möglichkeit der Durchsetzung einer (über-)zonalen Verfassung, wurde der Verfassungsentwurf schließlich ad acta gelegt.103
102 103
Vgl. ebd. Vgl. Braas, S. 54.
Kapitel 3
Der Weg zur Schaffung der Länderkammer – Die Beratungen im Verfassungsausschuss des Deutschen Volksrates A. Rezeption vergangener Staatstradition oder Schaffung von Neuem als Prämissen der Länderkammer Die Arbeit des Verfassungsausschusses1 begann mit der konstituierenden Sitzung am 15. April 1948 auf der Otto Grotewohl (SED) zum Vorsitzenden 1 Die Wahl der Ausschussmitglieder fand auf der 1. Tagung des Deutschen Volksrates am 19. März 1948 statt, vgl. BArch, DA 1/3, Bl. 58 f.; anlässlich dieser Sitzung befasste man sich auch damit, welche Frage dem Volksbegehren (um Einheit und gerechten Frieden) für den Volksentscheid, das vom 23. Mai bis 13. Juni 1948 stattfand, zu Grunde gelegt werden solle; man müsse deutlich machen, so Pieck, dass man sich „[. . .] einzeichne für eine einheitliche deutsche demokratische Republik in der Form und mit den Rechten, die die Länder nach der Weimarer Verfassung gehabt haben“, ebd., Bl. 43; dagegen wandte sich ein namentlich nicht genannter Zwischenrufer: „Soll das unbedingt gelten, dass die Länder die Rechte behalten, die sie in der Weimarer Verfassung gehabt haben? Dagegen wären u. U. Einwendungen zu erheben. Wir werden bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung u. U. die Rechte, die die Länder nach der Weimarer Verfassung gehabt haben, revidieren müssen. Ich möchte also vorschlagen, etwas vorsichtiger zu formulieren“, ebd.; Max Reimann von der KPD, später Mitglied des Parlamentarischen Rates, bemerkte dazu: „Es ist absolut richtig, wenn wir im zweiten Satz schreiben, dass die Länder ungefähr die Rechte der Weimarer Verfassung haben sollen. Das spielt für den Westen Deutschlands eine entscheidende Rolle. Wie das nachher im einzelnen gestaltet wird, ist eine völlig andere Frage“, ebd., Bl. 44; Wortlaut des Volksbegehrens: „Die Unterzeichneten ersuchen die Oberbefehlshaber der Streitkräfte [. . .] jeder in seiner Besatzungszone und auch in seiner Eigenschaft als Mitglied des Kontrollrats, folgendes Gesetz zu beschließen oder einen Volksentscheid darüber anzuordnen:Gesetz über die Einheit Deutschlands §1 Deutschland ist eine unteilbare demokratische Republik, in der den Ländern ähnliche Rechte zustehen sollen, wie sie die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 enthielt. §2 Dieses Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.“ Zitiert nach: Schultes, NJ 1948, 97 (99); das Volksbegehren wurde im Westen verboten, vgl. zur Volkskongressbewegung umfassend: Bender, S. 112 ff., 234 ff.; Zie-
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
und Reinhold Lobedanz (CDU), der spätere erste Präsident der Länderkammer, zum Stellvertreter gewählt wurden2 und setzte sich anlässlich der nachfolgenden Zusammenkünfte hauptsächlich mit einleitenden Referaten3 und dem – vergeblichen – Anliegen bedeutende Verfassungsjuristen4, insbesondere aus dem Westen, für die Arbeit des Verfassungsausschusses zu gewinnen, fort. Die Arbeiten des Verfassungsausschusses zeichneten sich zu Beginn dadurch aus, dass die Mitglieder selbst im Unklaren darüber waren, wie man in die Beratungen um eine zu schaffende Verfassung hineinfinden sollte. Treffend führte dies Polak aus, der es als entscheidende Frage ansah, sich über das Problem der Verfassungstradition klar zu werden.5 ger/Zieger, Die Verfassungsentwicklung in der SBZ/DDR, S. 122 ff.; Koch, Volkskongreßbewegung und Volksrat, in: SBZ-Handbuch, S. 349, passim. Zur politischen Zusammensetzung der Volkskongresse, vgl. Schöneburg/Mand/Leichtfuß u. a., Vom Werden unseres Staates. Bd. 1, S. 333 ff. und Koch, Volkskongreßbewegung und Volksrat, in: SBZ-Handbuch, S. 349 (355 ff.). 2 Vgl. auch das Verzeichnis der Mitglieder und Beschlussprotokoll der konstituierenden Sitzung, in: BArch, DA 1/3318, Bl. 1 ff.; zu den Verfassungsvätern und -müttern ausführlich: Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 232 ff. 3 Als einleitende Referate waren vorgesehen: Alfred Meusel (KB/SED), Das Verfassungsproblem in der geschichtlichen Entwicklung Deutschlands, Peter A. Steiniger (SED), Hat das deutsche Volk ein Recht auf Selbstbestimmung seiner Verfassung?, Karl Polak (SED), Die Weimarer Verfassung, ihre Errungenschaften und Mängel, Johannes Dieckmann (LDPD), Die gegenwärtigen Landesverfassungen in Deutschland, Helmut Brandt (CDU), Die Verfassungsentwürfe und Verfassungspläne der deutschen Parteien; vgl. die Übersicht, in: VerfA, 2. Sitzung am 27. April 1948, in: BArch, DA 1/149, Bl. 12 f. Vgl. auch Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 155 ff. und: Deutscher Volksrat – Sekretariat, Informationsdienst, 1. Jahrgang, August 1948, Nr. 3, S. 29 ff. Aufgrund Meusels Absage übernahm Polak das gleichlautende Referatsthema, vgl. dazu: Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 159 f. Bis auf das Referat von Brandt sind alle Vorträge separat in der Schriftenreihe des Deutschen Volksrates erschienen (vgl. Literaturverzeichnis); Brandts Referat findet sich in: VerfA, 6. Sitzung am 22. Juni 1948, in: BArch, DA 1/152, Bl. 38 ff., sowie in: Deutscher Volksrat – Sekretariat, Informationsdienst, 1. Jahrgang, August 1948, Nr. 3, S. 34 ff.; vgl. zu Brandts Referat auch: Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 171 f. 4 Grotewohl: „Ich denke noch an Radbruch, es sollte auch an ihn geschrieben werden. Man sollte versuchen, mit einem Kreis von 15–20 Herren die Verbindung aufzunehmen, und zwar möglichst kurzfristig“ und weiter: „Ich werfe die Frage grundsätzlich auf, dass es nicht vorteilhaft ist, von uns aus als Verfassungsausschuss des Deutschen Volksrates an sie herantritt. Man müsste erst vorsichtig an die Tür klopfen. Der Weg der persönlichen Verbindung muss bevorzugt werden“, VerfA, 2. Sitzung am 27. April 1948, in: BArch, DA 1/149, Bl. 23. 5 „Die Frage ist klar zu entscheiden: welche Tradition setzen wir fort, und welche Tradition verwerfen wir? Inwieweit überwinden wir das Alte, und inwieweit setzen wir Neues an seinen Platz, und woher nehmen wir eigentlich die Kraftquel-
A. Rezeption vergangener Staatstradition
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Anlässlich der 5. Sitzung des Verfassungsausschusses am 8. Juni 1948 auf der Karl Polak über die „Weimarer Verfassung – Ihre Errungenschaften und Mängel“ referierte, einigte sich der Ausschuss auf die Formulierung dreier – von Polak zur Diskussion gestellter – Thesen6, von der die dritte wie folgt lautete: Der wesentliche Mangel der Weimarer Verfassung lag darin, daß die Volksvertretung die ihr in der Demokratie gebührende zentrale Machtstellung nicht hatte. Der Volksvertretung fehlte der entscheidende Einfluß auf die Gestaltung des Staatsapparates und auf die Wirtschaftsorganisation. Die künftige deutsche Verfassung hat die souveränen Rechte der Volksvertretung7 gegenüber dem Staatsapparat und der Wirtschaft zu konstituieren und zu festigen.8 len, aus denen das Neue fließt?“, VerfA, 3. Sitzung am 11. Mai 1948, in: BArch, DA 1/149, Bl. 61. Deutlicher wurde Polak im Jahr 1946: „Bei der Ausarbeitung der demokratischen Verfassungsrechte für Deutschland muß man sich der Tatsache bewußt sein, daß die Demokratie in der offiziellen deutschen Staats- und Verfassungsgeschichte keine Tradition, keine Vorbilder hat. [. . .] Eine formalistische Staatslehre trat die alles beschattenden Alleinherrschaft an“, ders., Einheit 1946, 385 (385 f.); rückblickend sah man dies differenzierter: „Den Schöpfern der ersten DDR-Verfassung war der historische Bezug ihres objektiv revolutionären Wirkens stets bewusst“, Künzel, SuR 1987, 725 (726). 6 Abgedruckt in: Polak, Die Weimarer Verfassung – Ihre Errungenschaften und Mängel, S. 61. These I gibt im Wesentlichen die Anerkennung wieder, die der Verfassungsausschuss der Weimarer Verfassung als „[. . .] bedeutsamen Schritt auf dem Wege [. . .] zu einer einheitlichen demokratischen Republik [. . .]“ zollt. These II nimmt Bezug auf den Staatsaufbau, indem sie fordert: „Die Weimarer Verfassung brachte als bedeutende Errungenschaft die Herstellung der nationalen Einheit Deutschlands. Die nationale Einheit Deutschlands muß auf der Grundlage der den Ländern nach der Weimarer Verfassung zustehenden Rechte wiederhergestellt werden. Die Einschränkung der Länderrechte beginnt da, wo diese Rechte von der deutschen Republik in ihrem Gesamtinteresse in Anspruch genommen werden müssen.“ These II nimmt insoweit Art. 1 Abs. 1 u. 2 DDV und Art. 111 Abs. 1 DDV vorweg. 7 Andernorts bezeichnete Polak diese Forderung als „Herstellung einer klaren Parlamentshegemonität als der politisch entscheidenden Instanz“, ders., DA 1948, 196. 8 Polak, Die Weimarer Verfassung – Ihre Errungenschaften und Mängel, S. 61. Ebenso auf der 3. Sitzung des Verfassungsausschusses am 11. Mai 1948: „Demgegenüber müssen wir das demokratische Prinzip vertreten, das für uns in Deutschland nur die Stärkung des Parlamentarismus bedeuten kann“, vgl. ders., Das Verfassungsproblem in der geschichtlichen Entwicklung Deutschlands, S. 30. Polak rekurrierte auf vormalige Parlamente in der deutschen Geschichte und konstatierte: „Jedesmal aber haben sie versagt, weil das Schwergewicht des deutschen Staates nicht in den Parlamenten lag, sondern immer im Staatsapparat konzentriert blieb. Diese Lehre müssen wir aus der Geschichte ziehen. Wir müssen eindeutig das Schwergewicht auf die Parlamente legen“, ebd. Zu dieser Zeit – im Gegensatz zu später, als man selbst im „Staatsapparat“, dann freilich sozialistischen, den Motor der staatlichen Entwicklung sah – wurde der Begriff (bürokratischer) „Staatsapparat“ (auch) mit dem Vorhandensein einer Ländervertretung, wie etwa dem vormaligen Bismarckschen Bundesrat und dem Weimarer Reichsrat, gleichgesetzt, vgl. dazu ebd., S. 26.
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
Damit war der Weg zu dem später „höchsten Organ“ der Verfassung (Art. 50 Abs. 1 DDV), der Volkskammer, bereits vorgezeichnet. Gleichwohl Polak den Ländern die gleichen Rechte zubilligen mochte, wie sie sie in der Weimarer Verfassung hatten (These II), galt dies doch mit Blick auf den dort vorgesehenen Reichsrat nur unter Einschränkungen: Dabei muß sehr wohl beachtet werden, daß sich das Problem [das des Reichsrats als Residuum der Bismarckschen Verfassung, d. Vf.] grundsätzlich ändern würde, wenn etwa in einer künftigen Verfassung die Länderrepräsentation bei der Zentralgewalt demokratisiert werden würde; das heißt, wenn sie nicht mehr ein bürokratisches Gremium wäre, das sich aus Vertretungen der Länderregierungen zusammensetzt, sondern eine parlamentarische Vertretung, in die entweder die Bevölkerung der Länder unmittelbar oder ihre Landtage Abgeordnete wählen, die dann eben Abgeordnete sind und nicht weisungsgebundene Regierungsbeamte.9
Auf welches historische Vorbild man dann zurückgreifen würde machte Polak deutlich: In solchem Falle wäre das ‚Staatenhaus‘ geschaffen, das Preuß in seinem ersten Entwurf vorsah. Hiermit würde allererst das Problem der Zweiten Kammer auftauchen, die der Reichsrat nicht war und nicht sein wollte.10
An der Formulierung der These II, die das Verhältnis von Republik und Ländern zum Gegenstand hatte, entfachte sich eine lebhafte Diskussion. Grotewohl als Ausschussvorsitzender leitete diese mit den Worten ein, dass der dritte Satz11 dieser These „[. . .] im Ganzen das Prinzip ‚Reichsrecht bricht Landesrecht‘ “ bedeute.12 Dertinger13 (CDU) wandte sich nicht grundsätzlich gegen den Inhalt dieser These, hatte aber Bedenken eine solche in diesem Augenblick14 zu veröffentlichen, da er den Abbau von Länderkompetenzen als „[. . .] in psychologischer Wirkung unerwünscht“ betrachtete.15 Weiter sah Dertinger die Gefahr, dass durch eine solche einseitige Festlegung gerade süd- und westdeutsche Länder vergrault würden, bei denen die „[. . .] gegenteilige Richtung im Vordergrund steht [größtmögliche Föderalisierung, d. Vf.] [. . .]“.16 Grotewohl erwiderte hierauf, dass die ge9
Polak, Die Weimarer Verfassung – Ihre Errungenschaften und Mängel, S. 37. Ebd. 11 „Die Einschränkung der Länderrechte beginnt da, wo diese Rechte von der deutschen Republik in ihrem Gesamtinteresse in Anspruch genommen werden müssen.“ 12 VerfA, 5. Sitzung am 8. Juni 1948, in: BArch, DA 1/151, Bl. 22. 13 Zur Biographie Georg Dertingers – auch zu seiner Rolle als späterer Außenminister der DDR – umfassend: Lapp, Georg Dertinger, passim, insbesondere S. 99 ff. 14 Gerade, so Dertinger, da das Volksbegehren (für einen Volksentscheid über die Einheit Deutschlands vom 23. Mai bis 13. Juni 1948) noch im Gange sei, vgl. zu diesem Volksbegehren: Kap. 3 A. (Fn. 1). 15 Vgl. VerfA, 5. Sitzung am 8. Juni 1948, in: BArch, DA 1/151, Bl. 22. 10
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fundene Formulierung insoweit elastischer sei, als sie nicht so drastisch und klar wie „Reichsrecht bricht Landesrecht“ formuliere.17 Acker wandte ein, dass es nicht auf die Formulierung ankomme, sondern einer zu schaffenden Republik die Kompetenz-Kompetenz anheim gegeben werden müsse, da man wohl kaum hinter die Weimarer Verfassung zurückgehen wolle.18 Wohin der Weg führen sollte bezeugt der Einwurf Grotewohls: „Ist jemand in diesem Saale, der das Recht eines Einheitsstaates in diesem Punkte anzweifeln möchte?“19 Karl Steinhoff (SED) hielt es nicht für „[. . .] politisch opportun [. . .]“, diese Frage „[. . .] expressis verbis der Öffentlichkeit vorzulegen“; und weiter fragte er: warum solle man etwas aussprechen, wenngleich man weiter keinen Inhalt beabsichtige?20 Grotewohl war der Ansicht, man müsse seine Ideen eindeutig vor dem Volke vertreten; Acker merkte an, die „Stoßfront“ müsse ganz klar sein: Man trete für die Einheit der deutschen Republik ein und müsse deshalb auch die Kompetenz-Kompetenz „[. . .] des Reiches als Gesamtdeutschland bejahen.“21 Weiterhin erörterte man in dieser Sitzung, welche Fehler man hinsichtlich der Volksvertretung der Weimarer Republik unbedingt vermeiden müsse. Steinhoff brachte das Ergebnis dieser Überlegungen auf den Punkt: „Wenn wir fordern, daß man der Volksvertretung die entscheidende Machtstellung einräumt, dann haben wir alles getan, was wir tun können.“22 In der 6. Sitzung des Verfassungsausschusses am 22. Juni 1948 sprach Johannes Dieckmann23 (LDPD) über „Die gegenwärtigen Länderverfassun16
Vgl. ebd. Vielleicht erinnerte man sich der Worte von Hugo Preuß, der bei den Arbeiten zur Weimarer Verfassung feststellte: „Dem deutschen Volkscharakter wohnt unzweifelhaft eine starke Abneigung inne gegen eine unbeschränkte Zentralisierung allen öffentlichen Lebens und gegen eine mechanische Leitung aller Verwaltung von einem einzigen Mittelpunkt aus. Mit Zähigkeit hängt das deutsche Volk an der Eigenart seiner Landschaften und Stämme, an der Pflege ihrer kulturellen Mannigfaltigkeit; und es schätzt nach ihrem vollen Werte die autonome Selbstverwaltung engerer und weiterer, kommunaler und landschaftlicher Verbände“, ders., Denkschrift zum Verfassungsentwurf, S. 3 (7). 17 Vgl. VerfA, 5. Sitzung am 8. Juni 1948, in: BArch, DA 1/151, Bl. 22. 18 Vgl. ebd., Bl. 23. 19 Ebd. 20 Vgl. ebd. 21 Vgl. ebd., Bl. 23 f.; Acker weiter: „Ich glaube, damit werden wir auch nichts Unerwartetes tun, denn das wird bei uns als selbstverständlich vorausgesetzt“, ebd., Bl. 24. 22 Ebd., Bl. 27. 23 1946–1952 MdL Sachsen, 1948–1950 sächsischer Justizminister und stellv. Ministerpräsident, MdVR (Mitglied im Verfassungsausschuss des DVR) bzw.
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
gen Deutschlands“.24 Diese Untersuchung erschöpfte sich im Wesentlichen auf eine synoptische Darstellung der Verfassungen der Länder Sachsen, Bayern25, Hessen und Bremen.26 Die westdeutschen Verfassungen lehnte Dieckmann in toto ab, da sich in diesen der Grundsatz der Gewaltenteilung verwirklicht habe, welcher eine „[. . .] verhängnisvolle Einschränkung und damit Negierung des Inhalts der Volkssouveränität [. . .]“ bedeute.27 Nach dem Vortrag Dieckmanns formulierte der Ausschuss den Beschluss, wonach die Zuständigkeitsverteilung zwischen Gesamtdeutschland und den Ländern die Souveränität des deutschen Volkes nicht beeinträchtigen dürfe.28 Diese Formulierung ging auf eine weitergehenden Vorschlag Steinigers zurück, der dem Ausschuss anriet zu beschließen, dass „[. . .] eine Realisierung der Demokratie undenkbar [sei] bei föderalistischer Zersplitterung der Volkssouveränität [. . .]“.29 Auf die Frage von Brandt, was man unter „föderalistischer Zersplitterung der Volkssouveränität“ verstehen müsse, pflichtete Polak seinem Parteikollegen Steiniger bei und nannte die Situation von 1848 als Beispiel, das man vermeiden müsse.30 Gleichwohl kein Anhänger des Föderalismus stellte Grotewohl fest, dass das Prinzip des Föderalismus in organisatorischer Sicht völlig offengelasMdVK ab 1948, ab 1949 Präsident der Volkskammer, ab 1960 stellv. Vors. Staatsrat der DDR, vgl., Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 886 f. 24 Dieckmann, Die gegenwärtigen Länderverfassungen in Deutschland, passim; vgl. auch: VerfA, 6. Sitzung am 22. Juni 1948, in: BArch, DA 1/152, Bl. 10. 25 Besonders an Art. 178 der Bayerischen Verfassung störte sich Dieckmann, da dieser im Gegensatz zu den anderen westdeutschen Verfassungen Vorbehalte (demokratisch, Bundesstaat, staatsrechtliches Eigenleben der Einzelstaaten) hinsichtlich des Beitritts zu einem Bundesstaat geltend machte, was Dieckmann als „eigenbrötlerisch“ abkanzelte und hoffte, dass „[. . .] nicht die bösen Kräfte der Spaltung [. . .]“ siegten, vgl. ders., Die gegenwärtigen Länderverfassungen in Deutschland, S. 18; Steiniger sprach davon, dass „[. . .] Art. 178 tatsächlich einen politischen Skandal in punkto der deutschen Einheit darstellt“, VerfA, 6. Sitzung am 22. Juni 1948, in: BArch, DA 1/152, Bl. 27. 26 Vgl. Dieckmann, Die gegenwärtigen Länderverfassungen in Deutschland, S. 9. 27 Vgl. ebd., S. 13; stattdessen forderte Dieckmann für die künftige deutsche Verfassung: „Der alleinige Träger der unteilbaren Staatsgewalt ist das Volk, das sich im Zeichen der parlamentarischen Demokratie in seinem Parlament sein höchstes Organ [vgl. die später wortgleiche Formulierung in Art. 50 Abs. 1 DDV, d. Vf.] und seinen obersten Richter in allen Angelegenheiten und Fragen auch der Verfassung, der Ausübung der gesetzgebenden und vollziehenden Staatsgewalt sowie der Rechtspflege schafft“, ebd., S. 14. 28 Die zu Thesen zusammengefassten Beschlüsse sind abgedruckt in: ebd., S. 32; vgl. auch VerfA, 6. Sitzung am 22. Juni 1948, in: BArch, DA 1/152, Bl. 5 ff. 29 Vgl. ebd., Bl. 23; gleich wieder einschränkend: „Ich habe die Frage der endgültigen Gestaltung des Verhältnisses zwischen zentralistischer und dezentralisierter Verwaltung damit offen gelassen“, ebd., Bl. 24. 30 Vgl. ebd., Bl. 33.
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sen sei.31 Steiniger legte Wert darauf, dass er keinesfalls das „[. . .] Problem des Föderalismus grundsätzlich aufrollen [. . .]“ möge, sondern ausschließlich darauf bestehe, dass es nur eine Volkssouveränität, nämlich die gesamtdeutsche, gebe. Wo hier allerdings noch Raum für eine ernstzunehmende föderale Gestaltung zu finden gewesen wäre, ist den weiteren Beratungen nicht zu entnehmen. Föderalistische Intentionen wurden in unverfänglichen Worten dennoch diskreditiert, so etwa im Formulierungsvorschlag von Dieckmann: Die Volkssouveränität darf durch eine etwaige föderale Gestaltung des deutschen Gesamtstaates nicht beeinträchtigt werden.32
Ernst Niekisch33 (KB) sah wohl allein in der Nennung des Wortes „föderal“ die Gefahr einer „[. . .] Vorentscheidung für den Föderalismus [. . .]“ und lehnte deshalb die Formulierung ab. Steinhoff erkannte die wahre Absicht klarer („Die Volkssouveränität darf nicht durch irgendeinen [gemeint: einen föderalen, d. Vf.] Staatsaufbau beeinträchtigt werden“); der Ausschuss verzichtete aber letztlich aus Furcht 31 Vgl. ebd., Bl. 33; demgegenüber später richtig Schultes, der feststellt, die Verfassung habe eine Grundtendenz „[. . .] gegen alle föderalistischen und separatistischen Bestrebungen [. . .]“, ders., NJ 1950, 186 (188); ein Jahr früher offenbarte Grotewohl seine Abneigung gegen föderale Überlegungen deutlicher; so vermerkt eine „Aufzeichnung einer Unterredung zwischen Gen. I.V. Stalin und den Führern der [SED]“ vom 31. Januar 1947: „Gen. Stalin fragt, welche Motive es dafür gibt, daß sich Deutsche für den Föderalismus einsetzen. Wie begründen sie ihre Haltung. Grotewohl antwortet, es seien vor allem die vermögenden Klassen, die sich in Deutschland als aktive Befürworter des Föderalismus zu erkennen geben. Dabei handele es sich in erster Linie um Gutsherren und Kapitalisten, die aus der Ostzone geflohen sind, und die spüren, daß sie es bei einem föderalistischen Aufbau Deutschlands leichter hätten, sich unter den Schutz der örtlichen Regierung zu begeben. Ferner handele es sich um Bourgeois und Grundbesitzer aus den Westzonen sowie um andere Reaktionäre, die eine Demokratisierung Deutschlands im Falle der Bildung einer Zentralregierung fürchten“, in: Laufer/Kynin, Die UdSSR und die deutsche Frage 1941–1948, Bd. 3, Dok. 35 (S. 137). 32 VerfA, 6. Sitzung am 22. Juni 1948, in: BArch, DA 1/152, Bl. 35; in dieser Frage war Dieckmann auch durch das Parteiprogramm der LDPD vom 27. Februar 1949 gebunden. So hieß es dort unter dem Kapitel „II. Staat und Recht“: „Die [LDPD] sieht in einer einheitlichen, alle Länder umfassenden parlamentarischen demokratischen Republik die Staatsform für das deutsche Volk“, ADL, Bestand Johannes Dieckmann, LN4-2. 33 Aktivist in der Münchener Räterepublik, danach 2 Jahre Festungshaft, 1937–1945 erneut Haft, später Mitbegründer KB, Mitglied im Verfassungsausschuss des DVR (kooptiert), führende Positionen in DSF und KB, Professor für Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin bis 1954, Bruch mit der SED anlässlich des 17. Juni 1953, 1963 Übersiedlung nach West-Berlin, vgl. zur Biographie: Broszat/ Weber, SBZ-Handbuch, S. 987.
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
vor Öffentlichkeit und Presse auf eine genaue Offenlegung der Absichten34 und folgte einem weniger offenkundig formulierten Vorschlag Grotewohls: Die Zuständigkeitsverteilung zwischen deutschem Gesamtstaat und Ländern darf die Souveränität des deutschen Volkes nicht beeinträchtigen.35
Um die Ausarbeitung der Verfassung zu beschleunigten, berief man in dieser Sitzung eine Kommission, bestehend aus Polak, Steiniger und Brandt, die die weitere Arbeitsprozedur festlegen und die Arbeiten eines einzusetzenden Verfassungs-Unterausschusses vorbereiten sollte.36
B. Die zweite Kammer im „Plan für die Generalaussprache“ Diese Kommission legte dem Verfassungsausschuss in seiner 7. Sitzung am 1. Juli 1948 schließlich einen „Plan für die Generalaussprache“ vor.37 Dieser 10 Punkte umfassende, schlagwortartig formulierte, Plan wurde laut Polak „[. . .] nach den wesentlichen Gebieten eingeteilt, die in die Verfassung hineingehören [. . .]“.38 Von besonderem Interesse sind in diesem Plan die Punkte: 1. Einheit der Nation: Deutschland als Republik und Einheitsstaat [. . .] 3. Aufbau der Republik: a) Vertretung der Länder bei der Republik (Reichsrat oder demokratische Vertretung in einer zweiten Kammer), b) innerstaatliche Struktur der Länder, c) Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Gesamtrepublik und Länder. 4. Die Volksvertretung: a) Eine oder zwei Kammern [. . .]
Wenngleich Polak sich beeilte zu betonen, dass „[. . .] wir inhaltlich in diesem Plan nichts entschieden haben“39, zeigt die Konzeption die Prämissen – und Paradoxien – unter der die Verfassung entstehen sollte: Klare Vor34 VerfA, 6. Sitzung am 22. Juni 1948, in: BArch, DA 1/152, Bl. 35; Steiniger: „Ich meine, man muss klar sagen, daß der Verfassungsausschuss, obwohl er sich noch nicht über die Frage einer föderalen Gestaltung geeinigt hat, doch der Auffassung ist, daß ein Föderalismus, der die Souveränität des deutschen Volkes beeinträchtigt, undemokratisch ist“, ebd. 35 Ebd., Bl. 36; das Machtwort Grotewohls hatte solches Gewicht, dass die Diskussion schlagartig beendet war. 36 Ebd. 37 Vgl. VerfA, 7. Sitzung am 1. Juli 1948, in: BArch, DA 1/153, Bl. 8 f. 38 Ebd., Bl. 9. 39 Ebd., Bl. 10.
B. Die zweite Kammer im „Plan für die Generalaussprache“
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gabe des Einheitsstaates40 bei unklarer Ausgestaltung einer Ländervertretung auf Ebene des Gesamtstaates. Nach diesem Plan und den bisher verabschiedeten Thesen richtete sich nun auch die auf die 8. Sitzung des Verfassungsausschusses am 6. Juli 1948 terminierte „Generalaussprache über eine deutsche Verfassung“. Zu Punkt 1 des Planes („Einheit der Nation“) bemerkte einleitend Lobedanz (CDU), dass man seiner Meinung nach auf das Prinzip der Kompetenz-Kompetenz zurückgreifen müsse, wie es schon die Weimarer Verfassung getan habe.41 Dertinger (CDU) warf ein, man müsse sich erstens klar werden, ob man das Erreichte sichern wolle oder ob die zu schaffende Verfassung ein Zukunftsprogramm sein solle42. Zweitens habe man die Realität der Besatzungsmächte, ihre Politik und ihre Forderungen an Deutschland zu berücksichtigen.43 Von den Westalliierten ausgehende Entwicklungen allerdings beachtete man nicht. So betrachtete Dertinger die „Londoner Empfehlungen“44 nicht 40 Nach Schultes verstoße die „[. . .] föderalistische Tendenz [. . .]“ im Westen gegen das Prinzip einer entschiedenen Demokratie; „Wir fordern als Menschen mit einer modernen Wirtschaftsauffassung und Anhänger einer entschiedenen Demokratie den deutschen Einheitsstaat [. . .]“, ders., NJ 1948, 1 (2). 41 Vgl. VerfA, 8. Sitzung am 6. Juli 1948, in: BArch, DA 1/153, Bl. 55. 42 Dertinger verwies auf die Schaffung der sog. „Stalin-Verfassung“ von 1936 in der UdSSR. Bei dieser, so Dertinger, habe Stalin zum Ausdruck gebracht, dass eine Verfassung kein Programm sei, sondern dass sie im Gegenteil von dem sprechen solle, was gegenwärtig ist, vgl. VerfA, 8. Sitzung am 6. Juli 1948, in: BArch, DA 1/153, Bl. 56; Polak nahm die späteren Umwälzungen, die sich ab der II. Parteikonferenz der SED im Jahre 1952 ergaben – entsprechend der marxistisch-leninistischen Lehre – gewissermaßen vorweg, indem er anführte: „[O]bwohl sie [die Verfassung, d. Vf.] sozusagen von dem Gegebenen ausgeht, [dient sie] doch der der politischen Entwicklung zur Demokratie, also einem dynamischen Prinzip“, vgl. ebd., Bl. 60. 43 Vgl. ebd., Bl. 56 f. 44 Nachdem die Außenministerkonferenzen des Jahres 1947 in Moskau und London zeigten, dass die Differenzen mit der Sowjetunion unüberbrückbar waren, zogen die Westmächte die Konsequenz und beriefen im Jahr 1948 eine Sechs-Mächte-Konferenz nach London ein, die sich für die Errichtung eines westdeutschen Staates mit einer gemäßigt föderalistischen Konzeption entschied. Am 1. Juli 1948 bestellten sie die Ministerpräsidenten ihrer Zonen ein, erläuterten die Ergebnisse der SechsMächte-Konferenz und übergaben die sog. „Frankfurter Dokumente“; das wichtigste dieser drei Dokumente war das „Frankfurter Dokument Nr. I“, welches zur Einberufung einer verfassunggebenden Nationalversammlung aufrief, abgedruckt in: Frotscher/Pieroth, § 21 Rdnr. 720 (S. 392); vgl. dazu auch: Kröger, NJW 1989, 1318 (1319); Stern, StR V, § 133 I 3 (S. 1215 f.). Es verlangte eine demokratische Verfassung und eine Regierungsform föderalistischen Typs, vgl. dazu: Mußgnug, Zustandekommen des Grundgesetzes und Entstehen der Bundesrepublik Deutschland, in: HdStR I, § 8 Rdnrn. 22–26.
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
als einen der Bestandteile, die berücksichtigt werden müssten, da sie ein aufgezwungenes und von der Bevölkerung nicht akzeptiertes Diktat darstellten; gleichwohl seien „[. . .] eine ganze Reihe von Überlegungen und Auffassungen in den Menschen West- und Süddeutschlands zum Thema ‚Föderalismus‘ lebendig, die wohl Berücksichtigung finden müssen.“45 Hier zeigte sich die Bedingung der Verfassungswerdung in der sowjetischen Besatzungszone deutlich, wonach die zu schaffende Verfassung für ganz Deutschland Geltung beanspruchen sollte und damit auf regionale Befindlichkeiten, wie ein stärker ausgeprägtes föderalistisches Staatsverständnis in Süddeutschland, Rücksicht zu nehmen war. Grotewohl forderte, man habe sich an den Potsdamer Beschlüssen46 zu orientieren und an den Beschlüssen der Warschauer Konferenz47, die „[. . .] sehr eindeutige Formulierungen über die Gestaltung eines einheitlichen Deutschlands enthalten“ und insoweit, freilich im Sinne Grotewohls, weitergingen als die „[. . .] Verpflichtungen von London und als die Verpflichtungen von Moskau.“48 Polak warf die Frage auf – bezugnehmend auf Punkt 1 des Diskussionspapiers – ob gleich im ersten Artikel der Verfassung die Feststellung verankert werden solle, dass Deutschland ein dezentralisierter Einheitsstaat sei, der aus den Gebieten der Länder bestehe oder ob diese Untergliederung „[. . .] im ersten und kardinalen Artikel [. . .]“ gar nicht erwähnt werden solle; Grotewohl entgegnete, dass man zum Ausdruck bringen müsse, dass Deutschland eine unteilbare demokratische Republik sei, 45
Vgl. VerfA, 8. Sitzung am 6. Juli 1948, in: BArch, DA 1/153, Bl. 57. Vgl. „Aus den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz, Abschnitt III: Deutschland, 2. August 1945“, abgedruckt in: Deutsches Institut für Zeitgeschichte, Dokumente zur Deutschlandpolitik der Sowjetunion, Bd. 1, S. 1 ff. 47 Diese Konferenz fand als Reaktion auf die Londoner Empfehlungen statt. In den Warschauer Beschlüssen hieß es: „Unter dem Vorwand, die Wiederherstellung des zentralisierten Reiches nicht zuzulassen, versuchten die Londoner Beratungen, Deutschland zurückzuwerfen und dem deutschen Volke eine föderalistische Staatsordnung aufzuzwingen, bei der die Hauptmacht den einzelnen Ländern zufällt und die gesamtstaatliche Verwaltung sich auf zweitrangige Funktionen beschränkt, obgleich dies mit der neuzeitlichen Entwicklung der demokratischen Staaten im Widerspruch steht. [. . .] Die Verwirklichung dieses Plans für die Föderalisierung (Spaltung) Deutschlands legt die Idee der Einheit Deutschlands in die Hände deutscher Chauvinisten und Revanchepolitiker, die die Wiederherstellung Deutschlands als eines militärischen und andere Völker beherrschenden Staates anstreben“, „Deklaration der Außenminister der UdSSR, Albaniens, Bulgariens, der Tschechoslowakei, Jugoslawiens, Polens, Rumäniens und Ungarns zu den Beschlüssen der Londoner Deutschlandkonferenz (20. April bis 2. Juni 1948) vom 24. Juni 1948“, abgedruckt in: Deutsches Institut für Zeitgeschichte, Dokumente zur Deutschlandpolitik der Sowjetunion, Bd. 1, S. 183 ff., hier S. 189 f. 48 Vgl. VerfA, 8. Sitzung am 6. Juli 1948, in: BArch, DA 1/153, Bl. 59 f. Grotewohl nimmt hier Bezug auf die Außenministerkonferenz des Jahres 1947 in Moskau, vgl. dazu unten, Kap. 3 C. (Fn. 63). 46
B. Die zweite Kammer im „Plan für die Generalaussprache“
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die sich in Länder gliedere; dies sei das „[. . .] Anerkenntnis des Beschlusses49 der Alliierten [. . .]“.50 Steinhoff pflichtete Grotewohl bei; er hielte es „[. . .] aus psychologischen Gründen für zweckmäßig, es [die Gliederung in Länder, d. Vf.] gleich am Anfang zu sagen.“51 Anlässlich dieser 8. Sitzung des Verfassungsausschusses kam man nun endlich zu den durch Punkt 3 des Diskussionspapiers aufgeworfenen Fragen betreffend den Aufbau der Republik. Theodor Brugsch52 (KB) warf ein, die Reihenfolge, die das Diskussionspapier in diesem Punkt festlege, sei logisch falsch; zuerst müsse man sich über die Struktur der Länder klar werden, dann die Abgrenzung ihrer Kompetenzen erfolgen und schließlich ihre Vertretung bei der Republik festlegen.53 Dertinger schloss sich dem an und verwies auf die Notwendigkeit, dass die Länder auch hinsichtlich ihrer Struktur „[. . .] einer übergeordneten gesamtdeutschen Norm unterworfen sein müssen.“ Erst dann ergebe sich die Antwort auf die Frage, wie die Struktur der Länder zu gestalten sei und schließlich wie die Länder bei der gesamtdeutschen Republik vertreten sein sollten.54 Grotewohl nahm abermals Bezug auf die Warschauer Beschlüsse, die, wie er betonte, die Richtschnur für die gesamte Arbeit im Verfassungsausschuss darstellen müssten. Darin hieß es: Die Interessen des Friedens und der Sicherheit der Völker Europas erheischen die Liquidierung der hitlerfaschistischen Zentralisation der Staatsverwaltung Deutschlands, wodurch die Landtage und die autonome Verwaltung der Länder aufgehoben wurden, und die Wiederherstellung einer dezentralisierten Verwaltung, wie sie vor dem Hitlerregime bestand, mit Wiederherstellung der Landtage und zweier gesamtdeutscher Kammern.55 49 Grotewohl rekurrierte hier auf das Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945, das unter Punkt III A. 9. die „[. . .] Dezentralisation der politischen Struktur [. . .]“ forderte, „Aus den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz, Abschnitt III: Deutschland, 2. August 1945“, abgedruckt in: Deutsches Institut für Zeitgeschichte, Dokumente zur Deutschlandpolitik der Sowjetunion, Bd. 1, S. 1 ff., hier S. 5. 50 Vgl. VerfA, 8. Sitzung am 6. Juli 1948, in: BArch, DA 1/153, Bl. 61. 51 Vgl. ebd., Bl. 62. 52 Ab 1927 Prof. und Direktor an der Universitätsklinik Halle, 1946–1949 2. Vizepräsident der Deutschen Verwaltung für Volksbildung, Vertreter des KB im Verfassungsausschuss, 1949–1954 MdVK, ab 1957 Vizepräsident des KB, vgl. zur Biographie: Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 879. 53 Vgl. VerfA, 8. Sitzung am 6. Juli 1948, in: BArch, DA 1/153, Bl. 64. 54 Vgl. ebd., Bl. 65. 55 „Deklaration der Außenminister der UdSSR, Albaniens, Bulgariens, der Tschechoslowakei, Jugoslawiens, Polens, Rumäniens und Ungarns zu den Beschlüssen der Londoner Deutschlandkonferenz (20. April bis 2. Juni 1948) vom 24. Juni 1948“, abgedruckt in: Deutsches Institut für Zeitgeschichte, Dokumente zur Deutschlandpolitik der Sowjetunion, Bd. 1, S. 183 ff., hier S. 189.
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
Wenn es heiße „nebst Wiederherstellung der Landtage und der beiden gesamtdeutschen Kammern“, so Grotewohl, treffe diese Formulierung nicht das, was man für wünschenswert halte; die Formulierung sei zumindest ungenau, da zwei Kammern in diesem Sinne in Deutschland nie bestanden.56 Man müsse den Begriff der „zwei Kammern“ klären, womit nur eine Auslegung gemeint sein konnte, die in das Konzept eines Einheitsstaates passte. Grotewohl gab dem Ausschuss seine Vorstellungen gleich mit auf den Weg: Eine zu bildende zweite Kammer dürfe kein Bundesrat sein57, der sich aus Vertretungen der Regierungsgewalt der Länder zusammensetze, sondern habe aus gewählten Vertretern der Landtage zu bestehen.58 Weiterhin sei die Frage einer Doppelwahl, also von Wahlen sowohl zum Parlament der deutschen Republik, als auch zu einer zweiten Kammer, nicht entscheidend; man könne bei den Verhältnissen in Deutschland sehr wohl auf dem Standpunkt stehen, dass es genüge, durch indirekte Wahlen in den Landtagen die zweite Kammer zu bilden.59 Ließe man eine solche zweite Kammer in den Landtagen wählen, dann wäre sie eine demokratische Vertretung neben dem Volksparlament der Republik; darauf käme es entscheidend an, so Grotewohl.60 Er schlage daher für die Arbeit des Unterausschusses vor, dass man die zweite Kammer zwecks des demokratischen Charakters nicht als Vertretung der Regierungen der Länder ausgestalte, sondern als eine Vertretung der Landtage.61 Seine persönliche Präferenz enthielt Grotewohl dem Verfassungsausschuss gleichwohl nicht vor: Er bevorzuge das Einkammersystem, sehe aber unter den gegebenen Verhältnissen keine Möglichkeit für die Durchführung eines solchen Prinzips.62
56 Vgl. VerfA, 8. Sitzung am 6. Juli 1948, in: BArch, DA 1/153, Bl. 66; Grotewohls Ansicht ist – abgesehen von der bikameralen Konzeption des Reichstags (§§ 85 ff., 100 PkV), bestehend aus Volks- und Staatenhaus, in der nicht zur Geltung gelangten Paulskirchenverfassung und in den beiden Preuß-Entwürfen von 1919 – richtig. 57 So auch 1946 schon die Rubrik „Kleines Lexikon“ der Zeitschrift Demokratischer Aufbau, Leitmedium für die staatlichen Organe, unter dem Stichwort „Einkammer- oder Mehrkammersystem“: „Die zweite Kammer ist dann eine Behinderung des durch die Wahl des Volkes gebildeten Willens- und Vertretungsorgans, wenn sie durch Berufungen der Regierung oder des Monarchen oder sonstiger Organe (Staatspräsident) und nicht selbst aus einer Volkswahl hervorgegangen ist“, DA 1946, 279. 58 Vgl. VerfA, 8. Sitzung am 6. Juli 1948, in: BArch, DA 1/153, Bl. 66. 59 Vgl. ebd. 60 Vgl. ebd. 61 Vgl. ebd., Bl. 65. 62 Vgl. ebd., Bl. 66.
C. Molotow als spiritus rector einer zweiten Kammer
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C. Molotow als spiritus rector einer zweiten Kammer Gewissermaßen als spiritus rector einer zweiten Kammer in der zu schaffenden Verfassung der DDR verwies Lobedanz auf den sowjetischen Außenminister Wjatscheslaw Molotow, der bereits anlässlich der Moskauer Außenministerkonferenz63 im Jahre 1947 eine solche für Deutschland vorgeschlagen hatte.64 Molotow sah in einer zweiten Kammer wohl einen angemessen Ausgleich zwischen unitarischen und – vor allem von westalliierter Seite geforderten – föderalen Absichten, gerade weil er die Weimarer Verfassung als Vorbild propagierte. Dieses Modell konnte damit einerseits dem sowjetstrategischen Wunsch nach einer nicht übermäßig exponierten deutschen Staatsgewalt und andererseits nach einem Deutschland gerecht werden, das staatsorganisatorisch nicht derart geschwächt war, um weder als Puffer gegenüber den 63 Anlässlich der Moskauer Außenministerkonferenz vom 10. März bis 24. April 1947 forderte Molotow: „Deutschland wird als einheitlicher friedliebender Staat, als demokratische Republik mit einem gesamtdeutschen Parlament mit zwei Kammern und einer deutschen Zentralregierung wiederhergestellt, wobei die verfassungsmäßigen Rechte der zum deutschen Staat gehörenden Länder zu sichern sind“, „Über die zeitweilige politische Organisation Deutschlands. Erklärung des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR, W.M. Molotow, auf der Moskauer Außenministerkonferenz, 22. März 1947“, abgedruckt in: Deutsches Institut für Zeitgeschichte, Dokumente zur Deutschlandpolitik der Sowjetunion, Bd. 1, S. 70 ff., hier S. 76. Im Vorfeld dieser Konferenz versicherte sich Molotow bei Stalin über die Ausgestaltung des Systems der Legislative; neben obigem Satz, in dem die Festlegung auf eine zweite Kammer noch fehlte, ist in einem Brief an Stalin vom 29. Januar 1947 handschriftlich vermerkt: „eine Kammer? Zwei-Kammer-System?“, Mitteilung Molotows an Stalin vom 29. Januar 1947, in: Laufer/Kynin, Die UdSSR und die deutsche Frage 1941–1948, Bd. 3, Dok. 34 (S. 134 Anm. b). Molotow dachte an die Übernahme der Verfassungsstrukturen von Weimar: „Wenn wir bei der Ausarbeitung einer neuen Verfassung für Deutschland das benutzen, was in der Weimarer Verfassung demokratisch war, so werden wir unsere Arbeit beträchtlich erleichtern und wesentliche Fehler vermeiden“, „Über Form und Umfang der zeitweiligen politischen Organisation Deutschlands, Antrag der Delegation der UdSSR auf der Moskauer Außenministerkonferenz, 2. April 1947“, abgedruckt in: Deutsches Institut für Zeitgeschichte, Dokumente zur Deutschlandpolitik der Sowjetunion, Bd. 1, S. 86 ff., hier S. 87; Molotow weiter: „Deshalb sind wir der Meinung, daß es in der Frage der Beziehungen zwischen der deutschen Zentralregierung und den Ländern richtig wäre, die Weimarer Verfassung als Grundlage zu nehmen. Diese Verfassung sah das Bestehen von Landtagen und von zwei Kammern vor, von denen sich die zweite aus Vertretern der Länder zusammensetzte, gleichzeitig ging sie vom Grundsatz der politischen Einheit Deutschlands aus“, ebd., hier S. 88. Zur Moskauer Außenministerkonferenz vgl. auch: Bundesarchiv/Institut für Zeitgeschichte, Akten zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, S. 7 ff. m. w. N.; Stern, StR V, § 131 IV 2 b) (S. 972); ebd., § 132 II 2 d) (S. 1135). 64 Vgl. VerfA, 8. Sitzung am 6. Juli 1948, in: BArch, DA 1/153, Bl. 66.
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
Westmächten noch als Katalysator der Ausdehnung der sowjetischen Einflusssphäre dienen zu können. Lobedanz regte zudem an, dass auch Regierungsvertreter in die zu schaffende Kammer entsandt werden können.65 Präzisiert hatte Lobedanz seinen Vorschlag nicht. Er dachte wohl an eine paritätische Besetzung der Länderkammer ähnlich dem angedachten Staatenhaus der Paulskirchenverfassung oder der Vertretung Preußens im Reichsrat, die zur einen Hälfte aus Vertretern der Regierung, zur anderen Hälfte aus Vertretern der preußischen Provinzialverwaltungen bestand. Grotewohl erwiderte lapidar, ihm schwebe nicht vor, dass die Tatsache, wonach jemand Minister eines Landes sei, ihn zweitrangig mache und von der Möglichkeit ausschließe in ein solches Parlament gewählt zu werden.66 Steinhoff lenkte die Diskussion wieder in sachliche Bahnen und sprach die wohl wichtigste Frage dieses Themenkomplexes an: Sollten die Vertreter der Länder „[. . .] instruiert werden können oder dürfen?“67 Diese Überlegungen resultierten daher, dass die zweite Kammer nach den Plänen des Verfassungsausschusses nicht durch direkte Wahl des Volkes gebildet werden solle, wobei es hier klar wäre, dass die Mitglieder dieser Kammer durch keine Weisungen gebunden werden könnten, sondern indirekt durch die Länderparlamente; die Frage müsse daher entschieden werden, ob die Mitglieder der Kammer an Instruktionen gebunden seien, da sonst eine Situation entstehen könne, in der die zweite Kammer sich nicht den Länderinteressen verpflichtet fühle.68 Die Ausschussmitglieder nahmen Steinhoffs Frage nicht auf; Grotewohl beschränkte sich auf den Einwurf, dass die zweite Kammer ein „[. . .] demokratisches Staatenhaus [. . .]“ sein müsse, womit er vermutlich das freie Mandat der Mitglieder verband.69 Gestützt wird diese Interpretation dadurch, dass Grotewohl bezüglich der Frage inwieweit die Länderverfassungen den Grundsätzen der Verfassung der Republik zu entsprechen hatten die Meinung vertrat, dass durch eine zu schaffende Verfassungsnorm die Grundprinzipien der Verfassung der Republik, insbesondere hinsichtlich des Parlaments, auch auf Länderebene zu gewährleisten seien.70 So sollte wohl indirekt das freie Mandat der Abgeordneten der zweiten Kammer festgelegt werden. Um von der Republikverfassung abweichende Länderverfassungen 65 66 67 68 69 70
Vgl. ebd. Vgl. ebd. Ebd. Vgl. ebd., Bl. 67 f. Vgl. ebd., Bl. 68. Vgl. ebd., Bl. 69.
D. Die Frage der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen
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zu vermeiden bat Steinhoff um die Schaffung eines Homogenitätsartikels, der sich nicht wie Art. 17 Abs. 1 WRV darauf beschränken dürfe, dass jedes Land eine freistaatliche Verfassung habe; man müsse die Norm so detailliert wie möglich konstruieren, um zu vermeiden, dass Länder Verfassungen errichten, die über die Struktur einer gesamtdeutschen Verfassung hinausgingen.71 Grotewohl sah diesen Wunsch als „[. . .] Auffassung des Ausschusses [. . .]“72 an.
D. Die Frage der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen und die bikamerale Wahl des Staatsoberhaupts Der Ausschuss wandte sich nun der Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Republik und Ländern zu. Polak vertrat die Ansicht, man könne „[. . .] mit Rücksicht auf die notwendige Dezentralisierung, die durch die Potsdamer Beschlüsse vorgeschrieben ist“, die Formulierung des Art. 6 WRV, in dem von ausschließlicher Gesetzgebungskompetenz die Rede sei, nicht übernehmen und müsse das Wort „ausschließlich“ daher streichen.73 Eine „[. . .] juristisch konstruierte Kompetenz [. . .]“ sei überflüssig, da sich die Kompetenz der Republik „[. . .] faktisch aus der Gesamtstruktur Deutschlands [. . .]“ ergeben werde; eine weise Vorahnung von der normativen Kraft des Faktischen74, die Polak hier aussprach und später die Länder und ihre Kammer überflüssig machen sollte. Die konkurrierende Gesetzgebung könne man ähnlich den Vorschriften der WRV, Art. 7 f. WRV, aufrechterhalten; hielte das Reich es für notwendig Gesetzgebungsmaterien zu regeln, müssten die Länder zurücktreten.75 Beibehalten könne man weiterhin die sog. Bedarfskompetenz, die besage, dass wenn die Notwendigkeit einer einheitlichen Regelung bestehe, das Reich es in dieser und jeder Weise zu regeln habe, sowie die sog. Grundsatzkompetenz, wonach der Gesamtstaat Grundsätze aufstellen könne und den Ländern die Konkretisierung überlasse.76 Lobedanz pflichtete Polak bei, brach aber eine Lanze für die Länder: Da man die Demokratie von unten nach oben aufbauen wolle frage er sich, ob es wirklich notwendig sei, dass alle diese Dinge vom Reich erledigt werden 71 72 73 74 75 76
Vgl. ebd. Ebd. Vgl. VerfA, 8. Sitzung am 6. Juli 1948, in: BArch, DA 1/153, Bl. 69. Zum Begriff: Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 339. Vgl. VerfA, 8. Sitzung am 6. Juli 1948, in: BArch, DA 1/153, Bl. 69. Vgl. ebd., Bl. 70.
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
müssten; besonders solle man „[. . .] die Verwaltung und Ausführung möglichst weitgehend den Ländern übertragen.“77 Steinhoff sprach sich entschieden gegen den Vorschlag Polaks aus, das Wort „ausschließliche“ bei der Regelung der Gesetzgebungskompetenz des Gesamtstaates zu vermeiden; es sei immerhin möglich, dass gewisse Gebiete nicht oder nicht sofort von der Republik geregelt werden könnten, die Länder zwischenzeitlich von ihrem Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht hätten und nachher der „[. . .] unbequeme Grundsatz ‚Reichsrecht bricht Landesrecht‘ [. . .]“ zu Konflikten führe.78 Weiter sei es keineswegs Zentralismus, die „[. . .] Gesetzgebung auf bestimmten Gebieten ausschließlich der Zentrale zu übertragen [. . .]“, wenn man die Exekutive auf dezentralisierte Gebiete übertrage.79 Ins Absurde glitten die Ausführungen Dertingers, der bei einem Absehen von der ausschließlichen Gesetzgebung die Gefahr sah, dass etwa Bayern die Wehrplicht einführe oder Kolonien erwerbe.80 Grotewohl merke abschließend an, dass man im diesem Punkt der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz nicht zurückhaltend sein dürfe.81 Eine weitergehende Diskussion um Punkt 482 des Diskussionspapiers beendete der Ausschussvorsitzende Grotewohl mit den Worten: „Über die Frage, ob eine oder zwei Kammern, liegt bereits die Äußerung des Ausschusses vor83 [. . .] Ich glaube aber, wir stimmen in den Auffassungen [einer zweiten Kammer besetzt mit von den Landtagen gewählten Abgeordneten, d. Vf.] überein.“84 Auf die zu bildende zweite Kammer kam man noch einmal während der Diskussionen um ein Staatsoberhaupt zu sprechen. Grotewohl plädierte für einen Präsidenten mit nur repräsentativen Verpflichtungen.85 Von wem er gewählt werden sollte war im Ausschuss umstritten. Während sich Dertin77
Vgl. ebd., Bl. 69; während der Diskussion um die Verwaltungsstruktur präzisierte Lobedanz wie folgt: „Ich meine: grundsätzliche Durchführung der gesamten Verwaltung durch die Länder, reichseigene Verwaltung nur da, wo es der Natur der Sache nach unbedingt notwendig ist, z. B. bei den Verwaltungen des Verkehrswesens, Post, Eisenbahn, Wasserstraßen. [. . .] Die Durchführung der Finanzverwaltung muss durch die Länder als Auftragsverwaltung geschehen“, ebd., Bl. 80 f. 78 Vgl. ebd., Bl. 70. 79 Vgl. ebd. 80 Vgl. ebd. 81 Vgl. ebd. 82 Vgl. oben, Kap. 3 B. 83 Vgl. oben, Kap. 3 C. 84 Vgl. VerfA, 8. Sitzung am 6. Juli 1948, in: BArch, DA 1/153, Bl. 71. 85 Vgl. ebd., Bl. 74.
E. Die „Richtlinien für eine deutsche Verfassung“
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ger für eine Volkswahl aussprach, Hans Loch86 (LDPD) ihn vom Parlament wählen lassen wollte, Steinhoff noch die Idee einbrachte, ein Kollegium mit den Aufgaben eines Präsidenten zu betrauen87, insistierte Grotewohl durch Zuruf auf eine Wahl in beiden Kammern.88 Gegen die Einschaltung der Länderkammer hatte Dertinger große Bedenken. Damit schiebe man den Ländern und ihren Vertretern Kompetenzen und Machtvollkommenheiten zu, die wesentlich die zentrale Stellung des „Reichsparlaments“ beeinträchtigten; auch Loch sprach sich gegen eine Mitwirkung der Länder an der Wahl des Staatsoberhauptes aus: da der „Reichspräsident“ selbst keine besonderen Kompetenzen habe, hätten die Länder nichts hineinzureden.89 Als abschließende Ausschussmeinung stellte Grotewohl dann auch fest, den Präsidenten vom „Reichstag“ wählen zu lassen – was später allerdings revidiert wurde.90
E. Die „Richtlinien für eine deutsche Verfassung“ – Ursprung der Länderkammer Bis zur 10. Sitzung des Verfassungsausschusses am 20. Juli 1948 hatte ein eingesetzter Unterausschuss91 „Richtlinien für eine deutsche Verfassung“92 ausgearbeitet, die nun zur Aussprache gestellt wurden. 86 1946–1948 Oberbürgermeister von Gotha, 1948–1950 Minister für Justiz in Thüringen, 1949–1952 Landesvorstand LDPD Thüringen, MdVR, ebendort Mitglied des Verfassungsausschusses, 1949–1955 Minister für Finanzen der DDR, ab 1951 Vorsitzender der LDPD der DDR und bis zum Tode 1960 stellv. Vorsitzender des Ministerrates der DDR und MdVK, zur Biographie vgl.: Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 968. 87 „Wir vermeiden damit die Einzelspitze. Bei dem angeborenen Autoritätsglauben der Deutschen ist es nicht ganz unbedenklich, selbst einen solchen rein repräsentativen Reichspräsidenten zu schaffen“, VerfA, 8. Sitzung am 6. Juli 1948, in: BArch, DA 1/153, Bl. 75. Im Jahre 1960 erfüllte sich der Wunsch Steinhoffs. Durch das Gesetz über die Bildung des Staatsrates der DDR vom 12. September 1960 wurde ein kollektives Staatsoberhaupt geschaffen, GBl. I S. 505 (1960); zum Staatsrat vgl. auch: Lapp, Der Staatsrat im politischen System der DDR, passim. 88 Vgl. VerfA, 8. Sitzung am 6. Juli 1948, in: BArch, DA 1/153, Bl. 74 f. 89 Vgl. ebd., Bl. 75 f. 90 Vgl. ebd. Wohl im Unterausschuss wurde später die Wahl durch beide Kammern festgelegt, was auch in den „Richtlinien für die deutsche demokratische Republik“ zum Ausdruck kommt, vgl. VerfA, 10. Sitzung am 20. Juli 1948, in: BArch, DA 1/154, Bl. 99; Brandt regte an, dieser Versammlung beider Kammern anlässlich der Wahl des Präsidenten der Republik den Namen „Nationalversammlung“ zu geben. Ein Vorschlag, der nicht weiter berücksichtigt wurde, vgl. ebd., Bl. 240. 91 Der Unterausschuss wurde auf der 8. Sitzung des Verfassungsausschusses am 6. Juli 1948 gebildet. Ihm gehörten ursprünglich an: Brandt, Dertinger, Polak, Steiniger, vgl. 8. Sitzung des Verfassungsausschusses am 6. Juli 1948, in: BArch,
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
Einleitend referierte Polak über die seitens des Unterausschusses aufgestellten Richtlinien. Zum Kapitel „Die Republik und die Länder“ bemerkte Polak, dass der Unterausschuss bewusst darauf verzichtet habe eine vormals geforderte umfassende Homogenitätsklausel in die Richtlinien aufzunehmen.93 Den Grund hierfür, der sich wie ein roter Faden durch die Diskussionen um einen föderalen Staatsaufbau bzw. um eine zweite Kammer zog, erläuterte Polak wie folgt: Wir haben aus taktischen Gründen darauf verzichtet, weil wir nicht den Anschein erwecken wollen, als ob diese Verfassung ein Affront gegen die Länder sein soll, die es nun schon anders haben, als ob also die Voraussetzung für einen Eintritt in die Verfassungsdiskussion sein würde, daß sie ihre eigenen Verfassungen ändern.94
Und – weit gewichtiger: Wir wollten so wenig wie möglich die anderen Länder drüben vor den Kopf stoßen. Daher haben wir nur gesagt: ‚Jedes Land hat eine Verfassung, die mit den Grundsätzen dieser Verfassung übereinzustimmen hat‘.95
Anschließend zeigte Polak die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen auf. Man habe einen Katalog von Materien aufgestellt bei denen der Republik die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zufalle. Die konkurrierende Gesetzgebung – unter Beigabe der Kompetenz-Kompetenz an die Republik – habe man so gefasst, dass sie den Ländern nur dann erlaube Gesetze zu erlassen, soweit die Republik bislang von ihrer Gesetzgebungsbefugnis keinen Gebrauch gemacht habe.96 Auch die Anregung von Lobedanz, man möge die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis durch die Normierung einer Grundsatzkompetenz – die der Republik aufgab, sich mit der Aufstellung von Grundsätzen zu begnügen, soweit hierdurch dem Bedürfnis einer einheitlichen Regelung Genüge getan werde – beschränken, wurde berücksichtigt.97
DA 1/153, Bl. 53 ff.; Polak: „Nur einige wenige Worte zu dem äußeren Verlauf der Unterausschußberatungen! Wir haben am letzten Sonnabend und Sonntag [also am 17. und 18. Juli 1948, d. Vf.] im Hause der CDU, wo wir Gäste von Herrn Dertinger waren, getagt“, VerfA, 10. Sitzung am 20. Juli 1948, in: BArch, DA 1/154, Bl. 173. 92 Diese Richtlinien des Unterausschusses sind nicht überliefert, können aber anhand der Äußerungen Polaks und des auf diese Richtlinien zurückgehenden späteren Entwurfs von „Richtlinien für die Verfassung der deutschen demokratischen Republik“ (ebd., Bl. 89 ff.) an entsprechender Stelle weitgehend rekonstruiert werden. 93 Vgl. ebd., Bl. 180. 94 Ebd. 95 Ebd. 96 Vgl. ebd. 97 Vgl. ebd. (Abschnitt V Ziff. 4 der Richtlinien).
E. Die „Richtlinien für eine deutsche Verfassung“
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Der Satz „Reichsrecht bricht Landesrecht“ wurde in Abschnitt V Ziff. 5 der Richtlinien übernommen, sowie in Abschnitt V Ziff. 6 festgelegt, dass die Ausführung aller Gesetze grundsätzlich bei den Organen der Länder liege.98 Polak wandte sich nun der Ausgestaltung der zweiten Kammer zu. Man habe im Gegensatz zum Bismarckschen Bundesrat und auch zum Reichsrat der Weimarer Verfassung keine bürokratische, sondern eine demokratische Instanz geschaffen.99 Der Abschnitt II der Richtlinien, die der Unterausschusss100 ausarbeitete, glich im Wesentlichen – freilich abgesehen von dem später deutlich modifizierten Einspruchsrecht und einzelnen Verfahrensvorschriften – bereits den Vorschriften über die Länderkammer in der späteren Verfassung. In diesen Richtlinien hieß es: II. Vertretung der Länder 1. Staatenhaus101 Zur Vertretung der deutschen Länder wird ein Staatenhaus gebildet. 2. Zusammensetzung des Staatenhauses Im Staatenhaus hat jedes Land für 500.000 Einwohner einen Abgeordneten. Jedes Land hat mindestens einen Abgeordneten. 3. Abgeordnete des Staatenhauses Die Abgeordneten werden von den Landtagen im Verhältnis der Stärke der Fraktionen auf die Dauer einer Wahlperiode gewählt. 98 Der vom Verfassungsausschuss überarbeitete, nun „Richtlinien für die Verfassung der deutschen demokratischen Republik“ genannte Entwurf ist dem Protokoll der 10. Sitzung des Verfassungsausschuss beigegeben, vgl. ebd., Bl. 89 ff.; abgedruckt in: Deutscher Volksrat – Sekretariat, Informationsdienst, 1. Jahrgang, August 1948, Nr. 3, S. 3 ff. und Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 406 ff. 99 Vgl. VerfA, 10. Sitzung am 20. Juli 1948, BArch, DA 1/154, Bl. 181. In der Verfassungspropaganda hieß es dazu: „Soll neben der Volkskammer auch eine Länderkammer stehen? Die Richtlinien bejahen diese Frage, weil sie die Rechte der Länder und Landtage nicht übergehen wollen“, Deutscher Volksrat – Sekretariat, Deutsches Volk – entscheide selbst!, S. 13. 100 Sitzungsprotokolle über die Arbeit des Unterausschusses sind nicht überliefert. In den betreffenden Akten (BArch, DA 1/159; DA 1/160) finden sich nur kurze, meist wenig ergiebige Sitzungsberichte und organisatorische Verfügungen. Die Sitzungen des Unterausschusses fanden statt am 17. und 18. Juli 1948, am 3. und 4. September 1948, am 10. und 22. September 1948, am 24 Februar 1949 und letztmalig am 27. Februar 1949, vgl. Aufstellung der Sitzungen in: BArch, DA 1/159, Bl. 1. Die Arbeit fand in „[. . .] nüchtern-abstrakter [. . .]“ Atmosphäre statt, weshalb wegen der „[. . .] Nervenbeanspruchung [. . .]“ und zur Aufrechterhaltung der „[. . .] geistigen Reaktionsfähigkeit [. . .]“ um „[. . .] 200 bulgarische Zigaretten und 2 Flaschen Likör [. . .]“ gebeten wurde, vgl. BArch, DA 1/159, Bl. 82. 101 Zur Anlehnung an den Begriff des Staatenhauses der Preuß-Entwürfe, vgl. Schultes, NJ 1949, 177 (182).
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer Die Landtage stellen den Willen des Landes zu den im Staatenhaus zu erörternden Angelegenheiten fest. Die Bestimmungen der Länderverfassungen über die Gewissensfreiheit der Abgeordneten bleiben hiervon unberührt.
4. Zuständigkeit des Staatenhauses Zur Zuständigkeit des Staatenhauses gehören: a) das Einspruchsrecht gegen Gesetzesbeschlüsse des Volkshauses. Dieser Einspruch wird hinfällig, wenn das Volkshaus seinen Beschluß mit einer Mehrheit von 2/3 der Abstimmenden aufrechterhält. b) das Einspruchsrecht gegen verfassungsändernde Beschlüsse des Volkshauses. Dieser Einspruch bedarf der Mehrheit von zwei Dritteln der abstimmenden Abgeordneten. Er wird hinfällig, wenn das Volkshaus mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Abgeordneten seinen Beschluß aufrecht erhält. c) das Recht der Gesetzesinitiative; d) Mitwirkung bei der Wahl des Präsidenten der Republik.102
Zu Punkt 1. bemerke Polak, in der Weimarer Republik seien es 700.000 Einwohner gewesen, auf die ein Abgeordneter entfiel103, weiterhin hätte der gewählte Landtag nach seiner Konstituierung nach Punkt 3. die Pflicht, die „[. . .] Deputierten zum Staatenhaus zu wählen.“104 Polak zu Punkt 3., zweiter Absatz: „Die Landtage haben also das Recht, einen Beschluß zu fassen: unser Standpunkt ist der und der.“ Zu dem entscheidenden, da insoweit widersprüchlichen105, dritten Absatz führte Polak aus: Dieses Mandat des Landtags ist also, wie man sagt, kein imperatives; der Abgeordnete ist nicht daran gebunden, er kann sich wenn er nach Berlin kommt und die entstehenden Argumente der Regierung hört, auf einen anderen Standpunkt stellen.106 102
Vgl. dazu die Ausführungen Polaks im Wortlaut der noch nicht überarbeiteten Richtlinien, VerfA, 10. Sitzung am 20. Juli 1948, in: BArch, DA 1/154, Bl. 181 f. 103 Art. 61 Abs. 1 WRV lautete in seiner Urfassung: „Im Reichsrat hat jedes Land mindestens eine Stimme. Bei den größeren Ländern entfällt auf eine Million Einwohner eine Stimme. Ein Überschuß, der mindestens der Einwohnerzahl des kleinsten Landes gleichkommt, wird einer vollen Million gleichgerechnet. Kein Land darf durch mehr als zwei Fünftel aller Stimmen vertreten sein.“ Durch das Gesetz über die Vertretung der Länder im Reichsrat vom 24. März 1921, RGBl. S. 440 (1921), wurde Art. 61 Abs. 1 WRV wie folgt geändert: „Im Reichsrat hat jedes Land mindestens eine Stimme. Bei den größeren Ländern entfällt auf 700000 Einwohner eine Stimme. Ein Überschuß von mindestens 350000 Einwohnern wird 700000 gleichgerechnet. Kein Land darf durch mehr als zwei Fünftel aller Stimmen vertreten sein.“ 104 Vgl. VerfA, 10. Sitzung am 20. Juli 1948, BArch, DA 1/154, Bl. 181. 105 So auch Rudolf Ziel, Landgerichtspräsident in Chemnitz, anlässlich eines Diskussionsabends der LDPD über den Verfassungsentwurf am 16. November 1948 in Brühl, Protokoll, S. 15, in: ADL, Bestand Fritz R. Greuner, N99-132.
E. Die „Richtlinien für eine deutsche Verfassung“
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Für den Abgeordneten war die Beschlussfassung des Landtages im Ergebnis also nur eine Empfehlung; bei Missachtung der Vorgabe setzte er sich dann aber einer etwaigen Nichtberücksichtigung bei der nächsten Abgeordnetenwahl aus. Der wohl gravierendste Unterschied zur späteren Regelung in der Verfassung bestand in Punkt 4. a) der Richtlinien: Das Staatenhaus sollte das Recht eines aufschiebenden Vetos haben, das zur Folge hatte, dass der Beschluss des Volkshauses mit qualifizierter Zweidrittelmehrheit wiederholt werden musste.107 Das Staatenhaus, so Polak, könne somit im Grunde das Volkshaus zwingen, alle maßgebenden Beschlüsse mit Zweidrittelmehrheit zu fassen.108 Das Einspruchsrecht gegen verfassungsändernde Gesetze, Punkt 4. b) der Richtlinien, sah zunächst eine kurios anmutende Regelung vor: Die Beschlussfassung über den Einspruch bedurfte einer Mehrheit von zwei Dritteln der abstimmenden Abgeordneten des Staatenhauses, konnte hingegen nur durch eine Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten des Volkshauses überwunden werden. Steiniger unterbrach infolgedessen die Ausführungen Polaks und wies darauf hin, dass es sich um einen Irrtum handeln müsse: „Den Einschub ‚abstimmenden‘ haben wir gestrichen, denn sonst könnte das Staatenhaus das Parlament völlig sabotieren.“109 In dem überarbeiteten Entwurf, der nun „Richtlinien für die Verfassung der deutschen demokratischen Republik“ hieß, wurde dies dann auch berichtigt.110 Bei verfassungsändernden Gesetzen galt also die Besonderheit, dass die absolute Zweidrittelmehrheit des Staatenhauses für die Erhebung des Einspruchs und die absolute Zweidrittelmehrheit des Volkshauses für die Beseitigung des Einspruchs erforderlich sein sollte.111 106 VerfA, 10. Sitzung am 20. Juli 1948, in: BArch, DA 1/154, Bl. 181. Die LDPD plädierte auf Streichung der relevanten Vorschrift, wonach die Landtage den Willen zu den in der Länderkammer zu erörternden Angelegenheiten feststellten, da diese offenkundig keinen allzu großen Wert habe, vgl. „Informationsmaterial über den Stand der Verfassungsdiskussionen vom 10. Februar 1949 – 3. Folge“, S. 14, in: BArch, DA 1/4524. 107 Vorbild dieser Regelung war Art. 74 Abs. 3 S. 4 WRV: „Hat der Reichstag mit Zweidrittelmehrheit entgegen dem Einspruch des Reichsrats beschlossen, so hat der Präsident das Gesetz binnen drei Monaten in der vom Reichstag beschlossenen Fassung zu verkünden oder einen Volksentscheid anzuordnen.“ 108 Vgl. VerfA, 10. Sitzung am 20. Juli 1948, in: BArch, DA 1/154, Bl. 182. 109 Ebd.; so auch der nochmalige Hinweis von Polak am Ende dieser Sitzung, vgl. ebd. Bl. 222. 110 Vgl. ebd., Bl. 97. Auch der Organisationsausschuss des Parlamentarischen Rates anerkannte diese Richtlinien als „Vorarbeit“, vgl.: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat, Bd. 13/I, Dok. Nr. 1 (S. 2). 111 Vgl. VerfA, 10. Sitzung am 20. Juli 1948, in: BArch, DA 1/154, Bl. 182.
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
In selbiger Sitzung beschäftigte man sich abermals mit der Frage, ob die Länder am Anfang der Verfassung erwähnt werden sollten. Man einigte sich schließlich, da politisch richtiger (Steiniger), auf die Formulierung „Deutschland ist eine unteilbare Republik, die sich aus den deutschen Ländern zusammensetzt.“112 Der spätere Art. 1 Abs. 2 DDV, der in diesem Stadium noch pathetisch „Alle Lebensfragen des deutschen Volkes werden von der Republik entschieden“ lautete, ist deshalb von Interesse, da Brandt als Zusatz vorschlug: „Die Selbstständigkeit der Länder wird dadurch gesichert.“ Grotewohl als Ausschussvorsitzender wandte sich dagegen. Vordergründig deshalb, da man die Einheit der Nation zum Ausdruck bringen wolle113; realiter ging es wohl um die Vermeidung einer verfassungsrechtlich exponiert verankerten Garantie der Selbstständigkeit der Länder. Brandt zog schließlich seinen Antrag zurück.114
F. Die Namensfindung Endlich wandte man sich der Frage der Benennung von Parlament und Vertretung der Länder zu.115 Grotewohl stieß die Debatte damit an, dass ihm die Bezeichnung Volkshaus, die in den Richtlinien verwandt wurde, nicht gefalle.116 Hugo Hickmann117 (CDU) schlug Volkstag und Ländertag vor, da in der Verfassung nie von Staaten (bezugnehmend auf die in den Richtlinien verwandte Bezeichnung „Staatenhaus“), sondern von Ländern 112
Vgl. ebd., Bl. 184. Vgl. ebd., Bl. 187. 114 Vgl. ebd. 115 Hier zeigte sich eine der wenigen Gemeinsamkeiten mit der Arbeit des Parlamentarischen Rates. Auch dort rang man um die Benennung der Verfassungsorgane, wobei für den späteren Bundesrat der Name „Länderkammer“ gleichfalls zur Diskussion stand, vgl. nur den Bericht von Walter Menzel über die Sitzung der SPD-Fraktion am 30. September 1948: „Bei der Terminologie, d.h. vor allem bei der Bezeichnung der Institutionen, werden im Organausschuß z. Zt. die Bezeichnungen ‚Volkskammer‘ und ‚Länderkammer‘ benutzt. Die Fraktion stimmt diesen Formulierungen zu, obwohl sich diese Bezeichnung im SED-Entwurf wiederfindet“, FESt Nachlaß Walter Menzel/R 1, zit. nach: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat, Bd. 13/I, Dok. Nr. 8 Anm. 62 (S. 236). Erst in der dritten Lesung des Hauptausschusses am 9. Februar 1949 entschied man sich für die Bezeichnung „Bundesrat“ als bewusste Abgrenzung zur Namensgebung in der Verfassung der „Ostzone“, dazu: Reuter, Art. 50 Rdnr. 6. 116 Vgl. VerfA, 10. Sitzung am 20. Juli 1948, in: BArch, DA 1/154, Bl. 215. 117 Vor 1933 Vorsitzender des Deutschen Evangelischen Gemeindetages, 1922–1933 MdL Sachsen (DVP), ab 1926 dessen Vizepräsident, ab September 1948 2. Vorsitzender der CDU, Mitglied im Verfassungsausschuss des DVR, bis 1950 MdVK, nach SED-Angriffen Parteiausschluss 1950, zur Person vgl.: Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 931. 113
F. Die Namensfindung
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die Rede sei.118 Brugsch regte „Haus des Volkes“ und „Haus der Länder“ an, worauf Grotewohl despektierlich bemerkte: Diese Formulierungen – ‚Tag des Pferdes‘, ‚Tag des Hundes‘, ‚Stadt der Bewegung‘ usw. – sind so abgeklappert, daß sie wirklich nicht schön sind. Ich möchte daher einen etwas antiquierten Vorschlag machen; ich würde sagen: ‚Volkskammer‘ und ‚Länderkammer‘.119
Damit war der Name für die konzedierte zweite Kammer ausgerechnet von einem führenden Vertreter der auf Einheitsstaatlichkeit und Einkammersystem bedachten SED gefunden. Dieckmann hatte gegen „Kammer“ sogleich einzuwenden, dass dieser Begriff einen zu feudalistischen Anstrich habe; Niekisch sah darin einen vormärzlichen Begriff, der zu vermeiden sei.120 Grotewohl bedachte diese Einwände zwar, zog aber eine Parallele zu Frankreich, wo es ebenfalls eine erste und zweite Kammer gebe; dort nehme auch niemand daran Anstoß; Steiniger pflichtete dem bei und sah nur für „[. . .] eine schmale Bildungsschicht innerhalb der Intelligenz [. . .]“ die Gefahr des Erkennens eines vormärzlichen Begriffes; inzwischen sei „Kammer“ aber durch so viele andere Wortbildungen bekannt, etwa Zivilkammern bei Gericht oder Handelskammern, dass dies von der breiten Masse des Volkes verstanden würde.121 Den von Brandt aufrechterhaltenen Vorschlag von „Volksrat“ und „Länderrat“ verwarf man als im Westen „[. . .] psychologisch vorbelastet [. . .]“ und „[. . .] diskreditierend [. . .]“.122 Grotewohl hielt die Bezeichnung zwar für gut, aber politisch nicht für taktvoll: Nachdem man dort gegen uns kämpft und gegen uns eine Stellung bezogen hat, wird die Argumentation sofort dahin gehen; man will die Institution des Ostens auf uns ausdehnen, – Rätesystem, und was weiß ich, was man uns wieder alles unterschieben wird.123
Außerdem brauche man die Bezeichnung „Volksrat“ noch für eine Politik, die die Einheit Deutschlands weitertrage; durch die Belegung des Parlaments mit diesem Namen würde man sich einer Entwicklungsmöglichkeit berauben, die man noch brauche.124 Letztlich behielt man den von Grotewohl gemachten Vorschlag bei. 118
Vgl. VerfA, 10. Sitzung am 20. Juli 1948, in: BArch, DA 1/154, Bl. 215; so auch die NDPD, vgl. Schreiben des Hauptvorstandes der NDPD an den Verfassungsausschuss vom 14. Oktober 1948, in: BArch, DA 1/171, Bl. 43. 119 VerfA, 10. Sitzung am 20. Juli 1948, in: BArch, DA 1/154, Bl. 215. 120 Vgl. ebd., Bl. 216 f. 121 Ebd., Bl. 217. 122 Vgl. ebd., Bl. 216. 123 Ebd. 124 Vgl. ebd.
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
G. Die Beratungen um die Rechte der Länderkammer – Fixierung ihrer untergeordneten Stellung im Verfassungsgefüge I. Antragsrecht Als eine „[. . .] Kleinigkeit [. . .]“ bezeichnete Steiniger schließlich noch seine Nachfrage, ob denn das Antragsrecht des einzelnen Abgeordneten versehentlich herausgenommen wurde; man habe schließlich den einzelnen Kammern ein Initiativrecht gegeben und müsse es auch für die Abgeordneten diskutieren.125 Polak erwiderte ohne nähere Begründung, man habe dieses Antragsrecht mit Absicht herausgelassen, da es eine Selbstverständlichkeit sei.126 Steinigers Replik, dies sei es keineswegs, da man auch daran denken könne nur Fraktionen das Antragsrecht zu geben127, wurde anschließend nicht weiter erörtert. Nachfolgend billigten (nur) die Geschäftsordnungen128 das Recht zu, Vorlagen mit einem Quorum von fünf Abgeordneten einzubringen; aus der Verfassung selbst ergab sich dies nicht.
II. Das Einspruchsrecht der Länderkammer Grotewohl stellte weiterhin einen von ihm eingebrachten Abänderungsvorschlag zur Diskussion. Die in Punkt 4. a) der Richtlinien genannte Regelung, wonach das Volkshaus, nun Volkskammer, einen Einspruch der Länderkammer nur mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Abstimmenden hinfällig werden lassen könne, hebe nicht deutlich genug die Priorität des Parlaments hervor.129 Man müsse folgenden Standpunkt einnehmen: „Wenn das Parlament beschlossen hat, dann hat es beschlossen.“130 Das Parlament habe zwar die Verpflichtung die Bedenken der Länderkammer zu prüfen und noch einmal Stellung zu nehmen, wenn es aber dann dazu komme bei seinem ersten Standpunkt zu verharren, müsse dafür ein einfacher Beschluss des Parlaments genügen.131 Der zweite Halbsatz sei daher wie folgt zu fassen: „[. . .] wenn die Volkskammer ihren Beschluß nach erneuter Beratung aufrechterhält.“ Er, Grotewohl, wisse, dass die Bestimmung mit der Zweidrittelmehrheit der Weimarer Verfassung entspreche132, meine aber, da man 125 126 127 128 129 130 131
Vgl. ebd., Bl. 218. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Zu den Geschäftsordnungen der Länderkammer ausführlich unten, Kap. 4 C. Vgl. VerfA, 10. Sitzung am 20. Juli 1948, in: BArch, DA 1/154, Bl. 220. Ebd. Vgl. ebd.
G. Die Beratungen um die Rechte der Länderkammer
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sowieso keinen richtigen Reichsrat und keinen richtigen Länderrat geschaffen habe – gebildet aus den Regierungsvertretungen –, sei auch in diesem Punkte das Einspruchsrecht der Länderverwaltung [sic!] zu brechen; die einfache Mehrheit müsse genügen.133 Loch (LDPD) störte sich an der Verwendung des Wortes Länderverwaltung durch Grotewohl. Die zweite Kammer bestehe ja aus Abgeordneten; diese hätten, wenn sie gegen ein Gesetz Einspruch einlegten, bestimmt schwerwiegende Gründe.134 Es könne doch auch Zufallsmehrheiten geben oder es könne ein Parlament sein, das nicht mehr der wirklichen Volksmeinung entspreche, ohne dass man gleich den Apparat des Volksentscheides in Bewegung setzen wolle; für solche Fälle sei in den meisten Verfassungen vorgesehen, dass nur bei einer qualifizierten Mehrheit der Einspruch als hinfällig angesehen werde.135 Steiniger (SED) verwies auf die „[. . .] englische Verfassung [. . .]“136, die keine besonderen Mehrheiten zur Überwindung des Einspruches vorsehe.137 Grotewohl beharrte darauf, dass es nicht sein könne, dass „[. . .] eine Körperschaft von 40–50 Leuten den Beschluß eines Parlaments von 400 Leuten aufheben kann.“138 Loch wies auf die Gefahr hin, die darin bestehe, dass 132
Zum Wortlaut der Vorschrift, siehe oben, Kap. 3 E. (Fn. 107). Vgl. VerfA, 10. Sitzung am 20. Juli 1948, in: BArch, DA 1/154, Bl. 220. 134 Vgl. ebd. 135 Vgl. ebd.; in diesem Sinne auch Dertinger (CDU), vgl. ebd., Bl. 221. 136 Gemeint war die materielle Staatsverfassung und damit der sog. „parliament act“ vom 18. August 1911, der seinerzeit bestimmte: „2. (1) Wenn ein öffentlicher Gesetzesentwurf (mit Ausnahme eines Finanzgesetzesentwurfes oder eines Gesetzesentwurfes, der Vorschriften zur Ausdehnung der Höchstdauer der Legislaturperiode über mehr als 5 Jahre enthält) vom Unterhaus in drei aufeinanderfolgenden Sitzungsperioden (sei es während derselben Legislaturperiode oder nicht) verabschiedet wird und dem Oberhaus jeweils zumindest einen Monat vor Ablauf der Sitzungsperiode übersandt und von ihm in jeder dieser Sitzungsperioden abgelehnt worden ist, so wird dieser Gesetzesentwurf – sofern das Unterhaus nichts Gegenteiliges bestimmt – nach der dritten Ablehnung durch das Oberhaus Seiner Majestät vorgelegt und wird nach Bekundung der Königlichen Zustimmung selbst dann Parlamentsgesetz, wenn ihm das Oberhaus nicht zugestimmt hat. Diese Bestimmung soll jedoch nur wirksam werden, wenn von dem Zeitpunkt der – während der ersten Sitzungsperiode erfolgenden – zweiten Lesung des Gesetzesentwurfes im Unterhaus bis zum Zeitpunkt seiner Verabschiedung durch das Unterhaus in der dritten Sitzungsperiode zwei Jahre verstrichen sind“, vgl. dazu auch: Gebauer, S. 274. Dieses komplizierte Verfahren auch nur in Ansätzen zu übernehmen, war sicherlich nicht Steinigers Wunsch. 137 Vgl. VerfA, 10. Sitzung am 20. Juli 1948, in: BArch, DA 1/154, Bl. 221. 138 Wohlwissend ging Grotewohl hier von einem Berechnungsmodell aus, das annähernd der Bevölkerungszahl der sowjetischen Besatzungszone entsprach; im Gegensatz dazu nahm Dertinger den schon damals unwahrscheinlichen Umstand an, die zu schaffende Verfassung könne auch im Westen Geltung erlangen: „Daß die 133
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
man sich – folgte man Grotewohls Vorschlag – zu sehr unitarisch geriere; aus diesem Vorschlag könne man eine zu starke Beschneidung der Länderkompetenzen herauslesen; freilich sei er persönlich gleicher Meinung wie Grotewohl, man müsse den Vorschlag allerdings noch einmal von der „[. . .] politischen Seite [. . .]“ überprüfen, gerade weil „[. . .] der Föderalismus zur Zeit Trumpf ist, obwohl er meines Erachtens nicht den Bedürfnissen der deutschen Republik entspricht.“139 Grotewohl war sich ebenso der „[. . .] politischen Wirkung im Westen [. . .]“ bewusst, zeigte sich deshalb offen für einen Vermittlungsvorschlag und schlug vor, dass zur Überwindung des Einspruches die Volkskammer diesen mit absoluter Mehrheit – also mindestens mit der Hälfte der Stimmen des Parlaments – zurückweisen müsse.140 Steiniger regte eine Differenzierung an wie sie später auch Eingang in die Verfassung fand: Erhebt die Länderkammer mit einfacher Mehrheit Einspruch, dann sei nur erneute Beratung notwendig, wurde der Einspruch mit Zweidrittelmehrheit erhoben, könne auch das Parlament den Einspruch nur mit einer so qualifizierten Mehrheit überwinden.141 Grotewohl war über diesen Vorschlag nicht glücklich, gestand aber gleichwohl zu „[. . .] als weitestes Entgegenkommen bis an diese Grenze zu gehen.“142 Es sei auch ihm klar, dass es schwerwiegende Gründe seien, wenn die Länderkammer einen Einspruchsbeschluss mit Zweidrittelmehrheit fasse, ja eine Art Staatsnotstand vorliege, der die Länderkammer dazu bewege und es nicht sein könne, dass im Parlament eine Mehrheit von vielleicht einer Stimme gegen alle Länder wirken würde; insofern sei er mit dem Vorschlag Steinigers einverstanden.143 In dem überarbeiteten Entwurf der „Richtlinien für die Verfassung der deutschen demokratischen Republik“144 wurde schließlich wie folgt formuliert: Dieser Einspruch wird hinfällig, wenn die Volkskammer ihren Beschluss nach erneuter Beratung aufrechterhält. Wurde der Einspruch von der Länderkammer mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Abstimmenden beschlossen, so wird er nur dann hinfällig, wenn die Volkskammer ihren Beschluss ebenfalls mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Abstimmenden aufrechterhält.
Diese Formulierungen entsprachen – bis auf stilistische Korrekturen – schon Art. 84 Abs. 2 und 3 der späteren Verfassung. Länderkammer nur etwa 50 Köpfe umfasse, ist nicht ganz richtig. Bei einem Vertreter auf je 500.000 hat sie schon 120 Köpfe [bei der Annahme von 60 Mio. der Verfassung unterworfenen Einwohnern Gesamtdeutschlands, d. Vf.] [. . .]“, ebd. 139 Vgl. ebd. 140 Vgl. ebd. 141 Vgl. ebd. 142 Vgl. ebd., Bl. 222. 143 Vgl. ebd. 144 Dem Sitzungsprotokoll beigegeben, vgl. ebd., Bl. 221.
H. Die Länderkammer in den „Richtlinien für die Verfassung der DDR“
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Für den die Länderkammer betreffenden Vorschlag von Lobedanz, man möge in Erwägung ziehen, dass die Regierungsmitglieder Mitglieder der Volkskammer oder der Länderkammer seien sollten, sah Grotewohl hingegen kein Bedürfnis.145 Auf diesen Pleonasmus („sollen“ und „oder der Länderkammer“) wies Steiniger hin und bemerkte, man würde damit die Länderkammer in eine ganz andere Funktion stellen. Die Anregung Lobedanz’, die Länderkammer in einer solchen Weise gewissermaßen hervorzuheben, wurde nicht weiter verfolgt. An den Grundsätzen der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Republik und Ländern hielt man fest.146 Der Unterausschuss wurde schließlich beauftragt, die endgültige redaktionelle Fassung der Richtlinien herzustellen; Grotewohl leitete diese dann dem Präsidium des Deutschen Volksrates zu mit dem Ziel, sie der Vollversammlung des Deutschen Volksrates vorzulegen.147
H. Die Länderkammer in den „Richtlinien für die Verfassung der deutschen demokratischen Republik“ Anlässlich der 6. Sitzung des Präsidiums des Deutschen Volksrates am 22. Juli 1948 stellte Grotewohl in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Verfassungsausschusses den überarbeiteten – nun „Richtlinien für die Verfassung der deutschen demokratischen Republik“ genannten – Entwurf vor. Für die Länderkammer ergaben sich zu den Richtlinien des Unterausschusses folgende Änderungen148: II. Vertretung der Länder [. . .] 3. Abgeordnete der Länderkammer Die Abgeordneten werden von den Landtagen im Verhältnis der Stärke der Fraktionen auf die Dauer der149 Wahlperiode gewählt. [. . .] 145
Vgl. ebd., Bl. 237. Siehe dazu auch die Aufstellung in den „Richtlinien für die Verfassung der deutschen demokratischen Republik“, in: ebd., Bl. 99 f. Grotewohl dazu: „Ich finde, man kann nicht darüber schimpfen, daß wir zu zentralistisch sind“, ebd., Bl. 241. 147 Vgl. ebd., Bl. 245. 148 Die Änderungen wurden seitens des Verfassers hervorgehoben. Änderungen, die sich nur aufgrund der Namensänderungen (aus Volkshaus wurde Volkskammer, aus Staatenhaus wurde Länderkammer) ergaben, wurden nicht besonders herausgestellt. 149 Vormals „einer“. 146
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
4. Zuständigkeit der Länderkammer Zur Zuständigkeit der Länderkammer gehören: a) das Einspruchsrecht gegen Gesetzesbeschlüsse der Volkskammer. Dieser Einspruch wird hinfällig, wenn die Volkskammer ihren Beschluß nach erneuter Beratung aufrechterhält. Wurde der Einspruch von der Länderkammer mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Abstimmenden beschlossen, so wird er nur dann hinfällig, wenn die Volkskammer ihren Beschluß ebenfalls mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Abstimmenden aufrechterhält. b) das Einspruchsrecht gegen verfassungsändernde Beschlüsse der Volkskammer. Dieser Einspruch bedarf der Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten150. Er wird hinfällig, wenn die Volkskammer mit einer Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Abgeordneten ihren Beschluß aufrecht erhält. [. . .]151
Die Tagesordnung der Präsidiumssitzung sah zwei Punkte vor, die zur Behandlung standen: 1. Vorbereitung und Durchführung der Tagung des Deutschen Volksrates am 27. Juli 1948152 (Bericht des Verfassungsausschussvorsitzenden über den Entwurf der Richtlinien für die Verfassung der deutschen demokratischen Republik. – Berichterstatter: Otto Grotewohl) 2. Einberufung des 3. deutschen Volkskongresses.153
Grotewohl erläuterterte dem Präsidium nun die geschaffenen Richtlinien. Grundlage aller Arbeit seien die Bestimmungen des Potsdamer Abkommens gewesen, in Verbindung mit [. . .] den verschiedenen Äußerungen und Beschlüssen der verschiedenartigsten Konferenzen der Außenminister, in denen in mehr oder weniger schlüssiger Form zu der Frage einer deutschen Verfassung oder der Gestaltung Deutschlands überhaupt Stellung genommen wurde.154 150
Vormals „der abstimmenden Abgeordneten“. Der Einspruchsbeschluss wurde also wesentlich erschwert. 151 Die „Richtlinien für die Verfassung der deutschen demokratischen Republik“ sind dem Protokoll der 10. Sitzung des Verfassungsausschuss beigegeben, vgl. VerfA, 10. Sitzung am 20. Juli 1948, in: BArch, DA 1/154, Bl. 89 ff.; abgedruckt in: Deutscher Volksrat – Sekretariat, Informationsdienst, 1. Jahrgang, August 1948, Nr. 3, S. 3 ff. und Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR 1946–1949, S. 406 ff. 152 Tatsächlich trat die Vollversammlung des Deutschen Volksrates erst am 3. August 1948 zu ihrer 4. Tagung zusammen, vgl. BArch, DA 1/5, Bl. 1. 153 Dieser Tagesordnungspunkt, der schon das weitere Procedere eine Verabschiedung der Verfassung ins Auge fasste – bis 20. September 1948 sollte die Verfassung paragraphiert sein und anschließend eine öffentliche Aussprache stattfinden –, war wohl der Grund, weshalb man, da es sich um eine „[. . .] rein technische Sitzung [. . .]“ handeln sollte, selbige als vertraulich einstufte und kein Pressekommuniqué herausgab, vgl. Präsidium DVR, 6. Sitzung am 22. Juli 1948, in: BArch, DA 1/1, Bl. 74.
H. Die Länderkammer in den „Richtlinien für die Verfassung der DDR“
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Es sei sinnlos, so Grotewohl, eine Verfassung auszuarbeiten, die von den grundlegenden Beschlüssen der Alliierten155 abweichen würde; gleichzeitig müsse man deshalb die Äußerungen Molotows156 aufgreifen, der ein einheitliches Deutschland unter Zugrundelegung der guten und brauchbaren Bestimmungen der Weimarer Verfassung gefordert habe. Den Richtlinien lege man bezüglich des Verhältnisses der Länder zum gesamten Deutschland die Weimarer Verfassung zugrunde.157 Das Parlament sei als ein Zweikammersystem aufgebaut worden, da man in dieser prinzipiellen Frage durch die Beschlüsse der Außenministerkonferenzen gebunden sei und (!) „[. . .] weil in diesem Punkte die Auffassungen im gesamten Westdeutschland sich wahrscheinlich nicht in jeder Beziehung mit den unseren decken.“158 Grotewohl führte aus, weshalb eine ihm sicher ungeliebte zweite Kammer in die Richtlinien aufgenommen wurde: Um auch hier von vornherein eine Basis zu haben, auf der man ernsthaft [mit dem Westen, d. Vf.] diskutieren kann, hat der Verfassungsausschuss sich entschlossen, zwei Parlamente, eine Volks- und eine Staatenkammer, vorzuschlagen.159
Verklausuliert schob Grotewohl zu diesem Themenkomplex freilich nach, dass das Verhältnis beider Kammern zueinander „[. . .] genau begrenzt und festgelegt [. . .]“ werden müsse.160 In der bevorstehenden Tagung der Vollversammlung des Deutschen Volksrates würden dann die Verfassungsausschussmitglieder Brandt161, Hildegard Heinze162 (VVN) und Polak die 154
Ebd. Freilich waren die Beschlüsse der Sowjetführung allein zu jener Zeit den alliierten Vorgaben schon vorrangig. 156 Anlässlich der Moskauer Außenministerkonferenz vom 10. März bis 24. April 1947, vgl Kap. 3 C. (Fn. 63). 157 Vgl. Präsidium DVR, 6. Sitzung am 22. Juli 1948, in: BArch, DA 1/1, Bl. 66; wovon hinsichtlich der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen mit einiger Berechtigung gesprochen werden kann, in Bezug auf die Vertretung der Länder, also der Länderkammer und im Besonderen deren Zusammensetzung, nicht. 158 Vgl. ebd., Bl. 67. 159 Ebd. 160 Vgl. ebd. 161 Brandts Partei, die CDU, stimmte wenige Tage später den Richtlinien zu. In einer Entschließung des Erweiterten Parteivorstandes vom 29. Juli 1948 hieß es dazu: „Im Dienste einer gesamtdeutschen Demokratie [. . .] stimmt die Union den Richtlinien des Volksrates für eine Verfassung einer gesamtdeutschen demokratischen Republik zu [. . .]“, Protokoll der Sitzung des Erweiterten Parteivorstandes am 29. Juli 1948, in: ACDP, Ost-CDU: Vorstand, 07-010-489. 162 Juristin, 1946–1948 Präsidentin des Landesarbeitsamtes Sachsen, 1948–1949 in leitender Funktion in der Deutschen Justizverwaltung, 1948/1949 MdVR sowie Mitglied im Verfassungsausschuss für die VVN, ab 1951 leitende Funktionen bei 155
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
Richtlinien genauer erläutern.163 Grotewohl schlug vor, für eine Aussprache der Verfassungsrichtlinien drei Stunden zu veranschlagen.164 Das Ergebnis dieser Aussprache nahm Grotewohl vorweg, indem er die entsprechende Entschließung bereits formuliert hatte, die später165 wortgetreu übernommen wurde: Der Volksrat stimmt den vom Verfassungsausschuss vorgelegten Richtlinien für die Verfassung der deutschen demokratischen Republik zu und unterbreitet die Richtlinien der Öffentlichkeit zur Stellungnahme. Der Verfassungsausschuss wird beauftragt, bis Mitte September die endgültige Formulierung eines Verfassungsentwurfs vorzunehmen. Zur Verabschiedung des endgültigen Verfassungsentwurfs wird das Präsidium des Volksrates beauftragt, die Vorbereitung zur Abhaltung eines 2. Deutschen Volkskongresses im Herbst zu treffen.166
Grotewohl bat ferner zu beachten, dass der dann endgültig formulierte Verfassungsentwurf nicht noch einmal in den Volksrat eingebracht werde – dies sei auch Auffassung der Präsidenten des Volksrates167, darunter Pieck –, da die politischen Grundlagen in den Richtlinien restlos enthalten seien; vielmehr solle der Entwurf direkt an den 3. Volkskongress überwiesen werden.168 Eine breite Diskussion des Plenums um den Verfassungsentwurf wünschte man offenkundig nicht.
I. Vorstellung der Verfassungsrichtlinien in der Vollversammlung des Deutschen Volksrates Die 4. Tagung des Deutschen Volksrates am 3. August 1948 folgte dann auch dem von Grotewohl minutiös geplanten Schema. Nach einleitenden rechtstheoretischen und verfassungsgeschichtlichen Referaten von Heinze und Polak, die auch streiflichtartig über die Arbeit des Verfassungsausschusses im Allgemeinen berichteten, wandte sich Brandt (CDU) den der Obersten Staatsanwaltschaft und im Ministerium für Arbeit der DDR. Zur Person, vgl.: Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 925. 163 Vgl. Präsidium DVR, 6. Sitzung am 22. Juli 1948, in: BArch, DA 1/1, Bl. 70. 164 Vgl. ebd. 165 Anlässlich der 4. Tagung des DVR wurde die Entschließung einstimmig verabschiedet, vgl. DVR, 4. Tagung am 3. August 1949, in: BArch, DA 1/5, Bl. 41, 97. 166 Präsidium DVR, 6. Sitzung am 22. Juli 1948, in: BArch, DA 1/1, Bl. 70. 167 Wenngleich Pieck anlässlich einer späteren Präsidiumssitzung insistierte: „Ich wollte noch einmal gegen die fortgesetzte Verwendung des Wortes ‚Präsident‘ protestieren. Wir haben keine Präsidenten, nur Vorsitzende des Präsidiums“, Präsidium DVR, 10. Sitzung am 4. März 1949, in: BArch, DA 1/2, Bl. 95. 168 Vgl. Präsidium DVR, 6. Sitzung am 22. Juli 1948, in: BArch, DA 1/1, Bl. 70.
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staatsorganisatorischen Fragen zu.169 Zunächst betonte Brandt170, dass es sich bei den Richtlinien um Thesen für eine Verfassung Gesamtdeutschlands handle.171 Im Mittelpunkt des verfassungsorganisatorischen Teils stehe Deutschland als parlamentarische Republik, deren höchster Träger von Staatsgewalt die Volkskammer sei; dies wäre der grundlegende Unterschied zur Weimarer Verfassung, die eine Präsidentschaftsrepublik gewesen sei.172 Gegenüber der zur Vertretung der Länder zu bildenden zweiten Kammer, der Länderkammer, sowie der Regierung und dem Präsidenten der Republik, nehme die Volkskammer eindeutig den Vorrang ein, die auch der alleinige Hüter der Verfassung sei.173 Im Verhältnis zur Länderkammer zeige sich die besondere Stellung der Volkskammer darin, dass gegenüber einer qualifizierten Mehrheit von zwei Dritteln der Abstimmenden oder bei verfassungsändernden Beschlüssen gegenüber einer Mehrheit von zwei Dritteln der Gesamtzahl der Abgeordneten das aufschiebende Veto der Länderkammer nicht mehr zum Zuge komme; die Befugnisse der Länderkammer seien darauf beschränkt, dass das aufschiebende Veto der Länderkammer die Wiederholung eines von der Volkskammer bereits einmal gefassten Beschlusses nun mit qualifizierter Mehrheit notwendig mache.174 Brandt repetierte das schon vormals von Polak aufgestellte Credo, die Länderkammer sei, im Gegensatz zum Bundesrat bismarckscher Prägung und zum Reichsrat der Weimarer Zeit, keine bürokratische, sondern eine demokratische Instanz, da in ihr nicht Vertreter der Regierungen, sondern von den Landtagen gewählte Abgeordnete säßen.175 Das Mandat dieser Abgeordneten sei gleichfalls kein imperatives; die Landtage hätten zwar das Recht Beschlüsse zu den nach ihrer Ansicht in der Länderkammer zu erörternden Angelegenheiten zu fassen, die Bestimmungen der Länderverfassungen über die Gewissensfreiheit der Abgeordneten blieben hiervon aber unberührt.176 Wie diese beiden entgegenstehenden Prinzipen in Einklang zu bringen waren, verdeutlichte Brandt so: 169
Vgl. DVR, 4. Tagung am 3. August 1949, in: BArch, DA 1/5, Bl. 35 ff. Das Referat Brandts ist deshalb von herausgehobener Bedeutung, da er als Mitglied des Verfassungsunterausschusses die Leitgedanken der Arbeit dieses Gremiums wiederzugeben vermag, für das keine näheren Überlieferungen existieren. 171 Vgl. ebd. 172 Vgl. ebd. 173 Vgl. ebd. 174 Vgl. ebd. 175 Vgl. ebd., Bl. 40. 176 Vgl. ebd. 170
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
Die Abgeordneten in der Länderkammer sollen in der Lage sein, zum Beispiel auf Grund sich erst in den Verhandlungen der Länderkammer ergebender Gesichtspunkte unter Umständen einen anderen Standpunkt einzunehmen, als es ursprünglich vom Landtag beschlossen gewesen ist.177
Außer dem Recht des aufschiebenden Vetos stünden der Länderkammer keine Befugnisse zu.178
II. Aussprache über die Richtlinien In der sich daran anschließenden Aussprache lobte Hickmann für die CDU grosso modo den Entwurf.179 Der Verfassungsentwurf weise absolut neue Wege und führe damit zweifellos auf den Weg eines Wagnisses.180 Bezüglich der Schaffung einer Länderkammer bemerkte Hickmann, dass man nicht nur mit Rücksicht auf eigene Anliegen, sondern besonders auf jene des Westens, jede Übersteigerung des Zentralismus vermieden habe.181 Durch das Zweikammersystem seien noch über die Schranken der Weimarer Verfassung hinaus die Bedürfnisse der Länder berücksichtigt.182 Wenige Tage später berichtete Otto Nuschke183 in einer Sitzung des erweiterten Parteivorstandes der CDU seinen Parteifreunden zufrieden – wenn 177 Ebd.; es nimmt deshalb nicht wunder, wenn Wilhelm Ackermann, Vorsitzender des Ausschusses für Presse und Propaganda im Zentralvorstand der LDPD, in der parteieigenen Zeitung „Der Morgen“ kommentierte: „Dann hat praktisch die Feststellung des Landeswillens keinen allzu großen Wert, und man könnte sich den Aufwand dieses ganzen zweiten Absatzes des Artikels schon im Interesse des Verfassungsinhaltes sparen“, ders., Anmerkungen zum Verfassungsentwurf (II), in: Der Morgen, Berliner Ausgabe vom 5. November 1948, S. 1. 178 Vgl. DVR, 4. Tagung am 3. August 1949, in: BArch, DA 1/5, Bl. 35; die Beteiligung der Länderkammer an der Wahl des Präsidenten der Republik erwähnte Brandt schon vorher, ebd., Bl. 39. 179 Kritik übte die CDU vor allem an der Zulassung der Massenorganisationen zu Wahlen und der Beteiligung aller Fraktionen an der Regierung, vgl. ebd., Bl. 43 f.; Hickmann stellte die zu schaffende Verfassung gleichwohl unter den Vorbehalt einer „[. . .] gesamtdeutschen Nationalversammlung [. . .]“ und forderte mit Blick auf die Kodifizierung eine „[. . .] mehr zurückhaltende Methode [. . .]“, vgl. ebd., Bl. 45, was sich aus bekannten Gründen als illusorisch erwies. 180 Vgl. ebd., Bl. 43. Dieses „Wagnis“ führte dann auch später zur Zerschlagung der Länder und zur Auflösung der Länderkammer – absit omen galt dementsprechend nicht. 181 Vgl. ebd. 182 Vgl. ebd., Bl. 43. 183 Mitglied der Nationalversammlung 1919, 1921–1933 MdL Preußen (DDP), nach 1945 Mitbegründer der CDU für Berlin und die SBZ, 1945–1947 Parteivorstand CDU, danach kommissarischer Parteivorstand, als Nachfolger des durch die SMAD abgesetzten Jakob Kaiser ab 1948 bis zum Dezember 1957 1. Vorsitzender der CDU, ab 1946 zugleich MdL in Brandenburg und Sachsen-Anhalt, 1948–1957
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auch in Verkennung der Machtverhältnisse und des wahren Grundes der Zugeständnisse der SED im Hinblick auf das Traditum Länderkammer, das der Besänftigung jener Anhänger der historisch gewachsenen, weithin noch nachwirkenden, staatlichen Strukturen und damit der Zeitgewinnung für eine Konsolidierung der Machtbasis diente: Dass es in diesen Thesen für eine deutsche Verfassung gelungen ist, einmal den Gedanken festzulegen, dass wir eine deutsche Einheit sind und eine Verfassung wollen nach dem Vorbild der Weimarer Verfassung, dass man aber die Fehler von Weimar vermeiden will, [. . .] dass es gelungen ist, ein Zweikammer-System durchzuführen, dass man auch in sozialistischen Kreisen Verständnis aufbringt für den Gedanken eines Zweikammer-Systems, das sind Errungenschaften, die in erster Linie auf die mühevolle Arbeit und ihre Überzeugungskraft unserer Vertreter im Verfassungsausschuss des Volksrates zurückzuführen sind. (Beifall) Auch hier ist es so, dass nicht wir die Konzession gemacht haben, sondern dass sie von der anderen Seite gemacht worden ist.184
Hickmann folgend sprach Acker für die SED. Wenn auch die Richtlinien hier und dort eine Schwäche enthielten, möge man diese lieber beibehalten, als dass „[. . .] zerfaserndes Denken diese Gemeinschaftsarbeit stört.“185 Damit war ausgesprochen, dass die der SED entgegenkommenden Bestimmungen (genannt sei hier nur: die Verankerung des Blockgedankens bei der Regierungsbildung, die Bennennung des Ministerpräsidenten durch die stärkste Fraktion, vgl. den späteren Art. 92 DDV, die schwache Stellung der Länder und der Länderkammer) keinesfalls zur Diskussion standen. Was Acker und damit die SED als Schwäche verstanden war naheliegend: Die Stellung, vielmehr das Vorhandensein der Länder überhaupt. Acker begrüßte „[. . .] aufrichtig [. . .]“, dass der Staatscharakter der Länder nicht unterstrichen und nicht bejaht wurde.186 Man sei von der Überzeugung ausgegangen, dass „[. . .] das Länderproblem kein deutsches Staatsproblem mehr ist.“187 Man [also die SED, d. Vf.] wisse zwar, dass dieses „Problem“ eine der empfindlichen Seiten [des Westens, der bürgerlichen Parteien, d. Vf.] berühre; andererseits sei man zur Überzeugung gelangt, dass es mit dem, was man aus den Ländern gemacht habe (Heiligtümer des Volkstums, MdVR (Präsidium) und MdVK, 1949–1957 stellv. Ministerpräsident bzw. stellv. Vorsitzender des Ministerrats der DDR, vgl zur Person: Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 989. 184 Protokoll der Sitzung des Erweiterten Parteivorstandes am 29. Juli 1948: Bericht zur politischen Lage von Otto Nuschke, S. 17, in: ACDP, Ost-CDU: Vorstand, 07-010-2178. 185 Vgl. DVR, 4. Tagung am 3. August 1949, in: BArch, DA 1/5, Bl. 43. 186 Vgl. ebd., Bl. 46. Eine so einhellige Übereinkunft zwischen den Mitgliedern des Verfassungsausschusses, wie sie Acker hier suggeriert, hat es mit Blick auf den Staatscharakter der Länder nicht gegeben. 187 Vgl. ebd., Bl. 47.
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
Andichtung einer besonderen Staatlichkeit) nicht weit her sei.188 Bei dem „Länderproblem“ handle es sich um nichts weiter als um ein „[. . .] organisatorisches Zweckmäßigkeitsproblem [. . .]“, dass nichts weiter auftrage, als die „[. . .] große Volksdemokratie [. . .]“ vernünftig zu untergliedern.189 Wenn man schon eine Länderkammer zugestand, so war Acker der Meinung, dass wenigstens der „[. . .] Ton auf der Volkskammer liegen muß und die Länderkammer in gewissem Sinne nur ein ergänzendes, beratendes Organ sein darf.“190 Die Ausgestaltung des per se schon schwachen Einspruchsrechts ging Acker gleichwohl zu weit. Man solle überlegen, ob man das Vetorecht nicht auf die Frage der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes und der Verletzung wesentlicher Rechte der Selbstverwaltung beschränke.191 Die Sichtweise auf die Länderkammer als ungeliebten, konzedierten Appendix192 wird deutlich, wenn sich Acker schon weit mehr als ein Jahr vor der Inkraftsetzung der Verfassung wünschte, man möge „[. . .] über dieses die deutsche Entwicklung so außerordentlich belastende Problem [. . .]“ hinwegkommen.193 Das Abfinden mit einer Länderkammer fiel vielen Parteigängern der SED offenkundig nicht leicht: Musste man diese schon zugestehen, dürfe man, so Acker, wenigstens das Ganze nicht aus den Augen verlieren; der Reichsrat sei ja auch in der Entwicklung der Weimarer Demokratie nicht das große Problem gewesen, mit ihm sei es „[. . .] immer relativ gut gegangen.“194 Dessen ungeachtet habe die Ministerialbürokratie in starkem Maße Regierungsgeschäfte, ja sogar Geschäfte des Volkes ausgeübt; demgegenüber – hier stellte sich Acker in diametralen Widerspruch zu den Äußerungen Brandts und Polaks195 – seien die Vertreter der Länderkammer gemäß den aufgestellten Richtlinien Abgeordnete, die „[. . .] im übrigen von ihrem eigenen Landesparlament gelenkt und geleitet werden.“196 188
Vgl. ebd., Bl. 47. Vgl. ebd. 190 Vgl. ebd. Zur These, die Länderkammer sei ein rein beratendes Organ, vgl. auch Berger, DA 1948, 268 (269). 191 Vgl. DVR, 4. Tagung am 3. August 1949, in: BArch, DA 1/5, Bl. 47. 192 Auch bildlich wurde diese Vorstellung später in den offiziellen Dokumenten gepflegt. So zeigt ein Schaubild („Das System der Staatsorgane“) die Länderkammer nur noch als Anhängsel der Volkskammer, das allein, so suggeriert das Bild, an der Wahl des Staatspräsidenten beteiligt ist, abgedruckt in: Deutsches Institut für Zeitgeschichte, Jahrbuch der DDR – 1957, Einlage nach S. 80; ebenso isoliert in den Schaubildern „Staatsaufbau, November 1949“ und „Staatsaufbau, August 1952“, in: Autorenkollektiv (Ltg.: Badstübner), Geschichte der DDR, S. 116 bzw. S. 152. 193 Vgl. DVR, 4. Tagung am 3. August 1949, in: BArch, DA 1/5, Bl. 47. 194 Vgl. ebd. 195 Die vormals gerade betonten, das Mandat in der Länderkammer sei kein imperatives, vgl. oben, Kap. 3 E. und H. I. 196 Vgl. DVR, 4. Tagung am 3. August 1949, in: BArch, DA 1/5, Bl. 47. 189
H. Die Länderkammer in den „Richtlinien für die Verfassung der DDR“
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Nur vage nahm Hans Loch für die LDPD Stellung zu den Verfassungsrichtlinien, wenngleich man aus seinen Worten eine eher unitarische Gesinnung entnehmen kann.197 Man fange, so Loch, schon seit langer Zeit wieder an in Ländern und Zonen zu denken und komme dabei mitunter zu nahezu mittelalterlichen Konzeptionen; mit den Stadtmauern, auch wenn sie ein Gebiet von einigen tausend [gemeint sind also die Länder, d. Vf.] Quadratmeilen umfassten, höre gewöhnlich das Verfassungsrecht und auch die Welt auf.198 Er glaube aber, dass „[. . .] die Richtlinien, die wir im Verfassungsausschuss entworfen haben, mit derartigen partikularistischen Bestrebungen radikal Schluss machen.“199 Nur in wenigen Worten äußerste sich Martin Siedersleben für die VVN, da man zu spät in den Besitz der Richtlinien gelangt sei.200 Ausgerechnet die vormals Verfolgten forderten die radikale Aufhebung der Gewaltenteilung: „[. . .] keine Einschränkung der Macht des Parlaments, der Volkssouveränität [. . .]“; alle Macht müsse dem gewählten Parlament gehören.201
I. Paragraphierung der Verfassung anhand der vom Deutschen Volksrat gebilligten Richtlinien Nach der Tagung des Deutschen Volksrates wurde dem Unterausschuss die neue Aufgabe gestellt, den Entwurf der Verfassung zu paragraphieren. Der Hauptteil C des Verfassungsentwurfs „Aufbau der Staatsgewalt“ wurde am 22. August 1948 seitens des Unterausschusses behandelt.202 Die die Länderkammer betreffenden Vorschriften wurden wie folgt gefasst: Aufbau der Staatsgewalt203 II. Vertretung der Länder Art. 1204 (1) Zur Vertretung der deutschen Länder wird eine Länderkammer gebildet. 197 „Die Richtlinien des Verfassungsausschusses sind jedenfalls wert, ernst diskutiert zu werden, und es steht zu hoffen, daß die Diskussionen ein Verfassungswerk vollenden helfen, das dem ganzen deutschen Volke frommt“, ebd., Bl. 61. 198 Vgl. ebd., Bl. 60. 199 Ebd., Bl. 47. 200 Vgl. ebd., Bl. 67. 201 Ebd. 202 Vgl. BArch, DA 1/159, Bl. 4; Protokolle dieser Sitzungen sind nicht überliefert. 203 Unterstreichungen im Original. 204 Dieser Artikel entspricht Art. 71 Abs. 1 DDV; die beiden Absätze wurden später in einen zusammengefasst. Die Nummerierung der Artikel begann in diesem Entwurf nach jedem Unterkapitel neu. Bis zur 11. Sitzung des Verfassungsausschus-
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
(2) In der Länderkammer hat jedes Land für 500.000 Einwohner einen Abgeordneten. Jedes Land hat mindestens einen Abgeordneten. Art. 2205 (1) Die Abgeordneten der Länderkammer werden von den Landtagen im Verhältnis der Stärke der Fraktionen auf die Dauer der Wahlperiode des Landtages gewählt. (2) Die Landtage stellen den Willen des Landes zu den in der Länderkammer zu erörternden Angelegenheiten fest. Die Bestimmungen der Länderverfassungen über die Gewissensfreiheit der Abgeordneten bleiben hiervon unberührt. Art. 3206 Die Länderkammer wählt ihr Präsidium und gibt sich eine Geschäftsordnung. Das Präsidium besteht aus dem Präsidenten, seinen Stellvertretern und den Beisitzern. Art. 4207 (1) Die Länderkammer wird von dem Präsidenten einberufen, sobald dies zur Erledigung ihrer Aufgaben erforderlich ist. (2) Die Länderkammer wird ferner einberufen, wenn ein Drittel208 ihrer Mitglieder es verlangt. Art. 5209 (1) Die Sitzungen der Länderkammer sind öffentlich. Nach Massgabe [sic!] der Geschäftsordnung kann die Öffentlichkeit für einzelne Beratungsgegenstände ausgeschlossen werden. Art. 6210 Bei der Abstimmung in der Länderkammer entscheidet die einfache Stimmenmehrheit, soweit nicht diese Verfassung andere Bestimmungen enthält. ses am 27. September 1948 wurden die Artikel durchgängig nummeriert. Vermutlich fand diese Überarbeitung statt, nachdem die anderen Teile der Verfassung paragraphiert wurden, wahrscheinlich am 10. und 22. September 1948. Wohl ging die Arbeit weniger zügig voran als gedacht, vermerkt doch ein Tätigkeitsbericht vom 2. September 1948, man werde schon am 3. und 4. September 1948 die anderen Teile des Entwurfs redigieren, trat aber an genannten späteren Daten im September noch zweimal zusammen, vgl. den „Bericht über die Tätigkeit des Verfassungsunterausschusses“ der Abt. III/1/c des Deutschen Volksrates vom 2. September 1948, in: BArch, DA 1/159, Bl. 4. Zur Paragraphierung der Verfassung, vgl. auch: Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 198–202. 205 Mit kleineren stilistischen Korrekturen entspricht dieser Artikel schon Art. 72 DDV. 206 Entspricht Art. 73 Abs. 1 DDV. 207 Entspricht Art. 74 DDV. 208 In der späteren Verfassung „ein Fünftel“, Art. 74 Abs. 2 DDV; die Verringerung des Quorums ging auf einen Abänderungsvorschlag zurück, der in der letzten Sitzung des Verfassungsunterausschusses am 27. Februar 1949 berücksichtigt wurde, vgl. unten, Kap. 3 K. III. 209 Entspricht Art. 75 Abs. 1 DDV. 210 Entspricht Art. 76 Abs. 1 DDV.
H. Die Länderkammer in den „Richtlinien für die Verfassung der DDR“
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Art. 7211 Die Länderkammer kann die erforderlichen Ausschüsse bilden nach Massgabe [sic!] der Geschäftsordnung. Art. 8212 Die Länderkammer hat das Recht, Gesetzesvorlagen bei der VK einzubringen. Sie hat ein Einspruchsrecht bei der Gesetzgebung nach Massgabe [sic!] der Art. . . . [sic!] der Verfassung. Art. 9213 (1) Die Mitglieder der Regierung der Republik und der Landesregierungen haben das Recht und auf Verlangen der Länderkammer die Pflicht an den Verhandlungen der Länderkammer und ihrer Ausschüsse teilzunehmen. Sie müssen während der Beratung auf Verlangen der Länderkammer jederzeit gehört werden. (2) Die VK kann bei besonderem Anlass Abgeordnete aus ihrer Mitte damit beauftragen, in der Länderkammer die Meinung der Volkskammer darzulegen.214 Art. 10215 Die Artikel . . . [sic!] dieser Verfassung über die Rechte der Abgeordneten der VK gelten entsprechend für die Abgeordneten der Länderkammer [. . .] III. Die Gesetzgebung [. . .] Art. 2216 Die Gesetzesvorlagen werden von der Regierung, von der Länderkammer oder aus der Mitte der VK eingebracht. Über Gesetzentwürfe finden mindestens zwei Lesungen statt. [. . .] 211
Entspricht mit stilistischen Korrekturen Art. 77 Abs. 1 DDV. Entspricht Art. 78 Abs. 1 DDV. In den Platzhalter wurde in dem „Entwurf einer Verfassung für die Deutsche Demokratische Republik (Rohentwurf)“ nach der 11. Sitzung des Verfassungsausschusses am 27. September 1948 handschriftlich „83“ eingefügt, dem späteren Art. 84 DDV, vgl. BArch, DA 1/161, Bl. 50. 213 Entspricht Art. 79 DDV. 214 Auf der 12. Sitzung des Verfassungsausschusses fügte man folgenden Zusatz an, welcher auch von der späteren Verfassung in Art. 79 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 u. S. 2 übernommen wurde: „[. . .] das gleiche Recht steht der Länderkammer zur Darlegung ihrer Meinung in der Volkskammer zu. Die Länderkammer kann gegebenenfalls Mitglieder der Landesregierungen beauftragen, den Standpunkt ihrer Regierung in der Volkskammer darzulegen“, siehe dazu unten, Kap. 3 I. II. 215 Entspricht Art. 80 Abs. 1 DDV; handschriftliche Ausfüllung im „Entwurf einer Verfassung für die Deutsche Demokratische Republik (Rohentwurf)“ nach der 11. Sitzung des Verfassungsausschusses am 27. September 1948 mit „66 ff.“, was den späteren Artt. 67 ff. DDV entspricht, vgl. BArch, DA 1/161, Bl. 50. 216 Entspricht Art. 82 Abs. 1 DDV. 212
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
Art. 4 (1)217 Gegen Gesetzesbeschlüsse der VK steht der Länderkammer ein Einspruchsrecht zu. Der Einspruch muss innerhalb 14 Tagen nach der Schlussabstimmung in der VK bei dem Präsidenten der VK eingebracht werden und spätestens innerhalb zwei weiterer Wochen mit Gründen versehen werden. Anderenfalls wird angenommen, dass die Länderkammer von ihrem Einspruchsrecht keinen Gebrauch macht. (2)218 Der Einspruch wird hinfällig, wenn die VK ihren Beschluss nach erneuter Beratung aufrechterhält. (3)219 Wurde der Einspruch der Länderkammer mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten beschlossen, so wird er nur dann hinfällig, wenn die VK ihren Beschluss mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abstimmenden Abgeordneten aufrecht erhält. (4)220 Richtet sich der Einspruch der Länderkammer gegen einen verfassungsändernden Gesetzesbeschluss der VK, so bedarf die Beschlussfassung über den Einspruch in der Länderkammer bei Anwesenheit von mindestens zwei Dritteln der Abgeordneten einer Mehrheit von zwei Dritteln der Abstimmenden. Der Einspruch wird hinfällig, wenn die VK mit der für Verfassungsänderungen vorgeschriebenen Mehrheit ihrer Abgeordneten ihren Beschluss aufrecht erhält. [. . .]221
Die Vorschriften über die Länderkammer lagen damit schon weitgehend in Form der späteren Verfassung vom 7. Oktober 1949 vor.
217
Entspricht Art. 84 Abs. 1 DDV. Die „Zweiteilung“ des Einspruchsrechts geht zurück auf einen Vorschlag Steinigers, siehe oben, Kap. 3 G. II. 219 Im späteren Art. 84 Abs. 3 DDV bedurfte diese Art Einspruch der Länderkammer einer Mehrheit von zwei Dritteln der abstimmenden Abgeordneten. Dass für die Erhebung des Einspruchs eine Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten gefordert wurde, lässt sich wohl mit einem redaktionellen Versehen erklären: Steiniger regte auf der 10. Sitzung des Verfassungsausschusses zwar an, das Wort „abstimmenden“ zu streichen, bezog sich aber ausdrücklich nur auf das Verfahren bei verfassungsändernden Gesetzen, vgl. dazu: VerfA, 10. Sitzung am 20. Juli 1948, in: BArch, DA 1/154, Bl. 182; siehe auch oben, Kap. 3 E. Dementsprechend auch der Abänderungsvorschlag Schultes anlässlich der 11. Sitzung des Verfassungsausschusses, vgl. VerfA, 11. Sitzung am 27. September 1948, in: BArch, DA 1/155, Bl. 8, der in jener Sitzung nicht berücksichtigt wurde. Erst im „Entwurf einer Verfassung für die Deutsche Demokratische Republik – 1. Fassung“, der nach der 12. Sitzung des Verfassungsausschusses am 8. Oktober 1948 erstellt wurde, nahm man die Anregung Schultes auf. Die Erhebung eines Einspruches dieser Art wurde für die Länderkammer also im Ergebnis erleichtert, konnte aber ebenso leicht überwunden werden. Die gesammelten Verfassungsentwürfe enthält BArch, DA 1/161, Bl. 1 ff. 220 Entspricht Art. 84 Abs. 4 und 5 DDV. 221 Der „Verfassungsentwurf – Textentwurf nach den Beratungen des Unterausschusses am 22.8.1949“ ist in Form eines Durchschlagpapiers zu finden in: BArch, DA 1/159, Bl. 6 ff. 218
H. Die Länderkammer in den „Richtlinien für die Verfassung der DDR“
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I. Bericht des Unterausschusses über die Ausarbeitung des Verfassungsentwurfs in der 11. Sitzung des Verfassungsausschusses am 27. September 1949 Als Berichterstatter für die Arbeit des Unterausschusses war Karl Schultes222 (SED) vorgesehen. Sein Referat übernahm die Gliederung der Verfassung in „Hauptteil I223 – Grundlagen der Staatsgewalt“, „Hauptteil II – Inhalt und Grenzen der Staatsgewalt“ und „Hauptteil III – Aufbau der Staatsgewalt“.224 Einleitend zu Hauptteil II wies Polak auf eine Veränderung der Stellung einzelner Vorschriften hin, die sich als notwendig und zweckmäßig erwiesen hätten; die Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren habe man in einem eigenen Abschnitt zusammengefasst und hinter die Behandlung der beiden Organe der Volks- und Länderkammer gestellt.225 Im Entwurf der „Richtlinien für die Verfassung der deutschen demokratischen Republik“ fanden sich die Vorschriften über das Einspruchsrecht noch unter den allgemeinen Vorschriften über die Länderkammer (Gliederungspunkt C: Aufbau der Staatsgewalt, II. Die Vertretung der Länder).226 Einen neuen Gedanken, so Schultes, enthalte Art. 78 Abs. 2227 des Entwurfs, wonach die Volkskammer bei besonderem Anlass Abgeordnete aus ihrer Mitte beauftragen könne in der Länderkammer die Meinung der Volkskammer darzulegen; diese Bestimmung diene der Beseitigung von Meinungsverschiedenheiten und helfe „[. . .] unnötige Einsprüche bei dringlicher Gesetzgebungsarbeit zu vermeiden.“228 Die Befugnis der Länderkammer selbiges Recht in der Volkskammer wahrzunehmen war noch nicht vorgesehen. Schultes wandte sich nun den Vorschriften über die Gesetzgebung zu. Zur Länderkammer bemerkte er, dass man zur „[. . .] Beschleunigung und 222 Jurist, 1946–1950 Leiter der Gesetzgebungsabteilung im Landesamt für Justiz bzw. Ministerium für Justiz Thüringen und Regierungsvertreter im Rechtsausschuss des Thüringer Landtag, 1948/1949 kooptiertes Mitglied im Verfassungsausschuss des DVR auf Betreiben Karl Polaks, 1950 Flucht nach West-Berlin, dort Rechtsanwalt, 1954 Übersiedlung nach Köln, dort ebenfalls als Rechtsanwalt tätig, 1964–1976 Mitglied des Verfassungsgerichtshofes für das Land Nordrhein-Westfalen, vgl. zur Person: Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 235 f. 223 In der späteren Verfassung, unter Fortlassung des Wortes „Hauptteil“, in A, B und C gegliedert. 224 Vgl. VerfA, 11. Sitzung am 27. September 1948, in: BArch, DA 1/155, Bl. 1. 225 Vgl. ebd., Bl. 18. 226 Siehe oben, Kap. 3 H. 227 Vormals Art. 9, siehe dazu oben, Kap. 3 I. 228 Vgl. VerfA, 11. Sitzung am 27. September 1948, in: BArch, DA 1/155, Bl. 33.
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
der Verhinderung von Verschleppung [. . .]“ normiert habe, dass wenn der Einspruch der Länderkammer nicht innerhalb einer bestimmten Frist erfolge, angenommen werde, die Länderkammer mache von ihrem Einspruchsrecht keinen Gebrauch.229 Weitergehende Ausführungen über die Länderkammer tätigte Schultes nicht. Grotewohl belehrte seine Kollegen während der Beratungen über den leidenschaftlich verteidigten Grundsatz „Reichsrecht bricht Landesrecht“230 schließlich darüber, dass man der Arbeit des Verfassungsausschusses nicht vorwerfen könne, man erstrebe eine „[. . .] totale Zentralisierung [. . .]“.231
II. Aussprache über den Verfassungsentwurf anlässlich der 12. Sitzung des Verfassungsausschusses am 8. Oktober 1948 Die Vorschriften über die Länderkammer sowie das Verhältnis von Republik und Ländern erfuhren auf dieser Sitzung keiner weitergehenden Beachtung. Einzig Grotewohl schlug noch vor auch Abgeordneten der Länderkammer das Recht zu geben bei besonderem Anlass ihre Meinung in der Volkskammer darzulegen. Wahrscheinlich, so Grotewohl, müsse man sogar so weit gehen wie es im Reichsrat gewesen sei232 und auch den Landesregierungen das Recht geben, ihre Auffassung im Parlament, hier also der Volkskammer, darzulegen.233 Freilich müsse man immer auf die Auffassungen der Alliierten Rücksicht nehmen, die von einer zweiten Kammer ausgin229
Vgl. ebd., Bl. 34. Diesen Grundsatz formulierte man schließlich zu „Gesamtdeutsches Recht geht dem Recht der Länder vor“ um, Art. 114 Abs. 1 DDV, da man die hergebrachte Wortwahl zu „unfreundlich“ (Schultes) fand, vgl. ebd., Bl. 95. Diese Textkorrektur fand Grotewohl richtig, wenn sie auch ein politisch-psychologischer Versuch sei, durch größere Elastizität eine Gegnerschaft im Westen wegzuräumen. Die Furcht, man könnte durch bestimmte Verfassungsbestimmungen bzw. Formulierungen den Westen vergraulen und damit von einer Mitarbeit oder der Akzeptanz dieser gesamtdeutsch gedachten Verfassung abhalten, war der Arbeit des Verfassungsausschusses immanent. Umso verwunderlicher ist es dann, wenn die DDR später einen immer unversöhnlicheren Kurs gegenüber dem westdeutschen „Separatstaat“ einschlug. 231 Ebd. 232 Vgl. Art. 33 Abs. 2 S. 2 WRV: „Die Länder sind berechtigt, in diese Sitzungen Bevollmächtigte zu entsenden, die den Standpunkt ihrer Regierung zu dem Gegenstande der Verhandlung darlegen“; der Vergleich mit Weimar ist insoweit unstimmig, als dass nicht die Länder, sondern die Länderkammer Mitglieder der Landesregierungen beauftragen konnte, die Auffassung ihrer Regierung darzulegen, Art. 79 Abs. 2 S. 2 DDV. 233 Vgl. VerfA, 12. Sitzung am 8. Oktober 1948, in: BArch, DA 1/156, Bl. 96. 230
J. Aussprache über den Entwurf einer Verfassung
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gen.234 Grotewohl sah wohl die, gleichwohl unbegründete, Gefahr, dass man durch solch eine Regelung das Ratssystem einführen könnte. Der Verfassungsausschuss war mit den Vorschlägen Grotewohls, wie zumeist, vollumfänglich einverstanden. Die genaue Formulierung wurde dem Verfassungsunterausschuss anheimgestellt.235 Aus einem als „Anlage zum Beschlußprotokoll der 12. Sitzung“ bezeichneten Dokument, das dem Sitzungsprotokoll beigegeben ist, geht hervor, dass sich Polak und Schultes bereits am darauffolgenden Tag, am 9. Oktober 1948, in ihrer Funktion als Unterausschussmitglieder trafen und eine Formulierung ausarbeiteten, die den Forderungen Grotewohls vollends entsprach: Dasselbe Recht steht der Länderkammer zu zur Darlegung ihrer Meinung in der Volkskammer; die Länderkammer kann gegebenenfalls Mitglieder der Landesregierungen beauftragen, den Standpunkt ihrer Regierung in der Volkskammer darzulegen.236
J. Aussprache über den Entwurf einer Verfassung in der 5. Tagung des Deutschen Volksrates am 22. Oktober 1948 I. Vorbereitung der Tagung im Präsidium des Deutschen Volksrates Am 16. Oktober 1948 traf sich das Präsidium des DVR zu seiner 7. Sitzung. Auf der Tagesordnung stand als erster Punkt Grotewohls Berichterstattung über den Verfassungsentwurf.237 Der Einladung zu dieser Präsidiumssitzung ging ein Brief von Wilhelm Pieck, dem Präsidenten des Deutschen Volksrates, voraus, in dem das weitere Verfahren von SED-Seite vorgegeben wurde: Bericht und Diskussion müssten dann eine einheitliche Manifestation ergeben, nach der der Deutsche Volksrat in seiner Geschlossenheit sich für eine souveräne, vom Volke selbst beschlossene deutsche demokratische Verfassung entscheidet.238
Grotewohl glaubte nicht, dass es seine Aufgabe sei, im Einzelnen den Verfassungsentwurf zu erläutern – dies sei Aufgabe der Volksratstagung; viel234
Vgl. ebd. Vgl. ebd., Bl. 98. 236 Ebd., Bl. 10. 237 Vgl. Präsidium DVR, 7. Sitzung am 16. Oktober 1948, in: BArch, DA 1/1, Bl. 85. 238 Vgl. ebd., Bl. 87. 235
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mehr dürfe er darauf verweisen, dass der Entwurf das einstimmige Ergebnis der Beratungen des Verfassungsausschusses darstelle.239 Er kam nun auf die Grundlinien seines Referates zu sprechen, das er vor der Vollversammlung des Deutschen Volksrates zu halten beabsichtigte. Dieses werde als eine „[. . .] scharfe, aber sehr sachliche Polemik gegen den Parlamentarischen Rat in Bonn gehalten sein.“240 Das Referat müsse daher so aufgebaut sein, dass es die zwei Richtungen der Deutschlandpolitik seit dem Potsdamer Abkommen aufzeige; auf der einen Seite die Politik der westlichen Besatzungsmächte, die diese Plattform aufgegeben habe und zu den Londoner Empfehlungen führte und auf der anderen Seite die Politik der sowjetischen Besatzungsmacht, die an dem Potsdamer Abkommen festgehalten und zu den Warschauer Beschlüssen241 geführt habe.242 Er, Grotewohl, werde dann bemüht sein, [. . .] an den einzelnen Institutionen der in Bonn beratenen Verfassung ihr undemokratisches Wesen aufzuzeigen und darzutun, daß hier weder die nationale Selbstbestimmung noch die demokratischen Rechte der Bürger auf die Gestaltung des staatlichen [. . .] Ganzen garantiert sind.243
Grotewohl brachte dem Präsidium abermals eine bereits formulierte Entschließung dar, die in weiten Teilen von der späteren Volksratstagung übernommen wurde.244 Darin geißelte er die Zerreißung Deutschlands durch die Bildung des separaten Weststaates und den Verrat des Parlamentarischen Rates an der Demokratie.245
II. Die Billigung des Verfassungsentwurfs durch die 5. Tagung des Deutschen Volksrates am 22. Oktober 1948 Unter diesen Prämissen fand schließlich im Oktober 1948 die 5. Tagung des Deutschen Volksrates statt. Mit den üblichen Angriffen gegen Westdeutschland, der Warnung vor dem Verfall in Vasallentum und Polemik ge239
Vgl. ebd., Bl. 88. Ebd., Bl. 89. 241 Dazu oben, Kap. 3 B. (Fn. 37). 242 Vgl. Präsidium DVR, 7. Sitzung am 16. Oktober 1948, in: BArch, DA 1/1, Bl. 89. 243 Ebd., Bl. 90. 244 Grotewohls Entwurf einer Entschließung findet sich in: Präsidium DVR, 7. Sitzung am 16. Oktober 1948, in: BArch, DA 1/1, Bl. 91 f. Die „Entschließung des Deutschen Volksrates über den Entwurf einer Verfassung“ vom 22. Oktober 1948, in: BArch, DA 1/6, Bl. 82 f. 245 Vgl. Präsidium DVR, 7. Sitzung am 16. Oktober 1948, in: BArch, DA 1/1, Bl. 91. 240
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gen die hinter allem agierenden fremden Kapitalinteressen begann Grotewohl sein Referat.246 Anschließend wandte er sich den seit Kriegsende aufgestellten Deutschlandplänen der Alliierten zu. Zur Moskauer Außenministerkonferenz247 bemerkte Grotewohl, hier sei die Frage im Mittelpunkt gestanden, wie die zukünftige Staatsform Deutschlands aussehen solle und wie Wiederauferstehen eines diktatorischen Staates vermieden werden könne; die westlichen Alliierten glaubten, dies durch die föderative Aufspaltung Deutschlands zu erreichen.248 Während der britische Außenminister Bevin und sein amerikanischer Kollege Marshall eine bundesstaatliche Regierungsform vorgeschlagen hätten249, bei der die Vielzahl der Kompetenzen bei den Ländern läge und die französische Besatzungspolitik auf einen bloß lockeren Staatenbund abziele, „[. . .] haben wir damals schon mit allem Nachdruck darauf hingewiesen, daß eine solche Lösung nicht als richtig anerkannt werden kann.“250 Es sei eine falsche Vorstellung, dass die aggressive imperialistische Politik Deutschlands die Folge eines zentralistischen deutschen Einheitsstaates gewesen wäre.251 Diese imperialistische Politik werde staatsrechtlich nicht durch die Schaffung der deutschen Einheit begleitet, sondern im Gegenteil durch die Konservierung der alten Föderalisierung Deutschlands bestärkt.252 Die föderative Aufspaltung Deutschlands habe keineswegs die imperialistische Raubpolitik verhindern können, sondern habe sie erst ermöglicht.253 Den linksbürgerlichen Parteien obliege es nun, den deutschen Staatsapparat und die hergebrachten Staatstraditionen endgültig zu überwinden.254 Im Verfassungsausschuss sei man zwar in weiten Teilen von der Weimarer Verfassung ausgegangen, doch habe man im Rahmen der wissenschaft246 Die Rede ist in überarbeiteter Form abgedruckt in: Grotewohl, Im Kampf um die einige DDR, Bd. I, S. 247 ff. 247 Zu dieser Konferenz, vgl. auch oben: Kap. 3 C. (Fn. 63). 248 Vgl. DVR, 5. Tagung am 22. Oktober 1948, in: BArch, DA 1/6, Bl. 40. 249 Nach dem Scheitern der Londoner Außenministerkonferenz im Dezember 1947 forcierten die Außenminister Bevin und Marshall die zunächst bizonale – später trizonale – Zusammenarbeit, die schließlich in die Schaffung funktionierender politischer quasibundesstaatlicher Strukturen und einer gemeinsamen Zonenverwaltung als Vorläufer eines „Weststaates“ einmünden sollte, vgl. dazu: Stern, StR V, § 132 III 5 (S. 1178). Diese Politik führte letztlich, bestärkt durch die SechsMächte-Konferenz in London des Jahres 1948, zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland, vgl. zu dieser Konferenz: Kap. 3 B. (Fn. 44). 250 Vgl. DVR, 5. Tagung am 22. Oktober 1948, in: BArch, DA 1/6, Bl. 40 f. 251 Vgl. ebd., Bl. 41. 252 Vgl. ebd. 253 Vgl. ebd., Bl. 42; den Ausführungen Grotewohls an dieser Stelle folgte „Zustimmung und lebhafter Beifall“, ebd. 254 Vgl. ebd.
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lich-analytischen Arbeit festgestellt, dass diese nicht konsequent mit der deutschen Staatstradition und -organisation gebrochen habe.255 Vielmehr sei man dem Vorschlag Molotows gefolgt, der im Rahmen der Moskauer Außenministerkonferenz angeregt habe, man möge der Weimarer Verfassung alles Nützliche entnehmen und an ihr die erwünschten Abänderungen und Verbesserungen vornehmen.256 Insbesondere die Institutionen der Volksvertretungen dieser Verfassung habe man im Verfassungsausschuss als nützlich empfunden, so dass man die von Molotow vorgeschlagene zweite Kammer übernommen habe.257 Nach scharfen Angriffen gegen den Parlamentarischen Rat und das dort beratene Grundgesetz258 – wie bereits in der dieser Tagung vorangegangenen Präsidiumssitzung angekündigt – kam Grotewohl zur Erläuterung des Verfassungsentwurfes. Der Status der Länder sei so wie er in der Verfassung von Weimar bestand in Art 1 des Entwurfes übernommen worden259: „Deutschland ist eine unteilbare demokratische Republik, die sich auf den deutschen Ländern aufbaut.“ Während Grotewohl ausführlich die Rechte der Volkskammer, die Rechte und Pflichten der mandatierten Abgeordneten erläuterte und die, wegen der forcierten Blockpolitik, durch alle Fraktionen gebildete Regierung als Ausschuss der Volkskammer als Novum pries, begnügte er sich hinsichtlich der Länderkammer mit der lapidaren Feststellung: Neben der Volkskammer gibt es eine Repräsentation der Länder, die Länderkammer, die aus von den Landtagen der Länder gewählten Abgeordneten besteht und die bei der Gesetzgebung mitwirkt.
Die Aussprache über den Verfassungsentwurf eröffnete Carl Günther Ruland260 für die CDU. Das „[. . .] Problem der Vertretung der Länder [. . .]“, 255
Vgl. ebd., Bl. 42 f. Vgl. ebd., Bl. 43. 257 Vgl. ebd. 258 „Tatsache ist, daß man in Bonn weder in der Lage, noch gewillt ist, die Verfassung eines souveränen Staates zu schaffen, sondern nur die eines Vasallenstaates“, ebd., Bl. 52 f.; ferner: „Und in der Tat, die Phrasen sind üppig, die man in Bonn drischt. Man lese nur den unlängst veröffentlichten Grundrechtsteil der Verfassung durch. Die Phrasen sind so üppig, daß selbst die Grundrechte der Weimarer Verfassung, die bisher als die besten Verfassungsformulierungen der Welt galten, als schlechte Prose dagegen erscheinen“, ebd. Bl. 48; „Kein Wort von alledem [Recht auf Arbeit, Wirtschaftsordnung, d. Vf.] und gleichwohl so viel Gerede von der ‚Menschenwürde‘ “, ebd., Bl. 76. 259 Vgl. ebd., Bl. 58. 260 Ab 1946 Landgerichtsrat, 1949–1950 Leiter der Abteilung Justiz im Hauptvorstand der CDU, 1946–1950 MdL Sachsen, 1948–1950 MdVR bzw. MdVK und Präsident des Sächsischen OLG, 1950 Rücktritt von allen Ämtern, Parteiausschluss 256
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das im Hinblick darauf, dass die Verfassung einmal in einer gesamtdeutschen Nationalversammlung endgültig zu beraten sein werde, sei ein besonders erörterungsbedürftiges.261 In dem Verfassungsentwurf sei diese Vertretung der Länder daher nur mit einigen grundsätzlichen Gedanken umrissen, nachdem „[. . .] die Einstellung zu diesem Problem in verschiedenen Teilen des Reiches verschieden ist [. . .]“.262 Weiterhin sei es Ausdruck einer demokratischen Gestaltung, dass an Stelle des ursprünglich Vorgesehenen263 nicht jedes Land durch zehn Abgeordnete in der Länderkammer vertreten sein solle, sondern dass dieser schematische Gedanke abgelöst worden sei von jenem, wonach auf 500.000 Einwohner ein Abgeordneter entfalle.264 Die Weiterverfolgung der von Ruland angesprochenen Überlegung hätte die Stellung der Länderkammer im Verfassungsgefüge gravierend verändert. So wären die kleinen Länder wesentlich bevorzugt worden und hätten eine weit größere Einwirkungsmöglichkeit auf die Politik der Länderkammer erlangen können. Die Verteilung der Abgeordnetenzahl auf die einzelnen Länder wäre so nivelliert, dass man sich entscheidend an das arithmetische Prinzip des Senatsmodells angelehnt hätte. Wesentlich erscheine ihm, so Ruland weiter, auch der Gedanke, dass den beiden Kammern wechselseitig das Recht eingeräumt sei, ihre Meinung in der anderen Kammer zum Vortrag zu bringen und sie dort zu vertreten.265 Die Länderkammer sei eine Einrichtung, die wesentlich einer fruchtbaren Zusammenarbeit dieser beiden Organe der Volksvertretungen dienen werde.266 Wilhelm Koenen, der spätere Leiter des gemeinsamen Sekretariats der Volks- und Länderkammer, folgte Ruland für die SED. Sein Vortrag glich einer Brandrede gegen die westdeutschen „Verräter“ und beschränkte sich betreffs der hier interessierenden Fragen auf die Feststellung, dass die Zeit für eine sozialistische Verfassung noch nicht reif sei, man daher eine demokratische Verfassung – offensichtlich ein Widerspruch – geschaffen habe, die ein Bekenntnis zum Einheitsstaat enthalte.267 Die Interpretation dieses Verfassungsentwurfes konnte zwischen bürgerlicher und sozialistischer Seite nicht unterschiedlicher sein. und Übersiedlung in die Bundesrepublik, vgl. zur Biographie: Broszat/Weber, SBZHandbuch, S. 1010. 261 Vgl. DVR, 5. Tagung am 22. Oktober 1948, in: BArch, DA 1/6, Bl. 87. 262 Vgl. ebd. 263 Dazu unten, Kap. 3 K. VIII. 1. 264 Vgl. DVR, 5. Tagung am 22. Oktober 1948, in: BArch, DA 1/6, Bl. 87. 265 Vgl. ebd. Dieses Recht ging auf einen Vorschlag Grotewohls zurück, vgl. oben, Kap. 3 I II. 266 Vgl. DVR, 5. Tagung am 22. Oktober 1948, in: BArch, DA 1/6, Bl. 87. 267 Vgl. ebd., Bl. 90 f.
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Für die NDPD regte noch Wolf ergebnislos an, man möge doch in „[. . .] vertrauten und zu Herzen gehenden Worten seiner Muttersprache [. . .]“ statt von Volks- und Länderkammer, von Volks- und Ländertag sprechen.268 Abschließend beschloss man den Entwurf269 einer Redaktionskommission unter Vorsitz von Polak zu überweisen und dem Verfassungsausschuss etwaige Abänderungsanträge zur Bearbeitung zu übertragen.270 Die Entschließung zum Verfassungsentwurf wurde einstimmig angenommen.271
K. Auf dem Weg zur ersten Verfassung der DDR I. Die 13. Sitzung des Verfassungsausschusses am 18. Februar 1949 Die 13. Sitzung des Verfassungsausschusses am 18. Februar 1949 widmete sich vordringlich organisatorischen Fragen. So wurde beschlossen anlässlich der nächsten Unterausschusssitzung ein Referat von Steiniger über 268
Vgl. ebd., Bl. 129. Der Verfassungsentwurf mit Stand vom 22. Oktober 1948 findet sich bei Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 448 ff. 270 Vgl. das Beschlussprotokoll, in: DVR, 5. Tagung am 22. Oktober 1948, in: BArch, DA 1/6, Bl. 22. 271 Zum Verfassungsentwurf im Allgemeinen gab es durchaus auch kritische Stimmen. So schrieb der Bezirksverband Magdeburg der LDPD an den Parteifreund Johannes Dieckmann, später Präsident der Volkskammer, vorausahnend: „Wir müssen alles daran setzen, aus diesem Verfassungsentwurf alle unserer Auffassung von Demokratie entgegenstehende Bestimmungen zu beseitigen und jede Zweideutigkeit des Textes zu vermeiden, damit er nicht eines Tages als Ostzonenverfassung zum Instrument gegen uns wird“, Bezirksverband Magdeburg, Schreiben Arthur Friese an Johannes Dieckmann vom 6. November 1948, in: ADL, Bestand Johannes Dieckmann, LN4-101. Dieckmann antwortete resigniert: „Sie werden bei den Mehrheitsverhältnissen in der Ostzone wohl selbst nicht erwarten und verlangen, daß die große Mehrheit der kleinen Minderheit eine rein liberal-demokratische Verfassung bewilligen wird. Trieben wir nicht Block-, sondern eine Koalitionspolitik alten Stils, so wären wir nirgends in der Lage, mitzugestalten und müßten tatenlos zusehen, wie die Mehrheit allüberall ihre Auffassung radikal durchsetzen würde, ohne daß wir nach den alten demokratischen Spielregeln etwas Wirksames dagegen unternehmen könnten“, Brief Johannes Dieckmann an Arthur Friese vom 13. November 1948, in: ebd. Drastischer drückte sich Walter Thürmer, Landesvorsitzender der LDPD in Sachsen, nach Verabschiedung der Verfassung aus. Anlässlich eines Referats zur „Bildung der neuen deutschen demokratischen Republik“ vom 10. Oktober 1949, in: ADL, Bestand Johannes Dieckmann, LN4-134, führte dieser aus: „Was würde geschehen, wenn wir nein gesagt hätten? Wir müssen uns darüber klar sein, daß derjenige, der sich aus der Arbeit zurückzieht, ausgeschaltet wird und ausgeschaltet bleibt. Wenn wir nicht zu dieser Entwicklung ja sagen, dann bedeutet das früher oder später das Ende der Partei.“ 269
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„Anregungen zum Verfassungs-Entwurf des Deutschen Volksrates, die sich aus der Bonner Verfassung ergeben“ zu hören272, die Diskussionsbeiträge und Abänderungsvorschläge der Bevölkerung zu begutachten, sowie darüber eine Aussprache zu führen.273 Diese Arbeit wurde auf einzelne Mitglieder des Unterausschusses delegiert; die Vorschriften über die Länderkammer sollten von Schultes, der die Artt. 50-144 bearbeitete, durchgesehen werden.274 Die sprachliche Überarbeitung des Verfassungsentwurfes übernahmen Brugsch, Acker und Niekisch.275
II. Ablehnung der Arbeit des Parlamentarischen Rates Der Verfassungsunterausschuss trat am 24. Februar 1949 erneut zusammen, um die ihm aufgetragenen Aufgaben zu erledigen. Der Stilisierungskommission wurde mitgeteilt, dass sie spätestens bis zur nächsten Sitzung des Vollausschusses ihre Arbeit abzuschließen habe.276 Auf selbiger Sitzung trug Steiniger sein Referat über die Anregungen, die sich aus der Arbeit des Parlamentarischen Rates ergeben könnten, vor.277 Es muss nicht erwähnt werden, dass dieser Vortrag überwiegend aus den immer gleichen Anschuldigungen gegen den Westen bestand. Zum Bundesrat bemerkte Steiniger, dass bei diesem, ähnlich der Volkskammer, die ganze Fülle der Staatsgewalt liege.278 Die Bonner Verfassung stehe, was die Frage des Föderalismus angehe, grundsätzlich „[. . .] in der Mitte zwischen Metternich und Bismarck, genau auf der Position der oktroyierten Verfassung von 1850.“279 Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund 272 Dies ging auf eine Anregung von Brugsch zurück, vgl. VerfA, 13. Sitzung am 18. Februar 1949, in: BArch, DA 1/157, Bl. 36; wenngleich Steiniger, der mit dieser Aufgabe betraut wurde, anmerkte: „Von dem Bonner Entwurf verspreche ich mir nichts“, ebd., Bl. 45. 273 Vgl. ebd., Bl. 9 ff. En passant erklärte man in dieser Sitzung die Kooptierung des Staatsrechtslehrers Wolfgang Abendroth, der später einen vielfach zitierten Aufsatz über die Entstehung der DDR-Verfassung schrieb [AöR 37 N.F. (1950/51), 1, passim], für erloschen, da er „[. . .] nach Westdeutschland verzogen ist“, vgl. VerfA, 13. Sitzung am 18. Februar 1949, in: BArch, DA 1/157, Bl. 9. 274 Vgl. ebd., Bl. 13. 275 Vgl. ebd.; vgl. auch: Unterausschuss für die Stilisierung der Verfassung, in: BArch, DA 1/160, Bl. 1a, 4. 276 Vgl. Sitzungsbericht des VerfUA vom 24. Februar 1949, in: BArch, DA 1/159, Bl. 37 f. 277 Eine Niederschrift findet sich in: ebd., Bl. 41 ff. 278 Vgl. VerfUA, 1. Sitzung am 24. Februar 1949, in: ebd., Bl. 56. 279 Vgl. ebd., Bl. 57. Steiniger bezog sich auf die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850 (revidierte Verfassung), GS S. 17 (1850), wenngleich man mit der oktroyierten Verfassung landläufig die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat vom 5. Dezember 1848, GS S. 375 (1848) verbindet.
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und Ländern verurteilte Steiniger als Rückschritt hinter die Verfassung des Norddeutschen Bundes; man hätte ehrlicherweise sagen müssen: Gesetze kommen durch übereinstimmenden Beschluss von Volkstag280 und Bundesrat zustande.281 Dementsprechend ließen sich aus „Bonn“ keine Anregungen für die weitere Arbeit des Verfassungsausschusses entnehmen.282 Die Hauptunterschiede, die Steiniger im Bonner Entwurf gegenüber dem Volksrats-Entwurf ausmachte und die auch die prinzipiell entgegenstehenden Auffassungen der Neuordnung Deutschlands verdeutlichen, waren folgende: Die Gewaltenteilung und die Föderalisierung führen notwendigerweise zum Spalten; sie spalten nicht nur uns, sie spalten auch sich und sie spalten in sich immer weiter, bis zum Schluß die Atome übrig bleiben.283
III. Die letzte Sitzung des Verfassungsunterausschusses am 27. Februar 1949 Die Akten der letzten Sitzung des Verfassungsunterausschusses am 27. Februar 1949 enthalten nur einen kurzen Sitzungsbericht, aus dem hervorgeht, dass man sich mit der endgültigen Formulierung der Verfassungsbestimmungen auseinandersetzte, die dem Vollausschuss vorgelegt werden sollten; ferner beschäftigte man sich mit Anregungen aus der Bevölkerung.284 280
Vormals die Bezeichnung im Parlamentarischen Rat für den späteren Bundestag. Vgl. VerfUA, 1. Sitzung am 24. Februar 1949, in: BArch, DA 1/159, Bl. 64. 282 An dem Bonner Entwurf kritisierte auch Polak das Festhalten an der „[. . .] hergebrachten Staats- und Verfassungsstruktur [. . .]“, was unter anderem durch die schwache Stellung der Volksvertretung zum Ausdruck komme; demgegenüber habe man im Deutschen Volksrat „[. . .] die Hegemonie der Volksvertretung klar und eindeutig festgelegt – so klar und eindeutig, wie dies bisher in der deutschen Verfassungsgeschichte nicht der Fall war“, ders., NJ 1948, 243. So nahm man auch allenthalben bezug auf die Äußerungen Max Webers aus dem Jahre 1918: „Wer überhaupt die Zukunftsfrage der deutschen Staatsordnung anders stellt als dahin: Wie macht man das Parlament fähig zur Macht?, der stellt sie von vornherein falsch. Denn alles andere ist Nebenwerk“, ders., Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland, S. 306 (363). Freilich stand Max Webers Parlamentshegemonie im Schatten seiner Idee von der „politischen Führerauslese“, dazu: Mommsen, Max Weber und die deutsche Politik, S. 186 f. u. S. 357. Hier nur am Rande Erwähnung finden dürfen ferner die Äußerungen Steinigers über die Stellung des Bundespräsidenten, die er wie folgt beschreibt: „Der Bundespräsident ist eine ehrfurchtgebietende Erscheinung. Der Präsident nach der Bonner Verfassung ist zwar nicht ganz so stark wie der amerikanische Präsident; aber ähnlich der Weimarer Verfassung ist hier die Mitte gehalten zwischen einer Parlaments- und einer Präsidialverfassung“, VerfUA, 1. Sitzung am 24. Februar 1949, in: BArch, DA 1/159, Bl. 58. 283 Ebd., Bl. 66. 281
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Zu den Vorschriften der Länderkammer wurden zwei Änderungsvorschläge eingebracht, die der Unterausschuss auch behandelte. Die erste Anregung, der auch einstimmig zugestimmt wurde, sah vor, dass die Länderkammer einzuberufen war, wenn nicht erst ein Drittel, sondern bereits ein Fünftel der Mitglieder es verlangten.285 Durch die neue Bestimmung könne die Arbeit der Länderkammer nicht behindert, sondern nur aktiviert werden.286 Zweitens wurde vorgeschlagen, hinter den Worten „von den Landtagen“ des Art. 72 Abs. 1 „aus den Reihen ihrer Mitglieder“ einzusetzen. Diese Anregung wurde durch einen späteren Beschluss des Vollausschusses (Abgeordneteneigenschaft im entsendenden Landtag nur als Soll-Vorschrift) obsolet.
IV. Die letzte Sitzung des Verfassungsausschusses am 2. März 1949 Die Sitzung diente der Auseinandersetzung um die eingebrachten Änderungsvorschläge, die der jeweilige Berichterstatter für die einzelnen Abschnitt der Verfassung vortrug. Für die Vorschriften der Länderkammer war der für den ganzen staatsorganisatorischen Teil zuständige Karl Schultes (SED) vorgesehen.287 Schultes kam auf die Anregung zu sprechen, die schon in der vorangegangenen Unterausschusssitzung behandelt wurde: Zu dem Abschnitt „Vertretung der Länder“ sei ein Änderungsvorschlag eingegangen, der die Frage betreffe, ob die Abgeordneten der Länderkammer Landtagsmitglieder sein müssten.288 Hierüber entwickelte sich eine lebhafte Diskussion. Hickmann (CDU) unterbrach die Ausführungen Schultes mit einem Zwischenruf: Dies sei eine Anordnung von Doppelmandat, die man an sich vermeiden wolle.289 284 Dazu ausführlich unten, Kap. 3 K. VIII. Koenen sah darin gegenüber dem „[. . .] Geheimzirkel des Verfassungsautors von 1918 [Hugo Preuß, d. Vf.] [. . .]“ und den Verfassungsarbeiten im Westen („[. . .] hermetisches Abschließen gegen alle nicht erwünschten Einflüsse [. . .]“) den entscheidenden moralischen Vorteil des Deutschen Volksrates, der „[. . .] für jeden, der guten Willens war zu helfen, für jeden, der etwas zu sagen hatte, der Rat wußte oder sich Rat holen wollte [. . .]“ offene Türen gehabt habe, ders., Das ganze Deutschland soll es sein, S. 95. 285 Vgl. VerfUA, 2. Sitzung am 27. Februar 1949, in: BArch, DA 1/159, Bl. 93; so dann auch in Art. 74 Abs. 2 DDV. 286 Vgl. ebd., Bl. 93 f. 287 Vgl. VerfA, 14. Sitzung am 2. März 1949, in: BArch, DA 1/158, Bl. 3, 69 ff. 288 Vgl. ebd., Bl. 82. 289 Vgl. ebd.
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
Schultes bemerkte, es sei „[. . .] der alte Kampf, ob in der zweiten Kammer Vertreter der Landesregierungen oder der Landtage sitzen.“290 Da es sich bei dieser Frage um die Durchsetzung des parlamentarischen Prinzips handle, so Schultes, müssten es Vertreter der Landtage sein.291 Steinhoff bemerkte, es könne aber doch der Fall vorkommen, dass das Land einen tüchtigen Mann, der nicht dem Landtag angehöre, in die Länderkammer delegieren möge; Polak erwiderte, dass dies gerade nicht möglich sein solle.292 Dertinger merkte an, dass durch den zweiten Absatz [Art. 72 Abs. 2, d. Vf.], in dem es heiße „Die Landtage stellen den Willen des Landes zu den in der Länderkammer zu erörternden Angelegenheiten fest“ ausreichend gesichert sei, dass die Abgeordneten der Bindung der Landtage unterlägen.293 Hickmann wiederum hinterfragte eine solche „[. . .] Zwangsvorschrift [. . .]“, wonach die Abgeordneten der Länderkammer Mitglieder der Landtage sein müssten.294 Man möge nur daran denken, dass eine Fraktion einen für die Arbeit der Länderkammer besonders fähigen Mann entsenden möchte, der aber nicht Abgeordneter der Landtages sei; dadurch werde das Prinzip der Länderkammer nicht gefährdet; zusammenfassend ginge es doch um die Frage: Landtagswille oder Regierungswille; der Landtagswille werde aber auch garantiert, wenn man auf die zwingende Eigenschaft als Landtagsabgeordneter verzichte.295 Polak beharrte auf seiner Ansicht („Wir können also an dem Prinzip nicht rütteln“296), dass es sich bei den Abgeordneten der Länderkammer nur um Landtagsabgeordnete handeln könne; andernfalls wäre der entsprechende Länderkammerabgeordnete vom Landtag völlig losgelöst.297 Dertinger versuchte seine Ansicht abermals mit den Ausführungen zu Art. 72 Abs. 2 zu stützen; Grotewohl insistierte, dass der Länderkammerabgeordnete nicht gebunden sei und die Ausführungen Dertingers damit unrichtig wären.298 Der Zusatz von Grotewohl allerdings, der Länderkammerabgeordnete sei nur dadurch gebunden, dass er abberufen werden könne299, ließ sich mit der Verfassung ebenso wenig vereinbaren. Die Abgeordneten der Länderkammer wurden gem. Art. 72 Abs. 1 S. 1 DDV gerade „[. . .] auf die Dauer der Wahlperiode des Landtages [. . .]“ gewählt. 290 291 292 293 294 295 296 297 298 299
Ebd. Vgl. ebd. Vgl. ebd., Bl. 83. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Ebd. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. ebd.
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Acker bemerkte, es sei schlicht ein Versehen gewesen, dass man bei den Beratungen des Verfassungsausschusses nicht daran gedacht habe, dass es Abgeordnete der Landtage sein müssten.300 Dem widersprach Polak: Es sei sehr lange darüber gesprochen worden, dass man nicht zum Reichsratsprinzip zurückkehren wolle.301 Acker zog eine Parallele zum früheren preußischen Staatsrat; die dortigen Vertreter brauchten nicht Mitglieder der Provinziallandtage zu sein.302 Schultes legte nun offen, von wem der Abänderungsvorschlag stammte, nämlich von der LDPD.303 Diese bat zu bedenken: Aus Artikel 72 ist nicht erkennbar, ob die Abgeordneten der Länderkammer, die von den Landtagen gewählt werden, Mitglieder dieser Landtage sein müssen.304
Die LDPD schlug daher vor, die Pflicht der Mitgliedschaft klar auszusprechen und wie folgt zu formulieren: Die Abgeordneten der Länderkammer werden von den Landtagen aus der Reihe ihrer Mitglieder im Verhältnis der Stärke der Fraktionen auf die Dauer der Wahlperiode des Landtages gewählt.305
Steinhoff bat zu beachten, dass wenn man einen bedeutenden Wissenschaftler oder einen großen Dichter in die Länderkammer delegieren möchte, die Beschränkung auf Landtagsabgeordnete nicht angemessen sei; der Landtag werde dann schon dafür sorgen, dass die entsprechenden Leute in die Länderkammer kämen.306 Schultes zeigte sich erstaunt über den Verlauf der Debatte. Es sei bisher „[. . .] im gesamten Verfassungsrecht [. . .]“ klar gewesen, dass es sich bei dem Zweikammersystem, das dieser Entwurf annehme, darum handle, die erste Kammer unmittelbar im Wege der allgemeinen und gleichen Wahl 300
Vgl. ebd., Bl. 84. Vgl. ebd. 302 Vgl. ebd. Acker bezog sich auf Artt. 31 ff. der Verfassung des Freistaates Preußen vom 30. November 1920, GS S. 543 (1929). In Art. 33 Abs. 1 S. 1 hieß es dort: „Die Mitglieder des Staatsrats und ihre Stellvertreter werden von den Provinziallandtagen [. . .] gewählt“, darüber hinaus normierte Art. 33 Abs. 2: „Niemand darf gleichzeitig Mitglied des Landtags und des Staatsrats sein. Landtagsabgeordnete scheiden mit Annahme der Wahl in den Staatsrat aus dem Landtag aus. Mitglieder des Staatsrats scheiden mit Annahme der Wahl in den Landtag aus dem Staatsrat aus.“ Vgl. zum preußischen Staatsrat: Giese/Volkmann, Die Preußische Verfassung, S. 105 ff., hier S. 117 ff. 303 Vgl. VerfA, 14. Sitzung am 2. März 1949, in: BArch, DA 1/158, Bl. 84. 304 Liberal-Demokratische Partei Deutschlands, Diskussionsunterlagen zum Verfassungsentwurf des Deutschen Volksrates, S. 14. 305 Ebd. 306 Vgl. VerfA, 14. Sitzung am 2. März 1949, in: BArch, DA 1/158, Bl. 84. Steinhoff dachte wohl an eine Honoratiorenkammer. Diese Qualifizierung liegt für die Länderkammer späterer Wahlperioden nicht fern. 301
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
und die zweite Kammer mittelbar durch die Länderparlamente wählen zu lassen.307 Überall wo das Zweikammersystem bestehe werde es nicht anders gehandhabt, als dass die Ländervertretungen aus ihrer Mitte die Abgeordneten zur zweiten Kammer wählten; davon, dass sie irgendwelche Dritte, die nicht Abgeordnete seien, in die Länderkammer delegieren könnten, sei nirgends die Rede – dies wäre ein völlig neuer Gesichtspunkt, der hier plötzlich in die Debatte geworfen werde.308 Demokratisch sei es allein, die von den Landeswählern gewählten Abgeordneten nunmehr in die Länderkammer weiter zu delegieren, nicht aber, dass der Landtag irgendwelche Personen, die von den Wählern gar nicht gewählt seien, in die Ländervertretung der Republik entsende.309 Grotewohl und Heinze (VVN) sahen indessen keine Verletzung eines demokratischen Prinzips; letztere erkannte nichts Verwerfliches darin, dass diese Abgeordneten eben nicht direkt, sondern nur indirekt gewählt seien. Heinze schlug vor, man könne die Frage doch so lösen, indem man folgenden Satz einfüge: „Sie sollen Mitglieder der Landtage sein.“310 Damit sei die Möglichkeit gegeben, in Einzelfällen einen ausgezeichneten Vertreter des Landes, der nicht Landtagsabgeordneter sei, in die Länderkammer zu entsenden. Steiniger regte an, diesen Vorschlag in Art. 72 Abs. 1 S. 1 aufzunehmen, indem man sage: „[. . .] werden von den Landtagen grundsätzlich aus den Reihen ihrer Mitglieder [. . .] gewählt.“311 Die von Steiniger gesehene Gefahr lag in Nachstehendem: Wenn man überhaupt schon – was für sehr viele ein saurer Apfel gewesen ist – ein Zweikammersystem anerkennt, dann stehen sich doch zwei Prinzipien gegenüber: Entweder die Zweite Kammer auch demokratisch, d.h. auf parlamentarischer Basis zu bilden oder sie, wie es im Bismarckschen Reich und in der Weimarer Republik war und in die Bonner Verfassung wieder aufgenommen ist, bürokratisch zu bilden.312
Steiniger präzisierte seine Sorgen weiter: Alle Erfahrung zeige, dass eine bürokratische zweite Kammer die parlamentarische erste Kammer zum großen Teil wieder aufhebe; Amerika habe in hundert Jahren diese Erfahrung gemacht und dann die demokratische Lösung gewählt.313 Seine Befürchtung 307
Vgl. ebd. Vgl. ebd., Bl. 84 f. 309 Vgl. ebd., Bl. 85. 310 Vgl. ebd. 311 Ebd. 312 Ebd., Bl. 85 f. 313 Ebd., Bl. 86. Steinhoff bezog sich hier auf den 17. Zusatzartikel der Verfassung der Vereinigten Staaten; dieser wurde am 8. April 1913 verabschiedet und sieht vor, dass die Senatoren von der Bevölkerung des jeweiligen Bundesstaates gewählt werden; er lautet: „Der Senat der Vereinigten Staaten besteht aus je zwei Se308
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bestehe allein darin, dass der Landtag nicht Parlamentarier entsende, sondern irgendwelche Bürokraten, die die notwendige Zeit dazu hätten; dies wäre eine Entwicklung rückwärts zum Bundesrat; daher solle man wenigstens einen Hinweis einfügen, der durch das Wort „grundsätzlich“ am besten verwirklicht würde.314 Paul Verner315 (FDJ) rief dazwischen: „Besser: in der Regel.“316 Steinhoff griff die Bemerkungen Steinigers auf und verwahrte sich gegen einen Rückschritt zum Bundesrat. Beim Bundesrat seien die Vertreter bekanntlich von den Regierungen bestimmt worden, nach „[. . .] unserer Verfassung [. . .]“ würden die Abgeordneten der Länderkammer vom Parlament bestimmt, seien dem Parlament verantwortlich, erhielten von ihm ihre Richtlinien und könnten von ihm abberufen werden.317 Steinhoff schlug den Satz vor, der so auch in stilistisch überarbeiteter Form in die spätere Verfassung, Art. 72 Abs. 1 S. 2 DDV, Eingang fand: „Sie sollen in der Regel Mitglieder der Landtage sein.“318 natoren von jedem Einzelstaat, die von dessen Bevölkerung auf sechs Jahre gewählt werden.“ Bis zum Erlass dieses Zusatzartikels galt Art. 1 Abschnitt 3 der Verfassung der Vereinigten Staaten: „Der Senat der Vereinigten Staaten besteht aus je zwei Senatoren von jedem Einzelstaat, die von dessen gesetzgebender Körperschaft auf sechs Jahre gewählt werden [. . .]“, vgl. dazu: Haas, Zweite Kammer erster Klasse: der US-Senat, S. 22 (26 f.). 314 Vgl. VerfA, 14. Sitzung am 2. März 1949, in: BArch, DA 1/158, Bl. 86. 315 Mitbegründer der FDJ, 1946–1949 Mitglied im Zentralrat der FDJ, ab 1947 im PV der SED zuständig für Jugendfragen, Mitglied im Verfassungsausschuss des DVR für die FDJ, ab 1950 Mitglied im ZK der SED, ab 1958 MdVK, später (1963–1984) Mitglied des Politbüros, vgl. zur Person: Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 1047. 316 VerfA, 14. Sitzung am 2. März 1949, in: BArch, DA 1/158, Bl. 85. 317 Vgl. ebd., Bl. 86. Entgegen der wohl überwiegenden Ausschussmeinung, wonach die Abgeordneten der Länderkammer keinem gebundenden Mandat unterlägen, hielt Steinhoff nachfolgend an seiner Ansicht fest. Zur Frage, ob die Abgeordneten der Länderkammer abberufen werden konnten, gibt die Verfassung eine eindeutige Antwort: „Die Abgeordneten der Länderkammer [. . .] werden auf die Dauer der Wahlperiode des Landtages gewählt“, Art. 72 Abs. 1 S. 1 DDV. Vorschriften, die die Möglichkeit zur Abberufung eröffnet hätten, gab es nicht. Auch bei größtmöglicher Strapazierung des Wortlautes des Art. 72 Abs. 2 S. 1 DDV ließe sich eine solche Abberufungsmöglichkeit nicht begründen, müsste man doch dazu Art. 72 Abs. 2 S. 1 DDV so verstehen, dass die Feststellung des Willens des Landes zu den in der Länderkammer zu erörternden Angelegenheiten, die den Landtagen zustand, auch umfasste, einen Abgeordneten, der sich diesem Willen nicht beugen mochte, zu entfernen; für solch eine Auslegung bedürfte es allerdings größerer Rabulistik. 318 Vgl. ebd. Im Einzelfall hatte die SED später offensichtlich Bedenken bei der Anwendung der Ausnahme von dieser Regel seitens der Blockparteien, so etwa von der CDU: „Herr Gerigk weist darauf hin, daß bei den Besprechungen über die Kandidaturen für die Länderkammer die SED in Brandenburg einen Kandidaten der CDU, der nicht Mitglied des Landtages ist, deshalb nicht anerkennen will. Dedek
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Grotewohl stellte noch abschließend das Einverständnis des Ausschusses mit dieser Formulierung fest319; damit war die Arbeit an den Vorschriften über die Länderkammer beendet.
V. Grotewohls Bericht in der 10. Sitzung des Präsidiums des Deutschen Volksrates am 4. März 1949 Anlässlich jener Sitzung erstattete Grotewohl Bericht über die Arbeit des Verfassungsausschusses seit der Entschließung des Deutschen Volksrates über den „Entwurf einer Verfassung für die deutsche demokratische Republik“ vom 22. Oktober 1948. Grotewohl berichtete über die Vielzahl von Abänderungsvorschlägen der Bevölkerung, die man eingehend auf ihre Brauchbarkeit untersucht hätte, und über eine „[. . .] grundsätzliche vergleichende Betrachtung mit dem Bonner Verfassungswerk [. . .]“, wobei man festgestellt habe, „[. . .] dass aus diesem Verfassungswerk keine grundlegenden Anregungen zu entnehmen waren [. . .]“.320 Grotewohl ging nun auf die Veränderungen ein, die die Vorschriften über die Länderkammer erfahren hatten. In der ursprünglichen Fassung des Art. 72 sei keine Regelung über die Frage getroffen worden, ob die Mitglieder der Länderkammern Angehörige eines Landesparlamentes sein müssten oder ob daneben auch andere verdiente oder geeignete Angehörige des Volkes „[. . .] Vertreter [. . .]“ werden könnten.321 Vormals sei der Verfassungsausschuss davon ausgegangen – wie es die Bezeichnung Länderkammer schon andeute –, dass es eine „[. . .] engbegrenzte Vertretung [. . .]“ sei, die aus den in den Ländern vorhandenen parlamentarischen Vertretern hervorgehen solle.322 stellt demgegenüber fest, daß in Sachsen die SED selbst Kandidaten für die Länderkammer vorschlägt, die nicht dem Landtag angehören. Es wird festgestellt, daß nach Artikel 72 der Verfassung die Mitglieder der Länderkammer nur ‚in der Regel‘ dem Landtag angehören sollen. Kandidaturen solcher Parteifreunde, die nicht dem Landtag angehören, sind daher nach der Verfassung durchaus möglich“, Protokoll der Sitzung des Politischen Ausschusses am 24. Oktober 1950, in: ACDP, OstCDU: Vorstand, 07-010-1457. Eine Erklärung für dieses Verhalten der SED könnte darin gesehen werden, dass von außen gewählte Abgeordnete, solche also, die nicht dem Landtag angehörten, in geringerem Maße in staatliche Strukturen eingebunden und damit weniger kontrollier- und disziplinierbar waren. 319 Vgl. VerfA, 14. Sitzung am 2. März 1949, in: BArch, DA 1/158, Bl. 87. 320 Vgl. Präsidium DVR, 10. Sitzung am 4. März 1949, in: BArch, DA 1/2, Bl. 70 f. 321 Vgl. ebd., Bl. 79. 322 Vgl. ebd., Bl. 79 f.
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Es sei, so Grotewohl fortfahrend, weiter der Vorschlag gemacht worden, man solle auch außerhalb des Landesparlaments stehende Leute mit in die Länderkammer hineinnehmen können; Grotewohl exemplifizierte, dass diese Regelung etwa für Landesminister günstig sei, die nicht gleichzeitig Angehörige des entsprechenden Parlamentes wären oder für „[. . .] Spezialkräfte, Wissenschaftler, Staatsrechtler und andere Menschen, die ihrer ganzen Eignung nach nur eine Bereicherung der Länderkammer darstellen könnten.“323 Der nun entsprechend geänderte Art. 72 Abs. 1324 bringe diese Überlegungen zum Ausdruck; eine ähnliche Praxis, so Grotewohl, habe sich bei der Zusammensetzung der Deutschen Wirtschaftskommission325 bereits bewährt. Bevor man in die Aussprache eintrat, schlug Grotewohl im Namen des Verfassungsausschusses folgenden Antrag zur Beschlussfassung vor: Das Präsidium des Deutschen Volksrates wolle beschließen: 1) den vorliegenden Entwurf einer Verfassung für die Deutsche Demokratische Republik dem Deutschen Volksrat zur Beschlußfassung zu unterbreiten; 2) zwei Berichterstatter zu bestimmen für die Sitzung des Deutschen Volksrates: a) für ein informatorisches Referat zur Erläuterung der erfolgten Änderungen Ministerialdirektor Dr. Schultes326, b) für ein prinzipielles politisches Referat den Vorsitzenden des Verfassungsausschusses Otto Grotewohl [. . .]327
In der darauffolgenden Aussprache gab es die Länderkammer betreffend einzig einen Vorschlag von Erhard Hübener328 (LDPD), der anregte, man 323 Vgl. ebd., Bl. 80. In diesem Sinne besonders herausragend Befähigte gehörten der Länderkammer später nie an. 324 Der dem späteren Art. 72 Abs. 1 DDV wortgleich entspricht. 325 Die zentrale Verwaltungsinstanz – als Wegbereiterin der Zentralisierung – der SBZ, die später in der Provisorischen Regierung der DDR aufging, dazu: Zank, Wirtschaftliche Zentralverwaltungen und DWK, in: SBZ-Handbuch, S. 253 ff., passim, insbesondere S. 271–276; Türke, S. 3–8; Leissner, S. 12 f., 276 f.; Foitzik, Sowjetische Militäradministration in Deutschland, S. 384 ff.; aus ostdeutscher Sicht zur DWK: Doernberg, S. 108–114. 326 Das Referat wurde später nicht gehalten, vgl. die Aufstellung der Redner der 6. Tagung des Deutschen Volksrates am 18. und 19. März 1949, in: BArch, DA 1/9, Bl. 2 ff. 327 Präsidium DVR, 10. Sitzung am 4. März 1949, in: BArch, DA 1/2, Bl. 85; der Antrag Grotewohls wurde dann auch leicht modifiziert angenommen; Pieck erläuterte diesbezüglich die weitere Vorgehensweise: „Die Lage ist folgendermaßen: Wir haben in Anbetracht der Vorgänge in Bonn ein Interesse daran, so schnell wie möglich diese Verfassung als ein Ergebnis unserer Arbeit in die Öffentlichkeit zu bringen. Ich glaube aber, wir können auch nicht ganz den Volkskongress bei dem Erlass dieser Verfassung ignorieren, und wenn wir das jetzt ankündigen, schwächen wir die Wirkung dieses Beschlusses des Volksrates nicht ab, sondern wir sagen nur, dass auch noch der Dritte Volkskongress dazu Stellung nehmen wird“, ebd., Bl. 95. 328 Mitbegründer der „Demokratischen Volkspartei“, der späteren LDPD, ab Juli 1945 Präsident der Provinz Sachsen-Anhalt, 1946–1949 Ministerpräsident und in
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möge mit den Aufgaben des Stellvertreters des Präsidenten der Republik den Präsidenten der Länderkammer betrauen.329
VI. Die Annahme der Verfassung durch die 6. Tagung des Deutschen Volksrates am 19. März 1949 Der erste Verhandlungstag am 18. März 1949330 begann mit einem Referat von Otto Nuschke (CDU), das mit „Nationaler Notstand – nationale Selbsthilfe“ betitelt war.331 Nuschke kritisierte die Arbeit des Parlamentarischen Rates in Bonn, die zu einer Zerreißung Deutschlands führe und erinnere sich [. . .] des prolongierten Aschermittwoch, nämlich des Donnerstag, als die Delegation des Parlamentarischen Rates aus Frankfurt am Main zurückkehrte332, wo sie Personalunion Justizminister von Sachsen-Anhalt, einziger Ministerpräsident der SBZ, der nicht der SED angehörte, ab 1949 Professor für Verwaltungskunde in Halle, vgl. zur Person auch: Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 936. 329 Vgl. Präsidium DVR, 10. Sitzung am 4. März 1949, in: BArch, DA 1/2, Bl. 87; so auch seine Partei, vgl. Liberal-Demokratische Partei Deutschlands, Diskussionsunterlagen zum Verfassungsentwurf des Deutschen Volksrates, S. 19 und sein Parteifreund Dieckmann, vgl. Deutscher Volksrat – Sekretariat, Verfassung – Grundfrage der Nation, Informationsdienst, 1. Jahrgang, Nr. 6, S. 16. Diese Anregung ergab sich aus dem Umstand, dass der Präsident der Republik gem. Art. 108 des Entwurfes von dem Präsidenten der Volkskammer vertreten werden sollte – von dem es, wider den Wortsinn, nach Art. 57 Abs. 3 des Entwurfes drei gab, deren Geschäftsführung nach Art. 57 Abs. 4 des Entwurfes nach Maßgabe der Geschäftsordnung wechselte. Gegen diese kollektive Arbeitsweise hatte Hübener Bedenken. Der spätere Art. 108 Abs. 1 S. 1 DDV sah schließlich den Präsidenten der Volkskammer als Stellvertreter des Präsidenten der Republik vor. Auch Art. 57 wurde auf Anregung von Pieck, der vorschlug, man möge die Regelung hinsichtlich der Zusammensetzung des Präsidiums der Länderkammer übernehmen, entsprechend geändert, vgl. Präsidium DVR, 10. Sitzung am 4. März 1949, in: BArch, DA 1/2, Bl. 89 und DVR, 6. Tagung am 18. und 19. März 1949, in: BArch, DA 1/9, Bl. 115. Nach Art. 57 Abs. 3 DDV bestand das Präsidium der Volkskammer dann ebenso wie jenes der Länderkammer aus dem Präsidenten, seinen Stellvertretern und den Beisitzern. 330 Das Datum der Zusammenkunft war historisch bedeutsam; der 18. und 19. März 1848 wird weithin mit dem Begriff „Märzrevolution“ umschrieben. 331 Vgl. DVR, 6. Tagung am 18. und 19. März 1949, in: BArch, DA 1/9, Bl. 13 ff. 332 Gemeint ist der 16. Dezember 1948. Anlässlich einer Konferenz über das Besatzungsstatut des künftigen westdeutschen Staates empfingen die Militärgouverneure eine Delegation des Parlamentarischen Rates, vgl. dazu: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat, Bd. 8, Dok. Nr. 27 ff. (S. 61 ff.); Nuschke spielte wohl eher auf das Memorandum der Militärgouverneure an, in dem diese die zu schwache „[. . .] Stellung der Länder in einem föderativen System [. . .]“ bemängelten, vgl. „Memorandum der Militärgouverneure zum Grundgesetzentwurf“ vom 2. März 1949, abgedruckt in: ebd., Dok. Nr. 47 (S. 131 ff.).
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von den Militärgouverneuren die Weisung erhalten hatte, dass das Verfassungswerk noch viel, viel föderalistischer gestaltet werden müsste.333
Dieser Umstand bedeute, so Nuschke weiter, nicht, wie bisher schon gegeben, die Auflockerung Deutschlands, sondern dessen Auflösung.334 Der Blick auf den Westen durch die Augen der Protagonisten des Ostens verdeutlicht – über einen brüderlich-sanften bis hin zum aggressiven, offen feindschaftlichen Ton – die Ablehnung jedweder föderativer Überlegungen; entsprechend schwach wurde auch die Vertretung der Länder in der Verfassung gestaltet. Nach einer – wohl als retardierendes Moment gedachten – zehnminütigen Pause, die Hermann Matern335 anregte, um sich mit seinen Parteikollegen der SED zu besprechen, trat Pieck vor die Versammlung und verkündete: Alles das veranlasst uns, den im Westen bestehenden parlamentarischen Körperschaften, dem Parlamentarischen Rat in Bonn und dem Zweizonenwirtschaftsrat in Frankfurt am Main, den Vorschlag zu unterbreiten, mit einer Delegation des Deutsches Volksrates zu einer Konferenz zusammenzukommen.336
Der zweite Verhandlungstag am 19. März 1949 begann mit einem Referat Grotewohls.337 Die Intention aller Arbeiten des Verfassungsausschusses sei gewesen, eine Verfassung für den deutschen Einheitsstaat zu schaffen.338 Den Weg, den man im Westen beschreite und zum Verfall führe, hätte seine zwingende Logik: Von der Anerkennung des Föderalismus über die bundesstaatliche Struktur käme es über die Anerkennung der Spaltung zur völligen An333
DVR, 6. Tagung am 18. und 19. März 1949, in: BArch, DA 1/9, Bl. 14. Vgl. ebd. 335 MdL Preußen 1922–1933 (KPD), Emigration 1941 in die UdSSR, Rückkehr nach Deutschland („Gruppe Ackermann“), 1946–1971 Mitglied des Zentralsekretariats bzw. Politbüros der SED, 1948–1971 MdVR bzw. MdVK (ab 1954 Vizepräsident, ab 1954 1. Stellvertreter des Präsidenten, 1957–1960 Vorsitzender des Ständigen Ausschusses für die örtlichen Volksvertretungen), ab 1948 Vorsitzender der ZPKK beim ZK der SED, seit 1958 Mitglied im Präsidium des Nationalrats der Nationalen Front), vgl. zur Person auch: Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 975. 336 DVR, 6. Tagung am 18. und 19. März 1949, in: BArch, DA 1/9, Bl. 30. Eine solche Zusammenkunft kam nie zustande. Die Verfassungsarbeiten waren in beiden Teilen Deutschlands schon derart fortgeschritten, dass ein solches Ansinnen auch keinerlei Erfolg mehr versprach und diente vorrangig wohl rein propagandistischen Zwecken. Der Brief, der bis zum 4. April 1949 beantwortet werden sollte, wenngleich hinsichtlich des Ortes und des Zeitpunktes der Zusammenkunft Entgegenkommen signalisiert wurde, trug die Unterschriften der Vorsitzenden des Präsidiums des Deutschen Volksrates: Pieck, Nuschke und Kastner. Zum Wortlaut des Briefes, vgl. ebd., Bl. 31 f. 337 Vgl. ebd., Bl. 113 ff. 338 Vgl. ebd., Bl. 119. 334
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
nexion; von solchen Verhältnissen gelte es sich zu befreien.339 Die Bonner Verfassung beschränke die Grundrechte aufs Äußerste, ginge damit weit hinter die Weimarer Verfassung zurück und übertrage das Schwergewicht der Staatsgewalt den bürokratischen Zentralinstanzen – dem Bundesrat, dem Präsidenten und dem Bundesverfassungsgericht. Es solle im Westen überhaupt keinen deutschen Staat mehr geben, sondern nur noch eine Vielzahl kleiner, schwacher Länder, die man, um die Entmachtung vollkommen zu machen, gegeneinander ausspielen könne.340 Dieses verhängnisvolle Prinzip sei das Symbol der Ohnmacht eines deutschen Einheitsstaates und führe – so wie im Westfälischen Frieden konstituiert – in die Kleinstaaterei und damit in die Epoche der völligen kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Stagnation Deutschlands.341 Auf Westdeutschland bezogen sprach Grotewohl das aus, was man selbst unbedingt vermeiden wollte, nämlich dass – wie in früheren Zeiten – „[. . .] jedes Ländchen tun und lassen konnte, was es wollte, und es keine selbstständige deutsche Politik, keine staatliche Willensbildung des deutsches Volkes gab.“342 Deutsches Territorium und deutsche Menschen würden willenlose Werkzeuge durch einen schwachen deutschen Staat; die Aufspaltung Deutschlands in einen lockeren Staatenbund sei „[. . .] das Spiel, das im Westen stattfindet.“343 Man dürfe auch nicht einwenden, die Aufspaltung Deutschlands in einzelnen Staaten sei heute notwendig zur Aufrechterhaltung der Sicherheit seiner Nachbarn; durch die föderative Aufspaltung erreiche man gerade das Gegenteil: In der Föderalisierung liegt die große Gefahr für den Weltfrieden, indem sie nämlich – wie heute schon klar ersichtlich ist – die nationalistische [sic!] und chauvinistischen Elemente in Deutschland emporspült und in die Macht setzt.344 339
Vgl. ebd., Bl. 121. Vgl. ebd., Bl. 129 f.; vgl. auch Krahn, S. 11: „Sie [die Westmächte und „Bonn“, d. Vf.] wollen die Zerschlagung Deutschlands in möglichst weitgehend selbstständige Einzelstaaten, sprechen von der Notwendigkeit der Schaffung eines ‚Föderativstaates‘ (Bundesstaat bis Staatenbund). Die Parole lautet also: Zurück zur Zeit vor Weimar. [. . .] Rückschritt zur wirtschaftlichen und politischen Zersplitterung wäre die Folge.“ Schultes sprach mit Blick gen Westen auch von einer „[. . .] überföderalistischen Konzeption [. . .]“ des Bonner Grundgesetzes zur Verhinderung der Einheit Deutschlands, Westdeutschland sei „[. . .] um ein Haar nur noch Deutscher Bund“, ders., NJ 1950, 39 (42). Vgl. dazu auch: ders., NJ 1950, 2 (5). 341 Vgl. DVR, 6. Tagung am 18. und 19. März 1949, in: BArch, DA 1/9, Bl. 132. 342 Vgl. ebd., Bl. 133. 343 Vgl. ebd. 344 Ebd.; Grotewohl weiter: Man müsse darauf hinweisen, „[. . .] daß die in Westdeutschland betriebene Föderalisierung nicht die Kriegsgefahr vermindert, sondern vermehrt, denn sie spült die übelsten Elemente, die die Erben des deutschen Militarismus und des nazistischen Chauvinismus sind, an die Oberfläche“, ebd., Bl. 134. 340
K. Auf dem Weg zur ersten Verfassung der DDR
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Zu einer Erörterung explizit die Länderkammer betreffende Vorschriften kam es nicht. Der vorliegende, nun im Wortlaut endgültige, Verfassungsentwurf wurde seitens des Deutschen Volksrates einstimmig angenommen.345 Gleichzeitig beabsichtigte man zur „[. . .] Popularisierung unserer Beschlüsse [. . .]“ (Pieck) einen dritten Deutschen Volkskongress einzuberufen.346
VII. Bestätigung der Verfassung durch den 3. Deutschen Volkskongress am 30. Mai 1949 Der einberufene 3. Volkskongress, der am 29. und 30. Mai 1949 tagte, hatte die alleinige Aufgabe die Verfassung, wie sie auf der 6. Tagung des Deutschen Volksrates am 19. März 1949 beschlossen wurde, in pseudodemokratischem Rahmen zu sanktionieren.347 Als Höhepunkt dieser Versammlung sparte man sich die Abstimmung über die Verfassung bis zum Schluss auf; zu einer Aussprache über die Verfassung kam es nicht. Die Rede, die der Abstimmung vorausging, hielt der Vorsitzende des Verfassungsausschusses Grotewohl.348 Dessen Ausführungen enthielten die üblichen Anfeindungen gegenüber dem westdeutschen Separatstaat, der „[. . .] alle abgelebten deutschen Staats- und Verfassungsinstitutionen [. . .]“ hervorhole.349 Das Bonner Grundgesetz lasse „[. . .] den Todfeind der deutschen Einheit, den Krebsschaden der deutschen Nation, die föderative Zersplitterung der Staatsgewalt wieder aufleben.“350 Grotewohl ging wohlweislich auf die geschaffene Länderkammer – ja auf die Gliederung der zu schaffenden Republik in Länder überhaupt – in seiner Rede gar nicht erst ein. Er erwähnte nur die Volkskammer als bewusst höchster Machtträger der Republik, die ein „[. . .] wahrhaftes Volksparlament [. . .]“ sei, ungebunden an die her345 Vgl. ebd., Bl. 197; vgl. auch die „Entschliessung zum Entwurf der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik“, in: ebd., Bl. 205 f., in der es u. a. hieß: „Es ist darum die besondere Aufgabe der demokratischen Öffentlichkeit, diese ‚Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik‘ im ganzen deutschen Volk zur Grundlage des Kampfes für sein demokratisches Selbstbestimmungsrecht und eine einheitliche freie deutsche Republik zu machen.“ 346 Vgl. ebd., Bl. 198 ff. 347 Zur Sitzverteilung im 3. Volkskongress nach festgelegtem Schlüssel, vgl. Braun, Wahlen und Abstimmungen, in: SBZ-Handbuch, S. 381 (430). 348 Vgl. 3. Deutscher Volkskongress für Einheit und gerechten Frieden, 2. Tag am 30. Mai 1949, in: BArch, DA 1/14, Bl. 218 ff. Die Rede ist in überarbeiteter Form abgedruckt in: Grotewohl, Im Kampf um die einige DDR, Bd. I, S. 419 ff. 349 Vgl. 3. Deutscher Volkskongress für Einheit und gerechten Frieden, 2. Tag am 30. Mai 1949, in: BArch, DA 1/14, Bl. 228. 350 Vgl. ebd., Bl. 229.
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
kömmliche Dreiteilung der Gewalten und damit Ausdruck höchster Volkssouveränität.351 Erhard Hübener (LDPD), sachsen-anhaltinischer Ministerpräsident, gab nach der Rede Grotewohls eine Erklärung im Namen aller Delegationsführer ab, die die Verfassung vorbehaltlos begrüßte. Zur Struktur der Verfassung merkte Hübener – als einziger überhaupt, der Ausführungen zu den Ländern machte – an: Wir waren uns darüber klar, dass eine Verfassung von extrem zentralistischem Charakter niemals die Möglichkeit haben würde, für ganz Deutschland angenommen zu werden. Von Anfang an war es allen Beteiligten klar, es sollte eine Verfassung werden, die dem ganzen Deutschland zuzumuten war. So ist es dahin gekommen, dass ein wohl ausgeglichenes Verhältnis gefunden wurde zwischen der Republik [. . .] und dem berechtigen Interesse der einzelnen Länder.352
Mit der Annahme der Verfassung durch den Volkskongress war der Prozess der Verfassungsschöpfung in der sowjetischen Besatzungszone, die sich bald den Namen DDR geben sollte, beendet.353 Die endgültige verfassungsrechtliche Form der Länderkammer wurde während der gesamten Verfassungsberatungen gewissermaßen per modum exclusionis gefunden. Sie sollte nachfolgendes – zumindest in den Augen der Machthaber – gerade nicht sein: (1) die als undemokratisch empfundene Vertretung der Landesregierungen (Ratsmodell), (2) eine „echte“ zweite Kammer, (3) eine umfangreich am Gesetzgebungsverfahren Beteiligte, (4) ein mit weitergehenden Kontroll- und Mitwirkungsrechten ausgestattetes Analogon zur Volkskammer, (5) ein emanzipiertes – sich selbst mit einer gewissen Eigenständigkeit im Verfassungsgefüge wahrnehmendes und diese auch behauptendes – Verfassungsorgan, das sich nicht vollumfänglich der Dominanz der SED unterwarf und so als Korrektiv wirken konnte. Trotz des ungleichen Gewichts der verschiedenen Punkte sollte doch deren Summe schließlich zum Geburtsfehler der Länderkammer werden.
351
Vgl. ebd., Bl. 236. Ebd., Bl. 247. 353 Dem Verfassungsentwurf wurde bei einer Gegenstimme zugestimmt, ausführlich zum Procedere: Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 300–302. 352
K. Auf dem Weg zur ersten Verfassung der DDR
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VIII. Änderungsvorschläge, Stellungnahmen und Anregungen zu den Vorschriften über die Länderkammer Dem Verfassungsausschuss gingen während seiner Tätigkeit Zuschriften unterschiedlicher Qualität von Parteien, Massenorganisationen und der Bevölkerung zu.354 Darin finden sich auch Stellungnahmen zu der Ausgestaltung der Ländervertretung, die nachfolgend aufgezeigt werden sollen. Freilich wurden nur wenige Anregungen aufgegriffen. 1. CDU Eine undatierte – als nur für den Dienstgebrauch gekennzeichnete – Zusammenstellung der „Hauptgeschäftsstelle der CDU/Arbeitsgemeinschaft der CDU im Deutschen Volksrat“, die sich auf den am 22. Oktober 1948 gebilligten Verfassungsentwurf bezieht, vermerkt: 354 Vgl. VerfUA, 2. Sitzung am 27. Februar 1949, in: BArch, DA 1/159, Bl. 89 ff. Eine Aufstellung, die den Akten der 14. Sitzung des Verfassungsausschusses beigegeben ist, vermerkt bezüglich der Beteiligung der Bevölkerung am Verfassungsentwurf, deren Wahrheitsgehalt freilich mit äußerster Vorsicht zu genießen ist: „ca. 15.000 Resolutionen der Parteien, Organisationen und sonstigen Institutionen; ca. 9.000 durchgeführte Versammlungen in allen Teilen Deutschlands; 503 Abänderungsvorschläge zum Verfassungsentwurf, davon entfallen 400 auf direkte Zuschriften an den Deutschen Volksrat; 129 Anträge waren Gegenstand der Beratung der Unterkommission, davon wurden etwa ca. 70 Anträge berücksichtigt; 52 Artikel des Verfassungsentwurfs wurden (mussten auf Grund der Sachlichkeit der Abänderungsvorschläge) geändert (werden) [in Klammern = Durchstreichungen im Original, wohl von Grotewohl, d. Vf.]“, VerfA, 14. Sitzung am 2. März 1949, in: BArch, DA 1/158, Bl. 117. Obige Zahlen werden relativiert durch einen undatierten Aktenvermerk, der mit „Warum Verfassungsdiskussionen? – Wie können wir sie durchführen?“ überschrieben ist und ausführt: „Wir müssen es erreichen, daß möglichst viele Zuschriften an die demokratischen Zeitungen Berlins und an den Rundfunk kommen, die eine Diskussion über die Verfassungsfragen in Gang bringen. Dafür soll von Seiten der ständigen Ausschüsse geworben werden“, BArch, DA 1/170, Bl. 10. Diese Versuche waren wohl nicht sehr von Erfolg gekrönt, wenn eine weitere Aktennotiz vermerkt: „Diese Abänderungsvorschläge (bisher rund 100), setzen sich zusammen zur Hälfte aus Äußerungen von Privatpersonen, zur Hälfte aus Stellungnahmen von Versammlungen oder Organisationen. Im allgemeinen enthält ¼ [. . .] positive Vorschläge, [. . .] ein gutes viertel [sic!] [. . .] alte reaktionäre Denkgewohnheiten [. . .]. Die übrigen Vorschläge sind sachlich bedeutungslos“, ebd., Bl. 13; vgl. auch die Äußerungen Grotewohls zur Beteiligung der Bevölkerung, in: Präsidium DVR, 10. Sitzung am 4. März 1949, Bl. 70 ff. Zu allem „Übel“ schrieben auch meist keine Angehörigen der sog. Klasse der Arbeiter und Bauern. So hieß es in einer Vorlage für Grotewohl, in: BArch, DA 1/170, Bl. 51: „Nach Durchsicht aller Diskussionsbeiträge, [. . .] stellte ich [wohl der Abteilungsleiter der Abteilung III im Sekretariat des DVR, d. Vf.] fest, dass Abänderungsvorschläge von ausgesprochenen Industriebetrieben nicht vorliegen. Einzeleingaben von einem Werkmeister und einem Bergmann sind nicht zu verwenden.“
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
Die Zusammensetzung der Länderkammer erfolgt auf Unionsvorschlag derart, dass auf 500.000 Einwohner ein Abgeordneter entfällt, während nach dem ursprünglichen Entwurf355 schematisch jedes Land 10 Abgeordnete haben sollte (Art. 70). Wichtig ist das von der Union durchgesetzte der Länderkammer auf eigene Gesetzesinitiative (Art. 77), sowie auf das Recht der Vertretungen der Länderkammer bzw. der Volkskammer, jeweils die Meinungen vor der anderen Kammer zu vertreten (Art. 78).356
2. DBD Die Demokratische Bauernpartei gab zu den Vorschriften über die Länderkammer nur eine kurze Stellungnahme ab. Dass die Volkskammer höchstes Organ der Staatsgewalt sei, so der Organisationsleiter der DBD in Sachsen-Anhalt Sejna, dürfte wohl zu den wichtigsten Artikeln des Verfassungsentwurfes gehören; die Vorschriften über die Länderkammer bedeuteten nur „[. . .] eine gewisse Koordinierung der Interessen“, weshalb sich Volks- und Länderkammer eben aufeinander abstimmen müssten.357 3. LDPD Die Klarstellung, dass die Abgeordneten der Länderkammer nicht zwingend Mitglieder der Landtage sein müssen, geht auf eine Anregung der LDPD zurück, die eben dies forderte.358 Das der Länderkammer eingeräumte Einspruchsrecht wurde begrüßt, da der Länderkammer damit ein „[. . .] außerordentlich bedeutsames Recht eingeräumt wird.“359 Die Länderkammer wurde klar als die Vertretung der deutschen Länder in Gestalt einer zweiten Kammer bezeichnet, wenngleich wegen des Einspruchsrecht als eine „[. . .] milde Form des Zweikammersystems.“360 Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Erhard Hübener (LDPD), sprach in einem Rundfunk355 Dieser Entwurf findet sich – mit handschriftlichen Anmerkungen eines unbekannten Autors versehen – in: ACDP, Ost-CDU: Parteiarbeit, 07-012-907. 356 „Zusammenstellung der von der CDU erreichten Änderungen bei der Ausarbeitung des Verfassungsentwurfs“, Punkt „C. 2.)“, in: BArch, DA 1/4524; abgedruckt in: Börner, S. 102 ff. 357 Landessender Halle, „Ein Vertreter der Demokratischen Bauernpartei zum Verfassungsentwurf des Deutschen Volksrates“, Sendung vom 28. Dezember 1948, Abschrift, in: BArch, DA 1/166, Bl. 64 f. 358 Dazu oben, Kap. 3 K. IV. 359 Vgl. Liberal-Demokratische Partei Deutschlands, Diskussionsunterlagen zum Verfassungsentwurf des Deutschen Volksrates, S. 14. Diese Publikation, gleichzeitig Nr. 11 der Schriftenreihe der LDPD, erschien im Dezember 1948, bezog sich also auf jenen Verfassungsentwurf, der vom Deutschen Volksrat am 22. Oktober 1948 gebilligt wurde. 360 Vgl. ebd., S. 15 f.
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interview davon, dass die Volkskammer als oberster Träger der Staatsgewalt keinen schrankenlosen Zentralismus bedeute; man könne „[. . .] aber auch nicht von einem eigentlichen Zweikammersystem sprechen; aus dem sich gar zu leicht Föderalismus oder gar Separatismus entwickeln könnte, da die Zuständigkeiten der Länderkammer [. . .] beschränkt sind.“361 In die gleiche Kerbe schlug auch Robert Siewert (LDPD), Innenminister von Sachsen-Anhalt, der hinsichtlich der schwachen Stellung der Länderkammer bemerkte, dass daraus ersichtlich sei, dass man kein Zweikammersystem habe schaffen wollen.362 Ein solches bedinge eine Abhängigkeit von der Zustimmung beider Kammern, was die LDPD ausweislich des Duktus ihrer Verfassungssynopse ablehnte.363 Weiterhin sei es zu begrüßen, so die LDPD, dass man den Einspruch der Länderkammer an die Frist von 14 Tagen nach der Schlussabstimmung in der Volkskammer geknüpft habe; bei einem unbefristeten Einspruchsrecht hätte die Rechtssicherheit gelitten.364 Ebenso positiv bewertet wurde die Regelung, wonach der Einspruch hinfällig werde, wenn die Volkskammer ihren Beschluss nach erneuter Beratung aufrechterhalte – damit sei eindeutig das Übergewicht der Volkskammer gegenüber der Länderkammer zum Ausdruck gebracht; diesem Umstand, so die LDPD, „[. . .] wird man im Hinblick darauf, daß dadurch ein übertriebener Partikularismus der Länder unterbunden wird, zustimmen können.“365 Bezüglich der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen unterliege es, so das Papier der LDPD, „[. . .] keinem Zweifel, daß die Bestimmungen über das Verhältnis zwischen den Gesamt- und den Einzelstaaten eine starke Tendenz in der Richtung des grundsätzlichen und praktischen Zentralismus aufweisen“; diese Grundrichtung werde besonders deutlich an der Ausgestaltung der Länderkammer, der „[. . .] nur eine recht bescheidene 361 Vgl. Landessender Halle, „Ministerpräsident Hübener zum Verfassungsentwurf“, Sendung vom 10. August 1948, Abschrift in: BArch, DA 1/166, Bl. 10 f. Die schwache Stellung hinderte Hübener hingegen nicht daran in der LDPD-Zeitung „Der Morgen“ von der Länderkammer als „[. . .] besonderes Charakteristikum des Entwurfs [. . .]“ zu sprechen, vgl. o. A., Dr. Hübener über den Verfassungsentwurf, in: Der Morgen, Berliner Ausgabe vom 26. August 1948, S. 1. 362 Vgl. Landessender Halle, „Innenminister Siewert über die Rechtsstellung der deutschen Volkskammer nach den Verfassungsrichtlinien des Volksrates“, Sendung vom 9. September 1948, Abschrift in: BArch, DA 1/166, Bl. 17; welche Präferenz Siewert hatte verdeutlicht seine Äußerung auf einer Veranstaltung des Kreisvolkskongresses in Calbe: „Ich wäre froh, wenn wir eine Sowjetrepublik werden könnten, aber dafür sind noch keine Voraussetzungen gegeben“, zit. nach: Der Spiegel, Nr. 8/1948 vom 21. Februar 1948, S. 21. 363 Vgl. Liberal-Demokratische Partei Deutschlands, Diskussionsunterlagen zum Verfassungsentwurf des Deutschen Volksrates, S. 16. 364 Vgl. ebd. 365 Vgl. ebd.
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
Mit- und Einwirkungsmöglichkeit eingeräumt ist.“366 Großzügig konzedierte man den Ländern „[. . .] ein Interesse an der Wahrung einer gewissen Eigenstaatlichkeit [. . .]“; wie weit die Republik in die Belange der Länder hineinwirke sei eine Frage der „[. . .] politischen Atmosphäre [. . .]“.367. Diese „Atmosphäre“ entwickelte sich später dergestalt, dass nach Inkraftsetzung der Verfassung Ländergesetze nicht mehr erlassen wurden. Karl Hamann368 (LDPD) hingegen bezeichnete in einem Referat die Vorschriften über die Länderkammer und insbesondere die Regelung des Art. 72, wonach die Landtage den Willen zu den in der Länderkammer zu erörternden Angelegenheiten feststellten, als „[. . .] glückliche Lösung [. . .]“; damit sei es möglich, den Gegebenheiten der einzelnen Länder, ihrem besonderem Charakter, weitgehend Rechnung zu tragen und Entwicklungen frei zu machen, die bei einer ausschließlich zentralen Behandlung erfahrungsgemäß nur zu leicht übersehen würden.369 4. FDJ In einer Rundfunksendung folgte Paul Verner, Mitglied des Zentralrats der FDJ und Mitglied des Verfassungsausschusses, der Marschroute seiner Partei – der SED. Gegenüber Jugendlichen eröffnete er, was der Parlamentarische Rat Wirklichkeit werden lassen wolle: [. . .] unser Einiges Deutschland wird aufgeteilt in kleine Länder, in einen Bund. Der Föderalismus wird zum Grundsatz erhoben und es wird so sein, dass unsere bayerischen Jungen und Mädel nicht mehr an die Ostsee fahren können und unsere Jungen und Mädel von der Ostsee nicht mehr in die bayerischen Berge [. . .]370 366 Vgl. ebd., S. 19. In einem Gespräch am 8. Mai 1947 zwischen Oberst Tjulpanow, Chef der „Verwaltung Information“ der SMAD, und Wilhelm Külz, seinerzeit Vorsitzender der LDPD, ergab sich folgender Dialog, der für die Haltung der LDPD in staatsorganisatorischen Fragen aufschlussreich ist: „Tjulpanow: Wie beurteilt ihre Partei die Position der Sowjetunion bezüglich der Einheit Deutschlands? Külz: Die [LDPD] steht fest auf den Positionen der Einheit Deutschlands und lehnt jede Zugeständnisse gegenüber separatistischen und föderalistischen Tendenzen ab“, Unterredung Tjulpanows mit Külz am 8. Mai 1947, in: Laufer/Kynin, Die UdSSR und die deutsche Frage 1941–1948, Bd. 3, Dok. 69 (S. 285). Der Schluss, Külz sei Föderalist gewesen, da er die Weimarer Verfassung als eine „ausgezeichnete“ ansah, ist nicht haltbar – so aber Künzel, SuR 1990, 947 (952). 367 Vgl. Liberal-Demokratische Partei Deutschlands, Diskussionsunterlagen zum Verfassungsentwurf des Deutschen Volksrates, S. 19. 368 1949–1952 Minister für Handel und Versorgung der DDR, Ko-Vorsitzender der LDPD von 1949–1952, Verhaftung im Jahre 1952 wegen angeblicher Sabotage bei der Versorgung der Bevölkerung, 1957 Flucht in die Bundesrepublik. 369 Vgl. „Verfassung und Agrarpolitik“, Referat anlässlich der 3. Sitzung des Agrarpolitischen Ausschusses am 16. November 1948 von Karl Hamann, S. 14, in: BArch, DA 1/4524.
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Deshalb habe die FDJ auf eine starke Stellung der Volkskammer gegenüber der Länderkammer gedrungen.371 5. NDPD Das Mitglied des Verfassungsausschusses für die NDPD, Erich Flieger, nahm im Artikel „Moderner Föderalismus?“372 der parteieigenen NationalZeitung zu einem ganzen Themenkomplex Stellung – eine Bezugnahme auf die gerade erst geschaffene Länderkammer kam darin, obwohl naheliegend, nicht vor. Der Föderalismus, so Flieger, sei als politisches Glaubensbekenntnis eine spezifisch deutsche – besonders süddeutsche – Erscheinung, die der Volksratsentwurf berücksichtige.373 Eine weitere Rücksichtnahme auf dieses Prinzip sei aber nicht möglich, da die an den Volkskörper gestellten Anforderungen „[. . .] so ungeheuer [. . .]“ wären, dass sie sich nur durch einheitliche Lenkung und planmäßigen Einsatz der Kräfte meistern ließen.374 Trotz der „[. . .] gefühlsmäßigen Vorbehalte des Westens und Südens [. . .]“ gegenüber diesen Einheitsgedanken, werde der Entwurf auch dort seine Wirkung nicht verfehlen.375 6. Eingaben von Staatsrechtslehrern aus dem Westen, von Studenten und aus der Bevölkerung In der Reihe „Informationsmaterial über den Stand der Verfassungsdiskussionen“ wurden Zuschriften aus der Bevölkerung, von Volksausschüssen und anderen Personen, die man zwecks der Arbeit an der Verfassung um ihre Meinung bat, erfasst, die dem Verfassungsausschuss zur Beratung zugeleitet wurden. Die 3. Folge dieses Informationsmaterials vom 10. Februar 1949, die die Zuschriften zu den Artt. 35–144 umfasste, enthielt zwei Vorschläge376, die die Bestimmungen der Länderkammer betrafen. Ein Herr Josef Ressel aus Berlin schrieb: 370
Vgl. Landessender Halle, „Verfassungsentwurf und FDJ“, Sendung vom 29. November 1948, Abschrift in: BArch, DA 1/166, Bl. 3 f. 371 Vgl. ebd., Bl. 4. 372 Vgl. National-Zeitung, Nr. 206/1948 vom 14. Dezember 1948, Ausriss in: BArch, DA 1/3320, Bl. 87. 373 Vgl. ebd. 374 Vgl. ebd. 375 Vgl. ebd. 376 Den beiden Vorschlägen war keine handschriftliche Notiz angefügt (wie etwa bei anderen: „Nein!“ mit nachfolgender Begründung). Ein Mitglied des Verfassungsausschusses sondierte die Vorschläge auf ihre (politische) Brauchbarkeit, so dass
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
Mit Rücksicht auf die Befriedung unter den deutschen Ländern sollen Länderkammern unterbleiben, weil sie die Entscheidungen der Volkskammer zwecklos behindern, die Geschäftsführung verzögern und die Länder ohnehin durch ihrer Abgeordneten in der Volkskammer vertreten sind.377
Ein Volkmar Lehmann wandte sich aus einem Kriegsgefangenenlager in der Sowjetunion – der Propaganda wohl recht förderlich – an den Ausschuss und regte an, dass im Falle von Meinungsverschiedenheiten zwischen Volks- und Länderkammer ein Schlichtungsausschuss zu bilden sei, der sich aus Vertretern beider Kammern zusammensetzen solle; käme keine Übereinstimmung zustande, entschiede der Beschluss der Volkskammer.378 Ein späterer Nachtrag zum Informationsmaterial vom 17. Februar 1949 umfasste noch den Vorschlag einer Frau Dr. Violet, die Grotewohls frühere Ausführungen des Jahres 1947379 beim Worte nahm und sich daher gegen das Zweikammersystem aussprach.380 Ein zweiter Nachtrag vom 23. Februar 1949 enthielt einen Vorschlag einer weit gewichtigeren Person. Anton Miller381 (CDU), Vizepräsident des Landtages von Sachsen-Anhalt, schrieb mit Blick auf Art. 72: Für diesen Artikel wäre zu erwägen, ob nicht die Abgeordneten der Länderkammer je zur Hälfte von der betreffenden Regierung und von den Landtagen im Verhältnis der Stärke der Fraktion auf die Dauer der Wahlperiode des Landtages zu viele Vorschläge gar nicht erst in den Verfassungsausschuss gelangten. Vermutlich wollte man an der Institution Länderkammer, die man den bürgerlichen Parteien schweren Herzens zugestand, nicht mehr rütteln. 377 „Informationsmaterial über den Stand der Verfassungsdiskussionen vom 10. Februar 1949 – 3. Folge“, S. 16, in: BArch, DA 1/4524. 378 Schreiben Lehmanns an den Deutschen Volksrat vom 20. November 1948, in: BArch, DA 1/173, Bl. 100. Die Anregung Lehmanns bezüglich des Schlichtungsausschusses wurde seitens des lesenden Verfassungsausschussmitgliedes, wahrscheinlich Karl Schultes (SED), der für die Auswertung der Zuschriften hinsichtlich der Länderkammervorschriften zuständig war, handschriftlich stark unterstrichen. Zur Behandlung im Verfassungsausschuss kam es allerdings nicht. Vgl. dazu auch „Informationsmaterial über den Stand der Verfassungsdiskussionen vom 10. Februar 1949 – 3. Folge“, S. 16, in: BArch, DA 1/4524. 379 Vgl. die Anklage Grotewohls gegen das Prinzip des Föderalismus, in: Grotewohl, Deutsche Verfassungspläne, S. 51 ff. (Kapitel V: „Vom Föderalismus“), sowie seine Ausführungen zur Stellung des Parlaments, dessen Macht er nicht durch eine zweite Kammer beschränkt sehen wollte (vgl. Kapitel IV: „Rechtsstellung des Parlament“, S. 39 ff., in: ebd.). 380 Vgl. „Nachtrag zum Informationsmaterial der 1., 2. und 3. Folge“ vom 17. Februar 1949, S. 6, in: BArch, DA 1/4524. 381 1946–1948 Mitglied im Landesvorstand der CDU Sachsen-Anhalt, MdL Sachsen-Anhalt 1946–1948 (ab 1947 Fraktionsvorsitzender der CDU, ab April 1948 Vizepräsident), März–Juni 1948 MdVR, Verhaftung im Juni 1948, Mai 1949 Flucht in den Westen, 1953–1957 MdB (CSU), vgl. zur Person: Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 979.
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wählen sind. Damit wäre den Regierungen die Möglichkeit gegeben, auch ihrerseits Fachleute in die Länderkammer entsenden zu können.382
Eine durchweg radikale, gleichwohl konsequente Lösung des von vielen befürchteten „Länderproblems“, kam von den Studenten der FriedrichSchiller-Universität Jena. Sie schlugen vor, den Abschnitt über die Länderkammer überhaupt zu streichen; eine Ländervertretung sei nur dann demokratisch, wenn durch sie verschiedene nationale Interessen repräsentiert würden.383 Dies sei in Deutschland nicht erforderlich, da nationale Besonderheiten, wie sie beispielsweise in der Sowjetunion bestünden, in Deutschland nicht vorhanden seien.384 Der Kreisvolksausschuß für Einheit Deutschlands und gerechten Frieden Görlitz richtete an den Verfassungsausschuss ein Schreiben385, das die spätere Entwicklung gewissermaßen voraussah: Der Verfassungsausschuss Görlitz ist der Meinung, daß die Entwicklung im Sinne einer immer stärkeren Betonung der Einheit bis 1945 verlaufen ist. Die Aufspaltung in ‚Länder‘, die ein Grundübel unseres Staates war und noch ist, sollte endgültig beseitigt werden. Dem Einheitsgedanken entsprechend wären die Länder in Provinzen umzuwandeln und als Selbstverwaltungskörperschaften anzusehen.
Fritz Gleibe, nach dem Krieg kurzzeitig Oberbürgermeister von Chemnitz, schrieb: Die Länderkammer hat ein Einspruchsrecht gegen Gesetzesbeschlüsse der Volkskammer. M. E. erscheint aber auch ein Einspruchsrecht z. B. durchaus erforderlich [. . .] bei der Wahl der Gerichtsmitglieder386, damit gerade hierbei auch den Bedürfnissen der Länder Rechnung getragen wird und insbes. auch die Zusammensetzung der Gerichte und damit die Oberstrichtliche [sic!] Rechtsprechung auch den Besonderheiten der Länder genügend gerecht wird.387 382
„Nachtrag zum Informationsmaterial der 1., 2. und 3. Folge“ vom 23. Februar 1949, S. 16, in: BArch, DA 1/4524. Vgl. dazu auch: Travers, S. 221 f. u. Anm. 15 (S. 368). Der Vorschlag Millers wurde nicht aufgegriffen. Schon früher hatte Hans Peters anlässlich der CDU-Verfassungsberatungen einen solchen Bestellmodus angeregt, der auch Aufnahme in die ostzonalen CDU-Thesen zur „Reichsverfassung“ fand. 383 „Nachtrag zum Informationsmaterial der 1., 2. und 3. Folge“ vom 23. Februar 1949, S. 16, in: BArch, DA 1/4524. 384 Vgl. ebd. 385 Schreiben des Kreisvolksausschusses Görlitz an den Verfassungsausschuss des Deutschen Volksrates vom 3. September 1948, in: BArch, DA 1/165, Bl. 105. 386 Die Richter des Obersten Gerichtshofes und der Oberste Staatsanwalt der Republik wurden auf Vorschlag der Regierung der Republik von der Volkskammer gewählt, Art. 131 Abs. 1 DDV. Sie konnten nach Maßgabe des Art. 132 DDV abberufen werden. 387 Undatierter Brief an den Verfassungsausschuss, in: BArch, DA 1/172, Bl. 223.
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
Der Eingang des Vorschlags wurde zwar quittiert, Berücksichtigung fand die Anregung allerdings nicht. Auch aus der westdeutschen Professorenschaft, die sich größtenteils einer Mitarbeit bzw. überhaupt eines Kontaktes verweigerte, kamen vereinzelt – in Umfang und Tiefe wohl bewusst wenig ausführliche – Stellungnahmen. Das lose Bindeglied zur juristischen Intelligenz Westdeutschlands stellte Peter Alfons Steiniger388 (SED) dar. Hans Peter Ipsen, seinerzeit Ordinarius für öffentliches Recht an der Universität Hamburg, schrieb in Erwiderung eines „Anwerbeversuches“ zur Mitarbeit von Steiniger: Ich glaube, zu dem übersandten Entwurf am besten dadurch Stellung zu nehmen, daß ich die Kernfrage anschneide, ob und wie wir Deutschen in unserer heutigen Lage überhaupt einen Beruf zur Verfassung haben. [Ich] glaube, daß eine Verfassung ohne klare Juridifizierung unserer Besatzungslage nicht ergehen kann und sollte.389
Auch Hermann von Mangoldt390 (CDU), Mitglied des Parlamentarischen Rates, Professor in Kiel und Begründer des gleichnamigen Grundgesetzkommentars, ließ sich über Steiniger Informationsmaterial über die Verfassungsentstehung zusenden, beließ es aber bei der unverbindlichen Nachricht, er werde sich sobald es die Zeit ihm wegen seiner gegenwärtig starken Beanspruchung erlaube, mit dem Übersandten beschäftigen.391 Längere Ausführungen hingegen machte der Staatsrechtslehrer Ulrich Scheuner392. Er schrieb an Steiniger: Im Aufbau von Reich und Ländern ist ihr Entwurf sehr auf Einheit ausgerichtet, während der sich der Westen – wie man es will – in seine Länder eingelebt hat. Fast könnte man [ihn] zentralistisch nennen. [. . .] Daß die Volkskammer absolut und in jeder Form [. . .] dominiert, entspricht den Anschauungen, wie sie politisch in ihren Ländern vertreten werden. Ich habe gegen eine solche absolute Souveränität einer parlamentarischen Versammlung große Bedenken, aber ich weiß, daß jede Vorstellung der checks and balances heute einen leicht reaktionären Anstrich hat.393 388
Zur Person: Kap. 1 A. (Fn. 46). Brief Ipsen an Steiniger vom 30. September 1948, in: BArch, DA 1/171, Bl. 18. 390 Zu Mangoldts Biographie und seiner bedeutenden Rolle („Urheber des Grundrechtskatalogs“) im Parlamentarischen Rat, vgl. Buchstab/Kleinmann, S. 271 ff. 391 Brief Mangoldts an den Deutschen Volksrat vom 4. Oktober 1948, in: BArch, DA 1/173, Bl. 126. 392 Wegen positiver Grundhaltung zum Nationalsozialismus nach Kriegsende zwischenzeitlich herabgestuft zum Lehrbeauftragten an der TH Stuttgart, ab 1950 wieder Inhaber einer Professur in Bonn, Herausgeber – zusammen mit Ernst Friesenhahn – des bedeutenden zweibändigen „Handbuchs des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland“. Zur Biographie: Schäfer, S. 80 ff., 250 f. 389
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IX. Die Länderkammer in der Verfassungspropaganda Für die Information interessierter Kreise, besonders des Rundfunks und der Presse, wurden Mitglieder des Verfassungsausschusses abgestellt, die in ihrem Spezialgebiet zu referieren vermochten und für Verfassungsdiskussionen zur Verfügung standen. Diese mussten „[. . .] vollkommen fest sein, damit er [der Referent, d. Vf.] die Versammlung fest in der Hand behält.“394 Für das Thema „Länderkammer“ war Johannes Dieckmann (LDPD), der spätere Präsident der Volkskammer, für „Das Verhältnis zwischen Republik und Ländern“ Otto Nuschke (CDU), später stellvertretender Ministerpräsident der DDR, vorgesehen.395 Ein „Entwurf der Ausarbeitung einer Rededisposition zur Vorlage an Abteilungsleiter“ legte weitgehend die Art und Weise der Ausführungen fest: Die Frage der Verfassung sollte im Sinne der marxistisch-leninistischen Staatstheorie behandelt werden, d.h. es muß herausgestellt werden, inwieweit der Staatsapparat das Machtinstrument der herrschenden Klasse darstellt. [. . .]396 Die Machtstellung der Volkskammer darf auch nicht durch die Ländervertretung, die in unserem Entwurf als Länderkammer bezeichnet wird, eingeengt werden. Diese Länderkammer hat lediglich den Sinn, bestimmte Gesichtspunkte, die in der Volkskammer bei ihren Beratungen nicht berücksichtigt wurden, dieser zur Kenntnis zu bringen. Jedoch gibt ihr die Verfassung nicht die Möglichkeit, die Arbeit der Volkskammer lahmzulegen. Damit unterscheidet sich die Länderkammer grundsätzlich von dem Reichsrat der Weimarer Verfassung, der in der Lage war, die Gesetzgebung des Reichstages auf längere Zeit hinaus zu unterbinden.397
Unter der Überschrift „Welche Staatsform ist für Deutschland die geeignetste?“ wurden Antworten auf Fragen, die sich in Verfassungsdiskussionen ergaben, sowie für die Redner selbst verbindlich festgelegt: 393 Brief Scheuner an Steiniger vom 26. August 1948, in: BArch, DA 1/173, Bl. 228 ff. Der Brief enthält die handschriftliche Notiz „Darf nicht veröffentlicht werden.“ 394 Vgl. den undatierten Aktenvermerk „Warum Verfassungsdiskussionen? – Wie können wir sie durchführen?“, in: BArch, DA 1/170, Bl. 10; ein Vergleich zu den sog. „Reichsrednern“ der NSDAP drängt sich auf. 395 Vgl. die Aufstellung der abrufbaren Referenten, in: BArch, DA 1/170, Bl. 16 ff. Auch die Parteien und Massenorganisationen sollten in die „Kampagne Verfassungsentwurf“ einbezogen werden. Diese solle so „[. . .] systematisch geführt werden, dass bis zur Abhaltung des dritten Deutschen Volkskongresses jedes Volksratsmitglied in 2 oder 3 [. . .] Versammlungen aufgetreten ist“, vgl. BArch, DA 1/170, Bl. 24. Vgl. zu allen geplanten Maßnahmen dieses Propagandaprogramms, ebd., Bl. 11 ff., 55 ff. 396 Für diesen Satz galt: „Vorbemerkung nur für diese Vorlage“, vgl. BArch, DA 1/174, Bl. 2. 397 „Entwurf der Ausarbeitung einer Rededisposition zur Vorlage an Abteilungsleiter“, in: ebd., Bl. 2, 6.
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Kap. 3: Der Weg zur Schaffung der Länderkammer
Der Verfassungsentwurf des Deutschen Volksrates beginnt mit dem Satz, Deutschland ist eine unteilbare demokratische Republik, die sich auf den Ländern aufbaut. Was heißt das? Der Entwurf verlangt hier in Anlehnung an die Verhältnisse der Weimarer Republik den demokratischen Einheitsstaat, der jedoch nicht der zentralistischen Staatsform des Hitlerstaates entspricht.398
Ein Referat von Karl Schultes (SED), wo er es hielt ist nicht verzeichnet (es befindet sich in den Akten über die Verfassungspropaganda), bemerkt: Durch die Länderkammer sollen die besonderen Belange der Länder bei der Gesetzgebung zur Geltung gebracht werden. Dabei wird Vorrang des unitarischen Prinzips gegenüber dem föderativen durch die Richtlinien des Volksrates durchaus gewahrt, da die Volkskammer dem Einspruchsrecht der Länderkammer durch erneute Beratung und Beschlussfassung begegnen kann und die endgültige Entscheidung demnach bei der Volkskammer liegt. Die Richtlinien des Deutschen Volksrates bilden eine bemerkenswerte Synthese zwischen den Prinzipien der Weimarer Verfassung und denen des Verfassungsentwurfs der Sozialistischen Einheitspartei, wobei die entscheidenden Konsequenzen aus der Fehlentwicklung der Weimarer Verfassung nachdrücklich gezogen werden.399
Um sicher zu gehen, dass die jeweiligen Redner auch nicht von der „richtigen“ Sichtweise abkamen, gab der Deutsche Volksrat „Kontrollfragen zu der vom Deutschen Volksrat entworfenen Verfassung“400 heraus. Von Interesse sind hier besonders die Kontrollfragen 5. und 6.: 5. Welche Staatsform ist für Deutschland zweckmäßig? Die westdeutsche Reaktion behauptet, dass ein Einheitsstaat das Aufkommen von Diktatoren begünstige. In Wahrheit soll gerade die in Bonn vorbereitete Zersplitterung Westdeutschlands in eine Anzahl Länder, die über einen sehr selbstständigen Charakter verfügen, das Aufkommen jeder demokratischen Regung verhindern und die bereits im Westen erstarkende Reaktion festigen. Diese föderative Staatsform genannte Aufsplitterung unterstützt die separatistischen Tendenzen und dient der ungestörten Ausplünderung des Kolonialgebietes Westdeutschland. [. . .] Eine derartige staatliche Struktur bedeutet sowohl politisch wie wirtschaftlich einen Rückfall um Jahrhunderte. Der Deutsche Volksrat bekennt sich in seinem Verfassungsentwurf zu der unteilbaren deutschen Republik. Deutschland soll ein Einheitsstaat sein mit dezentralisierter Verwaltung, in dem die Länder ähnliche Rechte einnehmen wie in der Weimarer Republik.401 [. . .] 6. Wie werden die natürlichen Rechte der Länder gewahrt? Die Länder sind in der Länderkammer vertreten. [. . .] Hierdurch werden die natürlichen Rechte der Länder weitgehend berücksichtigt, föderalistische Tendenzen je398
Ebd., Bl. 15. Karl Schultes, Von der Weimarer Verfassung zum Verfassungsentwurf des Deutschen Volksrates, undatiert, in: ebd., Bl. 46 ff. 400 „Kontrollfragen zu der vom Deutschen Volksrat entworfenen Verfassung“ vom 28. Dezember 1948, in: ebd., Bl. 66 ff. 399
K. Auf dem Weg zur ersten Verfassung der DDR
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doch, da sie den Bestand der Republik und die Interessen des ganzen Deutschen Volkes gefährden, verhindert.402
Hielt man sich während der Verfassungsarbeiten mit eindeutigen Äußerungen über die (zukünftige) Stellung der Länderkammer im Angesicht einer bisweilen auftretenden Teilopposition noch zurück, stellte man im Außenverhältnis schon die Weichen für die Verankerung einer gesamtgesellschaftlichen negativen Grundhaltung zu allem Föderativen bzw. konkret zur Vertretung der Länder mittels einschlägiger Kampagnen, die das Zugeständnis Länderkammer entsprechend konnotierten.
401 Ebd., Bl. 70 f.; vgl. dazu auch das Arbeitspapier „Welche Staatsform ist für Deutschland die geeignete?“, in: BArch, DA 1/180b, Bl. 21, das nach marxistischleninistischer Theorie besonders auch auf die ökonomischen Bedingungen Rücksicht nahm: „Ohne politische Zentralgewalt gibt es jedoch keine wirtschaftliche. Sie muß eine leere Phrase bleiben und daher ist der Bonner Bundesstaat ebenso wie der föderalistische Länderbund der Ellwanger Entwürfe rückschrittlich, auch er entspricht nicht den natürlichen Interessen Deutschlands.“ Vgl. zum Ellwanger Kreis: Ley, S. 54 ff.; Benz, VfZ 1977, 776, passim. Die „Grundsätze für eine Deutsche Bundesverfassung“ des Ellwanger Kreises sahen Ende des Jahres 1947 u. a. vor: „Die Länder bilden als Gliedstaaten die Bundesrepublik Deutschland“ sowie „[. . .] gleichberechtigtes Nebeneinander eines Bundesrats als Ländervertretung und einer Volkskammer“, vgl. ebd., 776 (812 f.). 402 „Kontrollfragen zu der vom Deutschen Volksrat entworfenen Verfassung“ vom 28. Dezember 1948, in: BArch, DA 1/174, Bl. 80 f.
Kapitel 4
Die Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen A. Prolog: Die staatsrechtliche Gestalt der DDR Durch die Arbeiten des Verfassungsausschusses ist gewiss, dass man das zu schaffende Staatswesen nicht als bundesstaatlich verfasst verstehen wollte und es deshalb so auch nicht – etwa mit Blick auf Verteilung der Gesetzgebungsbefugnisse – zu organisieren beabsichtigte. Die Staatsrechtslehre der DDR stellte rückblickend (auch) für die Anfangsjahre der DDR fest: Die DDR war von Anfang an ein Einheitsstaat. Die zunächst noch bestehenden Länder ordneten sich in die einheitsstaatliche Struktur der Republik ein.1
Ob man hingegen nach der Verfassung – zumindest anfänglich – Ansätze bundesstaatlicher Struktur erkennen konnte, ist vielleicht nicht für das Selbstverständnis der Länderkammer – ja aller den Staat tragenden Organe –, wohl aber für deren Verortung im Verfassungsgefüge von Gewicht.
I. Die DDR als Bundesstaat? Maunz überschrieb die Frage nach der Bundesstaatlichkeit der DDR treffend mit „Kennt die Verfassung der DDR ein föderatives Problem?“2 Bislang ist es der Staatsrechtslehre nicht gelungen, einen allgemein akzeptierten Bundesstaatsbegriff zu definieren.3 Gleichwohl darf wenigstens 1
Akademie für Staats-und Rechtswissenschaft der DDR, Staatsrecht der DDR (1984), S. 67. An dieser Feststellung ändere auch das Vorhandensein von Ländern nichts: „Der neue Staat war auch hinsichtlich seines Aufbaus eine Absage an die föderative Gliederung. Die von 1949 bis 1952 bestehende [. . .] Existenz von Ländern [. . .] steht bzw. stand dem nicht entgegen“, Akademie für Staats-und Rechtswissenschaft der DDR, Staatsrecht der DDR (1977), S. 259. 2 Vgl. Maunz, Deutsches Staatsrecht, § 33 II 1 (S. 275). Auf die Unterschiedlichkeit der – oft synonym gebrauchten – Begriffe „Bundesstaat“ (staatsrechtliche Denkform) und „Föderalismus“ (grundsätzliche Einstellung politischer Art) kann hier nicht weiter eingegangen werden, vgl. dazu nur: Kimminich, Der Bundesstaat, in: HdStR I (1995), § 26 Rdnrn. 1–4; Beyerle, S. 128. Zu den Grundlagen der Idee des Föderalismus umfassend: Deuerlein, passim.
A. Prolog: Die staatsrechtliche Gestalt der DDR
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als Mindestvoraussetzung für das Erkennen bundesstaatlicher Züge vorausgesetzt werden, dass sowohl dem Gesamtstaat als auch seinen (zwingend vorhandenen) Gliedern Staatsqualität zukommt, sowie letzteren die Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes gewährleistet wird.4 Die Frage, ob die DDR bundesstaatlich organisiert war, lässt sich zumindest aus den Verfahren ihrer Entstehung eindeutig beantworten: Die Arbeiten des Verfassungsausschusses zeigen, dass ein Bundesstaat als staatsrechtliche Denkform des politischen Prinzips des Föderalismus nicht gewollt war. Zunächst kommt es aber nicht auf das Wollen an, sondern auf das Sein. Es wird mit Recht darauf hingewiesen, dass für die Einordnung der DDR als Bundesstaat – wenn überhaupt – nur die kurze Zeit bis zum „Demokratisierungsgesetz“ des Jahres 1952, mit dem die Länderstrukturen aufgehoben wurden, maßgeblich sein kann.5 Zunächst fällt auf, dass die Verfassung das Wort „Bund“ geflissentlich vermied. Stattdessen wurde für die Ebene oberhalb der Länder das Wort „Republik“ gebraucht. Entscheidend für die Charakterisierung sind aber nicht terminologische Äußerlichkeiten, sondern die verfassungsinhaltliche Rechtstellung, die der Republik und den Ländern im Gesamtgefüge der Verfassung zukam6 – und damit zunächst Art. 1 Abs. 1 DDV: Deutschland ist eine unteilbare demokratische Republik; sie baut sich auf den deutschen Ländern auf.7
Der erste Halbsatz übernimmt gewissermaßen die dem französischen Staatsverständnis entlehnte Vorstellung von der Republik als une et indivisible. Sie duldet damit gleichsam nicht zweierlei Staat im Staate.8 Dennoch wird nach3 Dazu: Jestaedt, Bundesstaat als Verfassungsprinzip, in: HdStR II, § 29 Rdnr. 7 f. Zur Schwierigkeit Bundesstaatlichkeit rechtlich zu erfassen als das Kriterium derselben, vgl.: Usteri, S. 213 u. 224; eine umfangreiche Darstellung verschiedener Theorien findet sich bei Barschel, S. 10 ff. und S. 21 ff. 4 Vgl. dazu die nach wie vor klassische Definition von Anschütz: „Der Bundesstaat ist ein Gesamtstaat, körperschaftlich zusammengefügt aus einfachen Staaten, die einerseits ihm unterworfen, andererseits beteiligt sind bei der Bildung seines Willens“, ders., Das System der rechtlichen Beziehungen zwischen Reich und Ländern, in: Anschütz/Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 1, S. 295. 5 Vgl. Maunz, Deutsches Staatsrecht, § 33 II (S. 275). 6 Vgl. ebd. 7 Weder in der Präambel noch sonst an einem Ort in der Verfassung findet sich eine explizite Aufzählung der einzelnen Länder. 8 Vgl. hierzu auch den Hinweis von Otto Mayer, wonach der Begriff Bundesstaat ein Widerspruch sei, da sich „Staat“ und „Bund“ in einem strengen Staatsbegriff ausschlössen; dieser dulde für das (Staats-)Gebiet keine mehrfache (Staats-)Gewalt, ders., AöR 18 (1903), 337 (339 f.). Vgl. dazu auch die von Georg Waitz entwickelte
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
folgend festgestellt, dass sich die Republik auf den deutschen Ländern aufbaue.9 Mampel sieht in der Formulierung eine Stärkung der föderalistischen Elemente gegenüber dem SED-Verfassungsentwurf des Jahres 1946 und konstatiert, dass die Länder eben nicht nur als territoriale Einheiten, sondern als den Staat konstituierende Elemente anzusehen seien.10 Wohingegen Maunz ohne nähere Begründung in der Wendung „[. . .] sie [die Republik, d. Vf.] baut sich auf den deutschen Ländern auf“ keine staatsrechtliche Eigenständigkeit der Länder erkennen kann.11 Entscheidend ist also, ob den fünf Ländern der DDR überhaupt Staatsqualität zugesprochen werden konnte, um die Republik, die sich nach der Verfassung auf den Ländern aufbaut, als Bundesstaat einordnen zu können. Damit stellt sich eine Doppelfrage12: (1) Sind die Gliedstaaten Staaten, weil sie Verfassungen haben? (2) Haben die Gliedstaaten Verfassungen, weil sie Staaten sind? Den Ländern könnte man mit Beantwortung der ersten Frage Staatsqualität zusprechen – Verfassungen gaben sich alle fünf Länder der DDR in den Jahren 1946/4713; die Verfassung der Republik setzte Verfassungen in den Ländern sogar ausdrücklich voraus, vgl. Art. 109 Abs. 1 S. 1 DDV. Gleichwohl legte man damit einen recht formalistischen Maßstab an, der die Frage nach der Stellung und dem Verhältnis der Länder zur Republik gewissermaßen ausklammert. Vielmehr muss es auf die von der zweiten Frage geforderten materiellen Elemente als Ausweis der Staatlichkeit ankommen. Nach der Verfassung war den Ländern zumindest ein eigener – aber nicht näher umrissener – Aufgabenbereich übertragen, Art. 1 Abs. 2 Hs. 2 DDV, Bundesstaatstheorie, wonach sowohl der Bund als auch die Glieder gleichmäßig souverän seien, dazu: Barschel, S. 14; Deuerlein, S. 89 ff.; weiterführend auch: Schmitt, Verfassungslehre, § 29 III c) (S. 372 f.) und Jellinek, Staatenverbindungen, S. 16. 9 Der Verfassungsentwurf der SED von 1946 sprach noch davon, dass sich die Republik in Länder „gliedere“; in diesem Sinne auch die Verfassungen der Länder, vgl. nur Art. 1 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen von 1947: „Das Land Sachsen ist ein Glied der deutschen demokratischen Republik.“ Für die sächsische Verfassung bestand darüberhinaus die Besonderheit der Kleinschreibung („deutsche demokratische Republik“), um nicht den Anschein zu erwecken, die Bezeichnung „Deutschland“ solle staatsrechtlich durch „Deutsche Demokratische Republik“ ersetzt werden, vgl. dazu: Braas, S. 128. 10 Vgl. Mampel, Die Verfassung der SBZ, Art. 1 Erl. 2 b. 11 Vgl. Maunz, Deutsches Staatsrecht, § 33 II 1 a) (S. 276). Ohne weitere Auseinandersetzung mit den einzelnen Bestimmungen der Verfassung konstatiert Koellreutter knapp, die in der Verfassung zum Ausdruck gekommene Staatsauffassung schließe jede föderalistische Gestaltung aus, ders., § 54 1 (S. 302). 12 Vgl. Graf Vitzthum, VVDStRL 46 (1987), S. 8 (22). 13 Kritisch für die sowjetische Besatzungszone – mangels Verfassungswille und klassischer Verfassungsstaatlichkeitsgrundsätze (Typus des Verwaltungs- nicht Verfassungsstaates): Stern, StR V, § 131 V 6 a) a, b (S. 1070 f.).
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dessen Reichweite freilich zur Disposition der Republik stand. Sie hatten zudem unter den engen Voraussetzungen der Verfassungsordnung das Recht zur Gesetzgebung, Art. 111 Abs. 2 DDV, von dem nach der Konstituierung der Republik allerdings kein Gebrauch mehr gemacht wurde bzw. werden konnte. Das Vorhandensein eines unabänderlichen Kerns eigener Aufgaben14, bestimmter Reservatrechte bzw. typischen „Hausguts“ der Länder war hingegen verfassungsrechtlich nicht fixiert. Auch stand die Änderung der Gebiete der Länder zur alleinigen Disposition des Republikgesetzgebers, vgl. Art. 110 Abs. 1 DDV, was zwar nicht als Ausweis, doch aber als Indiz einer unitarischen Struktur gesehen werden kann. Eine ausdrückliche Unabänderlichkeitsgarantie für das Fortbestehen institutionell eigenständiger Länderstrukturen kannte die Verfassung nicht. Auch oblag die Schlichtung von Republik-Länderstreitigkeiten nicht einem unabhängigen Gericht; vielmehr konnte der Verfassungsausschuss der Volkskammer, Art. 66 Abs. 5 und 6 DDV, entscheiden und war damit gewissermaßen Richter in eigener Sache. Es bleibt die von manchen15 aufgeworfene Frage, ob nicht die Länderkammer (allein) als Ausweis bundesstaatlicher Struktur gesehen werden kann. Hier stellt sich allerdings das Problem des Zirkelschlusses: Wie soll ein einzelnes Organ bei vorausgegangener Verneinung der Frage nach der Staatsqualität der beschickenden Länder Bundesstaatlichkeit zu begründen vermögen? Auch der entgegengesetzte Schluss – von ihren geringen Kompetenzen und der Art der Zusammensetzung auf die Charakterisierung der Republik als Einheitsstaat – vermag nicht zu überzeugen.16 Für den Ausweis bundesstaatlicher Züge ist primär nicht das Wie der Mitwirkung, sondern das Ob entscheidend. Als Merkmal bundesstaatlicher Konzeption bzw. deren Verstärkung kann die Länderkammer nur dann herangezogen werden, wenn man zuvor den Ländern die Staatlichkeit nicht abspricht. Ein irgendwie geartetes Vertretungsorgan von unteren Ebenen auf einer höheren kann nicht eo ipso Antwort auf die Frage der Staatsform geben. Mit der ab initio von der Republik in Anspruch genommenen allumfassenden Gesetzgebungskompetenz – wie von der Verfassung vorgesehen – verloren die Länder hingegen ihre Staatlichkeit; wenngleich der Verfas14 „[. . .] Rest originärer Staatlichkeit [. . .]“, Apelt, Zum Begriff Föderalismus, S. 1 (9). 15 So: Maunz, Deutsches Staatsrecht, § 33 II 1 b) (S. 276 f.); Dürrwanger, S. 127. Überzeugend hingegen Schnoor, der erst die Frage nach der Staatsqualität der Länder beantwortet und dann auf die Länderkammer eingeht, ders., AöR 37 N.F. 1950/51, 259 (276 f.). 16 In diesem Sinne wohl Ellwein, der ein Vertretungsorgan, an deren Zusammensetzung die Länderregierungen nicht mitwirken, grundsätzlich als Ausweis einheitsstaatlicher Struktur sieht, ders., S. 91 (116).
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sungstext bei isolierter Betrachtung – also formal-organisatorisch17 – scheinbar bundesstaatliche Züge zumindest durchblicken ließ.18 Mit dem Verlust ihrer Organe (Landesregierungen und Landtage) durch das „Demokratisierungsgesetz“ von 1952 war verfassungsrechtlich-originäres Handeln der Länder nicht mehr möglich, unabhängig davon, ob man den Ländern noch eine irgendwie geartete formale Rechtspersönlichkeit zubilligen mochte.19 Damit kann die DDR als in – zunächst höchstpotenzierte – Gebietskörperschaften20 gegliedertes Staatswesen bezeichnet werden, das zunehmend den Weg vom dezentralisierten21 zum zentralisierten22 Einheitsstaat beschritt.23 Das bundesstaatliche Moment der DDR im weiteren Sinne lag damit allein in den Tatsachen begründet, dass es (1) begrifflich unterschiedliche Ebenen (Republik – Länder) gab, sowie (2) zur Verbindung derselben eine Vertretungskörperschaft in Form der Länderkammer kannte, die für Bundes17
So o. A., AöR 36 N.F. (1949), 452 (463). Dürrwanger spricht von „[. . .] gewissen Residuen bundesstaatlicher Art [. . .]“, ders., S. 128; in diesem Sinne („Semantik“) auch: Stern, StR V, § 134 III 2 a) b (S. 1628); Loewenstein, AöR 38 N.F. (1951/1952), 387 (415). Andere konstatieren einen „Pseudoföderalismus“, vgl. Laufer/Münch, S. 73. 19 Dazu ausführlich unten, Kap. 5 C. 20 Vgl. Abendroth, AöR 37 N.F. (1950/51), 1 (19 f.); Schnorr, AöR 37 N.F. (1950/51), 259 (276); Schultes, Der Aufbau der Länderverfassungen in der SBZ, S. 11; Kaufmann, S. 56; Krömer, DVBl. 1951, 533 (534). Auch die Staatsrechtslehre der DDR sah in der Rückschau die Länder nur als Verwaltungseinheiten der Republik: „Ihre staatsrechtliche Stellung wies sie dem Wesen nach als eine Form der politisch-territorialen Gliederung der Republik aus“, Akademie für Staats-und Rechtswissenschaft der DDR, Staatsrecht der DDR (1984), S. 67. 21 So – mit Blick auf die geschriebene Verfassung: Dirnecker, S. 131; Müller-Römer, AöR 95 (1970), 528 (542). 22 Als zentralisierter Einheitsstaat formal wohl ab dem Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 18. Januar 1957, GBl. I S. 65 (1957) und dem am selben Tag erlassenen Gesetz über die Rechte und Pflichten der Volkskammer gegenüber den örtlichen Volksvertretungen, GBl. I S. 72 (1957), das den unteren Organen keinen aufsichts- und eingriffsfreien Raum mehr ließ. Zu diesen Gesetzen, vgl. unten, Kap. 5 F. 23 Unverständlich insofern Weber, demzufolge die DDR-Verfassung eine „[. . .] bundesstaatliche Regelung [. . .]“ sei und es hieran auch „[. . .] an keiner der hierzu gehörigen Normierung [. . .]“ fehlen lasse, ders., Die Frage der gesamtdeutschen Verfassung, S. 13. In diesem Sinne („[. . .] auch in der Ostzone [. . .] bundesstaatliche Gesamtorganisation [. . .]“) ebenso: Apelt, Zum Begriff Föderalismus, S. 14. Berücksichtigt werden muss hier freilich die Zeit des Erscheinens (1950), in der vielleicht nicht mit letzter Konsequenz die spätere Entwicklung vorausgesehen werden konnte. Dennoch: Auch nach den Buchstaben der Verfassungsurkunde sind diese Ansichten bemerkenswert. 18
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staaten typisch, aber auch in einem unitarisch organisierten Staat denkbar ist. Berücksichtigte man diese Besonderheiten, mag die DDR nach ihrer von der ersten Verfassung vorgegebenen Ordnung als res publica composita sui generis24 qualifiziert werden, da mit der äußeren Form kein entsprechender Inhalt einherging.25 Gewissermaßen im Wege einer Fiktion müssen bundesstaatliche Strukturen – die letztlich wohl reine Fassadenornamentik waren – für die DDR im Zeitraum des Bestehens der Länderkammer im Einzelfall gleichwohl unterstellt werden; ohne diese ließen sich manche Verfahrensweisen, Mechanismen und Verfassungsvorschriften nach klassischer juristischer Methode schlichtweg nicht erklären – was für einen Staat unter marxistisch-leninistischer Führung infolge seiner staatstheoretischen Grundlagen wohl auch kennzeichnend ist.
II. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Republik und Ländern Wie schon die Arbeiten des Verfassungsausschusses zeigten, orientierte man sich in der Frage der Verteilung der Gesetzgebungskompetenz zwischen Republik und Ländern an der Weimarer Verfassung, womit eine klare Festlegung auf die Vorrangstellung ersterer erfolgte. Als Ausgangspunkt aller Überlegungen die Kompetenzverteilung betreffend statuiert die Verfassung in der allgemeinen Zuständigkeitsregelung des Art. 1 Abs. 2 DDV außerordentlich vage: Die Republik entscheidet alle Angelegenheiten, die für den Bestand und die Entwicklung des deutschen Volkes in seiner Gesamtheit wesentlich sind; alle übrigen Angelegenheiten werden von den Ländern selbstständig entschieden.
Art. 1 Abs. 2 DDV entspricht im Abschnitt C VI der Verfassung, der das Verhältnis von Republik und Ländern regelt, Art. 111 Abs. 1 S. 1 DDV26, wonach die Republik „[. . .] auf allen Sachgebieten einheitliche Gesetze er24 In Anlehnung an Isensees Wort von der – und hier im wahrsten Sinne des Wortes gemeinten – „[. . .] aus unterschiedlichen Elementen kunstvoll zum Ganzen gefügte[n], ‚komponierte[n]‘ Einheit des Gemeinwesens“, ders., Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: HdStR VI, § 126 Rdnr. 196. 25 Barschel sieht in der Sowjetunion den „[. . .] klassischen Fall eines unechten Bundesstaates [. . .]“, der sich dadurch auszeichne, dass der Verfassungstext einen Bundesstaat beschreibt, die Staatspraxis aber das Bild eines zentralistisch geführten Einheitsstaates darstellt, ders., S. 30 f. Für die DDR trägt aber schon der Verfassungstext selbst keine eindeutigen bundesstaatlichen Züge. 26 Maunz unterscheidet mit Blick auf das Verhältnis beider Artikel bezüglich einer „[. . .] Zuständigkeit schlechthin [. . .]“ (Art. 1 Abs. 2 DDV) und einer (nur) „[. . .] weiteren Generalklausel hinsichtlich der konkurrierenden Gesetzgebung [. . .]“ (Art. 111), ders., Deutsches Staatsrecht, § 33 II 1 a) (S. 276).
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
lassen [kann].“ Satz 2 des Artikels legt der Republik allerdings de constitutione lata eine gewisse Zurückhaltung in der Gebrauchmachung des Rechtes aus Art. 111 Abs. 1 S. 1 DDV in dem Sinne auf, dass sie sich bei ihrer Gesetzgebung auf die Aufstellung von Grundsätzen beschränken solle, „[. . .] soweit hierdurch dem Bedürfnis einheitlicher Regelung Genüge geschieht.“ Mit den Artt. 1 Abs. 2 und 111 Abs. 1 DDV ist der Republik damit eine unbegrenzte Kompetenz – entgegen der Einengung des früheren Art. 7 Abs. 1 WRV – auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung anheimgegeben, deren Reichweite sie durch die Volkskammer als Legislativorgan zudem selbst bestimmen konnte.27 Demzufolge hatte die Aufzählung der ausschließlichen Gesetzgebung der Republik in Art. 112 Abs. 1 DDV, die im Übrigen weit über Art. 6 Abs. 1 WRV hinausging, sowohl verfassungsrechtlich als auch praktisch keine Bedeutung.28 Originäre Zuständigkeitsregelungen der Länder waren in der Verfassung nicht normiert. Insoweit beschränkte sich die Kompetenz der Länder qua Verfassung auf die Materien über die es die Republik unterließ Regelungen zu treffen, vgl. Art. 111 Abs. 2 DDV.29 Für das vormals seitens der Länder gesetzte Recht galt der alte Satz30: „Gesamtdeutsches Recht geht dem Recht der Länder vor“, Art. 114 Abs. 1 DDV. Hinsichtlich des Bereichs der Verwaltung lässt sich oben Gesagtes übertragen. Zwar ließ sich aus den Artt. 1 Abs. 3 und 115 Abs. 1 S. 1 DDV eine grundsätzliche Vermutung für die Begründung einer ländereigenen Kompetenz hinsichtlich der Ausführung der Gesetze entnehmen, doch bedingten die umfassenden Aufsichts- und Weisungsrechte der Republik im Bereich der Verwaltungskontrolle, Art. 116 DDV, auch hier eine Marginalisierung. Es galt auch hier: Durch die Möglichkeit der Republik auf allen Gebieten Rechtsetzungsbefugnisse selbst zu begründen, Artt. 111, 112 DDV, womit auch die Verwaltungsaufsicht einherging, Art. 116 Abs. 1 DDV31, unterlag die gesamte Verwaltungstätigkeit der Republik32, der es zudem unbenommen war („[. . .] soweit ein Bedürfnis dazu besteht [. . .]“) 27 Für den Komplex der Gesetzgebung in der Verfassung stellt Maunz knapp und zutreffend fest, die Republik könne unternehmen, was sie wolle, ders., Gesetzgebung und Verwaltung in deutschen Verfassungen, S. 255 (264). 28 Vgl. Dürrwanger, S. 125; Maunz, Gesetzgebung und Verwaltung in deutschen Verfassungen, S. 255 (264). 29 Nach der Inkraftsetzung der Verfassung haben die Länder aufgrund der Allzuständigkeit der Republik von ihrer Gesetzgebungskompetenz auch keinen Gebrauch mehr gemacht. 30 Vgl. Art. 2 S. 1 RV-1871, Art. 13 Abs. 1 WRV. 31 Wobei eine tatsächliche Ausübung des Gesetzgebungsrechts nicht erforderlich war, vgl. Art. 116 Abs. 1 DDV, in dem es heißt: „Die Regierung der Republik übt
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republikeigene Verwaltungen zu errichten, Art. 115 Abs. 1 S. 2 DDV. Zuständigkeiten und Verfahren, die es der Länderkammer ermöglicht hätten im Bereich der Verwaltung mitzuwirken, waren der Verfassung fremd.33 Mit der Abschaffung der Länder durch das „Demokratisierunsgesetz“34 des Jahres 1952 wurden die entsprechenden Artikel, die das Verhältnis von Republik und Ländern regelten, gegenstandslos, gleichwohl aber – auch anlässlich der Auflösung der Länderkammer im Jahre 1958 – nicht förmlich aufgehoben.35
B. Vorgaben durch Verfassung und Geschäftsordnungen I. Allgemeine verfassungsrechtliche Stellung der Länderkammer Nach Art. 71 Abs. 1 S. 1 DDV wird „[z]ur Vertretung der deutschen Länder [. . .] eine Länderkammer gebildet.“ Zu den Strukturmerkmalen eines bundesstaatlich verfassten Staates gehört zwar nicht begriffsnotwendig36, aber typisch ein föderatives Bundesorgan, mit dessen Hilfe die Einzelstaaten an der Willensbildung des Zentralstaates mitwirken.37 Dieses verkörpert damit ein Stück dessen, was in der Antike als gemischte Verfassung bzw. in jüngerer Zeit mit dem Begriff funktioneller Verdopplung (dédoublement fonctionnel) bei der Erzeugung von Gesetzen – deren inhaltliche und formelle Qualität eine chambre de réflexion38 erhöhen soll – beschrieben wurde.39 Die Berücksichtigung solcher Prinzipien – wie auch jene der Freiheitssicherung und Gewaltenhemmung bzw. der durch ein zweitbeteiligtes die Aufsicht in den Angelegenheiten aus, in denen der Republik das Recht der Gesetzgebung zusteht“, nicht: wo sie es ausübt. 32 Vgl. Abendroth, AöR 37 N.F. (1950/51), 1 (19): „[. . .] kein aufsichtsfreier Kern der Selbstverwaltung [. . ..]“. 33 So aber die vormalige Forderung der CDU, vgl. oben, Kap. 2 A. In Art. 60 Abs. 1 WRV war dieses Recht ausdrücklich normiert. 34 Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der [DDR] vom 23. Juli 1952, GBl. S. 613 (1952). 35 Vgl. dazu auch unten, Kap. 5 G. X. 36 So mit Verweis auf die stärkere Trennung der Tätigkeitsbereiche zwischen Zentral- und Gliedstaaten im angelsächsischen Raum gegenüber den Bundesstaaten mit zentraleuropäischem Vorstellungsbild: Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 51 Rdnr. 2 f. In diesem Sinne auch: Hanf, S. 185 („[. . .] kein unentbehrliches Element [. . .]“) und S. 195. 37 Stern, StR I, § 19 III 8 a) (S. 726). 38 Dazu: Hanf, S. 184 Anm. 703. 39 Vgl. Stern, StR I, § 19 III 8 f a), b) (S. 735–737) m. w. N.
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(föderales) Organ bedingten Verstärkung landsmannschaftlicher Repräsentanz auf einer höheren Ebene – ist freilich auf das Engste mit deren Akzeptanz im jeweiligen Staat verbunden, so dass für die Verfassung einer Diktatur – trotz des Vorhandenseins rudimentärer Strukturen dieser Art – in Wirklichkeit ganz andere, ja entgegengesetzte Leitbilder maßgeblich sein können – wie etwa die marxistisch-leninistische Lehre in der DDR, die tradierte Vorstellungen gewissermaßen konsumierte. Die nähere Ausgestaltung eines solchen Organs ist staatstheoretisch nicht vorgegeben und kann an unterschiedlichen Konstruktionsprinzipien40 ausgerichtet sein: Die Mitglieder des föderativen Organs mögen unmittelbar durch das Volk gewählt und frei in ihrem Abstimmungsverhalten sein, wie in den Vereinigten Staaten seit dem Jahre 1913 oder der Schweiz – sogenanntes Senatsprinzip.41 Als weiterer Grundtyp lässt sich das Ratsmodell42 erkennen, wonach die Mitglieder eines Föderativorgans durch die Landesregierungen bestimmt und instruiert werden, wie es – mit Ausnahme der Länderkammer der DDR43 – seit dem Bundesrat der Bismarckverfassung in Deutschland „Verfassungserbgut“44 ist. Weiterhin hat sich in einigen Ländern – wie etwa den Vereinigten Staaten von Amerika bis zum Jahre 191345, in Österreich noch heute, anfänglich auch in der DDR – das sogenannte mittelbare Repräsentationsprinzip etabliert. Danach werden die Mitglieder des föderativen Organs durch die Volksvertretungen der Gliedstaaten gewählt.46 Zwischen diesen starren Formen sind Mischformen nicht nur denkbar, sondern fanden auch Eingang in die deutsche Verfassungsgeschichte. So sollten die Mitglieder des Staatenhauses der Paulskirchenverfassung zur einen Hälfte von den Volksvertretungen gewählt, zur anderen von den Regierungen er40 Vgl. die Aufstellungen bei: Stern, StR II, § 27 I 1 a) (S. 112); Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 50 Rdnr. 4. 41 Zu den mit dem Begriff „Senat“ apostrophierten Modellen, vgl. Gaa, S. 37–39 m. w. N. 42 Das Ratsmodell unterscheide sich nach Süsterhenn vom Senatssystem dadurch, dass es wesentlich auf Bestellung und Instruktion und nicht wie das Senatssystem auf Wahl und Abstimmungsfreiheit der die Mitgliederschaft in diesen Gesetzgebungsorganen ausübenden Personen beruht, ders., S. 73 (78). 43 Die Länderkammer der DDR war damit das für die deutschen Verhältnisse von Süsterhenn beschriebene „[. . .] verfassungspolitische[] Experiment [. . .]“, ebd., S. 73 (95). 44 Stern, StR II, § 27 I 1 b) (S. 113). 45 Vgl. dazu auch oben, Kap. 3 K. IV. (Fn. 313). 46 Maunz ordnet diesen Typus dennoch der „Senatslösung“ zu, vgl. ders. in: Maunz/Dürig, GG, Art. 50 Rdnr. 4.
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nannt werden. Auch die Weimarer Verfassung kannte die Besonderheit, dass die Hälfte der Stimmen Preußens im Reichsrat von den preußischen Provinzialverwaltungen – also von Exekutivorganen der Provinzen – bestellt wurden. Mit dieser groben Einteilung ist freilich noch nichts über die Zusammensetzung und die Zuständigkeiten des föderativen Organs gesagt. Diese ergeben sich zuvörderst aus der Verfassung selbst, wenngleich die Staatspraxis – naturgemäß die einer Diktatur in besonderem Maße – bedeutend auf die Stellung eines solchen Organs im Verfassungsgefüge einzuwirken vermag. Der Terminus „zweite Kammer“47, welcher oftmals für ein zweites an der Gesetzgebung beteiligtes Organ gebraucht wird – ob nun als parlamentarische oder nichtparlamentarische Körperschaft, echte oder unechte zweite Kammer48 – ist mehr eine terminologische Geschmacksfrage, denn Ausfluss rechtlichen Gehalts49; wenngleich die Bezeichnung Länderkammer in der ersten Verfassung der DDR eine solche Qualifizierung – wenn auch nur semantisch – nahelegt. Die mit diesem Begriff meist einhergehende Qualifizierung als (1) Teil eines einheitlichen Gesetzgebungsorgans, das (2) gleichwertig mit der ersten Kammer am Gesetzgebungsverfahren beteiligt ist, trifft jedenfalls auf die Länderkammer der DDR nicht zu.50 Sie war weder eine Kammer eines einheitlichen, gleichberechtigten Gesetzgebungsorgans, noch waren die Länder ihre Mitglieder. Insofern ist die Bezeichnung Länderkammer eher missverständlich, als dass sie Auskunft über die Stellung dieses Verfassungsorgans gibt. 47 Zum Begriff umfassend: Gaa, S. 27–34; kritisch: Hanf, S. 22 ff. Instruktiv in der präzis-knappen Definition: „Die Zweite Kammer soll, um ihrer Natur gerecht zu werden, etwas anderes sein als die Erste“, Schwarz-Liebermann von Wahlendorf, S. 164. Die angelsächsische Literatur bezeichnete die Länderkammer („states chamber“) durchweg als „upper house“, vgl. nur: The Times vom 10. Oktober 1949, S. 4. Ebenso die Westmächte, vgl. das Schreiben des britischen Hohen Kommisars für Deutschland, Brian Robertson, vom 1. November 1949 an den Außenminister, Ernest Bevin, in: Bundesministerium des Innern, Dokumente zur Deutschlandpolitik, II/2.2, Dok. Nr. 190 (S. 724 ff., hier S. 725). 48 Dazu – als Bezugspunkt zwar den heutigen Bundesrat nehmend, dennoch allgemein: Vonderbeck, S. 108 ff. m. w. N. 49 Diese Feststellung trifft nicht nur auf den heutigen Bundesrat zu, vgl. dazu: de Wall, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar, C Art. 50 Rdnr. 41. 50 In diesem Sinne auch die Staatsrechtslehre der DDR. So schreibt Herbert Kröger, Rektor der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“: „Die Länderkammer ist, wie ihre Rechtsstellung nach der Verfassung [. . .] eindeutig zeigt, keine zweite Kammer im Sinne des üblichen Systems der Staatsorgane bürgerlicher Staaten. Das beweist allein schon die Vorrangstellung der Volkskammer, die uneingeschränkt höchstes Staatsorgan [. . .] ist“, ders., Die Festigung der Arbeiter-und-Bauern-Macht, S. 87 (99).
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Maunz erblickt in der Länderkammer der DDR eine Einrichtung, die „[. . .] einerseits dem Reichsrat der [WRV], andererseits dem sog. Senatstyp angeglichen ist.“51 Zur Annahme einer solchen Mischform kommt Maunz durch (1) die von ihm ausgemachten „[. . .] nebeneinandergestellten Prinzipien des imperativen und des freien Mandats [. . .]“52 in Art. 72 Abs. 2 DDV53 und (2) durch die Zuordnung des Prinzips der mittelbaren Repräsentation – also die Wahl der Abgeordneten durch die Landtage – zu den Senatsmodellen. In der engen – auch verfahrensmäßigen – Anlehnung an die Volkskammer will Maunz weiterhin eine „[. . .] Parlamentarisierung [. . .]“54 der Länderkammer erkennen, die nach abstrakt-nüchterner Beobachtung der Verfassungsvorschriften naheliegt, in der Praxis sich aber nicht bewahrheiten konnte. Schnorr sieht in der Länderkammer der DDR einen Gegenentwurf zum Gesandtenkongress tradierter Art und zieht eine Parallele mit dem in den Vorentwürfen zur Weimarer Verfassung angedachten Staatenhaus von Hugo Preuß.55 Sie erscheine als „[. . .] zweite Kammer im Parlament [. . .]“56 organisiert. Schnorr macht dies fest an der spezifisch parteipolitischen Zusammensetzung (maßgebend die Stärke der Landtagsfraktionen), die der politischen Struktur des Gesamtvolks der Republik entspreche57, wodurch sie zudem nicht statisches, sondern dynamisches Element im Staate sei, das sich in „[. . .] organisatorischer Einheit [. . .]“58 mit der Volkskammer befinde.59 Abendroth hingegen verzichtet in seiner Analyse der Verfassung der DDR auf eine Einordnung in bekannte Formen. Die Länderkammer sei schlicht ein „[. . .] Haus minderer Rechte und minderen Ranges [. . .]“, eingebettet in ein „[. . .] System eines gegengewichtslosen Parlamentarismus [. . .]“.60 Gelöst von diesen Einordnungsversuchen darf als sicher gelten: Die Länderkammer der DDR war nicht dem Ratsmodell verpflichtet. Ob man sie 51
Maunz, Deutsches Staatsrecht, § 42 I (S. 312). Ebd. 53 Zur Auseinandersetzung mit dieser Frage, vgl. unten, Kap. 4 E. I. 1. 54 Maunz, Deutsches Staatsrecht, § 42 III 2 (S. 313). 55 Vgl. Schnorr, AöR 37 N.F. (1950/51), 259 (277). Ohne Bezugnahme auf Preuß ebenso: Mampel, Herrschaftssystem und Verfassungsstruktur in Mitteldeutschland, S. 88; o. A., AöR 36 N.F. (1949), 452 (461). 56 Schnorr, AöR 37 N.F. (1950/51), 259 (277). So auch Dürrwanger mit Blick auf die Länderkammerabgeordneten als „[. . .] Vertreter des Volkes [. . .]“, ders., S. 127. 57 Gemäß dem Blocksystem, vgl. ebd., S. 127. 58 Schnorr, AöR 37 N.F. (1950/51), 259 (277). 59 Vgl. ebd., 259 (277 u. 285). 60 Vgl. Abendroth, AöR 37 N.F. (1950/51), 1 (12). 52
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als Staatenhaus oder Senat – trotz der nicht unmittelbaren Volkswahl ihrer Abgeordneten – bezeichnet, bleibt Geschmacksfrage. Der Schablonenhaftigkeit einer Einordnung der Länderkammer in die althergebrachten Schemata bewusst, lässt sich dennoch mit einiger Berechtigung festhalten, dass die Länderkammer der DDR ein Zwitter aus Preuß’schem Staatenhause und dem Reichsrat der Weimarer Verfassung war, mithin eine eklektizistische Struktur aufwies. In ihrer tatsächlichen Stellung und im Hinblick auf ihre geringen Rechte war sie in der deutschen Verfassungsgeschichte einmalig und stand außerhalb althergebrachter Art.61 Mag man auch das häufige Ummanteln des Anders- oder Neuseins mit dem Begriff der eigenen Art kritisieren, darf die Länderkammer der DDR gleichwohl zu Recht als Organ sui generis beschrieben werden. Rekurriert man nun auf die Beratungen des Verfassungsausschusses, so wurde das Ratsprinzip, verkörpert im Reichsrat der WRV und im späteren Bundesrat des Grundgesetzes, konzeptionell abgelehnt, da ein solches als undemokratisch empfunden wurde. In den Richtlinien der Verfassungsarbeit trug die spätere Länderkammer noch den Namen „Staatenhaus“. Auf den ersten Blick war die Länderkammer damit tatsächlich eine Reminiszenz an das von Hugo Preuß angedachte Staatenhaus62 für die Verfassung von Wei61 Eine in gewisser Art vorweggenommene Struktur und Stellung der Länderkammer der DDR weist der im einheitsstaatlich verfassten nachrevolutionären Preußen bestehende Staatsrat auf. Jener bestand gemäß der Verfassung vom 30. November 1920, GS. S. 543 (1920) als Vertretung der Provinzen (Art. 31 ff.). Die Länderkammer der DDR kann eine gewisse Ähnlichkeit mit jener Institution nicht verhehlen (mittelbare Repräsentation, Einspruchsrecht, Art und Weise der Zusammensetzung und Bestellung) – gerade auch, da schon zeitgenössische Kommentatoren den Staatsrat als „[. . .] sekundäres Organ mittelbarer Willensäußerung [. . .]“ apostrophierten, vgl. dazu: Giese/Volkmann, Die Preußische Verfassung, S. 105 ff., hier S. 106. 62 Die beiden Preuß-Entwürfe vom 3. Januar 1919 und 20. Januar 1919 finden sich bei: Triepel, Nr. 7 (S. 7 ff.) bzw. Nr. 10 (S. 10 ff.). Zu Preuß’ Staatenhaus und der schon am 25. Januar 1919 geäußerten Ablehnung der Landesregierungen zu diesem Vertretungsmodell – man präferierte das Ratsmodell – vgl.: Preuß, Reich und Länder, S. 251 und Anm. 67, S. 253 f.; ders., Denkschrift zum Verfassungsentwurf, S. 3 (29 f.); Apelt, Zum Begriff Föderalismus, S. 9; Barschel, S. 79; Preuß, Deutschlands Republikanische Reichsverfassung (1923), Kap. V, S. 307 (334 f.). Preuß präferierte das Staatenhausmodell nicht zuletzt aufgrund der Sicherungsfunktion gegen die Gefahr eines übersteigerten Unitarismus: „[. . .] [D]enn wenn einmal unter dem Druck der wirtschaftlichen Verhältnisse die unitarische Welle doch kommt, so wird sie den Reichsrat hinwegfegen, während das Staatenhaus der unitarischen Welle vielleicht standhalten würde“, ders., Pressegespräch zum Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt (1919), S. 78 (78 f.). Zu den Preuß-Entwürfen – insbesondere der Konzeption des Staatenhauses – und ihre Anlehnung an die Verfassung der Paulskirche, vgl. Gillessen, S. 123 ff.; Kühne, S. 132 f.; Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, S. 177 f. Zur Rezeption der Paulskirchenverfassung in den Weimarer Verfassungsberatungen, vgl. Kurtze, passim, zur Anknüpfung an
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mar, welches selbst wiederum das Staatenhaus der Paulskirchenverfassung zum Vorbild hatte. Preuß selbst begründete in einer Denkschrift das Modell des Staatenhauses mit der Kritik am Bundesrat – eine Einschätzung, die später auch der Verfassungsausschuss des Deutschen Volksrates teilte: Der Bundesrat war nie und kann nie werden der Träger eines demokratischen Föderativgedankens; er würde stets bleiben, was er immer gewesen: der Hort der ‚verbündeten Regierungen‘.63
Preuß sah im Staatenhaussystem die einzige Möglichkeit den von ihm präferierten unitarischen Charakter des Reiches zu betonen.64 Dementsprechend wurde in beiden Preuß-Entwürfen65 das Staatenhaus aus „[. . .] Abgeordneten der deutschen Freistaaten“ gebildet, wobei diese „[. . .] von den Landtagen der deutschen Freistaaten aus der Mitte der Staatsangehörigen nach Maßgabe des Landesrechts [. . .]“ gewählt werden sollten. Nach § 33 Abs. 1 des zweiten Entwurfs66 entfiel „[. . .] grundsätzlich auf eine Million Landeseinwohner ein Abgeordneter.“ Freilich wollte man eine bikamerale Konzeption für die Länderkammer nicht übernehmen, hieß es doch bei Preuß: „Der Reichstag besteht aus zwei Häusern, dem Volkshaus und dem Staatenhause.“67 Ein Reichstagsbeschluss konnte nach § 50 des zweiten Entwurfs68 „[. . .] nur durch die das Staatenhaus der Paulskirchenverfassung insbesondere S. 20 f., 39 f., 54, 100. Nach längerem Ringen erklärte sich auch Max Weber seinerzeit mit einem Staatenhaus (Repräsentanten- statt Delegiertensystem) einverstanden, vgl. dazu: ders., Deutschlands künftige Staatsform, S. 97 (120 ff.). Er sah darin „[. . .] das Mindeste, was den Einzelstaaten geboten werden müssen, und das kleinere Übel gegenüber dem Bundesrat“, vgl. „Aufzeichnung über die Verhandlungen im Reichsamt des Innern über die Grundzüge des der verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung vorzulegenden Verfassungsentwurfs vom 9. bis 12. Dezember 1918“, in: ders., Zur Neuordnung Deutschlands, S. 74. Vgl. dazu auch: Mommsen, S. 382 f. Sich für das Bundesratsmodell aussprechend, da dieses „[. . .] föderalistisch mehr leistet als das Staatenhaus [. . .]“: Anschütz, Bundesrat oder Staatenhaus, S. 53 (57 f.). 63 Preuß, Denkschrift zum Verfassungsentwurf, S. 3 (30). 64 Preuß erkannte in weiser Voraussicht die Schwierigkeiten, die mit einer solchen Konstruktion einhergingen: „Ohne theoretisch mit dem Prinzip des vollkommenen Einheitsstaats oder des Föderativstaats Stellung zu nehmen, geht der Verfassungsentwurf von der Überzeugung aus, daß nach Lage der Dinge in Deutschland und der weit überwiegenden Stimmung des Volkes und seiner Stämme eine Ausschließung der einzelnen Freistaaten als solcher aus der Organisation der Reichsgewalten unmöglich ist. Unter dieser Voraussetzung erscheint aber das Staatenhaussystem sowohl für das Reich wie für die Einzelstaaten unvergleichlich viel besser und der notwendigen Solidarität von Reich und Einzelstaaten unvergleichlich viel günstiger als das Bundesratssystem“, ders., Denkschrift zum Verfassungsentwurf, S. 3 (29 f.). 65 § 26 Abs. 1 u. 2 des ersten Entwurfs bzw. § 32 des zweiten Entwurfs. 66 Entspricht § 27 Abs. 1 des ersten Entwurfs. 67 § 24 des ersten Entwurfs bzw. § 30 des zweiten Entwurfs; so auch § 85 PkV. 68 Entspricht § 44 des ersten Entwurfs; so auch § 100 PkV.
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Übereinstimmung beider Häuser zustande kommen.“ § 51 Abs. 1 des zweiten Entwurfs69 normierte betreffs der Verabschiedung von Reichsgesetzen: Zu einem Reichsgesetz ist die Übereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider Häuser des Reichstags erforderlich und vorbehaltlich des § 6070 [Möglichkeit des Reichspräsidenten bei Uneinigkeit zwischen den Häusern eine Volksabstimmung durchzuführen, d. Vf.] ausreichend.71
Damit blieb als verfassungsgeschichtlicher Bezugspunkt nur der Reichsrat der Weimarer Verfassung, dessen Vorschriften man trotz der im Verfassungsausschuss geäußerten ablehnenden Haltung gegenüber dem (Bundes-/ Reichs-)Ratsprinzip an vielen Stellen übernahm.72 So übernimmt die kardinale Vorschrift der Länderkammer – Art. 71 Abs. 1 S. 1 DDV – auch in weiten Teilen den Wortlaut des Art. 60 Abs. 1 WRV, nimmt aber dort – im ersten Artikel des Abschnitts über die Vertretung der Länder – keinen expliziten Bezug auf bestimmte Mitwirkungsbefugnisse.73 Letztere ergeben sich aus den jeweiligen Bestimmungen der Verfassung. Aus Art. 71 Abs. 1 S. 1 DDV („Zur Vertretung [. . .]“) wird wenig konkret jedenfalls die Teilhabe an den organisatorisch ausdifferenzierten Entscheidungsprozessen – der Bildung des Gesamtstaatswillens – der Republik ohne jegliche Wertung der rechtlichen Qualität dieser Teilhabe zu entnehmen sein. Eine gewisse Stärkung pluralistischer Momente wurde zudem durch die Länderkammer – wenn auch nur de jure – dadurch gewährleistet, dass sie auch nur auf Landesebene bestehenden Vereinigungen, Parteien und Minderheiten, die nach Artt. 13 Abs. 2, 53 Abs. 1, Abs. 2 DDV i. V. m. § 26 Abs. 174 des 69
Entspricht § 45 des ersten Entwurfs. Entspricht § 55 Abs. 3 des ersten Entwurfs. 71 Der erste Entwurf kannte in § 55 Abs. 2 noch ein suspensives Vetorecht des Reichspräsidenten: „Er ist berechtigt, vom Reichstag beschlossene Gesetze innerhalb dieser Frist [der Monatsfrist zur Verkündung, d. Vf.] an den Reichstag zu nochmaliger Beratung und Beschlussfassung zurückzuweisen. Bleibt der Reichstag nach nochmaliger Beratung bei seinem Beschlusse, so ist der Präsident verpflichtet, das Reichsgesetz zu verkünden.“ 72 Artikel der Verfassung der DDR mit Bezug zur Länderkammer und ihre Entsprechung in der WRV: Art. 71 Abs. 1 S. 1 DDV/Art. 60 Abs. 1 WRV; Art. 76 Abs. 1 DDV/Art. 66 Abs. 4 WRV; Art. 79 Abs. 1 DDV/Art. 65 Abs. 1 S. 2, 3 WRV; Art. 84 Abs. 1 S. 1/Art. 74 Abs. 1 WRV; Art. 84 Abs. 1 S. 2/74 Abs. 2 WRV. 73 So aber Art. 60 Abs. 1 WRV: „Zur Vertretung der deutschen Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Reichs wird ein Reichsrat gebildet.“ 74 § 26 Abs. 1: „Wahlvorschläge für die Volkskammer dürfen nur die Vereinigungen aufstellen, die nach ihrer Satzung die demokratische Gestaltung des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens der gesamten Republik erstreben und deren Organisation das ganze Staatsgebiet umfaßt.“ 70
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
Wahlgesetzes75 keine Abgeordneten in die Volkskammer entsenden konnten, eine gewisse Mitwirkung an der Gesetzgebung der Republik ermöglichte (§ 26 Abs. 276 des Wahlgesetzes).77 Die Existenz von anderen Gremien – sich also außerhalb der Länderkammer organisierende Kooperations- und Entscheidungsformen zur Politikabstimmung zwischen den Ländern –, die unterhalb der Ebene der Republik und oberhalb der der Länder operierten und kooperativ tätig wurden, ist nicht bekannt und darf wohl mit einiger Sicherheit auch als ausgeschlossen gelten.
II. Die Länderkammer als Organ der Republik Trotz der geflissentlichen Vermeidung des Wortes „Bund“ in der Verfassung, kann die Länderkammer nur ein Organ der Republik gewesen sein, wenngleich der Name Länderkammer auf den ersten Blick das Gegenteil zu suggerieren vermag. Auch die Formulierung „[z]ur Vertretung der [. . .] Länder [. . .]“ ändert nichts daran, dass die Länderkammer ein Organ der juristischen Person DDR war. Art. 71 Abs. 1 S. 1 DDV muss insofern so gelesen werden, dass es heißt: Zur Vertretung der deutschen Länder bei der Republik wird eine Länderkammer gebildet. Die Quelle ihres Daseins sind eben nicht etwa die Verfassungen der Länder, sondern die der Republik. Die Entscheidungen der Länderkammer sind damit nicht den Ländern, sondern der Republik (im Sinne eines Gesamtstaates, des Bundes i. w. S.) zuzurechnen. Des Weiteren ergaben sich die Aufgaben der Länderkammer ausschließlich aus der Verfassung der Republik – etwa die Beteiligung an der Wahl des Präsidenten der Republik (Art. 101 Abs. 1 S. 1 DDV), das Einspruchsrecht gegen Gesetzesbeschlüsse der Volkskammer (Art. 84 DDV), das Recht zur Gesetzesinitiative (Art. 82 Abs. 1 S. 1 Var. 2 DDV) usw. Damit war die Länderkammer unmittelbarer 75 Gesetz über die Wahlen zur Volkskammer, zu den Landtagen, Kreistagen und Gemeindevertretungen in der Deutschen Demokratischen Republik am 15. Oktober 1950 vom 9. August 1950, GBl. S. 743 (1950). 76 § 26 Abs. 2: „Wahlvorschläge für die Volksvertretungen der Länder [. . .] dürfen nur die Vereinigungen aufstellen, die die demokratische Gestaltung des öffentlichen Lebens auf der Grundlage der Verfassung satzungsgemäß erstreben und deren Organe durch ihre Mitglieder bestimmt werden.“ 77 So – freilich ohne Bezugnahme auf die von den Rechtssätzen abweichende Praxis: Travers, S. 223. Das Recht zur Einreichung von Wahlvorschlägen von nicht republikweit organisierten Vereinigungen auf Landes- bzw. Bezirksebene, wurde später – auch förmlich – abgeschafft, vgl. § 15 des Gesetz[es] über die Wahlen zu den Bezirkstagen der [DDR] vom 4. August 1954, GBl. S. 672 (1954) und § 31 Abs. 2 des Gesetz[es] über die Wahlen zu den örtlichen Volksvertretungen in der [DDR] vom 3. April 1957, GBl. I S. 221 (1957).
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Verpflichtungsadressat des Grundsatzes der Organ- bzw. „Bundestreue“. Wenngleich sich aus der Reihenfolge, in der die Verfassung die Staatsorgane nennt, vielleicht nicht rechtlich (trotz der Bezeichnung der Volkskammer als „höchstes Organ der Republik“, Art. 50 Abs. 1 DDV), so aber tatsächlich das Verhältnis zwischen Volks- und Länderkammer ergibt.
III. Mitgliedschaft in der Länderkammer Art. 71 Abs. 1 S. 1 DDV gibt zunächst keine eindeutige Antwort, wer die Mitglieder in der Länderkammer sind – die Länder oder der einzelne Abgeordnete (als Organwalter). Zugunsten letzterem entscheidet sich sogleich scheinbar Art. 71 Abs. 1 S. 2 DDV, wonach jedes Land für 500.000 Einwohner einen Abgeordneten stellt. Hingegen wird damit die Frage umgangen, die die Formulierung „Zur Vertretung der deutschen Länder [. . .“]78 aufwirft. Waren also nun die Länder die eigentlichen Mitglieder der Länderkammer, deren Willen sich – treuhänderisch – durch die Abgeordneten des jeweiligen Landes äußerte? Eine geschichtliche Rückschau lässt hier einen Wandel der Auffassungen erkennen – freilich innerhalb von Ratsmodellen. So waren nach seinerzeitiger Auffassung etwa im Bundesrat des Kaiserreiches nicht die Vertreter der Staaten, sondern die Staaten selbst Mitglieder des Bundesrates79. Im Sinne dieser früheren Konzeption80 formulierten auch die Artt. 60 Abs. 1, 63 Abs. 1 S. 1 WRV, letzterer lautet: „Die Länder werden im Reichsrat durch die Mitglieder ihrer Regierungen vertreten.“ Für die Vorschriften der Länderkammer ist ein Widerspruch in den Formulierungen der Verfassung nicht in Gänze aufzulösen, wenn es einerseits in Art. 71 Abs. 1 S. 1 DDV „[z]ur Vertretung der Länder [. . .]“ und in Art. 72 Abs. 2 S. 1 DDV „[d]ie Landtage stellen den Willen des Landes [. . .] fest“ heißt, sich andererseits in der Verfassung aber kein so unmissverständlicher Wortlaut wiederfindet wie etwa im heutigen Art. 51 Abs. 1 S. 1 78 Die Verfassung gibt keine Antwort darauf, auf welche Länder hier überhaupt Bezug genommen wird. Weder in der Präambel noch in sonstigen Vorschriften sind einzelne Länder namentlich erwähnt. Aufgrund des gesamtdeutschen Anspruches der ersten DDR-Verfassung richtet sich der Verfassungstext allein wohl an alle deutschen Länder. Eine Aufzählung der Länder findet sich hingegen in Art. 2 des Gesetzes über die Bildung einer Provisorischen Länderkammer der [DDR] vom 7. Oktober 1949, GBl. S. 3 (1949) und Art. 1 des Gesetzes über die Zusammensetzung der Länderkammer der [DDR] vom 8. November 1950, GBl. S. 1135 (1950), worin jene Länder genannt sind, die sich der Geltung der DDR-Verfassung unterworfen haben bzw. unterworfen wurden – also jene auf dem Gebiet der SBZ. 79 Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. I, S. 97 f.; Meyer/Anschütz, S. 482 f. 80 Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 377 (Anm. 16).
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
GG, wonach der Bundesrat aus Mitgliedern der Regierungen der Länder besteht.81 Aus den Verfassungsberatungen ergab sich hingegen gerade die Ablehnung der Länderkammer als Gesandtenkongress tradierter Art (demokratische, nicht bürokratische Instanz82). Ihr Wille und Handeln sollte sich allein aus den von den Landtagen gewählten Abgeordneten ergeben. Die Mitgliedschaft in der Länderkammer beruhte damit auf der echten Mitgliedschaft der Abgeordneten (als Einzelpersonen) im Kollegialorgan Länderkammer, das seine Beschlüsse im Regelfall mit einfacher Stimmenmehrheit83 fasste, nicht auf der Mitgliedschaft der Länder. Wenngleich man dies nicht ohne Weiteres dem Verfassungstext entnehmen mag, stützen auch die Artt. 71 Abs. 1 S. 2 („[. . .] Abgeordneten“) und 72 Abs. 1 S. 1 DDV („Die Abgeordneten werden von den Landtagen [. . .] auf die Dauer der Wahlperiode des Landtages [ergänze: in die Länderkammer, d. Vf.] gewählt“) diese Ansicht.
IV. Zusammensetzung der Länderkammer Die Zusammensetzung der Länderkammer – die Zahl der Abgeordneten, die jedes Land entsenden konnte – war verfassungsrechtlich durch Art. 71 Abs. 1 S. 2, 3 DDV vorgegeben.84 Demnach entsandte jedes Land für je 500.000 Einwohner einen Abgeordneten, wobei jedes Land mindestens einen Abgeordneten stellen konnte. Die Nichtvertretung eines Landes in der Länderkammer war damit qua Verfassung ausgeschlossen.85 Die Verfassung der DDR entschied sich damit gegen eine Gleichberechtigung86 hinsichtlich der Abgeordnetenzahl und für eine Differenzierung anhand der Einwohnerzahl. Gründe, die ob der Dominanz Preußens in der Vergangenheit noch eine Beschränkung des Stimmgewichts87 rechtfertigten, lagen bei Schaffung der Verfassung der DDR nicht mehr vor. 81 A. A. mit Blick auf den heutigen Bundesrat, wonach die Länder die „[. . .] wirklichen Mitglieder [. . .]“ seien: Reuter, Art. 51 Rdnr. 18. Zu dieser Frage – auch unter Berücksichtigung historischer Bezüge: Korioth, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 51 Abs. 1 Rdnr. 2. Vgl. auch: de Wall, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar, C Art. 51 Rdnr. 9. 82 So Polak, siehe oben, Kap. 3 E. 83 Vgl. Art. 76 Abs. 1 DDV: „Bei der Abstimmung in der Länderkammer entscheidet die einfache Stimmenmehrheit, soweit nicht diese Verfassung andere Bestimmungen enthält.“ 84 Eine § 27 GOBR entsprechende Regelung gab es nicht. 85 So auch Art. 61 Abs. 1 S. 1 WRV. 86 Vormals war seitens der CDU eine schematische Verteilung der Abgeordneten vorgesehen, vgl. oben, Kap. 3 K. VIII. 1.
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Art. 71 Abs. 1 S. 2 DDV zog zur Ermittlung der Abgeordnetenzahl, die jeder Landtag zu entsenden berechtigt war, die Einwohnerzahl heran, nicht hingegen die Zahl deutscher Staatsangehöriger.88 Die mit dieser Zählweise einhergehenden – auch heute aktuellen89 – verfassungsrechtlichen Probleme können an dieser Stelle nicht erörtert werden, hatten sie doch beschlagnehmend für die Länderkammer in der Staatspraxis nur eine untergeordnete Bedeutung. Erst recht, da die konkrete Art und Weise der Feststellung der Einwohnerzahl mangels Überlieferungen nicht ermittelt werden konnte. Mutmaßlich richtete sich die Feststellung der Zusammensetzung der Provisorischen Länderkammer nach den Ergebnissen der in allen vier Besatzungszonen durchgeführten Volks- und Berufszählung vom 29. Oktober 1946. Die nächste Volkszählung, dann in der DDR, fand im Jahr 1950 statt.90 Die Methode zur Berechnung der Abgeordnetenzahl wurde von der Verfassung selbst und unmittelbar – jedoch wenig konkret – zugewiesen, so dass die Feststellung, wie viele Abgeordnete ein Land in die Länderkammer entsenden durfte, anhand der Volkszählungs- und Bevölkerungsfortschreibungsdaten eo ipso vorlag, ohne dass es hierfür eines anderweitigen rechtsgestaltenden Aktes bedurft hätte. Festzuhalten bleibt weiterhin, dass die pauschale Feststellung von Lapp91, die Abgeordneten der Länderkammer seien Männer und Frauen aus dem zweiten oder dritten Glied ihrer Parteien gewesen, zumindest für die Provisorische Länderkammer nicht galt. Versammelt waren in der 41 Abgeordnete zählenden Provisorischen Länderkammer alle fünf Landtagspräsidenten, der Oberbürgermeister von Ost-Berlin, sieben vormalige Reichstagsmitglieder sowie sechs Minister auf Landesebene, so dass in dieser Zeit ob der personellen Zusammensetzung durchaus die Chance vorhanden war, der Länderkammer ein stärkeres Gewicht im Verfassungsgefüge zu verleihen.92 In den späteren Wahlperioden hingegen trifft obige Behauptung zu; die Länderkammer nahm zunehmend die Gestalt einer Honoratiorenkammer für verdiente Parteimitglieder an.
87 Vgl. die „clausula anti borussica“ in Art. 61 Abs. 1 S. 4 WRV: „Kein Land darf durch mehr als zwei Fünftel aller Stimmen vertreten sein.“ Zur weiteren Verstärkung dieser Vorschrift, vgl. unten, Kap. 4 E. I. 1. a) (Fn. 314). 88 Zum Problem und der Entwicklung einer Staatsbürgerschaft der DDR ausführlich: Mampel, Die Verfassung der SBZ, Art. 1 Erl. 3; ders., Die sozialistische Verfassung der DDR, Art. 19 Rdnr. 76 ff. 89 Dazu: de Wall, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar, C Art. 51 Rdnr. 22 f. 90 Vgl. Staatliche Zentralverwaltung für Statistik, Statistisches Jahrbuch der DDR – 1955, S. 3 Fn. 1. 91 Lapp, Die Volkskammer der DDR, S. 39 f. 92 Vgl. hierzu die biographischen Übersichten im Anhang.
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
1. Zusammensetzung der Provisorischen Länderkammer Es mögen andere Gründe als die der Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Vorgaben gewesen sein, die die Volkskammer veranlasste, die Verteilung der Abgeordneten auf die jeweiligen Länder formalgesetzlich vorzugeben und festzustellen. Erklärt werden kann dieser verfassungsrechtliche Durchgriff nur anhand des Umstandes, dass sich die Volkskammer entsprechend dem Wortlaut der Verfassung als „höchstes Organ“ (Art. 50 Abs. 1 DDV) – ausgestattet mit einer allumfassenden Handlungsprärogative – verstand und sich daher Übergriffe auf andere Verfassungsorgane per definitionem erlaubte. So anlässlich der Konstituierung der DDR mit Artt. 2, 4 des Gesetz[es] über die Bildung einer Provisorischen Länderkammer der Deutschen Demokratischen Republik93 vom 7. Oktober 1949, das folgende Verteilung vorschrieb: Land Sachsen
Land SachsenAnhalt
Land Land Thüringen Brandenburg
Land Mecklenburg
Berlin, Hauptstadt der DDR (Beobachter)
1194
895
696
498
799
597
Gesamt: 41 Abgeordnete
Interessanterweise brach schon dieses Gesetz die Verfassung. In Art. 5 des Gesetzes hieß es: „Dieses Gesetz tritt mit seiner Annahme in Kraft.“ 93
GBl. S. 3 (1949). Die diesem Gesetz bis auf Sachsen (12 Vertreter, statt später 11) exakt entsprechende Verteilung der Abgeordneten auf die einzelnen Länder findet sich schon in Notizen Wilhelm Piecks, überschrieben mit „Kurzfristige Prozedur für die Regierungsbildung“, vom 15. September 1949. Dieser Plan zur Konstituierung der DDR diente der Vorbereitung der Moskaureise um Grotewohl, Pieck und Ulbricht vom 16. bis 28. September 1949. Offenkundig war die Sowjetführung mit den gemachten Vorschlägen – auch jene betreffend die zu bildende Länderkammer – einverstanden. Die Aufzeichnungen Piecks sind abgedruck in: Bundesministerium des Innern, Dokumente zur Deutschlandpolitik, II/2.2, Dok. Nr. 119 (S. 456 f.). 94 Nach der Volks- und Berufszählung vom 29. Oktober 1946 ergab sich eine Einwohnerzahl von 5.558.566, vgl. Deutsche Wirtschaftskommission für die Sowjetische Besatzungszone/Statistisches Zentralamt, Volks- und Berufszählung vom 29. Oktober 1946 in der Sowjetischen Besatzungszone, Bde. I–IV, Berlin 1948/49, teilweise abgedruckt in: Braun, Daten zur demographischen und sozialen Struktur, in: SBZ-Handbuch, S. 1069 (1070). 95 Einwohnerzahl am 29. Oktober 1946: 4.160.539, ebd. 96 Einwohnerzahl am 29. Oktober 1946: 2.927.497, ebd.; nach dieser Zahl hätte sich eine Abgeordnetenzahl von 5 ergeben müssen. 97 Einwohnerzahl am 29. Oktober 1946: 2.527.492, ebd. 98 Einwohnerzahl am 29. Oktober 1946: 2.139.640, ebd.
B. Vorgaben durch Verfassung und Geschäftsordnungen
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Damit konnte nur die Annahme durch die Volkskammer gemeint sein. In der 1. (konstituierenden) Sitzung der Provisorischen Länderkammer am 11. Oktober 1949 eröffnete der Alterspräsident August Frölich (SED) die Sitzung und sprach dementsprechend auch von dem „[. . .] Gesetz, das die Provisorische Volkskammer [. . .] angenommen hat [. . .]“.100 Mag man auch einwenden, dass die Provisorische Länderkammer nicht in der Lage war diesem Gesetz, ob der noch nicht erfolgten Konstituierung, in dem nach der Verfassung vorgesehenen Verfahren zuzustimmen, ist dieser Umstand doch jeder konstituierenden Sitzung eigen. Der Verfassung entgegenkommend wäre es zumindest begreiflicher gewesen, dass die Anzahl der in die Länderkammer zu entsendenden Abgeordneten von den jeweiligen Landtagen festgestellt wird und sich die Provisorische Länderkammer daraufhin aus eigener Kraft konstituiert hätte. Dieses Verfahren wurde in sein Gegenteil verkehrt, die Provisorische Länderkammer also im Ergebnis durch ein anderes Verfassungsorgan konstituiert, was nolens volens schon das Verhältnis beider Verfassungsorgane statuierte. 2. Zusammensetzung der Länderkammer späterer Wahlperioden Letztmalig rechtsnormativ wurde die Zusammensetzung der Länderkammer mit dem Gesetz über die Zusammensetzung der Länderkammer der [DDR]101 vom 8. November 1950 geändert, das die Länderkammer durch Verzicht auf ihr Einspruchsrecht auch problemlos passierte. Mit diesem Ge99 Selbst bei Zugrundelegung der Einwohnerzahl von Groß-Berlin, 3.191.226, vgl. ebd., hätte sich nur eine Beobachterzahl von 6 ergeben müssen; allein maßgeblich konnte nur sein die Einwohnerzahl des sowjetischen Sektors mit 1.175.979 Einwohnern, vgl. ebd.; demnach hätte sich eine Beobachterzahl von gerade einmal 2 ergeben. Die Zahl der Berliner Beobachter legte hingegen das Politbüro wohl mit Blick auf politische Gründe fest, vgl. Politbüro, Sitzung am 2. Oktober 1949 (Protokoll Nr. 47), in: Bundesministerium des Innern, Dokumente zur Deutschlandpolitik, II/2.2, Dok. Nr. 131 (S. 487 ff.). Eine Vertretung Berlins auch in der Länderkammer sah man als wesentlich an, um Bemühungen des Westens entgegenzutreten, „Berlin [. . .] als Land dem Bunde anzuschließen“, vgl. 22. (36.) Tagung des Parteivorstandes der SED am 4. Oktober 1949, in ebd., Dok. Nr. 137 (S. 510 ff., hier S. 528). Im Westen sah man dies genau entgegengesetzt, so dass sich Otto Nuschke, Parteivorsitzender der CDU, genötigt sah klarzustellen, dass keine Absicht bestehe, Berlin als „[. . .] sechstes Land [. . .]“ einzubeziehen. Lediglich der Länderkammer werde gestattet, Beobachter hinzuzuziehen. Vgl. dazu: Sitzung der Arbeitsgemeinschaft der CDU im Deutschen Volksrat am 7. Oktober 1949, in: ebd., Dok. Nr. 152 (S. 610 ff.). Die SED hielt sich über ihre Sicht auf den rechtlichen Status von Berlin bedeckt und stellte fest: Berlin sei kein Land, sondern die Hauptstadt Deutschlands, vgl. Präsidium DVR, Sitzung am 5. Oktober 1949, in: ebd., Dok. Nr. 145 (S. 552 ff., hier S. 577). 100 Vgl. PLK, 1. (konst.) Sitzung am 11. Oktober 1939, in: Protokolle, S. 1. 101 GBl. S. 1135 (1950).
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
setz legte die Länderkammer zudem das Attribut „provisorisch“ ab. Die Verteilung der Abgeordnetenzahl auf die jeweiligen Länder ergab nach Art. 1 dieses Gesetzes nun folgendes Bild: Land Sachsen
Land SachsenAnhalt
13 (11)102 11 (8)
Land Land Thüringen Brandenburg
Land Mecklenburg
Berlin, Hauptstadt der DDR (Beobachter)
10 (6)
7 (4)
13 (7)
9 (5)
Gesamt: 63 Abgeordnete
Versucht man nun diese Zusammensetzung mit Art. 71 Abs. 1 S. 2 DDV in Einklang zu bringen, der pro 500.000 Einwohnern einen Abgeordneten der Länderkammer normiert, so hätte sich eine unwirkliche Mindest-Einwohnerzahl der DDR von 31,5 Mio. ergeben; tatsächlich lebten auf diesem Gebiet, einschließlich Ost-Berlin, im Jahr 1950 etwa 18,5 Mio. Personen.103 Die folgende Tabelle berechnet die fiktive Mindesteinwohnerzahl anhand der Abgeordnetenzahl multipliziert mit 500.000 Einwohnern (Art. 71 Abs. 1 S. 2 DDV): Land Sachsen
Land SachsenAnhalt
Land Land Thüringen Brandenburg
Land Mecklenburg
Berlin, Hauptstadt der DDR (Beobachter)
6,5 Mio.
5,5 Mio.
5,0 Mio.
3,5 Mio.
6,5 Mio.
4,5 Mio.
Tatsächliche Einwohnerzahl nach der Volkszählung vom 31. August 1950104 5.682.802
4.071.856
2.837.641
2.579.675
2.027.124
1.189.000
Gesamt: 31,5 Mio. (tatsächlich: etwa 18,5 Mio.)
Die neue Zusammensetzung spiegelte also in keiner Weise mehr die anhand Art. 71 Abs. 1 S. 2 DDV zu ermittelnde Abgeordnetenzahl wider. Ob durch diese Änderungen der jungen Republik im Verhältnis zu ihrer westdeutschen Schwester auch nach der Einwohnerzahl eine ungefähre Ebenbürtigkeit bescheinigt werden sollte, bleibt im Bereich des Spekulativen. 102 Abgeordnetenzahl der vorangegangenen Provisorischen Länderkammer, vgl. Art. 2 des Gesetz[es] über die Bildung einer Provisorischen Länderkammer der [DDR] vom 7. Oktober 1949, GBl. S. 3 (1949). 103 Vgl. Braun, Daten zur demographischen und sozialen Struktur, in: SBZ-Handbuch, S. 1069 (1070). 104 Vgl. die Aufstellung der Bevölkerungszahl für die einzelnen Länder, in: Staatliche Zentralverwaltung für Statistik, Statistisches Jahrbuch der DDR – 1955, S. 9.
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V. Zum Begriff „Wahlperiode der Länderkammer“ Die Protokollsammlungen der Länderkammer sprechen durchweg von „Wahlperioden“. So zählte man nach offiziellen Angaben – abgesehen von der Zeit der sogenannten Provisorischen Länderkammer – derer insgesamt drei.105 Entnommen hat man die Begrifflichkeit wohl Art. 72 Abs. 1 S. 1 DDV, der von einer Wahl der Abgeordneten der Länderkammer durch die Landtage „[. . .] auf die Dauer der Wahlperiode des Landtages [. . .]“ spricht. Weitere – insbesondere originäre – Regelungen über eine irgendwie geartete Wahlperiode der Länderkammer waren der Verfassung fremd. Die Einteilung nach Wahlperioden resultierte daher nicht aus der Verfassung, sondern aus der eigentümlichen Staatspraxis, Wahlen zu den Landtagen (später Bezirkstagen) – ja „Wahlen“ überhaupt – am selben Tage106 stattfinden zu lassen. Daher ergab sich nur durch Zufall, dass sich die Wahlperioden der Landtage107 – später der Bezirkstage – anfänglich mit einer sogenannten Wahlperiode der Länderkammer deckten. Wichtiger dürfte es hingegen gewesen sein, dass aus diesen Gründen auch mit der Wahlperiode der Volkskammer in praxi Gleichlauf108 bestand, um Gesetze nach der Verabschiedung in der Volkskammer ohne Verzögerung der Länderkammer zuleiten zu können. Diese Konkordanz der Wahlperioden wurde allerdings schon im Jahre 1953 unterbrochen, da mit dem Wegfall der Länderstrukturen 1952 die Wahlorgane – die Landtage – für die Abgeordneten der Länderkammer nicht mehr bestanden und damit de constitutione lata die Länderkammermandate hätten erlöschen müssen.109 Abgesehen davon hätte auch eine etwaige Selbstauflösung eines Landtages110 dazu geführt, dass von einer Wahlperiode der Länderkammer im eigentlichen Sinne nicht länger hätte gesprochen werden können, da nun eine 105 1. Wahlperiode 1950–1954, 2. Wahlperiode 1954–1958, 3. Wahlperiode (zugleich konstituierende und letzte Sitzung der Länderkammer am 10. Dezember 1958). 106 Die erste und letzte Landtagswahl (bis zum Jahr 1990) nach Gründung der DDR fand am 15. Oktober 1950 statt, vgl. § 1 des Gesetz[es] über die Wahlen zur Volkskammer, zu den Landtagen, Kreistagen und Gemeindevertretungen in der [DDR] am 15. Oktober 1950 vom 9. August 1950, GBl. S. 743 (1950). 107 Die Wahlperiode des Landtages betrug nach allen Länderverfassungen drei Jahre. 108 In der – wohl schon damals illusorischen – Möglichkeit, es könne später zu unterschiedlichen Wahlperioden der Volks- und Länderkammer und damit zu einer Erschütterung des parteipolitischen Gleichgewichts kommen, erhoffte sich Schnorr noch einen stärkeren Einfluss der Länderkammer auf die Republikgesetzgebung, ders., AöR 37 N.F. (1950/51), 259 (285 f.). 109 Zu diesem Dilemma ausführlich, vgl. unten, Kap. 5 C. IV.
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
Neuwahl der Abgeordneten des jeweiligen Landes hätte stattfinden müssen.111 Damit wäre es zu einer Partialerneuerung der Mitglieder gekommen. Ausweislich der Verfassung wäre die Länderkammer bei auch nur einem – vorzeitigen – Ende der Wahlperiode eines Landtages nach heutiger Diktion zu einem de facto „permanenten“ oder „ewigen“ Staatsorgan geworden, da keine – die gesamte Länderkammer umfassende – personelle Diskontinuität112 gegeben gewesen wäre. In der Staatspraxis der DDR hingegen, war sie auch ausweislich ihrer „Wahlperioden“ allenthalben dem Willen der Staatspartei unterworfen.
VI. Der Präsident der Länderkammer 1. Wahl In Abkehr von gewachsener deutscher Staatstradition führte nicht mehr ein Organ der Exekutive den Vorsitz in der Länderkammer.113 Gleichwohl wird der von der Verfassung vorgesehene Präsident der Länderkammer nicht besonders akzentuiert. Art. 73 Abs. 1 S. 1 DDV spricht zunächst einmal von einem Präsidium, das die Länderkammer zu wählen hat. Erst im zweiten Satz wird aufgeschlüsselt, aus welchen Ämtern das Präsidium besteht – nämlich „[. . .] aus dem Präsidenten, seinen Stellvertretern und den Beisitzern.“ Art. 73 Abs. 1 S. 2 DDV überlässt damit – außer des singulären Präsidenten – die genaue Anzahl der Personen, die in das Präsidium zu wählen sind, der Geschäftsordnung. Ausweislich des Plurals geht die Verfassung aber von mindestens zwei Stellvertretern und Beisitzern aus. 110 Die Auflösung des Landtages war nach allen Länderverfassungen durch eigenen Beschluss bzw. Volksentscheid möglich, vgl. Art. 26 (Brandenburg), Art. 43 (Mecklenburg), Art. 44 (Sachsen), Art. 42 (Sachsen-Anhalt), Art. 27 (Thüringen). Die Verfassungen der Länder sind abgedruckt in: Burhenne, Die Verfassungen und Landtags-Geschäftsordnungen der DDR-Länder bis 1952. 111 Die dogmatische Schwäche der Vorschriften über die Länderkammer wird auch an folgender – rein hypothetischer – Überlegung deutlich: Für den zeitgleichen Wegfall aller Länderkammermandate – etwa durch die (Selbst-)Auflösung der Landtage – oder eine zukünftig nicht mehr gegebene – politisch erzwungene – Konkordanz zwischen den Wahlperioden der Volks- und Länderkammer, enthielt die Verfassung keine Lösung, wie nun mit einem von der Volkskammer verabschiedeten Gesetz umgegangen werden sollte, das nach der Verfahrensordnung der Verfassung der Länderkammer zumindest zugeleitet werden musste (vgl. Art. 84 Abs. 1 S. 1 DDV). Diese Schwäche war auch den seinerzeit führenden Juristen bewusst, vgl. die Lösungsvorschläge von Toeplitz: unten, Kap. 5 C. IV. 1. 112 Zum Begriff umfassend: Jekewitz, JöR 27 N.F, 75 (80 ff.). 113 So der Reichskanzler im Bundesrat, Art. 15 RV-1871, bzw. nach Art. 65 Abs. 1 S. 1 WRV ein Mitglied der Reichsregierung.
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Diese Norm als Ausweis des Rechts der Autonomie – als Befugnis zur Selbstorganisation und Selbstverwaltung – zu sehen, geht hingegen fehl. Das Amt des Präsidenten der Länderkammer wurde – wie beinahe alle Staatsämter – von der Nationalen Front einer bestimmten Partei zugestanden und damit in letzter Konsequenz von der SED bestimmt.114 Der Präsident konnte auch ob dieses Hintergrundes nie unabhängiger Amtswalter sein. Das Amt stand Zeit des Bestehens der Länderkammer der CDU zu. Art. 73 Abs. 1 DDV schweigt sich darüber aus, wer zum Präsidenten der Länderkammer gewählt werden kann. Eine Formulierung, wonach das Präsidium der Länderkammer etwa „aus den Reihen der Abgeordneten“ gewählt würde, fehlt. Trotzdem – obwohl sich die Verfassungsarbeiten hierüber ausschweigen – wird man in Abkehr vom Octroi des Vorsitzenden qua Verfassung davon ausgehen können, dass nur ein Abgeordneter der Länderkammer in das Präsidium gewählt werden konnte – so auch in der Praxis.115 Die Amtsdauer wurde von der Verfassung nicht geregelt. Der Präsident der Länderkammer blieb daher nach der Verfassung solange im Amt, bis – etwa bei veränderten Machtverhältnissen – (1) ein neuer gewählt wurde, (2) seine Wählbarkeit zur Länderkammer wegfiel oder (3) sich das Amt auf andere Weise erledigte. Dem entgegen stand die Praxis: Anlässlich des Beginns einer neuen „Wahlperiode“ wurde auch der vormalige Präsident in seinem Amt förmlich bestätigt.116
114 Vgl. nur die „Tauglichkeitsprüfung“ von August Bach durch die SED. Dazu: unten, Kap. 4 C. III. 2. (Fn. 219). 115 Vgl. die Äußerungen des Abg. Broßmann (CDU) anlässlich der Wahl August Bachs (CDU) zum Präsidenten der Länderkammer: „Durch Beschluß des Demokratischen Blocks ist der [CDU] die Besetzung des Postens des Präsidenten der Länderkammer der [DDR] übertragen worden mit der Maßgabe, hierfür einen Abgeordneten der Länderkammer vorzuschlagen“, LK (2. WP), 2. Sitzung am 23. Mai 1955, in: Protokolle, S. 10. 116 So gab es in der Geschäftsordnung auch eine Regelung über den Alterspräsidenten, vgl. § 2 Abs. 1 GO-PLK bzw. § 2 Abs. 1 GO-LK, der es – mangels von der Verfassung vorgesehenen Wahlperioden – nicht (bzw. nur einmalig) bedurft hätte. Tatsächlich saß August Frölich (SED), geboren 1877, Zeit des Bestehens der Länderkammer der jeweiligen konstituierenden Sitzung bis zur Wahl des Präsidenten vor, vgl. PLK, 1. (konst.) Sitzung am 11. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 1; LK (1. WP), 1. (konst.) Sitzung am 9. November 1950, in: Protokolle, S. 1; LK (2. WP), 1. (konst.) Sitzung am 29. November 1954, in: Protokolle, S. 1; LK (3. WP), 1. (konst.) Sitzung am 10. Dezember 1958, in: Protokoll, S. 2. Die Übernahme auch dieser Bestimmung lässt sich mit der Anlehnung an die Geschäftsordnung der Volkskammer erklären.
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
2. Befugnisse nach der Verfassung Art. 74 DDV wies der Länderkammer das Recht zur Selbstversammlung zu, d.h. das Recht Ort, Beginn und Ende ihrer Sitzungen selbst zu bestimmen, das dem Reichsrat117 noch versagt war. Dieses Recht wurde gem. Art. 74 Abs. 1 DDV vom Präsidenten ausgeübt, der die Länderkammer dann einzuberufen hatte, „[. . .] sobald dies zur Erledigung ihrer Aufgaben erforderlich ist.“ Die Einberufung wird insbesondere dann (zwingend) erforderlich gewesen sein, wenn über die Frage des Einspruchs entschieden werden musste, wenn also die Volkskammer ein Gesetz verabschiedet und der Länderkammer zugeleitet hatte.118 Darüber hinaus war das Ermessen des Länderkammerpräsidenten dann verfassungsrechtlich reduziert, wenn nach Art. 74 Abs. 2 DDV „[. . .] ein Fünftel [der] Mitglieder [. . .]“ die Einberufung verlangte.
VII. Die Beteiligung der Länderkammer an der Gesetzgebung Nach der Verfassung war die Länderkammer durch zwei Institute an der Gesetzgebung beteiligt. Sie konnte von ihrem Einspruchsrecht gem. Art. 78 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 84 DDV Gebrauch machen und ihr stand gem. Art. 82 Abs. 1 S. 1 Var. 2 DDV das Recht zur Gesetzesinitiative zu. 1. Zwingende Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren Ohne – zumindest informatorische119 – Beteiligung der Länderkammer konnte kein Gesetz der Republik verfassungsgemäß zustande kommen.120 117
Vgl. Art. 64 Abs. 1 WRV. So auch die Regelung der Geschäftsordnung, § 13 Abs. 1 S. 1 GO-PLK bzw. § 11 Abs. 1 S. 1 GO-LK. 119 Wegen Art. 84 Abs. 1 S. 2 und 3 DDV (Fiktion des S. 3). 120 Vgl. Art. 85 Abs. 1 S. 1 DDV: „Der Präsident der Volkskammer hat die verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetze innerhalb eines Monats auszufertigen.“ Dem Präsidenten der Volkskammer war insoweit zumindest eine formelle Prüfungspflicht über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen aufgetragen; für eine auch materielle Prüfungspflicht, ohne nähere Begründung: Mampel, Die Verfassung der SBZ, Art. 85 Erl. 1, der sich wohl auf den insoweit offenen Wortlaut des Art. 85 Abs. 1 S. 1 DDV stützt. Die Antragsberechtigung zur Geltendmachung von Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zwecks Einleitung eines Verfassungsausschussverfahrens nach Art. 66 war durch Art. 66 Abs. 4 DDV auf die dort Genannten beschränkt. Der Präsident der Volkskammer musste also eines dieser Gremien von seiner Ansicht überzeugen, was seine Prüfungskompetenz erheblich 118
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Ihre Einbeziehung in das Gesetzgebungsverfahren war insoweit verfassungsrechtlich notwendig und unumgänglich. Aus der Verfassung ergab sich zwar keine ausdrücklich normierte Pflicht121, Gesetzesbeschlüsse der Volkskammer der Länderkammer zur Kenntnis zu bringen, in der Praxis hingegen leitete der Präsident der Volkskammer – als sich aus dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue ergebende Pflicht – diese zu, um das nach der Verfassung vorgesehene Verfahren einzuhalten und somit das verfassungsgemäße Zustandekommen von Gesetzen zu gewährleisten. Die Verpflichtung zu dieser Vorgehensweise ließ sich darüber hinaus auch aus Art. 84 Abs. 1 S. 1 DDV entnehmen.122 Die etwaige Geltendmachung des Einspruchsrechts setzt zuvörderst die Kenntnis von einem Gesetzesbeschluss der Volkskammer voraus. Eine Pflicht zur Beschlussfassung hinsichtlich des Ob der Einlegung eines Einspruchs war hingegen verfassungsrechtlich nicht normiert.123 Welchen Auftrag die Länderkammer in der Verfassungsordnung Zeit ihres Bestehens hatte, zeigt der Schriftwechsel des Präsidenten der Volkskammer Dieckmann (LDPD) vom 7. Dezember 1949124 mit dem Präsidenten der Länderkammer exemplarisch: Sehr geehrter Herr Präsident! [. . .] Ich bitte Sie, diese Vorlagen der Provisorischen Länderkammer zur Kenntnis zu bringen und die verfassungsmäßige Stellungnahme der Provisorischen Länderkammer hierzu herbeiführen zu wollen. Da die Inkraftsetzung beider Gesetze125 besonders dringend ist, würde ich für eine möglichst baldige Verabschiedung und Mitteilung der Stellungnahme der Provisorischen Länderkammer dankbar sein. [. . .] schwächte; vgl. zur Ausfertigung und Verkündung von Gesetzen in der DDR: ebd., Art. 85, passim. Trotz Geltendmachung von Zweifeln war ein Gesetz auszufertigen und zu verkünden, wenn nicht innerhalb Monatsfrist die Volkskammer die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes feststellte, vgl. Art. 85 Abs. 2 DDV. 121 „Der Einspruch muß innerhalb von zwei Wochen nach der Schlußabstimmung [also nicht mit Eingang bei der Länderkammer, d. Vf.] in der Volkskammer eingebracht und spätestens innerhalb zweier weiterer Wochen mit Gründen versehen werden“, vgl. Art. 84 Abs. 1 S. 2 DDV. 122 „Gegen Gesetzesbeschlüsse der Volkskammer steht der Länderkammer ein Einspruchsrecht zu“, Art. 84 Abs. 1 S. 1 DDV. 123 Wohl aber in der Geschäftsordnung (§ 13 Abs. 1 S. 1 GO-PLK bzw. § 11 Abs. 1 S. 1 GO-LK). 124 Verlesen auf der 5. Sitzung am 8. Dezember 1949, vgl. PLK, Protokolle, S. 26. 125 Gesetz zum Schutze der Arbeitskraft der in der Landwirtschaft Beschäftigten vom 7. Dezember 1949, in: PLK, Drucksachen, Drs. Nr. 5 (S. 7), sowie das Gesetz über die Errichtung des Obersten Gerichtshofes und der Obersten Staatsanwaltschaft der DDR vom 7. Dezember 1949, in: ebd. Drs. Nr. 6 (S. 16). Die Länderkammer machte von ihrem Einspruchsrecht auch bei diesen Gesetzen keinen Gebrauch, vgl. PLK, 5. Sitzung am 8. Dezember 1949, in: Protokolle, S. 25, 29 f.
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
Stereotyp antwortete der jeweilige Präsident der Länderkammer: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich teile Ihnen mit, dass die [. . .] Länderkammer von ihrem Einspruchsrecht gegenüber dem übermittelten Gesetzesbeschluss [. . .] keinen Gebrauch macht.126
Solche Hinweise auf die Dringlichkeit seitens des Volkskammerpräsidenten, die unausgesprochen Weisungscharakter trugen, waren später nicht mehr nötig, da die Länderkammer von sich aus alsbald nach einem Gesetzesbeschluss der Volkskammer zusammentrat.127 Insoweit darf von einem pervertierten Treueverhältnis der Länderkammer gegenüber der Volkskammer gesprochen werden. Das Verhältnis der Volks- zur Länderkammer lässt sich in Kürze durch folgende Trias charakterisieren: Verabschiedung des Gesetzes in der Volkskammer, Verzicht der Länderkammer auf ihr Einspruchsrecht, In-Kraft-treten. Dass die nach der Verfassung vorgeschrieben zwingende Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren im Einzelfall konterkariert wurde, zeigt eine Äußerung des Abg. Hintze (CDU), der als Länderkammerabgeordneter an einer Ausschusssitzung der Volkskammer teilnahm: Abg. Hintze berichtet über die Ausschußsitzung, die sich nur sehr kurz mit dem vorliegenden Gesetzentwurf128 befaßt hat. Es wurde festgestellt, daß nach diesem Gesetz bereits gehandelt wird.129
Die Anwendung eines Gesetzes war also im Einzelfall nicht unbedingt von der qua Verfassung vorgeschriebenen Beteiligung der Länderkammer abhängig. 2. Exkurs: Außenwirkung der Länderkammer So nimmt es nicht wunder, dass Präsident Lobedanz schon im Frühjahr 1950 gegenüber dem Präsidium von seinen „Wahrnehmungen“ berichtet. Das Sitzungsprotokoll vermerkt hierzu: Präsident Dr. Lobedanz gibt dem Präsidium Kenntnis von Wahrnehmungen, die er hinsichtlich der Rangordnung der Volksvertretung, insbesondere der Prov. Länderkammer bei Veranstaltungen u. dergl. gemacht hat und gibt seinen Bedenken Ausdruck.130 126 Vgl. nur den Schriftwechsel mit dem Präsidenten der Volkskammer, in: BArch, DA 2/33, Bl. 1 ff. 127 Siehe dazu die Aufstellungen über die Gesetzgebungstätigkeit der Länderkammer im Anhang. 128 Gesetz über die Verleihung von Nutzungsrechten an volkseigenen Grundstücken vom 21. April 1954, GBl. S. 445 (1954). 129 „Niederschrift über die Sitzung der Länderkammerfraktion am 22.4.1954“, in: ACDP, Ost-CDU: Parteiarbeit, 07-012-1705.
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Es wird beschlossen, dass Präsident Dr. Lobedanz eine Rücksprache mit Präsident [der Volkskammer, d. Vf.] Dieckmann herbeiführt zwecks Aussprache mit Min.Präs. Grotewohl.131
Auch die Bevölkerung nahm von der Arbeit der Länderkammer offenbar nur wenig Notiz: Abg. Jaskola (CDU) sagt, dass er den Eindruck habe, dass die Abgeordneten der Länderkammer z. T. von der Bevölkerung nicht allzu ernst genommen werden. Das mag z. T. natürlich auch an den Abgeordneten selbst liegen, die es mit dem Abhalten von Sprechstunden usw. [. . .] nicht sehr genau nehmen und sie selbst oft vergessen, dass sie eine gewisse Autorität darstellen.132
Die Berichterstattung der Presse über die Arbeit der Länderkammer wurde ebenso kritisiert. Die Niederschrift über eine Präsidiumssitzung im August 1956 vermerkt hierzu Ausführungen der Vizepräsidenten: Abg. Mühlmann weist weiter darauf hin, daß der Tätigkeit der Länderkammer in der Presse zu wenig Beachtung geschenkt wird und beanstandet die in viel zu kurzen Worten gehaltenen Kommuniqués.133 Abg. Rödiger schlägt vor, der Tätigkeit der Länderkammerabgeordneten auch dadurch mehr Nachdruck zu verleihen, daß Artikel aus ihrer Feder mit ‚Abgeordneter der Länderkammer‘ signiert werden.134 130 Im Frühjahr 1951 wiederholte Lobedanz seine Kritik: „Präsident Dr. Lobedanz teilt mit, dass die Mitglieder des Präsidiums der Länderkammer berechtigte Klage darüber geführt haben, dass ihnen Einladungen zu Staatsakten und anderen wichtigen Veranstaltungen zum Teil gar nicht, zum Teil zu spät übermittelt wurden“, Präsidium LK (1. WP), 5. Sitzung am 2. November 1951, in: BArch, DA 2/80, Bl. 18. Auch die Spitzengremien der CDU erkannten, dass Lobedanz trotz seines hohen Amtes nicht wahr genommen wurde: „Das Amt als Präsident der Länderkammer, das er in der DDR führt, ist zwar in seiner Bedeutung noch nicht von allen anerkannt, aber politisch von größter Bedeutung“ (Georg Dertinger, seinerzeit Minister für Auswärtige Angelegenheiten), Protokoll der Sitzung des Politischen Ausschusses am 29. August 1952, in: ACDP, Ost-CDU: Vorstand, 07-010-1457. 131 Präsidium PLK, 20. Sitzung am 17.Mai 1950, in: BArch, DA 2/79, Bl. 59. Diese Besprechungen – soweit sie überhaupt stattfanden – änderten an der Geringschätzung der Länderkammer hingegen nichts. Ein irgendwie geartetes Immediatrecht des Länderkammerpräsidenten zu den Machthabern hat es – soweit ersichtlich – nicht gegeben. 132 „Protokoll über die Tagung der CDU-Fraktion der Länderkammer am 27.9.1955“, S. 3, in: ACDP, Ost-CDU: Parteiarbeit, 07-012-1705. 133 Mühlmann wandte sich schon im Frühjahr des Jahres 1956 an den Generalsekretär seiner Partei: „Ich hatte in dieser Angelegenheit bereits mit Herrn Präsidenten der Länderkammer Rücksprache genommen. Er pflichtete mir uneingeschränkt bei und bemerkte, daß er schon wiederholt bei ADN [Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst, staatliche Nachrichtenagentur der DDR, d. Vf.] und andere Presseorgane auf diese Notwendigkeit hingewiesen habe, leider ohne Erfolg“, Schreiben Mühlmann an den Generalsekretär der LDPD Gerlach vom 14. Februar 1956, in: ADL, Bestand Johannes Dieckmann, LN4-176.
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Die Außenwirkung der Länderkammer spiegelte damit die Innenwirkung im Verfassungsrahmen wider. Ob die Presse seitens der Machthaber angewiesen wurde, über die Länderkammer nur wenig zu berichten, sei dahingestellt. Doch auch ohne eine rigide Pressezensur in diesem Belang, mag man sich nicht in einen Presseredakteur hineinversetzen, der schon über Volkskammersitzungen – außer Einigkeit in allen Punkten – nichts zu berichten wusste135 und nun zusätzlich über ein Verfassungsorgan mit noch weniger Esprit berichten sollte. Ein Wort von Selbstkritik fand sich schließlich nicht; stattdessen machte man sich in Präsidiumssitzungen Gedanken über den Tagesordnungspunkt „[. . .] Besetzung der Mittelloge in der Staatsoper.“136 3. Gesetzesinitiativrecht (Art. 78 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art. 82 Abs. 1 S. 1 Var. 2 DDV) Die Weimarer Verfassung versagte dem Reichsrat das unmittelbare Recht zur Gesetzesinitiative.137 Diese Schwäche versuchte man zu kompensieren, indem Gesetzesvorlagen der Reichsregierung der Zustimmung des Reichsrates bedurften, Art. 69 Abs. 1 S. 1 WRV. Kam eine Übereinstimmung nicht zustande, konnte die Reichsregierung – unter Darlegung der abweichenden Auffassung des Reichsrates – ihre Vorlage gleichwohl einbringen, Art. 69 Abs. 1 S. 2 WRV. Beschloss der Reichsrat von sich aus eine Geset134 Präsidium LK (2. WP), 6. Sitzung gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden am 30. August 1956, in: BArch, DA 2/78, Bl. 51 Die Anregung wurde seitens des Präsidiums der Volkskammer aufgenommen und positiv beschieden; es bestand Übereinstimmung die Bezeichnung „Mitglied der Länderkammer“ einzuführen, Präsidium LK (2. WP), 9. Sitzung gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden am 9. Januar 1957, in: BArch, DA 2/78, Bl. 61. 135 Dies erkannte selbst der Präsident der Volkskammer Dieckmann (LDPD): „Dabei hat die parlamentarische Volksvertretung des Guten wohl zu viel getan. Parlamentarische Aussprachen, die jeglichen Verzicht auf öffentliche Kritik zu einer Tugend machen möchten, müssen bei den Hörern (und Lesern) an Interesse verlieren, zumal sie dann der Gefahr einer weitgehenden Eintönigkeit der Reden und damit schließlich der Langeweile nicht entgehen können. Eine gute Sache wird nicht dadurch besser, daß zehn Menschen zu ihr mit ähnlichen Worten das Gleiche sagen; sie wird dadurch schlechter“, „Neuer demokratischer Parlamentarismus – Von Johannes Dieckmann“, Manuskript für die LDPD-Informationen vom 21. Februar 1952, S. 2, in: ADL, Bestand Johannes Dieckmann, LN4-26. 136 Präsidium LK (2. WP), 5. Sitzung gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden am 9. Februar 1956, in: BArch, DA 2/78, Bl. 48. 137 Zum Reichsrat der WRV, seiner Geschichte und seinen Kompetenzen, vgl.: Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, S. 216–226; Stern, StR V, § 126 IV 5 d) (S. 612–616); Lammers, Der Reichsrat, passim. Seine Entwicklungslinien nachzeichnend: Klein, AöR 108 (1983), 329 (336–339).
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zesvorlage, welcher die Reichsregierung nicht zustimmte, so musste die Reichsregierung diese Vorlage unter Darlegung ihres Standpunktes beim Reichstag einbringen, Art. 69 Abs. 2 WRV. Die erste Verfassung der DDR versuchte diese gegenseitigen Abhängigkeiten zu vermeiden, indem sie der Länderkammer das direkte Recht zur Gesetzesinitiative bei der Volkskammer gab, Art. 82 Abs. 1 S. 1 Var. 2 DDV.138 Letztere musste sich qua Verfassung mit der eingebrachten Gesetzesvorlage der Länderkammer befassen und darüber abschließend Beschluss fassen. Daneben konnten Gesetzesvorlagen von der Regierung139 sowie aus der Mitte der Volkskammer als weitere Initianten eingebracht werden, Art. 82 Abs. 1 S. 1 Var. 1 u. 3 DDV. Gesetzesvorlagen der Regierung mussten der Länderkammer nicht zur Stellungnahme zugeleitet werden. Eine förmliche Beteiligung des Verfassungsorgans Länderkammer an der Gesetzgebung bzw. Einwirkungsmöglichkeiten auf den Inhalt der Gesetze im Vorfeld der Beschlussfassung der Volkskammer, war der Länderkammer nach der Verfassung versagt. Gebrauch gemacht hat die Länderkammer von ihrem Recht zur Gesetzesinitiative nie. Selbst wenn die Länderkammer gewollt hätte, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, stand zumindest der SED-Mehrheitsfraktion eine Weisung des Politbüros entgegen, in der es hieß: Gesetze und Verordnungen von Bedeutung, Materialien sonstiger Art, über die Regierungsbeschlüsse herbeigeführt werden sollen, weiterhin Vorschläge zum Erlaß von Gesetzen und Verordnungen müssen vor ihrer Verabschiedung [. . .] dem Politbüro bzw. Sekretariat des Politbüros zur Beschlußfassung vorgelegt werden.140
Das für die Länderkammer insoweit zuständige „Filterorgan“ war die Abteilung Staatliche Verwaltung im ZK der SED. 138 Gleichwohl wies Grotewohl in Verkennung der verfassungsrechtlichen Lage ausdrücklich darauf hin – er dachte wohl an den Fall, dass ein von der Länderkammer initiiertes Gesetz eine (Zufalls-)Mehrheit in der Volkskammer fand –, dass „[. . .] ein von der Länderkammer beschlossenes [entgegen Art. 81 Abs. 1 DDV, d. Vf.] Gesetz durch eine Minderheit von einem Drittel der Abgeordneten der Volkskammer zum Volksentscheid [Artt. 86 Abs. 1 i. V. m. 87 Abs. 1 DDV, d. Vf.] gestellt werden [kann]“, ders., Im Kampf um die einige DDR, Bd. I, S. 271. 139 „In der Praxis werden Gesetzesvorlagen im Regelfalle von der Regierung eingebracht. Die Entwürfe entstehen aber nicht in ihrem Schoße und in den Ministerien, sondern im Zentralkomitee der SED. Die Grundsätze werden in seinem Politbüro beschlossen [. . .]“, Mampel, Die Verfassung der SBZ, Art. 82 Erl. 1 b. 140 Anlage Nr. 5 („Richtlinien über die Fertigstellung von Regierungsvorlagen zur Entscheidung durch die zuständigen Organe des Parteivorstands“) zum Protokoll der Sitzung des Politbüros am 17. Oktober 1949 (Protokoll Nr. 57), in: Bundesministerium des Innern, Dokumente zur Deutschlandpolitik, II/2.2, Dok. Nr. 175A (S. 687 ff.).
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
4. Das Einspruchsrecht der Länderkammer gegen Gesetzesbeschlüsse der Volkskammer (Art. 78 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 84 DDV) Die Verfassung normierte in Art. 81 Abs. 1 DDV abschließend, dass Gesetze (nur) „[. . .] von der Volkskammer oder unmittelbar vom Volke durch Volksentscheid beschlossen“ werden konnten.141 Das nach der Verfassung wichtigste Recht der Länderkammer war das ihr gegen Gesetzesbeschlüsse142 der Volkskammer zustehende fakultative und suspensive Einspruchsrecht gem. Art. 78 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 84 DDV. Förmliche Zustimmung- oder Genehmigungsrechte der Länderkammer waren der Verfassung fremd. Die Systematik dieses Einspruchsrechts war nach dem Prinzip des aut-aut konzipiert; entweder die Länderkammer legte gegen das entsprechende Gesetz Einspruch ein oder nicht. War sie mit einem Gesetzesbeschluss der Volkskammer nicht einverstanden, konnte sie sich nur negativ äußern.143 Vor- bzw. zwischengeschaltete Instrumentarien zur Vermittlung zwischen Volks- und Länderkammer bzw. zur Einbringung von Abänderungsvorschlägen waren in der Verfassung nicht vorgesehen.144 Art. 84 Abs. 1 S. 1 DDV145 bestimmte, dass sich das Einspruchsrecht der Länderkammer gegen „Gesetzesbeschlüsse“146 zu richten hatte, eine Verabschiedung in der Volkskammer also schon stattgefunden haben musste.
141 Zur Durchbrechung dieser Verfassungsnorm durch die Verlagerung der Normsetzung auf den Ministerrat bzw. den 1960 geschaffenen Staatsrat [Gesetz über die Bildung des Staatsrates der [DDR] vom 12. September 1960, GBl. I S. 505 (1960)] ausführlich: Mampel, Die Verfassung der SBZ, Art. 81 Erl. 1 a ff.; Art. 91 Erl. 1 e und Lapp, Der Staatsrat im politischen System der DDR, passim. Zur Rechtssetzung der Regierung vgl. Brehme, SuR 1953, 592, passim, zu den einzelnen Formen insbesondere 592 (598 ff.). 142 Das Wort Gesetz – verstanden im formellen Sinne – nahm man wörtlich. Zu anderweitigen Rechtsetzungsakten, die nach der Verfassung entweder als formelles Gesetz hätten verabschiedet werden müssen oder genauso weitreichende Folgen hatten, nahm die Länderkammer nie Stellung. 143 Vgl. Schnorr, AöR 37 N.F. (1950/51), 259 (286). 144 Die einzige Möglichkeit der Länderkammer auf die Willensbildung der Volkskammer einzuwirken, waren die Rechte aus Art. 79 DDV. 145 Entspricht Art. 74 Abs. 1 WRV hinsichtlich des Reichsrats. 146 Eine Mitwirkung der Länderkammer in anderen Bereichen, etwa der Verwaltung, war von der Verfassung nicht vorgesehen; mittelbar war die Länderkammer über den Verfassungsausschuss bei etwaigen Streitigkeiten über die Ausführung der Republikgesetze durch die Länder beteiligt, vgl. Art. 116 Abs. 4 DDV.
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a) Einspruch gegen einfache Gesetze, Art. 78 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 84 Abs. 1 S. 1 DDV Der Einspruch der Länderkammer musste innerhalb von zwei Wochen nach der Schlussabstimmung in der Volkskammer eingebracht werden, Art. 84 Abs. 1 S. 2 DDV.147 Die Einspruchsfrist begann also ab der Schlussabstimmung in der Volkskammer zu laufen, nicht etwa ab Zugang der Mitteilung in der Länderkammer, wonach die Volkskammer ein Gesetz verabschiedet hatte.148 Wollte man die Zwei-Wochen-Frist also möglichst ungekürzt zu Beratungen über die Frage, ob man Einspruch einlege, zur Verfügung haben, mussten die Sitzungen der Länderkammer zeitnah nach den Abstimmungen in der Volkskammer stattfinden, was in der Praxis – zwar aus anderen Gründen, nämlich der Beschlussfassung, dass man von dem Einspruchsrecht keinen Gebrauch mache – auch geschah.149
147 Entspricht Art. 74 Abs. 2 WRV soweit, als dass der Reichsrat den Einspruch bei der Regierung einbringen musste. 148 In Zeiten der Provisorischen Länderkammer machte sich Präsident Lobedanz noch die Mühe das jeweilige Schreiben des Präsidenten der Provisorischen Volkskammer, Johannes Dieckmann (LDPD), zu Beginn der Beratungen zu verlesen. Statt vieler das Schreiben vom 9. November 1949: „Sehr geehrter Herr Präsident! Ich teile Ihnen mit, daß die Provisorische Volkskammer in Ihrer 5. Sitzung am 9. November 1949 das Gesetz [. . .] in der Anlage beigefügten Fassung beschlossen hat, und bitte über die Stellungnahme der Länderkammer gemäß § 84 [sic!] der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik“, vgl. PLK, 4. Sitzung am 10. November 1949, in: Protokolle, S. 20. 149 In den Zeiten des „Provisoriums“ (1949/50), in dem die Volkskammer häufiger zusammentrat, gab der Präsident der Länderkammer am Ende einer jeden Sitzung bekannt, wann die nächste Tagung der Volkskammer stattfinden wird, in der Gesetze verabschiedet werden. Wenn nicht auf denselben Tag, so terminierte der Präsident die Sitzungen der Länderkammer auf den der Tagung der Volkskammer folgenden Tag. Exemplarisch insoweit die Mitteilung an das Plenum anlässlich des Endes der 4. Sitzung der Provisorischen Länderkammer: „Ich kann Ihnen mitteilen, daß die Provisorische Volkskammer am 7. Dezember 1949 zu ihrer 6. Sitzung zusammentritt. Wir müssen daher damit rechnen, daß wir am Donnerstag, dem 8. Dezember 1949, zur 5. Sitzung zusammentreten“, vgl. PLK, 4. Sitzung am 10. November 1949, in: Protokolle, S. 24. Später trat die Volkskammer seltener zusammen:
Provisorische Volkskammer, 1949/50
Volkskammer (1. WP), 1950–1954
Volkskammer (2. WP), 1954–1958
21 Sitzungstage
50 Sitzungstage
36 Sitzungstage
Aufstellung nach Lapp, Die Volkskammer der DDR, S. 205. Der modus operandi der Terminierung der Länderkammersitzungen blieb der gleiche, vgl. dazu die Aufstellungen über die Gesetzgebungstätigkeit der Länderkammer im Anhang.
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
Die Begründung des Einspruchs gegenüber der Volkskammer musste spätestens innerhalb zweier weiterer Wochen erfolgen, Art. 84 Abs. 1 S. 2 a. E. DDV. aa) Die Fiktion des Art. 84 Abs. 1 S. 3 DDV Durch die Fiktion des Art. 84 Abs. 1 S. 3 DDV150 konnte die Länderkammer ihres Einspruchsrechts in drei Fällen verlustig gehen: (1) Unterlassen der Beschlussfassung ob des Gebrauchs des Einspruchsrechts; (2) Versäumung der Einspruchsfrist, Art. 84 Abs. 1 S. 2 DDV; (3) Versäumung der Einspruchsbegründungsfrist, Art. 84 Abs. 1 S. 2 a. E. DDV. Trat einer der oben genannten Fälle ein, konnte das Gesetz nach dem in Art. 85 Abs. 1 DDV vorgegebenen Verfahren ausgefertigt und verkündet werden. Der Länderkammer blieb zur Erreichung eines ihr genehmen Gesetzes dann nur von Ihrem Gesetzesinitiativrecht nach Art. 82 Abs. 1 S. 1 Var. 2 DDV Gebrauch zu machen, die Rechte aus Art. 79 Abs. 2 DDV151 wahrzunehmen, wobei das Gesetz dann meist schon in Kraft getreten wäre, der Versuch eine Abänderung zu erreichen insofern fehlschlüge, oder innerhalb einer Monatsfrist den Verfassungsausschuss anzurufen, Art. 85 Abs. 2 i. V. m. Art. 66 DDV. bb) Suspensive Wirkung des Einspruchs Dem Einspruch der Länderkammer kam nur aufschiebende Wirkung zu.152 Bei einfachen Gesetzen waren zur Überwindung des Einspruchs der Länderkammer durch die Volkskammer zwei Fälle zu unterscheiden. 150 „Andernfalls wird angenommen, daß die Länderkammer von ihrem Einspruchsrecht keinen Gebrauch macht“, Art. 84 Abs. 1 S. 3 DDV. 151 Siehe dazu ausführlich unten, Kap. 4 B. X. 152 Krahn, S. 29, bemerkt zu Art. 84 knapp: „Das Einspruchsrecht der Länderkammer ist nicht entscheidend. Die Volkskammer kann das beschlossene Gesetz jedesmal durch Aufrechterhaltung durchbringen.“ In diesem Sinne auch Polak: „Im Konfliktsfalle zwischen beiden Kammern aber hat die Volkskammer, als der Souverän, die letzte Entscheidung“, ders., Volk und Verfassung, S. 37; Schultes sieht darin die Wahrung des Vorrangs des unitarischen Prinzips gegenüber dem föderativen, vgl. ders., NJ 1949, 177 (182) und stellt ein nur suspensives Veto der Länderkammer der Einheit der Nation gegenüber, die allein von der Volkskammer repräsentiert werde, vgl. ders., NJ 1948, 249 (257). In einem Dokument, das als „Vorlesung des Genossen Willi Barth an der Parteihochschule ‚Karl Marx‘ am 21.10.1952“ überschrieben ist und das Thema „Die Arbeit der zentralen staatlichen Organe und ihr
B. Vorgaben durch Verfassung und Geschäftsordnungen
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(1) Einspruchsbeschluss der Länderkammer mit einfacher Mehrheit (Art. 84 Abs. 2 DDV) Art. 84 Abs. 2 DDV sah für den Regelfall153 folgendes Verfahren vor: Kam der Beschluss der Länderkammer über die Einlegung des Einspruchs nur mit einfacher Mehrheit zustande, konnte die Volkskammer durch Aufrechterhaltung ihres Beschlusses mit einfacher Mehrheit – wobei eine erneute Beratung verpflichtend war – den Einspruch hinfällig werden lassen, Art. 84 Abs. 2 DDV. In diesem Falle kam dem Einspruch der Länderkammer nur Appellfunktion dergestalt zu, die Volkskammer möge ihr Gesetzesvorhaben noch einmal überdenken. (2) Einspruchsbeschluss der Länderkammer mit qualifizierter Mehrheit (Art. 84 Abs. 3 DDV) Eine nach der Verfassung höhere Hürde zur Überwindung des Einspruchs der Länderkammer stellte Art. 84 Abs. 3 DDV dar. Diese Norm ging davon aus, dass der Einspruchsbeschluss der Länderkammer gegen das betreffende Gesetz mit einer qualifizierten Mehrheit von zwei Dritteln der abstimmenden Abgeordneten gefasst wurde. Hier nun musste die Volkskammer ihren Beschluss mit einer ebenso qualifizierten Mehrheit von zwei Dritteln der abstimmenden Abgeordneten aufrechterhalten, Art. 84 Abs. 3 Hs. 2 DDV. Gelang ihr das nicht, war das Gesetz gescheitert.
Verhältnis zu den örtlichen Staatsorganen bei der Durchführung der Beschlüsse von Partei u. Regierung“ zum Inhalt hatte, wird unter Punkt 3. „Die Rolle und Funktionen der Länderkammer [. . .]“ angemerkt: „Die [. . ..] Länderkammer [. . .] kann evtl. Einwendungen erheben, die aber niemals dazu führen können, dass das Gesetz als abgelehnt gilt.“ Letzterer Satz wurde von Barth handschriftlich korrigiert in: „[. . .] die von der Volkskammer berücksichtigt oder nicht berücksichtigt werden können“, vgl. SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/215, Bl. 130. Insofern gilt das von Apelt über den Reichsrat Gesagte, wonach dieser nicht viel mehr habe, als „[. . .] ein qualifiziertes Recht auf Gehör bei der Legislative [. . .]“, ders., Zum Begriff Föderalismus, S. 8. 153 Vgl. auch Art. 76 Abs. 1 DDV, wonach bei Abstimmungen in der Länderkammer die einfache Stimmenmehrheit genügte, soweit die Verfassung nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmte. Enthaltungen und Absenzen wurden also qua Verfassung ignoriert. Die Geschäftsordnung konkretisierte diese Vorschrift insoweit, als dass sie zur Beschlussfähigkeit die Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitgliederzahl forderte (§ 23 Abs. 1 GO-PLK bzw. § 19 Abs. 1 GO-LK). Instruktiv zum Begriff der Stimmenmehrheit – auch mit historischen Bezügen: Thiele, S. 306 ff.
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
b) Einspruch gegen verfassungsändernde Gesetze (Art. 78 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 84 Abs. 4 DDV) Oben untersuchte Vorschriften über das Verfahren im Allgemeinen galten auch bei verfassungsändernden Gesetzen. Modifiziert wurde durch Art. 84 Abs. 4 DDV das zur Einlegung des Einspruchs erforderliche Quorum. Richtete sich der Einspruch der Länderkammer gegen einen verfassungsändernden Gesetzesbeschluss der Volkskammer154, bedurfte die Beschlussfassung über den Einspruch in der Länderkammer bei Anwesenheit von mindestens zwei Dritteln der Abgeordneten einer Mehrheit von zwei Dritteln der Abstimmenden, Art. 84 Abs. 4 DDV. Verfassungsänderungen wurden von der Verfassung dadurch eher erleichtert, als erschwert.155 Nicht die Zustimmung zur Verfassungsänderung nämlich, sondern die Einlegung des Einspruchs bedurfte einer qualifizierten Zweidrittelmehrheit. Nach Art. 84 Abs. 5 DDV wurde dieser Einspruch hinfällig, wenn die Volkskammer ihren Beschluss mit der für Verfassungsänderungen vorgeschriebenen Mehrheit ihrer Abgeordneten aufrechterhielt, Art. 83 Abs. 2 DDV. Beschlüsse der Volkskammer auf Abänderung der Verfassung kamen nach dieser Vorschrift nur zustande, wenn zwei Drittel der Abgeordneten anwesend waren und wenigstens zwei Drittel der Anwesenden zustimmten. Den fortlaufenden Änderungen der materiellen Staatsverfassung standen Zeit des Bestehens der Länderkammer lediglich zwei Verfassungsänderungen gegenüber.156 154
Das Verfahren der Verfassungsänderung in der Volkskammer gem. Art. 83 Abs. 2 DDV verlangte eine Anwesenheit von Zweidritteln der Abgeordneten (nach Art. 52 Abs. 3 S. 1 DDV bestand die Volkskammer aus 400 Abgeordneten – ohne Berliner Vertreter, Zweidrittel davon entsprechen 267 Abgeordneten) und eine Zustimmung von wenigstens Zweidritteln der anwesenden Abgeordneten (2/3 von 267 = 178 Abgeordnete) zu dem entsprechenden Gesetz. Damit konnte mit einem Quorum, das nicht einmal die absolute Mehrheit der Sitze darstellte, ein verfassungsänderndes Gesetz auf den Weg gebracht werden. 155 Vgl. Mampel, Deutsche Fragen 2 (1959), 21; o. A., AöR 36 N.F. (1949), 452 (462). 156 Die erste Verfassungsänderung normierte das Gesetz zur Ergänzung der Verfassung vom 26. 10. 1955, GBl. I S. 653 (1955), als Vorfeldmaßnahme zur Gründung der Nationalen Volksarmee und des Ministeriums für Nationale Verteidigung, vgl. dazu auch Zieger, DÖV 1958, 693 (694). Staatssekretär Geyer, der dieses Gesetz vor der Länderkammer begründete, zeigte auch hier ein sonderbares Verfassungsverständnis, wohl um – falls wider Erwarten erforderlich – nicht auf die höheren Hürden für eine Verfassungsänderung angewiesen zu sein: „Durch das Gesetz, das, wie schon sein Name sagt, ein Gesetz zur Ergänzung, nicht zur Änderung der Verfassung ist, soll diese Lücke [das Fehlen von Bestimmungen über den „Schutz des Vaterlandes“, d. Vf.] in unserer Verfassung nunmehr geschlossen werden [. . .]“,
B. Vorgaben durch Verfassung und Geschäftsordnungen
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VIII. Wahl des Präsidenten der Republik Nach Art. 101 Abs. 1 DDV war die Länderkammer gemeinsam mit der Volkskammer an der Wahl des Präsidenten der Republik157 beteiligt.158 Die gemeinsame Sitzung hatte der Präsident der Volkskammer einzuberufen und zu leiten, Art. 101 Abs. 1 S. 2 DDV.159 Da gem. Art. 52 Abs. 3 S. 1 DDV die Volkskammer aus 400 Abgeordneten160 bestand, die Länderkammer lediglich aus 34 Abgeordneten161, ab der 1. Wahlperiode aus 50 Abgeordneten162, war man von einem paritätischen Einfluss weit entfernt. An der Wahlhandlung zum – einzigen163– Präsidenten der Republik, Wilhelm Pieck, wirkte die Länderkammer 1949164, 1953165 und 1957166 mit. Der gevgl. LK (2. WP), 3. Sitzung am 27. September 1955, in: Protokolle, S. 31. Die Länderkammer beschloss einstimmig, keinen Einspruch einzulegen, ebd., S. 32. Die zweite formelle Verfassungsänderung betraf das Gesetz über die Auflösung der Länderkammer der [DDR] vom 8. Dezember 1958, GBl. I S. 867 (1958); anlässlich ihrer Auflösung verzichtete die Länderkammer auch hier auf die Einlegung eines Einspruchs. 157 Zur Stellung des Präsidenten der Republik als Staatsoberhaupt und zur Vereinbarkeit mit dem nach der Verfassung höchsten Organ der Republik (Art. 50 Abs. 1 DDV), der Volkskammer, Mampel, Die Verfassung der SBZ, vor Art. 101 Erl. 3 f. 158 Die „Thesen zu einer neuen Reichsverfassung“ der CDU vom 15. Juni 1946 sahen unter Punkt 7 die alleinige Wahl des „Reichspräsidenten“ von einem zu bildenden „Ländertag“ vor, abgedruckt bei Börner, S. 87 f. Der Verfassungsentwurf der SED vom November 1946 betraute durch Art. 50 den Präsidenten der Volkskammer mit den „[. . .] Obliegenheiten eines Staatsoberhauptes [. . .]“, abgedruckt in: Grotewohl, Deutsche Verfassungspläne, S. 99 f. 159 Für gemeinsame Sitzungen der Volks- und Länderkammer galt die Geschäftsordnung der Volkskammer, § 11 GO-PLK bzw. § 10 GO-LK. 160 Zuzüglich 66 Berliner „Beobachter“. 161 Zuzüglich 7 Berliner „Beobachter“, vgl. Artt. 2, 4 des Gesetz[es] über die Bildung einer Provisorischen Länderkammer der [DDR], GBl. S. 3 (1949). 162 Zuzüglich 13 Berliner „Beobachter“, vgl. Art. 1 des Gesetz[es] über die Zusammensetzung der Länderkammer der [DDR], GBl. S. 1135 (1950). 163 Nach dem Tode Piecks am 7. September 1960 wurde als kollektives Staatsoberhaupt der Staatsrat gebildet und die Bestimmungen der Verfassung über den Präsidenten der Republik entsprechend modifiziert, vgl. das Gesetz über die Bildung des Staatsrates der [DDR], GBl. I S. 505 (1960); vgl. zum Staatsrat ausführlich: Lapp, Der Staatsrat im politischen System der DDR, passim. 164 Vgl. PLK, 2. Sitzung (gemeinsam mit der Volkskammer) am 11. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 8. 165 Vgl. LK (1. WP), 14. Sitzung (gemeinsam mit der Volkskammer) am 7. Oktober 1953, in: Protokolle, S. 201. 166 1957 beschloss man von „[. . .] einer formalen Neu- oder Wiederwahl des Staatsoberhauptes Abstand zu nehmen und statt dessen die Verlängerung der Dauer der Amtszeit des Präsidenten der Republik vorzuschlagen“, vgl. LK (2. WP), 15. Sitzung (gemeinsam mit der Volkskammer) am 7. Oktober 1957, in: Protokolle, S. 205. Pieck wurde damit in absentia wiederbestellt.
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
wählte Präsident hatte bei seinem Amtsantritt vor der gemeinsamen Sitzung der Volks- und Länderkammer einen Eid zu leisten, Art. 102 Abs. 1 DDV. Der Präsident der Republik wurde im Falle seine Verhinderung bzw. einer vorzeitigen Erledigung der Präsidentschaft vom Präsidenten der Volkskammer vertreten, Art. 108 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 DDV. Im Falle längerer Verhinderung sollte die Vertretung durch Gesetz erfolgen, Art. 108 Abs. 1 S. 2 DDV. Der Präsident der Länderkammer stand damit protokollarisch wohl nach dem Präsidenten der Republik, dem Präsidenten der Volkskammer und dem Ministerpräsidenten erst an vierter Stelle.167 Der Präsident der Republik konnte nach Art. 103 Abs. 1 S. 1 DDV durch „[. . .] gemeinsamen Beschluß der Volkskammer und Länderkammer abberufen werden.“ Der Beschluss bedurfte einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Anzahl der Abgeordneten, Art. 103 Abs. 1 S. 2 DDV, so dass die im Vergleich zur Volkskammer geringe Abgeordnetenzahl der Länderkammer sich auch hier schwächend auswirkte. Durch die jeweils einstimmige Akklamation des Präsidenten der Republik waren diese Vorschriften in der Praxis allerdings bedeutungslos.
IX. Der Verfassungsausschuss Als der Volkskammer immanentes „Verfassungsgericht“ wurde ein Verfassungsausschuss gebildet168, Art. 66 Abs. 1 S. 1 DDV169, der allerdings 167 Die Siegelordnung der [DDR] vom 28. Mai 1953, GBl. S. 830 (1953), führte in § 3 Abs. 1 lit. c den Präsidenten der Länderkammer an dritter Stelle. Zur späteren Protokollordnung der DDR, in der der Erste Sekretär bzw. ab 1976 der Generalsekretär des ZK der SED den ersten Rang einnahm und selbst Mitglieder des Ministerrats den Mitgliedern und Kandidaten des ZK nachgeordnet waren, vgl. Wenzel, ZdF 16 (2004), 132, passim. 168 Als Konzession an die bürgerlichen Parteien, die noch der klassischen Gewaltenteilungslehre anhingen, vgl. zur Entstehungsgeschichte ausführlich Travers, S. 212 ff. Für die marxistische Staatstheorie ist es undenkbar, dass sich neben dem Parlament als Träger der unbeschränkten Volkssouveränität eine davon verschiedene richterliche Gewalt erhebt, da „[. . .] diese letzte Instanz den Gemeinwillen und den Individualwillen in sich schließt [Identitätsdenken, statt Repräsentationsdenken, d. Vf.], und weil sie – von dieser Konstruktion her gesehen – sich weder gegen das Gemeinwohl noch gegen das Individualwohl vergehen kann“, Schneider, Prinzipen des totalitären Staats- und Rechtsdenkens, S. 15 f. Auch Grotewohl wandte sich scharf gegen eine unabhängige Verfassungsgerichtsbarkeit. Eine solche, von ihm als „[. . .] Verfassungsmacherei [. . .]“ geschmähte Gewalt, sei der „[. . .] geschworene Gegner alles politischen, gesellschaftlichen und sozialen Fortschritts“, ders., Im Kampf um die einige DDR, Bd. I, S. 275 f. Mampel spricht im Hinblick auf den Verfassungsausschuss davon, dass das Vorhandensein dem Drängen der nicht kommunistischen Parteien zu verdanken, dennoch nur „[. . .] ein kleines Plus gegenüber dem Nichts“ sei, Mampel, Die Verfassung der SBZ, Art. 67 Erl. 3.
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nur gutachterlich tätig werden konnte, Art. 66 Abs. 6 S. 1 DDV. Sein Vorbild hat diese Vorschrift in Art. 60 Abs. 3 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt170 vom 10. Januar 1947, der auf einen Antrag der CDU-Fraktion des Landtages zurückging, die ursprünglich die Einrichtung eines Staatsgerichthofes forderte.171 Art. 60 Abs. 3 der sachsen-anhaltinischen Verfassung lautete: Ordnungsgemäß verkündete Gesetze sind für jeden Richter bindend. Er hat über ihre Verfassungsmäßigkeit nicht zu entscheiden. Wird die Verfassungsmäßigkeit eines ordnungsgemäß verkündeten Gesetzes angezweifelt so können die Einwendungen [also von Jedermann, d. Vf.] an das Präsidium des Landtages gerichtet werden. Der Rechts- und Verfassungsausschuß nimmt unter Hinzuziehung des Präsidenten des Oberlandesgerichts, des Oberverwaltungsgerichts und des Dekans der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Halle (Saale) als Sachverständige dazu Stellung und unterbreitet dem Landtag seine Anträge zur Beschlußfassung.
Im Verfassungsausschuss waren alle Fraktionen der Volkskammer entsprechend ihrer Stärke172 vertreten, Art. 66 Abs. 1 S. 1 a. E. DDV. Ferner, Art. 66 Abs. 1 S. 2 DDV, gehörten diesem Verfassungsausschuss drei Mit169 Weitere Normierungen in der Verfassung finden sich in den Artt. 4 Abs. 1, 85 Abs. 1 u. 2, 89 Abs. 1 u. 2, 116 Abs. 3 u. 4 DDV; vgl. auch § 17 Abs. 1 lit. a GO-VK. 170 Abgedruckt in: Schultes, Der Aufbau der Länderverfassungen in der SBZ, S. 79 ff. 171 Ulbricht schrieb dazu: „Im Provinzlandtag von Sachsen-Anhalt [dem Ulbricht seinerseits angehörte, d. Vf.] wurden fast alle Artikel der Verfassung gemeinsam von SED und LDP angenommen. Nur die CDU hielt es unter dem Einfluß großkapitalistischer Kräfte für notwendig, die Schaffung eines Staatsgerichtshofs zu fordern, das heißt, sie versuchte die Rechte des Parlaments zu beschneiden“, ders., Die Entwicklung des deutschen volksdemokratischen Staates, S. 110; und weiter: „Diese fortschrittliche, demokratische Ordnung unterscheidet sich grundsätzlich von der formal-demokratischen Ordnung früherer Jahrzehnte, in der die Rechte des Parlaments durch die Verwaltung und die Justiz eingeschränkt wurden. In der fortschrittlich demokratischen Ordnung ist das Parlament das höchste Machtorgan des werktätigen Volkes“, ebd., S. 111. Zur Diskussion um eine Verfassungsgerichtsbarkeit in den Ländern der SBZ umfassend Braas, S. 183 ff. An der Forderung eines Staatsgerichtshofes hielt die LDPD fest, vgl. Liberal-Demokratische Partei Deutschlands, Diskussionsunterlagen zum Verfassungsentwurf des Deutschen Volksrates, S. 20. Zur Ablehnung einer Judikative als eigene Gewalt, vgl. die Ausführungen von Polak: „Nicht zu Unrecht wurde in der Zeit der Weimarer Republik gesagt, das Reichsgericht sei die ‚Zweite Kammer‘, die sowohl in ihrer reaktionären Ausrichtung als auch in der Machtposition, die sie sich anmaßte, das englische Oberhaus fast noch übertraf“, ders., Einheit 1946, 385 (393). 172 Gegen eine paritätische Beteiligung wandte sich Grotewohl entschieden, da sonst „[. . .] die Entscheidung über einen Verfassungsstreit in die Hand eines Gremiums gelegt wird, das dem Volkswillen nicht entspricht“, vgl. VerfA, 14. Sitzung am 2. März 1949, in: BArch, DA 1/158, Bl. 92.
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
glieder des Obersten Gerichtshofes der Republik173, sowie drei deutsche Staatsrechtslehrer an, die nicht Mitglied der Volkskammer sein durften.174 Die Mitglieder des Verfassungsausschusses wurden von der Volkskammer gewählt, Art. 66 Abs. 2 DDV. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen175 der Republik konnten von einem Drittel der Mitglieder der Volkskammer, von deren Präsidium, von dem Präsidenten der Republik, sowie von der Länderkammer geltend gemacht werden, Art. 66 Abs. 4 DDV. Bei Verfassungsstreitigkeiten zwischen der Republik und den Ländern – über die Vereinbarkeit von Landesgesetzen mit Gesetzen der Republik, ferner bei Streitigkeiten über die Ausführung der Gesetze durch die Länder, Art. 116 Abs. 4 DDV – wurde der Verfassungsausschuss um drei gewählte Vertreter der Länderkammer erweitert, Art. 66 Abs. 5 DDV. Der Einwand der LDPD während der Verfassungsberatungen, es ergebe sich nicht aus der Verfassung, ob die Vertreter der Länderkammer lediglich beratende oder auch beschließende Stimme hätten176, darf wohl zugunsten letzterem entschieden werden. Eine weitere aus dem Verfassungstext allein nicht zu beantwortende Frage, ob nur Abgeordnete der Länderkammer als Ausschussmitglieder in Frage kamen oder Bevollmächtigte zulässig waren, ist dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Norm nicht zu entnehmen. Systematische Stellung, Art. 66 Abs. 5 DDV, Wortlaut („[. . .] unter Hinzuziehung [. . .]“), sowie Telos dieser Norm ergeben zunächst, dass die Vertreter der Länderkammer im Verfassungsausschuss auch von dieser und nicht von der Volkskammer, vgl. Art. 66 Abs. 2 DDV, zu wählen waren. Da nicht von „Abgeordneten“ der Länderkammer die Rede ist, wie in Art. 71 Abs. 1 S. 1 DDV, spricht vieles dafür, dass die zu wählenden „Vertreter“ der Länderkammer nicht Mitglieder dieses Verfassungsorgans sein mussten, insofern eine Bevollmächtigung zulässig war. 173
Der Oberste Gerichtshof war ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, Art. 126 Abs. 1 DDV. Die von Art. 138 Abs. 1 DDV vorausgesetzte Verwaltungsgerichtsbarkeit gab es nur – bis zur Abschaffung der Länder 1952 – auf Länderebene, dazu umfassend: Hoeck, S. 129 ff. und zur Revision der territorialen Verwaltungsstrukturen nach dem „Demokratisierungsgesetz“ ebd., S. 157 ff. 174 Eine Auflistung der Mitglieder (für die zweite Wahlperiode der Volkskammer insg. 23) findet sich in: Volkskammer der DDR, Handbuch der Volkskammer, S. 163. 175 Die Entscheidung, ob eine Regierungs- oder Verwaltungsmaßnahme wider die Verfassung ist, oblag der Volkskammer allein, vgl. Art. 66 Abs. 8 DDV, d. h. ohne Beteiligung des Verfassungsausschusses. 176 Vgl. Liberal-Demokratische Partei Deutschlands, Diskussionsunterlagen zum Verfassungsentwurf des Deutschen Volksrates, S. 19 f.
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Durch diese Erweiterung des Verfassungsausschusses bei Republik–Länder-Streitigkeiten glaubte Steiniger eine Bundesexekution, wie sie das Bonner Grundgesetz in Art 37 vorsieht, entbehrlich gemacht zu haben.177 Über das Gutachten des Verfassungsausschusses hatte die Volkskammer zu entscheiden178, deren Beschluss für jedermann verbindlich war, Art. 66 Abs. 6 DDV. Sie setzte auch die Art des Vollzuges dieser Entscheidung fest, Art. 66 Abs. 7 DDV. Bei einer Gesamtmitgliederzahl des Verfassungsausschusses der Volkskammer von 23, einschließlich der drei Mitglieder des Obersten Gerichtshofes und der drei Staatsrechtslehrer, kann der Einfluss der drei Vertreter der Länderkammer bei einer etwaigen Republik–Länder-Streitigkeit leicht abgeschätzt werden. Nach der Auflösung der Länder im Jahr 1952 waren Verfassungsstreitigkeiten zwischen der Republik und den Ländern ebenso unmöglich geworden, wie Ungewissheiten über die Vereinbarkeit von Landesgesetzen mit denen der Republik, da Landesrecht nach Gründung der DDR nicht mehr gesetzt wurde.179 Der Verfassungsausschuss ist Zeit seines Bestehens nie von einer dazu befugten Stelle angerufen worden; die Vorschriften die ihn normierten waren insoweit bedeutungslos.180 Dies ist ob der tiefgreifenden Veränderungen, die das Verfassungsrecht und die Staatorganisation erfuhren, bemerkenswert, zeigt aber die für eine Diktatur typische Konzentration der staatlichen Macht in einer Hand.
X. Organübergreifende Mitwirkungs-, Rede- und Kontrollrechte Die geringe Bedeutung, die man der Länderkammer im Verfassungsgefüge beimaß, zeigt die verfassungsrechtliche Ausgestaltung des verfah177
Vgl. Travers, S. 219. Der Beschluss erfolgte auch hier mit Stimmenmehrheit, Art. 61 Abs. 1 DDV. 179 Vgl. Mampel, Die Verfassung der SBZ, Art. 66 Erl. 4; Die einzigen Ausnahmen stellten insoweit die Ausführungsgesetze zum „Demokratisierungsgesetz“ dar, sämtlich vom 25. Juli 1952: GVBl. des Landes Brandenburg I S. 15, RBl. für Mecklenburg S. 61, GVBl. Sachsen S. 325, Gesetz- und Amtsblatt des Landes Sachsen-Anhalt S. 213, RBl. für das Land Thüringen I S. 177. 180 Drath, Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit, S. 9, 15; Mampel, Die Verfassung der SBZ, Art. 66 Erl. 6. Diesen Umstand erkannte man auch anlässlich der Arbeiten an einer neuen DDR-Verfassung im Rahmen des „Zentralen Runden Tisches“ in den Wendejahren. So schrieb Schöneburg in einer Ausarbeitung für den Runden Tisch im Dezember 1989: „Nachdem der Art. 66 der Verfassung von 1949 niemals Wirklichkeit wurde [. . .] ist die Einrichtung eines Verfassungsgerichtshofes unausweichlich“, ders., Grundsätze für eine neue Verfassung der DDR, in: BArch, DA 3/36, Bl. 28. 178
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
rensmäßigen Kontaktes unter den verschiedenen Verfassungsorganen, insbesondere zwischen Volks- und Länderkammer.181 Eine Bestimmung etwa, wonach die Länderkammer über die Regierungsgeschäfte auf dem Laufenden zu halten war, fehlte gänzlich.182 Das Prinzip der Gewaltenkonzentration, und zwar in der Hand der führenden Partei, bedingte, dass vermeintlich überkommene Formen des Zusammenwirkens unterschiedlicher Verfassungsorgane nicht beachtet wurden. Ein System gegenseitiger Kontrolle zur Herstellung wenigstens eines partiellen Gleichgewichts zwischen den Verfassungsorganen war der Verfassung fremd. Vielmehr erfolgte eine „Verständigung“ auf informellen Wegen, letztlich in Form von Weisungen. 1. Teilnahmebefugnis und Teilnahmepflicht der Mitglieder der Regierungen (Art. 79 Abs. 1 DDV) Art. 79 Abs. 1 DDV, der in seinem Wortlaut Art. 65 Abs. 1 S. 2 WRV entlehnt ist, unterstrich die nach der Verfassung vorgesehene Beteiligung der Länderkammer an der Willensbildung der Republik und statuierte das Recht, daran in den bestehenden Schranken mitzuwirken. a) Teilnahmebefugnis Art. 79 Abs. 1 S. 1 DDV erlaubte den Mitgliedern der Regierung der Republik und der Landesregierungen die Teilnahme an den Verhandlungen der Länderkammer und ihrer Ausschüsse. Nach Art. 91 Abs. 1 DDV bestand die Regierung der Republik aus dem Ministerpräsidenten und den Ministern.183 Der Kreis der teilnahmeberechtigten Personen wurde entgegen dem 181
Vgl. dazu Maunz, Deutsches Staatsrecht, § 42 III 2 (S. 313 f.). Anders in Art. 67 Abs. 1 S. 1 WRV und im heutigen Art. 53 S. 3 GG. 183 Während der Verfassungsarbeiten waren noch Staatssekretäre als Regierungsmitglieder vorgesehen, was durch eine Aussprache Grotewohls mit Polak korrigiert wurde, vgl. VerfA, 11. Sitzung am 27. September 1948, in: BArch, DA 1/155, Bl. 9, sowie VerfA, 12. Sitzung am 8. Oktober 1948, in: BArch, DA 1/156, Bl. 10. Die Schaffung des Ministerrates als dem „[. . .] höchste[n] vollziehende[n] und verfügende[n] Organ der Staatsgewalt [. . .]“, § 1 Abs. 1 S. 2 des Gesetz[es] über den Ministerrat der [DDR] vom 16. November 1954, GBl. S. 915 (1954), der, entgegen den verfassungsrechtlichen Vorgaben, gem. § 2 Abs. 1 dieses Gesetzes auch „Staatssekretäre mit eigenem Geschäftsbereich“ und verschiedene Leiter von Plankommissionen sowie den Präsidenten der Notenbank als Mitglieder mit vollem Stimmrecht umfasste und das von der Verfassung als „Regierung der Republik“ bezeichnete Organ personell und funktional erweiterte, bewirkte hier ein Änderung. Mampel spricht wenigsagend – bei der allgegenwärtigen Diskrepanz zwischen gesetzlicher Regelung und praktischer Handhabung verständlich – von einem „[. . .] Wandel von der Regierung im herkömmlichen Sinn zu einem Organ der Volksdemokratie“, ders., 182
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früheren Art. 65 Abs. 1 S. 2 WRV auf die Mitglieder der Landesregierungen erweitert.184 Die Geschäftsordnungen der Länderkammer erlaubten über diesen Kreis hinaus bei Bedarf die Heranziehung von Sachverständigen an den Ausschusssitzungen, § 9 Abs. 3 GO-PLK bzw. § 8 Abs. 3 GO-LK. Ob der Begriff „Verhandlungen“ in Art. 79 Abs. 1 S. 1 DDV auch das Recht zur Teilnahme an den die Verhandlungen im Plenum vorbereitenden Sitzungen des Präsidiums umfassen sollte, war aufgrund der Verfassungsrealität bedeutungslos. Allein die Tatsache, dass ein gemeinsames Sekretariat mit der Volkskammer bestand, das als einseitiges Kontrollorgan fungierte und dessen Leiter – Zeit des Bestehens der Länderkammer Wilhelm Koenen (SED) – gem. § 3 Abs. 2 S. 2 GO-LK an den Sitzungen des Präsidiums der Länderkammer teilnahm, ergab eine umfassende Information der Regierung aus diesem Kreis. b) Teilnahmepflicht aa) Zitationsrecht Durch Beschluss185 der Länderkammer („[. . .] auf Verlangen [. . .]“), Art. 79 Abs. 1 S. 1 DDV, konnte diese von ihrem Zitationsrecht Gebrauch machen und Mitglieder der Regierung der Republik und der Landesregierungen verpflichten, an den Verhandlungen der Länderkammer und ihrer Ausschüsse teilzunehmen. Von diesem Recht wurde nie Gebrauch gemacht.186
Die Verfassung der SBZ, Art. 91 Erl. 1 c; vgl. auch Maunz, Deutsches Staatsrecht, § 41 I (S. 308 f.); vgl. zur neuen Rolle des Ministerrates aus Sicht der DDR-Staatswissenschaft: Schulze/Leichtfuß, SuR 1955, 275 (277 ff.), die dem Ministerrat durch die neue Arbeitsweise eine „[. . .] größere operative Beweglichkeit [. . .]“ zuschreiben. Zum Ministerrat der DDR ausführlich: Lapp, Der Ministerrat der DDR, passim und Richert, Macht ohne Mandat, S. 23 ff. 184 Die Regierung in den Ländern bestand in allen Verfassungen aus dem Ministerpräsidenten und den Ministern. 185 Vgl. Art. 76 Abs. 1 DDV. 186 Obwohl man sich dieses Rechts – in den Zeiten der Provisorischen Länderkammer wenngleich, als man sich noch ein gewisses Selbstbewusstsein zugestand – durchaus bewusst war. So wies Lobedanz in einer der jüngeren Präsidiumssitzungen darauf hin, dass auf Verlangen die zuständigen Regierungsmitglieder an den Beratungen der Länderkammer teilnehmen müssten; am heutigen Tage allerdings sei man übereingekommen, dass sich die Betreffenden auf Abruf bereithielten, vgl. Präsidium PLK, 4. Sitzung am 10. November 1949, BArch, DA 2/79, Bl. 19.
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
bb) Auskunftspflicht Die mit diesem Zitierungsrecht denklogisch einhergehende Auskunftspflicht der Mitglieder der Regierungen wurde Zeit des Bestehens der Länderkammer nur einmal genutzt. Anlässlich der Begründung des Gesetzes über Erlass von Schulden und Auszahlung von Guthaben an alte und arbeitsunfähige Bürger der [DDR]187 vom 8. September 1950 durch den Minister der Finanzen Hans Loch (LDPD), richtete der Abg. Enke (CDU) die Frage an den Minister, ob dieses Gesetz auch für ehemalige Einwohner Westberlins gelte, die Berlin als Evakuierte verlassen mussten und nun im Raum der DDR lebten. Ob der „[. . .] etwas unklaren Ausführungen [. . .]“ allerdings, wollte der Minister „[. . .] diese Frage jetzt nicht beantworten, ohne daß sie mir schriftlich gestellt wird.“188 cc) Rederecht Mit dem Zitationsrecht korrespondierend gab Art. 79 Abs. 1 S. 2 DDV den Mitgliedern der Regierungen, die an den Verhandlungen der Länderkammer oder ihren Ausschüssen teilnehmen konnten, das Recht zur Rede. Dieses war allerdings auf den „[. . .] zur Verhandlung stehenden Gegenstand [. . .]“ limitiert. Das entsprechende Regierungsmitglied konnte von diesem Recht jederzeit Gebrauch machen, eine insoweit beschränkend wirkende Rednerfolge189 hätte für diese nach der Verfassung somit privilegierten Redner entsprechend geändert werden müssen.190 Die Geschäftsordnung der Regierung der [DDR] vom 20. Oktober 1949 sah in § 17 Abs. 4 GOReg. allerdings eine im Innenverhältnis verpflichtende – freilich nicht unübliche – Beschränkung für dissentierende Regierungsmitglieder vor: Die von der Regierung beschlossenen Vorlagen sind in der Volks- und Länderkammer einheitlich zu vertreten, auch wenn einzelne Ministerien eine andere Auffassung gehabt haben; gegen die Auffassung der Regierung zu wirken, ist allen unmittelbar und mittelbar beteiligten Regierungsangestellten untersagt.191 187
PLK, Drucksachen, Drs. Nr. 41 (S. 207). Vgl. PLK, 15. Sitzung am 8. September 1950, in: Protokolle, S. 132. 189 Die Folge der Redner bestimmte der Präsident, vgl. § 17 Abs. 1 GO-PLK bzw. nach der überarbeiteten Geschäftsordnung von 1955 das Präsidium, § 14 Abs. 1 GO-LK, nach der Reihenfolge ihrer Wortmeldung. 190 Vgl. auch die Konkretisierung in § 18 Abs. 1 GO-PLK: „Auf Verlangen müssen die Regierungsvertreter zu Gegenständen der Tagesordnung während der Beratung auch außerhalb der Rednerfolge gehört werden.“ So auch § 14 Abs. 3 GO-LK. Des Weiteren konnten die Regierungsvertreter auf Verlangen das Protokoll der Sitzung einsehen und nötigenfalls berichtigen lassen, § 6 Abs. 3 GO-PLK bzw. § 6 Abs. 2 GO-LK. 188
B. Vorgaben durch Verfassung und Geschäftsordnungen
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2. Redebefugnis beauftragter Abgeordneter der Volks- und Länderkammer und beauftragter Mitglieder der Landesregierungen (Art. 79 Abs. 2 DDV) Neben den oben genannten Regierungsmitgliedern konnten auch Abgeordnete der Volks- und der Länderkammer selbst in dem jeweils anderen Organ ihre Meinung darlegen. Nach der Verfassungsstruktur hätte dieses Verfahren die Regel sein müssen, da andere organübergreifende Kontroll-, Informations- und Konsultationsmechanismen nicht gegeben waren. Dieses Recht war mehreren – nachfolgenden – Voraussetzungen unterworfen. a) Das Erfordernis des besonderen Anlasses Zunächst musste ein „[. . .] besondere[r] Anlass [. . .]“, Art. 79 Abs. 2 S. 1 DDV, bestehen, der das Recht zur Darlegung der Meinung im jeweils anderen Organ rechtfertigte. Was damit gemeint war, kann der Staatspraxis nicht entnommen werden, da ein von Art. 79 Abs. 2 S. 1 DDV beschriebener Fall nie eingetreten ist; Disharmonie zwischen Volks- und Länderkammer hat es nie gegeben. Aufgrund der Entwicklungsgeschichte der Norm liegt die Vermutung nahe, dass man mit dieser Vorschrift den vormals angedachten Schlichtungsausschuss192 in rudimentärer, stark beschnittener Form, aufrechterhalten wollte. Demnach wäre ein solch besonderer Anlass bei drohender Gebrauchmachung des Einspruchsrechts gem. Art. 84 Abs. 1 S. 1 DDV seitens 191 Geschäftsordnung der Regierung der [DDR] vom 20. Oktober 1949, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2/51. Für den Dienstverkehr der Regierung mit der Länderkammer galt die Dienstordnung der Regierung der [DDR] vom 3. November 1949, in: SAPMO-BArch, DY 30 IV 2/2/51, abgedruckt in: MinBl. S. 3 (1950). Diese Dienstordnung normierte die entsprechende Anwendung der Vorschriften, die für die Volkskammer galten auch für die Länderkammer (§ 96 DO); in § 92 DO hieß es dann schlicht: „Das Verhältnis der Regierung zur [Länderkammer] wird durch die Verfassung [. . .] bestimmt.“ Durch einen mit Beschluss des Präsidiums der Länderkammer erteilten Auftrag, konnte einzelnen Abgeordneten der Länderkammer Einsicht in die Akten der Regierung gewährt werden, § 94 Abs. 1 DO. 192 Vgl. Travers, S. 368 Anm. 21. Sein Vorbild hatte solch ein Schlichtungsausschuss wohl in Art. 47 S. 1 der Verfassung der UdSSR („Stalin-Verfassung“) vom 5. Dezember 1936, abgedruckt in: o. A., Die Stalinsche Verfassung, S. 50 ff., hier S. 60: „Im Falle einer Meinungsverschiedenheit zwischen dem Sowjet der Union und dem Sowjet der Nationalitäten wird die Frage einer von den Kammern paritätisch gebildeten Schlichtungskommission zur Entscheidung überwiesen.“ Zu dieser Verfassung vgl. auch: Melsheimer, NJ 1949, 299, passim und Koellreutter, § 52 (S. 287 ff.).
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
der Länderkammer gegen ein Gesetzesvorhaben der Volkskammer denkbar gewesen.193 Über die Auslegung des Merkmals des besonderen Anlasses musste und konnte wohl letztlich das jeweilige Organ selbst entscheiden. Eine rechtliche Überprüfbarkeit gab es hingegen nicht, da der Verfassung ein Organstreitverfahren fremd war.194 b) Abgeordnetenstellung und Beauftragung Eine weitere Voraussetzung für dieses Verfahren war die Abgeordneteneigenschaft des jeweilig Beauftragten. Art. 79 Abs. 2 S. 1 DDV spricht insoweit von „[. . .] Abgeordnete[n] aus ihrer Mitte [. . .]“. Damit ist gleichzeitig normiert, dass jeder Abgeordnete für dieses Verfahren potentiell in Frage kam, man sich in praxi wohl aber auf Abgeordnete der Mehrheitsfraktion hätte beschränken müssen, da für die Darlegung nur die „[. . .] Meinung der Volkskammer [. . .]“195, also die Mehrheitsmeinung in Frage kam. Der in die andere Kammer Entsandte war also an die durch Mehrheitsbeschluss festgelegte Auffassung des jeweiligen Organs gebunden und insofern in seinen Darlegungen nicht frei. Von dem Erfordernis der Abgeordnetenstellung war die Länderkammer durch eine Ausnahme befreit. Sie hatte das Recht gegebenenfalls Mitglieder der Landesregierungen zu beauftragen, den Standpunkt ihrer Regierung in der Volkskammer darzulegen, Art. 79 Abs. 2 S. 2 DDV.196 Diese Vorschrift setzte voraus, dass sich die Auffassung der entsprechenden Landesregierung mit der der Länderkammer deckte. In bestimmten Bereichen konnte man 193 So auch der entstehungsgeschichtliche Hintergrund dieser Vorschrift, vgl. die Ausführungen Polaks während der Arbeiten an der Verfassung, die darauf zielten, mit Einfügung dieser Vorschrift gerade den Fall eines drohenden Einspruchs zu vermeiden, VerfA, 11. Sitzung am 27. September 1948, in: BArch, DA 1/155, Bl. 33. 194 Die Paulskirchenverfassung hingegen kannte – erstmals in dieser Art – in § 126 lit. b das Reichsgericht als Entscheidungsinstanz über „[. . .] Streitigkeiten zwischen dem Staatenhause und dem Volkshause unter sich und zwischen jedem von ihnen und der Reichsregierung [. . .]“, vgl. dazu: Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. II, S. 834. Der WRV war ein Organstreitverfahren zwischen Reichsorganen fremd, vgl. Art. 19 Abs. 1 WRV, dazu: Stern, StR II, § 44 IV 4 (S. 979); ders., StR V, § 126 V 3 d) (S. 256 f.). Zur historischen Entwicklung des Organstreitverfahrens in Deutschland: Kau, S. 330 ff. 195 Respektive die Meinung der Länderkammer, Art. 79 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 DDV: „[. . .] das gleiche Recht steht der Länderkammer zur Darlegung ihrer Meinung in der Volkskammer zu.“ 196 Maunz sprich insoweit von „[. . .] einer äußeren Konzession an überlieferte Formen bundesstaatlicher Natur [. . .]“, ders., Deutsches Staatsrecht, § 42 III 2 (S. 314).
C. Die Geschäftsordnungen der Länderkammer
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dann die erhöhte Sachkompetenz der Landesregierung in Anspruch nehmen. Die Möglichkeit, gewissermaßen aus gutem Willen, zur Förderung des Meinungspluralismus ein Mitglied einer Landesregierung zu beauftragen, einen von der Beschlussfassung der Länderkammer abweichenden Standpunkt in der Volkskammer darzulegen, darf wohl als ausgeschlossen gelten.
C. Die Geschäftsordnungen der Länderkammer Art. 73 Abs. 1 S. 1 DDV verlieh der Länderkammer die Geschäftsordnungsautonomie; gab ihr also das Recht, sich eine Geschäftsordnung zu geben und trug ihr die Verpflichtung zur Wahrnehmung dieser verfassungsunmittelbaren Sachkompetenz auf. Die Länderkammer gab sich Zeit ihres Bestehens zwei Geschäftsordnungen: im Jahre 1950197 und letztmalig im Jahre 1955198.
I. Die Vorläufige Ordnung für den Geschäftsverkehr in der Provisorischen Länderkammer Anlässlich der 3. Sitzung am 20. Oktober 1949 beschäftigte man sich erstmals mit der Schaffung einer inneren Ordnung der Provisorischen Länderkammer, wie von Art. 73 Abs. 1 S. 1 DDV aufgetragen.199 Präsident Lobedanz wies darauf hin, dass noch kein Entwurf zur Geschäftsordnung vorliege und man erst abwarten müsse, wie die Geschäftsordnung der Volkskammer aussehe; diese müsse man dann natürlich als Grundlage benutzen. Abermals zeigte sich die enge Anlehnung an die Volkskammer200, deren Organisationstruktur und Arbeitsweise man in allen Bereichen nachahmte und deren Forderungen man im vorauseilenden Gehorsam entgegenkam.201 197 Geschäftsordnung der Provisorischen Länderkammer der [DDR] vom 28. Februar 1950, in: PLK, Drucksachen, Drs. Nr. 14 (S. 97). 198 Geschäftsordnung der Länderkammer der [DDR] vom 27. September 1955, in: LK (2. WP), Drucksachen, Drs. Nr. 8; abgedruckt auch in: Volkskammer der DDR, Handbuch der Volkskammer, S. 404 ff. 199 Vgl. PLK, 3. Sitzung am 20. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 13. 200 Maunz spricht insoweit von einer „[. . .] Parlamentisierung der Länderkammer [. . .]“, ders., Deutsches Staatsrecht, § 42 III 2 (S. 313). 201 Diese enge Anlehnung zeigte sich unter anderem in der Terminierung der Länderkammersitzungen, die meist dem Tag der Volkskammersitzungen folgten, wenn nicht sogar noch am selben Tag stattfanden, in der faktischen Verleugnung eigener Satzungsautonomie und in der Andienung als Erfüllungsorgan, das durch den Ausspruch von Lobedanz Gestalt gewinnt: „Wir haben die Länderkammer einberufen, weil wir mit der Möglichkeit rechneten, daß wir [. . .] Gesetzesbeschlüsse bekommen würden, und unsere Bereitschaft zeigen wollten, sie sofort zu beraten
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
Eine Qualifizierung der Länderkammer als Quasi-Ausschuss der Volkskammer liegt daher nicht fern. Ein Selbstverständnis als von der Volkskammer verschiedenes Verfassungsorgan hatte die Länderkammer, auch in ihren Anfangszeiten, nie entwickelt. Bis ins Absurde wollte man etwas gänzlich Neues schaffen. So änderte schon die Provisorische Länderkammer anlässlich der Eröffnung des neuen Sitzungssaales in der 14. Sitzung am 10. August 1950 ihre Sitzordnung202: Die Volkskammer hat ihre Sitzordnung [. . .] geändert. Dort sitzt jetzt die stärkste Fraktion, die SED, in der Mitte, die anderen Parteien auf beiden Seiten des Hauses. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, daß unsere Parlamente etwas dem Grunde nach anderes203 sind als die Parlamente früherer Zeiten. Das Präsidium [der Provisorischen Länderkammer, d. Vf.] hat sich mit dieser Frage beschäftigt, ob wir auch in der Provisorischen Länderkammer eine solche Änderung der Sitzordnung durchführen sollten, und hat diese Frage bejaht. Die Sitze sind Ihnen nach diesem neuen Prinzip auch schon angewiesen worden.204
Schließlich einigte man sich auf eine Vorläufige Ordnung für den Geschäftsverkehr in der Provisorischen Länderkammer der [DDR]205, wobei es sich hierbei um Bestimmungen handele, „[. . .] die denen der Volkskammer angeglichen und dort schon eingehend beraten worden sind“ (Lobedanz).206 Diese vorläufige Ordnung regelte rein organisatorische Dinge, und dadurch für einen schnellen Lauf der Gesetzgebungsarbeit zu sorgen“, vgl. PLK, 3. Sitzung am 20. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 13. 202 Vgl. die Sitztafel der Länderkammer, in: BArch, DA 2/104, Bl. 22. Eine photographische Aufnahme des Sitzungssaals findet sich im Anhang, Übersicht Nr. 11. 203 Vgl. dazu den Begriff der arbeitenden Körperschaft, die beschließend und vollziehend zugleich tätig werden sollte, bei Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich, in: MEW, Bd. 17, S. 339; in diesem Sinne auch Lenin: „Der Ausweg aus dem Parlamentarismus ist natürlich nicht in der Aufhebung der Vertretungskörperschaften und der Wählbarkeit zu suchen, sondern in der Umwandlung der Vertretungskörperschaften aus Schwatzbuden in ‚arbeitende‘ Körperschaften“, Staat und Revolution, in: Ausgewählte Werke, Bd. II, S. 356. Vgl. zur Entwicklung der Vertretungskörperschaften „[. . .] in harten Klassenauseinandersetzungen [. . .]“ hin zu „[. . .] revolutionär-demokratischen [. . .]“, Autorenkollektiv (Ltg.: Weichelt), Der Staat im politischen System der DDR, S. 45 f. und: Schöneburg/Akademie für Staats-und Rechtswissenschaft der DDR, Staat und Recht in der Geschichte der DDR, S. 206 ff. 204 PLK, 14. Sitzung am 10. August 1950, in: Protokolle, S. 111. Den passenden Anlass zu dieser Änderung bot der Umzug in die neuen Räumlichkeiten der Länderkammer (Luisenstraße 58/60, Langenbeck-Virchow-Haus) im August 1950, vgl. ebd. 205 Vorläufige Ordnung für den Geschäftsverkehr in der Provisorischen Länderkammer der [DDR], in: BArch, DA 2/89, Bl. 30 ff. Vgl. dazu auch: Präsidium PLK, 2. Sitzung am 20.Oktober.1949, BArch, DA 2/79, Bl. 13. 206 Vgl. PLK, 3. Sitzung am 20. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 16; Lobedanz führte weiter aus: „Wir müssen uns doch in unserem Geschäftsgebaren, soweit es die Verschiedenheit der beiden Kammern nicht verbietet, auf derselben Linie mit der Volkskammer halten“, ebd.
C. Die Geschäftsordnungen der Länderkammer
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etwa über den Ort der Sitzungen und die Ausgabe von Lichtbildausweisen für die Abgeordneten; Regelungen über die von der Verfassung aufgetragenen Zuständigkeiten traf diese Ordnung nicht bzw. nur rudimentär. Das Plenum wirkte an der Erstellung dieser vorläufigen Ordnung nicht mit, sie war den meisten Abgeordneten auch gar nicht bekannt, worauf erst ein Zuruf aus dem Plenum aufmerksam machte. Man verschob schließlich die Beratungen hierüber an das Ende der Sitzung. Der Abg. Kunisch (CDU) insistierte schließlich auf Verlesung der bis dahin den Abgeordneten unbekannten vorläufigen Ordnung. Trotz dieser Widrigkeiten beschloss man die Annahme einstimmig.207
II. Die Geschäftsordnung der Provisorischen Länderkammer vom 28. Februar 1950 Als eine der vordringlichsten Aufgaben eines Verfassungsorgans wird weithin das Sich-Geben einer Geschäftsordnung betrachtet; auch in Erfüllung etwaiger verfassungsrechtlicher Vorgaben (hier: Art. 73 Abs. 1 S. 1 DDV). Erst auf der 5. Sitzung der Provisorischen Länderkammer am 8. Dezember 1949 ermächtigten die Abgeordneten das Präsidium, den Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten mit der Ausarbeitung einer Geschäftsordnung zu betrauen.208 Da man sich eng an die Vorgaben der Provisorischen Volkskammer anlehnen wollte, wartete man, bis diese sich auf ihrer 6. Sitzung eine Geschäftsordnung209 gab; erst damit sah man den Weg eröffnet „[. . .] auf der Grundlage dieser Geschäftsordnung auch für die Provisorische Länderkammer eine Geschäftsordnung auszuarbeiten.“210 Der Ausschuss, der diese Geschäftsordnung erarbeiten sollte, war hingegen noch gar nicht besetzt; in Erwartung einer „[. . .] Einigung über die Zusammensetzung der Ausschüsse [. . .]“ sah man über diesen Umstand hinweg.211 Von einer gestalterischen Freiheit zur Ausarbeitung der Geschäftsordnung konnte ohne207 Vgl. ebd., S. 17. Über diese Selbstverständlichkeit, Kenntnis über den abzustimmenden Gegenstand zu erlangen, bemerkte Präsident Lobendanz süffisant: „Das Interesse des Deutschen für alles, was nach Geschäftsordnung aussieht, ist ja bekannt. (Heiterkeit) Ich habe natürlich auch nichts dagegen einzuwenden, daß wir die 22 Ziffern dieser Ordnung verlesen, damit Sie nicht das Gefühl haben, daß wir Sie zu etwas verleiten wollen, was Ihnen später Schwierigkeiten macht“, ebd., S. 16. 208 Vgl. PLK, 5. Sitzung am 8. Dezember 1949, in: Protokolle, S. 32. 209 PVK, 6. Sitzung am 7. Dezember 1949, in: Protokolle, S. 93 ff. Der Abgeordnete Lehmann (SED), als Berichterstatter des Geschäftsordnungsausschusses, referierte vor dem Plenum, dass diese Geschäftsordnung ihre Vorbilder in den Geschäftsordnungen des Thüringischen und Sächsischen Landtages sowie in der Geschäftsordnung des Reichstages vor 1933 habe, vgl. ebd., S. 93 f. 210 Vgl. PLK, 5. Sitzung am 8. Dezember 1949, in: Protokolle, S. 32. 211 Vgl. ebd.
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
hin keine Rede sein. Vielmehr stammte die alleinige Diskussionsgrundlage aus der Feder der SED-Fraktion, die über das Präsidium dem Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten unter Wilhelm König (LDPD) als Vorsitzenden einen Geschäftsordnungsentwurf zur „Beratung“ zuleiten lies.212 Dieser Entwurf wurde abgesehen von marginalen Änderungen vom Ausschuss übernommen213 und auf der 9. Sitzung am 28. Februar 1950 durch Beschluss in Kraft gesetzt.214
III. Inhalt der Geschäftsordnung der Provisorischen Länderkammer Die Geschäftsordnung der Provisorischen Länderkammer enthielt 28 Paragraphen und gliederte sich in sieben Abschnitte (I. Das Präsidium, II. Die Sitzungen der Länderkammer und der Ausschüsse, III. Ausschüsse, IV. Die Fraktionen, V. Gemeinsame Tagung der Länderkammer mit der Volkskammer, VI. Behandlung der Vorlagen, VII. Die Sitzungen der Länderkammer). 1. Das Präsidium Das Präsidium bestand gem. § 1 Abs. 1 GO-PLK aus dem Präsidenten, den Vizepräsidenten und den Beisitzern, wobei die Zahl von der Länderkammer bestimmt wurde. Diese Norm diente der Konkretisierung der Verfassungsvorgabe aus Art. 73 Abs. 1 S. 2 DDV.215 Die Provisorische Länderkammer bestellte zwei Vizepräsidenten sowie zwei Beisitzer.216 Ab der 212
Vgl. PLK, 8. Sitzung am 10. Feburar 1950, in: Protokolle, S. 51. Der Entwurf des Ausschusses trägt das Datum 9. Januar 1950, obwohl erst auf der 8. Sitzung am 24. Januar 1950 die Ausschüsse gewählt wurden, vgl. PLK, Protokolle, S. 49. Es handelt sich insofern um einen Druckfehler und muss 9. Februar 1950 heißen. Dies verdeutlicht, dass die Beratungen über die Geschäftsordnung nicht umfangreich gewesen sein können, da am selben Tag die SED-Fraktion dem Präsidium die Geschäftsordnung übersandt hatte, vgl. Präsidium PLK, 12. Sitzung am 9. Februar 1950, in: BArch, DA 2/79, Bl. 40. Die These von Lapp, Die Volkskammer der DDR, S. 34, man habe wohl schon seit Dezember 1949 an der Geschäftsordnung gearbeitet, verkennt die Übersendung des SED-Entwurfs. Vgl. auch die Aufstellung der Änderungen am SED-Entwurf: Ausschuss für Allgemeine Angelegenheiten der Provisorischen Länderkammer, 2. Sitzung am 10. Februar 1950, in: BArch, DA 2/89, Bl. 2 f. 214 Vgl. PLK, 9. Sitzung am 28. Februar 1950, in: Protokolle, S. 76; Geschäftsordnung der Provisorischen Länderkammer der [DDR] vom 28. Februar 1950, in: PLK, Drucksachen, Drs. Nr. 14 (S. 97). 215 Die Norm bestimmte: „Das Präsidium besteht aus dem Präsidenten, seinen Stellvertretern und den Beisitzern.“ 216 Vgl. PLK, 1. (konst.) Sitzung am 11. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 2. Siehe auch die Aufstellungen der Präsidien im Anhang: Übersicht Nr. 1. 213
C. Die Geschäftsordnungen der Länderkammer
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ersten Wahlperiode (1950–1954) bis zum Ende der Länderkammer 1958 erhöhte man die Anzahl der Vizepräsidenten auf vier, da sich durch das Gesetz über die Zusammensetzung der Länderkammer der [DDR]217 vom 8. November 1950 die Zahl der Abgeordneten auf 63 erhöhte. Das Präsidium beschloss nach § 1 Abs. 2 S. 1 GO-PLK mit der üblichen Stimmenmehrheit, wobei es bei der Anwesenheit von mindestens der Hälfte seiner Mitglieder beschlussfähig war, § 1 Abs. 2 S. 2 GO-PLK. Das Präsidium musste bei Angabe des Grundes einberufen werden, wenn zwei seiner Mitglieder dies verlangten, § 1 Abs. 3 GO-PLK. 2. Der Präsident der Länderkammer und das Sekretariat Durch § 3 Abs. 1 GO-PLK wurde dem Präsidenten die Geschäftsführung der Länderkammer übertragen, er leitete die Sitzungen des Präsidiums und des Plenums, § 16 Abs. 1 GO-PLK, und übte das Hausrecht218 aus. Der Posten des Präsidenten der Länderkammer stand nach einem Beschluss des Demokratischen Blocks der CDU zu.219 217
GBl. S. 1135 (1950). In den Vorschriften der Verfassung über die Länderkammer findet sich – ebenso wenig wie im heutigen GG für den Bundesrat und in der WRV für den Reichsrat – keine explizite Normierung eines Hausrechts. Man wird es wohl dennoch über Artt. 80 Abs. 1 i. V. m. 67 Abs. 5, 57 Abs. 4 S. 2 analog DDV auch der Verfassung entnehmen können. 219 Nach dem Tod von Reinhold Lobedanz am 5. März 1955, wurde in der 2. Sitzung der 2. Wahlperiode am 23. Mai 1955 August Bach einstimmig zum (letzten) Präsidenten der Länderkammer gewählt, vgl. LK (2. WP), Protokolle, S. 10. Zum Leben August Bachs vgl. Sekretariat des Hauptvorstandes der CDU, August Bach, S. 5 ff. Das Politbüro erklärte sich auf der Sitzung vom 3. Mai 1955 mit Bach einverstanden, Politbüro, Sitzung vom 3. Mai 1955, in: SAPMO-BArch, DY 30/J IV/2/2/419, Bl. 2. Nach einer Vorlage für das Politbüro der Abteilung Staatliche Organe im ZK der SED sei Bach zwar nicht „[. . .] mit der notwendigen Energie und Härte gegen rückständige Elemente in der CDU aufgetreten“, dennoch habe er nach einem Gespräch mit Hermann Matern (SED) zugestimmt, die Funktion des Präsidenten der Länderkammer zu übernehmen; man halte den Kollegen Bach diesbezüglich auch für geeignet, vgl. Vorlage für das Politbüro vom 23.4.1955, Betr.: Präsident der Länderkammer, in: SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2A/425, Bl. 119 f. Bach war nicht Abgeordneter der Länderkammer und musste erst am 7. März 1955 vom Bezirkstag Dresden in die Länderkammer gewählt werden, vgl. die Notizen des amtierenden Präsidenten der Länderkammer August Frölich für die Präsidiumssitzung am 23. Mai 1955, in: BArch, DA 2/99, Bl. 125; vgl. auch die anlässlich des Todes von Lobedanz angesetzte Präsidiumssitzung, Präsidium LK (2. WP), außerordentliche Sitzung am 8. März 1955, in: BArch, DA 2/78, Bl. 8 f. Die Trauerrede für Lobedanz, die August Frölich (SED) verfasste, gibt Aufschluss über die Aufgaben, die Lobedanz als Länderkammerpräsidenten zufielen: „Dr. Reinhold Lobedanz hat als Präsident der Länderkammer eine seiner besonderen Aufgaben immer darin gesehen, allen demokratischen Gesetzen und Beschlüssen rasch zum Durch218
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
Zur Unterstützung seiner Amtsgeschäfte wurde ihm ein Sekretariat anheimgegeben, § 3 Abs. 2 GO-PLK. Ein eigenes Sekretariat bestand entgegen dem Wortlaut nicht.220 Vielmehr wurde ein gemeinsames Sekretariat der Provisorischen Volks- und Länderkammer gebildet. Bezeichnenderweise hatte die Provisorische Länderkammer an der Besetzung und organisatorischen Ausgestaltung dieses Sekretariats nicht mitgewirkt. In der 7. Sitzung am 24. Januar 1950 erläuterte Präsident Lobedanz en passant dem Plenum: Ich darf Ihnen weiter mitteilen, daß von der Provisorischen Volkskammer Herr Wilhelm Koenen als Leiter des gemeinschaftlichen Sekretariats der Provisorischen Volkskammer und der Provisorischen Länderkammer gewählt worden ist.221
Selbst der Präsident der Volkskammer, Johannes Dieckmann (LDPD), hatte gegen diese organisatorische Verflechtung Bedenken – zudem, da sowohl Koenen als auch sein Stellvertreter Jatzke der SED angehörten; dies sei, so stellte Dieckmann klar, keine persönliche, sondern eine politische Frage.222 Die Wahl und Stellung Koenens wurde auf der Sitzung des Politbüros am 18. Oktober 1949 sanktioniert. In einem diese Sitzung vorbereitenden Dokument heißt es zudem: bruch zu verhelfen. Seine jedem Bürokratismus völlig abwegige Natur, die ihm in hervorragendem Maße eigene, immer aufs praktische Leben gerichtete Initiative wirkte stets dahin, die von der Volkskammer angenommenen Gesetze ohne unnötigen Verzug in den Dienst der Festigung der [DDR] zu stellen. Nie hat Dr. Reinhold Lobedanz die hohen Prinzipien der demokratischen Blockpolitik verletzt; stets hat er den Willen der in diesem Gremium vereinigten demokratischen Parteien und Massenorganisationen klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht“; nachfolgender Passus findet sich nur im Entwurf der Trauerrede und wurde von Frölich – wohl um nicht die nunmehrige Entbehrlichkeit der Länderkammer allzu augenscheinlich werden zu lassen – gestrichen: „Nachdem das Gesetz die Aufgaben der Länder den Bezirken zugewiesen hat, wurden in der Länderkammer die Interessen der Bezirke geachtet, dabei immer den Blick auf das große Ganze gerichtet“, Entwurf einer Trauerrede für den verstorbenen Präsidenten der Länderkammer, in: BArch, DA 2/78, Bl. 25 ff., 28. 220 Im Entwurf der Geschäftsordnung fand sich noch das – in praxi richtige – Attribut „gemeinsame“ [Sekretariat, d. Vf.] in § 3Abs. 2 GO-PLK; dieses wurde auf Anregung des Ausschusses für Allgemeine Angelegenheiten gestrichen, vgl. PLK, 9. Sitzung am 28. Februar 1950, in: Protokolle, S. 76. 221 Vgl. PLK, 7. Sitzung am 24. Januar 1950, in: Protokolle, S. 41. In der 1. und 2. Wahlperiode der Länderkammer bestätigte man Koenen hingegen förmlich als Leiter des Sekretariats, vgl. LK (1. WP), 1. (konst.) Sitzung am 9. November 1950, in: Protokolle, S. 4; LK (2. WP), 1. (konst.) Sitzung am 29. November 1954, in: Protokolle, S. 3. 222 Präsidium PLK, 8. Sitzung am 21. Dezember 1949, in: BArch, DA 2/79, Bl. 29.
C. Die Geschäftsordnungen der Länderkammer
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Um das notwendige Gegengewicht gegen die bürgerlichen Präsidenten beider Kammern zu haben, soll der Chef des gemeinsamen Sekretariats der beiden Kammern den Rang eines Staatssekretärs erhalten.223
Das Präsidium der Länderkammer hatte indes gegen die Vorschläge keine Bedenken.224 Diese organisatorische Verflechtung behielt man bis zur Auflösung der Länderkammer bei. Die Scharnierfunktion Koenens, angesiedelt zwischen Volks- und Länderkammer, die im Sinne eines treuen Präfekten der SEDPolitik eher geräuschlos vollzogen wurde, kann darum kaum unterschätzt werden.225 Selbst gravierende Eingriffe in die innere Organisation der Länderkammer wurden also widerspruchslos hingenommen. Die Wahrnehmung des Verfassungsauftrages wurde neben diesen personellen Kautelen auch durch die denkbar schlechte binnenorganisatorische Ausstattung erschwert. So wies der Stellenplan für das Büro der Länderkammer im gemeinsamen Sekretariat mit der Volkskammer aus: Für das Präsidialbüro:
Für das Büro der Prov. Länderkammer:
1 Persönlicher Referent 1 Sachbearbeiterin
1 1 1 1
Büroleiter Referent Sachbearbeiter Stenotypistin226
223 Vorlage der Abteilung Staatliche Verwaltung im ZK der SED – unterzeichnet von Anton Plenikowski – für das Sekretariat des ZK vom 17. Oktober 1949, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2/51, Bl. 9. 224 Vgl. Präsidium PLK, 8. Sitzung am 21. Dezember 1949, in: BArch, DA 2/79, Bl. 29. Zutreffender: das Präsidium hatte gegen den Vorschlag keine Bedenken zu haben. Eine Vorlage der Abteilung Staatliche Verwaltung im ZK der SED für das Sekretariat des ZK vom 17. Oktober 1949 lies dem Präsidium der Länderkammer keinen Raum für eigene Erwägungen: „Das Präsidium der Provisorischen Länderkammer schließt sich diesem Vorschlag an“, in: SAPMO-BArch, DY 30 IV/2/2/51, Bl. 9. Hingegen drängte die CDU-Fraktion der Länderkammer – ergebnislos – auf einen Antrag gegen „[. . .] die Zusammenlegung der Geschäftsführung der Länderu. Volkskammer [. . .]“, „Protokoll über die Sitzung der CDU-Länderkammer [sic!] am 10.11.49“, in: ACDP, Ost-CDU: Parteiarbeit, 07-012-1705. 225 In gewisser Anlehnung an Carl Schmitt kann das Sekretariat unter Koenen als „Vorraum“ bezeichnet werden. Freilich nicht als Vorraum zur Macht, sondern als Vorraum der Macht – verkörpert durch die Führungsspitze der SED, für die Koenen gewissermaßen die Rolle des Bevollmächtigten bei der Länderkammer ausübte, vgl. zum Begriff: Schmitt, Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber, S. 25 ff. 226 Aufstellung aus: Präsidium PLK, 9. Sitzung am 18. Januar 1950, BArch, DA 2/79, Bl. 32. Im Jahr 1953 umfasste der „Struktur- und Stellenplan der Volksund Länderkammer“ für die Belange der Länderkammer zusätzlich einen „Dolmetscher mit russ. Sprachkenntnissen“ zur „Übersetzungen der Drucksachen und Pro-
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
Eine derart bescheidene Personalausstattung eines Verfassungsorgans dürfte in der deutschen Verfassungsgeschichte wohl einmalig sein.227 3. Öffentlichkeit Nach § 4 Abs. 1 GO-PLK waren die Verhandlungen der Länderkammer und ihrer Ausschüsse öffentlich228, soweit nicht zwei Drittel der anwesenden Abgeordneten bzw. die Mehrheit der Ausschussmitglieder den Ausschluss229 der Öffentlichkeit verlangten. Dieser Fall ist hingegen nie eingetreten. 4. Ausschüsse Das Vorhandensein von Ausschüssen in der Länderkammer war bereits in der Verfassung angelegt.230 Die Geschäftsordnung begrenzte die Zahl der Ausschüsse auf drei, § 8 Abs. 1 Nrn. 1–3 GO-PLK: Einen Rechts- und Verfassungsausschuss, einen Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten231 sowie einen Ausschuss für Wirtschafts- und Finanzfragen. tokolle für die S.K.K. [Sowjetische Kontrollkommission, d. Vf.]“, vgl. ADL, Bestand FDP, Ostbüro, A45-183. Freilich muss die enge personelle Verzahnung, die schon die Bezeichnung „Gemeinsames Sekretariat der Volks- und Länderkammer“ nahelegt, Berücksichtigung finden, so dass die Stellenangaben, die ausschließlich die Länderkammer betreffen, allein wenig Aussagekraft haben. 227 Die überlieferten Haushaltspläne der Länderkammer verdeutlichen dies; so nahmen sich die Gesamtausgaben der Länderkammer bescheiden aus und nahmen im Laufe der Jahre eher ab: 1949 0 DM
1950
1951
1952
1953
1954
1955
831.400 DM 495.800 DM 521.900 DM 396.000 DM 406.700 DM 379.400 DM
Dem Präsidenten der Länderkammer stand aus diesen Mitteln ein „Dispositionsfond“ in Höhe von 20.000 DM pro Jahr zur freien Verfügung zu, vgl. die auffindbaren Haushaltspläne bis 1955, in: BArch, DA 2/14; zum Vergleich: Der Haushaltsplan der Volkskammer sah für das Jahr 1953 Ausgaben in Höhe von 4.909.900 DM vor, vgl. den „Bericht über die Erfüllung des Haushaltes der Volkskammer in der Zeit vom 1.1.-30.6.1953“, S. 6, in: ADL, Bestand FDP, Ostbüro, A45-183. 228 Die Verfassung gab die Öffentlichkeit der Sitzungen, nicht aber der Ausschüsse vor, vgl. Art. 75 Abs. 1 S. 1 DDV. 229 Das Quorum überließ die Verfassung der Geschäftsordnung, vgl. Art. 75 Abs. 1 S. 2 DDV. 230 Art. 77 Abs. 1 DDV: „Die Länderkammer kann die erforderlichen Ausschüsse nach Maßgabe der Geschäftsordnung bilden.“
C. Die Geschäftsordnungen der Länderkammer
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Die Zahl der Mitglieder eines Ausschusses wurde durch die Länderkammer bestimmt, wobei die Sitze auf die Fraktionen nach ihrer Stärke verteilt wurden, § 8 Abs. 2 GO-PLK. Jeder Ausschuss hatte einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter zu wählen, § 8 Abs. 4 GO-PLK. Das Recht zur Selbstbefassung mit einem bestimmten Gegenstand hatten die Ausschüsse nicht. Nach § 9 Abs. 1 GO-PLK durfte sich der Ausschuss nur mit dem ihm vom Präsidenten überwiesenen Gegenstand befassen, wobei nach § 8 Abs. 6 GO-PLK über die überwiesenen Vorlagen umgehend zu beraten und zu entscheiden war. Der Vorsitzende ernannte zu jedem Beratungsgegenstand einen oder mehrere Berichterstatter, § 9 Abs. 2 GO-PLK. Die Beschlüsse der Ausschüsse erfolgten mit einfacher Mehrheit, § 8 Abs. 8 S. 1 GO-PLK. Das Quorum zur Beschlussfähigkeit lag gem. § 8 Abs. 7 GO-PLK bei der Mehrheit der Ausschussmitglieder. Auch in den Ausschüssen herrschte über § 8 Abs. 8 S. 2 GO-PLK Sitzungs- und Abstimmungszwang (§ 26 Abs. 1 bzw. § 21 Abs. 1 GO-PLK), wobei Stimmenthaltung zulässig war, § 21 Abs. 2 i. V. m. § 8 Abs. 8 S. 2 GO-PLK. Die getroffene Entscheidung musste dann nach § 9 Abs. 5 GO-PLK der Länderkammer zur Beschlussfassung vorgelegt werden. 5. Die Fraktionen § 10 Abs. 1 S. 1 GO-PLK erlaubte den Abgeordneten, sich zu Fraktionen zusammenzuschließen.232 Eine Fraktion musste dabei mindestens fünf Mitglieder zählen, § 10 Abs. 1 S. 2 GO-PLK. Eine Vorschrift, die insbesondere Abgeordnete der SED-treuen Massenorganisationen bevorzugte, war § 10 Abs. 1 S. 3 GO-PLK, der es fraktionslosen Abgeordneten erlaubte, sich einer Fraktion als Gäste anzuschließen.233 6. Gemeinsame Tagungen mit der Volkskammer Bei gemeinsamen Zusammenkünften mit der Volkskammer galt deren Geschäftsordnung, § 11 GO-PLK. Für die gemeinsame Wahl des Präsiden231 Anfangs (3. Sitzung vom 20. Oktober 1949) noch als „Ausschuß für allgemeine und auswärtige Angelegenheiten“ angedacht, vgl. PLK, Protokolle, S. 13. 232 Eine Aufstellung der Länderkammer-Fraktionen findet sich im Anhang. 233 Von dieser Vorschrift machte Zeit des Bestehens der Länderkammer nur der Abg. Neddermeyer (VdgB) Gebrauch: „Um bei der Aufstellung für die Ausschüsse mit berücksichtigt zu werden, habe ich mich entschieden, zu diesem Zweck bei der SED-Fraktion zu hospitieren. Ich bitte, mich also bei der Sitzverteilung in dieser Weise mit in Rechnung zu stellen“, vgl. PLK, 5. Sitzung am 8. Dezember 1949, in: Protokolle, S. 32.
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
ten der Republik (Art. 101 Abs. 1 S. 1 DDV) ließ sich diese Bestimmung schon der Verfassung entnehmen, Art. 101 Abs. 1 S. 2 DDV. 7. Behandlung der Vorlagen Die Verfassung gab der Länderkammer ausdrücklich das Recht zur Gesetzesinitiative, Art. 78 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art. 82 Abs. 1 S. 1 Var. 2 DDV. Zur Einreichung von Vorlagen aller Art war von der Geschäftsordnung ein Quorum von fünf Abgeordneten vorgesehen, die ferner schriftlich einzureichen und mit den Eingangsworten „Die Länderkammer wolle beschließen“ zu versehen waren, § 12 Abs. 1 GO-PLK. Nach § 12 Abs. 2 GO-PLK hatten die Antragsteller das Recht, ihre Vorlage in der Länderkammer zu begründen. Zu den von der Volkskammer verabschiedeten Gesetzen hatte die Länderkammer „unverzüglich“ Stellung zu nehmen, § 13 Abs. 1 S. 1 GO-PLK, sprich die Wahrnehmung ihres Einspruchsrechts nach Art. 84 Abs. 1 S. 1 DDV zu prüfen. Die Bestimmungen der Verfassung wurden insofern drastisch verschärft. „Unverzüglich“, das in der Rechtsterminologie weithin als „ohne schuldhaftes Zögern“ verstanden wird, wurde zu einem „sofort“: Von der Inanspruchnahme des von der Verfassung vorgesehenen Zeitrahmens von zwei Wochen234 konnte deshalb keine Rede sein, da die Länderkammer ihre Sitzungen so terminierte, dass schon am nachfolgenden Tag bzw. oft noch am selben Tag der Beschluss gefasst wurde, von dem ihr zustehenden Einspruchsrecht gegen Gesetzesbeschlüsse der Volkskammer keinen Gebrauch zu machen.235 234 Art. 84 Abs. 1 S. 2 u. 3 DDV: „Der Einspruch muß innerhalb von zwei Wochen nach der Schlußabstimmung [also nicht mit Eingang bei der Länderkammer, d. Vf.] in der Volkskammer eingebracht und spätestens innerhalb zweier weiterer Wochen mit Gründen versehen werden. Andernfalls wird angenommen, daß die Länderkammer von ihrem Einspruchsrecht keinen Gebrauch macht.“ 235 Dass durch dieses Verfahren wenig durchdachte Gesetze zustande kamen, versteht sich von selbst. So schrieb der Präsident der Volkskammer an den Vorsitzenden des Ausschusses für Volksbildung Klaus Gysi (SED/KB), nachdem ein Gesetz ohne weiteres die Länderkammer – am Tag nach der Verabschiedung in der Volkskammer – passiert hatte: „Nach Abschluß der Beratungen in Volks- und Länderkammer über das Gesetz über die Verleihung von Nationalpreisen hat sich herausgestellt, daß das Gesetz mehrere Fehler enthält.“ Dieckmann schlug daher vor, den Präsidenten der Länderkammer zu bitten, dass er bei der Ausfertigung des Gesetzes die entsprechenden Änderungen vornehmen dürfe und der Präsident der Länderkammer dem zustimme; Lobedanz erklärte sich „[. . .] vom Standpunkt der Länderkammer [. . .]“ einverstanden, vgl. den Briefwechsel zwischen Dieckmann, Lobedanz und Gysi, in: BArch, DA 2/33, Bl. 17 ff., zu einer Konstellation, die in dieser Form einmalig blieb.
C. Die Geschäftsordnungen der Länderkammer
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8. Die Sitzungen der Länderkammer Nach § 14 Abs. 1 GO-PLK durfte die Länderkammer nur über Gegenstände verhandeln, die auf die Tagesordnung gesetzt waren. Eine bereits beschlossene Tagesordnung konnte auf Antrag von fünf Abgeordneten oder der Regierung durch Beschluss der Länderkammer jederzeit erweitert werden, § 14 Abs. 4 GO-PLK. Das von der Verfassung normierte originäre Recht des Präsidenten die Länderkammer einzuberufen, Art. 74 Abs. 1 DDV, wurde durch die Geschäftsordnung insoweit beschränkt, als dass diesem die Bestimmung von Ort, Zeit und Tagesordnung nur „[. . .] auf Beschluß des Präsidiums [. . .]“ anheimgestellt war. Die Länderkammer konnte Schluss der Beratung beschließen, § 19 Abs. 1 S. 1 GO-PLK, wenn außer dem Berichterstatter oder dem Antragsteller alle Fraktionen zu Wort gekommen waren oder keinen Anspruch darauf erhoben. Vor der Abstimmung musste der Präsident die Fragen, über die abgestimmt werden sollte, so stellen, dass sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden konnten, § 29 Abs. 1 GO-PLK. § 29 Abs. 3 und 4 GO-PLK regelten schließlich zum einen die in Geschäftsordnungen übliche Abstimmung zuerst über den weitestgehenden Antrag bzw. zum anderen, dass über Abänderungsanträge, die es Zeit des Bestehens der Länderkammer nie gab, vor dem Teil der Vorlage, auf den sie sich bezogen, abzustimmen war. In der Länderkammer herrschte gem. § 21 Abs. 1 GO-PLK Abstimmungszwang für die anwesenden Abgeordneten, wobei Stimmenthaltung zulässig war, § 21 Abs. 2 GO-PLK. Die Stimmabgabe erfolgte in der Regel durch Handzeichen, § 21 Abs. 3 GO-PLK, wobei namentliche Abstimmung auf Antrag von mindestens fünf Abgeordneten stattfinden konnte, § 24 Abs. 1 GO-PLK. Die Länderkammer war beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder anwesend war, § 23 Abs. 1 GO-PLK. Weiterhin normierte § 26 Abs. 1 GO-PLK für die Abgeordneten Sitzungszwang. Bei Fernbleiben von der Sitzung gingen sie einen Teil ihrer Aufwandsentschädigung verlustig, § 26 Abs. 2 GO-PLK.236
236 Bei unentschuldigter Nichtteilnahme wurden 30 Mark von der Aufwandsentschädigung pro Sitzungstag abgezogen, vgl. Ziff. 4 der Ordnung über Aufwandsentschädigungen für Mitglieder der Provisorischen Länderkammer der [DDR], in: BArch, DA 2/79, Bl. 36.
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
IV. Teilrevision durch die Geschäftsordnung vom 27. September 1955 1. Aufbau der Geschäftsordnung Der Aufbau der Geschäftsordnung von 1955 folgte grosso modo der vormaligen.237 Sie umfasste statt 28 Paragraphen nun 23. Die Verringerung der Regelungen wurde zum einen durch die Zusammenfassung von Vorschriften über die stenographische Niederschrift und das Protokoll über die Sitzungen238 sowie der Bestimmungen über die Behandlung der Vorlagen239 und der Redeordnung240 erreicht, zum anderen durch den Wegfall von Rechten241 einzelner Abgeordneter, von Fraktionen und des Präsidenten. 2. Der Neubearbeitungsbeschluss vom 29. November 1954 Auf der 1. (konstituierenden) Sitzung der 2. Wahlperiode am 29. November 1954 beschloss die Länderkammer auf Antrag aller Fraktionen eine Neubearbeitung der Geschäftsordnung.242 War die vorangegangene Geschäftsordnung – zumindest der Form halber – noch von dem Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten ausgearbeitet worden, übertrug man diese Aufgabe nun dem Präsidium.243 Fast ein Jahr später – der Sitzungsturnus der Länderkammer hatte sich drastisch verlängert244 – erstattete Manfred Boden (FDGB), Beisitzer im Präsidium der Länderkammer, Bericht. Aufgrund „[. . .] neue[r] Praxis der 237
Geschäftsordnung der Länderkammer der [DDR] vom 27. September 1955, in: LK (2. WP), Drucksachen, Drs. Nr. 8; abgedruckt auch in: Volkskammer der DDR, Handbuch der Volkskammer, S. 404 ff. 238 Die §§ 6, 7 GO-PLK wurden in § 6 GO-LK zusammengefasst. 239 Die Regelungen der §§ 12, 13 GO-PLK fanden sich nun in § 11 GO-LK. 240 Die §§ 17, 18 GO-PLK wurden zu § 14 GO-LK. 241 Zu den Einzelheiten vgl. unten Kap. 4 C. IV. 4. 242 Vgl. LK (2. WP), 1. (konst.) Sitzung am 29. November 1954, in: Protokolle, S. 8. 243 Vgl. ebd. Das Präsidium bildete daraufhin eine Kommission, die die Bearbeitung vornahm, bestehend aus den Herren Mühlmann (LDPD), Hagemeier (LDPD), Koenen (Leiter des gemeinsamen Sekretariats der Volks- und Länderkammer, SED) und Bach (CDU), vgl. „Protokoll über die Tagung der CDU-Fraktion der Länderkammer am 27.9.1955“, S. 2, in: ACDP, Ost-CDU: Parteiarbeit, 07-012-1705. 244 Die Provisorische Länderkammer trat noch folgendermaßen zusammen: In der 1. und 3. Woche jedes Monats tagte die Volkskammer dienstags und mittwochs, woraufhin die Länderkammer donnerstags zusammentrat. In der 2. Woche des Monats waren der Dienstag, Mittwoch und Donnerstag für Ausschusssitzungen beider Kammern vorgesehen, vgl. die Vereinbarung mit dem Präsidium der Provisorischen
C. Die Geschäftsordnungen der Länderkammer
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Arbeit [. . .]“ seien einige Paragraphen der alten Geschäftsordnung überholt, etwa die getrennte Wahl der Vizepräsidenten und die Einsetzung von Ausschüssen als Muss-Vorschrift.245 Weiterhin ging man – wie häufig – „[. . .] auch von dem Gesichtspunkt aus, eine gewisse Angleichung an die neue Geschäftsordnung der Volkskammer246 vorzunehmen“, was sich „[. . .] insbesondere in der Richtung einer Verbesserung der kollektiven Arbeit des Präsidiums und des Plenums [. . .]“ auswirken sollte.247 3. Exkurs: Die Denkschrift zur Verbesserung der Arbeit der Länderkammer Schon im Juli des Jahres 1953, angeregt vielleicht durch die Ereignisse des 17. Juni, verfasste der Präsident der Länderkammer, Lobedanz, eine Denkschrift zur Verbesserung der Arbeit der Länderkammer und schlug darin auch Änderungen an der Geschäftsordnung vor. So sollten etwa die nicht bestehenden Ausschüsse reaktiviert und häufiger vom Zitationsrecht Gebrauch gemacht werden, um „[. . .] aus dem Kreis der Länderkammer und der Bevölkerung, mit der ihre Abgeordneten in Berührung kommen, der Regierung Anregung zu geben.“248 Auch schlug er vor, „kleine Anfragen“ an die Regierung zu erlauben; diese seien zwar in Misskredit gekommen, da sie in den Zeiten eines ungeregelten Parlamentarismus verwandt worden seien, um die Regierung heimtückisch anzugreifen oder in die Enge zu treiben, doch bestünden diese Bedenken in diesem Staate nicht.249 Vielmehr führe man die Abgeordneten durch dieses Instrument näher an die Regierung heran und stärke damit auch das Interesse an der Parlamentsarbeit.250 Mit keiner seiner Forderungen konnte sich Lobedanz letztlich durchsetzen. Volkskammer, in: Präsidium PLK, 2. Sitzung am 20.Oktober 1949, in: BArch, DA 2/79, Bl. 14. 245 Vgl. LK (2. WP), 3. Sitzung am 27. September 1955, in: Protokolle, S. 35. 246 Die neue Geschäftsordnung der Volkskammer war erst wenige Tage alt, als man sogleich den Beschluss zur „Angleichung“ fasste, wobei „Angleichung“ in den meisten Fällen wörtliche Übernahme der Bestimmungen bedeutete. Vgl.: Geschäftsordnung der Volkskammer der [DDR] vom 19. November 1954, abgedruckt in: Volkskammer der DDR, Handbuch der Volkskammer, S. 147 ff. 247 Vgl. LK (2. WP), 3. Sitzung am 27. September 1955, in: Protokolle, S. 35. 248 Vgl. Denkschrift von Lobedanz für die Verbesserung der Arbeit der Länderkammer vom 20. Juli 1953, in: BArch, DA 2/61, Bl. 1 ff. 249 Vgl. ebd., Bl. 3. 250 Vgl. ebd.
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
4. Änderungen im Vergleich zur vorangegangenen Geschäftsordnung Den Motiven, die eine Neubearbeitung veranlassten, entsprechend, führte nicht mehr der Präsident die Geschäfte der Länderkammer, sondern das Präsidium als Kollektiv, § 3 Abs. 1 S. 1 GO-LK. Um eine noch engere Anbindung an die Volkskammer zu erreichen, nahm der Leiter des Sekretariats nun an den Sitzungen des Präsidiums teil, § 3 Abs. 2 S. 2 GO-LK. Um die kollektive Arbeitsweise weiter zu verbessern, konnte das Präsidium nun die Vorsitzenden der Fraktionen zu seinen Sitzungen hinzuziehen, § 3 Abs. 4 GO-LK. Die Aufnahme des Protokolls wurde nicht mehr vom Präsidenten251, sondern nun seitens des Sekretariats252 veranlasst, das ein SED-Getreuer leitete. Weiterhin oblag es nun dem Präsidium und nicht mehr dem Präsidenten253, die Rednerfolge zu bestimmen, § 14 Abs. 1 GO-LK. Die in der vorangegangenen Geschäftsordnung zwingend vorgeschriebene Bildung von drei Ausschüssen wurde in eine Kann-Bestimmung umgewandelt, § 7 Abs. 1 GO-LK. Die Einbringung von Gesetzesvorlagen in das Plenum der Länderkammer war zwar immer noch durch mindestens fünf Abgeordnete möglich, doch sah die neue Geschäftsordnung nicht mehr das Recht vor, die Vorlagen zu begründen.254 Auch das Recht des einzelnen Abgeordneten, sein, etwa von der Mehrheit abweichendes, Abstimmungsverhalten unter Aufnahme in den Sitzungsbericht kurz schriftlich zu begründen, fiel ersatzlos weg.255 Zeit und Ort der Sitzung wurden nunmehr allein – entgegen der Verfassung, die diese Aufgabe dem Präsidenten auftrug, Art. 74 Abs. 1 DDV – vom Präsidium beschlossen, § 12 Abs. 2 GO-LK. Gravierende Änderungen erfuhren auch die Vorschriften über die Tagesordnung. So fiel die Regelung, wonach den Abgeordneten die Tagesordnung rechtzeitig vor der Sitzung zugestellt werden musste, ersatzlos weg.256 Eine angemessene Vorbereitung der Sitzungen durch die Abgeordneten war damit nicht mehr möglich.257 251
So § 7 Abs. 1 S. 1 GO-PLK. Vgl. § 6 Abs. 1 GO-LK. 253 So noch § 17 Abs. 1 GO-PLK. 254 So noch § 12 Abs. 2 GO-PLK. 255 Vormals § 25 GO-PLK. 256 So noch § 14 Abs. 2 S. 1 GO-PLK. 257 Darüber beschwerte sich schon der stellvertretende Vorsitzende der CDUFraktion in Zeiten der Provisorischen Länderkammer, der bald darauf in den Westen geflohene Brunislaus Warnke; er schrieb an das Sekretariat: „Die Abgeordneten der 252
C. Die Geschäftsordnungen der Länderkammer
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Ebenso ersatzlos gestrichen wurde die Bestimmung, dass eine bereits beschlossene Tagesordnung auf Antrag von fünf Abgeordneten oder der Regierung durch Beschluss der Länderkammer erweitert werden kann.258 Raum für eine allumfassende Erörterung von Fragen, die sich erst während der Sitzung ergaben, bot sich damit nicht mehr. Auch im Vorfeld der eigentlichen Sitzung ergaben sich Änderungen: Das Recht des Präsidenten und der Fraktionen, kurze Erklärungen, Mitteilungen und Richtigstellungen vor Beginn der Sitzung abzugeben, verlor seine Verankerung in der Geschäftsordnung.259 Entgegen der früheren Regelung konnte nun Schluss der Beratung „jederzeit“ verlangt werden, was der Beendigung einer etwaigen unliebsamen Erörterung nur entgegen kam, § 15 GO-LK. Nach alledem wirkt es befremdlich, wenn der Abg. Boden (FDGB) nun davon sprach, dass „[. . ..] keine grundsätzlichen Veränderungen [. . .]“260 CDU in der Länderkammer haben für die Plenarsitzungen die Drucksachen [. . .] erst unmittelbar vor der Plenarsitzung erhalten [. . .]. Infolgedessen sehen sich die CDUAbgeordneten [. . .] ausserstande, an der Gesetzgebung so mit-zu-arbeiten [sic!], wie es ihr verantwortliches Amt erfordert. Ich bitte daher nochmals um direkte schnellste Zusendung der Gesetzentwürfe [. . .]“, Schreiben vom 11. März 1950, in: BArch, DA 2/41, Bl. 44. Klagen über die mangelnde Möglichkeit der Vorbereitung ließen auch weiterhin nicht nach, so dass sich Lobedanz zu einer Erklärung gegenüber seiner Fraktion genötigt sah: „Abg. Dr. Lobedanz erläutert den Grund der kurzfristigen Vorlagen der Gesetze. Man vermeidet, eine größere Debatte in der Tagespresse von Ost und West entstehen zu lassen, wodurch schon vor dem Tage der Entscheidung Schwierigkeiten entstehen könnten. Zur gemeinsamen Arbeit beider Kammern will Dr. Lobedanz mit dem Präsidenten [der Volkskammer, d. Vf.] Dieckmann sprechen“, „Protokoll über die 5. Fraktionssitzung der CDU in der Länderkammer am 2.11.1951“, in: ACDP, Ost-CDU: Parteiarbeit, 07-012, 1705. Dass die Bemühungen von Lobedanz nicht von Erfolg gekrönt waren, zeigt die Äußerung des späteren Fraktionsvorsitzenden der CDU, Broßmann: „Es ist [. . .] unangebracht, die Sitzung der Länderkammer in einer gehetzten Form anzuschließen“, „Protokoll über die 7. Fraktionssitzung der CDU in der Länderkammer am 23.5.1952, in: ACDP, Ost-CDU: Parteiarbeit, 07-012-1705. Zumindest innerhalb der Fraktion regte sich im Gegensatz zum Auftreten in der Öffentlichkeit leise Kritik am Umgang mit dem Verfassungsorgan Länderkammer. Im Nachlass Koenen findet sich eine Vortragsdisposition von Robert Wolter – Leiter des Büros der Interparlamentarischen Gruppe der Volkskammer – mit dem Titel „Wie entsteht ein Gesetz“, datiert vom 23. Mai 1955, das vermutlich für Vortragsreihen in den Wahlkreisen bestimmt war; Wolter beschrieb die Beteiligung der Länderkammer an der Gesetzgebung treffend so: „Die Regel ist [. . .] bei uns so, daß zumeist schon am Tage nach dem Gesetzesbeschluß der Volkskammer die Länderkammer zusammentritt, zu dem Gesetz Stellung nimmt und beschließt, von ihrem Einspruchsrecht gegenüber dem übermittelten Gesetzesbeschluß der Volkskammer keinen Gebrauch zu machen“, Nachlass Koenen, SAPMO-BArch, NY 4074/189, Bl. 89. 258 So noch § 14 Abs. 3 GO-PLK. 259 So noch § 15 GO-PLK.
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
vorgenommen wurden; diese Sichtweise lässt sich wohl nur damit erklären, dass die Länderkammer nun auch ausweislich ihrer Geschäftsordnung die Metamorphose in ein Kollektivorgan unter Führung der SED abgeschlossen und man sich von dem von der Verfassung vorgesehenen Auftrag in Gänze entfernt hatte.
D. Die Ausschüsse der Länderkammer I. Die Ausschüsse der Provisorischen Länderkammer Erstmals auf die Bildung von Ausschüssen zu sprechen kam man auf der 3. Sitzung der Provisorischen Länderkammer am 20. Oktober 1949261, also noch vor der Verabschiedung der ersten Geschäftsordnung. Seitens des Präsidiums wurde die Bildung von drei Ausschüssen „empfohlen“: Einen Ausschuss für allgemeine und auswärtige Angelegenheiten, einen Ausschuss für Wirtschafts- und Finanzfragen sowie einen Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen.262 Der vorgesehene Ausschuss für allgemeine und auswärtige Angelegenheiten legte später, vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2 GO-PLK, den Zusatz „[. . .] und auswärtige Angelegenheiten“ ab. Es war auch wenig ersichtlich, weshalb die Länderkammer einen solchen – politischen – Ausschuss über dieses Sachgebiet benötigte. Auswärtige Angelegenheiten waren Sache der Republik, Artt. 112 Abs. 1, 117 Abs. 1 DDV.263 Der Grund für die angedachte Erweiterung der Ausschusstätigkeit auf auswärtige Angelegenheiten resultierte wohl weniger aus der Einforderung außenpolitischer Mitsprache, als vielmehr aus der engen, auch semantischen, Anlehnung an die für die Volkskammer von der Verfassung in Art. 60 Abs. 1 DDV zwingend vorgesehenen Ausschüsse.264
Die Anzahl der Ausschüsse reiche „[. . .] nach Meinung des Präsidiums zunächst aus, um die schwebenden Fragen zu erörtern.“265 Die Bildung der 260
LK (2. WP), 3. Sitzung am 27. September 1955, in: Protokolle, S. 36. Vgl. PLK, 3. Sitzung am 20. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 15 ff. 262 Vgl. ebd., S. 15. 263 Wenngleich die offizielle Geschichtsschreibung der DDR der Länderkammer die Aufgabe anheim gab „[. . .] Möglichkeiten zu nutzen, um mit dem westdeutschen Bundesrat eine Verständigung über die staatspolitischen Notwendigkeiten in der nationalen Frage herbeizuführen“, Schöneburg/Mand/Leichtfuß u. a., Vom Werden unseres Staates, Bd. 2, S. 37. Eine „auswärtige“ Angelegenheit konnte dies hingegen, ob des damals auch seitens der DDR eingeforderten Alleinvertretungsanspruches, nicht sein. 264 Vgl. auch § 17 Abs. 2 lit. c GO-VK. 265 Vgl. PLK, 3. Sitzung am 20. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 15; Präsident Lobedanz weiter: „Wir [das Präsidium, d. Vf.] fürchten, daß wenn die Zahl der Aus261
D. Die Ausschüsse der Länderkammer
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Ausschüsse vertagte man, bis sich den Fraktionen Gelegenheit bot, Stellung zu nehmen und sich über die Zahl der Mitglieder und die Zusammensetzung der Ausschüsse auseinanderzusetzen; die Fraktionen sollten ihre Vorschläge bis zur nächsten Sitzung dem Präsidium mitteilen.266 Der Abg. Müller-Bernhardt (LDPD) bestand hingegen auf einer konkreten Bezifferung der personellen Stärke der Ausschüsse, um den Fraktionen überhaupt eine Grundlage ihrer internen Diskussionen zu geben.267 Der Abg. Frölich (SED) erwiderte daraufhin, dass man die Ausschüsse nicht größer als notwendig gestalten sollte und schlug eine Mitgliederzahl von vier, für den Rechts- und Verfassungsausschuss, „[. . .] der mehr Fragen zu erledigen haben dürfte [. . .]“, eine Mitgliederzahlvon neun vor.268 Ausgerechnet über die Ausgestaltung der Ausschüsse entwickelte sich eine lebhafte Diskussion, die in ihrer Form Zeit des Bestehens der Länderkammer einmalig blieb. Der Abg. Uhle (LDPD) kritisierte die durch Ziff. 16269 der vorläufigen Ordnung270 normierte „[. . .] Einengung der Tätigkeit der Ausschüsse.“271 Uhle forderte unter der Prämisse der Einigkeit aller Mitglieder des Ausschusses ein Selbstbefassungsrecht des Ausschusses. Der Abg. Schleusener (CDU) schlug eine vermittelnde Lösung vor: Ein Ausschuss solle sich zwar – wiederum unter der Voraussetzung der Einigkeit seiner Mitglieder – mit einem beliebigen Gegenstand befassen dürfen, das Recht zur Einbringung des Ergebnisses einer solchen Beratung in das Plenum solle er allerdings nur über jene Gegenstände besitzen, die ihm seitens des Präsidiums überwiesen wurden.272 Diesen Überlegungen trat der Abg. Frölich (SED) entschieden entgegen. Es sei nicht angängig, dass ein Ausschuss von sich aus beschließe, was behandelt werde; man würde sonst „[. . .] Gefahr laufen, daß so viele Parlamente entstehen, wie Ausschüsse vorhanden sind.“273 Eine Verständigung konnte in jener Sitzung nicht erreicht werden – man vertagte sich. Nicht wie angedacht bis zur nächsten Sitzung, sondern erst bis zur 7. Sitzung der Provisorischen Länschüsse sehr vermehrt wird, die Arbeitskraft unserer Mitglieder übermäßig in Anspruch genommen wird; denn Sie müssen immerhin bedenken, daß wir ein relativ kleines Plenum sind“, ebd. 266 Vgl. ebd. 267 Vgl. ebd. 268 Vgl. ebd. 269 Ziff. 16 lautete: „Eingaben, Beschwerden usw. dürfen von den Ausschüssen nur bearbeitet werden, wenn sie auf der Tagesordnung [des Ausschusses, d. Vf.] stehen“; in diesem Sinne auch § 9 Abs. 1 GO-PLK und § 8 Abs. 1 GO-LK. 270 Vorläufige Ordnung für den Geschäftsverkehr in der Provisorischen Länderkammer der [DDR], in: BArch, DA 2/89, Bl. 30 ff. 271 Vgl. PLK, 3. Sitzung am 20. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 16. 272 Vgl. ebd.
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
derkammer am 24. Januar 1950 verständigten sich die Fraktionen schließlich auf die Zusammensetzung der Ausschüsse, die sogleich vom Plenum bestätigt wurde (§ 8 Abs. 1, 2 GO-PLK).274 Der Ausschuss für Wirtschafts- und Finanzfragen275 sowie der Rechts- und Verfassungsausschuss276 sollten mit je fünf Abgeordneten besetzt sein, der Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten277 mit neun.278 Die SED hatte damit in jedem Ausschuss die absolute Mehrheit (vgl. § 8 Abs. 8 S. 1 GO-PLK, der für die Beschlussfassung die einfache Mehrheit genügen ließ) und konnte durch Fernbleiben ihrer Ausschussmitglieder zudem in allen Ausschüssen Beschlussunfähigkeit herstellen, vgl. § 8 Abs. 7 GO-PLK. Im Anschluss an diese Sitzung forderte Präsident Lobedanz die Mitglieder auf, sich zu den konstituierenden Ausschuss-Sitzungen einzufinden.279 In der 9. Sitzung der Provisorischen Länderkammer am 28. Februar 1950 wurden schließlich die Namen der Vorsitzenden der Ausschüsse dem Plenum bekannt gegeben.280 Klassische Ausschusstätigkeit ergab sich in der Länderkammer nie. Neben der konstituierenden Sitzung traten nur der Ausschuss für Allgemeine Angelegenheiten und der Ausschuss für Wirtschafts- und Finanzfragen zu einer zweiten Sitzung zusammen, in der jeweils beschlossen wurde, dass es nichts zu beschließen gab.281
273 Vgl. ebd.; Frölich weiter: „Will der Ausschuß etwas behandeln, was ihm nicht zugewiesen ist, muß entweder die Länderkammer oder mindestens das Präsidium hierfür die Einwilligung gegeben haben“, ebd., S. 17. 274 Vgl. PLK, 7. Sitzung am 24. Januar 1950, in: Protokolle S. 49. 275 Mitglieder von der SED (3): Heilmann (Vorsitzender), Buchwald, Langner, von der LDPD (1): Müller-Bernhardt, von der CDU (1): Gillessen. 276 Mitglieder von der SED (3): Eyermann (Vorsitzender), Schliebs, Besser, von der LDPD (1): Uhle, von der CDU (1): Schleusener. 277 Mitglieder von der SED (5): Neddermeyer (als Hospitant der SED-Fraktion), Wolfram, Fellenberg, Bäuml, Frölich, von der LDPD (2): König (Vorsitzender), Mühlmann, von der CDU (2): Warnke, Köster. 278 Vgl. PLK, 7. Sitzung am 24. Januar 1950, in: Protokolle, S. 49. Das Präsidium schlug zunächst für jeden Ausschuss 8 Mitglieder vor, davon 4 von der SED, je 2 von LDPD und CDU, konnte sich damit aber nicht durchsetzen, vgl. Präsidium PLK, 2. Sitzung am 20. Oktober.1949, in: BArch, DA 2/79, Bl. 13. 279 Vgl. PLK, 7. Sitzung am 24. Februar 1950, in: Protokolle, S. 49. 280 Vorsitzender des Ausschusses für allgemeine Angelegenheiten: König (LDPD), Stellvertreter Wolfram (SED); Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschafts- und Finanzfragen: Heilmann (SED), Stellvertreter Gillessen (CDU); Vorsitzender des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen: Eyermann (SED), Stellvertreter Schleusener (CDU); die Verteilung der Ausschussvorsitzenden ging auf eine fraktionsübergreifende Vereinbarung vom 24. Januar 1950 zurück, vgl. BArch, DA 2/89, Bl. 56. 281 Vgl. zu den wenigen Überlieferungen, die überhaupt eine Ausschusstätigkeit bezeugen: BArch, DA 2/89, Bl. 2 ff.
D. Die Ausschüsse der Länderkammer
211
Die von der Geschäftsordnung vorgesehenen Berichterstatter erläuterten dem Plenum der Provisorischen Länderkammer nur zweimal die Tätigkeit ihrer Ausschüsse. Einmal282 durch einen Berichterstatter des Ausschusses für Wirtschafts- und Finanzfragen betreffend das Haushaltsgesetz von 1950, das zweite Mal283 bezüglich der Arbeiten an der ersten Geschäftsordnung der Länderkammer im Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten. Es nimmt nicht wunder, dass man später auf eine Berichterstattung verzichtete, die nichts zu berichten hatte außer Einmütigkeit. Diesen „Umweg“ ersparte man sich in Zukunft, indem man die Beratungen über einen Gesetzentwurf der Volkskammer auf die vollumfängliche Begrüßung dieses Vorhabens im Namen aller Fraktionen284 beschränkte.285
II. Einstellung der Ausschusstätigkeit ab der 1. Wahlperiode Ausschüsse bestanden in der Länderkammer nur in jener, die sich das Attribut „Provisorische“ gab. In der 1. Wahlperiode knüpfte man zwar noch an die Ausschüsse an286, deren Bildung nach § 8 Abs. 1 GO-PLK obligatorisch war, doch lässt sich weder den Protokollen noch dem Bestand des Bundesarchivs etwas entnehmen, was auf eine Tätigkeit dieser Ausschüsse hinwiese.287 282 Berichterstatter Abg. Heilmann (SED), vgl. PLK, 8. Sitzung am 10. Februar 1950, in: Protokolle, S. 67 f. 283 Berichterstatter Abg. König (LDPD), vgl. PLK, 9. Sitzung am 28. Februar 1950, in: Protokolle, S. 75 f. 284 Statt aller: vgl. die Ausführungen der Abg. Bäuml (SED), PLK, 12. Sitzung am 17. Mai 1950 in: Protokolle, S. 106. 285 Der Abg. Broßmann (CDU), später Fraktionsvorsitzender, erkannte die damit einhergehende Gefahr in weiser Voraussicht: „Abg. Broßmann vertritt die Ansicht, daß die Bedeutung der Länderkammer immer mehr in den Hintergrund gerät, wenn stets nur ein Vertreter für alle Fraktionen spricht und wenn die Sitzung immer unmittelbar an die Volkskammersitzung angehängt wird, wodurch die Abgeordneten keine Gelegenheit haben, sich mit den Vorlagen vertraut zu machen“, „Niederschrift über die Länderkammerfraktion am 18.12.1953“, in: ACDP, Ost-CDU: Parteiarbeit, 07-012-1705. 286 Vgl. die Äußerungen des Vizepräsidenten Frölich (SED) anlässlich der konstituierenden Sitzung der 1. Wahlperiode: „Die Wahl der Ausschüsse, sofern und soweit Ausschüsse notwendig sind, kann in einer späteren Sitzung erfolgen“, LK (1. WP), Protokolle, S. 2. 287 Ein Entwurf, datiert vom 16. März 1951, über die Zusammensetzung der Ausschüsse in der 1. Wahlperiode, der sich in den Akten des Sekretariats der Länderkammer befindet, erhöhte die Mitgliederzahl in den Ausschüssen auf neun; auf zwei Abgeordnete erhielt jede Fraktion einen Ausschussvertreter, so dass die SED insgesamt sieben Ausschussmitglieder stellen konnte. Die Ausschüsse sollten sich wie folgt zusammensetzen:
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
Später wurde auch formal auf die Bildung von Ausschüssen verzichtet. Im Interesse einer schnellen Verabschiedung der Gesetze hatte man mit dem Präsidium der Provisorischen Volkskammer vereinbart, dass die Berichterstatter der Fraktionen der Provisorischen Länderkammer an den Beratungen der betreffenden Ausschüsse der Provisorischen Volkskammer als Gäste teilnehmen konnten.288 Diese Vorgehensweise sollte alsbald zur Regel werden.289 Lässt sich schon in den Ausschüssen der Länderkammer, die sich provisorisch nannte, keine Arbeit mehr verzeichnen, ergibt sich aus den Äußerungen des Abg. Boden (FDGB) – Beisitzer im Präsidium – in der 3. Sit-
1. Ausschuß für Allgemeine Angelegenheiten
2. Ausschuß für Wirtschafts- und Finanzfragen
3. Rechts- und Verfassungs-Ausschuß
9 2 1 2 4
9 2 2 1 4
9 3 1 1 2 2
Mitglieder, davon: SED FDGB/FDJ DFD u. a. andere Parteien (je 1)
Mitglieder, davon: SED FDGB/FDJ DFD u. a. andere Parteien je 1
Mitglieder, davon: SED FDGB/FDJ DFD u. a. CDU LDP
In jedem dieser Ausschüsse hatte auch hier die SED (zusammen mit den ihr ergebenen Massenorganisationen) die Mehrheit. Die Ausschüsse konstituierten sich nie. Die Aufstellung ist wortgetreu übernommen dem „Entwurf LänderkammerAusschüsse“ vom 16. März 1951, in: BArch, DA 2/81, Bl. 190 f. 288 Für diesen Rapport der Länderkammerabgeordneten in den Ausschüssen der Volkskammer glaubte Lobedanz „[. . .] den Dank des Hauses ausdrücken zu dürfen“, PLK, 7. Sitzung am 24. Januar 1950, in: Protokolle, S. 50. 289 Vgl. dazu „Die Länderkammer der DDR (Antwort auf eine Konsultation)“, undatiert, in: BArch, DA 2/4, Bl. 27. Reibungslos verlief diese Praxis wohl nicht. So finden sich in den Akten der CDU-Fraktion der Länderkammer durchgehend Beschwerden, etwa über fehlende Einladungen zu Ausschusssitzungen der Volkskammer und über die ungenügende Bereitstellung von Ausschussvorlagen, statt vieler: „Abg. Broßmann [. . .] kommt auf die Teilnahme der Abg. der Länderkammer an den Ausschüssen der Volkskammer zu sprechen. Er hebt hervor, daß die Länderkammer auf die Bildung eigener Ausschüsse verzichtet hat unter der Voraussetzung, daß die Abgeordneten der Länderkammer an den Ausschüssen der Volkskammer gleichberechtigt teilnehmen“, „Protokoll über die Sitzung der CDU-Fraktion in der Länderkammer am 26.11.1953, in: ACDP, Ost-CDU: Parteiarbeit, 07-012-1705. Nicht nur die Zusammenarbeit mit der Volkskammer war mit Problemen behaftet, auch die Zusammenarbeit mit den Ministern der eigenen Partei, so dass sich die CDU-Fraktion genötigt sah, bei der Parteiführung zu intervenieren: „Die Fraktion der Länderkammer fasst den Beschluss die Parteileitung zu bitten, dass seitens der Parteileitung Vorsorge getroffen wird, dass an den künftigen Sitzungen der CDU-Fraktion i. d. Länderkammer jeweils ein Regierungsvertreter teilnimmt, welcher Mitglied der CDU ist“, „Protokoll über die 8. Sitzung der CDU-Fraktion in der Länderkammer am 3. Oktober 1952“, S. 2, in: ACDP, Ost-CDU: Parteiarbeit, 07-012-1705.
E. Die rechtliche Stellung der Abgeordneten der Länderkammer
213
zung der 2. Wahlperiode am 27. September 1955 der Grund: Die „[. . .] neue Praxis [. . .]“ habe ergeben, dass die Länderkammer – auch formal – keine eigenen Ausschüsse mehr benötige, da die Abgeordneten an den Beratungen der Volkskammer teilnähmen.290 Die Teilnahme an den Sitzungen der Volkskammerausschüsse wurde auch mit Nachdruck empfohlen: Präsident Bach teilt mit, daß die Fraktionen noch nicht in jedem Falle von der Möglichkeit Gebrauch machen, in die Ausschüsse der Volkskammer je einen Abgeordneten der Länderkammer von jeder Fraktion zu delegieren. [. . .] Präsident Bach bittet, innerhalb der Fraktionen eine Beschlußfassung in der vorgetragenen Richtung herbeizuführen.291
Damit war auch innerorganisatorisch die perfekte Symbiose mit der Volkskammer geschaffen. Eine Einzigartigkeit in der Geschichte der Länderkammer stellt die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, „Überprüfungsausschuss“ genannt, dar. Der Abg. Handschumacher (LDPD) wurde einseitiger Interessenvertretung zugunsten eines Tankstellenpächters beschuldigt; anlässlich einer Beschwerde des VEB Minol292 wurde ein Untersuchungsausschuss bestehend aus drei Abgeordneten eingesetzt.293 Die Ergebnisse dieses Untersuchungsausschusses und nähere Hintergründe sind nicht überliefert. Handschumacher wurde jedenfalls Mitglied der Länderkammer der 3. Wahlperiode.
E. Die rechtliche Stellung der Abgeordneten der Länderkammer I. Nach der Verfassung vom 7. Oktober 1949 Nach der Verfassung war die doppelte Organstellung des Abgeordneten der Länderkammer die Regel, Art. 72 Abs. 1 S. 2 DDV. Der Abgeordnete war also Organ der Länderkammer und Organ des Landtages, dem er angehörte und von dem er in die Länderkammer gewählt wurde. Das Mandat war damit an folgende formelle Voraussetzungen gebunden: 290 Dementsprechend wurde die Einsetzung von Ausschüssen zur Kann-Vorschrift in der neuen Geschäftsordnung, vgl. oben, Kap. 4 C. IV. 4. Diese Form der Arbeit, so Boden (FDGB), habe sich bewährt und trage wesentlich dazu bei, die Arbeit der Länderkammer zu verbessern, LK (2. WP), 3. Sitzung am 27. September 1955, in: Protokolle, S. 36. 291 Präsidium LK (2. WP), 5. Sitzung am 9. Februar 1956, in: BArch, DA 2/78, Bl. 47. 292 Vgl. die Aufzeichnungen dieses Vorganges, in: BArch, DA 2/49, Bl. 349 ff. 293 Präsidium LK (2. WP), 9. Sitzung gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden am 9. Januar 1957, in: BArch, DA 2/78, Bl. 62.
214
Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
(1) Wählbarkeit zum Landtag, (2) Wahl durch den jeweiligen Landtag.294 Zu (1): Die Verfassung selbst enthielt keine Regelung über die Wählbarkeit zur Länderkammer. Auf Art. 52 Abs. 2 DDV295, der die Wählbarkeit zur Volkskammer von der Vollendung des 21. Lebensjahres abhängig machte, wurde von Art. 80 Abs. 1 DDV nicht verwiesen. Demnach richtete sich die Wählbarkeit zur Länderkammer nach den Verfassungen der Länder bzw. nach den diese überlagernden Gesetzen der Republik – Landeswahlgesetze hat es nie gegeben. Für die Wahl der Abgeordneten zur Provisorischen Länderkammer galt die von der Besatzungsmacht erlassene Wahlordnung für die Landtags- und Kreistagswahlen in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands296 vom 11. September 1946, die für alle Länder der DDR gleichermaßen verbindlich war. § 2 Nr. 3 dieser Wahlordnung beschränkte die Wählbarkeit in den Landtag und Kreistag auf jeden Wahlberechtigten, der am Wahltag das 23. Lebensjahr297 vollendete und am Tage der Aufforderung zur Einreichung von Wahlvorschlägen in Deutschland seinen Wohnsitz hatte. Die Wahl zur Länderkammer der 1. Wahlperiode richtete sich nach dem Gesetz über die Wahlen zur Volkskammer, zu den Landtagen, Kreistagen und Gemeindevertretungen in der [DDR] am 15. Oktober 1950298 vom 9. August 1950, das gem. § 3 Abs. 3 – wie die später erlassenen Wahlgesetze299 – das passive 294
Für die heutige Zeit kennt der österreichische Bundesrat ein ähnliches Wahlverfahren, vgl. Art. 35 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG): „Die Mitglieder des Bundesrates und ihre Ersatzmitglieder werden von den Landtagen für die Dauer ihrer Gesetzgebungsperiode nach dem Grundsatz der Verhältniswahl gewählt [. . .]“. Art. 35 Abs. 2 BV-G: „Die Mitglieder des Bundesrates müssen nicht dem Landtag angehören, der sie entsendet; sie müssen jedoch zu diesem Landtag wählbar sein.“ Art. 34 Abs. 1 BV-G: „Im Bundesrat sind die Länder im Verhältnis zur Bürgerzahl im Land [. . .] vertreten.“ Art. 56 Abs. 1 BV-G: „Die Mitglieder des Nationalrates und die Mitglieder des Bundesrates sind bei der Ausübung dieses Berufes an keinen Auftrag gebunden.“ Zum österreichischen Bundesrat, vgl.: Fallend, Der Bundesrat in Österreich, S. 97 (101 ff.). 295 Vgl. zu Art 52 Abs. 2 DDV ausführlich: Mampel, Die Verfassung der SBZ, Art. 52, passim. 296 Abgedruckt in: Institut für Theorie des Staats und des Rechts der Akademie der Wissenschaften der DDR, Geschichte des Staats und des Rechts der DDR, S. 83 ff. 297 Dem stand Art. 28 Abs. 2 der Verfassung des Landes Sachsen vom 28. Februar 1947 entgegen, die als einzige hinsichtlich des passiven Wahlrechts die Vollendung des 21. Lebensjahres bestimmte, abgedruckt in: Gesetze/Befehle, Verordnungen, Bekanntmachungen für Sachsen Teil 1, 3. Jahrgang 1947, Nr. 5 vom 15. März 1947, S. 103–108. Ausführlich zum Wahlalter und dessen Entwicklung in der SBZ: Braas, S. 151 ff. 298 GBl. S. 743 (1950).
E. Die rechtliche Stellung der Abgeordneten der Länderkammer
215
Wahlrecht auf die Vollendung des 21. Lebensjahres und das Vorhandensein eines Wohnsitzes im Gebiet der DDR oder (Groß-)Berlin festlegte. Zu (2): Mitglieder der Länderkammer konnten grundsätzlich nur Mitglieder des jeweiliges Landesparlaments sein, Art. 72 Abs. 1 S. 2 DDV, die nach Art. 72 Abs. 1 S. 1 DDV von den Landtagen300 zu wählen waren – insofern ist Art. 72 Abs. 1 S. 1 DDV eine dem Art. 109 Abs. 1 S. 2 DDV301 entsprechende Normativvorschrift, da sie den Ländern vorschrieb, aus welchem Organ sie ihre Abgeordneten für die Länderkammer zu wählen hatten. Darüber hinaus war der entsendende Landtag de constitutione lata in der Auswahl der Personen, die er in die Länderkammer zu wählen beabsichtigte mit der Maßgabe frei, dass dies im Verhältnis der Stärke der Fraktionen302 zu erfolgen hatte und die Vorgaben des Art. 71 Abs. 1 S. 2, 3 DDV beachtet wurden. Eine zahlenmäßig derartige Verteilung, dass die 299
Nach Schaffung der Bezirke, die 1954 und 1958 die Länderkammerabgeordneten wählten: § 3 Abs. 3 des Gesetz[es] über die Wahlen zu den Bezirkstagen der [DDR] vom 4. August 1954, GBl. S. 672 (1954); § 2 Abs. 3 des Gesetz[es] über die Wahlen zu den örtlichen Volksvertretungen vom 3. April 1957, GBl. I S. 221 (1957). 300 Hierin sah man die Gewähr, dass „[. . .] der Gedanke eines Gegensatzes zwischen Reich und Ländern überwunden wird [. . .]“, Krahn, S. 29. Freilich unter der – erzwungenen (Einheitswahlen!) – Voraussetzung parteipolitischer Homogenität auf Landes- und Republikebene. So auch: Schnorr, AöR 37 N.F. (1950/51), 259 (277 u. 286). 301 Art. 109 Abs. 1 S. 2 DDV: „Der Landtag ist die höchste und alleinige Volksvertretung des Landes.“ Dieser Satz ist gleichzeitig verklausulierter Beleg für die Ablehnung des Zweikammersystems durch die SED insgesamt, verband doch etwa Ulbricht zweite Kammern allein mit „[. . .] Ständekammern [. . .]“ wie den Bayerischen Senat oder den früheren Württembergischen Landständen, vgl. ders., Die Entwicklung des deutschen volksdemokratischen Staates, S. 104; ders., Geschichte der Arbeiterbewegung, Bd. III, S. 55. 302 Eine Landtagsfraktion musste mindestens fünf Mitglieder zählen; fraktionslose Abgeordnete konnten sich einer Fraktion als Gäste anschließen, vgl. nur § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages vom 20. März 1947, abgedruckt in: Keip Verlag, Akten und Verhandlungen des Sächsischen Landtages 1946–1952, Bd. II, Drs. Nr. 145 (S. 68 ff.). Zur Geschichte der republikweit einheitlichen – da auf einen SED-Entwurf zurückgehenden – Geschäftsordnungen der Landtage und deren Beratung im Plenum vgl. Braas, S. 99 f. und Anm. 114 (zu Teil 4.1.1.). Zu den Wahlergebnisses der Landtagswahl vom 20. Oktober 1946 und der Einheitslistenabstimmung vom 15. Oktober 1950 und der daraus resultierenden Verteilung der Mandate, vgl. Koch, Landtage, in: SBZ-Handbuch, S. 329 (339 ff.); Braun, Wahlen und Abstimmungen, in: ebd., S. 381 (397 u. 431). Welches Sitzzuteilungsverfahren (wohl D’Hondtsches Höchstzahlverfahren) zur Verteilung der Länderkammermandate in den jeweiligen Landtagen verwandt wurde, lässt sich nicht mehr feststellen. Eine Rückberechnung liefert häufig – insbesondere ab der 1. Wahlperiode der Länderkammer – keine stringenten Ergebnisse. Dies lässt sich mit nicht mehr eruierbaren Fraktionsabsprachen erklären, die durch die Zulassung von – SED-treuen – Massenorganisationen anlässlich der Wahlen im Jahre 1950 zur Regel wurden.
216
Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
Fraktion eben jener Größe entsprach, die zur Entsendung von Abgeordneten zur Verfügung stand, wirkte insoweit auf die Entscheidungsfindung limitierend. Die Wahl der Abgeordneten durch den jeweiligen Landtag hatte damit für die Zusammensetzung der Länderkammer konstitutiven Charakter. Ebenso das Ende der Wahlperiode des jeweiligen Landtages: Zwischen dieser und dem Mandat in der Länderkammer bestand ausweislich der Verfassung, Art. 72 Abs. 1 S. 1 DDV, zwingende Konnexität303. Endete also die Wahlperiode des Landtages, erlosch das Mandat in der Länderkammer für die jeweiligen Abgeordneten, ohne dass es eines besonderen Aktes bedurfte. Zwischenzeitliche Möglichkeiten zur Abberufung eines Abgeordneten bestanden nach der Verfassung nicht. Dem Recht zur Wahl von Abgeordneten in die Länderkammer stand die Pflicht zur Wahl304 gegenüber, die sich über Art. 71 Abs. 1 S. 1 DDV hinaus wohl auch aus Art. 4 Abs. 1 S. 1 DDV – als rudimentäre Verankerung des Grundsatzes der Verfassungs(organ)treue305 – entnehmen lässt. 1. Das Problem des freien oder imperativen Mandats Die Vorschriften über die Länderkammer in der Verfassung, die in etlichen Bereichen dogmatische Schwächen aufwiesen und in ihrer Systematik, auch im Verfassungsausschuss, kaum tiefergehend durchdacht und auf Schlüssigkeit geprüft wurden, lassen Rückschlüsse auf die Wertigkeit dieses Verfassungsorgans zu. Freilich darf hierbei die in Teilen bedingte Hastigkeit der Implementierung auf Insistenz der bürgerlichen Parteien nicht verkannt werden. Nach Art. 72 Abs. 2 S. 1 DDV hatten die Landtage den Willen des Landes zu den in der Länderkammer zu erörternden Angelegenheiten festzustellen. Dem gegenüber stand Art. 72 Abs. 2 S. 2 DDV, wonach die Bestimmungen der Länderverfassungen über die Gewissensfreiheit der Abgeordneten hierdurch (durch Art. 72 Abs. 2 S. 1 DDV) unberührt blieben. Ob diese Bestimmungen der Verfassung für die Abgeordneten der Länderkammer ein imperatives Mandat306 bedeuteten, geht aus den Beratungen im Verfassungsausschuss des Deutschen Volksrats nicht mit letzter Eindeu303 Anders wohl noch in den Richtlinien, vgl. oben, Kap. 3 E. In diesen hieß es unter Nr. 3: Die Abgeordneten werden von den Landtagen auf die Dauer einer [nicht wie in Art. 71 Abs. 1 S. 1 DDV „der“, d. Vf.] Wahlperiode gewählt.“ 304 So auch Polak in der 10. Sitzung des Verfassungsausschusses am 20. Juli 1948, vgl. oben, Kap. 3 E. 305 In diesem Sinne wohl Mampel, Die Verfassung der SBZ, Art. 4 Erl. 2; ders., Herrschaftssystem und Verfassungsstruktur in Mitteldeutschland, S. 89. Einschränkend: Travers, S. 71 f.
E. Die rechtliche Stellung der Abgeordneten der Länderkammer
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tigkeit hervor. Eine Praxis, die diese Fragen beantworten könnte, hat sich nicht herausbilden können, so dass eine Untersuchung hierüber an ihre Grenzen stößt.307 Die klassischen canones ergeben nachfolgende Überlegungen.308 a) Grammatikalische Auslegung Nach dem Wortlaut lässt die Bestimmung sowohl die Auslegung zu, wonach die Abgeordneten, soweit sie, was der Regel entsprach, auch Abgeordnete des jeweiligen Landtages waren, nur bei der Abstimmung im Landtag über die in der Länderkammer zu erörternden Fragen ihrem freien Gewissen unterworfen, in der Länderkammer dann aber an das Ergebnis der Abstimmung im Landtag gebunden waren, als auch die, wonach die Abgeordneten in beiden Fällen, also bei der Abstimmung im Landtag, als auch in der Länderkammer, in ihren Entscheidungen gänzlich frei sein sollten. Für ein imperatives Mandat309 der Abgeordneten der Länderkammer spricht zuvörderst Art. 72 Abs. 2 S. 1 DDV: 306 Zum freien bzw. imperativen Mandat, seinen historischen Grundlagen und deren Wandlungen umfassend: Müller, Das imperative und freie Mandat, S. 5 ff. u. 28 ff. 307 Die Landtage fassten Zeit des Bestehens der Länderkammer nie einen Beschluss über die in der Länderkammer zu erörternden Angelegenheiten. Darüber hinaus ergaben sich keine engeren Bande zwischen den Abgeordneten und ihren Konstituenten – abgesehen vom Wahlakt selbst; irgendwie geartete Konsultationsmechanismen waren jedenfalls nicht zu erkennen. 308 Mag man auch (Tempi passati!) diese Erörterungen für müßig halten, da sich die Frage der Art des Länderkammmermandats ob der Einmütigkeit der Entscheidungen nie stellte, zeigen gerade auch die Arbeiten des Verfassungsausschusses und die widersprüchlichen Äußerungen der Protagonisten, dass die rechtliche Qualifikation des Mandats nicht abschließend geklärt wurde. 309 So Travers, der eine Parallele zu den weisungsgebundenen Regierungsvertretern im deutschen Bundesrat der Verfassung von 1871 und des Reichsrates der Weimarer Verfassung zieht, ders., S. 222 f., wobei verkannt wird, dass in beiden Verfassungen nicht die Vertreter der Staaten, sondern die Staaten selbst Mitglieder waren. Zum Streit um die Weisungsgebundenheit der Reichsratsbevollmächtigten, vgl. Bilfinger, AöR 8 (1925), 174 (182 ff.), der die Möglichkeit durch Landesgesetzgebung die Bindung an Instruktionen auszuschließen verneint, (186 ff.). Maunz konstatiert, die Abgeordneten der Länderkammer erhielten von den Landtagen „[. . .] ihre durch Landtagsbeschluß festgelegten Instruktionen“, ders., Deutsches Staatsrecht, § 33 II 1 b) (S. 277). Widersprüchlich insoweit Lapp, der Travers zitiert, dann aber von den Abgeordneten der Länderkammer als „Vertreter des Volkes“ spricht, ders., Die Volkskammer der DDR, S. 32. Die Bezugnahme durch Art. 72 Abs. 2 S. 2 DDV auf die Bestimmungen über die Gewissensfreiheit, die die jeweiligen Länderverfassungen – also dem ersten Blick nach nur auf Länderebene – regelten, stützt diese Ansichten. Eine andere Lesart ließe auch folgenden Schluss zu: Art. 72 Abs. 2 S. 2
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
Die Landtage stellen den Willen des Landes zu den in der Länderkammer zu erörternden Angelegenheiten fest.
Weiterhin auch Art. 71 Abs. 1 S. 1 DDV, der die Länderkammer als „[. . .] Vertretung der deutschen Länder [. . .]“ bezeichnet. Eine Vertretung der Länder erscheint nur dann wirkmächtig, verpflichtete man die Abgeordneten der Länderkammer auf die Beschlüsse des jeweiligen Landtages, stattete man sie also mit einem imperativen Mandat aus.310 Andernfalls stünde es zwar dem Landtag frei, den Willen der zu erörternden Angelegenheiten festzustellen, dieser begegnete aber unter Umständen einem Durchsetzungshindernis, da die Abgeordneten in der Länderkammer nach dieser Interpretation hinsichtlich des Abstimmungsverhaltens nur ihrem Gewissen unterworfen waren; Art. 72 Abs. 2 S. 1 DDV wäre insofern überflüssig gewesen bzw. der Wille des Landes nur eine unverbindliche Empfehlung für die Abgeordneten der Länderkammer.311 Dass die Abgeordneten „[. . .] auf die Dauer der Wahlperiode des Landtages [. . .]“ und nicht für eine festgelegte Zeit in die Länderkammer gewählt wurden, ließe ebenfalls den Schluss auf ein imperatives Mandat zu, bedingte dies doch eine gewisse Abhängigkeit von den politischen Verhältnissen im Land. DDV überließ die Frage des freien oder imperativen Mandats den Länderverfassungen, so auch Schnorr, AöR 37 N.F. (1950/51), 259 (277 f.) („Obwohl dies gegenwärtig keine praktische Bedeutung besitzt, wäre es für die Zukunft immerhin denkbar, daß ein Land für seine Abgeordneten in der Länderkammer das imperative Mandat einführt [. . .]“). Entweder verankerte man also eine explizite Regelung über das Mandat der Abgeordneten der Länderkammer in der jeweiligen Landesverfassung oder der Ausdruck „[. . .] Gewissensfreiheit der Abgeordneten [. . .]“ in Art. 72 Abs. 2 S. 2 DDV implizierte die entsprechende Anwendung der Art des Mandats, das die jeweilige Landesverfassung normierte, auch auf die Abgeordneten der Länderkammer. Mithin bezöge sich dieser Ausdruck sowohl auf die Abgeordneten des Landtages, als auch auf die der Länderkammer. Bestimmte die jeweilige Landesverfassung also in der Richtung Wähler–Abgeordneter des Landtags ein freies bzw. imperatives Mandat – letzteres tat keine der fünf Länderverfassungen – dann hätte dies auch in der Richtung Landtag–Abgeordneter der Länderkammer gegolten. All diese Überlegungen stießen hingegen wohl an die Grenze der Artt. 109 Abs. 1 i. V.m 51 Abs. 3 DDV, die den Länderverfassungen die Vorgabe machten mit den „[. . .] Grundzügen der Verfassung der Republik [. . .]“ übereinzustimmen und können daher nicht überzeugen. 310 Wenngleich man damit nur die Vertretung des herrschenden Willens, also des Willens der Regierungsfraktion, unterstellt. 311 Gleichsam nicht überzeugend ist die Überlegung, Art. 72 Abs. 2 S. 1 DDV gäbe den Landtagen ein Revokationsrecht über die Freiheit des Mandats mit einem sich anschließenden Interventionsrecht. Das Mandat der Abgeordneten wäre also solange frei, bis der jeweilige Landtag einen verbindlichen Beschluss fasste; dieses dann limitiert-freie Mandat ließe sich mit Art. 72 Abs. 2 S. 2 DDV (es heißt: „hierdurch“, nicht „solange“) nicht vereinbaren, so aber Reuter, I Rdnr. 53 (S. 25), wenn er von einer Weisungsmöglichkeit spricht.
E. Die rechtliche Stellung der Abgeordneten der Länderkammer
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Der Annahme eines imperativen Mandats stehen hingegen folgende Überlegungen entgegen: Zunächst einmal spricht die Erwähnung der Bestimmungen der Länderverfassungen über die Gewissensfreiheit in Art. 72 Abs. 2 S. 2 DDV, die durch Art. 72 Abs. 2 S. 1 DDV unberührt bleiben sollen (Wort „hierdurch“ in Art. 72 Abs. 2 S. 2 DDV), für ein freies Mandat. Andernfalls wäre Art. 72 Abs. 2 S. 2 DDV rein deklaratorisch, da diese Vorschrift eine originäre Regelungsmaterie der Länderverfassungen betrifft. Weiterhin ist in den Vorschriften über die Länderkammer, Artt. 71 ff. DDV, durchweg von „Abgeordneten“ die Rede, die auch mit den klassischen Abgeordnetenrechten ausgestattet waren, Art. 80 Abs. 1 i. V. m. Artt. 67 ff. DDV. Hätte man ein imperatives Mandat gewollt, wäre eine Bezeichnung wie „Vertreter“ bzw. „Bevollmächtigte“ naheliegender gewesen.312 Auch die Bestimmung, wonach die Abgeordneten der Länderkammer von den Landtagen im Verhältnis der Stärke der Fraktionen gewählt wurden, wäre überflüssig; hätte man doch einfacher Regierungsvertreter in die Länderkammer entsenden können. Den Vertretern anderer Parteien wäre es weithin unzumutbar gewesen, in der Länderkammer so abzustimmen, wie es die herrschende Mehrheit des jeweiligen Landtages vorgegeben hätte.313 Zudem käme man durch die Abgeordneteneigenschaft in einem Landtag als Soll-Vorschrift (Art. 72 Abs. 1 S. 2 DDV) zu einem seltsam anmutenden Ergebnis: Die Abgeordneten der Länderkammer, die gleichzeitig einem Landtag angehörten, unterlägen in der Länderkammer einem imperativen Mandat, die anderen nicht314; dieser Widerspruch ließe sich dann nur 312
In diesem Sinne auch Lobedanz auf der 1. (konst.) Sitzung am 11. Oktober 1949: „Die Verfassung hat diese Kammer nicht aus Regierungsvertretern zusammengesetzt, sondern aus den von den Landtagen gewählten Mitgliedern. Das ist ein echt demokratischer Zug, der uns in der Geschichte der Demokratie immer wieder entgegentritt. Die Verfassung bemüht sich damit, den Volkswillen möglichst vielgestaltig an der Willensbildung zu beteiligen“; dann aber einschränkend: „Sie gibt durch die Länderkammer den Landtagen gewissermaßen als den Spitzen der Selbstverwaltung die Möglichkeit, aus ihrer praktischen Erfahrung bei der Durchführung der Gesetze, aus ihrer besonderen Kenntnis der örtlichen Wünsche und Nöte der deutschen Menschen anregend und, wenn nötig, wie in der Verfassung ja selbst vorgesehen, auch warnend mitzuwirken“, PLK, Protokolle, S. 3. 313 So blieb auch der zutreffende Einwand der LDPD zu Art. 72 Abs. 2 DDV, wonach die Abgeordneten der Länderkammer entweder nur ihrem eigenen Gewissen oder an die Aufträge der entsendenden Landtage gebunden sein könnten, in den Verfassungsberatungen unberücksichtigt, vgl. Travers, S. 222; auf die Möglichkeit eines „[. . .] Zwiespalts zwischen den nebeneinandergestellten Prinzipien des imperativen und freien Mandats [. . .]“ weist auch Maunz hin, Deutsches Staatsrecht, § 42 II 3 (S. 312). 314 Hier ergäbe sich eine Parallele zu den Vertretern der preußischen Provinzialverwaltungen im Reichsrat, vgl. Art. 63 Abs. 1 S. 2 WRV. Diese waren entgegen
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
durch eine teleologische Extension315 von Art. 72 Abs. 2 S. 2 DDV auf letztere Abgeordnete der Länderkammer auflösen. Letztlich sprechen auch die Normierungen in den Geschäftsordnungen für ein freies Mandat. So wurde nicht länderweise abgestimmt, sondern mittels Virilstimme, „[. . .] in der Regel durch Handzeichen“, § 21 Abs. 3 GO-PLK (bzw. § 17 Abs. 3 GO-LK). Die Regelungen über den Zusammenschluss zu Fraktionen, § 19 GO-PLK (bzw. § 9 GO-LK), die namentliche Abstimmung, § 24 GO-PLK (bzw. § 20 GO-LK) wären bei der Annahme eines gebundenen Mandats obsolet. Festzuhalten ist also, dass sich Art. 72 Abs. 2 S. 1 und S. 2 DDV diametrale Auffassungen über die Stellung der Abgeordneten der Länderkammer entnehmen lassen, so dass ein widerspruchsfreier Ausgleich beider Sätze misslingt.316 b) Systematische Auslegung Eine systematische Auslegung lässt auf ein imperatives Mandat in der Länderkammer schließen; Art. 80 Abs. 1 DDV verweist nicht auf Art. 51 Abs. 3 S. 2 DDV, der für die Abgeordneten der Volkskammer, freilich entgegen der Verfassungswirklichkeit, ein freies Mandat anordnete. Dem lässt sich entgegenhalten, dass die Freiheit bzw. die imperative Ausgestaltung des Mandats bereits durch Art. 72 Abs. 2 S. 1 und 2 DDV abschließend geregelt war, so dass auch nach dieser Auslegungsmethode kein befriedigendes Ergebnis ermittelt werden kann. c) Genetische Auslegung Über die genaue Art des Mandats – ob nun frei oder an den Landtagswillen gebunden – haben sich auch die Protagonisten des Verfassungsausschusses nicht abschließend einigen können oder wollen. Vertreten wurde im Verfassungsausschuss Folgendes: den Vertretern der Länderregierungen in ihrem Abstimmungsverhalten im Reichsrat frei [als zusätzliche Verstärkung der „clausula anti borussica“, siehe dazu oben, Kap. 4 B. IV. (Fn. 87)], vgl.: Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 378 f. und S. 386 f.; weiterführend: Pleyer, S. 112 ff.; Wittmayer, Preussen im Reichsrat, passim. In § 8 Abs. 2 des Gesetz[es] über die Bestellung von Mitgliedern des Reichsrates durch die Provinzialverwaltungen vom 3. Juni 1921, GS S. 379 (1921), hieß es: „In den Vollsitzungen des Reichsrats steht den gewählten Mitgliedern freies Stimmrecht zu [. . .].“ 315 Für eine Analogie ist kein Raum, da die gesetzliche Wertentscheidung gerade nicht fehlt, vgl. Looschelders/Roth, S. 267. 316 Vgl. auch Maunz, Deutsches Staatsrecht, § 42 II 3 (S. 312).
E. Die rechtliche Stellung der Abgeordneten der Länderkammer
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Landtagswille als Empfehlung, Abgeordneter daran aber nicht gebunden („freies Mandat“) Vertreten von: • Karl Polak (SED), Verfassungsausschuss, 10. Sitzung am 20. Juli 1948317 • Helmut Brandt (CDU), DVR, 4. Tagung am 3. August 1948318 • Otto Grotewohl (SED), Verfassungsausschuss, 14. Sitzung am 2. März 1949319 Durch Landtagsbeschluss vorgegebenes Abstimmungsverhalten für den Abgeordneten („Lenkung und Leitung“, „imperatives Mandat“) Vertreten von: • Heinrich Acker (SED), DVR, 4. Tagung am 3. August 1948320 • Georg Dertinger (CDU), Verfassungsausschuss, 14. Sitzung am 2. März 1949321 • Karl Steinhoff (SED), Verfassungsausschuss, 14. Sitzung am 2. März 1949322
Zumindest die führenden SED-Vertreter und der wohl angesehenste CDU-Jurist im Verfassungsausschuss gingen – der Ablehnung des Ratsmodells für die Länderkammer entsprechend – von einem de constitutione lata freien Mandat aus. Abweichender Stimmen bewusst, neigte wohl auch die überwiegende Ausschussmeinung dieser Ansicht zu. d) Dogmengeschichtliche Auslegung Ein Äquivalent zur Länderkammer der DDR findet sich in der deutschen Verfassungsgeschichte nicht. Das Staatenhaus der ersten beiden Preuß-Entwürfe323 des Jahres 1919 für eine Verfassung des Deutschen Reichs – hingegen als echte zweite Kammer ausgestaltet – kommt der Länderkammer wenigstens ausweislich des modus electionis am nächsten. § 32 des zweiten Entwurfs324 lautete: Das Staatenhaus besteht aus den Abgeordneten der deutschen Freistaaten. Die Abgeordneten werden von den Landtagen der deutschen Freistaaten aus der Mitte der Staatsangehörigen nach Maßgabe des Landesrechts gewählt.
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Siehe oben, Kap. 3 E. Siehe oben, Kap. 3 H. I. 319 Siehe oben, Kap. 3 K. IV. 320 Siehe oben, Kap. 3 H. II. 321 Siehe oben, Kap. 3 K. IV. 322 Siehe oben, ebd. 323 Die beiden Preuß-Entwürfe vom 3. Januar 1919 und 20. Januar 1919 finden sich bei: Triepel, Nr. 7 (S. 7 ff.) bzw. Nr. 10 (S. 10 ff.). 324 Entspricht § 26 Abs. 1 u. 2 des ersten Entwurfs. 318
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
In diesen Entwürfen war das freie Mandat der Abgeordneten ausdrücklich normiert. § 39 des zweiten Entwurfs325 ordnete dies für den gesamten Reichstag an, der nach § 30 – zweiter Entwurf326 – aus zwei Häusern bestand, dem Volkshaus und dem Staatenhaus: § 39. Die Mitglieder des Reichstags dürfen nicht durch Aufträge gebunden werden.327
Als Mischmodell bestimmte die nicht zur Geltung gelangende Paulskirchenverfassung von 1849 – an die Preuß’ Staatenhaus sich anlehnte – in § 88 Abs. 1 PkV, dass die Mitglieder des Staatenhauses „[. . .] zur Hälfte durch die Regierung und zur Hälfte durch die Volksvertretung der betreffenden Staaten ernannt“, also nach § 92 Abs. 1 S. 1 PkV gewählt werden. In der Paulskirchenverfassung war das freie Mandat im Staatenhaus obligatorisch, bestimmte sie doch in § 96 PkV, dass die „[. . .] Mitglieder beider Häuser [. . .] durch Instruktionen nicht gebunden werden“ können. Eine (echte) zweite Kammer allerdings – wie das Staatenhaus der Paulskirche und der Preuß-Entwürfe – sollte die Länderkammer der DDR gerade nicht sein328, so dass eine dogmengeschichtliche Auslegung insoweit fehlgeht. e) Teleologische Auslegung Den Telos einer Verfassungsnorm zu bestimmen fällt in der Verfassung und Verfasstheit einer Diktatur nicht leicht. Berührt werden hier grundsätzliche Fragen über die Stellung der Länderkammer im Verfassungsgefüge. Was sollte sie sein, welchem Zweck musste sie dienen? Mitglieder der Länderkammer waren ihre von den Landtagen gewählte Abgeordnete, nicht, wie es zunächst Art. 71 Abs. 1 S. 1 DDV nahelegt, die Länder selbst.329 325
Entspricht § 33 des ersten Entwurfs. Entspricht § 24 des ersten Entwurfs. 327 Preuß merkt hierzu an: „Im Staatenhause sitzen die Vertreter der einzelnen Freistaatsvölker als solche, die als gewählt Vertreter nach ihrer freien Überzeugung stimmen“, ders., Denkschrift zum Verfassungsentwurf, S. 3 (30). Dazu auch: Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, S. 177. Von den aus der Revolution hervorgegangenen Landesregierungen wurde laut Preuß kritisiert „[. . .] daß die von den Landtagen gewählten, aber nach ihrer freien Überzeugung stimmenden Abgeordneten zum Staatenhause nicht das Land als geschlossene Individualität repräsentieren würden“, ders., Reich und Länder, S. 251, was schließlich zur Ablehnung des Staatenhausmodells führte. 328 So schreibt Herbert Kröger, Rektor der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“: „Die Länderkammer ist, wie ihre Rechtsstellung nach der Verfassung [. . .] eindeutig zeigt, keine zweite Kammer im Sinne des üblichen Systems der Staatsorgane bürgerlicher Staaten. Das beweist allein schon die Vorrangstellung der Volkskammer, die uneingeschränkt höchstes Staatsorgan [. . .] ist“, ders., Die Festigung der Arbeiter-und-Bauern-Macht, S. 87 (99). 326
E. Die rechtliche Stellung der Abgeordneten der Länderkammer
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Eine wirksame Vertretung der Interessen der Länder legt die Annahme eines gebundenen Mandats für die Abgeordneten der Länderkammer nahe, wobei das Gegenteil ihren Zweck nicht vereiteln würde: in erster Linie sollte sie nämlich Teil einer Verfassung sein, die (1) mit der föderalen deutschen Staatstradition nicht in toto brach, (2) auch einen gesamtdeutschen Anspruch nach außen kehrte und somit für breite Schichten akzeptabel war. Die deutsche Verfassungsgeschichte kannte, vom Staatenhaus des Paulskirchentypus, wenngleich in praxi nie verwirklicht, über den Bundesrat des Kaiserreiches bis hin zum Reichsrat der Weimarer Verfassung als Vertreter des Ratsmodells, bis dato ganz unterschiedliche Modelle der Vertretung auf der Ebene des Gesamtstaates. Will man also den Telos der Länderkammer der DDR bestimmen, so darf nicht nach dem Wie ihrer Ausgestaltung gefragt werden, sondern nach dem Überhaupt ihres Vorhandenseins. Nur so ließ sich die Fassade eines für Gesamtdeutschland akzeptablen Staatsaufbaus aufrecht erhalten. Die Frage nach einem gebundenen oder freien Mandat war dementsprechend für ihren Zweck nicht wesentlich.330 Diese sowohl von der Verfassung, als auch von der Verfassungswirklichkeit gezogenen Grenzen, lassen eine teleologische Auslegung im Hinblick auf die Art des Mandats scheitern. f) Resümee der Auslegung Im Ergebnis lässt sich mit überzeugenden Argumenten, gestützt auf die Auslegung des Wortlauts der Verfassung und der Entstehungsgeschichte, ein de constitutione lata freies Mandat der Abgeordneten der Länderkammer konstatieren. Die Annahme eines imperativen Mandats stellte die Konstruktion der Länderkammer in Gänze in Frage, da sich diese mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben, vornehmlich der Wahl der Abgeordneten durch die Landtage im Verhältnis der Stärke der Fraktionen, nicht in Einklang bringen ließe. Weiterhin hätte sich die Arbeit der Länderkammer nolens volens in die Landtage verlagern müssen – was nicht geschehen ist –, die 329
Dazu oben, Kap. 4 B. III. Wenngleich der marxistischen Theorie widersprechend, die sich hinsichtlich der Art des Mandats die Pariser Kommune zum Vorbild nahm und damit die jederzeitige Bindung und Absetzbarkeit des Abgeordneten forderte. Vgl. dazu: Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich, Einleitung der Ausgabe von 1891 von F. Engels, in: MEW, Bd. 17, S. 623 f.; ders., Der Bürgerkrieg in Frankreich, in: MEW, Bd. 17, S. 339 f. Für Marx war das freie Mandat gerade ein Kennzeichen bürgerlicher Staaten, ders., Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, MEW, Bd. 1, S. 329. Entgegen dem Adressaten der Kritik, Hegel, der verlangte, dass Abgeordnete keine „[. . .] committirte oder Instructionen überbringende Mandatarien [. . .]“ sein sollen, ders., Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 309 (S. 318). 330
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
über jeden Gesetzesbeschluss der Volkskammer hätten abstimmen und ihre Abgeordneten der Länderkammer entsprechend instruieren müssen. Dass die Freiheit des Mandats derogiert war, ergab sich aus dem Machtanspruch der SED und ist jeder Diktatur immanent.331 Dennoch: Die Länderkammer stand damit zumindest ob ihrer inneren Verfasstheit in der Tradition des Staatenhauses der Paulskirchenverfassung und der Preuß’schen Entwürfe. Sie unterscheidet sich mit diesen – durch die Ablehnung des Ratsmodells – von allen früheren und späteren föderativen Verfassungsorganen der deutschen Verfassungsgeschichte.332 g) Die Veränderung des Mandats durch die Schaffung der Bezirke Konnte das Mandat der Abgeordneten der Länderkammer anfangs nur als freies verstanden werden, ergaben sich durch die Beseitigung der Länder und ihrer Organe mit der Bildung von Bezirken gravierende – nun auch gesetzlich niedergelegte – Änderungen. Diese deutete schon die Präambel des Gesetz[es] über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der [DDR]333 vom 23. Juli 1952 an, in der es hieß: Der neue sozialistische Staat der Deutschen Demokratischen Republik wird dagegen nur dann eine unüberwindliche Kraft darstellen, wenn er dem werktätigen Volk nahesteht, wenn er die Werktätigen in die Politik einbezieht und das Volk zur ständigen, systematischen, aktiven und entscheidenden Teilnahme an der Leitung des Staates heranzieht.
Und weiter: Die örtlichen Organe der Staatsgewalt müssen deshalb reorganisiert werden, daß der Staatsapparat die Möglichkeit erhält, den Willen der Werktätigen, der in den Gesetzen der Deutschen Demokratischen Republik zum Ausdruck gebracht ist, unverbrüchlich zu erfüllen und, gestützt auf die Initiative der Massen, eine Politik des werktätigen Volkes durchzuführen. [. . .] Die wirksame Anleitung und Kontrolle der unteren Organe durch die übergeordneten sowie durch das Volk selbst müssen gesichert werden. Dadurch wird unser Staat gestärkt, der eines der wichtigsten Instrumente des Aufbaus des Sozialismus in unserem Lande ist.
Legitimation politischen Handelns sollte also nun primär durch die Verwirklichung der sozialistischen Ordnung – unter der Führung der SED – erfol331 Beschlagnehmend für die Mandate in der Länderkammer galt daher, dass der Norm vom freien Mandat, die Wirklichkeit des imperativen gegenüberstand. In diesem Sinne generalisierend schon: Morstein Marx, AöR 50 (1926), 430 (439) und Kelsen, Vom Wert und Wesen der Demokratie, S. 40. 332 Vgl. dazu – mit Blick allein auf das Staatenhaus der Paulskirche: Barschel, S. 60. 333 GBl. S. 613 (1952).
E. Die rechtliche Stellung der Abgeordneten der Länderkammer
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gen; dass der nach der Verfassung bei Abstimmungen nur seinem Gewissen unterworfene Abgeordnete dem entgegenstand, liegt auf der Hand: Daraus ergibt sich für die theoretische Erfassung der Stellung der Volksvertretungen in der DDR die Ablehnung des Repräsentationsgedankens, der die Volksvertretungen als selbstständige, vom Volkswillen unabhängige Willensbildner sieht und sie jeder Kontrolle durch das Volk entzieht.334
In § 3 dieses Gesetzes wurde der Ministerrat beauftragt, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um „[. . .] die Einheitlichkeit des Aufbaus und die fortschreitende Demokratisierung der Arbeitsweise der örtlichen Organe der Staatsgewalt zu gewährleisten.“ Dem folgend erließ die Regierung eine Ordnung335, in der es in Abschnitt I (3) hieß, dass die Organe der Staatsgewalt des Bezirks, nach I (1) a), b) dieser Verordnung der Bezirkstag und der Rat des Bezirks, „[. . .] nicht nur die Angelegenheiten von bezirklicher Bedeutung [. . .]“ regelten, sondern sich auch an der „[. . .] Lösung aller staatlichen Angelegenheiten auf der Grundlage der von den höchsten Organen der Staatsgewalt erlassenen Gesetze und beschlossenen Maßnahmen zu beteiligen“ – sprich: diese zu befolgen336 – hätten. Die vormalige doppelte Organstellung337 als Abgeordneter der Länderkammer und Abgeordneter des Landtags – nun Bezirkstags – wurde dadurch letztlich durchbrochen. 334 Krüger, SuR 1956, 557 (560 f.); vgl. dazu auch: Poppe, SuR 1956, 869, passim, insbesondere 869 (872) mit Blick auf die Frage nach der Geltung des Prinzips des „freien Mandats“: „Dem widerspricht die politische Wirklichkeit, die den Abgeordneten zwingt, den Willen der Kräfte, deren Vertreter er ist, zu befolgen.“ Zum Wählerauftrag in der sozialistischen Gemeinschaft siehe auch: Schneider, SuR 1957, 568, passim; Poppe, Der sozialistische Abgeordnete und sein Arbeitsstil, S. 31 ff. und Schulte, Die Volkskammer und ihre Gesetzgebung unter dem Einfluss der SED, S. 87 ff. Eine allgemeine Zusammenfassung der Vorzüge der „fortschrittlich-demokratischen“ Volksvertretungen findet sich bei: Koenen, Zur Entwicklung der Demokratie in Deutschland, S. 97 f. 335 Ordnung für den Aufbau und die Arbeitsweise der staatlichen Organe der Bezirke vom 24. Juli 1952, GBl. S. 621 (1952). 336 „Es wird keinerlei selbstständige Gesetzgebungstätigkeit ausgeübt. [. . .] Nach den Volkskammersitzungen wird lediglich eine propagandistische Zustimmungserklärung zu einzelnen von der Volkskammer beschlossenen Maßnahmen gegeben“, Erklärung des Heinz Spode (CDU), Landtagsabgeordneter von Brandenburg, später Bezirkstagsabgeordneter von Potsdam, in: Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen, Unrecht als System, Teil II, Dok. 6 (S. 11). 337 Der Unschärfe und den mannigfaltigen Interpretationen dieses Begriffs bewusst, darf wohl zumindest eine gewisse institutionelle (Organ-)Autonomie vorausgesetzt werden, d.h. die Fähigkeit in sich geschlossen und selbstständig zu agieren. Zum Organbegriff allgemein: Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre entwickelt aus der Lehre vom Rechtssatz, S. 592 ff. u. 627 ff.; ders., Allgemeine Staatslehre, S. 270 ff.
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
Eine etwaige Wahl in die Länderkammer begründete gerade nicht mehr das Einrücken in einen (qua Verfassung) von den Regelungen und Vorgaben des entsendenden Organs unabhängigen Körper. Es galt gerade das Entgegengesetzte: Die Bindung zwischen dem entsandten Abgeordneten der Länderkammer und dem entsendenden Organ wurde zunehmend verfestigt. Die Abgeordneteneigenschaft der in die Länderkammer Entsandten wurde damit im Ergebnis auch rechtlich hinfällig, da das Länderkammermandat gewissermaßen durch das des Bezirks monistisch vorgeprägt wurde und es demgemäß zu einer quasi-Vermengung der institutionellen Ebenen bzw. einer Verschmelzung der Mandate kam. Es handelte sich nunmehr bei der Ausübung des Länderkammermandats gegenüber (1) den Bezirkstagen, (2) der Volkskammer und – in praxi bedeutungslos – (3) dem Wähler um ein Auftrags- bzw. schlichtes Wahrnehmungsverhältnis. Weiter hieß es in II a) (3) a), dass sich der Bezirkstag bis zur Neuwahl338 aus den bisherigen Abgeordneten der Landtage zusammensetze. Ein Landtag stellt nun aber nicht nur die Summe seiner – nun sogar dislozierten – Teile, also seiner Abgeordneten, dar, sondern ist, ohne dass es näherer Ausführungen bedarf, ein Mehr; schlechthin das Verfassungsorgan des Landes, dessen Möglichkeit zur Willensbildung nun wegfiel. Eine von Art. 71 Abs. 1 S. 1 DDV aufgetragene Vertretung der Länder(interessen) war damit denklogisch ausgeschlossen. Zudem wurden die Bezirkstage nicht nur mit ehemaligen Landtagsabgeordneten beschickt, sondern setzten sich nach II a) (3) b) oben genannter Ordnung auch aus den von der Nationalen Front benannten Abgeordneten zusammen, um den gem. II a) (2)339 auftretenden Überschuss an Sitzen in den Bezirkstagen aufzufüllen, was zusätzlich zur Schwächung gewachsener Strukturen beitrug. Das nach dem Verfassungsrecht der Länder und von Art. 109 Abs. 1 i. V. m. Art. 51 Abs. 3 DDV garantierte freie Mandat der Abgeordneten der vormaligen Landtage wurde durch die Verordnung konterkariert. Die Abgeordneten waren bei Abstimmungen nicht mehr nur ihrem Gewissen unterworfen, sondern „[. . .] ihren Wählern verantwortlich und [unterstanden] ih338
Der Wahltermin wurde durch die Verordnung zur Durchführung der Wahlen zu den Bezirkstagen der [DDR] vom 6. August 1954, GBl. S. 677 (1954), auf den 17. Oktober 1954 bestimmt, an dem in einem Wahlakt auch die Wahlen zur Volkskammer stattfanden, § 2 dieser Verordnung. 339 „Die Zahl der Abgeordneten des Bezirkstages beträgt bei einer Einwohnerzahl bis zu 500 000 Einwohnern 60. Auf je weitere 35 000 Einwohner erhöht sich die Zahl um einen Abgeordneten bis zur Höchstzahl von 90 Abgeordneten“, wohingegen die Landtage folgende Mitgliederzahl hatten: Sachsen (120), Sachsen-Anhalt (110), Thüringen (100), Brandenburg (100), Mecklenburg (100), siehe § 1 Abs. 2 des Gesetz[es] über die Wahlen zur Volkskammer, zu den Landtagen, Kreistagen und Gemeindevertretungen in der [DDR] am 15. Oktober 1950 vom 9. August 1950, GBl. S. 743 (1950).
E. Die rechtliche Stellung der Abgeordneten der Länderkammer
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rer Kontrolle“340, sie konnten von den Wählern abberufen werden, II b) (8) der Ordnung. Das später erlassene Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht341 vom 18. Januar 1957 ordnete das imperative Mandat noch deutlicher an.342 Das Mandat der Bezirkstags- und Länderkammerabgeordneten war damit auch de jure zu einem imperativen geworden, freilich nicht im Sinne einer Bindung an den spontan geäußerten Wählerwillen, sondern gebunden an die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung, deren Aufbau von der vom 9.–12. Juli 1952 tagenden 2. Parteikonferenz der SED propagiert wurde. Dies verlieh Art. 72 Abs. 2 DDV nun einen der herrschenden Partei genehmen Sinn: Landtage, die den „[. . .] Willen des Landes zu den in der Länderkammer zu erörternden Angelegenheiten [. . .]“ feststellen konnten, Art. 72 Abs. 2 S. 1 DDV, gab es ebenso wenig mehr wie „[. . .] Bestimmungen der Länderverfassung über die Gewissensfreiheit [. . .]“, Art. 72 Abs. 2 S. 2 DDV, die unberührt bleiben sollten. Die Länderverfassungen wurden faktisch durch eine Regierungsverordnung ersetzt. Dessen ungeachtet lassen die Worte, die der Präsident der Länderkammer, Lobedanz, anlässlich der Eröffnung der 1. konstituierenden Sitzung der 2. Wahlperiode der Länderkammer sprach, auf eine entsprechende, den eindeutigen Wortlaut verlassende, Anwendung des Art. 72 Abs. 2 S. 1 DDV schließen: 340
So auch § 50 des Gesetz[es] über die Wahlen zu den Bezirkstagen der [DDR] vom 4. August 1954, GBl. S. 672 (1954). Dass man sich diesen Veränderungen auch in der Praxis unterwarf, verdeutlicht ein Schreiben von Länderkammerpräsident Lobedanz an die CDU-Parteizentrale vom 5. November 1954 („In der Anlage überreiche ich wunschgemäß eine Aufstellung über die mir erteilten Wähleraufträge [. . .]“), in: BArch, DA 2/52, Bl. 19. Die nachfolgende Aufstellung der Wähleraufträge erfolgte durch zwei Spalten einer Tabelle, die überschrieben waren mit „Auftraggeber“ und „Auftrag“, vgl. BArch, DA 2/52, Bl. 20 ff. 341 GBl. S. 65 (1957). Schon im Jahr 1950 stellte die Nationale Front eine „Anleitung zur endgültigen Erledigung der Wähleraufträge“, in: BArch, DA 2/80, Bl. 16 f., vor, die jedem Abgeordneten ausgehändigt wurde. Ziff. 4 dieser Anleitung normierte: „Versäumt ein Abgeordneter völlig die Erfüllung seines Wählerauftrages oder verzögert er dies über Gebühr, so teilt der Kreis- bzw. Landesausschuss dies der Partei oder Organisation mit [. . ..], so daß er durch seine Partei resp. Organisation zur Verantwortung gezogen werden kann.“ Vgl. zu diesem Gesetz auch: Schulze, SurR 1957, 1 (2): „Die Gesetze zur breiteren Entfaltung der Demokratie schaffen die staatsrechtlichen Voraussetzungen für die aktivere Mitwirkung der Volksmassen an der staatlichen Leitung des sozialistischen Aufbaus [. . .]“. 342 § 22 lit. e dieses Gesetzes lautete: „Die Abgeordneten haben die Pflicht, Wähleraufträge und Empfehlungen der Wähler schnell und sorgfältig zu bearbeiten.“ Bei einem Verstoß gegen diese Pflicht drohte § 26 Abs. 1 die Abberufung des Abgeordneten durch Wählerversammlungen an.
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
Den Willen der Bezirke zu den in der Länderkammer zu erörternden Angelegenheiten stellen die Bezirkstage fest.343
Art. 72 Abs. 2 S. 2 DDV erwähnte Lobedanz wohlweislich nicht. Diese Norm konnte auch nach der Fülle an die Staatsorganisation verändernden Maßnahmen, die auch die Freiheit des einzelnen Abgeordneten mehr und mehr zu ersticken drohten, nicht mehr anwendbar sein. So wie der Wille des einzelnen Abgeordneten der Länderkammer nun eben nur der Wille der Bezirke bzw. seiner Organe sein konnte, konnte dieser nur Wille der Volkskammer und damit Wille der SED sein. Der marxistisch-leninistischen Staatstheorie entsprechend, war die stringente Durchsetzung der Beschlussfassung von oben nach unten damit verwirklicht. Verstärkt wurden diese Gleichschaltungsmaßnahmen dadurch, dass die Beschlüsse des Bezirkstages – und damit auch alle Fragen die Länderkammer betreffend –, dem Prinzip der doppelten Unterstellung entsprechend, von der Volkskammer aufgehoben und seitens der Regierung die Durchführung vorläufig ausgesetzt werden konnten, II a) (7) der Verordnung.344 Daraus ergab sich zusätzlich zur „Filterfunktion“ der Nationalen Front die Wahl von der Volkskammer genehmen Abgeordneten in die Länderkammer. Die gegenüber dem Willen des Volkes – der nach geltender Auffassung identisch mit dem seiner Vertretung war345 – nun gebundenen Abgeordneten der Bezirkstage und der Länderkammer waren damit auch, falls erforderlich, einem drohenden Machtwort der Volkskammer ausgesetzt. 343
LK (2. WP), 1. (konst.) Sitzung am 29. November 1954, in: Protokolle, S. 3. Vgl. auch das die alte Ordnung ersetzende Gesetz über die Rechte und Pflichten der Volkskammer gegenüber den örtlichen Volksvertretungen vom 18. Januar 1957, GBl. S. 72 (1957); in der Präambel dieses Gesetzes hieß es: „Der Volkskammer als dem höchsten Organ der Staatsmacht in der [DDR] obliegt die Leitung der gesamten staatlichen Tätigkeit.“ § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes normierte: „Zur Anleitung und Aufsicht gegenüber den örtlichen Volksvertretungen bildet die Volkskammer den ‚Ständigen Ausschuß für die örtlichen Volksvertretungen.“ Ferner in § 6 Abs. 2: „Er übt die Aufsicht über die Abberufung von Abgeordneten der Bezirkstage sowie über die Neubesetzung von Mandaten aus. Er regelt auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen das Verfahren im Falle von Mandatsveränderungen und Abberufungen von Abgeordneten.“ Vgl. zu diesem Ausschuss umfassend: Riemann, SuR 1957, 235, passim. 345 Nach Steiniger stelle die Vertretungskörperschaft zwar eine Repräsentanz des Volkes dar, ihr Wille sei aber mit dem Willen des Volkes identisch. Insofern habe man in der DDR das Strukturprinzip der Repräsentation mit dem der Identität vereinigt, vgl. dazu: ders., Das Blocksystem, S. 38; aufgrund der Wesensverschiedenheit beider Begriffe ([. . .] unzulässigerweise miteinander verquickt [. . .]) ablehnend: Leibholz, Das Wesen der Repräsentation, S. 29. 344
E. Die rechtliche Stellung der Abgeordneten der Länderkammer
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2. Permeabilität des Abgeordnetenmandats der Länderkammer Inkompatibilitätsvorschriften dienen der Vermeidung verfassungsrechtlicher Konfliktlagen346, deren Wahrscheinlichkeit bei Wahrnehmung einer Vielzahl von Ämtern und Funktionen, die eine Verfassung zur Verfügung stellt, zunimmt.347 Nach der Verfassung war die doppelte Organstellung des Abgeordneten der Länderkammer die Regel, da er gem. Art. 72 Abs. 1 S. 2 DDV Abgeordneter des entsendenden Landtages sein sollte und bis zur Bildung der Bezirke in der Regel auch war. Vorschriften in der Verfassung über die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in der Länderkammer mit anderen Ämtern und Funktionen finden sich – der Ablehnung der Gewaltenteilung entsprechend – nicht, wie auch sonst Inkompatibilitätsvorschriften gänzlich fehlen.348 Dementsprechend waren etliche Abgeordnete der Länderkammer gleichzeitig Mitglieder der Volkskammer349 sowie Minister auf Landesebene.350 346
Die Rechtfertigung von Inkompatibilitätsvorschriften liege darin, dass „[. . .] die Verfassungsorganisation ihrem Plane nach einen Dualismus oder doch eine deutliche Unterschiedenheit von Willensorganen aufweist, die ohne gleichzeitige Trennung der Trägerschaft dieser Organe hinfällig oder wenigstens empfindlich gestört sein würde“, Weber, AöR 19 N.F. (1930), 161(168). 347 Zum Begriff Inkompatibilität und dessen Geschichte umfassend: ebd., passim. 348 Ebenso in den Verfassungen der Länder. Die Vereinbarkeit mit anderen Ämtern positiv regelnd, neben Art. 72 Abs. 1 S. 2 DDV, Art. 92 Abs. 3 DDV: „Die Minister sollen Mitglied der Volkskammer sein.“ 349 Was zumindest die LDPD als untunlich betrachtete: „Wir bitten daher, soweit innerhalb Ihres Landesverbandes derartige Doppelmitgliedschaften vorhanden sein sollten, die betreffenden Parteifreunde in freundschaftlicher Form zu veranlassen, sich für das eine oder das andere Mandat zu entscheiden“, Brief Karl Hamann, KoVorsitzender der LDPD, an den Landesverband der LDPD Brandenburg vom 20. Oktober 1949, in: ADL, Bestand LDPD, Landesverbände, L5-106. Im Januar 1950 erging seitens der LDPD dazu ein förmlicher Beschluss, vgl. „Beschlussprotokoll über die Sitzung des Führungsausschusses der LDPD am 11. Januar 1950“, S. 4, in: ADL, Bestand LDPD, Zentralvorstand, L4-624. 350 Siehe dazu auch die Abgeordnetenübersichten im Anhang. In Zeiten der Provisorischen Länderkammer waren 12 Abgeordnete gleichzeitig Mitglied der Volkskammer; später vermied man diese Doppelmandate (1. Wahlperiode der Länderkammer: 4 Doppelmandate, 2. Wahlperiode: 1, 3. Wahlperiode: 2). Der Regelfall sollte wohl sein, dass nur noch der Präsident der Länderkammer gleichzeitig Abgeordneter der Volkskammer war. Die Zuordnung fällt teilweise schwer, da – entgegen der Volkskammer, die ein solches ab 1957 herausgab – kein offizielles Handbuch der Länderkammer erschienen ist. Zwar hieß es im Jahre 1949: „Die Abgeordneten [werden] gebeten, sich in Zimmer 3157 einzufinden, um sich dort fotografieren zu lassen. Diese Bilder brauchen wir für ein Handbuch, das demnächst herausgegeben werden soll“, vgl. PLK, 5. Sitzung am 8. Dezember 1949, in: Protokolle, S. 25. Dieses angedachte Handbuch ist nie erschienen, was aufgrund der hohen Fluktuation durch Flucht, Mandatsänderungen bzw. -niederlegungen in den Anfangsjahren nach-
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
Gleichwohl sollte der Präsident der Länderkammer kein anderes Amt bekleiden. Das Politbüro beschloss auf einer Sitzung am 18. Oktober 1949, schon eine Woche nach der Konstituierung der Länderkammer: „Es wird aus politischen und sachlichen Gründen für untragbar erachtet, daß der Vorsitzende der Länderkammer zugleich Landesminister ist.“351 Lobedanz war nicht Minister, sondern Ministerialdirektor und Leiter der Präsidialabteilung beim Ministerpräsidenten in Mecklenburg sowie Vizepräsident des Landtages352; dennoch legte er die gouvernementale Funktion im Jahr 1950 nieder. Im Jahr 1952 wurde auch CDU-intern die Forderung laut, Lobedanz möge nicht mehr als Vizepräsident im Landtag amtieren.353 Diese wurde allerdings durch die Auflösung der Länder im Jahre 1952 gegenstandslos.
Das Fehlen einer expliziten Vorschrift über die Unvereinbarkeit mit anderen Ämtern und Funktionen erscheint deshalb nicht belanglos.354 vollziehbar ist. So waren nur August Frölich und Otto Meier – beide SED – in allen Wahlperioden Abgeordnete der Länderkammer. Vordergründig war der Grund für das Nichterscheinen hingegen wohl der gleiche, den Johannes Dieckmann (LDPD), Präsident der Volkskammer, im Geleit zum Handbuch der Volkskammer beschrieb: „Daß dieses Handbuch [. . .] erst jetzt, im achten Jahre des Bestehens unserer Republik, erscheint, hat seinen besonderen Grund: von Jahr zu Jahr haben wir gehofft, daß das gegenwärtige Provisorium der beiden Staaten auf deutschen Boden sein Ende finden und durch den deutschen Einheitsstaat abgelöst werden würde“, vgl. Volkskammer der DDR, Handbuch der Volkskammer, S. 5. 351 Politbüro, Sitzung am 18. Oktober 1949 (Protokoll Nr. 51), in: SAPMOBArch, DY 30/IV2/2/51, Bl. 1. 352 Vgl. Baumgartner/Hebig, S. 487 f. Zum Lebensweg von Reinhold Lobedanz, vgl. auch: Koch, Reinhold Lobedanz, passim, hier insbesondere S. 11 f. 353 „Ganter beantragt, daß Dr. Lobedanz als Vizepräsident im Mecklenburgischen Landtag aussscheidet, wenn er wieder zum Präsidenten der Länderkammer gewählt wird. – Auf Vorschlag von Sadler wird diese Frage zunächst zurückgestellt“, Protokoll der Sitzung des Politischen Ausschusses am 5. August 1952, in: ACDP, OstCDU: Vorstand, 07-010-1457. 354 Für das Staatenhaus der ersten beiden (Preuß-)Entwürfe für eine Verfassung des Deutschen Reiches galt: „Niemand kann Mitglied beider Häuser sein“, Vorentwurf zur Verfassung des Deutschen Reichs vom 3. Januar 1919 – § 32, abgedruckt in: Triepel, Nr. 7 (S. 7 ff.); wortgleich im 2. Entwurf vom 20. Januar 1919 – jetzt § 38, Entwurf einer Verfassung des Deutschen Reichs, abgedruckt in: ebd., Nr. 10 (S. 10 ff.). Die Formulierung geht zurück auf § 97 der Paulskirchenverfassung: „Niemand kann gleichzeitig Mitglied von beiden Häusern seyn.“ Die WRV kannte eine Inkompatibilitätsvorschrift nur für den Reichstagspräsidenten, der nicht Mitglied des Reichstags sein konnte, Art. 44 WRV, ansonsten hielt man eine gleichzeitige Mitgliedschaft in Reichstag und Reichsrat für vereinbar, vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 369. Letzteres für „absurd“ betrachtend: Bilfinger, AöR 8 N.F. (1925), 174 (191 f.); ablehnend auch Weber, AöR 19 N.F. (1930), 161 (189); freilich unter anderen Voraussetzungen, vgl. auch die durch Art. 9 S. 2 RV-1871 angeordnete Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in Bundesrat und Reichstag, die Max Weber später als „[. . .] grundverkehrte Bestimmung [. . .]“ bezeichnete, Die Abänderung des Artikel 9 der Reichsverfassung, S. 222.
E. Die rechtliche Stellung der Abgeordneten der Länderkammer
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Weber teilt die möglichen Inkompatibilitäten in solche, die (1) zur Verwirklichung organisationsmäßiger Unterscheidungen innerhalb des Verfassungssystems dienen, ferner, (2) die nachteilige Auswirkungen der Abgeordnetenfunktion von anderen schutzwürdigen Bereichen abwehren wollen, und diejenigen Inkompatibilitäten, die (3) den Schutz der Mandatsausübung selbst bezwecken.355 Zu (1) gehören damit Unvereinbarkeiten, die sich unmittelbar aus einer dualistischen Konzeption der Verfassungsorganisation rechtfertigen lassen und damit ein Instrument des Gewaltenteilungsgedanken darstellen.356 Zu (2) und (3) solche, die Tätigkeiten betreffen, welche inhaltlich unvereinbar und einander wesensfeindlich sind und deshalb ihre ungestörte Eigenart gegenseitig gefährden müssten, wenn sie in einer Person vereinigt sind, damit also zum Ziel haben, die wesensmäßige Entfaltung der einen Funktion von den ihr wesensfremden Einflüssen zu schützen, die von der jeweils als gegensätzlich gesehenen Funktion oder Betätigung her drohen.357 Betrachtete man die Verfassung aus sich heraus, läge die Unvereinbarkeit zwischen Volks- und Länderkammermandat nahe. Die Länderkammer als Vertretung der Länder, als am Gesetzgebungsverfahren beteiligtes, die Macht des „höchsten Organs der Republik“, Art. 50 Abs. 1 DDV, (vertikal-)beschränkendes, mindestens aber kontrollierendes Organ, verböte eine Doppelmitgliedschaft. Dies gilt umso mehr ob des staatsrechtlichen Typus der Länderkammer.358 Wie oben festgestellt, sprechen überzeugende Gründe für die Annahme eines nicht durch Instruktionen der Landtage gebundenen Mandats der Abgeordneten der Länderkammer. Aufgrund dieser Struktur wäre die Inkompatibilität der Mitgliedschaft in Volks- und Länderkammer zwingend gewesen. Auch in der 2. Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses der Provisorischen Volkskammer am 2. November 1949 machte man sich über dieses Problem Gedanken, wenngleich – auch später nicht – keine entsprechende Unvereinbarkeitsbestimmung in die Geschäftsordnung aufgenommen wurde: 355
Weber, AöR 19 N.F. (1930), 161 (170). Vgl. ebd.,161 (171 f.). 357 Vgl. ebd., 161 (169 f.); genannt seien hier nur wirtschaftliche Abhängigkeiten, Inkompatibilitäten mit zur Neutralität verpflichteten Ämtern, etwa das des Richters, bzw. solchen, die unmittelbar die effektive Ausübung des Mandats erschweren, wie exzessive Ämterhäufung und dergleichen. 358 Für die bis dato bekannten Typen gliedstaatlicher Vertretungen in der deutschen Verfassungsgeschichte vgl. die Aufstellung bei Bilfinger, AöR 8 N.F. (1925), 174 (180 ff.). 356
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
Die Frage, ob ein Abgeordneter gleichzeitig Mitglied der Volkskammer und der Länderkammer sein kann, ist vom Ausschuß nicht entschieden worden, da er der Meinung ist, daß diese Frage nicht zu seiner Kompetenz gehört.359
Das Vorhandensein eines Organs wie der Länderkammer der DDR liegt dem Grunde nach in der Überzeugung, dass die von der Verfassung vorgegebenen Aufgaben nur durch das Zusammenwirken zweier sich in Macht und Einfluss balancierender Organe zu erfüllen sind und jede Kammer eine eigentümliche, potentiell verschiedenartige Behandlung der Parlamentsaufgaben unternimmt, deren Resultante erst als das richtige Ergebnis der Parlamentstätigkeit erscheint.360 Da aber wiederum die freie Mandatsausübung für die Abgeordnetentätigkeit in jedem echten Parlament charakteristisch ist, kann die potentielle Besonderheit, mit der dieselben sachlichen Aufgaben in jeder der beiden Kammern behandelt werden sollen, nur durch die Trennung der Mitgliedschaft in beiden Parlamentskörpern garantiert werden. Denn dasselbe Parlamentsmitglied, das in beiden Kammern einen Sitz hätte, könnte bei freier, nur durch die persönliche Überzeugung bestimmter Mandatsausübung an beiden Stellen immer nur in gleicher Weise tätig werden. Die Verschiedenheit der politischen Prinzipien, die potentielle Unterschiedenheit in der Behandlung der Parlamentsaufgaben und vor allem die hierdurch intendierte Möglichkeit einer Gegengewichtsfunktion der Kammern gründet sich somit notwendigerweise auf eine strenge Scheidung ihres personellen Bestands.361
Anders verhielte es sich nur bei der Annahme eines Ratsmodells362, dem die Länderkammer ausweislich ihrer Struktur und Stellung im Verfassungssystem nicht entsprach, in welchem eine Unvereinbarkeitsnorm als Garantie der Trennung nicht in gleichem Maße unentbehrlich ist, da die Unterschiedenheit in der Willensbildung der beiden zugeordneten Organe schon durch die bindende Instruktion bewirkt und gestützt wird.363 Gegenüber der Länderkammer, als in der Verfassungswirklichkeit reine Erfüllungsinstanz des Scheinwahrens pseudoföderaler Mitspracherechte, mussten solche Überlegungen von der herrschenden Partei nicht angestellt 359 2. Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses der Provisorischen Volkskammer am 2. November 1949, in: Nachlass Koenen, SAPMO-BArch, NY 4074/178, Bl. 6. 360 Vgl. Weber, AöR 19 N.F. (1930), 161 (186). „Es gibt kein Zweikammernsystem ohne Inkompatibilität der Mitgliedschaft in beiden Kammern. Gleichviel wie seine Existenz im einzelnen zu rechtfertigen ist und wie sich seine Erscheinungsform darstellt [. . .]“, ebd. 361 Vgl. ebd., 161 (186 f.). 362 Wie etwa der Reichsrat der WRV oder der Bundesrat des Kaiserreichs, wenngleich die Verfassung hinsichtlich letzterem die gleichzeitige Mitgliedschaft in Reichstag und Bundesrat ausdrücklich verbot, Art. 9 S. 2 RV-1871; ebenso § 2 GOBR für den heutigen Bundesrat. 363 Vgl. Weber, AöR 19 N.F. (1930), 161 (188 f.).
E. Die rechtliche Stellung der Abgeordneten der Länderkammer
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werden, waren ihr gar völlig fremd. Für sie spielte es schlichtweg keine Rolle, ob nun der einzelne Länderkammerabgeordnete gleichzeitig auch Mitglied der Volkskammer war oder nicht. Ein irgendwie gearteter Dualismus zwischen Volks- und Länderkammer hat sich durch den Machtanspruch der kommunistischen Partei nicht herausbilden können; die Rolle der Länderkammer war eine der Volkskammer völlig untergeordnete. Mögen den Vertretern bürgerlicher Parteien obige Theoreme auch rudimentär bewusst gewesen sein, so waren sie für die SED unannehmbar. Der Staatstheorie des Marxismus-Leninismus sind Mechanismen zur Beschränkung der Macht, auch in verfassungsorganisatorischer Sicht, völlig fremd. 3. Die Rechte der Abgeordneten der Länderkammer (Art. 80 Abs. 1 i. V. m. Artt. 67 ff. DDV) Art. 80 Abs. 1 DDV ordnete die entsprechende Geltung der Artt. 67 ff. der Verfassung über die Rechte der Abgeordneten der Volkskammer für die Abgeordneten der Länderkammer an.364 a) Indemnität Art. 67 Abs. 1 DDV, wortgleich dem Art. 36 Abs. 1 WRV, enthielt das seit dem Konstitutionalismus übliche Indemnitätsrecht, wonach kein Abgeordneter zu irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seiner Abgeordnetentätigkeit getanen Äußerungen gerichtlich oder dienstlich zur Verantwortung gezogen werden kann.365 Die Schadloshaltung bezog sich, dem heutigen Art. 46 Abs. 1 S. 2 GG entsprechend, nach Art. 67 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 DDV nicht auf Verleumdun364 Erstmals kam man in der 3. Sitzung der Provisorischen Länderkammer am 20. Oktober 1949 auf diese Rechte zu sprechen; Lobedanz teilte den Abgeordneten mit: „Dann bitte ich weiter im Namen des Präsidiums das Hohe Haus, das Präsidium zu ermächtigen, die Gewährung der nach Artikel 80 der Verfassung den Abgeordneten zustehenden Rechte zu veranlassen. [. . .] Nach Schluß dieser Sitzung können die vorläufigen Ausweise in Empfang genommen werden“, PLK, Protokolle, S. 13. Auch in den späteren Wahlperioden wurden diese Rechte formal verliehen. 365 Vgl. auch § 11 des fortgeltenden Reichsstrafgesetzbuches von 1871: „Kein Mitglied eines Landtages [das die Abgeordneten der Länderkammer in der Regel waren, d. Vf.] oder einer Kammer eines zum Reiche gehörigen Staats darf außerhalb der Versammlung, zu welcher das Mitglied gehört, wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes gethanen Aeußerung zur Verantwortung gezogen werden“; eine recht parteiliche, aber umfassende Darstellung der Strafrechtsentwicklung in der DDR findet sich bei Buchholz, passim, hier S. 276 ff.
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
gen im Sinne des Strafgesetzbuches.366 Der Tatbestand der Verleumdung musste von einem – zu bildenden – Untersuchungsausschuss der Länderkammer festgestellt werden, Art. 67 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 i. V. m. Art. 80 Abs. 1 DDV. b) Immunität Immunitätsvorschriften dienen primär dem Schutz der Arbeitsfähigkeit und dem Ansehen einer gesetzgebenden Körperschaft – freilich auch der Integrität der Abgeordneten. Beschränkungen der persönlichen Freiheit, Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmen oder Strafverfolgung waren damit gegen Abgeordnete nur mit Einwilligung der Länderkammer zulässig, Art. 67 Abs. 2 i. V. m. Art. 80 Abs. 1 DDV. Entgegen Art. 37 Abs. 1 WRV und dem heutigen Art. 46 Abs. 2 GG genoss der Abgeordnete Immunität auch bei Begehung der Tat oder im Laufe des darauffolgenden Tages. Jedes Strafverfahren, jede Haft und jede sonstige Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten konnte nach Art. 67 Abs. 3 i. V. m. Art. 80 Abs. 1 DDV367 für die Dauer der Sitzungsperiode durch Beschluss der Länderkammer aufgehoben werden. Abgeordnete der Länderkammer genossen als – in der Regel – Mitglieder des entsendenden Landtages bereits über die entsprechenden Vorschriften der Länderverfassungen Immunität; für höhere Hürden (Zweidrittelmehrheit zur Aufhebung der Immunität, Zeit der Tatbegehung)368, die die Landesverfassungen zur Aufhebung der Immunität festlegten, galt insoweit – wenn nicht überhaupt – der Grundsatz, wonach gesamtdeutsches Recht dem der Länder vorgeht, Art. 114 Abs. 1 DDV. Exemplarisch für die Wertigkeit der Immunität war das Schicksal des Länderkammerabgeordneten Schleusener (CDU).369 366 Vgl. auch Art. 6 Abs. 2 DDV, der „Boykotthetze“ als Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches normierte und bis zum Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes vom 11.Dezember 1957, GBl. I S. 643 (1957), alleinige Grundlage des politischen Strafrechts war, vgl. dazu: Lekschas, NJ 1958, 82, passim; ungeachtet Art. 6 Abs. 2 S. 2 DDV, der „Ausübung demokratischer Rechte im Sinne der Verfassung [. . .]“ von sogenannter „Boykotthetze“ ausnahm, vgl. dazu: Mampel, Die Verfassung der SBZ, Art. 6 Erl. 2 m. w. N. 367 Art. 67 Abs. 3 DDV entspricht Art. 37 Abs. 1 Hs. 1 WRV. Die Bestimmung in Art. 67 Abs. 3 DDV, wonach eine etwaige Freiheitsbeschränkung „[. . .] auf Verlangen des Hauses, dem der Abgeordnete angehört [. . .]“ aufzuheben war, kann nur ein redaktionelles Versehen aufgrund der Übernahme des Wortlautes aus Art. 37 Abs. 1 Hs. 1 WRV sein, der auch die Immunität von Mitgliedern der Landtage regelte. 368 Vgl. zu den nach den Länderverfassung gewährleisteten Rechten: Braas, S. 162 ff. 369 Dazu: Anhang, Übersicht Nr. 2, Anm. 34.
E. Die rechtliche Stellung der Abgeordneten der Länderkammer
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Formell wurde Zeit des Bestehens der Länderkammer nie die Immunität eines politisch verfolgten Abgeordneten aufgehoben. c) Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot Art. 67 Abs. 4 S. 1 i. V. m. Art. 80 Abs. 1 DDV räumte den Abgeordneten der Länderkammer über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete Tatsachen anvertrauten oder denen sie in Ausübung ihres Abgeordnetenberufes solche Tatsachen anvertraut haben sowie über diese Tatsachen selbst, ein subjektiv-öffentliches Recht auf Zeugnisverweigerung ein und entspricht in seiner Wortwahl damit Art. 38 Abs. 1 WRV. Untersuchungen und Beschlagnahmen in den Räumen der Länderkammer bedurften gem. Art. 67 Abs. 5 DDV i. V. m. Art. 80 Abs. 1 DDV der Zustimmung des Präsidiums der Länderkammer. d) Urlaub Über Art. 39 Abs. 1 WRV hinausgehend, der nur Angehörige der Wehrmacht und Beamte von dem Erfordernis der Urlaubsnahme freizeichnete, normierte Art. 68 Abs. 1 i. V. m. 80 Abs. 1 DDV, dass Abgeordnete der Länderkammer zur Ausübung ihres Mandats keines Urlaubs bedurften. Art. 68 Abs. 2 i. V. m. Art. 80 Abs. 1 DDV gab Bewerben um einen Sitz in der Länderkammer ein Recht auf Gewährung des zur Vorbereitung der Wahl erforderlichen Urlaubs. Da Landtagsabgeordneten dieses Recht schon über die Verfassungen der Länder gewährt wurde, hatte diese Vorschrift insbesondere für Bewerber Bedeutung, die nicht Mitglied eines Landtages waren, vgl. Art. 72 Abs. 1 S. 2 DDV. Unselbstständig Tätige hatten ferner Anspruch auf Fortzahlung des Gehaltes, Art. 68 Abs. 3 i. V. m. Art. 80 Abs. 1 DDV. e) Aufwandsentschädigung und Freifahrtberechtigung Die Abgeordneten der Länderkammer erhielten eine steuerfreie Aufwandsentschädigung, Art. 69 Abs. 1 i. V. m. Art. 80 Abs. 1 DDV. In Zeiten der Provisorischen Länderkammer einigte man sich vorerst auf eine Entschädigung von 200 Mark pro Monat370 zuzüglich der Ausgabe einer „Intelligenzkarte Norm I“371, die eine höhere Zuteilung von Lebensmit370
Vgl. Präsidium PLK, 3. Sitzung am 20. Oktober 1949, in: BArch, DA 2/79, Bl. 17. 371 Vgl. Präsidium PLK, 5. Sitzung am 10. November 1949, in: BArch, DA 2/79, Bl. 20.
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
telmarken – ähnlich der Arbeiter, die bestimmte schwere Tätigkeiten verrichteten – erlaubte.372 CDU und LDPD forderten die Angleichung der Aufwandsentschädigung an die der Volkskammer373, mithin 500 Mark pro Monat, da die Länderkammer nach dem Verfassungsrang der Volkskammer ebenbürtig sei; diese Forderungen konnten gegenüber der SED nicht durchgesetzt werden.374 Letztlich bekam ein Abgeordneter – auch ein Berliner Beobachter375 – 300 372 Zudem erhielt jeder Abgeordnete in dieser Zeit 50 Liter Benzin pro Monat zugeteilt, Protokoll der LDPD-Länderkammerfraktion vom 23. März 1950, S. 2, in: ADL, Bestand LDPD, Volkskammerfraktion, 25218. 373 Das Protokoll einer CDU-Fraktionssitzung führte dazu: „In der Frage der Diäten steht die CDU-Fraktion auf dem Standpunkt, dass nach Art. 80 der Verfassung der DDR den Abgeordneten der Länderkammer dieselben Aufwandsentschädigungen wie den Abgeordneten der Volkskammer zustehen. Auf dem Wort ‚entsprechend‘ des Art. 80 der Verfassung muss entnommen werden, dass die Diäten der Abgeordneten der Länderkammer den Diäten der Abgeordneten der Volkskammer entsprechen müssen. Es kommt hinzu, dass nach den Art 87 [gemeint: 67, d. Vf.] u. folg., die Immunität, die Freifahrt, den Urlaub und andere Rechte regeln, sich Teilansprüche dieser Rechte nicht festsetzen lassen“, „Protokoll der Sitzung der CDU-Fraktion der Provisorischen Länderkammer am 24.1.1950“, in: ACDP, Ost-CDU: Parteiarbeit, 07-012-1705. Im Hinblick auf die Tatsache, dass „[. . .] nach 4 Monaten die Frage einer Regelung noch nicht zugeführt werden konnte [. . .]“ erklärte sich die CDUFraktion allerdings kompromissbereit: Sie forderte nun pro Monat 400 Mark für die Abgeordneten, für die Beisitzer 500 Mark, für die Vizepräsidenten 750 Mark und für den Präsidenten der Länderkammer „[. . .] mindestens die Diäten in Höhe der Präsidenten der Landtage [. . .]“, vgl. ebd. Mampel bezeichnete die Höhe der Aufwandsentschädigung der Volkskammer als Staatsgeheimnis, vgl. Die Verfassung der SBZ, Art. 69 Erl. 1. Die LDPD hielt sich verpflichtet, die CDU in dieser Frage zu unterstützen; in der Fraktion führte Uhle dazu aus: „Es handele sich dabei weniger um eine geldliche Frage, als um eine Frage des Prinzips“; Flatau pflichtete bei: „Wenn wir Anspruch auf die gleichen Diäten erheben, erheben wir gleichzeitig den politischen Anspruch auf die Aufrechterhaltung der Verfassung, die Bedeutung der Länderkammer und der Landtage“, „Protokoll der L.D.P.-Fraktionssitzung in der Provisorischen Länderkammer vom 8.12.1949“, S. 4, in: ADL, Bestand LDPD, Volkskammerfraktion, 25218. Die erhoffte Gleichwertigkeit zur Volkskammer sollte in der täglichen Praxis letztlich nur in einer banalen Statusfrage zum Ausdruck kommen, wonach der Länderkammerpräsident – wohl auf ausdrücklichen Wunsch – das gleiche Automodell fahren durfte wie der Präsident der Volkskammer, einen SIS der Stalinwerke Moskau, vgl. den „Verwendungsnachweis des Fuhrparks der Volks- und Länderkammer vom 14. Januar 1952“, in: BStU, MfS, AS 93/55, Bl. 23 f. 374 Die SED schlug pro Monat folgende Entschädigung vor: Abgeordneter 300 Mark, Beisitzer 500 Mark, Vizepräsident 750 Mark, Präsident 1500 Mark, vgl. Präsidium PLK, 7. Sitzung am 8. Dezember 1949, in: BArch, DA 2/79, Bl. 27. Die Höhe der Aufwandsentschädigung wurde vom Politbüro festgesetzt, vgl. Sekretariat des ZK der SED, Sitzung am 19. Dezember 1949 (Protokoll Nr. 73), in: SAPMOBArch, DY 30/J IV 2/3/73, Bl. 2. 375 Vgl. Beschluss des Präsidiums über die Entschädigung der Berliner Beobachter, Präsidium PLK, 13. Sitzung am 9.2.1950, in: BArch, DA 2/79, Bl. 44.
E. Die rechtliche Stellung der Abgeordneten der Länderkammer
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Mark, die Präsidiumsmitglieder 500 Mark, die Vizepräsidenten 750 Mark und der Präsident der Länderkammer 2000 Mark pro Monat an Aufwandsentschädigung.376 Diese Regelung wurde bis zur Auflösung der Länderkammer beibehalten. Für Inhaber eines Volkskammermandats galt laut Beschluss des Präsidiums, dass diese nur – nach Wahl – von einer Kammer eine Aufwandsentschädigung erhielten.377 Ein Verzicht auf die Aufwandsentschädigung war unzulässig, Art. 69 Abs. 2 i. V. m. Art. 80 Abs. 1 DDV. Die Aufwandsentschädigung war zudem nicht übertrag- und pfändbar, Art. 69 Abs. 3 i. V. m. Art. 80 Abs. 1 DDV. Nach Art. 70 Abs. 1 i. V. m. Art. 80 Abs. 1 DDV hatten die Abgeordneten der Länderkammer das Recht zur freien Fahrt auf „[. . .] allen öffentlichen Verkehrsmitteln.“ Der fortschreitenden Entwicklung des Verkehrswesens entsprechend, bezog sich das Recht auf freie Benutzung von Verkehrsmitteln nicht nur wie in Art. 40 Abs. 1 WRV auf Eisenbahnen, sondern auf alle Verkehrsmittel378, insbesondere auf die Benutzung von Flugzeugen.379 Abgeordnete der Länderkammer genossen zudem bei amtlichen Tätigkeiten in „[. . .] direktem Auftrag der jeweiligen Volksvertretung [. . .]“ Unfallversicherungsschutz.380 376
Vgl. die Ordnung über Aufwandsentschädigungen für Mitglieder der Provisorischen Länderkammer der [DDR], in: BArch, DA 2/79, Bl. 36; der Beschluss des Präsidiums wurde den Abgeordneten anlässlich der 8. Sitzung der Provisorischen Länderkammer am 10. Februar 1950 mitgeteilt, vgl. PLK, Protokolle, S. 51. 377 Präsidium PLK, 12. Sitzung am 9. Februar 1950, in: BArch, DA 2/79, Bl. 40. 378 Genannt seien hier nur die Deutsche Reichsbahn und die Deutsche Lufthansa (Ost), letztere ab 1958 unter dem Namen Interflug firmierend. Eine Aufstellung der mit dem Abgeordnetenstatus verbundenen Privilegien geben die „Informationen für die Mitglieder der Volkskammer und der Länderkammer der [DDR]“, in: ADL, Bestand LDPD, Volkskammerfraktion, 8422. Vgl. auch § 2 der Bekanntmachung über die Ausgabe von Ausweisen für die Abgeordneten der Provisorischen Volkskammer und der Provisorischen Länderkammer vom 13. Juni 1950, MinBl. S. 77 (1950), § 3 der Bekanntmachung über die Ausgabe von Ausweisen für die Abgeordneten der Volkskammer und der Länderkammer sowie für die der Volkskammer oder der Länderkammer angehörenden Vertreter der Hauptstadt Berlin vom 14. November 1950, MinBl. S. 199 (1950), § 3 der Bekanntmachung über die Ausgabe von Ausweisen für die Abgeordneten der Volkskammer und der Länderkammer sowie für die der Volkskammer und der Länderkammer angehörenden Vertreter der Hauptstadt Berlin vom 30. November 1954, GBl. S. 963 (1954), aufgehoben durch die Bekanntmachung über die Aufhebung der Gültigkeit von Ausweisen für die Mitglieder der Länderkammer sowie für die der Länderkammer angehörenden Vertreter der Hauptstadt Berlin vom 16. Dezember 1958, GBl. I S. 882 (1958). 379 Mampel, Die Verfassung der SBZ, Art. 70 Erl. 1. 380 § 1 Abs. 1 u. 2 der Verordnung zur Ergänzung der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen vom 2. August 1956, GBl. S. 612
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
II. Die Rechte der Abgeordneten nach den Geschäftsordnungen Neben den Rechten, die sich aus der Abgeordnetenstellung selbst ergaben, bestand ein Archiv und eine Bücherei, § 27 Abs. 1 GO-PLK bzw. § 22 Abs. 1 GO-LK.381 Jeder Abgeordnete konnte dieses Archiv einsehen und die Bücherei in Anspruch nehmen, wobei eine Veröffentlichung von Akten durch Abgeordnete einer Genehmigung durch das Präsidium bedurfte, § 27 Abs. 2 GO-PLK bzw. § 22 Abs. 2 GO-LK.
III. Erlöschen des Mandats 1. Erklärung des Erlöschens durch den Präsidenten der Länderkammer Etliche Mitglieder der Länderkammer flohen – unter Gefahr für Leib und Leben382 – noch während sie Abgeordnete waren nach Westdeutschland.383 Somit drängt sich die Frage auf, nach welcher Rechtsgrundlage ein Abgeordneter seines Mandats verlustig gehen konnte. Da die Abgeordneten der Länderkammer von den Landtagen bestellt wurden, lag es nahe, dass auch der Verlust des Mandats von den Landesparlamenten hätte festgestellt werden müssen. Dem widersprach die Praxis: Dort stellte der Präsident in der auf die Flucht folgenden Sitzung der Länderkammer stereotyp das Erlöschen des Mandats fest.384 Entsprechungen in der Verfassung bzw. in den Geschäfts(1956); vorher trug die Kosten einer Versicherung die Länderkammer für den einzelnen Abgeordneten selbst, vgl. Präsidium PLK, 17. Sitzung am 23. März 1950, in: BArch, DA 2/79, Bl. 53. 381 Für die Bücherei galt ab 1953 eine Benutzungsordnung für die Bibliothek der Volkskammer und der Länderkammer der [DDR]. Die Bibliothek besaß im Jahre 1953 etwa 25.000 Bände. Zur Geschichte des Parlamentsbibliothekswesens in der DDR, vgl. Hahn, S. 605–613, hier besonders S. 607. 382 Die Richtlinien für die Organe der deutschen Polizei zum Schutz der Demarkationslinie in der sowjetischen Okkupationszone Deutschlands der SMAD vom 23. August 1947, abgedruckt in: Schultke, S. 174, verpflichtete die Polizeikräfte in § 19 lit. a „[. . .] jegliche Art von Grenzübertritt und Übertritt der Demarkationslinie zu der sowjetischen Okkupationszone und zurück, egal von wem, nicht zuzulassen.“ 383 Vgl. dazu die Abgeordnetenübersichten im Anhang. Anzahl der in den Westen geflohenen Abgeordneten der Länderkammer: 7 (Provisorische Länderkammer), 1 (1. WP). Später ist keine Flucht mehr zu verzeichnen, was wohl auch mit der verstärkten Überprüfung der Abgeordneten auf ihre politische Zuverlässigkeit und dem abschreckenden Grenzregime erklärt werden kann.
E. Die rechtliche Stellung der Abgeordneten der Länderkammer
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ordnungen fanden sich zur Begründung dieses Verhaltens nicht. Zwar normierte Art. 59 Abs. 1 DDV385 das Recht der Volkskammer die Mitgliedschaft zu prüfen, doch verwies Art. 80 Abs. 1 DDV386, der im Übrigen Gleichlauf der Rechte (Art. 67 ff. DDV) zwischen Volks- und Länderkammerabgeordneten anordnete, nicht auf diesen Artikel der Verfassung. Dementsprechend musste sich das Erlöschen eines Mandats nach dem jeweiligen Wahlgesetz des Landes richten. Da die Abgeordneten der Länderkammer von den Landtagen gewählt wurden, kam hierfür nur die von der Besatzungsmacht erlassene Wahlordnung für die Landtags- und Kreistagswahlen in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands387 vom 11. September 1946 in Betracht, die für alle Länder der DDR gleichermaßen galt. Die Wahlprüfung stand nach allen Verfassungen der Länder dem Landtag zu.388 Forderte die Wahlordnung vom 11. September 1946 noch einen Wohnsitz in Deutschland, wurde diese Bestimmung durch das Gesetz über die Wahlen zur Volkskammer, zu den Landtagen, Kreistagen und Gemeindevertretungen in der [DDR] am 15. Oktober 1950389 vom 9. August 1950 insofern angepasst, als dass der Wohnsitz „[. . .] im Gebiet der DDR oder von GroßBerlin [. . .]“ liegen musste, § 3 Abs. 3 dieses Gesetzes.390 Vertrat die DDR 384 Das Präsidium der Volkskammer ging in diesen Fällen von einer „[. . .] stillschweigend erteilten Ermächtigung aus, das Mandat eines Abgeordneten für erloschen zu erklären, wenn er das Gebiet der Republik illegal verlassen hat [. . .]“, Brief Johannes Dieckmann, Präsident der Volkskammer, an die LDPD-Fraktion, in: ADL, Bestand LDPD, Volkskammerfraktion, 25219; für die Länderkammer ist von der Annahme einer entsprechenden „Ermächtigung“ auszugehen. 385 Art. 59 Abs. 1 DDV: „Die Volkskammer prüft das Recht der Mitgliedschaft und entscheidet über die Gültigkeit der Wahlen“; vgl. auch dazu Mampel, Die Verfassung der SBZ, Art. 59, passim. 386 Art. 80 Abs. 1 DDV: „Die Artikel 67 ff. dieser Verfassung über die Rechte der Abgeordneten der Volkskammer gelten entsprechend für die Abgeordneten der Länderkammer.“ 387 Abgedruckt in: Institut für Theorie des Staats und des Rechts der Akademie der Wissenschaften der DDR, Geschichte des Staats und des Rechts der DDR, S. 83 ff. 388 Art. 14 Abs. 2 der Verfassung für die Mark Brandenburg vom 6. Februar 1947; Art. 27 Abs. 1 der Verfassung des Landes Mecklenburg vom 16. Januar 1947; Art. 31 der Verfassung des Landes Sachsen vom 28. Februar 1947; Art. 29 Nr. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt vom 10. Januar 1947; Art. 12 Abs. 3 S. 1 der Verfassung des Landes Thüringen vom 20. Dezember 1946. Die Verfassungen der Länder sind abgedruckt in: Burhenne, Die Verfassungen und Landtags-Geschäftsordnungen der DDR-Länder bis 1952. 389 GBl. S. 743 (1950). 390 Nach Schaffung der Bezirke, die für die zweite (1954–1958) und dritte Wahlperiode (1958) der Länderkammer deren Abgeordnete wählten, bestimmte das Gesetz über die Wahlen zu den Bezirkstagen der [DDR] vom 4. August 1954, GBl. S. 672 (1954), dass wählbar „[. . .] alle Männer und Frauen deutscher Staats-
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
noch bis Mitte der fünfziger Jahre die „Ein-Staat-Theorie“, so kam dies zumindest in ihren Wahlgesetzen nicht zum Ausdruck. Durch das Wahlgesetz von 1950 war die Voraussetzung für die Erklärung des Erlöschens des Mandats bei einer Flucht aus dem Gebiet der DDR gegeben; gestützt hat man sich auf diese Bestimmung nie. Auch wurde seitens der Landtage nie formell der Verlust eines Mandats in der Länderkammer festgestellt. Vielmehr übernahm dies in den Anfangsjahren der Länderkammer der Präsident – ultra vires – zu Beginn der entsprechenden Sitzung selbst und ohne Angabe einer Rechtsgrundlage – wenngleich freilich durch den Umstand der Flucht selbst von einem konkludent erklärten Mandatsverzicht auszugehen war. Die Erklärungen des Erlöschens der jeweiligen Mandate waren daher de jure bis zur Inkraftsetzung des Wahlgesetzes vom 9. August 1950 von keiner Rechtsgrundlage gedeckt. Allerdings hätte man das Absetzen nach Westdeutschland wohl unter den flexibel handhabbaren § 3 Abs. 1 Nr. 3 der Wahlordnung vom 11. September 1946 subsumieren können, der, entsprechend der herrschenden Anschauung von Westdeutschland als einem Hort der Reaktion, den gänzlichen Ausschluss des Wahlrechts für [. . .] Aktivisten des Faschismus und Kriegsinteressenten, deren Namen der Gemeindebehörde auf Vorschlag der antifaschistisch-demokratischen Parteien der Gemeinden durch den Block der antifaschistisch-demokratischen Parteien des Kreises namhaft gemacht werden.
2. Neuregelung des Umgangs mit Mandatsveränderungen durch die Sitzung des Präsidiums des Nationalrates vom 30. Oktober 1952 Die Praxis Mandate für erloschen zu erklären bzw. den Nachfolger eines Mandatsträgers schon in Funktion zu setzen, obwohl seine Wahl noch bevorstand, gab wohl auch im Präsidium der Nationalen Front – in diesen Belangen sonst wenig empfindlich – Anlass zu Besorgnis; bevor allerdings der angehörigkeit [sind], die die am Wahltag das 21. Lebensjahr vollendet und ihren Wohnsitz im Gebiet der [DDR] oder von Groß-Berlin haben“; wortgleich in § 2 Abs. 3 des ab 1957 geltenden Gesetz[es] über die Wahlen zu den örtlichen Volksvertretungen in der [DDR] vom 3. April 1957, GBl. I S. 221 (1957). Das Recht der Prüfung der Mitgliedschaft stand den Bezirkstagen zu, § 48 Abs. 1 im Gesetz von 1954 bzw. § 55 Abs. 1 des Gesetzes von 1957. Das Recht zur Feststellung des Erlöschens des Mandats war auch – insoweit doppelt – normiert in § 25 Abs. 2 des Gesetz[es] über die örtlichen Organe der Staatsmacht, GBl. I S. 65 (1957), vom 18. Januar 1957.
E. Die rechtliche Stellung der Abgeordneten der Länderkammer
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jeweilige Landtag einen Nachfolger wählen konnte, musste der Kandidat vom Präsidium der Nationalen Front bestätigt werden, also auf seine politische Zuverlässigkeit überprüft werden391 und derjenige, der sein Mandat niederlegen wollte, eine Bestätigung der Nationalen Front einholen: Mandatsniederlegungen in der Länderkammer können [. . .] nur im Einvernehmen mit dem Präsidium des Nationalrats entsprechend den dort beschlossenen, von allen Parteien und Organisationen ebenso vom Präsidium der Volkskammer anerkannten Richtlinien erfolgen, d.h. in jedem dieser Fälle muß, sofern das Ausscheiden in der Länderkammer nicht durch Tod oder durch einen anderen schwerwiegenden Grund [wie etwa Flucht, d. Vf.] gegeben ist, eine entsprechende bestätigende Mitteilung des Präsidiums des Nationalrats der Nationalen Front des demokratischen Deutschland vorliegen. [. . .] Gemäss Artikel 72 der Verfassung wird von dem Landtag, der den ausgeschiedenen Abgeordneten gewählt hatte, auch sein Nachfolger gewählt, d.h. dass eine Verkündung in der Länderkammer über Neubesetzung von Mandaten erst erfolgen kann, wenn eine entsprechende Mitteilung über die Wahl des neuen Abgeordneten der Länderkammer von dem in Frage kommenden Landtag vorliegt.392
Das Problem der Neubesetzung von Mandaten wurde auch im Jahr 1953 wieder akut. Dies zeigt ein Schreiben von Gerald Götting (CDU), stellvertretender Präsident der Volkskammer und Generalsekretär der CDU, der im Auftrag von Länderkammerpräsident Lobedanz an den Nationalrat der Na391 Dass das Präsidium der Nationalen Front von diesem Recht durchaus Gebrauch machte, zeigt exemplarisch ein Brief des CDU-Fraktionsvorsitzenden an den Präsidenten der Länderkammer vom 25. September 1952, in: BArch, DA 2/94, Bl. 60: „Sehr geehrter Herr Präsident! Der Abgeordnete Henze [. . .] hat durch Erklärung [. . .] auf sein Mandat als Abgeordneter der Länderkammer verzichtet. Henze ist infolge seiner anstössigen Lebenshaltung nicht würdig, ein solches Amt weiter zu bekleiden. Wir [. . .] werden in Kürze einen neuen Vorschlag [im Präsidium der Nationalen Front, d. Vf.] einreichen.“ Politische Differenzen über Kandidaten führten später zu einer oft monatelangen Nichtbesetzung eines Länderkammermandats – exemplarisch sei hier der Fall des ausgeschiedenen Länderkammerabgeordneten Hagemeier (LDPD) genannt, dessen Mandat ein halbes Jahr unbesetzt blieb, was zu erheblichen Verstimmungen zwischen der LDPD und der Nationalen Front, die für die Bestätigung der Kandidaten zuständig war, führte, vgl. BArch, DA 2/13, Bl. 240. Auf Anregung von Koenen führte man in den Bezirken ab Ende 1952 auch regelmäßige Treffen der Abgeordneten mit dem Vorsitzenden des Bezirksausschusses der Nationalen Front, des Sekretärs des Bezirks der Nationalen Front und des Sekretärs des Rats des Bezirks durch, um Berichte der Abgeordneten über ihre Tätigkeit entgegenzunehmen, sprich sie entsprechend der Vereinbarungen des Blocks auf „Linie“ zu halten, vgl. Präsidium LK (1.WP), 10. Sitzung am 18. Dezember 1952, in: BArch, DA 2/80, Bl. 34. 392 Aktenvermerk über die Sitzung des Präsidiums der Nationalen Front am 30. Oktober 1952, in: BArch, DA 2/94, Bl. 8. Bis zum „Demokratisierungsgesetz“ nahm diese Prüffunktion der jeweilige „Landesblock“ wahr, vgl. nur – hier für Brandenburg: „Protokoll der Sitzung des Landesblocks am 30.10.1950“, in: ADL, Bestand LDPD, Landesverbände, L5-129.
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Kap. 4: Länderkammer nach der Verfassung und den Geschäftsordnungen
tionalen Front des demokratischen Deutschlands schrieb. Aus dem Schreiben geht hervor, dass der Präsident der Länderkammer es für zweckmäßiger hielt, auf eine Wahl von Abgeordneten – die etwa für ausgeschiedene in die Länderkammer nachrücken sollten – ganz zu verzichten und stattdessen eine „Bestätigung“ durch das Präsidium der Nationalen Front als ausreichend ansah: Wie ich erfahre, vertritt der Nationalrat der Nationalen Front [. . .] den Standpunkt, daß Nachbenennungen von Ersatzabgeordneten der Länderkammer durch das Präsidium des Nationalrats nicht möglich und nicht statthaft sein sollen, da ein solchen Verfahren in Widerspruch zur Verfassung [. . .] stehen würde. Ich darf Ihnen hierzu mitteilen, daß diese Ansicht meines Erachtens irrig ist. Dadurch, daß das Präsidium des Nationalrates auch die Bestätigung von Ersatzabgeordneten der Volkskammer vornimmt, die dem Buchstaben der Verfassung gemäß vom ganzen Volke gewählt werden müssen, dürften [. . .] auch Bedenken in der Richtung entfallen, daß die Nachbenennung von Abgeordneten der Länderkammer nicht möglich sei, da die Landtage durch das Gesetz über die weitere Demokratisierung [. . .] vom 23.7.1952 außer Funktion gesetzt worden seien.393
So auch einen Monat vorher Lobedanz an die Parteileitung der CDU: Ich würde es danach für zweckmäßig halten, wenn diese Frage noch einmal [. . .] besprochen würde, und zwar um so mehr, als Herr Koenen bei allen Fragen der Länderkammer einen besonders sorgfältigen Maßstab anlegt.394 Wenn man für die Abgeordneten der Volkskammer aus praktischen Gründen wegen der Weiterentwicklung unseres Verfassungslebens die Ersatzbenennung durch die Nationale Front zugelassen habe, so müsse das aus den gleichen Gründen auch für die Abgeordneten der Länderkammer gelten.395
Lobedanz konnte sich mit seinem Ansinnen nicht durchsetzen396 und kam damit nicht in den Genuss eines „unproblematischen“ Nachrückverfahrens, sprich eines Verfahrens ohne förmlich stattfindende Nachwahl durch die Bezirkstage, sondern nur durch Ernennung durch die Nationale Front. Dieckmann, Präsident der Volkskammer, beschied dieses „vereinfachte Verfahren“ negativ397, ausgerechnet mit dem Hinweis, dass die Abgeordneten 393 Schreiben an den Nationalrat der Nationalen Front vom 6. August 1953, in: BArch, DA 2/94, Bl. 39. 394 Die zwei letzten Halbsätze wurden von Lobedanz handschriftlich gestrichen, um seine kritischen Äußerungen über Koenen nicht offenbar werden zu lassen. 395 Schreiben Lobedanz an die Parteileitung der CDU vom 15. Juli 1953, in: BArch, DA 2/94, Bl. 40. 396 Das Problem des Nachrückverfahrens anlässlich eines ausgeschiedenen Abgeordneten, war bis zum Ende der Länderkammer – wohl seitens der SED absichtlich – ungelöst geblieben, vgl. nur den insistierenden Brief auf Lösung dieses Problems von Dieckmann an das Büro des Präsidiums der Nationalen Front vom 1. Februar 1956, in: BArch, DA 2/13, Bl. 237 ff. 397 Vgl. Schreiben Lobedanz an die Parteileitung der CDU vom 15. Juli 1953, in: BArch, DA 2/94, Bl. 40.
E. Die rechtliche Stellung der Abgeordneten der Länderkammer
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der Länderkammer durch die Landtage zu wählen seien, die schon seit einem Jahr nicht mehr bestanden. Bei Tod, oder – was häufiger vorkam – politischer Unliebsamkeit, schlug die jeweilige Partei, die ihrerseits den Kandidaten im jeweiligen Parteigremium prüfte398, dem Präsidium der Nationalen Front einen Nachfolgekandidaten vor, der bei positiver Bestätigung alsbald von dem entsprechenden Bezirkstag akklamiert werden konnte.399 Ab August 1957 wurde auf Beschluss des Präsidiums des Nationalrats bestimmt, dass „[. . .] Zustimmungen für die Abgeordneten der Länderkammer [. . .]“ nun auf die Bezirkstage und den Bezirksausschuss der Nationalen Front delegiert werden.400
398 So auch die Praxis der CDU, die republikweit die Länderkammerabgeordneten im Politischen Ausschuss festlegte, vgl. nur: Protokoll der Sitzung des Politischen Ausschusses am 22. August 1950, in: ACDP, Ost-CDU: Vorstand, 07-010-1217; Schreiben des Landesverbandes Brandenburg an den Politischen Ausschuss der CDU vom 14. Juli 1950, in: ACDP, Ost-CDU: Vorstand, 07-010-1789. 399 Vgl. die Schriftwechsel zwischen Nationaler Front, den Parteien und dem Sekretariat der Länderkammer Mandatsveränderungen betreffend, in: BArch, DA 2/94, Bl. 1 ff. 400 Vgl. den Bericht über einen Brief von Dieckmann, der dies dem Präsidium der Länderkammer mitteilte, Präsidium LK (2. WP), 6. Sitzung am 30. August 1956, in: BArch, DA 2/78, Bl. 51.
Kapitel 5
Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR A. Die Konstituierung der Provisorischen Länderkammer I. Vorgaben durch die konstituierende Sitzung der Provisorischen Volkskammer Die konstituierende Sitzung der Provisorischen Volkskammer am 7. Oktober 1949, in die sich die 9. Tagung des 2. Deutschen Volksrates vom gleichen Tage umbildete1, stellte die Weichen für das Entstehen der jungen Republik. Auch für die Konstituierung der Länderkammer – wenige Tage später – war diese Sitzung demzufolge von Bedeutung. Schon die Tagesordnungspunkte jener Sitzung zeigen den Anspruch der Volkskammer auf, höchstes Organ der Republik (Art. 50 Abs. 1 DDV) zu sein: 1)
Gesetz über die Konstituierung der Provisorischen Volkskammer.
2)
Wahl des Präsidiums der Provisorischen Volkskammer.
3)
Gesetz über die Bildung der Provisorischen Regierung.
4)
Gesetz über die Bildung der Provisorischen Länderkammer.
5)
Gesetz über die Rechtskraft der Verfassung.
6)
Beschluß über die Beendigung des Provisoriums der Volkskammer, Länderkammer und der zu bildenden Regierung durch die von der Provisorischen Volkskammer zu beschließenden allgemeinen Wahlen am 15. Oktober 1950.
7)
Ersuchen an die Landtagspräsidenten um Einberufung Außerordentlicher Landtagssitzungen am 10. Oktober zur Wahl der Ländervertreter und Verlängerung der Wahlperiode.2
8)
Beschluß auf Einberufung der Provisorischen Länderkammer auf Dienstag, den 11. Oktober, um 12 Uhr, zur Konstituierung und Wahl des Präsidiums.
1 PVK, 1. (konst.) Sitzung am 7. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 1 ff. „Der Deutsche Volksrat erklärt sich zur Provisorischen Volkskammer [. . .]“, ebd. 2 In einem späteren Aktenvermerk, der die Geschichte der Länderkammer bis 1954 skizzierte, wurde Punkt 7) dieser Tagesordnung als „Ausführungsdirektive“ bezeichnet, vgl. BArch, DA 2/4, Bl. 20.
A. Die Konstituierung der Provisorischen Länderkammer 9)
245
Beschluß auf Einberufung der gemeinsamen Tagung der Provisorischen Volks- und Länderkammer zum 11. Oktober, 16 Uhr, zur Verlesung einer Erklärung der Vertretung der Sowjetregierung und Wahl des Präsidenten der Deutschen Demokratischen Republik.
10) Beschluß auf Einberufung der 2. Tagung der Provisorischen Volkskammer zum 12. Oktober, 12 Uhr [. . .]3
Art. 1 des zu Tagesordnungspunkt 1) gehörenden Gesetzes4 – alle Beschlüsse und Gesetze wurden einstimmig akklamiert – lautete: Die Provisorische Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik konstituiert sich in der Zusammensetzung des vom Dritten Deutschen Volkskongreß am 30. Mai 1949 gewählten Deutschen Volksrates auf Grund der vom Deutschen Volksrat am 19. März 1949 beschlossenen, vom Dritten Deutschen Volkskongreß am 30. Mail 1949 bestätigten Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik.
Nach dem Wortlaut „[. . .] auf Grund [. . .]“ des Art. 1 dieses Gesetzes müsste die Verfassung also schon in Kraft getreten sein, bevor sich die Provisorische Volkskammer in dieser Weise hätte konstituieren können.5 Dem widerspricht hingegen Tagesordnungspunkt 5): Gesetz über die Rechtskraft der Verfassung. Erst dadurch wurde die Verfassung formell in Kraft gesetzt. Ob Absicht oder Zufall finden sich die Gesetze zur Bildung einer Provisorischen Regierung und über die Bildung der Provisorischen Länderkammer zeitlich vor der Inkraftsetzung der Verfassung. Zumindest handelt es sich um einen bisher wohl einmaliger Vorgang der deutschen Verfassungsgeschichte, dass sich ein Verfassungsorgan zeitlich vor dem Inkrafttreten der Verfassung konstituiert. Formaljuristische Einwände sind dem marxistisch-leninistischen Verfassungsverständnis allerdings wesensfremd: Daß die Schaffung einer demokratischen Verfassung in Deutschland durch Deutsche den Reaktionären aller Grade und Nationalitäten höchst unangenehm ist, ist ohne weiteres verständlich. Verständlich ist auch, daß sie um jeden Preis bemüht 3 PVK, 1. (konst.) Sitzung am 7. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 4; abgedruckt in: Bundesministerium des Innern, Dokumente zur Deutschlandpolitik, II/2.1, Dok. Nr. 37 (S. 115 f.). Die Ausgestaltung der konstituierenden Sitzung folgte einem detaillierten Plan des Politbüros, vgl. die Protokolle der Politbürositzungen des Parteivorstandes der SED vom 28. September und 2. Oktober 1949, abgedruckt in: ebd., Dok. Nrn. 128 (S. 482 f.), 131 (S. 487 ff.). 4 GBl. S. 1 (1949). 5 Nach Ansicht Karl Schultes, Ministerialdirektor im thüringischen Justizministerium, erfolgte die Konstituierung der Provisorischen Volkskammer „[. . .] nicht, wie es im Text des Gesetzes vom 7. Oktober 1949 heißt [. . .], sondern aus eigenem Recht der nationalen und demokratischen Selbstbestimmung, ein Recht, wie es jede demokratische Revolution bisher in Anspruch genommen hat“, Über die Rechtsgrundlage der Deutschen Demokratischen Republik, Erfurt, 4. November 1949, in: BArch, NL 185, Bd. 32, zit. nach: Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 315 Anm. 287.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
sind, ‚Einwände‘ zu finden. Sie finden diejenigen Einwände, die allein ihnen zugänglich sind, d.h. formaljuristische. [. . .] Man muß schon jedes Gefühl für den Vorgang der Konstituierung eines Volkes verloren haben, um für den Akt der Rechtsschöpfung einen Rechtsgrund in der vorausgegangenen Ordnung finden zu wollen. Aber mehr: Selbst wenn man historische Vorgänge nur formaljuristisch zu fassen vermag, stellt sich für den Kenner des Rechts heraus, daß die armseligen Einwände des juristischen Spießbürgers haltlos sind. In unserer Rechtsordnung, wie in jeder anderen, gibt es das Institut der sogenannten Geschäftsführung ohne Auftrag. [. . .]6
Mit dem Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag erklärte Alfons Steiniger die mangelnde Legitimität des Deutschen Volksrats zur Errichtung eines „Provisoriums“. Der „Nothelfer“, der Deutsche Volksrat und die sich daraus konstituierte Provisorische Volkskammer, habe durch die Beschlussfassung Wahlen im Oktober 1950 durchzuführen, dem Geschäftsherrn, dem Volk, die Beantwortung der Frage nach der Richtigkeit der provisorischen Maßnahmen auferlegt.7 Die an jenem Tag verabschiedeten Gesetze wurden der Länderkammer auch nicht zur Prüfung, ob sie ihr Einspruchsrecht nach Art. 84 Abs. 1 S. 1 DDV in Anspruch nehmen wolle, vorgelegt. Das erste Gesetz, das die Provisorische Volkskammer der Provisorischen Länderkammer zuleitete, war das Gesetz zur Überleitung der Verwaltung8 vom 12. Oktober 1949, womit die Verwaltungsaufgaben der DWK auf die Provisorische Regierung übertragen wurden. Dies geschah während der gemeinsamen Sitzung der Provisorischen Volks- und Länderkammer am 11. Oktober 1949 anlässlich der Wahl des Präsidenten der Republik nach Art. 101 Abs. 1 DDV.9 Als Drucksache Nr. 1 der Provisorischen Länderkammer ist zwar das Gesetz über den Erlaß von Sühnemaßnahmen und die Gewährung staatsbürgerlicher Rechte für ehemalige Mitglieder und Anhänger der Nazipartei und Offiziere der faschistischen Wehrmacht10 vom 9. November 1949 verzeichnet, doch fand eine erstmalige Abstimmung über die Gebrauchmachung des Einspruchsrechts nach Art. 78 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 84 Abs. 1 DDV schon in genannter gemeinsamer Sitzung statt; als Druck6 Steiniger, Souveränes Volk – demokratische Verfassung, in: ND, Berliner Ausgabe Nr. 236 vom 8. Oktober 1949, S. 2. 7 Vgl. ebd. 8 GBl. S. 17 (1949). 9 Vgl. PLK, 2. Sitzung (gemeinsam mit der Volkskammer) am 11. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 8. 10 GBl. S. 59 (1949); PLK, Drucksachen, Drs. Nr. 1 (S. 1); von der Länderkammer anlässlich ihrer 4. Sitzung am 10. November 1949 behandelt, vgl. PLK, Protokolle, S. 19.
A. Die Konstituierung der Provisorischen Länderkammer
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sache der Provisorischen Länderkammer ist dieses Gesetz hingegen nicht verzeichnet. Die Ausgestaltung und Zusammensetzung der Verfassungsorgane lag also noch ganz in den Händen der Provisorischen Volkskammer, die ihren „revolutionären Elan“ noch nutzen konnte, bevor sie sich scheinbar den Zwängen einer geltenden Verfassung auszusetzen hatte. Während die Gesetze obiger Tagesordnung jeweils mit ihrer „Annahme“11 in Kraft traten, nahmen spätere Gesetze den von der Verfassung vorgezeichneten Weg und traten mit Verkündung oder an einem festgelegten Tag in Kraft. Nach der Bestellung von Otto Grotewohl (SED) zum Ministerpräsidenten (Tagesordnungspunkt 3), wandte man sich schließlich dem Gesetz über die Bildung einer Provisorischen Länderkammer der Deutschen Demokratischen Republik12 (Tagesordnungspunkt 4) zu. Ein Bedürfnis für ein Gesetz dieser Art bestand nicht.13 In den Artt. 1 und 3 werden Bestimmungen wiederholt, die sich schon in der Verfassung finden (Artt. 71 Abs. 1, 72 Abs. 1 DDV) und sind insofern deklaratorisch. Bezeichnend ist, dass Art. 1, welcher festlegt, dass eine „Provisorische Länderkammer“ zu bilden sei, die Vorschrift der Verfassung, wonach jedes Land für 500.000 Einwohner einen Abgeordneten stellt, nicht wiederholt. Art. 3 des Gesetzes, der sonst dem Art. 72 Abs. 1 DDV wortgleich ist, lässt weiterhin ein beachtenswertes Detail hinweg; so ist hier im Gegensatz zur Verfassung keine Rede davon, dass die Abgeordneten der Länderkammer „[. . .] auf die Dauer der Wahlperiode des Landtages [. . .]“ gewählt werden. Das Recht zu bestimmen, welches Land wie viele Abgeordnete entsendet und für wie lange, wollte sich die Volkskammer schon ausweislich des Wortlauts dieses Gesetzes, entgegen der eindeutigen Normierung in der Verfassung, für die Zukunft wohl offen halten. Das Sitzungsprotokoll vermerkt auf die Feststellung des Präsidenten der Provisorischen Volkskammer, Johannes Dieckmann (LDPD), wonach sich dieses Gesetz als Drucksache Nr. 3 zum Teil in den Händen der Mitglieder des Hauses befände: „Lebhafte Zurufe: Nein, überhaupt nicht!“14 Bezeichnenderweise stimmte auch bei diesem Tagesordnungspunkt ein Großteil der 11
Art. 2 des Gesetz[es] über die Konstituierung der Provisorischen Volkskammer der [DDR], GBl. S. 1 (1949); Art. 3 des Gesetz[es] über die Provisorische Regierung der [DDR], GBl. S. 2 (1949); Art. 5 des Gesetz[es] über die Bildung einer Provisorischen Länderkammer der [DDR], GBl. S. 3 (1949); Art. 2 des Gesetz[es] über die Verfassung der [DDR], GBl. S. 4 (1949). 12 GBl. S. 3 (1949). 13 Die Zusammensetzung der Länderkammer ergab sich konstitutiv aus der Verfassung, vgl. oben, Kap. 4 B. IV. 14 PVK, 1. (konst.) Sitzung am 7. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 5.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Mitglieder der konstituierenden Sitzung der Provisorischen Volkskammer ohne Wissen von dem eigentlichen Inhalt der Gesetze über diese ab.15 Der Entwurf dieses Gesetzes beruhe „[. . .] auf einem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen [. . .]“ und weiter: „Auch hier darf ich die Zustimmung zur Verabschiedung gleichzeitig in erster und zweiter Lesung voraussetzen [. . .]“.16 Da eine Aussprache auch hier nicht gewünscht war, wurde das Gesetz einstimmig akklamiert. Nachdem anschließend die Verfassung17 in Kraft gesetzt wurde und man die getätigten Schritte eilig als „provisorisch“ deklarierte (Tagesordnungspunkt 6), um der mangelnden Legitimierung durch das Volk eine scheinbare Legalität entgegenzusetzen, wurden die Landtage „ersucht“, ihnen vielmehr verordnet, am 10. Oktober 1949 zusammenzutreten, um die Abgeordneten ihrer Länder für die Provisorische Länderkammer zu wählen.18 Offenkundig sprach man den Landtagen, die die Abgeordneten nach Art. 72 Abs. 1 S. 1 DDV wählten, die Fähigkeit ab, die konstituierende Sitzung der Provisorischen Länderkammer selbst zu terminieren, so dass die Provisorische Volkskammer als Tagesordnungspunkt 9 einen Beschluss auf Einberufung der Provisorischen Länderkammer zur Konstituierung und Wahl des Präsidiums für Dienstag, den 11. Oktober 1949, 12 Uhr, fasste.19 Weiterhin legte man sogleich die nächste Sitzung fest, auf der in gemeinsamer Tagung von Provisorischer Volks- und Länderkammer eine Erklärung der Sowjetregierung verlesen und zur Wahl des Präsidenten der DDR geschritten werden sollte.20 Der Präsident der Provisorischen Volkskammer verfasste daraufhin ein Schreiben, welches an die jeweiligen Landtagspräsidenten adressiert war: Sehr geehrter Herr Präsident ! Die Provisorische Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik hat heute beschlossen, die konstituierende Sitzung der Provisorischen Länderkammer 15
Schon bei der Abstimmung über das Gesetz über die Provisorische Regierung merkte der sitzungsleitende Präsident an: „Soweit es technisch nicht möglich war, in der Eile der Zeit die Drucksache in Ihrer aller Hände zu geben, bitte ich das entschuldigen zu wollen“, PVK, 1. (konst.) Sitzung am 7. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 5; später lieferte Dieckmann auch eine Begründung für die Eile: „Wenn wir im Gegensatz zu den Gepflogenheiten mancher Parlamente schnell handeln, dann ist die Voraussetzung dafür, daß wir das konnten, daß die Möglichkeit bestand, in ganz wenigen Tagen über alle Fragen wichtiger und entscheidender Art ein schnelles Einverständnis zwischen den verantwortlichen Fraktionen zu erzielen“, ebd., S. 6 f. 16 Ebd., S. 6. 17 GBl. S. 5 (1949). 18 Vgl. PVK, 1. (konst.) Sitzung am 7. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 7. 19 Vgl. ebd. 20 Vgl. ebd.
A. Die Konstituierung der Provisorischen Länderkammer
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der Deutschen Demokratischen Republik auf Dienstag, den 11. Oktober 1949, 12 Uhr, nach Berlin W 8, Mauerstraße 42/4521, Steinsaal, einzuberufen. Weiter ist für Dienstag, den 11. Oktober 1949, 16 Uhr, die gemeinsame Tagung der Provisorischen Volkskammer und der Provisorischen Länderkammer zur Wahl und Vereidigung des Präsidenten der Deutschen Demokratischen Republik einberufen.22
Weiter schrieb Dieckmann: Ich bitte Sie die Abgeordneten Ihres Landes zur provisorischen Länderkammer hiervon unverzüglich zu verständigen und sie in meinem Auftrage zu ersuchen sich zu diesen Sitzungen einzufinden. Nachtquartier für die Abgeordneten der provisorischen Länderkammer ist bereitgestellt.23
Die Vorbereitungen zur Konstituierung der Provisorischen Länderkammer trugen, dies zeigen die Beschlussfassung der ersten Sitzung der Provisorischen Länderkammer und der Duktus obigen Schreibens, eher Weisungscharakter und waren weniger Ausfluss demokratischen Neubeginns, geschweige denn eines autonomen Daseins des Verfassungsorgans Länderkammer.
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Vormals Erweiterungsbau des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda unter Joseph Goebbels. In der Frühzeit der DDR auch Dienstsitz des Präsidenten der Republik und Sitz der Nationalen Front. Heute nutzen das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit – letzteres als weiterer Dienstsitz – die Gebäude. Vgl. zur Geschichte des die Mauerstraße umfassenden Gebäudekomplexes: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Wilhelmstraße 49, Ein Berliner Haus mit Geschichte, passim. Zwischenzeitliche Planungen, Volk- und Länderkammer im Gebäude des ehemaligen Preußischen Landtages (heute Abgeordnetenhaus von Berlin) unterzubringen, wurden aufgegeben; die unmittelbare Nähe zur Sektorengrenze dürfte hier ausschlaggebend gewesen sein, vgl. dazu: Köhler, Der Preußische Landtag in der Nachkriegszeit, S. 215 (231–240). Im August 1950 nahmen Volks- und Länderkammer Sitz in der Luisenstraße 58/60 (Langenbeck-Virchow-Haus), vgl. die Bekanntmachung über die Verlegung des Dienstsitzes der Provisorischen Volkskammer und der Provisorischen Länderkammer vom 16. August 1950, MinBl. S. 145 (1950). Das Gebäude befand sich seit 1910 im Eigentum der Berliner Medizinischen Gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und wurde 1949 seitens der DDR-Regierung für Volks- und Länderkammer requiriert. Bis zur Fertigstellung des Palastes der Republik im Jahre 1976 tagte die Volkskammer im großen Hörsaal des Hauses. Heute wird das Gebäude wieder durch die genannten Gesellschaften genutzt. 22 Zit. nach: Landtag Sachsen (1. WP), 63. Sitzung am 10. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 1459; dem Wortlaut des Schreibens entsprechend spricht der sächsische Landtagspräsident Otto Buchwitz (SED) wohl unbewusst richtig von einer Anweisung, ebd. 23 Zit. nach: ebd., S. 1714 f.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
II. Wahl der Abgeordneten der Länderkammer durch die Landtage am 10. Oktober 1949 Am 10. Oktober 1949 traten alle Landtage der Besatzungszone zu Sondersitzungen zusammen, um die Abgeordneten der Länderkammer zu wählen24, deren konstituierende Sitzung schon am nächsten Tag (11. Oktober 1949) stattfinden sollte. Exemplarisch für all diese außerordentlichen Sitzungen, die sich vom wesentlichen Ablauf glichen, zeigt die Sitzungsniederschrift25 des Sächsischen Landtags, in welcher Atmosphäre die Wahl stattfand. Vor der Wahl der Abgeordneten zur Provisorischen Länderkammer gaben die Blockparteien des Hauses eine gemeinsame Erklärung ab, wonach die Abgeordneten – einig mit allen demokratisch und national gesinnten Deutschen – die historischen Maßnahmen begrüßten, die der Deutsche Volksrat für das ganze deutsche Volk zur Konstituierung der Deutschen Demokratischen Republik getroffen habe. In einer Stellungnahme zu dieser gemeinsamen Entschließung betonte der Abg. Hickmann (CDU), dass man, nachdem der Westen sich in einem „[. . .] separaten Weststaat [. . .]“ organisiert habe, nun die Konsequenzen ziehen müsse und auch für „[. . .] unsere Zone eine neue politische Konstruktion [. . .]“ zu gestalten habe. Wobei es natürlich ein Anliegen bleibe „[. . .] die gesamtdeutsche Regelung herbeizuführen.“ Hickmann vertraute darauf, dass das „[. . .] autoritäre Regiment der DWK nun erledigt ist“, an deren Stelle nun eine Regierung trete, die dem Parlament verantwortlich sei „[. . .] und auf demokratischer Grundlage ihren Dienst am Volke zu leisten hat.“ Drastischer äußerte sich der Abg. Lohagen (SED). Genannt seien hier nur die Schlagworte: „[. . .] kleine Clique von Parteiführern, die sich nur mit Hilfe des Besatzungsstatuts halten können und deshalb die Besetzung Deutschlands verewigen wollen [. . .]“, „[. . .] Bonner Scheinregierung [. . .]“, „[. . .] nationale Unterdrückung Deutschlands durch die imperialistischen Mächte [. . .]“. Als Ironie der Geschichte ist es anzusehen, dass am selben Tag, an dem man die Abgeordneten der Länderkammer wählte, sich der Abg. Lohagen auch mit der bundesstaatlichen Struktur der Bundesrepublik auseinandersetzte, die er 24
Vgl. Landtag Brandenburg (1. WP), 57. Sitzung am 10. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 716; Landtag Mecklenburg (1. WP), 51. Sitzung am 10. Oktober 1949, in: Protokolle, Sp. 2019 f.; Landtag Sachsen-Anhalt (1. WP), 47. Sitzung am 10. Oktober 1949, in: Protokolle, Sp. 2111 A; Landtag Sachsen (1. WP), 63. Sitzung am 10. Oktober.1949, in: Protokolle, S. 1465 f.; Landtag Thüringen (1. WP), 63. Sitzung am 10. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 1713 ff. Zur Besonderheit bei der Wahl des brandenburgischen Abgeordneten Neddermeyer (VdgB), vgl. Anhang, Übersicht Nr. 2, Anm. 33. 25 Die einzelnen Wortmeldungen sind entnommen: Landtag Sachsen (1. WP), 63. Sitzung am 10. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 1460–1465.
A. Die Konstituierung der Provisorischen Länderkammer
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als [. . .] den deutschen Interessen zuwiderlaufende Schaffung neuer Staatsverbände innerhalb des westdeutschen Separatstaates [. . .] ablehnte. Landtagspräsident Buchwitz (SED), später Vizepräsident der Provisorischen Länderkammer, erinnerte daran, dass man „[. . .] für die Verschwender in Bonn [. . .]“ vier Jahre gehungert habe und es nun an der Zeit sei für die „[. . .] nationale Konzentration aller fortschrittlichen Menschen.“26 Der zweite Punkt der Tagesordnung sah schließlich die Wahl der Abgeordneten für die Länderkammer vor.27 Nach Art. 72 Abs. 1 S. 1 DDV waren die Abgeordneten der Länderkammer von den Landtagen im Verhältnis der Stärke der Fraktionen auf die Dauer der Wahlperiode des Landtages zu wählen. En bloc wurden in einem kurzen Verfahren schließlich die Abgeordneten gewählt.28 Oben aufgezeigter modus operandi lief in allen fünf Landtagen jeweils am 10. Oktober 1949 analog folgendem Muster ab: (1) Verabschiedung einer gemeinsamen Entschließung aller Parteien, die den westdeutschen „Separatstaat“ auf das Schärfste verurteilte. (2) Wahl der Mitglieder der Länderkammer en bloc. (3) Verfassungswidrige Verlängerung der Wahlperiode des jeweiligen Landtags.29
III. Die konstituierende Sitzung der Provisorischen Länderkammer am 11. Oktober 1949 Dem Beschluss der Provisorischen Volkskammer entsprechend, fand die erste und damit konstituierende Sitzung der Provisorischen Länderkammer am 11. Oktober 1949 statt.30 Die Sitzung wurde von dem 1877 geborenen 26
Vgl. ebd., S. 1465. Vgl. ebd. 28 Vgl. ebd., S. 1465 f. 29 Die 1946 auf zwei Jahre (Gemeindevertretungen) bzw. 3 Jahre (Landtage) gewählten Vertretungskörper machten eine Neuwahl im Jahr 1949 eigentlich zwingend. Auf Weisung Stalins, „[. . .] Wahlen nicht vor Frühjahr 1950 [. . .]“ stattfinden zu lassen, wurden sämtliche Mandate verlängert und Wahlen auf den 15. Oktober 1950 verschoben, an dem Volkskammer, Landtage und Kommunalvertretungen gemeinsam zu wählen waren, vgl. zur Weisung aus Moskau: „Ergebnis der 4stündigen Besprechung am 18.12.1948“ zwischen Parteiführen der SED und Stalin, Aufzeichnungen Wilhelm Piecks, abgedruckt in: Badstübner/Loth, S. 261. Zur Einheitswahl im Jahre 1950, vgl. auch: Kaiser, Die Verfassung der Ostzone, S. 66 (73 f.); Bundesministerium des Innern, Dokumente zur Deutschlandpolitik, II/3.2, Dok. Nrn. 242, 242a, 243 (S. 663–667). 30 Vgl. PLK, 1. (konst.) Sitzung am 11. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 1 ff. 27
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Alterspräsidenten August Frölich (SED), Präsident des Thüringer Landtages, eröffnet. Für die erste Sitzung hatte man sich nur zwei Tagesordnungspunkte vorgenommen: Die Konstituierung der Provisorischen Länderkammer mit Wahl des Präsidiums, vgl. Art. 73 Abs. 1 DDV, sowie die Bekanntgabe des Beschlusses der Provisorischen Volkskammer, der am Nachmittag des gleichen Tages die Wahl des Präsidenten der DDR vorsah. Frölich verlas das Gesetz31, welches die Provisorische Volkskammer am 7. Oktober 1949 verabschiedete und in Art. 2 die Zusammensetzung der Provisorischen Länderkammer bestimmte. Als Punkt 1b der Tagesordnung wurden alle Abgeordneten namentlich aufgerufen, um die Übereinstimmung mit den von den Landtagen Gewählten festzustellen.32 Unter Punkt 1c Schritt man schließlich zur Wahl des Präsidiums.33 Gewählt wurden auf Vorschlag der Blockparteien: Präsident der Länderkammer
Stellvertreter
Beisitzer
Reinhold Lobedanz (CDU), Vizepräsident des Landtages Mecklenburg
Otto Buchwitz (SED), Präsident des Sächsischen Landtages
Robert Neddermeyer (VdgB/SED), Brandenburg
Kurt Schwarze (LDPD), Sachsen-Anhalt
Olga Körner (SED), Sachsen
IV. Selbstverständnis der Provisorischen Länderkammer Nach der einstimmigen Wahl des Präsidiums übernahm Reinhold Lobedanz34 als Präsident die Sitzungsleitung und beschrieb die Rolle der Länderkammer in der jungen Republik. 31
Gesetz über die Bildung einer Provisorischen Länderkammer der [DDR], GBl. S. 3 (1949). 32 Der Alterspräsident merkte dazu an: „Es ist selbstverständlich, daß der Herr Präsident bzw. das Präsidium der Länderkammer sich vorbehalten, die Liste nachzuprüfen und gegebenenfalls der Provisorischen Länderkammer Mitteilung machen würden, wenn gegen irgendein Mitglied Bedenken bestehen sollten“, PLK, 1. (konst.) Sitzung am 11. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 2. 33 Vgl. ebd. 34 Zur Biographie Lobedanz’, vgl. Koch, Reinhold Lobedanz, passim. Noch bis einen Tag vor Gründung der Republik war Otto Buchwitz (SED) als Länderkammerpräsident vorgesehen, Lobedanz sollte Minister für Post werden, vgl. die hierüber geführten Diskussionen: Aktennotiz vom 30. September über die Besprechung zwischen den Mitgliedern des Hauptvorstandes der CDU, Dertinger und Nuschke, und den Vorsitzenden der SED, Grotewohl und Pieck, in: Bundesministerium des Innern, Dokumente zur Deutschlandpolitik, II/2.2, Dok. Nr. 130 (S. 484 ff.); 22. (36.) Tagung des Parteivorstands der SED am 4. Oktober 1949, in: ebd., Dok. Nr. 137 (S. 510 ff., hier S. 530 f.); Sitzung des Zentralvorstands der LDPD am 6. Oktober
A. Die Konstituierung der Provisorischen Länderkammer
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Als besonderes Merkmal der Länderkammer hob er die Art der Zusammensetzung hervor: anstelle von Regierungsvertretern, gewählte Abgeordnete der Landtage.35 Dies sei ein „[. . .] echt demokratischer Zug, der uns in der Geschichte der Demokratie immer wieder entgegentritt.“36 Die Verfassung bemühe sich damit, den Volkswillen möglichst vielgestaltig an der Willensbildung zu beteiligen und gebe durch die Länderkammer den Landtagen [. . .] gewissermaßen als den Spitzen der Selbstverwaltung die Möglichkeit, aus ihrer praktischen Erfahrung bei der Durchführung der Gesetze, aus ihrer besonderen Kenntnis der örtlichen Wünsche und Nöte der deutschen Menschen anregend und, wenn nötig, wie in der Verfassung ja selbst vorgesehen, auch warnend mitzuwirken.37
Deutlicher wurde Lobedanz, wenn er beschreibt, was die Länderkammer nicht sein soll, nämlich „[. . .] ein Hort föderalistischer Reaktion [. . .]“.38 Der Blick der Länderkammer müsse – zwar vom Standpunkt der Länder aus – immer auf das Ganze des Staatswesens gerichtet sein, was eine enge Zusammenarbeit mit der Volkskammer bedinge.39 1949, in: ebd., Dok. Nr. 147 (S. 579 ff., hier S. 585); Schreiben des Vorsitzenden der SED, Grotewohl, an die CDU der DDR vom 7. Oktober 1949, in: ebd., Dok. Nr. 156 (S. 616). Minister für Post wurde Friedrich Burmeister (CDU), Otto Buchwitz Vizepräsident der Länderkammer. Der „Aufstieg“ von Lobedanz zum Länderkammerpräsidenten wurde wohl als Entschädigung dafür gesehen, dass der CDUParteivorsitzende Otto Nuschke als Volkskammerpräsident seitens der SED abgelehnt wurde, vgl. 22. (36.) Tagung des Parteivorstands der SED am 4. Oktober 1949, in: ebd., Dok. Nr. 137 (S. 510 ff., hier S. 531). Volkskammerpräsident wurde dann der wohl als „pflegeleichter“ empfundene Johannes Dieckmann (LDPD). In der Besetzung des Länderkammerpräsidiums als Ganzes sah Grotewohl – gleichwohl man den Präsidentenposten der CDU übertrug – die Gewähr dafür, dass das Präsidium gut – also im Sinne der SED – arbeiten werde. Seine Vorstandskollegen quittierten diese Ausführungen ausweislich des Protokolls mit – wohl höhnischer – Heiterkeit und Beifall, vgl. 23. (37.) Sitzung des erweiterten Parteivorstandes der SED am 9. Oktober 1949, in: ebd., Dok. Nr. 164 (S. 643 ff., hier S. 656). 35 Vgl. PLK, 1. (konst.) Sitzung am 11. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 3. 36 Ebd. 37 Vgl. ebd. 38 Vgl. ebd. In ähnlichem Duktus beschrieb Lobedanz die Rolle der Länderkammer anlässlich seines Grußwortes auf dem dritten Parteitag der SED im Juli 1950: „Die Provisorische Länderkammer hat ihre verfassungsmäßige Aufgabe als Vertretung der Länder von vornherein so aufgefasst, dass sie nicht ein Bremsklotz am Staatswagen aus irgendwelchen Kirchturmsinteressen oder gar politischen Bestrebungen zu sein hat, sondern wie die Regierung, wie die Volkskammer ein Teil des Motors ist, der diesen Wagen treibt“, BArch, DA 2/35, Bl. 44. 39 Vgl. PLK, 1. (konst.) Sitzung am 11. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 3; in diesem Sinne auch Krahn über die Länderkammer: „War der Reichsrat noch ein lebendig gebliebener föderalistischer Gedanke, da er die Interessen der Länder gegen-
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V. Exkurs: Die Länderkammer als Bühne für Agitation und Propaganda Die Länderkammer war nicht allein Organ, das die von der Verfassung aufgegebenen Rechte und Pflichten wahrnahm bzw. in genehmen Sinne wahrzunehmen hatte, sondern auch Instrument um die Weltanschauung des Marxismus-Leninismus und die Verbundenheit mit der Sowjetunion zu verbreiten – ihrer geringen Außenwirkung zum Trotz. In den Anfangsjahren war daher auch die Länderkammer einer allseitigen Stalin-Verehrung verpflichtet. Anlässlich der ersten Wahl des Präsidenten der Republik am 11. Oktober 1949 etwa, der nach Art. 101 Abs. 1 DDV in gemeinsamer Sitzung von Volks- und Länderkammer zu wählen war, ergab sich die Gelegenheit, öffentlichkeitswirksam propagandistisch gefärbte Äußerungen zu verbreiten. Als Reaktion auf die Bekanntgabe eines Schreibens40 der Regierung der UdSSR durch den Obersten Chef der SMAD, General Tschuikow, in dem angekündigt wurde, dass sich die SMAD in die Sowjetische Kontrollkommission umwandele, da man am Vorabend die Verwaltungsbefugnisse auf die Provisorische Regierung übertragen habe, kommentierte Dieckmann als Präsident der Provisorischen Volkskammer, der gem. Art. 101 Abs. 1 S. 2 DDV die Sitzungsleitung bei gemeinsamer Tagung inne hatte: Der nichtendenwollende [sic!] Beifall, mit dem Sie die Verlesung dieser Erklärung entgegengenommen haben, beweist mir, daß ich mit den Worten, die ich gestern Abend sprechen durfte, [anlässlich des Treffens des Präsidiums der Provisorischen Volkskammer und Ministerpräsident Grotewohl mit dem Obersten Chef der SMAD am Vorabend41, d. Vf.] auch der Interpret ihrer Auffassung, ihrer Meinung und ihrer Gefühle gewesen bin.42
Das Schreiben der sowjetischen Regierung enthielt dementsprechend auch alle mantraartig wiederholten Verurteilungen des westdeutschen Staates als aggressiv und militaristisch. Weiterhin sei die Schaffung des westdeutschen „Separatstaates“ eine grobe Verletzung der Potsdamer Beschlüsse, womit die Bonner Regierung die Spaltung Deutschlands vertiefe.43 über der Reichsgewalt zu vertreten hatte, tritt heute an die Stelle der Gegensätze eine Zusammenarbeit“, ders., S. 29. 40 Abgedruckt in: DA 1949, 284 (285). 41 Vgl. Schöneburg/Mand/Leichtfuß u. a., Vom Werden unseres Staates, Bd. 2, S. 35. 42 PLK, 2. Sitzung (gemeinsam mit der Volkskammer) am 11. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 7. 43 Vgl. ebd., S. 6 f.
A. Die Konstituierung der Provisorischen Länderkammer
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Nach der einstimmigen Akklamation44 von Wilhelm Pieck zum Staatspräsidenten grüßten beide Kammern Pieck als „[. . .] den unbeugsamen Antifaschisten, den wahren Freund des Friedensstaates der Sowjetunion und den nimmermüden Förderer der deutsch-sowjetischen Freundschaft.“45 In der 3. Sitzung am 20. Oktober 1949 fasste die Provisorische Länderkammer als Reaktion auf die Grußbotschaft46 Stalins zur Gründung der DDR an Pieck und Grotewohl, die nach Länderkammerpräsident Lobedanz „[. . .] eine der größten Friedensbotschaften ist, die jemals einer gequälten Welt zugerufen wurden [. . .]“ und „[. . .] in einem wahrhaft künstlerischen Aufbau von kristallener Klarheit [. . .]“ an die politische Vernunft appelliere, eine Entschließung, wonach die Provisorische Länderkammer den großen Staatsmann der Sowjetunion bitte, die feierliche Versicherung entgegenzunehmen, dass sie als Körperschaft wie durch den einzelnen ihrer Mitglieder alles tun werde, um dem Vertrauen Stalins gerecht zu werden.47 Auch die darauffolgende 4. Sitzung am 10. November 1949 begann mit einer gemeinsamen Erklärung aller Fraktionen48 anlässlich des 32. Jahrestages der „Großen Sozialistischen Oktoberrevolution“.49 44 Pieck kommentierte dazu: „Diese Einmütigkeit der Parteien und Organisationen in der Ostzone hebt sich würdig ab von dem traurigen Bild, das der westdeutsche Bundestag und die westdeutsche Bundesregierung in dem häßlichen Widerstreit des Parteiegoismus der bürgerlichen Parteien und der Sozialdemokratie bieten [. . .]“, ebd., S. 11. 45 Vgl. ebd., S. 8. Das jüngste Mitglied der Provisorischen Volkskammer, Margot Feist, die spätere Frau von Erich Honecker, übergab unter „[. . .] stürmischen Beifall beider Kammern [. . .]“ einen Strauß Blumen und gelobte für alle junge Menschen, deren Herzen „[. . .] heißer und höher [. . .]“ schlügen, Treue der Republik, vgl. ebd., S. 9. 46 Vom 13. Oktober 1949, abgedruckt in: Bundesministerium des Innern, Dokumente zur Deutschlandpolitik, II/2.1, Dok. Nr. 64 (S. 202 f.). Darin schrieb Stalin im Schatten des Kalten Krieges Bemerkenswertes: „Die Erfahrung des letzten Krieges hat gezeigt, daß das deutsche und das sowjetische Volk in diesem Krieg die größten Opfer gebracht haben, daß diese beiden Völker in Europa die größten Potenzen zur Vollbringung großer Aktionen von Weltbedeutung besitzen.“ 47 Vgl. PLK, 3. Sitzung am 20. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 14 f. 48 Einstimmig angenommen, wie überhaupt jede Entschließung und jeder Beschluss. In Nachlass Koenen, SAPMO-BArch, NY 4074/189, Bl. 22, findet sich ein mit „Dr. Dieckmann über das ‚Wunder‘ einstimmiger Beschlüsse“ überschriebenes Dokument, in dem dieser ausführt: „Unsere Gesetze sind in der Regel einstimmig verabschiedet worden. Wenn aber die Abgeordneten bei der Beratung eines Gesetzentwurfs sitzen, sind die anfangs oft alles andere als ein und derselben Meinung. Aber sie diskutieren solange, bis alle der gleichen Meinung sind, bis eine Einigung erzielt ist. Wie konnte dieses ‚Wunder‘ geschehen? Die Antwort darauf [. . .] ist nicht schwer. [. . .] [Uns] verband von der ersten Stunde an die Überzeugung, daß das Trennende zurücktreten müsse vor der Größe der uns allen gestellten Aufgaben.“ Richert kommentierte treffend: den Volksvertretern in der DDR käme es da-
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Der Ehrerbietung nicht genug, wurde auf der 5. Sitzung am 8. Dezember 1949 bekannt gegeben, dass zusammen mit der Provisorischen Volkskammer und der Provisorischen Regierung am 21. Dezember 1949 in der Staatsoper anlässlich „[. . .] des 70. Geburtstages von Generalissimus Stalin eine gemeinsame feierliche Sitzung [. . .]“ stattfinden werde.50 In dieser gemeinsamen Sitzung wurden die üblichen Treueschwüre gegenüber der Sowjetunion bekräftigt, „[. . .] unzerstörbarer Frieden und unverbrüchliche Freundschaft mit der Sowjetunion [. . .]“ gefeiert und eine gemeinsame Erklärung beider Kammern vom Präsidenten der Provisorischen Länderkammer Lobedanz zur Verehrung Stalins verlesen.51 Die großen Worte für einige Monate unterbrechend, dankte man auf der 12. Sitzung am 17. Mai 1950 Stalin für die großherzige Herabsetzung der Reparationszahlungen und beantwortete eine „Friedensbotschaft der Nationalversammlung der Tschechoslowakischen Republik“52 mit der schon üblichen Herabwürdigung Westdeutschlands und der feierlichen Versicherung treuer Nachbarschaft und Freundschaft gegenüber der Tschechoslowakei.53 Dies waren nur die sichtbarsten Zeichen der Instrumentalisierung eines Verfassungsorgans als Forum für Symbolpolitik54; dass beinahe jede Wortmeldung und Gesetzesbegründung zur schwärmerischen Verherrlichung des Staates und seiner weisen Führer genutzt wurde, bedarf keiner weiteren Erörterung. rauf an als eine Art „[. . .] corpus mysticum [. . .]“ künstlich Einmütigkeit zu demonstrieren und so die Tatsache der Oligarchie zu verschleiern, ders., Macht ohne Mandat, S. 96. 49 „So senden wir den Sowjetvölkern zur Feier des 32. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution nicht nur unsere herzlichsten Grüße, wir wollen in diesem Augenblick auch unsere ehrliche Bereitschaft zur aufrichtigen und friedlichen Zusammenarbeit zum Ausdruck bringen. Es lebe die Freundschaft zwischen den Völkern der Sowjetunion und dem deutschen Volke“, PLK, 4. Sitzung am 10. November 1949, in: Protokolle, S. 19 f.; vgl. auch: PLK, Drucksachen, Drs. Nr. 4 (S. 6). 50 Vgl. PLK, 5. Sitzung am 8. Dezember 1949, in: Protokolle, S. 25. 51 Diese Erklärung schloss mit den Worten: „Wir wünschen dem weisen Führer der Völker der Sowjetunion für viele, viele Jahre beste Gesundheit und volle Schaffenskraft zum Wohle der Menschheit und für den Frieden in der Welt“, vgl. PLK, 6. Sitzung (gemeinsam mit der Provisorischen Volkskammer und der Provisorischen Regierung) am 21. Dezember 1949, in: Protokolle, S. 40. 52 Vgl. PLK, Drucksachen, Drs. Nr. 26 (S. 135). 53 Vgl. „Erklärung aller Fraktionen der Provisorischen Länderkammer der [DDR] zur Friedensbotschaft der Nationalversammlung der Tschechoslowakischen Republik“, in: PLK, Drucksachen, Drs. Nr. 28 (S. 139 f.). 54 So Schwießelmann, Deutschland Archiv 2008, 48 (54 u. 58), der von der Länderkammer zutreffend auch als „[. . .] weiteres Forum der deutschlandpolitischen Initiativen [. . .]“ und „[. . .] Tribüne für die SED-Politik [. . .]“ spricht.
A. Die Konstituierung der Provisorischen Länderkammer
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Auch in den späteren Wahlperioden wurde die Länderkammer als Forum für Propaganda benutzt, deren immer gleiche Forderungen und Entschließungen eine Wiedergabe nicht lohnen.55 Anzumerken ist, dass sie einmalig, anlässlich des Vorschlags der Regierung der DDR vom 27. Juli 1957 über eine Konföderation beider deutscher Staaten, einen Appell an den Bundesrat richtete und anregte, diesem Vorschlag „[. . .] höchste Aufmerksamkeit zuzuwenden und ihn einer sorgsamen Prüfung zu unterziehen.“56
VI. Egalisierung der Sonderstellung Berlins – Die Berliner „Beobachter“ Seitens des Alterspräsidenten Frölich wurde in der konstituierenden Sitzung der Länderkammer vorgeschlagen, einen Berliner Beobachter in das Präsidium zu wählen.57 Dafür wurde Arno von Lenski (NDPD) vorgesehen, womit man auf die besonderen Verhältnisse der Berliner Abgeordneten Rücksicht nehmen wollte. Abg. Köster (CDU) war damit nicht einverstanden, da es weder üblich noch von der Verfassung vorgesehen sei, dass eine Versammlung, die sich ein Präsidium wählt, dort einen Beobachter brauche.58 55 Vgl. nur die Drucksachen Nrn. 4, 7, 28, in: PLK, Drucksachen, S. 6, 19 bzw. 139. Vgl. auch die 15. Sitzung (gemeinsam mit der Volkskammer) am 20. März 1953 anlässlich des Todes Stalins, in: LK (2. WP), Protokolle, S. 177 ff., sowie LK (2. WP), Drucksachen, Drs. Nr. 19. 56 Vgl. „Appell an den Bundesrat“, in: BArch, DA 2/50, Bl. 111 ff.; LK (2. WP), 14. Sitzung am 9. August 1957, in: Protokolle, S. 201. Vgl. zu diesem Konföderationsplan auch unten: Kap. 5 G. VI. (Fn. 340). Engere Bande in den Westen gab es nicht, eine Ausnahme stellt insofern der briefliche Kontakt zwischen Max Becker, Vizepräsident der Bundestages ab 1956 und Kandidat der FDP für das Amt des Bundespräsidenten im Jahr 1959, und Carl Mühlmann (LDPD), Vizepräsident der Länderkammer, dar, welcher zwar auch in seltenen persönlichen Zusammenkünften mündete, aber über den gegenseitigen Ausdruck der Wertschätzung nicht hinaus kam. Die Briefwechsel der Jahre 1956–1958 finden sich in: ADL, Bestand Max Becker, N11-24. Ein früheres Ansinnen von Lobedanz, Präsident der Länderkammer bis 1955, Westkontakte zu pflegen, wurde negativ beschieden: „Eine Anfrage von Lobedanz, ob er mit Rücksicht auf seine Eigenschaft als Präsident der Länderkammer Redeverpflichtungen nach Westdeutschland übernehmen kann, wird verneint“, Protokoll der Sitzung des Politischen Ausschusses der CDU am 12. Dezember 1950, ACDP, Ost-CDU: Vorstand, 07-010-1217. 57 Vgl. PLK, 1. (konst.) Sitzung am 11. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 3. 58 Vgl. ebd., S. 2; vgl. auch das Protestschreiben („[. . .] verfassungsrechtlich nicht möglich [. . .]“) in dieser Sache von Dierlamm, stellvertretende LDPD-Fraktionsvorsitzende in der Länderkammer, an den damaligen Kovorsitzenden der LDPD und stellvertretenden Ministerpräsidenten der DDR Hermann Kastner, Brief Dierlamm an Kastner vom 24. Oktober 1949, in: ADL, Bestand LDPD, Landesverbände, L5-16.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Schließlich stellte man die Wahl bis zur Klärung dieser Angelegenheit zurück.59 Die Berliner Beobachter in der Länderkammer wurden nur anfänglich – aufgrund der für Berlin geltenden alliierten Vorbehalte – mit einer Sonderstellung bedacht, genossen etwa nicht die von der Verfassung vorgesehenen Privilegien.60 Der Präsident, Lobedanz, machte darauf aufmerksam, dass die Beobachter an Abstimmungen nicht teilnehmen könnten und bat „[. . .] dies den Beobachtern in geeigneter Form mitzuteilen.“61 Koenen als Leiter des gemeinsamen Sekretariats der Volks- und Länderkammer schlug vor, eine Regelung zu finden, die es den Beobachtern erlaube bei „[. . .] politischen Kundgebungen [. . .]“62 mitzustimmen. Die Berliner Beobachter durften auch mit beratender Stimme an den Sitzungen der Ausschüsse teilnehmen.63 Die Abstimmungen selbst verzeichnen hingegen keine Berücksichtigung der Besonderheiten, die für Berliner Beobachter gelten sollten. Da alle Willensäußerungen einstimmig erfolgten, wurde dieses Problem nie akut.64 Im Jahr 1955 ergab sich für kurze Zeit aus unerfindlichen Gründen eine Abweichung von dieser Praxis. So führte der seinerzeitige Präsident der Länderkammer August Bach (CDU) vor seiner Fraktion aus: Es ist bisher so gehandhabt worden, dass die Berliner Abgeordneten mit abstimmen. Es ist unerklärlich, weshalb ein Teil der Berliner Abgeordneten bei der Abstimmung sitzenbleiben. Unsere Gäste wissen ja nicht weshalb – und das gibt dann immer ein komisches Bild. Sie glauben dann eine Opposition erkennen zu müssen.65
Der Zeitpunkt, in welchem diese Zustände erörtert wurden, ist bemerkenswert, erklärte doch wenige Tage vorher, am 20. September 1955, die Sowjetunion die DDR für „souverän“.66 Darüber, ob die Sowjetführung bezüglich der – vertraglich gleichwohl unangetasteten – Berlinfrage deshalb 59 Lenski wurde nicht in das Präsidium entsandt; die Angelegenheit sollte im Demokratischen Block entschieden werden, was eine negative Äußerung zur Folge hatte, vgl. Präsidium PLK, 3. Sitzung am 20. Oktober 1949, in: BArch, DA 2/79, Bl. 17. 60 Vgl. die diesbezügliche Feststellungen am 8. Dezember 1949 in der LDPDLänderkammerfraktion nach einer Sitzung des Demokratischen Blocks, in: ADL, Bestand LDPD, Volkskammerfraktion, 25218. 61 Präsidium PLK, 3. Sitzung am 20. Oktober 1949, in: BArch, DA 2/79, Bl. 17. 62 Ebd. 63 Vgl. Präsidium PLK, 6. Sitzung am 7. Dezember 1949, in: BArch, DA 2/79, Bl. 24. Zurückgehend auf einen Beschluss des Politbüros, vgl. Politbüro, Sitzung am 29. November 1949 (Protokoll Nr. 58), in: Bundesministerium des Innern, Dokumente zur Deutschlandpolitik, II/2.2, Dok. Nr. 221 (S. 817 ff.). 64 Vgl. dazu: Lapp, Die Volkskammer der DDR, S. 271 Anm. 144. 65 „Protokoll über die Tagung der CDU-Fraktion der Länderkammer am 27.9.1955“, S. 5, in: ACDP, Ost-CDU: Parteiarbeit, 07-012-1705.
B. Die Wahlen zur Länderkammer der 1. Wahlperiode im Jahr 1950
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besondere Rücksichtnahme anmahnte, kann nur spekuliert werden, liegt hingegen nahe. Noch während genannter Fraktionssitzung teilte der Leiter des gemeinsamen Sekretariats, Koenen (SED), telefonisch mit, dass die „[. . .] Berliner Abgeordneten grundsätzlich mit abstimmen [sollen].“67 Die Vermutung liegt daher nahe, dass sich die DDR-Führung, die Berlin stets als integralen Bestandteil ihrer Republik („Berlin, Hauptstadt der DDR“, vgl. auch Art. 2 Abs. 2 DDV) ansah, in diese Fragen über etwaige anderslautende Vorgaben Moskaus eigenmächtig hinwegsetzte. Die Schaffung einer neuen Geschäftsordnung nahm man dann zum Anlass diese Meinung auch dem Plenum mitzuteilen: In der neuen Geschäftsordnung sind keine besonderen Bestimmungen über die Berliner Vertreter vorgesehen [so schon in der alten, d. Vf.]; denn sie sind im Rahmen der Länderkammer gleichberechtigte Abgeordnete.68
B. Die Wahlen zur Länderkammer der 1. Wahlperiode im Jahr 1950 I. Die veränderte Zusammensetzung der Länderkammer Die Zulassung von Massenorganisationen zu den Wahlen im Jahr 195069 sollte vordergründig der Verbreiterung der gesamtgesellschaftlichen Legitimationsbasis des Staates dienen, die auch in einer veränderten Zusammensetzung der Länderkammer zum Ausdruck kommen sollte.70 Die neue Struktur der Länderkammer ergebe sich, so Wilhelm Koenen (SED), 66 Vgl. den Vertrag über die Beziehungen zwischen der [DDR] und der [UdSSR] vom 20. September 1955, GBl. I S. 918 (1955), sog. „Moskauer Vertrag“. 67 Vgl. „Protokoll über die Tagung der CDU-Fraktion der Länderkammer am 27.9.1955“, S. 6, in: ACDP, Ost-CDU: Parteiarbeit, 07-012-1705. 68 So der Beisitzer im Präsidium Manfred Boden (FDGB), vgl. LK (2. WP), 3. Sitzung am 27. September 1955, in: Protokolle, S. 36. 69 Vgl. Gesetz über die Wahlen zur Volkskammer, zu den Landtagen, Kreistagen und Gemeindevertretungen in der [DDR] am 15. Oktober 1950 vom 9. August 1950, GBl. S. 743 (1950). Weiterführend: Schöneburg, Die staatsrechtliche Stellung der Parteien und Massenorganisationen im politischen System der DDR, S. 143, passim. 70 Dazu allgemein Grotewohl: „Die Arbeiter-und-Bauern-Macht ist nicht das Ergebnis einer Wahl, sondern Ausdruck unserer gesellschaftlichen Struktur“, „Unsere nationale Politik beginnt Früchte zu tragen – Aus der Rede auf der 20. Tagung des [ZK] der SED am 8. und 9. September 1954“, in: Grotewohl, Im Kampf um die einige DDR, Bd. IV, S. 215.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
„[. . .] auf Grund der Verstärkung der Basis der Volkskammer durch die Massenorganisationen, durch eine Verständigung im Demokratischen Block.“71 Ein Aktenvermerk konstatierte rückblickend über die Verfahrensweise: Die Aufschlüsselung der Länderkammer nach Parteien und Organisationen wurde von diesen in einzelnen Ländern durchgeführt.72
Durch Art. 1 des Gesetz[es] über die Zusammensetzung der Länderkammer der [DDR] 73 vom 8. November 1950 wurde die Zahl der Sitze in der Länderkammer von 34 auf 50 erhöht sowie die Anzahl der Vertreter Berlins, die offiziell nur beratende Stimme hatten, von 7 auf 13 aufgestockt. Die Abgeordneten sollten sich nun wie folgt auf die einzelnen Länder verteilen: Land Sachsen 13 (11)
74
Land SachsenAnhalt
Land Land Thüringen Brandenburg
Land Mecklenburg
Berlin, Hauptstadt der DDR (Beobachter)
11 (8)
10 (6)
7 (4)
13 (7)
9 (5)
Gesamt: 63 Abgeordnete
71 Vgl. BArch, DA 2/4, Bl. 20; Volkskammer – Ständiger Ausschuss für Allgemeine Angelegenheiten, 3. Sitzung am 30. Oktober 1950, in: BArch, DA 1/952, Bl. 44. Eine so offenkundige „Verständigung“ der Blockparteien, wie es Koenen glauben machen wollte, ist den Akten jedenfalls nicht zu entnehmen. Traditionell waren etwa CDU und LDPD gegen die Zulassung von Massenorganisationen zu Wahlen. Näher liegt es daher, dass sich die Blockparteien der normativen Kraft des Faktischen beugten, ohne maßgeblich an der Frage der Verbreiterung der Basis beteiligt gewesen zu sein. Vgl. dazu auch die „informatorischen“ Schreiben vom 27. Oktober 1950 von Koenen in seiner Eigenschaft als Leiter des gemeinsamen Sekretariats der Volks- und Länderkammer an die Landtagspräsidenten – hier an Otto Buchwitz (SED), Landtagspräsident von Sachsen – betreffs der beabsichtigen Änderung der Zusammensetzung der Länderkammer, denen als Anlage schon der spätere Gesetzentwurf beigefügt war, vgl. Nachlass Koenen, SAPMO-BArch, NY 4074/227, Bl. 5. 72 Vgl. BArch, DA 2/4, Bl. 20. Die Verteilung lehnte sich eng an den Schlüssel an, der ab 1950 für die Volkskammer galt. Die Mandate (insg. 63, einschließlich der „Vertreter“ Berlins) verteilten sich folgendermaßen: SED 25 v. H., CDU und LDPD je 15 v. H., NDPD und DBD je 7,5 v. H. sowie für die Massenorganisationen insgesamt 30 v. H. Vgl. dazu: Bundesministerium des Innern, Dokumente zur Deutschlandpolitik, II/3.2, Dok. Nr. 242 (S. 663), Anm. 8. 73 GBl. S. 1135 (1950). 74 Abgeordnetenzahl der vorangegangenen Provisorischen Länderkammer, vgl. Art. 2 des Gesetz[es] über die Bildung einer Provisorischen Länderkammer der [DDR] vom 7. Oktober 1949, GBl. S. 3 (1949).
B. Die Wahlen zur Länderkammer der 1. Wahlperiode im Jahr 1950
261
II. Der Beschluss des Ständigen Ausschusses der Volkskammer über die Zusammensetzung der Länderkammer vom 30. Oktober 1950 Das die veränderte Zusammensetzung normierende Gesetz durchlief nicht das nach der Verfassung vorgesehene reguläre Gesetzgebungsverfahren, sondern wurde bereits am 30. Oktober 1950 durch den Ständigen Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten der Volkskammer beschlossen. Art. 1 des Gesetzes führt dementsprechend aus: Der gemäß Art. 6075 der Verfassung der DDR von der Provisorischen Volkskammer bestellte ständige Ausschuß für allgemeine Angelegenheiten hat durch Beschluß vom 30. Oktober 1950 über die Bildung der Länderkammer folgendes bestimmt [. . .]76
Die Eile hielt man deshalb für geboten, da die Landtage sich schon am 3. November 1950 zu ihren konstituierenden Sitzungen der neuen Wahlperiode versammelten, die Volkskammer hingegen erst am 8. November 1950 zu ihrer ersten Sitzung zusammentrat. Wahrscheinlich vergaß man im Vorfeld schlicht, welche vielschichtigen verfassungsrechtlichen Probleme sich mit der gewünschten Verbreiterung, sprich dem Einrücken zusätzlicher Abgeordneter von Massenorganisationen in die Länderkammer, ergaben. Die Sitzung des Ständigen Ausschusses eröffnete der Ausschussvorsitzende Wilhelm Koenen (SED), gleichsam Leiter des gemeinsamen Sekretariats der Volks- und Länderkammer und damit wohl der über das Zusammenwirken von Volks- und Länderkammer bestinformierte Kader. Koenen betonte, die im Block beschlossene Verstärkung der Länderkammer müsse zu einer Erhöhung der Zahl der Sitze der einzelnen Länder in der Länderkammer führen, um die unbedingt notwendige Einbeziehung der Vertreter verschiedener Massenorganisationen zu gewährleisten.77 Zumindest in Teilen war auch Koenen die verfassungsrechtliche Problematik bewusst, gleichwohl egal: Das frühere Gesetz über die Bildung einer Provisorischen Länderkammer der [DDR]78 vom 7. Oktober 1949 werde nun, so Koenen, in einer Weise geändert, dass die Vorschrift der Verfassung, 75 Art. 60 Abs. 1 DDV: „Die Volkskammer bestellt für die Zeit, in der sie nicht versammelt ist, und nach Beendigung einer Wahlperiode oder nach der Auflösung der Volkskammer drei ständige Ausschüsse zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben, und zwar: einen Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten [. . .].“ 76 Folgt: Zusammensetzung der Länderkammer wie in obiger Aufstellung (B. I.). 77 Vgl. Volkskammer – Ständiger Ausschuss für Allgemeine Angelegenheiten, 3. Sitzung am 30. Oktober 1950, in: BArch, DA 1/952, Bl. 44. 78 GBl. S. 3 (1949).
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Art. 71 Abs. 1 S. 2 DDV, wonach auf je 500.000 Einwohner ein Abgeordneter der Länderkammer entfalle, nicht mehr einzuhalten sei.79 Das Fehlen eines „[. . .] ausdrücklichen Beschlusses [. . .]“ (Koenen) über die beabsichtigte Änderung wollte man nun offenbar heilen; Koenen weiter: Durch diese Änderung werden etwa auf 350 bis 360 000 Einwohner je ein Abgeordneter kommen, sodaß eine demokratische Verbreiterung erfolgt.80
Auf die in diesem Zusammenhang auftretenden terminlichen Schwierigkeiten hinsichtlich der Wahl der Abgeordneten durch die Landtage machte Koenen ebenso aufmerksam: Um fristgemäß die Wahl in den einzelnen Landtagen vorzunehmen, muß noch vor den konstituierenden Sitzungen der einzelnen Landtage eine solche Bestätigung [meint: Beschluss des Ausschusses, d. Vf.] eingeholt werden. Diese Bestätigung gibt den Ländern die Möglichkeit jetzt die entsprechenden Abgeordneten zu wählen. Das Präsidium [der Volkskammer, d. Vf.] hat vorgeschlagen, diesen Beschluß durch die neue Volkskammer nochmals bestätigen zu lassen, damit alle formellen Notwendigkeiten erfüllt werden.81
Der Auftrag einen solchen Beschluss herbeizuführen kam aus der SEDParteizentrale. Der Sitzung des Ausschusses ging eine Weisung des Sekretariats des ZK der SED voraus, das am 30. Oktober 1950 zu einer Sitzung zusammentrat und die Beschlüsse der Sitzung des Politbüros vom 25. Oktober 195082 zu vollziehen hatte. Unter der Sitzungsleitung von Walter Ulbricht wurde das Verfahren der Neuorganisation der Länderkammer präzise festgelegt. In dem Beschlussprotokoll hieß es unter dem Tagesordnungspunkt „Bildung der Länderkammer“ befehlend: 1) Der ständige Ausschuß der Provisorischen Volkskammer hat sofort folgenden Beschluß zu fassen: Die Länderkammer zur Vertretung der deutschen Länder besteht aus: [folgt Aufzählung der Abgeordnetenzahl, wie im späteren Gesetz, d. Vf.] 2) Dieser Beschluß ist sofort den Landtagspräsidenten und den Ländersekretariaten der Partei mitzuteilen. [. . .] 3) Der Beschluß ist durch das im Entwurf anliegende Gesetz der neuen Volkskammer zu bestätigen, und zwar mit verfassungsändernder Mehrheit. [. . .]83 79
Vgl. Volkskammer – Ständiger Ausschuss für Allgemeine Angelegenheiten, 3. Sitzung am 30. Oktober 1950, in: BArch, DA 1/952, Bl. 44. 80 Ebd. 81 Ebd. 82 Vgl. Politbüro, Sitzung vom 25. Oktober 1950 (Protokoll Nr. 15), in: SAPMOBArch, DY 30/IV 2/2/115, Bl. 1 ff. Die Wertigkeit, die man der Länderkammer beimaß, zeigt die Reihenfolge der Tagesordnungspunkte in jener Sitzung; Tagesordnungspunkt 15: „Kuraufenthalt des Genossen Pieck“; Tagesordnungspunkt 16: „Kandidaten für die Länderkammer“.
B. Die Wahlen zur Länderkammer der 1. Wahlperiode im Jahr 1950
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Wohl um die Herkunft aus der SED-Parteizentrale nicht allzu offenkundig werden zu lassen, leitete man den Gesetzentwurf an das Präsidium der Volkskammer weiter, das in diesem Sinne noch am selben Tag einen Beschluss herbeiführte: Das Präsidium der Provisorischen Volkskammer unterbreitet dem Auschuß für Allgemeine Angelegenheiten nachstehenden Beschlußvorschlag: Beschluß über die Zusammensetzung der Länderkammer [. . .]84
Der Euphemismus des „Vorschlags“ führte prompt zu einer wortgleichen Übernahme seitens des Ständigen Ausschusses. Auf Nachfrage des Ausschussmitglieds Oswald Koltzenburg (NDPD), ob mit diesem Beschluss eine Verfassungsänderung hervorgerufen werde, erwiderte Koenen, dieser bedeute „[. . .] lediglich eine Änderung der Durchführung der Verfassung [. . .]“.85 Dieser Auffassung stimmte auch der in den Ausschuss entsandte Regierungsvertreter Fritz Geyer86 (SED) zu. Der Beschluss des Ausschusses sollte der Volkskammer zu ihrer konstituierenden Sitzung vorliegen, damit die beabsichtigte Sanktionierung bis zum ersten Zusammentreten der Länderkammer bereits stattgefunden hatte.87 Einer verfassungsrechlichen Beurteilung hielt dieses Verfahren nur schwerlich stand; dass dies auch den Handelnden wohlbewusst war, lässt sich der Niederschrift dieser Sitzung nur am Rande entnehmen. Diese vermerkt knapp: Im weiteren Verlauf der Aussprache wurde die Frage der Zuständigkeit des Ständigen Ausschusses für Allgemeine Angelegenheiten nach Artikel 60 der Verfassung erörtert.88
Die überwiegende Ausschussmeinung neigte dann zu folgender Interpretation: Der Verfassungsgeber habe mit Art. 60 DDV zum Ausdruck bringen wollen, dass in dem Zeitraum zwischen den beiden Volkskammern grundsätzlich keine Gesetze verabschiedet werden sollten; es müsse jedoch in der 83
Sekretariat des ZK der SED, Sitzung vom 30. Oktober 1950 (Protokoll Nr. 22/50), in: SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/3/149. 84 Präsidium der Provisorischen Volkskammer, Beschluss vom 30. Oktober 1950, in: BArch, DA 1/952, Bl. 56 f. 85 Vgl. Volkskammer – Ständiger Ausschuss für Allgemeine Angelegenheiten, 3. Sitzung am 30. Oktober 1950, in: ebd., Bl. 44. 86 Vor 1933 Verwaltungsjurist im Staatsdienst, 1945–1949 als Staatssekretär Leiter des Büros des Ministerpräsidenten von Sachsen, 1946–1956 Chef der Regierungskanzlei bzw. Leiter des Büros des Ministerpräsidenten der DDR im Rang eines Staatssekretärs, danach Professor für Völkerrecht, vgl. Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 909 f. 87 Vgl. Volkskammer – Ständiger Ausschuss für Allgemeine Angelegenheiten, 3. Sitzung am 30. Oktober 1950, in: BArch, DA 1/952, Bl. 44. 88 Vgl. ebd., Bl. 45.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Zwischenzeit die Möglichkeit bestehen, dass das Präsidium Beschlüsse fasst, die „[. . .] zum Fortgang des öffentlichen Dienstes [sic!] notwendig sind.“89 Dementsprechend wurde „[. . .] nach einmütiger Auffassung aller Ausschußmitglieder [. . .]“ der Vorschlag des Präsidiums der Volkskammer von den Mitgliedern des Ständigen Ausschusses für Allgemeine Angelegenheiten einstimmig „[. . .] zum Beschluß erhoben.“90 Die neue Zusammensetzung der Länderkammer wurde damit von einem Gremium bestimmt, das weder berufen war überhaupt über die Zusammensetzung der Länderkammer zu entscheiden, noch den verfassungsrechtlich vorgezeichneten Weg einhielt. Die Landtage wurden mit dem Beschluss des Ständigen Ausschusses vor vollendete Tatsachen gestellt; ihnen blieb nur der getreue Vollzug der befohlenen Neuerungen.
III. Sanktionierung des Ausschuss-Beschlusses durch die Volkskammer Für eine Neuregelung der Abgeordnetenzahl bestand – außer dem politischen – kein Bedürfnis. Die Verfassung bestimmte in Art. 71 Abs. 1 S. 2 und 3 DDV eindeutig: „In der Länderkammer hat jedes Land für je 500.000 Einwohner einen Abgeordneten. Jedes Land hat mindestens einen Abgeordneten.“ Die Neuregelung der Zusammensetzung der Länderkammer war damit wider die Verfassung, wenngleich der Präsident bei der Abstimmung über das Gesetz über die Zusammensetzung der Länderkammer der [DDR]91 ausdrücklich feststellte, dass [„. . .] die Voraussetzungen des Art. 83, Abs. 2, der Verfassung gegeben sind“92 – also die Volkskammer mit verfassungsändernder Mehrheit, in ihrer Praxis also einstimmig, beschloss. Die Länderkammer hatte – in ständiger Übung – über Gesetze, die sie betraf, nicht mitzubestimmen. Mit diesem fait accompli konfrontiert93, verzichtete sie schließlich auch hinsichtlich dieses Gesetzes auf ihr Einspruchsrecht.94 89 90 91 92
Vgl. ebd. Vgl. ebd. GBl. S. 1135 (1950). Vgl. VK (1. WP), 1. (konst.) Sitzung am 8. November 1950, in: Protokolle,
S. 5. 93
Ob wenigstens der „[. . .] kleine Kreis, der als inoffizielle Vertretung der Länderkammer fungiert hat [. . .]“ (so der Vizepräsident der Länderkammer August Frölich, SED, vgl. LK (1. WP), 1. (konst.) Sitzung am 9. November 1950, in: Protokolle, S. 3), von den beabsichtigten Änderungen informiert wurde, ist nicht bekannt. 94 Vgl. LK (1. WP) 1. (konst.) Sitzung am 9. November 1950, in: Protokolle, S. 3. Hinterfragt wurde die neue Regelung nicht, vielmehr wies der Alterspräsident
B. Die Wahlen zur Länderkammer der 1. Wahlperiode im Jahr 1950
265
Noch bevor der Beschluss von der Volkskammer am 8. November 1950 mit Rückwirkung für den 1. November 1950 bestätigt wurde, traten die Landtage am 3. November 1950 zur Wahl ihrer Länderkammerabgeordneten zusammen.95 In Fortsetzung einer merkwürdigen Tradition wurden die Landtage nun zwar nicht von der Volkskammer, die sich noch nicht konstituiert hatte, aber seitens des Demokratischen Blocks zur Wahl angehalten.96 In der konstituierenden Sitzung der 1. Wahlperiode der Volkskammer am 8. November 1950 führte Koenen zur nachträglichen Legitimierung des Beschlusses des Ständigen Ausschusses aus: Der vorliegende Gesetzentwurf bringt eine zahlenmäßige Verstärkung der Länderkammer gegenüber dem bisherigen Provisorium. Auf Grund der Verstärkung der Basis der Volkskammer durch die Massenorganisationen wurde im Demokratischen Block eine Verständigung dahin herbeigeführt, daß allen Organisationen, die Kandidaten zur Volkskammer aufgestellt haben, auch die Möglichkeit der Vertretung in der Länderkammer geschaffen werden sollte.97
Warum der Ständige Ausschuss schon vorher Beschluss gefasst hatte, legte Koenen dem Plenum ebenfalls dar: Um fristgemäß die Wahlen in den Ländern für die Länderkammer erfolgen lassen zu können, wurde durch einstimmigen Beschluß des Präsidiums der Provisorischen Volkskammer [. . .] der verfassungsmäßig dafür zuständige Ständige Ausschuß für allgemeine Angelegenheiten ersucht, die erhöhten Zahlen der Vertretung der einzelnen Länder für die Länderkammer entsprechend dem bisherigen Verhältnis festzusetzen.98
Das Verhältnis der Verteilung der Abgeordnetenzahlen auf die einzelnen Länder war keineswegs wie Koenen behauptete das bisherige, sondern ein Frölich (SED) in seiner Eröffnungsansprache auf die Funktion der Länderkammer – im Duktus des Tschekisten – hin: „Wir haben als Abgeordnete überhaupt die Aufgabe, alles zu tun um die Arbeiten unserer Regierung [. . .] zu fördern und darüber zu wachen, daß die Gesetze und Anordnungen [. . .] befolgt und so durchgeführt werden, wie sie die Regierung und die Volkskammer [. . .] gemeint haben. [. . .] Darüber gilt es zu wachen, aber auch darüber, daß Saboteure diese Gesetze nicht in ihr Gegenteil verwandeln. [. . .] Es ist unsere Aufgabe [. . .] solche Saboteure kenntlich zu machen [. . .], daß sie aus dem öffentlichen Leben ausgeschaltet werden können“, ebd., S. 1. 95 Vgl. den kurzen Abriss über die Geschichte der Länderkammer bis 1954, in: BArch, DA 2/4, Bl. 20. Exemplarisch für Wahl der Länderkammerabgeordneten durch die Landtage, vgl.: Landtag Sachsen (2. WP), 1. (konst.) Sitzung am 3. November 1950, in: Protokolle, S. 5. Vgl. auch die Aufstellung der Gewählten im Anhang: Übersicht Nr. 3. 96 Vgl. BArch, DA 2/4, Bl. 21. 97 VK (1. WP), 1. (konst.) Sitzung am 8. November 1950, in: Protokolle, S. 5. 98 Ebd.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
aus politischen Gründen nivelliertes.99 So wurde das größte Land Sachsen benachteiligt, die kleineren Länder, wie auch Berlin, massiv bevorzugt.
C. Die Schaffung der Bezirke im Jahre 1952 Mit der Schaffung der 14 Bezirke im Jahr 1952100 wurde die Länderkammer eigentlich obsolet. Ihre Abschaffung wäre zu dieser Zeit nur konsequent gewesen, hieß sie doch nicht „Bezirkskammer“. Die Länder wurden mit den staatsorganisatorischen Maßnahmen des Jahres 1952 nach mancher Ansicht zwar nicht de jure, wenigstens aber de facto beseitigt.101 Freilich darf bei einer solchen Betrachtung nicht verkannt werden, dass man aus bundesrepublikanischer Sicht über viele Jahrzehnte den ehemaligen Ländern der DDR aus politischen Gründen eine Art von Staatlichkeit (in dubio pro foederatione) zuschrieb, die so nicht mehr vorhanden war.102 Ohne diese gedankliche Beschwer einer Systemauseinandersetzung vergangener Tage dürfte man heute anders urteilen und müsste von einer de jure Beseitigung der Länder sprechen, da den Ländern keine Minima an Zuständigkeiten und Möglichkeiten originärer Willensbildung verblieben. Ob man hierbei als entscheidende Wegmarke an das sogenannte „Demokratisierungsgesetz“ von 1952103 anknüpfen mag, an die Auflösung der Länderkammer im Jahre 1958104, an die DDR-Verfassung des Jahres 1968105 oder – wie hier vertre99
Dies zeigt obige Tabelle (Kap. 5 B. I.). Dazu – einschließlich der historischen Bedingungen – umfassend: Mielke, Die Auflösung der Länder in der SBZ/DDR, passim. 101 Statt vieler, vgl. nur Mampel, Deutschland Archiv 1990, 1377 (1394); Westen, Europa-Archiv 1968, 639 (640). Eine Zusammenfassung der Gründe für und wider den Fortbestand findet sich bei Kilian, Wiedererstehen und Aufbau der Länder im Gebiet der vormaligen DDR, in: HdStR I, § 186 Rdnrn. 8–10. 102 Kaufmann weist mit Recht darauf hin, es falle nicht ins Gewicht, dass kein rechtsförmlicher Akt die Länder beseitigte. Ein solcher hätte nur einen die Rechtswirklichkeit bestätigenden Charakter. Diejenigen, die formulierten, die Länder seien de jure oder aus rein juristischer Sicht nicht abgeschafft, würden verkennen, dass nach vielen Jahrzehnten der Staatspraxis kein Unterschied zwischen de jure und de facto mehr bestünde, ders., S. 74. Vgl. auch Richter, Die Ansprüche der neuen Bundesländer auf aufgabengerechte Vermögensausstattung und Vermögensrestitution, S. 112. 103 Stern, StR V, § 134 III 4 a) (S. 1636 f.); Kaufmann, S. 73; Brunner, Das Staatsrecht der DDR, in: HdStR I, § 11 Rdnr. 7. 104 So wohl Czybulka, ZRP 1990, 269 (270); wenngleich die Zerstörung der institutionellen Form keine generelle Bedeutung (mehr) haben muss, da diese schon in der allgemeinen Zerstörung des gewohnten Gefüges enthalten sein kann, vgl. Schwarz-Liebermann von Wahlendorf, S. 156. Zum Schicksal zweiter Kammern im totalitären Staat, ebd., S. 156–159. 105 So: Bayer, DVBl. 1991, 1014 (1015) und Richter, Die Ansprüche der neuen Bundesländer auf aufgabengerechte Vermögensausstattung und Vermögensrestitu100
C. Die Schaffung der Bezirke im Jahre 1952
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ten – schon mit der Konstituierung der DDR die Länder als eigentlich beseitigt, da gänzlich handlungsunfähig106, bezeichnet, ist wohl weniger eine juristische Frage als eine solche des Geschmacks. Gewissermaßen entkernte Länderhüllen – ihrer verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten und jedes Restes an (auch finanzieller) Eigenständigkeit107 beraubt – dürften kaum als Kennzeichen eines staatlichen Fortbestandes ausreichen.108 Ohne Möglichkeit in näherer Zukunft ihre Handlungsfähigkeit wieder zu erlangen, bleibt die Annahme des Weiterbestehens eine reine Fiktion. Mit der Wiedervereinigung wurden die ostdeutschen Länder dementsprechend nicht reanimiert, sondern neu gegründet.109 tion, S. 116, allerdings nur mit Wirkung für die DDR. Das Schweigen des Verfassungsgebers zu den Ländern und die ausdrückliche verfassungsrechtliche Verankerung des Prinzips des demokratischen Zentralismus in Art. 47 Abs. 2 der DDR-Verfassung von 1968 lasse sich nicht als weitere Duldung ihres de jure-Fortbestandes interpretieren, so anlässlich der Diskussion zur Geltung des Art. 7 Abs. 3 GG in Brandenburg („LER“-Unterricht): Muckel/Tillmanns, RdJB 1996, 360 (363). Das Prinzip des demokratischen Zentralismus wurde hingegen schon vor 1968 rechtsnormativ statuiert („[. . .] nur die verfassungsrechtliche Fixierung dessen, was auch schon bisher gegolten hat“), vgl. Westen, Europa-Archiv 1968, 639 (645). Über den wirksamen Untergang der Länder im Verhältnis zur Bundesrepublik, vgl. ebd., S. 363; ablehnend mit Rekurs auf das völkerrechtliche Prinzip des ius postliminii: Richter, Die Ansprüche der neuen Bundesländer auf aufgabengerechte Vermögensausstattung und Vermögensrestitution, S. 117, 313. Angemerkt werden darf hier schließlich, dass interessanterweise die Frage, ob Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG wegen Art. 141 GG keine Anwendung in den neuen Bundesländern findet, Untersuchungen über das frühe Staats- und Verfassungsrecht der DDR bedingt. Nicht zu schweigen von den neuartigen Lösungsmodellen des Bundesverfassungsgerichts („Vergleich“), die damit einhergegangen sind. Vgl. dazu mit weiterführender Literatur: Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 7 Rdnrn. 80 ff. Gerade in Fragen des Staatskirchenrechts erfährt also – welch Ironie der Geschichte – der atheistische, religionsfeindliche Staat marxistisch-leninistischer Prägung eine unerwartete wissenschaftliche Betrachtung. 106 So wurde etwa kein Landesrecht mehr gesetzt. 107 Nicht zuletzt durch den seit 1950 zentralisierten Staatshaushalt. 108 Selbst das offizielle SED-Organ „Neues Deutschland“ kommentierte später anlässlich der Länderkammerauflösung, man habe nur zur Zeit der Schaffung der Verfassung von der Existenz der Länder ausgehen müssen, vgl. ND, Berliner Ausgabe Nr. 296 vom 10. Dezember 1958, S. 3. Arg. e. c. danach (spätestens ab dem sog. „Demokratisierungsgesetz“ von 1952) nicht mehr. 109 Länder auf dem Territorium der DDR bestanden erst wieder mit Wirkung zum 3. Oktober 1990, vgl. das Verfassungsgesetz zur Bildung von Ländern in der [DDR] – Ländereinführungsgesetz vom 22. Juli 1990, GBl. I S. 955 (1990) i. V. m. Anlage II, Kapitel II, Sachgebiet A, Abschnitt II zum EinigVtr. Im Ländereinführungsgesetz bekannte sich die DDR ausdrücklich zur Bundesstaatlichkeit, § 3 Abs. 1 S. 1. Zu diesem Gesetz umfassend: Mampel, Deutschland Archiv 1990, 1377 (1391 ff.); Kaufmann, S. 75 ff.; Kilian, Der Vorgang der deutschen Wiedervereinigung, in: HdStR I, § 12 Rdnrn. 69–72; Richter, Die Ansprüche der neuen Bundesländer auf aufgabengerechte Vermögensausstattung und Vermögensrestitution, S. 119 ff. Weiterhin normierte § 25 Abs. 2 dieses Gesetzes: „Gleichzeitig tritt das
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
I. Grotewohls Referat über „Veränderungen in der staatlichen Struktur der DDR“ vor dem Demokratischen Block am 7. Juli 1952 Am 7. Juli 1952, also wenige Tage vor der 2. Parteikonferenz der SED110, traf sich der „Demokratische Block“ zu einer Sitzung, in der Grotewohl die Maßnahmen der Regierung über die beabsichtigten Veränderungen der Staatsorganisation vor den Vorsitzenden der Blockparteien erläuterte.111 Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der [DDR] vom 23. Juli 1952 (GBl. Nr. 99 S. 613) außer Kraft.“ Vgl. auch Art. 1 Abs. 1 S. 1 des Gesetz[es] zur Änderung und Ergänzung der Verfassung der [DDR] (Verfassungsgrundsätzegesetz) vom 17. Juni 1990, GBl. I S. 299 (1990): „Die [DDR] ist ein freiheitlicher, demokratischer, föderativer, sozialer und ökologisch orientierter Rechtsstaat.“ Zur – auch heute noch nicht unberechtigten – Sorge um ein „Untergehen“ der neuen Bundesländer im Verband der Bundesrepublik schreibt Fischer schon im Jahre 1990: „Seit die Ländervertretungen der DDR aufgelöst und durch staatliche Bezirksorgane ersetzt worden sind, sind nicht nur 38 Jahre vergangen, sondern ganze Generationen haben überhaupt keine Kenntnis vom Funktionieren eines föderativen Staatsaufbaus erlangen und dessen Vorzüge überhaupt noch nicht erleben können. Es konnten keine Erfahrungen gesammelt werden, die jetzt für die neukonstituierten Länder der ehemaligen DDR notwendig wären, um sich im Ensemble eines deutschen Bundesstaates behaupten zu können“, ders., SuR 1990, 955 (962). Demgegenüber stellt Kleßmann die These auf, wenigstens die evangelischen Landeskirchen hätten „[. . .] zum Überleben von föderativen Elementen und Ländertraditionen [. . .] beigetragen [. . .]“, ders., S. 263 (269). Bezugnehmend auf den Vereinigungsprozess führte der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) anlässlich seiner Festrede zum Tag der Deutschen Einheit im Jahre 2009 aus: „Es ist doch bemerkenswert, dass bei aller Kritik am Einigungsprozess in den neuen Bundesländern eines nie in Frage gestellt wurde, nämlich die Existenz der Bundesländer Brandenburg, MecklenburgVorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Und dies, obwohl diese Bundesländer bereits seit 1952 ihrer Bedeutung enthoben und 1958 schließlich ganz aufgelöst waren [gemeint wohl: die Auflösung der Länderkammer im Jahre 1958, d. Vf.]“, ders., in: Bulletin der Bundesregierung Nr. 99-1 vom 3. Oktober 2009, S. 5. 110 Vgl. zur Terminplanung und den Vorbereitungsmaßnahmen der Länderauflösung ausführlich: Mielke, Die Auflösung der Länder in der SBZ/DDR, S. 81 ff. m. w. N. und Anm. 271 (S. 184). 111 Vgl. zur Vorbereitung der Neuorganisation des Staatsapparates auch: Nachlass Grotewohl, SAPMO-BArch, NY 4090/432, Bl. 63 ff. Die Blockparteien waren bis zu dieser Sitzung über die Pläne der Veränderung der staatlichen Struktur wohl nicht informiert, vgl. Mielke, Die Auflösung der Länder in der SBZ/DDR, S. 73 f. m. w. N. Für die Monate nach der 2. Parteikonferenz wird bisweilen vertreten, sogar die Fortexistenz der Blockparteien wäre ernsthaft bedroht gewesen, da sich die SED in einer Phase revolutionären Elans befunden habe, vgl. Suckut, Die gesellschaftspolitische Funktion und Bedeutung der Blockparteien, in: EK-BT, Bd. II/1, S. 282 (283). Freilich darf dieser Ansicht entgegengehalten werden, weshalb sich die SED
C. Die Schaffung der Bezirke im Jahre 1952
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Die bestehende territoriale Gliederung, so Grotewohl, habe sich als völlig überaltert und in keiner Weise mit den Erfordernissen der neuen Aufgaben in Einklang stehend gezeigt.112 Der Staatsapparat befinde sich in einem Zustand gewisser Versteinerung gegenüber der fließenden Entwicklung der Wirtschaft und müsse daher den Umständen der Zeit angepasst werden.113 Vordringlich sei, dass die genaue Durchführung der Gesetze und Verordnungen nach unten hin sichergestellt werde.114 Warum die Länder und Landtage dies nicht gewährleisten könnten, begründete Grotewohl damit, dass diese immer noch nach den alten Prinzipien und Arbeitsformen verfahren würden, welche „[. . .] ausschließlich alte parlamentarische Formen [. . .]“ seien.115 Die Länder bezeichnete Grotewohl abschätzig als „[. . ..] alter fürstlicher Familienbesitz [. . .]“, in dem sich bis heute eine schwerfällige Verwaltung halte.116 Obwohl Grotewohl an seiner Präferenz (Auflösung der Länder) keinen allzu großen Zweifel ließ, erläuterte er den Teilnehmern dieser Sitzung weiter: Darum bin ich mehr dafür, daß man eine Regelung trifft, die zwar die zukünftige Entwicklung sehr eng an unsere ökonomischen Bedingungen anpaßt, die aber ohne formale Aufhebung der Länder den Begriff und den Gedanken der Länder nach unserer Verfassung bestehen läßt, so daß man im Falle von Verhandlungen über die Einheit Deutschlands jederzeit in der Lage ist, auf den heutigen Status zurückzugreifen und diese politische Begrenzung in den Rahmen politischer Auseinandersetzungen über die Gestaltung eines einheitlichen Deutschlands einzuwerfen.117
Die Länder – und wohl auch ihre Kammer – waren für Grotewohl damit nicht viel mehr als Verhandlungsmasse einer zu dieser Zeit schon unrealisti– erkannten doch alle Blockparteien in ihren Organisationsstatuten vorbehaltlos die Führungsrolle der SED an – zu einem solchen ihre Stellung gefährdenden (Provokation zur Etablierung einer echten Opposition) und ihrem Ansehen im In- wie Ausland abträglichen Schritt hätte entschließen sollen; überdies stellten doch die in den Block eingebundenen Parteien keinerlei Hindernis für ihre Politik dar. Vgl. hierzu nur die Äußerungen des Hauptvorstandes der CDU: „Die [CDU] erkennt die führende Rolle der [SED] als der Partei der Arbeiterklasse vorbehaltlos an. Sie ist überzeugt, daß der erfolgreiche Aufbau des Sozialismus [. . .] nur auf der Grundlage [. . .] des Marxismus-Leninismus möglich ist“, Neue Zeit vom 26. Juli 1952, zit. nach: Akademie für Staats-und Rechtswissenschaft der DDR, Staatsrecht der DDR (1977), S. 79 Fn. 71. 112 Vgl. Sitzung des Demokratischen Blocks am 7. Juli 1952, in: SAPMO-BArch, DY 3/15, Bl. 31. 113 Vgl. ebd. 114 Vgl. ebd. 115 Vgl. ebd. 116 Vgl. ebd., Bl. 36. 117 Vgl. ebd., Bl. 39.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
schen Vereinigung beider deutscher Staaten; wohl deshalb legte Grotewohl auch besonderen Wert darauf, das beabsichtigte Gesetz mit einer bestimmten Mehrheit zu beschließen: Erforderlich ist es nach meiner Ansicht nur, daß alle zur Durchführung dieser Reform gefassten Beschlüsse mit einer Zweidrittelmehrheit gefaßt werden, so daß ein etwaiger Streit von Staatsrechtslehrern [. . .] von vornherein entsprechend beantwortet wird.118
„Ein Wort [. . .]“119 hatte Grotewohl auch für die Länderkammer übrig: Obwohl die Länder keine Organisationsformen mehr sind, die als Auftraggeber für die Vertretern der Länderkammer auftreten, besteht kein Grund, die Länderkammer aufzulösen; denn die jeweils drei Bezirke eines Landes können natürlich ihrerseits ihre Wünsche bei der Schaffung der Gesetze über die Länderkammer zum Ausdruck bringen. Ich würde also von einer Beseitigung der Länderkammer aus den gleichen Gründen im Hinblick auf den Westen Deutschlands abraten. Die Länderkammer kann ihre Tätigkeit genauso wie bisher weiter ausüben.120
In Anbetracht der Tatsache, dass die Länderkammer die gewünschten Gesetze kritiklos passieren ließ, sah man offenbar keine Gefahr darin, ihren Weiterbestand zu sichern. Lothar Bolz, Vorsitzender der NDPD, pflichtete Grotewohls Ausführungen diesbezüglich – wie alle Teilnehmer dieser Sitzung – bei. Die Länderkammer betreffend führte er aus: Im Übrigen möchte ich begrüßen die Aufrechterhaltung der Länderkammer, die Aufrechterhaltung der Länder, wenigstens in Klammern121 hinter dem BezirksNamen, und zwar mit Rücksicht auf die Bevölkerung Westdeutschlands. Sicherlich ist der Weg, den wir gehen richtig. Sicherlich sind die Länder überlebt. Aber wir müssen unsere Brüder im Westdeutschland an diese Einsicht erst heranführen. [. . .] Ich glaube, die Aufrechterhaltung der Länderkammer wird es uns erleichtern, ihnen dann in der Praxis zu beweisen, daß die Schaffung solcher Bezirke [. . .], vor allen Dingen aber unser Verzicht auf die Gewaltenteilung [. . .] auch bei Durchführung des Gesetzes berechtigt sind.122 118
Ebd., Bl. 40. Ebd., Bl. 57. 120 Ebd., Bl. 43 f. 121 So dann auch geschehen; vgl. Stenographische Niederschrift über die Konferenz mit den Vorsitzenden und Sekretären der Räte der Bezirke am 15. August 1952, in: Nachlass Grotewohl, SAPMO-BArch, NY 4090/432: „Es soll heißen: Bezirk Dresden, in Klammern Land Sachsen. Nicht etwa ein Briefkopf, wo oben steht ‚Land Sachsen‘ und darunter Bezirk Dresden. ‚Land Sachsen‘ kommt nur in Klammern. Es ist ja ein absterbender Körperteil.“ Vgl. auch § 1 der Bekanntmachung über die einheitliche Bezeichnung der örtlichen Organe der Staatsgewalt vom 16. August 1952, GBl. S. 750 (1952). 122 Sitzung des Demokratischen Blocks am 7. Juli 1952, in: SAPMO-BArch, DY 3/15, Bl. 57. 119
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Eine Notiz Grotewohls über die Ansichten des CDU Vorsitzenden Otto Nuschke gibt Aufschluss über dessen Haltung zur Neuordnung des Staatsaufbaus: Nuschke: Großer geschichtlicher Fortschritt. 1) Bruch mit parlamentarischen Kretinismus123 [wohl bezogen auf die Landesparlamente, d. Vf.]. 2) Nicht zu starre Formeln; Entwicklung abwarten. 3) fraglich, ob ohne Verfassungsänderung möglich.124
Alle Parteivertreter stimmten den geplanten Maßnahmen, die die Länder letztlich beseitigen sollten, schließlich zu.
II. Die Popularisierung der beabsichtigen staatsorganisatorischen Maßnahmen durch die 2. Parteikonferenz der SED Die Länderauflösung war längst beschlossene Sache, so dass die 2. Parteikonferenz der SED, die vom 9. bis 12. Juli 1952 in Berlin tagte, letztlich nur der Popularisierung der Beschlüsse auf großer Bühne diente.125 Trotz123 Der Begriff geht auf Marx zurück; auch Engels übernahm ihn. Vgl. nur: Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, in: MEW, Bd. 8, S. 173 u. S. 191; Engels, Revolution und Konterrevolution in Deutschland, in: ebd.; ders., Marx und die „Neue Rheinzeitung“, in: MEW, Bd. 21, S. 21. 124 Notiz Grotewohls, undatiert, in: Nachlass Grotewohl, SAPMO-BArch, NY 4090/432, Bl. 97. 125 Andere konstatieren, die 2. Parteikonferenz hätte für die SED Optionscharakter gehabt. Je nachdem, ob der diplomatische Vorstoß der Sowjetunion (Stalin-Noten) in der Frage einer Viermächte-Vereinbarung zur Wiedervereinigung auf westlicher Seite auf Resonanz oder Ablehnung stieß, sollte die Parteikonferenz entweder den Willen zur deutschen Einheit (nach sowjetischen Vorstellungen: Neutrales Gesamtdeutschland) oder aber die Betonung einer eigenständigen Entwicklung der DDR unter sozialistischen Vorzeichen demonstrieren. Dazu: Mielke, Die Auflösung der Länder in der SBZ/DDR, S. 76 m. w. N. Hingegen wurde schon nach dem ersten Notenwechsel (März 1952) die ablehnende Haltung der Westmächte zu den Vorschlägen der Sowjetunion deutlich, so dass Zweifel angebracht sind, dass der Notenwechsel direkte Auswirkungen auf die Propagierung des Aufbaus des Sozialismus und der Abschaffung der Länderstrukturen gehabt hat. Hinsichtlich der Existenz der Länderkammer kann hier freilich anderes gelten. Das Datum der Verkündung des Aufbaus des Sozialismus war seitens der SED günstig gewählt, debattierte doch zeitgleich der westdeutsche Bundestag über die Ratifizierung des Deutschland- und EVG-Vertrages, dazu: Staritz, Die Gründung der DDR, S. 9 ff. Grotewohl führte dementsprechend aus: „An dem Tage, an dem Adenauer das Ja zum Generalvertrag, das heiß zur Spaltung Deutschlands, zur Rechtlosigkeit Deutschlands, zur Versklavung Deutschlands, zum Bruderkrieg und zur Vernichtung Deutschlands vom Parlament in Bonn forderte, forderte das [ZK der SED] vom Parlament der deutschen Arbeiterklasse das Ja zum Sozialismus“, Rede Grotewohl: „Für einen starken Staat
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dem gewähren die Äußerungen der SED-Spitze interessante Einblicke in die neue Rolle der Staatsmacht und die nun vordringlich zu verfolgenden Ziele. Nach offizieller Lesart mussten der in der DDR erreichte Entwicklungsstand und die Erfordernisse des revolutionären Prozesses sowie der Kampf gegen Imperialismus notwendig zu einer neuen Entwicklungsstufe der sozialistischen Revolution führen.126 Über dieser Konferenz stand die Losung Ulbrichts, wonach die alten Formen und Methoden der Staatsmacht die Lösung der neuen Aufgaben behinderten.127 Trotz aller Schwierigkeiten, die die bisher erreichte Stufe der demokratischen und wirtschaftlichen Entwicklung mit sich gebracht habe, galt nach Ulbricht nunmehr: Die demokratische Entwicklung sowie das Bewußtsein der Arbeiterklasse und der Mehrheit der Werktätigen sind jedoch jetzt so weit entwickelt, daß der Aufbau des Sozialismus zur grundlegenden Aufgabe geworden ist. [. . .] In Übereinstimmung mit den Vorschlägen aus der Arbeiterklasse, aus der werktätigen Bauernschaft und aus anderen Kreisen der Werktätigen hat das Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei beschlossen, der II. Parteikonferenz vorzuschlagen, daß in der [DDR] der Sozialismus planmäßig aufgebaut wird.128
Damit waren die richtungsweisenden Sätze der Parteikonferenz ausgesprochen. Wem die Schlüsselstellung für die Verwirklichung dieses Ziels zufiel, war für Ulbricht klar: „Das Hauptinstrument bei der Schaffung der Grundlagen des Sozialismus ist die Staatsmacht.“129 Die Rolle des Staates und seiner Organe entfernte sich mit dieser Sichtweise zunehmend von dem früheren Verständnis als einem der kommunistischen Partei zum Teil – da man ihn zumindest geringfügig mit anderen Parteien teilen musste – als Fremdkörper gegenüberstehenden Organismus und wandelte sich hin zu einem (alleinigen) Werkzeug der führenden Partei, die damit ihre propagierten Ziele zu erreichen suchte. Staatliches Handeln sollte nun keines mehr sein das man anleiten musste, sondern ein solches, das aus sich selbst heraus die gewünschten Ergebnisse lieferte.130 Dementsprechend der Werktätigen unserer Republik“, in: Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, Protokoll der Verhandlungen der II. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, S. 347. 126 Vgl. Autorenkollektiv (Ltg.: Badstübner), Geschichte der DDR, S. 148 f. 127 Rede Ulbricht: „Die gegenwärtige Lage und die neuen Aufgaben der SED“, in: Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, Protokoll der Verhandlungen der II. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, S. 57 f. 128 Ebd., S. 58. 129 Ebd., S. 59. 130 So auch Grotewohl: „Unsere Aufgaben sind so gewaltig Genossen, daß kein Staatsapparat mit ihnen allein fertig werden kann. Niemand verlangt das auch von ihm. Was wir von diesem Staatsapparat fordern müssen, das ist, daß er unseren gro-
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wurden die drei Säulen der „[. . .] Aufgaben der Staatsmacht [. . .]“ von Ulbricht wie folgt beschrieben: 1. Brechung des Widerstandes der gestürzten und enteigneten Großkapitalisten und Großagrarier [im metaphorischen Sinne als Frontstellung gegen jede Art von Opposition, d. Vf.] [. . .] 2. Organisierung des Aufbaus des Sozialismus mit Hilfe des Zusammenschlusses aller Werktätigen um die Arbeiterklasse [also: unter alleiniger Führung der SED, d. Vf.] [. . .] 3. Schaffung der bewaffneten Streitkräfte [. . .]131
Alte Formen und Handlungsweisen mussten sich unter diesen Prämissen dem Neuen anpassen. Ulbricht sprach dies zwar wenig konkret, aber doch für die jeweiligen Adressaten – insbesondere die Blockparteien und dort die CDU – eindeutig vernehmbar aus: Die neuen Aufgaben lassen die Untauglichkeit des vom alten Deutschland übernommenen Systems der verwaltungsmäßigen Gliederung offen zutage treten. Die Struktur der mittleren und unteren Verwaltungsorgane entspricht nicht mehr den neuen Bedingungen. Die Arbeit des Staatsapparates weist auch deshalb Mängel auf, weil ein Teil der Mitarbeiter noch an der alten Arbeitsweise des bürgerlichen Staates festhält und weil ein Teil der neuen Mitarbeiter noch nicht die Erfahrungen und Kenntnisse erworben hat, um auf neue Weise zu arbeiten.132
Dass dieser neue Kurs Auswirkungen auf die Staatsorganisation haben musste, lag für Ulbricht auf der Hand: Deshalb schlagen wir vor, daß an Stelle der bisher bestehenden 5 Landesregierungen 14 Bezirksräte und Bezirkstage geschaffen werden. [. . .] Es ist notwendig, die demokratische Gesetzlichkeit allseitig zu festigen. Die genaue Einhaltung der Gesetze und Verordnungen der [DDR] durch alle staatlichen Organe, gesellschaftlichen Organisationen, Personen in öffentlichen Funktionen und Bürger ist das ßen Aufgaben aufgeschlossen gegenübersteht, daß jeder in ihm tätige Angestellte seine ganze Kraft für die Erfüllung dieser Aufgaben einsetzt und daß er sich ständig bemüht, seine Kräfte durch gute Schulung zu verbessern und zu verstärken“, Rede Grotewohl: „Für einen starken Staat der Werktätigen unserer Republik“, in: ebd., S. 344. So auch die seinerzeitige Staatsrechtslehre: „Die Beschlüsse der II. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und die richtungsweisenden Ausführungen ihres Generalsekretärs Walter Ulbricht stellen auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens, insbesondere des Staates und Rechts, die fest auf die wissenschaftlichen Lehren von Marx, Engels, Lenin und Stalin gegründete konkrete Anleitung zum Handeln [. . .] für den Aufbau des Sozialismus [. . .] dar“, Kröger, Neue Justiz 1952, 337 (340). 131 Rede Ulbricht: „Die gegenwärtige Lage und die neuen Aufgaben der SED“, in: Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, Protokoll der Verhandlungen der II. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, S. 59 f. 132 Ebd., S. 65.
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wichtigste Mittel zur Festigung der demokratischen Ordnung, der Rechtsordnung und der Verteidigung der Rechte der Bürger.133
Damit war – unausgesprochen – das Prinzip des demokratischen Zentralismus zum alleinigen Organisationsmerkmal des Staates proklamiert. Wenn auch unter Vermeidung des Begriffs führte Grotewohl weit klarer als Ulbricht aus, worin sich die neue Staatsorganisation von der alten unterschied: Das Ziel unserer Reform besteht darin, daß von der Spitze des Staatsapparates bis zu seiner Basis, also bis zu den Gemeinden und Kreisen, ein kurzer und schneller Weg geschaffen wird. Auf diesem Wege sind wie eine Barriere die Länder mit Parlamenten und Regierungen dazwischengelagert. Mit der Aufgabenentwicklung aus dem Fünfjahrplan sind die eigentlichen Länderaufgaben praktisch immer mehr zusammengeschrumpft. Die Aufgaben entstehen heute aus dem Fünfjahrplan. Sie sind infolgedessen überwiegend zentraler Natur. Der große Länderapparat wurde dadurch immer mehr in die Rolle eines technischen Vermittlers gedrängt. [. . .] Wir schlagen daher vor, unter grundsätzlicher Aufrechterhaltung der Länder die Arbeit der Landtage und Regierungen innerhalb der fünf Länderterritorien zu verteilen auf vierzehn kleinere Bezirke.134
Was allerdings aus der Länderkammer werden sollte, darauf wusste niemand so recht Antwort oder wollte vor dem Plenum keine Antworten geben. Dass sie nur Hemmnis der neuen Entwicklungen sein konnte, lag wohl für alle auf der Hand. Allein ihre Funktion als, von der SED so gesehenes, letztes Bindeglied zum Westen wollte man (noch) nicht entbehren. Für die Binnenorganisation der DDR und gegenüber den bürgerlichen Parteien galt diese selbstauferlegte Rücksichtnahmeverpflichtung natürlich nicht. Grotewohl machte keinen Hehl aus seiner Präferenz für das sowjetische Rätesystem: Worin besteht nun die Stärke unseres Staatsapparates? Genosse Stalin gibt uns darauf folgende Antwort: Darin, daß er die Staatsmacht durch die Sowjets mit den Millionenmassen der Arbeiter und Bauern verbindet. [. . .] Diesen Weg müssen auch wir gehen.135
Zusammenfassend lassen sich die konkreten Folgen für die Länderkammer im Verfassungsgefüge nach den staatsorganisatorischen Umgestaltungen des Jahres 1952 folgendermaßen umschreiben: (1) Sie wurde ihrer natürlichen Grundfesten – den Ländern – beraubt und der eindeutige Wille bekundet, diesen vermeintlich alten und überholten Strukturen nicht länger eine irgendwie geartete Teilhabe an der Staatswillensbildung zu gewähren. 133
Ebd., S. 67. Rede Grotewohl: „Für einen starken Staat der Werktätigen unserer Republik“, in: ebd., S. 340. 135 Ebd., S. 343. 134
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(2) Sie konnte nicht mehr an die von der Verfassung vorgesehenen Strukturen anknüpfen und sich aus diesen heraus organisieren. (3) Und – wohl am Wichtigsten: Selbst bei einer solch gravierenden staatlichen Neuorganisation erfuhren Fragen ihrer Existenz und ihrer zukünftigen Stellung keiner tiefergehenden Erörterung – abgesehen von dem intern wiederholten Mantra als „Bindeglied zum Westen“. Damit musste für jeden Abgeordneten der Länderkammer – zuvörderst für ihren Präsidenten – spätestens jetzt klar sein, dass von einem zweiten an der Gesetzgebung beteiligten Verfassungsorgan nicht mehr die Rede sein konnte, wenn es schon de facto kein erstes mehr gab. Nun bestimmte – für jeden erkennbar – die Partei und niemand sonst; etwaige noch vorhandene Grenzen zwischen Staat und Partei verschmolzen zunehmend.136 In die nun aufgestellten Prinzipien (demokratischer Zentralismus, Aufbau des Sozialismus, neue Rolle der „Staatsmacht“) vermochte sie sich ausweislich ihrer Struktur und Stellung nicht mehr einzufinden – trotz ihrer scheinbaren, mit mannigfaltigen Maßnahmen erzwungenen, Elastizität. Wenige Tage nach der 2. Parteikonferenz, am 15. Juli 1952, bestätigte das Politbüro dann auch offiziell – Berichterstatter für diesen Tagesordnungspunkt war Anton Plenikowski137 – das schon Anfang Juli 1952 von den Rechtsexperten des ZK ausgearbeitete Länderauflösungsgesetz.138
136 Vgl. „Beschluss der II. Parteikonferenz der [SED] zur gegenwärtigen Lage und zu den Aufgaben im Kampf für Frieden, Freiheit, Demokratie und Sozialismus“, in: Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, Protokoll der Verhandlungen der II. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, S. 489 ff. (hier S. 492): „Siebtens: Das Hauptinstrument bei der Schaffung der Grundlagen des Sozialismus ist die Staatsmacht. Deshalb gilt es, die volksdemokratischen Grundlagen der Staatsmacht ständig zu festigen. Die führende Rolle hat die Arbeiterklasse [also die Partei, die jene anleitet, d. Vf.] [. . .]. Es ist zu beachten daß die Verschärfung des Klassenkampfes unvermeidlich ist und die Werktätigen den Widerstand der feindlichen Kräfte brechen müssen.“ 137 1928–1937 Abg. des Volkstages der Freien Stadt Danzig, 1937–1936 Emigration nach Schweden, 1946–1954 Ltr. der Abteilung Staatliche Verwaltung im ZK der SED, 1950–1967 MdVK (Vors. des Verfassungs- und Rechtsausschusses), 1956–1963 Ltr. des Büros des Präsidiums des Ministerrates im Range eines Staatssekretärs, zur Person, vgl. Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 996. 138 Vgl. Politbüro, Sitzung am 15. Juli 1952 (Protokoll Nr. 120), in: SAPMOBArch, DY 30/IV 2/2/220, Bl. 1; vgl. auch: Mielke, Die Auflösung der Länder in der SBZ/DDR, S. 81.
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III. Das sogenannte „Demokratisierungsgesetz“ vom 23. Juli 1952 1. Präambel und Inhalt des Gesetzes Die Präambel des Gesetz[es] über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der [DDR] 139 zeigte schon den Weg auf, auf den sich die DDR nun begab.140 Ging der Name des Gesetzes auch vom Fortbestand der Länder141 aus, ergaben sich dennoch gravierende Änderungen, die die Präambel aufzuzeigen versucht: Das noch vom kaiserlichen Deutschland stammende System der administrativen Gliederung in Länder mit eigenen Landesregierungen sowie in große Kreise gewährleistet nicht die Lösung der neuen Aufgaben unseres Staates.142 [. . .] Deshalb 139
GBl. S. 613 (1952). Vgl. dazu Kröger: „Sie [die Aufgabe, d. Vf.] besteht darin, alle Kräfte auf die Aufgabe zu konzentrieren, den unabhängigen, einheitlichen, demokratischen und friedliebenden Staat des deutschen Volkes zu erkämpfen, Kröger, SuR 1952, 13 (13). Auf staatlichem Gebiet kommt es in der DDR vor allem darauf an, durch eine stetig fortschreitende Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der Organe der Staatsgewalt den Staat durch eine immer engere Verbindung mit den Werktätigen so stark wie möglich zu machen“, ebd., 13 (29). Zu diesem Gesetz in gleichem Grundton – wohlweislich ohne auf die Abschaffung der Länderstrukturen einzugehen – auch: Eggerath, NJ 1952, 340 (340 f.). Das Gesetz fällt in die Zeit nach Unterzeichnung des Deutschland/EVG-Vertrages und der Ablehnung der – bis heute – kontrovers diskutierten Stalin-Noten durch die Westmächte bzw. die Bundesrepublik. Auch für die UdSSR musste nunmehr klar sein, dass eine Wiedervereinigung Deutschlands in weite Ferne gerückt war, so dass man sich mit der Umgestaltung der Staatsorganisation in der DDR einverstanden zeigen konnte. Vgl. zu dem Notenwechsel: März, Die Bundesrepublik zwischen Westintegration und Stalin-Noten, passim und zur hintergründig eher ablehnenden Stellung der DDR-Führung zu den Stalin-Noten: ebd., S. 149 ff. Im Zuge des „Demokratisierungsgesetzes“ wurde ebenso die bis 1952 bestehende Verwaltungsgerichtsbarkeit abgeschafft, die nach Art. 138 DDV Verfassungsrang genoss, vgl. dazu: Heil, S. 269 ff.; Hoeck, S. 129 ff.; Mampel, Die Verfassung der SBZ, Art. 138 Erl. 1. a) ff. 141 Wenngleich Ulbricht in Vorwegnahme des Duktus seines berühmt gewordenen Ausspruchs anlässlich des Mauerbaus 1961 schon im Jahre 1949 schrieb – seinerzeit bezogen auf das Verhältnis des Vorläufers einer DDR-Regierung, der Deutschen Wirtschaftskommission, zu den Organen der Länder: „Niemand denkt daran, die Landesparlamente beiseite zu schieben oder auszuschalten“, ders., Lehrbuch für den demokratischen Staats- und Wirtschaftsaufbau, S. 33; Manneberg bezeichnete die Länder als „[. . .] Muttermale des alten bürgerlichen Staates [. . ..]“, ders., DA 1952, 5. 142 An den Ratschlag von Willi Barth – der eine als „Grundsätze der Gesetzesvorlagen über die Neuorganisation im Staatsapparat“ überschriebene Denkschrift verfasste, die sich im Nachlass Grotewohl befindet –, es erscheine „[. . .] zweckmässig, in der Begründung der Neuorganisation das Hauptgewicht nicht gegen die Länder zu richten“, hielt man sich offensichtlich nicht; weiter schrieb Barth: „Die Weiter140
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ist die alte administrative Gliederung, selbst mit den nach 1945 vorgenommenen Änderungen, jetzt zu einer Fessel der neuen Entwicklung geworden.143 Die örtlichen Organe der Staatsgewalt müssen deshalb so reorganisiert werden, daß der Staatsapparat die Möglichkeit erhält, den Willen der Werktätigen, der in den Gesetzen der Deutschen Demokratischen Republik zum Ausdruck gebracht ist, unverbrüchlich zu erfüllen und, gestützt auf die Initiative der Massen, eine Politik des werktätigen Volkes durchzuführen. Der territoriale Wirkungsbereich der örtlichen Organe der Staatsgewalt muß deshalb so bestimmt werden, daß diese Organe die Leitung des wirtschaftlichen und kulturellen Aufbaus vollauf verwirklichen können. Die wirksame Anleitung und Kontrolle der unteren Organe durch die übergeordneten sowie durch das Volk selbst müssen gesichert werden. Dadurch wird unser Staat gestärkt, der eines der wichtigsten Instrumente des Aufbaus des Sozialismus in unserem Lande ist.
Die ersten beiden Paragraphen dieses Gesetzes legten den Ländern folgendes auf: § 1 (1) Die Länder haben eine Neugliederung ihrer Gebiete in Kreise vorzunehmen. [. . .] § 2 (1) Die Länder haben jeweils mehrere Kreise in Bezirke zusammenzufassen. [. . .]
Als Generalklausel bestimmte § 3 des Gesetzes: Der Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik wird beauftragt, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Einheitlichkeit des Aufbaus und die fortschreitende Demokratisierung der Arbeitsweise der örtlichen Organe der Staatsgewalt zu gewährleisten.144
Daraufhin erließen die Länder Ausführungsgesetze145; als Vorlage diente das von der Abteilung Staatliche Verwaltung im ZK der SED entworfene existenz der Länderkammer läßt sich unter dem Gesichtspunkt rechtfertigen, daß die grundlegende Gliederung der Republik in Länder nicht aufgehoben ist. Es wird empfohlen, die Länderverfassungen formell nicht aufzuheben. Es läßt sich juristisch der Standpunkt vertreten, sie seien gegenstandslos geworden.“ Grotewohl fügte an den Rand dieses Dokuments handschriftlich hinzu: „Keine grundsätzliche Beseitigung der Länder, nur: Veränderungen der Verwaltungspraxis, also: bleibt auch Länderkammer, Keine Schranken für Einheit!“ Zu allem: Nachlass Grotewohl, SAPMOBArch, NY 4090/432, Bl. 81. 143 In diesem Sinne auch Barth, Einheit 1953, 58 (60) und rückblickend Grotewohl, Einheit 1959, 1265 (1275): „Die neue Struktur paßte sich den ökonomischen Erfordernissen an, und die neue Arbeitsweise diente der notwendigen engeren Einbeziehung der Werktätigen in die staatliche Leitung.“ 144 Vgl. die daraufhin erlassene Ordnung für den Aufbau und die Arbeitsweise der staatlichen Organe der Bezirke vom 24. Juli 1952, GBl. S. 621 (1952), die Ordnung für den Aufbau und die Arbeitsweise der staatlichen Organe der Kreise vom 24. Juli 1952, GBl. S. 623 (1952) und die Verordnung zur Änderung von Bezirksund Kreisgrenzen vom 4. Dezember 1952, GBl. S. 1283 (1952). 145 Sämtlich am 25. Juli 1952 auf außerordentlichen Landtagssitzungen einstimmig beschlossen: GVBl. des Landes Brandenburg I S. 15, RBl. für Mecklenburg
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Mustergesetz, das in der Politbürositzung vom 15. Juli 1952 bestätigt wurde.146 Die Präambel konnte die Herkunft des Gesetzentwurfs ausweislich ihres Formularcharakters nicht verleugnen: In Durchführung des Gesetzes der [DDR] vom . . . . . . . [sic!] über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Länder der [DDR] hat der . . . . . . . . . . [sic!] Landtag das folgende Gesetz beschlossen: [. . .]147
Von der später wiederholt aufgestellten Behauptung, die Länder wären an dieser Umorganisation beteiligt gewesen, kann daher angesichts des Diktats aus der „Zentrale“ keine Rede sein.148 Das Primat der SED, auch in der Ausbildung von Kadern für die Staatsund Parteileitung, stellte schließlich die Blockparteien bei der Bildung von Bezirken vor eine schwer zu lösende Aufgabe. An Stelle der jeweiligen Parteileitungen der fünf Länder, mussten nun Führungskräfte und Vorstandsmitglieder für 14 Bezirke gefunden werden, was etwa einer Verdreifachung des benötigten parteilichen Führungspersonals entsprach.149 Ein Umstand, den die SED ob ihrer Vorrangstellung und ihrer engen Verbindung zu Massenorganisationen natürlich leichter meistern konnte und zur Ausweitung ihrer Machtbasis beitrug, da die anderen Parteien vorwiegend in Führungsfragen nur unerfahrene Parteimitglieder entsenden konnten. GleichzeiS. 61, GVBl. Sachsen S. 325, Gesetz- und Amtsblatt des Landes Sachsen-Anhalt S. 213, RBl. für das Land Thüringen I S. 177; gleichfalls die „[. . .] letzte Tat der fünf Länder [. . .]“, Krömer, DVBl. 1953, 360 (361). Vgl. auch die Sitzungsprotokolle der Landtage, die unisono großes Wohlwollen zur eigenen Abschaffung bekunden: Landtag Brandenburg (2. WP), 16. Sitzung am 25. Juli 1952, in: Protokolle, S. 439 ff.; Landtag Mecklenburg (2. WP), 22. Sitzung am 25. Juli 1952, in: Protokolle, S. 499 ff.; Landtag Sachsen-Anhalt (2. WP), 19. Sitzung am 25. Juli 1952, in: Protokolle, Sp. 987 B ff.; Landtag Sachsen (2. WP), 28. Sitzung am 25. Juli 1952, in: Protokolle, S. 955 ff., Landtag Thüringen (2. WP), 18. Sitzung am 25. Juli 1952, in: Protokolle: S. 477 ff. 146 Politbüro, Sitzung am 15. Juli 1952 (Protokoll Nr. 120), in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2/220, Bl. 2. 147 „Muster für die Ländergesetze“, Anlage Nr. 1, in: Politbüro, Sitzung am 15. Juli 1952 (Protokoll Nr. 120), in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2/220, Bl. 22; § 2 und § 3 dieses Mustergesetzes legte den Ländern auf, ihr Gebiet in Kreise und diese in Bezirke zusammenzufassen. 148 Anlässlich der Begründung des Gesetzes vor der Volkskammer stellte etwa Grotewohl die Behauptung auf, die Länder wären über ihre eigene Auflösung informiert gewesen und wirkten an der Umsetzung des Gesetzes mit („[. . .] mit den Ländern abgestimmte Vorarbeiten [. . .]“), vgl. VK (1. WP), 24. Sitzung am 23. Juli 1952, in: Protokolle, S. 686. Dies widerlegt zutreffend: Mielke, Die Auflösung der Länder in der SBZ/DDR, S. 85 m. w. N. 149 Hajna, ZfG 1989, 291 (296 f.); zum Problem der Überleitung der Länder- in Bezirksstrukturen umfassend: Mielke, Die Auflösung der Länder in der SBZ/DDR, S. 111 ff., 144 ff.
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tig verband sich mit der staatlichen Umorganisation die Möglichkeit, unliebsame Mitarbeiter der bisherigen Landesregierungen durch politisch zuverlässige Kader zu ersetzen.150 2. Begründung des Gesetzes vor Volks- und Länderkammer a) Volkskammer Otto Grotewohl fiel die Aufgabe zu, das Gesetz vor der Volkskammer zu begründen. Als Gäste nahmen an dieser Sitzung die Abgeordneten der Länderkammer teil.151 Grotewohl stellte das Gesetz als Folgemaßnahme der 2. Parteikonferenz der SED dar. Hauptinstrument bei der Schaffung der Grundlagen des Sozialismus, so Grotewohl, sei die Staatsmacht.152 Der sozialistische Staat habe im Gegensatz zum alten deutschen Staat der „[. . .] Großkapitalisten und Großgrundbesitzer [. . .]“ viel mit der Leitung der Wirtschaft zu tun, da diese sich im Volkseigentum befinde; deshalb müsse der neue sozialistische Staat der DDR dem werktätigen Volk besonders nahestehen.153 Diese Nähe könne deshalb nicht ausreichend verwirklicht werden, da zwischen „[. . .] unserem staatlichen Verwaltungsapparat und der Entwicklung der ökonomischen Verhältnisse eine Diskrepanz eingetreten ist [. . .]“.154 Die „[. . .] beherrschende Bedeutung unserer zentralen Planung [. . .]“ habe die Aufgaben der Landesparlamente und Landesregierungen immer mehr zusammenschrumpfen lassen.155 Die Länder seien laut Grotewohl „[. . .] in vielen Fällen zu einer Barriere auf dem Wege der verwaltungsmäßigen Durchsetzung unserer Politik geworden.“156 150 Vgl. zur Kaderpolitik und zur Stellung der Ersten Sekretäre in den Bezirken als „Mittelinstanzen des demokratischen Zentralismus“: Richter/Schaarschmidt/ Schmeitzner, S. 189 ff. Wilhelm Koenen – Leiter des gemeinsamen Sekretariats der Volks- und Länderkammer – stellte demgemäß auch freimütig fest: „Die gegenüber den ehemaligen Ländern räumlich kleineren Bezirke [. . .] erleichterten dem Nationalrat [. . .] ganz wesentlich die Anleitung und die Kontrolle der Ausschüsse der Nationalen Front [. . .]“, ders., Das ganze Deutschland soll es sein, S. 208. 151 Vgl. VK (1. WP), 24. Sitzung am 23. Juli 1952, in: Protokolle, S. 677. 152 Vgl. ebd., S. 678. Zum betont staatsfixierten Sozialismusbild der SED, vgl. Benser, S. 36 (40). 153 Vgl. VK (1. WP), 24. Sitzung am 23. Juli 1952, in: Protokolle, S. 678. 154 Vgl. ebd. 155 Vgl. ebd., S. 680. Diese von Grotewohl festgestellte „Zusammenschrumpfung“ lässt sich nicht zuletzt auf die Beschneidung und zunehmende Zentralisierung der Haushaltsfunktionen zurückführen, dazu: Meier, S. 156 ff.; Kaufmann, S. 58; Richter, Die Ansprüche der neuen Bundesländer auf aufgabengerechte Vermögensausstattung und Vermögensrestitution, S. 101, 104.
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Die SED sah in der relativen Territorialgröße der Länder und ihrer eigenständigen Verwaltungsstruktur den entscheidenden Hemmschuh für eine sozialistische Umgestaltung157; Grotewohl vor der Volkskammer: Mit dem Gesetz, das Ihnen heute vorliegt, soll nun ein entscheidender Schritt geschehen, um den Staatsapparat die Entwicklungsmöglichkeiten und die Wirksamkeit zu geben, deren er bedarf, um seinen Aufgaben beim planmäßigen Aufbau des Sozialismus gerecht zu werden. Hierzu muss er so organisiert sein, daß er die Verwirklichung des Willens der Werktätigen gewährleistet, sie ständig zur unmittelbaren Mitarbeit an der Durchführung der staatlichen Aufgaben heranzieht und ihre schöpferischen Energien wirksam werden läßt und entfaltet. [. . .] Deshalb ist die alte administrative Gliederung, selbst mit den nach 1945 durchgeführten Änderungen, jetzt zu einer Fessel der neuen Entwicklung geworden. [. . .] Der territoriale Wirkungsbereich der örtlichen Organe der Staatsgewalt muß so bestimmt werden, daß diese Organe die Leitung des wirtschaftlichen und kulturellen Aufbaus vollauf verwirklichen können.158
Schon in Mai des Jahres 1952 führte Grotewohl vor der Volkskammer aus, dass man sich vom Vorbild der Weimarer Verfassung nun verabschiedet habe Diese Verfassung [die Verfassung der DDR von 1949, d. Vf.] war in wesentlichen Punkten, besonders aber hinsichtlich der Struktur [. . .] in enger Angliederung an die Weimarer Republik entstanden, und so standen wir vor der Tatsache, daß aus drei Quellen fließend, nämlich aus dem Recht der Sowjetischen Militäradministration, 156
Vgl. VK (1. WP), 24. Sitzung am 23. Juli 1952, in: Protokolle, S. 680. Diesbezüglich stellt Odenthal zutreffend fest: „Mit [dem Hinweis auf den Partikularismus der Länder] nähern wir uns einem nicht gering zu veranschlagenden Faktor: dem zahlenmäßigen Verhältnis zwischen Republik, Ländern und Kreisen (1:5:132). Das Zahlenverhältnis lässt erkennen, daß die Behördenorganisation bis 1952 einer Pyramide mit stumpfer Spitze gleicht. Die Länder rücken – zahlenmäßig – zu nahe an die Zentralgewalt heran und sind von den Kreisen zu weit entfernt. Dadurch beeinträchtigen sie die Zentralgewalt. Diese kann ihre Macht auf organisatorischem Wege dadurch erhöhen, daß sie die Zahl der Lokalgewalten erhöht und ihren Wirkungsbereich räumlich entsprechend einengt“, ders., S. 64. 157 Vgl. dazu: Kröger, Vorlesungen zum Gesetz über die weitere Demokratisierung, S. 18 f. 158 VK (1. WP), 24. Sitzung am 23. Juli 1952, in: Protokolle, S. 679 f.; so auch Hermann Matern (SED), der im Auftrag aller Fraktionen sprach: „Die Länderregierungen mit ihren großen Apparaten haben jetzt wirklich keine Daseinsberechtigung mehr. Die Organisation der Länder mit den Landtagen und Länderregierungen war nicht in der Lage, angesichts der großen Zahl der Kreise, die jedes Land umfaßte, den Kreisverwaltungen wirklich Anleitung und Hilfe zu gewähren und ihre Tätigkeit zu kontrollieren. [. . .] Darum ist die Verlegung der Aufgaben, die bisher den Organisationen der Länder zustanden, auf solche Verwaltungseinheiten, die die Kreise wirklich anleiten und kontrollieren können, im Interesse der Durchführung unserer Gesetze und der Festigung der Arbeit des Staatsapparates, d.h. zur verstärkten Kontrolle des Staatsapparates dringend geboten“, vgl. VK (1. WP), 24. Sitzung am 23. Juli 1952, in: Protokolle, S. 685.
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aus dem inzwischen geschaffenen Recht der Deutschen Wirtschaftskommission und aus den Quellen der Weimarer Republik die Regierung ihre Arbeit begann. Das ging im Anfang reibungslos und ohne Schwierigkeiten. Als aber die [DDR] dazu überging, die wirtschaftliche Entwicklung nach Plänen [. . .] zu gestalten, stellte sich sehr bald heraus, daß das Prinzip eines weimarischen Verwaltungsund Machtapparates nicht wirkungsvoll genug auf die Entwicklung des neuen ökonomischen Prinzips zur Anwendung gebracht werden konnte.159
Das Gesetz, das die Länder und ihre Organe beseitigte sowie die Existenzberechtigung der Länderkammer in Frage stellte, wurde mit verfassungsändernder Mehrheit angenommen; der Vizepräsident der Volkskammer, Hermann Matern (SED), war sich dann auch sicher, dass „[. . .] in der geschichtlichen Bewertung der Tagungen der Volkskammer [. . .] die 24. außerordentliche Sitzung mit an erster Stelle stehen [wird].“160 b) Länderkammer Am Nachmittag selbigen Tages trat die Länderkammer zu ihrer 9. Sitzung der 1. Wahlperiode zusammen, um das qua Verfassung vorgeschriebene Verfahren zum Beschluss von Gesetzen einzuhalten. „Da Sie wohl zum größten Teil die Verhandlungen der Volkskammer mit angehört haben [. . .]“, glaubte sich der entsandte Regierungsvertreter, Staatssekretär Fritz Geyer (SED) vor dem Plenum auf „[. . .] wesentliche grundsätzliche Punkte [. . .]“ in seinen Ausführungen beschränken zu können.161 Das Gesetz sei, so Geyer, lediglich ein „[. . .] kleines Rahmengesetz [. . .]“; die Ziele, die diesem Gesetz vorschwebten und zu deren Verwirklichung es die Wege eröffnen wolle, seien die folgerichtige Fortentwicklung der demokratischen Entwicklung, die man seit 1945 begonnen habe.162 Man habe eine Mittelinstanz finden müssen, die imstande sei, die Anleitung der Kreise wirkungsvoll vorzunehmen; „[. . .] eingehende Untersuchungen [. . .] und Besprechungen [. . .]“163 mit den Ländern hätten ergeben, dass die Zusammenfassung der Kreise in 14 „[. . .] den wirtschaftlich-territorialen Gegebenheiten sich anpassende Bezirke [. . .]“ zweckmäßig erscheine; in Zukunft werde sich also das „[. . .] Gebiet der bisherigen Länder [. . .] in Bezirke aufgliedern [. . .]“.164 159
Ebd., S. 599. Vgl. ebd., S. 686. 161 Vgl. LK (1. WP), 9. Sitzung am 23. Juli 1952, in: Protokolle: S. 129. 162 Vgl. ebd. 163 Solche hat es nie gegeben, dazu oben: Kap. 5 C. III. 1. (Fn. 148). 164 Vgl. LK (1. WP), 9. Sitzung am 23. Juli 1952, in: Protokolle: S. 130. Genau wusste man wohl selbst nicht, was mit den Ländern nun von Rechts wegen geschehen sollte: sollten sie formal weiterexistieren oder wurden sie durch das „Demokratisie160
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Gewisse „[. . .] traditionelle Gebundenheiten [. . .]“ hätten bisher dazu geführt, dass es nicht zu einer vollen Entfaltung der Mitarbeit der Werktätigen im Staatsapparat und der Verwaltung habe kommen können.165 In Bezug auf die Auswirkungen dieses Gesetzes auf das Verfassungsorgan Länderkammer bemerkte Geyer am Ende seiner Ausführungen: Nun gibt es dabei einige Fragen, die Sie als Länderkammer besonders interessieren, nämlich: was wird, wenn man diese Neuordnung vornimmt, aus der Länderkammer? Es ist die Meinung vertreten worden, die Länderkammer verlöre damit ihre Existenzberechtigung und müßte von Rechts wegen verschwinden. Diese Frage ist sehr ernstlich geprüft worden. Wir sind durchaus anderer Meinung. Wir sind der Meinung, daß sich an den grundsätzlichen verfassungsmäßigen Zuständigkeiten der Länderkammer nichts ändern soll. [Und] wir sind der Meinung, daß die verfassungsmäßigen Zuständigkeiten der Länderkammer weiter bestehen und weiter ausgeübt werden sollen.166
Geyer bekannte zwar, dass sich einige „[. . .] formale Fragen [. . .]“167 durch die angestrebten Maßnahmen ergeben könnten, etwa die Frage der Ergänzung der Länderkammer bei Ausscheiden eines Abgeordneten, beschränkte sich in der Lösung aber auf eine – später nie verwirklichte – Ankündigung: Diese Dinge werden wir, wenn wir diese Neuordnung der Verwaltung in ihren Grundzügen durchgeführt haben, in aller Ruhe besprechen können, das ist kein so brennendes Problem.168
Wie die Bezirke, die nun anstelle der Länder auf der Ebene der Republik ihren Willen durch die Länderkammer äußern sollten, an der Arbeit der Länderkammer beteiligt werden könnten, gab Geyer den nun unter der Regie der Bezirkstage stehenden Abgeordneten mit auf den Weg: Die Abgeordneten der Länderkammer sind ja in den Bezirken und haben durchaus die Möglichkeit, wenn in einzelnen Bezirken irgendwelche besonderen Wünsche und Anregungen bestehen, sie zur Geltung zu bringen. Da besteht also auch keinerlei Hindernis.169
Ferner glaubte er sagen zu dürfen [. . .] daß auch vom Standpunkt der Länderkammer, von ihren besonderen verfassungsmäßigen Gegebenheiten aus kein Grund besteht, sich dieser umfassenden Neuordnung nicht anzuschließen.170 rungsgesetz“ beseitigt? Wenige Zeilen später bemerkte Geyer, man halte die Länder „[. . .] grundsätzlich aufrecht [. . .]“, vgl. ebd., S. 131. Es darf wohl davon ausgegangen werden, dass sich die SED-Führung beide Optionen offen halten wollte, je nachdem wie die weitere – insbesondere innerdeutsche – Entwicklung voranschritt. 165 Vgl. ebd. 166 Ebd., S. 131. 167 Ebd. 168 Ebd. 169 Ebd.
C. Die Schaffung der Bezirke im Jahre 1952
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Nach gut einer halben Stunde Sitzungsdauer verzichtete die Länderkammer schließlich einstimmig auf die Erhebung des Einspruchs gegenüber einem Gesetz, das die Länderkammer (noch) weiter von den Buchstaben ihres Auftrages und ihrer Binnenorganisation nach der Verfassung entfernte. Durch die Abgeordneten der Länderkammer sollten qua Verfassung die Befindlichkeiten der Länder bei der Republikgesetzgebung berücksichtigt werden (Artt. 71 Abs. 1 S. 1, 72 Abs. 2, 84 DDV) – nun sollten sie den Willen des Bezirkes vertreten. Jedes Land konnte für je 500.000 Einwohner einen Abgeordneten in die Länderkammer entsenden (Art. 71 Abs. 1 S. 2 DDV) – nun musste die Zusammensetzung der Bezirksgröße folgen, was in der Umsetzung zu einer Verzerrung führte. Die Abgeordneten der Länderkammer wurden ursprünglich von den Landtagen gewählt (Art. 72 Abs. 1 S. 1 DDV) – nun mussten sie von den 1954 länderweise, 1958 einzeln zusammengetretenen Bezirkstagen bestellt werden. Diese gravierende Umorganisation und Herabsetzung eines Verfassungsorgans hätte die denklogische Auflösung zur Folge haben müssen. Stattdessen präferierte man die Aufrechterhaltung des Scheins. Ob als Anziehungspol für die – obwohl schon domestizierten – bürgerlichen Parteien oder Beleg für die Existenz der Länder171, denen man mit Rücksicht auf westdeutsche Befindlichkeiten die Erleichterung einer etwaige Wiedervereinigung zuschrieb, wird letztlich nicht abschließend geklärt werden können. Nur im Spekulativen kann auch angenommen werden, dass man das Kapitel Länderkammer nicht schon nach so kurzer Existenz beenden wollte, nachdem der gerade erst propagierte Aufbau des Sozialismus und die neue Etappe in der Entwicklung der DDR zu dem ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden noch nicht die Sicherheit und Festigung bot, die solch gravierende staatsorganisatorische Umwälzungen bedurft hätten. Ob die Noten der Sowjetführung, die als Stalin-Noten in die Geschichte eingingen und in die Zeit des „Demokratisierungsgesetzes“ fielen, die DDR-Führung veranlassten, eine allzu offenkundige Änderung des Staatsaufbaus, wie die Abschaffung eines Verfassungsorgans, zu vermeiden, bleibt zwar eines Beweises schuldig, würde sich aber mit den deutschlandpolitischen Erwägungen der SED der damaligen Zeit in Einklang bringen lassen.172 Letztlich bestand die Länderkammer noch über sechs Jahre fort, wenn auch nur als Annex eines zunehmend straff zentralistisch organisierten Landes.
170 171 172
Vgl. ebd. So Mampel, Deutsche Fragen 2 (1959), 21 (22). Vgl. dazu auch: Mielke, Die Auflösung der Länder in der SBZ/DDR, S. 76.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
3. Folgen für die Länderkammer Ein undatiertes Schriftstück, das als „Antwort auf eine Konsultation“ überschrieben ist und keinen Verfasser nennt, wahrscheinlich aber als Arbeit des Sekretariats der Länderkammer, unter Umständen als Vorlage für den Präsidenten der Länderkammer, zu werten ist, gibt Antworten auf die wohl gestellte Frage, ob die Länderkammer durch das „Demokratisierungsgesetz“ ihrer Existenzberechtigung verlustig gegangen sei: 1. Das Bestehen der Länderkammer und ihre Aufgaben ergeben sich nach wie vor aus der Verfassung der DDR von 1949 und aus dem mit verfassungsändernder Mehrheit von der Volkskammer beschlossenen ‚Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der Deutschen Demokratischen Republik‘.173 2. Da dieses ‚Gesetz über die weitere Demokratisierung [. . .]‘, obwohl gewisse territoriale Änderungen beschlossen wurden, nicht die Länder beseitigt hat, ist folgerichtig auch die Bezeichnung ‚Länderkammer der DDR‘ beibehalten worden. 3. Da die Aufgaben der Länder nunmehr durch das Gesetz [. . .] und Beschluß der Landtage den Bezirken in den Ländern zugewiesen sind, hat die Länderkammer seitdem entsprechend der Verfassung die Interessen der Bezirke der Länder zu beachten. Den Willen der Bezirke zu den in der Länderkammer zu erörternden Angelegenheiten stellen die Bezirkstage der Länder fest.174
Die Anbindung an das „höchste Organ“ im Staate wurde weiter vertieft. Eigenständige Beratungen über Gesetzesbeschlüsse der Volkskammer seitens der Länderkammer waren offenkundig unerwünscht. Diese zunehmende Umklammerung durch die Volkskammer beschrieb man beschönigend so: Im Verfolg des oben erwähnten Gesetzes [. . .], nehmen an den Ausschüssen der Volkskammer, denen alle Gesetze vor der zweiten Lesung zur Beratung überwiesen werden, jetzt ständig Vertreter der Länderkammer teil, so daß diese Institution von Anfang an über Inhalt und Bedeutung eines zu beschließenden Gesetzes genau unterrichtet ist.175
Auch Willi Barth176, stellvertretender Leiter der Abteilung Staatliche Verwaltung im ZK der SED, beschrieb – anlässlich einer Vorlesung zum Thema „Die Arbeit der zentralen Organe und ihr Verhältnis zu den ört173
Die Unterstreichungen finden sich im Original. „Die Länderkammer der DDR (Antwort auf eine Konsultation)“, undatiert, in: BArch, DA 2/4, Bl. 27. 175 Ebd. 176 Nach Emigration und Internierung in England und Kanada von 1946–1949 Referent bzw. Hauptreferent der Abteilung Staatliche Verwaltung im ZK der SED, 1949 Leiter der Abteilung Kommunalpolitik im ZK der SED, 1950–1954 stellvertretender Leiter der Abteilung Staatliche Verwaltung, 1954–1977 Leiter der Arbeitsgruppe Kirchenfragen im ZK der SED, vgl. zur Person: Müller-Enbergs/Wielgohs/ Hoffmann, S. 42. 174
C. Die Schaffung der Bezirke im Jahre 1952
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lichen Staatsorganen bei der Durchführung der Beschlüsse von Partei u. Regierung“ an der Parteihochschule Karl Marx am 21. Oktober 1952 – die Rolle der Länderkammer nach Schaffung der Bezirke ähnlich: Ihre besondere Funktion ist es, die örtlichen Angelegenheiten unserer Republik auch in der Zentrale zur Geltung zu bringen und so die Anregungen, die aus den Ländern kommen, auch in den Strom der Gesetzgebung einfliessen [sic!] zu lassen.177
Zur Frage, ob die Länderkammer durch das „Demokratisierungsgesetz“ ihre Existenzberechtigung verlöre, bemerkte Barth: Es wäre falsch zu glauben, dass mit der weiteren Demokratisierung die Länderkammer überflüssig geworden sei. Durch die weitere Demokratisierung sind ja die Länder nicht beseitigt178 worden, vielmehr ist die Verwaltung der Länder in Bezirke aufgegliedert. Das machte sich im Zuge der weiteren Demokratisierung notwendig.179
Trotz dieser einschneidenden Änderungen stand Barth einem zu rasch und offenkundig durchgeführten Personal-, System- und Richtungswechsel in Fragen der Länderkammer eher ablehnend gegenüber. Dies wird durch einen handschriftlichen Zusatz auf jenem Vorlesungsmanuskript deutlich, der von einem – für die SED-Elite – untypischen verfassungspositivistischen Verständnis geprägt ist: Falschen Auffassungen über die Länderkammer muss man entgegentreten, denn solange die Verfassung nicht geändert ist u. [sic!] solange die andr. [sic!] Frage [wohl die der Auflösung der Länderkammer, d. Vf.] noch nicht gelöst ist, hat die Länderkammer ihre notwendige staats- und verfassungsrechtliche Stellung180
Die Länderkammer verzichtete bei diesem Gesetz, das ihre eigene Abschaffung beschleunigte, wenn nicht sogar bedingte, ohne Gegenstimme auf das ihr zustehende Einspruchsrecht.181 Letztlich war die Schaffung der Bezirke wohl eine Möglichkeit, die skeptisch beäugten, da zumindest in den Anfangsjahren noch nicht gänzlich von der SED beherrschten, Landtage zu domestizieren. So waren dem Protokoll der Sitzung des Politbüros vom 15. Juli 1952 als Anlage 4 „Richtlinien über die Zusammensetzung der Bezirks- und Kreistage“ beigegeben, in denen das Politbüro forderte: 1) Die SED muß in allen Bezirks- und Kreistagen die Mehrheit haben, was der führenden Rolle der Arbeiterklasse entspricht (einschließlich der Sitze von Genossen der Massenorganisationen). 177
SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/215, Bl. 130. Wohlweislich strich Barth den Satz: „Die Länderkammer wurde, wie die Verfassung selbst, in der Zeit geschaffen, in der die Republik in Länder gegliedert war“, vgl. ebd. 179 Ebd. 180 Ebd., Bl. 131. 181 Vgl. LK (1. WP), 9. Sitzung am 23. Juli 1952, in: Protokolle, S. 132. 178
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
2) Die Parteien CDU, LDP, NDPD, DBD erhalten zusammen nicht mehr Abgeordnete als die SED (als Fraktion). Die Festlegung der Abgeordneten auf die einzelnen Parteien erfolgt je nach ihrer bisherigen Mitarbeit in den Bezirken und Kreisen und der jeweiligen Struktur.182
IV. Das Problem des Endes der Legislaturperiode der Landtage im Jahre 1953 1. Der Vermerk für den Präsidenten der Länderkammer vom 1. Juni 1953 Die mit Ablauf des 14. Oktober 1953 endende Wahlperiode183 der Landtage aller fünf Länder der DDR ergab ein verfassungsrechtliches Dilemma. Die Landtage konnten keine Abgeordneten der Länderkammer mehr wählen, da sie auf Grund des „Demokratisierungsgesetzes“ nicht mehr bestanden.184 In welcher Weise sollten die Abgeordneten, die qua Verfassung, Art. 71 Abs. 1 S. 1 DDV, „[. . .] von den Landtagen [. . .] auf die Dauer der Wahlperiode [. . .]“ gewählt wurden, ihre Tätigkeit in der Länderkammer fortsetzen? Wie sollte die Länderkammer als Ganzes ihre Aufgabe erfüllen? Ein Vermerk für den Präsidenten Lobedanz von Heinrich Toeplitz (CDU), seinerzeit Staatssekretär im Ministerium für Justiz, später Präsident des Obersten Gerichts der DDR, vom 1. Juni 1953 weist auf dieses Problem hin. 182
Anlage Nr. 4 „Richtlinien über die Zusammensetzung der Bezirks- und Kreistage“, in: Politbüro, Sitzung am 15. Juli1952 (Protokoll Nr. 120), in: SAPMOBArch, DY 30/IV 2/2/220, Bl. 22. 183 In allen Ländern betrug die Wahlperiode des Landtages drei Jahre, vgl. Art. 10 Abs. 1 S. 1 der Verfassung der Mark Brandenburg vom 6. Februar 1947, Art. 23 Abs. 2 der Verfassung des Landes Mecklenburg vom 16. Januar 1947, Art. 27 Abs. 2 der Verfassung des Landes Sachsen vom 28. Februar 1947, Art. 25 Abs. 2 der Verfassung von Sachsen-Anhalt vom 10. Januar 1947, Art. 9 Abs. 1 S. 2 der Verfassung des Landes Thüringen vom 20. Dezember 1946. Die Verfassungen der Länder sind abgedruckt bei: Burhenne, Die Verfassungen und Landtags-Geschäftsordnungen der DDR-Länder bis 1952, passim. Die letzte Landtagswahl fand am 15. Oktober 1950 statt, vgl. das Gesetz über die Wahlen zur Volkskammer, zu den Landtagen, Kreistagen und Gemeindevertretungen in der [DDR] am 15. Oktober 1950 vom 9. August 1950, GBl. S. 743 (1950). 184 Vgl. den „Vermerk – Betr.: Zusammensetzung der Länderkammer“ vom 1. Juni 1953, in: BArch, DA 2/4, Bl. 2: „Die Verfassung der DDR enthält keine Bestimmungen, die eine Fortdauer der Mandate der Abgeordneten der Länderkammer bis zu einer Neuwahl zulässt. Den Bezirkstagen ist die Aufgabe der Wahl der Abgeordneten der Länderkammer nicht übertragen. Die Länderkammer würde also mit dem 14.10.1953 funktionsunfähig werden.“
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Unter Ziff. 3 dieses Vermerks wird aufgezeigt, welche Möglichkeiten „[. . .] im Hinblick auf den Ablauf der Mandate der Länderkammer-Abgeordneten ab 15.10.1953 bestehen.“185 a) Durch Gesetz mit verfassungsändernder Mehrheit wird die Wahlperiode der Länderkammer-Abgeordneten der Wahlperiode der Abgeordneten der Volkskammer angepaßt. b) Nach jeder Schlußabstimmung über ein Gesetz in der Volkskammer wird formal die 14-Tages-Frist abgewartet, ohne daß die Länderkammer zusammentritt. c) Aus dem Ablauf der Mandatsdauer der Länderkammer-Abgeordneten wird die Schlußfolgerung gezogen, daß ein Einspruch der Länderkammer gegen Gesetze der Volkskammer nicht mehr möglich ist. Dementsprechend wird die Verkündung beschlossener Gesetze unverzüglich nach der Schlußabstimmung vorgenommen.186
Die geringe Wertschätzung, die man der Länderkammer beimaß, und das eigentlich gewünschte Begehren werden durch die Ausführungen Toeplitz’ deutlich: Die Frage, ob die Funktionsunfähigkeit der Länderkammer im gegenwärtigen Augenblick angezeigt ist, oder ob die Länderkammer richtiger vorläufig, etwa bis zu einer neuen Bearbeitung der Verfassungsverhältnisse in ganz Deutschland oder der Deutschen Demokratischen Republik arbeitsfähig bleiben soll, ist in erster Linie von politischen Gesichtspunkten aus zu entscheiden.187
Wie das weitere Verfahren durchgeführt werden könnte, ist dem Dokument ebenso zu entnehmen: Fällt die Entscheidung dahin, daß die Länderkammer vorläufig weiterarbeiten soll, so würde durch ein verfassungsänderndes Gesetz zu bestimmen sein, daß die Mandate der Abgeordneten der Länderkammer, zunächst etwa bis zum 14. Oktober 1954, also bis zu dem Zeitpunkt der Neuwahl der Volkskammer verlängert werden. Fällt die Entscheidung dahin, daß die Länderkammer außer Wirksamkeit treten soll, so wird zu prüfen sein, ob dazu eine gesetzliche Regelung notwendig ist. Nicht notwendig würde sie sein, wenn aus der Arbeitsunfähigkeit der Länderkammer der Schluß gezogen werden dürfte, daß ein arbeitsunfähiges Gremium die ihm in der Verfassung übertragenen Rechte und Pflichten nicht mehr haben würde, also beispielsweise zu einer Präsidentenwahl nicht mehr zugezogen, eine Möglichkeit des Einspruchs oder zur Geltendmachung von Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen nicht mehr haben würde und daher als nicht mehr bestehend betrachtet werden könnte. Ob dieser Schluß nicht zu formalistisch ist, kann immerhin zweifelhaft sein.188 185 Ebd., Bl. 1 ff. Dieser Vermerk wurde am 5. Juni 1953 Präs. Dr. Lo./F., also dem Präsidenten der Länderkammer Lobedanz und seinem Vizepräsidenten Frölich (SED), zur Kenntnis gebracht, vgl. ebd., Bl. 4. 186 Ebd., Bl. 1. 187 Ebd., Bl. 3. 188 Ebd.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Die Auflösung der Länderkammer stand also schon im Jahre 1953 im Raum; aus politischen Gründen führte man sie aber erst im Jahre 1958 durch. Wie man diesen Hemmschuh auf dem Weg zum sozialistischen Staat loswerden konnte, zeigte der Autor ebenfalls auf: Zum mindesten würde es im Interesse der Klarheit liegen, wenn die Änderung der Verfassung, die ein Fortfall der Länderkammer vielleicht nicht dem Buchstaben nach, aber praktisch darstellen würde, durch ein verfassungsänderndes Gesetz ausgesprochen würde.189
2. Die Sitzung des Demokratischen Blocks am 8. Oktober 1953 Um dieses Thema weiter zu erörtern, traten am 8. Oktober 1953 schließlich auch die Blockparteien, zusammengefasst im Demokratischen Block, zu einer Sitzung zusammen. Der Vorsitzende Hermann Matern (SED) entschuldigte sich eingangs für die kurzfristig anberaumte Sitzung, man habe nun aber alle rechtlichen Seiten zu klären, die mit dem Ablauf der Wahlperiode der Länderkammer-Abgeordneten zusammenhingen.190 Man müsse sich nach seiner Meinung darüber „[. . .] im Prinzip verständigen [. . .]“, dass die Länderkammer weiter bestehe und dass die rechtlichen Grundlagen in einem Rechtsgutachten des Verfassungsausschusses der Volkskammer gegeben werden.191 Koenen merkte an, in der heutigen Sitzung müsse politisch entschieden werden, wie man mit der Länderkammer weiter verfahre.192 Man solle davon ausgehen, dass sich nach Möglichkeit die rechtlichen Grundlagen der Fortsetzung der Tätigkeit der Abgeordneten der Länderkammer aus den bestehenden Gesetzen ergeben; es sei nicht erwünscht und nicht zweckmäßig, diese Angelegenheit in die breite Öffentlichkeit zu tragen und darüber unnötige Diskussionen hervorzurufen – dies wünsche auch der Präsident der Länderkammer Lobedanz.193 Man brauche aber keine Ängstlichkeit an den Tag legen, als ob man etwas zu verheimlichen hätte, sondern es komme auf Folgendes an: 189
Ebd., Bl. 4. Sitzung des Demokratischen Blocks am 8. Oktober 1953, Abschrift, in: BArch, DA 2/4, Bl. 5 (= SAPMO-BArch, DY 3/17, Bl. 206 ff.). 191 Dieses Gutachten wurde nie erstellt. Der Verfassungsausschuss trat seit seines Bestehens auch nur dreimal (1950, 1951 und 1958), jeweils zur Konstituierung, zusammen, vgl. BArch, DA 1/942, Bl. 1 ff.: BArch, DA 1/1340, Bl. 1 ff.; BArch, DA 1/3053, Bl. 1 ff. 192 Vgl. Sitzung des Demokratischen Blocks am 8. Oktober 1953, Abschrift, in: BArch, DA 2/4, Bl. 5. 193 Vgl. ebd., Bl. 6. 190
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[Die] angesichts des Westens sehr wichtige Weiterarbeit der Länderkammer so selbstverständlich, so reibungslos, so geräuschlos wie nur irgend möglich fortzuführen. Wir glauben, daß dafür die Voraussetzungen gefunden werden könnten bei richtiger Anwendung und Auslegung des vorjährigen mit verfassungsändernder Mehrheit beschlossenen Gesetzes über die Demokratisierung der Verwaltung194, über die Fortexistenz der Abgeordneten in den Bezirkstagen195 und in der Länderkammer. Für heute scheint mir die wichtigste Notwendigkeit zu sein, daß der Block betont: Die Länderkammer funktioniert weiter.196
Der Präsident der Länderkammer, Lobedanz, der in dieser Sitzung gegenwärtig war, führte aus, dass die Blocksitzung darüber Klarheit bringen müsse, ob das Weiterarbeiten der Länderkammer aus politischen Gründen angezeigt sei.197 Wenn der Block zu dem Ergebnis käme, die Länderkammer solle weiterarbeiten, würde sich zunächst das Präsidium der Länderkammer mit der Frage beschäftigen, wie das geschehe; es sei dem Präsidium der Länderkammer zu überlassen, ob es die Notwendigkeit der Einholung eines Gutachtens des Verfassungsausschusses für nötig erachte.198 Der Bedeutung des Treffens entsprechend nahm auch Ministerpräsident Grotewohl an der Sitzung teil; sie sei sogar auf seinen ausdrücklichen Wunsch kurzfristig einberufen worden.199 Auf die Frage, welchen Standpunkt die Regierung zum Bestand der Länderkammer einnehme, antworte Grotewohl – eines übermäßig großen Verlustes offensichtlich nicht bange: Gar keine[n]. Ich bin in diese Frage überhaupt nicht eingetreten, weil die Frage der Existenz und des Lebens der beiden Parlamente eine Angelegenheit der Parlamente ist. Ich bin der Auffassung, daß sich die Regierung nicht als Verfassungswahrer oder Schulmeister in diese Frage des Parlaments einmischen sollte. 194
Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der [DDR] vom 23. Juli 1952, GBl. S. 613 (1952). 195 Vgl. II. a) (3) a) der Ordnung über den Aufbau und die Arbeitsweise der staatlichen Organe der Bezirke vom 24. Juli 1952, GBl. S. 621 (1952): „(3) Bis zur Neuwahl des Bezirkstages setzt sich dieser zusammen: a) aus bisherigen Abgeordneten der Landtage [. . .].“ 196 Sitzung des Demokratischen Blocks am 8. Oktober 1953, Abschrift, in: BArch, DA 2/4, Bl. 6. 197 Vgl. ebd., Bl. 6. 198 Vgl. ebd., Bl. 6 f.; dieses Recht konzedierte auch Grotewohl: „Ob sie den Verfassungsausschuß wollen oder ob sie ihn nicht wollen, das ist ihre Auffassung“, ebd., Bl. 10. 199 Vgl. ebd., Bl. 7.
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Ich nehme also nicht vom Standpunkt der Regierung aus Stellung, sondern als Mitglied der Volkskammer und des Blocks.200
Seine Meinung zu diesem, für ihn nur vermeintlichen, Problem sei: Wir haben unsere staatliche Struktur [. . .] verändert durch ein verfassungsänderndes Gesetz. Bei der Beschlußfassung wurde [. . .] ausdrücklich festgestellt: dieses Gesetz hat eine verfassungsändernde Mehrheit. Was für eine verfassungsändernde? Die Beseitigung der Länder, die Neubildung von Bezirksräten. In der praktischen Durchführung haben wir beschlossen: Wir wählen die Mitglieder der Bezirksräte nicht neu, sondern [. . .] bedienen uns der gewählten Mitglieder der bisherigen Landtage. [. . .] Natürlich ist dann auch ein solches Organ wie die Länderkammer, die aus dem Rechtsbestand der Länder hervorgegangen ist, in der gleichen Weise als bestehend anzusehen [. . .].201
Die Beteuerungen, die Länder bestünden zumindest de jure weiter, werden durch die Ausführungen Grotewohls konterkariert. Für ihn waren sie – legt man den Maßstab der herrschenden Rechtsauffassung, also die der führenden Köpfe der SED, an – beseitigt. Es spielte wohl schlicht keine Rolle, ob man nun die Länderkammer beibehalten sollte oder nicht, da die staatliche Struktur bereits derart verändert wurde, dass die Länderkammer als befürchteter „[. . .] Hort föderalistischer Reaktion [. . .]“202 nicht mehr in Frage kam. Grotewohl, seine Ausführungen bestätigend: [W]enn die Bezirkstage weiterbestehen – und wir haben keinen Fristablauf in dem Gesetz; man muß erst später einen Wahltag bestimmen -, dann besteht nach meiner Auffassung vollkommen klar und eindeutig diese Länderkammer mit den aus den Ländern hervorgegangenen Abgeordneten so lange weiter, bis wir sagen: jetzt werden die Bezirkstage neu gewählt. In diesem Augenblick wird die Frage der Neuwahl der Länderkammer lebendig. [. . .]203 Man kann jetzt nicht einfach sagen: die Länderkammer wird abgeschafft. Wenn man sie abschaffen will, müßte man dazu ein Gesetz schaffen. Wenn ich also jetzt von der sachlichen Seite überprüfe: ist es erwünscht, daß die Länderkammer weiterarbeitet, dann kann ich nur sagen: ja, ich sehe keine Gründe, daß sie nicht weiterarbeiten soll. 200
Ebd., Bl. 7. Ebd. 202 So Lobedanz schon in der ersten Sitzung der Länderkammer überhaupt, vgl. PLK, 1. (konst.) Sitzung am 11. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 3. 203 „Dann würde automatisch die Frage der Länderkammer – nämlich nicht mehr aus fünf Ländern hervorgewachsen, sondern aus 15 Bezirken – entstehen [. . .]“, Sitzung des Demokratischen Blocks am 8. Oktober 1953, Abschrift, in: BArch, DA 2/4, Bl. 13. Später erfolgte die Wahl der Länderkammerabgeordneten dann auch dementsprechend: 1954 durch die länderweise zusammengetretenen Bezirkstage und 1958 durch jeden einzelnen Bezirkstag selbst. 201
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Ich halte das ausgleichende Element aus der Basis der Selbstverwaltung zu der Basis des Staates für einen absolut wünschenswerten Zustand und möchte sagen: wir tippen an diese Frage überhaupt nicht.204
Wenn man diesen Standpunkt bejahe, müsse man die Öffentlichkeit nicht scheuen, so Grotewohl: „Man arbeitet weiter und alles ist damit in Ordnung.“205 Man müsse, so der dezente Hinweise von Grotewohl, nur eine einheitliche Auffassung im Block haben206 – die der seinen natürlich entsprach. Otto Nuschke, stellvertretender Ministerpräsident und Vorsitzender der CDU, hatte dennoch gewisse Zweifel: Wenn im Gesetz über die neue Struktur unserer staatsrechtlichen Verhältnisse ausdrücklich betont worden wäre, daß die Länderkammer in ihrer alten Form weiterbestehen soll, würden solche Zweifel gar nicht auftauchen. [. . .] Was eben notwendig ist, das ist, daß Zweifelsfragen beseitigt werden, damit man nicht kommen kann und sagen kann: ihr habt Zustände einreißen lassen, die nicht nur eine Labilität in den staatsrechtlichen Verhältnissen hervorgerufen haben, sondern ihr ignoriert ausdrücklich eine gesetzliche Bestimmung, wonach die Länderkammer am 14. Oktober zu erlöschen hat.207
Man hätte, so Nuschke, die Volkskammer feststellen lassen müssen, dass die Legislaturperiode der Länderkammer verlängert werde; darüber zu diskutieren hielte er aber für „[. . .] akademisch [. . .]“, da diese vor dem 14. Oktober nicht mehr zusammentrete.208 So gewichtig konnten die Zweifel nicht sein: Unter der Voraussetzung, dass der Block zu einer einheitlichen Auffassung gelange, trete er, Nuschke, den Ausführungen des Ministerpräsidenten bei und halte dessen Vorschläge für „[. . .] die richtigen und dankbaren.“209 Koenen wies darauf hin, dass man schon anlässlich der Blocksitzung wegen des „Demokratisierungsgesetzes“ den Bestand der Länderkammer habe gewährleisten wollen.210 Dieckmann (LDPD), Präsident der Volkskammer, merkte richtig an, es gebe auch eine staatspolitische Notwendigkeit für die Länderkammer: ohne sie könnten Gesetze nicht verfassungsgemäß zustande kommen.211 Weiter wollte Dieckmann eine andere ungelöste Frage geklärt 204
Vgl. ebd., Bl. 8 f. Ebd., Bl. 9. 206 Vgl. ebd. 207 Ebd., Bl. 11. 208 Vgl. ebd., Bl. 12. 209 Vgl. ebd., Bl. 11. 210 Siehe dazu oben, Kap. 5 C. I. 211 Vgl. Sitzung des Demokratischen Blocks am 8. Oktober 1953, Abschrift, in: BArch, DA 2/4, Bl. 13. 205
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
wissen, nämlich, woraus sich Ersatz für ausgeschiedene Abgeordnete der Länderkammer rekrutiere.212 Seiner Ansicht nach müsste dieser dann aus den Bezirkstagen hervorgehen, die ja aus den Abgeordneten der früheren Landtage bestünden.213 Grotewohl insistierte auf Zuruf von Lobedanz, dass dies dann aber auf Vorschlag des Präsidiums des Nationalrates geschehen müsse.214 Ernst Goldenbaum, Vorsitzender der DBD, und Heinrich Homann, Vorsitzender der NDPD, erklärten sich mit allen gemachten Vorschlägen einverstanden.215 Damit war auch das „Problem“ des Ablaufs der Wahlperiode der Landtage und damit die Frage der Neuwahl der Länderkammerabgeordneten unter Mißachtung der Verfassungsvorgabe gelöst. 3. Die 13. Sitzung des Präsidiums der Länderkammer am 8. Oktober 1953 Am selben Tage der Sitzung des „Demokratischen Blocks“ kam auch das Präsidium der Länderkammer nachmittags zu einer halbstündigen Beratung zusammen. Den Verfassungsausschuss der Volkskammer mit der Prüfung der Frage nach der Verlängerung der Mandate zu beauftragen, vermied man wohl, um nicht unnötig Aufsehen zu erregen, bewusst. Das Präsidium fasste dann auch folgenden Beschluss: Das Präsidium der Länderkammer schließt sich der Auffassung des Zentralen Blocks der antifaschistisch-demokratischen Parteien an und ist der Meinung, daß die Abg. der Länderkammer ihre Tätigkeit über den 14.10 hinaus fortzusetzen haben. Herr Präsident Dr. Lobedanz wird beauftragt, diese Auffassung dem Präsidenten der Volkskammer mitzuteilen mit der Bitte um Kenntnisnahme.216
Am 14. Oktober 1953 teilte Lobedanz dann auch Dieckmann, dem Präsidenten der Volkskammer, in einem Brief mit: Das Präsidium der Länderkammer ging der Auffassung des Zentralen Blocks [. . .] folgend bei seinem Beschluß davon aus, daß für die Tätigkeit der Länderkammer der DDR das Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in der Länder der DDR grundlegende Bedeutung habe. Das Gesetz ist auch maßgebend für die weitere Tätigkeit der Abgeordneten der Länderkammer der DDR. [. . .] 212
Vgl. ebd., Bl. 14. Vgl. ebd. 214 Vgl. ebd., Bl. 16. 215 Vgl. ebd., Bl. 14 f. 216 Präsidium LK (1. WP), Sitzung am 8. Oktober 1953, in: BArch, DA 2/80, Bl. 39. 213
D. Die Wahl der Länderkammerabgeordneten im Jahr 1954
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Nachdem die Länder entsprechend § 2 dieses Gesetzes jeweils mehrere Kreise zu Bezirken zusammengefaßt haben, üben die bisherigen Landtagsabgeordneten ihre Mandate weiter in den jeweiligen Bezirkstagen und damit auch in der Länderkammer aus.217
Demzufolge, so die flexible Begründung von Lobedanz, ergäbe sich, dass [. . .] die Bezirkstage des jeweiligen Landes [. . .] nicht als Nachfolger der alten Landtage betrachtet werden [können], so daß auch nicht die Legislaturperiode der Bezirkstage mit der der ehemaligen Landtage endet.218
Und weiter: Vielmehr sind mit den Bezirkstagen neue staatliche Institutionen entstanden; die für die bisherigen Landtage geltenden Bestimmungen finden für sie keine Anwendung. Die Neuwahl der Abgeordneten der Länderkammer ist von der Neuwahl219 der Bezirkstage abhängig geworden.220
Dieckmann antwortete schließlich am 24. November 1953 und erklärte, dass das Präsidium der Volkskammer von dem Schreiben „[. . .] zustimmend Kenntnis genommen hat.“221
D. Die Wahl der Länderkammerabgeordneten durch die Bezirkstage im Jahr 1954 Im Jahr 1954, anlässlich der beginnenden 2. Wahlperiode der Länderkammer, mussten – die Landtage bestanden nicht mehr – die Abgeordneten der Länderkammer anderweitig gewählt werden. Man entschloss sich schließlich dazu, die Bezirke länderweise zusammentreten zu lassen, um 217 Brief des Präsidenten der Länderkammer an den Präsidenten der Volkskammer vom 14. Oktober 1953, in: BArch, DA 2/4, Bl. 17 f. 218 Ebd., Bl. 18. 219 Neuwahl ist hier ein Euphemismus, die Bezirkstage wurden erst am 17. Oktober 1954 „gewählt“, vgl. § 2 der Verordnung zur Durchführung der Wahlen zu den Bezirkstagen der [DDR] vom 6. August 1954, GBl. S. 677 (1954). 220 Brief des Präsidenten der Länderkammer an den Präsidenten der Volkskammer vom 14. Oktober 1953, in: BArch, DA 2/4, Bl. 18. Davon entfernte man sich später, indem man eine Konnexität (Art. 72 Abs. 1 S. 1 DDV) zwischen der Wahlperiode des entsendenden Organs und dem Bestehen des Länderkammermandats ablehnte: „Abg. Broßmann teilt [. . .] mit, daß der Präsident in einem Schlußwort darauf hinweisen wird, daß mit dieser Sitzung die gesetzgeberische Arbeit der Länderkammer für diese Legislaturperiode beendet ist. Im Präsidium habe darüber eine längere Diskussion stattgefunden mit der Feststellung, daß das Mandat der Länderkammerabgeordneten bis zur Neubildung der Länderkammer bestehen bleibt“, vgl. „Protokoll über die Sitzung der Länderkammerfraktion [der CDU, d. Vf.] am 16.9.1954“, in: ACDP, Ost-CDU: Parteiarbeit, 07-012-1705. 221 Schreiben des Präsidenten der Volkskammer an den Präsidenten der Länderkammer vom 24. November 1953, in: BArch, DA 2/4, Bl. 19.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
die Abgeordneten zu wählen222 Dieses Verfahren ging auf einen Vorschlag von Otto Grotewohl anlässlich der 8. Sitzung des Demokratischen Blocks am 8. Oktober 1953 zurück.223 Ein Aktenvermerk des Länderkammersekretariats führt dazu aus: Da die Zeit der Neuwahl der Bezirkstage und auch der Volkskammer herangekommen ist, wäre dieser Vorschlag des Ministerpräsidenten Grotewohls aufzugreifen, und es müßte auch formal-rechtlich eine Bestimmung erlassen werden, die entscheidet, daß sich die künftige Länderkammer nach den Volkswahlen 1954 aus Vertretern der Bezirke zusammensetzt bzw. die Sitze festlegt, die die einzelnen Bezirke in der Länderkammer einnehmen. Eine solche Entscheidung könnte entsprechend den Ausführungen Grotewohls sogar administrativ durch den Ministerrat vor der Volkswahl getroffen werden.224
Der beabsichtigte Modus der Wahl richtete sich damit klar gegen der Wortlaut der Verfassung, die in Art. 71 Abs. 1 S. 1 DDV normierte: „Die Abgeordneten der Länderkammer werden von den Landtagen [. . .] gewählt.“ Um daraus „Die Abgeordneten der Länderkammer werden von den länderweise zusammengetretenen Bezirkstagen gewählt“ zu konstruieren, bedurfte es schon größerer Rabulistik. Dieses merkwürdigen, von der Verfassung nicht gedeckten, modus operandi bewusst, hielt man die Wahlprotokolle und Niederschriften dieses Vorganges geheim.225 222 Wenige Monate nach dem „Demokratisierungsgesetz“ vom Juli 1952 stellte Ernst Goldenbaum, Vorsitzender der DBD, im Präsidium des Nationalrates der Nationalen Front die Frage, wie denn in Zukunft die Länderkammerabgeordneten zu wählen seien und wer die Kandidaten vorschlagen solle – offenkundig hatte man es versäumt, sich im Vorfeld der Verabschiedung des Gesetzes um diese sich aufdrängende Frage zu kümmern. Otto Nuschke (CDU) schwankte in seiner Präferenz zwischen (1) einer Angleichung an den Modus, der für die Volkskammer galt, §§ 25 ff. des Wahlgesetzes von 1950, GBl. S. 743 (1950), das in § 26 normierte, dass Wahlvorschläge nur von republikweit tätigen Vereinigungen eingebracht werden dürfen und (2) einem Vorschlagsrecht für die „[. . .] Bezirksverwaltungen oder Bezirke [wohl Bezirkstage, d. Vf.] [. . .]“; Koenen erwiderte kryptisch, man müsse sich „[. . .] mit den Bestimmungen der Verfassung, den Wünschen und Gedankengängen der eventuell besten Interessenvertreter noch kurz auseinandersetzen“, was wohl nichts anderes bedeutete, als dass man sich die Freiheit erhalten wollte, es je nach Lage so zu handhaben, wie es gerade günstig war, vgl. zu allem: Sitzung des Präsidiums des Nationalrates der Nationalen Front vom 10. November 1952, in: SAPMO-BArch, DY 6/244, Bl. 20 f. 223 Vgl. oben, Kap. 5 C. IV. 2. 224 BArch, DA 2/4, Bl. 22. Die in diesem Dokument gemachten Vorschläge berücksichtigte man nicht; vielmehr galt das Gesetz über die Zusammensetzung der Länderkammer aus dem Jahre 1950 weiter, GBl. S. 1135 (1950); die Bezirke traten zunächst länderweise zusammen, um die Abgeordneten der Länderkammer zu wählen. 225 Eine Hausmitteilung an den Leiter des Sekretariats, Koenen, vermerkt: „Die Unterlagen sind entsprechend ihrem vertraulichen Charakter bei den Sekretariatsakten der Länderkammer unter Verschluß“, vgl. BArch, DA 2/103, Bl. 1b.
D. Die Wahl der Länderkammerabgeordneten im Jahr 1954
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Das Gesetz über die Zusammensetzung der Länderkammer der [DDR]226 von 1950 galt fort, wenngleich die dortige Verteilung der Abgeordnetenmandate auf die einzelnen Länder nicht mehr in jedem Fall beachtet wurde.227 Für die Bezirke Halle und Magdeburg des nur noch auf Briefköpfen228 bestehenden Landes Sachsen-Anhalt, führte Paul Hentschel (SED) – Vorsitzender des Rates des Bezirkes Magdeburg, dem die Pflicht oblag, die gemeinsame Sitzung der Bezirkstage zu leiten – vor dem Plenum aus: Es ist also nicht eine parlamentarische Pflicht, die uns heute zusammenführt, sondern die ernste Verpflichtung, die Volksvertreter unserer beiden Bezirke als Abgeordnete in die Länderkammer unserer DDR zu wählen, die für das Land SachsenAnhalt, eines der fünf Länder unserer Republik, bei der Lösung der großen Aufgaben die Volkskammer, das höchste Organ der Staatsgewalt [. . .], aktiv unterstützen. [. . .] Und weil das zentrale Organ unserer Staatsgewalt [. . .] auf Grund des demokratischen Wesens nicht losgelöst von den örtlichen Organen des Staates [. . .] den Gesetzen und Verordnungen Ausdruck verleiht, ist die Länderkammer zu einer historisch notwendigen [. . .] der ganzen deutschen Nation dienenden verfassungsrechtlichen staatlichen Einrichtung geworden, deren Aufgabe darin besteht [. . .] dafür zu sorgen, daß die Gesetzgebung lückenlos alle Faktoren und Gesichtspunkte beachtet und stets der Einheit unserer Staatgewalt dient [. . .]. Kann jemand bestreiten, daß es einen prinzipiellen Unterschied im Westen, in Funktion und manchem anderen zwischen unserer Länderkammer und dem westdeutschen Bundesstaat [sic!, gemeint wohl Bundesrat, d. Vf.] oder dem ehemaligen Reichsrat gibt? Das kann niemand, der nicht die Wahrheit und Realität auf den Kopf stelle, wie es gelehrige Schüler von Goebbels oftmals praktizierten.229
Gleichlautende Parolen fanden sich anlässlich aller gemeinsamen Tagungen der Bezirke. In Potsdam, wo die Bezirkstage Potsdam, Frankfurt/Oder und Cottbus gemeinsam tagten, beschrieb Otto Meier (SED), letzter Landtagspräsident des Landtages Brandenburg, die Aufgaben, die der Länderkammer nach seiner Meinung zukamen: Die Länderkammer hat also nach den Bestimmungen der Verfassung neben der Volkskammer die Aufgabe, die von der Volkskammer beschlossenen Gesetze mit 226
GBl. S. 1135 (1950). Vgl. die Aufstellung der Abgeordneten der 2. Wahlperiode im Anhang: Übersicht Nr. 4. 228 Die Bezirke führten in ihrer Korrespondenz den Namen des Bezirkes auf, darunter befand sich wesentlich kleiner und in Klammern der Name des jeweiligen Landes, vgl. nur: BArch, DA 2/103, Bl. 4. 229 „Stenographisches Protokoll der gemeinsamen Sitzung der Bezirkstage Halle und Magdeburg (Land Sachsen-Anhalt) vom 26.11.1954“, in: BArch, DA 2/103, Bl. 11. 227
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
dem Recht des Einspruches noch einmal zu diskutieren. Es ist also damit die denkbar beste Gewähr für die Gründlichkeit unseres ganzen gesetzgebenden Werkes vorhanden und die Länderkammer konnte unserer Regierung in den rückliegenden Beratungen oft genug Hinweise [solche Hinweise finden sich nicht, d. Vf.] geben, auf der Grundlage der nun einmal unterschiedlichen Verhältnisse in den einzelnen Ländern bzw. Länderbezirken. [Dass] sich in der hinter uns liegenden Legislaturperiode in keinem Fall die Notwendigkeit des Einspruches ergeben hat, [. . .] ist allein der beste Beweis für die gute Arbeit unserer Regierung. Es ist der Beweis dafür, dass im Gegensatz zum Kapitalismus bei uns in der DDR das Volk sich zum ersten Male in der Geschichte selbst regiert.230
Die nach der Verfassung, Art. 71 Abs. 1 S. 2 DDV, vorgegebene Orientierung der Abgeordnetenzahl an der Bevölkerungszahl sollte nun auf die Bezirke übertragen werden.231 Das Ergebnis stimmte mit der tatsächlichen Einwohnerzahl der Bezirke allerdings nicht überein. So entsandte der Bezirk Magdeburg mit etwa 1,5 Mio. Einwohnern sechs Abgeordnete in die Länderkammer, der Bezirk Halle mit etwa 2,1 Mio. Einwohnern lediglich fünf.232 Der nur wenig über 500.000 Einwohner beheimatende Bezirk Suhl stellte mit zwei Abgeordneten annähernd so viele, wie der 1,6 Mio. Einwohner zählende Bezirk Leipzig, der drei Abgeordnete in die Länderkammer entsandte. Kurzum: Die Vorschrift der Verfassung, Art. 71 Abs. 1 S. 2 DDV, die die Abgeordnetenzahl mit der Einwohnerzahl korrelieren ließ, war bedeutungslos geworden und einer aus politischen Gründen nivellierten Verteilung gewichen. In den gemeinsamen Tagungen der länderweise zusammengetretenen Bezirkstage fasste man darüber hinaus noch folgenden, gleichlautenden Beschluss: Scheidet ein Abgeordneter der [. . .] Bezirkstage aus der Länderkammer der Deutschen Demokratischen Republik aus, wird der Bezirkstag, dem der Abgeordnete der Länderkammer angehörte, ermächtigt, einen anderen Abgeordneten in die Länderkammer zu wählen.233 230 „Protokoll über die Sitzung der Bezirkstage Potsdam, Frankfurt/Oder und Cottbus zur Wahl der Abgeordneten für die Länderkammer vom 26.11.1954“, in: BArch, DA 2/103, Bl. 28. 231 So führte der Tagungsleiter Werner Manneberg (SED) auf der Zusammenkunft der Bezirkstage in Potsdam dann auch aus, dass sich die Zusammensetzung der Länderkammer nach dem Gesetz über die Zusammensetzung der Länderkammer der [DDR], GBl. S. 1135 (1950), vom 8. November 1950 richte; gleichzeitig zitierte er die einschlägige Vorschrift der Verfassung, Art. 71 Abs. 1 S. 2 DDV, vgl. ebd., Bl. 35. Dieser Widerspruch wollte wohl niemandem auffallen. 232 Vgl. die Aufstellung der Einwohnerzahlen der Bezirke nach der Volkszählung des Jahres 1950, in: Deutsches Institut für Zeitgeschichte/Verlag „Die Wirtschaft“, Jahrbuch der DDR – 1956, S. 8. 233 Statt aller: „Anlage zum Protokoll der gemeinsamen Sitzung der Bezirkstage Halle und Magdeburg am 26.11.1954“, in: BArch, DA 2/103, Bl. 21.
E. Die Länderkammer im Jahr der 3. Parteikonferenz der SED (1956)
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Geriet schon der Wahlmodus zur Farce, entfernte man sich durch diesen Beschluss nun endgültig von den Vorschriften der Verfassung, indem man sich der mühsamen länderweisen Zusammenkunft infolge eines etwaigen Ausscheidens eines Länderkammerabgeordneten – etwa wegen Erledigung oder Erregung vermeintlicher politischer Unbill – durch die bezirksoriginäre Nachwahlmöglichkeit entledigte.
E. Die Länderkammer im Jahr der 3. Parteikonferenz der SED (1956) I. Der Verfassungsplan – Abschaffung ad portas Warum man die Auflösung der Länderkammer immer wieder hinausschob, lässt sich wohl damit erklären, dass man von Zeit zu Zeit an die Ausarbeitung und Verabschiedung einer gänzlich neuen – der zunehmend sozialistischen Umgestaltung gerecht werdenden – Verfassung dachte. Schon im Jahr 1955 kamen Sorgenicht und Polak in einer Aussprache mit Walter Ulbricht auf das Thema neue Verfassung zu sprechen. Ulbricht beschied den beiden Herren laut einer Aktennotiz: Er [Ulbricht, d. Vf.] betonte, daß es gegenwärtig nicht zweckmäßig sei, ein Gesetz über die gesamten Staatsfragen in der Deutschen Demokratischen Republik, also auch der zentralen Organe, auszuarbeiten [. . .].234
Darüber hinaus befahl Ulbricht: Irgendwelche Änderungen an der Verfassung sollen gegenwärtig nicht vorgenommen werden.235
Wohl änderte Ulbricht seine Meinung bis zum Herbst desselben Jahres. Nur damit sind die recht freimütigen Äußerungen des Volkskammerpräsidenten Dieckmann (LDPD) in Bezug auf eine Überarbeitung bzw. Neuschaffung einer Verfassung zu erklären. In der Sitzung des Rechtsausschusses der Volkskammer am 24. September 1955 etwa – anlässlich der Beratung einer mit dem Gesetz zur Ergänzung der Verfassung236 aufzustellenden 234 „Aktennotiz über die Aussprache mit Genossen Walter Ulbricht am 16.5.1955“, erstellt von Klaus Sorgenicht, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/455; abgedruckt auch in: Dreier/Eckert/Mollnau u. a., S. 79 ff. (Dok. I/8). Zum „Geheimprojekt Neue Verfassung“ (Howe), das bisher – trotz großzügiger Überlieferungen im Bundesarchiv – nicht ausreichend untersucht ist, vgl. auch Howe, S. 167 ff. m. w. N. 235 „Aktennotiz über die Aussprache mit Genossen Walter Ulbricht am 16.5.1955“, erstellt von Klaus Sorgenicht, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/455. 236 GBl. I S. 653 (1955).
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Armee – merkte Dieckmann an, es stünde „[. . .] außer Zweifel [. . .]“, dass man in absehbarer Zeit zu einer gründlichen Überarbeitung der Verfassung kommen müsse, da manches ergänzungsbedürftig sei.237 Insbesondere das Gesamtkapitel der Verfassung (Hauptteil C, Kapitel VI) über die „[. . .] Länderfrage [. . .]“ sei „[. . .] praktisch überholt [. . .]“, bestünde aber weiter in der Verfassung.238 Auch der für Staats- und Rechtsfragen zuständigen Abteilung in der SED-Parteizentrale dürfte nicht verborgen geblieben sein, dass die staatliche Struktur nicht länger kompatibel zu der vermehrt nach sozialistisch-ideologischen Gesichtspunkten ausgerichteten Organisation des Staates sein konnte. Dementsprechend forcierte man im Frühjahr 1956 die Arbeiten an einer neuen Verfassung.239 Diese sollte dann als Meilenstein der Entwicklung der Arbeiter-und-Bauern-Macht anlässlich der 3. Parteikonferenz im März 1956 von Grotewohl, der den Auftrag gab, ein Referat für dieses Ansinnen auszuarbeiten, präsentiert werden.240 Ein „Plan zur Vorbereitung der Arbeiten für die III. Parteikonferenz“ vom 17. Februar 1956 umfasste zwei Punkte, die Verfassungsfragen unmittelbar betrafen. Das in Abschnitte gegliederte Dokument weist unter Abschnitt IV den Punkt „Überholung unserer Verfassung“ – verantwortlich zeichnete hierfür Karl Bönninger241 – und unter Abschnitt V den Punkt „Prinzipien einer neuen Verfassung“ auf, den Karl Polak und Gerhard Schulze verantworteten.242 In einem anderen Abschnitt dieses Plans (Abschnitt I), der sich mit der geschichtlichen Entwicklung der DDR auseinandersetzte, kam Hans Hoch237 Volkskammer – Rechtsausschuss (2. WP), 2. Sitzung am 24. September 1955, in: BArch, DA 1/484, Bl. 12. 238 Vgl. ebd. 239 Wie weit fortgeschritten die Vorarbeiten für eine neue Verfassung schon waren, zeigen die Überlieferungen der Abteilung Staatliche Organe, die detaillierte Verfassungsarbeiten bis auf die Ebene von Entwürfen für eine Präambel und die Neubezeichnung der örtlichen Organe („Bezirksvolksrat“) erkennen lassen, vgl. dazu SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/633. Ein erster Entwurf sollte bis zum 6. März 1956 vorliegen, vgl. den handschriftlichen Vermerk auf einem Gliederungsentwurf der zukünftigen Verfassung, in: ebd. Selbst über „Wahlsystem und Verfahren der Annahme der Verfassung“ sollte bis 8. März 1956 entschieden sein, vgl. ebd. 240 Vgl. Howe, S. 168 m. w. N. 241 Staats- und Verwaltungsrechtslehrer an der Universität Leipzig, vgl. ebd.; Bönninger stand freilich unter Polaks Regie („Verantwortlich für die Anleitung und Kontrolle: Genosse Prof. Dr. Polak“), vgl. den „Plan zur Vorbereitung der Arbeiten für die III. Parteikonferenz 1956“ vom 17. Februar 1956, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/631. 242 Vgl. ebd.
E. Die Länderkammer im Jahr der 3. Parteikonferenz der SED (1956)
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baum243 in seiner Disposition „Die Rolle der Arbeiter-und-Bauern-Macht (1948/49)“ zu dem Ergebnis, dass es heute an der Zeit sei, die staatsrechtlichen Veränderungen, etwa das durchgesetzte Prinzip des demokratischen Zentralismus, als das „[. . .] für einen sozialistischen Staat typische Organisationsprinzip [. . .]“, verfassungsrechtlich zu verankern: „Der Aufbau des Sozialismus erfordert zwingend die verfassungsrechtliche Fixierung dieses Prinzips.“244 Die Ausarbeitung zu Abschnitt IV („Überholung unserer Verfassung“) überschrieb Polak zutreffend mit: „Die alte Verfassung entspricht nicht mehr den tatsächlichen Verhältnissen.“245 Die geltende Verfassung enthalte vorwiegend Errungenschaften der „[. . .] ersten Etappe unserer Arbeiter-undBauernmacht [. . .]“, die vorwiegend „[. . .] Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Umwälzung lösten“ und darüber hinaus „[. . .] gewisse Elemente [. . .]“, die ihrem Charakter nach der zweiten Etappe, „[. . .] der Etappe der sozialistischen Umwälzung [. . .]“, entsprächen; sie fuße daher „[. . .] nicht konsequent auf dem Prinzip der sozialistischen Demokratie.“246 Polak kritisierte weiter, dass die Volkskammer als die höchste Volksvertretung nicht als ständig arbeitendes Organ ausgestaltet sei, da sie „[. . .] kein Präsidium besitzt, das die Kompetenzen des höchsten Machtorgans ständig ausübt.“247 Polak schwebte also schon zu dieser Zeit eine Institution vor, wie sie der Staatsrat später darstellte. Zudem sei in der „[. . .] gegenwärtig geltenden Verfassung [. . .] die Gliederung der Republik in Länder und damit die Existenz der Länderkammer überholt.“248 Entwicklungen, die erst später – Auflösung der Länderkammer 1958 bzw. Schaffung des Staatsrates im Jahr 1960 – oder in der sozialistischen Verfassung von 1968 verwirklicht wurden, nahm Polak hier vorweg. Auch in den Vorarbeiten zu diesem Abschnitt, die von Bönninger durchgeführt wurden („Thesen über die Verfassungsfrage in der [DDR]“), wird unter dem Unterpunkt, der den Aufbau der Staatsgewalt erörtert, angemerkt: 243 Hans-Ulrich Hochbaum (SED), damals kommissarischer Direktor des Instituts für Verwaltungsrecht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, vgl. Verlag für Internationalen Kulturaustausch, S. 105. 244 „Die Rolle der Arbeiter-und-Bauern-Macht (1948/49)“, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/631. 245 Vgl. „Disposition zu Abschnitt IV“, in: ebd. 246 Vgl. ebd. 247 Vgl. ebd.; siehe auch die von Polak schon genau skizzierte Stellung eines zu bildenden Staatsrates, in: „Die Prinzipien für den Aufbau und die Tätigkeit der Organe der Staatsmacht in der DDR“, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/631, auszugsweise abgedruckt bei Howe, S. 172. 248 Vgl. „Disposition zu Abschnitt IV“, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/ 631.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Im Aufbau der Staatsgewalt sind seit 1949 so grundlegende Veränderungen eingetreten, in denen die volle Entfaltung eines sozialistischen Demokratismus zum Ausdruck kommt, daß sie verfassungsmäßig verankert werden müssen.249
Betreffs der Länder und ihrer Vertretung schränkte Bönninger seine Reformbestrebungen ein: Die Gliederung der Republik in Länder und die Einrichtung der Länderkammer müssen beibehalten werden. Selbst wenn die Wiedervereinigung Deutschlands eine längere Zeit dauern wird, darf die Verfassung keine Bestimmungen enthalten, die die Stellung der DDR im Prozeß der Wiedervereinigung erschweren könnte. Es ist damit zu rechnen, daß die Länder in einem geeinten Deutschland und im Prozess der Herstellung der Einheit Deutschlands [. . .] eine gewisse Rolle spielen werden.250
Bönninger folgerichtig weiter: Es ist in jedem Falle günstiger, wenn neben den 8 [sic!] westdeutschen Ländern 5 Länder der DDR bestehen. Sei es aus Gründen der Zusammensetzung einer zweiten Kammer oder aus anderen Gründen.251
In der Endfassung der Disposition wurden Bönningers Überlegungen in dieser Frage allerdings von Polak nicht berücksichtigt. Wohl war, wie das Dokument „Die Prinzipien für den Aufbau und die Tätigkeit der Organe der Staatsmacht in der [DDR]“ zeigt, das erwünschte Ziel zu klar vor Augen, als dass man sich mit diesen – von Bönninger aufgeworfenen – taktischen Fragen weiter beschäftigen wollte: In unserem Staat der Arbeiter-und-Bauern kann es keine wie auch immer gearteten zentralen staatlichen Machtorgane geben, die neben den Volksvertretungen eine selbstständige von den Volksvertretungen unabhängige politische Macht entfalten können.252
Die Redemanuskripte für Grotewohl, der der 3. Parteikonferenz den „[. . .] Vorschlag [. . .] über die Einleitung einer Aussprache zur Schaffung einer neuen Verfassung für die [DDR]“253 unterbreiten sollte, enthielten die klare Forderung nach einer Neugestaltung der Staatsorganisation: 249 „Thesen über die Verfassungsfrage in der Deutschen Demokratischen Republik“, in: ebd. 250 Ebd.; dass dieser Abschnitt später von Polak gestrichen wurde, lag wohl daran, dass spätestens ab September 1955 infolge der Souveränitätserklärung der DDR durch die UdSSR unter Chruschtschow die „Zwei-Staaten-Theorie“ vertreten wurde, die jedweden Wiedervereinigungsplänen den Boden entzog, vgl. dazu auch: Howe, S. 169 f. 251 „Thesen über die Verfassungsfrage in der [DDR]“, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/631. 252 „Die Prinzipien für den Aufbau und die Tätigkeit der Organe der Staatsmacht in der [DDR]“, in: ebd. 253 Vgl. „Die Rolle der Arbeiter- und Bauernmacht in der [DDR]“, S. 2 und S. 117, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/632.
E. Die Länderkammer im Jahr der 3. Parteikonferenz der SED (1956)
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Die Zeit ist darum gekommen, in der wir mit der Schaffung einer volksdemokratischen Verfassung für unseren Staat [. . .] beginnen müssen.254
Man bejahe die in der DDR entstandene Klassenstruktur und sei bereit, den Klassencharakter der Staatsmacht „[. . .] offen in der neuen Verfassung anzusprechen.“255 Aus den „[. . .] gesammelten Erfahrungen [. . .]“ solle man nun unter anderem den Gesichtspunkt zugrunde legen, dass man die Volkskammer zum wirklich höchsten Organ der Staatsgewalt ausbauen müsse; sie solle in Zukunft die Gesetze allein beschließen.256 Neben einem Staatsrat als dem „[. . .] höchste[n] Vertretungsorgan der Republik nach außen [. . .]“257 (dennoch mit einem Präsidenten der Republik als Vorsitzenden des Staatsrates an der Spitze258), der die Volkskammer zwischen ihren Sitzungen vertreten sollte, neben einem Ministerrat als „[. . .] höchstes Organ der Staatsverwaltung [. . .]“ und schließlich neben einer diese Verfassungsorgane dominierenden „[. . .] marxistisch-leninistischen Kampfpartei [. . .]“259, konnte nur knapp festgestellt werden: Die Länder [. . .] werden aufgehoben. Ebenso die Länderkammer.260
Die spätere Rede, die Grotewohl auf der 3. Parteikonferenz der SED hielt, übernahm von dem Manuskript, das die Abteilung Staatliche Organe im ZK der SED vorbereitete und den Geist einer Verfassungsrevision atmete, nur den Namen. Seine Rede mit dem programmatischen Titel „Die Rolle der Arbeiter- und Bauernmacht in der [DDR]261, die den neuen und 254
Ebd., S. 39. In einer anderen Fassung des Redemanuskripts begründete man diesen Umstand auch damit – ganz im Einklang mit der marxistisch-leninistischen Lehre –, dass bestimmte Kreise noch nicht begriffen hätten, dass sich „[. . .] mit der politisch-ökonomischen Umwälzung, die sich bei uns in den letzten Jahren vollzogen hat, neue Bedingungen herangereift sind, in denen sich auch der Inhalt der alten Gesetze objektiv gewandelt hat“, vgl. „Die Rolle der Arbeiter-und-BauernMacht in der [DDR]“, S. 43, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/15; man müsse daher „[. . .] ernste Anstrengungen [. . .] unternehmen, um den Apparat [des Staates, d. Vf.] zu vereinfachen [. . .] und [. . .] überflüssige Glieder zu beseitigen [. . .]“, ebd. S. 24. 255 Vgl. „Die Rolle der Arbeiter- und Bauernmacht in der [DDR]“, S. 41, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/632. 256 Vgl. ebd., S. 76 f.; vgl. auch Punkt III. der „Thesen für eine neue Verfassung der [DDR]“, in: ebd. 257 Ebd. 258 Entgegen dem später als kollektives Staatsoberhaupt ausgestalteten Staatsrat von 1960, dazu: Lapp, Der Staatsrat im politischen System der DDR, S. 36 ff. 259 „Die Rolle der Arbeiter- und Bauernmacht in der Deutschen Demokratischen Republik“, S. 78, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/632. 260 Ebd. 261 Referat Grotewohl: „Die Rolle der Arbeiter- und Bauernmacht in der DDR“, in: Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, Protokoll der Verhandlungen der 3. Parteikonferenz, S. 641 ff.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
in Teilen unversöhnlichen Kurs gegenüber alten Strukturen einleiten sollte, lies keine diesbezüglichen Bestrebungen mehr zu Tage treten.262 Vor der 3. Parteikonferenz konsultiere Grotewohl die Sowjetführung in Moskau, deren Reaktion auf die Schaffung einer volksdemokratischen Verfassung wohl negativ ausfiel. In einem undatierten, im Vorfeld der Parteikonferenz verfassten Dokument, das mit „Wir erbitten Konsultation in einigen Fragen unserer III. Parteikonferenz“ überschrieben ist, bat man um „[. . .] Äußerung zu folgenden Fragen [. . .]“, wovon die vierte wie folgt lautete: Die Länder der [DDR] werden aufgehoben. Ebenso die Länderkammer. Das Gebiet der [DDR] gliedert sich verwaltungstechnisch in Bezirke, Kreise, Städte und Gemeinden.263
Die Aufforderung zum Richtungswechsel kam offenkundig prompt – wie Moskau auf die Fragen im Detail reagierte ist hingegen nicht schriftlich überliefert. Aus handschriftlichen Notizen Grotewohls, datiert auf den 9. März 1956, gehen die – wohl insbesondere für Moskau – ausschlaggebenden Gründe für die Einstellung der Verfassungsrevision hervor: Es unterliegt keinem Zweifel, dass die DDR in ihrer gesellschaftlichen Entwicklung weiter gegangen ist, als sich dies in der geltenden Verfassung widerspiegelt, und dass nach 1949 das Leben neue Fragen gestellt hat, die ihre Entscheidung fordern. Aber die politische Frage in der DDR und in Deutschland als Ganzem ist nach unserer Meinung nicht günstig für die Revision der Verfassung der DDR. [. . .]264
Die befürchtete ablehnende Haltung der Bevölkerung über die Frage der Einführung einer allgemeinen Wehrpflicht und die Schwierigkeiten, die man mit den Kirchen durch die beabsichtigte Neufassung der Religionsartikel265 262 Howe vermutet, der Grund hierfür lag in den Entstalinisierungskampagnen – ausgehend von Chruschtschows Geheimrede auf dem XX. Parteitag der KPdSU (14.–25. Februar 1956) – in der UdSSR. Unter diesen Vorzeichen die Aussprache über eine neue Verfassung zu eröffnen sei ein zu hohes Risiko für die DDR-Führung gewesen; gerade auch da Polak für die angedachte neue Verfassung die sog. „StalinVerfassung“ der UdSSR von 1936 als Vorbild einer wahrhaft sozialistischen Verfassung nahm; zu allem: Howe, S. 175 ff. Zur Korrespondenz der ostdeutschen Führung mit Moskau über die Frage einer neuen Verfassung ausführlich Amos, Die Entstehung der Verfassung in der SBZ/DDR, S. 337 ff. Zu den – geringen – Rückwirkungen des XX. Parteitags der KPdSU auf die Politik der SED, vgl. Malycha/ Winters, S. 126 f. 263 „Deutsche Demokratische Republik – Wir erbitten Konsultation in einigen Fragen unserer III. Parteikonferenz“, in: Nachlass Grotewohl, SAPMO-BArch, NY 4090/285, Bl. 119. 264 Handschriftliche Notizen über die Verfassungsrevision von Grotewohl, „Vertraulich“, in: ebd., Bl. 124. Das Datum 9. März 1956 findet sich auf dem ins Russische übersetzten Dokument der Notizen Grotewohls, vgl. ebd., Bl. 131. 265 Die Änderungen, die an den Artikeln über das Verhältnis von Staat und Kirche durchgeführt werden sollten, finden sich in: ebd., Bl. 120 ff. Gestrichen werden
E. Die Länderkammer im Jahr der 3. Parteikonferenz der SED (1956)
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erwartete, veranlassten Grotewohl wohl auch die empfohlenen Änderungen an den Vorschriften über die Länderkammer zu überdenken: Zweifel an der Zweckmässigkeit [sic!] rufen auch die vorgeschlagenen Veränderungen der Struktur der obersten Staatsorgane der DDR hervor, – nämlich die Liquidierung der Länderkammer und die Schaffung des Staatsrates als des kollektiven Präsidenten der Republik. Unter den gegebenen Verhältnissen würde eine solche Reorganisation als Schritt zur Vertiefung der Spaltung Deutschlands aufgefasst werden und würde in gewisser Hinsicht das Vertrauen in die Vorschläge der DDR über die Annäherung der beiden deutschen Staaten untergraben.266
Die Auflösung der ungeliebten Länderkammer war damit erneut aufgeschoben – der von der DDR-Führung angenommene Kairos abermals verpasst.
II. Die propagierte neue Rolle der Volksvertretungen Auf der 3. Parteikonferenz der SED vom 24. bis 30. März 1956 nahm Grotewohl in seinem Referat „Die Rolle der Arbeiter- und Bauernmacht in der [DDR]“267 zu jener neuen Rolle des Staatapparates Stellung. Die Partei, so Grotewohl, orientierte die antifaschistischen, demokratischen Kräfte von Anfang an hin auf die entscheidenden Fragen des staatlichen Aufbaus und der Ausübung der Macht.268 Die Parlamente habe man zu wirklichen Vertretungskörperschaften des Volkes erhoben und von jeder Bevormundung durch einen reaktionären Staatsapparat befreit.269 Die antifaschistisch-demokratische Phase sei überwunden und nun zu einer volksdemokratischen Ordnung gelangt, die eine höhere Stufe in der Entwicklung des Staates bedeute.270 Die Länderkammer konnte in diesen Erörterungen freilich keine Erwähnung finden, vielmehr scheint es so, als wollte man sie nach der Schaffung der Bezirke im Jahr 1952 aus dem kollektiven Gedächtnis tilgen. Politisch sollten Art. 41 Abs. 2 S. 2 DDV („Jedoch bleibt das Recht der Religionsgemeinschaften, zu den Lebensfragen des Volkes von ihrem Standpunkt aus Stellung zu nehmen, unbestritten“) und Art. 43 Abs. 3 DDV („Die Religionsgemeinschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie es bisher waren. [. . .]“), völlig aufgehoben werden sollten die Artt. 43 Abs. 4 u. 5, 44, 46, 47 u. 48 DDV. 266 Ebd., Bl. 128. 267 Referat Grotewohl: „Die Rolle der Arbeiter- und Bauernmacht in der [DDR]“, in: Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, Protokoll der Verhandlungen der 3. Parteikonferenz, S. 641 ff. 268 Vgl. ebd., S. 643. 269 Vgl. ebd., S. 647. Zur Rolle der parlamentarischen Körperschaften in der Periode der Umwälzung, vgl. auch: Doernberg, S. 97 f. 270 Vgl. Referat Grotewohl: „Die Rolle der Arbeiter- und Bauernmacht in der [DDR]“, in: Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, Protokoll der Verhandlungen der 3. Parteikonferenz, S. 656.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
und publizistisch begleitet wurde nur die Arbeit der Volkskammer und der Bezirke, als „[. . .] wahrhaft arbeitende Körperschaften, die beschließend und vollziehend zugleich tätig sind“, was auch in der „[. . .] Machtfülle zum Ausdruck kommt, die sich in den Volksvertretungen vereinigt.“271 Die Länderkammer konnte schon per definitionem kaum von dieser Beschreibung umfasst sein. Die häufig ungenügend vorbereitete und ad hoc ausgerufene Umgestaltung der Staatsorganisation sowie die diffus formulierte neue Rolle der Arbeit des Staatsapparates und der Volksvertretungen, die durch die Unklarheit und Weite der regelnden Normen noch verstärkt wurde, waren wohl auch der zeitgenössischen Staatswissenschaft offenkundig: [Die] Entwicklung der Volksvertretungen in der DDR zur politischen Grundlage eines Arbeiter-und-Bauern-Staates hat in den verschiedensten Richtungen bereits auch einen eindeutig nachweisbaren staatsrechtlichen Ausdruck gefunden, obwohl es noch keinen allgemeinen Verfassungsrechtssatz dieses Inhaltes gibt.272
In gewisser Weise apodiktisch für die Auflösung der Länderkammer formulierte Kröger weiter: Die politische Grundlage der DDR kann folglich nur eine Verfassungsinstitution sein, in der unmittelbar die führende Rolle der Arbeiterklasse, ihr festes Bündnis mit den werktätigen Bauern und ihre enge Zusammenarbeit mit [. . .] allen anderen ehrlich am großen Aufbauwerk mitarbeitenden Bürgern zum Ausdruck gelangen [. . .]. Diese staatliche Organisationsform im Verfassungssystem der DDR stellen die Volksvertretungen dar und können nur sie darstellen.273
Als wahre Volksvertretungen anerkannt waren freilich nur Volkskammer und Bezirkstage – und damit die von der SED dominierten und monopolisiert am Staatswesen teilnehmenden Organe. Die Länderkammer wurde nicht mehr als ein Verfassungsorgan der Republik gesehen, sondern sank herab zu einem Anhängsel der Bezirke, ja zu einem Republikausschuss der Bezirke. Unausgesprochen mussten also Institutionen, die sich aufgrund ihrer Struktur nicht wirklich – oder nur durch Destruktion ihrer ursprünglich angedachten Funktion – in das Konzept der einen und unteilbaren sozialistischen Staatsmacht einfügen konnten, mittelfristig beseitigt werden: Die Aufgabe, gerade hinsichtlich staatsrechtlicher Fragen [. . .] die strenge Beachtung der sozialistischen Gesetzlichkeit durchzusetzen, ist [. . .] deshalb von besonderer Wichtigkeit, weil von ihrer Lösung die volle Entwicklung der Demokratie des Arbeiter-und-Bauern-Staates entscheidend abhängt.274 271 272 273 274
Vgl. ebd., S. 684. Kröger, SuR 1956, 415 (417). Ebd., 415 (417 f.). Ebd., 415 (425).
F. Der Auflösung der Länderkammer vorausgegangene Entwicklungen
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So auch Polak: Deshalb muss von Zeit zu Zeit geprüft werden, was das Neue, das in der bisherigen Tätigkeit der Staatsorgane Herangereifte ist und was verändert werden muß, um dieses Neue allseitig zu fördern. Die Formen des Staatsapparates müssen dem sich entfaltenden Wesen unserer Staatsmacht, der politischen und ökonomischen Entwicklung der Macht unseres Volkes, der Hebung seines Bewußtseins und seiner Aktivität angepasst werden [. . .].275
Obschon in all diesen Worten hinter jeder Zeile ein nicht einmal allzu versteckter Hinweis auf jene Institution stand, die all diese Forderungen, die an sie gestellt wurden, nicht erfüllen konnte, sollte es gleichwohl noch mehr als zwei Jahre dauern, bis man das abstrakt Beschriebene, das unausgesprochen Ausgesprochene endlich auch mit einem nach außen sichtbaren Ergebnis vollziehen konnte: Die Auflösung jener Kammer, die der Vertretung längst beseitigter Strukturen diente und der „neuen Rolle“ der Volksvertretungen im Wege stand.
F. Der Auflösung der Länderkammer vorausgegangene staatsorganisatorische Entwicklungen Der Auflösung der Länderkammer unmittelbar voraus, ging vor allem die Verabschiedung zweier maßgeblicher Gesetze276, mit denen man auf eine „[. . .] höhere Stufe der sozialistischen Aufbautätigkeit [. . .]“277 gelangen wollte.278
I. Das Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 17. Januar 1957 Schon die Präambel dieses Gesetzes279 hob das Neue hervor: Mit dem begonnenen Aufbau des Sozialismus habe man den Weg „[. . .] frei gemacht 275
Polak, SuR 1957, 437. Zu diesen Gesetzen vgl. auch: Schulze, SuR 1957, 1, passim; Toeplitz, NJ 1957, 65, passim. 277 Polak, SuR 1958, 225 (226). 278 „Den Anstoß zur Vorbereitung dieser Gesetze gab die 3. Parteikonferenz der SED“, so der Berichterstatter Max Seydewitz (SED) vor der Volkskammer, vgl. VK (2. WP), 20. Sitzung am 17. Januar 1957, in: Protokolle, S. 632. Die Ausarbeitung der Gesetze erfolgte in der SED-Parteizentrale in der Abteilung Staatliche Organe, siehe dazu das Dokument „Schlußfolgerungen aus der III. Parteikonferenz“, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/15, Bl. 11 ff., wenngleich diese Gesetze im Vergleich zu einer vormals geplanten Totalrevision der Verfassung ein deutliches Minus darstellten. 279 GBl. I S. 65 (1957). 276
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
zu einer tiefgreifenden revolutionären Umgestaltung des gesamten gesellschaftlichen Lebens.“ Die Volksvertretungen und die Organe des Staatsapparates bildeten nun das „[. . .] einheitliche System der Arbeiter-und-Bauern-Macht.“ Das Gesetz, das sich auf die Organisation der örtlichen Organe bezog, also diejenigen von der Ebene des Bezirks abwärts, vgl. § 2 dieses Gesetzes, normierte für alle Organe der Staatsmacht in § 5 Abs. 1 erstmals das Prinzip des demokratischen Zentralismus: „Der Aufbau der Organe der Staatsmacht in der Deutschen Demokratischen Republik beruht auf dem Prinzip des demokratischen Zentralismus.“ Das am selben Tag verabschiedete Gesetz über die Rechte und Pflichten der Volkskammer gegenüber den örtlichen Volksvertretungen280, das letztere der umfassenden Anleitung und Kontrolle der Volkskammer unterwarf, stellt in der Präambel dementsprechend auch für alle Organe der Staatsmacht fest: „Der Volkskammer als dem höchsten Organ der Staatsmacht [. . .] obliegt die Leitung der gesamten staatlichen Tätigkeit.“281 In das nun postulierte Prinzip des demokratischen Zentralismus konnte sich die Länderkammer nicht mehr einfügen. Der Volkskammer als zwar höchstem Organ konnte sich ein zweites legislatives Verfassungsorgan nicht unterordnen, da wenigstens nach der Verfassung zwar nicht die Stellung, doch wenigstens die Ebene, auf der sich die beiden Organe begegneten, dieselbe war.
II. Das Gesetz über die Vervollkommnung und Vereinfachung der Arbeit des Staatsapparates vom 11. Februar 1958 Im Frühjahr des Jahres 1958 verabschiedete man das Gesetz über die Vervollkommnung und Vereinfachung der Arbeit des Staatsapparates in der [DDR]282, das die führenden Vertreter der SED besonders herausstellten und gewissermaßen den vorläufigen Endpunkt einer Entwicklung darstellte, die schließlich am Ende des Jahres 1958 noch zur Abschaffung der Länderkammer führen sollte. Die nun fortgeschrittene sozialistische Umwälzung der Gesellschaft stelle immer höhere Aufgaben an die Organe der Arbeiter-und-Bauern-Macht, so die Präambel des Gesetzes, und bedinge nunmehr eine tiefgreifende und umfassende Verbesserung und Vereinfachung der Arbeit des Staatsappa280
GBl. I S. 72 (1957); vgl. zu diesem Gesetz auch: Leissner, S. 216 ff. In Art. 63 Abs. 1 DDV noch auf die „[. . .] Überwachung der gesamten Tätigkeit des Staates [. . .]“ beschränkt. 282 GBl. I S. 117 (1958). 281
F. Der Auflösung der Länderkammer vorausgegangene Entwicklungen
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rates.283 Umfasste dieses Gesetz in seinem Hauptinhalt Fragen die Lenkung und Planung der Wirtschaft betreffend, führte § 2 Abs. 1 Nr. 1 dieses Gesetzes aus, auf welchen Grundprinzipien der Staat sich nun unverbrüchlich aufbauen sollte: Um die Erfüllung der wachsenden Aufgaben beim Aufbau des Sozialismus zu gewährleisten, ist die leitende Tätigkeit im gesamten Staatsapparat nach folgenden Grundsätzen zu verbessern: 1. Für die Tätigkeit aller Organe der Staatsmacht [. . .] gilt das Prinzip des demokratischen Zentralismus.
Diese Regelung glich also im Wesentlichen derjenigen, die schon in § 5 Abs. 1 des Gesetz[es] über die örtlichen Organe der Staatsmacht284 vom 17. Januar 1957 verwandt wurde. Versteckte man gewissermaßen die Festschreibung des Prinzips des demokratischen Zentralismus vormals noch in einem Gesetz, das die Angelegenheiten örtlicher Staatsorgane regelte, so wurde es nun eindeutig und unter Vermeidung jedweden Zweifels – wie schon der Name des Gesetzes sagt – auf die „[. . .] Arbeit des Staatsapparates [. . .]“ bezogen.285 Verdeutlich wird dieser neue, offensive Umgang mit den postulierten Prinzipien anhand der Ausführungen Ulbrichts, welcher jenes Gesetz in seiner Eigenschaft als Erster Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrats regierungsseitig vor der Volkskammer begründete.286 Man sei sich bewusst, so Ulbricht vor dem Plenum, dass sich die Staatsmacht der Arbeiter und Bauern entwickle und im Rahmen der Grundsätze der volksdemokratischen Macht sich Formen und Methoden der staatlichen Tätigkeit entsprechend den höheren Aufgaben veränderten.287 In einer Rückschau der Verfassungsentwicklung der DDR folgerte Ulbricht: Nach der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik [. . .] entwickelten sich rasch die sozial-ökonomischen Grundlagen der Gesellschaft, aber in bezug auf die staatliche Struktur herrschten noch alte Formen. Zwar hatte unser Staats283 Ulbricht sah in dem Gesetz den „[. . .] Beginn eines neuen Abschnitts der staatlichen Entwicklung“; der Staatsapparat könne damit seine Funktion als Hauptinstrument des sozialistischen Aufbaus besser erfüllen, Rede Walter Ulbricht: „Der Kampf um den Frieden, für den Sieg des Sozialismus, für die nationale Wiedergeburt Deutschlands als friedliebender, demokratischer Staat“ auf dem V. Parteitag der SED am 10. Juli 1958, in: Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, Protokoll der Verhandlungen des V. Parteitages, S. 56. 284 GBl. I S. 65 (1957). 285 Püschel sieht in den Grundgedanken des Gesetzes mit „[. . .] revolutionärer Kühnheit [. . .]“ normierte „[. . .] neue Formen der staatlichen Leitung des sozialistischen Aufbaus [. . .]“, ders., NJ 1958, 343 (344). 286 Vgl. VK (2. WP), 32. Sitzung am 10. und 11. Februar 1958, in: Protokolle, S. 1058 ff. 287 Vgl. ebd., S. 1058.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
apparat in den ersten Jahren – den Jahren der antifaschistisch-demokratischen Ordnung – viele der alten bürgerlichen Einrichtungen abgestreift. Er hatte damit den Rahmen der bürgerlichen Demokratie überschritten. [. . .] Es entwickelte sich ein Widerspruch zwischen der ökonomischen Entwicklung und den alten Formen des Staatsapparates. Dieser Widerspruch wurde auf der damaligen Stufe der Entwicklung gelöst durch die Veränderungen, die wir 1952 mit dem Gesetz über die weitere Demokratisierung [. . .] vollzogen haben. Das war ein wichtiger Schritt zur Verwirklichung des demokratischen Zentralismus [. . .].288
Welche Institutionen dieser Entwicklung entgegenstanden lag für Ulbricht auf der Hand: Die Erfahrungen, die seit dieser Zeit gemacht wurden, haben vollauf bestätigt, daß es wichtig war, die Landesregierungen aufzulösen, den Partikularismus der Länder zu überwinden und das neue Prinzip des demokratischen Zentralismus zu verwirklichen.289
Trotz der mannigfaltigen staatsorganisatorischen Veränderungen war für Ulbricht das Ende aller Umgestaltung noch nicht erreicht; dieser Umstand musste sich zwangsläufig in Kürze auf die Existenz der Länderkammer auswirken. Der Kerngedanke seiner Rede lautete dann auch: Die gegenwärtige Struktur und Arbeitsweise des Staatsapparates entspricht [. . .] nicht unseren Erfordernissen.290
Die Triebfeder der notwendigen weiteren Maßnahmen lag für Ulbricht in den zwingend zu verwirklichenden Forderungen der vertretenen Dogmatik: In Anbetracht dieser Bedeutung der Beschlüsse wäre es völlig unsinnig, lediglich von einer Regelung von Strukturfragen zu sprechen. Es handelt sich um politische Beschlüsse von großer Tragweite. Diese Beschlüsse basieren auf der marxistischleninistischen Staatstheorie [. . .].291
Nach Polak, der als Berichterstatter des Rechts- und Wirtschaftsausschusses der Volkskammer zu diesem Gesetz Stellung nahm292, müsse das Credo der gesamten staatspolitischen Tätigkeit nunmehr lauten: Unser sozialistischer Staatsapparat darf im Kampf gegen die alten bürgerlich-kapitalistischen Verhältnisse, gegen die alten Organisationsformen sowie die alten Denk- und Lebensgewohnheiten nicht zurückstehen. Er ist das wichtigste Instru288
Ebd., S. 1059. Ebd. 290 Ebd., S. 1060; so auch Kleyer: „Weil unser Staat das Hauptinstrument für den Aufbau des Sozialismus ist, deshalb müssen [. . .] seine Organisation und die Methoden seiner Leitung so gestaltet werden, daß er den ökonomischen und politischen Aufgaben, die die Durchführung der sozialistischen Revolution in ihren einzelnen Etappen stellt, am erfolgreichsten gewachsen ist“, ders., NJ 1958, 221. 291 VK (2. WP), 32. Sitzung am 10. und 11. Februar 1958, in: Protokolle, S. 1062. 292 Vgl. ebd., S. 1076 ff. 289
G. Die Auflösung der Länderkammer
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ment in der Hand der Arbeiterklasse und ihrer Partei zur Führung der Gesellschaft auf den Weg des Sozialismus, und darum ist er vor allem dazu berufen, diesen Kampf zu führen.293
Als Rudiment dieser alten bürgerlich-kapitalistischen Institutionen stand als Solitär nur noch die Länderkammer der neuen sozialistischen Staatsordnung entgegen, deren Beseitigung noch immer nicht vollzogen wurde, wenngleich man in der staatlichen Entwicklung eine „[. . .] strenge Folgerichtigkeit [. . .]“294 erkennen wollte.
G. Die Auflösung der Länderkammer Ob erst die Politbürositzung vom 11. November 1958 die Auflösung der Länderkammer beschloss oder schon früher in den engsten Parteizirkeln über diese Frage Überlegungen angestellt wurden, lässt sich nicht mehr eruieren.295 Den letzten Anstoss für die nun wieder zu Tage tretende Erörterung der Länderkammerfrage dürfte hingegen die Rede Nikita Chruschtschows im Moskauer Sportpalast am Tag zuvor gegeben haben. Dort forderte der sowjetische Partei- und Regierungschef den Viermächtestatus von Berlin aufzuheben („Freie Stadt Westberlin“) – mit dem eigentlichen Ziel der Eingliederung Groß-Berlins in das Gebiet der DDR – und drohte mittelfristig mit der Note vom 27. November 1958 bei Nichtabzug der alliierten Truppenkontingente mit dem Abschluss eines separaten Friedensvertrages mit der DDR und Einstellung aller noch bestehenden alliierten Kontakte („Zweite Berlinkrise“).296 Diese Spannungen über die Berlinfrage sollten schließlich 293
Polak, SuR 1958, 225 (227). Ebd., 225 (228). So konsequent, als dass man der Entwicklung des Sozialismus entgegenstehende Institutionen zu gegebener Zeit, die für die Länderkammer schon längst verstrichen war, beseitigte, war man wohl aus taktischen Gründen keineswegs. So aber Polak: „Die Entwicklung geht in der Richtung der stets sich vervollkommenden Anpassung der Tätigkeit des Staatsapparates an unsere gesellschaftliche Entwicklung vom Kapitalismus zum Sozialismus, die unser Staatsapparat zu führen hat. Diese Anpassung vollzieht sich in der Weise, daß die überholten Formen immer mehr abgestreift und die neuen, der Bewegung der Entwicklung angepassten Formen herausgebildet wurden“, ebd. 295 Die engere Führung der Blockparteien war jedenfalls nicht über die bevorstehende Auflösung informiert. Auf der Sitzung des Präsidiums des Hauptvorstandes der CDU am 4. November 1958 wurden zwar die Kandidaten für die Länderkammer bestätigt, die Frage der Auflösung allerdings ebenso wenig diskutiert wie in der Sitzung desselben Gremiums am 25. November 1958, vgl. die Protokolle dieser Sitzungen, in: ACDP, Ost-CDU: Vorstand, 07-010-5824. Die Akten der LDPD lassen ebenso keinen diesbezüglichen Vorgang in den maßgeblichen Gremien erkennen. 296 Vgl. dazu: Malycha/Winters, S. 153 f. 294
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
bis zum Jahre 1963 andauern und äußerten sich in zeitweisen Beschränkungen des alliierten Zugangs nach Berlin. Mit Beginn der Kuba-Krise im Jahre 1962 verlagerte sich der Schwerpunkt dieser Systemauseinandersetzung schließlich. Die Sowjetunion stellte ihre Forderungen Berlin betreffend wegen der erkannten Nichtdurchführbarkeit ein. Für die SED-Führung dürfte die Aussicht auf „echte“ Souveränität und der Abschluss eines Friedensvertrages hingegen so verlockend gewesen sein, dass man die Staatsorganisation eilig „auf Vordermann“ bringen wollte. Sicher hingegen ist, dass sich die Nomenklatura schon seit dem „Demokratisierungsgesetz“ von 1952 darüber klar war, dass die Länderkammer nicht mehr in die sozialistische Staatsordnung einzubetten war und diese Sichtweise innerhalb der Parteikader auf einhellige Zustimmung stieß. Zum Ende der zweiten Wahlperiode der Länderkammer wurde dieses ungelöste staatsorganisatorische Problem wieder akut und konnte nun endgültig einer Lösung zugeführt werden. Interessanterweise enthält eine „Vorlage für das Politbüro“ der Abteilung Staats- und Rechtsfragen im ZK der SED297 vom 10. November 1958 – angefertigt also einen Tag vor der die Auflösung beschließenden Politbürositzung – zwar einen genauen Leitfaden für die Konstituierung der dritten Volkskammer und der Bezirkstage sowie den Entwurf einer Tagesordnung für die zweite Volkskammersitzung, anlässlich der das Gesetz über den Ministerrat der [DDR]298 eingebracht werden sollte, gleichzeitig weist diese Tagesordnung aber keinen Punkt über die Verabschiedung eines die Länderkammer betreffenden Auflösungsgesetzes auf, so dass es nahe liegt, dass nicht einmal die für Verfassungsfragen zuständige ZK-Abteilung über den nun gegenwärtigen Auflösungsplan informiert war.299 Demnach darf angenommen werden, dass erst die Politbürositzung vom 11. November 1958 das entscheidende Signal zur Auflösung der Länderkammer gab.
297 Zur Geschichte und Binnenorganisation dieser ZK-Abteilung ausführlich: Amos, Politik und Organisation der SED-Zentrale, S. 360 ff. Vgl. dazu auch: Dreier/Eckert/Mollnau u. a., S. 31 f.; Howe, S. 167. 298 GBl. I S. 865 (1958). 299 Ebenso machte sich das Sekretariat der Länderkammer noch am 25. November 1958 Gedanken über die Ausstellung von Abgeordnetenausweisen, die „[. . .] nach der konstituierenden Sitzung [. . .]“ ausgegeben werden sollten, vgl. die Schreiben von Erich Kundermann (SED), stellvertretender Leiter des Sekretariats, an die Vorsitzenden der Räte der Bezirke mit der Bitte Passbilder für diese Ausweise zu übersenden, in: BArch, DA 2/102, Bl. 34 ff.
G. Die Auflösung der Länderkammer
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I. Der Auftrag des Politbüros zur Anfertigung einer juristischen Expertise über die Auflösung der Länderkammer vom 11. November 1958 Anlässlich der Politbürositzung am 11. November 1958 behandelte man unter Punkt 6 der Tagesordnung die „Frage der Länderkammer“.300 Das Beschlussprotokoll vermerkt hierzu: Die Abteilung für Staats- und Rechtsfragen wird beauftragt, hinsichtlich der Frage der Länderkammer und der dazu notwendigen Verfassungsänderung alle in der Diskussion aufgeworfenen Fragen zu überprüfen und zur nächsten Sitzung des Politbüros (18. November) Vorlage auszuarbeiten. Dabei ist auch die Frage zu beantworten, ob die Verfassungsänderung jetzt oder zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen soll.301
Deutlicher wird die handschriftliche Protokollierung von Otto Schön, Leiter des Büros des Politbüros des ZK: P.B. [Politbüro, d. Vf.] fasst Grundsatz-Beschluss. Länd. Kammer jetzt wegfallen zu lassen, Verfassung zu ändern in dieser Frage. Dazu Plenum ZK notwendig. Wegen Länderkammer + Reg. [wohl Regelung, d. Vf.] Volkskammer + Zusammensetzung. Regierung. Dann Blocksitzung. Abtl. Staat + Recht beauftragt, alle im Diskurs aufgeworfenen Fragen zu überprüfen + ob jetzt oder zu einem anderen Zeitpunkt. Vorlage zur nächsten Sitzung.302
Aus dieser kurzen handschriftlichen Notiz wird deutlich, dass die Auflösung der Länderkammer in den Augen des Politbüros unumgänglich geworden war. Die einzigen offenen Fragen betrafen das Verfahren der Auflösung. Im Übrigen wollte man sichergehen, dass das ZK und die Blockparteien dem Ansinnen positiv gegenüberstanden, um sich damit bei der Rechtfertigung der Auflösung der Länderkammer auf ein breites Fundament stützen zu können. Mit der Durchführung des Beschlusses betraute man schließlich nur einen engen Kreis um Walter Ulbricht, Gerhard Grüneberg303 und Klaus Sorgenicht304.305 300
Politbüro, Sitzung am 11. November 1958 (Protokoll Nr. 45/58), in: SAPMOBArch, DY 30/J IV 2/2/617, Bl. 1. 301 Ebd., Bl. 3 f. 302 Handschriftliche Protokollierung der Politbürositzung vom 11. November 1958 durch Otto Schön, in: SAPMO-BArch, DY 30 J IV 2/2 A/662. 303 Nach englischer Kriegsgefangenschaft 1947–1949 Abteilungsleiter bzw. 1. Sekretär der SED-Kreisleitung Guben, 1949–1952 Sekretär der SED-Landesleitung Brandenburg, 1952–1956 Parteihochschule, 1952–1958 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Frankfurt/Oder, 1958–1961 Leiter der Kommission für Staats- und Rechtsfragen beim Politbüro, 1958–1981 MdVK, ab 1966 Mitglied des Politbüros, vgl. zur Person: Baumgartner/Hebig, S. 255.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Die juristische Expertise zur Auflösung der Länderkammer hatte die Abteilung Staats- und Rechtsfragen im ZK der SED also in denkbar knapp bemessener Zeit – zwischen dem 11. und 18. November 1958 – auszuarbeiten.
II. Die Vorbereitung der Auflösung der Länderkammer durch die Abteilung Staats- und Rechtsfragen im ZK der SED Das als „Stellungnahme der Abteilung Staats- und Rechtsfragen zur Frage der Länderkammer“306 bezeichnete Dokument, das für das Verhältnis der SED zur Länderkammer ein Schlüsseldokument darstellt, begann mit einem historischen Abriss über die Geschichte der Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR, der einleitend so begann: Die Länderkammer in der Verfassung der [DDR] ist ein Überrest des alten föderativen [. . .] Staatsaufbaus. [. . .] Es handelt sich hier um den letzten Nachfahren des Bundesrates des Kaiserreichs und des Reichstages [sic!, gemeint Reichsrates, d. Vf.] der Weimarer Republik.307
Die Partei habe den föderativen Staatsaufbau schon von Anbeginn abgelehnt; dies sei auch durch den am 14. November 1946 beschlossenen „Entwurf einer Verfassung für die deutsche demokratische Republik“ zum Ausdruck gekommen.308 Weshalb es dann doch zu einer zweiten Kammer gekommen sei, habe sich aus den politischen Rahmenbedingungen ergeben: Der Stand der Verhandlungen der Außenministerkonferenz [gemeint die Moskauer Außenministerkonferenz von 1947, anlässlich der Molotow eine zweite Kammer vorschlug, d. Vf.] in der Deutschlandfrage führte dazu, eine zweite Kammer in die Verfassung einzubauen – als ein Kompromiß, der die Möglichkeit der Überbrückung der Gegensätze in der gesamtdeutschen Verfassungsfrage in Aussicht stellte. 304 Nach sowjetischer Kriegsgefangenschaft Bürgermeister bzw. Landrat in Güstrow, 1949–1951 Leiter der Abteilung Staatliche Verwaltung im ZK der SED, 1950 Leiter der Abteilung Personalangelegenheiten im Ministerium für Innere Verwaltung des Landes Mecklenburg, 1951/52 Hauptabteilungsleiter im Ministerium des Innern der DDR, 1953/54 Studium an der Parteihochschule der KPdSU in Moskau, 1954–1989 Leiter der Abteilung Staats- und Rechtsfragen im ZK der SED, 1958–1990 MdVK, 1963–1990 Mitglied des Staatsrats, vgl. zur Person: Müller-Enbergs/Wielgohs/Hoffmann, S. 807. 305 Vgl. Beschlussauszüge mit Verteiler der Sitzung des Politbüros vom 11. November 1958, in: SAPMO-BArch, DY 30/4611 Bl. 5. 306 SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/258. Aus dem Dokument selbst geht der Autor nicht hervor; einiges spricht für Gerhard Grüneberg als (Mit-)Verfasser, vgl. unten: Kap. 5 G. IV. (Fn. 328). 307 „Stellungnahme der Abteilung Staats- und Rechtsfragen zur Frage der Länderkammer“, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/258. 308 Vgl. ebd.
G. Die Auflösung der Länderkammer
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Aus dieser Lage heraus wurde in dem Verfassungsentwurf [. . .] die Länderkammer in die Verfassung eingebaut.309
Über die verfassungsrechtliche Stellung der Länderkammer vermerkte diese Stellungnahme knapp: Der Einbau dieses Überrestes des föderativen Staatsaufbaus erfolgte indes in einer Form, die der Herausbildung und Festigung der Zentralgewalt kaum hinderlich sein konnte. Ganz abgesehen davon, daß die Länderkammer keinerlei Einfluß [. . .] hatte, wurde ihr hinsichtlich der Gesetzgebung [. . .] nur ein sogenanntes aufschiebendes Veto eingeräumt.310
Unter dem Punkt „Die Länderkammer in der Staatsentwicklung der [DDR]“ wurde darauf hingewiesen, dass Otto Grotewohl schon 1948 betont habe, dass durch das Bedürfnis, die Wirtschaft auf einer höheren Ebene zu planen, der politisch-staatliche Aufbau auf Länderbasis gesprengt werde. Demgemäß führte der Autor der Abteilung Staats- und Rechtsfragen aus: Angesichts dieser Grundlinie der Entwicklung der staatlichen Tätigkeit mußte eine staatliche zentrale Institution wie die Länderkammer, die die Belange der Länder gegenüber der Zentralgewalt vertritt, als widernatürlich erscheinen und je mehr mit der Entwicklung des sozialistischen Aufbaus der demokratische Zentralismus sich durchsetzte – einen Platz außerhalb der Gesamtgefüges der staatlichen Tätigkeit einnehmen [. . .]. Es ist klar, daß damit für den inneren Staatsaufbau die alte Länderstruktur endgültig überwunden war.311
Der Abschnitt „Die Länderkammer in der jetzigen Periode unserer Staatsentwicklung“ kam zu einer für die Länderkammer wenig schmeichelhaften Charakterisierung ihrer Arbeit, die allerdings von der SED nicht anderes gewollt war: Die Tätigkeit der Länderkammer hat sich in letzter Zeit ausschließlich auf die Zurkenntnisnahme der Gesetzesbeschlüsse der Volkskammer beschränkt. Es ist festzustellen, daß von seiten der Länderkammer auch keinerlei Ausstrahlung auf die Bezirkstage vorsichging und vorsichgehen konnte. Demgegenüber ist die Verbindung der Volkskammer [. . .] mit der Bevölkerung [. . .] im Zuge des demokratischen Zentralismus systematisch ausgebaut worden und gewachsen.312
Die Rücksichtnahme auf Westdeutschland313 und die Existenz der Länderkammer als verbindendes Band314 konnte nun aufgegeben werden: 309
Ebd. Ebd. 311 Ebd. 312 Ebd. 313 So konstatierte die wohl überwiegende Auffassung in Westdeutschland, dass „[. . .] der Föderalismus bei der Wiedervereinigung [. . .] die vielleicht entscheidende Bewährungsprobe [. . .]“ bestehen müsse, vgl. Ritter v. Lex, S. 243. 314 So auch: Wietstruk, SuR 1989, 753 (758). Die offizielle Geschichtsschreibung der DDR führte auch dementsprechend aus: „Die Länderkammer, die bis 1958 be310
314
Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Die früheren Bedenken hinsichtlich der gesamtdeutschen Erwägungen entfallen heute vollends. Durch die Herausbildung der Zweistaatlichkeit in Deutschland kann die Existenz der Länder und die Länderbasis keinerlei Grundlage für die Verhandlungen über die Rekonstruktion der Einheit Deutschlands sein. Die Entwicklung der beiden deutschen Staaten hat dazu geführt, daß in ihr die Länder keinerlei selbstständige Rolle mehr spielen können. Die Entwicklung der [DDR] zum sozialistischen Staat auf der einen, der Bundesrepublik zur klerikal-militaristischen Diktatur315 auf der anderen Seite, hat die Ländereinteilung hier wie dort illusorisch gemacht. Die alte Länderautonomie existiert heute faktisch nicht mehr. Die Durchsetzung des demokratischen Zentralismus und der sozialistischen Gesetzlichkeit hat bei uns den Rahmen der alten Länderautonomie gesprengt. Die früheren Länder sind heute aufgegangen in den einheitlichen sozialistischen Staat, der der Entfaltung der sozialistischen Demokratie dient.316
Daher galt: Die Beseitigung der Länderkammer der [DDR] ist vom Standpunkt unserer Staatsentwicklung gesehen ein längst reifes Problem. Die Länderkammer ist ein Ballast, der, wenn er auch keine Gefahr für die innere Staatsentwicklung darstellt, doch ein Fremdkörper im staatlichen Gesamtmechanismus ist, dessen Beseitigung eine größere Klarheit und Einheitlichkeit schaffen würde.317
Punkt VI des Dokuments schlussfolgerte: a) Die Auflösung der Länderkammer wird als durchaus zeitgemäß und für die weitere Staatsentwicklung gesund erachtet. Sie ist vom Standpunkt der Entwicklung des Mechanismus unserer Staatsmacht als sozialistischer Staat längst stand, trug der Stellung der Länder im Verwaltungsaufbau nach 1945 Rechnung und zielte in staatspolitischer Hinsicht darauf, die Zerreißung Deutschland durch den Imperialismus zu überwinden und die Einheit Deutschlands auf demokratischer Grundlage herzustellen“, Autorenkollektiv (Ltg.: Badstübner), Geschichte der DDR, S. 114. 315 Wenn das Dokument weiter ausführte, „[. . .] die Durchsetzung des bürokratischen Zentralismus im Bonner Staat hat die alte Länderautonomie erdrosselt und die Länderverwaltungen in die bloß nachgeordneten Instanzen der Bonner Zentralgewalt verwandelt [. . .]“ und „[d]er Bonner Bundesrat ist das Instrument in der Hand der Bonner Machthaber zur Drosselung der Länder“, vgl. „Stellungnahme der Abteilung Staats- und Rechtsfragen zur Frage der Länderkammer“, in: SAPMOBArch, DY 30/IV 2/13/258, so änderte sich seit den Tagen des Verfassungsausschusses des Deutschen Volksrates die Sichtweise der SED auf die Verfassungsordnung der Bundesrepublik enorm. In eben jenem Verfassungsausschuss merkte Alfons Steiniger (SED) – anlässlich seiner Analyse des Bonner Grundgesetzes – noch an, beim Bundesrat liege die Fülle der Staatsgewalt, vgl. VerfUA, 1. Sitzung am 24. Februar 1949, in: BArch, DA 1/159, Bl. 56; vgl. auch andernorts: „Die Fülle der Staatsgewalt liegt nach dem Entwurf des Parlamentarischen Rates [. . .] bei der föderalen Ministerkonferenz, dem Bundesrat“, Steiniger, NJ 1949, 49. 316 „Stellungnahme der Abteilung Staats- und Rechtsfragen zur Frage der Länderkammer“, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/258. 317 Ebd.
G. Die Auflösung der Länderkammer
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fällig. Außenpolitische und gesamtdeutsche Erwägungen318 können [. . .] kein Hindernis [. . .] sein. b) Bezüglich des Verfahrens der Auflösung der Länderkammer wird vorgeschlagen: 1. Der Ministerpräsident wird bei der Abgabe der Regierungserklärung – und zwar in dem Teil, wo er die Entwicklung des Staatsaufbaus und die Tätigkeit der Staatsorgane behandelt – die Beseitigung der Länderkammer als eine aus der Entwicklung des Staatsapparates natürlich und notwendig sich ergebende staatsorganisatorische Maßnahme319 vorschlagen, so daß die Frage nicht zu einer prinzipiellen und politischen erhoben wird – die sie auch nicht ist. (Es wäre nicht tunlich, wenn diese Maßnahme von allen politischen Parteien beantragt würde, da ihr damit eine politische Bedeutung beigegeben würde, die ihr nicht zukommt.)320 [. . .] 2. [. . .] Für den Fall der Auflösung der Länderkammer wäre der Tatsache Rechnung zu tragen, daß der Vorsitzende der CDU die Funktion des Präsidenten der Länderkammer verliert. Es wäre zu entscheiden, ob – aus blockpolitischen Erwägungen321 – er in eine andere Funktion einzusetzen ist.322 318 „Die Lage ist dahin einzuschätzen, daß aus der in den früheren Etappen der Entwicklung betriebenen Politik der Wiedervereinigung im Westen weit verbreitet die Auffassung besteht, daß die Ländereinteilung (die die ‚letzte Klammer des einheitlichen Deutschland‘ sei), ihre Sanktion im Potsdamer Abkommen habe. Möglicherweise wird die Einwendung gegen uns erhoben werden können, wir hielten uns in diesem Punkte nicht mehr an das Potsdamer Abkommen. [. . .] Demgegenüber ist festzustellen, daß die Ländereinteilung Deutschlands nicht in eine unmittelbare Verbindung mit dem Potsdamer Abkommen zu bringen ist“, ebd. 319 Unterstreichung im Original; in einer Rededisposition Gerhard Grünebergs für die Sitzung des Demokratischen Blocks am 1. Dezember 1958 war diese Passage wie folgt gefasst: „Wir müssen den Schritt, den wir jetzt bei der Auflösung der Länderkammer als das darstellen , was er wirklich ist, nämlich eine staatsstrukturelle Maßnahme, als Maßnahme der Anpassung des Staatsaufbaus an unsere politischen und ökonomischen Grundlagen. Es wäre falsch, ihn als politischen ‚Einschnitt‘ darzustellen. Vielmehr zeigt unsere ganze Entwicklung, daß dieser Schritt jetzt notwendig wird“, Nachlass Grüneberg, SAPMO-BArch, NY 4233/13, Bl. 255. 320 Damit konnte sich der Autor nicht durchsetzen, der Gesetzentwurf wurde von allen Fraktionen eingebracht. 321 August Bach wurde Stellvertreter des Präsidenten der Volkskammer. Diese Rochade wurde auf der Sitzung des Politbüros vom 18. November 1958 beschlossen: „Mit der CDU ist zu verhandeln, daß Herr Bach als Stellvertreter des Präsidenten der Volkskammer anstelle von Gerald Götting vorzuschlagen ist“, vgl. Politbüro, Sitzung am 18. November 1958 (Protokoll Nr. 46/58), in: SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2/618, Bl. 4. 322 „Stellungnahme der Abteilung Staats- und Rechtsfragen zur Frage der Länderkammer“, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/258. Der Entwurf dieser Stellung-
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Bis auf wenige Abweichungen wurde dieser Leitfaden für den Weg zur Auflösung der Länderkammer verwirklicht. Konzedierte die SED in den Anfangstagen noch eine Ländervertretung mit Rücksicht auf die bürgerlichen Parteien und auf Westdeutschland, war ihre Macht im Jahr 1958 so gefestigt, dass allein ihre Kader – unter Mitwirkung der Abteilung Staats- und Rechtsfragen – die Auflösung der Länderkammer durchsetzen konnten.323 Auf andere Befindlichkeiten, die in der Vergangenheit noch eine in Teilen zurückhaltende Herangehensweise zu rechtfertigen vermochten, nahm man keine Rücksicht mehr.
III. Weichenstellung der Auflösung durch die Politbürositzung vom 18. November 1958 Das Gutachten der Abteilung Staats- und Rechtsfragen zu Händen, traf sich das Politbüro am 18. November 1958 zur vorletzten die Erörterung von Länderkammer-Fragen betreffenden Sitzung. Tagesordnungspunkt 3 sah die Berichterstattung des „Genossen Grüneberg“ über die „Vorlage über die Länderkammer“ vor.324 Die Sitzungen des Politbüros wurden nicht stenographisch protokolliert, sondern sind größtenteils nur anhand der Beschlussprotokolle nachzuvollziehen. Für die Sitzung am 18. November 1958 vermerkt ein solches unter der Spalte „Beschlossen“: 1) Es ist der Entwurf eines Gesetzes über die Änderung der Verfassung der DDR für die Auflösung der Länderkammer [. . .] zu formulieren. In der Begründung zum Gesetzentwurf ist darzulegen, warum die Länderkammer aufgrund der Entwicklung in der DDR überflüssig geworden ist. 2) Es ist zweckmäßig, die Länderkammer einzuberufen, um dort die Zustimmung zu dem von der Volkskammer zu verabschiedenden Gesetz einzuholen. nahme sah zusätzlich noch die Wahl des Präsidenten der Republik – ein Teil des paritätischen Wahlorgans, die Länderkammer, fiel nun weg – durch Volkskammer und Vertreter der Bezirkstage vor, vgl. SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/258. Die Endfassung forderte die Wahl durch die Volkskammer als dem höchsten Machtorgan, vgl. ebd. 323 Der Entwurf des Gesetz[es] über die Auflösung der Länderkammer der [DDR] wurde am 2. Dezember 1958 durch das ZK der SED bestätigt, vgl. SAPMOBArch, DY 30/IV 2/1/212, Bl. 3. 324 Vgl. Politbüro, Sitzung am 18. November 1958 (Protokoll Nr. 46/58), in: SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2/618, Bl. 1. Zur Erörterung der Frage der Auflösung der Länderkammer wurden zudem hinzugezogen: Klaus Sorgenicht, Leiter der Abteilung Staats- und Rechtsfragen im ZK der SED, Karl Polak, der „Kronjurist“ der SED, Hans Jendretzky, Stellvertreter des Ministers des Innern und Staatssekretär für Angelegenheiten der örtlichen Organe, und Anton Plenikowski, Leiter des Büros des Präsidiums des Ministerrates und Vorsitzender des Verfassungs- und Rechtsausschusses der Volkskammer.
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Genosse Jendretzky vereinbart mit dem Ministerpräsidenten, Genosse Grotewohl, daß zu diesem Zweck die Länderkammer für den 6. Dezember 1958 einzuberufen ist.325 [. . .] 4) Verantwortlich für die Durchführung des ganzen Beschlusses: Genosse Jendretzky.326
IV. Paragraphierung des Auflösungsgesetzes durch die Abteilung Staats- und Rechtsfragen im ZK der SED Aus gleicher Feder wie die „Stellungnahme der Abteilung Staats- und Rechtsfragen zur Frage der Länderkammer“ stammte auch der Entwurf des Gesetz[es] über die Auflösung der Länderkammer der [DDR]; in welchem nur das Datum des Gesetzes offen gelassen wurde, ansonsten aber dem später erlassenen Gesetz vollends entsprach.327 Dem Gesetzentwurf ist eine Begründung beigegeben, die den Autor328 nicht erkennen lässt. Die Analyse des Autors beginnt mit dem „Demokratisierungsgesetz“ des Jahres 1952: Nach [diesem] Gesetz über die weitere Demokratisierung wird zwar der alte Verwaltungsaufbau der Länder überwunden, aber dieses Gesetzt führt nicht zur formellen329 Auflösung der Länder. 325 Dieser Termin, ein für Länderkammersitzungen untypischer Samstag, konnte – die Gründe sind nicht ersichtlich – nicht eingehalten werden; eine Vorlage für das Politbüro vom 10. November 1958, erstellt von Grüneberg, ging sogar noch von einem früheren Datum zur Konstituierung der Länderkammer aus – dem 3. Dezember 1958 (handschriftlich über „4.12.1958“ geschrieben), vgl. SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2A/662, Bl. 64 f. Im Beschlussprotokoll der Sitzung des Politbüros vom 18. November 1958 findet sich der Termin 6. Dezember 1958 für die letzte Länderkammersitzung, vgl. SAPMO-BArch, DY 30/4611, Bl. 20. Tatsächlich fand die letzte Sitzung der Länderkammer am 10. Dezember 1958 statt. 326 Politbüro, Sitzung am 18. November 1958 (Protokoll Nr. 46/58), in: SAPMOBArch, DY 30/J IV 2/2/618, Bl. 4. 327 Der Gesetzentwurf ist zu finden in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/258. 328 In der späteren Sitzung des Demokratischen Blocks am 1. Dezember 1958 hielt sich Gerhard Grüneberg, Leiter der Kommission für Staats- und Rechtsfragen beim Politbüro der SED, in weiten Teilen an die von der Abteilung Staats- und Rechtsfragen im ZK der SED vorgegebene Linie. Es ist nicht auszuschließen, dass er selbst der Autor dieser Gesetzesbegründung war bzw. die Ausarbeitung unter dem Leiter der Abteilung Staats- und Rechtsfragen im ZK der SED, Klaus Sorgenicht, überwachte. Für Grüneberg als (Mit-)Autor spricht weiterhin, dass sich eine Rededisposition zur Sitzung des Demokratischen Blocks in seinem Nachlass befindet, vgl. Nachlass Grüneberg, SAPMO-BArch, NY 4233/13, Bl. 242 ff. 329 Unterstreichung im Original.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Das Gesetz über die Auflösung der Länderkammer beseitigt zwar die Vertretungen der Länder und hebt die entsprechenden Artikel der Verfassung über die Länderkammer auf, aber es bleiben eine Reihe anderer Bestimmungen in der Verfassung enthalten, die formell das Fortbestehen der Länder anerkennen. Dies betrifft im wesentlichen folgende Artikel: Artikel 1 Abs. 1 Satz 2 Artikel 109–111 Alle Argumente, die die Auflösung der Länderkammer begründen, bedingen meiner Meinung nach auch die formelle Beseitigung der Länder. Die [DDR] ist ein einheitlicher, selbstständiger Staat, der [. . .] auf der Grundlage des demokratischen Zentralismus seine staatliche Organisation bestimmt. Mit den Gesetzen [. . .] [gemeint: das „Demokratisierungsgesetz“330 von 1952 und das Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht331 von 1957, d. Vf.] sind die angeführten Bestimmungen der Verfassung völlig gegenstandslos geworden. Es ist daher nur eine konsequente Schlußfolgerung unserer staatlichen Entwicklung den Art. 1 Absatz 1, Satz 2 und Artikel 109–111 ersatzlos aufzuheben.332
Mit der letzten Forderung konnte sich der Autor nicht durchsetzen.
V. Die Sitzung des Politbüros vom 26. November 1958 Letztmalig behandelte das Politbüro am 26. November 1958 die Frage der Länderkammer. Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem inzwischen vorliegenden Gesetzentwurf fand offenbar nicht statt. Das Protokoll der Sitzung beschränkte sich auf folgende Feststellung: Der Entwurf eines Gesetzes über die Auflösung der Länderkammer [. . .] wird bestätigt. Die Genossen des Ministerrats werden beauftragt, den Entwurf der Volkskammer zur Beschlußfassung zuzuleiten.333
Wenige Tage vor der Beschlussfassung über dieses Gesetz in der Volkskammer war man also im Politbüro noch der Meinung, den Gesetzentwurf durch den Ministerrat einzubringen, dem das Recht zur Gesetzesinitiative zustand, Art. 82 Abs. 1 S. 1 Var. 1 DDV. Diesen Weg präferierte auch das Gutachten der Abteilung Staats- und Rechtsfragen im ZK der SED, die um eine übermäßige politische Bedeutung zu vermeiden, von einer Einbringung durch alle Fraktionen abriet. Wohl um parteiübergreifende Einigkeit über die Auflösungsfrage zu demonstrieren, schlug Grüneberg auf der nachfol330
GBl. S. 613 (1952). GBl. I S. 65 (1957). 332 Begründung des Gesetzes über die Auflösung der Länderkammer, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/258. 333 Politbüro, Sitzung vom 26. November 1958 (Protokoll Nr. 47/58), in: SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2/619. 331
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genden Blocksitzung vor, das Gesetz möge von allen Fraktionen der Volkskammer eingebracht werden. Dieser Weg nach Art. 82 Abs. 1 S. 1 Var. 3 DDV wurde dann auch beschritten.
VI. Parteiübergreifende Einigkeit über die Entbehrlichkeit der Länderkammer Am 1. Dezember 1958, also eine Woche bevor die Volkskammer das Auflösungsgesetz verabschiedete, fanden sich in einer Sitzung des Demokratischen Blocks die führenden Vertreter der Parteien zusammen, um über die Auflösung der Länderkammer zu beraten – vielmehr den Entschluss der Auflösung, der seitens der SED längst gefasst war, anzuhören. Die Aufgabe, den Modus der Auflösung der Länderkammer zu begründen, fiel Gerhard Grüneberg zu. Die Vorbereitungsmaßnahmen (einschließlich des Vorliegens eines die Auflösung der Länderkammer normierenden Gesetzes), die die Abteilung Staats- und Rechtsfragen im ZK der SED bereits getroffen hatte, konnte dieser in seiner Rede kaum verbergen: Der erreichte Stand unserer innerstaatlichen Entwicklung verpflichtet uns, die Frage zu stellen, ob die Länderkammer noch notwendig ist. Wir haben uns mit dieser Frage eingehend beschäftigt und sind im Ergebnis unserer Beratungen zu der Meinung gelangt, Ihnen den Vorschlag334 zu unterbreiten, die Länderkammer der DDR aufzulösen.335
Das föderative System der Teilung in Länder habe man als Erbe aus der Vergangenheit übernommen; für konsequente Demokraten sei es schon zur Zeit der Verfassungsgebung klar gewesen, dass man einen zentralisierten Einheitsstaat schaffen müsse. Weshalb man diesen nicht von Anfang an mit Nachdruck zu verwirklichen strebte, ließ Grüneberg aus gutem Grund offen; am Tisch saßen immerhin Parteien, die vormals eine Gliederung in Länder und eine Ländervertretung wenn nicht als conditiones sine quibus non, so doch als essentiell ansahen.336 334 In der Rededisposition Grünebergs ist die Stelle, wonach man einen Vorschlag unterbreite, handschriftlich gestrichen, vgl. Nachlass Grüneberg, SAPMO-BArch, NY 4233/13, Bl. 242. 335 Sitzung des Demokratischen Blocks am 1. Dezember 1958, SAPMO-BArch, DY 3/22, Bl. 206. 336 Auch die DDR-Geschichtsschreibung blendete später den Umstand aus, dass die Länderkammer ein Kind der bürgerlichen Parteien war und von der SED nur konzediert wurde: „In den Verfassungsdebatten kristallisierten sich immer sichtbarer gewisse gemeinsame antifaschistisch-demokratische Grundpositionen aller Blockparteien [. . .] zu Verfassungsfragen heraus. Dies betraf insbesondere die Abkehr von jeglichem Separatismus [. . .] sowie einer zweiten Kammer [. . .] oder eines besonderen Senats neben dem Parlament [. . .]“, Künzel/Mand, SuR 1987, 160 (163 f.).
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Man habe, so Grüneberg, die Leitung der gesamten staatlichen Tätigkeit mehr und mehr vereinheitlicht, was schließlich im Rahmen der 2. Parteikonferenz zur Einsicht führte, zwecks Straffung des Staatsapparates und des durch den Aufbau des Sozialismus bedingten demokratischen Zentralismus, den Verwaltungsaufbau der Länder aufzulösen.337 Nun existiere eine vollkommen neue sozialistische Staatlichkeit, die zu einer Hebung der Autorität der Volkskammer als des obersten Machtorganes des Staates führen müsse.338 Man gestatte sich daher heute festzustellen: Die Länderkammer [. . .] hat ihre Aufgabe erfüllt und kann daher aufgelöst werden.339
Weiter fasste Grüneberg die möglichen Einwendungen „[. . .] unserer Gegner [. . .]“ zusammen: 1. Allen Versuchen von westlicher Seite, die Wiedervereinigung Deutschlands auf Länderbasis unter Umgehung der Tatsache der Existenz von zwei deutschen Staaten zu erreichen, ist damit ein Riegel vorgeschoben. Mit der Auflösung der Länderkammer wird [dies] klar unterstrichen [. . .].340 337 Vgl. Sitzung des Demokratischen Blocks am 1. Dezember 1958, SAPMOBArch, DY 3/22, Bl. 207 f. 338 Vgl. ebd., Bl. 210. 339 Ebd. 340 Ein Vorstoß, die Wiedervereinigung in dieser Weise zu erreichen, kam etwa vom Hamburger Senator Ernst Plate (FDP), der die Konföderationspläne der DDRRegierung des Jahres 1957 aufgriff und auf Basis der Ländervertretungen einen Gesamtdeutschen Rat vorschlug, vgl. Plates Artikel „Wiedervereinigung – aber wie?“, in: Die Welt vom 21. September 1957 (Nr. 220), abgedruckt in: Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen, Dokumente zur Deutschlandpolitik, III/3, S. 1628 ff. Zur Kritik gegenüber Plates Vorschlägen von Seiten der Länderchefs von Bremen („[. . .] paßt nicht für heute [. . .]“), Niedersachen („[. . .] nicht geeignet [. . .]“), Rheinland-Pfalz („[. . .] grundgesetzliche Ordnung nicht auf den Kopf stellen [. . .]“) und des Staatssekretärs im Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen, Franz Thedieck („Was ist denn überhaupt die Länderkammer in der SBZ? Es gibt in dieser Scheindemokratie keine Institution, die ein so ausgeprägtes Scheindasein führt wie die Länderkammer.“), vgl. ebd., S. 1660–1665. Nur der Ministerpräsident von Hessen, Georg August Zinn, hielt die Gedanken Plates für eine „[. . .] Diskussionsgrundlage [. . .]“, ebd., S. 1663. Grotewohl äußerte sich zum Plate-Plan auf dem 33. Plenum des ZK der SED am 17. Oktober 1957, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/1/185, Bl. 60: „Plate schlägt als ersten Schritt Verhandlungen zwischen den föderativen Organen der Bundesrepublik und der DDR, also dem Bundesrat und der Länderkammer der DDR, vor, um ‚auf föderalistisch-bundesstaatlicher Basis Gespräche zu führen‘. Solche Vorschläge, wie die des Herrn Plate, gehen von einer völlig falschen Tatsache aus, weil sie außer acht lassen, daß die DDR ein souveräner Staat und kein föderatives Ländergebilde ist. Durch Vorschläge zu Verhandlungen auf Länderbasis wird nur ein neues Moment der Zersplitterung in die Frage der Wiedervereinigung hineingetragen.“ Plate entgegnete Grotewohls Kritik in der Tageszeitung Die Welt vom 1. November 1957: „Wenig einleuchtend und stichhaltig erscheint mir die weitere Behauptung, daß die DDR kein ‚föderatives Länder-
G. Die Auflösung der Länderkammer
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2. könnten möglicherweise Einwendungen in der Richtung gegen uns erhoben werden, ob diese Maßnahmen auch im Einklang mit dem Potsdamer Abkommen stehen. Dem gegenüber ist festzustellen, daß die Ländereinteilung Deutschlands nicht in eine unmittelbare Verbindung mit dem Potsdamer Abkommen zu bringen ist. Das Potsdamer Abkommen fordert also entscheidend die Wahlvertregebilde‘ sei. Es drängt sich doch die ganz unkomplizierte Frage auf: wenn die DDR keinen Wert auf föderativen Aufbau legt, warum hat sie dann die Länderkammer noch nicht aufgelöst? Und vor allem: Kraft welcher Autorisation konnte sich dann diese Länderkammer am 9. August mit einem Appell an den Bundesrat in Bonn wenden? Der Appell auf der Ebene Länderkammer-Bundesrat war und ist überhaupt nur verständlich, wenn man zugrunde legt, daß auch ‚drüben‘ ein föderatives Fundament besteht und grundsätzliche Geltung besitzt“, zit. nach einer Vorlage der Abteilung „Gesamtdeutsche Fragen“ für Ulbricht vom 16. November 1957, in: Nachlass Ulbricht, SAPMO-BArch, NY 4182/1127, Bl. 292. Gleichwohl Grotewohl dem Ansinnen des Senators Plate keine weitere Beachtung schenkte, wurde der Plan eine Wiedervereinigung auf Länderbasis zu erreichen von dem Präsidenten der Länderkammer August Bach im Geheimen weiterverfolgt. Als Emissär bediente er sich Walter Hagemann (Gründungsmitglied der CSU, später Mitglied der CDU, Ausschluss wegen DDR-freundlichen Verhaltens und Kritik an westdeutscher Atombewaffnung 1958, 1961 Übersiedlung in die DDR, dort Mitglied der CDU), der Plate persönlich traf und Bach schriftlich berichtete: „Ich habe Herrn Plate über die wichtigen Punkte unserer Aussprache unterrichtet und bei ihm sehr lebhaftes Interesse gefunden. Auch er hält zunächst eine Aussprache in kleinem Kreise für den geeigneten ersten Schritt, um Arbeitspläne zu besprechen. [. . .] Ich darf Ihnen meinerseits versichern, daß das Gespräch mit Ihnen für mich außerordentlich aufschlußreich und auch ermutigend war und daß ich meine Versuche fortsetze, auch andere Persönlichkeiten der außenpolitischen Opposition innerhalb und außerhalb des Lagers der CDU zu gewinnen. Mein ganzes Sinnen und Trachten gilt dem Problem der Wiedervereinigung, und ich stehe für jede Initiative zur Verfügung, die dieser Sache dienen kann“, Brief Hagemann an August Bach vom 21. Oktober 1957, in: BArch, DA 2/6, Bl. 89 f. Gleichzeitig mit diesen konspirativen Erörterungen, gab Bach bei seinem Parteifreund Gerhard Reintanz, damals Dozent an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, dort später Professor für Völkerrecht, Luft- und Weltraumrecht, ein Gutachten über den „Plate-Plane“ in Auftrag. Das Ergebnis war, der herrschenden Staatslehre der DDR entsprechend, ernüchternd: „Senator Plate geht bei seinen Überlegungen davon aus, daß neben der DDR und der BR [sic!] noch das Deutsche Reich als Gesamtstaat besteht und somit DDR und BR [. . .] in einem staatsrechtlichen Verhältnis zueinander stehen. Diese juristische Ausgangsposition ist unhaltbar. Der Kreis der den Ländern in beiden deutschen Staaten zu völkerrechtlicher Regelung überlassenen Gebiete ist nicht sehr groß [. . .]. Von der verfassungsrechtlichen Seite her bietet der Plate-Plan somit wenig Möglichkeiten zu konstruktiver Zusammenarbeit auf Länderebene als einen Schritt zur deutschen Wiedervereinigung. Wenn auch wenig juristische Handhaben bestehen [. . .], so bleibt doch die Möglichkeit [. . .], zwischen der Länderkammer einerseits und dem Bundesrat bzw. den Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder andererseits die politische Aussprache zu führen und dabei reale Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Land zu Land [. . .] abzuklären“, Gutachten Reintanz’, in: BArch, DA 2/6, Bl. 90 ff. Weitere Bemühungen seitens Bach in dieser Frage sind nicht zu verzeichnen. Dennoch
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR tung341 und die örtliche Selbstverwaltung342 als die für die Entwicklung der Demokratie bindenden Prinzipien, legt aber nicht eine territoriale Einteilung bindend fest.343
Weshalb man sich überhaupt mit der Frage beschäftigte, ob der Wegfall der Länder das Potsdamer Abkommen berühre, obwohl diese ja nach den offiziellen Beteuerungen weiterbestünden, zeigt, dass sie es nur dem Papier nach taten. Auch der Buchstabe der Verfassung und der Gesetze ging von dem Fortbestand der Länder aus. Die Regierenden hingegen handelten konsequent so, als ob es die Länder nicht mehr gäbe. Ob die Annahme eines de jure-Weiterbestandes der Länder deshalb begründet werden kann, trotz des gegen den Bestand der Länder manifestierten einheitlichen Staatswillens, darf bezweifelt werden. Schon mit dem „Demokratisierungsgesetz“ von 1952, das die verfassungsgemäße Ordnung, die Verfassungsorgane, eigentlich selbst die Verfassungen der Länder realiter in Gänze beseitigte – wobei man hier aus taktischen Gründen im Sinne eines dilatorischen Formelkompromisses344 noch nicht auf die Länder als potemkinsche Dörfer verzichten wollte –, spätestens aber mit Beseitigung des letzten Restes des aus dem Bestand der Länder Hervorgegangenen, der Länderkammer, wirkt die Annahme des Fortbestandes der Länder artifiziell.345 sah die SED-Führung das positive Echo auf die Bemühungen Plates äußerst kritisch, so vermerkt die „Stellungnahme der Abteilung Staats- und Rechtsfragen zur Frage der Länderkammer“, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/258: „Die Beseitigung der Länderkammer und damit der Länder bei uns würde auch die Unklarheit beseitigen, die die formale Weiterexistenz der Länder für die Fragen der Wiedervereinigung aufwirft. Es könnten sich solche Vorfälle nicht wiederholen, wie das positive Echo, das der Wiedervereinigungsplan des Hamburger Senators Plate bei den Funktionären der Länderkammer fand.“ Zu den immer wieder aufgegriffenen Konföderationsplänen vgl. auch: Mai, NJ 1959, 1 ff. Eine aufschlussreiche Zusammenstellung sowohl west- als auch ostdeutscher Wiedervereinigungspläne in den Jahren 1949–1959 findet sich bei Schuster, passim. 341 Im Potsdamer Abkommen hieß es dazu in Abschnitt A. 9. III.: „Der Grundsatz der Wahlvertretung soll in die Gemeinde-, Kreis-, Provinzial- und Landesverwaltungen, so schnell wie es durch die erfolgreiche Anwendung dieser Grundsätze in der örtlichen Selbstverwaltung gerechtfertigt werden kann, eingeführt werden“, „Aus den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz, Abschnitt III: Deutschland, 2. August 1945“, abgedruckt in: Deutsches Institut für Zeitgeschichte Berlin, Dokumente zur Deutschlandpolitik der Sowjetunion, Bd. 1, S. 1 ff., hier S. 5. 342 Abschnitt A. 9. IV. des Potsdamer Abkommens lautete: „Bis auf weiteres wird keine zentrale deutsche Regierung errichtet werden. Jedoch werden einige wichtige zentrale deutsche Verwaltungsabteilungen errichtet werden, an deren Spitze Staatssekretäre stehen, und zwar auf den Gebieten des Finanzwesens, des Transportwesens, des Verkehrswesens, des Außenhandels und der Industrie. Diese Abteilungen werden unter der Leitung des Kontrollrates tätig sein“, ebd. 343 Sitzung des Demokratischen Blocks am 1. Dezember 1958, in: SAPMOBArch, DY 3/22, Bl. 210 f. 344 Schmitt, Verfassungslehre, S. 31 f.
G. Die Auflösung der Länderkammer
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Grüneberg wies die führenden Köpfe der Blockparteien an, wie das weitere Procedere von statten gehen soll: Wir schlagen vor, den Gesetzentwurf als Antrag aller Fraktionen in die Volkskammer einzubringen. Unsere Vorstellung geht dahin, daß dieses Gesetz nach den Bestimmungen der Verfassungen angenommen wird, d.h., daß sich auch die Länderkammer nach der Neuwahl ordnungsgemäß konstituiert und zu diesem Gesetz Stellung nimmt.346
Die Vorsitzenden der Blockparteien beschränkten ihre Ausführungen auf ein allseitiges Einverständnis zu den getroffenen Maßnahmen.347 Nur der Präsident der Länderkammer, August Bach (CDU)348, nach dem Tod von Otto 345
Zu dem Streit um die Fortexistenz der Länder generell und die damit einhergehenden Fragen nach dem Mauerfall in concreto, vgl. Mampel, SuR 1990, 435 (440 ff.) m. w. N. Vgl. dazu auch oben, Kap. 5 C. 346 Sitzung des Demokratischen Blocks am 1. Dezember 1958, SAPMO-BArch, DY 3/22, Bl. 212. 347 Vgl. ebd., Bl. 214 f. 348 August Bach war wohl nicht zuletzt aufgrund seiner Gefügigkeit Präsident der Länderkammer geworden. In der Allgemeinen Personenablage des MfS, seinerzeit Staatssekretariat für Staatssicherheit, die Material über ehemals in Sicherungsvorgängen erfasster Personen bzw. allgemeines Material zu Personen, die der sog. „Passiverfassung“ unterlagen, enthält, findet sich eine aufschlussreiche Charakteristik August Bachs, handschriftlich gezeichnet von einem „Dertinger“, wahrscheinlich Georg Dertinger (CDU), ehemaliger Außenminister der DDR und Vertrauter Bachs, der seinerzeit wegen „Spionage und Verschwörung“ aufgrund eines Schauprozesses inhaftiert war und infolgedessen – darüber kann nur spekuliert werden – der Staatssicherheit Informationen über seinen Parteifreund anvertraute bzw. anvertrauen musste. Dertingers Einschätzung von August Bach: „Da er schweigt stößt er nicht an und als Schweiger beteiligt er sich an den Arbeiten des Blockes, der Nationalen Front usw. Er wird niemals eine feindliche Aktivität entfalten“, BStU, MfS, AP 6730/89, Bl. 14. Dass es sich dabei um Georg Dertinger handelt, kann zwar nicht zweifelsfrei belegt werden, liegt jedoch aufgrund einer in derselben Akte befindlichen Einschätzung vom 19. August 1955 von russischer Seite, die ins Deutsche übertragen wurde, nahe. Darin ist zu lesen: „Es ist bekannt, dass Bach enge Beziehungen zu dem ehemaligen Aussenminister [sic!] Dertinger hatte“, BStU, MfS, AP 6730/89, Bl. 18. August Bach war wohl aufgrund seiner politischen Ungelenkheit auch in der CDU umstritten, hatte aber in Otto Nuschke, damaliger Parteivorsitzender der CDU, einen Fürsprecher. So schien die Karriere bereits anlässlich der Volkskammerwahl im Jahre 1954 beendet; dies verdeutlicht eine Einschätzung des Staatssekretariats für Staatssicherheit vom 2. September 1954, die von Erich Mielke am 6. September 1954 an das Politbüromitglied Hermann Matern übersandt wurde (Brief Mielke an Matern, in: BStU, MfS, AS 39/55, Bd. 1, Bl. 2 f.), anlässlich der bevorstehenden Volkskammerwahl, bei der sich Bach um ein Mandat bewarb: „Von der Parteileitung der CDU war Bach nicht als neuer Volkskammerabgeordneter vorgesehen, ist jedoch auf direkten Wunsch von Nuschke als Kandidat aufgestellt worden“, BStU, MfS, AS 39/55, Bd. 1, Bl. 12. Die Einschätzung schließt mit den überdeutlichen Worten: „Bach wird von uns bearbeitet.“ Bach stand unter mannigfaltiger Beobachtung durch sog. GI („Geheime Informatoren“) – auch aus dem engsten Umfeld, vgl. BStU, MfS, AP 6730/89, passim. Als späterer Länderkammerpräsident
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Nuschke auch Vorsitzender der CDU, tätigte weitere Ausführungen, die seine Stellung in den letzten Jahren desavouierten und ein geringes Maß an Selbstachtung offenbarten: Die CDU ist mit der Auflösung der Länderkammer einverstanden. Die Ausführungen, die unser Kollege Grüneberg gemacht hat, sind in allen Punkten zwingend. Ich darf von mir aus als Präsident der Länderkammer sagen, daß ich in den letzten Jahren sehr oft das Empfinden gehabt habe, daß mit der weiteren Entwicklung des demokratischen Zentralismus der Boden, auf dem sich die gesamte Arbeit der Länderkammer abspielte, innerlich schon weitgehend ausgehöhlt war und die Länderkammer nicht mehr das darstellen konnte, was ihre ursprüngliche Aufgabe nach unserer Verfassung war.349
VII. Der Auflösungsbeschluss im ZK der SED am 2. Dezember 1958 Obwohl die Weichen der Länderkammerauflösung bereits durch das Politbüro gestellt waren, befasste sich das zwischen den Parteitagen höchste Gremium der Partei mit der Länderkammerfrage, um über diese Beschluss zu fassen. Aufgrund der mit der Auflösung der Länderkammer verbundenen Verfassungsänderung mochte man auf die Beteiligung des ZK nicht verzichten.350 Bemerkenswerterweise fand die Sitzung des ZK erst einen Tag später als die Sitzung des Demokratischen Blocks statt. Mutmaßlich wollte man erst bei den Blockparteien vorfühlen, ob sich dort gegen die Auflösung Widerstand regte. Da dies nicht erfolgte, war der Auflösungsbeschluss reine Formalität. Grüneberg erläuterte in den gleichen Worten wie gegenüber den Vorwar er als politisch Angeschlagener in den Augen der SED nach dem Tode von Reinhold Lobedanz wohl eine Idealbesetzung. 349 Sitzung des Demokratischen Blocks am 1. Dezember 1958, in: SAPMOBArch, DY 3/22, Bl. 215; Bach folgte damit der propagierten „Hebung des demokratischen Staats- und Rechtsbewusstseins“, vgl. dazu: Büttner, NJ 1953, 267; vgl. auch die Äußerungen Grotewohls auf dem 35. Plenum des ZK der SED: „Wir sind unter den Verhältnissen der DDR darauf angewiesen, die Fragen der Diktatur im Zusammenarbeit mit bürgerlichen Parteien durchzuführen, bei denen unsere Politik so stark wirksam sein muß, dass diese bürgerlichen Parteien nicht als eine Opposition vorhanden sind“, zit. nach: Streit, NJ 1958, 230. Eine Kommentierung der Ausführungen Bachs sei Hermann Heller überlassen: „Die objektive Wirkung der Staatsgewalt kann weder den Machtunterworfenen allein noch irgendeinem Machthaber, und sei er auch der unbeschränkteste Diktator, zugerechnet werden. Immer verdankt sie ihr entstehen und Bestehen erst dem Zusammenwirken beider“, Heller, Staatslehre, S. 271. 350 „Dazu Plenum ZK notwendig“, Handschriftliche Protokollierung der Politbürositzung vom 11. November 1958 durch Otto Schön, in: SAPMO-BArch, DY 30 J IV 2/2 A/662.
G. Die Auflösung der Länderkammer
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sitzenden der Blockparteien am Vortag nun seinen Genossen die Gründe, die die Abschaffung der Länderkammer notwendig machen würden.351 Ulbricht ließ über die Vorlage des Gesetzes, das die Auflösung der Länderkammer herbeiführen sollte, noch der Form halber abstimmen: Gesetz über die Auflösung der Länderkammer. Gibt es dazu noch Fragen? – Kommen wir zur Abstimmung. Wer ist für die Vorlage [. . .]? – Danke. [. . .] Ich stelle Einstimmigkeit fest.352
VIII. Der Gesetzentwurf über die Auflösung der Länderkammer im Rechtsausschuss der Volkskammer am 5. Dezember 1958 Wenige Tage nach der parteiübergreifenden Einigkeit im Demokratischen Block über die Abschaffung der Länderkammer, wurde der Gesetzentwurf des Auflösungsgesetzes, der aus der Parteizentrale der SED, Abteilung Staats- und Rechtsfragen, stammte, im Rechtsausschuss der Volkskammer beraten. Der stellvertretende Vorsitzende des Rechtsausschusses, Karl Polak (SED), erläuterte den Gesetzentwurf seinen Ausschusskollegen.353 Polak mahnte zur Vertraulichkeit über den Gesetzentwurf und begründete damit den Umstand, dass der Entwurf den Ausschussmitgliedern nicht vorher übersandt werden konnte. Polak billigte diesen deshalb eine „Lesepause“ von 35 Minuten zu, um sich überhaupt erst mit dem Gesetzentwurf vertraut machen zu können.354 Die Gesetzesvorlage, so Polak, sei eine Vorlage aller Fraktionen der Volkskammer.355 Nach der Behandlung der Vorlage als „vertraulich“ konnte dies nicht stimmen, vielmehr handelte es sich um eine Vorlage der SED, die den Vorsitzenden der Blockparteien zur Zustimmung unterbreitet wurde; selbst die Mitglieder des Rechtsausschusses waren von den Auflösungsplänen offenkundig nicht informiert. Zur Zeit der Schaffung der Verfassung, so Polak, habe man auf historische Bedingungen Rücksicht nehmen müssen; die Existenz von Ländern konnte man nicht verleugnen356: 351 Vgl. ZK der SED, 3. Tagung am 2. Dezember 1958, in: SAPMO-BArch, DY 30 IV 2/1/211, Bl. 32 ff. 352 Ebd., Bl. 37. 353 Vgl. Volkskammer – Rechtsausschuss (3. WP), 2. Sitzung am 5. Dezember 1958, in: BArch, DA 1/2990, Bl. 11. 354 Vgl. ebd. 355 Vgl. ebd. 356 Vgl. ebd.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Dieser föderative Aufbau unseres Staates ist das Erbe, das wir angetreten haben und das wir nicht einfach über Bord werfen konnten.357
Das Vorhandensein von Ländern sei ein föderativer Rest, den man in der Verfassungsdiskussion zwar beachtet, gleichwohl das Schwergewicht der Kompetenzen auf den Gesamtstaat gelegt habe, der von Beginn als zentraler demokratischer Einheitsstaat konzipiert worden sei, damit die Länder kein Hemmnis der Entwicklung des Staates sein konnten; die Existenz der Länderkammer sei gebunden gewesen an die Existenz der Länder.358 Damit war nunmehr eingestanden, dass man die fünf Länder als staatsrechtliche Körperschaften nicht mehr anerkannte, mindestens aber, dass die Ausübung ihrer ursprünglichen Staatsgewalt durch die Bildung von Bezirken unmöglich wurde, so dass sie eine Länderkammer nicht mehr zu rechtfertigen vermochten. Nach Polak bedurfte es im neuen sozialistischen Staat wohl auch einer solch schwachen, an vermeintlich überkommene Formen anknüpfenden, Institution auch nicht länger: Bei Gründung der Republik bekam sie eine Stellung der Unterordnung. Diese Position wurde im Verfassungsausschuss [. . .] klar vertreten.359
Nun laufe die Entwicklung der Staatsmacht zum sozialistischen Staat eindeutig in Richtung eines demokratisch zentralisierten Einheitsstaates bzw. der Durchsetzung des Prinzips des demokratischen Zentralismus360; je mehr Fortschritte man im Aufbau des Sozialismus gemacht habe, je mehr man die Widersprüche zwischen Ländern und der Zentralgewalt überwunden habe, umso mehr sei die Einheitlichkeit der Staatsmacht gewachsen.361 Auch die Schaffung der Bezirke, in die man die Länder aufgegliedert habe, gewährleiste nun eine kleine, einheitliche Leitung.362 In diesem ganzen System, das zum demokratischen Zentralismus dränge und durch eine Vielzahl von Gesetzen dorthin geführt wurde, sei die Länderkammer, die noch aufbaue auf gewisse eigene Interessen der Länder, „[. . .] natürlich eine veraltete Institution [. . .]“, die man nicht gleich habe ausschalten können – „[. . .] auch wegen der bestehenden Tradition die hier bestand.“363 357
Ebd. Vgl. ebd., Bl. 12. 359 Ebd. 360 Zu Polaks Konzeption des demokratischen Zentralismus und dessen Herleitung ausführlich: Reichhelm, S. 168 ff. Zum Begriff der Volkssouveränität als Fixpunkt von Polaks Werk und Stütze seines Zentralismusbegriffs: ebd., S. 175 ff. 361 Vgl. Volkskammer – Rechtsausschuss (3. WP), 2. Sitzung am 5. Dezember 1958, in: BArch, DA 1/2990, Bl. 12. 362 Vgl. ebd., Bl. 13. 363 Vgl. ebd., Bl. 14. 358
G. Die Auflösung der Länderkammer
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Diese Traditionslinien364 konnte man nun durchbrechen: Es ist an der Zeit, daß wir staatsorganisatorisch die Dinge bereinigen und darum haben alle Fraktionen unserer Volkskammer den Antrag eingebracht, die Länderkammer zu beseitigen, da sie ihre Funktion erfüllt hat und nun den höheren Formen unserer sozialistischen Staatlichkeit eben weichen muß [. . .]. Die wirkliche Verbindung nach unten ging schon in der letzten Zeit nicht mehr durch die Länderkammer aus, sondern sie ging von der Volkskammer selbst aus. Sie wurde geleitet und organisiert durch den Ständigen Ausschuß für die örtlichen Volksvertretungen.365
In der anschließenden Diskussion gaben alle Ausschussmitglieder ihre Zustimmung zur beabsichtigen Auflösung der Länderkammer. Der Abg. Adolf Otto (LDPD) wandte sich an den Präsidenten der Länderkammer Bach, der ebenfalls anwesend war, sich aber an der Aussprache über die Auflösung „seiner“ Länderkammer nicht beteiligte, mit einer Frage, die sich „[. . .] in der Diskussion mit der Bevölkerung ergeben könnte: Hat die Länderkammer während der Zeit ihres Bestehens von ihrem Veto-Recht Gebrauch gemacht?“; das Protokoll vermerkt hierzu: „Die Frage wird vom Präsidenten Bach verneint.“366 Der Abg. Josef Schleifstein (KB) führte folgerichtig dann auch an, dass die Auflösung der Länderkammer ein notwendiges Glied der geschichtlichen Entwicklung seit Gründung der Republik sei. Die Länderkammer verliert immer mehr an Bedeutung. Wir ziehen nun den Schlußstrich, den die Entwicklung eigentlich längst gezogen hat.367
Dieser Schlussstrich sollte nach dem Gesetzentwurf wohl schneller als verfassungsrechtlich möglich – die Länderkammer musste ihrer eigenen Auflösung qua Verfassung zustimmen – gezogen werden. Zu § 3 des Entwurfes bemerkte Länderkammerpräsident Bach, dass das Gesetz nicht am 8. Dezember 1958 in Kraft treten könne, da die Länderkammer erst am 11. Dezember 1958 zu ihrer letzten Sitzung zusammentreten würde.368 Das Inkrafttreten wurde nun auf die Verkündung des Gesetzes verschoben. Die 364 Allgemein übte Polak scharfe Kritik an der Übernahme bürgerlicher (Rechts-)Vorstellungen: „Hier ist keine Tradition zu übernehmen, sondern nur eine Tradition zu vernichten, die die klassische bürgerliche Rechts- und Staats-Ideologie gegen den Marxismus geschaffen hat.[. . .] Das Kleben an der alten bürgerlichen Tradition, die Unterwerfung unter die spontan weiterwirkenden Methoden in abstrakten Rechtsbegriffen haben dazu geführt, die Dialektik zu verschleiern“, ders., SuR 1958, 225 (242 f.). 365 Volkskammer – Rechtsausschuss (3. WP), 2. Sitzung am 5. Dezember 1958, in: BArch, DA 1/2990, Bl. 14. 366 Ebd., Bl. 15. 367 Ebd. 368 Vgl. ebd., Bl. 19.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Kürze der Sitzung – zwei Stunden „Beratung“ über die Auflösung eines Verfassungsorgans – verdeutlicht, dass der Rechtsausschuss nicht den Auftrag hatte, das Gesetz tiefergehend zu erörtern, sondern nur an den bereits gefassten Beschlüssen und dem bereits ausformulierten Gesetzentwurf informatorisch beteiligt wurde.
IX. Die letztmalige Wahl der Abgeordneten der Länderkammer durch die Bezirkstage im Jahr 1958 Als die Auflösung der Länderkammer längst beschlossene Sache war, traten die Bezirke am 29. November 1958 – nicht wie 1954 länderweise, sondern einzeln – zusammen und wählten die Abgeordneten der Länderkammer für die 3. Wahlperiode369, wenngleich eine „Vorlage für das Politbüro“ der Abteilung Staats- und Rechtsfragen noch von dem früheren Modus ausging: Die Wahl der Abgeordneten für die Länderkammer erfolgt wie im Jahr 1954 durch eine gemeinsame Sitzung der Bezirkstage in den Ländern unmittelbar nach der Wahl am 16.11.1958 und der Konstituierung der Bezirkstage.370
Dass der Bezirkstag nicht frei über die Wahl der Abgeordneten bestimmen konnte, lag nach den nun geltenden Prinzipien auf der Hand. So weisen die Schreiben der Vorsitzenden der Räte des Bezirks an das Sekretariat der Länderkammer folgende gleichlautende Formulierung auf: Der Bezirkstag [. . .] beschloss [. . .] auf Grund des Gesetzes über die Zusammensetzung der Länderkammer [. . .] und gemäß der Empfehlung des Ständigen Ausschusses der Volkskammer für die örtlichen Volksvertretungen [. . .] folgende Abgeordnete zu delegieren [. . .].371
Gemäß dem Prinzip des demokratischen Zentralismus, wies das höhere das untere Organ an, wie es zu verfahren hatte. 369 Vgl. die Schreiben der Vorsitzenden der Räte der Bezirke an das Sekretariat der Länderkammer sowie das Schreiben des Oberbürgermeisters von Berlin über die erfolgte Wahl der Abgeordneten, in: BArch, DA 2/101, Bl. 1 ff. 370 „Vorlage für das Politbüro“ der Abteilung Rechtsfragen vom 5. November 1958, in: SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2A/662, Bl. 48; gleichlautende Formulierung findet sich auch noch in einer „Vorlage für das Politbüro“ vom 10. November 1958 von Gerhard Grüneberg, in: SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2A/662, Bl. 65; warum die Bezirkstage schließlich einzeln und nicht mehr länderweise zusammentraten, lässt sich nicht ermitteln; vermutlich wollte man sich ein allzu aufwändiges Verfahren gegenüber nur einer letzten Länderkammersitzung ersparen. 371 Statt aller: Schreiben des Vorsitzenden des Rates des Bezirks Rostock an das Sekretariat der Länderkammer vom 25. November 1958, in: BArch, DA 2/101, Bl. 12.
G. Die Auflösung der Länderkammer
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X. Das Gesetz über die Auflösung der Länderkammer vom 8. Dezember 1958 Das Gesetz über die Auflösung der Länderkammer der [DDR]372 vom 8. Dezember 1958 besiegelte das Ende der Länderkammer. Auch hier gibt die Präambel Aufschluss, warum man nun auf eine Vertretung der Länder verzichten konnte: Die Stärkung der Verantwortung der Volksvertretungen als der obersten Organe der Staatsmacht in ihrem Zuständigkeitsbereich auf der Grundlage des demokratischen Zentralismus hat zur Festigung des einheitlichen Systems der Staatsorgane der Arbeiter-und-Bauern-Macht geführt [. . .].373
Die Auflösung der Länderkammer war nicht erst durch dieses Gesetz eigentlich zwingend geworden.374 Die Präambel führte – den tatsächlichen Umständen und dem Staatsverständnis der führenden Partei entsprechend – folgerichtig weiter aus: Die Auflösung der Länderkammer ist das Ergebnis der Festigung des Arbeiterund-Bauern-Staates und der Entfaltung der sozialistischen Demokratie.
§ 1 dieses Gesetzes bestimmte den kompletten Fortfall der die Länderkammer betreffenden Vorschriften der Artt. 71–80, sowie Art. 84, der das Einspruchsrecht der Länderkammer regelte: Es werden aufgehoben: 1. Aus dem Teil C der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik der Abschnitt ‚II. Vertretung der Länder‘, Art: 71–80. 2. Art. 84 der Verfassung, 3. das Gesetz vom 8. November 1950 über die Zusammensetzung der Länderkammer der Deutschen Demokratischen Republik (GBl. S. 1135). 372
GBl. I S. 867 (1958). Nachfolgend wurden in der Präambel folgende Gesetze, die „[. . .] die bewusste unmittelbare Teilnahme der Werktätigen an der Leitung von Staat und Wirtschaft [. . .]“ gewährleisteten, aufgeführt: Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 18. Januar 1957, GBl. I S. 65 (1957), Gesetz über die Rechte und Pflichten der Volkskammer gegenüber den örtlichen Volksvertretungen vom 18. Januar 1957, GBl. I S. 72 (1957), Gesetz über die Vervollkommnung und Vereinfachung der Arbeit des Staatsapparates in der [DDR] vom 11. Februar 1958, GBl. I S. 117 (1958). 374 Schon durch das „Demokratisierungsgesetz“ von 1952 hätte sie erfolgen müssen. Spätestens als sich beide deutsche Staaten ihre Verankerung in den jeweiligen Blöcken auch militärisch absicherten, jeweils aufgrund des Beitritts zur NATO bzw. zum Warschauer Pakt im Mai 1955, musste für die DDR-Führung der ursprüngliche Gedanke, die Länder und ihre Vertretung als Plattform bzw. Verhandlungsmasse etwaiger Wiedervereinigungpläne zu nutzen, erkennbar in weiter Ferne liegen und hätte bei staatsorganisatorischen Fragen prinzipiell – sieht man freilich von Propagandazwecken ab – keine Berücksichtigung mehr finden müssen. 373
330
Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Die Änderung des Wortlauts der Verfassung durch die Streichung der über den gesamten Verfassungstext verteilten Bezüge zur Länderkammer ordnete § 2 des Gesetzes an: Gestrichene Worte durch § 2 des Gesetzes
Sachgebiet
a) In Art. 63: gemeinsam mit der Länderkammer
Wahl des Präsidenten der Republik
b) In Art. 66 Absatz 4: sowie von der Länderkammer
Recht der Geltendmachung von Zweifeln an Gesetzen der Republik durch die Länderkammer
c) In Art. 66 Abs. 5: unter Hinzuziehung von drei gewählten Vertretern der Länderkammer
Zusammensetzung des Verfassungsausschusses
d) In Art. 82: von der Länderkammer
Gesetzesinitiativrecht der Länderkammer
e) In Art. 101 Abs. 1 S. 1: in gemeinsamer Sitzung sowie und Länderkammer in Satz 2: gemeinsame
Wahl des Präsidenten der Republik
f) In Art. 102: in gemeinsamer Sitzung sowie und der Länderkammer
Eidesleistung des Präsidenten der Republik vor Volks- und Länderkammer
g) In Art. 103: gemeinsamen sowie und Länderkammer
Abberufung des Präsidenten der Republik
Interessanterweise änderte das Gesetz andere Artikel, die schon seit langem gegenstandslos geworden waren, nicht. So blieb Deutschland ebenso eine „[. . .] unteilbare Republik, die sich auf den deutschen Ländern aufbaut“, Art. 1 Abs. 1 DDV, wie der VI. Abschnitt des Hauptteiles C der Verfassung („Aufbau der Staatsgewalt“) weiterhin das Verhältnis zwischen Republik und Ländern regelte. Den Grund hierfür lieferte Grotewohl schon im Jahre 1952 anlässlich der Beratungen im Demokratischen Block über das sog. „Demokratisierungsgesetz“: Die Tatsache, daß gewisse Teile der Verfassung, z. B. der Abschnitt ‚Republik und Länder‘ – Art. 109 ff. – nicht mehr völlig mit dem in der Neuorganisation erreichten Zustand unserer Staatsstruktur übereinstimmen, macht die Aufhebung dieser Verfassungsteile trotzdem nicht notwendig, deshalb nicht, weil gewissermaßen empfohlen wird, die Länderverfassungen bestehen zu lassen, und juristisch
G. Die Auflösung der Länderkammer
331
die Sache so aussieht, daß die bisherigen Aufträge aus dieser Verfassung gegenstandslos werden, weil sich eine neu zu beschließende Form, nämlich die Form der 14 Bezirke dazwischenschiebt.375
Dieser Auffassung schloss sich im Jahr 1958 auch die mit der Durchführung der Auflösung der Länderkammer betraute Abteilung Staats- und Rechtsfragen im ZK der SED an: In allen diesen Fällen [die Artikel der Verfassung, die die Länder betrafen, d. Vf.] ist meines Erachtens jetzt eine Änderung dieses Textes der Verfassung nicht notwendig und auch nicht zweckmässig.376
XI. Begründung des Auflösungsgesetzes vor der Volkskammer Die Aufgabe, das Gesetz vor dem Plenum der Volkskammer zu begründen, fiel Karl Polak in seiner Eigenschaft als stellvertretender Vorsitzender des Rechtsausschusses zu.377 Bevor dieser das Wort ergriff, wies Volkskammerpräsident Dieckmann darauf hin, dass dieses Gesetz „[. . .] verfassungsändernden Charakter [. . .]“ habe und man den Gesetzentwurf in „[. . .] zusammengefaßter 1. und 2. Lesung beraten und verabschieden [. . .]“ wolle.378 375 Sitzung des Demokratischen Blocks am 7. Juli 1952, in: SAPMO-BArch, DY 3/15, Bl. 40. 376 „Stellungnahme der Abteilung Staats- und Rechtsfragen zur Frage der Länderkammer“, in: SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/13/258. 377 VK (3. WP), 2. Sitzung am 8. Dezember 1958, in: Protokolle, S. 19 ff.; vgl. auch den Artikel „Einheitliche Staatsmacht der Arbeiter und Bauern – Prof. Dr. Karl Polak begründet die Gesetze über den Ministerrat und über die Auflösung der Länderkammer“, in: ND, Berliner Ausgabe Nr. 296 vom 10. Dezember 1958, S. 3; die Reden zur Begründung des Gesetzes vor Volks- und Länderkammer gleichen sich in weiten Teilen, so dass hier nur die Abweichungen zu Polaks Rede vor der Länderkammer am 10. Dezember 1958 aufgeführt sind. 378 Vgl. VK (3. WP), 2. Sitzung am 8. Dezember 1958, in: Protokolle, S. 19, 35. Dieckmanns zunehmende, auch persönliche Nähe zur SED-Führung und seine Eilfertigkeit im Vollzug ihrer Anordnungen blieb auch seiner Partei nicht verborgen. So vermerkt eine Aktennotiz über ein persönliches Gespräch zwischen dem LDPDVorsitzenden Hans Loch und Theo Hanemann, einem Mitarbeiter Dieckmanns: „Weiterhin vernimmt [. . .] Hanemann sehr genau, wenn Dr. Dieckmann vom Ministerpräsidenten Grotewohl kommt. Das ist für Dieckmann eine große Stärkung, aber nicht im positivem, sondern im negativen Sinne. Sein ganzes Ziel ist jetzt darauf gerichtet, während seines Kuraufenthaltes mit Grotewohl zusammenzukommen um wieder einmal einige wichtige Probleme unserer Republik zu besprechen.“ Der sarkastische Ton ist nicht zu überhören. Weiterhin nähmen die Bezirksverbände „[. . .] kaum noch Notiz vom Volkskammerpräsidenten [. . .]“, vgl. „Aktennotiz vom 26.8.58 über die am 20./21.8.58 in Dresden geführten persönlichen Gespräche“, S. 2 f., in: ADL, Bestand LDPD, Zentralvorstand, L4-59/3.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Das Gesetz über die Auflösung der Länderkammer, so Polak, ziehe [. . .] den Schlußstrich unter die Entwicklung unseres Staatsapparates zu einem einheitlichen, der sich auf der Grundlage des sozialistischen Aufbaus und damit der zentralen einheitlichen Leitung entfaltet und hebt damit die letzten Reste des alten föderativen Aufbaus auf.379
Schließlich habe die Entfaltung der produktiven Kräfte im Zuge des sozialistischen Aufbaus die alten föderativen Schranken zerbrochen; schon 1952 habe „[. . .] der siegreiche Vormarsch des Sozialismus [. . .]“ mit dem „Demokratisierungsgesetz“ Landtage und Landesverwaltungen beseitigt, die den neuen Anforderungen nicht mehr gewachsen gewesen wären.380 Dem Prinzip des demokratischen Zentralismus folgend, erläuterte Polak nun, warum kein Platz mehr im Staatsgefüge für die Länderkammer sei – man denke hier insbesondere an das ihr nach der Verfassung zustehende Einspruchsrecht: In der aufsteigenden sozialistischen Gesellschaft, wo alle innerstaatlichen Widersprüche aufgehoben sind, streben alle Staatsorgane, die örtlichen wie die zentralen, zu einer Einheit.381
Polak weiter: Das alte, föderative Prinzip der länderweisen Vertretung der Interessen der örtlichen Organe gegenüber der Zentralgewalt in einer zweiten Kammer ist dadurch überholt und veraltet. Die alten Formen müssen weichen, wenn sich die neuen durchsetzen. Die neuen, die wir herausgearbeitet haben, die sozialistischen Vertretungsorgane, sind die geschichtlich höheren Formen, weil in ihnen die Macht des Volkes und die schöpferischen Kräfte des Volkes sich organisieren und zum Durchbruch kommen. Es ist daher nur gesetzmäßig, wenn wir in der vorliegenden Gesetzesvorlage über die Auflösung der Länderkammer die letzten Reste der deutschen Zersplitterung beseitigen.
Die Redner der unmittelbar auf Polaks Ausführungen folgenden Aussprache nahmen auf das Auflösungsgesetz keinen Bezug. Selbst August Bach (CDU), Präsident der Länderkammer, bezog seine Ausführungen nur auf die vorausgegangene Regierungserklärung von Grotewohl.382 Bei einer Anwesenheit von 377 von 400 stimmberechtigten Abgeordneten akklamierte die Volkskammer den Gesetzentwurf schließlich einstimmig.383
379 380 381 382 383
VK (3. WP), 2. Sitzung am 8. Dezember 1958, in: Protokolle, S. 20. Vgl. ebd. Ebd. Vgl. ebd., S. 26 ff. Vgl. ebd., S. 35.
G. Die Auflösung der Länderkammer
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XII. Die letzte Sitzung der Länderkammer am 10. Dezember 1958 Zur Vorbereitung der letzten Sitzung der Länderkammer, die – pro hac vice – nur den Auftrag hatte, gegen das ihre Auflösung bestimmende Gesetz keinen Einspruch einzulegen, traf sich das Präsidium der Länderkammer am Vormittag des 10. Dezember 1958 zu einer Besprechung. In welchem Rahmen und welcher Atmosphäre die sich nachmittags anschließende Plenarsitzung stattfinden sollte, ist der Niederschrift des Präsidiums zu entnehmen: Im Auftrage des Rechtsausschusses der Volkskammer wird Abgeordneter Prof. Dr. Polak den Mitgliedern der Länderkammer die Begründung zum Gesetz über die Auflösung der Länderkammer der DDR geben. Die Sitzung wird durch den Präsidenten mit einigen kurzen Bemerkungen über die bisherige Arbeit der Länderkammer und die notwendigerweise erfolgte Beschlußfassung zur Auflösung der Länderkammer ihren Abschluß finden. In der abschließend geführten Diskussion bringen die Mitglieder des Präsidiums ihre Zustimmung zu dem Gesetz zum Ausdruck. Es besteht Übereinstimmung, daß gemäß dem Vorschlag des Präsidenten keine Aussprache zu dem Gesetz stattfindet und daß seine Schlußbemerkungen im Namen aller Fraktionen gegeben werden.384
Nach der Konstituierung der Länderkammer durch den Alterspräsidenten August Frölich (SED) und der Wiederwahl des Präsidenten August Bach und des Präsidiums, wurde Polak, der das Gesetz über die Auflösung der Länderkammer auch vor eben dieser begründen sollte, das Wort erteilt. Seine Ausführungen begannen damit, den Grund für die Auflösung der Länderkammer zu benennen: Die Auflösung der Länderkammer wird in dem Augenblick zu einer unabdingbaren Notwendigkeit, wo die Durchsetzung des demokratischen Zentralismus, also des neuen sozialistischen Verhältnisses der örtlichen Organe der Staatsmacht zu den zentralen, seine volle staatsorganisatorische Ausbildung erfahren hat.385
Polak zitierte aus dem Gesetz über die Rechte und Pflichten der Volkskammer gegenüber den örtlichen Volksvertretungen386 vom 18. Januar 1957, in dem es in der Präambel hieß: Der Volkskammer als dem höchsten Organ der Staatsmacht in der Deutschen Demokratischen Republik obliegt die Leitung der gesamten staatlichen Tätigkeit. Sie gewährt den örtlichen Volksvertretungen allseitige Hilfe bei der Erfüllung ihrer 384 Präsidium LK (3. WP), Sitzung am 10. Dezember 1958, in: BArch, DA 2/78, Bl. 102. 385 LK (3. WP), 1. (konst.) Sitzung am 10. Dezember 1958, in: Protokolle, S. 3. 386 GBl. I S. 72 (1957).
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Aufgaben und trägt dazu bei, ihre Selbständigkeit zu festigen, ihre Entscheidungsfreudigkeit und ihre Autorität zu heben.
Der Weg, den man nun beschreite „[. . .] ist der Weg der Überwindung der alten bürgerlichen Verhältnisse und der Herausbildung der Prinzipien der neuen sozialistischen Welt.“387 Diese Veränderung der Verhältnisse bedinge, so Polak, eine zentrale Leitung, die notwendigerweise einheitlich sein müsse, da die der objektiven Gesetzmäßigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung entspräche.388 In diesen neuen gesellschaftlichen Verhältnissen war für eine Länderkammer als – wider die Praxis – gewaltenteilendes Organ kein Raum mehr. Allein die latente Gefahr, von ihr könnte in welcher Form auch immer Widerstand gegen die einheitliche Linie der Partei der Arbeiter und Bauern erfolgen, bedingte ihre Abschaffung zu einem Zeitpunkt, in dem die Machtträger des Staates – vulgo – fest im Sattel saßen. Polak begründete die Abschaffung der Länderkammer abermals mit einem Zitat aus einem jüngeren Gesetz, dem Gesetz über die Vervollkommnung und Vereinfachung des Staatsapparates der [DDR]389 vom 11. Februar selbigen Jahres. In dessen Präambel hieß es: Der gegenwärtige Stand der politischen und ökonomischen Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik und die Aufgaben des weiteren sozialistischen Aufbaus machen daher eine tiefgreifende und umfassende Verbesserung und Vereinfachung der Arbeit des Staatsapparates erforderlich.
Polak wurde nun konkreter und wandte sich der Länderkammer zu: Die nähere Betrachtung der Länder in unserem Staatsaufbau und die durch ihre Existenz bedingte zweite Kammer zeigt die besondere Lage, in der sich die Länder und damit das Spezifische der Länder und die Länderkammer befinden.390
Heißt: Da es im eigentlichen Sinne keine Länder mehr gab, erübrigte es sich auch eine Institution aufrechtzuerhalten, die längst Makulatur geworden war. Dass man Länder und die sie bedingende Länderkammer ab initio als Konzession, ja als Ballast empfunden hatte, sprach Polak in freundlichen Worten nun aus: 387
Vgl. LK (3. WP), 1. (konst.) Sitzung am 10. Dezember 1958, in: Protokolle,
S. 4. 388
Vgl. ebd. GBl. I S. 117 (1958). 390 LK (3. WP), 1. (konst.) Sitzung am 10. Dezember 1958, in: BArch, DA 2/15, Bl. 7 f.; im offiziellen Sitzungsprotokoll wurde „[. . .] und damit das Spezifische der Länder [. . .]“ gestrichen, vgl. LK (3. WP), 1. (konst.) Sitzung am 10. Dezember 1958, in: Protokolle, S. 4. 389
G. Die Auflösung der Länderkammer
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Unsere Grundeinstellung zum staatlichen Aufbau war immer die des zentralisierten demokratischen Einheitsstaates. Auch bei der Schaffung unserer Verfassung und der Errichtung der Institution der Länderkammer sind wir davon ausgegangen. [. . .] Wir sind kein Nationalitätenstaat [der in der UdSSR einen Nationalitätensowjet rechtferigte, d. Vf.], [. . .] sondern wir sind eine einheitliche Nation. Unser Sprache, unsere Kultur, unsere wirtschaftliche Entwicklung ist eine einheitliche, und die Teilung in Fürstentümer und die späteren Länder ist und war bei uns nie gerechtfertigt. [. . .] Wir sind dieser Grundeinstellung als Patrioten und Demokraten treu geblieben, auch als wir bei der Gründung der Republik und der Inkraftsetzung der Verfassung die Einteilung in Länder hinnahmen.391
In der mehr zugestandenen denn gewünschten Existenz von Ländern und ihrer Kammer in den Anfangsjahren der Republik erkannte Polak rückschauend keinen Widerspruch zur ablehnenden Haltung seiner Partei gegenüber einem föderativen Staatsaufbau: Man habe von Anbeginn entschieden den Standpunkt zurückgewiesen, dass die Einteilung der Republik in Länder und die Länderkammer selbst „[. . .] in irgendeiner Weise ein Hemmnis für die Entwicklung eines zentralisierten Einheitsstaates sein könnte.“392 Mit dieser Einschätzung lag Polak im Nachhinein richtig. Selbst wenn die Länderkammer sich gegenüber den anderen Verfassungsorganen versucht hätte zu emanzipieren, wäre dies wohl nur unter Gefahr für Leib und Leben ihrer Abgeordneten möglich gewesen. Da die Reihen der Blockparteien von Abweichlern gesäubert waren, konnte diese Befürchtung allerdings schon spätestens mit Beginn der 1. Wahlperiode 1950 nicht mehr wahr werden. Die einzigen, die sich der dominierenden Stellung der SED auch nur ansatzweise entgegenzusetzen versucht haben, waren in den Westen geflohen. Man habe schließlich, so Polak weiter, verfassungsrechtlich abgesichert, dass der Wille einiger Länder nicht Vorrang vor dem Willen der Republik habe oder die Länderkammer durch ein absolutes Vetorecht die Gesetze der Zentralgewalt zunichte machen könne.393 Auch auf den Verzicht der Länderkammer, das ihr zustehende Einspruchsrecht zu nutzen, kam Polak zu sprechen: Wenn jemand auf die Idee kommt, es sei ein Mangel an Demokratie, daß die Länderkammer von ihrem Vetorecht nach der Verfassung niemals Gebrauch gemacht 391 LK (3. WP), 1. (konst.) Sitzung am 10. Dezember 1958, in: BArch, DA 2/15, Bl. 9. Im offiziellen Protokoll wurde „[. . .] hinnahmen [. . .]“ ersetzt durch „[. . .] beibehielten [. . .]“, vgl. LK (3. WP), 1. (konst.) Sitzung am 10. Dezember 1958, in: Protokolle, S. 4. 392 Vgl. ebd. 393 Vgl. ebd.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
hat, sie sei dadurch an die Wand gedrückt worden394, so können wir darauf antworten, daß die Länderkammer in der ganzen Zeit ihrer Entwicklung sehr wohl die bei uns sich vollziehenden Entwicklungstendenzen verstanden hat, die in der [sic!] Richtung der Staatsmacht führten395, und daß die Mitglieder der Länderkammer, in dem sie die Gesetze der Volkskammer verstanden und ihnen zustimmten, auch den Interessen der Länder und ihrer demokratischen Entwicklung gedient haben.
In verklärender ex-post Betrachtung führte Polak weiter aus: Schon zur Zeit der Schaffung unserer Verfassung und damit zur Zeit der Festlegung der Rechte der Länder war der Rahmen der bürgerlichen Demokratie überschritten und waren der sozialistischen Demokratie die Wege geöffnet. Die sozialistische Demokratie aber schreitet nach dem Grundsatz des demokratischen Zentralismus zum zentralisierten Einheitsstaat mit weitgehenden Rechten der örtlichen Organe.396
Der durch das Gesetz über die Rechte und Pflichten der Volkskammer gegenüber den örtlichen Volksvertretungen397 vom 18. Januar 1957 gebildete Ständige Ausschuss für die örtlichen Volksvertretungen bilde eine neue verfassungsrechtliche Institution, die die zentralen Machtorgane mit den örtlichen verbinde.398 Welche Aufgabe dieser Ausschuss hatte, wird durch § 3 Abs. 2 und 3 dieses Gesetzes offenbar: (2) Der Ständige Ausschuß gewährt den örtlichen Volksvertretungen Anleitung und Hilfe zur erfolgreichen Lösung der Aufgaben, die ihnen als obersten Organen der Staatsmacht auf ihrem Gebiet obliegen: Er übt die Aufsicht darüber aus, daß die Volksvertretungen der Bezirke und Kreise ihrer Pflicht zur Anleitung und Hilfe gegenüber den anderen örtlichen Volksvertretungen ihres Gebietes nachkommen und deren Beschlüsse, die den Gesetzen, Verordnungen oder Beschlüssen der Volkskammer oder des Ministerrates oder den Beschlüssen höherer Volksvertretungen widersprechen, aufheben. (3) Verstoßen Beschlüsse von Bezirkstagen gegen Gesetze und Verordnungen oder Beschlüsse der Volkskammer oder des Ministerrates, so bereitet der Ständige Ausschuß für die örtlichen Volksvertretungen die Aufhebung dieser Beschlüsse durch die Volkskammer vor. 394 Dieser Halbsatz wurde von Polak für das offizielle Protokoll handschriftlich gestrichen, vgl. BArch, DA 2/15, Bl. 20. 395 Im offiziellen Protokoll in „[. . .] die zur Einheit der Staatsmacht hinführten [. . .]“ berichtigt, vgl. vgl. LK (3. WP), 1. (konst.) Sitzung am 10. Dezember 1958, in: Protokolle, S. 4. 396 LK (3. WP), 1. (konst.) Sitzung am 10. Dezember 1958, in: BArch, DA 2/15, Bl. 10 f. 397 GBl. I S. 72 (1957). 398 Vgl. LK (3. WP), 1. (konst.) Sitzung am 10. Dezember 1958, in: BArch, DA 2/15, Bl. 13.
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Der Ständige Ausschuss war keineswegs eine Institution, die eine irgendwie geartete Selbstverwaltung der örtlichen Organe fördern sollte, sondern diente allein der Durchsetzung eines einheitlichen Willens von oben nach unten.399 Gleichwohl stellte Polak diesen Ausschuss – und die durch ihn angeleiteten örtlichen Organe – der Länderkammer gegenüber, wenn er ausführt: Das alte föderative Prinzip der länderweisen Vertretung der Interessen der örtlichen Organe gegenüber der Zentralgewalt durch eine zweite Kammer ist also überholt und veraltet. Die alten Formen müssen weichen, wenn die neuen sich durchsetzen. Die neuen, die wir herausgebildet haben – die sozialistischen Vertretungsorgane – sind die geschichtlich höhere Form, weil in ihnen die Macht des Volkes und seine schöpferischen Kräfte sich selbst organisieren und zum Durchbruch gebracht werden. Es ist daher nur gesetzmäßig, wenn durch die vorliegende Gesetzesvorlage über die Auflösung der Länderkammer die letzten Reste des föderativen Aufbaues beseitigt werden.400
Nach dem Ende der Rede Polaks schritt man zur Abstimmung über das Gesetz zur Auflösung der Länderkammer der [DDR]401. Der Präsident der Länderkammer, August Bach, stellte schließlich fest, dass „[. . .] Einmütigkeit vorhanden ist“402 und zog abschließend ein kurzes Resümee über die Tätigkeit der Länderkammer in den vergangenen Jahren: 399 Im Rahmen dieses Gesetzes wurde in jedem Bezirk eine Abgeordnetengruppe, bestehend aus den Volkskammerabgeordneten, gebildet, die die Verbindung zwischen Bezirk und Volkskammer herstellen sollte. Die Länderkammerabgeordneten bemühten sich vergeblich um die Aufnahme in diese Abgeordnetengruppen, wenngleich Broßmann (CDU) vor dem Plenum den Nationalrat der Nationalen Front um Aufnahme bat, vgl. LK (2. WP), 9. Sitzung am 23. Januar 1957, in: Protokolle, S. 119. Daub (SED) erkannte den Grund, weshalb man dieses Ansinnen verweigerte, hellsichtig: „Denn schauen wir uns in diesem Saal um! Wer hat von den anwesenden Kolleginnen und Kollegen [in dieser Sitzung waren Vertreter der Bezirke anwesend, d. Vf.] bisher gewußt, daß wir Mitglieder der Länderkammer sind. Ich glaube so mancher Kreisvorsitzende im Bezirk Magdeburg hat bisher bestimmt nicht gewußt, daß ich Mitglied der der Länderkammer bin, weil wir eben diese Tätigkeit so nebenher betrachtet haben [. . .]“, ebd., S. 129. 400 LK (3. WP), 1. (konst.) Sitzung am 10. Dezember 1958, in: BArch, DA 2/15, Bl. 13. In diesem Sinne auch später die offizielle Rechtsgeschichte der DDR: „Mit dem Gesetz über die Auflösung der Länderkammer wurden die letzten Reste des alten von föderativen Elementen durchsetzten Staatsaufbaus beseitigt. Das Gesetz gründet sich auf die Entwicklung des einheitlichen Systems der Staatsmacht seit dem Jahre 1952, insbesondere auf die mit den Gesetzen von 1957 und 1958 erreichte neue Stufe in der Entwicklung der sozialistischen Staatlichkeit“, vgl. Bereich Staats- und Rechtsgeschichte der Sektion Rechtswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, S. 147. 401 GBl. I S. 867 (1958). 402 Vgl. LK (3. WP), 1. (konst.) Sitzung am 10. Dezember 1958, in: BArch, DA 2/15, Bl. 15.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Mit der Abstimmung des Hohen Hauses hat die Wirksamkeit der Länderkammer [. . .] ihr Ende gefunden. Aber die Länderkammer wird weiter leben in der Geschichte der [DDR].403 Ich glaube, sie wird hier einen guten Platz einnehmen. Die Länderkammer hat in der Übergangsperiode unseres Staates und in der Entwicklung der [DDR] die ihr durch unsere Verfassung zugewiesene Aufgabe erfüllt. Der Föderalismus [. . .] ist durch den demokratischen Zentralismus abgelöst worden. [. . .] Wir wollen den Leidensweg der Weimarer Republik404 nicht ein zweites Mal durchlaufen, und wir wollen jedes Moment ausschalten, das einer zentralen Staatsgewalt hindernd im Wege stehen würde. Auch die deutschen Länder hatten ihre historische Mission. Sie ist nach unserer Auffassung erfüllt.405
Mit dem Ende der dreiviertelstündigen Sitzung am 10. Dezember 1958 um 14.45 Uhr war das Kapitel Länderkammer in der Verfassungsgeschichte der DDR geschlossen, nachdem man im Jahre 1953 aufgrund einer noch existenten Hoffnung auf Wiedervereinigung Deutschlands und im Jahre 1956 aufgrund äußerer Umstände406 von einer Auflösung der Länderkammer Abstand nahm.407 Mit der Verkündung des Gesetzes durch den Präsidenten der Republik Pieck am 11. Dezember 1958 trat das Gesetz schließlich in Kraft408 – die Länderkammer hörte auf zu bestehen.409 403 Diese Hoffnung sollte sich nicht bewahrheiten. Die offizielle Geschichtsschreibung blendete die vormalige Existenz einer Länderkammer aus, mied näheres Eingehen bzw. erwähnte sie nur am Rande. 404 Die von Bach behauptete Kausalität zwischen Föderalismus, der so gar nicht bestand, und Niedergang der Weimarer Republik ist, ohne dass es näherer Begründung bedarf, unrichtig; so auch Fischer, SuR 1990, 955 (962). 405 Vgl. LK (3. WP), 1. (konst.) Sitzung am 10. Dezember 1958, in: BArch, DA 2/15, Bl. 15. 406 Ein Grund mögen die Entstalinisierungsprozesse in der Sowjetunion gewesen sein, vgl. oben: Kap. 5 E. I. (Fn. 262). 407 Damit war der 1956 von Kröger propagierte „[. . .] beharrliche Kampf Schritt für Schritt die Reste des alten kapitalistischen Erbes [. . .]“ zu überwinden und „[. . .] die Elemente des neuen sozialistischen Rechts [. . .]“ zu vermehren und durchzusetzen ein weiteres Stück fortgeschritten, ders., NJ 1956, 33. Die Auflösung der Länderkammer fand nur in einer Übersicht über die Gesetzgebung des IV. Quartals 1958 Einzug in die rechtswissenschaftliche Literatur, die mit der kurzen Bemerkung schloss, dass „[. . .] die Auflösung der Länderkammer die zwangsläufige Folge der Festigung des einheitlichen Systems unserer sozialistischen Staatsorgane auf der Grundlage des demokratischen Zentralismus [. . .]“ sei, vgl. Püschel, NJ 1959, 87. 408 GBl. I S. 867 (1958); § 3 des Gesetzes lautete: „Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.“ 409 Die Länderkammer war damit das zweite gesamtstaatliche Verfassungsorgan in der deutschen Verfassungsgeschichte, das systemimmanent beseitigt wurde. Dieses Schicksal teilte nur der Reichsrat der Weimarer Republik. In beiden Fällen – der Schwierigkeit eines solchen Systemvergleichs bewusst (genannt sei hier nur das Schlagwort „Totalitarismustheorie“) – zeigen sich doch in der Art und Weise der Abschaffung beachtenswerte Parallelen, vgl. dazu auch Odenthal, S. 70 ff. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten setzte rasch ein Prozess der Machtmonopolisierung ein. Im zweiten Teil seines Buches setzte sich Adolf Hitler mit dem föde-
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XIII. Nachwirkung der Auflösung in den Parteigremien In den Gremien der Parteien wurde nach dem Inkrafttreten des Auflösungsgesetzes die Frage der Beseitigung der Länderkammer an sich und die Folgen, die damit einhergingen, nicht weiter thematisiert. Man fand rativen Prinzip auseinander, wobei das entsprechende zehnte Kapitel den bezeichnenden Titel „Der Föderalismus als Maske“ trug, vgl. ders., Mein Kampf, S. 621 ff. Für Hitler war das Prinzip des Föderalismus ein Instrument des Judentums und der Parteien, um sich staatliche Strukturen untertan zu machen. Waren es dort die Juden und die Parteien, waren es für die SED die Junker und die Bourgeoisie, die das alte, „aus dem kaiserlichen Deutschland stammende System“ der Gliederung in Länder zur Abgrenzung gegenüber dem „werktätigen Volk“ benutzten, so in der Präambel des „Demokratisierungsgesetzes“ von 1952, GBl. S. 613 (1952). Anfängliche Beschwörungen Hitlers vor dem Reichsrat, es werde keine Zentralisierung geben, wo sie nicht unbedingt erforderlich sei, wurden schon bald ad absurdum geführt. Mit § 2 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat, RGBl. I S. 83 (1933), vom 28. Februar 1933 konnte die Reichsregierung Befugnisse der obersten Landesbehörden vorübergehend wahrnehmen; damit war ein Ausnahmezustand geschaffen. Durch das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich, RGBl. I, S. 141 (1933), vom 24. März 1933 – dem sog. „Ermächtigungsgesetz“ – hatte die Reichsregierung die Möglichkeit auch verfassungsändernde Gesetze zu erlassen (Art. 2). Noch verbleibende Machtpositionen, etwa die der Länder und mit ihnen der Reichsrat, wurden im Wege der Gleichschaltung beseitigt. Mit dem Vorläufigen Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 31. März 1933, RGBl. I S. 153 (1933), sollte verhindert werden, dass Beschlüsse der Landes- und Kommunalparlamente die Politik der Reichsregierung durchkreuzen. In § 4 Abs. 1 dieses Gesetzes wurden die Landtage und Bürgerschaften für aufgelöst erklärt und neu gebildet, wobei sich die Sitzverteilung der politischen Parteien nach dem Ergebnis der Reichstagswahl vom 5. März 1933 richten sollte. Dadurch wurde die NSDAP fast überall zur stärksten Partei. Durch das Zweite Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 7. April 1933, RGBl. I S. 173 (1933), traten an die Spitze der Länder sog. Reichsstatthalter (§ 1 Abs. 1), die auf Vorschlag des Reichskanzlers vom Reichspräsidenten ernannt wurden. Für Preußen nahm dieses Amt in Personalunion der Reichskanzler wahr (§ 5 Abs. 1). Die Reichsstatthalter beseitigten letzte eigenstaatliche Strukturen der Länder, da sie die Landesregierungen entlassen und ernennen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1), die Landtage auflösen und Neuwahlen anordnen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2) und auf Vorschlag der Landesregierung die Beamten und Richter ernennen konnten (§ 1 Abs. 1 Nr. 3). Somit bestimmte die Reichsregierung, was in den Ländern zu geschehen hatte; die Landesorgane waren nur noch Fassade. Den Schlussstein zur Beseitigung der Eigenstaatlichkeit der Länder bildete das Gesetz über den Neuaufbau des Reiches, RGBl. I S. 75 (1934), vom 30. Januar 1934. Dadurch wurde das Reich formell in einen Einheitsstaat umgewandelt; in der Präambel hieß es, dass das deutsche Volk „[. . .] über alle innenpolitischen Grenzen und Gegensätze hinweg zu einer unlöslichen, inneren Einheit verschmolzen ist.“ Mit diesem Gesetz wurden die Volksvertretungen der Länder aufgehoben (Art. 1), die Hoheitsrechte von den Ländern auf das Reich übertragen (Art. 2 Abs. 1) und die Länderregierungen der Reichsregierung unterstellt (Art. 2 Abs. 2). Der Reichsrat, einstmals die föderative Verkörperung des Reiches, wurde überflüssig, so dass dieser mit dem Gesetz über die Aufhebung des Reichsrates vom
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
sich wohl – die einen mehr, die anderen weniger, wobei letztere ihre Meinung aus nachvollziehbaren Gründen nicht äußerten – mit dem Ende des Bestehens dieses Verfassungsorgans ab. Nur für die CDU wiederholte August Bach wenige Tage nach der Auflösung anlässlich einer Hauptvorstandssitzung seine schon im Wesentlichen auf der Blocksitzung vom 1. Dezember 1958 geäußerten Worte und wies gleichzeitig den Weg in die Zukunft: Die innere Berechtigung einer Auflösung dieses Parlaments bedarf kaum einer näheren Begründung. Ich habe bereits im zentralen Block gesagt [. . .] dass ich in meiner Arbeit als Präsident der Länderkammer doch sehr oft das Empfinden hatte, dass eine wirklich entscheidende politische Aufgabe für die Länderkammer seit der Auflösung der Länder und seit der in den letzten Jahren erfolgten starken Entwicklung zu einem demokratischen Zentralismus unseres Staates kaum noch gegeben war. Die Länderkammer hatte sich in der durch die Verfassung vorgeschriebenen Funktion durch die gegebene Entwicklung selbst überlebt.410 Sie hat die Aufgabe, die ihr zugewiesen war, erfüllt. Der Föderalismus, der noch in der Weimarer Republik unser Staatsleben beherrschte, ist heute in unserem Staat durch den demokratischen Zentralismus abgelöst worden. [. . .] In dem Augenblick, in dem Schritt für Schritt die Deutschlandfrage unaufhaltsam in das unmittelbare Aktionsfeld der grossen Politik rückt, ist es die verpflichtenden Aufgabe unserer Staatsmacht, volle Klarheit über den Grundcharakter unseres Staates und seiner kommenden Gestaltung zu schaffen.411 14. Februar 1934, RGBl. I S. 89 (1934), abgeschafft wurde. In § 1 Abs. 1 des Gesetzes hieß es knapp: „Der Reichsrat wird aufgehoben.“ Benötigte man in der DDR also ganze neun Jahre um die Länderkammer zu beseitigen, wurde dieser Schritt hinsichtlich des Reichsrates in etwas mehr als einem Jahr vollzogen, wenngleich sich die beiden markanten Stufen, die zur Auflösung beider Verfassungsorgane führten ähnelten: (1) Aushöhlung der Länderrechte mit Einführung von Verwaltungsbezirken (DDR: Bezirke, Nationalsozialismus: Reichsstatthalter) und (2) mit unterschiedlicher Verzögerung die endgültige Beseitigung. Hie wie dort stand die Abkehr von überlieferten Traditionen im Mittelpunkt, konstatierte Carl Bilfinger doch anlässlich des Statthaltergesetzes: „Nach einer Entwicklung von tausend Jahren hat das deutsche Volk sich endlich durchgerungen zur Entscheidung für den vollkommenen nationalen Staat [. . .]“, ders., AöR 24 N.F. (1934), 131 (132). 410 Ganz im Gegensatz zu den Anfangstagen, in denen die CDU-Fraktion noch die Hoffnung hatte, die Länderkammer würde zu einem Gremium sachlicher und gestalterischer Arbeit: „Die CDU-Fraktion der Länderkammer bittet [. . .], dass das unparlamentarische Klatschen bei Sitzungen der Länderkammer zu unterbinden sei“, „Protokoll über die Sitzung der CDU-Länderkammer [sic!] am 10.11.1949“, S. 2, in: ACDP, Ost-CDU: Parteiarbeit, 07-012-1705. Diese Erwartungen hatte auch die LDPD, denn „[. . .] dort werden die politischen Ideen in gesetzlichen Fragen zu Wort gebracht [. . .]“; man brauche in der Länderkammer deshalb „[. . .] Gesetzestechniker [. . .]“, „Niederschrift über die Sitzung des geschäftsführenden Landesvorstands [Mecklenburg, d. Vf.] am 28.7.1950“, S. 2, in: ADL, Bestand LDPD, Landesverbände, L5-176. 411 Protokoll der zweiten Hauptvorstandssitzung der [CDU] am 15. und 16. Dezember 1958 in Weimar, ACDP, Ost-CDU: Vorstand, 07-010-1935, Bl. 4 f.
H. Exkurs: Verfassungsentwurf des „Zentralen Runden Tisches“?
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Widerspruch gegen diese Ausführungen erhob sich nicht. Die von Bach geforderte „[. . .] volle Klarheit über den Grundcharakter unseres Staates [. . .]“ war – unfreiwillig – vollumfänglich erbracht, ein „[. . .] tragikomisches Kapitel sowjetzonaler Verfassungsgeschichte [. . .]“412 abgeschlossen. Der im Westen Deutschlands landläufig gehegte Glaube, ja die Hoffnung auf eine zumindest in ihren Grundzügen (weiterbestehende) föderale Gestaltung der DDR hatte auf die ostzonalen (Schwester-)Parteien und ihre Haltung zum Staatsaufbau keinerlei Einfluss mehr. Nur eine vage Zuversicht blieb im Westen seit der Abschaffung des letzten Restes Föderalismus vorhanden: das Vertrauen auf die ehemaligen Länder als „[. . .] Quellgründe des Wiederbeginns [. . .]“ (Bundespräsident Lübke), wenngleich sich ihre spätere Überhöhung zu „[. . .] letzten Bollwerke[n] freiheitlicher demokratischer Auffassung [. . .]“ rückblickend als falsch erwies.413 Erst nach vier Jahrzehnten sollte sich das Gebiet der DDR wieder in das Gefüge deutschföderaler Staatlichkeit einreihen.
H. Exkurs: Renaissance der Länderkammer im Verfassungsentwurf des „Zentralen Runden Tisches“? I. Die späte Alternative zum Einheitsstaat marxistisch-leninistischer Prägung Schon bald nach der als „friedliche Revolution“ bezeichneten Wende im Herbst 1989 traten oppositionelle Gruppen mit Vertretern des ancien régime an einem Zentralen Runden Tisch zusammen.414 Im Vordergrund stand zuvörderst die Einstellung der geheimpolizeilichen Repressalien gegen Oppositionelle, dann die Transformation der DDR zu einem demokratischen Rechtsstaat unter Beibehaltung der staatlichen Existenz als Alternative zum kapitalistischen System des Westens.415 Folgerichtig beschloss man schon anlässlich der ersten Zusammenkunft am 7. Dezember 1989 die Ausarbeitung einer neuen Verfassung.416 412
Mampel, Deutsche Fragen 2 (1959), 21 (22). Vgl. Lübke, S. 11. 414 Zum Zentralen Runden Tisch, vgl. Herles/Rose, passim; zur Zusammensetzung und zur Nachwirkung dieses „verfassungsrechtlichen Zwischendings“: Thaysen, Der Zentrale Runde Tisch der DDR, Bd. I, S. VIII ff. 415 Zu diesem „dritten Weg“, vgl. Geisel, S. 188 ff.; Rogner, S. 49 f. 416 Vgl. die Beschlüsse der 1. Sitzung des Rundtischgespräches am 7./8. Dezember 1989, in: Herles/Rose, S. 24. Zu anderen – weniger konkreten – Verfassungsini413
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Anlässlich der 16. Sitzung des Zentralen Runden Tisches am 12. März 1990, wurden die bisherigen Arbeiten am Verfassungsentwurf durch die AG „Neue Verfassung“417 von Minister Gerd Poppe („Initiative Frieden und Menschenrechte“) unter dem Tagesordnungspunkt 7 „Gesichtspunkte für eine neue Verfassung“ vorgestellt.418 Der Runde Tisch als legitimer Sachwalter derjenigen Kräfte, die eine Erneuerung in der DDR bewirkten, lege einen Entwurf einer Verfassung vor, so Poppe, über dessen Annahme ein Volksentscheid befinden solle.419 Mit dem Entwurf einer neuen Verfassung trete der Runde Tisch Bestrebungen entgegen, sich durch die Abgabe von Beitrittserklärungen einer anderen Verfassungsordnung [dem Grundgesetz nach Art. 23 a. F. GG, d. Vf.] zu unterwerfen.420 Zum Themenkreis Staatsgrundsätze und Staatsaufbau sprach Karl-Friedrich Gruel von der PDS; nach dem aus diesen Reihen ungewöhnlich klaren Bekenntnis zum klassischen Gewaltenteilungs-, Verfassungs- und Rechtsstaat421, wandte sich Gruel der Staatsorganisation zu: Entsprechend der bundesstaatlichen Organisation entsteht die Länderkammer neu, die am Gesetzgebungsverfahren beteiligt ist.422
Unter völlig anderen Voraussetzungen als in den Anfangsjahren der DDR, doch mit einer ähnlichen Begründung führte Gruel weiter aus: tiativen, vgl.: Thaysen/Kloth, Der Runde Tisch und die Entmachtung der SED, in: EK-BT, Bd. VII/2, S. 1706 (1829), insbesondere zur Verfassungsinitiative der Regierung de Maizière, die noch im April/Mai 1990 eine „Kommission zur Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfes für die DDR“ einsetzte, ebd., S. 1706 (1846–1848). Verfassungspolitische Wirkung konnte diese Kommission und ihr Vorläufiges Grundgesetz der Deutschen Demokratischen Republik aufgrund der mehrheitlich einen zügigen Einigungsprozess bevorzugenden parteipolitischen Zusammensetzung der neuen Volkskammer hingegen nicht mehr erzielen, vgl. dazu: Schlink, Der Staat 30 (1991), 163 (169–171). 417 Eine Aufstellung der Mitglieder dieser Arbeitsgemeinschaft findet sich in: Arbeitsgruppe „Neue Verfassung der DDR“ des Runden Tisches, S. 77 f. 418 Vgl. 16. Sitzung des Zentralen Runden Tisches am 12. März 1990, in: Thaysen, Der Zentrale Runde Tisch der DDR, Bd. IV, S. 1096. 419 Vgl. ebd., S. 1097. 420 Vgl. ebd., wenngleich im späteren Entwurf in Art. 41 Abs. 2 festgelegt war: „Die [DDR] bekennt sich zu dem Ziel der Herstellung der Einheit der beiden deutschen Staaten“; den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes nach Art. 23 a. F. GG lehnte man jedenfalls ab und bevorzugte den Weg über Art. 146 GG und einer entsprechenden Norm in der neuen DDR-Verfassung, vgl. 13. Sitzungen des Zentrales Runden Tisches am 19. Februar 1990, Vorlage 13/14, in: BArch, DA 3/37, Bl. 36. 421 Vgl. 16. Sitzung des Zentralen Runden Tisches am 12. März 1990, in: Thaysen, Der Zentrale Runde Tisch der DDR, Bd. IV, S. 1101. 422 Ebd. S. 1102.
H. Exkurs: Verfassungsentwurf des „Zentralen Runden Tisches“?
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Mit der neuen Verfassung würde die DDR zu einem bundesstaatlichen Staatsaufbau übergehen mit einer entsprechenden Ausprägung föderaler Strukturen, Organe und Prinzipien. Das ist ohne Zweifel für die Einigung Deutschlands von allergrößtem Gewicht. Denn ein einheitliches Deutschland dürfte nur in föderalen Strukturen denkbar und möglich sein.423
Die Länderkammer als Vertretung der Länder, so Gruel, hätte das Recht eigene Gesetzesvorschläge in das Parlament einzubringen, ihr stünden weiter Zustimmungsrechte bei Bundesgesetzen – was die erste Verfassung der DDR nicht kannte – und Einspruchsrechte zu.424 Der Runde Tisch beschloss daher als Ergebnis dieser Erörterung eine Endfassung des Entwurfs zu bearbeiten und den Verfassungsentwurf im April 1990 der Öffentlichkeit zur Diskussion zu übergeben. Der neugewählten Volkskammer sollte schließlich empfohlen werden, den Entwurf in die Tätigkeit ihres Verfassungsausschusses einzubeziehen sowie für den 17. Juni 1990 einen Volksentscheid über die Verfassung auszuschreiben.425 Das Plenum des Runden Tischen stimmte diesem Verfassungsentwurf schließlich am 4. April 1990 einstimmig zu.426 Nach der ersten freien Volkskammerwahl am 18. März 1990 und dem Wahlsieg der „Allianz für Deutschland“, die einen Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes nach Art. 23 a. F. GG präferierte, wurden diese Überlegungen hingegen Makulatur.427
II. Die Länderkammer im Verfassungsentwurf vom 4. April 1990 Auf wen diese Reminiszenz an den Vorläufer zurückging, lässt sich nicht ermitteln.428 Sicher scheint hingegen, dass in den verschiedenen oppositionellen Kräften die Erinnerung an die Länderkammer der Verfassung von 1949 noch wach war.429 So hieß es selbst in einem Appell der reformsozia423
Ebd. Vgl. ebd. 425 16. Sitzung des Zentralen Runden Tisches am 12. März 1990, Vorlage 16/1, in: ebd., S. 1097. 426 Vgl. den „Brief an die Abgeordneten der Volkskammer vom 4. April 1990“, in: Arbeitsgruppe „Neue Verfassung der DDR“ des Runden Tisches, S. 76. 427 Zum Runden Tisch als gescheiterter Verfassungsgeber, vgl.: Thaysen/Kloth, Der Runde Tisch und die Entmachtung der SED, in: EK-BT, Bd. VII/2, S 1706 (1786–1789). 428 Zur mangelhaften Überlieferung der Dokumente des Runden Tisches vgl. das Vorwort in: Thaysen, Der Zentrale Runde Tisch der DDR, Bd. V. 429 Zur Reaktivierung der Länderkammer nach dem Mauerfall in einer neuen Verfassung, vgl. Gruel, SuR 1990, 359 (360 f.) und Mampel, SuR 1990, 435 (440). Zur 424
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
listischen und damit eher staatstreuen Böhlener Plattform aus dem September 1989, man fordere die Realisierung folgenden Grundsatzes: Bundesstaatlichkeit auf der Grundlage der Länderstrukturen von 1949 sowie des Landes Berlin (DDR) und Bildung einer Länderkammer nach dem Senatsprinzip aus den Volksvertretungen der Länder.430
Gemeinsam hatte die Länderkammer dieses Entwurfs431 mit der Länderkammer der Gründerjahre der DDR allerdings nur den Namen. 1. Das Verhältnis von Bund und Ländern Schon in Art. 41 Abs. 1 S. 1 des Entwurfs wurden die Unterschiede zur ersten DDR-Verfassung deutlich. Der Staat, in den die zukünftige Länderkammer eingebettet werden sollte, war nun ein „[. . .] rechtsstaatlich verfaßter demokratischer und sozialer Bundesstaat [. . .]“ bestehend aus Ländern.432 Art. 74 Abs. 2 normierte schließlich eine Zuständigkeitsvermutung Wiederbelebung föderativer Gedanken im Zuge des Vereinigungsprozesses, vgl. auch: Laufer/Münch, S. 75 ff. 430 „Mindestanforderungen für die Gestaltung einer freien sozialistischen Gesellschaft in der DDR – Vorschlag für einen Minimalkonsens einer breiten unabhängigen sozialistischen Opposition“ der Böhlener Plattform, abgedruckt in: Rein, S. 110. 431 Der Text des Entwurfes findet sich bei Arbeitsgruppe „Neue Verfassung der DDR“ des Runden Tisches, S. 5 ff. 432 Art. 41 war hingegen nicht durch Art. 100 Abs. 2 einer Verfassungsänderung entzogen. Bis zum 28. Februar 1990 lautete diese Stelle (damals Art. 30 Abs. 1): „Die DDR ist ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat deutscher Nation, der sich einer solidarischen Gesellschaft verpflichtet fühlt, [nachfolgendes handschriftlich auf Vorschlag der Untergruppe „Menschenrechte“ ergänzt, d. Vf.] sich zu Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit und politischer Pluralität bekennt und seine Staats- und Rechtsordnung auf parlamentarischer Demokratie, strikter Gewaltenteilung, föderativen Staatsaufbau und kommunaler Selbstverwaltung gründet“, vgl. BArch, DA 3/39, Bl. 69. Das Prinzip des demokratischen Zentralismus gab man auf. In einer Ausarbeitung („Grundsätze für eine neue Verfassung der DDR“) für den Zentralen Runden Tisch vom Dezember 1989, erstellt unter der Leitung von Karl-Heinz Schöneburg, vormals Vertreter der offiziellen Lehre, hieß es: „In der staatlichen Praxis hat der demokratische Zentralismus als bürokratisch-administrativer Zentralismus gewirkt, also nicht die Volkssouveränität. Daraus sollte die Konsequenz abgeleitet werden, in einer neuen Verfassung auf den diskreditierten Begriff zu verzichten“, vgl. BArch, DA 3/36, Bl. 13. Schöneburg sah bei „[. . .] der Entwicklung einer echten kommunalen Selbstverwaltung [. . .]“ gar die Möglichkeit, dass „[. . .] Bezirke wie Länder und Provinzen überflüssig sind“, ebd., Bl. 25. In völliger Abkehr von den Erfahrungen vergangener Zeit dachte Schöneburg an „[. . .] Mechanismen und Formen [. . .], um eine bestimmte interessierte Öffentlichkeit bei der Beratung bestimmter Sachgegenstände parteiunabhängig, aber basisdemokratisch einzuschalten. Hier wären Initiativgruppen, Volksforen, Bürgerkomitees und anderes denkbar. [. . .] Sie könnten möglicherweise unter bestimmten Bedingungen auch Vetorechte haben, um bereits beschlossene Gesetze noch einmal in dem gesetzgebendem Gremium zu beraten“, ebd., Bl. 30.
H. Exkurs: Verfassungsentwurf des „Zentralen Runden Tisches“?
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zugunsten der Länder, die diese im Gegensatz zur ersten DDR-Verfassung erheblich aufwertete. Die Länderkammer war zudem durch einen sich über die Verfassung verteilenden Katalog an zustimmungspflichtigen Gesetzen in viel größerem Maße an der Gesetzgebung des Bundes beteiligt. Auch der Zuständigkeitskatalog umfasste nun originäre Ländermaterien („Ausschließliche Gesetzgebung der Länder“, Art. 97), der etwa den Ländern die Zuständigkeit im Bereich der Gefahrenabwehr, im Bauordnungsrecht, in der Gerichtsorganisation, im Universitätswesen usw. zuwies. Auf nicht ausdrücklich den Ländern zugeordneten Gebieten hatten die Länder das Recht der Gesetzgebung, solange der Bund von seinem Recht zur Gesetzgebung keinen Gebrauch machte, Artt. 95 S. 2, 47 Abs. 2. Der Bund konnte sich im Bereich seiner ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz auf den Erlass von Rahmengesetzen beschränken, Art. 95 S. 3. 2. Die Vorschriften über die Länderkammer Die zentralen Vorschriften über das neue Föderativorgan enthielten die Artt. 66 ff. des Entwurfs. Durch die Länderkammer wirkten gem. Art. 66 Abs. 1 die Länder „[. . .] an der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mit.“433 Die Länderkammer war nun dem Ratsmodell verpflichtet, da sie gem. Art. 66 Abs. 2 „[. . .] aus Mitgliedern der Landesregierungen, die von diesen bestellt und abberufen werden [können]“, bestand. Die Verteilung der Mitglieder, die jedes Land entsenden konnte, richtete sich gem. Art. 66 Abs. 3 nach der Einwohnerzahl des jeweiligen Landes.434 Schließlich konnten die Stimmen eines Landes nur einheitlich abgegeben werden und die Anzahl der Mitglieder, die ein Land entsenden konnte war auf die zustehende Stimmenzahl begrenzt.435 Diese Vorschriften können ihr Vorbild – den westdeutschen Bundesrat – kaum verleugnen. 433 Bis zur redaktionellen Überarbeitung am 2. März 1990 hieß es im ersten Artikel über die Länderkammer (später Art. 66): „(1) Zur Verbreitung [gemeint wohl: Vertretung, d. Vf.] der Länder, wird eine Länderkammer gebildet. (2) Durch die Länderkammer wirken die Länder an der Gesetzgebung des Bundes mit.“ Abs. 2 wurde handschriftlich um ein Novum ergänzt: „[. . .] und am Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften [. . .]“; der zweite Absatz wurde später in leicht modifizierter Form zu Art. 66 Abs. 1 des Entwurfs, Abs. 1 wurde gestrichen, vgl. die Änderungen der Redaktionsgruppe vom 2. März 1990, in: BArch, DA 3/39, Bl. 79. 434 Art. 66 Abs. 3: „Jedes Land hat mindestens drei Stimmen. Länder mit mehr als zwei Millionen Einwohnern erhalten eine weitere Stimme für je eine weitere Million Einwohner. Restzahlen werden gerundet.“ 435 Art. 66 Abs. 4: „Die Stimmen des Landes können nur einheitlich und nur durch anwesende Mitglieder der Länderkammer oder deren Vertreter abgegeben werden. Die Länder können höchstens so viele Mitglieder entsenden, wie ihnen Stimmen zustehen.“
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Ein Präsidium bestand nicht mehr, vielmehr war jährlich ein Präsident zu wählen (Art. 67 Abs. 1), welcher die Länderkammer auf Verlangen eines Landes oder eines Ministerpräsidenten einzuberufen hatte (Art. 67 Abs. 2). Art. 68 statuierte schließlich das Zitationsrecht und das Rederecht von Mitgliedern der Regierung in der Länderkammer.436 Die Länderkammer konnte Ausschüsse bilden (Art. 67 Abs. 5) und fasste ihre Beschlüsse, soweit die Verfassung nichts anderes bestimmte, mit der Mehrheit der Stimmen ihrer Mitglieder (Art. 67 Abs. 3). 3. Die Beteiligung der Länderkammer an der Gesetzgebung Die Länderkammer hatte das Recht zur Gesetzesinitiative; nach Art. 90 Abs. 2 S. 1 Var. 3 konnte sie Gesetzesvorlagen bei der Volkskammer einbringen. Diese Vorlagen mussten allerdings zuvor der Regierung zur Stellungnahme unterbreitet werden, Art. 90 Abs. 3 S. 1. Art. 89 bestimmte, dass Gesetze durch die Volkskammer oder durch Volksentscheid beschlossen werden. Zur Wirksamkeit der Gesetze bedurften diese – in den von der Verfassung vorgesehenen Fällen437 – der Zustimmung, ansonsten stand der Länderkammer das Recht des Einspruchs zu, Art. 90 Abs. 1. 436 Umgekehrt hatten die Mitglieder der Länderkammer ebenso Zutritt zu den Sitzungen der Volkskammer und ihrer Ausschüsse, sowie das Recht zur Rede, Art. 60 Abs. 2 S. 1 u. 2. 437 Die zentrale Vorschrift insoweit war Art. 91 Abs. 1: „Der Zustimmung der Länderkammer bedürfen außer in den anderen in dieser Verfassung genannten Fällen Gesetze der Volkskammer über: 1. Änderungen der Ländergrenzen; 2. die Errichtung selbständiger Träger der bundeseigenen Verwaltung; 3. die Gerichtsverfassung; 4. die Verteilung der vom Bund erhobenen Steuern; 5. die Raumordnung und Fachplanungen des Bundes; 6. das Verwaltungsverfahren.“ Des Weiteren bedurfte es einer Zustimmung der Länderkammer in folgenden Fällen: Übertragung von Hoheitsbefugnissen auf zwischenstaatliche Einrichtungen (Art. 44 Abs. 1 S. 1), Verträge mit auswärtigen Staaten, die die Zuständigkeiten der Länder berühren (Art. 49 Abs. 2 S. 1), Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses (Art. 92 Abs. 2 S. 2), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsbehörden (Art. 102 Abs. 1), Errichtung von Bundesämtern, Körperschaften und Stiftungen bei nicht ausschließlicher Gesetzgebungskompetenz der Länder (Art. 104 Abs. 2), Finanzhilfen (Art 114 Abs. 2 S. 3), bestimmten Steuern (Artt. 115 Abs. 3, 116 Abs. 4 S. 2, 116 Abs. 4 S. 5, 116 Abs. 5 S. 3, 117 Abs. 1 S. 2), Finanzausgleich (Art. 117 Abs. 2 S. 1 Hs. 1), Finanzbehörden (Artt. 118 Abs. 3 S. 2, 118 Abs. 4 S. 2), Haushaltsplanung (Art. 119 Abs. 2 S. 1), Fortgeltung von Landesrecht (Art. 126 Abs. 3 S. 2).
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Die beschlossenen Gesetze mussten durch den Präsidenten der Volkskammer unverzüglich der Länderkammer zugeleitet werden, Art. 92 Abs. 1. Nach Eingang des Gesetzesbeschlusses war für Gesetze bei denen die Länderkammer nur von ihrem Einspruchsrecht Gebrauch machen konnte und wollte, die also nicht zustimmungspflichtig waren, die Vorschaltung eines paritätisch besetzten Vermittlungsausschusses zwingend, Art. 92 Abs. 3 S. 1 („[. . .] wenn das Verfahren nach Absatz 2 beendet ist [. . .]“), bei Zustimmungsgesetzen hingegen nicht, Art. 92 Abs. 2 S. 1 („[. . .] kann [. . .] verlangen [. . .]“). Nach Abschluss des Vermittlungsverfahrens konnte die Länderkammer binnen einer Woche Einspruch einlegen, Art. 92 Abs. 3 S. 1. Die Frist begann bei einem im Vermittlungsverfahren geänderten Gesetz mit dem Eingang des von der Volkskammer erneut gefassten Beschlusses bzw. in anderen Fällen mit dem Abschluss des Vermittlungsverfahrens, Art. 92 Abs. 3 S. 2. Nach Art. 92 Abs. 4 S. 1 konnte die Volkskammer mit der Mehrheit ihrer Mitglieder den Einspruch der Länderkammer zurückweisen; bei einer Beschlussfassung über den Einspruch in der Länderkammer mit einem Quorum von zwei Dritteln ihrer Stimmen, bedurfte die Zurückweisung seitens der Volkskammer einer Mehrheit von zwei Dritteln der Anwesenden, mindestens aber der Mehrheit der Mitglieder der Volkskammer, Art. 92 Abs. 4 S. 2. Ein Gesetz kam daher verfassungsgemäß zustande, wenn die Länderkammer kein Vermittlungsverfahren begehrte, innerhalb der Frist des Art. 92 Abs. 3 keinen Einspruch einlegte oder ihn zurücknahm und schließlich bei Überstimmung des Einspruches durch die Volkskammer, Art. 93. Bei verfassungsändernden Gesetzen hatte die Länderkammer nur das Recht des Einspruchs, allerdings bedurften Änderungen der Verfassung zwingend eines Volksentscheids, Art. 100 Abs. 1. 4. Sonstige Rechte Im Falle der Bundesexekution bedurften Maßnahmen der Regierung der Zustimmung der Länderkammer, Art. 48 Abs. 2 S. 1. Des Weiteren erforderten Verträge mit auswärtigen Staaten oder der Bundesrepublik, die originäre Rechte der Länder zum Inhalt hatten, die Zustimmung der Länderkammer. Vor dem Abschluss des Vertrages musste das betroffene Land gehört werden; wurde keine Einigung erzielt, kam der Länderkammer eine Reservefunktion zu; sie entschied dann anstelle des Landes, Art. 49 Abs. 2 S. 3. Der Länderkammerpräsident wurde protokollarisch erheblich aufgewertet; er vertrat im Falle der Verhinderung den Präsidenten der Republik (Art. 79 Abs. 2), an dessen Wahl die Länderkammer nicht mehr beteiligt war (vgl.
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Kap. 5: Die Länderkammer in der Verfassungsordnung der DDR
Art. 85 Abs. 1 S. 2). Dem Präsidenten der Länderkammer stand nur die Mitwirkung („[. . .] im Einvernehmen [. . .]“) an der Einberufung der Bundesversammlung zu (Art. 85 Abs. 3 S. 1). Die Exegese des Entwurfs zeigt deutlich die Anlehnung des Verfassungsentwurfs an die Ordnung des Grundgesetzes, so dass zumindest aus rechtlicher Sicht das Nichtinkrafttreten dieses Entwurfs keine Versäumung eines irgendwie gearteten völlig neuen Weges war.
Schlussbetrachtung Mit dieser Arbeit wurde der Versuch unternommen, ein wenig Licht ins Dunkel eines bislang in der wissenschaftlichen Literatur kaum beachteten Verfassungsorgans der Frühzeit der DDR zu bringen. Schon die Verhandlungen des Verfassungsausschusses zeigten, dass sich für die Idee eines gelebten Föderalismus – verstanden als politische Organisationsform, die institutionell-funktionalistisch die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben zwischen verschiedenen Ebenen aufteilt, die verfassungsrechtlich bestimmte staatliche Strukturelemente garantiert, die aber auch sozialphilosophisch ein über die Staatsorganisation herausreichendes, dem Subsidiaritätsprinzip verpflichtetes, Ordnungsmodell akzeptiert1 – in der DDR kein Raum fand. Aus den Verlautbarungen der führenden Köpfe der allein maßgeblichen Einheitspartei wurde deutlich, dass der neugeschaffene Staat dem Unitarismus in Ausprägung des Prinzips des demokratischen Zentralismus verpflichtet war. Gerade deshalb ist es verwunderlich, dass die Verfassung ein auf den ersten Blick ausgesprochen föderales Organ kannte, das in seiner Form grundsätzlich Ausweis einer irgendwie gearteten bundesstaatlichen Konzeption sein konnte, kurz: es ließ den Staat als Ganzes jedenfalls nicht als einheitsstaatlich organisiert erscheinen. Dieser Makel in marxistisch-leninistischem Revolutionssinne musste dementsprechend alsbald beseitigt werden. So forcierte man denn auch rasch die Exemtion der Länderkammer aus dem staatlichen Ordnungsrahmen. Dass man nicht schon bei Schaffung der Verfassung auf eine Institution dieser Art verzichtete – insofern der Verfassungsentwurf der SED des Jahres 1946, der eine solche gar nicht erst vorsah, die konsequentere Lösung gewesen wäre – lag daran, dass die SED sich anfangs wohl die berühmt gewordenen Worte Karl Valentins zum Leitfaden machte: „Mögen hätt’ ich schon wollen, aber dürfen hab’ ich mich nicht getraut.“2 Dem Dürfen stand der anfängliche gesamtdeutsche Anspruch der ersten DDR-Verfassung entgegen, mithin die Rücksicht auf westdeutsche Befindlichkeiten, besonders mit Blick auf die süddeutschen Staaten mit ihrem traditionell hochgehaltenen Eigenständigkeitsverständnis, sowie das Einbindungserfordernis 1 Angelehnt an die Interpretationsansätze des Begriffs von Reissert, Föderalismus, S. 238 f. 2 Valentin, Das Oktoberfest, S. 385 (398).
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Schlussbetrachtung
bürgerlicher Schichten, denen ein eher föderatives Staatswesen und die Existenz einer Ländervertretung als der Deutschen Schicksal erschien, das vielfach identitätsstiftend wirkte. Nicht zuletzt fühlte man sich bei Schaffung der Verfassung durch die Äußerungen Molotows und durch Beschlüsse auf alliierter Ebene zeitweilig an Länderstrukturen und ein Organ wie es die Länderkammer war gebunden. Freilich gab es dennoch bald Überlegungen zur Abschaffung der Länderkammer – schon vor 1958 – etwa anlässlich der Bildung von Bezirken im Jahre 1952, infolge des Auslaufens der Länderkammermandate im Jahre 1953 und schließlich in den Jahren 1955/56, in denen man an eine Verfassungstotalrevision dachte. Diese Überlegungen waren ob des Staatsverständnisses der SED nur folgerichtig, hieß es doch in Art. 71 Abs. 1 S. 1 DDV: „Zur Vertretung der Länder wird eine Länderkammer gebildet.“ Eine Vertretung von Länderinteressen war nach 1952 nicht mehr möglich, da Länder auf dem Gebiet der DDR nicht mehr bestanden. Wurden die Länder zu Makulatur, bedurfte es eigentlich nicht länger eines Organs, das Länder voraussetzt und dessen Abgeordnete die Länder bei der Republik vertreten konnten. Schließlich musste darum auch der SED klar sein, dass durch die Vielzahl von Gesetzen, die nach der Gründung der DDR ihre Wirkung entfalteten und die die Staatsorganisation unmittelbar berührten sowie sich in ihrer Wirkrichtung unmittelbar gegen die bestehende Verfassung richteten und sich zu dieser in Widerspruch befanden, kein Staat mehr zu machen war, wollte man sich nicht gänzlich von einem Gemeinwesen entfernen, das ohne im klassischen Sinne Rechtsstaat zu sein überhaupt positives Recht kannte, welches zumindest partiell mit der Wirklichkeit übereinstimmte. Die Beibehaltung der ersten Verfassung der DDR respektive einer ihrer Institutionen – der Länderkammer – zu einer Zeit, als diese schon über Gebühr strapaziert wurde, war im Sinne eines retardierenden Moments dennoch nötig, um die Kraft für die Schaffung einer sozialistischen Gesellschafts- und Staatsform zu sammeln; bei Gründung des Staates war man dazu noch nicht willens und in der Lage. Zwischenzeitlich gerechtfertigt wurde dieser Widerspruch zwischen gesetztem und tatsächlich wirkendem Recht mit der marxistisch-leninistischen Gesetzlichkeit von der Fortentwicklung des Staates: Die Entwicklung der auf einer sozialistischen Gesellschafts- und Staatsordnung basierenden sozialistischen deutschen Nation verlangte ihre weitere staatsrechtliche Ausformung. Das schloß [sic!] entsprechende verfassungsrechtliche Regelungen ein. Widersprüche zwischen Verfassungstext und gesellschaftlicher Realität mußten von der Arbeiterklasse und ihren Verbündeten schöpferisch überwunden werden. [. . .] Bei einer Vielzahl von Gesetzen führte die Volkskammer später auf gesetzgeberischen Weg eine förmliche oder faktische Änderung einzelner Verfas-
Schlussbetrachtung
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sungsbestimmungen herbei. Die Verfassung selbst (Art. 833) hatte ihr diese Möglichkeit gegeben.4
Erst im Jahre 1958 wurde die Länderkammer schließlich beseitigt. In ihrer Abschaffung kulminierten alle vorangegangenen Maßnahmen, die sich gegen die Länder richteten. Zwingend war die Auflösung nicht, vulgo: mitschleppen – gewissermaßen als Anhängsel der Staatsorganisation – hätte man sie freilich noch länger können, stellte sie doch nie ein Hemmnis dar für die Entfaltung der uneingeschränkte Herrschaft der SED, indem sie etwa von ihrem ihr zustehenden Einspruchsrecht auch nur einmal Gebrauch gemacht hätte. Die Leidenschaft dieses zu nutzen hielt sich freilich auch in Anbetracht der verfassungsrechtlichen Regelungen in Grenzen; für jeden musste erkennbar sein, welch stumpfes Schwert das der Länderkammer zugebilligte Einspruchsrecht war. So störte sie letztlich schlicht das Konzept vom vollkommenen sozialistischen Staat, für den der Ausspruchs Ulbrichts traurige Berühmtheit erlangte und Zeit des Bestehens der DDR – gerade auch mit Blick auf die Länderkammer – galt: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles unter Kontrolle haben.“5 Die DDR folgte mit der Auflösung einer Entwicklung, die der restliche Ostblock schon hinter sich gebracht hatte6 – hier also war die nach dem Selbstverständnis der DDR angenommene Vorreiterrolle („Sozialistisches Musterland in der Heimat von Marx und Engels“) nicht gegeben. Sie war – abgesehen von der Sowjetunion – das letzte Land im sowjetischen Machtbereich, das auf ein irgendwie geartetes Zweikammersystem verzichtete.7 3 Art. 83 Abs. 1 DDV: „Die Verfassung kann im Wege der Gesetzgebung geändert werden.“ 4 Künzel, SuR 1987, 725 (732). 5 Zit. nach: Wolfrum, S. 27 m. w. N. 6 Die Tschechoslowakei etwa führte bereits mit Wirkung zum 1. Januar 1949 eine Verwaltungsreform durch, in der die bisherigen historischen Länder (zemeˇ) Böhmen, Mähren-Schlesien und die Slowakei samt ihren Organen aufgelöst und durch 13 tschechische und 6 slowakische Bezirke (kraje) – mit durchschnittlich 500.000 Einwohnern – ersetzt wurden, vgl. dazu: Hoensch, S. 142 f.; Slapnicka, S. 301 (339); Urban, S. 177 (186). 7 Polen hatte etwa schon im Jahr 1947 den Senat als Vertretung der Wojewodschaften abgeschafft. So wurde dem polnischen Volk am 30. Juni 1946 die Frage vorgelegt: „Wünschen Sie die Vernichtung des Senats?“, zit. nach: Polak, NJ 1950, 327. Das polnische Volk habe sich mit „[. . .] überwältigender Mehrheit [. . .]“ dafür entschieden, vgl. ebd.; ansonsten blieb die Verfassung des Jahres 1921 bestehen, bis man sich am 22. Juli 1952 eine „volksdemokratische“ gab, dazu: Stembrowicz, NJ 1952, S. 599. In den Staaten des ehemalig sowjetischen Einflussbereichs – abgesehen vom „Sonderfall“ Jugoslawien – führten nur Polen („Senat“) – auf Druck der Solidarnos´c´-Bewegung – im Jahre 1989 und die Tschechoslowakei schon 1968 („Kammer der Nationen“, vgl. Art. 29 Abs. 2 der Verfassung von 1968, Verfas-
352
Schlussbetrachtung
Zwar gilt abusus non tollit usum, doch ein rechter Gebrauch der Länderkammer als Verfassungsorgan war innerhalb des SED-Staates nie möglich, ihre Auflösung daher nur konsequent. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Auflösung der Länderkammer konnte jedenfalls bei denen, die der Staatstheorie des Marxismus-Leninismus anhingen8, nicht aufkommen: Folgerichtig in diesem Sinne war sie allemal. Endlich sah man im Jahre 1968 die Zeit gekommen, sich eine den geänderten Umständen angepasste Verfassung zu geben, in der des Weiteren keine Rücksicht mehr auf den vormaligen gesamtdeutschen Anspruch, auf westdeutsche Befindlichkeiten oder bestimmten Gruppen und Parteien innewohnenden Interessen genommen werden musste. Sicher stellte gerade dieses permanente Vermittelnmüssen zwischen dem status ad quem, der als Endziel die Errichtung der kommunistischen Gesellschaft anstrebte, und dem status a quo, also den gegenwärtigen Gegebenheiten, eine Bürde dar, die die SED nicht allzu lange zu schultern bereit war.9 So schrieb Schöneburg rückblickend folgerichtig: Mit der Bewältigung der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus in der DDR war die gesellschaftsgestaltende Kraft der Verfassung von 1949 ausgeschöpft; sie mußte durch eine neue Verfassung ersetzt werden, die den Erfordernissen der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft entsprach.10
Die Zerreißprobe innerhalb einer Melange von Abschaffungsabsicht wechselnder Intensität und vorgeblichem Beibehaltungsinteresse, das andauernde sich Einpassenmüssen in das Prokrustes-Bett und schließlich das Fehlen eines nicht nur pro forma föderal institutionalisierten Umfeldes ging zu Lasten der Länderkammer aus, wobei freilich auch ihr eigenes, oft freiwilliges, Verharren in politischer Bedeutungslosigkeit nicht ausgeblendet werden darf. Ein angemessener Ausgleich zwischen der ansehnlich hohen Zahl ihrer Abgeordneten und der Partizipation am Gemeinwesen konnte nicht gefunden werden. Die in den Anfangsjahren noch gehegte Hoffnung, einen Wirkkreis für andere Kräfte außerhalb der SED zu etablieren, wich schnell einer stetigen Adaption der Vorgaben aus Politbüro und entsprechenden ZKsungsgesetz 143/1968), sowie Rumänien („Senat“) im Jahre 1991 ein irgendwie geartetes bikamerales System (wieder) ein. 8 Vgl. nur den oft zitierten Ausspruch Lenins: „Die Lehre von Marx ist allmächtig, weil sie richtig ist“, zit. nach: Autorenkollektiv (Ltg.: Kuusinen), Grundlagen des Marxismus-Leninismus, S. 7. 9 Vgl. Richert, Macht ohne Mandat, S. XXXIX. 10 Schöneburg, Wesen und Wirken der DDR-Verfassung vom 7. Oktober 1949, S. 5 (18). Vgl. dazu auch das Kapitel „Die historische Bedeutung der ersten Verfassung der [DDR]“, in: Sorgenicht/Weichelt/Riemann u. a., Verfassung der DDR, Bd. 1, S. 12–15 und Akademie für Staats-und Rechtswissenschaft der DDR, Staatsrecht der DDR (1984), S. 64–68.
Schlussbetrachtung
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Abteilungen. Das nicht nur einem gelebten Föderalismus innewohnende Prinzip einer concordantia oppositorum konnte und wollte von den meisten aber auch wohl nicht bis zur letzten Konsequenz im Umfeld einer dem Dezisionismus verpflichteten Staatspartei gelebt werden. Der Lenin zugeschriebene Ausspruch, wonach die Partei einem Dirigenten gleiche, der das ganze Orchester leitet, selbst aber kein Instrument spielt, wurde zumindest im Umfeld der Länderkammer größtenteils verwirklicht. Das als sozialistisch verstandene Herrschaftssystem der selbsterklärten Arbeiter- und Bauernmacht endete schließlich endgültig mit der friedlichen Revolution im Wendejahr 1989. Den symbolischen Grund für das Scheitern der DDR lieferte bezeichnenderweise schon der erste Tagungsort der Länderkammer: Mauerstraße 42/45, W 8 Berlin.11
11 Später tagten Volks- und Länderkammer in der Luisenstraße 58/60 (Langenbeck-Virchow-Haus), vgl. Präsidium PLK, 9. Sitzung am 18. Januar 1950, in: BArch, DA 2/79, Bl. 32 und: Deutsches Institut für Zeitgeschichte/Verlag „Die Wirtschaft“, Jahrbuch der DDR – 1956, S. 511. Zum Tagungsort, vgl. auch oben, Kap. 5 A. I. (Fn. 21).
Anhang
Übersicht Nr. 1
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Übersicht Nr. 1 Präsidien und Fraktionen1 der Länderkammer der DDR 1949–1958 A. Provisorische Länderkammer (1949/50)2 Fraktionen3 und deren Vorsitzende
Präsidium Präsident
Lobedanz (CDU)
SED (20)4
Buchwitz
Vizepräsidenten
Buchwitz (SED) Schwarze (LDPD)
CDU (8) LDPD (10)
Enke Suhrbier
Beisitzer
Körner (SED) Neddermeyer (VdgB) B. Länderkammer, 1. Wahlperiode (1950–1954)5 Fraktionen6 und deren Vorsitzende
Präsidium Präsident
Lobedanz (CDU)
SED (16)
Frölich
Vizepräsidenten
Frölich (SED) Hagemeier (LDPD) Luthardt (NDPD) Besler (DBD)
CDU (9) LDPD (9) NDPD (5) DBD (4)8
Grobbel Hilzheimer7 Luthardt Schröder
Beisitzer
Niemand (FDGB) Luksch (DFD)
FDGB/FDJ (9) KB/DFD/VVN/ VdgB/ Gen. (10)
Raabe Neddermeyer
C. Länderkammer, 2. Wahlperiode (1954–1958)9 Präsidium
Fraktionen und deren Vorsitzende
Präsident
Lobedanz/Bach10 (CDU)
SED (17) CDU (7)
Frölich Broßmann
Vizepräsidenten
Frölich (SED) Mühlmann (LDPD) Luthardt (NDPD) Rödiger (DBD)
LDPD (7) NDPD (7) DBD (7) FDGB/FDJ (11)
Mühlmann Luthardt Burkhardt Boden
Beisitzer
Boden (FDGB) Frommelt (DFD)
KB/DFD/ Gen. (7)
Schmidt
(Fortsetzung nächste Seite)
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Anhang
(Fortsetzung Übersicht Nr. 1) D. Länderkammer, 3. Wahlperiode (1958)11 Präsidium
Fraktionen und deren Vorsitzende
Präsident
Bach (CDU)
SED (17)
Frölich
Vizepräsidenten
Frölich (SED) Suhrbier (LDPD) Luthardt (NDPD) Rödiger (DBD)
CDU (7) LDPD (7) NDPD (7) DBD (7)
Broßmann Suhrbier Luthardt Burkhardt
Beisitzer
Enke (FDGB) Stasch (DFD)
FDGB/FDJ (11) KB/DFD/ Gen. (7)
Enke Stasch
Anmerkungen zu Übersicht Nr. 1: 1
Um sich zu einer Fraktion zusammenschließen zu können waren gem. § 10 Abs. 1 S. 2 GO-PLK bzw. § 9 Abs. 1 S. 2 GO-LK mindestens 5 Abgeordnete erforderlich; die angegebene Fraktionsstärke schließt die Berliner Vertreter ein. 2 Vgl. die Akten des Sekretariats, in: BArch, DA 2/81, Bl. 3 ff. 3 Zusätzlich: 1 Abg. NDPD (Berlin), 1 Abg. FDGB (Berlin), 1 Abg. SDA (Berlin). 4 Der VdgB-Abgeordnete Neddermeyer hospitierte bei der SED. 5 Vgl. die Akten des Sekretariats, in: BArch, DA 2/81, Bl. 24 ff. 6 Zusätzlich: 1 Abg. SPD (Berlin). 7 Hilzheimers Wunsch nach Abgabe dieser Funktion infolge beruflicher Überlastung wurde im November 1953 entsprochen, vgl. „Beschlussprotokoll der Sitzung des Parteikollegiums am 5. November 1953“, S. 3, in: ADL, LDPD, Zentralvorstand, L4-632; Nachfolger wurde Carl Mühlmann. 8 Entgegen § 9 Abs. 1 S. 2 GO-LK als Fraktion geführt, vgl. nur LK (2. WP), 1. (konst.) Sitzung am 29. November 1954, in: Protokolle, S. 3. 9 Vgl. die Akten des Sekretariats, in: BArch, DA 2/81, Bl. 159 ff. 10 Nachfolger von Lobedanz (verstorben am 5. März 1955). 11 Vgl. die Akten des Sekretariats, in: BArch, DA 2/81, Bl. 172 ff. und die „Vorlage für das Politbüro, Betr.: Kandidaten für die Länderkammer“ der Abteilungen Staats- und Rechtsfragen, sowie der Abteilung Kaderfragen im ZK der SED vom 5. November 1958, in: SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2 A/662.
Übersicht Nr. 2
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Übersicht Nr. 2 Von den Landtagen gewählte Abgeordnete der Provisorischen Länderkammer (1949/50)1 Land Sachsen2 (insg. 11 Abgeordnete der Länderkammer) SED 1) Buchwitz, Otto3 2) Buchwald, Fritz4 3) Körner, Olga5 4) Bäuml, Luise6 5) Schliebs, Arthur7 6) Weitz, Max8
LDPD 7) Uhle, Dr. Dr. Reinhard9 8) Müller-Bernhardt, Dr. Hans10 9) Dierlamm, Elfriede11
CDU 10) Rohner, Gerhard12 11) Köster, Dr. Hellmut13
Land Sachsen-Anhalt14 (insg. 8 Abgeordnete der Länderkammer) SED 1) Besser, Erich15 2) Weber, Otto16 3) Brandt, Elli17 4) Wolfram, Adam18
CDU 5) Warnke, Brunislaus19 6) Kunisch, Dr. Richard20
LDPD 7) Schwarze, Dr. Kurt21 8) Rexrodt, Dr. Wilhelm22
Land Thüringen23 (insg. 6 Abgeordnete der Länderkammer) SED 1) Eyermann, Richard24 2) Frölich, August25 3) Heilmann, Friedrich-Wilhelm26
LDPD 4) König, Wilhelm27 5) Döring, Wilhelm28
CDU 6) Gillessen, Dr. Heinrich29
Land Brandenburg30 (insg. 5 Abgeordnete der Länderkammer) SED 1) Meier, Otto31 2) Langner, Margarete32
CDU 4) Schleusener, Franz34
LDPD 5) Mühlmann, Dr. Carl35
(VdgB) 3) Neddermeyer, Robert33 Land Mecklenburg36 (insg. 4 Abgeordnete der Länderkammer) SED 1) Fellenberg, Rudolf37 2) Moltmann, Carl38
CDU 3) Lobedanz, Dr. Reinhold39
LDPD 4) Suhrbier, Dr. Max40 (Fortsetzung nächste Seite)
360
Anhang
(Fortsetzung Übersicht Nr. 2) Berlin41 (insg. 7 Beobachter) SED 1) Ebert, Friedrich42 2) Jendretzky, Hans43
FDGB 4) Krüger, Frieda44
NDPD 6) v. Lenski, Arno45
CDU 3) Gohr, Arnold46
LDPD 5) Schwarz, Dr. Reinhold47
SDA48 7) Müller, Hans49
Insgesamt: 34 (+7) Anmerkungen zu Übersicht Nr. 2: 1
Die biographischen Daten – ohne nähere Angabe – sind entnommen: Führungskräfte in Staat, Politik und Gesellschaft, in: Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 858 ff. 2 Zur Wahl: Landtag Sachsen (1. WP), 63. Sitzung am 10. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 1465 f. 3 MdL Preußen 1921–1924, MdR (SPD) 1924–1933, MdL (Präsident) Sachsen 1946–1952, MdVR bzw. MdVK (Alterspräsident) 1948–1964, PV/ZK der SED 1946–1964. 4 MdL Sachsen 1946–1950, FDGB-Funktionär, später FDGB-Bundesvorstand. Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Finanzfragen der Provisorischen Länderkammer. 5 MdR (KPD) und MdL Sachsen 1930–1933, MdL Sachsen 1946–1952, PV der SED 1946–1950. 6 MdL Sachsen 1946–1950, MdVK 1950–54, FDJ-Funktionärin in Sachsen. Mitglied im Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten der Provisorischen Länderkammer. 7 MdL Sachsen 1946–1951 (ab 1950: Fraktionsvorsitzender), Sekretariat LV der SED Sachsen 1946–1951, Mai 1951 Verlust des Landtagsmandats, November 1951 Parteiausschluss wegen parteischädigenden Verhaltens. Mitglied des Rechts- und Verfassungsausschusses der Provisorischen Länderkammer. 8 Landrat (Hoyerswerda), kein MdL, vgl. Art. 72 Abs. 1 S. 2 DDV. Darauf wies auch Landtagspräsident Buchwitz noch einmal ausdrücklich hin: „Es ist nicht bedingt, daß alles Abgeordnete sein müssen, die der Länderkammer angehören“, vgl. Landtag Sachsen (1. WP), 63. Sitzung am 10. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 1465. 9 MdL Sachsen 1946–1950, Minister f. Land- und Forstwirtschaft 1946-1950, 1945 Mitbegründer LDPD, ab 1947 LV der LDPD, ab 1949 geschäftsführender Zentralvorstand LDPD. Mitglied des Rechts- und Verfassungsausschusses der Provisorischen Länderkammer. Uhle ist im März 1950 in den Westen geflohen. In der 11. Sitzung der Länderkammer am 21. April 1950 stellte Präsident Lobedanz dann auch fest: „Ich muss dem Hause mitteilen, daß die bisherigen Abgeordneten der Provisorischen Länderkammer Dr. Uhle und Frau Dierlamm nach Mitteilung der LDP-Fraktion das Gebiet der DDR auf ungesetzlichem Wege verlassen haben. Ich stelle fest, daß damit ihre Mandate erloschen sind. – Es erhebt sich kein Widerspruch; Sie haben also diese Feststellung bestätigt“, PLK, 11. Sitzung am 21. April 1950, in: Protokolle, S. 91. Im Gegensatz zu Dierlamm hat Uhle gegenüber dem sächsischen Landtagspräsidenten den Amtsverzicht erklärt, vgl. Landtag Sachsen (1. WP), 71. Sitzung am 27. April 1950, in: Protokolle, S. 1693. Als Nachfolger für Dierlamm und Uhle wurden einstimmig in die Länderkammer gewählt: Abg. Johannes Zetzschke, MdL Sachsen 1948–1950, stellv. Oberbürgermeister in Riesa, und Werner Hering, Leiter des Statistischen Landesamtes Dresden, kein MdL (Art. 72 Abs. 1 S. 2 DDV), vgl. Landtag Sachsen (1. WP), 71. Sitzung am 27. April 1950, in: Protokolle, S. 1694. Später ZK der SED (1976–1986), vgl. Baumgartner/Hebig, S. 306 f.; Müller-Enbergs/Wiehlgohs/Hoffmann, S. 342. 10 MdL Sachsen 1946–1952, ab 1945 geschäftsführender Landesvorstand der LDPD (Sachsen), vgl. auch: Agsten/Bogisch, S. 171. Nachfolger ab 10. August 1950: Paul Selbmann, MdL Sachsen 1946–1950, vgl. Akten des Sekretariats, in: BArch, DA 2/94, Bl. 7. Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Finanzfragen der Provisorischen Länderkammer. 11 MdL Sachsen 1946–1950 (Geschäftsführerin LDPD-Fraktion 1946/1947), MdVR 1948-1949, Ausschluss LDPD 1950 und Flucht nach Westdeutschland, vgl. dazu auch Anm. 9.
Übersicht Nr. 2
361
12 MdL Sachsen 1946–1950, Minister f. Finanzen 1946–1950, MdVR bzw. MdVK 1948–1950 (Vorsitzender der CDU-Fraktion in der Volkskammer), Februar 1950 Flucht in die Bundesrepublik, vgl MüllerEnbergs/Wiehlgohs/Hoffmann, S. 710. Auf Antrag der CDU-Fraktion der Länderkammer wurde die Flucht „[. . .] als verantwortungslos [. . .]“ verurteilt, vgl. PLK, Drucksachen, Drs. Nr. 17 (S. 112). Den Antrag (vgl. PLK, 8. Sitzung am 10. Februar 1950, in: Protokolle S. 51) dazu stellte ausgerechnet Brunislaus Warnke, der selbst nur einige Monate später in die Bundesrepublik floh. Nachfolger Rohners wurde Carl Ulbricht, Minister für Finanzen in Sachsen, vgl. den Personalbogen in: BArch, DA 2/110, Bl. 34. 13 MdL Sachsen 1946–1950, danach Flucht in den Westen. Mitglied im Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten der Provisorischen Länderkammer. 14 Zur Wahl: Landtag Sachsen-Anhalt (1. WP), 47. Sitzung am 10. Oktober 1949, in: Protokolle, Sp. 2111 A. 15 MdL Anhalt 1924–1933 (KPD), MdL Sachsen-Anhalt 1946–1950, ab 1947 Sekretariat LV der SED, Frühjahr 1950 Parteiausschluss wegen „Trotzkismus“. Am 10. Juni 1950 verhaftet und von einem sowjetischen Militärtribunal zu 25 Jahren Zwangsarbeit in einem sowjetischen Straflager verurteilt, Rückkehr 19. Oktober 1955, nichtöffentlich rehabilitiert und Wiederaufnahme in die SED, vgl. Hirschinger, S. 215 ff. In den Sitzungsprotokollen der Provisorischen Länderkammer ist kein Hinweis – etwa unter „Mandatsveränderungen“ – auf Bessers Verhaftung zu finden. Mitglied des Rechts- und Verfassungsausschusses der Provisorischen Länderkammer. 16 Ministerialrat bei der Abt. Land- und Forstwirtschaft der Provinzialregierung Sachsen-Anhalt, ab 1950 Leiter der Hauptabteilung Landwirtschaft der Landesregierung Sachsen-Anhalt. 17 Seit 1948 MdL, vgl. Model/Noggal/Linde u. a., S. 41 f. 18 MdL Sachsen-Anhalt 1947–1950 (Präsident ab 1948), MdVR bzw. MdVK (FDGB) 1948–1950, Mitglied im Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten der Provisorischen Länderkammer. 1951 Flucht in die Bundesrepublik, dort Funktionär der IG Bergbau. In seiner Autobiographie schrieb Wolfram: „Nach der Bildung der DDR Anfang Oktober 1949 wurde ich sowohl in die Volkskammer als auch die Länderkammer vom Landtag entsandt. Auf diese Weise kam ich während der Sitzungen auch mit den Präsidenten der Landtage der übrigen Länder in der Zone zusammen. [. . .] In vertraulichen Gesprächen mußte ich hören, daß die Unterdrückung und der Terror der SED und Besatzungsmacht in den übrigen Ländern genau so war wie bei uns. [. . .] Den Kopf hoch halten und die Hoffnung nicht aufgeben, war die heimliche Parole. Keiner von uns ahnte damals, daß bereits in einigen Jahren die Länder der DDR verschwinden und ihre Parlamente aufgelöst würden“, ders., S. 125 f. 19 MdR (Zentrum) 1928–1933; MdL Sachsen-Anhalt 1946–1950. Mitglied im Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten der Provisorischen Länderkammer. Entsprechend der politisch korrekten Diktion, da in Hinterpommern geboren, im Sitzungsprotokoll als Bronislaw Warnke verzeichnet, vgl. nur PLK, 1. (konst.) Sitzung am 11. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 2. Zur 11. Sitzung der Länderkammer am 21. April 1950 fehlte Warnke unentschuldigt, vgl. ebd., S. 91; in der 12. Sitzung (17. Mai 1950) stellte der Präsident der Provisorischen Länderkammer, Lobedanz, schließlich fest: „Der Herr Präsident des Landtages Sachsen-Anhalt hat der Provisorischen Länderkammer mitgeteilt, daß der Abgeordnete Bronislaw Warnke, der der CDU-Fraktion angehörte, aus dem Landtag Sachsen-Anhalt ausgeschieden ist. Damit ist sein Mandat in der Provisorischen Länderkammer erloschen“, vgl. ebd., S. 103. Die Niederlegung des Mandats im Landtag von Sachsen-Anhalt am 27. April 1950 erfolgte aus „politischen Gründen“, vgl. Trittel, S. 254. Im Frühjahr 1950 floh Warnke in die Bundesrepublik, als Nachfolger wählte der Landtag von Sachsen-Anhalt in seiner 54. Sitzung Helmut Enke in die Provisorische Länderkammer, vgl. PLK, 12. Sitzung am 17. Mai 1950, in: Protokolle, S. 103. 20 Finanzminister des Landes Sachsen-Anhalt bis 1949, 1950 Flucht in den Westen, dort bis 1965 Referatsleiter im Auswärtigen Amt. Nachfolger von Kunisch wurde Frida Stolzenbach, vgl. den Personalbogen in: BArch, DA 2/110, Bl. 33. 21 MdL Anhalt 1918–1926 (DDP), MdL Sachsen-Anhalt 1946–1950 (Präsidiumsmitglied, Fraktionsvorsitzender LDPD), MdVR bzw. MdVK 1948–1950, ab 1949 geschäftsführender Zentralvorstand LDPD. Schwarze legte sein Mandat in der Volkskammer am 31. Januar 1950 nieder, behielt sein Mandat in der Länderkammer allerdings, vgl. BArch, DA 2/37, Bl. 18. 22 Stellv. Landesvorsitzender LDPD Sachsen-Anhalt 1948–1950, Mitglied im Zentralvorstand LDPD 1949–1950, 1952 Flucht in den Westen. Nicht MdL, vgl. Art. 72 Abs. 1 S. 2 DDV. 23 Zur Wahl: Landtag Thüringen (1. WP), 63. Sitzung am 10. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 1713 ff. 24 MdL Thüringen (KPD) 1925–1933 und 1946–1952 (Fraktionsvorsitzender SED). Vorsitzender des Rechts- und Verfassungsausschusses der Provisorischen Länderkammer.
(Fortsetzung nächste Seite)
362
Anhang
(Fortsetzung: Anmerkungen zu Übersicht Nr. 2) 25 MdL Sachsen-Altenburg bzw. Thüringen 1919–1924, bis 1924 Minister in Thüringen, MdR (SPD) 1924–1933, MdL Thüringen (Präsident) 1946–1952, MdVR bzw. MdVK 1948–1950. Mitglied im Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten der Provisorischen Länderkammer. 26 MdL Thüringen (KPD) 1929–1933 (Fraktionsvorsitzender), MdL Thüringen 1946–1952 (Vizepräsident 1947–1950), vgl. Müller-Enbergs/Wielgohs/Hoffmann, S. 326. Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschafts- und Finanzfragen der Provisorischen Länderkammer. 27 MdL Thüringen 1946–1952 (Präsidium). Vorsitzender des Ausschusses für allgemeine Angelegenheiten der Provisorischen Länderkammer. 28 MdL Thüringen 1949–1952, stellv. Landesvorsitzender LDPD Thüringen 1949–1951, 1953 Flucht in die Bundesrepublik. 29 MdL Thüringen 1946–1950, Minister f. Handel und Versorgung 1947–1950, Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Finanzfragen der Provisorischen Länderkammer. „Herr Dr. Gilessen [sic!] hat das Gebiet der [DDR] auf ungesetzlichem Wege verlassen. Sein Mandat in der Provisorischen Länderkammer ist damit erloschen“, vgl. PLK, 15. Sitzung am 8. September 1950, in: Protokolle: S. 119. Ein Nachfolger wurde nicht mehr gewählt. 30 Zur Wahl: Landtag Brandenburg (1. WP),57. Sitzung am 10. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 716. 31 MdL Preußen 1920–1933 (bis 1922: USPD, dann SPD), MdL Brandenburg 1947–1952 (ab 1949 Präsident), Bezirkstag Potsdam ab 1952, MdVR bzw. MdVK 1948–1950, Zentralsekretariat und PV der SED 1946–1950. 32 MdL Brandenburg 1946–1950, MdVR 1948–1949, ab 1952 2. Sekretärin Bezirksleitung SED Potsdam. Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Finanzfragen der Provisorischen Länderkammer. 33 MdR (KPD) 1924–1928, MdL Preußen 1925–1933, MdL Brandenburg 1948–1952 (Präsidium, Fraktionsvorsitzender VdgB), MdVR 1948–1949, Präsidium VdgB 1950–1952. Mitglied im Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten der Provisorischen Länderkammer. Damit Neddermeyer in die Provisorische Länderkammer entsandt werden konnte, hatten sich die Fraktionen der SED und der VdgB im Landtag von Brandenburg noch am selben Tag zusammengeschlossen, vgl. Landtag Brandenburg (1. WP), 57. Sitzung am 10. Oktober 1949, in: Protokolle, S. 716. Die VdgB war damit, obwohl sie bei der Landtagswahl vom 20. Oktober 1946 nur 4,9% der Stimmen errang, gegenüber der CDU (30,6%) deutlich überrepräsentiert, vgl. das Wahlergebnis bei Braun, Wahlen und Abstimmungen, in: SBZ-Handbuch, S. 381 (397). 34 Genannt Frank Schleusener; Staatssekretär im preußischen Finanzministerium 1924–1933, MdL Brandenburg 1946–1950. Mitglied des Rechts- und Verfassungsausschusses der Provisorischen Länderkammer. In der 9. Sitzung der Provisorischen Länderkammer am 28. Februar 1950 teilte Präsident Lobedanz mit, Schleusener habe ihm Nachricht gegeben, dass „Beruf und Alter“ ihn nötigten seine Arbeit einzuschränken und er deshalb sein Mandat in der Provisorischen Länderkammer niederlegen müsse, vgl. PLK, 9. Sitzung am 28. Februar, in: Protokolle, S. 75. Ausschlaggebend dürften vielmehr die Konflikte über den zukünftigen Kurs der CDU mit der Parteiführung um Otto Nuschke, der einen zunehmend SED-freundlichen Kurs einschlug, gewesen sein. Wegen „absolut feindlicher Haltung“ gegenüber der DDR wurde er schließlich am 29. März 1950 verhaftet. Während der Haft erlag Schleusener am 3. April 1950 der Folter, was als Selbstmord deklariert wurde, vgl. Köhler, Mein Vater war schlohweiß: Rekonstruktion eines politischen Mordes, S. 21 (24) und Fricke/Steinbach/Tuchel, S. 74. Zur Person umfassend: Agethen, HPM 15 (2008), S. 167, passim. Nachfolger wurde Fritz Brauer (vgl. PLK, 12. Sitzung am 17. Mai 1950, in: Protokolle, S. 103) 1946–1950 MdL Brandenburg (Präsidium), 1949–1954 MdVR bzw. MdVK, 1947–1951 Zentralvorstand VdgB/BHG, 1948–1954 Beisitzer im CDU-Hauptvorstand. 35 Stellv. Oberbürgermeister von Potsdam 1945 und 1952, MdL Brandenburg 1946–1952 (Fraktionsvorsitzender 1950–1952), Mitglied im erweiterten Zentralvorstand der LDPD, Bezirkstag Potsdam 1954–1958. Mitglied im Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten der Provisorischen Länderkammer. 36 Zur Wahl: Landtag Mecklenburg (1. WP), 51. Sitzung am 10. Oktober 1949, in: Protokolle, Sp. 2019 f. 37 MdL Mecklenburg 1946–1952, Sekretariat Landesvorstand SED Mecklenburg, Mitglied im Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten der Provisorischen Länderkammer. Nach dem 17. Juni 1953 Absetzung wegen „Kapitulantentums“. 38 MdL Mecklenburg-Schwerin 1919–1933, MdR (SPD) 1932/33, MdL Mecklenburg 1946–1952 (Präsident), MdVR bzw. MdVK 1948–1950, bis 1960 ZK der SED. 39 Mitbegründer der CDU in Mecklenburg, MdL Mecklenburg 1946–1952 (Vizepräsident), MdVR bzw. MdVK 1948–1955, 1. Vorsitzender CDU Mecklenburg 1945–1947, 4. Vors. Parteivorstand CDU 1948–1955.
Übersicht Nr. 2
363
40 Mitbegründer LDPD Mecklenburg, MdL Mecklenburg ab 1947, 1949–1952 Minister f. Finanzen, MdVK 1950–1958 und 1963–1971, stellv. Vorsitzender des Rates des Bezirks Schwerin 1952–1959, stellv. Minister der Finanzen der DDR 1959–1961, stellv. Vorsitzender des Ministerrats 1960–1965, Vorsitzender der LDPD 1960–1967. 41 Zur Wahl: Vgl. das Schreiben des Oberbürgermeisters von Groß-Berlin, Friedrich Ebert (SED), an den Präsidenten der Provisorischen Volkskammer vom 10. Oktober 1949, in: BArch, DA 2/36, Bl. 2, worin mitgeteilt wird, dass der „Demokratische Block“ die angeführten Vertreter in die Provisorische Länderkammer gewählt hat. Vgl. auch „Protokoll der Sitzung des Präsidiums des Demokratischen Blocks von Groß-Berlin“ vom 6. Oktober 1946, in: ADL, Bestand LDPD, Landesverbände, L5-12. Dieckmann als Präsident der Provisorischen Volkskammer leitete das Schreiben am 18. Oktober 1949 dann weiter an Lobedanz, den Präsidenten der Provisorischen Länderkammer, vgl. BArch, DA 2/36, Bl. 2. Einen Briefwechsel mit dem „höchsten Staatsorgan“ zog man wohl vor. 42 Sohn des ehemaligen Reichspräsidenten Friedrich Ebert, MdR (SPD) 1928–1933, MdL Brandenburg 1946–1948 (Präsident), Oberbürgermeister von Ost-Berlin 1948–1967, MdVR bzw. MdVK ab 1948 (Vizepräsident, ab 1971 Vorsitzender der SED-Fraktion), seit 1949 Mitglied im Politbüro der SED, ab 1960 Mitglied des Staatsrates (ab 1971: stellv. Vorsitzender). 43 MdL Preußen (KPD) 1928–1932, MdVK 1949–1953 und ab 1958, stellv. Minister des Innern 1957–1960, ab 1948 Landesvorsitzender der SED Berlin, ab 1957 ZK der SED. 44 FDGB-Funktionärin. 45 Vormals Generalmajor der Wehrmacht und ehrenamtlicher Beisitzer im 3. Senat des Volksgerichtshofs, der auch Todesurteile fällte. Während der sowjetischen Gefangenschaft Umerziehung im „Nationalkomitee Freies Deutschland“, im Oktober 1949 kurioserweise Anerkennung als Verfolgter des Naziregimes, stellv. Vorsitzender des Landesverbands der NDPD in Ostberlin, später als Generalmajor a. D. im Ministerium für Nationale Verteidigung tätig, MdVK 1958-1967, vgl. Müller-Enbergs/Wielgohs/ Hoffmann, S. 516 f. 46 Stellv. Oberbürgermeister und Stadtrat von Ostberlin 1948–1958, MdVR bzw. MdVK 1948–1963, Landesvorsitzender der CDU Ostberlin 1950–1952, 1948–1964 Mitglied des Hauptvorstands der CDU, vgl. ebd., S. 259 f. 47 Bis 1952 Bürgermeister des am 29. November 1948 im sowjetischen Sektor gebildeten Magistrats, MdVK 1950–1952, ab 1949 1. Landesvorsitzender LDPD Berlin, 1951–1952 stellv. Vorsitzender LDPD, vgl. ebd., S. 783. 48 Sozialdemokratische Aktion, prokommunistische Abspaltung der SPD in Berlin, vgl. dazu: Heimann, S. 426, passim. 49 Vormals politischer Sekretär der SPD Berlin-Lichtenberg, Mitbegründer und 1. Vorsitzender der SDA in Berlin, MdVR bzw. MdVK ab 1949, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 566. Müller legte sein Mandat am 24. Januar 1950 nieder, als Nachfolger wurde Arnold Munter entsandt, vgl. PLK, 7. Sitzung am 24. Januar 1950, in: Protokolle, S. 41. Munter war für die SPD Stadtverordneter in Ostberlin; 39 Jahre später – im Jahre 1989 – wurde Munter als Ansprechpartner für den Zentralen Runden Tisch seitens des „Komitees der Antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR“ benannt, vgl. Brief an den Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR vom 5. Dezember 1989, in: BArch, DA 3/38, Bl. 6 f.
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Anhang Übersicht Nr. 3 Von den Landtagen gewählte Abgeordnete der Länderkammer, 1. Wahlperiode (1950–1954)
Land Sachsen1 (insg. 13 Abgeordnete der Länderkammer) SED 1) Weidauer, Walter2 2) Schlosser, Walter 3) Haufe, Kurt3 DFD 4) Luksch, Hilda Gen. 5) Ermer, Ruth
CDU 6) Gottfried, Karl4 7) Jaskola, Gebhard5
LDPD 10) Mansfeld, Ernst6 11) Naumann, Alfred7
FDGB 8) Raabe, Martin NDPD 9) Leibig, Klara
FDJ 12) Bergmann, Herta8 VVN 13) Becker, Martha9
Land Sachsen-Anhalt10 (insg. 11 Abgeordnete der Länderkammer) SED 1) Schröder, Michael11 2) Buder, Berta 3) Daub, Philipp12 DBD 4) Rothe, Hermann15 NDPD 5) Grope, Helfried16
CDU 6) Broßmann, Karl13 7) Henze, Martin14
LDPD 9) Hagemeier, Erich 10) Kernchen, Horst
FDGB 8) Adler, Ilse
KB 11) Heimstädt, Otto
Land Thüringen17 (insg. 10 Abgeordnete der Länderkammer) SED 1) Eyermann, Richard18 2) Stürmer, Helmut 3) Frölich, August19 DBD 4) Schröder, Wilhelm23
CDU 5) Gast, Werner20 6) Crimman, Manfred
LDPD 8) Blank, Paul-Erich21 9) Döring, Wilhelm22
FDGB 7) Tschammer, Kurt
NDPD 10) v. Frankenberg, Egbert24
Land Brandenburg25 (insg. 9 Abgeordnete der Länderkammer) SED 1) Meier, Otto26 2) Schahn, Margarete DFD 3) Herbel, Else NDPD 4) Luthardt, Hans30
CDU 5) Grobbel, Karl27
DBD 8) Besler, Dietrich28
FDGB 6) Niemand, Ingeborg VdGB 7) Neddermeyer, Robert31
LDPD 9) Mühlmann, Dr. Carl29
Übersicht Nr. 3
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Land Mecklenburg32 (insg. 7 Abgeordnete der Länderkammer) SED 1) Fellenberg, Rudolf33 2) Keil, Hedwig
CDU 6) Lobedanz, Dr. Reinhold34
DBD 3) Friedländer, Hans-Joachim35
FDGB 5) Haase, Margarete
FDJ 7) Wulff, Ursula
LDPD 4) Hilzheimer, Dr. Ernst36
Berlin37 (insg. 13 Beobachter) SED 1) Gutsche, Heinz 2) Kösling, Gustav 3) Schmidt, Martin38 4) Leymann, Julius
FDGB 7) Koslowsky, Erwin
NDPD 11) v. Lenski, Arno41
Gen. 8) Scholz, Erika
SPD 12) Spielmann, Gertrud
CDU 5) Hintze, Werner40
KB 9) Kohler, Dr. Hans
VVN 13) Sczcodry, Ewald
DFD 6) Judek, Erna
LDPD 10) Schwarz, Dr. Reinhold39
Insgesamt: 50 (+13) Anmerkungen zu Übersicht Nr. 3: 1
2 3 4 5 6 7
8 9 10 11 12 13
Vgl. die Aufstellung der Gewählten des Landes Sachsen, in: BArch, DA 2/106, Bl. 10. Weitere biographische Daten – ohne nähere Angabe – sind entnommen: Führungskräfte in Staat, Politik und Gesellschaft, in: Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 858 ff. MdR (KPD) 1932–1933, MdL Sachsen 1946–1952, Bezirkstag Dresden ab 1952, Vorsitzender des Rates des Bezirks Dresden 1958-1961, MdVR 1948/49, Oberbürgermeister von Dresden 1946–1958. Aus „gesundheitlichen Gründen“ Niederlegung des Mandats am 20. September 1951, vgl. Akten des Sekretariats, in: BArch, DA 2/94, Bl. 17; Nachfolger: Erich Franke, vgl. ebd., Bl. 31. MdL Sachsen 1950–1952, Bezirkstag Dresden 1952–1954, Landesvorstand CDU Sachsen 1950–1952. Ab 1952 Stellv. des Vorsitzenden des Rates des Bezirks Karl-Marx-Stadt. Vizepräsident des Sächsischen Oberlandesgerichts in Dresden, verstorben am 30. März 1953, vgl. die Akten des Sekretariats, in: BArch, DA 2/94, Bl. 34. Kreisvorsitzender der LDPD in Meißen. „Hat das Gebiet der DDR auf ungesetzlichem Wege verlassen und ist deshalb aus der Partei ausgeschlossen worden“, vgl. Brief des Geschäftsführers der LDPDFraktion in der Volkskammer an den Präsidenten der Länderkammer vom 25. April 1953, in: BArch, DA 2/94, Bl. 33. MdL Sachsen 1948–1952, Landesvorstand SED Sachsen 1948–1952, ZK der SED 1950–1954. MdL Sachsen 1950–1952, Bezirkstag Dresden 1952–1954, Mitglied Landesvorstand VVN, ab 1952 Bezirksleitung Dresden d. VVN. Vgl. die Aufstellung der Gewählten des Landes Sachsen-Anhalt, in: BArch, DA 2/106, Bl. 9. MdL Preußen, MdL Sachsen-Anhalt 1946–1952 (ab 1950: Präsident), Direktor der Landesfinanzdirektion Sachsen-Anhalt 1951/52. MdR (KPD) 1932/33, MdL Sachsen-Anhalt 1950/51, Oberbürgermeister von Magdeburg 1950–1961, vgl. Müller-Enbergs/Wielgohs/Hoffmann, S. 143 f. Bis 1960 1. Vorsitzender des Bezirksverbandes Magdeburg der CDU, Mitglied des Hauptvorstandes der CDU, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 88 f.
(Fortsetzung nächste Seite)
366
Anhang
(Fortsetzung: Anmerkungen zu Übersicht Nr. 3) 14 Henze musste sein Mandat niederlegen. In einem Brief der CDU-Fraktion an den Präsidenten der Länderkammer vom 25. September 1952 heißt es: „Henze ist in Folge seiner anstößigen Lebenshaltung nicht würdig, ein solches Amt zu bekleiden“, vgl. die Akten des Sekretariats, in: BArch, DA 2/94, Bl. 60; Nachfolger: Otto Loos, vgl. ebd., Bl. 37. 15 Verstorben am 23. Februar 1952, vgl. ebd., Bl. 24; Nachfolgerin: Erna Meier, vgl. ebd. Bl. 26. 16 MdL Sachsen-Anhalt 1950–1952, ab 1952 Bezirkstag Magdeburg, politischer Geschäftsführer des NDPD-Landesverbands Sachsen-Anhalt 1949–1952. 17 Vgl. die Aufstellung der Gewählten des Landes Thüringen, in: BArch, DA 2/106, Bl. 8. 18 MdL Thüringen (KPD) 1925–1933, MdL Thüringen 1946-1952 (SED-Fraktionsvorsitzender), ab 1952 Mitglied der Bezirksleitung der SED Magdeburg. 19 MdL Sachsen-Altenburg bzw. Thüringen 1919–1924, bis 1924 Minister in Thüringen, MdR (SPD) 1924–1933, MdL Thüringen (Präsident) 1946–1952, MdVR bzw. MdVK 1948–1950. 20 MdL Thüringen 1950–1952, Hauptvorstand CDU 1950, 1954 Bezirkstag Erfurt. 21 MdL Thüringen 1950–1952 (Vizepräsident), Bezirkstag Erfurt 1952–1954, ab 1951 Landesvorstand VVN Thüringen, vgl. auch: ADL, Bestand LDPD, Volkskammerfraktion, 24959. 22 MdL Thüringen 1949–1952, stellv. Landesvorsitzender LDPD Thüringen 1949–1951, 1953 Flucht in die Bundesrepublik, vgl. dazu: Brief der Parteileitung der LDPD an den Präsidenten der Länderkammer vom 6. Juni 1953, in: BArch, DA 2/94, Bl. 63. 23 MdL Thüringen 1950–1952 (Präsidiumsmitglied), Minister für Land- und Forstwirtschaft 1951/52, Minister für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft der DDR 1952–1953, Parteivorstand und Sekretariat DBD 1951–1953, ab 1963 1. Bezirksvorsitzender DBD und Mitglied des Bezirkstags Dresden. 24 MdL Thüringen 1950–1951 (Vizepräsident), stellv. Vorsitzender (1949/50) und politischer Geschäftsführer des NDPD-Landesverbandes Thüringen (1950/51), MdVK 1951–1954; Mandatsniederlegung aufgrund des Einrückens in die Volkskammer 1951, 1951–1990 Mitglied des Hauptausschusses der NDPD. Nachfolger: Hans Lohrisch, MdL Brandenburg 1951–1954, danach Bezirkstag Potsdam, MdVK 1950–1951, Hauptausschuss der NDPD 1951–1958. 25 Vgl. die Aufstellung der Gewählten des Landes Brandenburg, in: BArch, DA 2/106, Bl. 6. 26 MdL Preußen 1920–1933 (bis 1922: USPD, dann SPD), MdL Brandenburg 1947–1952 (ab 1949 Präsident), Bezirkstag Potsdam ab 1952, MdVR bzw. MdVK 1948–1950, Zentralsekretariat und PV der SED 1946–1950. 27 MdL Brandenburg 1947–1950, MdVR bzw. MdVK 1948–1950, Minister für Arbeit und Sozialwesen bzw. Arbeit und Gesundheitswesen 1950, Minister für Handel und Versorgung 1950–1952, 1. Vorsitzender CDU-Brandenburg 1948–1950, 3. Vorsitzender und Politischer Ausschuss Hauptvorstand der CDU 1948–1953. 28 MdL Brandenburg 1949–1953, Minister für Land- und Forstwirtschaft 1950–1952, MdVK 1974–1976, Geschäftsführer DBD Brandenburg 1949–1951, Parteivorstand DBD 1951–1960. 29 Stellv. Oberbürgermeister von Potsdam 1945 und 1952, MdL Brandenburg 1946–1952 (Fraktionsvorsitzender 1950–1952), Mitglied im erweiterten Zentralvorstand der LDPD, Bezirkstag Potsdam 1954–1958. 30 MdL Brandenburg 1950–1951, MdL Thüringen 1951-1952 (Vizepräsident), Bezirkstag Erfurt 1952–1963, MdVK 1963–1971, Führungsfunktionen in Landes- und Bezirksverbänden der NDPD Brandenburg, Thüringen u. Erfurt. 31 MdR (KPD) 1924–1928, MdL Preußen 1925–1933, MdL Brandenburg 1948–1952 (Präsidium, Fraktionsvorsitzender VdgB), MdVR 1948–1949, Präsidium VdgB 1950–1952. 32 Vgl. die Aufstellung der Gewählten des Landes Mecklenburg, in: BArch, DA 2/106, Bl. 7; vgl. auch das Schreiben des Präsidenten des Landtages Mecklenburg, Moltmann, an das Sekretariat der Provisorischen Volkskammer vom 6. November 1950, Abschrift, in: BArch, DA 2/106, Bl. 13. 33 MdL Mecklenburg 1946–1952, Sekr. Landesvorstand SED Mecklenburg, nach dem 17. Juni 1953 Absetzung wegen „Kapitulantentums“. 34 Mitbegründer der CDU in Mecklenburg, MdL Mecklenburg 1946–1952 (Vizepräsident), MdVR bzw. MdVK 1948–1955, 1. Vorsitzender CDU Mecklenburg 1945–1947, 4. Vors. Parteivorstand CDU 1948–1955. 35 MdL Mecklenburg 1950–1952 (Fraktionsvorsitzender), Landesvorstand und Sekretariat DBD Mecklenburg 1948, Bezirksvorstand DBD Schwerin 1955–1972. 36 Mitbegründer der LDPD in Mecklenburg, MdL Mecklenburg 1950–1952 (Fraktionsvorsitzender), ab 1949 Zentralvorstand VVN, Zentralvorstand LDPD 1951–1953 und 1960–1963.
Übersicht Nr. 3
367
37 Vgl. die Aufstellung im Schreiben des „Ausschusses der Nationalen Front der Hauptstadt der DDR“ an das „Gemeinsame Sekretariat der Volks- und Länderkammer der DDR“ vom 7. November 1950, in: BArch, DA 2/106, Bl. 1, sowie die Aufstellung der Sekretariatsakten, in: BArch, DA 2/81, Bl. 26. 38 Stadtkämmerer Magistrat Ostberlin 1949, stellv. Minister der Finanzen der DDR 1953–1956, Präsident der Deutschen Notenbank der DDR 1958–1961. 39 Bis 1952 Bürgermeister des am 29. November 1948 im sowjetischen Sektor gebildeten Magistrats, MdVK 1950–1952, ab 1949 1. Landesvorsitzender LDPD Berlin, 1951–1952 stellv. Vorsitzender LDPD, vgl. Müller-Enbergs/Wielgohs/Hoffmann, S. 783. Während der Wahlperiode verstorben, Nachfolger: Martin Dietrich, vgl. die Akten des Sekretariats, in: BArch, DA 2/94, Bl. 31. 40 Stellv. Vorsitzender CDU Ostberlin 1949–1952, Stadtrat Ostberlin 1949–1953, Bezirksleitung CDU Berlin 1952–1954. 41 Vormals Generalmajor der Wehrmacht und ehrenamtlicher Beisitzer im 3. Senat des Volksgerichtshofs, der auch Todesurteile fällte. Während der sowjetischen Gefangenschaft Umerziehung im „Nationalkomitee Freies Deutschland“, im Oktober 1949 kurioserweise Anerkennung als Verfolgter des Naziregimes, stellv. Vorsitzender des Landesverbands der NDPD in Ostberlin, später als Generalmajor a. D. im Ministerium für Nationale Verteidigung tätig, MdVK 1958–1967, vgl. Müller-Enbergs/Wielgohs/ Hoffmann, S. 516 f.
368
Anhang Übersicht Nr. 4 Von den länderweise zusammengetretenen Bezirkstagen gewählte Abgeordnete der Länderkammer, 2. Wahlperiode (1954–1958)1
Land Sachsen2 (insg. 13 Abgeordnete der Länderkammer) Bezirk Dresden 1) Boden, Manfred3 (FDGB) 2) Lobedanz, Dr. Reinhold (CDU)4 3) Wehnert, Günter5 (LDPD) 4) Weidauer, Walter6 (SED)
Bezirk Leipzig 5) Hussel, Prof. Dr. Lothar7 (SED) 6) Letsch, Dr. Franz (KB) 7) Risch, Anneliese (LDPD)
Bezirk Karl-Marx-Stadt 8) Frommelt, Hildegard (DFD) 9) Jaskola, Gebhard8 (CDU) 10) Hennig, Alfred9 (NDPD) 11) Kysela, Joseph10 (FDGB) 12) Scheller, Fritz11 (SED) 13) Weber, Christoph (FDJ)
Land Sachsen-Anhalt12 (insg. 11 Abgeordnete der Länderkammer) Bezirk Halle 1) Burkhardt, Kurt13 (DBD) 2) Hoffmann, Fritz (LDPD) 3) Loos, Otto (CDU) 4) Schip, Erhard14 (SED) 5) Schweigel, Otto (FDGB)
Bezirk Magdeburg 6) Broßmann, Karl15 (CDU) 7) Daub, Philipp16 (SED) 8) Hagemeier, Erich17 (LDPD) 9) Hamel, Bernhard (FDGB) 10) Heidecker, Georg (FDJ) 11) Jänicke, Edith (DFD)
Land Thüringen18 (insg. 10 Abgeordnete der Länderkammer) Bezirk Erfurt 1) Frölich, August19 (SED) 2) Reibestein, Elfriede (NDPD) 3) Handschumacher, Adolf20 (LDPD) 4) Rödiger, Albert21 (DBD) 5) Rutsch, Willi22 (CDU)
Bezirk Gera 6) Fraaß, Kurt (SED) 7) Röder, Gerhard23 (NDPD) 8) Schulze, Martin (FDGB)
Bezirk Suhl 9) Steigleder, Paul (SED) 10) Blau, Karl24 (NDPD)
Übersicht Nr. 4
369
Land Brandenburg25 (insg. 9 Abgeordnete der Länderkammer) Bezirk Cottbus 1) Dolz, Agnes (DBD) 2) Skalske, Erika (FDGB) 3) Koschkar, Felix (SED)
Bezirk Frankfurt/Oder 4) Gross, Konrad (SED) 5) Pech, Arthur26 (DBD)
Bezirk Potsdam 6) Meier, Otto27 (SED) 7) Mühlmann, Dr. Carl28 (LDPD) 8) Kind, Friedrich29 (CDU) 9) Luthardt, Hans30 (NDPD)
Land Mecklenburg31 (insg. 7 Abgeordnete der Länderkammer) Bezirk Rostock 1) Dinse, Herrmann (SED) 2) Gerhard, Dr. Hans (NDPD) 3) Schmidt, Dr. Gerda (KB)
Bezirk Schwerin 4) Höcker, Wilhelm32 (SED) 5) Heinrich, Heinz33 (DBD)
Bezirk Neubrandenburg 6) Bergemann, Erika (SED) 7) Peper, Alfred (DBD)
Berlin (insg. 13 Beobachter) SED 1) Geschke, Ottomar34 2) Köhler, Paula 3) Schmidt, Waldemar35
DBD 7) Marx, Werner DFD 8) Kies, Ursula
FDGB 4) Hemmann, Otto39 5) Rebetzky, Gustav40
FDJ 9) Güntert, Hermann
CDU 6) Reuter, Max36
Gen. 10) Adler, Kläre
KB 11) Nagel, Prof. Dr. Otto41 LDPD 12) Voigt, Gerhard37 NDPD 13) v. Lenski, Arno38
Insgesamt: 50 (+13) Anmerkungen zu Übersicht Nr. 4: 1
2
3 4
Vgl. die Akten des Sekretariats der Länderkammer, in: BArch, DA 2/81, Bl. 159 ff. und die detaillierte Aufstellung der Abgeordneten durch das „Informationsbüro West“, in: ADL, Bestand FDP, Ostbüro, A45-183. Weitere biographische Daten – ohne nähere Angabe – sind entnommen: Führungskräfte in Staat, Politik und Gesellschaft, in: Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 858 ff. „Die Bezirkstage Karl-Marx-Stadt, Leipzig und Dresden haben am 26.11.1954 die Abgeordneten des Landes Sachsen für die Länderkammer der DDR gewählt. Die Wahl erfolgte einstimmig“, vgl. Schreiben des Sekretärs des Rates des Bezirks Dresden an das Sekretariat der Volkskammer vom 29. November 1954, in: BArch, DA 2/103, Bl. 1. Vorsitzender des Bezirksvorstands Dresden des FDGB 1954–1962. Mitbegründer der CDU in Mecklenburg, MdL Mecklenburg 1946–1952 (Vizepräsident), MdVR bzw. MdVK 1948–1955, 1. Vorsitzender CDU Mecklenburg 1945–1947, 4. Vors. Parteivorstand CDU 1948–1955. Als Präsident der Länderkammer verstorben am 5. März 1955; Nachfolger in diesem Amt wurde August Bach, MdL Thüringen 1949–1952 (1950–1952: 1. Vizepräsident), MdVR bzw. MdVK
(Fortsetzung nächste Seite)
370
Anhang
(Fortsetzung: Anmerkungen zu Übersicht Nr. 4)
5
6 7
8 9 10 11
12
13 14 15 16 17
18
19 20 21 22 23 24 25 26 27
28
29
1948–1966 (Vorsitzender der CDU-Fraktion, ab 1958: Vizepräsident der Volkskammer), Vorsitzender der CDU 1958–1966. Stellv. des Vorsitzenden des Rates des Bezirks, Vorsitzender des Bezirksvorstandes der LDPD Dresden 1954–1958, vgl. Herbst/Ranke/Winkler, S. 597. Niederlegung des Mandats im Januar 1958. Nachfolger: Johannes Türschmann, Leiter der Instrukteurbrigade beim LDPD-Zentralvorstand 1957–1959, Vorsitzender des Bezirksvorstandes der LDPD Dresden 1959–1964, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 945; vgl. auch die Liste der Mandatsveränderungen von 1954–1958, in: BArch, DA 2/94, Bl. 68. MdR (KPD) 1932–1933, MdL Sachsen 1946–1952, Bezirkstag Dresden ab 1952, Vorsitzender des Rates des Bezirks Dresden 1958–1961, MdVR 1948/49, Oberbürgermeister von Dresden 1946–1958. Bezirkstag Leipzig 1954–1958, zeitweilig stellv. Minister für Land- und Forstwirtschaft; Niederlegung des Mandats am 11. Juni 1958, Nachfolger: Walter Setzefand, vgl. die Liste der Mandatsveränderungen von 1954–1958, in: BArch, DA 2/94, Bl. 68. Stellv. des Vorsitzenden des Rates des Bezirks Karl-Marx-Stadt. Stellv. des Vorsitzenden des Rates des Bezirks Karl-Marx-Stadt. Abberufung durch den Bezirkstag im April 1958, Nachfolger: Heinrich Horn, vgl. die Liste der Mandatsveränderungen von 1954–1958, in: BArch, DA 2/94, Bl. 68. 1. Vorsitzender des Rates des Kreises Rochlitz 1954–1958, später Oberbürgermeister von Karl-MarxStadt 1959–1961, stellv. Vorsitzender des Rates des Bezirks Karl-Marx-Stadt 1961–1963, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 76. „Die Wahl der Abgeordneten für die Länderkammer wurde in der gemeinsamen Tagung der Bezirkstage Halle und Magdeburg in Halle/Salle am 26.11.1954 durchgeführt. Die Wahl der in Vorschlag gebrachten Abgeordneten erfolgte einstimmig“, vgl. das Schreiben des Sekretärs des Rates des Bezirks Halle an das Sekretariat der Länderkammer der DDR vom 10. Dezember 1954, in: BArch, DA 2/103, Bl. 7. 1954–1960 Abgeordneter des Bezirkstags Halle, Bezirksvorsitzender der DBD 1952–1960, ab 1960 Mitglied des Parteivorstandes der DBD und des Präsidiums, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 97. Stellv. des Vorsitzenden des Rates des Bezirks Halle. Bis 1960 1. Vorsitzender des Bezirksverbandes Magdeburg der CDU, Mitglied des Hauptvorstandes der CDU, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 88 f. MdR (KPD) 1932/33, MdL Sachsen-Anhalt 1950/51, Oberbürgermeister von Magdeburg 1950–1961, vgl. Müller-Enbergs/Wielgohs/Hoffmann, S. 143 f. Verstorben am 25. Juli 1955, Nachfolger: Joachim Seeländer, Sekretär des LDPD-Bezirksvorstandes Magdeburg 1954–1958, ab 1958 Kadersekretär im LDPD-Zentralvorstand, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 845 und die Liste der Mandatsveränderungen von 1954–1958, in: BArch, DA 2/94, Bl. 68. Die gemeinsame Sitzung der drei Bezirkstage fand am 26. November 1954 in Erfurt statt, vgl. Schreiben des Sekretärs des Bezirkes Erfurt an das Sekretariat der Länderkammer, in: BArch, DA 2/103, Bl. 3 f. MdL Sachsen-Altenburg bzw. Thüringen 1919–1924, bis 1924 Minister in Thüringen, MdR (SPD) 1924–1933, MdL Thüringen (Präsident) 1946–1952, MdVR bzw. MdVK 1948–1950. MdL Thüringen 1950–1952, Bezirkstag Erfurt 1952–1958. Abg. des Bezirkstages 1954–1974, Vorsitzender des Landesvorstandes Thüringen der DBD 1951–1952, Vorsitzender des Bezirksverbands der DBD 1952–1965, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 726. Stellv. des Vorsitzenden des Rates des Bezirks Erfurt. Angestellter der Staatlichen Plankommission. Vorsitzender der Handwerkskammer Suhl 1954–1973, Mitglied des Hauptausschusses der NDPD 1955–1990, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 65. Vgl. Protokoll über die Sitzung der Bezirkstage Potsdam, Frankfurt/Oder und Cottbus am 26. November 1954 in Potsdam, in: BArch, DA 2/103, Bl. 23 ff. Stellv. Vorsitzender des Rates des Bezirks Frankfurt/Oder 1952–1953, Abg. des Bezirkstages 1952–1963, Vorsitzender des DBD-Bezirksvorstandes 1953–1963, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 631. MdL Preußen 1920–1933 (bis 1922: USPD, dann SPD), MdL Brandenburg 1947–1952 (ab 1949 Präsident), Bezirkstag Potsdam ab 1952, MdVR bzw. MdVK 1948–1950, Zentralsekretariat und PV der SED 1946–1950. Stellv. Oberbürgermeister von Potsdam 1945 und 1952, MdL Brandenburg 1946–1952 (Fraktionsvorsitzender 1950–1952), Mitglied im erweiterten Zentralvorstand der LDPD, Bezirkstag Potsdam 1954–1958. MdVK 1952–1954 und 1958–1990, Bezirkstag Potsdam 1954–1958, Vorsitzender des Bezirksverbands der CDU 1952–1990, vgl. Müller-Enbergs/Wielgohs/Hoffmann, S. 425.
Übersicht Nr. 4
371
30 MdL Brandenburg 1950–1951, MdL Thüringen 1951–1952 (Vizepräsident), Bezirkstag Erfurt 1952–1963, MdVK 1963–1971, Führungsfunktionen in Landes- und Bezirksverbänden der NDPD Brandenburg, Thüringen und Erfurt. 31 Die gemeinsame Sitzung der drei Bezirkstage fand am 26. November 1954 in Schwerin statt, vgl. das Schreiben des Sekretärs des Rates des Bezirks Schwerin an das Sekretariat der Länderkammer vom 6. Dezember 1954, in: BArch, DA 2/103, Bl. 4 f. 32 Ministerpräsident Mecklenburg 1946–1951, MdVR bzw. MdVK 1948–1950, Bezirkstag Schwerin 1954/55, vgl. Baumgarnter/Hebig, S. 323 f. Verstorben am 15. November 1955, Nachfolger: Xaver Karl, MdL Mecklenburg-Schwerin 1929–1933, MdL Mecklenburg 1946–1952, Bezirkstag Schwerin ab 1952, Mitglied des SED-Bezirksleitung, vgl. ebd. S. 1037; vgl. auch die Liste der Mandatsveränderungen von 1954–1958, in: BArch, DA 2/94, Bl. 68. 33 Sekretär der DBD in Mecklenburg 1952–1962, Vorsitzender des Bezirksverbandes Schwerin der DBD 1962–1967, Mitglied des Parteivorstandes der DBD 1951–1972, Präsidiumsmitglied bzw. Sekretär des Parteivorstandes 1951–1960, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 292. 34 MdL Preußen 1921–1924, MdR (KPD) 1924–1932, MdVK 1949–1954, Mitglied der Landes- bzw. Bezirksleitung der SED Berlin 1946–1953. Verstorben am 17. Mai 1957, Nachfolger: Paul Wengels, vgl. die Liste der Mandatsveränderungen von 1954–1958, in: BArch, DA 2/94, Bl. 68. 35 Polizeipräsident von Ost-Berlin 1950–1953, Stellv. des Oberbürgermeisters von Groß-Berlin 1953–1963, MdVK 1963–1971, Mitglied des Parteivorstands der SED 1946/47. 36 Stellv. des Vorsitzenden des Rates des Stadtbezirks Prenzlauer Berg 1955–1958, bis 1981 stellv. Oberbürgermeister von Berlin, Vorsitzender des CDU-Bezirksverbandes Berlin 1952–1955, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 708. 37 Stellv. des Vorsitzenden des Rates des Stadtbezirks Lichtenberg. 38 Vormals Generalmajor der Wehrmacht und ehrenamtlicher Beisitzer im 3. Senat des Volksgerichtshofs, der auch Todesurteile fällte. Während der sowjetischen Gefangenschaft Umerziehung im „Nationalkomitee Freies Deutschland“, im Oktober 1949 kurioserweise Anerkennung als Verfolgter des Naziregimes, stellv. Vorsitzender des Landesverbands der NDPD in Ostberlin, später als Generalmajor a. D. im Ministerium für Nationale Verteidigung tätig, MdVK 1958–1967, vgl. Müller-Enbergs/Wielgohs/ Hoffmann, S. 516 f. 39 1. Vorsitzender des Bezirksvorstands IG Nahrung und Genuss 1951–1958, MdVK 1960–1963. 40 Vorsitzender der IG Bauholz. 41 MdL Brandenburg 1948–1950, MdVR bzw. MdVK 1949–1954.
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Anhang Übersicht Nr. 5 Von den Bezirkstagen gewählte Abgeordnete der Länderkammer, 3. Wahlperiode (1958)1
Land Sachsen (insg. 12 Abgeordnete der Länderkammer, lt. Gesetz2: 13) Bezirk Dresden 1) Weidauer, Walter3 (SED) 2) Funke, Dr. Heinz4 (FDGB) 3) Speer, Helmuth5 (LDPD)
Bezirk Leipzig 4) Setzefand, Walter6 (SED) 5) Wiegleb, Dr. Alfred (KB) 6) Risch, Anneliese (LDPD)
Bezirk Karl-Marx-Stadt 7) Scheller, Fritz7 (SED) 8) Bartsch, Alfred8 (FDGB) 9) Liebe, Horst (FDJ) 10) Hartwich, Ursula (DFD) 11) Langer, Helmut (NDPD) 12) Graupner, Gotthard9 (CDU)
Land Sachsen-Anhalt (insg. 11 Abgeordnete der Länderkammer) Bezirk Halle 1) Rossner, Kurt10 (SED) 2) Schweigel, Otto (FDGB) 3) Hoffmann, Fritz11 (LDPD) 4) Burkhard, Kurt12 (DBD) 5) Gerth, Ernst (CDU)
Bezirk Magdeburg 6) Daub, Phillip13 (SED) 7) Hamel, Bernhard (FDGB) 8) Walleit, Walter (FDJ) 9) Stasch, Edith (DFD) 10) Broßmann, Karl14 (CDU) 11) Schlack, Artur15 (LDPD)
Land Thüringen (insg. 11 Abgeordnete der Länderkammer, lt. Gesetz. 10) Bezirk Erfurt 1) Frölich, August16 (SED) 2) Bach, August17 (CDU) 3) Wiedemann, Dr. Hans18 (CDU) 4) Handschumacher, Adolf19 (LDPD) 5) Rödiger, Albert20 (DBD) 6) Reibestein, Elfriede (NDPD)
Bezirk Gera 7) Fraaß, Kurt (SED) 8) Schulze, Martin (FDGB) 9) Hermann, Dr. Friedrich (NDPD)
Bezirk Suhl 10) Steigleder, Paul21 (SED) 11) Müller, Gerhard (NDPD)
Übersicht Nr. 5
373
Land Brandenburg (insg. 8 Abgeordnete der Länderkammer, lt. Gesetz: 9) Bezirk Cottbus 1) Stief, Albert22 (SED) 2) Enke, Albert23 (FDGB) 3) Dolz, Agnes (DBD)
Bezirk Frankfurt/Oder 4) Leppin, Rudolf24 (SED) 5) Pech, Arthur25 (DBD)
Bezirk Potsdam 6) Meier, Otto26 (SED) 7) Luthardt, Hans27 (NDPD) 8) Sauer, Heinz28 (CDU)
Land Mecklenburg (insg. 8 Abgeordnete der Länderkammer, lt. Gesetz: 7) Bezirk Rostock 1) Mandelkow, Karl (SED) 2) Dudszus, Alfred (KB) 3) Gerhardt, Dr. Heinrich (NDPD)
Bezirk Schwerin 4) Karl, Xaver (SED) 5) Heinrich, Heinz29 (DBD) 6) Suhrbier, Dr. Max30 (LDPD)
Bezirk Neubrandenburg 7) Bergemann, Erika31 (SED) 8) Peper, Alfred (DBD)
Berlin (insg. 13 Beobachter) DBD 7) Adam, Wilhelm38
KB 11) Kies, Hans
DFD 8) Winde, Käthe
LDPD 12) Wendel, Günter37
FDGB 4) Hemmann, Otto40 5) Voss, Walter41
FDJ 9) Lorenz, Siegfried36
NDPD 13) Röder, Gerhard39
CDU 6) Kotulla, Albert35
Gen. 10) Adler, Kläre
SED 1) Schmidt, Waldemar32 2) Beyling, Fritz33 3) Kuhn, Willy34
Insgesamt: 50 (+13) Anmerkungen zu Übersicht Nr. 5: 1
2 3 4 5
Die biographischen Daten sind einer „Vorlage für das Politbüro, Betr.: Kandidaten für die Länderkammer“, in: SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2 A/662, der Abteilungen Staats- und Rechtsfragen, sowie der Abteilung Kaderfragen im ZK der SED vom 5. November 1958 entnommen. Die Abteilung für Kaderfragen teilte dem Poli tbüro Bedenken über die Kandiaten Funke und Broßmann mit, die der NSDAP und der SS angehörten, konnte damit aber nicht durchdringen. Beide wurden von den Bezirkstagen gewählt, vgl. ebd.; siehe auch die Aufstellung der Abgeordneten durch das Sekretariat der Länderkammer in: BArch, DA 2/102, Bl. 13 ff. Weitere biographische Daten – ohne nähere Angabe – sind entnommen: Führungskräfte in Staat, Politik und Gesellschaft, in: Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 858 ff. Gesetz über die Zusammensetzung der Länderkammer der [DDR] vom 8. November 1950, GBl. S. 1135 (1950). MdR (KPD) 1932–1933, MdL Sachsen 1946–1952, Bezirkstag Dresden ab 1952, Vorsitzender des Rates des Bezirks Dresden 1958–1961, MdVR 1948/49, Oberbürgermeister von Dresden 1946–1958. Ärztlicher Direktor und Chefarzt Bezirkskrankenhaus Görlitz, MdVK 1950–1958, vgl. Volkskammer der DDR, Handbuch der Volkskammer, S. 311. Stellv. des Vorsitzenden des Rates des Bezirks Dresden 1958–1963, Vorsitzender des LDPD-Bezirksvorstandes Dresden 1958–1959, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 874.
(Fortsetzung nächste Seite)
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Anhang
(Fortsetzung: Anmerkungen zu Übersicht Nr. 5) 6 7
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
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30
31 32
1. Stellv. des Vorsitzenden des Rates des Bezirks Leipzig. 1. Vorsitzender des Rates des Kreises Rochlitz 1954–1958, später Oberbürgermeister von Karl-MarxStadt 1959–1961, stellv. Vorsitzender des Rates des Bezirks Karl-Marx-Stadt 1961–1963, vgl. ebd., S. 76. MdVK 1954–1958, vgl. Volkskammer der DDR, Handbuch der Volkskammer, S. 296. Bezirkstag Karl-Marx-Stadt 1958–1963, Vorsitzender des Bezirksverbands der CDU und Mitglied des Hauptvorstandes der CDU 1956–1963, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 241. Oberbürgermeister von Halle 1951–1955, 1. Stellv. des Vorsitzenden des Rates des Bezirks Halle 1958–1960. Stellv. des Vorsitzenden des Rates der Stadt Halle. 1954–1960 Abgeordneter des Bezirkstags Halle, Bezirksvorsitzender der DBD 1952–1960, ab 1960 Mitglied des Parteivorstandes der DBD und des Präsidiums, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 97. MdR (KPD) 1932/33, MdL Sachsen-Anhalt 1950/51, Oberbürgermeister von Magdeburg 1950–1961, vgl. Müller-Enbergs/Wielgohs/Hoffmann, S. 143 f. Bis 1960 1. Vorsitzender des Bezirksverbandes Magdeburg der CDU, Mitglied des Hauptvorstandes der CDU, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 88 f. Bürgermeister von Arneburg. MdL Sachsen-Altenburg bzw. Thüringen 1919–1924, bis 1924 Minister in Thüringen, MdR (SPD) 1924–1933, MdL Thüringen (Präsident) 1946–1952, MdVR bzw. MdVK 1948–1950. MdL Thüringen 1949–1952 (1950–1952: 1. Vizepräsident), MdVR bzw. MdVK 1948–1966 (Vorsitzender der CDU-Fraktion, ab 1958: Vizepräsident der Volkskammer), Vorsitzender der CDU 1958–1966. MdL Thüringen 1950–1952, Bezirkstag Erfurt 1952–1954, ab 1953 Oberbürgermeister von Weimar, MdVK 1954–1958, ab 1952 Mitglied des Hauptvorstandes der CDU, ab 1953 Mitglied im Präsidium der CDU, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 1004. MdL Thüringen 1950–1952, Bezirkstag Erfurt 1952–1958. Abg. des Bezirkstages 1954–1974, Vorsitzender des Landesvorstandes Thüringen der DBD 1951–1952, Vorsitzender des Bezirksverbands der DBD 1952–1965, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 726. Bürgermeister von Goldlauter. 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED Cottbus 1953–1969, MdVK 1963–1990, Mitglied ZK der SED 1963–1989, stellv. Minister für die Anleitung u. Kontrolle der Bezirks- und Kreisräte 1970/71, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 899. 1. Bezirkssekretär des FDGB Cottbus ab 1958, Mitglied der SED-Bezirksleitung Cottbus, vgl. ebd., S. 163. Sekretär für Wirtschaftspolitik der Bezirksleitung der SED Frankfurt/Oder 1958–1963 und 1967–1972, vgl. ebd., S. 474. Stellv. Vorsitzender des Rates des Bezirks Franfurt/Oder 1952–1953, Abg. des Bezirkstages 1952–1963, Vorsitzender des DBD-Bezirksvorstandes 1953–1963, vgl. ebd., S. 631. MdL Preußen 1920–1933 (bis 1922: USPD, dann SPD), MdL Brandenburg 1947–1952 (ab 1949 Präsident), Bezirkstag Potsdam ab 1952, MdVR bzw. MdVK 1948–1950, Zentralsekretariat und PV der SED 1946–1950. MdL Brandenburg 1950–1951, MdL Thüringen 1951–1952 (Vizepräsident), Bezirkstag Erfurt 1952–1963, MdVK 1963–1971, Führungsfunktionen in Landes- und Bezirksverbänden der NDPD Brandenburg, Thüringen und Erfurt. Stellv. des Vorsitzenden des Rates des Bezirks Potsdam. Sekretär der DBD in Mecklenburg 1952–1962, Vorsitzender des Bezirksverbandes Schwerin der DBD 1962–1967, Mitglied des Parteivorstandes der DBD 1951–1972, Präsidiumsmitglied bzw. Sekretär des Parteivorstandes 1951–1960, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 292. Mitbegründer LDPD Mecklenburg, MdL Mecklenburg ab 1947, 1949–1952 Minister für Finanzen, MdVK 1950–1958 u. 1963-1971, stellv. Vorsitzender des Rates des Bezirks Schwerin 1952–1959, stellv. Minister der Finanzen der DDR 1959–1961, stellv. Vorsitzender des Ministerrats 1960–1965, Vorsitzender der LDPD 1960–1967. Entgegen der Angaben in Broszat/Weber, SBZ-Handbuch, S. 1040, Baumgartner/Hebig, S. 914 f. und Müller-Enbergs/Wielgohs/Hoffmann, S. 840, war Suhrbier nicht Zeit des Bestehens der Länderkammer Abgeordneter, sondern nur in den Jahren der Provisorischen Länderkammer (1949/50) und einmalig anlässlich ihrer letzten Sitzung im Jahre 1958 (3. WP). Stellv. Vorsitzende des Bezirksvorstands des FDGB in Neubrandenburg. Polizeipräsident in Berlin 1950–1953, Stellv. des Oberbürgermeisters von Groß-Berlin 1953–1963, MdVK 1963–1971, Mitglied des Parteivorstands der SED 1946/47.
Übersicht Nr. 5
375
33 MdVK 1949–1954, 1. Vorsitzender VVN Sachsen-Anhalt 1947–1950, Generalsekretär der VVN 1951–1953, Leiter Presseamt beim Ministerpräsidenten der DDR 1953–1958, Generalsekretär der DFS 1958-1963. 34 2. Sekretär der SED Bezirksleitung Berlin. 35 (Stellv.) Vorsitzender des Bezirksverbands der CDU Groß-Berlin, vgl. Herbst/Ranke/Winkler, S. 166. 36 Stadtverordneter in Berlin 1958–1967, 2. Sekretär der Bezirksleitung der FDJ Groß-Berlin, MdVK 1967–1990, FDJ-Funktionär, vgl. Baumgartner/Hebig, S. 491 f. 37 Bezirkssekretär des Bezirksvorstands der LDPD Groß-Berlin. 38 Am Hitlerputsch 1923 in München als Mitglied der NSDAP beteiligt, Oberst der Wehrmacht (später Generalmajor der NVA), aktiv im „Nationalkomitee Freies Deutschland“, Mitbegründer der NDPD 1948, Vorsitzender des NDPD-Landesvorstands Sachsen 1949–1952, Minister für Finanzen in Sachsen 1950–1952, MdVK 1950–1963, stellv. Vorsitzender des NDPD-Bezirksverbands Dresden 1960–1975. 39 Angestellter der Staatlichen Plankommission. 40 1. Vorsitzender des Bezirksvorstands IG Nahrung und Genuss 1951–1958, MdVK 1960–1963. 41 Sekretär des Bezirksvorstands des FDGB Groß-Berlin.
376
Anhang Übersicht Nr. 6 Die Sitzungen der Länderkammer1
Wahlperiode
Anzahl der Sitzungen/ Durchschnittliche Sitzungsdauer2
Behandelte Gesetze3 insgesamt/pro Sitzung
Provisorische Länderkammer (1949/50)
16/69 Minuten
40/2,5
Länderkammer, 1. Wahlperiode (1950–1954)
21/80 Minuten
46/2,2
Länderkammer, 2. Wahlperiode (1954–1958)
21/132 Minuten
64/3,0
Länderkammer, 3. Wahlperiode (1958)
1/45 Minuten
1/1
Gesamt:
59/95 Minuten
151/2,6
Anmerkungen zu Übersicht Nr. 6: 1
2
3
Eigene Zusammenstellung des Verfassers anhand der Protokolle der Länderkammersitzungen. Zum Vergleich: Der westdeutsche Bundesrat hielt von 1949–1957 insgesamt 2164 Plenar-, Ausschuss- und Unterausschusssitzungen ab. Dort wurden 1243 Gesetzesvorlagen (weiterhin: 1205 Rechtsverordnungen und 176 Allgemeine Verwaltungsvorschriften) beraten, vgl.: Krebs, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 50 Rdnr. 19. Dies ergibt einen Durchschnittswert von etwa 0,5 Gesetzesvorlagen pro Sitzung. Bei aller Schwierigkeit, die ein Vergleich so unterschiedlicher Verfassungsorgane mit sich bringt, ist gleichwohl erkennbar, welch unterschiedliche Stellung die beiden Institutionen einnahmen, zieht man Anzahl und Häufigkeit der Sitzungen, Sitzungsdauer und die Zahl der Vorlagen als zugegebenermaßen vage Kriterien für die Relevanz im Verfassungsgefüge heran. Ohne Sondersitzungen; einschließlich Begründung des Gesetzes durch einen Vertreter der Regierung, Stellungnahme und Erklärung des Verzichtes auf das Einspruchsrecht. Pausen konnten nicht in jedem Falle in die Berechnung einbezogen werden, da häufig nicht exakt ermittelbar. Die durchschnittliche Sitzungsdauer von 95 Minuten wird daher etwas über dem tatsächlichen Wert liegen. Von der Volkskammer zugeleitete Gesetzesentwürfe, die in der Länderkammer behandelt wurden. In allen Fällen wurde auf das der Länderkammer zustehende Einspruchsrecht verzichtet.
Übersicht Nr. 7
377
Übersicht Nr. 7 Gesetzgebungstätigkeit der Provisorischen Länderkammer (1949/50) A. Der Provisorischen Länderkammer zugeleitete Gesetzesbeschlüsse der Volkskammer1 Bezeichnung der Vorlage/ Tag der Beschlussfassung in der Volkskammer
Von der Länderkammer behandelt am . . .
Aussprache2
Begründung durch Regierungsvertreter
Gesetz zur Überleitung der Verwaltung; 11. Oktober 1949 (findet sich nicht in der Drs.Sammlung der Länderkammer)
11. Oktober 1949 (2. Sitzung3 gemeinsam mit der Provisorischen Volkskammer anlässlich der Wahl des Präsidenten der Republik) Dauer: 69 Minuten
Nein
–
Gesetz über den Erlaß von Sühnemaßnahmen und die Gewährung staatsbürgerlicher Rechte für ehemalige Mitglieder und Anhänger der Nazipartei und Offiziere der faschistischen Wehrmacht; 9. November 1949 (Drs. Nr. 1)
10. November 1949 (4. Sitzung)4 Dauer: 50 Minuten
Ja
–
Gesetz über die Gewährung von Straffreiheit; 9. November 1949 (Drs. Nr. 2)
Ja
–
Gesetz über die Änderung des Ministeriums für Außenhandel und Materialversorgung; 9. November 1949 (Drs. Nr. 3)5
Nein
–
Ja
Paul Peschke (SED), Sts. im Min. f. Arbeit und Gesundheitswesen
Nein
Max Fechner (SED), Min. f. Justiz
Ja
Bruno Leuschner (SED), Sts. im Min. f. Planung
Gesetz zum Schutze der Arbeitskraft der in der Landwirtschaft Beschäftigten; 7. Dezember 1949 (Drs. Nr. 5)
8. Dezember 1949 (5. Sitzung) Dauer: 65 Minuten
Gesetz über die Errichtung des Obersten Gerichtshofes und der Obersten Staatsanwaltschaft der [DDR]; 7. Dezember 1949 (Drs. Nr. 6) Gesetz über den Volkswirtschaftsplan 1950, das zweite Jahr des Zweijahrplanes der [DDR]; 20. Januar 1950 (Drs. Nr. 8)
24. Januar 1950 (7. Sitzung)6 Dauer: 92 Minuten
(Fortsetzung nächste Seite)
378
Anhang
(Fortsetzung Übersicht Nr. 7) Bezeichnung der Vorlage/ Tag der Beschlussfassung in der Volkskammer
Von der Länderkammer behandelt am . . .
Aussprache
Begründung durch Regierungsvertreter
Gesetz über den Haushaltsplan 1950; 9. Februar 1950 (Drs. Nr. 9)
10. Februar 1950 (8. Sitzung)7 Dauer: 218 Minuten
Ja
Willy Rumpf (SED), Sts. im Min. f. Finanzen
Gesetz über die Abgaben der Republik und der übrigen Gebietskörperschaften sowie über die Errichtung einer Abgabenverwaltung der Republik (Abgabengesetz); 8. Februar 1950 (Drs. Nr. 10)
Verb. m. Drs. Nr. 9
Gesetz über die Teilnahme der Jugend am Aufbau der [DDR] und die Förderung der Jugend in Schule und Beruf, bei Sport und Erholung; 8. Februar 1950 (Drs. Nr. 11)
Ja
Johannes Keusch (SED), Hauptabteilungsltr., Ltr. d. Amtes f. Jugendfragen u. Leibesübungen
Gesetz über Maßnahmen zur Erreichung der Friedenshektarerträge; 8. Februar 1950 (Drs. Nr. 12)
Ja
Paul Merker (SED), Sts. im Min. f. Land- u. Forstwirtschaft
Gesetz über die Bildung eines Ministeriums für Staatssicherheit; 9. Februar 1950 (Drs. Nr. 13)
Nein
Hans Warnke (SED), Sts. im Min. d. Innern
Nein
Hans Loch (LDPD), Min. f. Finanzen
Ja
Rudolf Albrecht (DBD), Sts. im Min. f. Handel u. Versorgung
Ja
Karl Steinhoff (SED), Min. d. Innern
Ja
Paul Wandel (SED), Min. f. Volksbildung
Gesetz über die Errichtung der Deutschen Bauernbank; 22. Februar 1950 (Drs. Nr. 15)
28. Februar 1950 (9. Sitzung)8 Dauer: 77 Minuten
Gesetz über die Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung und über die Pflichtablieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse im Jahre 1950; 22. Februar 1950 (Drs. Nr. 16) Gesetz über öffentliche Sammlungen und Veranstaltungen zur Erlangung von Spenden; 22. März 1950 (Drs. Nr. 18) Gesetz über die Verleihung von Nationalpreisen; 22. März 1950 (Drs. Nr. 19)
23. März 1950 (10. Sitzung) Dauer: 57 Minuten Fortsetzung f. Seite
Übersicht Nr. 7 Bezeichnung der Vorlage/ Tag der Beschlussfassung in der Volkskammer
Von der Länderkammer behandelt am . . .
379 Aussprache
Begründung durch Regierungsvertreter
Gesetz über die Eingliederung von 23. März 1950 Kreditinstituten in die Deutsche (10. Sitzung) Notenbank; 22. März 1950 (Drs. Nr. 20)
Ja
Hans Loch (LDPD), Min. d. Finanzen
Gesetz über die Verleihung von Ehrbezeichnungen an verdiente Ärzte und Lehrer des Volkes; 22. März 1950 (Drs. Nr. 229)
Verb. m. Drs. Nr. 19
Paul Wandel (SED), Min. f. Volksbildung
Nein
Weil, Abteilungsltr. im Min. d. Finanzen
Gesetz über die Regelung des Zahlungsverkehrs; 21. April 1950 (Drs. Nr. 21)
21. April 1950 (11. Sitzung) Dauer: 125 Minuten
Gesetz über die Einführung der Feiertage „Tag der Befreiung“ und „Tag der Republik“; 21. April 1940 (Drs. Nr. 23)
Gem. – Erkl. aller Fraktionen
Gesetz der Arbeit zur Förderung und Pflege der Arbeitskräfte, zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und zur weiteren Verbesserung der materiellen und kulturellen Lage der Arbeiter und Angestellten; 19. April 1950 (Drs. Nr. 24)
Ja
Luitpold Steidle (CDU), Min. f. Arbeit u. Gesundheitswesen
Gesetz zum Schutze des innerdeutschen Handels; 21. April 1950 (Drs. Nr. 25)
Nein
Josef Orlopp (SED), Hauptabteilungsltr. im Min. f. Innerdt. Handel, Außenhandel und Materialversorgung
Gesetz über die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters; 17. Mai 1950 (Drs. Nr. 27)
17. Mai 1950 (12. Sitzung)10, 11 Dauer: 35 Minuten
Gem. Helmut Brandt Erkl. aller (CDU), Sts. im Fraktionen Min. d. Justiz
Gesetz über Änderung von Grenzen der Länder; 28. Juni 1950 (Drs. Nr. 29)
28. Juni 1950 (13. Sitzung) Dauer: 20 Minuten
Nein
Gesetz über die Wahlen zur Volkskammer, zu den Landtagen, Kreistagen und Gemeindevertretungen in der [DDR] am 15. Oktober 1950; 9. August 1950 (Drs. Nr. 30)
10. August 1950 (14. Sitzung) Dauer: 60 Minuten Fortsetzung f. Seite
Gem. Hans Warnke Erkl. aller (SED), Fraktionen Sts. im Min. d. Innern
Hans Warnke (SED), Sts. im Min. d. Innern
(Fortsetzung nächste Seite)
380
Anhang
(Fortsetzung Übersicht Nr. 7) Bezeichnung der Vorlage/ Tag der Beschlussfassung in der Volkskammer
Von der Länderkammer behandelt am . . .
Aussprache
Begründung durch Regierungsvertreter
Gesetz zur Förderung des Handwerks; 9. August 1950 (Drs. Nr. 31)
10. August 1950 (14. Sitzung)
Ja
Helmut Wunderlich (SED), Sts. im Min. f. Industrie
Gesetz zur Errichtung des Deutschen Aufsichtsamts für das Versicherungswesen; 9. August 1950 (Drs. Nr. 32)
Nein
Willy Rumpf (SED), Sts. im Min. f. Finanzen
Gesetz über die Versicherung der volkseigenen Betriebe; 9. August 1950 (Drs. Nr. 33)
Nein
Gesetz über den Erlaß der Rückzahlungspflicht von Ehestandsdarlehen; 9. August 1950 (Drs. Nr. 34)
Nein
Gesetz über den Aufbau der Städte in der [DDR] und der Hauptstadt Deutschlands, Berlin (Aufbaugesetz) 6. September 1950 (Drs. Nr. 35)
8. September 1950 (15. Sitzung) Dauer: 128 Minuten Fortsetzung f. Seite
Gem. Lothar Bolz Erkl. aller (NDPD), Min. f. Fraktionen Aufbau
Patentgesetz für die [DDR]; 6. September 1950 (Drs. Nr. 36)
Nein
Prof. Dr. L. Lange, Hauptabteilungsltr. im Min. f. Planung
Gesetz über die Errichtung eines Amtes für die Erfindungs- und Patentwesen in der [DDR]; 6. September 1950 (Drs. Nr. 37)
Verb. m. Drs. Nr. 36
Gesetz über die Steuer des Handwerks; 6. September 1950 (Drs. Nr. 38)
Ja
Hans Loch (LDPD), Min. f. Finanzen
Gesetz über den Verkehr mit Giften (Giftgesetz); 6. September 1950 (Drs. Nr. 39)
Nein
–
Gesetz über die Schutzimpfung der Rinder gegen Maul- und Klauenseuche; 6. September 1950 (Drs. Nr. 40)
Nein
–
Gesetz über Erlass von Schulden und Auszahlung von Guthaben an alte und arbeitsunfähige Bürger der [DDR]; 8. September 1950 (Drs. Nr. 41)
Verb. m. Drs. Nr. 38
Hans Loch (LDPD), Min. f. Finanzen
Übersicht Nr. 7
381
Bezeichnung der Vorlage/ Tag der Beschlussfassung in der Volkskammer
Von der Länderkammer behandelt am . . .
Aussprache
Begründung durch Regierungsvertreter
Gesetz über Entschuldung und Kredithilfe für Klein- und Mittelbauern; 8. September 1950 (Drs. Nr. 42)
8. September 1950 (15. Sitzung)
Verb. m. Drs. Nr. 38
Hans Loch (LDPD), Min. f. Finanzen
Verb. m. Drs. Nr. 38
Hans Warnke (SED), Sts. im Min. d. Innern
Nein
–
Ja
Luitpold Steidle (CDU), Min. f. Arbeit u. Gesundheitswesen
Gesetz über die weitere Verbesserung der Lage der ehemaligen Umsiedler in der [DDR]; 8. September 1950 (Drs. Nr. 43) Gesetz zur Änderung gesetzlicher Bestimmungen über die Verleihung von Preisen, Titeln und Ehrenbezeichnungen; 27. September 1950 (Drs. Nr. 44)
28. September 1950 (16. Sitzung) Dauer: 122 Minuten
Gesetz über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau; 27. September 1950 (Drs. Nr. 45)
B. Beschlussfassung der Provisorischen Länderkammer Beschlussfassung in der Länderkammer über Gesetzesbeschlüsse der Volkskammer . . .
absolut
in Prozent
9
22,5
b) . . . am darauffolgenden Tag
18
45,0
c) . . . am übernächsten Tag
10
25,0
37
92,5
d) . . . nach vier Tagen
1
2,5
e) . . . nach sechs Tagen
2
5,0
40
100
a) . . . am selben Tag
a), b) und c) zusammen:
Gesamt
Anmerkungen zu Übersicht Nr. 7: 1 2
3 4
Nachfolgend eigene Zusammenstellungen des Verfassers anhand der Protokoll- und Drucksachensammlungen der Länderkammer (vgl. Quellenverzeichnis). Der Begriff darf nicht im heute geläufigen Sinne verstanden werden, sondern meint hier fraktionsübergreifende, wohlwollende Zustimmung zum Gesetz. Meist ergriff nur ein Abgeordneter das Wort; kritische Töne zu einem Gesetzesvorhaben lassen sich den Aufzeichnungen der Länderkammer nicht entnehmen. Die konstituierende Sitzung der Provisorischen Länderkammer fand am 11. Oktober 1949 statt. Die 3. Sitzung fand statt am 20. Oktober 1949 und widmete sich hauptsächlich der Beratung über eine Vorläufige Ordnung für den Geschäftsverkehr sowie der Ausgestaltung der Ausschüsse.
(Fortsetzung nächste Seite)
382
Anhang
(Fortsetzung: Anmerkungen zu Übersicht Nr. 7) 5
Drs. Nr. 4: Gemeinsame Erklärung aller Fraktionen der Provisorischen Länderkammer der [DDR] anläßlich des 32. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution. 6 Die 6. Sitzung, gemeinsam mit der Volkskammer, am 21. Dezember 1949 feierte den 70. Geburtstag von Stalin, vgl. Drs. Nr. 7: Gemeinsame Erklärung der Provisorischen Volkskammer und der Provisorischen Länderkammer zum 70. Geburtstag von Generalissimus Stalin. 7 Drs. Nr. 17 (folgt nicht der Nummerierung): Antrag der CDU-Fraktion der Provisorischen Länderkammer der [DDR] man möge die Mandate der geflohenen Abgeordneten Rohner und Kuhnisch für erloschen erklären. 8 Drs. Nr. 14: Antrag zum mündlichen Bericht des Ausschusses für Allgemeine Angelegenheiten über die Beratung der Geschäftsordnung der Provisorischen Länderkammer der [DDR]. 9 Die Drs. Nr. 22 ist fehlnummeriert. 10 Drs. Nr. 26: Friedensbotschaft der Nationalversammlung der Tschechoslowakischen Republik; dem Präsidenten der Provisorischen Länderkammer am 27. April 1950 mit der Bitte um Bekanntgabe im Plenum von Herrn Botschafter Dr. Fischl überreicht. 11 Drs. Nr. 28: Erklärung aller Fraktionen der Provisorischen Länderkammer der [DDR] zur Friedensbotschaft der Nationalversammlung der Tschechoslowakischen Republik.
Übersicht Nr. 8
383
Übersicht Nr. 8 Gesetzgebungstätigkeit der Länderkammer, 1. Wahlperiode (1950–1954) A. Der Länderkammer zugeleitete Gesetzesbeschlüsse der Volkskammer Bezeichnung der Vorlage/ Tag der Beschlussfassung in der Volkskammer
Von der Länderkammer behandelt am . . .
Aussprache
Begründung durch Regierungsvertreter
Gesetz über die Zusammensetzung 9. November 1950 der Länderkammer der [DDR]; (1. konst. Sitzung) 8. November 1950 (Drs. Nr. 1) Dauer: 33 Minuten
Nein
–
Gesetz über die Regierung der [DDR]; 8. November 1950 (Drs. Nr 2)
Nein
Wilhelm Koenen (SED), Sts./Ltr. des gemeinsamen Sekretariats der Volks- und Länderkammer
Ja
–
Gesetz über die Reform des öffentlichen Haushaltswesens; 15. Dezember 1950 (Drs. Nr. 4)
Nein
Willi Georgino (SED), Sts. im Min. d. Finanzen
Gesetz zur Regelung des innerdeutschen Zahlungsverkehrs; 15. Dezember 1950 (Drs. Nr. 5)
Nein
Gesetz über die Schulpflicht in der [DDR] (Schulpflichtgesetz); 15. Dezember 1950 (Drs. Nr. 6)
Nein
Elisabeth Zaisser (SED), Sts. im Min. f. Volksbildung
Gesetz zum Schutz des zur Anfertigung von Banknoten der Deutschen Notenbank verwendeten Papiers; 15. Dezember 1950 (Drs. Nr. 7)
Nein
Willi Georgino (SED), Sts. im Min. d. Finanzen
Ja
Paul Strassenberger (SED), Sts. im Min. f. Planung
Nein
Dr. Woytt, Justitiar d. Min. f. Schwerindustrie
Gesetz zum Schutze des Friedens; 15. Dezember 1950 (Drs. Nr. 3)
Gesetz über den Volkswirtschaftsplan 1951, das erste Jahr des Fünfjahrplanes der [DDR]; 14. März 1951 (Drs. Nr. 8) Gesetz zur Sicherung der Lagerstätten von Bodenschätzen gegen Bebauung; 14. März 1951 (Drs. Nr. 9)
20. Dezember 1950 (2. Sitzung) Dauer: 90 Minuten
16. März 1951 (3. Sitzung) Dauer: 140 Minuten
(Fortsetzung nächste Seite)
384
Anhang
(Fortsetzung Übersicht Nr. 8) Bezeichnung der Vorlage/ Tag der Beschlussfassung in der Volkskammer
Von der Länderkammer behandelt am . . .
Aussprache
Gesetz über die Steuertarife des Handwerks; 13. April 1951 (Drs. Nr. 10)
14. April 1951 (4. Sitzung) Dauer: 95 Minuten
Gem. Erkl. Willi Georgino aller Frak- (SED), Sts. im tionen (Drs. Min. d. Finanzen Nr. 12)
Gesetz über den Staatshaushaltsplan 1951; 13. April 1951 (Drs. Nr. 11) Gesetz über den Fünfjahrplan zur Entwicklung der Volkswirtschaft der [DDR]; 1. November 1951 (Drs. Nr. 13)
Ja
2. November 1951 (5. Sitzung) Dauer: 120 Minuten
Gesetz über die Deutsche Notenbank; 31. Oktober 1951 (Drs. Nr. 14) Gesetz über den Volkswirtschaftsplan 1952 – das zweite Jahr des Fünfjahrplans zur Entwicklung der Volkswirtschaft in der [DDR]; 7. Februar 1952 (Drs. Nr. 15)
8. Februar 1952 (6. Sitzung) Dauer: 145 Minuten
Gesetz über die Rückzahlung und Verzinsung der Beträge der Aufbaulotterie für das Nationale Aufbauprogramm Berlin 1952; 7. Februar 1952 (Drs. Nr. 16) Gesetz über die Regierung der [DDR]; 23. Mai 1952 (Drs. Nr. 17)
Begründung durch Regierungsvertreter
Ja
Bruno Leuschner (SED), Sts. im Min. f. Planung
Nein
Willi Georgino (SED), Sts. im Min. d. Finanzen
Ja
Paul Strassenberger (SED), Sts. im Min. f. Planung
Gem. Willi Georgino Erkl. aller (SED), Sts. im Fraktionen Min. d. Finanzen
23. Mai 1952 (7. Sitzung) Dauer: 60 Minuten
Nein
Fritz Geyer (SED), Sts./Chef der Regierungskanzlei
Jugendgerichtsgesetz; 23. Mai 1952 (Drs. Nr. 18)
Gem. Heinrich Toeplitz Erkl. aller (CDU), Sts. im Fraktionen Min. f. Justiz
Gesetz über die Staatsanwaltschaft der [DDR]; 23. Mai 1952 (Drs. Nr. 19)
Gem. Fritz Geyer (SED), Erkl. aller Sts./Chef der Fraktionen Regierungskanzlei
Gesetz über den Staatshaushaltsplan 1952; 19. Juni 1952 (Drs. Nr. 20)
20. Juni 1952 (8. Sitzung) Dauer: 100 Minuten
Ja
Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der [DDR]; 23. Juli 1952 (Drs. Nr. 21)
23. Juli 1952 (9. Sitzung) Dauer: 36 Minuten
Gem. Fritz Geyer (SED), Erkl. aller Sts./Chef d. RegieFraktionen rungskanzlei
Willi Georgino (SED), Sts. im Min. d. Finanzen
Übersicht Nr. 8
385
Bezeichnung der Vorlage/ Tag der Beschlussfassung in der Volkskammer
Von der Länderkammer behandelt am . . .
Aussprache
Gesetz über die staatsbürgerlichen Rechte der ehemaligen Offiziere der faschistischen Wehrmacht und der ehemaligen Mitglieder und Anhänger der Nazipartei; 2. Oktober 1952 (Drs. Nr. 22)
3. Oktober 1952 (10. Sitzung) Dauer: 175 Minuten
Gem. Heinrich Toeplitz Erkl. aller (CDU), Sts. im Fraktionen Min. f. Justiz
Gesetz über die Verfassung der Gerichte der [DDR] (Gerichtsverfassungsgesetz); 2. Oktober 1952 (Drs. Nr. 23)
Ja
Einführungsgesetz zum Gesetz über das Verfahren in Strafsachen in der [DDR] (Strafprozeßordnung); 2. Oktober 1952 (Drs. Nr. 24)
Verb. m. Drs. Nr. 23
Gesetz über das Verfahren in Strafsachen in der [DDR] (Strafprozeßordnung); 2. Oktober 1952 (Drs. Nr. 25)
Verb. m. Drs. Nr. 23
Gesetz zum Schutze des Volkseigentums und anderen gesellschaftlichen Eigentums; 2. Oktober 1952 (Drs. Nr. 26)
Gem. Erkl. aller Fraktionen
Begründung durch Regierungsvertreter
Gesetz über den Volkswirtschaftsplan 1953, das dritte Jahr des Fünfjahrplans zur Entwicklung der Volkswirtschaft der [DDR]; 17. Dezember 1952 (Drs. Nr. 27)
18. Dezember 1952 (11. Sitzung) Dauer: 55 Minuten
Gem. Paul Strassenberger Erkl. aller (SED), Sts. im Fraktionen Min. f. Planung
Gesetz über den Staatshaushaltsplan 1953; 5. Februar 1953 (Drs. Nr. 28)
5. Februar 1953 (12. Sitzung) Dauer: 125 Minuten
Ja
Beschluß1 zur Veränderung des Volkswirtschaftsplanes für das 2. Halbjahr 1953; 8. Oktober 1953 (Drs. Nr. 30)
8. Oktober 1953 (15. Sitzung)2 Dauer: 110 Minuten
Gem. Kurt Opitz (SED), Erkl. aller Sts./stellv. Vors. d. Fraktionen Staatl. Plankommission
Beschluß zur Änderung des Staatshaushaltsplanes für das Jahr 1953; 8. Oktober 1953 (Drs. Nr. 29) Gesetz zur Regelung des Jagdwesens; (Drs. Nr. 31) 25. November 1953
Willi Georgino (SED), Sts. im Min. d. Finanzen
Verb. m. Drs. Nr. 30 26. November 1953 (16. Sitzung) Dauer: 65 Minuten Fortsetzung f. Seite
Martin Schmidt (SED), Stellv. d. Min. d. Finanzen
Gem. Hans Reichelt Erkl. aller (DBD), Sts. im Fraktionen Min. f. Land- u. Forstwirtschaft
(Fortsetzung nächste Seite)
386
Anhang
(Fortsetzung Übersicht Nr. 8) Bezeichnung der Vorlage/ Tag der Beschlussfassung in der Volkskammer
Von der Länderkammer behandelt am . . .
Aussprache
Gesetz zum Schutze der Kulturund Nutzpflanzen; 25. November 1953 (Drs. Nr. 32)
26. November 1953 (16. Sitzung)
Gem. Hans Reichelt Erkl. aller (DBD), Sts. im Fraktionen Min. f. Land- u. Forstwirtschaft
Gesetz über den Volkswirtschaftsplan 1954; 18. Dezember 1953 (Drs. Nr. 33)
18. Dezember 1953 (17. Sitzung) Dauer: 75 Minuten
Gem. Willy Sägebrecht Erkl. aller (SED), Sts./stellv. Fraktionen Vors. d. Staatl. Plankommission
Gesetz über den Staatshaushaltsplan 1954; 17. Februar 1954 (Drs. Nr. 34)
18. Februar 1954 (18. Sitzung) Dauer: 110 Minuten
Ja
Begründung durch Regierungsvertreter
Martin Schmidt (SED), Stellv. d. Min. d. Finanzen
Gesetz über die Staatshaushaltsordnung der [DDR]; 17. Februar 1954 (Drs. Nr. 35)
Verb. m. Drs. Nr. 34
Gesetz über die Entschuldung der Klein- und Mittelbauern beim Eintritt in Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften; 17. Februar 1954 (Drs. Nr. 36)
Nein
Ernst Frommhold (SED), Hauptabteilungsltr. im Min. f. Land- u. Forstwirtschaft
Warenzeichengesetz; 17. Februar 1954 (Drs. Nr. 37)
Nein
Erwin Kerber (SED), Sts./stellv. Vors. d. Staatl. Plankommission
Gesetz über die Verleihung von Nutzungsrechten an volkseigenen Grundstücken; 21. April 1954 (Drs. Nr. 38)
22. April 1954 (19. Sitzung) Dauer: 35 Minuten
Gem. Erkl. Walter Heinicke aller Frak- (SED), Stellv. d. tionen Min. f. Arbeit
Gesetz über die Würdigung hervorragender Leistungen durch Verleihung staatlicher Auszeichnungen; 21. April 1954 (Drs. Nr. 39)
Gem. Erkl. Josef Hegen aller Frak- (SED), Sts. im tionen Min. d. Innern
Gesetz über die Stiftung des Vaterländischen Verdienstordens; 21. April 1954 (Drs. Nr. 40)
Gem. Erkl. aller Fraktionen
Gesetz über die Stiftung des Ordens „Banner der Arbeit“; 4. August 1954 (Drs. Nr. 44) Gesetz über die Wahlen zur Volkskammer der [DDR] am 17. Oktober 1954; 4. August 1954 (Drs. Nr. 41)
5. August 1954 (20. Sitzung) Dauer: 125 Minuten Fortsetzung f. Seite
Gem. Erkl. Walter Heinicke aller Frak- (SED), Stellv. d. tionen Min. f. Arbeit Gem. Erkl. Josef Hegen aller Frak- (SED), Sts. im tionen Min. d. Innern
Übersicht Nr. 8
387
Bezeichnung der Vorlage/ Tag der Beschlussfassung in der Volkskammer
Von der Länderkammer behandelt am . . .
Aussprache
Begründung durch Regierungsvertreter
Gesetz über die Wahlen zu den Bezirkstagen der [DDR]; 4. August 1954 (Drs. Nr. 42)
5. August 1954 (20. Sitzung)
Verb. m. Drs. Nr. 41
Josef Hegen (SED), Sts. im Min. d. Innern
Ja
Otto Möller (NDPD), Ltr. des Amtes für Wasserwirtschaft der DDR
Nein
Lothar Bolz (NDPD), Min. f. Auswärtige Angelegenheiten u. Stellv. d. Ministerpräsidenten d. DDR
Gesetz über die Aufnahme des Bausparens; 15. September 1954 (Drs. Nr. 45)
Ja
Martin Schmidt (SED), Stellv. d. Min. d. Finanzen
Gesetz über den Verkauf volkseigener Eigenheime und Siedlungshäuser; 15. September 1954 (Drs. Nr. 46)
Verb. m. Drs. Nr. 45
Gesetz zur Erhaltung und Pflege der heimatlichen Natur (Naturschutzgesetz); 4. August 1954 (Drs. Nr. 43) Paß-Gesetz der [DDR]; 15. September 1954 (Drs. Nr. 47)
16. September 1954 (21. Sitzung) Dauer: 125 Minuten
B. Beschlussfassung der Länderkammer (1. Wahlperiode) Beschlussfassung in der Länderkammer über Gesetzesbeschlüsse der Volkskammer . . . a) . . . am selben Tag b) . . . am darauffolgenden Tag c) . . . am übernächsten Tag a), b) und c) zusammen: d) . . . nach fünf Tagen Gesamt
absolut
in Prozent
8
17,5
30
65,0
3
6,5
41
89,0
5
11,0
46
100
Anmerkungen zu Übersicht Nr. 8: 1 2
Zurückgehend auf eine Beschlussempfehlung der Regierung, goss die Volkskammer diese Beschlüsse wegen Art. 88 Abs. 1 DDV in Gesetzesform. Die 13. Sitzung der Länderkammer, gemeinsam mit der Volkskammer, am 20. März 1953 fand anlässlich des Todes des am 5. März 1953 verstorbenen Stalin, sowie des am 14. März 1953 verstorbenen Staatspräsidenten der Tschechoslowakei Klement Gottwald statt; weiterhin verurteile man scharf den sog. „Generalkriegsvertrag“, also den Deutschlandvertrag zwischen der Bundesrepublik und den drei
388
Anhang
Westmächten, und nahm Stellung zu den Vorschlägen des Rates der Deutschen Sammlung (Volksbewegung für Einheit, Frieden, Freiheit), die im Auftrag der SED in Westdeutschland gegen die Westbindung und den Deutschlandvertrag operierte; Vorsitzender dieser Bewegung war der ehemalige Reichskanzler Joseph Wirth (Zentrum), der bei dieser Sitzung zugegen war. Die 14. Sitzung, gemeinsam mit der Volkskammer, am 7. Oktober 1953 diente der Wiederwahl Wilhelm Piecks zum Präsidenten der Republik.
Übersicht Nr. 9
389
Übersicht Nr. 9 Gesetzgebungstätigkeit der Länderkammer, 2. Wahlperiode (1954–1958) A. Der Länderkammer zugeleitete Gesetzesbeschlüsse der Volkskammer Bezeichnung der Vorlage/ Tag der Beschlussfassung in der Volkskammer
Von der Länderkammer behandelt am . . .
Aussprache
Gesetz über den Ministerrat der [DDR]; 16. November 1954 (Drs. Nr. 1)
29. November 1954 (1. konst. Sitzung) Dauer: 75 Minuten
Gem. Erkl. Fritz Geyer (SED), aller Frak- Sts./Chef der Retionen gierungskanzlei
Beschluß der Volkskammer der [DDR] über die Aufgaben des Volkswirtschaftsplanes 1955; 21. Mai 1955 (Drs. Nr. 2)
23. Mai 1955 (2. Sitzung) Dauer: 175 Minuten
Ja
Gesetz über den Staatshaushaltsplan 1955; 21. Dezember 1955 (Drs. Nr. 3) Gesetz über die Zurschaustellung von Erfindungen, Mustern und Warenzeichen auf Ausstellungen; 26. September 1955 (Drs. Nr. 4)
Begründung durch Regierungsvertreter
Kurt Opitz (SED), Sts./stellv. Vors. d. Staatl. Plankommission
Verb. m. Drs. Nr. 2 27. September 1955 (3. Sitzung)1 Dauer: 70 Minuten
Gem. Erkl. Erwin Kerber aller Frak- (SED), Stellv. d. tionen Min. f. Außenhandel und Innerdt. Handel
Gesetz über den Verkehr mit Edelmetallen, seltenen Metallen, Edelsteinen und echten Perlen sowie Erzeugnissen aus Edelmetallen, seltenen Metallen und Edelsteinen; 26. September 1955 (Drs. Nr. 5)
Verb. m. Drs. Nr. 4
Martin Schmidt (SED), Stellv. d. Min. d. Finanzen
Gesetz über das Staatswappen und die Staatsflagge der [DDR]; 26. September 1955 (Drs. Nr. 6)
Nein
Herbert Grünstein (SED), Stellv. d. Min. d. Innern
Gesetz zur Ergänzung der Verfassung; 26. September 1955 (Drs. Nr. 7)
Gem. Erkl. Fritz Geyer (SED), aller Frak- Sts./Chef der Retionen gierungskanzlei
Gesetz über die Schaffung der Nationalen Volksarmee und des Ministeriums für Nationale Verteidigung; 18. Januar 1956 (Drs. Nr. 9) Gesetz zum Schutze vor Brandgefahren (Brandschutzgesetz); 18. Januar 1956 (Drs. Nr. 10)
20. Januar 1956 (4. Sitzung) Dauer: 150 Minuten Fortsetzung f. Seite
Ja
Willi Stoph (SED), Min. f. Nationale Verteidigung/ Stellv. d. Vors. d. Ministerrates
Gem. Erkl. Herbert Grünstein aller Frak- (SED), Stellv. d. tionen Min. d. Innern
(Fortsetzung nächste Seite)
390
Anhang
(Fortsetzung Übersicht Nr. 9) Bezeichnung der Vorlage/ Tag der Beschlussfassung in der Volkskammer
Von der Länderkammer behandelt am . . .
Aussprache
Begründung durch Regierungsvertreter
Gebrauchsmustergesetz der [DDR]; 20. Januar 1956 18. Januar 1956 (Drs. Nr. 11) (4. Sitzung)
Ja
Josef Stanek, Ltr. d. Zentralamts f. Forschung u. Technik
Gesetz über den Staatshaushaltsplan 1956; 8. Februar 1956 (Drs. Nr. 14)
Ja
Martin Schmidt (SED), Stellv. d. Min. d. Finanzen
10. Februar 1956 (5. Sitzung) Dauer: 155 Minuten
Gesetz über Devisenverkehr und Devisenkontrolle (Devisengesetz); 8. Februar 1956; (Drs. Nr. 13)
Nein
31. August 1956 (6. Sitzung) Dauer: 50 Minuten
Ja
Herbert Grünstein (SED), Stellv. d. Min. d. Innern
Gesetz über den Beitritt der [DDR] zu den vier Genfer Abkommen zum Schutze der Kriegsopfer vom 12. August 1949; 30. August 1956 (Drs. Nr. 15)
Nein
Georg Handke (SED), Sts. im Min. f. Auswärtige Angelegenheiten
Gesetz zur Änderung des Paßgesetzes der [DDR]; 30. August 1956 (Drs. Nr. 16)
Ja
Gesetz über den Verkehr mit Sprengmitteln (Sprengmittelgesetz); 30. August 1956 (Drs. Nr. 122)
Gesetz über den Vertrag zwischen der [DDR] und der Tschechoslowakischen Republik vom 11. September 1956 über den Rechtsverkehr in Zivil-, Familienund Strafsachen; 2. November 1956 (Drs. Nr. 17)
6. November 1956 (7. Sitzung)3 Dauer: 110 Minuten
Gesetz über die Regelung der Ansprüche gegen Personen, deren Vermögen nach der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten oder auf Grund rechtskräftiger Urteile in das Eigentum des Volkes übergegangen ist; 2. November 1956 (Drs. Nr. 18) Gesetz über die Erhöhung der Renten und der Sozialfürsorgeunterstützung; 16. November 1956 (Drs. Nr. 22)
17. November 1956 (8. Sitzung) Dauer: 130 Minuten Fortsetzung f. Seite
Gem. Erkl. Hilde Benjamin aller Frak- (SED), Min. d. tionen Justiz
Ja
Martin Schmidt (SED), Stellv. d. Min. d. Finanzen
Ja
Friedrich Macher (SED), Min. f. Arbeit u. Berufsausbildung
Übersicht Nr. 9
391
Bezeichnung der Vorlage/ Tag der Beschlussfassung in der Volkskammer
Von der Länderkammer behandelt am . . .
Aussprache
Begründung durch Regierungsvertreter
Gesetz über das Personenstandswesen (Personenstandsgesetz); 16. November 1956 (Drs. Nr. 20)
17. November 1956 (8. Sitzung)
Ja
Josef Hegen (SED), Sts. im Min. d. Innern
Ja
Heinrich Toeplitz (CDU), Sts. im Min. f. Justiz
Verb. m. Drs. Nr. 24
Franz Peplinski (SED), Sts f. Angelegenheiten der örtlichen Räte im Min. d. Innern
Gesetz über das Verfahren des Staatlichen Notariats – Notariatsverfahrensordnung; 16. November 1956 (Drs. Nr. 21) Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht; 17. Januar 1957 (Drs. Nr. 23)
23. Januar 1957 (9. Sitzung) Dauer: 240 Minuten
Gesetz über die Rechte und Pflichten der Volkskammer gegenüber den örtlichen Volksvertretungen; 17. Januar 1957 (Drs. Nr. 24)
Ja
Gesetz über die Verkürzung der Arbeitszeit; 18. Januar 1957 (Drs. Nr. 25)
23. Januar 19574 (10. Sitzung) Dauer: 65 Minuten
Ja
Walter Heinicke (SED), Stellv. d. Min. f. Arbeit u. Berufsausbildung
Gesetz über die Wahlen zu den örtlichen Volksvertretungen in der [DDR]; 3. April 1957 (Drs. Nr. 26)
6. April 1957 (11. Sitzung) Dauer: 60 Minuten
Ja
Franz Peplinski (SED), Sts f. Angelegenheiten der örtlichen Räte im Min. d. Innern
Beschluß der Volkskammer der DDR über die Aufgaben des Volkswirtschaftsplanes 1957; 26. April 1957 (Drs. Nr. 27)
30. April 1957 (12. Sitzung) Dauer: 95 Minuten
Ja
August Duschek (SED), Stellv. d. Vors. d. Staatl. Plankommission
Gesetz über den Staatshaushaltsplan 1957; 23. Mai 1957 (Drs. Nr. 28)
28. Mai 1957 (13. Sitzung) Dauer: 185 Minuten
Ja
Willi Georgino (SED), Sts. im Min. d. Finanzen
Nein
Hans Böhm (SED), Hauptabteilungsltr. im Min. f. Auswärtige Angelegenheiten
Gesetz über den Aufbau und die Funktionen der konsularischen Vertretungen der [DDR] (Konsulargesetz); 22. Mai 1957 (Drs. Nr. 29)
(Fortsetzung nächste Seite)
392
Anhang
(Fortsetzung Übersicht Nr. 9) Bezeichnung der Vorlage/ Tag der Beschlussfassung in der Volkskammer
Von der Länderkammer behandelt am . . .
Aussprache
Begründung durch Regierungsvertreter
Gesetz über den Vertrag zwischen 9. August 1957 der [DDR] und der Volksrepublik (14. Sitzung) Polen vom 1. Februar 1957 über Dauer: 30 Minuten den Rechtsverkehr in Zivil-, Familien- und Strafsachen; 8. August 1957 (Drs. Nr. 30)
Nein
Heinrich Toeplitz (CDU), Sts. im Min. f. Justiz
Gesetz über den Konsularvertrag zwischen der [DDR] und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 10 Mai 1957; 8. August 1957 (Drs. Nr. 31)
Verb. m. Drs. Nr. 32
Sepp Schwab (SED), Stellv. d. Min. f. Auswärtige Angelegenheiten
Gesetz über den Konsularvertrag zwischen der [DDR] und der Tschechoslowakischen Republik vom 24. Mai 1957); 8. August 1957 (Drs. Nr. 32)
Nein
Nein
Otto Winzer (SED), Stellv. d. Min. f. Auswärtige Angelegenheiten
Gesetz zur Ergänzung des Strafgesetzbuches – Strafrechtsergänzungsgesetz; 11. Dezember 1957 (Drs. Nr. 37)
Ja
Heinrich Toeplitz (CDU), Sts. im Min. f. Justiz
Gesetz über Eintragung und Tilgung im Strafregister – Strafregistergesetz (StRG); 11. Dezember 1957 (Drs. Nr. 38)
Verb. m. Drs. Nr. 37
Gesetz zur Änderung des Paßgesetzes der [DDR]; 11. Dezember 1957 (Drs. Nr. 39)
Verb. m. Drs. Nr. 37
Gesetz über das Vertragssystem in der sozialistischen Wirtschaft (Vertragsgesetz); 11. Dezember 1957 (Drs. Nr. 36)
Nein
Kurt Schilske (SED), Vors. des Staatl. Vertragsgerichts
Gesetz über den Vertrag vom 13. Juli 1957 zwischen der [DDR] und der Volksrepublik Polen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Sozialpolitik; 11. Dezember 1957 (Drs. Nr. 33)
Nein
Friedrich Macher (SED), Min. f. Arbeit u. Berufsausbildung
Gesetz über den Konsularvertrag zwischen der [DDR] und der Ungarischen Volksrepublik vom 3. Juli 1957; 11. Dezember 1957 (Drs. Nr. 34)
13. Dezember 1957 (16. Sitzung)5 Dauer: 160 Minuten Fortsetzung f. Seite
Übersicht Nr. 9
393
Bezeichnung der Vorlage/ Tag der Beschlussfassung in der Volkskammer
Von der Länderkammer behandelt am . . .
Aussprache
Begründung durch Regierungsvertreter
Gesetz über die Durchführung einer Volks-, Berufs- und Wohnraumzählung; 11. Dezember 1957 (Drs. Nr. 35)
13. Dezember 1957 (16. Sitzung)
Nein
Heinz Rauch (SED), Stellv. d. Ltrs. d. Staatlichen Zentralverwaltung f. Statistik
Gesetz über den 2. Fünfjahrplan zur Entwicklung der Volkswirtschaft in der DDR für die Jahre 1956–1960; 9. Januar 1958 (Drs. Nr. 40)
11. Januar 1958 (17. Sitzung) Dauer: 270 Minuten
Ja
August Duschek (SED), Stellv. d. Vors. d. Staatl. Plankommission
Beschluß der Volkskammer der [DDR] über die Aufgaben des Volkswirtschaftsplanes 1958; 9. Januar 1958 (Drs. Nr. 42)
Verb. m. Drs. Nr. 40
Gesetz über den Staatshaushaltsplan 1958; 9. Januar 1958 (Drs. Nr. 41)
Verb. m. Drs. Nr. 40
Walter Kammler (SED), Stellv. d. Min. d. Finanzen
Gesetz über die Finanzierung des volkseigenen Wohnungsbaues; 9. Januar 1958 (Drs. Nr. 45)
Verb. m. Drs. Nr. 40
Herbert Rothe (SED), Stellv. d. Min. d. Finanzen
Gesetz über den Außenhandel der [DDR]; 9. Januar 1958 (Drs. Nr. 43)
Nein
Gesetz über den Vertrag vom 27. September 1957 über Handel und Seeschifffahrt zwischen der [DDR] und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken; 9. Januar 1958 (Drs. Nr. 44)
Nein
Willy Hüttenrauch (SED), Stellv. d. Min. f. Außenhandel u. Innerdt. Handel
Gesetz über die Vervollkommnung 13. Februar 1958 und Vereinfachung der Arbeit des (18. Sitzung) Staatsapparates in der [DDR]; Dauer: 210 Minuten 11. Februar 1958 (Drs. Nr. 46)
Ja
Kurt Gregor (SED), Stellv. des Vors. d. Staatl. Plankommission
Gesetz über den Luftschutz in der [DDR]; 11. Februar 1958 (Drs. Nr. 47)
Ja
Herbert Grünstein (SED), Stellv. d. Min. d. Innern
Gesetz zur Ergänzung des Geset14. März 1958 zes zur Förderung des Handwerks; (19. Sitzung) 12. März 1958 (Drs. Nr. 48) Dauer: 115 Minuten Fortsetzung f. Seite
Verb. m. Drs. Nr. 49
Röder, Stellv. Hauptabteilungsltr. im Staatssekretariat f. Örtliche Wirtschaft
(Fortsetzung nächste Seite)
394
Anhang
(Fortsetzung Übersicht Nr. 9) Bezeichnung der Vorlage/ Tag der Beschlussfassung in der Volkskammer
Von der Länderkammer behandelt am . . .
Aussprache
Begründung durch Regierungsvertreter
Gesetz über die Besteuerung des Handwerks; 12. März 1958 (Drs. Nr. 49)
14. März 1958 (19. Sitzung)
Ja
Rudolf Kirsten (SED), Stellv. d. Min. d. Finanzen
„Gesetz über den Vertrag zwischen der DDR und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 28. November 1957 über die Rechtshilfe in Zivil-, Familienund Strafsachen“; 12. März 1958 (Drs. Nr. 50)
Nein
Heinrich Toeplitz (CDU), Sts. im Min. f. Justiz
Gesetz über den Vertrag zwischen der [DDR] und der Ungarischen Volksrepublik vom 30. Oktober 1957 über den Rechtsverkehr in Zivil-, Familien- und Strafsachen; 12. März 1958 (Drs. Nr. 51)
Verb. m. Drs. Nr. 50
Gesetz über die Abschaffung der Lebensmittelkarten; 28. Mai 1958 (Drs. Nr. 53)
28. Mai 1958 (20. Sitzung, gemeinsam mit der Volkskammer) Gesetz zur Änderung des Gesetzes Dauer: 315 Minuten über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau; 28. Mai 1958 (Drs. Nr. 54)
Ja
Gesetz zur Änderung der Besteuerung der privaten Wirtschaft; 28. Mai 1958 (Drs. Nr. 55)
Verb. m. Drs. Nr. 53
Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die Besteuerung des Handwerks; 28. Mai 1958 (Drs. Nr. 56)
Verb. m. Drs. Nr. 53
Gesetz zur Änderung der Besteuerung des steuerbegünstigten freischaffenden Intelligenz; 28. Mai 1958 (Drs. Nr. 57)
Verb. m. Drs. Nr. 53
Gesetz über die Wahlen zur Volkskammer der [DDR] am 16. November 1958; 24. September 1958 (Drs. Nr. 64) Gesetz über die Auflösung des Stadtkreises Schneeberg, Bezirk Karl-Marx-Stadt; 24. September 1958 (Drs. Nr. 66)
24. September 1958 (21. Sitzung) Dauer: 115 Minuten Fortsetzung f. Seite
Verb. m. Drs. Nr. 53
Heinrich Rau (SED), Min. f. Außenhandel u. Innerdt. Handel/ Stellv. d. Vors. d. Ministerrates
Gem. Erkl. Karl Maron (SED), aller Frak- Min. d. Innern tionen Nein
Übersicht Nr. 9
395
Bezeichnung der Vorlage/ Tag der Beschlussfassung in der Volkskammer
Von der Länderkammer behandelt am . . .
Aussprache
Begründung durch Regierungsvertreter
Zweites Gesetz über den Staatshaushaltsplan 1958; 24. September 1958 (Drs. Nr. 65)
24. September 1958 (21. Sitzung)
Nein
Helmut Sandig (SED), Stellv. d. Min. d. Finanzen
Gesetz über die Verwendung der beim Geldumtausch eingezahlten Beträge spekulativer Herkunft; 24. September 1958 (Drs. Nr. 62)
Nein
Gesetz über den Vertrag zwischen der [DDR] und der Volksrepublik Bulgarien vom 27. Januar 1958 über den Rechtsverkehr in Zivil-, Familien- und Strafsachen; 24. September 1958 (Drs. Nr. 58)
Nein
Gesetz über den Vertrag zwischen der [DDR] und der Rumänischen Volksrepublik vom 15. Juni 1958 über die Rechtshilfe in Zivil-, Familien- und Strafsachen; 24. September 1958 (Drs. Nr. 63)
Verb. m. Drs. Nr. 58
Gesetz über den Konsularvertrag zwischen der [DDR] und der Volksrepublik Polen vom 25. November 1957; 24. September 1958 (Drs. Nr. 52)
Nein
Gesetz über den Konsularvertrag zwischen der [DDR] und der Volksrepublik Bulgarien vom 18. April 1958; 24. September 1958 (Drs. Nr. 59)
Verb. m. Drs. Nr. 52
Gesetz über den Konsularvertrag zwischen der [DDR] und der Rumänischen Volksrepublik vom 15. Juni 1958; 24. September 1958 (Drs. Nr. 61)
Verb. m. Drs. Nr. 52
Otto Winzer (SED), Stellv. d. Min. f. Auswärtige Angelegenheiten
Gesetz über die Aufhebung von gesetzlichen Bestimmungen auf dem Gebiet der staatlichen Auszeichnungen; 24. September 1958 (Drs. Nr. 60)
Nein
Anton Fischbach (SED), Hauptabteilungsltr. im Büro des Präsidiums d. Ministerrates
Heinrich Toeplitz (CDU), Sts. im Min. f. Justiz
Otto Winzer (SED), Stellv. d. Min. f. Auswärtige Angelegenheiten
(Fortsetzung nächste Seite)
396
Anhang
(Fortsetzung Übersicht Nr. 9) B. Beschlussfassung der Länderkammer (2. Wahlperiode) Beschlussfassung in der Länderkammer über Gesetzesbeschlüsse der Volkskammer . . .
absolut
in Prozent
a) . . . am selben Tag
15
24,0
b) . . . am darauffolgenden Tag
13
20,5
c) . . . am übernächsten Tag
26
40,5
54
85,0
d) . . . nach drei Tagen
1
1,5
e) . . . nach vier Tagen
3
4,5
f) . . . nach fünf Tagen
2
3,0
g) . . . nach sechs Tagen
3
4,5
h) . . . nach dreizehn Tagen
1
1,5
64
100
a), b) und c) zusammen:
Gesamt
Anmerkungen zu Übersicht Nr. 9: 1 2 3 4 5
Drs. Nr. 8: Antrag des Präsidiums der Länderkammer der [DDR] zur Schaffung der neuen Geschäftsordnung. Die Reihenfolge der Drucksachen ist zeitweilig nicht durchgängig. Drs. Nr. 19: Antrag aller Fraktionen der Länderkammer (Unterstützung der Regierungspolitik Grotewohls und Versicherung der engen Verbundenheit mit der Sowjetunion). Die 9. und 10. Sitzung fanden nacheinander am selben Tage statt. Die 15. Sitzung der Länderkammer am 7. Oktober 1957 – gemeinsam mit der Volkskammer – diente der Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten der Republik (Wilhelm Pieck).
Übersicht Nr. 10
397
Übersicht Nr. 10 Gesetzgebungstätigkeit der Länderkammer, 3. Wahlperiode (1958) Die letzte Sitzung der Länderkammer am 10. Dezember 1958 Bezeichnung der Vorlage/ Tag der Beschlussfassung in der Volkskammer
Von der Länderkammer behandelt am . . .
Aussprache
Begründung des Gesetzes
Gesetz über die Auflösung der Länderkammer der [DDR]; 8. Dezember 1958 (Drs. Nr. 1)
10. Dezember 1958 (1. konst. Sitzung) Dauer: 45 Minuten
Nein
Karl Polak (SED), Stellv. Vors. d. Rechtsausschusses der Volkskammer
398
Anhang Übersicht Nr. 11 Photographische Aufnahme des Sitzungssaals der Länderkammer
BArch, Bild 183-58621-0001/Zentralbild/Sturm/Junge Ort: Sitz der Länderkammer, Luisenstraße 58/60, Berlin (Langenbeck-Virchow-Haus). Datum: 24. September 1958 (21. Sitzung der 2. Wahlperiode). Am Rednerpult: Karl Maron (SED), Innenminister der DDR von 1955–1963, das Gesetz über die Wahlen zur Volkskammer der [DDR] am 16. November 19581 vom 24. September 1958 begründend; präsidierend: August Bach (CDU), Präsident der Länderkammer.
Anmerkung zu Übersicht Nr. 11: 1
GBl. I S. 677 (1958).
Quellenverzeichnis Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin Personalakte Steinhoff, Karl, ST 71 Archiv für Christlich-Demokratische Politik ACDP, Ost-CDU: Parteiarbeit 07-012-824 07-012-907 07-012-1705
ACDP, Ost-CDU: Vorstand 07-010-489 07-010-1217 07-010-1457 07-010-1701 07-010-1789 07-010-1927 07-010-1935 07-010-2178 07-010-2179 07-010-5824
ACDP, Ost-CDU: Sekretariat des Hauptvorstandes 07-011-713 Archiv des Liberalismus ADL, Bestand FDP, Ostbüro A45-183
ADL, Bestand LDPD, Volkskammerfraktion 8422 24959 25218 25219
ADL, Bestand Fritz R. Greuner N99-132
ADL, Bestand LDPD, Zentralvorstand L4-59/3 L4-624 L4-632
ADL, Bestand Johannes Dieckmann LN4-2 LN4-26 LN4-101 LN4-134 LN4-176
ADL, Bestand Max Becker N11-24
400
Quellenverzeichnis
ADL, Bestand LDPD, Landesverbände L5-12 L5-16 L5-106 L5-129 L5-176 Bundesarchiv Volkskammer der DDR DA 1/. . . 1 Deutscher Volksrat – Präsidium (insb. Sitzungsberichte und Protokolle) 2 Deutscher Volksrat – Präsidium (insb. Sitzungsberichte und Protokolle) 3 Deutscher Volksrat, 1. Tagung am 19. März 1948 (insb. Konstituierung und Bildung der Ausschüsse) 5 Deutscher Volksrat, 4. Tagung am 3. August 1948 (insb. Richtlinien für die Verfassung) 6 Deutscher Volksrat, 5. Tagung am 22.–24. Oktober 1948 (insb. Verfassungsentwurf und Friedensvertrag; Arbeit der Volksausschüsse und der DWK) 9 Deutscher Volksrat, 6. Tagung am 18. und 19. März 1949 (insb. Abstimmung über die Verfassung, Einberufung des Dritten Deutschen Volkskongresses) 14 (Dritter) Deutscher Volkskongress, Tagung am 29. und 30. Mai 1949 (insb. Verfassung der DDR, Wahl des Deutschen Volksrates) 149 Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. 1.–3. Sitzung, 15. April, 27. April, 11. Mai 1948) 151 Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. 5. Sitzung am 8. Juni 1948) 152 Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. 6. Sitzung am 22. Juni 1948) 153 Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. 7. und 8. Sitzung, 1. Juli, 6. Juli 1948) 154 Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. 9. und 10. Sitzung, 13. Juli, 20. Juli 1948) 155 Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. 11. Sitzung am 27. September 1948) 156 Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. 12. Sitzung am 8. Oktober 1948) 157 Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. 13. Sitzung am 18. Februar 1949)
Quellenverzeichnis
401
158
Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. 14. Sitzung am 2. März 1949)
159
Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. Berichte des Verfassungsunterausschusses)
160
Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. Verfassungsunterausschuss, Unterausschuss für die Stilisierung der Verfassung)
161
Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. Verfassungsentwürfe, Korrekturen)
165
Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. Abänderungsvorschläge der Landes-, Kreis- und Ortsvolksausschüsse für Einheit und gerechten Frieden zu den Richtlinien der Verfassung)
166
Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. Abschriften von Rundfunksendungen)
170
Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. Manuskripte, Aktenvermerke und Berichte über die Durchführung der Verfassungsdiskussion)
171
Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. Stellungnahmen von Parteien, Organisationen und der Bevölkerung zum Verfassungsentwurf)
172
Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. Zuschriften aus der Bevölkerung zum Verfassungsentwurf)
173
Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. Zuschriften aus der Bevölkerung zum Verfassungsentwurf)
174
Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. Rededispositionen über den Verfassungsentwurf und Referate über Verfassungsfragen)
180b
Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. Ausarbeitungen zu Fragen der Verfassung)
484
Volkskammer – Rechtsausschuss (2. WP), 2. Sitzung am 24. September 1955
942
Provisorische Volkskammer – Verfassungsausschuss (insb. 1. (konst.) Sitzung am 22. März 1950)
952
Volkskammer – Ständiger Ausschuss für Allgemeine Angelegenheiten, 3. Sitzung am 30. Oktober 1950 (insb. Beschluss über die Zusammensetzung der Länderkammer)
1340
Volkskammer – Verfassungsausschuss (1. WP), 1. (konst.) Sitzung am 1. November 1951
2990
Volkskammer – Rechtsausschuss (3. WP), 1.– 4. Sitzung am 3. Dezember, 5. Dezember 1958 und 1. April 1959 (insb. 2. Sitzung am 5. Dezember 1958: Beratung des Gesetzes über den Ministerrat und des Gesetzes über die Auflösung der Länderkammer)
402 3053 3318 3320
4524
Quellenverzeichnis Volkskammer – Verfassungsausschuss (3. WP), 1. (konst.) Sitzung am 13. Dezember 1958 Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. Mitgliederverzeichnisse, Tagesordnungen, Berichte, Beschlüsse) Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. Presseartikel und persönliche Stellungnahmen zum Verfassungsentwurf) Deutscher Volksrat – Verfassungsausschuss (insb. Informationsmaterial über den Stand der Verfassungsdiskussion der Jahre 1948–1949) Länderkammer der DDR
DA 2/. . . 4 Sekretariat (insb. Aufgaben und Zusammensetzung der Länderkammer; Arbeit in Volks- und Länderkammer) 6 Kanzlei/Büro des Präsidenten (insb. Schriftwechsel mit Fraktionen, Behörden, Parteien und Organisationen) 13 Kanzlei/Büro des Präsidenten (insb. Schriftwechsel mit Fraktionen, Behörden, Parteien und Organisationen) 14 Sekretariat (insb. Haushaltspläne) 15 Sitzungsprotokoll der 1. (konst.) Sitzung der Länderkammer (3. WP) am 10. Dezember 1958 33 Kanzlei/Büro des Präsidenten (insb. Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen der Provisorischen Volkskammer) 35 Kanzlei/Büro des Präsidenten (insb. Schriftwechsel mit Fraktionen, Behörden, Parteien und Organisationen) 36 Kanzlei/Büro des Präsidenten (insb. Wahl der Abgeordneten der Provisorischen Länderkammer durch die Landtage, 1949) 37 Kanzlei/Büro des Präsidenten (insb. Sitzungsvorbereitung Präsidium) 41 Kanzlei/Büro des Präsidenten (insb. Schriftwechsel mit Abgeordneten) 49 Kanzlei/Büro des Präsidenten (insb. Eingaben, Beschwerden und Gesuche) 50 Kanzlei/Büro des Präsidenten (insb. Notizen des Präsidenten)
Quellenverzeichnis 52
61 78 79 80 81 89 94 99 101 102 103
104 106
110
403
Kanzlei/Büro des Präsidenten (insb. Schriftwechsel mit Fraktionen, Behörden, Parteien und Organisationen) Sekretariat (insb. Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit der Länderkammer) Sitzungen des Präsidiums der Länderkammer, 1954–1958 Sitzungen des Präsidiums der Provisorischen Länderkammer, 1949–1950 Sitzungen des Präsidiums der Länderkammer, 1950–1954 Sekretariat (insb. Mitgliederlisten) Ausschüsse der Länderkammer Sekretariat (insb. Mandatsfragen) Kanzlei/Büro des Präsidenten (insb. Leitfäden für Plenartagungen) Sekretariat (insb. Mitgliederlisten) Sekretariat (insb. Mitgliederlisten) Kanzlei/Büro des Präsidenten (insb. Wahl der Abgeordneten der Länderkammer durch die Bezirkstage, 1954) Sekretariat (insb. Geschäftsordnungsfragen und Sitztafeln) Kanzlei/Büro des Präsidenten (insb. Wahl der Abgeordneten der Länderkammer durch die Landtage, 1950) Sekretariat (insb. Mitgliederlisten) Zentraler Runder Tisch
DA 3/. . . 36 Arbeitsgruppe Neue Verfassung – Sitzungsmaterialien, Protokolle und Entwürfe 37 Arbeitsgruppe Neue Verfassung – Sitzungsmaterialien, Protokolle und Entwürfe 38 Materialien (insb. Briefe der Bevölkerung) 39 Entwürfe der Verfassung der DDR – Diskussionsmaterial
404
Quellenverzeichnis Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik
MfS, AS, 39/55, Bd. 1 MfS, AS 93/55 MfS, AP 6730/89
Allgemeine Sachablage – Volkskammerwahl am 17. Oktober 1954 (Aktion „Bastion“) Tätigkeit der Volks- und Länderkammer Operatives Material zu August Bach1, 1946–1962
Stiftung Archiv der Parteien- und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv Abteilung für Staats- und Rechtsfragen im ZK der SED DY 30/IV 2/13/. . . 15 3. Parteikonferenz der SED 215 Ausarbeitungen zur Staats- und Rechtspolitik 231 Verfassungsfragen 1946–1949 258 Entwürfe, Einschätzungen und Stellungnahmen zu den Gesetzen über den Ministerrat der DDR und die Auflösung der Länderkammer 455 Arbeitsorganisation der Akademie für Staat und Recht (ASR) (insb. Aktennotiz über eine Aussprache mit Walter Ulbricht vom 16. Mai 1955) 631 3. Parteikonferenz der SED 632 Geplante Verfassungsänderung 1956 633 Geplante Verfassungsänderung 1956 Demokratischer Block DY 3/. . . 15 Sitzungsprotokolle, Juli–Dezember 1952 17 Sitzungsprotokolle, September–November 1953 22 Sitzungsprotokolle, 1958 Konferenzen und Beratungen der SED DY 30/IV 2/1.01/. . . 8 Erste Kommunalpolitische Konferenz der SED am 1. und 2. Juli 1946 in Berlin 23 Tagung des Verfassungsausschusses der SED am 11. November 1946 1 Eine entsprechende Akte des ersten Präsidenten der Länderkammer, Reinhold Lobedanz (CDU), wurde in der Wendezeit nach Auskunft der BStU durch das MfS vernichtet.
Quellenverzeichnis 24 25
405
Pressekonferenz zum Verfassungsentwurf der SED am 16. November 1946 Kundgebung zur Begründung des Verfassungsentwurfs der SED im Friedrichstadtpalast am 19. November 1946 in Berlin (insb. Rede Otto Grotewohl) Nachlass Gerhard Grüneberg
NY 4233/. . . 13 Tätigkeit als Parteifunktionär Nachlass Otto Grotewohl NY 4090/. . . 285 3. Parteikonferenz; Thesen für eine neue Verfassung 1956 379 Verfassungsentwurf für eine deutsche demokratische Republik 432 Aufbau und Arbeitsweise der Staatlichen Organe in der Ländern der DDR (insb. Schaffung der Bezirke) 635 Tätigkeit der SPD in den Westzonen (insb. auch Verfassungsfragen) Nachlass Walter Ulbricht (auch: Lotte Ulbricht) NY 4182/. . . 1104 Ausarbeitung einer Verfassung 1946 1127 Ausarbeitungen zu Staats- und Rechtsfragen Nachlass Wilhelm Koenen (auch: Emmy Koenen-Damerius) NY 4074/. . . 178 Tätigkeit als Partei- und Staatsfunktionär 189 Tätigkeit als Partei- und Staatsfunktionär 227 Tätigkeit als Partei- und Staatsfunktionär Nationalrat der Nationalen Front DY 6/. . . 244 Tagungen des Präsidiums des Nationalrats der Nationalen Front, Mai–Dezember 1952
406
Quellenverzeichnis Politbüro des ZK der SED
DY 30/. . . 4611 Sitzung am 11. November 1958 (Beschlussauszüge) IV 2/2/. . . 51 Sitzung am 18. Oktober 1949 (Protokoll Nr. 51) 84 Sitzung am 18. April 1950 (Protokoll Nr. 84) 115 Sitzung am 25. Oktober 1950 (Protokoll Nr. 15) 220 Sitzung am 15. Juli 1952 (Protokoll Nr. 120) J IV 2/2/. . . 419 Sitzung am 3. Mai 1955 (Protokoll Nr. 22/55) 617 Sitzung am 11. November 1958 (Protokoll Nr. 45/58) 618 Sitzung am 18. November 1958 (Protokoll Nr. 46/58) 619 Sitzung am 26. November 1958 (Protokoll Nr. 47/58) J IV 2/2A/. . . 425 Sitzung am 3. Mai 1955 (Arbeitsprotokoll) 662 Sitzung am 11. November 1958 (Arbeitsprotokoll) Sekretariat des ZK der SED DY 30/J IV 2/3/. . . 73 Sitzung am 19. Dezember 1949 (Protokoll Nr. 73) 149 Sitzung am 30. Oktober 1950 (Protokoll Nr. 22/50)
Quellenverzeichnis
407
Tagungen des ZK der SED DY 30/IV 2/1/. . . 12 7. (außerordentliche) Tagung des Parteivorstandes der SED am 14. November 1946 (insb. Referat Grotewohl zum Entwurf der Verfassung) 13 7. (außerordentliche) Tagung des Parteivorstandes der SED am 14. November 1946 (insb. Beschlussentwurf zur Verfassung der DDR) 185 33. Tagung des ZK der SED am 15. und 17. Oktober 1957 211 3. Tagung des ZK der SED am 2. Dezember 1958 212 3. Tagung des ZK der SED am 2. Dezember 1958 Sitzungsprotokolle und Drucksachen der Länder- und Volkskammer Provisorische Länderkammer (1949/50) Provisorische Länderkammer der DDR, Protokolle, Drucksachen, 1949–1950, o. O. o. J.2 Länderkammer, 1. Wahlperiode (1950–1954) Länderkammer der DDR, 1. Wahlperiode, Drucksachen 1–26 Länderkammer der DDR, 1. Wahlperiode, Drucksachen 27–47 Länderkammer der DDR, 1. Wahlperiode, Protokolle: Sitzungen 1–21 (1950–1954) Länderkammer, 2. Wahlperiode (1954–1958) Länderkammer der DDR, 2. Wahlperiode, Drucksachen 1–66 Länderkammer der DDR, 2. Wahlperiode, Protokolle: Sitzungen 1–8 (1954–1956) Länderkammer der DDR, 2. Wahlperiode, Protokolle: Sitzungen 9–21 (1957/58) Länderkammer, 3. Wahlperiode (1958) Länderkammer der DDR, 3. Wahlperiode, Protokoll: 1. (konst.) Sitzung am 10. Dezember 1958
2 Die Drucksachen- und Protokollsammlungen von Volks- und Länderkammer sind allesamt gebunden erschienen, weisen hingegen durchweg keinen Erscheinungsort und kein Erscheinungsjahr aus.
408
Quellenverzeichnis Provisorische Volkskammer (1949/50)
Provisorische Volkskammer der DDR, Protokolle: Sitzungen 1–21, 1949-1950 Volkskammer, 1. Wahlperiode (1950–1954) Volkskammer der DDR, 1. Wahlperiode, Protokolle: Sitzungen 1–15 (1950/51) Volkskammer der DDR, 1. Wahlperiode, Protokolle: Sitzungen 16–29 (1952) Volkskammer, 2. Wahlperiode (1954–1958) Volkskammer der DDR, 2. Wahlperiode, Protokolle: Sitzungen 19–36 (1957/58) Volkskammer, 3. Wahlperiode (1958–1963) Volkskammer der DDR, 3. Wahlperiode, Protokolle: Sitzungen 1–9 (1958/59) Sitzungsprotokolle und Drucksachen der Landtage Keip Verlag (Hrsg.): Akten und Verhandlungen des Landtags der Mark Brandenburg 1946–1952, Reprint, Bd. III: Sitzungsprotokolle, Landtagsdrucksachen, 2. Wahlperiode, 1.–16. Sitzung (3.11.1950–25.7.1952, Drucksachen Nr. 1–57), Frankfurt a. M. 1992. – Akten und Verhandlungen des Landtags der Mark Brandenburg 1946–1952, Reprint, Bd. I: Sitzungsprotokolle, 1. Wahlperiode, 1.–69. Sitzung (22.11.1946– 22.9.1950), Frankfurt a. M. 1992. – Akten und Verhandlungen des Landtags des Landes Mecklenburg-Vorpommern 1946–1952, Reprint, Bd. I.2: Sitzungsprotokolle, 1. Wahlperiode, 32.–61. Sitzung (22.6.1948–6.10.1950), Frankfurt a. M. 1992. – Akten und Verhandlungen des Landtags des Landes Mecklenburg 1946–1952, Reprint, Bd. III: Sitzungsprotokolle, Landtagsdrucksachen, 2. Wahlperiode, 1–22. Sitzung (3.11.1950–25.7.1952, Drucksachen Nr. 1–66), Goldbach 1993. – Akten und Verhandlungen des Landtags der Provinz Sachsen-Anhalt 1946–1952, Reprint, Bd. I.2.: Sitzungsprotokolle, 1. Wahlperiode, 33.–57. Sitzung (7.4.1948– 2.10.1950), Frankfurt a. M. 1992. – Akten und Verhandlungen des Landtags der Provinz Sachsen-Anhalt 1946–1952, Reprint, Bd. III: Sitzungsprotokolle, Landtagsdrucksachen, 2. Wahlperiode, 1.–19. Sitzung (3.11.1950–25.7.1952, Drucksachen Nr. 1–38), Frankfurt a. M. 1992. – Akten und Verhandlungen des Sächsischen Landtages 1946–1952, Reprint, Bd. I.2: Sitzungsprotokolle, 1. Wahlperiode, Vollsitzungen des Sächsischen Landtages, 39.–77. Sitzung (27.2.1948–6.10.1950), Frankfurt a. M. 1992.
Quellenverzeichnis
409
– Akten und Verhandlungen des Sächsischen Landtages 1946–1952, Reprint, Bd. II: Anfragen, Gesetzesvorlagen und Anträge, 1. Wahlperiode, Landtagsdrucksachen A–M und Nr. 1–1496 (1947–1950), Frankfurt a. M. 1992. – Akten und Verhandlungen des Sächsischen Landtages 1946–1952, Reprint, Bd. IV: Sitzungsprotokolle, 2. Wahlperiode, Vollsitzungen des Sächsischen Landtages, 1.–28. Sitzung (3.11.1950–25.7.1952), Frankfurt a. M. 1992. – Akten und Verhandlungen des Thüringer Landtages 1946–1952, Reprint, Bd. I.3: Sitzungen des Thüringer Landtages, 46.–73. Sitzung (23.7.1948–10.10.1950), Frankfurt a. M. 1992. – Akten und Verhandlungen des Thüringer Landtages 1946–1952, Reprint, Bd. III: Sitzungsprotokolle, Landtagsdrucksachen, 2. Wahlperiode, Sitzungen des Thüringer Landtages 1.–18. Sitzung (3.11.1950–25.7.1952, Landtagsdrucksachen Abt. 1, Nr. 1–89; Abt. 2, Nr. 1–3), Frankfurt a. M. 1992.
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Personenverzeichnis Abendroth, Wolfgang 20, 123, 152, 154, 158 Acker, Heinrich 63, 69, 81, 109 f., 123, 127, 221 Ackermann, Wilhelm 108 Adam, Wilhelm 373 Adenauer, Konrad 73 Adler, Ilse 364 Adler, Kläre 369, 373 Agethen, Manfred 61, 362 Agsten, Rudolf 360 Albrecht, Rudolf 378 Alexy, Robert 49 Alt, Helmut 41 Amos, Heike 23 f., 56, 59, 62, 66 f., 78, 95, 104, 112, 115, 136, 245, 302, 310 Anschütz, Gerhard 149, 159 f., 163 Apelt, Willibald 151 f., 181 Bach, August 171, 197, 204, 213, 258, 315, 321, 323 f., 332, 337 f., 340 f., 357 f., 369, 372, 398 Badstübner, Rolf 31, 110, 251, 272, 314 Badura, Peter 267 Bakunin, Michail 33 Barschel, Uwe 149 f., 153, 159, 224 Barth, Willi 67, 180 f., 276 f., 284 f. Bartsch, Alfred 372 Bauer, Fritz 362 Bauer, Theresia 56 Baumgarten, Arthur 74 Baumgartner, Gabriele 230, 311, 360, 363, 365, 370 f., 373–375 Bäuml, Luise 210 f., 359
Bayer, Detlef 266 Becker, Martha 364 Becker, Max 257 Becker, Winfried 56 Bender, Klaus 75, 77 Benjamin, Hilde 390 Benz, Wolfgang 60, 147 Bergemann, Erika 369, 373 Berger, Götz 74 f. Bergmann, Herta 364 Bernstein, Eduard 28 Besler, Dietrich 357, 364 Besser, Erich 210, 359, 361 Bevin, Ernest 119 Beyerle, Konrad 148 Beyling, Fritz 373 v. Beyme, Klaus 33 Bilfinger, Carl 217, 230 f., 340 Blank, Paul-Erich 364 Blau, Karl 368 Böckenförde, Ernst-Wolfgang 26 f., 50 Boden, Manfred 204, 207 f., 212 f., 259, 357, 368 Bogisch, Manfred 360 Böhm, Hans 391 Bolz, Lothar 270, 380, 387 Bönninger, Karl 298–300 Börner, Rolf 59, 138, 183 Braas, Gerhard 24, 55, 62, 66, 76, 150, 185, 214 f., 234 Brandt, Elli 359 Brandt, Helmut 56, 78, 84, 93, 98 f., 105, 107 f., 110, 221, 379 Brandt, Willy 22 Braun, Günter 135, 168, 214, 362
Personenverzeichnis Braun, Otto 70 Brehme, Gerhard 178 Broßmann, Karl 171, 207, 211, 293, 337, 357 f., 364, 368, 372 Broszat, Martin 23, 63, 82, 87, 93, 106, 121, 129, 132 f., 142, 263, 275, 360, 365, 369, 373 f. Brugsch, Theodor 87, 99, 123 Brunner, Georg 26, 30, 44, 50 f., 266 Buchholz, Erich 233 Buchstab, Günter 56, 144 Buchwald, Fritz 210, 359 Buchwitz, Otto 72, 251 f., 260, 357, 359 f. Buder, Berta 364 Burhenne, Wolfgang E. 170, 239, 286 Burkhardt, Kurt 357 f., 368, 372 Burmeister, Friedrich 253 Büttner, Horst 324 Byrnes, James F. 67 Chruschtschow, Nikita S. 300, 302, 309 Crimman, Manfred 364 Czybulka, Detlef 266 Daub, Philipp 337, 364, 368, 372 Dekanosow, Wladimir G. 66 Dertinger, Georg 80, 85–87, 92–94, 100, 126, 175, 221, 252, 323 Deuerlein, Ernst 148, 150 Dieckmann, Johannes 78, 81–83, 99, 122, 132, 145, 173, 176, 179, 198, 202, 230, 239, 242 f., 247–249, 253, 255, 291–293, 297 f., 331, 363 Dierlamm, Elfriede 257, 359 f. Dietrich, Martin 367 Dinse, Herrmann 369 Dirnecker, Bert 152 Doering-Manteuffel, Anselm 56 Doernberg, Stefan 32, 131, 303 Dohlus, Horst 38 Dolz, Agnes 369, 373
Döring, Wilhelm 364 Drath, Martin 50, 53, 187 Dreier, Ralf 297, 310 Dudszus, Alfred 373 Dürrwanger, Alfred 51, 151 f., 154 Duschek, August 391, 393 Ebert, Friedrich (jun.) 360, 363 Ebert, Friedrich (sen.) 363 Eckert, Jörn 297, 310 Eggerath, Werner 276 Ehmke, Horst 52 Ellwein, Thomas 45, 151 Engels, Friedrich 25, 27 f., 30 f., 33–38, 271 Enke, Albert 358, 372 Enke, Helmut 190, 357, 361 Ermer, Ruth 364 Eyermann, Richard 210, 364 Fait, Barbara 21 Fechner, Max 62, 377 Feddersen, Dieter 50 f. Feist, Margot 255 Fellenberg, Rudolf 210, 359, 365 Fischbach, Anton 395 Fischer, Erich 268 Flatau, Joachim 236 Flieger, Erich 141 Foitzik, Jan 64 f., 131 Fraaß, Kurt 368, 372 Fraenkel, Ernst 54 Franke, Erich 365 v. Frankenberg, Egbert 364 Fricke, Karl W. 362 Friedländer, Hans-Joachim 365 Friedrichs, Rudolf 72 Friese, Arthus 122 Friesenhahn, Ernst 144 Frölich, August 167, 171, 197 f., 209–211, 230, 252, 257, 263–265, 287, 333, 357 f., 364, 368, 372
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Personenverzeichnis
Frölich, Jürgen 56 Fromme, Friedrich K. 51 Frommelt, Hildegard 357, 368 Frommhold, Ernst 386 Frotscher, Werner 85 Funke, Heinz 372 Gaa, Hartmut G. 156 f. Ganter-Gilmans, Hans-Paul 230 Gast, Werner 364 Geisel, Christof 341 Georgino, Willi 383–385, 391 Gerhard, Hans 369 Gerhardt, Heinrich 373 Gerlach, Manfred 175 Gerth, Ernst 372 Geschke, Ottomar 369 Geyer, Fritz 182, 263, 281 f., 384, 389 Giese, Friedrich 127, 159 Gillessen, Günther 159 Gillessen, Heinrich 210, 359, 362 Gleibe, Fritz 143 Goebbels, Joseph P. 249 v. Goethe, Johann W. 19, 51 Gohr, Arnold 360 Goldenbaum, Ernst 292, 294 Gottfried, Karl 364 Götting, Gerald 241 Gottwald, Klement 387 Graupner, Gotthard 372 Gregor, Kurt 393 Grobbel, Karl 357, 364 Grope, Helfried 364 Gross, Konrad 369 Grotewohl, Otto 44, 55, 59 f., 62–64, 66–68, 70–78, 80 f., 83 f., 86–88, 90–93, 98–100, 102 f., 105 f., 116–120, 126, 128, 130 f., 133–137, 142, 166, 177, 184, 188, 221, 247, 252–255, 259, 268–272, 274, 276–280, 289 f., 291 f., 294, 298, 300–303, 313, 320 f., 324, 330, 332, 396
Gruel, Karl-Friedrich 342 f. Grüneberg, Gerhard 311 f., 315 f., 317–320, 323 f., 328 Grünstein, Herbert 389 f., 393 Grzeszick, Bernd 37 Güntert, Hermann 369 Gutsche, Heinz 365 Gysi, Klaus 202 Haas, Christoph M. 129 Haas, Josef 56 Haas, Julia 19 Haase, Margarete 365 Hagemann, Walter 321 Hagemeier, Erich 204, 241, 357, 364, 368 Hahn, Gerhard 238 Hajna, Karl-Heinz 278 Hamann, Karl 140, 229 Hamel, Bernhard 368, 372 Hamel, Hannelore 37 Handke, Georg 390 Handschumacher, Adolf 213, 368, 372 Hanemann, Theo 331 Hanf, Dominik 155, 157 Hartwich, Ursula 372 Haufe, Kurt 364 Hauschild, Ingrid 43 Hebig, Dieter 230, 311, 360, 363, 365, 370 f., 373 f., 375 Hegel, Georg F. W. 27, 223 Hegen, Josef 386 f., 391 Heidecker, Georg 368 Heil, Thomas 276 Heilmann, Friedrich-Wilhelm 210 f. Heimann, Siegfried 363 Heimstädt, Otto 364 Heinicke, Walter 386, 391 Heinrich, Heinz 369, 373 Heinze, Hildegard 105 f., 128 Heller, Hermann 324 Hemmann, Otto 369, 373
Personenverzeichnis Henning, Alfred 368 Hentschel, Paul 295 Henze, Martin 241, 364, 366 Herbel, Else 364 Herbst, Andreas 370, 374 Hering, Werner 360 Herles, Helmut 341 Hermann, Friedrich 372 Heuer, Uwe-Jens 39 Hickmann, Hugo 98, 108 f., 124, 241 Hilzheimer, Ernst 357, 365 Hintze, Werner 174, 365 Hirschinger, Frank 361 Hitler, Adolf 338 f. Hochbaum, Hans 298 f. Höcker, Wilhelm 369 Hoeck, Joachim 186, 276 Hoegner, Wilhelm 70 Hoensch, Jörg K. 351 Hoffmann, Brigitte 22 Hoffmann, Dieter 31, 284, 312, 360–363, 365, 367, 370 f., 374 Hoffmann, Fritz 368, 372 Homann, Heinrich 292 Honecker, Erich 255 Horn, Hanspeter 37 Horn, Heinrich 370 Howe, Marcus 49, 62, 297, 299 f., 302, 310 Huber, Ernst R. 48, 51, 163, 192, 220, 230 Hübener, Erhard 131 f., 136, 138 f. Hussel, Lothar 368 Hüttenrauch, Willy 393 Ipsen, Hans Peter 144 Isensee, Josef 153 Jänicke, Georg 368 Jaskola, Gebhard 175, 364, 368 Jekewitz, Jürgen 170 Jellinek, Georg 91, 150
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Jendretzky, Hans 316 f., 360 Jestaedt, Matthias 24, 149 Judek, Erna 365 Kaiser, Jakob 57, 65 f., 108 Kaiser, Monika 251 Kammler, Walter 393 Karl, Xaver 371, 373 Kastner, Hermann 133, 257 Kau, Marcel 192 Kaufmann, Robert 152, 266 f., 279 Kautsky, Karl 28 Keil, Hedwig 365 Kelsen, Hans 224 f. Kerber, Erwin 386, 389 Kerimow, Dangir A. 29 Kernchen, Horst 364 Keusch, Johannes 378 Kies, Hans 373 Kies, Ursula 369 Kilian, Michael 21, 266 f. Kimminich, Otto 148 Kind, Friedrich 369 Kindt-Schiefer, Jakob 70 Kirsten, Rudolf 394 Klein, Hans H. 176 Kleinmann, Hans-Otto 144 Klenner, Hermann 43 Kleßmann, Christoph 268 Kleyer, Hermann 308 Kloth, Hans M. 342 f. Knorr, Gerhard 39 Koch, Manfred 78, 215, 230, 252 Koellreutter, Otto 191 Koenen, Wilhelm 20, 72, 121, 125, 198 f., 204, 225, 241 f., 258, 259 f., 261–263, 265, 279, 291, 294, 383 Kohler, Hans 365 Köhler, Jan T. 249 Köhler, Jürgen 362 Köhler, Paula 369 Kołakowski, Leszek 25, 28
442
Personenverzeichnis
Koltzenburg, Oswald 263 König, Wilhelm 196, 210 f. Korioth, Stefan 164 Körner, Olga 252, 357, 359 Koschkar, Felix 369 Kösling, Gustav 365 Koslowsky, Erwin 365 Köster, Hellmut 210, 257, 359 Kotulla, Albert 373 Krahn, Horst 134, 180, 253 f. Krebs, Walter 376 Kröger, Herbert 157, 222, 273, 276, 280, 304, 338 Kröger, Klaus 85 Krömer, Eckart 152, 278 Krüger, Frieda 360 Krüger, Ulrich 225 Kuhn, Willy 373 Kühne, Jörg-Detlef 159 Külz, Wilhelm 140 Kundermann, Erich 310 Kunisch, Richard 195, 359, 361, 382 Künzel, Werner 79, 140, 319, 351 Kurtze, Eberhard 159 f. Kuusinen, Otto 25, 352 Kynin, Georgij P. 65, 71, 83, 89, 140 Kysela, Joseph 368 Laband, Paul 44, 163 Lammers, Hans-Heinrich 176 Lange, L. 380 Langer, Helmut 372 Langner, Margarete 210, 359 Lapp, Peter J. 20, 80, 165, 178 f., 189, 196, 217, 258, 301 Laufer, Heinz 152, 344 Laufer, Jochen P. 65, 71, 83, 89, 140 Lehmann, Helmut 67, 195 Lehmann, Volkmar 142 Leibholz, Gerhard 52, 228 Leibig, Klara 364 Leichtfuß, Hans 78, 189, 208, 254
Leissner, Gustav 20, 37, 52, 131, 306 Lekschas, John 234 Lenin, Wladimir I. 25, 29 f., 33, 37–39, 41, 194, 352 v. Lenski, Arno 257 f., 360, 365, 369 Leppin, Rudolf 373 Letsch, Franz 368 Leuschner, Bruno 377, 384 Ley, Richard 57, 60 f., 147 Leymann, Julius 365 Liebe, Horst 372 Linde, Regine 361 Lobedanz, Reinhold 60, 78, 85, 90 f., 95, 103, 174 f., 189, 193 f., 195, 197, 202, 205, 207 f., 210, 212, 219, 227 f., 230, 233, 241 f., 252 f., 256–258, 286–290, 292 f., 324, 357–360, 361–363, 365, 368 Loch, Hans 93, 100, 111, 190, 331, 378–381 Locke, John 19 Loewenstein, Karl 43, 50, 52, 152 Lohagen, Ernst 250 Lohrisch, Hans 366 Loos, Otto 366, 368 Looschelders, Dirk 220 Loppuch, Siegfried 44 Lorenz, Siegfried 373 Loth, Wilfried 251 Löw, Konrad 30 Lübke, Heinrich 341 Luksch, Hilda 357, 364 Luthardt, Hans 357 f., 364, 369, 373 Macher, Friedrich 392 Macher, Kurt 390 Mai, Maximilian 322 de Maizière, Lothar 342 Malycha, Andreas 41, 302, 309 Mampel, Siegfried 20, 23, 26–28, 30 f., 37, 39, 45, 50–53, 150, 158, 165, 172, 177 f., 182–184, 187 f.,
Personenverzeichnis 214, 216, 234, 236, 239, 266 f., 276, 283, 323, 341, 343 Mand, Richard 78, 208, 254, 319 Mandelkow, Karl 373 v. Mangoldt, Hermann 144 Manneberg, Werner 276, 296 Mansfeld, Ernst 364 Maron, Karl 394, 398 Marshall, George C. 119 Marx, Karl 25, 27 f., 30 f., 33–38, 54, 194, 223, 271, 352 Marx, Werner 369 März, Peter 276 Matern, Hermann 133, 197, 280 f., 288, 323 Maunz, Theodor 50, 52, 148–151, 153 f., 156, 158, 188 f., 192 f., 217, 219 f. Mayer, Otto 149 Meier, Erna 366 Meier, Hellmut 279 Meier, Otto 230, 295 f., 359, 364, 369, 373 Melsheimer, Ernst 191 Menzel, Walter 98 Merker, Paul 378 Meusel, Alfred 78 Meyer, Georg 163 Mielke, Erich 323 Mielke, Henning 21, 266, 268, 271, 275, 278, 283 Miller, Anton 61, 142 f. Model, Erika 361 Möller, Horst 65, 72 Möller, Otto 387 Mollnau, Karl A. 297, 310 Molotow, Wjatscheslaw 64, 71, 75, 89, 105, 120, 350 Moltmann, Carl 359, 366 Mommsen, Wolfgang J. 124, 160 Montesquieu, Charles-Louis 43 f. Morstein Marx, Fritz 224 Muckel, Stefan 267
443
Mühlmann, Carl 175, 204, 210, 257, 357, 359, 364, 369 Müller, Christoph 217 Müller, Gerhard 372 Müller, Hans 360 Müller, Peter 268 Müller, Werner 30 Müller-Bernhardt, Hans 209 f., 359 Müller-Enbergs, Helmut 31, 284, 312, 360–363, 365, 367, 370 f., 374 Müller-Römer, Dietrich 37, 47, 68, 152 Multhaupt, Wulf 22 Münch, Ursula 152, 344 Munter, Arnold 363 Mußgnug, Reinhard 85 Nagel, Otto 369 Naumann, Alfred 364 Neddermeyer, Robert 201, 210, 252, 357–359, 362, 364 Niekisch, Ernst 83, 123 Niemand, Ingeborg 357, 364 Noack, Horst 37 Noggal, Renate 361 Nuschke, Otto 108, 132 f., 145, 167, 252 f., 271, 291, 294, 323 f., 362 Odenthal, Willy 33–37, 280, 338 Opitz, Kurt 385, 389 Orlopp, Josef 379 Otto, Adolf 327 Papke, Gerhard 55 Pauly, Walter 66 Pech, Arthur 369, 373 Peper, Alfred 369, 373 Peplinski, Franz 391 Perkow, Maxim A. 65, 72 Peschke, Paul 377 Peters, Hans 30, 55, 56–58, 143
444
Personenverzeichnis
Pieck, Wilhelm 73, 77, 106, 117, 133, 135, 166, 183, 252, 255, 262, 338, 388, 396 Pieroth, Bodo 85 Plate, Ernst 320 f., 322 Plenikowski, Anton 71, 199, 275, 316 Pleyer, Marcus C. F. 220 Polak, Karl 25, 28, 41 f., 44, 49 f., 63 f., 68 f., 78–81, 84–86, 91, 93–99, 106 f., 110, 115, 117, 122, 124, 126 f., 164, 180, 185, 188, 192, 216, 221, 297–300, 302, 305, 308 f., 316, 325–327, 331–337, 351, 397 Poppe, Eberhard 49, 225 Poppe, Gerd 342 Posch, Martin 48 f. Preuß, Hugo 44 f., 88, 95, 125, 158–160, 221 f., 224, 230 Proudhon, Pierre-Joseph 33 v. Pufendorf, Samuel 19 Püschel, Heinz 307, 338 Raabe, Martin 357, 363 Radbruch, Gustav 78 Radew, Jaroslaw 43 f. Ranke, Winfried 370, 374 Rau, Heinrich 394 Rauch, Heinz 393 Rebetzky, Gustav 369 Reibestein, Elfriede 368, 372 Reichelt, Hans 385 f. Reichhelm, Nils 49, 326 Reimann, Max 76 Reintanz, Gerhard 321 Reissert, Bernd 349 Ressel, Josef 141 Reuter, Konrad 98, 164, 218 Reuter, Max 369 Richert, Ernst 51, 255 f. Richter, Dagmar 266 f., 279 Richter, Michael 55, 279 Riemann, Tord 32, 47, 228, 352
Risch, Anneliese 368, 372 Ritter v. Lex, Hans 313 Ritzel, Heinrich G. 70 Robertson, Brian 157 Röder, Gerhard 368, 373 Röder, N. N. 393 Rödiger, Albert 357 f., 368, 372 Rogner, Klaus M. 341 Rohner, Gerhard 359, 361, 382 Rose, Ewald 341 Rossner, Kurt 372 Rost, Rudi 37 Roth, Wolfgang 220 Rothe, Herbert 393 Rothe, Hermann 364 Rousseau, Jean-Jacques 43 Ruland, Carl G. 120 f. Rumpf, Willy 378, 380 Rutsch, Willi 368 Sadler, Otto 230 Sägebrecht, Willy 386 Sandig, Helmut 395 Sattler, Friederike 28 Sauer, Otto 373 Schaarschmidt, Thomas 279 Schäfer, Herwig 144 Schahn, Margarete 364 Scheller, Fritz 368, 372 Scheuner, Ulrich 144 f. Schilske, Kurt 392 Schip, Erhard 368 Schlack, Arthur 372 Schleifstein, Josef 327 Schleusener, Franz 209 f., 234, 359, 362 Schliebs, Arthur 210, 359 Schlink, Bernhard 342 Schlosser, Walter 364 Schmeitzner, Mike 279 Schmidt, Gerda 357, 369 Schmidt, Martin 365, 385–387, 389 f.
Personenverzeichnis Schmidt, Waldemar 369, 373 Schmitt, Carl 29, 45, 48, 52 f., 68, 150, 199, 322 Schneider, Peter 184 Schneider, Siegfried 225 Schnorr, Gerhard 151 f., 158, 169, 178, 214, 218 Scholz, Erika 365 Schön, Otto 311, 324 Schöneburg, Karl-Heinz 48 f., 53, 78, 187, 194, 208, 254, 344, 352 Schröder, Michael 364 Schröder, Wilhelm 357, 364 Schroeder, Klaus 22 Schüßler, Gerhard 37, 39–41, 43 Schulte, Franz-Josef 225 Schultes, Karl 76, 83, 85, 95, 114–117, 123, 125–127, 134, 142, 146, 152, 180, 185, 245 Schultke, Dietmar 238 Schulz, Werner 26, 29 Schulze, Gerhard 39, 41, 189, 227, 298, 305 Schulze, Martin 368, 372 Schuster, Rudolf 322 Schwab, Sepp 392 Schwarz, Reinhold 360, 365 Schwarz-Liebermann von Wahlendorf, Hans A. 157, 266 Schwarze, Kurt 252, 357, 361 Schweigel, Otto 368, 372 Schwießelmann, Christian 256 Sczcodry, Ewald 365 Seeländer, Joachim 370 Selbmann, Paul 360 Semjonow, Wladimir 64 f., 72 Setzefand, Walter 370, 372 Seydewitz, Max 305 Siedersleben, Martin 111 Sieveking, Klaus 26 Siewert, Robert 139 Skalske, Erika 369
445
Slapnicka, Helmut 351 Smirnow, Andrei A. 66 Sokolowski, Wassili 64 f. Sommer, Ulf 55 Sommermann, Karl-Peter 25 Sorgenicht, Klaus 32, 47, 297, 311, 316 f., 352 Speer, Helmuth 372 Spielmann, Gertrud 365 Spode, Heinz 225 Stalin, Josef W. 25, 27, 33 f., 65, 83, 85, 191, 251, 254–257, 276, 382, 387 Stanek, Josef 389 Staritz, Dietrich 22, 55 f., 271 Stasch, Edith 358, 372 Steidle, Luitpold 379, 381 Steigleder, Paul 368, 372 Steinbach, Peter 362 Steinhoff, Karl 23, 68–70, 81, 83, 87, 90–93, 126–129, 221, 378 Steiniger, Peter A. 30 f., 52 f., 78, 82–84, 93, 97 f., 100–103, 114, 122–124, 128 f., 144, 187, 228, 246, 314 Stembrowicz, N. N. 351 Stern, Klaus 22, 54, 85, 89, 150, 152, 155 f., 176, 192, 266 Stief, Albert 373 Stolleis, Michael 26 Stolzenbach, Frieda 361 Stoph, Willi 389 Strassenberger, Paul 383–385 Streit, Josef 324 Stürmer, Helmut 364 Suckut, Siegfried 268 Suhrbier, Max 357–359, 373 Süsterhenn, Adolf 156 Thaysen, Uwe 341–343 Thoma, Richard 149 Thürmer, Walter 122 Tillmanns, Reiner 267 Tito, Josip B. 26
446
Personenverzeichnis
Tjulpanow, Sergei I. 72, 140 Toeplitz, Heinrich 170, 286 f., 305, 384 f., 391 f., 394 f. Travers, Detlev A. 43, 55, 143, 162, 184, 187, 191, 216 f., 219 Triepel, Heinrich 66, 159, 221, 230 Trittel, Christina 361 Tschammer, Kurt 364 Tschubarjan, Alexandr 65, 72 Tschuikow, Wassili I. 254 Tuchel, Johannes 362 Türke, Joachim 37, 39–41, 131 Türschmann, Johannes 370 Uhle, Reinhard 209 f., 236, 359 f. Ulbricht, Carl 361 Ulbricht, Walter 26, 44, 59, 62, 67, 73, 166, 185, 214, 261, 272–274, 276, 297, 307 f., 311, 325, 351 Umbach, Dieter C. 60 Urban, Rudolf 351 Usteri, Martin 149 Valentin, Karl 349 Verner, Paul 129, 140 Vitzthum, Wolfgang Graf 150 Voigt, Gerhard 369 Volkmann, Ernst 127, 159 Vonderbeck, Hans-Josef 157 Voss, Walter 373 Waitz, Georg 149 f. de Wall, Heinrich 157, 164 f. Walleit, Walter 372 Wandel, Paul 378 Warnke, Brunislaus 206 f., 210, 359, 361 Warnke, Hans 378 f., 381 Weber, Christoph 368 Weber, Hermann 23, 63, 82, 87, 93, 106, 121, 129, 132 f., 142, 263, 275, 360, 365, 369, 373 f. Weber, Max 124, 160, 230
Weber, Otto 359 Weber, Werner 152, 229–232 Wehnert, Günter 368 Weichelt, Wolfgang 27, 32, 39, 42, 47, 49, 194, 352 Weidauer, Walter 364, 368, 372 Weil, N. N. 379 Weitz, Max 359 Wendel, Günter 373 Wengels, Paul 371 Wenzel, Otto 184 Wernet-Tiez, Bernhard 56 Westen, Klaus 266 f. Wettig, Gerhard 73 Wiedemann, Hans 372 Wiederänders, Rudolf 37 Wiegleb, Alfred 372 Wielgohs, Jan 31, 284, 312, 360–363, 365, 367, 370 f., 374 Wietstruk, Siegfried 20, 313 f. Winde, Käthe 373 Winkler, Jürgen 370, 374 Winters, Peter J. 41, 302, 309 Winzer, Otto 392, 395 Wirth, Josef 70 f., 388 Wisniewski, Roswitha 30 Wolfram, Adam 210, 359, 361 Wolfrum, Edgar 351 Wolter, Robert 207 Woytt, N. N. 383 Wulff, Ursula 365 Wunderlich, Helmut 380 Zaisser, Elisabeth 383 Zank, Wolfgang 131 Zetschke, Johannes 360 Zieger, Andrea 78 Zieger, Gottfried 42, 47, 78, 182 Ziel, Rudolf 96 Zinn, Georg A. 320 Zippelius, Reinhold 19, 33