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German Pages 528 Year 1989
Die Kontrolle der Staatsfinanzen Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer
Die Kontrolle der Staatsfinanzen - Geschichte und Gegenwart 1714- 1989
Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer herausgegeben von
Heinz Günter Zavelberg Präsident des Bundesrechnungshofes
mit Beiträgen von Hans Herbert von Arnim, Alfred Breier, Tassilo Broesigke, Jörg Bublitz, Hermann A. Dommach, Karl-Heinz Forster, Bernhard Friedmann, Hans Jürgen Fuhrmann, Görg Haverkate, Hans-Rimbert Hemmer, Ernst Heuer, Wolfgang Kitterer, Joachim Krell, Klaus Lange, Marcel Mart, Ulrich Müller, Albert von Mutius, Helmut Schlesinger, Klaus Stern, Rudi Walther, Heinz Günter Zavelberg
Duncker & Humblot · Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Die Kontrolle der Staatsfinanzen: Geschichte und Gegenwart, 1714- 1989; Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer I hrsg. von Heinz Günter Zavelberg. Mit Beitr. von Hans Herbert von Arnim ... - Berlin: Duncker u. Humblot, 1989 ISBN 3-428-06720-7 NE: Zavelberg, Heinz Günter [Hrsg.]; Arnim, Hans Herbert von [Mitverf.]
Alle Rechte vorbehalten © 1989 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin 61 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428-06720-7
Inhaltsverzeichnis Heinz Günter Zavelberg
Zum Geleit ............. .
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Klaus Stern
Die staatsrechtliche Stellung des Bundesrechnungshofes und seine Bedeutung im System der Finanzkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Heinz Günter Zavelberg
275 Jahre staatliche Rechnungsprüfung in Deutschland. Etappen der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Hermann A. Dommach
Der Reichsrechnungshof während der Amtszeit seines Präsidenten Saemisch (1922 bis 1938) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Karl-!feinz Forster
Staatliche Finanzkontrolle und private Wirtschaftsprüfung. Unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Treuarbeit und mit einer Darstellung der Beziehungen zu den Organen der Finanzkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Rudi W alther
Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages und der Bundesrechnungshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Bernhard Friedmann
Die Effizienz der Tätigkeit des Bundesrechnungshofes aus der Sicht des Parlaments und seiner Ausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Ernst Heuer
Grenzen von Prüfungs- und Erhebungsrechten. Die Anwendung des § 91 BHO im Länderbereich und in der Sozialversicherung, Erhebungsrechte bei Rüstungsfirmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ·. . . . . . . . . . . . . . 181 Görg Haverkate
Prüfungsfreie Räume. Welche Türen in der öffentlichen Verwaltung bleiben dem Rechnungshof verschlossen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Wolfgang Kitterer
Die Finanzkontrolle aus der Sicht der Haushalts- und Finanzplanung
. . . . . 221
Inhaltsverzeichnis
6 Helmut Schlesinger
Möglichkeiten und Grenzen der Kreditfinanzierung des Staatshaushalts . . . . 241 Hans Herbert von Arnim
Wirtschaftlichkeit als Kontrollmaßstab des Rechnungshofs. Zugleich ein Beitrag zur Frage der demokratischen Legitimation der Rechnungshöfe 259 Klaus Lange
Die Prüfung staatlicher Zuwendungen durch den Bundesrechnungshof . . . . 279 Albert von Mutius
Finanzkontrolle und Öffentlichkeit
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305
Hans Jürgen Fuhrmann
Die Geschäftsordnung des Bundesrechnungshofes. Ein Beitrag zu seiner inneren Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Jörg Bublitz
Über die Vorprüfung in Deutschland. Ein Beitrag zu ihrer Entstehungsgeschichte, ihrer Entwicklung und ihren Problemen . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 Ulrich Müller
Finanzkontrolle im Stadtstaat Berlin
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
Alfred Breier
Der Bundespersonalausschuß. Geschichte, Stellung, Aufgaben und Verfahren 407 Tassilo Broesigke
Die internationale Zusammenarbeit der Obersten Rechnungskontrollbehörden 435 Hans-Rimbert Hemmerund Joachim Krell
Die deutsche Stiftung für internationale Entwicklung und der Bundesrechnungshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 MarcelMart
Die Finanzkontrolle der Europäischen Gemeinschaften. Studie aus historischer und wissenschaftlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 Anhang
Zeittafel
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Deklaration von Lima über die Leitlinien der Finanzkontrolle . . . . . . . . . . 516 Verzeichnis der Mitarbeiter
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König Friedrich Wilhelm I.
Zum Geleit Der Bundesrechnungshof blickt im Jahre 1989 auf eine 275jährige Geschichte zurück. Die Gründung der Preußischen General-Rechen-Kammer im Jahre 1714 durch König Friedrich Wilhelm I. von Preußen ist der Anfang einer manchmal verschlungenen, von Rückschlägen nicht freien, aber insgesamt kontinuierlichen Entwicklung, die von der Einrichtung einer unabhängigen staatlichen Rechnungsprüfung bis hin zu einer modernen öffentlichen Finanzkontrolle führt. Dabei ist es müßig, darüber zu spekulieren, ob die General-Rechen-Kammer, wie Theodor von Ditfurth in seinem grundlegenden Werk "Zur Geschichte der Königlich Preußischen Ober-Rechnungskammer" meint, "um den 1. November 1714" errichtet worden ist oder ob bereits die Zuteilung von vier Räten zur Hilfeleistung bei der Rechnungsprüfung am 2. Oktober 1714 oder gar die Bestallung des ersten Präsidenten der GeneralRechen-Kammer, Ehrenreich Bogislav von Creutz, zum "Generalkontrolleur" am 4. März 1713 als Gründungsdatum der General-Rechen-Kammer anzusehen ist. Entscheidend ist die damit begründete 275jährige Tradition einer unabhängigen Finanzkontrolle, in der der Bundesrechnungshof steht. Zwar gab es bereits vor Gründung der Preußischen General-Rechen-Kammer unabhängige Rechnungsprüfungsbehörden in Deutschland, so die 1707 eingesetzte Kursächsische Ober-Rechen-Kammer; doch hatten diese keinen Bestand, verloren schon bald wieder ihre Unabhängigkeit gegenüber der Verwaltung, verkümmerten zur "Buchhaltung des Finanzministeriums". Auch die Preußische General-Rechen-Kammer mußte Rückschläge hinnehmen und wurde- unter dem Namen der Ober-Rechen-Kammer- zeitweise als "Subalternes Collegium" dem Preußischen Generaldirektorium angegliedert. Aber es gelang ihr, ihre Unabhängigkeit gegenüber der Verwaltung wiederzuerlangen und- inzwischen war ihr Name in "Oberrechnungskammer" geändert und ihr Sitz von Berlin nach Potsdam verlegt worden - durch die Königliche Instruktion für die Oberrechnungskammer vom 18. Dezember 1824 endgültig zu sichern. Nach der Gründung des Deutschen Reichs wurde der Preußischen Oberrechnungskammer unter der Benennung "Rechnungshof des Deutschen Reichs" auch die Kontrolle der Reichsfinanzen übertragen. Der ChefpräsiDas Bild des Gründers der Preußischen General-Rechen-Kammer hing im Sitzungssaal der Oberrechnungskammer in Potsdam. Eine Kopie befindet sich heute im Sitzungssaal des Großen Senats des Bundesrechnungshofes in Frankfurt am Main.
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Zum Geleit
dent der Preußischen Oberrechnungskammer war seitdem zugleich Präsident des Rechnungshofs des Deutschen Reichs. Diese enge institutionelle Verzahnung der Finanzkontrolle in Preußen und im Reich blieb auch während der Weimarer Republik bestehen, nun allerdings - Ausdruck der gestiegenen Bedeutung der Reichsfinanzen im Verhältnis zu den Finanzen der Länder mit umgekehrtem Vorzeichen: Das Amt des Präsidenten des Rechnungshofs des Deutschen Reichs wurde zum Hauptamt, die Geschäfte des Chefpräsidenten der Preußischen Oberrechnungskammer wurden nebenamtlich wahrgenommen. Hinzu kam im Jahre 1922 das Amt des Reichssparkommissars als persönliche Sonderaufgabe des Präsidenten des Reichsrechnungshofs. Während die Rechnungshöfe aller anderen deutschen Länder durch die Vierte Novelle der Reichshaushaltsordnung von 1936 "verreichlicht" und lediglich Außenabteilungen des Reichsrechnungshofs in München, Karlsruhe, Harnburg und Leipzig- nach dem "Anschluß" Österreichs auch in Wien -eingerichtet wurden, blieb die Preußische Oberrechnungskammer bis zum Zusammenbruch des Deutschen Reichs bestehen. Die Außenabteilung Harnburg wurde nach dem Krieg zum "Rechnungshof des Deutschen Reichs (Britische Zone)" in Hamburg, der im Juli 1945 als solcher seine Tätigkeit aufnahm und der innerhalb der britischen Besatzungszone die Aufgaben des Rechnungshofs des Deutschen Reichs und der Preußischen Oberrechnungskammer erfüllte. Über ihn führte der Weg zum "Rechnungshof im Vereinigten Wirtschaftsgebiet" in Frankfurt am Main. Der Rechnungshof im Vereinigten Wirtschaftsgebiet, der sein Personal zu einem großen Teil vom Hamburger Zonenrechnungshof übernommen hatte, nahm in der Übergangszeit zwischen der Verkündung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und der Verabschiedung des Gesetzes über den Bundesrechnungshof am 27. November 1950 die Aufgaben des Bundesrechnungshofes wahr. Mit dem Gesetz über den Bundesrechnungshof vom 11. Juli 1985, das den Bundesrechnungshof ausdrücklich als "unabhängiges Organ der Finanzkontrolle" bezeichnet, hat die institutionelle Entwicklung der Finanzkontrolle in Deutschland vorerst ihren Abschluß gefunden. Der Bundesrechnungshof ist damit wohl die staatliche Institution mit der längsten historischen Tradition in Deutschland auf Bundesebene. Die 275jährige Geschichte ist Anlaß, über Stellung, Aufgaben, Arbeitsweise und Wirkungsmöglichkeiten der heutigen Finanzkontrolle nachzudenken. Ich bin deshalb dankbar, daß sich namhafte Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik und Praxis, auch aus dem Ausland, bereitgefunden haben, sich mit Grundsatzfragen der Finanzkontrolle zu beschäftigen und einen Beitrag zur Festschrift des Bundesrechnungshofes zu leisten. Die Festschrift wird, so hoffe ich, einen Bereich unseres Verfassungslebens beleuchten, der - trotz erfreulicher Ansätze in jüngerer Zeit - bisher in der wissenschaftlichen Diskussion noch eher ein Schattendasein führt.
Zum Geleit
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Welches Ansehen die deutsche Finanzkontrolle im internationalen Bereich genießt, zeigt die Tatsache, daß der Bundesrechnungshof als Ausrichter des XIII. Internationalen Kongresses der Obersten Rechnungskontrollbehörden im Juni dieses Jahres die obersten Finanzkontrolleure von mehr als 100 Staaten in Berlin begrüßen konnte. Auch die Ernennung des Präsidenten des Bundesrechnungshofes zum Mitglied des Rechnungshofes der Vereinten Nationen für die Dauer von drei Jahren ist Ausdruck des Vertrauens in die Qualität der deutschen Finanzkontrolle. Möge die Festschrift dazu beitragen, in der Fachwelt und in der interessierten Öffentlichkeit ein zutreffendes Bild der deutschen Finanzkontrolle zu vermitteln. Dann wird deutlich, daß zwischen der traditionellen Rechnungsprüfung und der modernen Finanzkontrolle mehr liegt als nur eine 275jährige Geschichte und daß Finanzkontrolle in ihrer modernen Ausprägung unverzichtbarer Bestandteil im Verfassungsleben der Bundesrepublik Deutschland ist. Ich danke allen, die am Zustandekommen dieser Festschrift mitgewirkt haben, den Autoren, dem Verlag, und auch denen, die bei der Vorbereitung und Ausführung im Stillen tätig waren - allen voran dem Ministerialrat als Mitglied des Bundesrechnungshofes, Dr. Hermann Dommach, der in entscheidender Weise am Gelingen des Werkes Anteil hat.
Präsident des Bundesrechnungshofes
Die staatsrechtliche Stellung des Bundesrechnungshofes und seine Bedeutung im System der Finanzkontrolle Von Klaus Stern
Inhaltsübersicht Einleitung I. Der Bundesrechnungshof als zentrale Einrichtung der Finanzkontrolle 1. Interne Revision, Rechnungslegung, Rechnungsprüfung und Finanzkontrolle 2. Institutionelle Verselbständigung 3. Rechnungshof und Kontrollprinzip der Verfassung a) Kontrolle als Verfassungsprinzip des Grundgesetzes b) Das System der Finanzkontrolle und die Tätigkeit des Bundesrechnungshofes aa) Rechnungsprüfung und rechnungsunabhängige Finanzkontrolle bb) Vorprüfung cc) Beratung und Gutachten 4. Zusammenarbeit der Rechnungshöfe
II. Verfassungsgarantie des Bundesrechnungshofes und seiner Funktionen 1. Bestand des Bundesrechnungshofes 2. Sicherung der Aufgabenerfüllung a) Bedeutung der funktionalen Garantie b) Schutzgut: Finanzkontrolle c) Ergänzende Regelungen gemäß Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GO d) Einzelne Tätigkeitsbereiche 111. Verfassungsrechtliche Hilfsgarantien 1. Unabhängigkeit a) Bedeutung und Rechtfertigung b) Träger der Garantie c) Inhalt der Garantie 2. Kollegialverfassung 3. Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln 4. Informations- und Zutrittsrechte IV. Einordnung in das Gewaltenteilungsschema des Grundgesetzes 1. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt 2. Heranführung an das Parlament V. Organschaftliehe Stellung der Rechnungshöfe
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KlausStern
Einleitung
Seit ich mich in Band II meines Staatsrechtes eingehend mit dem Bundesrechnungshof und der Finanzkontrolle befaßt habe, sind einige Jahre ins Land gegangen*. Inzwischen ist das lang erwartete neue "Gesetz über den Bundesrechnungshof"! in Kraft getreten und hat das in vielen Punkten anpassungsbedürftige "Gesetz über Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofes"2 aus dem Jahre 1950 abgelöst. Darauf aufbauend hat sich dann der Bundesrechnungshof eine neue Geschäftsordnung gegeben, die am 1. Januar 1988 in Kraft getreten ist. Auch haben mehrere Länder neue Rechnungshofgesetze erlassen oder ältere angepaßP. Die wissenschaftliche Aufarbeitung ist ebenfalls weiter fortgeschritten. Die schon damals reichhaltige Literatur4 ist um zahlreiche weitere Publikationens • Herrn Assessor Dipl. Volkswirt Dr. Helmut Siekmann bin ich für wertvolle Unterstützung zu Dank verpflichtet. I Vom 11. 7. 1985 (BGBI. I S. 1445). 2 BRHG vom 27. 11.1950 (BGBI. I S. 765). J Gesetz über den Rechnungshof von Berlin (Rechnungshofgesetz - RHO) i. d. F. vom 1. 1. 1980 (GVBI. S. 2) m. ÄndG durch Art. VII des 2. G. z. Änd. d. LandeswahlG vom 17.4.1984 (GVBI. S. 600); Gesetz über die Rec.~nungsprüfung in der Freien Hansestadt Bremen vom 20.12.1966 (GesBl. S. 221) m. And. durch§ 119 LHO und das ÄndG vom 23.6.1982 (GesBl. S. 163, ber.S. 313); Gesetz über den Hessischen Rechnungshof vom 18. 6. 1986 (GVBI. I S.157); Landesgesetz über den Rechnungshof Rheinland-Pfalz (RHO) vom 20. 12. 1971 (GVBI. 1972 S. 23) m. Änd. vom 31. 1. 1986 (GVBI. S. 35); Gesetz über den Rechnungshof des Saarlandes (RechnungshofgesetzRHO) i. d.F. vom 7. 6.1983 (ABI. S. 386); ältere Gesetze: Gesetz über den Rechnungshof Baden-Württemberg (Rechnungshofgesetz - RHO) vom 19. 10. 1971 (GesBl. S. 426); Gesetz über den Bayerischen Obersten Rechnungshof (RechnunghofgesetzRHO) vom 23. 12. 1971 (GVBI. S. 469); Gesetz über den Rechnungshof der Freien und Hansestadt Harnburg (RHO) i.d.F. vom 14.3.1972 (GVBI. I S. 51); Gesetz über die Errichtung eines Rechnungshofes und die Rechnungsprüfung für das Land Niedersachsen i. d. F. vom 21. 5. 1963 (GVBI. S. 283); geändert durch Art. II § 2 d. Gesetzes z. Änd. d. Nds. Disziplinarrechts vom 14. 3. 1970 (GVBI. S. 170) sowie durch§§ 117 und 118 Abs. 2 Nr. 6 LHO; Gesetz über den Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen (LRHG) vom 14. 12. 1971 (GVBI. S. 410); Gesetz über den Landesrechnungshof Schleswig-Holstein vom 9.12. 1957 (GVBI. S. 168) m. Änd. durch G. vom 25. 7. 1977 (GVBI. S. 186). 4 Vgl. nur Bibliographie und Einzelnachweise zu§ 34 von Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, München 1980, S. 407ff. 5 Hans Herbert von Arnim, Grundprobleme der Finanzkontrolle, DVBI. 1983, S. 664ff.; ders., Ein neues Organisationsstatut für den Bundesrechnungshof, Wiesbaden 1984 (Stellungnahmen, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler Nr. 19); ders., Verfassungsfragen der Finanzkontrolle in Hessen, DÖV 1986, S. 629ff.; ders., Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, Berlin 1988; Gerd Dieter Belemann, Rechtsschutzproblerne im Bereich der Finanzkontrolle in: 40 Jahre Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen 1948- 1988, Düsseldorf 1988 S.185ff.; Hans Blasius, Wissenschaftsprozeß und Aufgaben des Rechnungshofs, Verwaltungsrundschau 1986, S. llff.; ders., Recht und Finanzkontrolle in den Gestaltungsräumen von Politik und Verwaltung, DÖV 1988, S. 819ff.; ders., Finanzkontrolle und Gesetzgebung. Können die Rechnungshöfe einen Beitrag zur Gesetzgebung leisten?, DÖV 1989, S. 298ff.;
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vermehrt worden. Dabei fällt auf, daß sich zunehmend auch historische6, sozialwissenschaftliche7 sowie wirtschafts- und verwaltungswissenschaftliches Arbeiten mit Rechnungshöfen und Finanzkontrolle befassen. Es erscheint Wolfgang Böning I Albert von Mutius I Hartwig Schlegelberger, Finanzkontrolle im föderativen Staat, Heidelberg I Harnburg 1982; Wolfgang Böning I Albert von Mutius, Finanzkontrolle im repräsentativ-demokratischen System, 1989 (im Erscheinen); Peter Eickenboom I Ernst Heuer, Das neue Bundesrechnungshofgesetz, DÖV 1985, S. 997ff.; Bianca Fischer, Abschied von der "Sparsamkeit", JZ 1982, S. 6ff.; Andreas Greifeld, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitsprüfer, München 1981; Klaus Grupp, Die "Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" im Haushaltsrecht, JZ 1982, S. 231ff.; ders., Steuerung des Verwaltungshandeins durch Wirtschaftlichkeitskontrolle?, DÖV 1983, S. 661 ff.; Görg Haverkate, Der Schutz subjektiv-öffentlicher Rechte in der Rechnungsprüfung, AöR Bd.107 (1982), S. 539ff.; Ernst Heuer, ~ur Prüfungsbefugnis der Rechnungshöfe gegenüber der Stiftung Volkswagenwerk, DOV 1986, S. 516ff.; Ulrich Karpen, Wirtschaftlichkeitskontrolle an Hochschulen, Die Verwaltung, Bd. 19 (1986), S. 230ff.; Günter Kisker, Sicherung von "Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" durch den Rechnungshof, NJW 1983, S. 2167ff.; Franz Knöpfte, Die Zuständigkeit der Rechnungshöfe für die Prüfung der Körperschaften des öffentlichen Rechts, Köln I Berlin I Bonn /München 1988 (m. Bspr. von Theodor Maunz, BayVBI. 1988, S. 446); ders., Finanzkontrolle und Selbstverwaltung juristischer Personen des öffentlichen Rechts, in: Dem Staat in die Kasse geschaut. 175 Jahre Bayerischer Oberster Rechnungshof, München 1987, S.107ff.; Herbert König, Wirtschaftlichkeitsgebot und allgemeine Politik, ZBR 1984, S. 261ff.; Walter Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, Heidelberg 1984, vor allem S. 170ff.; Herbert Mandelartz, Zur sogenannten "mitwirkenden" Kontrolle insbesondere beim Haushaltsvollzug, ZParl1982, S. 7ff.; Günter Mann, Unabhängige Kontrolleure?, ZParl1981, S. 353ff.; Möglichkeiten und Grenzen der Finanzkontrolle, Stenographische Niederschrift der Veranstaltung der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen e. V. am 25.11.1981 (maschinenschriftlich vervielfältigt; auszugsweise abgedruckt ZParl 1982, S. 219ff.); Albert von Mutius, Die Steuerung des Verwaltungshandeins durch Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle, VVDStRL Heft 42 (1984), S.147ff.; Präsident des Bundesrechnungshofes (Hrsg.), Der Bundesrechnungshof, Frankfurt!M. 1986; Rechnungshof Baden-Württemberg (Hrsg.), Finanzkontrolle in Baden Württemberg, Karlsruhe 1987; Konrad Redeker, Wissenschaftsfreiheit und Rechnungsprüfung, DÖV 1986, S. 946ff.; Bannes Rehm, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im öffentlichen Sektor, Die Verwaltung, Bd.13 (1980), S. 76ff.; Otto Runde/, Das Personal des Rechnungshofs- Voraussetzung für seine Wirksamkeit. Vortrag im Rahmen der Arbeitstagung "Finanzkontrolle im Wandel" der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer vom 28. bis 30. 9. 1988 (maschinenschriftl. vervielfältigt); Herbert Sauer, Wissenschaftsfreiheit und Rechnungsprüfung, DÖV 1986, S. 941ff.; ders. und Herbert Blasius, Politik und Finanzkontrolle durch Rechnungshöfe, DVBI. 1985, S. 548ff.; dies., Universalität der Finanzkontrolle, DÖV 1986, S. 554ff.; dies., Politik und Rechnungsprüfung, Verwaltungsrundschau, 1987, S. 141ff.; Harald Schulze, Die Rolle des Rechnungshofs während der vorläufigen Haushaltsführung einer Regierung ohne Parlamentsmehrheit, in: Festschrift für Wolfgang Zeidler, Bd. 2, Berlin I New York 1987, S. 1217ff.; Manfred Sommerer, Der Bayerische Oberste Rechnungshof, Die Verwaltung, Bd. 20 (1987), S. 289ff.; Christion Tomuschat, Die parlamentarische Haushalts- und Finanzkontrolle in der Bundesrepublik Deutschland, Der Staat, Bd.19 (1980), S.1ff.; Harald Volkmar, Methoden der Finanzkontrolle - dargestellt an Beispielen von Prüfungen des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen - in: 40 Jahre Landesrechnungshof NordrheinWestfalen 1948- 1988, Düsseldorf 1988, S. 71ff.; Joachim Welz, Parlamentarische Fi~anzkontrolle in den Bundesländern, Berlin 1982 (Bspr. durch Eberhard Fricke, DÖV 1984, S. 83f.); Karl Wittrock, Möglichkeiten und Grenzen der Finanzkontrolle, ZParl 1982, S. 209ff.; ders., Über Grundprobleme der Finanzkontrolle, DVBI. 19~3, S. 883ff.; ders., Auf dem Weg zu einem neuen Bundesrechnungshof-Gesetz, DÖV
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daher angebracht, den Themenbereich Bundesrechnungshof und Finanzkontrolle unter verfassungsrechtlichen Aspekten noch einmal aufzugreifen und kritisch zu untersuchen. 1984, S. 649ff.; ders., Warum muß Finanzkontrolle unabhängig sein?, DVBI. 1984, S. 823ff.; ders., Anforderungen moderner Finanzkontrolle, Verwaltung und Fortbildung, 1984, S. 99ff.; ders., Nachdenkenswertes über den Bundesrechnungshof, ZParl 1985, S. 261ff.; ders., Haushaltsgestaltung durch Finanzkontrolle, Die Verwaltung, Bd.19 (1986), S. 1ff.; ders., Das Ende des Reichsrechnungshofes und die Versuche eines Neubeginns, DÖV 1986, S. 329ff.; ders., Parlament, Regierung und Rechnungshof. Zur Geschichte einer schwierigen Dreiecksbeziehung, ZParl1986, S. 414ff.; ders., Die Zusammenarbeit der Rechnungshöfe in der Bundesrepublik, Die Verwaltung, Bd.19 (1986), S. 363ff.; ders., Aus dem Innenleben des Bundesrechnungshofes, Die Verwaltung, Bd. 20 (1987), S. 41ff.; ders., Über die Kontrolle geheimer Ausgaben, Die Verwaltung, Bd. 21 (1988), S. 277ff.; Heinz Günter Zavelberg, Staatliche Rechnungsprüfung und Erfolgskontrolle - Möglichkeiten und Grenzen - in: Peter Eichhorn I Gert v. Kortzfleisch (Hrsg.), Erfolgskontrolle bei der Verausgabung öffentlicher Mittel, Baden-Baden 1986, S. 103ff.; ders., Gelebter Föderalismus. Die Zusammenarbeit der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder, in: Dem Staat in die Kasse geschaut. 175 Jahre Bayerischer Oberster Rechnungshof, München 1987, S. 115ff.; ders., Art. Rechnungsprüfung I Rechnungshof, in: Ergänzbares Lexikon des Rechts, Gruppe 6, Neuwied und Darmstadt (Dezember 1986); ders., Finanzkontrolle und Öffentlichkeitsarbeit, in: Internationale Zeitschrift für staatliche Finanzkontrolle, April 1989, S. 1; desgl. in englischer Fassung: Government Audit and PublicRelations, in: International Journal of Government Auditing, sowie in den entsprechenden Ausgaben in arabischer, französischer und spanischer Sprache; mit Schwergewicht auf Österreich: Johannes Hengstschläger, Der Rechnungshof, Berlin 1982; mit Schwergewicht auf der Schweiz: Heinrich Koller, Der öffentliche Haushalt als Instrument der Staats- und Wirtschaftslenkung, Basel I Frankfurt am Main 1983, vor allem S. 96ff. 6 Kar/ Bosl, Der Bayerische Oberste Rechnungshof im ersten Jahrhundert seines Wirkens, in: Dem Staat in die Kasse geschaut. 175 Jahre Bayerischer Oberster Rechnungshof, München 1987; Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt. Der Reichsrechnungshof im NS-Staat und die Neuordnung der staatlichen Finanzkontrolle im demokratischen Nachkriegsdeutschland, Berlin 1988 (zugl. Diss. phil. FU Berlin 1988); Franz 0. Gilles, Die verkannte Macht. Determinanten der Nachkriegsgeschichte der Institution Rechnungshof, Berlin 1986 (zugl. Diss. rer. pol. FU Berlin 1986); Theo Pirker (Hrsg.), Rechnungshöfe als Geg~nstand zeitgeschichtlicher Forschung, Berlin 1987 (Bspr. durch Walter Klappstein, DOV 1988, S. 392f.); ders., Finanzkontrolle zwischen Föderalismus und Zentralismus, in: Dem Staat in die Kasse geschaut. 175 Jahre Bayerischer Oberster Rechnungshof, München 1987; Heinz Günter Zavelberg, Von der Rechnungsprüfung zur Finanzkontrolle, in: Hans Herbert von Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, Berlin 1989. 7 Nils Diederich I Franz 0. Gilles I Gerhard Otto I Gundolf Otto I Rainer Weinert, Die Institution Rechnungshof. Stiefkind der Sozialwissenschaften, ZParl 1984, S. 479ff.; Gerhard Klippstein, Ausgewählte Probleme öffentlicher Finanzkontrolle, Diss. Mannheim 1972; Heinrich Reinermann, Messungsprobleme der Rechnungskontrolle, Die Verwaltung, Bd. 14 (1981), S. 483ff.; Bert Rürup I Hanns Seid/er, Von der fiskalischen Haushaltskontrolle zur politischen Erfolgskontrolle, Die Verwaltung, Bd. 14 (1981), S. 501 ff.; Wolfgang Sigg, Die Stellung der Rechnungshöfe im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1983 (zugl. Diss. phil. Freiburg i. Br. 1981182), (Bspr. durch Klaus Grupp, DÖV 1984, S. 528). 8 Die Beiträge in: Heinrich Mäding (Hrsg.), Haushaltsplanung-HaushaltsvollzugHaushaltskontrolle, Baden-Baden 1987, vor allem S. 207ff.; fächerübergreifend: KarlHeinrich Hansmeyer I Herbert König I Thomas Oppermann, Öffentliche Finanzkontrolle bei externen Dienstleistungen, Köln I Berlin I Bonn I München 1982.
Die staatsrechtliche Stellung des Bundesrechnungshofes
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I. Der Bundesrechnungshof als zentrale Einrichtung der FinanzkontroUe 1. Interne Revision, Rechnungslegung, Rechnungsprüfung und FinanzkontroUe
Jede Wirtschaftseinheit muß darauf achten, daß die eingesetzten Kräfte die zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel nicht vergeuden, veruntreuen oder bestimmungswidrig verwenden. Nicht zuletzt gilt dies für einen Großverband wie den Staat. Ein uraltes und probates Mittel dafür ist die "interne Revision": Der Berechtigte persönlich oder besondere von ihm beauftragte Prüfer kontrollieren, ob richtig gerechnet und verbucht worden ist, ob "Soll-" und "Ist-"Bestand in den Kassen übereinstimmen, ob die notwendigen Belege vorhanden sind. Zu diesem Zwecke können mehr oder weniger verselbständigte Institutionen, eine Revisionsabteilung, ein Rechnungsprüfungsamt oder eben auch ein Rechnungshof gebildet werden. Das ist ein universelles, rechtsformunabhängiges Prinzip. Auch der absolute Fürst, der totalitäre Diktator oder der patrimoniale Landesherr, der den Staat als sein ganz persönliches Eigentum betrachten mochte, hat oder hatte ein vitales Interesse daran, solche Revisionen vorzusehen. Besonderheiten ergeben sich erst, wenn die Mittel, um die es geht, nur zweckgebunden oder zu treuen Händen überlassen oder bewilligt worden sind. Das ist im staatlichen Bereich häufig - im modernen Verfassungsstaat immer - der Fall. Die Einzelheiten hängen maßgeblich von der Staatsform und der (internen) Aufgliederung des Staatswesens ab. Eine solche treuhänderische Beziehung wird man jedenfalls immer dann anzunehmen haben, wenn mindestens eine gesonderte Wirtschaftseinheit der mittelverwendenden Einheit die Wirtschaftsgüter zweckgebunden zur Verfügung stellt, wie es beispielsweise in vielen (alt-)ständischen Ordnungen gewesen ist. Aber auch wenn nicht selbständige Wirtschaftseinheiten ihr Geld zur Verfügung stellen, sondern nur mehr oder weniger unselbständige Untergliederungen eines einheitlichen Staatswesens über die Mittelbewilligung zu entscheiden haben, gilt entsprechendes. Das war schon so, wenn eine irgendwie geartete Vertretungskörperschaft über das Budget der (monarchischen) Exekutive mitbestimmen durfte und trifft erst recht im modernen Parlamentarismus zu. Zwar war und ist es nicht das Geld der Parlamentarier, was bewilligt wird - auch wenn das nur allzu leicht vergessen wird, doch handeln sie anstelle des zahlenden Volkes, dessen Repräsentanten sie sind. Dieses zweifach gestufte Treuhandverhältnis ist in besonderem Maße auf Rechenschaft, Rechnungslegung und Kontrolle der etatmäßigen Mittelverwendung zugunsten der Treugeber angewiesen, mögen auch die Übergänge im einzelnen fließend sein. Genau genommen kann diese Rechnung aber nur dann ein zutreffendes Bild abgeben, wenn die "interne Revision" lückenlos gewirkt hat, also immer richtig gerechnet und gebucht worden ist, nichts veruntreut oder zweckentfremdet worden ist. Der Treugeber oder das bewilligende Organ haben ein
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eminentes Interesse daran, die Richtigkeit der Rechnung zu überprüfen. Das ist die Rechnungsprüfung. Sie muß immer auch die "interne Revision" nachvollziehen, also zugleich auch "Superrevision"9 sein. Erst dann kann kompetent darüber entschieden werden, ob dem bei der Bewilligung oder Überlassung der Mittel geäußerten Willen tatsächlich entsprochen worden ist. All dies gehört zum übergreifenden Thema "Finanzkontrolle". Finanzkontrolle ist in diesem Spektrum der Oberbegriff und kann als "die Gesamtheit aller fachlichen und politischen Einrichtungen und Maßnahmen" bezeichnet werden, "die sich mit der Prüfung der Finanzgebarung der öffentlichen Hand befassen"IO. Sie ist also mehr als die bloße Rechnungsprüfung oder die (interne) Revision, obschon hier die Begrifflichkeit alles andere als einheitlich ist 11 . Der Begriff "Finanzkontrolle" war indes der Gesetzessprache lange Zeit fremd geblieben. Verfassungen und Gesetze sprachen lediglich von "Rechnung legen", "Rechnungsprüfung" oder schlicht "Prüfung"12. Erst § 1 des Gesetzes über den Bundesrechnungshof13 und § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Hessischen Rechnungshof14 haben ihn nunmehr rezipiert15. 2. Institutionelle Verselbständigung
Finanzkontrolle entspricht einem "allgemeinen Bedürfnis nach Überwachung und Prüfung", wo immer verwaltet wird. Sie hat bestanden, solange es "überhaupt geordnete Gemeinwesen gibt" 16 . Die Ausübung von Kontrolle setzt jedoch ein Mindestmaß von organisatorisch-institutioneller Aufgliederung voraus. Kontrolleur und Kontrollierter können nicht identisch sein. Es müssen zwei Instanzen vorhanden sein, die zudem einen gewissen Mindestabstand zueinander wahren17. Unter diesem Aspekt gewinnt schon die rein 9 Schon Hermann Schulze verwendete den Begriff zur Beziehung einer der drei von ihm herausgearbeiteten Funktionen des Rechnungshofes (Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, 2. Buch, Leipzig 1886, S. 186). 10 Stern (Fn. 4), S. 426 mit Nachw. in Fn. 80. 11 Vgl. Stern, ebd., S. 428 m. w. N.; Klippstein (Fn. 7) will beispielsweise "Revision" und "Kontrolle" der Rechnungshöfe strikt trennen und gegeneinanderstellen (S. 4); s. a. Theodor Maunz, in: Maunz I Dürig, Grundgesetz, Art. 114 RN 2: "Die Rechnungsprüfung wird daher häufig umfassend als Finanzkontrolle bezeichnet." 12 Stern (Fn. 4), S. 425. n s. oben Fn. 1. 14 s. oben Fn. 2. 15 Das bloße Wort "Kontrolle" ist jedoch sehr viel eher verwendet worden. Vgl. die Einzelheiten bei Arthur Fuchs, Wesen und Wirken der Kontrolle, Tübingen 1966, S.lOf. 16 Hans Reger, Bemerkungen zur Finanzkontrolle. Allgemeine Sach- und Rechtsfragen, Verwaltungsarchiv, Bd. 66 (1975), S. 204. 17 Vgl. Ulrich Scheuner, Verantwortung und Kontrolle in der demokratischen Verfassungsordnung, in: Festschrift für Gebhard Müller, Tübingen 1970, S. 391f.; später
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räumliche Trennung, das sog. Berlin-Potsdam-Prinzip analog zum BerlinLeipzig-Prinzip bei den Gerichten, eine gewisse Bedeutungls, die auch vielfach beachtet worden ist19, wenngleich sie heute nicht mehr so gewichtig ist. Rechnungsprüfungsorgane, so wie wir sie heute kennen, wurden jedoch erst im 19. und 20. Jahrhundert geschaffen, dann jedoch nahezu universell2D. Allerdings haben sie "als Institution viele Ahnen", wie es Kurt Heinig ausgedrückt hat2I. Eine wichtige Entwicklungslinie stammt von den (alt-)ständischen Rechten aus der Entstehungszeit des modernen Staates ab. Reich, Land oder Landschaft waren meist als eigenständige Korporationen mit weitreichenden Befugnissen verlaßt. Ihre Mitwirkung in Finanzdingen - Geldzahlungen, Bürgschaften oder Schuldübernahmen - war regelmäßig mit einer intensiven Kontrolltätigkeit verbunden, und zwar sowohl bei der Bewilligung als auch bei der Verwendung der Mittel. Der Landesherr mußte spezifiziert seinen Bedarf nachweisen und später Rechenschaft über die Mittelverwendung leisten und Rechnung legen. Während sich im angelsächsischen Bereich daraus der moderne Parlamentarismus entwickelte, gingen diese Befugnisse auf dem Kontinent zur Zeit des Absolutismus weitgehend verloren. Aber auch für den sich "legibus solutus" fühlenden Herrscher blieb die Notwendigkeit von Überprüfung und Überwachung der Mittelverwendung ein gewichtiges Anliegen. Anfang des 18. Jahrhunderts ging man deswegen verbreitet dazu über, unter wechselnden Bezeichnungen besondere Institutionen zur "getreuen, redlichen und gewissenhaften" Kontrolle über die Kassen zu schaffen22. Sie waren in der Hauptsache Überwachungsorgane des Landesherren und hatten die (alleinige) Aufgabe, das "fürstliche Privatvermögen und das als Fürstenvermögen betrachtete ,Staatsvermögen' vor nicht ordnungsgeabgeschwächt in: ders., Die Kontrolle der Staatsmacht im demokratischen Staat, Hannover 1977, S. 31. 18 Vgl. Hartwig Schlegelberger, Aufgabe und Stellung des Rechnungshofes in unserem Finanzkontrollsystem heute und morgen, in: Wolfgang Böning I Albert von Mutius I Hartwig Schlegelberger, Finanzkontrolle im föderativen Staat, Heidelberg I Harnburg 1982, S. 19; zum "Berlin-Potsdam-Prinzip" siehe Hans Herbert von Amim (Fn. 5), DVBI. 1983, S. 670; Michael Kloepfer, Art. Finanzkontrolle, in: Evangelisches Staatslexikon, 3. Aufl., Stuttgart 1987, Sp. 868. 19 Sie ist nicht erfolgt in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und den Stadtstaaten. 2o Vgl. hierzu Peter Beran I Zdenko Konvicka, Finanzkontrolle international gesehen, 1967; Kurt Heinig, Das Budget, Bd. 1: Die Budgetkontrolle, Tübingen 1949, S. 43ff.; ders., Die Rechnungsprüfungsbehörden und ihr Verhältnis zu Exekutive und Legislative im internationalen Vergleich, DÖH, Jg. 1 (1954), S. 131 ff. 21 Haushaltskontrolle, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 1, 2. Aufl., Tübingen 1952, S. 680. 22 Stern (Fn. 4), S. 410f.; vgl. auch Heinig (Fn. 20), Budget, S. 43ff., 120f.; Friedrich v. Pfuhlstein, Der Weg von der preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof, Frankfurt a. M. 1964, S. 7ff.; Reger (Fn. 16), S. 199f. 2 Festschrift des Bundesrechnungshofes
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mäßer Bewirtschaftung zu schützen"23. Wie eindeutig die Kontrollbehörden dem Monarchen zugeordnet waren, ergibt sich beispielsweise aus der Bestallungsurkunde für die preußische "General-Rechen-Kammer". Sie müsse, "ein besonderes Kollegium seyn", das von "Niemandem anders" als dem König "allein dependieren" sollte24. Sie war dazu geschaffen, ihm die Kontrolle der Verwaltung zu ermöglichen2s. Ständische oder parlamentarische Kontrollbefugnisse spielten für sie keine Rolle und wären von der (monarchischen) Exekutive auch als ungebührliche Einsichtnahme in die "arcana imperii" empfunden worden. Erst allmählich und unter Überwindung hinhaltender Widerstände wurden die Rechnungshöfe auch für die demokratischen Kontrollinstanzen Volksvertretung und Öffentlichkeit nutzbar gemacht. Einmal fehlte es weithin an den notwendigen Vertretungskörperschaften, da sich in Deutschland die ständischen Mitwirkungsrechte nicht zum modernen Parlamentarismus weiterentwickelt hatten. Zum anderen ist der Treuhandgedanke für die kontinentale Staatstheorie und -praxis bis in die Gegenwart ein Fremdkörper geblieben. Im angelsächsischen Staatsdenken hat er dagegen eine jahrhundertealte Tradition26, so daß auch der Staat der Neuzeit und seine finanziellen Mittel zwanglos als "trust" begriffen werden konnte. In Preußen-Deutschland hatte man selbst noch zu Zeiten des Konstitutionalismus auf Seiten des Monarchen und seiner Exekutive durchaus nicht immer die Vorstellung, fremdes Geld zu treuen Händen anvertraut erhalten zu haben. Im Gegenteil erschien das Budgetrecht des Parlaments eher als lästige Formalie, die sich materiellrechtlich als Einbruch in die Domäne der Verwaltung darstellte. Dazu paßt die herrschende Qualifikation des Haushaltsplanes als nur formelles Gesetz. Notfalls war man sogar bereit, sich ganz darüber hinwegzusetzen und ohne entsprechende Bewilligung Ausgaben zu leisten. In den verschiedenen "Budgetkonflikten" des 19. Jahrhunderts kam es den Monarchen und ihrer Exekutive auch nicht annäherungsweise in den Sinn, daß sie möglicherweise nicht nur ein Verfahrenserfordernis mißachtet, sondern materiellrechtlich ihnen nicht zustehende Mittel in Anspruch genommen hatten. Der ganz überwiegende Teil der damaligen Staatsrechtswissenschaft hatte ebenfalls keine Bedenken. Dementsprechend mußte der Zugang der Parlamente zur Rechnungsprüfung als noch ferner liegend erscheinen27. Reger, ebd., S. 198. Vgl. v. Pfuhlstein (Fn. 22), S. 17. 25 Vgl. Friedrich Schäfer, Zur Stellung des Präsidenten des Bundesrechnungshofes, in: Verfassung, Verwaltung, Finanzkontrolle, Festschrift für Hans Schäfer, Köln I Berlin I Bonn I München 1975, S. 149, der weiter präzisierte: "Oberster Grundsatz sollte der Vorteil des Königs, also des Staates als Ganzes sein. In der Person des Monarchen fand die Souveränität des Staates ihren Ausdruck, und von ihm ging die Macht, aber auch ihre Legitimität aus. Folglich konnte nur der Monarch die oberste und letzte Kontrolle über das gesamte Staatshandeln ausüben." 26 Eine entscheidende Rolle kommt hierbei lohn Locke und später Alexander Hami/ton zu (vgl. Scheuner [Fn. 17], Festschrift Gebhard Müller, S. 387f.). 23
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Bis in die allerjüngste Zeit hat sich dieser "Geburtsfehler" der Rechnungshöfe bemerkbar gemacht, obschon er eine typische Begleiterscheinung des schließlich überwundenen Absolutismus und - begrenzt auch - des Konstitutionalismus in Deutschland war. Noch bei der Beratung des neuen Gesetzes über den Bundesrechnungshof waren seine Nachwehen zu verspüren. Trotz allgemeiner Zustimmung zu einer weiteren "Heranführung" des Rechnungshofes an das Parlament war einer der Hauptstreitpunkte das Bemühen der Exekutive, entscheidenden Einfluß auf die Bestellung des Rechnungshofpräsidenten zu behalten, also der Einfluß des Kontrollierten auf die Auswahl seines Kontrolleurs. 3. Rechnungshof und KontroUprinzip der Verfassung
a) Kontrolle als Verfassungsprinzip des Grundgesetzes
Obschon das Kontrollthema bereits eine lange Tradition hat, ist ihm gerade in jüngerer Zeit wieder verstärkt Aufmerksamkeit zugewendet worden. Kontrolle ist als übergreifendes Verfassungsprinzip des Grundgesetzes herausgearbeitet worden2s. Rechnungsprüfung und Finanzkontrolle haben dabei zunächst jedoch ungeachtet ihres entstehungsgeschichtlichen Stellenwertes eine eher stiefmütterliche Behandlung erfahren29. Die Tätigkeit des Bundesrechnungshofes steht sicher in Abhängigkeit zu formellem und materiellem Gesetzesrecht. Sie jedoch lediglich als Instrument zur Durchsetzung des Gesetzeswillens im Verhältnis vom Parlament zur Verwaltung zu sehen, greift aber wohl doch zu kurz30. Vielmehr ist mit den Rechnungshöfen spätestens Ende des vorigen Jahrhunderts ein "{eingesponnenes Gebilde ... im Schnittpunkt zwischen den ,politischen' Gewalten entstanden", dessen staatstheoretische und dogmatische Deutung ausgesprochen schwierig ist3 1. Eindimensionale Lösungen verbieten sich daher von selbst. Dementsprechend ist dann auch versucht worden, eine Gesamtsicht der Kontrollen in staatlichen Entscheidungsprozessen unter Einbezug der Rechnungshofstätigkeit zu erarbeiten32. 27 Vgl. Schäfer (Fn. 25), S. 150, mit Beispielen von Auseinandersetzungen über diesen Punkt noch aus der Zeit vom Ende des vorigen Jahrhunderts; Franz-0. Gilles, Weimarer Republik, in: Theo Pirker (Hrsg.), Rechnungshöfe als Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung, Berlin 1987, S. 25 - 27; s. a. Kar/ Wittrock, Aktuelle Probleme der Finanzkontrolle I, ebd., S. 156ff.; ders. (Fn. 5), ZParl1986, S. 414ff. 28 Vgl. die Monographie von Karl-Ulrich Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, Baden-Baden 1982. 29 Ebd., S. 342 - 344. 30 So aber Meyn (Fn. 28), der sie ausschließlich in den Problemkreis des Rechtsstaatsgedankensverweist (S. 242ff.), sie aber bei der Erörterung der kontrollorientierten Verfassungslehren (S. 144ff.) und der Kontrolle als Teilfunktion der Gewaltenbalancierung (S. 157ff.) ausklammert. 31 Stern (Fn. 4), S. 414f.
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b) Das System der Finanzkontrolle und die Tätigkeit des Bundesrechnungshofes
Der Bundesrechnungshof ist ein Element im System der Finanzkontrolle. Seine Tätigkeit ist bei ihrer Durchführung von großem Gewicht, sei es, daß er selbst kontrollierend tätig wird, sei es, daß er die Kontrolltätigkeit anderer Organe vorbereitet, unterstützt oder absichert. Finanzkontrolle erschöpft sich aber nicht in der Tätigkeit der Rechnungshöfe. Sie ist mehr und auch anderes. Allein Art. 114 GG als zentrale Verfassungsvorschrift enthält eine Vielfalt von Elementen: - die Rechnungslegung durch den Bundesfinanzminister - die Rechnungsprüfung und die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung durch den Bundesrechnungshof - die dabei anzuwendenden Kontrollmaßstäbe - die Berichtspflicht des Bundesrechnungshofes - die Entlastung der Bundesregierung - die Kontrollorgane: Bundestag, Bundesrat und Bundesrechnungshof. Möglicherweise lassen sich auch das Budgetrecht der Parlamente und die Praxis der "qualifizierten Sperrvermerke" in einen weit verstandenen Zusammenhang der Finanzkontrolle einordnen. In anderen Verfassungsordnungen sind es zudem plebiszitäre Zustimmungserfordernisse, die durchaus nicht ohne Erfolg das Finanzgebaren der gesamten Staatsleitung, also nicht nur der Exekutive, sondern auch der Parlamente unter Kontrolle halten. Auch sie könnten hier zu nennen sein. aa) Rechnungsprüfung und rechnungsunabhängige Finanzkontrolle Art. 114 Abs. 2 GG umschreibt die Tätigkeit des Bundesrechnungshofes mit "prüfen" und "berichten". Damit ist einwichtiger Teil der öffentlichen Finanzkontrolle im Verfassungssystem genannt, jedoch keineswegs deren Gesamtinhalt. Ebensowenig ist damit der Aufgabenkatalog des Bundesrechnungshofes abschließend festgelegt, denn Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG gestattet die Zuweisung weiterer Aufgaben durch Bundesgesetz. Danach läßt sich zwischen verfassungsrechtlich zugewiesenen und einfachgesetzlich übertragenen Aufgaben differenzieren. Entsprechendes gilt auf Landesebene. Ungenau ist der bisweilen anzutreffende Sprachgebrauch, der "obligatorische" und "fakultative" Aufgaben unterscheidet33. Auch einfachgesetzlich zugewiesene Aufgaben müssen erfüllt werden. 32 Vgl. Walter Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, Heidelberg 1984. 33 Klaus Vogel I Paul Kirchhof, in: Bonner Kommentar, Harnburg (ab 1950), Art. 114 (Zweitbearbeitung März 1973), RN 197; Herbert Fischer-Menshausen, in: Ingo
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Nach Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG erstreckt sich die Prüfung des Bundesrechnungshofes auf die "Rechnung" sowie die "Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung". Sie ist also Rechnungsprüfung sowie Haushalts- und Wirtschaftsprüfung. Beide Funktionen werden vom Verfassungstext deutlich ("sowie") voneinander abgehoben. Man spricht in diesem Zusammenhang von Rechnungsprüfung einerseits und rechnungsunabhängiger Finanzkontrolle andererseits34 • Im Rahmen der rechnungsunabhängigen Finanzkontrolle werden diejenigen Vorgänge geprüft, die nicht in der vom Finanzminister vorzulegenden Rechnung auszuweisen sind. Sie ist nicht auf den Zeitraum des Rechnungsjahres beschränkt, umfaßt wie bei der Rechnungsprüfung aber auch nur abgeschlossene Vorgänge35. bb) Vorprüfung Eine Besonderheit stellt die Tätigkeit von Vorprüfungsstellen dar (§ 100 BHO), die weitgehend der eigentlichen Prüfung vorgeschaltet ist. Organisatorisch sind diese Vorprüfungsstellen Teil der handelnden Behörde. Funktional gehören sie aber bereits zum "Bereich der verfassungsrechtlich zugewiesenen Prüfungsaufgaben der Rechnungshöfe" und unterliegen fachlich nur ihren W eisungen36. cc) Beratung und Gutachten Über diese Prüfungstätigkeit hinaus nehmen die Rechnungshöfe in wachsendem Umfang auch Beratungsfunktionen wahr oder erstellen Gutachten. "Beraten bedeutet das Übermitteln von Feststellungen, von daraus gezogenen Folgerungen sowie von Erfahrungen, verbunden mit Vorschlägen für ein künftiges Verhalten". Als Gutachten kann der "zusammengefaßte wesentliche Beratungsinhalt in Schriftform" bezeichnet werden. Beratung befaßt sich ihrer Hauptrichtung nach nur mit Fragen der Zukunft37. Ihre gesetzliche Grundlage findet sie in§ 42 Abs. 5 HGrG und§ 88 Abs. 2 BHO und ist in das Ermessen von Münch (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art.114, RN 12; Erwin Adolf Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 114, RN 43; Maunz (Fn. 11) spricht von" verfassungsrechtlich vorgeschriebenen" oder "verfassungsrechtlich notwendigen Aufgaben" (RN 64f.). 34 Vgl. Vogel/ Kirchhof, ebd., RNn. 79, 194; Fischer-Menshausen, ebd., RNn.13, 15; zust. Greifeid (Fn. 5), S. 79ff. 35 Vgl. Sigg (Fn. 7), S. 30. 36 Stern (Fn. 4), S. 432, 439; s. a. Wulf Damkowski, Funktion und Problematik der verwaltungsinternen Haushaltskontrolle und Möglichkeiten ihrer Verbesserung, DÖV 1977' s. 81 ff. 37 Helmut Karehnke, Zur Abgrenzung der Begriffe Prüfung und Beratung, DVBI. 1975, s. 612.
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des Bundesrechnungshofes gestellt38. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll sie allerdings auf "wichtige Angelegenheiten" beschränkt bleiben39. Im Rahmen der Beratungsfunktion nimmt schließlich noch der Präsident des Bundesrechnungshofes eine Sonderstellung ein. Er wird traditionell durch Kabinettsbeschluß zum "Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV)" bestellt. Seine Tätigkeit ist lediglich durch Richtlinien der Bundesregierung bestimmt4o. Er soll vor allem durch "Vorschläge, Gutachten oder Stellungnahmen auf eine wirtschaftliche Erfüllung der Bundesaufgaben und eine dementsprechende Organisation der Bundesverwaltung" hinwirken41. Die Rechnungshöfe wirken aber nicht nur auf dieser mehr oder weniger formalisierten Ebene beratend auf die Entscheidungen von Exekutive und Legislative ein. Es wird auch von informellen Kontakten berichtet, etwa daß Sachbearbeiter "ihren Prüfer" im Rechnungshof anrufen und ihn um Rat fragen, bevor sie umstrittene Entscheidungen fällen42. 4. Zusammenarbeit der Rechnungshöfe
Der Bundesrechnungshof und die Rechnungshöfe der elf Länder der Bundesrepublik Deutschland sind eigenständige und voneinander unabhängige Institutionen. Irgendeine Rangordnung gibt es ebensowenig wie Weisungsoder Aufsichtsrechte. Sie arbeiten prinzipiell immer nur in dem Rechtskreis, für den sie geschaffen worden sind. Nun ist Staatstätigkeit in dem föderativen System der Bundesrepublik Deutschland aber keineswegs immer nur auf den Bereich der eigenen Staatlichkeil beschränkt, sondern auf komplexe Weise miteinander verknüpft. Das gilt vor allem für die Finanzbeziehungen, wenn man an Finanzausgleich, Gemeinschaftsaufgaben, Geldleistungsgesetze und Investitionshilfen denkt. Eine bedeutende Rolle spielt auch die Auftragsverwaltung. Da zudem zahlreiche haushaltsrechtliche Vorschriften in Bund und Ländern mehr oder weniger übereinstimmen, ist eine einheitliche Handhabung erstrebenswert und kann durch eine einheitliche Prüfung gefördert werden. Eine enge Zusammenarbeit der Rechnungshöfe ist daher unerläßlich und hat sich über Jahre in regelmäßiAnders ist die Situation z. T. auf Landesebene, dazu mehr unter II 2 c. Begründung des Regierungsentwurfs zum Haushaltsgrundsätzegesetz und zur Bundeshaushaltsordnung, BT-Drucks. V/3040, Tz. 242 (S. 55f.) und Tz. 423 {S. 66); zur tatsächlichen Bedeutung Greifeid (Fn. 5), S. 90f. 40 Vom 26. 8. 1986, BAnz Nr. 163, S. 12485. 41 Nr. 2 der Richtlinien; vgl. im übrigen dazu Stern (Fn. 4), S. 442 m.w.N.; Sigg (Fn. 7), S. 41 {für Abschaffung). 42 Sigg, ebd., S. 30; s. a. Otto Rundet, Von der Rechnungsprüfung zur Finanzkontrolle, in: Rechnungshof Baden-Württemberg (Hrsg. ), Finanzkontrolle in Baden-Württemberg, Karlsruhe 1987, S. 167f. 38
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gen Treffen der Rechnungshofspräsidenten sowie der Einrichtung von Arbeitskreisen und -gruppen formiert 43 • Die Arbeitskreise sind Dauereinrichtungen, die regelmäßig einmal im Jahr zusammentreten und zur Behandlung folgender Themenkreise gebildet worden sind: - Haushaltsrecht und Grundsatzfragen - Steuer - Beteiligungen -Rundfunk - Hochschulen und Forschungsreinrichtungen -Bau. Die Arbeitsgruppen sind - jedenfalls nach dem Willen der Präsidenten keine Dauereinrichtungen44 • Wenn für die Prüfung mehrere Rechnungshöfe zuständig sind, soll nach § 45 HGrG sogar "gemeinsam" geprüft werden. Auch können im Wege der Vereinbarung zwischen den Rechnungshöfen Prüfungsaufgaben übertragen oder abgegrenzt werden. Die Bildung eines "Vereinigten Senats" aus Mitgliedern des Bundesrechnungshofes und der Rechnungsprüfungsbehörden der Länder, wie er noch in § 10 des Bundesrechnungshofgesetzes von 195045 vorgesehen war, dürfte jedoch nicht mehr mit der in Art. 109 GG garantierten Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft des Bundes und der einzelnen Länder vereinbar sein46. Das neue Bundesrechnungshofgesetz enthält denn auch keine Regelung mehr, die dem alten§ 10 entspricht. II. Verfassungsgarantie des Bundesrechnungshofes und seiner Funktionen
Ist damit das Betätigungsfeld des Rechnungshofes abgesteckt, so bleibt zu überlegen, wieweit der verfassungsrechtliche Schutz reicht. Die zentrale Vorschrift ist Art. 114 GG. Obschon die Vorschrift verschiedene Bestandteile sowohl institutioneller wie funktioneller Art enthält, ist sie 43 Vgl. Präsident des Bundesrechnungshofes (Hrsg.), Der Bundesrechnungshof, Frankfurt/M. 1986, S. 25f.; nähere Einzelheiten und Darstellung der historischen Entwicklung bei H. G. Zavelberg, Gelebter Föderalismus (Fn. 5), S. 118ff., der auch noch auf die "Arbeitsgemeinschaft" der Rechnungshöfe hinweist; vgl. auch K. Wittrock (Fn. 5), Die Verwaltung, Bd.19 (1986), S. 366ff. +~ Vgl. Wittrock, ebd., S. 367. Ein "Erfahrungsaustausch" in Arbeitsgruppen, die regelmäßig alle zwei Jahre zusammentreffen, besteht gegenwärtig für Fragen der Automation, der Prüfung von Personalausgaben, für Organisationsprüfungen und für den Sozialbereich, vgl. H. G. Zavelberg (Fn. 5), S. 119. 45 BGBl I S. 765; zur praktischen Bedeutung vgl. H. G. Zavelberg, Gelebter Föderalismus (Fn. 5), S. 116ff. 46 Wittrock (Fn. 5), Die Verwaltung, Bd. 19 (1986), zieht allerdings aus Art. 109 GG nur die Konsequenz, daß seine Entscheidungen "niemals eine bindende Wirkung im Verhältnis zu einem der beteiligten Rechnungshöfe haben" können (S. 365).
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als Ganzes zu betrachten: Ihre beiden Absätze sind ebenso aufeinander bezogen und bedingen einander wie ihre Einzelelemente. Sie bilden ein System der Finanzkontrolle für den Bund, auch wenn es weder abschließend noch vollständig geregelt ist. Die Norm enthält die Gewährleistung einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung, die durch eine näher gekennzeichnete Institution und bestimmte Tätigkeitsbereiche im Sinne typischer und historisch vorgeprägter Zusammenhänge charakterisiert wird. In diesem umfassenden Sinne sichert Art. 114 GG das Rechtsinstitut Finanzkontrolle47 • Es handelt sich um eine institutionelle Garantie im Sinne von Carl Schmitt4B. 1. Bestand des Bundesrechnungshofes
Diese Kennzeichnung besagt aber noch wenig für die Sicherung des Bestandes des Bundesrechnungshofes49. Während die Reichsverfassung von 1871 und die Weimarer Reichsverfassung das Schwergewicht der Finanzkontrolle auf die jährliche Entlastung der Reichsregierung durch das Parlament legten, ging Art. 114 GG bereits in seiner ursprünglichen Fassung weiter in Richtung auf eine institutionelle Sicherung der Rechnungsprüfung. Später war es vor allem Friedrich Klein, der die Regelung des Grundgesetzes zu einer Garantie der Institution Rechnungshof weiterentwickelt und ausgebaut hatso. Die Bestandsgarantie beziehe sich nicht auf "irgendeinen beliebigen Rechnungshof", sondern auf "den" in Frankfurt errichteten "Bundesrechnungshof"Sl. Spätestens seit der Neufassung von Art. 114 Abs. 2 GG besteht Einigkeit, daß 47 Vgl. Susanne Tiemann, Die staatsrechtliche Stellung der Finanzkontrolle des Bundes, Berlin 1974, S. 48; Stern (Fn. 4), S. 421. 48 Inhalt und Bedeutung des zweiten Hauptteils der Reichsverfassung, in: Gerhard Anschütz und Richard Thoma (Hrsg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 2, Tübingen 1932, S. 595: "Institutionelle Garantien, d. h. verfassungsrechtliche Gewährleistungen einer öffentlich-rechtlichen Institution als solcher"; ders., Verfassungslehre, München I Leipzig, 1928, S. 170: "Durch verfassungsgesetzliche Regelung kann bestimmten Einrichtungen ein besonderer Schutz gewährt werden. Die verfassungsrechtliche Regelung hat dann den Zweck, eine Beseitigung im Wege der einfachen Gesetzgebung unmöglich zu machen." Seine eher schillernde Begriffsprägung hat sich allgemein durchgesetzt, obschon ihre Abgrenzung im einzelnen weder konsistent noch sachlich überzeugend ist; anders auch die Wiedergabe durch seinen Schüler Ernst Rudolf Huber, Bedeutungswandel der Grundrechte, AöR Bd. 23 (1933), S. 14, 37. Sie entspricht jedoch nicht den Aussagen von Schmitt. s. a. Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, München 1988, S. 756ff. 49 Gerade Schmitt selbst hatte immer wieder betont, daß aus ihr die einzelne Korporation kein "Recht auf Existenz" ableiten könne. Immerhin scheint er davon auszugehen, daß es zumindest den Typus als solchen geben müsse ([Fn. 48], Verfassungslehre, S.171; HdbDStR II, S. 395f.). so Die institutionelle Verfassungsgarantie der Rechnungsprüfung, in: Bundesrechnungshof (Hrsg.), 250 Jahre Rechnungsprüfung, Frankfurt 1964, S. 133ff. 51 Ebd., S. 135.
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diese Vorschrift den Bestand des Bundesrechnungshofes gewährleistet52 . Damit ist er dem Zugriff des einfachen Bundesgesetzgebers entzogen und kann nur auf dem Wege der Verfassungsänderung abgeschafft werden. Das bedeutet indes nicht, daß irgendein status quo seiner organisationsrechtlichen Ausgestaltung von Verfassungs wegen festgeschrieben ist, sondern nur seine typusbestimmenden Merkmale53. Art. 114 Abs. 2 GG kommt in diesem Sinne (lediglich) eine substanz-und kontinuitätswahrende Aufgabe zu5 4 • 2. Sicherung der Aufgabenerfüllung
Die in Art. 114 GG enthaltene institutionelle Garantie der Finanzkontrolle sichert nicht nur den Bestand des Bundesrechnungshofes, sondern auch die Erfüllung seiner Aufgaben. Diese sind indes nur teilweise in der Verfassung selbst genannt, so daß Grenzen und Umfang der "funktionalen Verfassungsgarantie"55 des Art. 114 GG einer näheren Untersuchung bedürfen.
a) Bedeutung der funktionalen Garantie Rechnungsprüfung sowie Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung sind die im Grundgesetz ausdrücklich genannten Tätigkeiten des Bundesrechnungshofes. Hinzu treten die einfachgesetzlich übertragenen Aufgaben. Deren Erfüllung steht nicht etwa im Belieben des Bundesrechnungshofes. Darauf ist bereits hingewiesen worden. Jede Aufgabenübertragung enthält immer auch einen "Pflichtaspekt". Es muß etwas zur Erfüllung der Aufgaben getan werden. Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Das Schwergewicht einer funktionalen Garantie besteht vielmehr darin, die ungestörte Erfüllung der übertragenen Aufgaben durch deri Funktionsträger sicherzustellen. Insoweit umfaßt sie immer auch eine Berechtigung, das Recht, störende Einwirkungen abzuwehren. Dieses Recht ist auch gegen den Gesetzgeber gerichtet, soweit es sich um verfassungsrechtlich zugewiesene Aufgaben handelt. Im übrigen kann der Gesetzgeber allerdings Aufgaben und Befugnisse wieder entziehen. Welche Tätigkeiten des Bundesrechnungshofes im einzelnen auf diese Weise verfassungskräftig abgesichert sind, bedarf weiterer Präzisierung. 52 Vgl. Vogel I Kirchhof (Fn. 33), RNn. 164f.; Stern (Fn. 4), S. 421; Fischer-Menshausen (Fn. 33), RN 11; Ernst Heuer, in: Heuer I Dommach, Handbuch der Finanzkontrolle, Frankfurt am Main (Stand: April 1988), Art. 114 RN 18; Maunz (Fn. 11), RN 17. 53 Auch für Carl Schmitt war es eines der Wesensmerkmale von institutionellen Garantien, daß nur die "typischen Grundzüge" der Einrichtung, nicht aber ein "status quo" gewährleistet werde ([Fn. 48] HdbDStR II; S. 595). 54 Vgl. Vogel I Kirchhof(Fn. 33), RN 171. 55 Vgl. Stern (Fn. 4), S. 425.
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b) Schutzgut: Finanzkontrolle
Art. 114 GG sichert das Rechtsinstitut Finanzkontrolle, auch wenn der Begriff selbst nicht ausdrücklich verwendet wird. Nur was unter diesen "komplexen Tatbestand"56 subsumiert werden kann, nimmt an dem verfassungsrechtlichen Schutz teil. Das sind einmal die im Grundgesetz selbst genannten Prüfungstätigkeiten: - Prüfung der vom Bundesminister der Finanzen vorgelegten Rechnung - Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung. Prüfung bedeutet dabei, "einen vorgefundenen Sachverhalt aufnehmen, untersuchen und im Hinblick auf bestimmte Prüfungsmaßstäbe beurteilen"57. Soweit darüber hinaus Abgrenzungsfragen auftauchen, ist auf den weiterreichenden Kontrollbegriff abzustellen, da sich die Begriffe "Prüfung" und "Rechnungsprüfung" als zu eng erwiesen habenss. Ungeachtet aller Ausweitungstendenzen müssen aber mindestens zwei Elemente erfüllt sein: Einmal muß es sich noch um Kontrolltätigkeit handeln. Zum anderen muß sich diese Kontrolle gerade auf das Finanzgebaren beziehen. Es muß eine unmittelbare Verbindung zur Finanzwirtschaft des Staates bestehen. Weder eine allgemeine Ergebnis- oder Erfolgskontrolle noch eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle sind daher von der Verfassungsgarantie erfaßt59, mögen sie auch vielfach gefordert werden60. Eine andere -hiervon zu Ebd. Vgl. Hans Schäfer, Kontrolle der öffentlichen Finanzwirtschaft, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. I, 3. Auf!., Tübingen 1977, S. 522; Reger (Fn. 16), S. 205; Vogel IKirchhof(Fn. 33), RN 187; Stern (Fn. 4), S. 430. 58 Vgl. Stern, ebd., S. 428 m. w. N. 59 Auch die Einhaltung von Rechtsvorschriften ist zu kontrollieren. Nur gehört eine umfassende Rechtskontrolle der Verwaltung nicht zum verfassungsrechtlichen Aufgabenhereich der Rechnungshöfe. Ihr Betätigungsfeld sind die Finanzen und die Beachtung der spezifisch finanzrechtlichen Vorschriften. Im Einzelfall mögen sich Abgrenzungsprobleme ergeben, die dahin zu lösen sind, daß außerhalb der eindeutig finanzrechtlichen Regeln nur eine Evidenzkontrolle stattfinden sollte (vgl. Stern [Fn. 4], S. 434). Dagegen bezeichnet Wittrock ohne Vorbehalt die "Erfolgskontrolle" als "Bestandteil" der Wirtschaftlichkeitskontrolle ([Fn. 5] ZParl 1985, S. 266); s. a. Sauer I Blasius (Fn. 5), DVBI. 1985, S. 551f. und Heinz Günter Zavelberg, Staatliche Rechnungsprüfung und Erfolgskontrolle - Möglichkeiten und Grenzen - in: Peter Eichhorn I Gert von Kortzfleisch (Hrsg.), Erfolgskontrolle bei der Verausgabung öffentlicher Mittel, Baden-Baden 1986, S. 103, 104: "Der höchste Grad von Unwirtschaftlichkeit ist in der Regel bei nutzlosen Ausgaben gegeben, also bei einem Mittelaufwand für Ziele, die nicht erreicht werden. Ähnliches gilt für die nicht seltenen Fälle des Mittelaufwands für Ziele, die auch ohne den Aufwand oder mit geringerem Aufwand erreicht worden wären. Der Prüfungsmaßstab Wirtschaftlichkeit umfaßt daher auch die Prüfung der Zielerreichung einschließlich der Kausalität der Maßnahmen für die Zielerreichung, damit auch der Erfolgskontrolle". 60 Vgl. Reinermann (Fn. 7), S. 488f., 491f.; Rürup I Seid/er (Fn. 7), S. 502, 504ff., 510f.; Bert Rürup I Giseta Färber, Kontrollorientierte Ansätze einer Budgetreform, Die Verwaltung, Bd.18 (1985), S.177ff.; dies., Kontrolle durch den Rechnungshof56 57
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unterscheidende - Frage ist, ob eine solche umfassende Befugnis einfachgesetzlich eingeführt werden darf61. Zur Verdeutlichung mag beispielhaft die Kontrolle von Nebentätigkeiten der Beamten herangezogen werden, mit der sich auch die Rechnungshöfe befassen: Zur Finanzkontrolle gehört die Prüfung, ob die vorgeschriebenen Entgelte für die Inanspruchnahme von Material und Einrichtungen des Dienstherren gezahlt worden sind, nicht aber die Untersuchung, ob eine eventuell erforderliche Nebentätigkeitsgenehmigung vorliegt. Das wäre eine Aufsichtsmaßnahmeoder allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle. Die Funktionsgarantie kann jedoch durch die Auswahl des Personals der Rechnungshöfe berührt sein. Grundsätzlich ist es der Exekutive vorbehalten, die staatlichen Amtswalter auszuwählen. Dies gilt auch für solche, die einen Sonderstatus innehaben oder Unabhängigkeitsgarantien genießen wie die Richter. Richterwahl ist verfassungsrechtlich nur dann erforderlich, wenn die Verfassung sie ausdrücklich anordnet. Entsprechendes trifft auch für andere Kontrolleinrichtungen zu. Nur ist bei der Finanzkontrolle, die vordringlich das Finanzgebaren der Exekutive untersuchen muß, besonders mißlich, wenn diese allein die Auswahl des Kontrollpersonals beeinflussen kann, der Kontrollierte also weithin bestimmen kann, wer ihn kontrolliert. Ob das in der Vergangenheit immer hinreichend berücksichtigt worden ist, wurde durchaus bezweifelt62. Ein Zusammenwirken von Regierung und Volksvertretung hat daher viel für sich, wie es auch in verschiedenen Ländern vorgesehen ist63 . Stärkerer demokratischer Legitimation kommt es daher entgegen, die Auswahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten nicht allein der Exekutive zu überlassen64; vor allem wenn man deren starke Stellung beispielsweise im Forderungen und Reformmöglichkeiten, in: Heinrich Mäding (Hrsg.), Haushaltsplanung- Haushaltsvollzug- Haushaltskontrolle, Baden-Baden 1987, S. 216ff.; dagegen Sigg (Fn. 7), S. 65ff., vor allem S. 70f.; skeptisch auch Werner Thieme, Binnen- und Außenkontrolle der Verwaltung in ihrer gegenseitigen Beziehung, Verw.Arch., Bd. 74 {1983), s. 319ff. 61 So wird es nicht für unzulässig angesehen, wenn der Bundesrechnungshof "die Wirksamkeit von Gesetzen zum Gegenstand seiner Prüfung" macht (Eickenboom I Heuer (Fn. 5), S. 997); eine Befugnis zur Erfolgskontrolle verneinen Sauer I Blasius (Fn. 5), DVBI. 1985, S. 552 m.w.N.; zurückhaltend auch Klaus Seemann, Die Bürokratie der Exekutivspitze in der Parteiendemokratie als Kontrollproblem, Die Verwaltung, Bd. 16 (1983), S. 147; zur Verfahrensweise in der Praxis Vo/kmar (Fn. 5), S. 99ff. 62 In diese Richtung deuten die Ergebnisse der umfassenden Untersuchung über die Besetzung der Leitungsämter der Rechnungshöfe von Günter Mann, Unabhängige Kontrolleure?, ZParl1981, S. 353ff. 63 Vgl. Bremen (§ 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Rechnungsprüfung); Harnburg (Art. 71 Abs. 2 der Verfassung: Zustimmung des Bürgerausschusses); Niedersachsen (Art. 53 Abs. 3 der Vor!. Verfassung); Schleswig-Holstein (§ 5 Abs. 1 Gesetz über den Landesrechnungshof); krit. zum wachsenden Einfluß der Parlamente auf die personelle Besetzung Runde/ (Fn. 5), S. 19ff. 64 Bund(§ 5 Abs. 1 BRHG); Baden-Württemberg: (Art. 83 Abs. 2 Satz 3 der Verfassung und§ 10 RHG); Hessen(§ 4 Abs.1 Gesetz über den Hessischen Rechnungs-
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Bundesrechnungshof berücksichtigt: Der Präsident wählt die anderen "Mitglieder" und das sonstige Personal aus (§ 5 Abs. 2 BRHG), hat erheblichen Einfluß auf die Geschäftsverteilung (§ 7 BRHG) und kann durch seinen Eintritt in die Kollegien (Erweiterung von Zweier- zu Dreierkollegien gemäß § 9 Abs. 1 BRHG) wegen des Einstimmigkeitsprinzips bei den Abstimmungen (§ 15 Abs. 1 BRHG) praktisch ein Vetorecht ausüben.
c) Ergänzende Regelungen gemäß Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG Der funktionale Schutz der Rechnungshofstätigkeit erfährt möglicherweise eine beträchtliche Relativierung durch den Gesetzesvorbehalt des Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG. Danach werden "im übrigen die Befugnisse des Bundesrechnungshofes durch Bundesgesetz geregelt". Wegen des "nicht ganz eindeutigen" Wortlauts der Vorschrift und wegen der "mißverständlichen" Gesetzesmaterialien6s sind erhebliche Unsicherheiten bei der Herausarbeitung der Verfassungsrechtslage entstanden. Überwiegend geht die Tendenz dahin, unter "Befugnissen" nicht nur "Handlungsermächtigungen" zu verstehen, die strikt von Aufgabenzuweisungen zu trennen wären, wie dies beispielsweise im Polizeirecht geschieht. Vielmehr dürfte der Begriff in Art. 114 GG weiter sein und allgemein "Befähigung, Berechtigung, Aufgabe" bedeuten66. Gegen die Gleichsetzung von "Aufgaben" und "Befugnissen" hat sich jedoch dezidiert Reger gewendet67 • Im Ergebnis besteht allerdings insoweit Einigkeit, daß das Grundgesetz den Tätigkeitsbereich des Bundesrechnungshofes nicht selbst abschließend regeln wollte. Er sollte einer konkretisierenden einfachgesetzlichen Regelung fähig und bedürftig bleiben6s. Darüber hinaus besteht Übereinstimmung, daß die mithin grundsätzlich mögliche Übertragung neuer Aufgaben jedenfalls nicht zu einer Beeinträchtigung der in der Verfassung selbst festgeschriebenen Aufgaben des Bundesrechnungshofes führen darf69. hof); Rheinland-Pfalz (Art. 120 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung und § 5 Abs. 1 RHG); nur für den Präsidenten: Bayern (Art. 5 Abs. 1 und 2 RHG); Berlin (Art. 83 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung und§ 2 Abs. 3 RHG); alleinige Bestimmung durch den Landtag: Nordrhein-Westfalen (Art. 87 Abs. 2 der Verfassungen und§ 3 Abs. 1 LRHG); Saarland (Art.106 Abs. 3 Satz 2 der Verfassung und§ 8 Abs. 1 RHG). 65 Heuer (Fn. 52), Tz. 52. 66 So vor allem Vogel I Kirchhof(Fn. 33), RN 210, allerdings mit dem fragwürdigen Ausgangspunkt, daß der Bundesgesetzgeber auch ohne eine ausdrückliche Verfassungsbestimmung berechtigt wäre, die Handlungsermächtigungen des Bundesrechnungshofes nach Art.l14 Abs. 2 Satz 1 GG zu "konkretisieren", also dafür der Vorbehalt nicht benötigt würde. 67 (Fn. 16), S. 344f. 68 Piduch (Fn. 33), Art. 114, Tz. 43; Reger (Fn. 16), S. 344. 69 Vgl. Reger, ebd., S. 345; Heuer (Fn. 52), RN 52, 56.
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Besonders bedenklich wäre die Übertragung von Aufgaben, wenn damit nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht zum Tätigwerden verbunden ist, wie dies auf Landesebene verschiedentlich vorgesehen ist. Dort müssen Rechnungshöfe auf Anforderung Gutachten erstatten70 . Eine solche Inpflichtnahme stößt auf verfassungsrechtliche Bedenken71. Sie rühren einmal daher, daß die Gefahr des Mitregierens, der Mitentscheidung besteht, wie bei allen in die Zukunft weisenden Aktivitäten der Rechnungshöfe. Hier kommt aber noch die Einschränkung der Entscheidungsfreiheit der Rechnungshöfe in bezugauf Initiative und Umfang der Prüfung hinzu72. Sie können nicht mehr frei Präferenzen für ihre Tätigkeiten setzen. Es besteht die Gefahr, daß durch gezielte Aufträge die Tätigkeit des Rechnungshofes in eine ganz bestimmte Richtung gedrängt wird. Damit wäre bereits die Funktionsfähigkeit tangiert, aber auch die sachliche Unabhängigkeit. Wenn allerdings wie in Berlin die Verfassung erlaubt, dem Rechnungshof "besondere Prüfungsaufträge" zu erteilen, ist das ebenso zulässig wie der Verzicht einer Verfassung auf jegliche Absicherung der Funktionsfähigkeit des Rechnungshofes. Das Grundgesetz wollte dem jedoch mit der Wahl des Begriffs "Befugnis" in Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG vorbeugen. Danach dürfte es ebenfalls problematisch sein, Aufgaben zuübertragen, die ihrer Art nach nicht in den Zusammenhang der Finanzkontrolle passen und erheblich von dem bisherigen Aufgabenspektrum des Rechnungshofes abweichen73. Damit ist der Gesetzesvorbehalt des Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG aber noch nicht erschöpft. Es wäre zu eng gesehen, ihn auf das Problem der Aufgabenübertragung zu reduzieren. Von erheblichem Gewicht ist vielmehr die Frage, ob er auch zu einschränkenden Konkretisierungen der Rechnungshoftätigkeit 70
Bayern: § 88 Abs. 3 BayHO; Baden-Württemberg: § 88 Abs. 3 LHO; Hamburg:
§ 88 Abs. 3 LHO; Hessen:§ 88 Abs. 3 LHO; Niedersachsen: § 88 Abs. 3 LHO; Rhein-
land-Pfalz: § 88 Abs. 3 LHO; Schleswig-Holstein: § 88 Abs. 4 LHO. 71 Dezidierte Stellungnahmen gegen (verbindliche) Prüfungsaufträge und sonstige Er~uchen bei Dieter Keller, Prüfungsaufträge und Unabhängigkeit der Rechnungshöfe, DOV 1979, S. 705ff.; Wittrock (Fn. 5), DOV 1984, S. 652f. ("nachteilige Auswirkungen auf die Prüfungsdichte"); ders. (Fn. 5), DVBI. 1984, S. 825; Piduch (Fn. 33), § 88 BHO RN 5 (S. 4): "Die in einigen LHO'en normierte Pflicht zur Beratung ... dürfte mit der Unabhängigkeit der Landesrechnungshöfe kaum vereinbar sein."; Krebs (Fn. 5), S. 208, neigt dazu, einen Verstoß gegen§ 42 Abs. 3 und 5 HGrG anzunehmen. 72 Für eine einengende Auslegung von§ 88 Abs. 3 LHO von Baden-Württemberg daher Klaus Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Stuttgart I München I Hannover 1984, Art. 83 RN 9; Beschreibung der Lage in Berlin bei Bernd Löhning, in: Gero Pfennig I Manfred J. Neumann (Hrsg.), Verfassung von Berlin, 2. Aufl., Berlin I New York 1987, Art. 83, RN 12; für ein Ablehnungsrecht unmittelbar auf Grund der verfassungsrechtlichen Garantie gegenüber dem Anspruch auf "gutachtliche Äußerung" gemäß § 88 Abs. 3 LHO von Niedersachsen Heinzgeorg Neumann, Die Vorläufige Niedersächsische Verfassung, 2. Aufl., Stuttgart I München I Hannover 1987, Art. 53, RN 10. 73 Vgl. Heuer (Fn. 52), Tz. 53, 56.
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ermächtigt. Ein Entzug von verfassungsmäßigen Aufgaben kommt nicht in Frage, wohl aber eine nähere Bestimmung, vor allem auch der Wirkungsmodalitäten74. Im Ergebnis ist danach nur der typusbestimmende Kern der Kontrolltätigkeit des Bundesrechnungshofes verfassungskräftig garantiert. Ob auch das interne Organisationsrecht des Bundesrechnungshofes unter Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG fällt, ist zweifelhaft; der Wortlaut spricht dagegen. Das Bundesrechnungshofgesetz könnte dann im wesentlichen nicht auf diese Vorschrift gestützt werden 75. Möglicherweise ist eine explizite Ermächtigung des Gesetzgebers dafür aber auch nicht erforderlich76. d) Einzelne Tätigkeitsbereiche
Besondere Schwierigkeiten bereitet die Behandlung der Tätigkeiten des Bundesrechnungshofes, die nicht zum überkommenen Bild von Prüfung und Rechnungsprüfung passen. Hier sind vor allem die (vorherige) Beratung und die Gutachtenerstellung zu nennen, so wie ich sie zuvor skizziert habe. Ihre Ausübung dürfte wohl nicht gegen die Verfassung verstoßen. Weder ist sie mit Art. 65 Satz 2 GG unvereinbar noch wird der Schutz der eigentlichen Prüfungstätigkeit beeinträchtigt??. Das hängt aber auch vom Umfang dieser Aktivitäten ab. Sie dürfen nicht überband nehmen und die Hauptaufgaben des Rechnungshofes gefährden. Bedenklich kann freilich die - für den Bundesrechnungshof nicht gegebene- Verpflichtung zur Übernahme derartiger Aufgaben sein. Auf der anderen Seite ist fraglich, ob diese Tätigkeiten ihrerseits an der funktionalen Garantie der Finanzkontrolle teilhaben. Dafür spielt eine entscheidende Rolle, ob Gutachten und Beratung noch als Finanzkontrolle bezeichnet werden können. Prüfung oder Rechnungsprüfung ist das jedenfalls nicht mehr. Sie bedeutet nachträgliche Kontrolle und kann sich daher nur auf abgeschlossene Sachverhalte erstrecken. Der Kontrollbegriff ist dagegen weniger eindeutig78. 74 Vgl. Piduch (Fn. 33), Tz. 43; anders Vogel I Kirchhof(Fn. 33), RN211, allerdings mit Konkretisierungsbefugnis aus Art. 114 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG. Mißverständlich sind insoweit die Formulierungen von Heuer, der einerseits die "Einschränkung" von solchen Aufgaben ausschließt, andererseits aber eine Konkretisierung der Befugnisse insoweit zuläßt, als die "verfassungsmäßige Aufgabenerfüllung" nicht "in ihrem Kern ·angetastet wird" ((Fn. 52] RN 52). 75 Vgl. Heuer, ebd., RN 56. 76 In diese Richtung argumentieren Vogel I Kirchhof (Fn. 33), RNn. 208f.; Heuer, ebd., RN 56. 77 Vgl. Vogel I Kirchhof, ebd., RN 201; Heuer, ebd., RN 54; zu den verfassungsrechtlichen Bedenken siehe Werner Patzig, Haushaltsrecht des Bundes und der Länder, Bd. II. Baden-Baden (Loseblatt. Stand: 1989), Cl88114, RN 11. 78 Vgl. vor allem Heinig (Fn. 22), S. 673 ("babylonische Sprachverwirrung"); Fuchs (Fn. 15), S. 9ff., 13: "Die Begriffsbildung und Terminologie beim Begriff Kontrolle
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Von dem lateinischen "contra-rotulus" oder dem altfranzösischen "contreröle" abstammend war damit ursprünglich die Gegenzeichnung der Rechnungsführung durch eine zweite Person gemeint, mit der die Richtigkeit der Rechnung bestätigt werden sollte. Kontrolle bedeutete danach die nachträgliche Überprüfung eines bereits abgeschlossenen Sachverhalts auf seine Übereinstimmung mit objektiv feststellbaren Tatsachen oder normierten Anordnungen79. Heute dürfte sich der allgemeine Kontrollbegriff jedoch überwiegend dahingehend entwickelt haben, daß auch "Formen vorgängiger Einflußnahme" erfaßt wurdenso. Danach liegt es nahe, auch Gutachtenerstattung und Beratungstätigkeit zur Finanzkontrolle zu rechnensr. Zählt man auch die vorgängige Einflußnahme prinzipiell zur Kontrolle, insbesondere zur Finanzkontrolle, stellt sich mit besonderer Dringlichkeit die Frage nach der Abgrenzung von der Aufsicht, die traditionell nicht zur selbst sind weitgehend unklar"; Klaus Vogel, Verfassungsrechtliche Grenzen der öffentlichen Finanzkontrolle, DVBI. 1970, S. 193; Heinhard Steiger, Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, Berlin 1973, S. 133; zust. Jürgen Schwarze, Zum Nutzen einer Systembildung für die Kontrolle der Staatsgewalt, DVBI. 1974, S. 894 Fn. 15. 79 Vgl. Richard Bäum/in, Die Kontrolle des Parlaments über Regierung und Verwaltung, Zeitschrift für Schweizerisches Recht, N.F. Bd. 85 {1966), 2. Hbd., S. 236; Klaus Kröger, Die Ministerverantwortlichkeit in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt a. M. 1972, S. 28. so Vgl. Schwarze (Fn. 78), S. 894, der aber ,.im Interesse begrifflicher Klarheit" die Feststellung für geboten erachtet, ,.daß es sich bei solchen Mitwirkungsformen eigentlich nicht mehr um ,Kontrolle', sondern um deren Ersatz, also um einen Ausgleich für später nicht mehr erzielbare wirksame Kontrolle handelt"; in diesem Sinne auch: Adolf Kreft, Die Parlamentarische Kontrolle der Verwaltung, Diss. Münster 1953, S.1; Norbert Gehrig, Parlament - Regierung- Opposition, München 1969, S. 4f.; Gertrud Witte-Wegmann, Recht und Kontrollfunktion der Großen, Kleinen und Mündlichen Anfragen im Deutschen Bundestag, Berlin 1972, S. 211f.; Meyn (Fn. 28), S. 26: ,.In diesem vorläufigen und hypothetischen Sinne wird Kontrolle hier als die vorgängige, begleitende oder nachträgliche Einwirkung eines Verfassungsorgans oder einer sonstigen Verfassungsinstitution auf andere Organe und Institutionen verstanden." Auch Ulrich Scheuner konstatierte, daß der Begriff ,.noch meist im Sinne nachträglicher Prüfung" verstanden werde, um dann für eine weite und elastische Auffassung zu plädieren, nach der ,.unter Kontrolle die vom Auftraggeber oder von einem anderen dazu berufenen Verfassungsorgan geübte begleitende Überwachung zu verstehen" ist {[Fn. 17] Festschrift Gebhard Müller, S. 379, 390); zum Kontrollbegriff ferner Fuchs {Fn. 15), S. 13ff.; Thomas Eilwein und Axel Görlitz, Parlament und Verwaltung, 1. Teil: Gesetzgebung und politische Kontrolle, Stuttgart I Berlin I Köln I Mainz 1967, s. 265ff. SI In diesem Sinne: Herbert Peucker, Grundbegriffe neuzeitlicher Finanzkontrolle, Göttingen 1952, S. 21; zust. Vogel (Fn. 78), S.193; Reger (Fn. 16), S. 204; Wetz (Fn. 5), S. 34, der dann aber die ,.nachträgliche Überwachung" als Finanzkontrolle ,.in engerem Sinne" bezeichnen will; wohl auch Albert von Mutius, Die Steuerung des Verwaltungshandelns durch Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle, VVDStRL Heft 42 {1984), S.186f.; Krebs (Fn. 5), S.172; im Ansatz differenzierend zwischen parlamentarischer Finanzkontrolle (sowohl präventiv als auch retrospektiv) und Finanzkontrolle durch Rechnungshöfe (nur retrospektiv) Kloepfer (Fn. 18), Sp. 866, der dann aber doch eine ,.begleitende Finanzkontrolle (v. a. als ex-ante Beratung)" kennt.
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(Finanz-)Kontrolle gerechnet wird, und von sonstigen Mitwirkungs- und Mitentscheidungsformen. Es war vor allem Ulrich Scheuner, der auf die enge Beziehung zwischen Verantwortung und Kontrolle aufmerksam gemacht hat. Verantwortung und Kontrolle sind Komplementärerscheinungen, bei der sich "zwei Instanzen getrennt gegenüber stehen". Verantwortung setzt eigene, freie Bestimmung voraus. Deshalb gehört zu Verantwortung und Kontrolle DistanzB2. Handelndes und kontrollierendes Organ müssen institutionell und funktional getrennt sein. Derjenige, welcher eine Entscheidung mitzuverantworten hat, kann später nicht mehr unbefangen prüfen. Wer die Aufsicht über das handelnde Organ ausübt, ist für dessen Verhalten mitverantwortlich. Entsprechendes gilt für Bewilligungsrechte sowie Zustimmungs- und Genehmigungsvorbehalte. In einem streng verstandenen Sinne sind sie nicht mehr Kontrolle; möglicherweise nicht einmal mit Kontrollbefugnissen vereinbar. Allerdings mehren sich in neuerer Zeit die Stimmen, die auch "Kontrolle durch Mitwirkung" noch als "eigentliche Kontrolle" bezeichnen wollen83. Auch wenn man dem im allgemeinen zustimmen kann, sind jedoch im Hinblick auf Finanzkontrolle und Rechnungsprüfung Bedenken anzumelden. Wie kann ein Rechnungshof beispielsweise ernsthaft ein Verfahren kritisieren, dessen Einführung er zuvor gebilligt oder gutachtlich empfohlen hat? Eine unbefangene Beurteilung dürfte jedenfalls sehr viel schwerer möglich seinB4. Darauf kommt es aber möglicherweise nicht entscheidend an. Das funktionale Ziel der Kontrolle, die Überprüfung einer Maßnahme durch eine unabhängige Kontrollinstanz, bleibt nämlich auch dann gewahrt. Sie ist nur zeitlich früher erfolgt. Andererseits verliert der Kontrollbegriff in dieser weiten Ausdeutung nahezu alle Konturen. Seine ausgrenzende Kraft geht weithin verloren. Ein Kompromiß könnte darin bestehen, zur Finanzkontrolle nur solche Aktivitäten zu rechnen, die sich auf "abgeschlossene finanzwirksame Vorgänge" beziehen, andererseits zeitlich nicht erst nach der Rechnungslegung zum Zwecke der Entlastung anzusetzen, sondern schon früher, um die erstrebte "Gegenwartsnähe" nicht zu gefährdenss. Das wäre die "rechnungsunabhängige Finanzkontrolle", während die eigentliche Rechnungsprüfung erst nach erfolgter Rechnungslegung einsetzen könnte. Gutachten und (vorherige) (Fn. 17) Festschrift Gebhard Müller, S. 391f. Schon Scheuner hat das in einer späteren Schrift als "offene Frage" bezeichnet und letztlich positiv gewürdigt ([Fn. 17] Die Kontrolle der Staatsmacht im demokratischen Staat, S.ll, 31); bejahend Meyn (Fn. 28), S.174f., 179ff. 84 Darauf hatte ich entscheidend in meinem Staatsrecht, S. 432, abgestellt; eingehend zur Problematik Mandelartz (Fn. 5), S. 7ff.; Sauer I Blasius (Fn. 5), DVBI. 1985, S. 555 f.; positiv Otto Rudolf Pulch, Kontrolle und/oder Beratung: Chancen und Probleme der Leistungssteigerung eines Rechnungshofs, in: Heinrich Mäding (Hrsg.), Haushaltsplanung - Haushaltsvollzug - Haushaltskontrolle, Baden-Baden 1987, s. 234ff. 85 Ansatzweise bereits bei Stern (Fn. 4), S. 431. 82 83
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Beratung würden danach nicht zur Finanzkontrolle gehören und wären auch nicht von der funktionalen Garantie des Art. 114 GG umfaßt; wohl aber die Vorprüfung. Entsprechendes gilt für die Tätigkeit des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung und die Anhörungsrechte.
111. Verfassungsrechtliche HUfsgarantien In der Hauptsache garantieren die Verfassungen Bestand und Funktion der Rechnungshöfe. Das ist das eigentliche Ziel der entsprechenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen. Im Laufe der Zeit haben sich jedoch einige Gesichtspunkte als besonders bedeutsam für das Funktionieren der Rechnungshöfe herausgestellt. Sie wurden deshalb unter verstärkten Schutz gestellt. Ein eigenständiges Schutzgut stellen sie jedoch nicht dar. Sie sind nicht Selbstzweck, sondern dienen einzig dazu, die Funktion und die Arbeit der Rechnungshöfe abzusichern und wirkungsvoller zu gestalten. Ich möchte sie als "Hilfsgarantien" bezeichnen. 1. Unabhängigkeit
An erster Stelle ist hier die Unabhängigkeit der Rechnungshöfe oder ihrer Mitglieder zu nennen. Dieses Postulat hat eine alte Tradition, obwohl auch manche Rückschläge zu verzeichnen waren. Zunächst fast ausschließlich in unterverfassungsrechtlichen Regelungen enthalten, hat es seit einiger Zeit auf breiter Front Eingang in die deutschen Verfassungen gefunden. Lediglich in der Landesverfassung von Hessen fehlt eine derartige Gewähr. Bremen scheidet ohnehin aus, da sein Rechnungshof überhaupt nicht erwähnt ist und damit zwangsläufig auch seine Unabhängigkeit. Dem Verfassunggeber steht es frei, so zu verfahren. Ebensowenig wie höherrangiges Recht überhaupt die Erwähnung eines Rechnungshofes in der Verfassung verlangt, ist eine Garantie der Unabhängigkeit geboten. Auch das Haushaltsgrundsätzegesetz enthält keine Vorschrift, welche die Unabhängigkeit für Bund und Länder einheitlich vorschreibt86. Allenfalls könnte aus der Verwendung des Begriffs "Rechnungshof" geschlossen werden, daß damit stillschweigend unabhängige Einrichtungen gemeint sind.
86 Vgl. Piduch (Fn. 33), § 88 BHO RN 3: "Über die Organisation der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder trifft das HGrG keine Bestimmung, weil bundesgesetzliche Eingriffe in die landesorganisatorischen Regelungen vermieden werden sollten." Damit sind aber wohl mehr die interne Struktur als die Außenrechtsbeziehungen gemeint.
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Klaus Stern a) Bedeutung und Rechtfertigung
Damit soll aber keineswegs die Bedeutung der Unabhängigkeit geschmälert werden. Eine wirksame Kontrolle setzt Unabhängigkeit voraus. Sie kann geradezu als "Lebenselixier für Kontrolle" bezeichnet werden87 • Für die Rechnungshöfe ist sie mindestens genauso wichtig, wenn nicht noch wichtiger als für die andere große Kontrolleinrichtung mit Unabhängigkeitsgarantie: die Gerichte. Zum einen werden die Rechnungshöfe und ihre Mitglieder- im Gegensatz zu den Gerichten - auf eigene Initiative tätig. Zum anderen sind die Kontrollmaßstäbe für die Rechnungshöfe durchweg noch weiter als die von den Gerichten anzuwendenden Rechtsnormen und -prinzipien. Vor allem die Wirtschaftlichkeitsbeurteilungen sind nicht frei von Spielräumen und Wertungenss, doch werden sie zum Teil überzeichnet, wie ich schon früher näher dargelegt habe89, Das ändert indes nichts daran, daß solche Bereiche in erhöhtem Maße anfällig für Irrgerenzen von außen sind. Sie müssen auch aus diesem Grunde besonders geschützt werden. Dazu ist Unabhängigkeit unerläßlich90. b) Träger der Garantie Betrachtet man das Unabhängigkeitsproblem etwas näher, so zeigt sich, daß zwei Ansatzpunkte denkbar sind: eine institutionelle und eine personelle Unabhängigkeit. Einmal ist die Institution "Rechnungshof" oder das Institut "Finanzkontrolle" von den üblichen Einwirkungs- und Weisungsmöglichkeiten abgeschnitten. Jeder einzelne dort tätige Amtswalter bleibt jedoch in die Hierarchie eingebunden und arbeitet nicht unabhängig. Nur können ihn keine Weisungen von außen erreichen. Im zweiten Fall wird dagegen entscheidend auf die Person des Amtswalters abgestellt. Ihm wird ein besonderer Status verliehen; nicht um seiner selbst willen, sondern nur zur Sicherung einer Funktion. Dennoch ist er der maßgebende Anknüpfungspunkt. Seine Arbeit, sein Verhalten darf nicht mehr auf die übliche, bürokratiegemäße und hierarchische Art und Weise beeinflußt werden. Mittelbar mag sich daraus aber auch eine Unabhängigkeit der Institution ergeben, in der und für die er tätig ist. Gemeinsam ist beiden Ansatzpunkten, daß jedenfalls in der Außenrechtsbeziehung Einwirkungen ausgeschlossen sein sollen. Entsprechend diesem Muster lassen sich die Vorschriften des positiven Verfassungsrechts ordnen: Die Verfassungen von Berlin, Harnburg und Bayern folgen dem institutionellen Weg. Sie gewähren den Rechnungshöfen als sol87 von Amim (Fn. 5), DVB!. 1983, S. 669; ders. (Fn. 5), Ein neues Organisationsstatut für den Bundesrechnungshof, S. 5. 88 Vgl. von Amim (Fn. 5), DVBI. 1983, S. 670. 89 Stern (Fn. 4), S. 437, 439. 90 Vgl. zumindest im Ergebnis ebenso Wittrock (Fn. 5), DVBI. 1984, S. 823ff.
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chen "Unabhängigkeit"91 oder "richterliche Unabhängigkeit"92. Auch der Herrenchiemseer Entwurf des Grundgesetzes verfuhr so93. Im Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates ist eine derartige Regelung jedoch verworfen worden94 . Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG spricht sowohl in alter wie in neuer Fassung von "richterlicher Unabhängigkeit" der Rechnungshofsmitglieder und nicht der Institution Rechnungshof. Ähnliche Regelungen enthalten die Verfassungen von Baden-Württemberg95, Niedersachsen96, Rheinland-Pfalz97 und des Saarlandes98. Eine Besonderheit weisen die Verfassungen von NordrheinWestfalen99 und Schleswig-Holsteinloo auf. Sie ordnen nahezu wortgleich an, daß sowohl die Selbständigkeit der Rechnungshöfe als auch die richterliche Unabhängigkeit ihrer Mitglieder garantiert istl01. Soweit nur die Selbständigkeit oder Unabhängigkeit der Institution Rechnungshof gewährleistet wird, ist das wörtlich zu verstehen. Funktionale Gründe mögen für eine Unabhängigkeit der einzelnen mit Entscheidungsbefugnissen ausgestatteten Amtswalter innerhalb der Einrichtung sprechen, zwingend erforderlich ist sie indes nicht. Entscheidend ist nur die Absicherung gegenüber Ingerenzen der zu Kontrollierenden. Eine Garantie richterlicher Unabhängigkeit der einzelnen Rechnungshofsmitglieder besteht dann von Verfassungs wegen nicht102. Das wird indes nicht immer hinreichend beachtet103, weil einfachgesetzlich in diesen Ländern auch die personale Garantie vorgesehen ist 104. Berlin: Art. 83 Abs. 1 Satz 1; Hamburg: Art. 71 Abs.1 Satz 1. Bayern: Art. 80 Satz 2. 93 Art. 125. 94 Vgl. JöR n. F. Bd. 1 (1951), S. 818f. 95 Art. 83 Abs. 2. 96 Art. 53 Abs. 2. 97 Art. 120 Abs. 2 Satz 2. 98 Art. 106 Abs. 3 Satz 1. 99 Art. 87 Abs. 1 Satz 2. 100 Art. 49 Abs. 1 Satz 2. 101 Art. 87 Abs.1 bzw. Art. 49 Abs. 1: "Der Landesrechnungshof ist eine selbständige, nur dem Gesetz unterworfene oberste Landesbehörde. Seine (Ihre) Mitglieder genießen den Schutz richterlicher Unabhängigkeit." 102 Das gilt auch für Hamburg, wo die "für Berufsrichter geltenden Bestimmungen" der Verfassung entsprechende Anwendung finden, denn auch den Richtern ist dort nicht Unabhängigkeit gewährt (Art. 63), sondern den Gerichten (Art. 62). 103 Meist wird bei der Kommentierung der Vorschriften des Landesverfassungsrechts schlicht von der einfachgesetzlichen Rechtslage ausgegangen und ohne weiteres die Unabhängigkeit der Rechnungshofsmitglieder konstatiert. Die zum Beleg herangezogenen Nachweise befassen sich nicht selten ausschließlich mit der (andersartigen) Rechtslage auf Bundesebene. Vgl. etwa Kar/ Schweiger, in: Nawiasky I Leusser I Gerner, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Auf!., München 1976, Art. 80 RN 4; Theodor Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Auf!., Stuttgart I München I Hannover 1978, Art. 80 RN 3; Löhning (Fn. 72), Art. 89 RN 9; dagegen genauer Rudolf Dieckmann, Finanzen und Haushalt, in: Wolfgang Hoffmann-Riem I Hans91
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Aus der unterschiedlichen Verfassungsrechtslage ergeben sich erhebliche praktische Konsequenzen. Ist allein die Unabhängigkeit der Institution gewährleistet, darf die interne Struktur des Rechnungshofes weitgehend frei gestaltet werden. Wenn jedoch den einzelnen Rechnungshofsmitgliedern (richterliche) Unabhängigkeit gewährt ist, unterliegen die Gestaltungsmöglichkeiten von Verfassungs wegen beträchtlichen Einschränkungen. Manokratische Entscheidungstindung und hierarchische Weisungsstränge können dann problematisch sein. Im Fall der personalen Ausrichtung der Unabhängigkeitsgarantie wird man auch eine Gewähr der Unabhängigkeit der Institution Rechnungshof annehmen müssenlos. Sie ist nahezu denknotwendige Folge der Unabhängigkeit ihrer Mitglieder, da eine Korporation als solche nicht handlungsfähig ist und letztlich immer nur durch natürliche Personen handeln kann. Wenn diese Unabhängigkeit genießen, kommt sie (mittelbar) auch der Organisation zu, für die sie wirken. Eng mit diesen Überlegungen verbunden ist die Frage, welche Personen im Einzelfall denn nun Träger der Unabhängigkeitsgarantie sind. Die Verfassungen gewähren sie den "Mitgliedern" der Rechnungshöfe, lassen aber offen, wer das sein soll. Ob der Begriff kurzerhand mit den einfachgesetzlichen Regelungen, wie sie zum Zeitpunkt der Verfassunggebung bestanden, ausgefüllt werden kann, ist nicht sicher106. Dafür war der Werdegang dieser Bestimmungen bis zur Schaffung der neuen Verfassungen zu verschlungen. Vor allem blieb auf Bundesebene die Wiederanknüpfung des "einfachen" Rechts nach dem Krieg an die Weimarer Zeit auf den Begriff "Mitglied" beschränkt, während der eigentliche materielle Gehalt der Umgestaltung von 1933, die Einführung hierarchischer Binnenstrukturen 107, nahezu unverändert erhalten blieblOS. Die einfachgesetzliche Stellung eines Rechnungshofsmitglieds zur Jürgen Koch (Hrsg.), Hamburgisches Staats- und Verwaltungsrecht, Frankfurt a. M. 1988, s. 152f. 104 Bayern: § 6 Abs. 1 Satz 1 RHG; Hamburg: § 6 RHG; abgeschwächt in Berlin: "Die Mitglieder leiten die Prüfung in ihrem Geschäftsbereich und entscheiden selbständig und in eigener Verantwortung, 1. soweit nicht der Präsident sich die Mitwirkung vorbehalten hat, 2. soweit nicht das Mitglied die Vorlegung an den Präsidenten für geboten erachtet, 3. soweit nicht eine Entscheidung des Kollegiums herbeizuführen ist."(§ 4 RHG). 10s Im Ergebnis ebenso Vogel I Kirchhof(Fn. 33), RN 185. 106 So aber Heuer für den Bundesrechnungshof: "Die Begriffsbestimmung ergibt sich unmittelbar aus der dem Verfassunggeber bekannten und offenbar zugrundegelegten Regelung für den Reichsrechnungshof in der Weimarer Republik" ((Fn. 52], RN 35). 107 Änderung der§§ 124ff. RHO durch Gesetz vom 13. 12. 1933 (RGBI. II S.1007). 108 Friedrich Karl Viaion betrachtete den § 124 RHO auch unter dem Grundgesetz als "voll gültig" und hatte keine Bedenken, daß das "schwerfällige Kollegialprinzip in Verwaltungssachen durch die Leitungsbefugnis des Präsidenten ersetzt wird, solange die Entscheidungen in den materiellen Fragen durch die dazu berufenen kollegialen Organe getroffen werden." (Haushaltsrecht, 2. Aufl., Berlin I Frankfurt a. M. 1959, § 124 Er!. 1 und 2).
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Zeit der Weimarer Republik war deshalbtrotzgleicher Bezeichnung kaum mit der eines Mitgliedes des Bundesrechnungshofes zu vergleichen. Im Ergebnis kommt es aber nicht entscheidend darauf an, wer als "Mitglied" bezeichnet wird. Vielmehr muß die Gesamtheit der (einfachgesetzlichen) Regelungen sicherstellen, daß die von Verfassungs wegen besonders geschützten Tätigkeiten verantwortlich von unabhängigen Amtswaltern durchgeführt werden. Vogel I Kirchhof hatten dazu nur die "unmittelbar durch die Verfassung zugewiesenen Prüfungszuständigkeiten" rechnen wollen109. Dagegen hat sich dezidiert Heuer gewandt und auch für die "übertragenen" Aufgaben die Unabhängigkeitsgarantie reklamiertno. Ich wollte mich an der Prüfungstätigkeit als solcher orientierenlll. Vielleicht läßt sich ein Mittelweg beschreiten: Soweit die Verfassungsvorschriften wie Art. 114 GG eine institutionelle Garantie der Finanzkontrolle enthalten, soll diese durch die Unabhängigkeitsgarantie abgestützt werden. Sie muß danach folgerichtig all die Tätigkeiten umfassen, die als Finanzkontrolle bezeichnet werden können. Das hätte allerdings zur Folge, daß nach der hier vertretenen Auffassung Beratungstätigkeiten nicht unter die verfassungsrechtliche Unabhängigkeitsgarantie fielen. c) Inhalt der Garantie
Obschon die rechtsprechende Tätigkeit der Richter Vorbild gewesen ist, macht die Gewähr richterlicher Unabhängigkeit die Rechnungshofsmitglieder nicht zu Richtern. Es werden nur bestimmte für die Rechtsprechung notwendige Freiheiten entsprechend übernommen. Das sind vor allem die persönliche und sachliche Unabhängigkeit112. Die sachliche Unabhängigkeit bedeutet Weisungsfreiheit und ausschließliche Unterwerfung unter das Gesetz. Sie schützt sowohl Personen wie Institutionen. Dagegen spielt die persönliche Unabhängigkeit keine Rolle, wenn nur der Institution Rechnungshof Unabhängigkeit eingeräumt ist. Ein Bereich, in dem die Unabhängigkeit eine bedeutsame Rolle spielt, ist die Auswahl des Prüfungsgegenstandes. Da die Rechnungshöfe unmöglich den ganzen Kontrollstoff untersuchen können, müssen sie eine Auswahl treffen und auch Schwerpunkte setzen. Vor allem die Entscheidung, nicht tätig zu werden, muß frei von Einflußnahmen möglich sein113. Daher sind die bereits erwähnten Pflichtgutachten, wie sie das Landesrecht kennt, auch aus dieser Warte problematisch. 109 (Fn. no (Fn. m (Fn. 112 Vgl. 113 Vgl.
33), RN 188. 52), Art. 114 RN 35. 4), S. 422. die Nachweise bei Stern (Fn. 4), S. 423. von Arnim (Fn. 5), Organisationsstatut, S. 5.
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Erst recht muß es möglich sein, völlig frei die Entscheidung zu treffen, eine bestimmte Prüfung vorzunehmen, einen bestimmten Bereich zu kontrollieren. Zu viele Personen können ein Interesse daran haben, daß dies nicht geschieht. Unter diesem Gesichtspunkt sind einige Regelungen des neuen Bundesrechnungshofgesetzes bedenklich. Nach§ 15 Abs. 1 BRHG entscheiden die Kollegien nämlich einstimmig. Selbst wenn das Zweierkollegium (Abteilungsleiter und Prüfungsgebietsleiter) eine Prüfung durchführen will, kann der Präsident oder Vizepräsident hinzutreten(§ 9 Abs. 1 BRHG) und mit seiner Stimme die geplante Prüfung verhindern. Diese Vetomöglichkeit stellt das Gesetz praktisch in das Belieben von Präsident oder Vizepräsident, da es als Voraussetzung für die Erweiterung des Kollegiums zum "Dreierkollegium" nur darauf abstellt, daß sie "dies für erforderlich halten". Nicht von der Unabhängigkeitsgarantie erfaßt wird dagegen die Persona/auswah/114. Sie kann aber im Extremfall die Funktionsgarantie unmittelbar tangieren, wie schon dargelegt worden ist (oben II 2 b). Schließlich ist noch auf die Verwendung weisungsunterworfener Amtswalter hinzuweisen 115. Sie ist nur unter Beachtung gewisser Kautelen unbedenklieh. Sicher dürfen sich die Rechnungshofsmitglieder der Hilfe von nachgeordnetem Personal bedienen. Das ist in den Rechnungshöfen nicht anders als' bei den Gerichten. Bedenken sind jedoch anzumelden, wenn die eigentliche Kontrolltätigkeit durch nicht unabhängige "Prüfungsbeamte" ausgeübt wird. Nur wenn ihre Tätigkeit strikt auf Hilfsdienste für die Mitglieder beschränkt bleibt, kann das hingenommen werden. Arbeiten sie jedoch "weitgehend selbständig" - so die nicht ganz glückliche Formulierung in einer amtlichen Beschreibung des Bundesrechnungshofesn6- ohne jedoch volle richterliche Unabhängigkeit zu genießen, wäre das verfassungswidrig. Kontrolltätigkeit darf nur durch die Rechnungshofsmitglieder verantwortlich ausgeübt werden; ebenso wie die Rechtsprechung nur durch Richter. Keinesfalls darf es zwei Klassen von Kontrollbeamten geben, solche mit und solche ohne volle richterliche Unabhängigkeit. 2. KoUegialverfassung
Bereits aus der Unabhängigkeit der Rechnungshofsmitglieder und der Funktionsgarantie der Finanzkontrolle ergaben sich Einschränkungen für die interne Organisation der Rechnungshöfe. Einige hierarchische Elemente der üblichen Behördenorganisation dürfen danach nicht auf die Rechnungshöfe übertragen werden. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, ob von VerAnders von Arnim, ebd., S. 6; z. T. auch Kisker (Fn. 5), S. 2172. Dazu eingehend unter Abwägung der Vor- und Nachteile des Einsatzes von Beamten des gehobenen Dienstes Runde/ (Fn. 5), S. 5ff. 116 Präsident des Bundesrechnungshofes (Hrsg.) (Fn. 5), S. 22. 114
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fassungs wegen als weitere "Hilfsgarantie" eine Kollegialverfassung der Rechnungshöfe vorgeschrieben istl17. Entscheidungstindung durch Kollegien hat als solche nicht unbedingt einen Vorrang vor monokratischen Formen. Im Gegenteil würden monokratische Entscheidungsbefugnisse für jedes einzelne Rechnungshofsmitglied dem Unabhängigkeitspostulat am besten entsprechen. Sie sind auch effizienter, soweit damit eine exklusive Sachkompetenz verbunden ist. Was indes nicht bedeutet, daß die Unterwerfung unter kollegiale Abstimmungsprozeduren damit nicht vereinbar wärells. Bedenken können sich erst dann ergeben, wenn sie in Verbindung mit einer hierarchischen Stufung auftreten; wenn also eine Einzelperson notwendige Leitungsentscheidungen mit Bindungswirkung für alle anderen Mitglieder fällen kann. Hier erscheint in der Tat eine kollegiale Organisationsstruktur, und zwar nicht als Repräsentationssystem, sondern als Vollversammlung aller Mitglieder, Vorzüge zu bieten, auch wenn sie möglicherweise schwerfälliger ist. Auf diese Weise war denn auch der Reichsrechnungshof nach der Reichshaushaltsordnung von 1923 organisiert gewesen119, bis im Jahre 1933 weitreichende Entscheidungsbefugnisse des Präsidentenwohl in Verwirklichung des "Führerprinzips"- eingeführt wurdentzo. Die alte Kollegialverfassung ist bis heute auf Bundesebene nicht wieder verwirklicht worden 121 . Das ist von Verfassungs wegen wohl auch nicht unbedingt gebotent22, da die Form der Entscheidungstindung nicht allein entscheidend ist, sondern in welchem Umfang eine Fremdbestimmung der Kontrolltätigkeit stattfindet. Sowohl monokratisch wie kollegial getroffene Entscheidungen können unzulässige Eingriffe darstellen, wenn auch die Gefahr bei letzteren geringer sein dürfte. Das allein reicht aber nicht aus, ein dahingehendes verfassungsrechtliches Organisationsgebot anzunehmen. 117 Str., dafür: Vogel I Kirchhof(Fn. 33), RN 192; Piduch (Fn. 33), Tz 30; Eickenboom I Heuer (Fn. 5), S. 999, dagegen: Fuchs (Fn. 15), S. 87ff.; Reger (Fn. 16), S. 229; Klaus Grupp, Die Stellung der Rechnungshöfe in der Bundesrepublik Deutschland unter bes. Berücksichtigung der historischen Entwicklung der Rechnungsprüfung, Berlin 1972, S. 104f. 118 Vgl. Maunz (Fn. 11), RN 20. 119 RGBI. II S.17, § 119 Abs.1 Satz 1: "Der Rechnungshof bildet ein Kollegium." Entscheidungen wurden, soweit nicht den Senaten vorbehalten, durch Beschluß der Vollversammlung aller Mitglieder getroffen. 12o RGBI. II S.1007, §§ 124ff.; dazu Hermann A. Dommach, NS-Staat I, in: Theo Pirker (Hrsg.), Rechnungshöfe als Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung, Berlin 1987, s. 42ff. 121 Anders Eickenboom I Heuer (Fn. 5), die der Auffassung sind, daß die neuen Vorschriften zur inneren Struktur des Bundesrechnungshofes an das "bewährte in Artikel 114 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlich zugrundegelegte Kollegialprinzip anknüpfen" (S. 999). 122 Differenzierend auch Heuer (Fn. 52), RN 52.
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Klaus Stern 3. Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln
Ausmaß und Umfang der Kontrolltätigkeit werden in erheblichem Umfang durch die zur Verfügung stehenden Personal- und Sachmittel bestimmt. Das Grundgesetz überläßt es daher nicht dem Belieben von Parlament und Exekutive, in welcher Höhe sie die entsprechenden Mittel dem Rechnungshof zuweisen. Eine Mindestausstattung ist verfassungskräftig abgesichertl23. Sie muß wohl auch in einem eigenen Einzelplan des jeweiligen Budgets ausgewiesen werden. 4. Informations- und Zutrittsrechte
Schließlich kann als letzte "Hilfsgarantie" die Gewährung von Informations- und Zutrittsrechten genannt werden. Ohne sie können die Rechnungshöfe ihre Aufgaben nicht wirksam wahrnehmen. Die Rechnungslegung alleine reicht nicht aus. Vielmehr müssen die Rechnungshöfe auch die Erteilung weiterer Auskünfte und die Vorlage von sonstigen Erkenntnismitteln verlangen können. Auch Zutrittsrechte sind hier zu nennen; vor allem wenn man an die rechnungsunabhängige Finanzkontrolle denkt. Wo hier die Grenzen im einzelnen verlaufen, ist indes zweifelhaft, namentlich wenn Rechte Dritter betroffen sindl24. Verschiedene Vorschriften des einfachen Rechts dienen der Verwirklichung dieser Hilfsgarantie. Sie normieren umfassende Informations- und Anhörungsrechte. Bei der Budgetaufstellung sind beispielsweise die Voranschläge dem Bundesrechnungshof zuzusenden. Er kann dazu Stellung nehmen (§ 27 Abs. 2 BHO). Beim Erlaß oder der Erläuterung von allgemeinen Verwaltungsvorschriften, bei Maßnahmen, welche Verwaltungseinrichtungen, Bundesbetriebe oder die Organisationsstrukturen mit entsprechenden finanzwirtschaftliehen Auswirkungen betreffen sowie bei bestimmten Abkommen ist der Bundesrechnungshof unverzüglich zu unterrichten (§ 102 BHO). Vor dem Erlaß von Verwaltungsvorschriften zur Durchführung der Bundeshaushaltsordnung muß er sogar angehört werden(§ 103 Abs. 2 BHO).
123 Vgl. Maunz (Fn. 11), RN 17; Vogel/ Kirchhof (Fn. 33), RN 167; Heuer, ebd., RN 18; Reger (Fn. 16), S. 229. 124 Vgl. vor allem Klaus Vogel, Verfassungsrechtliche Grenzen der öffentlichen Finanzkontrolle, DVBI. 1970, S.192ff.; Haverkate (Fn. 5), S. 539ff.; Sauer I Blasius (Fn. 5), DÖV 1986, S. 554ff.; speziell im Hinblick auf die Wissenschaftsfreiheit: Blasius (Fn. 5), Verwaltungsrundschau 1986, S.llff.; Heuer (Fn. 5), DÖV 1986, S. 516f.; Karpen (Fn. 5), Die Verwaltung, Bd. 19 (1986), S. 230ff.; Redeker (Fn. 5), DÖV 1986, S. 946ff.; Sauer (Fn. 5), DÖV 1986, S. 941ff.
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IV. Einordnung in das Gewaltenteilungsschema des Grundgesetzes 1. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt
Lange Zeit hat die Diskussion über die Einordnung der Rechnungshöfe in das Gewaltenteilungsschema der Verfassungen einen breiten Raum eingenommenl25, Nunmehr scheint sich aber die Auffassung durchgesetzt zu haben, daß die Rechnungshöfe und vor allem auch der Bundesrechnungshof eine Sonderstellung im Dienste der Gewaltentrennung und -kontrolle einnehmenl26, Auch Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG zwingt nicht dazu, jedes vorhandene Staatsorgan in das Dreiteilungsschema unter allen Umständen zu pressen. Rechnungshöfe sind auch nicht bloßes "Hilfsorgan" für eine der Gewalten, sondern ein "neutrales Gegengewicht" zum parteienstaatlich durchdrungenen parlamentarischen Regierungssystem 127. 2. Heranführung an das Parlament
Schon im Rahmen der Haushaltsrechtsreform hatte man sich bemüht, den Bundesrechnungshof näher an das Parlament heranzuführen. Er sollte sowohl für Zwecke der Regierung wie für Zwecke des Parlaments tätig werden. Neu war vor allem die Anordnung in Art. 114 Abs. 2 Satz 2 GG, den Bericht nicht nur unmittelbar der Regierung, sondern auch dem Parlament zuzuleiten. Auf Landesebene finden sich entsprechende Regelungen in den Verfassungen von Baden-Württemberg (Art. 83 Abs. 2 Satz 3), Harnburg (Art. 71 Abs. 1 Satz 2), Hessen (Art. 144 Satz 2), Niedersachsen (Art. 53 Abs. 2 Satz 2), Nordrhein-Westfalen (Art. 86 Abs. 2 Satz 2), Rheinland-Pfalz (Art. 120 Abs. 2 Satz 4), dem Saarland (Art. 106 Abs. 2 Satz 4) und Schleswig-Holstein (Art. 48 Abs. 1 Satz 3). Eine Vorlage lediglich an das Parlament sieht die Verfassung von Berlin vor (Art. 83 Abs. 1 Satz 1). Insoweit überhaupt keine verfassungsrechtliche Regelung ist in Bayern und natürlich in Bremen zu finden. Dennoch wurden die Rechnungshöfe nicht zu Hilfsorganen von Exekutive und Legislative, wie noch der Rechtsausschuß des Bundestages in seiner Stellungnahme meintel28. Nach Erlaß des Bundesrechnungshofgesetzes mit seiner erneuten Stärkung des parlamentarischen Einflusses hat eine weitere Gewichtsverlagerung stattgefunden. Es bestand das deutliche Bestreben, den Bundesrechnungshof noch Vgl. die umfangreichen Nachweise bei Stern (Fn. 4), S. 447f. Vgl. etwa die Nachweise bei Sigg (Fn. 7), S. 21ff.; Krebs (Fn. 5), S.l78ff.; ferner Kisker (Fn. 5), NJW 1983, S. 2170; Eickenboom I Heuer (Fn. 5), S. 1000. 127 Ebd. 12s Zu BT-Drucks. V/3605, S. 13. 125
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näher an den Bundestag heranzuführen129; so weit, daß von einer "faktisch sehr deutlichen Zuordnung des BRH zum Deutschen Bundestag" gesprochen wirdBO. Das dürfte jedoch zu weit gehen und einer Überprüfung bedürfen. Sie an dieser Stelle vorzunehmen, besteht kein Anlaß. Die Wissenschaft hat hier im Lichte der neuerenGesetze und Erkenntnisse noch einiges zu leisten131. V. Organschaftliehe Stellung der Rechnungshöfe
In der Beurteilung der organschaftliehen Stellung der Rechnungshöfe hat sich nichts Entscheidendes geändert. Weithin besteht Einigkeit, daß sie keine Verfassungsorgane sind. Wohl aber können sie als oberste Bundes- oder Landesorgane angesehen werden. Der Bundesrechnungshof ist damit gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG parteifähig im Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Jedenfalls sind die Rechnungshöfe keine bloßen Behörden. Etwas unglücklich ist daher die Umschreibung in § 1 Satz 1 des Gesetzes über den Bundesrechnungshof, die sich so oder in ähnlicher Form auch im Landesrecht findet. Vorrangig sind die Rechnungshöfe eben keine Behördenm, aber auch nicht zur politischen Staatsleitung berufene Verfassungsorgane. Ich bleibe bei meiner in Band II meines Staatsrechts vor 8 Jahren getroffenen Kennzeichnung auch im Lichte der novellierten Gesetze und der neueren Literatur: Die Rechnungshöfe sind von der Verfassung eingerichtete und gewährleistete höchstrangige Staatsorgane und unentbehrliche Einrichtungen im System der Finanzkontrolle133.
Vgl. Eickenboom I Heuer (Fn. 5), S. 998. Ebd. 131 Ausneuerer Zeit vgl. aber schon beispielsweise zum Verhältnis von Rechnungshöfen und Parlamenten Tomuschat (Fn. 5), S.18ff.; Welz (Fn. 5), S.131ff.; Wittrock (Fn. 5), ZParl 1982, S. 209ff.; ders. (Fn. 5), DÖV 1984, S. 649ff.; Sauer I Blasius (Fn. 5), DVBl. 1985, S. 553f.; Erich Schneider, Rechnungshof und Parlament, in: Rechnungshof Baden-Württemberg (Hrsg.), Finanzkontrolle in Baden-Württemberg, Karlsruhe 1987, S.155ff.; Franz-0. Gilles I Gerhard Otto I Rainer Weinert, Aktuelle Probleme der Finanzkontrolle II, in: Theo Pirker (Hrsg.), Rechnungshöfe als Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung, Berlin 1987, S. 175ff. 132 Heuer sieht die Bestätigung, daß der Bundesrechnungshof bei seiner Aufgabenerfüllung nicht Behörde sei, in den §§ 1, 17 Abs. 2 BRHG ([Fn. 5], DÖV 1986, s. 517). 133 (Fn. 4), S. 450f. 129
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275 Jahre staatliche Rechnungsprüfung in Deutschland Etappen der Entwicklung Von Heinz Günter Zavelberg*
Inhaltsübersicht I. 1714-1824: Ringen um Unabhängigkeit II. 1848/50: Helfer bei der Budgetkontrolle III. 1922: Reichshaushaltsordnung 1. Wirtschaftlichkeit als Prüfungsmaßstab 2. Stichprobenprüfung 3. Örtliche Erhebungen IV. 1969: Haushaltsrechtsreform 1. Lückenlosigkeit der Finanzkontrolle 2. Rechnungsunabhängige Prüfung 3. Der Rechnungshof als Berater 4. Unmittelbarer Zugang zum Parlament V. 1985: Bundesrechnungshofgesetz I. 1714 bis 1824: Ringen um Unabhängigkeit
Auch wenn die erste von der Verwaltung unabhängige Rechnungskontrollbehörde in Deutschland außerhalb Preußens entstanden istl, haben doch das System und die Institutionen der Rechnungsprüfung in Preußen und später im Reich mehr als alle anderen Faktoren das heutige Haushalts- und Finanzkontrollsystem des Bundes und der Länder geprägt. Insbesondere der Bundesrechnungshof sieht sich in der Tradition der preußischen Rechnungsprüfung. • Herrn Ministerialrat Egbert Kaltenbach bin ich für wertvolle Unterstützung zu Dank verpflichtet. I Es handelt sich um die 1707 errichtete kursächsische Ober-Rechen-Kammer, vgl. F. von Pfuhlstein, Der Weg von der Preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof, in: Bundesrechnungshof (Hrsg.), 250 Jahre Rechnungsprüfung, Frankfurt a. M. 1964, S. 7 ff. (14); ausführlich Th. von Ditfurth, Zur Geschichte der Königlich-Preußischen Ober-Rechnungskammer, Berlin 1909, S. 2 f.
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Dem Gründer der Preußischen General-Rechen-Kammer, König Friedrich Wilhelm I., wird nachgesagt, er habe bereits als lOjähriger Kronprinz ein Kontobuch mit der Überschrift "Rechnung über meine Dukaten" geführt2. Diese persönliche Neigung allein hätte sicherlich nicht ausgereicht, um in Preußen eine unabhängige oberste Rechnungskontrollbehörde zu errichten. Hintergrund für die Gründung der General-Rechen-Kammer war vielmehr die als Kronprinz gewonnene Erfahrung, daß Preußen durch die Verschwendungssucht seines Vaters, König Friedrichs I., und die Korruptheit von dessen Ministern finanziell ruiniert war; dabei benötigte Preußen als territorial zerrissener und zersplitterter Staat, als "Königreich der Flicken und Fetzen", das von Cleve bis Memel reichte, erhebliche finanzielle Mittel für den Aufbau und die Unterhaltung eines schlagkräftigen Heeres, um den Bestand des Staates und seine Souveränität zu schützen3 . Die Einrichtung einer besonderen "Rechencammer", an die alle Rechnungssachen adressiert werden sollten4, verfolgte in erster Linie das Ziel, die ordnungsgemäße Verbuchung aller Einnahmen und Ausgaben des Staates zu gewährleisten und damit erstmals einen verläßlichen Überblick über die preußischen Staatsfinanzen zu gewinnen. Gleichzeitig sollten Unterschlagungen verhindert und die Einhaltung des Grundsatzes äußerster Sparsamkeit erzwungen werden. Wenn der König bei der Errichtung der General-Rechen-Kammer verfügte, daß diese "von Niemandem anders als Unserer höchsten Person allein dependiren" solle5 , so hatte er erkannt, daß Unabhängigkeit der Prüfungsbehörde von den geprüften Stellen die Voraussetzung einer wirkungsvollen Kontrolle ist. Damals wie heute gilt, daß die Bedeutung und Qualität einer Rechnungsprüfungsbehörde insbesondere durch ihre Unabhängigkeit bestimmt wird6. Unabhängigkeit von der geprüften Stelle unterscheidet die externe Finanzkontrolle von der internen Revision. Das institutionelle Verhältnis der Rechnungshöfe zur Verwaltung wird deshalb als "Zentralfrage"7 in der Entwicklung der Rechnungsprüfung bezeichnet. Die bei der Errichtung vorgesehene "Immediatstellung" der GeneralRechen-Kammer gegenüber dem König stieß bei der Verwaltung auf Widerstand und ging bereits im Jahre 1723 wieder verloren. Damals wurde die Rechenkammer unter der neuen Bezeichnung "Ober-Kriegs- und DomänenRechenkammer" als nachgeordnetes ("subalternes") Collegium dem neuen Preußischen Generaldirektorium angegliederts. Möglicherweise erfüllte die 2 J. Klepper, Der Vater, Stuttgart 1937 (Nachdruck 1986), S. 17; W. Venohr, Der Soldatenkönig, Frankfurt a. M. I Berlin 1988, S. 59. 3 4
5 6 7
Venohr, S. 135 f.
So das KöniglicheReskript vom 22. 11. 1714; vgl. von Pfuhlstein, S. 17. So die Königliche Verordnung vom 16. 6. 1717; vgl. von Pfuhlstein, S. 17. Vgl. K. Heinig, Das Budget, Bd. 1, Tübingen 1949, S. 40. So K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, München
1980, s. 411.
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neue Behörde die ehrgeizigen Vorstellungen des Königs nicht in vollem Umfang, war es doch sein Ziel, "Plus zu machen", also nicht nur die Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung, sondern auch ein möglichst günstiges Verhältnis von Aufwand und Ertrag sicherzustellen. Es klingt schon sehr modern im Sinne einer Forderung nach Nutzen-Kosten-Untersuchungen, wenn der König schreibt9: "Wenn auf einem Domänen-Amte eine neue Brauerei angelegt werden soll, welche 2 000 Thaler kostet und 1500 Thaler Pacht gibt, so müssen die Zinsen des Kapitals zu fünf vom Hundert mit 100 Thaiern in Abzug gebracht werden, so daß 1400 Thaler Ertrag bleiben. Wenn nun aber dadurch in einer benachbarten Stadt an der Accise (den Verbrauchssteuern) 1400 Thaler ausfielen, so würde nichts gewonnen, sondern noch die 2000 Thaler verloren sein, weil sie nur 5 Procent tragen und die Gebäude, das Brauereigeräthund die Brauer unterhalten werden müssen, wodurch ich schließlich noch Schaden hätte. Wenn dagegen ein renoviertes Brauhaus jährlich 200 Thaler einbringt und nur 100 Thaler an der Accise verloren gehen, so bleiben mir noch 100 Thaler Profit. Solche Verbesserungen lasse ich mir gefallen."
Die staatsrechtliche Stellung der Ober-Rechenkammer und ihr Verhältnis zum Generaldirektorium einerseits und zur Generalkontrolle der Finanzen andererseits änderte sich im Laufe des folgenden Jahrhunderts mehrfach, was wohl auch Ausdruck für das unterschiedliche Gewicht der jeweils handelnden Personen und ihr Vertrauensverhältnis zum König war. Durch die Königliche Instruction für die Oberrechnungskammer vom 18. Dezember 1824 10 wurde die Unabhängigkeit der Oberrechnungskammer gegenüber der Verwaltung jedoch endgültig gesichert. Der König bezeichnete darin die Oberrechnungskammer als "ein selbständiges nur Uns Allerhöchstselbst untergeordnetes Kollegium". Daß die zentrale Frage der Unabhängigkeit in Preußen bereits relativ früh zugunsten der Finanzkontrolle entschieden werden konnte, dürfte ganz wesentlich zum Ansehen und zur Wirksamkeit der Preußischen Oberrechnungskammer beigetragen haben. Die Rechnungshöfe der übrigen deutschen Länder haben ihre volle Unabhängigkeit erst später erreicht und teilweise noch nach dem Zweiten Weltkrieg gegen Widerstände verteidigen müssen 11 • Vgl. von Pfuhlstein, S. 18. Zitiert nach Venohr, S. 324. 10 Abgedruckt als Anlage (A) zu Nr. 148 der Drucksachen des preußischen Abgeordnetenhauses während der 2. Session der 11. Legislaturperiode (1871/72) S. 868 ff.; ferner in: Bestimmungen über das Rechnungswesen in Preußen und in dem Deutschen Reich, Potsdam 1914, S. 1 (vorhanden in der Bibliothek des Bundesrechnungshofes). II Die württembergische Oberrechnungskammer war noch zu Ende der Weimarer Republik bis 1933 eine dem Finanzministerium nachgeordnete Behörde; vgl. Lonhard I Knoerzer, Rechnungsprüfung in Württemberg, in: Rechnungshof Baden-Württemberg (Hrsg.), Finanzkontrolle in Baden-Württemberg, Karlsruhe 1987, S. 23 ff. (33). Zur Entwicklung in Bayern 1946 bis 1952 siehe Th. Pirker, Finanzkontrolle zwischen Föderalismus und Zentralismus, in: Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit (Hrsg.), Dem Staat in die Taschen geschaut, München 1987, S. 39 ff. (47 f.). Vgl. im übrigen von Pfuhlstein, S. 68 ff. 8
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II. 1848/50: Helfer bei der Budgetkontrolle
Mit dem Übergang zur konstitutionellen Monarchie und der Gründung des Preußischen Abgeordnetenhauses im Jahre 1848 erweiterte sich die Funktion der Rechnungsprüfung. War sie bis dahin Kontrollinstrument in der Hand des Königs als des alleinigen Souveräns, so trat die Finanzkontrolle nunmehr auch in den Dienst des Parlaments12. Die Rechnungsprüfung wurde damit zugleich zur Verfassungs- oder "Etatskontrolle"B. Aus dem Budgetbewilligungsrecht der Parlaments ergibt sich folgerichtig das parlamentarische Recht der Budgetkontrolle14. Die Exekutive ist daher verpflichtet, dem Parlament über die Verwendung der bewilligten Mittel Rechenschaft zu geben. Mit dem Entlastungsbeschluß billigt das Parlament als politisches Kontrollorgan die Haushaltsführung der Exekutive und erkennt die vorgelegte Haushaltsrechnung an. Die Entlastung bildet somit "ein Korrelat zur Feststellung des Haushaltsplanes"15; sie zieht den "Schlußstrich"16 unter die Haushaltsrechnung. Die Mitglieder des Abgeordnetenhauses hatten bereits 1848 erkannt, daß eine wirksame parlamentarische Kontrolle der öffentlichen Finanzen ohne den Zugang des Parlaments zu den Erkenntnissen der Rechnungsprüfung erschwert 17 und das verfassungsrechtliche Institut der Entlastung ohne die vorbereitende Arbeit der Oberrechnungskammer leerlaufen würde. Seit Beginn des Konstitutionalismus in Preußen war daher in der Verfassungls bestimmt, daß nicht nur die Rechnung über den Staatshaushalt, sondern auch die diesbezüglichen "Bemerkungen" der Oberrechnungskammer dem Landtag vorzulegen waren. Die Frage, auf welchem Weg die Bemerkungen dem Landtag zuzuleiten seien, und das grundsätzliche Verhältnis von Parlament und Rechnungshof blieben allerdings noch lange streitig19. Die Preußische Exekutive war peinlich darauf bedacht, daß die Oberrechnungskammer nicht in umittelbare Kommunikation mit den beiden Kammern des Preußischen Landtags trat. Die FordeVgl. Stern, S. 411, 440, Heinig, S. 121. Vgl. F. E. M. Saemisch, Die Kontrolle der staatlichen Finanzwirtschaft, Berlin 1931, S. 58 f.; Stern, S. 440; Schulze-Wagner, Reichshaushaltsordnung, 3. Auf!., Berlin 1934, § 96 Anm. 1. 14 K. Wittrock, Parlament, Regierung und Rechnungshof. Zur Geschichte einer schwierigen Dreiecksbeziehung, in: ZPar11986, S. 415 ff. (415). 15 Stern, S. 456. 16 E. Heuer, in: Heuer I Dommach, Handbuch der Finanzkontrolle (HdbFK), Frankfurt a. M. 1981 ff., Art. 114 GG Rn. 6. 17 Vgl. Wittrock, ZParl, S. 417. 18 Art. 103 der Verfassung vom 5. 11. 1848 sowie Art. 104 der Verfassung vom 31. 1. 1850. 19 Hierzu ausführlich Wittrock, ZParl, S. 416 ff. 12
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rung liberaler Abgeordneter, es müsse dem Landtag möglich sein, Rückfragen an die Oberrechnungskammer zu richten, stieß auf den entschiedenen Widerstand der Regierung. Im Reich scheiterte das Zustandekommen eines Rechnungshofgesetzesnicht zuletzt an dieser Frage2o. Dennoch konnte die Regierung auf Dauer nicht verhindern, daß sich ein unmittelbares Verhältnis zwischen Oberrechnungskammer und Reichsrechnungshof sowie dem Parlament entwickelte und daß sich das Gewicht der beiden Aufgaben "Verwaltungskontrolle" und "Verfassungskontrolle" zugunsten des Parlaments verlagerte. Aber erst in der Weimarer Zeit nahmen Vertreter des Reichsrechnungshofs an den Sitzungen der Rechnungsprüfungskommission21 des Reichstags teil22, und die Reichshaushaltsordnung räumte dem Reichstag die Möglichkeit ein, gutachtliche Äußerungen des Rechnungshofs zu Haushaltsfragen einzuholen23. III. 1922: Reichshaushaltsordnung
Das Preußische Gesetz betreffend die Einrichtung und die Befugnisse der Oberrechnungskammer vom 27. März 1872 (Oberrechnungskammergesetz)24 beschränkte sich im wesentlichen darauf, die bestehenden Verhältnisse zu kodifizieren. Konsolidierung des Erreichten war sein Ziel, nicht Anstoß zu Neuerungen. Nachdem die Preußische Oberrechnungskammer unter der Benennung "Rechnungshof des Norddeutschen Bundes" auch die Kontrolle über die Finanzen des Norddeutschen Bundes und später unter der Benennung "Rechnungshof des Deutschen Reichs" über den Reichshaushalt übernommen hatte25, wurden die für die Preußische Oberrechnungskammer geltenden Regelungen für die Finanzkontrolle im Reich entsprechend angewandt. Verschiedene Versuche, die Finanzkontrolle reichsrechtlich zu kodifizieren, scheiterten26. Ausgelöst durch kritische Äußerungen der Budgetkommission des Reichstags27 wie auch des zuständigen Bundesratsausschusses über die überkamWittrock, ZParl, S. 420; vgl. auch von Pfuhlstein, S. 66 ff. 1928 wurde die bis dahin selbständige Rechnungsprüfungskommission in eine Unterkommission ("Rechnungsprüfungs-Unterkommission") des Budgetausschusses umgebildet, s. Heinig, S. 523. Diese sachliche und personelle Verbindung von Haushaltsbewilligung und Haushaltskontrolle hat sich bewährt und ist in die parlamentarische Praxis des Deutschen Bundestages übernommen worden. 22 s. Heinig, S. 525; Schulze-Wagner, § 101 Anm. 2. 23 § 101 RHO. 24 Gesetz-Sammlung für die Königlich-Preußischen Staaten, S. 278. 25 Vgl. § 1 des Reichskontrollgesetzes vom 21. 3. 1910 (RGBI. 1910, S. 521). 26 v. Ditfurth, S. 68 ff. 27 Anläßlich der erstmaligen Beratung des Etats für den Rechnungshof des Deutschen Reichs im Jahre 1909, vgl. Protokoll der 212. Sitzung des Reichstags am 24. 2. 1909, S. 7122 (B) ff., vgl. auch v. Ditfurth, S. 72. 20
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mene Art der Rechnungsprüfung, die "zu umständlich sei und zu sehr ins Kleine gehe" und deren Personal- und Kostenaufwand "nicht im richtigen Verhältnis zum Erfolg stehe"28 , wurde mit dem Reichskontrollgesetz vom 21. März 1910 eine Vereinfachung und Vertiefung der gesamten Rechnungsprüfung angestrebt. Diesem Ziel diente u. a. die Einführung der Möglichkeit, Rechnungen nur mittels Stichproben zu prüfen. Krieg und Nachkriegszeit verhinderten, daß diese gesetzlichen Bestimmungen größere praktische Bedeutung erlangten. Nach dem Krieg wurden dann durch die Reichshaushaltsordnung vom 31. Dezember 192229 das Haushaltsrecht und auch die Finanzkontrolle grundlegend modernisiert; insbesondere wurden die Wirtschaftlichkeit als zusätzlicher Prüfungsmaßstab, die Stichprobenprüfung und das Prinzip der örtlichen Erhebungen eingeführt. Damit erlangte die deutsche Gesetzgebung über die staatliche Rechnungsprüfung eine im internationalen Vergleich führende Stellung. 1. Wirtschaftlichkeit als Prüfungsmaßstab § 96 Abs. 1 Nr. 3 RHO verpflichtete den Rechnungshof zu prüfen, ob bei der Erhebung von Einnahmen sowie bei der Verausgabung von Reichsmitteln "unter Beobachtung der gebotenen Wirtschaftlichkeit verfahren worden" war. Damit wurde die Wirtschaftlichkeit zum gleichrangigen Prüfungsmaßstab neben der OrdnungsmäßigkeiL
Es hatte auch schon zuvor Forderungen nach mehr Wirtschaftlichkeit in der öffentlichen Verwaltung gegeben. Schon Friedrich der Große hatte gefordert, der Rechnungsprüfer müsse "in die Natur der Dinge selbst penetrieren"30. Und die Königliche Instruction für die Oberrechnungskammer von 1824 hatte bestimmt, daß bei allen Ausgaben "jede Unwirtschaftlichkeit ... vermieden werden" müsse31 . Dennoch scheint sich die Rechnungsprüfung in Preußen und im Reich weiterhin in den traditionellen Bahnen einer Prüfung auf formale Korrektheit, rechnerische Richtigkeit und Vollständigkeit sowie Übereinstimmung mit den Gesetzen und anderen Vorschriften bewegt zu haben. Vor diesem Hintergrund ist die Kritik in der Budgetkommission des Reichstags im Jahre 1909 zu verstehen, wonach man "viel zuviel Gewicht auf das rein Formale lege und zu wenig in die materielle Prüfung der Rechnungen und Belege eintrete" 32 ; auf die Wirtschaftlichkeit der Ausgaben werde bei der Prü2s Zitiert nach den Ausführungsvorschriften zum Reichskontrollgesetz, in: Bestimmungen über das Rechnungswesen in Preußen und in dem Deutschen Reich, S. 92. 29 RGBI. 1923 II. S. 17; zur Geschichte des Reichsrechnungshofs unter Präsident Saemisch s. gesonderten Beitrag von Dommach in dieser Festschrift. 3° Königliche lnstruction vom 30. 5. 1768, zitiert nach von Pfuhlstein, S. 23. 31 § 10 der Instruction. 32 Reichstagsprotokoll vom 24. 2. 1909, S. 7122 (D).
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fung zuwenig Gewicht gelegt. In den Ausführungsvorschriften zum Reichskontrollgesetz von 1910 wurden die Prüfer daher ermahnt, daß der Rechnungshof "nicht bei einer kleinlichen Rechnungsprüfung, sondern nur bei vertiefter Prüfung ... auch zur wirtschaftlichen Verwendung der bewilligten Mittel" beitragen könne33. Nach lokrafttreten der Reichshaushaltsordnung bildeten dennoch zunächst Fragen der Ordnungsmäßigkeit weiterhin den Schwerpunkt der Prüfung, wie eine Durchsicht der in den Jahren 1927 ff. vorgelegten Denkschriften und Bemerkungen des Reichsrechnungshofs zeigt34 • Auch wenn in den Denkschriften in einer ganzen Reihe von Einzelfällen über Einsparungen aufgrund von Prüfungen des Rechnungshofs berichtet wird und die Denkschriften jeweils einen Abschnitt den finanziellen Auswirkungen der Prüfungstätigkeit widmen3s, stand doch die Prüfung der Formalien im Vordergrund. So ist es nicht verwunderlich, wenn im Reichstag wiederholt zum Ausdruck gebracht wurde, daß der Rechnungshof bei seinen Prüfungen weniger formale Verstöße rügen, sondern sein Hauptaugenmerk auf die wirtschaftliche Führung der Reichsverwaltungen richten möge36. Der Reichsrechnungshof betonte demgegenüber ungeachtet der "Verschiebung der Prüfungstätigkeit ... nach der wirtschaftlichen Seite hin" die Bedeutung der "Prüfung, ob die bestehenden Gesetze und Verwaltungsvorschriften beachtet" worden seien37 . Hieran wird deutlich, daß eine Gesetzesänderung allein nicht ausreicht, um eine in Jahrzehnten eingefahrene Prüfungspraxis bei unveränderter Personalstruktur3s kurzfristig zu ändern. Erst allmählich nahm das Gewicht der Prüfung auf Wirtschaftlichkeit zu, die bei der Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofes inzwischen im Vordergrund steht. Damit erhielt die Finanzkontrolle in Deutschland eine neue 33 In: Bestimmungen über das Rechnungswesen in Preußen und in dem Deutschen Reich, S. 93. 34 Z. B. Denkschrift und Bemerkungen des Rechnungshofs des Deutschen Reichs zu den Reichshaushaltsrechnungen 1920, 1921, 1922 und 1923 sowie ergänzende Mitteilungen zu den Reichshaushaltsrechnungen 1918 und 1919 vom 28. 4. 1927 (Reichstags.Drucksache III/337 4). 35 Vgl. z. B. Denkschrift des Rechnungshofs des Deutschen Reichs zur Reichsbaushaltsrechnung 1926 vom 27. 4. 1929 (Reichstags-Drucksache IV/1053), S. 65. 36 Denkschrift zur Reichshaushaltsrechnung 1926, S. 24. 37 Denkschrift zur Reichshaushaltsrechnung 1926, S. 24. 38 Die Denkschrift zu den Reichshaushaltsrechnungen 1920, 1921, 1922 und 1923 (S. 10) enthält Ausführungen zum Personalstand des Reichsrechnungshofs: 1 Präsident, 4 Rechnungshofdirektoren, 20 Ministerialräte und 157 Ministerialamtmänner, daneben 1 "Ministerialbürodirektor" mit Registratur-, Kanzlei- und sonstigem Hilfspersonal. Die Mitglieder dürften fast ausschließlich aus der Ministerialverwaltung gekommen sein, besaßen also vor der Ernennung zum Mitglied keine eigenen Prüfungserfahrungen. Die Prüfungsbeamten waren ausschließlich Beamte des gehobenen Dienstes. Es gab weder Prüfungsbeamte des höheren Dienstes mit Universitätsausbildung, noch gab es Aufstiegsmöglichkeiten als Anreiz für besonders qualifizierte Prüfungsbeamte des gehobenen Dienstes.
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Dimension: Anders als die traditionelle Rechnungsprüfung beschränkt sie sich nicht mehr auf die Feststellung von Mängeln in der Vergangenheit, sondern dient in gleicher Weise der zukunftgerichteten Information der Entscheidungsträger über finanzrelevante Tatsachen und Problemzusammenhänge, wird damit entscheidungsbezogen. Letztlich führte diese Entwicklung dazu, daß der Rechnungshof nicht mehr nur "Helfer bei der Budgetkontrolle"39 blieb, sondern zum lnformationsbeschaffer und Berater für Regierung und Parlament bei finanzrelevanten Entscheidungen überhaupt wurde4o. 2. Stichprobenprüfung
Eines darf nicht übersehen werden: Die Konzentration der Finanzkontrolle auf Fragen der Wirtschaftlichkeit wurde erst möglich, als der Zwang der umfassenden Ordnungsmäßigkeitsprüfung aller Belege entfiel. Erst als der Rechnungshof im Vertrauen auf die Tätigkeit der Vorprüfungsstellen41 und gestützt auf ein hoch entwickeltes Kassen- und Rechnungswesen zur stichprobenweisen Prüfung überging, waren die Voraussetzungen für Wirtschaftlichkeitsprüfungen gegeben. Die generelle Durchsetzung der stichprobenweisen Prüfung war dementsprechend eine weitere wesentliche Neuerung. Bereits das Reichskontrollgesetz von 1910 hatte- zeitlich befristet- erste Möglichkeiten eröffnet, Rechnungen mittels Stichproben zu prüfen42 oder die Prüfung den Verwaltungsbehörden zu überlassen43 . Dies war' jedoch an die Bedingung geknüpft, daß es sich um Rechnungen von untergeordneter Bedeutung handelte oder daß nach der Art der Einnahmen und Ausgaben das Vorkommen wesentlicher Abweichungen von den maßgebenden Vorschriften und Bestimmungen unwahrscheinlich war oder daß Rechnungen nach ihrem Inhalt erfahrungsgemäß einer regelmäßigen eingehenden Prüfung nicht bedurften. Die Reichshaushaltsordnung ließ diese Beschränkungen fallen und stellte die stichprobenweise Prüfung in das Ermessen des Rechnungshofs44. Der Zwang, jeden einzelnen Beleg in Potsdam nachzurechnen, war damit entfallen. Welche Kapazitäten durch die lückenlose förmliche Prüfung aller Belege gebunden waren, läßt sich daran ermessen, daß allein die Reichsmarineverwaltung jährlich rund 24 000 kg Papier in den Rechnungshof schickte45, die in Potsdam Seite für Seite abgearbeitet werden mußten. 39 Vgl. F. Haaser, Die Rechnungshöfe und ihre Beziehungen zu Exekutive und Legislative, in: Der öffentliche Haushalt 1954, S. 115 ff. (117). 40 Moderne Finanzkontrolle soll "zukunftsorientiert Entscheidungshilfen geben" (Heuer, in: HdbFK, § 1 BRHG Rn. 1). 41 Vgl. H. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, Berlin 1988, S. 27. 42 § 4 RKG. 43 § 3 RKG. Zur Entstehungsgeschichte und Entwicklungs. den Beitrag von Bublitz in dieser Festschrift. 44 § 94 RHO. 45 Vgl. Reichstagsprotokoll vom 24. 2. 1909, S. 7122 (D).
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Mit der generellen Einführung der stichprobenweisen Prüfung wurden Kapazitäten freigesetzt, die der vertieften materiellen Prüfung zugute kamen. Das erst ermöglichte den Durchbruch zur modernen Finanzkontrolle. 3. Örtliche Erhebungen
Die Reichshaushaltsordnung führte auch die Möglichkeit der Rechnungsprüfung am Sitz der Verwaltungsbehörden ein. Noch unter der Geltung des Preußischen Oberrechnungskammergesetzes von 1872 fand die Prüfung am Sitz der Oberrechnungskammer statt. Der Präsident der Oberrechnungskammer war lediglich befugt, "Bedenken und Erinnerungen gegen die Rechnungen an Ort und Stelle durch Kommissarien erörtern zu lassen"46. Allerdings führte der Reichsrechnungshof ohne besondere gesetzliche Grundlage bereits im Jahre 1905 erstmals örtliche Erhebungen durch, und zwar in den damaligen deutschen Kolonien. Mängel im Finanzgebaren der deutschen Schutzgebiete, der zeitaufwendige Aktentransport und Schriftwechsel zwischen Potsdam und den Kolonien - die Rechnung über den Haushalt der afrikanischen Schutzgebiete für das Etatjahr 1896/97 konnte erst 1909 in der Rechnungskommission des Reichstags beraten werden47 - veranlaßten den Reichsrechnungshof, zwei Rechnungsprüfer als "Kommissare des Rechnungshofs" in das südwestafrikanische Schutzgebiet zu entsenden. Südwestafrika machte den Anfang, weil "die dort der Erledigung harrenden Rechnungen besonders umfangreich waren"4B. Die für die geprüfte Kolonialverwaltung und den Rechnungshof positive Erfahrung dieser örtlichen Erhebungen bewog den Rechnungshof dazu, Revisionsbeamte auch in andere Konlonien zu entsenden49. Während des Ersten Weltkriegs führte der Reichsrechnungshof im Bereich der Militärverwaltung in größerem Umfang örtliche Erhebungen durchso. Durch die Reichshaushaltsordnungsl wurde dann die Möglichkeit von Prüfungen am Sitz der geprüften Stellen gesetzlich abgesichert. Der Reichsrechnungshof hat diese Möglichkeit als die "wichtigste gesetzliche Neuerung"S2 der Reichshaushaltsordnung bezeichnet und zunehmend genutzt. Allerdings galt nach der Reichshaushaltsordnung noch als Regel, daß die Prüfungen am Sitze des Rechnungshofs in Potsdam vorgenommen wurden, während die örtlichen Prüfungen gewissen Beschränkungen unterlagen und sich § 13 Abs. 2 ORKG. Vgl. Beratung der Rechnung über den Haushalt der afrikanischen Schutzgebiete für das Etatjahr 1896/97 am 24. 2. 1909 im Reichstag (Reichstagsprotokoll, S. 7134 (D) ff.}. 48 v. Ditfurth, S. 72. 49 v. Ditfurth, S. 72. 5o Denkschrift zu den Reichshaushaltsrechnungen 1920, 1921, 1922 und 1923, S. 6. 51 § 90 Abs. 1 RHO. 52 Denkschrift zu den Reichshaushaltsrechnungen 1920, 1921, 1922 und 1923, S. 3. 46
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"noch in der Entwicklung"53 befanden. Auch das Recht des Rechnungshofs, Einsicht in die Akten zu verlangen, galt weiterhin gegenüber den Reichs- und später Bundesministerien nur beschränkt54 . Erst die Bundeshaushaltsordnung überläßt den Ort der Prüfung und den Umfang der Akteneinsicht allein dem Ermessen des Rechnungshofs. Der Reichsrechnungshof sah in der Prüfung an Ort und Stelle zunächst vor allem den Vorteil einer "Verringerung des Schreibwerks" und einer "Verminderung der Verwaltungsarbeit", weniger die damit gegebenen Möglichkeiten zur vertieften Prüfungss. Tatsächlich aber hat sich mit dem Prinzip der örtlichen Erhebungen der Charakter der Prüfung gewandelt. Der Prüfer ist nicht länger auf die Erkenntnisse beschränkt, die sich aus der Durchsicht der Belege ergeben, sondern kann sich durch örtliche Anschauung "ein Urteil über die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Verwaltungsmaßnahmen" bilden56. An die Stelle langwierigen Schriftwechsels zur Aufklärung von Sachverhalten tritt die Möglichkeit unmittelbarer und eingehender mündlicher Befragungen an Ort und Stelle. Auf diese Weise wird die Prüfung sowohl beschleunigt als auch vertieft. Darüber hinaus kann der Prüfer vielfältige Anregungen über prüfungswürdige Sachverhalte und Themen mit nach Hause nehmen. Eine moderne Finanzkontrolle ist ohne die Möglichkeit örtlicher Erhebungen nicht mehr denkbar.
IV. 1969: Haushaltsrechtsreform Bis zum Ende der 60er Jahre bestimmten die Reichshaushaltsordnung und die zu ihr ergangenen Ausführungsbestimmungen das Haushaltswesen und die Finanzkontrolle im Bund und in den Ländern. Wesentliche neue Impulse brachte die Haushaltsrechtsreform von 1969. Sie statuierte für Bund und Länder durch die rahmenrechtlichen Regelungen des Haushaltsgrundsätzegesetzess7 die Lückenlosigkeit der Finanzkontrolle, löste die Prüfung aus ihrer starren Bindung an die Rechnung und übertrug der Finanzkontrolle die Beratung von Parlament und Regierung als eigenständige Aufgabe. Dem Bundesrechnungshof und nach und nach auch den Rechnungshöfen der Länder wurde der unmittelbare Zugang zum Parlament eröffnet. 53 Saemisch, Die Kontrolle, S. 45. Das Recht zu örtlichen Erhebungen wurde im Laufe der Zeit auch auf Stellen außerhalb der Reichs- bzw. Bundesverwaltung ausgedehnt, die Zuwendungen erhalten oder Bundesmittel verwalten (vgl. heute § 91 BHO). Es kann ferner unter bestimmten Voraussetzungen auch bei Unternehmen mit bedeutsamer Bundesbeteiligung in der Satzung beschlossen werden (vgl. § 113 Abs. 3 RHO, jetzt§§ 54 HGrG und 67,68 BHO). 54 § 98 RHO. 55 Denkschrift zu den Reichshaushaltsrechnungen 1920, 1921, 1922 und 1923, S. 5. 56 Denkschrift zur Reichshaushaltsrechnung 1926, S. 23; vgl. auch Schulze-Wagner, § 90 Anm. 2. 57 Diese gelten allerdings nicht für die kommunale Rechnungsprüfung.
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1. Lückenlosigkeit der FinanzkontroUe
Traditionell fand die Rechnungsprüfung dort ihre Grenze, wo die Verwaltung die Geheimhaltungsbedürftigkeit bestimmter Ausgabenss geltend machte. So bestimmte das Preußische Oberrechnungskammergesetz von 1872, daß die Rechnungen über die Fonds zu allgemeinen politischen Zwecken im Haushalt für das Büro des Staatsministeriums sowie zu geheimen Ausgaben im Interesse der Polizei im Haushalt des Innenministeriums von der Revision ausgenommen waren59. Nach der Reichshaushaltsordnung von 1922 waren ebenfalls verschiedene Bereiche der Prüfung durch den Rechnungshof entzogen: Nach § 89 RHO konnte im Haushaltsplan angeordnet werden, daß Haushaltsmittel mit Rücksicht auf ihren Verwendungszweck nicht der Prüfung durch den Rechnungshof unterlagen. Hiervon wurde für Bewilligungen zugunsten des Reichskanzlers, des Reichswehrministers und des Auswärtigen Amtes Gebrauch gemacht60. Auch in der Bundesrepublik Deutschland war die Prüfung durch den Bundesrechnungshof zunächst in verschiedenen Fällen ausgeschlossen: Der Geheimfonds des Auswärtigen Amtes, der Fonds für lnund Auslandsinformationen und der allgemeine Verfügungsfonds des Bundeskanzlers unterlagen nicht der Prüfung durch den Bundesrechnungshof6t. Noch der Regierungsentwurf eines Haushaltsgrundsätzegesetzes von 196962 knüpfte an diese Geheimhaltungstradition an und sah in § 40 Abs. 4 die Möglichkeit vor, daß die Prüfung bei Ausgaben unterbleibt, für die "mit Rücksicht auf ihren Verwendungszweck" durch Haushaltsvermerk auf Rechnungslegung im einzelnen verzichtet ist. Der Gesetz- und Verfassungsgeber entschied jedoch anders: Er legte mit der Neufassung des Art. 114 des Grundgesetzes die Lückenlosigkeit der Finanzkontrolle im Bereich der unmittelbaren Bundesverwaltung als verfassungsrechtliches Gebot fest63. Seitdem ist "die Zulassung prüfungsfreier Räume nicht mehr statthaft"64. Vielmehr unterliegt die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes und der Länder einschließlich der Sondervermögen und Betriebe der Prüfung durch den Rechnungshof65. Allerdings gilt der verfassungsrechtliche Grundsatz der Lückenlosigkeit der Finanzkontrolle nicht für die mittelbare Staatsverwaltung, bei der auch heute noch wesentliche Bereiche nicht der externen Finanzkontrolle 58 Zur Prüfung geheimer Ausgaben eingehend Wittrock, Über die Kontrolle geheimer Ausgaben, in: Die Verwaltung (21) 1988, S. 277 ff.; ferner Heinig, S. 554 ff. 59 § 9 Abs. 3 ORKG. 60 Vgl. Schulze-Wagner, § 89 Anm. 2. 61 Vgl. F.K. Vialon, Haushaltsrecht, 2. Aufl., Berlin I Frankfurt a.M. 1959, § 89 RH0Anm.2. 62 Bundestags-Drucksache V/4379. 63 Heuer, in: HdbFK, Art. 114 GG Rn. 78; Stern, S. 429. 64 So Bericht des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, zu Drucksachen V/4378, V/4379, S. 7. 65 Vgl. § 88 Abs. 1 BHO/LHO.
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unterliegen (z. B. die Träger der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung)66. Dem Geheimhaltungsinteresse der Verwaltung trägt die Bundeshaushaltsordnung dadurch Rechnung, daß bei geheimhaltungsbedürftigen Ausgaben der Kreis der beteiligten Entscheidungsträger und Prüfungsbeamten enger festgelegt werden kann. So entfällt bei den Ausgaben für die Nachrichtendienste die Zuständigkeit der Senate und des Großen Senats des Bundesrechnungshofes67. Bei den geheimen Ausgaben des Auswärtigen Amtes6B und dem allgemeinen Verfügungsfonds des Bundeskanzlers69 ist durch Haushaltsvermerk bestimmt, daß die Prüfung des Bundesrechnungshofes allein durch dessen Präsidenten vorgenommen wird7o. Der Sicherung einer lückenlosen Prüfungsmöglichkeit diente schließlich die Beseitigung bisheriger Beschränkungen hinsichtlich der Einsicht in Akten der Ministerien, die nach § 98 RHO nur mit Zustimmung des zuständigen Ministers zulässig war. Der Rechnungshof kann nach § 95 BHO Einsicht in alle Unterlagen nehmen und alle Auskünfte verlangen, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält. Nur er allein also bestimmt hierüber nach seinem pflichtgemäßen Ermessen. 2. Rechnungsunabhängige Prüfung
Noch nach der Reichshaushaltsordnung von 1922 knüpfte die Prüfung stets an die Rechnungen und die dazugehörigen Unterlagen an. Dies bedeutete eine doppelte Beschränkung der Finanzkontrolle: Zeitlich, weil die Prüfung erst einsetzen konnte, wenn Rechnung gelegt war; sachlich, weil Ausgangspunkt der Prüfung und damit auch der Betrachtungsweise des Prüfers stets die Rechnung war. Der im Rahmen der Haushaltsrechtsreform neu gefaßte Art. 114 GG unterwarf die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes der Prüfung durch den Bundesrechnungshof und bewirkte damit eine bahnbrechende Neuerung. Der Rechnungshof kann nunmehr- unabhängig von den in der Rechnung nachgewiesenen Ausgaben - alle finanzrelevanten Entscheidungen und Maßnahmen seiner Prüfung unterziehen. Nicht mehr die einzelne Aus66 Vgl. Zavelberg, Von der Rechnungsprüfung zur Finanzkontrolle, in: H. H. von Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, Berlin 1989. 67 § 10a BHO i.V.m. § 19 Satz 1 Nr. 1 BRHG. 68 Kap. 0502 Tit. 52902 des Bundeshaushalts 1989. 69 Kap. 0401 Tit. 52904 des Bundeshaushalts 1989. 70 § lOa Abs. 1 BHO i.V.m. § 19 Satz 1 Nr. 2 BRHG. Bis 1969 unterlagen auch die Jahresrechnungen des Bundesnachrichtendienstes (BND), des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) und des Verfassungsschutzes nur der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes (vgl. z. B. Haushaltsvermerk zu Kap. 1401 Tit. 302 des Bundeshaushalts 1960).
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gabe, sondern die hinter ihr stehende Maßnahme wird zum Gegenstand der Prüfung. Neue Prüfungsfelder, die sich nicht auf einzelne Haushaltstitel und einzelne Positionen in der Haushaltsrechnung zurückführen lassen, sind damit der Finanzkontrolle eröffnet, so Organisations- und Personalwirtschaftsuntersuchungen sowie Erfolgskontrollenn. Hinzu kommt ein nicht zu unterschätzender Gewinn an Zeitnähe der Prüfungsergebnisse. Denn der Rechnungshof braucht nun nicht mehr abzuwarten, bis die Rechnung gelegt ist. Eine vorgängige Prüfung von beabsichtigten Zahlungen (sog. Visa-Kontrolle) ist zwar dem deutschen Finanzkontrollsystem fremd, da sie die Grenze der Verantwortlichkeit von Verwaltung und Rechnungshof verwischen und die Kritikfähigkeit des Rechnungshofs beeinträchtigen könnte. Der Rechnungshof ist aber befugt, Entscheidungen, die sich finanziell auswirken können, zu prüfen, noch ehe sie zu einer Ausgabe geführt haben. Diese sogenannte Maßnahmenprüfung72 erlaubt es z. B., Planungsentscheidungen der Verwaltung der Prüfung zu unterziehen, so daß dabei erkannte Mängel noch bei der Ausführung des Vorhabens berücksichtigt werden können. So hat beispielsweise der Bundesminister der Verteidigung aufgrund von Feststellungen des Bundesrechnungshofes die ursprünglichen Planungen für den Ausbau eines Bundeswehrkrankenhauses geändert und dadurch mehr als ein Drittel der ursprünglich geschätzten Kosten einsparen können73. Mit der Prüfung der gesamten Haushalts- und Wirtschaftsführung wurde der entscheidende Schritt von der Rechnungsprüfung zu einer umfassenden Finanzkontrolle getan. 3. Der Rechnungshof als Berater
Durch die Haushaltsrechtsreform von 1969 wurde die Beratung von Parlament und Regierung als eigenständige Aufgabe der Finanzkontrolle gesetzlich verankert14. Die beratende Tätigkeit des Rechnungshofs nahm ihren - bescheidenen Anfang bereits in der Weimarer Republik. Nach § 101 RHO hatte sich der Rechnungshof - seit der II. Novelle der RHO von 1933 der Präsident des Rechnungshofs - auf Ansuchen der Reichsminister oder des Reichstags über n Zum Thema "Erfolgskontrolle" s. Zavelberg, Staatliche Rechnungsprüfung und Erfolgskontrolle- Möglichkeiten und Grenzen, in: Eichhorn I v. Kortzfleisch, Erfolgskontrolle bei der Verausgabung öffentlicher Mittel, Baden-Baden 1986, S. 103 ff. n § 89 Abs. 1 Nr. 2 BHO/LHO; vgl. Heuer, in: HdbFK, Art. 114 GG Rn. 74 und § 89 BHO Rn. 3, 4. 73 Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1986 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung (Bundestags-Drucksache 10/6138), Nr. 78.17. 74 § 88 Abs. 2 BHO/LHO. Zum Thema "Beratung" vgl. auch K. Wittrock, Der Rechnungshof als Berater, DÖV 1989, S. 346ff.
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Fragen gutachtlich zu äußern, "deren Beantwortung für die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel durch die Behörden von Bedeutung" war. Diese gutachtliche Tätigkeit war jedoch mit zwei wesentlichen Einschränkungen verbunden: Zum einen konnte der Rechnungshof nicht auf eigene Initiative beratend tätig werden, sondern bedurfte eines Ersuchens durch Exekutive oder Legislative. Zum anderen beschränkte sich die gutachtliche Tätigkeit auf die Beurteilung vornehmlich haushaltsrechtlicher Fragen; es handelte sich dabei wohl zumeist um die Auslegung haushaltsrechtlicher Vorschriften7s. Eine allgemein gutachtliche Tätigkeit im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsund Wirtschaftsführung insgesamt wurde damit nicht begründet76, Eine generelle Beteiligung des Rechnungshofs an den vorbereitenden Arbeiten für die Aufstellung des Reichshaushalts kannte die Reichshaushaltsordnung nicht77. Die Prüfungserkenntnisse des Rechnungshofs konnten somit nicht für die Haushaltsaufstellung nutzbar gemacht werden. Auch die durch die II. RHO-Novelle eingefügte Vorschrift des § 19 Abs. 2 RHO änderte hieran nichts; danach sollte der Reichsfinanzminister bei der Aufstellung des Haushaltsplans ihm geeignet erscheinende Unterlagen dem Präsidenten des Rechnungshofs übersenden; dieser konnte "aufgrund der bei der Rechnungsprüfung gemachten Wahrnehmungen" hierzu Stellung nehmen. Der Reichsfinanzminister sah jedoch auch weiterhin keinen Anlaß, dem Rechnungshof die Haushaltsvoranschläge der Ressorts zu übersenden oder ihn an den Haushaltsberatungen zu beteiligen7B. Die heute im Bundesbereich übliche Beteiligung des Bundesrechnungshofes an der Aufstellung des Bundeshaushalts hat ihren Ursprung also nicht in den Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung, sie geht vielmehr auf die Tätigkeit des Präsidenten des Rechnungshofs als Reichssparkommissar zurück. Nach den Richtlinien über die Tätigkeit des Reichssparkommissars79 hatte das Reichsfinanzministerium den Reichssparkommissar bei der Aufstellung der Haushaltsvoranschläge zuzuziehenso. In dieser Eigenschaft erhielt der Präsident des Rechnungshofs des Deutschen Reichs sämtliche Anmeldungen der Ressorts zum Reichshaushaltsplan. Er prüfte diese Unterlagen und beteiligte sich durch die Referenten seines Berliner Büros - also nicht durch Mitglieder des in Potsdam ansässigen Reichsrechnungshofs - an den sogenannten Haushaltsbesprechungen zwischen dem Reichsfinanzminister und den Ressortsst. Schulze-Wagner, § 101 Anm. 1; Saemisch, Die Kontrolle, S. 84. A. Fuchs, Wesen und Wirken der Kontrolle, Tübingen 1966, S. 75. 77 Saemisch, Die Kontrolle, S. 86, Dommach, S. 20 ff. 78 Fuchs, S. 81. 79 Bekanntmachung des Reichsministers der Finanzen vom 4. 5. 1927 (RMinBI. s. 141). so Nr. I. 2 der Richtlinien. 81 Schulze-Wagner, § 19 Anm. 8; Fuchs, S. 81. 75
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Auch zu den parlamentarischensz Beratungen des Haushaltsentwurfs wurden der Reichssparkommissar und seine Mitarbeiter hinzugezogens3. In Anknüpfung an die Tradition der Weimarer Republik nahm der Präsident des Bundesrechnungshofes in seiner Eigenschaft als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung - und in seiner Vertretung Angehörige der Präsidialabteilung des Bundesrechnungshofes- an den Ressortverhandlungen und parlamentarischen Beratungen des jeweiligen Haushaltsentwurfs beratend teil. Dagegen war der Bundesrechnungshof als solcher zunächst in die Haushaltsberatungen nicht eingeschaltet und erhielt nicht die Haushaltsvoranschläge der Ressorts. Erst als der Präsident des Bundesrechnungshofes dazu überging, gestützt auf § 125 Abs. 3 RHO auch Mitglieder der Prüfungsabteilungen des Bundesrechnungshofes als Vertreter des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung zu den Haushaltsberatungen zu entsenden84, verlor die strikte Trennung zwischen dem Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung und dem Bundesrechnungshof allmählich an Bedeutung. Die Beteiligung von Mitgliedern des Bundesrechnungshofes bei den Haushaltsberatungen führte dazu, daß nicht nur die Ergebnisse der Gutachtertätigkeit des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, sondern auch die Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofes bei den Haushaltsberatungen nutzbar gemacht werden konnten. Die Bundeshaushaltsordnung sicherte diese Praxis gesetzlich ab, indem sie die Beratungsaufgabe des Bundesrechnungshofes in § 88 Abs. 2 ausdrücklich festlegte und die Ressorts verpflichtete, die Haushaltsvoranschläge "auch dem Bundesrechnungshof"B5 mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zu übersenden. Seitdem die Bundeshaushaltsordnung dem Bundesrechnungshof die Beratung als eigenständige Aufgabe übertragen hat, hat diese Funktion beim Bund an Intensität und Umfang kontinuierlich zugenommen. Die Nutzung von Prüfungserkenntnissen zur Beratung der Entscheidungsträger in Parlament und Regierung ist konsequente Folge einer zeitnahen und in erster Linie auf Wirtschaftlichkeit ausgerichteten Prüfung. Die wichtigste Gelegenheit, Prüfungserfahrungen beratend einzubringen, ist die jährliche Aufstellung der Haushaltspläne. Der Bundesrechnungshof sitzt bei den Verhandlungen des Bundesfinanzministers mit den Ressorts über die Haushaltsvoranschläge mit am Tisch und kann sich jederzeit zu Wort melden. Das gleiche gilt für die Beratungen des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, vor allem für die sog. BerichterstattergesprächeB6. Der 82 Zum Verhältnis des Reichssparkommissars zu den gesetzgebenden Körperschaften s. Saemisch, Der Reichssparkommissar und seine Aufgaben, Berlin 1930, S. 24 ff. 83 Dommach, S. 22; vgl. Nr. 1.3 der Richtlinien. 84 Fuchs, S. 82. 85 § 27 Abs. 2 BHO.
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Haushaltsausschuß erörtert nämlich nicht selbst jeden Titel des Bundeshaushalts im einzelnen, sondern benennt für jeden Bereich des Bundeshaushalts (in der Regel den Einzelplan eines Ressorts) mehrere Ausschußmitglieder als (Haupt-)Berichterstatter und Mitberichterstatter, um die Ausschußentscheidungen im Detail vorzubereiten. Dabei sind grundsätzlich alle Fraktionen vertreten. Die Berichterstatter beraten in den Berichterstattergesprächen den Regierungsentwurf des Haushalts mit der Leitung des betroffenen Ressorts und den zuständigen Vertretern des Bundesfinanzministers und des Bundesrechnungshofes kapitel-und titelweise. Als Ergebnis der Gespräche schlagen sie gegebenenfalls Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf vor, die als Berichterstattervorschläge die Grundlage für die Beratungen im Haushaltsausschuß bilden und von diesem in aller Regel ohne Diskussion übernommen werdens7. Zu einer Erörterung im Haushaltsausschuß kommt es regelmäßig nur dann, wenn die Berichterstatter über eine Frage kein Einvernehmen erzielen konnten oder wenn eine Frage wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung vom Haushaltsausschuß behandelt werden soll. Erkenntnisse aus Prüfungen des Bundesrechnungshofes können auf diese Weise unmittelbar bei der Aufstellung des neuen Haushalts umgesetzt werden, ohne das Entlastungsverfahren abwarten zu müssenss. Zu der Beratung im Haushaltsaufstellungsverfahren tritt mit zunehmender Tendenz die Beratung bei wichtigen Gesetzgebungsvorhaben und bei finanziell bedeutsamen Einzelmaßnahmen (z. B. Bericht an den Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages zum Rüstungsvorhaben Jagdflugzeug 90)89. Einen Überblick über die Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes vermittelt seit dem Jahre 1984 ein besonderer Abschnitt der Bemerkungen. Entsprechendes gilt für die Beratungstätigkeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung90.
86 Hierzu ausführlich J. Gerster, Der Berichterstatter im parlamentarischen Haushaltsverfahren, Regensburg 1984. 87 Gerster, S. 17 ff. ss So hat der Bundesrechnungshof bei den Verhandlungen des Haushaltsvoranschlags 1986 des Bundesministers der Verteidigung darauf hingewiesen, daß die Zahnbehandlungen in bundeswehreigenen Einrichtungen wesentlich erhöht werden könnten. Der Ausgabenansatz bei dem Titel "Zahnärztliche Behandlungen durch zivile Zahnärzte" wurde daraufhin im Haushaltsentwurf 1986 um 5 Mio DM reduziert (vgl. Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1985 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung, Bundestags-Drucksache 10/4367, Nr. 1.6). 89 Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1988 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung (Bundestags-Drucksache 11/3056), Nr. 65.4. 90 Z. B. gutachtliche Stellungnahme des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung an den Bundesminister für Verkehr über Einsparungsmöglichkeiten beim Bau der Neu- und Ausbaustrecken der Deutschen Bundesbahn (vgl. Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1985 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung Nr. 2.1).
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4. Unmittelbarer Zugang zum Parlament
Die Haushaltsrechtsreform von 1969 sicherte dem Bundesrechnungshof, worum Preußisches Abgeordnetenhaus und Reichstag mehr als ein halbes Jahrhundert lang vergeblich gekämpft hatten: den unmittelbaren Zugang zum Parlament. Es ist bemerkenswert, daß bereits die Preußische oktroyierte Verfassung von 1848 vorsah, daß die allgerneine Rechnung über den Staatshaushalt von der Oberrechnungskammer den Kammern des Landtages vorgelegt werde91. In der revidierten Verfassung von 1850 wurde das direkte Vorlagerecht der Oberrechnungskammer wieder beseitigt; nunmehr sollte die allgerneine Rechnung über den Staatshaushalt mit den Bemerkungen der Oberrechnungskammer den Kammern des Landtages vorgelegt werden92. Es gelang dem Parlament weder bei den Beratungen über das Preußische Oberrechnungskammergesetz von 1872 noch bei den gescheiterten Beratungen über den Entwurf eines Reichsrechnungshofgesetzes, einen unmittelbaren Zugang zu den Prüfungserkenntnissen der Oberrechnungskammer und des Reichsrechnungshofs zu erreichen. Die Reichshaushaltsordnung von 1922 räumte zwar dem Reichstag die Möglichkeit ein, den Rechnungshof um gutachtliche Äußerungen zu ersuchen, beließ es aber im übrigen bei dem Rechtszustand, daß die Bemerkungen des Rechnungshofs über den Reichsfinanzminister dem Parlament übermittelt wurden93. Bis zum lokrafttreten der Bundeshaushaltsordnung arn 1. Januar 1970 blieb daher dem Rechnungshof versagt, was bereits die Verfassung von 1848 vorgesehen hatte, nämlich den Bericht über seine Prüfungsergebnisse unmittelbar dem Parlament vorzulegen. Wie kontrovers diese Frage auch bei den Beratungen zur Haushaltsrechtsreform des Jahres 1969 noch war, zeigt sich daran, daß zwar für den Bund in Art. 114 Abs. 2 GG und in § 97 Abs. 1 BHO die unmittelbare Berichtspflicht gegenüber Bundestag und Bundesrat ausdrücklich festgeschrieben, in § 46 Abs. 1 HGrG aber insoweit auf eine Festlegung auch für die Länder verzichtet wurde. Allerdings haben inzwischen alle Bundesländer (als letztes auch Hessen durch das Gesetz über den Hessischen Rechnungshof vorn 18. Juli 1986)94 die direkte Zuleitung der Bemerkungen an das Parlament eingeführt. Im Rückblick läßt sich sagen, daß das mit der direkten Zuleitung verfolgte Ziel, den Rechnungshof näher an das Parlament heranzuführen95, im Bund Art. 103. Art. 104; vgl. von Pfuhlstein, S. 51. 93 Nach§ 108 Abs. 1 RHO hatte der Rechnungshof seine Bemerkungen dem Reichsminister der Finanzen zu übermitteln. Dieser legte sie dem Reichsrat und dem Reichstag mit dem Antrag auf Entlastung vor. 94 GVBI. I S. 157 (§ 18 Nr. 1). 95 So der Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zum Entwurf des Finanzreformgesetzes, zu Drucksache V/3605, S. 13. 91
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zweifellos erreicht worden ist. Die unmittelbare Berichterstattung an das Parlament gibt dem Rechnungshof im übrigen zeitgleich die Möglichkeit, seine Berichte über die Medien der Öffentlichkeit vorzustellen96, was die Durchsetzung seiner Anregungen zweifelsfrei erleichtert97. Neben der jährlichen Berichterstattung im Rahmen der "Bemerkungen" schuf die Bundeshaushaltsordnung für den Rechnungshof zusätzlich die Möglichkeit, sich jederzeit an Parlament und Regierung zu wenden, um sie über "Angelegenheiten von besonderer Bedeutung" zu unterrichten. Angelegenheiten, die dringlich sind oder deren Bedeutung über das Entlastungsverfahren hinausreicht, können daher jederzeit dem Parlament zur Kenntnis gebracht werden. In der Praxis ist die Bedeutung dieser sogenannten Sonderberichte nach§ 99 BHO allerdings begrenzt98. Hierfür mag das aufwendigere Verfahren innerhalb des Bundesrechnungshofes-§ 14 Abs. 1 Nr. 2 BRHG sieht zwingend die Entscheidung des Großen Senats über Berichte nach § 99 BHO vor -, aber auch innerhalb des Deutschen Bundestages - die Berichte müssen grundsätzlich zunächst als Bundestagsdrucksachen gedruckt und an die Mitglieder des Bundestages, des Bundesrates und an die Bundesministerien verteilt99 und an den zuständigen Ausschuß überwiesen werden - mitursächlich sein. Eine umfangreiche Berichtstätigkeit gegenüber dem Parlament hat sich dagegen gestützt auf § 88 Abs. 2 BHO entwickelt; danach kann der Bundesrechnungshof aufgrund von Prüfungserfahrungen Parlament und Regierung beraten. Eine Vielzahl von Berichten des Bundesrechnungshofes wird dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages, seinem Rechnungsprüfungsausschuß, in Einzelfällen auch dem jeweils zuständigen Fachausschuß als Beratung nach § 88 Abs. 2 BHO zugeleitet. Die Entscheidung über solche Berichte wird in aller Regel vom zuständigen Kollegium des Bundesrechnungshofes getroffenHKJ; eine zeitaufwendige Beratung und Beschlußfassung im Großen Senat des Bundesrechnungshofes ist nicht erforderlich. Da die Berichte nicht als Bundestagsdrucksachen erstellt Zu den Gründen s. H. G. Zavelberg, in: Bulletin 1985, S. 1201. Zum Thema "Finanzkontrolle und Öffentlichkeit" s. H. G. Zavelberg, International Journal of Government Auditing, April1989, S. 1. 98 Beispiele aus der Tätigkeit des Bundesrechnungshofes sind der "Bericht des Bundesrechnunghofes gemäß § 99 BHO über häufige und wiederkehrende 'Mängel bei der Vorbereitung und Durchführung von Bauaufgaben des Bundes im fachlichen Zuständigkeitsbereich der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sowie der Verteidigung" vom 18. 9. 1985 (Bundestags-Drucksache 10/3847) und der "Bericht des Bundesrechnungshofes gemäߧ 99 BHO über Risiken für den Bundeshaushalt aufgrund neuerer Entwicklungen beim Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes" vom 2. 9. 1988 (Bundestags-Drucksache 11/2858). 99 § 77 Abs. 1 GeschO BT. 100 A. Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Kommentar, Stuttgart, Berlin, Köln, 1969 ff., § 88 BHO Rn. 5. 96 97
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werden müssen, sondern vom Bundesrechnungshof von vornherein in der für die Ausschußberatung erforderlichen Anzahl zugeleitet werden, ergibt sich aus technischen Gründen eine weitere Zeitersparnis. Die Berichte können unmittelbar nach Zugang vom zuständigen Ausschuß beraten werden. Da die Ausschüsse des Bundestages regelmäßig hinter verschlossenen Türen tagen, kann der Bundesrechnungshof in diese Berichte auch Informationen aufnehmen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. In der Praxis hat sich die Beratung nach § 88 Abs. 2 BHO zu einem flexiblen "Allzweck-Instrument" zur Unterrichtung des Parlaments entwickelt. Dieses Verfahren ist nicht bedenkenfrei. Denn die auf § 88 Abs. 2 BHO gestützten Berichte enthalten keineswegs nur Informationen, die als Beratung des Parlaments bei anstehenden finanzpolitischen EntscheidungenJOt zu werten sind; sie beschränken sich teilweise auf die bloße Unterrichtung des Parlaments über wesentliche Prüfungserkenntnisse, ohne daß eine konkrete Entscheidung des Parlaments über haushalts- oder sonst finanzwirksame Gesetze oder andere Tatbestände ansteht, für die ein Beratungsbedarf gegeben wäretoz. Im Gegensatz zu den Bemerkungen und zu Sonderberichten nach § 99 BHO informiert der Rechnungshof die Öffentlichkeit grundsätzlich nicht über den Inhalt von Berichten nach§ 88 Abs. 2 BHO, obwohl in vielen Fällen ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit kaum bestritten werden kann. Auf der anderen Seite ist es (in der letzten Zeit zunehmend) wiederholt durch Indiskretionen zu einer "de facto-Öffentlichkeit" der Berichte gekommen, ohne daß der Bundesrechnungshof sich befugt sah, selbst auf die Art und Weise der Bekanntgabe Einfluß zu nehmen oder Falschinformationen und unzutreffende Wertungen in den Medien richtigzustellen. Diese Praxis ist zu überdenken. Schließlich wird nach ständiger Praxis der Begriff "Bundestag" in § 88 Abs. 2 BHO für die Beratung anders ausgelegt als in §§ 97, 99 BHO für die Berichterstattung. Die Berichte nach §§ 97, 99 BHO werden dem Präsidenten und damit allen Mitgliedern des Bundestages zugeleitet. Die Beratung nach § 88 Abs. 2 BHO erfolgt in aller Regel nicht gegenüber dem Bundestag als Ganzem, sondern gegenüber den mit der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes und deren Kontrolle betrauten Gremien des Bundestages, insbesondere gegenüber Haushalts- und Rechnungsprüfungsausschuß und deren Berichterstattern für die jeweiligen Einzelplänet03. Berichte im Rahmen der "Beratung" gehen Vgl. Heuer, in: HdbFK, § 88 BHO Rn. 16; Piduch, § 88 BHO Rn. 5. Die bloße Begutachtung vergangener Tatbestände ohne unmittelbare Auswirkungen auf die Zukunft ist Prüfung; so Heuer, in: HdbFK, § 88 BHO Rn. 16. 103 Heuer, in: HdbFK, § 88 BHO Rn. 19, meint, daß die Beratung des Deutschen Bundestages sich in der Beratung im wesentlichen des Haushaltsausschusses, dessen Unterausschüssen und der Berichterstatter "konkretisiert". 101
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daher nicht ohne weiteres allen Mitgliedern und Ausschüssen des Bundestages zu, sind insoweit - anders als die Berichte nach §§ 97, 99 BHO - auch nicht parlamentsöffentlich. Ungeachtet der Frage, welche Form des Berichts im Einzelfall das geeignete Instrument ist, macht der Umfang der Berichtstätigkeit des Bundesrechnungshofes deutlich, daß seine traditionelle Funktion als "Helfer bei der Budgetkontrolle" nur noch eine seiner Aufgaben ist. Daneben fällt ihm mehr und mehr die Aufgabe zu, den Gesetzgeber über finanzwirksame Tatbestände als Grundlage für künftige gesetzgeberische Entscheidungen zu informieren104, Der Wunsch, dem Informationsbedarf des Gesetzgebers Rechnung zu tragen, hat sich auch auf Art und Inhalt der Bemerkungen ausgewirkt, die sich nicht länger auf die Darstellung von Mängeln in einem bestimmten, zur Entlastung anstehenden Haushaltsjahr beschränken, sondern möglichst zeitnah über finanzwirksame Tatbestände innerhalb und außerhalb des Haushalts informieren105. Der geänderte zeitliche und inhaltliche Bezug kommt seit 1983 in der geänderten Überschrift der Bemerkungen zum Ausdruck, die nicht länger als "Bemerkungen zur Bundeshaushaltsrechnung" für ein bestimmtes, in der Regel zwei Jahre zurückliegendes Haushaltsjahr bezeichnet werden, sondern als "Bemerkungen ... zur Haushalts- und Wirtschaftsführung" nach dem Jahr ihrer Vorlage unterschieden werden106, Diesem Beispiel sind auch eine Reihe von Landesrechnungshöfen gefolgt. V. 1985: Bundesrechnungshofgesetz
Mit dem Gesetz über den Bundesrechnungshof vom 11. Juli 1985107 hat die institutionelle Entwicklung des Bundesrechnungshofes ihren vorläufigen Abschluß gefunden. Die institutionellen Fragen der Finanzkontrolle waren nämlich bei der Haushaltsrechtsreform des Jahres 1969 ausgeklammert worden, nachdem ein geplantes Organisationsgesetz über den Bundesrechnungshof gescheitert warlos; dabei dürften neben den "noch nicht bis ins letzte" 104
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Piduch, § 105 BHO Rn. 2 sowie § 112 BHO Rn. 2.
z. B. betreffen die dem Bundestag im Oktober 1988 zugeleiteten Bemerkungen
des Bundesrechnungshofes 1988 in etwa 3!4 aller Fälle Sachverhalte, bei denen festgestellte Mängel mit Wirkung für die Zukunft behoben werden können. Dagegen wurden die Denkschriften und Bemerkungen des Reichsrechnungshofs jahrelang mit erheblicher zeitlicher Verzögerung vorgelegt (z. B. Denkschrift zu den Budgetjahren 1920 23 im Mai 1927), was der politischen Kontrolle des Haushalts geradezu entgegenwirkte; vgl. Heinig, Bd. 1, S. 522 ff. sowie Tabelle S. 506. 106 Vgl. K. Wittrock, in: Bulletin 1983, S. 1170. 107 BGBI. I, S. 1445. Zur Vorgeschichte s. Eickenboom I Heuer, Das neue Bundesrechnungshofgesetz, in: DÖV 1985, S. 997 ff.; K. Wittrock, Auf dem Weg zu einem neuen Bundesrechnungshofgesetz, in: DÖV 1984, S. 649 ff.
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durchdachten Fragen der künftigen rechtlichen Stellung des Bundesrechnungshofes (insbesondere Wahl des Präsidenten und Vizepräsidenten durch das Parlament) 109 auch unterschiedliche Auffassungen über die Frage, ob die innere Verfassung des Bundesrechnungshofes künftig stärker präsidial oder kollegial geprägt sein sollte, eine wichtige Rolle gespielt haben. Die Bestimmungen des Abschnitts V ("Der Rechnungshof") der Reichshaushaltsordnung und ein Teil der Bestimmungen des Bundesrechnungshofgesetzes von 1950 galten deshalb zunächst weiterno. Das Bundesrechnungshofgesetz bezeichnet den Bundesrechnungshof ausdrücklich als unabhängiges Organ der Finanzkontrollen!. Hatte lange Zeit die Exekutive der Legislative das Recht bestritten, in unmittelbaren Kontakt zum Rechnungshof zu treten, so wird jetzt die Unterstützung des Parlaments an erster Stelle der gesetzlichen Aufgaben des Bundesrechnungshofes genanntll2. Zwar wird damit kein rechtlicher Vorrangm des Parlaments begründet, vielmehr steht der Rechnungshof in einem gleichrangigen Verhältnis zum Bundestag, Bundesrat und zur Bundesregierung. In der Praxis haben aber die Prüfungsanregungen und -bitten des Gesetzgebers, insbesondere des Haushaltsausschusses, besondere Bedeutungll4 und werden "soweit wie möglich vorrangig berücksichtigt"ll5. Auch ohne die im Deutschen Bundestag zunächst angestrebte, aber aus verfassungsrechtlichen Gründen verworfene Möglichkeit, den Bundesrechnungshof zur Durchführung von Prüfungen zu verpflichten, dürfte die jetzt gefundene Lösung dem Informations- und Unterstützungsbedarf des Parlaments hinreichend Rechnung tragen. Die Gleichrangigkeit des Verhältnisses von Bundesrechnungshof zu Bundestag/Bundesrat und Bundesregierung kommt auch in dem Verfahren bei der Bestellung des Präsidenten und Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes zum Ausdruck. Während in der Vergangenheit das Parlament rechtlich keinen Einfluß auf ihre Bestellung hatte, die Entscheidung allein der Exekutive vorbehalten war, macht das Bundesrechnungshofgesetz ihre Ernennung von einem einvernehmlichen Zusammenwirken zwischen Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat abhängig. Das Erfordernis der geheimen Wahl durch 108 Vgl. Bericht des Haushaltsausschusses, zu Bundestags-Drucksache V/4378/4379, Er!. zu § 116 BHO. 109 Vgl. Plenarprotokoll der 243. Sitzung vom 26. 6. 1969, S. 13511 (C). 11o § 119 Abs. 2 Nr. 1 und 4 BHO sowie§ 24 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BRHG. l11 § 1 Satz 1 BRHG. Der Begriff "Finanzkontrolle" findet sich schon bei Saemisch, Die Kontrolle, S. 52. m § 1 Satz 2 BRHG. 113 Eickenboom I Heuer, S. 998, sprechen von "einem faktischen Vorrang des Parlaments". 114 Zavelberg, in: Bulletin 1986, S. 3839. 115 Diese Erwartung hatte der Haushaltsausschuß in seinem schriftlichen Bericht zu dem Entwurf eines BRHG ausgesprochen; s. Bundestags-Drucksache 10/3510, S. 5.
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die Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages (sog. Kanzlermehrheit) und der Wahl durch den Bundesrat (mit einer möglicherweise anderen parteipolitischen Mehrheit als der Bundestag) dürfte sicherstellen, daß sich Präsident und Vizepräsident des Bundesrechnungshofes auf eine breite parlamentarische Vertrauensbasis stützen könnenll6. Der gefundene Kompromiß, wonach Bundestag und Bundesrat auf Vorschlag der Bundesregierung den Präsidenten und den Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes wählen, stellt klar, daß der Bundesrechnungshof weder Teil der Exekutive noch Hilfsorgan des Parlaments ist, sondern als unabhängiges Organ der Finanzkontrolle bei seiner Aufgabenerfüllung zwischen den Verfassungsorganen steht.
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Vgl. Heuer, in: HdbFK, Vorbem. zum BRHG.
Der Reichsrechnungshof während der Amtszeit seines Präsidenten Saemisch (1922 bis 1938) Von Hermann A. Dommach Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Der Übergang vorn Kaiserreich zur Weimarer Republik (1919 bis 1922) 111. Der Präsidentenwechsel im Reichsrechnungshof und bei der Preußischen Oberrechnungskammer (1922) IV. Die Kodifizierung des Haushalts- und Kontrollwesens in der Reichshaushaltsordnung (1922) V. Die Annäherung des Reichsrechnungshofs an die Verwaltung VI. Der Reichssparkommissar (1922 bis 1934) VII. Die Annäherung der Rechnungsprüfung an die Gegenwart VIII. Der Lohrnann/Phoebus-Skandal (1927/1928) IX. Die Rechnungsprüfung in den Ländern (1920 bis 1936) X. Die 1. Novelle der Reichshaushaltsordnung (1930) XI. Der Konflikt zwischen dem Rechnungshofund dem Finanzministerium (1931) XII. Der Bedeutungsverlust der Bemerkungen (1933) XIII. Der Konflikt des Rechnungshofs mit der Reichswehr (1933) XIV. Die 2. Novelle der Reichshaushaltsordnung (1933) XV. Der Reichsschatzmeister der NSDAP XVI. Die 4. Novelle der Reichshaushaltsordnung (1936) XVII. Der Präsidentenwechsel im Reichsrechnungshof (1938)
I. Einleitung
Bei der zeitgeschichtlichen Erforschung der Weimarer Republik gelangen die Wandlungsprozesse, die sich innerhalb der staatlichen Rechnungsprüfung anbahnten und vollzogen, kaum ins Rampenlicht des wissenschaftlichen Interesses1, obwohl sich eine nähere Untersuchung lohnt, denn in dieser wichtigen 1 Mit der Geschichte des Reichsrechnungshofs in der Weimarer Republik haben sich bisher befaßt: Hermann A. Dommach, Von Potsdarn nach Frankfurt, Der Reichsrechnungshof im NS-Staat und die Neuordnung der Staatlichen Finanzkontrolle im demokratischen Nachkriegsdeutschland, Berlin 1988; Friedrich von Dungern, Friedrich E. M. Saernisch als Reichssparkornrnissar, in: DÖV 1952, 46ff.;
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Periode fand der Übergang von der klassischen Rechnungsprüfung, die sich auf die Prüfung von Rechnungen konzentriert, zur modernen Finanzkontrolle statt, die auch die zeitnahe Kontrolle finanzwirksamer Maßnahmen und die Beratung von Entscheidungsträgern im Haushaltsprozeß umfaßt 2 • Die Ursachen für die einschneidenden Veränderungen, die sich vor allem für den Rechnungshof des Deutschen Reichs (im folgenden kurz: Reichsrechnungshof- RRH) ergaben, sind mehrschichtiger Natur: - Das staatliche Kontrollwesen rückt immer dann in den Vordergrund, wenn die Ressourcen der öffentlichen Hand besonders knapp sind. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs sollten die öffentlichen Ausgaben drastisch eingeschränkt und die Einnahmen gesteigert werden, um die Kriegsschulden tilgen und den Wiederaufbau betreiben zu können 3 . Bei dieser Ausgangssituation wurden nicht nur vom Parlament und dem Finanzminister, sondern auch vom Rechnungshof besondere Anstrengungen zu größerer Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in der öffentlichen Verwaltung erwartet. Ein solches Klima begünstigt regelmäßig die Fortentwicklung des staatlichen Kontrollinstrumentariums. - Außerdem kam in der Weimarer Republik erstmals eine umfassende Kodifizierung des gesamten Haushalts- und Kontrollwesens in der Reichsbaushaltsordnung (RHO) vom 31. Dezember 1922 zustande 4 • Dieses wichtige Gesetz erweiterte nicht nur den Aufgabenkreis des Reichsrechnungshofs, sondern regelte auch seine äußere Stellung sowie innere Organisation und legte das Prüfungsverfahren fest. Franz-Otto Gilles, Weimarer Republik, in: Rechnungshöfe als Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung, Hrsg. Theo Pirker, Berlin 1987; ders., Die verkannte Macht. Determinanten der Nachkriegsgeschichte der Institution Rechnungshof, Berlin 1986; Klaus Grupp, Die Stellung der Rechnungshöfe in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der historischen Entwicklung der Rechnungsprüfung, Berlin 1972; Kurt Heinig, Das Budget, Band 1: Die Budgetkontrolle, Tübingen 1949; Kar[ Maria Hettlage, Die Finanzkontrolle, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 4, Das Reich als Republik und in der Zeit des Nationalsozialismus, Hrsg. Kurt G. A. leserich I Hans Pohl/ Georg-Christoph von Unruh, Stuttgart 1985, 177 ff.; Friedrich von Pfuhlstein, Der Weg von der Preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof, in: "250 Jahre Rechnungsprüfung", Hrsg. Bundesrechnungshof, Frankfurt/Main 1964, 7 ff.; Hans Reger, Bemerkungen zur Finanzkontrolle, in: Verwaltungsarchiv 1975, 195 ff.; Karl Wittrock, Parlament, Regierung und Rechnungshof. Zur Geschichte einer schwierigen Dreiecksbeziehung, in: ZParl1986, 414ff. 2 Heinz-Günter Zavelberg, Von der Rechnungsprüfung zur Finanzkontrolle, in: Finanzkontrolle im Wandel, Hrsg. Hans Herbert v. Arnim, Berlin 1989; ders., 275 Jahre Staatliche Rechnungsprüfung in Deutschland - Etappen der Entwicklung- (in dieser Festschrift). 3 v. Pfuhlstein (Fn. 1) S. 75; Raab, in: "Reich und Länder" 1930, 96. 4 RGB11923 II 17, vgl. Abschnitt IV.
Der Reichsrechnungshof während der Amtszeit von Präsident Saemisch
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Auf dieser Grundlage konnte sich der Reichsrechnungshof erstmals organisatorisch entfalten und zu einem eigenständigen Kontrollinstrument werden, nachdem er in der Kaiserzeit lediglich ein Anhängsel der Preußischen Oberrechnungskammer war. - Schließlich übte der Präsident des Reichsrechnungshofs, Saemisch, der fast 16 Jahre lang nicht nur an der Spitze des Rechnungshofs stand und in Personalunion die Preußische Oberrechnungskammer leitete, sondern auch die Aufgaben des Reichssparkommissars wahrnahm, einen erheblichen Einfluß auf die Fortentwicklung der Rechnungsprüfung auss. Sein Wirken, das über die Zeit der Weimarer Republik hinausreichte, ist für die nachfolgende Untersuchung von besonderem Interesse. In der Festschrift des Bundesrechnungshofes zur 250. Wiederkehr der Gründung der Preußischen Oberrechnungskammer hat von Pfuhlstein den Weg von der General-Rechen-Kammer zum Bundesrechnungshof beschrieben6 • In der nachfolgenden Betrachtung wird auf der Grundlage neuerschlossener Quellen der Frage nachgegangen, welche Wandlungen sich seit 1918 im Kontrollwesen auf Reichsebene vollzogen und welche Leitlinien und Einflüsse für diese Entwicklungsphase maßgebend waren. Nach den Vorstellungen des Reichstags sollte die Rechnungsprüfung näher an die öffentliche Verwaltung als Prüfungsobjekt bzw. an den Verwaltungsakt herangeführt werden. Daraus ergab sich die Intensivierung örtlicher Erhebungen durch den ReichsrechnungshoP. Außerdem sollte die Rechnungsprüfung näher an die Gegenwart herangeführt werden. Der Reichstag forderte eine Beschleunigung des Prüfungsverfahrens und eine zeitnähere Berichterstattungs. Schließlich sollte die Rechnungsprüfung näher an das Parlament herangeführt werden, wobei es nicht nur um die unmittelbare Berichterstattung, sondern auch um eine verstärkte Beratungstätigkeit des Rechnungshofs ging9. Das Profil des Reichsrechnungshofs in der Weimarer Republik ist für das Verständnis der Nachkriegsentwicklung von besonderem Interesse, weil sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs der Neuaufbau der staatlichen Finanzkontrolle in Westdeutschland weitgehend an der Prüfungsphilosophie der Weimarer Zeit orientierte, die während der Amtszeit von Präsident Saemisch entwickelt, erprobt und praktiziert wurde 10 • s Zum Lebenslauf und zur Persönlichkeit vgl. insbes. Walther Nordbeck, "Friedrich Ernst Moritz Saemisch", in: Männer der Deutschen Verwaltung, Köln 1963, 315 ff.; von Pfuhlstein (Fn. 1) S. 113 und Zentrales Staatsarchiv (ZStA) Potsdam, Akten des RRH, RH 8133 BI. 127 ff. "Erinnerungen an Saemisch". 6 (Fn. 1) S. 7 ff. 7 Vgl. Abschnitt V. s Vgl. Abschnitt VII. 9 Vgl. Abschnitt X.
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Da Saemisch sein Amt bis in die Vorkriegsphase ausübte, werden auch die einschneidenden Veränderungen dargestellt, die sich für den Reichsrechnungshof und die Kontrolleinrichtungen der Länder nach der Machtergreifung Hitlers bis zum Vorabend des Zweiten Weltkriegs ergabenll. II. Der Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik (1919 bis 1922)
Die Gründung der Weimarer Republik brachte für die beiden in Potsdam residierenden Rechnungshöfe (Preußische Oberrechnungskammer und Reichsrechnungshof) bis zur Ernennung von Präsident Saemisch (1922) und bis zum Inkrafttreten der Reichshaushaltsordnung (1923) keine einschneidenden Veränderungen. Die Weimarer Reichsverfassung (WRV) vom 11. August 191912 regelte in den Artikeln 85 bis 87 das Haushalts- und Kontrollwesen des Reichs nur in seinen Grundzügen. Zur Frage der Rechnungsprüfung kündigte Art. 86 Satz 2 WRV erstmals eine reichsgesetzliche Regelung an, nachdem seit der Reichsgründung wiederholt Versuche gescheitert waren, das gesamte Haushaltswesen des Reichs zu kodifizieren 13. Bis dahin gab man sich mit dem Provisorium zufrieden, die Kontrolle des Reichshaushalts von Jahr zu Jahr- später für längere Zeitabschnitte - durch Reichsgesetz der Preußischen Oberrechnungskammer zu übertragen, die insoweit unter der Bezeichnung "Rechnungshof des Deutschen Reichs" auftrat. Das Prüfungsverfahren richtete sich nach dem Preußischen Oberrechnungskammergesetz vom 27. März 187214. Für den Geschäftsablauf galt die Instruktion vom 5. März 187515, die sich inhaltlich eng an das preußische Regulativ für die Oberrechnungskammer vom 22. September 187316 anlehnte. Ergänzend galt noch die berühmte Instruktion von 1824, die in§ 10 bereits Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorsah17. An der Spitze der Preußischen Oberrechnungskammer stand seit 1914 Exzellenz Ernst Holtz18, den Preußen zum Chefpräsidenten der OberrechVgl. Dommach (Fn. 1) S. 131; Gilles, Die verkannte Macht (Fn. 1) S. 191 f. Vgl. dazu 2. Novelle der RHO vom 13. 12. 1933, RGBl 1933 II 1007 ff. und Abschnitt XIV sowie 4. Novelle der RHO vom 17. 6. 1936, RGBl 1936 II 209 und Abschnitt XVI. 12 RGB11919, 1383. 13 v. Pfuhlstein (Fn. 1) S. 66 ff. 14 Preußische Gesetzessammlung 1872, 278 f. 15 Zentralblatt für das Deutsche Reich 1875, 157; vgl. Fn. 71. 16 Preußische Gesetzessammlung 1873, 459. !7 Instruktion vom 18. 12. 1924, vgl. Zentrales Staatsarchiv Merseburg, Akten der Oberrechnungskammer, RK 2. 7. 20 Nr. 3; Hertel, Die Preußische Oberrechnungskammer, Berlin 1884 S. 127 ff.; zum wesentlichen Inhalt vgl. v. Pfuhlstein (Fn. 1) s. 39 ff. 18 Zum Lebenslauf vgl. v. Pfuhlstein (Fn. 1) S. 113. 10 11
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nungskammer ernannt hatte und der das Geschäft des Präsidenten des Reichsrechnungshofs im Nebenamt wahrnahm. Die Prüfungsabteilung der Preußischen Oberrechnungskammer, die den Reichshaushalt zu prüfen hatte, bestand bei Kriegsende aus einem Direktor, 20 Ministerialräten und Prüfungsbeamten (Revisoren) 19. Ihr fehlte zunächst eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung für die Fortsetzung ihrer Tätigkeit nach dem Ersten Weltkrieg, da das Reichskontrollgesetz vom 21. März 191020 , das für die Rechnungsjahre 1909 bis 1914 galt, während des Ersten Weltkriegs nur bis zum Rechnungsjahr 1919 verlängert worden war21. Die Lücke wurde erst durch die Reichshaushaltsordnung vom 31. Dezember 1922 geschlossen, die die Vorschriften über die Rechnungsprüfung des Reichshaushalts rückwirkend in Kraft setzte22. Die für den Reichshaushalt zuständige Prüfungsabteilung befaßte sich nach dem Ende des Kaiserreichs zunächst noch mit den Kriegsrechnungen, bis das sogenannte Strichgesetz vom 21. März 192123 einen Schlußstrich zog und den Reichsrechnungshof von der weiteren Prüfung dieser Rechnungen entband. Die Prüfungen wurden in der Regel anband der übersandten Rechnungsunterlagen am Sitz des Rechnungshofs in Potsdam nach den Grundsätzen der Ordnungsmäßigkeit durchgeführt. Örtliche Prüfungen bei den Reichsbehörden waren die Ausnahme, obwohl das Reichskontrollgesetz vom 21. März 191024 bereits erste Ansätze für eine zeitgemäßere Rechnungsprüfung enthielt und ausdrücklich Prüfungen an Ort und Stelle zuließ. Da sämtliche Rechnungen lückenlos zu prüfen waren, blieb den Revisoren kaum Zeit für die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Insoweit hatte die Rechnungsprüfung bis zum lokrafttreten der RHO statischen Charakter. Die Besoldung der Bediensteten, die in der für den Reichshaushalt zuständigen Prüfungsabteilung arbeiteten, bestimmte sich nach dem Besoldungsrecht des Reichs. Nach dem Kriegsende drohte die Besoldungsentwicklung für die Revisoren der Preußischen Oberrechnungskammer und des Reichsrechnungshofs zweispurig zu verlaufen. Als der Nachtrag zum Reichshaushalt für 1920 nur Beförderungsstellen für ein Fünftel des Prüfungspersonals im Reichsrechnungshof vorsah, während der Haushalt Preußens den Prüfern der Oberrechnungskammer Aufstiegschancen für ein Sechstel aller Beamten bot, wandte sich der Beamtenausschuß des Rechnungshofs mit einer Eingabe25 an 19
RT-Drucks. Nr. 4510 1. Wahlperiode 1920/22 S. 57.
zo RGBI. 1910 I 521 f.
Reichsgesetz vom 4. 4. 1915, RGBI1915 I 215. § 132 Abs. 2 RHO (s. Fn. 4). 23 RGBI1921, 439. 24 Vgl. Fn. 20. 25 Beschwerde vom 27. 2. 1922, in: Bundesarchiv (BA), Akten der Reichskanzlei, R 43 I 959 BI. 7. 21
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die Reichsregierung mit der Bitte, die Ungleichbehandlung abzustellen, damit es künftig nicht zwei Klassen von Revisoren im selben Rechnungshof gäbe. 111. Der Präsidentenwechsel im Reichsrechnungshof und bei der Preußischen Oberrechnungskammer (1922)
Zum 1. Oktober 1922 trat Präsident Holtz wegen Herabsetzung des Pensionsalters auf 65 Jahre in den Ruhestand 26 . Entsprechend der gewandelten Auffassung über die Vorrangstellung des Reichs gegenüber Preußen beanspruchte nunmehr der Reichsinnenminister das Vorschlagsrecht für die Benennung eines Nachfolgers im Präsidentenamt beider Rechnungshöfe. Er schlug den früheren preußischen Finanzminister Friedrich Ernst Moritz Saemisch27 vor. In der Reichskanzlei wurde der Vorschlag mit Verwunderung registriert, weil kein Beamter aus dem Reichsfinanzministerium benannt wurde2s. Saemisch wurde am 23. Dezember 1869 in Bonn geboren. Nach dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Bonn, München, Berlin und Marburg begann er seine Laufbahn in der allgemeinen preußischen Landesverwaltung. Seine Tätigkeit beim Landratsamt Moers mußte er bereits im Jahre 1904 wegen einer Lungenerkrankung aufgeben. Sein Vater, ein bekannter Professor der Augenheilkunde in Bonn, ließ ihm in Freiburg-Günterstal zur Heilung seines Leidens eine Villa errichten, die Saemisch bis zu seinem Tod (1945) als Familiensitz nutzte29. Die Zwangspause von über 12 Jahren nutzte er zu naturwissenschaftlichen Studien an der Universität Freiburg. Im Jahre 1916 trat Saemisch in den Reichsdienst ein. Er wurde Vortragender Rat im Reichsschatzamt, dem Vorläufer des Reichsfinanzministeriums. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wechselte er in das Reichsfinanzministerium über, wo er bis zum 1. Oktober 1919 unter dem Finanzminister Erzherger als Hauptreferent an der Großen Finanzreform mitarbeitete. Anschließend übernahm er innerhalb der neu gebildeten Reichsfinanzverwaltung das Amt des Präsidenten im Landesfinanzamt Kassel, was heute der Stellung eines Oberfinanzpräsidenten entspricht. 26 Ebenda, BI. 11.
27 Ebenda, Vorschlag des RMI vom 13. 9. 1922 BI. 12, Zustimmung des Reichskabinetts vom 20. 9. 1922 BI. 14; vgl. auch Fn. 5; als weiterer Kandidat war der bisherige Reichswehrminister Noskeim Gespräch; Saemisch hatte eine Zusage des Ministerpräsidenten Otto Braun. 28 Am 18. 9. 1922 vermerkte der Staatssekretär in der Reichskanzlei, Wever: "Die Beamten des RFinM werden nicht erfreut sein, daß dieser unpolitische höhere Posten nicht mit einem höheren Beamten des RFinM ... besetzt wird. Die Aufstiegsmöglichkeit in Chefstellungen wird hierdurch für die Berufsbeamten immer seltener, die Dienstfreudigkeit dieser ... Berufsbeamten wird dadurch nicht größer werden." 29 Vgl. Nordbeck (Fn. 5) S. 326.
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Im Frühjahr 1921 holte ihn der preußische Ministerpräsident Stegerwald als unpolitischen Beamten in sein Kabinett und übertrug ihm das Finanzressort. Seine damalige Grundauffassung über eine geordnete Finanzwirtschaft des Staates brachte Saemisch in seiner Etatrede anläßtich der Einbringung des Haushalts für 1921 im preußischen Landtag in drei Kernsätzen zum Ausdruck, die seine Persönlichkeit kennzeichneten: - Keine Ausgabe ohne haushaltsmäßige Deckung, - Notwendigkeit einer umfassenden Verwaltungsvereinfachung einschließlich Personalabbau, - Vorrang der tatsächlichen Verwaltungspraxis vor der Beachtung formaler Bestimmungen3D. Als das Kabinett Stegerwald bereits nach sieben Monaten zurücktrat, begann für Saemisch eine neue, aber nur kurze Zwangspause von einem knappen Jahr, bis er zum Präsidenten des Reichsrechnungshofs ernannt wurde. Saemisch übte sein Amt, das er am 1. Oktober 1922 antrat, bis zum Jahre 1938 aus, nachdem seine Amtszeit durch ein Ausnahmegesetz verlängert worden war3t. Seine Persönlichkeit prägte das Bild der Rechnungsprüfung in der Weimarer Zeit. Die preußische Regierung übertrug ihm das Amt des Chefpräsidenten der Oberrechnungskammer, das Saemisch ohne besondere gesetzliche Regelung und in Abweichung von der bisherigen Praxis im Nebenamt ausübte. IV. Die Kodif"azierung des Haushalts· und KontroUwesens
in der Reichshaushaltsordnung (1922)
Nachdem im Kaiserreich wiederholt Versuche gescheitert waren, die Rechnungsprüfung des Reichs in einem besonderen Reichskontrollgesetz zu regeln und den Reichsrechnungshof auch organisatorisch von der Preußischen Oberrechnungskammer abzukoppeln32, eröffnete Art. 86 Satz 2 WRV eine neue Möglichkeit, das Kontrollwesen des Reichs auf eine selbständige und von Preußen losgelöste Grundlage zu stellen. Die Loslösung entsprach dem neuen Staatsverständnis, wonach künftig nicht mehr Preußen, sondern das Reich eine dominierende Stellung einnehmen sollte. Es dauerte allerdings noch drei Jahre, bis in der RHO vom 31. Dezember 192233 eine umfassende Kodifizierung des gesamten Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesens zustandekam, in der auch die Rechnungsprüfung des Reichs ihren eigenständigen Platz fand. 30 Ebenda, S. 316 sowie Sitzungsberichte des preußischen Landtags, 1. Wahlperiode, I. Tagung Bd. 1, Sp. 1422 und Protokoll über die 59. Sitzung des Hauptausschusses des
preußischen Landtags vom 25. 10. 1921, S. 15. 3I Reichsgesetz vom 19. 3. 1937, RGB11937 I 371. 32 Vgl. Fn. 13. 33 Vgl. Fn. 4.
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Als Saemisch sein Amt antrat, waren die parlamentarischen Beratungen des Entwurfs der RHO bereits im Gange. Saemisch war daher an der Konzeption des Gesetzeswerks nicht beteiligt. An den Vorarbeiten im Reichsfinanzministerium war maßgeblich als Referent Ernst Wagner beteiligt, der das neue Gesetzeswerk mit Rudolf Schulze kommentierte 34 und später als Ministerialrat in den Rechnungshof übernommen wurde. Der Reichsfinanzminister Hermes brachte den Gesetzesentwurf am 9. Juni 1922 im Reichstag ein35 . Das Gesetz sollte die Finanzverfassung der Weimarer Republik (Art. 85 bis 87) ergänzen. Das Hauptanliegen der RHO war es, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei der Ausführung des Haushaltsplans stärker als bisher zur Geltung zu bringen(§§ 17, 26), die Stellung des Reichsfinanzministers zu stärken (§ 21) und den Aufgabenkreis des Rechnungshofs auf die Prüfung von Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit auszudehnen (Abschnitt IV a). Abschnitt V behandelte die äußere Stellung und innere Organisation des Rechnungshofs; das Rechnungsprüfungsverfahren war in den Abschnitten IV und IV a geregelt. Hinsichtlich der Vorschriften über die Rechnungsprüfung war Eile geboten, weil das letzte im Ersten Weltkrieg beschlossene Reichskontrollgesetz vom 4. April 1915 nur für die Rechnungsjahre 1915 bis 1919 galt und ab 1920 eine gesetzliche Ermächtigung des Rechnungshofs für die Durchführung der Rechnungsprüfung auf Reichsebene fehlte. Insofern mußte das neue Gesetz rückwirkend in Kraft treten36. Bei seinen Beratungen legte der Haushaltsausschuß des Reichstags besonderen Wert auf die Regelung, daß der Rechnungshof prüft, ob die Reichsverwaltung die Haushaltsmittel wirtschaftlich verwendet hat37, Nach § 96 Nr. 4 RHO sollte der Rechnungshof auch prüfen, ob entbehrliche Stellen aufrecht erhalten werden. Neben der Prüfungsaufgabe sollte der Rechnungshof erstmals auch Beratungsfunktionen übernehmen. Außer dem Reichsfinanzminister verlangte auch der Reichstag die Möglichkeit, den Rechnungshof um gutachtliche Äußerungen zu bitten(§ 101 RHO). In§ 107 Nr. 6 RHO wurde erstmals vorgesehen, daß der Präsident des Rechnungshofs die hauptsächlichen Prüfungsergebnisse in einer erläuternden Denkschrift zusammenfaßt und mit den jährlichen Bemerkungen vorlegt. Der Reichsrechnungshof war bereits im Kaiserreich dazu übergegangen, seinen Bemerkungen einen sogenannten 34 Rudo/f Schulze I Ernst Wagner, Die Reichshaushaltsordnung, Kommentar, Berlin 1926, 3. Aufl. 1934; Wagner wurde ab 1. 2. 1926 in den Reichsrechnungshof übernommen; zu seinem Lebenslauf vgl. BA, Akten der Reichskanzlei, R 43 I 959 Bl. 51. 35 v. Pfuhlstein (Fn. 1) S. 72. 36 Vgl. Fn. 22. 37 Denkschrift und Bemerkungen des Reichsrechnungshofs zu den Haushaltsrechnungen 1920 bis 1923, RT-Drucks. Nr. 3374 vom 14. 5. 1927 III. Wahlperiode 1924/27
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Vorbericht 38 voranzustellen, in dem er den Reichstag und den Reichsrat auf grundsätzliche Probleme hinwies. Diese Praxis legalisierte die RHO. Die Denkschrift sollte bei den Haushaltsberatungen als Material dienen. Die BHO übernahm diese Regelung nicht mehr, während einige Landeshaushaltsordnungen die Praxis der Weimarer Zeit beibehielten39. In§ 109 RHO erhielt der Rechnungshof Gelegenheit, Fragen gesetzgeberischer oder verwaltungstechnischer Art auch außerhalb seiner jährlichen Berichterstattung (Bemerkungen, § 107 RHO) an die gesetzgebenden Körperschaften heranzutragen. In der 2. Lesung im Reichstag, die am 14. Dezember 1922 stattfand, vertrat der Abgeordnete Dr. Schreiber als Berichterstatter die Vorlage, ohne daß eine Aussprache zustandekam. Am nächsten Tag wurde das Gesetz - ebenfalls ohne besondere Aussprache - in 3. Lesung mit verfassungsändernder Mehrheit angenommen. Diese Mehrheit war erforderlich, weil dem Reichsfinanzminister das Recht eingeräumt wurde, finanzwirksame Gesetze zu verhindern. Die RHO trat am 1. Januar 1923 in Kraft. Sie räumte dem Rechnungshof die Stellung einer obersten Reichsbehörde ein, die gegenüber der Reichsregierung selbständig und nur dem Gesetz unterworfen war (§ 118 RHO). Das Gesetz bestätigte für die Entscheidungspraxis des Rechnungshofs den Grundsatz gemeinsamer Beschlußgremien (Kollegialprinzip, § 119 RHO) und sicherte den Mitgliedern richterliche Unabhängigkeit zu(§ 121 RHO). Die Mitglieder des Rechnungshofs wurden auf Vorschlag des Präsidenten durch den Reichspräsidenten unter Gegenzeichnung des Reichsfinanzministers (RFM) ernannt, wobei für neu eintretende Mitglieder die Zustimmung des Reichsrats erforderlich war. Als wichtigste Entscheidungsträger waren neben den Zweier- und Dreierkollegien sowie dem Gesamtkollegium (Vollversammlung) erstmals auch Senate als Beschlußgremien vorgesehen. Die neuen Regelungen über das Kontrollwesen (Abschnitte IV, IV a und V der RHO) prägten mehr als 62 Jahre lang das Bild der Finanzkontrolle in Deutschland. In der Bundesrepublik wurden die Vorschriften über die Rechnungsprüfungendgültig erst durch das neue BRH-Gesetz vom 11. Juli 1985 40 aufgehoben. Die RHO wurde insgesamt fünfmal novelliert. Für die Rechnungsprüfung ergaben sich einschneidende Veränderungen vor allem durch die 2. Novelle vom 13. Dezember 1933 und die 4. Novelle vom 17. Juni 193641.
38 39 40 ~~
EbendaS. 2. z. B. § 96 Abs. 6 LHO Schleswig-Holstein. BGBl1985 I 1445. Vgl. Fn. 11.
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V. Die Annäherung des Reichsrechnungshofs an die Verwaltung
Während die Preußische Oberrechnungskammer als Rechnungshof im Kaiserreich noch unmittelbar dem Kaiser und bis zum lokrafttreten der RHO dem Reichskanzler untergeordnet war42, sicherte§ 118 RHO dem Rechnungshof völlige Unabhängigkeit gegenüber der Reichsregierung zu. Die Verlagerung von mehreren Länderzuständigkeiten43 auf die Reichsebene bewirkte bereits vor dem lokrafttreten der RHO die Ausdehnung der Prüfungsbefugnisse und des Prüfungsstoffes zugunsten des Reichsrechnungshofs. Die bisher in der Leitung beider Prüfungsbehörden praktizierte Personalunion für den Reichsrechnungshof und die Oberrechnungskammer blieb zwar bestehen, wurde aber wegen der gewandelten Staatsauffassung über die Vorrangstellung des Reichs umgekehrt. Ab 1. Oktober 1922 übernahm der Präsident die Leitung des Reichsrechnungshofs hauptamtlich; die Geschäfte des Chefpräsidenten der Preußischen Oberrechnungskammer übte er nur noch nebenamtlich aus. Die RHO übertrug dem Reichsrechnungshof umfassende Prüfungsbefugnisse. Nach § 87 RHO hatte er die gesamte Haushaltsführung des Reichs zu überwachen. Dazu gehörten auch die kaufmännisch geführten Reichsbetriebe und die Reichsbeteiligungen an Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit. Eine Ausdehnung der Prüfungsbefugnisse ergab sich durch die Gründung neuer Ministerien (u. a. Reichsarbeitsministerium), die Schaffung der Reichsfinanzverwaltung anstelle der bisherigen Landesfinanzverwaltungen, die Einbeziehung der Ländereisenbahnen in die Deutsche Reichsbahn, die Einbeziehung der Süddeutschen Postverwaltungen in die Deutsche Reichspost und die Überführung der Wasserstraßen in die Zuständigkeit des Reichs. Einen bedeutsamen Wandlungsprozeß leitete§ 90 RHO ein, wonach Rechnungsprüfungen nicht nur am Sitz des Rechnungshofs, sondern auch am Sitz der Verwaltungsbehörde durchgeführt werden konnten. Während des Ersten Weltkriegs waren erstmals Schwierigkeiten aufgetreten, die Rechnungslegung und -prüfung für das Heer und die Marine am Sitz des Rechnungshofs durchzuführen. Zur Verringerung des Schriftverkehrs und zur Entlastung der Verwaltungsbehörden ging der Rechnungshof damals dazu über, verstärkt Prüfungen an Ort und Stelle durchzuführen 44 • Diese Praxis sollte durch die RHO legalisiert werden. Außerdem trug die Neuregelung den wiederholten Forderungen aus dem parlamentarischen Bereich Rechnung, die Rechnungsprüfung RRH (Fn. 37) S. 3. Ab 1. 4. 1922 gingen die Zuständigkeiten für Eisenbahn, Zölle und Steuern auf das Reich über. 44 RRH (Fn. 37) S. 3, 6. 42
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näher an den Verwaltungsakt als Prüfungsgegenstand heranzuführen45. Die Prüfer sollten sich rascher als bisher und bereits vor der Rechnungslegung einen genaueren Einblick in die "lebende" Verwaltung verschaffen und Unterlagen unmittelbar vor Ort einsehen, um Haushaltsverstößen vorzubeugen, Unstimmigkeiten aufzuklären, Unregelmäßigkeiten frühzeitiger zu beanstanden und damit auf eine wirtschaftliche Haushaltsführung hinzuwirken. Prüfungen am Sitz des Rechnungshofs sollten nur noch dann stattfinden, wenn es überwiegend um die Auslegung gesetzlicher Bestimmungen ging. Der Rechnungshof machte von der Möglichkeit örtlicher Prüfungen zunehmenden Gebrauch 46 . Sie wurden schrittweise ausgedehnt, bis sie schließlich die Prüfungen am Sitz des Rechnungshofs überwogen. Nicht immer führten die Prüfungsreisen zu den gewünschten Erfolgen. Zuweilen mußte der Präsident eingreifen, um Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Der Vorzug örtlicher Prüfungen wurde im Zusammenhang mit dem Bau des Westwalls und bei der Umgestaltung der Wehrmachtsprüfung während des Zweiten Weltkriegs verstärkt zur Geltung gebracht47. Inzwischen sind örtliche Erhebungen zur selbstverständlichen Praxis des Rechnungshofs geworden. Zur einheitlichen Durchführung von örtlichen Prüfungen erließ der Rechnungshof allgemeine Verfahrensgrundsätze48. Danach oblagen die örtlichen Prüfungen beauftragten Bediensteten des Rechnungshofs. Sie hatten den Prüfungsstoff dem zuständigen Mitglied des Rechnungshofs zur Nachprüfung vorzulegen, bevor die Beanstandungen der geprüften Behörde als sogenannte Erinnerungen übergeben wurden. Anschließend wurden die Erinnerungen in einer gemeinsamen Schlußbesprechung mit der geprüften Behörde erörtert. Seitdem ist das kontradiktorische Prüfungsverfahren gängige Praxis des Rechnungshofs; die geprüfte Behörde hat also stets Gelegenheit, sich zu den Feststellungen des Rechnungshofs zu äußern49. Ein weiterer bedeutsamer Wandel zeichnete sich für die Rechnungsprüfung durch die Akzentuierung der Prüfungsmaßstäbe ab. Der Rechnungshof hatte bereits vor dem lokrafttreten der RHO nicht nur die Ordnungsmäßigkeit, son45 EbendaS. 7; Protokolle der 241. und 242. Sitzung des Reichstags vom 1. 7. 1922 in: ZStA Potsdam, Akten des RRH, RH 226 BI. 138 ff. 46 EbendaS. 5 f.; zur Zunahme auswärtiger Prüfungen vgl. auch die Stellungnahme von Präsident Holtz vom 2. 3. 1922 in BA, Akten der Reichskanzlei, R 43 I 959 BI. 5 (R) sowie Forderung des Abgeordneten Dr. Bergsträßer nach stärkerer Revision an Ort und Stelle in der 35. Sitzung des Haushaltsausschusses des Reichstags vom 4. 4. 1925 in BA, Akten der Reichskanzlei, ebenda BI. 42 sowie Bericht von Ministerialrat Stenge!, ebenda, BI. 42 (R). 47 Vgl. Dommach (Fn. 1) S. 84 und 101. 48 RRH (Fn. 37) S. 6; vgl. auch Richtlinien des Präsidenten des RRH vom 22. 11. 1923 für die Durchführung örtlicher Prüfungen in: ZStA Potsdam, Akten des RRH, RH 525 BI. 48 ff. 49 v. Pfuhlstein (Fn. 1) S. 77.
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dern auch die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in der Verwaltung zu prüfenso. § 96 RHO verpflichtete den Rechnungshof erstmals, das Schwergewicht seiner Kontrollaktivitäten auf die Prüfung der Wirtschaftlichkeit zu legen. Die Neuregelung konkretisierte den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit: Der Rechnungshof sollte überflüssige Ausgaben ermitteln und Rationalisierungsmöglichkeiten aufzeigen. Die Akzentverschiebung bei den Prüfungsmaßstäben wurde durch § 91 RHO ermöglicht, der dem Rechnungshof erstmals die völlige Freiheit einräumte, sich bei seinen Prüfungen auf Stichproben zu beschränken und von der Vorlage von Rechnungsbelegen ganz Abstand zu nehmen. Damit erhielt der Rechnungshof den notwendigen Freiraum, nicht mehr den gesamten Prüfungsstoff einer Nachprüfung zu unterziehen und eigene Schwerpunkte bei der Rechnungsprüfung zu setzenst. § 66 RHO vereinfachte die Rechnungslegung dadurch, daß anstelle von Einzelrechnungen auch Kassenbücher geführt und vorgelegt werden konnten.
Bis zum Inkrafttreten der RHO konnte der Rechnungshof nur von den Provinzial- und Ortsbehörden die Vorlage von Akten verlangen. § 98 RHO dehnte dieses Recht auf die Akten aller Behörden aus, allerdings mit der Einschränkung, daß für die Vorlage von Akten der Reichsministerien die Zustimmung des Ministers erforderlich wars2. § 100 Abs. 1 RHO sicherte dem Rechnungshof die unverzügliche Unterrichtung und Anhörung vor dem Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften und vor organisatorischen Veränderungen im Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen.
Der Reichsrechnungshof beteiligte sich aktiv an den Bemühungen des RFM, Ausführungsvorschriften zur RHO zu erlassen. Er regelte im Einvernehmen mit dem RFM den Nachweis des Reichsvermögens (§ 65 RH0 )53. Später beteiligte er sich an dem Erlaß der Reichskassenordnung (RKO) und den Reichswirtschaftsbestimmungen für die Reichsbehörden (RWB)54. Im Jahre 1929 erließ der Reichsrechnungshof die Rechnungslegungsordnung für das Reich (RRO)SS, in der er nähere Bestimmungen über die Einrichtung der für die Rechnungsprüfung erforderlichen Unterlagen traf. Der Rechnungshof war von Anfang an bestrebt, nicht nur die ihm übertragene Aufgabe, die gesamte Bewirtschaftung des Reichshaushalts zu überwaRRH (Fn. 37) S. 4. Vgl. Loewe, Denkschrift "200 Jahre Rechnungsprüfung", vom 6. 6. 1914 in: BA, Nachlaß Saemisch, NL 171 Nr. 146 BI. 20. 52 RRH (Fn. 37) S. 4; vgl. auch Abschnitt X. 53 RRH (Fn. 37) S. 7. 54 RKO vom 6. 8. 1927, RMB!. S. 357; RWB vom 11. 2. 1929, RMBI. S. 49. 55 RRO vom 3. 3. 1929, RMBI. S. 439. 5o
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chen, möglichst umfassend wahrzunehmen, sondern auch die ihm in der RHO eingeräumten Möglichkeiten einer zeitgemäßeren Rechnungsprüfung auszuschöpfen. Dazu gehörte vor allem eine Arbeitsteilung zwischen dem Rechnungshof und den Vorprüfungsstellen, die in die Verwaltungsbehörden eingegliedert waren. Die förmliche Rechnungsprüfung (rechnerische, sachliche und förmliche Richtigkeit der Rechnungen) lag zur Entlastung des Rechnungshofs in den Händen der Vorprüfungsstellen, damit sich die Arbeit des Rechnungshofs auf materielle Fragen konzentrieren konnte. Er sollte vor allem konstruktive Vorschläge für die künftige Haushalts- und Wirtschaftsführung unterbreiten. Die bei der Rechnungsprüfung gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen sollten in der Weise nutzbar gemacht werden, "ob irgendwelche Änderungen gesetzgeberischer, organisatorischer oder sonstiger regelnder Art aus Gründen der Sparsamkeit möglich sind"56. Die in den Anfangsjahren praktizierte Visakontrolle wurde allmählich reduziert. Bei der Vorprüfung der Rechnungen aus der Inflationszeit ergaben sich erhebliche Schwierigkeiten, den Prüfungsstoff einigermaßen zu bewältigen. Der Rechnungshof verzichtete weitgehend auf die Vorprüfung dieser Rechnungen und beschränkte seine eigenen Prüfungen auf Stichprobens7. Zu den besonderen Hindernissen, die der Rechnungshof zum Beginn der Weimarer Republik zu überwinden hatte, gehörte die Personalnot, die zeitweise drastische Erscheinungsformen annahm. Am 1. April1922 bestand das Gesamtkollegium des Rechnungshofs aus dem Präsidenten, 4 Direktoren und 24 Ministerialräten, so daß zur Beschlußfassung in der Vollversammlung mindestens 15 Mitglieder erforderlich waren. Außerdem gehörten dem Rechnungshof ein Bürodirektor und 217 Prüfungsbeamte sowie das entsprechende HUfspersonal anss. In den Jahren 1923 und 1924 mußte der Rechnungshof ebenso wie die übrigen obersten Reichsbehörden einen empfindlichen Personalabbau hinnehmen. Im Jahre 1927 bestand der Rechnungshof nur noch aus dem Präsidenten, 4 Direktoren, 20 Ministerialräten, einem Bürodirektor und 157 Prüfungsbeamten sowie Hilfspersonal59. In diesem Jahr standen für die Prüfung der Steuereinnahmen nur ein Prüfungsgebiet mit 6 Prüfern und für die Prüfung der Zolleinnahmen nur 7 Prüfungsbeamte zur Verfügung60. Für die Prüfung der im Jahre 1927 gegründeten Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung konnte der Rechnungshof erst zwei Jahre später
s.
Friedrich Saemisch, Die Kontrolle der staatlichen Finanzwirtschaft, Berlin 1931 50. 57 RRH (Fn. 37) S. 12. 58 EbendaS. 10. 59 Ebenda. 60 Ebenda. 56
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einen Prüfer einstellen. Bis zum Jahre 1931 veränderte sich der Personalstand nur unwesentlich. Das Gesamtkollegium bestand aus 26 Mitgliedern. § 90 Abs. 4 RHO ermächtigte den Rechnungshof, auswärtige ständige Prüfungsstellen einzurichten. Als das Reich ab 1922 die Ländereisenbahnen und die süddeutsche Postverwaltung übernahm, richtete der Rechnungshof im Jahre 1923 in Stuttgart, München, Dresden und Karlsruhe Außenstellen ein61. Nachdem die Deutsche Reichsbahn in eine Gesellschaft umgewandelt worden war, ließ das Reichsbahngesetz nicht mehr die bisherige eingehende Art der Prüfung von Eisenbahnrechnungen zu. Der Rechnungshof löste daher die Außenstellen zum 1. Oktober 1925 wieder auf62.
Saemisch legte großen Wert auf die Fortbildung der Prüfungsbeamten. Er förderte Kurse über wirtschaftliche Zusammenhänge, kaufmännisches Rechnungswesen und technische Spezialfragen. Zum Austausch von Prüfungserfahrungen richtete er eine Dokumentationsstelle ein, die die Bezeichnung "Nachrichtenstelle" führte und Kollegialentscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung sowie prüfungsrelevantes Material karteimäßig erfaßte. Dazu gehörten auch die Protokolle des Reichstags und seiner Ausschüsse sowie eine umfangreiche Sammlung von Pressestimmen zu Fragen der Finanzkontrolle. Saemisch sorgte auch für die Einrichtung einer Bibliothek mit der entsprechenden Fachliteratur63. Der Reichsrechnungshof pflegte einen zunehmenden Erfahrungsaustausch mit anderen Rechnungshöfen des In- und Auslandes. Dazu gehörten die gegenseitige Übersendung von Tätigkeitsberichten und gelegentliche Informationsbesuche. Saemisch besuchte mit einigen Mitarbeitern den Sächsischen Staatsrechnungshof, um dessen Arbeit näher kennenzulernen. Gelegentlich wurde auch ein Meinungsaustausch zu Fragen grundsätzlicher Art und zu Entwürfen neuer Haushalts- oder Kontrollgesetze gepflegt64. Nicht immer wurden Anfragen anderer Rechnungshöfe zügig bearbeitet. Dem Badischen Rechnungshof gelang es beim ersten Anlauf nicht, intensive Kontakte zum Reichsrechnungshof herzustellen. Als er am 24. November 1927 den Reichsrechnungshof um Auskunft bat, inwieweit der Rechnungshof bei den parlamentarischen Beratungen der Bemerkungen anwesend sein könne, traf die Antwort erst nach sieben Monaten ein, als die Kontroverse mit dem Badischen Staatsministerium bereits zu Ungunsten des Rechnungshofs ausgegangen war65. Zu den ersten förmlichen Kontakten zwischen dem Reichs61
BA, Akten der Reichskanzlei, R 43 I 959 Bl. 41 - 45; Saemisch (Fn. 56) S. 75.
62 Ebenda; der Verlust des Prüfungsrechts bei der Reichsbahn führte zu tiefgreifen-
den Verstimmungen zwischen Saemisch und den anderen Mitgliedern des Rechnungshofs. 63 Denkschrift des RRH für 1926 (RT-Drucks. Nr. 1053/28 IV. Wahlperiode, S. 24). 64 Ebenda und Saemisch (Fn. 56) S. 102.
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rechnungshat und dem Badischen Rechnungshof kam es erst im Jahre 1935, nachdem die Justizzuständigkeit auf das Reich übergegangen war. Der Reichsrechnungshof befaßte sich schon frühzeitig mit dem Staatskontrollrecht der europäischen Länder. Das einschlägige Material beschaffte er sich von den benachbarten Rechnungshöfen und durch Vermittlung des Auswärtigen Amtes. Bis 1925 verfügte der Rechnungshof über eine fast lückenlose Sammlung der entsprechenden Gesetze, wobei die englischen, französischen und italienischen Gesetze übersetzt wurden. Zu der wertvollen Sammlung gehörte auch eine Bibliographie über das einschlägige deutsche und fremdsprachliche Schrifttum, das weitgehend in der Bibliothek des Rechnungshofs vorhanden warM. Später begannen einzelne Mitglieder des Rechnungshofs, das umfangreiche Material auszuwerten. Es bildete sich eine lose kameralistische Forschungsgemeinschaft, die das Staatshaushalts- und Kontrollrecht wissenschaftlich fördern wollte. Insbesondere sollten rechtsgeschichtliche und rechtsvergleichende Studien durchgeführt werden. Dabei sollte vor allem das umfangreiche Material ausgewertet werden, das dem Rechnungshof seit 1925 zur Verfügung stand. Die Forschungsarbeiten wurden bis März 1945 betrieben67. Bei der Prüfung von Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit zog der Rechnungshof Sachverständige zur Mitarbeit heran. Im Jahre 1928 waren beim Rechnungshof zwei Experten mit kaufmännischer Vorbildung tätig. Sie beschäftigten sich mit kaufmännischen Fragen, die bei der Prüfung der Betätigung des Reichs als Aktionär oder Inhaber von Anteilen einer Gesellschaft auftauchten. Außerdem beteiligten sie sich an Bilanzprüfungen im Bereich der Reichsmonopolverwaltung, der Reichspost und der Reichsbahn. In Einzelfällen zog der Rechnungshof Sachverständige mit besonderen Fachkenntnissen zur Begutachtung von Fragen heran, die bei Prüfungen von kaufmännisch eingerichteten Reichsbetrieben auftraten6s. Das Verhältnis zwischen Saemisch und den übrigen Mitgliedern des Rechnungshofs war nicht immer frei von Spannungen. Das zeigte sich bereits bei dem jahrelangen Ringen um die Geschäftsordnung für den Rechnungshof, die nur von der Vollversammlung beschlossen werden konnte. Saemisch, der selbst nicht am Zustandekommen der RHO beteiligt war und einen autoritären Führungsstil bevorzugte, war der Auffassung, daß die Befugnisse des Präsidenten in der RHO nicht genügend beschrieben seien und deshalb in der Otto Oswald, Zur Geschichte des Badischen Rechnungshofs, o. 0. u. o. J., Ms 207, 208. 66 Franz Schneider, Die Staatskontrolle in Bayern, München und Berlin 1948 (Vorwort). 67 Ebenda. 68 Vgl. Fn. 63.
s.
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Geschäftsordnung näher festgelegt werden müßten. Für Saemisch ging es dabei auch um die zentrale Frage, wie die Rechnungsprüfung näher an die Gegenwart herangeführt werden könne. Entsprechende Forderungen gingen immer wieder vom Reichstag aus, der wiederholt beklagte, daß die Bemerkungen des Rechnungshofs zu spät kämen, um sie bei der Aufstellung des künftigen Haushalts berücksichtigen zu können69. Saemisch sah eine Möglichkeit für eine beschleunigte Berichterstattung darin, daß der Präsident größeren Einfluß auf den Geschäftsgang im Rechnungshof bekam. Er wollte auch verstärkt von der Möglichkeit des § 125 Abs. 2 RHO Gebrauch machen, wonach zwischen der Vollversammlung und dem Einzelkollegium auch Senate als Beschlußgremien tätig werden konnten. Im Kern ging es um den notwendigen Ausgleich zwischen dem Interesse an unabhängigen Kollegialentscheidungen und dem Interesse des Präsidenten an der zügigen Erledigung der Prüfungsaufgaben, die sich von den Aufgaben unabhängiger Gerichte dadurch unterschieden, daß der Prüfungsstoff nicht an den Rechnungshof herangetragen, sondern von ihm selbst ausgewählt wurde, wobei für die Auswahl auch Ermessensfragen eine Rolle spielten7°. Die Vollversammlung folgte nicht der Auffassung ihres Präsidenten und verweigerte ihm über 12 Jahre lang einen entsprechenden Beschluß. Bis dahin verfuhr der Rechnungshof nach der Instruktion für den Reichsrechnungshof vom 5. März 187571. Erst nach der Machtübernahme Hitlers gelang es Saemisch in der 2. Novelle der RHO, die Befugnis zum Erlaß der Geschäftsordnung durch die Auflösung der Vollversammlung auf sich zu übertragen und eine präsidiale Geschäftsordnung zu erlassenn. Der Reichsrechnungshof rekrutierte sein Prüfungspersonal und die Mitglieder weitgehend aus der Reichsverwaltung, wobei es Saemisch sogar gelang, einzelne Gegner oder Kritiker aus den Reichsministerien in den Rechnungshof zu holen. Als die Reichsregierung im Zuge von Sparmaßnahmen einzelne Ministerien auflöste oder oberste Reichsbehörden zusammenlegte, lehnte Saemisch die Übernahme von Länderbeamten mit der Begründung ab, ihnen fehle die notwendige praktische Erfahrung innerhalb der Reichsverwaltung73, Diese Auffassung bekräftigte er auch, als die Länder Baden, Thüringen, Hessen und Sachsen beim Reichsrat vorstellig wurden und sich für die Verwendung dieser Beamten im Reichsrechnungshof mit der Begründung einsetzten, ihr Land müsse im Rechnungshof angemessen vertreten sein74. Im übrigen 69 Vgl. Fn. 45; Entschließung des Reichstags vom 3. 2. 1931, RT-Drucks. Nr. 665 Ziffer 4; Saemisch (Fn. 56) S. 47, 48. 70 Saemisch, ebendaS. 35. n Ebenda, S. 34, 36; vgl. auch Fn. 15. n Arthur Fuchs, Wesen und Wirken der Kontrolle, Tübingen 1966 S. 91; vgl. auch Abschnitt XIV und Fn. 210; zur neuen Geschäftsordnung des BRH vgl. Fuhrmann in dieser Festschrift. 73 Saemisch (Fn. 56) S. 29 (dort Fn. 17).
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betrieb Saemisch im Rechnungshof keine Personalpolitik nach dem Parteibuch. Für Beförderungen galt ausschließlich das Leistungsprinzip. VI. Der Reichssparkommissar (1922 - 1934) Bereits einen Monat nach seinem Amtsantritt als Präsident des Reichsrechnungshofs und als Chefpräsident der Preußischen Oberrechnungskammer kam auf Saemisch eine weitere Aufgabe zu, die ihm eine große zusätzliche Entfaltungsmöglichkeit eröffnete und ihn allgemein bekannt machte: Er wurde der Reichssparkommissar in der Weimarer Republik. Dieses Amt verschaffte ihm vor allem den Zugang zum Reichskabinett. Die Reichsregierung hatte dem Reparationsausschuß versichert, Deutschland werde durch innere Reformen seine öffentlichen Ausgaben einschränken und seine Einnahmen steigern75. Bereits im Herbst 1920 berief sie den Landesfinanzamtspräsidenten Dr. Friedrich CarF6 zum Reichskommissar für Vereinfachung und Vereinheitlichung der Reichsverwaltung. Seine im November 1920 vorgelegten Forderungen wurden als so einschneidend empfunden, daß ihre Umsetzung aussichtslos erschien. Er legte sein Amt am 1. April1921 nieder77. Seine Aktivitäten hinterließen keine nennenswerten Spuren. Im Frühjahr 1921 berief die Reichsregierung mit dem gleichen Auftrag eine Sparkommission und übertrug deren Vorsitz dem Reichsinnenminister78. Ihre Aktivitäten blieben ebenfalls ohne spürbaren Erfolg. Als sich abzeichnete, daß weder das Parlament noch der Reichsfinanzminister imstande waren, nennenswerte Einsparungen im Reichshaushalt durchzusetzen, entbehrliche Behörden aufzulösen, Personal abzubauen und die Verwaltung allgemein zu verbilligen, beschloß das Reichskabinett am 27. November 1922 unter Reichskanzler Cuno, einen neuen Reichssparkommissar zu berufen, der den gesamten Haushalt nach Einsparungsmöglichkeiten durchforsten, der Reichsregierung über das Ergebnis seiner Prüfungen gutachtlich berichten und konkrete Einsparungsvorschläge unterbreiten sollte79. Die Verbilligung und Vereinfachung der Verwaltung sollte insbesondere durch Verminderung des Personals, durch Auflösung überflüssiger Behörden und durch Einnahmeverbesserungen erzielt werden. 74 Antrag Sachsens in: BA, Akten des RFM, R 2/21 753; Anträge Badens und Hessens in: BA, Akten des RFM, R 2/21 752; vgl. auch Schriftwechsel zwischen dem RRH, RFM und Baden in: BA, Akten der Reichskanzlei, R 43 I 959 Bl. 79 (R). 75 Vgl. Fn. 3. 76 v. Pfuhlstein, Über die Institution des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, in: Festschrift für Hans Schäfer "Verfassung, Verwaltung, Finanzkontrolle", Hrsg. E. Schiffer I H. Karehnke, Köln 1975, 375 ff. 77 v. Pfuhlstein (Fn. 1) S. 75. 78 Gilles, in: Die verkannte Macht (Fn. 1) S. 49. 79 BA, Akten der Reichskanzlei, R 43 I 1947 und 1381.
6 Festschrift des Bundesrechnungshofes
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Am 28. November 1922 ersuchte die Reichsregierung Saemisch, die Aufgabe zu übernehmenso. Saemisch legte Wert darauf, daß ihm die neue Aufgabe ad personam übertragen und die Bedingungen für seine Tätigkeit in sogenannten Richtlinien, die jederzeit widerrufbar waren, zwischen ihm und der Reichsregierung vereinbart wurden. Tatsächlich wurde die Aufgabenübertragung nach jedem der insgesamt 20 Kabinettswechsel während der Weimarer Republik bis zur Auflösung des Sparbüros im Jahre 1934 erneuert, so daß die Beziehungen zwischen Saemisch und der Reichsregierung durch ein besonderes Vertrauensverhältnis geprägt warenst. Offen bleibt, inwieweit diese Entwicklung dazu geführt hat, daß auch der Rechnungshof während der Weimarer Republik insgesamt der Exekutive näher stand als der Legislative. Am 18. Dezember 1923 setzte der Reichspräsident eine Verwaltungsabbaukommission ein, die erstmals Exekutivbefugnisse hatte. Sie bestand aus Saemisch als Vorsitzendem und den Staatssekretären Busch und Lewald82. Für die ungewöhnliche Art der Bestellung des Reichssparkommissars gab es keine staatsrechtliche Grundlage. Sie hätte in einem Gesetz oder sogar in der Verfassung verankert sein müssens3. Der spätere Versuch, die Stellung und Befugnisse des Reichssparkommissars in der 1. Novelle der RHO zu verankern, wurde wegen Bedenken der Reichsregierung zurückgestellt, die nicht zulassen wollte, daß Gutachten des Reichssparkommissars auch vom Reichstag angefordert werden konnten84. Die zwischen dem Reichskabinett und Saemisch vereinbarten Richtlinien wurden allerdings veröffentlichtss. Sie gestatteten die Überprüfung der Haushalte sämtlicher Ressorts. Die für das Büro des Reichssparkommissars erforderlichen Kosten bewilligte der Reichstag nachträglich, wobei der Personalhaushalt sehr bescheiden ausfiel. Zum Ausgleich wurde zusätzliches Personal vom Reichsrechnungshof und von der Oberrechnungskammer abgeordnet. Insgesamt bestand das Sparbüro, das nicht am Sitz des Rechnungshofs in Potsdam, sondern im Regierungszentrum Berlin eingerichtet wurde, aus Kräften, die hochqualifiziert und hochdotiert waren. Saemisch konnte sich seinen Mitarbeiterstab selbst aussuchens6. Ihre Honorierung vereinbarte er weitgehend in Privatdienstverträgen. Saemisch entwickelte nicht nur bei der Auswahl, sondern auch beim Einsatz des Personals großes Geschick. Er beschäftigte Persönlichkeiten mit vielseitiso Ebenda. Friedrich Saemisch, Der Reichssparkommissar und seine Aufgaben, Berlin 1930, s. 114. 82 Vgl. Fn. 77; ZStA Potsdam, Akten des RRH, RH 226 BI. 142 ff. 83 Karl Bi/finger, Der Reichssparkommissar, Berlin!Leipzig 1928; Johannes Popitz in: Deutsche Juristenzeitung 1927, 123 f. 84 Vgl. Abschnitt X. 85 Richtlinien vom 6. 5. 1927, RMinBI S. 141. 86 v. Pfuhlstein (Fn. 76) S. 380. 8!
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gerErfahrungund großem Fachwissen. Dazu gehörten Landräte, Oberbürgermeister und Regierungspräsidenten, Gymnasiallehrer, Oberlandforstmeister sowie Hochschullehrer für Ingenieurwesen. Ihr Spezialwissen reichte von Organisations- und Finanzfragen bis zu Kenntnissen des Theater- und Konzertwesens sowie des Bibliotheks-, Schul- und Klinikwesens87, Auf diese Weise konnte Saemisch Fachbereiche der Medizin, des Maschinenbaus, der Materialwirtschaft, der Bürowirtschaft, des öffentlichen Beschaffungswesens, des Bauwesens, des Kommunalwesens sowie der Forstverwaltung und des Vermessungswesens nach Einsparungsmöglichkeiten durchforsten. Beim Einsatz seiner Experten nutzte Saemisch nicht nur deren einschlägige Erfahrungen, sondern auch deren persönliche Neigungen. Ihm standen ständig zwei Gutachtergruppen zur Verfügung, wobei in Einzelfällen technische Sachverständige hinzugezogen wurdenss. Sie hatten Zugang zu allen Unterlagen in den einzelnen Verwaltungen. Das Büro des Reichssparkommissars vermied es in den Gutachten, mit dem Rotstift pauschale Streichungsvorschläge zu erarbeiten. Sämtliche Gutachten wurden individuell erstellt und enthielten quantifizierbare Einsparungsmöglichkeitens9. Sie hatten teilweise Lehrbuchcharakter für Fragen der Wirtschaftlichkeit. Im Umgang mit den geprüften Dienststellen entwickelte Saemisch einen eigenen, sachlichen und diskreten Stil. Er achtete eifersüchtig darauf, daß interessierte Dritte die Ergebnisse nicht beeinflußten. Die Untersuchungen wurden regelmäßig an Ort und Stelle durchgeführt. Großen Wert legte Saemisch darauf, die Untersuchungsergebnisse mit den Beteiligten zu erörtern. Gegenüber den Ressortinteressen trat er stets als unparteiischer Gutachter auf. Saemisch achtete auch darauf, die bisher von den untersuchten Behörden aus eigener Initiative entfalteten Anstrengungen angemessen zu würdigen und den vorgefundenen guten Willen und Fleiß der Bediensteten herauszustellen90. Das Sparbüro beschränkte sich von Anfang an nicht auf die Erarbeitung rein fiskalischer Sparvorschläge, sondern widmete sich mit großem Einfühlungsvermögen konkreten und realisierbaren Fragen der Wirtschaftlichkeit in der Reichsverwaltung. Die Bezeichnung "Reichssparkommissar" entsprach bald nicht mehr dem gesamten Spektrum seiner Tätigkeit. Unter Rationalisie87 Ebenda; Fuchs (Fn. 72) S. 184 f.; Becker I Kluge, Kulturpolitik und Ausgabenkontrolle, Frankfurt 1961, S. 274. 88 Reinhard Benninghoff-Lühl, Die Methode der Gutachten des Reichssparkommissars, Köln 1956 S. 13 ff. 89 Fuchs (Fn. 72) S. 183. 90 Benninghoff-Lühl (Fn. 88) S. 26 ff.
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rung der Verwaltung verstand Saemisch das stetige Bemühen, die vorhandenen und gewachsenen Verwaltungsstrukturen den veränderten Verhältnissen der Gegenwart anzupassen91. Saemisch pflegte nicht zu warten, bis er zu Stellungnahmen aufgefordert wurde, sondern ergriff in der Regel eigene Initiativen. Große Verdienste erwarb er sich durch Organisations- und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen in den einzelnen Verwaltungen92. Er wirkte bei der Auflösung mehrerer Reichsministerien, der Zusammenlegung oberster Reichsbehörden und bei der Auflösung von Abwicklungsstellen aus der Nachkriegszeit mit93. Sein erstes umfassendes Gesamtgutachten legte er bereits im Jahre 1924 vor. Es entsprach in vollem Umfang den Erwartungen der Reichsregierung. Sein persönliches Vertrauensverhältnis zum Reichskabinett verstärkte sich ab 1923 dadurch, daß Saemisch Zutritt zu den Kabinettssitzungen erhielt94. Im Jahre 1927 setzte er in den neugefaßten Richtlinien9s durch, daß ihm sämtliche Bedarfsanmeldungen (Voranschläge) der Ressorts zum Reichshaushaltsplan zur Stellungnahme zugeleitet wurden. Außerdem war Saemisch an der Vorbereitung neuer Gesetze beteiligt. Die Gemeinsame Geschäftsordnung der Reichsministerien96 verpflichtete die Reichsministerien, ihm bereits sämtliche Referentenentwürfe zur Prüfung der finanziellen Auswirkungen und zur gutachtlichen Stellungnahme vorzulegen. Die Erfolge des Reichssparkommissars beruhten teilweise auch auf einem besonders engen Zusammenwirken mit den beteiligten Dienststellen. Mit dem Staatssekretär im RFM, Johannes Popitz97, verband Saemisch eine tiefe Freundschaft. Ein besonders enger Kontakt bestand auch mit dem Reichspostministerium, in dessen Bereich zahlreiche Organisations- und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchgeführt wurden. Vorübergehend verfügte das Sparbüro über eine eigene Postabteilung98 . Saemisch trat für die Stärkung der Verantwortungsfreude auf der Ortsebene und für größtmögliche Bürgernähe ein. Er befürwortete die Dezentralisierung und die Delegation von nichtministeriellen Aufgaben auf nachgeordnete Instanzen99. Der Reichssparkommissar regte die Mechanisierung des staatEbenda. Dazu gehörten vor allem Gutachten über die Deutsche Reichspost, vgl. Fn. 98. 93 z. B. Auflösung des Reichsschatzministeriums und des Reichsministeriums für Wiederaufbau. 94 BA, Akten der Reichskanzlei, R 43 I 1948, Reichskabinett Cuno, Sitzung am 7. 7. 1923 s. 629 - 631. 95 (s. Fn. 85) Nr. I 2. 96 v. Pfuhlstein (Fn. 1) S. 76. 97 Zum Lebenslauf vgl. Hettlage, in: "Männer der Deutschen Verwaltung", Köln 1963, S. 329 ff.; vgl. auch BA, Nachlaß Popitz, NL 262. 98 Benninghoff-Lühl (Fn. 88) S. 13 ff. 99 Nordbeck (Fn. 5) S. 320. 91
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liehen Kassen- und Rechnungswesens an, was zum Einsatz von Lochkartenmaschinen in der Finanzverwaltung führtetoo. Er sorgte auch für die Vereinheitlichung amtlicher Vordrucke und unterbreitete Vorschläge für Registraturen und Geschäftsordnungen sowie für die Einschränkung des Raumbedarfs, wodurch eine allgemeine Büroreform eingeleitet wurde. Verdienste erwarb er sich auch bei der Standardisierung der Lieferungsbedingungen im staatlichen Beschaffungswesen101. Neben der Einsparung von Sachausgaben widmete sich Saemisch auch dem schwierigen Feld des Personalabbaus und der zutreffenden Dienstpostenbewertung. Dabei trat er für die Beibehaltung des Berufsbeamtenturns ein, allerdings sollten die Beamten auf die Ausübung von Hoheitsfunktionen beschränkt sein 102. Als Saemisch im Zusammenhang mit den Vorarbeiten zu einer umfassenden Reichsreform ab 1926 zum Generalsachverständigen des Verfassungsausschusses der Länderkonferenz berufen wurde, dehnte sich seine Gutachtertätigkeit auf die Länder und Gemeinden aus103. Auf Antrag mehrerer Länderregierungen und größerer Städte führte er Organisations- und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen über die Verwaltungen der Länder Braunschweig, Hessen, Thüringen, Mecklenburg-Schwerin, Württemberg und Lippe sowie über die Stadtverwaltungen von Stuttgart, Mannheim und Halle durch. Insgesamt erstattete der Reichssparkommissar in den Jahren von 1929 bis 1933 440 Gutachten, die auch heute noch eindrucksvolle Zeugnisse einer
höchst effektiven Gutachtertätigkeit sind. Die wichtigsten Gutachten sind heute im Bundesrechnungshof archiviert104,
Der Reichssparkommissar unterlag keinen unmittelbaren Weisungen der Reichsregierung, war aber auch selbst nicht mit Weisungsbefugnissen gegenüber den geprüften Dienststellen ausgestattet. Er beschränkte sich auf Feststellungen und Empfehlungen, deren Umsetzung er den Beteiligten überließ. Über die Umsetzung der zahlreichen Vorschläge und Anregungen gibt es unterschiedliche Bewertungen. Während von Dungerntos behauptet, die Vorschläge des Reichssparkommissars seien in den meisten Fällen beachtet worden, stellt der frühere preußische Innenminister Carl Severing106 in seinen EbendaS. 321. Ebenda. 102 Benninghoff-Lühl (Fn. 88); Nordheck (Fn. 5) S. 320. 103 Saemisch hatte bereits seit 1923 Kompetenzen für den Länderbereich verlangt; vgl. BA, Akten der Reichskanzlei, R 43 I 1949 BI. 53 f. 104 Eine Gesamtübersicht über die Gutachten des Reichssparkommissars vom 1. 1. 1929 bis 31. 12. 1932 findet sich in: BA, Akten des RFM, R 2/21 762. 105 DÖV 1952, 46 ff. 106 Carl Severing, Mein Lebenswerk, Köln 1950. 100 101
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Lebenserinnerungen resignierend fest, den mit großem Fleiß, gründlichem Sachverstand und ungeheurem Zeitaufwand gefertigten Gutachten habe der kategorische Auftrag zur Durchführung gefehlt. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß Saemisch bestrebt war, seine Vorschläge auch einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, vielleicht in der Hoffnung, dadurch weitere Impulse auszulösen. Die ab 1927 herausgegebene Fachzeitschrift "Reich und Länder" galt als Hauszeitschrift des Reichssparkommissars, an der mehrere Mitarbeiter des Sparbüros mitwirktent07. Das Verhältnis zwischen dem Sparbüro in Berlin und dem Rechnungshof in Potsdam war nicht immer spannungsfrei. Zuweilen gab es Probleme, wer als erster ein aktuelles Thema aufgreifen sollte. Die Konkurrenzsituation begünstigte vielfältige Initiativen, wobei das Sparbüro oft Lokomotivwirkungen auslöste. Für Saemisch bot das monokratisch organisierte Sparbüro eine größere Chance zur Profilierung als der kollegial arbeitende Rechnungshof, der sich hauptsächlich mit der nachträglichen Überprüfung finanzieller Maßnahmen begnügte, während sich das Sparbüro auf die Verbesserung der laufenden Verwaltungsgeschäfte konzentrieren konnte. Außerdem hatte das Sparbüro Einblick in die Verhältnisse der Länder und größerer Städte, während der Reichsrechnungshof auf die Reichsverwaltung beschränkt war. Immerhin sorgte Saemisch dafür, daß auch der Rechnungshof mehr zukunftsbezogene Aufgaben übernahm. Er erreichte, daß die Voranschläge der Ressorts ab 1933 auch dem Rechnungshof zur StellungnahmetOs übersandt wurden und daß der Rechnungshof bereits während der Weimarer Zeit größeren Einfluß auf die Haushaltsaufstellung ausüben konntet09. Der wachsende Bedeutungsverlust des Reichstags führte ohnehin zu einer zunehmenden Stärkung des Reichsfinanzministers, dem die RHO bereits umfassende Befugnisse im Haushaltsverfahren übertragen hatte. Zum Ausgleich schaltete sich der Rechnungshof ohne besondere gesetzliche Grundlage immer stärker in die Haushaltsgestaltung ein. Er veranlaßte die Ressorts, die Notwendigkeit ihres Haushaltsbedarfs unmittelbar mit ihm zu erörtern Ho. Gegen Ende der Weimarer Republik verstand sich der Rechnungshof nicht mehr nur als Wächter über die Reichsfinanzen, sondern auch als starker Makler und Hüter des Reichshaushalts. Auf diese Wandlung wies der sozialdemokratische Haushaltsexperte Kurt Heiniglu hin, als er am 13. Januar 1933 im Haushaltsausschuß des Reichstags die Schwächung der Legislative und den Machtzuwachs der Exekutive beklagte, gleichzeitig aber den Rechnungshof ermunterte, mit gesteiger107 Zu den Autoren gehörten u. a. Wolfgang Spielhagen (späterer Bürgermeister von Breslau), Oberbürgermeister Duhmer und Dietrich Kaufmann. 108 § 19 RHO i.d.F. der 2. Novelle der RHO (vgl. Fn. 11). 109 Kar/ Dietrich Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik, eine Studie zum Problem des Machtverfalls in der Demokratie, 5. Auflage, Villingen 1971, 32 f. 11o Saemisch (Fn. 56) S. 86. 111 v. Pfuhlstein (Fn. 1) S. 82.
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ter Aufmerksamkeit als ein der Reichsregierung gegenüber selbständiger, nur dem Gesetz unterworfener Hüter des Haushaltsrechts aufzutreten. Umgekehrt gelang es auch dem Sparbüro, bei den Haushaltsberatungen im Reichstag präsent zu sein und seine Prüfungserfahrungen einzubringen. Ab 1927 hatten auch die Vertreter des Reichssparkommissars Zugang zu den Beratungen des Haushaltsausschussesll2, an dessen Sitzungen bereits regelmäßig ein Vertreter des Rechnungshofs teilnahm. Daneben befaßte sich vor allem der Sparausschuß des Reichstags- ein Unterausschuß des Haushaltsausschusses - mit den Sparvorschlägen des Reichssparkommissarsl13. VII. Die Annähemng der Rechnungsprüfung an die Gegenwart
Das Verhältnis zwischen dem Rechnungshof und dem Reichstag sowie dem Reichsrat bestimmte sich nach§ 107 RHO. Der Rechnungshof hatte nach der Prüfung der für das Rechnungsjahr gelegten Rechnungen unter selbständiger und unbedingter Verantwortlichkeit Bemerkungen aufzustellen und diesen eine Denkschrift beizufügen. Die Denkschrift und die Bemerkungen wurden über den RFM dem Reichstag und Reichsrat mit dem Antrag vorgelegt, die Reichsregierung von ihrer Finanzverantwortung zu entlasten. Im Reichstag befaßten sich der Rechnungsausschuß und der 5. Ausschuß (Haushaltsausschuß) mit den Bemerkungen und der Denkschrift des Rechnungshofs. Während der Rechnungsausschuß die Entlastung der Regierung von ihrer Finanzverantwortung vorbereitete, also Vergangenheitsbewältigung betrieb, arbeitete der Haushaltsausschuß, der sich mit der Aufstellung des Haushaltsplans befaßte, zukunftsorientiert; über den Inhalt seiner Beratungen wurden ab 1924 Niederschriften gefertigtll4. Im Jahre 1928 wurde der Rechnungsausschuß aufgehoben, so daß sich nur noch der Haushaltsausschuß mit den Berichten des Rechnungshofs befaßte. Der Annäherungsprozeß zwischen dem Rechnungshof und der Legislative verlief nicht gradlinig. Die Motive zum OberrechnungskammergesetzllS von 1872 gingen noch davon aus, daß eine persönliche Berührung zwischen Parlament und oberster Kontrollbehörde nicht in Betracht kam. Die noch von der Monarchie geprägten Prüfer des Rechnungshofs dürften - wie die übrige Beamtenschaft und das Militär - ein distanziertes Verhältnis zur Demokratie von Weimar entwickelt haben. Viele sahen in der neuen Republik lediglich ein Interregnum und Provisorium in der Erwartung, daß die Zukunft eine kraftvollere Nachfolge für das Bismarck-Reich hervorbringen werde. Heinigll6 11 2 113
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Richtlinien vom 6. 5. 1927 (Fn. 85) Nr. I 3 a. E. Gilles in: "Die verkannte Macht" (Fn. 1) S. 49. Auf Initiative des Ausschußvorsitzenden Dr. Schreiber. Vgl. Fn. 14. Heinig (Fn. 1) S. 122.
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weist darauf hin, daß der Rechnungshof mit dem Reichsfinanzministerium den Zusammenbruch des Kaiserreichs ohne nennenswerte organisatorische oder personelle Veränderungen überlebte. Die Rechnungsprüfer seien in Potsdam im allgemeinen in ihrer Abgeschiedenheit durchaus zufrieden gewesen und hätten lange Zeit in einer "splendid isolation" gelebt. Die Mitglieder hätten sich traditionell mit der Ministerialbürokratie solidarisch gefühlt. In diesem Zusammenhang charakterisiert Heinig den Präsidenten als einen Beamten alter Schule, dem er Tüchtigkeit bescheinigt. Gleichzeitig verdächtigt er Saemisch aber auch, daß dieser dem Parlament gegenüber innerlich ablehnend und eifersüchtig auf dessen aktivierte politische Kontrolle gewesen seil17. Der Reichstag begnügte sich nicht mit der Rolle des Reichsrechnungshofs als traditionelle Prüfungsinstanz. Er verhalf ihm nach der Inflationsphase durch mannigfaltige Impulse zu einer ständig steigenden Bedeutung und zu einer außerordentlichen Stellung, die weit über den Rahmen der RHO hinausging und schließlich zu einer Entwicklung führte, in der der Rechnungshof nicht nur entlastungsbezogene Vergangenheitsbewältigung betreiben, sondern aktiv auf die zukunftsbezogene Haushaltsgestaltung Einfluß nehmen konnteus. Bereits im Jahre 1923 wurde zwischen dem Rechnungshof und dem Haushaltsausschuß des Reichstags abgesprochen, daß Vertreter des Rechnungshofs mindestens bei der Beratung des Einzelplans VIII, der den Haushalt des Rechnungshofs betraf, anwesend sein sollten, um zusätzliche Auskünfte geben und Erfahrungen einbringen zu könnenll9. Der Rechnungshof legte erstmals in den Jahren 1924/1925 Mitteilungen zu den Haushaltsrechnungen 1918 und 1919 vor 12o. Am 22. Januar 1927 beklagte der Haushaltsausschuß des Reichstags, daß die Bemerkungen zur Reichsbaushaltsrechnung 1924 immer noch nicht vorlägenl2I. Der Rechnungshof rechtfertigte die Verspätung mit dem Hinweis, daß er die Bemerkungen wegen der verzögerten Rechnungslegung der Verwaltung nicht rechtzeitig fertigsteilen konnte. Im selben Jahre legte er für die Inflationszeit (1920 bis 1923) einen zusammengefaSten Bericht vorl22, der 99 Druckseiten umfaßte. Die Denkschrift enthielt auch eine umfassende Würdigung der Auswirkungen der neuenRHO. Ebenda. Vgl. Fn. 109. 119 Saemisch (Fn. 56) S. 36 u. 85 unter Hinweis auf die 253. Sitzung des Deutschen Reichstags vom 23. 4. 1923 I. Wahlperiode 1920/1930. 12o RT-Drucks. Nr. 1071 III. Wahlperiode 1924/25. 12 1 204. Sitzung des Haushaltsausschusses des Reichstags (Ausschußdrucksache 111. Wahlperiode 1924/27 S. 9); vgl. dazu Denkschrift des RRH für 1924, RT-Drucks. Nr. 4054/28 III. Wahlperiode. 122 Vgl. Fn. 120. 117 118
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Nach der Vorlage der ersten Bemerkungen nahmen Vertreter des Rechnungshofs regelmäßig an den Beratungen des Rechnungsausschusses teil. Dieser bemängelte, daß der Rechnungshof wegen seiner unzureichenden Personalbesetzung nicht alle Etats habe sorgfältig prüfen können. Am 25. November 1929 dankte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Heimann, dem Rechnungshof für die Vorlage der ersten Bemerkungent23. Von besonderer Bedeutung für die Fortentwicklung der Rechnungsprüfung war die Regelung des § 101 RHO, wonach die Reichsministerien und der Reichstag gutachtliche Stellungnahmen des Rechnungshofs zu einzelnen Haushaltsfragen einholen konnten. Die Reichsministerien sollten dadurch Gelegenheit erhalten, Zweifelsfragen frühzeitig auszuräumen und haushaltsrechtliche Verstöße rechtzeitig zu vermeiden. Sie machten nur zögernd von der Beratungsmöglichkeit Gebrauch124. Der Reichstag sicherte sich das Recht auf Beratung vor allem für die Bewilligungen im Haushaltsaufstellungsverfahren. Bis zum Jahre 1927 richtete der Reichstag allerdings kein förmliches Gesuch um Erstattung eines Gutachtens an den Rechnungshoft25. An der Vorbereitung neuer Gesetze war der Rechnungshof im Gegensatz zum Reichssparkommissar formell nicht beteiligtt26. Der Reichstag verlangte immer wieder eine Beschleunigung des Prüfungsverfahrens127. Seitdem verstärkte sich auch der Wunsch des Reichstags, den Rechnungshof möglichst nahe an die Gegenwart heranzuführent2s. Die Prüfungsergebnisse sollten schneller ausgewertet werden, damit durch baldige Behebung von Mängeln größere Ersparnisse erzielt werden konnten. Außerdem sollten der Reichstag und der Reichsrat durch schnellere Berichterstattung frühzeitiger in die Lage versetzt werden, bei der Aufstellung des Haushalts die Prüfungserfahrungen in die parlamentarischen Beratungen einzubringen. Die Bemerkungen fanden auch im benachbarten Ausland und vor allem bei den Reparationsgläubigermächten Interesse. Als der Rechnungshof die zahlenmäßige Stärke der deutschen Delegation für die Londoner Verhandlungen über die Annahme des Dawes-Gutachtens sowie eine Studienreise eines Ministerialdirektors nach Nord-Amerika beanstandete, nahmen dies der Außenund Finanzminister zum Anlaß, die Prüfungskompetenz des Rechnungshofs in Frage zu stellen, weil es sich um politische Entscheidungen der Reichsregierung handele, die lediglich dem Reichstag gegenüber zu verantworten v. Pfuhlstein (Fn. 1) S. 78. Vgl. Fn. 37. 125 Ebenda. 126 Vgl. Fn. 96. 127 Vgl. Fn. 69. 128 Ebenda.
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seienl2Sa. Der Rechnungshof müsse sich auf die rechnerische Überprüfung beschränken. Außerdem seien außen- und reparationspolitische Nebenwirkungen zu b~fürchten, wenn sich der Rechnungshof in den Bemerkungen kritisch zu derartigen Fragen äußere. Es sei zu erwarten, daß vor allem der Dawes-Ausschuß und der Generalagent für Reparationszahlungen generell Erkenntnisse des Rechnungshofs zum Nachteil des Reichs verwerteten. Das Reichskabinett schloß sich dieser Auffassung in seiner Sitzung am 31. Mai 1929 anl 29. Bei den anschließenden Beratungen zur 1. Novelle der RHO ergab sich allerdings eine deutliche Tendenz des Parlaments, die Rechte des Rechnungshofs zu stärken. Die Kontroverse wurde nach einer Aussprache zwischen Popitz und Saemisch ausgeräumt. In einer Stellungnahme vom 7. Dezember 1931 wies der Rechnungshof darauf hin, daß er schon seit Jahren vor der Veröffentlichung seiner Bemerkungen den betroffenen Ressorts Gelegenheit zur Stellungnahme gebel3o. Die Reichsministerien waren bestrebt, möglichst viele Zuständigkeiten an sich zu ziehen, um ihre Macht zu stärken. Außerdem mußten viele Aufgaben zwangsläufig zentral erledigt werden, da der notwendige Unterbau fehlte. Diese Entwicklung führte zu einer erheblichen Vermehrung des Personalbestandes in den Ministerien. An dieser Entwicklung waren nicht nur die Ministerialdemokratie selbst und die Reichsorgane, sondern auch die politischen Parteien und die von ihnen betriebene Personalpolitik beteiligt. Der Rechnungshof trat - ebenso wie der Reichssparkommissar - für eine weitgehende Entlastung der Ministerien von nichtministeriellen Aufgaben und für die Stärkung der Verantwortlichkeit auf der Mittel- und Ortsinstanz sowie für die Herstellung größerer Bürgernähe einBl.
VIII. Der Lohmann I Phoebus-Skandal (192711928) Im Sommer 1927 gelangten durch Indiskretionen eines ausgeschiedenen Mitarbeiters der Phoebus-Film-Gesellschaft Berichte in die Presse, wonach der Leiter der Seetransportabteilung im Reichswehrministerium, Kapitän z.S. Lohmann, zahlreiche Unternehmen aus Reichsmitteln finanziere und aus den erzielten Gewinnen schwarze Fonds zugunsten der Reichswehr gebildet habel32. BA, Akten der Reichskanzlei, R 43 I 959 BI. 68 f. Ebenda. 130 Vgl. Fn. 49. 131 Benninghoff-Lühl (Fn. 88) S. 66 ff. 132 BA, Nachlaß Saemisch, NL 171 Nr. 176; BA, Akten der Reichskanzlei, R 43 I 603 BI. 9 ff.; Michiyoshi Oschima, Die Bedeutung des Kabinettsbeschlusses vom 4. 4. 1933 für die autonome Haushaltsgebarung der Wehrmacht, in: Finanzarchiv NF Bd. 38 Nr. 2 S. 193 ff. 12sa
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Der Reichstag und die Presse forderten eine Untersuchung der Angelegenheit. Gleichzeitig wurde dem Rechnungshof vorgeworfen, das gesetzwidrige Finanzgebaren nicht rechtzeitig aufgedeckt und die Unterrichtung des Parlaments unterlassen zu habenl33, Am 13. August 1927 beauftragte der Reichskanzler den Reichssparkommissar mit der Aufklärung des Sachverhalts. Seine Ermittlungen ergaben, daß die Behauptungen der Presse im wesentlichen zutrafenl34 . Es stellte sich heraus, daß ein kleiner Kreis hoher Reichswehroffiziere bereits Anfang der 20er Jahre sich nicht mit den drastischen Rüstungsbeschränkungen des Versailler Vertrages abfinden wollte, der militärische Beschaffungen auf ein Minimum beschränkte. Die Stärke und Ausrüstung der Reichswehr richtete sich nach dem sogenannten Nollet-Solll35, Der französische General Nollet, der die Interalliierte Militärkommission leitete, legte die Obergrenze für militärische Beschaffungen fest. Die Militärs der Reichswehr beschlossen, zusätzliche Geldquellen zu erschließen, um damit geheime Rüstungsausgaben zu finanzieren. Als das Reichskabinett bei Ausbruch des Ruhrkonfliktes der Reichswehr 100 Millionen Goldmark zur freien Verfügung stellte, weil es mit dem Einsatz der Reichswehr rechnen mußte, zweigte die Reichswehrführung einen Teil des Geldes aus dem Ruhrfonds für die geheime Wiederaufrüstung ab. Mit dem Geld wurden Schnellboote, Dampfer, Flugzeuge und Minen beschafftl36. Einen weiteren Teil von zusätzlichen Geldmitteln erwirtschaftete die Reichswehr aus Einsparungen bei Etatpositionen, die der Reichstag für andere Zwecke (z. B. für Manöverübungen) zur Verfügung gestellt hatte. Außerdem flossen der Reichswehr weitere Mittel zu aus dem sogenannten Tokio-Fonds, der zur Heimbeförderung von Kriegsgefangenen gebildet war, aus dem Fonds zur Veräußerung von Minen- und Prisenschiffen sowie aus Spenden der Industrie und der Landwirtschaft137. Auf diese Weise konnte die Heeresleitung in den Jahren von 1925 bis 1927 über folgende zusätzliche Mittel verfügen: 1925 1926 1927
40 Millionen RM 35 Millionen RM 50 Millionen RMBB.
Die geheimen Mittelließ die Reichswehr von mehreren Beschaffungsstellen getarnt verwalten. Die Reichsmarineleitung übertrug die Verwaltung ihrer 133 Fritz Neumark, Der Reichshaushaltsplan. Ein Beitrag zur Lehre vom öffentlichen Haushalt, Jena 1929 S. 332. 134 BA, Nachlaß Saemisch, NL 171 Nr. 175. 135 BA- Militärarchiv Freiburg-RH 15/4 BI. 6 ff. 136 Ebenda BI. 20 ff. 137 Ebenda BI. 40. 138 Ebenda BI. 22.
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Geheimmittel dem Leiter der Seetransportabteilung. Kapitän z. S. Lohmann beteiligte sich zu Lasten des Reichs an zahlreichen Unternehmen, um aus den Gewinnen vor allem zusätzliches Geld für den Bau von Schiffen zu beschaffen. Im Mittelpunkt seines getarnten Imperiums stand die Phoebus-Film-Gesellschaft, der Lohmann innerhalb von zwei Jahren staatliche Subventionen in Höhe von 10 Millionen RM zuführtet39. Bei seinen Recherchen fand Saemisch heraus, daß sich Lohmann durch unzulässige Kredite zu Lasten des Reichs insgesamt 19 Millionen RM zur Finanzierung der geheimen Wiederaufrüstung beschafft hatte. In seinem Berichtt40 vom 10. November 1927 an die Reichsregierung schlug Saemisch, der sich von patriotischen Gefühlen leiten ließ, zwar die Liquidierung der umstrittenen Tarnfirmen vor, gleichzeitig trat er für die Fortsetzung der geheimen Wiederaufrüstung ein, wobei er anregte, eine Kontrollkommissiont 41 einzusetzen, die das gesamte Haushaltsgebaren der Reichswehr laufend überwachen und künftige Haushaltsverstöße bereits im Vorfeld unterbinden sollte, damit der Reichsrechnungshof keinen Anlaß habe, bei der Ausübung seines gesetzmäßigen Prüfungsrechts nach der RHO Beanstandungen an das Parlament und damit auch an die Öffentlichkeit heranzutragen. Das Kabinett folgte diesem Vorschlag am 22. Dezember 1927 und setzte die sogenannte Mitprüfungskommissionl 42 ein, die aus folgenden Mitgliedern bestand: -
Staatssekretär Popitz (RFM) als Vorsitzender, Präsident Saemisch (RRH), Chef der Heeresleitung (RWM) und Chef der Marineleitung (RWM).
In der 2. Sitzung (27. April 1928) der Mitprüfungskommission, die auch Staatssekretärsgremium genannt wurde, versuchten Popitz und Saemisch einen Überblick über die geheimen Rüstungsausgaben zu erhaltent43, Auf Vorschlag der Reichswehr wurden für die drei Waffengattungen Heer, Marine und Luftwaffe sogenannte farbige (bunte) Haushaltet44 zugelassen, die auch als X-Haushalte bezeichnet wurden. Sie unterlagen der Geheimhaltung und wurden unter Ausschaltung des Parlaments vom Mitprüfungsausschuß nicht nur aufgestellt, sondern auch in der Durchführung kontrolliert. Es wurde eine interne Arbeitsgruppe 14S eingerichtet, die sich um die formelle Vorprüfung Oschima (Fn. 132) S. 196. BA, Akten der Reichskanzlei, R 43 I 603 BI. 94 ff.; BA, Nachlaß Saemisch, NL 171 Nr. 176. 141 Ebenda. 142 BA, Akten der Reichskanzlei, R 43 I 1426. 143 BA - Militärarchiv Freiburg - RH 15/4 BI. 20 ff. 144 Ebenda BI. 17, 18, 47. 145 Ebenda BI. 41. 139 140
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der Rechnungen kümmerte und dem Rechnungshof, dem die sogenannte Superrevision vorbehalten war, zuarbeiten sollte. In den Folgejahren wies der X-Haushalt neben dem offenen (weißen) Haushalt der Reichswehr folgende zusätzliche Beträge aus: Jahr 1928 1929 1930
Heer 80,2 Millionen RM 60,9 Millionen RM 64,9 Millionen RM
Marine 7,0 Millionen RM 7, 7 Millionen RM 12,3 Millionen RM
Saemisch fühlte sich im Mitprüfungsausschuß in einem Gewissenskonflikt, da sich der Ausschuß mit generellen und gravierenden Etatverstößen beschäftigte, über die der Rechnungshof grundsätzlich das Parlament zu unterrichten hatte146, Auch Popitz gestand ein, daß die geheimen Rüstungsausgaben gesetzwidrig seien147 • Andererseits sah die Reichswehr in beiden Ausschußmitgliedern ihre patriotischen Bundesgenossen. Sie bevorzugte Einzelheiten der geheimen Wiederaufrüstung nur im kleinsten Kreis zu offenbaren, wozu sie ausdrücklich Popitz und Saemisch zählte148. Saemisch löste den inneren Gewissenskonflikt in der Überzeugung, die "Verantwortung im Interesse für Deutschlands Zukunft auf sich nehmen zu müssen". Als die Erprobung neuer Waffen nach Rußland verlagert wurde, ließ er sogar dort im Jahre 1928 örtliche Prüfungen des Rechnungshofs durchführen. IX. Die Rechnungsprüfung in den Ländern (1920 · 1936)
Die Kontrolle der Länderhaushalte oblag in der Weimarer Republik nur teilweise eigenständigen Landesprüfungseinrichtungen, die jedoch nicht alle die gleiche Unabhängigkeit wie der Reichsrechnungshof besaßen149. In Anhalt und Schaumburg-Lippe bestand die oberste Finanzkontrollbehörde aus einer Dienststelle des Staatsministeriums bzw. der Landesregierung. In Württemberg und Mecklenburg-Strelitz sowie Schwerin unterstand die Kontrollbehörde dem Finanzministerium. In Lippe übte der Landtag die Rechnungsprüfung selbst aus. In Oldenburg war die Kontrolltätigkeit Beamten des Staatsministeriums nebenamtlich übertragen. In Thüringen unterstanden die Bediensteten der Rechnungskammer dienstrechtlich dem Finanzministerium. In Harnburg und Lübeck waren das Rechnungsamt bzw. die RechnungskamEbenda Bl. 21 f. Ebenda. 148 Eben da Bl. 7. 149 Saemisch (Fn. 56) S. 95 ff. 146 147
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mer unmittelbar dem Senat unterstellt. In Bremen war das Rechnungsamt ein Organ der Finanzdeputation. Die größte Übereinstimmung zwischen der Reichs- und Landeskontrolle bestand in Preußen, weil beide Rechnungshöfe eine gemeinsame geschichtliche Wurzel hatten und die Preußische Oberrechnungskammer in Personalunion vom Präsidenten des Reichsrechnungshofs geleitet wurdeiso. Dennoch galt für beide Rechnungshöfe unterschiedliches Kontrollrecht. Während der Reichsrechnungshof auf der Grundlage der RHO prüfte, galt für die Oberrechnungskammer noch das Oberrechnungskammergesetz von 1872151. Als Popitz preußischer Finanzminister wurde, verlangte er eine Anpassung der RHO an das preußische Haushaltsrecht, damit zwischen dem Reich und Preußen insoweit eine Rechtseinheit zustandekomme 152 • Dieses Ziel erreichte er mit Unterstützung von Saemisch in der 2. Novelle der RHOI53 vom 13. Dezember 1933, wobei sie Konzessionen an den neuen Zeitgeist in Kauf nahmen. In einigen Ländern verstärkte sich - in Anlehnung an die Entwicklung im Reich- die Tendenz, das Prüfungsorgan nicht nur auf die Vergangenheitsbewältigung im Entlastungsverfahren zu beschränken, sondern an der Aufstellung des Haushaltsplans zu beteiligen. Die Kontrollorgane in Sachsen, Württemberg, Thüringen, Harnburg und Lübeck konnten sich daraufhin beratend in den Haushaltsaufstellungsprozeß einschaltenl54. In einzelnen Ländern kamen auch Bemühungen in Gang, die Befugnisse des Prüfungsorgans über den Rahmen der Prüfung des Staatshaushalts hinaus zu erweitern. In Braunschweig und Hessen wurde der Rechnungskammer sogar die Revision der Rechnungen übertragen, die bei den unter Aufsicht oder Verwaltung der Staatsbehörden stehenden Gemeinden und Kirchen anfielen 155 • Die unterschiedliche Ausgestaltung und Entwicklung der Länderkontrolle nahm Saemisch in seiner Eigenschaft als Reichssparkommissar zum Anlaß, in seinen Ländergutachten für eine Rechtsangleichung bzw. Zusammenlegung einzelner Kontrollbehörden zu plädieren. Im Jahre 1931 schlug er für kleinere und mittlere Länder "die Übertragung ihrer Rechnungskontrolle an die oberste Kontrollbehörde des Reichs oder Preußens im Wege eines Staatsvertrags" vor, um "unter einer gewissen Kostenersparnis die Vorteile einer gut organiISO Vgl. Abschnitte II und 111 sowie§ 126 g RHO i.d.F. der 2. Novelle der RHO (vgl. Fn. 11). 151 Vgl. Fn. 14. 152 Saemisch in: Deutsche Juristenzeitung 1934, 172 ff.; Fuchs (Fn. 72) S. 99; vgl. Fn. 203. 153 Vgl. Fn. 11 und Abschnitt XIV. 154 Saemisch (Fn. 56) S. 107. 155 Ebenda.
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sierten, spezialisierten und objektiven Rechnungsprüfung zu sichern" 156. Seinen Wunschträumen kam er nach der Machtübernahme Hitlers näher, als in der 2. Novelle der RHO den Ländern die Übernahme der RHO nahegelegt wurde !57. Von der Optionsklausel machten lediglich Preußen, Lippe und Bayern Gebrauch, ohne daß Rechnungshöfe aufgelöst wurden Iss. Im Zuge der von den Nationalsozialisten favorisierten Gleichschaltung der Länder ordnete schließlich die 4. Novelle der RHOIS9 vom 17. Juni 1936 für alle nichtpreußischen Länder die zwangsweise Übernahme der RHO mit der Folge an, daß gleichzeitig alle Rechnungshöfe mit Ausnahme der Preußischen Oberrechnungskammer liquidiert und in Außenabteilungen des Reichsrechnungshofs übergeführt wurden. X. Die 1. Novelle der Reichshaushaltsordnung
Nach 7-jähriger Geltungsdauer wurde die RHO im Jahre 1930 erstmals novelliert. Es sollten bewährte Vorschriften aus den jährlichen Haushaltsgesetzen als Dauerregelungen in die RHO übergeführt werden160. Bei dieser Gelegenheit bemühte sich Saemisch, das monokratisch geführte Sparbüro und den Rechnungshof organisch zu verbinden sowie ihre Aufgaben und Befugnisse einheitlich in der RHO zu regeln. Er wies darauf hin, daß er als Leiter beider Institutionen ein reibungsloses Zusammenarbeiten garantieren könne 161 . Während der Beratungen im Haushaltsausschuß des Reichstags, die sich von Oktober bis Dezember 1929 hinzogen, beantragte der Abgeordnete Dr. Cremerl62 in der 9. Sitzung, in die RHO einen neuen Abschnitt V a mit der Überschrift "Reichssparkommissar" aufzunehmen. Über den Antrag wurde ausführlich diskutiert, er fand aber keine Mehrheit. Die Reichsregierung hatte Bedenken, auch dem Reichstag die Befugnis zuzugestehen, Gutachten des Reichssparkommissars anzufordern. Sie befürchtete, daß das Sparbüro künftig nicht mehr ein Organ der Reichsregierung, sondern des Parlaments werde163. Der Abgeordnete Dr. Hergt164 stellte noch einmal die Aufgaben des Reichssparkommissars heraus: Er habe organisatorische Vorschläge zu machen, den Behördenaufbau zu prüfen, Doppelarbeit, Gegeneinanderar156 157 158 159 160 161 162 163 164
EbendaS. 109. Artikel IV§ 1 der 2. Novelle der RHO {Fn. 11). Dommach (Fn. 1) S. 54 und 56. Vgl. Fn. 11. RGBI1930 II 693 und 776. Reichstagsprotokolle, 132. Sitzung vom 26. 2. 1930 S. 4070 ff. v. Pfuhlstein (Fn. 1) S. 80. BA, Akten des RFM, R 2/21 762. v. Pfuhlstein (Fn. 1) S. 80.
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beit, vergebliche nutzlose Arbeit auszuschalten, die Aufbauschung des amtlichen Apparates zu beseitigen, die Einhaltung klarer Zuständigkeiten zwischen Reich und Ländern herauszuschälen und Mißstände in allen Richtungen aufzudecken. Am 16. April1930 unternahm Ministerialdirektor Dr. Brecht im Reichsrat einen neuen Versuch, die Aufgaben des Reichssparkommissars in der 1. Novelle der RHO zu verankern 165 . Am 31. Mai 1930 befaßte sich noch einmal der Haushaltsausschuß des Reichstags ausführlich mit dem Verhältnis zwischen Reichssparkommissar, Rechnungshof und Finanzministerium166. Der Reichstag verabschiedete die Novelle der RHO ohne den Abschnitt über den Reichssparkommissart67. Ein weiterer Diskussionsgegenstand war die Frage der Befugnis des Rechnungshofs, in Ministerialakten Einsicht zu nehmen. Der Rechnungshof wies bei den Erörterungen zu § 98 RHO auf Schwierigkeiten hin, bei seinen Prüfungen Einsicht in die Akten der Reichsministerien zu nehment6s. Der Haushaltsausschuß vertrat die Auffassung, daß der Rechnungshof allgemein das Recht auf Einsichtnahme in die Akten der Reichsverwaltung einschließlich der Reichsministerien habe169. Die Reichsregierung schlug vor, dem Rechnungshof Einsicht in die Akten der Reichsministerien nur zu gestatten, wenn der zuständige Reichsminister zustimme. Nach einer Aussprache zwischen Popitz und Saemisch wurde diese Fassung vom Haushaltsausschuß beschlossen170. XI. Der Konflikt zwischen dem Rechnungshof und dem Finanzministerium (1931) Im Jahre 1931 kam es zu einer ernsthaften Verstimmung zwischen dem Rechnungshof und dem Finanzministerium. Anlaß war ein Schreiben, das der Generalreferent im Rechnungshof, Dr. Winzerlingm, am 5. Oktober 1931 anläßlich der Vorbereitungen zur Beratung der Bemerkungen des Rechnungshofs im Haushaltsausschuß des Reichstags an den Abgeordneten Heinig als dessen Vorsitzenden richtete. Darin schlug Winzerling vor, zur Stärkung der Stellung des Rechnunghofs spürbare Konsequenzen aus den Bemerkungen zu ziehen und den vom Finanzministerium zu verantwortenden überplanmäßigen Ausgaben die nachträgliche parlamentarische Billigung zu versagen, was minEbenda S. 76. EbendaS. 79. 167 Vgl. Fn. 160. 168 BA, Akten der Reichskanzlei, R 43 I 959 BI. 74, 75. 169 Ebenda. 170 Ebenda. m BA, Akten des RFM, R 2/2152. 165
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destens zur Einleitung von Disziplinarverfahren gegen die Haushaltsreferenten des Finanzministeriums führen werde. Winzerling scheute sich nicht, dem Finanzminister einen Abdruck seines Schreibens zu übersenden. Der Eklat ließ nicht lange auf sich warten. Es kam zu einer grundlegenden Aussprache zwischen dem Finanzminister Schwerin von Krosigk und Saemisch172. Im Ergebnis wurde der Streit durch die Absprache beigelegt, daß künftig weitere Streitfragen ausschließlich mit dem Direktor Stengel im Rechnungshof erörtert werden solltent73. XII. Der Bedeutungsverlust der Bemerkungen (1933)
Die Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 löste Besorgnis über die Zukunft des Rechnungshofs aus. Ungewiß war vor allem, ob das neue Regime die richterliche Unabhängigkeit der Mitglieder des Rechnungshofs respektieren und den Bedeutungswandel hinnehmen werde, der sich in der Weimarer Zeit für den Rechnungshof mit Unterstützung des Reichstags und über den Rahmen der RHO hinaus vollzogen hattet74. Die meisten Nationalsozialisten sahen im Rechnungshof ein fragwürdiges "Relikt aus der Weimarer Zeit"t7s, weil das Gesamtkollegium einschließlich seines Präsidenten weitgehend aus unpolitischen Beamten bestand. Hinzu kam, daß die von der großen Tradition der Preußischen Oberrechnungskammer geprägten Mitglieder entschlossen waren, auch unter dem neuen Regime ihren Ruf als peinlich genaue und unbestechliche Prüfer zu wahren und ihre Kontrollen ohne Ansehen der Person auszuüben. Als mehrere höhere Beamte aus den Ministerien an den Rechnungshof versetzt wurden, um sie "kaltzustellen", kam der Verdacht auf, der Rechnungshof sei ein "Sammelbecken politisch unzuverlässiger oder mißliebiger höherer Beamter" 176 . Im Frühjahr 1933 setzte eine Pressekampagne mit dem Ziel ein, Saemisch zum Rücktritt zu bewegen. Bei dieser Ausgangslage war zu befürchten, daß das neue Regime dem Rechnungshof keine bedeutende Rolle zubilligen und seine Existenzberechtigung in Frage stellen werde. Andererseits mußte es für Hitler verlockend sein, das hohe Ansehen und Erfahrungswissen des Rechnungshofs einzusetzen, um seine Stellung innerhalb der Bürokratie wenigstens in der Anfangsphase zu festigen und der Öffentlichkeit die wiederholt versprochene Ordnung, SparEbenda. Ebenda. 174 Vgl. Abschnitt VII und Bracher (Fn. 109). 175 Dommach (Fn. 1) S. 30. 176 Ebenda; nach Angaben von Ribbentrops sollte der Rechnungshof im Jahre 1933 aufgelöst werden; gegen den Plan habe Hitler heftig protestiert (ZStA Potsdam, Akten des RRH, RH 1935 BI. 7 ff.). 172 173
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samkeit und Sauberkeit der öffentlichen Verwaltung vorzuführenm. Hinzu kam der nationalsozialistische Druck, der bereits kurz nach der Machtübernahme alle Bereiche des öffentlichen Dienstes erfaßte und seinen ersten Höhepunkt in der Säuberungswelle fand, die im April 1933 durch das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums"I 7B einsetzte. Das Gesetz erlaubte es den neuen Machthabern, die Beamtenschaft einzuschüchtern, zu disziplinieren und politisch mißliebiges Personal zu entfernen. Es ist anzunehmen, daß die Bediensteten des Rechnungshofs ebenso wie die übrige Beamtenschaft darauf teils mit gefügiger Anpassung an die neuen Verhältnisse oder mit erwartungsvoller Bereitschaft zur Mitarbeit, teils mit verstecktem Widerstand reagierten. Das mehrschichtige Bild, das sich im Rechnungshof im Jahre 1933 abzeichnete, entspricht in der Erinnerung Schwerin von Krosigksi79 einem ,,Veilchen im Verborgenen" sowie einem "Asyl für politis