Die Konkurrenz bei Dauerdelikt, Fortsetzungstat und zeitlich gestreckter Gesetzesverletzung [1 ed.] 9783428449965, 9783428049967


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German Pages 225 Year 1981

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Die Konkurrenz bei Dauerdelikt, Fortsetzungstat und zeitlich gestreckter Gesetzesverletzung [1 ed.]
 9783428449965, 9783428049967

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GERHARD WERLE

Die Konkurrenz bei Dauerdelikt, Fortsetzungstat und zeitlich gestreckter Gesetzesverletzung

Strafrechtliche Abhandlungen' Neue Folge Herausgegeben von Dr. Eberbard Schmidbäuser ord. Professor der Rechte an der Universität Hamburg

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtsiehrem der deutschen Universitäten

Band 42

Die Konkurrenz bei Dauerdelikt, Fortsetzungstat und zeitlich gestreckter Gesetzesverletzung

Von

Dr. Gerhard Werle

DUNCKER &

HUMBLOT

/

BERLIN

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Prof. Dr. Karl Lackner, Heidelberg Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

D 16 Alle Rechte vorbehalten & Humblot. Berlin 41 Gedruckt 1981 bei Buchdruckerei Bruno LUck, Berlin 65 Printed in Germany

\CI 1981 Duncker

ISBN 3 428 04996 9

Meinen Eltern

Vorwort Diese Untersuchung hat im Sommersemester 1980 der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg als Dissertation vorgelegen. Die Überarbeitung des Manuskripts wurde im August 1980 abgeschlossen. Für den Druck konnten - soweit erreichbar und technisch möglich Literatur und Rechtsprechung bis März 1981 in den Fußnoten berücksichtigt werden. Nach Fertigstellung der Arbeit erging ein Urteil des BGH (NJW 1980, S. 2317) - inzwischen bestätigt durch BVerfG, NJW 1981, S. 1433 zur Frage des Strafklageverbrauchs bei der mitgliedschaftlichen Beteiligung an kriminellen Vereinigungen. Diese Entscheidung, die zentrale Fragen der Untersuchung berührt, habe ich in NJW 1980, S. 2671 besprochen. Dort findet sich zugleich eine gedrängte Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse dieser Arbeit. Angeregt und betreut wurde die vorliegende Untersuchung von Herrn Prof. Dr. Karl Lackner. Ihm möchte ich an dieser Stelle für seine Anteilnahme und fördernde Kritik meinen herzlichen Dank aussprechen. Der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg danke ich für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Heidelberg, im Juli 1981

Gerhard WerZe

Inhaltsverzeichnis Einleitung ............................................................

17

A. Die Problemstellung

23

I. Die Konkurrenzlehre

23

11. Handlungseinheit und Handlungsmehrheit ........................

24

1. Die Handlung im natürlichen Sinne ............................

25

2. Die natürliche Handlungseinheit ................................

26

3. Tatbestandliche Handlungseinheiten ............................ a) Mehraktige Delikte .......................................... b) Zusammengesetze Delikte c) Delikte mit Sammelbegriffen ............................... . d) Wiederholende Tatbestandsverwirklichung als Ergebnis der Tatbestandsauslegung ..................................... . e) Dauerdelikte ............................................... . f) Fortlaufende Tatbestandsverwirklichung g) Sammelstraftaten und Massenverbrechen ................... .

27 29 29 29 30 31

33

34

4. Die Fortsetzungstat ........................................... .

35

111. Ideal- und Realkonkurrenz . ...................................... .

37

1. Idealkonkurrenz

............................................. . a) Ungleichartige Idealkonkurrenz ............................. . b) Gleichartige Idealkonkurrenz ............................... .

37 37 38

2. Realkonkurrenz ............................................... .

39

3. Einfache Tatbestandsverwirklichung und Realkonkurrenz

40

4. Die praktische Bedeutung von Ideal- und Realkonkurrenz a) Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Prozessuale Auswirkungen ..................................

40 40 42

IV. Die Konkurrenz bei zeitlich gestreckten Delikten ..................

43

1. Handlungseinheit durch Teilidentität der Ausführungshandlungen

43

10

Inhaltsverzeichnis 2. Die Einheit der zeitlich gestreckten Tat

45

3. Idealkonkurrenz durch Klammerwirkung ....................... .

46

V. Die Klammerwirkung ............................................. .

48

1. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts ......................... .

48 48 aal RGSt. 44, 223 ........................................... . 48 bb) RGSt. 56, 329 ........................................... . 51 cc) Die Verallgemeinerung des Prinzips der Wertgleichheit " 52 [1] RGSt. 57, 189 ..................................... . 52 [2] RGSt. 72, 193 ..................................... . 53 [3] RG HRR 1939 Nr. 535 ............................... . 53 [4] RG HRR 1939 Nr.462 ............................... . 54 b) Verklammerung durch Dauerdelikte ......................... . 54 c) Ergebnis 56 a) Die Verklammerung durch Fortsetzungstaten ............... .

2. Die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichtshofs ........................................... . a) Die Ausweitung der Entklammerung ....................... . aal BGHSt. 1, 67 (Fortsetzungstat) ......................... . bb) BGHSt. 2, 246 (Mehraktiges Delikt) ..................... . cc) BGH, NJW 1952, 795 (Dauerdelikt) ..................... . dd) Zusammenfassung ..................................... . b) Das Konkurrenzverhältnis der durchlaufenden Tat zu den äußeren Delikten ........................................... . c) Das Prinzip der Wertgleichheit ............................. . d) Das Zusammentreffen mehrerer Fortsetzungstaten in einem Teilakt ................................................... . e) Entklammerung und Strafklageverbrauch ................... . f) Die Vermeidung des Problems der Klammerwirkung ....... . aal Die Zerlegungsmethode ................................. . [1] Trunkenheitsfahrten ............................... . [2] Exkurs: Andere zeitlich gestreckte Delikte ......... . bb) Die restriktive Tatbestandsauslegung (am Beispiel des § 129) ................................................. . g) Zusammenfassung ......................................... . 3. Die Diskussion im Schrifttum ................................. . a) Alternative Lösungsvorschläge auf der Grundlage der herrschenden Konkurrenzlehre ................................. . aal Die Idealkonkurrenzlösung ............................. . bb) Die Realkonkurrenzlösung ............................. .

57 57 57 58 59 60

60 64 67 70 72 72 72

77 78 80 82 82 82 86

Inhaltsverzeichnis

11

ce) Das Vorrangsprinzip ................................... , dd) Vorläufiges Ergebnis. ... ...... . .. . . .. .. ... . .. . . ... .. . . .. b) Neuinterpretationen des Handlungsbegriffs und ihre Konsequenzen für die Klammerwirkung .......................... aa) Eb. Schmidts "Vorjuristische soziale Sinnerfassung" ...... bb) Wahles "Natürliche Betrachtungsweise" .................. ce) Puppes Lehre von der Unrechtsverwandtschaft ..........

88 91 92 92 93 94

4. Zusammenfassung ..............................................

95

B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre ..............................

96

I. Einfache Tatbestandsverwirklichung und Realkonkurrenz bei wiederholender Tatbestandsverwirklichung ..............................

97

1. Die natürliche Handlungseinheit ................................

97 a) Die zeitlich-räumliche Nähe .................................. 99 b) Der einheitliche Tatentschluß ................................ 101 c) Die "Gleichartigkeit" der Einzelakte ........................ 103 d) Ergebnis .................................................... 104

2. Die Einheit der Handlung als Problem der Tatbestandsauslegung 105 H. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten ................ 108 1. Die "Formel" des Reichsgerichts ................................ 109

2. Die Handlung im natürlichen Sinne ............................ 111 3. Die "Bewegungsgleichheit" verschiedener Gesetzesverletzungen als Voraussetzung der Formel .................................. 114 4. Doppelverwertungsverbot und Idealkonkurrenz ................ 116 5. Puppes Deutung des Doppelverwertungsverbots und ihre Lehre von der Unrechtsverwandtschaft ................................ a) Argumentation und Ergebnisse Puppes ...................... aa) Der Ausgangspunkt .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Die "intensionale Teilidentität" .......................... cc) Die Klammerwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Bewertung des Konkurrenzmodells .......................... aa) Grammatische Auslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Historische Auslegung .................................. ce) Teleologische Auslegung ................................ dd) Ergebnis ................................................ c) Exkurs: Puppes Strafzumessungsmodell ......................

119 119 119 125 127 128 128 130 134 140 140

12

Inhaltsverzeichnis 6. Peters' Konzeption der Konkurrenzlehre

142

7. Die einheitliche Auflehnung gegen die Rechtsordnung als Grundlage der Idealkonkurrenz ...................................... 143 8. Die Privilegierung einmaligen Versagens des Täters als Zweck des § 52 ........................................................ 144 9. Ergebnis

150

III. Teilidentität und Klammerwirkung ................................ 150 1. Die Handlungsidentität bei zeitlich gestreckten Delikten ........ 151

2. Die Gleichsetzung von teilweiser und vollständiger Handlungsidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 154 3. Das Dilemma der Klammerwirkung ............................ 157 4. Schlußbetrachtung

160

C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten .. 161 1. Die Bildung krimineller oder terroristischer Vereinigungen . ....... 161 1. Die Tathandlungen ............................................ 161

a) Die Beteiligung als Mitglied ................................ 162 b) Die Unterstützung .......................................... 166 2. Das Zusammentreffen mit anderen Straftaten .................. a) Die mitgliedschaftliche Beteiligung .......................... aal Die tatbestandliche Handlungseinheit und der Schweregrad idealkonkurrierender Gesetzesverletzungen ........ bb) Präzisierungen des Schwerekriteriums .................. [1] Der Vergleichsmaßstab bei Strafänderungen ........ [2] Abweichungen der oberen oder unteren Strafrahmengrenzen ............................................ [3] § 30 und versuchtes oder vollendetes Verbrechen .... ce) Tatbestandliche Handlungseinheit und Straftaten, die Zwecke der Vereinigung verwirklichen .................. [1] Die Ausgliederung von Vorbereitungshandlungen .... [2] Die Bedeutungslosigkeit des Schwerekriteriums ...... b) Die Unterstützung .......................................... c) Zusammenfassung .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

167 167 169 180 180 182 183 184 184 187 188 189

II. Fahren unter Alkoholeinwirkung, Trunkenheitsfahrten und alkoholbedingte Gefährdung des Straßenverkehrs ........................ 190 1. Einfache Tatbestandsverwirklichung und Realkonkurrenz ...... 191

a) § 316 ........................................................ 191 b) § 24 a StVG und § 315 c I Nr. 1 a ............................ 194

Inhaltsverzeichnis 2. Das Zusammentreffen der §§ 24 a StVG, 316 mit anderen Straftaten .......................................................... a) Delikte ohne Zusammenhang mit der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Delikte aufgrund alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit ........ aal Die Zäsurbildung bei Trunkenheitsfahrten .............. bb) Die Konkurrenz von § 315 c I Nr. 1 a und Verletzungsdelikten ................................................ c) Zusammenfassung und Vergleich mit den Ergebnissen der h. M. 111. Die Fortsetzungstat

13 195 195 198 199 204 205

.............................................. 207

IV. Die VeraZlgemeinerung der Zergliederungsmethode ................ 211 V. Zusammenfassung und abschließende Bewertung des Problems der Klammerwirkung ................................................ 214 VI. Prozessualer Ausblick .............................................. 216

Literaturverzeichnis

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 218

Abkürzungsverzeichnis a.A.

abl. abw. Abs. AE a.F. a.M. ÄndG ÄndVO Anh. Anm. AöR Art. AT Aufl. ausf. Bd. Begr. Bespr. BGBL BGH BGHSt. BJM BRats-Drucks BT-Drucks BTM BVerfGG DAR Diss. DÖV DRiZ DRZ E

ebda. Einl. Festschr. Fn. GA

Ges. GG GVBl. HdB h.L.

anderer Auffassung ablehnend abweichend Absatz Alternativ-Entwurf alte Fassung anderer Meinung Änderungsgesetz Änderungsverordnung Anhang Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts (zitiert nach Band und Seite) Artikel Allgemeiner Teil Auflage ausführlich Band Begründung Besprechung Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Bundesjustizministerium Bundesratsdrucksache Bundestagsdrucksache Betäubungsmittelgesetz Bundesverfassungsgerichtsgesetz Deutsches Autorecht (zitiert nach Jahr und Seite) Dissertation Deutsche Öffentliche Verwaltung (zitiert nach Jahr und Seite) Deutsche Richterzeitung (zitiert nach Jahr und Seite) Deutsche Rechtszeitschrift (zitiert nach Jahr und Seite) Entwurf ebenda Einleitung Festschrift Fußnote Goltdammer's Archiv für Strafrecht (ab 1953 zitiert nach Jahr und Seite, vorher nach Band und Seite) Gesetz Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gesetz- und Verordnungsblatt Handbuch herrschende Lehre

Abkürzungsverzeichnis h.M. HRR i. d. F. i. e. S. i. S. i. V.m. i.w. S.

JA JGG JMBlNRW JR JuS JW JZ Kap. KG krit. LG LK LM MDR Ndschr. NdsRpfl. NJW Nr. Nrn. NStZ OGHSt. OLG OLGSt. ParteienG Prot. Rdn. Rechtspr. RG RGBl. RGSt. RJM RStGB

S.

SchlHA SchwZStr SJZ SK sog.

15

herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung (zitiert nach Jahr und Nummer) in der Fassung im engeren Sinne im Sinne in Verbindung mit im weiteren Sinne Juristische Arbeitsblätter (zitiert nach Jahr und Seite) Jugendgerichtsgesetz Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen (zitiert nach Jahr und Seite) Juristische Rundschau (zitiert nach Jahr und Seite) Juristische Schulung (zitiert nach Jahr und Seite) Juristische Wochenschrift (zitiert nach Jahr und Seite) Juristenzeitung (zitiert nach Jahr und Seite) Kapitel Kammergericht kritisch Landgericht Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs im Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs von Lindenmaier / Möhring (zitiert nach Nr. und §) Monatsschrift für Deutsches Recht (zitiert nach Jahr und Seite) Niederschriften Niedersächsische Rechtspflege (zitiert nach Jahr und Seite) Neue Juristische Wochenschrift (zitiert nach Jahr und Seite) Nummer Nummern Neue Zeitschrift für Strafrecht Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone in Strafsachen (zitiert nach Band und Seite) Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte zum Straf- und Strafverfahrensrecht (zitiert nach § und Seite) Parteiengesetz Protokolle Randnummer Rechtsprechung Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Reichsj ustizministerium Reichsstrafgesetzbuch vom 15. Mai 1871 Seite oder Satz Schleswig-Holsteinische Anzeigen (zitiert nach Jahr und Seite) Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht (zitiert nach Band und Seite) Süddeutsche Juristenzeitung (zitiert nach Jahr und Seite) Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch sogenannte,sogenannten

16

StGB StPO StR StrRG StVG StVZO u.a. UnedMG usw.

v.

VereinsG vgl. WaffG weit. ZAkDR ZRP ZStW zust.

Abkürzungsverzeichnis Strafgesetzbuch Strafprozeßordnung Strafrecht Gesetz zur Reform des Strafrechts Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrszulassungsordnung unter anderem, und andere Gesetz über den Verkehr mit unedlen Metallen und so weiter vom Vereinsgesetz vergleiche Waffengesetz weitere Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht (zitiert nach Jahr und Seite) Zeitschrift für Rechtspolitik (zitiert nach Jahr und Seite) Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (zitiert nach Band und Seite) zustimmend

§§ ohne Gesetzesangabe sind solche des StGB.

Einleitung In den sog. Terroristenprozessen der letzten Jahre ist ein strafprozessuales Problem ins Blickfeld getreten, das der Gesetzgeber mit der Einführung der §§ 129 und 129 a geschaffen hat, ohne es zu erkennen. Häufig begehen Mitglieder oder Förderer einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung Straftaten, die das Potential der Organisation stärken oder ihre Ziele verwirklichen sollen. Wird in einem solchen Fall der Täter zunächst nur wegen Bildung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung rechtskräftig abgeurteilt und decken die Ermittlungsbehörden nachträglich die im Dienste der Organisation begangenen Straftaten auf!, stellt sich die Frage, ob eine erneute Strafverfolgung gegen das Verbot ,ne bis in idem' des Art. 103 111 GG verstößt. Der Strafklageverbrauch ist zu bejahen, wenn zwischen den §§ 129 oder 129 a einerseits und den Delikten für die kriminelle oder terroristische Vereinigung andererseits Idealkonkurrenz nach § 52 anzunehmen ist. Bei Idealkonkurrenz soll nämlich nach h. M. stets ein und dieselbe Tat i. S. des Prozeßrechts vorliegen, die nur einmal bestraft werden darf2 • Bei dieser Sachlage kann die Zugehörigkeit zu einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung den Täter unter dem Gesichtspunkt des Strafklageverbrauchs begünstigen3 • Das gilt etwa, wenn das Mitglied einer terroristischen Vereinigung für diese einen Mord begangen hat, aber ausschließlich wegen anderer Aktivitäten, die als mitgliedschaftliche Beteiligung tatbestandsmäßig sind, rechtskräftig verurteilt wird. Ist der Mord zugleich nach § 129 a strafbar, bildet er mit allen übrigen Beteiligungshandlungen eine materiellund damit auch prozeßrechtlich einheitliche Tat. Darüber hinaus ist es unter bestimmten, im einzelnen umstrittenen Voraussetzungen möglich4, daß die Tatbestände der §§ 129 oder 129 a sogar eine Vielzahl von Verbrechen oder Vergehen, die unabhängig voneinander begangen wurden, zur Idealkonkurrenz verschmelzen, beispielsweise wenn ein Mitglied mehrere Morde, einen Bankraub und andere Delikte für die

3

Vgl. dazu den Sachverhalt von OLG Karlsruhe, NJW 1977, 2222 f. sowie NJW 1980, 2718. Dazu im einzelnen unten A V 2 f) bb) und C I. Vgl. dazu A III 4 b; anders für die §§ 129, 129 a jetzt BGH, NJW 1980, 2718. Vgl. etwa Fleischer, NJW 1979, 1337 ff.; GTÜnwald, Bockelmann-Festschr.,

4

Siehe dazu näher A IV 3, V.

1

BGH, 2

S. 737 ff.; Werle, JR 1979,93 ff. 2 Werle

18

Einleitung

Organisation begangen hat5. Falls diese Gesetzesverletzungen als mitgliedschaftliche Beteiligung strafbar sind und § 129 a sie zu einer einzigen Tat verklammert, muß der gesamte Sachverhalt in demselben Verfahren abgeurteilt werden. Die Strafklage wäre danach schon dann verbraucht, wenn der Täter wegen irgendeines - unter Umständen völlig unbedeutenden - Delikts bestraft wird, sofern dieses zum Gesamtkomplex gehört. Die Tragweite der Rechtskraftwirkungen hängt so auf der Grundlage der im Prozeßrecht h. M. entscheidend vom Umfang der materiellrechtlichen Handlungseinheiten ab. Dabei sind sich Rechtsprechung und Literatur einig, daß jedenfalls die für die Praxis wichtige mitgliedschaftliche Beteiligung an einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung auch mehrere tatbestandsmäßige Handlungen - wie etwa das wiederholte Anmieten von Wohnungen und Kraftfahrzeugen - zu einer Bewertungseinheit verbindet G• Zunehmend umstritten ist aber, ob und unter welchen näheren Voraussetzungen zwischen den §§ 129 oder 129 a einerseits und Straftaten im Dienste der Organisation andererseits Idealkonkurrenz anzunehmen ist7. Soweit Idealkonkurrenz in diesem Zusammenhang überhaupt für möglich gehalten wird, ergibt sich die weitere Streitfrage, inwieweit die §§ 129 und 129 a Straftaten, die voneinander unabhängig begangen wurden, zur Tateinheit verklammern könnens. Bei dieser unklaren Rechtslage bemühen sich die Staatsanwaltschaften in den sog. Terroristenprozessen, möglichst alle in Betracht kommenden Taten - selbst wenn sie zeitlich weit auseinanderliegen - in demselben Verfahren anzuklagen, weil nur so unerwünschte Rechtskraftwirkungen mit Sicherheit auszuschließen sind. Dieses Vorgehen zwingt häufig zu äußerst umfangreichen und langwierigen Ermittlungen, die den Prozeßstoff erheblich ausweiten und eine lange Verfahrensdauer zur Folge haben 9 • Diese Verfahrensverzögerungen haben in der Vergangenheit zu einer Reihe von Reformvorschlägen geführt, die darauf abzielen, eine Besserstellung von Mitgliedern krimineller oder terroristischer Vereinigungen unter dem Gesichtspunkt des Strafklageverbrauchs zu vermeiden10 • Ansatzpunkte solcher Überlegungen sind die materiell- und prozeßrechtIichen Prämissen, die bei einer Verurtei-

5 Vgl. den Sachverhalt von OLG KarZsruhe, NJW 1977,2222 f. sowie BGH, NJW 1980, 2718; vgl. auch BGH, NJW 1975,986. 6 Für die "Unterstützung" ist das umstritten. Siehe dazu im einzelnen CIL 7 Dazu CI 2. 8 Vgl. dazu A IV 3, V 2 f) bb) sowie CI. 9 Vgl. WerZe, JR 1979,93,94. 10 Dazu eingehend GrünwaZd, Bockelmann-Festschr., S. 737, 747 ff.

Einleitung

19

lung nach den §§ 129 und 129 a die Tragweite der Rechtskraftwirkungen bestimmen. Der Deutsche Richterbund ll hat vorgeschlagen, die Tatbestände der §§ 129 und 129 a auf Tätigkeiten zu beschränken, die nicht zugleich andere Strafgesetze verletzen. Ergänzend soll für Straftaten im Dienste der Organisation - in Anlehnung an das Modell des § 94 a. F.1 2 - ein Qualifikationstatbestand mit höherem Strafrahmen geschaffen werden. Dieser Entwurf löst die Einzelhandlungen, die gegen idealkonkurrierende Gesetze verstoßen, aus der Bewertungseinheit der §§ 129 oder 129 a und führt zur Annahme von Realkonkurrenz zwischen der Bildung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung und den für die Organisation begangenen Delikten. Dadurch sollen die prozessuale Tatidentität, die nach h. M. bei Idealkonkurrenz zwingend besteht, und die Rechtskraftwirkungen begrenzt werden 13. Sack 14 hat sich in Anlehnung an einen Entwurf des Bundesrates 15

für eine Änderung des Prozeßrechts ausgesprochen und will § 264 StPO einen neuen Abs. 3 anfügen. Dieser erklärt den nicht gewürdigten "Teil einer Tat, durch den ein Gesetz fortdauernd verletzt wird", für rechtlich selbständig und soll eine erneute Strafverfolgung der nicht abgeurteilten Einzelhandlungen ermöglichen16 . Zuvor hatte Sack einen Entwurf vorgelegt, der die Rechtskraft einer Entscheidung auf die tatsächliche Aburteilungsmöglichkeit beschränkt. Gegenstand der Urteilsfindung und der Rechtskraft sollte danach die in der Anklage bezeichnete Tat sein, "wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt, soweit das Gericht sie in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zu würdigen in der Lage war"17. 11 Vgl. Protokoll der Tagung vom 10. - 14. 10. 1977, S. 5; siehe auch die überlegungen der Bundesrechtsanwaltskammer, Protokoll der 110. Tagung des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer vom 10. - 12.2. 1978. 12 § 94 a. F. aufgehoben durch das 8. StÄG vom 25.6.1968 (BGBl. I, S. 741) - sah für eine Reihe von Straftaten bei staatsgefährdender Absicht eine Strafschärfung vor. 13 In die gleiche Richtung zielt ein Gesetzentwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Terrorismus und Gewaltkriminalität sowie zum Schutz des inneren Friedens vom 26.4.1977 lBT-Drucks. 8/322] Art. 1 Nr. 9), der in § 129 einen neuen Abs. 7 vorsieht, wonach "die Vorschriften über Tatmehrheit" Anwendung finden sollen, wenn der Täter neben § 129 I zugleich den Tatbestand anderer Strafgesetze verwirklicht. Krit. dazu v. Bubnoff, LK, § 129 Rdn. 30; GrünwaZd, Bockelmann-Festschr., S. 737, 749 ff.; WerZe, JR 1979, 93, 94. 14 Vgl. ZRP 1978, 72. 15 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Strafverfahrensänderungsgesetzes, BT-Drucks. 8/976, S. 100. 16 Krit. dazu GTÜnwaZd, Bockelmann-Festschr., S. 737, 752. 17 Vgl. Sack, ZRP 1976, 257. Krit. dazu GTÜnwaZd, Bockelmann-Festschr.,

2'

20

Einleitung

Schließlich steht die Einführung eines neuen prozessualen Instituts, nämlich einer "Vorbehaltsklage", zur Diskussion. Diese würde den Staatsanwaltschaften die Möglichkeit eröffnen, in einem "Vorbehaltsverfahren" zunächst einzelne Teile einer im prozessualen Sinne einheitlichen Tat anzuklagen und nach vollständiger Aufklärung des Sachverhalts eine "Ergänzungsklage" hinsichtlich der übrigen Tatteile zu erheben. Ein von Generalbundesanwalt Rebmann vorgelegter Entwurf 18 sieht u. a. die Einfügung eines § 155 a I StPO vor, der wie folgt lauten soll: "Die Staatsanwaltschaft kann einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen vorab anklagen und sich die Verfolgung der übrigen Teile der Tat oder der übrigen Gesetzesverletzungen vorbehalten. Der Vorbehalt ist aktenkundig zu machen." Abgeschlossen würden die Verfahrensabschnitte durch ein "Vorbehaltsurteil" und ein nachfolgendes "Ergänzungsurteil" . Die prozessualen Reformvorschläge sind zwar im Hinblick auf sog. Terroristenprozesse konzipiert, haben aber allgemeine Bedeutung für das Prozeßrecht. Die skizzierte aktuelle Diskussion wirft nämlich Fragen auf, die sich auch in anderen Zusammenhängen stellen. Der Umfang des Strafklageverbrauchs ist bei allen Delikten in gleicher Weise problematisch, die aus einer Mehrzahl tatbestandsmäßiger Einzelakte rechtliche Bewertungseinheiten bilden, wie z. B. Fortsetzungstaten oder Dauerdelikte. Hier besteht immer die Möglichkeit, daß nach rechtskräftiger Verurteilung weitere Einzelakte oder idealkonkurrierende Gesetzesverletzungen aufgedeckt werden. Das gilt beispielsweise, wenn der Täter wegen einer Trunkenheitsfahrt bestraft wird, während dieser Fahrt aber eine fahrlässige Tötung begangen hat. Nach h. M. ist in derartigen Fällen immer eine Tat im prozessualen Sinne anzunehmen. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch das Problem der Klammerwirkung, das entsteht, wenn eine Fortsetzungstat, ein Dauerdelikt oder eine andere zeitlich gestreckte Gesetzesverletzung mit zwei oder mehreren untereinander selbständigen Delikten zusammentrifft19 • Falls die zeitlich gestreckte Tat die "äußeren" Delikte zu einer Handlungseinheit verbindet, ist die Strafklage auf der Grundlage der h. M. für alle Gesetzesverletzungen verbraucht, wenn nur irgendeine Handlung aus dem Gesamtkomplex rechtskräftig abgeurteilt ist. Die materiellrechtliche Handlungseinheit kann daher bewirken, S. 752. - In der Literatur versucht man teilweise, über eine entsprechende Interpretation des Tatbegriffs eine Einschränkung der Rechtskraftwirkungen zu erreichen. Vgl. namentlich Henkel, Strafverfahrensrecht, S. 387 ff.; Peters, Strafprozeß, S. 439 ff. Weitere Nachw. bei Sack, ZRP 1976, 258 f. 18 Der Entwurf ist nicht veröffentlicht. Die Vorschrift wird zitiert nach Grilnwald, Bockelmann-Festschr., S. 753 f. Zum näheren Inhalt des Entwurfs und den möglichen Einwänden vgl. aaO, S. 754 ff. 1B Dazu näher A IV 3, V.

Einleitung

21

daß Vorgänge, nur weil sie Teile einer gestreckten Tat sind, von den Rechtskraftwirkungen eines Urteils erfaßt werden, das sich auf ganz andere, historisch selbständige Geschehnisse bezieht. Die prozeßrechtlichen Möglichkeiten zur Begrenzung des Strafklageverbrauchs bei Idealkonkurrenz sollen in dieser Arbeit trotz ihrer großen praktischen Bedeutung nicht erörtert werden. Alle überlegungen in dieser Richtung müssen nämlich - wie die bisher unterbreiteten Reformvorschläge - die Existenz materiellrechtlicher Handlungseinheiten stillschweigend voraussetzen. Trotzdem hat man die Konstitution dieser Handlungseinheiten bisher nur für Teilbereiche - namentlich für die Fortsetzungstat20 , für Fälle der Verklammerung 21 und neuerdings für die Bildung krimineller oder terroristischer Vereinigungen22 -, aber noch nicht umfassend untersucht. Das ist erstaunlich, weil die Reichweite der materiell rechtlichen Bewertungseinheiten die Basis aller prozessualen Lösungen bildet: Bei realkonkurrierenden Delikten ist die Annahme mehrerer Taten i. S. des Prozeßrechts zwar nicht zwingend, aber nur ausgeschlossen, wenn sich "eine notwendige innere Verknüpfung der mehreren Beschuldigungen ... unmittelbar aus den ihnen zugrundeliegenden Handlungen und Ereignissen unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung"23 ergibt. Ein solcher enger Sachzusammenhang zwischen nacheinander begangenen, realkonkurrierenden Taten besteht nach der bisherigen Rechtsprechung - jedenfalls in bezug auf den Strafklageverbrauch - im wesentlichen nur bei der Herbeiführung eines Unfalls mit anschließender Flucht, während im Regelfall bei Realkonkurrenz eine Mehrheit prozessualer Taten vorliegt24 . Unabhängig von diesen kriminal politisch wichtigen prozessualen Implikationen haben die Konkurrenzformen eine eigenständige Bedeutung für die richterliche Strafenbildung. Bei mehreren Gesetzesverletzungen ist die Anwendung des § 52 für den Täter erheblich günstiger, weil die Höchststrafe des schwersten Delikts anders als bei Realkonkurrenz nicht überschritten werden darf. Diese Besserstellung des Täters spielt insbesondere bei der Diskussion um die sog. Klammerwirkung eine zentrale Rolle 25 . Vor diesem Hintergrund sollen die Konkurrenzen bei zeitlich gestreckten Begehungsdelikten analysiert werden. Die spezielle Problematik der Konkurrenz bei Unterlassungs20 21 22 23

24 25

Dazu A 11 4 und C 111. Dazu A V. Dazu A V 2 f) bb) und CI. Vgl. BGHSt. 23, 141, 146. Dazu eingehend Struensee, Wiederholungsverbot, 5. Kap. DazuA V.

22

Einleitung

taten bleibt außer Betracht. Besondere Aufmerksamkeit wird in der Untersuchung auf die bisher weitgehend vernachlässigte Frage gerichtet, nach welchen Kriterien Einzelhandlungen des Täters, die alle Strafbarkeitsvoraussetzungen erfüllen, zu einer einzigen Straftat verbunden werden26 • Ein Aufspaltung der zeitlich gestreckten Delikte in realkonkurrierende Einzelakte könnte nämlich zu einer sachgerechten Lösung der angesprochenen materiellrechtlichen und prozessualen Schwierigkeiten führen und damit unter Umständen auch das wirkliche oder vermeintliche Bedürfnis für eine Reform des formellen oder materiellen Rechts beseitigen27 •

28 27

Dazu Kap. C.

Vgl. dazu abschließend C VI.

A. Die Problemstellung In diesem einführenden Kapitel sollen die wesentlichen Fragestellungen im einzelnen entwickelt und ihre praktischen Auswirkungen verdeutlicht werden. Dabei werden die für die Untersuchung erheblichen Grundbegriffe der Konkurrenzlehre (I, 11 1, 2, III) und die einzelnen Typen zeitlich gestreckter Delikte (11, 3, 4) beschrieben, anschließend die für solche Delikte charakteristischen Konkurrenzprobleme (IV, V).

I. Die Konkurrenzlehre Begriff und systematischer Standort der Konkurrenzlehre werden uneinheitlich bestimmt. Teils definiert man die Konkurrenzlehre umfassend als Inbegriff der "Regeln, die den oder die anzuwendenden Strafrahmen festlegen"l, oder es heißt, die Konkurrenzlehre betreffe Sachgestaltungen, in denen mehrere Vorschriften "in Wettbewerb" miteinander treten2 , womit die Fälle der "wirklichen" von denen der "scheinbaren" (Gesetzes-)Konkurrenz abgehoben werden3 • Die Konkurrenzlehre selbst wird teilweise der Lehre von der Straftat4 oder von den Rechtsfolgen des Verbrechens zugerechnet5 , meist ist von einer "eigentümlichen Doppelstellung" 6 oder "Nahtstelle"7 zwischen der Lehre von der Straftat und der Strafe die Rede. Einer Stellungnahme zu den terminologischen und systematischen Differenzen bedarf es im Kontext dieser Untersuchung nicht. Es genügt die Festlegung, daß im folgenden unter Konkurrenzen" die Regeln der Ideal- und Realkonkurrenz - der "wirklichen" Konkurrenz - verstanden werden. Die Arbeit 1 Struensee, Konkurrenz, S. 19. Vgl. auch Schmidhäuser, AT, 18/69; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 2. 2 Warda, JuS 1964,82. 3 So die übliche Sprachregelung, vgl. Geerds, Konkurrenz, S. 146 ff., 235 ff.; Jescheck, AT, S. 598; Lackner, Vor § 52 Anm. VI; Schönke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 102; Warda, JuS 1964,86. 4 So R. Schmitt, ZStW 75 (1963), 44. 5 Vgl. Geerds, Konkurrenz, S. 242 f.; Struensee, Konkurrenz, S. 19. 6 Warda, JuS 1964,81. 7 So die h. M. Vgl. Blei, AT, S. 303 ff.; Bruns, Strafzumessungsrecht, S. 411; Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 60; Maurach / Gössel, AT 2, S. 294; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 1; Wessels, AT, S. 151. - Schmidhäuser, AT, zählt die Voraussetzungen der Strafrahmenregelung zu den allgemeinen Strafbarkeitsvoraussetzungen (18/8), die Strafrahmenregelung selbst zu den Rechtsfolgen des Verbrechens.

A. Die Problemstellung

24

wird sich danach mit den Schwierigkeiten befassen, die bei Anwendung der §§ 52, 53 im Zusammenhang mit zeitlich gestreckten Delikten auftreten. Die §§ 52, 53 regeln die Art der Strafenbildung bei der Verletzung mehrerer anwendbarer, d. h. nicht in Gesetzeseinheit stehender, Strafgesetze. Die Mehrheit kann sich aus der Verletzung verschiedener Gesetze oder der mehrfachen Verletzung desselben Gesetzes ergeben. Tateinheit oder Idealkonkurrenz setzt voraus, daß die Gesetzesverstöße auf ein und derselben Handlung i. S. des § 52, einer sog. Handlungseinheit, beruhen. Rechtsfolge ist die in § 52 I - IV angeordnete Strafrahmenkombination. Tatmehrheit oder Realkonkurrenz liegt vor, wenn jemand durch mehrere Straftaten, eine sog. Handlungsmehrheit, mehrere Strafgesetze verletzt hat 8 • In diesem Fall ist nach den §§ 53 ff. eine Gesamtstrafe zu bilden. Die Begriffe Handlungseinheit und Handlungsmehrheit hat Struensee kritisiert und als irreführend verworfen, weil eine Mehrzahl von Handlungen im umgangssprachlichen Sinne je nach dem Zusammenhang einmal als Einheit, ein anderes Mal als Mehrheit bezeichnet werde 9 • Die allgemein gebräuchliche Terminologie soll trotz Struensees Kritik beibehalten werden, da die Schaffung neuer Termini eher eine "Begriffsverwirrung"lO produzieren dürfte als gewisse Ungenauigkeiten des herkömmlichen juristischen Sprachgebrauchs. Klarmachen muß man sich lediglich, daß Handlungs- und Tateinheit als Rechtsbegriffe auch eine Mehrheit von Handlungen im umgangssprachlichen Sinne bezeichnen könnenl l •

n. Handlungseinheit und Handlungsmehrheit Bei der Frage, wie die Einheit oder Mehrheit von Handlungen zu ermitteln ist, besteht Einigkeit im wesentlichen jedenfalls darüber, welche Gesichtspunkte bedeutungslos sind: Unbestritten kann die Zahl der Normverletzungen für die Konkurrenzverhältnisse nicht maßgeblich sein. Würden sich die Anzahl der Handlungen und der Tatbestandsverwirklichungen entsprechen, gäbe es nur Realkonkurrenz - ein 8 So die gebräuchliche Terminologie. Vgl. Dreher / Tröndle, § 52 Rdn. 1, § 53 Rdn. 1; Lackner, § 52 Anm. 2, § 53 Anm. 3; Schänke / Schröder / Stree, § 52 Rdn. 1, § 53 Rdn. 1; Vogler, LK, § 52 Rdn. 1, § 53 Vorb. Abw. nur Mau-

rach / Gössel, AT 2, S. 293.

9 Konkurrenz, S. 20 f., 22. Struensee nennt die Rechtsfolgen der §§ 52, 53 f. "Strafrahmenkombination" und "Gesamtstrafe", Ideal- und Realkonkurrenz die Rechtssätze, die diese Rechtsfolgen anordnen. 10 So Struensees Kritik an der herkömmlichen Terminologie (Konkurrenz, S.22). 11 Vgl. dazu sogleich H.

11. Handlungseinheit und Handlungsmehrheit

25

Ergebnis, das der gesetzlichen Regelung eindeutig widerspricht!. Auch eine Unterscheidung von Handlungseinheit und -mehrheit nach der Anzahl der Unrechtserfolge hält die ganz h. M. für ausgeschlossen, da mehrere Erfolge - auch bei höchstpersönlichen Rechtsgütern - durch eine einzige Willensbetätigung herbeigeführt werden können. So wird bei der Tötung mehrerer Menschen durch den Wurf einer Bombe trotz Verletzung mehrerer höchstpersönlicher Rechtsgüter nur eine Handlung angenommen2 • Schließlich ist nach fast einhelliger Auffassung der allgemeine strafrechtliche Handlungsbegriff im Kontext der Konkurrenzen ebenfalls bedeutungslos, weil seine Funktion auf die Festlegung der Mindestvoraussetzungen strafbaren Verhaltens beschränkt wird 3 • 1. Die Handlung im natürlichen Sinne

Grundgröße der Konkurrenzlehre ist nach ganz h. M.! die "natürliche Handlung" oder "Handlung im natürlichen Sinne", bei der nur eine einzige Willensbetätigung stattgefunden hat, z. B. eine Ohrfeige2 , ein Steinwurf3 , ein Beischlaf4, eine Explosion' oder ein Schußs. Nach dieser Auffassung sind die "Handlungen im natürlichen Sinne" der Rechtsanwendung vorgegeben und zur Bestimmung der Konkurrenzen zunächst zu ermitteln. Kann eine solche Handlung mehreren Strafgesetzen subsumiert werden oder bedeutet sie eine mehrfache Verletzung desselben Strafgesetzes, ist Idealkonkurrenz anzunehmen 7 • Die h. M. hat bisher nur zwei Ausnahmen diskutiert: Das Reichsgericht hat bei der Teilnahme an mehreren Taten durch eine Handlung zeitweise Handlungs1 Allg. Ansicht, die auch die Anhänger der Mehrheitstheorie (vgl. dazu sogleich 1) teilen, vgl. namentlich Binding, HdB, S. 570 ff., 574. ! Deutlich z. B. BGHSt. 1, 20, 22 mit ähnlichen Beispielen. Vgl. weiter Blei, AT, S. 310 f.; Jescheck, AT, S. 588; Schönke / Schröder / Stree, § 52 Rdn. 26, Vor § 52 Rdn. 7; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 8 mit weit. Nachw. sowie Rdn. 32 für die wiederholende Tatbestandsverwirklichung. - Eb. Schmidt, JZ 1951, 22 f. will hier vom Standpunkt des sozialen Handlungsbegriffs mehrere Handlungen und Realkonkurrenz annehmen (vgl. auch unten AV 3 b) aa). Auch Baumann, AT, S. 684 f. empfiehlt im Hinblick auf die "merkwürdigen Ergebnisse" bei Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter eine Aufspaltung der natürlichen Handlung. Teilweise ähnlich Hellmer, GA 1956, 70. Vgl. auch Puppe, S. 239 f. 3 Vgl. z. B. Jescheck, AT, S. 579; Schönke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 10; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 7. 1 A. A. Eb. Schmidt, JZ 1951, 22 f. und in engen Grenzen - Baumann, AT, S. 684 f. Vgl. auch Puppe, S. 239 f. 2 Beispiel bei Maurach / Gössel, AT 2, S. 296. 3 Beispiel bei Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 93 f. 4 Beispiel bei v. Liszt, Aufsätze, S. 244. 5 Beispiel bei Vogler, LK, § 52 Rdn. 35. 8 Beispiel in BGHSt. 1, 20, 22. 7 Dazu im einzelnen B 11.

26

A. Die Problemstellung

und Tatmehrheit angenommen, Auffassung durchgesetzt 8 • Nach rungsdelikten der einheitliche mehrerer Personen in derselben begründet 9•

doch hat sich heute die gegenteilige wie vor umstritten ist, ob bei ÄußeKundgabeakt - z. B. Beleidigungen Schrift oder Rede - Handlungseinheit

Der Streit, ob das Wesen des Verbrechens in der Handlung -

so die

Einheitstheorie 10 oder in der Normverletzung - so die Mehrheitstheorie l1 zu sehen ist, hat heute keine praktische Bedeutung mehr.

Vom Standpunkt der Einheitstheorie folgt das Ergebnis der h. M. daraus, daß eine Handlungs stets nur ein Verbrechen sein kann, selbst wenn mehrere Strafgesetze verletzt werden12 . Aber auch die Anhänger der Mehrheitstheorie, derzufolge es ebensoviele Verbrechen wie Normverletzungen gibt, haben von jeher eingeräumt, daß Handlung i. S. der §§ 52 ff. nicht als Normverletzung verstanden werden kann, weil sie glaubten, andernfalls die Konkurrenzbestimmungen nicht anwenden zu können13 . Für die Auslegung der §§ 52, 53 ist daher die Auseinandersetzung um den Verbrechensbegriff, wie sie bislang geführt wurde 14 , nicht mehr als ein "Streit um Worte"15. 2. Die natürliche Handlungseinbeit

Auch wenn mehrere "Handlungen im natürlichen Sinne" vorgenommen wurden, kann nach verbreiteter Meinung eine "natürliche Betrachtungsweise" diese Elementarhandlungen zu einer Handlungseinheit verbinden. Die sog. natürliche Handlungseinheit um faßt also zwingend eine Mehrheit von "Handlungen im natürlichen Sinne" und setzt 8 Zur älteren Auffassung vgl. RGSt. 51, 97, 101 mit Nachw. Die Wende kam mit RGSt. 70, 26, 31; 385, 387. Zur heute h. M. vgl. Blei, AT, S. 309; Dreher / Tröndle, Vor § 52 Rdn. 8; Schönke / Schröder / Stree, § 52 Rdn. 20; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 38 mit weit. Nachw. 9 überwiegend wird heute auf den materiellen Zusammenhang abgestellt, so Blei, AT, S. 310; Dreher / Tröndle, Vor § 52; Rdn. 8; Maurach / Gössel, AT 2, S. 298; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 8 alle mit weit. Nachw. Vgl. auch BayObLG, GA 1973, 112 f. mit Anm. Blei, JA 1973, 397 (Tatmehrheit bei mehreren unwahren Angaben in derselben Steuererklärung, wenn wirtschaftlich verschiedene Sachverhalte betroffen sind). 10 Vgl. Baumgarten, Frank-Festschr. II, S. 189; Höpfner, Einheit und Mehrheit, S. 101 ff.; Maurach / Gössel, AT 2, S. 294 f.; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 6 mit weit. Nachw. Zusammenfassende Darstellung bei Puppe, S. 27 ff. U Vgl. Binding, HdB, S. 564 ff.; ferner die Nachw. bei Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 6, Fn. 5. Zusammenfassende Darstellung bei Puppe, S. 27 ff. 12 Vgl. etwa Maurach / Gössel, AT 2, S. 294 f. 13 Vgl. A II Fn. 1. 14 Vgl. aber Puppe, S. 53 ff., 125 ff., 296 ff. lS So Jescheck, AT, S. 587. Ebenso die bei Puppe, S. 31 Fn. 8 zitierten Autoren.

n.

Handlungseinheit und Handlungsmehrheit

27

voraus, daß die einzelnen Betätigungen von einem einheitlichen Willensentschluß getragen sind und nach ihrem äußeren Erscheinungsbild von einem unbeteiligten objektiven Betrachter als Einheit empfunden werdenI. Das kann einmal der Fall sein, wenn derselbe Tatbestand wiederholt verwirklicht wird. In dieser Funktion faßt die "natürliche Handlungseinheit" einzelne tatbestandserfüllende "Handlungen im natürlichen Sinne" zusammen, beispielsweise zwanzig nacheinander erfolgende Wegnahmeakte des Diebes bei einem Einbruch oder mehrere demselben Opfer nacheinanderverabreichte Schläge. Diese Fallgruppe wird im Schrifttum häufig nicht oder nicht nur als natürliche, sondern als tatbestandliche Handlungseinheit angesehen2 • Darüber hinaus hält namentlich die Rechtsprechung die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit auch für möglich, wenn nacheinander verschiedene Strafgesetze verletzt werden. Das gilt etwa für die sog. Polizeifluchtfälle, in denen ein bei einem Verkehrsunfall Beteiligter flieht und auf der Flucht verschiedene Straftaten begeht, z. B. wie in BGH VRS 28, 359, 361 Fahren ohne Führerschein, gefährliche Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Unfallflucht. In dieser zweiten Funktion wird die natürliche Handlungseinheit zunehmend abgelehnt und als Methode, nacheinander begangene Taten zur Handlungseinheit zu verbinden, verworfen s. 3. Tatbestandliche Handlungseinheiten

Eine Handlungseinheit liegt auch vor, wenn ein Tatbestand eine Mehrzahl von "Handlungen im natürlichen Sinne" zu einer Bewertungseinheit verbindetl. Zur Vermeidung von Mißverständnissen muß man sich dabei vergegenwärtigen, daß "Handlungseinheit" ein Rechtsbegriff ist und eine Voraussetzung des § 52 - ein und dieselbe Handlung - bezeichnet, während die "natürliche Handlung" einen umgangssprachlichen Begriff meint 2 • Die "Handlungseinheit" kann daher eine Vielzahl von "natürlichen Handlungen" einschließen. In diesen Zusammenhang gehören etwa zusammengesetzte Delikte - z. B. der Raub I Vgl. dazu im einzelnen B I 1. 2 Vgl. dazu die Nachweise bei A n 3 cl, d), e), f). a Vgl. dazu B Vor n. I Vgl. z. B. Lackner, Vor § 52 Anm. IV 1; Samson, SK, Vor § 52 Rdn. 22; Schönke / Schröder / Slree, Vor § 52 Rdn. 12 ff.; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 15,

20.

2 Bislang hat die allgemein akzeptierte Begriffsverwendung diese ,,8achlagen der Konkurrenzlehre" (Struensee, Konkurrenz, S. 22) nicht verdeckt, so daß die Umbenennungen Struensees keinen Gewinn bringen (vgl. dazu oben I).

28

A. Die Problemstellung

(§ 249), der Gewaltanwendung und Wegnahme erfordert - oder auch Dauerdelikte - z. B. Fahren in fahruntüchtigem Zustand (§ 316) und überhaupt alle Delikte, deren Tatbestand eine Mehrheit gleichoder verschiedenartiger Handlungen zwingend oder zumindest als möglich voraussetzt. Diese Delikte werden im folgenden als tatbestandliche Handlungseinheiten bezeichnet, ohne daß zwischen solchen "im engeren" und "im weiteren Sinne"3 unterschieden wird.

Einzelne oder alle der beschriebenen Tatbestandsgruppen werden auch oder ausschließlich den natürlichen Handlungseinheiten zugerechnet4. Das ist sinnvoll, wenn man verdeutlichen will, daß nicht tatbestands abhängige, sondern natürliche Kriterien für den Umfang einer Handlungseinheit maßgeblich sind. Damit wird aber die inhaltliche Frage, inwieweit bei den einzelnen Deliktsgruppen natürliche oder rechtliche (tatbestandsabhängige) Kriterien heranzuziehen sind, unnötig mit terminologischen Problemen vermischt. Deshalb werden im folgenden alle Fälle wiederhalter gleichartiger Tatbestandsverwirklichung als tatbestandliche Handlungseinheiten bezeichnet. Diese Qualifikation ist neutral und besagt nur, daß verschiedene "natürliche Handlungen" unter dem Gesichtspunkt desselben Tatbestandes eine Einheit bilden, was bei der "natürlichen Handlungseinheit" nicht zwingend ist. Die Sachfrage, ob und in welchem Umfang bei den tatbestandlichen Handlungseinheiten eine natürliche oder tatbestands abhängige Betrachtung ausschlaggebend ist, wird gesondert geklärt 5 • Im einzelnen gibt es folgende Typen der tatbestandlichen Handlungseinheit:

3 Jescheck, AT, S. 579 ff. und Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 15 ff., 30 ff. fassen unter die tatbestandliche Handlungseinheit "i. e. S." mehraktige (vgl. unten a) und zusammengesetzte (vgl. unten b) sowie Dauerdelikte (vgl. unten e). Delikte mit pauschalierenden Handlungsbeschreibungen (vgl. unten c) sowie Fälle der wiederholenden (vgl. unten d) und der fortlaufenden Tatbestandsverwirklichung (vgl. unten f) nennen sie tatbestandliche Handlungseinheiten "i. w. S.". Damit werden als Handlungseinheiten "i. e. So" Delikte gesondert bezeichnet, deren Tatbestände zwingend eine Mehrzahl "natürlicher Handlungen" umfassen. Ein Erkenntnisgewinn ist von dieser zusätzlichen Unterscheidung für die zu behandelnden Konkurrenzprobleme nicht zu erwarten. Mit Blei, AT, S. 312 ff.; Kühl, JA 1978,479; Samson, SK, Vor § 52 Rdn. 22 ff. Schönke / Schröder / Siree, Vor § 52 Rdn. 13; Siratenwerth, Rdn. 1207 ff. wird daher im folgenden nur allgemein von tatbestandlichen Handlungseinheiten gesprochen. , Nach Schmidhäuser, AT, 18/10 ff. sind alle tatbestandlichen Handlungseinheiten "natürliche", doch hebt er hervor, daß die "natürliche Handlungseinheit" mit Hilfe einer rechtlichen Betrachtungsweise gebildet werde. J escheck, AT, S. 580 bezeichnet die tatbestandlichen Handlungseinheiten "i. w. S." (vgl. Fn. 3) als "natürliche". 5 Vgl. dazu B I.

II. Handlungseinheit und Handlungsmehrheit

29

a) Mehmktige Delikte

Die mehraktigen Delikte erfordern zwingend eine Mehrzahl von Willensbetätigungen, so die Aussetzung (§ 221), das Verbringen in eine hilflose Lage und das Verlassen darin, § 177 Gewaltanwendung und Ausübung des außerehelichen Beischlafes, § 146 I Nr. 3 das Sich-Verschaffen und In-Verkehr-Bringen von Falschgeld. Umstritten ist, ob und unter welchen näheren Voraussetzungen bei Delikten mit überschießender Innentendenz - z. B. §§ 265, 267, 239 a - Handlungseinheit vorliegt, wenn das subjektive Unrechtsmerkmal in die Tat umgesetzt wird 6 , etwa wenn der Täter von einer gefälschten Urkunde zum Zwecke der Täuschung Gebrauch machF. b) Zusammengesetzte Delikte

Die zusammengesetzten Delikte fassen die übertretung verschiedener Rechtsbefehle in einem Tatbestand zusammen und schützen daher verschiedene Rechtsgüter8 • So verbindet beispielsweise § 249 Nötigung (§ 240) und Diebstahl (§ 242) zu einer Tat, § 226 vorsätzliche Körperverletzung (§ 223) und fahrlässige Tötung (§ 230). Auch hier setzt die Tatbestands erfüllung häufig eine Mehrzahl "natürlicher" Handlungen voraus, so etwa wenn beim Raub die Gewaltanwendung der Wegnahme vorausgeht. c) Delikte mit Sammelbegriffen

Eine Reihe von Tatbeständen beschreibt ein Verhalten, das nicht notwendig, aber doch regelmäßig eine Mehrzahl von jeweils tatbestandsmäßigen Einzelakten umfaßt, weil ein ganzer Verhaltenstypus umschrieben wird. In solchen Fällen legt schon der Gesetzeswortlaut nahe, einen ganzen Geschehenskomplex als eine Tatbestandsverwirklichung anzusehen (sog. Sammelbegriffe 9 oder pauschalierende Handlungsbeschreibungen10). Wenn § 146 etwa vom Herstellen unechten Geldes spricht, so wird deutlich, daß zwar schon das Herstellen einer einzigen Münze den Tatbestand erfüllt, andererseits aber unter gewissen Voraussetzungen auch die Herstellung einer Summe von Geldstücken als 8 Für Gleichbehandlung mit den mehraktigen Delikten Jescheck, AT, S. 580; Schönke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 14; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 16. Die Konkurrenzverhältnisse werden für die einzelnen zu dieser Gruppe gehörenden Delikte unterschiedlich beurteilt, vgl. etwa für § 265 Schönke / Schröder / Lenckner, Rdn. 16, für § 267 Schönke / Schröder / emmer, Rdn. 79 ff. Vgl. dazu auch unten B II 5 b) ce). 7 Vgl. § 267 I Nr. 1 und 3. 8 Vgl. z. B. Jescheck, AT, S. 212 f.; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 16. o Diesen Ausdruck verwendet Geerds, Konkurrenz, S. 266. 10 Terminus bei Samson, SK, Vor § 52 Rdn. 24; Schönke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 16; Vogler, Vor § 52 Rdn. 30.

30

A. Die Problemstellung

eine Straftat zu werten ist. Ähnlich komplexe Sachverhalte bezeichnen Begriffe wie geheim dienstliche Tätigkeit (§§ 98, 99), mitgliedschaftliche Beteiligung an einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung (§§ 129 ff.), Beteiligung an einer Schlägerei (§ 227), Vornahme sexueller Handlungen (§§ 174 ff.) oder Zuhälterei (§ 181 a). Die "körperliche Mißhandlung" nach § 223 kann schon dem Wortsinne nach ebenso aus einem einzigen Schlag wie einer Tracht Prügel bestehen, das "Quälen" i. S. des § 223 b aus einer wie mehreren Einzelhandlungenl l . d) Wiederholende Tatbestandsverwirklichung als Ergebnis der Tatbestandsauslegung

Wenn nicht der Wortlaut einer Vorschrift die Zusammenfassung verschiedener, den Tatbestand erfüllender natürlicher Handlungen gebietet oder nahelegt, kann sich dies gleichwohl im Wege der Tatbestandsauslegung ergeben. Die Möglichkeit einer wiederholenden (iterativen) Tatbestandsverwirklichung ist auch für andere Delikte allgemein anerkannt1 2 • § 242 etwa spricht von der Wegnahme "einer" fremden beweglichen Sache und bezeichnet seinem Wortlaut nach eine einzige "natürliche Handlung". Gleichwohl besteht Einigkeit, daß es sich um eine Diebstahlstat handelt, wenn ein Dieb die einzelnen Beutestücke im Laufe mehrerer Stunden abtransportiert. Zerschlägt ein randalierender Täter die gesamte Wohnungseinrichtung, so hat er zwar nicht nur "eine" Sache beschädigt, wie § 303 I verlangt, aber trotzdem nur eine einzige Sachbeschädigung begangen 13 . Die Annahme einer Handlungseinheit kommt namentlich in Betracht, wenn die Rechtsverletzung durch die wiederholte Tatbestandsverwirklichung eine quantitative Steigerung erfährt (einheitliches Unrecht) und die Tat auf einer einheitlichen Motivationslage beruht (einheitliche Schuld)14. Streit besteht, ob auch bei der nacheinander erfolgenden Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Träger die Annahme von Handlungseinheit möglich oder eine Aufspaltung in verschiedene Handlungen geboten ist1 5 • 11 Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 31 rechnet beide Fälle nicht den pauschalierenden Handlungsbeschreibungen sondern allgemein der wiederholenden Tatbestandsverwirklichung (vgl. unten d) zu. 12 Vgl. etwa Jescheck, AT, S. 580 f.; Lackner, Vor § 52 Anm. 111 2, IV 1; Schänke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 17; Stratenwerth, AT, Rdn. 1212 ff.; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 31. 13 Vgl. nur Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 72 f. 14 Grundlegend Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 72 ff. Vgl. ferner Jescheck, AT, S. 581; Samson, SK, Vor § 52 Rdn. 28 ff.; R. Schmitt, ZStW 75 (1963), 46; Stratenwerth, AT, Rdn. 1212 ff.; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 31. Im einzelnen vgl. unten B 1. 15 Gegen eine Aufspaltung Dreher / Tröndle, Vor § 52 Rdn. 2; Jescheck, AT, S. 581; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 32, alle mit Nachw. BGRSt. 1, 20, 22 wird

11. Handlungseinheit und Handlungsmehrheit

31

Diese Form der tatbestandlichen Handlungseinheit überschneidet sich mit der "natürlichen Handlungseinheit" der Rechtsprechung, setzt aber im Unterschied zu dieser zwingend die wiederholte Verletzung desselben Rechtsguts voraus 16 . e) Dauerdelikte Eine tatbestandliche Handlungseinheit bilden auch die Dauerdelikte17 . Hier verwendet das Gesetz wie bei den pauschalierenden Handlungsbeschreibungen Begriffe, die schon ihrem Wortsinne nach eine Mehrheit von "natürlichen Handlungen" zusammenfassen. Darüber hinaus ergibt sich aus der gesetzlichen Unrechtsbeschreibung 18 , daß die Straftat einen andauernden rechtswidrigen Zustand schaffen muß, den der Täter willentlich aufrechterhält und durch dessen Fortdauer der Tatbestand weiterverwirklicht wird 19 . Gegen diese Definition der h. M. wird eingewendet, sie passe streng genommen nur für Kombinationen von Begehen (Begründung eines rechtswidrigen Zustands) und Unterlassen (Aufrechterhaltung dieses Zustands)20, doch ist man sich im Ergebnis einig 21 , daß alle Taten, bei denen der Täter sein Handeln ununterbrovon Vogler zu Unrecht für diese Auffassung in Anspruch genommen. Dort ging es um die Frage, ob eine Handlung im natürlichen Sinne "aufgespalten" werden kann. Für eine Aufspaltung der natürlichen Handlungseinheit Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 88 ff. mit ausf. Darstellung des Streitstandes und NJW 1978,301 f., Samson, SK, Vor § 52 Rdn. 29; mit Einschränkungen auch HeZZmer, GA 1956, 69 f. Vgl. dazu unten B I 1 a, 2. 18 Vgl. oben A II 2. 17 Vgl. etwa Blei, AT, S. 312; Jescheck, AT, S. 580; Samson, SK, Vor § 52 Rdn. 25; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 17; Warda, JuS 1964,81,84; Wessels, AT, S. 150. Schänke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 27 bezeichnet Dauerdelikt und tatbestandliche Handlungseinheit als je selbständige Typen "rechtlicher Handlungseinheit". Maurach / Gössel, AT 2, S. 301 bezeichnen Dauerdelikte und Fortsetzungstat als Unterfälle einer "tatbestandszusammenfassenden Handlungseinheit" . 18 Näher dazu Hruschka, GA 1968, 194 ff., der zwischen Dauerdelikt und Dauerstraftaten unterscheidet. Als "Straftat" bezeichnet er den konkreten Tatsachenkomplex, der den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, als "Delikt" die in einem Tatbestand beschriebene allgemeine Gestalt von Straftaten. Die inhaltlichen Aussagen Hruschkas sind erhellend, die vorgeschlagene terminologische Unterscheidung wird aber nicht übernommen, weil sie die ohnehin verwirrende Begriffsbildung bei den Konkurrenzen nur weiter komplizieren würde. Es genügt, sich die von Hruschka herausgearbeiteten Unterschiede der Sachlagen zu verdeutlichen. Die Begriffe Dauerdelikt und -straftat werden daher gleichbedeutend verwendet. - Der Terminologie Hruschkas folgt Stratenwerth, AT, Rdn. 872. 19 So Jescheck, AT, S. 580; Lackner, Vor § 52 Anm. IV 2; Maurach / Gössel, AT, 2, S. 302; Samson, SK, Vor § 52 Rdn. 26; Schönke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 81 ff.; Stratenwerth, AT, Rdn. 1216; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 17. Nach Blei, AT, S. 312 kann die Aufrechterhaltung des geschaffenen Zustandes nur durch Unterlassen erfolgen. 20 So Struensee, Konkurrenz, S. 57 und Hruschka, GA 1968, 193 f. 21 Nur Blei, AT, S. 312 rechnet ausschließlich die Kombination von Tun und Unterlassen zu den Dauerdelikten, vgl. Fn. 17 a. E.

32

A. Die Problemstellung

chen fortsetzt, Dauerdelikte sind22 • Dauerdelikte können daher durch Tun oder Unterlassen oder eine Kombination beider Handlungsformen begangen werden, sofern nur die Deliktsbegehung "durchlaufend" ist. Beispiele für Dauerbetätigungsdelikte sind insbesondere Verkehrsstraftaten, z. B. das Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 I Nr. 1 StVG) oder das Fahren in fahruntüchtigem Zustand (§ 316), während etwa § 239 Tun ("einsperrt") und Unterlassen (Aufrechterhaltung dieses Zustands) kombiniert. Daneben gibt es zahlreiche Dauerunterlassungsdelikte23 • Wie für die unter c) und d) besprochenen Fallgruppen ist die mehrfache Tatbestandserfüllung auch für Dauerdelikte charakteristisch. Hinzu kommt aber die notwendige zeitliche Kontinuität des deliktischen HandeIns. Durch diese Besonderheit unterscheiden sich die Dauerdelikte von den Delikten mit Sammelbegriffen und anderen Fällen wiederholender Tatbestandsverwirklichung, in denen die Handlungseinheit aus einer Reihe jeweils abgeschlossener, diskontinuierlicher tatbestandserfüllender Akte zusammengesetzt ist24 • Unter besonderen Voraussetzungen können zwar zahlreiche Delikte als Dauerstraftaten begangen werden25 , doch werden im folgenden nur solche Tatbestände den Dauerdelikten zugerechnet, deren Verwirklichung nicht nur ausnahmsweise oder gelegentlich, sondern notwendig kontinuierlich ist 26 • Die hier vorgeschlagene Terminologie ist sinnvoll, weil sie unterschiedliche Deliktsstrukturen verdeutlicht und ein begriffliches Instrumentarium für solche Differenzierungen schon vorhanden ist und nicht erst entwickelt werden muß. Ob und in welchem Umfang die einzelnen Delikte hinsichtlich der Konkurrenzfragen unterschiedlich zu behandeln sind, ist ein inhaltliches Problem, dessen Lösung durch die Zuordnung zu der einen oder anderen Tatbestandsgruppe nicht präjudiziert ist. Dem Dauerdelikt wird gewöhnlich das sog. Zustandsdelikt gegenübergestellt 27 , bei dem das tatbestandliche Unrecht mit der Herbeiführung eines rechtswidrigen Zustands abgeschlossen - wie z. B. bei der Sachbeschädigung (§ 303), der Körperverletzung (§ 223), der Personenstandsfälschung (§ 169) oder der Doppelehe (§ 171) - und die Aufrecht22 Präzise Lackner, Vor § 52 Anm. IV 2; Schönke / Schröder / StTee, Vor § 52 Rdn. 8 und Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 17, bei denen die ununterbrochene

Fortsetzung des Täterhandelns in der Definition des Dauerdelikts ausdrücklich genannt wird. 23 Vgl. dazu eingehend StTuensee, Konkurrenz, S. 57 ff. 24 Vgl. dazu näher Hruschka, GA 1968, 196 ff. 25 Beispiele bei Hruschka, GA 1968, 194 ff. 28 Dazu eingehend Hruschka, der zu diesem Zweck Dauerdelikt und -straftat unterscheidet, vgl. dazu oben Fn. 18. 27 Vgl. etwa Dreher / Tröndle, Vor § 52 Rdn. 41; Samson, SK, Vor § 52 Rdn. 26; Schönke / Schröder / StTee, Vor § 52 Rdn. 82; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn.25.

11. Handlungseinheit und Handlungsmehrheit

33

erhaltung dieses rechtswidrigen Zustands nicht mehr tatbestandsmäßig ist. Unter besonderen Voraussetzungen kann aber auch hier der Täter den Tatbestand kontinuierlich weiterverwirklichen28 • So ist § 223 "Zustandsdelikt" , doch wird z. B. bei einer quälenden Fesselung des Opfers der Tatbestand laufend weiterverwirklicht29 , wie das für Dauerdelikte charakteristisch ist. Der Begriff "Zustandsdelikt" bezeichnet also nicht einen notwendigen Gegensatz zu den Dauerdelikten, sondern besagt nur, daß bei den hierunter subsumierten Tatbeständen normalerweise oder häufig Vollendung und Beendigung zeitlich zusammenfallen, ohne generell die Möglichkeit einer kontinuierlichen Tatbestandsverwirklichung auszuschließen. Stree30 bemerkt daher zu Recht, die Bedeutung des Begriffs erschöpfe sich in einer negativen Abgrenzung zu den Dauerdelikten. f) Fortlaufende Tatbestandsverwirklichung

Bei dieser Form der Handlungseinheit nähert sich der Täter schrittweise dem tatbestandlichen Erfolg 31 • Die einzelnen, den Versuchst atbestand erfüllenden Akte sind untereinander und, wenn der Erfolg eingetreten ist, im Verhältnis zum vollendeten Delikt als Einheit anzusehen. Hierher gehören namentlich Fälle des übergangs vorn Versuch zur Vollendung 32 - etwa wenn der Täter einen Mord begeht, indern er seinem Opfer jeweils kleine Dosen Gift verabreicht, die erst in ihrer Gesamtwirkung tödlich sind 33 - oder von einer fehlgeschlagenen zu einer für wirksamer erachteten Ausführungshandlung 3 4, z. B. wenn der Täter sein Opfer zunächst mit einer Flasche zu erschlagen versucht, dann aber erwürgt35 • Ein Beispiel bietet auch die etappenweise Durchführung einer Tat, so, wenn ein Dieb infolge einer Störung sein Vorhaben kurzfristig aufgibt, dann aber doch durchführt36 • Die Grenze zwischen der Einheit einer Ausführung und mehreren Ausführungshandlungen ergibt sich hier aus den Vorschriften des allgemeinen Teils über Versuch und Rücktritt. Es geht um die Auslegung der Merkmale Vgl. dazu näher Hruschka, GA 1968, 194 ii. Beispiel bei Stratenwerth, AT, Rdn. 87. 30 In: Schönke / Schröder, Vor § 52 Rdn. 82. 31 Eingehend Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 85 ff. Vgl. ferner Jescheck, AT, S. 581; Schänke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 18; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 34. 32 Vgl. Jescheck, AT, S, 581; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 34. 33 Beispiel bei Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 90. 34 Vgl. BGHSt. 10, 129; 21, 319, 322; Schänke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 18; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 34. 35 So der Sachverhalt in BGHSt. 10, 129. 38 So der Sachverhalt in BGHSt. 4, 219. 28 29

3 Werle

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A. Die Problemstellung

"Verwirklichung des Tatbestands" (§ 22) und "weitere Ausführung der Tat aufgibt" (§ 24)37. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang auch Vorbereitungshandlungen, die formell tatbestandsmäßig sind, materiell aber in der anschließenden Verletzung aufgehen38 • Das gilt beispielsweise, wenn ein Täter aufgrund eines einheitlichen Vorsatzes 39 Geld nachmacht oder verfälscht und anschließend das nachgemachte oder verfälschte Geld in Verkehr bringt40 • Nach der Rechtsprechung überschneidet sich auch die fortlaufende Tatbestandsverwirklichung mit der "natürlichen Handlungseinheit"41. Einigkeit besteht - auch soweit die natürliche Betrachtungsweise kritisch beurteilt wird42 - , daß ähnlich wie in den unter d) besprochenen Fällen wiederholende Tatbestandsverwirklichung die Tatsituation einheitlich sein (enger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang) und die gleiche Motivationslage fortbestehen muß43. Fehlt es an einer solchen Beziehung der einzelnen Handlungen, ist Handlungsmehrheit anzunehmen. Dies soll nicht schon dann zwingend sein, wenn der Täter einen neuen Entschluß faßt 44 , wohl aber, wenn es ihm ursprünglich auf ein ganz bestimmtes Tatmittel ankam und er dann aufgrund neuen Entschlusses ein anderes benutzte 45 . g) Sammelstraftaten und Massenverbrechen

Die sog. Sammelstraftaten oder Kollektivdelikte umfassen Tatbestände, in denen die gewerbsmäßige, geschäftsmäßige oder gewohnheitsmäßige Begehung46 einen entweder strafbegründenden47 oder straf37 Vgl. Blei, AT, S. 313; Vogler, LK, Vor § 52 ReIn. 34. Siehe auch BGHSt. 21, 319, 321 f. zu § 46 a. F. 36 Vgl. Vogler, LK, Vor § 52 ReIn. 35. 38 Vgl. BGHSt. 10, 129; Lackner, § 146 Anm. 7 a; Schönke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 18 f.; § 146 Rdn. 26; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 35. Vgl. aber Dreher / Tröndle, § 146 Rdn. 8, der Idealkonkurrenz zwischen einem Versuch nach Nr. 3 und einer vollendeten Tat nach Nr. 1 und 2 annimmt. 40 Vgl. § 146 I Nr. 1 - 3. Dazu Blei, JA 1974, 814; Dreher / Tröndle, § 146 Rdn. 8; Schönke / Schröder / Stree, § 146 Rdn. 26. 41 Vgl. BGHSt. 4, 219; 10, 129; 20,268,272; 21, 319, 322. Ferner unten B I 1. 4! Das gilt z. B. für Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 14 und 36. " Vgl. Jescheck, AT, S. 581; Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 90; Schänke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 19; Vogler, LK, Vor § 52, Rdn. 36. U Vgl. BGHSt. 4, 219, 221. 45 Vgl. BGHSt. 10, 129, 131 f.; Schänke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 18 f.; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 36. Krit. Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 91 ff. 4S Vgl. zur Bedeutung dieser Merkmale Maurach / Gössel, AT 2, S. 341 f.; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 26 beide mit Nachw. 47 Vgl. Z. B. §§ 180 a, 144, 181 a 11.

11. Handlungseinheit und Handlungsmehrheit

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erhöhenden48 Umstand bildet. Hatte die frühere Rechtsprechung des Reichsgerichts die Einzeltaten zu einer rechtlichen Handlungseinheit verbunden49 , hat sich heute die schon vom Reichsgericht eingeleitete Tendenz50 durchgesetzt, die Sammelstraftat in ihre Einzeltaten aufzulösen51 • Maßgeblich dafür ist das kriminalpolitische Bestreben, bei Gewohnheitsverbrechern die §§ 54 und 66 II anwenden zu können52 und prozessual eine überspannung der Rechtskraftwirkungen zu vermeiden53 • Die Sammelstraftat als rechtliche Handlungseinheit ist daher heute nur noch dogmengeschichtlich bedeutsam54 • Auch das sog. Massenverbrechen - die wiederholte Verwirklichung gleichliegender Tatbestände aufgrund derselben charakterlichen Grundhaltung 55 , z. B. bei Anstaltstötungen Geisteskranker - wurde vereinzelt als rechtliche Handlungseinheit anerkannt56 , doch ist diese Auffassung heute überwunden57 • Allerdings kann in derartigen Fällen unter Umständen eine natürliche Handlungseinheit anzunehmen sein58 • 4. Die Fortsetzungstat

Die von der Rechtsprechung im Wege richterlicher Rechtsschöpfung entwickelte 1 fortgesetzte Tat bildet aus verschiedenen natürlichen Handlungen sowie natürlichen oder tatbestandlichen Handlungseinheiten2 eine Handlung i. S. des § 52. Der Zusammenhang der einzelnen Akte, von denen jeder alle Voraussetzungen der Strafbarkeit erfüllen muß, ist im allgemeinen erheblich loser als bei den tatbestand lichen Vgl. z. B. §§ 260, 302 a 11 Nr. 2, 292 111, 293 111. So noch RGSt. 59, 142. 50 RGSt. 72, 164 für § 218 IV a. F. (gewerbsmäßige Abtreibung). 51 Vgl. Maurach / Gössel, AT 2, S. 343; Schönke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 99 jeweils mit Nachw.; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 27. Zur Gegenmeinung vgl. Eb. Schmidt, JZ 1952, 136; Welzel, S. 230. 52 Vgl. Jescheck, AT, S. 586; Maurach / Gössel, AT 2, S. 543; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 28. &3 Vgl. Vogler, ebda. 54 So SiTatenwerth, AT, Rdn. 1237. 55 Vgl. etwa Schönke / Schröder / SiTee, Vor § 52 Rdn. 27; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 28. 56 Vgl. OGHSt. 1,341,342; 2, 117, 134 und 312, 316. Weit. Nachw. zur Gegenmeinung bei Dreher / Tröndle, Vor § 52 Rdn. 47. Zu Ideal- und Realkonkurrenz bei NS-Verbrechen Bauer, JZ 1967,625. 57 Vgl. BGH, NJW 1969, 2056; BGHSt. 26, 284, 285 f.; Dreher / Tröndle, Vor § 52 Rdn. 47; Schänke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 27; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 28 alle mit Nachw. 58 Vgl. BGH, NJW 1969,2056,2057. 1 Vgl. dazu Bringewat, ZStW 85 (1972), 585 ff. 2 Vgl. BGHSt. 19, 323, 324 f. Dort ist zwar nur von "natürlichen Handlungseinheiten" die Rede, doch rechnet die Rechtspr. die oben als "tatbestandliche" bezeichneten Handlungseinheiten hierzu. 48 49

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A. Die Problemstellung

Handlungseinheiten, weshalb man von "gleichartiger Verbrechensmenge" gesprochen hat 3• Die Fortsetzungstat wird als rechtliche Handlungseinheit im Gegensatz zur natürlichen bezeichnet4, obwohl auch eine natürliche Betrachtungsweise für die Konkretisierung ihrer einzelnen Merkmale bedeutsam sein sollS. Unter der Herrschaft des Kumulationsprinzips sollte die Fortsetzungstat eine Addition der für die einzelnen Akte verhängten Strafen verhindern, um die vergleichsweise mindere Schuld des Täters abzugelten6 • Heute stehen prozessuale Bedürfnisse im Vordergrund 7 • Das Institut der Fortsetzungstat soll das Verfahren vereinfachen und dem Richter bei Serienstraftaten die mit der Anwendung des § 53 verbundene Festsetzung zahlreicher Einzelstrafen und die Fest!'ltellung aller Einzelakte - "eine lästige, überflüssige und wunderlich anmutende Arbeit"8 - ersparen. Dies gilt etwa, wenn ein Tankwart jahrelang unbefugt Benzin aus einem Tank entnimmt 9 oder ein Betrüger über Tage hinweg als Rotkreuzsammler auftrittl°. Da alle strafbaren Akte zusammen eine Tat bilden, genügt die Feststellung ihrer gemeinsamen Merkmale und die Angabe ihrer Mindestzahl l1 • Diesem Vereinfachungseffekt stehen kriminalpolitische Nachteile gegenüber, namentlich daß die Strafrahmenobergrenze nach § 52 und nicht nach § 54 gebildet wird, die fortgesetzte Tat auch als Rückfallund Maßregelvoraussetzung eine einzige Tat ist1 2 und nicht ermittelte Teilakte regelmäßig von der Rechtskraft des Urteils erfaßt werden13 • Einigkeit besteht, daß die Fortsetzungstat objektiv Gleichartigkeit der Begehungsweise und damit einen Verstoß gegen das gleiche Rechtsgut voraussetzt, subjektiv einen einheitlichen Vorsatz. Die Tragweite dieser einzelnen Merkmale ist indes trotz der großen praktischen BeNowakowski, Fortgesetztes Verbrechen, S. 51. Vgl. z. B. Geerds, Konkurrenz, S. 294 ff.; Jescheck, AT, S. 582; Lackner, Vor § 52 Anm. IV 3 a; Schönke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 13; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 47; Warda, JuS 1964,84. 5 Vgl. etwa Jescheck, AT, S. 585; Schönke / Schröder / Slree, Vor § 52 Rdn. 31; Vogler, Vor § 52 Rdn. 44. e Vgl. Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 45. Noch das Preußische SlGB wurde vom Kumulationsprinzip beherrscht, vgl. Goltdammer, Materialien, S. 458 ff. 7 Vgl. Jescheck, AT, S. 582; Lackner, Vor § 52 Anm. 2 b; Samson, SK, Vor § 52 Rdn. 33; Schönke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 31; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 45. 8 RGSt. 70, 243, 244. g Beispiel bei Schönke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 31. 10 Beispiel bei Schmidhäuser, AT, 18/13. U Vgl. BGH, GA 1965, 182 f.; OLG Hamm, VRS 48, 239 f. IZ Vgl. Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 85 mit Nachw. 13 Zu den Rechtskraftproblemen vgl. im einzelnen Schönke / Schröder / Slree, Vor § 52 Rdn. 68 ff.; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 93 f. beide mit N°achw. 3

4

III. Ideal- und Realkonkurrenz

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deutung der Fortsetzungstat ungeklärt und teilweise äußerst umstritten 1'. Die größten Differenzen bestehen einmal darüber, ob bei Angriffen auf höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Träger Fortsetzungszusammenhang angenommen werden kann. Daneben haben sich zur Bedeutung des subjektiven Elements zwei gegensätzliche Auffassungen herausgebildet. Während die Rechtsprechung einen Gesamtvorsatz verlangt, der den Gesamterfolg der Tat in seinen wesentlichen Umrissen und seine "stoßweise" Verwirklichung von vornherein umfassen soll, läßt es ein Teil der Lehre ausreichen, wenn die Einzelentschlüsse durch eine fortlaufende psychische Linie verbunden sind 15 • Wegen dieser Schwierigkeiten, besonders aber im Hinblick auf die erheblichen kriminalpolitischen Nachteile, wird in jüngerer Zeit zunehmend eine Preisgabe der fortgesetzten Handlung gefordert16 •

m. Ideal- und Realkonkurrenz 1. Idealkonkurrenz a) Ungleichartige Idealkonkurrenz § 52 ordnet bei Verletzung verschiedener Strafgesetze durch dieselbe Handlung die Kombination der jeweiligen Strafrahmen an. Im Falle dieser sog. ungleichartigen Idealkonkurrenz ist für die Strafrahmenbildung das Gesetz maßgeblich, welches die schwerste Strafe androht, doch sind auch die anderen verletzten Strafgesetze zu beachten: Nach § 52 II S.2 darf ihre Mindeststrafe nicht unterschritten werden, und nach § 52 IV ist die Anordnung von Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen schon dann zulässig, wenn sie in einer der anwendbaren Normen vorgesehen ist. Maßgeblich ist also nicht allein das Gesetz mit dem strengsten Strafrahmen ~ so das frühere Absorptionsprinzip 1 - , vielmehr werden nach dem "Kombinationsprinzip"2 grundsätzlich die Strafrahmen aller verletzten Gesetze für die Strafrahmenbildung her~ angezogen. Aber auch bei der konkreten Strafzumessung spielen die idealkonkurrierenden Delikte eine wesentliche Rolle. Zu den Merk14 Vgl. zum ganzen Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 48 ff.; Jescheck, AT, S. 583 f.; Samson, SK, Vor § 52 Rdn. 33 ff.; Schönke / SchTöder / Stree, Vor § 52 Rdn. 33 ff. lS Zum Streitstand vgl. Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 55 ff. lS Vgl. Schmidhäuser, AT, 18/20; R. Schmitt, ZStW 75 (1963), 59 ff.; Stratenwerth, AT, Rdn. 1217; Wahle, GA 1968, 109 mit weit. Nachw. 1 Vgl. dazu Geerds, Konkurrenz, S. 457 ff.; Jescheck, AT, S. 576; MauTuch / Gössel, AT 2, S. 327 f. Zu den einzelnen Prinzipien der Konkurrenzlehre Blei, AT, S. 303 ff. 2 Geerds, Konkurrenz, S. 59 f., 328; Jescheck, ZStW 67 (1955), 531 f.; Schönke / Schröder / Stree, § 52 Rdn. 34; StTuensee,· Konkurrenz, S. 20.

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A. Die Problemstellung

malen des Gesetzes, das die schwerste Strafe androht, treten ja die der milderen Gesetze hinzu, so daß sich Unrechts- und Schuldgehalt der Tat insgesamt verstärken und die Verletzung der milderen Gesetze sich regelmäßig strafschärfend auswirken wird 3 • Bruns spricht in diesem Zusammenhang von einer fakultativen Asperation, die er der obligatorischen nach § 54 gegenüberstellV. Auch unter der Geltung des Absorptionsprinzips war eine Strafschärfung mit Rücksicht auf die milderen Gesetze möglich, da die Absorption nur den Strafrahmen, nicht das Delikt selbst erfaßtes. Nur das Reichsgericht hat in seinen frühen Entscheidungen im Hinblick auf den Wortlaut des § 73 a. F. jede Bedeutung der milderen Gesetze für die Strafzumessung verneint 6 • b) Gleichartige Idealkonkurrenz

Mehrfache Verletzung desselben Strafgesetzes, sog. gleichartige Idealkonkurrenz, ist nach h. M.7 bei Verletzung höchstpersönlicher Rechts-

güter verschiedener Träger durch dieselbe Handlung anzunehmen, so etwa, wenn ein Täter mehrere Menschen durch eine Explosion tötet 8 oder zwei Kinder gleichzeitig zur Duldung sexueller Handlungen auffordert 9 . Werden hingegen Vermögens rechte verschiedener Rechtsgutsträger durch dieselbe Handlung angegriffen, soll nicht Idealkonkurrenz, sondern eine "konkurrenzlose" einfache Gesetzesverletzung vorliegen10 • Die praktische Bedeutung der gleichartigen Idealkonkurrenz ist gering, da eine Strafrahmenkombination nicht stattfinden kann und damit der Strafrahmen dem bei einfacher Gesetzesverletzung entspricht. Bei der 3 Vgl. Brons, S. 468 f.; Maurach / Gössel, AT 2, S. 328; Schönke / Schröder / Sfree, § 52 Rdn. 47. 4 Vgl. Brons, S. 469. 5 In diesem Sinne wurde das Absorptionsprinzip im Gemeinen Recht verstanden und in den preußischen Entwürfen formuliert, vgl. Jescheck, ZStW 67 (1955), 531 f. Im einzelnen dazu GoZtdammer, Materialien, S. 447 ff. S Vgl. RGSt. 16, 301, 304: "Nur aus subjektiver Erwägung kann darum die Strafe des schwersten Deliktes im Hinblicke auf die minderen Delikte erhöht werden." Vgl. die weit. Nachw. bei Geerds, Konkurrenz, S. 328 Fn. 444. Unzutreffend daher Jescheck, ZStW 67 (1955), 531, wonach strafschärfende Berücksichtigung der minderen Delikte "schon immer" möglich gewesen sein soll. Die Wende der Rechtsprechung kam mit RGSt. 18, 193 ff., das die Absorption auf die Strafdrohungen einschränkte. 7 Vgl. etwa BGHSt. 26, 284, 285; Jescheck, AT, S. 588; Schönke / Schröder / Sfree, § 52 Rdn. 22; Vogler, LK, § 52 Rdn. 32. - Maurach / Gössel, AT 2, S. 320 f., lehnen diese Figur ab, weil der Gesetzeswortlaut selbst verdeutliche, daß das verletzte Strafgesetz nur einmal anzuwenden sei, eine Konkurrenz mithin nicht vorliege. Vgl. auch Puppe, Idealkonkurrenz, S. 239. 8 Vgl. BGHSt. 1,20,22. 9 Vgl. BGHSf. 6, 81, 82. 10 H. M. Vgl. Jescheck, ZStW 67 (1955), 547; Samson, SK, § 52 Rdn. 25; Schönke / Schröder / Sfree, § 52 Rdn. 24 ff. mit Nachw.; Vogler, LK, § 52 Rdn. 35; A. A. jetzt Jescheck, AT, S. 549, der bei mehreren betroffenen Rechtsgutsträgern ausnahmslos Tateinheit annehmen will.

IIl. Ideal- und Realkonkurrenz

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konkreten Strafzumessung soll die mehrfache Verletzung desselben Gesetzes zwar strafschärfend ins Gewicht fallen l l , doch wären auch bei Annahme einer "konkurrenzlosen" Tat nach § 4611 ihre Auswirkungen und damit die Zahl ihrer Unrechts erfolge zu beachten. Im Schuldspruch muß allerdings verdeutlicht werden, ob gleichartige Idealkonkurrenz oder eine einfache Gesetzesverletzung vorliegt1 2 • 2. Realkonkurrenz

Bei Begehung mehrerer Straftaten besteht, sofern nicht lebenslange Freiheitsstrafe verhängt wird1 , die Rechtsfolge in der Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53 I, 54), wobei es gleichgültig ist, ob verschiedene Strafgesetze (sog. ungleichartige Realkonkurrenz) oder dasselbe Strafgesetz mehrmals (sog. gleichartige Realkonkurrenz) durch selbständige Handlungen verletzt wurden. Für jede einzelne Tat sind zunächst die allgemein erforderlichen Schuldfeststellungen zu treffen und die verwirkten Einzelstrafen mit Strafzumessungsgründen festzusetzen 2 • Sodann wird nach dem - allerdings nicht ausnahmslos durchgeführtenS Asperationsprinzip 4 die verwirkte höchste bzw. ihrer Art nach schwerste Strafe, die sog. Einsatzstrafe, erhöht (vgl. § 54 I). Die Gesamtstrafe muß nach § 54 11 S. 2 um mindestens eine Strafeinheit hinter der Summe der Einzelstrafen zurückbleiben (konkretes Höchstmaß) und darf die in § 5411 S.2 genannten absoluten Grenzen nicht übersteigen (absolutes Höchstmaß). Die Einzelstrafen gehören zwar nicht in den Tenor, sondern in die Urteilsgründe 5 , behalten aber selbständige Bedeutung, soweit sie Grundlage einer Nebenstrafe sind6 und namentlich, wenn sie im Rechtsmittelverfahren von der Aufhebung der Gesamtstrafe und anderer Einzelstrafen unberührt bleiben7 • Auf weitere Einzelheiten der Gesamtstrafenbildung braucht hier nicht eingegangen zu werdens. Vgl. Bruns, S. 469; Schönke / Schröder / Stree, 52 Rdn. 33. Vgl. Schönke / Schröder / Stree, § 52 Rdn. 48; Vogler, LK, § 52 Rdn. 24. 1 Das in § 53 durchgeführte Asperationsprinzip gilt nicht bei lebenslanger Freiheitsstrafe - dort ist das Kumulationsprinzip maßgeblich - und nicht für die Jugendstrafe (§§ 31, 32 JGG). Vgl. Lackner, § 53 Anm. 3 a. 2 Allg. Meinung, vgl. nur Schönke / Schröder / Stree, § 53 Rdn. 9 ff.; Vogler, LK, § 53 Rdn. 3. 3 Vgl. Fn. 1. 'Eingehend dazu und zum Kumulationsprinzip Geerds, Konkurrenz, S. 452 ff., 340 f., zur Geschichte S. 58 ff.; Maurach / Gössel, AT 2, S. 345 ff. 5. Vgl. Schönke / Schröder / Stree, § 53 Rdn. 11; Vogler, LK, § 53 Rdn. 3, beide mit Nachw. zur Rechtspr. 6 Vgl. §§ 53 III i. V. m. 52 IV. 7 Dazu Maurach / Gössel, AT 2, S. 353; Schönke / Schröder / Stree, § 54 Rdn. 19 ff.; Vogler, LK, § 54 Rdn. 14 f. 8 Dazu Bruns, S. 470 ff.; Maurach / Gössel, AT 2, S. 344 ff.; Vogler, LK, § 53 Rdn. 11 ff., § 54 Rdn. 7 ff. 11

I!

A. Die Problemstellung

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3. Einfache Tatbestandsverwirklichung und Realkonkurrenz

Die einfache Verwirklichung eines Tatbestandes, die Reaktion auf "konkurrenzlose" Straftaten, ist in den §§ 52 ff. nicht geregelt. Hier ergibt sich die Rechtsfolge aus der Strafdrohung des verletzten Gesetzes. Eine konkurrenzlose Straftat liegt aber nicht nur vor, wenn der Täter durch eine einzige Willensbetätigung ein Strafgesetz verletzt, sondern auch bei den tatbestandlichen (und natürlichen) Handlungseinheiten1 sowie bei der Fortsetzungstat. Da in diesen Fällen eine Vielzahl von Einzelakten zu einer Handlung im Rechtssinne verbunden wird, ist trotz unter Umständen mehrfacher Tatbestandserfüllung eine einfache Gesetzesverletzung anzunehmen. Gleichartige Idealkonkurrenz kommt nicht in Betracht; sie erfordert eine mehrfache Gesetzesverletzung durch ein und dieselbe Handlung, nicht durch mehrere Akte. 4. Die praktische Bedeutung von Ideal- und Realkonkurrenz

Die gesetzgeberische Unterscheidung zwischen Real- und Idealkonkurrenz ist in der Literatur vielfach als unsachlich kritisiert worden. Seit Entstehung des Reichsstrafgesetzbuches hat man immer wieder die Abschaffung der §§ 73, 74 a. F. und die Einführung einer Einheitsstrafe gefordertl. Nachdem bei der Reform des allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches die Unterscheidung von Real- und Idealkonkurrenz mit Modifikationen beibehalten worden ist 2 , dürften Reformvorschläge in absehbarer Zeit keine Aussicht auf Verwirklichung mehr haben und die jetzigen Bestimmungen maßgeblich bleiben. a) Strafzumessung

Die Anwendung des § 52 ist für den Täter gegenüber der Bildung einer Gesamtstrafe insofern günstiger, als bei Idealkonkurrenz die Obergrenze der anzuwendenden Strafrahmen nicht überschritten werden darf, während dies nach § 54 möglich ist. Das gesetzliche Regelungsmodell legt auch die Annahme nahe, bei Realkonkurrenz müsse der Zwang zur Bildung von Einzelstrafen in Verbindung mit dem Asperationsprinzip regelmäßig zu einer vergleichsweise höheren Strafe führen als nach dem Verfahren der Strafenbildung bei Idealkonkurrenz. Ein solcher Unterschied war zwingend, solange bei Idealkonkurrenz für die Strafrahmenbildung oder noch weitergehend auch für die Strafzumessung 3 ausschließlich das schwerste Gesetz maßgeblich war. Heute Zur Einteilung siehe oben A II 2 und 3. Zusammenfassend Puppe, S. 1 mit ausf. Nachw. 2 Vgl. 1. StrRG. 3 RGSt. 18, 193 ließ die schulderhöhende Berücksichtigung des milderen Gesetzes zu, vgl. A III 1 Fn. 6. Die endgültige Wende zum heute gesetzlich 1 1

III. Ideal- und Realkonkurrenz

41

sind die Rechtsfolgen der §§ 52, 53 f. stark angenähert, da nach § 52 die Strafrahmen zu kombinieren sind und die Begehung der milderen Delikte straferhöhend wirkt. Immerhin soll aber bei ansonsten gleichen Bedingungen allein die Tatsache, daß der Täter mehrere Gesetzesverletzungen durch eine Handlung begangen hat, zu einer milderen Strafe führen als im Fall der Realkonkurrenz4 • Im Gegensatz dazu hat man namentlich in der Diskussion um die Einheitsstrafe5 jede Auswirkung der Konkurrenzformen auf die Strafhöhe verneint. Der Haupteinwand lautete, in der Praxis sei es üblich, zunächst die Gesamtstrafe festzulegen und dann "fiktive Einzelstrafen"6 auszuwerfen, auch wenn das Gesetz den umgekehrten Weg vorschreibe 7 • Die Gesamtstrafe werde im Grunde gar nicht aus den Einzelstrafen gebildet, sondern selbständig, also unabhängig von diesen, was im Ergebnis eine Einheitsstrafe bedeute8 • Als Beispiel wird von Jescheck9 BGHSt. 5, 57 angeführt, wo in 64 Fällen von Mißhandlungen Einzelstrafen von jeweils vier bis fünf Monaten ausgesprochen, dann aber zu einer Gesamtstrafe von nur sechs Monaten verbunden wurden. Eine empirische überprüfung dieser Kritik kann und braucht hier nicht geleistet zu werden. Selbst wenn die Rechtsprechung nicht nur in Ausnahmefällen gesetzwidrig verfahren sollte, könnte dies die Wertung des Gesetzes nicht beeinflussen. Danach soll aber offenbar die Strafenbildung nach § 52 gegenüber der nach §§ 53, 54 für den Täter günstiger sein, wie die unterschiedlichen Obergrenzen verdeutlichen. Praktische Auswirkungen hat das jedenfalls dann, wenn die einzelnen Gesetzesverletzungen für sich betrachtet jeweils im oberen Bereich des Strafrahmens liegen und damit die Obergrenzen nach §§ 52, 54 maßgeblich werden. Bewegen sich die Strafen, wie im Regelfall, innerhalb des strengsten einzelnen Strafrahmens, kann die Bedeutung der Konkurrenzform für die Strafzumessung wegen der Annäherung der Rechtsfolgen - "fakultative" oder "obligatorischen" Asperation - in praxi tatsächlich gering sein. verankerten Kombinationsprinzip brachte RGSt. 73, 148 ff. (Großer Senat), die Berücksichtigung der nur vom milderen Gesetz vorgeschriebenen Nebenwirkungen und die Sperrwirkung des milderen Tatbestandes eingeführt wurden. Zur Geschichte des Absorptionsprinzips vgl. Geerds, S. 60 ff. 4 Vgl. Schönke / Schröder / StTee, § 52 Rdn. 1; s. auch Samson, SK, § 52 Rdn. 2; Vogler, LK, § 52 Rdn. 3. Näher dazu unten B II 8. 5 Vgl. dazu Puppe, S. 1. 8 BGH, DAR 1964, 99. 7 Vgl. Bruns, S. 475. 8 Vgl. R. Schmitt, ZStW 75 (1963), 196. Aus den Beratungen zum E 1962 vgl. Jescheck, ZStW 67 (1955), 543; Lackner, Ndschr. Bd. 2, S. 299 und Stellungnahme der Sachbearbeiter des Bundesjustizministeriums, aaO, Aushang S. 194; Niese, Materialien I, S. 160 f.· 9 ZStW 67 (1955), 543. W(J

42

A. Die Problemstellung b) Prozessuale Auswirkungen

Die materiell rechtlichen Konkurrenzverhältnisse wirken sich in mehrfacher Hinsicht auf das Strafverfahren aus: Die Konkurrenzart muß im Schuldspruch zum Ausdruck kommen 1o und bestimmt den technischen Modus der Strafzumessung. Fehler bei Anwendung der §§ 52, 53 verletzen materielles Recht und bilden einen Revisionsgrund l l . Tritt an die Stelle der vom Tatrichter angenommenen Tatmehrheit Tateinheit, sind in der Regel die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe aufzuheben, und die Sache ist zur Verhängung einer neuen Strafe zurückzuverweisen 12 • Im Bereich der Idealkonkurrenz sind ein Teilfreispruch und damit eine Rechtsmittelbeschränkung auf einzelne Tatbestände ausgeschlossen, die Schuldfrage kann nur insgesamt überprüft werden 13 • Bei Realkonkurrenz kann demgegenüber, auch wenn es sich um eine im prozessualen Sinne einheitliche Tat handelt, der Täter teilweise freigesprochen werden, und eine entsprechende Rechtsmittelbeschränkung ist zulässig14 • Von besonderer Wichtigkeit sind Tateinheit und Tatmehrheit für den prozessualen Tatbegriff. Dieser ist zwar im Verhältnis zum materiellen Recht selbständig15 , doch bildet ein und dieselbe Handlung i. S. des § 52 nach h. M. stets eine einheitliche prozessuale Tat; das gilt auch für Dauerdelikte und Fortsetzungstaten wie überhaupt alle Fälle der Handlungseinheit1 6 • Bei Handlungsmehrheit wird zwar regelmäßig die Annahme mehrerer Taten im prozessualen Sinne naheliegen, doch ist das wegen der Selbständigkeit des prozessualen Tatbegriffes nicht zwingend 17 • Dessen Umfang ist insbesondere für die Frage der RechtshänVgl. Schönke / Schröder / StTee, § 52 ReIn. 48. Vgl. § 337 StPO. 12 Näher dazu und zu Ausnahmen BGH bei Holtz, MDR 1978, 110. 13 Vgl. Vogler, LK, § 52 Rdn. 50 mit Nachw. Ausf. GTÜnwald, Teilrechtskraft, S. 254 ff. 14 H. M. Vgl. näher Löwe / Rosenberg / Gollwitzer, § 318 Rdn. 299 ff. mit Nachw. A. M. (keine Trennbarkeit der Teile einer im prozessualen Sinne einheitlichen Tat) GTÜnwald, Teilrechtskraft, S. 259 ff., 268. 16 Vgl. etwa Roxin, S. 104. 10 H. M. Vgl. Kleinknecht, § 264 Rdn. 6; Löwe / Rosenberg / Schäfer, Einl. Kap. 12 ReIn. 29 ff. mit ausf. Nachw.; Müller / Sax, KMR, Einl., S. 91; Roxin, S. 104 f.; SchöneboTn, MDR 1974, 529, 531. Nur scheinbar abw. Löwe / Rosenberg / Gollwitzer, § 264 Rdn. 3, wonach bei Handlungseinheit nur "regelmäßig" Tateinheit anzunehmen sein soll: Das als Ausnahme angeführte Beispiel ist ein Fall der "Entklammerung" und damit der Realkonkurrenz. A. M. Henkel, S. 387; Hruschka, JZ 1966, 703; Peters, Lehrb., S. 439 und für die §§ 129, 129 a jetzt auch BGH, NJW 1980, 2718. 17 Vgl. etwa Kleinknecht, § 264 Rdn. 6; Löwe / Rosenberg / Gollwitzer, § 264 Rdn. 3 mit ausf. Nachw. zur Rechtspr.; Löwe / Rosenberg / Schäfer, Einl. Kap. 12 Rdn. 30; Roxin, S. 105. Siehe aber auch Eb. Schmidt I, Rdn. 300 Fn. 535, der bei Tatmehrheit stets mehrere prozessuale Taten annehmen will. Vgl. ferner zusammenfassend Struensee, Wiederholungsverbot Kap. 5. 10 11

IV. Die Konkurrenz bei zeitlich gestreckten Delikten

43

gigkeit und die Befugnis zur Umgestaltung der Strafklage bedeutsam und nach h. M., die eine differenzierende Auslegung des Begriffes Tat ablehnt, in gleicher Weise für die Tragweite der Rechtskraft1 8 • Nach h. M. sind die Fälle der Handlungseinheit damit verfahrensrechtlich jedenfalls in aller RegePU - problemlos: Die Entscheidung über die Einheit der Tat im prozessualen Sinne fällt schon bei der Bestimmung des materiellrechtlichen Handlungsbegriffs. Zur prozessualen Behandlung der Tatmehrheit gibt es demgegenüber eine umfangreiche Rechtsprechung, weil hier die Abgrenzung des prozessualen Tatbegriffs erhebliche Schwierigkeiten aufwerfen kann20 • Die Konkurrenzverhältnisse sind damit als Vorfrage für das Prozeßrecht von zentraler Bedeutung und häufig weniger wegen ihrer materiellrechtlichen als wegen ihrer prozessualen Konsequenzen problematisch. Während bei der Strafzumessung die Annahme von Handlungseinheit wegen der weiten Strafrahmen nur selten die Verhängung einer gerechten Strafe erschwert oder gar ausschließt, sind die Unterschiede der prozessualen Folgen von Handlungseinheit und -mehrheit, namentlich im Hinblick auf den Strafklageverbrauch, beträchtlich.

IV. Die Konkurrenz bei zeitlich gestreckten Delikten 1. Handlungseinheit durch Teilidentität der Ausführungshandlungen

Die Annahme von Idealkonkurrenz bietet keine Probleme, wenn der Täter einen einzigen Realakt! vornimmt, der mehreren Tatbeständen subsumiert werden kann, so, wenn A den B mit einem Schuß durch eine Fensterscheibe verletzt. Die Sachlage wird indes komplizierter, wenn ein zeitlich gestrecktes Delikt mehrere solcher Elementarhandlungen zu einer juristischen Bewertungseinheit und damit ein und derselben Handlung nach § 52 zusammenfaßt. Hier ergibt sich nämlich die Möglichkeit, daß einzelne "natürliche Handlungen" aus der Handlungszusammenfassung auch einen anderen Tatbestand erfüllen, der aber nicht 18 Vgl. Kleinknecht, Einl. Rdn. 170; Roxin, S. 103. Zum Streitstand ausf. Löwe / Rosenberg / Schäfer, Einl. KAP. 12, Rdn. 28 ff. Abw. namentlich Henkel, S. 389 f.; Peters, Lehrb., S. 439 ff., die den Tatbegriff für die Rechtskraft enger interpretieren, um die Tragweite der Rechtskraftwirkungen einzuschränken. Vgl. ferner BGH, NJW 1980,2718. 19 Vgl. den in RGSt. 70, 26, 30 f. mitgeteilten Schulfall: Ein Täter, der nur wegen gefährlichen Schießens verurteilt wird, obwohl er einen Menschen erschossen hat, darf nicht mehr verfolgt werden. Weitere unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten problematische Fälle bei Peters, Lehrb., S. 438 f.; Löwe / Rosenberg / Schäfer, Einl. Kap. 12 Rdn. 32. 20 Vgl. die Nachw. bei Löwe / Rosenberg / Gollwitzer, § 264 Rdn. 3, Fn. 3. 1 Der Begriff Realakt soll hier die Handlung im natürlichen Sinne kennzeichnen und ist nicht zu verwechseln mit dem gleichlautenden Terminus des Zivilrechts.

44

A. Die Problemstellung

den gesamten, für das gestreckte Delikt relevanten Verhaltenskomplex erfaßt. Die h. M. bezeichnet einen solchen Sachverhalt als teilweise Identität der Ausführungshandlungen und nimmt an, durch diese Teilidentität werde Idealkonkurrenz vermittelt2 • Der Begriff "Teilidentität" ist in diesem Zusammenhang allerdings mißverständlich: Normalerweise bezieht sich der Ausdruck Handlungsidentität auf natürliche Handlungen, da § 52 deren Identität voraussetzt. Die natürlichen Handlungen können aber, wenn von Teilindentität die Rede ist, nicht gemeint sein. Sie sind nämlich - so jedenfalls das Modell der h. M.3 als "Elementarteilchen", als Grundbausteine der Konkurrenzlehre, nicht teilbar und müssen daher entweder ganz oder gar nicht identisch sein. So meint auch der Begriff Teilidentität den Sachverhalt, daß eine Elementarhandlung neben anderen Vorgängen in eine Handlungszusammenfassung einzubeziehen ist und zugleich einen anderen Tatbestand erfüllt, der ebenfalls eine Handlungszusammenfassung sein kann. Die Identität bezieht sich daher in diesem Kontext nicht auf die einzelnen natürlichen, sondern die tatbestandlichen Ausführungshandlungen und damit - für das zeitlich gestreckte Delikt - auf eine durch die Tatbestände hergestellte Gesamtheit natürlicher Handlungen'. Die Teilidentität ist also nie Folge der teil weisen überschneidung natürlicher Handlungen, sondern Konsequenz der Zusammenfassung solcher Handlungen zu einer rechtlichen Bewertungseinheit. Die Sachlage sei an einem Beispiel verdeutlicht: Stiehlt ein Geheimagent im Rahmen seiner nachrichtendienstlichen Tätigkeit unter anderem Dokumente, erfüllt diese Handlung außer § 99 auch den Diebstahlstatbestand, während § 99 daneben vorausgegangene und nachfolgende Betätigungen erfaßt und zu einer Unrechtseinheit verbindet. Man steht daher vor der Frage, ob zwischen § 99 und § 242 Idealkonkurrenz anzunehmen oder nach §§ 53, 54 jeweils eine Einzelstrafe festzusetzen und eine Gesamtstrafe zu bilden ist. Die h. M. hält die Idealkonkurrenzlösung bei einern solchen Sachverhalt für zwingend. Das RG hat diese Position auf die Formel gebracht, Handlungseinheit liege immer vor, wenn "die Willensbetätigungsakte, durch welche der Tatbestand der verschiedenen 2 Vgl. u. a. RGSt. 32, 137, 139 f.; BGHSt. 18, 29, 34; 22, 206,208; BGH bei Dallinger, MDR 1970, 381, 382; Dreher / Tröndle, Vor § 52 Rdn. 3; Geerds, Konkurrenz, S. 277 ff.; Jescheck, AT, S. 588 f.; Lackner, § 52 Anm. 2 b; Schönke / Schröder / Stree, § 52 Rdn. 9; Vogler, LK, § 52 Rdn. 22 alle mit weit. Nachw. Vgl. auch Puppe, S. 185 ff. Das Vorliegen von "natürlicher Handlungseinheit" bei Teilidentität verlangt Wahle, GA 1968, 107 ff. Näher

zur Teilidentität unten C III 2. 3 Dazu näher Bill ff. 4 Das verkennt Wahle, GA 1968, 107 der teilidentische Delikte als einander gleiche Größen betrachtet und dann nach dem Satz "Sind zwei Größen einer dritten gleich, so sind sie untereinander. gleich" die Annahme von Tateinheit auch im Fall der Klammerwirkung für zwingend hält.

IV. Die Konkurrenz bei zeitlich gestreckten Delikten

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strafbaren Handlungen hergestellt wird, wenn nicht vollständig, so doch zu einem Teil dergestalt zusammenfallen, daß mindestens ein Teil der einheitlichen Handlungen zur Herstellung des Tatbestandes beider Delikte mitwirkt"5. Die h. M. entnimmt dabei § 52 offenbar ein Verbot, einzelne natürliche Handlungen unter dem Gesichtspunkt mehrerer Delikte zum Gegenstand der Strafzumessung zu machen6 und diskutiert daher die Anwendung der §§ 53, 54 auf teilidentische Taten nicht. So würde in unserem Beispiel die Realkonkurrenzlösung dazu zwingen, für den Diebstahl eine Einzelstrafe zu bilden, obwohl dieser Vorgang auch bei der Festsetzung der Einzelstrafe für die nachrichtendienstliche Tätigkeit zu berücksichtigen wäre. Eine solche Doppelverwertung und damit eine mögliche Schlechterstellung des Täters schließt die h. M. durch die Annahme von Idealkonkurrenz bei auch nur teilweiser Überschneidung der Handlungsvollzüge aus. 2. Die Einheit der zeitlicll gestreckten Tat

Erfüllt der Täter mit einer einzigen natürlichen Handlung die Mindestvoraussetzungen eines Strafgesetzes - A nimmt beispielsweise B mit einem Griff eine Sache weg - , bereitet die Feststellung der strafrechtlich relevanten Handlung "keine anderen Schwierigkeiten als die Subsumtion überhaupt" 1. Dies gilt auch für zusammengesetzte und mehraktige Delikte, deren Tatbestand zwingend eine Mehrheit bestimmter natürlicher Handlungen voraussetzt. Bei den Delikten mit Sammelbegriffen, den Dauerdelikten sowie bei der sukzessiven und allen übrigen Fällen der iterativen Tatbestandsverwirklichung findet sich indes stets eine Mehrheit von strafbarkeitskonstitutiven Einzelakten, so daß begrifflich die Bildung einer Vielzahl von Subsumtionsgegenständen und die Annahme ebenso vieler Straftaten möglich ist. Hier fragt sich daher stets, ob die Mehrheit strafbarkeitskonstitutiver Vorgänge zu einer "konkurrenzlosen" Straftat zusammenzufassen ist oder mehrere realkonkurrierende Straftaten anzunehmen sind. Gleichartige Idealkonkurrenz kommt nicht in Betracht, weil sie die mehrfache Verletzung desselben Gesetzes durch eine einzige Handlung, nicht nacheinander erfolgende Akte voraussetzt. Das hier auftretende Konkurrenzproblem wurde oben schon für Delikte entwickelt, deren Wortlaut dafür spricht, jeden tatbestandserfüllenden Einzelakt als selbständige Straftat anzusehen2 • Die Wortwahl des Gesetzgebers schließt die Annahme einer einzigen Straftat in sol5

8 1 2

RGSt. 32, 137, 139.

Vgl. Puppe, S. 19 ff. Dazu näher B II 4, 5. Vgl. Struensee, Konkurrenz, S. 22. Dazu A II 3 d).

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A. Die Problemstellung

chen Fällen nicht aus. Umgekehrt ist aber auch klar, daß bei Delikten mit Sammelbegriffen und bei Dauerdelikten, die nach ihrem Wortlaut eine Vielzahl natürlicher Handlungen erfassen, nicht alle tatbestandsrelevanten Handlungen desselben Täters immer zu einer Tat verbunden werden können. Beendet die Geheimagent etwa seine nachrichtendienstliche Tätigkeit, läßt sich aber Monate später von einem anderen Geheimdienst anwerben, liegen mehrere Taten nach § 99 vor; unterbricht er seine Tätigkeit nur vorübergehend und nimmt sie aufgrund eines fortbestehenden oder neuen Entschlusses wieder auf, ist die Annahme mehrerer Taten problematisch. Fährt derselbe Täter an verschiedenen Tagen betrunken mit seinem Pkw, macht er sich mehrmals nach § 316 strafbar. Dieses Ergebnis kann zweifelhaft sein, wenn die zeitliche Kontinuität des Täterverhaltens nur gestört ist, der Täter etwa an einer Ampel stoppen muß, bei einer Verkehrskontrolle angehalten wird oder seine Fahrt unterbricht, um Besorgungen zu machen, eine Gaststätte zu besuchen oder seine Scheinwerfer zu kontrollieren3 • Selbst bei zeitlicher Kontinuität beginnt nach der Rechtsprechung eine neue Trunkenheitsfahrt, wenn sich der Täter nach einem Unfall entschließt, seine Fahrt fortzusetzen4 • Die Tatbestandstypik der Dauerdelikte und der Delikte mit Sammelbegriffen gibt also nur einen Hinweis, im Regelfall werde eine Reihe tatbestandserfüllender Akte zu einer Tat verbunden; doch bedarf es auch hier zusätzlicher Kriterien, um die Abgrenzung von "konkurrenzloser" Straftat und Realkonkurrenz zu ermöglichen. Da der Gesetzeswortlaut über die Einheit und Mehrheit von Straftaten nicht entscheidet, ist man sich einig, daß in allen Fällen wiederholender Tatbestandsverwirklichung für die Konkurrenzform und damit für die Strafbemessung die gleichen Kriterien gelten sollen. Streitig ist, ob und in welchem Umfang dabei eine natürliche oder tatbestandsorientierte Betrachtung den Vorzug verdient. Diese Frage wird im Zusammenhang einer Grundlegung der Konkurrenzlehre erörtert5 • 3. Idealkonkurrenz durch Klammerwirkung

Eine Idealkonkurrenz durch Klammerwirkung kommt in Betracht, wenn zwei im Verhältnis zueinander selbständige Delikte - diese seien zur Vereinfachung der Darstellung A und B genannt - jeweils mit verschiedenen Einzelhandlungen C 1 und C 3 einer zeitlich gestreckten Tat C zusammentreffen. Die Frage lautet dann, ob die je teilweise 3 Vgl. etwa BayObLG, NJW 1960, 879; OLG Karlsruhe, VRS 35, 267 sowie die weiteren Beispiele unter C 111. 'Vgl. namentlich BGHSt. 21, 203. Näher dazu unten A V 2 f) aal und C 112 b) aal. S Vgl. dazu B I.

IV. Die Konkurrenz bei zeitlich gestreckten Delikten

47

Identität der Delikte A und B mit C auch im Verhältnis der beiden an sich selbständigen Gesetzesverletzungen Idealkonkurrenz begründet. Die Voraussetzungen der Idealkonkurrenz sind im Verhältnis der durchlaufenden Tat C zu den Taten A und B gegeben, da verschiedene Akte der Handlungszusammenfassung zugleich zwei weitere Strafgesetze verletzen. Vom Ausgangspunkt der h. M. besteht hier einmal die Möglichkeit, zwischen A und B Realkonkurrenz und im Verhältnis zu C jeweils Idealkonkurrenz anzunehmen, doch zwingt dieses Verfahren zu einer doppelten Berücksichtigung der Tat C, die mit beiden "äußeren" Delikten teilweise handlungsidentisch ist. Dieser Effekt läßt sich vermeiden, wenn man § 52 auf alle Taten anwendet, aber dann werden A und B als idealkonkurrierend behandelt, obwohl sie untereinander selbständig sind1 • Die h. M. hält die Idealkonkurrenzlösung für dogmatisch richtig, was von ihrem Ausgangspunkt konsequent ist. Schon bei "einfacher" Teilidentität - etwa von C und A - nimmt die h. M. Idealkonkurrenz an, offenbar, um eine doppelte Berücksichtigung einzelner Handlungen - beispielsweise Cl - zu vermeiden 2 • Trifft C zusätzlich mit B zusammen - beispielsweise im Handlungsstück C 3 ist auch insoweit Idealkonkurrenz anzunehmen. Dann aber ist - jedenfalls auf der Grundlage der bisher h. M.3 - eine doppelte Berücksichtigung nicht nur einzelner Handlungen, sondern sogar der gesamten Tat C nur zu vermeiden, wenn für alle drei Delikte nach § 52 eine einzige Strafe verhängt wird. Für die h. M. ist die Anwendung des § 52 auf alle Taten gleichwohl problematisch, weil der Täter für die Delikte A und B nur deswegen nicht nach Realkonkurrenzregeln bestraft wird, weil er zusätzlich noch eine dritte Tat C begangen hat. Dieser Vorteil wird deutlich, wenn man annimmt, die verklammerten Taten lägen nach ihrem Schweregrad im oberen Bereich des jeweiligen Strafrahmens. Dann käme nach §§ 53, 54 eine überschreitung dieses Höchststrafrahmens in Betracht, die § 52 ausschließt. Zudem erlangt der Täter einen weiteren Vorteil, wenn man der Auffassung folgt, bei sonst gleichen Umständen führe die Handlungseinheit gegenüber der Handlungsmehrheit zu einer milderen Strafe, da die Schuld des Täters geringer sei'. Diese Konsequenzen will die h. M. grundsätzlich akzeptieren, hält aber den vom Täter erlangten Vorteil dann für unerträglich, wenn die "äußeren" Taten A und B gegenüber der vermittelnden Tat C schwerer wiegen5 • Die dritte Tat C kann zwar zwischen leichteren oder gleich schweren "äußeren" Taten A und B Tateinheit herstellen, hat aber 1 2

3 4

5

Dazu näher sogleich A V. Vgl. dazu soeben A IV 1. Siehe zum ganzen B II 4,5,7 und B III 2. Vgl. dazu im einzelnen unten A V 2 b). Vgl. dazu eingehend B II 8. Vgl. dazu A V 2 cl.

48

A. Die Problemstellung

nach h. M. nicht die Kraft, schwerere Delikte, die untereinander selbständig sind, zur Tateinheit zu verbinden. Besteht zwischen der vermittelnden Straftat C einerseits sowie A und B andererseits keine sog. Wertgleichheit, will die h. M. ausnahmsweise "entklammern", d. h. zwischen den Taten A und B das an sich bestehende Verhältnis der Realkonkurrenz wiederherstellen und jeweils Idealkonkurrenz mit C annehmen. Im einzelnen haben Rechtsprechung und h. L. zur Klammerwirkung ein komplexes System von Regeln, Ausnahmen und alternativen Lösungsansätzen entwickelt. Bislang ist es aber nicht gelungen, eine dogmatisch wie kriminal politisch befriedigende Lösung zu finden, obwohl das Problem der Klammerwirkung erhebliche Bedeutung für die Strafzumessung und das Prozeßrecht hat. Die folgende Bestandsaufnahme soll Ergebnisse und Argumentation der h. M. verdeutlichen und den Sinn der teilweise komplizierten Differenzierungen erschließen. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der höchst richterlichen Rechtsprechung gewidmet, die alle wesentlichen Problemlösungen erarbeitet hat.

v. Die Klammerwirkung 1. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts

In RGSt. 32, 137, 139 wurde der Grundsatz aufgestellt, die teilweise Identität der Ausführungshandlungen zweier Strafgesetze begründe Idealkonkurrenz 1• Im Anschluß daran haben die späteren Entscheidungen angenommen, Tateinheit zwischen drei Delikten erfordere, daß bei je zwei von ihnen die Ausführungshandlungen identisch seien, und daher könne eine dritte Tat zwei selbständige Gesetzesverletzungen zur Idealkonkurrenz verklammern2 • Da die Ausgangsposition des Reichsgerichts in dieser Frage eindeutig ist, werden im folgenden nur Entscheidungen besprochen, die den von der h. M. für problematisch gehaltenen Fall betreffen, daß wenigstens eines der "äußeren" Strafgesetze schwerer wiegt als die verbindende dritte Tat.

a) Die Verklammerung durch Fortsetzungstaten aal Das RG hat sich mit der "Entklammerung" - ohne diesen Begriff zu verwenden - in der später immer wieder als grundlegend zitierten3 Entscheidung RGSt. 44, 223 4 befaßt: Nach dem Sachverhalt hatte Vgl. dazu schon A IV 1; ferner unten B III 2. Vgl. RGSt. 56, 329,330 (siehe dazu A Via) bb»; RGSt. 60, 241, 243; 62, 427,429. Vgl. ferner die unter A VI b) besprochenen Entscheidungen. 3 Vgl. etwa BGHSt. 1,67,68; BGHSt. 2, 246, 248. 4 Der nahezu gleiche Sachverhalt wurde von BGHSt. 2, 246 "im Ergebnis" 1

2

V. Die Klammerwirkung

49

der Täter zur Durchführung eines Raubes zwei Personen getötet. Da beide Personen Opfer des Raubes waren, nahm das RG an, es handle sich um einen fortgesetzen Raub. Von diesem - heute als falsch angesehenen5 - Ausgangspunkt traf dieselbe Tat nach § 249 jeweils tateinheitlich mit den beiden an sich selbständigen Tötungsdelikten zusammen, und die Frage lautete, ob hierdurch auch Tateinheit zwischen den Mordtaten vermittelt wurde. Deswegen ist es berechtigt, diese Entscheidung für die Frage der Entklammerung als grundlegend anzusehen6 • Auf das heute für maßgeblich gehaltene Erfordernis der Wertgleichheit geht die Entscheidung nicht ausdrücklich ein. Sie verdeutlicht aber den übergeordneten Gerechtigkeitsgedanken, wenn es heißt, es widerspreche dem Geiste des Gesetzes, "daß der Täter, weil er gegen mehrere Strafgesetze verstoßen habe, milder zu bestrafen sei, als wenn er nur eines, wenngleich mehrfach verletzte"7. Das RG wollte also eine Begünstigung des Täters vermeiden, der zusätzlich zu zwei untereinander selbständigen Taten noch ein leichteres drittes Delikt begeht. Soweit sie diesen Gedanken hervorheben, zitieren die einschlägigen späteren Entscheidungen des BGH8 zu Recht RGSt. 44, 223. Der Gerechtigkeitsgedanke dient allerdings nur dazu, das mit einer Analyse der Fortsetzungstat gewonnene Ergebnis zu untermauernD: In der Entscheidung wird eingehend der Zweck der Fortsetzungstat erörtert. Der Begriff der Handlung i. S. der §§ 73, 74 a. F. ist nach Auffassung des RG ein unjuristischer, nämlich der, "den das Leben, die natürliche menschliche Auffassung und Sprache überhaupt mit dem Worte wie in RGSt. 44, 223 entschieden (vgI. dazu unten A V 2 a) bb» sowie zu RGSt. 44, 223 die abI. Bespr. bei Eb. Schmidt, JZ 1950, 22 f. 5 Fortsetzungszusammenhang ist nach h. M. schon wegen der Höchstper-

sönlichkeit des mitgeschützten Rechtsgutes der freien Willensentschließung und -betätigung ausgeschlossen, vgI. etwa Schänke / Schräder / Stree, Vor § 52 Rdn. 43 f. mit Nachw. Die Annahme eines fortgesetzten Raubes ist aber auch unabhängig davon nicht haltbar, obwohl beide Opfer Eigentümer bzw. Gewahrsamsinhaber waren. Bei Vermögensdelikten ist die Person der Rechtsgutträger für die Konkurrenzfrage belanglos, und die nacheinander erfolgende Wegnahme verschiedener Gegenstände in derselben Situation erscheint als eine einzige (iterative) Tatbestandsverwirklichung. Im Ergebnis ebenso WahZe, GA 1968, 105. 6 A. A. wohl WahZe, GA 1968, 103, der meint, angesichts der heute unzutreffenden Prämisse des RG hätten die späteren Entscheidungen "um so mehr" Anlaß gehabt, die Frage der Klammerwirkung genauer zu überdenken. 7

8 D

RGSt. 44, 223, 229.

VgI. oben Fn. 3.

WahZe kritisiert daher insoweit zu Recht, man habe die Richtigkeit dieser

Entscheidung vor übertragung auf andere Sachverhalte überprüfen müssen (GA 1968, 103, 105). 4 Werle

A. Die Problemstellung

50

,Handlung' verbindet"IO. Bei natürlichen Handlungen sei es undenkbar, ein "Widerspruch in sich selbst"l1, daß ein und dieselbe Handlung sich von einen Standpunkt aus als eine Handlung, von dem anderen aus als eine Mehrheit selbständiger Handlungen darstelle l2 • Die fortgesetzte Tat sei indes keine solche natürliche Handlung, sondern eine "im juristischen Sondersinne Uuristisch-technischem Sinne) .... , deren Gestaltung und rechtliche Beurteilung [das Gesetz] Wissenschaft und Rechtsprechung überlassen" habe l3 • Wie der Ausschluß von Fortsetzungszusammenhang bei der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter zeige, gebe nicht die Lebensauffassung den Ausschlag für das Vorliegen einer Handlung, vielmehr sei "die Beziehung der Handlung auf bestimmte Tatbestände ... des Strafgesetzes für die Beurteilung der Handlungseinheit unentbehrlich". Von daher sei es denkbar, "daß eine Kette von Tätigkeitsakten aus dem Gesichtspunkt eines Tatbestandes die Erfordernisse der fortgesetzten Straftat in sich vereinigt, während aus dem Gesichtspunkt eines anderen Tatbestandes ihre Zusammenfassung zur gleichartigen Handlungseinheit unzulässig ist"14. Einerseits erhält also das RG die Einheit des fortgesetzten Raubes aufrecht, andererseits werden - "unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt" - die Handlungselemente der Tötung aus dem Fortsetzungszusammenhang gelöst und unter dem Gesichtspunkt der §§ 211, 212 eigenständig bewertet. Das führt dazu, daß für jedes Tötungsdelikt eine Einzelstrafe zu bilden ist. Das Ergebnis sucht das RG auch mit einem Hinweis auf die Auslegung der Konkurrenzbestimmungen zu stützen. In der Entscheidungsbegründung heißt es, im Verhältnis des fortgesetzten Raubes zu den beiden Mordtaten sei § 73 a. F. anwendbar, und deshalb müsse das schwerere Gesetz, § 211, zur Anwendung kommen. Die gebotene rechtliche Form der Strafenbildung ergeben sich daher aus den Grundsätzen der Realkonkurrenz l5 • Dieser nicht ohne weiteres nachvollziehbare gedankliche Schritt folgte für das RG vermutlich aus der überlegung, wenn schon das schwerere Gesetz maßgeblich sei, müsse auch das Konkurrenzverhältnis allein aus der Perspektive dieses Gesetzes, also ohne Beachtung des milderen, bestimmt werden. Schon in dieser Entscheidung klingt damit der Gedanke der Wertgleichheit an: Wenn das schwerste Gesetz die Konkurrenzform bestimmt, kann eine leichtere dritte Tat zwei schwerere realkonkurrierende Gesetzesverletzungen nicht zur Idealkonkurrenz verbinden. 10

11 12

13 14

15

RGSt. 44, 223, 226.

S.227. S.228. S.227. S.228. S. 229 f.

V. Die Klammerwirkung

51

Die Lösung des RG läßt sich ungeachtet der dogmatischen Konstruktion in ihrer Wirkung so beschreiben: Trifft eine Fortsetzungstat teilweise mit untereinander an sich selbständigen schwereren Straftaten zusammen, so ist für jede dieser Taten eine Einzelstrafe zu bilden. Welche Rückwirkungen diese Konstruktion auf die Konkurrenz mit dem leichteren Delikt hat, erörtert die Entscheidung nicht. Wahrscheinlich geht sie davon aus, die beiden Morde stünden mit derselben fortgesetzten Tat in Idealkonkurrenz. Ob diese Tat dadurch "verdoppelt" wird, hat das RG offenbar nicht erwogen. Ohne eine solche Verdoppelung ergibt sich allerdings ein "mixtum compositum" der Konkurrenzen, das dem Gesetz nicht bekannt ist. Zwei tatmehrheitlich begangene Delikte können nicht mit derselben dritten Tat ideal konkurrieren, wenn man nicht bereit ist, die verbindende Tat doppelt zu berücksichtigen. Diese Unstimmigkeit war allerdings unter der Herrschaft des zur Zeit der Entscheidung streng durchgeführten Absorptionsprinzips 16 für die Strafenbildung von erheblich geringerer Bedeutung als nach geltendem Recht, da weder die untere Strafgrenze noch etwaige Nebenstrafen des milderen Gesetzes bei der Strafzumessung beachtet werden durften. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Das RG hat in seiner Entscheidung auf eine genaue Bestimmung der Konkurrenzverhältnisse verzichtet und allein den Modus der Strafenbildung bezeichnet. Die Argumentation selbst ist in ihrem Kern dogmatisch, weil sie am Begriff der Fortsetzungstat ansetzt, während der Gerechtigkeitsgedanke nur unterstützende Funktion hat. Das Erfordernis der Wertgleichheit wird zwar angedeutet, als solches aber nicht ausdrücklich benannt. bb) Die Voraussetzungen der Entklammerung hat RGSt. 44, 223 nicht allgemein auf den Nenner fehlender Wertgleichheit gebracht. Da die Entscheidungsbegründung die Bedeutung des verletzten Rechtsguts für die Bildung einer Fortsetzungstat betont 17 , schließt RGSt. 44, 223 nicht zwingend die Deutung aus, nur beim Zusammentreffen mit Delikten, die gegen das Leben oder ein anderes höchstpersönliches Rechtsgut verletzen, entfalte eine Fortsetzungstat keine verklammernde Wirkung. Deshalb steht das Ergebnis von RGSt. 56, 329 nicht notwendig im Widerspruch zu RGSt. 44, 223, wenn angenommen wird, ein fortgesetzter Betrug - Mindeststrafe ein Tag Gefängnis18 - verbinde eine schwere Urkundenfälschung - Mindeststrafe ein Jahr Zuchthaus 19 18

Vgl. etwa noch im Jahre 1931 Frank, § 73 Anm. V, VI. Vgl. auch oben

A 111 1 a. 17

18 IV



Vgl. RGSt. 44, 223, 228. § 263 RStGB i. d. F. des ÄndG vom 26. 2.1976 (RGBl., S. 25). §§ 268 Nr. 1, 1411 RStGB.

A. Die Problemstellung

52

und eine Urkundsvernichtung - Mindeststrafe ein Tag Gefängnis 20 zu einer Tat. Der unterschiedliche Schweregrad21 der einzelnen Delikte hätte allerdings eine Auseinandersetzung mit den in RGSt. 44, 223 entwickelten Grundsätzen nahegelegt. Gleichwohl findet sich in RGSt. 56, 329 nicht einmal ein Hinweis auf diese Entscheidung 22 • Die Begründung beschränkt sich vielmehr auf die allgemeine Aussage, zur Annahme von Tateinheit zwischen drei Delikten sei es erforderlich und ausreichend, daß bei je zwei von ihnen die Ausführungshandlungen je teilweise identisch seien23 • ce) Die Verallgemeinerung des Prinzips der Wertgleichheit Mit der verklammernden Wirkung der Fortsetzungstat befassen sich eingehend vier nachfolgende Entscheidungen, in denen die Voraussetzungen der Entklammerung näher umschrieben werden. [1] RGSt. 57, 189 greift die Frage auf, ob eine fortgesetzte Tat sich "unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt betrachtet", als eine Mehrheit selbständiger Handlungen erweisen könne und betont, eine solche unterschiedliche Bewertung der Fortsetzungstat sei auch dann möglich, wenn sie sich nicht gegen höchstpersönliche Rechtsgüter richte. Damit wurde die in RGSt. 44, 223 formulierte Regel auf alle Fortsetzungstaten erweitert. Das RG bestätigte daher die Verurteilung des Angeklagten wegen schwerer Urkundenfälschung in vier Fällen24 in Tateinheit mit einem fortgesetzten Betrug26 • Es nahm also hier zwischen den Urkundsdelikten Real- und in deren Verhältnis zum Betrug Idealkonkurrenz an und gelangte damit zu einem "mixturn compositurn" von Real- und Idealkonkurrenz, das im Gesetz nicht vorgesehen ist 26 • 20

§§ 274, 16 I RStGB.

Der nur mit Gefängnisstrafe bedrohte Betrug war Vergehen (§ 111 RStGB), die mit Zuchthaus bedrohte schwere Urkundenfälschung Verbrechen (§ 1 I RStGB). Da die verbindende Tat teils leichter und teils schwerer war als die "äußeren" Delikte, hätte das Reichsgericht nach heutiger Rechtsprechung im Ergebnis Verklammerung annehmen müssen, vgl. unten A V 2 c). Hierauf weist Wahle, GA 1968, 99 nicht hin. 22 RGSt. 56, 329 enthält nach Wahle, GA 1968, 99 insofern einen "neuen Gedanken", als ausgeführt wird, Voraussetzung der Verklammerung sei jedenfalls die teilweise Identität der Ausführungshandlungen der verletzten Gesetze. Indes ist das nur eine vom Standpunkt der damaligen Rechtsprechung zwingende Folgerung aus der Behandlung der Teilidentität als hinreichender Voraussetzung der Idealkonkurrenz. So beruft sich RGSt. 56, 329, 330 auch auf RGSt. 32, 137, 139. 21

23 24 25 28

RGSt. 56, 329. §§ 267,268 Nr. 2 RStGB. § 263 RStGB. Zur Fassung

Dazu schon oben VIa) aa).

Fn. 18.

v. Die Klammerwirkung

53

[2] In RGSt. 72, 193 hat das RG ausgeführt, zwischen den Verbrechen der fortgesetzten schweren Amtsunterschlagung 27 und fortgesetzten Urkundsbeseitigung im Amt28 werde durch das jeweilige Zusammentreffen mit dem Vergehen der fortgesetzten Untreue 29 "Tateinheit ... vermittelt ...", doch wäre "in diesem Falle allerdings für die Straffindung RGSt. Bd.44 S.223, 229, 230 zu beachten"30. Der Angeklagte hatte als Poststellenleiter von Kunden eingezahltes Geld in mehreren Fällen für sich behalten und die Zahlkarten und Postanweisungen jedes Mal beiseite gelegt. Diese nacheinander erfolgenden und voneinander unabhängigen Handlungen bedeuteten nach Auffassung des RG jeweils zugleich eine Untreuehandlung. Vermitteln konnte § 266 Tateinheit zwischen den beiden anderen Taten nur, wenn man insoweit fortgesetzte Untreue annahm. Daher war auch hier fraglich, ob diese fortgesetzte Untreue eine Mehrheit von Handlungen bedeuten könne. Zerlegt man nämlich die fortgesetzte Untreue in zwei Handlungsabschnitte, bleiben die beiden fortgesetzten Delikte der schweren Amtsunterschlagung und der Urkundsbeseitigung ohne Verknüpfung und daher selbständig. Der Sachverhalt gleicht also in seiner wesentlichen Struktur RGSt. 44, 223, so daß die Lösung folgerichtig ist. [3] In RG HRR 1939 Nr.535 hatte der Angeklagte fortgesetzt unerlaubt einen Doktortitel geführt 31 und tateinheitlich hiermit zwei Delikte nach § 263 - der eine höhere Strafe vorsah 32 - begangen. Das RG führte unter Berufung auf RGSt. 44, 223 aus, auch in diesem Falle seien die mehreren strafbaren Handlungen "von der einen Seite ihrer rechtlichen Gestaltung her gesehen, selbständige Straftaten, von der anderen Seite her gesehen, eine fortgesetzte Handlung ...". Damit hat das RG, wie schon in RGSt. 57, 189, die Begründung von RGSt. 44, 223 auf alle Fortsetzungstaten übertragen. Daneben wird erstmals allgemein der Gesichtspunkt der Wertgleichheit formuliert: Im entschiedenen Sachverhalt sei "das schwerste Strafgesetz i. S. des § 73 a. F. auch für die Frage entscheidend, ob mehrere Strafen auszuwerfen sind". Es wutden daher Einzelstrafen für die Betrugsfälle festgesetzt. Im Verhältnis zum unberechtigten Führen eines Titels wurde Idealkonkurrenz

27 28 29

30 31

§§ 350, 351 I RStGB. §§ 348 II, 349 RStGB. § 266 RStGB. RGSt. 72, 193, 195. § 6 a des Gesetzes über Titel, Orden- und Ehrenzeichen i. d. F. vom

15.5. 1934 (RGBl. I, S. 379). 32 Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren Gefängnis (§§ 263 I, 16 I RStGB) und für unerlaubtes Führen eines Doktortitels bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe (vgl. § 6 a des Gesetzes über Titel, Orden- und Ehrenzeichen).

A. Die Problemstellung

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angenommen und daher die Verhängung einer Einzelstrafe für dieses Delikt unterlassen. [4] In RG HRR 1939 Nr.462 war der Täter eines fortgesetzten Vergehens der Hinterziehung des Branntweinaufschlags33 schuldig, das tateinheitlich mit drei selbständigen Verbrechen der schweren Urkundenfälschung 34 zusammentraf. Im Anschluß an RGSt. 44, 223 geht das RG auch hier davon aus, eine Fortsetzungstat könne von einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt aus auch eine Mehrheit von Handlungen bedeuten. Dann seien "im Endergebnis" Einzelstrafen auszuwerfen und eine Gesamtstrafe zu bilden. Das gelte immer dann, wenn ein fortgesetztes Vergehen mit untereinander selbständigen Verbrechen zusammentreffe. Damit wird hier das Erfordernis der Wertgleichheit deutlicher als in RG HRR Nr.535 verallgemeinert, seine Verbindlichkeit aber letztlich nicht mehr mit einer Analyse des Begriffes der Fortsetzungstat begründet. In der Entscheidung heißt es nämlich weiter: "Zu dieser Folgerung zwingt die Vorschrift des § 73 StGB, nach der immer das schwerste Strafgesetz anzuwenden, die Strafe also auch nach der rechtlichen Beschaffenheit der mit dem schwersten Strafgesetz bedrohten Straftat zu bestimmen ist." Gegenüber RGSt. 44, 223 wird damit der Akzent der Begründung wesentlich verschoben. Im Vordergrund stand dort die Struktur der Fortsetzungstat, während aus dem Gerechtigkeitsgedanken und der Regelung der §§ 73, 73 a. F. nur unterstützende Argumente hergeleitet wurden. Demgegenüber "folgt" nach dieser Entscheidung die Bildung von Einzelstrafen aus § 73, der den Gedanken der Maßgeblichkeit des schwersten Strafgesetzes beinhalten soll. b) Verklammerung durch Dauerdelikte

Im 66. Band, S. 117 und 68. Band, S. 216 hatte sich das RG mit der verklammernden Wirkung von Dauerdelikten zu befassen. Beide Entscheidungen bejahen eine Klammerwirkung und erwähnen RGSt. 44, 223 und RGSt. 57, 189 nicht, obwohl die verbindende Dauerstraftat im Verhältnis zu einem der verbundenen Delikte erheblich leichter war. In RGSt. 66, 117 traf das unerlaubte Führen einer Schußwaffe, ein VergehenS5 , je teilweise mit einem Raub mit Waffen, einem VerbrechenS', und einem Bettel mit Waffen, einer übertretung, zusammenS7 . 33 34

85 38

§§ 119, 128 II Branntweinmonopolgesetz vom 8.4. 1922 (RGBl. I, S. 405). §§ 267, 268 11 RStGB. § 25 I Nr. 2 des Schußwaffengesetzes vom 12.4. 1928 (RGBl. I, S. 143). §§ 249, 250 Nr. 1, 1 I RStGB. §§ 361 I Nr. 4 RStGB, 1III RStGB i. d. F. des ÄndG vom 6.2.1924

37 (RGBl. I, S. 44).

V. Die Klammerwirkung

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Der Angeklagte, der eine Schußwaffe bei sich führte, war bettelnd umhergezogen und dabei in eine Wohnung eingedrungen, wo er gewaltsam Gegenstände wegnahm. Nach Auffassung des Reichsgerichts vermittelte das Führen der Schußwaffe zwischen dem Raub und dem Betteln mit Waffen Idealkonkurrenz, weil der Täter es fortwährend unterließ, sich der Waffe zu entledigen38 • Das RG problematisierte trotz dieses unterschiedlichen Deliktscharakters der einen verklammerten und der verklammernden Tat die Annahme von Idealkonkurrenz nicht. In RGSt. 68, 216 hatte sich der Täter während des unbefugten Gebrauchs eines fremden Kraftwagens 39 zuerst der fahrlässigen Tötung40 und dann der Fahrerflucht"11 schuldig gemacht. Das RG sah die zur Tötung führende Fahrlässigkeit in der Ingebrauchnahme des Fahrzeugs in betrunkenem Zustand, so daß die "mittelschwere"42 Gebrauchsanmaßung Tateinheit zwischen den an sich selbständigen beiden anderen Taten vermittelte. Obwohl die fahrlässige Tötung mit höherer Strafe bedroht war als die Gebrauchsanmaßung - bis zu fünf gegenüber bis zu drei Jahren Gefängnis - wurde auch hier das Erfordernis der Wertgleichheit nicht diskutiert. Im Ergebnis würde in beiden Fällen auch die heutige Rechtsprechung des BGH eine Entklammerung vermutlich ablehnen, weil das verklammernde Delikt leichter als die eine und schwerer als die andere der äußeren Taten, also "mittelschwer" ist43 • Es ist aber nicht anzunehmen, daß das RG mit Rücksicht auf diese Besonderheit stillschweigend eine etwa für erforderlich gehaltene Wertgleichheit der verschiedenen Delikte übergangen haben sollte. Wesentlich wahrscheinlicher ist, daß das RG bei Dauerdelikten eine Entklammerung für ausgeschlossen hielt, da es andernfalls zumindest auf RGSt. 44, 223 hätte hinweisen müssen. Auch die späteren Entscheidungen, die das Erfordernis der Wertgleichheit für die Verklammerung durch eine Fortsetzungstat ausdrücklich aufstellen, erwähnen beide Urteile nicht, zu denen sie offenbar keinen Widerspruch sehen". Das ist folgerichtig, wenn, wie in Vgl. RGSt. 66, 117, 119. Vgl. § 1 I der VO gegen unbefugten Gebrauch von Kraftfahrzeugen und Fahrrädern vom 20. 10. 1932 (RGBl. I, S. 496) mit einer Höchststrafe von drei Jahren Gefängnis. 40 § 222 11,111 RStGB, Höchststrafe fünf Jahre Gefängnis. 41 § 22 I des Gesetzes vom 3.5.1909 über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (RGBl. 1909, S. 437; aufgehoben und durch § 139 a a. F. ersetzt durch VO vom 2.4. 1940, RGBl. I, S. 606, Art. I Nr. 4, 11 Nr. 2), Höchststrafe zwei Jahre Gefängnis. 41 Vgl. Fn. 39 - 41. 43 Vgl. dazu A V 2 cl. " Vgl. RGSt. 72, 193; HRR 1939 Nr. 535, 426. Näher dazu oben A V 1 CC7 38

38

[2] - [4].

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A. Die Problemstellung

RGSt. 44, 223, die Entklammerung mit dem Charakter der Fortsetzungstat als "juristischem Zweckgebilde" legitimiert wird. Dann kann man sich nämlich auf den Standpunkt stellen, Dauerstraftaten seien keine solchen auf prozeßökonomischen Erwägungen beruhenden Figuren. Es handle sich vielmehr um "natürliche" Einheiten, die nicht die Rechtsprechung, sondern der Gesetzgeber geschaffen habe, um der Einheitlichkeit des beschriebenen Lebensvorgangs Rechnung zu tragen, und aus diesem Grunde sei eine Zergliederung von Dauerstraftaten nicht möglich45 • Eine Gleichbehandlung von Fortsetzungs- und Dauerstraftaten ist nur dann zwingend, wenn schon allein der Gerechtigkeitsgedanke und die Auslegung der §§ 73, 74 a. F. für sich betrachtet eine Entklammerung gebieten und aus der Struktur der Fortsetzungstat kein notwendiges, sondern nur ein stützendes Argument abgeleitet werden kann. c) Ergebnis

Das RG bejahte grundsätzlich die Möglichkeit einer Verklammerung zweier untereinander selbständiger Taten durch ein "durchlaufendes" drittes Delikt. Eine Entklammerung hat es nur bei Fortsetzungstaten vorgenommen. Maßgeblich dafür waren drei Gesichtspunkte. Erstens: Die Fortsetzungstat kann als richterliche Zweckschöpfung unter bestimmten Voraussetzungen auch als Handlungsmehrheit anzusehen sein. Zweitens: Bei der Strafenbildung nach §§ 73, 74 a. F. entscheidet das schwerste verletzte Strafgesetz darüber, ob eine Einheits- oder Gesamtstrafe zu bilden ist. Drittens: Der Täter darf nicht milder bestraft werden, wenn er zusätzlich zu zwei an sich selbständigen Taten ein drittes Delikt begeht. Während sich RGSt. 44, 223 namentlich auf das erste Argument stützte, heben die späteren Entscheidungen vornehmlich auf die zweite Erwägung ab und begründen damit das Erfordernis der Wertgleichheit. Bei Dauerdelikten hat das RG eine Entklammerung nicht diskutiert, obwohl die verbindende Tat in zwei Fällen leichter als eines der verbundenen Delikte war. Dieser Umstand spricht dafür, daß das RG den ersten Gesichtspunkt für eine notwendige Voraussetzung der Entklammerung hielt. Jedenfalls läßt sich der Rechtsprechung des RG kein für alle Deliktstypen geltendes Prinzip der Wertgleichheit entnehmen48 • Auch wenn RG HRR Nr.462 und 535 in diese Richtung weisen, machen sie nicht deutlich, ob eine Entklammerung bei Fortsetzungs- und Dauer45 Vgl. OLG Düsseldorf, VRS 3, 354, wo dieser Gesichtspunkt betont wird. Näher dazu unten A V 2 a) ce). 48 Vgl. auch Geier, LM, § 261 StPO, Nr. 1 (Anm. zu BGHSt. 1, 67) der hervorhebt, die Lehre von der Klammerwirkung sei noch kein fester Bestandteil der Rechtsprechung des Reichsgerichts gewesen.

V. Die Klammerwirkung

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straftaten in gleicher Weise geboten ist oder die unterschiedlichen Deliktsstrukturen zu einer abweichenden Lösung zwingen. 2. Die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichtshofs a) Die Ausweitung der Entklammerung

aal In BGHSt. 1, 67 1 war zu klären, ob eine minder schwere Fortsetzungstat mehrere untereinander selbständige Urkundenfälschungen zur Tateinheit verklammern kann. Der BGH wiederholt in dieser für die Frage der Entklammerung grundlegenden Entscheidung zunächst die Argumentation von RGSt. 44, 223 und der späteren Rechtsprechung des RG2. Die eigene Begründung läßt sodann eine weitere Akzentverschiebung erkennen. Hatte das RG die Entklammerung zunächst im wesentlichen mit einer Analyse der fortgesetzten Tat begründet und später aus den §§ 73, 74 a. F. abgeleitet, betont der BGH jetzt nachdrücklich den Gedanken gerechter Sühne: Wenn der Täter zusätzlich zu den schweren Delikten noch eine leichtere fortgesetzte Tat begehe, könne dies "unmöglich zu einer Minderung der Schuld führen". Ein anderes Vorgehen hätte auch zur Folge, "daß die untereinander selbständigen schwereren strafbaren Handlungen" als unselbständige Teile einer minder schwer strafbaren Tat erschienen, und dies "wäre eine Konstruktion, die die Tatsachen des Lebens vergewaltigt". Darüber hinaus habe der Gesetzgeber die Ausgestaltung des Begriffes der fortgesetzten Handlung der Rechtsprechung überlassen. Diese Aufgabe könnten die Gerichte nur erfüllen, "wenn sie sich ... im Einklang mit den Anschauungen und Tatsachen des Lebens" hielten. Zusammenfassend hält der BGH fest: "Mehrere Fälle schwerer strafbarer Handlungen einem Falle einer minder schweren Straftat unterzuordnen, würde eine Umkehrung der sozial-ethischen Bewertung menschlichen Verhaltens bedeuten. Eine Begriffsbestimmung, die dies zuließe, kann auch vor dem Recht nicht bestehen, dessen Aufgabe gerade in der Ordnung des sozialen Lebens nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit besteht" 3. Das Bemühen um 1 Vgl. zu dieser Entscheidung die Anmerkung von Geier, LM, § 261 StPO, Nr.1. 2 Vgl. BGHSt. 1, 67, 68 ff. Daneben wird eine unveröffentlichte Entscheidung vom 11. 11. 1938 (1 D 651/38) zitiert. Daß in RGSt. 68, 216 trotz des Zusammentreffens der verbindenden Tat mit einem schwereren Delikt eine Entklammerung nicht erwogen wurde, erwähnt der BGH nicht, obwohl er die Entscheidung als Beleg für die Möglichkeit der Verklammerung zitiert. - Zur Frage der Entklammerung bei durchlaufender Fortsetzungstat vgl. auch OLG Bremen, JZ 1951, 20 mit abI. Anm. Eb. Schmidt. Der Sachverhalt ähnelt RG HRR 1939, Nr. 535. Die Entscheidung beruft sich zur Entklammerung auf alle einschlägigen Entscheidungen des RG (vgl. JZ 1951,20). 3 Alle Zitate BGHSt. 1,67,70.

A. Die Problemstellung

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eine zutreffende sozial-ethische Bewertung und gerechte Sühne steht damit in dieser Entscheidung ganz im Vordergrund, während der Hinweis, die Ausgestaltung der fortgesetzten Tat sei Aufgabe der Gerichte, eher beiläufigen Charakter hat. bb) Während BGHSt. 1, 67 aus der Struktur der Fortsetzungstat immerhin noch eine zusätzliche Begründung für die Entklammerung ableitete, hat BGHSt. 2, 246 die bisherige Rechtsprechung allgemein auf das Zusammentreffen zweier selbständiger Taten mit einer leichteren dritten übertragen. Der Sachverhalt gleicht im wesentlichen dem in RGSt. 44, 223 entschiedenen: Die Täter hatten einen Raub begehen wollen und zur Durchführung der (fehlgeschlagenen) Tat vier Menschen zu töten versucht. Der wesentliche Unterschied in der Rechtslage bestand aber darin, daß der BGH einen einheitlichen, nicht einen fortgesetzten Raub annahm. Die Struktur der Fortsetzungstat war für die Begründung also ohne jede Bedeutung4 • Die Entscheidungsbegründung beruft sich auf BGHSt. 1, 67, wiederholt fast wörtlich die Ausführungen zum Gedanken gerechter Sühne und fährt fort: "Dieselben Grundsätze gelten auch im Verhältnis mehrerer Mordversuche zum tateinheitlich mit jedem von ihnen zusammentreffenden Versuch des schweren Raubes ..." Ergänzend wird auf das Wesen des schwersten vorsätzlichen Verbrechens gegen das Leben" verwiesen, das eine Zusammenziehung mehrerer Mordversuche durch eine minder schwere Straftat ausschließe5 • Der BGH unterstellt damit, die Verklammerung setze nicht nur für eine verbindende fortgesetzte Tat, sondern allgemein eine Wertgleichheit der verbundenen Delikte mit der vermittelnden Tat C voraus. Die Selbstverständlichkeit dieser Annahme verwundert, weil die Entklammerungsregel immerhin erstmals auf eine solche Konstellation angewendet wurde und andererseits die Begründung aller bisherigen Entscheidungen auf die Struktur der fortgesetzten Tat, wenn auch mit unterschiedlichem Nachdruck, Bezug nahm. Andererseits bedeutet die Entscheidung keinen Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung, sondern schreibt nur eine Entwicklung fort, die sich schon in den zuletzt besprochenen reichsgerichtlichen Urteilen und in BGHSt. 1, 67 abgezeichnet hatte, weil die zunächst an der fortgesetzten Tat orientierte dogmatische Argumentation hinter allgemeineren Erwägungen zurücktrat.

4 Der BGH deutet diesen Unterschied an, wenn es heißt, "im Ergebnis" ebenso RGSt. 44, 223 (vgl. BGHSt. 2, 246, 248).

5

S.248.

V. Die Klammerwirkung

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ce) Die wenig später6 auf Vorlage des OLG Hamm ergangene Entscheidung BGH NJW 1952, 795 mißt auch einer minder schweren Dauerstrajtat keine verklammernde Wirkung bei. Daher verneint der BGH eine Verklammerung von fahrlässiger Körperverletzung 7 und Unfallflucht B durch eine Trunkenheitsfahrt9 • Auch hier wird BGHSt. I, 67 in einem umfassenden, nicht auf die Fortsetzungstat beschränkten Sinne interpretiert. Die Entklammerung finde ihre "Rechtfertigung vornehmlich (!) darin, daß es den Tatsachen und Anschauungen des Lebens und damit zugleich sachgemäßer Gesetzesauslegung widerspräche, wenn man untereinander an sich selbständige, schwerere strafbare Handlungen als unselbständige Teile einer minder schwer strafbaren Tat auffassen wollte". Dieser Grund gelte auch für die Dauerstraftat, da zwischen ihr und der Fortsetzungstat kein wesentlicher Unterschied bestehe: "Insbesondere wird bei natürlicher Betrachtung die Dauerstraftat nicht schon dadurch zum beherrschenden Element des Gesamtgeschehens, daß sie - im Gegensatz zur fortgesetzten Tat - ohne zeitliche Unterbrechung verwirklicht wird. Die fortgesetzte Tat wird eben~ falls als eine ununterbrochene Einheit aufgefaßt und die ununterbrochene Verwirklichung des inneren Tatbestandes auch bei einer Dauerstraftat nicht vorausgesetzt10 ." Mit dem in RGSt. 44, 223 betonten und in BGHSt. I, 67 ebenfalls genannten Gesichtspunkt, die Fortsetzungstat sei eine "richterliche Zweckschöpfung" , setzt sich der BGH in diesem Zusammenhang nicht auseinander. Dazu hätte Anlaß bestanden, weil das OLG Düsseldorf, dessen Entscheidung die Vorlage veranlaßt hatte, das Zusammentreffen eines Delikts mit einzelnen Akten einer Fortsetzungstat oder eines Dauerdelikts als "wesentlich anders gelagerte Rechtsfrage" bezeichnete und bei Dauerdelikten, die "schon äußerlich" eine Einheit bildeten, eine Entklammerung ablehntell. dd) Die drei besprochenen Entscheidungen haben die Entklammerung auf alle Fälle der Verbindung zweier selbständiger Taten durch ein leichteres drittes Delikt übertragen und ihr damit einen umfassenden Anwendungsbereich erschlossen. Sie enthalten eine abschließende Bee BGHSt. 2, 246, Urt. v. 25.3. 1952 (1 StR 786/51); BGH, NJW 1952, 795, Urt. v. 2.5. 1952 (4 StR 993/51). 7 § 230 I, 11 i. d. F. der AndVO v. 2.4.1940 (RGBl. I, S. 606). 8 § 139 a i. d. F. des 3. stAG v. 4. 8.1953 (BGBl. I, S. 735). 9 Bis zur Einführung des § 316 i. d. F. v. 19.12.1952 (BGBl. I, S. 832) erfaßte allein § 2 StVZO Trunkenheitsfahrten: Vgl. jetzt §§ 24 a StVG, 316. 10 NJW 1952, 795. 11 Vgl. OLG Düsseldor! VRS 3, 354, 355, das die zeitliche Kontinuität der Trunkenheitsfahrt hervorhebt. Das OLG Düsseldor! sah keinen Widerspruch zwischen seiner Entscheidung und BGHSt. 1,67 sowie OLG Bremen, JZ 1951, 20 und legte deswegen die Sache nicht vor.

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A. Die Problemstellung

gründung der Rechtsprechung für die Notwendigkeit einer Entklammerung, haben aber noch nicht alle damit verbundenen Schwierigkeiten geklärt. Offen blieb, wie die Entklammerung durchgeführt werden soll, d. h. welches Konkurrenzverhältnis zwischen der "durchlaufenden" Tat und den äußeren Delikten besteht (dazu b). Auch hatte der BGH keinen Anlaß, zur näheren Ausgestaltung des Prinzips der Wertgleichheit Stellung zu nehmen, etwa zu der Frage, ob es für eine Entklammerung genügt, wenn nur eines der "äußeren" Delikte schwerer ist als die verbindende dritte Tat (dazu c). Darüber hinaus enthält die spätere Rechtsprechung Ansätze, das Problem der Klammerwirkung mit Hilfe einer "Zerlegung" der verbindenden Tat oder schon der Tatbestandsauslegung zu vermeiden (dazu f). b) Das Konkurrenzverhältnis der durchlaufenden Tat zu den äußeren Delikten

In der Rechtsprechung des RG und den ersten Entscheidungen des BGH waren die Konkurrenzverhältnisse unklar geblieben. Das RG meinte, die schwereren Delikte stünden jeweils mit derselben Fortsetzungstat in Idealkonkurrenz 12 , wollte die Fortsetzungstat aber nicht "verdoppeln", und offenbar ein "mixtum compositum"13 aus Real- und Idealkonkurrenz bilden. Der BGH äußerte sich zu dieser Frage zunächst nicht und übernahm nur das Ergebnis des RG, es seien für die schwereren Delikte Einzelstrafen auszuwerfen 14. Erstmals deutete der BGH in NJW 1952, 795 seinen Standpunkt an. Das Vordergericht hatte die durchlaufende Trunkenheitsfahrt nach § 2 StVZ015 zu dem schwereren der beiden äußeren Delikte, der fahrlässigen Körperverletzung, gezogen und es bei der hierzu in Tatmehrheit stehenden Unfallflucht unberücksichtigt gelassen16. Der BGH hat dazu bemerkt, daß "der Angeklagte nicht auch in Tateinheit mit Verkehrsunfallflucht wegen übertretung des § 2 StVZO verurteilt worden" sei, beschwere ihn nicht17 , d. h. er hielt den Schuldspruch des Vordergerichts für falsch, konnte ihn aber nicht zum Nachteil des Angeklagten abändern. Materiell richtig konnte danach nur eine Berücksichtigung der verbindenden Tat bei beiden äußeren Delikten sein, also eine Verurteilung wegen fahrlässiger TöVgl. RGSt. 44, 223, 229 und oben A VIa). So Wahle, GA 1968, 105. 14 Vgl. BGHSt. 1,67,70; 2,246,248. 16 Vgl. Fn. 9. 1S Für Unfallflucht (§ 139 a a. F., eingeführt durch va v. 2.4.1940, RGBl. I, S. 606) drohte Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren. § 230 i. d. F. der va v. 2.4.1940 (RGBl. I, S. 606) sah Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren vor, während § 2 StVZa übertretung war (vgl. oben Fn. 9). -17 NJW 1952, 795. 11

13

V. Die Klammerwirkung

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tung und Unfallflucht jeweils in Tateinheit mit derselben Trunkenheitsfahrt. Ausgesprochen wird das in VRS 9, 353, wo es für eine ähnliche Konstellation heißt, der Angeklagte habe sich "der fahrlässigen Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Verkehrsgefährdung [und] der Verkehrs.unfallflucht in Tateinheit mit derselben fahrlässigen Verkehrsgefährdung ... schuldig gemacht"lB. Warum der BGH es ablehnt, die vermittelnde Tat einem der äußeren Delikte "zuzuschlagen" und damit nur einmal zu berücksichtigenlU, liegt auf der Hand: Eine solche Lösung ignoriert die teilweise Identität der übrigen Delikte mit der durchlaufenden Tat und damit die Tatsache, daß auch in diesem Verhältnis die Voraussetzungen der Idealkonkurrenz gegeben sind. Die Lösung des BGH berücksichtigt demgegenüber die Teilidentität von C mit jedem der äußeren Delikte und hält auf diese Weise konsequent am Ausgangspunkt fest, Teilidentität der Ausführungshandlungen sei eine hinreichende Voraussetzung der Idealkonkurrenz. Der Preis dafür ist die mehrfache Berücksichtigung der Tat C ungeachtet des Umstandes, daß der Täter sie nur einmal begangen hat. Die Zulässigkeit einer solchen Verdoppelung hat die Rechtsprechung bislang nicht näher begründet. Das Verfahren der h. M. ist konstruktiv auch nicht zu rechtfertigen, weil es widersprüchlich ist, ein nur einmal begangenes Delikt mehrfach zu berücksichtigen20 . Man kann die Lösung aber auf die für die Entklammerung maßgebliche Gerechtigkeitserwägung stützen, der Täter dürfe durch die Begehung einer zusätzlichen Straftat keinen Vorteil erlangen und diesem Gesichtspunkt den Vorrang gegenüber konstruktiven Bedenken einräumen. Dann erscheint die doppelte Berücksichtigung der Tat C gegenüber der - den Täter privilegierenden - Anwendung des § 52 auf "an sich" realkonkurrierende schwerere Delikte als das "kleinere Übel". Im Hinblick auf das Schuldprinzip bestehende Bedenken hat Schöneborn mit dem Hinweis zu entkräften gesucht, daß die Verdoppelung von C ja nicht zur Festsetzung zweier Strafen führe, sondern C bei der Strafenbildung in den übrigen Delikten "aufgehe"21. Der Strafrahmen werde den Delikten A und B entnommen, so daß die leichtere Tat C zwar zweimal im Urteilstenor erscheine, sich aber de facta auf die Gesamtstrafenbildung regelmäßig nicht auswirke 22 und somit der für den Täter mit der Doppel18 Vgl. auch BGH, VRS 8, 49, 50; 21, 422, 424; OLG Köln, MDR 1964, 525; ferner Geerds, Konkurrenz, S. 281; Samson, SK, § 52 Rdn. 19; Schönke /

Schröder / Stree, § 52 Rdn. 17. 19 Vgl. aber BGH, NJW 1952, 795 und OLG Neustadt, NJW 1960,546. 20 Vgl. Geerds, Konkurrenz, S. 281 Fn. 210 ("gedanklich unschöne Konkurrenz"); Schöneborn, NJW 1974,734; ferner die Kritik von Puppe, S. 203. 21 Schöneborn, NJW 1974, 734. Vgl. dazu A IV 3 a) und B III 3.

22 Ausnahmsweise kann was aber, soweit ersichtlich, für die bisher entschiedenen Fälle der Entklammerung nicht zutrifft - die verbindende

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A. Die Problemstellung

berücksichtigung von C verbundene Nachteil in engen Grenzen gehalten werden könne. Der BGH hat die Durchführung der Entklammerung bisher nur für den Fall des Zusammentreffens einer Tat C mit zwei äußeren Delikten A und B behandelt. Treten weitere teilidentische Delikte D, E, F usw. hinzu, muß bei der Entklammerung von dem Ausgangspunkt, die bestehende Idealkonkurrenz sei nicht zu übergehen, die vermittelnde Tat C zwingend entsprechend häufiger berücksichtigt werden. Zur Frage, ob das beschriebene Verfahren der Entklammerung auch bei einer durchlaufenden Fortsetzungstat gilt, hat der BGH noch nicht Stellung genommen. Eine übertragung dieser Methode liegt immerhin nahe, weil der BGH in NJW 1952, 795 die strukturelle Ähnlichkeit von Dauerstraftaten und' Fortsetzungstaten hervorgehoben und damit die Ausweitung der Entklammerung begründet hat. Falls diese Parallele zutrifft, besteht kein Anlaß, bei der Entklammerung ein abweichendes Verfahren zu wählen. Andererseits hat schon das RG betont, die Fortsetzungstat könne unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten eine Einheit oder Mehrheit von Taten bilden. Die möglichen Auswirkungen einer solchen Auffassung hat BGHSt. 3, 16523 angedeutet. Nach dem Sachverhalt war der Täter zunächst wegen eines fortgesetzten Vergehens nach §§ 1, 16 I Nr.1 UnedMG angeklagt worden, weil er ohne gewerberechtliche Erlaubnis mit Metallen gehandelt hatte. Mit diesen Vergehen trafen ein gleich schweres anderes Vergehen und eine mit höherer Strafe bedrohte Hehlerei zusammen. Zur Begründung der Entklammerung wird die Argumentation von BGHSt. 1, 67 fast wörtlich wiederholt, doch eingehender als jene Entscheidung befaßt sich der BGH mit der Funktion der Fortsetzungstat. Einerseits sei das Bestreben maßgebend, "durch natürliche Betrachtung miteinander zusammenhängender Vorgänge und durch die Gewährleistung gerechter Ergebnisse den Bedürfnissen des Lebens entgegen zu kommen, und zum anderen die Zweckmäßigkeitserwägung, daß die Aufgabe des Strafrichters bei Feststellung einer Vielzahl gleichartiger Einzelverfehlungen auf ein erträgliches Maß zurückgeführt werden muß". Die Weiterentwicklung des Begriffes der fortgesetzten Tat sei Aufgabe der Rechtsprechung und könne auch zu einer Einschränkung dieses Instituts führen 2'. Diese Argumentation nimmt aber die ältere Rechtsprechung des RG nicht nur auf, indem sie den Begriff der Fortsetzungstat analysiert, sondern geht in ihren Konsequenzen darüber hinaus. Der Senat meint Tat C nach § 52 II - IV für die Strafrahmenbildung zu beachten sein. 23 Vgl. zur Entscheidung die der materiellrechtlichen Lösung zust. Anm. von Reinicke, NJW 1953, 1004. 24 BGHSt. 3, 165, 167 f.

V. Die Klammerwirkung

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nämlich, die fortgesetzte Tat umfasse die Tathandlung der Hehlerei, den Ankauf einer Bronzeplatte, nicht 25 . Nach dieser Bemerkung soll offenbar der Einzelakt der Fortsetzungstat, der gegen das schwerere Strafgesetz verstößt, aus dem Fortsetzungszusammenhang "herausfallen"26. Das hätte zur Folge, daß der Täter wegen einer fortgesetzten Tat C - mit Ausnahme des Aktes C 1 - in Tateinheit mit der Tat B und einer realkonkurrierenden Tat A in Idealkonkurrenz mit C 1 zu bestrafen wäre. Hatte RGSt. 44, 223 den Fortsetzungszusammenhang unter einem rechtlichen Gesichtspunkt bejaht, unter einem anderen verneint und damit den betreffenden Einzelakt auch im Fortsetzungszusammenhang belassen27 , legt BGHSt. 3, 165 nahe, ihn vollständig aus dem Fortsetzungszusammenhang zu lösen. Folgt man diesem Ansatz, beseitigt die Entklammerung gewissermaßen rückwirkend ihre eigenen Voraussetzungen, nämlich das teilidentische Zusammentreffen eines Deliktes mit zwei an sich selbständigen äußeren Taten, schlägt also auf die Bildung der fortgesetzten Tat selbst durch, indem sie aus ihr einen Teilakt herausbricht. Dieses Verfahren ermöglicht eine in sich widerspruchsfreie Bestimmung der Konkurrenzverhältnisse: Die Auflösung der Fortsetzungstat vermeidet die teilweise Deckung mit der Ausführungshandlung des schwereren Delikts und muß damit zur Anwendung des § 53 führen. Die Entscheidung weist damit einen Weg, die Klammerwirkung durch eine entsprechende Konstitution der gestreckten Tat zu vermeiden, auch wenn nicht gesagt wird, ob die Zergliederung der Fortsetzungstat ausschließlich aus übergeordneten Gerechtigkeitserwägungen folgen soll - dafür spricht die an diesem Gedanken orientierte Begründung - oder ob schon eine begriffliche Voraussetzung der Fortsetzungstat zu verneinen ist. Auf den Ansatzpunkt einer dogmatischen Fundierung der Zergliederungslösung hat Puppe 28 hingewiesen: Ein Einzelakt, der zugleich ein schwereres Delikt verwirklicht, ist möglicherweise wegen fehlender Gleichartigkeit nicht in den Fortsetzungszusammenhang einzubeziehen. Für die Gleichartigkeit der einzelnen Ausführungshandlungen ist nach h. M. auf die objektive Sachlage abzustellen. Verlangt wird, daß erstens gegen dasselbe strafrechtliche Verbot verstoßen wird, zweitens der äußere Tatablauf ähnlich ist und drittens die Einzelakte gegen das gleiche Rechtsgut gerichtet sind29 . Für die hier interessierende, zuerst 25

BGHSt. 3, 165, 168 f.

So auch die Deutung von Maurach / Gössel, AT 2, S. 325. Anders Wahle GA 1968, 108 f., der im Anschluß an diese Entscheidung zwar die Fortsetzungstat in Fällen der Klammerwirkung auflösen will, aber trotzdem Idealkonkurrenz der Taten C und Asowie C und B annimmt. 27 Vgl. oben A VIa) aa). 26

28 29

S.210.

Vgl. dazu näher Schönke / Schröder / StTee, Vor § 52 Rdn. 34 ff.; Vogler,

64

A. Die Problemstellung

genannte Voraussetzung sollen allerdings nicht das jeweils verletzte Strafgesetz und die Höhe der angedrohten Strafe maßgeblich sein. Vielmehr ist nach h. M. ausschlaggebend, ob gegen denselben übergeordneten Rechtsbefehl verstoßen wurde, gleichgültig, ob er in demselben oder in mehreren Strafgesetzen konkretisiert wurde und ohne Rücksicht auf Erschwerungs- oder Erleichterungsgründe 30 • Um ein "Herausfallen" von Einzelakten aus dem Fortsetzungszusammenhang zu erreichen, müßte man also das normative Kriterium der "Gleichartigkeit" abweichend von der h. M. auch in Abhängigkeit von der Schwere der nach einem anderen, ebenfalls verletzten Gesetz angedrohten Strafe bestimmen können. Die Tragfähigkeit dieser Deutung wird später im einzelnen untesucht 31 • c) Das Prinzip der Wertgleichheit

Den Schweregrad der verletzten Strafgesetze ermittelt die Rechtsprechung mit Hilfe eines Strafrahmenvergleichs, also ohne Rücksicht auf die im Einzelfall verwirkte Strafe. Diese - von der Rechtsprechung nicht näher begründete - Methode hat den unbestreitbaren Vorteil, daß die sog. Wertgleichheit verschiedener Gesetzesverletzungen ohne Schwierigkeiten bestimmt werden kann32 • Eindeutig ist auf dieser Grundlage, daß jedenfalls eine minderschwere Tat schwerere Delikte nicht verklammern kann. Einen zweifelhaften Grenzfall betrifft BGHSt. 3, 165, wo nach dem Sachverhalt nur eine der äußeren Taten A und B gegenüber C schwerer war, die andere gleich schwer. Nach BGHSt. 3, 165, 167 sind auch in einem solchen Fall die zur Entklammerung entwickelten Grundsätze anzuwenden. Es bedeute nämlich eine "Umkehrung der sittlichen Bewertung" und widerspreche der "natürlichen Betrachtung" sowie dem "Grundsetz gerechter Gesetzesauslegung" , wenn die schwerere Hehlerei durch Hinzutreten der leichteren Fortsetzungstat ihre rechtliche Selbständigkeit verliere. Diese Auffassung ist heute fester Bestandteil der Lehre von der Klammerwirkung 33 • Weiter präzisiert wird das Prinzip der Wertgleichheit in einer unveröffentlichen Entscheidung des BGH vom 17.2.1959 34 und in BGH, MDR LK, Vor § 52 Rdn. 50 ff. beide mit ausf. Nachw. 30 Vgl. Schönke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 38; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn.50. 31 Vgl. C III und CI 2 a) aal. 32 Vgl. hierzu im einzelnen C I 2 a) aa). 33 Vgl. BGHSt. 6, 92, 97. Das Schrifttum hat soweit es die Grundauffassung der Rechtsprechung teilt - die Entklammerung ebenfalls auf solche Fälle erstreckt, vgl. etwa Jescheck, AT, S. 550; Lackner, § 52 Anm. 2 b; Schöneborn, NJW 1974, 734 f.; Schönke / Schröder / Stree, § 52 Rdn. 17; Vogler, LK, § 52 Rdn. 29.

V. Die Klammerwirkung

65

1973, 556 35 • Danach ist eine Entklammerung ausgeschlossen, wenn die durchlaufende Tat C gegenüber den beiden äußeren Delikten A und B "mittelschwer" ist. BGH, MDR 1973, 556 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Täter hatte eine Frau gegen ihren Willen mit seinem Pkw, den er ohne Fahrerlaubnis benutzte, zu einer einsamen Stelle verbracht und dort versucht, sie zu vergewaltigen. Während das Verbringen durch Ortsveränderung mit dem Fahren ohne Fahrerlaubnis" tateinheitlich zusammentraf, nutzte der Täter mit der versuchten Notzucht 37 die hilflose Lage der Frau aus, so daß sich jedes dieser beiden an sich selbständigen Delikte mit § 237 überschnitt. Der BGH hat angenommen, die gegenüber dem Verbrechen 38 der versuchten Notzucht leichtere, gegenüber dem Fahren ohne Fahrerlaubnis schwerere Tat nach § 237 verklammere diese untereinander selbständigen Handlungen zur Tateinheit. Das Ergebnis ist nicht ohne weiteres einsichtig, wenn man bedenkt, daß nach BGHSt. 3, 165 eine Entklammerung auch geboten ist, wenn eine Tat gleich schwer, die andere schwerer als die verbindende dritte ist. Wenn dort aus Gründen der Gerechtigkeit die schwerere Tat ihre Selbständigkeit nicht dadurch verlieren soll, daß sie mit einer leichteren durchlaufenden Tat zusammentrifft, warum soll dann hier eine Verbindung aller drei Delikte zur Tateinheit bewirkt werden, obwohl eines der äußeren Delikte schwerer ist? So hat auch das OLG Oldenburg, ohne insoweit überhaupt ein Problem zu sehen, eine Verklammerung der Unfallflucht und einer übertretung nach der StVO durch eine im Verhältnis dazu mittelschwere fahrlässige Trunkenheitsfahrt abgelehnt und sich zur Begründung auf die Rechtsprechung des BGH berufen39 •

Der sachliche Unterschied der beiden Konstellationen wird erst dann deutlich, wenn man sich den Zusammenhang zwischen dem Verfahren der Entklammerung und der Konkretisierung der Wertgleichheit vergegenwärtigt, den der BGH selbst in keiner Entscheidung herausgestellt hat. Die Argumentation der h. M. lautet, die doppelte Berücksichtigung der vermittelnden Tat sei als notwendiges übel hinzunehmen, um eine Verklammerung schwererer Straftaten durch ein leichteres Delikt auszuschließen. Dem Täter entstehe dadurch kein nennenswerter Nachteil, weil die leichtere Straftat bei der Strafbemessung nur einen "Annex" 34

35

BGH Urt. v. 17.2.1959 (1 StR 68/58). Bei Dallinger. Vgl. hierzu die Anmerkung

734f. 38

37

von Schöneborn, NJW 1974,

§ 21 I Nr. 1 StVG. § 177,22.

38 Die Milderungsmöglichkeit nach Versuchsvorschriften Verbrechenscharakter des § 177 unberührt (§ 12111). 39 Vgl. OLG Oldenburg, NJW 1965, 117.

5 Werle



23) läßt den

66

A. Die ProblemStellung

bilde. Dieser Gedankengang ist auf die Verbindung zweier minder schwerer äußerer Delikte durch eine schwerere dritte Tat nicht übertragbar. Hier müßte im Fall der Entklammerung C ebenfalls verdoppelt, aber auch der Strafrahmen aus C gebildet werden. Das würde dazu führen, daß der Täter aus demselben Strafrahmen zweimal bestraft wird, obwohl er gegen das betreffende Gesetz nur einmal verstoßen hat. Aus diesem Grunde könnte die Rechtsprechung von ihrer Ausgangsposition hier eine Entklammerung nicht vornehmen. Die in BGHSt. 3, 165 und MDR 1973, 556 entschiedenen Sachverhalte liegen, bildlich gesprochen, "zwischen" den Standardfällen der Ver- und Entklammerung, da eines der äußeren Delikte leichter, das andere aber schwerer ist als die verbindende Tat. Stellt man die Frage nach den praktischen Auswirkungen der Entklammerung, wird der innere Grund der unterschiedlichen Ergebnisse deutlich: Ist Delikt A schwerer als die vermittelnde Tat C, wird der Strafrahmen A entnommen. Im Verhältnis zur gleich schweren Tat B kann die Strafe aus B gebildet und auf diese Weise C als "Annex" im beschriebenen Sinne betrachtet werden. Damit läßt sich jede Auswirkung einer Verdoppelung der Tat C auf die Strafrahmenbildung verhindern. Ist dagegen Delikt C mittelschwer, geht es zwar bei der Strafzumessung in der schwereren Tat A auf, ist aber im Verhältnis zur leichteren Tat B nach § 52 für die Strafrahmenbildung maßgeblich. Im Falle BGH, MDR 1973, 556 wäre bei einer Entklammerung die Entführung wider Willen wegen der Idealkonkurrenz mit der versuchten Notzucht zwar schon bei der für diese Tat zu bildenden· Einzelstrafe zu berücksichtigen, gleichwohl müßte für die Festsetzung der zweiten Einzelstrafe der Strafrahmen § 237 entnommen werden. Bei dieser Sachlage wäre eine Entklammerung bedenklich. Der Täter würde nämlich durch die zusätzliche Begehung der Tat C zwar keinen Vorteil erlangen, aber aus dem Strafrahmen von C nur deswegen bestraft, weil er das leichtere Delikt B begangen hat. Das sei am Beispiel von BGH, MDR 1973, 556 demonstriert: Ohne das leichtere Delikt nach § 21 I StVG wäre der Täter wegen versuchter Notzucht in Tateinheit mit Entführung wider Willen zu bestrafen; dem Strafrahmen nach § 237 wäre daher keine Strafe zu entnehmen. Dazu würde jedoch die Entklammerung zwingen, weil der Strafrahmen des § 237 gegenüber dem des § 21 I StVG strenger ist. Schöneborn begründet das Verbot der Entklammerung in diesem Fall daher zutreffend, wenn er in Umkehrung des sonst geltenden Satzes ausführt: "Die Tatsache, daß der Täter neben der Begehung zweier idealkonkurrierender Delikte noch gegen eine minderschwere Strafnorm verstoßen hat, darf nicht zu einer Höherbestrafung wegen der ersteren führen, indem nunmehr eine Verurteilung hinsichtlich jener Verstöße nach Idealkonkurrenzregeln erfolgt 40 ." Hinzu kommt, daß eine Entklammerung zu der ungereimten

V. Die Klammerwirkung

67

Konsequenz führen würde, daß ein und dieselbe Tat mit sich selbst eine Mehrheit von Taten bildet. Die mit einer Entklammerung bei "mittel schweren" durchlaufenden Taten verbundenen dogmatischen Widersprüche werden noch deutlicher, wenn man annimmt, der Täter habe mehrere selbständige Taten A, B, D, E, F usw. begangen, von denen mehrere gegenüber der verbindenden Tat C leichter seien. Dann müßte bei einer Entklammerung nach den üblichen Regeln dem Strafrahmen des Delikts C für jede im Verhältnis zu C leichtere Tat jeweils eine Strafe entnommen werden, obwohl C doch nur einmal begangen wurde. Daher ist es folgerichtig, wenn der BGH von seinem Ausgangspunkt in MDR 1973, 556 und BGHSt. 3, 165 zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangte41 • Die Frage, ob bei Gleichwertigkeit aller Delikte eine Entklammerung geboten ist, hatte der BGH noch nicht zu entscheiden. Die bisherige Rechtsprechung legt aber den Schluß nahe, daß in diesem Fall Tateinheit anzunehmen ist. Der BGH sieht die Verklammerung als Regelfall an und die Entklammerung als Ausnahme. Dabei wird stets herausgestellt, es sei ungerecht, wenn schwerere Delikte durch eine leichtere Tat zur Idealkonkurrenz verbunden würden. Einen derart erheblichen Vorteil erlangt der Täter nicht, wenn die verklammernde Tat den gleichen Strafrahmen wie die übrigen Gesetzesverletzungen vorsieht. Daher ist in diesem Fall - jedenfalls auf der Grundlage der Argumentation der Rechtsprechung - eine Entklammerung nicht erforderlich. d) Das Zusammentreffen mehrerer Fortsetzungstaten in einem Teilakt

Als Problem der Idealkonkurrenz durch Klammerwirkung wird in Rechtsprechung und Literatur auch die überschneidung von Fortsetzungstaten in einem Teilakt angesehen42 • Die Position der h. M. sei anNJW 1974, 735. VgI. Schöneborn, NJW 1974, 734 f.; WerZe, JR 1979, 97 f. - Da die beiden einschlägigen Entscheidungen des BGH eine Entklammerung ohne nähere Begründung ablehnen, ist allerdings nicht völlig auszuschließen, daß der BGH seine Auffassung künftig noch ändern wird. VgI. neuerdings BGH, NJW 1980,2718 und die Kritik bei WerZe, NJW 1980,2671 f. 42 VgI. etwa Vogler, LK, § 52 Rdn. 31; Schönke / Schröder / Stree, § 52 Rdn. 18; mit Beschränkung auf das Zusammentreffen dreier Fortsetzungstaten Blei, AT, S. 320 f.; soweit höchstpersönliche Rechtsgüter betroffen sind, weicht Hellmer, GA 1956, 67 ff. schon im Ansatz ab und verneint tateinheitliches Zusainmentreffen, wenn der Täter bei seinem Handeln eine persönliche, nicht anonyme Beziehung zu seinen Opfern hat. VgI. auch die abI. Anmerkung zu BGHSt. 18, 26 in NJW 1963, 116, wo Hellmer eine "überkreuzung" der Taten am Gesamtvorsatz scheitern läßt. Der Schluß, der Gesamtvorsatz müsse bei Beginn der ersten Handlung vorhanden sein und 40 U

68

A. Die Problemstellung

hand dreier Entscheidungen des BGH verdeutlich: Im 6. Band, S.81, hatte der BGH Tateinheit zwischen drei43 fortgesetzen Verbrechen der schweren Unzucht bejaht, weil der Täter sich in einem Fall aufgrund einer Willensbetätigung an seinen drei Opfern verging, indem er mit einem Mädchen beischlafähnliche Handlungen vollzog und zwei andere Mädchen zusehen ließ44. Da dieser Einzelakt zu jeder der drei Fortsetzungstaten gehörte, wurden nach Auffassung des BGH alle drei Taten zur Handlungseinheit verknüpft. Diesen Ausgangspunkt hat der BGH im 18. Bd., S. 26 und in NJW 1963, 57 ergänzt und angenommen, daß Tateinheit zwischen Fortsetzungstaten dann nicht begründet werde, wenn sie nur in einem minder schweren Einzelakt zusammenträfen. Nach dem in BGHSt. 18,26 mitgeteilten Sachverhalt hatte der Täter zur Begehung von Verwaltigungen zwei Mädchen längere Zeit eingesperrt45 . Da die Freiheitsberaubung nach Vollendung der Vergewaltigung fortdauerte und damit über das für die Vergewaltigung unerläßliche Maß hinausging, kam nach Auffassung des BGH eine fortgesetzte Freiheitsberaubung selbständig zum Ansatz. Diese traf mit den Vergewaltigungshandlungen an beiden Mädchen und daher mit beiden untereinander selbständigen Fortsetzungstaten zusammen, war also "durchlaufend", hatte aber als minderschwere Straftat keine verbindende Kraft 46 . Dieses Ergebnis folgt zwingend aus den schon zuvor zur Klammerwirkung entwickelten Regeln47 . Der Sachverhalt, der BGH NJW 1963, 57 zugrunde lag - der Täter hatte an zwei männlichen Jugendlichen homosexuelle Handlungen vorgenommen -, unterscheidet sich von den beiden anderen Fällen dadurch, daß nur zwei fortgesetze Verbrechen begangen wurden. Diese deckten sich in einem Handlungsabschnitt, der nur Vergehenstatbestände erfüllte. Der BGH war der Auffassung, zwischen beiden Fortsetzungstaten bestehe Realkonkurrenz, was aus dem "Rechts gedanken" folge, die Begehung einer dritten Tat könne keine Schuldminderung könne daher eine später hinzutretende weitere Handlung oder Handlungskette nicht umfassen, ist nicht zwingend und trifft das Problem jedenfalls dann nicht, wenn der Täter von vornherein' ein entsprechendes Vorgehen geplant hatte. 43 Blei, AT, S. 320 gibt den Sachverhalt falsch wieder, wenn er von nur zwei Taten spricht. 44 Vgl. § 176 I Nr. 2 a. F. aufgehoben durch 1. StrRG. Vgl. jetzt § 176 I. 45 Vgl. § 239 des geltenden Rechts sowie § 177 a. F. aufgehoben durch 4. StrRG und ersetzt durch § 177 n. F. 46 Die Entscheidung läßt offen, ob die fortgesetzte Tat nach § 239 zurücktritt, soweit sie mit der Vergewaltigung zusammentrifft. Für die Frage der Klammerwirkung ist das ohne Bedeutung, weil § 239 dann ein "latentes" rechtliches Band bilden würde (vgl. dazu unten eil 2 b) bb) sowie die Anmerkung von Murtin, LM, Nr. 74 zu § 73 a. F.). 47 Das betont zuRecht Blei, AT, S. 320 f.

v.

Die Klammerwirkung

69

bewirken. Diese Annahme stützte der BGH darauf, daß die identitäts~ begründende Handlung minder schwer war als die übrigen Teile bei~ der Fortsetzungstaten. Für das Zusammentreffen mehrerer Fortsetzungstaten in einem Einzelakt bedeutet dies, daß grundsätzlich Tateinheit zwischen allen Delikten anzunehmen ist, es sei denn, das verbindende Handlungsstück ist im Verhältnis zu den übrigen Akten der Fortsetzungstat minder schwer48 • Ob nur zwei oder mehrere Fortsetzungstaten sich überschneiden, spielt demnach keine Rolle. Die Bezeichnung als Problem der Klammerwirkung verdeckt im vorliegenden Zusammenhang die teilweise vorhandenen strukturellen Unterschiede zu den bislang besprochenen Konstellationen. Die abweichende Problemstellung wird ohne weiteres deutlich, soweit das Kriterium der Wertgleichheit für das Zusammentreffen nur zweier Taten herangezogen wird. Dieses Vorgehen schränkt den Grundsatz ein, die teilweise Identität zweier Delikte sei eine hinreichende Bedingung der Idealkonkurrenz. Zwar ist es richtig, daß ohne das verbindende Handlungsstück Realkonkurrenz anzunehmen und der Täter für die selbständigen Akte nach § 53 zu bestrafen wäre, doch trifft diese überlegung in allen Fällen der Teilidentität zu. Dabei wird der Täter immer um so mehr begünstigt, je zahlreicher die voneinander unabhängigen Einzelhandlungen sind. Diese Begünstigung wurde von der Rechtspre~ chung bei teilweiser Handlungsidentität stets in Kauf genommen. Daher bedeutet die Entscheidung in NJW 1963, 57 gegenüber der vorangegangenen Rechtsprechung einen zusätzlichen Schritt, dessen Berechtigung nicht schon aus der Anerkennung der Lehre von der Klammerwirkung folgt. Decken sich drei Fortsetzungstaten teilweise, ist zu differenzieren: In BGHSt. 18, 26 war die leichtere dritte Tat "durchlaufend", so daß es sich um eine für die Klammerwirkung charakteristische Konstellation handelt. Treffen sich drei Fortsetzungstaten aber nur in einem Einzelakt - wie in BGHSt. 6, 81 - ist keines der Delikte "durchlaufend", und es kommt nur zu einer "überkreuzung" , d. h. zu einer Deckung der Handlungsvollzüge, die jeweils nur einen Abschnitt der Ausführungshandlungen jedes der drei Delikte bildet. Trotz dieser Besonderheit ist indes die Gleichbehandlung mit den typischen Fällen der Klammerwirkung sachlich berechtigt, ja zwingend: Ohne den vermittelnden leichteren Teilakt wäre Realkonkurrenz aller Delikte gegeben, so daß der Täter durch die zusätzliche Begehung einer leichteren Tat den Vorteil der Bildung einer Einheitsstrafe erlangte, wollte man deswegen Idealkonkurrenz annehmen. Hinzu kommt, daß die Entklammerung 48 Zum teilidentischen Zusammentreffen zweier Fortsetzungstaten vgl. noch RG HRR 1937 Nr. 1349, wo Tateinheit angenommen wird.

70

A. Die Problemstellung

und die damit verbundene Bildung einer Gesamtstrafe für den Täter sogar zu einem vergleichsweise geringeren Nachteil führt. Während im Normalfall der Entklammerung die gesamte durchlaufende Tat mehrfach berücksichtigt wird, muß hier bei entsprechender Anwendung der maßgeblichen Regeln lediglich der von der teil weisen Deckung der einzelnen Delikte betroffene Handlungsabschnitt mehrfach in Ansatz gebracht werden. Interessanterweise wählt der BGH für die Durchführung der Entklammerung bei "Überkreuzung" aber einen anderen Weg, der schon in BGHSt. 3, 165 angedeutet wurde 49 • In NJW 1963, 57 heißt es nämlich, es dürften "freilich tateinheitlich zusammentreffende Vergehensfälle nur einmal berücksichtigt werden". Die identitätsbegründenden Einzelakte sollen also aus bei den Handlungszusammenfassungen "herausfallen" und bei der dritten Tat verbleiben. Eine nähere Begründung für dieses Vorgehen gibt die Entscheidung nicht, obwohl sie von dem ansonsten bei der Entklammerung praktizierten Verfahren abweicht und die teilweise Identität des betroffenen Handlungsabschnittes mit den verbleibenden Fortsetzungsdaten unberücksichtigt läßt. Im Ergebnis vermeidet damit diese Lösung zwar, daß dem Täter durch die Doppelberücksichtigung der betreffenden Handlung ein Nachteil entsteht, bleibt aber ohne dogmatisches Fundament5o • e) Entklammerung und Strafklageverbrauch

Neben den materiellrechtlichen Schwierigkeiten wirft die Klammerwirkung noch eine eigenständige prozessuale Frage auf. Diese soll hier kurz skizziert werden, um den gesamten Umfang der bestehenden Probleme zu verdeutlichen. Die Verklammerung selbständiger Taten zur Idealkonkurrenz führt nach der im Prozeßrecht h. M. zur Annahme einer Tat im prozessualen Sinne. Umgekehrt muß bei einer Entklammerung, d. h. bei Realkonkurrenz, zwischen den äußeren Delikten nicht notwendig eine Tatmehrheit i. S. des Prozeßrechts vorliegen. Mehrere materiellrechtlich selbständige Taten können aufgrund besonderer Umstände ein prozessual einheitliches Geschehen bilden51 • Die Rechtsprechung hat die prozessualen Konsequenzen der Entklammerung unterschiedlich beurteilt. BGHSt. 3, 165 hat, ohne insoweit überhaupt ein Problem zu sehen, die Entklammerung auf das Prozeßrecht übertragen. Deshalb war der BGH der Auffassung, daß die Aburteilung eines der "äußeren" Delikte (A) und der verbindenden Tat (e) die Strafklage für die zweite "äußere" Gesetzesverletzung (B) nicht verbraucht. Ein erneutes Verfahren hin4D

50 61

Vgl. dazu oben A V 2 b). Dazu näher A V 2 b) und C 111. Vgl. zum ganzen oben A 111 4 b).

V. Die Klammerwirkung

71

sichtlich B und der idealkonkurrierenden Tat C wurde daher für zulässig gehalten52 • Diesen Standpunkt hat der BGH im 6. Band mit der Begründung verworfen, die frühere Entscheidung leite aus der materiellen Rechtslage unzulässige Folgerungen für das Prozeßrecht ab. Die Entklammerung betreffe nur den Modus der Strafenbildung und berühre die Einheitlichkeit des prozessualen Geschehens nicht53 • Die bisher letzte Entscheidung des BGH zu dieser Frage nimmt wiederum an, die Entklammerung schlage auch auf das Prozeßrecht durch. Die schwereren Straftaten seien nicht nur materiell rechtlich, sondern auch prozeßrechtlich mehrere Taten. Etwas anderes könne "nicht Rechtens" sein54 • Die im materiellen Recht maßgeblichen überlegungen seien auch für das Prozeßrecht verbindlich: "Wenn die natürliche Betrachtung und der Grundsatz gerechter Gesetzesauslegung sachlichrechtlich die Selb.,. ständigkeit der beiden schwereren Straftaten fordern, kann dieselbe Betrachtung verfahrensrechtlich nicht zu einem anderen Ergebnis führen." Der BGH habe in der zweimaligen Berücksichtigung der "durchlaufenden" idealkonkurrierenden Tat nie eine unzulässige Doppelbestrafung gesehen, so daß auch eine Verurteilung der schwereren Gesetzesverletzungen in getrennten Verfahren zulässig sei55 • Gegen diese Argumentation spricht, daß Art. 103 III GG gerade einen möglichen Konflikt zwischen materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit löst, indem er der Rechtssicherheit prinzipiell den Vorrang gibt58 • Die Konsequenzen des Verbots widersprechen daher notwendig dem Rechtsgefühl. Deshalb ist es äußerst zweifelhaft, ob die im materiellen Recht für die Entklammerung wesentlichen Gerechtigkeitserwägungen auf das Prozeßrecht übertragbar sind. Auf der anderen Seite kann man den Bedenken im Hinblick auf Art. 103 III GG im zweiten Verfahren unter Umständen dadurch Rechnung tragen, daß die Strafverfolgung nach § 154 a I StPO auf das äußere Delikt B beschränkt wird. Diese überlegungen brauchen wir im Rahmen unserer Untersuchung nicht zu vertiefen. - Doch selbst wenn man die in BGHSt. 23, 141 vertretene Auffassung teilt, lassen sich die Rechtskraftwirkungen nicht immer auf die abgeurteilten Gesetzesverletzungen begrenzen. Wird im ersten Verfahren ausschließlich die verbindende Straftat abgeurteilt, muß Strafklageverbrauch für alle "äußeren" Straftaten, un51 AbI. Reinicke, NJW 1953, 1007, der sich nach Geerds mit der Annahme einer prozessualen Tatmehrheit zu einer "bemerkenswerten These versteigt" (Konkurrenz, S. 358 Fn. 661). 53 Vgl. BGHSt. 6, 92. 5C BGHSt. 23, 141, 149. ss BGHSt. 23, 141, 150. se Vgl. dazu ausführliche Fliedner, AöR, Bd. 99 (1972), 242. Ferner Grilnwald, JZ 1970, 331, der die Entscheidung eingehend kritisiert. Schöneborn, NJW 1974, 735 Fn. 11 stimmt der Entscheidung zu.

A. Die Problemstellung

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abhängig von ihrem Schweregrad und einer etwaigen Entklammerung, bejaht werden. Eine Doppelbestrafung ist nämlich in diesem Fall auch bei der nachträglichen Aburteilung von untereinander selbständigen schwereren Taten unvermeidlich: Die Einzelstrafe für die Tat C muß in dem späteren Verfahren bei der Gesamtstrafenbildung berücksichtigt werden. Man kann die Tat C also weder als "Annex" betrachten noch eine Doppelbestrafung durch eine Beschränkung der Strafverfolgung auf die schwerere Tat verhindern. Es müßten daher trotz Idealkonkurrenz von C mit A und B im Ergebnis drei Strafen verhängt werden. Auf der Grundlage von BGHSt. 23, 141, 150 hängt der Strafklageverbrauch im Falle einer Entklammerung also von dem zufälligen Umstand ab, ob die verbindende Tat zunächst allein oder in Verbindung mit einem der "äußeren" Delikte abgeurteilt wird57 • f) Die Vermeidung des Problems der Klammerwirkung

Das bislang gezeichnete Bild vom Stand der Rechtsprechung wäre unvollständig, wenn die Tendenzen, das Problem der Klammerwirkung zu vermeiden, unberücksichtigt blieben. Die Ansätze der Rechtsprechung, die in diese Richtung weisen, betreffen zwar nach ihrem dogmatischen Ansatz nicht unmittelbar die Klammerwirkung, weil sie gerade verhindern; daß eine "durchlaufende" Tat mit mehreren "äußeren" Delikten zusammentrifft. Es besteht aber ein enger sachlicher Zusammenhang mit der Handlungseinheit durch Klammerwirkung, da diese unter Umständen durch eine entsprechende Konstitution der zeitlich gestreckten Delikte für bestimmte Bereiche ausgeräumt werden kann.

Eine konstruktive Möglichkeit, eine Verklammerung auszuschließen, wurde oben schon für die Fortsetzungstat entwickelt. Sie besteht darin, die Einheit der durchlaufenden Tat aufzulösen und nicht mehr alle Einzelakte als rechtliche Bewertungseinheit und damit ein und dieselbe Handlung i. S. des § 52 zu betrachten58 • aa) Die Zerlegungsmethode [1] Trunkenheitsfahrten Für den Bereich der Straßenverkehrsdelikte wird die Bedeutung der Klammerwirkung durch die neue re Rechtsprechung zur vorzeitigen Beendigung von Trunkenheitsfahrten erheblich reduziert. Die frühere Rechtsprechung des BGH hatte die Trunkenheitsfahrt auch dann als 57 Vgl. dazu schon WeTZe, JR 1979, 98. Für die §§ 129, 129 a hat der BGH jetzt unabhängig von diesem Streit den Strafklageverbrauch begrenzt, vgl. BGH, NJW 1980,2718; krit. dazu WerZe, NJW 1980,2671,2672. 68 Vgl. A V 2 b).

V. Die Klammerwirkung

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Einheit angesehen, wenn es unterwegs zu einer konkreten Verkehrsgefährdung und einem Verletzungsdelikt kam. Dadurch konnten, etwa bei mehreren Unfällen mit Personen- oder Sachschäden, selbständige Gesetzesverletzungen durch eine nach den §§ 315 a a. F. oder 316 a. F.59 strafbare Trunkenheitsfahrt zur Tateinheit verbunden werden. So hat BGH DAR 1955, 282 angenommen, zwischen unbefugter Ingebrauchnahme eines Fahrzeugs, Fahren ohne Fahrerlaubnis und fahrlässiger Körperverletzung werde durch eine schwerere vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung Tateinheit vermittelt. In zahlreichen Fällen hat die Rechtsprechung aber entklammert und beispielsweise angenommen, die fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung habe nicht die Kraft, Unfallflucht und fahrlässige Tötung60 , Unfallflucht und fahrlässige Körperverletzung61 , Unfallflucht und versuchten Totschlag62 , oder zwei gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr63 zur Tateinheit zu verklammern. Die nach früherem Recht als übertretung strafbare einfache Trunkenheitsfahrt nach § 2 StVZQ64 begründete keine Idealkonkurrenz zwischen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und Unfallflucht 65 oder einer gleich schweren übertretung und Unfallflucht66 oder zwei fahrlässigen Tötungeno 7 • Nach heutigem Recht ergibt sich beim Zusammentreffen der §§ 24 a StVG, 316 mit §§ 222, 230, 142 ebenfalls die Notwendigkeit einer Entklammerung, da die Höchststrafe nach § 316 ein Jahr Freiheitsstrafe und nach § 24 a StVG 3000,- DM Geldbuße beträgt. Die überschneidung einer Trunkenheitsfahrt mit mehreren Verletzungsdelikten ist aber ausgeschlossen68 , falls ein Unfall eine Zäsur bildet und die Trunkenheitsfahrt entsprechend in mehrere selbständige 5' §§ 315 a, 316 i. d. F. v. 19.12.1952, BGBl. I, S. 832, geändert durch das 2. Verkehrssicherungsgesetz vom 26.11. 1964 (BGBl. I, S. 921) und ersetzt durch §§ 315 C, 316. 80 BGH, VRS 8, 49, 50; VRS 9, 350, 353; VRS 21, 341, 344; 422, 424; VRS 22, 121, 124; OLG Oldenburg, VRS 26, 346. 81 OLG Köln, MDR 1964, 525. 81 BayObLG, NJW 1957, 1485. 83 BGHSt. 26, 67, 76. U Bis zur Einführung des § 316 n. F. (vgl. Fn. 53) erfaßte allein § 2 StVZO

die Verkehrsbeeinträchtigung durch Trunkenheit. Mit der Einführung des § 24 a StVG (Ges. zur Änderung des StVG v. 20.7.1973, BGBl. I, S. 870) hat die Vorschrift im Bereich der Trunkenheitsfahrt ihre Bedeutung verloren. 15 Vgl. OLG Stuttgart, NJW 1964, 1913; a. A. (Tateinheit durch Klammerwirkung) die dort zitierte veröffentlichte Entscheidung OLG Stuttgart, Urt. v. 14.6. 1963 - 1 Ss 342/63 -. 88 BayObLG, NJW 1963, 168. 87 OLG Hamm, VRS 7, 135. 118 Der Streit, ob die konkrete Straßenverkehrsgefährdung nach § 315 C I Nr. 1 a Dauerdelikt ist, wirkt sich im Ergebnis auf die Konkurrenzproblematik nicht aus. Vgl. dazu im einzelnen C 11 2 b) aal.

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A. Die Problemstellung

Taten nach den §§ 315 c I Nr.2 oder 316 aufspaltet 69 • Eine solche Zergliederung hat die Rechtsprechung zunächst nur bejaht, wenn die Fahrt anläßlich des Unfalls unterbrochen wurde. In BGH VRS 13, 120 hatte ein betrunkener Täter unterwegs ein Kind angefahren, den Unfall bemerkt, daraufhin den Wagen 80 m ausrollen lassen, angehalten und sich die Schäden am Fahrzeug besehen, während sein zum Unfallort zurückgegangener Begleiter ihm mitteilte, es sei kein Unfall geschehen. Daraufhin erklärte der Täter, dann fahre er weiter. Der BGH war hier der Auffassung, mit dem Unfall sei die Trunkenheitsfahrt zum Abschluß gekommen, "so daß sich der Angeklagte nunmehr sowohl im äußeren Geschehen wie in seiner geistig-seelischen Verfassung vor eine neue Lage gestellt sah, in der er, gewarnt durch den Zusammenstoß, allen Anlaß gehabt hätte, die Weiterfahrt zu unterlassen". Der Täter habe daher zur Fortsetzung der Tat einen neuen Entschluß fassen müssen, und deswegen sei die Weiterfahrt als rechtlich selbständige Handlung zu bewerten7o • Zur Fahrtunterbrechung muß danach hinzukommen, daß der Täter einen neuen Entschluß faßt. Dieser wiederum wird daraus abgeleitet, daß der Täter sich in eine "neue Lage" versetzt sieht und daher nicht bloß am alten Entschluß festhalten kann, sondern eine neue Entscheidung treffen mUß. Die Fahrt zerfällt also nach der Rechtsprechung objektiv und subjektiv in verschiedene Abschnitte und damit mehrere Taten i. S. des § 53. Von diesem Ausgangspunkt hatte sich der Täter wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung sowie wegen einer tatmehrheitlich begangenen Unfallflucht strafbar gemacht. Die Unfallflucht stand ihrerseits in Tateinheit mit einer weiteren Trunkenheitsfahrt. Ein Problem der Klammerwirkung ergibt sich nicht, weil die Trunkenheitsfahrt in zwei selbständige Teile zerfällt, die Delikte nach §§ 142, 222 also nicht mit demselben dritten Delikt zusammentreffen. Die Notwendigkeit einer objektiven wie subjektiven Zäsur im tatsächlichen Geschehen wird auch in zahlreichen älteren Entscheidungen der Oberlandesgerichte betont, die regelmäßig nur bei Fahrtunterbrechungen nach einem Unfall den Beginn einer neuen selbständigen Trunkenheitsfahrt annehmen71 , sonst aber von ihrer Einheitlichkeit ausgehen7!. Allerdings wird vereinzelt eine neue selbständige Fahrt unabhängig vom Anhalten mit der Beea Dazu sogleich weiter unten sowie C 11 2 b) aal. BGH, VRS 13, 121, 122. 71 Vgl. BayObLG, 1960, 879 (zum Beginn einer neuen Tat bei der Fahrt mit einem verkehrsuntüchtigen Fahrzeug); OLG Stuttgart, NJW 1964, 1913. Deutlich in diesem Sinne OLG Köln, DAR 1967, 139. 71 Vgl. neben den oben bei Fn. 60 - 67 zitierten Entscheidungen OLG Köln, DAR 1967, 139; BayObLG bei Rüth, DAR 1966, 260; KG, DAR 1961, 145; KG, VRS 10, 52, 54; 8, 130; OLG Braunschweig, NJW 1954, 45 und 933; OLG Celle, VRS 7, 102; OLG Hamm, VRS 7,360; OLG Braunschweig, VRS 6,432. 70

V. Die Klammerwirkung

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gründung angenommen, ein Täter könne "unmöglich von vornherein entschlossen gewesen sein ... , für den Fall eines Unfalls anschließend Fahrerflucht zu begehen" 73 . Die Relevanz einer äußeren zeitlichen Zäsur hat BGHSt. 21, 203 für überflüssig erklärt und allein auf den neuen Tatentschluß abgehoben. Die Dauerstraftat der Trunkenheitsfahrt ende regelmäßig, wenn sich der Täter nach einem von ihm verursachten Unfall zur Flucht entschließe. In der Weiterfahrt im Zustand der Fahruntüchtigkeit liege dann eine rechtlich selbständige Handlung. Der BGH schließt hier nicht erst aus einer Fahrtunterbrechung, sondern schon aus der Tatsache des Unfalls auf das Vorliegen eines neuen Tatenschlusses: "Da nämlich der Angeklagte, wie er wußte, durch die sich aus § 142 ergebende Wartepflicht an den Unfallort gebunden war, faßte er, als er dieser gesetzlichen Verpflichtung zuwider trotzdem weiterfuhr, nun einen neuen Tatentschluß74." Eine Unterbrechung der Fahrt hänge weitgehend vom Zufall, z. B. dem Ausmaß des eigenen Fahrzeugschadens ab. Ob der Täter anhalte und aussteige oder anhalte und den Schaden nur aus dem Wagen besehe75 oder aber die Unfallfolgen im Fahren erkenne und in sein Bewußtsein aufnehme, sei gleichgültig, weil er sich immer in einer neuen Lage sehe und es "daher bei ihm in allen drei Fällen eines gleicherweise neuen und selbständigen, jetzt überhaupt erst möglichen ... Willensentschlusses"78 bedürfe. Von einer Weiterfahrt könne jetzt nur noch im technischen Sinne gesprochen werden. Die Weiterfahrt gehe nicht auf den ursprünglichen Entschluß zurück, nach Hause zu fahren, vielmehr sei jetzt allein der Entschluß maßgebend, sich der Wartepflicht zu entziehen und zu flüchten. Daher bedeute die Weiterfahrt eine rechtlich selbständige neue Trunkenheitsfahrt. Zum alleinigen Kriterium für die Zerlegung der Trunkenheitsfahrt wird damit der neue Tatentschluß. Da dieser aus der durch den Unfall entstehenden neuen Situation hergeleitet wird, führt regelmäßig der Umstand, daß der Täter einen Unfall bemerkt hat und entgegen seiner Wartepflicht weiterfährt77, zur Bildung einer Zäsur. Nur wenn der Täter vom Unfall nichts weiß, faßt er keinen neuen Tatentschluß. In diesem Fall bleibt die Einheit der Trunkenheitsfahrt gewahrt. Fehlt es an einer Unfallflucht, soll nach BGHSt. 25, 72, 76 ebenfalls kein neuer Tatentschluß 73 74 75 74 77

Vgl. OLG Frankfurt, NJW 1962,456,457. Vgl. BGHSt. 21, 203. So der Sachverhalt in BGH, VRS 15, 472.

BGHSt. 21, 203, 205. BGHSt. 21, 203 wurde in BGH, NJW 1970, 1427, 1429; VRS 48, 191; BGHSt. 23, 141, 144; 25, 72, 75 bestätigt. Aus der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte nach der Entscheidung im 21. Band vgl. OLG Hamm, VRS 35, 349,350; 42,21,22; BayObLG, DAR 1968,226; KG, VRS 35, 347, 348.

A. Die Problemstellung

76

anzunehmen sein und die Weiterfahrt daher keine selbständige Trunkenheitsfahrt bedeuten78 • Diese Einschränkung versteht sich von selbst, wenn eine Strafbarkeit nach § 142 entfällt, weil der Täter den Unfall nicht bemerkt hat. Ob sie auch zutrifft, wenn aus anderen Gründen etwa wegen Rechtfertigung - eine Unfallflucht ausscheidet, läßt sich der Entscheidung nicht entnehmen. Ebensowenig wird deutlich, ob die Fortsetzung der Fahrt trotz Anhaltens generell keine selbständige Tat sein soll, wenn der Täter nicht wartepflichtig war. Trotz dieser möglichen Einschränkung ist die praktische Bedeutung einer vorzeitigen Beendigung von Trunkenheitsfahrten erheblich. Das zeigt sich daran, daß zahlreiche Entscheidungen, die sich vor BGHSt. 21, 203 mit der Klammerwirkung befaßt haben, das Verhältnis der Trunkenheitsfahrt zu dem bei einem Unfall begangenen Verletzungsdelikt und der anschließenden Fahrerflucht betreffen79 • - Allerdings stellt sich das Problem der Klammerwirkung auch auf der Grundlage von BGHSt. 21, 203, wenn der flüchtige Fahrer auf der zweiten selbständigen Trunkenheitsfahrt einen weiteren Unfall verursacht. Selbst wenn die Unfallflucht bei Beginn der erneuten Gefahrhandlung beendet ist, trifft § 316, der hinter § 315 c zurücktritt, sowohl mit der Tat nach§ 142 als auch mit einem anläßliche des Unfalls begangenen Verletzungs delikt zusammen und kann daher prinzipiell ein (latentes) rechtliches Band zwischen der Unfallflucht und dem anschließend begangenen Verletzungsdelikt bilden. Die Anerkennung eines Verkehrsunfalls als Zäsur hindert nur die Einbeziehung der nachfolgenden, nicht aber der vorangegangenen Trunkenheitsfahrt. Soweit während der nach § 316 tatbestandsmäßigen, der Verkehrsgefährdung vorangegangenen Fahrt Straftaten begangen werden - etwa Unfallflucht oder Verkehrsübertretung - entsteht ein Verklammerungsproblem. Die Besonderheit, daß die durchlaufende Tat hinter § 315 c, einem der "äußeren" Delikte, zurücktritt, ändert daran nichts 80 • Die Auswirkungen der Beendigung einer Trunkenheitsfahrt durch einen Verkehrsunfall sind damit auf der Grundlage der Rechtsprechung hinreichend verdeutlicht und haben gezeigt, daß· das Problem der Klammerwirkung nicht ausgeräumt, sein Umfang aber erheblich reduziert wird. Die Richtigkeit der Auffassung des BGH und die Möglichkeiten, den entwickelten Ansatz auf andere Dauerdelikte zu übertragen, Ebenso im Anschluß an diese Entscheidung OLG Hamm, VRS 48, 266. Vgl. BGH, VRS 8, 49, 50; 9, 350, 353; 21, 341, 344; 21, 422, 424; 22, 1121, 124; OLG Oldenburg, VRS 26, 346; BayObLG, NJW 1963, 168; OLG Köln, MDR 1964, 525; OLG Oldenburg, NJW 1965, 117; OLG Neustadt, NJW 1960, 546; OLG Oldenburg, VRS 28, 193; BayObLG, JR 1963, 140. 80 Vgl. zum ganzen unten C Il 2 b). 78 79

V. Die Klammerwirkung

77

sollen in diesem Zusammenhang noch nicht erörtert werden 81 • Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei aber abschließend noch der Unterschied zu den sog. Polizeifluchtfällen hervorgehoben, bei denen ein an einem Verkehrsunfall Beteiligter flieht und auf der Flucht strafbare Handlungen begeht. Hier sieht die Rechtsprechung den ganzen Fluchtvorgang als "natürliche Handlungseinheit" an, wenn das Verhalten des Täters von dem Willen beherrscht wird, sich dem Zugriff der Polizei zu entziehen. Folglich nimmt die Rechtsprechung in solchen Fällen Tateinheit zwischen allen auf der Flucht begangenen Delikten an. Bei Trunkenheit des Fahrers kann das dazu führen, daß trotz mehrerer Unfälle mit anschließender Flucht alle Gesetzesverletzungen in Idealkonkurrenz stehen, also auch die Trunkenheitsfahrt und die sich anschließende Unfallflucht82 • Dieses Ergebnis steht aber jedenfalls aus der Sicht der Rechtsprechung nicht im Widerspruch zur vorzeitigen Beendigung einer "gewöhnlichen" Trunkenheitsfahrt. Die Handlungseinheit folgt hier aus einer "natürlichen Betrachtungsweise", für die der Fluchtwille das Gesamtgeschehen als einheitlich erscheinen läßt. Vom Standpunkt der Rechtsprechung steht der Täter bei einem Unfall hier gerade nicht vor einer neuen Situation, weil sein Fluchtwille normalerweise durch das Unfallgeschehen nicht beeinflußt wird 83 • Die abweichenden Ergebnisse sind vom Standpunkt der Rechtsprechung auch deswegen nicht widersprüchlich, weil die natürliche Handlungseinheit gerade die Zusammenfassung mehrerer, sich in ihren Ausführungshandlungen nicht überschneidender Gesetzesverletzungen zu einer Handlung i. S. des § 52 ermöglicht. Selbst wenn ein Unfall innerhalb einer Trunkenheitsfahrt stets - etwa aus kriminalpolitischen Rücksichten - eine Zäsur und damit zwei selbständige Abschnitte bilden sollte, wäre es kein konstruktiver Widerspruch, mit Hilfe der natürlichen Betrachtungsweise diese Abschnitte wieder zu einer Einheit zusammenzufügen. [2] Exkurs: Andere zeitlich gestreckte Delikte Puppe hat eine Verallgemeinerung der vom BGH für Trunkenheitsfahrten entwickelten Methode vorgeschlagen84 • Ähnlich wie bei Trunkenheitsfahrten ist bei Dauerdelikten und allen Straftaten, die eine Mehrzahl tatbestandserfüllender Einzelhandlungen zur Einheit verbinden, eine Auflösung der Handlungszusammenfassungen konstruktiv möglich. Der BGH hat bei Trunkenheitsfahrten eine "Zäsur" mit der 81 Ob auch die Dauerstraftaten des Fahrens ohne Führerschein oder mit verkehrsuntüchtigem Fahrzeug nur mit nicht verkehrsbedingtem Anhalten oder schon mit der Herbeiführung eines Unfalls und anschließender Weiterfahrt abgeschlossen wird, ist bislang nicht geklärt. Vgl. dazu unten C IV. 82 Vgl. BGH, VRS 48, 191. 83 Zu Ausnahmen BGH, VRS 48, 191, 192. 84 S. 210 f.

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A. Die Problemstellung

Erwägung angenommen, der Täter müsse bei einem während der Fahrt verursachten Unfall einen neuen Entschluß zur Weiterfahrt fassen, und dadurch zerfalle die Trunkenheitsfahrt in zwei Abschnitte. Weitergehend könnte man aber innerhalb eines gestreckten Delikts schon immer dann eine Zäsur bilden, wenn ein tatbestandskonstitutiver Akt zugleich einen anderen Tatbestand verwirklicht. Puppe, die diesen Gedanken erstmals formuliert hat, meint, zwar bedürfe die zeitliche Abgrenzung eines Dauerdelikts immer einer sachlichen Rechtfertigung, doch sei nicht einzusehen, warum nur zeitliche Kontinuität und Entschlußeinheit legitime Abgrenzungskriterien sein sollte. Auch das Zusammentreffen eines Dauerdelikts mit anderen Gesetzesverletzungen könne ein sachlich begründbarer Anlaß für die Annahme verschiedener selbständiger Dauerdelikte sein. - Mit diesem Verfahren ließe sich in allen Fällen wiederholender Tatbestandsverwirklichung eine Verklammerung per definitionem ausschließen, weil die Begehung der äußeren Delikte die Zerlegung der gestreckten Tat zur Folge hätte 85 • bb) Die restriktive Tatbestandsauslegung (am Beispiel des § 129) Die beiden bisher besprochenen Vorgehensweisen setzen jeweils am Umfang der durch das zeitlich gestreckte Delikt gebildeten Handlungszusammenfassung an und lösen diese durch "Herausfallen" - wie bei der Fortsetzungstat - oder "Zergliedern" - wie bei der Trunkenheitsfahrt - auf. Demgegenüber hat das OLG Karlsruhe bei § 129 I den Versuch unternommen, durch restriktive Auslegung des Merkmals "mitgliedschaftliche Beteiligung" eine Reduktion der tatbestandlichen Ausführungshandlung selbst zu erreichen und dadurch zugleich die Möglichkeit einer überschneidung mit anderen Delikten zu verringern86 • Diese Methode sei anhand des dort entschiedenen Sachverhalts verdeutlicht: Der Beschuldigte war 1974 wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung87 in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer Schußwaffe88 und gemeinschaftlicher Urkundenfälschung89 zu 85 Dazu näher unten CI ff. 8B Vgl. OLG KarZsruhe, NJW 1977,2222. 87 Zur Tatzeit war § 129 a noch nicht in Kraft. 88 Zum Zeitpunkt der Tat war in den Bundesländern einschließlich Berlin unerlaubter Schußwaffenbesitz nach § 26 I Nr. 1 des insoweit als Landesrecht fortgeltenden Reichswaffengesetzes v. 19.3. 1938 (RGBl. I, S. 265) strafbar. Das WaffG v. 14.6. 1968 (BGBl. I, S. 633) galt nicht in Berlin und im Bundesgebiet nur für den gewerblichen Bereich, vgl. Potrykus, in: Erbs / KohZhaas, WaffG, Einleitung S. 2 ff. Vgl. jetzt §§ 53III Nr. 1 a i. V. m. 28 I S. 1 WaffG v. 8.3. 1976. Im Land Berlin ist nach wie vor § 26 I Nr. 1 des Reichswaffengesetzes maßgeblich, da das WaffG dort nicht anwendbar ist, vgl. Potrykus, Einleitung, S. 6. Durch ÄndG v. 26.11. 1974 (GVBl., S. 2746, 2753) wurde die Höchststrafe auf zwei Jahre Freiheitsstrafe herabgesetzt. 88 §§ 267, 25 II.

V. Die Klammerwirkung

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einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden. Er gehörte seit dem Jahre 1971 bis zur Festnahme am 9.6.1972 der kriminellen Vereinigung "Rote Armee Fraktion" an. Unmittelbar nach Verbüßung der Strafe erging gegen ihn ein Haftbefehl wegen Beihilfe zum Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion in einem besonders schweren Fall90sowie zum vollendeten Mord in drei und zum versuchten Mord in 18 FällenD1 • Dem Haftbefehl lag der Vorwurf zugrunde, der Beschuldigte habe als Mitglied des engeren Kreises der "Rote Armee Fraktion" an einem im 1972 begangenen Sprengstoffanschlag mitgewirkt. Das OLG bestätigte den Haftbefehl und wies den Einwand des Verbrauchs der Strafklage zurück. Bei dieser Sachlage war zunächst die materiellrechtliche Vorfrage zu klären, ob die im Mai 1972 begangenen Gesetzesverletzungen mit dem bereits abgeurteilten Tatkomplex in Tateinheit stehen, weil dann die Annahme einer prozessualen Tat und damit des Verbrauchs der Strafklage nach h. M. zwingend ist 02 • Handlungsidentität kommt dabei nur mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung in Betracht, weil die bei den anderen Gesetzesverletzungen, der unerlaubte Waffenbesitz und die Urkundenfälschung, historisch selbständige Vorgänge sind. Erblickt man in den Straftaten, die der Täter in seiner Rolle als Mitglied für die Vereinigung begeht, immer eine mitgliedschaftliche Beteiligung, muß man anerkennen, daß § 129 I solche Straftaten zur Tateinheit verklammern kann. Diesen Standpunkt hat BGH NJW 1975, 986 für die Unterstützung einer kriminellen Vereinigung ausdrücklich vertreten. Von diesem Ausgangspunkt stellt sich im mitgeteilten Sachverhalt das Problem der Klammerwirkung: Nicht nur der unerlaubte Waffenbesitz und die Urkundenfälschung, sondern auch die (tateinheitliche) Beihilfe zum Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und zum Mord sind Delikte im Dienste der Vereinigung und treffen mit der Beteiligung als Mitglied handlungseinheitlich zusammen. Eine Entklammerung ist dann mit Rücksicht auf den höheren Schweregrad der §§ 211, 311 I, I1, 27 zwar naheliegend, letztlich aber auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgeschlossen, da die Tat nach dem Waffengesetz leichter war als die nach § 129103 • Bei "mittelschwerer" durchlaufender Tat hat der BGH schon in MDR 1973, 556 eine Entklammerung verworfen und entsprechende Konsequenzen für den Strafklageverbrauch gezogen94 • Wollte man entgegen 90

91 92

93 94

§§ 311 I, 11,27. §§ 211, 22, 27.

Vgl. dazu oben A III 4 b). Anders aber jetzt BGH, NJW 1980, 2718. Dazu oben A V 2 cl.

80

A. Die Problemstellung

dieser Entscheidung im Beispielsfall entklammern und auf diesem Wege im Verhältnis der abgeurteilten Taten zu den §§ 211, 311 I, 11, 27 Tatmehrheit annehmen, wäre das prozessuale Ergebnis immer noch unsicher: Ob die Entklammerung auf den Prozeß überhaupt durchschlägt, ist kontrovers o5 • Alle derartigen Schwierigkeiten hat das OLG Karlsruhe vermieden. Es hat die Tatbestandsmäßigkeit des Sprengstoffanschlags nach § 129 I verneint und Realkonkurrenz zwischen § 129 und der Beihilfe zum Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion sowie zum Mord angenommen. Daher konnte das Gericht - anders als bei Idealkonkurrenz mit der bereits abgeurteilten mitgliedschaftlichen Beteiligung - den Sprengstoffanschlag als prozessual selbständige Tat bewerten und den Strafklageverbrauch verneinen. - Unter mitgliedschaftlicher Beteiligung versteht das OLG Karlsruhe ausschließlich organisationsbezogene Handlungen und hält daher Tateinheit zwischen § 129 I und einer vom Mitglied in seiner Rolle begangenen Straftat nur für möglich, wenn diese Tat den organisatorischen Zusammenhalt der Vereinigung fördert. Die Begehung von Straftaten, die das Ziel der Vereinigung bilden, soll die Tatbestandsalternative der mitgliedschaftlichen Beteiligung nicht erfüllen96 • Wenn diese Ableitung richtig ist, entstehen überhaupt keine Konkurrenzprobleme, weil schon keine überschneidung der Ausführungshandlungen vorliegt. überträgt man die restriktive Auslegung des OLG Karlsruhe auf die "Unterstützung" einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung, läßt sich die Verklammerung schwerster Delikte durch die §§ 129, 129 a unabhängig von den zur Entklammerung entwickelten Regeln häufig vermeiden97 • g) Zusammenfassung

Die Entscheidungen, die sich mit dem Problem der Klammerwirkung befassen, betreffen überwiegend "durchlaufende Dauerbetätigungsdelikte im Straßenverkehr98 • Die Bedeutung dieser Fallgruppe hat aber Vgl. dazu soeben e). Vgl. OLG Karlsruhe, NJW 1977, 2222. Der Entscheidung haben zugestimmt: Bottke, JA 1979, 596 f.; Dreher / Tröndle, § 129 Rdn. 9; Herdegen, MDR 1980, 438; K. Meyer, JR 1978, 34 f., der sogar noch weitergeht als das OLG Karlsruhe, dazu unten eIl a; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 23; A. M. BGH, NJW 1980, 2718; v. Bubnoff, LK, § 129 Rdil. 30; Fleischer, NJW 1979, 138 f.; GTÜnwald, Bockelmann-Festschr., S. 740 f., Haberstumpf, MDR 1979, 980; Lackner, § 129 Anm. 7; Puppe, S. 212 ff.; WerZe, JR 1979, 93, 95 f. Differenzierend Schönke / Schröder / Lenckner, § 129 Rdn. 28. 91 Zur Problematik der §§ 129, 129 a vgl. im einzelnen unten C I. 98 BGH, NJW 1952, 795; VRS 8, 49, 50; 9, 350, 353; 21, 341, 344; 21, 422, 424; 22, 121, 124; 35, 418, 420; BGHSt. 23, 141, 148; OLG Düsseldorf, VRS 3, 354; OLG Ramm, VRS 7, 135; 13, 215, 216; BayObLG, NJW 1957, 1485; OLG Oldenburg, VRS 26, 346; BayObLG, NJW 1963, 168; OLG Stuttgart, NJW 1964, 1913; V5

88

v.

Die Klammerwirkung

81

auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung zur Beendigung von Trunkenheitsfahrten99 erheblich abgenommen. Häufig war auch die verklammernde Wirkung von Fortsetzungstaten problematischlOO , und nicht selten hatte die Rechtsprechung Sachverhalte zu erörtern, in denen Teile eines mehraktigen Delikts mit untereinander selbständigen Straftaten zusammentrafen lOl • Schließlich hat in jüngerer Zeit die Frage Bedeutung gewonnen, unter welchen näheren Voraussetzungen die §§ 129 und 129 a andere Straftaten zur Idealkonkurrenz verbinden können l02 • Die Konkurrenzform mußte in den besprochenen Entscheidungen vor~ nehmlich für den Schuldspruch geklärt werden l03 • Häufig war sie aber auch als materiellrechtliche Vorfrage in verschiedenen prozessualen Zusammenhängen erheblich, nämlich für Rechtshängigkeit l04 , Rechts~ kraft l05 , Zuständigkeit l08 und die Zulässigkeit eines Teilfreispruchs lo7 • Die Behauptung Wahles, die Lehre von der Klammerwirkung resultiere aus dem Bestreben, durch die Entklammerung prozessual unerwünschte Folgen zu vermeiden lo8 , ist daher nicht haltbar: In den bis BGH NJW 1952, 795 ergangenen Entscheidungen des BGH und des RG war nur in BGHSt. 1, 67 über eine prozessuale Frage, die Rechtshängigkeit, zu befinden. Die kriminal politisch wichtigen Rechtskraftwirkungen waren erstmals in BGHSt. 3, 165 und dann in drei späteren Entscheidungen zu bestimmen. Dabei wurde zweimal Strafklageverbrauch für eines der nicht abgeurteilten äußeren Delikte angenommen und zweimal abgelehnt l09 • Bei dieser Sachlage kann auch schwerlich unterstellt werden, OLG Köln, MDR 1964, 525; OLG Oldenburg, NJW 1965, 117. Siehe auch

RGSt. 68, 216. 99

Vgl. dazu soeben A V 2 f) aa) [1].

BGHSt. 1, 67; 3, 165; 6, 92, 191; 18, 66, 69; BGH, Bremen, JZ 1951, 20. Vgl. dazu auch die unter A Via) 100

VRS 17, 187; OLG besprochenen Ent-

scheidungen des Reichsgerichts. 101 BGHSt. 2, 246; BGH, VRS 21, 113, 118; BGHSt. 18, 26; BGH, MDR 1973, 556.

102

BGH, NJW 1975, 985.

oben Einleitung.

Vgl. auch OLG Karlsruhe, NJW 1977, 2222 und

103 BGHSt. 2, 246; BGH, NJW 1952, 795; VRS 87,49, 50; 17, 187, 191; 21, 113, 118; 21, 422, 424; 22, 121, 124; BGHSt., 18, 26; OLG Bremen, JZ 1951, 20; OLG Düsseldor!, VRS 3, 354; OLG Hamm, VRS 13, 215; OLG Oldenburg, VRS 26, 346; BayObLG, NJW 1963, 168; OLG Stuttgart, NJW 1964, 1913; OLG Oldenburg, NJW 1965, 117. 104 BGHSt. 1, 67. 105 BGHSt. 3, 165; 6, 92, 96; 23, 141, 148; BGH, MDR 1973, 556. 105 BayObLG, NJW 1957, 1485. 107 BGH, VRS 21, 341, 344; OLG Hamm, VRS 7, 135; OLG Köln, MDR 1964, 525. 108 GA 1968, 104 f. 109 Bejaht in BGHSt. 6, 92, 96 und MDR 1973, 556, verneint in BGHSt. 3, 165 und 23, 141, 149.

6 Werle

A. Die Problemstellung

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die Entklammerung sei entwickelt worden, um die Tragweite der Rechtskraftwirkungen einzuschränken und eine angemessene Bestrafung zu ermöglichen. Das schließt nicht aus, daß die Rechtsprechung im Zusammenhang mit Rechtskraftfragen der Möglichkeit einer Verklammerung selbständiger Delikte zu einer materiellrechtlich und damit auch prozessual einheitlichen Tat kritisch gegenübersteht; es wäre aber verfehlt, hierin die Wurzeln des Problems der Klammerwirkung zu erblicken. 3. Die Diskussion im Srhrifttum

Der Ausgangspunkt der Rechtsprechung, die teilweise Identität von Ausführungshandlungen sei wie Vollidentität zu behandeln, wird nahezu allgemein akzeptiert!. Der überwiegende Teil des Schrifttums hat auch die Lehre von der Klammerwirkung übernommen und hält das einschränkende Erfordernis der Wertgleichheit für sachgerecht2 • Maurach / Gössel etwa meinen, der Rechtsprechung sei es gelungen, eine "widersinnige Prämiierung einer nur durch besondere Arglist ermöglichten Verbrechenshäufung"3 zu vermeiden. Zwar wird teilweise eingeräumt, die Entklammerung führe wegen der doppelten Berücksichtigung der verbindenden Tat zu einem dogmatischen Fehler" doch nimmt man diesen als bloß "gedanklich unschöne Konsequenz"5 in Kauf. Allerdings haben sich in jüngerer Zeit die kritischen Stimmen gemehrt. Teilweise wird immanente Kritik geübt und die Lehre von der Klammerwirkung auf der Grundlage des überkommenen Konkurrenzmodells verworfen oder modifiziert (dazu a). Andere Autoren lehnen schon den "natürlichen" Handlungsbegriff der herrschenden Konkurrenzlehre ab. Für sie stellt sich das Problem der Klammerwirkung anders und in geringerem Umfang als der h. M. (dazu b). a) Alternative Lösungsvorschläge auf der Grundlage der herrschenden Konkurrenzlehre

aal Die Idealkonkurrenzlösung Die Rechtsprechung berücksichtigt im Falle einer Entklammerung die nur einmal begangene, "durchlaufende" Tat C mehrfach und verurteilt den Täter wegen realkonkurrierender Delikte A und B, jeweils in Nachweise vgl. oben A IV 1 Fn. 2. Vgl. etwa Dreher / Dröndle, Vor § 52 Rdn. 5; Geerds, Konkurrenz, S. 280 f.; Lackner, § 52 Anm. 2 b; Schönke / Schröder / Stree, § 52 Rdn. 14 ff.; Vogler, LK, § 52 Rdn. 27 ff. mit ausf. Nachw. 3 Vgl. Maurach / Gössel, AT 2, S. 325. , Vgl. Schöneborn, MDR 1974, 734. 5 So Geerds, Konkurrenz, S. 281, Fn. 210. 1

2

V. Die Klammerwirkung

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Idealkonkurrenz mit C. Diese mehrfache Bewertung der vermittelnden Straftat C wird vielfach als sachliche und konstruktive Inkonsequenz 6 kritisiert, die gegen das Schuldprinzip 7 verstoße. Diese Bedenken leuchten ein, wenn man den Strafzumessungsvorgang näher betrachtet. Bei der Strafbemessung kann eine idealkonkurrierende Tat, selbst wenn man sie als "Annex" betrachtet, nicht einfach übergangen werden. Erst wenn man sie berücksichtigt, ist das begangene Unrecht vollständig beschrieben8 • So können beispielsweise bei der Bestrafung einer fahrlässigen Tötung die mitursächliche Trunkenheit am Steuer sowie ein bei dem Unfall angerichteter Sachschaden straferschwerend berücksichtigt werden 9 • Die einschlägigen Entscheidungen sprechen zwar nicht von einer Pflicht zur Strafschärfung, sondern stellen nur fest, daß das idealkonkurrierende Delikt berücksichtigt werden "darf"lo oder "kann"l1. Das heißt aber nicht, daß die Strafschärfung im Belieben oder "freien" Ermessen des Richters steht l2 . Man ist sich heute darüber einig, daß der Strafrichter alle die Tatschuld kennzeichnenden Umstände berücksichtigen muß, weil er sonst keine schuld angemessene Strafe verhängen kann. Erst durch die Einbeziehung der im schwersten Delikt nicht enthaltenen Merkmale der idealkonkurrierenden Tat werden Unrecht und Schuld vollständig beschrieben. Da aber zu den Merkmalen des schwereren Delikts die in ihm nicht enthaltenen des leichteren hinzutreten, verstärkt dieses regelmäßig den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat l3 . Aus diesem Grunde wirkt sich die Begehung der idealkonkurrierenden Tat normalerweise straferschwerend aus. Wenn der BGH gelegentlich trotzdem nur von einer Möglichkeit straferschwerender Berücksichtigung idealkonkurrierender Gesetzesverletzungen spricht, betrifft das Sachverhalte, in denen nur der Angeklagte Revision eingelegt hatte und daher ausschließlich zu prüfen war, ob ein Rechtsfehler zu seinem Nachteil begangen wurde. Die Behauptung, die idealkonkurrierende Tat sei nur "Annex" des schwereren Delikts, der bei der Strafzumessung nicht ins Gewicht falle, ist also mit der Bedeutung des idealkonkurrierenden Gesetzes für die Strafhöhe nicht vereinbar. Da bei der Entklammerung die "durchlaufende" Tat zwei- oder sogar mehrfach in Ansatz kommt, muß das vom Ausgangspunkt der h. M. zu einer mehrVgl. Wahle, GA 1968, 106; Puppe, S. 201 f.; Eb. Schmidt, JZ 1951, 23. Vgl. Samson, SK, § 52 Rdn. 19. 8 Vgl. Bruns, S. 469 sowie oben A 111 4 a. 9 Vgl. BGH, VRS 21, 45, 46; 22, 121, 124; ferner BGHSt. 10, 259, 264; 1, 152, 155 sowie Bruns, S. 469. 10 BGH, VRS 22,121,124. 11 BGH, VRS 21,45 (Leitsatz). 12 Vgl. nur Bruns, S. 87 ff. 13 Vgl. Bruns, S. 468. 8

7

A. Die Problemstellung

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fachen schulderhöhenden Berücksichtigung dieser Tat führen. Ob und wie bei dieser Sachlage im Ergebnis eine Benachteiligung des Täters vermieden werden kann, hat die h. M. bisher nicht dargelegt 14 • Um einen Verstoß gegen das Schuldprinzip auszuschließen, lehnen einige Autoren eine Entklammerung prinzipiell ab und wollen in den betroffenen Fällen Idealkonkurrenz aller Delikte annehmen l5 • Die Bedenken der h. M., dadurch würden bestimmte Täter in ungerechter Weise begünstigt, sucht man mit verschiedenen Gegenargumenten zu entkräften. In diesem Zusammenhang kritisiert Wahle zu Recht, die untereinander selbständigen schwereren Delikte würden nicht, wie BGHSt. 1, 67, 70 annimmt, zu "unselbständigen Teilen" einer minder schweren Straftat 16 • Zwar liegt nach der Idealkonkurrenzlösung nur eine Tat vor, doch bildet nicht das leichtere verbindende Delikt, sondern die schwerste Gesetzesverletzung den Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit. Die Überlegung des BGH wäre nur zutreffend, wenn das verklammernde Delikt unabhängig von seiner Schwere für die Strafrahmenbildung maßgeblich wäre, weil dann den schwereren äußeren Delikten nicht Rechnung getragen werden könnte. Nach § 52 ist aber das schwerste Delikt für die Strafrahmenbildung heranzuziehen, so daß es insoweit gerade nicht als Teil der leichteren verklammernden Tat erscheint. Weitergehend bestreitet Wahle auch, daß der Täter durch die Anwendung des § 52 überhaupt einen praktisch relevanten Vorteil erlange, und bezeichnet die Argumentation der Rechtsprechung insoweit als "nicht stichhaltig". Die Praxis mache von der Möglichkeit der Strafrahmenerweiterung nach § 54 II17 höchst selten Gebrauch; jedenfalls sei bislang kein Fall aufgetreten, bei dem der strengste Strafrahmen und damit die nach § 52 maßgebliche Obergrenze hätte überschritten werden müssen18 • Dieser Einwand ändert nichts daran, daß die Annahme von Idealkonkurrenz den Täter zumindest insofern bessersteIlt, als die bei Realkonkurrenz mögliche Überschreitung der Höchststrafe des schwersten Delikts ausgeschlossen ist. Darüber hinaus werden alle Gesetzesverletzungen zu einer Tat im Sinne des Prozeßrechts verbunden l9 • Damit privilegiert die Idealkonkurrenzlösung den Täter, der zusätzlich Vgl. dazu die Erwägungen bei B III 3. Vgl. die in Fn. 6 und 7 genannten Autoren. Puppe, Eb. Schmidt und Wahle reduzieren aber durch ihren abweichenden Handlungsbegriff die Zahl der problematischen Konstellati-onen und "entschärfen" auf diese Weise ihre Idealkonkurrenzlösung. Vgl. dazu sogleich A V 3 b). 16 GA 1968, 104. 17 § 74 III a. F. 18 Wahle, GA 1968, 104 f. mit Nachw. 19 Zu diesen Konsequenzen der Idealkonkurrenz vgl. schon oben A III 4 b). 14

u;

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zu mehreren selbständigen Delikten ein leichteres begeht. Daß dieses Ergebnis ungerecht ist, läßt sich - jedenfalls auf der Grundlage der herrschenden Konkurrenzlehre - nicht bestreiten20 • Samson verkennt diese ungerechte Begünstigung bestimmter Täter nicht, befürwortet aber trotzdem die Idealkonkurrenzlösung. Er hält das Gerechtigkeitsargument der h. M. nicht für stichhaltig, weil der Täter auch dann einen unverdienten Vorteil erlange, wenn das verbindende Delikt C gegenüber den äußeren Delikten A und B schwerer wiege. Ohne Berücksichtigung von C sei nämlich im Verhältnis von A und B § 53 anzuwenden, so daß die Verklammerung auch hier den Täter begünstige 21 • Damit wird bestritten, daß die Wertgleichheit ein legitimes Diffenrenzierungskriterium für Ver- und Entklammerung ist. Diese Kritik leuchtet insofern ein, als auch die Begehung einer schwereren dritten Tat C dazu führt, im Verhältnis der beiden leichteren, "an sich" realkonkurrierender Taten A und B § 52 anzuwenden. Dadurch muß für die Normverstöße A und Beine Einheitsstrafe gebildet werden, obwohl "an sich" eine selbständige Strafe zu verhängen wäre. Dabei könnte jeweils der vorgesehene Strafrahmen ausgeschöpft werden, während bei einer Verklammerung A und B nur zusammen mit der Tat C bestraft werden können. Zu bedenken ist aber, daß im Falle einer Entklammerung nach den üblichen Regeln die Idealkonkurrenz von C mit A und B nicht ignoriert werden dürfte. Die Tat C würde daher jeweils in Idealkonkurrenz mit A und B stehen, müßte also verdoppelt werden. Da nach § 52 der Strafrahmen von C maßgeblich wäre, würde das im praktischen Ergebnis zu einer Realkonkurrenz der Tat C gewissermaßen mit sich selbst führen. Falls ein Täter neben den Gesetzesverletzungen A und B zusätzliche, voneinander unabhängige Taten D, E, F usw. beginge, die sich mit C überschneiden, müßte eine Anzahl dieser Delikte entsprechende Zahl von Strafen aus dem Strafrahmen des Delikts C gebildet werden. Jedes weitere, gegenüber C leichtere Delikt würde damit zu einer häufigeren Berücksichtigung der Tat C zwingen. Dieser Zwang ergibt sich zwar auch, wenn die durchlaufende Tat C gegenüber den übrigen Delikten leichter ist, doch muß dann jedenfalls der Strafrahmen von C nicht mehrfach herangezogen werden, und insofern besteht zwischen beiden Konstellationen ein erheblicher Unterschied. Das gleiche gilt, wenn die Tat C "mittelschwer" ist. Dann erleidet der Täter durch die Begehung der gegenüber C leichteren Tat B einen Nachteil, wenn das dazu führt, daß aus dem Strafrahmen von C eine Strafe auszuwerfen ist, während beim bloßen Zu20 Puppe, S. 215 f. kann nur aufgrund ihres abweichenden Ausgangspunkts eine Privilegierung des Täters in solchen Fällen verneinen. 21 Vgl. Samson, SK, § 52 Rdn. 19. Siehe auch Puppe, S. 201 f.; Wahle, GA 1968,106.

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sammentreffen mit Delikt A dessen Strafrahmen allein maßgeblich wäre 22 . Allerdings darf nicht außer acht gelassen werden, daß dem Täter bei jeder Entklammerung nicht lediglich ein Vorteil genommen wird, sondern immer auch ein Nachteil entsteht, der mit der Zahl der "äußeren" Delikte wächst. Werden beispielsweise neben der durchlaufenden Tat C die "äußeren" Delikte A, B, D, E und F begangen, ist C fünfmal als idealkonkurrierend zu berücksichtigen. Man hat daher auf der Grundlage der herrschenden Konkurrenzlehre immer nur die Wahl, dem Täter entweder einen unverdienten Vorteil zu gewähren oder einen unverdienten Nachteil zuzuführen. Die h. M. löst diesen Konflikt, indem sie sich jeweils für das in ihren Augen kleinere übel entscheidet. Wenn die "äußeren" Taten A und B schwerer sind als das verbindende Delikt C, wird entklammert, weil der Täter sonst einen zu großen Vorteil erlangen würde. Zugleich entsteht nur ein verhältnismäßig geringer Nachteil, weil C im Verhältnis zu A und B "Annex" ist. Wiegt umgekehrt C schwerer als A und B, wird Tateinheit angenommen, weil bei einer Entklammerung aus dem Strafrahmen von C zwei Strafen gebildet werden müßten. Andererseits reicht der Strafrahmen von C in der Regel aus, die Taten A und B angemessen zu bestrafen. Man kann die Ergebnisse dieser Abwägung für zweifelhaft oder unrichtig halten, sie beruhen aber immerhin auf nachvollziehbaren sachlichen Gründen. Es ist daher verfehlt, die Lehre von der Klammerwirkung als System "wenig folgerichtiger Regeln, Ausnahmen und Gegenausnahmen"23 zu bezeichnen und eine "einfachere" Lösung zu fordern. Im Ergebnis hat die Idealkonkurrenzlösung den Vorteil, eine Doppelberücksichtigung der durchlaufenden Tat C zu vermeiden und damit einen Verstoß gegen das Schuldprinzip mit Sicherheit auszuschließen. Der Preis dafür ist aber eine ungerechte Begünstigung aller Täter, die neben selbständigen Gesetzesverletzungen eine zusätzliche leichtere Straftat begehen. bb) Die Realkonkurrenzlösung Eine Einheitslösung im umgekehrten Sinne haben R. Schmitt24 , Schmidhäuser25 und Stratenwerth26 vorgeschlagen. Sie wollen weitergehend als die h. M. das Prinzip der Verklammerung überhaupt aufgeben, u. a. weil die h. M. wegen der praktischen Häufigkeit der Ent22

Z3 24 25 28

Dazu oben A V 2 cl. So aber WahZe, GA 1968, 108. ZStW 75 (1963), 48. AT,18/41. AT, Rdn. 1244.

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klammerung ohnehin das Verhältnis von Regel und Ausnahme verkehrt habe 27 • Das Zusammentreffen zweier selbständiger Straftaten A und B mit einer dritten Tat C soll danach zur Realkonkurrenz zwischen allen drei Gesetzesverletzungen führen, d. h. für die Handlungen A, B und C wird jeweils eine Einzelstrafe festgesetzt und daraus eine Gesamtstrafe gebildet. Diese Konstruktion widerspricht den allgemeinen Voraussetzungen der Idealkonkurrenz. Nach der ganz h. M., die insoweit auch von den Befürwortern der Realkonkurrenzlösung anerkannt wird 28 , ist beim teiIidentischen Zusammentreffen zweier Taten Idealkonkurrenz anzunehmen. Dieses Konkurrenzverhältnis soll nach der hier wiedergegebenen Auffassung beseitigt werden, sobald eine dritte Tat hinzukommt, die nur mit einem der beiden idealkonkurrierenden Delikte handlungsidentisch ist. Anders ausgedrückt soll, obwohl zwischen ·jedem der äußeren Delikte A und B einerseits sowie C andererseits Idealkonkurrenz besteht, im Ergebnis zwischen A, Bund C Realkonkurrenz vorliegen. Begeht der Täter neben dem gestreckten Delikt nur ein einziges teiIidentisches, erhält er eine Strafe, tritt aber noch eine dritte Straftat hinzu, soll er plötzlich mit drei Einzelstrafen belegt werden. Für zwei Gesetzesverletzungen gibt es also eine, für drei Gesetzesverletzungen drei Strafen; Tateinheit wird zur Tatmehrheit, wenn der Täter zusätzlich zu zwei idealkonkurrierenden Delikten gegen ein drittes Strafgesetz verstößt. Für diesen merkwürdigen "Umschlag" von Idealin Realkonkurrenz gibt es keine sachliche Erklärung. Daher ist die Realkonkurrenzlösung dogmatisch fehlerhaft 29 • Sie ist konstruktiv nur denkbar, wenn man schon die TeiIidentität als hinreichende Bedingung der Idealkonkurrenz ablehnt30 • Allerdings ist die Realkonkurrenzlösung damit noch nicht widerlegt. Auch die h. M. muß ja einen dogmatischen Fehler begehen und bei einer Entklammerung die durchlaufende Tat "verdoppeln", um bestimmte Täter nicht ungerecht zu begünstigen. - Für die Anwendung des § 53 auf alle Taten spricht immerhin, daß der Täter durch die Begehung einer zusätzlichen Gesetzesverletzung keinen Vorteil erlangen kann. So versteht R. Schmitt seine Lösung als "Ausnahme" vom Satz über die Teilidentität und meint, wenn es möglich sei, aus mehreren 27 So insbesondere Stratenwerth, AT, Rdn. 1244. Vgl. auch R. Schmitt, ZStW 75 (1963),48. 28 Vgl. Schmidhäuser, AT, 18/40 f.; R. Schmitt, ZStW 75 (1963), 48; Stratenwerth, AT, Rdn. 1239 ff. und 1244. 29 Schmidhäuser und Stratenwerth scheinen hier keine Probleme zu sehen. Sie handeln Teilidentität und Klammerwirkung getrennt ab, ohne einen möglichen sachlichen Zusammenhang auch nur anzudeuten. 30 Vgl. dazu A V 3 b), ferner C III 2.

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tatsächlichen Handlungen durch tatbestandliche Zusammenfassung eine Handlungseinheit zu bilden, müsse es auch umgekehrt erlaubt sein, "aus zwingenden Gründen der Gerechtigkeit und der Kriminalpolitik" eine Handlungseinheit zu "sprengen" und Handlungsmehrheit anzunehmen 31 . Schwerwiegende Bedenken gegen die Realkonkurrenzlösung erwachsen aber aus der doppelten strafrechtlichen Bewertung des Täterverhaltens. Zwar wird eine mehrfache Berücksichtigung der durchlaufenden Tat vermieden, doch bilden einzelne natürliche Handlungen oder ganze Verhaltensabschnitte die Anknüpfungspunkte für verschiedene Einzelstrafen. Die sowohl für die Gesetzesverletzungen A und B auf der einen und C auf der anderen Seite relevanten Akte fallen einmal bei der Strafbemessung für die "äußeren" Delikte ins Gewicht. Zugleich sind sie in die gestreckte Tat C einbezogen und - allein oder zusammen mit anderen Handlungen - nochmals strafrechtlich zu würdigen. Falls der "überhang" nichtidentischen Verhaltens gering ist, kann das dazu führen, daß die von den äußeren Tatbeständen A und B erfaßten Handlungen auch den wesentlichen Teil der nach dem durchlaufenden Delikt etatbestandsrelevanten Betätigung ausmachen: In den Raubmordfällen beispielsweise müßten für die Tötungsdelikte und den Raub drei Einzelstrafen festgesetzt werden, obwohl die Wegnahmehandlung durch die Gewaltanwendung charakterisiert ist und diese schon nach den §§ 211 ff. bestraft werden. Dadurch besteht eine ganz erhebliche Gefahr, daß der Täter zu hoch bestraft wird. Eine schuldangemessene Strafe könnte der Richter nur verhängen, wenn er den bei der Bildung der Einzelstrafen entstehenden Nachteil durch eine niedrigere Gesamtstrafe ausgleicht 32 • Im Ergebnis verhindert damit die Realkonkurrenzlösung, daß selbständige Straftaten durch ein zusätzliches Delikt verklammert werden. Einen unverdienten Vorteil erlangt der Täter auf dieser Grundlage nicht. Andererseits stößt die Realkonkurrenzlösung auf Bedenken, weil - im Widerspruch zum herkömmlichen Verständnis des § 52 - der Täter für bestimmte natürliche Handlungen mehrfach bestraft wird. cc) Das Vorrangsprinzip Struensee33 und ähnlich Miehe3 ' entnehmen § 52 ein "Vorrangsprinzip"35. Nach ihrer Auffassung ist bei der Beurteilung der Konkurrenzen von dem schwersten der verletzten Gesetze auszugehen. Entscheidend 31 32

33 34 35

Vgl. ZStW 75 (1963),48. Vgl. dazu C 111. Konkurrenz, S. 26 ff. GA 1968, 277 f.

So die Bezeichnung Puppes, S. 202.

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ist danach nicht die überschneidung von Handlungen allein, sondern "die Identität der Ausführung mit dem. verletzten schwersten Gesetz". Nur mit Hilfe eines solchen Vorrangsprinzips läßt sich nach Struensee eine doppelte Berücksichtigung der durchlaufenden Tat C vermeiden, indem C entweder selbst die "Führungsrolle übernimmt"36 oder einer der anderen Taten zugeschlagen wird. Struensee kommt auf dieser Grundlage wie die h. M. nur dann zu einer Klammerwirkung, wenn C das schwerste Delikt ist: Ausgehend von C ergibt sich eine teilweise überschneidung sowohl mit A als auch mit B,so daß C mit diesen Delikten in Idealkonkurrenz steht. Die beiden anderen von der .Rechtsprechung behandelten Konstellationen der Klammerwirkung - eist mittelschwer oder leichter als A und B - sind nach Struensee gesetzlich nicht geregelt. Enthält A den schwersten Verstoß, ist mit C eine Strafrahmenkombination zu bilden, während man zu B keinen unmittelbaren Zugang hat. Damit kommt nur eine analoge Anwendung des § 52 in Betracht, die Struensee bejaht, wenn emittelschwer ist. Dann soll nämlich nach § 52 B schon von e zur Strafrahmenbildung herangezogen werden und A einen bereits kombinierten Strafrahmen Bund e erfassen. Ist e die leichteste Tat, stehen A und B im "Wettstreit" um e. Auch hier kann man nach dem Vorrangsprinzip § 52 nur sinngemäß anwenden und dem schwersten Delikt die Tat e zuordnen. Für den Fall, daß die beiden äußeren Delikte gleich schwer sind, kann Struensee keine Kriterien anbieten, welche die Zuordnung der durchlaufenden Tat zu einem der übrigen Delikte ermöglichen. Für Struensee bedeuten damit die Fälle der Entklammerung im Gegensatz zur h. M. keine Ausnahme von der Regelung des § 52, weil sich für ihn schon gar keine "Verklammerung" ergibt. Indem Struensee aus § 52 ein Vorrangsprinzip herausliest, ist für ihn die Annahme von Idealkonkurrenz nur zwingend, wenn die durchlaufende Tat e die schwerste ist; alle anderen Konstellationen können allein durch analoge Anwendung des § 52 bewältigt werden37 . Struensees "Vorrangsprinzip" scheint geeignet, die im Hinblick auf das Schuldprinzip bestehenden Bedenken gegen die Ergebnisse der h. M. auszuräumen. In den Fällen der Entklammerung vermeidet sein Lösungsvorschlag eine doppelte Berücksichtigung der Tat e als ganzes und verkleinert den mit jeder Entklammerung für den Täter verbundenen Nachteil. Trotzdem hat Puppe das Vorrangsprinzip als nicht fundiert bezeichnet. Einmal könne Struensee nicht erklären, welche Beziehung zwischen dem leichteren und dem schwereren äußeren Delikt Struensee, Konkurrenz, S. 28. 37 Vgl. zum ganzen Struensee, Konkurrenz, S. 26 ff.

SI

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bestehe, wenn die verbindende Tat mittelschwer sei; zum anderen gebe es keine Kriterien, die eine Zuordnung zu einem der bei den äußeren Delikte erlaubten, wenn C die leichteste Gesetzesverletzung sei38 • Der erste Einwand Puppes geht fehl, denn falls man das von Struensee postulierte Vorrangsprinzip akzeptiert, ist die angebotene Lösung für "mitteschwere" verklammernde Taten konsequent, weil es auf die Beziehung zwischen A und B gerade nicht ankommt. Das zweite Argument schlägt gleichfalls nicht durch, solange das Vorrangsprinzip als salches nicht widerlegt wird: Falls man bei der Ermittlung der Konkurrenzen überhaupt vom schwersten der verletzten Gesetze ausgeht, ist es sachgerecht, die "durchlaufende" Tat auch diesem Tatbestand als idealkonkurrierend zuzuordnen. Puppes Vorwurf trifft daher nur den Fall, daß beide äußeren Delikte gleich schwer sind. Zu Recht rügt Puppe allerdings, das Vorrangsprinzip habe im Gesetz keine Grundlage 39 • Struensee begnügt sich mit dem Hinweis, man könne § 52 I S.l im Sinne eines Vorrangsprinzips deuten, eine dogmatische Ableitung leistet er nicht. § 52 kann ein derartiges Prinzip auch nicht mittelbar entnommen werden, denn Voraussetzung der Idealkonkurrenz ist nach dem Gesetzeswortlaut allein die Gesetzesverletzung durch ein und dieselbe Handlung, deren Rechtsfolge die Strafrahmenkombination ist. Auch § 5211 S.l statuiert keine "Vorherrschaft" des strengsten Gesetzes, sondern regelt lediglich die Strafrahmenbildung, die sich selbstverständlich nicht an der Obergrenze des milderen Delikts orientieren kann. Das "Vorrangsprinzip" kann man daher nur vom Ergebnis her rechtfertigen. Es dient offenbar dazu, die Problematik der Klammerwirkung sachgerechter zu lösen als die h. M. und ihre Widersprüche zu verringern. Dieses Anliegen ist legitim, da die dogmatisch falsche Doppelberücksichtigung der Tat C gegen eine Lösung im Sinne der h. M. spricht. Die nur einfache Berücksichtigung der Tat C bedeutet auch nicht einen bloßen "Tenorierungstrick" 40, sondern eine wesentliche Entschärfung der Entklammerungslösung, da C bei der Strafzumessung nur einmal zu Buche schlägt. Falls man vom Ausgangspunkt der herrschenden Konkurrenzlehre argumentiert, ist Struensees Verfahren - unabhängig von der Richtigkeit des Vorrangsprinzips - eine diskutable Modifikation der Entklammerungslösung: Wenn dem Täter durch die Entklammerung schon ein Nachteil zugefügt werden muß, ist dieser möglichst gering zu halten. Struensees Prinzip des "kleineren übels" räumt allerdings nicht alle Bedenken im Hinblick auf eine doppelte Berücksichtigung der durch38

39 40

Vgl. Puppe, S. 202 f. Vgl. Puppe, S. 202. So aber Wahle, GA 1968, 107.

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laufenden Tat C aus. Derjenige Verhaltensabschnitt, der sowohl den Tatbestand des Delikts C wie des "isolierten" leichteren äußeren Delikts B erfüllt, muß auch nach Struensees Vorschlag zweimal gewürdigt werden. Dieser Handlungsausschnitt ist nämlich einmal Gegenstand der Strafzumessung für die idealkonkurrierenden Taten A und C, gleichzeitig ist er aber auch für das Delikt B relevant. Während man ansonsten bei teilweiser Identität der Ausführungshandlungen Idealkonkurrenz annimmt und dadurch eine solche Doppelberücksichtigung verhindert, wird sie hier unausweichlich. Insofern erleidet der Täter durch die zur Entklammerung führende Begehung der Tat A im Hinblick auf B und die mittlere Tat C auch hier einen Nachteil. Dieser ist allerdings geringer als bei der Entklammerungs- und Realkonkurrenzlösung, da Struensee nur einen Handlungsabschnitt verdoppeln muß, für den zudem keine Einzelstrafe verhängt wird. Struensee gelangt also wie die h. M. bei fehlender Wertgleichheit zu einer Entklammerung, kann allerdings das Vorrangsprinzip nicht aus dem Gesetz ableiten. Auf der Grundlage seiner Lösung entsteht dem Täter ein geringerer Nachteil als bei einer mehrfachen Berücksichtigung der verbindenden Tat, doch müssen auch nach dem Vorrangsprinzip eine oder mehrere "natürliche" Handlungen strafrechtlich mehrfach gewürdigt werden. dd) Vorläufiges Ergebnis Keine der bisher vorgeschlagenen Lösungen des Problems der Klammerwirkung ist fehlerfrei und in jeder Hinsicht überzeugend: Wendet man § 52 auf alle Taten an, werden untereinander selbständige Gesetzesverletzungen dadurch zur Tateinheit verbunden, daß der Täter eine zusätzliche Straftat begangen hat. Jede andere Lösung, die darauf abzielt, dem Täter keinen solchen unverdienten Vorteil zu verschaffen, ist - jedenfalls im Hinblick auf die allgemeinen Voraussetzungen der herrschenden Konkurrenzlehre - ebenfalls bedenklich: Die h. M. muß bei der Entklammerung die durchlaufende Tat mehrfach als idealkonkurrierend berücksichtigen. Struensee verkleinert zwar diesen Nachteil, doch werden auch nach dem "Vorrangsprinzip" im Widerspruch zu § 52 einzelne Handlungen oder Handlungsabschnitte strafrechtlich mehrfach bewertet. Schließlich führt die Realkonkurrenzlösung zu dem fehlerhaften Ergebnis, trotz teil weiser Handlungsidentität Realkonkurrenz anzunehmen. Die Entscheidung für einen der referierten Ansätze hängt davon ab, welches Gewicht der Vorteil der Anwendung des § 52 einerseits und die skizzierten Nachteile der Entklammerung andererseits haben. Die Klärung dieser Frage erfordert eine Untersuchung der teleologischen Prinzipien, die § 52 zugrunde liegen. Gegen die verschiedenen Varianten der Entklammerung spricht namentlich die Doppel-

A. Die .Problemstellung

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berücksichtigung einzelner Handlungen oder Handlungsabschnitte, die in der einen oder anderen Form immer unumgänglich ist. Dabei ist zweifelhaft, warum § 52 anordnet, für die Verletzung mehrerer Strafgesetze durch ein und dieselbe Handlung nur eine Strafe zu verhängen. Handelt es sich beispielsweise um ein formales Prinzip, das die Strafzumessung ordnen soll, kann es gestattet sein, aus Gerechtigkeitsgründen eine Verklammerung aufzubrechen. Falls umgekehrt § 52 aus inhaltlichen Gründen - etwa mit Rücksicht auf das Schuldprinzip ein ausnahmsloses Verbot statuiert, "natürliche" Handlungen mehrfach strafrechtlich zu bewerten, müssen alle Einklammerungslösungen verworfen werden. Diese Möglichkeiten seien hier nur angedeutet, um zu zeigen, daß das Problem der Klammerwirkung auch auf dem Boden des überkommenen Konkurrenzmodells nur zu lösen ist, wenn seine immanenten teleologischen Prinzipien aufgedeckt werden. Dieser Aufgabe haben sich die bisherigen Lösungsansätze nicht gestellt. Sie versuchen zwar, das "kleinste Übel" zu wählen, das sie aber nicht bestimmen können, weil ein teleologischer Maßstab fehlt. b) Neuinterpretationen des Handlungsbegriffs und ihre Konsequenzen für die Klammerwirkung

Eb. Schmidt41 , Wahle 42 und neuerdings Puppe43 setzen zur Problemlösung nicht erst bei der Frage der Verklammerung an, sondern wenden sich von unterschiedlichen Ausgangspunkten schon gegen die Annahme der h. M., die Teilidentität von Ausführungshandlungen sei eine hinreichende Bedingung der Idealkonkurrenz. Während Wahle zusätzliche Kriterien formuliert, bestimmen Eb. Schmidt und Puppe schon den Handlungsbegriff selbst unabhängig von der Identität natürlicher Handlungen. Eine dogmatisch widerspruchsfreie und gerechte Lösung des Problems der Klammerwirkung suchen alle Autoren zu erreichen, indem sie einerseits eine Doppelberücksichtigung der durchlaufenden Tat ablehnen und eine Idealkonkurrenz befürworten. Andererseits wird durch eine engere Interpretation des Handlungsbegriffs und - bei Puppe und Wahle - durch die Kombination mit der schon angesprochenen "Zerlegungsmethode"44 die Zahl dieser Fälle erheblich reduziert. aal Eb. Schmidts "Vorjuristische soziale Sinnerfassung" Eb. Schmidt will die Abgrenzung der Konkurrenzformen nicht an den Handlungen im natürlichen Sinne, sondern an "Gesichtspunkten vor41 JZ 1951, 21 ff., Anm. zu OLG Bremen, JZ 1951 20 f. Vgl. den gleichgelagerten Sachverhalt in RG HRR 1939 Nr. 535. 42 GA 1968, 97 ff.

43 U

S. 185 ff.

Vgl. dazu A V 2 b),

f)

aal.

V. Die Klammerwirkung

93

juristischer sozialer Sinnerfassung"45 orientieren. Entscheidend soll danach nicht die Zahl "raumzeitlicher Körperbewegungen" , sondern die der identifizierbaren "sozialen Sinneinheiten" sein. Er wendet sich gegen einen "naturalistischen, immer noch von den Körperbewegungen ausgehenden Handlungsbegriff" und will die Gedanken der sozialen Handlungslehre auch für die Bestimmung der Konkurrenzen fruchtbar machen46 • Seine Position sei zunächst an dem Raubmordfall des Reichsgerichts verdeutlicht, in dem der Täter zur Begehung eines Raubes zwei Menschen tötete47 • Hier sieht Eb. Schmidt in der Gewaltanwendung zwei verschiedene, aber gleichzeitig sich verwirklichende soziale Sinneinheiten. In der Raubhandlung interessiere Gewalt ausschließlich "als Wegnahmemittel im Sinne von Widerstandsausschaltung" , in den Tötungshandlungen ausschließlich als Lebensvernichtung. Damit hätten dieselben Körperbewegungen "trennbare Funktionen im sozialen Zusammenleben", und aus diesem Grunde sei zwischen dem Raub und den Tötungen Realkonkurrenz anzunehmen. Ist hingegen derselbe soziale Sinngehalt nach mehreren Tatbeständen zu würdigen, soll Idealkonkurrenz zwischen allen Taten unabhängig von ihrem Schweregrad vorliegen. Als Beispiel wird der Fall genannt, daß verschiedene Teilakte einer fortgesetzten unbefugten Führung eines Titels als Täuschungsmittel für zwei mit schwerer Strafe bedrohte Betrugstaten dienen, die untereinander selbständig sind. Das Auftreten unter falschem Titel qualifiziert Eb. Schmidt als eine selbständige soziale Sinneinheit, da das Vorgehen des Täters auf Täuschung und Irreführung angelegt sei. Diese Sinneinheit könne nicht aufgelöst werden, und aus diesem Grunde sei Idealkonkurrenz aller Taten gegeben48 • Da Eb. Schmidt die fortgesetzte Tat - und wohl alle Fälle der tatbestandlichen Handlungseinheit 49 - als vorrechtliche Sinneinheiten ansieht 50 , reduziert seine Lösung zwar die Anzahl der potentiellen Verklammerungsfälle, läuft aber im Ergebnis auf eine Erweiterung des Anwendungsbereiches der Klammerwirkung hinaus, da er eine Entklammerung ausschließt 51 . bb) Wahl es "Natürliche Betrachtungsweise" Wahle bestimmt die Handlung im Sinne des § 52 auch bei der Verletzung verschiedener Strafgesetze ausschließlich mit Hilfe einer "na45 46 47 48

JZ 1951, 23. JZ 1951,22 f.

Dazu A VIa) aal.

JZ 1951, 22.

49 Diese Annahme legen die Ausführungen in SJZ 1950, 290 f. nahe. 50 JZ 1951,21; ausführlich in SJZ 1950,286 ff. 51 JZ 1951, 23.

A. Die Problemstellung

94

türlichen Betrachtungsweise"52. Von diesem Ausgangspunkt liege zwar auch in Fällen der teil weisen Handlungsidentität regelmäßig Handlungseinheit vor, doch sei das nicht zwingend und daher in Ausnahmefällen die Anwendung des § 52 auszuschließen und Tatmehrheit anzunehmen. Überschneiden sich aber auch bei "natürlicher Betrachtungsweise" die Ausführungshandlungen verschiedener Delikte, soll Idealkonkurrenz vorliegen53 • Dieses Ergebnis wird mit dem Satz begründet: "Sind zwei Größen einer dritten gleich, so sind sie untereinander gleich54 ." Seine Position exemplifiziert auch Wahle an den Raubmordfällen. Die Tötung erfülle zwar als Gewaltanwendung § 249, hinsichtlich der Eigentumsverletzung berührten sich Raub und Mord aber nicht. Bei dieser Sachlage komme es darauf an, daß § 249 aus den §§ 240 und 242 zusammengesetzt sei. Da ohne den zweiaktigen Tatbestand Handlungseinheit nur zwischen den §§ 240, 211, 212 vorläge, könne nichts anderes gelten, wenn der Gesetzgeber Nötigung und Diebstahl zu einem Delikt zusammengezogen habe. Der Schwerpunkt des Unrechts nach § 249 liege bei der Eigentumsverletzung, so daß bei "natürlicher Betrachtungsweise" der Raub gegenüber dem Mord selbständig sei55 . Obwohl Wahle sich im Unterschied zu Eb. Schmidt nicht auf die soziale Handlungslehre beruft, dürften sich beide Ansätze in der inhaltlichen Argumentation decken. Die "natürliche Betrachtungsweise" Wahles orientiert sich nämlich gleichfalls nicht an Handlungen in einem natürlichen Sinne, sondern postuliert wie Eb. Schmidt die Möglichkeit einer vor rechtlichen sozialen Sinnerfassung und sucht mit Hilfe einer dem Recht vorgegebenen wertenden, nicht "naturalistischen", Betrachtung, die Handlung im Sinne des § 52 zu konstituieren. In Verbindung mit einer Zerlegung der Fortsetzungstat56 erreicht Wahle aber eine weitergehende Einschränkung der Verklammerungsfälle als Eb. Schmidt. Er benötigt die natürliche Betrachtungsweise lediglich für die dann verbleibenden Fallgruppen. ce) Puppes Lehre von der Unrechtsverwandtschaft

Puppe hat in ihrer rechtstheoretischen Arbeit über "Idealkonkurrenz und Einzelverbrechen" die Konkurrenzlehre der h. M. analysiert und ihren Ausgangspunkt verworfen. Dabei haben sich auch wesentliche Konsequenzen für die Frage der Klammerwirkung ergeben: Mit der 52 53 54

55

58

Vgl. dazu B I. GA 1968, 107 ff. GA 1968, 107. Vgl. dazu schon A IV 1 Fn. 4. Wahle, GA 1968, 109 ff. Vgl. dazu A V 2 b) und C 111.

V. Die Klammerwirkung

95

"Zerlegungsmethode" beseitigt Puppe die Schwierigkeiten hinsichtlich iterativer zeitlich gestreckter Delikte. Allerdings kann Puppe mit dieser Methode das Problem der Klammerwirkung nicht vollständig ausräumen. Als problematischer Bereich bleibt das Zusammentreffen eines zeitlich gestreckten Erfolgsdelikts mit untereinander selbständigen äußeren Taten57 • Insoweit ist Pup pes von der ganz h. M. abweichende Interpretation des Handlungsbegriffs relevant. Auch Puppe wendet sich gegen die "naturalistische" Konzeption der h. M. und hält die vollständige oder teilweise überschneidung der Ausführungshandlungen mehrerer Delikte weder für eine hinreichende noch überhaupt eine notwendige Bedingung der Idealkonkurrenz. Sie will andererseits aber nicht auf eine vorrechtliche soziale Betrachtung zurückgreifen, wie Wahle und Eb. Schmidt, sondern anhand tatbestandsabhängiger Wertungen den Begriff der Handlung bestimmen. Auf dieser Grundlage glaubt Puppe, das Problem der Klammerwirkung angemessen lösen zu können58 • 4. Zusammenfassung

Die Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur hat gezeigt, daß das Problem der Klammerwirkung losgelöst von den Grundlagen der Konkurrenzlehre nicht bewältigt werden kann. Die "Zerlegungsmethode", mit der eine Verklammerung vermieden werden kann, betrifft eine allgemeine Fragestellung der Konkurrenzlehre. Ob zeitlich gestreckte Delikte durch hinzutretende Gesetzesverletzungen zerlegt werden, hängt davon ab, nach welchen Kriterien die tatbestandlichen Handlungszusammenfassungen und die fortgesetzte Tat gebildet werden. Für die unter 3 b referierten Konkurrenzmodelle stellt sich das Problem der Klammerwirkung in geringerem Umfang und unter anderen Vorzeichen als der h. M. Schließlich erfordert auch jede Lösung auf dem Boden der herrschenden Konkurrenzlehre eine Aufdeckung ihrer immanenten teleologischen Prinzipien, die bislang jedenfalls in dem hier wesentlichen Sachzusammenhang - nicht geleistet wurde. Deshalb wollen wir uns im folgenden Kapitel den Grundlagen der Konkurrenzlehre zuwenden, um dann auf breiterer Basis die bisher referierten Lösungsansätze zu bewerten.

57 Vgl. zur Zerlegungsmethode oben A V 2 f) aal und A V 2 b) sowie eingehend Teil C. 58 Zu Puppes Konkurrenzmodell vgl. im einzelnen B 11 5.

B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre Die iterative Tatbestandsverwirklichung ist dadurch charakterisiert, daß mehrere Einzelakte dasselbe Strafgesetz begrifflich mehrfach verletzen. Das Konkurrenzproblem besteht in der Entscheidung, ob diese Akte als einfache Gesetzesverletzung oder rechtlich selbständige Taten anzusehen sind. Handelt es sich um eine Einzelstraftat, ist für das Gesamtgeschehen eine einzige Strafe zu verhängen, andernfalls muß nach § 53 eine Gesamtstrafe gebildet werden. Die Anwendung des § 52 kommt bei dieser Sachlage nicht in Betracht; Idealkonkurrenz setzt die Verletzung mehrerer Strafgesetze oder die mehrfache Verletzung desselben Strafgesetzes durch ein und dieselbe Handlung voraus. Im Gegensatz zur iterativen Tatbestandsverwirklichung erfolgen dabei die Gesetzesverletzungen nicht nacheinander, sondern "simultan"1. Betrachtet man das tatbestandsrelevante Täterverhalten im "Längsschnitt", so finden sich bei der iterativen Deliktsbegehung einzelne aufeinanderfolgende Akte, bei der simultanen Gesetzesverletzung eine Deliktshäufung in demselben Geschehensabschnitt. Bei der simultanen Gesetzesverletzung stellt sich daher die Frage, ob schon die Tatsache des mehrfachen Gesetzesverstoßes durch denselben Realakt Idealkonkurrenz begründet oder ob die Bildung mehrerer Einzelstrafen für dasselbe Geschehen erlaubt ist. Bei der iterativen Deliktsbegehung spielt dieser Gesichtspunkt keine Rolle. Hier haben wir es mit einer Reihe natürlicher Handlungen zu tun, über deren Einheit oder Mehrheit wir befinden müssen. Es geht also nicht um die doppelte Verwertung einzelner Akte, sondern nur darum, ob aus den tatbestandserfüllenden Einzelhandlungen eine oder mehrere Straftaten zu bilden sind. Die Gegenüberstellung von wiederholender Tatbestandsverwirklichung und "simultaner" Gesetzesverletzung hat allerdings nur Modellcharakter. Für zeitlich gestreckte Delikte ist nämlich gerade die überlagerung beider Problemstellungen typisch. Häufig besteht ein zeitlich gestrecktes Delikt aus mehreren tatbestandserfüllenden Einzelakten, von denen einzelne zugleich gegen weitere Strafgesetze vorstoßen. Die folgende Analyse unterscheidet aber beide Problemkreise, um die jeweils maßgeblichen Konkurrenzregeln erarbeiten zu können.

1

So Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, 5. 93.

I. Einfache Tatbestandsverwirklichung und Realkonkurrenz

97

I. Einfache Tatbestandsverwirklichung und Realkonkurrenz bei wiederholender Tatbestandsverwirklichung Die Bildung von Unrechtseinheiten ist keine Frage bloßer Zweckmäßigkeit, weil sie für den Täter erhebliche Konsequenzen hat. Bei der einfachen Gesetzesverletzung kann anders als bei Realkonkurrenz die Strafrahmenobergrenze des anzuwendenden Strafgesetzes nicht überschritten werden, und die Annahme einer auch im prozessualen Sinne einheitlichen Tat ist nach h. M. zwingend, während sie bei Realkonkurrenz nur möglich ist. Das Kriterium dafür, Handlungen im natürlichen Sinne als Handlungseinheit oder Handlungsmehrheit im Rechtssinne zu qualifizieren, sieht die Rechtsprechung in einer "natürlichen Betrachtungsweise". Sie nimmt daher an, die Einheit des Täterverhaltens, das wir strafrechtlich beurteilen müssen, sei dem Recht vorgegeben (dazu 1). Nach diesem Ansatz ist ein außerstrafrechtliches Phänomen Anknüpfungspunkt für das konkurrenzrechtliche Abgrenzungsproblem. Dem Rechtsanwender werden keine juristischen überlegungen abverlangt, sondern die Erkenntnis eines dem Recht vorgegebenen Sachverhalts. Die Gegenposition dazu läßt sich unter der Prämisse entwickeln, daß wir die Einheit des Täterverhaltens nicht vorfinden, sondern erst konstituieren müssen, weil es von der Wahl des Gesichtspunktes abhängt, ob "über dasselbe Geschehnis, mag es in der Außenwelt oder des Menschen Inneren verlaufen sein, das Urteil gefällt ... [wird], es stelle eine Einheit dar oder enthalte eine Mehrheit von Vorgängen" 1. Dann ist nämlich die Verbindlichkeit einer "natürlichen" Betrachtungsweise keineswegs selbstverständlich und die These naheliegend, der Gegenstand strafrechtlicher Beurteilung müsse anhand spezifisch rechtlicher, aus dem einschlägigen Tatbestand entwickelter Kriterien konstituiert werden (dazu 2). 1. Die natürliche Handlungseinheit

Die vom RG entwickelte Figur der sog. natürlichen Handlungseinheit hat der BGH übernommen und präzisiert1 • Nach der grundlegenden Entscheidung in RGSt. 58, 113, 116 soll die "Auffassung des Lebens" den Ausschlag dafür geben, ob sich das "gesamte Tätigwerden an sich (objektiv) auch für einen Dritten als einheitliches zusammengehöriges Tun bei natürlicher Betrachtungsweise erkennbar macht". Eine solche natürliche Handlungseinheit wird indes nicht nur in Fällen wiederholender Tatbestandsverwirklichung, sondern auch bei der Verletzung mehrerer Strafgesetze durch zeitlich aufeinanderfolgende Handlungen So Binding, HdB, S. 520. Zur Entwicklung der Rechtspr. vgl. Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 13 ff., 41 ff. Weit. Nachw. bei Puppe, S. 255. 1 1

7 Werle

B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

98

gebildet 2 • In dieser Bedeutung wird die natürliche Handlungseinheit zunehmend als unzulässige Erweiterung der "Formel" des RG kritisiert3 , wonach die teilweise Überschneidung von Ausführungshandlungen Idealkonkurrenz begründet3 • Im· vorliegenden Zusammenhang interessiert diese problematische Ausweitung der "natürlichen Handlungseinheit" zunächst nicht4 , sondern lediglich ihre Tragfähigkeit als Einheitskriterium bei wiederholender Tatbestandsverwirklichung. Nach einer neueren Definition des BGH soll eine natürliche Handlungseinheit nur vorliegen, "wenn zwischen einer Mehrheit gleichgearteter, zeitlich und räumlich dicht beieinander liegender, strafrechtlich erheblicher Betätigungen, die aus einem einheitlichen Willensentschluß entspringen, ein derart unmittelbarer Zusammenhang besteht, daß sich das gesamte Handeln des Täters für einen Dritten bei unbefangener Betrachtung als ein einheitliches Tun darstellt"5. Hatte das RG ursprünglich nur die objektive, zeitlich-räumliche Komponente der natürlichen Handlungseinheit betont6 , nennt der BGH daneben zwei weitere Faktoren: das subjektive Element des Willensentschlusses (nicht: Tatentschlusses)1 sowie das Merkmal der "Gleichartigkeit". Während die "Gleichartigkeit" zunächst bei der Verletzung verschiedener Strafgesetze problematisiert wurde 8 , ist sie nach heutiger Rechtsprechung auch in Fällen der wiederholenden Tatbestandsverwirklichung ein Kriterium von eigenständiger Bedeutung9 • Zusammenspiel und Stellenwert der einzelnen Kriterien werden in der Rechtsprechung nirgends näher präzisiert. In der Literatur werden 2 überwiegend verwendet die Rechtspr. die Konstruktion der natürlichen Handlungseinheit für die Bestimmung einer Tatbestandsverwirklichung, vgl. die Gegenüberstellung bei Puppe, S. 255; ferner die Nachw. bei Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 9 ff. und 12. 3 Vgl. RGSt. 32, 137, 139 und die Kritik an der Ausweitung der "Formel" bei Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 60 ff., 93 ff. und NJW 1978, 301 ff.; Geerds, Konkurrenz, S. 249; Jescheck, AT, S. 579; Samsan, SK, Vor § 52 Rdn. 21; Schönke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 22; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 12. Vgl. aber Dreher / Tröndle, Vor § 52 Rdn. 2; H. Mayer, AT, S. 189; Wahle, GA 1968, 110 f. Warda, JuS 1964, 82 f., die der Rechtsprechung folgen. Vgl. auch Puppe, S. 255 Fn. 1 mit weit. Nachw. Von einer "fast einhelligen" Ablehnung der Figur der natürlichen Handlungseinheit bei Verletzung verschiedener Strafgesetze, wird man entgegen Blei, JA 1973, 22 nicht sprechen können. , Vgl. dazu unten B II, Vor 1. 6 Vgl. BGH bei Dallinger, MDR 1973, 17; GA 1970, 84. Ähnlich schon

BGHSt. 10, 230, 231. G Vgl. RGSt. 58, 113, 116; BGHSt. 4, 219, 220. 7 Vgl. dazu namentlich auch den sog. Flachmann-Fall, BGHSt. 10, 129, 130, sowie BGH bei Dallinger, MDR 1969, 722; BGH, VRS 36, 354; NJW 1977,

2321. 8 9

Vgl. Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 74 mit Nachw. Vgl. unten cl.

I. Einfache Tatbestandsverwirklichung und Realkonkurrenz

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mit unterschiedlicher Akzentuierung sowohl die objektive Komponente zeitlich-räumlicher Nähe wie auch die Einheitlichkeit des Entschlusses als Voraussetzungen der natürlichen Handlungseinheit bezeichnet 10 • Eine Stellungnahme zu diesen Differenzen ist im Rahmen dieser Untersuchung nicht erforderlich, da allein der Frage nachgegangen werden soll, ob überhaupt von den Tatbeständen losgelöste, für alle Straftaten gültige Einheitskriterien denkbar sind. Diese Prüfung wird auf sämtliche drei Merkmale erstreckt, weil erst dann, wenn sie sich als "natürliche" erweisen, ihre nähere Ausgestaltung zum Problem wird. a) Die zeitlich-räumliche Nähe

Häufig scheint allein die zeitlich-räumliche Nähe einzelner Willensbetätigungen einheitsstiftend zu wirken, weil die sinnliche Anschauung etwa "eine Tracht Prügel", "eine Schimpfkanonade" , einen "Feuerstoß" aus einem Maschinengewehr oder mehrere unmittelbar aufeinanderfolgende diebische Griffe als nur einen Vorgang erfaßt. Die intuitive Sicherheit, bei minimalen zeitlichen Intervallen sei eine natürliche Handlungseinheit anzunehmen, ist indes trügerisch: Einmal finden sich nirgends nähere Angaben, innerhalb welcher Zeitabstände Handlungseinheit noch oder nicht mehr vorliegen kann l1 • Dieser Einwand ließe sich unter Umständen mit dem Hinweis entkräften, es gebe zumindest einen Kernbereich, in dem die sinnliche Anschauung Einheiten bilde, und eine Unschärfe in Grenzbereichen sei unvermeidlich. Nicht ausräumen läßt sich aber ein zweites, prinzipielles Gegenargument. Eine Analyse bisher entschiedener Sachverhalte zeigt nämlich, daß sich die natürliche Betrachtungsweise in Wahrheit nicht an äußeren Vorgängen orientiert, sondern je nach der Art der Rechtsgutsverletzung äußerlich in gleicher Weise zusammengehörige Handlungsvollzüge unterschiedlich bewertet. Gibt ein Täter nacheinander gezielte Schüsse auf dasselbe Opfer ab, soll, auch wenn der dazwischenliegende Zeitraum einige Minuten beträgt 12 , eine natürliche Handlungseinheit anzunehmen sein. Das gilt auch, wenn der Täter seinem Opfer im Abstand von bis zu einer halben Stunde an vier Kilometer voneinander entfernten Orten Messerstiche versetzt 13 • Richtet sich die Tat gegen verschiedene Personen, kommt auch bei enger räumlichzeitlicher Verbundenheit nur unter ganz besonderen Umständen 14 die 10 Vgl. Baumann, S. 684; Dreher / Tröndle, Vor § 52 Rdn. 2; Schmidhäuser, AT, 18/12. Gegen die Einheitlichkeit des Entschlusses als notwendiges Kriterium Maiwald, NJW 1978, 302. 11 Vgl. Blei, JA 1973, 96. 12 Vgl. BGH 4 StR 72/77 v. 21. 4.1977. 13 Vgl. BGH 1 StR 346/73 v. 13. 11. 1973. 14 BGHSt. 16,397,398.

7'

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B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

Annahme einer natürlichen Handlungseinheit in Frage, so, wenn der Täter einen Feuerstoß aus einer Maschinenpistole abgibt15 - wobei hier mit guten Gründen sogar schon eine Handlung im natürlichen Sinne bejaht werden könnte - oder ein auf Einzelfeuer eingestelltes Maschinengewehr mehrfach möglichst schnell abdrückt1 6 • Von solchen Sonderfällen abgesehen, bilden gezielt abgegebene Schüsse auf mehrere Personen aus der Sicht der Rechtsprechung mehrere selbständige Handlungen, selbst wenn der Täter den Opfern gemeinsam auflauert und sie in unmittelbarer Folge nacheinander angreift17 • Die unterschiedliche Behandlung dieser Fälle trotz gleichermaßen enger zeitlich-räumlicher Verbundenheit läßt sich nur damit erklären, daß es für die Konkretisierung dieses Merkmals u. a. bedeutsam ist, ob bei einem Angriff auf das Leben verschiedene Rechtsgutsträger betroffen sind. Damit kommt es aber entscheidend auf normative Erwägungen an, nämlich die Qualität des in Frage stehenden Rechtsgutes. Das leuchtet sofort ein, wenn man den Fall einbezieht, daß ein Dieb im Verlaufe mehrerer Stunden Sachen wegnimmt. Ob davon verschiedene Eigentümer oder nur eine Person betroffen sind, ist für die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit ohne Bedeutung. Der Grund dafür liegt auf der Hand: In § 242 wird das Eigentum geschützt, die Person des Eigentümers spielt für das Unrecht des Diebstahls keine Rolle. Demgegenüber steht bei Tötungsdelikten die Person des Rechtsgutsträgers im Vordergrund, und es ist für die strafrechtliche Bewertung nicht gleichgültig, ob mehrere Betätigungen gegen verschiedene Personen gerichtet sind. Deswegen können zehn Schüsse trotz gleicher Zeitintervalle einmal zehn selbständige Handlungen und das andere Mal eine natürliche Handlungseinheit bedeuten, während die Person des Opfers bei einem Diebstahl belanglos wäre. Beim Angriff auf das Leben verschiedener Personen bildet die Rechtsprechung daher nur bei extrem kurzen Zeitabständen zwischen den einzelnen Handlungen eine natürliche Handlungseinheit; Anwendungsbeispiele finden sich selten und betreffen Sachverhalte, bei denen schon die Annahme einer Handlung im natürlichen Sinne in Betracht käme 18 • Die Maßgeblichkeit normativer, nicht-naturalistischer Kriterien zeigt sich besonders bei Delikten mit Sammelbegriffen. Hier sind die zeitlichen und räumlichen BezieBeispiel in BGHSt. 16,397. Vgl. BGH, GA 1966, 208; vgl. auch BGH, NJW 1977, 2321, wo allerdings auf den Tatentschluß abgehoben wird. Siehe auch noch RGSt. 71, 200 (Handlungseinheit, wenn jemand mit dem Pkw zwei Personen nacheinander erfaßt). 17 Vgl. BGHSt. 16,397,398; vgl. auch RG HRR 1934, Nr. 764. 18 Das "Anfahren" mehrerer Personen (RGSt. 71, 200 f.), die Abgabe eines "Feuerstoßes" (BGHSt. 16, 397, 398) oder von Einzelschüssen in rascher Folge (BGH, GA 1966, 208). 15

18

I. Einfache Tatbestandsverwirklichung und Realkonkurrenz

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hungen der einzelnen tatbestandserfüllenden Akte häufig erheblich loser als in den besprochenen Beispielen. Man denke nur an die Tätigkeit des Geheimagenten oder an die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, bei denen zwischen den einzelnen Betätigungen erhebliche Zeiträume liegen können. BGH GA 1965, 373 betont deshalb zu Recht, daß sich bei der "objektiven" Betrachtung Unterschiede bereits aus dem Wortlaut der Tatbestände ergeben könnten und oft "schon der gesetzliche Tatbestand eine Mehrheit natürlicher Betätigungen, die auf demselben Entschluß beruhen, zu einer einheitlich bewerteten Straftat" zusammenfasse l9 • Die räumlich-zeitliche Nähe ist also keine der Rechtsordnung vorgegebene feste Größe; ihre nähere Bestimmung erfordert daher eine rechtsgutsbezogene Wertung. Wenn trotzdem das äußere Erscheinungsbild als wesentliche Komponente der natürlichen Handlungseinheit genannt wird, hat das eine andere Ursache. Die räumlich-zeitliche Nähe ist zwar nicht Erkenntnisgrund, doch Erkenntnismittel in dem Sinne, daß bei "äußerlicher" Zusammengehörigkeit einzelner Akte häufig auch ein innerer Bezug vorhanden sein wird 20 • Je enger die räumlich-zeitliche Beziehung der Handlungen, desto eher sind Unrecht und Schuld einheitlich zu bewerten, auch wenn dieser Zusammenhang kein notwendiger ist. Den Erkenntnisgrund bildet aber die für den zu beurteilenden Sachverhalt heranzuziehende tatbestandliche Unrechtsbeschreibung21 .

b) Der einheitliche Tatentschluß Für das subjektive Kriterium setzt BGHSt. 4, 219, 220 nicht zwingend voraus, daß der Täter nur einen einzigen Entschluß gefaßt hat. Eine natürliche Handlungseinheit kann nach der Entscheidung auch vorliegen, wenn der Täter den Tatplan zunächst aufgegeben, dann aber aufgrund eines erneuten Entschlusses weitergehandelt hat. Danach ist die Fortdauer des ursprünglich gefaßten Tatentschlusses keine notwendige Voraussetzung der natürlichen Handlungseinheit, vielmehr genügt es, "wenn der Täter den ursprünglichen Entschluß zwar aufgibt, aber dann alsbald den ursprünglichen Verbrechensplan wieder aufgreift und die vorübergehend unterbrochene Handlung weiterführt"22. Zwar sieht der BGH auch in einem solchen Fall das "Erfordernis des 19 BGH, GA 1965, 373, 374. 20 Vgl. dazu eingehend MaiwaZd, Natürliche Handlungseinheit, S. 70 ff. 21 Vgl. namentlich Puppe, 5.255 ff. 2! So BGH 1 StR 346/73 v. 13.11.1973; 4 StR 72/77 v. 21. 4.1977 unter Berufung auf BGHSt. 4, 219. In die gleiche Richtung weisen BGH bei DaZZinger, MDR 1973, 17 und 4 StR 390/74 v. 29.4. 1974, die einen "Gesamtvorsatz" für Überflüssig erklären. Vgl. ferner BGH, MDR 1969, 722. Auch bei den sog. Polizeifluchtfällen ist ein bei Fahrtbeginn auf bestimmte Gesetzesverletzungen konkretisierter Vorsatz nicht erforderlich.

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B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

einheitlichen Tatentschlusses" gewahrt 23 , doch ändert das nichts an dem Befund, daß ein neuer Tatentschluß gefaßt wurde, mag er auch der gleichen Motivationslage entspringen24 . Im Gegensatz dazu hat der BGH in NJW 1977, 2321 hervorgehoben, die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit sei nur möglich, wenn die einzelnen Akte auf einem einzigen Willensentschluß beruhten. Der Täter hatte dort zunächst nur seine Frau töten wollen und sich bei Ausführung dieser Tat zur Tötung auch seines Sohnes entschlossen. Mit Rücksicht auf diese zweimalige Willensbildung hat der BGH den Sachverhalt als zwei selbständige Taten bewertet, ohne sich näher mit BGHSt. 4, 219 zu befassen. Die dort getroffene Unterscheidung zwischen dem Wiederaufgreifen des alten Tatplans und dem Fassen eines neuen Tatentschlusses 25 ist immerhin zweifelhaft26 , soll aber hier nicht näher untersucht werden. Die vorrangige Frage lautet nämlich, ob es überhaupt möglich ist, die Einheitlichkeit eines Entschlusses unabhängig von den verletzten Gesetzen zu beurteilen und auf diese Weise dem Willensentschluß einen "natürlichen", von den Tatbeständen losgelösten Inhalt zu geben. Ein vorrechtliches Kriterium wäre sicherlich der Täterplan. Danach würde der einheitliche Entschluß alle Taten umfassen, die aus der Sicht des Täters demselben Ziel untergeordnet sind. Begeht der Täter mehrere Einbrüche, um einen Mord vorzubereiten, oder weiht er - so ein Beispiel v. Buris - sein Leben dem Gesetzesbruch27 , müßte bei konsequenter Orientierung an der Täterperspektive ein einheitlicher Entschluß bejaht werden, weil alle Straftaten demselben Zweck dienen und damit Ausfluß des einmal gefaßten Entschlusses sind. Die Ergebnisse eines solchen Vorgehens hält man heute für untragbar und lehnt daher allgemein den Täterplan als Kriterium der Handlungseinheit ab 28 , "denn nicht der Handelnde, sondern das Recht bestimmt, was als eine Rechtsverletzung zu betrachten"29 ist. Der Entschluß kann also nicht losgelöst von dem Gegenstand, auf den er sich bezieht, betrachtet werden. Von einem Einzelentschluß können wir daher nur sprechen, wenn wir seinen Gegenstand als Einheit bewerten. Wie neuerdings Puppe überzeugend demonstriert hat, hängt das Ergebnis nicht von der Tätervorstellung selbst, sondern von ihrer rechtlichen Würdigung Vgl. BGH 1 StR 346/73 v. 13.11.1973. Dazu sogleich unter 2 b). 25 Vgl. BGH, MDR 1969, 722. 28 Krit. dazu Maiwald, NJW 1978,302. 27 v. Buri, S. 37. 28 Vgl. nur Schänke / Schräder / Stree, § 52 Rdn. 6; Vogler, LK, § 52 Rdn. 22 mit Nachw. 23 24

29

RGSt. 4, 187, 189.

I. Einfache Tatbestandsverwirklichung und Realkonkurrenz

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ab 30 : Der "Entschluß" ist damit kein dem Recht vorgegebener Sachverhalt, weil eine ausschließlich an der Tätervorstellung orientierte Betrachtung die Preisgabe rechtlicher Sinneinheiten bedeuten würde. Das heißt aber, daß uns auch der Tatentschluß auf rechtliche überlegungen zurückverweist und nicht in einem natürlichen Sinne verstanden werden kann. c) Die "Gleichartigkeit" der Einzelakte

Einen "natürlichen" Gesichtspunkt vermag die Gleichartigkeit nur zu bieten, wenn sie sich auf das äußere Erscheinungsbild der Handlungen bezieht. Das Erfordernis der Gleichartigkeit könnte dann etwa bedeuten, daß die einzelnen Akte in ihren Bewegungsabläufen gleichförmig, äußerlich ähnlich sein müssen. Im Gegensatz dazu ist aber eine "natürliche Handlungseinheit" anzunehmen, wenn beispielsweise eine körperliche Mißhandlung nach § 223 oder eine Quälerei nach § 223 b durch äußerlich verschiedene Einzelakte begangen werden. Ebenso ist es denkbar, daß etwa eine geheimdienstliche Agententätigkeit31 oder die Verletzung einer Fürsorge- oder Erziehungspflicht32 auf ganz unterschiedlichen Handlungsvollzügen beruhen, ohne daß dadurch deren "Gleichartigkeit" und damit die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit in Frage gestellt würden. Das liegt daran, daß die "Gleichartigkeit" ebenso wie die zeitlich-räumliche Nähe immer erst durch den jeweiligen Tatbestand näher bestimmt wird und somit ebenfalls ein tatbestandsabhängiges Kriterium ist. Das bestätigt ein Blick in die Rechtsprechung, wo die Gleichartigkeit des Tathergangs vornehmlich bei der Verletzung mehrerer Tatbestände problematisiert wird. Hier kann die Gleichartigkeit mit Rücksicht auf den unterschiedlichen Charakter der verletzten Rechtsgüter zu verneinen sein. Eine rechtsgutsbezogene Deutung der Gleichartigkeit ist aber auch bei Verletzung desselben Strafgesetzes möglich, wenn höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Träger verletzt werden. Dann könnte die fehlende Gleichartigkeit mit der qualitativen Differenz des begangenen Unrechts begründet werden. Die Rechtsprechung tendiert allerdings dazu, in solchen Fällen den zeitlich-räumlichen Zusammenhang oder die Einheitlichkeit des Tatentschlusses zu verneinen. Soweit ersichtlich hat der BGH bei iterativer Deliktsbegehung bislang nur in MDR 1969, 722 auf die "Gleichartigkeit" abgehoben: Nach demSachVgl. Puppe, S. 255 ff. Vgl. § 99. 32 Vgl. § 170 d. Ein Beispiel bietet der Sachverhalt in BGHSt. 8, 92, wo sich die Verbindung zur Handlungseinheit allerdings schon daraus ergibt, daß erst alle Betätigungen insgesamt den Tatbestand ("gröblich") erfüllen. Vgl. ferner Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 74. . 30

31

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B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

verhalt hatte der Täter versucht, mit einem in der Nähe des Tatorts gefundenen Werkzeugs eine Tür aufzubrechen. Er wurde überrascht, floh und beschloß, das Werkzeug, das er ursprünglich am Tatort hatte liegen lassen wollen, mitzunehmen und holte es. Der BGH bewertete den Einbruchsversuch und die Wegnahme des Werkzeugs als zwei selbständige Handlungen, weil "Gleichartigkeit" nur bei Wiederaufgreifen der ersten Tat, nicht bei Begehen einer bis dahin nicht geplanten Tat anderen Verlaufs gegeben sei. Diese Argumentation verbirgt die in ihr enthaltene Wertung: Sehen wir die vorsätzliche Wegnahme im Ergreifen des Werkzeugs und dem anschließenden Davonlaufen, so gleicht der äußere Vorgang dem Davonlaufen mit einem nach Aufbrechen der Tür im Gebäude gefundenen Werkzeug völlig. Ein relevanter Unterschied ergibt sich nur, wenn man die psychische Situation des Täters einbezieht. Der Täter hatte ursprünglich einen Einbruchsdiebstahl begehen wollen, sich dann aber zu einem einfachen Diebstahl entschlossen. Allein diese Tatsache bietet einen möglichen Anknüpfungspunkt für die Annahme, die Wegnahme des Werkzeugs sei "etwas anderes" als die geplante Tat, und daher fehle die "Gleichartigkeit". Darin liegt aber keine "natürliche", sondern eine wertende Betrachtung, welche die subjektiven Voraussetzungen der natürlichen Handlungseinheit näher umreißt. Inhaltlich bedeutet "Gleichartigkeit" daher eine "Gleichwertigkeit" des Tathergangs, die fehlen kann, wenn die Einzelakte nach ihrem Unrechts- oder Schuldgehalt eine selbständige Bewertung erfordern33 • Einen "natürlichen" Anhaltspunkt für die Ermittlung einer Handlungseinheit gibt damit auch die Gleichartigkeit nicht. d) Ergebnis

Die Figur der natürlichen Handlungseinheit vermag keine "natürlichen", dem Recht vorgegebenen Kriterien zu bieten, die ein Urteil ermöglichen, wann eine Mehrzahl tatbestandskonstitutiver Akte als eine Handlung oder mehrere selbständige Handlungen anzusehen ist. Vielmehr erfordern alle von der Rechtsprechung entwickelten Merkmale zu ihrer inhaltlichen Ausfüllung eine wertende Betrachtung, die zur Bildung ihrer Maßstäbe auf die tatbestandlichen Unrechtsbeschreibungen angewiesen ist. Die Bezeichnung "natürliche" Handlungseinheit verdeckt daher, daß in Wahrheit rechtliche Kriterien maßgeblich sind, und unter diesem Gesichtspunkt erscheint eine Verabschiedung dieses Begriffs sinnvoll.

33

Vgl. Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 74; Blei, JA 1973, 98.

I. Einfache Tatbestandsverwirklichung und Realkonkurrenz

105

2. Die Einheit der Handlung als Problem

der Tatbestandsauslegung

Eine dem Recht vorgegebene sog. natürliche Handlungseinheit ist aufgrund der überlegungen unter 1 abzulehnen. Daher geht diese Untersuchung - in übereinstimmung mit der im Schrifttum vordringenden Tendenz 1 und namentlich im Anschluß an die schon mehrfach zitierten Arbeiten MaiwaIds und Puppes - davon aus, daß die Kriterien für die Bewertung einer Mehrzahl von Einzelakten als Einheit oder Mehrheit aus den einschlägigen Tatbeständen abzuleiten sind2 • Bei der erforderlichen Tatbestandsauslegung geht es allerdings nicht um die Interpretation einzelner Tatbestandsmerkmale, sondern eine Deutung ihres Zusammenhanges untereinander. Erforderlich ist damit eine Auslegung des Tatbestandes insgesamts. Das bedeutet verallgemeinert, daß der Gegenstand der strafrechtlichen Beurteilung, der einheitliche "Lebenssachverhalt" , anhand der anzuwendenden Normen konstituiert wird. Diese im Wege einer dogmatischen Betrachtung gewonnene Einsicht wird durch die Ergebnisse rechtstheoretischer Arbeiten gestützt, die das Verhältnis von Norm und Sachverhalt untersuchen4 • Insbesondere ist auf die überlegungen Puppes5 zu verweisen, die den Prozeß der Konstitution einer "Handlung" unter linguistischen Aspekten analysiert hat. Da die Handlungseinheiten tatbestandsbezogen gebildet werden, lassen sich keine für alle Strafgesetze gleichermaßen verbindlichen Einheitskriterien formulieren. Daher soll im folgenden lediglich der allgemeine Zusammenhang von Handlungseinheit und tatbestandlicher Unrechtsbeschreibung dargestellt werden. Die näheren Voraussetzungen der Konstitution von Bewertungseinheiten werden erst später in einem konkreten Zusammenhang entwickelt'. Zunächst spielt die Art der Rechtsgutsverletzung eine wesentliche Rolle, weil nur bei Einheitlichkeit des begangenen Unrechts die wiederholten Tatbestandsverwirklichungen "unselbständig" sind. Eine solche Einheitlichkeit ist - vorbehaltlich weiterer Kriterien7 - zu bejahen, wenn durch die einzelnen Akte die Rechtsgutsverletzung bloß quanti1 Vgl. Jescheck, AT, S. 579; Samson, SK, Vor § 52 Rdn. 28 ff.; Schänke / Schräder / Stree, Vor § 52 Rdn. 12 ff.; Stratenwerth, AT, Rdn. 1212 ff.; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 14,30 f. 2 Vgl. Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 70 ff.; Puppe, S. 231 ff. a Vgl. dazu Puppe, S. 255 ff., 258.

4 Einigkeit besteht, daß der Sachverhalt nicht vorgegeben ist, sondern erst an der zunächst versuchsweise zugeordneten Norm an Genauigkeit gewinnt. Vgl. dazu Müller, Juristische Methodik, S. 131 ff. 5 S. 37 ff., 219 ff. I Vgl. unten CI, 11. T Dazu sogleich in diesem Abschnitt.

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B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

tativ gesteigert wird. Eine solche Steigerung bedeutet zwar ein "Mehr" an Unrecht, hat aber kein eigenständiges Gewichts. Ob etwa ein betrunkener Kraftfahrer mehrere Minuten oder Stunden sein Fahrzeug führt, oder ob ein Dieb bei einem Einbruch nicht nur eine, sondern mehrere Sachen wegnimmt, ist für die Frage der Handlungseinheit irrelevant, weil es sich aus dem Blickwinkel des Rechtsgüterschutzes nur um ein "verstärktes", nicht mehrfaches Unrecht handelt. Gleiches gilt, wenn ein Täter demselben Opfer nicht nur einen Schlag, sondern eine Tracht Prügel verabreicht oder bei einer sexuellen Nötigung mehrere sexuelle Handlungen statt nur einer vornimmt. - Anders ist die Sachlage, wenn der Täter nacheinander höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen verletzt. Da hier die Person des Rechtsgutsträgers besondere Bedeutung hat, ist die Unrechtssteigerung, die in der Verletzung weiterer Rechtsgutsträger liegt, nicht nur graduell, sondern qualitativ. Daher sind die Unrechtsfolgen eigenständig zu bewerten9 • Die Annahme einer einfachen Tatbestandsverwirklichung ist aus geschlossen1o . Auf normativen Erwägungen beruht auch die unterschiedliche rechtliche Beurteilung von Handlungsvollzügen, die im äußeren Ablauf "gleichartig" SInd: Verletzt der Täter nacheinander durch gezielte Schüsse verschiedene Personen, ,so liegt keine Handlungseinheit vor, die trotz gleicher zeitlich-räumlicher Bedingungen bejaht werden kann, wenn dasselbe Opfer betroffen ist. Bei einem nichthöchstpersönlichen Rechtsgut würde hing.egen die Personenverschiedenheit der Opfer keine Rolle spielen. Auch bei "steigerungsfähigen" Rechtsgütern können nicht alle Verstöße desselben Täters gegen dasselbe Strafgesetz als einfache Tatbestandsverwirklichungen angesehen werden. Maiwald hat daher neben die skizzierten normativen Erwägungen eine subjektive Komponente gestellt und betont, ein Teilstück tatbestandsverwirklichender Tätigkeit sei auch deshalb "unselbständig, ohne Eigenwert", "weil der Täter die gleichwertigen Akte in einer und derselben konkreten Situation gesetzt habe". Dieses psychische Moment will Maiwald nicht auf den fortbestehenden Handlungsentschluß begrenzen, sondern der begrifflichen Mehrheit von Tatbestandserfüllungen schon dann ihren Eigenwert absprechen, "wenn sie Ausdruck einer durch die besondere Situation hervorgerufenen Motivationslage sind" 11. Umgekehrt ist bei einer veränderten Motivationslage 8 Vgl. grundlegend Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 73 f.; ferner Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 31 mit weit. Nachw. o So treffend Puppe, S. 240.

10 Darüber besteht Einigkeit. Streitig ist nur, ob eine "natürliche Handlungseinheit" bei Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter angenommen werden kann. Soweit das bejaht wird, kann gleichartige Idealkonkurrenz in Betracht kommen. Zum Streitstand vgl. Vogler, LK, Vor §52 Rdn. 31. 11 Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 76.

I. Einfache Tatbestandsverwirklichung und Realkonkurrenz

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ein weiterer Verstoß gegen dasselbe Strafgesetz als selbständige Tat anzusehen. Ähnliche Erwägungen liegen offenbar auch der Rechtsprechung zugrunde, soweit sie aus einer Mehrheit von Entschlüssen nicht zwingend eine entsprechende Anzahl von Handlungen bildet, wie z. B. im Falle des unterbrochenen Einbruchsdiebstahls 12 • Auf den ersten Blick scheinen diese überlegungen von der Art des verwirklichten Unrechts unabhängig zu sein, etwa wenn man sich vorstellt, ein Täter begehe zunächst aus Geldmangel einen Diebstahl, dem nach einem längeren Zeitraum ein zweiter, zuvor nicht geplanter und anders motivierter folgt. Hier ist der Täter offensichtlich in einer "neuen" Lage. Die subjektive Komponente der tatbestandlichen Handlungseinheit wird aber in Wahrheit entscheidend durch die zuvor erörterte normative Betrachtungsweise geprägt, ist also abhängig von der tatbestandlichen Unrechtsbeschreibung. An die Einheitlichkeit der Situation oder Motivation werden bei verschiedenen Strafgesetzen unterschiedliche Anforderungen gestellt: Wann eine Motivationslage einheitlich ist, kann nämlich ohne Bezug auf einen bestimmten Inhalt, die für eine "Situation" relevanten Faktoren, gar nicht beurteilt werden. Es bedarf also - mit anderen Worten - der Festlegung, was eine "Situation" ausmacht; diese ist nicht "vorgegeben", sondern muß erst definiert werden. Ausschlaggebend sind damit die Verhaltensforderungen, die an den Täter gerichtet werden. Immer und nur dann, wenn eine Änderung der Sachlage bewirkt, daß vom Täter eine erneute Auseinandersetzung mit der Normverletzung erwartet wird, ist die Situation eine "andere", "neue". Unter welchen Voraussetzungen eine solche Erwartung besteht, richtet sich nach der tatbestandlichen Unrechtsbeschreibung: Bei der Verletzung steigerungsfähiger Rechtsgüter wird vom Täter nicht verlangt, daß er bei jedem tatbestandserfüllenden Einzelakt sein Handeln überdenkt, und man gesteht ihm zu, daß er sich "pauschal" mit der Rechtsgutsverletzung befaßt. Daher bewerten wir hier das Täterverhalten häufig auch dann als Einheit, wenn verschiedene Rechtsgutsträger betroffen sind. Dagegen muß sich der Täter bei der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Träger mit jeder Tatbestandserfüllung auseinandersetzen. Die Situation wird hier aus normativen Gründen als "neu" definiert, sobald ein anderes Opfer angegriffen wird. Deshalb wird der Entschluß des Täters, eine weitere Person zu verletzen, eigenständig bewertet. Bei der Bildung von Handlungseinheiten muß also stets mit Hilfe einer Tatbestandsanalyse festgelegt werden, unter welchen Voraussetzungen qualitativ neu es Unrecht verwirklicht wird. Auf dieser Grundlage können wir eine Situation als "neu" 12

BGHSt.

4, 219, 220. Dazu oben I 1.

108

B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

definieren und an den Täter die Erwartung richten, sich zu besinnen. Nur der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt des einschlägigen Tatbestandes ermöglicht also eine nähere Konkretisierung des subjektiven Kriteriums 13 • Die Betonung eines personalen Moments ist damit zwar zutreffend, doch muß beachtet werden, daß die Einheitlichkeit der Situation oder Motivationslage bei verschiedenen Tatbeständen verschiedene Kriterien hat, weil sie aus der Perspektive des verletzten Strafgesetzes konstituiert werden muß.

Ergebnis: Die Bildung von Handlungseinheiten bei der iterativen Deliktsbegehung ist ein Problem der Tatbestandsauslegung. Maßgeblich sind die im Tatbestand beschriebenen Rechtsgutsverletzung (normative Komponente) und die Einheitlichkeit der Tätersituation (subjektive Komponente), die ebenfalls vom anwendbaren Tatbestand abhängt. Aussagen über den Umfang der Handlungseinheiten bei bestimmten Delikten sind daher nur im Wege einer Tatbestandsanalyse möglich. 11. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten Nach der Rechtsprechung kann eine "natürliche Betrachtungsweise" zur Annahme von Idealkonkurrenz führen, wenn sich die tatbestandlichen Ausführungshandlungen nicht überschneiden, die verschiedenen Gesetzesverletzungen also nacheinander begangen werdeni. Das RG bestimmte ursprünglich die Konkurrenzform sogar ausschließlich mit dieser Methode und konstituierte die einheitliche Handlung nach der "objektiven und subjektiven Beschaffenheit der Willensbetätigung als solcher" 2. Die soeben für die iterative Tatbestandsverwirklichung erarbeiteten Gesichtspunkte zur Möglichkeit einer natürlichen Betrachtungsweise oder Handlungseinheit gelten zwingend auch in diesem Zusammenhang: Selbst wenn Idealkonkurrenz zwischen nacheinander begangenen Delikten prinzipiell möglich sein sollte, müßten die Merkmale der natürlichen Handlungseinheit mit Blick auf den Unrechtsgehalt und die inhaltlichen Beziehungen der verletzten Strafgesetze konkretisiert werden. Deswegen ist die natürliche Handlungseinheit auch in dieser Funktion abzulehnen3 • Vgl. dazu Puppe, S. 227 f., 257 f. Vgl. zur Rechtspr. des BGH Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 52 ff.; NJW 1978, 301 f.; ferner die Nachw. bei Vogler, LK, Vor § 52 Rdn.12. Z So Honig, S. 15. Zur Rechtsprechung des RG eingehend Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 13 ff. a Vgl. hierzu die Kritik bei Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 101 f.; NJW 1978,302 f.; Blei, AT, S. 313 f.; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 13 ff. mit weit. Nachw. Siehe auch Puppe, S. 255 ff. 13

1

11. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

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1. Die "Formel" des Reidlsgeridlts

Schon das HG hat neben der "natürlichen Betrachtungsweise" eine davon unabhängige zweite, heute allgemein anerkannte Methode zur Abgrenzung von Real- und Idealkonkurrenz entwickeltl. Nach HGSt. 32, 137, 139 ist zur Anwendung der Idealkonkurrenzregeln "erforderlich, daß die Willensbetätigungsakte, durch welche der Tatbestand der verschiedenen strafbaren Handlungen hergestellt wird, wenn nicht vollständig, so doch zu einem Teile dergestalt zusammenfallen, daß mindestens ein Teil der einheitlichen Handlung zur Herstellung des Tatbestandes beider Delikte mitwirkt". Im Gegensatz zur "natürlichen Betrachtungsweise", die ein Verfahren bezeichnet, eine Reihe von Handlungen im natürlichen Sinne zu größeren Einheiten zu verbinden, setzt die "Formel" damit die Deckung solcher Elementarhandlungen voraus und schließt Idealkonkurrenz zwischen nacheinander begangenen Gesetzesverletzungen aus. Die Anwendung der "Formel" erfordert zunächst eine juristische Betrachtungsweise, weil sie den Begriff "Ausführungshandlung" verwendet, der alle für eine Tatbestandsverwirklichung relevanten Betätigungen bezeichnet und dessen Inhalt vom anzuwendenden Tatbestand abhängig ist. Die Subsumtion unter einen Tatbestand legt also nach der Konzeption der h. M. fest, welcher zeitliche Ausschnitt aus dem Handeln des Täters für die strafrechtliche Beurteilung von Bedeutung ist. Die zeitliche überschneidung von Ausführungshandlungen verschiedener Strafgesetze festzustellen, bereitet daher außer der Subsumtion selbst keine weiteren Schwierigkeiten und ist begrifflich exakt durchführbar; problematisch ist allein die Frage, wie Anfangsund Endzeitpunkt der "überschneidungsphase" zu markieren sind. Insoweit ist umstritten, ob schon der Anfang der Tatausführung entscheidend ist und eine Handlungsidentität im Versuchsstadium Tateinheit zwischen zwei Delikten begründet 2 • Weitgehend anerkannt ist demgegenüber, daß im Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung Idealkonkurrenz noch hergestellt werden kanns. Diese spezielle Problematik berührt indes nicht die prinzipielle Tauglichkeit des zeitlichen Kriteriums zur sicheren Abgrenzung der §§ 52, 53. Bloße Gleichzeitigkeit ist nach heute allgemeiner AnsichV aber nur notwendige, nicht hinreichende Bedingung für die Anwendung des § 52. Die grundlegende Entscheidung des HG verdeutlicht das, wenn es heißt, Dazu eingehend Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 13 ff. Zum Streitstand Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 24. 3 Vgl. Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 23. 4 Vgl. etwa BGHSt. 18, 29, 32; Lackner, S 52 Anm. 2 a; Vogler, LK, § 52 Rdn. 9; a. A. noch Binding, HdB, S. 575; Baumgarten, Frank-Festschr., S. 196. 1 2

110

B.Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

"allein die Identität der Handlung, d. h. in erster Linie die Einheit des natürlichen Tuns und Lassens, der körperlichen Tätigkeit und des sie leitenden Willens"5 seien für die Abgrenzung von Heal- und Idealkonkurrenz maßgeblich. Es genügt also nicht, wenn der Täter am selben Ort oder zur selben Zeit strafbare Handlungen begeht6 , vielmehr müssen die Gesetzesverletzungen durch dieselben Willensbetätigungen bewirkt werden. Als solche sieht man einheitliche Körperbewegungen an, wie z. B. einen Hieb, Schuß oder Fußtritt und überhaupt alle sogenannten Elementarhandlungen. So verstanden verweist die Formel auf eine Handlung im natürlichen Sinne, die von der strafrechtlichen Beurteilung unabhängig, ihr vorgegeben ist. Auch die Gegner der "natürlichen Handlungseinheit" sehen bei der Anwendung der Formel keine Schwierigkeiten und bejahen folglich incidenter die Existenz von Handlungen im natürlichen Sinne. Vom Standpunkt der h. M. liegt darin kein Widerspruch: Weil die "natürliche Handlungseinheit" immer nur beim Vorhandensein mehrerer "Handlungen im natürlichen Sinne" Bedeutung hat, zwingt ihre Ablehnung noch nicht zu der Folgerung, es gebe auch keine Elementarhandlungen. Daher wird zwar kritisiert, die "Formel" des HG führe zu ungerechten Ergebnissen, doch hat man stets zugegeben, die Formel sei de lege lata eine verbindliche und genaue Methode zur Abgrenzung der §§ 52, 53 7 • Diese Einhelligkeit ist nicht selbstverständlich. Immerhin ist für die Konstitution eines Verbrechens, das nur einen Tatbestand erfüllt, nicht nur eine "natürliche Betrachtung", sondern auch die "Handlung im natürlichen Sinne" ohne Bedeutung. Wenn die Anzahl von Handlungen im natürlichen Sinne für die Einheit des tatbestandlichen Unrechts nichts besagt, warum sollen dann solche Elementarhandlungen bei der simultanen Tatbestandsverwirklichung maßgeblich sein? Man könnte ja unter "Handlung" den gesamten, anhand des einschlägigen Tatbestandes gebildeten Unrechtssachverhalt, die tatbestandliche Ausführungshandlung insgesamt, verstehen. Binding erläuterte diese Möglichkeit am Schulbeispiel des Beischlafes eines verheirateten Mannes mit seiner Schwester: Nicht der Beischlaf sei die Ursache des Inzests8 und des - damals strafbaren - Ehebruchs, sondern "der Beischlaf eines Blutsverwandten mit einer Blutsverwandten ... die Ursache des Inzests; aber der Beischlaf eines Ehegatten mit einem Nicht-Gatten die Ursache des Ehebruchs ..."9. Vgl. RGSt. 32,137,138. Vgl. etwa BGHSt. 18,29,32; OLG Hamm, VRS 46, 277 und 52, 131. 7 Vgl. namentlich Honig, S. 33 ff. Nur Puppe, S. 263 ff. kritisiert neuerdings die Formel als ungenau. 8 Vgl. jetzt § 173. 9 Vgl. Binding, HdB, S. 568, ferner S. 574 Fn. 17,534 mit weit. Beispielen. 5

B

11. Ideal-und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

111

Wie schon eingangs der Untersuchung erwähnt, bestand bisher aber Einigkeit, daß eine solche tatbestandsorientierte Betrachtung bei der Verletzung verschiedener Strafgesetze nicht möglich istl°. Man glaubte, die Prämisse, Handlung i. S. des § 52 bedeute Normverletzung, schließe die Annahme von Idealkonkurrenz zwischen verschiedenen Strafgesetzen aus, weil dann jeder Normverletzung eine andere Handlung zugrunde liegen müsse. Von diesem Ausgangspunkt schienen nur Realkonkurrenz oder - wenn eine Unrechtsbeschreibung in einer anderen vollständig enthaltenen ist - Spezialität in Betracht zu kommen. Aus diesem Grunde sahen sich bislang auch die Gegner einer "naturalistischen" Betrachtung gezwungen, de lege lata die Formel des RG zu akzeptieren, wollten sie nicht - wie Bindingl l - die Gleichzeitigkeit als Abgrenzungskriterium anerkennen. - Neuerdings hat Puppe die Formel verworfen und das Modell einer tatbestandsorientierten Abgrenzungsmethode entwickelt. Puppe bestimmt den Begriff "ein und dieselbe Handlung" i. S. des § 52 zwar tatbestandsabhängig, läßt aber die Konkurrenzvorschriften - anders als bei der Gleichsetzung von Handlung und Normverletzung - gleichwohl nicht leerlaufen. Die prinzipielle Unmöglichkeit einer tatbestandsorientierten Abgrenzungsmethode kann daher nicht mehr behauptet werden12 • 2. Die Handlung im natürlichen Sinne

Namentlich Puppe hat sich um den Nachweis bemüht, alle sog. Elementarhandlungen seien in noch kleinere Teile zerlegbar und daher keine der Rechtsanwendung vorgegebenen Größen1 • Puppes Kritik am natürlichen Handlungsbegriff ist in diesem Ausgangspunkt zutreffend. Man kann jeden Bewegungsablauf aus beliebig vielen kleineren Partikeln zusammensetzen, etwa einen Fausthieb aus dem Ballen der Hand zur Faust, Ausholen, Anvisieren des Zieles und Zuschlagen oder einen Schuß aus dem Anlegen der Waffe, Zielen, Krümmen des Zeigefingers, Abdrücken usw. Jede der in Literatur und Rechtsprechung erwähnten Elementarhandlungen ist in beliebig viele kleinere Einheiten zerlegbar. Muß aber nicht auch die radikalste "Zersetzungsmethode" irgend wann zu einer kleinsten Einheit, dem "Handlungsatom" , gelangen, das als ein und dieselbe Handlung angesehen werden kann? Dieses "Atom" wird in der Literatur als die "physiologische" Handlungseinheit bezeichnet 2 • Zur Anwendung der Formel müßte man sich dann lediglich 10 Vgl. All Vor 1. 11 Vgl. Fn. 4. 12 Vgl. dazu später C 11 5. 1 Vgl. Puppe, S. 247 ff. Siehe auch MaiwaZd, Natürliche Handlungseinheit, S. 66 ff.; Jescheck, AT, S. 578, sowie schon Binding, HdB, S. 520 f. 2 Vgl. Jescheck, AT, S. 578; MaiwaZd, Natürliche Handlungseinheit, S. 65 mit Nachw.; Puppe, S. 278 mit Nachw.

B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

112

jede Straftat als Zusammensetzung solcher physiologischer Einheiten vorstellen, d. h. die einzelnen Reize, die zu einem nervalen Impuls und einer Muskelkontraktion führen, als Handlungen im natürlichen Sinne ansehen. Dieser Versuch, einen "naturalistischen" Begriff der Elementarhandlung zu retten, muß aber aus zwei Gründen scheitern. Einmal kann auch die Physiologie keine Antwort darauf geben, welche Reizverarbeitung einer Handlung zugrunde liegt, da ein Reiz auf verschiedenen nervlichen Ebenen erst in komplexen Verschaltungen zu einem zielgerichteten Handlungsablauf führt. Zum anderen sind rein reflektorische Abläufe, welche die Physiologie erklären kann, juristisch unbeachtlich. Daher ist der Einwand Puppes berechtigt, es sei nicht einzusehen, warum ausgerechnet die Ergebnisse der Sinnesphysiologie für die Abgrenzung von Real- und Idealkonkurrenz maßgeblich sein sollten3 • Elementarhandlungen als objektive Größen gibt es also nicht. Wie kommt es aber dann, daß trotzdem immer wieder von Handlungen im natürlichen Sinne die Rede ist? Ist es schlechthin unsinnig, wenn sie als Ausgangspunkt für die Bestimmung der Konkurrenzverhältnisse bezeichnet werden? Die Antwort lautet, daß hier ein umgangssprachlicher Handlungsbegriff übernommen, seine Herkunft allerdings nicht ausgewiesen wird. Wir fassen in der Alltagssprache menschliches Verhalten in Ausdrücken wie Heben, Drücken oder Schießen zusammen, weil die bezeichneten Tätigkeiten regelmäßig auf angeborenen oder eingeübten Programmen beruhen. "Wir erleben einen Schritt, Tritt oder Schlag nicht als eine Mehrheit von Bewegungen, denn wir brauchen, nachdem wir eine solche Handlung einmal begonnen haben, in der Regel keine weitere Aufmerksamkeit oder überlegung zu ihrer Steuerung"" d. h. wir brauchen uns hier nur einmal zu einer bestimmten Tätigkeit zu entschließen und diese zu beginnen, dann können wir den weiteren Ablauf einem vorhandenen "Programm" überlassen. Aus diesem Grund, nicht wegen einer objektiv vorgegebenen Einheit, ist für uns eine weitere Aufspaltung von Elementarhandlungen "unnatürlich". Die automatische oder halbautomatische Steuerung bildet also für die Umgangssprache das Kriterium, Bewegungsabläufe zu einer Handlung zu verbinden. Da sich zahlreiche Verhaltensweisen in solche Vorgänge zergliedern lassen, ist es möglich, mit relativ begrenztem Vokabular menschliche Tätigkeit zu beschreiben, so daß die Alltagssprache häufig eine Einteilung von Handlungsabläufen erlaubt5 • Schon auf der Grundlage eines umgangssprachlichen Handlungsbegriffs führt 3

Vgl. Puppe, S. 248 f. Siehe auch MaiwaZd, Natürliche Handlungseinheit,

S.65. 4 6

Puppe, S. 251. Puppe, S. 249 ff.

11. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

113

die Formel daher in der Masse der Fälle zu hinreichend sicheren Ergebnissen. Puppe hat sich gleichwohl gegen die rechtliche Verbindlichkeit eines umgangssprachlichen Handlungsbegriffes ausgesprochen, weil dieser versage, wenn Handlungen "unausgesetzte konzentrierte und entschlossen zielgerichtete Aufmerksamkeit"8 erforderten, wie etwa das Nachmachen eines Geldscheines von Hand oder die mißlungene Durchführung einer Operation. Dieses Argument ist zutreffend, weil bei solchen Tätigkeiten regelmäßig kein angeborenes "Programm" die Steuerung der Handlung übernehmen kann. Der Einwand ändert aber nichts daran, daß die Umgangssprache für einen Kernbereich menschlichen Verhaltens eine Einteilung in Elementarhandlungen ermöglicht und damit weitere Überlegungen ersparen kann. Soweit ein umgangssprachlicher Handlungsbegriff nicht zur Verfügung steht, müßte eine Einigung über die Einheit der Handlung erst erzielt werden. Hinsichtlich der von Puppe beispielhaft erwähnten Vorgänge könnte man die Entscheidung dann etwa davon abhängig machen, ob vom Täter bei einer mißglückten Operation ein ständiges Überdenken seines Tuns und gegebenenfalls ein Innehalten erwartet wird, oder ob wir nicht "die Operation" insgesamt als Einheit erleben. Den Begriff der Handlung zu konkretisieren, wäre in diesem Bereich ein Problem, das mit den üblichen Methoden der Gesetzesauslegung gelöst werden müßte. Es ist daher nicht überzeugend, wenn Puppe aus der teil weisen Nichtanwendbarkeit eines umgangssprachlichen Handlungsbegriffes ableitet, er sei für die Konkurrenzlehre ohne jede Bedeutung. Pup pes Folgerung basiert letztlich wohl auch nicht auf der angeblichen Unmöglichkeit eines umgangssprachlichen Handlungsbegriffs, sondern resultiert aus inhaltlichen Bedenken, den Elementarhandlungen "gegenüber irgendwelchen anderen Handlungsbeschreibungen eine Sonderstellung zuzuerkennen"7. Richtig sein dürfte, daß umgangssprachliche und tatbestandliche Handlungsbegriffe von gleicher Struktur sind; denn es hat sich gezeigt, daß wir die einheitliche natürliche Handlung erst durch Subsumtion von Realvorgängen unter einen Alltagsbegriff erhalten. Das bedeutet aber doch nur, daß die Verbindlichkeit der Elementarhandlungen als Einteilungskriterium nicht ontologisch begründet werden kann, schließt aber andererseits nicht aus, daß § 52 selbst ihnen die von Puppe bestrittene "Sonderstellung" zuerkennt.

8 1

S. 253. Siehe dort auch weit. Beispiele. S.254.

8 Werle

114

B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre 3. Die "Bewegungsgleichheit" verschiedener Gesetzesverletzungen als Voraussetzung der "Formel"

Lehnt man im Gegensatz zur hier vertretenen Auffassung mit Puppe einen auf die Umgangssprache gestützten Handlungsbegriff ab, steht damit gleichwohl die Unzulänglichkeit der Formel noch nicht fest. Ihre Anwendung wäre zwar ohne Schwierigkeiten möglich, wenn es einen allgemein verbindlichen "natürlichen" Handlungsbegriff gäbe, doch setzt die Formel die Existenz von Elementarhandlungen nicht zwingend voraus. Die Formel stellt die Maßgeblichkeit von Handlungen im natürlichen Sinne bewußt in Gegensatz zu einer wertenden, tatbestandsorientierten Betrachtungsweise. Wesentlich ist damit, ob das Verhalten des Täters mehreren Tatbeständen subsumiert werden kann. Eine solche Feststellung schließt aber auch die radikalste "Zersetzungsmethode" nicht aus. Selbst wenn wir jede Elementarhandlung beliebig weiter zerlegen können, ändert das nichts an der Möglichkeit, daß auch die "Handlungsatome" mehreren Strafgesetzen subsumiert werden können. Deutlich wird das etwa an dem schon erwähnten Beispiel, daß ein Täter mit demselben Schuß eine Scheibe zerstört und einen Menschen tötet. Selbst wenn wir die Aktivität des Schießens weiter zergliedern, etwa in "Anlegen", "Krümmen des Zeigefingers", "Bewegung des Zeigefingers in Richtung Abzug", "Abdrücken" usw., sind trotzdem alle Körperbewegungen tatbestandliche Ausführungshandlungen sowohl der Körperverletzung wie der Sachbeschädigung. Ein solcher Befund ergibt sich ganz allgemein dann, wenn die Zersetzung eines Vorgangs zur Bildung zeitlich immer kürzer werdender Handlungsabschnitte führt, diese aber in ihrer Gesamtheit wie ihren Teilen verschiedenen Strafgesetzen subsumiert werden können. Eine Zerlegung in der Zeitdimension berührt also nicht die Möglichkeit, eine Beziehung der Bewegungsgleichheit festzustellen. Von diesem Ausgangspunkt kann man bestimmte Bewegungsabläufe zusammenfassend als Elementarhandlungen bezeichnen, um die Sachlage besser zu veranschaulichen. Man ist aber zur Ermittlung der Konkurrenzen nicht auf derartige "Grundgrößen" angewiesen. Schwierigkeiten wirft die Anwendung der Formel allerdings auf, wenn problematisch ist, ob bei gleichzeitigen Handlungsvollzügen Bewegungsgleichheit vorliegt. Als Beispiele fehlender Bewegungsgleichheit sind Fälle denkbar, in denen der Täter verschiedene Körperteile bewegt, etwa wenn er mit der linken Hand ein Opfer erschlägt und mit der rechten ein anderes ersticht!, oder mit der Hand auf eine Person schießt, mit dem Fuß nach einer anderen tritt 2 • Entscheidendes Krite1 2

Beispiel bei Samsan, SK, Vor § 52 Rdn. 17. Schönke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 11.

II. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

115

rium wäre danach die Gleichheit der Bewegungsrichtung, die in den erwähnten Sachverhalten nicht gegeben ist. Allerdings können die Lösungen in Einzelfällen zweifelhaft sein. Streng genommen müßte nämlich allgemein festgelegt werden, was als "Körperteil" anzusehen ist, etwa um beurteilen zu können, ob Ideal- oder Realkonkurrenz vorliegt, wenn ein Täter mit zwei Fingern derselben Hand zwei Knöpfe drückt und dadurch zwei Explosionen auslöst, um verschiedene Personen zu töten. Derartige Sachverhalte sind indes in noch stärkerem Maße als die zuvor erwähnten Randerscheinungen und können vernachlässigt werden, weil die Bewegungsgleichheit jedenfalls in der Masse der Sachverhalte ohne Komplikationen ermittelt werden kann. Im übrigen müssen bei Gleichzeitigkeit Handlungseinheit und Handlungsmehrheit mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden, namentlich unter Verwendung teleologischer Gesichtspunkte, unterschieden werdens. Die insoweit maßgeblichen Überlegungen brauchen jetzt noch nicht im einzelnen benannt zu werden, weil zunächst nur zu klären war, ob die Formel prinzipiell eine Möglichkeit bietet, die Konkurrenzformen abzugrenzen. Diese Frage muß bejaht werden. Puppe hat das Kriterium der Bewegungsgleichheit scharf kritisiert und "das Abstellen auf den Unterschied zwischen Bewegungen der Hände und der Füße" als "das skurrile Resultat des Versuchs" bezeichnet, "das prinzipielle Ungenügen einer naturalistischen Konzeption des Einzelverbrechens mit naturalistischen Mitteln zu beheben". Das Kriterium der Bewegungsgleichheit erreiche "jenen Grad der Absurdität, vor dem kritische Analyse mangels rationaler Substanz des Gegenstandes" versage. Wolle man den "Kryptonaturalismus der h. L. parodieren", der in der Formel stecke, könne man "sich schwerlich eine groteskere Unterscheidung zwischen Handlungseinheit und Handlungsmehrheit ausdenken als die zwischen Bewegungen der rechten und der linken Hand oder zwischen Handbewegungen und Fußbewegungen"'. Diese Einwände betreffen aber allesamt nicht die Möglichkeit, die Konkurrenzform anhand der Bewegungsgleichheit zu bestimmen, sondern bestreiten die sachliche Berechtigung einer solchen Abgrenzung. Dieser inhaltlichen Kritik wollen wir uns im folgenden zuwenden und namentlich klären, inwieweit die Verwendung "naturalistischer" Kriterien teleologisch begründbar ist. Dabei soll aber vermieden werden, Randerscheinungen zum Hauptgegenstand kritischer Überlegungen zu machen. Die Beispiele, mit denen sich nach Meinung Pup pes die h. M. selbst parodiert, betreffen nämlich durchweg Sachverhalte, die in der Praxis in dieser Gestaltung nicht auftreten. Entscheidend 3 4



Vgl. dazu unten B 11 4,5,8 sowie B 111 1. Alle Zitate bei Puppe, S. 267.

116

B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

wird sein, ob die h. M. auch in Durchschnitts- und nicht nur in Ausnahmefällen zu "grotesken", sachlich nicht begründbaren Unterscheidungen genötigt ist. 4. Doppelverwertungsverbot und Idealkonkurrenz

Die "naturalistische" Abgrenzung von Real- und Idealkonkurrenz erhält dann einen unmittelbaren inhaltlichen Sinn, wenn es ein von § 52 unabhängiges Verbot gibt, einen Täter dasselbe Realgeschehen mehrfach zum Vorwurf zu machen. Ein solches Verbot wurde namentlich in den Diskussionen zum E 1962 vorausgesetzt. Auch die Gegner des überkommenen Konkurrenzmodells hielten bei Verletzung mehrerer Strafgesetze durch ein und dieselbe Handlung die Bemessung von Einzelstrafen für ausgeschlossen, weil man sonst "untrennbar Zusammengehöriges auseinanderreißen"l müsse. Als Alternative zum geltenden Recht wurde daher nur die Ausdehnung der Einheitsstrafe auf den Bereich der Realkonkurrenz 2 diskutiert. Welche Wurzeln hat nun diese in den Diskussionen um die Einheitsstrafe nicht näher begründete Vorstellung? Daß sie nicht mit der objektiven Unauflöslichkeit von Elementarhandlungen begründet werden kann, ist schon mehrfach deutlich geworden. Und selbst wenn Elementarhandlungen vorrechtliche Sinneinheiten wären, warum sollten wir gehindert sein, sie unter dem Gesichtspunkt mehrerer Strafgesetze zu würdigen und entsprechend mehrere Einzelstrafen zu verhängen? Puppe hat in diesem Zusammenhang von einem stillschweigend vorausgesetzten Doppelverwertungsverbot3 gesprochen und aus diesem die Notwendigkeit zur Bildung einer Einheitsstrafe abgeleitet. Die Bezeichnung ist allerdings mißverständlich, weil unter dem Stichwort "Doppelverwertungsverbot" in der Strafzumessungslehre die Frage diskutiert wird, inwieweit Tatbestandsmerkmale und sonstige strafrahmenbildende Gesichtspunkte in der Strafzumessung berücksichtigt werden dürfen, obwohl sie schon für die Wahl des maßgeblichen Strafrahmens bedeutsam sind4 • Einig ist man sich, daß diejenigen Faktoren, die den Gesetzgeber zur Aufstellung der abstrakten Strafdrohung veranlaßt 1 So die Formulierung bei Niese, S. 159; Vorschläge der Sachbearbeiter des BJM, Ndschr. Bd. 2, Anhang, S. 193. 2 Vgl. Jescheck, ZStW 67, 543 ff.; Niese, S. 155 ff. und die Reformentwürfe seit E 1922. Weit. Nachw. bei Puppe, S. 1. 3 S. 19. Vgl. ferner Vogler, Bockelmann-Festschr., S. 718 ff., der im "Doppelverwertungsverbot" , das er auch als Verbot der Doppelbewertung oder Doppelbestrafung bezeichnet (vgl. S. 718, 722, 726), den Grundgedanken der Gesetzeskonkurrenz sieht. Trotz der z. T. mißverständlichen Terminologie dürfte sich sein inhaltliches Verständnis des Doppelverwertungsverbots mit dem hier vertretenen decken. 4 Vgl. Bruns, S. 363 f.

11. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

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haben, also allen tatbestandsmäßigen Handlungen gemeinsam sind, keine Kriterien für die Festsetzung der konkreten Strafe sein könnens. Der Streit über Grund und Grenzen des Doppelverwertungsverbotes ist hier nicht näher zu erörtern. Es genügt festzuhalten, daß die Problematik der Doppelverwertung üblicherweise das Verhältnis zwischen den Gründen der abstrakten gesetzlichen Strafdrohung und den konkreten Strafzumessungserwägun~en betrifft. Bei den Konkurrenzen kann es demgegenüber nur darum gehen, ob derselbe Strafzumessungsgesichtspunkt bei der Bildung verschiedener Strafen berücksichtigt werden darf. Während es sich bei der Strafenbildung nach einem Strafgesetz immer um eine Doppelverwertung im Rahmen desselben Strafzumessungsvorgangs handelt, ist bei mehreren Gesetzesverletzungen durch ein und dieselbe Handlung die Zulässigkeit einer Doppelverwertung bei mehreren Strafbemessungen problematisch. Der Umfang der gesetzgeberischen Wertung bei der Aufstellung des Strafrahmens spielt hier keine Rolle. Die Frage ist ausschließlich, ob und unter welchen Voraussetzungen dasselbe Geschehen mehrfach berücksichtigt werden kann. Das verfassungsrechtIiche Verbot der Doppelbestrafung ist dabei allerdings nicht einschlägig, weil es lediglich davor schützt, wegen derselben Tat zwei Verfahren ausgesetzt zu werdenS. Bei der Strafenbildung innerhalb desselben Verfahrens verbietet aber das Schuldprinzip die Doppelverwertung identischer strafzumessungsrelevanter Gesichtspunkte. Hat ein Räuber beispielsweise die Wegnahme durch eine Körperverletzung erzwungen, so ist die Körperverletzung eine nähere Bestimmung der Gewalt gegen die Person i. S. des § 249. Bei Annahme zweier selbständiger Taten des Raubes und der Körperverletzung müßte nach § 223 eine Strafe gebildet werden dieselbe damit schon bestrafte Körperverletzung wäre aber auch bei der Strafzumessung für den Raub von Bedeutung, weil sie ein Unterfall der Gewalt gegen die Person ist. Die Schwere der Körperverletzung müßte also die Höhe der Raubstrafe beeinflussen, selbst wenn die Schuld des Täters insoweit schon mit der Strafe nach § 223 abgegolten ist7. Die gleiche Situation ergibt sich immer dann, wenn dem Täter dieselben unrechtsrelevanten Umstände mehrfach zum Vorwurf gemacht werden und die Strafzumessung für die einzelnen Gesetzesverletzungen mitbestimmen8 • In allen Fällen solcher Art beseitigt die Verhängung mehrerer Strafen unter jeweils vollständiger Berücksichtigung des begangenen Unrechts die Schuld proportionalität der Strafe: Der Schuldvorwurf ist stets auf das 5

Bruns, S. 363.

• Vgl. Fliedner, AöR, Bd. 99, S. 246 ff.; Löwe / Rosenberg / Schäfer, Einl. Kap. 12 Rdn. 25 ff. 7 Weitere Beispiele bei Puppe, S. 170 ff. B Vgl. dazu eingehend Puppe, S. 77 ff.

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B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

vom Täter verwirklichte, d. h. tatbestandliche Unrecht zu beziehen. In diesem Sinne ist strafrechtliche Schuld stets Tatschuld9 • Wird derselbe Unrechtssachverhalt ganz oder teilweise mehrmals Gegenstand des Schuldvorwurfs, bedeutet das eine "Vermehrung" der Tatschuld, die dem tatsächlichen Fehlverhalten des Täters nicht entspricht und daher gegen das Schuld prinzip verstößt. Eine solche Doppelverwertung läßt sich auch nicht dadurch verhindern,. daß man die identischen Teile zweier Unrechtssachverhalte bei einem der Delikte außer acht läßt. So wäre es in dem mitgeteilten Beispiel nicht möglich, die Körperverletzung zu übergehen, denn einen Raub ohne Gewaltanwendung gibt es nicht. Das konkrete Raubunrecht kann man nicht beschreiben, ohne die Art der Gewaltanwendung näher zu charakterisieren, die Einbeziehung der Körperverletzung in den Schuldvorwurf beim Raub ist daher unausweichlich. Eine schuldangemessene Strafe könnte der Richter dann nur verhängen, indem er die Doppelverwertung bei der Festsetzung der einzelnen Strafen bei der Gesamtstrafenbildung ausgleicht10 • Mit Sicherheit auszuschließen ist ein Verstoß gegen das Schuldprinzip aber, wenn schon eine Doppelverwertung verhindert wird. Das ist möglich, wenn Unrechts- oder Schuldbeschreibungen mit gleichen oder ähnlichen Merkmalen zu einem Beurteilungsgegenstand zusammengefaßt werden. Für den gesamten Unrechtssachverhalt und die darauf basierende Schuldbeschreibung muß dann zwingend eine einzige Strafe gebildet werden l l . Zur sicheren Vermeidung einer Doppelverwertung ist also eine Regelung erforderlich, welche die Bildung einer einzigen Strafe vorsieht. Die "naturalistische" Abgrenzungsmethode der h. M. läßt sich daher ihrem ganzen Umfang nach unmittelbar aus dem Doppelverwertungsverbot ableiten, wenn die Schuldproportionalität der Strafe schon dadurch gefährdet ist, daß derselbe Realakt in mehreren Strafzumessungsvorgängen auftaucht. Wird dem Täter die Vornahme von bestimmten natürlichen Handlungen vorgeworfen, etwa geschossen oder geschlagen zu haben, kann für eine solche Handlung auch nur eine Strafe verhängt werden. Das muß dann unabhängig von der Anzahl der durch diese Handlung verletzten Strafgesetze gelten, die den Gegenstand des Schuldvorwurfs nicht ausmachen, sondern lediglich beschreiben. Mit der soeben skizzierten Frage nach dem Gegenstand des Doppelverwertungsverbots hat sich Puppe im einzelnen auseinandergesetzt. Ihr Ansatz wird daher in diesem Sachzusammenhang dargestellt und bewertet. g Vgl. Bruns, S. 392 ff.; Puppe, S. 59; Rudolphi, SK, Vor § 19 Rdn. 2 ff. mit Nachw. 10 Andernfalls müßte man es dem Richter überlassen, die. Doppelverwertung bei der Festsetzung der Einzelstrafen bei der Gesamtstrafenbildung auszugleichen. Dazu näher unter B III 3. 11 Vgl. Puppe, S. 20 f.

H. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

119

5. Puppes Deutung des Doppelverwertungsverbots und ihre Lehre von der Unrechtsverwandtschaft a) Argumentation und Ergebnisse Puppes

aal Der Ausgangspunkt Puppe hat die Konkurrenzlehre der h. M. unter linguistischen Aspekten analysiert und sich dabei im wesentlichen auf die Werke Carnaps und Freges gestützt!. Für die Darstellung des Konkurrenzmodells, das Puppe entwickelt hat, werden diese sprachanalytischen Ansätze nur insoweit berücksichtigt, als sie zum Verständnis der dogmatischen Argumentation unerläßlich sind. Gedankengang und Ergebnisse werden im Rahmen dieser Untersuchung nur im Hinblick auf ihre dogmatische Folgerichtigkeit, nicht ihre Vertretbarkeit unter linguistischen Gesichtspunkten bewertet. Im Ergebnis hat Puppe den Ausgangspunkt der h. M. verworfen. über die Konkurrenzform sollen nicht die vollständige oder teilweise überschneidung der Ausführungshandlungen mehrerer Delikte, sondern allein die inhaltlichen Beziehungen der durch "dieselbe Handlung" verwirklichten Tatbestände entscheiden. Nur wenn zwischen den einzelnen Delikten eine sog. Unrechtsverwandtschaft besteht, ist Idealkonkurrenz anzunehmen, Realkonkurrenz dagegen selbst dann, wenn zwei nicht "verwandte" Strafgesetze durch ein und dieselbe Handlung verletzt werden. In dem häufig angeführten Schulbeispiel für Idealkonkurrenz, daß der Täter durch eine Fensterscheibe einen Menschen erschließt, würde Puppe mit der Begründung Realkonkurrenz bejahen, das Unrecht der Sachbeschädigung stehe mit dem Unrecht der Tötung in keiner Beziehung, der Vorwurf der Sachbeschädigung daher völlig selbständig neben dem Tötungsvorwurf2 • Puppe setzt voraus, die Notwendigkeit der Unterscheidung von Idealund Realkonkurrenz folge aus dem Doppelverwertungsverbot. Gegenstand ihrer Untersuchung ist daher die Frage~ worauf sich dieses Doppelverwertungsverbot bezieht, d. h. welches die schuldrelevanten Tatsachen sind, die bei der Strafzumessung für eine bestimmte Gesetzesverletzung zu Buche schlagen3 • Die Antwort hängt davon ab, ob sich die gesetzlichen Strafdrohungen auf die "Handlung" im Sinne eines Realvorganges oder auf die unrechtsrelevanten Eigenschaften einer solchen 1 Carnap, Rudolf, Bedeutung und Notwendigkeit. Eine Studie zur Semantik und modalen Logik, deutsch von Wilhelm Bader, Wien, New York 1972; Der logische Aufbau der Welt, 3. Aufl., Hamburg 1966; Frege, Gottlob, Funktion, Begriff, Bedeutung. Fünf logische Studien, herausgegeben von Günter Patzig, Göttingen 1969. 2

3

Vgl. Puppe, S. 302 ff. Vgl. Puppe, S. 19.

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B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

Handlung, die Normverletzung selbst, beziehen. Mit anderen Worten ist ausschlaggebend, ob das Verbrechen Tatbestandserfüllung (Normverletzung) oder (natürliche) Handlung ist. Nach Puppes Auffassung ist damit die Auseinandersetzung zwischen Einheits- und Mehrheitstheorie, die inzwischen als bloßer "Streit um Worte" für bedeutungslos gehalten wird4 , nach wie vor relevant. Die Problemstellung wird anhand der sprachanalytischen Kategorien der "Extension" und "Intension" expliziert: Jeder Begriff, jeder Satz und damit jeder Tatbestand bezeichnen sowohl "Realvorgänge" wie auch "Normwidrigkeiten". Die sog. extensionale Bedeutung eines Tatbestandes liegt darin, daß ihm bestimmte Klassen von Realvorgängen zuzuordnen sind; andererseits hat er auch eine sog. Intension, weil er beschreibt, was verboten ist und damit nicht bloß Realhandlungen meint, sondern deren Eigenschaften, eine Normverletzung zu sein. Puppe verdeutlicht das am Beispiel der Tötung zweier Menschen. Wirft A zwei Steine von einer Mauer auf seine beiden Opfer, so sind beide Tötungen extensional identisch mit den beiden Steinwürfen, also den umschriebenen Realhandlungen. Strafrechtlich relevant ist aber nicht dieser extensionale Aspekt des Tötungsverbotes, weil das Steinewerfen als solches - ebenso wie das bloße Steinewerfen auf Menschen - dem Verbot des § 212 nicht widerspricht5 • Daß die Steinwürfe tatsächlich Zuwiderhandlungen gegen das Tötungsverbot sind, ergibt sich erst aus ihrem Sinn, Tötungen zu sein. "Wer also einen Straftatbestand als Beschreibung einer Normwidrigkeit betrachtet, nimmt damit auf die Intensionen des Gesetzestextes Bezug, während derjenige, der sagt, daß die Tatbestände bestimmte Arten von Handlungen oder Lebensvorgängen beschreiben, offenbar von ihren Extensionen spricht8 ." Die Tatbestände "meinen" also immer sowohl Realvorgänge als auch Eigenschaften dieser Realvorgänge. Das Doppelverwertungsverbot kann sich danach auf die Extensionen oder Intensionen einer Norm beziehen. Um den Bezugspunkt zu ermitteln, genügt es nach Puppe festzustellen, ob "die Tatbestandsbeschreibungen in den Strafgesetzen in einem extensionalen oder intensionalen Kontext vorkommen, d. h. ob sie in dem einzelnen Strafgesetz, das einen bestimmten Strafrahmen für sie androht, durch eine andere Beschreibung der gleichen Handlung zu ersetzen sind, oder nur durch eine der gl eiSo Jescheck, AT, S. 587. Vgl. ferner All 1. Vgl. Puppe, S. 23 f. e Vgl. Puppe, S. 25. Insofern jeder Tatbestand eine extensionale wie intensionale Bedeutung hat, ist der Streit zwischen Einheits- und Mehrheitstheorie dann ein Streit um Worte, wenn einem dieser Aspekte ohne inhaltliche Begründung der Vorzug gegeben wird. Die Frage, ob ein Tatbestand bestimmte Realhandlungen oder Eigenschaften solcher Handlungen "meint", ist also falsch gestellt, vgl. Puppe, S. 26. 4

6

11. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

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chen Eigenschaften dieser Handlung"7. Nur wenn der Kontext ein extensionaler ist, verstößt es gegen das Doppelverwertungsverbot, mehrere Strafgesetze auf ein und dieselbe Handlung anzuwenden. Ist der Kontext intensional, ist es nämlich nur verboten, die gleichen Eigenschaften von Handlungen in der Strafzumessung zweimal zu berücksichtigen. In dem oben angeführten Beispielsfall des Schusses durch ein Fenster wäre bei extension al er Interpretation eine doppelte Bewertung des Schusses als solchen verboten, während intensional betrachtet nur die Eigenschaften der Handlung, Tötung und Sachbeschädigung zu sein, nicht doppelt berücksichtigt werden dürften. Wegen der Verschiedenheit des in den §§ 212, 303 beschriebenen Unrechts könnte ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot für jede Gesetzesverletzung eine gesonderte Strafe verhängt werden. In dem oben besprochenen Beispiels eines mittels einer Körperverletzung begangenen Raubes müßte nicht nur der Realvorgang, sondern auch die Eigenschaft dieses Vorgangs, Körperverletzung zu sein, sowohl nach § 223 wie § 249 beurteilt werden. Wegen der bestehenden Unrechtsverwandtschaft und der daraus resultierenden Gefahr einer Doppelverwertung wäre daher Idealkonkurrenz anzunehmen. Daran wird deutlich, daß es bei intensionaler Betrachtung möglich ist, Tatbestandsverwirklichungen, denen die gleichen Realhandlungen zugrunde liegen, ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot strafrechtlich mehrfach zu bewerten. Für Puppe gibt es im wesentlichen zwei Gründe, die für die Annahme eines "intensionalen Kontextes" sprechen: Der Unterschied zwischen Ideal- und Gesetzeskonkurrenz ist nach Puppe nur verständlich, wenn die Strafdrohungen sich auf die Eigenschaften von Handlungen beziehen. Die "Extensionen" der Tatbestände, die ideal konkurrieren bzw. im Verhältnis der Spezialität stehen, unterscheiden sich nur, wenn man alle von den Tatbeständen erfaßten Handlungen in ihrer Gesamtheit betrachtet. Dann zeigt sich, daß bei Spezialität der allgemeinere Tatbestand alle Handlungen, die der speziellere erfaßt, einschließt (Verhältnis der Inklusion), während im Falle der Idealkonkurrenz die von den jeweiligen Tatbeständen erfaßten Klassen von Realhandlungen sich nur überlagern (Verhältnis der Interferenz). Am Einzelfall hingegen läßt sich bei extensionaler Interpretation ein Unterschied zwischen Ideal- und Gesetzeskonkurrenz nicht aufzeigen. Hier bleibt nämlich einzig der Befund, daß für ein und dieselbe Handlung das eine Strafgesetz einen milderen und ein anderes einen strengeren Strafrahmen vorsieht. Erst bei intensionaler Interpretation zeigen sich Unterschiede zwischen bei den Konkurrenzformen. Da die nach der lex generalis rele7

8

Vgl. Puppe, S. 27. Vgl. B 11 4.

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B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

vanten Eigenschaften einer Handlung stets auch von der lex specialis erfaßt werden, entsteht zwischen den unterschiedlichen Strafrahmen ein Widerspruch. Für eine Wegnahme unter Anwendung von Gewalt drohen §§ 242, 249 beispielsweise unterschiedliche Strafen an, obwohl § 242 die nach § 249 relevanten Eigenschaften der Handlung einschließt, d. h. hier kann nur eine Strafdrohung "richtig" sein. Im Falle der Idealkonkurrenz hingegen umschreiben die anwendbaren Gesetze neben gleichen oder ähnlichen Eigenschaften der Handlung auch unterschiedliche, daher entsteht zwischen solchen Tatbeständen kein Widerspruch. Eine extensionale Interpretation der Strafgesetze ist daher nach Puppe mit der Unterscheidung von Gesetzes- und Idealkonkurrenz unvereinbaru. Der zweite, wesentlichere Grund für eine intensionale Interpretation der Tatbestände soll sich aus den Bedürfnissen der Strafzumessung ergeben. Im Einklang mit der allgemeinen Auffassung sieht Puppe die Aufgabe der Strafzumessung darin, unter Ausschluß der Tatbestandsmerkmale selbst zusätzliche Bestimmungsstücke zu finden, welche die Verhängung der konkreten Strafe ermöglichen. Die Strafzumessungsgesichtspunkte können prinzipiell entweder aus den Extensionen dem zu beurteilenden Realgeschehen - oder den Intensionen des Tatbestandes - der Normwidrigkeit - abgeleitet werden. Von dem Bezugspunkt hängt es ab, ob eine Doppelverwertung schon in der doppelten Berücksichtigung einer natürlichen Handlung als solcher oder einer ihrer Unrechtseigenschaften zu sehen istto. Eine rein extensionale Auffassung würde die Strafzumessung nicht mit dem Tatbestand verknüpfen, sondern inhaltlich von der Festlegung des Strafrahmens völlig trennen. Nach einem solchen tatbestandsunabhängigen Strafzumessungskonzept - wie etwa dem von Hassemer entwickelten l l - hat der Tatbestand allein die Funktion, "Klassen von Handlungen abzugrenzen, für die ein bestimmter Strafrahmen gilt" 12, und der Richter ist demzufolge "in der Auswahl seiner Strafzumessungsgründe vom Unrechts- und Schuldgehalt der Tatbestände unabhängig". Die Strafzumessungsgründe müßten danach nur "irgendwie" schuldbezogen sein und mit dem Realgeschehen in irgendeiner Weise zusammenhängen. Die festgesetzte Strafe hätte ihre gesetzliche Grundlage dann nur darin, daß die Tatsache der Strafbarkeit und der Strafrahmen selbst festgelegt sind, weil der Richter darüber hinaus nicht an das Gesetz gebunden wäre. Eine solche Freiheit des Richters bei der Strafzumessung 9

10 11

12

Puppe, S. 43 ff. Puppe, S. 53 ff.

Vgl. Hassemer, Radbruch-Festschr., S. 283 ff.; Puppe, S. 56 Fn. 1. Vgl. Puppe, S. 55.

11. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

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wäre nach Puppe mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbar und würde auch dem Tatschuldprinzip widersprechen, denn Unrecht und Schuld sind im Tatbestand beschrieben und typisiert 13 • Diese überlegungen Puppes treffen sich mit Bemühungen, Strafzumessungsgründe auszuschließen, die zwar an sich geeignet sind, einen Vorwurf gegen den Täter zu begründen - wie z. B. Trunksucht, Verschwendungssucht, Vernachlässigung von Familienpflichten usw. - die Tatbestandsverwirklichung selbst aber nicht näher charakterisieren14 • Es geht also bei der Tatschuld im Sinne des § 46 nicht um Schuld schlechthin oder "irgendwie" mit dem äußeren Täterverhalten zusammenhängende Schuld, sondern stets um eine konkrete Ausprägung von Schuld, deren möglicher Inhalt durch die Strafgesetze vorgezeichnet wird. Daraus folgt für Puppe, daß das Verbrechen selbst kein "Handlungsindividuum" ist und die mehrmalige Beurteilung desselben Realgeschehens daher noch keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot bedeutet. Aus der Ablehnung eines tatbestandsunabhängigen Strafzumessungskonzepts leitet Puppe die Notwendigkeit ab, eine Bindung der Strafzumessung an den Tatbestand zu erreichen. Dazu entwickelt sie ein Drei-PhasenModell des Bestrafungsvorgangs. In einer ersten Phase werde festgestellt, ob das Strafgesetz auf einen Einzelfall überhaupt anwendbar sei (Schuldbegründung), sodann müsse die einschlägige Norm im Hinblick auf Unrechts- und Schuldgehalt der Tat konkretisiert (Schuldquantifizierung) und schließlich anhand der so konkretisierten Norm das für den Einzelfall gültige Strafurteil gefällt werden15 • Problematisch ist dabei die mittlere Phase, die Entwicklung der Strafzumessungsnorm aus dem verwirklichten Tatbestand. Hierbei müssen aus den Tatbestandsmerkmalen selbst Differenzierungskriterien gebildet werden, die zu einer bestimmten Strafe führen 16 • Die Möglichkeit eines solchen Vorgehens demonstriert Puppe mit Hilfe semantischer Argumente. Sie begreift die Tatbestände als "Satzfunktion" - genauer als tatbestandliche Normenfunktion - d. h. als unvollständige, ergänzungsfähige Sätze. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale sind sog. Gattungsbegriffe, denen als Arten alle für das Maß von Unrecht und Schuld relevanten Tatsachen unterzuordnen sind 17 • So umfassen etwa der Gewalt- oder Täuschungsbegriff alle Arten der GeVgl. Puppe, S. 58. Vgl. namentlich BGH, MDR 1954, 693; Bruns, S. 566 sowie weit. Nachw. bei Puppe, S. 59, Fn. 2. 15 Vgl. Puppe, S. 63 f., S. 69 ff. 18 Ob man dabei zu einer Punkt- oder Rahmenstrafe gelangt, ist ebenso ein allgemeines Problem der Strafzumessungslehre wie die Frage nach Möglichkeiten und Grenzen einer Modifikation der schuldentsprechenden Strafe durch Präventionserwägungen,vgl. Puppe, S. 60 Fn. 3. 17 Vgl. Puppe, S. 77 ff. 13

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B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

waltanwendung oder Täuschung. Während die je konkrete "Art" des Unrechts auf Tatbestandsebene ohne Bedeutung ist, ermöglicht ihre Bestimmung im Rahmen der Strafzumessung eine nähere Differenzierung innerhalb des gesetzlich festgelegten Strafrahmens. Wenn nun die Strafdrohungen nicht an eine "Tat als solche", sondern ihre unrechtsrelevanten Eigenschaften anknüpfen, sind nur diese Eigenschaften für die Strafzumessung von Bedeutung, nicht der Realvorgang. Sind aber die Eigenschaften einer Handlung Gegenstand der Strafzumessung, kann sich das Doppelverwertungsverbot nur auf diese beziehen, nicht auf den Realakt. Das Doppelverwertungsverbot fordert daher immer und ausschließlich dann "eine einheitliche Strafzumessung für mehrere Tatbestandsverwirklichungen ... , wenn nicht nur die tatbestandsmäßigen Handlungen identisch sind, sondern außerdem in den nach den verschiedenen Tatbeständen gebildeten Strafzumessungsnormen gleiche Eigenschaften vorkommen"18. Die für die Konkurrenzlehre entscheidende Frage lautet nun, unter welchen allgemeinen Voraussetzungen verschiedene Strafzumessungsnormen gleiche Eigenschaften aufweisen. Die Antwort ergibt sich von dem Ausgangspunkt, die Strafzumessungsnorm sei aus dem Tatbestand herzuleiten. Falls das tatbestandliche Unrecht "ähnlich", inhaltsverwandt ist, muß das auch für die Strafzumessung gelten. Solche Inhaltsverwandtschaft kann einmal dadurch vermittelt sein, daß in zwei Tatbeständen gemeinsame Unrechtsmerkmale verwendet werden. So weisen Betrug und Urkundenfälschung (in der Alternative des Gebrauchmachens) das Merkmal "Täuschung" auf, das sowohl für das Unrecht des § 263 wie des § 267 13. Alt. kennzeichnend ist. Zum anderen kann die inhaltliche Beziehung auch darin bestehen, daß das Merkmal eines Tatbestandes als nähere Differenzierung von Merkmalen eines anderen erscheint 19. Ein Differenzierungskriterium des Gewaltbegriffes der Nötigungsdelikte ist nach Puppe beispielsweise die körperliche Verletzung des Angegriffenen. Der in § 240 verwendete Begriff Gewalt ist in der Strafzumessung etwa näher zu beschreiben als Gewalt mittels einer Körperverletzung oder Tötung, weil die Auswirkungen der Gewalt für Unrecht und Schuld der Vgl. Puppe, S. 128. Vgl. Puppe, S. 137 f. Puppe gerät mit ihrer Konzeption in Schwierigkeiten, weil nicht alle inhaltsverwandten Strafgesetze die gleichen Strafrahmen vorsehen. Streng genommen müßten nämlich etwa alle Gewaltdelikte im Höchstmaß lebenslängliche Freiheitsstrafen androhen, weil die Tötung ein Sonderfall der Gewaltanwendung ist. Gleichwohl hat der Gesetzgeber für alle Fälle, in denen das verwandte strengere Gesetz nicht anwendbar ist, eine niedrigere Höchststrafe festgesetzt, um durch den engeren Strafrahmen dem Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit Rechnung zu tragen. Den Widerspruch, der bei gleichzeitiger Verwirklichung beider Gesetze zwischen den Strafrahmen entsteht, beseitigt die "Metaregel" des § 52 (vgl. Puppe, S. 135 ff.). 18

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11. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

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Nötigung mitbestimmend sind und daher notwendig die Strafzumessung beeinflussen. Umgekehrt ist die "nötigende Gewalt" bei der Strafzumessung für die Körperverletzung oder Tötung zu berücksichtigen, weil solche Gewalt für das Unrecht von Tötung und Körperverletzung charakteristisch sein soll. Die Tatbestände bestimmen sich dann gegenseitig in der Weise, daß die Strafzumessungsnormen der Körperverletzung oder Tötung und der Nötigung austauschbar sind. In der Strafzumessung nach jedem Tatbestand sind alle zu berücksichtigenden Elemente gleich. Um eine Doppelverwertung zu vermeiden, muß eine Einheitsstrafe gebildet werden. Es hängt somit "allein von den gesetzlichen Tatbeständen und ihrer Auslegung ab, zu der ja auch die Festlegung ihrer zulässigen Differenzierungen gehört, ob zwei Strafgesetze miteinander in Idealkonkurrenz treten können ..."20. Zwischen Strafgesetzen mit heterogenem Unrechtsgehalt ist danach Idealkonkurrenz selbst dann ausgeschlossen, wenn sie durch denselben Realakt verletzt werden. Allerdings ist auch von diesem Ausgangspunkt die Entbehrlichkeit eines "natürlichen" Handlungsbegriffs noch nicht selbstverständlich. Die Unrechtsverwandtschaft legt zwar in abstracto fest, zwischen welchen Gesetzesverletzungen Idealkonkurrenz möglich ist, beantwortet aber noch nicht die weitere Frage, wann das in concreto zutrifft. Nötigung und Körperverletzung oder Betrug und Urkundenfälschung können ja auch unabhängig voneinander begangen und nach Realkonkurrenzregeln bestraft werden. Hier entsteht prinzipiell das gleiche Problem wie bei der wiederholenden Tatbestandsverwirklichung, nämlich Einheitskriterien zu finden. Diese können nach Puppe - ganz im Sinne des oben Gesagten21 - nicht mit einer natürlichen Betrachtungsweise gewonnen werden, sondern sind ebenfalls aus den verletzten Tatbeständen selbst abzuleiten. Methodische Besonderheiten ergeben sich allerdings daraus, daß es um die Verletzung verschiedener Tatbestände geht. Eine nähere Darstellung dieser Frage ist aber nicht erforderlich, weil zunächst nur die prinzipielle Richtigkeit der Lehre von der Unrechtsverwandtschaft überprüft werden soll. bb) Die "intensionale Teilidentität" Die Probleme der Teilidentität wie der Klammerwirkung entstehen für die h. M. aus der Möglichkeit nur teilweiser Deckung tatbestandlicher Ausführungshandlungen, die bestimmte Handlungsvollzüge erfaßt und andere nicht. Eine vergleichbare Problematik ergibt sich aber auch bei der von Puppe befürworteten intensionalen Betrachtung von 20 21

Vgl. Puppe, S. 170 f. Vgl. BI 2.

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B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

Tatbeständen und Strafzumessungsnormen, wenn die Auslegung zweier Tatbestände zu dem Ergebnis führt, daß die Unrechtsmerkmale des einen Tatbestandes nur teilweise im anderen vorkommen. So könnte man beispielsweise annehmen, Betrug und Urkundenfälschung hätten nur das Merkmal "Täuschung" gemeinsam, nicht aber auch die übrigen in den §§ 263, 267 genannten Voraussetzungen. Die zugehörigen Strafzumessungsnormen wären in diesem Fall nicht voll-, sondern teilidentisch. Puppe sieht bei einer derartigen Konstellation nur zwei Alternativen, nämlich beide Normen nebeneinander anzuwenden und damit gegen das Doppelverwertungsverbot zu verstoßen, oder eine der Normen nicht anzuwenden und damit einen Teil der Unrechtsmerkmale unberücksichtigt und die Strafzumessungsnorm unvollständig zu lassen. Puppes Konzeption würde deswegen bei der Wahl des "kleineren übels", der Annahme von Idealkonkurrenz, zu größeren Ungereimtheiten als die Lösung der h. M. führen, die in jedem Falle die Straftat rechtlich umfassend würdigen kann. Puppe sucht diesen Schwierigkeiten zu entgehen, indem sie folgende "Konvention" einführt: "Die tatbestandlichen Unrechtstypen sind nicht teilbar, sie können nur entweder ganz oder gar nicht in einem anderen Tatbestand als dessen nähere Unrechtsbestimmung auf treten" 22. Auf dieser Grundlage gibt es keine Teilidentität mehr, weil man bei idealkonkurrierenden Gesetzesverletzungen immer zu einer einheitlichen Strafzumessungsnorm kommt. Handlung im Sinne des § 52 ist daher immer der von den idealkonkurrierenden Tatbeständen gebildete gesamte Unrechtskomplex. Puppe begründet eingehend die logische Zulässigkeit ihres Verfahrens, daneben kurz die Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 23 • Auf eine dogmatische Fundierung ihrer Konvention verzichtet sie weitgehend. Sie leitet das Postulat von der Unteilbarkeit der tatbestandlichen Unrechtstypen lediglich aus den Bedürfnissen ihres Strafzumessungs- und Konkurrenzmodells ab. Nicht dargelegt wird, warum es aus strafrechtsdogmatischer Sicht ausgeschlossen sein soll, daß nur einzelne Merkmale eines Tatbestandes in einem anderen Tatbestand verwendet werden. Darüber hinaus beleuchtet Puppe auch die inhaltlichen Konsequenzen ihrer Position nicht näher, obwohl die möglichen Bedenken offenkundig sind. Ihr Ansatz führt dazu, daß der Unrechtsgehalt eines Tatbestandes davon abhängt, ob ein anderes Strafgesetz explizit oder implizit ein gleiches oder ähnliches Unrechtsmerkmal vorsieht: Verwandte Tatbestände sollen sich ja insgesamt, also auch hinsichtlich der "unähnlichen" Merkmale, wechselseitig charakteri22 Puppe, S. 190. Zur Ableitung dieser Konvention aus den weiteren Konventionen B 1 und B 2 vgl. S. 185 ff. 23 Vgl. Puppe, S. 193 f.

11. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

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sieren. Das bedeutet, daß unter Umständen die Änderung oder Streichung eines Tatbestandes die Unrechtsbeschreibung "verwandter" Delikte modifiziert, gleichgültig, ob der Gesetzgeber das beabsichtigt oder nicht. Diese Problematik braucht jedoch nur dann vertieft zu werden, wenn sich die Lehre von der Unrechtsverwandtschaft im Ausgangspunkt als richtig erweist. Andernfalls stellt sich die Frage nach der Möglichkeit "intensionaler Teilidentität" nicht. ce) Die Klammerwirkung Die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis einer durchlaufenden Tat mit zwei oder mehreren selbständigen äußeren Delikten stellt sich Puppe nicht in der gleichen allgemeinen Form wie der h. M. Das folgt schon daraus, daß Puppe bloße Handlungsidentität als Voraussetzung des § 52 nicht anerkennt und dadurch die Fälle der Idealkonkurrenz erheblich reduziert. Hinzu kommt, daß eine Zergliederung von Fortsetzungs- und Dauerstraftaten befürwortet wird, die für weite Bereiche eine Verklammerung ausschließt. Damit verbleiben für eine mögliche Verklammerung nur die zeitlich gestreckten Erfolgsdelikte im wesentlichen zwei- und mehraktige Taten - , die man nicht "aufspalten" kann24 • Von ihrem abweichenden Standpunkt sieht Puppe die Klammerwirkung aber nicht als "Dilemma", sondern ist in der Lage, eine für alle Fälle gleiche, inhaltlich begründete Lösung zu entwickeln. Nach ihrer Konvention von der Unteilbarkeit des tatbestandlichen Unrechts sind alle drei Delikte und nicht nur A und C sowie Bund C inhaltlich verknüpft und bilden daher einen einzigen Tatkomplex. Das gilt nicht nur, wenn man aus dem Blickwinkel des Delikts C die Konkurrenzlage erfaßt, sondern auch, wenn man von A oder Bausgeht. Ist A mit C inhaltsverwandt, bedeutet C nach seinem gesamten Unrechtsgehalt eine nähere Differenzierung von A. Da andererseits in die nach C gebildete Strafzumessungsnorm Delikt B eingeht, ist B für den Unrechtsgehalt von A mitcharakteristisch25 • Puppe demonstriert das am Beispiel einer Entführung wider Willen (C), bei der ein Täter sein Opfer schlägt (A), um den Widerstand gegen die Entführung zu brechen und anschließend den Verkehr durch Drohungen erzwingt (B). Die nach der Körperverletzung begangene Vergewaltigung B sei hier trotzdem durch § 223 (A) mitqualifiziert. § 223 erschwere nämlich die Entführung (C), die ihrerseits auch dadurch gekennzeichnet sei, daß sie mit einer Vergewaltigung geendet habe. Der Handlungskomplex beginne daher mit dem Hineinzerren des Opfers in den Wagen und ende mit der Vergewaltigung26 • Die Lehre von der Unrechtsverwandtschaft kann 24

25

28

Siehe dazu unten C IV. Vgl. Puppe, S. 199 ff. Vgl. S. 209.

128

B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

aber ebensowenig wie die h. M. den Befund ausräumen, daß ein Täter allein wegen der Begehung einer dritten Tat nach Idealkonkurrenzregeln bestraft wird. Puppe gerät damit allerdings nicht in Widersprüche, weil sie den Zweck des § 52 ausschließlich im Verhindern einer Doppelverwertung und der Zusammenfassung verwandter Unrechtssachverhalte sieht, nicht etwa in der Abgeltung minderer Schuld. Im Ergebnis ist daher nicht zu bestreiten, daß Puppe auf der Grundlage ihrer Prämissen das Problem der Klammerwirkung angemessener bewältigen kann als die h. M. Zum einen vermag sie die Möglichkeiten einer Klammerwirkung weitgehend einzuschränken, zum anderen kann sie die Lösung in den verbleibenden Fallgruppen widerspruchsfrei begründen. b) Bewertung des Konkurrenzmodells

Im folgenden soll geklärt werden, ob Pup pes Lehre von der Unrechtsverwandtschaft mit dem positiven Recht vereinbar ist oder § 52 nicht doch ein "naturalistischer" Handlungsbegriff zugrunde gelegt werden muß. Den Prüfungsmaßstab bilden grammatische (aa), historische (bb) und teleologische (ce) Auslegung. aal Grammatische Auslegung Der Wortsinn des Begriffes "dieselbe Handlung"27 in § 52 spricht nicht zwingend für die h. M. und gegen Puppes Auslegung. So verwendet etwa § 15 den Ausdruck Handlung im Sinne der tatbestandlichen Ausführungshandlung, die Tun wie Unterlassen umfaßt, und meint nicht etwa eine "natürliche", dem Recht vorgegebene Handlung. Allein aus dem sprachlichen Zusammenhang der §§ 52, 53 kann daher ein bestimmtes Verständnis des Handlungsbegriffes hergeleitet werden 28 . Wenn § 52 I 1. Alt. die Verletzung mehrerer Gesetze durch dieselbe Handlung voraussetzt, mag es naheliegen, die Begriffe Handlung und Gesetzesverletzung als voneinander unabhängig anzusehen. Das Verfahren, von einer tatbestandsunabhängigen Handlung auszugehen und sodann die Subsumierbarkeit unter mehrere Gesetze zu überprüfen, würde jedenfalls ganz unproblematisch dem Gesetzeswortlaut entsprechen. Indes ist auch Puppes Interpretation mit dem Wortlaut der ersten Alternative des § 52 I vereinbar. Die Handlung in Abhängigkeit 27 Dazu Geerds, Konkurrenz, S. 245. Vgl. dort auch die Nachw. zur älteren Diskussion um den Handlungsbegriff. 28 Die nicht am Einzelbegriff "Handlung", sondern an dem Gesamtzusammenhang des Abs. I, einem ganzen Satz, orientierte Auslegung kann auch als "systematische" bezeichnet werden, wenn man die grammatische Auslegung auf einzelne Worte beschränkt. Diese terminologische Frage ist für die inhaltliche Argumentation ohne Bedeutung.

11. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

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vom Inhalt der verletzten Strafgesetze zu bestimmen und das gesamte, nach den verschiedenen Delikten unrechtsrelevante Verhalten als ein und dieselbe Handlung anzusehen, ist zwar ein bislang nicht erwogener, mit dem sprachlichen Zusammenhang der ersten Alternative des § 52 I jedoch vereinbarer Vorschlag. Daß zwei Begriffe in einem zirkulären Bestimmungsverhältnis stehen, ist nicht unmöglich. Mit dem Gesetzeswortlaut unvereinbar wäre es nur, unter Handlung die Normverletzung selbst zu verstehen, da es dann keine (ungleichartige) Ideal-, sondern ausschließlich Realkonkurrenz geben könnte, die Gegenüberstellung von Handlung und Normverletzung also keinen Sinn hätte. Nach § 52 I 2. Alt. kann ein und dieselbe Handlung dasselbe Strafgesetz auch mehrmals verletzen. Von Puppes Standpunkt ist diese sog. gleichartige Idealkonkurrenz nicht erklärbar. Das Unterscheidungsmerkmal der Unrechtsverwandtschaft muß in bezug auf dasselbe Strafgesetz versagen, weil das tatbestandliche Unrecht nicht "ähnlich" sein kann, sondern identisch ist. Bestimmt man, wie Puppe, die Handlung als Einheit von Verhalten und tatbestandsmäßigem Erfolg, bedeutet es einen Widerspruch anzunehmen, eine Handlung könne mehrmals dasselbe Strafgesetz verletzen29 • Von diesem Standpunkt gibt es nur die Möglichkeit, entweder eine Handlung und damit einen - wenn auch schwerer wiegenden - Unrechtserfolg anzunehmen oder umgekehrt eine Mehrheit von Handlungen und Erfolgen. Bei Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Träger kann also nach Pup pes Konzept nur entweder eine einzige Tatbestandsverwirklichung oder Realkonkurrenz, nicht aber Idealkonkurrenz vorliegen30 • Für sie ist daher § 52 nicht mehr als "ein ungenau formulierter Hinweis", daß die Verletzung mehrerer Rechtsgüter zu einem einheitlichen Erfolg und damit einer einzigen Tatbestandsverwirklichung zusammengefaßt werden kann31 • Der Gesetzgeber hat in § 52 die gleichartige Idealkonkurrenz ausdrücklich erwähnt, um diese zuvor umstrittene Figur anzuerkennen. Unabhängig von diesem entstehungs geschichtlichen Hintergrund ist der eingefügte Passus schon sprachlich nur sinnvoll, wenn man unter "Handlung" einen Realvorgang versteht, den Begriff also, um mit Puppe zu sprechen, "extensional" interpretiert. Die Möglichkeit, durch ein und dieselbe Handlung dasselbe Gesetz mehrfach zu verletzen, ergibt sich dann zwanglos aus der Nichtberücksichtigung des tatbestandsmäßigen Erfolges im Begriff der Handlung. Wer etwa durch den Wurf einer Bombe zehn Menschen tötet, verwirklicht durch diesen Akt 2g 30 31

Vgl. Puppe, S. 238 f. Vgl. S. 239. Vgl. S. 241.

9 Werle

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B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

zehnmal den Tatbestand eines Tötungsdelikts. Der Zusammenhang beider Alternativen des § 52 I spricht also eindeutig dafür, unter dem Begriff "Handlung" mit der h. M. einen Realakt zu verstehen, da andernfalls eine gleichartige Idealkonkurrenz nicht denkbar ist. Die sachliche Berechtigung dieser Figur32 braucht hier nicht näher erörtert zu werden. Selbst wenn man sie verneint, ändert das nichts daran, daß der sprachliche Zusammenhang des § 52 einen "natürlichen" Handlungsbegriff voraussetzt. bb) Historische Auslegung Der Gesetzgeber des RStGB hat die aus dem gemeinen Recht erwachsene Unterscheidung von Handlungseinheit und Handlungsmehrheit übernommen und als Rechtsfolge die Bildung von Einheits- und Gesamtstrafe vorgesehen33 • In den Motiven selbst wird die gesetzliche Regelung nicht näher problematisiert, sondern nur ihr Ursprung im gemeinen Recht ausgewiesen34 • Die Konkurrenzbestimmungen waren alsbald Gegenstand von Reformvorschlägen, die eine einheitliche Strafenbildung bei Real- und Idealkonkurrenz forderten, so daß sich der Entwurf von 1909 eingehend mit dieser Frage befaßte und im Ergebnis eine Beibehaltung des überkommenen Konkurrenzmodells befürwortete 35 • Die nachfolgenden Entwürfe bis einschließlich des E 1919 hielten unverändert an dieser Position fest 36 • Eine Wende bedeutete dann der 1922 von Radbruch vorgelegte Entwurf eines "Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches", der in § 63 vorsah, eine Einheitsstrafe zu bilden, wenn "auf dieselbe Tat mehrere Strafgesetze anwendbar" sind oder "jemand mehrere selbständige Taten begangen" hat, die gleichzeitig abgeurteilt werden. Nach § 64 konnte die Strafrahmenobergrenze des verletzten schwersten Strafgesetzes bis zur Hälfte überschritten werden 37 • Die nachfolgenden Entwürfe 38 enthalten im wesentlichen inhaltsgleiche Vorschriften. Lediglich der E 1936 weicht insofern ab, als er Tateinheit und Tatmehrheit in gesonderten Vorschriften erwähnt, aber in der Rechtsfolge einheitlich behandelt und das Überschreiten der Strafrahmenobergrenze nur durch die absolute Höchststrafe von 15 Jahren Zuchthaus limitiert38 • 32 Vgl. Jescheck, AT, S. 548 f. Fn. 6 mit Nachw. zur früheren Gegenmeinung zu § 73 a. F., der diese Konkurrenzform noch nicht ausdrücklich vorsah. Vgl. ferner Geerds, Konkurrenz, S. 272 ff.; v. Liszt / Schmidt, S. 356 Fn. 1; Welzel, S. 232; weit. Nachw. zur h. M. und zur Gegenmeinung bei Puppe, S. 238 Fn. 1, S. 240 Fn. 3. 33 Zur historischen Entwicklung vgl. Geerds, Konkurrenz, S. 27 ff. u E 1869 (Norddeutscher Bund) - Motive, S. 78. 35 Vgl. E 1909 Begr., S. 171 ff.; ferner E 1909 (Stellungnahmen), S. 232 ff. 30 Vgl. dazu Geerds, Konkurrenz, S. 489 m. Nachw. 37 Zur Begründung E 1922 (Radbruch), S. 22. 38 Vgl. §§ 63 - 66 E 1925, §§ 65 - 68 E 1927.

11. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

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Gemeinsamer Ausgangspunkt aller Entwürfe ist die Anerkennung eines dem Recht vorgegebenen "natürlichen" Handlungsbegriffes. Das kommt darin zum Ausdruck, daß auch die Regelungen über die Einheitsstrafe die Unterscheidung von Handlungseinheit und Handlungsmehrheit beibehalten und lediglich ihre rechtlichen Folgen einebnen40 • Bei einer Ablehnung des "natürlichen" Handlungsbegriffes hätte man die beiden Handlungsformen nicht erwähnt. Allen Entwürfen lag auch die Auffassung zugrunde, bei Handlungseinheit müsse eine Einheitsstrafe gebildet werden. Der von Anhängern der Mehrheitstheorie unterbreitete Vorschlag einer Gesamtstrafenbildung bei Handlungseinheit4 1 fand keinen Anklang, obwohl auch er eine Angleichung der Rechtsfolgen von Handlungseinheit und -mehrheit bewirkt hätte. Die Reformdiskussionen auf gesetzgeberischer Ebene konzentrierten sich stets auf die Fragen, ob die Einheitsstrafe auch bei Handlungsmehrheit sachgemäß sei und ob bei Handlungseinheit der Höchststrafrahmen des schwersten verletzten Gesetzes erweitert werden solle 42 • Differenzen bestanden ausschließlich in der materiellen Bewertung der Handlungsformen. Während die Befürworter der Einheitsstrafe einen sachlich relevanten Unterschied leugneten und den konkreten Umständen tateinheitlicher oder -mehrheitlicher Gesetzesverletzungen entscheidende Bedeutung für die Strafhöhe zuschrieben, lehnten die Anhänger des geltenden Rechts vom entgegengesetzten Ausgangspunkt eine Angleichung der Konkurrenzformen ab 43 • Daneben wurde die Einführung der Einheitsstrafe namentlich im Hinblick auf den mit ihr verbundenen Vereinfachungseffekt in der richterlichen Praxis gefordert. So heißt es im E 1927, daß die "Schwierigkeiten, die bei der oft zweifelhaften Abgrenzung der beiden Konkurrenzformen voneinander zu überwinden sind ... , meist in keinem Verhältnis zu dem praktischen Wert der Unterscheidung" stehen44 • Die heutige Regelung der Konkurrenzen geht auf das 1. StrRG zurück45 • Von zentraler Bedeutung für die Entstehungsgeschichte des § 52 ist der E 1962, weil die Begründung der Regierungsvorlage zum 1. StrRG ausdrücklich auf den Entwurf verweist und sich dessen Argumente zu eigen macht 46 • Vgl. §§ 53 - 55 E 1936. Vgl. § 63 E 1925, § 65 E 1927. 41 Habermaas, Konkurrenz, S. 81 ff.; Coenders, S. 44 f.; Wachenfeld, Verbrechenskonkurrenz, S. 135 f.; ferner die weit. Nachw. bei Geerds, Konkurrenz, S. 488. 42 Vgl. die ausf. Begr. in E 1909 (Begr.), S. 368 ff. 43 Vgl. E 1909 (Begr.), S. 385; E 1922 (Radbruch), S. 61; E 1925, S. 45 f.; E 1927, S. 50 ff. 44 Vgl. E 1927, S. 50 ff. 45 Das 2. StrRG faßte die Vorschrift ohne inhaltliche Änderungen neu. 39

40



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B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

Die Beratungen zum E 1962 knüpfen an den soeben beschriebenen Diskussionsstand an. Der Entwurf geht davon aus, "daß zwischen Tateinheit und Tatmehrheit ein naturgegebener Unterschied besteht, der zwar in einer beachtlichen Zahl von Grenzfällen nicht deutlich in die Erscheinung tritt, der aber in der großen Masse der Lebenssachverhalte offen zutage liegt und auch von dem juristisch nicht Vorgebildeten unmittelbar empfunden wird"47. Die der Großen Strafrechtskommission vorgelegten Gutachten, die sich für die Einführung der Einheitsstrafe aussprachen48 , nahmen ebenso wie die Vorschläge der Sachbearbeiter des Bundesjustizministeriums49 einen solchen naturgegebenen Unterschied von Handlungseinheit und -mehrheit an. Derselbe Gedanke beherrschte auch die Diskussionen in der Großen Strafrechtskommission50 und kam schließlich mit der Anerkennung der gleichartigen Idealkonkurrenz im Gesetzeswortlaut deutlich zum Ausdruck. Diskutiert wurden daher lediglich die Erhöhung der Strafrahmenobergrenze bei § 52 und eine Ausdehnung der Einheitsstrafe auf den Bereich der Realkonkurrenz, während man die Bildung einer einheitlichen Strafe bei Handlungseinheit für zwingend hielt 51 • Nach Auffassung des historischen Gesetzgebers liegt § 52 daher ein natürlicher Handlungsbegriff zugrunde. Puppe glaubt, die Unmöglichkeit eines solchen Handlungsbegriffs nachgewiesen zu haben und leitet daraus die Berechtigung ab, § 52 in ihrem Sinne zu interpretieren. Richtig ist dabei, daß ein "naturgegebener" Handlungsbegriff abzulehnen ist, weil man jede sog. Elementarhandlung weiter zerlegen kann. In dieser Hinsicht ist der Ausgangspunkt des historischen Gesetzgebers unzutreffend. Auf der anderen Seite ist die Handlung im natürlichen Sinne kein "Unbegriff", weil sie in der Masse der Fälle durch den Sprachgebrauch hinreichend klar umrissen ist und überdies die Anwendung der Formel nur eine Beziehung der Bewegungsgleichheit voraussetzt, die regelmäßig ohne größere Schwierigkeiten ermittelt werden kann. In seinen Konsequenzen ~8 Vgi. BT-Drucks. V/4094, S. 25. 47 E 1962, S. 189. 48 Vgi. Jescheck, ZStW 67 (1955), 537 ff.; Niese, S. 155, 163; auch der AE hat die Differenzierung nach dem Kriterium der natürlichen Handlung beibehalten, wie § 64 I verdeutlicht, wo gleichartige Idealkonkurrenz für möglich gehalten wird. 49 Vorschläge und Bemerkungen der Sachbearbeiter des BJM zum Thema Konkurrenzen, Ndschr. Bd. 2, Anhang Nr. 63, S. 193. 50 Vgi. Ndschr. Bd. 2, S. 308, 314 ff. 51 Vgi. etwa Niese, S. 159; Jescheck, ZStW 67 (1955), 537 ff. und Ndschr. Bd. 2, S. 283 - 292; vgi. namentlich dort, S. 286; Vorschläge und Bemerkungen der Sachbearbeiter, Ndschr. Bd. 2, Anhang S. 192; ferner die Diskussion im Anschluß an das Referat von Dahs (Ndschr. Bd. 2, S. 307 ff.) auf S. 314 ff., Ndschr. Bd. 2.

11. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

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deckt sich ein solcher "modifizierter" naturalistischer Handlungsbegriff mit den Vorstellungen des Gesetzgebers. Eine "naturalistische" Abgrenzung der §§ 52, 53 ist also möglich; daher kann der historischen Auslegung ihre Bedeutung nicht von vornherein abgesprochen werden. Das historische Auslegungsargument würde allerdings erheblich an Gewicht verlieren, wenn der Gesetzgeber allein wegen des vermeintlichen Zwanges zur Bildung einer Einheitsstrafe bei Handlungseinheit und ohne sachliche Gründe Real- und Idealkonkurrenz anhand eines naturalistischen Merkmals unterschieden hätte. Eine solche Position hat der Gesetzgeber aber nicht vertreten, sondern sich im wesentlichen auf inhaltliche überlegungen gestützt. Der E 1962 hat durchaus den Einwand der Befürworter einer Einheitsstrafe gesehen, daß "es häufig von nebensächlichen rechtlichen Zufälligkeiten abhänge, ob der Täter eine oder mehrere Taten im Rechtssinne begangen habe", und auch nicht verkannt, daß es bei beiden Konkurrenzformen von den Umständen abhängen kann, ob "im Einzelfall das Vorliegen mehrerer Gesetzesverletzungen den Unrechts gehalt der Tat und die Schuld des Täters" erhöht62 • Gleichwohl hat der Reformgesetzgeber am historisch gewachsenen Konkurrenzmodell festgehalten, weil er "von den typischen Fällen der Tateinheit und Tatmehrheit ausgeht" und es für "eine Erfahrungstatsache" hält, daß "eine Vielzahl von selbständigen Handlungen, die zugleich auf einer Vielzahl von Willensbetätigungen beruht, in der Regel eine größere verbrecherische Intensität offenbart und in größerem Maße Strafe verdient, als eine einzige Tat, die jemand unter Verletzung mehrerer Gesetze begeht". Aus diesem Grunde erforderte nach seiner Auffassung die "gerechte und kriminalpolitisch zutreffende Erfassung der Tatmehrheit ... einen wesentlich elastischeren Strafrahmen, als er bei Tateinheit geboten ist"58. Der E 1962 hat dann im Ergebnis bei Idealkonkurrenz auf jede Erhöhung des Höchststrafrahmens verzichtet, weil bei Idealkonkurrenz Unrechts- und Schuldgehalt der Tat sich zwar regelmäßig erhöhten, aber andererseits bei ungleichartiger Idealkonkurrenz der "besondere Unrechts- und Schuldgehalt, der durch einen konkurrierenden Gesichtspunkt zum Ausdruck" komme, "nicht oder nur unerheblich ins Gewicht" falle 5'. Neben dieser unterschiedlichen Bewertung tateinheitlich und tatmehrheitlich begangener Delikte bewogen den Gesetzgeber auch prozessuale überlegungen zur Beibehaltung des alten Rechts. Der E 1962 erkannte zwar an, daß die Einheitsstrafe durch den Verzicht auf die Bildung von Einzelstrafen die richterliche Arbeit erleichtert und den 52 53 54

E 1962, S. 189. E 1962, S. 190. E 1962, S. 192.

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B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

Bestand eines Urteils von der zutreffenden Beurteilung der Konkurrenzform unabhängig macht 55 , hielt aber die in anderen Zusammenhängen entstehenden prozessualen Nachteile für schwerwiegender. Namentlich wurde befürchtet, die Einheitsstrafenbildung könne "allzuleicht zu einer summarischen und an der Oberfläche haftenden Beurteilung der Taten und der Täterpersönlichkeit" verführen, "die sich von den Grundsätzen eines folgerichtigen Schuldstrafrechts" entferne. Darüber hinaus weist der E 1962 darauf hin, es sei aus "mannigfachen prozessualen Erfordernissen ... unvermeidbar, daß sich das Urteil über die Rechtsform des Zusammentreffens mehrerer Gesetzesverletzungen"S6 äußere. Damit ist offenbar die Bedeutung der unterschiedlichen Handlungsformen für den prozessualen Tatbegriff gemeint. In den Diskussionen wurde auch von den Befürwortern der Einheitsstrafe hervorgehoben, unabhängig von der Ausgestaltung der Rechtsfolgen sei bei Handlungseinheit die Annahme einer im prozessualen Sinne einheitlichen Tat zwingend, so daß jedenfalls in diesem Zusammenhang die für das materielle Recht entbehrliche Abgrenzung unvermeidbar seis7 . Diese materiell- und prozeßrechtlichen Erwägungen gaben für den Gesetzgeber den Ausschlag, den "naturgegebenen" Unterschied der Handlungsformen anzuerkennen und die Rechtsfolgen abweichend zu gestalten. Damit wurde eine jahrzehntelange kontroverse Diskussion zum Abschluß gebracht. Gerade vor dem Hintergrund der vorangegangenen ausführlichen Auseinandersetzungen verdient die Auffassung des Gesetzgebers besondere Beachtung. Daher fällt die historische Auslegung entscheidend gegen Puppes Konkurrenzmodell ins Gewicht. ce) Teleologische Auslegung Puppe räumt selbst ein, daß historische und grammatische Auslegung gegen ihr Konzept sprechen, widmet diesen Bedenken aber wenig AufmerksamkeitS8 und sucht sie mit Hilfe der teleologischen Auslegung zu überspielen. Die gesetzliche Regelung müsse sich "an Gerechtigkeitsmaßstäben messen lassen"; wenn sie sich als ungerecht erweise, sei es zulässig, Ungerechtigkeiten "durch eine andere Interpretation des Gesetzes zu vermeiden"s9. Im Ergebnis wird die "naturalistische" Abgrenzungsmethode verworfen, weil sie mit dem Sinngehalt des § 52, Doppelverwertungen zu verhindern, nicht vereinbar sei. Dieses Vorgehen entVgl. E 1962, S. 189 f. E 1962, S. 190. 57 Vgl. etwa die Vorschläge und Bemerkungen der Sachbearbeiter des BJM, Ndschr. Bd. 2, Anhang Nr. 63, S. 195 ff.; Niese, Gutachten, S. 163 ff. 58 Vgl. S. 137 f., 241. 59 S.138. 55

S8

11. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

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spricht zwar dem überwiegenden Verständnis teleologischer Auslegung 60 , begegnet aber gleichwohl nicht unerheblichen methodischen Bedenken. Die Zulässigkeit einer teleologischen Auslegung ohne Anknüpfung an historische, grammatische oder systematische Auslegungselemente ist zweifelhaft. Sie ist namentlich im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz problematisch, weil im Endeffekt die Zweckbestimmung und damit gegebenenfalls die Um deutung einer Norm dem Rechtsanwender überantwortet wird 61 • Dieser grundlegende methodische Einwand soll hier jedoch nicht vertieft und abschließend beurteilt werden. Es wird sich nämlich zeigen, daß selbst von Puppes teleologischem Ausgangspunkt der Umsturz der historisch gewachsenen Konkurrenzlehre nicht zwingend ist, weil man die "naturalistische" Abgrenzungsmethode als formalisierte Umsetzung des Gesetzeszweckes begreifen und auf diese Weise die Ergebnisse grammatischer, historischer und teleologischer Auslegung harmonisieren kann. Die Verbindlichkeit des Doppelverwertungsverbots im Zusammenhang der Konkurrenzlehre folgt, wie oben gezeigt, aus dem Tatschuldprinzip. Dieses gebietet, Unrechtssachverhalte so zu konstituieren, daß die mehrfache Berücksichtigung schuldrelevanter Faktoren bei der Strafzumessung vermieden wird. Bei Unrechtsverwandtschaft der verletzten Tatbestände droht immer eine solche Doppelverwertung, weil dann innerhalb verschiedener Strafzumessungsvorgänge sinn gleiche oder sinn ähnliche Merkmale zu berücksichtigen sind. Diese Konsequenz ergibt sich auch auf dem Boden der herrschenden Strafzumessungslehre, welche die Möglichkeit einer Schuldquantifizierung durch die Konkretisierung von Tatbestandsmerkmalen anerkennt 62 • Eine Einheitsstrafe müßte in Fällen der Unrechtsverwandtschaft also selbst dann gebildet werden, wenn § 52 nicht existierte. Die Annahme von Idealkonkurrenz ist daher bei der Verletzung unrechtsverwandter Strafgesetze zwingend. Puppes Lehre von der Unrechtsverwandtschaft basiert aber auf zusätzlichen Voraussetzungen: Einmal soll § 52 ausschließlich aus dem Doppelverwertungsverbot abzuleiten sein. Zum anderen konkretisiert Puppe dieses Verbot in ganz bestimmter Weise. Nach ihrer Auffassung müssen alle Elemente der Strafzumessungsschuld aus dem erfüllten Tatbestand entwickelt werden. Eine Doppelverwertung soll daher nur drohen, wenn die verletzten Strafgesetze gleiche oder ähnliche Merkmale enthalten. Wir wollen diese nicht unproblematischen Prämissen im folgenden zunächst übernehmen und auf dieser Grundlage eine immanente Kritik der Lehre von der Un80

81 B2

Vgl. nur TröndZe, LK, § 1 Rdn. 46 mit Nachw. zum Streitstand. Vgl. Müller, Juristische Methodik, S. 146 ff., 163. Vgl. Bruns, S. 369.

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B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

rechtsverwandtschaft versuchen. Erst später wird erörtert, ob die Ableitung des § 52 allein aus dem Doppelverwertungsverbot und Puppes Konkretisierung dieses Verbots zutreffen. Eine Doppelverwertung von Unrechts- oder Schuldmerkmalen ist nur notwendig, wenn zwischen den verletzten Strafgesetzen Unrechtsverwandtschaft besteht. Enthalten die erfüllten Tatbestände weder gleiche noch ähnliche Merkmale, sind die Normverstöße materiell selbständig. In solchen Fällen muß ein auf Unrecht und Schuld basierendes Tatstrafrecht grundsätzlich jede Gesetzesverletzung selbständig erfassen, um eine gerechte Strafe verhängen zu können. Daran zeigt sich, daß die Bildung von Bewertungseinheiten inhaltlich nur legitimiert ist, wenn dieselben Unrechts- oder Schuldmerkmale für die Strafbemessung nach mehreren Tatbeständen relevant sind. Demgegenüber bedeutet die Formel keine materielle Ableitung, da sie lediglich eine Identität des Ausführungsvorgangs voraussetzt, die von den inhaltlichen Beziehungen der verletzten Strafgesetze völlig unabhängig ist. Daher ist eine selbständige strafrechtliche Bewertung handlungsidentischer Gesetzesverletzungen ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot möglich, sofern das beschriebene Unrecht "artverschieden" ist. Das gilt etwa, wenn ein Täter ohne Fahrerlaubnis einen Pkw stiehlt: Da das Unrecht des Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit dem des Diebstahls "nichts zu tun" hat, könnten ohne Verstoß gegen das Schuldprinzip zwei Strafen verhängt werden. Puppe lehnt aus diesem Grund die Handlungsidentität als Unterscheidungsmerkmal der Konkurrenzformen ab. Diese Folgerung ist nicht zwingend. § 52 dient nach seinem sachlichen Gehalt dem Schutz des Täters vor einer schuldübersteigenden Strafe, die bei der Doppelverwertung von Unrechts- oder Schuldmerkmalen droht. Dieser Gesetzeszweck schließt aber eine Grenzziehung nicht aus, die andere als unrechtsverwandte Gesetzesverletzungen in den Anwendungsbereich des § 52 einbezieht, solange nur eine mögliche Doppelverwertung sicher verhindert werden kann. Der Gesetzgeber muß nämlich nicht nur auf die möglichst vollständige Umsetzung seiner Leitvorstellungen achten, sondern auch die praktischen Schwierigkeiten der Rechtsanwendung berücksichtigen. Er kann aus diesem Grunde materielle Zwecke auch mit Hilfe einer formalisierten Grenzziehung verwirklichen, die dem Richter eine im Einzelfall unter Umständen schwierige inhaltliche Prüfung abnimmt. Der Nachteil ungerechter Ergebnisse in Einzelfällen wird dann durch einen Zuwachs an Gesetzesbestimmtheit und eine Vereinfachung der richterlichen Arbeit ausgeglichen. Eine solche formalisierte Abgrenzungsmethode ist gerade im Konkurrenzbereich naheliegend. Der Bestimmtheitsgrundsatz hat namentlich im Hinblick auf den prozessualen Stellenwert des materiell-

11. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

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rechtlichen Handlungsbegriffs besonderes Gewicht: Auf der Grundlage der h. M. ist bei Idealkonkurrenz stets auch eine Tat im Sinne des Prozeßrechts anzunehmen63 • Danach definiert der materiell rechtliche Handlungsbegriff zugleich den Kernbereich der Tat im prozessualen Sinne, weil bei Realkonkurrenz regelmäßig mehrere Taten vorliegen sollen. Die Reichweite materiellrechtlicher Handlungseinheiten ist daher im Prozeß - insbesondere im Hinblick auf den Umfang der Rechtskraft von zentraler Bedeutung. Ein klar umrissener materiellrechtlicher Handlungsbegriff trägt also wesentlich dazu bei, dem prozessualen Tatbegriff feste Konturen zu geben. Die erhebliche Bedeutung des Vereinfachungseffekts im Konkurrenzbereich zeigt sich daran, daß die Befürworter der Einheitsstrafe die Arbeitserleichterung für die Richter immer wieder als wesentlichen Gesichtspunkt betonen84 • Nun ist unbestreitbar, daß sich die nach Puppe "typischen" Fälle der Handlungseinheit und Handlungsmehrheit, in denen einmal Tatbestände mit homogenem und ein anderes Mal solche mit heterogenem Unrechtsgehalt verwirklicht werden, in aller Regel auch dadurch unterscheiden, daß ihnen - bei Handlungseinheit - eine einheitliche Körperbewegung oder - bei Handlungsmehrheit - selbständige Betätigungen zugrunde liegen. Begeht jemand in großem zeitlichen Abstand einen Diebstahl und eine Körperverletzung, geschieht das immer auch durch verschiedene "natürliche" Handlungen; umgekehrt ist die Annahme von Idealkonkurrenz im Regelfall nur berechtigt, wenn mehrere Delikte durch dieselbe Handlung im natürlichen Sinne begangen wurden. Die nur teilweise überschneidung von Ausführungshandlungen läßt sich ohne Schwierigkeiten nach dem gleichen Verfahren ermitteln. Puppes Einwand65 , die h. M. müsse hier gegen ihren Ausgangspunkt materielle Gesichtspunkte einführen68 , berührt die prinzipielle Tauglichkeit der Formel nicht. Er betrifft die anders gelagerte Fragestellung, ob schon die teilweise Handlungsidentität eine hinreichende Voraussetzung der Idealkonkurrenz ist. Man könnte die Formel auch in dem Sinne korrigieren, daß Teilidentität keine Idealkonkurrenz begründet, ohne deswegen schon die formelle Abgrenzungsmethode aufgeben zu müssen. Nimmt man bei Bewegungsgleichheit verschiedener Gesetzesverletzungen Idealkonkurrenz an, läßt sich die Gefahr einer Doppelverwertung mit Sicherheit und ohne umfangreiche Auslegungsoperationen ausräumen und gleichzeitig der Kernbereich der Tat im prozessualen 83

84

85 88

Vgl. dazu oben A 111 4 b). Vgl. etwa Geerds, Konkurrenz, S. 497 mit Nachw. sowie E 1927, S. 50 ff. S.307. Dazu B 111 2.

B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

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Sinne ohne Schwierigkeiten bestimmen. Der Preis dafür ist die Einbeziehung von Sachverhalten, in denen der Täter artverschiedene Tatbestände bewegungsgleich verletzt. Wie sich zeigen wird, ist die Anwendung des § 52 hier häufig aus Gründen sachgerecht, die noch näher erörtert werden. Aus dem Blickwinkel der Lehre von der Unrechtsverwandtschaft, die hier zunächst nur immanent kritisiert wird, ist die Annahme von Idealkonkurrenz jedoch dogmatisch verfehlt. Dieser Nachteil kann aber hingenommen werden. Die überdehnung der Schutzvorschrift nach § 52 begünstigt zwar bestimmte Täter, führt aber nicht zu krassen Ungerechtigkeiten. So räumt auch Puppe selbst ein, es sei "verhältnismäßig selten, daß jemand gleichzeitig mehrere Tatbestände verwirklicht, die ihrem Unrechts gehalt nach voneinander völlig unabhängig sind"67. Hinzu kommt, daß die Lehre von der Unrechtsverwandtschaft auf einem Strafzumessungskonzept basiert, das im Widerspruch zu all jenen Auffassungen steht, die den Schuldvorwurf auf die Tat als solche beziehen und die Strafzumessungskriterien nicht ausschließlich aus der tatbestandlichen Unrechtsbeschreibung ableiten 68 . Für diese Ansätze bedeutet schon die Doppelberücksichtigung "natürlicher" Handlungen eine Doppelverwertung. Puppes Modell zwingt also dazu, die Kontroversen um die Bedeutung der Strafzumessungsschuld in die Konkurrenzlehre - und mittelbar in die Bestimmung des prozessualen Tatbegriffs - hineinzutragen, weil die Handlungsform vom Inhalt der Strafzumessungsnormen abhängt. Jede Erweiterung oder Einschränkung der aus einzelnen Tatbeständen entwickelten Strafzumessungsgesichtspunkte wirkt sich danach auf den konkurrenzrechtlichen Handlungsbegriff aus. So müßte, um nur ein Beispiel herauszugreifen, unter Umständen schon im Zusammenhang der §§ 52, 53 geklärt werden, welche verschuldeten Auswirkungen einer Tat bei der Strafzumessung zu Buche schlagen, etwa welche Folgen einer Nötigung dem Täter angelastet werden können69 . Selbst wenn Puppes Strafzumessungsmodell eine konsequente Verwirklichung des Tatschuldgedankens bedeutet, ist es problematisch, daraus derart weitreichende Konsequenzen für die Konkurrenzlehre abzuleiten. In der Praxis läßt sich - zumal angesichts des Diskussionsstandes - nicht ausschließen, daß der Schuldvorwurf bei Bewegungsgleichheit auf die "Tat als solche" bezogen wird und damit unter Umständen nicht unrechtsrelevante Eigenschaften der Tat - im Widerspruch zu Puppes Ansatz - doppelt berücksichtigt werden. Bei Bewegungsgleichheit verschiedener Gesetzesverletzungen besteht jedenfalls unbestreitbar eine im Vergleich zu den typischen Fällen der 67

68 S9

S.307.

Dazu unten c). Zum Streitstand vgl. Hirsch, LK, 46 Rdn. 56.

11. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

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Realkonkurrenz erhöhte Gefahr der Doppelverwertung, die eine Ausdehnung des § 52 auf alle zweifelhaften Sachverhalte rechtfertigt. Die Vorteile der Formel sieht Puppe nicht, weil sie dem Gedanken der Rechtssicherheit kaum Beachtung schenkt. Ihre Aufmerksamkeit gilt in erster Linie der logischen Stringenz ihrer Ableitung, so daß sie die praktischen Schwierigkeiten einer inhaltlichen Abgrenzung der §§ 52, 53 nicht in den Blick bekommt. Ohne Probleme ist die Unrechtsverwandtschaft nur bei Gleichheit von Tatbestandsmerkmalen zu ermitteln. Wird ein Begriff wie Täuschung oder Gewalt in zwei Tatbeständen verwendet, ist das unmittelbar aus dem Gesetz abzulesen. Auch wenn der Begriffsinhalt nach dem Verwendungszusammenhang in den jeweiligen Normen unterschiedlich sein kann, wird in derartigen Fällen regelmäßig verwandtes Unrecht beschrieben, so daß eine Doppelverwertung von Unrechtsmerkmalen bei der Bildung mehrerer Strafen unvermeidlich wäre. Wesentlich unsicherer ist hingegen, unter welchen näheren Voraussetzungen Merkmale eines Tatbestandes die eines anderen differenzieren oder ihnen ähnlich sind. Puppe demonstriert insoweit ihre Methode nur an wenigen Fallgruppen, die zahlenmäßig kaum ins Gewicht fallen und daher keinen Gewinn an Rechtssicherheit bringen. Im übrigen bleibt es bei dem nicht näher konkretisierten Hinweis, die Unrechtsverwandtschaft von Tatbeständen sei durch Auslegung zu ermitteln70 • Solche Unrechtsverwandtschaft festzustellen, würde die richterliche Praxis häufig zu komplizierten inhaltlichen Überlegungen zwingen und damit die Gefahr erheblicher Rechtsunsicherheit begründen. Berücksichtigt man den von Puppe vernachlässigten Aspekt der Rechtssicherheit, ist es also durchaus sinnvoll, wenn der Gesetzgeber Ideal- und Realkonkurrenz formal abgrenzt. Auf diese Weise sind zwar im Einzelfall sachlich unrichtige Ergebnisse unvermeidlich, doch ist eine einheitliche und jedenfalls im Durchschnittsfall gerechte Praxis gewährleistet. Die h. M. kann allerdings bei bestimmten Fallgruppen trotz Unrechtsverwandtschaft keine Idealkonkurrenz annehmen, weil die Gesetzesverletzungen nicht handlungsidentisch sind. Problematisch sind Konstellationen, in denen ein Tatbestand ganz oder teilweise die Verwirklichung einer Absicht voraussetzt, die in einem anderen zuvor erfüllten Tatbestand enthalten ist7 1 • Soweit Delikte mit überschießender Innentendenz betroffen sind, kann man Idealkonkurrenz mit der Begründung bejahen, die materielle Beendigung der Tat schließe die Absichtsverwirklichung ein, und für Idealkonkurrenz genüge eine Handlungsidentität in diesem Stadium72 • Bei den sog. mitbestraften Vortaten oder 70 71 72

Vgl. S. 170 ff. Dazu eingehend Puppe, S. 195 ff. Vgl. die Nachw. unter A 11 3 Fn. 5; ferner bei Puppe, S. 196 Fn. 11.

140

B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

Nachtaten braucht eine derartige Absichtsverwirklichung nicht zwingend vorzuliegen. Trotzdem sieht man sich hier an einer Bestrafung nach Realkonkurrenzregeln gehindert, weil ein Sicherungs- oder Verwertungs delikt wegen der inneren Beziehung zur Haupttat nicht selbständig erfaßt werden darf. Im Ergebnis entsteht dem Täter aber kein Nachteil, da mit unterschiedlichen Begründungen Gesetzeskonkurrenz angenommen und dadurch eine Doppelverwertung vermieden wird 73 • Charakteristisch ist für diese Sachverhalte, daß einzelne Unrechtsoder Schuldmerkmale in mehreren Tatbeständen vorkommen. Mit Rücksicht darauf ist trotz der fehlenden Handlungsidentität die Annahme von Idealkonkurrenz erwägenswert. Diese Frage braucht in dem hier interessierenden Zusammenhang aber nicht abschließend geklärt zu werden. Die h. ~. ist schon deswegen tragfähig, weil bei bewegungsgleichen Gesetzesverletzungen immer eine erhöhte Gefahr der Doppelverwertung von Unrechts- und Schuldmerkmalen besteht. Selbst wenn man den Bereich der Idealkonkurrenz auf andere Sachverhalte ausdehnt74, ändert das nichts an der Verbindlichkeit der Formel. dd) Ergebnis Die Lehre von der Unrechtsverwandtschaft ist mit dem positiven Recht nicht vereinbar. Selbst wenn man die Prämisse übernimmt, Grundlage des § 52 sei ausschließlich das Doppelverwertungsverbot, und weiter davon ausgeht, eine Doppelverwertung finde nur statt, wenn gleiche Unrechtseigenschaften in mehreren Strafzumessungsnormen auftreten, ist die formale Abgrenzungsmethode der h. M. vorzuziehen. Namentlich fallen grammatische und historische Auslegung sowie der Bestimmtheitsgrundsatz zugunsten der h. M. und gegen Puppes Lehre ins Gewicht, die lediglich in Anspruch nehmen kann, das Doppelverwertungsverbot logisch widerspruchsfrei zu verwirklichen. c) Exkurs: Puppes Strafzumessungsmodell

Das Drei-Phasen-ModeU der Strafzumessung dient Puppe als Grundlage einer widerspruchsfreien Konzeption der Idealkonkurrenz. Die entscheidenden Einwände wurden jedoch nicht aus dem Strafzumessungsrecht, sondern der positivrechtlichen Regelung der Idealkonkurrenz abgeleitet. Dabei hat sich ergeben, daß die Abgrenzungsmethode der h. M. mit dem Drei-Phasen-Modell Puppes vereinbar ist. Eine Strukturanalyse des Strafzumessungsvorgangs war daher zur Bewertung der Lehre von der Unrechtsverwandtschaft entbehrlich. 73 Vgl. dazu Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 135 ff. und Bockelmann-Festschr., 716 ff. jeweils mit ausf. Nachw. n Zu einem derartigen Beispiel unten C 11 2 b) aal.

11. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

141

Eine vollständige inhaltliche Begründung der h. M. wäre geleistet, wenn sich entgegen der Auffassung Puppes die Strafzumessungsschuld allein oder jedenfalls auch auf die "Tat als solche", den Realvorgang, bezieht. Bei Identität des Realvorgangs würde dann zwangsläufig eine Doppelverwertung stattfinden, so daß Idealkonkurrenz angenommen werden müßte, um die Schuldproportionalität der Strafe zu gewährleisten. § 52 wäre dann nach seinem ganzen Umfang aus dem Doppelverwertungsverbot zu erklären. Die h. M. anerkennt die Möglichkeit einer Schuldquantifizierung durch die Konkretisierung von Tatbestandsmerkmalen. Bei Bruns heißt es etwa, eine doppelte Verwertung von Tatbestandsmerkmalen liege nicht vor, wenn bei der Strafzumessung eine "Modalität der Tatbestandsverwirklichung" berücksichtigt werde, etwa beim Betrug, daß es sich um eine Täuschung mittels einer Urkunde handle. Vielmehr seien solche Differenzierungen für die Strafzumessung beachtlich75 • Daneben wird aber auch die Tat im Sinne eines tatsächlichen Geschehens als Bezugspunkt der Strafzumessungsschuld angesehen76 • Dagegen wendet Puppe ein, der Richter werde im Widerspruch zum Tatschuldprinzip und zum Bestimmtheitsgrundsatz bei der Konstitution des konkreten Unrechts- und Schuldvorwurfs von einer Bindung an das Gesetz freigestellt. Die wahren Gründe für das Festhalten an einem tatbestandsunabhängigen Handlungsbegriff im Kontext der Strafzumessung sieht Puppe in der bisher nicht bewältigten Schwierigkeit, ohne einen solchen Handlungsbegriff weitere Tatsachen in die Strafzumessung einzuführen77 • Dieses Problem hat Puppe gelöst. Sie hat nachgewiesen, daß auch allein mit Hilfe von "Tatbestandsmodalitäten" eine konkrete Strafe verhängt werden kann. Für ihr Strafzumessungskonzept spricht daher die enge inhaltliche Bindung der Strafzumessung an die tatbestandliche Unrechtsbeschreibung. Damit wird der argumentative Rahmen der Strafzumessung festgelegt, was einen Gewinn an Rechtssicherheit bedeutet: Schuldvorwürfe, welche nicht das tatbestandliche Unrecht charakterisieren, müssen außer Betracht bleiben78 • Die darüber hinausgehende inhaltliche Frage, welche Tatsachen in concreto unrechts- oder schuldrelevant sind, kann Puppe selbstverständlich nicht beantworten, weil es sich um ein Problem der Tatbestandskonkretisierung handelt. Das ändert aber nichts daran, daß ihr Modell die Strafzumessung mit rechtsstaatIichen Erfordernissen in Einklang bringt, während ein Konzept, das allein -einen "Lebensvorgang" als Gegenstand der Strafzumessung ansieht, strafbare Schuld nur 75 18 17 78

Strafzumessungsrecht, S. 369. Vgl. Nachw. bei Puppe, S. 61 Fn.4. Vgl. ebda. Vgl. Puppe, S. 170 ff.

B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

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schwer eingrenzen kann. Eine abschließende Bewertung kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht geleistet werden. Die praktischen Auswirkungen des Drei-Phasen-Modells sollten allerdings nicht überschätzt werden, weil in Rechtsprechung wie Literatur trotz des begrifflich anderen Ausgangspunktes die Notwendigkeit hervorgehoben wird, die Strafzumessungsschuld auf die Tatbestandsverwirklichung zu beziehen79 • Der Gewinn, der aus Puppes Modell erwächst, liegt daher vornehmlich in der begrifflich klaren Strukturierung der Strafzumessung und der Einordnung bisher schon vertretener, aber nicht stringent begründeter Ansätze in einen dogmatisch faßbaren Zusammenhang. 6. Peters' Konzeption der Konkurrenzlehre

Der methodische Ansatz Puppes, die Konkurrenzregeln aus den Bedürfnissen der Strafzumessung abzuleiten, findet sich bereits bei Peters 1 . Auch er lehnt einen dem Recht vorgegebenen natürlichen Handlungsbegriff ab und hält für ausschlaggebend, "ob die Beurteilung des Einzelaktes oder erst die Gesamtheit der Akte zu einer richtigen, d. h. sachgemäßen und umfassenden Strafenbildung führt, ob die Akte so ineinander verzahnt sind, daß sie alle zusammengenommen erst eine hinreichende Grundlage für die Bestimmung der Strafe abgeben"2. Einheitsbegründend sind namentlich auch Persönlichkeitseigenschaften des Täters, was sich aus Peters' Zielsetzung einer täterorientierten Strafzumessung ergibt. So sollen etwa alle Delikte zur Handlungseinheit verbunden werden, die den Täter als Sittlichkeits-, Gewohnheitsoder jugendlichen Schwerverbrecher, als "echten" Dieb oder Betrüger kennzeichnen3 • Jeder kriminologisch faßbare Zusammenhang einzelner Taten führt danach zur Idealkonkurrenz, so daß kaum Fälle der Realkonkurrenz übrig bleiben, da Straftaten desselben Täters regelmäßig eine gemeinsame Wurzel in der Täterpersönlichkeit haben werden. Im praktischen Ergebnis gelangt man daher zu einer Einheitsstrafe 4 • Schon wegen dieser mit dem geltenden Recht unvereinbaren Konsequenz ist Peters' Strafzumessungskonzept abzulehnen. Der grundlegende Fehler seines Ansatzes besteht in der Gleichsetzung von Eigenschaften des Täters mit den Eigenschaften der von ihm begangenen Einzeltaten. Die 78 Vgl. BGH, MDR 1964, 693; Bruns, S. 566. Vgl. ferner die weit. Nachw. bei Puppe, S. 59 Fn. 2. 1 Kohlrausch-Festschr., S. 199 ff. 2

S.206.

Vgl. S. 214 ff. Zu weiteren Einheitskriterien ("vom Vorgang" und "der Lebensführung" her) vgl. S. 206 ff., 212 ff. 4 Diese Konsequenz sieht Peters selbst, vgl. S. 217. S

11. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

143

Tat, nicht die Täterpersönlichkeit bildet den Gegenstand der Strafzumessung. Sämtliche von Peters genannten Merkmale, wie die Gesinnung oder der Hang, sind Schuldelemente und deswegen stets auf das konkrete tatbestandsmäßige Unrecht zu beziehen. Es bedeutet daher entgegen Peters keine Doppelverwertung, wenn dieselbe Fehlhaltung bei der Strafzumessung für mehrere durch verschiedene Handlungen begangene Tatbestandsverwirklichungen berücksichtigt wird, so daß seine Deutung der Konkurrenzvorschriften verfehlt ist5 • 7. Die einheitliche Auflehnung gegen die Rechtsordnung als Grundlage der Idealkonkurrenz

Baumgarten leitet den konkurrenzrechtlichen Handlungsbegriff aus dem Schuldprinzip ab und bejaht im Ergebnis Idealkonkurrenz bei bloßer Gleichzeitigkeit verschiedener Gesetzesverletzungen1 . Nach Baumgarten hat die Schuld ein formales Element der "Auflehnung gegen die höhere Ordnung", das jede Deliktsbegehung begleitet, und ein inhaltliches Element, das durch die konkreten Rechtsgutsverletzungen charakterisiert wird. Solange eine Tat andauert, hat der Täter keine Möglichkeit, "das Rechts- oder Sittengebot sowohl zu respektieren als auch zu mißachten", sondern nur die Wahl, sich rechtstreu zu verhalten oder nicht. "Das formale Element der Schuld, die Auflehnung gegen die höhere Ordnung, ist hier einmal gegeben oder gar nicht gegeben". Will der Täter etwa durch dieselbe Handlung töten und verletzen, so kann er nicht "im Hinblick auf die Tötung rechtsbrecherische, im Hinblick auf die Körperverletzung absolut rechtstreue Gesinnung bewähren". Der Entschluß, der Tötung noch eine Körperverletzung hinzuzufügen, bedeute bezüglich des formalen Schuldmomentes nichts Neues, während er hinsichtlich des inhaltlichen Momentes einen Zuwachs an Schuld bringe. Es liegt also "im Fall der Idealkonkurrenz ein Verbrechen vor mit Häufung der materialen, durch die Rechtsgüterverletzungen bestimmten Schuldmomente" , doch schließt nach Baumgarten die Einheit des formalen Schuldelementes bei der Idealkonkurrenz Kumulierung der Strafen aus und zwingt den Gesetzgeber, das ganze Verhalten als eine Einheit zu behandeln2 • Von diesem Ausgangspunkt ist es folgerichtig, wenn Baumgarten schon bei Gleichzeitigkeit verschiedener Gesetzesverletzungen Idealkonkurrenz annimmt, etwa wenn A mit der einen Hand B tötet und mit der anderen den C verletzt 3 • Schon die Begehung der einen Tat begründet die "Auflehnung gegen die Rechts5 Vgl. die eingehende Kritik Puppes, S. 151 ff., wo die hier angesprochenen Einwände ausführlich begründet werden. 1 Baumgarten, Frank-Festschr., S. 188 ff. 2 Alle Zitate Frank-Festschr., S. 193. 3 Vgl. Frank-Festschr., S. 196.

144

B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

ordnung", so daß unter diesem Aspekt das gleichzeitig begangene weitere Delikt keine eigenständige Bedeutung hat. Charakteristisch für Baumgartens Ansatz ist, daß er allen Tatbeständen, unabhängig von ihrem Inhalt, ein gemeinsames Unwertelement substituiert und stillschweigend voraussetzt, dieses dürfe nicht doppelt verwertet werden. Das übergreifende Rechtswidrigkeitselement erblickt Baumgarten in einem Gehorsamsanspruch des Staates und einer entsprechenden Gehorsamspflicht des Bürgers4 • Eine solche Position ist indes nicht vertretbar. Die "Rechtsordnung" wird heute als Inbegriff aller rechtlich geschützten Positionen angesehen, die Auflehnung gegen die Rechtsordnung daher als Verletzung einer bestimmten Norm. Einen darüber hinausgehenden, von jedem Inhalt abgelösten staatlichen Gehorsamsanspruch, "gewissermaßen um seiner selbst willen"5, gibt es nicht. So sind auch der "Gemeinschaftsfriede" oder die "öffentliche Ordnung" strafrechtlich nur relevant, wenn sie "allgemeiner Ausdruck für das Unrecht" sind, "das im einzelnen Tatbestand beschrieben ist"6. Es gibt daher immer so viele Auflehnungen gegen die Rechtsordnung wie Normverletzungen, so daß ein vom tatbestandlichen Unrecht losgelöster "Ungehorsam" gegenüber Rechtsbefehlen und damit das von Baumgarten postulierte formale Schuldelement abzulehnen sind. 8. Die Privilegierung einmaligen Versagens des Titers als Zweck des § 52

Die bisher referierten Konzepte der Idealkonkurrenz sind dadurch gekennzeichnet, daß sie die Konkurrenzregeln aus dem Doppelverwertungsverbot ableiten, dessen Gegenstand sie unterschiedlich bestimmen. Puppe hebt auf die Unrechtsverwandtschaft einzelner Tatbestände ab, Peters sucht eine Doppelberücksichtigung von Persönlichkeitseigenschaften des Täters zu verhindern, Baumgarten eine doppelte Verwertung des formalen Schuldelementes der Auflehnung gegen die Rechtsordnung. Allen Ansätzen ist gemeinsam, daß sie den Handlungsbegriff der Konkurrenzlehre aus ihrem spezifischen Blickwinkel konstituieren und nicht unmittelbar an den vom Gesetzgeber vorausgesetzten natürlichen Handlungsbegriff anknüpfen. Die Lehre von der Unrechtsverwandtschaft führt im Endergebnis zwar zu einer "naturalistischen" Abgrenzung der Konkurrenzformen, doch ist das keine unmittelbare Konsequenz des zugrunde liegenden Strafzumessungsmodells. Unter Umständen können nämlich auch bei bewegungsgleichen Gesetzesverletzungen ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot mehrere 4

5 8

Vgl. Baumgarten, Idealk.onkurrenz, S. 49 f. So Puppe, S. 150. Vgl. die ausführliche Kritik Puppes, S. 146 ff.

11. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

145

Strafen verhängt werden. Im Ergebnis konnten wir daher die herrschende Konkurrenzlehre nicht unmittelbar aus dem Doppelbewertungsverbot ableiten, sondern nur mit Hilfe des Bestimmtheitsgrundsatzes erklären. Nunmehr soll untersucht werden, ob die mehrfache Gesetzesverletzung durch ein und dieselbe natürliche Handlung nicht schon für sich betrachtet Besonderheiten aufweist, welche die Konkurrenzbestimmungen unabhängig von der Existenz eines Doppelverwertungsverbotes und den praktischen Schwierigkeiten der Strafzumessung erklären. Charakteristisch für alle von der Formel erfaßten Fälle der Idealkonkurrenz ist das Implikationsverhältnis der verschiedenen Tatbestandsverwirklichungen, wobei wir zunächst von den Sonderproblemen der Teilidentität und der Klammerwirkung absehen1 • Bei bewegungsgleicher Verletzung mehrerer Strafgesetze steht der Täter in der konkreten Situation vor der Frage, ob er die von ihm ins Auge gefaßte natürliche Handlung vornimmt und damit notwendig gegen mehrere Normen verstößt, oder sie unterläßt und sich damit rechtstreu verhält. Dieses Phänomen ist von einer etwa bestehenden Unrechtsverwandtschaft der einzelnen Tatbestände völlig unabhängig: Will der Täter als "gefährliches Werkzeug" i. S. des § 223 a eine Vase benutzen, besteht für ihn, wenn man die Konkretisierung seines Tatplans zugrunde legt, in der Tatsituation selbst nur die Alternative, beide Delikte - Körperverletzung und Sachbeschädigung - oder keines zu begehen. Stiehlt ein Dieb, der nicht im Besitz eines Führerscheins ist, ein Kraftfahrzeug, schließt das Wegfahren mit dem Wagen, die Ausführung der Wegnahme, notwendig das Fahren ohne Fahrerlaubnis ein. Auch ein Täter, der seine Schwester vergewaltigt und damit gegen die §§ 173, 177 verstößt, kann angesichts der die Tathandlung auslösenden Situation nur von der geplanten Tat Abstand nehmen, oder er muß beide Strafgesetze verletzen. In allen Fällen solcher Handlungsidentität ist aufgrund des konkreten Tatplans eine differenzierte Betrachtung der Normverletzungen aus der Sicht des Täters verfehlt. Die Anforderung, nur eines der mehreren Strafgesetze zu verletzen, wäre psychologisch sinnlos, weil sich die Verstöße wechselseitig mit Notwendigkeit implizieren. Der Täter kann nur die geplante Handlung entweder unterlassen oder sie vollziehen und damit gegen mehrere strafrechtliche Normen verstoßen. Im Unterschied dazu besteht bei bloßer Gleichzeitigkeit mehrerer Gesetzesverletzungen kein solches Implikationsverhältnis. Hier ist es nicht widersinnig, vom Täter zu verlangen, nur eines, nicht mehrere Delikte zu begehen. Aus seiner Sicht ist es ohne weiteres möglich, die 1

Vgl. dazu unten B IH.

10 Werle

146

B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

eine "natürliche" Handlung vorzunehmen, die andere zu unterlassen, wenn wir etwa an das Schulbeispiel denken, daß der Täter mit der Hand einen Menschen erwürgt, mit dem Fuß nach einer anderen Person tritt. Mag auch für den Täter selbst ein enger motivatorischer Zusammenhang beider Taten bestehen, so ist die Tatbegehung doch nicht so in einer Handlung "verdichtet", daß notwendig nur beide Delikte begangen werden könnten oder keines. Ähnlich verhalten sich die Fälle der Handlungsidentität zu denen bloßer Mittel-Zweck-Relation. Handlungseinheit wird hier mit dem Hinweis abgelehnt, der Tatplan sei unbeachtlich, weil nicht der Handelnde, sondern das Recht bestimme, was eine Handlung sei2 • Die einzelnen Delikte erscheinen zwar unter Umständen erst mit Rücksicht auf den Gesamtplan des Täters sinnvoll - etwa wenn ein Bankräuber zur Tatvorbereitung eine Pistole stiehlt -, bedingen sich aber nicht wechselseitig in der Weise, daß der Täter sie nur "auf einmal" oder gar nicht begehen könnte. Die Einzeltaten werden isoliert begangen, nach jedem Geschehen kann der Täter den Gesamtplan überdenken und von seiner weiteren Umsetzung absehen. Eine derartige Reflexionsmöglichkeit hinsichtlich der einzelnen Gesetzesverstöße besteht bei Handlungsidentität nicht. Der Täter steht nur einmal vor der Entscheidung zu handeln und entweder mehrere Normen oder keine zu verletzen. Der Tatplan wirkt hier also insofern einheitsstiftend, als es der Täter prinzipiell in der Hand hat, eine mehrfache Gesetzesverletzung in einer Handlung zu "verdichten". Zugleich verändert aber ein solcher Plan die objektive Sachlage, weil der Täter im kritischen Stadium der Tatausführung nur noch pauschal, nicht differenzierend entscheiden kann. Ist nun diese Eigenart bewegungsgleicher Gesetzesverletzungen ein hinreichender sachlicher Grund für die Unterscheidung von Real- und Idealkonkurrenz? Immerhin wäre es denkbar, trotz Bewegungsgleichheit in Anlehnung an § 54 die Bildung einer Einzelstrafe für jede Gesetzesverletzung und in bestimmtem Umfang die Möglichkeit einer Überschreitung der Höchststrafe des schwersten verletzten Strafgesetzes vorzusehen. Wenden wir uns zunächst der Frage zu, ob Gesetzesverletzungen insgesamt weniger strafwürdig sind, wenn sie auf einer identischen Handlung beruhen. Teile des Schrifttums sowie die Rechtsprechung nehmen an, der Schuld-3 oder auch der Unrechtsgehalt4 sei hier bei 2 Vgl. dazu oben B I 1, Fn. 29; ferner Schänke / Schröder / StTee, § 52 Rdn. 6 mit Nachw. Ausnahmen hiervon werden teilweise bei Dauerdelikten gemacht, dazu unten B III 1. 3 Vgl. etwa BGHSt. 1, 67, 70; 2, 246, 249; Schänke / Schräder / StTee, § 52 Rdn. 1. Siehe ferner A V 1, 2.

11. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

147

sonst gleichen Verhältnissen geringer als im Falle der Realkonkurrenz und deswegen eine vergleichsweise geringere Strafe angemessen. Dieser Standpunkt wird regelmäßig nicht näher belegt, obwohl seine Berechtigung von jeher umstritten war5 • Namentlich kann der verminderte Schuldgehalt nicht auf den naturgegebenen Unterschied der Handlungsformen gestützt werden, weil dieser, auch wenn man ihn anerkennt, nur die Bildung einer einheitlichen, nicht notwendig im Ergebnis niedrigeren Strafe erfordert. Die Behauptung, den Handlungsformen entspreche eine Unrechtsdifferenz, trifft nur zu, soweit die verletzten Strafgesetze gleiche oder ähnliche Merkmale enthalten, also unrechtsverwandt sind, nicht aber bei heterogenen Unrechtsbeschreibungen. Da hier gemeinsame Unrechtseigenschaften fehlen, braucht das Unrecht insgesamt bei Handlungsidentität nicht geringer zu sein als bei Handlungsmehrheit. Richtig ist aber, daß zwischen handlungsidentischen und handlungsmehrheitlichen Gesetzesverletzungen eine Schulddifferenz besteht. Bei der Strafzumessung ist die Tatschuld zu quantifizieren. Die maßgeblichen Umstände sind beispielhaft in § 46 II aufgezählt, wonach unter anderem das Maß der Pflichtwidrigkeit und der bei der Tat aufgewendete Wille zu berücksichtigen sind. Es leuchtet nun ohne weiteres ein, daß die kriminelle Intensität handlungsidentischer Gesetzesverletzungen vergleichsweise geringer ist, wenn eine Gesetzesverletzung wesentlich schwerer wiegt als die andere, so zum Beispiel bei einer Tötung, die mittels einer Sachbeschädigung begangen wird. Hier steht das Tötungsunrecht derart im Vordergrund, daß die zusätzliche Verletzung des § 303 für die Bewertung des Vorgangs wie für die Entscheidung des Täters typischerweise keine oder nur ganz geringe Bedeutung hat. Demgegenüber fällt die gleiche Sachbeschädigung selbständig und stärker ins Gewicht, wenn der Täter sie unabhängig von der Tötung begeht, weil bei dieser Sachlage § 303 keine "quantite negligeable" bedeutet, der Täter sich vielmehr gesondert mit dieser Normverletzung befassen muß und entsprechend härter bestraft wird6 • Wenn die Gesetzesverletzungen in etwa gleichwertig sind, kann zwar keine vernachlässigt weJ;den; die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung des Täters über die Deliktsbegehung bewirkt aber, daß die in der einzelnen Tatbestandsverwirklichung ausgedrückte Vgl. Vogler, LK, § 52 Rdn. 4. Vgl. etwa Binding, HdB, S. 576. 8 Puppe sucht von ihrem abweichenden Ausgangspunkt solchen Konstellationen der Handlungseinheit über § 154 a StPO Rechnung zu tragen, wonach unter bestimmten Voraussetzungen einzelne Gesetzesverletzungen, die nicht beträchtlich ins Gewicht fallen, von der Strafverfolgung ausgenommen werden können. § 154 a StPO beruhe, so Puppe, nicht nur auf prozeßökonomischen, sondern auch materiellen Erwägungen (S. 269 f.). 4

5

10·

148

B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

verbrecherische Intensität geringer ist als bei Handlungsmehrheit. Der Täter setzt die verschiedenen Tatentschlüsse ohne zwischenzeitliche Reflexionsmöglichkeit um, seine kriminellen Intentionen müssen nur einmal die "Feuerprobe der kritischen Situation" bestehen, während er bei Handlungsmehrheit in verschiedenen Situationen Rechtsbefehle mehrmals mißachtet und dabei jedesmal Gelegenheit hat, sich umzuorientieren. Deswegen ist hier die kriminelle Energie des Täters vergleichsweise höher zu veranschlagen, so daß die zu verhängende Strafe im Ergebnis höher ausfallen muß als bei Handlungsidentität7. Gegen diese Position wird eingewendet, die Schuldintensität stehe mit der Handlungsform in keinem greifbaren Zusammenhang. Schon Binding hat betont: "Gerade jene Häufung der Verbrechen in einem Tatakt kann umgekehrt eine kaum übersteigbare verbrecherische Verwegenheit, gepaart mit raffiniertester Überlegung, beweisen, während das zeitliche Auseinandertreten der Taten zu zeigen vermag, daß der Schuldige nur zögernd, mit innerem Widerstreben, das nur durch jeweilige starke Anreize überwunden worden ist, die Bahn des Verbrechens betreten hats." Diese Argumentation Bindings, die vielfach Anklang gefunden hat 9, ist schon deswegen angreifbar, weil sie aus einem Vergleich abgeleitet wird, der nicht an die Durchschnittsfälle bei der Handlungsformen anknüpft. Daß ein Täter aufgrund besonderen Raffinements seine Pläne mit nur einer Handlung realisiert und nur bei innerem Widerstreben auf mehrere Akte "verteilt", ist zwar denkbar, doch ein Sonderfall, der die Gerechtigkeit der gesetzlichen Regelung insgesamt nicht in Frage stellt. Unzuträglichkeiten in Grenzbereichen sind, wie der E 1962 in diesem Zusammenhang hervorhebt10 , mit jeder Abgrenzung verbunden. Die Bedenken Bindings sind aber darüber hinaus sogar unbeachtlich, weil sie aus einem Vergleich abgeleitet werden, der das Problem nicht trifft. Um herauszuarbeiten, ob zwischen Real- und Idealkonkurrenz eine Schulddifferenz besteht, darf man nicht einen "besonders verwegenen" einem "skrupulösen" Täter gegenüberstellen, weil dann eine vergleichsweise höhere Strafwürdigkeit nicht auf der Verschiedenheit der Handlungsformen, sondern auf anderen Umständen beruht. Gefragt werden muß vielmehr, ob bei ansonsten gleichen Verhältnissen die tatmehrheitliche Deliktsbegehung ein erhöhtes Maß an Schuld indiziert. Ein "verwegener" Verbrecher wird, wenn er nicht seine Pläne mit einer Handlung umsetzt, diese 7 So auch der historische Gesetzgeber, vgl. E 1962, S. 190 sowie oben B II 5 b), bb). 8 Vgl. HdB, S. 576. 8 Vgl. etwa Niese, S. 155; Vorschläge des BJM, Materialien, Bd. 2, Anhang S. 192; Wahle, GA 1968, 104. Vgl. auch Puppe, S. 268 f. 10 Vgl. E 1962, S 190.

11. Ideal- und Realkonkurrenz bei Begehungsdelikten

149

ohne inneres Widerstreben über einen längeren Zeitraum hinweg

schrittweise verwirklichen und dadurch seine kriminelle Energie manifestieren. Umgekehrt versagt ein skrupulöser Täter, der handlungsidentische Gesetzesverletzungen begeht, nur einmalig, während er sich bei Tatmehrheit trotz seiner Bedenken in verschiedenen Situationen über Rechtsbefehle hinwegsetzt. Bei dieser Betrachtungsweise wird die Existenz einer Schulddifferenz zwischen beiden Handlungsformen deutlich. Dohna hat darauf hingewiesen, das Zusammentreffen der Merkmale mehrerer Strafgesetze in einer Handlung könne die Schuld des Handelnden in einer Weise steigern, daß selbst eine Kumulation der Strafrahmen unter Umständen als angemessenes Strafäquivalent nicht ausreiche. Das zeige sich an den zusammengesetzten Delikten, etwa § 249, dessen obere Strafgrenze die Höchststrafe der Vergehen nach §§ 240, 242 weit übersteigell. Dohnas Einwand geht fehl, weil er nicht an die vorgegebenen gesetzgeberischen Wertungen anknüpft. Wo die Handlungseinheit zweier Delikte den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat erheblich verstärkt, kommt das in besonderen Tatbeständen zum Ausdruck. Für Handlungseinheiten, die nicht tatbestandlich vertypt sind, kann eine derartige Unrechtssteigerung zwar unter Umständen einmal vorliegen, sie ist aber nach Auffassung des Gesetzgebers die Ausnahme und nicht die Regel. Im Ergebnis bedeutet § 52 also nicht nur eine formalisierte Methode, Doppelverwertungen zu verhindern, vielmehr trägt die Vorschrift der typischerweise geringeren Schuldintensität bewegungsgleicher Normverstöße Rechnung. Die Deckung der Obergrenze nach § 52 mit der Höchststrafe des schwersten verletzten Strafgesetzes ist von diesem Ausgangspunkt allerdings nicht zwingend. Eine überschreitung der Höchststrafe kann etwa angezeigt sein, wenn sich die schwerere Gesetzesverletzung schon im oberen Bereich des Strafrahmens bewegt und das idealkonkurrierende Delikt erschwerende Umstände enthält, welche die schuldangemessene Strafe trotz des inneren Zusammenhangs beider Gesetzesverletzungen über diese Grenze heben. Das kann insbesondere bei Verstößen gegen Normen mit völlig verschiedenem Unrechtsgehalt zutreffen, beispielsweise wenn der Täter eine schwerwiegende gefährliche Körperverletzung mittels einer Sachbeschädigung begeht, die ihrerseits im oberen Bereich des Strafrahmens nach § 303 anzusiedeln ist. Das Implikationsverhältnis beider Delikte mindert zwar die Schuld insgesamt, schließt aber eine Strafe von mehr als fünf Jahren12 nicht 11 1!

S.413.

§ 223 a sieht eine Freiheitsstrafe im Höchstmaß von 5 Jahren vor.

150

B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

zwingend aus. Andererseits wäre jede Erhöhung der Obergrenze, etwa auf das Anderthalbfache der Höchststrafe des schwersten verletzten Strafgesetzes lS , willkürlich und würde zu verfahrens rechtlichen Schwierigkeiten führen. Die Abgrenzung von Ideal- und Gesetzeskonkurrenz sowie einfacher Gesetzesverletzung und gleichartiger Idealkonkurrenz - in der Praxis regelmäßig eine Randfrage - müßte nämlich zentrale Bedeutung gewinnen. Zudem ergibt sich die Notwendigkeit, die Obergrenze des schwersten Delikts zu überschreiten, wegen der Weite der Strafrahmen ohnehin nur selten. Aus diesen Gründen hat auch der Reformgesetzgeber eine Strafrahmenerweiterung abgelehnt14 • Angesichts des unterschiedlichen Schuldmaßes ist die gesonderte Erfassung von Real- und Idealkonkurrenz zweckmäßig. Eine einheitliche Vorschrift müßte wegen der Einbeziehung der Realkonkurrenz eine höhere Ober grenze vorsehen und die Berücksichtigung der Schuldminderung bei Handlungsidentität ausschließlich in den Bereich der richterlichen Strafzumessung verweisen. Demgegenüber gewährleistet die heutige Regelung ein höheres Maß an Rechtssicherheit, weil sie dem Richter in § 52 feste Eckwerte vorgibt15 • 9. Ergebnis

Die Bestimmungen über die Idealkonkurrenz erfüllen einen doppelten Zweck. Sie dienen einmal dazu, die Doppelverwertung strafzumessungsrelevanter Tatsachen zu verhindern. Unter diesem Aspekt ist die Annahme von Idealkonkurrenz nur zwingend, wenn unrechtsverwandte Tatbestände verletzt werden. § 52 berücksichtigt daneben aber die praktischen Schwierigkeiten der Strafzumessung und formalisiert daher mit Hilfe eines "natürlichen" Handlungsbegriffs die Grenzlinie zwischen Real- und Idealkonkurrenz. Zum anderen trägt § 52 der verminderten Schuldintensität in allen Fällen der Handlungsidentität Rechnung und sichert die strafmildernde Berücksichtigung einmaligen Versagens des Täters, indem eine überschreitung der Höchststrafe des schwersten verletzten Strafgesetzes verboten wird.

In. Teilidentität und Klammerwirkung Bei den bisherigen Darlegungen zur Idealkonkurrenz verschiedener Gesetzesverletzungen wurde die Möglichkeit nur teil weiser Deckung der tatbestandlichen Ausführungshandlungen außer acht gelassen, die sich beim Zusammentreffen zeitlich gestreckter Delikte miteinander 13

14 15

So die Obergrenze etwa in § 64 11 Radbruch-Entwurf; § 6411 AE. Vgl. BT-Drucks. V/4094, S. 25; E 1962, S. 162. Die Einwände Puppes, S. 269 sind daher verfehlt.

III. Teilidentität und Klammerwirkung

151

oder mit anderen Taten ergibt!. Die ganz h. M. hält die teilweise Handlungsidentität für eine hinreichende Voraussetzung der Idealkonkurrenz und macht hiervon nur bei der Klammerwirkung, der überschneidung einer "durchlaufenden" Tat mit mehreren Delikten, Ausnahmen2 • Im folgenden soll geklärt werden, ob die bisher entwickelten Prinzipien auch bei zeitlich gestreckten Taten zur Ermittlung der Handlungsidentität geeignet sind (dazu 1), ob die Gleichsetzung von Teilund VoIlidentität sachgerecht ist (dazu 2) und welche Konsequenzen sich daraus für die Klammerwirkung ergeben (dazu 3). 1. Die Handlungsidentitit bei zeitlich gestreclden Delikten

Auf der Grundlage der "naturalistischen" Abgrenzungsmethode ist auch bei zeitlich gestreckten Delikten zunächst der Umfang der durch den Tatbestand gebildeten Handlungseinheit zu ermitteln und dann festzustellen, ob sich die erfaßten Bewegungsabläufe in einzelnen Punkten oder Abschnitten decken. Dieses Verfahren wird von der h. M. bei Fortsetzungstaten und im allgemeinen auch bei tatbestandlichen Handlungseinheiten - teilweise nicht ausschließlich, sondern neben der natürlichen HandlungseinheW - für richtig gehalten. Dagegen ist umstritten, ob die Formel bei Dauerdelikten ohne Modifikationen anwendbar ist. Teilweise wird Idealkonkurrenz auch dann angenommen, wenn zwei Taten zwar nacheinander begangen werden, der Dauerzustand aber die Voraussetzungen für die Begehung des anderen Delikts schafft2 , zwischen den Gesetzesverletzungen also eine MittelZweck-Relation besteht. Dieser Ansatz ist verfehlt. Wenn der Täterplan ansonsten nicht über die Konkurrenzform entscheiden kann was auch die Befürworter einer Erweiterung der Formel anerkennen3 - besteht keine Legitimation, ihn bei Dauerdelikten für ausschlaggebend zu erklären. Weder vermittelt der Täterplan zwischen den einzelnen Gesetzesverletzungen ein notwendiges Implikationsverhältnis - der Täter kann von dem weiteren Delikt auch nach Herbeiführung des rechtswidrigen Zustands Abstand nehmen - noch einen Unrechtszusammenhang, der eine einheitliche Strafzumessung erfordern würde. Die h. M. lehnt eine solche Erweiterung der Formel ab 4 ; doch begnügt sich ein Teil der Lehre nicht mit dem Hinweis auf die Formel, sondern Vgl. dazu oben A IV 1. Vgl. dazu oben A V. 1 Vgl. dazu B I und B 11 Vor 1. 2 Vgl. Schönke / Schröder / StTee, Vor § 52 Rdn. 91; Welzel, S 232. 3 Vgl. Schönke / Schröder / StTee, § 52 Rdn. 6; Welzel, S. 231. 4 Vgl. z. B. BGHSt. 18, 29, 32; 27, 66, 67; BGH, LM § 177 StGB Nr. 8; BGH, VRS 30, 185, 186; Dreher / Tröndle, Vor § 52 Rdn. 41; Oske, MDR 1965, 534 1

2

152

B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

sucht die Konkurrenzbedingungen für Dauerdelikte besonders zu umschreiben. Ausschlaggebend soll sein, ob die zur Verwirklichung eines anderen Tatbestandes beitragende Handlung zugleich der Begründung oder der Aufrechterhaltung des durch das Dauerdelikt geschaffenen rechtswidrigen Zustandes dient 5 • Soweit sich diese Formulierung auf Dauerbetätigungsdelikte bezieht, bedeutet sie keine Modifikation, sondern nur eine Konkretisierung der Formel des RG8. Da Dauerdelikte dadurch gekennzeichnet sind, daß der Tatbestand fortlaufend weiterverwirklicht wird, muß nicht nur jede Betätigung, die den rechtswidrigen Zustand herbeiführt, sondern auch jede, die ihn aufrechterhält, den Tatbestand des Dauerdelikts erfüllen. Verletzt eine solche Handlung ein weiteres Strafgesetz, besteht mit dem Dauerdelikt Handlungsidentität. Umgekehrt ist jeder Einzelakt, der den im Dauerdelikt vorausgesetzten Zustand weder schafft noch aufrechterhält, nur für die andere Straftat relevant, nicht für das Dauerdelikt. In einem solchen Fall sind die beiden Gesetzesverletzungen nicht bewegungsgleich, sondern nur gleichzeitig begangen7 , weshalb gerade auch nach der Formel Realkonkurrenz anzunehmen ist. Eine Modifikation der allgemeinen Bedingungen der Idealkonkurrenz bedeutet das Erfordernis der Begründung oder Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustands nur für Dauerunterlassungsdelikte und Dauerdelikte, die aus Tun und Unterlassen kombiniert sind. Im allgemeinen wird nämlich die bei Dauerdelikten als möglich angesehene Konkurrenz von Begehungs- und Unterlassungsdelikten abgelehnt8 • Diese Problematik kann hier aber außer Betracht bleiben, da nur die Konkurrenzverhältnisse bei Begehungsdelikten untersucht werden sollen. Die überschneidung der Ausführungshandlungen mit Hilfe der Formel festzustellen, bereitet bei Dauerdelikten und allen übrigen zeitlich gestreckten Taten keine spezifischen Schwierigkeiten. Wenn in diesem Bereich trotzdem häufig zweifelhafte Grenzfälle auftreten, ist das nicht auf phänomenologische Besonderheiten zurückzuführen, sondern nur dadurch bedingt, daß mit der zeitlichen Streckung der Tathandlung mit weit. Nachw. zur Rechtsprechung; Schmfdhäuser 18/43; Vogler, LK, Vor

§ 52 Rdn. 41.

6 VgI. etwa Jescheck, AT, S. 590; Lackner, § 52 Anm. 2 c; Schmidhäuser 18/43; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 23. Mit dem Hinweis auf die Formel begnügen sich Dreher / Tröndle, Vor § 52 Rdn. 41; Oske, MDR 1965, 534 sowie die in Fn. 3 zitierte Rechtsprechung. S Das verkennt Fleischer, NJW 1979, 1339, der Tateinheit ohne Deckung der Ausführungshandlungen unter Hinweis auf BGHSt. 18, 29 für möglich

hält. 7 Das ist vermutlich in BGHSt. 27, 66, 67 gemeint, wenn es heißt, Handlungsidentität müsse in einem für beide Tatbestände "notwendigen" Teil vorliegen. 8 Vgl. dazu Vogler, LK, § 52 Rdn. 12 mit Nachw.

111. Teilidentität und Klammerwirkung

153

die Wahrscheinlichkeit wächst, eine bewegungsgleiche weitere Gesetzesverletzung vorzufinden. So werden etwa einzelne Handlungsabschnitte eines fortgesetzten Diebstahls, einer mehrstündigen Trunkenheitsfahrt oder einer Fahrt ohne Fahrerlaubnis eher mit anderen Delikten zusammentreffen als eine "Augenblickstat" , wie z. B. die Tötung eines Menschen oder die Beschädigung einer Sache durch eine geringe Zahl natürlicher Handlungen. Die typischen Schwierigkeiten seien beispielhaft an einigen Sachverhalten verdeutlicht: Stiehlt ein Täter, der keine Fahrerlaubnis besitzt, einen Pkw, verletzt er mit dem Wegfahren, der Wegnahmehandlung nach § 242, notwendig zwei Strafgesetze'. Er verwirklicht auch dann notwendig zwei Tatbestände, wenn er ohne Fahrerlaubnis einen Wagen benutzt, um eine Frau gegen ihren Willen zum Zwecke der Unzucht zu entführen, weil die Fahrt als Verbringen im Sinne des § 237 zu qualifizieren istl°. Begeht der Täter hingegen während der Fahrt eine Beleidigung oder sexuelle Nötigung, liegen die Tathandlungen nach den §§ 185 und 177 nicht im Fahren, sondern beruhen auf anderen Körperbewegungen, so daß diese Tatbestände nur gleichzeitig mit der Fahrt ohne Fahrerlaubnis, nicht durch sie verletzt werdenl1 . Ist der Fahrer eines verkehrsunsicheren Fahrzeugs betrunken, verstößt er mit dem "Inbewegungsetzen" des Wagens gegen die §§ 24 a StVG oder 316 sowie gegen die §§ 30 I Nr. 1, 69 a III Nr. 1 StVZ012; ebenso ist ein während der Fahrt begangener Verkehrsverstoß mit dem Führen des mangelhaften Fahrzeugs handlungsidentisch13 . Trägt der Täter bei einer Trunkenheitsfahrt eine Schußwaffe bei sich, ist das ein unabhängig von den Fahrtätigkeiten und daher nur gleichzeitig begangenes Delikt1 4 • In den mitgeteilten Sachverhalten ist die Annahme von bloßer Gleichzeitigkeit allerdings nicht schon logisch zwingend, sondern basiert auf der für den einzelnen Akt gewählten Beschreibung. Würde man diese verändern und etwa in dem zuletzt genannten Beispiel das "Fahren mit Schußwaffe" als eine Handlung ansehen, wäre Idealkonkurrenz gegeben. Das ist aber kein Sonderproblem: Wie schon oben VgI. BGHSt. 18, 66, 69. VgI. BGH, MDR 1973, 556. 11 VgI. OLG Koblenz, NJW 1978, 716, wo die Annahme von Realkonkurrenz allerdings schon auf fehlender Gleichzeitigkeit beruht, weil der Täter zur Begehung der sexuellen Nötigung die Fahrt unterbrochen hatte. (VgI. zur Entscheidung die abI. Anm. von Kinnen, MDR 1978, 545 f.). Mit fehlender Gleichzeitigkeit wurde auch in BGH, VRS 30, 185 die Anwendung des § 53 begründet: Der Täter hatte nach dem Sachverhalt während einer Fahrt ohne Fahrerlaubnis einen gefälschten Führerschein vorgezeigt. 11 VgI. BGHSt. 6, 229, 231 f. 13 Vgl. BGHSt. 27, 66, 67. l' VgI. BGH, VRS 49,177,178. 8

10

B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

154

verdeutlicht wurde, ist eine dem Recht vorgegebene unauflösliche Handlung nicht anzuerkennen, so daß bei der Definition einer Beziehung der Bewegungsgleichheit festgelegt werden muß, was eine Körperbewegung ist 15 • Puppe hat deswegen mit Blick auf die Dauerdelikte bemerkt, hier zeige sich offen die Vieldeutigkeit der FormeP'. Puppes Kritik ist aber auch in dieser Hinsicht nicht durchschlagend. Während man beispielsweise das "Anfahren" mit einem Wagen nicht in mehrere gleichzeitige Akte zergliedern kann, von denen die einen nur für die Wegnahme nach § 242, die anderen nur für das Fahren ohne Fahrerlaubnis oder eine Trunkenheitsfahrt relevant sind, kann man das Ansichnehmen, Einstecken und Beisichbehalten einer Schußwaffe von dem Führen des Kraftfahrzeugs, dem Bremsen, Lenken, Schalten usw. unterscheiden. Ob man nicht einen umfassenderen Begriff wie den des "Fahrens mit Schußwaffe" bilden muß, ist dann eine inhaltliche Frage. Die Trennbarkeit des Täterverhaltens in gleichzeitige Akte spricht für die Annahme mehrerer Handlungen. Aber auch die Zwecksetzung des § 52 weist in diese Richtung: Ein Unrechtszusammenhang beider Taten besteht nicht, weil unerlaubter Waffenbesitz und das Fahren ohne Fahrerlaubnis oder in betrunkenem Zustand ihrem sachlichen Gehalt nach nichts miteinander zu tun haben. Ebensowenig bedingen sich die verschiedenen Akte wechselseitig, weil der Täter bei Beginn und während der Fahrt stets die Möglichkeit hat, sich der Waffe zu entledigen. Demgegenüber steht er beim Diebstahl eines Fahrzeugs in betrunkenem Zustand in der Tatsituation vor der Alternative, entweder § 316 und § 242 zu verletzen oder sich normtreu zu verhalten. Im übrigen wurde schon oben betont und akzeptiert, daß die formale Abgrenzungsmethode in Grenzbereichen Schwierigkeiten bereitet. Solche Zweifelsfälle können aber mit Hilfe teleologischer Gesichtspunkte bei zeitlich gestreckten Delikten in gleicher Weise wie sonst gelöst werden und bilden daher keinen grundlegenden Einwand gegen die Formel. 2. Die Gleichsetzung von teilweiser und vollstlndlger Handlunpldentltlt

Die Gleichsetzung von teil weiser und vollständiger Handlungsidentität, die von der h. M. ohne nähere Begründung für richtig gehalten wird, ist keineswegs selbstverständlich. Besteht ein zeitlich gestrecktes Delikt C - etwa eine Fortsetzungstat oder eine mitgliedschaftliche Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung - aus 100 tatbestandserfüllenden Einzelakten und verletzt Akt Nr. 50 zugleich das Straf15

18

Vgl. oben eIl 1 - 4.

Puppe, S. 308.

IH. Teilidentität und Klammerwirkung

155

gesetz A, sind nur hinsichtlich dieser Handlung die Voraussetzungen des § 52 gegeben. Betrachtet man ausschließlich die übrigen zu C gehörenden Einzelhandlungen, die sich mit der Ausführungshandlung von A nicht überschneiden, wäre Realkonkurrenz zwischen A und C anzunehmen. Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit, daß sich zwei zeitlich gestreckte Delikte C und B "kreuzen", die beide eine Vielzahl von tatbestandsmäßigen Betätigungen einschließen1 • Hier liegt nur in der "Überschneidungszone" , also etwa hinsichtlich der Segmente C Nr. 6 und B Nr. 20, Handlungsidentität vor, zwischen allen übrigen Akten von C und B besteht Handlungsmehrheit. Vergleichbare Konstellationen können sich bei allen Handlungszusammenfassungen mit mehreren strafbarkeitskonstitutiven Vorgängen ergeben. Eine widerspruchsfreie Lösung solcher Fälle wäre möglich, wenn man die zeitlich gestreckten Taten zergliedern dürfte. Dann würde im ersten Beispiel zwischen C Nr. 50 und A Idealkonkurrenz vorliegen und im Verhältnis dieser Tat zu allen übrigen von C erfaßten Akte Realkonkurrenz. Im zweiten Fall müßte man die Akte C Nr. 6 und B Nr. 20 als selbständigen Tatkomplex ansehen. Dann wäre Realkonkurrenz zwischen drei Taten anzunehmen, nämlich C, Bund C Nr. 6 in Idealkonkurrenz mit B Nr. 20. Dieser Ausweg ist aber versperrt. Die zeitlich gestreckten Delikte C und B verbinden nämlich alle Einzelakte zu einer Bewertungseinheit, die insgesamt als ein und dieselbe Handlung im Sinne des § 52 anzusehen ist und daher nicht ohne weiteres zerlegt werden kann. Damit stehen die Fälle teil weiser Handlungsidentität, bildlich gesprochen, "zwischen" den §§ 52, 53, weil die Voraussetzungen beider Vorschriften erfüllt sind. Da es aber eine dritte Konkurrenzform "zwischen" Real- und Idealkonkurrenz nicht gibt, ist schon bei der "einfachen" Teilidentität zweier Delikte das für die Klammerwirkung charakteristische Dilemma angelegt: Wendet man im Verhältnis bei der Taten § 53 an, ist eine zweimalige Strafenbildung für einzelne Elementarhandlungen unvermeidlich. Bei Annahme von Tateinheit wird dies zwar vermieden, doch müssen dann die überschneidungsfreien Handlungsteile im Widerspruch zu den Voraussetzungen des § 52 mit einer Einheitsstrafe belegt werden. Diese Umstände zwingen dazu, einen "Fehler" zu begehen, und zwar entweder nichtidentische Handlungen als identisch oder identische als nichtidentisch zu behandeln. Man muß also entweder dem Täter einen unverdienten Vorteil gewähren und § 52 anwenden oder ihm einen unverdienten Nachteil zufügen und Realkonkurrenz annehmen. Das Problem besteht bei dieser Sachlage ausschließlich in der Wahl des "kleineren Übels". 1

Vgl. dazu oben A V 2 d).

156

B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

Die Entscheidungskriterien sind von den Zwecken der Konkurrenzregeln abzuleiten, also der Privilegierung verminderter Schuld und der Umsetzung des Doppelverwertungsverbotes. Bei vollständiger Handlungsidentität beruht die vergleichsweise geringere Schuld des Täters auf dem Implikationsverhältnis der Gesetzesverletzungen, das bei Teilidentität nur für die deckungsgleichen Handlungsabschnitte besteht. Man könnte die Konkurrenzform unter diesem teleologischen Aspekt daher etwa davon abhängig machen, ob die identischen Verhaltensabschnitte oder der .. überhang" nichtidentischen Verhaltens dominieren oder ob sonst zwischen den Taten ein dem Implikationsverhältnis vergleichbarer enger Zusammenhang besteht. In den eingangs genannten Beispielen läge dann die Annahme von Realkonkurrenz zwischen den Delikten C und A bzw. B näher. Mit Blick auf das Doppelverwertungsverbot wäre zu fragen, ob sich die bei den Delikte partiell oder insgesamt wechselseitig in ihrem Unrechtsgehalt charakterisieren was etwa im Verhältnis einer Straßenverkehrsgefährdung zu einem aus ihr resultierenden Verletzungsdelikt gelten würde -, oder ob nicht zumindest die Gefahr einer solchen Doppelverwertung besteht. Eine solche am Einzelfall ausgerichtete Entscheidung ist aber aus Gründen der Rechtssicherheit abzulehnen. Oben wurde herausgearbeitet, daß der Bestimmtheitsgrundsatz im Konkurrenzbereich einen zentralen Stellenwert hat und die formale Abgrenzungsmethode seiner Verwirklichung dient!. Eine differenzierte rechtliche Bewertung teilidentischer Handlungskomplexe mit Hilfe unmittelbar inhaltlicher Argumentation würde diesen Vorteil einer ..naturalistischen" Abgrenzungsmethode zunichte machen, damit zu einer erheblichen Erschwerung der richterlichen Arbeit und verfahrensrechtlichen Schwierigkeiten führen, weil die fehlerhafte Bestimmung der Konkurrenzform einen Revisionsgrund bildet. Daher muß eine generelle Entscheidung zugunsten einer Real- oder Idealkonkurrenzlösung getroffen werden. Die ganz überwiegenden Argumente sprechen dabei für den Standpunkt der h. M., bei Teilidentität Idealkonkurrenz anzunehmen. § 52 muß nämlich nach seinem doppelten Schutzzweck ohnehin in der Mehrzahl der Fälle angewendet werden. Das gilt einmal, wenn die identischen Handlungsvollzüge dominieren oder das Gesamtgeschehen prägen und dadurch das Schuldmaß verringern. Besondere Bedeutung aber hat das Doppelverwertungsverbot. Schon die unvermeidliche Doppelberücksichtigung einzelner Unrechts- oder Strafzumessungselemente verhindert die Verhängung einer schuldangemessenen Strafe, weil dem Täter doppelt zugerechnet wird, was er nur einmal getan hat. Da bei Bewegungsgleichheit jedenfalls die Gefahr einer Doppelverwertung !

Vgl. dazu oben B 11 5 b) ce).

IH. Teilidentität und Klammerwirkung

157

besteht, ist wie bei vollständiger auch bei nur teilweiser Handlungsidentität in aller Regel die Bildung einer Einheitsstrafe geboten und deswegen die Gleichbehandlung von teilweiser und vollständiger Handlungsidentität erforderlich. Die daraus resultierende Privilegierung des Täters hinsichtlich der nichtidentischen Handlungsteile kann als das "kleinere Übel" hingenommen werden. Beim Zusammentreffen nur zweier Delikte wird der Strafrahmen der schwereren Gesetzesverletzung in aller Regel zur Verhängung einer gerechten Strafe ausreichen. Auf dieser Grundlage können allerdings monströse Handlungskomplexe entstehen, wenn weitreichende Handlungseinheiten wie in dem oben gegebenen Beispiel in einzelnen Abschnitten zusammentreffen. Der einzige Ausweg liegt darin, die Handlungseinheiten so zu konstituieren, daß Überschneidungen verhindert werden. Bei der "Überkreuzung" zweier Fortsetzungstaten kann eine Tat etwa durch die Ausgliederung eines Einzelaktes, die BGH NJW 1963, 57 befürwortet hat 3 , umgeformt und damit eine teilweise Handlungsidentität vermieden werden. Dieses Ergebnis kann man aber nicht mit der allgemeinen Erwägung begründen, § 52 fordere eine gerechte Sühne. Was "gerechte Sühne" ist, konkretisiert unter anderem § 52 selbst: Sie darf auf keiner Doppelverwertung beruhen und muß einer verminderten Schuldintensität Rechnung tragen. Dabei knüpfen die Konkurrenzregeln an die von einzelnen Tatbeständen oder der Fortsetzungstat konstituierten Handlungseinheiten an. Sie können nicht umgekehrt dazu dienen, diese Einheiten gewissermaßen im "Rückgriff" zu modifizieren, um das für gerecht erachtete Ergebnis zu erzielen. 3. Das Dilemma der Klammerwirkung

Die Bedenken gegen eine Verklammerung an sich selbständiger Delikte A und B durch eine dritte Tat C sind prinzipiell berechtigt. § 52 soll, wie sich gezeigt hat, die verminderte Schuld des Täters bei bewegungsgleicher Verletzung mehrerer Strafgesetze berücksichtigen. Ein Implikationsverhältnis wird zwischen A und B durch die verbindende Tat C aber nicht vermittelt. Ohne die dritte Tat C würde zwischen den äußeren Taten - jedenfalls in aller Regel - auch keine Unrechtsverwandtschaft bestehen, weil sie durch voneinander unabhängige Handlungen begangen wurden1 • Daher führt die Anwendung des § 52 zu einer unverdienten Privilegierung des Täters. Der Umfang dieses Vorteils ist erheblich größer als bei der "einfachen" Teilidentität. Dort besteht im Verhältnis der beiden idealkonkurrierenden Delikte zumindest eine teilweise Handlungsidentität, so daß diese Kon3 1

Vgl. dazu oben A V 2 d). Vgl. aber die Erwägungen Puppes, S. 185 ff. und 199 ff.

158

B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

stellation "zwischen" Real- und Idealkonkurrenz liegt. Demgegenüber sind die Taten A und B untereinander überhaupt nicht handlungsidentisch. Treten weitere "äußere" Delikte hinzu, wächst das Ausmaß ungerechter Besserstellung, das mit der Verklammerung verbunden ist. Insbesondere schlägt jede Verklammerung auf der Grundlage der h. M. auch auf das Prozeßrecht durch und begünstigt den Täter durch einen erweiterten Umfang des Strafklageverbrauchs. Die kriminalpolitischen Bedenken gegen eine Verklammerung selbständiger Delikte insbesondere durch eine leichtere dritte Tat sind bei dieser Sachlage offenkundig. Auf der anderen Seite muß jede Entklammerungslösung dem Täter Nachteile zufügen, deren Gewicht wir nach der Auseinandersetzung mit den Grundlagen der Idealkonkurrenz beurteilen können. § 52 soll einmal eine Doppelverwertung von Unrechts- oder Schuldmerkmalen verhindern. Mit diesem Gesetzeszweck ist die Entklammerungslösung der h. M. nicht vereinbar, weil sie nicht nur einzelne Unrechts- oder Schuldmerkmale, sondern Straftaten insgesamt mehrfach berücksichtigen muß2. Der Entklammerungseffekt wird auch mit der Zuordnung der durchlaufenden Tat C zu nur einem der äußeren Delikte A oder B erreicht. Dadurch wird eine mehrfache Berücksichtigung von C vermieden. Man muß aber jedenfalls den Verhaltensabschnitt zweimal würdigen, der von C wie dem "freien" der äußeren Delikte - beispielsweise B erfaßt wird. Dieser Vorgang ist sowohl bei der Bildung einer Strafe für A in Tateinheit mit C wie auch bei der Strafbemessung für B zu bewerten. Dadurch besteht - auch bei fehlender Unrechtsverwandtschaft zwischen Bund C - mindestens die Gefahr einer Doppelverwertung, die § 52 gerade auszuräumen sucht. Darüber hinaus unterläuft diese Lösung auch die von § 52 beabsichtigte Privilegierung einmaligen Versagens des Täters. Wer durch ein und dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzt, soll dafür mit einer Strafe belegt werden. Im Widerspruch dazu schlägt der von Bund Cerfaßte Verhaltensabschnitt bei der Strafbemessung zweimal zu BucheS. Die Realkonkurrenzlösung ist mit § 52 ebenfalls unvereinbar 4 • Sie nimmt Realkonkurrenz aller Taten, A, Bund C an; daher müssen nicht nur ein Verhaltensabschnitt, sondern alle Handlungen doppelt berücksichtigt werden, die zu C gehören und zugleich die Tatbestände A und B erfüllen. Die Einwände, die gegen das Vorrangsprinzip sprechen, treffen daher in noch stärkerem Maße die Realkonkurrenzlösung. 2

3 4

Vgl. dazu A V 2 b). Zum sog. Vorrangsprinzip vgl. A V 3 a) ce). Vgl. dazu A V 3 a) bb).

III. Teilidentität und Klammerwirkung

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Es gibt allerdings eine bisher noch nicht erwogene Möglichkeit, den bei jeder Entklammerung unvermeidlichen Verstoß gegen § 52 abzuschwächen. Die Entklammerungslösungen sind bedenklich, weil sie zu einer Doppelberücksichtigung der durchlaufenden Tat oder einzelner Akte zwingen. Diese Doppelverwertung führt dazu, daß schuldübersteigende Einzelstrafen verhängt werden müssen. Es wäre nun denkbar, diese Überhöhung durch eine entsprechend niedrigere Gesamtstrafe auszugleichen. Im Ergebnis würde dem Täter dann kein Nachteil entstehen, und trotzdem könnte man den gegen eine Verklammerung sprechenden kriminalpolitischen Gesichtspunkten Rechnung tragen. Letztlich ist aber auch diese Erwägung nicht tragfähig: § 52 schreibt bei handlungsidentischen Gesetzesverletzungen die Einhaltung eines bestimmten Verfahrens gerade vor, um die Bildung einer gerechten Strafe zusätzlich zu sichern. Die Einheitsstrafe soll eine Doppelverwertung ausschließen und der verminderten Schuldintensität Rechnung tragen. Selbstverständlich müßte auch ohne diese besondere Regelung der Richter Doppelverwertungen vermeiden und eine schuldangemessene Strafe aussprechen. Der Gesetzgeber hat diese Aufgabe aber nicht den Gerichten überlassen, sondern zum Schutz des Täters in § 52 den Strafzumessungsvorgang in bestimmter Weise geordnet. Die Vorschrift schließt es daher aus, für bewegungsgleiche Normverstöße zunächst gesonderte Strafen festzusetzen und etwa entstehende Nachteile bei der Bemessung der Gesamtstrafe auszugleichen. Das Dilemma der sog. Klammerwirkung, dem Täter entweder einen unverdienten Vorteil zu gewähren oder ihm einen unverdienten Nachteil zuzufügen, ist bei dieser Sachlage nicht auszuräumen. Daher kann nur eine Bewertung der widerstreitenden Interessen darüber entscheiden, welche Lösung als das "kleinere Übel" anzusehen ist. Diese Interessenabwägung wirft keine erheblichen Schwierigkeiten auf, soweit die verbindende Straftat im Verhältnis zu den "äußeren" Delikten schwerer wiegt. In diesem Fall führt die Verklammerung zu keiner unerträglichen Privilegierung des Täters, weil meist der Strafrahmen des verbindenden Delikts zur Verhängung einer angemessenen Strafe ausreichen wird. Umgekehrt stößt jede Entklammerun~ auf besonders schwerwiegende Bedenken, weil nach § 52 das verbindende schwerere Delikt mehrfach zur Strafenbildung heranzuziehen ist, was für den Täter einen gravierenden Nachteil bedeutet. Deshalb ist für diese Konstellation in Übereinstimmung mit der h. M. die dem Täter günstigere Lösung zu wählen und eine Entklammerung abzulehnen. Beim Zusammentreffen schwererer äußerer Delikte mit einer leichteren dritten Tat, ist die Interessenabwägung sehr viel schwieriger, weil bei einer Verklammerung das Ausmaß unverdienter Privilegierung

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B. Die Grundlagen der Konkurrenzlehre

vergleichsweise größer und umgekehrt im Falle der Entklammerung der Umfang der Benachteiligung des Täters vergleichsweise geringer ist5• Bevor wir in diesem Bereich eine abschließende Bewertung treffen 6, wollen wir uns deshalb zunächst Klarheit über den tatsächlichen Umfang dieser "kritischen" Verklammerungsfälle verschaffen, weil wir erst auf dieser Grundlage die effektiven Auswirkungen von Ver- und Entklammerung sicher abschätzen können. 4. SdlIu8betracbtung

Das Problem der Klammerwirkung folgt wie die Möglichkeit teilweiser Identität schon daraus, daß es einerseits juristische Bewertungseinheiten gibt, die eine Vielzahl natürlicher Handlungen zu einer einzigen Tatbestandsverwirklichung verbinden, andererseits aber § 52 die Identität der einzelnen natürlichen Handlungen voraussetzt. überschneidet sich die Tat C dann mit mehreren untereinander selbständigen Delikten, sind einzelne Handlungen unter dem Blickwinkel der Delikte C und Asowie C und B zu würdigen. Da das durchlaufende Delikt C aus den erfaßten natürlichen Handlungen eine Bewertungseinheit bildet, entsteht mit Notwendigkeit das Dilemma, entweder C oder einzelne zu C gehörige Handlungen zu verdoppeln oder aber Idealkonkurrenz zwischen A und B anzunehmen. Da die h. M. diese Zusammenhänge nur unzureichend in den Blick bekommen hat, bemühte sie sich im wesentlichen nur um den Ausbau des insgesamt fragwürdigen Systems von Ver- und Entklammerung. Der dogmatisch richtige Ansatzpunkt zur Beseitigung dieser Schwierigkeiten ist aber nicht eine wie immer geartete Modifikation der Konkurrenzregeln, sondern eine Einschränkung von Bewertungseinheiten, die umfassende Handlungskomplexe schaffen. Eine solche prinzipielle Alternative zur Lehre von der Klammerwirkung hat man nur in Teilbereichen - etwa bei der Trunkenheitsfahrt - gesucht. Vielleicht eröffnet sich aber bei einer Vielzahl von Bewertungseinheiten ein Ausweg aus den bestehenden Schwierigkeiten. Diese Möglichkeit soll im folgenden Kapitel näher geprüft werden.

5

Vgl. dazu A V 2 b), c) und 3 a).

e Dazu unten C V.

c. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten

I. Die Bildung krimineller oder terroristischer Vereinigungen 1. Die Tatbandlungen

Nach den §§ 129 und 129 a wird bestraft, wer eine kriminelle oder terroristische Vereinigung gründet, sich als Mitglied an ihr beteiligt, für sie wirbt oder sie unterstützt. Die erste und die dritte Tatalternative sind unter Konkurrenzgesichtspunkten selten problematisch. Die Gründung erschöpft sich in der führenden Mitwirkung beim Zusammenschluß zu einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung 1 und wird daher kaum mit anderen Straftaten zusammentreffen. Das Werben um faßt zwar jede auf die Gewinnung von Mitgliedern gerichtete Tätigkeit und damit unter Umständen auch eine Vielzahl von Einzelakten2 , doch werden durch die Werbung regelmäßig keine weiteren Strafgesetze verletzt. Von besonderer praktischer Bedeutung sind aber die Unterstützung einer kriminellen Vereinigung und namentlich die mitgliedschajtZiche Beteiligung an ihr 3 • Mit diesen Taten stehen typ ischerweise weitere Gesetzesverletzungen in Zusammenhang, die Ziele der kriminellen oder terroristischen Vereinigung verwirklichen oder der Stärkung ihres organisatorischen Potentials dienen. Die Begehung dieser Straftaten ist zwar für die Annahme einer Beteiligung als Mitglied nicht notwendig4, schließt aber umgekehrt nicht aus, daß eine Straftat für die kriminelle oder terroristische Vereinigung zugleich nach den §§ 129 oder 129 a tatbestandsmäßig ist5 • Daraus ergibt sich die Möglichkeit, daß die §§ 129 und 129 a mit zahlreichen äußeren Delikten zusammentreffen und diese zur Tateinheit verklammern. Eine Überschneidung der für die Vereinigung begangenen Straftaten mit der 1 Vgl. etwa v. Bubnoff, LK, § 129 Rdn. 14; Rudolphi, SK, § 129 Rdn. 14; Schänke / Schräder / Lenckner, § 129 Rdn. 12. 2 Vgl. v. Bubnoff, LK, § 129 Rdn. 17; Rudolphi, SK, § 129 Rdn. 18; Schänke / Schräder / Lenckner, § 129 Rdn. 14. 3 Zur Konkurrenz der vier Tatalternativen untereinander vgl. Haberstumpf, MDR 1979, 979 mit Nachw. , Auch Rudolphi, SK, § 129 Rdn. 16, der an die Mitgliedschaft die streng-

sten Anforderungen stellt, verlangt nur, daß das Mitglied sich an Straftaten der Vereinigung beteiligen will. 5 Vgl. aber OLG Karlsruhe, NJW 1977, 2222 f., das für Taten, die Zwecke der Vereinigung verwirklichen, genau diesen Fehlschluß zieht. Dazu ein11 Werle

162 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten

mitgliedschaftlichen Beteiligung haben das OLG Karlsruhe und im Anschluß daran Teile des Schrifttums durch eine einschränkende Auslegung der §§ 129, 129 a zumindest in Teilbereichen zu vermeiden versuchtG• Bevor die Reichweite der von den §§ 129, 129 a gebildeten Handlungseinheiten untersucht wird, wollen wir uns daher zunächst der Auslegung der zweiten und vierten Tatalternative zuwenden, um deren Anwendungsbereich festzustellen, der mittelbar über die Konkurrenzfragen entscheidet. a) Die Beteiligung als Mitglied

Die mitgliedschaftliche "Beteiligung" kann im Gegensatz zur "Betätigung" i. S. der §§ 84, 85 dem Wortsinne nach auch als formelle Mitgliedschaft gedeutet werden7 • Da Tathandlung in diesem Fall nur der Beitritt zur kriminellen Vereinigung wäre, ergäben sich, ähnlich wie bei der "Gründung", kaum Überschneidungen mit anderen Delikten. Eine solche Auslegung ist aber abzulehnen: In den aufgehobenen §§ 128, 129 a. F.B wurde gleichfalls der Begriff "Beteiligung" verwendet, worunter die Rechtsprechung niemals den bloßen Beitritt, sondern immer nur eine irgendwie geartete Betätigung für die Vereinigung subsumiert hat o. Daß der Gesetzgeber in den neugefaßten §§ 84, 85 10 von "Betätigung" spricht, hat nicht den Begriff der "Beteiligung" in § 129 erweitern, sondern nur klarstellen sollen, daß die bloße Zahlung von Mitgliedsbeiträgen nicht tatbestandsmäßig istl l . In Übereinstimmung damit ist der Gesetzgeber auch bei der Einführung des § 129 a davon ausgegangen, daß die passive Mitgliedschaft nicht strafbar ist, das Mitglied sich vielmehr als solches betätigen muß12. Tatbestandsmäßig sind also immer nur die einzelnen Beteiligungshandlungen1s. - Neuerdings hat gehend GTÜnwald, Bockelmann-Festschr., S. 741; Werle, JR 1979,95. 8 Vgl. dazu oben A V 2 f) bb) mit Nachw. zum Streitstand in Fn. 96. 7 A. M. Fleischer, NJW 1979, 1338, wonach schon an dem "klaren Wortlaut" des § 129 "nicht vorbeizukommen" sei; so auch Haberstumpf, MDR 1979,978. B § 128 aufgehoben durch das 8. StAG v. 25.6. 1968 (BGBI. I, S. 741), § 129 a aufgehoben durch § 22 Nr. 6 des Vereinsgesetzes v. 5.8. 1964 (BGBl. I, S. 593). 9 Vgl. BGH, NJW 1960, 1773 mit Nachw. Vgl. ferner die Nachw. in BGH, NJW 1980, 462, 464. 10 Fassung des 8. StAG v. 25.6. 1968 (BGBl. I, S. 741) und des EGStGB v. 2.3. 1974 (BGBl. I, S. 469). 11 Vgl. BT-Drucks. V/2860, S. 6. I! Vgl. BT-Drucks. 7/4005, S. 10. 13 S. die h. M. etwa OLG KarlSTUhe, NJW 1977, 2223; v. Bubnoff, LK, § 129 Rdn. 16; Haberstumpf, MDR 1979,978; Lackner, § 129 Anm. 3; Rudolphi, SK, § 129 Rdn. 16; Schönke / Schröder / Lenckner, § 129 Rdn. 12 ff.; A. M. Dreher / Tröndle, § 129 Rdn. 4, wonach eine "Betätigung" nicht erforderlich sein soll. Siehe auch BGH, NJW 1980, 462.

I. Die Bildung krimineller oder terroristischer Vereinigungen

163

der BGH eine Beteiligung als Mitglied schon in einem Beitritt zu einer terroristischen Vereinigung gesehen, der aufgrund besonderer Umstände als solcher eine "beachtliche Stärkung der Organisation und der künftigen Wirksamkeit der Vereinigung" bewirkte. Hier habe die Beitrittserklärung die Bedeutung eines ersten Beteiligungsaktes14 • Gegen diesen Standpunkt spricht die historische Auslegung, wonach der Beitritt zu der Vereinigung in einer zusätzlichen Betätigung für diese manifestiert werden muß. Der bloße Wille, künftig als Mitglied tätig zu werden, genügt dafür auch dann nicht, wenn der Beitritt die Organisation bereits stärkt. Wir brauchen die Richtigkeit dieser zweifelhaften Auslegung aber nicht abschließend zu klären. Sie hat in unserem Zusammenhang keine grundlegende Bedeutung. Sie bezieht sich ausdrücklich nur auf einen Sonderfall und berührt auch den für uns wichtigen Ausgangspunkt nicht, daß alle Betätigungen nach dem Beitritt als mitgliedschaftliche Beteiligung tatbestandsmäßig sind. Unter mitgliedschaftlicher Beteiligung sind nach einhelliger Auffassung alle Aktivitäten des Mitglieds zu verstehen, die das organisatorische Potential der Vereinigung stärken, selbst wenn sie - wie etwa ein Bankraub zur Beschaffung von Geld - zugleich weitere Tatbestände verletzen15 • Umstritten ist dagegen, ob auch die Begehung von Taten, die das Ziel der Vereinigung bilden, als mitgliedschaftliche Beteiligung erfaßt wird. Am weitesten hat K. Meyer den Begriff der Beteiligung eingeschränkt und argumentiert, da die Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung kein Tatbestandsmerkmal der für sie begangenen Straftaten sei, müsse Tateinheit zwischen § 129 und jenen Straftaten generell ausscheiden16 • Dieser Standpunkt ist aber schon deswegen unzutreffend, weil über die Konkurrenzform gerade nicht die Identität von Tatbestandsmerkmalen, sondern die der Ausführungshandlungen entscheidet 17 • Ermordet etwa das Mitglied einer terroristischen Vereinigung entsprechend den Zielen der Organisation einen Politiker, besteht Idealkonkurrenz zwischen den §§ 129 a und 211, wenn in dem Anschlag zugleich eine Betätigung als Mitglied zu sehen ist. Die inhaltlichen Beziehungen zwischen den verletzten Vorschriften spielen dabei keine Rolle. Deutet man die mitgliedschaftliche Beteiligung wie das OLG Karlsruhe als reines Organisationsdelikt 18 , scheiden alle Tätigkeiten aus dem 14 Vgl. BGH, NJW 1980, 462. Die bisherige Rechtsprechung, wonach eine bloß formale Mitgliedschaft nicht ausreicht, sollte nicht in Frage gestellt werden, vgl. BGH, aaO., 463. 15 Vgl. alle Nachw. in Fn. 13. lS Vgl. K. Meyer, JR 1978, 36. 17 Vgl. so schon WerZe, JR 1979,96. 18 Vgl. dazu oben A V 2 f) bb).

164 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten

Tatbestand aus, die nicht unmittelbar die Organisation und ihren Zusammenhalt stärken. Entgegen der Auffassung des OLG Karlsruhe läßt sich jedoch auf dieser Grundlage Idealkonkurrenz mit den Straftaten, die das Ziel der Vereinigung bilden, regelmäßig nicht vermeiden. Zu fragen bleibt nämlich, ob nicht die Begehung dieser Taten positive Rückwirkungen auf die weitere Arbeit der Gruppe hat und mitursächlich dafür wird, daß die konkrete Gefahr der Begehung weiterer Delikte fortbesteht oder gesteigert wird 19 • Vielfach kann ein solcher Effekt nicht verneint werden, denn gerade das gemeinschaftliche Erfolgserlebnis ist geeignet, den Zusammenhalt einer Organisation und die Fortführung ihrer Arbeit zu fördern 20 • Die §§ 129 und 129 a parallel zu den §§ 84, 85 als reine Organisationsdelikte zu verstehen, ist aber auch schon im Ansatz verfehlt, weil die erfaßten strafbaren Sachverhalte unterschiedliche Strukturen aufweisen. Die §§ 84, 85 wehren Angriffe auf den demokratischen Rechtsstaat ab, die durch die Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei oder Vereinigung begangen werden. Die Kompetenz zur Feststellung eines Angriffs auf den demokratischen Rechtsstaat, d. h. die Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit einer Partei oder Vereinigung, ist dabei auf das Bundesverfassungsgericht21 und - im Falle des § 85 - auf die zuständigen Verwaltungsinstanzen22 verlagert 23 • Strafrechtlich relevant ist ausschließlich der "Ungehorsam" gegenüber einer solchen Entscheidung, durch die eine Organisation für verfassungswidrig erklärt oder verboten oder durch die ihre Eigenschaft als Ersatzorganisation festgestellt wird. Der "Ungehorsam" manifestiert sich in der Aufrechterhaltung der verbotenen Organisation, während die Verfolgung verfassungs feindlicher Ziele als solche strafrechtlich bedeutungslos ist. Bei dieser Sachlage mußten die §§ 84, 85 zwingend als reine Organisationsdelikte konzipiert werden. Im Falle der §§ 129, 129 a hingegen ist der Zweck der Vereinigung, die Begehung von Straftaten, schon als solcher strafrechtlich relevant, und das Gericht muß ihn bei der Subsumtion notwendig würdigen. Die §§ 129, 129 a sind auch keine "Ungehorsamsdelikte". Vielmehr hat die besondere Gefährlichkeit krimineller und terroristischer Vereinigungen den Gesetzgeber veranlaßt, Angriffe auf die in den Straftatbeständen des Besonderen 18 Vgl. RudoZphi, Bruns-Festschr., S. 330, der sich allerdings mit dem "Unterstützen" befaßt. 20 So schon WeTZe, JR 1979, 96. Vgl. ferner HabeTstumpf, MDR 1979, 980; Puppe, S. 213. 21 Zum Verfahren vgl. Art. 21 II GG i. V. m. § 46 BVerfGG sowie § 33 II ParteienG. 22 Zum Verfahren vgl. §§ 3 ff., 8 II VereinsG. 23 Vgl. Schönke / SchTöder / Stree, § 84 ReIn. 2.

1. Die Bildung krimineller oder terroristischer Vereinigungen

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Teils geschützten Rechtsgüter schon in einem frühen Vorbereitungsstadium abzuwehren24 • Daher werden auch Tätigkeiten bestraft, die kein bestimmtes Rechtsgut verletzen oder. gefährden. Ob sich der Zweck der §§ 129, 129 a in einer generellen Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes erschöpft oder nicht vielmehr weitergehend das allgemeine Gefühl der Rechtssicherheit oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung geschützt werden, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung 25 : Jedenfalls beziehen die §§ 129, 129 a ihren Unrechts gehalt auch aus der von der kriminellen Vereinigung angestrebten oder vorbereiteten Verletzung anderer Strafgesetze. Wenn daher als mitgliedschaftliche Beteiligung alle noch so entfernten Vorbereitungshandlungen für Straftaten der Vereinigung erfaßt werden, muß das erst recht - namentlich bei terroristischen Vereinigungen - für die ungleich intensivere und gefährlichere Begehung dieser Taten gelten 26 • Es ist auch eine merkwürdige Vorstellung, daß Gruppenangehörige sich in der Vorbereitungsphase einer Tat als Mitglieder an der kriminellen Vereinigung beteiligen, aber gewissermaßen "aus der Rolle fallen", wenn sie dazu übergehen, mit den Zielen der Gruppe ernst zu machen. Nicht haltbar ist auch die weitere Konsequenz der einschränkenden Auslegung, daß an der kriminellen Vereinigung unter Umständen ein führendes Mitglied nicht "beteiligt" ist, wenn ihm ausschließlich die Begehung von Straftaten obliegt 27 • Bei der Bewertung der einschränkenden Auslegung verdient schließlich ihr kriminalpolitischer Hintergrund besondere Aufmerksamkeit. Den Anstoß für die Meinungsverschiedenheiten um den Begriff "Beteiligung" gab die Entscheidung des OLG Karlsruhe, die den Strafklageverbrauch für einen Mordanschlag zu vermeiden suchte, indem sie die Tatbestandsmäßigkeit dieses Vorgangs nach § 129 verneinte. Die Tateinheit mit § 129 hätte hier unter Umständen ein Verfahren wegen des Mordanschlags ausgeschlossen, so daß die Beschränkung der Tathandlung nach § 129 einen kriminalpolitisch erwünschten Effekt hatte. Soweit es um terroristische Gewalttaten geht, vermeidet die vom OLG Karlsruhe vorgeschlagene Auslegung regelmäßig die kriminalpolitisch bedenkliche Verklammerung schwerster Verbrechen zu einem Handlungskomplex. Umgekehrt wirkt sich die Nichtanwendbarkeit des § 129 a wegen der hohen Strafdrohungen für die bezweckten Taten Vgl. schon Werle, JR 1979,95 f. Dazu näher unten 2 a), ce). 28 Vgl. jetzt BGH, NJW 1980,2718. 27 Allenfalls die Zusage einer solchen Tätigkeit könnte als Beteiligung gewertet werden, vgl. Fleischer, NJW 1979, 1338. Sie muß aber entgegen der Ansicht Fleischers nicht notwendig jeder einzelnen Deliktsbegehung vorausgehen, etwa wenn der Täter seine Tätigkeit einmal zusagt und künftig nur "Aufträge" entgegennimmt und ausführt. 24 25

166 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten nicht aus. Sieht man aber von terroristischen Aktivitäten ab, zeigt sich, daß die einschränkende Auslegung die Mitglieder krimineller Vereinigungen auch merklich begünstigen kann: Bei den von § 129 betroffenen Zusammenschlüssen brauchen - im Gegensatz zu § 129 a - die bezweckten Straftaten nicht mit höherer Strafe bedroht zu sein als die mitgliedschaftliche Beteiligung selbst, etwa wenn es sich um Betrügereien oder Diebstahlstaten handelt. Häufig sieht § 129 in diesen Fällen sogar eine höhere Strafe vor, beispielsweise wenn nur Sachen beschädigt werden sollen28 oder wenn der Täter zu den Hintermännern oder Rädelsführern der kriminellen Vereinigung gehört und nach § 129 IV eine Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten bis zu fünf Jahren zu erwarten hat. Nach der einschränkenden Auslegung wären die Taten, die das Ziel der Vereinigung bilden, nach § 129 nicht tatbestandsmäßig und daher mit geringerer Strafe bedroht als "reine" mitgliedschaftliche Beteiligungshandlungen. Daher könnte selbst ein führendes Mitglied, das ausschließlich Ziele der Vereinigung verwirklicht, unter Umständen nicht nach § 129 I oder IV bestraft werden, auch wenn dort ein strengerer Strafrahmen vorgesehen ist. Diese Ergebnisse hätte vor der Entscheidung des OLG Karlsruhe sicher kaum ein Richter erwogen. Als Ergebnis ist daher festzuhalten: Begeht ein Mitglied in seiner Rolle Straftaten für eine kriminelle oder terroristische Vereinigung sei es zur Stärkung der Organisation, sei es zur Verwirklichung ihrer Ziele -, ist darin eine Beteiligung i. S. der §§ 129, 129 a zu sehen. b) Die Unterstützung

Die Unterstützung ist die zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe eines Nichtmitglieds, mit der die Bestrebungen der kriminellen oder terroristischen Vereinigung oder ihre Tätigkeit irgendwie gefördert werden 29 • Wie bei der mitgliedschaftlichen Beteiligung ist umstritten, ob nur die Stärkung des organisatorischen Zusammenhalts und Potentials der Vereinigung erfaßt wird 30 oder auch die Förderung ihrer Ziele31 • Mit einer Parallele zu den Organisationsdelikten der §§ 84, 85 kann die Beschränkung der Tathandlung auf organisationsbezogene Tätigkeiten auch hier nicht gestützt werden32 • Rudolphi hat das Erfordernis der Organisationsbezogenheit aus dem Schutzzweck der §§ 129 und § 303 sieht im Höchstmaß zwei Jahre Freiheitsstrafe vor. Vgl. BGH, NJW 1980, 64; Lackner, § 129 Anm. 3 beide mit ausf. Nachw. 30 So Rudolphi, Bruns-Festschr., S. 327, 330 f.; ZRP 1979, 217. 31 So BGH, NJW 1975, 986; v. Bubno/f, LK, § 129 Rdn. 18; Lackner, § 129 Anm. 3; Schänke / Schröder / Lenckner, § 129 Rdn. 15 a. 32 Vgl. dazu oben a). 28

29

I. Die Bildung krimineller oder terroristischer Vereinigungen

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129 a abzuleiten versucht: Die Vorschriften knüpften an die besondere Gefährlichkeit krimineller oder terroristischer Vereinigungen an. Deswegen liege eine Unterstützung nur vor, wenn das kriminelle Potential des Zusammenschlusses, das die besondere Gefährlichkeit begründe, gestärkt werde, nicht notwendig schon bei der Teilnahme an Straftaten der Vereinigung 33 • Gegen diese Argumentation spricht die schon oben maßgebliche - von Rudolphi mit besonderem Nachdruck vertretene34 - überlegung, daß die §§ 129 und 129 a alle Handlungen im Vorbereitungsstadium der von den Vereinigungen bezweckten Taten erfassen. Von diesem Ausgangspunkt ist nicht einzusehen, warum die unmittelbare Förderung von Zielen der Vereinigung durch die Mitwirkung bei ihren Straftaten, keine "Unterstützung" der Vereinigung selbst bedeuten soll. Andernfalls wäre beispielsweise die Beschaffung einer Tatwaffe als Unterstützung zu werten, während beim übergang von der Tatvorbereitung zur Tatausführung § 129 nicht mehr angewendet werden könnte. Eine solche Grenzziehung ist willkürlich, so daß auch die Beteiligung an den Straftaten der Vereinigung als Unterstützung anzusehen ist. Im übrigen dürfen die praktischen Auswirkungen einer einschränkenden Auslegung auch hier nicht überschätzt werden, da die Begehung der bezweckten Straftaten häufig positive Rückwirkungen auf den Zusammenhalt der Organisation haben wird 35 • 2. Das Zusammentreffen mit anderen Straftaten a) Die mitgliedschaftliehe Beteiligung

Die mitgliedschaftliche Beteiligung steht mit allen Delikten in Tateinheit, die unmittelbare Ziele der kriminellen oder terroristischen Vereinigung verwirklichen, ihnen dienen oder die Organisation als solche stärken. Deshalb können die §§ 129 und 129 a untereinander selbständige Gesetzesverletzungen zu umfangreichen materiell- und verfahrensrechtlichen Handlungseinheiten verbinden. Vom Standpunkt der h. M. bleibt bei schwereren "äußeren" Gesetzesverletzungen der Ausweg einer Entklammerung, der aber versperrt ist, wenn nur eines der äußeren Delikte leichter ist als die durchlaufende Tat nach den §§ 129 oder 129 a. Diese Konstellation kann sich besonders häufig ergeben, wenn das Mitglied zu den Rädelsführern einer terroristischen Vereinigung gehört, da § 129 a II in diesem Fall Verbrechensstrafe androht. Damit werden, namentlich wegen der Auswirkungen auf den Strafklageverbrauch, im Endeffekt die Mitglieder krimineller oder terroristischer Vereinigungen unter Umständen erheblich begünstigt. 33 U

35

Vgl. Rudolphi, Bruns-Festschr., S. 327, 330 f. Vgl. ebda.; SK, § 129 Rdn. 2. Vgl. dazu oben a).

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C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten

Diese Folgen hat der Gesetzgeber bei der Schaffung insbesondere des § 129 a nicht bedacht und sicher auch nicht gewünscht, sie sind aber beim derzeitigen Stand von herrschender Lehre und Rechtsprechung unausweichlich 1. Die beschriebenen Konsequenzen beruhen durchweg auf der stillschweigenden Annahme, daß alle einzelnen Beteiligungsakte des Mitglieds einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung eine rechtliche Bewertungseinheit bilden. Diese Prämisse ist aber, auch wenn sie nur vereinzelt überprüft wird 2 , keineswegs selbstverständlich. Die einzelnen tatbestandsrelevanten Betätigungen sind in sich abgeschlossene Vorgänge. Tatbestandsmäßig sind bei der mitgliedschaftlichen Beteiligung etwa das Anmieten von konspirativen Wohnungen, der Kauf von Waffen oder Fahrzeugen, überfälle zur Beschaffung von Geld oder auch die Durchführung von Delikten, die Ziele der Vereinigung verwirklichen. Prinzipiell könnte man all diese Einzelakte auch unter dem Gesichtspunkt der §§ 129 oder 129 a als selbständige Straftaten erfassen, da sie jeweils alle Strafbarkeitsvoraussetzungen erfüllen. Daran ändert die Mitgliedschaft während des gesamten Zeitraums, in den die Beteiligungsakte fallen, nichts, da nur die Beteiligung als Mitglied tatbestandsmäßig ist. Die Tatbestandsverwirklichung ist also diskontinuierlich und nicht, wie bei Dauerdelikten - beispielsweise dem Fahren in fahruntüchtigem Zustand - "durchlaufend". Diese Sachlage wird verdeckt, wenn, wie das häufig geschieht, die mitgliedschaftliche Beteiligung ohne nähere Begründung als "Dauerdelikt" bezeichnet wird 3 , obwohl dessen Charakteristikum die kontinuierliche Tatbestandserfüllung ist 4 • Die einzelnen Betätigungen verteilen sich bei der mitgliedschaftlichen Beteiligung zwar regelmäßig über einen längeren Zeitraum, so daß die Tatbestandsverwirklichung "andauert"; dadurch wird die zweite Tatalternative der §§ 129, 129 a aber nicht zu einem "Dauerdelikt" im sonst üblichen Sinn. Auch die fortgesetzte Tat, bei der die einzelnen Gesetzesverletzungen "stoßweise" begangen werden, "dauert an", ohne deswegen ein "Dauerdelikt" zu sein. In beiden Fällen fehlt das entscheidende Merkmal des Dauerdelikts, die fortlaufende, kontinuierliche Tatbestandsverwirklichung. Tatbestandsstruktur und Wortlaut der §§ 129 und 129 a würden uns also prinzipiell nicht daran hindern, bei der mitgliedschaftlichen Betei1 Vgl. jetzt aber BGH, NJW 1980, 2718, wo die Tragweite der Rechtskraftwirkungen für den Bereich der §§ 129 und 129 a eingeschränkt wird. Krit. dazu Hieß, NStZ 1981, 74 ff.; Werle, NJW 1980, 2671 ff. 2 Vgl. Puppe, S. 212 ff.; siehe auch Preiser, ZStW 58 (1939), 750 ff. 3 Vgl. etwa OLG Karlsruhe, NJW 1977, 2222; Fleischer, NJW 1979, 1338; Haberstumpf, MDR 1979, 979; Schänke / Schräder / Lenckner, § 129 Rdn. 28; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 17. 4 Vgl. oben A 11 3 f).

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ligung die einzelnen tatbestandserfüllenden Vorgänge als selbständig anzusehen und nur nach den zur Fortsetzungstat entwickelten Regeln zusammenzufassen. Dennoch bestand bislang Einigkeit, daß jedenfalls die mitgliedschaftliche Beteiligung aus einer Mehrzahl von Betätigungen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, eine rechtliche Bewertungseinheit bildet. Diese Auffassung teilte auch der historische Gesetzgeber. So heißt es im Entwurf zur Einführung des § 129 a, zur Tat gehörten "sämtliche Beteiligungsakte der Mitglieder der terroristischen Vereinigung"5. Wir wollen im folgenden untersuchen, ob dieser Ausgangspunkt zutrifft und die näheren Voraussetzungen bestimmen unter denen die einzelnen Betätigungen als Mitglied einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung eine Unrechtseinheit bilden. aal Die tatbestandliche Handlungseinheit und der Schweregrad idealkonkurrierender Gesetzesverletzungen Wir haben oben gesehen, daß die Bildung von Handlungseinheiten bei der iterativen Tatbestandsverwirklichung einheitliches Unrecht und einheitliche Schuld als einen Unrechtsgegenstand erfassen soll. Daran hat sich gezeigt, daß eine sog. natürliche Handlungseinheit nicht anzuerkennen ist; vielmehr ist es eine Frage der Tatbestandsauslegung, welche Akte in eine Handlungszusammenfassung einzubeziehen sind'. - Für die mitgliedschaftliche Beteiligung ist kennzeichnend, daß der Täter seinen Willen der organisierten Willensbildung der Vereinigung unterordnet. Aus diesem Zustand, der - wie die Vereinigung selbst auf Dauer angelegt sein muß, erwachsen die einzelnen Betätigungen für die Organisation, so daß sich das Mitglied einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung typischerweise mehrfach und nicht nur einmal "beteiligt". Die mehrfache Tatbestandserfüllung ist also zwar nicht notwendige, aber doch typische Folge einer ernst gemeinten Mitgliedschaft. Deshalb gestehen wir dem Täter eine gewissermaßen pauschale Auseinandersetzung mit den §§ 129 oder 129 a zu und verlangen von ihm nicht, daß er bei jeder Aktivität sein Handeln neu überdenkt7. Das tatbestandliche Unrecht der §§ 129 und 129 a - nach h. M. die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und OrdnungS - und die Schuld des Täters werden bei dieser Sachlage durch einen neuen Beteiligungsakt nicht qualitativ verändert, sondern lediglich gesteigert. Hinzu kommt ein weiterer Gesichtspunkt: Die in § 129 vorgesehene Höchst5

a 7 8

Vgl. BT-Drucks. 7/4005, S. 9; siehe ferner v. Bubnoff, LK, § 129 Rdn. 16. Dazu oben B I. Vgl. Puppe, S. 213 ff., 257 ff. Vgl. dazu sogleich unten C I 2 a), ce).

170 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten strafe von 5 Jahren entspricht der zahlreicher "klassischer" Vergehen wie Diebstahl, Betrug oder Urkundenfälschung; Mitglieder einer terroristischen Vereinigung werden sogar mit mindestens 6 Monaten Freiheitsstrafe belegt. Diese hohen Strafdrohungen wären unverständlich, wenn sie auf einzelne Betätigungsakte des Mitglieds zugeschnitten wären. Zudem würde eine solche Interpretation der §§ 129 und 129 a die Strafrahmenobergrenzen in der Praxis regelmäßig gegenstandslos machen. Typischerweise ist eine Mehrzahl strafbarkeitskonstitutiver Vorgänge abzuurteilen, so daß in jedem Durchschnittsfall nach den §§ 53, 54 eine Gesamtstrafe zu bilden wäre. Die Strafgrenze der §§ 129, 129 a könnte damit im Ergebnis praktisch immer überschritten werden. Bei dieser Sachlage ist es einleuchtend, die Strafdrohungen der §§ 129 und 129 a grundsätzlich auf die gesamte Tätigkeit des Mitglieds für die kriminelle oder terroristische Vereinigung zu beziehen. Die Ansicht der h. M. und des historischen Gesetzgebers, die mitgliedschaftliche Beteiligung bilde eine Bewertungseinheit, ist also im Ausgangspunkt zutreffend. Damit steht aber noch nicht fest, ob die §§ 129 und 129 a schlechterdings alle Beteiligungsakte des Mitglieds ohne Rücksicht auf deren konkrete Ausgestaltung zur Tateinheit verbinden. Die Möglichkeit von Differenzierungen zwischen den einzelnen Beteiligungsformen wollen wir im folgenden an einem Beispielsfall erläutern und annehmen, ein Mitglied einer terroristischen Vereinigung, welche die Begehung von Tötungsdelikten zum Ziel hat, habe zur Stärkung der Organisation einen Raub und eine Sachbeschädigung begangen, laufend Ausweise gefälscht, ferner mehrfach konspirative Wohnungen und Fahrzeuge angernietet, ein Funk- und Informationssystem aufgebaut, anläßlich mehrerer "Einsätze" ohne gültige Fahrerlaubnis ein Fahrzeug geführt und schließlich durch einen Mord unmittelbar Ziele der Vereinigung verwirklichte. Nach den bisherigen Ausführungen ist sicher, daß alle Handlungen eine Bewertungseinheit bilden, die allgemein die Arbeit der Organisation fördern, also die Miete von Fahrzeugen und Wohnungen sowie der Aufbau des Funk- und Informationssystems. Diese Tätigkeiten sind nach ihrem äußeren Erscheinungsbild zwar völlig verschieden, doch spielt dieser Umstand keine Rolle, weil der rechtliche Erfolg gleich ist. Deshalb ist es auch nicht möglich, die übrigen Akte, die zugleich andere Strafgesetze verletzen, schon wegen des äußerlich anderen Tathergangs aus der Handlungszusammenfassung auszugliedern. Trotzd~m ist ihre Einbeziehung zweifelhaft. Diese Handlungen unterscheiden sich näm9 Vgl. §§ 249, 303, 267, 211 sowie § 21 StVG. Vgl. auch den Sachverhalt in BGH, NJW 1980, 2718.

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lieh von den übrigen dadurch, daß sie wegen der zusätzlichen Gesetzesverletzung eine andere rechtliche Qualität haben als "reine" Beteili.;. gungshandlungen, die allein nach den §§ 129 und 129 a tatbestandsmäßig sind. Wir haben oben gesehen, daß bei der iterativen Tatbestandsverwirklichung die Gleichwertigkeit des Unrechts- und Schuldgehalts der einzelnen Akte über den Umfang der Handlungseinheit entscheidet. Die Bildung von Bewertungseinheiten wurde jedoch nur für den Fall untersucht, daß ausschließlich derselbe Tatbestand mehrfach erfüllt wird. Jetzt kommt es darauf an, ob die Verletzung weiterer Strafgesetze durch einzelne Akte für die Konstitution einer tatbestandlichen Handlungszusammenfassung von Bedeutung ist. Dieses Problem stellt sich bei allen iterativ begangenen Delikten in gleicher Weise; es wird aber zur besseren Veranschaulichung zunächst am Beispiel der §§ 129 und 129 a im einzelnen entwickelt und erörtert. Einen dogmatischen Ansatzpunkt könnte das Merkmal der Gleichartigkeit oder Gleichwertigkeit der einzelnen Handlungen bieten, das in verschiedenen dogmatischen Zusammenhängen verwendet wird. So verbindet die Rechtsprechung mehrere tatbestandserfüllende Vorgänge nur dann zu einer "natürlichen Handlungseinheit" , wenn sie untereinander "gleichartig" sind. Dabei geben, wie sich oben gezeigt hat, normative Kriterien den Ausschlag. Maiwald fordert zur Bildung einer tatbestandlichen Handlungseinheit eine Gleichwertigkeit der einzelnen Handlungen, womit die Einheitlichkeit des Unrechts- und Schuldgehaltes gemeint ist. Schließlich müssen auch die Akte einer Fortsetzungstat "gleichartig" sein lO • Bisher hat man das Erfordernis der Gleichartigkeit oder Gleichwertigkeit der einzelnen tatbestandserfüllenden Akte aber stets nur aus dem Blickwinkel des iterativ verletzten Tatbestandes beurteilt, d. h. bei der Bildung einer tatbestandlichen Bewertungseinheit wird nicht gefragt, ob einzelne Akte zugleich ein anderes Strafgesetz verletzenl l • Das bedeutet, daß die tatbestandliche Handlungseinheit ohne Rücksicht auf weiterreichende Unrechtseigenschaften der verschiedenen Vorgänge konstituiert wird und man dann erst prüft, welche Handlungen zugleich ein anderes Strafgesetz verletzen. In unserem Beispielsfall müßte nach dieser Methode zunächst die Bewertungseinheit nach § 129 a I gebildet werden, wobei für die Gleichwertigkeit der Einzelakte außer acht bleiben müßte, daß sie gegen ein weiteres Strafgesetz verstoßen. Dann wäre zu ermitteln, welche "äußeren" Tatbestände die durch § 129 a I verbundenen Handlungsvollzüge erfüllen. Vgl. oben B I 1 und 2 und A V 2 b). Vgl. z. B. Maiwald, Natürliche Handlungseinheit, S. 70 ff. Näher dazu auch oben A V 2 b) und d) sowie unten C 111. 10 11

172 C. Die Unrechts einheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten

Das führt beim Zusammentreffen mit mehreren, an sich selbständigen Delikten zur Annahme einer Klammerwirkung des § 129 aI. Dieses Verfahren blendet bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit einzelner Handlungen die Verletzung idealkonkurrierender Tatbestände aus, obwohl doch unbestreitbar ist, daß die rechtliche Qualität eines Vorgangs häufig gerade dadurch geprägt wird. Eine solche Perspektivenverengung ist sachlich nicht begründbar. Die Ausgangslage ist dadurch gekennzeichnet, daß ein bestimmter Akt einmal einen Tatbestand A verletzt, der andere Einzelhandlungen zu einer Bewertungseinheit verbindet. Zum anderen verstößt diese Handlung gegen ein weiteres Strafgesetz B, das gleichfalls eine Handlungszusammenfassung bilden kann. Hier gibt es immer mindestens zwei konstruktive Möglichkeiten, Unrechtseinheiten zu bilden: Man kann den betreffenden Akt in der Handlungszusammenfassung A belassen. Dann ist ein Teil der Ausführungshandlung von A mit der Ausführungshandlung von B ganz oder teilweise identisch, so daß A und B in Idealkonkurrenz stehen. Man kann jenen Akt aber auch aus der Bewertungseinheit des Delikts A lösen. In diesem Fall verletzt ein und dieselbe Handlung die Strafgesetze A und B, ist aber im Verhältnis zu den übrigen von A erfaßten Vorgängen rechtlich selbständig. In unserem Beispiel wäre dann etwa der Tötungsvorgang im Verhältnis zu den übrigen Beteiligungshandlungen als eigenständige realkonkurrierende Tat zu bewerten, die nach den §§ 211, 129 a, 52 strafbar ist. Falls die Tat B ebenfalls mehrere strafbarkeitskonstitutive Vorgänge erfaßt und eine Einzelhandlung alle Strafbarkeitsvoraussetzungen der Delikte A und B erfüllt, eröffnen sich sogar vier Wege zur Bildung von Unrechtseinheiten. Zum besseren Verständnis der einzelnen Varianten wollen wir die Darstellung formelhaft vereinfachen und annehmen, A und B umfaßten jeweils zehn Akte, und der Akt A Nr. 5 bzw. B Nr. 5 erfülle beide Tatbestände. Im allgemeinen wird von der h. M. die Einzelhandlung A Nr. 5 bzw. B Nr. 5 in beiden Bewertungseinheiten belassen und aufgrund der teilweisen Handlungsidentität Idealkonkurrenz zwischen A und B angenommen. Es ist aber umgekehrt auch denkbar, den Akt völlig selbständig zu erfassen und aus beiden Handlungszusammenhängen zu lösen. Dann decken sich die Ausführungshandlungen von A und B nicht, da sie nur die verbleibenden neun Akte einschließen. Diese Betrachtungsweise führt zur Realkonkurrenz zwischen A und B; die Einzelhandlung bedeutet im Verhältnis dazu eine weitere realkonkurrierende Straftat B (Nr. 5) in Idealkonkurrenz mit A (Nr. 5). Diese Gesetzesverletzungen beruhen also ausschließlich auf dem Einzelakt. Schließlich kann man den fraglichen Vorgang aus der Bewertungseinheit B

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(oder A) ausgliedern und in die andere Bewertungseinheit A (oder B) einbeziehen. Dann ist Realkonkurrenz zwischen A und Banzunehmen, weil ja das identitätsbegründende Verhalten aus dem Tatbestand B (oder A) "herausfällt". Die Handlungszusammenfassung A (oder B) steht dann in Idealkonkurrenz mit B Nr. 5 (oder A Nr. 5) und in Realkonkurrenz mit der Tat B (oder A), die nur neun Akte umfaßt. Blendet man die zusätzliche Gesetzesverletzung bei der Bildung der Handlungszusammenfassungen aus, wird stillschweigend vorausgesetzt, daß der betreffende Einzelakt zur Bewertungseinheit beider Tatbestände gehöre. Damit schafft man zugleich die Bedingungen für eine Anwendung des § 52 und für die Entstehung monströser Handlungskomplexe. Diese Vorgehensweise ist aber keineswegs selbstverständlich, sondern bedarf angesichts der aufgezeigten Alternativen einer inhaltlichen Begründung. Daher ist auch das Argument nicht tragfähig, die Wertigkeit der betroffenen Gesetzesverletzungen sei ohne Rücksicht auf etwaige weitere Normverstöße aus dem Blickwinkel des verletzten Tatbestandes zu bestimmen. Vielmehr bedeutet dieser Gedanke eine petitio principii, weil die Einbeziehung der weiteren Gesetzesverletzung gerade problematisch ist. Die Auseinandersetzung mit den Grundlagen der Konkurrenzlehre hat ergeben, daß für die Einheitlichkeit der wiederholten Gesetzesverletzung eine rechtsgutsbezogene, normative Komponente und eine vom Tatbestand abgeleitete subjektive Komponente maßgeblich sind. Von diesem Ausgangspunkt ist es auch beim Hinzutreten weiterer Gesetzesverletzungen zwingend, die Einheit der tatbestandserfüllenden Akte unter Unrechts- und Schuldgesichtspunkten zu bewerten. Andere "natürliche" Kriterien wurden ja schon bei der Widerlegung der "natürlichen" Handlungseinheit verworfen. Auf dieser Grundlage wird sofort deutlich, daß ein Vorgang, der mehrere Strafgesetze verletzt, aus dem Blickwinkel nur eines Tatbestands nicht beurteilt werden kann. Wenn wir das Unrecht eines Vorgangs beschreiben wollen, müssen wir das mitverletzte Strafgesetz einbeziehen. Wie sollen wir etwa im Beispiels fall den Mordanschlag strafrechtlich charakterisieren, ohne zu berücksichtigen, daß neben § 129 a I auch § 211 verletzt ist? Aber auch die Einheitlichkeit der Tätersituation können wir nicht angemessen erfassen, wenn wir die idealkonkurrierende Gesetzesverletzung übergehen. Diese kann nämlich die Verhaltensanforderungen an den Täter entscheidend verändern. Wir verbinden beispielsweise die Beteiligungshandlungen des Mitglieds einer terroristischen Vereinigung zu einer Straftat, weil und soweit sie Ausdruck einer ernstgemeinten Mitgliedschaft sind. Deshalb gestehen wir dem Täter eine pauschale Auseinandersetzung mit § 129 a zu und fordern von ihm nicht, daß er bei

174 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten jeder Aktivität sein Handeln überdenkt. Diese überlegung gilt aber sicher nicht, wenn das Mitglied in seiner Rolle einen Mord für die Organisation begehen will. Mit dieser weiteren Normverletzung muß sich der Täter befassen, weil sie gegenüber den "reinen" Beteiligungsakten einen zusätzlichen Schritt von erheblichem strafrechtlichen Gewicht bedeutet. Das Mitglied einer terroristischen Vereinigung, das einen Mord begehen will, ist in einer neuen Motivationslage, in der wir eine neue Entscheidung verlangen. Da der Verstoß gegen § 129 a mit dem Mord handlungsidentisch ist, können beide Gesetzesverletzungen nur ganzheitlich, nicht isoliert betrachtet werden. Der Täter steht in der Tatsituation nur vor der Alternative, sich entweder als Mitglied zu beteiligen und zu morden oder untätig zu bleiben. Wegen des Implikationsverhältnisses beider Gesetzesverletzungen ist diese Entscheidung nicht teilbar12 • Diese überlegungen zeigen, daß wir schon bei der Konstitution der tatbestandlichen Handlungszusammenfassungen idealkonkurrierende Gesetzesverletzungen einbeziehen müssen. Daher ist es möglich, daß einzelne Beteiligungshandlungen des Mitglieds einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung rechtlich selbständig zu bewerten sind, weil sie einen weiteren Straftatbestand erfüllen. Würde das bei jeder zusätzlichen Gesetzesverletzung gelten, ließen sich die von den §§ 129 und 129 a gebildeten Bewertungseinheiten sogar auf "reine" Beteiligungshandlungen beschränken, die ausschließlich die §§ 129 oder 129 a verletzen. Auf dieser Grundlage müßte der Täter im Beispielsfall nach § 129 a in Realkonkurrenz mit jeweils handlungsmehrheitlich begangenen Taten nach §§ 211, 129 a, 52; 249, 129 a, 52; 267, 129 a, 52; 21 StVG, 129 a, 52 bestraft werden. Der praktische Vorteil eines solchen Ansatzes liegt auf der Hand: Er würde das Problem der Klammerwirkung ausräumen und wäre auch geeignet, die Rechtskraftwirkungen einer Verurteilung nach § 129 a einzuschränken, weil bei Realkonkurrenz die Annahme mehrerer Taten im prozessualen Sinne möglich ist. Eine derartige pauschale Auflösung der mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlungen, welche die Schwere der idealkonkurrierenden Gesetzesverletzungen nicht berücksichtigt, ist indes bedenklich. Wie wir gesehen haben, zwingt das Implikationsverhältnis zwischen der mitgliedschaftlichen Beteiligung und dem zusätzlichen Normverstoß den Täter zu einer einheitlichen, nicht teilbaren Entscheidung. Regelmäßig wird sich dabei das Mitglied - in psychologisch verständlicher Weisemit Gesetzesverletzungen nicht gesondert befassen, die neben den §§ 129 oder 129 a nur unwesentlich ins Gewicht fallen. So wäre es im Beispielfall verfehlt, die Einzelvorgänge, die gegen das StVG ver12

Vgl. dazu B II 8; zur Bewertungseinheit der §§ 129, 129 a vgl. Puppe,

S. 213 ff.

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stoßen, als selbständige Handlungen anzusehen. Bei diesen handlungsidentischen Normverletzungen wird das mit erheblich geringerer Strafe bedrohte Verkehrsvergehen gegenüber der mitgliedschaftlichen Beteiligung häufig eine "quantite negligeable" sein, die den Unrechtsgehalt des Täterverhaltens nur ganz unwesentlich prägt. Es wäre in derartigen Fällen daher verfehlt, vom Täter zu erwarten, daß er sich gerade mit Rücksicht auf das hinzutretende Verkehrsvergehen nicht als Mitglied beteiligt. Deswegen ist dieser Handlungsabschnitt in die Bewertungseinheit nach § 129 a einzubeziehen. Ob das idealkonkurrierende Delikt eine neue Entscheidung erfordert, kann allerdings nicht von der Vorstellung des Täters abhängig gemacht werden. Ausschlaggebend muß das strafrechtliche Gewicht der weiteren Tat sein. Wiegt die idealkonkurrierende Gesetzesverletzung schwerer als die mitgliedschaftliche Beteiligung, prägt sie den Unwert des Geschehens, und der Täter muß diesen Normverstoß bei seinem Entschluß berücksichtigen. Aber auch bei gleichem Schweregrad bedeutet das zusätzliche Delikt keine "quantite negligeable", denn es hat ja dann die gleiche strafrechtliche Bedeutung wie die mitgliedschaftliche Beteiligung selbst. Der Täter steht hier gleichfalls in einer anderen Situation als bei Beteiligungsakten, die ausschließlich die §§ 129 und 129 a verletzen. Selbst wenn der idealkonkurrierende Normverstoß ein vergleichsweise geringeres Gewicht hat, ist der Täter zumindest dann zu erneuter Reflexion aufgerufen, wenn das Delikt neben den §§ 129 oder 129 a die Strafe spürbar beeinflußt. Als "quantite negligeable", welche die Bildung einer Handlungszusammenfassung nicht hindert, könnte man daher - in Anlehnung an den im Prozeßrecht gültigen Maßstab 13 - jede Gesetzesverletzung ansehen, die neben dem Unrecht der mitgliedschaftlichen Beteiligung nicht beträchtlich ins Gewicht fällt; alle anderen idealkonkurrierenden Normverstöße würden dann zu einer Ausgliederung des betreffenden Einzelaktes führen. Eine solche Betrachtungsweise gewährleistet ein Höchstmaß an Einzelfallgerechtigkeit, weil sie die Schwere der begangenen Delikte konkret bestimmt. Sie liefert aber keine sicheren Abgrenzungskriterien. So wäre in unserem Beispielfall die Rechtslage hinsichtlich der Urkundenfälschungen und der Sachbeschädigung nicht eindeutig. Der Strafrahmen des § 267 sieht im Vergleich zu § 129 a lediglich eine nied.rigere Untergrenze vor, so daß § 267 regelmäßig keine "quantite negligeable" sein, sondern das Unrecht mitprägen wird. Beim Zusammentreffen mit § 303, dessen Strafrahmen insgesamt milder ist, dürfte wegen des vergleichsweise geringeren Unrechtsgehalts 13 Vgl. §§ 154, 154 aStPO. Dort stehen allerdings prozessuale Erwägungen im Vordergrund, vgl. Löwe / Rosenberg / Meyer / Großner, § 154 Rdn. 1 f.

176 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten

der Sachbeschädigung die umgekehrte Annahme häufiger naheliegen. In welchem Umfang die einzelnen Gesetzesverletzungen die Tat prägen, hängt aber immer von einer Bewertung des konkreten Sachverhalts ab. Die Konkurrenzverhältnisse könnten bei einer derartigen Betrachtungsweise letztlich nur im Vorgriff auf die Strafzumessung beurteilt werden, die im Einzelfall erst Aufschluß über das Gewicht der verschiedenen Gesetzesverletzungen gibt. Es wäre also nicht möglich, die Konkurrenzform, die gerade die Strafenbildung ordnen soll, ohne eine vorweggenommene Strafbemessung zu ermitteln. Dieser Widerspruch zeigt, daß man den Richter in die Lage versetzen muß, die Konkurrenzverhältnisse unbelastet von Strafzumessungserwägungen festzustellen. Darüber hinaus ist eine konkrete Betrachtungsweise auch im Hinblick auf den im Konkurrenzbereich besonders wichtigen Bestimmtheitsgrundsatz 14 äußerst bedenklich. Sie führt nämlich dazu, daß die Bildung von Handlungszusammenfassungen der tatrichterlichen Würdigung unterliegt. Die Konkurrenzart könnte dann aber, obwohl sie zum Schuldspruch gehört 15 , nur beschränkt, d. h. im gleichen Umfang wie die Strafzumessung überprüft werden. Eine materielle Bewertung der einzelnen Gesetzesverstöße ist bei dieser Sachlage nicht möglich. Die Schwere der einzelnen Gesetzesverletzungen kann daher nur mit Hilfe einer abstrakten Betrachtungsweise festgestellt werden, die sich allein an dem gesetzlichen Strafrahmen orientieren kann. Eine solche Formalisierung verwendet auch die Rechtsprechung, indem sie die Entklammerung von der Wertgleichheit der einzelnen Delikte abhängig macht, die sie mit Hilfe eines Strafrahmenvergleichs ermitteJt16. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber selbst in § 12 das Modell einer kompromißlosen Formalisierung geschaffen. Nach § 12 I sind alle rechtswidrigen Taten Verbrechen, für die im Mindestmaß ein Jahr Freiheitsstrafe droht, während alle übrigen rechtswidrigen Taten Vergehen sind. Bei der Ermittlung der gesetzlichen Mindeststrafe bleiben nach § 12 III Schärfungen oder Milderungen außer Betracht, die im Allgemeinen Teil oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind. § 12 wurde eingeführt, um eine klare Unterscheidung von Verbrechen und Vergehen zu ermöglichen. Da die Deliktsarten in verschiedenen materiell- und prozeßrechtlichen Zusammenhängen bedeutsam sind, hat der Gesetzgeber im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz eine zweifels freie Abgrenzung gewährleisten wollen. Mit dieser starren Abgrenzung verbundene Unebenheiten hat man dabei bewußt in Kauf genommen17 • Auch in 14

15 18 17

Vgl. dazu oben B 11 5 b) ce). Vgl. dazu oben A 111 4 b). Vgl. dazu A V 2 c). Vgl. zum ganzen TröndZe, LK, § 12 Rdn. 10 ff.

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unserem Zusammenhang hat der Bestimmtheitsgrundsatz einen besonderen Rang, der zu einer ähnlichen Formalisierung zwingt. - Die gesetzlichen Strafrahmen haben den wesentlichen Vorteil, eindeutige Schwerekriterien zu liefern, die ohne weiteres aus dem anwendbaren Gesetz abzulesen sind. Bei der gebotenen abstrakten Betrachtungsweise sind einmal alle Einzelakte auszugliedern, die gegen ein idealkonkurrierendes Strafgesetz mit einem höheren Strafrahmen verstoßen. Ein solcher Vorgang ist im Vergleich zu anderen Beteiligungshandlungen mit Sicherheit nicht mehr gleichwertig, weil die Obergrenze des § 129 oder des § 129 a bei der Strafzumessung unter Umständen nicht ausreicht. Bei dieser Sachlage zeigt die gesetzliche Wertung, daß das betreffende Geschehen "aus dem (Straf-)Rahmen" der §§ 129 oder 129 a fällt und nicht in die Handlungszusammenfassung einzubeziehen ist. Umgekehrt verbleiben Handlungen, die ein gegenüber den §§ 129 oder 129 a leichteres Strafgesetz verletzen, in der Bewertungseinheit. Zwar kann auch hier die idealkonkurrierende Gesetzesverletzung das Geschehen (mit-)prägen, doch setzt diese Feststellung immer eine Würdigung der Umstände des Einzelfalls voraus, die gerade vermieden werden soll. Zweifelhaft kann sein, ob eine Ausgliederung auch bei gleichem Schweregrad der "äußeren" Gesetzesverletzungen sachgerecht ist. Die h. M. lehnt bei Wertgleichheit der äußeren Taten mit dem verbindenden Delikt eine Entklammerung ab. Diese Konkretisierung ist von unserem Ausgangspunkt nicht zwingend. Sachlich begründbar ist die rechtlich selbständige Erfassung verschiedener Beteiligungshandlungen immer, wenn handlungsidentische Gesetzesverletzungen neben den §§ 129, 129 a das Unrecht der Tat prägen. Das ist bei abstrakter, an den Strafrahmen orientierter Betrachtung sicher dann der Fall, wenn das zusätzliche Delikt eine schwerere Strafe vorsieht als §§ 129, 129 a. Es trifft aber auch zu, wenn sich die Strafdrohungen entsprechen, wie etwa im Verhältnis des § 129 zu einem Diebstahl, Betrug oder einer Urkundenfälschung, die das Mitglied für die Vereinigung begeht. Zwar hält sich die idealkonkurrierende Gesetzesverletzung hier noch in dem von § 129 gesteckten Rahmen, sie ist aber bei abstrakter Betrachtungsweise mit Sicherheit keine "quantite negligeable", sondern prägt, wie die Schweregleichheit zeigt, das Unrecht des Täterverhaltens ebenso wie § 129. Dadurch unterscheidet sich ein derartiger Sachverhalt erkennbar von Fällen, in denen die idealkonkurrierende Gesetzesverletzung leichter ist, weil dort erst eine konkrete Betrachtung Aufschluß über das Gewicht des zusätzlichen Delikts geben kann. Für den Täter bedeutet das, daß er sich auch bei Begehung gleich schwerer Delikte mit der betreffenden Norm auseinandersetzen muß. Allerdings könnte man den Gegenstandpunkt mit der Erwägung zu stützen suchen, bei 12 Werle

178 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten Wertgleichheit reiche die Obergrenze des § 129 I aus, die idealkonkurrierenden Delikte angemessen zu bestrafen. Diese Überlegung ist aber schon nicht zwingend, wenn nur ein zusätzlicher Diebstahl oder Betrug begangen werden. Umfaßt beispielsweise die mitgliedschaftliche Beteiligung eine Vielzahl von Einzelakten, kann die Höchststrafe unter Umständen schon mit Rücksicht auf die "reinen" Beteiligungshandlungen verwirkt sein. Jedenfalls aber wird bei einer Vielzahl tatbestandserfüllender Vorgänge der auf die Einzelhandlung entfallende rechnerische Strafteil häufig gering sein, etwa wenn ein Mitglied durch 100 Einzelakte die Höchststrafe nach § 129 I verwirkt hat. Bei dieser Sachlage ist es ohne weiteres denkbar, daß ein vom Strafrahmen her betrachtet gleichwertiger Diebstahl eine Anhebung der gesamten Strafe über die Ober grenze des § 129 I hinaus erfordert. Noch eher kann sich diese Notwendigkeit ergeben, wenn neben § 129 I mehrere untereinander selbständige Diebstahlstaten oder Betrügereien begangen wurden. Deshalb ist es erforderlich, auch bei gleichem abstrakten Schweregrad der äußeren Delikte die betroffenen Einzelakte rechtlich selbständig zu erfassen. Im Ergebnis trägt diese Konkretisierung dazu bei, die durch die Mitgliedschaft in einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung gebildeten Bewertungseinheiten sachgerecht und im Einklang mit kriminalpolitischen Bedürfnissen zu begrenzen. Die Formalisierung hat bei materieller Betrachtung allerdings Nachteile. Die gesetzlichen Strafrahmen sind zwar in der Regel, aber nicht notwendig immer Spiegel der wirklichen Schwere einer Tat. Dafür gibt es im wesentlichen zwei Grunde: Es können Zufälligkeiten darüber entscheiden, welche Fallgruppen der Gesetzgeber in einem bestimmten Tatbestand erfaßt. Daraus ergibt sich unter Umständen eine weite Spanne der Strafrahmen, die auf der Grundlage des hier entwickelten Ansatzes in den Konkurrenzbereich hineinwirkt. Zu materiell bedenklichen oder sogar unrichtigen Ergebnissen gelangt man aber namentlich, wenn ein ausgegliederter Einzelakt im untersten Bereich des Strafrahmens eines "äußeren" Delikts liegt und umgekehrt nach den §§ 129 und 129 a erheblich strafwürdiger erscheint. Derartige Widersprüche zum materiellen Ausgangspunkt sind aber bei jeder Formalisierung unvermeidlich. Problematisch ist das nur, wenn der Umfang materieller Unrichtigkeit gegenüber dem Gewinn an Gesetzesbestimmtheit als zu hoch erscheint. Eine derartige Tragweite haben die hier skizzierten Bedenken nicht, weil die Strafrahmen einen zwar groben, im Durchschnittsfall aber auch sachlich richtigen Maßstab liefern. Alle Einwände werden jedoch dadurch ausgeräumt, daß dem Täter aus der Zergliederung der tatbestandlichen Bewertungseinheit kein Nachteil erwächst, der im Hinblick auf das Schuldprinzip bedenklich

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wäre. Unsere Lösung vermeidet jede Doppelberücksichtigung einzelner Handlungen bei der Strafzumessung. Die schwereren äußeren Delikte stehen zwar mit den §§ 129 oder 129 a in Idealkonkurrenz, sie erfassen aber nie alle Beteiligungshandlungen des Mitglieds, sondern nur die handlungsidentischen Akte. Umgekehrt schließt die von den §§ 129 oder 129 a gebildete Bewertungseinheit nur die anderen Betätigungen ein, so daß eine Doppelverwertung der gesamten Tat oder einzelner Teile undenkbar ist. Darin liegt der entscheidende Vorteil des hier entwickelten Modells gegenüber allen bisherigen Versuchen, das Problem der Klammerwirkung zu bewältigen. Daß der Täter durch die Zerlegung der Taten nach §§ 129 und 129 a höher bestraft werden kann als bei einer Verklammerung aller, auch der schwereren äußeren Delikte, liegt auf der Hand. Daraus kann man aber keine Einwände herleiten, weil gerade dieser Umstand bisher immer als unverdiente Privilegierung des Täters beklagt wurde. Bedenklich wäre die hier vertretene Lösung unter Schuldgesichtspunkten nur, wenn die Auflösungsmethode die Konsequenz hätte, daß der Täter gerade für die Beteiligung als Mitglied härter bestraft werden müßte. Die idealkonkurrierende Verletzung der §§ 129 oder 129 a wirkt sich bei der Strafzumessung für alle übrigen Delikte zwar strafschärfend aus, doch darf der Richter nur den betroffenen Einzelakt berücksichtigen, nicht das Gesamtverhalten des Täters. Deshalb muß der auf die §§ 129 oder 129 a entfallende Strafteil notwendig geringer sein als bei einer Vielzahl gleich schwerer Beteiligungsakte. Die Dauer der Mitgliedschaft und die Häufigkeit von Beteiligungsakten muß der Richter bei der Strafzumessung ohnehin immer in Rechnung stellen und bei ansonsten gleichen Umständen - für eine kurzfristige Mitgliedschaft mit vereinzelten Betätigungen eine geringere Strafe verhängen als für eine vielfache Tatbestandserfüllung über einen längeren Zeitraum. Schwierigkeiten wären nur zu erwarten, wenn sich die Mindeststrafe für ausgegliederte Akte nach den §§ 129 IV oder 129 a richten könnte. Dann müßten für einen Einzelvorgang sechs Monate oder ein Jahr Freiheitsstrafe ausgesprochen werden, während bei einer einheitlichen Bewertung zusammen mit den übrigen Beteiligungsakten der auf diesen Einzelvorgang entfallende rechnerische Strafteil häufig geringer wäre. Diese Konsequenz kann nach unserem Konzept aber nicht eintreten, weil Einzelakte, die nicht ein mindestens gleich schweres Strafgesetz verletzen, in der Handlungszusammenfassung verbleiben. Wenn wir abschließend unser Ausgangsbeispiel betrachten, hebt sich die Mordtat eindeutig von den übrigen Beteiligungsakten ab. Der Raub ist nach den §§ 249 I, 38 II mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht, also schwerer als ein reiner Beteiligungsakt, und daher

180 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten ebenfalls als selbständige Tat zu bewerten. Alle übrigen Einzelakte sind in die von § 129 a gebildete Handlungseinheit einzubeziehen, so daß der Täter wegen selbständiger Taten nach §§ 211, 129 a, 52; 249, 129 a, 52 sowie §§ 129 a, 267, 303, 21 StVG, 52 zu bestrafen ist. bb) Präzisierungen des Schwerekriteriums Nachdem wir das Kriterium der Gleichwertigkeit in seinen Grundzügen entwickelt und begründet haben, sollen jetzt einige denkbare Grenzfälle erörtert werden. [1] Der Vergleichsmaßstab bei Strafänderungen § 129 IV erhöht für besonders schwere Fälle die Strafdrohung und nennt als zwingendes 18 Beispiel die Tätigkeit als Rädelsführer oder Hintermann einer kriminellen Vereinigung. Idealkonkurrierende Gesetzesverletzungen können benannte oder unbenannte Straf änderungen - des Besonderen oder Allgemeinen Teils - oder sog. Regelbeispiele enthalten, welche die Strafe schärfen oder mildern19 • Trifft § 129 IV mit einer anderen Gesetzesverletzung zusammen oder sieht das von einem Mitglied im Dienste der Vereinigung begangene Delikt eine Strafänderung vor, fragt sich, ob bei der Ermittlung der Wertgleichheit von dem für den Deliktstypus maßgeblichen oder dem geänderten Strafrahmen auszugehen ist. Begeht das Mitglied einer kriminellen Vereinigung etwa unter den Voraussetzungen des § 129 IV einen Diebstahl, ist bei einem Vergleich der §§ 129 I, 242 die Diebstahlstat selbständig zu bewerten, während sie zur Handlungszusammenfassung nach § 129 gehört, wenn der Strafrahmen des § 129 IV mit einer Mindeststrafe von sechs Monaten den Vergleichsmaßstab bildet. Ähnlich ist die Sachlage, wenn ein nach § 129 I strafbares Mitglied einen Landfriedensbruch in einem besonders schweren Fall begeht, weil § 125 dafür eine im Vergleich zu § 129 I höhere Strafe androht, während alle übrigen Fälle des Landfriedensbruches nach § 125 nur mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe belegt werden können und nach ihrem Schweregrad daher hinter der mitgliedschaftlichen Beteiligung zurückbleiben. Bei der Einteilung in Verbrechen und Vergehen sind nach § 12 III Strafänderungen des Allgemeinen Teils und für besonders schwere oder minder schwere Fälle nicht zu berücksichtigen. Damit soll verhindert werden, daß der Deliktscharakter innerhalb eines Tatbestandes 18 So Hirsch, LK, Vor § 46 Rdn. 49; Lackner, § 46 Anm. 2 b. Aufgrund "allgemeiner Bedenken gegen Kasuistik" nehmen allerdings Schönke / Schröder / Stree, Vor § 38 Rdn. 44 b an, der Richter sei trotz des klaren Gesetzeswortlauts nicht gezwungen, den modifizierten Strafrahmen anzuwenden; ebenso Horn, SK, Vor § 46 Rdn. 57. Dagegen überzeugend Hirsch, aaO. 18 Dazu Hirsch, LK, Vor § 46 Rdn. 35 ff.; Schönke / Schröder / Stree, Vor § 38 Rdn. 38 ff.

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unterschiedlich beurteilt werden muß20. Dieser Gedanke hat in unserem Zusammenhang keine Bedeutung. Ausschlaggebend kann nur sein, ob der anzuwendende Strafrahmen im Wege der Subsumtion unter gesetzliche Merkmale oder nur durch tatrichterliche Würdigung im Rahmen der Strafzumessung ermittelt werden kann. Sind die Voraussetzungen der Strafänderung im Gesetz abschließend benannt, besteht kein sachlicher Unterschied zu gewöhnlichen Tatbestandsmerkmalen; in beiden Fällen hat der Gesetzgeber selbst eine abschließende Wertung getroffen, die dem Richter außer der Subsumtion keine weiteren Erwägungen abverlangt. Der anzuwendende Strafrahmen ist daher zugrunde zu legen, soweit er auf einem zwingend benannten Strafänderungsgrund beruht. Deshalb ist im Ausgangsbeispiel der Strafrahmen des § 129 IV maßgeblich, wenn das Mitglied Rädelsführer ist. Sind die Strafänderungen unbenannt - wie z. B. in §§ 212 II oder 267 III - , müssen sie bei der Beurteilung der Wertgleichheit außer Betracht bleiben. Die Feststellung des anwendbaren Strafrahmens unterliegt hier ausschließlichlich tatrichterlicher Würdigung und muß die Tat im ganzen unter Berücksichtigung auch der Täterpersönlichkeit bewerten 21 . Wollte man davon den Umfang einer von den §§ 129 oder 129 a gebildeten Bewertungseinheit abhängig machen, würde die Konkurrenzlehre mit erheblichen Unsicherheiten belastet, die im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz vermieden werden müssen. Im ersten Beispielsfall ist daher § 129 I Vergleichsmaßstab, wenn ein unbenannter sonstiger besonders schwerer Fall nach § 129 IV vorliegt. Soweit besonders oder minder schwere Fälle durch Beispiele exemplifiziert werden, ist zu differenzieren: Sind die Beispiele zwingend - wie in den §§ 129 IV oder 213 handelt es sich um einen benannten Strafänderungsgrund, der berücksichtigt werden muß. Mit den sog. Regelbeispielen soll dagegen nur verdeutlicht werden, von welchem ungefähren Schweregrad das Gesetz bei der Strafrahmenänderung ausgeht. Ist ein Regelbeispiel erfüllt, muß der Richter einen besonders schweren Fall annehmen, sofern nicht außergewöhnliche Umstände die gesetzliche Bewertung erschüttern und die Anwendung des Regelstrafrahmens nahelegen. Umgekehrt spricht das Fehlen eines Regelbeispiels für die Verneinung eines besonders schweren Falles, schließt diesen aber nicht notwendig aus22 . Der geänderte Strafrahmen kann bei dieser Sachlage jedenfalls dann nicht maßgeblich sein, wenn ein unbenannter besonders schwerer Fall vorliegt, weil hier immer die gesamten Umstände des Einzelfalls gewürdigt werden müssen. Zweifelhaft ist das Ergebnis, wenn ein Regelbeispiel erVgl. Tröndle, LK, § 12 Rdn. 21. Vgl. etwa BGHSt. 4, 226; Hirsch, LK, Vor § 46 Rdn. 45 f.; Lackner, § 46 Anm.2a. 22 Vgl. z. B. Schönke / Schröder / Eser, § 243 Rdn. 2. 20

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182 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten

füllt ist, weil hier nur ausnahmsweise Anlaß besteht, die Indizwirkung des Regelbeispiels zu überprüfen; bei typischen Sachverhalten kann der Richter ohne nähere Begründung einen besonders schweren Fall bejahen23 • Die Rechtsfolgen der Regelbeispiele entsprechen dann denen benannter Strafänderungsgründe. Ausschlaggebend ist aber, daß der Richter auch bei der Erfüllung von Regelbeispielen jedenfalls die Möglichkeit besonderer Umstände erwägen muß und zu einer Gesamtbewertung des Sachverhalts gezwungen ist, wenn Anhaltspunkte für Zweifel an der generellen gesetzlichen Wertung vorliegen. Die damit verbundenen Unsicherheiten lassen sich nicht allgemein, sondern nur anhand des Einzelfalls ausschließen. Da der Richter bei der Bildung von Handlungszusammenfassungen von Strafzumessungserwägungen voll~ ständig entlastet werden soll, sind die Regelbeispiele im Ergebnis den unbenannten Strafänderungen gleichzustellen und müssen bei der Ermittlung der Gleichwertigkeit verschiedener Gesetzesverletzungen außer Ansatz bleiben. In unserem zweiten Beispielsfall ist daher vom Strafrahmen des § 125 auszugehen, gleichgültig, ob die Anwendung des § 125 a auf ein Regelbeispiel oder einen unbenannten besonders schweren Fall gestützt wird. Der Landfriedensbruch ist nicht als rechtlich selbständige Tat zu bewerten. [2] Abweichungen der oberen oder unteren Strafrahmengrenzen Eine idealkonkurrierende Gesetzesverletzung kann eine im Verhältnis zu den §§ 129, 129 a gleiche Ober~(oder Unter~)Grenze und eine andere Unter-(oder Ober-)Grenze vorsehen. Dann ist ausschlaggebend, ob die Strafgrenze nach oben oder unten abweicht: Ist sie höher als in den §§ 129, 129 a, ist der handlungsidentische Geschehensabschnitt wie bei Schweregleichheit auszugliedern; ist die Strafgrenze niedriger, bildet die mitgliedschaftliche Beteiligung eine umfassende Bewertungseinheit. So ist etwa eine Zergliederung nicht möglich, wenn das Mitglied einer kriminellen Vereinigung als Rädelsführer einen Diebstahl begeht, weil § 129 IV eine höhere Mindeststrafe als § 242 vorsieht. Diese Ergebnisse lassen sich ohne Schwierigkeiten aus der bisherigen Konkretisierung der Wert gleichheit ableiten. Denkbar ist aber auch, daß ein idealkonkurrierender Tatbestand eine geringere Mindeststrafe, aber eine schwerere Höchststrafe androht, z. B. wenn der Rädelsführer einer kriminellen Vereinigung, der Mitglied ist, die Durchführung eines Raubes zur Stärkung der Organisation verabredet, die Tat aber nicht begeht. Die Verbrechensverabredung bedeutet 23

Vgl. OLG Oldenburg, NdsRpfl. 1974, 87, 88; Hirsch, LK, Vor § 46 Rdn. 50;

Lackner, § 46 Anm. 2 b.

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zugleich eine Beteiligung nach § 129 I und ist wegen der obligatorischen Strafmilderung mit einer Strafe von drei Monaten bis zu elfeinviertel Jahren zu belegen24 • Der Strafrahmen des § 129 IV reicht dann nicht aus, schwere oder schwerste Fälle der Verbrechensverabredung zu erfassen und wirkt andererseits bei leichtesten Fällen wegen der Mindeststrafe von sechs Monaten strafschärfend. Bei einer Ausgliederung des Vorgangs kann daher dem Täter ein Nachteil entstehen: Wenn es sich um einen Fall aus dem untersten Bereich des Strafrahmens des § 30 handelt, kann für diese Gesetzesverletzung die Mindeststrafe von drei Monaten schuld angemessen sein. Zugleich ist es denkbar, daß unter dem Gesichtspunkt des § 129 IV bei einer Gesamtbewertung aller Beteiligungshandlungen auf den betreffenden Einzelakt ein rechnerisch geringerer Strafteil entfällt als sechs Monate; das ist sogar zwingend, wenn der Einzelakt beispielsweise zusammen mit zwanzig weiteren gleichwertigen Beteiligungshandlungen zu bestrafen ist. Umgekehrt erlangt der Täter jedenfalls dann einen unberechtigten Vorteil, wenn die für den Einzelakt konkret verwirkte Strafe fünf Jahre - die Höchststrafe nach § 129 IV - übersteigt, weil dann die Verbrechensverabredung das Unrecht mindestens mitprägt. Da aber die Bildung der Handlungszusammenfassung von der konkret verwirkten Strafe nicht abhängig gemacht werden darf, muß eine generelle Entscheidung getroffen werden. Rechtsstaatlich und im Hinblick auf das Schuldprinzip bedenkenfrei ist dabei nur eine Lösung zugunsten des Täters, welche die Entstehung eines solchen unberechtigten Nachteils auch um den Preis eines unverdienten Vorteils ausschließt. Deshalb ist eine rechtlich selbständige Bewertung derartiger Sachverhalte abzulehnen. Im übrigen kann, da nach § 52 die Strafdrohungen der §§ 129 IV und 249 I, 30 zu kombinieren sind, dem Gewicht der Tat in den meisten Fällen bei der Strafzumessung Rechnung getragen werden. [3] § 30 und versuchtes oder vollendetes Verbrechen

Wird im Anschluß an eine Verbrechensverabredung das Verbrechen begangen oder versucht, geht § 30 in dieser Tat auf. Wenn das Verbrechen gegenüber der mitgliedschaftlichen Beteiligung schwerer oder gleich schwer wiegt, müssen auch diejenigen Akte aus der Bewertungseinheit der §§ 129 oder 129 a ausscheiden, die nach § 30 tatbestandsmäßig sind. Da die Verbrechensverabredung mit der dann begangenen Tat oder versuchten Tat eine Einheit bildet, kann sie nicht selbständig bestraft werden. Daher muß auch die Konstitution der Handlungszusammenfassung an der Schwere der Gesamttat ausgerichtet werden. 24

Vgl. §§ 249 I, 12 I, 30 I, 11, 49 I Nr. 2, 3.

184 C. Die Unrechts einheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten

ce) Tatbestandliche Handlungseinheit und Straftaten, die Zwecke der Vereinigung verwirklichen [1] Die Ausgliederung von Vorbereitungshandlungen

Bisher wurde die Frage übergangen, ob für Taten eines Mitglieds, die unmittelbar Zwecke der Vereinigung verwirklichen, bei der Bildung der Handlungszusammenfassungen Besonderheiten gelten. Diese könnten sich aus dem engen sachlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit der kriminellen oder terroristischen Vereinigung ergeben, die sich ja formiert hat, um solche "Zieldelikte" zu begehen. Vorbereitungshandlungen für Delikte im Dienste der kriminellen oder terroristischen Vereinigung sind im allgemeinen in die Bewertungseinheit nach den §§ 129 oder 129 a einzubeziehen. Ausgegliedert werden nur Verhaltensweisen, die in einer anderen Strafvorschrift mit einer im Verhältnis zu den §§ 129 oder 129 a gleichen oder schwereren Strafe bedroht sind. Von § 30 erfaßte Vorgänge bilden allerdings mit der nachfolgenden tatbestandsmäßigen Ausführungshandlung eine Verbrechenseinheit und werden aus der Handlungszusammenfassung daher auch dann herausgelöst, wenn sie für sich betrachtet niedrigere oder teils niedrigere, teils höhere Strafgrenzen vorsehen als die §§ 129 oder 129 a. Puppe will demgegenüber weiter gehen und bei "Zieldelikten" auch alle Vorbereitungshandlungen zusammen mit der Tatausführung als rechtlich selbständige Verbrechenseinheit bewerten25 • Das bedeutet, daß nach ihrer Auffassung etwa der Kauf einer Pistole für einen von der terroristischen Vereinigung bezweckten Mord zusammen mit den Ausführungshandlungen der Tat aus der Bewertungseinheit nach § 129 a auszugliedern ist, obwohl diese Verbrechensvorbereitung weder von den §§ 211, 22 noch den §§ 211, 30 erfaßt wird. Für uns könnte ein solcher Ansatz zu kriminalpolitisch ganz bedenklichen Folgen führen: Da wir im Gegensatz zu Puppe mit der h. M. die vollständige oder teilweise Handlungsidentität für die entscheidende Bedingung der Idealkonkurrenz halten!8, ist bei einer Ausgliederung aller Vorbereitungshandlungen beispielsweise der Fall problematisch, daß der Kauf derselben Pistole zur Vorbereitung mehrerer Mordtaten dient. Dann überschneiden sich diese Delikte, wenn sie begangen werden, nach Puppes Konzept im Vorbereitungsstadium, und der nach § 129 a strafbare Vorgang des Waffenkaufs ist bei mehreren Mordtaten zu berücksichtigen. Diese Doppelverwertung könnten wir nur durch die Annahme von Idealkonkurrenz zwischen allen betroffenen Mordtaten vermeiden und 25 28

Vgl. Puppe, S. 212 ff. Dazu oben C 11.

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müßten auf diesem Umweg wiederum einen unter Umständen weitreichenden Handlungskomplex bilden. Ihre Auffassung leitet Puppe aus der These ab, daß die §§ 129 und 129 a "ihren Unrechtsgehalt aus den von der kriminellen Vereinigung angestrebten oder vorbereiteten Verwirklichungen anderer Tatbestände beziehen"27. Vorbereitungshandlungen für konkrete Taten seien daher im Verhältnis zu den einschlägigen Tatbeständen auch dann mitbestrafte Vortaten, wenn sie die §§ 129 oder 129 a erfüllten. Im Ausgangspunkt kann sich Puppe auf die überlegungen Rudolphis stützen, der die §§ 129 und 129 a als bloße Vorverlegung des Strafschutzes in das Vorbereitungsstadium der angestrebten Delikte begreift und ihnen einen eigenständigen Schutzzweck abspricht 28 . Im Gegensatz dazu ist nach h. M. Rechtsgut der §§ 129 und 129 a die öffentliche Sicherheit und Ordnung 29 . Auf dieser Grundlage könnten nach den §§ 129 oder 129 a strafbare Vorbereitungshandlungen einzelner Delikte im Verhältnis zu diesen nicht als mitbestrafte Vortat angesehen werden. Vor der Erörterung dieser Rechtsgutsproblematik wollen wir aber zunächst die Schlüssigkeit der Ableitung Puppes prüfen und mit ihr davon ausgehen, daß die §§ 129 und 129 a ausschließlich "Strafverschärfungs- oder Strafausdehnungsgründe"30 anderer Tatbestände des Besonderen Teils sind. Dann schützen sie die Rechtsgüter des Staates und seiner Bürger vor den konkreten Straftaten, die von den Mitgliedern krimineller oder terroristischer Vereinigungen in besonderem Maße zu erwarten sind31 . Wegen der spezifischen Gefährlichkeit solcher Zusammenschlüsse wird dabei der Strafrechtsschutz in ein sehr frühes Vorbereitungsstadium der von der Organisation bezweckten Taten vorverlegt. Tätigkeiten für eine kriminelle oder terroristische Vereinigung sind danach also verboten, weil von ihnen unbestimmte Gefahren für noch unbestimmte Rechtsgüter ausgehen32 . Das heißt aber, daß jede von den §§ 129 oder 129 a erfaßte Handlung eine abstrakte Gefährdung von Rechtsgütern bedeutet, deren Verletzung die Vereinigung bezweckt. Diese abstrakte Viel-Gefährlichkeit von Beteiligungs- oder Förderungshandlungen ist nun nicht auf Handlungen ohne konkreten Bezug zu einer bestimmten Straftat beschränkt. Auch Vorbereitungs27

Puppe, S. 213.

Vgl. Bruns-Festschr., S. 317; ZRP 1979, 216; SK, § 129 Rdn. 2. Zust. Ostendorf, JZ 1979,252 f.; JA 1980, 500. 29 Vgl. etwa BGH, NJW 1975, 985 und 1966, 310, 312; v. Bubnoff, LK, § 129 Rdn. 1; Dreher / Tröndle, § 129 Rdn. 1; Lackner, § 129 Anm. 1; Lüttger, GA 1960, 54; Schönke / Schröder / Lenckner, § 129 Rdn. 1. 28

80

31 82

Puppe, S. 215.

Vgl. Rudolphi, Bruns-Festschr., S. 319; ZRP 1979,216. Vgl. Puppe, S. 215.

186 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten handlungen für einzelne Delikte sind abstrakt betrachtet immer geeignet, andere Rechtsgüter zu gefährden: Tatmittel - wie z. B. Waffen - können zur Begehung weiterer Taten dienen, eine als Unterschlupf nach einer bestimmten Aktion angernietete Wohnung kann ebenso langfristig benutzt werden wie angernietete Wagen. Darüber hinaus stärkt jede Vorbereitung für eine bezweckte Straftat unabhängig von den Umständen des Einzelfalles das Potential der Vereinigung insgesamt und steigert dadurch die von ihr ausgehende generelle Gefährlichkeit für andere Rechtsgüter. Ein Tatbestand, der im Dienste der Vereinigung verwirklicht wird, erfaßt wegen dieser abstrakten Viel-Gefährlichkeit einer Vorbereitungshandlung deren Unrechtsgehalt nicht vollständig, so daß die Annahme einer straflosen Vortat verfehlt ist. Soweit Vorbereitungshandlungen nicht nach § 30 oder anderen Vorschriften selbständig unter Strafe gestellt sind, dürfen sie daher in die von dem "Zieldelikt" gebildete Verbrechenseinheit nicht einbezogen werden und verbleiben in der von den §§ 129 oder 129 a konstituierten Handlungszusammenfassung. Der Streit um das Rechtsgut der §§ 129 und 129 a ist also letztlich für die Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse ohne Bedeutung. Denkt man beide kontroversen Positionen konsequent zu Ende, wird deutlich, daß der Streit auch ansonsten keine praktischen Auswirkungen haben dürfte: Vom Standpunkt der h. M. kann man nicht leugnen, daß zur Aufrechterhaltung der "öffentlichen Sicherheit und Ordnung" der Schutz von Rechtsgütern der Allgemeinheit oder einzelner Bürger vor Straftaten gehört33 • Das heißt aber, daß die §§ 129 und 129 a, selbst wenn ihr Schutzzweck weiterreichen sollte, jedenfalls auch den Strafschutz vorverlegen, um die von einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung angestrebten Delikte schon in einem frühen Stadium zu erfassen. Umgekehrt gehen, was Rudolphi und Puppe nicht bestreiten, von einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung stets Gefahren für eine Vielzahl von Rechtsgütern aus, weshalb die §§ 129 und 129 a gegenüber den einzelnen "Zieldelikten" ihre eigene Schutzrichtung als abstrakte Gefährdungsdelikte behalten. Aus der Sicht beider Auffassungen verlegen die §§ 129 und 129 a also den Strafschutz in das Vorbereitungsstadium, verbieten daneben aber auch stets die Steigerung unbestimmter Gefahren für noch unbestimmte Rechtsgüter und schützen in diesem Sinne die Allgemeinheit34 • Um diese Charakteristika der 33 So zutr. Rudolphi, Bruns-Festschr., S. 318 f. Ähnlich auch v. Bubnoff, LK, § 129 Rdn. 1 und Lackner, § 129 Anm. 1 vom Standpunkt der h. M. 34 Deswegen ist es verfehlt, wenn vom Standpunkt der h. M. für die §§ 129, 129 a zumindest eine Teilorganisation im Bundesgebiet verlangt wird. Da die öffentliche Sicherheit und Ordnung die Vorverlegung des Strafschutzes einschließt, ist nicht einzusehen, warum nicht grundsätzlich auch die Bildung einer kriminellen Vereinigung im Ausland nach Maßgabe der

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§§ 129 und 129 a hervorzuheben, ist es durchaus sinnvoll, mit der h. M. die öffentliche Sicherheit und Ordnung als Rechtsgut zu bezeichnen, wenn man sich klar darüber ist, daß dieser Begriff die Vorverlegung des Strafschutzes einschließt.

[2] Die Bedeutungslosigkeit des Schwerekriteriums Nach unserem Schwerekriterium sind für terroristische Vereinigungen begangene Straftaten, die den Zweck des Zusammenschlusses bilden, wegen der höheren Strafdrohungen im Verhältnis zu anderen Akten mitgliedschaftlicher Beteiligung stets selbständig. Demgegenüber können die von einer kriminellen Vereinigung angestrebten Straftaten, etwa Sachbeschädigungen, milder zu bestrafen sein als reine Beteiligungsakte. Ist das Mitglied als Rädelsführer oder Hintermann nach § 129 IV mit einer Mindeststrafe von sechs Monaten bedroht, sehen sogar zahlreiche Tatbestände des Besonderen Teils geringere Strafen vor, wie etwa die §§ 242, 263 oder 267. Betrachtet man ausschließlich die Schwere der Strafdrohungen, sind derartige Gesetzesverletzungen nach unseren bisherigen überlegungen in die Bewertungseinheit des § 129 einzubeziehen. In diesem Zusammenhang sind aber die inhaltlichen Grundlagen des entwickelten Schwerekriteriums zu beachten: Einmal hat der Bestimmtheitsgrundsatz den Ausschlag dafür gegeben, Vorgänge, die ein leichteres idealkonkurrierendes Strafgesetz verletzen, im Verhältnis zu sonstigen Beteiligungs- oder Förderungshandlungen nicht selbständig zu bewerten. Andernfalls müßte der Richter für die Bildung der Handlungszusammenfassung im Vorgriff auf die Strafzumessung das konkrete Gewicht eines solchen Delikts ermitteln. Diese Argumentation ist in bezug auf "Zieldelikte" ausgeschlossen. Das ergibt sich zwingend daraus, daß die mögliche Verletzung der in den betreffenden Tatbeständen geschützten Rechtsgüter Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit der Bildung krimineller Vereinigungen ist. Wenn die Strafdrohungen des § 129 I, IV die abstrakte Viel-Gefährlichkeit der Tathandlungen berücksichtigen, kann die eingetretene Verletzung auch eines einzelnen Rechtsguts, mit der sich diese Gefährlichkeit realisiert, keine "quantite negligeable" sein und muß notwendig das Unrecht eines solchen Vorgangs jedenfalls mitprägen. Diese Auffassung wird auch durch § 129 VI gestützt, der die besondere Bedeutung der bezweckten Delikte betont, indem er das Bemühen, eine solche Straftat zu verhindern, als einen Fall tätiger Reue bewertet. Zum anderen basierte das Schwerekriterium auf der überlegung, daß sich der Täter bei der Begehung minder schwerer, mit § 129 idealkonkurrierender Delikte in psychologisch verständlicher Weise mit der weiteren Normverletzung häufig nicht gesondert auseinandersetzen wird. Auch dieser zweite Gesichtspunkt ist auf "Ziel delikte" nicht

188 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten übertragbar, weil diese den Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit des Zusammenschlusses und die Beteiligung daran bilden. Wenn der Täter mit den Zwecken der kriminellen Vereinigung ernst macht, ist das immer ein zusätzlicher Schritt von wesentlichem Gewicht. Deshalb ist vom Täter zu verlangen, daß er bei Begehung der angestrebten Taten sein Handeln überdenkt. Im Ergebnis sind also Delikte, welche die strafbaren Zwecke der kriminellen oder terroristischen Vereinigung verwirklichen, im Verhältnis zu anderen Beteiligungsakten immer rechtlich selbständig zu bewerten. b) Die Unterstützung

Bei der mitgliedschaftlichen Beteiligung sind die einzelnen tatbestandserfüllenden Akte Ausfluß der Mitgliedschaft in der Vereinigung, die typischerweise in mehreren Betätigungen zum Ausdruck kommt. Von der vierten Tatalternative sind demgegenüber Nichtmitglieder betroffen35 • Im Hinblick auf diesen Unterschied werden die Unterstützungshandlungen überwiegend als selbständige Gesetzesverletzungen angesehen, die nur als Fortsetzungstat eine Bewertungseinheit bilden können36 • Dabei wird übersehen, daß der Förderer der kriminellen oder terroristischen Vereinigung, auch wenn er Außenstehender ist, der Organisation angegliedert sein kann, etwa wenn er Aufträge entgegennimmt, ohne sich, wie die Mitglieder, am Planungs- und Entscheidungsprozeß zu beteiligen. Ein Nichtmitglied kann für die Tätigkeit der Vereinigung sogar größere Verantwortung tragen als einzelne Mitglieder. Das zeigt die erhöhte Strafbarkeit der Hintermänner i. S. der §§ 129 IV und 129 a II, die, ohne Mitglieder zu sein, die Fäden der Organisation in der Hand halten und maßgebenden Einfluß auf die Führung der Vereinigung ausüben37 • Diese überlegungen zeigen, daß auch die einzelnen Unterstützungshandlungen wie die mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte einer längerfristigen Verbindung zur Organisation entspringen können. Wenn der Förderer also, ohne Mitglied zu sein, der Vereinigung angegliedert ist, verbindet die vierte Tatalternative der §§ 129, 129 a ebenso wie die zweite alle tatbestandsmäßigen Aktivitäten zu einer Unrechtseinheit. Für das Zusammentreffen mit Delikten §§ 4 - 7 strafbar sein soll. Vgl. dazu Rudolphi, SK, § 129 Rdn. 17; ZRP 1979, 216 und Bruns-Festschr., S. 318 f. mit Nachw. zum Streitstand. 35 Vgl. dazu oben CI 1 b). 38 Vgl. etwa Dreher / Tröndle, § 129 Rdn. 4 i. V. m. § 84 Rdn. 6; Fleischer, NJW 1979, 250, 1339; Haberstumpf, MDR 1979, 979. 37 Vgl. dazu v. Bubnoff, LK, § 129 Rdn. 23; Lackner, § 129 Anm. 3; Schänke / Schröder / StTee, § 84 Rdn. 10; Rudolphi, SK, § 129 Rdn. 23. Ob ein Nichtmitglied Rädelsführer sein kann, ist umstritten, vgl. dazu Schönke / Schröder / StTee, § 84 Rdn. 10. ~,

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für die kriminelle oder terroristische Vereinigung kann insoweit auf die oben maßgeblichen Überlegungen und das dort entwickelte Schwerekriterium verwiesen werden. Ist das Nichtmitglied der Organisation nicht angegliedert und wird beispielsweise jeweils für einzelne Unterstützungshandlungen angeworben, sind diese Tatbestandserfüllungen grundsätzlich selbständig, so daß keine spezifischen Konkurrenzprobleme entstehen. Ist eine fortgesetzte Tat anzunehmen, gelten für die Konkurrenzen die Ausführungen unter C III. c) Zusammenfassung

Beteiligungs- und Unterstützungshandlungen nach den §§ 129 oder 129 a sind alle Betätigungen als Mitglied oder Förderer der kriminellen oder terroristischen Vereinigung. Idealkonkurrenz besteht daher mit sämtlichen Delikten, welche eine Stärkung der Organisation oder die Verwirklichung ihrer Ziele bezwecken. Die mitgliedschaftliche Beteiligung bildet dabei grundsätzlich aus allen tatbestandsmäßigen Akten eine rechtliche Bewertungseinheit, die Unterstützung der kriminellen oder terroristischen Vereinigung, jedoch nur dann, wenn die Einzelhandlungen einer dauerhaften Verbindung zur Organisation entspringen. Dieses Prinzip gilt nicht, wenn eine von der Vereinigung bezweckte Straftat begangen wird oder einzelne Vorgänge zugleich einen Tatbestand erfüllen, der gleiche oder schwerere Strafe vorsieht als die anwendbare Tatalternative der §§ 129 oder 129 a. Derartige Handlungen unterscheiden sich von sonstigen Beteiligungs- oder Unterstützungsakten dadurch, daß ihr Unrechtsgehalt durch die weitere Gesetzesverletzung entscheidend geprägt wird. Wegen dieser fehlenden Gleichartigkeit sind solche Geschehensabläufe nicht in die von den §§ 129 oder 129 a gebildete Handlungszusammenfassung einzubeziehen, sondern rechtlich selbständig zu erfassen. Daraus kann sich eine Zergliederung der nach den §§ 129 oder 129 a tatbestandsmäßigen Handlungen in verschiedene tatmehrheitlich begangene Unrechtseinheiten ergeben, ohne daß man auf fragwürdige Auslegungsversuche angewiesen ist. Die praktischen Auswirkungen des hier entwickelten Ansatzes seien abschließend noch anhand des vom OLG Karlsruhe entschiedenen Sachverhalts demonstriert 38 • Der vom Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangene Verstoß gegen das Waffengesetz, aber auch die Urkundenfälschung und die - dem Ziel der Vereinigung entsprechende - Beihilfe zur Sprengstoffexplosion und zum vollendeten und versuchten Mord treffen mit § 129 I tateinheitlich zusammen. § 129 I bildet mit 38

Dazu oben A V 2 f) bb).

190 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten dem unerlaubten Waffenbesitz einen nach § 52 zu bestrafenden Geschehenskomplex. Die mit schwererer Strafe bedrohte Beihilfe zur Sprengstoffexplosion und zum vollendeten sowie versuchten Mord, aber auch die im Verhältnis zu § 129 I gleich schwere Urkundenfälschung sind rechtlich selbständig zu bewerten. Im Ergebnis ist der Täter daher wegen untereinander selbständiger Delikte des unerlaubtenWaffenbesitzes in Tateinheit mit § 129 I sowie der Urkundenfälschung in Tateinheit mit § 129 I sowie der Beihilfe zum vollendeten und versuchten Mord in Tateinheit mit Beihilfe zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und in Tateinheit mit § 129 I zu bestrafen. - Nach heute geltendem Recht würde an die Stelle des § 129 I der § 129 a I treten. Da diese Vorschrift eine im Vergleich zu § 267 schwerere Strafe vorsieht, wäre die Urkundenfälschung mit der Tat nach dem Waffengesetz und der mitgliedschaftlichen Beteiligung als tateinheitlicher Geschehenskomplex zu werten, die Selbständigkeit der Beihilfe zur Herbeiführung der Sprengstoffexplosion und zum Mord bliebe erhalten. Bei keiner Lösung ist eine Doppelverwertung einzelner Handlungen möglich, weil sich die mehrfache Berücksichtigung der §§ 129 oder 129 a auf jeweils verschiedene Vorgänge bezieht. Bei dieser Sachlage besteht auch die Möglichkeit, mehrere Taten im Sinne des Prozeßrechts anzunehmen und dadurch die Tragweite der Rechtskraftwirkungen sachgerecht einzuschränken38 • 11. Fahren unter Alkoholeinwirkung, Trunkenheitsfahrten und alkoholbedingte Gefährdung des Straßenverkehrs Der Gesetzgeber bekämpft die Gefahren, die im Straßenverkehr vom Führen eines Fahrzeugs unter Alkoholeinfluß ausgehen, durch die §§ 315 c I Nr. 1 a, 316 und § 24 a StVG. Nach § 316 wird bestraft, wer trotz alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit mit einem Fahrzeug am Straßenverkehr teilnimmt. Bei einem Alkoholwert von mindestens 1,3 Promille hält die Rechtsprechung ohne Rücksicht auf individuelle Toleranzgrenzen jedermann für fahruntüchtig (sog. absolute Fahruntüchtigkeit). Darüber hinaus erfaßt § 316 alle Fälle, in denen - ohne Bindung an bestimmte Grenzwerte - im Einzelfall die alkoholbedingte (sog. relative) Fahruntüchtigkeit festgestellt wird1 . Werden infolge der absoluten oder relativen Fahruntüchtigkeit andere Personen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, greift § 315 c I Nr. 1 a ein, der § 316 verdrängt. Beim Zusammentreffen des § 24 a StVG mit av Vgl. dazu unten C VI und Werle, NJW 1980,2677. Vgl. zum ganzen Rüth, LK, § 316 Rdn. 10 ff.; Schänke / Schräder / eramer, § 315 a, Rdn. 8 ff. mit Nachw. 1

11. Trunkenheitsfahrten

191

den §§ 315 C, 316 ist nach § 21 I Satz 1 OWiG grundsätzlich nur das verletzte Strafgesetz anwendbar 2 • § 24 a StVG ist daher Auffangtatbestand und erfaßt das Führen von Kraftfahrzeugen mit einem Blutalkoholwert von 0,8 bis 1,29 Promille als Ordnungswidrigkeit. Die Vorschrift setzt voraus, daß der Täter trotz des Alkoholgenusses noch fahrtüchtig ist oder daß jedenfalls die Fahruntüchtigkeit nicht nachgewiesen werden kann. Der erst 1973 eingeführte § 24 a StVG3 beruht auf der überlegung, daß ohne Rücksicht auf die Fahrtüchtigkeit im Einzelfall Kraftfahrzeugführer mit einem Blutalkoholwert von 0,8 Promille oder mehr Leistungsminderungen aufweisen, die .. für den Verkehr so gefährlich sind, daß sie im Interesse der übrigen Verkehrsteilnehmer nicht mehr hingenommen werden können"'. Die §§ 24 a StVG und 316 sind abstrakte Gefährdungsdelikte und erfordern im Gegensatz zu § 315 C keine irgend wie geartete Gefährdung eines bestimmten Objekts im Einzelfall. Der Gesetzgeber hat hier bestimmte Verhaltensweisen wegen ihrer generellen Gefährlichkeit für die Verkehrssicherheit, Leib oder Leben anderer sowie fremdes Eigentum verboten5 , wobei wegen des unterschiedlichen Gefährdungsgrades § 316 als Vergehen und § 24 a als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet ist. Bei der Anwendung der §§ 24 a StVG und 316 hat der Richter also nur festzustellen, ob die im Gesetz beschriebenen Bedingungen einer generellen Gefährlichkeit vorlagen'. Demgegenüber muß er bei dem konkreten Gefährdungsdelikt nach § 315 C mit Hilfe einer nachträglichen Prognose entscheiden, ob die Fahruntüchtigkeit über ihre generelle Gefährlichkeit hinaus die Möglichkeit eines Schadens so gesteigert hat, daß sein Eintritt wahrscheinlich war. Erforderlich ist danach, daß die Verletzung bestimmter Menschen oder Sachen im Gefahrbereich in bedrohliche Nähe gerückt war7 • 1. Einfache Tatbestandsverwirklichung und Realkonkurrenz a) § 316

Tathandlung des § 316 ist das .. Führen" eines Fahrzeugs in fahruntüchtigem Zustand. Tatbestandsmäßig ist also jede einzelne Handlung, mit welcher der Täter am Straßenverkehr teilnimmtl. Es besteht 2 In gewissem Umfang behält § 24 a StVG aber eigenständige Bedeutung, vgl. § 24 I 1 und 11 OWiG. 3 Ges. v. 20. 7. 1973 (BGBI. I, S. 870). 4 BT-Drucks. 7/133 I, S. 5. 5 Allg. zu den Gefährdungsdelikten vgl. z. B. Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte; SK, Vor § 306 Rdn. 1 ff.; Schänke / Schräder / eramer, Vor § 306 Rdn. 1 ff., mit ausf. Nachw. I Vgl. z. B. Horn, Gefährdungsdelikte, S. 27 f. 7 Vgl. Lackner, § 315 c Anm. 5 a, aa mit Nachw. 1 Zur Abgrenzung im einzelnen vgl. Lackner, § 315 c Anm. 2, 3.

192 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten

aber Einigkeit, daß § 316 Dauerstraftat ist und aus den tatbestandserfüllenden Handlungen im natürlichen Sinne eine Bewertungseinheit bildet, weil es unangemessen und sinnlos wäre, alle Einzelakte gesondert zu erfassen. Jede Trunkenheitsfahrt ist daher in ihrem gesamten Ablauf eine Handlung im Rechtssinne 2 • Was als eine Fahrt anzusehen ist, bestimmt sich dabei zunächst nach dem Fahrtziel des Täters. Hat er dieses erreicht und hält endgültig an, ist die Tat beendet, und eine etwaige spätere Weiterfahrt als rechtlich selbständige Gesetzesverletzung zu bewerten3 • Umgekehrt bedeutet die Durchführung einer von vornherein beabsichtigten Fahrt, ungeachtet ihrer Dauer, grundsätzlich nur einen einzigen Verstoß gegen § 316. Erreicht der fahruntüchtige Täter ohne besondere Vorkommnisse oder Fahrtunterbrechungen sein Ziel, ist die Annahme einer Handlungseinheit in Rechtsprechung und Literatur völlig unbestritten. Die Gesamtdauer der Fahrt spielt dann keine Rolle, ebensowenig eine nachlassende oder sich verstärkende Wirkung des Alkohols. Diese Ausgangspunkte leuchten ohne weiteres ein. Ist der Täter am Ziel und beendet die Fahrt, muß er bei einer späteren Weiterfahrt eine neue Entscheidung treffen und seine Fahrtüchtigkeit, wie bei jedem Fahrtantritt, neu prüfen. Auf dem Wege zu einem feststehenden Ziel hat der Täter demgegenüber unter normalen Umständen keinen Anlaß, seine Situation zu überdenken und die Fahrt gegebenenfalls abzubrechen, weil seine Motivationslage unverändert bleibt4 • Es gibt dann keinen sachlichen Grund, die Fahrt in mehrere Abschnitte zu zergliedern und realkonkurrierende Taten nach § 316 anzunehmen, so daß die Fahrt von Anfang bis Ende als Einheit zu bewerten ist. Problematisch wird die Bildung einer Handlungszusammenfassung, wenn die zeitliche Kontinuität der Tatbestandsverwirklichung gestört ist, d. h. wenn der Täter seine Fahrt unterbricht. Die Rechtsprechung läßt dabei verkehrsbedingtes Anhalten - etwa an einer Ampel oder UnfallsteIle - zu Recht außer Betrachts. Die Situation des Täters ist dann keine andere, als wenn er ohne Halt weiterfahren kann; die Qualität des Unrechts verändert sich durch derartige zufällige Umstände nicht. Bei nicht verkehrsbedingten Fahrtunterbrechungen ist die rechtliche Bewertung der Weiterfahrt unter Umständen zweifelhaft. Die Recht2 Vgl. etwa BGH, VRS 49, 177 und 185; Jagusch, § 316 Rdn. 37; Rüth, LK,. § 316 Rdn. 128 f.; Schönke / Schröder / Cramer, § 316 Rdn. 9; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 18, alle mit weit. Nachw. 3 Vgl. Jagusch, Rüth, Schönke / Schröder / Cramer, Vogler, alle aaO. 4 Deutlich z. B. OLG Celle, VRS 33, 113. 6 Vgl. z. B. BayObLG, NJW 1960, 879; OLG Celle, VRS 33, 113. Zust. Samson, SK, Vor § 52 Rdn. 27; Schönke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 84; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 18.

H. Trunkenheitsfahrten

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sprechung hat vereinzelt angenommen, die Dauerstraftat nach § 316 ende "mit jedem Anhalten des Fahrzeugs, wobei lediglich kurze Unterbrechungen der Bewegung aus Verkehrsgründen außer Betracht bleiben" müßten'. In dieser Allgemeinheit ist der Satz jedoch nicht haltbar. Er mag bei Fahrtunterbrechungen aus besonderem Anlaß - etwa nach einem UnfalF - zutreffen, gilt aber nicht, wenn der Täter unterwegs Freunde besuchtS oder anhält, um jemanden abzuholen9 • Hier bildet die von vornherein beabsichtigte Fahrt eine Handlung im Rechtssinne 10 , auch wenn die Unterbrechung bis zu einer Stunde dauert l1 • Der Hinweis, daß der Täter während des Halts sein Handeln überdenken kann und die Fahrt nicht fortzusetzen braucht, ist in diesem Zusammenhang verfeh}t12. Reflexionsmöglichkeiten hat auch der Täter, der ohne Unterbrechungen weiterfährt. Er kann während der Fahrt jederzeit die Sachlage neu prüfen und anhalten. Ausschlaggebend kann daher nur sein, ob der Täter einen spezifischen Anlaß hat, eine erneute Entscheidung zu treffen. Dieser besteht immer, wenn das Fahrtziel erreicht ist. Bei einer vorübergehenden Fahrtunterbrechung ist der Täter aber grundsätzlich nicht mehr als während der Fahrt selbst aufgefordert, das tatbestandserfüllende Verhalten abzubrechen. Ein bis dahin reibungsloser Verlauf kann ihn sogar ermutigen, die Fahrt wie geplant fortzusetzen. Zweifelhaft ist die Annahme einer einzigen Straftat allerdings, wenn der Täter unterwegs in eine Gaststätte einkehrt, weiteren Alkohol trinkt und dadurch seine Fahruntüchtigkeit steigert13 • Hier könnte man daran denken, vom Täter eine erneute Entscheidung zu verlangen und die Weiterfahrt rechtlich selbständig zu bewerten. Die erhöhte Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer wäre dann der Grund für die Annahme einer Zäsur. Dagegen spricht aber, daß § 316 einen Rahmen schafft, der nicht nur leichte, sondern auch schwere Fälle der Fahruntüchtigkeit bis hin zum Bereich der Schuldunfähigkeit abdeckt. Variationen innerhalb dieses Rahmens bedeuten kein "neues" , sondern nur gesteigertes Une OLG CelZe, VRS 33, 113; siehe auch BayObLG, NJW 1960, 879. Beide Entscheidungen berufen sich auf BGHSt. 6, 229, 231, wo aber nicht über die Bedeutung vorübergehenden Anhaltens zu entscheiden war. 7 So der vom OLG CelZe, VRS 33, 113 entschiedene Sachverhalt. Siehe auch unten 2 b. 8 Vgl. OLG CelZe, VRS 30, 196, 197, wo es allerdings um den prQzessualen Tatbegriff geht. ß Vgl. BGH, VRS 47, 178. 10 Vgl. Jagusch, § 316 Rdn. 37; Schänke / Schräder / Cmmer, § 315 c Rdn. 47; Schänke / Schräder / StTee, Vor § 52 Rdn. 84; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 18. 11 So in dem vom OLG Karlsruhe, VRS 35, 267 entschiedenen Sachverhalt. 12 Vgl. aber OLG CelZe, VRS 33, 113. 13 So der vom OLG Karlsruhe, VRS 35, 267 entschiedene Sachverhalt. 13 Werle

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C. Die Unrechts einheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten

recht. Daher stellt die Erhöhung der Fahruntüchtigkeit allein, d. h. ohne sonstige warnende Begleitumstände, den Täter vor keine "neue" Situation. Solange der Täter die Grenzen des § 316 nicht überschreitet, ist es daher sachgerecht, sein Verhalten als eine Tat zu bewerten14 • Eine andere Lösung wäre auch kaum praktikabel: Es dürfte im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bereiten, eine Steigerung des Grades der Fahruntüchtigkeit festzustellen. Wir wollen uns mit der Diskussion dieser Grundprinzipien begnügen, die gezeigt hat, daß eine vom Täter von vornherein beabsichtigte Fahrt normalerweise eine Unrechts- und Schuldeinheit bildet. Die zweifelhaften Grenzfälle, die im Zusammenhang mit Fahrtunterbrechungen denkbar sind, können und brauchen hier nicht im einzelnen erörtert zu werden. Es ist Aufgabe der richterlichen Praxis, durch die Konkretisierung der angegebenen, aus dem Tatbestand des § 316 entwickelten Leitprinzipien Fallgruppen herauszubilden und auf diese Weise eine einheitliche Rechtsanwendung zu erreichen. b) § 24 a StVG und § 315 c I Nr. 1 a

Das in § 24 a StVG beschriebene Verhalten gleicht dem in § 316 vorausgesetzten. Auch hier ist die gesamte Fahrt, wenn sie ohne besondere Vorkommnisse verläuft, vom Anfahren bis zum Erreichen des Fahrtziels als Einheit anzusehen. Der Tatbestand des § 315 cl Nr. 1 a ist nur erfüllt, wenn durch das Fahren in fahruntüchtigem Zustand eine konkrete Gefahr herbeigeführt wird. Wegen dieser Beschränkung der Tathandlung auf die Gefahrverursachung bildet § 315 c I Nr. 1 a kein Handlungskontinuum, auch wenn - wie in den §§ 24 a StVG, 316 - vom "Führen" eines Fahrzeugs die Rede ist. Das Fahrzeugführen ist als solches nicht tatbestandsmäßig. Trotzdem wird § 315 c mit Rücksicht auf die Kontinuität der zugrunde liegenden Trunkenheitsfahrt häufig als Dauerdelikt bezeichnet, das mehrere Gefahrhandlungen auf derselben Fahrt zu einer Bewertungseinheit verbinden soll15. Die tatbestandliche Handlungsbeschreibung des § 315 c spricht gegen die Qualifikation als Dauerdelikt. Man kann aber die Annahme einer Bewertungseinheit, welche die gesamte Trunkenheitsfahrt auf die Subsidiaritätsklausel in § 316 I stützen, wonach diese Vorschrift nur anwendbar ist, wenn nicht die §§ 315 a oder 315 c eingreifen. Das bedeutet, daß § 315 c I Nr. 1 a die einfache Trunkenheitsfahrt miterfaßt. Auch wenn die Tathandlung des 14 Im Ergebnis wie hier OLG Karlsruhe, VRS 35, 267; anders wohl OLG Celle, VRS 30, 196, 197. 15 Vgl. BGHSt. 22, 67, 71 im Anschluß an BGH, VRS 9, 350, 352. Ebenso BGH, VRS 21, 341, 343; Horn, SK, § 315 c Rdn. 31; Schönke / Schröder / Cramer, § 315 c Rdn. 43 mit weit. Nachw.; Rüth, LK, § 315 c Rdn. 60.

11. Trunkenheitsfahrten

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§ 315 c nicht als Dauerdelikt konzipiert ist, können daher mehrere Gefährdungen auf derselben Fahrt als Unrechtseinheit anzusehen sein, falls sich § 316 I auf die gesamte Fahrt vor und nach einer konkreten Gefährdung bezieht. Dann bildet nämlich schon die erste Gefährdung mit den übrigen Fahrtätigkeiten eine Handlung im Rechtssinne, und da bei jeder weiteren Gefährdung wegen der Subsidiaritätsklausel wiederum vorangegangene und nachfolgende Fahrtteile zu berücksichtigen sind, kann § 316 als durchlaufendes Band die einzelnen Gefahrhandlungen zu einer Tat verbinden. Von diesem Ausgangspunkt bliebe, um die Selbständigkeit der konkreten Gefährdungshandlungen zu erhalten, nur eine Entklammerung l8 , deren Zulässigkeit wir für zweifelhaft erachtet haben17 • Die Frage ist aber, ob, wie wir stillschweigend unterstellt haben, die Kontinuität der einfachen Trunkenheitsfahrt tatsächlich gewahrt bleibt, wenn der Täter eine konkrete Straßenverkehrsgefährdung begeht. Denkbar wäre es immerhin, die Gefährdung als "Zäsur" innerhalb der einfachen Trunkenheitsfahrt zu betrachten. Dieser Frage wollen wir uns unter 2 b im einzelnen zuwenden, da sie in engem sachlichen Zusammenhang mit der Bedeutung eines Unfalls für die Einheit der Trunkenheitsfahrt steht. 2. Das Zusammentreffen der §§ 24 a StVG, 316 mit anderen Straftaten

Im Verlaufe einer Alkoholfahrt werden häufig handlungsidentische Gesetzesverletzungen begangen, wie z. B. Körperverletzung, Tötung oder Unfallflucht!. Im folgenden soll gefragt werden, ob sich die in diesem Zusammenhang entstehenden Konkurrenzprobleme - ähnlich wie bei den §§ 129, 129 a - durch eine entsprechende Konstitution der von den §§ 24 a StVG, 316 gebildeten Bewertungseinheiten bewältigen lassen (dazu a). Dabei wollen wir die Konkurrenz mit Delikten, die im Falle des § 316 - auf der Trunkenheit beruhen, gesondert behandeln, weil hier die Rechtsprechung bei anschließender Unfallflucht eine Zäsurwirkung des Verletzungsdelikts und eine Unterbrechung der Trunkenheitsfahrt annimmt (dazu b). a) Delikte ohne Zusammenhang mit der

alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit

Zur besseren Veranschaulichung der Problematik wollen wir uns im folgenden auf einen Beispielsfall beziehen und annehmen, ein fahrVgl. BGHSt. 23, 141, 149.

18 17 1

Dazu zusammenfassend B III 3.

Vgl. z. B. BGH, VRS 8, 49, 50; 9, 350, 353; 21, 341, 344; VRS 15, 472.

Weitere Beispiele bei A V 2 f) aa) [1]. 13·

196 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten tüchtiger Fahrer mit einem Alkoholwert von 0,8 Promille habe unterwegs, ohne das zu bemerken, zunächst eine fahrlässige Tötung und später eine fahrlässige Körperverletzung begangen. Die h. M. würde bei einem derartigen Sachverhalt wegen der Schwere der "äußeren" Delikte eine Verklammerung zur Tateinheit ablehnen und den Täter wegen fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit mit § 24 a StVG und einer tatmehrheitlich begangenen fahrlässigen Tötung, ebenfalls in Tateinheit mit § 24 a StVG, bestrafen2 • Hält man eine Entklammerung für unzulässig, muß Tateinheit zwischen allen Delikten angenommen werden, falls die Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG aus der gesamten Fahrt eine Bewertungseinheit bildet3 • Di~ oben entwickelte Methode 4 erlaubt es, bei der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung einzelne Geschehensabschnitte auszugliedern, wenn diese schwerere oder gleich schwere idealkonkurrierende Strafgesetze verletzen. Im Unterschied zu den §§ 129, 129 a bilden die einzelnen Fahrtabschnitte bei § 24 a StVG ein Handlungskontinuum, d. h. die einzelnen tatbestandserfüllenden Akte gehen nahtlos ineinander über und sind nicht, wie etwa die Beteiligungsakte des Mitglieds einer kriminellen Vereinigung, schon äußerlich voneinander getrennt. Diese Differenz im äußeren Erscheinungsbild allein kann uns aber nicht daran hindern, einzelne Fahrtabschnitte selbständig zu bewerten. Maßgeblich ist bei der Bildung tatbestandlicher Handlungseinheiten allein die Gleichwertigkeit des tatsächlichen Geschehens, nicht der äußerliche Zusammenhang 5 • Die Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG ist auf die einfache Alkoholfahrt zugeschnitten, die sie von Anfang bis Ende umfaßt. Es gibt - wie bei einer Fahrt in fahruntüchtigem Zustand - keine sachlichen Kriterien, einen solchen Verhaltenstypus in verschiedene Abschnitte zu zerlegen. Erfüllen aber einzelne Fahrhandlungen neben § 24 a StVG auch andere Tatbestände, unterscheiden sich diese Akte nach ihrer rechtlichen Qualität von anderen, die nur nach § 24 a StVG strafbar sind. Von einem einheitlichen Verhaltenstypus kann dann im Rechtssinne nicht mehr die Rede sein. Die Frage, ob § 24 a StVG in einem solchen Fall trotzdem die gesamte Fahrt zu einer Bewertungseinheit verbindet, kann daher nicht mit dem Hinweis auf den pauschalierenden Charakter der Handlungsbeschreibung beantwortet werden, weil diese die Annahme einer Tat nur legitimiert, wenn das Geschehen einheitlich, "gleichwertig" ist. Dieser Umstand berechtigt uns dazu, die

Vgl. zur h. M. oben A V 2. Vgl. dazu A V 3 a) aa). Zum Dilemma der Klammerwirkung zusammenfassend B III 3. , Dazu C I 2 a). 5 Vgl. dazu oben B I und soeben CI 2 a) aa). 2

3

11. Trunkenheitsfahrten

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entsprechenden Sachverhaltsabschnitte dann als eigenständig zu behandeln, wenn die zusätzliche Gesetzesverletzung das Geschehen entscheidend prägt. Unter welchen näheren Voraussetzungen das zutrifft, verdeutlichen uns, wie unter C I 2 a im einzelnen entwickelt, die abstrakten gesetzlichen Bewertungen, die Strafrahmen der anwendbaren Tatbestände. Im Ausgangsfall wiegen die fahrlässige Tötung und die fahrelässige Körperverletzung erheblich schwerer als die übrigen, von § 24 a StVG erfaßten Fahrhandlungen. Jedenfalls auf derartige Sachverhalte ist § 24 a StVG also nicht zugeschnitten, und deswegen sind diese Vorgänge rechtlich selbständig zu würdigen, d. h. nicht in die Handlungszusammenfassung einzubeziehen. Das bedeutet, daß sich der Täter wegen selbständiger Delikte nach § 24 a StVG, §§ 24 a StVG, 222, 52 und §§ 24 a StVG, 230, 52 strafbar gemacht hat. Nichts anderes gilt, wenn der Täter während einer Trunkenheitsfahrt nach § 316 handlungsidentische, gleich schwere oder schwerere Straftaten begeht, die nicht auf der Trunkenheit beruhen. Auch hier fehlt im Verhältnis zu den nur nach § 316 tatbestandsmäßigen Handlungen die rechtliche Gleichwertigkeit. Wir können also bei den §§ 24 a StVG und 316 prinzipiell in der gleichen Weise vorgehen wie bei den §§ 129 und 129 a, weil der enge äußerliche Zusammenhang der einzelnen Tatbestandserfüllungen für die Zergliederung des tatbestandsmäßigen Verhaltens keine Bedeutung hat. Das heißt, daß die Trunkenheitsfahrt oder eine Tat nach § 24 a StVG entsprechend ihren Unrechtseigenschaften unter Umständen in mehrere, rechtlich selbständige Vorgänge zu zergliedern sind. Ein Verstoß gegen das Schuldprinzip liegt darin nicht. So wird in unserem Beispiel - anders als bei der Entklammerungslösung der h. M. - die Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG nicht mehrfach berücksichtigts. Die fahrlässige Körperverletzung und Tötung erfassen nur jeweils diejenigen Akte der Alkoholfahrt mit, die sich mit ihren Ausführungshandlungen decken, während die Bewertungseinheit des § 24 a StVG nur die übrigen Fahrtteile einschließt. Bedenken könnte man - ähnlich wie bei den §§ 129 und 129 a 7 - allenfalls darauf stützen, daß durch die Zerlegung der Fahrt in mehrere Teile der Täter unter dem Gesichtspunkt des § 24 a StVG härter bestraft werde als bei Bildung nur einer Strafe, weil sich die idealkonkurrierende Verletzung des § 24 a StVG bei der Strafzumessung nach §§ 222, 230 auswirken müsse. Dieser Einwand schlägt aber auch hier nicht durch: Die Dauer der Fahrt ist für den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat mit ausschlaggebend und daher bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Es • Dazu schon zusammenfassend C I 2 c). Dazu oben CI 2 a) aa).

7

198 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten liegt auf der Hand, daß bei ansonsten gleichen Umständen eine einminütige Alkoholfahrt im Vergleich zu einer mehrstündigen geringere Strafe verdient. Aus der Bewertungseinheit nach § 24 a StVG sind nur diejenigen Fahrtabschnitte auszugliedern, die zugleich gegen die §§ 222, 230 verstoßen. Die dadurch bedingte kürzere Dauer der "einfachen" Alkoholfahrt drückt sich in einem verminderten Unrechts- und Schuldgehalt aus, dem bei der Strafbemessung Rechnung getragen werden muß. Umgekehrt hängt die strafschärfende Wirkung der Verletzung des § 24 a StVG bei der Strafzumessung für fahrlässige Tötung und Körperverletzung ebenfalls von der Dauer der Gesetzesverletzung ab. Eine Strafschärfung kann oder muß daher unter Umständen ganz entfallen, wenn das für die Strafrahmenbildung maßgebliche Delikt eine "Augenblickstat" ist, die nur einen minimalen Fahrtausschnitt betrifft. So wäre etwa im Beispielsfall die Bedeutung des § 24 a StVG für die Bestrafung der Tötungs- oder Körperverletzungsvorgänge unerheblich und dürfte nur zu einer geringen oder keiner Strafschärfung führen. Der Richter ist also bei der Strafzumessung vor keine besonderen Probleme gestellt, und dem Täter entsteht durch die Zergliederung seines Verhaltens kein unter Schuldgesichtspunkten bedenklicher Nachteil.

b) Delikte au/grund alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit Die Rechtsprechung hat häufig Sachverhalte zu entscheiden, in denen ein fahrlässig handelnder Täter infolge alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit einen Unfall verursacht, dabei einen Menschen fahrlässig tötet oder verletzt und anschließend flieht 8 • Nach der neue ren Rechtsprechung wird der Täter in solchen Fällen wegen einer konkreten Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit § 222 bzw. § 230 und einer tatmehrheitlich begangenen Unfallflucht in Tateinheit mit § 316 I, 11 bestraft, weil der BGH annimmt, der Täter müsse zur Flucht einen neuen Entschluß fassen, der eine neue, selbständige Fahrt einleite. Das Problem der Klammerwirkung stellt sich allerdings trotz dieser Zäsurbildung, wenn - wie in BGHSt. 23, 141 - der Täter nach einem Unfall flieht und auf der Weiterfahrt nach Beendigung der Unfallflucht infolge seiner Fahruntüchtigkeit erneut einen Unfall verursachte. Dann 8 Vgl. z. B. BGH, NJW 1952, 795; BGH, VRS 8, 49; 9, 350; 21, 341, 422; 22, 121; OLG Oldenburg, VRS 26, 346 f.; OLG Stuttgart, NJW 1964, 1913; OLG Köln, MDR 1964, 525; BayObLG, NJW 1957, 1485 (Entscheidungen zur Klammerwirkung) Ferner BGH, VRS 13, 121; 15, 472; BGHSt. 21, 203; 23, 141; OLG Hamm, VRS 42, 21; OLG Braunschweig, NJW 1954, 933 (Entscheidungen zur Beendigung der Trunkenheitsfahrt durch einen Unfall mit anschließender Flucht). g Dazu oben A V 2 f) aal [1].

11. Trunkenheitsfahrten

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kann nämlich die weitere Trunkenheitsfahrt sowohl mit § 142 wie einem Verletzungsdelikt, etwa einer fahrlässigen Körperverletzung, zusammentreffen, ohne daß die beiden "äußeren" Delikte Berührungspunkte aufweisen. Daß der zweite Unfall eine konkrete Gefährdung nach § 315 c bedeutet, ändert daran nichts, wenn § 315 c, wie die Rechtsprechung annimmt, die vorangegangene Trunkenheitsfahrt einschließt. Von unserem bisher entwickelten Ausgangspunkt scheint demgegenüber ohne Rücksicht auf eine etwaige Zäsurbildung eine widerspruchsfreie Lösung möglich, die in beiden Fällen das Problem der Klammerwirkung vermeidet. Es liegt nämlich auf den ersten Blick nahe, die Verkehrsgefährdungen und idealkonkurrierende Verletzungsdelikte sowie die Unfallflucht aus der übrigen Trunkenheitsfahrt auszugliedern, da alle "äußeren" Delikte schwerer sind als die Tat nach § 316. Dann wären die Straßenverkehrsgefährdungen - gegebenenfalls in Tateinheit mit Verletzungsdelikten nach §§ 230 oder 222 - und die Unfallflucht im Verhältnis zu den übrigen Teilen der Trunkenheitsfahrt rechtlich selbständig. Der Täter müßte danach wegen selbständiger Delikte der Straßenverkehrsgefährdung in zwei Fällen - gegebenenfalls in Tateinheit mit Verletzungsdelikten nach den §§ 222, 230 -, der Unfallflucht in Tateinheit mit § 316 und des Fahrens in fahruntüchtigem Zustand nach § 316 bestraft werden. Dieses Ergebnis ist aber bedenklich, weil es in § 316 I heißt, eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift entfalle, wenn "die Tat" nach § 315 C mit Strafe bedroht sei, d. h. offenbar darf die Tat nach § 315 C nicht wie andere Gesetzesverletzungen aus dem nach § 316 relevanten Geschehen ausgegliedert werden. Die Tragweite der Subsidiaritätsklausel soll daher im folgenden untersucht werden. aal Die Zäsurbildung bei Trunkenheitsfahrten Nach § 315 c mit Strafe bedrohte Tat ist sicher die Gefahrhandlung des fahruntüchtigen Täters. Daß insoweit § 316 hinter § 315 c zurücktritt, folgt schon aus dem Grundsatz der Spezialität, da § 315 cl Nr. 1 a den vollen Tatbestand des § 316 I voraussetzt. Die Subsidiaritätsklausel des § 316 I hätte daher bloß deklaratorischen Gehalt, wenn sie sich ausschließlich auf den Geschehensabschnitt beziehen würde, den § 315 c ohnehin erfaßt, nicht auch auf weitere Abschnitte der Trunkenheitsfahrt nach § 316. Die ganz lillgemeine Ansicht begrenzt aber die Subsidiaritätsklausel nicht auf die Gefahrhandlung, sondern erstreckt sie grundsätzlich auf die gesamte Trunkenheitsfahrt. Die Einbeziehung einer vorangegangenen einfachen Trunkenheitsfahrt ist dabei naheliegend, weil diese in die Gefahrhandlung mündet:.Die in jeder Trunkenheitsfahrt enthaltene potentielle Gefährlichkeit für andere Verkehrs-

200 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten teilnehmer aktualisiert sich in der konkreten Gefährdung, so daß eine einheitliche Bewertung des Geschehens sachgerecht ist. Problematisch ist aber, ob auch eine der konkreten Gefährdung nachfolgende Weiterfahrt in die Handlungszusammenfassung einzubeziehen ist. Wir wollen diese Frage zunächst anhand des Eingangsbeispiels erörtern, daß der Täter nach dem Unfall die Flucht ergreift. Die Rechtsprechung hat hier die weitere Trunkenheitsfahrt mit Rücksicht auf den neuen Tatentschluß eigenständig bewertet lo . Diese Argumentation hat man als Fiktion kritisiert, weil sich regelmäßig nicht feststellen lasse, ob ein neuer Entschluß ge faßt wurdel l . Einzuräumen ist, daß der Entschluß nicht als empirische Tatsache festgestellt werden kann. Dieses Problem ist allerdings ein ganz allgemeines, das sich etwa auch bei der Ermittlung des Vorsatzes stellt. Es bleibt immer nur die Möglichkeit, den "Entschluß" aus Indizien abzuleiten. Das Verfahren der Rechtsprechung, aus einer Veränderung der äußeren Situation auf eine innere Tatsache zu schließen, kann daher nicht prinzipiell beanstandet werden. Daß ein Täter, der von vornherein um jeden Preis auch bei einem Unfall weiterfahren will, privilegiert wird - er faßt keinen neuen Entschluß -, ist kein durchschlagender Einwand. Auch in anderen Bereichen werden Täter, die langfristig und umsichtig planen, unter Umständen besser gestellt, so beispielsweise bei der Fortsetzungstat, wo nach der Rechtsprechung eine Tat anzunehmen ist, wenn der Delinquent mit Gesamtvorsatz handelt, aber mehrere Taten, wenn ein derartiger Zusammenhang nicht besteht. - Wir brauchen die Prüfung dieser Einwände hier aber nicht zu vertiefen, weil es im Ergebnis keine Rolle spielt, ob der Täter nach einem Unfall die Sachlage tatsächlich überdenkt. Samson hat dem BGH entgegengehalten, wer nach einem Unfall weiterfahre, fasse keinen neuen Tatentschluß, sondern halte, wenn er sich überhaupt Gedanken mache, gerade am alten fest l2 • Logisch ist diese Umkehrung der Argumentation des BGH nicht angreifbar. Dieser Umstand verdeutlicht, daß es eine Wertungs/rage ist, ob die Weiterfahrt auf einem neuen Entschluß beruht. Unter welchen Voraussetzungen ein Entschluß "neu" ist, hängt, wie wir schon oben gesehen haben l3 , entscheidend davon ab, wie wir seinen Gegenstand definieren. Bewertet man die gesamte Trunkenheitsfahrt als Unrechtseinheit, bezieht sich der Entschluß zur Weiterfahrt auf denselben GeVgl. ebda. Vgl. Samson, SK, Vor § 52 Rdn. 27; Schönke / Schröder / Stree, Vor § 52 Rdn. 85; Wahle, GA 1968, 106. Der Rechtsprechung stimmen zu: Dreher / Tröndle, § 315 c Rdn. 23; Granicky, SchlHA 1966, 61; Jagusch, § 315 c Rdn. 61; Lackner, § 142 Anm. 9; Rüth, LK, § 315 c Rdn. 74; Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 20. 12 Vgl. Samson, SK, Vor § 52 Rdn. 27. 13 Vgl. B I. 10

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H. Trunkenheitsfahrten

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genstand, d. h. der Täter hält in diesem Falle am alten Fahrentschluß fest. Bedeutet umgekehrt die Weiterfahrt schon aus objektiven Gründen qualitativ neues Unrecht, hat der Wille, weiterzufahren, einen anderen Gegenstand, und es kommt nicht darauf an, ob der Täter seine Situation überdacht hat, sofern er sie nur erkannte. Sehen wir uns also die Zusammenhänge zwischen der Trunkenheitsfahrt nach § 316 und dem Unfallgeschehen näher an. § 316 ist abstraktes Gefährdungsdelikt, d. h. bestraft wird ein bestimmtes Verhalten ohne Rücksicht auf die Verursachung einer Gefahr für ein bestimmtes Rechtsgut. Verboten ist das Fahren in fahruntüchtigem Zustand, weil es generell gefährlich, d. h. geeignet ist, Gefahren für die Verkehrssicherheit, Leib und Leben anderer oder fremdes Eigentum zu erzeugenl 4, die zu Rechtsgutsverletzungen führen können. Kommt es zu einem Unfall oder einer konkreten Gefährdung, realisiert sich diese abstrakte Gefährlichkeit in einem Verletzungserfolg, den der Gesetzgeber durch das Verbot gefahrträchtiger Handlungen zu vermeiden sucht. Deshalb bildet die eingetretene Verletzung innerhalb des Gefährdungsdelikts schon objektiv eine Zäsur, die es rechtfertigt, die Weiterfahrt als Beginn einer neuen Gefahrhandlung und damit als selbständiges Unrecht zu bewerten. Dem Täter veranschaulicht die Rechtsgutsverletzung die Gefahren seines Verhaltens, warnt ihn vor den möglichen Folgen seines Tuns. Aus diesem Grund ist von ihm in dieser Situation zu verlangen, daß er die Sachlage überdenkt und die Fahrt nunmehr abbricht. Entspricht er dieser rechtlichen Erwartung nicht, macht er sich wegen einer weiteren selbständigen Trunkenheitsfahrt strafbar. Die Trunkenheitsfahrt wird also durch einen Unfall beendet, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Täter von vornherein entschlossen war, weiterzufahren. Entscheidend ist, daß der Täter die Warn/unktion des Verletzungsdelikts mißachtet, während es keine Rolle spielt, ob er tatsächlich eine Entscheidung trifft. Bemerkt der Täter den Unfall nicht, bleibt daher die Kontinuität der Trunkenheitsfahrt erhalten. Zwar bildet das Unfall geschehen auch hier objektiv eine "Zäsur", doch erreicht den Täter die darin liegende Warnung nicht, so daß eine Aufspaltung der Fahrt in mehrere Abschnitte nicht sachgerecht wäre. Bislang wurde nur die Zäsurbildung durch ein Verletzungsdelikt untersucht. Bedeutet aber nicht auch eine konkrete Gefährdung einen rechtlich relevanten Bruch im Verlaufe einer Trunkenheitsfahrt, d. h. 14 So die h. M. Vgl. BGHSt. 23, 264; Lackner, § 315 c Anm. 1 und Gefährdungsdelikt, S. 13; Rüth, LK, § 315 c Rdn. 1; Schönke / Schröder / Cramer, § 315 c Rdn. 2; A. M. Horn, SK, Vor § 306 Rdn. 1 und Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 90 ff., der nur Rechtsgüter des einzelnen ("handfeste Werte") geschützt sieht. Siehe auch Dreher / Tröndle, § 315 c Rdn. 2.

202 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten

kommt diese nicht auch schon durch eine Gefahrhandlung nach § 315 c I Nr. 1 a zum Abschluß? Das konkrete Gefährdungsdelikt schließt den "breiten Graben"15 zwischen den abstrakten Gefährdungstatbeständen nach den §§ 24 a StVG, 316 und den Verletzungstatbeständen. Diese Aufgabe wird dadurch erfüllt, daß § 315 c einen Gefährdungserjolg18 voraussetzt, d. h. einen Zustand, in dem nach den Umständen der Eintritt eines Schadens naheliegt1 7 • Jede konkrete Gefährdung setzt voraus, daß "mehr passiert ist, als der bloße Verstoß gegen eine Ordnungsnorm" 18. Sie besagt, daß für ein bestimmtes Rechtsgut ein "de facto ernst zu nehmendes Risiko"19 besteht und die Existenz des Guts in Frage gestellt ist2o . Danach muß im Einzelfall die Verletzung bestimmter Menschen oder fremder Sachen in greifbare Nähe gerückt21 und nur noch vom Zufall abhängig sein22 . Eine konkrete Gefahr ist danach nicht anzunehmen, wenn nach den Umständen ein bestimmtes Rechtsgut nicht im Gefahrenbereich war, etwa wenn bei einem gefährlichen Überholmanöver an einer Bergkuppe dem Täter kein Fahrzeug entgegenkam23 . Eine konkrete Gefahr liegt also nur vor, wenn ein Gut tatsächlich in seiner Existenz bedroht wird und die "Krise, in die es damit geraten ist ... , ,soziale Realität'" besitzt, "unabhängig davon, ob etwas passiert ist oder die Krise sich nur als vorübergehend erweist"24. Ein derartiger Zustand ist nun nicht anders als die Verletzung selbst eine Aktualisierung der abstrakten Gefährlichkeit einer Tat nach § 3161. Auch hier ist "etwas passiert", das geeignet ist, dem Täter die Gefährlichkeit seines Tuns vor Augen zu führen. Er kann das Geschehen nicht oder mindestens nicht sicher steuern, d. h. die Verletzung bleibt aus seiner Sicht nur zufällig aus. Der Täter ist daher wie bei einer eingetretenen Verletzung aufgefordert, sein gefahrgeneigtes Verhalten zu beenden. Für die Annahme einer solchen Warnfunktion der konkreten Gefährdung nach § 315 c spricht auch ihr erhebliches strafrechtliches Gewicht: Wird sie vorsätzlich verursacht, droht FreiheitsLackner, Gefährdungsdelikte, S. 10. In einer Entscheidung, in der es um die Anwendbarkeit des § 18 ging, hat BGH, NJW 1975, 1934 dem § 315 c den Charakter eines Erfolgsdelikts abgesprochen. Kritisch dazu Küper, NJW 1976, 543 ff. 17 Vgl. Schünemann, JA 1975,787,792; Lackner, § 315 c Anm. 5 a, beide mit weit. Nachw. 18 Lackner, Gefährdungsdelikt, S. 15. 19 GaZlas, Heinitz-Festschr., S. 176. 20 Vgl. auch Horn, SK, Vor § 306 Rdn. 5; Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 31 ff. tl Siehe BGHSt. 22, 341, 344 mit Nachw. zur Rechtspr. 2t So BGH, VRS 44, 422; Horn, SK, Vor § 306 Rdn. 7; Lackner, § 315 c Anm. 5 a, aa. 23 Vgl. Horn, SK, Vor § 306 Rdn. 7; Wolter, JuS 1978,750. U GaZlas, Heinitz-Festschr.,S. 176. 15

lS

11. Trunkenheitsfahrten

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strafe bis zu 5 Jahren, wie sie etwa auch bei Diebstahl, Betrug oder Urkundenfälschung, also "klassischen" Vergehenstatbeständen, vorgesehen ist. Deshalb unterbricht auch eine vom Täter bemerkte konkrete Gefährdung die Kontinuität einer Trunkenheitsfahrt, ohne daß es darauf ankommt, ob der Täter die Situation überdenkt oder nicht. Damit ist auch das in Rechtsprechung und Literatur streitige Konkurrenzverhältnis zwischen mehreren Gefahrhandlungen nach § 315 c geklärt: Ob man die Tathandlung als "Dauerdelikt" charakterisiert oder nicht, ist gleichgültig, denn jedenfalls wird das Dauerdelikt der einfachen Trunkenheitsfahrt von § 315 c wegen der Subsidiaritätsklausel in § 316 I miterfaßt. Das Problem reduziert sich daher darauf, die nach § 316 I zu bildenden Unrechtseinheiten zu ermitteln, d. h. zu bestimmen, welchen Umfang das Dauerdelikt hat, das mit § 315 c zusammentrifft. Da eine einfache Trunkenheitsfahrt mit dem Herbeiführen einer konkreten Gefahrenlage, die der Täter bemerkt, beendet ist, schließt § 315 c eine nachfolgende Trunkenheitsfahrt nur ein, wenn dem Täter die Gefahrlage nicht bewußt wurde. In dem zuletzt genannten Fall kann sich das Problem der Klammerwirkung stellen, wenn der Täter auf der Weiterfahrt nochmals eine Gefährdung verursacht. Die Annahme zweier rechtlich· selbständiger Gefährdungen wäre hier indes verfehlt: Die Trunkenheitsfahrt ist insgesamt als Einheit zu bewerten, soweit der Täter unterwegs keinen spezifischen Anlaß hat, die Fahrt abzubrechen. Dann aber besteht auch zwischen verschiedenen konkreten Gefährdungen, die aus derselben Trunkenheitsfahrt, demselben Tatentschluß, erwachsen sind, ein inne.;. rer Zusammenhang. Zur Beurteilung des Unrechts- und Schuldgehalts einer Tat nach § 315 c I Nr. 1 a muß dann nämlich die gesamte Trunkenheitsfahrt einbezogen werden, d. h. auch die jeweils andere konkrete Gefährdung. Eine Entklammerung würde also nicht verhindern, daß bei der Würdigung einer Tat nach § 315 c I Nr. 1 a die andere, selbständige Gefährdung zu berücksichtigen ist. Wegen dieser drohenden DoppelverwertungU muß Idealkonkurrenz zwischen solchen konkreten Gefährdungen angenommen werden, denen jeweils dieselbe Trunkenheitsfahrt zugrunde liegt. - Nichts anderes gilt, wenn über die konkrete Gefährdung hinaus eine Rechtsgutsverletzung eingetreten ist. Hier kann das trunkenheitsbedingte Verletzungsdelikt, das mit einer Tat nach § 315 c I Nr. 1 a zusammentrifft ohne Einbeziehung der gesamten Trunkenheitsfahrt, ebenfalls nicht beurteilt werden. Die Gründe, die einer "Zäsurbildung" innerhalb der Trunkenheitsfahrt entgegenstehen, schließen also auch eine Entklammerung aus.

!5

Dazu eingehend oben B 11 5 b) ce).

204 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten Bei den bisherigen überlegungen haben wir den praktisch häufigsten Fa1l 26 zugrunde gelegt, daß der Täter hinsichtlich Fahruntüchtigkeit, Gefährdung und Verletzung fahrlässig handelte. Die angenommene Zäsurwirkung gilt aber für vorsätzliches Verhalten sowie VorsatzFahrlässigkeits-Kombinationen in gleicher Weise. Kennt der Täter seine Fahruntüchtigkeit, ist die Entstehung einer Gefahrenlage für ihn ebenso eine Warnung wie bei fahrlässiger Unkenntnis. Führt der Täter in/alge seiner Fahruntüchtigkeit eine Gefährdung herbei, muß diese in gleicher Weise Anlaß zur Beendigung der Fahrt sein wie bei fahrlässigem Handeln. Selbst bei Verletzungsvorsatz gilt nichts anderes, sofern die Tat auf der Fahruntüchtigkeit beruht. Ein Warneffekt entsteht also immer schon dann, wenn die Gefahrenlage aus der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit erwächst, so daß auch alle denkbaren Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen die Zäsurwirkung einer Verletzung oder Gefährdung nicht ausschließen. bb) Die Konkurrenz von § 315 c I Nr. 1 a und Verletzungsdelikten Ein konkretes Gefährdungsdelikt tritt hinter einem Verletzungsdelikt als subsidiär zurück, wenn derselbe Schutzwert betroffen ist. Das ergibt sich daraus, daß die verschiedenen Strafrechtssätze in einem solchen Fall dasselbe Rechtsgut in verschiedenen Angriffsstadien schützen. Die Annahme von Subsidiarität muß aber ausscheiden, wenn sich der Schutzzweck eines Gefährdungsdelikts nicht in der Vorverlegung des Strafschutzes der Verletzungsdelikte erschöpft27 • § 315 c kann daher hinter einem Verletzungs delikt nicht zurücktreten, wenn man mit der h. M. davon ausgeht, daß neben Leben und körperlicher Unversehrtheit des einzelnen sowie fremdem Eigentum die Sicherheit des Straßenverkehrs selbständig geschützt wird 28 • Da die Sicherheit des Straßenverkehrs in den einschlägigen Verletzungstatbeständen keine Rolle spielt, ist auf der Grundlage der h. M. nur Idealkonkurrenz zwischen § 315 c und etwaigen Verletzungsdelikten denkbar, nicht aber Subsidiarität29 • Lehnt man mit Horn die Sicherheit des Straßenverkehrs als selbständiges Schutzgut ab 30 , kommt eine Subsidiarität des § 315 c in Betracht, da Leben, Gesundheit und Eigentum auch durch andere Strafvorschriften geschützt werden. Im Ergebnis ist aber auch von diesem Vgl. die Nachw. in Fn. 8. Vgl. dazu nur Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 120 ff. 28 Vgl. Fn. 14. 28 Inkonsequent Rüth, LK, Rdn. 1, 78. Treffend Schönke / Schröder / Cramer, § 315 c Rdn. 45 mit Nachw. 30 Vgl. Horn, SK, Vor § 306 Rdn. 1 ff.; Konkrete Gefährdungsdelikte, S 90 ff. 28

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11. Trunkenheitsfahrten

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Ausgangspunkt Idealkonkurrenz mit handlungsidentischen Gesetzesverletzungen anzunehmen. Jede konkrete Verkehrsgefährdung schließt - zum al sie immer eine vorausgegangene einfache Trunkenheitsfahrt mitumfaßt - eine abstrakte Gefährdung ein, die nicht auf das verletzte Rechtsgut beschränkbar ist. Diese "abstrakte Viel-Gefährlichkeit"31 jeder Gefahrhandlung geht über das vom Verletzungsdelikt erfaßte Unrecht hinaus, so daß die Straßenverkehrsgefährdung im Verhältnis zu einem Verletzungsdelikt immer einen zusätzlichen Unwert bedeutet und daher nicht subsidiär sein kann32 . Der Streit um das Rechtsgut des § 315 c braucht aus diesem Grund im Zusammenhang der hier zu erörternden Konkurrenzfragen nicht abschließend beurteilt werden. c) Zusammenfassung und Vergleich mit den Ergebnissen der h. M.

Die unter I entwickelte Zergliederungsmethode ist auf § 24 a StVG und - mit Einschränkungen - auf § 316 übertragbar. Bei einer Alkoholfahrt nach § 24 a StVG sind alle Verhaltensabschnitte rechtlich selbständig, die gleich schwere oder schwerere Strafgesetze verletzen. § 24 a StVG verbindet nur Tätigkeiten zu einer Bewertungseinheit, die ausschließlich gegen diese Vorschrift oder eine leichtere idealkonkurrierende Verbotsnorm verstoßen. Entsprechendes gilt, wenn § 316 mit Gesetzesverletzungen zusammentrifft, die nicht auf der trunkenheitsbedingten Fahruntüchtigkeit beruhen. Verletzungs- oder Gefährdungshandlungen, die aus der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit erwachsen und deswegen nach § 315 etatbestandsmäßig sind, können trotz ihres erhöhten Schweregrades im Verhältnis zu einer einfachen Trunkenheitsfahrt nicht selbständig bewertet werden. § 315 c beschränkt zwar - im Gegensatz zu den §§ 24 a StVG, 316 - die Tathandlung auf die Herbeiführung der Gefahrenlage, so daß eine Ausgliederung dieses Geschehensabschnitts aus der einfachen Trunkenheitsfahrt konstruktiv denkbar ist. Wegen der Subsidiaritätsklausel in § 316 I ist aber die einfache Trunkenheitsfahrt gleichwohl miterfaßt. Aus diesem Grund dürfen Gefährdungs- oder Verletzungshandlungen, die als konkrete Straßenverkehrsgefährdung tatbestandsmäßig sind, im Ergebnis nicht aus der durch § 316 gebildeten Bewertungseinheit gelöst werden. Der Umfang einer nach § 315 e unter Berücksichtigung der Subsidiaritätsklausel zu bildenden Handlungszusammenfassung hängt daher von der Dauer der (einfachen) Trunkenheitsfahrt ab. Dabei hat sich gezeigt, daß So Horn, SK, § 315 c Rdn. 26. Daher nimmt auch Horn, § 315 c, Rdn. 26 Idealkonkurrenz an. Zur Subsidiarität vgl. auch Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 121; Schänke / Schräder / Stree, Vor § 52 Rdn. 129. 31

32

206 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten

vom Täter verursachte und bemerkte Unfälle oder konkrete Gefährdungen innerhalb der Tat nach § 316 eine Zäsur bilden. Unfälle und konkrete Gefährdungen enthalten für den fahruntüchtigen Täter einen Warneffekt, der Anlaß sein muß, die Fahrt abzubrechen. Die Fortsetzung der Fahrt ist daher als rechtlich selbständige, neue Gefährdung zu beurteilen, so daß auf das vom BGH verwendete Kriterium des "neuen Willens entschlusses" verzichtet werden kann. Diese Ergebnisse decken sich weitgehend mit denen der Rechtsprechung, die den neuen Tatentschluß aus dem Warneffekt eines Unfalls ableitet. Eine wesentliche Abweichung ergibt sich allerdings daraus, daß die Tatbestandsauslegung dazu geführt hat, auch konkrete Gefährdungen als Zäsuren anzusehen. Das bedeutet nämlich, daß nicht nur nach Unfällen, sondern nach jeder Gefährdung, die der Täter bemerkt, eine selbständige neue Trunkenheitsfahrt beginnt. Weitere Unterschiede folgen einmal daraus, daß die Rechtsprechung etwa bei Polizeifluchtfällen die Annahme einer selbständigen Trunkenheitsfahrt mit der Erwägung ablehnen kann, der Täter sei von vornherein zur Weiterfahrt entschlossen gewesen. Diese Argumentation ist vom hier vertretenen Ausgangspunkt unzulässig33 • Zum anderen hat sich gezeigt, daß die Trunkenheitsfahrt durch einen Unfall endet, unabhängig davon, ob der Täter anschließend § 142 verletzt. Demgegenüber lehnt die Rechtsprechung in einem solchen Fall die Annahme mehrerer Taten ab. Für die Praxis hat diese Abweichung aber keine Bedeutung, wenn - wie in aller Regel - die Strafbarkeit wegen Unfallflucht schon daran scheitert, daß der Täter den Unfall nicht bemerkt hat, weil dann auch nach dem hier entwickelten Ansatz keine neue Tat beginnt. Die praktischen Konsequenzen des hier vertretenen Standpunkts seien abschließend an dem eingangs erwähnten34 , in BGHSt. 23, 203 entschiedenen Sachverhalt verdeutlicht. Der BGH hatte angenommen, der Täter müsse wegen selbständiger Delikte der fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung, der Unfallflucht in Tateinheit mit § 316 sowie wegen des zweiten Unfalls - einer weiteren fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit einer fahrlässigen Körperverletzung bestraft werden. Dabei war der BGH genötigt, die Annahme einer 11 Diese Abweichung in den Ergebnissen 1st aber auch schon deswegen möglich, weil die Rechtsprechung die hier abgelehnte Figur der natürlichen Handlungseinheit anerkennt. Von diesem Ausgangspunkt bedeutet es keinen konstruktiven Widerspruch, mit Rücksicht auf den Unfall innerhalb der Trunkenheitsfahrt eine Zäsur zu bilden, dieses im Wege der Tatbestandsauslegung gewonnene Ergebnis aber wiederum durch eine natürliche Betrachtungsweise zu korrigieren. Mit Hilfe der natürlichen Handlungseinheit verbindet die Rechtsprechung ja auch ansonsten rechtlich "an sich" selbständige Taten zur Tateinheit (vgl. dazu B I und B Vor II). 34 Vgl. oben b).

III. Die Fortsetzungstat

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Beendigung der Trunkenheitsfahrt durch den ersten Unfall auf das Vorliegen eines neuen Tatentschlusses zu stützen. Er mußte daher die Trunkenheitsfahrt nach dem ersten Unfall sowohl bei der Strafzumessung für die Unfallflucht wie für die Verletzung der §§ 315 c I Nr. 1 a, 230 berücksichtigen. Von unserem Ausgangspunkt ist die erste Etappe der Trunkenheitsfahrt mit dem vom Täter bemerkten Unfall abgeschlossen. Der zweite Unfall verletzte tateinheitlich die §§ 315 c und 230. Die vorausgegangene einfache Trunkenheitsfahrt nach § 316 wird von der konkreten Straßenverkehrsgefährdung nur soweit erfaßt, wie sie nicht mit der Unfallflucht zusammentrifft. Der Fahrtabschnitt, welcher der Entfernung vom Unfallort diente, ist wegen des Schweregrades des § 142 im Verhältnis zur Weiterfahrt nach Abschluß der Unfallflucht rechtlich selbständig, so daß die Trunkenheitsfahrt insgesamt in drei Abschnitte zerfällt. Der Täter ist also wegen dreier untereinander selbständiger Delikte der konkreten Straßenverkehrsgefährdung, der Unfallflucht in Tateinheit mit einer (einfachen) Trunkenheitsfahrt und der konkreten Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit einer fahrlässigen Körperverletzung zu bestrafen35 • Dabei muß weder ein "neuer" Entschluß festgestellt werden, noch entsteht das Problem der Klammerwirkung; schließlich sind wir auch nicht genötigt, einzelne Fahrtabschnitte bei der Strafzumessung mehrfach zu berücksichtigen. Gleichgültig ist auch, ob der Täter neben dem durchlaufenden Delikt - hier § 316 - noch ein leichteres drittes Delikt - etwa nach der StVO - begeht, während der BGH bei dieser Sachlage nicht entklammern kann. Hätte der Täter umgekehrt im Beispielsfall beide Unfälle nicht bemerkt, wäre er wegen zweier tateinheitlich begangener fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdungen in Tateinheit mit einer fahrlässigen Körperverletzung zu verurteilen.

In. Die Fortsetzungstat Wir gehen im folgenden mit der h. M.l von der Existenz der Fortsetzungstat aus. Auch die Tragweite der einfachen wiederholenden Tatbestandsverwirklichung, die sich unter Umständen über mehrere Jahre erstrecken kann2 , wird nicht erörtert. Sie hängt von der Bedeutung der einzelnen - zum Teil höchst streitigen - Merkmale der fortgesetzten Tat ab 3 , deren Konkretisierung eine Analyse der Fortsetzungstat voraussetzt, die hier nicht geleistet werden kann. Wir werden Vgl. § 315 c I Nr. 1 a; §§ 142,316,52; §§ 315 c I Nr. 1 a, 230, 52; 53. Vgl. die Nachw. zu All 4. ! Vgl. etwa BGH, MDR 1979, 636, wo nach dem Sachverhalt ein Sexualdelikt mehrere Jahre dauerte. 3 Vgl. dazu A 11 4. 35

1

208 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten daher nur untersuchen, wie sich die Begehung idealkonkurrierender Gesetzesverletzungen auf die Konstitution der fortgesetzten Tat auswirkt. Die h. M. bildet zunächst die fortgesetzte Tat, indem sie für die einschlägigen tatbestandserfüllenden Akte die Gleichartigkeit der Begehungsweise und das Bestehen eines einheitlichen Vorsatzes prüft'. Dann erst wird gefragt, welche Einzelhandlungen der Fortsetzungstat ein anderes Strafgesetz verletzen. Dieses Verfahren führt zur Annahme von Idealkonkurrenz bei Deckung einzelner Handlungsvollzüge und zu einer Klammerwirkung der Fortsetzungstat, wenn diese mit mehreren "äußeren" Delikten zusammentrifft. Dadurch können monströse Handlungskomplexe entstehen, weil die fortgesetzte Tat bei entsprechender Dauer unter Umständen zeitlich weit auseinanderliegende andere Gesetzesverletzungen zur Tateinheit verknüpfen kann. Oben wurde angedeutet, daß ein Einzelakt, der zugleich ein schwereres Strafgesetz verletzt, wegen fehlender Gleichartigkeit aus dem Handlungszusammenhang ausscheiden könnte 5 • Die h. M. bezieht aber - ähnlich wie sonst bei der iterativen Tatbestandsverwirklichung - die Merkmale der Fortsetzungstat nicht auch auf idealkonkurrierende Delikte, sondern beurteilt das Tatgeschehen ausschließlich aus dem Blickwinkel der fortgesetzten Gesetzesverletzung6• Deshalb ist sie daran gehindert, die Schwere handlungsidentischer Tatbestandserfüllungen bei der Konstitution der Fortsetzungstat zu berücksichtigen. Dazu besteht aber kein sachlich zwingender Grund. Wir haben oben gesehen, daß schon die Bildung tatbestandlicher Handlungseinheiten von der Schwere idealkonkurrierender Delikte abhängt. Deshalb wurden aus den Bewertungseinheiten der §§ 129, 129 a, 316 sowie des § 24 a StVG Akte ausgegliedert, die gegen ein mindestens gleich schweres Strafgesetz verstoßen7 • Dadurch konnten wir die Möglichkeit einer Verklammerung schwererer äußerer Delikte zu umfassenden Handlungskomplexen weitgehend ausschließen. Dieses Verfahren ist auf die Fortsetzungstat ohne Schwierigkeiten generell übertragbar. Der Zusammenhang der einzelnen Akte ist hier nach allgemeiner Auffassung lockerer als bei tatbestandlichen Bewertungseinheiten. Teilweise wird die Fortsetzungstat sogar ausschließlich aus prozessualen, nicht materiellen Zwecken hergeleitet8 • Danach könnten wir uns bei der Bildung der Handlungseinheiten ohne weiteres an kriminalpolitischen Bedürfnissen orientieren. Doch selbst wenn wir anerkennen, daß die Fortsetzungstat auch auf Unrechts4

5 8 7 8

Vgl. dazu A 11 4. Vgl. dazu A V 2 b). Vgl. dazu und CI 2 a) aa). Vgl. dazu C I und 11. Vgl. oben A 11 4.

IH. Die Fortsetzungstat

209

und Schuldgedanken fußt 9 , sind wir nicht gehindert, sie in mindestens gleichem Umfang wie tatbestandliche Handlungseinheiten aufzuspalten: Einzelakte des fortgesetzten Delikts, die ein gleich schweres oder schwereres idealkonkurrierendes Strafgesetz verletzen, werden in ihrem Unrechts- und Schuldgehalt von diesem geprägt und unterschieden sich dadurch von den anderen Teilen der Tat. Diese fehlende Gleichwertigkeit im Verhältnis zu anderen Einzelakten erfordert wie bei den analysierten tatbestandlichen Handlungseinheiten eine gesonderte rechtliche Erfassung solcher Vorgänge. Das bedeutet, daß auch bei Fortsetzungstaten das oben entwickelte Schwerekriterium gilt. Daher ist die Gleichartigkeit der Akte einer Fortsetzungstat - abweichend von der bisherigen Begriffsbestimmung der h. M. - auch als rechtliche Gleichwertigkeit zu verstehen, die sich auf alle Unrechtseigenschaften des zu beurteilenden Einzelvorgangs bezieht, also nicht nur auf den fortgesetzt verwirklichten Tatbestand, sondern auch auf idealkonkurrierende Delikte 10 • Stellt man den prozeßökonomischen Zweck der Fortsetzungstat in den Vordergrund und verneint materielle Wurzeln, ist selbst eine weitergehende Auflösung denkbar. Es bedeutet dann nämlich keinen Verstoß gegen das Schuldprinzip, alle Einzelakte gesondert mit Strafe zu belegen und nach § 53 eine Gesamtstrafe zu bilden. Von diesem Ausgangspunkt wäre es zulässig, alle Handlungen, die überhaupt ein weiteres Strafgesetz verletzen, selbständig zu bewerten. Dem Täter würde dadurch kein Nachteil entstehen - selbst wenn ein leichteres Delikt im Einzelfall eine "quantite negligeable"l1 bedeutete - , weil materiellrechtlich sogar eine selbständige Erfassung aller Akte erlaubt wäre. Damit ließe sich der Umfang von Fortsetzungstaten zusätzlich einschränken und eine ungerechte Begünstigung des Täters ausschließen. Die Problematik einer rein prozeßrechtlichen Auffassung der Fortsetzungstat zeigt sich jedoch daran, daß bei der Konkretisierung ihrer einzelnen Merkmale Unrechts- und Schulderwägungen eine Rolle spielen. So ist nach h. M. ein Fortsetzungszusammenhang bei Angriffen auf höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Träger abzulehnen12 , obwohl mit der Bildung von Einzelstrafen auch hier eine erhebliche Erschwerung der richterlichen Arbeit verbunden sein kann. Ferner werden an das Vorliegen eines Gesamtvorsatzes unterschiedliche Anforderungen gestellt, die beispielsweise bei Sexualdelikten, 8 Das dürfte gemeint sein, wenn bei Schänke / Schröder / Sfree, Vor § 52 Rdn. 31 die Fortsetzungstat auch als natürliche Handlungseinheit bezeichnet wird. 10 Vgl. Puppe, S. 210 und ferner die Ansätze in BGHSt. 3, 165 ff. sowie bei Wahle, GA 1968, 108 f. Dazu näher A V 2 b). 11 Vgl. dazu oben eIl und § 154 aStPO. 11 Zum Streitstand Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 55.

14 Werle

210 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten strenger sind als bei Vermögensstraftaten13 • Diese Auffassungen sind ohne weiteres erklärbar, wenn - ähnlich wie bei der sog. natürlichen Handlungseinheit - die Merkmale der fortgesetzten Tat nicht für alle Delikte gleich, sondern tatbestandsabhängig und daher in unterschiedlicher Weise zu konkretisieren sind. Wir können zu diesen Fragen hier jedoch nicht abschließend Stellung nehmen, da sie eine eingehende Analyse der Fortsetzungstat insgesamt voraussetzen. Als Ergebnis kann aber fest gehalten werden, daß mindestens diejenigen Einzelakte, die gleich schwere oder schwerere Strafgesetze verletzen, rechtlich selbständig zu bewerten sind. Die praktischen Konsequenzen dieses Ansatzes seien abschließend an einigen von der Rechtsprechung entschiedenen Sachverhalten erprobt. In BGHSt. 3,165 14 traf ein fortgesetztes Vergehen gegen das UnedMGdieses sei im folgenden C genannt - mit einem gleich schweren Vergehen (A) und dem schwereren Delikt der Hehlerei (B) zusammen. Der BGH hat entklammert, d. h. die beiden äußeren Delikte A und B als selbständig behandelt und Idealkonkurrenz mit der "durchlaufenden" Fortsetzungstat angenommen. Auf der Grundlage des hier entwickelten Ansatzes sind beide Vorgänge wegen fehlender Gleichwertigkeit mit den übrigen Akten der fortgesetzten Tat nicht in den Fortsetzungszusammenhang einzubeziehen, sondern rechtlich selbständig zu bewerten. Danach ist der Täter wegen tatmehrheitlich begangener Taten C, welche die mit den Ausführungshandlungen von A und B identischen Einzelakte von C - diese seien mit Nr. 2 und Nr. 5 bezeichnet - nicht einschließt, sowie A in Idealkonkurrenz mit C Nr. 2 und B in Idealkonkurrenz mit C Nr. 5 zu bestrafen. - Wäre im Beispielsfall das Delikt A leichter gewesen als C, hätte das den BGH an einer Entklammerung gehindert. Von unserem Standpunkt ist bei einer solchen Sachlage lediglich der Akt C Nr. 2 Teil der Fortsetzungstat - mit der Folge von Idealkonkurrenz zwischen A und der gesamten Fortsetzungstat -, während die Selbständigkeit von Delikt B unberührt bleibt. Bei der "Überkreuzung" zweier oder mehrerer Fortsetzungstaten in einem Teilakt 15 ist zu differenzieren: Trifft wie in BGHSt. 18, 26 eine leichtere Fortsetzungstat C mit zwei untereinander selbständigen fortgesetzten Delikten A und B in verschiedenen Teilakten - C Nr. 2 und C Nr. 5 - zusammen, sind diese Handlungen aus dem Delikt C zu lösen und nur bei den Taten A und B zu berücksichtigen, die dann mit C Nr. 2 bzw. CNr. 5 in Idealkonkurrenz stehen. Überschneiden sich 13 14

15

Vgl. BGH, MDR 1978,804. Vgl. dazu oben A V 2 b) und c). Dazu A V 2 d).

IV. Die Verallgemeinerung der Zergliederungsmethode

211

gleich schwere Fortsetzungstaten A und C in einem Teilakt, so ist dieser rechtlich selbständig zu würdigen, also etwa Realkonkurrenz zwischen A, C und C Nr. 2 in Idealkonkurrenz mit A Nr. 5 anzunehmen. Das gleiche gilt, wenn sich drei oder mehr gleich schwere Fortsetzungstaten in demselben Teilakt decken. Ist das verbindende Glied im Verhältnis zu den übrigen Teilen der Fortsetzungstaten leichter, ist eine solche Lösung auf der Grundlage des entwickelten Schwerekriteriums nicht möglich. Einzelakte, die leichtere idealkonkurrierende Gesetze verletzen, verbleiben in der Bewertungseinheit. Wenn also wie in BGH NJW 1963, 52 die Ausführungshandlungen zweier fortgesetzter Sexualverbrechen in einem Vergehensabschnitt identisch sind, haben wir nur die Möglichkeit, Idealkonkurrenz zwischen beiden fortgesetzten Taten anzunehmen. Diese Konsequenz ist nur zu vermeiden, wenn man eine Auflösung der Fortsetzungstat schon für den Fall bejaht, daß Einzelakte überhaupt ein idealkonkurrierendes Strafgesetz verletzen. Eine abschließende Klärung dieser Frage war hier jedoch nicht möglich. Konkurrenzprobleme sind also auch bei der Fortsetzungstat regelmäßig schon durch eine sachgerechte Bildung der Handlungszusammenfassungen zu lösen. Die Ausgliederung von Einzelakten, die ein mindestens gleich schweres idealkonkurrierendes Strafgesetz verletzen, vermeidet die kriminalpolitisch bedenkliche Entstehung umfangreicher Handlungskomplexe und namentlich die Verbindung schwererer selbständiger Delikte zur Tateinheit. - Der hier vertretene Standpunkt wird in Rechtsprechung und Literatur verschiedentlich angedeutet1 6 und kann daher als Fortentwicklung dieser Tendenzen verstanden werden. In den Ergebnissen folgen Abweichungen gegenüber der h. M. daraus, daß mit der Auflösung des Fortsetzungszusammenhangs jede Doppelberücksichtigung strafbarer Handlungen und damit ein Verstoß gegen das Schuldprinzip vermieden werden und die zusätzliche Begehung leichterer äußerer Taten für die rechtliche Selbständigkeit anderer Akte ohne Bedeutung ist. Lediglich beim Zusammentreffen von Fortsetzungstaten untereinander konnte nicht ausgeschlossen werden, daß ein leichterer Teilakt zwei im übrigen schwerere Fortsetzungstaten zur Tateinheit verknüpft.

IV. Die Verallgemeinerung der Zergliederungsmethode In die Fortsetzungstat sind Einzelakte, die ein mindestens gleich schweres idealkonkurrierendes Strafgesetz verletzen, nicht einzubeziehen. Das gleiche gilt grundsätzlich auch für tatbestandliche Handlungseinheiten, wie sich am Beispiel der §§ 129, 129 a und 316 sowie des 16

14'

Vgl. die Nachw. in Fn. 10.

212

C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten

§ 24 a StVG gezeigt hat. Die Besonderheiten der einzelnen Tatbestände können aber zu Abweichungen von diesem Ausgangsprinzip führen, wie bei der Analyse der §§ 129, 129 a und 316 deutlich wurde. Im folgenden wollen wir die Konsequenzen unseres Ansatzes für einige weitere Tatbestände und Tatbestandsgruppen demonstrieren.

Alle Delikte mit Sammelbegriffen und Dauerdelikte 1 sind durch die begrifflich mehrfache Tatbestandserfüllung gekennzeichnet. Deshalb ist hier zur Bildung der Handlungszusammenfassungen immer die Frage nach der Gleichwertigkeit der einzelnen Akte zu stellen. Die Ausgliederung von Handlungen, die ein gleich schweres oder schwereres idealkonkurrierendes Strafgesetz verletzen, ist dabei regelmäßig notwendig. Das gilt etwa, wenn ein über längere Zeit tätiger Agent u. a. einen Diebstahl und Urkundenfälschungen begeht. Die §§ 98 I Nr. 1 und 99 I Nr. 1 verbinden zwar eine Vielzahl von Einzelakten für den Nachrichten- oder Geheimdienst einer fremden Macht zu einer strafbaren Handlung im Rechtssinne2 , doch kann diese Bewertungseinheit Vorgänge nicht einschließen, deren Unrecht durch einen mindestens gleich schweren anderen Tatbestand mitgeprägt wird. Diebstahl und Urkundenfälschung stehen also mit den §§ 98 oder 99 in Idealkonkurrenz, sind aber im Verhältnis zu den übrigen tatbestandsmäßigen Tätigkeiten selbständig. Der Täter ist deshalb in unserem Beispiel wegen realkonkurrierender Taten nach den §§ 242, 98 oder 99, 52, §§ 267, 98 oder 99, 52 und §§ 98 oder 99 zu bestrafen. Eine Ausgliederung "qualifizierter" Einzelhandlungen ist auch bei den Organisationsdelikten nach §§ 84, 85 angezeigt, welche u. a. die Aufrechterhaltung der Organisation verbotener Parteien oder Vereinigungen durch Rädelsführer und Hintermänner und die mitgliedschaftliche Betätigung für solche Zusammenschlüsse bestrafen. Diese Merkmale bilden wie bei den §§ 129 und 129 a aus verschiedenen tatbestandsmäßigen Aktivitäten eine Bewertungseinheit3 , die sich aber auch hier nur auf gleichwertige Akte erstreckt. Daher sind Einzelhandlungen, die ein mindestens gleich schweres idealkonkurrierendes Strafgesetz verletzen, rechtlich selbständig. Die Besonderheit der §§ 129 und 129 a, daß strafbare Zwecke verfolgt werden, entfällt bei den §§ 84 und 85, so daß hier das Prinzip der Wertgleichheit uneingeschränkt gilt. Für die Praxis wichtig sind die Nrn. 1 und 6 ades § 11 I BTM, wonach das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln strafbar ist. Dieser Oberbegriff umfaßt jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit und daher den Erwerb, das Anbieten und die 1 2

3

Dazu oben A II 3 c) und e). Vgl. z. B. Vogler, LK, Vor § 52 Rdn. 31; Lackner, § 98 Anm. 6. Vgl. dazu oben CI 2 a) aa).

IV. Die Verallgemeinerung der Zergliederungsmethode

213

Ver äußerung ebenso wie den Besitz als Folge des Erwerbs und Vorstufe der Veräußerung 4 • Die erste und sechste Tatalternative des § 11 I BTM bilden daher aus einer Vielzahl von Einzelakten eine rechtliche Bewertungseinheit, die häufig mit idealkonkurrierenden Straftaten zusammentrifft, etwa wenn sich der Täter den Besitz von Stoffen durch Diebstahl oder Betrug verschafft5. Da die §§ 242 und 263 eine höhere Strafe vorsehen als das Betäubungsmittelgesetz8 , sind solche Vorgänge im Verhältnis zu sonstigen Formen des Handeltreibens nicht gleichwertig und daher als selbständige Taten zu bewerten. Eine Verklammerung schwererer oder gleich schwerer äußerer Delikte durch das Handeltreiben ist also ausgeschlossen. Eine Zergliederung von Dauerbetätigungsdelikten im Straßenverkehr ist in weitem Umfang möglich. § 21 I StVG bestraft das Fahren ohne Führerschein und verbindet wie die §§ 24 a StVG und 316 prinzipiell die gesamte Fahrt zu einer Bewertungseinheit. Mit handlungsidentischen Gesetzesverletzungen, z. B. Verkehrsordnungswidrigkeiten, fahrlässiger Tötung oder Körperverletzung, besteht Idealkonkurrenz. Wie bei Trunkenheitsfahrten entfällt der sachliche Grund für die Bildung einer Handlungszusammenfassung, wenn das Unrecht einzelner Abschnitte der Fahrt durch idealkonkurrierende Delikte (mit-)geprägt wird. Wegen fehlender Gleichwertigkeit sind daher auch hier diejenigen Handlungen rechtlich selbständig zu bestrafen, die ein mindestens gleich schweres Gesetz verletzen. In gleicher Weise kann man etwa auch die unerlaubte Entfernung vom Unfall ort oder Ordnungswidrigkeiten wie das Fahren mit einem fahruntüchtigen Fahrzeug7 zergliedern, wenn sie mit gleich schweren oder schwereren idealkonkurrierenden Delikten zusammentreffen. Gerade bei den in der Praxis besonders häufigen Verkehrsstraftaten läßt sich also mit der hier entwickelten Methode das Problem der Klammerwirkung weitgehend ausräumen. Die Auflösungsmethode ist grundsätzlich auch anwendbar, wenn nicht schon der Wortlaut, sondern erst die Auslegung einer Vorschrift zur Annahme einer Handlungseinheit führt, beispielsweise beim Diebstahl oder der Zerstörung mehrerer Sachen. Akte, deren Unwertgehalt durch ein anderes, mindestens ebenso schweres idealkonkurrierendes Delikt mitbestimmt wird, sind rechtlich selbständig zu behandeln. Derartige Sachverhalte sind aber in der richterlichen Praxis bislang noch nicht ins Blickfeld getreten, so daß auf die Darstellung näherer Einzelheiten verzichtet werden kann. Vgl. Pelchen in: Erbs / Kohlhaas, BTM, § 11 Arun. 6. Vgl. BGH 3 StR 329/76 Urt. v. 20. 10. 1976; BGH 1 StR 588/74, Beschl. v. 25. 1. 1975; Pelchen in: Erbs / Kohlhaas, BTM, § 11 Anm. 33 a. e Fünf gegenüber drei Jahren Höchststrafe. 7 Vgl. §§ 30, 69 a III Nr. 1 StVZO, 24 StVG. 4

5

214 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten Eine Zerlegung ist jedoch ausgeschlossen, wenn mehrere tatbestandsrelevante Akte durch denselben deliktischen Erfolg zu einer Bewertungseinheit verbunden werden, d. h. wenn der Vollendungstatbestand trotz Vorliegens mehrerer Handlungen begrifflich nur einmal erfüllt ist. Das trifft häufig bei zusammengesetzten oder mehraktigen Delikten 8 zu. Wird beispielsweise beim Raub dieselbe Wegnahme mittels zweier Morde begangen, ist eine Zergliederung des Vorgangs in zwei Raubtaten unmöglich, weil sonst der Unrechtserfolg der Eigentumsund Gewahrsamsverletzung doppelt berücksichtigt werden müßte. Die entsprechende Konsequenz ergibt sich bei einer Entführung wider Willen, wenn der Täter eine Frau in eine hilflose Lage verbringt, indem er ohne Fahrerlaubnis einen Wagen führt 9 und anschließend die Situation zu einer Vergewaltigung10 ausnutzt: § 237 bildet aus den beiden Vorgängen eine Bewertungseinheit, die man nicht aufspalten kann, weil sonst der tatbestandsmäßige Erfolg entfiele. - Werden die Tatbestände zusammengesetzter oder mehraktiger Delikte wiederholt erfüllt, ist selbstverständlich eine Zerlegung möglich. So ist im Raubmordfall eine Aufgliederung in zwei selbständige Raubtaten sachgerecht, wenn jede Tötung der Wegnahme einer anderen Sache diente: Da die Wegnahmehandlunge~ jeweils mittels einer schwereren Straftat begangen wurden, die das Unrecht prägt, sind zwei Taten nach § 249 anzunehmen, die jeweils tateinheitlich mit § 211 zusammentreffen. Bei der sukzessiven Tatbestandsverwirklichung können die einzelnen Schritte, mit denen sich der Täter dem Erfolg nähert, ebenfalls nicht als selbständige Taten angesehen werden, selbst wenn sie ein schwereres idealkonkurrierendes Gesetz verletzen. Die Versuchhandlungen gehen im vollendeten Delikt auf, so daß ihre Ausgliederung zu einer unzulässigen Doppelberücksichtigung des erfüllten Tatbestands führen müßte.

v. Zusammenfassung und absChließende Bewertung des Problems der Klammerwirkung

Als Ergebnis unserer überlegungen zur Bildung von Unrechts einheiten ist festzuhalten: Fortsetzungstaten und zeitlich gestreckte Delikte, die aus wiederholten Gesetzesverletzungen eine Bewertungseinheit bilden, schließen grundsätzlich diejenigen tatbestandsmäßigen Akte nicht ein, die gegen ein mindestens gleich schweres idealkonkurrierendes Strafgesetz verstoßen. Derartige Handlungen sind rechtlich selbständig zu erfassen. Der Umfang von Fortsetzungstaten und tatVgl. dazu oben A 11 3 a) b). StVG. 10 § 177 I. Vgl. dazu oben A V 2 cl.

8

v § 21 I

V. Zusammenfassung/Bewertung des Problems der Klammerwirkung

215

bestand lichen Bewertungseinheiten wird dadurch eingeschränkt und die Entstehung weitreichender Handlungskomplexe vermieden. So führt etwa die überschneidung zweier Fortsetzungstaten oder Dauerdelikte in nur einem Teilakt regelmäßig nicht zu einer Verschmelzung beider Handlungszusammenfassungen. Praktisch bedeutsamer ist die weitere Konsequenz, daß eine Verklammerung schwererer oder gleich schwerer "äußerer" Delikte in den meisten Fallgruppen ausgeschlossen ist, die bisher problematisch waren. Das gilt insbesondere für Dauerbetätigungsdelikte im Straßenverkehr, Fortsetzungstaten und die §§ 129 und 129 a. Soweit die Zergliederungsmethode zu einer Auflösung rechtlicher Bewertungseinheiten führt, deckt sie sich im Ergebnis mit der h. M. in einem wesentlichen Punkt: Es ist ausgeschlossen, daß schwerere selbständige Taten durch ein leichteres drittes Delikt verklammert werden. Die hier vorgeschlagene Lösung ist aber in sich widerspruchsfrei und im Gegensatz zu dem insgesamt fragwürdigen System der Verund Entklammerung aus dem Zweck der Konkurrenzregeln ableitbar. Die Konstellation, daß mehrere untereinander selbständige Gesetzesverletzungen mit demselben Delikt zusammentreffen, kann sich nicht ergeben, soweit die Zerlegungsmethode anwendbar ist. Dadurch entsteht auch nicht das für die h. M. bei der Entklammerung unvermeidliche Dilemma, einzelne Vorgänge oder gar die gesamte verbindende Tat - im Widerspruch zum Schuldprinzip - bei der Strafzumessung doppelt zu berücksichtigen. Die Abweichungen von der h. M. sind aber nicht auf den dogmatischen Begründungszusammenhang beschränkt. Die Zergliederungsmethode führt in mehrfacher Hinsicht zu einer weitergehenden Begrenzung rechtlicher Handlungseinheiten. Einmal ist sie auch dann verbindlich, wenn eine Fortsetzungstat oder tatbestandliche Bewertungseinheit mit nur einem "äußeren" Delikt zusammentrifft. Sodann genügt es für eine Zerlegung, daß das idealkonkurrierende Delikt einen gleichen Schweregrad hat. Schließlich spielt es keine Rolle, ob der Täter neben schwereren "äußeren" Delikten auch noch leichtere begangen hat. Dieser zufällige Umstand, der die h. M. an einer Entklammerung hindert, ist nach der hier entwickelten Lösung für die rechtliche Selbständigkeit der schwereren Taten bedeutungslos. Die leichteren Delikte bilden zusammen mit den anderen Beteiligungsakten einen einheitlichen Handlungskomplex, berühren die Bewertung des übrigen Geschehens aber nicht. Die Grenzen der Zerlegungsmethode ergeben sich aus den Tatbeständen. selbst. Die Tatbestandsanalyse kann im Einzelfall zu Abweichungen vom Ausgangsprinzip führen, wie sich bei der Auslegung der §§ 129 und 129 a sowie der §§ 315 c und 316 gezeigt hat.

216 C. Die Unrechtseinheiten bei einzelnen zeitlich gestreckten Delikten Mit Hilfe der Zerlegungsmethode können die Konkurrenzfragen bei wiederholender Tatbestandsverwirklichung widerspruchsfrei gelöst werden. Das gilt insbesondere für die Masse der Sachverhalte, die bisher unter dem Gesichtspunkt der Klammerwirkung problematisch waren 1 . Allerdings läßt sich die Möglichkeit einer Verklammerung schwererer Straftaten nicht ausräumen, wenn sie mit verschiedenen Teilakten desselben Erjolgsdelikts zusammentreffen 2 • Diese Fallgruppe ist jedoch überschaubar und hat die höchstrichterliche Rechtsprechung bisher nur beschäftigt, wenn ein mehraktiges oder zusammengesetztes Delikt in verschiedenen Ausführungsstadien mit anderen Straftaten zusammentraf3. Zudem entstehen - anders als bei Dauerdelikten, Fortsetzungstaten oder sonst bei wiederholenden Tatbestandsverwirklichungen - typischerweise keine monströsen Handlungskomplexe. Die mit einer Verklammerung der schwereren Delikte verbundene Privilegierung des Täters hält sich daher in einem vergleichsweise engen Rahmen und stößt nicht auf durchgreifende kriminalpolitische Bedenken. Deshalb ist bei der erforderlichen Interessenabwägung 4 zwischen den Vor- und Nachteilen der Ver- und Entklammerung dem Schutz des Täters vor schuldübersteigender Bestrafung der Vorrang zu geben und eine Verklammerung schwererer Taten durch ein zeitlich gestrecktes Erfolgsdelikt hinzunehmen. Damit kann das komplizierte System der Ver- und Entklammerung insgesamt aufgegeben werden: Soweit einzelne Akte einer Handlungszusammenfassung gegen idealkonkurrierende Strafgesetze verstoßen, ist Tateinheit zwischen allen Delikten anzunehmen. VI. Prozessualer AusblicZ Die Auswirkungen der vorgeschlagenen Lösungen für den Strafklageverbrauch können und sollen hier nicht näher erörtert werden. Diese Aufgabe muß einer speziellen prozeßrechtlichen Untersuchung vorbehalten bleiben. Die mutmaßliche Richtung der prozessualen Konsequenzen ist aber auf der Grundlage der im Prozeßrecht h. M. klar vorgezeichnet: Mit der Zergliederung der Fortsetzungstat und tatbestandlicher Handlungseinheiten eröffnet sich ein Weg, die Tragweite der Rechtskraftwirkungen zu begrenzen. Allerdings ist eine übertragung der hier entwickelten Ergebnisse auf den prozessualen Tatbegriff 1 Soweit bei Trunkenheitsfahrten das Problem der Klammerwirkung für eine Sonderkonstellation erhalten bleibt, ist die "Verklammerung" zwingend, vgl. oben C II 2 b) aal. 2 Vgl. soeben C IV. 3 Vgl. BGHSt. 2, 246; 18, 26; BGH, VRS 21, 113, 118 und MDR 1973, 556. 4 Dazu oben B III 3.

VI. Prozessualer Ausblick

217

nicht zwingend, da auch bei Realkonkurrenz eine Tat i. S. der StPO vorliegen kann. Soweit Fortsetzungstaten zerlegt werden, ist die entsprechende Einschränkung des prozessualen Tatbegriffs naheliegend, da die Einzelakte ohnehin historisch selbständige Vorgänge sind 1 • Das gleiche dürfte für Delikte gelten, die aus zeitlich und räumlich selbständigen Geschehnissen eine Bewertungseinheit bilden. Mit der Auflösung der materiellrechtlichen Handlungseinheit wird auch hier kein "einheitlicher Lebensvorgang" zerrissen, da die einzelnen Taten äußerlich voneinander unabhängig sind. Schwierigkeiten bei der Übernahme des materiellrechtlichen Handlungsbegriffs sind jedoch bei der Aufspaltung von Dauerdelikten zu erwarten, wenn die realkonkurrierenden Taten zeitlich unmittelbar ineinander übergehen. Hier kommt es darauf an, ob der prozessuale Tatbegriff auch durch eine rechtliche, nicht nur eine tatsächliche oder natürliche Betrachtung zu konkretisieren ist. Falls der Tatumfang auch von normativen Erwägungen abhängt2 , kann die fehlende Gleichwertigkeit des Unrechts zur Annahme einer materiell- wie prozeßrechtlichen Tatmehrheit führen. Die in der Einleitung erwähnten Überlegungen zur Prozeßrechtsreform sind also gegenstandslos, wenn die hier für das materielle Recht entwickelten Gesichtspunkte auf den prozessualen Tatbegriff durchschlagen. Das spricht für den Versuch, Probleme des Strafklageverbrauchs bei zeitlich gestreckten Delikten durch die sachgerechte Bildung der materiellrechtlichen Handlungszusammenfassungen auszuräumen.

1 Vgl. etwa D. und U. Mann, ZStW 75 (1963),251,260. z BGHSt. 23, 141, 146 f. weist in diese Richtung, wenn die Annahme einer prozessual einheitlichen Tat u. a. auf die enge strafrechtliche Verknüpfung der Herbeiführung eines Unfalls und der anschließenden Flucht gestützt wird. Vgl. jetzt auch BGH, NJW 1980, 2718.

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