Die elektive Konkurrenz: Eine systematische Untersuchung der Gläubigerrechte bei Leistungsstörungen im BGB, CISG, in den PECL und im DCFR [1 ed.] 9783428532681, 9783428132683

Durch die Schuldrechtsreform von 2001 ist durch strukturelle Umordnungen des Systems der Leistungsstörungen im BGB ein n

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German Pages 476 Year 2010

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Die elektive Konkurrenz: Eine systematische Untersuchung der Gläubigerrechte bei Leistungsstörungen im BGB, CISG, in den PECL und im DCFR [1 ed.]
 9783428532681, 9783428132683

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 399

Die elektive Konkurrenz Eine systematische Untersuchung der Gläubigerrechte bei Leistungsstörungen im BGB, CISG, in den PECL und im DCFR

Von Thomas Bachmann

a Duncker & Humblot · Berlin

THOMAS BACHMANN

Die elektive Konkurrenz

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 399

Die elektive Konkurrenz Eine systematische Untersuchung der Gläubigerrechte bei Leistungsstörungen im BGB, CISG, in den PECL und im DCFR

Von Thomas Bachmann

a Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-13268-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2009 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena als Dissertation angenommen. Sie entstand während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Jenaer Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung meines Doktorvaters, Prof. Dr. Hannes Unberath, M. Jur (Oxford). Ihm bin ich für die Unterstützung bei der Themensuche, die inhaltlichen Weichenstellungen und die Gewährung von Freiraum für die Bearbeitung zu größtem Dank verpflichtet. Prof. Dr. Christian Fischer danke ich für die vielen ermunternden Gespräche und die Erstellung des Zweitgutachtens. Gewidmet ist die Arbeit meiner Ehefrau Babette, die mein steter Rückhalt in allen Phasen der Promotion war. Ihr gebührt dafür ein besonderer Dank, ebenso für die sorgfältige Durchsicht der Arbeit. Meiner Schwester Franziska bin ich für die Korrektur des Textes in gleichem Maße verbunden. Für die Unterstützung meiner Ausbildung und dieser Promotion schulde ich zudem meinen Eltern großen Dank. An die Zeit am Lehrstuhl in Jena werde ich mich sehr gerne erinnern. Mit Antje und Norman Fricke verbinde ich dabei ein enges freundschaftliches Verhältnis und einen sehr fruchtbaren Gedankenaustausch. Vergessen möchte ich auch nicht Regina Franzl und die übrigen Lehrstuhlmitarbeiter, deren unzählige Hilfsdienste zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. Ihnen allen möchte ich ebenfalls herzlich danken. Nürnberg, im Oktober 2009

Thomas Bachmann

Inhaltsübersicht Einleitung

27

A. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

B. Ziele der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

C. Gang der Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

Kapitel 1 Die elektive Konkurrenz im historischen Kontext

34

A. Die Entwicklung der elektiven Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

B. Parallele: Die historische Entwicklung der Wahlschuld und der Ersetzungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

C. Fazit zu Kapitel 1: Die elektive Konkurrenz im historischen Kontext . . . . . .

79

Kapitel 2 Die Gläubigerwahlrechte im Schuldverhältnis

80

A. Die Struktur des Schuldverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

B. Die Rechte des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

C. Der Inhalt des Forderungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

D. Die Gläubigerwahlrechtsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

E. Fazit zu Kapitel 2: Die Gläubigerwahlrechte im Schuldverhältnis. . . . . . . . . . 102 Kapitel 3 Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

104

A. Die Vielfalt der Handlungsmöglichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 B. Das dyadische System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 C. Nähere Begrenzung der Ausschließlichkeit: Die Alternativität . . . . . . . . . . . . . 127 D. Die Entstehung der Alternativität im System der Gläubigerwahlrechte . . . . . 140 E. Fazit zu Kapitel 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen . . . . . . . 158

8

Inhaltsübersicht Kapitel 4 Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

159

A. Vorüberlegung: Auswahl der Fälle und internationaler Vergleich . . . . . . . . . . . 159 B. Die elektive Konkurrenz gleichrangig primärer Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . 164 C. Die Konkurrenz der Nacherfüllungsvarianten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 D. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Schadensersatzanspruch statt der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 E. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . 215 F. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Gestaltungsrechten (Anfechtung, Kündigung, Minderung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 G. Das Verhältnis zwischen den Gestaltungsrechten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 H. Das Verhältnis zwischen den Schadensersatzansprüchen gemäß §§ 280 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 I.

Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht . . . . . . . 255

J. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Minderungsrecht . . . . . 294 K. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Aufwendungsersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 L. Das Verhältnis zwischen Aufwendungsersatzanspruch und Rücktrittsrecht. . . 315 M. Das stellvertretende commodum nach § 285 BGB im System der Gläubigerrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 N. Fazit zu Kapitel 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Kapitel 5 Das Wahlrecht und die Lösung der elektiven Konkurrenz

341

A. Das Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 B. Der Zweck des Wahlrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 C. Die Grenzen des Wahlrechts und das ius variandi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 D. Fazit zu Kapitel 5: Das Wahlrecht und die Lösung der elektiven Konkurrenz 448 Zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472

Inhaltsverzeichnis Einleitung

27

A. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

B. Ziele der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

C. Gang der Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

Kapitel 1 Die elektive Konkurrenz im historischen Kontext A. Die Entwicklung der elektiven Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die actio im römischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Klagenkonkurrenz im gemeinen Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Traditionelle gemeinrechtliche Klagenkonkurrenzen. . . . . . . . . . . . . . . 2. Die elektive oder „vollständige“ Konkurrenz der Klagen nach Savigny. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Begriff der Konkurrenz nach Savigny . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Begriff des Klagrechts nach Savigny . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Entwicklung des Anspruchs nach Windscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Überwindung der prozessrechtlichen elektiven Konkurrenz . . . . IV. Die elektive Konkurrenz und die Anspruchskonkurrenzen . . . . . . . . . . . . 1. Die Anspruchshäufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Gesetzeskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Anspruchskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die echte Anspruchskonkurrenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Anspruchsnormenkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Merkmal der Anspruchskonkurrenz: Die Erfüllungsgemeinschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Merkmal der elektiven Konkurrenz: Die Geltendmachung. . e) Die Abgrenzungsprobleme am Beispiel des Bürgenrückgriffs . . . aa) Beispiel: Der Bürgenrückgriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Selbständigkeit der Rückgriffsansprüche . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Erfüllungsgemeinschaft der Rückgriffsansprüche . . . . . . dd) Fazit: Der Bürgenrückgriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 34 34 35 35 37 37 38 39 39 40 41 42 42 43 43 44 45 46 47 47 48 49 50

10

Inhaltsverzeichnis 4. Die elektive Konkurrenz heute: Überleben aktionenrechtlichen Denkens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das Gestaltungsrecht in der elektiven Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Gestaltungsrecht nach Seckel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einordnung in das moderne Verständnis der elektiven Konkurrenz . . VI. Fazit: Die historische Entwicklung der elektiven Konkurrenz . . . . . . . . .

B. Parallele: Die historische Entwicklung der Wahlschuld und der Ersetzungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die obligatio alternativa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Pendenztheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Bestimmbarkeit der Schuld: Parallele zur Ersetzungsbefugnis . . . . . 1. Die unbestimmte, aber bestimmbare Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die bestimmte Schuld mit Ersetzungsbefugnis des Schuldners. . . . . . 3. Die bestimmte Schuld mit Ersetzungsbefugnis des Gläubigers . . . . . . IV. Die Kodifikation der Wahlschuld in den §§ 262 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . V. Die praktische „Wertlosigkeit“ der Wahlschuldregeln. . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Problem: Die Zweifelsregel der Schuldnerwahl nach § 262 BGB . . . 2. Problem: Die Rückwirkung der Wahl nach § 263 Abs. 2 BGB . . . . . VI. Die „Flucht“ in die Ersetzungsbefugnis und die elektive Konkurrenz . . 1. Beispiele: § 179 Abs. 1 BGB und § 340 Abs. 1 BGB – von der Wahlschuld zur elektiven Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beispiele: § 81 BEG und § 843 Abs. 3 BGB – von der Wahlschuld zur Ersetzungsbefugnis des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beispiel des neuen Schuldrechts: § 439 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . VII. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fazit zu Kapitel 1: Die elektive Konkurrenz im historischen Kontext. . . . . . .

51 53 53 55 56 57 57 59 62 62 64 65 67 68 69 70 71 72 75 76 77 79

Kapitel 2 Die Gläubigerwahlrechte im Schuldverhältnis

80

A. Die Struktur des Schuldverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Strukturelemente im Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80 80 81

B. Die I. II. III.

Rechte des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Forderungsrecht – der Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trennung von Primäranspruch und Sekundäranspruch . . . . . . . . . . . . . . . . Das Gestaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82 82 83 85

C. Der I. II. III.

Inhalt des Forderungsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synonyme des Forderungsrechts: Schuld, Forderung, Obligation . . . . . . Die Leistung – das Leistungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Leistungsmodalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86 86 87 87

Inhaltsverzeichnis

11

D. Die Gläubigerwahlrechtsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 I. Die Optionen des Gläubigers: Recht und Tun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 II. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1. Optionale Leistungsgebote: „Tun 1 oder Tun 2“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 2. Optionale Rechte: „Recht 1 oder Recht 2“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3. Problem: „Tun oder Recht“?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 III. Einordnung der drei Typen von Gläubigerwahlrechten . . . . . . . . . . . . . . . 94 1. Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 a) Der Gehalt der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht . . . . . . . . . . . 94 b) Das Gläubigerwahlrecht als Gestaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Die gestaffelten Leistungsgebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 b) Das ausfüllende Gestaltungsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3. Die elektive Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a) Beispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Der Begriff der elektiven Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 IV. Fazit: Die Gläubigerwahlrechtsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 E. Fazit zu Kapitel 2: Die Gläubigerwahlrechte im Schuldverhältnis. . . . . . . . . . 102 Kapitel 3 Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

104

A. Die Vielfalt der Handlungsmöglichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das monadische System. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die einfache Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der monadische Wahrheitswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit: Das monadische System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Abgrenzung der Optionenvielfalt zur Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

104 106 106 107 108 109 109

B. Das dyadische System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Wittgensteinsche Wahrheitswertetafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Fälle miteinander verträglicher Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tautologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Disjunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Replikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Präpendenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Implikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Postpendenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Äquivalenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Konjunktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Fälle miteinander nicht verträglicher Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

110 111 113 114 114 115 115 116 116 117 117 118

12

Inhaltsverzeichnis 1. Exklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kontravalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Postnonpendenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Postsektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Pränonpendenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Präsektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rejektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Antilogie (Kontradiktion) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Gläubigerwahlrechtsfälle im dyadischen System . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die elektive Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung zu Fällen kompatibler Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beispiel inkompatibler Rechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit: Die Gläubigerwahlrechtsfälle im dyadischen System. . . . . . . . . V. Fazit: Das monadische und das dyadische System. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

118 118 119 119 119 120 120 121 121 122 123 124 124 125 126 127

C. Nähere Begrenzung der Ausschließlichkeit: Die Alternativität . . . . . . . . . . . . . I. Die Bedeutung der Alternativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Terminologisches Problem: Herkunft und Festlegung als Zweizahl im Sprachgebrauch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Logische Einordnung der Alternativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Begriff „Disjunktive“ bei Savigny und Pescatore. . . . . . . . . . . . . . 2. Alternativität im logischen Sinne: Die drei Bedeutungen des „oder“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mögliche Bedeutungen des „oder“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einordnung der „Disjunktive“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Alternativität von Leistungsgeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Alternativität von Rechten in elektiver Konkurrenz . . . . . . . . . . . . a) Die Konkurrenz zwischen Primäranspruch und Sekundärrecht . . . b) Die Konkurrenz der Sekundärrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit: Die Alternativität von Rechten in elektiver Konkurrenz . . . IV. Fazit: Die Alternativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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132 132 133 134 134 135 136 136 136 139 139

D. Die Entstehung der Alternativität im System der Gläubigerwahlrechte . . . . . . I. Die Enstehung der Alternativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Begründung der Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anknüpfung an das Ereignis 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit: Die Begründung der Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vermehrung der Optionen zur Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anknüpfung an das Ereignis 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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b) Beispiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit: Die Vermehrung der Optionen zur Alternative . . . . . . . . . . . II. Die Vermehrung der Rechte im neuen Leistungsstörungsrecht . . . . . . . . a) Die Unmöglichkeit der Leistung gemäß § 275 BGB . . . . . . . . . . . b) Frühere Rechtslage: Der Wegfall des Primäranspruchs nach § 326 Abs. 1 S. 2 HS 2 BGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Problem: Das Schicksal des Erfüllungsanspruchs gemäß § 439 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Problemaufriss: Das Schicksal des Erfüllungsanspruchs bei Mängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Lösung: Die Modifikation des Erfüllungsanspruchs . . . . . . . . cc) Vergleich: Das Schicksal des Erfüllungsanspruchs im CISG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die zeitliche und qualitative Staffelung der Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Trennung von Staffelung und Alternativität der Rechte . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Staffelung von alternativen und kompatiblen Rechten . . . . . . . . . 2. Beispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die elektive Konkurrenz zwischen nicht gestaffelten Rechten. . . . . . . . . 1. Beispiel: Die Konkurrenz zwischen dem Erfüllungsanspruch und einem Gestaltungsrecht ohne Leistungsstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beispiel: Die Begründung des von Anfang an gestörten Schuldverhältnisses nach § 179 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit: Die Entstehung der Alternativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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E. Fazit zu Kapitel 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen . . . . . . . 158

Kapitel 4 Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

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A. Vorüberlegung: Auswahl der Fälle und internationaler Vergleich. . . . . . . . . . . I. Die systematische Auswahl der Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Vergleich zu CISG, PECL und DCFR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das UN-Kaufrecht (CISG). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts (PECL) . . . . . . . . . 3. Der Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens (DCFR) . . . . . . .

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B. Die elektive Konkurrenz gleichrangig primärer Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verhaltene Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Definition nach Langheineken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Grad der Wirkungslosigkeit eines Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Konkurrenz verhaltener Ansprüche am Beispiel des § 179 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beispiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 2. Die Besonderheiten des Falls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Logische Einordnung der Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vergleich zu PECL und DCFR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit: Die elektive Konkurrenz gleichrangig primärer Ansprüche . . . . . .

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C. Die Konkurrenz der Nacherfüllungsvarianten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Varianten der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . 1. Frühere Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nachlieferung: Der modifizierte Erfüllungsanspruch . . . . . . . . . . . . b) Nachbesserung: Der selbständige Gewährleistungsanspruch . . . . . c) Die Gläubigerwahl: Elektive Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Heutige Regelung: § 439 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auslegung der Nacherfüllungsalternative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzeswortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Interpretation von Art. 3 Richtlinie 1999/44/EG . . . . . . . . . . . bb) Gesetzesbegründung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Frühere Rechtslage und Abschlussbericht der Schuldrechtskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rückgriff auf Art. 46 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis: Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Einschränkung der Käuferposition durch § 263 BGB . . . bb) Die Stärkung der Verkäuferposition durch § 264 Abs. 2 BGB cc) Zwischenergebnis: Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . 4. Lösungsansätze zum teleologischen Widerspruch zwischen § 439 BGB und den Wahlschuldregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mindermeinung: Anwendung der §§ 262 ff. BGB auf § 439 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Richtlinienkonforme Auslegung von § 439 Abs. 1 BGB . . . . . . . . c) Beschränkung des Anwendungsbereichs der §§ 262 ff. BGB . . . . d) Anfechtung der Wahl gemäß § 119 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . e) Keine endgültige Bindungswirkung des Gestaltungsrechts. . . . . . . f) Spezialität des § 439 BGB gegenüber den §§ 262 ff. BGB. . . . . . g) Fazit: Lösungsansätze zum teleologischen Widerspruch zwischen § 439 BGB und den Wahlschuldregeln. . . . . . . . . . . . . . . 5. Folgeproblem: Das Wahlrecht innerhalb der Nacherfüllungsvariante 6. Fazit: Die Varianten der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB. . II. Vergleich zu Art. 46 Abs. 2 und Abs. 3 CISG: Elektive Konkurrenz . . . III. Vergleich zu PECL und DCFR: Alternative Leistungen. . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 9:102 (1) PECL. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. III.-3:302 (2) DCFR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit: Die Konkurrenz der Nacherfüllungsvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis D. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Schadensersatzanspruch statt der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Prämisse: Elektive Konkurrenz getrennter Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ausschließlichkeit von Primäranspruch und Schadensersatz. . . . 2. Trennung der Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Logische Einordnung der Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Verhaltenheit und Erfüllbarkeit der Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rangfolge der Ansprüche vor erfolglosem Fristablauf . . . . . . . . . 2. Verhaltener Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach erfolglosem Fristablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Problem: Verhaltener Primäranspruch nach erfolglosem Fristablauf? a) Problemaufriss und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Lösungsansätze der Gegenmeinung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Aufforderung zur Gläubigerwahl durch den Schuldner bb) Das Angebot der Leistung durch den Schuldner . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Folgeproblem: Das erfolglose Angebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit: Die Verhaltenheit und Erfüllbarkeit der Ansprüche . . . . . . . . . . IV. Vergleich zu CISG, PECL und DCFR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 45 Abs. 1 b), Abs. 2 und Art. 74 ff. CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. 8:102 und Art. 9:501 PECL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Art. III.-3:102 und Art. III.-3:701 ff. DCFR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit: Vergleich zu CISG, PECL und DCFR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit: Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Schadensersatz statt der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . I. Erklärung der Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Gestaltungscharakter des Rücktritts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Konkurrenz zum Primäranspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Logische Einordnung der Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vergleich zu CISG, PECL und DCFR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 49 und Art. 64 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Ausnahmecharakter des Rechts zur Vertragsaufhebung . . . . . b) Die elektive Konkurrenz zum Anspruch auf Erfüllung . . . . . . . . . c) Kein Vorrang der Erfüllung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. 9:301 PECL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Ausnahmecharakter und die Ex-nunc-Wirkung des Rechts zur Vertragsaufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die elektive Konkurrenz zum Anspruch auf Erfüllung . . . . . . . . . 3. Art. III.-3:502 ff. DCFR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Ausnahmecharakter des Rechts zur Vertragsaufhebung . . . . . b) Die elektive Konkurrenz zum Anspruch auf Erfüllung . . . . . . . . . 4. Fazit: Vergleich zu CISG, PECL und DCFR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit: Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Rücktrittsrecht . . .

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200 200 200 201 202 203 203 203 204 204 206 206 207 208 209 210 210 211 213 214 214 215 215 215 215 216 217 217 218 218 218 219 219 219 220 221 221 222 222 223

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F. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Gestaltungsrechten (Anfechtung, Kündigung, Minderung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Verhältnis zwischen Erfüllungsanspruch und Anfechtungsrecht . . . . 1. Die elektive Konkurrenz zum Anspruch auf Erfüllung . . . . . . . . . . . . . 2. Problem: Die Konkurrenz zwischen den Gewährleistungsrechten und der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vergleich zu CISG, PECL und DCFR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Kündigungsrecht. . . . . . . . III. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Minderungsrecht . . . . . . . . 1. Das besondere Gestaltungsrecht im Kauf- und Werkvertragsrecht . . . 2. Die elektive Konkurrenz zum Nacherfüllungsanspruch. . . . . . . . . . . . . 3. Logische Einordnung der Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vergleich zu CISG, PECL und DCFR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Vorrang des Nacherfüllungsrechts des Verkäufers nach Art. 50 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art. 9:401 i. V. m. 8:102 PECL und Art. III.-3:601 i. V. m. III.-3:102 DCFR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit: Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Gestaltungsrechten G. Das Verhältnis zwischen den Gestaltungsrechten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die elektive Konkurrenz von Gestaltungsrechten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Logische Einordnung der Konkurrenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Staffelung der Rechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die schwache Ausschließlichkeit der Gestaltungsrechte . . . . . . . . . . . . III. Vergleich zu CISG, PECL und DCFR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. CISG: Die elektive Konkurrenz zwischen Recht zur Vertragsaufhebung und Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. PECL und DCFR: Die elektive Konkurrenz zwischen den Gestaltungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit: Das Verhältnis zwischen den Gestaltungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . H. Das Verhältnis zwischen den Schadensersatzansprüchen gemäß §§ 280 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Trennung der Schadensersatzansprüche nach dem Interesse des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Unterscheidung zwischen positivem und negativem Interesse. . . 2. Die Einteilung der §§ 280 ff. BGB nach Schaden und Gläubigerinteresse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 281 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schadensersatz neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB . . . . II. Grundsatz: Keine Konkurrenz der Schadensersatzansprüche. . . . . . . . . . . III. Die Wahlrechte des Gläubigers im Rahmen des § 281 BGB . . . . . . . . . .

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I.

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1. Problem: Der Verzögerungsschaden im Anspruch nach § 281 BGB. a) Frühere Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Heutige Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit: Der Verzögerungsschaden im Anspruch nach § 281 BGB bzw. § 286 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Wahlrecht zwischen kleinem und großem Schadensersatz . . . . . a) Die Teilleistung des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Schlechtleistung des Schuldners. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung des Wahlrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Wahlrechte im Rahmen des § 281 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vergleich zu CISG, PECL und DCFR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz: Der allgemeine Schadensersatzanspruch für alle Schäden 2. Das Zusammenspiel zwischen Schadensersatzanspruch und Recht zur Vertragsaufhebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kein großer Schadensersatz ohne Vertragsaufhebung . . . . . . . . . . . b) Die Wahl nach Tätigung eines Deckungsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . V. Fazit: Das Verhältnis zwischen den Schadensersatzansprüchen gemäß §§ 280 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht . . . . . . I. Frühere Rechtslage: Die Alternativität von Rücktritt und Schadensersatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Keine Alternativität der Rechte nach heutigem § 325 BGB. . . . . . . . . . . 1. Trennung von Schadensersatz und Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemein: Systematik, Rechtscharakter und Tatbestand. . . . . . . . aa) Die Aussage des § 325 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die systematische Trennung der Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Charakter der Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Der Zweck der Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Trennung von Rücktrittsrecht und Schadensersatzanspruch neben der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Konkurrenz zwischen Rücktrittsrecht und § 280 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Konkurrenz zwischen Rücktrittsrecht und Verzugsschadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Trennung von Rücktrittsrecht und Schadensersatzanspruch statt der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fazit: Trennung von Schadensersatz und Rücktritt . . . . . . . . . . . . . 2. Problem: Die Wahl des Gläubigers zwischen Surrogations- und Differenzmethode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Frühere Rechtslage: Der Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach Surrogations- und Differenzmethode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertung dieses Wahlrechts nach heutiger Rechtslage . . . . . . . . aa) Logische Einordnung des Wahlrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

248 249 249 250 251 251 252 252 253 253 254 254 255 255 256 257 257 257 257 258 258 259 259 260 260 261 261 262 263 263

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Inhaltsverzeichnis bb) Rechtliche Einordnung des Wahlrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Trennung der Erklärungen des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Logische Einordnung des Verhältnisses zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die vier logischen Handlungsvarianten: Tautologie. . . . . . . . . . . . . b) Die Unterscheidung zwischen Schadensersatz statt der Leistung und Schadensersatz neben der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beispiel eines Schadensersatzes statt der Leistung. . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit: Keine Alternativität der Rechte nach heutigem § 325 BGB . . III. Die Alternativität der Rechtsfolgen von Rücktritt und Schadensersatz. . 1. Der Einfluss des Rücktritts auf den Schadensersatz. . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Einfluss auf die Gegenleistung des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . b) Der Einfluss auf den Nutzungsausfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Einfluss auf die Leistung des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsatz: Die Wahl zwischen kleinem und großem Schadensersatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Wahl bei Rücktrittserklärung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die schadensrechtliche Überlagerung der Rücktrittsfolgen . . . . . . . . . a) Die „Aufbesserung“ der Rückgewähransprüche . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Ausweitung des Differenzschadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Beschränkung der Rückgewähransprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der rücktrittsrechtliche Nutzungsersatz als Schaden . . . . . . . . cc) Der Gesamtvermögensvergleich und die normative Schadensberechnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Wahlrecht des Gläubigers vor dem Hintergrund der alternativen Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Trennung von elektiver Konkurrenz und automatischer Schadensberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Problem: Die nachteilige Wahl des Rücktritts. . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Problemaufriss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lösungsansatz 1: Der Vorrang des Schadensersatzrechts . . . . . . . . aa) Frühere Rechtslage: Der Vorrang des Rücktrittsrechts . . . . . . bb) Heutige Rechtslage: Vorrang des Schadensersatzrechts? . . . . cc) Beispiel: Rücktrittsbedingter Nutzungsausfall der mangelhaften Sache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Lösungsansatz 2: Das ius variandi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fazit: Die nachteilige Wahl des Rücktritts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

264 265 266 266 267 268 269 269 270 270 271 272 272 273 274 274 274 274 275 277 277 277 277 278 279 279 280 280 281 282 282 282 283 284 285 286 287

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IV. Vergleich zu CISG, PECL und DCFR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine elektive Konkurrenz: Der Schadensersatz ohne oder neben Vertragsaufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kein großer Schadensersatz ohne Vertragsaufhebung . . . . . . . . . . . . . . 3. Kombination beider Rechte: Die Alternativität der Rechtsfolgen . . . a) Die Vertragsaufhebung und der Schadensersatz nach der Differenzmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Vertragsaufhebung und der Deckungskauf. . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Konkurrenz der Rechtsfolgen bezüglich der Gebrauchsvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) CISG, DCFR: Vorteilsausgleich nach Vertragsaufhebung . . . bb) PECL: Kein Vorteilsausgleich nach Vertragsaufhebung . . . . . 4. Fazit: Vergleich zu CISG, PECL und DCFR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit: Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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J. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Minderungsrecht . . . . I. Keine Konkurrenz zwischen Minderung und Schadensersatz neben der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung . . . . . . . . . . . . . 2. Der sonstige Schadensersatz neben der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Problem: Die elektive Konkurrenz zwischen Minderung und Schadensersatz statt der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beispiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vergleich zum Verhältnis zwischen Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Ausschließlichkeit der Rechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Offenes Problem: Die voreilige Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fazit: Die elektive Konkurrenz zwischen Minderung und Schadensersatz statt der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Logische Einordnung des Verhältnisses zwischen Schadensersatz und Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Verhältnis zwischen Schadensersatz neben der Leistung und Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Verhältnis zwischen Schadensersatz statt der Leistung und Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vergleich zu CISG, PECL und DCFR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 45 Abs. 1 b), 2 und Art. 50 CISG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. 9:401 (3) PECL und Art. III.-3:601 (3) DCFR . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit: Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Minderungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

288 288 289 289 290 291 292 292 293 293 294 294 295 295 297 297 297 298 298 299 300 300 302 302 302 303 304 304 305 305

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K. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Aufwendungsersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Alternativität zwischen Schadensersatzanspruch und Aufwendungsersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die elektive Konkurrenz zwischen Schadensersatz statt der Leistung und Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Frühere Rechtslage: Die Rentabilitätsvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Heutige Rechtslage: Die Rentabilitätsvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit: Die Alternativität zwischen Schadensersatzanspruch und Aufwendungsersatzanspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Keine Alternativität zwischen Schadensersatzanspruch und Aufwendungsersatzanspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Schadensersatz neben der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz: Keine elektive Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahme: Elektive Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahme bei Schadensersatz statt der Leistung: Keine elektive Konkurrenz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Logische Einordnung des Verhältnisses zwischen den Rechten . . . . . . . . IV. Vergleich zu CISG, PECL und DCFR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 74 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. 9:502 PECL und Art. III.-3:702 DCFR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit: Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Aufwendungsersatzanspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . L. Das Verhältnis zwischen Aufwendungsersatzanspruch und Rücktrittsrecht. . . I. Die Stellung des Aufwendungsersatzanspruchs im BGB . . . . . . . . . . . . . . 1. Problem: Parallele zum Schadensersatz statt der (ganzen) Leistung 2. Das Verhältnis zum Rücktrittsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Zusammenspiel der Rechte: Anwendung des § 325 BGB . . . c) Logische Einordnung des Verhältnisses der Rechte . . . . . . . . . . . . . II. Vergleich zu CISG, PECL und DCFR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemein: Die Aufwendungen als ersatzfähiger Schaden . . . . . . . . . . 2. Besonderheit: Die Aufwendungen aus Erhaltungspflichten nach Art. 85 f. CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit: Das Verhältnis zwischen Aufwendungsersatzanspruch und Rücktrittsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M. Das stellvertretende commodum nach § 285 BGB im System der Gläubigerrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Verhältnis zum Primäranspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Verhältnis zu den Schadensersatzansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Alternativität zwischen Schadensersatzanspruch und Anspruch aus § 285 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schadensersatz neben der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schadensersatz statt der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

306 306 306 307 308 309 310 310 310 310 311 312 312 313 313 314 315 315 315 316 316 316 317 318 318 319 319 319 320 321 321 321 322

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III.

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V.

VI.

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2. Problem: Bewertung als elektive Konkurrenz?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Merkmale der elektiven Konkurrenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Trennung der Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine logische Ausschließlichkeit der Ansprüche. . . . . . . . . . b) Fazit: Keine elektive Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Verhältnis zum Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beispiel des Rücktritts wegen Teilunmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Logische Einordnung der Beziehung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Problem: Surrogationsmethode bei Rücktritt und § 285 BGB? . . . . . Das Verhältnis zum Minderungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beispiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Anwendbarkeit des § 285 BGB im besonderen Schuldrecht. . . . 3. Logische Einordnung der Beziehung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Problem: Die gesetzliche Minderung nach § 326 Abs. 3 S. 2 BGB Das Verhältnis zum Aufwendungsersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Parallele zum Schadensersatz statt der Leistung: Keine elektive Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Problem: Die Kombination der Rechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Analogie zu § 285 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung auf rentable Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit: Das Verhältnis zum Aufwendungsersatzanspruch. . . . . . . . . . . . Vergleich: Das stellvertretende commodum in CISG, PECL und DCFR 1. Art. 79 Abs. 5 CISG i. V. m. Art. 84 Abs. 2 b) CISG analog . . . . . . . a) Die Folgen der Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Entlastung des Schuldners und das stellvertretende commodum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Verhältnis zu Vertragsaufhebung und Minderung . . . . . . . . . . 2. Art. 8:101 i. V. m. 8:108 PECL sowie Art. 9:309 PECL analog?. . . . 3. Art. III.-3:101 (2) i. V. m. III.-3:104 DCFR sowie Art. III.-3:513 (1) DCFR analog? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit: Das stellvertretende commodum in CISG, PECL und DCFR Fazit: Das stellvertretende commodum nach § 285 BGB im System der Gläubigerrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 322 323 323 324 325 325 325 326 327 327 327 328 329 330 331 331 331 331 332 333 333 333 333 334 335 336 337 338 338

N. Fazit zu Kapitel 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Kapitel 5 Das Wahlrecht und die Lösung der elektiven Konkurrenz A. Das Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Wahlrecht der Wahlschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Wahlrecht als initiatives Gestaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beispiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

341 341 342 342 344

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Inhaltsverzeichnis II.

Das Wahlrecht der Ersetzungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Wahlrecht als Gestaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Leistung und die Ersatzleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Wahlrecht des Schuldners: Gestaltungserklärung und Erfüllungsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Wahlrecht des Gläubigers und der „Wettlauf“ mit dem Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Wahlrecht in der elektiven Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorüberlegung: Unterschied zu Wahlschuld und Ersetzungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Wahl eines normalen Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der normale Anspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Ausübungsfreiheit und die Erfüllung des Anspruchs . . . . . . . . c) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Wahl eines Gestaltungsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Gestaltungswirkung der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Wahl eines verhaltenen Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die materiellrechtliche Bedeutung der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beispiel: Die Wahl des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 281 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonderfall: Die Wahl der verhaltenen Ansprüche nach § 179 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fazit: Das Wahlrecht in der elektiven Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Problem: Bedeutet Wahlrecht auch Wahlpflicht?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Dilemma des Schwebezustands für den Schuldner . . . . . . . . . b) Beispiel: Die elektive Konkurrenz von Gewährleistungsrechten im Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lösungsansatz: Spiegelung des Wahlrechts in einer Wahlpflicht?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die negative Ausübungsfreiheit der Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Begrenzung der negativen Ausübungsfreiheit durch Zwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die faktische Wahlpflicht durch gesetzlichen Zwang . . . . . . . . . . . . . . a) Der gesetzliche Zwang zur Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der faktische Zwang durch Verjährung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der faktische Zwang durch Zeitablauf vor der Verjährung . . . . . . aa) Beispiel: Der Verlust des Anfechtungsrechts nach § 121 Abs. 1 S. 1 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beispiel: Der Verlust des Rechts zur Vertragsaufhebung nach Art. 49 Abs. 2 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

345 345 345 346 346 347 347 348 349 349 349 350 352 352 352 353 353 354 355 357 357 357 358 359 361 361 362 363 363 363 364 365 366

Inhaltsverzeichnis

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3. Die faktische Wahlpflicht durch das Zwangsrecht des Schuldners . . a) Das Zwangsrecht des Schuldners. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Beispiel der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht: § 264 Abs. 2 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit: Keine allgemeine Wahlpflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit: Das Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

367 367

B. Der Zweck des Wahlrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Zweckrichtung in den Fällen der Gläubigerwahl. . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Zweck der Wahl in der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht. . . a) Der ökonomische Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Anpassungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Versicherungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Wahlzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Auseinanderfallen und Disharmonie der Zwecke . . . . . . . . . . 2. Der Zweck der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers. . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Zweck der Wahl in einer elektiven Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . a) Der Zweck der Wahl zwischen Primäranspruch und alternativen Sekundärrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Wahl zwischen Erfüllungsstadium und Abwicklungsstadium. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Zweck der Wahl zwischen alternativen Sekundärrechten . . . aa) Die Wahl zwischen alternativen Formen der Abwicklung . . bb) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Bewertung des Wahlrechtzwecks. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Versuch teleologischer Abgrenzung von Wahlschuld und elektiver Konkurrenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Berücksichtigung des Zwecks im Rahmen der Bindungswirkung eines Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit: Der Zweck des Wahlrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

370 371 371 371 373 373 374 374 375 376

C. Die Grenzen des Wahlrechts und das ius variandi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die absoluten Grenzen des Gläubigerwahlrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorüberlegung: Die anfängliche Einengung der Optionenvielfalt . . . a) Die qualitative Stufung der Optionen zur Verhinderung von Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beispiel: Das qualitative Gefälle der Rechtsbehelfe im CISG . . . 2. Die Erfüllung der Leistungspflicht durch den Schuldner . . . . . . . . . . . a) Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die elektive Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die elektive Konkurrenz zwischen Primär- und Sekundäransprüchen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die elektive Konkurrenz zwischen Sekundäransprüchen. . . .

382 382 383

V.

367 369 370

376 376 377 378 378 378 379 379 381 381

383 383 384 385 385 386 386 387

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Inhaltsverzeichnis 3. Die Unmöglichkeit der Gläubigeroptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die elektive Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verjährung, Zeitablauf und Verwirkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das vertraglich vereinbarte Ende des Wahlrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Fazit: Die absoluten Grenzen des Gläubigerwahlrechts. . . . . . . . . . . . . II. Die Ausübung der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Trennung zwischen Beginn und Ende der Bindung an die Wahl . . . . a) Die Unterscheidung zwischen der Wirkung ex tunc und der Wirkung ex nunc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beispiel: Die Wirkung der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB c) Beispiel: Die Wirkung der Wahl in der Wahlschuld nach § 263 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ausübung der Wahl und die „Definität“ der Entscheidung . . . . . a) Trennung der Wahlerklärung von der bloßen Ankündigung der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beispiel: Die Wahl der Rechte nach § 326 Abs. 1 BGB a. F. . . . . aa) Die Ablehnungsandrohung vor der Wahl der Rechtsbehelfe bb) Übertragung auf die heutige Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das ius variandi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Problemaufriss: Die nachteilige Wahlentscheidung des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ursprung und Dogmatik des ius variandi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das ius variandi als Grundregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Gläubigerwahl in der elektiven Konkurrenz: Bindung an die Wahl oder ius variandi? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Wahl des Primäranspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Bindung an die getroffene Wahl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die verschiedenen Bezugspunkte der Bindung an die Wahl des Sekundärrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Wahl des Sekundäranspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Bindung an den Sekundäranspruch gegenüber dem Primäranspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Bindung an den Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach § 281 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Bindung an den Aufwendungsersatzanspruch . . . . . . . . cc) Fazit: Keine Bindung an Sekundäransprüche ohne ausdrückliche Regelung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Bindung an den Sekundäranspruch gegenüber anderen Sekundärrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

388 388 389 390 391 393 394 394 394 394 395 395 396 396 396 396 398 400 400 402 404 405 406 406 407 409 411 411 411 412 413 414

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aa) Keine Bindung an den Sekundäranspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beispiel: Der Schadensersatz statt der ganzen Leistung . . . . c) Fazit: Die Wahl des Sekundäranspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Wahl des Gestaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Bindung an das Gestaltungsrecht gegenüber dem Primäranspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Unwiderruflichkeit der Gestaltungserklärung . . . . . . . . . . bb) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Bindung an das Gestaltungsrecht gegenüber anderen Sekundärrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Meinungsstand zum Rücktritt nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Problem: Übertragbarkeit auf die heutige Rechtslage? . . . . . cc) Beispiel: Der Wechsel vom Rücktritt zum kleinen Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Beispiel: Der Wechsel zwischen Rücktritt und Minderung . . ee) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Fazit: Die Bindung an das Gestaltungsrecht gegenüber anderen Sekundärrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fazit: Die Bindung an die Gläubigerwahl in der elektiven Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Parallele zur Gläubigerwahl zwischen Leistungsgeboten: Bindung an die Wahl oder ius variandi? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Bindung an die Wahl in der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsatz: Die Bindung an die Wahl nach § 263 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausnahmen: Keine Bindung an die Wahl nach § 263 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beispiel: Die Wahl zwischen den Nacherfüllungsvarianten nach § 439 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bindung an die Wahl der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit: Die Bindung an die Gläubigerwahl zwischen Leistungsgeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Schranken des ius variandi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die absoluten Grenzen des ius variandi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das rechtskräftige Urteil über das Gewählte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB. . . . . . . . . . . . . . . a) Zeitlicher und quantitativer Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Qualitativer Maßstab: Das Vertrauen des Schuldners in die getroffene Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beispiel: Die Klage des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

414 415 416 416 417 417 419 420 420 423 424 425 426 430 430 431 432 432 432 435 438 439 440 440 441 442 443 444 445

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Inhaltsverzeichnis bb) Beispiel: Die Zusage des Schuldners. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beispiel: Die erkennbare Vorbereitungshandlung des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit: Die Schranken des ius variandi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Fazit: Die Grenzen des Wahlrechts und das ius variandi . . . . . . . . . . . . . .

446 446 447 447

D. Fazit zu Kapitel 5: Das Wahlrecht und die Lösung der elektiven Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 Zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472

Einleitung A. Ausgangslage Der Anlass für die vorliegende Untersuchung war ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. Januar 2006.1 Es behandelt die Frage, ob der Käufer auch dann noch vom Grundstückskaufvertrag zurücktreten kann, wenn er nach erfolglosem Ablauf einer angemessenen Nachfrist den Verkäufer zunächst auf Auflassung verklagt hat. Das Oberlandesgericht Celle als Berufungsgericht hatte dies verneint: Der Gläubiger sei an sein bekräftigtes Erfüllungsverlangen nach erfolglos verstrichener Nachfristsetzung endgültig gebunden und könne nicht mehr den Rücktritt erklären.2 Es nahm dabei die Bindungsregelung für die Wahlschuld aus § 263 BGB analog an.3 Dem trat der Bundesgerichtshof in der Revision entgegen: Der Wechsel vom Erfüllungsanspruch zum Rücktritt sei noch möglich. Der erfolglose Ablauf der gesetzten Nachfrist eröffne dem Gläubiger neben dem fortbestehenden Primäranspruch die gesetzlichen Sekundärrechte, so auch das Recht zum Rücktritt. Auf einen solchen Fall seien die Regelungen der Wahlschuld nach §§ 262 ff. BGB, insbesondere die Bindungswirkung der Wahl nach § 263 BGB, „weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden“4. Es handele sich nämlich um eine elektive Konkurrenz.5 Die Untersuchung greift diesen Gedanken auf: Die als elektive Konkurrenz bereichnete Kategorie der Konkurrenz von Rechten des Gläubigers ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Sie stellt zunächst eine breite Akzeptanz der Kategorie „elektive Konkurrenz“ in Praxis und Lehre fest. Trotz dieser Anerkennung liefert ein Beitrag von Hermann Weitnauer aus dem Jahre 19766 die bislang einzige zusammenhängende Darstellung zum Thema. 1

BGH (Az.: V ZR 124/05), NJW 2006, 1198 ff. OLG Celle, Urteil vom 17.05.2005 (Az.: 16 U 232/04), NJW 2005, 2094, 2095. 3 Speziell in der Urteilsbegründung Nummer 4.: OLG Celle, NJW 2005, 2094, 2095. 4 BGH, NJW 2006, 1198, 1199. 5 „Befugnis des Gläubigers zur Auswahl (sog. elektive Konkurrenz)“: BGH, NJW 2006, 1198, 1199. 6 Weitnauer, Die elektive Konkurrenz, Festschrift für Wolfgang Hefermehl, S. 467 ff. 2

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Einleitung

Lediglich vereinzelt unternehmen Rechtsprechung und Literatur Versuche, den Gehalt der elektiven Konkurrenz zu erklären. Dies beweist das Urteil des Bundesgerichtshofs exemplarisch: Zwischen dem Erfüllungsanspruch und dem alternativen Rücktrittsrecht wird zu Recht eine elektive Konkurrenz angenommen, deren Grenzen und Reichweite der Senat am Einzelfall erläutert. Soweit jedoch die Anwendung der Wahlschuldregelungen nach §§ 262 ff. BGB mit dem bloßen Hinweis abgelehnt wird, es handele sich um eine elektive Konkurrenz, überzeugt die Begründung des Urteils für sich nicht. Dabei ist die kategorische Abgrenzung von den Fällen der Wahlschuld (mit Gläubigerwahlrecht) im Ergebnis richtig; lediglich die Gründe und Kriterien für die Differenzierung kann man aus der veröffentlichten Entscheidung allein nicht ableiten. Die Lösung lässt sich auch nicht unmittelbar einer allgemeinen Regelung im Gesetz entnehmen. Der Wesensgehalt der elektiven Konkurrenz wird vielmehr am Einzelfall bestimmt. Zugleich haben sich gewisse Grundzüge einer Dogmatik der Konkurrenz zwischen Rechten des Gläubigers gebildet und allgemein durchgesetzt. Auf den Spuren der sog. elektiven Konkurrenz trifft man in aller Regel auf Versuche, diese Grundzüge formelhaft darzustellen.7 Dabei wird in der Regel die elektive Konkurrenz als bloße Randerscheinung zur davon abzugrenzenden Wahlschuld behandelt.8 Weder die Einordnung als Randerscheinung zur Wahlschuld noch die formelhaften Definitionsversuche werden jedoch der elektiven Konkurrenz gerecht. Ersteres verkehrt die praktische Relevanz der beiden Kategorien ins Gegenteil: Nicht die Wahlschuldregelungen nach §§ 262 ff. BGB dominieren traditionell den schuldrechtlichen Diskurs, sondern die Fragen nach Kompatibilität, Konkurrenz und Zusammenspiel verschiedener Gläubigerrechte. Dies verdeutlichen zum Beispiel die Enwicklungen der Anspruchskonkurrenzenlehre,9 die im Detail höchst streitige Konkurrenz von Rücktritt 7 So definiert beispielsweise Dieter Medicus wie folgt die Kategorie der elektiven Konkurrenz: Sie bezeichne das „Zusammentreffen mehrerer Ansprüche oder von Ansprüchen und Gestaltungsrechten derart, dass die Ausübung eines Rechts die übrigen erlöschen lässt“: Schuldrecht I – Allgemeiner Teil, S. 79. Bei Larenz/Wolf liest man, das Gesetz stelle dabei jemandem „zwei oder mehrere Ansprüche oder einen Anspruch und ein Gestaltungsrecht wahlweise zur Verfügung“, wobei die „Rechtsfolgen der wahlweisen Ansprüche oder Gestaltungsrechte nicht nebeneinander verwirklicht werden“ können: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, S. 320 Rn. 22. Die Kommentare formulieren zum Teil noch knapper: „Es schließen sich die wahlweise konkurrierenden Rechte eines Gläubigers gegenseitig aus.“ Vgl. etwa: Erman/Kuckuk, § 262 Rn. 11. 8 Sie steht in einer Reihe von Kategorien, die von der Wahlschuld abzugrenzen sind, so zum Beispiel die Gattungsschuld, die Ersetzungsbefugnis oder die Schuld mit Bestimmungsvorbehalt (§§ 315 ff. BGB). Vgl. exemplarisch die Aufzählung bei Bittner: Staudinger/Bittner, § 262 Rn. 2–12.

A. Ausgangslage

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und Schadensersatz nach früherem Schuldrecht10 und nicht zuletzt das viel beachtete11 Urteil des Bundesgerichtshofs. Des Weiteren erfassen die kursorischen Versuche formelhafter Definitionen in der Regel nur unvollständig alle Wesensmerkmale der elektiven Konkurrenz.12 Von einer begrifflichen und inhaltlichen Definition kann insbesondere keine Rede sein, wenn sich Theorie und Praxis darauf beschränken, (negativ) zu skizzieren, was die elektive Konkurrenz von der Wahlschuld trennt, nicht aber (positiv), welchen Inhalt sie tatsächlich hat. Die formelhaften Abbreviaturen werden deshalb zu Recht kritisiert.13 Hinzu kommt, dass es sich bei den vereinzelten Darstellungen der elektiven Konkurrenz in Rechtsprechung und Schrifttum in aller Regel um Ausführungen zur Rechtslage vor der Schuldrechtsreform von 2001 handelt. Sofern die behandelten Fallkonstellationen von den umfassenden Gesetzesveränderungen durch die Reform nicht wesentlich betroffen sind, kann man die früheren Thesen zur elektiven Konkurrenz auf die heutige Rechtslage zwar grundsätzlich übertragen. Der Reformgesetzgeber hat jedoch durch strukturelle Umordnungen des Systems der Leistungsstörungen ein neues Geflecht von Beziehungen zwischen den Rechten geschaffen. Dabei sind vormalige elektive Konkurrenzfälle aufgegeben worden, wie das Verhältnis zwischen Rücktritt und Schadensersatz nach § 325 BGB zeigt.14 Andere Fälle elektiver Konkurrenz wurden demgegenüber erst er9

Dazu ausführlich: Kapitel 1, S. 41 ff. Siehe: Kapitel 4, S. 255 ff. 11 Vgl. nur die Anmerkungen von: Althammer, NJW 2006, 1179 ff.; Schwab, JZ 2006, 1030 ff.; Gsell, LMK 2006, 193271; Schwenker, IBR 2006, 230 ff.; sowie: Jacobs, Festschrift für Hansjörg Otto, S. 137 (150 ff.); BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 10. 12 Larenz/Wolf fassen etwa die Elemente der elektiven Konkurrenz zusammen, sparen aber die praktisch wichtige Frage der Bindungswirkung an die Wahl aus: Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, S. 320 Rn. 22. Ein Beispiel liefert auch Joachim Gernhuber: „Wahlschuld und elektive Konkurrenz trennt die Zahl der beteiligten Rechte. Wer wählt, gestaltet stets nur eine Forderung, die ihre Identität bewahrt; wer dagegen eine elektive Konkurrenz auflöst, entscheidet sich für ein Recht unter mehreren verschiedenartigen (Forderungen oder Gestaltungsrechten), die ihm alternativ zu Gebote stehen.“: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 259. Damit wird suggeriert, dass die Wahlausübung in beiden Kategorien aus Sicht ein und desselben Wahlberechtigten gemeint sei. Dies ist irreführend: Die gesetzliche Wahlschuld nach § 262 BGB geht grundsätzlich vom Wahlrecht des Schuldners aus, die elektive Konkurrenz ist stets eine Wahl des Gläubigers. 13 In jüngster Zeit: Büdenbender, AcP 205 (2005), 386 (401); Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 437. Schon Phillip Heck kritisierte die nicht einzelfallbezogenen Formelversuche zur Abgrenzung der Wahlobligationen und verwandter Institute: „Dabei ist von jeder Verwertung einer Formel abzusehen.“: Heck, Grundriss des Schuldrechts, S. 36. 14 Eingehend: Kapitel 4, S. 256 ff. 10

30

Einleitung

möglicht. So behandelt etwa das genannte Urteil des BGH das mit der Schuldrechtsreform veränderte Verhältnis zwischen Primäranspruch und gesetzlichem Rücktrittsrecht: Entgegen der früheren Rechtslage, wonach das Rücktrittsrecht an die Stelle des kraft Gesetzes entfallenden Primäranspruchs trat und somit keine Alternative vorlag,15 besteht nunmehr eine Gläubigerwahl zwischen den beiden Rechten und somit eine („neue“) elektive Konkurrenz.16

B. Ziele der Untersuchung Ausgehend von den genannten Prämissen, will die vorliegende Arbeit den etablierten Weg fortführen und die elektive Konkurrenz als eigenständige rechtliche Kategorie in ein logisches System bringen. Das Leitmotiv der Untersuchung ist das Finden und Sammeln von Wesensmerkmalen, die den Fällen elektiver Konkurrenz gemeinsam sind. Die Arbeit beschränkt sich deshalb nicht auf die Darstellung der vielfältigen Einzelbeispiele. Sie wagt vielmehr den Versuch, aus diesen allgemeine Schlüsse auf Charakter, inhaltliche Ausgestaltung, Reichweite und Rechtsfolgen der elektiven Konkurrenz zu ziehen. Die in Rechtsprechung und Lehre lediglich punktuellen, am konkreten Einzelfall orientierten und teilweise unvollständigen Darstellungen der Eigenschaften elektiver Konkurrenz sollen so zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden. Dabei löst sich die vorliegende Untersuchung nicht von der allgemein durchgesetzen und auch notwendigen Differenzierung zwischen den verwandten Fällen eines Gläubigerwahlrechts. Die Arbeit gibt aber die bisher übliche Darstellungsweise auf und orientiert sich stattdessen an der praktischen Relevanz der Fälle: Nicht die Wahlschuld bzw. Ersetzungsbefugnis ist das Leitbild dieser Abhandlung, sondern die elektive Konkurrenz. Die Differenzierungsmerkmale zwischen den Fällen sind: die rechtliche Qualität der Optionen des Gläubigers, die Form und die Entstehung der Alternativität zwischen den Optionen, das Wahlrecht des Gläubigers und die Bindung 15

Siehe dazu: Kapitel 3, S. 145 ff. Dass Parallelen zu früheren elektiven Konkurrenzfällen mitunter irreführend sein können, bezeugt das Urteil des Bundesgerichtshofs exemplarisch, indem es auf ein Urteil des Reichsgerichts (RGZ 108, 184, 187) verweist: NJW 2006, 1198, 1199. Das dort behandelte Verhältnis zwischen dem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung und dem Surrogationsanspruch auf das stellvertretende commodum (§ 281 BGB a. F.) war bereits nach alter Rechtslage überhaupt kein Fall alternativ geltend zu machender Ansprüche, sondern ein Fall kompatibler Sekundärrechte mit zu einer Rechnungseinheit zu verbindenden Rechtsfolgen (wovon wohl auch das Reichsgericht nur ausgeht, da es den Begriff elektive Konkurrenz nicht verwendet). Dies gilt auch nach der Schuldrechtsreform: Kapitel 4, S. 319 ff. 16

C. Gang der Untersuchung

31

an die Wahl. In der Regel beschränken sich Schrifttum und Praxis bei der Unterscheidung von elektiver Konkurrenz, Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und Ersetzungsbefugnis des Gläubigers auf die erstgenannte Frage der rechtlichen Qualität der Optionen und die letztgenannte Bindung des Gläubigers an die Wahl. Die Untersuchung will insbesondere mit der Frage nach den unterschiedlichen Merkmalen der Alternativität zwischen den Optionen des Gläubigers neue Wege gehen und insofern ein weiteres Differenzierungskriterium einführen. Nicht zuletzt versteht sich die vorliegende Arbeit als gesammelte Darstellung der praktisch wichtigsten Fälle elektiver Konkurrenz im BGB. Sie zielt dabei vor allem darauf ab, die Dogmatik zeitgemäß, das heißt anhand der Rechtslage nach der Schuldrechtsreform von 2001 zu analysieren. Daher sollen die wesentlichen Beziehungen im heutigen System der Gläubigerrechte eingehend untersucht werden. Dieser Ansatz schließt den Blick zurück in die Geschichte keineswegs aus, sondern bedient sich dessen, wo es für das Verständnis notwendig ist. Darüber hinaus trägt die Untersuchung dem Umstand Rechnung, dass das deutsche System im Hinblick auf ein zukünftiges Europäisches Vertragsrecht möglicherweise erneut vor Veränderungen steht.17 Daher werden die relevanten Beziehungen zwischen den Rechten des Gläubigers nicht allein für das Bürgerliche Gesetzbuch dargestellt, sondern mit den Modellen des UN-Kaufrechts (CISG), der Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts (PECL) und des Entwurfs zum Gemeinsamen Referenzrahmen (DCFR) verglichen.

C. Gang der Untersuchung An den Anfang der Arbeit (Kapitel 1) stelle ich die historische Entwicklung der elektiven Konkurrenz. Diese hat ihren Ursprung als prozessrechtliche Klagenkonkurrenz im römischen und späteren gemeinen Recht. Die Entwicklungen des 19. Jahrhunderts, namentlich die eines rein materiellen Anspruchsbegriffs, haben die elektive Konkurrenz aus der prozessrechtlichen Dogmatik verschwinden lassen. Sie überlebte aber als Terminus im modernen materiellen Privatrecht neben den Kategorien der Anspruchskonkurrenz. Durch die Einbettung der Gestaltungsrechte in die zivilrechtliche Dogmatik hat die elektive Konkurrenz eine neue Bedeutung gewonnen. Die Untersuchung zieht Parallelen zur geschichtlichen Entwicklung der Wahlschuld (mit Gläubigerwahlrecht) und der Ersetzungsbefugnis (des Gläubigers). Dabei werden die Ursprünge der späteren Kodifikation in §§ 262 ff. BGB ebenso beleuchtet wie die praktische „Wertlosigkeit“ dieser Regelun17

Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 4.

32

Einleitung

gen. Deren Ablehnung in der Praxis hat, wie die Untersuchung zeigen wird, zu einem Bedeutungszuwachs der elektiven Konkurrenz geführt. In Kapitel 2 befasse ich mich mit dem Abgrenzungskriterium der rechtlichen Qualität der Optionen des Gläubigers. Die verwandten Fälle der Gläubigerwahl werden traditionell danach unterschieden, welche Strukturelemente des Schuldverhältnisses miteinander konkurrieren. Maßgeblich ist dabei die Differenzierung zwischen Ansprüchen – Forderungsrechten im Sinne des § 194 Abs. 1 BGB – und Gestaltungsrechten auf der einen Seite sowie Leistungsgeboten – den Inhalten eines Forderungsrechts – auf der anderen Seite. Die Untersuchung trennt insofern zwischen der Wahl „Tun 1 oder Tun 2“ (Wahlschuld, Ersetzungsbefugnis) und der Wahl „Recht 1 oder Recht 2“ (elektive Konkurrenz). Im dritten Schritt widmet sich die Arbeit der Konkurrenz zwischen den Optionen, dem Merkmal der Alternativität. Ich untersuche diese methodisch anhand der Aussagenlogik. Mit der Ermittlung des zweistelligen (sog. dyadischen) Wahrheitswertes stellt man fest, wie sich zwei Optionen des Gläubigers logisch zueinander verhalten. Obwohl die elektive Konkurrenz, die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers gleichermaßen Fälle inkompatibler Optionen sind, gibt es Unterschiede in der Stärke dieser Alternativität. Während die Leistungsgebote der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers stets in einem starken Ausschließlichkeitsverhältnis, einem Entweder-oder (sog. Kontravalenz) stehen, gibt es bei der elektiven Konkurrenz neben den Fällen des Entweder-oder auch solche, in denen die Optionen nur in einer schwachen Alternativität, einem „Oder“ (sog. Exklusion) stehen. Die Untersuchung ergibt überdies Unterschiede in der Entstehung der Alternativität. Während die Alternativität der Leistungsgebote stets an die Begründung des Schuldverhältnisses – das logische Ereignis 1 – geknüpft ist, vermehren sich im Leistungsstörungsrecht durch eine Transformation des Schuldverhältnisses – dem logischen Ereignis 2 – die Rechte des Gläubigers zu elektiven Konkurrenzfällen. In Kapitel 4 entwickelt die Arbeit das System der Gläubigerrechte, in das sich die Fälle der elektiven Konkurrenz einordnen. Nacheinander werden dabei die Beziehungen zwischen den Rechten hinsichtlich Dogmatik und logischer Einordnung analysiert und Vergleiche zwischen dem Modell des Bürgerlichen Gesetzbuchs und den Regelungen des CISG, der PECL und des DCFR gezogen. Die Prüfung erfasst in ihrer systematischen Reihenfolge die Konkurrenz auf Primärrechtsebene, die Konkurrenzen zwischen Primäranspruch und Sekundärrechten und die Konkurrenzen der Sekundärrechte untereinander. Die Arbeit befasst sich hierbei u. a. mit der umstrittenen Einordnung der Wahl zwischen den Nacherfüllungsvarianten gemäß

C. Gang der Untersuchung

33

§ 439 Abs. 1 BGB und den im Detail komplexen Spannungen, die trotz § 325 BGB zwischen dem Rücktrittsrecht und dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung bestehen. Im abschließenden fünften Kapitel geht die Untersuchung auf mögliche Lösungen der Konkurrenzlage ein. Im Mittelpunkt steht dabei das Wahlrecht des Gläubigers. Dieses erweist sich in den Fällen der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht bzw. Ersetzungsbefugnis des Gläubigers als Gestaltungsrecht sui generis. Demgegenüber drückt das Wahlrecht in der elektiven Konkurrenz lediglich die Möglichkeit der positiven und negativen Ausübungsfreiheit jedes Forderungs- und Gestaltungsrechts des Gläubigers aus. Wie die Untersuchung zeigen wird, „spiegelt“ sich im Wahlrecht des Gläubigers keine generelle Wahlpflicht. Während die Zwecke der Gläubigerwahlrechtsfälle unterschiedlich sind, haben sie im Wesentlichen dieselben Grenzen, welche die endgültige Erledigung der Konkurrenzlage markieren. Die Arbeit wirft die Frage auf, ob der Gläubiger bereits durch die Ausübung der Wahl an diese gebunden ist oder ob er noch einmal von seiner Wahlentscheidung abrücken und eine abweichende Entscheidung treffen kann. Die letztere Alternative eines sog. ius variandi ist bei Primäransprüchen und Sekundäransprüchen der Regelfall, bei Gestaltungsrechten wegen des traditionellen Dogmas der Unwiderruflichkeit hingegen die Ausnahme. Abschließend geht die Untersuchung auf die Grenzen des ius variandi – insbesondere den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB – ein.

Kapitel 1

Die elektive Konkurrenz im historischen Kontext Die elektive Konkurrenz ist nur ein Typ einer Gläubigerwahl. Sie muss abgegrenzt werden von der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers und der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht. Im Folgenden werden die drei Arten eines Gläubigerwahlrechts im historischen Kontext vorgestellt.

A. Die Entwicklung der elektiven Konkurrenz Die elektive Konkurrenz hat ihren Ursprung im römischen Recht. Dies trifft ebenso auf die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers zu. Erst seit Entwicklung des Anspruchs durch Windscheid und Kodifikation des Bürgerlichen Gesetzbuchs können wir alle hier untersuchten Gläubigerwahlrechte voneinander eindeutig trennen. Die elektive Konkurrenz im heutigen Sinne ist demnach zwar ein Überbleibsel aktionenrechtlichen Denkens, schöpft aber ihre Daseinsberechtigung aus den Fällen in ihrer Geltendmachung konkurrierender Ansprüche und dem Status der Gestaltungsrechte im Schuldverhältnis. Die im Einzelnen schwere Rekonstruktion der historischen Entwicklung zwingt zu einer sachgerecht kurzen Darstellung. Ich verweise für weitergehende Ausführungen daher auf Georgiades1, an dem sich die folgende historische Untersuchung orientiert.

I. Die actio im römischen Recht Vom Leistungsversprechen, der stipulatio, trennten die Römer die actio, also das Klagrecht, mit dem die Leistung eingefordert wurde.2 Gemeint war damit die Trennung des Inhalts der Leistungspflicht des Schuldners vom Recht des Gläubigers, diese Pflicht durchzusetzen. Die actio war jedoch nicht allein eine prozessuale „Klage“. Diese Sichtweise wäre schon deshalb falsch, weil im Gegensatz zum heutigen Verständnis einer zivilrechtlichen „Klage“ kein einseitiger prozessualer Akt des Gläubigers gemeint war, son1 2

Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 11 ff. Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, S. 170.

A. Die Entwicklung der elektiven Konkurrenz

35

dern stets die Mitwirkung des Beklagten und des neutralen Magistrats notwendig war.3 Zudem hatte die actio einen materiellrechtlichen Kern, so dass sie eben nicht nur prozessuales Mittel, sondern – wenn auch nur in Ansätzen, die dem heutigen Verständnis bei weitem nicht entsprechen – auch eine Art „subjektives Recht“ des Gläubigers war.4 Ungeachtet aller im Detail umstrittenen Deutungen5 dürfen wir die actio im römischen Recht als Rechtsbehelf des Gläubigers verstehen, der als Durchsetzungsmittel für das Leistungsversprechen diente. Die Anerkennung der actio als Rechtsbehelf neben der stipulatio ist demnach auch die Herkunft des sog. „aktionenrechtlichen Denkens“.6 Der Gläubiger konnte nach römischem Recht mehrere Aktionen für sich beanspruchen. Dementsprechend stellte sich schon damals die Frage, wie eine Konkurrenz mehrerer Aktionen zu behandeln war. Dieser sog. concursus actionum7 wurde generell als prozessuales Problem behandelt: Derselbe Streitgegenstand konnte nicht zweimal zur gerichtlichen Verhandlung gebracht werden. Man verstand die Aktionenkonkurrenz also prozessorientiert im Sinne einer „Klagenkonkurrenz“.8

II. Die Klagenkonkurrenz im gemeinen Recht 1. Traditionelle gemeinrechtliche Klagenkonkurrenzen Die gemeinrechtliche Wissenschaft im 19. Jahrhundert knüpfte an das Verständnis der Aktionenkonkurrenz als reine Klagenkonkurrenz an. Dabei waren zwei Hauptarten zu unterscheiden. Die subjektive Konkurrenz meinte eine Mehrheit von Streitbeteiligten (Klägern oder Beklagten).9 Dies entspricht unserer heutigen prozessualen Streitgenossenschaft bzw. objektiven 3

Kaufmann, JZ 1964, 482 (483). Diese formellen und materiellen Bedeutungen der actio sind nur nachträgliche Reflexionen, die den Römern in dieser Form nicht bewusst geworden sind. Hierzu und zur Entwicklung der actio allgemein: Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 12. 5 Hierzu: Kaufmann, JZ 1964, 482 (483). 6 Windscheid, Die actio des römischen Civilrechts vom Standpunkt des heutigen Rechts, S. 3; zur Geschichte aktionenrechtlichen Denkens umfassend: Kaufmann, JZ 1964, 482 ff. Kritisch zum Aktionendenken: Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 196. 7 Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 11. 8 Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 15: Dies ist auch der Ursprung des heute geläufigen Grundsatzes „ne bis in idem“, der vom Verbrauch des eines Klagrechts ausgeht. 9 Thibaut, Civilistische Abhandlungen, S. 162: „Vielheit der Subjecte“. 4

36

Kap. 1: Die elektive Konkurrenz im historischen Kontext

Klagehäufung gem. §§ 59 ff. ZPO.10 Die objektive Klagenkonkurrenz hingegen definierte eine Mehrheit von Klagegegenständen, die wiederum im Detail untergliedert werden konnte. So kannte man die sukzessive Konkurrenz, nach der eine bestimmte Reihenfolge der Klagenerhebung einzuhalten war, die kumulative Konkurrenz als ein Nebeneinander völlig unabhängiger Klagen sowie die alternative Konkurrenz, nach der von inhaltlich verschiedenen Klagen nach Wahl des Gläubigers oder Schuldners nur eine befriedigt werden musste.11 In dieser Aufzählung12 objektiver Konkurrenzen taucht auch erstmalig der Begriff der elektiven Konkurrenz auf. Es handelt sich nach Thibaut um einen Kunstausdruck der älteren gemeinrechtlichen Doktrin.13 Die elektive Konkurrenz beschreibt demnach die Konkurrenz, bei der der Gläubiger unter verschiedenen Aktionen wählen konnte, diese Wahl aber die anderen Aktionen ausschloss.14 Vor dem Hintergrund des römischen Formularprozesses bedeutete das zweierlei. Erstens: Die Einreichung einer Klage in elektiver Konkurrenz schuf eine Streitbefestigung und konsumierte alle konkurrierenden Klagen, so dass der Kläger nicht mehrfach befriedigt wurde.15 Zweitens: Der Kläger musste daher vor seiner Wahl die Vor- und Nachteile der ausgewählten actio abschätzen, denn an diese war er gebunden, auch wenn sich eine konkurrierende actio später als vorteilhafter herausstellte, etwa im Hinblick auf Beweisschwierigkeiten.16 War die eine actio der in elektiver Konkurrenz Stehenden erst einmal ausgewählt und vorgebracht, wurde über diese entschieden und kein Wechsel zu den insofern in prozessualer „Ruhelage“17 befindlichen anderen Klagen zugelassen.

10

Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 21. Wrzeszinski, Die Konkurrenz der Anspruche nach gemeinem Recht und dem Recht des Burgerlichen Gesetzbuches, S. 3. 12 Weitere Untergliederungen der Klagenkonkurrenzen, terminologisch oder inhaltlich motiviert, führten zu einer Erweiterung des Konkurrenzbegriffs auf Fälle, die ursprünglich nicht vom römischen Terminus erfasst waren; vgl. etwa die Kritik und die Vorschläge bei: Thibaut, Civilistische Abhandlungen, S. 163 ff. 13 Thibaut, Civilistische Abhandlungen, S. 162, siehe dort die Fußnote. 14 Thibaut, Civilistische Abhandlungen, S. 162; Wrzeszinski, Die Konkurrenz der Anspruche nach gemeinem Recht und dem Recht des Burgerlichen Gesetzbuches, S. 3. 15 Leonhard, Der Allgemeine Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, S. 198. 16 Beispiel: Wahl zwischen Vertragsklage und Sachbeschädigungsklage bezüglich einer Mietsache: Leonhard, Der Allgemeine Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, S. 198. 17 Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 120. 11

A. Die Entwicklung der elektiven Konkurrenz

37

2. Die elektive oder „vollständige“ Konkurrenz der Klagen nach Savigny Friedrich Carl von Savigny verwarf in seinem „System“18 die traditionellen Arten der Klagenkonkurrenz. Übrig blieb allein die elektive Konkurrenz. Sie erhielt von ihm den Namen „vollständige Konkurrenz“,19 in Abgrenzung zu einer zweiten – bis dato nicht bekannten – Form, der „partiellen“ Konkurrenz. a) Der Begriff der Konkurrenz nach Savigny Savigny brach mit der Tradition gemeinrechtlicher Konkurrenzenlehre zugunsten eines völlig neuen Konkurrenzbegriffs. Zunächst bewies er, dass die Fälle mit verschiedenen Klagebeteiligten keine Beispiele für eine Konkurrenzlage bilden; die subjektive Konkurrenz war mithin obsolet.20 Ferner machte er deutlich, dass es sich weder bei der sukzessiven,21 noch bei der kumulativen Konkurrenz22 um Fälle einer tatsächlichen Konkurrenz handelte. In beiden Konstellationen ist danach der Begriff der Konkurrenz falsch, denn weder können zeitlich ungleiche Klagen miteinander konkurrieren noch ist von einer Konkurrenz zu sprechen, wenn bloß der „täuschende Schein“23 zweier alternativer Klagen gegeben ist. Die vormals anerkannte „alternative“ Konkurrenz wiederum sei undenkbar, denn mit Ausübung der einen Klage wird die Möglichkeit der zweiten Aktion beseitigt, so dass eine Konkurrenz mangels Alternative ausschied.24 Übrig blieb die einzig mögliche Konkurrenz von Klagen, die elektive Konkurrenz. Sie betraf den Fall, dass zwei dem juristischen Gegenstand oder Zweck nach identische Klagen zur Verfügung des Gläubigers stehen. Gegenstand und Zweck der Klage war dabei die Befriedigung des Gläubigerinteresses. Für Savigny bedeutete Konkurrenz also Konkurrenz der Klagen im Hinblick auf die Befriedigung des Gläubigerinteresses: „Das was jemand durch eine Klage bereits erhalten hat, kann er nicht noch einmal mit einer anderen Klage fordern“25. 18 19 20 21 22 23 24 25

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205 ff. 216. 208. 206. 210. 213. 210 ff. 214.

38

Kap. 1: Die elektive Konkurrenz im historischen Kontext

Elektive Konkurrenz nach Savigny heißt demnach, dass der erfolgreiche Gebrauch einer Klage die denselben Zweck verfolgende zweite Klage absorbiert. Der Regelfall ist die vollständige Absorption, wenn sich der Gegenstand der Klagen der Höhe nach deckt („vollständige“ Konkurrenz)26 und der Gläubiger vollends durch die erste Klage befriedigt ist. Soweit die erste Klage aber quantitativ einen ungedeckten Rest zurücklässt, der befriedigt werden muss, absorbieren sich die konkurrierenden Klagen in Höhe der verbleibenden Differenz nicht. Savigny spricht dann von lediglich „partieller“ Konkurrenz der Klagen.27 b) Der Begriff des Klagrechts nach Savigny Savigny war mit diesen Beobachtungen der Wegbereiter der modernen Konkurrenzenlehre. Sein Begriff der Konkurrenz wurde fortan als Ausgangspunkt für weitere Überlegungen in der Pandektenwissenschaft und nach Inkrafttreten des BGB gesehen. Entscheidend für die weitere Dogmatik der Konkurrenzenlehre war aber das Verständnis der „Klage“. Hier vertrat Savigny eine völlig neue Auffassung.28 Seine Grundidee war es, die römischen Rechtsgrundsätze mit den Prinzipien der Naturrechtslehre des 18. Jahrhunderts zu einem „widerspruchslosen Gedankengebilde zusammenzufügen“29. Insbesondere wollte er die von der Naturrechtslehre propagierten subjektiven Rechte30 des Individuums an die römische Dogmatik der stipulatio und actio in einem modernen Sinne anpassen.31 Verkürzt heißt das: Der Einzelne hat ein materielles subjektives Recht; wird dieses verletzt, kann er vom Verletzer Aufhebung des durch die Verletzung zwischen ihnen entstandenen Rechtsverhältnisses verlangen. Zum subjektiven Recht trat also nach Savigny ein „Klagrecht“32, ein Recht auf gerichtlichen Schutz zur Verteidigung des subjektiven Rechts gegen den Verletzer. Dem jeweiligen subjektiven Recht immanent war die dazu gehörige Klagebefugnis. Sie war kein eigenes Recht, sondern prozessualer Zusatz zum Recht.33 26

von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Band 5, S. 215. von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Band 5, S. 222. 28 Vgl. auch die Darstellung bei: Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 196 ff. 29 Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 29. 30 Diese entspringen nach der Naturrechtlehre aus der persönlichen Freiheit des Menschen. Maßgeblich daraus entwickelten sich philosophisch fundierte Systeme von moralischen und rechtlichen Normen (Pufendorf, Thomasius, Wolff, Kant). Kurz zusammenfassend: Kaufmann, JZ 1964, 482 (487). Weitergehend: Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 51 ff. 31 von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Band 1, S. 7. 32 von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Band 5, S. 5. 33 Vgl. etwa: Puchta, Lehrbuch der Pandekten, S. 126. 27

A. Die Entwicklung der elektiven Konkurrenz

39

III. Die Entwicklung des Anspruchs nach Windscheid 1. Der Anspruch Das weitere Schicksal der elektiven Konkurrenz beeinflusste maßgeblich Bernhard Windscheid. Sein Verdienst ist die Entwicklung des Anspruchs in der uns heute geläufigen Form. Windscheids Einflussnahme richtete sich gegen die historische Rechtsschule, die von Savigny geprägt war. Dessen Zusammenführung von römischem Recht und Naturrechtslehre – von Puchta34 und Anderen fortgesetzt – war nach Windscheids Ansicht zum Scheitern verurteilt, denn das Denken der Römer, insbesondere mit Blick auf die Aktionen, war mit dem modernen Rechtsverständnis nicht in Einklang zu bringen.35 Maßgeblich war im modernen Verständnis das materielle Recht. Die prozessuale Durchsetzbarkeit war unmittelbare und unbestreitbare Folge dieses Rechts: „Für das heutige Rechtsbewusstsein ist das Recht das Prius, die Klage das Spätere, das Recht das Erzeugende, die Klage das Erzeugte.“36 Eine Rückbesinnung auf die actio im römischen Sinne kam daher für Windscheid nur in Frage, wenn man den materiellen vom prozessualen Teil des Rechtsbehelfs trennte. Blendet man hiernach den rein prozessualen Teil aus, der ohnehin unter den römischen Besonderheiten nicht mit den modernen Vorstellungen einer Klage vergleichbar ist, so erfasst die actio das Forderungsrecht – die obligatio – sowie die Möglichkeit, vom anderen die Anerkennung dieses Rechts – notfalls eben auch gerichtlich – verlangen zu können.37 Windscheid führt zur Beschreibung dieses rein materiellen subjektiven Rechts den Begriff Anspruch ein.38 Ihm folgend, trennen wir fortan zwischen Anspruch und Klagrecht (oder: materiellem und prozessualem Anspruch) zwei völlig unterschiedliche Begriffe.39 Ersterer ist zivilrechtliche Materie, letzterer rein prozessrechtlicher 34

Puchta, Lehrbuch der Pandekten, S. 126. Beachte v. a. die wichtige Schrift: Windscheid, Die Actio des römischen Civilrechts vom Standpunkte des heutigen Rechts, dort siehe S. 5. 36 Windscheid, Die Actio des römischen Civilrechts vom Standpunkte des heutigen Rechts, S. 3. 37 Windscheid, Die Actio des römischen Civilrechts vom Standpunkte des heutigen Rechts, S. 5. 38 Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Band 1, S. 111 (113); ders., Die Actio des römischen Civilrechts vom Standpunkte des heutigen Rechts, S. 5/6: Ursprung dieser Idee ist der Begriff debetur. Er drückt aus, dass man ein Recht hat, wenn einem etwas „geschuldet“ wird, aber darüber hinaus auch, wenn einem etwas „gebührt“. Der Begriff erfasst also auch z. B. die Anerkennung des Eigentums als dingliches Recht. 35

40

Kap. 1: Die elektive Konkurrenz im historischen Kontext

Natur.40 Der Anspruch nach Windscheid bedeutet das subjektive Recht, von einem Anderen ein Tun oder Unterlassen verlangen zu können. Er ist in dieser Gestalt in § 194 Abs. 1 BGB kodifiziert.41 2. Die Überwindung der prozessrechtlichen elektiven Konkurrenz Der Ursprung des Anspruchs ist verständlicherweise auch der Moment, in dem die Klagenkonkurrenz des gemeinen Rechts in eine Anspruchskonkurrenz übergeht. Wurde bis Windscheid die Aktionenkonkurrenz als überwiegend prozessrechtliches Problem behandelt, musste nunmehr die Konkurrenz materiellrechtlich bewertet werden.42 Die prozessrechtliche Konkurrenzfrage wurde dadurch nicht entbehrlich, vielmehr trat sie nur neben die weitaus wichtigere Frage der Konkurrenz materiellrechtlicher Ansprüche. Der Ursprung des Anspruchs ist folglich der Ursprung der Teilung der Konkurrenzproblematik, einmal auf zivilrechtlicher, einmal auf zivilprozessrechtlicher Ebene. Das Problem der elektiven Konkurrenz im Zivilprozessrecht wurde durch die Anerkennung eines einheitlichen prozessualen Anspruchs aus dem Weg geräumt. Die Sichtweise alternativer Klagen wurde dort durch die Lehre vom Streitgegenstand abgelöst.43 Die moderne Zivilprozesslehre geht nämlich fortan davon aus, dass für die Verurteilung des Beklagten Funktion und Zahl der materiellen Ansprüche ohne Belang ist.44 Vielmehr ist der tatsächliche Grund der Verurteilung gleichgültig, wenn nur wenigstens ein materieller Anspruch das streitgegenständlich einheitliche prozessuale Vorgehen stützt. Der Sinn und Zweck der früheren Kategorie elektiver Klagenkonkurrenz, die Wahlmöglichkeit der Rechtsbehelfe mit ihren Vor- und Nachteilen, hat sich damit erledigt. Denn es kommt im modernen Prozess nicht mehr darauf an, dass man den „richtigen“ Anspruch benennt, sondern nur, dass das Begehren überhaupt von einem Anspruch gestützt wird.45 Die elektive Konkurrenz hat im Zivilprozessrecht fortan keinen Bestand mehr. Die prozessrechtliche Betrachtung soll daher im Folgenden nicht weiter interessieren. 39

Kaufmann, JZ 1964, 482 (482). Allerdings meinte Windscheid mit Prozessrecht noch „öffentliches Recht“: Windscheid, Die Actio des römischen Civilrechts vom Standpunkte des heutigen Rechts, S. 223. 41 Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 29. 42 Siehe: Windscheid, Die Actio des römischen Civilrechts vom Standpunkte des heutigen Rechts, S. 34. 43 Grundlegend: Nikisch, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, S. 36 ff. 44 Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 121. 45 Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 121. 40

A. Die Entwicklung der elektiven Konkurrenz

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Die Konkurrenzproblematik verlagerte sich auf das materielle Recht. Aus der Aktionenkonkurrenz wurde eine materiellrechtliche Anspruchskonkurrenz. Der Diskurs hierüber – die Lehre von den Anspruchskonkurrenzen – lässt die elektive Konkurrenz im modernen materiellen Zivilrecht fortleben.

IV. Die elektive Konkurrenz und die Anspruchskonkurrenzen Die Pandektenwissenschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts bemühte sich um die Klärung des neuen Problems konkurrierender Ansprüche. Die Ansätze wurden zum Teil auch Grundlage landesrechtlicher Kodifikationsversuche. So gab es sowohl in § 149 des sächsischen BGB als auch in Art. 320 des Dresdner Entwurfs zum BGB Regelungen zur Anspruchskonkurrenz.46 Die Väter des BGB hingegen haben keine Regelung hierzu erlassen. Im Gegensatz zur Kodifikation der Wahlschuld in den §§ 262 ff. BGB wollte der Gesetzgeber ausdrücklich die Lösung der zum Teil heftigen Streitfragen zur Anspruchskonkurrenz der Wissenschaft und Praxis überlassen.47 Folgerichtig ranken sich fortan komplexe wissenschaftliche Debatten um die Entwicklung einer einheitlichen Dogmatik. Ausgangspunkt ist Savigny, der von Konkurrenz spricht, wenn die Forderungsrechte den gleichen „juristischen Gegenstand oder Zweck“48 verfolgen. Was darunter zu verstehen ist, wurde historisch unterschiedlich beurteilt. Für die heute herrschende Lehre49 ist nicht mehr die „Identität des Ziels“50 entscheidend, ebenso wenig die Identität des rechtlichen oder wirtschaftlichen „Interesses“51 der Ansprüche. Ein identischer Gegenstand der Ansprüche liegt vielmehr vor, wenn sie identische Leistungen zum Inhalt haben und sich insoweit erledigen, als einer der Ansprüche befriedigt wird.52 Schwierig war und ist nach wie vor die rechtliche Behandlung dieser Kon46

Im Originaltext nachzulesen bei: Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 63 Fn. 1. Motive I, S. 278: Die explizit erwähnten Vorschriften des sächsischen BGB und des Dresdner Entwurfs wurden als „richtig verstanden“ angesehen, würden aber „durch ihre Fassung zu Missverständnissen Anlass geben“. 48 von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Band 5, S. 205. 49 Siehe die gesamte Entwicklung bei: Dietz, Anspruchskonkurrenz bei Vertragsverletzung und Delikt, S. 164; kürzer: Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 65 ff. 50 Dietz, Anspruchskonkurrenz bei Vertragsverletzung und Delikt, S. 164. 51 Vgl. etwa Konrad Hellwig: „Ein Tatbestand oder verschiedene Tatbestände können Ansprüche erzeugen, die zwar dasselbe wirtschaftliche Interesse befriedigen sollen, aber auf einem verschiedenen rechtlichen Wege, so dass nur die Realisierung des einen oder des anderen Anspruchs möglich ist“; Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S. 105/106. Kritisch dazu: Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 66. 52 Grundlegend: von Tuhr, Allgemeiner Teil, Band 1, S. 270. 47

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Kap. 1: Die elektive Konkurrenz im historischen Kontext

kurrenzfragen. Die Lehre von den Anspruchskonkurrenzen, die sich im 20. Jahrhundert fortentwickelt hat, geht von verschiedenen Kategorien der Konkurrenz von Ansprüchen aus. Zu nennen sind dabei v. a. die Gesetzeskonkurrenz und die (echte) Anspruchskonkurrenz. Hinsichtlich der (echten) Anspruchskonkurrenz muss man zudem die Entwicklung der sog. Anspruchsnormenkonkurrenz beachten. Diese Kategorien müssen wir von der elektiven Konkurrenz im modernen Verständnis unterscheiden.53 1. Die Anspruchshäufung Die Anspruchshäufung ist die Kumulation von verschiedenen Ansprüchen. Die Ansprüche, die gehäuft werden können, verfolgen unterschiedliche Ziele. Das zeigt das Beispiel des Herausgabeanspruchs nach § 985 BGB und des zeitgleich bestehenden Vindikationsfolgeanspruchs aus §§ 989, 990 BGB, der dem Eigentümer Schadensersatz gegen den unberechtigten Besitzer gewährt. Die elektive Konkurrenz hat mit der Anspruchshäufung nichts gemein. Diese wird zwar als „kumulative Normenkonkurrenz“ im Kontext der Anspruchskonkurrenzen aufgeführt.54 Folgt man jedoch dem Verständnis nach Savigny, ist richtigerweise die Kumulation von Optionen schon per se keine Konkurrenz.55 Denn die Ansprüche, die sich häufen, verfolgen eben nicht eine identische Leistung, sondern verschiedene Interessen. Die Kumulation bedeutet darüber hinaus, dass die Ansprüche sich in keinster Weise in ihrer Anwendung beeinflussen und daher erst Recht nicht gegenseitig ausschließen müssen. Elektiv konkurrierende Ansprüche lassen sich indes nicht häufen, sondern schließen sich gegenseitig aus.56 2. Die Gesetzeskonkurrenz Die elektive Konkurrenz ist zu differenzieren von der Gesetzeskonkurrenz.57 Diese ist gemeint, wenn aus Gründen der Spezialität bzw. Subsidia53

Siehe: Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, S. 352 ff.: Die „alternative Konkurrenz“ (S. 353 Rn. 24), wie sie dort synonym genannt wird, wird als „Fallgestaltung“ (S. 352 Rn. 18) gleichbedeutend zur Gesetzeskonkurrenz (Rn. 19), kumulativen Konkurrenz (Rn. 26) und eben auch Anspruchs- bzw. Anspruchsnormenkonkurrenz (Rn. 28) behandelt. 54 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, S. 352 ff., MüKo/Kramer, § 241 Rn. 23. 55 Die Kumulation von verschiedenen Optionen als „Konkurrenz“ zu bezeichnen, hat Savigny ausdrücklich abgelehnt: System des heutigen Römischen Rechts, Band 5, S. 213. 56 Weitergehend zur logischen Unterscheidung: Kapitel 3, S. 124 f.

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rität ein Normenkomplex einem anderen in der sachgerechten Anwendung vorgeht58 und diesen damit verdrängt59. Es kommt stets nur einer von mehreren konkurrierenden Ansprüchen zur Geltung, weil er aus normativen Erwägungen Vorrang genießt. Ein Beispiel hierfür, das ich an späterer Stelle ausführlich aufgreife,60 liefert die Konkurrenz des Anfechtungsrechts nach § 119 Abs. 2 BGB zu den kaufrechtlichen Gewährleistungsrechten: Um nicht die Sonderregelungen des Kaufrechts zu umgehen, ist eine Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums ab Gefahrübergang der Sache ausgeschlossen. Die elektive Konkurrenz von Ansprüchen ist davon zu unterscheiden. Sie wird nicht durch normative Erwägungen gelöst, sondern beinhaltet gleichwertig konkurrierende Ansprüche. Die Rechtsordnung gewichtet die elektiv konkurrierenden Ansprüchen nicht verschieden und vermag daher nicht, von vorneherein aus einer bestimmten Rangordnung heraus – allgemein-besonders oder generell-speziell – einen Anspruch dem anderen in seiner Geltung vorzuziehen. 3. Die Anspruchskonkurrenz a) Die echte Anspruchskonkurrenz Soweit sich verschiedene Lebenssachverhalte weitgehend decken, können im modernen, weitgehend kodifizierten Zivilrecht des 20. Jahrhunderts die Tatbestände verschiedener gesetzlicher Anspruchsnormen eröffnet sein. Die echte Anspruchskonkurrenz geht dabei von folgender Überlegung aus: Ein und derselbe Sachverhalt bringt verschiedene Ansprüche zur Entstehung, welche nebeneinander bestehen. Der Gläubiger erhält die Leistung nur einmal, denn alle Ansprüche sind auf die im Wesentlichen selbe Leistung gerichtet, so dass mit der einmaligen Erfüllung die weiteren Begehren diesbezüglich gelöscht werden.61 Jeder Anspruch richtet sich nach den hierfür vorgesehenen Tatbestandsvoraussetzungen. Es gilt das Prinzip der Selbständigkeit der Ansprüche: Die konkurrierenden Ansprüche beeinflussen sich gegenseitig nicht und sind allein nach den für sie geltenden Regeln zu beurteilen62. Das bedeutet, dass die Befriedigung des Anspruchs, die Möglich57

Dietz, Anspruchskonkurrenz bei Vertragsverletzung und Delikt, S. 16. Staudinger/Peters, § 195 Rn. 33; Jauernig/Mansel, § 241 Rn. 14; MüKo/Kramer, § 241 Rn. 22. 59 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, S. 352 ff., sprechen daher auch von normverdrängender Konkurrenz. 60 S. 224 ff. 61 Dietz, Anspruchskonkurrenz bei Vertragsverletzung und Delikt, S. 164. 62 Definition der sog. Selbständigkeitsregel: MüKo/Kramer, § 241 Rn. 27. 58

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Kap. 1: Die elektive Konkurrenz im historischen Kontext

keit der Abtretung, der Sorgfaltsmaßstab des Verschuldens, die Beweislastverteilung etc. für jeden der konkurrierenden Ansprüche separat zu untersuchen ist. Diese Selbständigkeit wird durch die unterschiedlichen Funktionen und Zweckrichtungen der Ansprüche erklärt.63 b) Die Anspruchsnormenkonkurrenz Die Selbständigkeit der Ansprüche wird in der Entwicklung der Anspruchskonkurrenzen für bestimmte Fälle als nicht überzeugend erachtet. Denn das Ziel der Ansprüche ist eine identische Leistung, sodass das Vorgehen des Gläubigers aus verschiedenen Ansprüchen zur Verwirklichung dieses Ziels hinterfragt wird. Dies gilt umso mehr, als die verschiedenen Ansprüche auf die identische Leistung unter Umständen abweichende Regelungen hinsichtlich ihrer Durchsetzung zu beachten haben. Zwei Tendenzen kann man dabei beobachten. Verschiedentlich werden die konkurrierenden Forderungsrechte als selbständig anerkannt, aber ihre unterschiedlichen Rechtsfolgen aneinander angepasst. So wird namentlich im Fall der Anspruchskonkurrenz zwischen vertraglichen und deliktischen Ansprüchen im Hinblick auf unterschiedliche Verjährungsfristen64 sowie gesetzliche65 und vertragliche66 Haftungsmilderungen in der Regel eine Ausnahme von der Selbständigkeit der Ansprüche gemacht. Dann kommt es zu einer punktuellen Harmonisierung der inkongruenten Rechtsfolgen. Weiter noch geht die zweite Tendenz, die die Selbständigkeit der konkurrierenden Ansprüche vollends aufgibt, wenn deren Rechtsfolgen deckungsgleich sind. Es besteht danach keine Konkurrenz von selbständigen Forderungsrechten, sondern ein einheitlicher Anspruch, der sich aus den verschiedenen Anspruchsgrundlagen begründet. Man spricht dabei von bloßer Anspruchsnormenkonkurrenz.67 Der Inhalt des einheitlichen materiellen Anspruchs folgt hier aus den verschiedenen Anspruchsnormen, die um ihre Anwendung konkurrieren. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Gläubiger vom Schuldner Schadensersatz aus einem verschuldeten Unfall geltend macht.68 Die Tatbestände der §§ 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB führen dabei 63

Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 219. St. Rspr., siehe bereits: RGZ 75, 116, 118; später: BGHZ 66, 315, 320; 71, 175, 179. 65 BGHZ 46, 313, 313; NJW 1992, 1679, 1680; ebenso die herrschende Literatur: MüKo/Kramer, § 241 Rn. 29 mit weiteren Nachweisen. 66 Exemplarisch: BGH, NJW 1994, 1220, 1221. 67 Statt aller: Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, S. 355 Rn. 35. 68 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, S. 355 Rn. 37. 64

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zum selben Inhalt (Schadensersatz) wie etwa eine Haftung nach § 7 StVG. Es liegt danach ein einheitlicher Schadensersatzanspruch vor, der auf verschiedenen Normen begründet ist. c) Das Merkmal der Anspruchskonkurrenz: Die Erfüllungsgemeinschaft Die Anspruchsnormenkonkurrenz wurde als Gegenentwurf zur traditionellen Anspruchskonkurrenz entwickelt, um eine wechselseitige Beeinflussung der Ansprüche dogmatisch zu begründen.69 Gegen diese Kategorie und ihre Abgrenzung zur Konkurrenz selbständiger Ansprüche werden Bedenken geäußert.70 Dieser Streit ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Ich greife aber einen Aspekt auf, der nach Ansicht der Kritiker die Unterschiede zwischen Anspruchsnormenkonkurrenz und echter Anspruchskonkurrenz einebnet und meines Erachtens die Grenze beider Kategorien zur elektiven Konkurrenz deutlich macht. Die Fallgruppen der Anspruchsnormenkonkurrenz und der echten Anspruchskonkurrenz kennzeichnet gleichermaßen, dass der Gläubiger die Leistung nur einmal erhält. Alle Ansprüche bzw. Anspruchsnormen sind auf die im Wesentlichen identische Leistung gerichtet, so dass sich mit der einmaligen Erfüllung die weiteren Begehren diesbezüglich erledigen.71 Man kann dabei von einer „Erfüllungsgemeinschaft“72 oder einer „Erfüllungskonnexität“73 der Ansprüche bzw. Anspruchsnormen sprechen. Gemeint ist damit zum Beispiel, dass der Schuldner, der dem gegen ihn gerichteten Schadensersatzverlangen nach § 823 Abs. 1 BGB nachkommt, zugleich das Verlangen des Schadensersatzes aus § 823 Abs. 2 BGB zum Erliegen bringt. Der Gläubiger hat dann das erlangt, was ihm gebührt, und bekommt es kein zweites Mal. Gleiches gilt für folgenden Fall: Der Herausgabeanspruch des Vermieters nach Beendigung des Mietverhältnisses aus § 546 Abs. 1 BGB steht in Erfüllungskonnexität zu dem Herausgabeanspruch aus § 985 BGB. Mit der Erfüllung des einen Anspruchs erlischt auch der andere.74 Diese Erfüllungsgemeinschaft bzw. -konnexität ist die entscheidende Ursache für die rechtliche Konkurrenz der Ansprüche bzw. Anspruchsnormen. 69

Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 167 ff. Insbesondere: Arens, AcP 170 (1970), 392 (406); MüKo/Kramer, § 241 Rn. 25 mit weiteren Nachweisen. 71 Dietz, Anspruchskonkurrenz bei Vertragsverletzung und Delikt, S. 164. 72 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, S. 355 Rn. 37. 73 Jahr, Festschrift für Gerhard Lüke, S. 297 (304). 74 Grundlegend: Dietz, Anspruchskonkurrenz bei Vertragsverletzung und Delikt, S. 164. 70

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d) Das Merkmal der elektiven Konkurrenz: Die Geltendmachung Der Grund, warum neben der auf das moderne, rein materielle Recht zugeschnittenen Lehre von den Anspruchskonkurrenzen die aus dem römischgemeinrechtlichen Verständnis stammende Kategorie der elektiven Konkurrenz erhalten bleibt, liegt in der Unterscheidung zwischen der Erfüllungsgemeinschaft und der Ausschließlichkeit der Geltendmachung mehrerer Ansprüche. Es ist hierfür gleichgültig, ob man die Kategorie der Anspruchsnormenkonkurrenz neben bzw. anstelle der echten Anspruchskonkurrenz anerkennt. Für beide vertretenen Formen ist allein die Erfüllung eines Anspruchs durch den Schuldner entscheidend, um die Konkurrenzlage der selbständigen Ansprüche (echte Anspruchskonkurrenz) bzw. Anspruchsgrundlagen (Anspruchsnormenkonkurrenz) endgültig zu lösen. Der Gläubiger macht bis zur einmaligen Erfüllung durch den Schuldner sämtliche konkurrierenden Ansprüche geltend. Sie stehen nebeneinander.75 Erst die Erfüllung eines der Ansprüche (bzw. des einheitlichen Anspruchs) löst die Konkurrenz zu den anderen Ansprüchen (bzw. die Konkurrenz der Anspruchsgrundlagen untereinander), denn diese müssen dann nicht mehr erfüllt werden. Hier liegt der Unterschied zur elektiven Konkurrenz: In elektiver Konkurrenz stehen Ansprüche, die schon gar nicht nebeneinander geltend gemacht werden können. Es kommt dabei nicht darauf an, ob sie miteinander um die Befriedigung eines bestimmten Gläubigerinteresses konkurrieren, ob sie also in Erfüllungsgemeinschaft stehen. Vielmehr darf der Gläubiger hier nur einen der konkurrierenden Ansprüche überhaupt geltend machen. Nicht die Konkurrenz der Rechtsfolgen, die Erfüllungsgemeinschaft, ist hier entscheidend, sondern, dass lediglich einer der Ansprüche vom Gläubiger gewählt werden kann, nicht aber mehrere. Anders ausgedrückt: Es handelt sich diesem modernen Verständnis nach bei einer echten Anspruchskonkurrenz bzw. Anspruchsnormenkonkurrenz um eine Verhinderung der gleichzeitigen Wirkung alternativer Ansprüche, bei der elektiven Konkurrenz um eine Verhinderung der gleichzeitigen Ausübung alternativer Ansprüche. Wie den beiden Kategorien der Anspruchskonkurrenz, so wohnt auch der elektiven Konkurrenz der Gedanke der Ausschließlichkeit inne: Ein Anspruch schließt den anderen Anspruch aus. Für die echte Anspruchskonkurrenz und die Anspruchsnormenkonkurrenz ist es im Detail jedoch schwierig zu definieren, wie die Ausschließlichkeit der Wirkung konkurrierender Ansprüche bestimmt wird. Für die elektive Konkurrenz ist dieses Problem nicht relevant. Hierfür ist keine diffizile wechselseitige Verbindung von 75

MüKo/Kramer, § 241 Rn. 27.

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Rechtsfolgen zu einer Erfüllungsgemeinschaft nötig. Vielmehr ist die Ausschließlichkeit der elektiv konkurrierenden Ansprüche „vorgelagert“ auf den Moment, in dem die Ansprüche erst noch Wirkung entfalten müssen und somit die Rechtsfolgen noch keine unmittelbare Relevanz für die Beziehung der Ansprüche haben. Dieser Aspekt bildet einen Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung: Das Merkmal der logischen Ausschließlichkeit der Geltendmachung der Ansprüche ist die entscheidende Komponente der elektiven Konkurrenz.76 e) Die Abgrenzungsprobleme am Beispiel des Bürgenrückgriffs Für eine Reihe von Einzelfällen sind die Grenzen der verschiedenen Kategorien konkurrierender Ansprüche und damit deren jeweiliger Anwendungsbereich umstritten. Nicht selten ist die Kritik durch das Missfallen an der redaktionellen Konzeption des BGB motiviert gewesen.77 Beispielhaft nenne ich die streitige Frage, wie der Anspruch aus § 985 BGB zu den schuldrechtlichen Rückgabebestimmungen steht. Hier wurde von Gesetzeskonkurrenz über Anspruchsnormenkonkurrenz und Anspruchshäufung bis zur echten Anspruchskonkurrenz alles vertreten.78 Die Kontroverse über die Anspruchskonkurrenzen ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Die Abgrenzungsschwierigkeiten, die insbesondere zwischen den Kategorien der echten Anspruchskonkurrenz und der Anspruchsnormenkonkurrenz bestehen, wirken sich mitunter jedoch auch in der Differenzierung zur elektiven Konkurrenz aus. Meines Erachtens werden dabei die Unterscheidungsmerkmale der Erfüllungsgemeinschaft bzw. der ausschließlichen Geltendmachung nicht hinreichend beachtet. Das zeigt das Beispiel des Bürgenrückgriffs. Hierbei handelt es sich mit der herrschenden Meinung richtigerweise um die Konkurrenz zweier selbständiger Ansprüche, aber – insofern entgegen der herrschenden Meinung – keineswegs um eine elektive Konkurrenz, sondern um eine echte Anspruchskonkurrenz. aa) Beispiel: Der Bürgenrückgriff Ein Geschäftsmann geht für seinen Freund, der von einer Bank einen Kredit in Höhe von 10.000 e bekommt, eine Bürgschaft ein. Die Rückzahlung des Darlehens wird später fällig, doch der Darlehensnehmer kann nicht 76

Siehe Kapitel 3: S. 104 ff. Vgl. nur die umstrittene Konkurrenz von § 861 BGB und § 1007 BGB: BGHZ 7, 208, 217. 78 Skizziert bei: Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 220 ff. 77

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zahlen. Der Bürge wird von der Bank in Anspruch genommen und begleicht den Betrag von 10.000 e zuzüglich angefallener Zinsen. Nun will er gegen den Darlehensnehmer als Hauptschuldner vorgehen und diesen Betrag zurückfordern. Ausgangspunkt für den Bürgenrückgriff ist folgender: Der Bürge, der die Verbindlichkeit des Hauptschuldners gegenüber der Bank begleicht, kann sich neben der Rückgriffsmöglichkeit aus dem nach § 774 Abs. 1 S. 1 BGB gesetzlich übergegangenen Anspruch auch auf den Anspruch auf Aufwendungsersatz (§ 670 BGB79) aus dem Innenverhältnis zum Hauptschuldner stützen. Das bedeutet, ihm steht es frei, den auf ihn kraft cessio legis übergegangenen Darlehensrückzahlungsanspruch oder den Anspruch auf Ersatz seiner Bürgenaufwendung durchzusetzen. Sein durchsetzbares Interesse beläuft sich in beiden Fällen auf den Betrag von 10.000 e zuzüglich Zinsen, den er gegenüber der Bank gezahlt hat. Überwiegend wird für diese Alternativlage vertreten, es handele sich um die elektive Konkurrenz zweier selbständiger Rückgriffsansprüche.80 bb) Die Selbständigkeit der Rückgriffsansprüche Richtig ist, dass der Gläubiger hier keinen einheitlichen Anspruch im Sinne einer Anspruchsnormenkonkurrenz, sondern zwei getrennte Ansprüche hat, die separat voneinander zu betrachten sind.81 Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen folgt dies aus der unterschiedlichen Darlegungspflicht, wonach beim Erstattungsanspruch aus dem Innenverhältnis der Bürge den Bestand der Forderung gegen den Schuldner und die Befriedigung des Hauptgläubigers dartun muss, beim Recht nach § 774 Abs. 1 S. 1 BGB aber „nur“ den Bestand der übergegangenen Forderung, der Bürgschaft selbst und die Befriedigung des Hauptgläubigers.82 Ferner er79 § 670 BGB greift direkt, wenn ein Auftrag des Hauptschuldners an den Bürgen zur Übernahme der Bürgschaft vorlag. Sofern er die Bürgschaft ohne einen Auftrag übernommen hat oder der Auftrag nicht wirksam war (siehe etwa: OLG Stuttgart NJW-RR 1994, 876, 876), liegt unter Umständen eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vor, §§ 677 ff. BGB. Dann hat der zahlende Bürge einen Aufwendungsersatzanspruch in dieser Höhe gegen den Hauptschuldner gemäß §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB. 80 Siehe v. a.: Palandt/Sprau, § 774 Rn. 4; MüKo/Krüger, § 262 Rn. 12; jeweils unter Verweis auf: OLG Köln, Urteil vom 26.01.1989 (Az.: 1 U 97/88), JZ 1990, 343 = NJW-RR 1989, 1266 ff. 81 Vgl. auch: RGZ 59, 207, 209; 146, 67, 69; BGH, NJW 1986, 310, 312; Soergel/Mühl, § 774 Rn. 1; MüKo/Habersack, § 774 Rn. 16 mit Nachweisen zur Gegenansicht. 82 Staudinger/Horn, § 774 Rn. 4.

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streckt sich das Forderungsrecht kraft cessio legis auch auf Nebenrechte; der Anspruch aus dem Innenverhältnis zielt indes grundsätzlich nur auf Aufwendungsersatz ab.83 Der Anspruch aus dem Innenverhältnis unterliegt zudem der Verjährung nach § 195 BGB und kann unter Umständen noch durchgesetzt werden, wenn dem nach § 774 BGB übergegangenen Anspruch bereits die Einrede der Verjährung nach §§ 412, 404 BGB entgegengehalten werden kann.84 All dies verdeutlicht, dass zwei getrennte Forderungsrechte vorliegen und nicht ein einheitlicher Anspruch auf Grundlage verschiedener Normen. Dies ist folglich kein Fall einer Anspruchsnormenkonkurrenz. cc) Die Erfüllungsgemeinschaft der Rückgriffsansprüche Die beiden Ansprüche des Bürgen gegen den Hauptschuldner stehen keineswegs in elektiver Konkurrenz, sondern in echter Anspruchskonkurrenz. Das insofern entgegenstehende Schrifttum trennt meines Erachtens nicht zwischen der Geltendmachung und der Erfüllungsgemeinschaft der Ansprüche. Die Rückgriffsansprüche des Bürgen gegen den Hauptschuldner schließen sich gegenseitig aus. Die Konkurrenz der Ansprüche gründet nicht auf der prozessualen Erforderlichkeit eines getrennten Klageantrags, denn hier gilt ein einheitlicher Streitgegenstand.85 Die Konkurrenz ist vielmehr materiellrechtlich zu erklären. Sie besteht deshalb, weil bei deckungsgleicher Höhe des Anspruchsbetrags der Gläubiger zur Befriedigung nur einmal eine Leistung erhält. Der Gläubiger hat eben nur Anrecht auf die einmalige Zahlung des geschuldeten Betrags, mag sich die Schuld auch auf verschiedene Ansprüche stützen. Dies entspricht der Erfüllungsgemeinschaft im Fall der echten Anspruchskonkurrenz. Auf die „vorgelagerte“ Ebene der alternativen Geltendmachung der Ansprüche kommt es hingegen nicht an. Zwar sieht § 774 Abs. 1 S. 3 BGB bei einem Bürgenrückgriff einen Vorrang des Innenverhältnisses86 vor, was darauf hindeutet, dass dem Gläubiger eine Wahl über sein Vorgehen zusteht. Sofern deswegen aber von „wahlweise“ geltend zu machenden An83

MüKo/Habersack, § 774 Rn. 15. BGH ZIP 2000, 1576, 1577; MüKo/Habersack, § 774 Rn. 15; Staudinger/ Horn, § 774 Rn. 4. 85 MüKo/Habersack, § 774 Rn. 16. Zum Streitgegenstand: BGH, NJW 2000, 1958, 1959, NJW 2003, 2317, 2318; Musielak, Grundkurs ZPO, S. 86 ff.; Zöller/ Vollkommer, Einleitung Rn. 60 ff. Dazu bereits: S. 40 f. 86 Ständige Rechtsprechung, vgl. exemplarisch: BGH, NJW-RR 1992, 811, 812. Ebenso die Literatur: MüKo/Habersack, § 774 Rn. 20. 84

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Kap. 1: Die elektive Konkurrenz im historischen Kontext

sprüchen gesprochen wird, ist dies irreführend. Denn materiellrechtlich ist es nicht von Belang, ob der Bürge seinen Rückgriff ausdrücklich auf das Innenverhältnis zum Hauptschuldner oder auf die übergegangene Forderung stützt. Von einer Wahl kann keine Rede sein; vielmehr handelt es sich um nebeneinander laufende Ansprüche, die dasselbe Ziel, mithin eine im Wesentlichen identische Leistung verfolgen, nämlich die Zahlung der Summe, für die der Bürge dem Hauptgläubiger einsteht. Dass die Ansprüche sehr unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen haben und der Gesetzgeber selbst das Innenverhältnis als vorrangig erachtet, ändert nichts daran, dass die Konkurrenz der Ansprüche endgültig erst in dem Moment gelöst wird, in dem der Schuldner einen der Ansprüche durch Leistung der Regresssumme erfüllt. Die „Wahl“ des Bürgen auf Inanspruchnahme des Hauptschuldners ruft damit beide Ansprüche gleichermaßen auf. Eine Entscheidung darüber, welchen Anspruch dieser erfüllen soll, ist unnötig und daher auch unverbindlich: Beide Ansprüche gelten nebeneinander. Zahlt folglich der Hauptschuldner an den Bürgen die 10.000 e zuzüglich der angefallenen Zinsen, erledigen sich beide Rückgriffsansprüche. Bis zu dieser Zahlung aber ist es irrelevant, ob der Bürge seinen Rückgriff auf einen der beiden Ansprüche ausdrücklich stützt. Allein das materiellrechtliche Bestehen der beiden Ansprüche entscheidet, nicht eine Wahlerklärung des Bürgen. dd) Fazit: Der Bürgenrückgriff Das Beispiel des Bürgenrückgriffs zeigt plastisch, welche Unsicherheiten in der Abgrenzung zwischen den Kategorien der Anspruchskonkurrenz einerseits und der elektiven Konkurrenz andererseits bestehen. Der Grund dafür liegt insbesondere in der nicht ausreichenden Differenzierung der Merkmale der einzelnen Fälle. Notwendig ist v. a. eine stringente Trennung von zwei Fragen. Ob die Ansprüche alternativ erfüllt werden oder bereits alternativ geltend gemacht werden müssen, betrifft die Unterscheidung zwischen den Anspruchskonkurrenzen und der elektiven Konkurrenz. Ob in den Fällen der Erfüllungsgemeinschaft die Ansprüche gar auf der Grundlage verschiedener Anspruchsgrundlagen zu einem einheitlichen, rechtsfolgenharmonisierten Forderungsrecht zusammengezogen werden, betrifft demgegenüber die Unterschiedung zwischen der echten Anspruchskonkurrenz und der Anspruchsnormenkonkurrenz. Trennt man diese Fragen nicht, kommt es zu Missverständnissen im Einzelfall. Dies beweist insbesondere das Urteil des Oberlandesgerichts Köln,87 87 OLG Köln, Urteil vom 26.01.1989 (Az.: 1 U 97/88), JZ 1990, 343 = NJW-RR 1989, 1266 ff.

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auf das sich das Schrifttum bei der Annahme einer elektiven Konkurrenz im Bürgenrückgriff beruft. Dort wird dem Bürgen ausdrücklich ein Wechsel vom abgeleiteten Recht nach § 774 BGB auf den Anspruch aus dem Innenverhältnis zugestanden. In der Begründung heißt es: „Denn es liegt darin lediglich eine alternative Anspruchsgrundlage, kein Wahlrecht i. S. des § 262 ff. BGB.“88 Dass ein „Wechsel“ zwischen den beiden Ansprüchen möglich ist und keine Bindung an einen Anspruch stattfindet, ist ein Aspekt der elektiven Konkurrenz, der insofern die Abgrenzung zur Wahlschuld nach §§ 262, 263 Abs. 1 BGB verdeutlicht. Dies ist richtig, hat aber mit der Annahme einer „alternativen Anspruchsgrundlage“ nichts zu tun. Denn das ist wiederum ein Hinweis, der die Anspruchsnormenkonkurrenz suggeriert, welche sich insofern von der echten Anspruchskonkurrenz unterscheidet. Meines Erachtens liegt in der Alternative des Bürgenrückgriffs vielmehr eine echte Anspruchskonkurrenz, womit allein die Erfüllung des Hauptschuldners entscheidend ist, nicht die ausdrückliche Geltendmachung eines der beiden Rückgriffsansprüche. Auf einen Wechsel zwischen den Ansprüchen kommt es gar nicht an, denn bis zur Leistung des Hauptschuldners an den Bürgen stehen die Ansprüche nebeneinander. 4. Die elektive Konkurrenz heute: Überleben aktionenrechtlichen Denkens Der moderne Begriff der elektiven Konkurrenz von Ansprüchen ist ein Überbleibsel aktionenrechtlichen Denkens in den Zeiten der materiellrechtlichen Anspruchskonkurrenz. Das kommt durch das Wort elektiv besonders zum Ausdruck. Es verdeutlicht: Der Gläubiger soll eine Wahl bezüglich der Konkurrenz selbständiger Ansprüche haben. Dies ist die Vorstellung einer Auswahl zwischen Ansprüchen, die eigenständig sind und sich nicht gegenseitig beeinflussen. Der Gläubiger muss dabei eine Entscheidung treffen, welchen der Ansprüche er überhaupt zur Ausübung bringt. Diese Ausübung geschieht durch die Geltendmachung des Anspruchs. Wenn der Gläubiger einen Anspruch geltend macht, schließt das aus, dass auch der andere Anspruch geltend gemacht werden kann. Dann genießt der Gläubiger die Vorteile des gewählten Anspruchs ebenso wie er die Nachteile in Kauf nehmen muss.89 Die Vor- und Nachteile beziehen sich dabei jeweils auf sämtliche Charakteristika des Anspruchs, von der Beweislast über die Abtretbarkeit etc., bis zur Frage der Verjährung. Dies entspricht dem traditionellen Bild der elektiven Konkurrenz, wie sie weit vor dem Inkrafttreten des BGB verstanden wurde. Denn die Auswahl, 88 89

OLG Köln, NJW-RR 1989, 1266, 1267. Langheineken, Anspruch und Einrede, S. 140.

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Kap. 1: Die elektive Konkurrenz im historischen Kontext

die Ausübung, die aktive Geltendmachung durch den Gläubiger war ein wesentliches Merkmal der elektiven Klagenkonkurrenz im aktionenrechtlichen Sinne. Dieser Initiierungsakt, im römischen und gemeinrechtlichen Verständnis eine prozessuale Handlung, schloss die gleichzeitige Eröffnung der konkurrierenden Rechtsbehelfe aus. In einem verwandten Sinn wird der Begriff der elektiven Konkurrenz bei alternativen Ansprüchen auch heute verstanden: Der Gläubiger muss sich zwischen mehreren Rechtsbehelfen in ihrer ganzen Eigenständigkeit, positiv wie negativ, aktiv entscheiden.90 Freilich ist diese modifizierte Fortführung des traditionellen Verständnisses der elektiven Konkurrenz nicht unproblematisch. Denn die elektive Konkurrenz bleibt damit auch nach der Entwicklung des materiellrechtlichen Anspruchs durch Windscheid Bestandteil der Dogmatik, obwohl sie einem nicht vergleichbaren Rechtsverständnis entspringt. Im modernen Verständnis muss aber klar sein: Gemeint ist nicht, welchen Anspruch man prozessrechtlich geltend macht. Diese ursprüngliche Bedeutung hat die elektive Konkurrenz nach Entwicklung des rein materiellen Anspruchsbegriffs verloren. Das Schicksal der problematischen Tradierung römischer Denkstrukturen in das moderne Zivilrecht teilt der gesamte Komplex der Konkurrenz von Ansprüchen. Die für das heutige Recht grundlegende Zivilrechtsdogmatik um und nach 1900 hatte die Denkweise der gemeinrechtlichen Klagenkonkurrenz nicht überwunden. In aller Regel trat an die Stelle der diskutierten Aktionenkonkurrenz die Anspruchskonkurrenz, obwohl dies aufgrund der fundamentalen Wandlung des Rechtssystems und dem rein materiellrechtlichen Einschlag des Diskurses überhaupt nicht möglich war.91 Es wurden also dieselben Argumente und theoretischen Begründungen weitergeführt, die bereits die Debatte um die Konkurrenz der actiones bestimmt hatten. Jedoch hatte sich das Rechtsverständnis materiell und prozessual radikal gewandelt. Das klassisch-römische Prozesssystem, nach dem jedem einzelnen Tatbestand eine spezielle actio zugeordnet wurde, schuf so viele Aktionen, wie viele Male der Lebenssachverhalt den abstrakten Umschreibungen von Rechtstatbeständen gleichkam.92 Das moderne Zivilprozessrecht und besonders die Trennung von materiellem und prozessualem Recht sind damit nicht mehr vergleichbar. Trotzdem wurden die Überlegungen des „concursus actionum“ hier zum Teil nahtlos weitergeführt. So verhält es sich auch mit der Kategorie der elektiven Konkurrenz: Sie steht seit der Entwicklung des Anspruchs für eine „Erinnerung“93 an das römische 90

Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 68. Einwand etwa von: Siber, Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Nr. 89 (1941), 1 (69). 92 So: Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 126. 93 Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 68. 91

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Recht. Erinnert wird an die Selbständigkeit der konkurrierenden Ansprüche (vormals: Aktionen) des Gläubigers und zwar hinsichtlich ihrer Geltendmachung und der sich daraus ergebenden Vor- und Nachteile. Windscheids Ziel war es, die geschichtlich überholten Aktionen durch den Terminus Anspruch zu beerdigen: „Mögen wir unseren Actionen einen ähnlichen Nachruf nachsenden, wie einst Schiller den Göttern Griechenlands; – aber in’s Grab gehören sie doch!“94. Die Fortführung der Kategorie elektive Konkurrenz als dogmatischer Denkansatz gegenüber den Anspruchskonkurrenzen steht beispielhaft dafür, dass dieses Ziel nicht erreicht wurde. Der Geist der Aktionenkonkurrenz steckt noch in ihr. Die elektive Konkurrenz ist somit ein Überbleibsel aktionenrechtlichen Denkens im modernen, rein materiellen Zivilrecht. F. W. Maitlands Erkenntnis zum Überleben des aktionenrechtlichen Denkens hat auch hier ihre Gültigkeit: „The forms of action we have buried, but they still rule us from their graves.“95

V. Das Gestaltungsrecht in der elektiven Konkurrenz Nicht nur Ansprüche können sich logisch ausschließen und stehen daher im modernen Sinne in elektiver Konkurrenz. Eine logische Ausschließlichkeit kann zwischen allen Rechten des Gläubigers bestehen. Maßgeblich für das moderne Verständnis der elektiven Konkurrenz ist die Einbeziehung der Gestaltungsrechte seit Seckel. 1. Das Gestaltungsrecht nach Seckel Die Gestaltungsrechte wurden von der Wissenschaft ihrem Wesen nach erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts theoretisch erfasst.96 Das römische und später das gemeine Recht trennten nur zwischen absoluten (actio in rem)97 und relativen (actio in personam)98 Rechten; einseitige Gestaltungsbefugnisse waren fremd. Namhafte Juristen, darunter Hellwig, Enneccerus 94 Windscheid, Die Actio des römischen Civilrechts vom Standpunkte des heutigen Rechts, S. 232. 95 Allerdings bezieht der Brite Maitland dies auf das common law: The forms of Action at Common Law (1909), S. 2; zitiert nach: Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 127. Zur Gesamtproblematik fortbestehenden Aktionendenkens: Siber, Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Nr. 89 (1941), 1 ff.; Kaufmann, JZ 1964, 482 ff. Kritisch: Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 196. 96 Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, S. 36. 97 Das sind die Herrschaftsrechte: Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, S. 36. 98 Das sind die Forderungsrechte: Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, S. 37.

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Kap. 1: Die elektive Konkurrenz im historischen Kontext

und Zitelmann99 wussten daher diese zunächst, mit Beginn der wissenschaftlichen Erfassung der Gestaltungsrechte im 19. Jahrhundert, nicht richtig in die neue Lehre der Anspruchskonkurrenzen einzuordnen oder treffend zu beschreiben.100 Die einseitigen Gestaltungsbefugnisse passten einfach nicht in das tradierte Denkschema.101 So wurden diese anfänglich als „Rechte des rechtlichen Könnens“ (Zitelmann), „Rechtsänderungsrechte“ (Enneccerus) oder schlicht „Gegenrechte“ (Crome)102 bezeichnet und zum Teil nur auf wenige Fälle beschränkt103. Der Terminus „Gestaltungsrecht“ geht auf Emil Seckel zurück. Seckel knüpfte in einem Vortrag im Jahre 1903104 an die schwelende Diskussion um die Entwicklung der Anspruchskonkurrenzen an. Er stellte fest, dass die Ansprüche, egal ob dinglicher, schuldrechtlicher oder anderer Art, die materiellrechtliche Eigenschaft haben, über eine Person, eine Sache oder ein Gut eine unmittelbare Herrschaft auszuüben; er kategorisierte sie daher als „Herrschaftsrechte“.105 Von dieser Kategorie waren aber diejenigen Rechte nicht erfasst, die die Macht verliehen, eines der Herrschaftsrechte einseitig zu begründen, aufzuheben oder zu ändern, „mit einem Worte, zu gestalten“106. Diesen einseitigen Rechten verlieh Seckel daher den Namen „Gestaltungsrechte“.107 Seckel fand mit dem „Gestaltungsrecht“ nicht nur einen treffenden Begriff für diese vormals von der Lehre kaum eingeordneten Fälle, er fasste auch erstmalig sämtliche darunter einzustufenden Rechte in einer eigenen 99 Hellwig, Anspruch und Klagrecht (1900); Enneccerus, Rechtsgeschäft (1889), S. 617 ff.; Zitelmann, Das Recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Teil 1 (1900); allesamt zitiert von: Seckel, Die Gestaltungsrechte des bürgerlichen Rechts, S. 9 ff. 100 Ein Beispiel zur Unterscheidung von einseitiger Gestaltungsbefugnis und Anspruch zeigt bereits Savigny, der zwischen einer Vertragsaufhebung durch einseitigen Akt bzw. durch Anspruch auf Gegenzeichnung eines Aufhebungsvertrags differenziert: von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Band 4, S. 544 f. 101 Die Rechtspraxis kannte keine einseitige Gestaltungsbefugnis einer Partei, aber eine Befugnis des Richters, das Schuldverhältnis einseitig umzugestalten. So war bereits im Preußischen Allgemeinen Landrecht und im französischen Code Civil ein Vorläufer zum heutigen Rücktrittsrecht vorgesehen, aber dem Richter vorbehalten. Entwicklung bei: Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 219 f. 102 Crome, System des Deutschen Burgerlichen Rechts, Band 1 (1900), S. 176. 103 Namentlich wurden nur das Rücktrittsrecht und das Kündigungsrecht genannt. Zum Teil wurde eine eigene Rechtsnatur sogar hier geleugnet: Seckel, Die Gestaltungsrechte des bürgerlichen Rechts, S. 10 Fn. 8. 104 Abgedruckt als: Seckel, Die Gestaltungsrechte des bürgerlichen Rechts. 105 Seckel, Die Gestaltungsrechte des bürgerlichen Rechts, S. 8/9 Fn. 7. Heute verwenden wir den Begriff der Herrschaftsrechte nur in Bezug auf sachenrechtliche Herrschaftsbeziehungen: Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 78. 106 Seckel, Die Gestaltungsrechte des bürgerlichen Rechts, S. 9. 107 Seckel, Die Gestaltungsrechte des bürgerlichen Rechts, S. 12.

A. Die Entwicklung der elektiven Konkurrenz

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Kategorie zusammen. Nach Inkrafttreten des BGB machte er deren Existenz am Wort „Recht“ im Gesetz fest: „Anfechtungs,- Ausschließungs, Bestimmungs-, (Jagd-), Kündigungs-, Rücktritts-, Vorkaufs-, Wahl-, Widerrufs-, Wiederkaufs-Recht“108. In der Form, wie Seckel die Gestaltungsrechte definierte, sind sie bis heute Bestandteil der Dogmatik: Gestaltungsrechte sind Befugnisse des Berechtigten, durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung das Schuldverhältnis umzugestalten, das heißt zu begründen, inhaltlich zu verändern, zu veräußern oder aufzulösen.109 2. Einordnung in das moderne Verständnis der elektiven Konkurrenz Hinter Seckels Definition steckt nichts anderes als die Klarstellung, dass nach Abkehr vom aktionenrechtlichen Denken verschiedene materielle Rechte im Schuldverhältnis zu unterscheiden sind. Die Ansprüche bilden dabei das Recht, von jemandem ein Tun oder Unterlassen zu fordern und werden daher als Forderungsrechte bezeichnet. Diese unterscheiden sich aber fundamental von den Rechten, die auf den Mitwirkungsakt des Anderen verzichten und vielmehr eine einseitige Befugnis zur Veränderung der Rechtslage geben. Das sind die Gestaltungsrechte. Ausgehend davon wird klar, dass die Rechte des Gläubigers, die zueinander in Konkurrenz stehen, nicht nur Forderungsrechte, also Ansprüche, sein müssen. Es kann ebenso der Fall sein, dass ein Forderungsrecht mit einer einseitigen Befugnis, einem Gestaltungsrecht, konkurriert. Genauso denkbar erscheint eine Konkurrenz von Gestaltungsrechten untereinander. Beispielhaft nenne ich das Verhältnis des Rücktrittsrechts (heute etwa: §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB) zum Minderungsrecht (heute: §§ 437 Nr. 2, 441 BGB). Wer die Rückabwicklung der Leistungen und eine Rückkehr zum Zustand vor Vertragsschluss verlangt (Rücktritt), kann nicht zugleich verlangen, die mangelhafte Leistung der Gegenpartei zu behalten und seine eigene Leistung wertmäßig zu kürzen (Minderung). Die Gestaltungsrechte stehen dort also in Konkurrenz. Seckel selbst ließ offen, wie die Konkurrenz von Gestaltungsrechten untereinander und zu Ansprüchen zu bewerten sei.110 Die Konkurrenzenlehre musste nach seinen Untersuchungen jedenfalls erweitert werden. Neben der Anspruchskonkurrenz sind – nunmehr terminologisch klar trennbar – 108

Seckel, Die Gestaltungsrechte des bürgerlichen Rechts, S. 10/11 Fn. 11. Siehe nur: Esser/Schmidt, Schuldrecht I – Teilband 1, S. 91. Seckels Erkenntnisse wurden später durch Bötticher erweitert, der zwischen beendenden und ausfüllenden Gestaltungsrechten differenziert: Bötticher, Festschrift für Hans Dölle, Band I, S. 41 (51). 110 Ausdrücklich: Seckel, Die Gestaltungsrechte des bürgerlichen Rechts, S. 47 Fn. 137. 109

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Kap. 1: Die elektive Konkurrenz im historischen Kontext

Konkurrenzen zwischen Ansprüchen und Gestaltungsrechten und zwischen Gestaltungsrechten untereinander existent. Die Anerkennung des Gestaltungsrechts zwingt die Lehre, vor der Frage, wie die Konkurrenz zu lösen ist, die Frage zu stellen, welche Rechte eigentlich in Konkurrenz stehen. Von einer „Anspruchskonkurrenz“ kann dann keine Rede mehr sein, wenn der Gläubiger ein Gestaltungsrecht neben seinen Ansprüchen gegen den Schuldner zur Auswahl hat. Hier verwendet man im modernen Rechtsverständnis wiederum den Begriff elektive Konkurrenz. Seinen Ursprung im aktionenrechtlichen Denken verlässt der Terminus elektive Konkurrenz damit. Er lässt sich im modernen Sinne eben nicht allein auf die Fälle der Anspruchskonkurrenz, der früheren Aktionenkonkurrenz, verkürzen. Eine Gemeinsamkeit haben aber die klassischen Fälle der Anspruchskonkurrenz zu denen, in welchen mindestens eine konkurrierende Option ein Gestaltungsrecht ist: Die Rechte schließen sich in ihrer Geltendmachung gegenseitig aus. Unabhängig vom Charakter des Rechts behält nämlich der Begriff „Konkurrenz“ auch hier seine von Savigny (ursprünglich nur für Aktionen) geprägte Bedeutung, dass die Wahloptionen des Gläubigers in ihrer Ausübung miteinander unvereinbar sind. Die moderne elektive Konkurrenz, die sich auch auf die Konkurrenz von Gestaltungsrechten untereinander und zu Ansprüchen erstreckt, erhält folglich eine – über die terminologische Erinnerung an das römische Recht hinausgehende – neue Bedeutung. Nimmt man die Fälle der Gestaltungsrechte in Konkurrenz, steht die elektive Konkurrenz seit Seckel für weit mehr als nur die Ausschließlichkeit der Geltendmachung zweier Ansprüche. Sie steht für die logische Ausschließlichkeit der Geltendmachung jeglicher Forderungs- oder Gestaltungsrechte des Gläubigers.

VI. Fazit: Die historische Entwicklung der elektiven Konkurrenz Ich halte fest: Die elektive Konkurrenz im heutigen Sinne ist ihrem Ursprung entrückt. Sie stammt aus der römisch-gemeinrechtlichen Aktionenkonkurrenz. „Elektive Konkurrenz“ beschreibt ursprünglich den Fall, dass der Gläubiger zwischen sich gegenseitig ausschließenden Aktionen eine auswählt, die anderen Aktionen damit nicht mehr Wirkung entfalten können und die gewählte Aktion mit ihren Vor- und Nachteilen zur Durchsetzung gebracht wird. Die römisch-gemeinrechtliche elektive Konkurrenz ist damit eine Konkurrenz von Klagen im prozessrechtlichen Sinne. Der maßgebliche Einfluss von Savigny und Windscheid hat das Aktionenrecht ad acta gelegt. Der materiellrechtliche Anspruch wird seitdem vom prozessrechtlichen Anspruch getrennt. Im Zivilprozessrecht gibt es keine elektive Konkurrenz

B. Parallele: Die historische Entwicklung der Wahlschuld

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mehr; dort herrscht die Lehre vom Streitgegenstand. Die elektive Konkurrenz hat jedoch als Begriff im materiellen Zivilrecht überlebt. Sie beschreibt den Fall, dass von mehreren Ansprüchen nur einer geltend gemacht werden kann. Notwendig ist damit eine Abgrenzung zu weiteren Fällen der Konkurrenz von Ansprüchen. Das gilt insbesondere bei den Fällen der echten Anspruchskonkurrenz bzw. der Anspruchsnormenkonkurrenz, die auf die gleiche Leistung gerichtet sind und eine Erfüllungsgemeinschaft bilden. Terminologisch handelt es sich bei der elektiven Konkurrenz um eine Erinnerung an das römische Recht, ein Überbleibsel aktionenrechtlichen Denkens. Seit der Erfassung der Gestaltungsrechte nach Seckel hat die elektive Konkurrenz aber eine neue Bedeutung im modernen Rechtsverständnis. Sie beschreibt als eigenständige Kategorie nämlich die logische Ausschließlichkeit der Geltendmachung von Forderungs- und Gestaltungsrechten gleichermaßen.

B. Parallele: Die historische Entwicklung der Wahlschuld und der Ersetzungsbefugnis Die geschichtliche Entwicklung der elektiven Konkurrenz muss man im Zusammenhang mit der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers betrachten. Alle drei Varianten entspringen römischem Rechtsverständnis und ihrer Fortentwicklung bis ins 20. Jahrhundert. Sie nehmen jedoch unterschiedliche Wege in der Dogmatik. Unter Berücksichtigung dieser historisch gewachsenen Unterschiede können wir den Anwendungsbereich der elektiven Konkurrenz im modernen Verständnis besser verstehen.

I. Die obligatio alternativa Ursprung der Wahlschuld ist die obligatio alternativa (alternative Obligation oder auch Alternativobligation). Die römische obligatio beschrieb nach Kaser das Rechtsverhältnis, nach dem der Schuldner dem Gläubiger zu einer Leistung verpflichtet war und aus welchem der Gläubiger, wenn die Leistung nicht ordentlich erbracht wurde, den Schuldner verklagte.111 Die Besonderheit, dass eine Wahl bezüglich des Gegenstandes der Leistung aus verschiedenen Alternativen besteht, führte später im gemeinen Recht zur Bezeichnung des Rechtsverhältnisses als obligatio alternativa.112 111

Kaser, Das römische Privatrecht, Erster Abschnitt, S. 479. Der Begriff ist keineswegs römischer Natur: Kaser, Das römische Privatrecht, Erster Abschnitt, S. 494. Dazu an späterer Stelle mehr: S. 129 ff. 112

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Kap. 1: Die elektive Konkurrenz im historischen Kontext

Unabhängig von der Bewertung der obligatio alternativa müssen wir zunächst den Terminus obligatio richtig, das heißt römisch, verstehen. Problematisch erscheint nämlich der daraus abgeleitete Begriff Obligation im modernen Diskurs. Die obligatio nahm im römischen Recht die Position ein, die heute durch den Ausdruck des „Schuldverhältnisses“ besetzt ist. Sie bezeichnet die die Schuld verkörpernde Rechtsbeziehung der Parteien, ohne eine der beiden Perspektiven zu bevorzugen, also semantisch neutral. Aus der Entwicklung des Obligationenrechts pandektistischer Prägung und der Hinführung zum heutigen Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs heraus lassen sich Anhaltspunkte dafür finden, dass die „Obligation“ als nunmehr gewandelter Begriff einseitig belastet ist. „Obligation“ meint aus moderner Sicht eben eine Rechtsstellung aus der Sicht des Schuldners, nicht aus der des Gläubigers.113 Die ursprüngliche obligatio kann man also nicht per se gleichsetzen mit einer „Obligation“, wie wir sie heute verstehen. Diese Wandlung, die wir hier nicht näher hinterfragen müssen, ist auch in der Entstehung des BGB von Bedeutung gewesen: Der Sprachgebrauch des Gesetzes sollte eine neutrale Position einnehmen, die weder die Sichtweise des Gläubigers noch die des Schuldners bevorzugte. Der ursprüngliche Gedanke, das Schuldverhältnis im BGB als „Obligationsverhältnis“ zu bezeichnen, wurde folglich – im Gegensatz zum Schweizer Recht – als sprachlich „nicht deutsch“ verworfen.114 Diese historische Wandlung von der semantisch neutralen Schuldbeziehung obligatio hin zur schuldnerperspektivischen Obligation ist zu beachten, wenn die Begriffe verwendet werden. Die römischen Juristen kannten bereits zwei Bereiche, in denen dem Gläubiger oder dem Schuldner eine Wahl bezüglich des Leistungsinhalts ihrer Rechtsbeziehung, der obligatio, gegeben wurde. Das gemeine Recht sprach in den Fällen von obligatio alternativa. Dies war zum einen das auf mehrere Leistungsgegenstände alternativ gerichtete Versprechen zur Leistung (stipulatio), zum anderen das Vermächtnis, das dem Vermächtnisnehmer die Auswahl zwischen verschiedenen Gegenständen ließ.115 Ersteres, das alternative Leistungsversprechen (Stichum aut Pamphilum, stichum aut decem)116, entsprach dabei unserem heutigen Verständnis einer Wahlschuld. Aus der Feder der Glossatoren stammt zur Beschreibung dieses Falls die Formel „duae res in obligatione, una tantum in solutione“.117 Sie beschrieb 113

Staudinger/Schmidt (12. Auflage), Einleitung zu §§ 241 ff. Rn. 77. Zu gesamten Entstehungsgeschichte: Staudinger/Schmidt (12. Auflage), Einleitung zu §§ 241 ff. Rn. 77. 115 Zum gesamten Komplex siehe die Übersicht bei: Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, S. 170. 116 Kaser, Das römische Privatrecht, Erster Abschnitt, S. 494. 114

B. Parallele: Die historische Entwicklung der Wahlschuld

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den Umstand, dass zwei Gegenstände von der Schuld einer Partei umfasst sind, aber nur eine die Schuld auflösen werde. Diese Formel, vom gemeinen Recht aufgegriffen, verdeutlichte, dass man zwischen dem „Schuldverhältnis“ und dem „Inhalt der Schuld“ unterschied, wenn auch nicht in diesen Termini. Beide Gegenstände der Leistung waren, wie Knütel übersetzt, „Gegenstand der Obligation, einer nur ist Gegenstand der Erfüllung“118. Die Schuld als Leistungsversprechen, also stipulatio,119 konnte folglich divergierende Leistungsgegenstände beinhalten, wobei eben nur ein Gegenstand tatsächlich versprochen und damit zu leisten war.

II. Die Pendenztheorien Die (elektive) Konkurrenz der Rechtsbehelfe, der actiones, wurde von den Römern und später im gemeinen Recht prozessrechtlich gelöst. Die Konkurrenz der Leistungsgegenstände, also der stipulationes, unterlag jedoch keinen allgemein gültigen Rechtsregeln.120 Die Formel „duae res in obligatione, una tantum in solutione“ sagte nichts darüber aus, wie die Konkurrenz letztlich gelöst werden konnte. Es hatten sich aber zwei Interpretationen herauskristallisiert, die eines gemeinsam hatten: Sie betrachteten die Situation vor der Entscheidung, welcher Leistungsgegenstand zu erbringen sei, als Schwebelage für die Rechtsbeziehung. Diese Schwebelage bezeichnete man als Pendenz.121 Die zwei sog. Pendenztheorien stammten aus dem römischen Recht und wurden bereits in den Quellen als Grundlage der Pandektenwissenschaft aufgeführt.122 Man unterschied zwischen einer resolutiven Pendenztheorie123 und einer suspensiven Pendenztheorie124. Zur Erklärung: Das Schuldobjekt – die erste Wahlmöglichkeit – kann zu einem zweiten Schuldobjekt – einer zweiten Wahlmöglichkeit – von An117 Pescatore, Die sogenannte alternative Obligation, S. 8 Fn. 1. Sie stammt wohl aus der Glosse „Illud“ in fine von Papinian, D. 13, 5, 25, so: Pescatore, Wahlschuldverhältnisses, S. 49 Anmerkung 5. 118 Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, S. 170. 119 Kaser, Das römische Privatrecht, Erster Abschnitt, S. 474. 120 Ziegler, AcP 171 (1971), 193 (196). 121 Erler, Wahlschuld, S. 13. 122 Die Namen der Theorien sind jedoch von Carl Bernstein: Bernstein, Der alternative Wille und die alternative Obligation, S. 88. Weiterführend: Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, S. 666 Rn. 3; Marcus, Wahlschuld, S. 7; Pescatore, Die Wahlschuldverhältnisse, S. 41. 123 Nach Bernstein stammt diese aus der Feder von Celsus, Marcellus und Ulpian: Bernstein, Der alternative Wille und die alternative Obligation, S. 88. 124 Erdacht und vertreten von Julian, Papinian und Paulus: Bernstein, Der alternative Wille und die alternative Obligation, S. 88.

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Kap. 1: Die elektive Konkurrenz im historischen Kontext

resolutive Pendenz

suspensive Pendenz Inhalt der obligatio

Optionen

Wahl

Wahl Optionen

Abb. 1: Die Pendenztheorien

fang an in einem Verhältnis stehen: Beide Möglichkeiten bilden den Inhalt der Obligation. Der Gläubiger bzw. Schuldner legt durch seine Wahlentscheidung fest, welche Möglichkeit schließlich Obligationsinhalt bleibe bzw. welche auszuscheiden habe. Dies war Kern der sog. resolutiven Pendenztheorie im Bereich der Alternativobligationen.125 Es ist anfänglich nicht ungewiss, dass etwas geschuldet ist, wohl aber, was letztlich geschuldet ist.126 Alle Möglichkeiten des Entscheidungsbefugten werden von Anfang an seitens des Schuldners geschuldet. Durch die Wahl wird die erwählte Leistung zur allein Geschuldeten.127 Ihr Gegenstück war die suspensive Pendenz: Es wird anfänglich keine einzige der zur Wahl stehenden Optionen geschuldet. Erst durch die Wahl wird die erwählte Leistung zur Geschuldeten.128 Sowohl der Schuldner als auch der Gläubiger konnte die Wahl über den zu erbringenden Leistungsgegenstand haben. Soweit der Gläubiger die Entscheidung über den Leistungsgegenstand zu treffen hat, ist also ein Vergleich zur elektiven Konkurrenzsituation möglich. Beide Ansätze sind vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Erklärung der obligatio alternativa und nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Erklärung der Wahlschuld verwendet worden.129 Als ge125

Litten, Wahlschuld, S. 29. Marcus, Wahlschuld, S. 7; Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Band 2, S. 17. 127 Erler, Wahlschuld, S. 14. 128 Erler, Wahlschuld, S. 14. 126

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setzliche Stütze für die resolutive Theorie wurde nach 1900 der Wortlaut des § 262 BGB verwendet („Werden mehrere Leistungen [. . .] geschuldet, . . .“); die auflösende Wirkung erklärte sich durch den Blick auf § 263 Abs. 2 BGB.130 Auch die suspensive Theorie fand einen Anknüpfungspunkt im Wortlaut des § 263 Abs. 2 BGB.131 Durchgesetzt hat sich letztlich im Bereich der Wahlschuld gemäß §§ 262 ff. BGB keine der beiden Theorien.132 Elementarster Kritikpunkt an der suspensiven Pendenztheorie war die Konsequenz, dass somit bis zur Wahlentscheidung die Schuld quasi keinen durchsetzbaren Inhalt habe.133 Anhand dieser Theorie würde der Schuldner bis zur Wahl überhaupt keine der Varianten schulden. Dies ist auch angesichts der Auslegung der vertraglichen Vereinbarung keineswegs haltbar, denn es liegt hinsichtlich der Bindung ja gerade kein offener Dissens im Sinne des heutigen § 154 Abs. 1 S. 1 BGB vor. Ebenso wenig konnte sich die resolutive Pendenztheorie in der Kontroverse durchsetzen. Es ist nämlich widersprüchlich, dass Derjenige, der „Eines oder das Andere“ schuldet, bis zur Wahlentscheidung eben „jedes von Beiden“ schuldet und erst eine rückwirkende Herauslösung der nicht gewählten Leistung dieses Ergebnis korrigiert.134 Zum Beispiel: Kann der Gast eines Restaurants im georderten Menü aus zwei verschiedenen Hauptgängen Fisch oder Fleisch wählen, dann ist die Schuld weder anfänglich inhaltslos (suspensive Pendenz), denn es wird ja die Zubereitung eines Hauptgangs definitiv erwartet, noch umfasst sie zunächst sowohl Fisch als auch Fleisch (resolutive Pendenz), denn es ist klar, dass nur eine Hauptspeise zubereitet und serviert wird. Vorgreifend auf den Hauptteil der vorliegenden Untersuchung, stelle ich fest: Die Pendenztheorien versagten zur Erklärung der obligatio alternativa, denn sie waren logisch widersprüchlich. Wie kann ich etwas schulden, wenn anfänglich keiner der Leistungsinhalte von meiner Schuld erfasst ist? Umgekehrt: Wie kann ich anfänglich beides schulden, wenn klar ist, dass ich nur eines von beiden zu erbringen habe? Entscheidend für den Gehalt 129 Nachweise bei: Erler, Wahlschuld, S. 14 und S. 15; Kreß, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, S. 250 Fn. 13; Pescatore, Die sogenannte alternative Obligation, S. 8 Fn. 1; ders., Wahlschuldverhältnisse, S. 49 Fn. 5; Ziegler, AcP 171 (1971), 193 (196). 130 Litten, Wahlschuld, S. 73. 131 Erler, Wahlschuld, S. 15. 132 Bemerkenswert ist der Versuch Littens, die Struktur der Wahlschuld durch eine Kombination beider Theorien zu begründen. Wahlrecht des Schuldners bedeute suspensive Theorie, Wahlrecht des Gläubigers resolutive Theorie: Litten, Wahlschuld, S. 80. 133 Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, S. 35/36 Fn. 3. 134 Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, S. 35/36 Fn. 3, 4.

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der späteren Wahlschuld ist eine logische Ausschließlichkeit der Wahloptionen des Gläubigers. Die Pendenztheorien waren und sind jedoch nicht mit der Logik in Einklang zu bringen.

III. Die Bestimmbarkeit der Schuld: Parallele zur Ersetzungsbefugnis Die Pendenztheorien werden aus den genannten Gründen nicht mehr vertreten.135 Durchgesetzt hat sich die Beschreibung des Umfangs der Wahlschuld als „unbestimmte, aber bestimmbare Leistung“, für deren Bestimmung es der Wahl bedarf.136 Es geht nämlich bei der inhaltlichen Varianz der Wahlschuld um einen Zustand der Unbestimmtheit, der etwa vergleichbar ist mit einer Gattungsschuld. Deutlich wird dies vor allem, wenn man sich das Wesen der verwandten Ersetzungsbefugnis vor Augen führt. 1. Die unbestimmte, aber bestimmbare Schuld Schon Savigny stellte eine Verwandtschaft der obligatio alternativa zur Gattung unbestimmter, aber bestimmbarer Obligationen fest.137 Diese Kategorie der unbestimmten, aber bestimmbaren Schuld traf ebenso auf die generische Obligation, die heutige Gattungsschuld nach § 243 BGB, zu.138 Grundsätzlich galt bereits damals: Alle Obligationen sind ihrem Inhalt nach bestimmt zu gestalten. Die objektive Bestimmbarkeit mag aber ausreichen in den Fällen, wo das Gesetz Maß und Grenzen der parteilich gewollten Unbestimmtheit zumindest skizziert, so etwa bei der generischen oder eben auch bei der alternativen Obligation.139 Diese Einstufung des gemeinen Rechts hat sich trotz zwischenzeitlicher neuer Ansätze im 19. Jahrhundert140 auch im modernen Verständnis durchgesetzt. Der Weg dahin ist durch die Begriffsjurisprudenz und die Entstehung des BGB gekennzeichnet. Das römisch-rechtliche Verständnis von Leistungsversprechen und Klagrecht wurde radikal geändert. Die historische 135 Fälle der Pendenz sind dennoch denkbar. Einen Fall liefert etwa § 179 Abs. 1 BGB; siehe unten: S. 355 f. 136 BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 2. 137 von Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen Römischen Rechts, Erster Band, S. 389. 138 von Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen Römischen Rechts, Erster Band, S. 388. 139 Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Erster Band, S. 661. 140 Vgl. die Aufstellung bei: Pescatore, Die sogenannte alternative Obligation, S. 16–68.

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Rechtsschule etablierte das subjektive materielle Recht als wesentlichen Anknüpfungspunkt der Rechtsbeziehungen. Windscheid sezierte den prozessrechtlichen Appendix, die Klagebefugnis, vom materiellen Anspruch. Dieser steht fortan im Mittelpunkt aller rechtlichen Überlegungen. Nicht für jedes Begehren steht nunmehr ein Klagrecht bereit, sondern der Anspruch formuliert das Begehren und trägt die natürliche Befugnis in sich, dieses notfalls gerichtlich geltend zu machen. Vor dem Hintergrund dieses neuen Rechtsverständnisses ist die Frage der Bestimmtheit der obligatio alternativa nunmehr eine Frage der Bestimmtheit des Anspruchsinhalts, genauer (aus Sicht des Schuldners): der Schuld. Denn der Anspruch ist im Duktus der Begriffsjurisprudenz des ausgehenden 19. Jahrhunderts inhaltlich durch das Leistungsgebot bzw. die Schuld bestimmt. Divergiert der Gegenstand der Leistung, nach Wahl des Gläubigers oder Schuldners, dann ist das eine Frage der Bestimmtheit der Schuld, des Anspruchsinhalts. Ein Beispiel: Schuldet der Schuldner Lieferung einer Tonne Weizen nach sorgfältiger Auswahl, dann sind der Anspruch und die Leistung singulär feststehend, der konkrete Leistungsgegenstand ist unbestimmt, aber – in den Kriterien des § 243 Abs. 2 BGB – bestimmbar. Schuldet der Schuldner Lieferung eines von zwei konkreten Säcken Weizen nach seiner Wahl, dann sind ebenso der Anspruch und die Leistung singulär feststehend, der konkrete Leistungsgegenstand ist unbestimmt, aber – in den Kriterien der §§ 262 ff. BGB – bestimmbar. Ersteres ist ein Fall der früheren generischen Obligation, der heutigen Gattungsschuld, letzteres ein Fall der früheren Alternativobligation, der heutigen Wahlschuld.141 Richtig ist also: Wie die Gattungsschuld ist die Wahlschuld ein Fall eines einheitlichen Anspruchs mit unbestimmtem, aber bestimmbarem Inhalt. Nur die Menge und die Parameter der Bestimmung unterscheiden sich. Dies ist auch der Ursprung für die große Bedeutung der Abgrenzungsformeln der Wahlschuld zu vergleichbaren Schuldverhältnissen mit unbestimmtem Inhalt, wie wir sie in den meisten Darstellungen finden.142 Die Entwicklungen des 19. Jahrhunderts zwingen uns folglich nur zu einer terminologischen Klarstellung eines bereits im gemeinen Recht bekannten Grundsatzes. Die Ablösung des Aktionendenkens durch das Anspruchsdenken hat den Inhalt der obligatio alternativa, heute Wahlschuld, nicht verändert: Es handelt sich um einen Fall unbestimmter, aber bestimmbarer Schuld.

141

von Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen Römischen Rechts, Erster Band, S. 388. 142 Erler, Wahlschuld, S. 22 Fn. 82; exemplarisch: Staudinger/Bittner, § 262 Rn. 2; BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 3–15.

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2. Die bestimmte Schuld mit Ersetzungsbefugnis des Schuldners Die Pendenztheorien waren der Versuch, die obligatio alternativa auf andere Weise inhaltlich zu charakterisieren. Sie sind gescheitert. Pescatore folgerte daraus, dass der Ansatz der Theorien, die Formel „duae res in obligatione, una tantum in solutione“, für sich „vollständig werthlos“143 sei. Das stimmt nicht ganz. Der Wert dieser Formel lag zumindest darin, einen zweiten Fall eines Gläubigerwahlrechts von der obligatio alternativa abzugrenzen, der sich aus der Umkehr des Wortlauts wie folgt ergab: „una res in obligatione, duae in solutione“. Es handelt sich um die sog. facultas alternativa144, die Ersetzungsbefugnis145. Diese Ersetzungsbefugnis kann man nicht mit der Unbestimmtheitsdefinition beschreiben. Ihrem Wesen nach ist das Schuldobjekt der Schuldbeziehung hier stets bestimmt. Es kann nur durch ein anderes Schuldobjekt vertauscht werden. Die Ersetzungsbefugnis ist nur das Recht, das Schuldobjekt einer inhaltlich bestimmten Schuld durch ein ebenso bestimmtes, anderes Schuldobjekt zu substituieren. Schon Litten wies treffend darauf hin, dass daher korrekterweise von einer „einfachen Schuld mit Ersetzungsbefugnis“ – oder: „obligatio simplex mit facultas alternativa“146 – zu sprechen sei. Die gemeinrechtliche Verkürzung auf die Ersetzungsbefugnis hat sich aber terminologisch durchgesetzt. Die Formel „unbestimmte, aber bestimmbare Schuld“ trifft auf die facultas alternativa eben nicht zu. Denn es wird immer etwas Bestimmtes geschuldet, entweder die ursprüngliche Leistung oder die Ersatzleistung. Die Fälle der facultas alternativa sind schon im römischen Recht bekannt gewesen.147 Ihre Verwandtschaft zur obligatio alternativa ist unübersehbar: Beides sind Fälle, in denen der Schuldner über den Inhalt der obligatio eine Wahl treffen kann. Hier bürgerte sich im gemeinen Recht die Umkehr der Formel zu „una res in obligatione, duae in solutione“ ein. Sie besagt, dass ein Schuldverhältnis auf eine einzige Leistung (una res) besteht, aber der Schuldner das Recht hat, anstatt der geschuldeten Leistung eine andere Leistung (duae) zu bewirken und damit das Schuldverhältnis zu tilgen.148 143

Pescatore, Die sogenannte alternative Obligation, S. 1 Fn. 1. Der Name stammt vom Glossator Ulpian: Kaser, Das römische Privatrecht, Erster Abschnitt, S. 495 Fn. 11. 145 Der Name stammt von Leonhard: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Nr. 41 (1900), S. 1 (2). 146 Litten, Wahlschuld, S. 92 Fn. 1. 147 Die Quellen erörtern diesen Fall z. B. beim Legat eines Lebensmittelvorrats (penus), der anstatt des geschuldeten Geldbetrags vom Erben erbracht werden kann. Nachweise bei: Kaser, Das römische Privatrecht, Erster Abschnitt, S. 495 Fn. 112. 148 Litten, Wahlschuld, S. 93. 144

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Macht der Schuldner von seiner facultas alternativa Gebrauch, bewirkt er eine andere Leistung als die geschuldete; der Anspruch erlischt dann nicht durch Erfüllung, sondern durch Hingabe an Erfüllungs statt.149 Es besteht auf Seiten des Schuldners ein Recht zur Hingabe an Erfüllungs statt, auf Seiten des Gläubigers eine Pflicht, die Leistung anzunehmen.150 Die Parallele zur Ersetzungsbefugnis des Schuldners zeigt, dass die aus dem gemeinen Recht übernommene Definition der Wahlschuld als „unbestimmte, aber bestimmbare Schuld“ die Treffendste ist. Denn dies verdeutlicht, dass die Wahlschuld eben keine von Anfang an bestimmte, also erfüllbare Leistungspflicht kennt, wie dies bei der Ersetzungsbefugnis der Fall ist. Erst durch die Wahl des Leistungsgegenstandes wird die Schuld bestimmt und erfüllbar. Dies trifft auf die vergleichbare Schuld mit Ersetzungsbefugnis gerade nicht zu. 3. Die bestimmte Schuld mit Ersetzungsbefugnis des Gläubigers Die facultas alternativa war seit dem römischen Recht als Ersetzungsbefugnis des Schuldners bekannt. Ihre Abgrenzung zur Alternativobligation mit Schuldnerwahlrecht bereitete schon immer Probleme, denn die Ausübung der Ersetzungsbefugnis fällt mit dem Moment zusammen, der auch die Alternativobligation löst, nämlich dem Leistungsvollzug durch den Schuldner.151 Eine Ähnlichkeit zur Alternativobligation mit Schuldnerwahlrecht bestand also unbestritten, jedoch keine zur Alternativobligation, bei der dem Gläubiger das Wahlrecht zusteht. Ebenso wenig kollidierte die facultas alternativa mit der elektiven Konkurrenz, die stets ein Wahlrecht des Gläubigers meinte. Erst 1878 „entdeckte“ Ferdinand Regelsberger dann die facultas alternativa des Gläubigers.152 Regelsbergers Untersuchung bekräftigte die Koexistenz von Alternativobligation und Ersetzungsbefugnis sowie deren Abgrenzungsproblem.153 Er zog daraus die Erkenntnis, dass die be149 Pescatore hat zu Recht darauf hingewiesen, dass folglich mit „in solutione“ etwas völlig anderes gemeint ist als im Kontext der Alternativobligation. „In solutione“ bedeutet „in Erfüllung“ bei der Alternativobligation; durch die andere Option der Ersetzungsbefugnis wird aber gerade keine zweite Variante der Erfüllung gegeben, sondern eine Option „an Erfüllungs statt“. Die Umkehr des Wortlauts der gemeinrechtlichen Formel enthält also einen logischen Fehler: Pescatore, Die sogenannte alternative Obligation, S. 15 ff. 150 Heute herrschende Auffassung, siehe nur: BGHZ 89, 126, 128. Anderer Ansicht (einseitiger Änderungsvorbehalt): Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 662. 151 Siehe nur die Problematik der Abgrenzung bei: Litten, Wahlschuld, S. 93. 152 Regelsberger, Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, Nr. 16 (1878), S. 159 ff. 153 Regelsberger, Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, Nr. 16 (1878), S. 162 ff.

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stimmte, aber inhaltlich austauschbare Schuld auch in Fällen denkbar ist, in denen die Wahl über den Ersatz dem Gläubiger gebührt. Die Schuld ist dort ebenso bestimmt, jedoch ist der Gläubiger ermächtigt, den Leistungsgegenstand gegen einen vorher bestimmten Ersatzgegenstand auszutauschen.154 Namentlich vier Untersuchungen haben im Anschluss daran zur Akzeptanz der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers als eigene Kategorie beigetragen.155 Pescatore belegte, dass es sich hierbei nicht um einen Fall der Anwendung der Pendenztheorien handelt.156 Siber widerlegte die Annahme, es handele sich um einen Fall konkurrierender Rechte.157 Gernsheim bereitete den Weg für das heutige Verständnis, nach dem die Ersetzungsbefugnis selbst ein Gestaltungsrecht für den Gläubiger ist.158 Erler schließlich schaffte es, den Falltypus an die moderne Dogmatik mit den nunmehr anerkannten Begriffen anzupassen.159 Fortan unterscheiden wir drei Typen eines Gläubigerwahlrechts: die Alternativobligation, die dem Gläubiger das Wahlrecht gewährt, die elektive Konkurrenz der Rechte und die facultas alternativa des Gläubigers. Dass deren Differenzierung eine Schwierigkeit darstellt, wird schon durch die Monographien und zahlreichen akademischen Einwürfe zur Darstellung und Abgrenzung der drei Formen am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts deutlich. Sie begleiteten die Entstehungsgeschichte des BGB und die ersten praktischen Erfahrungen im Umgang mit dem kodifizierten bürgerlichen Recht.

154 Daher spricht Regelsberger auch von „alternativer Ermächtigung des Gläubigers“: Regelsberger, Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, Nr. 16 (1878), S. 175. Er selbst betrachtet aber diese Bezeichnung bereits skeptisch und kündigt keinen Widerstand gegen einen „Kunstausdruck“ an. 155 Es gab aber bedeutend mehr Arbeiten zur facultas alternativa. Ich verweise lediglich auf die Aufzählung bei: Erler, Wahlschuld, S. 35–49, dessen Bewertung ich hier übernehme. 156 Pescatore, Die Wahlschuldverhältnisse, S. 277 ff. Ursprünglich nahm nämlich Regelsberger die Pendenztheorien auf und vertrat, die bestimmte (primäre) Leistung sei resolutiv, die Ersatzleistung sei suspensiv bedingt: Regelsberger, Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, Nr. 16 (1878), S. 162–167. 157 Planck/Siber, Vorbemerkung III zu §§ 262 ff. 158 Gernsheim, Die Ersetzungsbefugnis (facultas alternativa) im deutschen bürgerlichen Recht (siehe S. 48). 159 Erler, Wahlschuld, S. 30 ff.

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IV. Die Kodifikation der Wahlschuld in den §§ 262 ff. BGB Die obligatio alternativa und die Ersetzungsbefugnis haben Eingang in das Bürgerliche Gesetzbuch gefunden. Während wir die Fälle der Ersetzungsbefugnis verstreut wieder finden, z. B. in § 249 Abs. 2 S. 1 BGB,160 haben sich die Redakteure des BGB, ähnlich wie in anderen europäischen Ländern,161 für eine einheitliche Regelung zur Alternativobligation entschieden. Dies sind die §§ 262–265 BGB. Damit wurden allgemeingültige Lösungen zu den Problemen der anspruchsorientierten Einordnung und Abgrenzung der Alternativobligation beabsichtigt. Ich greife nur die wichtigsten Problempunkte der Kodifikation auf. Die Begriffsjurisprudenz beeinflusste die Entstehungsgeschichte maßgeblich. Während die Ersetzungsbefugnis namentlich nirgends im Gesetz genannt ist, wurde hinsichtlich der „Alternativobligation“ über eine Legaldefinition als „alternatives Schuldverhältniß“162 nachgedacht. Diese Idee wurde verworfen. Sie bezeugt aber die Probleme im Umgang mit den römischen Termini und wie schwierig die Kodifikation durch neue, „deutsche“ Begriffe war. Aus der obligatio alternativa wurde in der begrifflichen Entwicklung die Wahlschuld. Die Frage, wem im Grundsatz das Wahlrecht zuzustehen habe, wurde zugunsten des Schuldners entschieden. „Im Zweifel“ hat der Schuldner nach § 262 BGB die Befugnis, den Leistungsgegenstand zu bestimmen.163 Diese Zweifelsregel, die eine abweichende Gläubigerwahl erlauben sollte, entspricht sinngemäß dem ersten Entwurf.164 Erhebliches Streitpotenzial bot die Frage, wie die Ausübung und Wirkung der Wahl konzipiert werden solle. Zwei völlig konträre Auffassungen standen sich in der Frage der Ausübung gegenüber. In der Literatur vertrat u. a. Dernburg die Ansicht, die Wahl selbst sei unwiderruflich und konkreti160 Heute ganz herrschende Auffassung, siehe nur: BGH, NJW 1975, 160, 160; NJW 1993, 727, 728; Erler, Wahlschuld, S. 69; Palandt/Heinrichs, § 249 Rn. 5. Anderer Auffassung vormals: Staudinger/Werner (11. Auflage 1967), § 249 Anmerkung 3 e, der eine „elektive Anspruchskonkurrenz“ annimmt. 161 Vgl. etwa die auf gemeinem Recht basierenden Regelungen in der Schweiz und in Österreich: Art. 72 schweizerisches Obligationenrecht behandelt die „Wahlobligation“; ebenso kurz: §§ 906, 907 ABGB. Weitreichender dagegen: Art. 1189– 1196 Code Civil von Frankreich („Des obligations alternatives“), später (im Jahr 1942) noch die Art. 1285–1291 des Codice Civile Italiens („Delle obbligazioni alternative“). Sämtliche Nachweise bei: Ziegler, AcP 171 (1971), 193 (197). 162 Der Vorschlag wurde in der Ersten Kommission von Windscheid gemacht. Nachweis bei: Jakobs/Schubert, § 262 A, S. 146. 163 Jakobs/Schubert, § 262 A, S. 146. 164 Redaktorenvorlage, S. 4: „wenn nicht [. . .] ein Anderes bestimmt ist“.

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siere als einseitige Erklärung mit Rechtskraft die Schuld endgültig.165 Demgegenüber meinten Windscheid166 und Pescatore167, erst der Vollzug der Leistung mache die alternative Obligation endgültig zu einer einfachen Obligation; die einmalige Wahl sei also nicht bindend. Die Ausübung der Wahl regelt § 263 Abs. 1 BGB im Sinne der ersteren Auffassung: Allein die Erklärung des Wahlberechtigten verengt die Wahlschuld auf einen der Leistungsgegenstände.168 § 263 Abs. 2 BGB bestimmt, dass die Wahl auf den Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses rückwirken solle. Windscheids Vorschlag einer Wirkung ex nunc („von da an“) scheiterte, da man dadurch fehlende Klarheit für das Rechtsverhältnis nach der Wahl fürchtete.169 Eingang ins Gesetz fanden schließlich mit §§ 264 und 265 BGB Regelungen, die den Verzug der Wahlentscheidung und die Unmöglichkeit eines Leistungsgegenstandes regeln. Auch hier bestand Klärungsbedarf. Ob der Wahlberechtigte durch eine Wahlentscheidung seitens eines Dritten gebunden werden könne und wie dies prozessrechtlich zu flankieren sei, wurde in den Beratungen erörtert.170 Ebenso wurde diskutiert, ob die Unmöglichkeit eines Leistungsgegenstandes die Wahl des Berechtigten hinsichtlich der verbleibenden Optionen erneut aufrufen könne.171 Die Regelungen der §§ 262 ff. BGB müssen wir als Ergebnis eines zähen Ringens aus verschiedenen dogmatischen Standpunkten verstehen. Sie sind zum Teil Kompromisslösungen, zum Teil beabsichtigt offene Regeln, die Raum für weitere wissenschaftliche Entwicklungen lassen sollten.172 Die gesetzlichen Lösungen im Sinne der einen oder anderen vertretenen Ansicht, etwa in Bezug auf die notwendige Bindung an die Wahl, sollten sich schnell als praxisfern herausstellen.

V. Die praktische „Wertlosigkeit“ der Wahlschuldregeln Die Regeln zur Wahlschuld in den §§ 262 ff. BGB fristen seit Inkrafttreten des BGB ein abseitiges Dasein. Das liegt nicht daran, dass es keine Fälle der Wahlschuld gibt. Im Gegenteil: Der moderne Rechtsverkehr be165

Dernburg, Pandekten, Band II, S. 82. Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Band 2, S. 19. 167 Pescatore, Die sogenannte alternative Obligation, S. 251. 168 Damit wurde der Ansatz von Windscheid durch Mehrheitsbeschluss abgelehnt: Protokolle I, S. 476. Zu diesem Thema später auch: S. 432 ff. 169 Jakobs/Schubert, § 263 A, S. 151. 170 Jakobs/Schubert, § 264 A, S. 154/155. 171 Jakobs/Schubert, § 265 A, S. 158. 172 In Bezug auf § 265 BGB ausdrücklich: Protokolle I, S. 487. 166

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dient sich der Wahlschuld in großem Umfang,173 z. B. bei durch AGB typisierten Beförderungsverträgen, Warenautomatenverträgen, etc.174 Die gesetzlichen Weichenstellungen für eine Fortentwicklung der Wahlschuldfälle in den §§ 262 ff. BGB sind jedoch in der Rückschau als missglückt zu betrachten. Die Wahlschuldregeln stellten sich als praktisch unbrauchbar und damit, wie Ziegler später deutlich feststellt, „wertlos“175 heraus. Zwei Gründe sind dafür ausschlaggebend: die Mehrheit von Fällen mit Gläubigerwahl und die nicht interessengerechte rückwirkende Bindung an die Wahl nach § 263 Abs. 1 und Abs. 2 BGB.176 Infolge dieser „Wertlosigkeit“ der §§ 262 ff. BGB beherrschen bis heute dogmatische Unsicherheiten den Diskurs über die Gläubigerwahlrechte. 1. Problem: Die Zweifelsregel der Schuldnerwahl nach § 262 BGB Schon die Zweifelsregel nach § 262 BGB zugunsten des Schuldners hat einen geringen praktischen Wert. Das zeigt die Tatsache, dass im Rechtsverkehr das Wahlrecht des Gläubigers dominiert.177 Bereits das Allgemeine Preußische Landrecht hatte dies erkannt. Zwar war auch dort eine zugunsten des Schuldners tendierende Regelung der Alternativobligationen getroffen. Eine Gläubigerwahl war aber etwa für die praktisch wichtige Wahl des Käufers im Kaufrecht ausdrücklich vorgesehen.178 Nicht nur die Vertragspraxis versagt der Zweifelregel nach § 262 BGB die Gefolgschaft. Schwerer wiegt, dass im Gesetz selbst keine Wahlschuldfälle mit Schuldnerwahl begründet scheinen. Dementsprechend bemüht sich die Wissenschaft und Praxis bis heute erfolglos, solche Fälle – dem Grundsatz § 262 BGB folgend – im BGB zu entdecken.179 Was aber besagt eine 173

Erler, Wahlschuld, S. 9. Ziegler, AcP 171 (1971), 193 (194). 175 Ziegler, AcP 171 (1971), 193 (193). 176 Weitere Gründe, die uns nicht weiter interessieren sollen, betreffen § 264 und § 265 BGB. § 264 durchbricht den Grundsatz, dass die Wahlerklärung entscheidend sein soll zugunsten des Leistungsvollzugs bei Verzugsfällen. Das ist eine Abkehr, die für das Zwangsvollstreckungsrecht notwendig erschien. Auf großen Widerstand trifft die „Unbilligkeit“ der Bindung an die Wahl im Falle der Unmöglichkeit nach § 265 BGB. Dazu ausführlich mit Nachweisen: Ziegler, AcP 171 (1971), 193 (211). 177 Ziegler, AcP 171 (1971), 193 (210); vgl. auch: BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 1. 178 Nachweis bei: von Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen Römischen Rechts, Erster Band, S. 398. Dies war dem Gesetzgeber auch bewusst: Motive, Band II, § 207, S. 6. 179 Exemplarisch für verschiedene Epochen: Litten, Wahlschuld (1903), S. 110: kein einziger Fall ausdrücklich erwähnt; Staudinger/Werner (10./11. Auflage 1967), 174

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Regelung, die weder die gesetzliche noch die vertragliche Praxis der Wahlschuld wiedergibt? Diese Frage führt zu dem Grundsatzstreit, ob § 262 BGB eine über die Auslegungsregel hinausgehende dispositive gesetzliche Ergänzung des Parteiwillens sei180 oder nicht181. Dies ist jedoch in aller Regel unwichtig, denn die Parteien bedingen den § 262 BGB zugunsten der Gläubigerwahl einfach ab.182 § 262 BGB ist folglich praktisch unbrauchbar,183 aber überwindbar. 2. Problem: Die Rückwirkung der Wahl nach § 263 Abs. 2 BGB Eine schwere Bürde für die Akzeptanz der Wahlschuld ist die in § 263 Abs. 2 BGB normierte Rückwirkung der Wahl. Danach gilt: „Die gewählte Leistung gilt als die von Anfang an allein geschuldete.“ Das mag richtig sein, wenn nicht klar ist, was die Parteien anderweitig für den Zeitraum bis zur Wahlentscheidung vereinbart hätten. Dann – so sieht es auch der Gesetzgeber –, wird durch § 263 BGB „thunlichst bald Klarheit in das Schuldverhältniß gebracht“184. Die Regelung kann aber in ihrer Stringenz im Einzelfall den Interessen der Parteien zuwiderlaufen. Ziegler nennt beispielhaft eine Reihe von älteren Entscheidungen, in denen dies besonders deutlich wird. Der Schuldner hatte dabei stets die Wahl, ob er das gewährte Darlehen in Geld oder in Pfandbriefen zurückzahlt. Ist die Rückzahlungsforderung in Geld jedoch durch eine Hypothek gesichert, dann wäre es in der Hand des wahlberechtigten Schuldners, diese Geldforderung und notwendigerweise auch die Hypothek einseitig durch Wahl der Pfandbriefalternative wegfallen zu lassen. Das war von beiden Parteien nicht vorhergesehen und auch nicht gewollt. Die rückwirkende Bindung des § 263 Abs. 2 BGB lief hier den Parteiinteressen stets klar zuwider.185 § 262 Anmerkung 5; Gernhuber, Das Schuldverhältnis (1989), S. 260: „dem BGB [. . .] gänzlich fremd“. 180 Pescatore, Wahlschuldverhältnisse, S. 165; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 264; Palandt/Heinrichs, § 262 Rn. 2. 181 So: RGRK/Alff (11. Auflage 1970), § 262 Rn. 8; BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 1. 182 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 265. 183 Ziegler, AcP 171 (1971), 193 (210). Nach Ziegler versagt die Regel des § 262 BGB zudem vollends, wenn die Parteien wechselseitige Wahlschulden vereinbaren, die synallagmatisch verknüpft sind. 184 Motive, Band II, §§ 208, 209, S. 7. 185 Beispiele bei: Ziegler, AcP 171 (1971), 193 (201) mit Verweis auf die entsprechenden Urteile: KG, OLGRspr. 43, 230 ff.; RGZ, 132, 9, 14.

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Pescatore hatte schon früher kritisch bemerkt, dass die Rückwirkung des § 263 Abs. 2 BGB auch ein strukturelles Problem darstellt. Der Gesetzgeber greift nämlich „im Interesse der Deutlichkeit“ auf diese Konstruktion zurück, um klarzustellen, dass der letztlich gewählte Leistungsgegenstand sich „von Anfang an in obligatione“ befindet.186 Diese Überlegung stützt sich jedoch auf den Ansatz der Pendenztheorien, die als Erklärungsversuche bereits gescheitert schienen.187 Das Konzept des § 263 Abs. 2 BGB leidet also an einer überkommenen Vorstellung aus dem gemeinen Recht, welche den Übergang von der alternativen Obligation zur einfachen Obligation schwer erkennbar macht.188 Dieses strukturelle Problem hat auch Konsequenzen für die Praxis. Beispiel: Wenn die nicht gewählte Leistungsalternative ex tunc aus der Schuld ausscheidet, werde ich dann als Schuldner auch hinsichtlich meiner Haftung so behandelt, als hätte ich diese Alternative niemals geschuldet?189 Welche unerwünschten Konsequenzen die Rückwirkung in der Praxis haben kann, beweist letztlich die Existenz von § 265 BGB, der für den wichtigen Fall der Unmöglichkeit den Grundsatz der Rückwirkung aus praktischen Zweckmäßigkeitsüberlegungen aufhebt.190 Hier hatten die Redakteure des BGB erkannt, dass die Rückwirkung der Wahl die Existenz des ganzen Schuldverhältnisses in Frage stellen könnte.191

VI. Die „Flucht“ in die Ersetzungsbefugnis und die elektive Konkurrenz Die Wahlschuldregeln sind also für die Praxis ungeeignet. Auf zweierlei Arten versuchte man alsbald, diese Probleme zu umgehen. Die erste Möglichkeit war, die Regelungen als durch Parteivereinbarung ausgeschaltet192 zu betrachten. Wie gezeigt, ist die Zweifelsregel des § 262 BGB nämlich ebenso dispositiv wie § 263 BGB, der mit der Bindungswirkung in Absatz 1 und mit der Rückwirkung in Absatz 2 gleich zwei Problemfelder schafft. In diesem Sinne deuteten die Gerichte zum Teil die Wahlschuldregelungen (mitsamt ihren Problemen) als stillschweigend abbedungen.193 Diese Methode soll uns hier nicht weiter interessieren, muss 186

So ausdrücklich die Zweite Kommission: Protokolle, S. 563. Pescatore, Wahlschuldverhältnisse, S. 213. 188 Pescatore, Wahlschuldverhältnisse, S. 213. 189 Pescatore, Wahlschuldverhältnisse, S. 214 und 210 ff. mit Beispielen. 190 Ziegler, AcP 171 (1971), 193 (201). 191 Protokolle I, S. 11761. 192 Ziegler, AcP 171 (1971), 193 (213). 193 Vgl.: RGZ 90, 391, 391. Zustimmend: Staudinger/Werner (11. Auflage 1967), Vorbemerkung 17 zu §§ 262 ff. 187

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aber kritisch betrachtet werden:194 Welche Partei denkt schon an eine rückwirkende Bindung der Wahl, geschweige denn daran, diese stillschweigend möglichst abzubedingen? Für die vorliegende Untersuchung ist ein zweites Phänomen von Interesse. Die praktische „Wertlosigkeit“ der Wahlschuldregeln führte zu einer regelrechten „Flucht“ in die verwandten Gläubigerwahlrechte, die Ersetzungsbefugnis sowie die elektive Konkurrenz. Gemeint ist damit, dass die Gerichte, gestützt durch die Wissenschaft, die Vereinbarungen der Parteien bzw. die gesetzlichen Fallbeispiele überhaupt nicht als Wahlschuld charakterisierten, sondern sie als Schuld mit Ersetzungsbefugnis oder elektive Konkurrenz einordneten. Der Grund dafür ist einfach: Aufgrund der strukturellen Unterschiede dieser Gläubigerwahlrechte zur Wahlschuld195 sind die §§ 262 ff. BGB nicht anwendbar und die damit verbundenen Probleme nicht zu lösen. Diese Abkehr von der Wahlschuld bezeichne ich als „Flucht“, denn sie geschieht bewusst und hat Methode. Das Reichsgericht, in verstärktem Maße der Bundesgerichtshof und die Literatur drängten die Anwendung der Wahlschuldregeln in der Praxis immer mehr zurück, indem sie typische Fallgruppen der Wahlschuld entzogen und den der Wahlschuld verwandten Gläubigerwahlrechten zuwiesen.196 Ich greife zur Verdeutlichung der zahlreichen Fälle197 einige Beispiele auf. 1. Beispiele: § 179 Abs. 1 BGB und § 340 Abs. 1 BGB – von der Wahlschuld zur elektiven Konkurrenz Ein plastisches Beispiel ist die Haftung des falsus procurator. Nach § 179 Abs. 1 BGB ist der Vertreter ohne Vertretungsmacht bei fehlender Genehmigung des vermeintlich Vertretenen dem Erklärungsempfänger seiner Willenserklärung „nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet“. Die jeweiligen Lesarten des Textes ergeben unterschiedliche Ergebnisse, um was es sich hierbei handelt. Begründet das Gesetz eine Forderung, deren Inhalt alternativ auf Erfüllung und Schadensersatz ausgestaltet ist, so liegt eine Wahlschuld vor. Elektive Konkurrenz liegt vor, wenn ein Forderungsrecht auf Erfüllung und ein Forderungsrecht auf Schadensersatz gegeben wäre.198 194 195 196 197 198

So auch: Ziegler, AcP 171 (1971), 193 (213). Dazu Kapitel 2: S. 80 ff. Ziegler, AcP 171 (1971), 193 (214). Weiterführend noch: Ziegler, AcP 171 (1971), 193 (214/215). Erler, Wahlschuld, S. 67.

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Vertreten wurde vom Reichsgericht und der früher herrschenden Literatur, es handele sich um eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht.199 Demgegenüber herrscht heute die Auffassung, es handele sich um eine elektive Konkurrenz.200 Dies ist meines Erachtens auch richtig, denn die in § 179 Abs. 1 BGB geregelte Garantiehaftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht erfasst mit Erfüllung und Schadensersatz (wegen Nichterfüllung) zwei im deutschen Recht als Primär- bzw. Sekundäranspruch ausgestaltete Ziele. Die im BGB übliche Rangfolge des Erfüllungsanspruchs vor dem ihn ersetzenden Schadensersatzanspruch ist durch § 179 Abs. 1 BGB zwar nicht gegeben, was die Haftung des falsus procurator zu einem Sonderfall macht.201 Jedoch greift der Gedanke der üblichen Rangfolge von Erfüllungsanspruch und Schadensersatz (wegen Nichterfüllung) auch hier: Der Schadensersatz verfolgt die Herstellung des erfüllungsgleichen Zustands, welcher vom Zustand bei tatsächlicher Erfüllung zu unterscheiden ist.202 Da es sich dabei auch im Rahmen von § 179 Abs. 1 BGB nicht um gleichgerichtete Ziele handelt, ist richtigerweise von einer Konkurrenz zweier Ansprüche, nicht zweier Forderungsinhalte eines Anspruchs auszugehen. § 179 Abs. 1 BGB wird daher zu Recht als elektive Konkurrenz behandelt. Erstaunlich ist jedoch die Wandlung der Bewertung dieser Norm. Das Mittel der kuriosen Entwicklung ist die unterschiedliche Deutung des Wortlauts „nach dessen Wahl“ in § 179 Abs. 1 BGB.203 Anfänglich versuchte die Rechtsprechung, eine Wahlschuld durch historische, grammatische und rechtspolitische Erwägungen zu begründen.204 Nach und nach verlagerte sich der Schwerpunkt der Betrachtung auf das Problem der Bindungswirkung gemäß § 263 BGB. Nimmt man etwa Hilgers kurzen aber viel beachteten Beitrag zur Einordnungsproblematik des § 179 Abs. 1 BGB,205 so steuert dieser ohne jede Betrachtung der Struktur des Schuldverhältnisses 199 RGZ 154, 58 (62); ebenso: OLG Stuttgart, NJW 1970, 287 (288). Für die ursprünglich herrschende Lehre: Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 2. Halbband (1960), § 183, I 3; Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse (1958), § 7 Nr. 4; Palandt/Danckelmann (1961), § 179 Rn. 2; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts – Band 2 (1979), § 47 Anmerkung 3 b; Weitere Nachweise bei: Hilger, NJW 1986, 2237 (2237 Fn. 1). 200 Erler, Wahlschuld, S. 67; Staudinger/Bittner, § 262 Rn. 7; BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 5; MüKo/Krüger, § 262 Rn. 5; Hilger, NJW 1986, 2237 (2238); Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 259; Palandt/Heinrichs, § 262 Rn. 6 mit weiteren Nachweisen. 201 Dazu: S. 168 f. 202 Zur Begründung der Unterscheidung von Primär- und Sekundäranspruch: Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 204 f. 203 Staudinger/Bittner, § 262 Rn. 7. 204 RGZ 154, 58, 62. 205 Hilger, NJW 1986, 2237 (2237).

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auf die scheinbaren Interessenschwerpunkte, nämlich die Frage, ob der Gläubiger letztlich an seine Wahl gebunden ist, wie in § 263 BGB, oder ob er seine Wahl wiederholen könne. Grundlegende Untersuchungen von Erler206 (1964) oder Weitnauer207 (1976) weisen den Weg: Aus der (unerwünschten) Bindungswirkung, die sich aus § 263 Abs. 1 BGB ergibt, wird die Konsequenz gezogen, die Haftung des falsus procurator aus § 179 Abs. 1 BGB eben nicht als gesetzliche Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht einzuordnen. Stattdessen gilt heute: § 179 Abs. 1 BGB ist ein Fall elektiver Konkurrenz. Die Konkurrenz besteht zwischen zwei selbständigen Rechten, nämlich dem Anspruch auf Erfüllung und dem Anspruch auf Schadensersatz, die sich gegenseitig ausschließen.208 Ähnlich verhält es sich mit einem weiteren Fall, dem Verhältnis des Erfüllungsanspruchs zur Vertragsstrafe nach § 340 Abs. 1 S. 1 BGB. Es galt im Hinblick auf den klaren Konsens der ersten Kommissionsberatungen als sicher, dass der Erfüllungsanspruch und der Strafanspruch nach § 340 Abs. 1 S. 1 BGB eine gesetzliche Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht darstellten.209 Zwischenzeitlich wurde dieser Fall nahezu einhellig als Ersetzungsbefugnis des Gläubigers betrachtet.210 Heute ist weitgehend verbreitet, dass es sich um die alternative Geltendmachung von zwei verschiedenen Ansprüchen und damit um eine elektive Konkurrenz handelt.211 Die erstere Annahme hatte sich schnell überholt, denn die sog. Verfallsbereinigung im Vertragsstrafenrecht kollidierte mit der Möglichkeit zur Entscheidungsfristsetzung nach § 264 Abs. 2 BGB; diese Folge war praktisch unerwünscht.212 Eben diese Verfallsbereinigung wäre aber durch ein nachträgliches Angebot des Schuldners noch möglich, wenn man den Erfüllungsanspruch als Hauptleistung betrachtete, die vom Gläubiger lediglich im Sinne einer Ersetzungsbefugnis durch den Strafinhalt ausgetauscht werden könnte. Auch das ist praktisch unerwünscht.213 Man nahm mit der Zeit 206

Erler, Wahlschuld, S. 73. Weitnauer, Festschrift für Hefermehl, S. 467 (471). 208 Vgl. zu der interessanten Herleitung der ratio legis: Litterer, Vertragsfolgen ohne Vertrag, S. 27. 209 Motive, Band 2, 2. Auflage (1896), S. 276; folgend: Heck, Grundriss des Schuldrechts, S. 33. 210 Statt aller: Kreß, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, S. 357; Schollmeyer, Das Recht der einzelnen Schuldverhältnisse, Band 1, § 340 A. 1 b). Differenzierend: Langheineken, Anspruch und Einrede, S. 204. 211 Ganz herrschende Lehre: Knütel, AcP 175 (1975), 44 (53); ders., Stipulatio Poenae, S. 300; Ziegler, AcP 171 (1971), 193 (205); Marcus, Wahlschuld, S. 10; Erler, Wahlschuld, S. 74; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 260; Esser/Schmidt, Schuldrecht I – Teilband 1, S. 245; BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 5; Soergel/Wolf, § 262 Rn. 10; MüKo/Krüger, § 262 Rn. 12; Palandt/Heinrichs, § 262 Rn. 6. 212 Knütel, AcP 175 (1975), 44 (52). 207

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diese negativen Folgen zum Anlass, in Haupt- und Strafforderung zwei selbständige Ansprüche zu erblicken, die in elektiver Konkurrenz stünden.214 Diese Meinung hat sich nunmehr durchgesetzt. Die Begründungen hierfür215 sind aus heutiger Sicht einleuchtend und scheinbar dogmatisch einwandfrei. Doch schon Knütel, der maßgeblich zur Akzeptanz dieser Auffassung beitrug, zweifelte, ob es wirklich überzeugend sei, die Lösung der Probleme um § 340 BGB und §§ 262 ff. BGB „von der bloßen dogmatischen Zuordnung zu einer dieser Konstruktionen abhängig zu machen“216. Ich stimme dem zu: Es handelt sich um eine interessengeleitete „Flucht“ vor der Anwendung der gesetzlichen Wahlschuldregeln. Die Rechtsfortbildung ist somit zweifelhaft, das Ergebnis aus heutiger Sicht freilich überzeugt: Erfüllung und Vertragsstrafe wegen Nichterfüllung divergieren als Zielsetzung des § 340 Abs. 1 BGB derart, dass von zwei alternativen Inhalten einer Forderung wohl keine Rede sein kann. Es spricht mehr dafür, eine Konkurrenz von Ansprüchen, die nicht zugleich geltend gemacht werden können, anzunehmen. Damit handelt es sich um eine elektive Konkurrenz. 2. Beispiele: § 81 BEG und § 843 Abs. 3 BGB – von der Wahlschuld zur Ersetzungsbefugnis des Gläubigers Ein Beispiel für die tendenzielle Abkehr von der Wahlschuld hin zur Ersetzungsbefugnis liefert § 81 BEG217. Danach kann der Gläubiger der spezialgesetzlich begründeten Kapitalentschädigung statt dieser eine Rentenzahlung vom Schuldner verlangen. Hier wurde anfangs vertreten, es handele sich um ein Wahlschuldverhältnis mit Wahlrecht des Gläubigers.218 Der Bundesgerichtshof sieht hingegen zu Recht in § 81 BEG eine Ersetzungsbefugnis des Gläubigers, denn die Geldrente substituiert lediglich den zuvor schon begründeten Erfüllungsanspruch auf Kapitalentschädigung.219 213

Knütel, AcP 175 (1975), 44 (52). Erstmals: Planck/Siber, § 340 A 1. Folgend: Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, S. 765; Erler, Wahlschuld, S. 73. 215 Es wird gar darauf verwiesen, dass das Verhältnis zwischen Erfüllung und Vertragsstrafe schon bei den Römern eine elektive Konkurrenz gewesen sei: Knütel, AcP 175 (1975), 44 (53). Dass dies kaum vergleichbar ist zum heutigen Rechtsverständnis, habe ich bereits dargelegt. 216 Knütel, AcP 175 (1975), 44 (53). 217 Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung – BEG – vom 29. Juni 1956, BGBl. I, S. 559. 218 Früher herrschende Auffassung: Staudinger/Werner (11. Auflage, 1967), Vorbemerkung 2 zu §§ 262 ff.; Erler, Wahlschuld, S. 77. 219 BGH LM Nr. 3 zu § 81 BEG; Leitsatz: „§ 81 S. 1 BEG gewährt kein Wahlrecht im Sinne des § 262 BGB, sondern eine Ersetzungsbefugnis (facultas alternativa).“ 214

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Kap. 1: Die elektive Konkurrenz im historischen Kontext

Das Gericht sieht sich hier mit der Problematik konfrontiert, eine „Wiedergutmachungsleistung“220, wenn sie eine Wahlschuld wäre, mit der Stringenz der §§ 262 ff. BGB, insbesondere der Bindungswirkung des § 263 BGB in Einklang bringen zu müssen.221 Die Annahme einer Ersetzungsbefugnis des Gläubigers ist vor diesem Hintergrund nachvollziehbar. Das gilt umso mehr, wenn man sich den parallelen Fall des § 843 Abs. 3 BGB vor Augen führt. Dort wird dem durch deliktisches Verhalten Geschädigten ebenso die Wahl zwischen einer Geldrente oder einer gleichwertigen Kapitalabfindung gewährt. Einhellig gilt dort: Es handelt sich um eine Schuld mit Ersetzungsbefugnis des Gläubigers.222 Die Begründung wird in der Systematik des Gesetzes gesehen: § 843 Abs. 1 BGB gewährt die Geldrente, die aufgrund von § 843 Abs. 3 BGB – schon systematisch nachrangig – ersetzt werden kann. Der Fall des § 81 BEG und der strukturell ähnlich gelagerte Fall des § 843 Abs. 3 BGB unterscheiden sich in diesem Punkt nur unmerklich.223 Dogmatisch ist die Annahme einer Ersetzungsbefugnis des Gläubigers damit billigenswert. Die lediglich interessengeleitete Abkehr von der früheren Auffassung, die eine Wahlschuld vertrat, ist gleichwohl kritisch zu sehen.224 3. Beispiel des neuen Schuldrechts: § 439 Abs. 1 BGB Die anhaltende Tendenz, die Ersetzungsbefugnis und elektive Konkurrenz auf Kosten der Wahlschuld „fortzuentwickeln“, zeigt nicht zuletzt die aktuelle Diskussion um den Charakter der Nacherfüllungsvarianten gemäß § 439 Abs. 1 BGB. Der Käufer einer im Gefahrübergang mangelbehafteten Sache muss zunächst nach §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB vom Verkäufer Nacherfüllung verlangen. Dabei kann er wählen, ob der Mangel beseitigt oder ob eine mangelfreie Sache nachgeliefert werden soll. Ein Teil der Literatur hält die Konkurrenz der Wahlmöglichkeiten innerhalb des § 439 Abs. 1 BGB für eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht.225 Vorherrschend 220

Ziegler, AcP 171 (1971), 193 (215). Grundlegend: BGH LM Nr. 3 zu § 81 BEG (1956). 222 Siehe bereits: Palandt/Danckelmann (1961), § 262 Rn. 3 c; Erler, Wahlschuld, S. 76. 223 Unterschiede: Im § 843 BGB ist im Gegensatz zu § 81 BEG die Geldrente primäre Leistung, die Kapitalabfindung nur deren Ersatz. Im Gegensatz zu § 843 BGB betrachten wir § 81 BEG nicht als isolierte Norm, sondern nur als Ausformung der Ersatztatbestände des BEG, speziell §§ 74 ff. BEG. 224 Ebenso: Ziegler, AcP 171 (1971), 193 (215). 225 Büdenbender, AcP 205 (2005), 386 (428); ders., Anwaltkommentar, § 439 Rn. 13; Schellhammer, MDR 2002, 301 (301); Jauernig/Berger, § 439 Rn. 9; Gursky, Schuldrecht Besonderer Teil, S. 22. 221

B. Parallele: Die historische Entwicklung der Wahlschuld

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scheint demgegenüber die Meinung, es handele sich in dieser Wahlsituation um eine elektive Konkurrenz.226 Zwei Aspekte erschweren die Lösung dieses Konflikts, dem ich mich nicht enthalten möchte, den ich aber an späterer Stelle der Untersuchung erst ausführlich aufgreife.227 Zum einen ist § 439 Abs. 1 BGB eine durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz von 2001 erst neu ins Gesetz aufgenommene Norm, die maßgeblich durch die Umsetzung von EU-Verbrauchsgüterkaufrecht beeinflusst ist. Das lässt keine herkömmliche, isoliert nationale Auslegung zu. Zum anderen überlagert meines Erachtens wiederum die Tendenz der Aushöhlung der Wahlschuldregeln die Debatte. Der Versuch, die Nacherfüllungsvarianten zu verschiedenartigen Nacherfüllungsansprüchen in elektiver Konkurrenz zu stilisieren, lässt dabei den steten Willen erkennen, die Anwendung der strengen Regeln gemäß §§ 262 ff. BGB um jeden Preis verhindern zu wollen. Dass die Annahme einer Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht trotzdem richtig ist, werde ich an gegebener Stelle erneut thematisieren.

VII. Ausblick Der Streit darüber, wie die Nacherfüllungsvarianten gemäß § 439 Abs. 1 BGB rechtlich zu qualifizieren sind, zeigt beispielhaft die Grenze der begrifflichen Trennbarkeit der drei Gläubigerwahlrechtstypen auf. Denn in diesem Fall sprechen auf den ersten Blick ebenso viele Argumente für die Qualifizierung als Konkurrenz von Ansprüchen wie für die Qualifizierung als Konkurrenz von Leistungsgeboten. Wenn, wie hier, nicht eindeutig erkennbar ist, ob Rechte miteinander konkurrieren oder ob bloß Leistungsgebote miteinander konkurrieren, verkommt die Differenzierung der Gläubigerwahlrechte zum rechtskonstruktiven „Glücksspiel“. Ich stimme daher Ulrich Büdenbender zu, dass mit den traditionellen Abgrenzungsformeln an dieser Stelle kaum weiterzukommen ist228. Gleichwohl müssen wir schon aus historischer Sicht die Gläubigerwahlrechte differenzieren. Die Unsicherheiten im Umgang mit den Typen der Gläubigerwahlrechte folgen maßgeblich daraus, dass die gesetzlichen Lösungen unbefriedigend sind. Das gilt zunächst für die allgemeinen Wahlschuldregeln der §§ 262 ff. BGB. Ihre praktische „Wertlosigkeit“ ist der Ursprung für die Tendenz der 226 Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 436; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, S. 90; Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, 2016 (2017); MüKo/Westermann, § 439 Rn. 4; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 Rn. 7; BeckOK/Faust, § 439 Rn. 9; Palandt/Weidenkaff, § 439 Rn. 5. 227 Kapitel 4, S. 170 ff. 228 Büdenbender, AcP 205 (2005), 386 (402).

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Kap. 1: Die elektive Konkurrenz im historischen Kontext

Praxis im 20. Jahrhundert, die Anwendung der gesetzlichen Wahlschuldnormen zugunsten einer Ersetzungsbefugnis oder elektiven Konkurrenz zurückzudrängen. Die rechtliche Qualifizierung der Gläubigerwahlrechte wird jedoch umso schwieriger, je augenscheinlicher die Nachteile der gesetzlichen Wahlschuldregeln in den Vordergrund rücken. Denn der Rechtsanwender neigt angesichts dieser unerwünschten Regeln dazu, die nicht eindeutigen Fälle der Gläubigerwahl dem Konstrukt zuweisen, welches der Praxis die größtmögliche Freiheit und Flexibilität gibt: Das ist die elektive Konkurrenz. Eben diese elektive Konkurrenz ist flexibel und praktisch erwünscht, da sie nicht starr geregelt ist. Das Gesetz sieht vielmehr individuelle Lösungen für den Einzelfall vor, wie etwa in § 325 BGB für das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht oder in § 281 Abs. 4 BGB für das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Schadensersatz statt der Leistung. Diese einzelfallbezogenen Lösungen geben jedoch nicht immer eine befriedigende bzw. ausreichende Antwort auf die Frage nach der Lösung der elektiven Konkurrenz. Das verdeutlicht die Inkompatibilität des (voreiligen) Rücktritts und des kleinen Schadensersatzanspruchs, die über § 325 BGB allein nicht zu lösen ist. Für viele Konkurrenzfälle fehlt es gar an einer expliziten gesetzlichen Regelung, etwa beim Verhältnis zwischen Minderungsrecht und Rücktrittsrecht. Dabei ist das Fehlen von allgemeingültigen Kriterien und anerkannten Rechtsgrundsätzen229 zur elektiven Konkurrenz Segen und Fluch zugleich. Zwar eröffnet dies die Möglichkeit, angepasste und interessengerechte Lösungen für die unterschiedlichsten Konkurrenzfälle zu suchen. Daraus entwickelt sich jedoch ein Kanon unterschiedlichster Fallkonstellationen, der einen systematischen Überblick, wie ihn die vorliegende Arbeit beabsichtigt, schwierig gestaltet. Das Fehlen von allgemeingültigen Regeln ist schon bei den „klassischen“ Fällen der elektiven Anspruchskonkurrenz im BGB ein Problem gewesen, so zum Beispiel beim Verhältnis der Wandelung zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung.230 Es ist aber durch die Umgestaltung der Leistungsstörungsrechte infolge der Schuldrechtsmodernisierung von 2001231 verstärkt worden. Der Grund dafür ist insbesondere die Erhaltung des Primäranspruchs nach Fristablauf. Früher hatte der Gläubiger nach erfolglosem Fristablauf zur Leistung nur die Sekundärrechte, die teilweise miteinander konkurrierten. Nach heutiger Rechtslage konkurrieren nicht mehr nur die Sekundärrechte, sondern jedes Sekundärrecht für sich auch mit dem Primär229

Büdenbender, AcP 205 (2005), 386 (402). Dazu: S. 255 ff. 231 Siehe: Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001, in: BGBl. Jahrgang 2001, Teil I Nr. 61, S. 3138 ff. 230

C. Fazit zu Kapitel 1

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recht. Für den Gläubiger bedeutet das: Seine Möglichkeiten im Leistungsstörungsfall haben sich vermehrt. Für die Rechtsanwendung bedeutet das: Die praktisch wichtigsten Rechte im Schuldrecht stehen zueinander in einer Konkurrenz, für die es keine allgemeinen gesetzlichen Grundregeln gibt. Dabei rückt die elektive Konkurrenz weiter in den Mittelpunkt der schuldrechtlichen Jurisprudenz: das Leistungsstörungsrecht.

C. Fazit zu Kapitel 1: Die elektive Konkurrenz im historischen Kontext Die elektive Konkurrenz, die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers und die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht sind die drei Typen von Gläubigerwahlrechten, die zu unterscheiden sind. Sie alle stammen im Ursprung aus dem römischen Recht; die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers wurde erst im 19. Jahrhundert entdeckt. Die elektive Konkurrenz wurde im römischen und gemeinen Recht als Klagenkonkurrenz verstanden. Durch die Pandektenwissenschaft verlagerte sich das Rechtsdenken im 19. Jahrhundert auf das materielle Recht. Die elektive Konkurrenz ist fortan ein Überbleibsel eines überholten Rechtsverständnisses, wird aber weiterhin als Figur der Dogmatik gebraucht. Mit Entdeckung der Gestaltungsrechte und deren Einbeziehung in die Konkurrenzenlehre erhält die elektive Konkurrenz eine neue Bedeutung. Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht entwickelte sich parallel. Ihre dogmatische Erfassung ist v. a. durch den Gesetzespositivismus des 19. Jahrhunderts geprägt. Ebenso verhält es sich mit der verwandten Ersetzungsbefugnis des Gläubigers. Die Wahlschuld wurde im BGB durch allgemeine Regeln in den §§ 262 ff. BGB normiert. Diese Regeln stellten sich als praxisuntauglich heraus und verstärkten den unsicheren Umgang mit den Gläubigerwahlrechten. Die elektive Konkurrenz gewann trotz einer fehlenden allgemeinen gesetzlichen Regelung zunehmend an Bedeutung. Heute findet man sie vermehrt im praktisch wichtigen Leistungsstörungsrecht.

Kapitel 2

Die Gläubigerwahlrechte im Schuldverhältnis Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers auf der einen Seite sowie die elektive Konkurrenz auf der anderen Seite werden im heutigen Rechtsverständnis nach der Qualität der Wahloptionen unterschieden. Es handelt sich um eine strukturelle Unterscheidung nach alternativen Leistungsgeboten bzw. alternativen Rechten. Ausgangspunkt für dieses Verständnis ist die heutige Dogmatik des Schuldverhältnisses, die ich im Folgenden skizzieren werde.

A. Die Struktur des Schuldverhältnisses I. Das Schuldverhältnis Grundlage der rechtlichen Beziehung zweier Personen, die wir als „Gläubiger“ und „Schuldner“ bezeichnen, ist ein Schuldverhältnis, welches gesetzlich oder rechtsgeschäftlich begründet sein kann. Das Gesetz verwendet den Begriff in einem weiten Sinne wie auch in einem engeren Sinne.1 Ein Schuldverhältnis im weiteren Sinne ist dabei die Summe der sich aus einer Sonderverbindung ergebenden Rechtsfolgen.2 Es beschreibt die Gesamtheit der Rechtsbeziehungen von Gläubiger und Schuldner.3 Typischerweise ist dies der Vertrag zwischen zwei Parteien. Dagegen verwendet das Gesetz zugleich den Begriff des Schuldverhältnisses auch in einem engeren Sinne synonym für den Einzelanspruch, so etwa beim Erlöschen von Schuldverhältnissen in § 362 Abs. 1 BGB, in dem es eigentlich allein um das Erlöschen eines Anspruchs geht.4 Die Lehre hat diese durch das Gesetz vorgegebene Bezeichnung des Letzteren stets als zu ungenau und nicht passend kritisiert. 1

Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 7. Jauernig/Mansel, § 241 Rn. 1. Ähnlich bereits in Abgrenzung zum Begriff des Rechtsverhältnisses: Litten, Wahlschuld, S. 9; Stammler, Das Recht der Schuldverhältnisse in seinen allgemeinen Lehren, S. 8. 3 So etwa in §§ 273 Abs. 1, 292 Abs. 1, 425 BGB; Palandt/Heinrichs, § 241 Rn. 3. 4 Vgl. BGH, NJW 1986, 1677 (1677); weitere Beispiele bei: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 7. 2

A. Die Struktur des Schuldverhältnisses

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Allein das Schuldverhältnis im weiteren Sinne wird daher gemeinhin als Schuldverhältnis bezeichnet Dieser Begriff nimmt die Schuld in sich auf, geht aber in der Bedeutung weit darüber hinaus.5 Dabei gibt es unterschiedlichste Ansätze für eine Definition. Angefangen vom aus heutiger Sicht verunglückten Begriff des „Gesamtschuldverhältnisses zwischen Schuldner und Gläubiger“6 über Heinrich Sibers „zum Hervorbringen von Einzelrechten geeigneter Organismus“7, eine „konstante Rahmenbeziehung“8 oder gar Larenz’ „sinnhaftes Gefüge“9 bis hin zur „Quelle der Forderungsrechte“10 hat das Schuldverhältnis verschiedenste Deutungen erhalten. Joachim Gernhuber beschreibt den Wesensgehalt des Schuldverhältnisses als „komplexe Einheit“11 und bereitet damit den Boden für die folgende Untersuchung. Vereinheitlicht ist in einem Schuldverhältnis nämlich eine Vielzahl unterschiedlicher Elemente, die wechselnd zusammengesetzt und inhaltlich wandelbar sind.12 Ein Schuldverhältnis im weiteren Sinne kann unter anderem – mit dem Gesetz gesprochen – Entstehungsursache für viele Schuldverhältnisse im engeren Sinne sein.13

II. Die Strukturelemente im Schuldverhältnis Wir unterscheiden das Schuldverhältnis (im weiteren Sinne) von den Elementen, welche die Struktur des Schuldverhältnisses ausmachen. Jedes Element hat eine andere rechtliche Qualität. Die Rechte – Forderungs- und Gestaltungsrechte – stehen dabei auf einer anderen Ebene als die Inhalte der Forderungsrechte.14 Die Darstellung dieser strukturellen Unterschiede bereitet Probleme. Denn so zahlreich die Begriffe für die einzelnen Elemente des Schuldver5 Statt aller: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 8; anders noch: Heck, Grundriss des Schuldrechts, S. 1. 6 Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S. 41. 7 Planck/Siber, vor § 241, Kapitel I 1 b. 8 Herholz, AcP 130 (1929), 257 (257). 9 Larenz, JZ 1962, 105 (108). 10 Palandt/Heinrichs, § 241 Rn. 2. 11 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 6. 12 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 9. Gernhuber kritisiert die anderen Deutungen des Wesensgehaltes eines Schuldverhältnisses, verneint etwa Sibers „Organismus“-Definition mangels „relativer Konstanz in einem Schuldverhältnis“. Ziel der hier vorliegenden Untersuchung ist nicht die inhaltliche Befassung mit dem Begriff des Schuldverhältnisses. Daher verzichte ich auf eine Stellungnahme zugunsten einer Bezeichnung. 13 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, S. 20 Rn. 26. 14 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, S. 24 Rn. 32.

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Kap. 2: Die Gläubigerwahlrechte im Schuldverhältnis

hältnisses sind, so uneindeutig ist ihre inhaltliche Bestimmung. Legaldefinitionen, wie etwa in §§ 194 Abs. 1 BGB oder 241 Abs. 1 BGB, gibt es auf der einen Seite nur wenige. Theorie und Praxis verwenden auf der anderen Seite zum Teil mehrere Synonyme für ein und dasselbe Strukturelement des Schuldverhältnisses. Ich beschränke mich daher auf wenige Punkte zur Klarstellung der Struktur des Schuldverhältnisses. Dabei erhebe ich weder den Anspruch auf Vollständigkeit noch leugne ich, dass an anderer Stelle im Schrifttum abweichende Definitionen verwendet werden. Den hier bevorzugten Begriffen folgend, gilt: Wahlschuld und Ersetzungsbefugnis betreffen eine Wahl von Leistungsgeboten, elektive Konkurrenz betrifft eine Wahl von Rechten.

B. Die Rechte des Gläubigers I. Das Forderungsrecht – der Anspruch Aus dem Schuldverhältnis erwachsen konkrete Leistungsansprüche – Forderungen – sowie weitere Rechte und Pflichten für die Parteien. Die Verbindung zweier Personen durch das Schuldverhältnis bedeutet aber nicht die bloße Korrespondenz jeweils einer Pflicht mit dem dazugehörigen Anspruch, sondern ist als mehrdimensionales Bündel von Leistungspflichten zu verstehen.15 Den Pflichten des Schuldners stehen Rechte des Gläubigers gegenüber. Diese subjektiven Rechte werden in absolute, also gegen Jedermann wirkende, und relative, also nur im Verhältnis zum Schuldner wirkende, Rechte geteilt. Das Forderungsrecht ist ein relatives Recht. Es ist auf das Begehren einer Leistung vom Schuldner gerichtet und kann durch Rechtsgeschäft oder Gesetz begründet sein.16 Dies entspricht gemäß § 194 Abs. 1 BGB einem Anspruch, also einem „Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen“. Folglich ist das Forderungsrecht eine Konkretisierung des Anspruchsbegriffs speziell im Schuldrecht.17 Anspruch und Forderungsrecht werden daher im schuldrechtlichen Kontext synonym verwendet. 15

Esser/Schmidt, Schuldrecht I – Teilband 1, S. 88. Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, S. 450 Fn. 1. 17 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 35; Medicus, Schuldrecht Allgemeiner Teil, Rn. 75. Klar zu trennen ist der materielle „Anspruch“ vom prozessualen „Anspruch“. Letzterer ist ein Mittel zur Durchsetzung von materiellen Begehren in gerichtlicher Hinsicht; dort wird der Begriff als „Angriffsmittel“ und Fixpunkt für die „Gerichtsreife“ eines Schuldverhältnisses verstanden. Das Angriffsmittel kann auf Leistung, aber auch auf bloße Feststellung oder Gestaltung gerichtet sein, vgl. § 256 ZPO. Vgl. nur: Erler, Wahlschuld, S. 19. 16

B. Die Rechte des Gläubigers

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Spricht man von einer Forderung, so meint man nichts anderes als den schuldrechtlichen Anspruch.18

II. Trennung von Primäranspruch und Sekundäranspruch Ein Forderungsrecht ist ein Leistungsanspruch mit Vermögenswert. Dieser Leistungsanspruch muss aber nicht zwingend auf vertragsgemäße Erfüllung, z. B. Lieferung der Kaufsache, gerichtet sein. Im Falle einer Störung des Schuldverhältnisses (genauer: einer Störung der Leistungsbeziehung, etwa durch einseitigen Vertragsbruch)19 differenziert man nämlich zwischen Primäranspruch – primärem Forderungsrecht – und Sekundäranspruch – sekundärem Forderungsrecht. Wir trennen damit das subjektive Recht auf Erhalt einer Leistung (mitsamt des Leistungszwangs) von dem Substitut, das dem Gläubiger den Verlust seines Primäranspruchs ersetzt, also etwa dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung. Bei Ersterem hat die Frage nach der Zurechnung keinen Einfluss auf das Pflichtengebot des Schuldners.20 Nur die Unverhältnismäßigkeit oder die Unmöglichkeit berührt die Pflicht zur Leistung. Der Schadensersatzanspruch hingegen entsteht in aller Regel nur bei feststellbarer Verantwortlichkeit des Schuldners – anders formuliert: bei zurechenbarem Fehlverhalten.21 Somit trennen wir im Leistungsstörungsfall zwei eigenständige Ansprüche.22 Dies könnte überflüssig sein, wenn man folgender Überlegung nachgeht, die im common law vertreten wird:23 Haftet der Schuldner nicht generell, wenn er seiner Leistungspflicht nicht nachkommt? Oder, aus der Sicht des Gläubigers: Beinhaltet sein subjektives Recht auf eine Leistung nicht immer zugleich seine Entschädigung für den Fall, dass der Schuldner dieses subjektive Recht missachtet? Diese Annahme läuft auf eine Auslegung der 18

Medicus, Schuldrecht Allgemeiner Teil, Rn. 6; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 35; Looschelders, Schuldrecht Allgemeiner Teil, S. 3 Rn. 9; Esser/Schmidt, Schuldrecht I – Teilband 1, S. 85. 19 Einschränkend: Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 182; „Leistungsstörung“ ist gleichbedeutend mit „Vertragsverletzung“, wenn auf die Störung des Leistungsinteresses limitiert wird. Ohne diese Beschränkung sei hingegen die „Störung des Schuldverhältnisses“ als Terminus angebracht; unter Verweis auf: Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 42 ff. 20 Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 224/225; a. A.: MüKo/Grundmann, § 276 Rn. 25 (für eine Zurechnungsprüfung auch beim Primäranspruch). 21 Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 297; unter dem Aspekt einer deontologischen Argumentation bzgl. der Trennung von Primär- und Sekundäranspruch. 22 Darstellung der Trennung bei: Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 200 ff. 23 Überblick bei: Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 225 ff.

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Kap. 2: Die Gläubigerwahlrechte im Schuldverhältnis

Parteivereinbarung hinaus. Die vereinbarte Pflicht des Schuldners lautet somit nämlich „leiste oder zahle“.24 Die schuldrechtliche Forderung erfasst in diesem Sinne sowohl die Leistung als auch den Schadensersatz (als Primärleistung). Verschiedene Gründe sprechen gegen die Annahme einer solchen Zusammenführung der Leistung und des Schadensersatzes im Primäranspruch. Deutet man diese These als Ausfluss einer Parteivereinbarung, wirkt sie schlichtweg konstruiert. Ausdrücklich fehlt es zumeist an einer Zusammenfassung von Leistung und Schadensersatz in der vertraglichen Einigung. Eine mutmaßliche Kongruenz des Parteiwillens in diesem Sinne ist unplausibel. Die Parteien legen im Schuldvertrag grundsätzlich nur ihre Leistungen fest. Die Mutmaßung einer gleichzeitigen Festlegung der Entschädigung hieße, sie gestatten sich generell, die Leistungen nicht zu erbringen (zu dem Preis, den der Schadensersatz nennt). Das ist in dieser Pauschalität nicht überzeugend.25 Die Sichtweise, dass Leistung und Schadensersatz innerhalb des vereinbarten Anspruchs als Primärleistung verbunden sind, wird für das common law vertreten.26 Sie entspricht einer Haftungsregel. Ihr Gegenentwurf ist eine Eigentumsregel.27 Der Geschützte erhält dort die Möglichkeit, sich eines Eingriffs in seine Rechtsposition zu erwehren. Der Eingreifende kann dies nur im Einverständnis mit dem Rechtsinhaber ändern. Das gesetzliche System des deutschen Leistungsstörungsrechts, speziell der §§ 280 ff. BGB, kombiniert demgegenüber die Eigentumsregel mit dem Schadensersatz.28 Im Primäranspruch, über den allein der Anspruchsinhaber disponieren kann (z. B. durch Verzicht), ist eine Eigentumsregel verankert. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung hingegen sanktioniert die Verletzung des Primäranspruchs. Dem Schuldner ist es nach seiner Wahl nicht gestattet, die Leistung zu verweigern und stattdessen Ersatz zu leisten. Vielmehr ordnet das Gesetz an, dass er, falls er nicht leistet, zum Ersatz der Leistung verpflichtet ist, siehe § 281 Abs. 1 S. 1 BGB.29 Die Entscheidung darüber, ob geleistet oder Schadensersatz statt der Leistung gezahlt werden soll, steht nach der Vertragsverletzung jedoch allein dem Gläubiger zu. 24

Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 225. Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 228. 26 Dies wird als „disjunktive Obligation“ bezeichnet: Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 225. 27 Sog. liability rule und property rule, zurückgehend auf Guido Calabresi und Douglas Melamed: 85 Harvard Law Review 1089, 1106 ff. (1972). 28 Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 227. 29 Zum gesamten Komplex ausführlich: Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 227, der beweist, dass auch im common law Primär- und Sekundäranspruch unterschieden werden. 25

B. Die Rechte des Gläubigers

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Wie sich nun Primäranspruch und Sekundäranspruch zueinander verhalten, kann an dieser Stelle offen bleiben.30 Die wichtigste Erkenntnis bleibt zunächst, dass sie klar voneinander zu trennen sind: Primäranspruch und Schadensersatz sind nicht Inhalt eines Forderungsrechts, sondern eigenständige subjektive Rechte.

III. Das Gestaltungsrecht Eine Partei kann aus dem Schuldverhältnis u. U. ein Gestaltungsrecht ableiten. Als Prototyp gilt der Rücktritt.31 Das Gestaltungsrecht ermöglicht es einer Partei, durch einseitiges Rechtsgeschäft auf bestehende Schuldverhältnisse ausgestaltend oder verändernd („einbrechend“ oder „beendend“) einzuwirken.32 Das besondere Merkmal ist, dass der Gläubiger nicht auf die Mitwirkung des Gestaltungsgegners angewiesen ist und somit unabhängig in der Ausübung des Rechts ist. Diese Mitwirkung wäre nämlich an sich vonnöten, um die Gestaltung des Schuldverhältnisses (Änderung, Aufhebung, Begründung) zu ermöglichen. Dem Gestaltungswilligen bliebe sonst bloß ein Anspruch auf Mitwirkung zur Gestaltung, genauer gesagt: auf Abgabe einer zustimmenden Erklärung.33 Dass der Erklärende einseitig das Schuldverhältnis mittels des Gestaltungsrechts verändern kann, bezahlt er in der Regel mit dem Preis der Unwiderruflichkeit seiner Gestaltungserklärung.34 Er bindet sich selbst und den Erklärungsempfänger mit seiner Gestaltungsentscheidung. Die „einbrechenden“ oder „beendenden“ Gestaltungsrechte wie die Anfechtung nach §§ 142, 143 BGB oder der Rücktritt zeichnen sich dadurch aus, dass das Volumen und der Gesamtcharakter eines bestehenden Schuldverhältnisses berührt wird. Demgegenüber kann eine Erklärung auch einseitig „ausfüllenden“ Charakter haben, so etwa die Leistungsbestimmungsrechte der §§ 315, 317 BGB oder die im Arbeitsrecht bekannten einseitigen Zusagen des Arbeitsgebers, die das Arbeitsverhältnis inhaltlich ausgestalten können (Stichwort: betriebliche Übung).35 Festzuhalten bleibt, dass das Schuldverhältnis neben Forderungsrechten auch Gestaltungsrechte beinhalten kann. Dabei darf man die Gestaltungsrechte nicht als verbindendes Element der Parteien verstehen, wie dies bei sämtlichen Pflichten und Ansprüchen der Fall ist, sondern als einseitige Möglichkeit der Änderung von Bestand, Umfang oder Inhalt des Schuldverhältnisses. 30 31 32 33 34 35

Dazu eingehend: Kapitel 4, S. 255 ff. Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 78. MüKo/Emmerich, § 311 Rn. 35. Bötticher, Festschrift für Hans Dölle, Band I, S. 41 (43). Bötticher, Festschrift für Hans Dölle, Band I, S. 41 (71). MüKo/Emmerich, § 311 Rn. 36.

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Kap. 2: Die Gläubigerwahlrechte im Schuldverhältnis

C. Der Inhalt des Forderungsrechts Jedes Forderungsrecht aus dem Schuldverhältnis hat einen Inhalt. Bis heute werden verschiedene Begriffe hierfür verwendet. Nicht immer ist dabei klar, welche Unterschiede zwischen diesen bestehen. Für die vorliegende Untersuchung ist das Leistungsgebot relevant. Dieses ist eine Option des Gläubigers: das Tun, was er vom Schuldner verlangen kann. Die Möglichkeiten des Gläubigers sind in den Fällen der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und Ersetzungsbefugnis des Gläubigers zu mindestens „Tun 1 oder Tun 2“ vermehrt.

I. Synonyme des Forderungsrechts: Schuld, Forderung, Obligation Zur Beschreibung des Forderungsrechts bzw. schuldrechtlichen Anspruchs werden verschiedene Synonyme verwendet, die uns die begriffliche Einordnung schwer machen. Man findet hier die Begriffe „Forderung“ und „Schuld“.36 In diese Reihe lässt sich auch der Begriff der „Obligation“ – allerdings ohne gesetzliche Stütze – aufnehmen.37 Obligation drückt im heutigen Verständnis die Schuld aus Schuldnerperspektive aus.38 Die gesetzliche Verankerung der Forderung findet man in § 241 Abs. 1 BGB. Dieser geht von der Sicht des Gläubigers aus, der „kraft des Schuldverhältnisses“ berechtigt ist, „von dem Schuldner eine Leistung zu fordern“. Die Ausdrücke Obligation, Schuld und Forderung umschreiben denselben Sachverhalt aus unterschiedlichen Perspektiven. Die „Schuld“ oder „Obligation“ aus der Sicht des Schuldners entspricht dabei der „Forderung“ aus der Sicht des Gläubigers.39 Die Schuld als Pendant zur Forderung trennt man von den allgemeinen Pflichten, sich des Eingriffs in fremde Interessen zu enthalten. Ihnen korrespondieren allgemeine Abwehransprüche, zunächst konturlos gegen Jedermann, erst mit konkretem Verstoß gegen die Pflichten als relatives Recht gegen den Verstoßenden selbst und damit als schuldrechtlicher Anspruch.40 Die Forderung spiegelt sich erst in einer konkreten Schuld, nicht in einem 36 Vgl. schon: Planck/Siber, vor § 241, Kapitel I 2 c ß; Es wird zum Teil von einem „Schuldverhältnis im engeren Sinne“ gesprochen. 37 Vgl. bereits: von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Band 1, S. 339. Zu beachten ist aber die historische Wandelung des Begriffs und die Unstimmigkeiten der pandektistischen Ansätze in der Entstehungsphase des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Dazu bereits: S. 57 ff. 38 Esser/Schmidt, Schuldrecht I – Teilband 1, S. 1 Fn. 4; von lat. obligare = verpflichten, verbinden. 39 Looschelders, Schuldrecht Allgemeiner Teil, S. 4 Rn. 10. 40 Esser/Schmidt, Schuldrecht I – Teilband 1, S. 86.

C. Der Inhalt des Forderungsrechts

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generellen Pflichtengebot. Eine Forderung ist also das Element einer schuldrechtlichen Beziehung, das den Forderungsinhaber zum Gläubiger, den Forderungsgegner zum Schuldner macht. Der Schuldner muss konkret verpflichtet sein, der Gläubiger konkret berechtigt.

II. Die Leistung – das Leistungsgebot Inhalt der Forderung ist die Leistung bzw. das Leistungsgebot41. Dies ist der gegenständliche Ausdruck für den Inhalt des Schuldverhältnisses, das was der Gläubiger fordern kann und vom Schuldner verlangt wird.42 Ein Beispiel: Der Verkäufer schuldet gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB Übergabe und Übereignung der Kaufsache; das Leistungsgebot ist dabei sowohl ein Leistungsgegenstand, nämlich die Kaufsache, als auch ein diesbezügliches Verhalten, nämlich die Übergabe und Übereignung. Terminologisch entspricht der Forderungsinhalt dem Leistungsgebot. Beide Begriffe trennt nur die Perspektive: Der Forderungsinhalt entspricht der Gläubigersicht, das Leistungsgebot der Schuldnersicht. Zu unterscheiden ist ferner, dass die Leistung als Leistungsverhalten (angedeutet in §§ 241, 320, 293 ff. BGB) oder als Leistungserfolg, etwa im Sinne des „Bewirkens“ nach § 362 BGB, geschuldet sein kann.43 Rechtsprechung und Lehre sind sich einig, dass diese Ambivalenz je nach Sinn und Zweck der Verpflichtung, nach „mehr“ oder „weniger“ an Verhalten oder Erfolg gelöst werden muss.44 Die bekanntesten Orientierungsschwierigkeiten findet man im Kontext der Abgrenzung des Dienstvertrags vom Werkvertrag: Schulde ich das bloße Handeln oder einen konkreten Erfolg? Beispiel einer ärztlichen Operation: Schuldet der Arzt die erfolgreiche Genesung durch die Operation oder bloß den fachgerechten Eingriff an sich?

III. Die Leistungsmodalitäten Sämtliche Modalitäten der Leistungserbringung sind Komponenten der Forderung und damit Inhalt des Leistungsgebots. Die Fragen der Transportart, des Lieferzeitpunktes, der Zahlungsweise (z. B. bar oder per Überwei41 Ich bevorzuge den Begriff „Leistungsgebot“, denn er drückt aus, dass eine Pflicht des Schuldners besteht („Du sollst . . .“). Beide Begriffe werden aber synonym verwendet, so auch schon in den Beratungen zum BGB: Redaktorenvorlage, S. 34. 42 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, S. 24 Rn. 33. 43 Umfassende Untersuchung bei: Wieacker, Festschrift für Nipperdey, Band I, S. 801 ff. 44 BGHZ 12, 267, 267; 40, 326, 326.

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Kap. 2: Die Gläubigerwahlrechte im Schuldverhältnis

sung) etc. beziehen sich stets unmittelbar auf den Inhalt der Leistung, wie die §§ 269, 270 und 271 BGB verdeutlichen. Sie sind keine rechtlich unabhängigen Parameter zur Umsetzung der Leistung, sondern Teil des Leistungsgebots. Rein begrifflich lassen sich Modalitäten der Leistung – etwa: Zeit und Ort der Kaufpreiszahlung – zwar vom geschuldeten Verhalten (Zahlung durch Hingabe von Geldscheinen) und vom Leistungserfolg (Erhalt der Geldscheine) trennen. Rechtlich sind sie aber untrennbar mit dem Kern der Leistungspflicht, dem „Tun“ verbunden; ihre Nichtbeachtung ist eine originäre Leistungspflichtverletzung.45 Gustav Pescatore hat dies anhand einer Formel wie folgt ausgedrückt: „Die Verpflichtung, x unter den Modalitäten 1 oder 2 zu leisten, darf nicht ohne weiteres als gleichbedeutend mit der Alternative x1 oder x2 genommen werden. Die zutreffende Alternative kann x1 oder x2 oder x schlechthin zu lauten haben.“46 Damit drückt er aus, dass das Leistungsgebot x (Tun) entscheidend für den Leistungserfolg ist und die Modalitäten 1 und 2 davon begrifflich getrennt werden können. Gleichwohl steht er fest, dass die Lieferung der gekauften Sache an Ort 1 gegenüber der an Ort 2 eine „andere Leistung“47 darstellt. Zu Recht konkretisiert Pescatore: Die Lieferung eines „Quantums Kartoffeln nach Wolgast“ ist eine andere Leistung als die „des identischen Quantums nach Swinemünde“48. In der Literatur49 und Rechtsprechung50 wird demgegenüber vereinzelt eine rechtliche Trennung von Modalitäten der Leistung und Leistung als solcher vertreten. Dies ist jedoch lediglich als weiterer Versuch zu werten, die Anwendung der Wahlschuldregeln nach §§ 262 ff. BGB zu umgehen.51 Die Tendenz einer solchen „Flucht“ vor den §§ 262 ff. BGB ist kritisch zu sehen.52 Die unterschiedliche rechtliche Behandlung von Leistungsgegenstand und „Begleitumständen der Umsetzung“53, also Modalitäten der Leistung, überzeugt nicht und ist daher abzulehnen.54 45 Siehe auch: Unberath/Cziupka, JZ 2008, 867 (869), unter Verweis auf: BGH, NJW 1991, 1604, 1606. 46 Pescatore, Wahlschuldverhältnisse, S. 140. 47 Pescatore, Wahlschuldverhältnisse, S. 140. 48 Pescatore, Wahlschuldverhältnisse, S. 140. 49 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, S. 156; auch: Esser/Schmidt, Schuldrecht I – Teilband 1, S. 243. 50 RGZ 114, 393, 395. 51 Larenz hält es für „lebensfremd“, die Leistungsmodalitäten den Wahlschuldnormen zu unterwerfen und damit wegen § 263 Abs. 1 BGB auf eine rechtsverbindliche Erklärung des Wahlberechtigten abzustellen. Seiner Ansicht nach wird die Wahl der Leistungsmodalität nicht mit rechtsgeschäftlichem Willen, sondern bloß tatsächlich getroffen. § 263 Abs. 1 sei nicht anwendbar: Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, S. 156. 52 Dazu schon: Kapitel 1, S. 71 ff.; auch: Ziegler, AcP 171 (1971), 193 (216).

D. Die Gläubigerwahlrechtsfälle

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D. Die Gläubigerwahlrechtsfälle Wozu dient diese „Atomisierung“55 des Schuldverhältnisses? Sie zeigt uns in der nötigen Kürze, dass die von Gernhuber betitelte „komplexe Einheit“ – das Schuldverhältnis – ein in sich verwobenes System ist. Die Beobachtung zeigt insbesondere, dass konkrete Pflichten konkreten Ansprüchen gegenüberstehen. Beziehen sich diese konkreten Pflichten auf Leistungen, stehen diesen konkrete Forderungen gegenüber. Dazu treten Gestaltungsrechte, Obliegenheiten und abstrakte Pflichten und Rechte. Die logisch denkbaren Optionen des Gläubigers können in der Struktur des Schuldverhältnisses eine jeweils unterschiedliche rechtliche Qualität haben. Die Option Recht ist dabei qualitativ zu trennen von der Option Tun, welche das bloße Leistungsgebot meint. Dies ist der Ursprung für die Differenzierung der Gläubigerwahlrechte: Wahlschuld und Ersetzungsbefugnis bezeichnen die Wahl „Tun 1 oder Tun 2“, die elektive Konkurrenz beschreibt die Wahl „Recht 1 oder Recht 2“.

I. Die Optionen des Gläubigers: Recht und Tun Der Gläubiger des Forderungsrechts kann nach § 194 Abs. 1 BGB vom Schuldner „ein Tun oder Unterlassen“ verlangen. Für die Fälle der Leistungserbringung, z. B. vertragliche geschuldete Erfüllung, gesetzlich geschuldeter Schadensersatz usw., ist praktisch nur das wörtlich zu verstehende Tun des Schuldners als Verhaltensaufforderung wichtig: Der Schuldner muss die Zahlung in bar vornehmen, eine Überweisung anordnen, die Kaufsache überbringen, das Werk herstellen, die Mietsache räumen, etc., um nur einige Beispiele zu nennen. Der Übersichtlichkeit halber fokussieren wir daher im Folgenden die aktive Handlung des Schuldners als praktisch relevantesten Inhalt des Forderungsrechts. Der Gläubiger hat dann durch seinen schuldrechtlichen Anspruch im Duktus des § 194 Abs. 1 BGB gesprochen eine Option Tun. Man trennt davon den Anspruch des Gläubigers, die Option Recht. Denn der Anspruch, das Recht, setzt das Leistungsgebot, das Tun, nur um. Die Optionen des Gläubigers können mehrere sein. Der Gläubiger kann sowohl mehrere Rechte als auch mehrere Leistungsgebote innerhalb eines Forderungsrechts zur Auswahl haben. So ist es beispielsweise möglich, dass 53 Esser/Schmidt, Schuldrecht I – Teilband 1, S. 243, die für eine einzelfallbezogene Interessenabwägung plädieren. 54 So schon: Ziegler, AcP 171 (1971), 193 (216). 55 Planck/Siber, § 271 Anmerkung 1 a, im Kontext der Strukturierungsversuche des Schuldverhältnisses nach „Zeitmomenten“.

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Kap. 2: Die Gläubigerwahlrechte im Schuldverhältnis

das Schuldverhältnis zwischen zwei Parteien der einen Partei einen Anspruch (Recht 1) mit einfachem und bestimmtem Inhalt (Tun) und zusätzlich ein Gestaltungsrecht (Recht 2) gewährt, der anderen Partei hingegen einen Anspruch (Recht) mit zwei verschiedenen alternativen Leistungsgeboten (Tun 1, Tun 2). Es macht dabei einen Unterschied in der rechtlichen Qualifizierung, ob eine Partei aus optionalen Rechten („Recht 1 oder Recht 2“) oder optionalen Leistungsgeboten („Tun 1 oder Tun 2“) wählen kann. Die Wahl zwischen verschiedenen Leistungsgeboten stellt sich innerhalb eines Forderungsrechts. Dies ist zu unterscheiden von der Wahl zwischen Rechten. Dabei können wiederum Forderungsrechte untereinander konkurrieren oder Forderungsrechte mit Gestaltungsrechten oder verschiedene Gestaltungsrechte untereinander.

II. Beispiele 1. Optionale Leistungsgebote: „Tun 1 oder Tun 2“ Hat der Gläubiger als Käufer eines PKW-Kaufvertrags die Möglichkeit, vom Verkäufer gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB Übergabe und Übereignung eines von zwei Fahrzeugen, entweder eines roten oder eines blauen Pkw, nach seiner eigenen Wahl zu verlangen, liegt zunächst ein Kaufvertrag, ein

Kaufvertrag

Käufer

Verkäufer

Abnahme und Kaufpreis

roter PKW blauer PKW

Forderungsrecht § 433 Abs. 2 BGB

Forderungsrecht § 433 Abs. 1 S. 1 BGB, Übergabe und Übereignung

Abb. 2: Beispiel optionaler Leistungsgebote

D. Die Gläubigerwahlrechtsfälle

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Schuldverhältnis vor. Dieses Schuldverhältnis beinhaltet einen Anspruch für den Käufer aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB auf Übergabe und Übereignung eines einzigen Pkw (ein Recht). Er erhält aber durch die Vereinbarung mit dem Verkäufer die Chance, den Inhalt seiner Forderung aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB durch eine Wahlentscheidung selbst zu bestimmen. Hier stehen zwei denkbare Leistungsgebote (oder Forderungsinhalte) gemäß § 194 Abs. 1 BGB zur Wahl. Die Wahl lautet: „Tun 1 oder Tun 2“, also „Übergabe und Übereignung des roten PKW oder Übergabe und Übereignung des blauen PKW“. 2. Optionale Rechte: „Recht 1 oder Recht 2“ Zweites Beispiel: Der Käufer eines Pkw stellt nach einer Woche Fahrens erhebliche Mängel an der Elektronik (einen Sachmangel im Sinne des § 434 BGB) fest. Die angemessene Frist zur Nacherfüllung wird entbehrlich, da der Verkäufer unberechtigt jede Abhilfe verweigert (§ 440 S. 1 BGB). Hier gibt das Gesetz dem Käufer unter anderem die Möglichkeit, zurückzutreten nach §§ 437 Nr. 2 Var. 1, 323 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB und den Vertrag so rückabzuwickeln. Ebenso gut könnte er aber auch das mangelhafte Fahrzeug behalten und den gezahlten Kaufpreis gemäß §§ 437 Nr. 2 Var. 2, 441 Abs. 1 S. 1 BGB mindern. Das ist keine Wahlmöglichkeit

Kaufvertrag

Käufer

Verkäufer

Gestaltungsrecht Minderung, §§ 437 Nr. 2 Var. 2, 441 BGB

Gestaltungsrecht Rücktritt, §§ 437 Nr. 2 Var. 1, 323 Abs. 1 BGB

Abb. 3: Beispiel optionaler Rechte

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Kap. 2: Die Gläubigerwahlrechte im Schuldverhältnis

des Gläubigers innerhalb eines Anspruchs, denn die Minderung oder die Rückabwicklung nach Rücktritt sind keine komplementären Leistungsgebote bzw. Forderungsinhalte. Vielmehr stellt sich die Wahl des Gläubigers auf der Ebene der Rechte bzw. Ansprüche: Es konkurrieren das Rücktrittsrecht (Recht 1) und das Minderungsrecht (Recht 2). Die Wahl lautet: „Recht 1 oder Recht 2“, also „Rücktritt oder Minderung“. Es ergibt sich nur in Bezug auf diese beiden Rechte oben stehendes Bild.56 3. Problem: „Tun oder Recht“? Es gibt also Fälle optionaler Leistungsgebote innerhalb eines Forderungsrechts und Fälle optionaler Rechte. Es bleibt die Frage, ob auch Fälle der Wahlalternative zwischen einem Leistungsgebot und einem Recht existieren, also die Situation einer Gläubigerwahl „Tun oder Recht“. Dies liefe auf eine Alternativität von Möglichkeiten hinaus, die völlig unterschiedlicher rechtlicher Qualität wären. Diese Wahloption zwischen einem „Tun“ und einem „Recht“ ist indes nicht denkbar. Ich erweitere zur Verdeutlichung den zweiten Beispielsfall. Nach Entdeckung und Mitteilung des Mangels einigen sich Käufer und Verkäufer auf folgende Regelung: Der Käufer soll nach seiner Wahl entweder zurücktreten oder die Sache behalten und in diesem Fall anstatt eines Minderungsbetrags entweder ein rotes Rennrad oder ein blaues Rennrad (wiederum nach Wahl des Käufers) als „Trostpflaster“ erhalten. Hier ist zunächst eine Vermehrung von Gläubigeroptionen in doppelter Hinsicht zu erkennen: Rücktrittsrecht (Recht 1) und Minderungsersatzrecht (Recht 2) schließen sich als Optionen gegenseitig aus. Innerhalb des Minderungsersatzrechts gilt das Gleiche für die Wahloption „rotes Rennrad“ (Tun 1) und die Wahloption „blaues Rennrad“ (Tun 2). Die Wählbarkeit eines der beiden Rennräder ist mit der Wählbarkeit des Rücktritts zweifelsohne durch die Wahlentscheidung selbst verknüpft. Dies könnte zu der Annahme führen, mit der Wahlentscheidung „für das rote Rennrad“ entscheidet der Gläubiger sich gegen das Rücktrittsrecht. Somit stünden die verschiedenen Elemente des Schuldverhältnisses ihrerseits in einer Alternative: „Tun 1 oder Recht 1“, also „rotes Rennrad oder Rücktritt“. Dies ist angesichts der skizzierten Struktur des Schuldverhältnisses jedoch nicht richtig. Entscheidet der Gläubiger sich nämlich „für das rote Rennrad“, so ist dies primär die Wahl des Minderungsersatzrechts, sekundär der Ersatzoption „rot“. Aus Sicht des juristischen Laien mag die Entschei56 Ausgeklammert werden der Übersicht halber der fortbestehende Anspruch auf Nacherfüllung und die weiteren Rechte im § 437 BGB.

D. Die Gläubigerwahlrechtsfälle

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Kaufvertrag

Käufer

Verkäufer Gestaltungsrecht Rücktritt, §§ 437 Nr. 2 Var. 1, 323 Abs. 1 BGB

rotes Rennrad blaues Rennrad

Forderungsrecht als vereinbarter Ersatz für die Minderung

Abb. 4: Beispiel für das Problem „Tun oder Recht?“

dung „für das rote Rennrad“ unmittelbare und direkt konkurrierende Option zur Entscheidung für einen Rücktritt sein. Dies entspricht jedoch keineswegs der Struktur des Schuldverhältnisses. Juristisch ist die Entscheidung „für das rote Rennrad“ nämlich die bloß sekundäre Folge der eigentlichen Primärentscheidung für das Minderungsersatzrecht. Deutlicher wird das, wenn man die Perspektive wechselt: Aus Schuldnersicht ist primär die Gläubigerwahl Rücktritt oder Minderungsersatz entscheidend, bedeutet doch ersteres Rückabwicklung des gesamten Schuldverhältnisses und damit das eventuell „größere Übel“. Erst bei getroffener Entscheidung für den Minderungsersatz – aus Sicht des Schuldners: für den Erhalt des Schuldverhältnisses – ist die Frage nach „rotem“ oder „blauem“ Rennrad entscheidend. Die Entscheidung für eines der beiden Leistungsgebote ist keine unmittelbar zum Rücktrittsrecht konkurrierende Option, sondern füllt nur das zweite Gläubigerrecht inhaltlich aus. Es bestimmt also, um welchen Preis das Schuldverhältnis aufrechterhalten wird. Damit ist festzustellen, dass die Wahl der Rechte nicht korrespondiert mit der nachgelagerten (strukturell: darin gelagerten) Wahl der Leistungsinhalte. Die Wahloption „Tun oder Recht“ gibt es nicht.

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Kap. 2: Die Gläubigerwahlrechte im Schuldverhältnis

III. Einordnung der drei Typen von Gläubigerwahlrechten Ausgehend von den genannten Beispielen können wir die elektive Konkurrenz von den übrigen Gläubigerwahlrechten abgrenzen. Die elektive Konkurrenz ist der Fall optionaler Rechte. Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und Ersetzungsbefugnis des Gläubigers hingegen sind zwei verschiedene Fälle optionaler Leistungsgebote. 1. Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht a) Der Gehalt der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht im Sinne der §§ 262 ff. BGB ist ein einheitlicher Anspruch mit alternativem Inhalt.57 Genauer ausgedrückt, ist der Schuldner nur zu einer Leistung verpflichtet, der Gläubiger hat nur eine Forderung. Die unbestimmte, aber bestimmbare Leistung wird durch die Wahl auf eine bestimmte Leistung konkretisiert.58 Das Schuldverhältnis und der Anspruch liegen jeweils nur einfach vor. Es besteht aber die Wahl zwischen verschiedenen Leistungsgeboten. Diese Wahl steht, abweichend von der dispositiven Zweifelsregel des § 262 BGB, dem Gläubiger zu.59 Praktische Beispiele für Wahlschulden sind zahlreich: Fahrkarten, die dem Kunden die Wahl zwischen mehreren Zielorten lassen, Automaten, in denen für denselben Preis eine von mehreren Leistungen gewählt werden kann oder Buchungen bei einem Reiseveranstalter, der bei einem Gesamtreisepaket die Auswahl des Hotels dem Kunden überlässt60. Die Struktur des Schuldverhältnisses ist stets gleich. Es besteht jeweils ein Beförderungsvertrag, Kaufvertrag, Reisevertrag (Schuldverhältnis). Ferner besteht jeweils ein Anspruch auf Beförderung, Übereignung des Automateninhalts oder Reisedurchführung (Forderungsrecht). Letztlich gibt es aber mehrere Möglichkeiten der Auswahl an Beförderungsziel, Automatenleistung, Hotel 57 Herrschende Ansicht: BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 2; MüKo/Krüger, § 262 Rn. 2; Palandt/Heinrichs, § 262 Rn. 1; Staudinger/Bittner, § 262 Rn. 1; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 254; Esser/Schmidt, Schuldrecht I – Teilband 1, S. 242 ff.; Ziegler, AcP 171 (1971), 193 ff.; OLG Köln, VersR 1993, 322, 322. 58 BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 2. 59 Looschelders, Schuldrecht Allgemeiner Teil, S. 117 Rn. 300. 60 Umgekehrter Fall: Der Reiseveranstalter behält sich gegen einen Reiserabatt die Wahl des Hotels vor. Dies ist ein Fall der Wahlschuld mit Schuldnerwahl. Nach: Medicus, Schuldrecht I – Allgemeiner Teil, S. 79 Rn. 185, mit Verweis auf: LG Frankfurt, NJW 1985, 143, 143.

D. Die Gläubigerwahlrechtsfälle

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(Leistungsgebot oder Forderungsinhalt). Hier ordnen wir auch das erste der oben aufgeführten Beispiele ein. Kann der Gläubiger eines Anspruchs aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB zwischen rotem Pkw und blauem Pkw wählen, so ist dies eine verabredete Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht. Die Wahl bestimmt das Leistungsgebot des Anspruchs aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Begriff der „Wahlschuld“61 drückt ebenso wie sein nicht gesetzlich verankerter Ursprung, die „Alternativobligation“62, den Blickwinkel der Schuld aus der Sicht des Schuldners aus, nicht aus der des Gläubigers. Dass es Wahlschuld, Alternativobligation heißt und nicht, wie sonst diese Ebene des Schuldverhältnisses in § 194 Abs. 1 BGB aus Sicht des Gläubigers betrachtet wird, etwa Wahlforderung oder Alternativforderung, liegt an der Besonderheit der Zweifelsregel des § 262 BGB. Im Zweifel steht danach dem Schuldner die Auswahl der „Leistungen“ zu. Daher ist die treffendere Sichtweise dieser inhaltlich unbestimmten Forderung die des Schuldners. In den hier interessierenden Fällen der Gläubigerwahl ist der § 262 BGB jedoch abbedungen. Ich stelle fest, dass die Fälle der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht die Beispiele alternativer Leistungsgebote, also die Wahl „Tun 1 oder Tun 2“ erfassen. Da es mehr als 2 Optionen sein können, kann man allgemein sagen: Leistungsgebot konkurriert mit Leistungsgebot (bzw. Leistungsgebote-Leistungsgebote). b) Das Gläubigerwahlrecht als Gestaltungsrecht Mit § 263 BGB haben die Redaktoren des BGB (freilich noch vor Einführung des Begriffs in der heute üblichen Bedeutung) die Wahl des Wahlberechtigten als Gestaltungsrecht konzipiert.63 Denn zum einen bedarf es lediglich der Erklärung, einer empfangsbedürftige Willenserklärung.64 Zum anderen aber – und das ist das entscheidende Kriterium – ist es eine einseitige Entscheidungsbefugnis des Berechtigten ohne Rücksicht auf den Willen oder das Zutun der Gegenseite. Nur die Ausübung der Wahlentscheidung 61

Heute gesetzliche Überschrift des § 262 BGB bzw. des § 265 BGB. BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 2. Historische Herleitung: S. 57 ff. 63 Ganz herrschende Auffassung seit jeher, vgl. nur: Litten, Wahlschuld, S. 126, der von einem „subjektiven Recht der zweiten Art“ spricht, da ihm der Begriff „Gestaltungsrecht“ noch unbekannt war (Verweis auf S. 3 Fn. 6); Staudinger/Werner (10./11. Auflage, 1967), § 263 Rn. 1; BeckOK/Unberath, § 263 Rn. 19; MüKo/ Krüger, § 263 Rn. 3; Staudinger/Bittner, § 263 Rn. 2. 64 Statt aller: MüKo/Krüger, § 263 Rn. 2. 62

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Kap. 2: Die Gläubigerwahlrechte im Schuldverhältnis

selbst verursacht die Lösung der Wahlschuldalternative. Der darin liegende Gestaltungscharakter der Wahl hat die Rechtsqualität anderer Gestaltungsrechte, wie dem Rücktritt oder der Minderung. Der Unterschied, der eine Vergleichbarkeit der Gestaltungsrechte auf den ersten Blick zu verhindern scheint, liegt im Zweck des Wahlrechts. Während die bekannten Gestaltungsrechte (Rücktritt, Anfechtung, etc.) allesamt die Abwicklung bzw. Modifikation eines Schuldverhältnisses verursachen, bezweckt das Gestaltungsrecht im Sinne von § 263 BGB nur, dass das Schuldverhältnis erst einmal eine durchführbare Form erhält. Ohne die Erklärung des Wahlberechtigten nach § 263 BGB gibt es keine erfüllbaren Pflichten. Der bislang unbestimmte Inhalt der Schuld wird in einen bestimmten umgewandelt. Dies entspricht der Wirkung der Leistungsbestimmungsrechte in § 315 bzw. § 317 BGB. Das Gestaltungsrecht der Wahlschuld wirkt wie auch dort für das Schuldverhältnis initiativ, nicht „einbrechend“ oder „ausfüllend“.65 2. Die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers Die Ersetzungsbefugnis (facultas alternativa) des Gläubigers ist eine der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht eng verwandte Rechtsfigur. Korrekt ausgedrückt, handelt es sich um eine einfache Schuld mit Ersetzungsbefugnis des Gläubigers, also eine obligatio simplex mit facultas alternativa.66 Denn der Gläubiger hat einen Anspruch mit einfachem Inhalt – also singulärem Leistungsgebot –, dessen Inhalt er aber durch einen anderen ersetzen kann.67 Ein Beispiel einer gesetzlichen Ersetzungsbefugnis des Gläubigers ist etwa das Recht des Schadensersatzgläubigers, statt der Naturalrestitution nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den erforderlichen Geldbetrag zu verlangen. Ebenso verhält es sich mit dem Recht auf Vermögensübertragung bei Scheidung im ehelichen Güterrecht, § 1383 Abs. 1 BGB, oder bei der Entscheidung nach § 843 Abs. 3 BGB, im Deliktsfall statt einer Geldrente eine Abfindung zu verlangen. In all diesen Fällen besteht nur ein Forderungsrecht für den Gläubiger, beispielsweise ein Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 823 Abs. 1 i. V. m. 249 Abs. 1 BGB. Der Gläubiger kann aber die Ausgestaltung des Schadensersatzes nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB verändern: Statt der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands durch den Schuldner verlangt er den Geldbetrag, den er braucht, um selbst den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen.

65 66 67

Zu diesem Thema siehe noch: S. 345 ff. Litten, Wahlschuld, S. 92 Fn. 1. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 259.

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a) Die gestaffelten Leistungsgebote Wesentlich ist, dass nur ein Leistungsgebot verwirklicht wird, nicht mehrere. Es besteht also eine Konkurrenz zwischen den Anspruchsinhalten wie bei den Fällen der Wahlschuld. Die Wahl des Gläubigers lautet auch hier „Tun 1 oder Tun 2“. Im Unterschied zur Wahlschuld sind dies aber „ungleich geordnete, gestaffelte Leistungsinhalte“,68 denn ein Schuldinhalt besteht auf jeden Fall, der andere kann diesen nur ersetzen. Man kann insofern von einem Verhältnis von Leistung (Tun 1) zu Eventualleistung (Ersatzleistung, Tun 2) sprechen.69 Beispiel: Im Fall des Schadensersatzanspruchs lautet der vorrangige Schuldinhalt „Naturalrestitution“ nach § 249 Abs. 1 BGB. Diesen kann der Gläubiger nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB durch den nachrangig gestaffelten Schuldinhalt „Geldbetrag“ ersetzen. Die besondere Staffelung der Gläubigermöglichkeiten ändert aber nichts an deren qualitativer Einordnung. Es handelt sich um eine einfache Schuld mit optionalen Leistungsgeboten, die nicht zugleich gefordert werden können. Sie sind einem einzigen Forderungsrecht immanent. Man kann sagen: Ein vorrangiges Leistungsgebot konkurriert mit einem nachrangigen Leistungsgebot (bzw. ein vorrangiges Leistungsgebot – nachrangige Leistungebote). b) Das ausfüllende Gestaltungsrecht Der Gläubiger kann der allgemeinen Definition nach durch die Ersetzungsbefugnis „statt der zunächst allein geschuldeten Leistung eine andere Leistung fordern“70. Der Schwerpunkt der Definition liegt dabei nicht auf „fordern“, sondern auf „statt“ und „kann“.71 Der Schuldner hat – ebenso wie bei der Wahlschuld – nur eine Verpflichtung zur Leistung, der Gläubiger nur eine Forderung. Für die Wahlschuld ist die Gläubigerwahl das Mittel, um die zunächst nur potentiell durchsetzbare Schuld erst zu einer aktuell durchsetzbaren Schuld zu machen.72 Die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers erlaubt es hingegen, den aktuellen Schuldinhalt durch einen anderen, zuvor bereits bekannten (potentiellen) Schuldinhalt auszutauschen. Der zweite Unterschied zur Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht lautet also: Der Forderungsinhalt muss nicht bestimmt werden, denn er ist bereits bestimmt. Es besteht aber die Möglichkeit, einseitig diesen bereits bestimmten Leis68 69 70 71 72

Heck, Grundriss des Schuldrechts, S. 33. Heck, Grundriss des Schuldrechts, S. 33. Erler, Wahlschuld, S. 30. Erler, Wahlschuld, S. 30. Termini von: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 666.

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Kap. 2: Die Gläubigerwahlrechte im Schuldverhältnis

tungsinhalt durch einen anderen, ebenso bestimmten Leistungsinhalt zu ersetzen. Die Wahlentscheidung des Gläubigers ist also fakultativ; sie kann erfolgen, muss aber nicht. Es handelt sich folglich um eine ins Belieben des Berechtigten gestellte Ermächtigung zur einseitigen Änderung des Schuldverhältnisses, freilich in den vorher festgelegten Grenzen. Die Ersetzungsbefugnis ist für sich damit ein Gestaltungsrecht.73 Es handelt sich aber um ein von § 263 BGB verschiedenes Gestaltungsrecht. Da das Schuldverhältnis auch ohne Ausübung der Ersetzungsbefugnis durchführbar ist und eine erfüllbare Schuldnerverpflichtung besteht, wirkt die Wahl hier im Gegensatz zur Wahlschuld nicht initiativ. Vielmehr liegt ein „ausfüllendes“ Gestaltungsrecht vor, also eine Befugnis, den Inhalt des fortbestehenden Schuldverhältnisses einseitig anzupassen. Folglich ist die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers ein Fall optionaler Leistungsgebote. Im Gegensatz zur Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht ist die Wahl des Gläubigers fakultativ. Das heißt, er muss über die optionale Ersatzleistung (Tun 2) keine Entscheidung treffen, kann dies aber tun. Wählt der Gläubiger nicht, so erhält er die im Staffelungsverhältnis vorrangige Leistung (Tun 1). Diese einseitige Wahlmöglichkeit ist ein Gestaltungsrecht des Gläubigers, welche das Schuldverhältnis bezüglich der einfachen Schuld inhaltlich verändert. 3. Die elektive Konkurrenz Die elektive Konkurrenz ist der Fall einer Gläubigerwahl von alternativen Forderungsrechten bzw. Gestaltungsrechten. Genau drei Konstellationen einer Wahl „Recht 1 oder Recht 2“ können auftreten, wobei jeweils mehr als nur 2 konkurrierende Rechte denkbar sind:74 Anspruch konkurriert mit Anspruch (bzw. Ansprüche-Ansprüche) oder Anspruch konkurriert mit Gestaltungsrecht (bzw. Ansprüche-Gestaltungsrechte) oder Gestaltungsrecht konkurriert mit Gestaltungsrecht (bzw. Gestaltungsrechte-Gestaltungsrechte). 73

Herrschende Meinung, nach: Gernsheim, Die Ersetzungsbefugnis (facultas alternativa) im deutschen bürgerlichen Recht, S. 48; Erler, Wahlschuld, S. 39 mit weiteren Nachweisen. Hierzu noch eingehender: Kapitel 5, S. 345 ff. 74 Ich beschränke mich dabei aus Gründen der logischen Übersichtlichkeit jeweils auf die Konkurrenz von zwei Rechten. Es können durchaus aber drei, vier oder mehr Rechte in Konkurrenz zueinander stehen.

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a) Beispiele Zur Verdeutlichung nenne ich einige Beispiele. Nach erfolglosem Ablauf der Nachfrist zur Lieferung der Kaufsache kann der Käufer Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 281 Abs. 1 BGB (Recht 2) verlangen. Bevor er diesen Anspruch aber ausdrücklich geltend macht, hat er dem vertragsbrüchigen Verkäufer gegenüber weiterhin den Primäranspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache nach § 433 Abs. 1 BGB (Recht 1), den er auch durchsetzen kann. Dem Gläubiger stehen damit alternativ zwei Ansprüche zur Verfügung, der Primäranspruch und der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung: „Recht 1 oder Recht 2“. Im Falle eines Irrtums nach § 119 BGB, einer arglistigen Täuschung oder Drohung nach § 123 BGB kann die betroffene Partei wählen, ob sie ihr Anfechtungsrecht (Recht 2) ausübt75 oder ob sie auf die Anfechtung verzichtet und die Vertragserfüllung76 (Recht 1) verlangt.77 Neben der Möglichkeit der Durchsetzung des Primäranspruchs besteht die Möglichkeit eines „einbrechenden“ Gestaltungsrechts. Dem Gläubiger steht alternativ ein Anspruch oder ein Gestaltungsrecht zur Auswahl: „Recht 1 oder Recht 2“. Verletzt ein Mieter seine vertraglichen Pflichten aus dem Mietverhältnis nicht unerheblich und handelt es sich dabei um die Einliegerwohnung im Einfamilienhaus des Vermieters, so kann Letzterer sowohl aus § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB (Recht 1) als auch aus § 573 a Abs. 1 BGB (Recht 2) jeweils ein Kündigungsrecht ableiten.78 Hier gibt das Gesetz zwei Gestaltungsrechte dem Gläubiger zur Hand, die er alternativ ausüben kann:79 „Recht 1 oder Recht 2“. b) Der Begriff der elektiven Konkurrenz Die Fälle optionaler Rechte teilen sich somit in drei Gruppen auf. Beschränken wir uns auf jeweils zwei Optionen, konkurriert entweder ein Anspruch mit einem Anspruch oder ein Anspruch mit einem Gestaltungsrecht oder ein Gestaltungsrecht mit einem Gestaltungsrecht. 75

Dann kann die Partei eventuell Schadensersatz nach § 122 BGB verlangen. Unter Umständen kann daneben ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB (sog. culpa in contrahendo) vorliegen. 77 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, S. 321 Rn. 23. 78 OLG Hamburg, Urteil vom 07.04.1982 (Az.: 4 U 167/81), NJW 1983, 182, 183. 79 Man beachte aber die Besonderheit der Begründungspflicht aus § 573a Abs. 3 BGB, die eine kombinierte Geltendmachung der Gestaltungsrechte ermöglicht, nämlich principaliter und eventualiter; vgl. OLG Hamburg, NJW 1982, 182, 182. 76

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Kap. 2: Die Gläubigerwahlrechte im Schuldverhältnis

Der Begriff der elektiven Konkurrenz erfasst alle drei Fälle gleichermaßen. Aus zwei Gründen ist es notwendig, auf diesen Terminus näher einzugehen: die Abgrenzung der Gläubigerwahlrechtsfälle und die Abgrenzung zu den Kategorien der Anspruchsnormenkonkurrenz bzw. echten Anspruchskonkurrenz. Zum einen muss die Terminologie die Trennung der Gläubigerwahlrechtsfälle beachten. Denn die beschriebene Konkurrenz von Rechten ist etwas anderes als die Konkurrenz von Leistungsgeboten in den Varianten Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht bzw. Ersetzungsbefugnis des Gläubigers. Das ist eine Unterscheidung, die in romanistischer Tradition zu Recht schon immer gemacht wurde. In der heutigen Dogmatik sind demnach konkurrierende Rechte nicht gleichzusetzen mit Wahlschulden im Sinne von §§ 262 ff. BGB. Das aber suggeriert ein Begriff wie „unechte Wahlschuld“, den Kreß für die Konkurrenz von Rechten wählt.80 Unglücklich ist folglich auch Langheinekens „Alternativobligation mit Wahlrecht des Gläubigers“81. Ebenso misslungen ist der Terminus „alternative Gläubigerberechtigung“, den Erler verwendet.82 Dieser Begriff besagt nur, dass eine einseitige Berechtigung des Gläubigers besteht, etwas Alternatives zum bisher Verlangten zu wählen. Dies ist inhaltlich genau die Beschreibung, die auch auf die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers zutrifft. Der Unterschied, dass hier eine Konkurrenz von Rechten und dort eine Konkurrenz von Leistungsgeboten vorliegt, wird damit aber nicht deutlich. Ein zweites Problem der terminologischen Erfassung aller Fälle der Konkurrenz von Rechten ist die Abgrenzung zu den Kategorien der Anspruchsnormenkonkurrenz bzw. der echten Anspruchskonkurrenz. Soweit man insbesondere in den Fällen konkurrierender Optionen zwei selbständige Ansprüche erblickt,83 muss der Begriff der elektiven Konkurrenz vom Begriff der echten Anspruchskonkurrenz in der allgemein anerkannten Definition hinreichend getrennt werden.84 Eine Leerhülle ist insoweit der Begriff „alternative Konkurrenz“, wie ihn früher von Tuhr85, heute z. B. Larenz/Wolf86 verwenden. Zum einen ist nicht klar, was durch den Begriff „Konkurrenz“ ausgedrückt werden soll, das nicht bereits durch den Begriff „alternativ“ gesagt ist: Es handelt sich um sich gegenseitig ausschließende, also alternative 80

Kreß, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrecht, S. 245 ff. Langheineken, Anspruch und Einrede, S. 108. 82 Erler, Wahlschuld, S. 60. 83 Auf die vielen Fälle, in denen streitig ist, ob eine Anspruchskonkurrenz oder bloß eine Anspruchsnormenkonkurrenz vorliegt, gehe ich nicht weiter ein. Dazu exemplarisch: Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, S. 352 ff. 84 Dazu bereits: S. 43 ff. 85 von Tuhr, Allgemeiner Teil, Band 1, S. 286. 86 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, S. 352 ff. 81

D. Die Gläubigerwahlrechtsfälle

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und damit konkurrierende Ansprüche.87 So verstanden, ist „alternative Konkurrenz“ ein Pleonasmus. Zum anderen: Worauf bezieht sich denn für den Betrachter diese Konkurrenz anderes als in den Fällen der echten Anspruchskonkurrenz? Die Unterscheidung zwischen der Ausschließlichkeit der Ansprüche auf Erfüllungsebene (echte Anspruchskonkurrenz) und der Ausschließlichkeit der Ansprüche bereits auf der Ebene der Geltendmachung (elektive Konkurrenz) wird dadurch nicht hinreichend sichtbar. Für Letzteres steht das geschichtlich überkommene und allgemein durchgesetzte Attribut „elektiv“. Es hat sich bis heute folglich kein anderer Begriff als elektive Konkurrenz für die Gläubigerwahl im Schuldverhältnis mit sich gegenseitig ausschließenden Gläubigerrechten durchgesetzt. Ich schließe mich diesem an, kritisiere aber seine geringe Ausdruckstärke.88 Insbesondere macht er kaum hinreichend deutlich, welche höchst unterschiedlichen Fallkonstellationen davon erfasst sind. Es ist namentlich ein erheblicher Unterschied, ob zwei Gestaltungsrechte konkurrieren oder wir eine Alternativität eines Anspruchs und eines Gestaltungsrechts verzeichnen. Man betrachte etwa dieses Verhältnis: Es konkurrieren für den Käufer als Gläubiger das Recht auf Minderung, §§ 437 Nr. 2, 441 BGB, und das Rücktrittsrecht, §§ 437 Nr. 2, 323 BGB. Sodann ziehe man einen Vergleich zu diesem Verhältnis: Das Rücktrittsrecht des Käufers tritt durch das vertragsbrüchige Verhalten des Schuldners neben den Nacherfüllungsanspruch aus §§ 437 Nr. 1, 439 BGB. Wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Konstellationen ist die wahlweise Wirkung eines Gestaltungsrechts, welches die Identität des Schuldverhältnisses verändert. In der erstgenannten Konstellation zweier Gestaltungsrechte wird die Identität des Schuldverhältnisses in jedem Fall verändert, gleich welches Gestaltungsrecht der Gläubiger nun anwendet. Erklärt der Käufer die Minderung, wird das Verhältnis der Leistungsbeziehung angepasst. Erklärt der Käufer den Rücktritt, wird das Schuldverhältnis rückabgewickelt. In der zweiten Konstellation mit nur einem Gestaltungsrecht hingegen kann entweder das Schuldverhältnis in seiner Identität erhalten oder in seiner Identität verändert werden. Wählt der Käufer die Nacherfüllung, dann verlangt er auf dem Wege des modifizierten Erfüllungsanspruchs nur das, was er ohnehin verlangen durfte. Wählt er den Rücktritt, wird das Schuldverhältnis aber rückabgewickelt. Diese beiden Konstellationen werden unter den Begriff der elektiven Konkurrenz gefasst, obwohl sie sehr verschieden sind. Angesichts dieser inhaltlichen Reichweite darf man den Terminus elektive Konkurrenz im modernen Zivilrecht wohl als wenig prägnant bezeichnen. 87

Zudem wird der Begriff „alternative“ im allgemeinen Sprachgebrauch anders verwendet als im juristischen oder logischen Kontext: Rödig, Die Denkform der Alternative in der Jurisprudenz, S. 7 Fn. 21. Darauf wird noch einzugehen sein: S. 128 ff. 88 Kritisch zur Aussagekraft bereits: Schulz, AcP 105 (1909), 1 (22 Fn. 48).

102

Kap. 2: Die Gläubigerwahlrechte im Schuldverhältnis

Die Gläubigerwahlrechte

Elektive Konkurrenz

Konkurrenz von Leistungsgeboten

Recht – Recht

Tun – Tun

zwischen Ansprüchen: Anspruch – Anspruch

zwischen Ansprüchen bzw. Gestaltungsrechten

Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht

Ersetzungsbefugnis des Gläubigers

Anspruch – Gestaltungsrecht Gestaltungsrecht – Gestaltungsrecht

Abb. 5: Überblick über die Typen der Gläubigerwahlrechte

IV. Fazit: Die Gläubigerwahlrechtsfälle Ich halte fest: Dogmatisch trennen wir Fälle optionaler Leistungsgebote von Fällen optionaler Rechte. In ersteren lautet die Wahl „Tun 1 oder Tun 2“, in zweiteren „Recht 1 oder Recht 2“. Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers sind Fälle optionaler Leistungsgebote, allerdings mit Unterschieden bezüglich der Rangfolge der Optionen und der Qualität des Wahlrechts. Die elektive Konkurrenz ist der Fall alternativer Forderungs- und Gestaltungsrechte. Wir unterscheiden dabei die Konkurrenzfälle alternativer Ansprüche, alternativer Gestaltungsrechte und der Alternative eines Anspruchs gegenüber einem Gestaltungsrecht.

E. Fazit zu Kapitel 2: Die Gläubigerwahlrechte im Schuldverhältnis In der Dogmatik des Schuldverhältnisses zwischen zwei Parteien unterscheidet man strukturell unterschiedliche Elemente (mit verschiedenen Synonymen). Der Gläubiger hat gegenüber dem Schuldner Rechte inne. Dies sind insbesondere Forderungsrechte (Ansprüche) und Gestaltungsrechte. Es gibt Primäransprüche und Sekundäransprüche. Inhalt des Forderungsrechts bzw. Anspruchs ist das Leistungsgebot (bzw. der Forderungsinhalt). Es bezeichnet das Tun, das der Gläubiger vom Schuldner verlangen kann. Der Gläubiger kann die Wahl zwischen verschiedenen Leistungsgeboten haben. Diese Wahl „Tun 1 oder Tun 2“ stellt sich innerhalb desselben Anspruchs. Dies sind die Fälle der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und

E. Fazit zu Kapitel 2

103

der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers. In beiden Fällen hat der Gläubiger ein Gestaltungsrecht, um das Leistungsgebot einseitig zu bestimmen. Im Fall der Wahlschuld wirkt diese Wahl initiativ, denn vor der Gläubigerentscheidung ist die Schuld unbestimmt. Im Fall der Ersetzungsbefugnis tauscht der Gläubiger durch sein Gestaltungsrecht einen bestimmten Forderungsinhalt gegen einen anderen aus. Hat der Gläubiger die Wahl zwischen sich ausschließenden Rechten, sprechen wir hingegen von der Option „Recht 1 oder Recht 2“. Drei Konstellationen sind davon erfasst: die Konkurrenz zwischen Ansprüchen, die Konkurrenz zwischen Anspruch und Gestaltungsrecht sowie die Konkurrenz zwischen Gestaltungsrechten. Das sind die Fälle der elektiven Konkurrenz.

Kapitel 3

Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen A. Die Vielfalt der Handlungsmöglichkeiten Man unterscheidet die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht, die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers und die elektive Konkurrenz in erster Linie anhand der rechtlichen Qualität der Handlungsoptionen. Dies kann, wie ich an anderer Stelle bereits ausgeführt habe,1 bei nicht eindeutigen Fällen zu unbefriedigenden Ergebnissen führen: Wenn unklar ist, ob es sich bei den Optionen des Gläubigers um sich ausschließende Leistungsgebote eines Anspruchs oder verschiedene sich ausschließende Ansprüche handelt, versagt dieses Abgrenzungskriterium zwischen den Typen der Gläubigerwahl mitunter. Die Untersuchung lenkt im Folgenden daher den Blick auf ein mögliches zweites Differenzierungsmerkmal: die Unterschiede in der Konkurrenz der Optionen. Daher rückt nunmehr die Beziehung der Handlungsoptionen zueinander in den Mittelpunkt. Die kommenden Ausführungen stehen im Zeichen der Überlegung, wie sich die Rechte bzw. Leistungsgebote des Gläubigers zueinander verhalten. Um diese Frage zu beantworten, greift die Untersuchung Erkenntnisse der Logik auf. Es handelt sich dabei um Formeln der Aussagenlogik, die der systematischen Erfassung aller Fallkonstellationen dienen sollen.2 Diese ist Teil der modernen, „kalkülisierten“ Logik,3 die auf die Entwicklung eines Systems ausgerichtet ist.4 Nach Ludwig Wittgenstein ist „die Erfor1

Ausblick im historischen Kontext: S. 77. Grundlagen bei: Hilbert/Ackermann, Grundzüge der theoretischen Logik, S. 3–44. Übersicht bei: Klug, Juristische Logik, S. 22 ff.; Joerden, Logik im Recht, S. 5 ff.; Weinberger, Rechtslogik, S. 105 ff. 3 Abgrenzung von moderner Logik und klassischer Logik bei: Klug, Juristische Logik, S. 13. Siehe auch: Wagner/Haag, Die moderne Logik in der Rechtswissenschaft (1970). 4 Hierbei wird die „Logisch-Philosophische Abhandlung“ Ludwig Wittgensteins zugrunde gelegt: Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, Logisch-Philosophische Abhandlung (1922). Es werden Aussagesätze aufgestellt, ausgedrückt durch eine abkürzende Symbolik. Die hier verwendete Symbolik lehnt sich im Wesentlichen an die Zeichenlegende bei Joerden an: Logik im Recht, S. 15. Sie folgen den Formelzeichen der Wittgensteinschen Wahrheitswertetafel: Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, Nr. 5.101 (S. 57). 2

A. Die Vielfalt der Handlungsmöglichkeiten

105

schung aller Gesetzmäßigkeit“5 das Ziel der Aussagenlogik, oder anders: ob man aus logischen Aussagen allgemeingültige Schlüsse ziehen kann, die das gesamte System aller Möglichkeiten darzustellen vermögen. Die Aussagenlogik erlaubt folglich das Erkennen von Strukturen in einem System. Mit ihr kann man insbesondere problematische Strukturen des Rechtssystems besser verstehen.6 Das hier untersuchte System der Gläubigerwahlrechte weist als Strukturprinzip eine „Verdoppelung“7 bzw. Vervielfachung der Gläubigeroptionen auf. Die Aussagenlogik ermöglicht es uns, auszudrücken, wie diese vielfachen Optionen sich zueinander verhalten. Im Folgenden ist von den Optionen des Gläubigers in der Bezeichnung „a, b, c, etc.“ die Rede.8 Die Optionen „a, b, c etc.“ sind die Aussagen der Sätze, die logisch untersucht werden. Die Aussagenlogik verwendet diese Aussagen als Elemente in Sätzen. Anstelle eines einzigen Sinns einer Aussage kann aber jedes andere denkbare Element stehen. Die Optionen a, b, c etc. stehen also etwa für „Recht“ oder „Leistungsgebot“, für „Anspruch“ oder „Tun“ etc.9 Zur Verknüpfung dieser Aussagen in einem Satz bedient sich die Aussagenlogik klassischer Funktoren10 – auch Operatoren genannt –,11 die sich auch in Worten ausdrücken lassen. Die klassischen Funktoren zur Verknüpfung zweier Elemente sind „ “ für „nicht“ (oder non), „^“ für „und“, „_“ für „oder“, „!“ für „wenn – dann“ sowie „$“ für „genau dann, wenn“.12 Sie sind nicht abschließend; darauf wird an gegebener Stelle einzugehen sein.13 Einleitend soll zunächst das Verhältnis der Optionen näher begrenzt werden. Darauf folgt eine eingehende Darstellung der aussagenlogischen Verhältnisse von Gläubigeroptionen. 5

Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, Nr. 6.3 (S. 101). Joerden, GA 1984, 249 (249). 7 Begriff stammt von: Joerden, GA 1984, 249 (249). Joerden sieht in der Verdoppelung ein zentrales Strukturproblem des Strafrechts. Gleichwohl weist er darauf hin, dass das Moment der Verdoppelung auch außerhalb des Strafrechts relevant ist, so etwa im Zivilrecht in der Mehrheit von Gläubigern, Schuldnern, etc.: Joerden, Dyadische Fallsysteme im Strafrecht, S. 186 Fn. 1. 8 Wittgenstein verwendet die Formelzeichen „p“ und „q“ für die Darstellung von Aussagen: Tractatus logico-philosophicus, Nr. 5.101 (S. 57). Ich folge der Symbolik Joerdens, der die Aussagen alphabetisch ordnet (Logik im Recht, S. 21), denn für die Fälle mit mehr als zwei Elementen dient dies der numerischen Übersichtlichkeit. 9 Zur Erklärung der Aussagenlogik eingehend: Klug, Juristische Logik, S. 23; Weinberger, Rechtslogik, S. 105 ff. 10 Joerden, Logik im Recht, S. 22. 11 Börger/Barnocchi in: Ritter/Gründer/Gabriel, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 1, S. 673 (zum Begriff der Aussagenlogik). 12 Börger/Barnocchi in: Ritter/Gründer/Gabriel, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 1, S. 673 (zum Begriff der Aussagenlogik). 13 Zur Wittgensteinschen Wahrheitswertetafel: S. 111 ff. 6

106

Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

I. Das monadische System 1. Die einfache Schuld Der Gläubiger in der Situation der elektiven Konkurrenz hat verschiedene Handlungsoptionen zur Auswahl. Gleiches gilt nach dem bisher Gesagten für den Gläubiger der Wahlschuld oder die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers, mit dem Unterschied, dass die Handlungsoptionen nicht verschiedene Rechte sind, sondern bloß verschiedene Leistungsinhalte eines einzigen Anspruchs. Die skizzierten Fälle der Gläubigerwahlsituation weichen vom schuldrechtlichen Normalfall ab, denn sie beinhalten eine Vielfalt der Handlungsmöglichkeiten. Als Besonderheit mag man dies erst erkennen, wenn man sich etwa die Grundkonstellation eines Kaufvertrags vor Augen führt. Der Käufer schuldet gemäß § 433 Abs. 2 BGB Zahlung des Kaufpreises und Abnahme der Kaufsache, der Verkäufer schuldet gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB Übergabe und Übereignung der Kaufsache. Im synallagmatischen Verhältnis des Vertrags stehen sich die Schuld des Käufers und die Schuld des Verkäufers gegenüber. Der jeweilige Gläubiger hat einen Anspruch auf die geschuldete Leistung; dies entspricht seiner Option a. Er hat nur diese eine Option, die durchzusetzen er im Stande ist. Die Fälle der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht, Ersetzungsbefugnis des Gläubigers bzw. elektiven Konkurrenz hingegen eröffnen dem Gläubiger mehrere Optionen – mindestens a oder b –, die durchsetzbar sind. Die Optionen sind hier mindestens „verdoppelt“14, teilweise gar vervielfacht. Abzugrenzen sind diese Fälle der Gläubigerwahl folglich von der einfachen Schuld. Bleibt dem Gläubiger nur die eine Möglichkeit, so kann man nicht von einer Vielfalt seiner Möglichkeiten sprechen. Der Käufer etwa hat den Anspruch auf Übergabe und Übereignung der Kaufsache und nicht einen weiteren Anspruch, der dazu ins Verhältnis gesetzt werden könnte. Gleiches gilt für die einfache Handlungsoption des Verkäufers: Er hat nur den Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB. Diese Fälle einfacher Schuld ergeben vor dem Hintergrund der Aussagenlogik folgenden Satz: „Aufgrund des Ereignisses x besteht die Option a.“ Damit ist ausgedrückt, dass durch die kaufvertragliche Einigung (Ereignis x)15 aus Gläubigersicht eine einzige Option, nämlich – aus Sicht des Käufers – ein Anspruch aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB entsteht. Der Käufer hat keine Handlungsvielfalt, denn er kann nur seine Option a (Anspruch aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB) wählen.

14

Joerden, GA 1984, 249 (250); ders., Dyadische Fallsysteme im Strafrecht, S. 186. 15 Man könnte auch statt „Ereignis“ den Begriff „Entstehensmoment“ oder „Entstehenstatbestand“ verwenden.

A. Die Vielfalt der Handlungsmöglichkeiten

107

Anders verhält es sich stets bei den Wahlrechten elektiver Konkurrenz, Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht oder Ersetzungsbefugnis des Gläubigers: „Durch das Ereignis x entstehen die Optionen a und b.“ Dem Gläubiger stehen mindestens zwei Optionen zur Auswahl. Kann der Käufer als Gläubiger zum Beispiel nach seiner Wahl die Kaufsache des Typs a oder die Kaufsache des Typs b verlangen, so liegt darin eine Vielfalt (Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht). Kann der Gläubiger wegen einer Sachbeschädigung Schadensersatz vom Schuldner fordern, so steht ihm Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB oder Geldersatz nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zur Auswahl (Fall einer Ersetzungsbefugnis des Gläubigers). Schließlich besteht eine Handlungsvielfalt beim Gläubiger, wenn dieser entweder Erfüllung oder Schadensersatz statt der Leistung verlangen kann (elektive Konkurrenz). In allen drei Beispielen tritt neben die Option a noch mindestens eine Option b. Dies macht den Unterschied der Wahlrechtsfälle zur einfachen Schuld aus. Untersucht wird im Folgenden, wie sich die Optionen a und b zueinander verhalten. 2. Der monadische Wahrheitswert Geht man folgender Überlegung nach, erscheint die Vielfalt der Handlungsmöglichkeiten des Gläubigers keine Besonderheit des Schuldrechts: Ist nicht jeder Gläubiger einer einfachen Schuld mit mehreren Handlungsmöglichkeiten versehen, nämlich der Möglichkeit zum einen, seinen Anspruch durchzusetzen, und der Möglichkeit zum anderen, dies nicht zu tun? Verkürzt formuliert: Ist nicht die Frage, ob ich meinen Anspruch geltend mache oder ob ich dies nicht tue, bereits eine Handlungsvielfalt? Diese Überlegung folgt der Betrachtung einer Handlungsoption a zur Verneinung der Option a. Wir sprechen dabei von einer sog. Negation. Es handelt sich um einen Satz des logischen Widerspruchs im sog. Kontradiktionsprinzip16, der lediglich einen einzigen Wahrheitswert aufweist, nämlich a oder Nicht-a. Die Aussagenlogik ordnet diese Varianz in das einstellige Wahrheitswertesystem – sog. monadisches System17 – dergestalt ein, dass die Option, wenn sie durchgesetzt wird, als „wahre Aussage“, wenn sie nicht durchgesetzt wird, als „falsche Aussage“ bezeichnet wird. So kann jede Option, die eröffnet ist, entweder wahrgenommen oder nicht wahrgenommen werden. Die logische Formel hierfür lautet:18 16

Klug, Juristische Logik, S. 22. Bochen´ski/Menne, Grundriss der formalen Logik, S. 28. 18 Das Symbol „#“ steht für „entweder – oder“. Der Präfix „non“ bedeutet „Nicht“ und drückt die Negation des Elements a aus: Joerden, Logik im Recht, S. 22. 17

108

Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

Ereignis x ! (a # non-a). Das Verfahren mittels monadischer Wahrheitswerte setzt also das Element a ins Verhältnis zu dessen Negator, non-a: „a oder Nicht-a“.19 Konkret: Der Gläubiger kann seine Option a entweder wahrnehmen oder nicht wahrnehmen. Möglichkeit a und der Negator Nicht-a schließen sich dabei denknotwendig aus: Es besteht eine logische Ausschließlichkeit zwischen der Wahrnehmung einer Möglichkeit und deren Ablehnung. Dieses Verhältnis der Option zu ihrem Negator klammere ich im Folgenden aus. Die Untersuchung fragt nach der Beziehung von Optionen des Gläubigers in einem spezifisch schuldrechtlichen Zusammenhang. Dass es zu jeder denkbaren Option auch die Negation der Option, also die Frage des „Ob“ der Wahrnehmung gibt, ist eine wichtige Erkenntnis. Will man sich der Frage der Konkurrenz von Gläubigerwahlmöglichkeiten aber inhaltlich nähern, muss zunächst vorangestellt sein, dass das bloße „Ob“ der Geltendmachung der Möglichkeiten keine Hürde für die wissenschaftliche Betrachtung darstellt. Die Wahl, ob ich meinen Anspruch durchsetze, ist eine Handlungsvielfalt des Gläubigers im faktischen, aber keine Handlungsvielfalt des Gläubigers im vorliegend relevanten Sinne. 3. Beispiele Die monadische Aussage a kann jedes denkbare Element ausdrücken. Dies verdeutlicht folgendes Beispiel: Der Käufer hat einen Anspruch auf Übereignung und Übergabe der Kaufsache gegen den Verkäufer, § 433 Abs. 1 S. 1 BGB. Gemäß § 194 Abs. 1 BGB bedeutet dies sein Recht, vom Käufer ein Tun, nämlich Übergabe und Übereignung verlangen zu können. Ist dieses Tun seine Option a, so lautet der monadische Wahrheitswert seines Anspruchsinhalts demgemäß „entweder Tun oder Nicht-Tun“20. Auf den Kaufvertrag bezogen, bedeutet der monadische Wert „entweder (Übergabe und Übereignung) oder Nicht-(Übergabe und Übereignung)“. Der Käufer kann also Übergabe und Übereignung durchsetzen, kann dies aber auch lassen. Auch auf der Ebene der konkurrierenden Rechte lässt sich ein Beispiel konstruieren: Hat der Gläubiger auch nach vergeblicher Fristsetzung keine Leistung vom Schuldner erhalten, so kann er vom Vertrag zurücktreten, § 323 Abs. 1 BGB. Betrachtet man allein dieses Rücktrittsrecht als einzige 19 Joerden, Logik im Recht, S. 22. Die unterschiedlichen Formen eines „oder“ – auch symbolisch – sollen zunächst unberücksichtigt bleiben; dazu sogleich: S. 132 ff. 20 Nicht-Tun ist dabei nicht gleichzusetzen mit Unterlassen. Hierzu bereits: S. 89 ff.

A. Die Vielfalt der Handlungsmöglichkeiten

109

Option a, so kann er diese wahrnehmen (zurücktreten) oder nicht wahrnehmen (nicht zurücktreten). Hier lautet der monadische Wahrheitswert „Rücktritt oder Nicht-Rücktritt“. 4. Fazit: Das monadische System Festzuhalten ist: Die einfache Schuld kann in den kommenden Betrachtungen ausgeklammert werden. Sie entspricht dem Fall eines einstelligen Wahrheitswerts im sog. monadischen System. Die Fälle der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht, Ersetzungsbefugnis des Gläubigers und der elektiven Konkurrenz weisen demgegenüber mindestens zwei Optionen auf, deren Wahrheitswerte ins Verhältnis gesetzt werden können. Hier sind die Möglichkeiten des Gläubigers ein Vielfaches gegenüber dem Fall der einfachen Schuld. Diese Verdoppelung bzw. Vervielfachung der Optionen wird nicht durch das monadische System, sondern im Folgenden durch das dyadische bzw. polyadische System21 dargestellt. In den weiteren Ausführungen wird der Übersichtlichkeit halber zudem auf die jeweilige Negation der darzustellenden Gläubigermöglichkeit verzichtet. Es wird ohne weiteren Hinweis vorausgesetzt, dass eine Option a auch zur Negation, nämlich non-a, im Verhältnis steht.

II. Die Abgrenzung der Optionenvielfalt zur Wahl Die soeben gezeigten Beispiele verdeutlichen, dass die faktische Handlungsfreiheit der Wahrnehmung einer Möglichkeit nicht gleichzusetzen ist mit der Vielfalt im Sinne der Gläubigerwahlrechtsfälle. Nur diese Fälle, in denen mindestens zwei Optionen bestehen, werden hier untersucht. Bestehen nun aber in den Fällen der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht, Ersetzungsbefugnis des Gläubigers oder elektiven Konkurrenz die verschiedenen Möglichkeiten, so hat der Gläubiger eine Wahl zu treffen. Die Optionenvielfalt als solche steht deshalb für sich ebenso in einem Verhältnis zur eigentlichen Wahl. Hat der Gläubiger die Option „a oder b“, so bedeutet die Aussagenlogik: Ereignis x ! (a _ non-a) _ (b _ non-b). Egal, wie die Optionen „a und/oder b“ zueinander stehen mögen,22 die monadischen Gegenstücke der jeweiligen Optionen, also „Nicht-a oder 21

Joerden, Dyadische Fallsysteme im Strafrecht, S. 189. An Stelle des Symbols „_“ für „oder“ könnte jeder beliebige Wahrheitswertfunktor stehen, etwa „^“ als Symbol für „und“. 22

110

Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

Nicht-b“, sind in die Vielfalt des Gläubigers mit einbezogen. Vor diesem Hintergrund soll für die kommende Analyse eine weitere Prämisse gelten: Es wird vorausgesetzt, der Gläubiger nimmt tatsächlich sein Wahlrecht wahr. Das heißt, er geht zum einen überhaupt zu einer Wahlentscheidung über. Das bedeutet zum anderen, er lehnt nicht ausdrücklich die Optionen a und b ab; dies würde zugleich non-a und non-b bedeuten. Denn in beiden Varianten hieße die Konsequenz, dass keine seiner Handlungsmöglichkeiten a oder b positiv Wirkung entfalten kann. Verzichtet der Gläubiger auf jegliche Wahlentscheidung, so greift weder a noch b. Entscheidet er sich gegen a und b und damit für Nicht-a und auch Nicht-b, so gilt dasselbe. Eine Auseinandersetzung mit der Beziehung der beiden Varianten a und b zueinander ist ohne diese Voraussetzung aber nicht möglich. Die Frage, ob der Gläubiger eine Pflicht zur Wahlentscheidung hat und ob er diese Wahl stets positiv auf eine Handlungsmöglichkeit (a oder/und b) und nicht bloß auf die Ablehnung dieser Optionen zu richten hat, soll in einem späteren Kapitel aufgegriffen werden.23 An einem Beispiel der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht verdeutliche ich diese Prämisse. Hätte der Inhaber eines Zugtickets die Wahl zwischen den verschiedenen Fahrtzielen Hamburg, Berlin und München, so sind drei Verhältnisse für die Untersuchung denkbar. Erstens: Die Zieloptionen Hamburg, Berlin und München stehen jeweils zueinander in einem Verhältnis. Zweitens: Jedes wählbare Fahrtziel steht im Verhältnis zu dessen Ablehnung, also etwa „Berlin oder Nicht-Berlin“. Und drittens: Die Vielfalt der Gläubigeroptionen steht insgesamt im Verhältnis zur Wahlbefugnis des Inhabers selber. Letzteres bedeutet eben, dass der Ticketinhaber „überhaupt ein Ziel wählen oder überhaupt kein Ziel wählen“ kann. Die beiden letztgenannten Relationen sollen für den Fortgang der näheren Untersuchung ausgeklammert werden. Die inhaltliche Frage bleibt: Wie stehen die Optionen Hamburg, Berlin und München zueinander? Gleiches gilt für die Fälle elektiver Konkurrenz sowie der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers: Wie verhalten sich etwa Erfüllungsanspruch und Rücktrittsrecht oder Naturalrestitution und Schadenskompensation zueinander?

B. Das dyadische System Es handelt sich bei den Handlungsmöglichkeiten des Gläubigers um (mindestens) zwei Optionen a und b. Diese lassen sich miteinander in einem logischen Satz verknüpfen. Der Aussagenlogik folgend ergeben die denkbaren Logiksätze Wahrheitswerte, die sich aus zwei Aussagen begrün23

Zur Frage einer Wahlpflicht: Kapitel 5, S. 357 ff.

B. Das dyadische System

111

den.24 Der Wahrheitswert des gebildeten Satzes ist also „zweistellig“ (dyadisch), weshalb die denkbaren Kombinationen dyadische Wahrheitswerte genannt werden.25 Zunächst stelle ich die Grundüberlegungen der Wittgensteinschen Wahrheitswertetafel voran. Dem folgen sämtliche Fälle dyadischer Wahrheitswerte. Untersucht wird schließlich die Einordnung der Wahlrechtsfälle in dieses System.

I. Die Wittgensteinsche Wahrheitswertetafel Die Beziehung zweier Optionen wird durch Bindewörter wie „oder“ bzw. „und“ ausgedrückt. Dabei entstehen rein kombinatorisch genau sechzehn Wahrheitswerteverteilungen, also exakt sechzehn Varianten, wie die Elemente a und b sich zueinander verhalten können. Diese geben die Möglichkeiten wieder, wie sich die Begriffe „wahr“ und „falsch“ auf die einzelnen Verknüpfungen verteilen können.26 Ludwig Wittgenstein hat diese in der nach ihm benannten Wahrheitswertetafel zusammengefasst.27 a

b

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10 11 12 13 14 15 16

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Abb. 6: Die Wittgensteinsche Wahrheitswertetafel

Die Elemente a und b entsprechen den Optionen a und b in den bisherigen und folgenden Überlegungen. Die beiden linken Spalten der Wahrheitswertetafel zeigen die vier Wahrheitswerteverteilungen, die in den weiteren Spalten jeweils eine logische Verknüpfung wiedergeben. Zum Beispiel hat Spalte 9, die den Wert „wahr“ für drei Kombinationen angibt, den Wert 24

Joerden, Logik im Recht, S. 14. Joerden, Logik im Recht, S. 14. Es gibt auch Logikkalküle mit dreistelligen (triadischen) oder mehrstelligen (polyadischen) Wahrheitswerten. 26 Joerden, Logik im Recht, S. 13. 27 Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, Nr. 5.101 (S. 57). Die Kombinationen werden nach Spalten in den Darstellungen unterschiedlich geordnet, vgl. etwa: Klug, Juristische Logik, S. 36; anders auch: Börger/Barnocchi in: Ritter/ Gründer/Gabriel, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 1, S. 673 (zum Begriff der Aussagenlogik). Tabellarische Abbildung hier von: Joerden, Logik im Recht, S. 13, da an dessen Erklärungen in der Folge angeknüpft wird. 25

112

Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

„falsch“ nur für eine Kombination. „Falsch“ ist demnach nur der erste Satz, nämlich, dass „Element a und Element b zugleich wahr“ sind. Das bedeutet, dass alle Konstellationen denkbar sind, nur nicht die gleichzeitige Wahrheit von a und b. Von a und b kann also höchstens eines „wahr“ sein; diese Elemente schließen sich folglich kategorisch aus. Das Verständnis dieser Wahrheitswertetafel wird erleichtert, wenn man sprachliche Quantoren28 wie „alle“, „kein“, „einige“ usw. in die Kombinationen einfließen lässt. Die daraus ablesbaren Konstellationen ergeben nach Joerden folgende Übersicht.29 Spalte

Matrix

Zeichen

Name

Inhaltliche Deutung (mit Hilfe von Quantoren)

1

1111

>

Tautologie

Alles (gilt in jedem Fall)

2

1110

_

Disjunktion

mindestens eins (nicht keins)

3

1101

Replikation

das Andere nicht ohne das Eine

4

1100

Präpendenz

jedenfalls das Eine (gleichgültig, ob auch das Andere)

5

1011

Implikation

das Eine nicht ohne das Andere

6

1010

Postpendenz

jedenfalls das Andere (gleichgültig, ob auch das Eine)

7

1001

$

Äquivalenz

nicht eins allein (beides oder keins)

8

1000

^

Konjunktion

beides

9

0111

/

Exklusion

höchstens eins (nicht beides)

10

0110

#

Kontravalenz

genau eins von beiden (entweder das Eine oder das Andere)

11

0101

Postnonpendenz

keinesfalls das Andere (gleichgültig, ob das Eine)

28

!

Joerden, Logik im Recht, S. 14. Joerden, Logik im Recht, S. 15; lediglich in Zeile 10 (Kontravalenz) verwende ich das Symbol „#“ aus der Darstellung von: Klug, Juristische Logik, S. 31. Verwendet werden Matrizen, um die Kombinationen von „wahr“ und „falsch“ darzustellen. Der Wert „wahr“ erhält die „1“, der Wert „falsch“ die „0“. Hier zeigt sich der Vorteil der Übersicht Joerdens, die die Matrizen nach der Anfangsziffer bereits gruppiert. 29

B. Das dyadische System

113

Spalte

Matrix

Zeichen

Name

Inhaltliche Deutung (mit Hilfe von Quantoren)

12

0100

>–

Postsektion

das Eine ohne das Andere

13

0011

Pränonpendenz

keinesfalls das Eine (gleichgültig, ob das Andere)

14

0010


b. Das bedeutet, dass unabhängig vom Wahrheitswert der Aussagen jede Zusammensetzung dieser Aussagen im Satz stets auch wahr ist. Es gilt also „alles, und zwar in jedem Fall“. Egal, welche Bedeutung also die Elemente a und b haben und ob sie für sich „wahr“ oder „falsch“ sind, der sie umschließende Satz ist stets wahr. Darin liegt für den Betrachter ein Widerspruch. Bedeutung erlangt die Tautologie dennoch etwa in der Bewertung des Tätervorsatzes im Strafrecht, wenn dieser die Tatbestandsverwirklichung seines Handelns (z. B. die tödliche Wirkung seines Schlags) und zugleich die Nichtverwirklichung dieses Tatbestandes (der Schlag geht fehl) für möglich hält.33 Die Lösung dieses logischen Widerspruchs erfolgt im Strafrecht über die Zurechnungsund Zweifelsregeln, in diesem Fall etwa durch die Annahme eines sog. Eventualvorsatzes.34 Ähnliche Anwendungsfelder nennt Joerden im Hinblick auf die Probleme richterlicher Tatsachenfeststellung im Strafrecht.35 Die Tautologie gibt damit zwar kein Bild von tatsächlichen Verhältnissen wieder, die man systematisieren könnte.36 Gleichwohl finden wir im Recht Beispiele für Tautologien; dazu an späterer Stelle mehr.37 2. Disjunktion Disjunktion bedeutet, dass mindestens eines der Elemente des Satzes „wahr“ ist, also: a _ b; 32

Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, Nr. 4.46 (S. 52). Angelehnt an: Joerden, Logik im Recht, S. 35. 34 Joerden, Logik im Recht, S. 36; ders., Dyadische Fallsysteme im Strafrecht, S. 180. 35 Ausführlich bzgl. der Verdopplung der Tätervorstellungen bzw. der Sachverhalte für ein Strafurteil: Joerden, Dyadische Fallsysteme im Strafrecht; ders., Logik im Recht, S. 48. 36 Die Tautologie zeichnet kein „Bild der Wirklichkeit“ und ist daher „sinnlos“: Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, Nr. 4.461 und 4.462 (S. 53); Beispiel ebenda: „Ich weiß z. B. nichts über das Wetter, wenn ich weiß, dass es regnet oder nicht regnet.“. 37 Siehe das Verhältnis zwischen Rücktritt und Schadensersatz: S. 266 ff. 33

B. Das dyadische System

115

sprich: „a oder b ist wahr“. Dabei kann nur Element a wahr sein, nur Element b oder gar beide. Unter keinen Umständen aber können beide Elemente falsch sein; eine Aussage ist stets wahr. Auf die Frage der Disjunktion gehe an späterer Stelle noch einmal ausführlich ein.38 3. Replikation Wenn die zweite Aussage eines Satzes nicht ohne die erste Aussage möglich ist, so liegt eine Replikation vor. Sie wird ausgedrückt durch den Satz: a

b:

Das Element b kann also nicht ohne das Element a existieren. Ist a falsch, so muss es auch b sein. Hierfür ein Beispiel aus dem Leistungsstörungsrecht: Das Minderungsrecht des von einem Mangel betroffenen Käufers aus §§ 437, 441 BGB setzt voraus, dass überhaupt noch primäre Leistungs- und Gegenleistungspflichten bestehen, deren synallagmatisches Verhältnis man mit einem Minderungsrecht ausgleichend korrigieren kann. Das Element b (Minderung) setzt voraus, dass überhaupt eine schuldrechtliche Leistungsbeziehung als Element a besteht. Mindern kann man nämlich nicht, wenn keine Leistungen vorhanden sind, die im Verhältnis angepasst werden könnten.39 Das Minderungsrecht besteht nicht ohne primäre Leistungsbeziehung. Dies ist eine Replikation. 4. Präpendenz Präpendenz bedeutet, dass jedenfalls die erste Aussage eines Satzes wahr ist, gleichgültig, ob auch die zweite Aussage wahr ist. Der Satz lautet: a

b.

Das Element a ist auf jeden Fall wahr. Das Element b kann falsch sein, kann aber auch wahr sein. Ist zum Beispiel eine Aussage sicher, etwa, dass der Wurf eines Steins die Fensterscheibe trifft, eine zweite Aussage jedoch unsicher, etwa, ob die hinter der Scheibe stehende Person davon getroffen wird, dann stellen wir unabhängig von der Wahrheit des Treffers an der 38

Vgl.: S. 131 ff. Diese beiderseitige Leistungspflichtbeziehung ist nicht mehr vorhanden, wenn der Gläubiger etwa berechtigterweise die Anfechtung erklärt, § 142 BGB. Nach einer Anfechtung kann der Gläubiger nicht mehr mindern. 39

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Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

Person zumindest die Wahrheit des Treffers an der Scheibe fest.40 Darin liegt eine Präpendenz. 5. Implikation Die Implikation ist das Spiegelbild zur Replikation. Impliziert die Aussage a die Aussage b, bedeutet das, dass die Aussage a nicht ohne die Aussage b im Satz wahr sein kann. Oder anders: Die Wahrheit des Elements b folgt unausweichlich auf die Wahrheit des Elements a. Ist Aussage a wahr, kann Aussage b nicht falsch sein: a ! b: Dies gilt etwa für den römischen Gedanken impossibilium nulla obligatio est,41 aus dem die Regelung zur faktischen Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB entstanden ist. Wenn die Erbringung einer Leistung für den Schuldner unmöglich ist, ist die Pflicht zur Leistung nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Die Implikation in diesem Kontext bedeutet folglich: Das Sollen impliziert das Können. Wer etwas leisten soll, muss dies auch leisten können; über sein Können hinaus ist niemand verpflichtet.42 Tritt folglich Element a („Die Leistung ist geschuldet“) ein, so gilt auch Element b („Die Leistung ist möglich“). Ist die Leistung nämlich unmöglich, dann ist die Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Dies folgt aus der genannten Implikation vom „Sollen auf das Können“.43 6. Postpendenz Wenn egal ist, ob die Aussage a wahr oder falsch ist, und dennoch stets die Aussage b wahr ist, spricht man von Postpendenz. Es gilt „jedenfalls das Andere, gleichgültig ob auch das Eine“. Die Elemente können beide wahr sein, nicht aber beide falsch. Der Satz heißt: a b.

40

Beispiel aus: Joerden, Logik im Recht, S. 38. „Zum Unmöglichen besteht keine Verpflichtung“. So bereits die Digesten nach Celsus, D.50, 17, 185, vgl.: Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, S. 551 Fn. 1. 42 Mittelstraß/Schwemmer, Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Band 4, S. 379. 43 Mittelstraß/Schwemmer, Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Band 4, S. 379. 41

B. Das dyadische System

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Die Postpendenz ist das Gegenstück zur Präpendenz. Daher gilt für das dort verwendete Beispiel: Ist nicht sicher, ob der Wurf des Steins durch das Fenster die Scheibe getroffen hat (Aussage a),44 aber sicher, dass der Stein die am Fenster stehende Person verletzt hat (Aussage b), dann ist Element b auf jeden Fall wahr, Element a jedoch entweder wahr oder falsch. Darin liegt eine Postpendenz. 7. Äquivalenz Die Äquivalenz bedeutet: Nicht eine Aussage allein ist wahr, sondern beide Aussagen sind wahr oder beide Aussagen sind falsch. Der Satz wird symbolisiert wie folgt: a $ b: Der Wahrheitswert des Elements a entspricht also dem Wahrheitswert des Elements b, oder im allgemeinen Sprachgebrauch: Das Schicksal der Aussage a wird von der Aussage b geteilt. Das Beispiel des Steinwurfs bemühend, gilt hier als sicher: Wenn die Scheibe getroffen wird (Aussage a), so wird auch die dahinter befindliche Person getroffen (Aussage b). Wenn die Scheibe nicht getroffen wird, wird auch die Person nicht getroffen. Der Treffer an der Fensterscheibe teilt also den gleichen Wahrheitswert wie der Treffer an der Person. Diese Gleichwertigkeit verdeutlicht eine Äquivalenz. 8. Konjunktion Konjunktion heißt die aussagenlogische Verbindung „a und b“, die dann und nur dann wahr ist, wenn die verbundenen Aussagen beide wahr sind.45 a^b Man drückt damit aus, dass beide Optionen, sowohl a als auch b, tatsächlich Wirkung entfalten. Nur dann ist der Satz, der diese Aussagen verbindet, wahr. Auch hier können wir das Beispiel des Steinwurfs verwenden. Konjunktion ist gegeben, wenn nur bei einem Treffer der Glasscheibe auch die Person getroffen würde, und nur bei einem Treffer der Person auch die Glasscheibe getroffen würde.

44

Das Fenster konnte ebenso gut geöffnet gewesen sein. Menne in: Ritter/Gründer/Gabriel, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 4, S. 966 (zum Begriff der Konjunktion). 45

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Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

III. Die Fälle miteinander nicht verträglicher Optionen Die verbleibenden acht dyadischen Wahrheitswerte weisen gegenüber den eben genannten Konstellationen die Besonderheit auf, dass sich die Wahrheitswerte der Aussagen gegenseitig ausschließen. Die jeweiligen Elemente sind in ihrer Wahrheit miteinander nicht vereinbar. Das heißt, die in einem sie verknüpfenden Satz verwendeten Aussagen können nicht zugleich wahr sein. Auf Optionen eines Gläubigers als Inhalt dieser Aussagen bezogen, schließen diese sich in Ausübung und/oder Wirkweise aus und sind somit inkompatibel. Das gilt für die dyadischen Wahrheitswerte Exklusion, Kontravalenz, Postnonpendenz, Postsektion, Pränonpendenz, Präsektion, Rejektion sowie Antilogie. 1. Exklusion Exklusion bedeutet, höchstens eine der Aussagen des zweistelligen Satzes ist wahr, nicht aber beide. Wahr kann also sowohl Aussage a allein als auch Aussage b allein sein. Wahr kann auch sein, dass beide Aussagen falsch sind. Falsch ist nur, dass die Möglichkeit der Wahrheit von a und b besteht. Das bedeutet: a / b. Bei der Verknüpfung der Aussage a „Der Tisch ist rot“ mit der Aussage b „Der Tisch ist blau“ kann jede Aussage für sich allein wahr sein.46 Auch kann beides falsch sein, etwa wenn der Tisch tatsächlich weiß ist. Niemals aber kann der Tisch sowohl rot als auch blau sein. Die Aussage a kann nicht wahr sein, wenn die Aussage b wahr ist, und umgekehrt. Die Elemente schließen sich in ihrer Wahrheit folglich aus. Das nennt man eine Exklusion. 2. Kontravalenz Die Aussagenverbindung einer Kontravalenz ist wahr, wenn entweder Aussage a oder Aussage b wahr ist. Gemeint ist damit folgender Satz: a # b. Element a kann wahr sein oder Element b kann wahr sein; in beiden Fällen ist der Satz wahr. Falsch wird der Satz nur, wenn sowohl a als auch b wahr oder falsch wären. Entscheidend ist also die Singularität der Wahrheit 46

Beispiel angelehnt an: Joerden, Logik im Recht, S. 14.

B. Das dyadische System

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einer Aussage. Zur Verdeutlichung: Vermittelt Aussage a „Es ist Tag“ und Aussage b „Es ist Nacht“, kann nur eine dieser Aussagen wahr sein, nicht aber beide oder keine. Es kann nicht zugleich Tag und Nacht sein. Ebenso wenig trifft keines der beiden zu, denn entweder Tag oder Nacht ist es immer. Es kann also nur entweder Aussage a oder Aussage b wahr sein. Dies ist das Verhältnis der Kontravalenz. 3. Postnonpendenz Wie der Name schon vermittelt, ist die Postnonpendenz das Gegenteil zur Postpendenz. Auf keinen Fall kann „das Andere wahr“ sein, gleichgültig, ob „das Eine wahr“ ist. Element b kann also nicht den Wahrheitswert „wahr“ haben. Element a kann wahr oder falsch sein. Es gilt: a b. Das Beispiel des Steinwurfs lautet dann wie folgt: Da tatsächlich keine Person hinter dem Fenster steht, ist die Aussage b „Der Wurf des Steins trifft die Person hinter dem Fenster“ definitiv falsch. Ob Aussage a „Der Wurf des Steins trifft die Fensterscheibe“ wahr oder falsch ist, berührt diese Erkenntnis nicht. Darin liegt eine Postnonpendenz. 4. Postsektion Postsektion bedeutet „das Eine ohne das Andere“. Die Aussage a ist in jedem Fall wahr. Die Wahrheit der Aussage b ist in jedem Fall ausgeschlossen. Der Satz selbst kann also nur wahr sein, wenn die singuläre Wahrheit des Elements a festgehalten wird. Dann bedeutet dies: a >– b. Der den Stein Werfende ist sicher, dass er die Fensterscheibe trifft (Aussage a). Da er erkennt, dass keine Person hinter dem Fenster steht, ist er genauso sicher, dass die Aussage b „Eine Person hinter dem Fenster wird getroffen“ falsch ist.47 Dies ist eine Postsektion. 5. Pränonpendenz Wenn gilt, dass „keinesfalls das Eine, gleichgültig, ob das Andere“ wahr ist, dann ist dies eine Pränonpendenz. Sie steht konträr zur Präpendenz. 47

Ähnliches Beispiel des Tätervorsatzes: Joerden, Logik im Recht, S. 40.

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Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

Aussage a ist in jedem Fall falsch, unabhängig vom Wahrheitswert der Aussage b: a

b.

Die Parallele zur Postnonpendenz ermöglicht, den dortigen Wahrheitswert der Aussagen a und b jeweils bloß auszutauschen. So ist folglich in der Pränonpendenz sicher, dass der Wurf des Steins nicht die Fensterscheibe trifft48 (so aber die falsche Aussage a), aber durchaus möglich, dass die am Fenster stehende Person getroffen wird (Aussage b). Element a ist falsch, Element b kann wahr oder falsch sein. Das drückt die Pränonpendenz aus. 6. Präsektion Spiegelbildlich zur Postsektion steht die Präsektion. Dort gilt: „Das Andere ohne das Eine“ ist wahr. Der Satz drückt aus, dass die Aussage a definitiv falsch ist, die Aussage b hingegen ist definitiv wahr. Die Symbolik hierfür ist: a –< b. Der Stein soll nach der Vorstellung des Werfers hierbei sicher die hinter dem Fenster stehende Person treffen (Aussage b), aber ebenso sicher trifft er nicht die Fensterscheibe (so aber Aussage a). Dies ist eine Präsektion. 7. Rejektion Rejektion heißt die Verbindung zweier Aussagen a und b zu einem Satz, so dass dieser dann und nur dann wahr ist, wenn jede der beiden Aussagen a und b falsch ist.49 Es heißt also, wahr ist „weder das Eine noch das Andere“, also beides nicht: a y b. Meint etwa die Aussage a „Am Tag ist es stets dunkel“ und die Aussage b „In der Nacht ist es stets hell“, dann liegt eine Rejektion vor, denn beide Aussagen sind falsch. Wahr ist der sie verknüpfende Satz nur in der Erkenntnis, dass beide Aussagen nicht wahr sind. 48

Zum Beispiel hat das Fenster überhaupt keine Glasscheibe. Menne in: Ritter/Gründer/Gabriel, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 8, S. 569 (zum Begriff der Rejektion). 49

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8. Antilogie (Kontradiktion) Antilogie – bei Wittgenstein auch Kontradiktion genannt50 – nennt man den Satz, der für sämtliche Kombinationsmöglichkeiten stets falsch ist. Unabhängig vom Wahrheitswert der beiden Aussagen kann also die sie umschließende Gesamtaussage nie wahr sein. a?b Als Gegenpart zur Tautologie ist die Antilogie ein ebensolcher „Extremfall“,51 der keine lebenswirkliche Darstellung ergibt. Die Antilogie ist daher sinnlos, lässt sie doch überhaupt keine mögliche Sachlage zu.52 Ein sinnvolles Beispiel hierfür lässt sich folglich auch nicht finden.53 Für das hier untersuchte System des Schuldrechts kann die Antilogie vernachlässigt werden.

IV. Die Gläubigerwahlrechtsfälle im dyadischen System Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht, Ersetzungsbefugnis des Gläubigers und elektive Konkurrenz lassen sich in die logische Wahrheitswertetafel einordnen. In jedem der Wahlrechtsfälle hat der Gläubiger nämlich (mindestens) zwei Optionen a und b zur Auswahl. Die Optionen unterscheiden sich – wie zuvor gezeigt – in ihrer rechtlichen Qualität. Gleichwohl können wir sie als gleichwertige mögliche Elemente in die dyadische Wahrheitswerteverteilung einordnen, denn die jeweiligen Aussagen des Satzes können jeden beliebigen Sinn haben, also auch die unterschiedliche Qualität der Wahloptionen ausdrücken. Das Ergebnis dieser Einordnung kann man der Übersicht halber in zwei Schritten darstellen. In einem ersten Schritt können die hier zu untersuchenden Fälle der Gläubigerhandlungsvielfalt in die Gruppe der zueinander unverträglichen Wahrheitswerte eingeordnet werden. In einem zweiten Schritt erfolgt für jeden Wahlrechtsfall die dezidierte Klassifizierung des dyadischen Wahrheitswerts. Die Zweiteilung der Untersuchung rechtfertigt das hier vorweg genommene Ergebnis: Zwar sind all die Fälle, in denen der Gläubiger die Wahl hat, Konstellationen von inkompatiblen Wahrheitswerten der zweiten Gruppe. Jedoch sind die Wahlschuld mit Gläubigerwahl50

Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, Nr. 4.46 (S. 52). Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, Nr. 4.46 (S. 52). 52 Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, Nr. 4.461 und 4.462 (S. 53). 53 Joerden, Logik im Recht, S. 41; ders., Dyadische Fallsysteme im Strafrecht, S. 78 und S. 79. 51

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Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

recht und die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers zwingend Fälle einer starken Ausschließlichkeit, während die elektive Konkurrenz auch Fälle einer schwächeren Ausschließlichkeit erfasst. 1. Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht gibt dem Gläubiger die Befugnis, aus verschiedenen Leistungsinhalten eines Anspruchs denjenigen auszuwählen, der vom Schuldner als Leistung bewirkt werden soll. Es handelt sich dabei um eine Varianz von Leistungsgeboten im Sinne des § 194 Abs. 1 BGB. Ausgehend davon, ist das hier fragliche Verhältnis zwischen den divergierenden Leistungsgeboten Tun 1 und Tun 2 als Optionen des Gläubigerwahlrechts zu untersuchen. § 262 BGB stellt die Leistungen in das Verhältnis eines „oder“: Nur die eine oder die andere Leistung ist zu bewirken. Damit drückt die gesetzliche Regelung eine Ausschließlichkeit der Option a zur Option b, also des Tun 1 zu Tun 2, und umgekehrt, aus. Beispiel: Der Besucher eines Jahrmarktes zieht ein Los der Tombola.54 Das Los gewinnt und gibt ihm die Möglichkeit, seinen Gewinn aus zwei Objekten der Tombola auszuwählen: einem Stofftier oder einer Magnumflasche Sekt. Er erhält folglich als Gläubiger einen Anspruch auf Auszahlung bzw. Leistung eines Gewinns. Welches Objekt der Tombola diesen Anspruch inhaltlich ausmacht, darf der Besucher entscheiden. Sein Anspruch beschränkt sich auf die auszuwählenden Objekte Stofftier oder Sektflasche. Damit sind seine Optionen entweder „Gewinnausschüttung in Form eines Stofftiers“ (Option a, Tun 1) oder „Gewinnausschüttung in Form einer Magnumflasche Sekt“ (Option b, Tun 2). Klar ist, dass nur eine Option vom Schuldner zu bewirken ist, so § 262 BGB. Die Wahlschuld muss jedoch durch die Gläubigerwahl auf einen Leistungsinhalt verengt werden. Damit hat der Gläubiger zwar eine Vielfalt seiner Möglichkeiten inne, muss sich aber letztlich für eine dieser Optionen entscheiden. Denn eine Wahlschuld beinhaltet sich gegenseitig ausschließende Leistungsgebote. Die Ausschließlichkeit der Optionen bedeutet für die Einordnung der Wahlschuld in das dyadische Wahrheitswertesystem zunächst eines: Es kann kein Fall der ersten Gruppe von Wahrheitswerten vorliegen, in denen die Aussagen a und b miteinander wahr sein können. Vielmehr muss eine der beiden Aussagen singulär wahr sein; beide können nicht zugleich wahr sein. Folglich muss die Wahlschuld in die Gruppe der unverträglichen Wahrheitskombinationen eingeordnet werden. Eine genaue aussagenlogische Klassifizierung folgt sogleich.55 54

Beispiel nach: Looschelders, Schuldrecht Allgemeiner Teil, S. 117 Rn. 299.

B. Das dyadische System

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2. Die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers Die mit der Wahlschuld verwandten Fälle der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers weisen eine ebensolche Ausschließlichkeit der Gläubigeroptionen auf. Hat der Gläubiger eine facultas alternativa inne, so sind die in Frage kommenden Leistungsinhalte, die ins Verhältnis zueinander zu setzen sind, inkompatibel. Das Leistungsgebot des Schuldners ist im Gegensatz zur Wahlschuld von Anfang an bestimmt.56 Der Gläubiger ist jedoch berechtigt, etwas anderes als das vom Leistungsgebot Umspannte zu fordern. Er kann an die Stelle des geforderten Schuldinhalts folglich einen anderen setzen.57 Sein Forderungsinhalt (Option a) ist ersetzbar durch einen anderen Forderungsinhalt (Option b). Da der Gläubiger niemals zugleich beide Forderungsinhalte gelten machen kann, stehen sie im gegenseitigen Ausschließlichkeitsverhältnis. Ein Unterschied zur Wahlschuldvarianz ist jedoch, dass Option a bereits geschuldet wird und auch bewirkt werden kann, Option b nur als wählbarer Ersatz an deren Stelle zu treten vermag. Im Duktus des § 194 Abs. 1 BGB, der den Anspruch definiert, ist also das geschuldete Tun 1 so ins Verhältnis zu Tun 2 zu setzen, dass „Tun 1 bestimmt, Tun 2 eventualiter an Stelle Tun 1“ gilt. Beispiel: Kann der Schadensersatzgläubiger für die erlittene Sachbeschädigung gegen den Schädiger vorgehen, so schuldet dieser im Grundsatz gemäß § 249 Abs. 1 BGB Naturalrestitution. Der Gläubiger kann jedoch anstelle der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen, so § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Seine primäre Option a (Naturalrestitution) kann ersetzt werden durch Option b (Geldersatz). Das „Spannungsverhältnis“58 der divergierenden Leistungsinhalte zueinander entspricht nicht dem der Wahlschuld. Festzuhalten ist, dass die Optionen des Gläubigers sich gegenseitig in Ausübung und Wirkweise kategorisch ausschließen. Das bedeutet für die aussagenlogische Untersuchung, dass auch die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers keine gleichzeitige „Wahrheit“ der beiden Aussagen duldet. Vielmehr muss dieser Fall in die (zweite) Gruppe derjenigen dyadischen Wahrheitswerte eingeordnet werden, denen eine Verträglichkeit der beiden Aussagewahrheitswerte fremd ist. Dies werde ich sogleich detailliert untersuchen.59 55

Ausführlich: S. 134 ff. BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 13; Palandt/Heinrichs, § 262 Rn. 8; MüKo/Krüger, § 262 Rn. 9. 57 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 258. 58 So: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 258. 59 Siehe unten: S. 135. 56

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Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

3. Die elektive Konkurrenz a) Abgrenzung zu Fällen kompatibler Rechte Auch die elektive Konkurrenz kann in die Wahrheitswertetafel eingeordnet werden. Wesensmerkmal des Verhältnisses der Gläubigerrechte ist dabei eine Konkurrenz der Rechte. Es handelt sich um eine Ausschließlichkeit der Wahlmöglichkeiten, die den Gläubiger zu einer Entscheidung pro bzw. kontra einer Möglichkeit zwingt. Eine solche Konkurrenz besteht nicht zwischen allen Gläubigerrechten. Das verdeutlichen folgende Überlegungen. Ist der Verkäufer zum Beispiel vom Vertrag zurückgetreten, weil der Käufer zwar Nutzungen aus der Kaufsache zieht, nicht aber den Kaufpreis bezahlt, so erhält er die Kaufsache als erbrachte Leistung zurückerstattet, §§ 323 Abs. 1, 346 Abs. 1 Var. 1 BGB. Zugleich hat der Käufer die gezogenen Nutzungen der Kaufsache herauszugeben, § 346 Abs. 1 Var. 2 BGB. Das Wort „und“ in § 346 Abs. 1 BGB verknüpft die Option a (Rückgewähranspruch bezüglich Kaufsache) und die Option b (Nutzungsherausgabe) des Verkäufers. Das bedeutet für die Rückabwicklung, dass er sowohl Rückgewähr der Kaufsache als auch die gezogenen Nutzungen verlangen kann. Rückgewähranspruch und Nutzungsherausgabeanspruch sind miteinander verwirklichbar und schließen sich nicht gegenseitig aus. Aussagenlogisch bedeutet das, dass das Verhältnis der beiden Rechte sich in die erste Gruppe der dyadischen Wahrheitswerte einfügt, nämlich diejenige, in der die gleichzeitige „Wahrheit“ der beiden Aussagen möglich ist. Ist Aussage a gleichzusetzen mit Recht 1 und Aussage b mit Recht 2, dann schließen Recht 1 und Recht 2 sich in diesem Fall nicht aus, sondern lassen sich zusammen verwirklichen. Ein ähnliches Beispiel der Anspruchshäufung60 liefert das Verhältnis des Herausgabeanspruchs nach § 985 BGB mit dem Vindikationsfolgeanspruch der Herausgabe gezogener Nutzungen nach §§ 987 ff. BGB. Die Herausgabe des Besitzes an den Eigentümer sperrt in diesem Fall nicht die Geltendmachung des Herausgabeanspruchs der gezogenen Nutzungen während der unberechtigten Besitzlage. Die jeweiligen Optionen a und b sind kumulativ durchsetzbar. Ihre Beziehung ist durch das „und“, die Kumulation im Sinne einer Anspruchshäufung, ausgedrückt. Da sie als Rechtsfolgen auf der jeweils gleichen Entstehensanordnung beruhen, ist eine Bewertung der Option a als „falsch“ und gleichzeitig der Option b als „richtig“ im Sinne der Aussagenlogik nicht denkbar. Ein drittes Beispiel: Der Sachmangel an der Kaufsache kann einen Schaden an anderen Gütern des Käufers hervorrufen (etwa Zerstörung eines 60

Siehe die Abgrenzung zur elektiven Konkurrenz: S. 42.

B. Das dyadische System

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Schranks durch die defekte gelieferte Kaffeemaschine). Diesen Schaden kann der Käufer neben der Leistung nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 S. 1 BGB geltend machen. Das heißt, zu seinem Erfüllungsanspruch (Option a) tritt ein Schadensersatzanspruch (Option b). Beide Ansprüche schließen sich nicht aus. Hier finden wir – in diesem Fall im besonderen Schuldrecht, genauer: im Kaufmängelgewährleistungsrecht – ebenso ein Verhältnis von (Forderungs-)Rechten des Gläubigers, das nicht ausschließt, dass sowohl das eine als auch das andere Wirkung entfaltet. Diese Beispiele sind verschiedenen Bereichen des Bürgerlichen Gesetzbuchs entnommen. Es sind allesamt Fälle für die dyadischen Wahrheitswerte, in denen die Aussagen zugleich wahr sein können (erste Gruppe). Das Verhältnis der Rechte zueinander weist ein Merkmal auf: die Verträglichkeit bzw. Kompatibilität der Möglichkeiten. Das vorhandene Arsenal der Rechtsmittel, aus dem sich der Gläubiger bedienen kann, ist eine Ansammlung von Handlungsmöglichkeiten, deren Menge die Effektivität des Handelns und damit den erwünschten Erfolg (Befriedigung seiner Interessen) beeinflussen kann. Die Steigerung der Varianz der Rechtshandlungen des Gläubigers potenziert dessen Stellung gegenüber dem Schuldner. Der Gläubiger kann nicht nur eine Option, sondern mehrere angehäufte Optionen miteinander geltend machen. Dies ist ein Unterschied zur Beziehung zwischen gegenseitig inkompatiblen Rechten; letzteres sind die Fälle der hier untersuchten elektiven Konkurrenz. b) Beispiel inkompatibler Rechte Der Gläubiger kann in den Fällen elektiver Konkurrenz, abweichend von den gezeigten Beispielen, aus der Vielfalt seiner Optionen nur Recht 1 (Option a) oder Recht 2 (Option b) beanspruchen. Entscheidend ist hier die Inkompatibilität der Optionen. Der Käufer, der aufgrund der Nichtleistung des Verkäufers nach Ablauf der angemessenen Fristsetzung zum Rücktritt berechtigt ist, hat zum Beispiel zwei Rechte als sich ausschließende Optionen inne: Er kann entweder auf Erfüllung bestehen und seinen Primäranspruch geltend machen (Option a) oder sich vom Vertrag durch Erklärung des Rücktritts zu lösen versuchen und diesen in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umwandeln (Option b).61 Aussagenlogisch bedeutet das, dass Aussage a „Erfüllungsanspruch durchsetzen“ und Aussage b „Rücktrittsrecht ausüben“ in einem Satz nicht zugleich wahr sein können. Der Satz, der beiden Aussagen den Wert „wahr“ zuweist, ist falsch. Dies ist ein 61 Der Einfachheit halber wird das Augenmerk auf das Rücktrittsrecht gelegt. Es könnte natürlich auch ein Schadensersatzanspruch statt Leistung gegeben sein, vgl. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB.

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Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

Fall der herausgearbeiteten zweiten Gruppe dyadischer Wahrheitswerte. In dieser Gruppe ist nämlich die gleichzeitige Wahrheit der verbundenen Aussagen stets falsch. Das Beispiel verdeutlicht, dass sich Rechte in der elektiven Konkurrenz derart konträr zueinander verhalten können, dass ihre gleichzeitige Wirkung logisch ausgeschlossen ist. Welche genaue aussagenlogische Einordnung derartiger Fälle zu erfolgen hat, soll im Anschluss geklärt werden. Das dyadische System ermöglicht dabei eine präzise Eingrenzung der Fälle elektiver Konkurrenz.62 Herauszustreichen ist primär, dass Rechte in elektiver Konkurrenz zueinander in einem Ausschließlichkeitsverhältnis stehen. Das unterscheidet sie von den zuvor belegten Fällen, in denen der Gläubiger mehrere Rechte zugleich wahrnehmen kann. 4. Fazit: Die Gläubigerwahlrechtsfälle im dyadischen System Als Ergebnis ist festzuhalten, dass man sämtliche Fallkonstellationen der Gläubigerwahlrechte in das dyadische Wahrheitswertesystem einordnen kann. Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers zeichnen sich dadurch aus, dass die zur Wahl stehenden Leistungsgebote nicht zusammen, sondern nur alternativ geltend gemacht werden können. Für die Leistungsgebote als Elemente eines dyadischen Logiksatzes ist demnach ausgeschlossen, dass beide den Wert „wahr“ erhalten. Sie sind damit der zweiten Gruppe dyadischer Wahrheitswerte zuzuordnen. Die elektive Konkurrenz ist der Fall, in dem sich die Rechte des Gläubigers in ihrer Geltendmachung ausschließen. Das ist deshalb zu betonen, weil es auch Beispiele für kumulative Rechtswirkungen gibt. Der Gläubiger der elektiven Konkurrenz hat zu entscheiden, welches Recht er geltend macht. Das alternative Verhältnis der Rechte lässt sich folglich im dyadischen Wahrheitswertesystem grundlegend nur in die Fälle einordnen, in denen die gleichzeitige „Wahrheit“ der Einzelaussagen nicht gegeben ist (zweite Gruppe). Folgerichtig beleuchtet die aussagenlogische Einordnung der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht, der Ersetzungsbefugnis und der elektiven Konkurrenz eine Gemeinsamkeit dieser Fälle: Sie alle sind Fälle der zweiten dyadischen Wahrheitswertegruppe, in denen die Elemente nicht zugleich wahr sind.

62 Sogleich: S. 136 ff. Noch ausführlicher für den Einzelfall in Kapitel 4: S. 159 ff.

C. Nähere Begrenzung der Ausschließlichkeit

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V. Fazit: Das monadische und das dyadische System Die hier untersuchten Konstellationen von Wahloptionen des Gläubigers behandeln schuldrechtliche Spezialfälle, denn sie geben dem Gläubiger eine Vielfalt von Handlungsmöglichkeiten. Diese Vielfalt unterscheidet sich von der einfachen Schuld und der bloß faktischen Handlungsfreiheit, ob eine Option wahrgenommen wird oder nicht (sog. monadisches System). Auch ist die Vielfalt nicht zu verwechseln mit der Freiheit, eine Wahl überhaupt zu treffen. Das Verhältnis der vielfältigen Optionen zueinander lässt sich durch Sätze der Aussagenlogik ausdrücken. Die Verbindung zweier Optionen als Aussagen in einem Satz ergibt eine Gesamtaussage, die man als „falsch“ oder „wahr“ bezeichnen kann (sog. dyadisches System). Es gibt sechzehn mögliche Kombinationen von Wahrheitswerten. Diese lassen sich in zwei Gruppen trennen. Die erste Gruppe kennzeichnet, dass in allen acht Kombinationen die Aussagen zugleich „wahr“ sein können. Die Wahrheitswerte der zweiten Gruppe haben gemeinsam, dass nicht beide Aussagen im Satz zugleich „wahr“ sein können. Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers weisen eine Ausschließlichkeit der Leistungsgebote auf. Damit sind diese zwingend in die zweite Gruppe der dyadischen Wahrheitswerte einzuordnen. Die elektive Konkurrenz beschreibt die Fälle, in denen sich Rechte in ihrer Ausübung ausschließen. Damit ist auch die elektive Konkurrenz in die zweite Gruppe der dyadischen Wahrheitswerte einzuordnen. Die hier untersuchten Wahlrechtsfälle haben folglich die Gemeinsamkeit, in die Gruppe der logischen Ausschließlichkeit der Optionen zu gehören.

C. Nähere Begrenzung der Ausschließlichkeit: Die Alternativität Wenn sich zwei Möglichkeiten gegenseitig ausschließen, sprechen wir von „Alternativität“. Gemeint ist damit zunächst nicht mehr, als der Begriff der „Alternative“ gemeinhin bedeutet: Statt bloß eines Weges besteht mindestens auch ein zweiter Weg, den man beschreiten kann. Um diese Metapher weiter zu bedienen, ist es eben aber nicht möglich, zeitgleich beide Wege zu beschreiten; man muss sich an der Wegegabelung für eine der Richtungen entscheiden. Genau dieses Bild macht die nächste Besonderheit der Untersuchung aus: Eine Vielfalt der Handlungsmöglichkeiten für den Gläubiger ist – ausgehend vom Grundfall einer einfachen Schuld – ungewöhnlich. Diese vielfältigen Möglichkeiten aber sind nicht gleichzeitig zu verwirklichen, sondern stehen im Verhältnis der Alternativität, der gegensei-

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Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

tigen Ausschließlichkeit. Das Synonym der so genannten Alternativität drückt zunächst am treffendsten zwei wesentliche Aspekte der bisherigen Beobachtung aus: zum einen die Existenz mehr als einer Handlungsmöglichkeit für den Gläubiger, zum anderen die Inkompatibilität der Varianten.

I. Die Bedeutung der Alternativität Die soeben gefundenen Begriffe der „Alternativität“ bzw. der „Alternative“ begegnen bei näherer Betrachtung einigen Bedenken. Das erklärt sich damit, dass sie nicht einheitlich verstanden werden. Die Alternative im juristischen Sinne des Wortes ist dabei eine andere als die Alternative im Sprachgebrauch des täglichen Lebens.63 Diese verschiedenen Bedeutungen müssen wir zunächst klären. Die Bedeutung des Wortes Alternativität kann man etymologisch – dem lateinischen „alternus“ folgend – als „wechselseitig“, „wechselweise“ oder „abwechselnd“ begreifen.64 In der Untersuchung des hier relevanten Wahlrechts auf Gläubigerseite ist aber keine dieser Bedeutungen einschlägig. Der etymologische Sprachgebrauch geht über den zu untersuchenden juristischen Sprachgebrauch hinaus. Mitnichten geht es um die „wechselseitige“ oder „wechselweise“ Beziehung von Rechten oder Ansprüchen, also deren Verhalten zueinander bei gleichzeitigem Fortbestehen. „Wechselseitigkeit“ wird zudem juristisch gemeinhin als Attribut der Relation der Rechte zweier Parteien in einem gegenseitigen Vertrag verstanden. Diese Relativität im Sinne eines do ut des würde uns begrifflich irreführen, denn allein die Frage nach Bestand und Wirkung von Gläubigerrechten – also gegenüber dem Schuldner einseitig und damit keineswegs in dieser Bedeutung „wechselseitig“ – ist relevant. Würde man die Alternativität ohne nähere Erklärung mit einer „Wechselseitigkeitsbeziehung“ umschreiben, liefe man Gefahr, den ausschließlichen Blickwinkel auf die Gläubigerseite aus den Augen zu verlieren. Allein dieser Fokus aber ist Inhalt der Untersuchung im Hinblick auf die elektive Konkurrenz. Ebenso etymologisch unsicher erscheint die Definition der Alternativität als „abwechselnd“. Darunter versteht man die Entwicklung verschiedener Positionen in einem Verhältnis zueinander dergestalt, dass die Wirkungsweisen veränderlich sind. Es drückt also ein „Geben“ und „Nehmen“ in einer Relation aus. „Abwechslung“ betrifft die Veränderung der Beziehung in einem 63

Rödig, Die Denkform der Alternative in der Jurisprudenz, S. 13. Rödig, Die Denkform der Alternative in der Jurisprudenz, S. 12. „Alternus“ ist der Wortstamm des lateinischen Verbums „alternare“, also „gegenseitig abwechseln“; siehe: Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Band 1, zu „alternare“ bzw. „alterner“. Dem folgen die genannten Ableitungen. 64

C. Nähere Begrenzung der Ausschließlichkeit

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markierbaren Zeitraum. Von einer solchen Entwicklung kann aber in den vermeintlichen Fällen der elektiven Konkurrenz keine Rede sein: Man beobachtet das Nebeneinander der Handlungsvarianten des Gläubigers zum Zeitpunkt vor der Äußerung des Gläubigers, was er durch seine Wahl geltend machen will. Die Veränderlichkeit der Beziehung zwischen den Gläubigerrechten vor und nach Ausübung der Wahlausübung wird als spezielles Problem einer möglicherweise „abwechselnden“ Entwicklung noch eingehender zu untersuchen sein.65 Für die Verhaltensweise der Gläubigeroptionen im Zeitpunkt vor der Wahl zueinander aber hilft die Definition der Alternativität als „abwechselnde Beziehung“ nicht weiter. Es interessiert nämlich zunächst nur die Relation der Handlungsvarianten des Gläubigers zu diesem fixen Zeitpunkt. Folglich muss die schuldrechtliche Alternativität sehr verengt als eine „gegenseitige Ausschließlichkeit“ definiert werden: Verschiedene gleichrangig wählbare Zielrichtungen dulden in ihrer Wirkung die Realisierung der jeweils anderen nicht.66 Dies folgt aus der historischen Herleitung der Alternativobligation. Der Schwerpunkt liegt folglich nicht allein auf der Andersartigkeit von gewissen Möglichkeiten, sondern darauf, dass eben andersartige Möglichkeiten konkurrieren. Nur so darf man die Alternativität hier terminologisch verstehen.

II. Terminologisches Problem: Herkunft und Festlegung als Zweizahl im Sprachgebrauch Ein Manko des Synonyms „Alternativität“ ist die verbreitete und sprachhistorisch erklärbare Annahme, es handele sich um die Auswahl aus exakt zwei Möglichkeiten. Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet die Alternative die freie Entscheidungsmöglichkeit zwischen sich logisch gegenseitig ausschließenden Handlungsmöglichkeiten.67 Anders ausgedrückt, gibt sie die Wahl zwischen „dem Einen“ oder „dem Anderen“. Das mag darin begründet sein, dass man den alleinigen Ursprung des Wortes im lateinischen „alter“ sucht, welches als „der eine – von beiden“ gedeutet werden kann.68 65

Kapitel 5, zum sog. ius variandi: S. 400 ff. Jürgen Rödig definiert wie folgt: „Stets kommen mehrere Möglichkeiten – Dinge, Personen oder Vorgänge – in Frage, doch diese Möglichkeiten schließen sich aus.“ Rödig, Die Denkform der Alternative in der Jurisprudenz, S. 8. 67 Ähnlich zitiert Rödig etwa Leibniz, in: Die Denkform der Alternative in der Jurisprudenz, S. 10 f.; ebenso gut kann das Wort „Alternative“ aber auch auf die Möglichkeiten einzeln angewandt werden. Jemand hat also „eine Alternative“; zugleich gibt es „die Alternativen“. 68 Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Band 1, zu „alternare“ bzw. „alterner“; Rödig, Die Denkform der Alternative in der Jurisprudenz, S. 12. 66

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Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

Somit ist im allgemeinen Sprachgebrauch die Deutung des Begriffs Alternative als Zweizahl nicht unüblich und nachvollziehbar.69 Die Ausschließlichkeit muss sich aber im juristischen Gebrauch nicht zwingend auf bloß zwei Handlungsmöglichkeiten erstrecken. Das folgt zum einen aus der Erkenntnis, dass das Wort Alternative im hier gemeinten Sinne dem französischen Sprachgebrauch entlehnt ist und erst in der Folge versucht wurde, es auf den engeren lateinischen Ursprung des Wortstamms zurückzuführen.70 Während man also allgemein eine direkte Entlehnung des Wortes Alternative aus dem Lateinischen annimmt, stammt das Wort im schuldrechtlichen Kontext tatsächlich aus dem französischen Sprachgebrauch, welcher mit der nunmehr latinisierten Deutung nicht deckungsgleich ist. Schon Savigny stellt im Hinblick auf den Terminus der alternativen Obligation fest, dass „alternativus“ kein geläufiges Wort der römischen Jurisprudenz gewesen ist.71 Es ist demnach auch nicht der Ursprung für die Alternative im schuldrechtlichen Kontext. Vielmehr handelt es sich um einen abstrakten Kunstausdruck, der durch die allgemein durchgesetzten Beispiele in der römischen Rechtspraxis entbehrlich war.72 Den modernen Wortsinn als „Varianz zwischen sich ausschließenden Möglichkeiten“ erhielt die Alternative wohl erst im katholischen Kirchenrecht.73 Darüber hinaus stellen bereits Savigny74 und auch Gustav Pescatore75 im Anschluss an römische Quellen fest, dass die Alternativität im allgemeinen Sprachgebrauch eine terminologische Festlegung auf eine Zweizahl bedeuten kann, dies aber keineswegs dem Umfang der Varianz im Schuldrecht entspricht. So können wir durchaus Fälle konstruieren, in denen die Möglichkeiten des Gläubigers zum Handeln mehr als nur zwei betragen.76 Bernhard Windscheid sekundiert dieser These im Kontext der alternativen Obli69

Historische Belege für die allgemeine Deutung als Zweizahl bei: Rödig, Die Denkform der Alternative in der Jurisprudenz, S. 10 f. 70 Rödig, Die Denkform der Alternative in der Jurisprudenz, S. 11. Das Verb „alterner“ darf im Französischen als „abwechseln“ begriffen werden. 71 von Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen Römischen Rechts, Erster Band, S. 390. Wie er selbst weist auch Gustav Pescatore auf wenige Beispiele hin, in denen der lateinische Wortstamm zumindest verwendet wurde (etwa „rerum alternatio“): Pescatore, Die sogenannte alternative Obligation, S. 1 Fn. 1. 72 von Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen Römischen Rechts, Erster Band, S. 390. 73 Rödig, Die Denkform der Alternative in der Jurisprudenz, S. 12. Weitere Nachweise bei: Blaise, Dictionnaire latin-francais des auteurs chretiens (Wörterbuch des theologischen Vokabulars), 1993. 74 von Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen Römischen Rechts, Erster Band, S. 390. 75 Pescatore, Die sogenannte alternative Obligation, S. 2 Fn. 1. 76 Rödig, Die Denkform der Alternative in der Jurisprudenz, S. 11.

C. Nähere Begrenzung der Ausschließlichkeit

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gation: „Natürlich kann die Zahl der Leistungsinhalte, unter welchen die Auswahl getroffen werden soll, auch größer als zwei sein.“77 Schuldet der Verkäufer nach Wahl des Käufers Übergabe und Übereignung entweder eines roten oder eines blauen oder eines weißen PKW, welche alle drei auf dem Hof des Verkäufers stehen, so schließen sich die Möglichkeiten gegenseitig aus. Die Leistungsinhalte sind dabei genau drei und entsprechen der Alternative, die im juristischen Sinne der Gläubiger innehat. Die Alternative im hier gemeinten Sinne beschränkt sich somit nicht auf eine Zweizahl.78

III. Logische Einordnung der Alternativität Wie sich zeigt, hat die schon zeitig geäußerte Kritik an der allgemeinsprachlichen Deutung des juristischen Begriffs Alternativität jedoch keinerlei Früchte getragen. Selbst die genannten Kritiker, Savigny und Pescatore, verwenden den Begriff der Alternativität in ihren Ausführungen undifferenziert weiter.79 Dadurch werden juristischer Sinn und allgemeiner Sprachgebrauch durcheinander gebracht, was zu Unsicherheiten im Umgang mit der Alternativität führt. Zur Lösung dieses Problems kann im Folgenden die logische Einordnung des Begriffs „Alternative“ helfen. Die ausgedrückte Ausschließlichkeit der Möglichkeiten kann man anhand der aussagenlogischen Wahrheitswerte konkretisieren. Es zeigt sich, dass dabei die sprachlich und etymologisch bedingten Unsicherheiten bewältigt werden können und der Begriff der Alternativität als Oberbegriff für verschiedene Stärken der Inkompatibilität von Gläubigeroptionen besteht. 1. Der Begriff „Disjunktive“ bei Savigny und Pescatore Vorgeschlagen wird schon früh der Terminus „Disjunktive“ als zahlenmäßig offener Begriff für die Ausschließlichkeit der Gläubigerrechte.80 Die Festlegung auf die Konkurrenz bloß zweier Gläubigermöglichkeiten soll da77

Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Band 2, S. 17 Fn. 2. Ein weiteres Beispiel mit sogar wechselseitigem Wahlrecht bei Pescatore: Mit „a oder (b oder c)“ stehen nicht nur mehr als zwei Alternativen zur Auswahl, die Alternativität kann überdies auch beidseitig vorhanden sein, etwa, wenn der Schuldner die Wahl zwischen „A oder Klammer“ und der Gläubiger die Wahl (innerhalb der Klammer) zwischen „B oder C“ hat. Pescatore, Die sogenannte alternative Obligation, S. 7 Fn. 8. 79 Im Kontext der alternativen Obligation: von Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen Römischen Rechts, Erster Band, S. 390 ff.; Pescatore, Die sogenannte alternative Obligation, S. 2 ff. 80 Anlehnung an „disiunctivus“: Pescatore, Die sogenannte alternative Obligation, S. 2 Fn. 1. 78

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mit bereits sprachlich verhindert werden.81 Gemeint ist die Verbindung nebeneinander stehender Aussagen zu einer sprachlichen Einheit eines Verhältnisses, wodurch der Wahrheitsgehalt der einen Aussage denjenigen der anderen logisch ausschließt. „Disjunktive“ in diesem Sinne drückt also folgerichtig die Besonderheit der Inkompatibilität der verbleibenden Wahlmöglichkeiten im Moment der Gläubigerentscheidung aus, und zwar ohne die unnötige Zahlenbegrenzung des Wortes „Alternativität“ im allgemeinen Sprachgebauch.82 Hier wird das logische Problem der Vermischung juristischen Sinns und des Sinns im allgemeinen Sprachgebrauch deutlich. Der Begriff der „Disjunktive“ als Konkretisierung der Alternativität ist im Terminus der heutigen Aussagenlogik irreführend. Seine Verwendung missachtet einen wesentlichen Aspekt: Es gibt verschiedene Formen der Ausschließlichkeit von Möglichkeiten. Das zeigen die sechzehn Kombinationen der Wittgensteinschen Wahrheitswertetafel und ihre Einteilung in die dargestellten zwei Gruppen. Die Aussagenlogik zwingt angesichts der vielen Kombinationen zu einer klaren Terminologie sowie einer präzisen Verknüpfung der Wahrheitswerte zweier alternativer Optionen. Steht man vor der Alternative, ob „a oder b“ wahr ist, kann man in diesem Zusammenhang von drei Bedeutungen eines „oder“ sprechen.83 Diese müssen wir differenziert betrachten. Die „Disjunktive“ kann nach der bisherigen Untersuchung nicht als Terminus der Ausschließlichkeit herhalten, denn sie ist ein Fall der ersten, also nicht-ausschließlichen Gruppe dyadischer Wahrheitswerte. 2. Alternativität im logischen Sinne: Die drei Bedeutungen des „oder“ a) Mögliche Bedeutungen des „oder“ Die Disjunktion drückt aus, dass „das Eine oder das Andere oder beides“ wahr sein soll. Es ist lediglich ausgeschlossen, dass jegliche Wirkung der Optionen ausbleibt. Der sog. subkonträre Gegensatz betrifft folglich den schwächsten Fall eines „Oder-Verhältnisses“, in dem nicht ausgeschlossen ist, dass mehrere Möglichkeiten einer Aussage im logischen Sinne wahr sind.84 Im Vergleich dazu steht der kontradiktorische Gegensatz: Er gibt die 81

Chamizer, Wahlschuld, S. 19. Gleiches gilt für das Synonym der Adjunktion. Menne in: Ritter/Gründer/Gabriel, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 1, S. 86 (zum Begriff der Adjunktion). 83 Joerden, Logik im Recht, S. 17. Die Bezeichnungsweise der Termini folgt: Bochen´ski/Menne, Grundriss der formalen Logik, S. 28. 82

C. Nähere Begrenzung der Ausschließlichkeit

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Möglichkeiten einzeln „entweder – oder“ vor, also mit einem starken „Oder-Verhältnis“, welche das Zusammenfallen mehrerer Möglichkeiten gänzlich ausschließt.85 Diesen Fall nennt man, wie bereits gezeigt, eine Kontravalenz. Zwischen diesen beiden Extremen steht die Exklusion, also auch „a oder b“. Das „oder“ steht hier aber für eine klare Inkompatibilität von a und b. Ausgeschlossen ist jedoch nicht, dass keine der Varianten a und b eintritt, denn auch das Fehlen jeglicher Wirkung der Optionen ist möglich.86 Man unterscheidet also im logischen Sprachgebrauch bei Sätzen, die zwei Aussagen durch das Wort „oder“ verbinden, folgende qualitative Stufung: Kontravalenz meint ein starkes Oder (Entweder-oder), Exklusion meint ein schwaches Oder („oder, nicht beides“) und Disjunktion meint ein nicht-ausschließliches und damit das schwächste Oder („oder, nicht keins“). Während die Kontravalenz und die Exklusion im dyadischen System Formen der Ausschließlichkeit von Wahrheitswerten wiedergeben und damit der zweiten Gruppe zuzuordnen sind,87 ist die Disjunktion entgegen der allgemeinsprachlichen Färbung des Bindewortes keine Form der Ausschließlichkeit der Wahrheitswerte, sondern eine der ersten Gruppe.88 b) Einordnung der „Disjunktive“ Ausgehend von dieser aussagelogischen Unterscheidung, scheidet die „Disjunktive“ als Konkretisierung der alternativen Gläubigerrechte aus. Denn sie stellt nach heutigen aussagenlogischen Konventionen einen Wahrheitswert dar, der ein kumulatives Auftreten mehrerer Optionen ermöglicht. Die Ursache für die Verwendung dieses Begriffs liegt freilich darin, dass eine einheitliche Trennung von juristischer Alternative und Alternative im allgemeinen Sprachgebrauch bis heute nicht selbstverständlich ist.89 Dies 84

„Aussage A stimmt oder Aussage B stimmt.“ Dieser Satz drückt aus, dass sowohl Aussage A als auch Aussage B wahr sein kann. Die Schwäche des Wortes „oder“ zeigt sich darin, dass durchaus beide Aussagen zugleich wahr sein können; ausgeschlossen ist bloß, dass keine der Aussagen der Wahrheit entspricht. Ähnliches Beispiel bei: Joerden, Logik im Recht, S. 11. 85 In Abweichung zum obigen Beispiel: „Entweder Aussage A oder Aussage B stimmt.“ Hier kann Aussage A wahr sein oder Aussage B wahr sein. Nicht aber sind beide wahr oder unwahr. Ähnlich wiederum: Joerden, Logik im Recht, S. 10. 86 Abwandlung des obigen Beispiels: „Höchstens Aussage A oder Aussage B stimmt.“. 87 Nämlich Spalte 10 und Spalte 9, also „a # b“ und „a / b“. 88 Spalte 2, also „a _ b“. 89 Die Digesten bezeichneten die Fälle starker Ausschließlichkeit noch als „disjunktiv“: Joerden, Logik im Recht, S. 18.

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hier vorausgesetzt, ist zuzugeben, dass auch in der modernen Logik zum Teil eine einheitliche Terminologie nicht erkennbar ist.90 Aus diesen Überlegungen heraus ist der Begriff der „Disjunktive“, wie er zur Verdeutlichung der zahlenoffenen Ausschließlichkeit etwa von Pescatore91 und Savigny92 vorgeschlagen wurde, in den Fällen elektiver Konkurrenz, Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht bzw. Ersetzungsbefugnis des Gläubigers abzulehnen. Er widerspricht der heute üblichen und der vorliegenden Untersuchung zugrunde gelegten Definition des Begriffs.93 3. Die Alternativität von Leistungsgeboten Eine logische Alternativität liegt bei allen Gläubigerwahlrechtsfällen zugleich vor. Nach der Stärke des Oder-Verhältnisses können wir die logische Alternativität aber konkretisieren. In den Fällen alternativer Leistungsgebote liegt stets eine Kontravalenz vor. Das gilt für die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers, unabhängig von der Staffelung der Leistungsgebote. a) Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht Betrachtet man zunächst die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht, so finden wir die Alternativität im Gesetz wieder. § 262 BGB spricht davon, dass von mehreren Leistungen nur die eine oder die andere zu bewirken sei. Das Oder-Verhältnis der Optionen a und b ist damit im engsten Sinne, nämlich als Entweder-oder, gemeint. Es handelt sich um eine Kontravalenz. Die Exklusion ist nicht einschlägig, lässt sie doch die Möglichkeit offen, dass überhaupt keine Leistung geschuldet sei. Die Aussagen des dyadischen Wahrheitswerts haben hier die Bedeutung der verschiedenen Leistungsgebote (Tun), die nach § 262 BGB zur Wahl stehen. 90

Klug, Juristische Logik, S. 32 Fn. 88, der darauf hinweist, dass zum Teil eben Disjunktion entgegen der allgemeinen Ansicht als streng ausschließliche Alternative definiert wird. Ebenso: Menne in: Ritter/Gründer/Gabriel, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 2, S. 261 (zum Begriff der Disjunktion), der die Adjunktion als Begriff für das nicht-ausschließliche Oder nennt. 91 Pescatore, Die sogenannte alternative Obligation, S. 2 Fn. 1. 92 von Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen Römischen Rechts, Erster Band, S. 390. 93 Die Allgemeingültigkeit des hier verwendeten Begriffs mag angesichts der Uneinheitlichkeit in der modernen Logik dahinstehen. Zumindest taugt die „Disjunktive“ nicht als unumstrittene Kategorie einer Ausschließlichkeit.

C. Nähere Begrenzung der Ausschließlichkeit

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Bedeutet in einem Satz also die Aussage a Tun 1 und die Aussage b Tun 2, dann heißt das Verhältnis aussagenlogisch: Tun 1 # Tun 2. Ein Beispiel: Schuldet der Autohändler Übergabe und Übereignung eines PKW der Marke VW Golf und überlässt er die Auswahl des PKW aus seinem Fuhrpark mit fünf Fahrzeugen dieser Marke dem Käufer, dann ist klar, dass nur ein PKW zu leisten ist. Zugleich hat der Käufer fünf Optionen, aus denen er wählen kann. Ausgeschlossen ist, dass keine der Optionen eintritt, denn es sind tatsächlich fünf Fahrzeuge vorhanden.94 Ebenso ist ausgeschlossen, dass der Verkäufer mehr als ein Fahrzeug zu leisten hat, denn die Wahlschuld verengt die Schuld auf nur die eine Variante, die zu bewirken ist, so § 262 BGB. Folglich ordnen wir die Konstellationen der Wahlschuld als logische Fälle der Kontravalenz ein: PKW 1 # PKW 2 # PKW 3 # PKW 4 # PKW 5. b) Die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers Gleiches gilt für die Obligation mit Ersetzungsbefugnis des Gläubigers. Auch hier stehen sich zwei denkbare Leistungsgebote unverträglich gegenüber. Der Unterschied liegt in der Erfüllbarkeit der Option a (Tun 1), die nur durch Wahl des Gläubigers ersetzt werden kann (Tun 2). Da das Leistungsgebot von Anfang an bekannt und damit durch den Schuldner erfüllbar ist, greift immer mindestens Option a. Somit ist die Exklusion ausgeschlossen, denn in diesem schwachen Fall eines Oder könnten beide Optionen wirkungslos sein. Da aber ebenso niemals beide Leistungsgebote zugleich gefordert werden können, stehen sie in einem starken Oder-Verhältnis. Aussagenlogisch liegt, ebenso wie für die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht, eine Kontravalenz vor. Daran ändert auch die Staffelung der Leistungsgebote nach Leistung und Ersatz-/Eventualleistung nichts. Denn die logische Alternativität wird von der unterschiedlichen rechtlichen Rangordnung der Leistungsgebote nicht geändert. Es heißt: Tun 1 # Tun 2. Zum Beispiel: Der von einer Sachbeschädigung betroffene Schadensersatzgläubiger kann entweder Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB 94 Ausgeschlossen ist auch, dass keine der Optionen wahrgenommen wird, denn dies würde die bloße Negation zur eigentlichen Optionenvielfalt bedeuten. Siehe bereits zum monadischen System: S. 106 ff.

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oder Geldersatz nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB verlangen, nicht aber beides. Das bedeutet: Naturalrestitution § 249 Abs. 1 BGB # Geldersatz § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. 4. Die Alternativität von Rechten in elektiver Konkurrenz Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers auf der einen Seite und die Fälle elektiver Konkurrenz auf der anderen Seite unterscheiden sich zum Teil in der Stärke der Alternativität. Der praktisch wichtigste Bereich, in dem Gläubigerrechte konkurrieren können, ist das Leistungsstörungsrecht. Die logische Alternativität in den Konkurrenzen zwischen Rechten fällt dort unterschiedlich aus. Zwischen den Sekundärrechten treten Fälle auf, in denen eine schwache Form der Alternativität, nämlich die Exklusion, gegeben ist. Der Grund dafür liegt im Erhalt des (Nach-)Erfüllungsanspruchs nach Fristablauf. a) Die Konkurrenz zwischen Primäranspruch und Sekundärrecht Im Leistungsstörungsfall konkurriert der Primäranspruch mit verschiedenen Sekundärrechten. Dort besteht jeweils eine starke Ausschließlichkeit. So steht etwa das Rücktrittsrecht des Gläubigers nach § 323 Abs. 1 BGB zu seinem Erfüllungsanspruch auf Zahlung des Kaufpreises in einer Kontravalenz. Sowohl den Erfüllungsanspruch durchzusetzen als auch das Rücktrittsrecht auszuüben, ist nicht möglich. Gleichwohl geht mit der Eröffnung des Rücktrittsrechts der Primäranspruch nicht unter. Diese Option a (Erfüllungsanspruch) bleibt also unbenommen der Option b (Rücktrittsrecht). Die Optionen stehen jedoch in einem Entweder-oder-Verhältnis, folglich in einer logischen Kontravalenz zueinander: Erfüllungsanspruch # Rücktrittsrecht. b) Die Konkurrenz der Sekundärrechte Anders verhält es sich mit der elektiven Konkurrenz zwischen zwei Sekundärrechten. Schließen sich diese gegenseitig aus, können wir nicht per se von einer Kontravalenz ausgehen. Zwar besteht zwischen diesen, etwa Rücktritt und Minderung, keine Rangfolge im Sinne einer Primär- bzw. Sekundäroption. Doch müssen wir im Kontext konkurrierender Sekundärrechte beachten, dass der Primäranspruch nach wie vor als vorrangige Option dem Gläubiger gegeben ist. Dieser muss im Gegensatz zu den Sekun-

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därrechten nicht geltend gemacht oder ausdrücklich erklärt werden. Nach heutiger Rechtslage tangiert der erfolglose Ablauf der Fristsetzung zur Leistung an den Schuldner nicht den Primäranspruch des Gläubigers. Der Primäranspruch bleibt erhalten, bis die Wahl eines damit inkompatiblen Sekundärrechts getroffen wird. Anders gestaltete sich die frühere Rechtslage, wonach der Anspruch auf Erfüllung nach Ablauf der Nachfrist zur Leistung ausgeschlossen war, siehe § 326 Abs. 1 S. 2 HS. 2 BGB in der Fassung vor der Schuldrechtsmodernisierung 2001. Weil aber nach jetziger Rechtslage der Primäranspruch mit Eröffnung der Sekundärrechte nicht kraft Gesetzes wegfällt, muss dieser in der Betrachtung der Optionen des Gläubigers stets Berücksichtigung finden. Betrachtet man also die Sekundärrechte und ihre Relation zueinander, so muss der Primäranspruch mitbetrachtet werden. Dies verdeutlicht folgende Überlegung: Ist die gelieferte Kaufsache mangelhaft und lässt der Verkäufer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung grundlos verstreichen, eröffnet sich dem Käufer zum Beispiel sowohl ein Minderungsrecht, §§ 437 Nr. 2, 441 BGB, als auch ein Rücktrittsrecht, §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB. Da Minderung das Behalten der mangelhaften Sache bedeutet und Rücktritt auf Rückabwicklung des Schuldverhältnisses gerichtet ist, schließen diese Varianten sich aus. Das wird auch durch das Relationswort „statt“ im § 441 Abs. 1 S. 1 BGB ausgedrückt. Beide Optionen sind folglich nicht miteinander kombinierbar. Gleichwohl liegt in der Gesamtschau aller Optionen des Gläubigers keine Kontravalenz vor. Denn er kann auf beide Gestaltungsrechte verzichten und seinen Nacherfüllungsanspruch nach §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB95 durchsetzen. Der Verzicht der Optionen b (Rücktritt) und c (Minderung) bedeutet auch nicht bloß die Negation derselben, also Nicht-b und Nicht-c. Denn im Gegensatz zu den Fällen des monadischen Wahrheitswertesystems hält der Gläubiger auch durch den Verzicht auf b und c eine sichere Option a in der Hand, nämlich die Nacherfüllung. Die Geltendmachung von Sekundärrechten ist also für den Gläubiger rein fakultativ. Wählt er sie nicht, bleibt es bei seinem (modifizierten) Primärrecht. Die Ausschließlichkeit der Sekundärrechte ist vor dem Hintergrund des fortbestehenden Primärrechts eine schwächere als die Kontravalenz. Es handelt sich um eine Exklusion, wonach ausgeschlossen ist, dass beide Rechte zugleich geltend gemacht werden, nicht aber, dass keines der Sekundärrechte Wirkung entfaltet. Im Leistungsstörungsfall gilt: Wählt der Gläubiger keine der Varianten b und c, hat er keineswegs „nichts“ gewählt, sondern 95 Es handelt sich dabei nach allgemeiner Ansicht um den modifizierten Erfüllungsanspruch: Canaris, Karlsruher Forum 2002, S. 5 (78); Huber, NJW 2002, 1004 (1005); Ackermann, JZ 2002, 378 (379). Dazu gleich: S. 147 ff.

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er belässt es bei seiner Option a, dem (Nach-)Erfüllungsanspruch.96 Zwischen Erfüllungsanspruch und den alternativen Sekundärrechten besteht also ein starkes Oder, zwischen den konkurrierenden Sekundärrechten aber nur ein schwaches Oder. Zwischen der Option a (Nacherfüllungsanspruch) und den jeweiligen Optionen b und c (Rücktrittsrecht, Minderungsrecht) besteht eine Kontravalenz, zwischen den Optionen b und c hingegen eine Exklusion. Die logischen Beziehungen im genannten Beispiel lauten also: Erfüllungsanspruch # (Rücktrittsrecht / Minderungsrecht). Um das System der Leistungsstörungsrechte übersichtlich zu erklären, beschränke ich mich in dieser Untersuchung auf die Klärung der Beziehung von jeweils zwei Rechten zueinander. Das logische Ergebnis drückt daher lediglich den dyadischen Wahrheitswert zwischen zwei Rechten aus. In den Fällen konkurrierender Sekundärrechte wird das Primärrecht als nach Ablauf der Leistungsfrist weiter bestehende dritte Option des Gläubigers hinzugedacht. Methodisch handelt es sich um eine sog. phänomenologische Betrachtung.97 Durch die phänomenologische Berücksichtigung des Primäranspruchs in den Konkurrenzfällen zwischen Sekundärrechten umgehe ich die Schwierigkeit, einen exakten, mindestens dreistelligen (triadischen) Wahrheitswert logisch bestimmen zu müssen. Ich gehe daher operativ in zwei Schritten vor. Zunächst (phänomenologische) Berücksichtigung der Erfüllungsebene: Besteht der Erfüllungsanspruch weiter oder ist dieser untergegangen? Dann logische (genauer: dyadische) Bestimmung der Ausschließlichkeit der Rechte auf Sekundärebene: Wie verhalten sich die Sekundärrechte zueiander? 96 Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu den Fällen bloßer Negation einer Optionenvielfalt im bereits geschilderten monadischen System. 97 Der Begriff der Phänomenologie geht zurück auf Edmund Husserl (Grundlegend: Husserl, Logische Untersuchungen in zwei Bänden, 5. Auflage, 1913). Er beschreibt einen Vergleich zweier Möglichkeiten, der einen jeweils vor dem Hintergrund der anderen. Ein „Phänomen“ im hier gemeinten Sinne ist nicht das Ergebnis eines sinnlich wahrnehmbaren Vorgangs, wie dies im allgemeinen Sprachgebrauch üblich ist. Gemeint ist damit im methodischen Sinne das Produkt der gesonderten Betrachtung aller denkbaren Sachverhalte ohne nähere (gedachte) Bewertung. Die Methode der Phänomenologie steht im Gegensatz zur topischen (etwa: „nach Allgemeingültigkeit erfragenden“) und der systematischen (etwa: „ordnenden“) Methode. Sie wertet oder assoziiert weder die Alternativen noch ordnet oder kategorisiert sie dieselben; allein das Erkennen durch Betrachten ist ihr Inhalt. Zur methodischen Anwendung auf Fälle alternativer Optionen: Rödig, Die Denkform der Alternative in der Jurisprudenz, S. 46 und S. 51. Ausführliche Darstellung der Methode bei: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 111 (in der letzten Bearbeitung von Karl Larenz selbst). Kritisch zu den verschiedenen juristischen Denkmethoden: Viehweg, Topik und Jurisprudenz (5. Auflage, 1974). Zur Gesamtthematik auch: Diederichsen, NJW 1966, 697 ff.; Horn, NJW 1967, 601 ff.

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c) Fazit: Die Alternativität von Rechten in elektiver Konkurrenz Stehen zwei Varianten alternativ zueinander, so bedeutet dies nicht immer, dass nur entweder die eine oder die andere zu wählen ist (Kontravalenz). Das gilt insbesondere für die elektive Konkurrenz von Leistungsstörungsrechten. Die Neuordnung des Systems der Leistungsstörungsrechte legt fest, dass der Primäranspruch durch das Hinzutreten einer Vielfalt von Sekundärrechte (zunächst) nicht tangiert wird. Betrachtet man folglich die Ausschließlichkeit zweier Sekundärrechte zueinander, wie etwa Rücktritt – Minderung, ist keine kontravalente Alternativität gegeben, sondern eine schwächere Form der Inkompatibilität. Die Sekundärrechte stehen in einer solchen Situation im Verhältnis der Exklusion. Das bedeutet, dass die Sekundärrechte sich zwar gegenseitig ausschließen, aber bei Ausbleiben einer Wahl der Primäranspruch als fortbestehende, wirkungsvolle Option berücksichigt werden muss.

IV. Fazit: Die Alternativität Zusammenfassend gilt: Die Ausschließlichkeit der Optionen eines Gläubigers sowohl in der Wahlschuld als auch der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers sowie der elektiven Konkurrenz bezeichnet man als Alternativität. Dieser Begriff ist von den terminologischen, etymologischen und logischen Schwierigkeiten her sehr genau zu definieren. Er ist juristisch wie auch logisch nicht auf eine Zweizahl der Alternativen begrenzt. Entgegen der weiten sprachlich üblichen Verwendung des Bindeworts „oder“ beschränken sich die Fälle der Alternativität auf diejenigen dyadischen Wahrheitswerte, die eine gleichzeitige Wahrheit der Aussagen in einem Satz als „falsch“ bewerten (zweite Gruppe). Es gibt qualitative Unterschiede in der Stärke einer Alternativität. Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers kennzeichnet eine starke Ausschließlichkeit der Optionen, ein Entweder-oder, das man aussagenlogisch Kontravalenz nennt. Demgegenüber gibt es Fälle elektiver Konkurrenz in zwei verschiedenen Formen der Alternativität. Es kann eine starke Ausschließlichkeit (Kontravalenz, Entweder-oder) vorliegen, wie etwa im Verhältnis sich ausschließender Primär- und Sekundärrechte. Im Verhältnis inkompatibler Sekundärrechte jedoch besteht allein eine schwache Ausschließlichkeit (Exklusion, „oder“), da durch das Fortbestehen des Primäranspruchs im Leistungsstörungsfall die Erfüllungsalternative weiterhin Wirkung entfaltet.

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D. Die Entstehung der Alternativität im System der Gläubigerwahlrechte Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht, facultas alternativa des Gläubigers und elektive Konkurrenz haben die Gemeinsamkeit, dass die Optionen des Gläubigers alternative sind. Gleichwohl ist dies nicht die gleiche Alternativität. Sie unterscheidet sich zum einen im Bereich der elektiven Konkurrenz nach der Stärke der Ausschließlichkeit. Man beobachtet ferner zwei Arten der Entstehung von Alternativität. Diese sind die Begründung des Schuldverhältnisses und die Störung des Schuldverhältnisses. Im zweiten Fall sind die Optionen in ihrer Entstehung gestaffelt, im ersten nicht. Zum einen stelle ich dazu fest, dass in den Fällen der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht bzw. der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers von Anfang an, also mit Begründung des Schuldverhältnisses, eine Alternativität von Handlungsoptionen für den Gläubiger besteht. In den praktisch wichtigen Fällen der elektiven Konkurrenz im Leistungsstörungsrecht wird die Alternativität der Optionen hingegen erst durch eine spätere Transformation des Schuldverhältnisses hervorgerufen. Die zweite Beobachtung zur Entstehung der Alternativität lautet: Im heutigen System der Leistungsstörungsrechte, in dem der Primäranspruch nach Fristablauf erhalten bleibt, entsteht die elektive Konkurrenz zumeist durch eine Vermehrung der Rechte. Denn die alternativen Optionen entstehen dort nicht alle gleichzeitig durch eine Transformation des Schuldverhältnisses, sondern die sekundären Optionen treten zur bestehenden primären Option. Dies ist eine Neuerung, wie der Vergleich zum Unmöglichkeitsrecht und zur früheren Rechtslage im BGB zeigt.

I. Die Enstehung der Alternativität Ich stelle die logische Herleitung der Frage voran, wie die Alternativität von Gläubigeroptionen überhaupt entstehen kann. Dabei spricht man von einer logischen Implikation: Durch ein Ereignis x, also einen Entstehenstatbestand, wird die Alternative zur Entstehung gebracht. 1. Die Begründung der Alternative Das Schuldverhältnis selbst kann bereits dergestalt begründet sein, dass verschiedene Möglichkeiten der Handlung dem Gläubiger zur Auswahl stehen. Es gibt zwei Formen der Begründung des Schuldverhältnisses: entwe-

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der rechtsgeschäftlich oder gesetzlich.98 Dabei trennt diese Unterscheidung nach der Anordnung des Schuldverhältnisses, also nach der Parteien- oder Fremdbestimmung, ob bzw. dass ein Schuldverhältnis überhaupt vorliegen soll. Die Fälle der rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisse werden als Zwischenkategorie zwar gesetzlich begründet, aber nach den Regeln der rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse behandelt.99 a) Anknüpfung an das Ereignis 1 Die Begründung des Schuldverhältnisses (Ereignis x) eröffnet die Möglichkeiten des Gläubigers (Optionen a, b). Wir können dies in einem Satz der Aussagenlogik darstellen. Zu den Elementen des Aussagesatzes, die die Optionen ausdrücken, also Aussage a und Aussage b, tritt die Aussage Ereignis 1. Das Ereignis 1 drückt aus, dass ein Entstehensmoment bzw. ein Initiierungstatbestand erst die Optionen a und b eröffnet. Der Satz, nach dem also etwa die Optionenvielfalt „entweder a oder b“ im Sinne einer Kontravalenz besteht, heißt folglich: Ereignis 1 ! (a # b). Das Ereignis impliziert die Kontravalenz zwischen a und b. Damit wird ausgedrückt, dass sowohl Option a als auch Option b auf demselben Ereignis als Entstehensmoment beruhen. Dies ist eine Implikation. Geklärt wird auch, wie sich a und b zueinander verhalten. Die untersuchten Fälle der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und Ersetzungsbefugnis des Gläubigers stellen eine Kontravalenz zwischen a und b dar: entweder Tun 1 oder Tun 2. Beide Alternativen entstehen mit der Begründung des Schuldverhältnisses. b) Beispiele Einigen sich die Parteien eines Kaufvertrages formgerecht über die Übereignung und Auflassung eines von zwei Hausgrundstücken einer neuen Siedlung mit der Maßgabe, dass der Käufer dieses auszuwählen habe, liegt darin eine Wahlschuld gemäß § 262 BGB, freilich mit Gläubigerwahlrecht. Die kontravalenten Alternativen des Gläubigers entstehen sogleich mit der rechtsgeschäftlichen Einigung. Die Begründung des Schuldverhältnisses und die Alternativität der Optionen gehen zeitlich einher. Das bedeutet: 98

Zusammenfassend: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 112/113, mit weitergehender Differenzierung nach autonomem und heteronomem Begründungsakt. 99 Looschelders, Schuldrecht Allgemeiner Teil, S. 41 Rn. 89; daher auch die Einordnung in § 311 BGB, siehe amtliche Überschrift.

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Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

Vertragsschluss ! (Auflassung Hausgrundstück 1 # Auflassung Hausgrundstück 2). Genauso verhält es sich mit Fällen der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers. Der Schadensersatzschuldner, der den Gläubiger durch deliktisches Verhalten schädigt, muss gemäß § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. § 249 Abs. 1 BGB Naturalrestitution leisten. Dem an Körper oder Eigentum beschädigten Gläubiger bleibt es dennoch vorbehalten, nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB stattdessen Geldersatz zu verlangen. Das Schuldverhältnis wird durch § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. § 249 BGB als Anordnung auf das deliktische Verhalten hin gesetzlich begründet. Die inhaltliche Varianz der Wahlmöglichkeiten erstreckt sich – allein durch die gesetzliche Anordnung der §§ 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB – auf Herstellung des ursprünglichen Zustands oder monetären Ausgleich des (gewollten) Ausbleibens einer solchen Restitution. §§ 823, 249 BGB begründen das Schuldverhältnis und zeitgleich die Alternative für den Gläubiger. Aussagenlogisch bedeutet das: Schädigung ! (§§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB # §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 S. 1 BGB). Ähnlich verhält sich eine andere Folge deliktischen Verhaltens, nämlich § 843 Abs. 3 BGB. Wird der an Körper oder Gesundheit Verletzte infolge der Verletzungshandlung erwerbsunfähig oder vermindert erwerbsfähig, so kann er vom Schädiger gemäß § 843 Abs. 1 BGB Entrichtung einer Geldrente fordern. Der Gläubiger kann laut § 843 Abs. 3 BGB bei Vorliegen eines wichtigen Grundes100 wählen, dass man ihm statt dieser Rente eine Abfindung in Kapital leistet. Die Gläubigervielfalt bewegt sich innerhalb eines einheitlichen Anspruchs auf Schadensersatz zwischen den Leistungsgebotsvarianten Geldrente und Kapitalabfindung. Diese Alternative entsteht allein durch das deliktische Schädigungsereignis und deren gesetzlicher Folgerung aus den §§ 823, 843 BGB. Sie erhebt sich also im Moment des Delikts (und des Schadenseintritts). Dieser Moment ist zugleich erst der Begründungszeitpunkt des gesetzlichen Schuldverhältnisses. Das bedeutet: Schädigung ! (§ 843 Abs. 1 BGB # § 843 Abs. 3 BGB). c) Fazit: Die Begründung der Alternative Anhand dieser Beispiele stelle ich fest: Die untersuchten Fälle alternativer Leistungsgebote (Optionen a und b, Tun 1 und Tun 2) in den Formen 100 Beispielsweise liegt ein wichtiger Grund vor, wenn die Abfindung den Zustand des Verletzten erheblich verbessern kann: Palandt/Sprau, § 843 Rn. 19.

D. Die Entstehung der Alternativität im System der Gläubigerwahlrechte 143

der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers entstehen durch die Begründung eines Schuldverhältnisses (Ereignis 1). Hier wird die Alternativität in der Form der Kontravalenz durch ein einziges Entstehensmoment impliziert.

2. Die Vermehrung der Optionen zur Alternative Entsteht das Schuldverhältnis zunächst ohne eine Alternativität der Gläubigermöglichkeiten, kann diese erst später eintreten. Gemeint ist die Umwandlung bzw. Transformation eines Schuldverhältnisses, und zwar dergestalt, dass erst ein Umstands- oder Zeitmoment dem Gläubiger mehrere alternative Handlungsoptionen eröffnet. Das hinzutretende Umstands- oder Zeitmoment ist aussagenlogisch ein Ereignis 2. Diese Transformation finden wir im Leistungsstörungsrecht. Durch die Störung des Schuldverhältnisses entstehen Handlungsoptionen, die alternativ verwirklicht werden können.

a) Anknüpfung an das Ereignis 2 An dem Verhältnis zwischen den Optionen a und b im Einzelfall ändert sich in diesem Punkt der Untersuchung nichts. Aussage a und Aussage b stehen alternativ zueinander. Entscheidender Unterschied zum eben gezeigten Fall ist, dass Option a schon aufgrund des Ereignisses 1 bestand und Option b erst durch Ereignis 2 neben diese tritt. Die Transformation des Schuldverhältnisses lässt sich wie folgt darstellen: Ereignis 1 ! a Ereignis 2 ! (a # b). Der Gläubiger hat mit Begründung des Schuldverhältnisses (Ereignis 1) nur eine Handlungsoption, nämlich a. Erst durch einen hinzutretenden Faktor (Ereignis 2) hat er auch die Option b. Dadurch entfällt die erste Option nicht per se, Option a und b stehen zueinander in einem wie auch immer gearteten Verhältnis, in der hier verwendeten Formel etwa in einer Kontravalenz. Im Bereich des Leistungsstörungsrechts ist eine Erweiterung dieser Darstellung notwendig, denn der Gläubiger erhält in der Regel mehr als nur ein Sekundärrecht. Auch die Alternativität zweier hinzutretender Optionen b und c wird erst durch das Ereignis 2 eröffnet. Zum Beispiel lautet die Formel hierfür Ereignis 1 ! a Ereignis 2 ! a # (b / c),

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Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

wenn zur Option a aufgrund des Ereignisses 2 die Optionen b und c treten, welche zu Option a jeweils kontravalent stehen, zueinander aber im schwachen Oder einer Exklusion. Die Besonderheit im Leistungsstörungsrecht ist, dass nicht nur der Primäranspruch (Option a) neben einem Sekundärrecht steht (Option b, c), sondern die Sekundärrechte jeweils auch zueinander im Verhältnis stehen. Der Primäranspruch genießt aber zunächst eine Vorrangstellung, denn für seine Wirkung bedarf es keiner Fristsetzung. Die Sekundärrechte hingegen erfordern den erfolglosen Ablauf einer Nachfrist. Sie entstehen nur gestaffelt zum Primäranspruch.101 Das heißt: Der Primäranspruch steht zu jeglichen Sekundärrechten in einem gestaffelten Verhältnis. Für die Sekundärrechte untereinander aber gilt dies nicht. b) Beispiel Hierzu das bereits in der Einleitung angesprochene Beispiel aus der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.102 Der Gläubiger des Erfüllungsanspruchs auf Auflassung eines lastenfreien Grundstücks versucht vergeblich, diesen durchzusetzen. Er setzt dem Schuldner eine angemessene Frist zur Leistung. Nach Ablauf dieser Frist eröffnet sich ihm die Möglichkeit, alternativ zum Erfüllungsanspruch durch das Rücktrittsrecht Rückabwicklung (Zug um Zug Herausgabe des jeweils Geleisteten) geltend zu machen. Hier wird ein bestehendes Schuldverhältnis (der geschlossene Kaufvertrag) durch die Nichtleistung des Schuldners gestört. Die Anordnung des gesetzlichen Rücktrittsrechts aus § 323 Abs. 1 BGB erfolgt auf die Störung der Leistungsbeziehung hin und fordert darüber hinaus grundsätzlich den Ablauf der angemessenen Frist103. Im Ausbleiben der geschuldeten Leistung (in der Regel nach Ablauf der Nachfrist) liegt ein Umstandsmoment, welches das bestehende Schuldverhältnis ohne Handlungsalternative des Gläubigers in ein gestörtes Schuldverhältnis mit Wahlmöglichkeit des Gläubigers umwandelt. Das ist die Transformation im Leistungsstörungsrecht. Die Aussagenlogik formuliert die Aussagen in einem Satz dergestalt, dass das Entstehensereignis „Nichtleistung trotz Fristsetzung“ zum bestehenden Element a „Erfüllungsanspruch“ das Element b „Rücktrittsrecht“ ins Verhältnis setzt. Die Implikation ruft eine Kontravalenz hervor: Nichtleistung trotz Fristsetzung ! (Erfüllungsanspruch # Rücktrittsrecht). 101

Heck, Grundriss des Schuldrechts, S. 34. BGH, Urteil vom 20.01.2006 (Az.: V ZR 124/05), NJW 2006, 1198 ff. Dazu bereits: Einleitung (S. 1 Fn. 1). 103 Diese Fristsetzung kann in den Fällen des § 323 Abs. 2 BGB entfallen. 102

D. Die Entstehung der Alternativität im System der Gläubigerwahlrechte 145

c) Fazit: Die Vermehrung der Optionen zur Alternative Es gibt im Bereich der elektiven Konkurrenz Fälle alternativer Optionen (Recht 1, Recht 2, etc.), die nicht durch die Begründung eines Schuldverhältnisses (Ereignis 1) allein entstehen. Eine alternative Handlungsvielfalt für den Gläubiger wird hier erst durch ein zweites Entstehensmoment (Ereignis 2) impliziert.

II. Die Vermehrung der Rechte im neuen Leistungsstörungsrecht Im Leistungsstörungsrecht entsteht die Alternativität der Gläubigerrechte nicht schon mit der Begründung des Schuldverhältnisses, sondern erst mit der Störung des Schuldverhältnisses. Dazu mache ich eine weitergehende Beobachtung: Die Alternativität entsteht nicht nur deshalb, weil alternative Rechte durch die Leistungsstörung neu begründet werden. Vielmehr vermehrt sich auch die Rechtsposition des Gläubigers: Zu seinem primären Recht treten alternative sekundäre Rechte. Diese Beobachtung ist wichtig, denn dies entspricht mitnichten der bisher üblichen Dogmatik. Das zeigen die §§ 275 ff. BGB und der Vergleich zu § 326 Abs. 1 S. 2 HS 2 BGB a. F. Das Schicksal des Primäranspruchs im kaufrechtlichen Mangelfall ist heute freilich umstritten; mit der herrschenden Meinung ist davon auszugehen, dass er in der modifizierten Form des Nacherfüllungsanspruchs weiterbesteht. a) Die Unmöglichkeit der Leistung gemäß § 275 BGB Ist dem Schuldner die Erbringung seiner Leistung unmöglich, dann ist er gemäß § 275 BGB von seiner Leistungspflicht befreit. Dem Gläubiger bleibt es in diesem Fall unbenommen, statt der Leistung auf Sekundärrechte zurückzugreifen, siehe § 275 Abs. 4 BGB. Das gilt sowohl bei der Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB, bei der der Ausschluss der Leistungspflicht qua Gesetz erfolgt, als auch bei den §§ 275 Abs. 2 und 3 BGB, die dem Schuldner nur eine Einwendung gewähren. In diesen Unmöglichkeitsfällen entsteht eine alternative Handlungsoption für den Gläubiger insoweit, als sich die Sekundärrechte gegenseitig ausschließen. Keine Alternativität besteht zwischen Primäranspruch und Sekundärrechten, denn der Primäranspruch hat sich durch die Anordnung des § 275 BGB als Option erledigt. Aussagenlogisch ändert das nichts am Verhältnis der Ausschließlichkeit zwischen den Rechten des Gläubigers. Die Option a fällt aber durch das Ereignis 2, die Unmöglichkeit und die damit verbundene Befreiung gemäß § 275 BGB weg.

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Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

Nehmen wir etwa folgendes Beispiel einer nachträglichen Unmöglichkeit: Der Verkäufer verspricht die Lieferung des gekauften PKW, einer Stückschuld, zum kommenden Wochenende. Durch einen vom Verkäufer verursachten Brand wird der Wagen am Freitag vollständig zerstört. Der diesbezügliche Erfüllungsanspruch des Käufers gemäß § 433 Abs. 1 BGB fällt durch § 275 Abs. 1 BGB weg. Der Käufer überlegt, ob er sich die Mehrkosten für einen vergleichbaren Wagen als Schaden ersetzen lässt (§§ 280 Abs. 1, 3; 283 BGB) oder auf einen anderen Wagen verzichtet und die frustrierten Kosten, die er für die Errichtung einer Garage gehabt hat, als Aufwendungen ersetzt verlangt, § 284 BGB. Hier gelten folgende Optionen des Käufers in logischer Hinsicht: Vertragsschluss ! (Erfüllungsanspruch § 433 Abs. 1 BGB) Leistungsbefreiung nach § 275 Abs. 1 BGB ! (§§ 280 Abs. 1, 3; 283 BGB # § 284 BGB). Nur eine Alternativität zwischen den Sekundärrechten wird durch die Leistungsbefreiung nach § 275 Abs. 1 BGB eröffnet. Der Erfüllungsanspruch fällt weg. Das ist, wie uns das Gegenbeispiel einer bloß mangelhaften, aber nicht unmöglichen Leistungserbringung zeigt, nicht das gleiche Konzept wie im heutigen übrigen Leistungsstörungsrecht. Solange die Leistung nicht aufgrund § 275 BGB verweigert werden kann, bleibt deren Forderung nämlich die primäre Option des Gläubigers. Das neue System der Leistungsstörung weicht folglich von den Regelungen zur Unmöglichkeit ab. Dort vermehren sich die Rechte des Gläubigers. Im Unmöglichkeitsfall hingegen ersetzen die Sekundäroptionen lediglich die wegfallende Primäroption. b) Frühere Rechtslage: Der Wegfall des Primäranspruchs nach § 326 Abs. 1 S. 2 HS 2 BGB a. F. Gemäß § 326 Abs. 1 S. 2 HS 2 BGB a. F.104 blieb dem Gläubiger nach erfolglosem Verstreichen der Nachfrist nur noch die Möglichkeit, zu den Sekundärrechten Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder Rücktritt überzugehen. Die Sekundärrechte wiederum schlossen sich gegenseitig aus. Die Alternativität wurde folglich nach alter Rechtslage durch die Leistungsstörung, also Transformation des Schuldverhältnisses, hervorgerufen. Auch hier alternierten aber lediglich Sekundärrechte, während die Primäroption kraft gesetzlicher Anweisung aus § 326 Abs. 1 S. 2 HS 2 BGB 104

In der Fassung vor der Schuldrechtsmodernisierung 2001.

D. Die Entstehung der Alternativität im System der Gläubigerwahlrechte 147

a. F. wegfiel. Lieferte der Verkäufer also trotz Möglichkeit den gekauften PKW nicht, bedeutete das folgende logische Handlungsoption für den Käufer: Vertragsschluss ! (Erfüllungsanspruch § 433 Abs. 1 BGB) Nichtleistung trotz Fristsetzung ! (Schadensersatz wegen Nichterfüllung # Rücktritt). Auch im früheren Konzept der Leistungsstörungen außerhalb des Unmöglichkeitsrechts vermehrte sich die Rechtsposition des Gläubigers also nicht. Vielmehr ersetzten gesetzliche Sekundärrechte den wegfallenden Primäranspruch. c) Problem: Das Schicksal des Erfüllungsanspruchs gemäß § 439 BGB Der Rückgriff auf die Konzepte des früheren Leistungsstörungsrechts bzw. des Unmöglichkeitsrechts verdeutlicht uns die Besonderheit der heutigen Systematik: Solange die Primärleistung nicht unmöglich ist, bleibt sie eine Option des Gläubigers. Die Alternativität der Handlungsmöglichkeiten entsteht in allen genannten Fällen durch die Leistungsstörung. Die Alternative ist aber im heutigen Leistungsstörungsrecht kein Ergebnis der Ersetzung der Primäroption durch Sekundäroptionen. Stattdessen wird die Rechtsposition des Gläubigers durch sekundäre, aber gleichfalls alternative Rechte vermehrt. Eine Sonderstellung nimmt insofern die Frage ein, welches Schicksal der Erfüllungsanspruch nach § 433 Abs. 1 BGB in dem Moment hat, in dem die Mängelbehaftung der Kaufsache dem Käufer ein Recht auf Nacherfüllung gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 BGB gewährt. Dieser Übergang vom Erfüllungsanspruch zum Nacherfüllungsanspruch wird unterschiedlich beurteilt.105 Richtigerweise ist der Nacherfüllungsanspruch nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB lediglich eine Modifikation des Erfüllungsanspruchs und damit kein Sekundärrecht.

105 Davon ist strikt zu trennen die Frage, ob es heute noch eine Umwandlung des Erfüllungsanspruchs in einen Schadensersatzanspruch gibt. Nach alter Rechtlage im § 326 Abs. 1 S. 2 HS 2 BGB a. F. war dies der Fall. Heute gibt es keine Umwandlung vom primären Leistungsanspruch zum sekundären Schadensersatzanspruch. Dazu sogleich: S. 200 ff.

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Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

aa) Problemaufriss: Das Schicksal des Erfüllungsanspruchs bei Mängeln Vertreten wird vereinzelt, §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB als Sekundäranspruch zu bewerten.106 Der Nacherfüllungsanspruch wäre damit ein gesetzlich begründetes Gewährleistungsrecht, das den Primäranspruch vollständig ersetzen würde. Dies entspräche der früheren Rechtsnatur des Nachbesserungsanspruchs, der nicht im Gesetz verankert war, aber von den Parteien vereinbart werden konnte. Nach überwiegender Ansicht wird indes der vertraglich begründete Erfüllungsanspruch in der Form des § 433 Abs. 2 S. 1 BGB durch den Nacherfüllungsrechtsbehelf aufrechterhalten. Er ist jedoch gesetzlich modifiziert bzw. angepasst.107 Dies entspräche der früheren Rechtnatur des gesetzlichen Nachlieferungsanspruchs bei Gattungskäufen in § 480 Abs. 1 S. 1 BGB a. F.108 Es macht entgegen der Ansicht von Spickhoff109 durchaus einen (nicht nur begrifflichen) Unterschied, ob der Erfüllungsanspruch fortbesteht und nur modifiziert wird oder ob er tatsächlich rechtlich untergeht und durch den Nacherfüllungsrechtsbehelf „beerbt“ wird. Denn nicht nur die Unterscheidung von Stückkauf und Gattungskauf ist davon betroffen.110 Auch der Streit, ob die Wahl der Nacherfüllungsvarianten in § 439 Abs. 1 BGB eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht oder eine elektive Konkurrenz ist, wird dadurch gestreift.111 Wenn der Erfüllungsanspruch erlischt und der sekundäre Nacherfüllungsrechtsbehelf qua Gesetz begründet wird, dann ordnet das Gesetz – je nach Meinung – einen Sekundäranspruch mit alternativem Inhalt (Wahlschuld) oder zwei Sekundäransprüche (elektive Konkurrenz) an. Wenn man aber im Nacherfüllungsrechtsbehelf den modifizierten Primäranspruch erblickt und dann mit der überwiegenden Auffassung eine elektive Konkurrenz der Nacherfüllungsvarianten vertritt, dann führt das zu der Annahme, der Primäranspruch spalte sich mit Gefahrübergang in zwei „hälftige“ Ansprüche, nämlich in die Modifikation als Nachlieferungsanspruch und in die Modifikation als Nachbesserungsanspruch. Aus einem vertraglich vereinbarten Anspruch werden somit zwei. 106

Jauernig/Berger, § 439 Rn. 10, wörtlich: „Sekundärrecht“. Canaris, Karlsruher Forum 2002, S. 5 (78); Huber, NJW 2002, 1004 (1005); Ackermann, JZ 2002, 378 (379); Schubel, JuS 2002, 313 (316); Haas, BB 2001, 1313 (1313); Unberath/Cziupka, JZ 2008, 867 (868) mit weiteren Nachweisen und Rechtsprechung zu den Vorgängernormen im Kauf- und Werkvertragsrecht. 108 Dazu weiterführend auch: S. 172. 109 Spickhoff, BB 2003, 589 (590). 110 Siehe v. a. den Problemfall, ob bei einem Stückkauf überhaupt Nachlieferung möglich sei; exemplarisch: Spickhoff, BB 2003, 589 (590). 111 Meines Erachtens liegt entgegen der allgemeinen Ansicht eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht vor. Siehe dazu: S. 171 ff. 107

D. Die Entstehung der Alternativität im System der Gläubigerwahlrechte 149

bb) Lösung: Die Modifikation des Erfüllungsanspruchs Richtigerweise ist der Nacherfüllungsanspruch nach §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB eine modifizierte Form des primären Erfüllungsanspruchs. Das liegt daran, dass die mangelhafte Leistung des Verkäufers keine Erfüllung im Sinne des § 362 BGB ist.112 Mehr noch: Wie schon zur Vorläufernorm des § 480 BGB a. F. einhellig vertreten, taugt die Leistung einer mangelhaften Sache beim Gattungskauf nicht einmal zur Konkretisierung auf die Stückschuld gemäß § 243 Abs. 2 BGB. Denn der Verkäufer hat nicht das seinerseits Erforderliche dafür getan. Für Gattungskauf und Spezieskauf gleichermaßen gilt wegen der Verpflichtung zur Mangelfreiheit nach § 433 Abs. 1 S. 2 BGB: Der Erfüllungsanspruch des Käufers geht durch die fehlerhafte Leistung nicht unter.113 Erfüllung bzw. Konkretisierung tritt vielmehr erst ein, wenn sich der Käufer erkennbar mit der Mangelbehaftung abfindet und ein damit vereinbares Sekundärrecht, etwa die Minderung, geltend macht. Die Nacherfüllung nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB ist zweifelsohne in das Gewährleistungsrecht des Käufers einzuordnen.114 Das sehen wir bereits daran, dass ab dem Gefahrübergang die gewährleistungsrechtliche Verjährung des § 438 Abs. 2 BGB auch für die Nacherfüllung gilt. Dieser Rechtsbehelf setzt letztlich aber nur die Mangelfreiheit der Sache durch, wie sie durch § 433 Abs. 1 S. 2 BGB geboten ist, und dient damit dem ursprünglichen Vertragserfüllungsinteresse des Käufers. Das unterscheidet die Nacherfüllung von den Sekundärrechten Schadensersatz, Rücktritt und Minderung, die allesamt die Folgen der mangelhaften Erfüllung hinnehmen und diese ausgleichen bzw. sanktionieren.115 Mit Recht kann man die Nacherfüllung daher als unechtes Gewährleistungsrecht bezeichnen.116 Denn trotz seiner Gewährleistungsfunktion ist das Nacherfüllungsrecht in der Grundstruktur mit dem Erfüllungsrecht identisch. Im Ergebnis können wir davon ausgehen, dass die gesetzliche Anordnung des §§ 437 Nr. 1, 439 BGB den Erfüllungsanspruch nur modifiziert. Nimmt man hinzu, dass die Gewährleistungsrechte des § 437 Nr. 2 und Nr. 3 BGB vom erfolglosen Ablauf einer Nachfrist zur Nacherfüllung abhängig sind, wird klar: Der Nacherfüllungsanspruch des BGB ist gegenüber diesen der primäre Anspruch. 112

Canaris, Karlsruher Forum 2002, S. 5 (78). Canaris, Karlsruher Forum 2002, S. 5 (78). 114 Lorenz, NJW 2002, 2497 (2497), der klarstellt, dass der Nacherfüllungsanspruch in jedem Fall ein „genuin gewährleistungsrechtlicher Rechtsbehelf“ ist. 115 Insbesondere der Sekundäranspruch auf Schadensersatz ist Ausdruck des Gebots der ausgleichenden Gerechtigkeit: Unberath/Cziupka, JZ 2008, 867 (868 Fn. 7). 116 So: MüKo/Westermann, § 439 Rn. 1. 113

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Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

cc) Vergleich: Das Schicksal des Erfüllungsanspruchs im CISG Anders verhält es sich etwa beim Übergang zwischen dem primären Erfüllungsanspruch zu den Nacherfüllungsansprüchen im UN-Kaufrecht. Nach Art. 30 CISG hat der Verkäufer die vorrangige Pflicht, die Ware zu „liefern“. Diese Pflicht erfüllt er durch das bloße Zur-Verfügung-Stellen gegenüber dem Käufer. Der diesbezügliche Erfüllungsanspruch erlischt also auch bei nicht vertragsgemäßer Ware. Bloß auf deren Lieferung kommt es für die primäre Verkäuferpflicht an.117 Die nicht vertragsgemäße Beschaffenheit der Ware eröffnet dann nur Sekundärrechte gemäß Art. 45 ff. CISG, diese jedoch auch nur dann, wenn der Käufer die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig rügt, Art. 39 Abs. 1 CISG. Die Nacherfüllungsrechte gemäß Art. 46 Abs. 2 bzw. 3 CISG im UN-Kaufrecht sind dabei, anders als § 439 Abs. 1 BGB, keine bloße Modifikation des Primäranspruchs, sondern ebenfalls Sekundärrechte.118 Innerhalb des Systems der Sekundärrechte sind diese zwei weitere Reaktionsmöglichkeiten des Käufers auf den eingetretenen Vertragsbruch des Verkäufers. Sie stehen neben den übrigen sekundären Optionen: Hat die Ware einen Sach- oder Rechtsmangel, kann der Käufer sogleich Minderung (Art. 50 CISG) oder Nachbesserung (Art. 46 Abs. 3 CISG) und zusätzlich Schadensersatz verlangen. Ist die Mangelhaftigkeit eine wesentliche Vertragsverletzung, stehen zudem der Anspruch auf Ersatzlieferung (Art. 46 Abs. 2 CISG) oder die Vertragsaufhebung nach Art. 49 Abs. 1 a) CISG zur Verfügung. Die Nacherfüllungsrechte des CISG gemäß Art. 46 Abs. 2 bzw. 3 CISG sind dabei keineswegs den Rechtsbehelfen Minderung, Vertragsaufhebung oder Schadensersatz aufgrund eines Fristsetzungserfordernisses vorrangig, wie das im BGB der Fall ist:119 Eine Nachfristsetzung zur Nacherfüllung als Voraussetzung für die weiteren Rechtsbehelfe kennt das CISG nicht. Die Sekundäransprüche auf Nacherfüllung im CISG dienen damit dem Erfüllungsinteresse des Käufers, welches auch im Mangelfall fortbesteht. Der primäre Anspruch auf Lieferung der Ware wird erfüllt, der Anspruch auf vertragsgemäßen, also mangelfreien Zustand, besteht durch die sekun117 Siehe nur: Staudinger/Magnus, Art. 30 CISG Rn. 4/5; Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, S. 91 Rn. 123; Regula/Kannowski, IHR 2004, 45 (46). Dies gilt auch für Aliud-Lieferungen: MüKo/Gruber, Art. 30 CISG Rn. 3. 118 MüKo/Huber, Art. 46 CISG Rn. 3. Dies geht auf den (im Ursprung angloamerikanischen) Gedanken zurück, den Erfüllungsanspruch als Rechtsbehelf auszugestalten. 119 Daran ändert auch das Nacherfüllungsrecht des Verkäufers nach Art. 48 CISG nichts. Dieses begründet keinen faktischen Vorrang der Nacherfüllung, denn es kommt stets auf den Willen des Verkäufers an, ob er von seinem Recht Gebrauch macht. Es handelt sich bloß um einen Vorteil des Verkäufers, nicht um einen logischen Vorrang der Nacherfüllung.

D. Die Entstehung der Alternativität im System der Gläubigerwahlrechte 151

därrechtliche Anspruchsgrundlage der Art. 46 Abs. 2 und 3 CISG in eingeschränktem Umfang fort.

III. Die zeitliche und qualitative Staffelung der Optionen Die Alternativität der Gläubigeroptionen kann bereits auf der Begründung des Schuldverhältnisses beruhen (Ereignis 1). Es kann aber auch sein, dass erst ein zweiter Entstehenstatbestand (Ereignis 2) eine weitere Option neben die bestehende Option treten lässt, und so die Alternativität später entsteht. Der erstere Fall liegt in der Wahlschuld und der Ersetzungsbefugnis vor, wenn mit Begründung des Schuldverhältnisses (Ereignis 1) bereits mehrere Optionen (Tun 1 oder Tun 2) zur Auswahl stehen. Der zweite Fall liegt im Leistungsstörungsrecht vor, wenn die Leistungsstörung (Ereignis 2) ein bestehendes Schuldverhältnis (entstanden durch Ereignis 1) mit einer Option a (Recht 1) dergestalt transformiert, dass eine alternative Option b (Recht 2) hinzutritt. Die beiden Fälle unterscheiden sich dadurch, dass zwei verschiedene Anknüpfungspunkte (Ereignisse) für die Entstehung der Alternativität vorliegen. Wir verstehen das Ereignis dabei gemeinhin als zeitliche Komponente des Satzes. Es geht im Fall einer gestaffelt entstehenden Alternative um die Geltung einer Option b nach Option a. Gemeint ist ein Auseinanderfallen des Zeitpunktes der Eröffnung von Option a, nämlich die Begründung des Schuldverhältnisses und des Zeitpunktes der Entstehung von Option b, etwa die Leistungsstörung. Die Aussage Ereignis 2 zielt auf den im Leistungsstörungsrecht üblichen erfolglosen Ablauf einer angemessenen Fristsetzung ab, wie er sowohl im Schadensersatzrecht (§ 281 Abs. 1 S. 1 letzter HS) als auch im Rücktrittsrecht (§ 323 Abs. 1 letzter HS) dogmatischer Grundsatz ist.120 Um dieser Einengung der Sichtweise auf das zeitliche Moment des Nacheinander zu begegnen, füge ich der Aussage Ereignis 2 in den verwendeten Formeln eine qualitative Bedeutung hinzu. Wenn nämlich die Fristsetzung entbehrlich ist, siehe §§ 281 Abs. 2, 323 Abs. 2 BGB, kann Option b zeitlich sofort neben Option a treten. Wohl aber kann auch in diesen Fällen das Erfordernis der Fristsetzung nicht unbeachtet bleiben, wird es doch lediglich durch die Tatbestände etwa der §§ 281 Abs. 2, 323 Abs. 2 BGB ausnahmsweise entbehrlich. Im Fall der Leistungsverweigerung nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB etwa ist die zeitliche Diskrepanz zwischen Leistungsauf120 Keine Fristsetzung in diesem Sinne ist die Mahnung im § 286 Abs. 1 S. 1 BGB. Gleichwohl bedingt ein zeitliches Auseinanderfallen von bestimmter Leistungsaufforderung und Ausbleiben der Leistung auch hier die Eröffnung des Anspruchs auf Schadensersatz.

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Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

forderung und Rücktrittsrecht auf den Moment der Verweigerung verkürzt; dies kann eine juristische Sekunde sein. In den Fällen der relativen Fixschuld nach § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB zum Beispiel liegt jedoch keine zeitliche Komponente der Staffelung von „Rücktrittsrecht erst nach vergeblicher Leistungsaufforderung“ vor. Hier definiert man „nach“ nicht zeitlich, sondern qualitativ, weil der Ausnahmetatbestand des § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB das Rücktrittsrecht unvermittelt auf der Grundlage des fixen Leistungszeitpunkts entstehen lässt. Daher ist das Ereignis 2 als Aussage nicht bloß als zeitliche Implikation zu interpretieren, sondern auch als qualitative. Die Formel, die Ereignis 2 in die Betrachtung einbezieht, drückt damit Fälle aus, in denen die Optionen des Gläubigers nicht von Anfang an gleich geordnet zueinander stehen. Der Entstehenstatbestand der Option a liegt damit zeitlich oder qualitativ vor dem Entstehenstatbestand der Option b. Wir können dort von einer Staffelung121 der Optionen sprechen.

IV. Trennung von Staffelung und Alternativität der Rechte 1. Die Staffelung von alternativen und kompatiblen Rechten Die Rechte im dyadischen System der Wahrheitswerte trenne ich in zwei Gruppen: diese, welche miteinander kompatibel sind, und jene, welche sich gegenseitig ausschließen. Das Merkmal der Ausschließlichkeit fragt dabei nach der Zielrichtung des möglichen Handelns: Sind die vielfältigen Rechte miteinander in Ausübung und Wirkung vereinbar? Dass im Leistungsstörungsrecht die alternativen Rechte gestaffelt entstehen, hat mit dieser logischen Einteilung nichts zu tun. Fehl geht daher Eberhard von Olshausen, der die Fälle gestaffelt auftretender Optionen als Gruppe des „Nacheinander“ von Gläubigermöglichkeiten ins Verhältnis zu den Fallgruppen inkompatibler bzw. kompatibler Rechte setzt.122 Er verwendet diesen Oberbegriff im Hinblick auf zwei 121

Der Begriff der Staffelung ist Phillip Heck entlehnt. Er verwendet ihn jedoch zur Darstellung der Stufenordnung von Leistungsinhalten in der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers, nicht im Kontext zeitlich-qualitativer Ausschließlichkeiten von Gläubigeroptionen. Heck, Grundriss des Schuldrechts, S. 34. 122 von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (472). Diese Fallgruppen nennt von Olshausen zum einen das Miteinander (kompatible Rechte), zum anderen das Gegen- bzw. Nebeneinander (inkompatible Rechte). Diese Unterscheidung ist terminologisch völlig unpassend, wie der Fall des Schadensersatzes neben der Leistung zeigt. Dieser ist zum Primäranspruch gerade nicht inkompatibel, also nicht im „Nebeneinander“ (von Olshausen) stehend. Auch das „Gegeneinander“ scheint terminologisch irreführend, vermittelt der Wortlaut eine diametrale Zielrichtung der Optionen und nicht – was von Olshausen sagen will – die endgültige Bindung an die

D. Die Entstehung der Alternativität im System der Gläubigerwahlrechte 153

Eigenschaften. Zum einen drücke „Nacheinander“ die Beschränkung des Gläubigers aus, der ein Recht erst nach vorheriger vergeblicher Geltendmachung eines anderen Rechts ausüben dürfe. So verhalte es sich etwa mit dem Nacheinander von Nacherfüllungsverlangen und Schadensersatz statt der Leistung.123 Zum anderen bedeute das „Nacheinander“ zu Gunsten des Gläubigers die verbindliche Regelung, unter welchen Umständen er von einem gewählten Recht zu einem – sich später als interessengerechter herausstellenden – anderen Recht wechseln kann. Die Frage dieses fakultativen Nacheinanders stelle sich etwa im Problem, ob vom Schadensersatzbegehren noch zur Minderung gewechselt werden könne.124 Von Olshausen vermischt dabei Problemkreise, die nichts gemein haben. Er beschreibt mit dem Wort „Nacheinander“ zwei Fragen, die völlig unterschiedlicher Natur sind. Dabei können wir die (zweite) Frage des möglichen Wechsels von einem Recht zum anderen an dieser Stelle unbeantwortet lassen.125 Sie ist zumindest strikt zu trennen von der Frage, welchen Einfluss die Entstehung der Optionen auf das Verhältnis der Optionen zueinander hat. Dies ist nämlich eine Frage der Logik. Das von ihm gebildete Nacheinander können wir aber logisch nicht in die Differenzierung der beiden dargestellten Fallgruppen einordnen.126 Während das Kriterium der Alternativität die dyadischen Wahrheitswerte in zwei Gruppen teilt, erfasst die vermeintliche Kategorie des „Nacheinanders“ nämlich beide Gruppen, solche mit einer Kompatibilität der Optionen und solche ohne eine Kompatibilität der Optionen. Gestaffelt können also Optionen zueinander sich verhalten, die in Ausübung und Wirkung miteinander verträglich sind. Demgegenüber gibt es aber ebenso Fälle, in denen die gestaffelten Optionen des Gläubigers niemals miteinander verwirklicht werden können. Das erklärt sich logisch dadurch, dass der Entstehenstatbestand nichts anderes als eine weitere Aussage im Satz ist, die ins Verhältnis zu den alternativen bzw. nicht alternativen Rechten gesetzt werden muss. Es handelt sich um das Ereignis, sei dies Ereignis 1 im Moment der Begründung des Schuldverhältnisses oder Ereignis 2 im Moment der Leistungsstörung. Dieses Ereignis steht zu den weiteren Elementen aussagenlogisch in einer Implikation. Am Verhältnis der Aussagen a und b, die die Optionen des Gläubigers ausdrücken, ändert diese Implikation nichts. Sie ruft lediglich das Verhältnis zwischen a und b hervor. Es widerspricht folglich der Aussagenlogik, wenn man die gestaffelte Entstehung der Optionenvielfalt als eigenständige Wahl. Die von ihm zu Recht als „mehr feuilletonistisch gestimmt als fachsprachlich abgeklärt“ betitelte Terminologie ist daher abzulehnen. 123 von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (472). 124 von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (472). 125 Dazu Kapitel 5, zum ius variandi: S. 400 ff. 126 von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (472).

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Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

Kategorie neben der ersten und zweiten Gruppe der dyadischen Wahrheitswerte beschreibt. Die gestaffelt entstehenden Optionen können richtigerweise sowohl alternativ als auch nicht-ausschließlich zueinander stehen; die Staffelung ist kein eigenständiges Merkmal der Differenzierung. 2. Beispiele Zwei Beispiele verdeutlichen dies. Kompatibel sind die Optionen Erfüllungsanspruch und Verzugsschadensersatz des Gläubigers bei Vorliegen einer Schlechtleistung, die einen Verzögerungsschaden hervorruft, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB. Der Schadensersatz wegen Schuldnerverzugs existiert neben dem Erfüllungsanspruch und kann mit diesem kumulativ durchgesetzt werden. Dieses Verhältnis besteht jedoch grundsätzlich erst, wenn der Schuldner eine Mahnung des Gläubigers unbeachtet lässt und nicht leistet, so § 286 Abs. 1 S. 1 BGB.127 Erst wenn der Schuldner in Verzug gerät, besteht somit für den Gläubiger neben Option a (Erfüllungsanspruch) eine weitere Option b (Verzugsschadensersatzanspruch). Ereignis 1 ist die Begründung des Schuldverhältnisses, Ereignis 2 die Störung des Schuldverhältnisses durch die schadhafte Verzögerung der Leistung trotz Mahnung. Begründung des Schuldverhältnisses ! Erfüllungsanspruch Verzug ! (Erfüllungsanspruch ^ Verzugsschadensersatzanspruch) Das ist ein Fall gestaffelter Optionen, die sich nicht ausschließen. Mangels Alternativität der Ansprüche liegt keine elektive Konkurrenz vor. Ein Beispiel für die gestaffelte Alternativität in der elektiven Konkurrenz: Leistet der Schuldner überhaupt nicht, obwohl ihm eine Frist gesetzt wurde, dann konkurriert der Erfüllungsanspruch mit dem Rücktrittsrecht aus § 323 Abs. 1 BGB. Das Verhältnis der Optionen ist dort ein alternatives, die gestaffelte Entstehung dieselbe wie im vorigen Beispiel: Begründung des Schuldverhältnisses ! Erfüllungsanspruch Nichtleistung trotz Fristsetzung ! (Erfüllungsanspruch # Rücktrittsrecht).

127 Ausnahmen vom Erfordernis der Mahnung finden sich in §§ 286 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 und Abs. 3 BGB.

D. Die Entstehung der Alternativität im System der Gläubigerwahlrechte 155

V. Die elektive Konkurrenz zwischen nicht gestaffelten Rechten Aus den bisherigen Ausführungen dazu, wie die Alternativität entstehen kann, entnehme ich eine Trennung zwischen den Fällen der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und Ersetzungsbefugnis des Gläubigers auf der einen und der elektiven Konkurrenz auf der anderen Seite. Erstere weisen eine Inkompatibilität der Leistungsgebote auf, die mit der Begründung des Schuldverhältnisses zur Entstehung gelangt. Die Ausschließlichkeit der elektiven Konkurrenz scheint demgegenüber auf die Fälle der Staffelung von Optionen beschränkt, solche also, wo die Alternativität der Rechte erst durch eine Störung des Schuldverhältnisses auftritt. Diese These folgt empirischen Beobachtungen. Die elektive Konkurrenz wird nämlich zumeist dort diskutiert, wo eine Leistungsstörung im Spiel ist. Das hat schon Erler attestiert, der die gesetzlich begründeten Fälle elektiver Konkurrenz wie folgt beschreibt: „Regelmäßig sind sie normiert, wenn ein Schuldverhältnis [. . .] nicht (mehr) ‚ordentlich‘ erfüllbar, sondern ‚gestört‘ ist.“128 Es gibt jedoch Fälle elektiver Konkurrenz, die diesem Schema nicht folgen. Zwei Beispielskonstellationen möchte ich kurz aufgreifen: die Konkurrenz des Erfüllungsanspruchs zu nicht leistungsstörungsgebundenen Gestaltungsrechten und die Konkurrenz der Ansprüche gegenüber einem falsus procurator nach § 179 Abs. 1 BGB. 1. Beispiel: Die Konkurrenz zwischen dem Erfüllungsanspruch und einem Gestaltungsrecht ohne Leistungsstörung Gestaltungsrechte können in Konkurrenz zum Erfüllungsanspruch treten, ohne dass es einer Transformation oder Störung des Schuldverhältnisses bedarf. Das Schuldverhältnis wird dann nämlich mitsamt der Alternative zwischen Erfüllungsanspruch und Gestaltungsrecht begründet. Das gilt zum Beispiel für sämtliche Vertragskonstellationen, die auf anfechtbaren Willenserklärungen beruhen. Wird etwa der Käufer beim Vertragsschluss arglistig über die Laufzeit des PKW getäuscht, hat er von Anfang an, also mit Vertragsschluss, neben seinem Erfüllungsanspruch aus § 433 Abs. 1 BGB ein Anfechtungsrecht aus § 123 Abs. 1 BGB. Hier ist die Einigung schwebend unwirksam. Das Schuldverhältnis ist also in seiner Begründung bereits „gestört“. 128

Erler, Wahlschuld, S. 61.

156

Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

Begründung des Schuldverhältnisses ! (Erfüllungsanspruch # Anfechtungsrecht). Ähnlich verhält es sich mit dem Erfüllungsanspruch und dem Widerrufsrecht des Verbrauchers nach §§ 355, 312 ff. BGB: Der vertragliche Anspruch konkurriert von Anfang an mit einem Gestaltungsrecht. Begründung des Schuldverhältnisses ! (Erfüllungsanspruch # Widerrufsrecht). 2. Beispiel: Die Begründung des von Anfang an gestörten Schuldverhältnisses nach § 179 Abs. 1 BGB Ein besonderer Fall ist die Konkurrenz der Ansprüche gegen den falsus procurator nach § 179 Abs. 1 BGB.129 Die Besonderheit liegt darin, dass der Vertreter ohne Vertretungsmacht nach Wahl des Vertragsgegners zur Erfüllung der Vertragspflichten gezwungen werden kann, ohne dass ein Vertrag zwischen beiden besteht.130 Eine vertragliche Bindung fehlt, denn eine Willenserklärung des Vertreters, die auf die eigene Rechtsbindung abzielt, ist nicht gegeben.131 Da § 177 Abs. 1 BGB nur die Möglichkeit der Erweiterung seines Rechtskreises für den Vertretenen eröffnet,132 dem getäuschten Vertragsgegner aber in seinem Vertrauensinteresse dadurch nicht zwingend geholfen ist, sanktioniert der Gesetzgeber den Vertreter ohne Vertretungsmacht mit der Folge des § 179 Abs. 1 BGB. Danach kann eben der in seinem Vertrauen auf das redliche Verhalten des Vertreters geschützte Vertragsgegner nach endgültiger Verweigerung133 entweder Erfüllung oder Schadensersatz vom falsus procurator verlangen. Erfüllungswahl nötigt den Vertreter, den Vertrag zu erfüllen, Schadensersatzwahl stellt gerade das Feh129 Dass es sich um eine elektive Konkurrenz handelt, ist heute herrschende Auffassung. Siehe dazu bereits: S. 71 ff. Weitergehend auch: S. 167 ff. 130 Es wird auch kein Schuldverhältnis zwischen dem Vertragsgegner und dem vermeintlich Vertretenen begründet, denn es fehlt an der für das Repräsentationsprinzip des § 164 Abs. 1 BGB nötigen wirksamen Vertretungsmacht des Vertreters: Palandt/Heinrichs, § 164 Rn. 13. 131 BGH, Urteil vom 14.11.1969 (Az.: V ZR 97/66), NJW 1970, 240, 241. 132 Dem Vertretenen wird die Möglichkeit gegeben, nachträglich in das für ihn zunächst unwirksame Rechtsgeschäft einzutreten und die Rechtsfolgen des gewollten Vertrages zur Entstehung zu bringen; hierzu muss der Vertretene den Vertrag nach § 177 Abs. 1 BGB genehmigen. Dies gilt aber nicht bei einseitigen Rechtsgeschäften, da insoweit eine Vertretung ohne Vertretungsmacht und auch ein Eintrittsrecht kraft Genehmigung durch den Vertretenen ausgeschlossen ist, vgl. § 180 S. 1 BGB. 133 Oder Ausbleiben einer Verweigerung auf die Aufforderung zur Erklärung durch den Vertragsgegner hin, vgl. § 177 Abs. 2 BGB.

D. Die Entstehung der Alternativität im System der Gläubigerwahlrechte 157

len einer vertraglichen Verpflichtung in den Vordergrund, deren Ersatz dem Vertreter zur Pflicht auferlegt wird;134 damit schließen sich die Varianten der Wahl logisch aus. Die Besonderheit der vorliegenden Alternative: Das Schuldverhältnis besteht auf Anordnung des § 179 Abs. 1 BGB, ist aber inhaltlich erst durch die Wahl der Alternative bestimmt. Es handelt sich also um ein gesetzliches Schuldverhältnis mit alternativen Ansprüchen. Wählt der Vertragsgegner Erfüllung, haftet er nicht rechtsgeschäftlich, sondern gesetzlich, wird aber wie ein Vertragspartner rechtsgeschäftlicher Haftung behandelt.135 Wählt der Vertragsgegner den Schadensersatz, geht die gesetzliche Verpflichtung auf Restitution des Wertes der Leistung. Die Eigenart des § 179 Abs. 1 BGB liegt folglich in der Beseitigung einer Störung durch die gesetzliche Schaffung eines Schuldverhältnisses, das allein dem Zweck der Abwicklung der Störungsfolgen dient.136 § 179 Abs. 1 BGB begründet damit ein von Anfang an (in statu nascendi) gestörtes Schuldverhältnis.137 Die Ansprüche des Gläubigers in elektiver Konkurrenz sind dabei nicht gestaffelt, sondern gleichrangig wirkungslos bis zur Wahl des Vertragsgegners. Begründung des Schuldverhältnisses ! (Erfüllungsanspruch # Schadensersatzanspruch).

VI. Fazit: Die Entstehung der Alternativität Eine Alternativität zwischen mehreren Optionen kann nur bestehen, wenn mehrere Möglichkeiten eröffnet sind. Es gibt Fälle, in denen mitsamt der Begründung des Schuldverhältnisses, dem logischen Ereignis 1, dem Gläubiger alternative Optionen zur Hand gegeben sind. Diese finden wir überwiegend im Bereich der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers. Elektive Konkurrenzfälle, die bereits mit Begründung des Schuldverhältnisses entstehen, gibt es ebenfalls. Die praktisch wichtigsten Fälle elektiver Konkurrenz findet man im Leistungsstörungsrecht. Dort gibt es aufgrund der Rangfolge der Rechte eine Staffelung der Alternativen. Denn die Alternativität wird erst durch eine Transformation des Schuldverhältnisses, das logische Ereignis 2, eröffnet. Dabei unterscheiden wir die Ersetzung der Rechte von der Vermehrung der Rechte. Letzteres ist eine Besonderheit des neuen Leistungsstörungssystems im BGB, bedingt durch den Erhalt des Primärrechts im Leistungsstörungsfall. Dies gilt 134 135 136 137

Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, S. 939 Rn. 21/22. Palandt/Heinrichs, § 179 Rn. 5. Erler, Wahlschuld, S. 68. Erler, Wahlschuld, S. 68.

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Kap. 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen

ebenso im Kaufrecht, wo der Nacherfüllungsrechtsbehelf den Primäranspruch nur modifiziert.

E. Fazit zu Kapitel 3: Die logische Einordnung der Gläubigeroptionen Alle drei Typen eines Gläubigerwahlrechts haben eines gemeinsam: Der Gläubiger kann aus verschiedenen Optionen auswählen. Diese Handlungsvielfalt ist rechtlich ungewöhnlich. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Gläubiger überhaupt eine Option wahrnehmen kann oder nicht (sog. monadisches System). Vielmehr ist entscheidend, wie sich verschiedene Optionen zueinander verhalten. Das Verhältnis zweier Optionen zueinander lässt sich durch das sog. dyadische Wahrheitswertesystem bestimmen. Die drei Typen eines Gläubigerwahlrechts sind Fälle sich gegenseitig ausschließender Optionen. Diese Ausschließlichkeit bezeichnet man als Alternativität. Dabei stelle ich jedoch Unterschiede zwischen der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht bzw. Ersetzungsbefugnis des Gläubigers und der elektiven Konkurrenz fest, und zwar hinsichtlich der Stärke und der Entstehung der Alternativität. Für die elektive Konkurrenz gilt dabei: Sie kann in den Formen starker und schwacher Ausschließlichkeit auftreten und durch die Begründung oder durch eine Transformation des Schuldverhältnisses entstehen.

Kapitel 4

Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte A. Vorüberlegung: Auswahl der Fälle und internationaler Vergleich I. Die systematische Auswahl der Fälle Im Folgenden zeige ich einige Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte auf. Ich konzentriere mich dabei im Wesentlichen auf das praktisch wichtige System der heutigen Leistungsstörungsrechte.1 Die Darstellung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Untersucht werden lediglich die wesentlichen Fälle elektiver Konkurrenz. Gleichzeitig orientiert sich die Untersuchung an den Diskursen des neuen Leistungsstörungsrechts und spart daher die streitigen Beziehungen zwischen bestimmten Rechten nicht aus. So gehe ich zum Beispiel auch auf das Verhältnis zwischen Rücktritt und Schadensersatz ein, welches nach § 325 BGB nunmehr keine elektive Konkurrenz ist. Ziel ist es, das Zusammenspiel der Gläubigerrechte zu systematisieren. Die Systematik befasst sich zunächst mit der Ebene der gleichrangig primären Rechte am Beispiel des § 179 Abs. 1 BGB. Dazu wird insbesondere die Eigenart verhaltener Ansprüche behandelt (siehe unten Abschnitt B). Besonderes Augenmerk im Kontext der primärrechtlichen Konkurrenz verdient das umstrittene Verhältnis der Nacherfüllungsvarianten des Gläubigers im Kaufrecht (siehe unten Abschnitt C). Es folgt eine Untersuchung des jeweiligen Verhältnisses zwischen dem Primäranspruch und einem Sekundärrecht. Dabei konzentriere ich mich auf das Verhältnis des Primäranspruchs zum Schadensersatz statt der Leistung 1 Einen guten Gesamtüberblick über die schwierigen Konkurrenzprobleme, insbesondere zwischen Schadensersatz wegen Nichterfüllung, Wandelung und Minderung nach altem Recht bietet Baldus. Lohnenswert ist v. a. sein Vergleich zu den römischen Rechtsbehelfen und die Erkenntnis, wie wenig fortschrittlich sich die moderne Konkurrenzlehre entwickelt hat: Baldus, Binnenkonkurrenz kaufrechtlicher Sachmängelansprüche nach Europarecht, dort insbesondere S. 32–53, S. 61–65 (zum römischen Vorbild).

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

nach §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 BGB (siehe unten Abschnitt D), zum Rücktrittsrecht (siehe unten Abschnitt E), zum Minderungsrecht und zu anderen Gestaltungsrechten (siehe unten Abschnitt F). Schließlich befasst sich das Kapitel mit dem Verhältnis zwischen den Sekundärrechten. Ich untersuche die Beziehung zwischen den Gestaltungsrechten (siehe unten Abschnitt G), zwischen den Schadensersatzansprüchen gemäß §§ 280 ff. BGB (siehe unten Abschnitt H), zwischen dem Schadensersatzanspruch und dem Rücktrittsrecht (siehe unten Abschnitt I) bzw. dem Minderungsrecht (siehe unten Abschnitt J), zwischen Schadens- und Aufwendungsersatzansprüchen (siehe unten Abschnitt K) ebenso wie die Beziehung zwischen dem Aufwendungsersatzanspruch und dem Rücktrittsrecht (siehe unten Abschnitt L). Die Untersuchung wird komplettiert durch die Einordnung des stellvertretenden commodums nach § 285 BGB in das System der Rechte (siehe unten Abschnitt M).

II. Der Vergleich zu CISG, PECL und DCFR Für alle genannten Fälle des BGB lohnt ein Vergleich zum UN-Kaufrecht (CISG), zu den Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts (PECL)2 sowie dem im Jahr 2007 veröffentlichten wissenschaftlichen Entwurf eines sog. Gemeinsamen Referenzrahmens (DCFR)3. Diese sind die Grundlagen für eine mögliche europäische Vereinheitlichung des Zivilrechts, welche in Zukunft die wissenschaftliche Debatte um die Konkurrenz von Rechten bestimmen könnte. 1. Das UN-Kaufrecht (CISG) Das UN-Kaufrecht ist das Vorbild für das neue deutsche Leistungsstörungsrecht.4 Die Vorteile des CISG macht der Gesetzgeber der Schuldrechtsreform von 2001 an vier wesentlichen Aspekten fest.5 Es kommt zunächst ohne gesonderte Vorschriften zum Unmöglichkeitsrecht aus. Der 2

Principles of European Contract Law; original in englischer Sprache veröffentlicht von: Lando/Beale, Part I/II (2000); hier in deutscher Übersetzung verwendet: von Bar/Zimmermann, Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts, Teile I und II (2002), zitiert als PECL. 3 Draft Common Frame of Reference (DCFR); original in englischer Sprache veröffentlicht von: von Bar/Clive/Schulte-Nölke u. a., Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law (hier verwendete Fassung aus dem Jahr 2009). 4 Ausdrücklich: Regierungsentwurf, BT-Drs. 16/6040, S. 86: „Das Konzept des UN-Kaufrechts sollte [. . .] bei der Reform des Leistungsstörungsrechts Beachtung finden und kann in vielen Regelungen als Vorbild dienen.“ 5 Allesamt: BT-Drs. 16/6040, S. 86.

A. Vorüberlegung

161

Vorrang der Erfüllung steht dabei im Vordergrund, es sei denn es handelt sich um eine wesentliche Vertragsverletzung. Gemäß CISG kann der Gläubiger jegliche Rechtsbehelfe mit dem Schadensersatzanspruch kumulieren. Und schließlich: Es lässt die mitunter schwierige Frage des Verschuldens im Wesentlichen außer Acht. Hinsichtlich der Rechtsbehelfe sah der Gesetzgeber der Schuldrechtsreform weitestgehende Überschneidungen mit dem bestehenden Modell des BGB. Jedoch stellte sich seiner Meinung nach das CISG im Gegensatz zum BGB als überwiegend widerspruchsfrei, verständlich und rechtspolitisch einleuchtend heraus.6 Auch um eine Dichotomie von angewandten Normensystemen zu vermeiden, zog man daher zur Reform des deutschen Leistungsstörungsrechts die Normen des CISG heran. Freilich hat das deutsche Recht einige Eigenheiten beibehalten bzw. neu geschaffen. Diese gilt es besonders hervorzuheben. 2. Die Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts (PECL) Die Teile I und II der Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts (PECL), vorbereitet und veröffentlicht im Jahr 2000 von der sog. LandoKommission7, sind zu einem großen Teil vom Regelungsmodell des CISG beeinflusst.8 Im Gegensatz zum CISG sind die PECL aber nicht auf Kaufverträge beschränkt. Die PECL sind vereinheitlichte Prinzipien darüber, wie im europäischen Raum Verträge geschlossen, ausgestaltet, ausgelegt und abgewickelt werden. Sie haben keine gesetzliche Zwangswirkung, gelten aber als zentraler Referenztext des europäischen Zivilrechts.9 Unter anderem liegt dies daran, dass sie als Basis10 für die Arbeit der sog. Study Group on a European Civil Code gelten, der Arbeitsgruppe also, welche wesentlich die Entwicklung eines einheitlichen europäischen Zivilrechts bestimmt11. Die PECL regeln u. a. in ihren Kapiteln 8 und 9 die Rechtsbehelfe des Gläubigers im europäi6

BT-Drs. 16/6040, S. 86. Kommission für Europäisches Vertragsrecht unter dem Vorsitz von Ole Lando, initiiert seit 1987; siehe: von Bar/Zimmermann, PECL, S. XVIII. 8 von Bar/Zimmermann, PECL, S. XXVII: „besonders ergiebige Inspirationsquelle“. 9 Jansen, in: Eger/Schäfer, Ökonomische Analyse der europäischen Zivilrechtsentwicklung, S. 76 (79). 10 Siehe z. B. den Hinweis bei: Sivesand, The Buyer’s Remedies for Non-Conforming Goods, S. 2. 11 Es handelt sich bei der sog. Study Group um eine internationale Forschungsgemeinschaft, deren ambitioniertes Projekt darin besteht, über die PECL hinaus einen umfassenden Kodifikationsentwurf für das europäische Vermögensrecht zu er7

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

schen Vertragsrecht. Auf diese und ihre Beziehungen untereinander kommt es hier an. 3. Der Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens (DCFR) Braucht Europa ein einheitliches Bürgerliches Gesetzbuch? Dies ist in erster Linie eine politisch umstrittene Frage. Der ursprünglichen Forderung des Europäischen Parlaments nach einer einheitlich europäischen Kodifikation12 steht nunmehr die eindeutige Skepsis der Europäischen Kommission gegenüber13. Politisch ist das Fernziel eines Gesetzestextes vorerst aufgegeben worden. Stattdessen wurde seit 2003 ein sog. Gemeinsamer Referenzrahmen (CFR) angestrebt. Der wissenschaftliche Entwurf hierfür – DCFR genannt – liegt seit Ende 2007 vor.14 Der DCFR enthält Grundregeln, Definitionen und Modellregelungen des Gemeinschaftszivilrechts. Diese speisen sich aus den innovativen Vorschlägen der Study Group sowie der Summe bereits bestehender gemeinschaftsrechtlicher Privatrechtsgrundsätze, die man als „acquis communautaire“ bezeichnet und welche von der gleichnamigen Acquis Group15 zusammengetragen wurden. Study Group und Acquis Group ergänzen sich im Vorschlag des DCFR: Während Erstere wünschenswerte („desirable“) Regeln für ein künftiges Gemeinschaftszivilrecht schafft, sammelt Letztere die in den Mitgliedsstaaten bereits angewandten allgemeingültigen („existing“) Regeln europäischen Privatrechts.16 Der Entwurf des Referenzrahmens hat keine verbindliche Rechtswirkung. Dennoch hat der DCFR künftig indirekt rechtlichen und praktischen Einarbeiten. Dazu kurz: Jansen/Zimmermann, JZ 2007, 1113 (1114); ausführlich: von Bar, Festschrift für Dieter Henrich, S. 1 ff. 12 Formuliert in zwei Entschließungen in den Jahren 1989 und 1994: ABl. EG 1989 C 158/400; ABl. EG 1994 C 205/518. 13 Mitteilung vom 11.10.2004; abgedruckt in: ZEuP 13 (2005), 462 ff. 14 von Bar/Clive/Schulte-Nölke u. a., DCFR, S. 1 ff. 15 European Research Group on Existing EC Private Law. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, den gegenwärtigen Bestand des Privatrechts der Europäischen Union (Rechtsakte wie Richtlinien, insbesondere auf den Gebieten des Arbeitsrechts, Gesellschafts- und Verbraucherrechts erlassen) zu sichten und allgemeine Grundregeln zu formulieren. Zusammenfassend: Jansen, in: Eger/Schäfer, Ökonomische Analyse der europäischen Zivilrechtsentwicklung, S. 76 (76). 16 Dazu: Jansen/Zimmermann, JZ 2007, 1113 (1117); Schulze, in: Schulze, Common Frame of Reference and Existing EC Contract Law, S. 3 (5). Zu beidem kritisch: Jansen, in: Eger/Schäfer, Ökonomische Analyse der europäischen Zivilrechtsentwicklung, S. 76 ff. Kritisch zur gesamten „Erosion des Privatrechts durch das Europarecht“ auch: Honsell, ZIP 2008, 621 ff., der freilich auch auf die Chancen des DCFR hinweist.

A. Vorüberlegung

163

fluss auf legislative Akte im Bereich des Vertragsrechts. Dies hat das Europäische Parlament Ende 2007 ausdrücklich angekündigt.17 Der bereits vorliegende Entwurf wird, sofern er für in sich stimmig und mit den sonstigen europäischen Normen in Einklang stehend erachtet wird, das zukünftige Vertragsrecht maßgeblich beeinflussen.18 Die europäischen Gesetzgeber werden sich bei allen künftigen Vorhaben auf das DCFR als tool box beziehen.19 Schon deshalb ist ein Vergleich der Rechtskonkurrenzfälle des BGB zum DCFR von größtem Interesse. Darüber hinaus müssen wir das Regelungsmodell der Rechtsbehelfe im DCFR als Nachfolger der PECL verstehen.20 Obwohl im Kontext der Rechtsbehelfe weitestgehend deren Systematik übernommen wurde, berücksichtigt der DCFR nun Entwicklungen21 und Probleme, die in der Anwendung der PECL entstanden.22 Abweichungen zwischen DCFR und PECL verdienen daher besondere Beachtung. Parallel zur Erarbeitung des sog. Gemeinsamen Referenzrahmens läuft die Weiterentwicklung eines harmonisierten Verbraucherrechts. Die Europäische Kommission hat ungeachtet des hier untersuchten DCFR am 8. Oktober 2008 den Vorschlag einer Horizontalrichtlinie über Verbraucherrechte vorgelegt.23 Damit wird beabsichtigt, vier bestehende Richtlinien im Verbraucherrecht – die Haustürwiderrufs-24, Klausel-25, Fernabsatz-26 und Verbrauchsgüterkaufrichtlinie27 – zu einer Gesamtregelung zusammenzuführen. Der Richtlinienvorschlag trifft überwiegend auf Ablehnung.28 Kritisiert wird unter anderem der Paradigmenwechsel vom Minimalstandardprinzip zur Vollharmonisierung, vor allem aber das punktuelle Absenken des Verbraucherschutzniveaus unter den bestehenden Standard in verschiedenen Mitgliedstaaten. Von den inhaltlichen Vorschlägen ist für die vorliegende Untersuchung Kapitel IV, Art. 21–29 des Richtlinienentwurfs, welche die Gewährleistungrechte beim Verbraucherkaufvertrag neu regeln sollen, von 17

Vgl. die Dokumentation der Entschließung bei: Rieder, WM 2008, 184. Rieder, WM 2008, 184. 19 Jansen, in: Eger/Schäfer, Ökonomische Analyse der europäischen Zivilrechtsentwicklung, S. 76 (81). 20 So ausdrücklich: von Bar/Clive/Schulte-Nölke u. a., DCFR, S. 30. 21 Mittlerweile gibt es u. a. die den PECL ähnlichen Principles of European Tort Law (PETL) für das Deliktsrecht: ZEuP 2004, S. 427 ff. 22 von Bar/Clive/Schulte-Nölke u.a., DCFR, S. 30. 23 KOM (2008), 614. 24 Richtlinie 85/577/EWG, ABl.EG 1985 L 372/31. 25 Richtlinie 93/13/EG, ABl.EG 1993 L 95/29. 26 Richtlinie 97/7/EG, ABl.EG 1997 L 144/19. 27 Richtlinie 1999/44/EG, ABl.EG 1999 L 171/12. 28 Exemplarisch: Tonner/Tamm, JZ 2009, 277 ff.; Tacou, ZRP 2009, 140 (143); Föhlisch, MMR 2009, 75 (79); Micklitz/Reich, EuZW 2009, 279 ff. 18

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Interesse. Hier ist bei den Neuerungen vor allem auf die vorgesehene zweimonatige Rügeobliegenheit des Verbrauchers nach Art. 28 Nr. 4 des Vorschlags hinzuweisen. Beachtlich ist zudem, dass die Wahl zwischen den Formen der Nacherfüllung nach Art. 26 Nr. 2 dem Verkäufer zustehen soll. Zwischen den möglichen Zukunftsmodellen eines Gemeinsamen Referenzrahmens auf der einen Seite und einer Horizontalrichtlinie über die Verbraucherrechte auf der anderen Seite wird eine Abstimmung erforderlich sein.29 Offen ist dabei, ob der Richtlinienvorschlag angesichts der enormen Kritik in dieser Form unverändert erlassen wird.30 Da zudem der DCFR als erster Entwurf bestehendes europäisches Vertragsrecht allgemein und den gemeinschaftlichen acquis gleichermaßen berücksichtigt und der Richtlinienvorschlag lediglich das Verbraucherrecht als Teilausschnitt des Schuldrechts betrifft, soll sich der folgende Vergleich auf den DCFR als mögliches Zukunftsmodell konzentrieren.

B. Die elektive Konkurrenz gleichrangig primärer Ansprüche Zwei gleichrangige Ansprüche gegen denselben Schuldner, die sich in ihrer Geltendmachung gegenseitig ausschließen, stehen in elektiver Konkurrenz. Gleichrangigkeit bedeutet in diesen Fällen, dass keine Staffelung der Rechte im Sinne einer Rangfolge ihrer Entstehung gegeben ist. Einen interessanten Beispielsfall stellt die elektive Konkurrenz der Ansprüche nach § 179 Abs. 1 BGB dar, da dort der „vertragliche“ Erfüllungsanspruch gesetzlich angeordnet ist und zum alternativen Schadensersatzanspruch gleichrangig steht. Dieses Beispiel dient dazu, die Unterscheidung zwischen wirksamen Ansprüchen und solchen Ansprüchen, die erst geltend gemacht werden müssen, zu verstehen. Letzteres sind sog. verhaltene Ansprüche, die man im System der Gläubigerrechte häufiger finden kann.

I. Verhaltene Ansprüche 1. Die Definition nach Langheineken Ob ein Anspruch Wirkung entfaltet, hängt nicht allein davon ab, ob er überhaupt existiert. Das zeigen die Fälle, in denen der Anspruch zwar be29

Tonner/Tamm, JZ 2009, 277 (289). Vgl. etwa die Einschätzung von Föhlisch, der von einer „Lawine an kritischen Fragestellungen“ und vom „Widerstand von akademischer Seite“ ausgeht: MMR 2009, 75 (79). 30

B. Die elektive Konkurrenz gleichrangig primärer Ansprüche

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steht, die Durchsetzung des Anspruchs aber dauerhaft oder vorübergehend nicht möglich ist. In diesem Zusammenhang muss man das Konstrukt eines sog. verhaltenen Anspruchs sehen. Gemeint ist damit ein bestehender Anspruch, der nicht fällig aber gleichzeitig in keiner Weise gehemmt ist. Als grundlegend gilt die Definition von Paul Langheineken: „Der Anspruch ist [. . .] bereits voll begründet, es ist also jemand ‚berechtigt, eine Leistung zu verlangen‘; es liegt aber noch keine aktuelle Verpflichtung beim Schuldner vor, so dass ihm bereits die Leistung zugemutet werden könnte oder der Gläubiger sich darüber beklagen könnte, dass die Leistung noch nicht bewirkt ist; trotzdem ist aber keine Anspruchshemmung anzunehmen, aus dem einfachen Grunde, weil der Gläubiger in der Geltendmachung seines Anspruchs nicht im geringsten behindert ist.“31 Was steckt hinter dieser Figur? Langheineken drückt mit der „Verhaltenheit“ des Anspruchs aus, dass ein Forderungsrecht des Gläubigers besteht, dessen Bewegung aber – wie er es ausdrückt – „ruht“.32 Allein vom Willen des Berechtigten hängt es ab, ob die Bewegung in Gang gesetzt wird. Der normale Anspruch ist indes gegen den Schuldner gerichtet und „bewegt sich auf diesen zu“. Allein der Berechtigte kann diese Bewegung initialisieren, oder anders: aktualisieren33. Deutlich wird die Verhaltenheit des Anspruchs bei der Betrachtung des „Ruhezustands“ durch den Blickwinkel des Schuldners. Einen nicht verhaltenen Anspruch kann dieser nämlich jederzeit erfüllen, indem er die Leistung erbringt. Bei einem verhaltenen Anspruch kann er dies nicht, sondern muss abwarten, bis der Gläubiger dessen Erfüllung auch tatsächlich verlangt.34 Ein verhaltener Anspruch ist also ein Anspruch, dessen Wirkung die Ausübung der Befugnis zum „Verlangen“ voraussetzt. Gesetzliche Beispiele für das Leistenmüssen auf Verlangen sind die Pflicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung in den §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB, die Pflicht zur Freizeitgewährung zur Stellungssuche aus § 629 BGB oder die Pflicht des Zedenten zur Beurkundung nach § 403 Satz 1 BGB.35 Das Gesetz kennt solche Fälle, in denen ein Anspruch erst durch Verlangen aktualisiert und zur Entfaltung gebracht wird. 31

Langheineken, Anspruch und Einrede, S. 101 (101). Langheineken, Anspruch und Einrede, S. 101 (103). 33 Knütel, AcP 175 (1975), S. 45 (53). 34 Vergleich im Kontext von § 281 Abs. 4 BGB: MüKo/Ernst, § 281 Rn. 69, der allerdings Leistungsinhalte meint und damit im Widerspruch zur herrschenden Auffassung steht. Dazu sogleich: S. 203 ff. 35 Viele Beispiele bei: Langheineken, Anspruch und Einrede, S. 101 (103); Weitnauer, Festschrift für Hefermehl, S. 467 (480). 32

166

Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Man begreift die Wahlentscheidung als Initialzündung für die Wirkung des Anspruchs. Zuvor ist der Anspruch existent, ungehemmt und nicht mit Einreden belastet.36 Trotzdem ist der Schuldner vor dem Anspruch geschützt, denn er ist vorhanden, wird jedoch bis zum Verlangen des Gläubigers „aufgehalten“37. Zugleich ist der Gläubiger geschützt, denn der Schuldner kann nicht einseitig den Anspruch erfüllen, wenn es nicht verlangt wird. 2. Der Grad der Wirkungslosigkeit eines Anspruchs Die Verhaltenheit ist eine Frage, ob und wie wirkungsvoll der Anspruch ist. Der Grad der Wirkungslosigkeit eines Anspruchs kann sehr unterschiedlich sein. Es beginnt mit der Frage der Existenz. Dort ist der Maßstab ein absoluter: Besteht der Anspruch oder nicht? Ein bestehender Anspruch wiederum kann unterschiedlich stark in seiner Wirkung aufgehalten sein. Ist seine Durchsetzung dauerhaft, evtl. endgültig nicht möglich, dann steht dies faktisch der Nichtexistenz des Anspruchs gleich. Ist der Anspruch hingegen nur vorübergehend in seiner Ausübung beschränkt, kann man von einem weniger starken Grad an Wirkungslosigkeit sprechen. Es gibt verschiedene Gründe dafür, warum ein Anspruch (zeitweilig oder endgültig) keine Wirkung entfaltet. Insbesondere sind dies die Bedingung, die Betagung oder die Befristung. Bedingte, gehemmte, betagte oder verhaltene Ansprüche haben eines gemeinsam: Ihre Wirkung ist abhängig von einem Faktor. Der bedingte Anspruch unterscheidet sich vom verhaltenen Anspruch etwa dadurch, dass bei ersterem die Existenz des Anspruchs von diesem Faktor abhängig ist, beim zweiten aber nicht. Die Abhängigkeit des verhaltenen Anspruchs vom „Verlangen“ betrifft nicht dessen Existenz, sondern bloß dessen Erfüllbarkeit. Der verhaltene Anspruch steht folglich ganz am Ende dieser Skala. Denn der Anspruch existiert und ist aus Sicht des Gläubigers weder dauerhaft noch vorübergehend wirkungslos. Vielmehr fehlt es nur einem „Zutun“ des Gläubigers selbst, dem Anspruch Wirkung zu verleihen. Er muss lediglich die Erfüllung des Anspruchs vom Schuldner verlangen. Dabei wird nicht die Existenz des Anspruchs von seiner Erklärung angeordnet, sondern die Durchsetzung bzw. die Erfüllbarkeit des Anspruchs. Bei dem Verlangen handelt es sich quasi nur um den „Schlüssel“ in der Hand des Anspruchsinhabers; die bloße Benutzung öffnet ihm die Tür. 36

Vgl. hierzu Langheinekens Ausführungen zur Wirkung einer Verhaltenheit auf die Verjährung, die Hemmung und den Verzug: Langheineken, Anspruch und Einrede, S. 106 ff. 37 Langheineken, Anspruch und Einrede, S. 101 (103).

B. Die elektive Konkurrenz gleichrangig primärer Ansprüche

167

Existenz des Anspruchs fraglich = bedingter oder befristeter Anspruch

Durchsetzung dauerhaft

Durchsetzung

nicht möglich

zeitweise nicht

=

möglich

Erfüllung vom Ver-

verjährter

=

langen abhängig

Anspruch

nicht fälliger

=

Anspruch

verhaltener Anspruch

Grad der Wirkungslosigkeit

Abb. 8: Gründe für die Wirkungslosigkeit eines Anspruchs

II. Die Konkurrenz verhaltener Ansprüche am Beispiel des § 179 Abs. 1 BGB Ein Beispiel für die Verhaltenheit eines Anspruchs ist die Haftung des falsus procurator nach § 179 Abs. 1 BGB. In diesem Fall stehen dem Gläubiger – dem Vertragsgegner – zwei Ansprüche gegen den Vertreter ohne Vertretungsmacht zu, nämlich ein Erfüllungsanspruch in Bezug auf den nicht zustande gekommenen Vertrag und ein Schadensersatzanspruch an dessen Stelle. Beide Ansprüche sind verhaltene Ansprüche. 1. Beispiel Jemand kauft als Vertreter für einen Anderen eine Maschine zum Preis von 1.000 e, ohne bevollmächtigt zu sein. Der Vertretene verweigert später folgerichtig seine Zustimmung zum Vertrag. Der Verkäufer beklagt, dass er bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Geschäfts einen Gewinn von 100 e gemacht hätte (objektiver Wert der Maschine: 900 e). Nun will der Verkäufer gegen den Vertreter ohne Vertretungsmacht vorgehen. Ihm stehen gemäß § 179 Abs. 1 BGB zwei Ansprüche38 zur Ver38 So zu Recht die heute herrschende Meinung: Erler, Wahlschuld, S. 67; Staudinger/Bittner, § 262 Rn. 7; BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 5; MüKo/Krüger, § 262 Rn. 5; Hilger, NJW 1986, 2237 (2238); Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 259; Palandt/Heinrichs, § 262 Rn. 6 mit weiteren Nachweisen. Zum Problem der früheren Einordnung als Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht siehe bereits: S. 71 ff.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

fügung. Zum einen könnte er vom Vertreter ohne Vertretungsmacht Erfüllung verlangen. Dann fordert er vom Vertreter Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 1.000 e und Abnahme der Maschine, § 433 Abs. 2 BGB. Der Verkäufer könnte aber ebenso gut Schadensersatz beanspruchen. Dieser beliefe sich auf die Differenz zwischen dem Wert der Maschine und dem Kaufpreis. Der Vertreter hätte dann 100 e zu zahlen und der Verkäufer würde die Maschine behalten. Dies sind zwei Ansprüche, die aufgrund derselben Tatbestandsvoraussetzungen gleichrangig und nicht gestaffelt sind. Sie schließen sich in ihrer Geltendmachung aus, denn der Verkäufer als Gläubiger darf nicht zugleich Erfüllung und den Ersatz des durch die Nichterfüllung entstandenen Schadens fordern. Es handelt sich also um einen Fall der elektiven Konkurrenz. 2. Die Besonderheiten des Falls § 179 Abs. 1 BGB begründet, wie ich bereits an anderer Stelle erläutert habe, ein von Anfang an (in statu nascendi) gestörtes Schuldverhältnis.39 Die Ansprüche des Gläubigers in elektiver Konkurrenz dienen allein der Abwicklung der Störungsfolgen. Das macht die Eigenart der Norm aus. Daraus folgen drei weitere Beobachtungen. Zum einen – und das ist bereits ungewöhnlich – konkurriert in § 179 Abs. 1 BGB ein Erfüllungsanspruch mit einem Schadensersatzanspruch statt der Leistung, ohne dass es eine Rangfolge gibt. Die im Leistungsstörungsrecht des BGB übliche – und auch logische – Staffelung lautet: erst Primäranspruch, dann Sekundäranspruch an dessen Stelle. Dies ist hier nicht der Fall: Der Erfüllungsanspruch, also Anspruch auf Erbringung der Leistung, ist dem Schadensersatzanspruch nicht vorrangig. Beide sind gleichrangig. Die zweite Besonderheit liegt darin, dass die Anordnung der Erfüllung kraft Gesetzes erfolgt. Das BGB ordnet also Vertragsfolgen ohne einen gültigen Vertrag an.40 Im genannten Beispiel handelt es sich um eine Aufforderung zur Kaufpreiszahlung in Höhe von 1.000 e sowie die Abnahmepflicht bzgl. der Maschine. Beide Pflichten erwachsen im Regelfall dem § 433 Abs. 2 BGB, der auf einer kaufvertraglichen Einigung aufbaut. Durch § 179 Abs. 1 BGB wird diese Einigung durch ein gesetzliches Schuldverhältnis ersetzt. Wichtiger ist hier die dritte Beobachtung. Mit Tatbestandsmäßigkeit des § 179 Abs. 1 BGB, also mit der Vertretung ohne Vertretungsmacht, besteht zwischen dem Vertragsgegner und dem falsus procurator ein gesetzliches 39 40

Erler, Wahlschuld, S. 68. Dazu bereits: S. 152 ff. Dazu ausführlich: Litterer, Vertragsfolgen ohne Vertrag, S. 27 ff.

B. Die elektive Konkurrenz gleichrangig primärer Ansprüche

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Schuldverhältnis. Dieses beinhaltet zwei nicht bedingte, ungehemmte und nicht betagte Ansprüche. Erst die Wahl des Gläubigers entscheidet darüber, welcher der Ansprüche erfüllt werden soll. Der Vertreter kann nicht von sich aus Erfüllung anbieten oder Schadensersatz leisten. Es bedarf zur Wirksamkeit von Erfüllungsversuchen zunächst der Erklärung des Gläubigers, welche Leistung erbracht werden soll. Erst die Wahlerklärung des Gläubigers initiiert die Schuld und damit die Erfüllbarkeit derselben. Sowohl der Erfüllungsanspruch als auch der Schadensersatzanspruch sind damit verhaltene Ansprüche. 3. Logische Einordnung der Konkurrenz Ob nun ein Anspruch oder, wie im besonderen Fall des § 179 Abs. 1 BGB, mehrere Ansprüche verhalten sind und in einer elektiven Konkurrenz stehen, ändert nichts an der logischen Einordnung der Konkurrenz. Es gilt: Die Geltendmachung beider Ansprüche ist ausgeschlossen. Das bedeutet, dass der Gläubiger sich zwischen Anspruch 1 und Anspruch 2 entscheiden muss. Es handelt sich hier um ein Entweder-oder, eine Kontravalenz. Im Beispiel des § 179 Abs. 1 BGB kann der Verkäufer also entweder Erfüllung oder Schadensersatz verlangen. Logisch heißt das: Vertretung ohne Vertretungsmacht ! (Erfüllungsanspruch # Schadensersatzanspruch).

III. Vergleich zu PECL und DCFR Weder die PECL noch der DCFR41 treffen eine allgemeine Regelung über die alternative Geltendmachung von gleichrangigen Ansprüchen. Insofern gilt also nichts Abweichendes gegenüber dem BGB: Sobald die Ansprüche des Gläubigers nicht kumulativ geltend gemacht werden können, sich also ausschließen, stehen sie in elektiver Konkurrenz. Eine explizite Regelung in diesem Sinne gibt es nur für sekundäre Rechtsbehelfe bei Leistungsstörungen nach Art. 8:102 PECL und – gleichlautend – Art. III.-3:102 DCFR, nicht aber für Konkurrenzen gleichrangiger Primäransprüche. Zum Fall der Haftung des falsus procurator nach § 179 Abs. 1 BGB finden wir korrespondierende Regelungen in Art. 3:204 (2) PECL und Art. II.-6:107 (2) DCFR. Beide Regelungen sehen lediglich einen Schadens41 Das CISG ist beschränkt auf Kaufverträge. Dort würde eine allgemeine Regelung zur Konkurrenz von Ansprüchen keinen Sinn machen, sondern bloß eine Klarstellung der Beziehung von kaufrechtlichen Rechtsbehelfen. Als solche dürfen wir Art. 45 CISG verstehen.

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ersatzanspruch der dritten Partei (des Vertragsgegners) gegen den Vertreter vor. Die dritte Partei ist danach so zu stellen, als hätte der Vertreter mit Vollmacht gehandelt. Dies entspricht dem Ersatz des positiven Interesses. Die dritte Partei hat aber keine Möglichkeit, Erfüllung hinsichtlich der vertraglich erwarteten Leistung zu verlangen. Ein Wahlrecht, wie im deutschen Recht, gibt es nach PECL und DCFR nicht. Dem Gläubiger bleibt nur der Schadensersatz. Insofern scheidet auch eine elektive Konkurrenz aus.

IV. Fazit: Die elektive Konkurrenz gleichrangig primärer Ansprüche Mehrere Ansprüche des Gläubigers, die gleichrangig sind – also nicht im Verhältnis „primär-sekundär“ stehen – und die sich in ihrer Geltendmachung gegen den Schuldner ausschließen, stehen in elektiver Konkurrenz. Ein gesetzliches Beispiel bietet die elektive Konkurrenz der Ansprüche gegen den falsus procurator nach § 179 Abs. 1 BGB. Aussagenlogisch handelt es sich um das Verhältnis starker Ausschließlichkeit (Entweder-oder), das wir Kontravalenz nennen. Die Kontravalenz entsteht nicht gestaffelt. Beide Ansprüche beruhen auf demselben Entstehensmoment (Ereignis x). Die Haftungsnorm des falsus procurator verdeutlicht, dass man zwischen wirkungsvollen Ansprüchen und solchen, die erst geltend gemacht werden müssen, unterscheidet. Letzteres sind verhaltene Ansprüche. Auch sie können in elektiver Konkurrenz stehen, wie § 179 Abs. 1 BGB zeigt: Hier hat der Gläubiger zwei verhaltene, aber gleichrangig primäre Ansprüche zur Auswahl.

C. Die Konkurrenz der Nacherfüllungsvarianten Zwischen den Nacherfüllungsvarianten der Nachbesserung und Ersatzbzw. Nachlieferung besteht eine Konkurrenz. Dies ist im BGB, bedingt durch den Vorrang der Nacherfüllung und die Modifikation des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs im Mangelfall, eine Konstellation der Konkurrenz auf Primärrechtsebene. Es handelt sich aber, anders als bei der soeben beschriebenen Konkurrenz gleichrangig alternativer Ansprüche, um eine spezielle Frage des Gewährleistungsrechts. Daher untersuche ich diese im Folgenden als eigene Fallkategorie. Bei der Wahl des Käufers nach § 439 Abs. 1 BGB zwischen Nachbesserung und Nachlieferung als Varianten der Nacherfüllung handelt es sich um einen Fall einer gesetzlichen Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht. Nach dem Konzept des CISG hingegen stehen die Nacherfüllungsvarianten in

C. Die Konkurrenz der Nacherfüllungsvarianten

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elektiver Konkurrenz. Nach den PECL und dem DCFR besteht eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht. Diese ist auf die Erfüllung eines gesetzlichen sekundären Gläubigerrechtsbehelfs und nicht wie im deutschen Recht auf die Erfüllung des modifizierten Primäranspruchs bezogen.

I. Die Varianten der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB Der Käufer, dessen Kaufsache sich als mangelhaft erweist, kann nach § 437 Nr. 1 i. V. m. § 439 Abs. 1 BGB vom Verkäufer Nacherfüllung verlangen. Zur Auswahl stehen die Varianten Mangelbeseitigung, also Nachbesserung, und Lieferung einer mangelfreien Sache, also Nachlieferung. Ob dieses Wahlrecht eine elektive Konkurrenz oder eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht darstellt, ist umstritten.42 Meines Erachtens ist § 439 Abs. 1 BGB richtigerweise ein Fall der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht. Die Stringenz der Wahlschuldregeln gemäß §§ 262 ff. BGB widerstreben jedoch dem Zweck der Nacherfüllung. Hierfür gibt es verschiedene Lösungsvorschläge, die die Untersuchung im Folgenden aufgreift. Ich plädiere für ein Zusammenspiel zweier Ansätze: zum einen der Spezialität der gewährleistungsrechtlichen Prinzipien gegenüber den allgemeinen Wahlschuldregeln, zum anderen der Annahme eines ius variandi im Rahmen des § 263 Abs. 1 BGB. 1. Frühere Rechtslage Vor der Schuldrechtsmodernisierung von 2001 kannte das BGB keine Wahl des Käufers bezüglich zweier Nacherfüllungsvarianten. Die Gewährleistungsrechte beim Kaufvertrag mit Sachmängeln43 waren Wandelung 42 Derselbe Streit entfacht sich am Nacherfüllungsrecht im Werkvertrag nach § 635 BGB. Richtigerweise besteht dort ebenso das strukturelle Problem der Wahloptionen. Wir können das hier zu § 439 Abs. 1 BGB Gesagte also auf § 635 BGB übertragen. Zu beachten ist jedoch, dass im Werkvertragsrecht dem Werkunternehmer als Schuldner das Wahlrecht zusteht. Siehe nur: Spickhoff, BB 2003, S. 589 (593). 43 Zu trennen war nach Rechtsmängeln und Sachmängeln, für die unterschiedliche Rechtsfolgen vorgesehen waren. Dies war mitunter schwierig. Ebenso problematisch war der Streit zwischen der Erfüllungstheorie und der Gewährleistungstheorie um die dogmatischen Grundlagen der Rechtsbehelfe. Zusammenfassend: Palandt/ Putzo (59. Auflage 2000), Vorbemerkung vor § 459 Rn. 1. Die heutige Gesetzeskonzeption folgt der Erfüllungstheorie, nach der mangelhafte Leistung Nichterfüllung und nicht Schlechterfüllung ist. Gleichwohl bleibt die früher herrschende Gewährleistungstheorie zu den §§ 459 ff. BGB a.F, die die kaufrechtliche Mängelgewährleistungsnorm als lex specialis zur Schlechterfüllung betrachtete, dergestalt erhalten, dass der Verstoß gegen den § 433 Abs. 1 S. 2 BGB über den Verweis des § 437

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nach § 462 Var. 1 BGB a. F., Minderung nach § 462 Var. 2 BGB a. F. und Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach §§ 463, 480 BGB a. F. Die Nacherfüllung war grundsätzlich nicht als Mittel der Gewährleistung vorgesehen. Einzig für den Fall eines Gattungskaufs bestand ein Anspruch aus § 480 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. auf Nachlieferung. Die Nachbesserung war im Gesetz nicht verankert. Dass dem Gesetzgeber diese zweite denkbare Möglichkeit der Nacherfüllung aber nicht unbekannt war, zeigt § 476 a BGB a. F. Die Nachbesserungsvariante musste von den Parteien vereinbart worden sein. Die Ansprüche auf Nachlieferung und Nachbesserung standen in elektiver Konkurrenz zu den Gewährleistungsrechten, sofern diese nicht gar ausgeschlossen waren. a) Nachlieferung: Der modifizierte Erfüllungsanspruch Der Nachlieferungsanspruch im Falle eines Gattungskaufs nach § 480 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. war nach ganz herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur der nach wie vor bestehende, aber gesetzlich modifizierte Erfüllungsanspruch. Denn nach früherer Ansicht galt: Ist die gelieferte Sache mangelhaft, so handelt es sich um einen untauglichen Erfüllungsversuch des Verkäufers, den der Käufer zurückweisen kann. Untauglich war der Erfüllungsversuch deshalb, weil die mangelhafte Sache nicht mittlerer Art und Güte der Gattung entsprach und damit die Gattungsschuld nicht gemäß § 243 Abs. 2 BGB zur Stückschuld konkretisiert worden war. Weil eben dann noch nicht erfüllt wurde, blieb der Erfüllungsanspruch bestehen, und zwar in der gesetzlich modifizierten Form des Nachlieferungsanspruchs nach § 480 Abs. 1 S. 1 BGB a. F.44 b) Nachbesserung: Der selbständige Gewährleistungsanspruch Die Redaktoren des BGB gingen davon aus, dass in aller Regel der Verkäufer ein bloßer Händler sei. Diesem wäre es nicht zumutbar, wenn er sich auf eine Reparatur der Sache, eine Nachbesserung allgemein, einzurichten habe. Sie verzichteten daher auf einen gesetzlichen Nachbesserungsanspruch des Käufers.45 Die Praxis hingegen zeigt, dass dies eine Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Gepflogenheiten war. Denn bis zur BGB nach allgemeinen Leistungsstörungsregeln sanktioniert wird. So: Fikentscher/ Heinemann, Schuldrecht, Rn. 831, S. 405. 44 St. Rspr.: RGZ 52, 352, 353; RGZ 89, 332, 334; BGH, NJW 1961, 117, 117; BGH, NJW 1985, 2526; BGH, NJW 1999, 2884, 2884. Für die Literatur stellvertretend: Staudinger/Honsell (13. Auflage 1995), § 480 Rn. 2 ff. 45 Protokolle I, S. 697/698.

C. Die Konkurrenz der Nacherfüllungsvarianten

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Schuldrechtsmodernisierung war es praktisch die Regel, dass die im BGB vorgesehenen Gewährleistungsrechte des Käufers abbedungen und durch einen Anspruch auf Nachbesserung ersetzt wurden.46 In diesem Fall verblieb es als das einzige Gewährleistungsrecht des Käufers. c) Die Gläubigerwahl: Elektive Konkurrenz Die Nachlieferungsvariante nach § 480 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. hatte folglich ebenso wie die vereinbarte Nachbesserungsvariante den Charakter eines eigenständigen Anspruchs. In ersterem Fall war es der fortbestehende, gesetzlich modifizierte Primäranspruch. Im Nachbesserungsfall war es ein vereinbarter Sekundäranspruch, der entweder neben die gesetzlichen Gewährleistungsrechte trat oder diese vollständig ersetzte. Die praktisch relevanteste Situation, die vollständige Abbedingung der gesetzlichen Gewährleistungsrechte zugunsten des Nachbesserungsanspruchs, ist für die Frage der Gläubigerwahlrechte uninteressant. Denn dann blieb nach früherer Rechtslage dem Käufer nur dieses eine Nachbesserungsrecht, dass er durchsetzen konnte oder nicht. In allen anderen Fällen konnte der Käufer zwischen verschiedenen Rechten wählen. Dabei handelte es sich sowohl bei Wandelung als auch bei Minderung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung um Ansprüche im Sinne des § 194 Abs. 1 BGB.47 Das Verhältnis zwischen den gesetzlichen Gewährleistungsrechten war ein ausschließliches: Weder Wandelung noch Minderung noch Schadensersatz wegen Nichterfüllung konnte neben einem jeweils anderen Gewährleistungsrecht verwirklicht werden. Es bestand eine elektive Konkurrenz.48 Auch der Nachlieferungsanspruch beim Gattungskauf stand zum jeweiligen Gewährleistungsrecht in elektiver Konkurrenz. Sofern der Nachbesserungsanspruch nicht sämtliche anderen Rechte per se ersetzte, schloss er zumindest aus, dass diese zugleich verwirklicht wurden. Auch insofern bestand jeweils eine elektive Konkurrenz. 2. Heutige Regelung: § 439 Abs. 1 BGB Nach heutiger Systematik der Gewährleistung im Kaufrecht hat der Käufer nach §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB ein Wahlrecht der Nacherfüllung. 46 Zusammenfassend: Staudinger/Honsell (13. Auflage 1995), Vorbemerkung zu § 462 Rn. 13 ff., mit Ausführungen zu den Beschränkungen, die das AGB-Recht typisierten Verträgen des Handels setzte. 47 Das bezeugte nicht nur ihre gesetzliche Ausgestaltung, sondern auch der Wortlaut des § 477 Abs. 1 BGB a. F., der von „Ansprüchen“ sprach. 48 Vgl. nur die Nachweise bei: Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, 2016 (2017).

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Dem Wortlaut des § 439 Abs. 1 BGB nach kann der Käufer „als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.“ Die Rechtnatur dieses Wahlrechts hängt davon ab, welche rechtliche Qualität die Wahloptionen haben. Ein Teil der Literatur hält die Konkurrenz der Wahlmöglichkeiten innerhalb des § 439 Abs. 1 BGB für eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht.49 Dann wären die Varianten der Nacherfüllung alternative Leistungsgebote eines einheitlichen Anspruchs auf Nacherfüllung. Vorherrschend ist demgegenüber die Meinung, es handele sich um eine elektive Konkurrenz.50 Das würde bedeuten, es lägen zwei alternative Ansprüche auf Nachlieferung bzw. Nachbesserung vor. Dieser Streit hat erhebliche praktische Folgen.51 Nimmt man nämlich eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht an, müsste man die gesetzlichen Regelungen der §§ 262 ff. BGB beachten. Das ist in mehrerer Hinsicht problembehaftet, wie ich im Folgenden ausführen werde.52 Zum einen würde die Wahl der Nacherfüllung nach § 263 Abs. 1, 2 BGB den Käufer rückwirkend an diese binden. Er könnte wegen des Gestaltungscharakters der Wahl nicht mehr zur alternativen Nacherfüllungsvariante wechseln. Zum anderen begründete § 264 Abs. 2 BGB für den Verkäufer die Möglichkeit, den Käufer zur Entscheidung zu zwingen. Anderenfalls ginge die Entscheidungsbefugnis darüber, welche Nacherfüllungsform zu erbringen sei, auf den Verkäufer über. Demgegenüber würde die Annahme einer elektiven Konkurrenz dem Käufer die Möglichkeit einräumen, nach seiner einmal getroffenen Wahl zur alternativen Variante der Nacherfüllung zu wechseln. Für den Verkäufer bestünde dann die Gefahr, dass plötzlich doch die alternative Nacherfüllungsform gewählt würde, wenn er nicht schnell genug den gewünschten Nacherfüllungsanspruch erfüllte. Er könnte ferner den Käufer nicht zu einer endgültigen Entscheidung zwingen, sondern wäre 49 Büdenbender, AcP 205 (2005), 386 (428); ders., Anwaltkommentar, § 439 Rn. 13; Schellhammer, MDR 2002, 301 (301); Jauernig/Berger, § 439 Rn. 9; Gursky, Schuldrecht Besonderer Teil, S. 22; Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (309); jetzt auch: BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 11 (abweichend zur Vorauflage); offenbar auch: Oechsler, Schuldrecht Besonderer Teil – Vertragsrecht, S. 139. 50 Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 436; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, S. 90; Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, 2016 (2017); MüKo/Westermann, § 439 Rn. 4; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 Rn. 7; BeckOK/Faust, § 439 Rn. 9; Palandt/Weidenkaff, § 439 Rn. 5; Spickhoff, BB 2003, 589 (594); Canaris, Karlsruher Forum 2002, S. 5 (75); Jacobs in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, 371 (375); Skamel, ZGS 2006, 457 (458). 51 Unrichtig ist die Annahme, er sei nur „theoretisch und sprachlich von Bedeutung“. So aber: Jorden/Lehmann, JZ 2001, 952 (958 Fn. 56). 52 Beachte die teleologische Auslegung: S. 181 ff.

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dessen freier Wahl – dem sog. ius variandi – in den Grenzen von Treu und Glauben ausgeliefert. 3. Auslegung der Nacherfüllungsalternative a) Gesetzeswortlaut § 439 Abs. 1 BGB spricht nicht von alternativen „Ansprüchen“. Vielmehr heißt es, „als Nacherfüllung“ stehen die Optionen Mangelbeseitigung und Nachlieferung zur Wahl. Die Nacherfüllung wird als Pflicht dargestellt, die einen der zwei möglichen Inhalte haben kann. Im Duktus des Anspruchsbegriffs nach § 194 Abs. 1 BGB spricht das dafür, die „Nacherfüllung“ als das Recht in den Varianten Mangelbeseitigung (Tun 1) und Neulieferung (Tun 2) zu verstehen. Danach wären die Varianten der Nacherfüllung lediglich Möglichkeiten, wie das einheitliche Nacherfüllungsrecht inhaltlich ausgestaltet werden kann. Der Wortlaut geht von einem geschlossenen Anspruch mit alternativem Inhalt aus und spricht folglich für eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht.53 b) Systematische Auslegung Der Systematik des Gesetzes lässt sich wenig zur Lösung des Streits entnehmen. Allenfalls spricht die Stellung des § 439 Abs. 1 BGB im Anschluss an die Verteilnorm der Gewährleistungsrechte, § 437 BGB, dafür, die Nacherfüllung als selbständigen Sekundärrechtsbehelf zu betrachten und nicht als modifizierte Fortführung des Erfüllungsanspruch. Dieser Sichtweise schließe ich mich aber nicht an.54 Die Nacherfüllung im System der Gewährleistungsrechte nimmt jedoch eine besondere Position ein. Zum einen ist sie, bedingt durch das Fristsetzungserfordernis für den Rücktritt, die Minderung und den Schadensersatz statt der Leistung, den übrigen Rechtsbehelfen vorrangig. Zum zweiten wird, anders als bei der Entscheidung für eines der nachrangigen Gewährleistungsrechte, der Leistungserfolg, also das, was der Käufer erhalten soll, 53

Anwaltkommentar/Büdenbender, § 439 Rn. 13. Für einen eigenständigen Gewährleistungsrechtsbehelf ohne Bezug zum Erfüllungsanspruch etwa: Jauernig/Berger, § 439 Rn. 10; evtl. auch: MüKo/Westermann, § 439 Rn. 1. Die wohl h. M. sieht in dem Nacherfüllungsanspruch den modifizierten bzw. angepassten Erfüllungsanspruch: Canaris, Karlsruher Forum 2002, S. 5 (78); Huber, NJW 2002, 1004 (1005); Ackermann, JZ 2002, 378 (379). Teilweise wird vertreten, es handele sich um einen bloß begrifflichen Streit: Spickhoff, BB 2003, 589 (590). Dazu bereits: S. 147 ff. 54

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durch die Ausübung des Wahlrechts im § 439 Abs. 1 BGB nicht in seiner Existenz berührt. Der Charakter der Wahl, im Vergleich zu den übrigen Rechten ein Aspekt der systematischen Stellung der Nacherfüllung, spricht daher dafür, einen einzigen Anspruch mit alternativem Inhalt anzunehmen.55 c) Historische Auslegung Einen Vorläufer zu § 439 Abs. 1 BGB gab es, wie bereits gezeigt, allein für den Gattungskauf. Dort bestand die Sonderregelung des gesetzlichen Nachlieferungsanspruchs nach § 480 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. Die historische Auslegung der heutigen Regelung fällt aus zwei Gründen schwer. Zum einen macht § 439 Abs. 1 BGB keinen Unterschied zwischen Stück- und Gattungskauf. Das verhindert Parallelen zum früheren Nachlieferungsanspruch. Zum zweiten dient § 439 Abs. 1 BGB der Umsetzung von Art. 3 Abs. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie.56 Die Norm muss daher europarechtskonform ausgelegt werden.57 Da die Richtlinienvorgabe selbst entgegen vereinzelt vertretener Ansicht keine Antwort auf die Frage nach dem Rechtscharakter der Nacherfüllungsvarianten gibt, kommt es maßgeblich auf die deutsche Umsetzung an. aa) Interpretation von Art. 3 Richtlinie 1999/44/EG Auf der Basis der Richtlinienvorgaben zum Verbrauchsgüterkauf wurde das deutsche Schuldrecht in weiten Teilen umgestaltet. Ob die Wahl zwischen Nachbesserung und Nachlieferung ein Fall konkurrierender Ansprüche ist, lässt sich aus diesen Vorgaben aber nicht zwingend herleiten. § 439 Abs. 1 BGB setzt im Wesentlichen Art. 3 der Richtlinie 1999/44/ EG um, der die „Rechte des Verbrauchers“ im Kaufrecht regelt. Dort heißt es in Absatz 2, der Verbraucher habe „entweder einen Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung [. . .] oder auf angemessene Minderung des Kaufpreises“. Diese Vorgabe geht also von einem einheitlichen Nacherfüllungsanspruch aus, der sich in die Varianten Nachbesserung und Ersatzlieferung teilt. Das entspricht unserem Verständnis einer Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht. Vereinzelt wurden in der Literatur daher schon im Lichte der Richtlinie die Folgen der §§ 262 ff. BGB befürchtet. Denn klar ist: Die Richtlinie selbst sieht eine Bindungswirkung des Verbrauchers an 55

Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (309). Richtlinie 1999/44/EG, ABl. 1999, Nr. L 171/12; hier zitiert nach: NJW 1999, 2421 ff. 57 Generell zur europarechtskonformen Auslegung: BGH, NJW 2002, 1881 ff. 56

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die gewählte Form der Nacherfüllung nicht vor.58 Der umfassende Schutz des Verbrauchers, das Ziel der Richtlinie, würde – so wird vorgebracht – durch die Anwendung der §§ 262 ff. BGB, insbesondere § 263 BGB, nicht erreicht.59 Die Wahl der Nacherfüllungsvarianten müsse daher schon wegen der Zielrichtung der Richtlinie eine elektive Konkurrenz sein. Büdenbender kritisiert zu Recht, dass darin eine Überinterpretation der Richtlinie liegt.60 Denn das Ziel des umfassenden Käuferschutzes bedeutet nicht, dass alle Rechtsfragen einseitig im Interesse des Käuferschutzes gelöst werden müssen. Vielmehr ist die Richtlinie mit Lücken versehen, die vom nationalen Gesetzgeber gefüllt werden müssen. Soweit die Richtlinie hier Spielraum für die Umsetzung des Gesetzgebers gibt, gewährt sie folgerichtig auch die Möglichkeit verschiedener Lücken-füllender Interpretationen.61 Diese müssen nicht unbegrenzt käuferbegünstigend sein. bb) Gesetzesbegründung Damit sind wir beim zweiten Schritt, der Richtlinienumsetzung. Im Ergebnis kann man durch Art. 3 der Richtlinie nur bedingt Rückschlüsse auf die Umsetzung des § 439 Abs. 1 BGB ziehen. Das liegt daran, dass der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie über die europäischen Vorgaben hinausging. Vorgabe war vor allem, den Verbraucher im Kaufrecht zu schützen.62 § 439 Abs. 1 BGB aber regelt die Nacherfüllung einheitlich, gleichgültig, ob der Käufer Verbraucher ist oder nicht.63 Wenn also der deutsche Gesetzgeber schon beim persönlichen Anwendungsbereich des Nacherfüllungsrechtsbehelfs über die Richtlinie hinausgeht, ist es ebenso denkbar, dass er die Nacherfüllungsvarianten auch in einer den Käufer begünstigenden Form qualifizieren wollte, nämlich als elektive Konkurrenz, für die die strengen §§ 262 ff. BGB nicht gelten.64 58

Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 439. Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 Rn. 7. 60 Büdenbender, AcP 205 (2005), 386 (405). 61 Büdenbender, AcP 205 (2005), 386 (405). 62 Richtlinie, Erwägungsgründe, NJW 1999, 2421 (2421). 63 Regierungsentwurf: BT-Drucks. 14/6040, S. 231. Durch die „Übererfüllung“ der Vorgaben wollte man eine nationale Rechtszersplitterung nach verschiedenen Kaufvertragsarten verhindern. Das hat zum Teil auch Kritik hervorgerufen. Vgl. nur: Büdenbender, AcP 205 (2005), 386 (404); MüKo/Westermann, Vorbem. § 433 Rn. 5. 64 Das gilt erst Recht für den Bereich des Kaufrechts, der nicht von einem Verbrauchsgüterkauf ausgeht. Denn diesen erreicht der Regelungsgehalt der Richtlinie überhaupt nicht. In diesem „richtlinienüberschießenden“ Bereich ist die Anwendung der §§ 262 ff. BGB nicht durch die Zielrichtung der Richtlinie beschränkt: Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (311). 59

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Ausdrücklich geben die Gesetzesmaterialien keine Auskunft darüber, ob die Wahl der Nacherfüllungsvarianten eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht oder eine elektive Konkurrenz ist.65 Darin wird in der Literatur zum Teil ein Schweigen der Materialien gesehen. Vertreten wird, die Haltung des Gesetzgebers sei deswegen in der Sache neutral und sollte nicht überinterpretiert werden.66 Weiter geht die Meinung, das Schweigen sei Ausdruck einer selbstverständlichen Annahme der elektiven Konkurrenz.67 Meines Erachtens schweigen die Materialien nicht. Erst Recht gehen sie nicht wie selbstverständlich von einer elektiven Konkurrenz aus. Verschiedenenorts deuten die Formulierungen der Gesetzesbegründung vielmehr auf einen einheitlichen Nacherfüllungsanspruch mit alternativem Inhalt hin. Exemplarisch heißt es: „Dieser Anspruch kann auf Nachbesserung oder auf Neulieferung einer mangelfreien Sache gerichtet sein“68. Ferner weist die Begründung auf „ein Recht“69 des Käufers hin. Auch für die Problematik der Beschränkung auf eine Nacherfüllungsvariante nach § 439 Abs. 3 BGB geht der Gesetzgeber davon aus: Wenn „die Unmöglichkeit sich auf eine Art der Nacherfüllung [. . .] beschränkt, so ist auch nur insoweit ein Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs anzunehmen.“70. Das Recht oder der Anspruch werden in der Gesetzesbegründung in aller Regel im Singular verwendet. Das sind Indizien für die Annahme eines einheitlichen Nacherfüllungsanspruchs mit alternativem Inhalt. Dies entspräche einer Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht. cc) Frühere Rechtslage und Abschlussbericht der Schuldrechtskommission Der Rückgriff auf die frühere Rechtslage im BGB misslingt, da das Gewährleistungsrecht, wie bereits dargestellt, in diesem Punkt völlig neu geregelt ist. Früher bestand jedenfalls zwischen den Ansprüchen des Käufers in der Regel eine elektive Konkurrenz. Das Fehlen eines einheitlich gesetzlich geregelten Nacherfüllungsrechtsbehelfs widersprach aber den Bedürfnissen des Handels und der Wirtschaft. 65

Regierungsentwurf: BT-Drucks. 14/6040, S. 220 und 231. Büdenbender, AcP 205 (2005), 386 (407). 67 So: Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, 2016 (2017). 68 BT-Drucks. 14/6040, S. 220, linke Spalte (kursive Hervorhebung nicht in der Gesetzesbegründung). 69 BT-Drucks. 14/6040, S. 220, rechte Spalte (kursive Hervorhebung nicht in der Gesetzesbegründung). 70 BT-Drucks. 14/6040, S. 232, linke Spalte (kursive Hervorhebung nicht in der Gesetzesbegründung). 66

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Im Jahre 1984 wurde eine Kommission für die Überarbeitung des Schuldrechts (Schuldrechtskommission) vom Bundesministerium der Justiz konstituiert. Sie beschäftigte sich mit der Reform des nahezu hundert Jahre alten Schuldrechts im BGB und fertigte einen Abschlussbericht an, dessen Ergebnisse zum Teil Grundlage der späteren Schuldrechtsreform wurden.71 In diesem Bericht wies die Kommission auch auf die Notwendigkeit eines Nacherfüllungsrechts im Kaufrecht hin.72 Der Kommissionsentwurf sah daher in § 438 Abs. 1 BGB-KE einen Anspruch auf Nacherfüllung für den Käufer vor.73 Der Verkäufer konnte danach wählen, ob er den Mangel beseitigt oder eine neue Sache liefert. Der Käufer erhielt also einen zusätzlichen Anspruch gegen den Verkäufer auf Nachbesserung oder Ersatzlieferung. Die Wahl über den Inhalt dieses Anspruchs oblag aber dem Verkäufer. Damit hatte man einen klassischen Fall einer Wahlschuld mit Schuldnerwahlrecht vorgesehen, § 262 BGB.74 Der Rückschluss vom Abschlussbericht der Schuldrechtskommission auf das heutige Gesetz ist uns jedoch verwehrt. Der Reformgesetzgeber hat sich mit der Konzeption des § 439 Abs. 1 BGB gegen diese Lösung entschieden.75 Genauer: Er hat sich gegen ein Wahlrecht des Verkäufers entschieden. Denn zum einen widerspräche das der Vorgabe des Käuferwahlrechts nach Art. 3 der Richtlinie.76 Dieses Argument gilt freilich nur für den Verbrauchsgüterkauf. Zum zweiten aber sei es nur legitim, dem vertragsbrüchigen Verkäufer das Wahlrecht zu versagen und stattdessen den Käufer selbst über die Form der Nacherfüllung entscheiden zu lassen.77 Der Gesetzgeber entscheidet sich damit gegen den Ansatz des Kommissionsentwurfs, wonach schon durch die Rollenverteilung der Parteien (Käufer ist Anspruchsinhaber, Verkäufer ist Wahlberechtigter über den Anspruchsinhalt) klar war, welche rechtliche Konstruktion anzuwenden sei: die Wahlschuld im gesetzlichen Idealfall des § 262 BGB. Heute gebührt dem Käufer als Gläubiger das Wahlrecht. Daraus ergibt sich aber nicht zwingend, dass der Gesetzgeber gerade keine Wahlschuld in § 439 Abs. 1 BGB konzipieren wollte. Vielmehr hat er sich ausdrücklich gegen das Wahlrecht des Verkäufers entschieden, nicht aber gegen eine Wahlschuld, bei der es auch ein Gläubigerwahlrecht geben kann. Aus der Abkehr von 71

Im Folgenden: Abschlussbericht Schuldrechtskommission, (1992). Abschlussbericht Schuldrechtskommission, S. 25. 73 Abschlussbericht Schuldrechtskommission, S. 209. 74 Die Kommission folgte dabei dem Entwurf Ulrich Hubers, der dies ausdrücklich so sah: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 647 und S. 876. 75 BT-Drucks. 14/6040, S. 231, linke Spalte. 76 BT-Drucks. 14/6040, S. 231, linke Spalte. 77 BT-Drucks. 14/6040, S. 231, linke Spalte. 72

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§ 438 BGB-KE lässt sich jedenfalls kein zwingender Rückschluss auf die Lösung des untersuchten Problems ziehen. dd) Rückgriff auf Art. 46 CISG Schon die Erläuterungen der Schuldrechtskommission zu § 438 BGB-KE nahmen Art. 46 des UN-Kaufrechts (CISG)78 zum Vorbild für ein ausgewogenes Nacherfüllungsrecht.79 Auch in der Gesetzesbegründung der Schuldrechtsreform wird hierauf verwiesen.80 Die Annäherung an Art. 46 CISG könnte ein Indiz dafür sein, dass es sich beim Nacherfüllungsrechtsbehelf des § 439 Abs. 1 BGB in Wirklichkeit um zwei konkurrierende Ansprüche handelt. Denn nach der Konzeption des Art. 46 CISG hat der Käufer Ansprüche, die miteinander konkurrieren,81 wie die Untersuchung sogleich aufzeigen wird.82 Der generelle Erfüllungsanspruch nach Art. 46 Abs. 1 CISG wird bei Nichtlieferung relevant. Er ist als selbständiger Rechtsbehelf die Grundregel.83 Ist die Kaufsache hingegen mangelhaft, stehen mit dem Anspruch auf Nachbesserung, Art. 46 Abs. 3 CISG, und dem Anspruch auf Nachlieferung, Art. 46 Abs. 2 CISG, zwei selbständige Ansprüche des Käufers in Konkurrenz, die man als besondere Ausprägungen84 der Grundregel nach Abs. 1 bezeichnen kann. Dass dies qualitativ verschiedene Ansprüche und nicht bloß Inhalte eines Rechts sind, zeigen neben ihrer systematischen Trennung (Absätze 2 und 3) die unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen.85 Die Begründung zu § 439 Abs. 1 BGB lässt aber nicht den Schluss zu, man wolle das Konzept des Art. 46 Abs. 2 und Abs. 3 CISG übernehmen. Es fehlt an einer ausdrücklichen Bezugnahme. Mehr noch: Gerade die tatbestandlichen Unterschiede der Art. 46 Abs. 2, 3 CISG fehlen im § 439 Abs. 1 BGB. Dort ist die Nacherfüllung ein einheitlicher Tatbestand, während das UN-Kaufrecht ganz eindeutig von einer Mehrzahl von Rechtsbehel78 Wiener Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (Convention on Contracts for the International Sale of Goods – CISG) vom 11. April 1980; abgedruckt in: BGBl. 1990 II, 1699. 79 Abschlussbericht Schuldrechtskommission, S. 210. 80 BT-Drucks. 14/6040, S. 220, rechte Spalte. 81 Statt aller: Staudinger/Magnus, Vorbemerkung zu Art. 45 ff. CISG Rn. 4. 82 S. 195 ff. 83 MüKo/Huber, Art. 46 CISG Rn. 4. 84 Schlechtriem/Huber, Art. 46 Rn. 57. 85 Speziell: Für den Anspruch auf Ersatzlieferung muss eine wesentliche Vertragsverletzung gegeben sein und die Anzeigepflicht nach Art. 39 CISG beachtet werden.

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fen (remedies) ausgeht. Gerade weil der Gesetzgeber zu erkennen gibt, das Konzept des Art. 46 CISG bedacht zu haben, lässt die Konzeption des § 439 Abs. 1 BGB nur einen Schluss zu: Es ist eben kein Fall einer Konkurrenz zwischen einem Nachbesserungsanspruch und einem Nachlieferungsanspruch gegeben, sondern ein einheitlicher Anspruch – im Duktus des CISG: ein einheitlicher Rechtsbehelf (remedy) – mit alternativem Inhalt. Der Rückgriff auf Art. 46 CISG deutet folglich an, dass es sich bei § 439 Abs. 1 BGB eher um eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht handelt. ee) Zwischenergebnis: Historische Auslegung Im Ergebnis spricht die historische Auslegung, unter Berücksichtigung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und des CISG, für die Annahme einer Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht in den Varianten des § 439 Abs. 1 BGB. d) Teleologische Auslegung Sinn und Zweck des § 439 Abs. 1 BGB ist es, dass der Käufer eine mangelfreie Sache erhält.86 Die mangelhafte Sache kann auf der Grundlage von § 439 Abs. 1 BGB entweder nachgebessert oder ausgetauscht werden. Zum zweiten wird dem Verkäufer damit ein „Recht zur zweiten Andienung“87 gewährt. Das heißt, er erhält eine zweite Chance, der Vertragspflicht nach § 433 Abs. 1 S. 2 BGB nachzukommen. Aus diesen beiden teleologischen Aspekten nähren sich die wesentlichsten Bedenken gegen die Annahme einer Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht. Denn zum einen kann die Bindungswirkung der Wahl nach § 263 Abs. 1 BGB dem Erfüllungsinteresse des Käufers widersprechen. Das Argument lautet: Eine Wahlschuld würde die Rechtsposition des Käufers unter Umständen zu zeitig und zu stark einengen. Und zum anderen soll das „Recht zur zweiten Andienung“ dem Verkäufer kein Wahlrecht über die Nacherfüllungsform geben. Dies würde aber durch die Regelung des § 264 Abs. 2 BGB möglich. Das Argument lautet hier: Die Rechtsposition des Verkäufers wird durch die Annahme einer Wahlschuld zu sehr verstärkt. Beide Bedenken sind richtig. Sie führen aber nicht zur Verneinung einer Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht. Zu überlegen ist vielmehr, ob und wie in dieser Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht den §§ 262 ff. BGB aus teleologischen Gründen Einhalt geboten werden kann.

86 87

Palandt/Weidenkaff, § 439 Rn. 1. So schon: Abschlussbericht Schuldrechtskommission, S. 33.

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aa) Die Einschränkung der Käuferposition durch § 263 BGB Für den Käufer kann die im Gesetz verankerte Nacherfüllung eingeschränkt sein, wenn die §§ 262 ff. BGB anwendbar wären. Eigentlich soll sie sein Interesse auf Erhalt der Kaufsache im mangelfreien Zustand schützen. Dieser Schutz ist aber im Einzelfall aus Sicht des Käufers nur begrenzt gewährleistet, wenn man eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht annimmt. Maßgeblich verantwortlich dafür ist die Wirkung des § 263 BGB. Ein Fall zur Veranschaulichung.88 Verbraucher K erwirbt beim Elektronikhändler V ein Küchengerät zum Schnäppchen-Preis von 50 e. Das Gerät ist defekt. K verlangt Reparatur und überlässt zu diesem Zweck dem V das Gerät. Nach einigen Tagen erhält K das Gerät zurück; dieses ist aber immer noch defekt. Wegen eines Mitarbeiterengpasses weigert sich V, die Reparatur vorzunehmen. K verlangt ein neues Gerät desselben Typs. Diese verkauft V aber nun gewinnbringend zum Preis von 200 e. Er erinnert deshalb K daran, die Nachbesserung verlangt zu haben; daran sei dieser jetzt gebunden. Er könne aber gegen Rückerhalt der 50 e gerne zurücktreten. Würde es sich bei der Wahl der Nacherfüllungsform um eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht handeln, käme die Bindung des § 263 BGB zum Tragen. K wäre an die Nachbesserung gebunden. Da diese im Sinne von § 440 Abs. 1 BGB fehlgeschlagen ist, bleibt ihm nur ein erneuter Versuch der Durchsetzung oder der Rücktritt. Zur Nachlieferungsvariante kann er ausweislich § 263 Abs. 1 BGB nicht mehr wechseln. Wie von verschiedenen Autoren richtig gesehen, widerspricht dies dem Gedanken des umfassenden Käuferschutzes. Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf, so dass sogar der Sinn und Zweck der Richtlinie tangiert ist.89 Dieselbe Problematik stellte sich aber gleichfalls, wären beide Parteien keine Verbraucher. Der Käufer erhält durch § 439 Abs. 1 BGB zwar ein Gewährleistungsrecht auf Nacherfüllung. Die Wahl für eine Form der Nacherfüllung erweist sich aber später als nachteilig. Durch § 263 BGB verkäme die Nacherfüllung dann zu einem „stumpfen Schwert“ gegen den Verkäufer. Dieser nutzt die Unkenntnis des Käufers und trägt, selbst durch den drohenden Rücktritt, wirtschaftlich keine negativen Konsequenzen. Denn er hat im ungünstigsten Fall die 50 e zurückzuzahlen, ein Viertel des mittlerweile veranschlagten Kaufpreises. Der Telos des Nacherfüllungsrechtsbehelfs, die Befriedigung des Erfüllungsinteresses des Käufers, wird dadurch sehr verkürzt. Zwei Aspekte beinhaltet diese Kritik. Einmal lautet die Frage, ob schon die Wahlerklärung 88 89

Nach: Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, 2016 (2016). Spickhoff, BB 2003, S. 589 (593).

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des Käufers wie in § 263 Abs. 1 BGB der Anknüpfungspunkt für die Bindung sein kann. Dies verneinen Oetker/Maultzsch mit dem beachtenswerten Argument, das Erfüllungsinteresse des Käufers nach § 439 Abs. 1 BGB kann erst bei Vollzug der Erfüllung befriedigt sein, nicht schon bei der Wahl darüber, wie erfüllt werden soll.90 Die weitere Kritik betrifft die Endgültigkeit der Bindung nach § 263 Abs. 1 BGB. In den Fällen, in denen sich der unwissende Käufer „falsch“ entscheidet, stellt diese Norm eine sehr rigorose Grenze des Käuferschutzes dar. Im Gegensatz zu § 635 Abs. 1 BGB im Werkvertragsrecht91 hat in § 439 Abs. 1 BGB der Käufer als die sachunkundige Partei die Wahl über darüber, welche Form der Nacherfüllung für sie die beste ist. Da sie aber weder die Umstände des Betriebsablaufs, Lagerbestandes etc. des Verkäufers kennt noch in aller Regel abschätzen kann, welche Nacherfüllungsvariante die schnellste und effektivste ist, läuft sie Gefahr, sich „falsch zu entscheiden“. Daran eine endgültige Bindung nach § 263 Abs. 1 BGB zu knüpfen, scheint dem Sinn und Zweck des käuferfreundlichen Gewährleistungsrechts entgegenzulaufen.92 bb) Die Stärkung der Verkäuferposition durch § 264 Abs. 2 BGB § 263 BGB würde die Käufer-, also Gläubigerposition beschränken. Umgekehrt wäre durch § 264, insbesondere Abs. 2 BGB die Verkäufer-, also Schuldnerposition verstärkt, weil der Verkäufer die Möglichkeit zur Entscheidungsfristsetzung und zur Übernahme des Wahlrechts vom Käufer hätte. Auch hier ein Beispiel zur Veranschaulichung. Der Käufer erhält einen mangelhaften PKW geliefert. Weil es sich um einen Defekt handelt, dessen Behebung dem Käufer auf Dauer „nicht geheuer“ ist, überlässt er den PKW einem befreundeten Mechaniker zur Durchsicht. Zeitgleich kündigt er dem Verkäufer an, hiernach über die Art der Nacherfüllung zu entscheiden. Die 90

Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, S. 81. Dort hat gemäß § 635 Abs. 1 BGB der Werkunternehmer das Wahlrecht über die Form der Nacherfüllung. 92 Ein weiteres Argument gegen die Endgültigkeit der Bindung nach § 263 Abs. 2 BGB sehen Tiedtke/Schmitt in der Begründung zu § 439 Abs. 3 S. 3 BGB: Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, 2016 (2017). Danach „beschränkt“ sich im Einredefall der Anspruch des Käufers auf die „andere Art der Nacherfüllung“. Laut Begründung enthält dieser Satz die „Klarstellung des Verhältnisses der beiden Arten der Nacherfüllung zueinander“. Handelt es sich also um eine Klarstellung, nicht um eine Ausnahmeregel, dann lässt dies erkennen, dass nach Sinn und Zweck der gesamten Norm der Käufer an seine Wahl im Normalfall nicht endgültig gebunden ist. Meines Erachtens verfängt diese Argumentation nicht; der Begründungswortlaut ist dafür zu wenig ergiebig: BT-Drucks. 14/6040, S. 232, rechte Spalte. 91

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Entscheidung lässt mehrere Wochen auf sich warten. Der Verkäufer hält, weil es sich um das vorletzte Fahrzeug dieses Typs handelt, im Hinblick auf eine drohende Nachlieferungsforderung des Käufers das letzte ihm verbliebene Fabrikat zurück, obwohl es Kaufinteressenten gibt und die Lagerung Kosten verursacht. Schließlich bietet er dem Käufer das Fahrzeug zum Umtausch an und setzt eine Wochenfrist zur Überlegung. Der Käufer ist empört über dieses „Gebaren“ und rührt sich nicht. Der Verkäufer ist nun der Meinung, er könne entscheiden, dass die Nachlieferung geschuldet sei. Ist § 264 Abs. 2 BGB anwendbar, hätte er Recht. Der Käufer befände sich in Verzug mit der Ausübung seiner Wahlberechtigung, § 264 Abs. 2 S. 1 BGB. Nach Ablauf der Frist ginge die Entscheidung über die Art der Nacherfüllung auf den Verkäufer über, § 264 Abs. 2 S. 2 BGB. Das „Recht zur zweiten Andienung“ des Verkäufers enstpricht in diesem Fall, wendet man § 264 Abs. 2 BGB an, dem Wahlrecht des Werkunternehmers in § 635 Abs. 1 BGB. Wie der Werkunternehmer, dem dies freilich von Anfang an zusteht, kann der Verkäufer darüber entscheiden, welche Form der Nacherfüllung er zu erbringen hat. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass der Käufer die Nacherfüllung fordert, sich aber nicht festlegt, welche Variante des § 439 Abs. 1 BGB er bevorzugt. Dieses Ergebnis der Anwendung von § 264 Abs. 2 BGB mutet erstaunlich an. Denn der Gleichlauf von § 635 Abs. 1 BGB und § 439 Abs. 1 BGB ist vom Reformgesetzgeber nicht vorgesehen und überrascht, da die Gesetzesunterlagen das Auseinanderfallen des Nacherfüllungswahlrechts im Kauf- bzw. Werkvertragssystem explizit unterstreichen.93 Aus dogmatischer Sicht spricht nichts gegen einen solchen Gleichlauf, da der Verkäufer dadurch kein eigenes Recht zur Nacherfüllung erhält. Ausgangspunkt ist folgender: Der Gesetzgeber wollte ein „Recht zur zweiten Andienung“ für den Verkäufer installieren.94 Wir müssen dabei zwei Arten eines solchen Verkäuferrechts unterscheiden. Dies kann ein richtiger Rechtsbehelf des Verkäufers sein, den er gegenüber dem Käufer erhebt und ggf. gerichtlich durchsetzt. Ein solches right to cure findet man in Art. 48 CISG.95 Das „Recht zur zweiten Andienung“ im § 439 BGB ist hingegen nur eine Einrede für den Verkäufer, kein eigenständiger Rechtsbehelf. Es ist kein subjektives Recht des Verkäufers, sondern – so auch im Duktus der Gesetzesbegründung – bloß die Möglichkeit96 „zur zweiten Andienung“. Das BGB räumt dem Verkäufer damit zwei Einwände gegen den Käufer ein.97 Zunächst kann er gegen einen nachrangigen Rechtsbehelf (Rücktritt, 93 94 95 96

BT-Drs. 16/6040, S. 265, linke Spalte. BT-Drucks. 14/6040, S. 220, linke Spalte. Dazu umfassend: Staudinger/Magnus, Art. 48 CISG Rn. 1. BT-Drucks. 14/6040, S. 220, rechte Spalte.

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Minderung oder Schadensersatz) den Vorrang der Nacherfüllung einwenden. In Bezug auf eine gewählte Form der Nacherfüllung kann er zum zweiten die Unzumutbarkeit einwenden, § 439 Abs. 3 BGB. Mehr Rechtsqualität hat das „Recht zur zweiten Andienung“ im BGB nicht. Kann nun im Fall des § 264 Abs. 2 BGB der Verkäufer entscheiden, welche Art der Nacherfüllung er zu leisten hat, ist damit noch kein echtes right to cure geschaffen. Die Möglichkeit des Verkäufers „zur zweiten Andienung“ wird damit lediglich verstärkt und dem Normalfall des § 635 Abs. 1 BGB im Werkvertragsrecht gleichgestellt. Wie dort kann nun der Schuldner über die Art der Nacherfüllung entscheiden und nicht der Gläubiger. Beim Gläubiger verbleibt freilich die maßgebliche Befugnis, zu entscheiden, ob überhaupt nacherfüllt wird. Das „Recht zur zweiten Andienung“ des Verkäufers wird damit nicht überdehnt. Aus teleologischer Sicht spricht gegen diese Stärkung des Verkäufers über § 264 Abs. 2 BGB jedoch die in der Frage der zeitlichen Beschränkung der Käuferrechte vollends käuferfreundliche Umsetzung der Verbrauchsgüterrichtlinie. Über § 264 Abs. 2 BGB bestimmt der Verkäufer nicht nur über die Art der Nacherfüllung, sondern auch über den Zeitpunkt der Erbringung.98 Das scheint mit der gesetzgeberisch intendierten zeitlichen Beschränkung der Käuferrechte nicht in Einklang zu bringen zu sein. Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie99 ermöglichte es dem nationalen Gesetzgeber, als Beschränkung des Nacherfüllungsrechts des Käufers die Verletzung einer Rügeobliegenheit vorzusehen. Davon hat der deutsche Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht. Ausschließlich die Verjährung nach § 438 Abs. 1 BGB ist als zeitliche Grenze der Durchsetzung für den Käufer vorgesehen. Das BGB hat die Käuferposition also nicht so einschränkt, wie es für den Verbrauchsgüterkauf europarechtlich zulässig erachtet würde.100 Eine Stärkung der Verkäuferposition zu Lasten des Käufers über das Zwangsrecht des § 264 Abs. 2 BGB entspricht daher erst Recht nicht Sinn und Zweck des § 439 Abs. 1 BGB.101 97

Siehe etwa: Huber, NJW 2002, 1004 (1007). Skamel, ZGS 2006, 457 (460). 99 NJW 1999, 2421, 2423. 100 Anderer Ansicht: Büdenbender, AcP 205 (2005), 386 (417), der vertritt, die Vorgaben der Verbrauchsgüterrichtlinie schützen nur den aktiven Käufer, nicht den passiven Käufer, welcher keines seiner Rechte in Anspruch nimmt. Danach ist § 264 Abs. 2 BGB mit der Zielsetzung der Richtlinie vereinbar. 101 Diese Argumentation greift freilich nur für den Verbrauchsgüterkauf, für den allein die Richtlinie gilt. Selbst dafür aber bezweifelt Gsell, dass § 264 Abs. 2 BGB der europarechtlichen Vorgabe widerspricht. Ob generell die Vorgaben der Richtlinie durch die §§ 262 ff. BGB verletzt wären, kann in der endgültigen Klarheit richtigerweise nur der EuGH entscheiden: Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (312). 98

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cc) Zwischenergebnis: Teleologische Auslegung Durch die Anwendbarkeit des § 263 BGB wird die Rechtsposition des Käufers unter Umständen erheblich beschnitten. Die vom Gesetzgeber geschaffene Wahl der Nacherfüllung kann im Einzelfall aus Käufersicht falsch getroffen sein. Es besteht dann keine Korrekturmöglichkeit. Dies widerspricht dem Sinn und Zweck des heutigen kaufrechtlichen Nacherfüllungsrechts im BGB. Dem Verkäufer wiederum wird über § 264 Abs. 2 BGB ermöglicht, im Falle des Verzugs des Käufers die Entscheidung über die Nacherfüllungsvariante selbst zu treffen. Dies führt nicht zu einer Überdehnung des „Rechts zur zweiten Andienung“, denn die Entscheidung darüber, ob nacherfüllt werden soll, verbleibt beim Käufer. Lediglich die Frage, wie nacherfüllt werden soll, wird nach § 264 Abs. 2 BGB vom Verkäufer beantwortet. Diese Stärkung der Verkäuferposition entspricht einer Gleichstellung zum Normalfall der Nacherfüllung im Werkvertragsrecht nach § 635 Abs. 1 BGB. Bedenken hiergegen bestehen aber aus teleologischer Sicht in den Fällen des Verbrauchsgüterkaufs, da somit der Verkäufer über § 264 Abs. 2 BGB entgegen der Intention des Reformgesetzgebers den Nacherfüllungsanspruch des Käufers zeitlich beschränken kann. 4. Lösungsansätze zum teleologischen Widerspruch zwischen § 439 BGB und den Wahlschuldregeln Aus dem teleologischen Widerspruch der §§ 262 ff. BGB zu § 439 BGB wird oft geschlussfolgert, dass keine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht vorliegt. Diese Folgerung ist nicht richtig. Vielmehr liegt eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht vor, Sinn und Zweck der Vorschrift widerstreben aber der Anwendung der gesetzlichen Wahlschuldregeln. a) Mindermeinung: Anwendung der §§ 262 ff. BGB auf § 439 Abs. 1 BGB Vereinzelt wird vertreten, dass die Regelungen der §§ 262 ff. BGB trotz aller teleologischen Bedenken auf § 439 Abs. 1 BGB anzuwenden seien. Die generelle Begründung lautet: Die Freiheit der Wahl für den Käufer ist bei weitem nicht so groß, wie § 439 Abs. 1 BGB vorzugeben scheint.102 Daher sind die Beschränkungen der Käuferposition durch die §§ 262 ff. BGB hinzunehmen. Das gelte zunächst für die Wirkung der Wahl nach 102

Siehe nur: Schellhammer, MDR 2002, 301 (301).

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§ 263 BGB. Wie auch sonst in der Rechtsordnung, sei die Bindungswirkung die rechtspolitische Kehrseite des Wahlrechts.103 Anders ausgedrückt: Wenn einer Partei einseitig die Entscheidungskompetenz übertragen wird, dann hat diese auch die Rechtswirkungen dieser Entscheidung zu tragen. Dies sei eine Selbstverständlichkeit, die § 263 Abs. 1 BGB zum Ausdruck bringe.104 Ähnlich wird das für § 264 Abs. 2 BGB gesehen. Denn dem Schuldner muss stets die Möglichkeit eingeräumt werden, trotz fehlender Kooperationsbereitschaft des Gläubigers das Vertragsverhältnis abzuwickeln.105 Daher sei die Möglichkeit nach § 264 Abs. 2 BGB, den Käufer zur Wahl zu zwingen und anderenfalls selbst zu entscheiden, aus allgemeinen Erwägungen der Vertragsparität gerechtfertigt. Das treffendste Argument hiergegen ist die Nichtberücksichtigung des über dem § 439 Abs. 1 BGB schwebenden Zwecks: des umfassenden Käuferschutzes. Soweit es sich um einen Verbraucher handelt, widerstreben die §§ 262 ff. BGB dem Gedanken der Richtlinienvorgabe.106 Durch die richtlinienüberschießende Konzeption des § 439 Abs. 1 BGB für alle Käufer hat der deutsche Gesetzgeber das Signal gegeben, den Käuferschutz als elementarstes Ziel der Nacherfüllung zu betrachten. Dieses Signal wird durch die unkritische Anwendung der §§ 262 ff. BGB missachtet. Es handelt sich also um einen aktuellen Fall, der Anlass bietet, vor den gesetzlichen Wahlschuldregeln aus rechtspolitischen Erwägungen zu „flüchten“.107 Um eben diese Methode handelt es sich in der Mehrzahl der Beiträge, die eine elektive Konkurrenz zwischen den Nacherfüllungsvarianten annehmen. Meines Erachtens verdient dies keine Zustimmung. Es handelt sich um den unzulässigen Schluss, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Richtigerweise muss die Frage lauten, wie die Inkompatibilität der §§ 262 ff. BGB mit dem speziellen Fall der Wahlschuld nach § 439 Abs. 1 BGB gelöst werden kann. b) Richtlinienkonforme Auslegung von § 439 Abs. 1 BGB Die scheinbar einfachste Methode, die engen Vorschriften der §§ 262 ff. BGB zu umgehen, ist die richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 BGB.108 Da die Richtlinie nicht von einer Bindungswirkung an die Wahl 103

Anwaltkommentar/Büdenbender, § 439 Rn. 15. Anwaltkommentar/Büdenbender, § 439 Rn. 15. 105 Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (308); Grunewald, Kaufrecht, S. 194, die eine zumindest analoge Anwendung von § 264 Abs. 2 BGB vertritt. 106 Siehe nur: Schroeter, NJW 2006, 1761 (1763). 107 Zum Gesamtphänomen siehe bereits: S. 71 ff., sowie: Ziegler, AcP 171 (1971), 193 ff.; Büdenbender, AcP 205 (2005), 386 (408). 104

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des Käufers gemäß Art. 3 Abs. 2 ausgeht, könnte man dieses auch in § 439 Abs. 1 BGB hineininterpretieren. Ebenso wenig finden wir in der Richtlinie einen Hinweis auf die Möglichkeit des Verkäufers, den Käufer zur Wahl zu zwingen und im Verzugsfall selbst die Wahlentscheidung treffen zu dürfen. Die richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 BGB geht jedoch fehl. Denn erstens gilt die Richtlinie ausdrücklich nur Verbrauchsgüterkaufverträge, wohingegen § 439 Abs. 1 BGB unabhängig von der Verbrauchereigenschaft des Käufers gilt. Zum zweiten lässt die Richtlinie bewusst Lücken, die der deutsche Gesetzgeber ausfüllen konnte. Die Ausgestaltung des Nacherfüllungsrechtsbehelfs ist eine solche Lücke, so dass der Rückgriff auf die Richtlinie stets die spätere Umsetzung in das BGB beachten muss. c) Beschränkung des Anwendungsbereichs der §§ 262 ff. BGB Denkbar wäre eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der §§ 262 ff. BGB. Ein solcher Versuch ist zunächst in der früheren These Fikentschers zu sehen, der vertritt, die Wahlschuld könne generell nur durch Vertrag entstehen.109 Das hieße, die §§ 262 ff. BGB wären auf eine gesetzliche Wahlschuld und damit auch auf den heutigen § 439 Abs. 1 BGB nicht anwendbar. Diese Meinung zielt jedoch, wie schon früh kritisiert wurde,110 darauf ab, das Wesen der §§ 262 ff. BGB vor dem Hintergrund fehlender gesetzlicher Wahlschuldbeispiele zu erklären bzw. zu legitimieren. Aus dem Befund, dass gesetzliche Wahlschulden selten sind, lässt sich ein solcher Allgemeinplatz aber nicht herleiten. Nur weil es bis dato evtl. gar keine Fälle gesetzlicher Wahlschulden im BGB gab, heißt das nicht, dass die §§ 262 ff. BGB auf vertragliche Wahlschuldfälle beschränkt sind. Keine Lösung bietet die pauschale teleologische Reduktion der §§ 262 ff. BGB. Sie wird durch zwei Hürden gestoppt. Erstens: Nicht Sinn und Zweck des § 439 Abs. 1 BGB wären entscheidend, sondern Sinn und Zweck der §§ 262 ff. BGB. Deren Zielrichtung war und ist die allgemeingültige Regelung von Wahlschuldverhältnissen. Diesen Zweck erfüllen sie nach wie vor, auch wenn die Rechtsfolgen allgemein als fehlerhafte Entscheidungen des Gesetzgebers betrachtet werden. Die Frage würde zweitens lauten müssen: Auf welche Kriterien müssten die §§ 262 ff. BGB reduziert werden, damit nicht auch die Wahl nach § 439 Abs.1 BGB hierunter fiele? Allenfalls käme folgende Reduktion in Betracht: Die gesetzlichen Wahlschuldregeln gelten 108

Siehe auch die Argumente bei: Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 439. So in: Schuldrecht (2. Auflage 1969), S. 141. Ähnlich in der Fortführung: Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, S. 137 Rn. 256. 110 Ziegler, AcP 171 (1971), S. 193 (216). 109

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nur für solche Wahlschuldfälle, in denen das Wahlrecht keine Gewährleistung oder einen sonstigen Rechtsbehelf der Leistungsstörung betrifft. Diese Formel wirkt stark konstruiert und läuft faktisch auf den oben genannten Versuch Fikentschers hinaus, der zu Recht keine Zustimmung verdient. d) Anfechtung der Wahl gemäß § 119 Abs. 2 BGB Es wird vorgeschlagen, der Käufer könne die Bindungswirkung des § 263 BGB ebenso wie die Wirkung des § 265 BGB verhindern, indem er seine Wahlerklärung anficht. Zwei Beispiele hierzu. Der Käufer wählt die Nachbesserung und will dann, weil sich die Belastbarkeit der Sache nach einer Reparatur als unsicher herausstellt, doch lieber eine Ersatzlieferung. Oder: Der Käufer wählt die Reparatur der Sache, diese stellt sich aber als irreparabel heraus. Er will nun doch eine Neulieferung. Jeweils könnte man daran denken, dass der Käufer, dessen Wahl sich als nachteilhaft erweist, seine Entscheidung wegen eines Eigenschaftsirrtums gemäß §§ 119 Abs. 2, 142 Abs. 1 BGB anficht.111 Es fehlt aber an der Anfechtungsberechtigung. Denn der Käufer hat sich nicht über eine Eigenschaft geirrt, die der Kaufsache unmittelbar anhaftet.112 Das ist jedoch Voraussetzung für eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB.113 Vielmehr handelt es sich sowohl bei der Unmöglichkeit der gewählten Nacherfüllung als auch bei anderen Faktoren, die einen Wechselwunsch hervorrufen, um Motivirrtümer, die nicht zur Anfechtung berechtigen.114 Zudem verdrängt im Fall der Unmöglichkeit § 439 Abs. 3 S. 1 i. V. m. § 275 Abs. 1 BGB als speziellere Regelung die Anfechtung.115 Dem Käufer ist also eine Anfechtung der Wahl verwehrt. Diese bietet keine Lösung für das Problem der Bindungswirkung nach §§ 263 bzw. 265 BGB. e) Keine endgültige Bindungswirkung des Gestaltungsrechts Einen anderen Weg geht Gsell. Sie leitet her, dass die Endgültigkeit der Bindungswirkung nach § 263 Abs. 1 BGB kein unumstößliches Dogma 111

Vorschlag bei: Oechsler, Schuldrecht Besonderer Teil – Vertragsrecht, S. 89. Spickhoff, BB 2003, 589 (591). 113 Exemplarisch: BGHZ 16, 54, 57. 114 Zu den Irrtümern allgemein: Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, S. 666. Zur Anfechtung berechtigt aber die Unkenntnis des Käufers darüber, dass er überhaupt wählen kann: MüKo/Krüger, § 263 Rn. 4. 115 Ähnlich: Spickhoff, BB 2003, 589 (591). Ein weiteres Problem würde die Schadensersatzverpflichtung nach § 122 BGB darstellen: Oechsler, Schuldrecht Besonderer Teil – Vertragsrecht, S. 89. 112

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ist.116 Dabei geht sie in zwei Schritten vor. In erster Linie verdeutlicht sie, dass das Wahlrecht in der Konzeption der Wahlschuld nach § 263 Abs. 1 BGB historisch als Gestaltungsrecht verstanden wird. Sodann wirft sie aber die Frage auf, ob nicht trotz Festhaltens am Gestaltungsrechtscharakter der Wahl die Bindung daran aufgehoben werden kann.117 Diese Frage ist ihrer Ansicht nach zu bejahen: Es gibt Ausnahmen von der Bindungswirkung eines Gestaltungsrechts und zwar in den Fällen, in denen dies zweckmäßig erscheint.118 Eine solche Ausnahme sei im Fall der Wahlschuld nach § 439 Abs. 1 BGB gegeben.119 Denn § 263 BGB drücke in seinem Absatz 2 nur eine „rückwirkende Konzentration des Schuldverhältnisses auf die gewählte Leistung“ aus, nicht aber, dass diese Rückwirkung durch eine erneute Wahl des Käufers nicht wieder beseitigt werden könne. Die erneute Wahl wirke dann wiederum zurück, § 263 Abs. 2 BGB. Dies berücksichtige auch die bereits genannten teleologischen Bedenken gegen eine endgültige Bindung des Käufers. § 263 Abs. 2 BGB ist danach anwendbar. Dessen Anwendung hindert aber den Käufer nicht daran, in den Grenzen von Treu und Glauben zwischen den Formen der Nacherfüllung zu wechseln.120 Gsell findet damit keine Lösung für die übrigen Problemnormen, §§ 264 Abs. 2, 265 BGB. Der „große Wurf“ bleibt bei diesem Ansatz aus. Gleichwohl halte ich diesen Weg für gangbar. Der Ansatz, die restriktive Dogmatik der Gestaltungsrechte zu überdenken, scheint meines Erachtens ein viel versprechender. Gsell erfindet dabei nichts Neues, sondern geht auf den Ursprung der Gestaltungsrechte zurück. Die anerkannte Differenzierung von Bötticher, der beendende und ausfüllende Gestaltungsrechte unterscheidet,121 zeigt uns, dass verschiedene Arten von Gestaltungsrechten existieren. Es sind daher auch verschiedene Bindungswirkungen denkbar. Die endgültige und irreversible Bindung ist kein alternativloses Konzept. Im Wahlrecht nach § 263 BGB steckt ohnehin ein besonderes Wahlrecht, welches mit den Rechtsbehelfen Rücktritt und Minderung, etc. und deren Dogmatik kaum vergleichbar ist.122 Meines Erachtens können wir daher Gsell folgen, die aus Zweckmäßigkeitserwägungen dem Gestaltungsrecht gemäß § 263 BGB für den Fall der 116

Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (314 ff.). Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (315). 118 Dieser Gedanke stammt von: Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 229. Dazu ausführlich: Kapitel 5, S. 420 ff. 119 Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (316). 120 Schluss aus: Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (317). Die zeitliche Grenze des ius variandi ist demnach erreicht, wenn sich der Verkäufer auf die gewählte Art der Nacherfüllung eingestellt hat. 121 Bötticher, Festschrift für Hans Dölle, Band I, S. 41 (51). 122 Eingehend: S. 420 ff. 117

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Nacherfüllungswahl die Endgültigkeitswirkung entzieht. Mit anderen Worten: Gestaltungsrechte können im Ausnahmefall auch ein ius variandi beinhalten, wenn es zweckmäßig erscheint. Aus den genannten teleologischen Bedenken gegen eine starre Bindung an die Wahl trifft das auf den Fall des § 439 Abs. 1 BGB zu. f) Spezialität des § 439 BGB gegenüber den §§ 262 ff. BGB Noch ein weiterer Ansatz zur Lösung des Problems verdient unsere Aufmerksamkeit. Büdenbender stellt § 439 BGB gegenüber den §§ 262 ff. BGB ins Verhältnis der Spezialität.123 Das bedeutet, § 439 BGB verdrängt die §§ 262 ff. BGB aus dem allgemeinen Schuldrecht und zwar als spezielle Norm des besonderen Schuldrechts in der Anwendung. Die problembehafteten Normen sind damit nicht anwendbar, soweit schon gemäß § 439 BGB etwas anderes gilt. Dieser Ansatz wird aus drei Gedanken entwickelt.124 Die Spezialität ergäbe sich bereits daraus, dass entgegen dem Ideal des § 262 BGB hier der Gläubiger, nicht der Schuldner, wahlberechtigt ist. Zudem habe die Wahl des Käufers Spezialcharakter. Der von § 262 BGB vorgesehene alternative Anspruch bleibe gegenüber dem Vorrang der Nacherfüllung und vor allem dem „Recht zur zweiten Andienung“ des Verkäufers außer Betracht. Schließlich beschränke § 439 Abs. 3 BGB die Wahlfreiheit des Käufers in einem Maße, welches den §§ 262 ff. fremd ist. Vor allem mit dem Aspekt des speziellen Vorrangs der Nacherfüllung begründet Büdenbender in den Fällen, in denen die Nacherfüllung gestört ist, die Verdrängung der §§ 262 ff. BGB. Folgende Überlegung verdeutlicht dies exemplarisch.125 Wäre die gewählte Nachlieferung der Sache etwa wegen eines Produktionsstopps unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB), dann würde der Verkäufer nur noch Nachbesserung, also Reparatur schulden. Die allgemeine Regel aus § 265 S. 1 BGB deckt sich insofern mit der speziellen Regel aus § 439 Abs. 3 S. 1 BGB. Hätte der Verkäufer aber die Unmöglichkeit der Nachlieferung zu vertreten, dann würde gemäß § 265 S. 2 BGB keine Beschränkung des Käufers auf die Nachbesserung erfolgen. Der Käufer könnte, würde man diese Ausnahme § 265 S. 2 BGB berücksichtigen, neben der Nachbesserungsvariante Schadensersatz vom Verkäufer wegen 123 Anwaltkommentar/Büdenbender, § 439 Rn. 16. Zur Spezialität als Unterfall der Gesetzeskonkurrenz und der Abgrenzung zu sonstigen Formen der Konkurrenz bereits: Kapitel 1, S. 42. 124 Allesamt bei: Anwaltkommentar/Büdenbender, § 439 Rn. 16. 125 Weitere Überlegungen: Anwaltkommentar/Büdenbender, § 439 Rn. 18 und Rn. 19.

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Unmöglichkeit der Nachlieferung verlangen.126 Eine entsprechende Ausnahme wie § 265 S. 2 BGB sieht § 439 Abs. 3 BGB aber nicht vor. Dieser verdrängt aufgrund des speziellen Gedankens „Vorrang der Nacherfüllung“ daher die Regelung des § 265 S. 2 BGB. Büdenbender beweist mit seinen Beobachtungen, dass die konsequente Verdrängung der §§ 262 ff. BGB durch § 439 Abs. 1 BGB möglich ist, sofern man nur dem Gedanken der Spezialität folgt. Die Fälle, in denen sich der Käufer für eine „gestörte“ Nacherfüllungsvariante entscheidet, regelt insbesondere § 439 Abs. 3 BGB.127 Das Problem des möglichen Entscheidungszwangs nach § 264 Abs. 2 BGB ist ebenfalls über die Spezialität des § 439 BGB zu lösen. Aus dem speziellen Charakter des „Rechts zur zweiten Andienung“ für den Verkäufer können wir entnehmen, dass § 439, insbesondere Abs. 3 BGB, den § 264 Abs. 2 BGB aus dem allgemeinen Teil des Schuldrechts verdrängt. g) Fazit: Lösungsansätze zum teleologischen Widerspruch zwischen § 439 BGB und den Wahlschuldregeln Aus den beiden genannten Ansätzen von Gsell und Büdenbender entnehme ich, dass die befürchteten Folgen der Anwendung der §§ 262 ff. BGB nicht eintreten. Beide Vorschläge lassen für sich noch Fragen offen. Ich füge sie aber zu folgendem Gesamtlösungskonzept zusammen. Festzuhalten ist: Die Wahl des Käufers bezüglich der Varianten der Nacherfüllung ist eine gesetzliche Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht. Der speziellere § 439 BGB verdrängt jedoch die Anwendbarkeit der §§ 262 ff. BGB für jene Fälle, in denen die gewählte Variante der Nacherfüllung „gestört“ ist bzw. in denen der Käufer auf seine Entscheidung warten lässt.128 Der Zweck der verdrängenden Norm,129 maßgeblich die speziellen Prinzipien „Vorrang der Nacherfüllung“ und „Recht zur zweiten Andienung“, legitimieren die Nichtanwendung der §§ 264 und 265 BGB. Damit bleibt das Problem der Endgültigkeit der Wahlentscheidung bzw. des § 263 Abs. 1 BGB. Dieses wird durch Gsells Vorschlag gelöst.130 Auch 126 So: Anwaltkommentar/Büdenbender, § 439 Rn. 17, der meines Erachtens eine falsche Anspruchskette nennt. Richtig ist: §§ 437 Nr. 3; 280 Abs. 1, 3; 283; 439 Abs. 1; 265 S. 2 BGB. Zudem ist fraglich, worin der Schaden liegt, wenn der Käufer die zweite Variante der Nacherfüllung ja erhält. 127 Anwaltkommentar/Büdenbender, § 439 Rn. 17. 128 Hier folge ich: Anwaltkommentar/Büdenbender, § 439 Rn. 16 ff. 129 Kategorie der normverdrängenden Konkurrenz bei: Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, S. 353 Rn. 22. Dazu bereits: S. 42. 130 Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (316).

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in den Fällen, in denen die gewählte Variante nicht „gestört“ ist, widerspricht eine nicht korrigierbare Bindung des Käufers an seine Wahl dem Zweck der Nacherfüllung. Nach §§ 439 Abs. 1, 263 Abs. 1 BGB hat der Käufer ein Gestaltungsrecht. Dessen Ausübung wirkt ex tunc, §§ 439 Abs. 1, 263 Abs. 2 BGB. Die Gestaltungswirkung ist aus Zweckmäßigkeitserwägungen aber nicht endgültig, sondern kann revidiert werden. Die erneute Wahl wirkt dann wiederum ex tunc, §§ 439 Abs. 1, 263 Abs. 2 BGB. Dieses freie Wahlrecht (ius variandi) hat seine Grenzen in Treu und Glauben gemäß § 242 BGB.131 5. Folgeproblem: Das Wahlrecht innerhalb der Nacherfüllungsvariante Diskutiert wird, wem die Wahl zwischen den Varianten innerhalb der Nachbesserung bzw. Nachlieferung zusteht. Ein Beispiel hierzu.132 Der gekaufte und gelieferte PKW hat eine verzogene und daher undicht schließende Fahrertür. Der Käufer verlangt Nachbesserung. Der Verkäufer fragt sich, ob er die Tür reparieren oder gleich gegen eine neue Tür austauschen soll; beides ist möglich. Wem steht die Wahl über diese beiden Formen der Nachbesserung zu? Der Wortlaut des § 439 Abs. 1 BGB schweigt zu dieser Problematik. Es spricht vor allem aus Zweckmäßigkeitserwägungen viel dafür, dem Verkäufer die Wahl hierüber zuzugestehen.133 Denn der Verkäufer ist der sachnähere Vertragsteil. Nur er allein wird in der Regel das notwendige technische Wissen haben, um Umfang und Erfolgsrisiko der Reparatur in der jeweiligen Form abschätzen zu können. Gewährt man dem Käufer diese Wahl, läuft man Gefahr, dass die verlangte Form der Nachbesserung für den Verkäufer unzumutbar ist. Dann droht über § 440 BGB der Rücktritt seitens des Käufers. Damit verkürzt man nicht nur das „Recht zur zweiten Andienung“ für den Verkäufer. Letztendlich missachtet man somit auch den Gedanken des Vorrangs der Nacherfüllung: Dieser zieht die vertraglich geschuldete Leistungserbringung, sei es in Form der Heilung einer fehlerhaften Leistung (Nachbesserung) oder in Form der der Wiederholung der Leistung (Nachlieferung), einer Sanktionierung der Störungsfolgen durch Sekundärrechte vor. Wenn überhaupt, dann kann in der Regel nur der Verkäufer mit Bestimmtheit sagen, welche Form der Nachbesserung am 131

Zu den Schranken des ius variandi: S. 440 ff. Es handelt sich um ein Beispiel zu alternativen Formen der Nachbesserung. Möglich ist aber ebenso ein Fall alternativer Formen der Nachlieferung, z. B. die Wahl „Lieferung per Schiff oder Lieferung per Flugzeug“. 133 Huber, NJW 2002, 1004 (1006). 132

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effektivsten ist und damit dieser gesetzgeberischen Intention zur Geltung verhilft. Die insofern entgegenstehende Auffassung gewährt dem Käufer die Entscheidungsbefugnis darüber, welche Form der Nachbesserung maßgeblich sei.134 Damit soll ein Systembruch vermieden werden, da die vorrangige Auswahl, ob überhaupt Nachbesserung oder Nachlieferung geleistet werden sollte, nach § 439 Abs. 1 BGB dem Käufer zusteht. Aus § 439 Abs. 1 BGB, der hier analog anzuwenden sei, dürfe nichts anderes für die Wahl zwischen den Varianten innerhalb der Nachbesserung gelten. Das in der Tat richtige Argument der Sachnähe des Verkäufers verfange nicht, denn schon zur Vorfrage nach der Wahl zwischen Nachbesserung und Nachlieferung habe sich der Gesetzgeber wissentlich anders entschieden. Dieser Meinung ist dahingehend zuzustimmen, dass der Gesetzgeber das zeitlich nachfolgende Wahlrecht offenkundig übersehen hat.135 Damit liegt eine planwidrige Regelungslücke vor. Allerdings ist die Interessenlage verändert, sodass eine Analogie zu § 439 Abs. 1 BGB nicht überzeugt. Ist die Entscheidung darüber, ob die schadhafte Sache ausgetauscht oder repariert werden soll, einmal gefallen und ist die gewählte Variante in irgendeiner denkbaren Form dem Verkäufer zumutbar, dann hat sich die Wahlmöglichkeit des Käufers verbraucht. Geht man nämlich davon aus, dass alle in Betracht kommenden Formen der Nachbesserung gleich gut sind, taugt jede von ihnen, um die Leistung nach §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB zu bewirken und damit den Nacherfüllungsanspruch durch Erfüllung zum Erliegen zu bringen, § 362 Abs. 1 BGB. Der zur Vorfrage maßgebliche Charakter der Nacherfüllung als verhaltenem Anspruch des Käufers ist hierbei nicht mehr von Bedeutung, denn der Käufer hat ja eine Variante des § 439 Abs. 1 BGB geltend gemacht. Der Wille des sachkundigeren Verkäufers bleibt nunmehr nicht hinter anderen Interessen zurück. Insbesondere ist die Richtlinienvorgabe, die zur Installation einer Käuferwahl in § 439 Abs. 1 BGB geführt hat,136 für diese Problematik nicht mehr maßgebend, da sie auf die Vorfrage zur Wahl zwischen Nachbesserung und Nachlieferung beschränkt war. Wie zur Parallelnorm des § 635 Abs. 1 BGB im Werkvertragsrecht sollte daher allein die Motivation des sachkundigen Verkäufers (bzw. Werkunternehmers) die Wahl zwischen den Varianten innerhalb der Nachbesserung bzw. Nachlieferung entscheiden.137 Der Käufer hat keine schutzbedürftige Position, denn er erhält schlussendlich 134 Jacobs in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, 371 (377). 135 Jacobs in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, 371 (377). 136 BT-Drs. 16/6040, S. 231 linke Spalte.

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nur das, was er zuvor vom Verkäufer verlangt hat: die Nachbesserung an der Kaufsache. Im obigen Fall kann daher der Verkäufer entscheiden, ob er die Autotür auswechselt oder repariert. Die Erwägungen, die seine Entscheidung beeinflussen, können von zeitlichen Gründen (Wie viele Arbeitsstunden dauert die Reparatur?) bis hin zu ökonomischen Aspekten (Welche Form der Nachbesserung ist für den Verkäufer kostengünstiger?) verschiedener Art sein; sie entziehen sich einer Bewertung seitens des Käufers. 6. Fazit: Die Varianten der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB § 439 Abs. 1 BGB ist ein Fall einer gesetzlichen Wahlschuld. Die Regelungen der §§ 262 ff. BGB werden aber zum Teil vom spezielleren § 439 BGB verdrängt. Die Bindungswirkung der Wahl nach § 263 BGB ist nicht endgültig. Sinn und Zweck des § 439 BGB gebieten es, dem Käufer hinsichtlich seines Gestaltungsrechts nach §§ 439 Abs. 1, 263 BGB ein ius variandi einzuräumen.

II. Vergleich zu Art. 46 Abs. 2 und Abs. 3 CISG: Elektive Konkurrenz Ist die Kaufsache mangelbehaftet, hat der Käufer im Anwendungsbereich des CISG einen Anspruch auf Nachbesserung, Art. 46 Abs. 3 CISG, und einen Anspruch auf Ersatzlieferung, Art. 46 Abs. 2 CISG. Dies sind zwei selbständige Forderungsrechte des Käufers. Zum einen sind sie systematisch in Absätze 2 und 3 unterteilt. Zum anderen haben sie unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen. Eine Nachbesserung kann der Käufer in allen Fällen, verbunden mit einer Mängelanzeige nach Art. 39 CISG fordern. Eine Ersatzlieferung hingegen kann er nur verlangen, wenn die Vertragswidrigkeit der Sache eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt. Nachbesserung und Ersatzlieferung sind zwei verschiedene Ansprüche.138 Sie sind freilich eine jeweilige Ausprägung des Rechtsbehelfs auf Erfüllung nach Art. 46 Abs. 1 CISG.139 Das bedeutet zum einen, dass zusätzlich zu 137 Anderer Ansicht: Jacobs in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, 371 (377), dessen Überlegungen auf einen Erst-Recht-Schluss hinauslaufen: Wenn das Gesetz dem Käufer die Wahl über die Art der Nacherfüllung zugesteht, muss dies erst Recht für die jeweilige Form der Nacherfüllungsvariante gelten. Der Schutz des Verkäufers sei hinreichend durch § 439 Abs. 3 BGB gewährleistet. 138 Staudinger/Magnus, Vorbemerkung zu Art. 45 ff. CISG Rn. 4.

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den besonderen Tatbestandsmerkmalen der Absätze 2 bzw. 3 die generellen Voraussetzungen des Absatzes 1 verwirklicht sein müssen.140 Das heißt zum zweiten, dass die Nacherfüllungsansprüche mit sämtlichen Rechtsbehelfen auf derselben, nämlich der sekundären Stufe stehen. Die Nacherfüllungsansprüche sind keine verhaltenen Ansprüche. Der Verkäufer kann einseitig eine Variante der Nacherfüllung leisten und damit dem Käufer die Wahl über die Variante abschneiden. Das erklärt sich aus dem Verkäuferrecht zur zweiten Andienung, das Art. 48 Abs. 1 CISG vorsieht. Danach braucht der Verkäufer nicht auf ein prinzipielles Verlangen der Nacherfüllung durch den Käufer warten. Vielmehr kann er nacherfüllen, wenn dem Käufer dies zumutbar ist, so Art. 48 Abs. 1 S. 1 CISG. Die Nacherfüllungsmöglichkeit steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass der Käufer nicht berechtigterweise nach Art. 49 CISG den Vertrag aufgehoben hat. Auch darüber, welche Variante der Nacherfüllung erbracht wird, auf welchen Anspruch der Art. 46 Abs. 2, 3 CISG also geleistet wird, hat der Verkäufer durch Art. 48 Ab. 1 CISG ein Wahlrecht.141 Insofern ist ein ausdrückliches Verlangen seitens des Käufers ebenfalls nicht erforderlich. Die Nacherfüllungsansprüche sind demnach nicht verhalten.142 Dem Käufer stehen zur Nacherfüllung die Optionen Anspruch auf Nachbesserung, Art. 46 Abs. 3 CISG, und Anspruch auf Ersatzlieferung, Art. 46 Abs. 2 CISG, zu. Man muss dabei einen weiteren Unterschied zum deutschen Recht beachten: Die Ersatzlieferung verlangt eine wesentliche Vertragsverletzung. Dies ist in der Regel nicht schon der Fall, wenn eine Nachbesserung an der Kaufsache zumindest möglich ist.143 Im Fall bloßer Mangelbehaftung der Sache muss die Nachbesserung daher als primäre Option zunächst fehlgeschlagen, verweigert oder anderweitig misslungen sein, damit der Käufer überhaupt ein zweites Recht auf Ersatzlieferung nach Art. 46 Abs. 2 CISG hat. Nur dann wird aus der einfachen eine wesentliche Vertragsverletzung, Art. 25 CISG.144 Erst wenn also eine wesentliche Vertragsverletzung vorliegt, wovon man bei einer Mangelbehaftung der Kaufsache nicht per se ausgehen kann, stehen Ersatzlieferung und Nachbesserung als Optionen des Gläubigers in Konkurrenz. Dann gilt im CISG nichts anderes als zum BGB: Die Nacherfüllungsvarianten schließen sich aus. Da es sich 139

Schlechtriem/Huber, Art. 46 Rn. 57. Dazu bereits: S. 150. Schlechtriem/Huber, Art. 46 Rn. 4. Vergleichbar ist dies meines Erachtens mit der Regelungstechnik der Schadensersatzansprüche nach §§ 280 ff. BGB, wobei der Grundtatbestand des § 280 BGB stets verwirklicht sein muss, auch wenn es besondere Voraussetzungen in den §§ 281–284 BGB gibt. 141 MüKo/Huber, Art. 48 CISG Rn. 13 zu den Folgeproblemen. 142 Anders offenbar: Grunewald, Kaufrecht, S. 219 Fn. 264. 143 Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, S. 121 Rn. 186. 144 Zum Ausnahmecharakter vgl.: Schlechtriem/Huber, Art. 46 Rn. 30. 140

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nach Art. 46 Abs. 2 und 3 CISG aber um alternative Ansprüche handelt, heißt diese Ausschließlichkeit elektive Konkurrenz.

III. Vergleich zu PECL und DCFR: Alternative Leistungen Auch die PECL und der DCFR normieren die Nacherfüllung als Rechtsbehelf für den Käufer. Sie unterscheiden sich jedoch von Art. 46 Abs. 2, 3 CISG. Denn nach beiden Konzepten besteht jeweils ein spezifischer Erfüllungsanspruch des Gläubigers, welcher die Abhilfe von Mängeln beinhaltet. Die konkurrierenden Formen der Abhilfe, also Nachbesserung und Ersatzlieferung, bilden wie im deutschen Recht eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht. 1. Art. 9:102 (1) PECL Nach Art. 9:102 (1) PECL steht der benachteiligten Partei ein Gewährleistungsanspruch auf Erfüllung zu. Dies meint eine spezifische Erfüllung („specific performance“)145, welche ausdrücklich auch die „Abhilfe für eine mangelhafte Leistung“ einschließt. Diese Regelung gilt einheitlich für alle Vertragsarten. Eine kaufrechtliche Detailregelung gibt es daneben nicht. Die PECL machen folglich keinen Unterschied machen zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung, da beide Formen der Erfüllung dienen und damit der Mangelhaftigkeit „Abhilfe“ leisten. Freilich ändert dies aber nichts daran, dass faktisch nur zwei Arten der „Abhilfe“ denkbar sind, eben Nachbesserung und Ersatzlieferung. Sie sind somit Formen einer „specific performance“, für die es einen einheitlichen Anspruch des Gläubigers aus Art. 9:102 (1) PECL gibt. Keineswegs handelt es sich um verschiedenartig konkurrierende Rechte wie im CISG. Es liegt also keine elektive Konkurrenz zweier Ansprüche vor. Es handelt sich um einen Fall alternativer Leistungen. Dies entspricht der deutschen Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht, wie ich für § 439 Abs. 1 BGB bereits festgestellt habe. Die Wahlschuld des Art. 9:102 (1) PECL richtet sich nach Art. 7:105 PECL, in dem die „Alternativen Leistungen“ geregelt sind. Diese Grundregeln weichen in einem Punkt entscheidend vom deutschen Pendant nach §§ 262 ff. BGB ab:146 Es gibt keine § 263 BGB 145

Begriff übernommen aus dem common law: von Bar/Zimmermann, PECL, S. 477. 146 Art. 7:105 (1) PECL entspricht dagegen genau § 262 BGB, wonach im Zweifel dem Schuldner das Wahlrecht zusteht.

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ähnliche Festlegung der Bindungswirkung des Wahlberechtigten. Daraus entnehme ich, dass nach den PECL auch in den Fällen alternativer Leistungen – wie in den Fällen elektiver Konkurrenz – grundsätzlich ein freies Wahlrecht besteht, welches nur die Grenzen von Treu und Glauben (Art. 1:201 PECL) zu wahren hat. Der Gläubiger des Erfüllungsanspruchs nach Art. 9:102 (1) PECL darf also, sofern er sich nicht treuwidrig verhält, zwischen den Formen der Abhilfe wechseln. Zu beachten ist aber, dass Art. 7:105 (2) PECL einen Übergang des Wahlrechts auf die Gegenpartei anordnet, wenn die Wahl nicht in angemessener Zeit erklärt wird. Ich habe bereits Bedenken zur Parallelnorm § 264 Abs. 2 BGB und § 439 Abs. 1 BGB, vor allem mit Blick auf Verbrauchsgüterkaufverträge, geäußert.147 Ob diese Regelung den teleologischen Bedenken Stand hält, bezweifle ich, denn ein Recht des Verkäufers zum Entscheidungszwang gegenüber dem Käufer geht dort zu weit. Da es sich bei Art. 9:102 (1) PECL um einen Rechtsbehelf handelt, gibt es schließlich noch einen weiteren Unterschied zum deutschen Recht. Dieser – und die damit verbundene Form der Abhilfe – muss vom Gläubiger erklärt werden, damit er vom Schuldner erfüllt werden kann. Der Anspruch ist verhalten. Dies entspricht nicht dem Konzept des BGB bzw. CISG. Nach dem Modell der PECL muss der Gläubiger die Form der (Nach-)Erfüllung vom Schuldner verlangen, damit diese fällig wird. 2. Art. III.-3:302 (2) DCFR Auch der DCFR sieht einen Rechtsbehelf der benachteiligten Partei auf Nacherfüllung vor. Dabei entspricht Art. III.-3:302 (1), (2) DCFR als allgemeine Regelung des Rechts auf Erfüllung im Grunde der Lösung des Art. 9:102 (1) PECL. Das bedeutet, auch hier wird dem Gläubiger ein Anspruch auf spezifische Erfüllung („specific performance“) gewährt, Art. III.-3:302 (1) DCFR, der nach Absatz 2 die kostenlose Abhilfe bei nicht vertragsgemäßem Zustand der Leistung umfasst („remedying free of charge of a performance“).148 Es ist ein verhaltener Anspruch, so dass der Schuldner diesen nicht einseitig erfüllen kann. Der Gläubiger muss ihn – in einer bestimmten Form – verlangen. Es handelt sich folgerichtig auch nach den Regelungen des DCFR um eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht. Wie schon zum Vorläufer, Art. 9:102 (1) PECL, ergibt sich dies für Art. III.-3:302 (2) DCFR daraus, dass es faktisch nur Nachbesserung und Ersatzlieferung als Formen der Abhilfe gibt. 147

S. 181 ff. Die systematische Trennung der Abhilfe (Absatz 2) vom Erfüllungsanspruch (Absatz 1) entspricht dem zeitlich nach den PECL veröffentlichtem Diskussionsvorschlag der Acquis Group, Art. 8:202: ZEuP 2007, 1152, 1152. 148

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Hier gelten die Regelungen zu „Alternativen Leistungen“ nach Art. III.-2:105 DCFR. Dieser entspricht im Wesentlichen dem Pendant nach Art. 7:105 PECL.149 Es gibt keine Bindung an die getroffene Wahl, wie sie für § 263 BGB gesehen wird. Somit hat der Gläubiger grundsätzlich ein ius variandi in den Grenzen von Treu und Glauben, Art. III.-1:103 DCFR. Ebenso wie in den PECL kann die Entscheidungsbefugnis aber auf den Schuldner übergehen, Art. III.-2:105 (2) DCFR. Dass dies vor allem mit Blick auf Verbrauchsgüterkaufverträge nicht unumschränkt gelten kann, habe ich bereits dargelegt.150

IV. Fazit: Die Konkurrenz der Nacherfüllungsvarianten Die Nacherfüllungsvarianten der Nachbesserung und der Nach- bzw. Ersatzlieferung sind in den verschiedenen Systemen des BGB, des CISG, der PECL und des DCFR unterschiedlich konzipiert. Zur Käuferwahl nach § 439 Abs. 1 BGB besteht ein Streit, um welche Form der Gläubigerwahl es sich handelt. Meines Erachtens handelt es sich dabei nicht um alternativ geltend zu machende Ansprüche (elektive Konkurrenz). Vielmehr ist dies ein Fall einer gesetzlichen Wahlschuld. Die §§ 262 ff. BGB sind jedoch nur in dem Maße anwendbar, in dem sie nicht durch die Prinzipien der Gewährleistungsrechte im Kaufrecht als speziellerer Materie verdrängt sind. Zudem soll die endgültige Bindungswirkung des § 263 Abs. 1 BGB im Fall der Käuferwahl nach § 439 Abs. 1 BGB keine Anwendung finden. Die Varianten der Nacherfüllung nach Art. 46 Abs. 2 und 3 CISG sind demgegenüber alternative Ansprüche, die in elektiver Konkurrenz stehen. Sie sind im Fall einer wesentlichen Vertragsverletzung weder dem Schadensersatzanspruch noch dem Recht zur Vertragsaufhebung vorrangig. Die Gläubigerwahl zwischen den Varianten der Nacherfüllung ist gemäß Art. 9:102 (1) PECL und Art. III.-3:302 (1), (2) DCFR die Entscheidung zwischen alternativen Leistungen innerhalb eines einheitlichen, anderen Rechten nicht vorrangigen Sekundäranspruchs auf spezifische Erfüllung. Es handelt sich folglich wie in § 439 Abs. 1 BGB um eine Wahlschuld 149

Bemerkenswert ist eine Neuerung des Art. III.-2:105 (1) DCFR, welche nur am Rande für diese Untersuchung relevant ist. Die Regelung gilt auch ausdrücklich für alternative Leistungsmodalitäten („methods of performance“). Dies wird auch zu den Normen der Wahlschuld im BGB mangels ausdrücklicher Regelung diskutiert und mit Recht überwiegend befürwortet: RGZ 57, 138, 141; BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 2; Soergel/Wolf, § 262 Rn. 5; MüKo/Krüger, § 262 Rn. 3; Palandt/Heinrichs, § 262 Rn. 1; Staudinger/Bittner, § 262 Rn. 4. Ablehnend (zur Sonderfrage nach der Art einer Gesellschaftsauseinandersetzung): RGZ 114, 393, 395; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, S. 156. Zu diesem Problem bereits: Kapitel 2, S. 87 f. 150 S. 176 ff. und S. 181 ff.

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mit Gläubigerwahlrecht, für die die Regelungen Art. 7:105 PECL bzw. Art. III.-2:105 DCFR gelten.

D. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Schadensersatzanspruch statt der Leistung Das Verhältnis des Primäranspruchs zum Schadensersatzanspruch statt der Leistung weist eine Alternativität auf. Die Ansprüche stehen in elektiver Konkurrenz.

I. Prämisse: Elektive Konkurrenz getrennter Ansprüche 1. Die Ausschließlichkeit von Primäranspruch und Schadensersatz Wir konzentrieren uns im Folgenden nur auf die Alternativität von Primäranspruch und Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3; 281 Abs. 1 BGB. Da es hier um die Fälle von Konkurrenz geht, ist das Verhältnis des Primäranspruchs zu sämtlichen Fällen von Schadensersatz neben der Leistung für die Untersuchung irrelevant.151 Denn diese Ansprüche schließen sich nicht gegenseitig aus und stehen daher nicht in elektiver Konkurrenz. Auch die Fälle, in denen die Leistungspflicht aufgrund von Unmöglichkeit ausgeschlossen ist, sind unproblematisch. Die Schadensersatzansprüche statt Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 283 bzw. 311 a Abs. 2 BGB treten dort nicht neben den Erfüllungsanspruch, sondern automatisch an dessen Stelle.152 Leistet der Verkäufer einer Sache nicht und lässt er die gesetzte Frist zur Leistung verstreichen, behält der Käufer seinen vertraglichen Erfüllungsanspruch. Sind ihm Schäden entstanden, welche das positive Interesse der Erfüllung betreffen und nicht bloß Begleitschäden neben einer Leistung bilden, bleibt ihm zu deren Ausgleich der Schadensersatzanspruch statt der Leistung aus §§ 280 Abs. 1, 3; 281 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB. Der Schadensersatz steht dann statt der Leistung zur Verfügung, sodass die geschuldete Leistung selbstverständlich die Ersatzzahlung ausschließt und umgekehrt.153 151 152

Das gilt für §§ 280 Abs. 1 wie auch für §§ 280 Abs. 2, 286 BGB. Ein Rücktrittsrecht wegen Teilunmöglichkeit gewährt zudem § 326 Abs. 5

BGB. 153

Staudinger/Otto, § 281 Rn. D 10.

D. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Schadensersatzanspruch 201

Das ordnet der Gesetzgeber ausdrücklich in § 281 Abs. 4 BGB an. Es ergibt sich aber bereits aus der logischen Überlegung, dass man nicht Leistung und zugleich Ersatz der fehlenden Leistung, also ein Surrogat hierfür verlangen kann. Dass § 281 Abs. 4 BGB trotzdem nicht bloß deklaratorisch wirkt, sondern tatsächlich rechtlich relevant ist, erklärt der Aspekt der Bindung an die Wahl.154 2. Trennung der Ansprüche Es handelt sich bei Erfüllung und Schadensersatz statt der Leistung um unterschiedliche Ansprüche und nicht bloß verschiedene Inhalte eines einzigen Anspruchs.155 Anders sieht dies offenbar Wolfgang Ernst.156 Sein Verständnis einer gleichwohl angenommenen elektiven Konkurrenz ist die einer gläubigerseitigen Befugnis, den bisherigen Anspruchsinhalt durch einen anderen Anspruchsinhalt ersetzen zu können.157 Er versteht die elektive Konkurrenz folglich als Leistungsgebotskonkurrenz.158 Ich folge dieser Meinung aus mehreren Gründen nicht. Diese Ansicht steht zum einen exemplarisch für den unsicheren Umgang mit der Kategorie der elektiven Konkurrenz. Die elektive Konkurrenz ist aus ihrer traditionellen Bedeutung her eine Konkurrenz von Rechten und keine Konkurrenz von Leistungsgeboten.159 Die Möglichkeit, einen aktuellen Leistungsinhalt durch einen anderen, potentiellen Leistungsinhalt zu ersetzen, gewährt nicht das Wahlrecht einer elektiven Konkurrenz, sondern eine Ersetzungsbefugnis. Wie ich bereits eingehend erläutert habe, ist diese Unterscheidung aus einem Gesichtspunkt fundamental: Wer eine Ersetzungsbefugnis ausübt, gestaltet ein Forderungsrecht nur inhaltlich um; wer hingegen von seiner Wahl in der elektiven Konkurrenz Gebrauch macht, entscheidet über die Geltendmachung verschiedener alternativer Forderungsrechte (oder Gestaltungsrechte). Ernst ist daher an dieser Stelle nicht zu folgen. Selbst wenn man mit ihm in diesem Fall die Konkurrenz ver154

Siehe dazu Kapitel 5: S. 411 ff. Vgl. zu vertraglich vereinbarten Schadensersatzansprüchen: Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 228/229; vgl. hierzu bereits die Ausführungen zur sog. disjunktiven Obligation: S. 83. 156 MüKo/Ernst, § 281 Rn. 68. 157 MüKo/Ernst, § 281 Rn. 68. 158 Eine Ersetzungsbefugnis bejaht auch Gsell, die ein Verhältnis zwischen Primär- und Sekundärleistung annimmt. Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (301, Fn. 10). 159 Ganz herrschende Ansicht: Heinrichs, Festschrift für Peter Derleder, S. 87 (105); MüKo/Krüger, § 262 Rn. 11; BeckOK/Unberath, § 281 Rn. 51; Staudinger/ Otto, § 281 Rn. A 24.Vgl. ausführlich Kapitel 1. 155

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

schiedener Leistungsgebote annimmt, wäre dies folgerichtig keine elektive Konkurrenz160, sondern eine Ersetzungsbefugnis des Gläubigers161. Zudem handelt es sich entgegen Ernst eben nicht um eine Konkurrenz von Inhalten eines Anspruchs. Die Konzeption des Gesetzes im § 281 BGB regelt nicht mehr die Umwandlung des Erfüllungsanspruchs in einen Schadensersatzanspruch – wie noch nach alter Rechtlage im § 326 Abs. 1 S. 2 HS 2 BGB a. F.162 –, sondern den Übergang von einem Anspruch zu einem anderen, nämlich vom primären Leistungsanspruch zum sekundären Schadensersatzanspruch statt der Leistung.163 Es liegen originär zwei Ansprüche vor, so dass nicht von der Umwandlung eines einzigen, also der Metamorphose eines Anspruchs, gesprochen werden kann. Vielmehr wird der eine Anspruch in seiner Wirkung ersetzt durch den anderen.164 Das ist auch ein wesentlicher Aspekt, der gegen die Anwendung der Wahlschuldregeln spricht: Optionale Ansprüche sind eben nicht optionale Leistungsinhalte. Die §§ 262 ff. BGB sind weder direkt noch analog auf die Beziehung von Primäranspruch und Schadensersatz statt der Leistung anzuwenden.165

II. Logische Einordnung der Konkurrenz Mit erfolglosem Ablauf der gesetzten Frist bzw. Eintritt der Tatbestandsvoraussetzungen des § 281 Abs. 2 BGB hat der Gläubiger zwei alternative Handlungsmöglichkeiten. Er kann entweder den Leistungsanspruch weiter verfolgen oder Schadensersatz statt der Leistung fordern. Das ist ein Fall einer starken Ausschließlichkeit im Sinne eines Entweder-oder. Es liegt folglich eine Kontravalenz der Optionen vor. Dabei ist der Erfüllungsanspruch mit Fristablauf nicht mehr vorrangig. Der Schadensersatzanspruch tritt als Option, sobald die Frist erfolglos verstrichen ist, auf die gleiche Stufe zum Primäranspruch, denn dieser geht nach heutiger Rechtslage dadurch nicht unter. Da aber zunächst die Frist verstreichen, der Primäranspruch ergebnis160

So aber: MüKo/Ernst, § 281 Rn. 68. So auch konsequenterweise die Mindermeinung von: Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (301, Fn. 10). 162 Helmut Heinrichs spricht folgerichtig von „Transformation“: Heinrichs, Festschrift für Peter Derleder, S. 87 ff. 163 BeckOK/Unberath, § 281 Rn. 1. Unglücklich erscheint daher die Beschreibung, der Gläubiger könne nach § 281 BGB seinen Primäranspruch in einen Schadensersatzanspruch „umwandeln“, siehe etwa: BeckOK/Unberath, § 281 Rn. 2 oder Heinrichs, Festschrift für Peter Derleder, S. 87 (87). 164 Dazu bereits: S. 83, sowie ausführlich: Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 200 ff. 165 Für § 264 BGB analog: Heinrichs, Festschrift für Peter Derleder, S. 87 (107); für § 264 BGB direkt: Schwab, JR 2003, 133 (135). 161

D. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Schadensersatzanspruch 203

los verfolgt werden muss, damit der Schadensersatz überhaupt entsteht, stehen die beiden Ansprüche hinsichtlich ihrer Entstehungsmomente in einer gestaffelten Alternativität. Sie sind also in ihrer Entstehung durch unterschiedliche Ereignisse impliziert. Aussagenlogisch bedeutet das: Begründung des Schuldverhältnisses ! Primäranspruch Nichtleistung trotz Fristsetzung ! (Primäranspruch # Anspruch aus § 281 BGB).

III. Die Verhaltenheit und Erfüllbarkeit der Ansprüche 1. Die Rangfolge der Ansprüche vor erfolglosem Fristablauf Objektiv füllt der sekundäre Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung die Lücke, welche entsteht, wenn der primäre Anspruch faktisch keine Wirkung entfaltet. Schäden, die durch das endgültige Ausbleiben der Leistung entstanden sind, werden somit aufgefangen.166 Daher kann man im Leistungsstörungsfall auch nicht sagen, der Gläubiger hat in Erfüllung des Geschuldeten und Schadensersatz statt der Leistung zwei gleichrangige Möglichkeiten. Zum einen trennt die beiden Optionen das Rechtsziel, nämlich die Leistung in natura oder die Substitution der Leistung. Und zum zweiten ist die Option b (Schadensersatz statt der Leistung) an Voraussetzungen geknüpft, die sich unmittelbar aus der Wirkungslosigkeit der Option a (Primäranspruch) ergeben. Daran kann man erkennen, dass der Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 281 Abs. 1 BGB im Rangverhältnis dem Primäranspruch nachgeordnet ist. Dies ist bei gleichrangigen Ansprüchen wie in § 179 Abs. 1 BGB nicht der Fall. Freilich bezieht sich dieses Rangverhältnis allein auf die gestaffelte Entstehung der Ansprüche. Diese ist bedingt durch das Fristsetzungserfordernis für den Schadensersatz. Mit erfolglosem Ablauf der Nachfrist (bzw. einer Ausnahme nach § 281 Abs. 2 BGB) sind aber beide Ansprüche letztlich entstanden, so dass ab diesem Zeitpunkt von einem tatbestandlichen Vorrang des Erfüllungsanspruchs keine Rede mehr sein kann. 2. Verhaltener Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach erfolglosem Fristablauf Obwohl mit dem erfolglosem Ablauf der Nachfrist zwischen dem Primäranspruch und dem Schadensersatz statt der Leistung keine Rangfolge mehr 166

BeckOK/Unberath, § 281 Rn. 3.

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besteht, sind sie nicht beide in gleichem Maße wirkungsvoll. Dies liegt an der Verhaltenheit des Sekundärrechts.167 Der Primäranspruch seinerseits bleibt nach erfolglosem Fristablauf bestehen und richtet sich in voller Wirkung gegen den Schuldner. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung hingegen ist nunmehr zwar entstanden, muss aber vom Gläubiger verlangt werden, damit er Wirkung entfaltet.168 Verlangt er ihn nicht, „ruht“ der Schadenersatzanspruch statt der Leistung neben einem wirkungsvollen und durchsetzbaren Erfüllungsanspruch. Das ergibt sich letztlich aus dem Wortlaut des § 281 Abs. 4 BGB, der den Ausschluss der Leistungspflicht anordnet, sobald der Gläubiger Schadensersatz „verlangt hat“.169 Es ergibt sich aber bereits aus der Überlegung, welche Position der Schuldner eigentlich hat. Würden ihn zwei nicht verhaltene Primäransprüche treffen, könnte er „ungefragt“ durch Leistung erfüllen und die Ansprüche zum Erlöschen bringen, siehe § 362 BGB. Das kann er im Falle des primären Erfüllungsanspruchs hier ebenfalls. Der Schuldner kann aber keinesfalls ohne vorherige Anforderung seitens des Gläubigers den Schaden durch Ersatzzahlung begleichen. Der Gläubiger hat das alleinige Entscheidungsrecht, ob er auf seinen Erfüllungsanspruch beharrt oder ob er zum Schadensersatz statt der Leistung übergeht. Solange er nicht Letzteren verlangt, bleibt es bei der Leistungspflicht des Schuldners, der nicht im Alleingang den Schaden begleichen darf. 3. Problem: Verhaltener Primäranspruch nach erfolglosem Fristablauf? a) Problemaufriss und Stellungnahme Verschiedene Stimmen fordern, dass der Schuldner, der nicht ordentlich leistet und die Frist verstreichen lässt, nicht ohne ein entsprechendes Erfüllungsverlangen des Gläubigers zur Erfüllung des Primäranspruchs berechtigt sein soll.170 Der Schuldner hat dann nämlich mindestens einmal – in Nacherfüllungsfällen sogar zweimal171- gegen seine Vertragspflichten verstoßen und ist nicht schutzwürdig. Diese Ansicht verfolgt also die Idee, dass der 167

Ebenso: Faust, Festschrift für Ulrich Huber, S. 239 (240). Zur Verhaltenheit allgemein: S. 164 ff. 169 Langheineken verweist auf die Häufigkeit des Begriffs „Verlangen“ im Gesetz und die damit verbundenen Fälle von verhaltenen Ansprüchen: Langheineken, Anspruch und Einrede, S. 101 (103). 170 Etwa: Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, S. 106. 171 In den Fällen eines Sach- oder Werkmangels, bei denen Nacherfüllung nicht geleistet wird, liegen zwei Vertragspflichtverletzungen vor (einmal bezüglich des Mangels, einmal bezüglich des Ausbleibens der Nacherfüllung). 168

D. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Schadensersatzanspruch 205

Erfüllungsanspruch nach Fristablauf zwar nicht untergeht, aber ohne ein ausdrückliches Verlangen des Gläubigers auch nicht erfüllt werden kann.172 Damit wären sowohl Primäranspruch als auch Schadensersatzanspruch verhalten. Diese Überlegungen zielen darauf ab, den Gläubiger vor einseitigen Erfüllungsversuchen des vertragsbrüchigen Schuldners zu schützen. Man spricht von der „Gefahr eines Rechts zur dritten Andienung“173. Dem schließe ich mich nicht an. Zunächst sprechen dagegen eindeutig die heutigen Gesetzesmaterialien. Der Gesetzgeber der Schuldrechtsreform hat eine Ungewissheit des Schuldners nach erfolglosem Fristablauf erkannt und auch in der Begründung diskutiert: Der Schuldner weiß nicht, ob noch erfüllt werden soll oder ob der Gläubiger nun den Rücktritt erklärt oder Schadensersatz statt der Leistung verlangt. Zur damit verbundenen Frage, ob der Schuldner in irgendeiner Form einseitig diese Ungewissheit beenden kann, hat der Gesetzgeber nunmehr ausdrücklich erklärt: „Außerdem kann der Schuldner die Ungewissheit jederzeit dadurch beenden, dass er die nach dem Schuldverhältnis geschuldete Leistung erbringt.“174 Der Gesetzgeber hat damit zum einen eine unsichere Schwebelage des Schuldners gesehen, sich aber bewusst dagegen entschieden, diesem eine Möglichkeit zur Erzwingung der Gläubigerwahl an die Hand zu geben.175 Als Grenze der Zumutbarkeit der Schwebelage für den Schuldner wurde lediglich § 281 Abs. 4 BGB vorgesehen, wonach der Gläubiger, wenn er sich für den Schadensersatz statt der Leistung entscheidet, an diese Wahl gebunden ist und nicht mehr Erfüllung verlangen kann.176 Wie selbstverständlich geht der Gesetzgeber aber zum zweiten davon aus, dass der Schuldner darüber hinaus nicht schutzwürdig ist. Denn die Ungewissheit über das Schicksal des Erfüllungsanspruchs nach erfolglosem Fristablauf kann er selbst beenden, indem er die geschuldete Leistung endlich erbringt. Diese Lösung ist auch aus Sicht des Gläubigerschutzes nachvollziehbar, denn der Gläubiger erhält mit der Erfüllung der Leistungspflicht nach Frist172 So auch der Bundesgerichtshof in einem obiter dictum in Bezug auf § 636 BGB (§ 633 Abs. 2 BGB a. F.) bzw. § 13 VOB/B: Der Gläubiger soll bei Sachoder Werkmängeln und anfänglich verweigerter Nacherfüllung nicht gezwungen sein, die später dann doch angebotene Nacherfüllungsleistung anzunehmen: BGH, Urteil vom 27.02.2003 (Az.: VII ZR 338/01), NJW 2003, 1526, 1526. Dazu auch: BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 8. 173 Schroeter, AcP 207 (2007), 28 (45) mit weiteren Nachweisen; ebenso im Kaufrecht: Bressler, NJW 2004, 3382 (3385). 174 BT-Drucks. 14/6040, S. 140 zum Schadensersatz statt der Leistung; BTDrucks. 14/6040, S. 185 zum gleichen Problem beim Rücktrittsrecht. 175 BT-Drucks. 14/6040, S. 140. 176 BT-Drucks. 14/6040, S. 140.

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ablauf nur genau das, was er ursprünglich erhalten sollte.177 Wer dem entgegenhält, dass mit dem Vertragsbruch des Schuldners das Interesse des Gläubigers am Erhalt der Leistung unter Umständen entfallen ist und dieser Interessenfortfall nicht hinreichend berücksichtigt werde, verkennt das Wahlrecht des Gläubigers: Wenn er die Erfüllung durch den vertragsbrüchigen Schuldner nicht mehr will, kann der Gläubiger sofort nach Fristablauf zurücktreten oder eben den Schadensersatz statt der Leistung verlangen.178 Ihm wird also, wenn er mit seiner Entscheidung wartet und zwischenzeitlich der Schuldner doch die Erfüllung anbietet, keine Leistung „aufoktroyiert“179. Der Schuldner kann folglich selbst dafür sorgen, dass die Ungewissheit darüber, ob der Gläubiger nach erfolglosem Fristablauf noch den Primäranspruch durchsetzen wird, beseitigt wird. Um dies zu tun, muss er lediglich auf den Primäranspruch (bzw. den modifizierten Primäranspruch in der Form des Nacherfüllungsanspruchs) leisten und diesen damit erfüllen. Er muss dazu nicht auf ein Verlangen des Gläubigers warten. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung ist folglich verhalten, der Primäranspruch dagegen nicht. b) Die Lösungsansätze der Gegenmeinung Für die Gegenansicht stellt sich das Problem einer Schwebelage für den Schuldner, aus der er zunächst keinen klaren Ausweg findet: Solange der Gläubiger kein Sekundärrecht geltend macht und sofern man auch den Erfüllungsanspruch nach erfolglosem Fristablauf ohne ein entsprechendes Verlangen als nicht einseitig erfüllbar ansieht, ist der Schuldner im Unklaren darüber, welche Option er fortan bedienen soll. Zur Lösung dieses Problems werden verschiedene Ansätze vorgeschlagen. aa) Die Aufforderung zur Gläubigerwahl durch den Schuldner Teilweise wird vertreten, der Schuldner müsse durch eine Aufforderung den Gläubiger zur Ausübung seines Wahlrechts zwingen können. Heinrichs etwa meint, der Schuldner könne dem Gläubiger analog § 264 Abs. 2 BGB eine Frist zur Entscheidung hinsichtlich seines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung setzen.180 Ähnlich sieht es Otto, der dem Gläubiger ge177

Faust, Festschrift für Ulrich Huber, S. 239 (246). Ebenso: Schroeter, AcP 207 (2007), 28 (45). 179 So aber: Finn, ZGS 2004, 32 (34). 180 Heinrichs, Festschrift für Peter Derleder, S. 87 (107); ders., in Palandt/Heinrichs, § 281 Rn. 50 b; Derleder/Hoolmans, NJW 2004, 2787 (2790). Ähnlich auch: 178

D. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Schadensersatzanspruch 207

mäß § 350 BGB analog die Möglichkeit geben will, dem Schuldner im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch statt der Leistung eine Frist zur Entscheidung zu setzen.181 Nach Finn hat der Gläubiger nach erfolglosem Fristablauf die der vertraglichen Sorgfalt entspringende Pflicht, dem Schuldner seine Entscheidung über das weitere Vorgehen mitzuteilen.182 Verletzt er diese Entscheidungs- bzw. Mitteilungspflicht, kann der Schuldner selbst einen Schadensersatzanspruch geltend machen. Der Gesetzgeber hat sich indes – wie ich bereits dargestellt habe – dagegen entschieden, es dem Gläubiger zu ermöglichen, eine Entscheidung des Schuldners zu erzwingen.183 Diese Ansätze sind daher abzulehnen.184 bb) Das Angebot der Leistung durch den Schuldner Als einfachere Lösung wird im Schrifttum überwiegend vertreten, der Schuldner solle als Ausweg aus dem Dilemma die Leistung anbieten.185 Der Schuldner könne den Gläubiger dadurch in Annahmeverzug setzen und sich selbst aus dem Schuldnerverzug befreien. Was daraus folgt, wird wiederum unterschiedlich gesehen. Zum Teil wird vertreten, durch den Wechsel vom Schuldnerverzug zum Gläubigerverzug entfielen die alternativen Sekundärrechte des Gläubigers.186 Demgegenüber plädiert Unberath dafür, den Schadensersatzanspruch statt der Leistung ebenso wie das Rücktrittsrecht nicht wegfallen zu lassen, denn diese setzten nicht das Fortbestehen Schwab, JR 2003, 133, 135, der allerdings § 264 Abs. 2 BGB direkt anwendet. Letzteres ist schon mit Blick auf die strukurellen Unterschiede zwischen der Wahlschuld und der elektiven Konkurrenz abzulehnen: Die Wahlschuld nach §§ 262 ff. BGB betrifft alternative Leistungsgebote eines Anspruchs, die elektive Konkurrenz betrifft alternative Ansprüche. Auf die elektive Konkurrenz sind die §§ 262 ff. BGB daher nicht direkt anzuwenden; ebenso: Jacobs, Festschrift für Hansjörg Otto, S. 137 (143). 181 Staudinger/Otto, § 281 Rn. D 8. 182 Finn, ZGS 2004, 32 (34). Vereinzelt wird damit dem Gläubiger auch eine Überlegungsfrist eingeräumt: Derleder/Hoolmans, NJW 2004, 2787 (2789). Ähnlich auch: Hanau, NJW 2007, 2806 (2809), der die Möglichkeit für den Schuldner sieht, über §§ 323 Abs. 1, 242 BGB dem Gläubiger eine „Erklärungsfrist“ zu setzen. 183 BT-Drucks. 14/6040, S. 140. Zur Möglichkeit, eine Wahl des Gläubigers faktisch zu erzwingen, eingehend: Kapitel 5, S. 357 ff. 184 Ebenso: Jacobs, Festschrift für Hansjörg Otto, S. 137 (144). 185 Vgl.: Derleder/Hoolmans, NJW 2004, 2787 (2787); Canaris, Karlsruher Forum 2002, S. 5 (49); Jacobs, Festschrift für Hansjörg Otto, S. 137 (146); MüKo/ Ernst, § 281 Rn. 85; BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 8; Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (305). 186 Derleder/Hoolmans, NJW 2004, 2787 (2787); Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (306); MüKo/Ernst, § 281 Rn. 85; Jacobs, Festschrift für Hansjörg Otto, S. 137 (147).

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des Schuldnerverzugs voraus.187 Vielmehr träfen den wahlberechtigten Gläubiger die gesetzlich vorgesehenen Folgen des Annahmeverzugs (insbesondere § 304 BGB: Ersatzanspruch des Schuldners für Mehraufwendungen), was als Schuldnerschutz respektive Gläubigeranreiz zur Wahlausübung ausreiche. Nach Canaris folgen aus dem den Gläubigerverzug begründenden Angebot des Schuldners zwei Möglichkeiten.188 Entweder: Der Gläubiger nimmt die Leistung an. Dann ist der Primäranspruch erfüllt und alternative Sekundärrechte wie der Schadensersatz statt der Leistung drohen nicht mehr. Oder: Der Gläubiger nimmt die Leistung nicht an bzw. lehnt das Angebot des Schuldners ab. Dann liegt keine Erfüllung des Primäranspruchs vor, der somit weiter fortbesteht und nicht nach § 362 BGB erloschen ist. Mit der Ablehnung des Schuldnerangebots aber erledigt sich der Erfüllungsanspruch faktisch, denn es wird dem Gläubiger nicht möglich sein, diesen später doch noch durchzusetzen. Jedem künftigen Versuch des Gläubigers, seinem Primäranspruch Geltung zu verschaffen, kann der Schuldner die dauerhafte Einrede widersprüchlichen Verhaltens gemäß § 242 BGB entgegenhalten:189 Der Gläubiger verlangt dann etwas, was er zuvor abgelehnt hat. Der Primäranspruch geht dabei nicht unter, kann aber auch nicht mehr durchgesetzt werden. cc) Stellungnahme Im Grundsatz stimme ich der letztgenannten Lösung von Canaris zu. Er geht wie die überwiegende Meinung im Schrifttum zu Recht davon aus, dass das Anbieten der Leistung das geeignete Mittel für die Lösung der Schwebelage seitens des Schuldners ist. Richtig und als Lösung einfacher erscheint mir aber, dass der Gläubiger durch das Angebot des Schuldners nach Fristablauf grundsätzlich nicht in Gläubigerverzug geraten muss. Bietet der Schuldner die Leistung nämlich an, gibt es vielmehr zwei Möglichkeiten, wie der Gläubiger reagieren kann. Entweder: Der Gläubiger nimmt die angebotene Leistung an; dann tritt Erfüllung nach § 362 BGB ein. Lehnt der Gläubiger ab, nimmt er vom Erhalt der Leistung endgültig Abstand, ohne dass er sich damit zugleich zum Schicksal seiner eigenen Gegenleistung erklären muss. Diese Ablehnung kann als Willenserklärung dahingehend ausgelegt werden, dass er von dem Rechtsbehelf Gebrauch machen will, welcher die Annahmepflicht hinsichtlich der Schuldnerleistung verhindert, aber zugleich die Frage nach der Gegenleistungspflicht offen187

BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 8, im Anschluss an: BGH, NJW 2003, 1526,

1527. 188

Canaris, Karlsruher Forum 2002, S. 5 (49). Canaris, Karlsruher Forum 2002, S. 5 (49). Zu den Möglichkeiten der Verwirkung bzw. Einrede aus § 242 BGB ausführlich: Kapitel 5, S. 363 ff. 189

D. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Schadensersatzanspruch 209

lässt. Diesem nach außen tretenden Willen des ablehnenden Gläubigers entspricht der Rechtsbehelf des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung, denn nach § 281 Abs. 4 BGB fällt die Leistung des Schuldners, wenn der Gläubiger hiervon Gebrauch macht, aus dem Pflichtenprogramm des Schuldverhältnisses. Drückt darüber hinaus die Ablehnung der Schuldnerleistung zugleich eindeutig die Verweigerung der Gegenleistung aus, so kann die Willenserklärung zudem als Rücktrittserklärung ausgelegt werden, was zwingend zur Berechnung des Schadensersatzanspruchs nach der Differenzmethode führt.190 Durch diese Lösung ist in den Fällen klarer Ablehnung beiden Seiten geholfen. Der Schuldner hat die Gewissheit, nicht mehr leisten zu müssen, wenn sein verspätetes Angebot abgewiesen wird. Der Gläubiger gerät durch die Zurückweisung der verspäteten Leistung nicht in Annahmeverzug und verliert hierdurch erst Recht nicht seine Sekundärrechte, sondern übt diese vielmehr durch die Zurückweisung der Leistung aus.191 Entscheidend ist dabei die Auslegung seiner – ablehnenden – Willenserklärung. Selbstredend kann eine solche Auslegung nur erfolgreich sein, wenn eine eindeutige Willenserklärung tatsächlich vorliegt. Für den Fall, dass der Gläubiger auf die angebotene Leistung des Schuldners überhaupt nicht reagiert bzw. nicht reagieren kann192, ist richtigerweise die Lösung über den von Unberath vorgeschlagenen Annahmeverzug des Gläubigers zu suchen.193 dd) Folgeproblem: Das erfolglose Angebot In der Praxis stellt sich ein wirtschaftliches Folgeproblem: Das tatsächliche Angebot der Leistung ist unter Umständen aufwendig und verbraucht – wie Faust bemerkt – unnötig Ressourcen, wenn der Gläubiger die Leistung ablehnt.194 Dies könnte nur verhindert werden, wenn man die Lösung der Schwebelage auf den Moment der Leistungsankündigung vorverlagert.195 Diese bloße Leistungsankündigung soll nach der eindeutigen Wertentscheidung des Gesetzgebers aber keinesfalls dazu führen, dass der Gläubiger zu einer Entscheidung gezwungen wird. Faust ist zuzustimmen, 190

Dazu ausführlich: S. 261 ff. Wie hier: Palandt/Grüneberg, § 281 Rn. 49. 192 Man denke hierbei etwa an das vergebliche Angebot des Schuldners an der Haustür des Gläubigers, wenn dieser nicht zu Hause ist und die Leistung damit gar nicht annehmen kann. 193 BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 8. Folgt man dieser Ansicht, wonach durch das Angebot des Schuldners der Gläubiger in Annahmeverzug gerät, so hat der Gläubiger die Mehraufwendungen des Schuldners gemäß § 304 BGB zu ersetzen. Daneben kann der Schuldner Ersatz nach Maßgabe der §§ 280 ff. BGB verlangen. 194 Faust, Festschrift für Ulrich Huber, S. 239 (244). 191

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dass es dem Schuldner trotzdem unbenommen bleibt, durch eine Ankündigung der Leistung bzw. vorherige Nachfrage beim Gläubiger den Versuch zur Beendigung der Schwebelage ohne weitere Leistungsanstrengungen zu unternehmen.196 Lehnt der Gläubiger dann bereits ausdrücklich die Annahme der angekündigten Leistung ab, liegt ein Rücktritt vor. Bekundet der Gläubiger weiter Interesse an der Leistung, kann der Schuldner in einem angemessenen Zeitraum die Leistung tatsächlich vornehmen. In dieser Zeit ist der Schuldner durch die Einrede des widersprüchlichen Verhaltens nach § 242 BGB vor dem Rücktritt und dem Schadensersatz statt der Leistung geschützt. Reagiert der Gläubiger überhaupt nicht auf die Anfrage des Schuldners, hat dieser die Leistung tatsächlich anzubieten. 4. Fazit: Die Verhaltenheit und Erfüllbarkeit der Ansprüche Zwischen dem Primäranspruch und dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung besteht wegen des Fristsetzungserfordernisses eine Rangfolge. Erst mit ergebnislosem Fristablauf bestehen diese als gleichrangige, alternative Optionen des Gläubigers. Dabei ist der Schadensersatzanspruch statt der Leistung verhalten, der Primäranspruch nicht. Entgegenstehende Meinungen im Schrifttum setzen zur Erfüllung des Primäranspruchs nach Fristablauf voraus, dass der Gläubiger die Leistung zuvor explizit verlangt hat. Der Schuldner gerät somit ab Fristablauf in eine Schwebelage, denn er weiß nicht, ob der Gläubiger noch Interesse an der Leistung hat oder auf die alternativen Sekundäransprüche übergeht. Der Gesetzgeber hat sich dabei ausdrücklich gegen die Möglichkeit entschieden, den Gläubiger zur verbindlichen Ausübung der Wahl zwingen zu können. Richtigerweise kann der Schuldner selbst das Dilemma nur durch ein Angebot der verspäteten Leistung lösen. Die bloße Ankündigung der Leistung hingegen reicht nicht aus.

IV. Vergleich zu CISG, PECL und DCFR Der Schadensersatzanspruch nach CISG, PECL und DCFR ist ein einheitlicher Tatbestand für alle Schäden, die neben bzw. statt der Leistung auftreten. Daher steht der Anspruch auch nicht in elektiver Konkurrenz zum primären Erfüllungsanspruch. Schadensersatz und Erfüllung können sich 195

Faust, Festschrift für Ulrich Huber, S. 239 (252). Gsell verlangt diese Ankündigung der Leistung in Anlehung an § 299 BGB zwingend, um den Annahmeverzug des Gläubigers zu begründen: Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (306). 196 Faust, Festschrift für Ulrich Huber, S. 239 (252).

D. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Schadensersatzanspruch 211

gleichwohl entgegen den ausdrücklichen Kombinationsregeln Art. 45 Abs. 2 CISG, Art. Art. 8:102 PECL und Art. III.-3:102 DCFR logisch ausschließen. Dies ist indes keine Frage der Anspruchskonkurrenz, sondern eine Frage der Schadensberechnung. 1. Art. 45 Abs. 1 b), Abs. 2 und Art. 74 ff. CISG Der Käufer hat nach Art. 45 Abs. 1 b) CISG einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verkäufer, sofern dieser seine Vertragspflichten verletzt. Art und Umfang des Schadensersatzes richten sich nach den Art. 74 ff. CISG. Gemäß Art. 45 Abs. 2 CISG hat der Käufer das Recht, den Schadensersatz mit den Rechtsbehelfen nach Art. 45 Abs. 1 a) i. V. m. Art. 46 ff. CISG zu kombinieren. Drei Unterschiede zum Schadensersatz nach BGB können wir verzeichnen. Zum einen trennt das CISG nicht nach den Arten der Pflichtverletzung.197 Zum zweiten ist der Schadensersatzanspruch nach dem CISG nicht von einem Verschulden abhängig. Es besteht eine Garantiehaftung.198 Für das deutsche Recht ist – drittens – anhand der Systematik und der Unterschiede der Tatbestandsmerkmale eine Trennung der Schadensersatzansprüche (§§ 280 ff. BGB) möglich. Jeder Anspruch verkörpert dabei ein anderes Interesse des Gläubigers. Die Schadensersatzansprüche statt der Leistung (§§ 281, 282, 283, 311 a Abs. 2 BGB) sind deutlich von den Schadensersatzansprüchen neben der Leistung (§§ 280 Abs. 1, 286 BGB) zu trennen. Nur der Schadensersatz statt der Leistung steht zum Primäranspruch bzw. zur Nacherfüllung in elektiver Konkurrenz. Im Regelungsmodell des CISG gibt es hingegen, unabhängig von der Art der Pflichtverletzung und dem Interesse des Gläubigers (mit Ausnahme des Interesses, den Vertrag aufzuheben, siehe Art. 75, 76 CISG), einen einheitlichen Tatbestand des Schadensersatzes. Für die Frage der Konkurrenz zu anderen Rechten gilt: Entscheidend ist die Anordnung in Art. 45 Abs. 2 CISG, wonach gerade keine Ausschließlichkeit gegenüber anderen Rechtsbehelfen möglich sein soll. Man darf Art. 45 Abs. 2 CISG aber nicht als Mittel zur Überwindung logischer Widersprüche verstehen: Wo ein Rechtsbehelf rein logisch nicht mit dem Schadensersatz kombiniert werden kann, besteht selbstverständlich eine Alternativität. Alternativ sind dort aber nicht die Rechtsbehelfe, sondern lediglich der jeweilige Rechtsbehelf zu einer bestimmten Form des Schadens197 Ausnahme: Entlastung des Schuldners nach Art. 79, 80 CISG; Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, S. 182 Rn. 286. 198 Schlechtriem/Huber, § 45 Rn. 37.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

ersatzes. Je nachdem, mit welchem Rechtsbehelf er verbunden wird, hat der Schadensersatzanspruch nämlich einen unterschiedlichen Inhalt.199 Eine Ausschließlichkeit besteht daher selbstverständlich zwischen den Nacherfüllungsansprüchen nach Art. 46 Abs. 2, 3 CISG und dem Schadensersatzanspruch, soweit sich der Schaden allein auf den Minderwert der fehlerhaften Sache beschränkt. Denn dieser Mangelunwert kann nur entweder über Art. 46 Abs. 2, 3 CISG behoben werden oder nach Art. 45 Abs. 1 b) CISG als Vermögensdifferenz ausgeglichen werden, nicht beides. Nacherfüllung und Schadensersatz für den Minderwert schließen sich aus.200 Schäden, die darüber hinausgehen (z. B. entgangener Gewinn) oder den Mangelunwert begleiten (Verzögerungsschäden, Mangelfolgeschäden), kann der Käufer selbstverständlich noch neben der Nacherfüllung geltend machen.201 Für den Fall, dass der Schadensersatz nicht mit dem Nacherfüllungsbegehren kombinierbar ist – bloßer Minderwert der Sache –, besteht zwischen den Rechtsbehelfen keine elektive Konkurrenz. Vielmehr gilt: Der Schadensersatz ist dann auf den Ersatz von Schäden, die über den Minderwert der Sache hinausgehen oder diesen unabhängig davon begleiten, beschränkt.202 Dies ist eine Folge des Schadensumfangs, auf die ich im deutschen Recht noch einmal eingehender zurückkommen werde. Generell gilt: Soweit eine Leistung erbracht worden ist, liegt kein Schaden diesbezüglich vor, für den ein – im rein deutschen Duktus – Schadensersatz statt der Leistung geltend gemacht werden könnte. Anders als für das BGB diskutiert, besteht für das CISG kein Zweifel, dass der vertragsbrüchige Schuldner selbst nach erfolglosem Fristablauf ohne ein entsprechendes Verlangen des Gläubigers noch erfüllen kann. Das ordnet Art. 48 Abs. 1 CISG als echtes Recht des Verkäufers zur nochmaligen Andienung ausdrücklich an.203 Die als Rechtsbehelfe angeordneten Erfüllungsansprüche sind folglich, anders als der Schadensersatzanspruch, keine verhaltenen Ansprüche. Sie müssen vom Gläubiger nicht geltend gemacht werden, damit der Schuldner sie erfüllen kann. Das Recht des vertragsbrüchigen Verkäufers, gemäß Art. 48 Abs. 1 CISG nachzuerfüllen, hat freilich Grenzen. Die Nacherfüllung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag durch den Käufer nach Art. 49 CISG bereits berechtigterweise aufgehoben 199

Schlechtriem/Huber, § 45 Rn. 39. Anders ausgedrückt: Es müssen dieselben Voraussetzungen wie für eine Minderung vorliegen, damit der Schadensersatz den Minderwert der Sache umfassen kann: Grunewald, Kaufrecht, S. 227 Rn. 133. 201 Vgl. nur: BGH, RIW 1999, 617, 617. 202 Vgl. die Übersicht bei: MüKo/Huber, Art. 48 CISG Rn. 20–22. 203 Eine vergleichbare Regelung ist Art. 37 CISG für die Nacherfüllung bei vorzeitiger Lieferung. 200

D. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Schadensersatzanspruch 213

wurde. Zudem muss die Nacherfüllung für den Käufer zumutbar sein, was Art. 48 Abs. 1 S. 1 CISG ausdrücklich vorsieht.204 Sind beide Grenzen gewahrt, darf der Verkäufer als Schuldner nacherfüllen, ohne dass es auf ein Verlangen des Käufers ankommt. Für das CISG gilt demnach: Der Rechtsbehelf Schadensersatz ist verhalten, der Rechtsbehelf der (Nach-)Erfüllung wegen des ausdrücklichen Rechts zur Andienung für den Verkäufer aus Art. 48 Abs. 1 CISG nicht. 2. Art. 8:102 und Art. 9:501 PECL Art. 8:102 PECL entspricht Art. 45 Abs. 2 CISG und ordnet ebenso an, dass die Rechtsbehelfe nach den PECL, sofern sie miteinander vereinbar sind, kombiniert werden können. Im Besonderen gelte dies für den Schadensersatz, der von keinem anderen Rechtsbehelf ausgeschlossen werde. Der Schadensersatz bemisst sich dabei nach Art. 9:501 ff. PECL. Wie auch im CISG besteht grundsätzlich eine Garantiehaftung, auch wenn Art. 9:501 (1) PECL die Exkulpationsmöglichkeit nennt, die Nichterfüllung gemäß Art. 8:108 PECL zu entschuldigen. Art. 8:102 PECL nennt ausdrücklich die Grenze der Kumulation aller Rechtsbehelfe, insbesondere mit dem Schadensersatz: Sie müssen „miteinander vereinbar“ sein. Also kann damit nicht der logische Widerspruch überwunden werden, der entsteht, wenn der Gläubiger zugleich Erfüllung und Ersatz für die Erfüllung verlangt. Soweit – wie schon zum CISG erläutert – der Schaden allein auf das Ausbleiben der Erfüllung oder den Minderwert der Leistung beschränkt ist, kann er nicht geltend gemacht werden, wenn der Schuldner doch erfüllt bzw. den Minderwert durch Nacherfüllung beseitigt. Es fehlt dann am Schaden. Primäranspruch und Schadensersatzanspruch schließen sich dabei aber nicht kategorisch aus. Es besteht keine Anwendungssperre für den Anspruch auf Schadensersatz. Wiederum wie im CISG, beschränkt sich der Schadensersatzanspruch nach Art. 9:501 (1) PECL lediglich auf solche Schäden, die nicht mit dem Erfüllungsrechtsbehelf abgewendet sind, also Verzögerungs- und Begleitschäden und solche, die über den Minderwert der Nichterfüllung hinausgehen. Der Rechtsbehelf auf spezifische Erfüllung ist wie der Schadensersatz ein verhaltener Anspruch. Durch Art. 9:102 (2) PECL wird ein Unterschied zum CISG und zum hier vertretenen Regelungsmodell des BGB deutlich: Will sich der Gläubiger darauf stützen, muss der Rechtsbehelf der Erfüllung 204 Dies beinhaltet die Einzelfallprüfung unzumutbarer Verzögerungen und Unannehmlichkeiten sowie die Ungewissheit über die Erstattung der Auslagen: MüKo/ Huber, Art. 48 CISG Rn. 6–8.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

verlangt werden; anderenfalls droht er, diesen Rechtsbehelf zu verlieren. Im Umkehrschluss heißt das: Bevor nicht der Gläubiger die Erfüllung vom zuvor vertragsbrüchigen Schuldner verlangt hat, kann dieser auch nicht einseitig erfüllen. 3. Art. III.-3:102 und Art. III.-3:701 ff. DCFR Das Regelungsmodell des PECL bezüglich der Rechtsbehelfe ist für den Gemeinsamen Referenzrahmen im Wesentlichen übernommen worden. Dies gilt auch für den Schadensersatz. Dabei entspricht Art. III.-3:102 DCFR dem Art. 8:102 PECL: Alle Rechtsbehelfe können, sofern sie miteinander vereinbar sind, kombiniert werden; kein Rechtsbehelf schließt den Anspruch auf Schadensersatz aus. Damit gilt auch im Hinblick auf das Verhältnis des Schadensersatzanspruchs nach Art. III.-3:701 (1) DCFR zum primären Erfüllungsanspruch nach Art. III.-3:302 (1), (2) DCFR: Es besteht keine elektive Konkurrenz. Vielmehr besteht für den Minderwert der ausbleibenden bzw. mangelhaften Leistung kein Schaden, sofern dieser Minderwert behoben ist. Der Schadensersatzanspruch ist nicht ausgeschlossen, sondern beschränkt sich auf Schäden neben der Leistung und solche, die über den Minderwert der Leistung hinausgehen. Beides, Schadensersatz und Erfüllung, muss vom Gläubiger verlangt werden, damit die Ansprüche fällig werden. Sie sind verhaltene Ansprüche. 4. Fazit: Vergleich zu CISG, PECL und DCFR Weder das CISG noch die PECL bzw. der DCFR unterscheiden Schadensersatzansprüche neben der Leistung und Schadensersatzansprüche statt der Leistung. Jeweils besteht nur ein einheitlicher Schadensersatzanspruch, der alle Schäden erfasst. Im Gegensatz zum Modell des BGB kann es daher auch keine elektive Konkurrenz des Primäranspruchs zum Schadensersatz statt der Leistung geben. Vielmehr entfällt der Schaden bezüglich der Nichterfüllung, sobald der Schuldner ordentlich erfüllt. Darüber hinausgehende Schäden kann der Gläubiger aber jederzeit ersetzt verlangen. Dies besagen die Regelungen Art. 45 Abs. 2 CISG, Art. Art. 8:102 PECL sowie Art. III.-3:102 DCFR ausdrücklich.

E. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Rücktrittsrecht

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V. Fazit: Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Schadensersatz statt der Leistung Primäranspruch und Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3; 281 Abs. 1 BGB schließen sich logisch aus. Sie stehen in elektiver Konkurrenz. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung ist ein verhaltener Anspruch. Der Primäranspruch im BGB wird entgegen einer verbreiteten Ansicht nach Fristablauf nicht zu einem verhaltenen Anspruch. Dies entspricht dem Modell des CISG. Als verhaltener Anspruch ist der Rechtsbehelf der Erfüllung hingegen in den PECL und im DCFR konzipiert.

E. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Rücktrittsrecht Der primäre Erfüllungsanspruch und das Rücktrittsrecht schließen sich kategorisch aus. Sie stehen in elektiver Konkurrenz. Der Grund dafür ist der Gestaltungscharakter des Rücktritts. Dies gilt ebenso für das Recht zur Vertragsaufhebung in CISG, PECL und DCFR, auch wenn der Rechtsbehelf dort nur Ausnahmecharakter und nach den PECL gar Rechtsfolgen nur für die Zukunft hat.

I. Erklärung der Konkurrenz 1. Der Gestaltungscharakter des Rücktritts Erfüllungsanspruch und Rücktrittsrecht unterscheiden sich in der Qualität des Rechts. Ein Erfüllungsanspruch bedeutet, der Schuldner ist zur Erbringung einer Leistung verpflichtet. Dies durchzusetzen, hat der Gläubiger ein Forderungsrecht inne, vgl. § 194 Abs. 1 BGB. Der Rücktritt hingegen ist die Ausübung eines Gestaltungsrechts. Der Rücktritt im BGB wandelt das Schuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis um, siehe §§ 346 ff. BGB.205 Dies gilt für das allgemeine Schuldrecht gemäß §§ 323 i. V. m. 346 BGB und das Rücktrittsrecht im besonderen Schuldrecht, z. B. §§ 437 205 Heute ständige Rechtsprechung: BGHZ 86, 313, 319; 88, 46, 48; 89, 126, 133. Für die heute einhellige Literatur: E. Wolf, AcP 153 (1954), 107 (108); Staudinger/Otto, § 323 Rn. A 23; Leser, Rücktritt vom Vertrag, S. 150 ff.; Huber, Leistungsstörungen I, § 21 I 1 Nr. b; Herresthal, JuS 2007, 798 (798). Die früher herrschende Auffassung vertrat ein rückwirkendes Erlöschen des gesamten Vertrags und an dessen Stelle ein gesetzliches modifiziertes Bereicherungsverhältnis: Oertmann, Vorbemerkung 2 a zu § 346 a. F.; RGZ 130, 271, 273.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Nr. 2 Var. 1, 323 Abs. 1 i. V. m. § 346 BGB. Ebenso verhält es sich mit dem Teilrücktritt nach §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 1 i. V. m. § 346 BGB, wenn nur ein Teil der Leistung unmöglich ist. Das Rückgewährschuldverhältnis bedeutet: Die durch den Vertrag begründeten primären Leistungspflichten werden aufgehoben. Zugleich wird für beide Parteien gemäß §§ 346 ff. BGB die Pflicht zur Rückgewähr bereits empfangener Leistungen begründet. Das ist der Grund, warum der Erfüllungsanspruch nicht mit dem Rücktrittsrecht kumuliert werden kann. Während der Anspruch auf Erhalt der geschuldeten Leistung und damit Durchführung des Vertrags abzielt, verfolgt der Rücktritt die Rückabwicklung der Leistungen und damit die – nicht dem Vertragsziel entsprechende – Beendigung des Vertrags.206 2. Die Konkurrenz zum Primäranspruch Für das Verhältnis zwischen dem Primäranspruch und dem Rücktrittsrecht können wir zum Teil auf die Konkurrenz Erfüllungsanspruch – Schadensersatzanspruch statt der Leistung zurückgreifen, da das Rücktrittsrecht dieselben Voraussetzungen wie der Anspruch nach § 281 BGB hat. Lediglich auf das Vertretenmüssen kommt es beim Rücktritt nicht an.207 Entscheidender Anknüpfungspunkt für die Konkurrenz des Rücktrittsrechts zum Erfüllungsanspruch ist die Geltendmachung des Ersteren. Der Anspruch geht nicht durch die Begründung des Rücktrittsrechts unter, sondern erst durch dessen Ausübung.208 Dies bedeutet, dass der Gläubiger mit Fristablauf wie beim Schadensersatz nach § 281 BGB zwei Optionen innehat: den Erfüllungsanspruch und das Rücktrittsrecht. Auch hier stellt sich das Problem der Erfüllbarkeit des Primäranspruchs nach Fristablauf. Richtigerweise kann aber nichts anderes gelten als beim Verhältnis zum Schadensersatzanspruch nach § 281 BGB: Der Primäranspruch ist nicht verhalten und bleibt erfüllbar bis zur Erklärung des Rücktritts. Die Erklärung des Rücktritts hat sodann Gestaltungswirkung für das gesamte Schuldverhältnis. Ich verweise an dieser Stelle auf die ausführliche Untersuchung des gleichgelagerten Problems im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung nach § 281 BGB.209 Ist die berechtigte Rücktrittserklärung tatbestandlich möglich, aber noch nicht erfolgt, befindet sich das Schuldverhältnis zwar in keinem Zustand 206

Ähnlich: Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, S. 406. Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, S. 246 Rn. 486. 208 MüKo/Ernst, § 323 Rn. 143. 209 Siehe: S. 204 ff. Die Parallele des Fristablaufs nach § 323 Abs. 1 BGB und des Fristablaufs nach § 281 BGB verdeutlicht besonders: Hanau, NJW 2007, 2806 (2806). 207

E. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Rücktrittsrecht

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der schwebenden Unwirksamkeit. Gleichwohl schwebt das „Damoklesschwert“ der Rückabwicklung über der Rechtsbeziehung. Daher konkurriert die Option Rücktrittsrecht (Recht 2) mit der Option Erfüllungsanspruch (Recht 1). Dies ist eine elektive Konkurrenz.

II. Logische Einordnung der Konkurrenz Aussagenlogisch besteht zwischen dem Primäranspruch und dem Rücktrittsrecht dieselbe starke Ausschließlichkeit wie zwischen dem Primäranspruch und dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 3; 281 Abs. 1 BGB. Daran ändert auch die Klassifikation des Rücktrittsrechts als Gestaltungsrecht nichts, da im Satz des dyadischen Fallsystems die Aussage jedes denkbare Element, gleich welchen Sinns, ausdrücken kann. Der Gläubiger kann entweder Erfüllung (Recht 1) verlangen oder Rücktritt (Recht 2) erklären, nicht beides.210 Dies ist eine Kontravalenz. Zu bemerken ist, dass eine Leistungsstörung das Entstehensmoment für das Rücktrittsrecht ist. Insofern entstehen die alternativen Rechte also – auf zwei Ereignissen basierend – gestaffelt. Die Aussagenlogik drückt dieses Verhältnis wie folgt aus: Begründung des Schuldverhältnisses ! Primäranspruch Nichtleistung trotz Fristsetzung ! (Primäranspruch # Rücktrittsrecht).

III. Vergleich zu CISG, PECL und DCFR Dem Rücktritt im deutschen Sprachgebrauch entspricht das Recht zur Vertragsaufhebung („right to terminate the contract“)211 in den Regelungen des CISG, der PECL und des DCFR. Trotz gravierender Unterschiede in den Rechtsfolgen zum Rücktritt nach BGB gilt auch hier: Das Gestaltungsrecht steht zum Primäranspruch in elektiver Konkurrenz.

210

Ausgeschlossen ist auch, dass keine der beiden Aussagen „wahr“ ist. Überschrift von Art. 9:301 PECL. Der Referenzrahmen betitelt die entsprechende Sektion der Art. III.-3:501 ff. DCFR mit „Termination“. Der Begriff „termination“ wird zum Teil als „farblos“ und „ohne technische Bedeutung“ kritisiert: Treitel, Remedies for a breach of contract, S. 321. Er hat sich aber für CISG, PECL und DCFR gegen andere Termini aus der englischen Rechtspraxis durchgesetzt (z. B. repudation of the contract). Dazu: Sivesand, The Buyer’s Remedies for NonConforming Goods, S. 9/10. 211

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

1. Art. 49 und Art. 64 CISG a) Der Ausnahmecharakter des Rechts zur Vertragsaufhebung Das CISG kennt ein Recht zur Vertragsaufhebung für den Käufer nach Art. 49 CISG und ein Recht zur Vertragsaufhebung für den Verkäufer nach Art. 64 CISG. Sie entsprechen als Rechtsbehelf dem deutschen Rücktrittsrecht. Denn gemäß Art. 81 CISG wird das Schuldverhältnis durch die Vertragsaufhebung in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt.212 Ein grundlegendes Prinzip des UN-Kaufrechts ist aber, dass nicht jede Vertragsverletzung die Vertragsaufhebung rechtfertigen soll. Daher gibt es nur zwei denkbare Gründe für eine Vertragsaufhebung: Entweder die Vertragsverletzung der Gegenpartei ist wesentlich, Art. 49 Abs. 1 a) bzw. Art. 64 Abs. 1 a) CISG, oder die Pflicht der Gegenpartei zur Leistung bleibt auch nach Ablauf einer angemessenen Frist vollends unerfüllt, Art. 49 Abs. 1 b) bzw. Art. 64 Abs. 1 b) CISG. Kommt der jeweilige Schuldner seiner Leistungspflicht nach, aber nicht in vertragsgemäßem Zustand (Verkäufer liefert mangelhafte Sache, Käufer zahlt den Kaufpreis um einen Tag verspätet, etc.), so hat dies in aller Regel nicht die Qualität einer wesentlichen Vertragsverletzung. Folgerichtig besteht dann auch für den Gläubiger, ob Verkäufer oder Käufer, kein Recht zur Vertragsaufhebung. Dies trifft speziell auf die Mangelhaftigkeit der Kaufsache zu: Allein der Mangel begründet kein Recht zur Vertragsaufhebung für den Käufer. Ebenso wenig kann er dieses Recht durch eine Nachfristsetzung – wie im deutschen Recht – „erwerben“. Denn das Recht zur Vertragsaufhebung ist den gewichtigen Fällen wesentlicher Vertragsverletzung vorbehalten.213 b) Die elektive Konkurrenz zum Anspruch auf Erfüllung Ist das Recht zur Vertragsaufhebung nach dem CISG eröffnet, bestimmen sich seine Rechtsfolgen nach den Art. 81 ff. CISG. Es handelt sich – wie im deutschen Recht – um ein Gestaltungsrecht, dessen Erklärung das Schuldverhältnis in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umwandelt.214 Insofern schließt sich das Recht zur Vertragsaufhebung logisch mit dem Erfüllungsrecht nach Art. 46 Abs. 1 CISG (und den Nacherfüllungsansprüchen nach Art. 46 Abs. 2, 3 CISG) bzw. Art. 62 CISG aus. Denn diese dienen ja gerade 212 Dies entspricht der im deutschen Recht durchgesetzten „Umsteuerung“ des Schuldverhältnisses; Nachweise bei: Staudinger/Magnus, Art. 81 CISG Rn. 2; Schlechtriem/Leser/Hornung, Vor Art. 81–84 Rn. 8. 213 Schlechtriem/Huber, § 49 Rn. 2. 214 MüKo/Huber, Art. 49 CISG Rn. 14.

E. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Rücktrittsrecht

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der Erfüllung des Vertrags. Es besteht also zwischen den Erfüllungsansprüchen und dem Recht zur Vertragsaufhebung eine elektive Konkurrenz. c) Kein Vorrang der Erfüllung Bemerkenswert ist, dass zwischen dem Recht zur Vertragsaufhebung und den Erfüllungsansprüchen im CISG, anders als im BGB, keine generelle Rangfolge besteht. Mit Eintritt der Leistungsstörung, die beide Rechte hervorruft, besteht eine Gleichrangigkeit zwischen diesen Optionen. So kann der Gläubiger bei einer wesentlichen Vertragsverletzung sofort, das heißt ohne die Erfüllung primär durchzusetzen, den Vertrag aufheben. Es besteht keine Staffelung der Optionen des Gläubigers. Freilich müssen wir diesen rechtlichen Unterschied des CISG zum BGB aus praktischer Sicht relativieren. Denn in den meisten Fällen, vor allem bei bloßen Warenmängeln, die keine wesentliche Vertragsverletzung sind, ist der Gläubiger aufgrund des Ausnahmecharakters des Rechts auf Vertragsaufhebung auf die Durchsetzung der ordentlichen Erfüllung angewiesen. Das Recht zur Vertragsaufhebung hat er dann nicht. Zudem müssen wir das „Recht zur zweiten Andienung“ für den Verkäufer nach Art. 48 Abs. 1 CISG beachten. Wenn dieser von sich aus die Bereitschaft zur Nacherfüllung hat und dies dem Käufer zumutbar ist, bleibt dem Käufer das Recht auf Vertragsverletzung verwehrt. Dies ergibt sich nicht aus einem rechtlichen Vorrang der Nacherfüllung, sondern bloß mittelbar daraus, dass die für den Verkäufer eingeräumte Möglichkeit der Nacherfüllung der Vertragsverletzung, egal wie diese ausfiel, den Nimbus der Wesentlichkeit nimmt.215 Dann ist § 49 Abs. 1 a) CISG wiederum tatbestandlich nicht erfüllt. Es besteht im Ergebnis aufgrund des Ausnahmecharakters des Rechts auf Vertragsaufhebung lediglich eine „praktische Vorrangstellung“ der Nacherfüllung.216 2. Art. 9:301 PECL a) Der Ausnahmecharakter und die Ex-nunc-Wirkung des Rechts zur Vertragsaufhebung Der Gläubiger kann im Anwendungsbereich der PECL nach Art. 9:301 PECL den Vertrag aufheben. Dazu muss die Nichterfüllung des Schuldners 215

Etwas anders: MüKo/Huber, Art. 48 CISG Rn. 10, der nach anfänglich objektiv wesentlichen Vertragsverletzungen, gescheiterten Nacherfüllungsversuchen und unwesentlichen Vertragsverletzungen abstuft. 216 So auch: MüKo/Huber, Art. 48 Rn. 18; Grunewald, Kaufrecht, S. 227 Rn. 133.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

wesentlich sein. Im Falle der verzögerten Leistung steht das Verstreichenlassen einer angemessen Nachfrist dem gleich, siehe Art. Art. 9:301 (2) i. V. m. Art. 8:106 (3) PECL.217 Dies entspricht exakt dem Ausnahmecharakter des Rechtsbehelfs wie schon im CISG. Es handelt sich auch hier um ein einseitiges Gestaltungsrecht des Gläubigers, der die Vertragsaufhebung erklären muss, Art. 9:303 PECL. Anders als der Rücktritt im deutschen Recht oder das Pendant nach dem CISG wandelt das Recht zur Vertragsaufhebung in den PECL das Schuldverhältnis jedoch nicht in ein Rückgewährschuldverhältnis um. Vielmehr hat die Vertragsaufhebung gemäß Art. 9:305 (1) PECL nur Wirkung für die Zukunft.218 Das Gestaltungsrecht bewirkt lediglich, dass zukünftig kein Leistungsaustausch zwischen den Parteien mehr erfolgt, nicht aber, dass automatisch die bisherigen Leistungsbeziehungen ungeschehen gemacht werden. Gleichwohl können die Parteien ein Interesse daran haben, das was vor der Vertragsaufhebung stattgefunden hat, rückgängig zu machen. Daher geben die Art. 9:306, 9:307 und 9:308 PECL die fakultative Möglichkeit, auch eine Rückwirkung der Vertragsaufhebung zu erzeugen. Art. 9:306 PECL gibt das Recht, eine erhaltene Sache, sofern sich ihr Wert im Verhältnis zur Gegenleistung verschlechtert hat, zurückzuweisen. Art. 9:307 PECL gewährt Demjenigen, der eine Geldzahlung geleistet hatte, die Möglichkeit, dieses Geld zurückzuverlangen, sofern keine vertragsgemäße Gegenleistung erbracht wurde. Nach Art. 9:308 PECL können schließlich auch Gegenstände zurückgefordert werden, wenn die Gegenleistung ausblieb. All das dient den Interessen der Parteien, da die rückwirkenden Rechte geltend gemacht werden können, aber nicht müssen.219 Bleibt deren Forderung aus, wirkt das Recht zur Vertragsaufhebung nach Art. 9:305 (1) PECL nur für die Zukunft. b) Die elektive Konkurrenz zum Anspruch auf Erfüllung Sofern der enge Tatbestand des Art. 9:301 (1) PECL verwirklicht ist, insbesondere eine wesentliche Nichterfüllung vorliegt, steht das Recht zur Vertragsaufhebung mit dem einheitlichen Rechtsbehelf auf spezifische Erfüllung, Art. 9:102 (1) PECL, in elektiver Konkurrenz. Dies gilt zum einen für das Begehren, dass überhaupt geleistet wird. Dies gilt darüber hinaus aber auch für die Abhilfe mangelhafter Leistung. Beides muss wegen der Verhal217 Hinzu treten zwei weitere Gründe für Vertragsaufhebung, die uns nicht weiter interessieren: das Ausbleiben einer geforderten Erfüllungsgewähr, Art. 8:105 (2) PECL, und eine antizipierte Nichterfüllung, Art. 9:304 PECL. 218 von Bar/Zimmermann, PECL, S. 509. 219 Es handelt sich, sofern ihre Tatbestände erfüllt sind, um verhaltene Ansprüche. Dazu: S. 164 ff.

E. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Rücktrittsrecht

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tenheit des Rechtsbehelfs jeweils vom Gläubiger verlangt werden. In beiden Fällen schließen sich die Rechtsbehelfe mit dem Recht zur Vertragsaufhebung logisch aus. Der Gläubiger kann nicht Erfüllung und zugleich Aufhebung des Vertrags verlangen. Es handelt sich zudem, entgegen dem deutschen Prinzip des Vorrangs der Nacherfüllung, um zwei gleichrangige Rechtsbehelfe ohne Staffelung. Wir finden hier schließlich einen Ausnahmefall, der nicht unter die Regel des Art. 8:102 PECL passt, da Erfüllung und Vertragsaufhebung als Rechtsbehelfe nicht miteinander vereinbar sind. 3. Art. III.-3:502 ff. DCFR a) Der Ausnahmecharakter des Rechts zur Vertragsaufhebung Auch der Gemeinsame Referenzrahmen kennt ein Recht zur Vertragsaufhebung. Dabei gibt es, der Regelungstechnik entsprechend,220 mit Art. III.3:502 ff. DCFR einen allgemeinen Rechtsbehelf und etwa für das Kaufrecht mit Art. IV.A.-4:201, IV.A.-4:202 DCFR einen speziellen Rechtsbehelf. Letzterer verweist aber nur auf die allgemeine Regelung, sodass dieser entscheidende Bedeutung zukommt. Danach gibt es – wie schon in den PECL – vier Gründe für eine Vertragsaufhebung. Auf die zwei wichtigsten kommt es hier an: die wesentliche Nichterfüllung, Art. III.-3:502 DCFR, und die Nichtlieferung trotz angemessener Fristsetzung, Art. III.-3:503 DCFR.221 Das Recht zur Vertragsaufhebung nach dem DCFR hat ebenso wie im CISG und den PECL Ausnahmecharakter. Nach dem eindeutigen Wortlaut von Art. III.-3:503 DCFR, der nur für die verzögerte Leistung gilt („delay“), ergibt sich: Die nicht vertragsgemäße, aber erbrachte Leistung ist auch nach dem DCFR kein Grund, sich vom Vertrag zu lösen. Das verdeutlicht auch Art. IV.A.-4:201 DCFR für den Fall einer mangelhaften Kaufsache im Verbrauchsgüterkauf. Die Vertragsaufhebung kann nämlich der Verbraucher als Käufer in jedem Fall erklären. Ausgenommen ist aber der Fall, dass der Mangel geringfügig ist. Bemerkenswert ist der Unterschied zur Regelungstechnik der PECL und des CISG: Dort wird das Gestaltungsrecht auf Vertragsaufhebung erst tatbestandlich eröffnet, wenn die Vertragsverletzung wesentlich ist. Im Verbrauchsgüterkauf nach dem DCFR ist die Geringfügigkeit als Ausnahme („unless the lack of conformity is minor“) kon220

Zur Regelungstechnik des DCFR: Schulte-Nölke, in: Schulze, Common Frame of Reference and Existing EC Contract Law, S. 47 (51). 221 Dazu kommen die antizipierte Nichterfüllung, Art. III.-3:504 DCFR, und das Ausbleiben einer Erfüllungsgewähr, Art. III.-3:505 DCFR. Dies entspricht denselben Tatbeständen wie in den PECL. Allerdings hebe ich positiv hervor, dass der DCFR auf eine „Verstreuung“ der Gründe verzichtet und diese nacheinander aufzählt.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

zipiert, Art. IV.A.-4:201 DCFR. Die Beweislast dafür, dass ein Recht zur Vertragsaufhebung wegen fehlender Wesentlichkeit der Vertragsverletzung nicht möglich ist, liegt daher bereits dem Wortlaut nach beim Verkäufer.222 Die Wirkung des Rechts auf Vertragsaufhebung nach dem DCFR entspricht nicht dem Konzept der PECL. Sie geht über die Aufhebung der Leistungsverpflichtungen für die Zukunft, Art. III.-3:509 DCFR, hinaus. Wie in §§ 346 ff. BGB, ordnen die Modellregelungen der Art. III.-3:510 bis III.-3:514 DCFR die automatische Rückabwicklung des Schuldverhältnisses an.223 Das heißt, die Parteien sind zur Rückgewähr der Leistungen und weiterem Ausgleich verpflichtet. Man kann sagen, das Recht zur Vertragsaufhebung nach dem DCFR entspricht damit im Tatbestand den PECL, in den Rechtsfolgen aber dem Rücktritt nach §§ 346 ff. BGB. b) Die elektive Konkurrenz zum Anspruch auf Erfüllung Wie das deutsche Rücktrittsrecht, schließt das Recht zur Vertragsaufhebung nach Art. III.-3:502 ff. DCFR die Geltendmachung der Erfüllung aus. Das schließt in die spezifische Erfüllung nach Art. III.-3:302 (1) DCFR auch die Abhilfe nach Absatz (2) ein. Wie zu CISG und PECL bereits erläutert, staffeln sich die Rechte des Gläubigers hier nicht. Es gibt keinen Vorrang der (Nach-)Erfüllung. Diese ist eine verhaltene Option, die der Gläubiger erst mit einem Verlangen fällig werden lässt. Hier liegt ein Ausnahmefall nach Art. Art. III.-3:102 DCFR vor, in dem die Kumulation zweier Rechtsbehelfe ausgeschlossen ist, da sie nicht miteinander vereinbar sind. Es besteht eine elektive Konkurrenz. 4. Fazit: Vergleich zu CISG, PECL und DCFR Das Pendant zum Rücktrittsrecht im BGB ist das Recht zur Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht bzw. europäischen Vertragsrecht. Dieses hat aber als Rechtsbehelf einen sehr engen Ausnahmecharakter, denn es greift in der Regel nur bei wesentlichen Vertragsverletzungen. Zum Rechtsbehelf auf Erfüllung steht das Recht zur Vertragsaufhebung in keinem Rangverhältnis. Die beiden Rechtsbehelfe schließen sich, wie im BGB der Primäranspruch und der Rücktritt, aus. Sie stehen in elektiver Konkurrenz. 222

Dies entspricht der Konzeption der Acquis-Grundregeln, Art. 8:301 (1): ZEuP 2004, 1152, 1153. 223 Die Modellregelungen entsprechen wiederum den Acquis-Grundregeln, Art. 8:303 (2), die eine automatische, nicht fakultative Rückabwicklung vorsehen: Schulze, Common Frame of Reference and Existing EC Contract Law, Art. 8:303 Rn. 6 (S. 327).

F. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Gestaltungsrechten

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IV. Fazit: Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Rücktrittsrecht Der Anspruch auf Erfüllung und das Recht, zurückzutreten bzw. den Vertrag aufzuheben, schließen sich gegenseitig aus. Die beiden Rechte stehen in elektiver Konkurrenz. Die Konkurrenz erklärt sich durch den Charakter des Rücktritts als Gestaltungsrecht, welches das Schuldverhältnis einseitig verändert. Die Möglichkeit, die Erfüllung der Leistungspflichten vom Schuldner durchzusetzen, schließt die Möglichkeit, sich vom Vertrag und damit den Leistungspflichten des Schuldners zu lösen, logisch aus.

F. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Gestaltungsrechten (Anfechtung, Kündigung, Minderung) Erfüllungsanspruch und Gestaltungsrecht stehen in elektiver Konkurrenz. Man kann dabei noch einmal zwischen beendenden (einbrechenden) und ausgestaltenden Gestaltungsrechten unterscheiden.224 Diese werden nach der Zweckrichtung des jeweiligen Gestaltungsrechts differenziert. Ganz ähnlich verhält es sich im internationalen Vertragsrecht. Allen Gestaltungsrechten ist letztlich gemein, dass sie vom Ziel des Primäranspruchs, also der Erfüllung, abweichen. Daher schließen sie sich logisch aus.

I. Das Verhältnis zwischen Erfüllungsanspruch und Anfechtungsrecht 1. Die elektive Konkurrenz zum Anspruch auf Erfüllung Zwischen dem Erfüllungsanspruch und dem Gestaltungsrecht der Anfechtung besteht eine strenge Alternativität. Wer trotz Kenntnis seines Anfechtungsgrundes Erfüllung verlangt, beharrt auf der Beibehaltung der vertraglichen Pflichten, sowohl der eigenen als auch der des möglichen Anfechtungsgegners. Wer hingegen Anfechtung erklärt, lässt die Einigung von Anfang an nichtig werden, § 142 Abs. 1 BGB. Die Anfechtung, im Gegensatz zum Rücktrittsrecht, zerstört das Schuldverhältnis in seiner Wurzel und entzieht dem Leistungsaustausch jeglichen schuldvertraglichen Boden. Dies ist die Möglichkeit (Option b) der einseitigen Beendigung des Schuldverhältnisses und steht daher im kontravalenten Gegensatz zum Primär224

MüKo/Emmerich, § 311 Rn. 35. Vgl. bereits Kapitel 1, S. 85.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

anspruch (Option a). Erfüllungsanspruch und Gestaltungsrecht Anfechtung schließen sich also aus. Sie stehen in elektiver Konkurrenz. Der Unterschied zu anderen Fällen von Gestaltungsrechten ist, dass die Anfechtung kein Exempel der Leistungsstörung ist. Das bedeutet zum einen, dass die Zweckrichtung des Gestaltungsrechts eine andere als zum Beispiel die des Rücktritts ist. Es bedeutet aber auch, dass kein Tatbestand der Leistungsstörung als Faktor für die Umwandlung des Schuldverhältnisses hinzutreten muss, damit die Option der Anfechtung für den Gläubiger eröffnet ist. Die Willenserklärung, die zur Einigung führte, wird angefochten. Der Anfechtungsgrund besteht folglich stets vom Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung an. Der Entstehensmoment des Schuldverhältnisses (Ereignis 1) und der Entstehensmoment des Anfechtungsgrunds (Ereignis 2) decken sich zeitlich, wenn auch nicht qualitativ.225 Der Erfüllungsanspruch als Option a und das Anfechtungsrecht als Option b stehen daher von Beginn des Schuldverhältnisses an „entweder-oder“ (kontravalent) in einer Alternativität, und sind nicht – wie die Gestaltungsrechte im Leistungsstörungsrecht – gestaffelt. (Ereignis 1 $ Ereignis 2) ! (a # b). Beispiel: Der Käufer eines PKW wurde bei Vertragsschluss über die Laufzeit des Fahrzeugs getäuscht, was er vor der Lieferung bereits erfährt. Das nun bestehende Konkurrenzverhältnis zwischen dem Erfüllungsanspruch auf Übergabe und Übereignung des PKW nach § 433 Abs. 1 BGB und dem Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung aus §§ 142 Abs. 1, 123 BGB bedeutet folgerichtig: (Vertragsschluss $ Täuschung § 123 BGB) ! (Erfüllungsanspruch # Anfechtungsrecht). 2. Problem: Die Konkurrenz zwischen den Gewährleistungsrechten und der Anfechtung Ein viel diskutiertes Problem ist das Verhältnis zwischen dem Anfechtungsrecht nach § 119 Abs. 2 BGB und den Gewährleistungsrechten im Mangelfall.226 Ich verdeutliche dies mit folgendem Beispiel. 225 Verengt man den Blick auf die zeitliche Kongruenz des Entstehenstatbestands, dann können wir die Implikation der Aussagen auf ein Ereignis 1 beschränken, welches die Optionen a und b hervorruft. Die hier verwendete Formel verdeutlicht aber, dass der Tatbestand, der die Anfechtung ermöglicht, ein qualitativ anderer ist als der Tatbestand, der das Schuldverhältnis (zunächst wirksam) entstehen lässt. Dazu bereits: Kapitel 3, S. 151 und S. 156.

F. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Gestaltungsrechten

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Der Käufer eines PKW nimmt irrig an, die mit dem Verkäufer besprochene Laufleistung des Wagens sei geringer als 50.000 Kilometer. Tatsächlich hat der vorherige Eigentümer des Fahrzeugs, ohne dass der Verkäufer dies wusste oder entdecken konnte, das Tachometer manipuliert. Der PKW hat, wie sich nach Übergabe an den Käufer herausstellt, eine Laufleistung von mehr als 100.000 Kilometern. Hier sind die Voraussetzungen eines Anfechtungsrechts wegen Eigenschaftsirrtums nach § 119 Abs. 2 BGB für den Käufer erfüllt. Die höhere Laufleistung als „verkehrswesentliche Eigenschaft“ des PKW stellt jedoch zugleich einen Sachmangel nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB („vereinbarte Beschaffenheit“) dar, sodass die Gewährleistungsrechte nach § 437 BGB eröffnet sind. Die ganz herrschende Meinung nimmt an, dass eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB durch den Käufer in diesen Fällen ausgeschlossen ist.227 Begründet wird dies damit, dass das Gewährleistungsrecht spezielle Regelungen zur Störung des Schuldverhältnisses trifft, die durch die Anfechtung und damit Egalisierung des Schuldverhältnisses ex tunc in ihrem Anwendungsbereich konterkariert würden. Insbesondere die längere Frist des Anfechtungsrechts nach § 121 BGB würde sonst die vom BGB spezieller geregelte Verjährung der Kaufmängelrechte nach § 438 BGB vereiteln.228 Auch sind eventuelle Haftungsausschlüsse vertraglicher oder gesetzlicher Art (vgl. § 377 HGB, § 442 BGB) aus dem Gewährleistungsrecht spezieller und dürfen daher nicht vom Anfechtungsrecht ihrer Anwendung beraubt werden. Schließlich würde die Vorrangstellung der Erfüllung, die im Kaufrecht durch das Nachfristerfordernis zum Ausdruck kommt, durch eine nicht fristgebundene, also sofortige Anfechtung ausgehebelt.229 Diese Gründe sprechen dafür, im Gewährleistungsfall die Anfechtung des Käufers wegen eines Eigenschaftsirrtums nach § 119 Abs. 2 BGB auszuschließen. Dies hat auch der Reformgesetzgeber ausdrücklich bestätigt.230 Der Ausschluss des Anfechtungsrechts nach § 119 Abs. 2 BGB bei alternativ anwendbarem Gewährleistungsrecht hat nichts mit der elektiven Kon226 Die gesamte Problematik wird am Kaufrecht diskutiert. Die Grundsätze lassen sich aber entsprechend auf das Werk- und Mietvertragsrecht anwenden: vgl. Palandt/Heinrichs/Ellenberger, § 119 Rn. 28. 227 St. Rspr. und herrschende Literatur sowohl zum früheren als auch zum modernisierten Schuldrecht: BGHZ 78, 216, 218; BGH, NJW 1979, 160, 161; BGH, NJW 1988, 2597, 2598; OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 1138, 1139; OLG Oldenburg, NJW 2005, 2557, 2557; weitere Nachweise: Hk-BGB/Dörner, § 119 Rn. 2; Palandt/ Weidenkaff, § 437 Rn. 53. Alle anderen Anfechtungsgründe sind freilich nicht ausgeschlossen. 228 Exemplarisch: BeckOK/Wendtland, § 119 Rn. 8 mit weiteren Nachweisen. 229 Übersicht zu den Gründen bei: Schur, AcP 204 (2004), 883 (901). 230 BT-Drs. 16/6040, S. 210 rechte Spalte. Zudem gilt der Vorrang des Gewährleistungsrechts nunmehr für Sach- und Rechtsmängel gleichermaßen.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

kurrenz zwischen Ansprüchen auf Erfüllungsebene (also auch Nacherfüllungsansprüchen) und einem Anfechtungsrecht des Gläubigers zu tun. Denn es besteht nach wie vor eine logische Ausschließlichkeit zwischen dem Erfüllungsanspruch, der die vertragsgerechte Leistung einfordert, und dem Anfechtungsrecht, das die vertragliche Einigung von Anfang nichtig werden lässt. Im Diskurs um das Verhältnis zwischen dem Anfechtungsrecht nach § 119 Abs. 2 BGB und den Gewährleistungsrechten geht es nicht um diese logische Konkurrenz. Vielmehr geht es um einen Anwendungsvorrang des besonderen kaufrechtlichen Normenkomplexes gegenüber einem allgemeinen schuldrechtlichen Gestaltungsrecht aus Gründen der Spezialität: Die spezielleren Normen verdrängen die allgemeinere Norm. Es handelt sich um eine normative Ausschließlichkeit zwischen den Rechten, nicht um eine logische. Dies ist nicht die Kategorie der elektiven Konkurrenz, sondern die Kategorie der sog. Gesetzeskonkurrenz.231 Die sich daraus ergebende Bewertung, welches Recht sachgemäß vorrangig anzuwenden ist, erstreckt sich ferner auf die streitigen Fragen, ob auch das Anfechtungsrecht gemäß § 119 Abs. 2 BGB des Verkäufers vom Kaufrecht verdrängt wird232 und ob die Spezialität auch schon vor Gefahrübergang bestehen kann233. 3. Vergleich zu CISG, PECL und DCFR Ein eigenes Anfechtungsrecht kennt das CISG nicht. Die Regelungen beschränken sich dort auf das wirksame Zustandekommen des Kaufvertrages, siehe Art. 19–24 CISG, ohne der irrenden oder getäuschten/bedrohten Partei ein Gestaltungsrecht zur Anfechtung der eigenen Willenserklärung zu geben. Sofern aber nach dem Internationalen Privatrecht deutsches Recht berufen ist, gelten die Anfechtungsregeln des BGB.234 Damit gilt auch das oben zur dortigen Konkurrenz der Rechte Gesagte. Für einen Irrtum, der die Eigenschaft der Kaufsache betrifft, ist nach herrschender Meinung – wie schon zum BGB erläutert – das Gewährleistungsrecht des CISG über Art. 4 und Art. 71 als speziellere Materie abschließend. Es darf dann aus 231 Staudinger/Peters, § 195 Rn. 33; Jauernig/Mansel, § 241 Rn. 14. Zur Abgrenzung bereits: S. 42. 232 Nach herrschender Auffassung soll der Verkäufer anfechten können, weil mangels eigener Gewährleistungsansprüche er damit auch keine Sonderregeln unterlaufen würde. Ausgeschlossen ist aber die Anfechtung durch den Verkäufer, wenn er sich dadurch den Ansprüchen des Käufers gemäß § 437 BGB entziehen wollte. Vgl.: BGH, NJW 1988, 2597, 2598; MüKo/Kramer, § 119 Rn. 34 mit Nachweisen. 233 Dafür z. B.: Staudinger/Matusche-Beckmann, § 437 Rn. 25 ff.; MüKo/Kramer, § 119 Rn. 34; BeckOK/Wendtland, § 119 Rn. 8 mit weiteren Nachweisen. Dagegen (weil vor Gefahrübergang noch gar kein Kaufrecht einschlägig ist): BGH, NJW 1955, 340, 340; NJW 1961, 772, 773. 234 BGH, NJW 2002, 1651, 1653.

F. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Gestaltungsrechten

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Gründen der Rechtsvereinheitlichung keine Anfechtung (aus § 119 Abs. 2 BGB) zum Tragen kommen.235 Ein Anfechtungsrecht gewähren die Art. 4:103, 4:07, 4:108, 4:109 und 4:110 PECL. Die Anfechtungsgründe entsprechen dabei im Wesentlichen dem deutschen Recht.236 Auch nach den PECL besteht ein Gestaltungsrecht. Dieses muss vom Anfechtungsberechtigten erklärt werden, Art. 4:112 PECL. Abweichungen zum deutschen Recht sind ansonsten zahlreich. So kann die Gegenpartei bei einer Irrtumsanfechtung den Vertrag doch aufrechterhalten, indem sie sich zur Erfüllung bereit erklärt. Dabei gelten die Konditionen, die der Anfechtende irrtümlich annahm, Art. 4:105 PECL. Auch ist etwa eine Teilanfechtung nach Art. 4:116 PECL möglich. Mit Art. 4:115 PECL ist ein spezieller Rückgewähranspruch der Parteien hinsichtlich ihrer Leistungen gegeben. Zudem kennt Art. 4:117 PECL einen Schadensersatzanspruch für den Anfechtungsberechtigten. Für das Verhältnis des Anfechtungsrechts zum Erfüllungsanspruch gilt die Regelung des Art. 4:119 PECL. Dort heißt es ausdrücklich, dass die Erklärung der Anfechtung weitere Rechtsbehelfe wegen Nichterfüllung nicht ausschließt. Diese Regelung tritt der Spezialität des Gewährleistungsrechts gegenüber der Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums im deutschen Recht entgegen. Die damit verhinderte Gesetzeskonkurrenz ändert freilich nichts daran, dass nicht zugleich Rechte geltend gemacht werden können, die in elektiver Konkurrenz stehen. So verhält es sich mit dem Anspruch auf spezifische Erfüllung nach Art. 9:102 (1) PECL, der ein (verhaltener) Rechtsbehelf des Gläubigers ist. Es ist logisch ausgeschlossen, dass der Gläubiger zugleich Erfüllung verlangen und den Vertrag durch eine Anfechtung ex tunc auflösen kann. Der Erfüllungsanspruch und das Anfechtungsrecht stehen damit in elektiver Konkurrenz. Art. 4:119 PECL, der nur einen Anwendungsvorrang wegen Spezialität ausschließt,237 ändert an dieser logischen Ausschließlichkeit nichts. Die Anfechtungsregeln des DCFR entsprechen in weiten Teilen, auch systematisch, dem Konzept der PECL. Man findet sie in den Art. II.-7:201 bis II.-7:216 DCFR.238 Bemerkenswert ist aber die Rechtsfolgenanordnung des Art. II.-7:212 DCFR, da dieser keine eigenen Rückgewähransprüche 235

Staudinger/Magnus, Art. 14 Rn. 48; Grunewald, Kaufrecht, S. 37 Rn. 58 mit Nachweisen zur abweichenden Ansicht. 236 Das gilt für den Irrtum des Anfechtungsberechtigten, die arglistige Täuschung und die Drohung. Hinzu kommen nach den PECL noch die Ausnutzung eines übermäßigen Vorteils bzw. unangemessener Bedingungen. 237 So auch: MüKo/Kramer, § 119 Rn. 36. 238 Die Überschrift der Section 2 spricht dabei von „Vitiated consent or intention“, während die Anfechtung – wie auch in den PECL – als „avoidance“ bezeichnet wird.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

birgt. Vielmehr verweist er auf die Regelungen zur ungerechtfertigten Bereicherung. Das entspricht dem deutschen Konzept. Die Kumulation der Anfechtung mit Rechtsbehelfen wegen Nichterfüllung soll nach Art. II.-7:216 DCFR ausdrücklich möglich sein. Wie im Modell der PECL, wird damit einer normverdrängenden Spezialität des Gewährleistungsrechts – anders als in BGB und CISG – entgegengetreten. Dies hat aber, wie schon zu den PECL erläutert, keinen Einfluss auf das logische Verhältnis des Anfechtungsrechts zum Recht auf Erfüllung bzw. Nacherfüllung: Auch nach dem DCFR stehen Erfüllung und Anfechtung in elektiver Konkurrenz.

II. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Kündigungsrecht Nichts anderes als für das Rücktrittsrecht gilt für das Kündigungsrecht. Es ist das Pendant zum Rücktrittsrecht im Kontext von Dauerschuldverhältnissen.239 Wer kündigt, beendet einseitig das Schuldverhältnis und damit die Wirkung des Erfüllungsanspruchs. Unterschiede zum Rücktritt ergeben sich aus der Zweckrichtung des Gestaltungsrechts, insbesondere der Unmöglichkeit der Rückabwicklung von Leistungen; sie sollen uns nicht weiter interessieren.240 Auch hier liegt eine gestaffelte Alternativität vor. Die Alternative ist eine starke Ausschließlichkeit im Sinne einer Kontravalenz: Begründung des Schuldverhältnisses ! Primäranspruch Nichtleistung ! (Primäranspruch # Kündigungsrecht). Folglich besteht auch zwischen dem Erfüllungsanspruch und dem Kündigungsrecht eine elektive Konkurrenz. Ein Kündigungsrecht gibt es im CISG nicht: Der Kaufvertrag ist kein Dauerschuldverhältnis. Für die Dauerschuldverhältnisse sehen die PECL und das DCFR kein explizites Kündigungsrecht vor. Vielmehr trennen die Modellregelungen jeweils nicht den Rücktritt und die Kündigung. Beide sind im Rechtsbehelf auf Vertragsaufhebung vereint. Dieser steht, wie bereits gezeigt, zum Anspruch auf Erfüllung bzw. Abhilfe in elektiver Konkurrenz.241

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Esser/Schmidt, Schuldrecht I – Teilband 1, S. 318. Zum Kündigungsrecht umfassend: Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, S. 96. 241 Dazu: S. 217 ff. 240

F. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Gestaltungsrechten

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III. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Minderungsrecht 1. Das besondere Gestaltungsrecht im Kaufund Werkvertragsrecht Die Frage nach der Alternativität zwischen Erfüllungsanspruch und Gestaltungsrecht beim Minderungsrecht zwingt uns zu einigen Differenzierungen. Die Minderung findet man im Kauf-,242 Werkvertrags-,243 Miet-244 und Reisevertragsrecht245. Im Bereich des Miet- und Reisevertragsrechts stellt sich die Frage nach einer Konkurrenz zum Erfüllungsanspruch nicht, da dort tritt die Minderung kraft Gesetzes eintritt und es daher keiner Geltendmachung eines Rechts bedarf.246 Im Kauf- und Werkvertragsrecht hingegen erhält der von einem Mangel Betroffene die Möglichkeit, seine Gegenleistungspflicht (Vergütung der Kaufsache bzw. des Werks) im Verhältnis zum mangelbedingten Minderwert der Leistung herabzusetzen. Will er dies tun, muss er Minderung erklären und kann sodann zuviel Gezahltes zurückverlangen.247 Die Minderung ist im Kauf- und Werkvertragsrecht also als einseitige Befugnis des Gläubigers zur Transformation des Schuldverhältnisses und folglich als Gestaltungsrecht konzipiert. Dieses Minderungsrecht gibt es im BGB nicht als allgemeinen schuldrechtlichen Rechtsbehelf, sondern nur im Kontext des besonderen Leistungsstörungsrechts wegen Kauf- oder Werkmängeln.248 Dort konkurriert es mit dem Erfüllungsanspruch in seiner modifizierten Form als Nacherfüllungsanspruch, §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB bzw. §§ 634 Nr. 1, 635 Abs. 1 BGB.249

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§§ 437 Nr. 3, 441 BGB. §§ 634 Nr. 3, 638 BGB. 244 § 536 BGB. 245 § 615 d BGB. 246 Vgl.: Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, S. 500 Rn. 1000 sowie S. 615 Rn. 1236. 247 § 441 Abs. 4 S. 1 BGB gilt als eigenständige Anspruchsgrundlage, ergänzt durch den Verweis ins Rücktrittsrecht: Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, S. 426 Rn. 871. 248 Der Gesetzgeber wollte die Minderung ausdrücklich für bestimmte Vertragsarten einrichten und für andere wiederum absichtlich nicht: Schubel, JuS 2002, 313, 318. Die Minderung sollte namentlich für das Dienstvertragsrecht nicht gelten: Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/6040, S. 223. 249 Palandt/Weidenkaff, § 439 Rn. 2. 243

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

2. Die elektive Konkurrenz zum Nacherfüllungsanspruch Aus der Eigenart des Minderungsrechts als Rechtsbehelf des besonderen Schuldrechts leiten wir noch einen weiteren Unterschied zum ansonsten tatbestandskonformen250 Rücktrittsrecht ab: Der ursprüngliche vertragliche Erfüllungsanspruch und das Minderungsrecht schließen sich in ihrer Wirkung nicht aus. Die Minderung bewirkt nur, dass die mangelbehaftete, aber erbrachte Leistung mit einer ebenso geringwertigen Gegenleistung vergütet wird. Es wird also geleistet, aber aufgrund der schlechten Qualität nur gegen einen geringeren Preis. Das Synallagma zwischen Leistung und Gegenleistung wird im Gegensatz zum Rücktritt eben nicht durch das Gestaltungsrecht aufgebrochen, sondern den neuen Gegebenheiten – also dem Mangelunwert – angepasst. Demgemäß ist die Minderung kein „beendendes“ Gestaltungsrecht, sondern ein das Schuldverhältnis ausfüllendes Gestaltungsrecht. Für den Gläubiger bedeutet dies, dass er die Leistung behalten und zugleich die Gegenleistungspflicht mindern kann. Die Minderung und der ursprüngliche vertragliche Primäranspruch schließen sich also logisch nicht aus. Auf dieses Verhältnis kommt es aber gar nicht an. Denn der vertragliche Primäranspruch besteht, sobald der Sachmangel auftritt, nur in der modifizierten Form des Nacherfüllungsanspruchs nach §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB bzw. §§ 634 Nr. 1, 635 Abs. 1 BGB fort. Entscheidend ist also allein das Verhältnis des Minderungsrechts zum Nacherfüllungsanspruch. Und in diesem Verhältnis besteht ohne Zweifel eine Ausschließlichkeit. Der Käufer kann nämlich nicht mindern, wenn der Verkäufer dem Nacherfüllungsverlangen nachkommt. Der Käufer kann den Kaufpreis nicht durch Minderung in Höhe des Mangelunwerts herabsetzen, wenn der Mangel vom Verkäufer durch die Nacherfüllung beseitigt wurde. Umgekehrt kann man nicht verlangen, dass der Mangel durch Nacherfüllung behoben wird, wenn man zeitgleich einen wertmäßigen Ausgleich für eben diesen Mangel über das Minderungsrecht erreicht. Der Gläubiger wäre dann doppelt begünstigt und damit übervorteilt. Die Frage, über die der Gläubiger nach Ablauf einer Nacherfüllungsfrist zu entscheiden kann, lautet: Wird eine Nachbesserung oder Nachlieferung der mangelhaften Erfüllung weiterhin verlangt (Nacherfüllungsanspruch) oder wird die minderwertige Erfüllung zum geringeren Preis akzeptiert (Minderung)? Der Primäranspruch lebt in der gewandelten Form des Nacherfüllungsanspruchs fort. Somit muss man diesen – und nicht den ursprünglichen vertraglichen Erfüllungsanspruch – in die aussagenlogische Bezie250

Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, S. 426 Rn. 870.

F. Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Gestaltungsrechten

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hung zum Minderungsrecht einbeziehen. Der Primäranspruch in der Form des Nacherfüllungsanspruchs und das Minderungsrecht nach Kauf- oder Werkvertragsrecht schließen sich in ihrer Geltendmachung logisch aus. Sie stehen folglich in elektiver Konkurrenz.251 3. Logische Einordnung der Konkurrenz Der Nacherfüllungsanspruch und die Minderung stehen in einer logischen Kontravalenz, denn der Gläubiger kann nur entweder die eine Option (Recht 1) oder die andere Option (Recht 2) wahrnehmen. Ebenso wie beim Rücktritt steht die Minderung zum Nacherfüllungsanspruch in einem gestaffelten Verhältnis. Die Staffelung der Entstehensmomente (Ereignis 1, Ereignis 2, etc.) ergibt sich unmittelbar aus der Leistungsstörung in der Form des Sach- oder Werkmangels. Nicht schon die vertragliche Begründung des Primäranspruchs ist das relevante Ereignis (Abschluss des Kauf- oder Werkvertrags, Ereignis 1). Erst die Leistungsstörung eröffnet den Nacherfüllungsanspruch (Auftreten des Sach- oder Werkmangels, Ereignis 2). Dabei bedarf es keiner weiteren Voraussetzungen für den Nacherfüllungsanspruch als die Sachmangelbehaftung als Leistungsstörung. Für das nachrangige Minderungsrecht bedarf es hingegen des erfolglosen Ablaufs der angemessenen Frist zur Nacherfüllung (Ereignis 3). Wir haben es also mit einer dreifachen Staffelung der Optionen zu tun. Diese ist dem Umstand geschuldet, dass der ursprüngliche Erfüllungsanspruch kraft Gesetzes in einen Nacherfüllungsanspruch umgewandelt wird. Das bedeutet in der logischen Darstellung: Begründung des Schuldverhältnisses ! vertraglicher Erfüllungsanspruch Leistungsstörung ! Nacherfüllungsanspruch Leistungsstörung und Fristablauf ! (Nacherfüllungsanspruch # Minderungsrecht). 4. Vergleich zu CISG, PECL und DCFR Das Minderungsrecht nach CISG, PECL und DCFR entspricht im Wesen dem Pendant im BGB. Es ist ein ausfüllendes Gestaltungsrecht, das zum (Nach-)Erfüllungsanspruch in elektiver Konkurrenz steht. Gleichwohl gibt es einige Nuancen, die ich hier skizziere.

251

So auch: BeckOK/Faust, § 437 Rn. 169.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

a) Der Vorrang des Nacherfüllungsrechts des Verkäufers nach Art. 50 CISG Der Käufer ist nach Art. 50 CISG berechtigt, bei Mangelhaftigkeit252 der Sache den Kaufpreis zu mindern. Es kommt dabei nicht auf eine wesentliche Vertragsverletzung an. Anders als im BGB sind die Nacherfüllungsansprüche des Käufers nicht vorrangig, sondern gleichrangig mit dem Minderungsrecht. Die Minderung entsteht als Option nicht gestaffelt, sondern zeitgleich. Beide Rechtsbehelfe bedürfen im Übrigen ihrer Erklärung seitens des Gläubigers. Es besteht aber ein Vorrang des Rechts auf Nacherfüllung des Verkäufers nach Art. 37 bzw. Art. 48 CISG. Nach Art. 50 S. 2 CISG muss vor der Minderung nämlich dem Verkäufer die Möglichkeit der Nacherfüllung eingeräumt werden. Dies kann etwa im Rahmen einer Mängelrüge erfolgen.253 Die Verzögerung, welche durch die Möglichkeit der Nacherfüllung für den Verkäufer entsteht, muss für den Käufer wiederum zumutbar sein, siehe Art. 48 CISG. Ob sie das ist, ist eine Frage des Einzelfalls.254 Im Regelfall aber kann der Käufer nach Auftreten des Mangels nicht sofort mindern, sondern muss dem Verkäufer zumindest die Gelegenheit geben, nachzuerfüllen. Anderenfalls läuft er Gefahr, dass die Minderung unwirksam ist. b) Art. 9:401 i. V. m. 8:102 PECL und Art. III.-3:601 i. V. m. III.-3:102 DCFR Minderungsrechte finden wir auch in Art. 9:401 PECL sowie in Art. III.-3:601 DCFR. Sie entsprechen dem deutschen Minderungsrecht im Kauf- und Werkvertragsrecht, denn es handelt sich jeweils um Gestaltungsrechte des Gläubigers, nicht um eine Herabsetzung der Gegenleistung kraft Gesetzes.255 Im Gegensatz zum System des BGB sind sie als Rechtsbehelfe des allgemeinen Schuldrechts konzipiert. Sowohl für die PECL als auch für den DCFR kann man hier einen Fall ausmachen, in dem zwei Rechtsbehelfe nicht kumulierbar sind, Art. 8:102 PECL bzw. Art. III.-3:102 DCFR. Die logische Ausschließlichkeit zwischen der Nacherfüllung („Abhilfe“ gemäß Art. 9:102 PECL und Art. III.-3:302 (2) DCFR) und dem Minderungsbegehren gibt es auch hier: Der Wertverlust an der der mangel252 Es muss sich um eine nicht vertragsgemäße Sache handeln. Rechtsmängel reichen nicht aus: MüKo/Huber, Art. 50 Rn. 8. 253 Schlechtriem/Huber, Art. 50 Rn. 6. 254 Grunewald, Kaufrecht, S. 223 Rn. 121. 255 Missverständlich ist daher die Aufzählung der Minderungsrechte nach deutschem Recht in: von Bar/Zimmermann, PECL, S. 524. Denn das „Recht auf Minderung“ im Kaufrecht ist ein Gestaltungsrecht, während es z. B. im Mietrecht eine Minderung kraft Gesetzes gibt.

G. Das Verhältnis zwischen den Gestaltungsrechten

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haften Sache wird entweder behoben oder durch einen Abzug an der Gegenleistung ausgeglichen. Es gilt nichts anderes als zum deutschen Kaufund Werkvertragsrecht. Die Rechte stehen in elektiver Konkurrenz.

IV. Fazit: Das Verhältnis zwischen Primäranspruch und Gestaltungsrechten Festzuhalten bleibt, dass zwischen dem Erfüllungsanspruch bzw. dem Nacherfüllungsanspruch und einem Gestaltungsrecht ein starkes Alternativverhältnis besteht. Das liegt in den Fällen der Anfechtung, des Rücktritts und der Kündigung (allesamt „beendende“256 Gestaltungsrechte) daran, dass das Gestaltungsrecht in diesem Bereich eine auf die nicht vertragsgemäße Beendigung des Schuldverhältnisses gerichtete einseitige Gläubigerbefugnis darstellt. Allerdings ist die Umsetzung dieses Beendigungsziels je nach Gestaltungsrecht unterschiedlich konzipiert. Im Fall eines „ausfüllenden“257 Gestaltungsrechts, der Minderung, besteht eine Ausschließlichkeit zum Nacherfüllungsanspruch als primäres Recht des Gläubigers. Hier konkurrieren die Rechte allerdings wegen ihres Charakters als nicht vereinbare Gewährleistungsrechte. Zu beachten ist die allgemein anerkannte Gesetzeskonkurrenz zwischen der Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums und dem Gewährleistungsrecht. Diese ist als normative und nicht logische Ausschließlichkeit von der elektiven Konkurrenz zu trennen. Der Erfüllungsanspruch und die Anfechtungsrechte stehen auch im System des CISG, der PECL und des DCFR in elektiver Konkurrenz. Gleiches gilt das Verhältnis des Erfüllungsanspruchs zum Minderungsrecht, das nach Art. 9:401 PECL sowie Art. III.-3:601 DCFR als Rechtsbehelf des allgemeinen Schuldrechts konzipiert ist. Eine Kündigung ist nach PECL und DCFR kein vom Rücktritt zu trennender Rechtsbehelf, sondern das einheitliche Recht zur Vertragsaufhebung, das den Erfüllungsrechtsbehelf ebenfalls ausschließt. Zusammenfassend können wir sagen: Der Anspruch auf Erfüllung steht mit den Gestaltungsrechten stets in elektiver Konkurrenz.

G. Das Verhältnis zwischen den Gestaltungsrechten Hat der Gläubiger mehr als ein Gestaltungsrecht zur Auswahl, schließen sich diese in ihrer Wirkung kategorisch aus. Sie stehen in elektiver Konkur256 257

MüKo/Emmerich, § 311 Rn. 35. MüKo/Emmerich, § 311 Rn. 35.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

renz. Das gilt sowohl für die Gestaltungsrechte, die wir als das Schuldverhältnis „beendend“ charakterisieren, als auch für die Gestaltungsrechte, welche das Schuldverhältnis „ausfüllen“. Dazu ein Beispiel: Der Verkäufer übereignet und übergibt dem Käufer einen PKW. Dieser soll nach der ausdrücklichen Versicherung des Verkäufers kein Unfallwagen und zudem als Geländewagen für die Waldtouren des Käufers geeignet sein. Wie sich herausstellt, stimmen beide Aussagen des Verkäufers nicht. Tatsächlich wurde der PKW nach einem Unfall am Fahrwerk notdürftig repariert und ist zudem nicht geländetauglich, da die Stoßdämpfer völlig unzureichend gefedert sind. Der Verkäufer reagiert auf die Vorwürfe des Käufers erst zwei Wochen gar nicht, dann abweisend. Nunmehr hat der Käufer als Gläubiger drei Gestaltungsrechte zur Hand. Die arglistige Täuschung bezüglich der Unfallschädigung gibt ein Anfechtungsrecht im Sinne von § 123 Abs. 1 Var. 1 BGB. Die untauglichen Stoßdämpfer sind nach der ausdrücklichen Vereinbarung ein Mangel an der Kaufsache nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Verweigerung der Nacherfüllung durch den Verkäufer gibt dem Käufer die Gelegenheit, entweder den mangelhaften PKW zu behalten und den Kaufpreis zu mindern, §§ 437 Nr. 2 Var. 2, 441 BGB, oder vom Vertrag zurückzutreten, §§ 437 Nr. 2 Var. 1, 440, 323 Abs. 1 BGB. Der Käufer hat also drei Gestaltungsrechte inne. Diese schließen sich in ihrer Wirkung aus.

I. Die elektive Konkurrenz von Gestaltungsrechten Zwischen den Gestaltungsrechten im Leistungsstörungsrecht, also Rücktritt und Minderung, besteht eine elektive Konkurrenz,258 da sie sich inhaltlich ausschließen. Der Rücktritt wandelt den Kaufvertrag in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis um, während die Minderung den Kaufvertrag zwar unberührt lässt, aber die Kaufpreiszahlung im Verhältnis zum Mangelunwert der Kaufsache herabsetzt. Der Käufer kann also nicht zugleich Rückzahlung des gesamten Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW verlangen und den PKW gegen einen geringeren Kaufpreis behalten. Diese Varianten stehen in Konkurrenz. Ebenso in elektiver Konkurrenz stehen die jeweiligen Leistungsstörungsrechte und das Anfechtungsrecht.259 Der Rücktritt (oder die Kündigung) setzt voraus, dass überhaupt ein Schuldverhältnis besteht, das rückabzuwickeln wäre. Da aber die Anfechtung das Schuldverhältnis von An258

Siehe auch: BeckOK/Faust, § 437 Rn. 171. Es handelt sich nicht um ein Anfechtungsrecht nach § 119 Abs. 2 BGB, das bereits wegen der Spezialität des Gewährleistungsrechts nicht anzuwenden wäre. Dazu bereits: S. 224 ff. 259

G. Das Verhältnis zwischen den Gestaltungsrechten

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fang an nichtig erscheinen lässt, darf diese nicht durchdringen, damit die Ausübung des Rücktrittsrechts bzw. einer Kündigung möglich ist.260 Die Anfechtung, die das Schuldverhältnis rückwirkend unwirksam werden lässt, nimmt also jeglichem Gestaltungsrecht, welches auf eben dieses Schuldverhältnis einwirken soll, die Grundlage. Das gilt auch für das Minderungsrecht, da dieses ebenso voraussetzt, dass ein Schuldverhältnis besteht. Dabei besteht kein Unterschied zwischen den beendenden Gestaltungsrechten (Anfechtung, Kündigung, Rücktritt) und dem ausfüllenden Gestaltungsrecht (Minderung). Die einseitige Gestaltung des Kaufvertrags kann nur in einem der auszuwählenden Rechte umgesetzt werden. Auch der Unterschied zwischen dem Anfechtungsrecht und den Gestaltungsrechten des Leistungsstörungsrechts (Rücktritt, Kündigung, Minderung) ist in dieser Beziehung egal: Die Ausübung eines Gestaltungsrechts hindert die Ausübung eines anderen Gestaltungsrechts. Diese stehen sämtlich in elektiver Konkurrenz.

II. Logische Einordnung der Konkurrenz Das Verhältnis der Gestaltungsrechte zueinander entspricht nicht der starken Ausschließlichkeit wie zwischen dem Primäranspruch und dem Gestaltungsrecht. Der Grund dafür ist die Vorrangstellung des Primäranspruchs und der sich daraus ergebende fakultative Charakter des Gestaltungsrechts. 1. Die Staffelung der Rechte Reden wir wie im genannten Beispiel vom Alternativverhältnis dreier Gestaltungsrechte, müssen wir die primäre Option des Gläubigers, den Erfüllungsanspruch, hinzudenken. Die Gestaltungsrechte entstehen nicht qualitativ gleichrangig mit dem vertraglichen Erfüllungsanspruch. Ihr Verhältnis zueinander kann man also auch nicht ohne den vorrangigen Primäranspruch bestimmen. Es liegt eine Staffelung zwischen dem Primäranspruch und den Gestaltungsrechten vor. Diese Staffelung ist nicht zwingend zeitlicher, sondern vielmehr tatbestandlicher Art, wie das Beispiel des Anfechtungsrechts zeigt. Die Begründung des Erfüllungsanspruchs durch die kaufvertragliche Einigung ruft zwar zeitgleich das Anfechtungsrecht aus § 123 Abs. 1 BGB hervor. Dieses entfaltet aber erst dann seine Wirkung, wenn es erklärt wird, § 143 Abs. 1 BGB. Das Anfechtungsrecht stellt also einen Rechtsbehelf dar, mit dem der Käufer den kaufvertraglichen Erfüllungsanspruch der Gegenseite zerstören kann. Dazu muss er aber die Anfechtung ausüben. Die Option a (eigener Erfüllungsanspruch des Käufers) besteht und wirkt vom Vertragsschluss an, die Option b (Anfechtungsrecht des Käufers) besteht 260

MüKo/Kramer, § 123 Rn. 32; Soergel/Hefermehl, § 123 Rn. 61.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

zwar vom Vertragsschluss an, wirkt aber erst mit Geltendmachung. Ficht der Käufer demnach nicht an, wirkt nicht etwa keines der Rechte, sondern nach wie vor der Erfüllungsanspruch als primäre Option. Diese Nachrangigkeit der Wirkung gilt auch für das Rücktrittsrecht und das Minderungsrecht des Käufers.261 Sie folgen dem Erfüllungsanspruch (Option a) erst mit Eintritt der Tatbestandsvoraussetzungen aus §§ 437 Nr. 3, 434 BGB. Die Wirkung von Option c (Rücktrittsrecht) bedarf des Ablaufs der Fristsetzung, § 323 Abs. 1 BGB, bzw. der Verweigerung der Nacherfüllung nach § 440 BGB. Gleiches gilt, über den tatbestandlichen Verweis nach § 441 Abs. 1 S. 1 BGB, ebenso für die Option d (Minderungsrecht). 2. Die schwache Ausschließlichkeit der Gestaltungsrechte Diese Staffelung der Rechte bedeutet für die aussagenlogische Einordnung, dass man zwischen dem Verhältnis der nachrangigen Rechte zueinander und dem Verhältnis des vorrangigen Anspruchs zum jeweils nachrangigen Recht unterscheiden muss. Dabei stelle ich fest: Zwischen dem Erfüllungsanspruch262 (Option a) und den Gestaltungsrechten (Optionen b, c oder d) besteht eine starke Ausschließlichkeit, also eine Kontravalenz. Zwischen den Gestaltungsrechten als sekundäre Optionen zum Erfüllungsanspruch hingegen findet man eine schwache Ausschließlichkeit vor. Hier ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Ausübung des Gestaltungsrechts mehr als nur die ausdrückliche Geltendmachung eines Rechts, sondern gar Tatbestandsvoraussetzung für die Gestaltungswirkung des Rechts ist. Die Gestaltungsrechte sind fakultative Rechte, für die man sich entscheiden muss, will man ihre Wirkung entfalten lassen. Oder anders: Der vertragliche Erfüllungsanspruch hängt nicht von der ausdrücklichen Erklärung ab, man wolle die Leistung erhalten, die Wirkung der Gestaltungsrechte jedoch schon. Die Wirkung – aussagenlogisch: die Wahrheit – der Option a ist also nur ausgeschlossen, wenn eine der Optionen b, c oder d Wirkung entfaltet – aussagenlogisch: wahr ist. In der Beziehung der Optionen b, c oder d zueinander bedeutet das, dass sie zwar nicht miteinander Wirkung entfalten können, aber durchaus auch keine der Optionen Wirkung entfalten kann, denn Option a wird nur ausgeschlossen, wenn eine sekundäre Option zu wirken beginnt. Der Satz bedeutet abstrakt etwa: Ereignis 1 ! a Ereignis 2 ! (a # (b / c / d)). 261

Ebenso für die Kündigungsrechte im Kontext von Dauerschuldverhältnissen. In den Fällen der Kauf- oder Werkmängelgewährleistung ist dies freilich der modifizierte Erfüllungsanspruch, der Nacherfüllungsanspruch. 262

G. Das Verhältnis zwischen den Gestaltungsrechten

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In meinem Beispiel kann der Käufer, der die drei Gestaltungsrechte Anfechtung, Rücktritt und Minderung als Möglichkeiten hat, entweder den Nacherfüllungsanspruch behalten und durchsetzen oder eines der Gestaltungsrechte geltend machen. Zwischen den Gestaltungsrechten kann er Anfechtung oder Minderung oder Rücktritt oder keines auswählen, nicht aber zwei oder alle drei Rechte zugleich. Zwischen Primäranspruch und dem jeweiligen Gestaltungsrecht besteht folglich eine Kontravalenz (Entwederoder). Zwischen den Gestaltungsrechten besteht hingegen eine Exklusion („oder, höchstens eins“). Dies wird übrigens auch durch das schwache „oder“ im Wortlaut des § 437 Nr. 2 BGB ausgedrückt.263 Es ergibt sich folgendes Bild: (Vertragsschluss $ Anfechtungsgrund) ! (Erfüllungsanspruch # Anfechtungsrecht) Leistungsstörung ! (Nacherfüllungsanspruch # Anfechtungsrecht) Leistungsstörung und Fristablauf ! (Nacherfüllungsanspruch # (Anfechtungsrecht / Rücktrittsrecht / Minderungsrecht)).

III. Vergleich zu CISG, PECL und DCFR Die Gestaltungsrechte nach CISG, PECL und DCFR schließen sich ebenfalls aus. Denn die Zweckrichtung der Rechte und ihre unterschiedliche Wirkung lassen sich nicht vereinbaren. Sie stehen daher sämtlich in elektiver Konkurrenz, auch wenn die verschiedenen Regelungskonzepte auf die Kombinierbarkeit von Rechtsbehelfen ausdrücklich hinweisen. Zum deutschen BGB besteht ein wesentlicher Unterschied: Es gibt im CISG, in den PECL und im DCFR keinen generellen Vorrang des Erfüllungsanspruchs. Daher stehen alle Gestaltungsrechte logisch in einer starken Ausschließlichkeit. 1. CISG: Die elektive Konkurrenz zwischen Recht zur Vertragsaufhebung und Minderung Das CISG kennt nur zwei Gestaltungsrechte, nämlich das Recht zur Vertragsaufhebung und das Recht auf Minderung. Alles andere sind Forderungsrechte oder Zurückbehaltungseinreden. Eine Konkurrenz der Gestaltungsrechte gibt es allein auf Käuferseite, da diesem das Minderungsrecht nach Art. 50 CISG zusteht. Dieses Recht zur Minderung schließt das Recht zur Vertragsaufhebung gemäß Art. 49 Abs. 1 CISG aus.264 Sie stehen in elektiver Konkurrenz. 263

BeckOK/Faust, § 437 Rn. 171.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Der Käufer hat in Fällen der Lieferung minderwertiger Ware nur dann ein Recht zur Vertragsaufhebung, wenn es sich um eine wesentliche Vertragsverletzung nach Art. 49 Abs. 1 a) CISG handelt. Das ist, wie ich bereits erwähnt habe,265 wegen des Ausnahmecharakters dieses Merkmals bei reinen Sachmängeln regelmäßig nicht der Fall. Liegt aber eine wesentliche Vertragsverletzung vor, dann muss der Käufer keine Frist zur Nacherfüllung mehr setzen, sondern kann gleich Vertragsaufhebung erklären. Das Recht zur Vertragsaufhebung ist dabei dem Erfüllungsrechtsbehelf nicht nachrangig. Es besteht keine gestaffelte Alternativität im Sinne einer Primär- und einer Sekundäroption, wie wir sie aus dem BGB im Verhältnis Erfüllungsanspruch – Rücktritt kennen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für das Recht zur Minderung nach Art. 50 CISG. Hier muss der Käufer aber den „praktischen Vorrang“266 des Nacherfüllungsrechts für den Verkäufer nach Art. 37 bzw. 48 CISG beachten.267 Zwar staffeln sich folglich die Optionen des Gläubigers nicht, dennoch schließen sie sich logisch aus. Es handelt sich, weil nach dem System des CISG kein genereller Vorrang der Nacherfüllung besteht, jeweils um eine starke Ausschließlichkeit, also eine Kontravalenz, da der Käufer eine der Optionen wahrnehmen muss.268 Das gilt für das – hier untersuchte – Verhältnis der Minderung zum Recht zur Vertragsaufhebung. Die Gestaltungserklärung ist der notwendige Ausdruck der einseitigen Gestaltungsbefugnis bei beiden Rechten: Der Gläubiger muss ausdrücklich Vertragsaufhebung erklären oder mindern. Das gilt aber ebenso im jeweiligen Verhältnis der Gestaltungsrechte zu den Nacherfüllungsansprüchen aus Art. 46 Abs. 2, 3 CISG. Diese sind, wie ich bereits erläutert habe,269 Rechtsbehelfe. Der Gläubiger kann, muss sich aber nicht primär auf sie berufen. Ihre Ausübung ist also ebenso fakultativ wie die der übrigen Rechtsbehelfe. Alle Rechtsbehelfe, die deshalb gleichrangig sind, stehen in einem starken EntwederOder-Verhältnis. Das ist ein logischer Unterschied zur Differenzierung der Konkurrenzen im BGB: Wesentliche Vertragsverletzung ! (Nachbesserung # Nachlieferung # Vertragsaufhebung # Minderung). 264

Gleiches gilt für Art. 72 Abs. 1 CISG, auf den es hier nicht ankommt. Siehe: S. 218. 266 Siehe: S. 231 ff. 267 Freilich wird bei einer wesentlichen Vertragsverletzung die Nacherfüllung des Verkäufers evtl. eine „Unzumutbarkeit“ für den Käufer darstellen. Dann wiederum greift die Ausnahme des Art. 48 Abs. 1 CISG. Der Verkäufer kann dann nicht sein Recht zur zweiten Andienung einfordern. 268 Schlechtriem/Huber, Art. 45 Rn. 19. 269 S. 195 ff. 265

G. Das Verhältnis zwischen den Gestaltungsrechten

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2. PECL und DCFR: Die elektive Konkurrenz zwischen den Gestaltungsrechten Die PECL und der Entwurf des Gemeinsamen Referenzrahmens kennen verschiedene Gestaltungsrechte, innerhalb (Recht zur Vertragsaufhebung, Minderung) und außerhalb (Anfechtung) des Leistungsstörungsbereichs. Sie alle stehen in elektiver Konkurrenz zueinander. Ihre unterschiedliche Zielrichtung und Wirkung erlauben es nicht, dass sie zugleich berechtigterweise erklärt werden. Es besteht insofern im Wesentlichen kein Unterschied zum BGB. Allerdings muss man die speziellen Eigenschaften der Gestaltungsrechte in den PECL bzw. im DCFR berücksichtigen. So ist das Recht zur Vertragsaufhebung nach Art. 9:301 PECL bzw. Art. III.-3:502 DCFR in der Regel nur möglich, wenn die Nichterfüllung wesentlich ist. Ist das aber der Fall, braucht der Gläubiger keine Frist zur Erfüllung mehr zu setzen. Er kann sofort den Vertrag aufheben. Ebenfalls ohne Fristsetzung kann der Gläubiger zur Minderung übergehen, vgl. Art. 9:401 PECL. Auf die Wesentlichkeit der Nichterfüllung kommt es hier aber nicht an. Kurzum: Wie schon zum CISG festgestellt, kennen auch die PECL und der DCFR keinen generellen Vorrang der Erfüllung. Alle Rechtsbehelfe wegen Nichterfüllung, sofern sie eröffnet sind, konkurrieren gleichrangig. Die Gestaltungsrechte stehen daher ebenso in einer starken Ausschließlichkeit wie der Erfüllungsrechtsbehelf mit jedem Gestaltungsrecht. Das Verhältnis lässt sich jeweils als elektive Konkurrenz beschreiben.

IV. Fazit: Das Verhältnis zwischen den Gestaltungsrechten Damit halte ich fest: Die Gestaltungsrechte stehen zueinander ist elektiver Konkurrenz. Das bedeutet, sie schließen sich in ihrer Ausübung jeweils genauso aus, wie es die Gestaltungsrechte einzeln mit dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch tun. Gleichwohl besteht im System des BGB ein Unterschied in der Beziehung der Rechte zueinander. Unabhängig vom Charakter des Gestaltungsrechts und ob dieses innerhalb oder außerhalb des Leistungsstörungsrechts liegt, verhalten sich die Gestaltungsrechte zueinander in einer schwächeren Alternativität als zum Primäranspruch. Primäranspruch und Gestaltungsrecht stehen zueinander im Entweder-Oder-Verhältnis einer Kontravalenz.270 Die Gestaltungsrechte hingegen stehen zueinander im schwächeren „Oder“ einer logischen Exklusion, da sie nicht miteinander wirkungsvoll sein können, aber durchaus auch überhaupt keine Wirkung 270 Im Falle des Minderungsrechts, §§ 441, 638 BGB, ist der Primäranspruch stets modifiziert zum Nacherfüllungsanspruch, siehe bereits: S. 147 ff.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

entfalten können. Hier unterscheidet sich das Konzept des BGB vom UNKaufrecht, den PECL und dem DCFR. Denn dort ist der Erfüllungsanspruch im Leistungsstörungsfall ein Rechtsbehelf, der vom Gläubiger verlangt werden muss. Da es somit keine Primäroption des Gläubigers gibt, stehen alle Rechtsbehelfe, eben auch die Gestaltungsrechte, in einer Kontravalenz.

H. Das Verhältnis zwischen den Schadensersatzansprüchen gemäß §§ 280 ff. BGB Nach der Neukonzeption der Schadensersatznormen des allgemeinen Schuldrechts, §§ 280 ff. BGB, gibt es verschiedene Formen des Schadensersatzes, die zueinander ins Verhältnis gesetzt werden können. Im Folgenden untersuchen wir den Charakter dieser Beziehungen. Das Ergebnis vorweggenommen, handelt es sich keinesfalls um eine elektive Konkurrenz, da es an der notwendigen Konkurrenzlage der Ansprüche fehlt.

I. Trennung der Schadensersatzansprüche nach dem Interesse des Gläubigers Wir unterscheiden nach dem Interesse des Gläubigers, welchen Schadensersatz er geltend machen will. Welcher Schaden wie ersatzfähig ist, hängt von der jeweiligen Anspruchsgrundlage ab.271 Die verschiedenen Anspruchsgrundlagen wiederum repräsentieren nämlich verschiedene Interessen, die der Geschädigte geltend machen kann. Man trennt dabei im rechtsgeschäftlichen Kontext positives und negatives Interesse.272 1. Die Unterscheidung zwischen positivem und negativem Interesse Haftet der Schädiger für eine Vertragsverletzung, so hat er den Zustand wiederherzustellen, der bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vertrags 271

Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, S. 331 Rn. 8. Diese Unterscheidung ist bei Schadensersatz aus deliktischer Haftung entbehrlich. Dort gibt es keinen Vertrag, also auch keine Erfüllung, auf die ein zu schützendes Interesse sich beziehen kann. Wir sprechen dort besser von Integritätsschäden als negativem Schaden. Gleiches gilt für die Ansprüche aus der Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 678 BGB. Gegen die Verwendung des Begriffs „negatives Interesse“ insoweit: Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, S. 306 Rn. 608. Kritisch zu den dogmatischen Kategorien des alten Schuldrechts: Lorenz, NJW 2002, 2497 (2500). 272

H. Das Verhältnis zwischen den Schadensersatzansprüchen

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bestehen würde.273 Das zu schützende Interesse nennt man dann positives Interesse oder Erfüllungsinteresse.274 Ist hingegen Schadensersatz zu leisten, weil der Geschädigte zu Unrecht auf das Zustandekommen eines Vertrags oder die Wirksamkeit einer Willenserklärung vertraut hat, kann dieser nur verlangen, so gestellt zu werden, als sei das ungerechtfertigte Vertrauen nicht erweckt worden. Er kann jedoch nicht so gestellt werden, als sei das Vertrauen gerechtfertigt gewesen.275 Sein Vertrauensinteresse oder sog. negatives Interesse ist dann betroffen.276 Diese Unterscheidung trägt folgende Überlegung: Schaden und Interesse verhalten sich zueinander wie das Unrecht zu seiner Wiedergutmachung.277 Das Interesse des Gläubigers betrifft also stets einen bestimmten Schaden, der ersetzt werden soll. Nach der Neukonzeption des Leistungsstörungsrechts finden sich nunmehr im allgemeinen Schadensersatzrecht drei Ansprüche als Ausgangslage für eine Schlecht- oder Nichtleistung, bei der es sich nicht um eine Unmöglichkeit handelt: § 280 Abs. 1 BGB als einfacher Schadensersatz, §§ 280 Abs. 1, 2; 286 BGB als Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung und §§ 280 Abs. 1, 3; 281 BGB als Schadensersatz statt der Leistung.278 Erstere beide Ansprüche stehen neben der Leistung, Letzterer anstelle der Leistung. Aufgrund dessen und der unterschiedlichen tatbestandlichen Voraussetzungen sind dies verschiedene Ansprüche, die man wechselseitig beleuchten kann.279 § 280 BGB ist die Grundnorm des Schadensersatzrechts, die in besonderen Fällen um Tatbestandsvoraussetzungen außerhalb dieser Norm ergänzt wird, siehe §§ 280 Abs. 2, 3 BGB.280 Es liegen hinsichtlich der genannten Schadensersatzansprüche voneinander klar trennbare Forderungsrechte vor. Die Trennung der Ansprüche nimmt man dabei entgegen der früheren Rechtslage 273

MüKo/Oetker, § 249 Rn. 123. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, S. 430. 275 MüKo/Oetker, § 249 Rn. 124. 276 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, S. 431. 277 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, S. 306 Rn. 607. In Idealfällen der Vertragsparität bietet die Haftungsnorm auf das positive Interesse als Sanktion genügend Schutz für beide Parteien. Der Haftung auf das negative Interesse bedarf es dort nicht. Dass insbesondere in der Rechtspraxis durch reale Abweichungen von diesen Idealfällen die Haftung auf das negative Interesse als eigenständige Kategorie sehr wohl Berechtigung hat, verdeutlicht Thomas Ackermann: Der Schutz des negativen Interesses, S. 186 ff. (insbesondere S. 200). 278 Unberücksichtigt bleiben die Ansprüche aus §§ 280 Abs. 1, 3; 282 BGB und § 285 BGB. 279 Die Ansprüche auf Schadensersatz aus §§ 311 a Abs. 2 S. 1 und 280 Abs. 1, 3; 283 BGB klammern wir im Folgenden aus, da sie den speziellen Fall unmöglicher Leistung betreffen, bei dem mangels Erhalt der Leistungspflicht, § 275 BGB, auch keine weitere Beziehung zum Primäranspruch besteht. 274

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

nicht nach der Art der Pflichtverletzung vor,281 sondern allein nach der Art des Schadens282 unter Berücksichtigung des Gläubigerinteresses. Die unterschiedlichen Schadensersatzansprüche der §§ 280 ff. BGB werden jedoch nicht randscharf durch die Unterscheidung nach positivem und negativem Interesse getrennt. Eine eindeutige Zuweisung aller denkbaren Schadensfälle nach dem strikten Muster „positiver“ bzw. „negativer Schaden“ ist schwer möglich. Ich skizziere im Folgenden kurz ihre Abgrenzung. 2. Die Einteilung der §§ 280 ff. BGB nach Schaden und Gläubigerinteresse a) Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 281 BGB Der Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 281 BGB kompensiert eine (teilweise) ausbleibende ordentliche Erfüllung der vertraglichen Leistungspflicht. In dem Maße, in welchem der Schuldner nicht oder nicht wie geschuldet leistet, hat er einen Schaden statt der Leistung zu ersetzen.283 Das heißt, der Schuldner ist so zu stellen, wie er stünde, wäre ordentlich erfüllt worden.284 § 281 BGB schützt also das positive Interesse und gewährt Ersatz des Erfüllungsschadens.285 Dazu ein Beispiel. Liefert der Verkäufer, ein Sanitätslieferant, trotz ordnungsgemäßer Fristsetzung des Käufers nicht vereinbarungsgemäß die dringend benötigten Gehhilfen zum Kaufpreis von 100 e, besorgt sich der Käufer gleichartige Gehhilfen anderenorts durch einen Deckungskauf in Höhe von 200 e und stellt dem Verkäufer die Mehrausgaben von 100 e als Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 281 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB in Rechnung. 280 Regierungsentwurf, BT-Drucks.14/6040, S. 93; ebenso: BeckOK/Unberath, § 280 Rn. 1; Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727 (729). Für das abweichende Schrifttum exemplarisch: Schulze/Ebers, JuS 2004, 265 (268). 281 Anders aber nach wie vor: Medicus, Bürgerliches Recht, S. 155 Rn. 237. Die zu unterscheidenden Kategorien der Pflichtverletzung sind danach: Nichterbringung, Verzögerung, Schlechtleistung sowie leistungsferne Pflichtverletzung (Rn. 239– 247b). 282 Herrschende Meinung, siehe nur: Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, S. 98 Fn. 362; Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727 (730). 283 Hier sei noch einmal darauf hingewiesen, dass § 281 BGB den früheren Schadensersatz wegen Nichterfüllung ersetzt hat. 284 Beispiel bei: Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, S. 331 Rn. 8: Hätte der Gläubiger den geschuldeten Leistungsgegenstand für 400 e Gewinn weiterverkaufen können, so ist das sein Erfüllungsschaden. 285 MüKo/Ernst, § 281 Rn. 8; BeckOK/Unberath, § 281 Rn. 33.

H. Das Verhältnis zwischen den Schadensersatzansprüchen

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b) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB Der Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB ersetzt den Schaden, der durch eine Verzögerung der Leistung entstanden ist. Der Schadensposten rührt daher, dass der Schuldner die Leistung zwar erbringt und dies letztlich auch mangelfrei, aber verspätet. Der Ersatzanspruch erfasst insofern auch das positive Interesse,286 denn geschuldet ist nicht nur die Erbringung der Leistung überhaupt, sondern neben der quantitativen und qualitativen Fehlerfreiheit auch die Leistung zum vertraglich vorgesehen Zeitpunkt. Leistet der Schuldner also verzögert, verletzt er eine originäre Leistungspflicht.287 Dieses „Leistungsinteresse des Gläubigers in zeitlicher Hinsicht“288 wird vom Anspruch aus §§ 280 Abs. 2, 286 BGB geschützt. Liefert der Sanitätsverkäufer entgegen der Terminvereinbarung also die Gehhilfen eine Woche zu spät, muss er dem Käufer Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 2; 286 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB in Höhe der Kosten leisten, die der Käufer für die tageweise Anmietung von Ersatzhilfen zu tragen hatte. c) Schadensersatz neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB Der einfache Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB steht „neben der Leistung“. Von den Tatbeständen der §§ 281 ff. BGB wird § 280 BGB aufgrund einer Doppelfunktion getrennt. Zum einen gibt er die elementaren Mindestvoraussetzungen jedes Schadensersatzanspruchs vor (Schuldverhältnis, Pflichtverletzung, Verschulden). Zum anderen verteilt er die Fälle je nach Sonderstellung auf die nachfolgenden Tatbestände der §§ 281 ff. BGB.289 Darüber hinaus fängt der einfache Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB als eigenständige Anspruchsgrundlage jene Schäden auf, die nicht von den qualifizierten Tatbeständen der §§ 281–286 BGB erfasst sind (und dementsprechend auch nicht die erhöhten Anforderungen der jeweiligen Sondertatbestände erfüllen müssen). Der einfache Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB schützt folglich negatives Interesse, sei dies ein rechtsgeschäftlicher Vertrauensschaden oder ein Integritätsschaden. Er schützt aber genauso – freilich in besonderen Fällen – positives Interesse. Kurz gesagt: Der einfache Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB erfasst die Schadensfälle, die nicht in die speziellen Regelungen der §§ 281 ff. BGB „passen“. 286 287 288 289

Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 346. Zum Inhalt der Leistungspflicht siehe bereits: S. 86 ff. Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727 (747). Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727 (729).

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Wenn im obigen Beispiel der Gläubiger auf der Suche nach geeigneten Gehhilfen im Sanitätshaus des Schuldners auf einem nicht gereinigten Fußboden ausrutscht und sich verletzt, besteht ein einfacher Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1 i. V. m. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB in Höhe der Arztkosten. Hier schützt § 280 Abs. 1 BGB als isoliert290 anzuwendender Anspruch das Integritätsinteresse des Gläubigers.291 Hat der Sanitätslieferant beim Vertragsschluss den Käufer über die Hochwertigkeit der Gehhilfen getäuscht, so kann der Käufer die tatsächlich geringwertige Sache behalten und seinen Vertrauensschaden in Höhe der Wertdifferenz nach § 280 Abs. 1 i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB geltend machen.292 Dann schützt § 280 Abs. 1 BGB das vertragliche negative Interesse. Zerbrechen die gelieferten Gehhilfen aufgrund eines Mangels plötzlich und kann der Käufer daher nicht – wie zuvor mit dem Sanitätslieferanten besprochen – den Kiosk eröffnen, den er allein betreibt, erleidet er Umsatzeinbußen in Höhe von 100 e. Auch dieser Betriebsausfallschaden wird richtigerweise nach § 280 Abs. 1 BGB isoliert ersetzt.293 Hier schützt der Auffangtatbestand des § 280 Abs. 1 BGB sogar das Erfüllungsinteresse als positives Interesse.294

II. Grundsatz: Keine Konkurrenz der Schadensersatzansprüche Daraus folgt, dass die Schadensersatzansprüche der §§ 280 ff. BGB als Anspruchsgrundlagen nicht miteinander in elektiver Konkurrenz stehen können. Aufgrund des unterschiedlichen Schutzzwecks der Anspruchsgrundlagen kann für einen bestimmten Schaden unter Berücksichtigung des Interesses des Gläubigers nur ein Schadensersatzanspruch eingreifen, nicht aber 290

Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, S. 244 Rn. 481. Fall dem berühmten „Salatblattfall“ nachgebildet: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.01.1976 (Az.: VIII ZR 246/74), NJW 1977, 302, 302. Dies ist ein Fall der Verletzung von Sorgfaltspflichten aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis, früher sog. culpa in contrahendo. Im Original verletzte sich freilich die minderjährige Tochter der Gläubigerin. 292 Die Pflichtverletzung liegt in einer Verletzung der Pflicht zur richtigen und sorgfältigen Aufklärung des Vertragspartners gemäß § 241 Abs. 2 BGB. 293 So ausdrücklich der gesetzgeberische Wille, dem ich hier folge: BT-Drs. 14/6040, S. 225. Ebenso: Erman/Westermann, § 280 Rn. 35; BeckOK/Unberath, § 280 Rn. 30; ders., Die Vertragsverletzung, S. 349; Canaris, Karlsruher Forum 2002, S. 5 (39). Die Gegenansicht wendet den Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 2; 286 BGB (ohne das Erfordernis der Mahnung) an: Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727 (754), mit weiteren Nachweisen zum gesamten Streitstand. 294 Richtigerweise heißt die Anspruchsgrundlage dann §§ 280 Abs. 1, 437 Nr. 3 BGB, da es sich um Sachmangelgewährleistung handelt. 291

H. Das Verhältnis zwischen den Schadensersatzansprüchen

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mehrere alternativ. Die jeweils einschlägige Norm muss der Rechtsanwender unter Einbeziehung des Schutzzwecks und des Gläubigerinteresses bestimmen. Man muss folglich den jeweiligen Schadensposten der richtigen Schadensersatznorm zuordnen und dabei anhand des konkreten Schadens die Anspruchsgrundlagen der §§ 280 ff. BGB voneinander abgrenzen295. Zu beachten ist dabei stets, dass die §§ 281 ff. BGB aufgrund der Verweisungstechnik in den §§ 280 Abs. 2 bzw. Abs. 3 BGB für den von ihnen jeweils erfassten Schaden aufgrund ihrer Spezialität Vorrang genießen.296 Eine Doppelung der Anspruchsgrundlagen kann es somit im System der §§ 280 ff. BGB nicht geben.297 Folglich kann es grundsätzlich auch hinsichtlich eines Schadens keine Konkurrenz von Ansprüchen aus den §§ 280 ff. BGB geben. Daher besteht bei der Festlegung eines Schadensersatzanspruchs aus §§ 280 ff. BGB kein Bedürfnis zur logischen Einordnung anhand des aussagenlogischen Systems. Es bleibt dem Gläubiger im Hinblick auf den einen bestimmten Schaden nur ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 ff. BGB. Dieser kann allenfalls ins Verhältnis zu einem andersartigen Anspruch oder Recht gesetzt werden, nicht aber zu einem anderen Schadensersatzanspruch aus den §§ 280 ff. BGB. Zur Verdeutlichung fasse ich die angeführten Beispiele zusammen. Der Käufer der Gehhilfen erleidet im Ergebnis mehrere Schäden. Die Heilungskosten für den Ausrutscher auf dem sorglos gereinigten Boden des Verkäufers, die einmalige Umsatzeinbuße als Betriebsausfallschaden und die Wertdifferenz zu einer eigentlich versprochenen hochwertigen Gehhilfe sind Schadensposten nach § 280 Abs. 1 BGB. Will der Käufer die Gehhilfen noch geliefert haben, sind die Kosten der Lieferverzögerung neben der Leistung, also nach §§ 280 Abs. 1, 2; 286 BGB zu ersetzen. Tritt an die eigentlich erwartete Lieferung ein Ersatz, etwa der Deckungskauf bzgl. anderer Gehhilfen, liegt darin ein Schaden statt der Leistung im Sinne von §§ 280 Abs. 1, 3; 281 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Alle Schadensposten sind in diesem System – dem Interesse des Betroffenen entsprechend – eindeutig einer Anspruchsgrundlage zuzuordnen. Die 295 Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727 (730), sprechen von „schadensphänomenologischer Abgrenzung“. Zur Phänomenologie als wissenschaftlicher Methode siehe Fn. 97. 296 Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727 (730). 297 Eine Anspruchskonkurrenz kann aber zwischen einem (quasi-)vertraglichen und einem deliktischen Schadensersatzanspruch bestehen. Rutscht im obigen Beispiel der kaufwillige Gläubiger im Sanitätshaus des Schuldners aus, dann hat er u. U. neben dem Anspruch aus § 280 Abs. 1 i. V. m. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB (wegen Verletzung einer Verkehrspflicht).

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Tatbestände – genauer: das Tatbestandsmerkmal „Schaden“ – der §§ 280 ff. BGB schließen sich folglich aus. Es bleibt pro Schadensposten nur eine Anspruchsgrundlage. Diese Erkenntnis aus den allgemeinen Regelungen des Schuldrechts übertrage ich auf die Fälle, in denen das besondere Schuldrecht verschiedene Schadensersatzanordnungen trifft. Die eben skizzierte Abgrenzung nach dem Schadensposten unter Berücksichtigung der Gläubigerinteressen gilt auch für das Mängelgewährleistungsrecht des Kauf- und Werkvertrags, also die §§ 437 Nr. 3 und 634 Nr. 4 BGB. Auch dort greift nur einer der Schadensersatzansprüche, auf welche die Verteilernorm dem Schutzzweck nach verweist. Eine elektive Konkurrenz zwischen den Schadensersatzansprüchen ist folglich weder im allgemeinen noch im besonderen Schuldrecht denkbar.

III. Die Wahlrechte des Gläubigers im Rahmen des § 281 BGB Aufgrund der klaren Abgrenzung der Schadensersatzansprüche gemäß §§ 280 ff. BGB bereitet die genaue Zuordnung des jeweiligen Schadens unter Umständen Schwierigkeiten. Das ist jedoch in aller Regel kein Problem eines Gläubigerwahlrechts, sodass ich dies hier nicht weiter untersuchen werde. Gleichwohl gibt es im Kontext des Schadensersatzes statt der Leistung nach § 281 BGB Bereiche, in denen dem Gläubiger unter Umständen eine Wahl zusteht. Diese Problemfälle müssen wir in der Untersuchung der Systematik von Gläubigerwahlrechten berücksichtigen. 1. Problem: Der Verzögerungsschaden im Anspruch nach § 281 BGB Kann der Gläubiger einer verspätet vorgenommenen Leistung den Verzögerungsschaden nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB als Posten statt der Leistung in einem Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB einberechnen? Kann also der Käufer im oben verwendeten SanitätshandelsBeispiel die Mietkosten für die zeitweiligen Ersatz-Gehhilfen als Teil des Schadensersatzes geltend machen, den er nach vergeblicher Fristsetzung gemäß § 281 BGB statt der Leistung verlangt? a) Frühere Rechtslage Nach früherer Rechtslage gewährte die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem Gläubiger insofern ein Wahlrecht. Danach konnte der Verzögerungsschaden neben dem Nichterfüllungsschaden geltend gemacht

H. Das Verhältnis zwischen den Schadensersatzansprüchen

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oder in diesen einbezogen werden.298 Der eingetretene Verzugsschaden war nach Wahl des Gläubigers selbständig nach § 286 BGB a. F. abzurechnen oder als Teil der Nichterfüllung im Sinne des § 326 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. zu betrachten.299 Dieses Wahlrecht hatte im Grunde keinerlei Einfluss auf das Ergebnis: Sowohl für den einen wie auch für den anderen Schadensersatzanspruch bedurfte es des Verzugs des Schuldners, sodass die Tatbestandsvoraussetzungen der beiden Ansprüche sich deckten.300 Ein Unterschied bestand freilich in der Rechtsfolge, wenn eine isolierte Geltendmachung gewählt wurde: Während der Schadensersatzanspruch nach § 286 BGB a. F. mit dem Erfüllungsanspruch verjährte, war auf den Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung die 30-jährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB a. F. anzuwenden.301 b) Heutige Rechtslage Im Duktus des heutigen BGB hieße das, der Geschädigte hätte die Wahl, den Verzögerungsschaden entweder eigenständig oder als Teil eines Schadensersatzes statt der Leistung zu verlangen.302 Meines Erachtens liegt jedoch nach der heutigen Systematik keine Alternativität vor, die dem Gläubiger ein solches Wahlrecht gewährt. Dafür gibt es zwei Gründe. Ausgehend von der obigen Trennung des Anspruchs aus §§ 280 Abs. 1, 2; 286 BGB vom Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3; 281 BGB ist dies dogmatisch nicht denkbar. Entgegen der früheren Rechtslage decken sich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 286 BGB nicht mit denen des § 281 BGB. Für den Schadensersatzanspruch statt der Leistung bedarf es des Fristablaufs bzw. der Tatbestandsmäßigkeit anhand der Ausnahmen nach § 281 Abs. 2 BGB. Für den Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens neben der Leistung hingegen ist lediglich das qualitativ geringer einzuschätzende303 Mahnungserfordernis bzw. eine Entbehrlichkeitsausnahme (etwa § 286 Abs. 2 BGB) notwendig. Die klare Trennung der beiden Ansprüche anhand der unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen sollte daher bereits zum Anlass genommen werden, das von der Rechtsprechung ursprüng298 Ausdrücklich: BGH, Urteil vom 17.01.1997 (Az.: V ZR 285/95), NJW 1997, 1231, 1231; bezugnehmend auf: RGZ 96, 158, 160. 299 Zustimmend: Wunner, NJW 1985, 825 (826). 300 Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727 (750). 301 BGH, MDR 1955, 462, 462; NJW 1997, 50, 50; dazu auch: Huber, Leistungsstörungen, Band II, S. 321, der für die alte Rechtslage eine zwingende Einbeziehung des Verzögerungsschadens in den Nichterfüllungsschaden fordert. 302 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, S. 245 Rn. 484. 303 Palandt/Heinrichs, § 286 Rn. 17; BeckOK/Unberath, § 286 Rn. 25.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

lich gewährte Wahlrecht des Gläubigers in der heutigen Systematik aufzugeben.304 Hinzu kommt der Einwand, dass die Tatbestände der §§ 280 ff. BGB zwar allesamt Vermögenseinbußen erfassen, diese jedoch unterschiedliche Interessen des Gläubigers repräsentieren. Ausgehend davon ist der interessengerechte Ausgleich eines Schadens statt der Leistung niemals gleichzusetzen mit dem interessengerechten Ausgleich eines Schadens neben der Leistung. Die Wertungen der verschiedenen Tatbestände sind völlig unterschiedlich und können und dürfen nicht miteinander vermischt werden.305 Man muss sich fragen: Kann die Leistung noch nachgeholt werden oder nicht? Und: Wird der Schuldner noch leisten oder nicht? Kann die Leistung ohnehin nicht mehr nachgeholt werden, tritt der Schadensersatz an dessen Stelle, vgl. §§ 311 a bzw. 283 BGB. Kann die Leistung noch nachgeholt werden, ist aber ungewiss, ob der Schuldner trotz Aufforderung der Forderung nachkommt, entscheidet der Gläubiger, ob er noch auf die Leistung warten möchte. Verzögerungsschäden, die dann während des Verzugs des Schuldners auftreten, sind Posten des Schadensersatzes neben der potentiell später nachgeholten Leistung gemäß §§ 280 Abs. 1, 2; 286 BGB. Dies gilt bis zur Erklärung des Gläubigers, dass er an der Nachholung kein Interesse mehr hat, § 281 Abs. 4 BGB. Nach dieser Entscheidung anfallende Schäden sind solche des Ersatzanspruchs nach §§ 280 Abs. 1, 3; 281 BGB. c) Fazit: Der Verzögerungsschaden im Anspruch nach § 281 BGB bzw. § 286 BGB Das Interesse, unabhängig von der Qualität der Erfüllung eine rechtzeitige Leistung zu erhalten, schützt heute folglich originär §§ 280 Abs. 1, 2; 286 BGB. Dieser qualitativ eigenständige Anspruch betrifft zum einen ein anderes Zeitfenster der Verzögerungsschäden, zum anderen ein unterschiedlich zu wertendes Gläubigerinteresse bezüglich des Vermögensverlustes. Er steht daher nicht in Konkurrenz zum Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3; 281 BGB. Der Gläubiger muss seinen die Erfüllung betreffenden Verzögerungsschaden selbständig nach §§ 280 Abs. 1, 2; 286 BGB neben einem darüber hinausgehenden Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 281 BGB durchsetzen.306 Für ein Wahlrecht des Gläubigers, ob er die Schä304 So auch: Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rn. 288 f.; Canaris, Schuldrechtsmodernisierung: Karlsruher Forum 2002, S. 5 (41); Grigoleit/ Riehm, AcP 203 (2003), 727 (750). 305 Canaris, Schuldrechtsmodernisierung: Karlsruher Forum 2002, S. 5 (41); Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 140 Rn. 186; Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727 (750). 306 BeckOK/Unberath, § 281 Rn. 37.

H. Das Verhältnis zwischen den Schadensersatzansprüchen

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den, die durch eine Verzögerung vor der Wahl nach § 281 Abs. 4 BGB entstanden sind, in den Schadensersatz statt der Leistung einberechnen kann, gibt es keine dogmatische Rechtfertigung. Auch Schuldnerschutzerwägungen überzeugen hiergegen nicht.307 2. Das Wahlrecht zwischen kleinem und großem Schadensersatz Im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung nach § 281 BGB steht dem Gläubiger das Wahlrecht zwischen kleinem und großem Schadensersatz zu. Dabei handelt es sich aber nicht um konkurrierende Ansprüche auf Schadensersatz. Vielmehr wählt der Gläubiger nur, ob er bei der Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs die nicht vollständige oder mangelhafte Leistung behalten will oder nicht. Behält der Gläubiger die Sache, dann verlangt er lediglich für den Rest Schadensersatz.308 Dies nennt man den sog. kleinen Schadensersatz. Beim sog. großen Schadensersatz hingegen stellt der Gläubiger dem Schuldner die mangelhafte oder bloß teilweise erbrachte Leistung wieder zur Verfügung und verlangt stattdessen Schadensersatz aufgrund des vollständigen Misslingens der Leistungserbringung. Im System der Ersatzansprüche ist dies der Schadensersatz statt der ganzen Leistung nach § 281 Abs. 1 S. 2 bzw. S. 3 BGB, für den besondere Voraussetzungen gelten. Man differenziert hierbei zwischen Teilleistung und Mangelleistung als Tatbestandsvoraussetzungen des § 281 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB. a) Die Teilleistung des Schuldners Erbringt der Schuldner bloß einen Teil der geschuldeten Leistung, dann stellt dies eine nicht wie geschuldete Leistung im Sinne von § 281 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB dar.309 Der kleine Schadensersatz des Gläubigers, der die 307 Zu beachten sind die Bedenken Ulrich Hubers, der eine Einberechnung der Verzögerungsschäden in den Nichterfüllungsschaden (nach alter Terminologie) aus Schuldnerschutzerwägungen zwingend vorsieht: Huber, Leistungsstörungen, Band II, S. 321. Einer übermäßigen Bevorteilung des Gläubigers durch die drohende Berücksichtigung von Nutzungsvorteilen in beiden Ansprüchen kann jedoch durch das Prinzip des Vorteilsausgleichs im Rahmen des §§ 280 Abs. 2, 286 BGB begegnet werden. Die Höhe des Verzögerungsschadens ist entsprechend zu kürzen: Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727 (751). 308 Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 141 Rn. 188. 309 BeckOK/Unberath, § 281 Rn. 54. Vorsicht ist allerdings insofern geboten, als nach heutiger Rechtslage die quantitativ unvollständige Leistung nach Kauf- und Werkvertragsrecht eine Schlechtleistung gemäß §§ 434 Abs. 4, 633 Abs. 2 S. 3 BGB darstellt. Die Rechtsprechung zum früheren Recht ist daher nur bedingt anwendbar.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Teilleistung behält, beläuft sich auf den Wert des ausgebliebenen Teils, sofern dieser vom erbrachten Teil technisch und wertmäßig teilbar ist.310 Hat er an der erbrachten Teilleistung allein kein Interesse, kann der Gläubiger den großen Schadensersatz wählen, also Schadensersatz statt der ganzen Leistung. § 281 Abs. 1 S. 2 BGB zwingt ihn in diesem Fall jedoch zur Darlegung seines Interessenfortfalls bezüglich der gesamten Leistung, da er die Teilleistung ja entgegengenommen hat. Dies führt zur Vermutung, dass er zumindest diese behalten will.311 Der Gläubiger kann also wählen, ob er nur den Restwert des fehlenden Teils abrechnet oder – unter der erhöhten Anforderung, das fehlende eigene Interesse an der Gesamtleistung dartun zu müssen – die Teilleistung zurückgibt und das gesamte Geschäft als gescheitert anzusehen ist. Er wählt dabei nicht zwischen konkurrierenden Ansprüchen, sondern nur, wie sein Schaden, gemäß seinem Interesse, zu berechnen ist. b) Die Schlechtleistung des Schuldners Auch im Falle einer mangelhaften Leistung des Schuldners kann der Gläubiger wählen, ob er diese behalten will oder nicht. Behält er die Schlechtleistung, besteht sein Schaden im restlichen Ausbleiben der ordentlichen Erfüllung. Dieser kleine Schadensersatz berechnet den Wertunterschied zwischen mangelfreier und mangelhafter Sache.312 Kann der Gläubiger mit der mangelhaften Sache nichts anfangen, so gibt er sie zurück und berechnet den Schaden der gesamten missglückten Leistung. Der Schadensersatzanspruch statt der ganzen Leistung erfordert dann nach § 281 Abs. 1 S. 3 BGB eine Abwägung, ob die Schlechtleistung erheblich genug ist, den verlangten großen Schadensersatz zu rechtfertigen oder ob – ausgehend vom Grundsatz pacta sunt servanda – es dem Gläubiger nicht billigerweise zugemutet werden kann, die Mangelbehaftung zu akzeptieren und bloß den kleinen Schadensersatz geltend zu machen. Der Gläubigerschutz für Schlechtleistungsfälle und die Systematik des § 281 Abs. 1 S. 3 BGB weisen der Unerheblichkeit aber eindeutig einen Ausnahmecharakter zu, indem diese nur als Einwendung für den Schuldner konzipiert ist.313 Folglich kann man in aller Regel zugunsten des Gläubigers von der Erheblichkeit der Schlechtleistung ausgehen, sodass er die Möglichkeit hat, Schadensersatz statt der ganzen Leistung zu verlangen. 310

BGH, NJW 1962, 907, 907. BeckOK/Unberath, § 281 Rn. 56. 312 BGH, NJW 1989, 2534, 2534. 313 Palandt/Heinrichs, § 281 Rn. 48; Lorenz, NJW 2006, 1925 (1925); BeckOK/ Unberath, § 281 Rn. 69; Grigoleit/Riehm, ZGS 2002, 115 (116). 311

H. Das Verhältnis zwischen den Schadensersatzansprüchen

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c) Bewertung des Wahlrechts Das Wahlrecht zwischen kleinem und großem Schadensersatz im Rahmen von § 281 BGB betrifft die Berechnung des Schadens unter Berücksichtigung des Gläubigerinteresses. Die Wahlmöglichkeit stellt sich für den Gläubiger erst, wenn die erhöhten Anforderungen der §§ 281 Abs. 1 S. 2 bzw. S. 3 BGB bezüglich des Schadensersatzes statt der ganzen Leistung erfüllt sind. Diese Anforderungen sind für die Teilleistung im Vergleich zur Schlechtleistung praktisch höher, da hier den Gläubiger die Beweislast für das Wegfallen seines Erfüllungsinteresses trifft. Alles in allem ist das angesprochene Wahlrecht keine Wahl zwischen verschiedenen Ansprüchen, sondern nur die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten der Schadensberechnung.314 Es liegt keine elektive Konkurrenz oder Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht vor, sondern lediglich eine das Zahlungsgebot des Schadensersatzanspruchs beeinflussende Alternativität von Berechnungsmöglichkeiten. 3. Weitere Wahlrechte im Rahmen des § 281 BGB Der Vollständigkeit halber sollte man noch weitere Wahloptionen des Gläubigers im Rahmen des Schadensersatzanspruchs nach § 281 BGB anführen. So kann der Gläubiger eine konkrete oder eine abstrakte Schadensberechnung vornehmen.315 Konkret berechnet er den Schaden mit einem Gesamtvermögensvergleich, bei dem er sämtliche Vor- und Nachteile des nicht erfüllten Vertrags saldiert.316 Bei einer abstrakten Schadensberechnung werden hingegen lediglich typische Geschehensabläufe unabhängig von individuellen Umständen zugrunde gelegt.317 Das Wahlrecht entspricht insofern den optionalen Schadensberechnungen des Allgemeinen Teils nach §§ 249 ff. BGB. Es handelt sich weder um die Wahl alternativer Leistungsgebote noch um eine elektive Konkurrenz. Kein Wahlrecht bezüglich der Schadensbemessung im Rahmen des § 281 BGB ist der durch die Gläubigerentscheidung zu lösende Streit zwischen Differenz- bzw. Surrogationstheorie. Es handelt sich dabei nach heutiger Rechtslage um die Wahl, ob Rücktritt mit Schadensersatz kombiniert wird oder nicht. Dazu sogleich mehr.318

314

Anders zur alten Rechtslage: Weitnauer, Festschrift für Hefermehl, S. 467

(472). 315 316 317 318

BeckOK/Unberath, § 281 Rn. 35. BGH, NJW 1983, 1605, 1605; NJW 1999, 3625, 3625. BeckOK/Unberath, § 281 Rn. 42. Zum Verhältnis zwischen Schadensersatz und Rücktritt: S. 255 ff.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

IV. Vergleich zu CISG, PECL und DCFR 1. Grundsatz: Der allgemeine Schadensersatzanspruch für alle Schäden Wie bereits an anderer Stelle untersucht,319 kennen weder das CISG, PECL noch der DCFR verschiedene Schadensersatzansprüche neben bzw. statt der Leistung. Es besteht dort jeweils ein einheitlicher Schadensersatzanspruch in Art. 45 Abs. 1 b), 2 CISG, Art. 9:501 (1) PECL und Art. III.-3:701 DCFR. Es kommt dabei weder auf den Grund noch auf die Art der Pflichtverletzung an. Auch Verschulden ist nicht erforderlich, da eine umfassende Garantiehaftung für die Erfüllung des gesamten Pflichtenprogramms der Parteien besteht.320 Entscheidend ist, dass über den jeweils einheitlichen Schadensersatzanspruch sämtliche Schäden des Betroffenen abgegolten werden. Der Schadensersatzanspruch deckt wegen des Grundsatzes der Totalreparation alle möglichen Verluste des Gläubigers einschließlich des Gewinns ab.321 Das CISG gewährt dabei auch Schadensersatz für das Vertrauensinteresse. Die PECL und der Referenzrahmen sind demgegenüber ausdrücklich auf das positive Interesse beschränkt und zwar in der Form, dass der Wert der vereitelten vertraglichen Erwartung ersetzt wird, siehe Art. 9:502 PECL und Art. III.-3:702 DCFR.322 Der Umfang des geschützten Interesses ist begrenzt. Ersetzt werden nach der Voraussehbarkeitsregel, die in Art. 74 S. 2 CISG ebenso wie in Art. 9:503 PECL und Art. III.-3:703 DCFR installiert ist, nur die Schäden, welche für die vertragsbrüchige Partei im Zeitpunkt des Vertragsschlusses als Folge ihres Vertragsbruchs voraussehbar waren.323 Sofern dies aber (im Normalfall) zutrifft, umfasst der Schadensersatzanspruch sowohl den Minderwert 319

Ausführlich: S. 210 ff. Grunewald, Kaufrecht, S. 168 Rn. 39. Für das CISG: Schlechtriem/Huber, Art. 45 Rn. 37; für die PECL siehe: von Bar/Zimmermann, PECL, S. 527. Jeweils gibt es auch Grenzen der Garantiehaftung. Diese liegen in Art. 79, 80 CISG (Verschulden außerhalb des Einflussbereichs des Schuldners, Verschulden des Gläubigers) bzw. in Art. 8:108 PECL und Art. III.-3:104 DCFR (Verschulden außerhalb des Einflussbereichs des Schuldners). 321 Statt Aller: Staudinger/Magnus, Art. 74 CISG Rn. 19. 322 Es handelt sich um die Kombination des Erfüllungsinteresses mit der römischen Rechtsregel des damnum emergens bzw. lucrum cesans: von Bar/Zimmermann, PECL, S. 533. 323 Es besteht insoweit keine Vermutung zugunsten des Anspruchsstellers, d.h. die Beweislast liegt beim Geschädigten: Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, S. 194 Rn. 302; Schlechtriem/Stoll, Art. 74 Rn. 3. 320

H. Das Verhältnis zwischen den Schadensersatzansprüchen

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der Sache als auch enttäuschte Gewinne, Verzögerungsschäden und weitere Folgeschäden („consequential damages“).324 Gerade Letztere müssen unter dem Aspekt der Voraussehbarkeit zurückhaltend bewertet werden.325 Eine Konkurrenz von Schadensersatzansprüchen kann es somit nach UNKaufrecht, PECL und DCFR schon deshalb nicht geben, weil keine verschiedenartigen Schadensersatzansprüche vorgesehen sind. Vielmehr ist dies jeweils ein einheitlicher Rechtsbehelf, der je nach Interesse der betroffenen Partei ausgefüllt wird. 2. Das Zusammenspiel zwischen Schadensersatzanspruch und Recht zur Vertragsaufhebung Besondere Aufmerksamkeit verdient in jedem der vergleichbaren Regelungen das Zusammenspiel des Schadensersatzanspruchs mit dem Recht zur Vertragsaufhebung. Ich komme darauf im Verhältnis der beiden Rechte zueinander noch ausführlich zurück. Für den hier zunächst interessierenden einheitlichen Schadensersatzanspruch hat der Gläubiger eine doppelte Wahlmöglichkeit. a) Kein großer Schadensersatz ohne Vertragsaufhebung Der Gläubiger kann zum einen wählen, ob er zusätzlich zum Schadensersatzanspruch das Recht zur Vertragsaufhebung nutzt. Hat er davon (noch) keinen Gebrauch gemacht und verlangt er Schadensersatz, kann dies kein Schadensersatz statt der ganzen Leistung sein. Das Erfüllungsinteresse bezüglich der mangelhaften Leistung schützt der Schadensersatzanspruch nur, wenn der Vertrag aufgehoben wird.326 Es handelt sich dabei – ebenso wie im BGB nach heutiger Rechtslage – nicht um ein Wahlrecht bezüglich verschiedener Schadensersatzansprüche, sondern lediglich um die Möglichkeit des Gläubigers, Schadensersatz mit Vertragsaufhebung zu kombinieren und damit eine spezielle Schadensberechnung hervorzurufen.327 Beide Rechte können aber nur kombiniert werden, wenn auch die hohe Schwelle der Tatbestandsvoraussetzungen der Vertragsaufhebung (Wesentlichkeit der Vertragsverletzung) erreicht ist. Insofern besteht ein Unterschied zum BGB, wo 324 Neben der Voraussehbarkeitsregel gibt es weitere Einschränkungen, etwa Art. 5 CISG, der einen Schadensersatz wegen Folgeschäden an der Person verhindert; Staudinger/Magnus, Art. 74 CISG Rn. 45. 325 Zu diesem Problem: Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, S. 197 Rn. 306. 326 Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, S. 200 Rn. 309. 327 Dazu gleich mehr: S. 256 ff.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung (ungeachtet des Verschuldens) tatbestandskonform sind. Die Konsequenz daraus ist, dass der Gläubiger nicht die mangelhafte Leistung des Schuldners zurückgeben und ihren Wert als Schaden berechnen kann, solange die Vertragsverletzung nicht wesentlich ist. Denn dann würde er de facto doch Vertragsaufhebung und Quasi-Rückabwicklung als Teil des Schadens erreichen, ohne dass die hohe Hürde der wesentlichen Vertragsverletzung erreicht ist.328 Will sagen: Nach dem Zusammenspiel des Schadensersatzes mit dem Recht zur Vertragsaufhebung in CISG, PECL und DCFR gibt es ohne die Vertragsaufhebung keine Wahl bezüglich eines großen Schadensersatzes. Ihm bleibt nur der kleine Schadensersatz. b) Die Wahl nach Tätigung eines Deckungsgeschäfts Macht der Gläubiger von der Vertragsaufhebung Gebrauch, steht ihm noch eine zweite Wahl zu. Dabei geht es jeweils um die Frage, ob bei Vertragsaufhebung ein Deckungsgeschäft getätigt wird und wie sich danach der Schadensersatz berechnet, also konkret (Art. 75 CISG, Art. 9:506 PECL, Art. III.-3:706 DCFR) oder abstrakt, das heißt anhand eines Marktpreises (Art. 76 CISG, Art. 9:507 PECL, Art. III.-3:707 DCFR). Der Gläubiger wählt aber nicht zwischen verschiedenen Schadensersatzansprüchen aus (elektive Konkurrenz), sondern nur die Berechnung des einheitlichen Schadensersatzanspruchs.

V. Fazit: Das Verhältnis zwischen den Schadensersatzansprüchen gemäß §§ 280 ff. BGB Im Kontext der schuldrechtlichen Schadensersatznormen gemäß §§ 280 ff. BGB konkurrieren in keinem Fall alternative Schadensersatzansprüche. Die Systematik des Gesetzes weist jedem Schaden isoliert einen entsprechenden Anspruch zu, sodass keine elektive Konkurrenz zwischen den Ansprüchen nach §§ 280 ff. BGB denkbar ist. Problematisch ist in bestimmten Fällen die Zuordnung des Schadenspostens zur Anspruchsgrundlage anhand des konkreten Gläubigerinteresses. Insbesondere in der Dogmatik des § 281 BGB werden Fälle diskutiert, in denen der Gläubiger die Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten hat. Dies sind jedoch in keinem Fall Alternativen im Sinne einer Wahlschuld oder einer elektiven Konkurrenz. In den Fällen abstrakten bzw. konkreten Schadens und kleinen bzw. großen Schadensersatzes sind dies optionale Berechnungsmethoden. 328

Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, S. 201 Rn. 309.

I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht

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I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht Der Gläubiger, der von einer Leistungsstörung betroffen ist, kann in aller Regel wählen, ob er vom Vertrag zurücktritt oder nicht. Er kann auch wählen, ob und welchen Schaden er wegen der Nichterfüllung geltend machen will. Nach früherer Rechtslage konnte der Gläubiger aber niemals zugleich beides, also zurücktreten und Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Durch die Schuldrechtsreform wurde diese elektive Konkurrenz aufgehoben. Die Untersuchung zeigt im Folgenden die neue Harmonie der beiden Rechte. Gleichwohl finden wir auf der Stufe der Umsetzung der beiden Rechte disharmonische Fälle, in denen nach wie vor eine Alternativität besteht.

I. Frühere Rechtslage: Die Alternativität von Rücktritt und Schadensersatz Nach früherer Rechtslage schlossen sich Rücktrittsrecht (Wandelung) und Schadensersatzverlangen wegen Nichterfüllung kategorisch aus. Wer die Herstellung desjenigen Zustandes verlangte, der ohne den Vertrag bestünde (Rücktritt), konnte denknotwendig nicht zugleich so gestellt werden, wie er bei ordentlicher Vertragserfüllung stehen würde (Schadensersatz wegen Nichterfüllung).329 Das drückten im allgemeinen Schuldrecht die §§ 325 Abs. 1 S. 1, 326 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. durch das Wort „oder“ und im besonderen Schuldrecht die §§ 462, 635 BGB a. F. durch das Wort „statt“ aus. Die Tatbestandsvoraussetzungen waren für Rücktritt und Schadensersatz wegen Nichterfüllung insofern deckungsgleich. Es handelte sich dabei entgegen des Wortlauts („oder“) nicht um eine schwache Ausschließlichkeit im Sinne einer Exklusion, sondern um eine strenge Alternativität im Sinne der Kontravalenz (Entweder-oder), denn im Gegensatz zum heutigen Recht entfiel in jedem Fall der Primäranspruch wegen Unmöglichkeit330 oder wegen Nichterfüllung und Fristablauf331: Vertragsschluss ! Erfüllungsanspruch Leistungsstörung und Fristablauf ! (Schadensersatz wegen Nichterfüllung # Rücktrittsrecht). 329 Motive II S. 210 f., ebenso wie zuvor schon die Erste Kommission mehrheitlich, in: Jakobs/Schubert, Beratung, Schuldrecht Band I, S. 273. Weiterführend: Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 138. 330 § 325 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. 331 § 326 Abs. 1 S. 2 HS 2 BGB a. F.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung und das Rücktrittsrecht als Gestaltungsrecht waren dabei selbständige Rechte. Dies galt ebenso im Gewährleistungsrecht des Kaufvertrags bzw. Werkvertrags für die Wandelung und den Schadensersatz. Zwischen ihnen bestand keine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht nach §§ 262 ff. BGB,332 sondern eine elektive Konkurrenz. Ein spezieller Fall war das Verhältnis des Schadensersatzes bezüglich der Leistungsverzögerung zum Rücktritt. Der Ersatzanspruch wurde durch den Rücktritt nicht berührt und stand folglich neben dem Gestaltungsrecht, soweit es sich um Verzögerungsschäden bis zur Rücktrittserklärung handelte.333 Keine Alternativität, sondern eine ausdrückliche Kombinierbarkeit von Schadensersatz und dem Recht zur Vertragsaufhebung durch Kündigung fand und findet man noch im Reisevertragsrecht, § 651 f Abs. 1 BGB.334 Die Alternativität von Rücktritt und Schadensersatz warf nach alter Rechtslage Probleme der Gläubigerwahl auf. Namentlich wurde diskutiert, ob der Gläubiger nach erklärtem Rücktritt zum Schadensersatzverlangen übergehen konnte.335 Diese Problematik der Begrenzung des Gläubigerwahlrechts besteht noch heute und wird an gegebener Stelle erörtert.336 Für den Moment bezeugt der insofern heftig geführte Streit den Nachteil der früher bestehenden elektiven Konkurrenz von Rücktrittsrecht und Schadensersatzanspruch: Der Gläubiger musste sich für eines der beiden Rechte entscheiden. Seine Entscheidung zur Auflösung dieser Konkurrenz konnte sich dabei im Nachhinein als falsch herausstellen. Dies führte erst zur Frage einer Revisibilität der Wahl. Die elektive Konkurrenz wollte der Gesetzgeber daher durch eine Neukonzeption in der Schuldrechtsreform aufgeben.337

II. Keine Alternativität der Rechte nach heutigem § 325 BGB In der Neufassung des BGB nach der Schuldrechtsmodernisierung von 2001 besteht nunmehr dem Wortlaut nach keine Alternativität des Anspruchs auf Schadensersatz und des Rechts auf Rücktritt. Die frühere Rechtslage ei332

RGZ 109, 184, 186; Staudinger/Otto, § 325 Rn. 3. Zuletzt: BGH, NJW 1998, 3268, 3269; im Hinblick auf die Gefahrtragungsregeln des Rücktrittsrechts zulasten des Gläubigers einschränkend aber: Staudinger/ Otto, § 325 Rn. 7; ders., LM § 286 BGB Nr. 44, Anmerkung zu diesem Urteil. 334 Hinweis im Regierungsentwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes: BTDrs. 14/6040, S. 187. 335 Übersicht bei: Staudinger/Otto, § 325 Rn. 5. 336 Zum ius variandi: S. 420 ff. 337 BT-Drs. 14/6040, S. 188. 333

I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht

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ner elektiven Konkurrenz wird durch den § 325 BGB n. F. umgekehrt. Die Norm besagt nämlich, dass Schadensersatzansprüche nicht durch die Wahl des Rücktritts im gegenseitigen Vertrag ausgeschlossen werden. Der Wandel im Verhältnis der beiden Rechte ist aber grundlegender, als es der Wortlaut des § 325 BGB vermuten lässt. Er bedeutet nach Wolfgang Ernst zweierlei.338 Erstens: Rücktritt und Schadensersatz sind in Begründung und Ausübung getrennte Rechte. Zweitens: Der Rücktritt hat die alleinige Regelungszuständigkeit339 dafür, den Gläubiger aus der Vertragsbindung zu lösen, ihn von der Gegenleistungspflicht zu befreien und einen Anspruch auf Rückgewähr der evtl. schon erbrachten Gegenleistung zu begründen.340 1. Trennung von Schadensersatz und Rücktritt a) Allgemein: Systematik, Rechtscharakter und Tatbestand aa) Die Aussage des § 325 BGB § 325 BGB trifft im Gegensatz zu den früheren Regelungen, §§ 325, 326 BGB a. F., keine Aussage über die Voraussetzungen des Rücktritts respektive des Schadensersatzes. Ebenso wenig normiert § 325 BGB die Ausübung bzw. Durchführung der Rechtsfolgen der beiden Rechte.341 Vielmehr regelt diese Norm nur das Verhältnis zweier völlig getrennter Rechte zueinander. Vor dem Hintergrund der früheren gegenseitigen Ausschließlichkeit der beiden Rechte stellt § 325 BGB somit nur klar, dass demjenigen, der trotz Rücktritts Schadensersatz verlangt bzw. der trotz Schadensersatzverlangens Rücktritt erklärt, kein widersprüchliches Verhaltens vorgeworfen werden kann.342 Die Voraussetzungen und die Rechtsfolgenanordnungen der Rechte sind anderenorts in verschiedenen Tatbeständen geregelt, in §§ 280 ff. BGB für den Schadensersatz und in §§ 323, 326 Abs. 5 BGB für das Rücktrittsrecht. bb) Die systematische Trennung der Rechte Die strenge Trennung der beiden Rechte wird schon aufgrund der Systematik des Gesetzes im BGB deutlich. Die Rücktrittsrechte betreffen der 338

MüKo/Ernst, § 325 Rn. 1. Auch Beate Gsell spricht von der jeweiligen „Zuständigkeit“ der beiden Rechte: Gsell, JZ 2004, 643 (644). 340 MüKo/Ernst, § 325 Rn. 1. 341 Staudinger/Otto, § 325 Rn. 1. 342 So: Gsell, JZ 2004, 643 (644). 339

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

systematischen Stellung nach – Buch 2, Abschnitt 3, Titel 3 des BGB – als Gestaltungsrechte allein die Leistungsstörung gegenseitiger Verträge. Demgegenüber sind die Schadensersatznormen der §§ 280 ff. BGB dem allgemeinen Teil des zweiten Buchs – Buch 2, Abschnitt 1, Titel 1 des BGB – zugewiesen und nicht auf gegenseitige Verträge beschränkt. Angesichts der praktischen Relevanz der Fälle von Leistungsstörungen im Synallagma, speziell im Kaufrecht, wäre wohl eher eine Regelung des Schadensersatzes (auch) im systematischen Kontext gegenseitiger Verträge sinnvoll gewesen. Die Stellung des Schadensersatzes „vor der Klammer“ und die des Rücktrittsrechts „in der Klammer“ entsprechen insofern einer deutschen Sonderlösung.343 cc) Der Charakter der Rechte Deutlich zu unterscheiden ist auch der Charakter der beiden Rechte. Das Schadensersatzverlangen ist als Forderungsrecht, als Ersatzanspruch konzipiert. Das bedeutet, der Gläubiger kann vom Schuldner Zahlung des Schadensersatzes verlangen. Es wird also vom Schuldner ein Tun erwartet, siehe § 194 Abs. 1 BGB. Demgegenüber wird die Ausübungswirkung des Rücktritts nicht von einem Tun des Schuldners abhängig gemacht. Rücktritt ist ein (einseitiges) Gestaltungsrecht des Gläubigers. Da der Schadensersatzanspruch statt der Leistung als verhaltener Anspruch ein Verlangen des Gläubigers voraussetzt344 und das Rücktrittsrecht eine einseitige Gestaltungserklärung benötigt, § 349 BGB, sind dem Grunde nach auch zwei Erklärungen erforderlich, um die beiden Rechte auszuüben.345 Diese fallen praktisch jedoch zeitlich zusammen.346 dd) Der Zweck der Rechte Wir trennen teleologisch das Rücktrittsrecht und den Anspruch auf Schadensersatz allgemein aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung der Rechtsbehelfe.347 Das Rücktrittsrecht begründet die Möglichkeit, sich allein 343 Sämtliche anderen europäischen Rechtsordnungen regeln Schadensersatz und Recht zur Vertragsaufhebung (Rücktritt) einheitlich im Kontext gegenseitiger Verträge. Nachweise bei: MüKo/Ernst, Vorbemerkung vor §§ 323 ff. Rn. 3 Fn. 2, im Hinblick auf die Rechtsangleichung im europäischen Vertragsrecht: Gandolfi/Canaris, Code européen des contrats, edition 2, 2001, S. XXI ff. Zu den Lösungen des CISG, der PECL und des DCFR sogleich: S. 287 ff. 344 Dazu bereits: S. 203 ff. 345 MüKo/Ernst, § 325 Rn. 20. 346 Einschränkend aber sogleich: S. 265. 347 Zum unterschiedlichen Zweck der Rechte in der Konkurrenz: Kapitel 5, S. 378 ff.

I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht

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aufgrund des Ausbleibens der Leistung von der zu erbringenden Gegenleistung zu befreien und vom Vertrag loszusagen. Die gegenseitigen Leistungen sind synallagmatisch verknüpft, so dass die eine nur um der anderen willen erbracht wird und umgekehrt. Der Vertrag ist deshalb durch das Ausbleiben einer der beiden Leistungen „sinnlos“348 geworden. Egal, wen daran eine Schuld trifft, der Gläubiger der ausbleibenden Leistung kann zurücktreten. Demgegenüber bedeutet der Schadensersatz eine Belastung des Schuldnervermögens zugunsten des Gläubigers.349 Diese Belastung ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft, er also die fehlende oder nicht ordentliche Leistung nicht zu vertreten hat, sog. Verschuldensprinzip. Die Tatbestandsvoraussetzung des Vertretenmüssens im Sinne des § 280 Abs. 1 S. 1 BGB führt zu einer klaren Trennung der Begründung des Schadensersatzanspruchs und der Begründung des Rücktrittsrechts. b) Trennung von Rücktrittsrecht und Schadensersatzanspruch neben der Leistung aa) Keine Konkurrenz zwischen Rücktrittsrecht und § 280 Abs. 1 BGB Die Kombination von Rücktritt und Schadensersatz ist unproblematisch möglich, wenn es sich um einen Schadensersatz neben der Leistung handelt, der nicht die Verzögerung der Leistung betrifft. Es handelt sich insofern um bloße Begleitschäden350, welche der Gläubiger neben dem Rücktritt verlangen kann.351 Rücktritt und Schadensersatz konkurrieren hier nicht, denn sie verfolgen ein jeweils anderes Ziel. Die Amortisierung von Schäden, die neben einer nicht ordnungsgemäßen Leistung auftreten, hat nämlich nichts zu tun mit der Rückabwicklung der Leistungen selbst. Während der Rücktritt also den Leistungsaustausch rückgängig macht, verfolgt der isoliert geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BG den Ausgleich für darüber hinausgehende Vermögenseinbußen. Tritt zum Beispiel der Käufer aufgrund der Mangelhaftigkeit des gekauften Kühlschranks berechtigterweise zurück, §§ 437 Nr. 2 Var. 1, 323 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB, hindert ihn das gemäß § 325 BGB nicht, die Folgeschäden der Mangelhaftigkeit, also jene, die durch das Auslaufen des Kühlschranks an den sonstigen Möbeln entstanden sind, isoliert nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB geltend zu machen. 348 349 350 351

Kittner, Schuldrecht, Rn. 718. MüKo/Ernst, Vorbemerkung vor §§ 323 ff. Rn. 3. Palandt/Grüneberg, § 325 Rn. 4. Gsell, JZ 2004, 643 (643).

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

bb) Keine Konkurrenz zwischen Rücktrittsrecht und Verzugsschadensersatz Entgegen der früheren Rechtslage352 ist auch das Verhältnis zwischen dem Schadensersatzanspruch wegen Verzögerung der Leistung, §§ 280 Abs. 1, 2; 286 BGB, und dem Rücktrittsrecht nicht problematisch. Der durch die Verzögerung der Leistung Geschädigte kann durch den Ersatzanspruch verlangen, so gestellt zu werden, wie er bei rechtzeitiger Leistung stünde (status ad quem)353. Die Schäden, die damit amortisiert werden, stehen neben der Möglichkeit des Gläubigers, den Leistungsaustausch darüber hinaus rückgängig zu machen. Liefert zum Beispiel der Verkäufer den bestellten Neuwagen erst einige Wochen zu spät und dann auch noch mangelbehaftet und verweigert er hiernach jede Neulieferung, dann stehen die Mietkosten für ein Ersatzfahrzeug im Verzugszeitraum neben der Option des Gläubigers, seinen Kaufpreis durch die Rücktrittserklärung zurückzuerhalten. Rücktrittsrecht und Schadensersatzanspruch neben der Leistung konkurrieren damit gemäß § 325 BGB dem Grunde nach nicht. c) Trennung von Rücktrittsrecht und Schadensersatzanspruch statt der Leistung Die vormals bestehende elektive Konkurrenz zwischen dem Rücktrittsrecht und dem Schadensersatz wegen Nichterfüllung existiert heute nicht mehr. Schadensersatz statt der Leistung und Rücktritt schließen sich nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, § 325 BGB, nicht mehr aus. Das gilt für die Fälle der Nicht- oder Schlechtleistung, §§ 281, 282, 323 BGB, genauso wie für die Fälle der Unmöglichkeit der Leistung, dort freilich unter den besonderen Regeln der §§ 311 a, 283, 326 Abs. 5 BGB. Der Schadensersatzgläubiger ist dabei nicht beschränkt auf sein negatives Interesse, sondern hat unter Umständen ein berechtigtes Interesse am vermögenswerten Ausgleich von Schäden, die sein Erfüllungsinteresse betreffen.354 Der Gesetzgeber wollte ausdrücklich auch dieses positive Interesse auf vermögensmäßigen Ausgleich von Einbußen nicht durch die Möglichkeit zum Rücktritt behindern.355 Dies wird deutlich am Beispiel des Deckungskaufs. Führt die mehrfache fristgebundene Leistungsaufforderung des Käufers nicht zur ordnungsgemä352 353 354 355

Vgl. nur: BGH, NJW 1998, 3268, 3269. Herresthal, JuS 2007, 798 (800). Gsell, JZ 2004, 643 (643). Regierungsentwurf, BT-Drs. 14/6040, S. 188.

I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht

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ßen Lieferung des bestellten Neuwagens, kann er sich anderweitig einen Neuwagen kaufen und den Mehrpreis als Schadensersatz statt der Leistung geltend machen. Zugleich kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten und seinen gezahlten Kaufpreis zurückfordern. Die Konkurrenz von Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht ist damit dem Grunde nach aufgehoben, § 325 BGB. d) Fazit: Trennung von Schadensersatz und Rücktritt Festzuhalten ist folglich, dass wir mangels tatbestandlicher und systematischer Deckungsgleichheit und durch den völlig unterschiedlichen Rechtscharakter Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht als in Begründung und Ausübung getrennte Rechte betrachten. Die Ersatzansprüche neben der Leistung wie auch statt der Leistung gemäß §§ 280 ff. BGB stehen dem Grunde nach nicht in elektiver Konkurrenz zu den Rücktrittsrechten. 2. Problem: Die Wahl des Gläubigers zwischen Surrogations- und Differenzmethode Auch der Regelungsgehalt des Schadensersatzanspruchs unterscheidet sich fundamental von dem des Rücktrittsrechts. Nur das Rücktrittsrecht gewährt dem Gläubiger die Möglichkeit, über die von ihm zu erbringende Gegenleistung zu disponieren. Ernst spricht insofern von der „Alleinzuständigkeit“356 des Rücktrittsrechts, über das Schicksal der Gegenleistung bestimmen zu können. Er meint damit, dass die Frage, wie im Leistungsstörungsfall der Gläubiger bezüglich seiner eigenen Verpflichtung zur Leistung zu verfahren hat, keine Frage seines Schadensersatzanspruchs ist. Vielmehr ist es originär die Wahl des Gläubigers, Rücktritt zu erklären oder nicht. Der Schadensersatzanspruch hingegen klärt, wie das Ausbleiben der ordentlichen Leistung nominal zu kompensieren ist. Dabei wirkt – wie gleich zu zeigen ist357- die Ausübung des Rücktritts jedoch reflexartig auf die Bemessung der Schadenshöhe beim Schadensersatz statt der Leistung. Das liegt daran, dass das Gläubigervermögen und damit auch das Gläubigerinteresse durch die Wahl des Rücktrittsrechts unmittelbar beeinflusst und im Hinblick auf seinen Schaden „geprägt“358 wird. Ungeachtet dessen führt die klare Trennung der Regelungszuständigkeit von Schadensersatz und Rücktritt nach heutiger Rechtslage zur Neubewertung eines vermeintlichen Gläubigerwahlrechts zwischen Differenz- und 356 357 358

MüKo/Ernst, § 325 Rn. 1. S. 270 ff. Gsell, JZ 2004, 643 (644).

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Surrogationsmethode im Rahmen des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung gemäß § 281 BGB. a) Frühere Rechtslage: Der Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach Surrogations- und Differenzmethode Die Frage des Gläubigerwahlrechts zwischen der Differenztheorie und der Surrogationstheorie darf man zunächst nicht verwechseln mit der Frage zwischen kleinem und großem Schadensersatz. Denn das Wahlrecht zwischen kleinem und großem Schadensersatz betrifft zum einen lediglich die Frage, ob die Leistung des Schuldners noch erbracht werden soll oder nicht. Demgegenüber fragen die Differenztheorie und Surrogationstheorie nach dem Schicksal der Gegenleistung, also der der Leistung des Gläubigers.359 Zum anderen wird die Wahl zwischen Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) bzw. statt der ganzen Leistung (großer Schadensersatz) bei allen Schuldverhältnissen relevant. Die Differenzierung zwischen Differenz- und Surrogationstheorie stellt sich dagegen nur in den Fällen gegenseitiger Verträge,360 also dort, wo auch eine synallagmatische Gegenleistung vom Gläubiger erwartet wird, über deren Verbleib sein Wahlrecht entscheidet. Leistet der Schuldner nicht oder nicht wie geschuldet, stellt sich für den Gläubiger die Frage, ob er seine eigene Leistung noch erbringen will oder nicht. Diese Frage wird insbesondere dann praktisch relevant, wenn die Gegenleistung des Gläubigers mehr als nur die „Vergütung“ für die ansonsten vertragscharakteristische361 Leistung des Schuldners ist. Man denke hierbei etwa an Fälle, in denen die vom Gläubiger zu leistende Sache (z. B. ein Gebrauchtwagen auf dem Hof des Händlers, der gegen das Fahrzeug des Schuldners getauscht werden soll) bei Nichterbringung Lagerkosten verschlingt, benötigten Stellplatz einnimmt etc. und somit „vom Hof geschafft“ werden soll. Der Gläubiger hat in den entsprechenden Fällen regelmäßig ein Interesse an der Erbringung seiner Gegenleistung. Nach der Surrogationstheorie kann und muss der Gläubiger seine Gegenleistung noch erbringen. Die ausbleibende Leistung des Schuldners wird dann gegen einen Schadensersatzanspruch für den Gläubiger ausgetauscht.362 Der Schadens359

Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 140 Rn. 187. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 141 Rn. 188. 361 Gemeint ist nach der Rechtsprechung die Leistung, um derentwillen der Vertrag dem Schwerpunkt nach zustande kommt. Vgl. weiterführend: Palandt/Heinrichs, § 269 Rn. 13. Kritische Nachweise zur Schwerpunktbildung im gegenseitigen Vertrag bei: BeckOK/Unberath, § 269 Rn. 5. 362 Wegen dieses Austauschs wird die Surrogationstheorie auch Austauschtheorie genannt: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 140 Rn. 187 Fn. 267. 360

I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht

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ersatzanspruch ist das Surrogat für die fehlende ordentliche Leistung des Schuldners.363 Die Differenztheorie hebt die Pflicht und das Recht zur Gegenleistung des Gläubigers auf und gewährt diesem stattdessen einen einseitigen Zahlungsanspruch. Der Anspruch beläuft sich dann auf den Wertunterschied zwischen seinem Erfüllungsinteresse und der nicht zu erbringenden Gegenleistung.364 Nach früherer Rechtslage365 wurde der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung im Grundsatz nach der Differenztheorie bemessen.366 Dies galt auch für Verzugsfälle.367 Bei Schadensersatzansprüchen wegen Unmöglichkeit gemäß § 325 BGB a. F. konnte der Gläubiger nach seiner Wahl zur Surrogationsmethode übergehen.368 Dies musste der Gläubiger sogar zwingend, wenn die Gegenleistung schon erbracht worden war. Damit sollte verhindert werden, dass im Zuge eines Schadensersatzverlangens die zuvor erbrachte Gegenleistung rückabgewickelt würde, da dies auf eine nach alter Rechtslage unzulässige Kombination von Schadensersatz und Rücktritt hinausliefe.369 b) Bewertung dieses Wahlrechts nach heutiger Rechtslage aa) Logische Einordnung des Wahlrechts An letzterer Argumentation sieht man deutlich, warum richtigerweise die Frage eines Wahlrechts zwischen Differenz- und Surrogationsmethode nach heutiger Rechtslage neu beantwortet wird. Die frühere Jurisprudenz hierzu ist mit der Neukonzeption des § 325 BGB überholt. Schadensersatz und Rücktritt sind heute, wie gezeigt, im Grundsatz kombinierbar. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Rücktrittsrechts nach § 323 BGB decken sich dabei – mit Ausnahme des Verschuldens – mit denen des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 281 BGB. Liegen also die Tatbestandsvoraussetzungen beider Rechte vor, kann der Gläubiger zu363 So die früher herrschende Auffassung, die das Synallagma der Leistungen hierdurch aufrechterhalten wollte. Vgl. bereits: Kisch, Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Nr. 44 (1902), 68 (68 unten). 364 BeckOK/Unberath, § 281 Rn. 34; zur Trennung der strengen von der eingeschränkten Differenztheorie prägnant: Staudinger/Otto, § 325 Rn. 8/9. 365 Das heißt: vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes: BTDrucks. 14/6040. 366 Nachweise bei: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 142 Rn. 190, mit Hinweisen auf die ablehnende Literatur. 367 BGH, NJW 1994, 3351, 3351; NJW 1999, 3115, 3117. 368 Looschelders, Schuldrecht Allgemeiner Teil, S. 267 Rn. 669. 369 BGHZ 87, 156, 159.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

rücktreten und Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Daraus erklärt sich auch das Wahlrecht bezüglich der Differenz- bzw. Surrogationsmethode. Der Gläubiger hat zum einen die Wahl, ob er neben dem Schadensersatz statt der Leistung (Option a, Schadensersatzanspruch) auch das Rücktrittsrecht (Option b, Rücktritt) erklärt oder nicht. Er wählt damit zum zweiten, ob er sich von der eigenen Pflicht zur Gegenleistung befreit (b, Rücktritt) oder nicht (non-b, Nicht-Rücktritt).370 Die Konsequenz dieser Entscheidung ist: Er wählt damit im Hinblick auf den Schadensersatz zum dritten, ob er nur noch nach der Differenztheorie den Ersatz berechnen (b, Rücktritt) oder nach der Surrogationstheorie die eigene Gegenleistung im Schadensvolumen berücksichtigen kann (non-b, Nicht-Rücktritt). Aussagenlogisch bedeutet dieses Wahlrecht keine Konkurrenz gleichwertiger Optionen, sondern nur die Einbeziehung der monadischen Negation der Option b, also des Rücktrittsrechts. Der monadische Wert der Option b führt dabei zu unterschiedlichen Wahrheitswertesätzen. Das bedeutet: Wählt der Gläubiger Rücktritt, so entscheidet er sich zugleich zwingend für die Differenztheorie und gegen die Surrogationstheorie. Die Implikationen des Wahlrechts lauten: Rücktritt ! (Schadensersatz statt Leistung $ Differenzmethode) Nicht-Rücktritt ! (Schadensersatz statt Leistung $ Surrogationsmethode). bb) Rechtliche Einordnung des Wahlrechts Das Wahlrecht bezüglich Surrogations- bzw. Differenztheorie ist somit rechtlich lediglich die Wahlmöglichkeit für den Schadensersatzgläubiger nach § 281 BGB, sein Rücktrittsrecht auszuüben oder nicht. Nur rein faktisch führt das Wahlrecht zu unterschiedlichen Ergebnissen der nominalen Schadenshöhe, da das Gläubigervermögen durch die Rückgewähr der Leistungen im Zuge des Rücktritts vorgeprägt ist. Es handelt sich dabei nicht um unterschiedliche Schäden, sondern lediglich verschiedene Berechnungsergebnisse eines einzigen Schadens. Im Gegensatz zur Wahl konkreter/abstrakter Schaden und zur Wahl kleiner/großer Schadensersatz ergeben sich die unterschiedlichen Schadensergebnisse aber nicht unmittelbar daraus, dass der Gläubiger seinen Schadensersatzanspruch einseitig anders berechnen kann. Vielmehr sind die variierenden Schadensergebnisse hier bloß Folge der Wahl eines weiteren, das Gläubigerinteresse befriedigenden 370 BeckOK/Unberath, § 281 Rn. 35. Zu den Folgen der Vertragsaufhebung durch Rücktritt eingehend: Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 366 ff.

I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht

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Rechts, des Rücktrittsrechts. Konkret: Auf die Wahl des Rücktritts folgt reflexartig die Berechnung des Schadensersatzes nach der Differenzmethode; bei Ablehnung des Rücktritts folgt ebenso reflexartig die Berechnung des Schadensersatzes nach der Surrogationsmethode.371 Folglich handelt es sich hier nicht um eine Wahl zwischen verschiedenen Leistungsgeboten des Schadensersatzschuldners und auch nicht um eine elektive Konkurrenz alternativer Rechte. cc) Trennung der Erklärungen des Gläubigers Deutlich wird diese zwingende Reflexfolge, wenn man die Willensäußerung des Gläubigers dogmatisch seziert. Eigentlich bedarf es für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung und des Rücktritts zweier Erklärungen,372 da das Eine ein verhaltener Anspruch, das Zweite ein Gestaltungsrecht ist. Wählt er jedoch ausdrücklich den Rücktritt, erlöschen die beiderseitigen Erfüllungsansprüche und somit auch die Wahlmöglichkeit für den Gläubiger, den Erfüllungsanspruch gegen einen Ersatzanspruch statt der Leistung nach § 281 Abs. 4 BGB auszutauschen.373 Es bleibt dem Gläubiger dann nur noch die Möglichkeit erhalten, Schadensersatz zu verlangen oder nicht. Da der Rücktritt aber die Rückabwicklung des Schuldverhältnisses bewirkt, beschränkt sich dieser Schadensersatzanspruch, wenn er denn gewählt wird, automatisch auf einen Schadensausgleich ohne weitere Leistungserbringung des Gläubigers. Entbehrlich ist dann die Erklärung, ob die Surrogations- oder die Differenzmethode verlangt wird, da dem Gläubiger nur Letztere bleibt. Der Gläubiger hat dann mangels Optionenvielfalt keine Wahl, was er geltend machen will (Surrogationsmethode oder Differenzmethode), sondern nur noch, ob er es geltend machen will (Schadensersatzanspruch oder Nicht-Schadensersatzanspruch): Rücktritt ! ((Schadensersatz statt Leistung $ Differenzmethode) # non-(Schadensersatz statt Leistung $ Differenzmethode)). Die in der Literatur vorgebrachte Gegenauffassung, welche die Differenzmethode nicht als zwingende Folge der Rücktrittserklärung ansieht,374 vermischt meines Erachtens nach diese Frage der Regelungszuständigkeit des Rücktrittsrechts mit der davon klar zu trennenden Frage, ob der Gläubiger, 371 Im Ergebnis ebenso die herrschende Meinung: Gsell, JZ 2004, 643 (643); Arnold, ZGS 2003, 427 (431); MüKo/Ernst, § 325 Rn. 8, mit weiteren Nachweisen; a. A.: Derleder, NJW 2003, 998 (1001). 372 MüKo/Ernst, § 325 Rn. 20. 373 MüKo/Ernst, § 281 Rn. 107. 374 Derleder, NJW 2003, 998 (1001).

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

wenn ihm die Folgen der Differenztheorie für seinen Schadensersatzanspruch missfallen, noch einmal neu wählen kann. Dieses Problem ändert nichts an der hier untersuchten Reflexwirkung des einmal erklärten Rücktritts. Es betrifft vielmehr die Frage, ob die Wahl des Rücktritts rückgängig gemacht werden kann oder nicht. Dies wird im Rahmen der Bindungswirkung einer Wahl beim sog. ius variandi eingehend erläutert.375 3. Logische Einordnung des Verhältnisses zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht a) Die vier logischen Handlungsvarianten: Tautologie Rücktrittsrecht und Schadensersatz stehen dem Grundsatz des § 325 BGB entsprechend nicht in einer Alternativität. Die Möglichkeit, beide Rechte zu kombinieren, ist nur eine von vier denkbaren Varianten, wie der Gläubiger verfahren kann. Er kann zweitens isoliert Schadensersatz verlangen und keinen Rücktritt ausüben. Drittens kann er den Rücktritt erklären und auf den Schadensersatzanspruch verzichten. Schließlich bleibt viertens die Möglichkeit, keines der beiden Rechte geltend zu machen. Unterschlägt man die vierte Variante,376 nach welcher der Gläubiger keines der beiden Rechte wählen kann, erhält man fälschlicherweise den Eindruck, es müsse zwingend mindestens eines der Rechte gewählt werden, nicht aber keins. Aussagenlogisch bedeutet diese Annahme, Rücktrittsrecht und Schadensersatzanspruch stünden in einer Disjunktion: Leistungsstörung und Fristablauf ! Rücktritt _ Schadensersatz. Diese These ist falsch. Wie schon erklärt, muss bei einer Staffelung der Optionen nach Primärrechten und Sekundärrechten die Ausgangslage des Gläubigers beachtet werden. Nach heutiger Rechtslage entfällt durch die Leistungsstörung sein Erfüllungsanspruch (Option a) nicht. Diese Option bleibt neben den hinzutretenden Möglichkeiten der Sekundärrechte bestehen. So eröffnen sich dem Gläubiger der Schadensersatzanspruch (Option b) und das Rücktrittsrecht (Option c) in aller Regel gleichzeitig durch die Leistungsstörung und den Ablauf der gesetzten Frist. Das Verhältnis dieser beiden Sekundärrechte zueinander kann nicht klassifiziert werden, ohne dass man die nach wie vor bestehende Primäroption addiert. Der Gläubiger kann richtigerweise auch auf Schadensersatz und Rücktritt verzichten.377 Er 375

Siehe: S. 420 ff. So missverständlich: Staudinger/Otto, § 325 Rn. 23. Otto geht folglich von drei Handlungsmöglichkeiten des Gläubigers aus. 376

I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht

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wird dies praktisch in Erwägung ziehen, wenn er seine Gegenleistung noch nicht erbracht hat und sich durch § 320 BGB für hinreichend geschützt hält.378 Dann belässt er es bei der Ausgangslage, die ab erfolglosem Fristablauf besteht: Sein Erfüllungsanspruch ist weiterhin wirkungsvoll und kann, eine entsprechende Erklärung vorausgesetzt, durch den Schadensersatzanspruch statt der Leistung oder den Rücktritt ersetzt werden. Das bedeutet aussagenlogisch, dass der Satz, der das Verhältnis der beiden Optionen b (Schadensersatz) und c (Rücktritt) ausdrückt, in jedem Fall wahr ist. Option b kann gelten, wenn Option c gilt; ebenso kann jede Option einzeln gelten; schließlich kann auch keine der beiden Optionen Wirkung entfalten, denn dann bleibt es immer noch bei der hinzugedachten primären Option a (Erfüllungsanspruch). Zwischen dem Schadensersatzanspruch und dem Rücktrittsrecht besteht also eine logische Tautologie. Der Satz der dyadischen Wahrheitswertetafel lautet: Ereignis x ! b > c. b) Die Unterscheidung zwischen Schadensersatz statt der Leistung und Schadensersatz neben der Leistung Diese Tautologie muss um die Elemente des Entstehenstatbestandes (Ereignis x) und des fortbestehenden Primäranspruchs (Option a) erweitert werden, damit sämtliche Möglichkeiten des Gläubigers aussagenlogisch erfasst sind. Dabei differenziere ich zwischen den verschiedenen Formen des Schadensersatzes, da deren unterschiedliche Beziehung zum Primäranspruch berücksichtigt werden muss.379 Betrachten wir zunächst den Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 BGB, so stellen wir fest: Primäranspruch und Schadensersatz schließen sich genauso aus wie Primäranspruch und Rücktritt. Sie stehen in einer Kontravalenz zueinander. Schadensersatzanspruch und Rücktritt jedoch schließen sich nicht aus. Sie stehen in einer Tautologie zueinander. Die verschiedenen Beziehungen kann man wie folgt beschreiben: Vertragsschluss ! Primäranspruch Leistungsstörung und Fristsetzung ! (Primäranspruch # (Schadensersatz statt der Leistung > Rücktritt)). 377 378 379

Gsell, JZ 2004, 643 (646); MüKo/Ernst, § 325 Rn. 5. Gsell, JZ 2004, 643 (646). Dazu: S. 200 f.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Betrachten wir hingegen den Schadensersatz neben der Leistung, entweder aus § 280 Abs. 1 BGB oder aus §§ 280 Abs. 1, 2; 286 BGB, so lassen sich die verschiedenen möglichen Kombinationen wie folgt beschreiben. Primäranspruch und Schadensersatz neben der Leistung schließen sich zunächst nicht aus (Disjunktion): Vertragsschluss ! Primäranspruch Leistungsstörung und Fristsetzung ! (Primäranspruch _ Schadensersatz neben der Leistung). Ebenso wenig schließen sich Schadensersatz neben der Leistung und Rücktritt aus (Tautologie): Vertragsschluss ! Primäranspruch Leistungsstörung und Fristsetzung ! (Schadensersatz neben der Leistung > Rücktritt). Primäranspruch und Rücktritt jedoch schließen sich kategorisch aus (Kontravalenz): Vertragsschluss ! Primäranspruch Leistungsstörung und Fristsetzung ! (Primäranspruch # Rücktritt). Durch den § 325 BGB im reformierten Schuldrecht hat somit der Gläubiger ein vierfaches Wahlrecht hinsichtlich Rücktrittsrecht und Schadensersatzanspruch. Differenziert man dann noch zwischen Schäden neben und statt der Leistung und in Letzterem gar zwischen konkreter/abstrakter Berechnung380 eines kleinen bzw. großen Schadens, multipliziert sich dieses Wahlrecht um ein Vielfaches. c) Beispiel eines Schadensersatzes statt der Leistung Konzentrieren wir uns auf die die Situation eines Schadensersatzes statt der Leistung, dann ergibt sich folgendes Beispiel. Leistet der Verkäufer die bezahlte Ware nicht innerhalb der gesetzten Nachfrist, steht der Käufer vor einer vierfachen Wahlmöglichkeit, wie er seine Optionen nutzt. Er kann einen Deckungskauf tätigen und diesen als Schaden statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 281 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ersetzt verlangen (isoliertes Schadensersatzverlangen). Zusätzlich dazu kann er den bezahlten Kaufpreis durch eine Rücktrittserklärung zurückverlangen, §§ 323 Abs. 1, 346 BGB (Kumulation von Rücktritt und Schadensersatz). Den Kaufpreis kann er 380

MüKo/Emmerich, Vorbemerkung vor § 281 Rn. 37 ff.

I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht

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durch den Rücktritt aber auch ohne ein Verlangen des Schadensersatzes zurückerhalten (isolierter Rücktritt). Er kann sich schließlich auch entscheiden, trotz der bisher vergeblichen Versuche seinen Primäranspruch vorerst nicht preiszugeben und diesen durchsetzen (Wahl weder Schadensersatzverlangen noch Rücktritt). 4. Fazit: Keine Alternativität der Rechte nach heutigem § 325 BGB Festzuhalten ist also, dass die im alten Recht angeordnete elektive Konkurrenz des Schadensersatzanspruchs und des Rücktrittsrechts nach dem heutigem § 325 BGB keinen Bestand mehr hat. Es bestehen nunmehr zwei grammatisch, systematisch und tatbestandlich klar voneinander zu trennende Rechte, welche dem Grundsatz nach in keinem Alternativverhältnis zueinander stehen. Die beiden Rechte trennt die Regelungszuständigkeit. Während der Schadensersatzanspruch nur die Störung der Leistung des Schuldners betrifft, entscheidet das Rücktrittsrecht über das Schicksal der Gegenleistung des Gläubigers. Aufgrund dieser divergierenden Regelungszuständigkeit besteht heute auch kein Wahlrecht bezüglich der Schadensberechnung nach Surrogations- oder Differenztheorie mehr. Vielmehr ergibt sich deren Wahl mittelbar bzw. reflexartig durch die eigentliche Entscheidung des Gläubigers, ob Rücktritt erklärt wird oder nicht. Das Verhältnis von Rücktrittsrecht und Schadensersatzanspruch ist eine logische Tautologie. Die Gläubigerwahl erstreckt sich auf vier Möglichkeiten, wie er mit den beiden Rechten verfahren kann. Dabei ist stets der nach Fristablauf fortbestehende Erfüllungsanspruch als primäre Option zu beachten.

III. Die Alternativität der Rechtsfolgen von Rücktritt und Schadensersatz Das Verhältnis zwischen Rücktrittsrecht und Schadensersatzanspruch statt der Leistung ist nach § 325 BGB heute kein alternatives mehr. § 325 BGB legt fest, dass die Ausübung des Rücktrittsrechts für die Ausübung des Schadensersatzanspruchs keine Grenze bildet. Gleichwohl bedingen sich beide Rechte in ihrer Wirkung, sodass ein gewisses „Spannungsverhältnis“381 entstehen kann. § 325 BGB verhindert nämlich nicht, dass die Ausübung eines der beiden Rechte nicht auf den Umfang der Wirkung des jeweils anderen Rechts erhebliche Auswirkungen haben kann.382 Wie 381 382

Herresthal, JuS 2007, 798 (799). MüKo/Ernst, § 325 Rn. 3.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Eberhard von Olshausen treffend formuliert, stellt § 325 BGB dem Gläubiger keinen „Freibrief“383 zur beliebigen Kombination von Schadensersatz statt der Leistung und Rücktritt aus. Vielmehr darf „der Gläubiger dort nicht ein Sowohl-als-auch für sich reklamieren, wo die Zusammenschau der Rücktritts- und Schadensersatzregelung ergibt, dass nur ein Entwederoder der Rechtsfolgen zugelassen sein soll“384. Dem Interesse des Gläubigers kann nämlich durch die Rücktrittsfolgen bereits zum Teil genüge getan sein, sodass die schadensrechtlichen Bedürfnisse relativiert sind. Umgekehrt kann der Schadensersatz die Rücktrittsfolgen überlagern und den Gläubiger bereits zum Teil befriedigen, bevor die Rückabwicklung erfolgt ist. Beide Problemfelder ergeben sich jedoch nur in der Situation, dass der Gläubiger zurücktritt und Schadensersatz statt der Leistung verlangt. Im Einzelfall kommt es dann auf die Gesamtschau der Rechtsfolgen, mithin einen Gesamtvermögensvergleich385 an. Dabei darf der Gläubiger wirtschaftlich kongruente Posten nicht sowohl als Schadensersatz statt der Leistung als auch im Rahmen der rücktrittsrechtlichen Leistungsabwicklung und damit doppelt erhalten.386 Hiernach stehen Schadensersatz statt der Leistung und Rücktritt in Konkurrenz zueinander. Es handelt sich dabei eindeutig nicht um eine elektive Konkurrenz, denn die beiden Rechte lassen sich nebeneinander verwirklichen. Vielmehr stellen die im Detail alternativen Rechtsfolgen eine Konkurrenz bezüglich der Befriedigung des konkreten Gläubigerinteresses: Das eine Recht kann nicht befriedigen, was das andere Recht bereits befriedigt hat. 1. Der Einfluss des Rücktritts auf den Schadensersatz Die Ausübung des Rücktrittsrechts hat erhebliche Auswirkungen auf den Schadensersatzanspruch. Dies betrifft sämtliche Faktoren der Bestimmung des Schadens: die Gegenleistung des Gläubigers, die Nutzungsmöglichkeit der Leistungen und die Leistung des Schuldners. a) Der Einfluss auf die Gegenleistung des Gläubigers Der Rücktritt modifiziert den Schadensersatz statt der Leistung. Wie bereits gezeigt, geht dies soweit, dass der Schadensersatz seiner Berechnung 383 384 385 386

von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (476). von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (476). MüKo/Ernst, § 325 Rn. 3. Canaris, JZ 2001, 499 (514).

I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht

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auf die Differenzmethode beschränkt ist.387 Der Gläubiger, der zurücktritt, kann und muss seine eigene Gegenleistung zurückhalten und einen einseitigen Ersatzanspruch gegen den Schuldner durchsetzen. Das bedeutet, dass logischerweise der zurücktretende Gläubiger nicht seine erbrachte Leistung zurückerhalten und diese zugleich als Schadensposten geltend machen kann, sodass ein wertmäßig äquivalenter Ersatz hierfür vom Schuldner zu erbringen wäre. Erhält der Gläubiger nach dem Rücktritt seine eigene Leistung zurück, ist dies keine Schadensposition mehr, welche er ersatzweise durchsetzen kann. Er erleidet dann in dieser Höhe keinen Vermögensverlust.388 Hier wird die Rechtsfolge des Rücktritts (Rückgewähr der Gläubigerleistung) mit den Rechtsfolgen des Schadensersatzanspruchs (vermögenswerter Ausgleich von Schäden) zu einer „Rechnungseinheit“389 verbunden, sodass der Vorteil des Rücktritts zum Nachteil des Gläubigers seinen Schadensersatzanspruch schmälert.390 Anderenfalls würde er durch den Schadensersatz übervorteilt, denn er erhielte einen Vermögenswert, den er in natura zuvor bereits zurückerlangt hat. Diese Auswirkungen des Rücktritts auf den Schadensersatzanspruch sind prima vista nachvollziehbar, da sie die Leistung des Gläubigers als Vermögenswert selbst betreffen. Größere Diskussionen gibt es bei der schwierigen Beziehung der sonstigen Rücktrittsrechtsfolgen zum Schadensersatz, die ich im Folgenden untersuche. b) Der Einfluss auf den Nutzungsausfall Verschiedentlich wird die Frage aufgeworfen: Kann der Gläubiger Ersatz für verzugsbedingten Nutzungsausfall der Schuldnerleistung verlangen, obwohl er den Rücktritt erklärt hat? Hier müssen zwei Aspekte berücksichtigt werden. Erstens: Das Rücktrittsfolgenregime der §§ 346 Abs. 2 und Abs. 3 BGB nimmt andere Wertungen vor als das Rechtsfolgenregime der Schadensersatzansprüche. Zweitens: Der Rücktritt mitsamt seinen Folgeansprüchen prägt das Vermögen des Gläubigers nachhaltig, sodass sein Schadensersatzanspruch beschränkt wird, um eine ungerechtfertigte Bereicherung des Gläubigers zu verhindern. Absolute Grenze der Kumulation beider Rechte muss dabei das positive 387 Herresthal, JuS 2007, 798 (799); Jauernig/Vollkommer, § 281 Rn. 18; AnwKomm/Dauner-Lieb, § 281 Rn. 29; MüKo/Emmerich, § 281 Rn. 28; Krause, Jura 2002, 299 (304). 388 Ähnlich: Canaris, JZ 2001, 499 (514). 389 Begriff maßgeblich geprägt von: Thiele, AcP 167 (1967), 193 (202); wortgleich vom Bundesgerichtshof übernommen: BGHZ 77, 151, 154; 136, 52, 54. 390 Vgl.: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 143 Rn. 192.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Interesse sein: Der Gläubiger darf durch Rücktritt und Schadensersatz nicht besser gestellt werden, als er bei korrekter Erfüllung stünde.391 Konkret: Die entgangene Nutzung der Leistung kann der Gläubiger nach einem Rücktritt als Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 2; 286 BGB nicht verlangen, wenn infolge des Rücktritts nach §§ 346 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB zusätzlich zur Rückgabe der Gegenleistung auch noch Wertersatz für deren Nutzung durch den Schuldner erhalten hat. Dazu folgendes Beispiel: Zwischen zwei Parteien ist ein Tausch ihrer zwei Fernsehgeräte vereinbart. Eine Partei erhält das geschuldete Gerät aber nicht. Sie tritt daraufhin zurück. Somit erhält sie das ihrerseits geleistete Fernsehgerät zurück und zusätzlich von der Gegenpartei Ersatz für die Nutzung dieses Geräts während der Zeit, §§ 346 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB. Die klagende Partei kann dann aber nicht auch noch das Ausbleiben der Nutzungsmöglichkeit des an sie geschuldeten Fernsehgeräts als Schaden berechnen, §§ 280 Abs. 1, 2; 286 BGB. Damit würde der Gläubiger so gestellt, als habe er bis zum Rücktritt sowohl die Leistung als auch die Gegenleistung nutzen dürfen, also – etwas überspitzt gesprochen –: auf beiden Geräten gleichzeitig fernsehen können. Dies wäre eine ungerechtfertigte Übervorteilung des Gläubigers.392 Daran sehen wir, dass der Rücktritt mit seinen Rechtsfolgen Auswirkung auf die Bemessung des Schadens wegen unmöglicher Nutzung der Leistung hat. Besonders deutlich wird dieses Wechselspiel von Rücktritt und Schadensersatz auch im Fall des Nutzungsausfallschadens, der erst durch den Rücktritt und die damit verbundene Rückgewähr der fehlerhaften Leistung entsteht. Dieser Fall des sog. rücktrittsbedingten Nutzungsausfalls ist ein weiteres Exempel für die Kombinationsmöglichkeiten gemäß § 325 BGB, wie der Bundesgerichtshof zu Recht entschieden hat.393 Ich komme auf die Bewertung dieser Fälle im Rahmen des Problems des voreiligen Rücktritts zurück.394 c) Der Einfluss auf die Leistung des Schuldners aa) Grundsatz: Die Wahl zwischen kleinem und großem Schadensersatz Der Rücktritt modifiziert den Schadensersatz auch unmittelbar im Hinblick auf den Faktor Leistung des Schuldners. Diese Leistung ist nicht oder 391

Gsell, JZ 2004, 643 (645). Im Ergebnis ebenso: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 144 Rn. 194; von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (476). 393 BGH, JZ 2008, 469 ff. 394 Sogleich: S. 284. 392

I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht

273

nicht wie geschuldet erbracht worden. Dies ist der Grund für den Rücktritt und das Schadensersatzbegehren des Gläubigers, §§ 281 Abs. 1, 323 Abs. 1 BGB. Grundsätzlich kann der Gläubiger unabhängig von seinem Rücktrittsrecht wählen, ob er an der Leistungserbringung noch Interesse hat oder nicht. Fehlt es am diesbezüglichen Interesse, begehrt er Schadensersatz statt der ganzen Leistung (großer Schadensersatz). Hat er noch Interesse an der Leistung, bleibt es beim Schadensersatz statt der Leistung als kleinem Schadensersatz. bb) Keine Wahl bei Rücktrittserklärung Diese Wahl bezüglich der Berechnung des Schadens hat der Gläubiger dann nicht mehr, wenn er den Rücktritt erklärt. Durch den Rücktritt entfallen Leistungspflicht und Gegenleistungspflicht. Das Rückabwicklungsverhältnis zwingt den Gläubiger zum einen, seine Gegenleistung zurückzuerhalten oder gar nicht erst zu erbringen. Es zwingt den Gläubiger aber auch, sofern eine mangelhafte oder nur teilweise Leistung vorliegt, diese an den Schuldner zurückzugeben. Den Zwang zur Rückgewähr dieser Leistung kann der Gläubiger nun nicht schadensrechtlich verhindern: Er darf die Leistung nicht behalten. Also bleibt ihm schadensrechtlich auch nur der große Schadensersatz, da der kleine Schadensersatz vom Erhalt der Leistung ausginge.395 Das skizzierte Wahlrecht der Schadensberechnung nach Schadensersatz statt der Leistung bzw. Schadensersatz statt der ganzen Leistung erlischt folglich mit Erklärung des Rücktritts: Rücktritt ! (Schadensersatz statt der ganzen Leistung $ großer Schadensersatz) Nicht-Rücktritt ! ((Schadensersatz statt Leistung $ (kleiner Schadensersatz # großer Schadensersatz)). Es bleibt im Fall des Rücktritts – wie auch im Hinblick auf die vermeintliche Wahl zwischen Surrogations- und Differenztheorie – nur noch die Wahl, ob er Schadensersatz verlangt (Option b) oder nicht (Nicht-Option b, non-b). Wählt er Schadensersatz, ist dies zwingend Schadensersatz statt der ganzen Leistung: Rücktritt ! ((Schadensersatz statt der ganzen Leistung $ großer Schadensersatz) # non-(Schadensersatz statt der ganzen Leistung $ großer Schadensersatz)).

395

Ebenso: Gsell, JZ 2004, 643 (645).

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

2. Die schadensrechtliche Überlagerung der Rücktrittsfolgen Die Wahl des Schadensersatzes statt der Leistung überlagert umgekehrt auch die Rechtsfolgen des Rücktritts. Die Schranken des Rücktrittsfolgenregimes werden dabei zum Teil überschritten. Als Folgeproblem wird eine „Aufbesserung“396 genauso wie eine Beschränkung397 der Rückgewähransprüche des Rücktrittsrechts diskutiert. a) Die „Aufbesserung“ der Rückgewähransprüche aa) Beispiel Der Verkäufer verlangt vom Käufer Rückübertragung der veräußerten Fertigteilgarage, da dieser trotz mehrfacher Aufforderung seiner Zahlungspflicht nicht nachkommt.398 Nunmehr stellt sich heraus, dass ein Hochwasser die Garage mittlerweile zerstört hat. Die Rückgewähr der Garage ist unmöglich, sodass der Rücktritt des Verkäufers auf einen Wertersatzanspruch gemäß § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB hinausläuft. Dieser Anspruch ist jedoch ausgeschlossen nach § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB, da das schädigende Ereignis beim Verkäufer, der ebenfalls im Hochwassergebiet lebt, ebenso eingetreten wäre. In diesem Beispiel verhindert die Ausnahmeregelung des Rücktrittsrechts nach § 346 Abs. 3 Nr. 2 BGB, dass Wertersatz zu leisten ist. Verlangt der Verkäufer Schadensersatz statt der Leistung (für die Nichtleistung des Kaufpreises) nach §§ 280 Abs. 1, 3; 281 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB, bemisst sich sein Schaden auf den ungekürzten Wert des Kaufpreises bei ordentlicher Erfüllung. Er erhält dann den Kaufpreis als Schadensersatz gezahlt. bb) Die Ausweitung des Differenzschadens Wolfgang Ernst vertritt in diesem Fall, den Schadensersatz statt der Leistung nominal um den Vermögensverlust am Wert der Garage zu erhöhen.399 Ernst will den Gläubiger so davor schützen, durch seine Rücktrittserklärung Nachteile zu erleiden. Dies war ehedem auch ein maßgeblich das alte Schuldrecht begleitendes Problem der elektiven Konkurrenz von Rücktritt und Schadensersatz.400 Im Wege der Gesamtvermögensbetrachtung soll da396 397 398 399 400

MüKo/Ernst, § 325 Rn. 10. Gsell, JZ 2004, 643 (645). Fall nachgebildet: Palandt/Grüneberg, § 346 Rn. 12. MüKo/Ernst, § 325 Rn. 10; zustimmend: Gsell, JZ 2004, 643 (646). MüKo/Ernst, § 325 Rn. 10.

I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht

275

her der Verlust des Gläubigers im Hinblick auf die nicht mögliche Rückgewähr der Garage berücksichtigt werden, und zwar als Ausweitung des Differenzschadens.401 Dies läuft seiner Ansicht nach auf eine „Aufbesserung“402 der Rückgewähransprüche des Gläubigers hinaus. Nach Rücktrittsrecht wird der Unwetterschaden so zu seinen Ungunsten berücksichtigt, nach Schadensrecht nun aber zu seinen Gunsten. cc) Stellungnahme Der Schuldner hat nach Ausübung des Rücktrittsrechts keinen Wertersatz zu leisten. An der Ausnahme des § 346 Abs. 3 Nr. 2 BGB rüttelt diese Ansicht nicht. Vielmehr schlägt Ernst hier vor, den Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 BGB nach der Differenzhypothese zu berechnen und dann aus gläubigerbegünstigender Wertung heraus rechnerisch um den Wert der zerstörten Garage zu erhöhen. Das ist eine Abweichung von den sonstigen Grundsätzen der Schadensermittlung hin zum in der Literatur vertretenen normativen Schaden.403 Es handelt sich also technisch entgegen der irreführenden Bezeichnung keineswegs um eine „Aufbesserung“ des rücktrittsrechtlichen Anspruchs des Gläubigers, da er diesen ja nach § 346 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht hat. Es handelt sich vielmehr um eine den Gläubiger begünstigende (wertende) Berechnung des Schadens. Dieser Meinung kann man entgegen halten, dass die §§ 346 ff. BGB abschließend die Haftung beider Parteien für die Rückgewähr der empfangenen Leistungen regeln.404 Das bedeutet insbesondere, dass man die Frage der Haftung im Rücktrittsrecht im Wesentlichen „verantwortungsneutral“405 beantwortet. Freilich gelten die Ausnahmen zugunsten des Rücktrittsberechtigten in § 346 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 BGB.406 Gleichwohl gibt § 346 401

Staudinger/Otto, § 325 Rn. 28. MüKo/Ernst, § 325 Rn. 10. 403 Maßgeblich für die Berechnung des Vermögensschadens ist auch heute noch die Differenzhypothese, die überwiegend auf Friedrich Mommsen zurückgeht: Zur Lehre von dem Interesse, in: Beiträge zum Obligationenrecht, Abteilung 2 (1855). Der Schaden besteht in der Differenz zweier Güterlagen, der tatsächlich durch das Schadensereignis geschaffenen und der unter Ausschaltung dieses Ereignisses gedachten. Dabei steht folglich nur die Kausalbetrachtung im Fokus, die den wirklichen mit dem hypothetisch schadensfreien Verlauf vergleicht. Die Differenzhypothese ist also wertungsfrei anwendbar. Sie findet daher zunehmend Kritiker, die einen sog. normativen Schadensbegriff vertreten; vgl. hierzu nur: Honsell/Harrer, JuS 1991, 441 ff. Zusammenfassend: Staudinger/Schiemann, Vorbemerkung zu §§ 249 ff Rn. 25; Medicus, JuS 1979, 233 ff.; Palandt/Heinrichs, Vorbemerkung vor § 249 Rn. 8. 404 Ebenso: Kaiser, JZ 2001, 1057 (1065), Staudinger/Otto, § 325 Rn. 28. 405 MüKo/Ernst, § 325 Rn. 10. 406 Gsell, JZ 2004, 643 (646). 402

276

Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Abs. 4 BGB die Möglichkeit, bei Verschulden Schadensersatz zu verlangen, wenn die Leistung nicht zurückgewährt wird. Dies erfasst nach herrschender Auffassung auch ein schuldhaftes Untergehen der Sache vor Erklärung des Rücktritts, wenn der Schuldner den Rücktrittsgrund kannte.407 Ihn soll dann nämlich eine vorgreifliche Rücksichtsnahmepflicht treffen, welche er schuldhaft verletzt hat. Das ist nach allgemeiner Ansicht ein Fall des Schadensersatzes statt der Leistung gemäß §§ 346 Abs. 4; 280 Abs. 1, 3; 283 BGB wegen Unmöglichkeit der Rückgewähr.408 Vor diesem Hintergrund könnte man vertreten, dass die von Ernst vorgeschlagene „Aufbesserung“ nach § 281 BGB nicht möglich sei. Nachteile, welche durch die unzureichende Rückabwicklung des Vertrages eintreten, sind danach kein Schaden des Anspruchs statt der ursprünglichen vertraglichen Leistung (Kaufpreiszahlung), sondern ein Schaden des Anspruchs statt der Rückgewährleistung aus §§ 346 Abs. 4; 280 Abs. 1, 3; 283 BGB.409 Diese Alternativlösung über den Anspruch nach § 346 Abs. 4 BGB erscheint mir jedoch zweifelhaft. Zum einen ist die Ausweitung der Schadensersatzhaftung nach § 346 Abs. 4 BGB auf Verschulden vor der Erklärung höchst fraglich, da dies dem Wertersatz-Ausnahmen-Modell der §§ 346 Abs. 2, 3 BGB widerspricht.410 Das gilt in Fällen des Untergangs der Sache vor Rücktrittserklärung, also vor Entstehen der Rückgewährpflicht umso mehr, denn § 346 Abs. 4 BGB verweist zwar auf den § 283 BGB für Schadensersatz bei nachträglicher Unmöglichkeit, nicht aber auf § 311 a Abs. 2 BGB, der für Schadensersatz bei anfänglicher Unmöglichkeit hier einschlägig wäre. Zum zweiten versagt diese Lösung, wenn eben kein Verschulden des Schuldners nachzuweisen ist, wie im besagten Beispiel des Hochwasserschadens. Dann bleibt es bei der Wertung des Rücktrittsrechts, nach der der Gläubiger keinen Wertersatz erhält. Der Vorschlag von Ernst greift dies auf und verhindert vor dem Hintergrund der früheren Probleme eine Schlechterstellung desjenigen Gläubigers, der den Rücktritt erklärt hat.411 Er verhilft damit dem Regelungsziel des 407 Streitig sind aber die Details, insbesondere die Differenzierung nach vertraglichem und gesetzlichem Rücktrittsrecht: Palandt/Grüneberg, § 346 Rn. 15–17; MüKo/Gaier, § 346 Rn. 63 mit weiteren Nachweisen. 408 Palandt/Grüneberg, § 346 Rn. 17. 409 So wohl auch: Staudinger/Otto, § 325 Rn. 28. 410 Ich teile insofern die Bedenken der Mindermeinung: Erman/Bezzenberger, § 346 Rn. 32. Anders sieht dies die ganz herrschende Auffassung: Regierungsentwurf, BT-Drucks 14/6040, S. 195; MüKo/Gaier § 346 Rn. 62 ff.; Jauernig/Teichmann, § 346 Rn. 9; ebenso ab grob fahrlässiger Unkenntnis des Rücktrittsgrunds: Oechsler Schuldrecht Besonderer Teil – Vertragsrecht, S. 126. 411 MüKo/Ernst, § 325 Rn. 10. Der Vorschlag ist zudem vor dem Hintergrund der praktischen Seltenheit solcher Fälle zu betrachten: Gsell, JZ 2004, 643 (646).

I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht

277

§ 325 BGB nur zu seiner vollen Geltungskraft: Der voreilige Rücktritt darf sich nicht als nachteilig herausstellen. Dieser Ansatz verdient daher Zustimmung. b) Die Beschränkung der Rückgewähransprüche aa) Beispiel Nach zum Teil vertretener Ansicht kann der Schadensersatzanspruch die Rückgewährfolgen des Rücktritts sogar beschränken.412 Dazu ein Beispiel: Der Käufer verwendet die gekaufte Stute für Kutschfahrten, mit der er auf Hochzeiten sein Geld verdient.413 Jetzt stellt sich heraus, dass die Stute von Anfang an krank war. Der Käufer tritt zurück. Er muss die Stute zurückgeben und nach §§ 346 Abs. 1, 2; 347 Abs. 1 BGB Ersatz für die gezogenen Nutzungen leisten. Die rücktrittsrechtliche Verpflichtung zum Nutzungsersatz in Höhe der erwirtschafteten Kutschfahrten stellt ein Minus im aktuellen Vermögen des Käufers dar. bb) Der rücktrittsrechtliche Nutzungsersatz als Schaden Dieses Minus muss nach einer verbreiteten Ansicht schadensrechtlich ausgeglichen werden, denn wäre mangelfrei erfüllt worden, wäre also die Stute von Anfang an gesund gewesen, hätte der Käufer diese ja auch nutzen können.414 Muss also die Pflicht zum Nutzungsersatz nach Rücktrittsrecht zugunsten des Gläubigers als sein Schaden betrachtet werden, den er in den Ersatzanspruch wegen Verzögerung der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 2; 286 BGB einstellen kann? Dann würde, so wird vertreten, die Haftung des Käufers aus dem Rücktritt durch die schadensrechtliche Folge beschränkt.415 Konkret: Der Käufer müsste für die Nutzung der Stute einen Betrag zahlen, den er sich über seinen eigenen Schadensersatzanspruch statt der Leistung zurückholt. cc) Der Gesamtvermögensvergleich und die normative Schadensberechnung Hier müssen wir den Gesamtvermögensvergleich von Rücktrittsfolgen und Schadensersatz in den Blickpunkt rücken. Ein Schaden besteht für den 412 413 414 415

Arnold, ZGS 2003, 427 (429); Gsell, JZ 2004, 643 (646). Nachgebildet: Gsell, JZ 2004, 643 (646). Gsell, JZ 2004, 643 (646). Gsell, JZ 2004, 643 (646).

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Gläubiger in der Höhe nicht, in der ihm im Gegenzug ein hypothetischer Wertverlust an der Sache, die er wegen des Rücktritts zurückgeben muss, erspart bleibt. Dieser Wertverlust, der dem Käufer zugute kommt, ist etwa die Abnutzung der Stute, die durch die Nutzung während der Krankheit fortan nur noch fünf statt zehn Fahrten am Tag machen kann.416 In Höhe dieser ersparten Werteinbuße wird der Schaden herabgesetzt,417 es sei denn, der Gläubiger erleidet wiederum im Gegenzug Wertverluste, zum Beispiel das zwischenzeitliche Ansteigen der Preise für Stuten infolge einer Pferdeepidemie. Übersteigen nach dieser Rechnung letztlich die Schadensposten zu Lasten des Gläubigers die durch den Rücktritt ersparten Vermögenseinbußen, welche dem Gläubiger positiv auf sein Vermögen angerechnet werden,418 besteht in der Tat noch ein Schaden, den der Ersatzanspruch statt der Leistung ausgleichen kann. Das bedeutet faktisch, dass die Pflicht zum Nutzungsersatz nach Rücktrittsrecht im Schadensersatzanspruch schadenserhöhend berücksichtigt wird. Wiederum ist das eine normative Berechnung des Schadens und keine tatsächliche „Absenkung“419 der Haftung aus §§ 346 Abs. 1, 2; 347 Abs. 1 BGB. dd) Stellungnahme Hiergegen wendet sich Ernst, der das Rücktrittsrecht insofern zu Lasten des Rücktrittsgläubigers als abschließend betrachtet.420 Dem stimme ich zu: Die klare Trennung der Zuständigkeiten der Rücktrittsfolgen und der Schadensersatzfolgen ist auch in dieser Problematik durchzuhalten. Das verdeutlicht folgende Überlegung. Im vorliegenden Beispiel gezogener wirtschaftlicher Nutzungen könnten Nutzungsersatzanspruch des Rücktrittschuldners und Schadensersatzanspruch des Gläubigers gegenseitig aufgerechnet (Zahlung eines Betrags X gegen Zahlung eines Betrags Y) werden. In einem 416 Man spricht von „Wertverzehr“, also während der Nutzung zeitanteiliger linearer Wertminderung, die als Maßstab für die Ermittlung von Gebrauchsvorteilen herangezogen wird: BGHZ 115, 47, 54; BGH, NJW 1995, 2159, 2161; NJW 1996, 250, 252; vgl. auch: Huber, Leistungsstörungen II, S. 304 ff. Freilich wird der „Wertverzehr“ in vielen Fällen schwer messbar sein: von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (484). 417 Der Wert der Stute als Koeffizient für die Berechnung des Schadensersatzes wird dann herabgesetzt. Dies entspricht dem Grundsatz des Abzugs „neu für alt“: Gsell, JZ 2004, 643 (646). 418 Es handelt sich um den sog. Vorteilsausgleich im Schadensersatz, also die schadensmindernde Berücksichtigung von Vorteilen, die der Gläubiger durch das schädigende Ereignis erlangt hat. Hierzu ausführlich und zum Teil kritisch: von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (480 ff.). 419 MüKo/Ernst, § 325 Rn. 10. 420 MüKo/Ernst, § 325 Rn. 10.

I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht

279

solchen Fall fällt die Trennung der beiden Rechte nicht auf. Sie tritt aber deutlich zu Tage, wenn der Nutzungsersatz an den Rücktrittschuldner in natura zu leisten wäre. Das wäre etwa der Fall, wenn der Käufer eine trächtige Stute erworben hatte und nunmehr ein Fohlen als Nutzungsersatz zu leisten hätte.421 Hier scheidet eine Aufrechnung aus. Richtigerweise erhält der Verkäufer Stute und Fohlen, der Käufer aber nur seinen Kaufpreis, jedoch nicht noch Schadensersatz darüber hinaus in Höhe des Wertes des Fohlens – wie dies die Gegenansicht vertritt. 3. Das Wahlrecht des Gläubigers vor dem Hintergrund der alternativen Rechtsfolgen a) Trennung von elektiver Konkurrenz und automatischer Schadensberechnung Festzuhalten ist, dass die Kombination von Rücktritt und Schadenersatzanspruch gewisse Probleme aufwirft. Die Folgen der beiden Rechte überlagern einander. Sie konkurrieren zum Teil um den Vorrang, welches Recht den Gläubiger letztlich befriedigt und welches nicht. Warum ist dieses Verhältnis keine elektive Konkurrenz? Weil elektive Konkurrenz bedeutet: Es ist logisch ausgeschlossen, dass beide Rechte nebeneinander verwirklicht werden. Auf die Frage, ob zwei Rechte gleichzeitig geltend gemacht werden können, lautet die Antwort der elektiven Konkurrenz: „nein“. Das ist, wie folgende Übersicht zeigt, hier aber nicht der Fall. Die Antwort auf die Frage nach der gleichzeitigen Geltung von Rücktritt und Schadensersatz lautet nicht „nein“, sondern „ja, aber“. Innerhalb des einheitlichen Rechtsbehelfs des Schadensersatzes statt der Leistung sind vier Berechnungskombinationen möglich. Es gibt jeweils zwei Möglichkeiten hinsichtlich der Leistung und der Gegenleistung, nämlich Erbringung oder Nicht-Erbringung. Beides kombiniert, ergibt ein Potential von 22 Möglichkeiten, wie der Schadensersatz statt der Leistung nach dem Willen des Gläubigers berechnet werden kann. Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung würden nur dann in einer elektiven Konkurrenz stehen, wenn keine einzige dieser vier Möglichkeiten mit einem Rücktritt vereinbar wäre. Dann würden sich sämtliche 22 Varianten des Schadensersatzes statt der Leistung mit dem Rücktritt ausschließen. Das trifft aber nicht zu, da die allererste der Varianten des Schadensersatzes statt der Leistung sich mit dem Rücktritt logisch in Einklang bringen lässt: Der Gläubiger behält seine Leistung und gibt die Leistung des Schuldners zurück. Dann haben wir einen Fall der Differenzmethode und des großen Schadensersatzes. 421

Gsell, JZ 2004, 643 (646).

280

Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Leistung des Gläubigers

Leistung des Schuldners

Rücktritt?

wird nicht erbracht = Differenzmethode

wird nicht erbracht = Schadensersatz statt der ganzen Leistung (sog. großer Schadensersatz)

mögliche Kombination

wird nicht erbracht = Differenzmethode

wird erbracht = sog. kleiner Schadensersatz

keine Kombination

wird erbracht = Surrogationsmethode

wird nicht erbracht = Schadensersatz statt der ganzen Leistung (sog. großer Schadensersatz)

keine Kombination

wird erbracht = Surrogationsmethode

wird erbracht = sog. kleiner Schadensersatz

keine Kombination

Abb. 9: Kombination der Formen Schadensersatz statt der Leistung mit Rücktritt

Es gilt also: Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung schließen sich nicht logisch aus. Zwischen Rücktritt und Schadensersatz besteht daher nach § 325 BGB keine elektive Konkurrenz. Absolute Grenze der Kumulation beider Rechte ist folgende: Der Gläubiger darf mit beiden Rechten kumuliert nicht besser gestellt werden, als er bei Rückkehr zum status quo ante contractum (Rücktritt) bzw. zum status ad quem (Schadensersatz) jeweils einzeln stünde.422 b) Problem: Die nachteilige Wahl des Rücktritts aa) Problemaufriss Kombiniert der Gläubiger den Rücktritt mit dem Schadensersatz, müssen die Rechtsfolgen, welche sich nicht kumulieren lassen, in Einklang gebracht werden. Bestimmte Berechnungskombinationen des Schadensersatzes sind dabei, wie gezeigt, mit den Rücktrittsfolgen nicht vereinbar. Das gilt maßgeblich für die Berechnungsfaktoren Leistung und Gegenleistung. Wie ich aber weiter erläutert habe, gilt dies auch für den Vorteilsausgleich bezüglich 422

Herresthal, JuS 2007, 798 (800).

I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht

281

der Nutzung und des Gebrauchs der Leistungen. Hier überlagern die Rechtsfolgen des Rücktritts und des Schadensersatzes einander. In all diesen Fällen muss der Gläubiger die Alternativität der Rechtsfolgen durch eine Entscheidung auflösen. Diese Entscheidung kann sich im Nachhinein als für den Gläubiger nachteilig erweisen, und zwar dann, wenn man die Rücktrittsfolgen und den Schadensersatz isoliert betrachtet. Darin steckt das große praktische Problem dieser Fälle: Was, wenn die durch den Rücktritt hervorgerufene Berechnung meines Schadensersatzes wirtschaftlich weniger befriedigend ist als der Schadensersatz, den ich ohne den Rücktritt erhalten hätte? Es handelt sich hier um ein grundsätzliches Problem der beiden Rechte. Grundsätzlich wird nämlich beim Schadensersatz das vertragliche Äquivalenzverhältnis gewahrt, beim Rücktritt aber gerade nicht.423 Das vertragliche Äquivalenzverhältnis kann wirtschaftlich bzw. monetär für den Gläubiger durchaus interessanter sein (Gewinn, Nutzungsausfall, etc.). Seinem Rechtsempfinden gemäß hat der Gläubiger dann jedoch oftmals bereits den Rücktritt erklärt, sodass das Äquivalenzverhältnis eben gerade nicht ohne Probleme aufrechterhalten werden kann. § 325 BGB aber legt diese Kompatibilität nahe. Wie kann also die Rückabwicklung des Vertrags, welche sich am negativen Interesse orientiert, in Einklang gebracht werden mit der auf Ersatz des positiven Interesses ausgerichteten Schadensberechnung?424 bb) Beispiel Dazu ein Beispiel, welches sich der Berücksichtigung von Vorteilen widmet: Zwei Parteien gehen ein Tauschgeschäft ein. Die eine Partei soll einen Oldtimer erhalten, den sie für kommerzielle Stadtrundfahrten nutzen möchte. Im Gegenzug übergibt und übereignet diese der Gegenpartei ein Boot, das für Touristenfahrten auf der Elbe verwendet werden soll. Der Schuldner des Oldtimers leistet das Fahrzeug nicht. Der Gläubiger verlangt nach berechtigtem Rücktritt Rückgewähr des von ihm geleisteten Boots. Zusätzlich beansprucht er vom Schuldner Nutzungsersatz nach Rücktrittsrecht (§ 346 BGB) bezüglich des Boots für den Gewährungszeitraum von 2 Monaten, nämlich Dezember und Januar. Dieser beläuft sich aber lediglich auf 50 e, da es dem Schuldner wegen der vereisten Elbe nur möglich war, eine einzige Fahrt mit Touristen zu veranstalten. Im selben Zeitraum aber hätte der Gläubiger mit dem nicht geleisteten Oldtimer Nutzungen in Höhe von 1.000 e ziehen können, da er durch den Wintertourismus eine Unmenge an Anfragen erhielt. 423 424

Faust, JZ 2008, 471 (471). Dazu siehe v. a.: Gsell, NJW 2008, 913 (913); dies., LMK 2008, 258611.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

In diesem Beispiel steht der Gläubiger vor folgender Wahl: Macht er Nutzungsersatz für die Gegenleistung nach Rücktrittsrecht oder Nutzungsschadensersatz für die Leistung nach Schadensersatzrecht geltend? Beides zusammen würde ihn doppelt begünstigen: Da der Gläubiger hier bereits Nutzungsersatz aus Rücktrittsrecht erhalten hat, kann er insofern nicht zugleich Ersatz des Nutzungsausfallschadens verlangen. Was aber, wenn er den Rücktritt mitsamt seinen Folgen zuerst gewählt hat? Bleibt es dann bei den 50 e Nutzungsersatz? cc) Lösungsansätze Das Problem lautet: Entgegen des klaren gesetzgeberischen Willens erweist sich der Rücktritt in solchen Fällen als voreilige, weil nachteilige Entscheidung. Das widerspricht § 325 BGB. Diskutiert werden zwei Ansätze zur Lösung dieses Problems. Zum einen könnte man dem Schadensersatzrecht einen klaren Vorrang gegenüber dem Rücktrittsrecht einräumen. Diesen Ansatz scheint der Bundesgerichtshof zu favorisieren. Zum zweiten wäre daran zu denken, das Dogma der endgültigen Bindung an die Rücktrittserklärung aufzugeben. c) Lösungsansatz 1: Der Vorrang des Schadensersatzrechts Denkbar wäre, die Interessen des Gläubigers durch einen klaren Vorrang eines der beiden Rechtsfolgenregimes zu wahren. Richtigerweise kommt dabei nur ein Vorrang des Schadensersatzrechts in Betracht, da dieses das flexiblere und folglich zweckmäßigere Recht gegenüber den starren und zum Teil gegenläufigen Wertungen des Rücktrittsrechts ist. aa) Frühere Rechtslage: Der Vorrang des Rücktrittsrechts Klar ist zunächst, dass ein Vorrang des Rücktrittsrechts gegenüber dem Schadensersatzrecht keine Lösung des Problems bietet. Denn dem Gläubiger ist, wie die Beispiele der „Aufbesserung“ bzw. „Absenkung“ der Rücktrittsfolgen zeigen, durch die Wertungen des Rücktrittsrechts nicht geholfen. Die Anwendung der Rücktrittsregeln bildet daher zunächst keine generelle Schranke gegenüber der Anwendung der Schadensersatzfolgen. Ein solcher genereller Vorrang des Rücktrittsrechts gegenüber dem Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung wurde nach alter Rechtslage in Literatur und Rechtsprechung vertreten.425 Zur Begründung wurde herangezogen, dass 425 BGH, NJW 1998, 3268, 3269, entgegen der früheren Rechtsprechung: BGH, NJW 1984, 767, 767. Diffus hierzu das Meinungsbild in der Literatur: Huber, JZ

I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht

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aufgrund der Alternativität von Schadensersatz und Rücktritt die Wahl des Ersteren nicht die Rechtsfolgen des Letzteren konterkarieren durfte.426 Diese Gefahr drohte aber, denn die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes durch die Rücktrittsfolgen schloss den Ersatz des Erfüllungsinteresses aus und der Verzugsschaden wurde von diesem Erfüllungsinteresse miterfasst.427 Der Verzugsschaden war also nur ersatzfähig, wenn die Rücktrittsfolgen ihn nicht bereits abweichend umfassten.428 Es ergab sich folglich ein faktischer Vorrang der Rücktrittsfolgen vor dem Schadensersatz. bb) Heutige Rechtslage: Vorrang des Schadensersatzrechts? Dieser Vorrang des Rücktrittsrechts ist jedoch eindeutig durch § 325 BGB beseitigt. Der Gläubiger ist nicht auf die Nutzungsersatzanordnung des § 346 BGB beschränkt, sondern kann den Verzugsschadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 2; 286 BGB daneben geltend machen. Er muss sich aber vom Schadensersatz abziehen lassen, was er durch die Rücktrittsfolgen schon erlangt hat, also auch die 50 e Nutzungsersatz. Es bleibt ihm aber darüber hinaus ein Verzugsschaden von 950 e, den er neben dem Rücktritt ersetzt verlangen kann. Damit besteht hinsichtlich der Alternativität der sich überlagernden Rechtsfolgen von Rücktritt und Schadensersatz eine einzige Wahlmöglichkeit: Der Gläubiger muss wählen, ob er Rücktritt geltend macht oder nicht. Die Konsequenzen aus der Wahl des Rücktritts treten dann automatisch auf der Seite des Schadensersatzes ein. Diese Konsequenzen sind die Differenzmethode und der Schadensersatz statt der ganzen Leistung (großer Schadensersatz). Die über die Rückgewähr der Leistungen hinausgehenden Folgen des Rücktritts (Wertersatz, Nutzungsersatz, Ausnahmen davon) können ebenso automatisch beim Schadensersatzanspruch berücksichtigt werden. Die Berücksichtigung kann für den Gläubiger vorteilhaft sein („Aufbesserung“ der Rückgewähransprüche nach Ernst), sie kann aber auch nachteilhaft sein („Absenkung“ der Rückgewähransprüche nach Gsell). Dies ist eine – wie gezeigt, streitige – Frage der normativen Berechnung des Schadensersatzes unter Berücksichtigung von Nachteilen und Vorteilen auf Gläubigerseite,429 nicht aber eines Wahlrechts des Gläubigers. 1984, 409 (409); Tiedtke, NJW 1984, 767 (Anmerkung zur früheren Rechtsprechung). 426 Herresthal, JuS 2007, 798 (799). 427 BGH, NJW 1997, 1231, 1231. 428 Zusammenfassend: Herresthal, JuS 2007, 798 (799). 429 Hierzu: von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (480 ff.).

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Folgt man diesem Ansatz konsequent, bedeutet dies einen Vorrang des Schadensersatzrechts gegenüber dem Rücktrittsrecht. Primär betrachten wir also die Rücktrittsentscheidung, sekundär das Ergebnis der Rücktrittsrechtsfolgen und tertiär den Schadensersatzanspruch unter Berücksichtigung der Rücktrittsfolgen. Der Schadensersatz „reagiert“ in dieser Reihenfolge stets auf die Rücktrittsentscheidung. Dem Schadensersatzrecht steht schlussendlich das „letzte Wort“ darüber zu, was der Gläubiger erhält. Dem Schadensersatzregime wird somit durch seine Flexibilität die Funktion eines Korrektivs verliehen.430 Im Ergebnis gleichen die handhabbaren Instrumente der Vorteilsausgleichung und der normativen Schadensberechnung die starren Rücktrittsfolgen aus. cc) Beispiel: Rücktrittsbedingter Nutzungsausfall der mangelhaften Sache In einer beispielhaften Entscheidung vom 28. November 2007 beschreitet der Bundesgerichtshof unverkennbar diesen Weg.431 Es geht dabei um folgenden Fall eines rücktrittsbedingten Nutzungsausfallschadens. Der Käufer fährt den gekauften PKW für eine gewisse Zeit. Erst nachdem er in einen Unfall verwickelt wird, stellt sich heraus, dass das Fahrzeug schon vor dem Kauf mangelhaft war (Unfallwagen). Der Käufer gibt den beschädigten PKW nach Rücktritt zurück und zahlt Nutzungsersatz für den Zeitraum vor dem Unfall. Bis zum Erwerb eines anderen PKW nimmt er sich einen Mietwagen. Diese Kosten stellt er dem Verkäufer nun als Nutzungsausfallschaden in Rechnung. Der Bundesgerichtshof stellt fest, dass dem Käufer hier im Grundsatz ein Nutzungsausfallschadensersatz gewährt werden muss und zwar im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung nach §§ 437 Nr. 3; 280; 281; 283 bzw. 311 a BGB. Denn § 325 BGB gebiete, dass die eigentlich auf das negative Interesse ausgelegten Rücktrittsfolgen der §§ 346, 347 BGB mit dem Erfüllungsinteresse des Schadensersatzes statt der Leistung eindeutig vereinbar sind.432 Freilich, so der BGH, müsse innerhalb des Schadensersatzes wegen Nutzungsausfalls zu Lasten des Gläubiger berücksichtigt werden, ob er nicht anderweitige Kosten durch die Rückgabe der Sache, also die Rücktrittsfolgen, gespart hätte. So verhält es sich etwa mit den Kosten einer fiktiven Reparatur, während der der Gläubiger ebenso wenig die Sache hätte nutzen können.433 430 Das Rücktrittsrecht wird durch das schadensersatzrechtlich „überspielt“: Gsell, LMK 2008, 258611. 431 Az.: VIII ZR 16/07 (Vorinstanz: LG Osnabrück): JZ 2008, 469, 469. 432 BGH, JZ 2008, 469, 470. 433 BGH, JZ 2008, 469, 470.

I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht

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Der Bundesgerichtshof räumt mit dieser Entscheidung dem Schadensersatz die Möglichkeit ein, die – isoliert betrachtet – nicht ausreichende Ausgleichsfunktion des Rücktritts zu einem für den Käufer befriedigenden Ergebnis zu komplettieren. Damit gibt er den Wertungen des Schadensersatzrechts den Vorrang gegenüber den Wertungen des Rücktrittsrechts.434 Dem Käufer als Gläubiger der beiden Rechte ist geholfen: Ob sich sein Rücktritt wegen der Wertungen des Gesetzes (§§ 346, 347 BGB) als nachteilhaft erweist, kann ihm egal sein, da die Berechnung seines Schadensersatzes diese Wertungen am Schluss korrigiert.435 dd) Kritik Ich folge Faust436 in seiner Kritik, dass der Bundesgerichtshof mit dem unbegrenzten Vorrang des Schadensersatzrechts gegenüber dem Rücktrittsrecht zu weit geht. Dabei kann man das Ziel dieser Entscheidung durchaus gut heißen. Der BGH setzt nämlich hiermit nur radikal und konsequent den Willen der Schuldrechtsreform um: Aus einem erklärten Rücktritt sollen dem Ersatzberechtigten keine Nachteile entstehen. Als Lösungsansatz ist der Vorrang des Schadensersatzrechts dabei angesichts der Flexibilität der Instrumente, vor allem des Vorteilsausgleichs und der Differenztheorie zur Berechnung des Schadens, geeignet. Zudem verhindert ein radikaler Vorrang des Schadensersatzes, dass der Gläubiger die Vorteile des Rücktrittsrechts und des Schadensersatzrechts nach Art einer „Rosinentheorie“ kombiniert.437 Zwei Bedenken aber stehen dem Vorrang entgegen. Faust zweifelt zum einen, ob die Einschränkungen des Vorteilsausgleichs hier beachtet werden. Die Anrechnung von Vorteilen für den Gläubiger soll dem Zweck der Ersatzpflicht nach nicht soweit gehen, dass der Schuldner unbillig entlastet wird.438 Entlastet wird der Schuldner aber etwa aufgrund der Rücktrittsregelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB. Wird diese gesetzliche Ausnahmeregelung durch eine entgegengesetzte Wertung im Rahmen des Schadensersatzes nicht konterkariert? Ich möchte mich auf den zweiten, wesentlicheren Kritikpunkt beschränken. Das Mittel zur Vorranggewährung gegenüber dem Schadensersatzanspruch ist für den Bundesgerichtshof die Anwendung des § 325 BGB. Ob 434

Vgl. Leitsatz II und Begründung II. 2 b) (3. Absatz): JZ 2008, 469, 469/470. Im Originalfall wird die Klage freilich aus tatsächlichen Gründen der fehlerhaften Schadensbemessung abgewiesen: JZ 2008, 469, 470. Zustimmend zu diesem Weg: Gsell, NJW 2008, 913 (913); dies., LMK 2008, 258611. 436 Faust, Anmerkung zum Urteil des BGH: JZ 2008, 471 ff. 437 Faust, JZ 2008, 471 (474). 438 Faust, JZ 2008, 471 (473). 435

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

dies aber dem Telos des § 325 BGB entspricht, kann bezweifelt werden. Denn weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte439 der Norm gehen von einem klaren Vorrang des Schadensersatzes aus. § 325 BGB verhindert nur einen logischen Widerspruch zwischen beiden Rechten. Folgt man aber dem Ansatz des BGH, bleibt über § 325 BGB von den rücktrittsrechtlichen Folgen nichts mehr übrig, weil sämtliche Ausgleichsansprüche des Rücktritts schadensrechtlich „neutralisiert“ und neu bewertet werden.440 Man betrachtet über diesen Ansatz die Folgen des Rücktrittsrechts und korrigiert diese über das Schadensrecht. Unabhängig von den Kritikpunkten, welche gegenüber der Schadensberechnung mitsamt Vorteilsausgleichung geäußert werden,441 lässt sich dies schwerlich dem § 325 BGB entnehmen. Dann würde aus der Kombinationsregel § 325 BGB eine Vorrangregel zu Gunsten des Schadensersatzes. § 325 BGB gewährt meines Erachtens keinen allgemeinen Vorrang des Schadensersatzes gegenüber dem Rücktritt. d) Lösungsansatz 2: Das ius variandi Eine Alternative zum Lösungsvorschlag, der vom Vorrang des Schadensersatzes gegenüber dem Rücktritt ausgeht, ist die Gewähr eines sog. ius variandi. Das bedeutet, der Gläubiger könnte in den Grenzen von Treu und Glauben seine Entscheidung über das Rücktrittsrecht zurücknehmen und somit nachträglich die Schadensberechnung im Sinne des Äquivalenzinteresses erreichen. Es kommt also nicht auf eine Kombination mit dem Rücktritt an, sondern auf den Widerruf des sich als voreilig erweisenden Rücktritts. Ich komme auf diese Lösung eines ius variandi und seine Grenzen an späterer Stelle ausführlich zurück, skizziere hier jedoch, warum auch dieser Ansatz bedenklich ist.442 Der Rücktritt ist ein Gestaltungsrecht. Nach ganz herrschender Auffassung gilt für die Gestaltungsrechte das Dogma der Unwiderruflichkeit, denn der einseitig zur Veränderung des Schuldverhältnisses befugte Gläubiger soll an seine Entscheidung, wenn sie einmal getroffen wurde, gebunden sein. Dies rechtfertigt der Schutz des Erklärungsempfängers, also des Schuldners. Gegen dieses Dogma wenden sich verschiedene kritische Stimmen in der Literatur. Sie plädieren – bereits vor dem Hintergrund des Rücktrittsrechts vor der Schuldrechtsreform – dafür, die Bindung an die Gestaltungserklärung nicht an starren Prinzipien festzumachen, sondern aus Zweckmäßigkeitserwägungen zu hinterfragen. Danach sei es für sämtliche 439 440 441 442

Siehe bereits: S. 257 ff. Faust, JZ 2008, 471 (474). Faust, JZ 2008, 471 (473–475). Kapitel 5, zum sog. ius variandi: S. 420 ff.

I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht

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sekundären Rechtsbehelfe notwendig, dem Gläubiger ein ius variandi zu gewähren, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob es sich um einen Anspruch oder ein Gestaltungsrecht handele. Dieser im Grundgedanken lobenswerte Ansatz wird sich indes nicht gegen das tradierte Dogma der Gestaltungserklärung als unwiderruflichem Rechtsakt durchsetzen. Denn zum einen überzeugen die dogmatischen Herleitungen für das ius variandi zwar zum früheren Schuldrecht, aber nur in begrenzt zum heutigen Schuldrecht. Und zum zweiten fehlt es an der gesetzgeberischen Stütze dieses Gedankens. Allein § 325 BGB ist vom Reformgesetzgeber zur Regelung des Verhältnisses zwischen Rücktritt und Schadensersatz geschaffen worden. In seiner jetzigen Form taugt die Norm als Kombinationsregel, nicht aber, um das Dogma der Unwiderruflichkeit des Rücktritts aufzubrechen. Es gilt das zur Vorranglösung des Schadensersatzes Gesagte: § 325 BGB wird als Lösungsmittel für das Problem des voreiligen Rücktritts überstrapaziert. Ob mit § 325 BGB das Problem des voreiligen Rücktritts irrigerweise als erledigt betrachtet wurde oder ob der Gesetzgeber „sehenden Auges“ allein die logisch zulässige Kombination der beiden Rechte vorsehen, nicht aber den Gläubiger vor übereiltem Handeln schützen wollte, lässt sich nicht abschließend klären. Diese Bedenken, die ich im Kontext zum Gesamtproblem des ius variandi ausführlich aufgreife, sprechen gegen den Lösungsansatz eines ius variandi beim Rücktritt. e) Fazit: Die nachteilige Wahl des Rücktritts Ich fasse zusammen: Das Problem des übereilten und nachteiligen Rücktritts stellt sich auch nach der Schuldrechtsreform. Es ist kein Problem einer elektiven Konkurrenz, denn Rücktritt und Schadensersatz sind kombinierbar, freilich nur in bestimmten Formen der Schadensberechnung. Der vorzeitige Rücktritt schließt somit aus, dass der Gläubiger insbesondere den kleinen Schadensersatz und die Surrogationsmethode geltend macht. Weder die Lösung eines vollständigen Vorrangs der Schadensersatzfolgen, wie sie der BGH zu favorisieren scheint, noch die Lösung über den Widerruf der Rücktrittserklärung im Rahmen eines sog. ius variandi überzeugt vollends. Insbesondere geht jeder Ansatz, der sich auf § 325 BGB stützt, fehl, denn die Norm gewährt zwar eine Kombination von Rücktritt und Schadensersatz, aber nur in den logisch denkbaren Fällen.

IV. Vergleich zu CISG, PECL und DCFR Das Recht zur Vertragsaufhebung nach CISG, PECL und DCFR weicht jeweils in seinem Charakter vom Rücktrittsrecht des BGB ab. Gleiches gilt

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

für die jeweilige Konzeption des Schadensersatzes. Trotzdem gilt für das Verhältnis der beiden Rechtsbehelfe zueinander gleiches wie für das Verhältnis von Schadensersatzanspruch und Rücktritt gemäß § 325 BGB: Auch im internationalen Vergleich schließen sich beide Rechte nicht aus. Werden sie aber kumuliert, sind bestimmte Formen der Schadensersatzberechnung ausgeschlossen. Zudem muss eine Gesamtschau der Rechtsfolgen vorgenommen werden, damit der Gläubiger nicht übervorteilt ist. 1. Keine elektive Konkurrenz: Der Schadensersatz ohne oder neben Vertragsaufhebung In den ähnlichen Regelungsmodellen des CISG, der PECL und des DCFR kann das Recht zur Vertragsaufhebung nach Art. 49 bzw. 64 CISG, Art. 9:301 PECL und Art. III.-3:502 ff. DCFR mit dem Schadensersatz gemäß Art. 45 Abs. 1 CISG, Art. 9:501 PECL und Art. III.-3:701 DCFR kombiniert werden. Es besteht keine elektive Konkurrenz. Diese Kombinierbarkeit ist ausdrücklich in Art. 45 Abs. 2 CISG, Art. 8:102 PECL bzw. Art. III.-3:102 DCFR angeordnet. Sie ergibt sich aber auch aus dem Charakter des Schadensersatzanspruchs. Während – wie im BGB das Rücktrittsrecht – das Recht zur Vertragsaufhebung eine einseitige Auflösung der ursprünglichen schuldrechtlichen Pflichten443 bedeutet, umfasst der zentrale Rechtsbehelf des Schadensersatzes, wie bereits gezeigt, sämtliche Schäden, also solche neben und solche statt der Leistung. Schäden neben der Leistung und Vertragsaufhebung schließen sich in keinem Fall aus. Somit kann der Schadensersatzrechtsbehelf auch nicht per se in elektiver Konkurrenz zum Recht zur Vertragsaufhebung stehen. Vielmehr lassen sich beide Rechtsbehelfe jeweils kombinieren. Sie stehen zueinander – wie im deutschen Recht der Schadensersatz und der Rücktritt – in einer logischen Tautologie. 2. Kein großer Schadensersatz ohne Vertragsaufhebung Wie im Verhältnis der Schadensersatzvarianten erläutert,444 gibt es nach CISG, PECL und DCFR keinen großen Schadensersatz, ohne dass der Vertrag aufgehoben wird. Anders als im BGB, wo der Gesetzgeber mit dem Schadensersatz statt der ganzen Leistung nach § 281 Abs. 5 BGB einen besonderen Anspruch geschaffen hat, der vom Rücktrittsrecht zu trennen ist, gibt es hier eine Leistungsrückabwicklung ausschließlich über das Recht 443 444

Freilich gilt das in den PECL nur für die Zukunft: S. 219. S. 252 ff.

I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht

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zur Vertragsaufhebung. Der Schadensersatz selbst kann nicht zur Leistungsrückgewähr führen. Damit geht auch der Ausnahmecharakter dieser Konstellation einher. Während im BGB Rücktritt und Schadensersatz statt der ganzen Leistung nahezu tatbestandskonform sind, muss nach CISG, PECL und DCFR den Gläubiger eine wesentliche Vertragsverletzung treffen, damit er die mangelhafte oder bloß teilweise Leistung des Schuldners zurückweisen und großen Schadensersatz verlangen kann. Ohne die Hürde der Wesentlichkeit der Vertragsverletzung wäre der Tatbestand der Vertragsaufhebung nicht erfüllt, obwohl mit der Rückgabe der Leistung an den Schuldner eine de facto Rückabwicklung erfolgte.445 Solange also die fehlerhafte Leistung keine wesentliche Vertragsverletzung darstellt, muss der Gläubiger sie behalten. Sein Schaden bemisst sich dann nach der Wertdifferenz zwischen vereinbarter und erhaltener Leistung. Das ist der kleine Schadensersatz. 3. Kombination beider Rechte: Die Alternativität der Rechtsfolgen Kombiniert der Gläubiger Schadensersatz mit Vertragsaufhebung, treten gewisse Spannungen der Rechtsfolgen auf. Diese Spannungen entsprechen im Wesentlichen, obschon nicht in gleichem Maße systematisch, terminologisch und tatbestandlich getrennt, den Widersprüchen zwischen den Rechtsfolgenregimes zwischen Schadensersatz statt der Leistung und Rücktritt im BGB. Es bestehen aber Abweichungen zwischen CISG und DCFR auf der einen sowie PECL auf der anderen Seite. a) Die Vertragsaufhebung und der Schadensersatz nach der Differenzmethode Auch nach CISG und DCFR bedeutet Vertragsaufhebung, dass der Schadensersatzanspruch, welcher an die Stelle der Leistung tritt, nur nach der Differenzmethode berechnet werden kann. Der Schaden kann nicht unter Erbringung der eigenen Leistung des Gläubigers berechnet werden, wenn durch die Vertragsaufhebung beide Parteien zur Rückgewähr der Leistungen verpflichtet sind. Diese Rückgewährverpflichtung besteht sowohl nach dem Konzept des CISG als auch dem Konzept des DCFR, sodass kein Unterschied zum BGB besteht. Abweichend ist die Lösung des Art. 9:305 (1) PECL, der keine automatische Rückabwicklung der erbrachten Leistung anordnet. Die Art. 9:306 ff. 445

Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, S. 200 Rn. 309.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

PECL sehen Folgendes vor: Sofern nur eine der beiden gegenseitig geschuldeten Leistungen erbracht wird, kann die Partei, die als Einzige geleistet hat, diese Leistung zurückfordern. Der Rückgewähranspruch nach Vertragsaufhebung ist damit verhalten. Diese Regelung zielt auf folgenden Fall der Gläubigerwahl ab: Der Gläubiger hat schon geleistet, die Leistung des Schuldners bleibt aus. Erklärt der Gläubiger jetzt Vertragsaufhebung, kann er seine Leistung zurückfordern, er muss es aber nicht. Dementsprechend bemisst sich auch sein parallel laufender Schadensersatzanspruch. Verlangt der Gläubiger die eigene Leistung nicht zurück, verzichtet er automatisch auf die Differenzmethode. Sein Schaden bemisst sich dann nach der Surrogationsmethode, also in Höhe der ausgebliebenen Schuldnerleistung als Gegenwert. Es besteht in den PECL im Gegensatz zu BGB, CISG und DCFR folglich kein Automatismus der Schadensberechnung nach der Differenzmethode, sobald der Vertrag aufgehoben wird. Vielmehr hat der Gläubiger wegen der Verhaltenheit seines Rückgewähranspruchs hier eine Wahl. Dies ist jedoch kein Wahlrecht innerhalb seines Schadensersatzanspruchs, sondern nur die Wahl, ob die Rückgewähr der eigenen Leistung verlangt wird (Option a) oder nicht (Nicht-Option a). Verlangt der Gläubiger nach Vertragsaufhebung seine Leistung zurück, wählt er Schadensberechnung nach der Differenzmethode. Verlangt er seine Leistung nicht zurück, bleibt es bei der Abrechnung nach der Surrogationsmethode. Logisch heißt das: Rückgewährverlangen ! (Schadensersatz $ Differenzmethode) Nicht-Rückgewährverlangen ! (Schadensersatz $ Surrogationsmethode). b) Die Vertragsaufhebung und der Deckungskauf Sowohl das CISG als auch die PECL und der DCFR regeln den besonderen Fall eines möglichen Deckungsgeschäfts bei Vertragsaufhebung. Art. 75, 76 CISG, Art. 9:506, 9:507 PECL und Art. III.-3:706, III.-3:707 DCFR sind dabei bedeutungsgleich. Die Art. 75 CISG, Art. 9:506 PECL, Art. III.-3:706 DCFR gewähren dem Gläubiger, der vergeblich auf die ordentliche Leistung des Schuldners wartet und einen Deckungskauf vornimmt, die Möglichkeit, den Schadensersatz nach der Differenz zwischen dem vertraglich vereinbarten Preis und dem Preis des Deckungsgeschäfts zu berechnen. Es handelt sich dann um die konkrete Berechnung seines Schadens. Belässt er es bei dem Ausbleiben der Leistung und tätigt er kein Deckungsgeschäft, greift jeweils Art. 76 CISG, Art. 9:507 PECL bzw. Art. III.-3:707 DCFR. Dann darf der Marktpreis der geschuldeten Leistung als Vergleichsmaßstab angesetzt werden. Dabei handelt es sich um eine abstrakte Berechnung des Schadensersatzes.

I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht

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Das Zusammenspiel der beiden jeweils systematisch nacheinander angeordneten Normen verdeutlicht zwei Entscheidungsmöglichkeiten des Gläubigers, der den Vertrag aufhebt. Die erste Entscheidungsmöglichkeit lautet: Deckungsgeschäft oder kein Deckungsgeschäft. Wählt er das Deckungsgeschäft, dann scheidet die abstrakte Berechnung anhand des differenten Marktpreises aus. Es bleibt dann aber die zweite Entscheidungsmöglichkeit, den konkreten Unterschied zwischen Vertragspreis und Preis des Deckungsgeschäfts als Schaden zu verlangen. Unterlässt der Gläubiger das Deckungsgeschäft, kann er logischerweise keinen konkreten Schaden insofern vorweisen. Ihm bleibt dann aber die Möglichkeit, den Marktpreis zu veranschlagen. Die Konzepte im internationalen Vergleich regeln damit zunächst nicht mehr als das BGB, das freilich auf eine solche Klarstellung zwischen konkreter und abstrakter Schadensberechnung verzichtet. Im Gegensatz zum BGB findet man hier aber eine ausdrückliche Sperre vor: Wenn der Gläubiger ein Deckungsgeschäft tätigt, bleibt ihm der abstrakte Schadenswert als Berechnungsgrundlage verwehrt. Die – umstrittene – Frage, welche die Anwendung der Art. 75, 76 CISG, Art. 9:506, 9:507 PECL und Art. III.-3:706, III.-3:707 DCFR begleitet, ist, ob und wann zwingend eine ausdrückliche Vertragsaufhebung dem Deckungskauf vorgeschaltet sein muss. Mit Recht wird wegen des eindeutigen Wortlauts der Normen, welche die Vertragsaufhebung voraussetzen, lediglich in einem Fall eine Ausnahme von der Gestaltungserklärung gemacht: Wenn bei Vornahme des Deckungsgeschäfts infolge einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung des Schuldners feststeht, dass er keinesfalls erfüllen wird, muss ohnehin mit der Vertragsaufhebung durch den Gläubiger gerechnet werden.446 Es kann dann dahinstehen, ob die Vertragsaufhebung ausdrücklich erklärt wird, wenn dieser nur das Deckungsgeschäft – vorher oder hinterher – tätigt. c) Die Konkurrenz der Rechtsfolgen bezüglich der Gebrauchsvorteile Wie auch im BGB, darf der Gläubiger bei Kombination der Rechtsbehelfe Schadensersatz und Recht zur Vertragsaufhebung nicht besser stehen als bei gesonderter Geltendmachung. Das führt zu einem Gesamtvermögensvergleich447, maßgeblich im Hinblick auf die Vorteile, die der Schuldner aus dem Gebrauch der Gläubigerleistung zieht. Diese werden 446 Vgl. nur: OLG Hamburg, OLGR 1997, 149 ff. (für die Frage der Vertragsaufhebung vor Deckungskauf im Rahmen des Art. 75 CISG); OLG München, IPRax 2005, 448, 449 (für dieselbe Frage im Rahmen des Art. 76 CISG); MüKo/Huber, Art. 75 CISG Rn. 4 mit weiteren Nachweisen. 447 MüKo/Ernst, § 325 Rn. 3.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

dem Gläubiger aus einem Rechtsbehelf ersetzt, nicht aber noch einmal aus dem anderen Rechtsbehelf. Die Schadensberechnung konkurriert also mit den Rechtsfolgen der Vertragsaufhebung, sofern das Gläubigerinteresse doppelt befriedigt und damit der Gläubiger übervorteilt wäre. Dies entspricht dem zum BGB herausgearbeiteten Prinzip. Es handelt sich dabei wiederum nicht um eine elektive Konkurrenz der Rechtsbehelfe, sondern eine Anpassung ihrer grundsätzlich kombinierbaren Rechtsfolgen. aa) CISG, DCFR: Vorteilsausgleich nach Vertragsaufhebung In Art. 84 CISG ist der Ausgleich von Vorteilen im Falle der Rückabwicklung nach Vertragsaufhebung geregelt. Danach schuldet der Käufer (egal, ob er oder der Verkäufer den Vertrag aufgehoben hat) den Gegenwert aller gezogenen Gebrauchsvorteile hinsichtlich der Kaufsache. Dazu zählen nach Absatz 1 die Zinsen während der Gebrauchszeit. Nach Absatz 2 kann der Verkäufer zudem Wertersatz für Nutzungen und andere Gebrauchsvorteile verlangen.448 Beides setzt voraus, dass der Gläubiger nicht auch noch einen Schaden in Höhe der ihm entgangenen eigenen Gebrauchsvorteile an der ausgebliebenen Schuldnerleistung erhält. Sonst würde der Gläubiger so gestellt, als durfte er zugleich Leistung und Gegenleistung beanspruchen. Die Vorteile, welche der Schuldner aus der gebrauchten Leistung gezogen hat, werden auch nach dem Entwurf des Gemeinsamen Referenzrahmens über die Rechtsfolgen der Vertragsaufhebung ersetzt. Maßgeblich sind dabei die Art. III.-3:510 bis Art. III.-3:514 DCFR. Auch hier gilt: Ein Schadensersatz, den der Gläubiger neben den Rückabwicklungsfolgen geltend macht, darf ihn nicht übervorteilen. Es gilt, unter den speziellen Regelungen des Referenzrahmens, siehe Art. III.-3:513 DCFR für den Nutzungsersatz, nichts anderes als zum Gesamtvermögensvergleich im BGB, auf den ich hier verweise. bb) PECL: Kein Vorteilsausgleich nach Vertragsaufhebung Eine abweichende Lösung wählt wiederum das Konzept der PECL. Anders als im BGB nach §§ 346–348 BGB, im CISG nach Art. 81 ff. CISG und im DCFR gemäß Art. III.-3:510 bis Art. III.-3:514 DCFR gibt es hier keine spezielle Regelung zum Ausgleich gezogener Vorteile aus der erhaltenen Leistung des Gläubigers. Die Modellregelungen der PECL sehen bei Vertragsaufhebung bloß die Rückerstattung von Geldzahlungen (Art. 9:307 PECL) und die Rückgewähr von Gegenständen (Art. 9:308 PECL) vor. Zu448

Ausführlich: Schlechtriem/Leser/Hornung, Art. 84 Rn. 18.

I. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht

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dem gewährt Art. 9:309 PECL einen wertmäßigen Ausgleich für die Leistung, deren Rückgewähr dem Schuldner unmöglich ist. Damit ist jedoch nur ein Ausgleich gemeint, der den Wertverzehr an der Leistung kompensiert. Der Gläubiger soll danach nicht nur eine (fast) aufgebrauchte Leistung zurückerhalten, sondern in Höhe der Wertminderung entschädigt werden.449 Echte Gebrauchsvorteile oder Nutzungsersatz sehen die PECL jedoch nicht vor. Das liegt daran, dass die Vertragsaufhebung nach PECL nur für die Zukunft wirken soll. Man geht dabei von dem Grundsatz aus, dass der bis dahin erfolgte Leistungsaustausch nicht rückwirkend ungeschehen gemacht werden kann und soll. Daher gewähren die Art. 9:306 ff. PECL auch keinen Ausgleich von Gebrauchsvorteilen für den Zeitraum vor der Vertragsaufhebung. Hier ist der Gläubiger auf seinen Schadensersatzanspruch, etwa in Höhe entgangener Nutzungsvorteile an der Schuldnerleistung, beschränkt. Kann er diesen nicht durchsetzen, z. B. weil der Schuldner entschuldigt war (Art. 8:108 PECL), bleibt es beim sehr engen Rechtsfolgenregime des Art. 9:309 PECL.450 Vorteile aus der Nutzung und dem Gebrauch der Gläubigerleistung werden nicht „rückabgewickelt“. 4. Fazit: Vergleich zu CISG, PECL und DCFR In den Regelungsmodellen des CISG, der PECL und des DCFR kann das Recht zur Vertragsaufhebung mit dem Schadensersatz kombiniert werden. Es besteht keine elektive Konkurrenz. Der Gläubiger kann die beiden strikt voneinander zu trennenden Rechte folglich kombinieren. Durch den von der Dogmatik des BGB abweichenden Charakter der beiden Rechtsbehelfe Schadensersatz und Recht zur Vertragsaufhebung und die Ausgestaltung der Rechtsfolgen gelten besondere Regeln zur Kombination der Rechte.

V. Fazit: Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Rücktrittsrecht Festzuhalten ist: Entgegen der früheren Rechtslage besteht unter Berücksichtigung des § 325 BGB zwischen Schadensersatz und Rücktritt keine elektive Konkurrenz.451 Die beiden Rechte schließen sich nicht logisch aus. Nahezu unproblematisch ist dies bei den Fällen des Schadensersatzes neben 449 Beispiel: die nicht rückzahlbare Erbringung von Dienstleistungen; siehe: von Bar/Zimmermann, PECL, S. 515. 450 von Bar/Zimmermann, PECL, S. 514. 451 Unrichtig daher: BeckOK/Faust, § 437 Rn. 169.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

der Leistung. Das gilt jedoch auch für den Schadensersatz statt der Leistung. Dort gibt es, wenn der Gläubiger zurücktritt, jeweils eine besondere Form der Berechnung des Schadensersatzes statt der Leistung, die automatisch erzwungen wird. Das ist hinsichtlich der zurück zu gewährenden Leistung des Schuldners der große Schadensersatz (statt der ganzen Leistung), hinsichtlich der nicht zu erbringenden Gläubigerleistung die Differenzmethode und hinsichtlich der sonstigen Gebrauchs- und Nutzungsvorteile der Vorteilsausgleich bzw. normative Schadensbegriff. Der Gläubiger kann die beiden strikt voneinander zu trennenden Rechte folglich kombinieren, egal ob es sich um Schadensersatz neben oder statt der Leistung handelt. Gleiches gilt im Vergleich zu CISG, PECL und DCFR. Dort gibt es aber im Detail Abweichungen, welche durch den unterschiedlichen Charakter der beiden Rechtsbehelfe Schadensersatz und Recht zur Vertragsaufhebung bedingt sind.

J. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Minderungsrecht Im Gewährleistungsrecht der Kauf- und Werkverträge kann der Gläubiger auch ein Minderungsrecht geltend machen, siehe §§ 437 Nr. 3, 441 BGB bzw. §§ 634 Nr. 3, 638 BGB.452 Dieses Minderungsrecht steht ebenfalls in einer Beziehung zu einem Schadensersatzanspruch. Es handelt sich dabei im Falle des Schadensersatzes statt der Leistung (sowohl kleiner als auch großer Schadensersatz) um eine elektive Konkurrenz. Schadensersatz neben der Leistung und Minderung kann der Gläubiger hingegen kombinieren.

I. Keine Konkurrenz zwischen Minderung und Schadensersatz neben der Leistung Schadensersatzanspruch und Minderungsrecht sind klar voneinander zu trennende Rechte. Das im Verhältnis zum Rücktrittsrecht Gesagte gilt zu größten Teilen auch hier. Das Minderungsrecht ist ein Gestaltungsrecht und korrespondiert tatbestandlich mit dem Rücktrittsrecht, siehe § 441 Abs. 1 S. 1 BGB („statt zurückzutreten“).453 Demgegenüber ist der Schadensersatz als Forderungsrecht gemäß § 194 Abs. 1 BGB konzipiert. Das Minderungsrecht verfolgt bei Fortbestand des Kauf- oder Werkvertrags die Herabset452

Unberücksichtigt bleiben die Fälle einer Minderung qua Gesetz im Miet- und Reisevertragsrecht. Sie geben kein eigenständiges Gestaltungsrecht, sondern wirken automatisch. Dazu bereits: S. 229. 453 Palandt/Weidenkaff, § 441 Rn. 7.

J. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Minderungsrecht 295

zung des Kauf- oder Werkpreises um den Betrag, um welchen der Mangel den Wert der Sache mindert, den diese zur Zeit des Vertragsabschlusses aufweist.454 Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung bzw. einfachen Schadensersatz neben der Leistung werden durch die Minderung grundsätzlich nicht tangiert.455 Zwischen den insofern ins Verhältnis zu setzenden Rechten besteht keine Konkurrenz. Es entspricht dabei dem gesetzgeberischen Willen, dass der Gläubiger beide Rechte nebeneinander geltend machen kann.456 Diesen Willen deutet der Gesetzgeber auch durch das „und“ in § 437 Nr. 2 bzw. § 634 Nr. 3 BGB sowie durch § 325 BGB (mit Blick auf die tatbestandliche Nähe des Minderungsrechts zum Rücktrittsrecht) an.457 1. Der Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung Keine Berührungspunkte gibt es, wenn der Verkäufer zum Beispiel nach Mahnung zu spät liefert und sich die Sache dann auch noch als mangelhaft erweist. Hier hat der Käufer als Gläubiger die Möglichkeit, den Verzugsschaden (Mietkosten für eine Ersatzsache) nach §§ 437 Nr. 3; 280 Abs. 1, 2; 286 BGB geltend zu machen und nach Ablauf einer ordentlichen Frist zudem den Kaufpreis zu mindern, §§ 437 Nr. 2 Var. 2, 441 Abs. 1 BGB. Der Gläubiger kann dann beide Rechte wählen und muss sich nicht für eines von beiden entscheiden. 2. Der sonstige Schadensersatz neben der Leistung Schwieriger gestaltet sich das Verhältnis vom Minderungsrecht zum isolierten Schadensersatzanspruch nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB. Auch hier muss grundsätzlich eine Kombination beider Rechte möglich sein.458 Die Kumulation geht aber nicht so weit, dass bei Ausgleichung desselben Leistungsdefizits sowohl Minderung als auch Schadensersatz greifen und der Gläubiger damit besser steht, als er bei ordentlicher Vertragserfüllung gestanden hätte. Diese Grenze verdeutlicht das Beispiel des Betriebsausfallsschadens. Liefert der Verkäufer eine mangelhafte Hochleistungskaffeemaschine an den 454

Palandt/Weidenkaff, § 441 Rn. 3. BeckOK/Faust, § 437 Rn. 174. 456 Regierungsentwurf, BT-Drs. 14/6040, S. 226 und 263. 457 von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (485). 458 Palandt/Heinrichs, § 281 Rn. 41; Palandt/Weidenkaff, § 441 Rn. 19; BeckOK/ Faust, § 437 Rn. 174. 455

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Kaffeehausbesitzer und zeigt sich dieser Mangel plötzlich am ersten Tag der geplanten Nutzung, kann dieser über mehrere Tage seine Kunden nicht richtig bedienen und erleidet einen enormen Schaden. Dieser Betriebsausfallschaden bis zur Ersatzbeschaffung bzw. Instandsetzung wird von der herrschenden Auffassung richtigerweise über § 280 Abs. 1 BGB isoliert abgewickelt.459 Hat der Käufer Interesse am Erhalt der mangelhaften Maschine, etwa weil er sie für einen weniger anspruchsvollen Zweck im Betrieb nutzen kann, dann mindert er den Kaufpreis und verlangt daneben Schadensersatz für den bis zur Ersatzbeschaffung eingetretenen Betriebsausfallschaden.460 Unstreitig kann er diese beiden Rechte nebeneinander verwirklichen.461 Das Problem ist, dass die Minderung ihn dahingehend befriedigt, dass die Sache nur in eingeschränktem Maße genutzt werden kann, der Schadensersatz aber Ersatz für die nicht mögliche Nutzung der Sache zum vertragsgemäßen Zweck bietet. Während die Minderung dabei den abstrakten Verkehrswert zur Bemessung des herabgesetzten Kaufpreises annimmt,462 bemisst sich der Schaden an der konkreten Berechnung der ausgebliebenen Nutzungswerte. Der Gläubiger könnte also zwei an sich gegensätzliche Interessen zeitgleich befriedigen, einerseits Nutzung der tatsächlich gelieferten, aber beschränkt nutzbaren Maschine zu einem reduzierten Kaufpreis und andererseits Ersatz für den Nutzungsausfall für die Maschine mit den geschuldeten Merkmalen. Diesen Widerspruch muss man in den Rechtsfolgen der beiden kombinierbaren Rechte berücksichtigen. Der Käufer muss sich im Wege des Vorteilsausgleichs auf den Betriebsausfallschadensersatz Dasjenige anrechnen lassen, was er durch die Minderung wertmäßig bereits erlangt hat.463 Hier konkurrieren wiederum die Rechtsfolgenregimes zweier Rechte. Der Käufer, der durch die Minderung eine weniger leistungsfähige Maschine zum geringeren Preis erhält, kann nicht zugleich Ersatz für den Nutzungsausfall der leis459 Dazu bereits: S. 243. Ferner: Erman/Westermann, § 280 Rn. 35; BeckOK/Unberath, § 280 Rn. 30; Canaris, Karlsruher Forum 2002, S. 5 (39). Das gleiche Problem stellt sich aber auch bei Annahme der Gegenansicht, die bei Betriebsausfallschäden Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 2; 286 BGB (ohne das Erfordernis der Mahnung) anwendet: Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727 (754), mit weiteren Nachweisen zum gesamten Streitstand; von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (488). 460 Beispiel angelehnt an: von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (486). 461 Dem stimmen sogar Heinrichs bzw. Weidenkaff zu, die sich gegen eine Kumulation von Minderung und Schadensersatz statt der Leistung wenden: Palandt/ Heinrichs, § 281 Rn. 41; Palandt/Weidenkaff, § 441 Rn. 19. 462 Vgl. BGH, BB 1971, 64, 64: Es kommt auf den objektiven Wert der Sache an, nicht, welchen Wert sie für die Vertragsparteien hat. 463 Ähnlich: MüKo/Ernst, § 325 Rn. 27.

J. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Minderungsrecht 297

tungsfähigeren Maschine zum selben Preis verlangen.464 Entweder er hat eine schwächere Leistung zum geringeren Gegenwert oder er erhält vollwertigen Ersatz für den Betriebsausfall bezüglich tatsächlich geschuldeter Leistung, nicht aber beides. Diese Alternativität entspricht der Konkurrenz der Rechtsfolgen, die wir bereits zwischen Rücktritt und Schadensersatzanspruch näher beleuchtet haben. Es gilt das an der Stelle Herausgearbeitete: Dies ist keine elektive Konkurrenz der beiden Rechte, sondern die Verbindung der jeweiligen Rechtsfolgen zu einer Rechnungseinheit, die Vor- und Nachteile des Gläubigers nominal und normativ berücksichtigt.

II. Problem: Die elektive Konkurrenz zwischen Minderung und Schadensersatz statt der Leistung Umstritten ist, ob der Gläubiger das Minderungsrecht neben einem Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 437 Nr. 3; 280 Abs. 1, 3; 281 Abs. 1 BGB ausüben kann. Dieses Problem beschränkt sich auf den kleinen Schadensersatz, denn der große Schadensersatz, also Schadensersatz statt der ganzen Leistung nach § 281 Abs. 1 S. 2, 3 BGB, steht unbestritten in Alternativität zum Minderungsrecht: Wer mindert, behält die mangelhafte Sache gegen die Herabsetzung der Gegenleistung; wer Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangt, gibt hingegen die Sache dem Schuldner zwingend zurück.465 Dies ist ein Fall elektiver Konkurrenz. 1. Problemaufriss a) Beispiel Streitig ist, ob der kleine Schadensersatz neben einer Minderung bestehen kann. Dazu ein Beispiel. Der Käufer eines Neuwagens gibt seinen Gebrauchtwagen (veranschlagter und objektiver Wert: 2.000 e) in Zahlung. Nun stellt sich heraus, dass der Neuwagen defekt ist (Minderwert: 2.000 e) und die geplante Weiterveräußerung an einen interessierten Dritten durch den Käufer platzt (erwarteter Gewinn: 5.000 e). Der Käufer erklärt daraufhin Minderung (2.000 e) und erhält, der vertraglichen Vereinbarung gemäß, seinen Gebrauchtwagen zurück (2.000 e). Es bleibt ein kommerzieller Schaden in Höhe von 5.000 e im Raum stehen.466 Diesen kann er theoretisch nur über einen Schadensersatz statt der Leistung abrechnen. 464 465 466

von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (488). BeckOK/Faust, § 437 Rn. 173. BeckOK/Faust, § 437 Rn. 173.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

b) Streitstand Zum Teil wird vertreten, dass Minderung und kleiner Schadensersatz nicht kombinierbar seien.467 Wer sich so stellt, als habe er eine minderwertige Sache zum verringerten Preis erhalten (Minderung), kann nicht zugleich Ersatz für den entgangenen Gewinn aus einem gescheiterten Weiterverkauf der höherwertig geschuldeten Sache verlangen (Schadensersatz statt der Leistung).468 Was aber, wenn sich – wie im obigen Beispiel – die Minderung für den Gläubiger als die falsche Entscheidung erweist, weil der Schaden doch erheblich größer ist?469 Dieses Problem nimmt die Gegenauffassung zum Anlass, zu vertreten, dass ein solcher Schaden statt der Leistung eben doch neben dem Minderungsverlangen geltend gemacht werden kann.470 Dies gebiete § 325 BGB, der zumindest analog anzuwenden sei. Faust schließlich weist darauf hin, dass in aller Regel eine Kombination von Minderung und Schadensersatz statt der Leistung faktisch sinnlos sei.471 Was der Käufer nämlich durch die Minderung erlangt, muss er sich auf den Schadensersatz anrechnen lassen und umgekehrt. Ist der Schaden größer als der Minderungsbetrag – so bei einem für den Käufer günstigen Vertrag –, wird er den Schadensersatz wählen. In der Regel werde der Vertrag für den Käufer wertmäßig eher ungünstig sein, sodass der Minderungsbetrag höher ist als der Schaden. Der Gläubiger wird sich auf Ersteres beschränken. Diese pauschalen Hinweise taugen jedoch kaum zur Lösung des Problems, da der Käufer vor seiner Wahl nicht so gut informiert ist wie ein objektiver Beobachter der Situation, schon gar nicht wie der Autor von Lehrbuchfällen.472 Diese nachteilhafte Unwissenheit des Gläubigers ist ein generelles Problem der Gläubigerwahlrechte, wie ich schon zum Problem des voreiligen Rücktritts ausgeführt habe. 2. Stellungnahme Meines Erachtens schließen sich Schadensersatz statt der Leistung, auch in der Form des kleinen Schadensersatzes, und Minderung kategorisch aus. Sie stehen in elektiver Konkurrenz. 467

Palandt/Heinrichs, § 281 Rn. 41; Palandt/Weidenkaff, § 441 Rn. 19. von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (488). 469 Anderes Beispiel: Es könnten unvorhergesehene Schadensposten an der Leistung des Schuldners, etwa die zu gering kalkulierte Reparatur des Neuwagens, hinzutreten. Auch das hat der Gläubiger vor seiner Minderung nicht berücksichtigt. 470 von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (489). 471 BeckOK/Faust, § 437 Rn. 173. 472 von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (489). 468

J. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Minderungsrecht 299

a) Vergleich zum Verhältnis zwischen Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung Zunächst stelle ich eine Parallele zum Verhältnis des Rücktrittsrechts zum Schadensersatz statt der Leistung fest. Dort besteht gerade keine elektive Konkurrenz. Es ist eine von 22 Varianten des Schadensersatzes statt der Leistung logisch denkbar, welche mit dem Rücktritt in Einklang zu bringen ist: Das ist der große Schadensersatz (statt der ganzen Leistung), der zudem nach der Differenzmethode berechnet wird.473 Beide Parteien erbringen dabei ihre Leistungen nicht bzw. fordern diese zurück. Zwischen Minderung und Schadensersatz statt der Leistung bestünde keine elektive Konkurrenz, wenn eine der vier denkbaren Varianten des Schadensersatzes statt der Leistung damit vereinbar wäre. Eine solche logische Vereinbarkeit von Minderung und Schadensersatz statt der Leistung ist nur in einer Variante denkbar. Es handelt sich, umgedreht zum Fall des Rücktritts, um die letzte Variante, jene, in der Schuldner und Gläubiger gegenseitig Leistungen erbringen. Dies ist die einzige Konstellation, in der eine synallagmatische Anpassung der Leistungen an einen Mangel, also eine Minderung, erfolgt. Leistung des Gläubigers

Leistung des Schuldners

Minderung?

wird nicht erbracht = Differenzmethode

wird nicht erbracht = Schadensersatz statt der ganzen Leistung (sog. großer Schadensersatz)

keine Kombination

wird nicht erbracht = Differenzmethode

wird erbracht = sog. kleiner Schadensersatz

keine Kombination

wird erbracht = Surrogationsmethode

wird nicht erbracht = Schadensersatz statt der ganzen Leistung (sog. großer Schadensersatz)

keine Kombination

wird erbracht = Surrogationsmethode

wird erbracht = sog. kleiner Schadensersatz

mögliche Kombination

Abb. 10: Kombination der Formen Schadensersatz statt der Leistung mit Minderung 473

S. 269 ff.

300

Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

b) Die Ausschließlichkeit der Rechte Die einzig denkbare Konstellation, die beiderseitige Erbringung von Leistungen und der Verbleib des kleinen Schadensersatzes, ist wegen der besonderen Gestaltungswirkung der Minderung nicht einschlägig. Durch die Minderung schuldet und erbringt der Gläubiger eine andere als die ursprüngliche Gegenleistung. Für diese angepasste Gläubigerleistung gibt es ein wertmäßiges Äquivalent auf Schuldnerseite, und zwar die minderwertige Leistung. Das angepasste Synallagma selbst bedarf keines weiteren Schadensersatzes statt der Leistung, da die neue (geringwertigere) Leistung ja erbracht wurde. Der Vergleich zum Fall des Rücktrittsrechts im Verhältnis zum Schadensersatz „hinkt“: In jenem Fall kompensiert der Schadensersatz weitere Vermögensverluste, also solche, die durch die Rückabwicklung nicht aufgefangen werden. In der Minderung kann von Vermögensverlust keine Rede mehr sein, wenn der Gläubiger die Schlechtleistung zu einem geringen Preis „abkauft“. Daher gilt: Für den Fall gegenseitiger Leistungserbringung gibt es eine Variante des Schadensersatzes statt der Leistung, die damit denkbar in Einklang zu bringen ist, weil nur dort beide Parteien gegenseitige Leistungen erbringen (Surrogationsmethode, kleiner Schadensersatz). Diese Variante greift aber nicht, da durch die Minderung hier andere (geminderte) Leistungen als die ursprünglichen gemeint sind. Im obigen Beispiel stelle ich daher zunächst eine klare Ausschließlichkeit der Rechte fest. Der Käufer wird durch die Rückgewähr des in Zahlung gegebenen Fahrzeugs so gestellt, als hätte er von Anfang an einen defekten Neuwagen gewollt und für diesen einen um 2.000 e geringeren Kaupreis vereinbart. Das ist auch der Sinn und Zweck der Minderung: Die Freiheit des Käufers, zum status quo ante zurückzukehren, gewährt allein der Rücktritt. Die Minderung hingegen gleicht nur den Mangelunwert der ansonsten akzeptierten Leistung aus. Wird nun der Käufer so behandelt, als hätte er gegen einen geringeren Kaufpreis den defekten Neuwagen „gekauft“, so darf nichts anderes im Hinblick auf die Weiterveräußerung gelten. Den defekten Neuwagen hätte der Käufer keinesfalls an den Dritten für 5.000 e Gewinn weiterveräußern können. Darum schließen sich denknotwendig die Minderung der Gegenleistung und der Schadensersatz statt der Leistung mitsamt dem Gewinn aus. Es besteht zwischen den beiden Rechten eine logische Ausschließlichkeit, mithin eine elektive Konkurrenz. c) Offenes Problem: Die voreilige Minderung Die Bedenken, man müsse bei solch wirtschaftlich nachteilhafter Wirkung der Minderung zum Schadensersatz statt der Leistung übergehen können, sind richtig. Sie haben aber mit dem Verhältnis der Rechte zueinander

J. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Minderungsrecht 301

nichts zu tun. Eine derartige Argumentation vermischt die Frage der Konkurrenz der Rechte mit der Frage der Bindungswirkung der Minderung. Sie beabsichtigt, die Bindungswirkung an die Wahl der Minderung durch eine Kombinationsmöglichkeit zugunsten des Gläubigers faktisch auszuhebeln.474 Das geht fehl, da die Frage, ob zwei Rechte im Grundsatz und in ihren Folgen miteinander kombinierbar sind, von der Frage, ob ich mit der Wahl eines Rechtes an dessen Wirkung endgültig gebunden bin, eindeutig zu trennen ist. Insofern überschneidet sich die Argumentation mit den Streitständen zur Schadensersatzwahl bei Rücktritt. Auch dort gibt es den Fall, dass sich der einmal erklärte Rücktritt als nachteilhaft herausstellt. Dies rührt aber nicht am Verhältnis von Schadensersatz und Rücktritt zueinander. Sondern es wirft die Frage auf, ob die einmal getroffene Entscheidung des Rücktritts rückgängig gemacht werden kann.475 Wenn ich also feststelle, Schadensersatz statt der Leistung und Minderung stehen in elektiver Konkurrenz, habe ich nur die erste Frage nach dem Verhältnis der Rechte beantwortet. Dem Gläubiger, der sein Geschäft mit dem Dritten abschreiben muss, ist dadurch nicht geholfen. Wirtschaftlich wäre es im Nachhinein besser gewesen, gleich Schadensersatz statt der Leistung vom Verkäufer zu verlangen. Dieser hätte den Mangelunwert des Neuwagens (2.000 e) und den ausbleibenden Erlös aus der Weiterveräußerung (5.000 e) erfasst. Ist der Gläubiger – das ist die zweite Frage – an seine Minderung gebunden oder kann er noch einmal zur Wahl zwischen Schadensersatz statt der Leistung und Minderung zurückkehren? Ich verweise zur Beantwortung dieser Frage auf spätere Ausführungen zum sog. ius variandi,476 skizziere diese aber kurz. Wie schon zum gleichgelagerten Problem beim voreiligen Rücktritt bemerkt, liegt die Hürde für ein ius variandi des Gestaltungsrechts im traditionellen Dogma der Unwiderruflichkeit eines Gestaltungsrechts. Die Gegenauffassung in der Literatur hat zu Recht bemerkt, dass es eine endgültige Bindungswirkung des Gestaltungsrechts aber nur dort geben kann, wo sie dem Zweck des Dogmas gerecht wird, also dann, wenn der Schuldner als Erklärungsempfänger schutzwürdig ist. Ob ein ius variandi zwischen den Sekundärrechten ungeachtet der Konstruktion des Rechts möglich ist, muss man folglich anhand einer Zweckbetrachtung beantworten. Die Argumente, die berechtigterweise zu einem Wechsel zwischen sämtlichen Sekundärrechten nach altem Recht geäußert wurden, verfangen durch die Änderungen der Schuldrechtsreform nur bedingt. Für ein ius variandi streitet auch nicht § 325 BGB. Die oben genannte Gegenauffassung wendet für das Problem der voreiligen Min474 475 476

von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (489). Siehe dazu: S. 286. Näher dazu: S. 420 ff.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

derung eben diesen § 325 BGB analog an, um trotz der logischen Ausschließlichkeit der beiden Rechte den Ersatzanspruch statt der Leistung neben der Minderung zuzulassen.477 Rechnerisch laufe das auf dasselbe Ergebnis hinaus, als hätte der Käufer von Anfang an Schadensersatz statt der Leistung verlangt. Meines Erachtens handelt es sich dabei aber keineswegs um eine rechnerische Kumulation von Minderung und Schadensersatz statt der Leistung, sondern um eine Abkehr von der endgültigen Bindungswirkung der Minderungserklärung. Die Kombinationsregel § 325 BGB wird damit in ihrer Bedeutung überdehnt: Sie gewährt dem Gläubiger kein ius variandi. d) Fazit: Die elektive Konkurrenz zwischen Minderung und Schadensersatz statt der Leistung Unabhängig von der Frage der Bindungswirkung der Minderung stelle ich hier fest: Minderung und Schadensersatz statt der Leistung in den Formen des kleinen und des großen Schadensersatzes schließen sich aus. Sie stehen in elektiver Konkurrenz.

III. Logische Einordnung des Verhältnisses zwischen Schadensersatz und Minderung 1. Das Verhältnis zwischen Schadensersatz neben der Leistung und Minderung Schadensersatzanspruch neben der Leistung und Minderungsrecht stehen in keiner Alternativität zueinander. Beide Rechte lassen sich nebeneinander verwirklichen. Es handelt sich dabei aussagenlogisch um dieselbe Beziehung wie zwischen Rücktritt und Schadensersatzanspruch.478 Auch dort stehen die Möglichkeiten des Schadensersatzanspruchs (Option b) und des Minderungsrechts (Option c) nebeneinander. Hier hat der Gläubiger vier Varianten zur Auswahl. Er kann Schadensersatz verlangen und mindern (Kombination beider Rechte). Er kann aber auch nur Schadensersatz oder nur Minderung durchsetzen (isolierte Geltendmachung eines Rechts). Letztlich kann er auch auf beide Rechte verzichten (Ausübung weder des einen noch des anderen Rechts). Zwischen den beiden Sekundärrechten besteht folglich eine Tautologie: Ereignis x ! b > c. 477 478

von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (489). Vgl.: S. 266 ff.

J. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Minderungsrecht 303

Grundlage hierfür ist, dass durch die Staffelung der Leistungsstörungsrechte im heutigen Schuldrecht die Primäroption des Gläubigers, also der Primäranspruch, auch nach erfolglosem Fristablauf erhalten bleibt. Im Kontext des Minderungsrechts, welches nur im besonderen Schuldrecht des Kauf- und Werkvertrags besteht, handelt es sich dabei zwingend um den Nacherfüllungsanspruch des Gläubigers, §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB bzw. §§ 634 Nr. 1, 635 Abs. 1 BGB. Dieser ist die für den Mangelfall konzipierte Modifikation des vertraglichen Erfüllungsanspruchs.479 Unter Berücksichtigung dieses Nacherfüllungsanspruchs (Option a) können wir attestieren, dass Schadensersatz und Minderung auch überhaupt nicht gewählt werden können. Dann bleibt es beim Primäranspruch in der modifizierten480 Form. Aussagenlogisch werden die jeweiligen Beziehungen dieses Nacherfüllungsanspruchs zum Schadensersatz bzw. zur Minderung berücksichtigt. Somit gilt: Schadensersatz und Minderung stehen zwar in einer Tautologie: Leistungsstörung ! Nacherfüllungsanspruch Leistungsstörung und Fristablauf ! (Schadensersatz neben der Leistung > Minderung). Zugleich gilt aber auch: Der Nacherfüllungsanspruch besteht und schließt die Minderung aus:481 Leistungsstörung ! Nacherfüllungsanspruch Leistungsstörung und Fristablauf ! (Nacherfüllungsanspruch # Minderung). Der Nacherfüllungsanspruch kann aber gleichzeitig mit dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung kombiniert werden. In dieser Beziehung gilt: Leistungsstörung ! (Nacherfüllungsanspruch _ Schadensersatz neben der Leistung). 2. Das Verhältnis zwischen Schadensersatz statt der Leistung und Minderung Die primäre Option des Gläubigers ist der Nacherfüllungsanspruch. Zwischen diesem und der Minderung besteht eine Kontravalenz. Gleiches gilt 479 480 481

Dazu bereits: S. 147 ff. Ackermann, JZ 2002, 378 (378). Vgl. bereits: S. 229 ff.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

im Verhältnis des Primäranspruchs zum Schadensersatz statt der (ganzen) Leistung. Auch der Schadensersatz statt der (ganzen) Leistung und das Minderungsrecht schließen sich aus. Dieses Verhältnis ist aber eine schwache Ausschließlichkeit, da der Gläubiger eines der beiden Rechte isoliert geltend machen kann. Er kann aber auch auf beide zugunsten der Nacherfüllung verzichten. Ausgeschlossen ist nur, dass er sowohl mindert als auch Schadensersatz statt der Leistung verlangt. Dies ist eine logische Exklusion. Daraus entnehme ich folgendes Bild: Leistungsstörung ! Nacherfüllungsanspruch Leistungsstörung und Fristablauf ! (Nacherfüllungsanspruch # (Schadensersatz statt der Leistung / Minderung)).

IV. Vergleich zu CISG, PECL und DCFR Auch im internationalen Vergleich gilt: Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Partei, wenn sie den Preis mindert, nicht in gleicher Höhe Schadensersatz verlangen darf.482 Ersatz für Schäden, die darüber hinausgehen, wird nach CISG, PECL und DCFR ausdrücklich neben weiteren Rechtsbehelfen, also auch dem Minderungsrecht, gewährt. Da es sich hier jeweils um einen einheitlichen Tatbestand des Schadensersatzes für Schäden neben und statt der Leistung handelt, ist keine elektive Konkurrenz zum Minderungsrecht gegeben, sondern eine Reduktion des Schadensersatzanspruchs auf Schäden, die über den Minderwert der Sache hinausgehen. Im Übrigen bestehen keine Unterschiede zum BGB. 1. Art. 45 Abs. 1 b), 2 und Art. 50 CISG Dem Käufer steht nach Art. 50 CISG das Recht zu, bei nicht vertragsgemäßer Ware den Kaufpreis zu mindern. Dieses Gestaltungsrecht schließt nach Maßgabe des Art. 45 Abs. 2 CISG nicht aus, dass der Käufer zudem einen Schadensersatz geltend macht. Es besteht eine Parallele zum BGB: Sofern sich der Schaden auf den Minderwert der Sache beschränkt, kann der Käufer nicht beide Rechte verwirklichen. Den Minderwert der Ware erhält der Käufer also entweder über den Schadenersatzanspruch nach Art. 45 Abs. 1 b) CISG ersetzt oder über die Minderung nach Art. 50 CISG als Herabsenkung seines Kaufpreises berücksichtigt. Insofern schließen sich Schadensersatz und Minderung aus. Es handelt sich aber, wie schon im Ver482

Ausdrücklich zu den PECL: von Bar/Zimmermann, PECL, S. 525.

J. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Minderungsrecht 305

hältnis des Schadensersatzes zur Vertragsaufhebung bemerkt, nicht um eine elektive Konkurrenz der Rechte, da der Schadensersatzanspruch im CISG ein einheitlicher Rechtsbehelf für Schäden neben und statt der Leistung ist. Neben der Minderung ist ein Schadensersatz wegen Verzögerungs-, Begleitoder Folgeschäden nicht ausgeschlossen. Wenn der Käufer mindert, bleibt ihm nur der Schadensersatz statt der Leistung verwehrt.483 2. Art. 9:401 (3) PECL und Art. III.-3:601 (3) DCFR Nichts anderes als zum BGB und zum CISG gilt auch für das Verhältnis der Minderung zum Schadensersatz nach PECL und Gemeinsamem Referenzrahmen. Beide Modelle sehen mit Art. 9:401 (3) PECL und Art. III.-3:601 (3) DCFR jeweils sogar eine ausdrückliche Regelung im Rahmen des Minderungsrechtsbehelfs484 vor. Dem Wortlaut nach ist darin zunächst eine ausdrückliche Sperre des Schadensersatzes statt der Leistung bei Minderung vorgesehen („so kann sie nicht auch noch“, „cannot also recover“). Das betrifft dieselben Fälle wie zum BGB bereits erläutert.485 Es handelt sich um eine ausdrückliche Ausnahme der Generalkombinationsregeln Art. 8:102 PECL bzw. Art. III.-3:102 DCFR.486 Über den Minderwert hinausgehende Schäden bleiben dem Wortlaut der Regelungen Art. 9:401 (3) PECL und Art. III.-3:601 (3) DCFR explizit von der Sperre ausgenommen („sie bleibt jedoch berechtigt“, „but remains entitled“). Auch das entspricht der deutschen Rechtslage. Anders als im BGB stellt die Wortlautsperre der Art. 9:401 (3) PECL und Art. III.-3:601 (3) DCFR keine elektive Konkurrenz zweier Rechte dar. Vielmehr drückt das Modellgesetz damit nur aus, dass sich der einheitliche Schadensersatzrechtsbehelf auf solche Schäden reduziert, die neben der Leistung verlangt werden.

V. Fazit: Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Minderungsrecht Das Minderungsrecht und der Schadensersatzanspruch neben der Leistung stehen nicht in elektiver Konkurrenz. Eine elektive Konkurrenz besteht aber zwischen dem Minderungsrecht und dem Schadensersatz statt der Leistung. Das gilt sowohl für den kleinen als auch den großen Schadensersatzanspruch. Logische Parallelen zum Rücktrittsrecht über § 325 BGB schei483

MüKo/Huber, Art. 50 CISG Rn. 30. Art. III.-3:601 DCFR gewährt, anders als im deutschen Recht, einen allgemeinen Rechtsbehelf der Minderung für alle Schuldverhältnisse. 485 Beispiel auch bei: von Bar/Zimmermann, PECL, S. 523/524. 486 von Bar/Zimmermann, PECL, S. 523. 484

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tern im Hinblick auf dieses Verhältnis. Das liegt an der besonderen Wirkung der Minderung. Neben diese beiden Rechte tritt die vorrangige Option der Nacherfüllung. Daher stehen die Sekundärrechte zueinander in einem schwachen Oder, zum Primäranspruch aber in einem Entweder-oder. Schadensersatz wird nach CISG, PECL und DCFR neben dem Minderungsrecht gewährt: Es besteht keine elektive Konkurrenz. Da es sich hier jeweils um einen einheitlichen Tatbestand des Schadensersatzes für Schäden neben und statt der Leistung handelt, erfolgt eine Reduktion des Schadensersatzanspruchs auf Schäden, die über den Minderwert der Sache hinausgehen.

K. Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Aufwendungsersatzanspruch Der Gläubiger kann im Vertrauen auf die Leistung des Schuldners Aufwendungen getätigt haben, die er ersetzt haben möchte. Dies gewährt der Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 284 BGB, den man ins Verhältnis zum Schadensersatzanspruch setzen kann. Im Verhältnis zum Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung handelt es sich um eine elektive Konkurrenz. Diese kann in den Fällen ideeller Aufwendungen entgegen verbreiteter Auffassung nicht aus Wertungsgesichtspunkten zugunsten einer Kumulation der Ansprüche aufgebrochen werden.

I. Die Alternativität zwischen Schadensersatzanspruch und Aufwendungsersatzanspruch 1. Die elektive Konkurrenz zwischen Schadensersatz statt der Leistung und Aufwendungsersatz Der Aufwendungsersatzanspruch aus § 284 BGB ist ein selbständiges Forderungsrecht, das von den Schadensersatzansprüchen klar zu trennen ist.487 Es betrifft der Rechtsfolge nach keine Schäden, sondern durch den Gläubiger im Hinblick auf den Erhalt der Leistung gemachte freiwillige Vermögensopfer.488 Der Gesetzgeber hat durch die Formulierung „anstelle“ 487

AnwKomm/Dauner-Lieb, § 284 Rn. 2; Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rn. 222; Reim, NJW 2003, 3662 (3663); a. A.: Canaris, JZ 2001, 499 (517). 488 Einhellige Auffassung, vgl. nur: BGH, NJW 2005, 2848, 2850; Palandt/Heinrichs, § 284 Rn. 5; zur geschichtlichen Entwicklung des Begriffs: Staudinger/Otto, § 284 Rn. 2.

K. Schadensersatzanspruch und Aufwendungsersatzanspruch

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in § 284 BGB klargestellt, dass der Aufwendungsersatzanspruch nicht mit dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung kombinierbar ist. Insofern gilt eine klare Alternativität zwischen beiden Ansprüchen.489 Diese fußt auf der Alternativität von positivem Interesse und Aufwendungsersatz. So kann nicht dasselbe Leistungsinteresse doppelt befriedigt werden, einmal dadurch, dass der Gläubiger anstelle des Leistungsobjekts ein Geldäquivalent erhält, und zum zweiten Mal dadurch, dass dem Gläubiger die getätigten Aufwendungen ausgeglichen werden.490 Der Gläubiger soll sich entscheiden, ob er auf die Vorteile aus dem Vertragsschluss im Wege des Schadensersatzes besteht oder lieber den Zustand wieder hergestellt haben möchte, der ohne den Vertrag bestünde.491 In letzterem Fall greift der Aufwendungsersatz, der keine möglichen Alternativgewinne erfasst und somit gar hinter einem Ersatz des negativen Interesses zurückbleibt.492 2. Frühere Rechtslage: Die Rentabilitätsvermutung Die Alternativität muss man aber auch vor dem Hintergrund der früheren Rechtslage verstehen. Die Rechtsprechung setzte richtigerweise die freiwilligen Vermögensopfer (Aufwendungen) nicht mit den Schäden gleich, sodass diese nicht von den Schadensersatznormen erfasst waren.493 Stattdessen wurde zu Gunsten des Gläubigers vermutet, dass bei anzunehmender Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung im Vertrauen auf den Vertrag gemachte Aufwendungen bei ordentlicher Erfüllung so einträglich gewesen wären, dass sich deren Vorleistung rentieren würde. Dies ist die sog. Rentabilitätsvermutung.494 Damit konnte der Gläubiger diese Aufwendungen als Leistungsdefizit in die Schadensberechnung einbringen. Diese Vermutung galt jedoch nur für solche Aufwendungen, für die eine wirtschaftliche Rentabilität von vorneherein nicht ausgeschlossen ist. Ausgenommen von der Ersatzfähigkeit waren damit ideelle oder konsumptive Zwecke der Aufwendung.495 Eine ersatzfähige Aufwendung war hiernach 489

Staudinger/Otto, § 284 Rn. 18; MüKo/Ernst, § 284 Rn. 30. MüKo/Ernst, § 284 Rn. 29. 491 Staudinger/Otto, § 284 Rn. 1. 492 Herrschende Meinung, vgl. nur: Palandt/Heinrichs, § 284 Rn. 8; Erman/Westermann, § 284 Rn. 3. 493 Streng genommen sind Aufwendungen Vermögensopfer, die ohnehin, also auch bei ordentlicher Erfüllung angefallen wären. Es fehlt also an der haftungsausfüllenden Kausalität: Staudinger/Otto, § 284 Rn. 2. 494 St. Rspr.: BGHZ 57, 78, 80; 71, 234, 238; 114, 193, 196; ebenso die Literatur, vgl. Übersicht bei: Palandt/Heinrichs, § 281 Rn. 23. Dazu auch: Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 351. 495 Canaris, JZ 2001, 499 (516). 490

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

zum Beispiel der Erwerb einer Kutsche, die der Käufer mitsamt dem geschuldeten, aber nicht gelieferten Pferd für kommerzielle Hochzeitsfahrten nutzen wollte. Nicht ersatzfähig, weil nicht von der Rentabilitätsvermutung erfasst, war hingegen die voreilig gezahlte Anmeldegebühr für ein karitatives Reitturnier.496 3. Heutige Rechtslage: Die Rentabilitätsvermutung Entgegen der Gesetzesbegründung497 wird heute nach wie vor überwiegend vertreten, dass Aufwendungen im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung nach den Grundsätzen der Rentabilitätsvermutung berücksichtigt werden können.498 Die Rechte des Gläubigers würden bei Wegfall dieser gläubigerbegünstigenden Vermutung entgegen der Absicht des neuen § 284 BGB gerade beschränkt und nicht erweitert.499 Soweit also im Schadensersatz statt der Leistung nach wie vor wirtschaftlich rentable Aufwendungen ersetzt werden, schließt § 284 BGB zugunsten des immateriell Geschädigten lediglich eine Schutzlücke für darüber hinausgehende ideelle oder konsumptive Zwecke.500 Sofern man dieser Sicht folgt und § 284 BGB nicht durch Erledigung der Rentabilitätsvermutung als abschließenden Ersatzanspruch für sämtliche Aufwendungen betrachtet,501 könnte man den Schluss ziehen, dass § 284 BGB nur für sonstige nicht rentable Aufwendungen gilt. Entgegen dieser vereinzelt vertretenen Ansicht502 behält § 284 BGB n. F. aber die Trennung von rentablen und ideellen bzw. konsumptiven Zwecken nicht bei.503 Vielmehr gilt § 284 BGB als eigenständige An496

Beispiel entlehnt: Kleine/Scholl, NJW 2006, 3462 (3466). Regierungsentwurf, BT-Drs. 14/6040, S. 144: Es kommt danach auf die Rentabilitätsvermutung „künftig nicht mehr an“. 498 Canaris, JZ 2001, 499, 517; Gsell in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, 318 (324); Staudinger/Otto, § 284 Rn. 12; MüKo/ Ernst, § 284 Rn. 35; BeckOK/Unberath, § 284 Rn. 4; Palandt/Heinrichs, § 284 Rn. 8. 499 Staudinger/Otto, § 284 Rn. 12. Die angeordnete Konkurrenz der Rechte („anstelle“) wird als Konstruktionsfehler kritisiert: Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, S. 222 Rn. 440. Der Fortbestand der Rentabilitätsvermutung im heutigen Recht ist danach der zu billigende Versuch, diesen auszumerzen. 500 Medicus, JuS 2003, 521 (523). 501 So aber die Gegenauffassung, insofern der Gesetzesbegründung folgend: AnwKomm/Dauner-Lieb, § 284 Rn. 5; Schellhammer, MDR 2002, 301 (305) mit weiteren Nachweisen. 502 So: Heinrichs in der 63. Auflage des Palandt (2004): § 284 Rn. 4; heute jedoch abweichend, vgl.: Palandt/Heinrichs (ab 64. Auflage, 2005), § 284 Rn. 4; evtl. auch: Jauernig/Vollkommer, § 284 Rn. 2. 503 Gsell in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, 318 (324). 497

K. Schadensersatzanspruch und Aufwendungsersatzanspruch

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spruchsgrundlage für sämtliche Aufwendungen einheitlich, sowohl kommerzielle als auch rein ideelle bzw. konsumptive.504 Die vormalige Diskriminierung505 ideeller bzw. konsumptiver Zwecke ist aus normativer und prozessualer506 Sicht mit heutiger Rechtslage überholt.507 4. Fazit: Die Alternativität zwischen Schadensersatzanspruch und Aufwendungsersatzanspruch Daraus folgt, dass Schadensersatz statt der Leistung und Aufwendungsersatz dem Wortlaut des § 284 BGB nach in einer strikten Alternativität stehen. Soweit der Gläubiger sein Interesse nach dem einen oder dem anderen Anspruch zugleich befriedigen kann, stehen diese Forderungsrechte in elektiver Konkurrenz. Das erklärt sich auf zweierlei Art und Weise. Folgt man der Ansicht, welche die Rentabilitätsvermutung weiterhin anerkennt, stehen beide Ansprüche hinsichtlich derselben kommerziellen Aufwendungen schon deshalb in Konkurrenz, weil der Gläubiger ja hinsichtlich derselben Vermögensopfer doppelt befriedigt werden kann. Er bekommt logischerweise nur einmal seine kommerziellen Aufwendungen ersetzt. Selbst wenn man die kommerziellen Aufwendungen nicht länger unter dem Deckmantel der Rentabilität als Schaden statt der Leistung ersetzt, stehen Ersatzanspruch statt der Leistung und Aufwendungsersatzanspruch nach § 284 BGB diesbezüglich in elektiver Konkurrenz. Denn richtigerweise darf der Gläubiger nicht entgangenen Gewinn und Ersatz der Aufwendungen, die er zur Erzielung des Gewinns getätigt hat und die er bei ordentlicher Leistung auch zu tragen gehabt hätte, verlangen.508 Der Gläubiger würde hinsichtlich seines Risikos an der Vertragsdurchführung übervorteilt, denn er stünde, als wäre der Vertrag nicht erfüllt worden und gleichzeitig, als hätte es den Vertrag niemals gegeben. 504 Grundlegend: BGH, Urteil vom 20.07.2005 (Az.: VIII ZR 275/04), in: NJW 2005, 2848 ff., mit Bezug auf den gesetzgeberischen Willen: Regierungsentwurf, BT-Drs. 14/6040, S. 142 ff. 505 Canaris, JZ 2001, 499, 517. 506 Gsell in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, 318 (324): Das Ergebnis ist kurios, denn der § 284 BGB legt dem Schuldner die Beweislast für die Pflichtverletzung auf, sodass der Gläubiger evtl. leichter aus einem Aufwendungsersatz für ideelle Vermögensopfer vorgehen kann als aus einem Schadensersatzanspruch für materielle Vermögensopfer. Das ist im BGB gerade umgekehrt im Regel-Ausnahme-Prinzip des Schadensersatzrechts bzgl. materieller bzw. immaterieller Schäden, siehe § 253 Abs. 2 BGB. 507 Staudinger/Otto, § 284 Rn. 13. 508 Lorenz, Karlsruher Forum 2005, S. 84; BeckOK/Unberath, § 284 Rn. 6; anderer Ansicht: Stoppel, AcP 204 (2004), 81 (87).

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

II. Keine Alternativität zwischen Schadensersatzanspruch und Aufwendungsersatzanspruch 1. Der Schadensersatz neben der Leistung a) Grundsatz: Keine elektive Konkurrenz Schadensersatz und Aufwendungsersatz können auch kombinierbar sein. Das ist grundsätzlich bei Fällen des Schadensersatzes neben der Leistung der Fall.509 Denn § 284 BGB präzisiert die – etwa für das Kaufrecht vermeintlich sich aus § 437 Nr. 3 BGB („oder“) ergebende –510 generelle Alternativität zwischen Schadensersatzanspruch und Aufwendungsersatzanspruch dahingehend, dass diese nur für Fälle des Ersatzes statt der Leistung gilt. So stuft der Bundesgerichtshof zum Beispiel die Gutachterkosten zur Beweissicherung des Sachmangels als Schadensersatz neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB ein und stellt fest, dass dieser schon seiner Art nach nicht alternativ zum Aufwendungsersatz steht.511 Gleiches gilt für Schäden wegen Verzögerung der Leistung,512 also etwa die zeitweiligen Mietkosten für die Ersatzsache. b) Ausnahme: Elektive Konkurrenz In Alternativität stehen nach Ansicht von Gsell Schadensersatz neben der Leistung und Aufwendungsersatz jedoch in den Fällen, in denen der Gläubiger aus beiden Ansprüchen Kompensation „desselben Interesses“ erreicht und er folglich doppelt befriedigt würde.513 Hier soll die für Schadensersatz statt der Leistung angeordnete Alternativität in § 284 BGB teleologisch auf Schadensersatz neben der Leistung erweitert werden. Der Pferdekäufer etwa erhält nicht Ersatz des Gewinns aus der wegen der Lieferungsverzögerung verpassten Pferdeschau und zugleich Ersatz des dafür gekauften Pferdeschmucks, ohne den der Gewinn niemals zu erwarten gewesen wäre.514 Die Gewinnererwartungen als Verzögerungsschaden wären nicht existent, wenn in Vorschau auf diese nicht Aufwendungen getätigt worden wären. Richtigerweise darf der Gläubiger hier nicht Schadensersatz neben der Leis509

BGH, NJW 2005, 2848, 2850; AnwKomm/Dauner-Lieb, § 284 Rn. 5. BGH, NJW 2005, 2848, 2850. 511 BGH, NJW 2005, 2848, 2850. 512 BeckOK/Unberath, § 284 Rn. 7. 513 Gsell, NJW 2006, 125 (126); im Ergebnis ebenso: Weitemeyer, AcP 205 (2005), 275 (287). 514 Gsell, NJW 2006, 125 (126). 510

K. Schadensersatzanspruch und Aufwendungsersatzanspruch

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tung nach §§ 280 Abs. 1, 2; 286; 252 BGB verlangen und zugleich die Aufwendungen nach § 284 BGB in Rechnung stellen. Schadensersatz neben der Leistung und Aufwendungsersatz stehen in einer Alternativität, welche der Gläubiger durch seine Wahlentscheidung lösen muss. Dies ist eine elektive Konkurrenz, auf die die Alternativität gemäß § 284 BGB teleologisch erweitert515 werden muss. 2. Ausnahme bei Schadensersatz statt der Leistung: Keine elektive Konkurrenz? Vertreten wird umgekehrt, dass die Alternativität zwischen Aufwendungsersatz und Schadensersatz statt der Leistung im Einzelfall teleologisch aufgebrochen werden muss. Dies sei dort der Fall, wo der Gläubiger bei Anwendung beider Ansprüche nicht hinsichtlich desselben Nachteils doppelt begünstigt würde.516 Das ist namentlich so bei rein ideellen bzw. konsumptiven Zwecken der Aufwendung, da diese ohnehin nicht unter den Schadensersatz statt der Leistung fallen.517 Als Beispiel dient der im Hinblick auf die Leistung des geschuldeten Bildes angefertigte Rahmen, der nicht anderweitig verwendet werden kann, das Bild aber auch nicht sonst in seinem Wert steigert.518 Diese Aufwendung ist rein ideell und ist nicht mit dem Schaden kongruent, der durch das Ausbleiben des Bildes entsteht. Der Gläubiger würde also nicht doppelt begünstigt, wenn er beides ersetzt bekommen würde. Warum also soll man hier die Alternativität des § 284 BGB nicht zugunsten des Gläubigers teleologisch reduzieren?519 Die Antwort ergibt sich aus dem soeben Gesagten: weil es der Entstehungsgeschichte, dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Norm widerspricht. Der Konzeption des § 284 BGB nach soll sich der Gläubiger für einen der beiden Ansprüche entscheiden und nur einmal abrechnen, nicht einzelne Vermögensnachteile nach § 284 BGB abgelten und sich so an den erlittenen Gesamtschaden faktisch mittelbar „herantasten“520. Der Anspruch aus § 284 BGB, der leichter darzulegen und zu beweisen ist, soll nur dem Gläubiger seinen „Mindestschaden“ ersetzen, nicht den Gläubiger durch die Anhäufung von Schadensposten übervorteilen.521 Damit bleibt es richtigerweise bei der strengen Anwendung des Wortlauts: Scha515 516 517 518 519 520 521

Gsell, NJW 2006, 125 (126). Gsell, NJW 2006, 125 (126). Erman/Westermann, § 284 Rn. 9; Canaris, JZ 2001, 499 (517). Canaris, JZ 2001, 499 (517). Vorschlag von: Canaris, JZ 2001, 499 (517). Staudinger/Otto, § 284 Rn. 19. Staudinger/Otto, § 284 Rn. 19.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

densersatz statt der Leistung und Aufwendungsersatz stehen in strikter Alternativität.522

III. Logische Einordnung des Verhältnisses zwischen den Rechten Soweit Aufwendungsersatz und Schadensersatz sich gegenseitig ausschließen, stehen sie in elektiver Konkurrenz. Diese Alternativität heißt, der Gläubiger kann nicht Schadensersatz statt der Leistung und Aufwendungsersatz zugleich durchsetzen.523 Gleichwohl liegt kein Entweder-oder im Sinne einer Kontravalenz vor, da der Gläubiger zwar nur eine der Varianten geltend machen, aber ebenso gut auch keinen der Ansprüche nutzen kann. Dies ist möglich, weil der Gläubiger, wenn er auf diese Sekundärrechte verzichtet, nach erfolglosem Ablauf der notwendigen Leistungsfrist seinen Primäranspruch (Option a) behält. Insofern deckt sich die aussagenlogische Darstellung mit den bereits untersuchten Sekundärrechten. Zwischen Aufwendungsersatz (Option c) und alternativem Schadensersatz (Option b) besteht folglich eine schwache Ausschließlichkeit, eine Exklusion: Ereignis x ! b / c. Zwischen dem Primäranspruch und dem Schadensersatz statt der Leistung besteht eine Kontravalenz. Aufgrund der tatbestandlichen Verwandtschaft zum Schadensersatz statt der Leistung gilt dasselbe folgerichtig für den Aufwendungsersatz. Dieser steht ebenso in einem Entweder-oder zum Primäranspruch. Somit gilt: Begründung des Schuldverhältnisses ! Primäranspruch Leistungsstörung und Fristablauf ! (Primäranspruch # (Schadensersatz / Aufwendungsersatz)).

IV. Vergleich zu CISG, PECL und DCFR Eine eigenständige Anspruchsgrundlage für den Ersatz von Aufwendungen wie § 284 BGB kennen CISG, PECL und DCFR nicht. Aufwendungen 522

Ebenso: MüKo/Ernst, § 284 Rn. 30; Palandt/Heinrichs, § 284 Rn. 5; im Ergebnis auch: BGH, NJW 2005, 2848, 2850. Anderer Ansicht: Gsell, NJW 2006, 125 (126); Canaris, JZ 2001, 499 (517); Stoppel, AcP 204 (2004), 81, 108; für einzelfallbezogene Kumulation beider Ansprüche: BeckOK/Unberath, § 284 Rn. 6. 523 Das gilt nach der hier vertretenen Auffassung auch für Schadensersatz neben der Leistung, soweit er sich mit dem Aufwendungsersatz nicht verträgt.

K. Schadensersatzanspruch und Aufwendungsersatzanspruch

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werden über den Schadensersatzanspruch abgedeckt. Es gilt die deutsche Rentabilitätsvermutung entsprechend: Wirtschaftlich frustrierte Aufwendungen, die man in Erwartung der Vertragserfüllung vergebens gemacht hat, werden als Schaden abgegolten. Daher besteht auch keine Konkurrenz zum Schadensersatz: Aufwendungsersatz ist ein Teil des Schadensersatzes. 1. Art. 74 CISG Der einheitliche Schadensersatzanspruch nach CISG schützt positives und negatives Interesse, vgl. Art 74 CISG. Es gilt der Grundsatz der Totalreparation. Frustrierte Aufwendungen werden als Folgeschäden einer erwarteten Vertragserfüllung behandelt.524 Das bedeutet zum einen, dass es sich um frustrierte Aufwendungen handeln muss, also Vermögensopfer, die der Gläubiger im Vertrauen auf die Schuldnerleistung erbracht hat. Bleibt die ordentliche Leistung aus, sind diese Aufwendungen sinnlos geworden. Sie müssen aus Sicht einer verständigen Person angemessen und geeignet gewesen sein, dem wirtschaftlichen Ziel des Gläubigers zu dienen. Die Aufwendungen werden dann, wie zum BGB vertreten, als rentabel vermutet und dem geschützten Schaden zugewiesen. Die sog. Rentabilitätsvermutung gilt also für das CISG entsprechend.525 Sie kann jedoch erst greifen, wenn die Hürde der Voraussehbarkeit des Schadens genommen ist, Art. 74 S. 2 CISG.526 Eine eigenständige Anspruchsgrundlage für (weitergehende) Aufwendungen, die vergleichbar mit § 284 BGB wäre, kennt das CISG nicht.527 Eine Konkurrenz zwischen dem Ersatzanspruch bzgl. des positiven Interesses und dem Aufwendungsersatz gibt es daher nicht. Frustrierte, weil vermutlich rentable Aufwendungen sind Schäden, die durch den einheitlichen Ersatzanspruch ersetzt werden. 2. Art. 9:502 PECL und Art. III.-3:702 DCFR Nichts anderes als zum CISG gilt für die entsprechenden Regelungsmodelle Art. 9:502 PECL und Art. III.-3:702 DCFR. Die frustrierten Aufwendungen sind ein Teil des einheitlichen Schadensersatzrechtsbehelfs. Ein Unterschied muss jedoch bemerkt werden. Im Gegensatz zum CISG erfasst 524 MüKo/Huber, Art. 74 CISG Rn. 47; Staudinger/Magnus, Art. 74 CISG Rn. 53. 525 Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, S. 200 Rn. 308. 526 Dies kann unter Umständen problematisch sein: Schlechtriem/Stoll, Art. 74 Rn. 3; Staudinger/Magnus, Art. 74 CISG Rn. 53, jeweils mit weiteren Nachweisen. 527 Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, S. 200 Rn. 308.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

der Schadensersatz der PECL und des DCFR grundsätzlich nicht das Vertrauensinteresse. Allein das positive Interesse wird geschützt. Unter den Schadensersatz fällt jedoch zudem eine Entschädigung für die vereitelte vertragliche Erwartung nach den römischen Grundregeln der damnum emergens sowie lucrum cessans.528 Ersatzfähiger Schaden sind demnach sowohl der entgangene Gewinn als auch getätigte Aufwendungen. Es gilt sinngemäß die Rentabilitätsvermutung des BGB: Aufwendungen sind Schäden, sofern sie sich als frustrierte Vermögensopfer mit wirtschaftlicher Perspektive darstellen. Wie zum CISG angedeutet, kann das Problem auftreten, dass die Aufwendungen für die vertragsbrüchige Partei voraussehbar sein müssen, vgl. Art. 9:503 PECL und Art. III.-3:703 DCFR.

V. Fazit: Das Verhältnis zwischen Schadensersatzanspruch und Aufwendungsersatzanspruch Zum Schadensersatzanspruch statt der Leistung steht der Aufwendungsersatzanspruch aufgrund des Wortlauts der Norm, der Entstehungsgeschichte und des Telos ausnahmslos, das heißt ungeachtet des Zwecks der Aufwendung, in elektiver Konkurrenz. Das gilt nach hier vertretener Auffassung auch für den Schadensersatz neben der Leistung, soweit eine Kumulation beider Rechte zu einer übermäßigen Entschädigung des Gläubigers führt. Insofern ist die in § 284 BGB angeordnete Alternativität teleologisch zu erweitern. Alle sonstigen Fälle des Schadensersatzes neben der Leistung können mit dem Aufwendungsersatzanspruch kombiniert werden. Richtigerweise können aber bestimmte frustrierte Aufwendungen – im Hinblick auf ihre Rentabilität – einen Schaden darstellen, der über den Schadensersatz statt der Leistung abgegolten werden kann. Die früher herrschende Rentabilitätsvermutung findet auch heute Anwendung. Im Vergleich dazu werden Aufwendungen nach CISG, PECL und DCFR nicht in einem selbständigen Forderungsrecht dem Schadensersatz gegenüber gestellt, sondern unter den Schadensersatz als einheitlichen Rechtsbehelf selbst gefasst. Dies entspricht im Wesentlichen der früheren Rechtslage im BGB, in der es eine eigene Anspruchsgrundlage wie § 284 BGB nicht gab.

528

von Bar/Zimmermann, PECL, S. 533.

L. Das Verhältnis zwischen Aufwendungsersatzanspruch und Rücktrittsrecht 315

L. Das Verhältnis zwischen Aufwendungsersatzanspruch und Rücktrittsrecht Der Aufwendungsersatz nach § 284 BGB lässt sich nur unter besonderen Schwierigkeiten in das System der Gläubigerrechte bei Pflichtverletzungen einordnen.529 Das ist dem Umstand geschuldet, dass zwar eine tatbestandliche Nähe zum Schadensersatz statt der Leistung besteht, der Wortlaut des § 284 BGB aber beide Rechte nicht nebeneinander bestehen lässt. Das Verhältnis zum Rücktritt ist dabei ebenso problematisch wie im Fall des Schadensersatzes statt der Leistung. Unter Berücksichtigung des § 325 BGB kann keine elektive Konkurrenz vorliegen.

I. Die Stellung des Aufwendungsersatzanspruchs im BGB 1. Problem: Parallele zum Schadensersatz statt der (ganzen) Leistung Der Aufwendungsersatzanspruch korrespondiert tatbestandlich mit dem Schadensersatz statt der Leistung. Liegen also die Voraussetzungen für Letzteren vor, kann Ersterer geltend gemacht werden.530 Die systematische und tatbestandliche Nähe zum Schadensersatz statt der Leistung macht aus § 284 BGB eine besondere Form der Entschädigung von Schlecht- bzw. Nichterfüllung.531 Aus der Geltendmachung des Aufwendungsersatzes folgt nicht, dass der Primäranspruch des Gläubigers automatisch entfällt. Über die Pflicht zur eigenen Gegenleistung kann der Gläubiger ohnehin nicht entscheiden. Ebenso wie beim verwandten Schadensersatz statt der Leistung entscheidet nämlich allein das Rücktrittsrecht, ob die Leistung des Gläubigers noch erbracht werden soll oder nicht. Das Rücktrittsrecht hat bzgl. der Rückabwicklung des Leistungsaustauschs die alleinige Regelungszuständigkeit. Anders als in § 281 BGB zum Schadensersatz (dort: Schadensersatz statt der ganzen Leistung) gibt es für den Aufwendungsersatz keine explizite Wahlmöglichkeit des Gläubigers darüber, ob der die mangelhafte Leistung des Schuldners behält oder nicht. Mit anderen Worten: Die Frage eines „kleinen“ bzw. „großen“ Aufwendungsersatzes stellt sich im Rahmen des § 284 BGB nicht. Entscheidend ist das Verhältnis des Aufwendungsersatzanspruchs zum Rücktrittsrecht. 529 530 531

Kleine/Scholl, NJW 2006, 3462 (3466). Vgl. nur: BeckOK/Unberath, § 284 Rn. 1. MüKo/Ernst, § 284 Rn. 6.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

2. Das Verhältnis zum Rücktrittsrecht a) Beispiel Die besondere Stellung des Aufwendungsersatzanspruchs und das Verhältnis zum Rücktritt verdeutlicht folgendes Beispiel:532 Der Gläubiger hat für einen Kindergeburtstag einen Clown engagiert, ihn sogleich bezahlt (Gage im Voraus: 500 e) und sich die Mühe gemacht, diesem sogar eine Bühne (Material: 300 e) herzurichten. Der Clown erscheint zum vereinbarten Zeitpunkt nicht. Kann der Gläubiger Aufwendungsersatz geltend machen und wenn ja, in welcher Höhe? b) Das Zusammenspiel der Rechte: Anwendung des § 325 BGB § 284 BGB verfolgt nicht den Schutz des negativen Gläubigerinteresses, sondern ist eine besondere Form des Nichterfüllungsschadens. Wäre § 284 BGB Ausdruck des geschützten Vertrauensinteresses, müsste der Gläubiger, der Aufwendungen verlangt, stets vom Vertrag zurücktreten, denn das negative Interesse zu ersetzen heißt, den Vertrag aufzuheben.533 Der Rücktritt ist aber nicht generell Voraussetzung für den Aufwendungsersatzanspruch. Entsprechend dem Verhältnis von Schadensersatz statt der Leistung und Rücktritt kann der Aufwendungsersatz mit dem Rücktritt kombiniert werden, muss aber nicht. Grundlage hierfür ist § 325 BGB, der Anwendung findet, weil nach § 284 BGB der Aufwendungsersatz die Position (vgl. „anstelle“) des Schadensersatzes statt der Leistung einnimmt.534 Entscheidend ist die Wechselwirkung der Rechtsfolgen von Rücktritt und Aufwendungsersatz; dabei können wir Parallelen zum Verhältnis Rücktritt – Schadensersatz statt der Leistung ziehen.535 Die Wahl des Rücktritts betrifft an sich nur das Schicksal der Leistungen, beeinflusst aber reflexartig den beim Gläubiger verbleibenden Schaden und damit unter Umständen sein korrespondierendes Interesse am Ausgleich von Aufwendungen. Erklärt der Gläubiger den Rücktritt, dann ist der Aufwendungsersatz nach § 284 BGB möglich, jedoch nur unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Leistungen rückabgewickelt werden müssen und ein möglicher Schadensersatz sich für den Gläubiger in der Form statt der ganzen Leistung sowie nach der Differenzmethode bemisst. Durch die Sonderstellung des § 284 BGB muss der Auf532 533 534 535

Beispiel entnommen: Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, S. 222 Rn. 439. MüKo/Ernst, § 325 Rn. 11. Gsell, NJW 2006, 125 (125). Vgl. bereits: S. 255 ff.

L. Das Verhältnis zwischen Aufwendungsersatzanspruch und Rücktrittsrecht 317

wendungsersatz folglich stets die reflexartige Überlagerung der Schadensersatzfolgen durch die Rücktrittsfolgen beachten. Welche Konsequenzen hat dies für den Gläubiger? Er muss zum einen natürlich entscheiden, ob er für die Aufwendungen über § 284 BGB Ersatz verlangt oder sie in einen Schadensersatz statt der Leistung – über die sog. Rentabilitätsvermutung – einstellt. Beides zusammen geht wegen der angeordneten Ausschließlichkeit der Ansprüche nicht. Der Gläubiger kann ferner seine bereits erbrachte Gegenleistung nicht als Aufwendung über § 284 BGB ersetzt verlangen, sondern muss, um sie oder ihren Wert zurückzuerlangen, zurücktreten.536 Dies betrifft im obigen Beispiel die bereits gezahlte Gage. Diese Gegenleistung (500 e Gage) erhält er nur über die Rücktrittsfolgen zurück, nicht aber als frustrierte Aufwendung. Daneben kann der Gläubiger unproblematisch seine Aufwendungen ersetzt verlangen, § 284 BGB. Das betrifft im Beispiel das Material für die Bühne (300 e), ein Posten, der wegen des ideellen Werts nicht rentabel gewesen wäre und damit eindeutig nur über § 284 BGB abgegolten wird. Die Rechtsfolgen des Rücktritts stehen überdies nicht in Konkurrenz zum Aufwendungsersatz, da § 325 BGB auch hier gilt.537 Soweit also der Gläubiger nach § 347 Abs. 2 BGB Verwendungsersatz als Rücktrittsfolge verlangen kann, bleibt ihm der Aufwendungsersatz nach § 284 BGB nicht verwehrt.538 Anderenfalls wäre der Gläubiger bei einem Rücktritt schlechter gestellt, als wenn er sich auf den Anspruch nach § 284 BGB beschränkt hätte.539 Das widerspricht der Intention des § 325 BGB. c) Logische Einordnung des Verhältnisses der Rechte Der Rücktritt verhindert nicht, dass Aufwendungsersatz zu gewähren ist. Es liegt keine elektive Konkurrenz vor. Beide Rechte sind fakultativ und kombinierbar, das heißt der Gläubiger kann beide zusammen verwirklichen, eines der Rechte isoliert oder keines der beiden. In letzterem Fall bleibt es dann beim Primäranspruch. Zwischen dem Rücktrittsrecht und dem Aufwendungsersatzanspruch nach § 284 BGB besteht – parallel zum Verhältnis § 325 BGB – eine logische Tautologie.540 536 Lorenz, Karlsruher Forum 2005, S. 84; anders aber: Stoppel, AcP 204 (2004), 81 (91). 537 BeckOK/Unberath, § 284 Rn. 21. 538 Grundlegend: BGH, NJW 2005, 2848, 2850; weiterführend: BGH, NJW 2006, 1198, 1199. 539 Gsell, NJW 2006, 125 (125); BeckOK/Unberath, § 284 Rn. 21. 540 Dazu bereits: S. 266.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Alternativität besteht hingegen zwischen dem Anspruch auf die Primärleistung und dem Aufwendungsersatzanspruch. Die Aufwendungen werden als besondere Form der Nichterfüllungsentschädigung ersetzt. Sofern also eine Erfüllung verlangt und erbracht wird, kann diesbezüglich keine frustrierte Aufwendung vorliegen, die § 284 BGB ersetzt. Ebenso wie zwischen dem Primäranspruch und dem Rücktritt besteht folglich zwischen dem Primäranspruch und dem Aufwendungsersatzanspruch eine elektive Konkurrenz. Es handelt sich um ein Entweder-oder, eine Kontravalenz. Das Gesamtbild der Beziehungen lautet: Vertragsschluss ! Primäranspruch Leistungsstörung und Fristsetzung ! (Primäranspruch # (Aufwendungsersatz > Rücktritt)).

II. Vergleich zu CISG, PECL und DCFR 1. Allgemein: Die Aufwendungen als ersatzfähiger Schaden Eine spezielle Anspruchsgrundlage wie in § 284 BGB gibt es in CISG, PECL und DCFR nicht. Die Aufwendungen, welche der Gläubiger im Vertrauen auf den Erhalt der Schuldnerleistung macht, werden über den Schadensersatzrechtsbehelf abgedeckt. Das gilt unabhängig davon, dass Art. 9:502 PECL und Art. III.-3:702 DCFR im Grundsatz auf das positive Interesse beschränkt sind, während Art. 74 CISG positives wie negatives Interesse schützt. Die frustrierten Aufwendungen sind damit entsprechend der Dogmatik des BGB, sofern sie sich als rentabel erwiesen hätten, ein Schaden. Voraussetzung der Ersatzfähigkeit ist dabei vor allem die Voraussehbarkeit für den Schuldner. Zudem müssen die Aufwendungen angemessen und geeignet gewesen sein und sich im Falle der Erfüllung auch als gewinnbringende Kosten erwiesen haben. Mangels eigener Anspruchsgrundlage des Aufwendungsersatzes verweise ich für das Verhältnis zum Recht zur Vertragsaufhebung auf die Ausführungen, die ich im Rahmen des Schadensersatzes bereits gemacht habe.541 Für die frustrierten Aufwendungen des Gläubigers gilt hier nichts anderes: Die Kombination mit der Vertragsaufhebung modifiziert das Schadensbegehren und den insofern durchsetzbaren Anspruch. Ansonsten bleibt es bei der möglichen Kumulation der Rechtsbehelfe, auch im Hinblick auf die frustrierten Aufwendungen.

541

Dazu: S. 287 ff.

M. Das stellvertretende commodum nach § 285 BGB

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2. Besonderheit: Die Aufwendungen aus Erhaltungspflichten nach Art. 85 f. CISG Besondere Regelungen für den Ersatz von Aufwendungen sind die Art. 85 S. 2 und 86 Abs. 1 S. 2 CISG. Danach ist der Verkäufer bzw. der Käufer verpflichtet, die Ware, die eigentlich der Gegenseite gebührt, in Besitz zu halten und zu erhalten. Das kann den Verkäufer im Falle der verspäteten Abnahme durch den Käufer treffen, Art. 85 S. 1 CISG. Ebenso gut kann dies den Käufer treffen, der die mangelhafte Ware zurückweisen will und bis zur Rücknahme durch den Verkäufer diese in seiner Verfügungsgewalt hat, Art. 86 Abs. 1 S. 1 CISG. Jeweils durch Satz 2 ordnet das CISG dann an, dass die notwendigen Aufwendungen zur Erhaltung der Ware von der Gegenseite ersetzt werden müssen. In beiden Fällen aber gewährt das CISG hier keinen separaten Aufwendungsersatzanspruch, sondern nur ein Zurückbehaltungsrecht über die Ware. Die Gegenseite kann also die an sich berechtigte Übergabe der Ware nicht fordern, solange die Aufwendungen zur zwischenzeitlichen Erhaltung der Ware nicht beglichen sind. Diese werden aber nicht über Art. 85 S. 2 bzw. 86 Abs. 1 S. 2 CISG ersetzt verlangt, sondern im Rahmen des Schadensersatzrechtsbehelfs. Die Sonderregeln der Art. 85 S. 2 bzw. 86 Abs. 1 S. 2 CISG sichern dem Anspruchssteller nur diesen Schadensersatzanspruch und gewähren ihm keinen originären Aufwendungsersatzanspruch.542

III. Fazit: Das Verhältnis zwischen Aufwendungsersatzanspruch und Rücktrittsrecht Zusammenfassend halte ich fest: Der Aufwendungsersatzanspruch nach § 284 BGB hat als spezielle Entschädigungsform eine Sonderstellung im System der Leistungsstörungsrechte. Daher fällt die Klassifizierung seines Verhältnisses zu den übrigen Rechten des Gläubigers schwer. Zwischen Rücktritt und Aufwendungsersatzanspruch besteht über § 325 BGB keine elektive Konkurrenz.

M. Das stellvertretende commodum nach § 285 BGB im System der Gläubigerrechte Im System der Leistungsstörungsrechte nimmt der Anspruch auf das sog. stellvertretende commodum nach § 285 BGB eine besondere Stellung ein. 542

Übersicht der Regelungstechnik: Staudinger/Magnus, Art. 85 Rn. 18.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Der Gläubiger, der den Anspruch auf die Leistung wegen des Leistungshindernisses der Unmöglichkeit nach § 275 BGB verliert, soll als Surrogat das erhalten, was der Schuldner in seinem Vermögen anstelle der nicht mehr zu erbringenden Leistung vermögensmäßig innehat.543 Die Norm ist also als Ausgleich dafür zu verstehen, dass der Gläubiger nach § 275 BGB grundsätzlich die Leistungsgefahr trägt.544 Obwohl systematisch im Kontext der §§ 280 ff. BGB verortet, handelt es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch, sondern um einen schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch,545 der zwar eigener Art gestaltet, aber der Eingriffskondiktion nach § 816 BGB verwandt ist.546 Der Ausgleichsanspruch nach § 285 BGB steht dabei in elektiver Konkurrenz zu den Gestaltungsrechten des Gläubigers, nicht aber zum Schadensersatz- und Aufwendungsersatzanspruch.

I. Das Verhältnis zum Primäranspruch Der Anspruch auf die Leistung des Schuldners ist nach § 275 BGB ausgeschlossen, wenn die Leistungserbringung unmöglich ist. Der Ausgleichsanspruch auf das stellvertretende commodum gemäß § 285 BGB ist die Folge dieses Leistungsausschlusses. Damit fällt für den Gläubiger die Option des vertraglichen Erfüllungsanspruchs weg, er erhält stattdessen das Surrogat aus § 285 BGB. Dieser Anspruch ist als „Nachfolger“ des ausgeschlossenen Primäranspruchs zu verstehen und steht folglich nicht in Beziehung hierzu: Begründung des Schuldverhältnisses ! Erfüllungsanspruch Leistungshindernis nach § 275 BGB ! Ausgleichsanspruch nach § 285 BGB. Die „Nachfolge“ des erloschenen Primäranspruchs tritt der Anspruch aus § 285 BGB aber nicht automatisch mit Unmöglichkeit der Leistung an. Das würde ansonsten bedeuten, dass der Schuldner sich durch die unaufgeforderte Hingabe des Surrogats an den Gläubiger möglicherweise vor einem drohenden Sekundärrecht des Gläubigers, etwa einem Rücktritt, durch Erfüllung des Ausgleichsanspruchs aus § 285 BGB schützen kann. Dies ist je543

Palandt/Heinrichs, § 285 Rn. 1. BeckOK/Unberath, § 285 Rn. 1. 545 So schon das Reichsgericht: RGZ 94, 20, 23. 546 Vgl. etwa: MüKo/Emmerich, § 285 Rn. 2, der von „unverkennbarer Verwandtschaft mit § 816 BGB“ spricht; ebenso: Soergel/Wiedemann, § 281 Rn. 2; BeckOK/Unberath, § 285 Rn. 13; Staudinger/Löwisch, § 285 Rn. 2 mit weiteren Nachweisen. 544

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doch nicht möglich, da der Anspruch aus § 285 BGB ebenso wie der Schadensersatzanspruch statt der Leistung aus § 281 BGB ein verhaltener Anspruch ist. Daher muss der Gläubiger die Herausgabe des Surrogats verlangen.547 Der Schuldner kann nicht einseitig die Erfüllung des Ausgleichsanspruchs betreiben. Bemerkenswert ist, dass bei gegenseitigen Verträgen der Ausschluss der Schuldnerleistung nach § 275 BGB dann nicht automatisch die Befreiung von der Gläubigergegenleistung bewirkt, wenn der Gläubiger das Surrogat nach § 285 BGB verlangt, siehe § 326 Abs. 3 S. 1 BGB. Der Gläubiger bleibt zur Gegenleistung verpflichtet, allerdings nur in dem Maße, in dem das Surrogat nach § 285 BGB auch wertmäßig die ursprünglich geschuldete Leistung des Schuldners ersetzt, §§ 326 Abs. 3 S. 2, 441 Abs. 3 BGB.

II. Das Verhältnis zu den Schadensersatzansprüchen 1. Keine Alternativität zwischen Schadensersatzanspruch und Anspruch aus § 285 BGB a) Schadensersatz neben der Leistung Mit Ansprüchen auf einfachen Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB oder Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 2; 286 BGB kann man den Surrogationsanspruch nach § 285 BGB unproblematisch verbinden.548 Dazu folgendes Beispiel: Der Verkäufer schuldet gegen Zahlung von 10.000 e Übergabe und Übereignung einer Maschine. Die Leistung verspätet sich trotz einer Mahnung, was beim Käufer zu Mietkosten in Höhe von 200 e für eine zeitweilige Ersatzmaschine führt. Kurz vor dem endgültig angekündigten Lieferungstermin gesteht der Verkäufer, dass er inzwischen die Maschine unwiederbringlich an einen Dritten für 11.000 e in bar veräußert hat. Hier kann der Käufer sowohl seinen Verzögerungsschaden nach §§ 280 Abs. 1, 2; 286 BGB als auch die Herausgabe der erlangten 11.000 e549 in bar nach § 285 BGB verlangen. Die Ansprüche behindern einander nicht. 547 BeckOK/Unberath, § 285 Rn. 13; Staudinger/Löwisch, § 285 Rn. 58. Siehe bereits: S. 203 ff. 548 BeckOK/Faust, § 437 Rn. 176. 549 Das Surrogat, hier in Form des Verkaufserlöses, ist auch dann herauszugeben, wenn es höherwertig als die geschuldete Leistung ist, st. Rspr. seit: RGZ 138, 48, 48; BGH, LM § 281 Nr. 10; Palandt/Heinrichs, § 285 Rn. 9. Kritisch äußert sich hierzu Stoll, der den Gewinn des Schuldners nicht für abzugsfähig hält. Dies gibt

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b) Schadensersatz statt der Leistung Das Leistungshindernis des Schuldners nach § 275 BGB kann, sofern den Schuldner Verschulden trifft, dem Gläubiger auch einen über den Leistungsverlust hinausgehenden Schadensersatzanspruch statt der Leistung bescheren, vgl. §§ 280 Abs. 1, 3; 283 BGB. So hat etwa der Käufer der Maschine durch einen erheblich teureren Deckungskauf (25.000 e) einer vergleichbaren Maschine einen Schaden statt der Leistung in Höhe von 15.000 e erlitten. Dieser Ersatzanspruch gleicht das positive Interesse des Gläubigers aus. Daraus ergibt sich jedoch keine Anwendungskonkurrenz zum § 285 BGB. Wie § 285 Abs. 2 BGB zeigt, kann der Schadensersatz statt der Leistung neben dem Surrogationsanspruch stehen. Der Gläubiger muss sich jedoch den Wert des erlangten stellvertretenden commodums auf seinen Schaden anrechnen lassen.550 Der Schuldner hat im Beispiel die Sache für 11.000 e in bar an einen Dritten veräußert und ist deshalb von der kaufvertraglichen Pflicht zur Leistung nach § 433 Abs. 1 BGB an den Gläubiger frei geworden, § 275 Abs. 1 BGB. Deshalb kann der Gläubiger nach § 285 BGB die Geldscheine in Höhe von 11.000 e herausverlangen. Dies entspricht dem Ausgleich für das Ausbleiben der Kaufsache. Sein Schadensersatzanspruch statt der Leistung wird dadurch nicht ausgeschlossen, verringert sich im Wege des Vorteilsausgleichs aber um das erlangte Surrogat. Der Käufer erhält also nicht 15.000 e Schadensersatz, sondern nur – abzüglich der 11.000 e Ausgleichszahlung – 4.000 e. Bei der Gesamtbetrachtung der Rechtsfolgen kommt es darauf an, dass das Surrogat auch tatsächlich seinen Wert entfaltet. Hat der Schuldner aber infolge der Zerstörung der Kaufsache einen Anspruch gegen den schuldigen Dritten und ist dieser Anspruch nicht durchsetzbar, nützt die Abtretung dieses Anspruchs an den Gläubiger wenig, da dieser damit wertmäßig nichts anfangen kann.551 Er muss sich dann beim Ersatzanspruch statt der Leistung gegen den Schuldner diesen abgetretenen Anspruch gegen den Dritten nicht anrechnen lassen. 2. Problem: Bewertung als elektive Konkurrenz? Nach in der Literatur vorherrschend vertretener Auffassung steht der Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 283 BGB nach seiner Ansicht dem § 285 BGB einen „pönalen Beigeschmack“, der anderen Rechtsordnungen fremd ist: Stoll, JZ 2001, 589 (592). 550 BeckOK/Unberath, § 285 Rn. 17. 551 BeckOK/Unberath, § 285 Rn. 17; Palandt/Heinrichs, § 285 Rn. 11.

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zum Ausgleichsanspruch auf das stellvertretende commodum nach § 285 BGB in elektiver Konkurrenz.552 Meines Erachtens ist diese These falsch. Die Literatur verkennt dabei keineswegs, wie sich Schadensersatz statt der Leistung und § 285 zueinander verhalten. Vielmehr wird der Begriff der elektiven Konkurrenz hier unrichtig verwendet. a) Merkmale der elektiven Konkurrenz Die elektive Konkurrenz kennzeichnet drei wesentliche Merkmale. Erstens: Es handelt sich in den Fällen um die Beziehung zweier Rechte zueinander, seien dies Forderungsrechte oder Gestaltungsrechte. Zweitens: Die elektive Konkurrenz beschreibt eine logische Alternativität zwischen den Rechten, die es nicht ermöglicht, diese gleichzeitig auszuüben. Der Gläubiger hat zwischen den Rechten eines auswählen. Der dritte Punkt, auf den ich hier nur kurz verweise, ist die vielerorts als wesentlichste Eigenschaft hervorgehobene Komponente: Da es keine gesetzliche Verankerung der elektiven Konkurrenz gibt, welche eine Beschränkung im Sinne einer Bindung an die Wahl zwischen den Rechten vorsieht, kann der Gläubiger grundsätzlich die Wahlentscheidung frei revidieren, sog. ius variandi. Dieser letzte Punkt, auf den wir noch eingehend zu sprechen kommen, kann hier ausgeklammert werden.553 Entscheidend ist, dass das Verhältnis zwischen Schadensersatz statt der Leistung und dem Anspruch aus § 285 BGB schon nicht dem vorherigen Merkmal der elektiven Konkurrenz, der strengen Alternativität zwischen den Optionen, entspricht. aa) Trennung der Ansprüche Anerkannt ist zunächst, dass Schadensersatz und Surrogation auf verschiedenen Ansprüchen gründen. Das bedeutet, es sind verschiedene Forderungsrechte, die unterschiedliche Leistungen verfolgen, nämlich zum einen die Zahlung einer Ersatzsumme (Schadensersatz) und zum anderen die Herausgabe eines Surrogats (§ 285 BGB). Hier liegt also hinsichtlich der unterschiedlichen Leistungsgebote keine bloße Anspruchsnormenkonkurrenz bezüglich eines Vermögenswerts vor.554 Stattdessen sind dies hinsichtlich Anspruchsgrundlage und Tatbestand getrennte, aber hinsichtlich der Erfüllung miteinander verknüpfte Ansprüche.555 Damit scheidet aus, dass Scha552 Vgl. allein: MüKo/Emmerich, § 285 Rn. 36; BeckOK/Unberath, § 285 Rn. 16; Palandt/Heinrichs, § 285 Rn. 10; AnwKomm/Dauner-Lieb, § 285 Rn. 17; Soergel/ Wiedemann, § 281 Rn. 41. 553 Dazu eingehend: Kapitel 5, S. 405 ff. 554 Zur schwierigen Abgrenzung: S. 44 ff.

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densersatz statt der Leistung und Surrogationsforderung nach § 285 BGB im Verhältnis der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht stehen.556 Ebenso wenig handelt es sich um eine einfache Schuld mit Ersetzungsbefugnis des Gläubigers (facultas alternativa), wie dies früher von Heinrich Siber557 vertreten wurde und heute noch (missverständlich) Emmerich558 darstellt. Beide der elektiven Konkurrenz verwandten Fälle einer Gläubigerwahl betreffen die Wahl zwischen Leistungsinhalten innerhalb eines einzigen Anspruchs, was hier nicht der Fall ist. Die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers scheidet auch deshalb aus, weil sie vom Vorrang eines primären Leistungsgebots ausgeht, welches nur durch die Wahl eines anderen, sekundären ausgetauscht werden kann. Ein Vorrang der Schadensersatzforderung gegenüber der Surrogationsforderung nach § 285 BGB oder umgekehrt kann man aber nicht erkennen. bb) Keine logische Ausschließlichkeit der Ansprüche Zwar liegen – der elektiven Konkurrenz entsprechend – zwei Ansprüche vor. Es fehlt jedoch an der entscheidenden Alternativität der Gläubigeroptionen. Wie dargestellt, verhindert die Ausübung des einen Anspruchs die Ausübung des anderen mitnichten. Lediglich die Rechtsfolgen der Ansprüche müssen berücksichtigen, dass der Gläubiger durch das jeweils andere Recht bereits etwas erlangt hat, was er nicht dem Schuldner noch einmal in Rechnung stellen und somit doppelt erhalten darf. Dabei handelt es sich um die Konkurrenz von Rechtsfolgen im Hinblick auf die Befriedigung wirtschaftlich miteinander verbundener Gläubigerinteressen. In ihrer Geltendmachung jedoch schließen sich der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 1, 3; 283 BGB und der Anspruch aus § 285 BGB nicht aus. Anders ausgedrückt: Auf die Frage nach dem gleichzeitigen Nebeneinander der beiden Rechte lautet die Antwort nicht „nein“ (elektive Konkurrenz), sondern „ja, aber“. 555

Vgl. hierzu eingehend: Jahr, Festschrift für Gerhard Lüke, S. 297 (300); sowie zu den Anspruchskonkurrenzen: Kapitel 1, S. 42 ff. 556 Jahr, Festschrift für Gerhard Lüke, S. 297 (310). 557 Planck/Siber, § 281 Nr. 5 b). 558 MüKo/Emmerich, § 285 Rn 36. Emmerichs Ausführungen sind völlig missglückt, da er zustimmend attestiert: „Wegen dieser gesetzlichen Regelung wird das Verhältnis zwischen beiden Ansprüchen allgemein als ‚elektive Konkurrenz‘ bezeichnet, wobei die Ersetzungsbefugnis dem Gläubiger zusteht.“. Elektive Konkurrenz zwischen zwei Gläubigeroptionen bedeutet jedoch, dass dies eigenständige Rechte sind. Ersetzungsbefugnis hingegen meint die Austauschbarkeit des Leistungsinhalts eines Forderungsrechts gegen einen anderen. Es kann also nur entweder Ersetzungsbefugnis oder elektive Konkurrenz vorliegen, nicht beides. Siehe dazu bereits: Kapitel 1, S. 94 ff.

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Zur Verdeutlichung zurück zum obigen Beispiel: Würde eine elektive Konkurrenz vorliegen, müsste sich der Käufer entscheiden, ob er entweder den Anspruch auf das Surrogat nach § 285 BGB geltend macht oder den Schaden ersetzt verlangt. Verlangt er dann das Surrogat, erhält er 11.000 e in bar. Sein Schaden beliefe sich hinsichtlich des Deckungskauf aber auf 15.000 e. Würden sich dementsprechend die Ansprüche ausschließen, müsste der Käufer sich für eines entscheiden. Die Gefahr einer nachteiligen Wahl der 11.000 e stünde im Raum.559 Es besteht aber keine Alternativität zwischen den beiden Ansprüchen. Dies wird auch einhellig nicht bestritten. Folglich fehlt es an der entscheidenden Komponente sich ausschließender Gläubigeroptionen. b) Fazit: Keine elektive Konkurrenz Kurzum: Zwischen Ausgleichsanspruch nach § 285 BGB und Schadensersatzanspruch statt der Leistung besteht entgegen verbreiteter Darstellung keine elektive Konkurrenz.560 Bei Kumulation beider Rechte muss aber im Schadensersatz schuldnerbegünstigend berücksichtigt werden, was der Gläubiger als Surrogat nach § 285 BGB wertmäßig erhalten hat, vgl. § 285 Abs. 2 BGB.

III. Das Verhältnis zum Rücktrittsrecht Der Ausgleichsanspruch nach § 285 BGB und das Rücktrittsrecht schließen sich kategorisch aus. Die beiden Rechte stehen in elektiver Konkurrenz. 1. Beispiel des Rücktritts wegen Teilunmöglichkeit Es kommt eine Beziehung des Anspruchs auf das stellvertretende commodum zum speziellen Rücktritt wegen Unmöglichkeit nach § 326 Abs. 5 BGB in Betracht. Maßgeblich ist der Fall der Teilunmöglichkeit: Bei teilweise eingetretener Unmöglichkeit der Leistung nach § 275 BGB wird dem Gläubiger bezüglich der Gesamtleistung ein Rücktrittsrecht eingeräumt, § 326 Abs. 5 BGB. Bei vollständiger Unmöglichkeit der gesamten Leistung bedarf es keines Rücktritts, da der Anspruch insgesamt de iure ausgeschlossen ist. Bei teilweise noch möglicher Leistung kommt es aber darauf an, ob 559

Beachte aber das sog. ius variandi bei elektiver Konkurrenz: Kapitel 5, S. 400 ff. 560 Zutreffend: BeckOK/Faust, § 437 Rn. 176; Staudinger/Löwisch, § 285 Rn. 56.

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der Gläubiger Interesse an der Erbringung dieser Restleistung hat oder durch den Rücktritt vom gesamten Vertrag gelöst werden will. Hat zum Beispiel der Verkäufer nur zwei der vier geschuldeten Gartenstühle geliefert und ist ihm die Nachlieferung der ausbleibenden Stühle aufgrund einer Produktionseinstellung beim Hersteller unmöglich, muss sich der Käufer fragen, ob er die zwei gelieferten Stühle behält und als Ausgleich für die ausbleibenden Stühle die vom Hersteller an den Verkäufer gezahlte Ausfallzahlung verlangt (§ 285 BGB) oder ob er Wert auf eine einheitliche Bestuhlung legt und sich daher unter Zurückgabe der erlangten Stühle vom Vertrag lösen möchte (Rücktritt nach § 326 Abs. 5 BGB). 2. Logische Einordnung der Beziehung Der Rücktritt wirkt rechtsgestaltend, sodass die teilweise verbleibende Leistungspflicht ebenso wie die Gegenleistungspflicht erlischt. Wird der Anspruch auf Ausgleichszahlung nach § 285 BGB verlangt, bewirkt er im Gegensatz dazu, dass die Gegenleistungspflicht des Gläubigers gerade erhalten bleibt, so ausdrücklich § 326 Abs. 3 S. 1 BGB. Insofern widersprechen sich die Folgen der beiden Rechte im Hinblick auf das Schicksal der Gegenleistung: Der Rücktritt verlangt zwingend die Abstandnahme von der Gegenleistung, der Surrogationsanspruch nach § 326 Abs. 3 S. 1 BGB explizit den Erhalt der Gegenleistung.561 Dies ist keine Überschneidung von Rechtsfolgen wie im Falle des Schadensersatzes statt der Leistung, sondern eine logische Anwendungsalternativität der beiden Rechte. Der Gläubiger kann nur entweder den Anspruch aus § 285 BGB im Hinblick auf das Surrogat für die ausbleibende Teilleistung durchsetzen oder bezüglich der Gesamtleistung zurücktreten. Dies entspricht einer logischen Kontravalenz. Tritt der Gläubiger nicht zurück, behält er zusätzlich zum Anspruch aus § 285 BGB seinen Erfüllungsanspruch bezüglich der möglichen Teilleistung: Begründung des Schuldverhältnisses ! Erfüllungsanspruch Teilunmöglichkeit ! (Rücktritt § 326 Abs. 5 BGB # (Anspruch § 285 BGB ^ teilweise möglicher Erfüllungsanspruch)). Der Käufer der Gartenstühle kann richtigerweise somit entweder die erhaltenen zwei Stühle zurückgeben und Rückzahlung seines Kaufpreises fordern (Rücktritt) oder die gelieferten Stühle behalten und bezahlen562 und das verlangen, was der Verkäufer als Ausfallzahlung vom säumigen Her561

Richtig: Kleine/Scholl, NJW 2006, 3462 (3467). Somit ist die teilweise mögliche Leistung bereits erbracht und Erfüllung eingetreten. 562

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steller dafür erlangt hat (§ 285 BGB). Rücktritt nach § 326 Abs. 5 BGB und Surrogationsanspruch nach § 285 BGB stehen folglich in elektiver Konkurrenz.563 3. Problem: Surrogationsmethode bei Rücktritt und § 285 BGB? Diese Erkenntnis führt auch zur konsequenten Lösung eines Problems, welches im Hinblick auf die Höhe des Surrogats nach § 285 BGB bei gleichzeitigem Schadensersatz diskutiert wird.564 So wird die Frage aufgeworfen, ob der Gläubiger, der gleichzeitig Rücktritt wählt und das Surrogat nach § 285 BGB verlangt, zusätzlich einen Schadensersatz statt der Leistung nach der Differenzmethode565 oder nach der Surrogationsmethode566 geltend machen kann. Ob das Surrogat rechnerisch Berücksichtigung finden muss,567 ist nach hier vertretener Auffassung nicht relevant, da Schadensersatz statt der Leistung und Rücktritt gemäß § 325 BGB zwar ebenso kombinierbar wie Schadensersatz statt der Leistung und der Anspruch aus § 285 BGB sind, nicht aber der Rücktritt und der Surrogationsanspruch. Kumuliert also der Gläubiger Schadensersatz und Rücktritt, scheidet ein Anspruch auf das stellvertretende commodum nach § 285 BGB wegen der Gestaltungswirkung des Rücktritts aus. Die Automatismen der Rechtsfolgen von kombiniertem Schadensersatz und Rücktritt (zwingende Berechnung nach der Differenzmethode, großer Schadensersatz) sind für dieses Ergebnis ohne Belang. Wer zurücktritt, kann nicht aus § 285 BGB vorgehen; daher ist auch die Berechnungsfrage nach § 326 Abs. 3 S. 2 BGB nicht relevant. Ein Streit hierüber erübrigt sich.

IV. Das Verhältnis zum Minderungsrecht 1. Beispiel Das Minderungsrecht nach §§ 437 Nr. 2 Var. 2, 441 Abs. 1 bzw. 634 Nr. 3 Var. 2, 638 Abs. 1 BGB kann man dann zum Surrogationsanspruch 563 Ebenso: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 205; MüKo/Emmerich, § 285 Rn. 36. 564 Eingehend: MüKo/Ernst, § 326 Rn. 95. 565 Insofern folgt die Argumentation einem Urteil des Reichsgerichts: RGZ 108, 184, 186. Zum komplizierten Sachverhalt dieser Entscheidung: Huber, Leistungsstörungen II, S. 671. 566 So: Huber, Leistungsstörungen II, S. 671. 567 Lösung von: MüKo/Ernst, § 326 Rn. 97.

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aus § 285 BGB ins Verhältnis setzen, wenn die Nacherfüllung bezüglich eines Sach- oder Werkmangels unmöglich ist. Das ist etwa der Fall, wenn der gelieferte PKW (Kaufpreis 10.000 e, Wert 8.000 e) eine defekte Scheibenheizung (Wert 500 e) aufweist, eine Nacherfüllung wegen der Insolvenz des Teileherstellers gänzlich ausgeschlossen ist und der Verkäufer nun eine Art Herstellerausgleich (300 e) erhalten hat. Es stellt sich dann die Frage, ob der Käufer neben der Möglichkeit, den fahrtüchtigen PKW zu behalten und Minderung des Kaufpreises im Sinne von §§ 437 Nr. 2 Var. 2, 441 Abs. 1 BGB zu erklären, auch noch das Surrogat auf Seiten des Verkäufers über § 285 BGB erhält. 2. Die Anwendbarkeit des § 285 BGB im besonderen Schuldrecht Meines Erachtens ist diese Frage nicht schon deshalb zu verneinen, weil der Surrogationsanspruch auf das stellvertretende commodum gar nicht erst eröffnet ist. Das aber meint wohl Weidenkaff568, der auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs569 hinweist. Der anhängige Streit drehte sich um die frühere Rechtslage, nach welcher der Surrogationsanspruch570 nur für nachträglich unmögliche Leistungen einen Ausgleich bot.571 Insofern war eben für die Sachmängel, welche schon im Vertragsschluss unbehebbar waren, die Anwendung des Anspruchs auf das stellvertretende commodum nicht möglich. Konkret heißt die Frage im reformierten Schuldrecht: Kann der Anspruch aus § 285 BGB aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht für die Unmöglichkeit im besonderen Gewährleistungsrecht gelten? Kein Argument hiergegen ist die Beschränkung auf nachträgliche Unmöglichkeit: Der Wortlaut des § 285 BGB ist nach der Schuldrechtsmodernisierung offen für alle Formen des § 275 BGB.572 Ein Argument gegen die Anwendung des § 285 BGB ist jedoch, dass der Gesetzgeber in § 437 BGB (bzw. in § 634 BGB für den Werkvertrag) auf die einzelnen Sachmängelrechte des Käufers verweist und der Surrogationsanspruch gerade nicht dort genannt ist.573 Ein 568

Palandt/Weidenkaff, § 437 Rn. 50 a. E. BGH, Urteil vom 10.03.1995 (Az.: V ZR 7/94), BGHZ 129, 103 ff. 570 Früher: § 281 Abs. 1 BGB a. F. 571 Herrschende Auffassung mit Verweis auf den Wortlaut des § 281 BGB a. F., wonach „unmöglich macht“ in der Präsenzform auf nachträgliche Unmöglichkeit hindeutete; vgl. schon: Planck/Siber, § 306 Anmerkung 1 c); exemplarisch: Palandt/ Heinrichs (59. Auflage), § 281 Rn. 5. 572 § 285 BGB spricht von „die Leistung [. . .] nicht zu erbringen braucht“. Diese Änderung war nötig, da die Einredefälle des §§ 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB erfasst sein sollten: BT-Drs. 14/6040, S. 144 f. 573 Vgl. den Hinweis bei: von Olshausen, ZGS 2002, 194 (197), der davon ausgeht, dass der Gesetzgeber diese Norm schlicht vergessen hat. 569

M. Das stellvertretende commodum nach § 285 BGB

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ähnliches Ergebnis erzielt auch der Bundesgerichtshof zur früheren Rechtslage. Der BGH hebt die Bedeutung des Gefahrübergangs als Schwelle der Anwendbarkeit des besonderen Schuldrechts hervor und betont, dass die Anwendung des allgemeinen Leistungsstörungsrechts nach Übergang der Sache auf den Käufer ausgeschlossen ist.574 Dem kann man aus heutiger Sicht entgegenhalten, dass die Haftung für Mängel durch die Verweistechnik der §§ 437, 634 BGB gerade in das System der allgemeinen Leistungsstörungen einbezogen ist.575 Entscheidender ist jedoch, dass sich die Unmöglichkeit hier auf den Nacherfüllungsanspruch aus §§ 437 Nr. 1, 634 Nr. 1 BGB bezieht und dieser ein selbständiger Erfüllungsanspruch ist, für den das allgemeine Leistungsstörungsrecht, also auch § 275 BGB und § 285 BGB gilt.576 Im Ergebnis ist daher der Anspruch auf das stellvertretende commodum, obwohl nicht in den §§ 437, 634 BGB genannt, auch im Gewährleistungsrecht anwendbar. 3. Logische Einordnung der Beziehung Macht der Gläubiger im Falle der Mangelhaftigkeit der Sache von seinem Minderungsrecht Gebrauch, scheidet der Anspruch auf das stellvertretende commodum aus. Mit der Geltendmachung der Minderung macht der Gläubiger deutlich, dass er von der vereinbarten Erfüllung des Kauf- oder Werkvertrages Abstand nehmen will. Der Gläubiger nimmt dabei nicht – wie beim Rücktritt – von der gänzlichen Erfüllung Abstand, sondern nur von der Erfüllung in der ursprünglich vereinbarten Form und zum ursprünglich vereinbarten Preis. Für ihn entscheidend ist nur noch die Erfüllung der minderwertigen Leistung zum herabgesetzten Gegenwert. Genauer: Er möchte für die erhaltene geringwertige Sache nur das bezahlen, was sie tatsächlich wert ist. Dadurch wird die Unmöglichkeit der ursprünglich geschuldeten Nacherfüllung für das Begehren des Gläubigers obsolet. Er kann daher nicht Minderung bezüglich der Gegenleistung verlangen und zugleich das Surrogat für die unmögliche Nacherfüllung abschöpfen. Das Minderungsrecht 574

BGHZ 129, 103, 106. Regierungsentwurf, BT-Drs. 14/6040, S. 209. Eine ähnliche Problematik zu § 286 BGB, der ebenfalls nicht in den §§ 437 bzw. 634 BGB genannt ist, wird einhellig so gelöst, dass dieser im Wege des Verzögerungsschadens bei Gewährleistung trotzdem anwendbar sein soll. Dies ist allerdings dem Umstand geschuldet, dass die Anspruchsgrundlage dort im § 280 Abs. 2 BGB liegt, auf den §§ 437 bzw. 634 BGB verweist und § 286 BGB nur weitere Tatbestandsvoraussetzungen für den Verzug vorgibt; vgl. Palandt/Weidenkaff, § 286 Rn. 36. 576 Wie hier auch: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 204; Staudinger/ Löwisch, § 285 Rn. 15; von Olshausen, ZGS 2002, 194 (200). 575

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und der Anspruch auf das stellvertretende commodum nach § 285 BGB stehen also in strenger logischer Alternativität. Der Gläubiger muss sich entscheiden, ob er entweder mindert oder den für die Unmöglichkeit der Nacherfüllung erlangten Ersatz herausverlangt. Dies ist eine kontravalente Beziehung der Rechte, mithin eine elektive Konkurrenz:577 Begründung des Schuldverhältnisses ! Erfüllungsanspruch Mangel und Unmöglichkeit der Nacherfüllung ! (Minderung §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB # Anspruch § 285 BGB). 4. Problem: Die gesetzliche Minderung nach § 326 Abs. 3 S. 2 BGB Man muss an dieser Stelle die gesetzliche Minderungsanordnung des § 326 Abs. 3 S. 2 BGB beachten. Wählt der Gläubiger den Surrogationsanspruch nach § 285 BGB, mindert sich seine Gegenleistungspflicht um die Differenz zwischen dem Wert der geschuldeten Leistung und dem Wert des hierfür erlangten Ersatzes. Im obigen Beispiel ist dies die Differenz zwischen 500 e Wert der Scheibenheizung und 300 e Ersatzzahlung des Herstellers, also 200 e, die von seiner Kaufpreisverpflichtung abzuziehen sind. Wählt der Gläubiger die Minderung nach §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 2 BGB, bleibt er zur Erbringung des Kaufpreises bzw. Werklohns verpflichtet, aber in nach § 441 Abs. 3 BGB herabgesetzter Höhe578. Das Surrogat für die Unmöglichkeit der Nacherfüllung erhält er dann nicht. Zum obigen Beispiel: Der Käufer kann vom Verkäufer Zahlung des Surrogats in Höhe von 300 e verlangen, § 285 BGB, bleibt aber zur Zahlung des Kaufpreises in der nach § 326 Abs. 3 S. 2 BGB geminderten Höhe von 9.800 e verpflichtet.579 Der Käufer kann aber ebenso gut auf das Surrogat verzichten und den Kaufpreis entsprechend dem Mangelunwert des PKW mindern, §§ 437 Nr. 2, 441 Abs. 3 S. 1 BGB. Er muss dann einen Kaufpreis von 9.375 e erbringen, steht also nominal um 425 e besser als bei ersterer Variante. Es ist also auch ein rechnerischer Unterschied, ob der Anspruch auf das stellvertretende commodum geltend gemacht oder die Minderung erklärt wird. Diesen Unterschied muss der Gläubiger bedenken, wenn er die elektive 577

Ebenso: BeckOK/Faust, § 437 Rn. 176. Die Formel lautet: vereinbarter Kaufpreis  Wert des PKW im mangelhaften Zustand/Wert des PKW in vereinbartem Zustand = geminderter Kaufpreis. Also: 10.000 e  7.500 e / 8.000 e = 9.375 e. 579 Berechnet: vereinbarter Kaufpreis – (Wert insofern geschuldeter Leistung – Wert des darauf bezogenen Surrogats) = neuer Kaufpreis. Also: 10.000 e – (500 e – 300 e) = 9.800 e. 578

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Konkurrenz zugunsten der einen oder anderen Variante auflöst. Die Lösung des Problems, sich voreilig für die wirtschaftlich schlechtere Variante zu entscheiden, liegt unter Umständen in der Gewähr eines sog. ius variandi. Das bedeutet, die einmal getroffene Wahl könnte vom Gläubiger korrigiert werden. Darauf komme ich an späterer Stelle ausführlich zurück.580

V. Das Verhältnis zum Aufwendungsersatzanspruch 1. Parallele zum Schadensersatz statt der Leistung: Keine elektive Konkurrenz Zwischen einem Aufwendungsersatzanspruch nach § 284 BGB und dem Ausgleichsanspruch nach § 285 BGB besteht keine Alternativität. Der Aufwendungsersatz nach § 284 BGB greift, wenn der Tatbestand eines Schadensersatzes statt der Leistung („anstelle“) eröffnet ist. Diese Korrespondenz im Gesetzeswortlaut ist nicht auf den Schadensersatz statt der Leistung nach § 281, 282 BGB beschränkt, sondern bezieht sich auch auf die Ansprüche statt der Leistung wegen Unmöglichkeit, §§ 280 Abs. 1, 3; 283 bzw. 311 a Abs. 2 BGB. Damit ist klar, dass Aufwendungen auch im Falle eines Leistungshindernisses nach § 275 BGB vom Schuldner ersetzt verlangt werden können. Dazu ein Beispiel: Hat der Käufer in Erwartung der Lieferung des gekauften Gebraucht-PKW eine Garage zum Preis von 5.000 e errichten lassen, stellt sich diese Aufwendung als nutzlos heraus, wenn die Lieferung dem Verkäufer infolge eines Großbrandes auf seinem Hof, bei dem der PKW zerstört wurde, unmöglich geworden ist. Der Schadensersatzanspruch des Verkäufers gegen den Brandstifter, vgl. §§ 823 Abs. 1, 2 BGB i. V. m. § 303 StGB, ist ein ersatzfähiges Surrogat im Sinne von § 285 BGB, dessen Abtretung der Käufer anstelle des PKW fordern kann. Dies hindert aber nicht die Durchsetzung des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 284 BGB. Die Ansprüche aus §§ 284, 285 BGB stehen folglich nicht in elektiver Konkurrenz. 2. Problem: Die Kombination der Rechte a) Analogie zu § 285 Abs. 2 BGB Fraglich bleibt die Grenze der Kombination beider Ansprüche, weil klar ist, dass der Gläubiger nicht mehr erhalten darf als ihm zusteht. Im Falle 580

Hierzu ausführlich: S. 400 ff.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

eines Schadensersatzes statt der Leistung gilt § 285 Abs. 2 BGB, wonach die Rechtsfolgen der Ansprüche zu einer Rechnungseinheit verbunden werden. Aufgrund des Gesamtvermögensvergleichs muss sich der Gläubiger danach beim Schadensersatz das anrechnen lassen, was er als Surrogat nach § 285 BGB bereits schadensmindernd erhalten hat. Für den Aufwendungsersatz nach § 284 BGB kann nichts anderes gelten. Dieser Anspruch ist – wie bereits gezeigt – bloß eine gesonderte Form der Entschädigung, welche die Vorteile und Nachteile des Gläubigers aus dem Schadensereignis berücksichtigen muss.581 Freilich kann dann die Beschränkung des § 285 Abs. 2 BGB, die auf „Schadensersatz“ gerichtet ist, nur in analoger Anwendung582 für den Aufwendungsersatz gelten. b) Beschränkung auf rentable Aufwendungen Die enge Verwandtschaft zwischen dem Anspruch aus § 284 BGB und dem Schadensersatz statt der Leistung rechtfertigt die Vergleichbarkeit der Interessenlagen. Eine Rechnungseinheit kann hier wie da aber nur zur Beschränkung des Schadens- bzw. Aufwendungsersatzes führen, wenn das konkrete geschützte Interesse des Gläubigers bereits befriedigt ist und diesbezüglich eine Übervorteilung droht. Da aber § 284 BGB und der Schadensersatz statt der Leistung zum Teil verschiedene Entschädigungsziele haben, kann § 285 Abs. 2 BGB analog daher nur auf die Posten des Aufwendungsersatzes anwendbar sein, die im Schadensersatz statt der Leistung ebenso erfasst wären. Das sind nach allgemeiner Auffassung die Aufwendungen, die kommerziell bezweckt sind und damit der Rentabilitätsvermutung unterfallen. Im Bereich kommerziell bezweckter Aufwendungen, in dem es Überschneidungen zwischen dem Schadensersatz statt der Leistung und dem Aufwendungsersatz nach § 284 BGB gibt, kann daher § 285 Abs. 2 BGB analog angewendet werden. § 285 Abs. 2 BGB analog gilt aber nicht für ideelle oder konsumtive Zwecke, da es an der Vergleichbarkeit der Interessenlage fehlt. Im obigen Beispiel verfolgt die Errichtung einer Garage zum Wert von 5.000 e keine Zwecke, die wirtschaftlich rentabel sind. Dahingehend hat der Gläubiger also einen Aufwendungsersatzanspruch nach § 284 BGB. Zusätzlich kann er verlangen, dass der Anspruch gegen den Brandstifter über § 285 BGB an ihn abgetreten wird. Eine Verrechnung beider Ansprüche analog § 285 Abs. 2 BGB ist nicht angezeigt.

581 582

Siehe oben bereits: S. 306 ff. BeckOK/Faust, § 437 Rn. 176.

M. Das stellvertretende commodum nach § 285 BGB

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3. Fazit: Das Verhältnis zum Aufwendungsersatzanspruch Somit gilt: Zwischen dem Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 284 BGB und dem Anspruch auf das stellvertretende commodum aus § 285 BGB besteht keine elektive Konkurrenz. Die Rechtsfolgen müssen aber im Wege der Vorteilsberücksichtigung koordiniert werden, wenn sonst der Gläubiger bei Kombination beider Rechte ungerechtfertigt bereichert würde. Das gilt nur in den Fällen kommerzieller Aufwendungen. Die Verbindung der Rechtsfolgen zu einer Rechnungseinheit erfolgt dann über § 285 Abs. 2 BGB analog.

VI. Vergleich: Das stellvertretende commodum in CISG, PECL und DCFR Es gibt im CISG, in den PECL und im Gemeinsamen Referenzrahmen keinen mit § 285 BGB vergleichbaren Ausgleichsrechtsbehelf auf das stellvertretende commodum. In der Literatur zum CISG ist dieses Institut gleichwohl anerkannt. Es weicht dabei von der Lösung des BGB ab. Eine Übertragung auf die PECL und den Referenzrahmen ist denkbar. Aus den Eigenarten der Systeme von Rechtsbehelfen ergeben sich dann besondere Beziehungen des Anspruchs auf das stellvertretende commodum. 1. Art. 79 Abs. 5 CISG i. V. m. Art. 84 Abs. 2 b) CISG analog a) Die Folgen der Unmöglichkeit Für die Fälle des Leistungshindernisses wegen Unmöglichkeit gibt es im CISG keine mit § 275 BGB vergleichbare Norm. Das bedeutet aber nicht, dass es keine Leistungsbefreiung des Schuldners bei Unmöglichkeit gibt. Einigkeit besteht insofern in Theorie und Praxis, dass der Erfüllungsanspruch gänzlich zwecklos ist, wenn die Ware zerstört wird, untergeht oder ihre Erbringung in anderer Weise dem Schuldner unmöglich ist. Dann kann und muss der Schuldner nicht mehr leisten.583 Umstritten ist nur die dogmatische Begründung dieses Grundsatzes.584 583 Das beschränkt sich in der Regel auf die objektive Unmöglichkeit. Die bloß subjektive „Leistungserschwerung“ reicht dafür nicht aus. Freilich gibt es auch dort eine Opfergrenze. Zu diesem Problem: Schlechtriem/Stoll, Art. 79 Rn. 57. 584 Eine Ansicht vertritt, der Vertrag entfalle insgesamt. Vertreten wird auch, die nationalen Gerichte würden über Art. 28 CISG keine Erfüllung mehr zusprechen. Überwiegend heißt es, Art. 79 CISG und die Regeln über den Gefahrübergang, Art. 66–70 CISG, gingen davon aus, dass der Erfüllungsanspruch erlischt, wenn er

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

Der Gläubiger hat, wenn die Leistung seitens des Schuldners ausbleibt, einen Anspruch auf Schadensersatz. Beispielsweise erhält der Käufer, wenn der Verkäufer infolge eines Brandes im eigenen Lager den PKW nicht mehr liefern kann, einen Schadensersatzanspruch aus Art. 45 Abs. 1 b) i. V. m. Art. 74 CISG. b) Die Entlastung des Schuldners und das stellvertretende commodum Die Leistungsbefreiung wird dem Gläubiger in aller Regel über den Schadensersatzrechtsbehelf entschädigt. Der Schuldner kann sich aber unter Umständen hinsichtlich des Schadensersatzes gemäß Art. 79 CISG entlasten. Art. 79 Abs. 1 CISG verhindert, dass der Schuldner dem Gläubiger für ein Leistungshindernis, das außerhalb seines Einflussbereichs liegt, einzustehen hat. Dabei beschränkt sich der Ausschluss der Haftung für den Schuldner gemäß Art. 79 Abs. 5 CISG eindeutig auf den Schadensersatz. Insgesamt werden die Vertragspflichten durch die Entlastung an sich nicht aufgehoben. Dadurch stehen dem Gläubiger weitere Rechtsbehelfe aus dem Vertrag außer dem Schadensersatz zur Verfügung.585 In den Fällen der unverschuldeten Unmöglichkeit des Schuldners liegt hier freilich das Dilemma für den Gläubiger. Denn hinsichtlich seines Erfüllungsanspruchs ist der Schuldner wegen der Grundsätze der Unmöglichkeit, gleich welchem dogmatischen Begründungsansatz man folgt, befreit. Hinsichtlich des Schadensersatzrechtsbehelfs kann sich der Schuldner über Art. 79 CISG entlasten. So kann, wenn im obigen Beispiel ein Blitz den Lagerbrand verursacht hätte und dem Schuldner sonst kein Verschulden nachzuweisen wäre (Brandschutzmaßnahmen, etc.), der Gläubiger weder Erfüllung noch Schadensersatz verlangen. Hier gewährt die Literatur dem Gläubiger zumindest einen Herausgabeanspruch auf das stellvertretende commodum. Dazu wendet man Art. 84 Abs. 2 b) CISG analog an.586 Die Norm betrifft den Ausgleich von Vorteilen im Fall der Rückabwicklung, etwa wegen Vertragsaufhebung durch den Käufer. Davon erfasst ist auch die Zahlung jeglichen Gegenwerts der Vorteile, welche der Schuldner aus der Leistung gezogen hat, sofern die Erstattung des Vorteils selber unmöglich ist. Diesen Gedanken greift die Literatur für das das stellvertretende commodum bei Unmöglichkeit auf. Sofern beiunmöglich geworden ist. Nachweise und Überblick zum Meinungsstreit: Staudinger/ Magnus, Art. 79 CISG Rn. 58/59. 585 MüKo/Huber, Art. 79 CISG Rn. 28. 586 Siehe nur: Staudinger/Magnus, Art. 79 CISG Rn. 54; MüKo/Huber, Art. 46 CISG Rn. 19b mit weiteren Nachweisen.

M. Das stellvertretende commodum nach § 285 BGB

335

spielsweise der Verkäufer die durch den Brand zerstörte Ware nicht liefern kann, steht dem Käufer nach Art. 84 Abs. 2 b) CISG analog die Versicherungssumme, welche der Verkäufer für eben diese Ware erhalten hat, zu.587 c) Das Verhältnis zu Vertragsaufhebung und Minderung Steht dem Gläubiger ein Herausgabeanspruch über das stellvertretende commodum zu, muss dessen Verhältnis zu den übrigen Rechtsbehelfen geklärt werden. Sofern sich der Schuldner hinsichtlich der Unmöglichkeit entlasten kann, schließt Art. 79 Abs. 5 CISG den Schadensersatz aus.588 Kann er sich nicht entlasten, besteht meines Erachtens gar keine Notwendigkeit, dem Gläubiger einen Herausgabeanspruch auf das stellvertretende commodum über Art. 84 Abs. 2 b) CISG analog zu gewähren. Er kann dann über den Schadensersatz gehen, sodass es an der planwidrigen Regelungslücke fehlt, die für eine Analogie nötig ist. Der Anspruch auf das Surrogat beschränkt sich also richtigerweise von vorne herein auf die Fälle, in denen die Ersatzpflicht des Schuldners wegen Entlastung bzw. Entschuldigung ausfällt.589 Keine logische Alternativität zum Anspruch auf das stellvertretende commodum nach Art. 84 Abs. 2 b) CISG analog besteht für das Recht zur Vertragsaufhebung. Eine Norm wie § 326 Abs. 3 S. 1 BGB, die das stellvertretende commodum an den Erhalt der Gegenleistung des Gläubigers knüpft, gibt es im CISG nicht. Somit ist eine Rückabwicklung der Leistungen neben dem Ausgleichsanspruch möglich. Dies verdeutlicht auch Art. 84 Abs. 2 b) CISG als Rechtsfolge der Vertragsaufhebung, dessen Analogie erst das stellvertretende commodum ersatzfähig macht. Man muss allerdings den Ausnahmecharakter der Vertragsaufhebung beachten: Erst ein erfolg587 Es muss aber eine Deckungsgleichheit zwischen unmöglicher Leistung und stellvertretendem commodum gegeben sein. Es reicht z. B. nicht aus, wenn der Verkäufer eine Versicherungssumme für den Brand an der Lagerhalle insgesamt erhalten hat und der Käufer nun einen Anteil daran fordert. Die Versicherungssumme muss sich exakt auf die unmöglich gewordene Leistung beziehen: Staudinger/Magnus, Art. 79 CISG Rn. 54. 588 Ausgeschlossen ist damit notwendigerweise auch der Ersatz frustrierter Aufwendungen. 589 Die Literatur nimmt keine derartige Einschränkung vor und geht offenbar davon aus, dass das stellvertretende commodum unabhängig von der Entlastung des Schuldners zu gewähren ist: Staudinger/Magnus, Art. 79 CISG Rn. 54; MüKo/Huber, Art. 46 CISG Rn. 19b. Selbst wenn man dieser Lösung folgt, bestünde zwischen dem Schadensersatz und dem Herausgabeanspruch ein Konkurrenzverhältnis. Die Rechtsfolgen müssten nämlich koordiniert werden, damit der Gläubiger nicht mehr erhält, als ihm zusteht. Dies entspricht dem Grundgedanken des § 285 Abs. 2 BGB.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

loser Fristablauf zur Lieferung nach Art. 47 CISG gewährt dem Käufer, der im obigen Beispiel vergeblich auf die Ware wartet, das Recht zur Vertragsaufhebung, siehe Art. 49 Abs. 1 b) CISG. Ist diese Voraussetzung erfüllt, kann der Käufer der durch den Lagerbrand zerstörten Ware die Versicherungssumme und zusätzlich über die Vertragsaufhebung seinen Kaufpreis zurückverlangen, Art. 81 Abs. 2 CISG.590 Zwischen dem Anspruch auf das stellvertretende commodum und der Minderung nach Art. 50 CISG besteht eine elektive Konkurrenz. Es gilt das zum BGB bereits Gesagte: Die Unmöglichkeit der Nacherfüllung an einer mangelhaften Sache wird entweder durch einen Ersatz für diese Unmöglichkeit oder durch Minderung hinsichtlich des Mangelunwerts kompensiert, nicht aber durch beides. 2. Art. 8:101 i. V. m. 8:108 PECL sowie Art. 9:309 PECL analog? Die Fälle der Unmöglichkeit werden in den PECL nach Art. 8:101 i. V. m. 8:108 PECL geregelt. Es gibt kein gesondertes Unmöglichkeitsrecht, sondern eine einheitliche Behandlung aller Formen der Nichterfüllung.591 Dies ist dem Konzept des Art. 79 Abs. 1 CISG nachempfunden, allerdings mit einer Änderung: Der Schuldner, der wegen Unmöglichkeit nicht erfüllt und beweist, dass der Hinderungsgrund außerhalb seines Einflussbereichs liegt, ist von seiner Pflicht zur Leistung befreit. Die PECL geben also eine dogmatisch eindeutige Begründung für die Leistungsbefreiung wegen Unmöglichkeit,592 sodass es keiner weiteren Diskussionen über deren Herleitung bedarf. Die Entschuldigung des Schuldners (Art. 8:108 PECL) führt direkt zum Ausschluss der Ansprüche auf Erfüllung und Schadensersatz, so expressis verbis Art. 8:101 (2) PECL. Übrig bleiben nach dem Wortlaut des Art. 8:101 (2) PECL die „in Kapitel 9 vorgesehenen Rechtsbehelfe“. Namentlich sind diese das Recht zur Vertragsaufhebung und die Minderung. Ein Herausgabeanspruch auf das stellvertretende commodum ist dort nicht vorgesehen. Die Vertragsaufhebung wirkt im Modell der PECL nur für die Zukunft. Ist ein Fall der Unmöglichkeit gegeben, muss von dem Recht zur Erklärung 590 Ist in einem anderen Fall die Ware bereits zum Käufer übergegangen und dort zerstört worden, kann er diese nicht zurückweisen und Vertragsaufhebung verlangen. Art. 82 Abs. 1 CISG ordnet bei Unmöglichkeit der Rückgabe auf Seiten des Käufers den Ausschluss der Vertragsaufhebung an. Die Ausnahmen ergeben sich aus Art. 82 Abs. 2 CISG. 591 von Bar/Zimmermann, PECL, S. 435. 592 Ausdrücklich: von Bar/Zimmermann, PECL, S. 459.

M. Das stellvertretende commodum nach § 285 BGB

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der Vertragsaufhebung aber nicht Gebrauch gemacht werden: Gemäß Art. 9:303 (4) PECL ist der Vertrag durch das Leistungshindernis automatisch aufgehoben. In den fakultativen Rechtsfolgen der Rückabwicklung ist mit Art. 9:309 PECL dann ein Wertersatzanspruch vorgesehen, wenn die Rückgabe der Leistungen unmöglich ist. Dies ähnelt Art. 84 Abs. 2 b) CISG, dessen Grundgedanke die Literatur auf einen Herausgabeanspruch bzgl. des stellvertretenden commodums überträgt. Ob diese Konstruktion auch für Art. 9:309 PECL (analog) möglich sein soll, ist der Kommentierung der Principles nicht zu entnehmen.593 Erkennt man einen Herausgabeanspruch auf das Surrogat über Art. 9:309 PECL (analog) an, nimmt dieser dieselbe Position wie im System der Rechtsbehelfe nach dem CISG ein. Dann ist ein solcher Anspruch zusätzlich zur Vertragsaufhebung möglich. Eine Kombination mit der Minderung scheidet schon deshalb aus, weil der Vertrag automatisch aufgehoben ist.594 3. Art. III.-3:101 (2) i. V. m. III.-3:104 DCFR sowie Art. III.-3:513 (1) DCFR analog? Ein Unmöglichkeitsrecht wie im BGB ist im Referenzrahmen nicht vorgesehen. Stattdessen wird die Nichterfüllung einheitlich behandelt und die Unmöglichkeit auf der Stufe der Entschuldigung des Schuldners geprüft, Art. III.-3:104 DCFR. Wie in den PECL bewirkt die entschuldigte Unmöglichkeit, dass der Schuldner weder auf Erfüllung noch auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann, Art. III.-3:101 (2) DCFR. Der Gläubiger ist dann auf die übrigen Rechtsbehelfe verwiesen. Bei der Frage, ob der Gläubiger einen Anspruch auf das Surrogat für die unmögliche Leistung hat, weicht die Lösung des DCFR systematisch etwas von den PECL ab. Schon bei der Prüfung der Entschuldigung des Schuldners führt die Unmöglichkeit der Leistung zum gegenseitigen Leistungsausschluss. Zur Abwicklung des Verhältnisses verweist Art. III.-3:104 (4) DCFR ausdrücklich auf die Rechtsfolgen der Vertragsaufhebung, speziell 593

Siehe: von Bar/Zimmermann, PECL, S. 514–521. Hier zeigt sich meines Erachtens ein Paradoxon der Principles. Die objektive und dauerhafte Unmöglichkeit hebt nach Art. 9:303 (4) PECL automatisch den Vertrag auf. Vertragsaufhebung und das Minderungsrecht stehen in elektiver Konkurrenz, sodass dann eine Minderung per se ausscheidet. Übrig bleiben für den Gläubiger, entgegen der weiten „Ankündigung“ offener Rechtsbehelfe in Art. 8:101 (2) PECL, lediglich die verhaltenen Ansprüche auf Rückforderung des Geleisteten. Dies sind Ansprüche im Rahmen der Vertragsaufhebung, Art. 9:307 ff. PECL. Weder auf Art. 8:101 (2) PECL noch auf Art. 8:102 PECL als Regeln, welche die Position des Gläubigers stärken sollen, kommt es dann an. Er kann nur aus der Vertragsaufhebung vorgehen. 594

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

den Abschnitt der Rückerstattung nach Art. III.-3:510 ff. DCFR („Restitution“). Hier finden wir mit Art. III.-3:512 DCFR eine umfassende Regelung zum Wertersatz für unmöglich rückerstattbare Leistungen. Diese entspricht im Wesentlichen der Parallelnorm Art. 9:309 PECL, sodass man auch hier an eine gedankliche Übertragung der Grundsätze des Herausgabeanspruchs auf das stellvertretende commodum denken könnte. Das stellvertretende commodum aus Art. III.-3:512 (1) DCFR analog erweitert dann die Ansprüche des Gläubigers aus der Vertragsaufhebung. Der Vertrag wird aber, anders als in den PECL, nicht automatisch durch die Unmöglichkeit der Leistung aufgehoben. Der Gläubiger muss wie im CISG die Vertragsaufhebung erklären. In jedem Fall kann der Anspruch auf das stellvertretende commodum nicht neben der Minderung bestehen. Bleibt der Vertrag bestehen, schließen sich die beiden Rechte logisch aus. Hier verweise ich auf das gleiche Verhältnis im System des BGB. Wird der Vertrag aufgehoben, entfallen die Leistungspflichten. Schon deshalb scheidet die Minderung der Gegenleistung aus. 4. Fazit: Das stellvertretende commodum in CISG, PECL und DCFR Das CISG, die PECL bzw. der DCFR regeln den Fall der Unmöglichkeit nicht als spezielle Materie, sondern einheitlich unter der Nichterfüllung. Dabei ist im Fall der Unmöglichkeit, für die den Schuldner keine Verantwortung trifft, sowohl der Erfüllungsanspruch als auch der Schadensersatzanspruch ausgeschlossen. Ein Anspruch auf das stellvertretende commodum ist nicht ausdrücklich in CISG, PECL oder DCFR vorgesehen. Wie schon zum CISG anerkannt, könnte man dieses aus dem Grundgedanken der Werterstattung von unmöglichen Leistungen nach Vertragsaufhebung in Analogie herleiten. Meines Erachtens ist dies aber nur in den Fällen möglich, in denen sowohl Erfüllung als auch Schadensersatz ausgeschlossen ist. Ansonsten fehlt es an der planwidrigen Regelungslücke. Der Anspruch auf das Surrogat ließe sich, anders als § 285 BGB, mit der Vertragsaufhebung verbinden. Im Konzept der PECL gingen beide Rechte sogar zwingend einher. Die gleichzeitige Geltung der Minderung und des Anspruchs auf das stellvertretende commodum wäre jedoch in allen drei Modellen ausgeschlossen.

VII. Fazit: Das stellvertretende commodum nach § 285 BGB im System der Gläubigerrechte Der Ausgleich auf das stellvertretende commodum im Fall der Unmöglichkeit nach § 285 BGB steht in einem besonderen Verhältnis zu sämt-

N. Fazit zu Kapitel 4

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lichen Sekundärrechten des Gläubigers. Er kann neben einem Schadensersatz- oder Aufwendungsersatzanspruch verlangt werden. Allerdings ist im Einzelfall eine Anrechnung des Erlangten gemäß § 285 Abs. 2 BGB (analog) erforderlich. Zwischen dem Anspruch aus § 285 BGB und den Gestaltungsrechten Rücktritt und Minderung findet man eine elektive Konkurrenz. Die Fälle der Unmöglichkeit sind im internationalen Vergleich von anderen Leistungsstörungen nicht separiert. Daher ist u. a. die Gewährung eines stellvertretenden commodums nicht ausdrücklich vorgesehen. Erkennt man einen solchen Anspruch auf das Surrogat dem Grunde nach an, nimmt dieser wie im BGB eine besondere Position gegenüber den übrigen Rechtsbehelfen ein.

N. Fazit zu Kapitel 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte Das System der Gläubigerrechte des Bürgerlichen Gesetzbuchs beinhaltet verschiedene Fälle kompatibler und inkompatibler Forderungs- und Gestaltungsrechte. Die Alternativität der Rechte ist dabei keineswegs stets ein Fall der elektiven Konkurrenz, wie das Verhältnis von Rücktritt und (sog. kleinem) Schadensersatz nach § 325 BGB zeigt: Dort besteht keine Ausübungssalternative der Rechte, sondern lediglich eine Alternativität bestimmter Rechtsfolgen. Ebenso wenig sind sämtliche Fälle der Gläubigerwahl im Leistungsstörungsrecht solche elektiv konkurrierender Rechte. Das bezeugen exemplarisch zum einen die Alternative der Nacherfüllungsvarianten nach § 439 Abs. 1 BGB, die nach hier vertretener Auffassung eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht ist, sowie zum zweiten das „Wahlrecht“ zwischen kleinem und großem Schadensersatz im Rahmen des § 281 BGB, das sich nach heutiger Rechtslage lediglich als unterschiedliche Berechnungsmethode einund desselben Ersatzanspruchs erweist. Im hier entwickelten System595 stelle ich folgende Fälle elektiver Konkurrenz fest: – das Verhältnis von Erfüllungsanspruch und Schadensersatz nach § 179 Abs. 1 BGB, – das Verhältnis von Erfüllungsanspruch und Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3; 281 Abs. 1 BGB, 595 Das System erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Die Untersuchung konzentriert sich vielmehr auf das Leistungsstörungsrecht. Unberücksichtigt bleiben z. B. Fälle konkurrierender sachenrechtlicher Ansprüche.

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Kap. 4: Die Fälle elektiver Konkurrenz im System der Gläubigerrechte

– das Verhältnis von Erfüllungsanspruch und sämtlichen Gestaltungsrechten innerhalb (Rücktritt, Kündigung, Minderung) und außerhalb (Anfechtung) des Leistungsstörungsrechts, – das Verhältnis zwischen sämtlichen Gestaltungsrechten, – das Verhältnis von Schadensersatz statt der Leistung und Minderung, – das Verhältnis von Schadensersatz statt der Leistung und Aufwendungsersatz, – das Verhältnis zwischen Rücktritt und Surrogationsanspruch nach § 285 BGB sowie – das Verhältnis zwischen Minderung und Surrogationsanspruch nach § 285 BGB. Dieses System der Gläubigerrechte im BGB weist Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den Modellen des CISG, der PECL und des DCFR auf. Dort finden wir folgende Fälle elektiver Konkurrenz: – das Verhältnis der Nacherfüllungsvarianten Ersatzlieferung und Nachbesserung nach Art. 46 Abs. 2 und 3 CISG, – das Verhältnis von Erfüllung und Vertragsaufhebung nach CISG, PECL und DCFR, – das Verhältnis von Nacherfüllung und Minderung nach CISG, PECL und DCFR, – das Verhältnis von Erfüllung und Anfechtung nach CISG, PECL und DCFR, – das Verhältnis zwischen sämtlichen Gestaltungsrechten nach CISG, PECL und DCFR sowie – das Verhältnis von Minderung und stellvertretendem commodum nach CISG, PECL und DCFR. Aus den untersuchten Fällen lässt sich der Schluss ableiten, dass die Beziehungen zwischen Primäranspruch und alternativen Sekundärrechten stets Fälle elektiver Konkurrenz sind. Demgegenüber kommt es bei der Beziehung zwischen zwei Sekundärrechten auf den Einzelfall an, ob diese kompatibel oder inkompatibel sind, und wenn letzteres, ob eine elektive Konkurrenz vorliegt.

Kapitel 5

Das Wahlrecht und die Lösung der elektiven Konkurrenz Das folgende Kapitel untersucht, wie die Konkurrenz von Gläubigeroptionen gelöst werden könnte. Anknüpfungspunkt der Lösung ist die Wahlentscheidung für die eine oder andere Option. Diese Entscheidungsmöglichkeit, die dem Gläubiger zusteht, kann einen sehr unterschiedlichen Rechtscharakter haben. Die Ausübung der Wahl ruft verschiedene Rechtsfolgen auf, je nachdem, um welche Optionen es sich für den Gläubiger handelt. Die Untersuchung wird diese im Einzelnen darstellen. Das Wahlrecht auf Seiten des Gläubigers in der elektiven Konkurrenz zieht praktische Probleme nach sich, die sowohl auf Gläubiger- als auch auf Schuldnerseite entstehen können. Für den Schuldner bedeutet die Wahlmöglichkeit des Gläubigers einen Zustand der Ungewissheit: Von welchem Recht wird der Gläubiger Gebrauch machen und wie muss der Schuldner sich darauf einstellen? Der Gläubiger steht demgegenüber in vielen Fällen vor dem Problem, dass sich die einmal getroffene Wahl zwischen den Rechten im Nachhinein als nachteilhaft herausstellt. Zu prüfen ist dann, ob die Ausübung der Wahl des Gläubigers endgültig wirkt oder korrigiert werden kann. Wir sprechen im Fall einer Wiederholung bzw. Korrektur der Wahl von einem sog. ius variandi.

A. Das Wahlrecht Der Gläubiger ist in den Fallkonstellationen der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht, der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers und der elektiven Konkurrenz berechtigt, aus verschiedenen Optionen auszuwählen. Wir können daher von einem Wahlrecht sprechen. Der Charakter dieses Wahlrechts ist sehr unterschiedlich. Es gibt kein einheitliches Wahlrecht, sondern verschiedene Formen einer Entscheidungsbefugnis. Diese verschiedenen Wahlrechte kann man unterscheiden, wenn man die Wirkung der Wahl näher betrachtet. Ich orientiere mich zur Beantwortung dieser Frage auch an den Beobachtungen von Theodor Kipp1. Dieser hat schon zu Beginn 1 In seinem berühmten Beitrag: Rechtswahrnehmung und Reurecht, Festgabe Richard Koch (1903), S. 110 ff.

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Kap. 5: Das Wahlrecht und die Lösung der elektiven Konkurrenz

des 20. Jahrhunderts den für die Unterscheidung maßgeblichen Ansatz präsentiert: Es gibt Erklärungen, die unmittelbar auf den Eintritt eines rechtlichen Erfolgs gerichtet sind. Demgegenüber stehen Erklärungen, die nur auf die Befriedigung eines Anspruchs gerichtet sind und daher als unverbindlich betrachtet werden. Kipps Thesen sind nach wie vor gültig, müssen aber der heutigen Dogmatik und den historisch gewachsenen Begriffen angepasst werden.2 Man unterscheidet demnach das Wahlrecht, das seiner Konstruktion nach ein Gestaltungsrecht ist, von der bloßen Möglichkeit der Entscheidung für eine Option. Erstere ist die originäre Entscheidungskompetenz zur Auflösung einer Konkurrenzlage. Ein solches Gestaltungsrecht, das allein der Ausübung der Wahl zwischen alternativen Optionen dient und sich zugleich darin erschöpft, findet man in den Fällen der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers. Die Entscheidungsbefugnis bezüglich der Optionen in elektiver Konkurrenz ist indes kein Gestaltungsrecht, sondern nicht mehr als die Freiheit, eines der alternativen Rechte auszuüben und damit faktisch die Konkurrenzlage aufzulösen. Diese Unterscheidung stellt die Untersuchung im Folgenden dar.

I. Das Wahlrecht der Wahlschuld 1. Das Wahlrecht als initiatives Gestaltungsrecht Das Wahlrecht in den Fällen der Wahlschuld ist ein Gestaltungsrecht.3 Es ist in §§ 262, 263 Abs. 1 BGB gesetzlich geregelt und steht gemäß § 262 BGB im Zweifel dem Schuldner zu. Das Wahlrecht selbst wird nicht durch § 263 Abs. 1 BGB, sondern durch Vertrag oder Gesetz begründet. Die Regelungen der §§ 262, 263 Abs. 1 BGB sind lediglich die Richtschnur für die Ausübung und Wirkung des Wahlrechts, sofern keine Abweichungen vertraglicher oder gesetzlicher Art vorgesehen sind.4 Bei entsprechen2 Namentlich der Begriff der Gestaltungsrechte in der uns geläufigen Form war Kipp noch unbekannt. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn der die Gestaltungsrechte etablierende Beitrag von Emil Seckel wurde zeitgleich mit Kipps Beitrag veröffentlicht, notabene wenige Seiten danach im selben Band: Seckel, Die Gestaltungsrechte des Bürgerlichen Rechts, Festgabe Richard Koch (1903), S. 205 ff. 3 Statt Aller: Palandt/Heinrichs, § 263 Rn. 1; BeckOK/Unberath, § 263 Rn. 1. 4 Daher ist es meines Erachtens entgegen Endemann auch unrichtig, davon zu sprechen, dass § 263 BGB ein Wahlrecht im Schuldverhältnis „objektiv begründet“. Hier wird Ursache (vertragliche bzw. gesetzliche Festlegung eines Wahlrechts) und Wirkung (wenn nichts weiter bestimmt, dann § 263 BGB) vertauscht: Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, S. 667 Fn. 11.

A. Das Wahlrecht

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der Einigung kann das Wahlrecht auch dem Gläubiger zustehen. Auf diese Fälle kommt es hier an. In den Kategorien der Elemente des Schuldverhältnisses ausgedrückt, hat der Gläubiger mindestens zwei Rechte, den Anspruch mit alternativem Leistungsinhalt und das Wahlrecht gemäß §§ 262, 263 Abs. 1 BGB. Ersteres ist ein Forderungsrecht im Sinne von § 194 BGB, Letzteres ein Gestaltungsrecht. Das Wahlrecht ist kein beendendes oder ausfüllendes Gestaltungsrecht im Sinne der herrschenden Termini.5 Denn weder wird ein bestehendes und wirksames Schuldverhältnis beendet oder der Beendigung zugewandt, noch wird der Inhalt eines bestehenden Schuldverhältnisses neuen Gegebenheiten angepasst. Die insofern vertretenen Kategorien sind für das Wahlrecht der Wahlschuld zu eng. Vielmehr initiiert die Ausübung der Wahl nach § 263 Abs. 1 BGB das Pflichtenprogramm der Parteien und macht somit das Schuldverhältnis erst durchsetzbar.6 Ohne die Wahlerklärung des Gläubigers hat der Schuldner weder das eine noch das andere der konkurrierenden Leistungsgebote zu erbringen. Es besteht also ein Schwebezustand, der erst durch die Initialzündung der Wahl beendet wird. Man könnte also das Gestaltungsrecht des §§ 262, 263 Abs. 1 BGB als positives,7 weil initiatives Gestaltungsrecht bezeichnen.8 Weil es für die Initiierung der Erfüllbarkeit der Schuld notwendig ist und sich zugleich darin erschöpft, kann man das Gestaltungsrecht nicht getrennt von der Wahlschuld betrachten, schon gar nicht davon – etwa durch Abtretung – lösen.9 Die Wahl darüber, welchem der alternativen Leistungsgebote der Schuldner nachkommen soll, wird durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung getroffen, § 263 Abs. 1 BGB. Für die hier interessierenden Fälle des Gläubigerwahlrechts heißt das: Der Gläubiger verlangt vom Schuldner die Leistung in einer der Varianten, die ihm zur Auswahl stehen. Sobald der Gläubiger diese Erklärung abgegeben hat und sie dem Schuldner zugeht, schuldet dieser allein die geforderte Leistung. Rückwirkend wird 5

MüKo/Emmerich, § 311 Rn. 35/36. Dazu bereits: Kapitel 2, S. 95. 7 Diesen Begriff verwendet: Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, S. 39/40 Rn. 87/88, der von positiven bzw. negativen sowie Regelungsrechten spricht. Larenz/Wolf sprechen von einem Recht, den Inhalt eines Schuldverhältnisses „näher zu bestimmen“: Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, S. 308 Rn. 83. 8 Es besteht dabei eine Parallelität zu §§ 315 und 317 BGB, wonach die vollends offene Leistungspflicht im Schuldverhältnis einseitig von einer Partei bzw. einem Dritten bestimmt werden kann. 9 Vgl. dazu die Kritik an entsprechenden Versuchen im 19. Jahrhundert von: Roh, Das sogenannte ius variandi, S. 19. 6

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Kap. 5: Das Wahlrecht und die Lösung der elektiven Konkurrenz

dieses Leistungsgebot als von Anfang geschuldet betrachtet, siehe § 263 Abs. 2 BGB. Auf die damit einhergehenden Probleme in der Praxis habe ich bereits hingewiesen.10 Vor Ausübung der Wahl durch den Gläubiger kann der Schuldner nicht einseitig erfüllen. Er ist auf die Erklärung des Gläubigers, darüber, welches Leistungsgebot letztlich erbracht werden soll, angewiesen. Diese Entscheidung kann er aber faktisch erzwingen, siehe § 264 Abs. 2 BGB. Ist eines der Leistungsgebote dem Schuldner ohne dessen Zutun unmöglich, dann konzentriert sich der Anspruch des Gläubigers gemäß § 265 S. 1 BGB auf die verbleibende Varianten. Ist dies nur eine einzige Variante, geht das Wahlrecht des Gläubigers mangels Wahloptionen unter. Es bleibt dann beim Anspruch des Gläubigers mit einfachem Inhalt. 2. Beispiel Der Verkäufer bietet dem Käufer zwei Flachbildschirme zum Kaufpreis von 1.000 e an. Man vereinbart, dass der Käufer, bevor er bezahlt und Eigentümer wird, beide Bildschirme mit nach Hause nehmen darf, um ihre Qualität zu testen, und er sich hiernach einen der beiden aussuchen kann. Der Käufer entscheidet sich nach einer Testwoche für das Modell a und teilt dies dem Verkäufer mit. Das Modell b bringt der Käufer wieder zum Verkäufer zurück. Hier besteht zwischen den Parteien ein Kaufvertrag, § 433 BGB. Der Käufer schuldet die Kaufpreiszahlung in Höhe von 1.000 e, § 433 Abs. 2 BGB. Der Verkäufer schuldet Übereignung eines mangelfreien Bildschirms, § 433 Abs. 1 BGB. Dem Käufer steht diesbezüglich ein einziger Anspruch zu. Der Anspruch umfasst aber zwei alternative Leistungsgebote, nämlich die Modelle a und b. Dies ist eine Wahlschuld mit einer von der Zweifelsregel § 262 BGB abweichenden Gläubigerwahl. Neben den Anspruch aus § 433 Abs. 1 BGB tritt das Gestaltungsrecht des Käufers mit dem Zweck, durch seine Wahl die Wahlschuld zugunsten einer einfachen Schuld aufzulösen. Der Käufer teilt dies dem Verkäufer mit, § 263 Abs. 1 BGB. Diese Wahl wirkt so, als hätte der Verkäufer von Anfang an das gewählte Modell a geschuldet, § 263 Abs. 2 BGB. Die Konkurrenz zwischen den Leistungsgeboten der Wahlschuld wird also durch das eigens dazu bestehende Gestaltungsrecht aufgelöst.

10

Kapitel 1, S. 68 ff.

A. Das Wahlrecht

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II. Das Wahlrecht der Ersetzungsbefugnis 1. Das Wahlrecht als Gestaltungsrecht Eine Ersetzungsbefugnis ist – wie das Wahlrecht der Wahlschuld – ein Gestaltungsrecht. Es gestaltet das bestehende Schuldverhältnis um, indem das geschuldete Leistungsgebot gegen ein vorher bestimmtes Ersatzleistungsgebot ausgetauscht wird. a) Die Leistung und die Ersatzleistung Der Schuldner schuldet, anders als in einer Wahlschuld, aus einem Anspruch des Gläubigers eine konkrete Leistung. Kraft Gesetzes oder rechtsgeschäftlicher Vereinbarung wird einer der Parteien das einseitige Recht gegeben, diese Schuld zu ändern. Sie darf dann das ursprüngliche Tun 1 durch ein anderes Tun 2 ersetzen. Dieses alternative Leistungsgebot (Tun 2) ist jedoch nicht ins Belieben des Wahlberechtigten gestellt. Es steht vielmehr bereits von Anfang an fest: Mit Begründung der schuldrechtlichen Verpflichtung wird zugleich deren Ersatz festgelegt. Dieser Ersatz ist eine reine „Reserve“ bzw. ein potentieller Schuldinhalt11 und wird zur Leistungspflicht erhoben, sobald das Wahlrecht ausgeübt wird. Vorher hat die Ersatzleistung aber für sich keinen durchsetzbaren juristischen Wert. Sie ist nur die inhaltliche Maßgabe der Ersetzungsbefugnis. Anders als in der Wahlschuld stehen die Leistungsgebote Tun 1 und Tun 2 in einem Stufenverhältnis. Das ursprüngliche Leistungsgebot ist bestimmt und durchsetzbar, das Ersatzleistungsgebot ist hingegen zwar bestimmt, aber nur eventuell, das heißt im Austausch gegen die Ursprungsleistung durchsetzbar. Wie bei der Wahlschuld werden in keinem Fall beide Leistungsgebote geschuldet. Sie schließen sich daher gegenseitig in ihrer Wirkung aus. Das Alternativverhältnis besteht, parallel zur Wahlschuld, zwischen zwei Leistungsgeboten. Die Konkurrenz muss hier aber nicht zwingend durch eine Entscheidung gelöst werden. Wird nämlich von der Ersetzungsbefugnis kein Gebrauch gemacht, bleibt es bei der Schuld in ihrer ursprünglichen Form. Das Wahlrecht als Gestaltungsrecht wirkt insofern nicht initiativ, sondern das bereits zur Durchführung geeignete Schuldverhältnis umgestaltend.

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Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 666.

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b) Das Wahlrecht des Schuldners: Gestaltungserklärung und Erfüllungsversuch Die Ersetzungsbefugnis kann dem Schuldner oder dem Gläubiger zustehen. Die Ersetzungsbefugnis des Schuldners wird nach herrschender Auffassung nicht schon durch eine einseitige Willenserklärung ausgeübt. Vielmehr soll der Schuldner zusätzlich zur Erklärung, die Schuld anders als ursprünglich erfüllen zu wollen, die Erfüllung zumindest vorantreiben. Der Schuldner übt demnach seine Ersetzungsbefugnis erst dann aus, wenn er die Ersetzung der Schuld erklärt und die Verantwortung für die Erfüllung auf den Gläubiger übergeht. Dies sei spätestens der Fall, wenn die Ersatzleistung angeboten wird und der Gläubiger in Annahmeverzug gerät.12 Damit soll verhindert werden, dass der Gläubiger an die bloße Ankündigung einer anderen als der ursprünglich geschuldeten Leistung unberechtigte Hoffnungen knüpft. Erst wenn der Schuldner seinen Willen auch in die Tat umzusetzen versucht, darf sich der Gläubiger darauf verlassen. c) Das Wahlrecht des Gläubigers und der „Wettlauf“ mit dem Schuldner Derlei Probleme gibt es bei der hier relevanten Ersetzungsbefugnis des Gläubigers nicht.13 Die Verantwortung für die Erklärung der Ersetzungsbefugnis fällt dem Gläubiger, die Verantwortung für die tatsächliche Leistungserbringung aber dem Schuldner zu. Das Wahlrecht des Gläubigers bedroht dabei den Schuldner wie ein „Damoklesschwert“, denn dieser muss darauf gefasst sein, plötzlich die ursprüngliche Leistung aufgeben und das Substitut erbringen zu müssen. Dies ist jedoch für den Schuldner nicht unbillig. Denn er kann jederzeit, bevor der Gläubiger seine Ersetzungsbefugnis ausübt, den Anspruch erfüllen, indem er die aktuell geschuldete Leistung erbringt und sich so von der Schuld insgesamt befreit. Man kann von einem „Wettlauf“ der Parteien sprechen: Je eher der Schuldner erfüllt, desto zeitiger beseitigt er die Gefahr, die potentielle Ersatzleistung erbringen zu müssen. Je eher der Gläubiger hingegen den Ersatz verlangt, desto zeitiger beseitigt er die Möglichkeit für den Schuldner, die ursprüngliche Leistung erfüllungstauglich anzubieten.14 12 In jedem Fall ist die Ersetzungsbefugnis ausgeübt, wenn bezüglich der Ersatzleistung tatsächlich Erfüllung eingetreten ist. Zur herrschenden Meinung insoweit: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 665 mit weiteren Nachweisen. Bei rechtsgeschäftlich vereinbarter Ersetzungsbefugnis des Schuldners kann es natürlich für die Umgestaltung des Schuldverhältnisses allein auf eine Willenserklärung ankommen, wenn dies vereinbart war; so schon: RG, JW 1928, 2834, 2836. 13 Vgl.: BGH, NJW 1970, 992, 992.

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Die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers existiert nur solange, wie die Schuld besteht. Ist erfüllt worden oder Unmöglichkeit der Leistung eingetreten, wird der Schuldner von seiner Leistungspflicht befreit. Logischerweise gilt das dann auch für die Ersatzleistung: Die Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Ersatzes steht und fällt mit der ursprünglichen Leistung.15 2. Beispiel Ein PKW-Fahrer biegt unachtsam über einen Radweg ab und verletzt dabei schuldhaft einen Radfahrer. Dieser muss in einem Krankenhaus behandelt werden und hat dadurch Heilungskosten in Höhe von 8.000 e. Er hat gegen den PKW-Fahrer einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB.16 Daraus ist ihm der Schädiger im Grundsatz zur Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB verpflichtet. Das bedeutet, der PKW-Fahrer selbst müsste für die Heilung des Radfahrers und damit die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands sorgen. Der Geschädigte kann aber dieses Leistungsgebot seines Anspruchs gegen die Forderung eines Geldbetrags anstelle der Naturalrestitution austauschen. Denn § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gewährt ihm als Gläubiger diesbezüglich eine Ersetzungsbefugnis.17 Das Leistungsgebot „Zahlung eines erforderlichen Geldbetrags“ stellt einen potentiellen Inhalt der Schuld dar, wird aber erst durch die Zahlungsaufforderung des Geschädigten zum aktuellen Inhalt der Schuld. Verlangt der Radfahrer also die 8.000 e als Schadensersatz, macht er von seinem Gestaltungsrecht der Ersetzungsbefugnis gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Gebrauch.

III. Das Wahlrecht in der elektiven Konkurrenz Das Wahlrecht in einer elektiven Konkurrenz ist, anders als das der Wahlschuld bzw. Ersetzungsbefugnis, kein eigenständiges Gestaltungsrecht im Sinne eines Gläubigerrechts sui generis. Es handelt sich lediglich um die Möglichkeit für den Gläubiger, eines seiner bestehenden Rechte auszuüben und damit bestehende alternative Rechte auszuschließen. Diese 14

Siehe auch: S. 96 ff. Eine gesetzliche Ausnahme bildet § 251 Abs. 1 BGB, der gerade verhindern soll, dass die Unmöglichkeit der Schadensrestitution den Schädiger von jeglicher Zahlungspflicht freistellt. Er muss dann Kompensation zahlen: Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, S. 93 Rn. 16. 16 Andere Haftungstatbestände, etwa § 823 Abs. 2 i. V. m. einem Schutzgesetz oder nach StVG, lasse ich hier außer Betracht. 17 Dazu: BGHZ 5, 105, 109 f.; Esser/Schmidt, Schuldrecht I – Teilband 1, S. 245. 15

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Möglichkeit entspringt der Rechtsausübungsfreiheit, die jedem der konkurrierenden Forderungs- und Gestaltungsrechte innewohnt. Es kommt jedoch darauf an, welches Recht man wählt. Wir müssen dabei die Wahl eines normalen Erfüllungsanspruchs, die Wahl eines verhaltenen Anspruchs und die Wahl eines Gestaltungsrechts trennen. Je nachdem, welchen Charakter das Recht hat, bewirkt dessen Wahl unterschiedliche Folgen und ruft verschiedene Reaktionen anderer Rechte hervor. 1. Vorüberlegung: Unterschied zu Wahlschuld und Ersetzungsbefugnis Zunächst können wir mit Blick auf das Wahlrecht einen Unterschied zwischen der elektiven Konkurrenz und den Fällen der Wahlschuld bzw. Ersetzungsbefugnis ausmachen: Die Entscheidungsbefugnis des Gläubigers elektiv konkurrierender Rechte ist kein Gestaltungsrecht sui generis. Die alternativen Forderungs- und Gestaltungsrechte der elektiven Konkurrenz schließen sich in ihrer Geltendmachung aus und verlangen, dass der Inhaber sich für eines von ihnen entscheidet. Allerdings braucht der Gläubiger keine gesonderte, „externe“ Entscheidungskompetenz im Sinne eines weiteren Gestaltungsrechts. Vielmehr birgt jedes Recht eine Ausübungsfreiheit in sich, die es dem Wahlbefugten ermöglicht, ohne weiteres davon Gebrauch zu machen. Er kann frei wählen, ob und wann er welches Recht wahrnimmt und muss dazu kein weiteres – sich in der Auflösung der Konkurrenz erschöpfendes – Gestaltungsrecht bemühen. Die Kompetenz zur Wahrnehmung eines Rechts, das in Alternativität zu einem anderen Recht steht, ist dem jeweiligen Recht dabei immanent. Das Wahlrecht bedeutet die Möglichkeit der Entscheidung für den Befugten, ob er seine bestimmte Option wahrnimmt oder nicht. Das ist kein Gestaltungsrecht, das man von den Optionen trennen kann. Es ist die Entscheidung über die Ausübungsfreiheit des jeweiligen Forderungs- bzw. Gestaltungsrechts. Die Wahlerklärung als solche ist dann, wie Kipp sagt, nur ein Akt der „Rechtswahrnehmung“18 und nicht der Rechtsgestaltung. Logisch handelt es sich um die Entscheidung im Sinne eines monadischen Wahrheitswerts: Der Inhaber der Option (a, b etc.) wählt: „a oder nicht-a“ bzw. „b oder nicht-b“ etc. Ich verweise hierzu auf meine bereits gemachten Ausführungen zum monadischen System.19 Anders als beim Wahlrecht als Gestaltungsrecht in den Fällen der Wahlschuld und Ersetzungsbefugnis gehen bei der elektiven Konkurrenz Entscheidungskom18 19

Kipp, Festgabe Richard Koch, S. 110 (110). Vgl. zum monadischen System: S. 106 ff.

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petenz und Berechtigung hinsichtlich der Optionen immer einher. Denn diese Möglichkeit der Entscheidung ist nur der Ausdruck der Ausübungsfreiheit der konkurrierenden Rechte. Diese Freiheit steht zwingend dem Inhaber bzw. Begünstigten der Optionen, also dem Gläubiger der Rechte zu: Die Wahl über Ausübung oder Nicht-Ausübung eines Rücktritts steht beispielsweise nur dem Rücktrittsberechtigten zu. Ich untersuche im Folgenden das Wahlrecht an den unterschiedlichen Optionen der elektiven Konkurrenz. 2. Die Wahl eines normalen Anspruchs Der Gläubiger einer elektiven Konkurrenz kann sich für die Durchsetzung eines normalen Anspruchs entscheiden und damit andere Rechte ablehnen. Die Wahl des Anspruchs selbst hat dabei keinerlei Rechtswirkung. Entscheidend ist nur dessen Erfüllung. a) Der normale Anspruch Um normale Ansprüche in diesem Sinne handelt es sich bei (primären) Erfüllungsansprüchen, die zu ihrer Durchsetzung keiner Erklärung des Gläubigers bedürfen. Aus dem Umkehrschluss der übrigen Rechte, die wir in Bezug auf das Wahlrecht differenzieren, heißt das: Diese Rechte sind nicht verhalten und keine Gestaltungsrechte. Jeder Anspruch trägt die Möglichkeit zur Ausübung in sich. Diese Rechtsausübungsfreiheit verlangt kein aktives Tun des Gläubigers, wie man es beim verhaltenen Anspruch oder dem Gestaltungsrecht kennt. Ausreichend ist vielmehr, dass der Gläubiger sein Interesse an der Durchsetzung des Forderungsrechts nicht verliert. Die Durchsetzbarkeit selbst verlangt dann keinen Willensakt des Gläubigers mehr. b) Die Ausübungsfreiheit und die Erfüllung des Anspruchs Erfüllungsansprüche in diesem Sinne bedürfen zur Wirkungsentfaltung nicht ihrer „Wahl“ durch den Gläubiger. Die Erklärung des Gläubigers, seinen bestehenden Anspruch durchsetzen zu wollen, hat daher für sich keine materiellrechtliche Bedeutung. Sie ist bloß Ausdruck der Ausübungsfreiheit eines jeden Rechts. Die Rechtsausübungsfreiheit hat eine positive und eine negative Seite. Die positive Freiheit besteht darin, wegen eines durchsetzbaren Anspruchs jederzeit vom Schuldner „Gehorsam“20, also Erfüllung 20

Kipp, Festgabe Richard Koch, S. 110 (120).

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verlangen zu können. Die Aufforderung an den Schuldner, zu leisten, ist jedoch keine Voraussetzung für die Wirksamkeit des diesbezüglichen Anspruchs. Im Umkehrschluss bedeutet das: Leistet der Schuldner nicht und unterlässt der Gläubiger jede Aufforderung, ist der Anspruch dadurch nicht per se wirkungslos. Er hat dann nur keine praktischen Auswirkungen.21 Das ist die negative Seite der Ausübungsfreiheit: Der Anspruchsinhaber ist niemals gezwungen, sein Recht gegenwärtig auszuüben, wenn er nicht will.22 Dadurch, dass der Gläubiger die Erfüllung seines Anspruchs nicht ausdrücklich verlangt, verwirkt er folglich diesen nicht. Der Anspruch bleibt durchsetzbar bestehen, sofern er nicht erfüllt wird, Unmöglichkeit eintritt etc. Dass der Gläubiger sich nicht „rührt“, ist auch kein Erlass im Sinne von § 397 BGB. Die ultimative Grenze der negativen Ausübungsfreiheit des Anspruchsinhabers bildet das Verjährungsrecht. Denn der Gläubiger muss seinen Anspruch durchsetzen, bevor dieser wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbar ist. Es kommt also beim normalen Erfüllungsanspruch nicht auf die Wahl des Gläubigers an. Ausschlaggebend ist stattdessen die Erfüllung des Anspruchs. Erst wenn der Schuldner der Leistungspflicht nachkommt, erlischt diese gemäß § 362 BGB. Dies erledigt zugleich die Handlungsoption des Gläubigers: Hinsichtlich seines Erfüllungsanspruchs ist er dann befriedigt, andere alternative Ansprüche erledigen sich damit ebenfalls. Dies gilt vor allem für die konkurrierenden Sekundärrechte, die im Fall einer Leistungsstörung als Alternative zum Primäranspruch zur Verfügung stehen. Sofern der Schuldner letztendlich doch den Primäranspruch erfüllt, bestehen keine sekundären Optionen mehr für den Gläubiger. Er hat dann erhalten, was ihm ursprünglich gebührte. Ein Wahlrecht, das ihm einen Wechsel zum Schadensersatz, Rücktritt oder anderen Rechten ermöglichen würde, gibt es nicht mehr. c) Beispiel Der Käufer einer Maschine erwartet seit Wochen deren Lieferung. Der Verkäufer vertröstet ihn mit dem Hinweis, er habe derzeit keine Lieferungskapazitäten. Der Käufer setzt eine angemessene Frist zur Lieferung. Da diese erfolglos verstreicht, mietet der Käufer eine Ersatzmaschine und ver21 Der Gläubiger geht dann aber eventueller Sekundärrechte verlustig. Setzt der Gläubiger dem Schuldner nämlich eine Frist zur Erfüllung, dann eröffnet der Ablauf der Frist Sekundärrechte, die zum Primäranspruch treten, etwa der Schadensersatzanspruch statt der Leistung und das Rücktrittsrecht. Die bestimmte Aufforderung zur Leistung ist materiellrechtliche Voraussetzung für diese weiteren Rechte. Gleiches gilt für die Mahnung im Hinblick auf Verzugsschadensersatz. 22 Kipp, Festgabe Richard Koch, S. 110 (121).

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langt mehrfach – auch durch anwaltliche Schreiben – vom Verkäufer die Lieferung der Geschuldeten. Nach wenigen Wochen kündigt der Verkäufer telefonisch tatsächlich die Lieferung der Maschine zum nächsten Tag an. Der Käufer hat nun aber kein Interesse mehr daran, da er mit der Ersatzmaschine zufrieden ist und festgestellt hat, dass deren dauerhafte Anmietung ohnehin wirtschaftlich günstiger ist. Glaubt der Verkäufer nun, der Käufer habe sich durch sein wiederholtes Verlangen an den Erfüllungsanspruch gebunden, geht er fehl. Denn die „Wahlerklärung“, seinen bestehenden vertraglichen Anspruch durchsetzen zu wollen, hat für den Käufer keine materielle Auswirkung. Dies gilt auch für das Erfüllungsverlangen nach Ablauf der Nachfrist. Er macht nur von seinem „guten Recht“ Gebrauch, die vertragliche Leistung einzufordern. Daran gebunden hat er sich freilich nicht. Was bedeutet das für den vorliegenden Konflikt? Zunächst kann der Verkäufer selbst durch die Lieferung der Maschine den Kaufvertrag erfüllen, §§ 433 Abs. 1, 362 BGB. Er kommt dann dem ursprünglichen Begehren seines Gläubigers nach. Diese Möglichkeit bleibt ihm aber verwehrt, wenn der Käufer zuvor von seiner „Wahl“ des Erfüllungsanspruchs ausdrücklich Abstand nimmt. Gibt dieser am Telefon zu erkennen, am Vertrag kein Interesse mehr zu haben und die Lieferung abzulehnen, erklärt er damit den Rücktritt nach §§ 323 Abs. 1, 346 BGB (bzw. Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 3; 281 BGB). Dies ist auch möglich, denn das Verlangen seines normalen Erfüllungsanspruchs nach § 433 Abs. 1 BGB hat keinerlei Rechtswirkung, an die er gebunden wäre. Er kann folgerichtig zu einem Sekundärrecht wechseln.23 Der Verkäufer ist gut beraten, schnellstmöglich zu liefern und dem Käufer somit keine Gelegenheit mehr zu geben, den Rücktritt (bzw. Schadensersatz statt der Leistung) zu erklären. Freilich bleibt es dem Käufer unbenommen, die verspätete Lieferung zu verweigern und damit zugleich den Rücktritt (bzw. Schadensersatz statt der Leistung) zu erklären. Dieses Ergebnis ist für beide Seiten billigenswert. Der Verkäufer kann sich hierüber nicht beschweren, denn er hätte ja auch früher – innerhalb oder nach der Frist, die der Käufer gesetzt hatte – liefern können. Entscheidend ist letztlich die Erfüllung des Anspruchs, nicht die Wahlentscheidung des Gläubigers, diesen durchzusetzen. Der Käufer wiederum hätte schon mit Ablauf der Nachfrist zurücktreten können. Liefert der Verkäufer die Maschine und will der Käufer sodann vom Vertrag Abstand nehmen, muss er sich selbst verspätetes Handeln vorwerfen, denn der Rücktritt (bzw. Schadensersatz statt der Leistung) ist nicht mehr möglich. 23 Dies wird im Schrifttum teilweise anders beurteilt. Zum Meinungsstreit der Schwebelage nach Fristablauf ausführlich: S. 204 ff.

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3. Die Wahl eines Gestaltungsrechts a) Die Gestaltungswirkung der Wahl Gestaltungsrechte sind einseitige Befugnisse zur Veränderung des Schuldverhältnisses.24 Sie treten in Konkurrenz zu anderen Rechten auf. In jedem Fall konkurrieren sie mit dem primären Erfüllungsanspruch des Gläubigers. Es können aber auch mehrere Gestaltungsrechte gegeben sein. Diese konkurrieren untereinander. Auch zu anderen Sekundäransprüchen können Gestaltungsrechte in einer Alternativität stehen. Bereits die Erklärung, durch die von der einseitigen Befugnis Gebrauch gemacht wird, gestaltet das Schuldverhältnis um. Es bedarf dann keiner mitwirkenden Handlung des Schuldners. Der Gläubiger hat nämlich das Recht, unabhängig vom Willen des Schuldners die Leistungsbeziehung zu präzisieren (Beispiel: § 315 BGB), abzuwandeln (Beispiel: Minderung), umzukehren (Beispiel: Rücktritt) oder auf andere Art zu verändern. Er muss dazu lediglich seinen diesbezüglichen Willen gegenüber dem Schuldner äußern. Die Gestaltungserklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sofort mit Zugang beim Schuldner gestaltet sie das Schuldverhältnis um. Der Willensäußerung des Berechtigten ist die Macht zur Veränderung des Schuldverhältnisses verliehen. Es macht dabei keinen Unterschied, welche Art von Gestaltungsrecht der Gläubiger wählt. Die Gestaltungsrechte haben zwar unterschiedliche Wirkungen und verfolgen unterschiedliche Zweckrichtungen. Sie haben aber alle gemeinsam, dass bereits die Erklärung des Gläubigers die Wirkung des jeweiligen Gestaltungsrechts hervorruft. Die Gestaltungsmacht, die dem Gläubiger verliehen wird, beschränkt sich freilich auf Ausübung eines Gestaltungsrechts. Denn die Gestaltungsrechte in elektiver Konkurrenz schließen sich untereinander aus. b) Beispiel Dem Käufer wird eine mangelhafte Stereoanlage geliefert. Er setzt dem Verkäufer eine angemessene Frist zur nochmaligen Lieferung einer mangelfreien Anlage und bietet die Rückgabe an. Der Verkäufer lässt die Frist ohne Begründung verstreichen. Es stellt sich heraus, dass er den Mangel von Anfang an kannte und dem Käufer diesen bei Vertragsschluss arglistig verschwieg. Hier stehen dem Käufer nunmehr drei Gestaltungsrechte zur Verfügung.25 Er kann wegen der arglistigen Täuschung die Anfechtung des Ver24

Zur geschichtlichen Entwicklung und Dogmatik siehe: S. 53 ff. und S. 85.

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trages erklären und damit die Rechtsbeziehung als von Anfang an nichtig erscheinen lassen, §§ 123, 142 BGB. Möglich ist aber auch, dass er aufgrund der Mangelhaftigkeit den Rücktritt vom Vertrag erklärt, §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB. Schließlich bliebe es dem Gläubiger nicht verwehrt, die mangelhafte Stereoanlage zu behalten und den zu hohen Kaufpreis über eine Minderung nach §§ 437 Nr. 2, 441 BGB herabzusetzen.26 Die drei Gestaltungsrechte schließen sich aus, denn sie verfolgen unterschiedliche Ziele: Während die Anfechtung den Boden für das gesamte Leistungsverhältnis ex tunc zerstört und so den Weg für Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung frei macht, wickelt der Rücktritt die gestörte Leistungsbeziehung ab bzw. passt die Minderung die Gegenleistungspflicht des Käufers an die verringerte Qualität der Verkäuferleistung an. Eines haben alle drei Gestaltungsrechte gemeinsam: Schon die Erklärung des Käufers darüber, welche Lösung er bevorzugt, gestaltet den Kaufvertrag um. Die positive Wahrnehmung eines der drei subjektiven Rechte löst deren elektive Konkurrenz auf.27 4. Die Wahl eines verhaltenen Anspruchs a) Die materiellrechtliche Bedeutung der Wahl Eine besondere Wahl ist die Entscheidungsmöglichkeit, die der Gläubiger bzgl. eines verhaltenen Anspruchs28 hat. Der verhaltene Anspruch steht wegen des eigentümlichen Charakters der Wahlerklärung als Sonderform gewissermaßen zwischen den normalen Ansprüchen und den Gestaltungsrechten. Seine ausdrückliche Wahl ist Voraussetzung für die Durchsetzbarkeit des Anspruchs. Gleichwohl kann man nicht von einer gestaltenden Wirkung der Erklärung sprechen. Im Grundsatz ist der verhaltene Anspruch ein Forderungsrecht gemäß § 194 Abs. 1 BGB. Die Wahl dieses Anspruchs ist aber, anders als bei normalen Erfüllungsansprüchen, mehr als nur eine Rechtswahrnehmung im Zuge der Ausübungsfreiheit jedes Anspruchs. Die Wahl hat vielmehr materiellrechtliche Bedeutung. Denn die Durchsetzbarkeit des verhaltenen An25

Auf Schadensersatzansprüche kommt es für dieses Beispiel nicht an. Der Käufer will z. B. mindern, wenn die Stereoanlage zwar mangelhaft wäre, aber aus sonstigen Gründen – etwa wegen des Sammlerwerts der Marke – ein Interesse besteht, diese zu behalten. 27 Der Gläubiger kann aber auch hinsichtlich aller drei Gestaltungsrechte die negative Rechtsausübungsfreiheit für sich beanspruchen. Dann bleibt es bei seinem primären Nacherfüllungsrecht, das er notfalls gerichtlich durchsetzen kann. 28 Zur Verhaltenheit eingehend bereits: S. 164 ff. 26

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spruchs ist von einer ausdrücklichen Willensäußerung des Gläubigers abhängig. Er muss den Schuldner zur Erfüllung des verhaltenen Anspruchs auffordern. Dabei entscheidet die Erklärung des Gläubigers keineswegs über die Entstehung des Anspruchs, sondern nur über die „Zulässigkeit seiner Geltendmachung“29. Dies betrifft zum einen die Gläubigerseite: Er kann dem Schuldner nicht Verzögerung der Leistung vorhalten, solange er diesen nicht zuvor zur Leistung aufgefordert hat. Die Verhaltenheit betrifft aber auch die Schuldnerperspektive: Dieser kann den verhaltenen Anspruch nicht erfüllen, solange der Gläubiger dies nicht von ihm verlangt hat. Die Wahrnehmung der Wahlmöglichkeit ist damit aus logischer Sicht mehr als nur Ausdruck des monadischen Wahrheitswerts einer Option des Gläubigers. Die Rechtswahrnehmung ist vielmehr Voraussetzung, dass der Anspruch überhaupt Wirkung entfalten kann. Die Wirksamkeit des verhaltenen Anspruchs wird an die Leistungsaufforderung, also die Gläubigererklärung geknüpft. Gleichwohl hat diese Wahl keine Gestaltungswirkung wie bei einem Gestaltungsrecht. Denn der Gläubiger kann lediglich den Schuldner zu einem Tun und Unterlassen auffordern, siehe § 194 Abs. 1 BGB. Der Schuldner muss zur Verwirklichung des eigentlichen Ziels, der Befriedigung der Gläubigerinteressen, noch eine konforme Mitwirkungshandlung tätigen. Er muss der Gehorsamsaufforderung des Gläubigers folgen. Das Schuldverhältnis wird also durch die Leistungsaufforderung des Gläubigers nicht umgestaltet. Damit kommt es zur besonderen Stellung des verhaltenen Anspruchs in der elektiven Konkurrenz. Zwei Beispiele sollen dies im Folgenden verdeutlichen: die Wahl des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung und die Wahlmöglichkeit des § 179 Abs. 1 BGB. b) Beispiel: Die Wahl des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 281 BGB Neben zahlreichen gesetzlich verankerten Beispielen30 ist der Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 281 BGB der praktisch interessanteste verhaltene Anspruch. Denn er steht als Rechtsbehelf im Zentrum der komplexen Beziehungen zwischen Leistungsstörungsrechten. Der Verkäufer verkauft dem Käufer ein Auto und liefert es mit beschädigtem Rücklicht.31 Der Käufer setzt dem Verkäufer eine Frist zur Nachbes29 30 31

Grundlegend die Analyse von: Langheineken, Anspruch und Einrede, S. 102. Dazu bereits: S. 164, sowie: Langheineken, Anspruch und Einrede, S. 103/104. Beispiel von: Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, S. 256 Rn. 501.

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serung. Da diese erfolglos verstreicht, wendet er sich an eine Werkstatt und lässt sich einen Kostenvoranschlag für eine Reparatur geben. Die Werkstatt veranschlagt 150 e. Die Summe aus der potentiellen Werkstattrechnung ist ein Schadensposten, den der Käufer als sog. kleinen Schadensersatz gemäß §§ 437 Nr. 3; 280 Abs. 1, 3; 281 Abs. 1 S. 1 BGB abrechnen könnte. Er muss, um diesen Anspruch durchzusetzen, den Verkäufer aber zum Schadensersatz auffordern. Denn, wie § 281 Abs. 4 BGB zeigt, ist der Ersatzanspruch statt der Leistung ein verhaltener Anspruch. Die bloß kommentarlose Übersendung einer späteren Werkstattrechnung an den Verkäufer wird also nicht ausreichen, um den Anspruch fällig und damit durchsetzbar zu machen. Vielmehr muss der Schuldner zur Ersatzzahlung in Höhe von 150 e aufgefordert werden. Umgekehrt kann der Verkäufer nicht vor der Werkstattreparatur die Nacherfüllung verweigern und dem Käufer ungefragt 150 e als Ersatz anbieten. Denn der Schadensersatzanspruch statt der Leistung muss vom Käufer verlangt werden. Ein Erfüllungsversuch vor dem Verlangen des Gläubigers ist untauglich. Anderenfalls könnte der Verkäufer dem Käufer zum Beispiel die Möglichkeit nehmen, die Minderung zu erklären. Hier kommt dem Verlangen des Käufers nach Ersatz in Höhe von 150 e entscheidende Bedeutung zu. Die dem Verkäufer mitgeteilte Wahlentscheidung des Käufers, den Schadensersatz statt der Leistung geltend zu machen, ist Voraussetzung dafür, dass der Schadensersatz greift und vom Verkäufer auch erfüllungstauglich beglichen werden kann. Die Ausübung der Wahl des Schadensersatzes hat damit materiellrechtliche Wirkung. c) Sonderfall: Die Wahl der verhaltenen Ansprüche nach § 179 Abs. 1 BGB Ein Sonderfall, den ich schon eingehend beleuchtet habe,32 ist die Haftung des falsus procurator. Der Stellvertreter, der ohne Vollmacht für den Vertretenen auftritt, sieht sich einer elektiven Konkurrenz von Ansprüchen des Vertragsgegners ausgesetzt. Dieser kann wählen zwischen dem Anspruch auf Erfüllung des Rechtsgeschäfts und dem Anspruch auf Schadensersatz. Hier stehen zwei verhaltene Ansprüche in Konkurrenz. Denn der Vertragsgegner muss, egal ob er Erfüllung oder Schadensersatz will, den falsus procurator zur Leistung auf den jeweiligen Anspruch auffordern. Ohne ein ausdrückliches Verlangen schuldet dieser nämlich weder das Eine noch das Andere. Neben der logischen Ausschließlichkeit, die die Ansprüche kenn32

S. 72 und S. 167 ff.

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zeichnet, birgt das Wahlrecht des Gläubigers hier ein dogmatisches Kuriosum in sich. Die Geltendmachung von Anspruch 1 und Anspruch 2 ist ihm freigestellt (positive Rechtsausübungsfreiheit). Wegen der jeweiligen negativen Ausübungsfreiheit der beiden Ansprüche kann er auch darauf verzichten, aktuell gegen den Vertreter ohne Vertretungsmacht vorzugehen. Im Gegensatz zu den Fällen, in denen ein verhaltener und ein nicht verhaltener Anspruch aufeinander treffen (etwa: Schadensersatz nach § 281 BGB und Primäranspruch) und solchen, in denen beide verhaltene Ansprüche bloß Sekundäransprüche zu einem Primärrecht sind (etwa: die Konkurrenz zwischen Schadensersatz statt der Leistung und Aufwendungsersatz nach § 284 BGB) sind die alternativen Ansprüche des § 179 Abs. 1 BGB gleichrangige Primäransprüche. Das bedeutet, das Schuldverhältnis zwischen dem Vertragsgegner und dem Vertreter besteht zwar als „Hülle“. Da aber anfänglich gar nicht klar ist, was primär geschuldet wird, befindet sich die Leistungsbeziehung bis zu Erklärung des Gläubigers in einem rechtlich nicht geklärten Schwebezustand.33 Diese Besonderheit ändert zunächst nichts an der Qualität des Wahlrechts für den Gläubiger: Es handelt sich um die Rechtsausübungsfreiheit der Ansprüche, wobei die ausdrückliche Geltendmachung materiellrechtliche Voraussetzung für ihre Durchsetzbarkeit ist. Man muss hier aber beachten, dass der Schuldner völlig schutzlos ist. Er kann nichts tun, um sich aus der Schwebelage zu befreien und ist, um Windscheid zu zitieren, „auf den nackten Willen des Berechtigten“34 angewiesen. Vor allem gibt es keinen Anspruch, den der Vertreter erfüllen könnte, um sich zu entlasten. Er ist sprichwörtlich „auf Gedeih und Verderb“ auf die Entscheidung des Vertragsgegners angewiesen, die bestimmt, was letztlich geleistet werden soll. Diese extreme Schutzlosigkeit des falsus procurator muss für die beiden wichtigen Problemfragen des Wahlrechts, auf die wir im Weiteren eingehen, in besonderem Maße berücksichtigt werden. Man kann dabei die Frage, ob 33 Dieser Schwebezustand wurde in der Pandektenwissenschaft als Pendenz beschrieben. Die in der Literatur des 19. Jahrhunderts entwickelten Pendenztheorien sind historisch längst überwunden, maßgeblich deshalb, weil sie auf die Konkurrenz von Leistungsgeboten in den Fällen der Alternativobligation angewandt wurden und dort unbefriedigende Ergebnisse erzielten. Erler hat später richtig gestellt, dass nicht die Leistungsgebote binnen eines Anspruchs – wie dies in einer Wahlschuld der Fall ist – im Sinne einer Pendenz variieren, sondern allein der sie umschließende Anspruch in pendenti sein kann: „Eine Pendenz ist [. . .] ihrem Wesen nach nur von Rechten denkbar. Pendent könnten also höchstens die Ansprüche auf die Leistungen, nicht die Leistungen selbst sein.“ (Erler, Wahlschuld, S. 15). Dafür bietet § 179 Abs. 1 BGB ein gesetzliches Beispiel. Zu diesem Komplex insgesamt: Kapitel 1, S. 59 ff. 34 Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Band 1, S. 480 (im Kontext verhaltener Ansprüche, wobei es diesen Namen noch nicht gab).

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aus dem Wahlrecht des Gläubigers auch eine Wahlpflicht erwächst, im Rahmen des § 179 Abs. BGB wohl noch verneinen, denn die Arglist des Vertreters ohne Vertretungsmacht rechtfertigt es, dass dieser ohne eigene Handlungsmöglichkeiten auf die Entscheidung des Gläubigers warten und sich für beide Alternativen bereithalten muss. Die Befürwortung einer frei widerrufbaren Wahl (ius variandi) erfordert aber gerade im Fall des § 179 Abs. 1 BGB einen erhöhten Begründungsaufwand. Denn es scheint unbillig, dem völlig schutzlosen Vertreter die Bürde eines ständig drohenden Wechsels zwischen Erfüllungspflicht und Ersatzpflicht aufzuerlegen. Einem ius variandi in § 179 Abs. 1 BGB werden wohl demzufolge durch Treu und Glauben sehr enge Grenzen gesetzt sein.35 5. Fazit: Das Wahlrecht in der elektiven Konkurrenz Das Recht des Gläubigers, die elektive Konkurrenz durch eine Wahlentscheidung aufzulösen, ist, anders als in der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers, kein Gestaltungsrecht sui generis. Es ist vielmehr die Wahrnehmung der positiven Ausübungsfreiheit, die jedem der konkurrierenden Rechte innewohnt. Da sich in den Fällen elektiver Konkurrenz die vielfältigen Rechte des Gläubigers logisch ausschließen, folgt auf die Wahrnehmung eines Rechts automatisch, dass eine gleichzeitige Wahrnehmung eines anderen Rechts nicht möglich ist. Ob der Gläubiger freilich an diese Wahl gebunden ist, ist eine Frage, die davon zu trennen ist. Je nachdem, ob das ausgewählte Recht ein normaler Erfüllungsanspruch, ein verhaltener Anspruch oder ein Gestaltungsrecht ist, ergeben sich unterschiedliche Rechtsfolgen und Wirkungen. Zudem unterscheiden sich die Rechte darin, ob bereits die Wahlerklärung gestaltend wirkt (Gestaltungsrecht), erst die Erfüllung der geforderten Leistung das Schuldverhältnis verändert (normaler Erfüllungsanspruch) oder die Wahläußerung selbst zwar keine Gestaltungswirkung hat, aber notwendige materiellrechtliche Voraussetzung für die Durchsetzbarkeit des Rechts ist (verhaltener Anspruch).

IV. Problem: Bedeutet Wahlrecht auch Wahlpflicht? 1. Problemaufriss Alle Konstellationen, in denen der Gläubiger eine Wahl zwischen verschiedenen Optionen treffen kann, werfen folgende Frage auf: Was passiert, 35

Siehe zu den Schranken eines ius variandi: S. 442 ff.

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wenn der Gläubiger von dieser Wahl keinen Gebrauch macht? Das sich daraus ergebende Problem ist die Ungewissheit des Schuldners, welcher Option des Gläubigers er letztlich Folge zu leisten hat. Dieses Dilemma des Schuldners kann durch folgende Fragestellung gelöst werden: Bedeutet das Recht zur Wahl auch die Pflicht zur Wahl? Ist die Entscheidung des Gläubigers erzwingbar? a) Das Dilemma des Schwebezustands für den Schuldner Der Gläubiger, dem die Wahl zwischen verschiedenen Optionen zusteht, hat eine starke Position. Er ist frei in der Betätigung seines Willens, was die Verwirklichung seiner Rechtsmöglichkeiten anbelangt. Das gilt für die Fälle der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht genauso wie für die Fälle der Ersetzungsbefugnis. In beiden Fällen wählt der Gläubiger aus, welches Leistungsgebot der Schuldner zu erbringen hat. Nicht anders verhält es sich mit der elektiven Konkurrenz: Dort wählt der Gläubiger aus, welches Recht er durchsetzen will. In all diesen Fällen korrespondiert mit dem Wahlrecht des Gläubigers kein Wahlrecht des Schuldners. Dieser ist stets darauf angewiesen, dass der Gläubiger von seinem Wahlrecht auch Gebrauch macht. Wählt der Gläubiger nicht, besteht eine Ungewissheit darüber, auf welche Option es letztlich ankommt. Wir können dann von einer Schwebelage für die schuldrechtliche Beziehung sprechen. Diese Schwebelage ist per se kein untragbarer Zustand. Denn es besteht stets ein sachlicher Grund, warum der Gläubiger die einseitige Wahlbefugnis innehat. Das kann eine vertragliche Vereinbarung sein, so etwa in den meisten Fällen der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht. Es kann aber auch eine gesetzlich normierte und sinnvolle Bevorteilung des Gläubigers geben, so etwa in der Vielfalt der Rechtsbehelfe, die von einer Leistungsstörung durch den vertragsuntreuen Schuldner ausgehen.36 Gleichwohl ist die Schwebelage kein Zustand, der auf Dauer billigenswert ist. Auch wenn der Schuldner durch sein Verhalten die Wahlmöglichkeit des Gläubigers erst (mit-)eröffnet hat, kann nicht hingenommen werden, dass der Gläubiger den Schuldner unbegrenzt mit seiner Wahl regelrecht „hinhält“. Hier zeigt sich das Dilemma des von einer Gläubigerwahl betroffenen Schuldners. Einerseits soll der Gläubiger frei wählen dürfen, was die wohlüberlegte und damit zeitlich verzögerte oder gar gänzlich ausbleibende Wahlmöglichkeit mit einschließt. Andererseits darf die Freiheit des Gläubigers nicht so weit gehen, dass sie gegenüber dem Schuldner treuwidrig erscheint. 36

Zur Zweckmäßigkeit der Wahlmöglichkeiten sogleich: S. 370 ff.

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Die Grenzziehung, wann die Schwebelage noch akzeptabel und wann sie schon treuwidrig ist, ist eine Frage des Einzelfalls und nicht verallgemeinerbar. Aus Schuldnersicht müssen die Auswirkungen des Dilemmas berücksichtigt werden, die in der Regel wirtschaftlicher und möglicherweise auch psychologischer Natur sind. Der Schuldner muss sich jeweils auf alle wählbaren Optionen des Gläubigers einstellen und zur Erfüllung der Rechtsfolgen bereithalten, was einen finanziellen und psychologischen Druck aufbaut. Ihm entstehen dadurch Kosten und er trifft Dispositionen oder unterlässt solche, nur, um sich später nicht haftbar zu machen, wenn er die Leistungsbereitschaft hinsichtlich der gewählten Option nicht erbringen könnte.37 So verhält es sich beispielsweise in den Lehrbuchfällen der vereinbarten Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht: Der Verkäufer schuldet nach Wahl des Käufers Lieferung des roten oder des blauen PKW. Er muss bis zur Entscheidung des Käufers beide Fahrzeuge vorrätig halten, in Stand halten, ihren vertragsgemäßen Zustand pflegen etc. Wählt der Käufer über einen gewissen Zeitraum nicht, welches Fahrzeug er will, kann sich das Wahlrecht des Gläubigers zum immensen wirtschaftlichen (und eventuell psychologischen) Ballast für den Verkäufer entwickeln. Der Zustand der Schwebe drängt hier zu einer „Entscheidung mit Notwendigkeit“38. Der Schuldner selbst muss aber auf die Entscheidung des Gläubigers warten und kann die Schwebelage zunächst nicht eigenhändig auflösen. Das ist das Dilemma des Schuldners vor der Ausübung der Wahl des Gläubigers. b) Beispiel: Die elektive Konkurrenz von Gewährleistungsrechten im Kaufrecht Das praktisch interessanteste Beispiel für das Dilemma des Schuldners liefert uns das Gewährleistungsrecht wegen Mängeln im Kaufrecht. Der Computerhändler liefert an seinen Kunden einen Computer, dessen Prozessor defekt ist. Der Käufer muss zunächst dem Händler eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen, §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB. Verstreicht die Frist erfolglos, eröffnen sich dem Käufer verschiedene Möglichkeiten. Er kann auf eine Nacherfüllung bestehen. Dabei bleibt es eben die Wahl des Käufers, welche Form der Nacherfüllung er bevorzugt, ob Austausch des defekten gegen einen funktionstüchtigen Prozessor oder Reparatur des gelieferten Prozessors, sofern die gewählte Art in den Grenzen des Möglichen und der Verhältnismäßigkeit bleibt, §§ 275, 439 Abs. 3 BGB. Gleich37 Hanau spricht zu Recht von einem hohen „Frustrationsrisiko“ für den Schuldner: Hanau, NJW 2007, 2806 (2806 f.). 38 Bernstein, Der alternative Wille und die alternative Obligation, S. 92.

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zeitig kann der Käufer aber auch vom Vertrag unter den Voraussetzungen der §§ 437 Nr. 2, 323 BGB zurücktreten oder die mangelhafte Sache behalten und den Kaufpreis mindern, § 437 Nr. 2, 441 BGB. Schließlich bleibt es ihm vorbehalten, Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 437 Nr. 3; 280 Abs. 1, 3; 281 Abs. 1 S. 1 BGB zu verlangen. Dem Käufer steht somit ein ganzes Bündel von Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung, um die nicht vertragsgerechte Leistung seines Händlers zu sanktionieren. Wesensmerkmal dieser Situation ist die Vielfalt von verschiedenen Rechten, vor deren Realisierung jedoch jeweils ein elementarer Schritt des Käufers steht: Er muss sich für eines dieser Rechte entscheiden. Seine Erklärung gegenüber dem Verkäufer eröffnet diesem erst die Erkenntnis, welches Rechtsschutzziel der Käufer als Gläubiger nunmehr verfolgt. Ob es beim Verlangen nach Erfüllung des Vertrages bleibt oder nicht und, wenn ja, in welcher Form der Nacherfüllung nach § 439 Abs. 1 BGB, weiß der Verkäufer bis zur Erklärung nicht. Auch kennt er die eventuell sekundären Wünsche des Käufers nicht, ob dieser den Vertrag im Falle des endgültigen Scheiterns der Nacherfüllung lieber durch einen Rücktritt beenden würde oder etwa der Wert der Gegenleistung durch eine Minderung anhand des Minderwerts der Leistung korrigiert werden soll. Dem Verkäufer wird somit also zugemutet, sich neben der drohenden Geltendmachung von Sekundärrechten durch den Gläubiger auch auf eine weitere Leistungsaufforderung gefasst zu machen, sich buchstäblich für diese bereit zu halten.39 Die Schwebelage kostet Geld, denn der Verkäufer muss dafür sorgen, dass ein Ersatzprozessor für den Fall der Nachlieferung im Lager bereit liegt. Dieser Prozessor verschlingt zwar nur geringe Lagerkosten, kann aber bereits nach wenigen Monaten der Ungewissheit nicht mehr an andere Kunden verkauft werden, da er veraltet ist. Dann wird die Schwebelage für den Verkäufer „teuer“. Eine Reparatur verursacht hingegen keine Lagerkosten; ob der Käufer sich aber auf diese einlässt, ist mangels eindeutiger Aussage nicht klar. Diese Unsicherheit könnte gar bis zum Verjährungseintritt auf dem Schuldner lasten.40 Dem Schuldnerdilemma steht eine erheblich glücklichere Position des Käufers gegenüber. Das nicht vertragsgerechte Verhalten des Verkäufers ermöglicht ihm eine Neuordnung der eigenen Interessenlage. Er kann sich durchaus weiter auf die Nacherfüllung berufen, schließlich gilt für ihn wie für den Vertragspartner: pacta sunt servanda. Gleichzeitig steht ihm aber durch Rücktrittsrecht und Schadensersatzanspruch statt der ganzen Leistung auch der Ausweg aus dem Vertrag offen. Das Verhältnis dieser Wahlalternativen zueinander ist nun der neuralgische Punkt der Interessenkollision Käu39 40

Althammer, NJW 2006, 1179 (1179). Skamel, ZGS 2006, 457 (460).

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fer – Verkäufer. Eine Erklärung seitens des Käufers löst die Schwebelage, in der sich der Verkäufer befindet, auf: Sein Begehren, auf ein verfolgbares Rechtsschutzziel hin formuliert, ist dem Verkäufer Befehl. Bis zur Wahlentscheidung aber bleibt es bei Zustand der Schwebe, in der sich die Rechtsbeziehung befindet. c) Lösungsansatz: Spiegelung des Wahlrechts in einer Wahlpflicht? Die Lösung des Problems könnte darin liegen, dass das Wahlrecht des Gläubigers ihn zur Ausübung der Wahl verpflichtet. Damit würde sich in jedem Wahlrecht eine Wahlpflicht spiegeln. Einen solchen Grundsatz kann man jedoch nicht aus Allgemeinplätzen herleiten. Denn die Kausalität zwischen dogmatisch richtiger Begründung und wünschenswertem Ergebnis darf nicht durchtrennt werden. Die maßgebliche Schranke der Interpretation setzt die Struktur des Wahlrechts: Die negative Ausübungsfreiheit eines subjektiven Rechts widerspricht einer allgemeinen Wahlpflicht. Dies bestätigt auch die Existenz von Formen des Entscheidungszwangs in der Rechtsordnung. aa) Die negative Ausübungsfreiheit der Rechte Die dogmatische Struktur des Wahlrechts selbst muss beachtet werden, will man daraus mit normativen Erwägungen eine Wahlpflicht ableiten. Dazu stelle ich nach obiger Untersuchung fest, dass es ein einheitliches Wahlrecht nicht gibt. Die Wahlpflicht des Gläubigers müsste sich, will man eine solche anerkennen, auch strukturell in den verschiedenen Formen des Wahlrechts spiegeln. Das bedeutet für die Fälle der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers, dass das Gestaltungsrecht sui generis als Kehrseite eine Gestaltungspflicht hätte. Das bedeutet für die Fälle elektiver Konkurrenz, dass jeder optionale Anspruch bzw. jedes optionale Gestaltungsrecht die Pflicht in sich tragen würde, hierüber eine Entscheidung treffen zu müssen. Gerade aus Letzterem erklärt sich, warum es bereits aus strukturellen Erwägungen keine allgemeine Wahlpflicht geben kann. Denn die Möglichkeit der Wahl bezieht sich in der elektiven Konkurrenz ja gerade nicht auf die Konkurrenzlage, sondern auf jedes einzelne Recht des Gläubigers. Das einzelne Recht wiederum hat eine positive und eine negative Ausübungsfreiheit. Friedrich Endemann hat diese Erkenntnis präzise formuliert: „Die Ausübung der Rechte ist eine Machtbefugnis, deren Gebrauch dem Berechtigten anheimgestellt wird. Recht muss Recht bleiben, einerlei ob man es ausübt oder

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nicht.“41 Die Alternative der Nicht-Ausübung jedes einzelnen Rechts ermöglicht es somit, dass kein einziges Recht der elektiven Konkurrenz aktuell Wirkung entfaltet. Der Gläubiger macht dann für jedes Recht einzeln von der negativen Ausübungsfreiheit Gebrauch. Tut er dies für alle Rechte, die er hat, drückt er damit aus, keines der Rechte (positiv) wählen zu wollen. Dazu ist er aufgrund der negativen Ausprägung der Ausübungsfreiheit auch nicht verpflichtet. Die negative Ausübungsfreiheit jedes einzelnen Rechts in elektiver Konkurrenz bedeutet: Es gibt keine Wahlpflicht des Gläubigers. Dieses Ergebnis gilt auch für das Wahlrecht in der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht bzw. der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers, allerdings mit einer etwas abweichenden Begründung. Dort wird das Wahlrecht als Gestaltungsrecht gewährt, um die Konkurrenzlage aufzulösen. Der Gläubiger hat also keine Ausübungsfreiheit hinsichtlich jedes einzelnen Leistungsgebots, sondern nur hinsichtlich des Wahlrechts sui generis. Dieses Wahlrecht ist letztlich aber auch ein Gestaltungsrecht und folgt damit den Regeln, die die Dogmatik für diese entwickelt hat. Dem Wahlrecht des Gläubigers, etwa §§ 262, 263 Abs. 1 BGB oder § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, wohnt somit ebenfalls eine negative Ausübungsfreiheit inne. Er kann (vorerst oder auch endgültig) auf die Wahrnehmung des Gestaltungsrechts verzichten. Die negative Ausübungsfreiheit des Wahlrechts, das die Konkurrenz lösen könnte, bedeutet: Es gibt keine Wahlpflicht des Gläubigers. bb) Die Begrenzung der negativen Ausübungsfreiheit durch Zwang Dass eine allgemeine Wahlpflicht als Kehrseite des Wahlrechts abzulehnen ist, wird von der Systematik im positiven Recht bestätigt. Die Rechtsordnung gibt verschiedenenorts zu erkennen, dass sie eine aus dem Wahlrecht abgeleitete Wahlpflicht nicht kennt. Feststellen kann man dies dort, wo die negative Ausübungsfreiheit durch eine Zwangsregelung begrenzt wird. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten. Zum einen kann das objektive Recht die negative Ausübungsfreiheit der subjektiven Rechte durch gesetzlichen Zwang begrenzen. Zum zweiten ist es möglich, dass dem Schuldner durch Gesetz ein Recht zur Hand gereicht wird, die Wahl zu erzwingen. Auf die Unterschiede beider Formen gehe ich im Folgenden näher ein. Die Formen haben jedoch gemeinsam, dass sie keinen unmittelbaren Zwang auf den Gläubiger ausüben und daher auch keine unmittelbare Pflicht zur Wahl schaffen. Das Gesetz schafft vielmehr in beiden Varianten eine faktische Wahlpflicht des Gläubigers. Damit ist auch empirisch bestätigt, dass aus einem Wahlrecht nicht zwingend eine Wahlpflicht folgt. Nur dort, wo der Gesetzgeber dies anweist, wird der Gläubiger zur Wahlausübung gezwungen. 41

Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, S. 27.

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2. Die faktische Wahlpflicht durch gesetzlichen Zwang Denkbar ist, dass das Gesetz selbst den Gläubiger zur Ausübung seiner Wahl zwingt. Dies ist grundsätzlich auf zweierlei Weise möglich: die unmittelbar zwingende und die faktisch zwingende Regelung. Praktisch relevant ist nur die zweite Variante. Darunter fallen die Verjährungsregeln und etwaige Verwirkungstatbestände. a) Der gesetzliche Zwang zur Wahl Zum einen kann das Gesetz unmittelbar anordnen, dass der Gläubiger eine Entscheidung „zu treffen hat“ und als Konsequenz die Erzwingung dieser Wahl festlegen. Das liefe darauf hinaus, dass der Gläubiger, der sich weigert, eine positive Wahl zu treffen, gegen die gesetzliche Wahlpflicht verstieße. Er würde geltendes Recht verletzen. Die praktischen Auswirkungen eines solchen Konzepts sind prima vista wirkungslos und verlassen den schuldrechtlichen Kontext. Ein solches Gesetz, dass die Wahlpflicht anordnete, liefe praktisch ins Leere, weil der Zwang zur Wahl nicht durchsetzbar wäre. Lediglich wenn die Wahlpflicht durch Bußgeld- oder Strafvorschriften flankiert würde, machte sie Sinn. Dann würde der Gläubiger freilich nicht unmittelbar, sondern wiederum nur faktisch zur Wahl verpflichtet: Er wählt, um eine Sanktion zu verhindern. Praktisch relevant ist nur die zweite Möglichkeit einer gesetzlich erzwungenen Wahl des Gläubigers: Das Gesetz ordnet den Verlust der Wahloption an, wenn er von dieser keinen Gebrauch macht. Auch hier zwingt das Gesetz den Gläubiger nicht unmittelbar zur Ausübung seiner Wahl. Die Androhung der gesetzlichen Beschneidung seiner Optionenvielfalt hat für den Gläubiger erhebliches Drohpotential. Er muss sich entscheiden, sonst geht er seiner Wahlmöglichkeit verlustig. Die gesetzliche Zwangswirkung ist eine indirekte und schafft wiederum lediglich mittelbar eine Lösung für das Schuldnerdilemma: Der Gläubiger wird faktisch zur Wahlentscheidung gezwungen. Eine echte Wahlpflicht ist das freilich nicht. Die faktische Zwangswirkung wird durch Verjährung des Rechts oder durch vorzeitigen Verlust wegen Zeitablaufs erreicht. b) Der faktische Zwang durch Verjährung Der Zwangswirkung unterliegen zunächst alle Rechte, die einer Verjährungsregelung folgen. Denn die Verjährung ist nichts anderes als die gesetzlich angeordnete Hinderung, von einem Recht nach Ablauf einer gewissen Zeit Gebrauch zu machen. Dabei kommt es für die vorliegende Unter-

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suchung im Wesentlichen auf die Fälle konkurrierender Rechte an. Der Gesetzgeber hat unter Umständen verschiedene Verjährungsregelungen für die konkurrierenden Rechte getroffen. Damit ist der Gläubiger gezwungen, die elektive Konkurrenz vor Ablauf der kürzeren Verjährungsfrist durch eine Entscheidung aufzulösen. Tut er dies nicht, verringert sich seine Optionenvielfalt um die verjährte Option, so dass nur noch die Durchsetzung der später verjährenden Option möglich ist. Auf diese gesetzliche Zwangswirkung sei hier nur am Rande verwiesen, denn sie ist die praktisch uninteressante Form: zum einen deshalb, weil für die unterschiedliche Verjährungsregelungen nicht erkennbar ist, dass der Gesetzgeber damit eine Konkurrenzlage zwischen Rechten faktisch auflösen wollte; zum anderen deshalb, weil für die praktisch relevanten Fälle der Rechtsbehelfe im Leistungsstörungsfall (etwa die Käuferrechte nach § 437 BGB) die Verjährung einheitlich geregelt ist (§ 438 BGB) und somit nicht ein Rechtsbehelf durch Verjährung wegfällt, sondern in der Regel alle gleichzeitig. c) Der faktische Zwang durch Zeitablauf vor der Verjährung Das Gesetz kann über die Verjährungsregeln hinaus ganz gezielt zeitliche Verwirkungstatbestände schaffen. Damit zwingt es den Inhaber eines Rechts faktisch, binnen eines näher bestimmten Zeitraums von einem Recht Gebrauch zu machen.42 Der Gläubiger hat auch in diesen Fällen bzgl. des jeweiligen Rechts eine negative Ausübungsfreiheit. Das heißt, er kann auch keine positive Wahl treffen und von seinem Recht somit keinen Gebrauch machen. Kraft Gesetzes wird aber die zeitliche Dimension dieser Ausübungsfreiheit (positiv wie negativ) begrenzt, und zwar unterhalb der Verjährungsschwelle. Der Gläubiger bleibt frei in seiner Entscheidung, aber nur für einen gesetzlich näher 42 Ich unterscheide diesen Fall von der gesetzlichen Ausschlusswirkung für Rechte, wenn der Gläubiger eine Rügeobliegenheit verletzt hat. Ein Beispiel bietet § 377 HGB: Der Gläubiger muss die gelieferte Ware sofort untersuchen und entdeckte Mängel gegenüber dem Schuldner rügen. Zur Untersuchung und Rüge ist er freilich nicht unmittelbar durch das Gesetz gezwungen; es handelt sich bloß um eine Obliegenheit. Vielmehr kann er keine Rechte wegen der Mangelhaftigkeit durchsetzen, weil § 377 Abs. 2 BGB bei Missachtung dieser Obliegenheiten fingiert, dass die Ware in der mangelhaften Form vom Gläubiger genehmigt wurde. Damit ist der Gläubiger, will er konkurrierende Gewährleistungsrechte zur Verfügung haben, faktisch gezwungen, eine Rüge vorzunehmen. Das hat aber nichts mit faktischer Zwangswirkung der Geltendmachung eines Rechts zu tun. Die Verletzung einer Rügeobliegenheit ist vielmehr ein Problem, das besteht, bevor eine elektive Konkurrenz überhaupt existiert.

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bestimmten Zeitraum. Verstreicht dieser Zeitraum, ist die Ausübung des Rechts ausgeschlossen. Damit löst das Gesetz dann mittelbar bzw. faktisch die elektive Konkurrenz auf. Der Gläubiger verliert nämlich eine konkurrierende Option, wenn er sie verwirkt. Beispiele hierfür liefern etwa § 121 Abs. 1 S. 1 BGB oder Art. 49 Abs. 2 a) CISG. aa) Beispiel: Der Verlust des Anfechtungsrechts nach § 121 Abs. 1 S. 1 BGB Wer wegen eines Irrtums anfechten darf, muss dies zügig tun. Das Anfechtungsrecht selbst unterliegt nämlich einer Ausschlussfrist43. So verhält es sich mit § 121 Abs. 1 S. 1 BGB. Hat etwa der Verkäufer eines PKW sich beim Aufsetzen des Kaufvertrags verschrieben und statt 12.000 e einen Kaufpreis von 1.200 e veranschlagt, dann ist er hinsichtlich der diesbezüglichen Einigung mit dem Käufer anfechtungsberechtigt, siehe § 119 Abs. 1 BGB. Das bedeutet, er hat als Optionen den Kaufpreiszahlungsanspruch aus § 433 Abs. 2 BGB in Höhe von 1.200 e und ein Gestaltungsrecht zur Anfechtung, dessen Ausübung den gesamten Kaufvertrag von Anfang an nichtig werden lässt, § 142 Abs. 1 BGB. Diese beiden Rechte stehen in elektiver Konkurrenz. Die Primäroption des Kaufpreisanspruchs ist durchsetzbar und wirkt gegen den Käufer bis zur Grenze der Verjährung. Hinsichtlich dieses Anspruchs ist der Verkäufer qua Gesetz lediglich faktisch gezwungen, innerhalb der Verjährungsfrist Zahlung zu verlangen. Anders verhält es sich mit dem Anfechtungsrecht. Die Anfechtung muss der Verkäufer nach § 121 Abs. 1 S. 1 BGB unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern erklären. Das Gesetz zwingt den Verkäufer hier nicht zur Anfechtung, verhindert aber, dass nach einem gewissen Zeitraum noch wirksam angefochten wird. Der Gläubiger verwirkt sein Anfechtungsrecht durch die Ausschlussfrist des § 121 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn er schuldhaft seine Entscheidung verzögert. Damit ist er faktisch gezwungen, eine Entscheidung über die Anfechtung nach Entdeckung des Irrtums schnell zu treffen. Somit wird das Dilemma des Anfechtungsgegners in der elektiven Konkurrenzlage gelöst. Der Käufer, der weder den Irrtum provoziert noch erkannt hat, sieht sich nur einen kurzen Zeitraum zwei konkurrierenden Rechten des Verkäufers ausgesetzt. Sobald der Verkäufer von seinem Irrtum erfährt, muss er unverzüglich anfechten. Anderenfalls verliert er diese Option wieder. Dann wird die Schwebelage der elektiven Konkurrenz aufgelöst.

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Dazu: Palandt/Heinrichs, § 121 Rn. 1.

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bb) Beispiel: Der Verlust des Rechts zur Vertragsaufhebung nach Art. 49 Abs. 2 CISG Auch innerhalb des Leistungsstörungssystems kann der Gläubiger durch einen drohenden Rechtsverlust zur Wahl gezwungen sein. So verhält es sich etwa mit dem Recht zur Vertragsaufhebung in der Konstellation nach Art. 49 Abs. 2 CISG:44 Der zur Vertragsaufhebung Berechtigte muss die Vertragsaufhebung innerhalb einer angemessenen Frist erklären; danach ist das Recht ausgeschlossen. Ein Anwendungsbeispiel: Der niederländische Verkäufer soll eine Ladung frischer Setzpflanzen an den Käufer, einen Großhandel aus Deutschland, liefern. Es kommt zu Lieferschwierigkeiten. Der Verkäufer vertröstet trotz Fristsetzung den Käufer ohne sachliche Rechtfertigung über mehrere Wochen. Die Verzögerung der Leistung hält trotz einer ordentlichen Frist nach Art. 47 Abs. 1 CISG an. Der Käufer hat daher das Recht, nach Art. 49 Abs. 1 b) CISG die Vertragsaufhebung zu erklären. Als er dies telefonisch tun will, erfährt er, dass der Verkäufer die Ware nun doch unerwartet an einen Beförderer übergeben hat und diese sich auf dem Weg nach Deutschland befindet. Dass die Ware nun auf dem Versandweg ist, berührt für sich noch nicht das Recht zur Vertragsaufhebung. Jedoch hat der Verkäufer nunmehr die Erfüllung der Leistungspflicht in Gang gesetzt, siehe Art. 31 a) CISG. Daher fordert Art. 49 Abs. 2 a) CISG den Gläubiger zur schnellen Entscheidung bezüglich der möglichen Vertragsaufhebung auf. Der Käufer muss folglich innerhalb einer angemessenen Frist gegenüber dem Verkäufer erklären, dass er kein Interesse mehr an der Erfüllung hat. Diese angemessene Frist ist nach allgemeiner Auffassung sehr knapp zu bemessen.45 Sobald also klar ist, dass eine Verspätung vorliegt und die Nachfrist verpasst wurde, muss der Gläubiger, will er den Vertrag lösen, unverzüglich die Aufhebung erklären. Im Beispielsfall wahrt der Käufer ohne Zweifel diese Frist, wenn er noch am Telefon die Vertragsaufhebung erklärt; eine Bedenkzeit darüber hinaus sollte sehr kurz ausfallen.46

44 Ganz ähnliche Beispiele liefern die daraus entwickelten Art. 9:303 (2) PECL und Art. III.-3:508 (3) DCFR: Das Recht zur Vertragsaufhebung muss binnen angemessener Frist („within a reasonable time“) genutzt werden, sonst ist es ausgeschlossen. 45 Staudinger/Magnus, Art. 49 CISG Rn. 36 mit weiteren Nachweisen. 46 Sollte die Ware auch noch mangelhaft sein und dies eine wesentliche Vertragsverletzung darstellen, greift Art. 49 Abs. 2 b) CISG. Dann gilt die Ausschlussfrist einer sofortigen Vertragsaufhebung freilich ab Kenntnis des Mangels.

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3. Die faktische Wahlpflicht durch das Zwangsrecht des Schuldners Aus einem einseitigen Wahlrecht des Gläubigers kann eine faktische Wahlpflicht entstehen, wenn der Schuldner das Recht zur Erzwingung der Entscheidung erhält. Dann wird die Beendigung der Schwebelage nicht kraft Gesetzes forciert, sondern durch ein aktives Eingreifen des Schuldners. a) Das Zwangsrecht des Schuldners Denkbar wäre wiederum, dem Schuldner ein echtes Zwangsrecht zur Entscheidung zuzugestehen. Der Schuldner könnte dann gegen den Gläubiger aus einem Anspruch auf eine Wahlentscheidung vorgehen. Der Anspruch ginge auf Einforderung einer Willenserklärung des Gläubigers. Diese ließe sich als vertretbare Handlung gar vor Gericht durchsetzen und durch die Rechtskraft des Urteils als abgegeben fingieren, § 894 ZPO. Eine andere Möglichkeit ist der gesetzlich eingeräumte Wechsel des Wahlrechts. Der Wahlberechtigte wird dabei von der Gegenseite zur Wahl aufgefordert. Ihm wird eine angemesse Frist zur Entscheidung gesetzt. Verstreicht diese Frist, ohne dass der Wahlberechtigte eine Entscheidung getroffen hat, geht das Wahlrecht auf die Gegenseite über. Dann darf der vormals von der einseitigen Wahlbefugnis Betroffene diese selbst ausüben. Dieses Konzept hat gegenüber dem obigen Ansatz des Anspruchs auf Abgabe einer Willenserklärung einen wesentlichen Vorteil: Es verlagert die Verantwortung der schuldrechtlichen Beziehung nicht auf das Gericht. Vielmehr wird zwischen den Parteien die gegenseitige Rücksichtnahme bereits dadurch gewährleistet, dass die einseitige Befugnis die Seite wechseln und damit den vermeintlich negativ Betroffenen plötzlich zum positiv Berechtigten machen kann. Wiederum findet man darin eine bloß mittelbare bzw. faktische Wahlpflicht des Gläubigers. Denn erst der drohende Verlust des Wahlrechts und – schlimmer noch – der Übergang dieser Befugnis auf die Gegenseite zwingen den Berechtigten faktisch zur Ausübung seiner Wahl. b) Das Beispiel der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht: § 264 Abs. 2 BGB Das klassische Beispiel für das Recht zur Erzwingung einer faktischen Wahlpflicht des Gläubigers finden wir im Rahmen der gesetzlichen Regelungen zur Wahlschuld. Dort regelt § 264 Abs. 2 BGB, dass der wahl-

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berechtigte Gläubiger47, der sich mit seiner Wahlentscheidung in Verzug befindet und eine Frist des Schuldners zur Entscheidung verstreichen lässt, sein Wahlrecht an den Schuldner abgeben muss. Dann darf der Schuldner selbst entscheiden, welches Leistungsgebot er zu erfüllen hat.48 Ein Reiseunternehmen vereinbart Anfang März zu einem Pauschalpreis mit dem Kunden eine Reise mit alternativem Ziel: 7 Tage Kreuzfahrt im Juli über das Mittelmeer, wobei der Kunde wählen darf, ob er die Kreuzfahrt „Orient“ von Tanger nach Istanbul oder die Kreuzfahrt „Iberia“ von Barcelona nach Lissabon genießen möchte. Dem Kunden wird Überlegungszeit eingeräumt. Der Veranstalter bietet ihm in der Folge mehrfach die Reise „Orient“ an. Anfang Mai drängt der Reiseveranstalter auf eine Entscheidung, denn er hat bislang vorsorglich auf beiden Schiffen eine Kajüte reservieren lassen und läuft nun Gefahr, dass andere Interessenten, die er vertrösten muss, abspringen. Er setzt dem Kunden eine einwöchige Frist und droht an, ihn ansonsten einer Kreuzfahrt „zuzuweisen“. Die Woche vergeht ohne eine Entscheidung des Kunden, der sich durch die Fristsetzung als „König Kunde“ beleidigt fühlt. Nunmehr entscheidet der Reiseveranstalter, dass der Kunde lieber die Fahrt „Orient“ genießen solle und vergibt die frei gewordene Kajüte der „Iberia“ anderweitig. Dieses Vorgehen rechtfertigt § 264 Abs. 2 S. 2 BGB. Denn das Wahlrecht als Gestaltungsrecht sui generis nach §§ 262, 263 Abs. 1 BGB ist nunmehr vom Gläubiger auf den Schuldner übergegangen: Aus der Wahlmöglichkeit des Kunden wird eine Wahlmöglichkeit des Reiseveranstalters. § 264 Abs. 2 BGB setzt dabei zwei Erfordernisse. Zum einen muss der Gläubiger sich in Verzug befinden; davon ist nach mehrfachen Angeboten der Reise „Orient“ auszugehen. Zudem ist die erforderlich angemessene Frist zur Wahlentscheidung abgelaufen. Der Gläubiger gibt daher gezwungenermaßen sein Wahlrecht an den Schuldner ab. § 264 Abs. 2 BGB zwingt damit den Gläubiger faktisch, von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Zwar wird er nicht zur Wahl verpflichtet, er muss aber fürchten, nach Maßgabe des § 264 Abs. 2 BGB das Wahlrecht an den Schuldner zu verlieren. Allein deshalb wird aus dem Wahlrecht eine faktische Wahlpflicht. Die faktische Wahlpflicht wird nicht gesetzlich forciert, sondern durch ein Schuldnerrecht zur Erzwingung der Entscheidung geschaffen.49 47 Eine andere Lösung für den Fall des Schuldnerwahlrechts findet § 264 Abs. 1 BGB. Dort kann der Gläubiger unmittelbar auf eine der Leistungen alternativ klagen: BeckOK/Unberath, § 264 Rn. 3. 48 Eine parallele Lösung zu alternativen Leistungen kennen Art. 7:105 PECL und Art. III.-2:105 DCFR („the right to choose passes to the other party“). Für diese Regelungen besteht jedoch kein Unterschied, ob der Gläubiger oder der Schuldner die Wahl hat.

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4. Fazit: Keine allgemeine Wahlpflicht Aus diesen Überlegungen ergibt sich die Erkenntnis: Aus einem Wahlrecht folgt keine allgemeine Wahlpflicht.50 Wer wählen darf, muss nicht wählen. Dafür gibt es strukturelle Gründe. Unabhängig von den Unterschieden der Wahlrechte des Gläubigers tragen diese die negative Ausübungsfreiheit in sich. Das bedeutet, das Recht innezuhaben ist zugleich die Gewähr, dieses ausüben oder eben auch nicht ausüben zu dürfen.51 Somit spiegelt sich in dem Wahlrecht keine Wahlpflicht. Dieses Ergebnis bestätigen die unterschiedlichen gesetzlichen Konzepte, die eine faktische Wahlpflicht des Gläubigers erzwingen. Ihre Existenz verdeutlicht e contrario, dass eine allgemeine Pflicht zur Wahl nicht vorgesehen und auch nicht gewollt ist: Nur dort, wo der Gläubiger faktisch zur Wahl gezwungen ist, ist eine Verpflichtung zur Wahl auch vorzufinden. Dabei kann man differenzieren zwischen unmittelbar gesetzlich angeordneten Zwangsregelungen und den Fällen, die dem Schuldner ein Recht zur faktischen Erzwingung der Entscheidung geben. Vor allem für die Fälle elektiver Konkurrenz sind die gesetzlichen Verwirkungstatbestände durch Ausschlussfristen für bestimmte Rechtsbehelfe bedeutsam. Damit erreicht man eine Lösung der den Schuldner belastenden Schwebelage mittelbar durch das Gesetz. Für die Fälle der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht erhält der Schuldner das Recht, durch Angebot und Fristsetzung den Gläubiger unter Druck zu setzen. Wählt dieser sodann nicht innerhalb der Frist, geht das Wahlrecht auf den Schuldner über. Hier erreicht der Schuldner selbst durch aktives Handeln die Lösung der Schwebelage, die ihn belastet. Rechte, die noch nicht verjährt und nicht von einer Verwirkung betroffen sind, müssen nicht geltend gemacht werden. Konkurrieren mehrere Rechte dieser Art, gilt diese Freiheit für sämtliche Rechte des Gläubigers. Diese elektive Konkurrenz kann man nicht dadurch auflösen, dass das Wahlrecht in eine – echte oder nur faktische – Wahlpflicht umschlägt. Es bleibt beim Schwebezustand, der für den Schuldner das Dilemma der Ungewissheit bedeutet.

49 Eine nicht unähnliche Verwirkungsregel ist § 350 BGB. Danach kann ein vertragliches Rücktrittsrecht erlöschen, wenn der Berechtigte nicht innerhalb einer vom anderen Teil gesetzten Frist (Satz 1) von diesem Recht Gebrauch macht (Satz 2). Dazu noch: Grenzen des Wahlrechts, S. 391 ff. 50 Allg. Meinung, siehe nur: BeckOK/Unberath, § 264 Rn. 2; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 270. Anders noch: Litten, Wahlschuld, S. 126. 51 Deutlich: Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, S. 27.

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V. Fazit: Das Wahlrecht Der Berechtigte in den Fällen der Wahlschuld, der Ersetzungsbefugnis bzw. der elektiven Konkurrenz hat stets ein Wahlrecht. Dieses Wahlrecht ist in seinem Rechtscharakter für die verschiedenen Fälle uneinheitlich. Das Wahlrecht der Wahlschuld und der Ersetzungsbefugnis ist ein Gestaltungsrecht, das sich allein darin erschöpft, die Konkurrenz der Leistungsgebote (auf wiederum verschiedene Weise) zu lösen. Das Wahlrecht der elektiven Konkurrenz ist lediglich der Ausdruck der positiven und negativen Rechtsausübungsfreiheit jedes Forderungs- und Gestaltungsrechts des Gläubigers. Dabei kann bereits die Wahlerklärung gestaltende Wirkung haben (Gestaltungsrecht) oder erst die Erfüllung des Forderungsrechts, zu der die Wahlerklärung den Schuldner auffordert (Anspruch). Bei verhaltenen Ansprüchen ist die Geltendmachung zudem materiellrechtliche Durchsetzungsvoraussetzung für den Gläubiger. Aus dem Wahlrecht des Gläubigers folgt keine allgemeine Wahlpflicht. Dagegen spricht die negative Ausübungsfreiheit, die jedem Forderungs- und Gestaltungsrecht innewohnt. Diese Freiheit zu umgehen, ist das Ziel von verschiedenen gesetzlichen Konzepten, die eine faktische Wahlpflicht erreichen. Deren Existenz beweist im Umkehrschluss, dass sich in einem Wahlrecht grundsätzlich keine automatische Wahlpflicht spiegelt.

B. Der Zweck des Wahlrechts Wie die Konkurrenz von Gläubigeroptionen zu lösen ist, ist stets auch eine Frage der Zweckmäßigkeit. Alle denkbaren Lösungsmittel, seien dies gesetzliche Anordnungen, logische Stufenverhältnisse zwischen den Optionen, vereinbarte Rangfolgen oder eben bloß einseitige Befugnisse zur willkürlichen Wahlentscheidung einer Partei, folgen einem bestimmten Ziel. Im Folgenden untersuche ich, ob es grundsätzliche Erwägungsgründe für die Existenz von Alternativitäten gibt und welche Schlüsse wir daraus auf die Lösung der jeweiligen Konkurrenz ziehen können. Es kommt dabei weniger auf die Bedeutung der Spannungslage zwischen zwei konkreten Optionen an, als vielmehr auf den Versuch, generelle Zweckrichtungen für die verschiedenen Fälle der Gläubigerwahl auszumachen und ein Gesamtbild zu zeichnen.52

52 Ablehnend gegenüber der Bildung von Zweckkategorien: Planck/Siber, Vorbemerkung 1, 3 zu §§ 262 ff.

B. Der Zweck des Wahlrechts

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I. Die Zweckrichtung in den Fällen der Gläubigerwahl Zur Frage, wie man die Schwebelage zwischen den konkurrierenden Leistungsgeboten bzw. Rechten deutet, drängt sich schon immer die Vorfrage auf, warum diese Schwebelage überhaupt besteht. Ist die Konkurrenz rein zufällig oder gewollt, und wenn letzteres, verfolgt die Rechtsordnung damit einen gewissen Zweck? Dies hat bereits in der Blütezeit der Pandektenwissenschaft maßgeblich den Diskurs über die Konkurrenzen im Zivilrecht bestimmt. Stellvertretend nenne ich Carl Bernstein, der die grundlegende Frage nach dem Ziel alternativen Willens im Rechtsverkehr und der daraus resultierenden Ungewissheit für das Schuldverhältnis stellt: „Was ist aber der wahre Grund dieses Zustandes der Schwebe? Wie kommt’s, dass so verschiedenartige Entscheidungen, und nicht bloß die durch Wahl, möglich sind?“53 Man muss zur Beantwortung dieser Fragen wiederum die Fälle der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht, die der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers und die der elektiven Konkurrenz trennen. 1. Der Zweck der Wahl in der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht Bernsteins Frage zielt namentlich auf die Konkurrenz der Leistungsgebote in der alternativen Obligation ab: „Was ist’s, das die Entscheidung und hiermit die Concentration der Obligation auf ein Object zur juristischen Nothwendigkeit erhebt?“54 Diese stellt sich auch heute für die Wahlschuld, insbesondere die praktisch wichtigen Fälle der Gläubigerwahl. Der Zweck einer Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht kann ganz unterschiedlich sein. Dabei gibt es zwei Grundtendenzen: die wirtschaftlich sinnvolle Varianz der Leistung aus Schuldnersicht und den Anpassungszweck der vereinbarten Alternative aus Gläubigersicht. a) Der ökonomische Zweck Es gibt Fälle der vertraglich vereinbarten Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht, in denen der Schuldner ein eigenes Interesse an der Wahlmöglichkeit der Gegenseite hat und diese sogar anregt, weil sie ihm nachvollziehbare wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnet. Der Schuldner spekuliert darauf, 53 54

Bernstein, Der alternative Wille und die alternative Obligation, S. 92. Bernstein, Der alternative Wille und die alternative Obligation, S. 92.

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Kap. 5: Das Wahlrecht und die Lösung der elektiven Konkurrenz

dass er ökonomisch sinnvoller handeln kann, wenn dem Gläubiger ein Wahlrecht zusteht.55 Zum einen kann es wirtschaftlich sinnvoll sein, wenn die ökonomischen Risiken überschaubar sind und der Gläubiger sich das Wahlrecht aus bestimmten Motiven „erkauft“. Der Schuldner erhält dann von Anfang an einen monetären Ausgleich für die ihn treffende Ungewissheit. So verhält es sich beispielsweise mit der Wahlschuld eines Menüs mit beschränkter Speisenauswahl des Gastes, wenn die Speisenkomponenten des Menüs einzeln billiger wären als das Gesamtmenü, das der Gast letztlich der Einfachheit halber ordert. Der Gastwirt spekuliert dann zum Beispiel darauf, dass die Reizwirkung seines „einzigartig zusammengestellten Menü-Angebots“ ausreicht, um den Gläubiger von dieser insgesamt teureren Zusammenstellung zu überzeugen. Oertmann hat die Realitätsnähe solcher und ähnlicher Beispiele mit der Bequemlichkeit als nachvollziehbarem Motiv aus Sicht des Gläubigers erklärt.56 Deutlich wird dies auch am Beispiel eines Skipasses,57 dessen verschiedene nutzbare Pisten einzeln für denselben Zeitraum weitaus günstiger wären, den der Urlauber aber schon deshalb erwirbt, weil er keine Lust (und keine Zeit) hat, vor jedem Lift erneut zur Bezahlung anzustehen. Der alles umfassende Skipass ist dann wegen seines „All-Inclusive“-Charakters den höheren Preis wert. Der Schuldner kann durch das Wahlrecht für den Gläubiger auch erst einen Produktmarkt eröffnen. Die „All-Inclusive“-Sparte von Hotelangeboten ist ein Beispiel hierfür. Der Reisekunde erwirbt das Recht, zeitlich und mengenmäßig nahezu unbegrenzt über ein erhebliches Angebot an Speisen und Getränken während seines Hotelaufenthalts entscheiden zu können. Unabhängig von der Bewertung, wie sich dies für den Reiseveranstalter nach Abzug aller Kosten rechnet, ist die Gewährung eines solchen „All-Inclusive“-Wahlrechts erst Voraussetzung für seine wirtschaftliche Betätigung bei solchen Kunden, die die Wahl des Reiseorts von dem „All-Inclusive“-Charakter des Hotels abhängig machen. Dann ist das Wahlrecht des Gläubigers aus Schuldnersicht nicht nur wirtschaftlich nachvollziehbar, sondern sogar Bedingung dafür, dass überhaupt ein Vertrag mit dem Kunden zustande kommt.

55 56 57

Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 261. Oertmann, Vorbemerkung 1 a zu § 262 ff. Abgewandelt: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 262.

B. Der Zweck des Wahlrechts

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b) Der Anpassungszweck Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht ist in den meisten Fällen vor allem aus Sicht des Gläubigers sinnvoll. Ihre praktische Bedeutung – auch in Abgrenzung zu den weniger relevanten Fällen der Schuldnerwahl58 – wird durch einen Anpassungszweck erklärt. Dieser Anpassungszweck schließt zwei Grundgedanken ein: den Versicherungszweck und den Wahlzweck. aa) Der Versicherungszweck Wenn der Gläubiger sein Interesse bei Vertragsschluss vorläufig nur alternativ formulieren kann, aber sich schon jetzt die Befriedigung der Interessen sichern möchte, verfolgt er mit der Einigung zugleich einen Anpassungszweck.59 Dabei entspricht die Möglichkeit der Anpassung im Kern einer vertraglich vereinbarten „Versicherung“. Es wird versichert, dass der Gläubiger zumindest einen der seinen Interessen gerecht werdenden Gegenstände der parteilichen Schuldvereinbarung auch erhält. Dass dieser wiederum seinen Interessen gerecht wird, bestimmt seine schuldrechtliche Bindung an die Vereinbarung durch die Willenserklärung, die erklärt, dass eben diese Objekte der Alternativität ersetzbar sein sollen.60 Der Gläubiger ist bestrebt, dadurch künftige Interessen, die zunächst noch nicht bestimmt sind, schon anfänglich zu berücksichtigen.61 Ein Beispiel aus der Praxis sind Geldschulden mit alternativen Währungsklauseln. Dabei einigen sich der Gläubiger und der Schuldner darauf, dass die zu zahlende Summe vom Schuldner in einer von mehreren bestimmten Währungen nach Wahl des Gläubigers zu erbringen sei. Der Gläubiger erhält so die Sicherheit vor dem Verfall einer oder mehrerer Währungen.62 58

Dazu und zur Kritik an den §§ 262 ff. BGB siehe bereits: Kapitel 1, S. 68 ff. So: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 261, im Anschluss an: Heck, Grundriss des Schuldrechts, S. 33/34. 60 Bernstein geht in der Gewichtung des Versicherungszwecks sogar soweit, das gewährte Wahlrecht – den gewährten Vorteil – als die „Versicherungsprämie“ zu bezeichnen: Der alternative Wille und die alternative Obligation, S. 8. Freilich bezieht er seine Ausführungen auf die Gewährung des Wahlrechts gegenüber dem Schuldner. 61 Grundlegend zum Anpassungszweck: Heck, Grundriss des Schuldrechts, S. 33/34. 62 Diese Fälle sind v. a. vor dem Hintergrund wirtschaftlich und politisch instabiler Zeiten zu verstehen. Man beachte daher eine Reihe von Reichsgerichtsentscheidungen: RGZ 168, 240, 240; RG, DR 1942, 619, 619. Weitere Fälle der Wertsicherung von Geldschulden sind z. B.: RGZ 152, 213, 213; RGZ 126, 196 ff.; RG, JW 1926, 1320, 1320. 59

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Kap. 5: Das Wahlrecht und die Lösung der elektiven Konkurrenz

bb) Der Wahlzweck Zum Versicherungszweck tritt der Wahlzweck63. Das bedeutet zum einen, dass alle Optionen der Alternative geeignet sind, einander adäquat zu ersetzen (Ersatzzweck).64 Zum anderen steht die Entscheidung darüber, welche Option verwirklicht wird, dem Berechtigten zu (Auswahlzweck).65 Damit wird der Sinn des Versicherungszwecks verstärkt: Derjenige, dem durch die alternative Leistung eine Versicherung seiner Interessen zuteil wird, soll auch darüber entscheiden, welches Interesse letztlich durchgesetzt wird. Die alternativen Leistungsgegenstände sind dabei qualitativ austauschbar. Zum obigen Beispiel: Die Währungen, die der Gläubiger wählen kann, müssen qualitativ ersetzbar sein. Es handelt sich also um ersatzfähige Zahlungsmittel, etwa die Wahl, ob die Summe in US-Dollar oder in Euro auszuzahlen ist. Die Wahl darüber, in welcher Währung sinnvollerweise ausgezahlt wird, steht dem Gläubiger zu. Dessen Wahlmöglichkeit ist bezweckt, weil er die praktische Verwertung der Geldsumme bedenken muss, etwa wenn wegen einer Finanzkrise die Devisenbanken keine US-Dollar mehr annehmen und daher die Wahl der Auszahlung in Euro praktisch sinnvoll ist. cc) Auseinanderfallen und Disharmonie der Zwecke Die verschiedenen Zwecke liegen dicht beieinander und bedingen einander im Einzelfall. Sie können aber auch vereinzelt auftreten. Das verdeutlicht folgendes Beispiel. Die Bestellung eines Restaurants an den Händler lautet: „Ich bestelle für ein Hochzeitsbüffet am kommenden Mittwoch x Kilogramm Fische. Ob Lachs, Zander oder Steinbutt, ist gleichgültig. Wir bitten uns nur aus, dass die bestmögliche Qualität zu liefern ist.“66 Der Gläubiger trennt dann bewusst innerhalb des Wahlzwecks der Vereinbarung den Auswahlzweck vom Ersatzzweck. Denn es kommt ihm auf die Vergleichbarkeit der Ware an, die jedenfalls von bester Qualität sein muss (Ersatzzweck). Dabei verzichtet der Gläubiger auf sein Wahlrecht hinsichtlich der Fischsorte zugunsten des Händlers (Auswahlzweck). Derartige Fälle muss der Gesetzgeber bei der Kodifikation der Zweifelsregel § 262 BGB im Auge gehabt haben. 63

Erler, Wahlschuld, S. 24; Chamizer, Wahlschuld, S. 19. Dafür werden verschiedene Begriffe verwendet: Substitutionszweck (Litten, Wahlschuld, S. 69), Ersatzzweck (Bernstein, Der alternative Wille und die alternative Obligation, S. 8), Variationszweck (Erler, Wahlschuld, S. 24). 65 Erler, Wahlschuld, S. 24. 66 Beispiel bei: Chamizer, Wahlschuld, S. 29; ganz ähnlich: Roh, Das sogenannte ius variandi, S. 16. 64

B. Der Zweck des Wahlrechts

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Misst man die Wahlschuld an den Regelungen der §§ 262 ff. BGB, fällt auf, dass sich der Versicherungszweck und der Wahlzweck im Fall der Unmöglichkeit einer Alternative disharmonisch zueinander verhalten.67 Denn die Unmöglichkeitsregel des § 265 S. 1 BGB verengt die Schuld auf ein Leistungsgebot, ohne dass der Wahlberechtigte von seiner ursprünglich vorgesehenen Wahl Gebrauch machen kann. Dann fällt der Wahlzweck der Wahlschuld einfach weg und es bleibt beim Versicherungszweck der Wahlschuld. Der Versicherungszweck ist erfüllt, denn gerade der zufällige Untergang einer Option ist der „Versicherungsfall“, für den die alternative Schuld vereinbart wurde. Beispiel: Der Kfz-Händler hat einen Kleinwagen zu liefern, den sich der Kunde aus den drei Exemplaren auf dem Hof des Händlers aussuchen soll. Durch einen Blitzschlag werden zwei der drei Fahrzeuge zerstört. § 265 Abs. 1 BGB beschränkt durch die Unmöglichkeit von zwei Optionen die Schuld des Händlers auf das verbleibende dritte Fahrzeug. Dem ursprünglichen Gedanken des Kaufvertrags, der gewollten Auswahl des Kunden, entspricht das nicht. Es entspricht aber im Grundsatz dem Versicherungszweck der Vereinbarung, die darauf abzielte, dass zumindest eines der Fahrzeuge geleistet werden sollte.68 2. Der Zweck der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers Eine Ersetzungsbefugnis wird gewährt, wenn eine Regelung zwar in grundsätzlicher Hinsicht als sinnvoll bzw. „sachrichtig“ angesehen wird, aber im Einzelfall die Interessen einer Partei augenscheinlich mit einer alternativen Regelung besser gewahrt sind.69 Kern der Intention einer Ersetzungsbefugnis des Gläubigers ist damit der Ersatzzweck. Es handelt sich dabei wiederum um einen Aspekt der Anpassung, der zugleich einen Versicherungszweck beinhaltet.70 Der Ersatzzweck ist hier ein anderer als in der Wahlschuld: Die Leistungsgebote stehen in einem Stufenverhältnis zueinander. Einer Option der Alternative kommt dabei eine subsidiäre Bedeutung zu:71 Es handelt sich um den Ersatz für das ursprünglich Geschuldete. Begründet wird diese Stufung im Gegensatz zur Wahlschuld damit, dass die Anpassungsmöglichkeit an künftige Interessenlagen vor allem solche Interessenlagen beinhaltet, die zeitlich oder qualitativ kaum vorhersehbar 67

Litten, Wahlschuld, S. 69. Dieses Ergebnis hält Litten für nicht haltbar. Er plädiert de lege ferenda für eine Wahlschuldregelung, die die reine Auswahlschuld von einer reinen Versicherungsschuld trennt: Litten, Wahlschuld, S. 71. 69 Definition von: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 659. 70 Erler, Wahlschuld, S. 51. 71 Chamizer, Wahlschuld, S. 27. 68

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sind.72 Dann wird von Anfang an ein Wertkorrelat als Leistungsgebot geschaffen, welches im Anpassungsfall das ursprünglich geschuldete Leistungsgebot ersetzt. Diese bezweckte Stufung kann rechtsgeschäftlich vereinbart sein. So handelt es sich bei der praktisch häufigen Vereinbarung einer Inzahlungnahme des gebrauchten PKW beim Kauf eines Neuwagens um die Möglichkeit für den Käufer, einen bestimmten Betrag des Kaufpreises durch die Hingabe des Altfahrzeugs ersetzen zu können. Dies ist eine Ersetzungsbefugnis.73 Auch die gesetzlich normierten Ersetzungsbefugnisse verfolgen den Zweck, das künftig eventuell abweichende Interesse des Berechtigten durch eine Ersatzalternative besser wahren zu können. So liegt es in der Mehrzahl der Fälle im Interesse des körperlich Geschädigten, die Heilung durch einen Dritten (Arzt, Krankenhaus) vornehmen zu lassen und daher vom Schädiger statt der Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB den erforderlichen Geldbetrag zu verlangen, § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. 3. Der Zweck der Wahl in einer elektiven Konkurrenz Die Wahl zur Auflösung einer elektiven Konkurrenz verfolgt keinen allgemeinen Zweck. Es kommt bei der Bestimmung des Telos der Konkurrenz vielmehr darauf an, welche Rechte konkurrieren. Dabei können wir die elektive Konkurrenz zwischen Primäranspruch und Sekundärrechten von der Konkurrenz zwischen Sekundärrechten trennen. a) Der Zweck der Wahl zwischen Primäranspruch und alternativen Sekundärrechten aa) Die Wahl zwischen Erfüllungsstadium und Abwicklungsstadium Die Konkurrenz zwischen einem Primäranspruch und einem Sekundärrecht und die diesbezügliche Wahlmöglichkeit des Gläubigers ist nicht zufällig. Sie ist bewusst geschaffen und verfolgt einen spezifischen Zweck. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Sekundärrecht vertraglich vereinbart oder gesetzlich vorgesehen ist. Die elektive Konkurrenz zwischen dem Primäranspruch und einem Sekundärrecht kommt zustande, weil die Leis72

Man denke etwa an langfristige Verträge (Rentenverträge, Darlehensverträge): Erler, Wahlschuld, S. 55. 73 Diese steht hier aber dem Schuldner zu. Grundlegend zu diesen Fällen: BGHZ 46, 338, 340, sowie BGHZ 89, 126, 128.

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tungsbeziehung, das Schuldverhältnis gestört ist.74 Die Wahl zwischen dem Primär- und dem Sekundärrecht bezweckt, dass der Gläubiger entscheiden kann, ob er trotz dieser Störung das Schuldverhältnis im Erfüllungsstadium halten will oder ob er es in ein (Rück-)Abwicklungsstadium überführen will.75 Das subjektive Urteil der vertragstreuen Partei befindet darüber, ob am Schuldverhältnis festgehalten wird oder eine störungsgerechte Abwicklung erfolgen soll. Das ist nichts anderes als die Entscheidungsmöglichkeit für den Betroffenen, ob trotz der Vertragsuntreue des Schuldners pacta sunt servanda gelten soll oder nicht. Diese Störung des Schuldverhältnisses lässt das Erfüllungsinteresse des Gläubigers nicht per se entfallen. Vielmehr kann durch die Störung das alternative Interesse an der Abwicklung des Schuldverhältnisses entstehen. Die Wahl im Rahmen der elektiven Konkurrenz bezweckt, diese Interessenvarianz zugunsten des Gläubigers zu berücksichtigen. bb) Beispiel Der Buchhändler liefert dem Kunden einen zerkratzten Bildband. Dieser fordert Lieferung eines mangelfreien Bandes gegen Rückgabe dieses Exemplars und setzt dem Händler eine Wochenfrist. Die Frist verstreicht ergebnislos. Es besteht eine elektive Konkurrenz zwischen einem Primär- und einem Sekundärrecht auf der Seite des Kunden: Er kann wählen zwischen seinem Nacherfüllungsanspruch auf Ersatzlieferung, §§ 437 Nr. 1, 439 BGB, und dem Rücktrittsrecht nach §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB.76 Das Gesetz erlaubt durch die Systematik der Leistungsstörungsrechte, dass der Gläubiger wählen darf, ob er am Vertrag festhält oder diesen rückabwickeln möchte. Die Wahlmöglichkeit bezweckt, dass die von der Vertragsuntreue betroffene Partei ihre Interessen sondiert und die Zielrichtung ihres Handelns gegebenenfalls anpasst. Verlangt der Kunde daher weiter Nachlieferung, erhält er das Schuldverhältnis im Erfüllungsstadium. Tritt er zurück, befördert er die schuldrechtliche Beziehung in das Stadium der Rückabwicklung. Ihm diese konkurrierenden Optionen zu ermöglichen, ist der Zweck der Wahl zwischen dem Primärrecht und dem alternativen Sekundärrecht.

74

Erler, Wahlschuld, S. 61. Begriffe von: Erler, Wahlschuld, S. 61, der freilich nicht die Zweckrichtung einer Wahl zwischen Erfüllungsanspruch und Sekundärrecht meint, weil nach altem Recht der Primäranspruch entfiel und durch die Sekundärrechte ersetzt wurde. 76 Das Recht zur Minderung und ein evtl. Schadensersatzanspruch bleiben außer Betracht. 75

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Kap. 5: Das Wahlrecht und die Lösung der elektiven Konkurrenz

b) Der Zweck der Wahl zwischen alternativen Sekundärrechten aa) Die Wahl zwischen alternativen Formen der Abwicklung Mehrere alternative Sekundärrechte stehen in elektiver Konkurrenz. Die Konkurrenz löst der Gläubiger durch die Wahl eines Rechts auf. Im Gegensatz zur Wahl zwischen Primärrecht und Sekundärrecht befinden sich hier die Alternativen auf ein und derselben Stufe: Die Sekundärrechte sind verschiedene Rechtsbehelfe im Abwicklungsstadium des Schuldverhältnisses.77 Die Wahl zwischen ihnen tangiert den Grundsatz pacta sunt servanda nicht mehr, sie entscheidet vielmehr darüber, wie das gestörte Schuldverhältnis abgewickelt wird. Die verschiedenen Formen der Abwicklung bedienen dabei unterschiedliche Interessen des Gläubigers. Sie knüpfen an die verschiedenen Störungstatbestände an und gewähren dem Gläubiger die Möglichkeit, seine Interessen zu sondieren. Seine Wahl fällt auf die Abwicklungsform, die für das vorrangige Interesse die maximale Effektivität verspricht.78 bb) Beispiel Der Bildband im obigen Beispiel ist nur auf der Vorder- und Rückseite zerkratzt. Dabei handelt es sich zwar um einen erheblichen Mangel für den Kunden, sodass der Rücktritt denkbar wäre. Gleichwohl überlegt er, ob er wegen des Seltenheitswerts des Bandes diesen nicht lieber behält und wegen der Kratzer den Kaufpreis mindert. Hier konkurrieren, unabhängig vom Primäranspruch auf Nachlieferung, das Rücktrittsrecht aus §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB und das Minderungsrecht nach §§ 437 Nr. 2, 441 Abs. 1 BGB. Dies sind zwei Sekundärrechte. Ihre Konkurrenz löst der Kunde durch die gestaltende Wahlentscheidung des Rücktritts bzw. der Minderung. Das Wahlrecht hierüber dient einem bestimmten Zweck: Der Gläubiger eines vertragsuntreuen Schuldners kann seine Interessen auf zweierlei Weise wahren, ohne an der ursprünglichen Vereinbarung festhalten zu müssen. Wählt er Rücktritt, wird das Schuldverhältnis rückabgewickelt. Wählt er Minderung, passt er seine eigene Gegenleistung der minderwertigen Leistung wertmäßig an. So oder so wird die Störung des Schuldverhältnisses dem Gläubigerinteresse entsprechend abgewickelt. Die Wahl darüber, wie das geschieht, gebührt nach dem Zweck des Wahlrechts dem vertragstreuen Gläubiger.

77 78

Erler, Wahlschuld, S. 62. Erler, Wahlschuld, S. 62.

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II. Die Bewertung des Wahlrechtzwecks Die Erkenntnis, welchen Zweck die Konkurrenzlage und das Wahlrecht für den Gläubiger hat, kann aus verschiedenen Gründen wichtig sein. Generell können wir sagen: Die Zweckbetrachtung fließt in jede Überlegung bzgl. der Konkurrenzen ein. Vor allem die Lösung eines Problems in Folge der Konkurrenz erfordert eine Bewertung, welchem Zweck die Konkurrenzlage dient, die dieses Problem erst geschaffen hat. Die Zweckbetrachtung kann dabei aber nur in beschränktem Maße die Lösung des Problems diktieren. Insbesondere darf die teleologische Untersuchung nicht die einzige Stütze der Argumentation sein, was vor allem dann gilt, wenn der Gesetzeswortlaut oder der Wille der Parteien abweichende Wertungen vornehmen. Welchen Umfang der Einfluss der Zweckbetrachtung auf die Fragen der Konkurrenz und des Wahlrechts auf Gläubigerseite haben kann, verdeutlichen zwei Ansätze im Schrifttum, die ich hier aufgreife. Das ist zum einen der Versuch, die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht von der elektiven Konkurrenz aus Zweckmäßigkeitserwägungen abzugrenzen. Erhebliche Bedeutung erlangt die Zweckfrage zum zweiten für das praktische Problem der möglichen Unwiderruflichkeit der Wahl: Bindet die getroffene Wahl den Gläubiger, und wenn ja, endgültig oder widerruflich? 1. Der Versuch teleologischer Abgrenzung von Wahlschuld und elektiver Konkurrenz Im Anschluss an Esser hat Erler das Problem der strukturellen Unterscheidung von Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und elektiver Konkurrenz als „überwunden“79 erachtet. Als Lösung für die mitunter schwierige Differenzierung der beiden Fälle einer Gläubigerwahl schlägt er vor, sich am Zweck der Alternative zu orientieren. Daraus ergebe sich, dass Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und Ersetzungsbefugnis des Gläubigers der Anpassung der Leistungspflicht im Erfüllungsstadium dienen, während die elektive Konkurrenz der Anpassung der Leistungspflicht im Abwicklungsstadium dient.80 Diese Unterscheidung sei streng zu beachten, denn maßgeblich an ihr orientiere sich die Abgrenzung der Fälle.81 Dieser Versuch der Abgrenzung aus Zweckmäßigkeitserwägungen ist nur teilweise erfolgreich. Wenn man die alternativen Sekundärrechte, etwa die Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung und Aufwendungsersatz, 79 Erler, Wahlschuld, S. 22; im Anschluss an: Esser, Schuldrecht (2. Auflage, 1960), S. 72/73. 80 Erler, Wahlschuld, S. 63. 81 Erler, Wahlschuld, S. 63.

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zueinander betrachtet, ist Erler zuzustimmen. Die Systematik bezweckt dort die Konkurrenz von Rechtsbehelfen, die allesamt die Schuld als nicht mehr „ordentlich“ erfüllbar ansehen. Dies bezweckt eine Abwicklung des gestörten Schuldverhältnisses durch alternative Möglichkeiten. Demgegenüber sind insbesondere die vertraglich vereinbarten Fälle der alternativen Leistungsgebote (Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht, Ersetzungsbefugnis des Gläubigers) auf alternative Möglichkeiten der vertraglichen Erfüllung gerichtet. Dies ist ein erheblicher Unterschied der beiden Fälle. Soweit jedoch Erler mit dieser Abgrenzung aus Zweckgesichtspunkten den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, kann man ihm auf der Grundlage des heutigen Rechts nicht folgen. Die elektive Konkurrenz besteht nach der Schuldrechtsreform nicht nur zwischen Rechtsbehelfen, die die Abwicklung des Schuldverhältnisses betreffen, sondern auch und vor allem zwischen dem fortbestehenden Primärrecht und alternativen Sekundärrechten. Der Grundansatz, elektive Konkurrenzen gäbe es nur zwischen Sekundärrechten, ist daher nicht länger haltbar.82 Damit taugt auch deren Zweck nicht als Abgrenzungskriterium zur Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und zur Ersetzungsbefugnis des Gläubigers. Dieser Ansatz verdient noch aus einem anderen Grund keine Zustimmung. Die Zweckbestimmung der Gläubigerwahl ist als alleiniges Abgrenzungskriterium ungeeignet, denn ihr Ergebnis ist zu vage. Der Zweck der Konkurrenzlage wird hier zum vollwertigen Ersatz für eine strukturelle Unterscheidung gemacht, aus dem die Anwendbarkeit der §§ 262 ff. BGB folgt oder nicht. Dies reiht sich nahtlos in die Versuche ein, die von mir beschriebene „Flucht“ von den ungeliebten Wahlschuldregeln zur elektiven Konkurrenz methodisch zu legitimieren.83 Die Folge ist ein Kanon von Grenzfällen, die nicht eindeutig bestimmbar sind, deren Einordnung sich aber am vermeintlich klaren Zweck orientiert.84 Um ihm die schwierige Aufgabe der Einordnung zu überlassen, scheint mir der Zweck als alleiniges Mittel indes nicht klar genug. Hier überschreitet die Zweckbestimmung des Wahlrechts auf Gläubigerseite die Grenze des methodisch Vertretbaren.85

82 Erler widerspricht sich im Übrigen an dieser Stelle selbst, wenn er den Gewährleistungsanspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache nach § 480 Abs. 1 BGB a. F. in die Fälle elektiver Konkurrenz einordnet. Dies war der fortbestehende Primäranspruch beim Gattungskauf und eben gerade kein Sekundärrecht, das auf Abwicklung gerichtet wäre: Erler, Wahlschuld, S. 76. 83 Kapitel 1, S. 71 ff. Dass sich Erler an dieser Tendenz orientiert, ergibt sich aus: Wahlschuld, S. 21/22 Fn. 81. 84 Man beachte nur Erlers sog. „Besonderen Teil“: Wahlschuld, S. 64 ff. 85 Zuzustimmen ist Erler, dass der Zweck als Abgrenzungskriterium zwischen Wahlschuld und Ersetzungsbefugnis taugt. Insbesondere die Nichtanwendbarkeit des

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2. Die Berücksichtigung des Zwecks im Rahmen der Bindungswirkung eines Rechts Erfolg verspricht die Zweckbetrachtung der Konkurrenz auf Gläubigerseite, wenn es um die Frage geht, inwieweit die Ausübung des Wahlrechts den Gläubiger binden soll. Dies ist eine Detailfrage, die ich am Einzelfall sogleich beantworte.86 Schwierig gestaltet sich vor allem der Umgang mit dem Dogma der Unwiderruflichkeit für Gestaltungsrechte. Dieses wird von der traditionell herrschenden Auffassung, auch dem historischen Gesetzgeber des BGB, als selbstverständlich betrachtet,87 obwohl es nicht ausdrücklich im Gesetz verankert ist. Teleologisch beabsichtigt dies den Schutz des Erklärungsempfängers vor der einseitigen Gestaltungsbefugnis. Ob dieser Schutzzweck in sämtlichen Fällen der Gestaltungserklärung gerechtfertigt ist, wird schon zum früheren Schuldrecht von Teilen der Literatur bezweifelt.88 Wiederum ist das eine Zweckbetrachtung, die die Bindungswirkung von Gestaltungsrechten hinterfragt. Diesen methodischen Ansatz greife ich im Folgenden auf.

III. Fazit: Der Zweck des Wahlrechts Die Konkurrenz seiner Optionen kann der Gläubiger durch eine Wahlentscheidung auflösen. Dieses Wahlrecht ist in der Regel bewusst geschaffen und dient einem spezifischen Zweck. Generell kann man gewisse Funktionen der alternativen Gläubigerwahl zusammenfassen. Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht kann aus Schuldnersicht ökonomisch sinnvoll sein, aus Gläubigersicht als Versicherung und Anpassungsmöglichkeit der schuldrechtlichen Beziehung dienen. Die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers legt den Schwerpunkt auf einen wertadäquaten Ersatz der Leistung für zukünftige, schwer vorhersehbare Ereignisse. Die elektive Konkurrenz zwischen Primär- und Sekundärrechten sowie zwischen Sekundärrechten untereinander verfolgt einen unterschiedlichen Zweck. Ersteres ist die Wahl zwischen Erfüllungsstadium und Abwicklungsstadium, Letzteres die Wahl zwischen den Formen der Abwicklung des Schuldverhältnisses. Die Zweckbetrachtung des Wahlrechts ist ein methodisches Mittel, um Detailprobleme der Konkurrenz zu lösen, so etwa bei der höchst diffizilen § 265 BGB auf die Ersetzungsbefugnis verdeutlicht Unterschiede zwischen den Fällen aus Zweckmäßigkeitserwägungen. Ausführlich: Erler, Wahlschuld, S. 49–56. 86 Ausführlich: S. 405 ff. 87 Beachte nur die Protokolle zu den Wahlschuldregeln: Jakobs/Schubert, § 263 C S. 153. 88 Exemplarisch: Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 223 ff.

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Frage nach der Bindungswirkung an die einmal getroffene Wahl. Gleichwohl darf der Zweck nicht überbewertet und zum Allheilmittel aller Probleme gemacht werden. So ist der Telos der Wahl beispielsweise nicht geeignet, die Darstellung der strukturellen Unterschiede zwischen den Fällen der Gläubigerwahl zu ersetzen.

C. Die Grenzen des Wahlrechts und das ius variandi Das Gläubigerwahlrecht hat in den Fällen der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht, der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers ebenso wie der elektiven Konkurrenz Grenzen. Diese kann man verallgemeinern, auch wenn sich die Gläubigerwahlrechtsfälle im Detail wiederum erheblich unterscheiden. Die praktisch wichtigste Frage ist, inwieweit die Ausübung der Wahl den Gläubiger bindet. Dabei kann der Gläubiger bereits durch die Erklärung seiner Wahl sofort und endgültig gebunden sein. Es kann aber auch sein, dass die Erklärung widerruflich ist und damit ein sog. ius variandi vorliegt. Welche Bindung auf die jeweilige Wahl zutrifft, untersuche ich im Folgenden.

I. Die absoluten Grenzen des Gläubigerwahlrechts Es gibt kein uneingeschränktes Wahlrecht des Gläubigers. Die grenzenlose einseitige Befugnis des Gläubigers ist gegenüber dem Schuldner nicht gerechtfertigt. Denn die besondere Optionenvielfalt, aus der der Gläubiger auswählen kann, birgt für den Schuldner Gefahren. Das Dilemma, das aus der Schwebelage des Schuldverhältnisses folgt und in dem der Schuldner sich vor der Wahlausübung des Gläubigers befindet, habe ich bereits beschrieben.89 Notwendige Begrenzungen der Wahlmöglichkeit ergeben sich zunächst aus allgemeinen Überlegungen. Dabei erscheint es regelungstechnisch am sinnvollsten, die Vielfalt der Optionen von Anfang an auf ein Minimum zu beschränken, insbesondere, wenn es um diametral gegensätzliche Folgen wie Erfüllung und Rückabwicklung geht. Begrenzt wird die Wahlbefugnis des Gläubigers sodann durch die Erledigungstatbestände Erfüllung, Unmöglichkeit, Zeitablauf bzw. Verwirkung sowie vertragliche Einigung. Diese sind absolute Grenzen des Gläubigerwahlrechts. Sie gelten, sofern das Gesetz oder eine parteiliche Vereinbarung nichts anderes bestimmen, endgültig.

89

S. 357 ff.

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1. Vorüberlegung: Die anfängliche Einengung der Optionenvielfalt a) Die qualitative Stufung der Optionen zur Verhinderung von Konkurrenzen Ein Mittel der Gesetzestechnik, um das Problem der Konkurrenz von Gläubigeroptionen aus Schuldnersicht zu lindern bzw. besser gar nicht erst aufkommen zu lassen, ist die anfängliche Einengung der Optionenvielfalt.90 Sie ist dort denkbar, wo nicht der vertragliche Wille der Parteien, sondern das Gesetz einer Partei alternative Handlungsmöglichkeiten zur Hand gibt. Dies macht insbesondere Sinn, wenn die Folgen der Optionen sich zueinander derart diametral verhalten, dass der Schuldner sich für völlig entgegengesetzte Pflichtengebote bereithalten muss. So etwa im Leistungsstörungsrecht: Die elektive Konkurrenz zwischen dem Primäranspruch und dem Rücktrittsrecht ist ein Extrembeispiel des Schuldnerdilemmas, denn hier muss er sowohl die vertragliche Erfüllung als auch die – entgegengesetzte – Umsteuerung des Schuldverhältnisses durch die Rückabwicklung erwarten. Die daraus sich ergebende besondere Härte des Schuldnerdilemmas kann verhindert werden, wenn es gar nicht erst zu dieser Konkurrenz kommt. Das wird erreicht durch die Schaffung von qualitativ unterschiedlich hohen Hürden im Tatbestand der Rechte. Genauer: Will man die extreme Konkurrenz von Erfüllungsanspruch und Rückabwicklungsrecht verhindern, muss man für Letzteres tatbestandlich derart hohe Anforderungen regeln, dass es zum Ausnahmerecht verkommt.91 Diese Methodik hindert den Gesetzgeber freilich nicht, andere, weitaus weniger in Diskrepanz zum Erfüllungsanspruch stehende Rechtsbehelfe (etwa Schadensersatz oder Minderung) zu kreieren und diese in Konkurrenz zum Erfüllungstatbestand zu stellen. b) Beispiel: Das qualitative Gefälle der Rechtsbehelfe im CISG Der Rücktritt hat nach § 323 Abs. 1 BGB im Grundsatz dieselben Voraussetzungen wie der Schadensersatzanspruch statt der ganzen Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 281 Abs. 1, 5 BGB. Er verlangt sogar noch weniger: Ein Vertretenmüssen des Schuldners ist nicht erforderlich, wenn der Gläubiger zurücktreten will. Im von ihm verschuldeten Leistungsstörungsfall trifft den Schuldner also die Schwebelage der elektiven Konkurrenz in 90

Korrekterweise handelt es sich dabei nicht um eine „Grenze des Wahlrechts“, sondern um eine „Verhinderung des Wahlrechts“. 91 Canaris spricht im selben Zusammenhang von der „Anhebung der tatbestandlichen Schwelle für den Rücktritt“: JZ 2001, 499 (510).

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dreifacher Hinsicht: Er muss sich bis zur Wahl des Gläubigers zur Erfüllung verpflichtet fühlen und zugleich sowohl Schadensersatz als auch Rücktritt fürchten. Eine andere Lösung wählt das CISG. Danach besteht schon mit der verschuldensunabhängigen Pflichtverletzung der Schadensersatzanspruch aus Art. 45 Abs. 1 b) CISG, der neben den Erfüllungsrechtsbehelf tritt, Art. 46 CISG. Den Vertrag aufheben kann der Gläubiger aber grundsätzlich nur, wenn die Vertragsverletzung wesentlich ist, Art. 49 Abs. 1 a) CISG. Das ist nicht bei jeder Vertragsverletzung, die einen Schadensersatzanspruch hervorruft, der Fall, denn die Vertragsaufhebung ist im CISG ein Ausnahmerechtsbehelf.92 Der Schuldner sieht sich also, solange seine Vertragsverletzung nicht wesentlich ist, insoweit bloß zwei Ansprüchen ausgesetzt: der Erfüllung und dem Schadensersatz. Der Unterschied zwischen den Regelungsmodellen des BGB und des CISG liegt hier darin, dass zwischen den Sekundärrechten im CISG ein qualitatives Gefälle geschaffen wurde.93 Das hat für die Problematik des Schuldnerdilemmas beim Wahlrecht des Gläubigers Auswirkungen. Während die elektive Konkurrenz mit der tatbestandlichen Eröffnung des Schadensersatzes statt der Leistung nach BGB zugleich auch die Rückabwicklung als zur Erfüllung diametrale Folge des Rücktrittsrechts umfasst, konkurriert nach CISG nur Erfüllung mit Schadensersatz. Die Schutzbedürftigkeit des Schuldners in diesem Dilemma ist durch das CISG „gemildert“, da sich die potentiellen Folgen der Gläubigerwahl nicht völlig entgegengesetzt verhalten. Somit trägt die Schaffung der besonderen tatbestandlichen Hürde einer Wesentlichkeit dazu bei, die Probleme der einseitigen Gläubigerwahl aus der elektiven Konkurrenz im Leistungsstörungsfall von vorneherein einzuschränken. Daraus entnehme ich die Erkenntnis, dass die tatbestandliche Differenzierung von Rechtsbehelfen die Folgeprobleme der elektiven Konkurrenz im Leistungsstörungsrecht entschärfen kann. Sofern qualitativ unterschiedliche hohe Hürden im Tatbestand der Rechte verankert sind, werden Konkurrenzsituationen zwischen den Rechten zum Teil verhindert. 2. Die Erfüllung der Leistungspflicht durch den Schuldner Ist das Wahlrecht des Gläubigers erst einmal entstanden, endet es, wenn der Schuldner der Leistungspflicht nachkommt und Erfüllung herbeiführt. Dann erledigen sich die abweichenden Optionen des Gläubigers, die zu die92

Die Ausführungen gelten ebenso für die Systematik der PECL und des Entwurfs zum Gemeinsamen Referenzrahmen. Dazu bereits: S. 217 ff. 93 In der Praxis ist der Abstand zwischen beiden Modellen nicht groß: Staudinger/Magnus, Einleitung zum CISG Rn. 32.

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ser Leistungspflicht in Konkurrenz stehen. Das gilt für alle Fälle mit Gläubigerwahl, Wahlschuld, Ersetzungsbefugnis und elektive Konkurrenz gleichermaßen. Zu beachten ist für diese Grenze des Wahlrechts aber, dass überhaupt eine aktuelle Leistungspflicht des Schuldners besteht. Denn nur wenn dieser zur Leistung verpflichtet (und berechtigt) ist, kann er durch Erfüllung die Pflicht auch erlöschen lassen. Hierbei unterscheiden sich die Fälle der Gläubigerwahl deutlich. a) Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht Die Erfüllung der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht kann nur eintreten, wenn der Gläubiger seine Wahl zugunsten eines Leistungsgebots bereits getätigt hat oder über §§ 264 Abs. 2, 265 S. 1 BGB die Leistungspflicht auf ein Gebot verengt ist. Bis dahin ist die Schuld unbestimmt und nicht einseitig erfüllbar. Konzentriert sich die Wahlschuld auf einen der alternativen Inhalte, erfüllt der Schuldner durch die Bewirkung der Leistung und wird von seiner Schuld frei, § 362 Abs. 1 BGB. Beispiel: Der Verkäufer schuldet nach Wahl des Käufers den Herrenanzug in grau oder schwarz. Das Wahlrecht des Käufers wird nicht durch den Verkäufer einseitig beendet, wenn er einfach den grauen Anzug liefert. Denn der graue Anzug wird erst zum alleinigen Inhalt der Leistungspflicht und diese damit erfüllbar, wenn der Käufer ihn wählt.94 Erst wenn der Käufer mitteilt, er verlange den grauen Herrenanzug, kann der Verkäufer durch Übergabe und Übereignung von seiner Leistungspflicht freiwerden. Das Wahlrecht des Käufers endet dann mit der Erfüllung gemäß § 362 BGB. Hierbei ist die Wahlerklärung des Gläubigers der Erfüllung zwingend vorgeschaltet. b) Die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers Die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers endet, wenn der Schuldner die einfache Schuld erfüllt. Dabei kommt es auf die vorherige Wahl des Gläubigers nicht an, denn es besteht eine fällige Leistungspflicht, die erfüllbar ist. Die Ersetzungsbefugnis dient nur dazu, diese Leistungspflicht inhaltlich zu ersetzen. Diese Funktion verliert sie, wenn die Leistungspflicht erfüllt wird. Umgekehrt bleibt es dem Schuldner aber verwehrt, das von der Ersetzungsbefugnis erfasste alternative Leistungsgebot einseitig zu erfüllen. Der 94 Die zweite Möglichkeit ist § 264 Abs. 2 BGB: Der Verkäufer erzwingt die Entscheidung durch Fristsetzung. Die dritte Möglichkeit ist § 265 S. 1 BGB: Der schwarze Anzug wird zerstört.

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Gläubiger muss vielmehr erst erklären, dass er das primäre Leistungsgebot durch das alternative Leistungsgebot ersetzen will. Erst dann ist eine Erfüllung der Alternative möglich. Beispiel: Der Schädiger schuldet gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB Reparatur der beschädigten Sache (Naturalrestitution). Er kann diese Pflicht ohne Rücksicht auf den Gläubiger erfüllen, indem er die Sache tatsächlich repariert. Gebraucht der Gläubiger die Ersetzungsbefugnis nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, schuldet der Schuldner den zur Reparatur erforderlichen Geldbetrag. Diese Befugnis endet aber, sobald der Schuldner das Leistungsgebot erfüllt hat. Es kommt zum beschriebenen „Wettlauf“ zwischen Gläubiger und Schuldner: Wer zuerst reagiert, hat „gewonnen“.95 Leistet der Schädiger den erforderlichen Geldbetrag, bevor der Geschädigte dies verlangt hat, liegt darin keine Erfüllung. Denn die Befugnis des Gläubigers darf nicht konterkariert werden. Er selbst darf und kann entscheiden, ob die Eventualleistung erbracht wird oder nicht. c) Die elektive Konkurrenz Steht ein Anspruch oder ein Gestaltungsrecht mit einem anderen Anspruch in elektiver Konkurrenz, dann endet diese Konkurrenz spätestens mit Erfüllung eines Anspruchs. Der gewählte Anspruch muss für sich aber erfüllbar sein. Das trifft auf gestaffelte Ansprüche nicht in gleichem Maße zu. aa) Die elektive Konkurrenz zwischen Primär- und Sekundäransprüchen Die Konkurrenz zwischen dem Primäranspruch und dem Sekundäranspruch endet spätestens, wenn der Primäranspruch vom Schuldner erfüllt wird. Umgekehrt kann der Sekundäranspruch nicht erfüllt werden, solange sich der Gläubiger nicht für diesen und gegen den Primäranspruch entscheidet. Der Sekundäranspruch ist gegenüber dem Primäranspruch nämlich verhalten. Beispiel: Der Blumenhandel liefert statt des vereinbarten Saatguts der Premiumklasse anderes Saatgut minderwertiger Qualität. Der Käufer kann nach erfolglosem Ablauf einer angemessenen Frist wählen, ob er entweder an der Aufforderung zur Lieferung des hochwertigen Saatguts festhält oder den Minderwert des Saatguts als Schaden ersetzt verlangt. Dies ist die elektive Konkurrenz zwischen dem Primäranspruch aus §§ 437 Nr. 1, 439 95

Zum Wahlrecht der Ersetzungsbefugnis: S. 346.

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Abs. 1 Alt. 2 BGB und dem sekundären Schadensersatzanspruch statt der Leistung aus §§ 437 Nr. 3; 280 Abs. 1, 3; 281 Abs. 1 S. 1 BGB. Das Wahlrecht des Käufers zwischen diesen Rechten endet, wenn der Blumenhandel plötzlich doch das Saatgut der Premiumklasse liefert. Dann wird der Primäranspruch auf Ersatzlieferung nach §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB. Das Wahlrecht kann aber nicht einseitig durch Erfüllung des Schadensersatzanspruchs beendet werden: Der Blumenhändler kann nicht ungefragt den Minderwert des Saatguts durch eine Ersatzzahlung ausgleichen, sondern muss abwarten, ob der Käufer dies auch verlangt. Die einseitige Leistungspflichterfüllung kann eine elektive Konkurrenz zwischen dem Primär- und dem Sekundäranspruch nur hinsichtlich des ersteren Rechts beenden. bb) Die elektive Konkurrenz zwischen Sekundäransprüchen Die elektive Konkurrenz zwischen zwei Sekundäransprüchen kann ohne ein ausdrückliches Verlangen des Gläubigers nicht durch die Erfüllung eines dieser Ansprüche beendet werden. Denn die Sekundäransprüche sind gegenüber dem fortbestehenden Primäranspruch sämtlich verhalten. Allein dessen Erfüllung beendet die Konkurrenz zwischen allen drei Ansprüchen endgültig. Erst nach der ausdrücklichen Wahl eines Sekundäranspruchs durch den Gläubiger kann diese Alternative durch den Schuldner erfüllt werden. Beispiel: Im eben gezeigten Fall hat der Käufer zum Beispiel im Vertrauen auf den Erhalt des hochwertigen Saatguts erhebliche Mengen Spezialdüngers gekauft, der nur für Saatgut der Premiumklasse zu gebrauchen ist. Dann konkurrieren – zusätzlich zum Primäranspruch auf Lieferung des richtigen Saatguts – der Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach §§ 437 Nr. 3; 280 Abs. 1, 3; 281 Abs. 1 S. 1 BGB in Bezug auf den Minderwert des Saatguts und der Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 437 Nr. 3, 284 BGB in Bezug auf den überflüssigerweise erworbenen Dünger. Beide Sekundäransprüche, sowohl den auf Aufwendungsersatz als auch den auf Schadensersatz, muss und kann der Verkäufer nicht erfüllen, denn sie sind nicht fällig, solange der Käufer sie nicht verlangt. Ihre Verhaltenheit verhindert, dass der Verkäufer durch Zahlung des jeweiligen Ersatzbetrags von ihnen und damit auch vom primären Erfüllungsanspruch befreit wird: Sie „bedrohen“ ihn bis zur Wahlentscheidung des Käufers. Erst nach der ausdrücklichen Wahl durch den Käufer kann der Blumenhandel den gewählten Sekundäranspruch erfüllen und die elektive Konkurrenz zwischen den Sekundäransprüchen endgültig beenden.

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3. Die Unmöglichkeit der Gläubigeroptionen Das Gläubigerwahlrecht hat seine Grenze in der Unmöglichkeit. Unmöglich können entweder einzelne Optionen der Alternative oder die gesamte Optionenvielfalt werden. Die Gläubigerwahlrechtsfälle unterscheiden sich hierbei in der rechtlichen Lösung der Unmöglichkeit. a) Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht Die Wahl des Gläubigers einer Wahlschuld erübrigt sich, wenn die alternativen Inhalte der Schuld allesamt wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen sind. Dann gilt hinsichtlich der gesamten Wahlschuld § 275 Abs. 1 BGB: Kraft Gesetzes ist der Schuldner zur Leistung nicht verpflichtet. Etwas anderes gilt, wenn mindestens eines der alternativen Leistungsgebote übrig bleibt, also nicht von der Unmöglichkeit betroffen ist. Dann bestimmt die Sonderregel des § 265 S. 1 BGB, dass das Schuldverhältnis bestehen bleibt und sich auf die übrigen Leistungen beschränkt. Die Wahl des Gläubigers wird damit auf die möglichen Inhalte verengt. Dies gilt nach § 265 S. 2 BGB nicht, wenn der Schuldner die Unmöglichkeit zu vertreten hat. Dann hat der Gläubiger die Wahl, ob er an der Schuld mit dem beschränkten Inhalt Interesse hat oder ob er sich auf die verschuldete Unmöglichkeit des alternativen Leistungsgebots beruft und damit zu Sekundärrechten übergeht. Dies wären der Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach §§ 311 a Abs. 2 bzw. 280 Abs. 1, 3; 283 BGB sowie der Anspruch auf das stellvertretende commodum nach § 285 BGB.96 Beispiel: Der Autohändler schuldet nach Wahl des Käufers die Übereignung und Übergabe eines von zwei gebrauchten Kleinwagen, die sich auf dem Hof des Händlers befinden. Ein Blitzschlag zerstört beide Fahrzeuge. Damit ist die Leistungspflicht des Verkäufers nach § 275 Abs. 1 BGB vollends ausgeschlossen. Der Käufer kann evtl. nur auf sekundäre Rechtsbehelfe ausweichen, siehe Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 3; 283 BGB und den Surrogatanspruch nach § 285 BGB.97 Trifft der Blitz hingegen nur einen der Wagen, ist die Leistung des anderen Fahrzeugs noch möglich und § 275 BGB nicht einschlägig. Nach der Sonderregel des § 265 S. 1 verengt sich die Wahlschuld auf das verbleibende Fahrzeug und das Wahlrecht des Käufers endet somit: Ihm bleibt dann nur die Geltendmachung des Anspruchs mit dem übrigen einfachen Inhalt, dem verbleibenden Kleinwagen. Wird hingegen das eine Fahrzeug nicht durch einen Blitzschlag zerstört, 96

BeckOK/Unberath, § 265 Rn. 6; MüKo/Krüger, § 265 Rn. 10. Fraglich ist dann freilich im Rahmen des Schadensersatzanspruchs, ob den Verkäufer hinsichtlich der Unmöglichkeit seiner Leistungspflicht Verschulden trifft. 97

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sondern durch einen vom Verkäufer verursachten Brand, dann greift die Regel des § 265 S. 2 BGB. Das Verschulden des Schuldners erhält das Wahlrecht des Gläubigers aufrecht. Dieser kann dann wählen, ob er hinsichtlich des zerstörten PKW die Sekundärrechte §§ 280 Abs. 1, 3; 283 BGB und § 285 BGB geltend macht oder ob er an der Leistung des übrig gebliebenen Fahrzeugs festhält. b) Die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers Eine Ersetzungsbefugnis als Wahlrecht des Gläubigers ist endgültig beendet, wenn eine oder beide Optionen unmöglich sind. Dabei ist es gleichgültig, ob die Ersatzleistung oder die Primärleistung wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen ist. Ist die Ersatzleistung unmöglich, dann bleibt es beim primären Inhalt des Anspruchs des Gläubigers. Lediglich sein Wahlrecht, seine Ersetzungsbefugnis erlischt.98 Ist die Primärleistung unmöglich, entfällt die diesbezügliche Forderung nach § 275 Abs. 1 BGB. Dann wird zeitgleich der Ersetzungsbefugnis das Gestaltungsobjekt genommen, sodass diese gegenstandslos wird und ebenfalls entfällt.99 Gleichgültig ist dabei meines Erachtens, ob die Unmöglichkeit der Primärleistung zufällig eintritt oder vom Schuldner zu vertreten ist.100 Denn für die Ersetzungsbefugnis gibt es keine § 265 S. 2 BGB entsprechende Regelung, wonach der Erhalt des Wahlrechts für den Gläubigers an das Verschulden des Schuldners geknüpft wird. Somit sind die allgemeinen Haftungsgrundsätze anzuwenden. Dem Rechtsgedanken des § 275 BGB folgend, entfällt die Primärleistung ohne Rücksicht auf das Verschulden und wird durch ein Sekundärrecht ersetzt. Das sind der Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach §§ 311 a Abs. 2 bzw. 280 Abs. 1, 3; 283 BGB sowie der Anspruch auf das stellvertretende commodum nach § 285 BGB.101 Für eine fortbestehende Erset98 Esser/Schmidt, Schuldrecht I – Teilband 1, S. 245; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 667; auch: Erler, Wahlschuld, S. 47, der allerdings eine Teilnichtigkeit der gesamten Schuld nach § 139 BGB prüft, was angesichts der heutigen Rechtslage nicht haltbar ist: Die Unmöglichkeit berührt nicht mehr die Wirksamkeit des Schuldverhältnisses, vgl. § 311 a Abs. 1 BGB in der heutigen Fassung. 99 Erler, Wahlschuld, S. 47. 100 Ein Teil der Literatur geht offenbar (ohne Begründung) davon aus, dass nur die zufällige Unmöglichkeit die Ersetzungsbefugnis erledigt. Vgl. nur: Esser/ Schmidt, Schuldrecht I – Teilband 1, S. 245; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 667; Erler, Wahlschuld, S. 47. 101 Anders und wenig nachvollziehbar: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 667, der die Ersetzungsbefugnis neben einem „Sekundärinhalt“ fortbestehen lassen möchte. Das würde im Ergebnis einer Regel wie in § 265 S. 2 BGB entsprechen, die auf die Ersetzungsbefugnis gerade nicht anwendbar ist.

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zungsbefugnis wegen Schuldnerverschuldens besteht keine dogmatische Rechtfertigung.102 Beispiel: Die Parteien des Kaufvertrags vereinbaren, dass der Gläubiger den Kaufpreis in 50 Goldmünzen zahlen soll. Wegen des unsicheren Goldpreises darf der Verkäufer aber ersatzweise die Lieferung von 100 Tonnen Roggen aus dem Lager des Käufers verlangen.103 Es handelt sich dabei um eine Ersetzungsbefugnis des Gläubigers zum Zwecke der Wertsicherung. Verbrennt das Lager des Käufers und wird die Eventualleistung der Roggenlieferung damit unmöglich, berührt das den Kaufvertrag mit der ursprünglichen Schuld nicht. Denn der Käufer bleibt nach wie vor zur Kaufpreiszahlung in 50 Goldmünzen verpflichtet; bloß die Ersetzungsbefugnis des Verkäufers entfällt. Wird hingegen die Leistung in Goldmünzen unmöglich, etwa weil die Prägung mangels Goldreserven eingestellt wurde, entfällt zugleich auch die Ersatzleistung in Form der 100 Tonnen Roggen. Dann bleiben dem Verkäufer nur eventuelle Sekundärrechte gegen den Käufer, etwa ein Schadensersatzanspruch, für den das Verschulden des Käufers zu prüfen ist. c) Die elektive Konkurrenz Die Unmöglichkeit begrenzt auch das Wahlrecht, das der Gläubiger in einer elektiven Konkurrenz innehat. Da sich das Wahlrecht auf jedes Forderungs- bzw. Gestaltungsrecht in der Konkurrenzlage selbst bezieht, gilt nichts anderes für die Unmöglichkeit: Nur das Recht, dessen Pflichtengebot nicht unmöglich ist, kann der Gläubiger durchsetzen. Die Unmöglichkeit bezieht sich nach § 275 Abs. 1 BGB nur auf Forderungsrechte. Ausgeschlossen ist daher zum einen, dass ein Gestaltungsrecht als Option des Gläubigers unmöglich wird. Zum zweiten ist zu bemerken, dass der Leistungsausschluss nach § 275 BGB Sekundärrechte anstelle des Anspruchs hervorruft, die ihrerseits wiederum in elektiver Konkurrenz stehen können. Wir betrachten dann nicht länger die elektive Konkurrenz zwischen den Rechten der Erfüllungsebene und der Abwicklungsebene, sondern allein die elektive Konkurrenz der Abwicklungsrechtsbehelfe. Beispiel: Der Verkäufer eines Oldtimers verzögert trotz einer Fristsetzung seitens des Käufers die Lieferung. Der Käufer hat eine große Garage für das Fahrzeug errichten lassen. Damit eröffnen sich ab Fristablauf alternativ zum Primäranspruch aus § 433 Abs. 1 BGB die Sekundärrechte auf Scha102

Ähnlich die Begründung für das gleiche Problem bei einer Ersetzungsbefugnis des Schuldners: Ziegler, AcP 171 (1971), 193 (203). 103 Fall abgewandelt von: BGH, Urteil vom 30.05.1962 (Az.: V ZR 172/60), NJW 1962, 1568 ff.

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densersatz statt der Leistung, §§ 280 Abs. 1, 3; 281 BGB, und Aufwendungsersatz, § 284 BGB.104 Der Erfüllungsanpruch steht zu beiden Abwicklungsrechtsbehelfen in elektiver Konkurrenz. Gleichermaßen stehen beide Sekundärrechte in elektiver Konkurrenz. Nunmehr wird der Oldtimer durch einen Brand vollkommen zerstört. Damit entfällt als Option der Primäranspruch wegen Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB. Das diesbezügliche Wahlrecht des Gläubigers endet. Gleichzeitig entstehen aber die Rechte des Käufers im Abwicklungsstadium, namentlich der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung, nun nach §§ 280 Abs. 1, 3; 283 BGB, und der Aufwendungsersatzanspruch nach § 284 BGB. Das Wahlrecht bezüglich dieser beiden alternativen Rechte wird nicht durch die Unmöglichkeit beseitigt, sondern erst geschaffen, siehe § 275 Abs. 4 BGB. 4. Verjährung, Zeitablauf und Verwirkung Das Wahlrecht eines Gläubigers kann begrenzt werden durch die faktische Verpflichtung, sich für eine bestimmte Option entscheiden zu müssen. Dazu habe ich bereits ausführlich dargestellt, dass es eine allgemeine Wahlpflicht nicht gibt.105 Gleichwohl findet man zeitliche Grenzen der Optionen, die ihre Geltendmachung bis zu einem gewissen Moment einfordern, will man ihrer verlustig nicht gehen. Auf zwei zeitliche Schranken habe ich bereits hingewiesen: die Verjährung und den Zeitablauf (vor Verjährung) einer Option. Letztere entspringt dem Gedanken der Verwirkung: Nutzt der Gläubiger die Option nicht in einem für den Schuldner zumutbaren Rahmen, verliert er sie. Durch all dies ist das Wahlrecht des Gläubigers zeitlich begrenzt, denn er verliert (mangels Durchsetzbarkeit) mit der verwirkten, verfristeten bzw. verjährten Option zugleich das Recht, diese wählen zu können. Interessant ist etwa das Beispiel der Verwirkung eines vertraglichen Rücktrittsrechts. Der Gläubiger erwirbt vom Schuldner eine Lizenz für den deutschlandweiten Vertrieb eines neuartigen Reinigungsprodukts aus den USA.106 Im Vertragstext heißt es: „Hat der Lizenznehmer nicht binnen zwölf Monaten nach Abschluss dieses Vertrags das Produkt an einen in Deutschland ansässigen Großhandel veräußern können, so kann er von diesem Vertrag zurücktreten.“ Das Unternehmen des Lizenznehmers scheitert, denn er schafft es nicht, das Produkt an einen Großhandel binnen Jahresfrist weiterzuveräußern. Gleichwohl hofft er weiter auf einen Vertragsabschluss 104 105 106

669 f.

Den Rücktritt lasse ich hier außer Betracht, § 323 Abs. 1 BGB. S. 357 ff. Nachgebildet: BGH, Urteil vom 18.10.2001 (Az.: I ZR 91/99), NJW 2002,

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und lässt daher mehrere Nachfragen des Lizenzgebers nach Ablauf des Jahres unbeantwortet, obwohl dieser auf Abnahme der vom Lizenznehmer bezahlten Ware drängt. Nach eineinhalb Jahren gibt der Lizenznehmer entnervt auf, erklärt gegenüber dem Lizenzgeber den Rücktritt und fordert sein Geld zurück; die Ware könne der Lizenzgeber hingegen behalten. Dieser weigert sich, den Rücktritt zu akzeptieren, denn nach „all dem Zögern“ sei der Lizenznehmer nicht mehr zum Rücktritt berechtigt gewesen. Festzuhalten ist zunächst, dass das Wahlrecht des Gläubigers eröffnet ist: Nach Ablauf des Jahres besteht ein vertraglich vereinbartes Rücktrittsrecht. In Betracht kommen aber zwei zeitliche Eingrenzungen des Rücktrittsrechts. Die erste Möglichkeit, eine Fristenbindung des vertraglichen Rücktrittsrechts, ist hier nicht gegeben: Weder ergibt sich aus dem Vertrag eine solche Erklärungsfrist, noch hat der Schuldner dem Lizenznehmer eine derartige Frist nach § 350 BGB gesetzt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht aber durchaus auch die Gefahr, ein Rücktrittsrecht vertraglicher Art verwirken zu können.107 Dem Rücktrittsrecht kann der Gegner dann den Einwand treuwidrigen Verhaltens gemäß § 242 BGB entgegenhalten. Ein Recht ist danach verwirkt, „wenn sich ein Schuldner über einen gewissen Zeitraum hin wegen der Untätigkeit seines Gläubigers bei objektiver Beurteilung darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt“108. Allein durch das Verstreichen eines längeren Zeitraums bis zur Rücktrittserklärung besteht noch keine Verwirkung. Das zeigt schon § 350 BGB, der dem Gegner die Chance zur faktischen Erzwingung einer zeitnahen Erklärung gibt.109 Aus den Umständen des Einzelfalls kann sich aber die Pflicht des Rücktrittsberechtigten ergeben, alsbald der Gegenseite Klarheit darüber zu verschaffen, ob er von diesem Recht Gebrauch machen wird. Die Grenze des Wahlrechts ist zumindest erreicht, wenn die Gegenseite darauf vertrauen durfte, dass der Rücktritt nicht mehr ausgeübt wird. Dann endet das Wahlrecht des Gläubigers über das vertragliche Rücktrittsrecht, denn dieses hat er verwirkt.110 Somit endet auch die elektive Konkurrenz zwischen dem Rücktrittsrecht und dem Erfüllungsanspruch auf Lieferung der Ware: Dem Lizenznehmer bleibt nur die zweite Option. 107 Vgl. exemplarisch: BGH, NJW 1957, 1358, 1358; NJW 1999, 352, 352; sowie im vorliegenden Fall: NJW 2002, 669, 670. 108 BGH, NJW 2002, 669, 670. 109 BGH, NJW 2002, 669, 670. 110 Davon trennen wird den Fall, dass der Rücktritt bereits wirksam erklärt wird, aber die Rückabwicklungsansprüche verwirkt werden: BGH, NJW 1960, 2331, 2331.

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5. Das vertraglich vereinbarte Ende des Wahlrechts Das Wahlrecht des Gläubigers zwischen verschiedenen Optionen endet, wenn sich beide Parteien darüber einig sind. Ein diesbezüglicher Vertragsschluss beendet die Schwebelage, die das Schuldverhältnis prägt und erlöst den Schuldner aus dem Dilemma, sich für verschiedene Optionen bereithalten zu müssen. Notwendig sind zwei korrespondierende Willenserklärungen der Parteien. Denkbar ist, dass der Gläubiger dem Schuldner seine Schuld gemäß § 397 BGB erlässt. Die Parteien können aber auch vereinbaren, dass etwaige Gestaltungsrechte des Gläubigers entfallen, § 311 Abs. 1 BGB. In aller Regel wird der Gläubiger dann einen Ausgleich vom Schuldner erhalten. Davon trennen wir die vorherige vertragliche Vereinbarung, wonach bestimmte Rechte gar nicht erst entstehen. Eine solche Einigung ist denkbar, muss sich aber an den hohen Hürden gesetzlicher Mindeststandards messen lassen. Insbesondere ist der Ausschluss von Sekundärrechten am Katalog unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach §§ 307 ff. BGB und an den Schranken des Verbrauchsgüterkaufs, siehe § 475 BGB, zu prüfen.111 Beispiel: Der Verkäufer schuldet Lieferung einer großen Produktionsmaschine im Wert von 1 Million Euro. Die Lieferung bleibt trotz der Fristsetzung des Käufers aus. Nach Ablauf der Frist behält der Käufer seinen Anspruch auf Lieferung, § 433 Abs. 1 BGB. Ihm steht aber zugleich ein Recht zum Rücktritt zu, § 323 Abs. 1 BGB, welches mit dem Erfüllungsanspruch konkurriert. Der Verkäufer gerät in Zahlungsschwierigkeiten. Der Käufer sieht die Gefahr, dass durch die rücktrittsbedingte Rückforderung seines Kaufpreises der Verkäufer Insolvenz anmelden muss. Dann, so befürchtet der Käufer, droht das Ausbleiben der Rückzahlung und er muss sich wie die übrigen Gläubiger aus der geringen Insolvenzmasse bedienen. Damit dies nicht geschieht, vereinbaren Käufer und Verkäufer den Ausschluss des Rücktrittsrechts. Im Gegenzug wird vereinbart, dass der Verkäufer aus der laufenden Fertigung in bestimmten Abständen an den Käufer 10 kleinere Produktionsmaschinen im Wert von jeweils 100.000 e liefern soll. Durch diesen Vertragsschluss endet das Wahlrecht des Käufers bezüglich seiner elektiven Konkurrenz zwischen dem Erfüllungsanspruch und dem Rücktrittsrecht. 111 Beispielsweise hält Jacobs die früher gängige Praxis der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die den Primäranspruch nach Ablauf einer Nachfrist ausschlossen und dem Gläubiger lediglich Sekundärrechte ermöglichten, im Hinblick auf das heutige gesetzliche Leitbild nach § 281 Abs. 4 BGB für unwirksam gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB: Jacobs, Festschrift für Hansjörg Otto, S. 137 (140).

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6. Fazit: Die absoluten Grenzen des Gläubigerwahlrechts Das Wahlrecht des Gläubigers in den Fällen der Wahlschuld, Ersetzungsbefugnis und elektiven Konkurrenz kennt Grenzen. Dies sind Erfüllung, Unmöglichkeit, Verjährung, Zeitablauf bzw. Verwirkung sowie vertragliche Einigung. Es handelt sich dabei um absolute Grenzen. Das bedeutet, sofern das Gesetz bzw. die Parteivereinbarung nichts anderes bestimmt, wirken sie endgültig: Das Wahlrecht des Gläubigers endet unwiderruflich.

II. Die Ausübung der Wahl Von den absoluten Grenzen unabhängig bzw. diesen vorgeschaltet ist die Grenze, die der Gläubiger mit der Erklärung bzgl. seines Wahlrechts zieht. Denn das Wahlrecht des Gläubigers wird durch diese Erklärung ausgeübt. Die Ausübung der Wahl ist regelmäßig Voraussetzung für die Wirkung der Option, für die der Gläubiger sich entscheidet. Zwei Aspekte dieser Wahlausübung müssen beachtet werden. Zum einen ist zwischen Beginn und Ende der Bindungswirkung zu unterscheiden. Zum zweiten muss als gesichert gelten, dass die Erklärung des Gläubigers auch die positive Entscheidung für eine der alternativen Optionen ist. Daran fehlt es, wenn sich seine Wahl lediglich als eine Ankündigung der Rechtsausübung oder als Ablehnung anderer Optionen darstellt. 1. Trennung zwischen Beginn und Ende der Bindung an die Wahl a) Die Unterscheidung zwischen der Wirkung ex tunc und der Wirkung ex nunc Ob die Wahl eine endliche oder endgültige Bindung hervorruft, muss man zunächst strikt von der Frage trennen, wann die Wirkung der Wahl beginnt. Es gibt grundlegend zwei unterschiedliche Anfangsmomente der Bindungswirkung an die Wahl: die Wirkung ex nunc und die Wirkung ex tunc. In aller Regel entfaltet ein Rechtsgeschäft, das durch eine Willenserklärung getätigt wird, Wirkung für die Zukunft. Das bedeutet, der Wirkungsbeginn der Wahl wird auf den Zeitpunkt der Erklärung datiert. Diese Wirkung nennt man ex nunc. Die Wirkung ex tunc bedeutet, dass die Wirkungen der Wahl als von Anfang an bestehend gelten. Dieser oft als „Rückwirkung“112 beschriebene Effekt ist nichts anderes als die Fiktion, dass die Wirkung der 112

Vgl. nur: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 269.

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Wahl schon ab dem Anfangszeitpunkt des Schuldverhältnisses eingetreten ist. Beide Fälle können in den verschiedenen Konstellationen des Gläubigerwahlrechts auftreten. Die Unterscheidung nach dem Anfangsmoment der Wirkung der Wahl berührt jedoch nicht die Frage, ob die Wirkung endgültig oder endlich ist. Das verdeutlichen die zwei folgenden zwei Beispiele. b) Beispiel: Die Wirkung der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB Ein klassischer Fall für die Rückwirkung einer Gläubigerentscheidung ist die Anfechtung. Wird zum Beispiel der Käufer vom Verkäufer über die Laufleistung des PKW arglistig getäuscht, steht ihm das Gestaltungsrecht der Anfechtung offen, § 123 Abs. 1 BGB. Dieses steht zum Erfüllungsanspruch auf eine mangelfreie Leistung in elektiver Konkurrenz. Erklärt der Gläubiger nun die Anfechtung, so ist nach § 142 Abs. 1 BGB die Willenserklärung des Käufers und damit der gesamte Kaufvertrag als von Anfang an nichtig anzusehen. Die Ausübung des Wahlrechts bezüglich dieser Gestaltung wirkt folglich ex tunc. Dieses Ergebnis hat keinerlei Auswirkung darauf, ob die Anfechtungserklärung, die zur Nichtigkeit des Vertrags geführt hat, vom Käufer widerrufen werden kann. Denn der Beginn der Bindungswirkung wird hier von der Endlichkeit der Bindungswirkung strikt getrennt. Letzteres ist eine Frage des Gestaltungscharakters der Wahl.113 c) Beispiel: Die Wirkung der Wahl in der Wahlschuld nach § 263 Abs. 2 BGB Der Käufer kann nach seiner Wahl vom Verkäufer eines der drei Fahrräder der gleichen Marke in den Farben rot, gelb oder blau auswählen. Es handelt sich um eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht. Entscheidet der Käufer sich für das rote Rad, greift § 263 Abs. 2 BGB. Danach wirkt die Wahl des Berechtigten der Wahlschuld ex tunc:114 Es wird gesetzlich fingiert, dass das rote Rad von Anfang an allein geschuldet war. Dabei handelt es sich um eine „rückwirkende Konzentration“115 des Schuldverhältnisses auf das gewählte Leistungsgebot. Der Wirkungsbeginn der auf das einfache Schuldobjekt reduzierten Schuldbeziehung wird somit durch § 263 Abs. 2 BGB auf den Zeitpunkt der Begründung des Schuldverhältnisses datiert. § 263 Abs. 2 BGB sagt aber nichts dazu, ob diese Bindungswirkung endgültig ist oder nicht. Das 113 114 115

Dazu sogleich: S. 432 ff. BeckOK/Unberath, § 263 Rn. 4. Palandt/Heinrichs, § 263 Rn. 3; BeckOK/Unberath, § 263 Rn. 4.

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bestimmt sich nach dem Gestaltungscharakter der Wahl, der nicht durch § 263 Abs. 2 BGB, sondern durch § 263 Abs. 1 BGB deutlich wird. 2. Die Ausübung der Wahl und die „Definität“ der Entscheidung a) Trennung der Wahlerklärung von der bloßen Ankündigung der Wahl Fragen wir nach der Bindungswirkung der Wahl des Gläubigers, müssen wir vorab feststellen, ob überhaupt eine Wahlentscheidung vorliegt. Dabei reicht es nicht aus, dass der Gläubiger die Ausübung seines Wahlrechts ankündigt. Vielmehr muss die Entscheidung des Gläubigers dem Charakter des Wahlrechts selbst entsprechen und dessen Verwirklichung ausdrücken. Lindacher hat diese Wirkung der Wahlentscheidung treffend als „Definität“116 bezeichnet: Der Gläubiger muss mit seiner Erklärung definitiv zu erkennen geben, welcher Option er Geltung verschaffen will. Im Grundsatz geht es hierbei um die Feststellung, ob die Erklärung des Gläubigers Rechtsfolgen hervorrufen soll. Keineswegs sind alle Erklärungen des Gläubigers zugleich Rechtsgeschäfte und rufen damit durch ihren Inhalt Rechtsfolgen hervor. Denkbar sind auch Erklärungen anderen Inhalts, von denen gleichwohl Rechtsfolgen abhängen.117 Ebenso denkbar sind schließlich Erklärungen, die keine Rechtswirkung hervorrufen. Welchen Inhalt die Erklärung des Gläubigers hat, ist gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegen. Dabei ist entscheidend, welchen objektiven Erklärungswert das gesamte Verhalten des Gläubigers hat. Es kommt darauf an, wie der Schuldner es verstehen musste und wie es im allgemeinen Rechtsverkehr aufgefasst wird.118 b) Beispiel: Die Wahl der Rechte nach § 326 Abs. 1 BGB a. F. aa) Die Ablehnungsandrohung vor der Wahl der Rechtsbehelfe Die Trennung der Wahlerklärung von der bloßen Ankündigung einer Entscheidung ist mitunter schwierig, aber unerlässlich. Deutlich wurde dies besonders am Fall der Gläubigerwahl zwischen Rücktritt und Schadensersatz nach § 326 Abs. 1 BGB in der Fassung vor der Schuldrechtsmodernisierung 2001. Ein Beispiel: Der Elektrohändler leistet das gekaufte Fernsehgerät zum vereinbarten Datum, erhält aber nur die Hälfte des Kaufpreises, näm116 117 118

Lindacher, JZ 1980, 48 ff. Kipp, Festgabe Richard Koch, S. 110 (114). Bürck, JuS 1973, 347 (349).

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lich 500 e. Er ruft daraufhin den Käufer an und sagt: „Ich erwarte die Zahlung der ausstehenden 500 e bis zum Freitag nächster Woche. Sollte sie bis dahin ausbleiben, betrachte ich den Verkauf des Geräts an Sie als nicht getätigt.“119 Als der Käufer nicht zahlt, verklagt der Verkäufer ihn nach Ablauf der Frist auf Zahlung von 500 e. Der Käufer verweigert die Zahlung mit der Begründung, durch die telefonische Ablehnung des gesamten Vertrags nach Fristablauf hätte der Verkäufer den Rücktritt erklärt. Dadurch entfalle die Pflicht zur Restzahlung. Will der Verkäufer die Zahlung der 500 e erreichen, muss er dieses Begehren nach alter Rechtslage entweder auf den kaufrechtlichen Anspruch nach § 433 Abs. 2 BGB a. F. oder auf einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung stützen. Nach Maßgabe des § 326 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. entfällt mit Fristablauf der Anspruch auf Kaufpreiszahlung aus § 433 Abs. 2 BGB a. F., so dass nur ein Schadensersatzanspruch in Höhe der 500 e in Betracht kommt. Dieser konkurriert jedoch nach § 326 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. mit dem Rücktrittsrecht. Entscheidend ist also, ob durch das Telefonat vor Fristablauf schon ein Rücktritt erfolgt ist oder nicht, denn dieser schließt den gleichzeitigen Ersatzanspruch in Höhe der 500 e aus. Eine Rücktrittserklärung vor Fristablauf ist zunächst grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Zwar sind Gestaltungserklärungen wie der Rücktritt bedingungsfeindlich.120 Diese Beschränkung dient aber allein dem Schutz des Erklärungsempfängers vor Ungewissheit. Dieses Schutzes bedarf es nicht, wenn die Bedingung ausschließlich vom Willen des schutzbedürftigen Erklärungsempfängers abhängt.121 Eine Ungewissheit droht hier nicht, denn der Erklärungsempfänger hat es selbst in der Hand, durch Erfüllung, also Zahlung der 500 e, vor Fristablauf den Rücktritt zu verhindern. Daher ist die Bedingungsfeindlichkeit außer Acht zu lassen und eine Rücktrittserklärung des Verkäufers vor Fristablauf grundsätzlich denkbar.122 Das Besondere an der früheren Rechtslage ist vielmehr die sog. Ablehnungsandrohung: Entscheidende Voraussetzung für die Rechtsbehelfe Schadensersatz und Rücktritt ist neben der Fristsetzung die Erklärung, dass der Gläubiger nach Ablauf der Frist die Annahme der Leistung verweigern werde, so § 326 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. Um diese Androhung handelt es sich hier: Sie ist als Tatbestandsvoraussetzung des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. eine bloße Ankündigung des späteren Rücktritts, nicht aber die Rücktrittserklärung selbst.123 119

Original: BGH, Urteil vom 17.01.1979 (Az.: VIII ZR 304/77); in: JZ 1979,

230 f. 120 121 122 123

Palandt/Heinrichs, Überblick vor § 104 Rn. 17. Vgl. exemplarisch: BGH, NJW 1986, 2245, 2245. Bülow, JZ 1979, 430 (431). BGH, JZ 1979, 230, 230.

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Ihr mangelt es nicht an Eindeutigkeit zur Frage, was mit der Leistungspflicht geschehen soll: Nach Ablauf der Frist wird diese abgelehnt und damit obsolet. Der Erklärung mangelt es aber an der „Definität“ zur Frage, durch welchen Rechtsbehelf diese Leistungspflicht ersetzt wird. Dass der Verkäufer also den Vertrag abwickeln will, hat er erklärt, auf welcher Grundlage, hat er noch nicht definitiv erklärt.124 Die bloße Androhung des Rücktritts reicht für den Rücktritt nicht aus.125 Daher ist kein Rücktritt erfolgt und dem Verkäufer der Anspruch in Höhe von 500 e auf Grundlage des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung zuzusprechen. Die wichtige Trennung zwischen der bloßen Ankündigung des Rücktritts und dessen tatsächlicher Erklärung nach § 326 Abs. 1 BGB a. F. ist auch vor dem Hintergrund der Folgeproblematik zu verstehen. Früher war es herrschende Auffassung, dass der Gläubiger zwar von seinem Schadensersatzanspruch zum Rücktritt wechseln konnte, nicht aber vom Rücktritt zum Schadensersatzanspruch.126 Die praktischen Folgen dieser Unterscheidung wurden von der Rechtsprechung unter Billigung durch die Literatur stark abgemildert. Dazu bediente man sich eines „Tricks“: An das Vorliegen der Rücktrittserklärung wurden derart hohe Anforderungen gestellt, dass es im Zweifelsfall an einer definitiven Wahl des Rücktritts fehlte und lediglich ein Rücktrittsvorbehalt oder eine Ablehnungsandrohung gegeben war.127 bb) Übertragung auf die heutige Rechtslage Obwohl das heutige Leistungsstörungsrecht das Erfordernis der Ablehnungsandrohung aus § 326 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. nicht kennt, sind die Erkenntnisse dieser Problematik übertragbar. Denn nach wie vor müssen wir unterscheiden, ob der Gläubiger von seinem Wahlrecht bezüglich seiner Rechte tatsächlich Gebrauch macht oder ob er bloß ankündigt, dass er davon Gebrauch machen wird. Auch nach heutiger Rechtslage kann man die telefonische Ablehnung des Verkäufers so verstehen, dass er den Fristverlauf abwarten und erst dann sein Wahlrecht bezüglich der Rechtsbehelfe, die den Primäranspruch ersetzen, ausüben wird. 124

BGH, JZ 1979, 230, 230. Die abweichende Ansicht will den Gläubiger, der den Rücktritt androht, an seine Erklärung binden: OLG Hamburg, HansGZ 1926, 135. Dabei wird die Ablehnungsandrohung des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. als Ausübung des Wahlrechts nach § 326 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. verstanden. Dagegen: BGH, JZ 1979, 230, 230/231; OLG Düsseldorf, NJW 1972, 1051, 1052. 126 Dazu sogleich mehr: S. 420 ff. Vgl. nur den Überblick bei: Huber, Leistungsstörungen, Band II, S. 216/217. 127 Exemplarisch: BGH JZ 1979, 230, 231; NJW 1982, 1279, 1280; NJW 1988, 2877 ff. Weitere Nachweise bei: Huber, Leistungsstörungen, Band II, S. 216. 125

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Gleichwohl müssen zwei Aspekte der Schuldrechtsreform beachtet werden. Es ist zum einen festzuhalten, dass sich Rücktritt und Schadensersatz nicht mehr ausschließen, siehe § 325 BGB. Daher ist das Konfliktpotenzial dieses Falls erheblich eingeschränkt: Insoweit besteht keine elektive Konkurrenz mehr.128 Zum zweiten ersetzen nach heutiger Rechtslage die Sekundärrechte den Primäranspruch nicht automatisch mit Fristablauf: Es ist die Entscheidungsfreiheit des Gläubigers, ob der Vertrag im Erfüllungsstadium bleibt oder in das Abwicklungsstadium übergeleitet wird. Daher muss die Erklärung des Gläubigers mit besonderer Vorsicht ausgelegt werden. Es kommt auf drei Deutungsebenen der Wahlerklärung an.129 Erstens: Wählt er den Übergang vom Erfüllungsstadium zum Abwicklungsstadium oder kündigt er dies nur an? Zweitens: Welchen der Sekundärrechtsbehelfe (etwa Schadensersatz statt der Leistung oder Rücktritt) wählt er? Und drittens: Macht er von seiner positiven Rechtsausübungsfreiheit hinsichtlich dieses Rechtsbehelf auch tatsächlich Gebrauch oder lehnt er nur – ohne positive Wirkung – die anderen Rechtsbehelfe ab?130 Letzteres ist die Folge der negativen Ausübungsfreiheit, die jedem Recht innewohnt; darauf habe ich im monadischen System bereits hingewiesen.131 Die hier angesprochene erste Frage nach der Unterscheidung zwischen Ausübung der Wahl und deren bloßer Ankündigung stellt sich im heutigen Recht nach wie vor, obwohl die Ablehnungsandrohung des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. nicht mehr im Gesetz verankert ist.132 Ein prominentes Beispiel hierfür habe ich bereits im Rahmen des umstrittenen Angebots der Leistung durch den Schuldner nach Fristablauf gemäß §§ 281, 323 BGB untersucht.133 Die Ablehnungserklärung seitens des Gläubigers, die dabei gemäß §§ 133, 157 BGB mit dem soeben gezeigten Maß128

Dass trotz § 325 BGB noch Spannungen zwischen Rücktritt und Schadensersatz bestehen, habe ich eingehend erläutert: Kapitel 4, S. 269 ff. 129 Diese gedankliche Trennung der Erklärungsinhalte folgt: Lindacher, JZ 1980, 48 (50). 130 Ähnlich geht auch Leser vor. Demnach sei die Erklärung, die Primärleistung ablehnen zu wollen, ein Gestaltungsakt im Sinne eines Gestaltungsrechts. Demgegenüber sei die bindende Wahl, welches sekundäre Recht man wählen möchte, ein Gestaltungsakt im Sinne einer Gestaltungsbefugnis. Siehe: Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 261. 131 S. 348. 132 Ein Beispiel liefert unlängst: BVerfG, Urteil vom 26.09.2006 (Az.:1 BvR 2389/04), BeckRS 2006, 26166 = ZGS 2006, 470 ff.; vgl. auch die Anmerkung von Lorenz, JuS 2007, 181 ff.: Die Käuferwahl zwischen den Nacherfüllungsvarianten des § 439 Abs. 1 BGB ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die dem Verkäufer eindeutig zu erkennen geben muss, auf welche Form der Nacherfüllung er sein Begehren beschränkt. Erst dann ist die Entscheidungsbefugnis des Käufers tatsächlich ausgeübt. 133 Eingehend: S. 207 ff.

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stab der „Definität“ ausgelegt werden muss, sehen viele Autoren im Schrifttum als Zurückweisung des nachgeholten Leistungsversuchs, was lediglich zum Annahmeverzug des Gläubigers führen soll.134 Meines Erachtens liegt in der klaren Ablehnung der verspätet angebotenen Leistung indes bereits die (positive) Ausübung des Sekundärrechts und nicht bloß die (negative) Zurückweisung der Erfüllung.135 Festzuhalten bleibt folglich, dass wir die rechtsverbindliche Erklärung des Gläubigers, eine Option zu wählen, von der bloßen Ankündigung dieser Wahl unterscheiden müssen. Das ist eine Auslegungsfrage, die sich für Erklärungen sowohl vor als auch nach Fristablauf stellt. Erst die tatsächliche Wahl einer Option ruft deren Rechtsfolgen auf.

III. Das ius variandi Ob die Wahlausübung selbst zur absoluten Grenze des Wahlrechts taugt, ist eine Frage des Einzelfalls. Man muss dabei anhand der konkreten Optionen des Gläubigers feststellen, ob ihre jeweilige Wahl widerruflich oder endgültig ist. Wenn die Wahl nicht endgültig bindet, spricht man von einem ius variandi. 1. Problemaufriss: Die nachteilige Wahlentscheidung des Gläubigers Der Gläubiger erklärt gegenüber dem Schuldner, welche seiner vielfältigen alternativen Optionen er verwirklichen möchte. Dabei kann er einen „juristischen Kunstfehler“136 begehen: Er kann „das Falsche“ wählen. Die von ihm gewählte Option kann sich später137 als nachteilhaft herausstellen, so dass der Gläubiger in einer Ex-Post-Betrachtung besser beraten gewesen wäre, wenn er eine andere Option verwirklicht hätte. Für diese Misere muss der Gläubiger keineswegs echte Nachteile im Sinne von Einbußen etc. erleiden. Es reicht schon, wenn eine alternative Option für ihn im Nachhinein die vermögenswert bessere Variante gewesen wäre. Der Gläubiger hat dann ein Interesse daran, die Wahl zu rückgängig zu machen und eine Alterna134 Vgl.: Derleder/Hoolmans, NJW 2004, 2787 (2787); Canaris, Karlsruher Forum 2002, S. 5 (49); Jacobs, Festschrift für Hansjörg Otto, S. 137 (146); MüKo/ Ernst, § 281 Rn. 85; BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 8; Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (305). 135 S. 208. Ähnlich: Palandt/Grüneberg, § 281 Rn. 49. 136 Huber, Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 677. 137 Daher kann man auch von einer „voreiligen“ Wahl sprechen. Vgl.: Gsell, JZ 2004, 643 (643).

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tive auszuwählen. Dies ist freilich nicht möglich, wenn die erstmalige Ausübung der Wahl ihn endgültig bindet. In diesem Problemkomplex findet man das sog. ius variandi. Es gewährt dem Gläubiger die notwendige Flexibilität, um die Nachteilhaftigkeit seiner Wahl zu korrigieren. Es erlaubt ihm nämlich, die Wahl nachträglich noch einmal vorzunehmen, freilich diesmal im Wissen um die Nachteile der zuvor gewählten Option. Schon zum alten Schuldrecht wird das ius variandi maßgeblich mit Beispielen zum Verhältnis zwischen dem Schadensersatzanspruch und dem Rücktrittsrecht belegt. Entscheidend ist dabei in aller Regel, dass der Gläubiger voreilig zurücktritt und später zum Ersatzanspruch in der Form des kleinen Schadensersatzes übergehen will. So erklärt etwa der Käufer eines Grundstücks den Rücktritt, nachdem er nach dem Eigentumswechsel unbehebbare Mängel festgestellt hat.138 Während des Rückgewährprozesses wird offenbar, dass der Verkäufer nahezu insolvent ist und er den Kaufpreis wohl nicht zurückzahlen kann. Der Käufer beschließt daher, das mangelhafte Grundstück zu behalten, aber die entgangenen Gewinne, die er aus der Weitervermietung des Grundstücks erhalten hätte, als Schaden ersetzt zu verlangen. Die Planung des Gläubigers ist in diesem und ähnlichen Beispielen gleich zweimal „durchkreuzt“ worden. Zum einen erhält er nicht die geschuldete Leistung vom Schuldner und es liegt mit dem Mangel eine Vertragsverletzung vor. Zum zweiten zerschlägt sich die darauf folgende, sekundäre Planung des Gläubigers, nach der er den Vertrag nunmehr rückabwickeln will.139 Die Rückabwicklung scheint nicht realisierbar zu sein. Somit ändert der Gläubiger erneut seine Interessenlage und die sich daraus ergebenden Pläne. Er will nun an der mangelhaften Leistung festhalten, sich aber den Schaden ersetzen lassen. Aus rechtlicher Sicht kennzeichnet diese Situation wiederum zwei Probleme. Zunächst ist nach alter wie neuer Rechtslage ein Spannungsverhältnis zwischen den Rechten des Gläubigers gegeben. Denn der Käufer kann nicht zurücktreten und damit die Rückübereignung des Grundstücks hervorrufen, aber zugleich das Grundstück neben dem kleinen Schadensersatz behalten. An dieser Ausschließlichkeit rüttelt der Gläubiger mit seiner im Prozess geänderten Forderung auch nicht. Vielmehr zielt er auf das zweite Problem der Rechtsbeziehung ab. Da er den Rücktritt bereits erklärt hat und dieser den kleinen Schadensersatz ohne Zweifel ausschließt, lautet die Frage: Kann er seinen einmal erklärten Rücktritt zurücknehmen und zum kleinen Schadensersatz übergehen? Dies wäre möglich, wenn ein sog. ius variandi vorliegt.

138 139

Beispiel von: Derleder, NJW 2003, 998 (999). Derleder, NJW 2003, 998 (999).

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2. Ursprung und Dogmatik des ius variandi Ein ius variandi ist die Möglichkeit für den Gläubiger, zur ursprünglichen Wahl zwischen zwei Optionen zurückzukehren, nachdem er die Wahl bereits getätigt hat.140 Der Terminus stammt aus dem römischen Recht und betraf dort den Komplex der Aktionenkonkurrenz.141 Sofern zwei Rechtsbehelfe dem Gläubiger als „Klagen“ zur Verfügung standen, musste dieser sich wegen der Konkurrenz im Hinblick auf die geteilte gerichtliche Zuständigkeit der Prätoren und Ädilen für eine Klage entscheiden. Neben dem Problem der Abgrenzung der actiones untereinander bestand die zweifelhafte Frage, ob mögliche Nachteile der Wahl durch einen nachträglichen Wechsel zwischen den Rechtsbehelfen abgewendet werden konnten.142 Das römische Recht und später das gemeine Recht kannten diese Möglichkeit. Das Recht zum Wechsel zwischen den (prozessrechtlich verstandenen) Rechtsbehelfen beschreibt der Begriff ius variandi. Deutsche Synonyme – etwa „Freiwahl“143 oder „Reurecht“144 – haben sich hiergegen nicht durchsetzen können. Übertragen auf das heutige Recht, bedeutet ius variandi die Endlichkeit der Bindung an die einmal getroffene Wahl. Der Gläubiger selbst kann die Wirkung seiner Entscheidung durch eine nochmalige Entscheidung aufheben. Das ius variandi ist also das Gegenstück zur endgültigen, nicht widerruflichen Bindung an die Ausübung des Wahlrechts. Rechtsdogmatisch betrachtet, handelt es sich entgegen der eventuell irreführenden Bezeichnung als „ius“ nicht um ein zusätzliches Recht für den Gläubiger, seine Entscheidung revidieren zu können. Vielmehr definiert das ius variandi nur die Grenze des Wahlrechts, das er bereits innehat: Durch die Ausübung der ihm zustehenden Wahl zugunsten einer Option wird diese nicht unwiderruflich gewählt. Das ius variandi ist also kein Forderungs- oder Gestaltungsrecht, sondern kennzeichnet eine Eigenschaft eines Forderungs- bzw. Gestaltungsrechts. Das Recht ist demnach nicht auf eine einmalige Betätigung der Ausübungsfreiheit beschränkt. Man unterscheidet folglich hinsichtlich der Bindung eines Wahlrechts: Entweder ist es „frei widerruflich“ oder endgültig bindend. Im letzteren Fall ruft die Wahlentscheidung des Gläubigers Rechtsfolgen auf, die er mit einer 140 Ähnlich: Kreß, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, S. 254; Baldus, Binnenkonkurrenz kaufrechtlicher Sachmängelansprüche nach Europarecht, S. 29. 141 Baldus, Binnenkonkurrenz kaufrechtlicher Sachmängelansprüche nach Europarecht, S. 47. Dazu bereits ausführlich: Kapitel 1, S. 34 ff. 142 Überblick über den gesamten Komplex bei: Baldus, Binnenkonkurrenz kaufrechtlicher Sachmängelansprüche nach Europarecht, S. 62/63. 143 Nach: Kohler, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, 2. Band, Erster Teil, S. 57. 144 Kipp, Festgabe Richard Koch, S. 110 (110).

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abweichenden Wahl nicht mehr abändern kann. Sein Wahlrecht erschöpft sich dann durch einmalige Benutzung. In ersterem Fall ist das Wahlrecht des Gläubigers widerruflich und abänderbar, somit ein ius variandi. Als Eigenschaft jedes einzelnen Forderunngs- und Gestaltungsrechts ist das ius variandi nicht denknotwendig auf Fälle beschränkt, in denen eine elektive Konkurrenz zwischen verschiedenen Rechten besteht.145 Vielmehr ist die Rücknahme der Erklärung, die die Wirkung eines Rechts hervorruft, auch in solchen Fällen denkbar, wo nur ein einziges Recht zur Auswahl stand und dieses widerrufen werden soll. Ich verweise dazu auf die folgenden Ausführungen zum ius variandi beim Wahlrecht nach § 263 Abs. 1 BGB.146 Die Frage nach einem ius variandi stellt sich darüber hinaus auch in den Fällen, in denen Rechte nebeneinander geltend gemacht werden, aber bestimmte Rechtsfolgen konkurrieren. Das zeigt das Verhältnis zwischen dem Rücktritt und dem kleinen Schadensersatz nach § 325 BGB, auf das ich ebenfalls noch eingehen werde.147 Da sich das ius variandi als Eigenschaft auf jedes einzelne Gläubigerrecht bezieht, ist es aus dogmatischer Sicht wenig präzise, lediglich von einem „Wechsel“148 zwischen den Optionen des Gläubigers zu sprechen. Denn die Ausübung des ius variandi entscheidet streng genommen über zwei Konsequenzen. Es drückt in erster Linie aus, dass die einmal getroffene Wahl aufgehoben wird. Die positive Rechtsausübung durch den Gläubiger wird damit revidiert und die Rechtsausübungsfreiheit hinsichtlich dieses gewählten Rechts, positiv wie negativ, wieder hergestellt. Erst in einem zweiten Gedankengang kehren auch die vormaligen Alternativen als Optionen des Gläubigers zurück. Damit diese Wirkung entfalten, muss der Gläubiger erst durch eine nochmalige Wahl von ihnen Gebrauch machen. Der Gläubiger wird also durch das ius variandi in die Situation vor der erstmaligen Entscheidung zurückversetzt. Er erhält für alle Optionen die positive wie negative Ausübungsfreiheit zurück. Sodann muss er sich neu entscheiden. Diese gedankliche Unterscheidung der Schritte wird deutlich, wenn man folgender Überlegung nachgeht: Es ist vorstellbar, dass der Gläubiger von seinem ius variandi Gebrauch macht und sodann gar keine Option geltend macht. Zum Beispiel wäre es dem Käufer im obigen Beispiel möglich, erkennt man ein ius variandi beim Rücktrittsrecht an, den Rücktritt zurückzunehmen und danach auch keinen kleinen Schadensersatz geltend zu ma145 So aber: von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (496), der sich grundsätzlich für ein ius variandi als eine „Besonderheit“ bei der Auswahl zwischen mehreren Rechtsbehelfen ausspricht, dieses aber auf der Ebene der Begrenzung des ius variandi zu Gunsten des Schuldners einschränken möchte. 146 S. 432 ff. 147 Siehe v. a.: S. 420 ff. 148 Etwa: Derleder, NJW 2003, 998 (998).

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chen. Noch deutlicher: Es ist vorstellbar, dass der Gläubiger von seinem ius variandi Gebrauch macht und später doch dieselbe Option erneut wählt, der Käufer im Beispielsfall also – sofern dies möglich ist – den Rücktritt zurücknimmt und nach einiger Zeit erneut den Rücktritt erklärt. Der praktische Anwendungsbereich dieser dogmatischen Reichweite des ius variandi wird freilich gering sein. Aus rein praktischer Sicht wird diese Zweiteilung des ius variandi oft zu einem Vorgang verkürzt: Man spricht dann simpel von einem „Wechsel“149, einem „Übergang“ oder einer „Korrektur“ der Wahl. Dies entspricht zwar nicht dem exakten Gehalt des ius variandi, letztlich aber dem praktischen Interesse des Gläubigers: Er erhält die Option, die sich für ihn als vorteilhafter herausgestellt hat. 3. Das ius variandi als Grundregel Bernhard Windscheid hat im Kontext der unbestimmten, aber bestimmbaren Leistungen das oberste Prinzip der Entscheidungsfreiheit einer Partei des Schuldverhältnisses festgehalten. Gemünzt auf die Wahl des Gläubigers lautet es: „Soweit der Gläubiger nicht gebunden ist, hat er freie Hand.“150 Die Charakterisierung des Wahlrechts in den Fällen der Gläubigerwahl als ius variandi ist nun nichts anderes als eine „spezielle Anwendung“151 dieses Satzes. Man muss davon ausgehen, dass die Ausübung der Wahl des Gläubigers widerruflich ist, sofern er nicht in irgendeiner Form an sie gebunden ist. Diese Grundregel folgt daraus, dass der Rechtsausübungsfreiheit jedes Gläubigerrechts keine Grenzen immanent sind. Die Begrenzung der Ausübungsfreiheit jedes Rechts muss vielmehr gesondert begründet werden. Es gilt also, will man das ius variandi als Grundregel der Wahlfreiheit verhindern, das Wahlrecht zu begrenzen bzw. einzuschränken. Dabei folgt die Grenze resp. Grenzenlosigkeit der Ausübungsfreiheit als bloße Eigenschaft des Gläubigerrechts dem Entstehensmoment, welches auch das Recht selbst hervorruft. Das Recht des Gläubigers und die eventuelle Verhinderung bzw. Beschränkung des ius variandi entstehen folglich auf dieselbe Weise: entweder durch Vertrag oder durch Gesetz. Die Parteien können das ius variandi als Eigenschaft der jeweiligen Rechte vertraglich begründen, beschränken bzw. ausschließen. Es obliegt ihnen, festzulegen, welche Kraft die Ausübung der Wahl durch den jeweili149

Zum Beispiel: Canaris, JZ 2001, 499 (514). Im Original lautet es „Schuldner“: Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Band 2, S. 15. 151 So schon: Roh, Das sogenannte ius variandi, S. 19. 150

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gen Gläubiger hat. Sache der Parteien ist es dabei nicht nur, ob sie eine solche Grenze des Wahlrechts festlegen, sondern auch, welche Reichweite das ius variandi haben kann, wo also die Grenze in zeitlicher oder quantitativer Hinsicht anzusetzen ist. Vereinbaren die Parteien nichts abweichendes, bleibt es bei der Grundregel: Der Gläubiger des Rechts ist in seiner Wahl frei, solange er nicht gebunden ist. Freilich gibt es in praktischer Hinsicht eine entscheidende Einschränkung dieses dogmatischen Grundsatzes. Die Parteien vereinbaren in aller Regel nicht ausdrücklich eine Beschränkung der Wahlfreiheit hinsichtlich der jeweiligen vertraglich begründeten Rechte, weil sie diesen Aspekt bei Vertragsschluss nicht bedenken. Die Eingrenzung bzw. Beschränkung des ius variandi wird dann durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu finden sein: Was hätten die Parteien vereinbart, wenn ihnen die Widerruflichkeit der Wahl bewusst gewesen wäre? Dazu wird insbesondere die Frage nach der Zweckmäßigkeit des ius variandi bzw. dessen Beschränkung gestellt. Gesetzlich verankerte Rechte des Gläubigers sind – der Grundregel des ius variandi gemäß – frei widerruflich, es sei denn, die Bindung des Gläubigers an ihre Ausübung folgt einer besonderen Begründung. Die Begrenzung der Ausübungsfreiheit des gesetzlich begründeten Rechts kann unmittelbar im Gesetz angeordnet sein. In aller Regel wird man eine solche Beschränkung bzw. ein Ausschluss des ius variandi nicht expressiv verbis im Gesetzestext finden. Sie kann sich dann jedoch aus der Auslegung des Gesetzes ergeben. Dabei kommen systematische, historische und vor allem teleologische Argumente zum Tragen: Bezweckt die Regelung ein unwiderrufliches Wahlrecht des Gläubigers? Ergibt die Auslegung des Gesetzes keine Begrenzung bzw. Beschränkung der Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Gläubigerrechte, bleibt es im Zweifel beim ius variandi als Grundregel: „Soweit der Gläubiger nicht gebunden ist, hat er freie Hand.“ Diese Grundregel hat nichts damit zu tun, dass das ius variandi selbst Schranken hat, etwa durch die Erfüllung seitens des Schuldners oder den Grundsatz von Treu und Glauben. Darauf komme ich am Schluss des Kapitels noch zurück.152

IV. Die Gläubigerwahl in der elektiven Konkurrenz: Bindung an die Wahl oder ius variandi? Das Wahlrecht des Gläubigers im Fall einer elektiven Konkurrenz ist – wie ich bereits dargestellt habe – kein Gestaltungsrecht sui generis. Es ist vielmehr die positive wie negative Entscheidungsfreiheit über die Ausübung 152

Zu den Schranken des ius variandi: S. 440 ff.

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jedes einzelnen Rechts des Gläubigers.153 Ob der Gläubiger, der sich für ein Recht entscheidet und dies gegenüber dem Schuldner erklärt, an seine Wahl gebunden ist, hängt folgerichtig davon ab, welches Recht er zur Wirkung bringen will. Ich gehe dabei vom ius variandi als Grundprinzip aus: Der Gläubiger ist nicht auf die einmalige Ausübung des Entscheidungsfreiheit beschränkt, es sei denn, er ist aus besonderen Gründen an seine Wahl gebunden. Damit ist das ius variandi in der elektiven Konkurrenz die Regel und die Bindung des Gläubigers an seine Wahl die Ausnahme. Entscheidend ist, wie die Untersuchung im Folgenden zeigt, der Charakter des Gläubigerrechts: Ansprüche folgen in der Regel dem Grundprinzip eines ius variandi, während Gestaltungsrechte in der Regel nicht widerruflich sind. 1. Die Wahl des Primäranspruchs a) Keine Bindung an die getroffene Wahl Die Wahl des Primäranspruchs bindet den Gläubiger nicht. Es handelt sich bei der Wahlentscheidung lediglich um einen zulässigen Akt der positiven Rechtsausübung im Rahmen der Freiheit, die der Anspruch dem Gläubiger gewährt. Diese Rechtsausübungsfreiheit ist nicht durch ihre erstmalige Benutzung „aufgebraucht“154. Sofern es an vertraglichen oder gesetzlichen Begrenzungen bzw. Einschränkungen dieser Rechtsausübungsfreiheit fehlt, ist der Primäranspruch ein ius variandi. Das bedeutet, der Gläubiger kann von seiner Forderung nach Erfüllung abrücken und auf andere Rechte zurückgreifen. Kipp hat diese Erkenntnis, die aus dem „innersten Wesen des subjektiven Rechts“ abgeleitet wird, eindrücklich festgehalten: „Es muss [. . .] behauptet werden, dass Willenserklärungen, die nach ihrem Inhalt nur Gehorsam für ein bestehendes Recht verlangen, jederzeit mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden können.“155 Daher gilt: „Sein Recht gegenwärtig auszuüben, wenn er nicht will, ist der Berechtigte niemals gezwungen, auch dann nicht, wenn er erklärt hat, es ausüben zu wollen. Wer heute erklärt hat, er verlange sein Geld, kann morgen sagen, dass er es nicht [. . .] haben wolle [. . .].“156 Zwei Aspekte müssen wir dabei dogmatisch beachten. Zum einen ist es irrelevant, ob der gewählte Primäranspruch ein verhaltener Anspruch ist oder nicht. Denn die Verhaltenheit ist eine Frage der notwendigen Geltend153

S. 347 f. Begriff im Diskurs um das ius variandi bei alternativen Obligationen: Roh, Das sogenannte ius variandi, S. 43. 155 Kipp, Festgabe Richard Koch, S. 110 (120). 156 Kipp, Festgabe Richard Koch, S. 110 (121). 154

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machung des Anspruchs, damit dieser erfüllt werden kann und materielle Wirkung entfaltet. Dies hat nichts damit zu tun, ob der Gläubiger, wenn er den Erfüllungsanspruch einmal geltend gemacht hat, zu einem alternativen Recht übergehen kann. Der Primäranspruch beinhaltet also grundsätzlich ein ius variandi, unabhängig davon, ob dieser verhalten ist oder nicht. Zum zweiten ist es irrelevant, welcher Gestalt das Recht ist, auf welches der Gläubiger übergehen will. Die Fälle der elektiven Konkurrenz zwischen Primäransprüchen und die der elektiven Konkurrenz zwischen dem Primäranspruch und Sekundärrechten sind insofern deckungsgleich. Auch kommt es nicht darauf an, ob der Gläubiger statt des Primäranspruchs zu einem anderen Anspruch oder zu einem Gestaltungsrecht übergehen will. In jedem Fall ist der Gläubiger nicht endgültig an die Wahl des Primäranspruchs gebunden. Es besteht – sofern sich nicht etwas anderes aus Vertrag oder Gesetz ergibt – ein ius variandi. b) Beispiele Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 20. Januar 2006157 das ius variandi des Primäranspruchs ausgeleuchtet und dabei dieselben Ergebnisse wie die vorliegende Untersuchung erzielt. Der Grundstückskäufer fordert den Verkäufer darin vergeblich zur Auflassung auf. Es kommt deswegen zum Prozess, in dem der Käufer plötzlich doch vom Vertrag zurücktritt und seine Klage dementsprechend umstellt. Entgegen der Vorinstanz158 hält der BGH dieses Vorgehen des Käufers für zulässig. Das Recht, Erfüllung zu verlangen, ergebe sich nämlich aus dem Vertrag selbst, sei mit der Verfolgung von Sekundäransprüchen nicht vergleichbar und binde den Gläubiger nicht endgültig.159 Das Verlangen des Erfüllungsanspruchs ist weder rechtsgestaltend noch als Verzicht auf die Sekundärrechte gemeint. Daher ist es im Grundsatz als ius variandi zu behandeln. Von dieser Grundregel des ius variandi wird auch nicht durch andere Regelungen abgewichen. Der BGH geht dabei auf zwei von der Vorinstanz diskutierte mögliche Grenzen des Wahlrechts ein. So ist richtigerweise die Bindungswirkung des § 263 Abs. 1 BGB nicht anzuwenden.160 Denn es handelt sich nicht um eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht, sondern um eine Konkurrenz zwischen einem Primäranspruch und dem Rücktrittsrecht 157

BGH (Az.: V ZR 124/05): NJW 1198 ff. Siehe dazu bereits die Einleitung. OLG Celle, Urteil vom 17.05.2005 (Az.: 16 U 232/04): NJW 2005, 2094 ff. 159 BGH, NJW 2006, 1198, 1199. 160 Der BGH zitiert irrtümlich nur Absatz 2 des § 263 BGB: NJW 2006, 1198, 1199 (Anmerkung a). Dieser betrifft aber lediglich die Rückwirkung der Wahl, nicht die Bindung an die Wahl, welche in § 263 Abs. 1 BGB normiert ist. Dazu: S. 395. 158

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und damit um eine elektive Konkurrenz, auf die die Wahlschuldregeln keine Anwendung finden.161 Ebenso erteilt der BGH zu Recht einer „reziproken“ Anwendung des § 281 Abs. 4 BGB eine Absage.162 Der in § 281 Abs. 4 BGB angeordnete Ausschluss des Primäranspruchs betrifft expressis verbis nur den Fall, dass der Gläubiger zum sekundären Schadensersatz statt der Leistung übergeht. Erst das Beschreiten der Sekundärebene führt zum Verlust des Primäranspruchs163. Diese Situation des Wechsels vom Erfüllungs- zum Abwicklungsstadium nach der Leistungsstörung ist hier mit Erhebung der Leistungsklage durch den Käufer aber (noch) nicht gegeben: Er verlangt zunächst nur Erfüllung und bleibt daher im Rahmen seiner vertraglichen Optionen, sodass es auf die gesetzliche Beschränkung des Wahlrechts nach § 281 Abs. 4 BGB nicht ankommt.164 Ganz im Gegenteil: § 281 Abs. 4 BGB zeigt gerade, dass nur eine ausdrücklich im Gesetz vorgesehene Bindung an einen gewählten Anspruch den Grundsatz des ius variandi aushebelt. Also entfaltet im Umkehrschluss die Wahl des Primäranspruchs mangels ausdrücklicher Festlegung im Gesetz keine Bindungswirkung.165 Der Grundsatz der Widerruflichkeit des Erfüllungsverlangens gilt auch unabhängig von der Verhaltenheit des Anspruchs, wie die elektive Konkurrenz nach § 179 Abs. 1 BGB zeigt. Dort sind die beiden Primäransprüche, Erfüllung und Schadensersatz, verhaltene (gleichrangig primäre) Optionen des Gläubigers. Erst wenn der Vertragsgegner sich für eine der Varianten gegenüber dem Vertreter ohne Vertretungsmacht entscheidet, entfaltet diese Option Wirkung und ist erfüllbar. Gleichwohl ist der Vertragsgegner nicht gehindert, von seiner Wahl abzurücken. Hat er zunächst Erfüllung verlangt und kommt dem der Schuldner nicht nach, kann der Gläubiger des § 179 Abs. 1 BGB zum alternativen Schadensersatzanspruch wechseln. Umgekehrt kann der Gläubiger, wenn er zunächst Schadensersatz gefordert hat und der Schuldner zum Beispiel in Zahlungsschwierigkeiten ist, zum Erfüllungsanspruch übergehen. Beide alternativen Ansprüche des § 179 Abs. 1 BGB sind zwar verhalten, haben aber zugleich das Merkmal eines ius variandi.

161 Ausführlich zur Abgrenzung: Kapitel 2, S. 89 ff. Wie hier: Jacobs, Festschrift für Hansjörg Otto, S. 137 (151). 162 So aber: Jauernig/Stadler, § 281 Rn. 15. 163 Althammer, NJW 2006, 1179 (1180). 164 BGH, NJW 2006, 1198, 1199. 165 Ebenso: Althammer, NJW 2006, 1179 (1180); Jacobs, Festschrift für Hansjörg Otto, S. 137 (151); BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 10.

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2. Die verschiedenen Bezugspunkte der Bindung an die Wahl des Sekundärrechts Literatur und Praxis orientieren sich seit jeher bei der Frage nach dem ius variandi der Sekundärrechtsbehelfe an der Konstruktion des jeweiligen Rechts. Danach gelte für Ansprüche einheitlich das Grundprinzip des ius variandi, egal, ob diese Primär- oder Sekundäransprüche sind. Im Gegensatz dazu lasse sich aus dem Charakter der Gestaltungsrechte eine umfassende Ausnahme vom Prinzip des ius variandi ableiten: Gestaltungserklärungen binden demnach stets endgültig.166 Diese Vorstellung bot schon im früheren Schuldrecht Anlass für Kritik, denn sie verkürzt die Betrachtung des ius variandi. Es kommt nach der neueren Tendenz vielmehr auch darauf an, zu welchem Recht der Gläubiger, der von einem Sekundärrechtsbehelf Gebrauch gemacht hat, übergehen will.167 Die Wirkung der Wahl des Sekundärrechts gegenüber dem alternativen Primäranspruch ist nämlich eine andere als die Wirkung gegenüber alternativen Sekundärrechten. Dem folgend, differenziere ich zwischen zwei Bezugspunkten der Bindung an die Wahl des Sekundärrechts: der Konkurrenz zum Erfüllungsstadium und der Konkurrenz innerhalb des Abwicklungsstadiums des Schuldverhältnisses.168 Diese Unterscheidung stammt bereits aus der Zeit vor der Schuldrechtsreform von 2001. Sie ist heute unerlässlich geworden, weil im reformierten Leistungsstörungsrecht der Primäranspruch nach erfolglosem Fristablauf nicht untergeht, sondern weiter existiert. Im früheren Schuldrecht erlosch der Primäranspruch, sobald die Nachfrist, die der Gläubiger dem Schuldner zur ordnungsgemäßen Leistung gesetzt hatte, erfolglos verstrichen war, siehe § 326 Abs. 1 S. 2 HS 2 BGB a. F. Damit stellte sich die Frage nach dem ius variandi des gewählten Sekundärrechts nur in Bezug auf andere Sekundärrechte, nicht aber zum Primäranspruch. Der Gläubiger konnte und wollte nach alter Rechtslage mit einem ius variandi des Sekundärrechts die Vertragsansprüche nicht wieder herstellen.169 Er konnte und wollte allenfalls die alternativen Sekundäransprüche zur Wirkung bringen. Nach heutiger Rechtslage erlischt der Primäranspruch nicht automatisch mit erfolglosem Fristablauf. Er steht vielmehr als gleichrangige Option neben den Sekundärrechten. Der Diskurs um das ius variandi eines Sekundär166 Erman/Grunewald, § 437 Rn. 43; Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rn. 522; MüKo/Ernst, § 325 Rn. 28; MüKo/Gaier, § 349 Rn. 3; Palandt/Heinrichs, § 349 Rn. 2; Derleder, NJW 2003, 998 (1002); einschränkend auch: Wertenbruch, JZ 2002, 862 (865), jeweils mit weiteren Nachweisen. 167 Siehe vor allem: Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 272 ff.; Überblick bei: Huber, Leistungsstörungen, Band II, S. 219. Dazu sogleich mehr. 168 Die Begriffe stammen von: Erler, Wahlschuld, S. 61. 169 Huber, Leistungsstörungen, Band II, S. 219/220.

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rechts darf diese Neuerung nicht übergehen. Dafür spricht die Dogmatik des ius variandi. Es beschreibt als Eigenschaft des jeweiligen Rechts die Möglichkeit zur Aufhebung der durch die Wahl erzielten Wirkung. Zugleich mit der Aufhebung dieser Wirkung erhält der Gläubiger die vormals alternativen Optionen zurück, aus denen er nun die Interessengerechtere auswählen kann. Der Gläubiger wird folglich in die Lage vor seiner Wahlentscheidung zurückversetzt. Überträgt man diese Struktur konsequent auf die heutige Rechtslage, dann beinhaltet die Rückkehr zur Optionenvielfalt des Gläubigers nach Ablauf der Frist die Wahlmöglichkeit hinsichtlich aller alternativen Sekundärrechte, aber auch hinsichtlich des Primäranspruchs. Zu diesen Überlegungen treten Zweckmäßigkeitserwägungen. Begreift man das ius variandi als Flexibilisierungsinstrument,170 das den in Unkenntnis und übereilt handelnden Gläubiger schützen soll, dann darf das mögliche Gläubigerinteresse auf Rückkehr zum Erfüllungsstadium nicht per se außer Betracht bleiben. Aus Gläubigersicht ist der Wille zur Aufhebung eines Sekundärrechts zugunsten des wiederauflebenden Primäranspruchs unter Umständen von nachvollziehbaren Motiven getragen. Beispielsweise kann die drohende Insolvenz des vertragsbrüchigen Schuldners den Gläubiger dazu bringen, von seinem ursprünglich sekundären Ersatzanspruch abzurücken und sich mit der nicht ordnungsgemäßen Primärleistung zufrieden zu geben. Ökonomische Vernunft und die Gewissheit, genug „Lehrgeld“ bezahlt zu haben, könnten den Gläubiger dann von seinem Sekundärrecht abbringen. Warum sollte ihm in einem solchen Fall ein ius variandi des Sekundärrechts und der Wechsel zum Primäranspruch verwehrt sein? Freilich ist dies eine Argumentation, die nur aus Gläubigersicht Sinn macht. Ob sich auch aus der Schuldnerbetrachtung oder der Betrachtung durch einen neutralen Dritten ein Übergang vom Sekundärrecht zurück zum Primäranspruch vertreten lässt, ist mitunter zweifelhaft. Die dazu notwendigen Untersuchungen nehme ich nun detailliert am Sekundäranspruch und am Gestaltungsrecht vor. Einleitend halte ich fest, dass mit dem heute fortbestehenden Primäranspruch nach Fristablauf eine weitere Option des Gläubigers ins Blickfeld rückt. Ein ius variandi muss in daher zweifacher Hinsicht getrennt betrachtet werden: einerseits differenzierend zwischen der Bindung an den sekundären Anspruch und der Bindung an das Gestaltungsrecht, andererseits getrennt in Bezug auf den Wechsel zum Primäranspruch bzw. den Wechsel zu anderen Sekundärrechten.

170 Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 411 (414).

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3. Die Wahl des Sekundäranspruchs Ich konzentriere mich im Folgenden auf die Wahl der Sekundäransprüche, die eine Konkurrenz sowohl zum Primäranspruch als auch zu anderen Sekundärrechten aufweisen. Das ist zum einen der Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 281 BGB und zum anderen der Aufwendungsersatzanspruch nach § 284 BGB. Sie veranschaulichen exemplarisch die Bindung des Gläubigers an seine Wahl. Auf andere alternative Sekundäransprüche, etwa Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 283 BGB oder § 311 a Abs. 2 BGB sowie den Anspruch auf das stellvertretende commodum nach § 285 BGB, die wegen des Untergangs des Primäranspruchs lediglich eine Alternativität zu anderen Sekundärrechten aufweisen, kann man die Erkenntnisse zur spezifischen Bindung zwischen den Sekundärrechten entsprechend anwenden. a) Die Bindung an den Sekundäranspruch gegenüber dem Primäranspruch aa) Die Bindung an den Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach § 281 Abs. 4 BGB Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 1, 3; 281 BGB steht als Sekundäranspruch in elektiver Konkurrenz zum Primäranspruch. Der Gläubiger kann also nach erfolglosem Ablauf der Fristsetzung entweder an seinem Erfüllungsverlangen festhalten oder Schadensersatz statt der Leistung geltend machen. Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung, bindet ihn diese Wahl gegenüber dem Primäranspruch unwiderruflich. Dies ordnet § 281 Abs. 4 BGB ausdrücklich an, wodurch der Anspruch auf die Leistung für ausgeschlossen erklärt wird. Der Gesetzgeber will damit eine Grenze für den Schwebezustand des Schuldners in einer Situation der Unsicherheit ziehen:171 Sobald der Gläubiger die Wahl auf den Sekundäranspruch richtet, entfällt der Primäranspruch als Auswahloption. § 281 Abs. 4 BGB ist also ein ausdrücklicher Ausschluss eines ius variandi des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung gegenüber dem Primäranspruch. Dass der Gesetzgeber von der Notwendigkeit einer solchen Bindungsregelung ausgeht, bedeutet zweierlei. Zum einen sieht er zu Recht Regelungsbedarf, um die Schwebelage und das Dilemma des von einer elektiven Kon171 BT-Drs. 16/6040, S. 140. Zu beachten ist, dass die Drucksache den Regierungsentwurf wiedergibt, in dem der heutige § 281 Abs. 4 BGB noch als Absatz 3 des § 281 BGB vorgesehen ist.

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kurrenz betroffenen Schuldners nicht über Gebühr auszuweiten. Durch § 281 Abs. 4 BGB entscheidet sich der Gesetzgeber freilich für die gläubigerfreundlichste Variante und gegen ein Recht des Schuldners, den Gläubiger vor seiner Wahl zur Entscheidung über die Rechtsbehelfe zu zwingen.172 Unabhängig von diesem praktischen Nutzen des § 281 Abs. 4 BGB verdeutlicht die Norm zum zweiten aber das dargestellte Grundprinzip des Anspruchs als ius variandi. Gerade weil mit § 281 Abs. 4 BGB die Entscheidung des Gläubigers zugunsten des Ersatzanspruchs zur absoluten Grenze des Wahlrechts normiert wird, muss man davon ausgehen, dass ohne eine solche Regelung ein beiderseitiger Wechsel zwischen Erfüllungsanspruch und Schadensersatz statt der Leistung möglich wäre. Die Gesetzesunterlagen weisen darauf hin, dass diese Vorstellung auch die Beratungen der Schuldrechtskommission beherrscht hat.173 Danach wäre im Grundsatz der Anspruch auf die Leistung erst ausgeschlossen, wenn der Gläubiger den Schadensersatz erhält. Die Erfüllung wäre damit die entscheidende Grenze des Wahlrechts zwischen elektiv konkurrierenden Ansprüchen.174 Das Konzept des BGB folgt dieser Grenzziehung nicht. Vielmehr wird die absolute Grenze des Wahlrechts – in Bezug auf den Primäranspruch – auf den Moment der Geltendmachung des Schadensersatzes vorverlegt. § 281 Abs. 4 BGB verknüpft dabei diese Grenzziehung mit der Verhaltenheit des Ersatzanspruchs als ungeschriebenem Tatbestandsmerkmal175. Der Zeitpunkt der notwendigen Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs durch den Gläubiger ist folglich zugleich der Zeitpunkt, in dem er seinen Primäranspruch als Option endgültig verliert. bb) Keine Bindung an den Aufwendungsersatzanspruch Der Gläubiger des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 284 BGB ist auch nach der Geltendmachung dieses Anspruchs nicht gehindert, zum alternativen Primäranspruch zurückzuwechseln. Der Aufwendungsersatzanspruch des § 284 BGB beinhaltet insofern ein ius variandi. Es handelt sich dabei um ein Gegenbeispiel zur Bindung an die Wahl des Sekundärrechts. Eine Bindungsanordnung wie in § 281 Abs. 4 BGB gibt es in § 284 BGB nicht. Eine unmittelbare Anwendung des Rechtsgedankens in § 281 Abs. 4 BGB auf den Aufwendungsersatz verbietet sich. Daran könnte man denken, wenn 172 Ausdrücklich: BT-Drs. 16/6040, S. 140. Zur Möglichkeit des Zwangsrechts für den Schuldner: S. 367 ff. 173 BT-Drs. 16/6040, S. 141. 174 Dazu bereits: S. 384 ff. 175 BeckOK/Unberath, § 281 Rn. 50.

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man die tatbestandliche Verwandtschaft zwischen dem Aufwendungsersatz und dem Schadensersatz statt der Leistung, die sich aus dem Wortlaut des § 284 („anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung“) ergibt, in die Betrachtung mit einbezieht. Dies ist jedoch eine Kongruenz der Tatbestandsvoraussetzungen. Für den Schadensersatz nach § 281 BGB wie für den Aufwendungsersatz nach § 284 BGB muss also eine zurechenbare Pflichtverletzung des Schuldners vorliegen.176 Zusätzlich muss der Gläubiger die Ansprüche jeweils geltend machen, da sie verhalten sind. Die Bindung an diese Geltendmachung ist aber eine Frage der Rechtsfolge des jeweiligen Anspruchs. Insofern korrespondieren die Ansprüche aus § 284 BGB und § 281 BGB keineswegs. Die Bindung an die Wahl des Aufwendungsersatzes gegenüber dem Primäranspruch lässt sich auch nicht aus einer Analogie zu § 281 Abs. 4 BGB herleiten. Zwar ist die Interessenlage des Aufwendungsersatzanspruchs mit der des Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach § 281 BGB vergleichbar, denn es geht in beiden um den Ausgleich des positiven Gläubigerinteresses.177 Es fehlt jedoch an der planwidrigen Regelungslücke in § 284 BGB: Soweit nämlich keine Grenze der Rechtsausübungsfreiheit eines subjektiven Rechts vorgesehen ist, gilt der Grundsatz des ius variandi. Eine Übertragung des Gedankens aus § 281 Abs. 4 BGB widerspräche dem Regel-Ausnahme-Prinzip der Rechtsausübungsfreiheit. In Bezug auf den Primäranspruch besteht für den Gläubiger des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 284 BGB also ein ius variandi: Er kann zur Durchsetzung des Primäranspruchs zurückkehren. Seine Entscheidung für die Geltendmachung des Aufwendungsersatzes bindet ihn insoweit nicht. cc) Fazit: Keine Bindung an Sekundäransprüche ohne ausdrückliche Regelung Der Unterschied zwischen der elektiven Konkurrenz zwischen dem Primäranspruch und dem Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 281 BGB auf der einen Seite und der elektiven Konkurrenz zwischen dem Primäranspruch und dem Aufwendungsersatzanspruch nach § 284 BGB auf der anderen Seite liegt im ius variandi des Aufwendungsersatzes. Der Gläubiger, der den Anspruch aus § 284 BGB geltend macht, kann zum Primäranspruch zurückkehren. Der Gläubiger, der den Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3; 281 BGB geltend macht, kann hingegen nicht zum Primäranspruch zurückkehren. Diese Fälle zeigen, dass das ius variandi als Grundannahme auch für den Sekundäranspruch in Bezug auf den Primär176

BeckOK/Unberath, § 284 Rn. 1. Vgl. mit Differenzierungen: MüKo/Ernst, § 284 Rn. 4; sowie Kapitel 4, S. 306 ff. 177

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anspruch gilt. Eine Begrenzung des freien Wahlrechts des Gläubigers gibt es nur da, wo es das Gesetz vorsieht, so etwa in § 281 Abs. 4 BGB. b) Die Bindung an den Sekundäranspruch gegenüber anderen Sekundärrechten aa) Keine Bindung an den Sekundäranspruch Die Wahl des Sekundäranspruchs bindet den Gläubiger nicht in Bezug auf alternative Sekundärrechte. In der elektiven Konkurrenz zwischen dem Sekundäranspruch und anderen Sekundärrechten besteht ein ius variandi. Dies gilt für die Geltendmachung aller elektiv konkurrierenden Sekundäransprüche gleichermaßen, also auch für den Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 1, 3; 281 BGB und den Aufwendungsersatzanspruch nach § 284 BGB. Vom Grundprinzip des ius variandi wird in diesen Fällen der elektiven Konkurrenz weder aufgrund gesetzlicher Anordnung noch aus Zweckmäßigkeitserwägungen abgewichen. Zunächst normiert das BGB für keinen der Sekundäransprüche des Gläubigers eine ausdrückliche Bindung an dessen Geltendmachung. Einzige ausdrückliche Regelung ist in diesem Kontext § 281 Abs. 4 BGB. Dieser hält jedoch fest, dass nach der Erhebung des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung allein der Primäranspruch ausgeschlossen ist, nicht aber der Übergang zu anderen Sekundärrechten. Andere Bindungsregelungen nennt das Gesetz nicht, weder für den Schadensersatz statt der Leistung noch für die übrigen Ansprüche der Sekundärebene. Daher könnte sich ein Ausschluss des ius variandi allein aus Zweckmäßigkeitserwägungen ergeben. Dafür spricht grundsätzlich die Schuldnersicht: Dieser möchte Gewissheit darüber, welches Sekundärrecht der Gläubiger wahrnimmt und auf welche Folgeansprüche er sich einzustellen hat. Auf den Schutz des Schuldners kommt es aber nicht an. Denn die elektive Konkurrenz zwischen Sekundärrechten dient, wie ich bereits erläutert habe,178 der Sondierung der Gläubigerinteressen nach einem Vertragsbruch durch den Schuldner. Der Gläubiger kann wählen, auf welche Art die Störung des Schuldverhältnisses abgewickelt wird. Dabei steht die Effektivität der Rechtsbehelfe im Vordergrund.179 Stellt sich heraus, dass der zunächst geltend gemachte Sekundäranspruch die Interessen des Gläubigers nicht hinreichend wahrt, ist dieser folgerichtig nicht gehalten, zu einem alternativen Sekundärrecht überzugehen. Er macht dann von seinem ius variandi 178 179

S. 378 f. Erler, Wahlschuld, S. 62.

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des gewählten Sekundäranspruchs Gebrauch und trifft nochmals eine Wahl darüber, welchen Rechtsbehelf er gegen den Schuldner verwirklichen will. Am deutlichsten wird diese These von der langjährigen Rechtsprechung zur elektiven Konkurrenz zwischen Schadensersatz wegen Nichterfüllung und Rücktritt nach § 326 Abs. 1 S. 2 HS 2 BGB in der Fassung vor der Schuldrechtsmodernisierung 2001 untermauert. Danach galt: Der Gläubiger kann, auch wenn er zunächst den Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt hat, noch auf den Rücktritt übergehen.180 Im Gegensatz zum Gestaltungsrecht des Rücktritts komme dem Schadensersatz als Forderungsrecht nach § 194 Abs. 1 BGB keine rechtsgestaltende Wirkung zu. Wählt der Gläubiger also den Schadensersatz, bringt er nicht zum Ausdruck, dass er sich „des Rechtes auf Rücktritt vom Vertrage [. . .] begeben wolle.“181 Das Reichsgericht hat daher in diesem Verhältnis die Definition für das Grundprinzip des ius variandi beim Schadensersatz wegen Nichterfüllung formuliert: Der Gläubiger mache nur von einem Recht Gebrauch, „ohne sich hinsichtlich der Nichtverfolgung des anderen Rechts zu binden. Daher kann in der Erklärung, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, auch nicht ein Verzicht auf das Rücktrittsrecht gefunden werden.“182 Zwar stellt das Verhältnis von Schadensersatz statt der Leistung und Rücktritt entgegen der früheren Rechtslage nunmehr keine elektive Konkurrenz dar. Das von der Rechtsprechung anerkannte Grundprinzip des ius variandi beim Schadensersatz lässt sich aber im modernisierten Leistungsstörungsrecht auf jeden Fall übertragen, in dem es um die elektive Konkurrenz zwischen einem Sekundäranspruch auf der einen und einem Sekundärrecht auf der anderen Seite geht. Dies trifft auf die Beziehung des § 285 BGB zum Rücktrittsrecht, das Verhältnis zwischen Schadensersatz statt der Leistung und Aufwendungsersatz oder zwischen Schadensersatz statt der Leistung und dem Minderungsrecht zu. bb) Beispiel: Der Schadensersatz statt der ganzen Leistung Der Käufer erhält statt des georderten Sets von 4 Gartenstühlen bloß 2 Gartenstühle. Die dem Verkäufer gesetzte Frist zur vollständigen Lieferung verstreicht erfolglos. Der Käufer hat kein Interesse an einer „unvollständigen Gartengarnitur“. Er will daher die gelieferten Stühle zurückgeben und macht Schadensersatz statt der Leistung in Höhe des gezahlten Mehrpreises 180 So das Reichsgericht in seinem Grundsatzurteil vom 23.09.1914 (Az.: V 181/14): RGZ 85, 280 ff.; weiterführend: RGZ 109, 184, 186; später der Bundesgerichtshof: BGHZ 16, 388, 393. 181 RGZ 85, 280, 283. 182 RGZ 85, 280, 283.

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für ein vergleichbares Set geltend. Es handelt sich um einen Schadensersatzanspruch statt der ganzen Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 281 Abs. 1 S. 1 Var. 2, S. 2, Abs. 5 BGB. Es stellt sich heraus, dass der Verkäufer außer Stande ist, Schadensersatz zu zahlen, da er kurz vor der Insolvenz steht. Daraufhin behält der Käufer die beiden Stühle und mindert stattdessen den Kaufpreis des Sets um die Hälfte. Dies ist ein Wechsel vom Schadensersatzanspruch statt der ganzen Leistung zum elektiv konkurrierenden Minderungsrecht nach § 441 BGB. Dieser Übergang ist zulässig, denn die Wahl des sekundären Ersatzanspruchs bindet den Käufer gemäß § 281 Abs. 4 BGB nur hinsichtlich seines Primäranspruchs, nicht aber hinsichtlich des Minderungsrechts. Der Sekundäranspruch beinhaltet gegenüber den Sekundärrechten ein ius variandi. Nicht anders verhält es sich, wenn der Gläubiger anstelle des Schadensersatzes vom elektiv konkurrierenden Aufwendungsersatzanspruch aus § 284 BGB Gebrauch machen will. Beispielsweise rückt der Gläubiger von seinem Schadensersatzanspruch statt der ganzen Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 281 Abs. 1 S. 1 Var. 2, S. 2, Abs. 5 BGB ab und möchte stattdessen zwei der vier exklusiven Sitzauflagen, die er für die Gartenstühle erworben hatte, als frustrierte Aufwendungen ersetzt haben. Auch insofern besteht zwischen dem einstmals gewählten Sekundäranspruch und dem alternativen Anspruch aus § 284 BGB ein ius variandi. c) Fazit: Die Wahl des Sekundäranspruchs Die Wahl eines Sekundäranspruchs hat nur dann endgültige Bindungswirkung, wenn es das Gesetz vorsieht oder dies sich aus Zweckmäßigkeitserwägungen ergibt. Es besteht mangels Restriktionen im BGB die Möglichkeit, vom Sekundäranspruch zu anderen alternativen Sekundärrechten zu wechseln. Auch die Rückkehr vom Sekundäranspruch zum Primäranspruch ist nur beim Schadensersatz statt der Leistung wegen § 281 Abs. 4 BGB ausgeschlossen. In allen anderen Fällen der Wahl eines Sekundäranspruchs in einer elektiven Konkurrenz gilt das Grundprinzip eines ius variandi. 4. Die Wahl des Gestaltungsrechts Anders als der Sekundäranspruch bindet die Wahl des Gestaltungsrechts den Gläubiger in Bezug auf den Primäranspruch endgültig. Insofern besteht kein ius variandi. Ob dies auch für den Wechsel zu anderen Sekundärrechten gilt, ist umstritten. Ich konzentriere mich an dieser Stelle auf das Rücktrittsrecht. Es lassen sich jedoch Parallelen zum Minderungsrecht und anderen Gestaltungsrechten ziehen, die ich an gegebener Stelle aufgreife.

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a) Die Bindung an das Gestaltungsrecht gegenüber dem Primäranspruch aa) Die Unwiderruflichkeit der Gestaltungserklärung Wer von einem Gestaltungsrecht Gebrauch macht, gestaltet das Schuldverhältnis um.183 Der Preis für diese einseitige Befugnis zur Veränderung des Schuldverhältnisses, ohne auf den Willen oder das Zutun des Schuldners angewiesen zu sein, ist nach allgemeiner Auffassung die Unwiderruflichkeit der Gestaltungserklärung.184 Das bedeutet, dass das Gestaltungsrecht durch seine einmalige Ausübung „verbraucht“ ist.185 Die dogmatische Grundlage für diesen Ausschluss eines ius variandi finden wir nicht im Gesetz. Die Rücktrittsregelungen gehen beispielsweise mit keinem Wort darauf ein, ob die Erklärung des Rücktritts widerruflich ist oder nicht.186 Zwar erwähnen §§ 352 und 353 BGB Fälle, in denen die Wirkung der Rücktrittserklärung aufgrund von Ausschlusstatbeständen (unverzügliche Aufrechnungserklärung, Entrichtung von Reugeld) nachträglich aufgehoben ist. Dies betrifft Unwirksamkeitsgründe für den Rücktritt, die aber die Möglichkeit zur Wahl des Gläubigers nicht wieder aufleben lassen. An der Endgültigkeit der Gestaltungserklärung wird dadurch nicht gerüttelt, sondern die durch sie geschaffenen Rechtsfolgen kraft Gesetzes ausgehebelt. Die Bindungswirkung des Rücktritts erklärt sich auch nicht aus einem Hinweis auf die begriffliche Einordnung als Gestaltungsrecht. Denn die Kategorie der Gestaltungsrechte besagt – in Abgrenzung zu den Forderungsrechten – eben nur, dass es einer mitwirkenden Handlung durch den Schuldner nicht bedarf. Allein der Begriff des Gestaltungsrechts vermag aber nicht dazu herhalten, die einseitige Gestaltungserklärung als endgültig anzusehen. In diesem Kontext muss man auch die früher verbreitete Vorstellung sehen, nach der etwa die Rücktrittserklärung den Vertrag insgesamt entfallen lasse.187 Danach fehlte – bildlich gesprochen – nicht nur die Basis für ein ius variandi, sondern vielmehr das gesamte Schuldverhältnis als Grundlage für eine Rechtsbeziehung der Parteien. Diese Vorstellung hat für den Rücktritt im heutigen Recht keinen Bestand mehr: Durch 183

Zur Dogmatik der Gestaltungsrechte näher: S. 85. Grundlegend: Bötticher, Festschrift für Hans Dölle, Band I, S. 41 (71). 185 Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 225. 186 Anders noch § 326 Abs. 1 S. 2 HS 2, der den Primäranspruch für „ausgeschlossen“ erklärt. Dies ist die ausdrückliche Bindung an die Sekundärebene und eine Verhinderung des ius variandi zum Primäranspruch. 187 Vgl. etwa: RGZ 50, 255, 266; 75, 199, 201; Staudinger/Werner (9. Auflage), Vor § 346 Nr. 1 a) mit weiteren Nachweisen. 184

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den Rücktritt wird das Schuldverhältnis lediglich in ein Rückgewährverhältnis umgewandelt.188 Dass das Gestaltungsrecht gegenüber dem Primäranspruch kein ius variandi beinhaltet, erklärt sich allein aus sachlichen und teleologischen Erwägungen. Wie schon die Motive zum BGB ausweisen, ist die Bindungswirkung an die Gestaltungserklärung eine Maßnahme zum Schutz des Schuldners als Erklärungsgegner.189 Dieser ist der Befugnis des Gläubigers zur einseitigen Veränderung des Schuldverhältnisses ohne ein entsprechendes Abwehrmittel ausgesetzt. Durch die Bindung des Gläubigers an seine einmalige Ausübung des Gestaltungsrechts wird verhindert, dass dieses Ungleichgewicht in der Zahl der beiderseitigen Handlungsoptionen auf Dauer aufrechterhalten wird. Die Bindung an die Wahl beschränkt also die Macht des Erklärenden zum Schutze des Erklärungsempfängers.190 Geschützt wird dabei dessen Dispositionsfreiheit. Auch die neutrale Rechtsordnung hat ein Interesse an dieser Bindung: Durch den Ausschluss des ius variandi wird an die Gestaltungserklärung ein Stück Rechtssicherheit geknüpft. Dem Gläubiger wiederum ist diese Bindung auch zumutbar. Denn ihm wird dadurch nicht etwa eine Handlungsoption genommen, was einer besonderen Begründung bedürfte. Vielmehr wird seine durch den Vertragsbruch des Schuldners zusätzliche Handlungsoption, das sekundäre Gestaltungsrecht, in seiner Rechtsausübungsfreiheit quantitativ beschränkt. Dies ist keine Benachteiligung des Gläubigers, sondern eine lediglich „begrenzte Bevorteilung“: Er erhält zwar ein sekundäres Recht, kann dies aber nur einmalig ausüben. Bezogen auf den Prototypen der Gestaltungsrechte, das Rücktrittsrecht, bedeutet das: Der Gläubiger kann durch seine Erklärung das Schuldverhältnis einseitig in ein Rückgewährschuldverhältnis umwandeln. Der Schuldner hat ein Interesse daran, alsbald Klarheit darüber zu bekommen, ob er weiterhin zur Erfüllung bereitstehen muss. Diese Klarheit erhält er, wenn der Rücktritt erklärt wird. Sobald der Gläubiger den Rücktritt erklärt, tritt die Umwandlung des Schuldverhältnisses unwiderruflich ein: Es wird dann ein Wechsel zum Erfüllungsanspruch ausgeschlossen. Wenn das Gestaltungsrecht ausgeübt wird, geht das Schuldverhältnis von der Erfüllungsebene in das Abwicklungsstadium über. Die Umsteuerung des gesamten Schuldverhältnisses macht es nicht möglich, zu einem Erfüllungs188 Ausdrücklich der Reformgesetzgeber: BT-Drs. 16/6040, S. 191. Weitere Nachweise bei: MüKo/Gaier, Vorbemerkung § 346 Rn. 35. 189 Motive, Band II, S. 280: „Ist die Rücktrittserklärung einmal abgegeben, ist sie unwiderruflich im Interesse des anderen Teils, der sich auf sie muss verlassen können.“ 190 Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 228.

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versuch und damit zur Primärleistung zurückzukehren. Dieses Ergebnis, was man am deutlichsten in der elektiven Konkurrenz der diametral entgegengesetzt zueinander stehenden Rechte Primäranspruch und Rücktritt erklären kann, ist auf sämtliche anderen Gestaltungsrechte im Grundsatz übertragbar. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Gestaltungsrecht die Aufgabe des gesamten Schuldverhältnisses zum Ziel hat (so die Anfechtung) oder ob das Schuldverhältnis nur in anderer Weise als ursprünglich vereinbart inhaltlich ausgefüllt werden soll (so die Minderung). In jedem Fall greift der Gedanke der Rechtssicherheit ebenso wie die Überlegungen zum Schuldnerschutz bzw. zur Beschränkung der einseitigen Macht des Gläubigers. Man kann also verallgemeinern: Die Ausübung eines Gestaltungsrechts als Sekundärrecht verhindert eine Rückkehr zum Primäranspruch unwiderruflich. Ein ius variandi gibt es beim Gestaltungsrecht insoweit nicht. bb) Beispiel Der Käufer erwirbt eine Waschmaschine. Entgegen der Zusage des Verkäufers ist diese keineswegs sparsam und umweltfreundlich; der Verkäufer hat über diesen Umstand bei Vertragsschluss gelogen. Zusätzlich weist die Maschine einen behebbaren Defekt der LCD-Anzeige auf. Der Verkäufer verweigert diesbezüglich jegliche Nacherfüllung. Hier hat der Käufer die Auswahl zwischen drei verschiedenen Gestaltungsrechten, die den fortbestehenden Nacherfüllungsanspruch ersetzen können. Zum einen kann der Käufer wegen der arglistigen Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB anfechten. Zudem ist ein mangelbedingter Rücktritt nach §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB möglich. Schließlich überlegt der Käufer, ob er nicht die Maschine trotz der defekten Anzeige behält und den Kaufpreis entsprechend mindert, §§ 437 Nr. 2, 441 BGB. Zwischen den verschiedenen Gestaltungsrechten untereinander und zum Primäranspruch besteht jeweils eine elektive Konkurrenz. Diese löst der Käufer durch seine Wahlentscheidung für eines der Rechte. Dabei bindet ihn die Wahl an den Primäranspruch nicht. Im Gegensatz dazu ist er an das Gestaltungsrecht, von dem er Gebrauch macht, gegenüber dem Primäranspruch unwiderruflich gebunden. Erklärt er den Rücktritt, ist eine Rückkehr zur Nacherfüllung ausgeschlossen. Mindert er den Kaufpreis, gilt dasselbe. Im Fall der Anfechtung wird dem gesamten Vertrag rückwirkend der Boden entzogen. Insofern fehlt es bereits an der Grundlage für eine Rückkehr zum Erfüllungsanspruch. Es gilt: Die Wahl des jeweiligen Gestaltungsrechts schließt einen Übergang zum Erfüllungsstadium endgültig aus.

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Kap. 5: Das Wahlrecht und die Lösung der elektiven Konkurrenz

b) Die Bindung an das Gestaltungsrecht gegenüber anderen Sekundärrechten Ob die Gestaltungserklärung des Gläubigers ihm endgültig einen Übergang zu anderen Sekundärrechten verwehrt, ist umstritten. Dabei können wir Parallelen zum gleich gelagerten Streit im Schuldrecht vor der Modernisierung ziehen. Dies gilt insbesondere für die frühere Rechtslage der elektiven Konkurrenz zwischen Rücktritt und Schadensersatz. aa) Meinungsstand zum Rücktritt nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. Nach früherer Rechtslage bestand eine elektive Konkurrenz zwischen dem gesetzlichen Rücktrittsrecht und dem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. Der primäre Erfüllungsanspruch war mit erfolglosem Fristablauf kraft § 326 Abs. 1 S. 2 HS 2 BGB a. F.191 entfallen, sodass es auf diesen bei der Wahl des Gläubigers nicht mehr ankam. Der Gläubiger, der den Rücktritt erklärt hatte, konnte aber ein Interesse daran haben, zum Schadensersatz überzugehen, wenn sich die Rechtsfolgen des Rücktritts als wenig interessengerechte Lösung herausstellten. Es stellte sich die Frage nach der Bindung an die Gestaltungserklärung des Rücktritts. Ursprünglich herrschte in Rechtsprechung und Literatur Konsens darüber, dass der Rücktritt mit Zugang der Rücktrittserklärung beim Schuldner unwiderruflich wirksam war.192 Dem Gläubiger blieb es danach verwehrt, zum alternativen Sekundäranspruch auf Schadensersatz zu wechseln. Begründet wurde dies mit dem Charakter des Gestaltungsrechts als einseitige Befugnis zur Umgestaltung des Schuldverhältnisses. Daraus ergebe sich eine Notwendigkeit, die Befugnis des Gläubigers zu beschränken und den Schuldner vor einem Dauerzustand der wiederkehrenden Ungewissheit zu schützen. Somit scheide ein ius variandi beim Gestaltungsrecht generell aus. Demgegenüber sei ein ius variandi beim Sekundäranspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung anzuerkennen.193 Zwischen den beiden Sekundärrechten in § 326 Abs. 1 BGB a. F. bestand also eine „Asymmetrie“: die Rücktrittserklärung bindet sofort, das Schadensersatzbegehren zunächst noch nicht.194 191

Gemeint ist das BGB in der Fassung vor der Schuldrechtsmodernisierung

2001. 192 Vgl. für die Rechtsprechung: RGZ 85, 280, 282; 109, 184, 186; 126, 65, 69; später auch: BGH, NJW 1979, 762, 762; NJW 1985, 2697, 2698; ZIP 1998, 109, 111. Vgl. für die frühe Literatur: Planck/Siber, § 325 Anmerkung 2 a); später: Palandt/Heinrichs (59. Auflage, 2000), § 325 Rn. 8. 193 Maßgeblich: Kipp, Festgabe Richard Koch, S. 110 (124 f.). 194 Huber, Leistungsstörungen, Band II, S. 217.

C. Die Grenzen des Wahlrechts und das ius variandi

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Während die Rechtsprechung an diesem Dogma der Bindung an die Gestaltungserklärung festhielt, bildete sich in der Literatur die vordringende Meinung,195 die einen Wechsel zum Schadensersatz auch nach erklärtem Rücktritt zuließ. Zum einen veranlassten diese Tendenz dogmatische Überlegungen. So beruhte die traditionelle Ansicht zur endgültigen Bindung an die Rücktrittserklärung auf der veralteten Vorstellung, der Rücktritt zerstöre das Schuldverhältnis und entziehe damit einem Wechsel zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung den Boden. Diese Vorstellung hatte sich aber dogmatisch dadurch erledigt, dass anerkanntermaßen der Rücktritt lediglich die Umsteuerung des Schuldverhältnisses bedeute. Da also diese überholte Vorstellung nicht länger den Diskurs über das ius variandi beim Rücktritt bestimmen sollte, müsse man auch das Dogma der Bindungswirkung überdenken.196 Durchgreifende Bedenken gegen die Bindungswirkung der Rücktrittserklärung gegenüber dem Schadensersatzanspruch wurden zum zweiten aus Zweckmäßigkeitserwägungen geäußert. Ich beziehe mich dabei maßgeblich auf die weitreichenden Ausführungen von Hans G. Leser.197 Danach bestehe, wenn die Primärleistungspflicht durch die Eröffnung des Rücktrittsrechts bereits erledigt ist, keine Gefahr mehr für den Schuldner, sich zur Erfüllung auch nach erklärtem Rücktritt bereithalten zu müssen. Vielmehr habe der Gläubiger nach § 326 Abs. 1 BGB a. F. nur noch die Wahl über das geeignete Surrogat als Ausgleich für den misslungenen Vertrag.198 Der Schadensersatzanspruch und das Rücktrittsrecht seien dabei „formal gleichwertige“199 Rechtsbehelfe, nicht zuletzt deshalb, weil sie auf denselben Tatbestandsmerkmalen beruhen. Zudem dienen beide Rechte gemeinsam der Abwicklung der Störung des Schuldverhältnisses. Die gemeinsame Aufgabe der Abwicklung biete den Rahmen, in dem sich diese Rechtsbehelfe als Alternativen bewegten. Aufgrund der tatbestandlichen Äquivalenz und der zweckmäßigen Gesamtbetrachtung der Sekundärrechte sei es innerhalb dieses Rahmens des Abwicklungsstadiums daher möglich, ein ius variandi zuzulassen. Eine „Asymmetrie“ sei nicht gerechtfertigt, denn es lasse sich nicht generell sagen, dass der Wechsel vom Schadensersatz zum Rücktritt den Schuldner weniger belaste als der Wechsel vom Rücktritt zum Schadensersatz.200 Folglich solle der Gläubiger seinen voreiligen Rücktritt auf195 Lindacher, JZ 1980, 48, 49; Weitnauer, Festschrift Hefermehl, S. 467 (474); Huber, Leistungsstörungen, Band II, S. 219 mit weiteren Nachweisen; vgl. auch die zahlreichen Kommentare, etwa: Staudinger/Otto (13. Auflage), § 325 Rn. 99. 196 Weitnauer, Festschrift für Hefermehl, S. 467 (475). 197 Leser, Der Rücktritt vom Vertrag (1975). 198 Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 262. 199 Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 263. 200 Lindacher, JZ 1980, 48 (52).

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Kap. 5: Das Wahlrecht und die Lösung der elektiven Konkurrenz

heben und zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung übergehen können, genauso wie es umgekehrt möglich ist.201 Diese Ansicht stützte sich schließlich auf eine Parallele zu den Rechtsbehelfen im früheren Sachmängelrecht, nämlich Wandelung, Minderung und Schadensersatz. In deren Beziehung zueinander gelte im Wesentlichen gleiches wie im Verhältnis der Rechtsbehelfe des Allgemeinen Schuldrechts nach § 326 Abs. 1 BGB a. F. Entscheidender Unterschied war jedoch, dass nach gefestigter Rechtsprechung ein flexibler Wechsel zwischen den Mängelgewährleistungsrechten möglich sein sollte.202 Erreicht wurde dies, indem der Wahlerklärung des Gläubigers, diesen oder jenen Rechtsbehelf geltend zu machen, für sich keine Bindungswirkung anhaftete. Vielmehr musste der Verkäufer sich mit dem Rechtsbehelf einverstanden erklären.203 Solange kein Konsens der Parteien über einen Mängelgewährleistungsrechtsbehelf vorlag, konnte der Käufer zwischen den auszuwählenden Rechten wechseln.204 Insofern bestand ein ius variandi. Folgt man dem, erschien es nach alter Rechtslage wenig überzeugend, das ius variandi, was man aus Flexibilitätsgründen im Gewährleistungsrecht anerkannte, dem allgemeinen Rechtsbehelf des Rücktritts im Schuldrecht abzusprechen. Dies galt umso mehr, als der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung aus § 326 Abs. 1 BGB a. F. ebenfalls ein ius variandi beinhaltete und insofern die schwer zu erklärende „Asymmetrie“ zum Rücktritt bestand. Für beide Komplexe von Sekundärrechten galt: Sie werden durch den gemeinsamen Rahmen des Abwicklungsstadiums zusammengehalten. Sofern sich nicht die Gefahr einer Rückkehr zum Primäranspruch eröffnete, schien es vertretbar, zwischen den sekundären Rechtsbehelfen sowohl im allgemeinen als auch im besonderen Schuldrecht ein ius variandi anzuerkennen, gleichgültig ob es sich dabei um Gestaltungsrechte oder Ansprüche handelte. Gestaltungsrecht und ius variandi waren nach der Literatur folglich nicht schlechthin unvereinbar.205 Leser folgert aus dem Gesagten: Sofern keine Gefahr einer Rückkehr zur Primärleistungspflicht mehr bestehe und es nur noch um die Wahl der Abwicklungsbehelfe für die Leistungsstörung gehe, sei ein ius variandi auch beim Rücktrittsrecht anzuerkennen. Dies gelte maßgeblich für die gesetzlich 201

Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 263. Beachte insbesondere: RGZ 94, 327 ff.; BGHZ 29, 148, 159; BGH, NJW 1990, 2680 ff., sowie: Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 411 (413/414). 203 Auf die verschiedenen Theorien zur Begründung kommt es hier nicht an. Dazu ausführlich: Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 232 ff. 204 Beispiele: für die Wandelung BGHZ 85, 367, 370; für die Minderung: BGH, NJW 1990, 2680, 2680; für die Nachlieferung beim Gattungskauf: RGZ 94, 327, 333. 205 Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 269. 202

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normierte elektive Konkurrenz zwischen Rücktritt und Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach § 326 Abs. 1 BGB a. F. Dort sei der Erfüllungsanspruch ausgeschlossen, da kraft Gesetzes das Schuldverhältnis in die Abwicklungsphase umgesteuert wurde. Ein Wechsel vom erklärten Rücktritt zum alternativen Schadensersatz sei damit zuzulassen.206 Anders verhalte es sich beim vertraglichen Rücktritt, dem Gestaltungsrecht also, welches erst das Schuldverhältnis vom Erfüllungsstadium zum Abwicklungsstadium umsteuert.207 Die dort notwendige Rücktrittserklärung des Gläubigers entscheide zum einen, dass der Primäranspruch abgelehnt werde, und zum zweiten, dass auch alternative Sekundärrechte nicht zum Tragen kommen. Die Entscheidungskraft der Rücktrittserklärung ist in diesem Fall stärker als beim gesetzlich angeordneten Rücktrittsrecht. Es bleibt dann bei der Rückabwicklung des Vertrags infolge des Rücktritts, wenn dieser erklärt werde. Ein ius variandi besteht dort weder zum Primäranspruch noch zu den anderen Sekundärrechten. bb) Problem: Übertragbarkeit auf die heutige Rechtslage? Der Versuch, diese Erkenntnisse der früheren Rechtslage auf das heutige Leistungsstörungsrecht zu übertragen, muss verschiedene Hürden überwinden. Neben den terminologischen Änderungen ist es vor allem die Neuordnung der Konkurrenzfälle zwischen den Rechten, die eine Parallele schwierig erscheinen lassen. Insbesondere besteht nunmehr zwischen Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung (früher: wegen Nichterfüllung) keine elektive Konkurrenz. Gleichwohl besteht zwischen diesen Rechten ein Spannungsverhältnis, was aus der logischen Alternativität bestimmter Rechtsfolgen resultiert. So geht der Rücktritt lediglich mit dem Schadensersatzanspruch statt der ganzen Leistung (sog. großer Schadensersatz) und der Schadensberechnung nach der Differenzmethode konform, nicht aber mit dem sog. kleinen Schadensersatz und der Surrogationsmethode.208 Die Übertragung der Diskussion um das ius variandi beim Rücktritt ist also nicht allein auf Fälle elektiver Konkurrenz beschränkt,209 sondern greift auch bei diesen Fällen inkompatibler Rechtsfolgen. Zudem hat der Reformgesetzgeber die Rechtsbehelfe des allgemeinen und besonderen Schuldrechts dogmatisch harmonisiert. Die Wandelung und die Minderung im Sachmängelrecht haben ihre eigentümliche Stellung als 206

Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 273. Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 272. 208 Ausführlich dazu: Kapitel 4, S. 259 ff. 209 Eine elektive Konkurrenz besteht insofern zwischen sämtlichen Gestaltungsrechten ebenso wie zwischen dem Rücktritt bzw. der Minderung und dem Anspruch auf das stellvertretende commodum nach § 285 BGB. 207

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Vertrag zwischen den Parteien verloren und sind einheitlich als Rücktritt und Minderung in der Form von Gestaltungsrechten konzipiert.210 Diese Vereinheitlichung in dogmatischer, grammatischer und systematischer Hinsicht versperrt allerdings den Weg zu einer kongruenten Übertragung der genannten Grundsätze auf das neue Recht. Denn die früher notwendige Ablehnung des Primäranspruchs ist heute nicht mehr explizit von der Wirkung des Sekundärrechts getrennt. Ein ius variandi des Gläubigers bis zum Einverständnis des Schuldners gibt es in dieser Form nicht mehr, weil dieses Einverständnis des Schuldners nunmehr nicht notwendig ist. Diese Änderungen erschweren eine Übertragung der früheren Gedanken zum ius variandi beim sekundären Gestaltungsrecht auf die heutigen Regelungen. Ich stelle dies im Folgenden an den zwei praktisch wichtigsten Fällen dar. Das ist zum einen die streitige Frage, ob der Gläubiger von seinem Rücktrittsrecht zum Schadensersatz in der Form des kleinen Schadensersatzes wechseln kann. Umstritten ist ebenfalls, ob zwischen Rücktrittsrecht und Minderungsrecht ein ius variandi besteht. cc) Beispiel: Der Wechsel vom Rücktritt zum kleinen Schadensersatz Der Gläubiger kann nunmehr, nachdem er den Rücktritt erklärt hat, auch Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3; 281 BGB verlangen. Dies ermöglicht die Kombinationsregel des § 325 BGB. Beide Rechtsbehelfe schließen sich also logisch in ihrer Geltendmachung nicht aus. Es besteht aber eine partielle logische Ausschließlichkeit der Rechtsfolgen, denn eine Kombination mit dem Rücktritt ist nur möglich, wenn die Leistungen rückabgewickelt werden und der Schaden sich folglich nicht nach der Surrogationsmethode und nicht in der Form des kleinen Schadensersatzes berechnet. Hat der Gläubiger seinen Rücktritt bereits erklärt und verlangt er den kleinen Schadensersatz, kann er diese logische Ausschließlichkeit der Rechtsfolgen nicht überwinden; eine Kombination scheidet aus. Fraglich bleibt dann, ob er stattdessen seine Rücktrittserklärung zurücknehmen kann und eine erneute Wahl, diesmal zugunsten des kleinen Schadensersatzes treffen kann. Zwei Grundtendenzen stehen sich hier gegenüber. Nach überwiegender Ansicht in der Literatur ist der Gläubiger an seinen Rücktritt gebunden und kann nicht zum Schadensersatzanspruch statt der Leistung in der Form des kleinen Schadensersatzes bzw. der Surrogationsmethode übergehen.211 Dieser Ansatz fußt auf dem nach wie vor herrschen210

BT-Drs. 16/6040, S. 221. Vgl. exemplarisch: Wertenbruch, JZ 2002, 862 ff.; MüKo/Ernst, § 325 Rn. 10; BeckOK/Grothe, § 325 Rn. 14; Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rn. 522. 211

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den Dogma der Unwiderruflichkeit von Gestaltungserklärungen. Dies gelte uneingeschränkt nunmehr auch für den Fall der Sachmängelgewährleistung, da der Gesetzgeber den Wandelungsanspruch in den Rücktritt als Gestaltungsrecht umgewandelt habe und damit bewusst an die traditionelle Doktrin von der einseitigen und unwiderruflichen Gestaltungserklärung anknüpfe.212 Mit Einführung des § 325 BGB sei zwar der Wechsel vom Rücktritt zum Schadensersatz ebenso wenig ausgeschlossen wie die gleichzeitige Kombination von Rücktritt und Schadensersatz. Dies führe aber nicht dazu, die logische Ausschließlichkeit der Rechtsfolgen beider Rechte zu überwinden. Ein ius variandi des Rücktrittsrechts, nach dem ein Übergang zum logisch alternativen kleinen Schadensersatz möglich wäre, ist daher mit § 325 BGB und der gesetzgeberischen Abkehr von der elektiven Konkurrenz der Rechte nicht gemeint. Gegen diese Ansicht regt sich Widerstand in der Literatur. Die Neukonzeption der Rechtsbehelfe und deren Verhältnis zueinander gemäß § 325 BGB sei darauf ausgerichtet, den Gläubiger besser zu stellen, als dies nach früherem Recht der Fall war. Insbesondere die Flexibilität in der Wahl der Rechtsbehelfe, die es zuvor nur zwischen den Sachmängelgewährleistungsrechten gab, sei das Ziel der Neuordnung gewesen.213 Schreibe man nun dem Rücktrittsrecht, das die Wandelung ersetzt hat, eine endgültige Bindungswirkung in Bezug auf den kleinen Schadensersatz zu, erreicht man nicht mehr Flexibilität, sondern weniger, und zwar sowohl im allgemeinen als auch im besonderen Schuldrecht.214 Ferner müssten der Rücktritt wie der Schadensersatz konzeptionell als Rechtsbehelfe eines einheitlichen Abwicklungsstadiums betrachtet werden. Ein Wechsel von einem zum anderen und umgekehrt sei daher gerechtfertigt,215 gleichgültig ob es sich dabei um Sekundäransprüche oder sekundäre Gestaltungsrechte handele.216 dd) Beispiel: Der Wechsel zwischen Rücktritt und Minderung Mit dem Rücktrittsrecht nach §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB und dem Minderungsrecht nach §§ 437 Nr. 2, 441 BGB hat der von einem Sachmangel betroffene Käufer nach Ablauf einer Nacherfüllungsfrist zwei sekundäre Gestaltungsrechte inne. Zwischen diesen hat er sich zu entscheiden, denn es 212

Ausdrücklich: BT-Drs. 16/6040, S. 221 rechte Spalte. BT-Drs. 16/6040, S. 188. 214 Derleder, NJW 2003, 998 (1000); ders., in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 411 (419). 215 Canaris, JZ 2001, 499 (514). 216 Gsell, JZ 2004, 643 (649). 213

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besteht eine elektive Konkurrenz. Die Entscheidung für eines der Gestaltungsrechte kann sich im Nachhinein als nachteilig erweisen. Es stellt sich auch hier die Frage nach einem ius variandi des sekundären Gestaltungsrechts. Der Gesetzgeber der Schuldrechtsreform hat diesen Fall der voreiligen Wahl des Gläubigers ausdrücklich in den Gesetzesmaterialien behandelt. Er stellt auf den Gestaltungscharakter der Wahl ab und erklärt den Rücktritt gegenüber der Minderung für endgültig bindend.217 Auch hier zeigt sich das Dogma der Unwiderruflichkeit der Gestaltungserklärung. Die Argumentation, die auch einen Übergang zum kleinen Schadensersatz verwehrte, gilt hier genauso. Für das einmal erklärte Minderungsrecht verweist der Gesetzgeber ausdrücklich darauf, dass eine Angleichung an das Rücktrittsrecht als Gestaltungsrecht beabsichtigt ist.218 Das bedeutet, dass von der Minderungserklärung kein Wechsel zum Rücktritt möglich sein soll. Entgegen dieser klaren Prämisse des Gesetzgebers wird vereinzelt vertreten, dass beidseitig zwischen Rücktritt und Minderung ein Wechsel möglich sein soll.219 Die Unterscheidung zwischen dem Gestaltungsrecht als rechtsänderndem Akt und dem Anspruch als Forderungsrecht sei als Hilfsmittel für den Schuldnerschutz ungeeignet. Vielmehr müsse es einheitlich darauf ankommen, dass der Schuldner sich nicht schon auf den gewählten Rechtsbehelf eingerichtet habe. Das ius variandi sei also im Grundsatz zuzulassen und die Lösung für Ansprüche und Gestaltungsrechte stets in seiner Begrenzung zu suchen. ee) Stellungnahme Für diese Problemfälle der voreiligen Wahl des Gestaltungsrechts lassen sich argumentative Parallelen ziehen. Sie betreffen den Wortlaut und die Begründung des Gesetzes, die teleologischen Aspekte des Gläubigerschutzes sowie die Dogmatik der Rechte. Das wesentlichste Problem, das eine eindeutige Beantwortung der Frage nach dem ius variandi erschwert, ist das Fehlen eines Ansatzes im Gesetz. So kann lediglich § 325 BGB als methodische Stütze der Argumentation herangezogen werden, im Verhältnis zwischen dem Rücktritt und Schadensersatz unmittelbar, im Verhältnis zwischen Rücktritt und Minderung ent217

BT-Drs. 16/6040, S. 221. BT-Drs. 16/6040, S. 235. 219 Vgl. etwa: von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (495); wohl auch: Gsell, JZ 2004, 643 (649); ebenfalls: Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/ Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 411 (425), der allerdings davon später wieder abrückt: Derleder, NJW 2003, 998 (1002). 218

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sprechend220. § 325 BGB ist aber keineswegs geeignet, eindeutig die eine oder die andere Ansicht zu untermauern. Ob und wie der Gläubiger sich vom Rücktritt lösen kann, wird dort nicht geregelt.221 Richtigerweise hat § 325 BGB nur die vormalige elektive Konkurrenz zwischen dem Rücktritt und dem Schadensersatz ad acta gelegt. Den möglichen Übergang vom Rücktritt zum kleinen Schadensersatz kann man damit aber nicht begründen. Genauso gut schließt § 325 BGB auch nicht aus, dass der Rücktritt gegenüber dem kleinen Schadensersatz Bindungswirkung hat.222 Die Gesetzesunterlagen lassen den Schluss zu, dass man zumindest von einer endgültigen Bindung der Gestaltungsrechte Rücktritt und Minderung untereinander ausgeht.223 Ob dies freilich den Problemfall der voreiligen Wahl betrifft, darf bezweifelt werden, da sich der Gesetzgeber zur Begründung auf die Überlegungszeit des Gläubigers während der Nachfrist bezieht; diese gewährt ihm einen gewissen Schutz „vor sich selbst“, da er nicht im Affekt direkt nach der Leistungsstörung auf Sekundärrechte übergehen kann. Über die Möglichkeit einer fehlerhaften Wahl nach Ablauf der Nachfrist besagen die Unterlagen indes nichts.224 Dass die Gesetzesmaterialien zu diesem (schon zum alten Recht bekannten) Problem der voreiligen Gestaltungserklärung225 schweigen, kann genauso gut als Ablehnung einer Bindungswirkung wie als selbstverständliche Annahme einer Bindungswirkung gedeutet werden.226 Mangels eindeutiger gesetzlicher Vorgabe wird die Lösung in teleologischen und dogmatischen Überlegungen zu suchen sein. Dabei streiten die Zweckmäßigkeitserwägungen in beiden Fällen der voreiligen Wahl für ein ius variandi beim Gestaltungsrecht. Denn dieses soll als Sekundärrecht dem Gläubiger Schutz gewähren. Wenn er voreilig davon Gebrauch macht, kann dieser Zweck durch eine Bindung daran nicht gewährleistet werden. Insbesondere die Neukonzeption der Wandelung und der Minderung zum Gestaltungsrecht des Rücktritts bzw. der Minderung erweist sich so aus gesetzgeberischer Sicht als kontraproduktiv: Die vermeintlich gläubigerbegünstigende Umgestaltung des Anspruchs in ein einseitiges Gestaltungsrecht gegenüber dem vertragsbrüchigen Schuldner wird durch das Festhalten an 220 Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 411 (425). 221 Gsell, JZ 2004, 643 (648). 222 Anderer Ansicht: Derleder, NJW 2003, 998 (1001); Canaris, JZ 2001, 449 (514). 223 BT-Drs. 16/6040, S. 221 und S. 235. 224 BT-Drs. 16/6040, S. 221. 225 Siehe den Hinweis auf die „übereilte (falsche)“ Entscheidung: BT-Drs. 16/6040, S. 221. 226 Ähnlich: von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (494 Fn. 114).

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Kap. 5: Das Wahlrecht und die Lösung der elektiven Konkurrenz

der voreiligen Erklärung zum „Danaergeschenk“ des Gesetzgebers. Das zeigt sich mit nahezu zynischem Ausmaß in dem Fall, in dem der Schuldner sich auf die Bindungswirkung der Rücktrittserklärung beruft, zugleich aber die Erfüllung der Rückabwicklungsansprüche verweigert.227 Hier begeht der Schuldner nicht nur durch die Leistungsstörung einen Vertragsbruch, sondern beruft sich auch noch treuwidrig auf den Gestaltungscharakter des voreilig erklärten Rücktritts. Der Gläubigerschutz des Leistungsstörungsrechts wird dabei durch das Festhalten an der endgültigen Gestaltungswirkung konterkariert.228 Wie weit allerdings die Schutzwürdigkeit des Gläubigers reicht und ob dieser Fall des voreiligen Rücktritts nicht eine zweckmäßige, wenn auch aus Gläubigersicht harte Grenze des freien Wahlrechts aufzeigt, lässt sich mit den teleologischen Erwägungen nicht abschließend klären. Dies verdeutlichen auch die widerstreitenden Tendenzen in der Literatur, da sie für die eine wie die andere Seite gewichtige Argumente finden. Die Dogmatik der Rechtsbehelfe und die Parallelen zum alten Recht bieten eine konzeptionelle Lösung. Dabei ist der Grundannahme der jüngeren Literatur zum früherem Rücktritt auch nach der Schuldrechtsreform zu folgen: Die Unwiderruflichkeit des Gestaltungsrechts ist kein „unangreifbares Axiom“229. Sie hat dort ihre Berechtigung, wo der Übergang vom Erfüllungsstadium zum Abwicklungsstadium stattfindet und damit die Rechtssicherheit aller Beteiligten über das Schicksal des Primäranspruchs im Vordergrund steht. Sofern aber der Primäranspruch nicht wieder auflebt und damit die Schutzwürdigkeit des vertragsbrüchigen Schuldners der Flexibilität des vertragstreuen Gläubigers weichen muss, ist fragwürdig, ob man an der endgültigen Bindung der Gestaltungserklärung festhalten muss. Richtigerweise entscheidet damit nicht eine statische Betrachtung des Gestaltungsakts darüber, ob der Gläubiger sich endgültig bindet, sondern auch, ob die Gefahr eines dauerhaften Wechsels vom Erfüllungsstadium zum Abwicklungsstadium beseitigt ist. Man kann dazu Lesers Gedanken zum alten Schuldrecht aufgreifen.230 Danach konnte vom gesetzlichen Rücktritt auf den Schadensersatz wegen Nichterfüllung deshalb übergegangen werden, weil die Primärleistung kraft Gesetzes ausgeschlossen war, § 326 Abs. 1 S. 2 HS 2 BGB a. F. Der Wechsel zwischen Rücktritt und Schadensersatz war ein Wechsel zwischen modifizierenden Hilfsmitteln ein und desselben Abwicklungstatbestands. Sie hatten als Rechtsbehelfe ein Höchstmaß an 227 Westermann, in: Schulze/Schulte-Nölke, Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, S. 109 (127). 228 Im Ergebnis ebenso: Wertenbruch, JZ 2002, 862 (865), der deshalb für eine lediglich eingeschränkte Bindung an den Rücktritt eintritt. 229 Gsell, JZ 2004, 643 (649). 230 Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 273 f.

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dogmatischer und wirtschaftlicher „Ähnlichkeit“231: Beide waren im selben Tatbestand geregelt, gingen vom Untergang des Primäranspruchs aus und waren im Grundsatz darauf ausgerichtet, dass nicht am Leistungsaustausch festgehalten wurde232. Die Korrektur der gestaltenden Erklärung im heutigen Recht sollte sich ebenfalls an diesem Leitbild orientieren. Je größer also die „Ähnlichkeit“ der Abwicklungsbehelfe ist, umso austauschbarer sind sie. Diese Überlegungen sprechen letztlich dafür, einen Wechsel vom Rücktritt zur Minderung oder zum kleinen Schadensersatz nicht zuzulassen. Denn sowohl die Minderung als auch der kleine Schadensersatz gehen von einem Behaltendürfen der Leistung des Schuldners aus. Dies ist wiederum beim Rücktritt logisch völlig ausgeschlossen. Daher fehlt es in dieser Beziehung nach heutigem Schuldrecht an einer notwendigen „Ähnlichkeit“ der Rechtsbehelfe: Es würde damit faktisch zu einer Rückkehr des Primäranspruchs nach erklärtem Rücktritt führen, könnte man diesen zurücknehmen und auf die Minderung oder den kleinen Schadensersatz übergehen.233 Umgekehrt bedeutet die Minderung eben das Behaltendürfen der mangelhaften Sache und ähnelt daher in diesem Punkt keineswegs dem Rücktritt, der von einer Rückabwicklung der Leistungen ausgeht. Auch in diesem Verhältnis ist ein Wechsel dogmatisch nicht begründbar, selbst wenn man der liberalen Tendenz, die u. a. Leser vertritt, folgt. Allgemein kann man daher sagen: Die „Durchlässigkeit“ der Grenze zwischen Primärrechtsebene und sekundärer Gestaltungsrechtsebene ist ein Novum des neuen Schuldrechts. Den im Grundsatz richtigen Überlegungen, die ein ius variandi beim Gestaltungsrecht vor der Schuldrechtsreform anstreben, ist für die heutige Rechtslage nicht zu folgen, denn sie versagen mit Blick auf diese neue „Durchlässigkeit“. Es überwiegen die Vertrauensgesichtspunkte: Der Erklärungsempfänger einer Gestaltungserklärung muss sich darauf verlassen können, dass diese Bestand hat und der Gläubiger nicht zu seiner Primärforderung zurückkehren wird. Solange bei der möglichen Anerkennung eines ius variandi beim Gestaltungsrecht eine solche – wenn auch nur faktische – Rückkehr zum Primäranspruch nicht verhindert wird, ist von der endgültigen Bindungswirkung der Erklärung auch gegenüber anderen Sekundärrechten auszugehen.

231

von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (493). Siehe zur herrschenden eingeschränkten Differenztheorie bereits: Kapitel 4, S. 262 f. 233 MüKo/Ernst, § 325 Rn. 28; Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rn. 288 f. 232

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ff) Fazit: Die Bindung an das Gestaltungsrecht gegenüber anderen Sekundärrechten Ich fasse damit zusammen: Für und gegen ein ius variandi des Gestaltungsrechts gegenüber anderen Sekundärrechten lassen sich Argumente finden. Der Zweck der konkurrierenden Rechtsbehelfe spricht für ein ius variandi. Dagegen spricht eine traditionelle Dogmatik, die auch in Bezug auf die Problemfälle des neuen Schuldrechts, den Wechsel vom Rücktritt zum kleinen Schadensersatz und den Wechsel zwischen Rücktritt und Minderung, den jüngsten Tendenzen zur differenzierten Aufgabe der Unwiderruflichkeit Stand hält. Denn: So richtig die Annahme eines ius variandi zum Rücktritt nach altem Schuldrecht war, so wenig übertragbar ist diese Erkenntnis auf das neue Schuldrecht, da nunmehr nach Fristablauf die erneute Überschreitung der Grenze zwischen Abwicklungs- und Erfüllungsstadium nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. Trotz aller berechtigter Kritik in der Literatur vor und nach der Schuldrechtsreform: Es bleibt ohne eine klare Regelung offen, ob der Rücktritt als Gestaltungsrecht stets endgültige Bindungswirkung gegenüber damit unvereinbaren Formen der Schadensberechnung sowie gegenüber anderen Sekundärrechten entfaltet. Ob sich insbesondere die Rechtsprechung in diesem Punkt vom Dogma der Unwiderruflichkeit einer Gestaltungserklärung lösen wird, ist angesichts einer nahezu hundertjährigen Praxis zu bezweifeln.234 Solange es keine eindeutige Abkehr von dieser Vorstellung gibt, ist das Problem des voreilig erklärten Gestaltungsrechts existent. Der Satz Ulrich Hubers behält folglich auch nach der Schuldrechtsreform seine Gültigkeit: „Die Möglichkeiten, den Gläubiger vor seinen eigenen Fehlern zu schützen, sind [. . .] begrenzt.“235 5. Fazit: Die Bindung an die Gläubigerwahl in der elektiven Konkurrenz Ob der Gläubiger in den Fällen elektiver Konkurrenz an das Recht, welches er gewählt und gegenüber dem Schuldner geltend gemacht hat, gebunden ist, hängt davon ab, ob es sich um den Primäranspruch oder ein Sekundärrecht handelt. Innerhalb der Sekundärrechte ist zudem zu unter234

Selbst wenn ein ius variandi beim Gestaltungsrecht anerkannt würde, stellt sich die Frage, welche Grenzen dieses zu beachten hätte. Beim ius variandi tendiert die Rechtsprechung generell schon heute zu Recht zu einer restriktiven Praxis, wonach ein Wahlrecht stets erschöpft sei, wenn der Schuldner sich auf den Rechtsbehelf des Gläubigers eingestellt habe. Dazu sogleich: S. 442 ff. 235 Huber, Leistungsstörungen, Band II, S. 221.

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scheiden, ob es sich um einen Anspruch oder ein Gestaltungsrecht handelt und zu welchem alternativen Recht der Gläubiger nachträglich übergehen will. Die Wahl des Primäranspruchs bindet den Gläubiger nicht. Gleiches gilt für die Wahl des Sekundäranspruchs gegenüber anderen Sekundäransprüchen. Insofern gilt das Grundprinzip des ius variandi. In der Regel bindet auch die Wahl des Sekundäranspruchs gegenüber dem Primäranspruch nicht. Eine gesetzliche Ausnahme davon ist § 281 Abs. 4 BGB für den Schadensersatzanspruch statt der Leistung. Das Gestaltungsrecht bindet den Gläubiger gegenüber dem Primäranspruch unwiderruflich. Nach allgemeiner Auffassung wirkt die Gestaltungserklärung auch endgültig gegenüber alternativen Sekundäransprüchen, alternativen Formen der Schadensberechnung und anderen Gestaltungsrechten. Hiergegen sprechen teleologische Erwägungen. Es besteht eine frühere Tendenz in der Literatur, die das Dogma der Unwiderruflichkeit des Gestaltungsrechts daher aufgeben möchte. Die Neukonzeption der Primär- und Sekundärrechte durch die Schuldrechtsreform erlaubt jedoch keine nahtlose Fortführung dieses Ansatzes, der ein ius variandi beim Gestaltungsrecht anerkennen will. Der Erfolg dieser im Prinzip lobenswerten Tendenz ist überdies angesichts einer fehlenden gesetzlichen Fundierung im modernisierten Schuldrecht und einer langen höchstrichterlichen Rechtsprechungspraxis zweifelhaft.

V. Parallele zur Gläubigerwahl zwischen Leistungsgeboten: Bindung an die Wahl oder ius variandi? Ich ziehe im Folgenden eine Parallele zu den der elektiven Konkurrenz verwandten Fällen der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers. Dort hat der Gläubiger nicht die Wahl zwischen alternativen Rechten, sondern zwischen alternativen Leistungsgeboten. Dieses Wahlrecht ist per se nicht unwiderruflich. Die Eignung des Wahlrechts in der Wahlschuld als ius variandi wird jedoch nach allgemeiner Auffassung wegen des Gestaltungscharakters der Wahl verneint. Richtigerweise ist dadurch nicht ausgeschlossen, dass in besonderen Konstellationen aus Zweckmäßigkeitserwägungen ein ius variandi anzunehmen sein wird, wie der Fall alternativer Nacherfüllungsvarianten gemäß § 439 Abs. 1 BGB zeigt.

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1. Die Bindung an die Wahl in der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht aa) Grundsatz: Die Bindung an die Wahl nach § 263 Abs. 1 BGB Nach allgemeiner Auffassung ist der Gläubiger, der eines der alternativen Leistungsgebote der Wahlschuld auswählt, an diese Wahl grundsätzlich unwiderruflich gebunden. Dies folge aus dem Charakter als Gestaltungsrecht.236 Der Gläubiger macht von diesem Wahlrecht ohne Rücksicht auf den Schuldnerwillen durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung Gebrauch. Die Erklärung wird nach Maßgabe der §§ 130 ff. BGB wirksam. Ihr Widerruf ist somit grundsätzlich bis zum Zugang der Willenserklärung beim Schuldner möglich, vgl. § 130 Abs. 1 S. 2 BGB. Danach, so die ganz herrschende Auffassung, sei das Wahlrecht „verbraucht“.237 Ein ius variandi besteht demnach nicht. Beispiel: Der Käufer erwirbt einen Kühlschrank, den er sich im Geschäft des Verkäufers aus zwei Modellen aussuchen kann. Er entscheidet sich für das Modell a und vereinbart mit dem Verkäufer die Lieferung des Geräts am nächsten Tag. Zu Hause angekommen, stellt der Käufer bei einer Internetrecherche fest, dass das Modell b deutlich bessere Bewertungen eines Warentests erhalten hat. Er ruft den Verkäufer sofort an und ändert seine Wahl: Dieser solle ihm doch das Modell b liefern. Der Verkäufer weigert sich, da für das Modell b mittlerweile ein Interessent einen höheren Preis bietet. Hier greift die Regelung des § 263 Abs. 1 BGB. Der Kunde hat mit seiner Wahl im Geschäft des Verkäufers ein Gestaltungsrecht ausgeübt. Die Möglichkeit zur Entscheidung zwischen den alternativen Kühlschränken ist damit erschöpft. Dies erscheint auch interessengerecht, denn der Verkäufer beansprucht nach der Wahl des Käufers die Dispositionsfreiheit über das ursprünglich nicht gewählte Modell b. Ihm würde die Möglichkeit zur Veräußerung dieses Modells an einen Dritten genommen, gewährte man dem Käufer bis zur Erfüllung ein ius variandi. bb) Ausnahmen: Keine Bindung an die Wahl nach § 263 Abs. 1 BGB Nach Ansicht von Weitnauer liegt der „entscheidende Punkt“, in dem sich die elektive Konkurrenz und die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht unterscheiden, darin, dass „bei ersterer der Gläubiger [. . .] die von ihm ge236 MüKo/Ernst, § 263 Rn. 1; BeckOK/Unberath, § 263 Rn. 1; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 267; Staudinger/Bittner, § 263 Rn. 2. 237 BeckOK/Unberath, § 263 Rn. 2.

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troffene und erklärte Wahlentscheidung bis zu einem bestimmten [. . .] Zeitpunkt noch ändern kann, also in dem sogenannten ius variandi“238. Schon mit Blick auf die genannten Fälle elektiver Konkurrenz, in denen der Gläubiger vom einmal erklärten Gestaltungsrecht nicht zu seinem Primäranspruch übergehen kann, ist diese These nicht haltbar: Es gibt nämlich durchaus Fälle elektiver Konkurrenz, die kein ius variandi aufweisen. Aber auch wenn man die Fälle der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht betrachtet, ist diese These unrichtig. Denn: Ein ius variandi kann – umgekehrt – bei Fällen der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht vorkommen. Dies ist möglich, weil die gesetzlichen Regelungen zur Wahlschuld dispositiv sind und es den Parteien obliegt, die Bindungswirkung der Wahl selbst zu definieren.239 Sie können daher bestimmen, dass die einmalige Ausübung des Wahlrechts entgegen der allgemein anerkannten Lesart des § 263 Abs. 1 BGB keine endgültige Bindungswirkung entfaltet.240 Beispielsweise vereinbaren die Parteien des obigen Kaufvertrags, dass der Käufer einen der beiden Kühlschränke im Sortiment des Verkäufers auswählen soll, ihm aber die Möglichkeit vorbehalten ist, seine Wahl bis zum Liefertermin zu korrigieren. Dies kann im genannten Beispiel sinnvoll sein, weil der Käufer zwar das Modell a favorisiert, aber die Bewertungen des Warentests im Internet noch durchsehen will. Dann beendet zwar die Wahlerklärung des Käufers im Geschäft des Verkäufers zunächst das Wahlrecht der Wahlschuld. Diese Wahl wirkt aber vereinbarungsgemäß nicht endgültig. Dogmatisch handelt es sich dabei um die Vereinbarung eines ius variandi. Allerdings kann aus der bestimmten Schuld keineswegs wieder eine unbestimmte Schuld werden. Daher ist die Möglichkeit für den Gläubiger, seine einmalige Wahl zu widerrufen, verbunden mit der Maßgabe, dass er sogleich eine Alternative zum Leistungsinhalt bestimmt. Der Gläubiger kann also das gewählte Leistungsgebot auswechseln, nicht aber zum Zustand zurückkehren, in dem noch keines der Leistungsgebote ausgewählt ist und das Schuldverhältnis sich in der Schwebe befindet. Daher wird mit der Vereinbarung eines ius variandi zugleich die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht in eine Ersetzungsbefugnis des Gläubigers umgewandelt.241 Das 238

Weitnauer, Festschrift für Hefermehl, S. 467 (471). So schon das Reichsgericht: RGZ 132, 9, 14; 136, 127, 130. 240 Dies kommt praktisch regelmäßig vor, da sich die Regelungen der §§ 262 ff. BGB als nicht interessengerecht für die praktischen Fälle der Wahlschuld erwiesen haben. Dazu bereits: Kapitel 1, S. 68 ff. 241 RGZ 136, 127, 130; MüKo/Krüger, § 263 Rn. 5; BeckOK/Unberath, § 263 Rn. 2; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 267, der zudem darauf hinweist, dass die nach der Wahl getroffene Vereinbarung, diese solle keine Folgen haben, ein erneuter (Änderungs-)Vertrag nach § 311 Abs. 1 Var. 2 BGB ist. So kann die Ersetzungsbefugnis auch wieder zur Wahlschuld werden. 239

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gewählte Leistungsgebot (Modell a) bleibt Inhalt der Schuld und damit erfüllbar; der Gläubiger ist durch das ius variandi befugt, diesen Leistungsinhalt bis zur Leistung durch die Alternative (Modell b) zu ersetzen. Die Wahl in der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht ist ein Gestaltungsrecht. Sie wird daher von der herrschenden Auffassung in allen Fällen, in denen eine abweichende Einigung der Parteien fehlt, als unwiderruflich angesehen. Den Teilen der Literatur folgend, die zum früheren und zum heutigen Schuldrecht im Kontext der elektiven Konkurrenz Bedenken gegen das Dogma der Unwiderruflichkeit von Gestaltungserklärungen äußern, muss diese strikte Haltung auch im Rahmen der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht überdacht werden. Dabei ist die endgültige Bindungswirkung eines Gestaltungsrechts keineswegs eine „denkgesetzliche Notwendigkeit“242, wie schon Leser zum Rücktritt herausgearbeitet hat. Vielmehr kennt das Gesetz auch Abweichungen von der Endgültigkeit der Gestaltungswirkung. Das beweist etwa § 218 BGB für den Rücktritt.243 Die tradierte Vorstellung, dass, wenn das Gesetz ein Gestaltungsrecht vorsehe, dessen Erklärung den Gläubiger schon aus rechtstechnischen Gründen endgültig binde, überzeugt jedenfalls für sich nicht. Auf die Wahlschuld, die schon in den Hochzeiten der Begriffsjurisprudenz im Zentrum dogmatischer Überlegungen stand und deren Gehalt und folgerichtig die Abgrenzung zur elektiven Konkurrenz bzw. Ersetzungsbefugnis erst heute umfänglich erfassbar ist, sind traditionelle Dogmen ohnehin mit einer gewissen Vorsicht anzuwenden.244 Das bezeugt unter anderem das Lehrbuch von Hugo Kreß, das zwischen „echten“ und „unechten“ Wahlschulden unterscheidet.245 Erstere Kategorie sei die typische Wahlschuld im Leitbild nach §§ 262 ff. BGB, bei der die Wahl unwiderruflich binde. Letztere weiche davon ab und gewähre dem Gläubiger ein ius variandi. Diese Kategorie wiederum könne sowohl durch Vertrag als auch durch Gesetz begründet werden.246 Kreß’ Ausführungen, wenn auch in Details heute überholt,247 richten sich in erster Linie gegen die fehlerhafte Annahme, dass schon in den Beratungen zum BGB zum Dogma der Bindungswirkung des Gestaltungsrechts nach § 263 BGB keine Alternative gesehen wurde. Wie sich zeigt, hat der Gesetzgeber in der Tat 242

Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 228. Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (315). 244 Insofern sei u. a. noch einmal auf die historische Herleitung verwiesen: Kapitel 1, S. 57 ff. 245 Kreß, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, S. 255. 246 Kreß, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, S. 255 Fn. 32. 247 Er belegt die „unechte Wahlschuld“ mit dem Alternativverhältnis zwischen Mängelgewährleistungsrechten. Dabei handelt es sich nach heute herrschender Auffassung um die Konkurrenz von Rechten, also um Fälle elektiver Konkurrenz, nicht um Wahlschulden: Kreß, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, S. 256. 243

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erste Ansätze, die Bindungswirkung der Wahl im Gesetz ausdrücklich festzuschreiben,248 verworfen, da man diese als selbstverständlich ansah.249 Der Unwiderruflichkeit wurde letztlich aber wegen der Klarheit und der Vereinfachung des Schuldverhältnisses der Vorzug gegenüber einem ius variandi eingeräumt,250 jedoch nicht, wie die Diskussionen in der Ersten Kommission beweisen,251 weil das ius variandi undenkbar sei. Diesen Gedanken greift Kreß auf und zieht daraus folgerichtig den Schluss, dass entgegen der Grundregel des § 263 Abs. 1 BGB nach dem Willen der Parteien „oder (bei gesetzlichen Wahlschulden) des Gesetzes“252 ein ius variandi in einer Wahlschuld vorkommen kann. Dies muss umso mehr gelten, als die Praxis die Wahlschuldregeln insgesamt als nicht interessengerecht erscheinen lässt und vom Grundprinzip einer Schuldnerwahl regelmäßig zugunsten der Gläubigerwahl abweicht.253 Ein ius variandi ist demnach auch ohne Parteivereinbarung bei gesetzlichen Wahlschulden möglich. Entscheidend ist, welchem Zweck die gesetzliche Wahlschuld dient und ob eine Abweichung von der Bindungsregel, die die herrschende Auffassung und der historische Gesetzgeber annehmen, gerechtfertigt ist. Ich verdeutliche dies am bereits ausführlich behandelten Fall der Wahl zwischen den Nacherfüllungsvarianten gemäß § 439 Abs. 1 BGB.254 cc) Beispiel: Die Wahl zwischen den Nacherfüllungsvarianten nach § 439 Abs. 1 BGB Die Alternative zwischen den Nacherfüllungsvarianten nach § 439 Abs. 1 BGB ist eine gesetzliche Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht.255 Danach 248

Dazu auch: Kapitel 1, S. 67. Nachweise der Entwürfe der Ersten und Zweiten Kommission bei: Jakobs/Schubert, § 263 A, S. 148 und C S. 152. 249 So die Zweite Kommission: „versteht es sich [. . .] von selbst, dass die eingetretene Rechtwirkung nicht durch eine gegentheilige Erklärung aufgehoben werden kann“: Jakobs/Schubert, § 263 C S. 153. 250 Beschluss der Zweiten Kommission, siehe: Jakobs/Schubert, § 263 A, S. 150. 251 Siehe die Anträge Windscheids und Kurlbaums: Jakobs/Schubert, § 263 A, S. 148/149; sowie die Aufbereitung der Unterlagen bei: Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (313/314). 252 Kreß, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, S. 255. 253 Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (314/315). Dazu bereits: S. 68 ff. 254 Kapitel 4, S. 171 ff. 255 Streitig; wie hier u. a.: Büdenbender, AcP 205 (2005), 386 (428); ders., Anwaltkommentar, § 439 Rn. 13; Schellhammer, MDR 2002, 301 (301); Jauernig/Berger, § 439 Rn. 9; Gursky, Schuldrecht Besonderer Teil, S. 22; Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (309); BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 11. Anderer Ansicht: Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 436; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuld-

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kann der Käufer, der eine mangelhafte Kaufsache erhalten hat, zwischen den Optionen Nachbesserung und Ersatzlieferung wählen. Beispiel: Der Käufer eines edlen Gartentors stellt nach der Lieferung fest, dass dieses Kratzer aufweist. Er kann sich daher im Rahmen des Möglichen und für den Verkäufer gemäß § 439 Abs. 3 BGB Zumutbaren entscheiden, ob er das gesamte Tor auswechseln oder die Kratzer durch eine Reparatur (in Form einer Nachlackierung) des Tors beseitigen lässt. Auch in diesem Zusammenhang findet man die Problematik einer übereilten Gläubigerwahl. So ändert beispielsweise der Käufer, nachdem er die Reparatur gewählt hat, seine Meinung dahingehend, dass er für den erheblichen Kaufpreis doch ein „neues Tor“ und nicht ein repariertes Tor erwarten dürfte. Daher fordert er vom Verkäufer, bevor dieser die Nachlackierung vornehmen kann, nun Lieferung eines Ersatztors. Der Verkäufer weigert sich. Er ist der Meinung, der Käufer sei an die Wahl der Nachbesserung gebunden und könne nicht nachträglich Nachlieferung verlangen. Da es sich um eine Wahlschuld handelt, übt der Käufer durch seine Wahl ein Gestaltungsrecht aus, § 263 Abs. 1 BGB. Dieses wirkt gemäß § 263 Abs. 2 BGB so, als sei von Anfang an Nachbesserung geschuldet. Der herrschenden Doktrin zum Gestaltungsrecht nach § 263 BGB folgend, ist der Käufer an diese Wahl endgültig gebunden. Das bedeutet, ein nachträglicher erklärter Wille, Ersatzlieferung zu erhalten, ist irrelevant; der Verkäufer kann den Nacherfüllungsanspruch durch Reparatur erfüllen. Gegen dieses Ergebnis bestehen, wie ich schon ausgeführt habe, erhebliche Bedenken.256 Insbesondere widerspricht dies dem Leitmotiv des Käuferschutzes, welches die Neuordnung der Sachmängelgewährleistungsrechte bestimmt. Das gilt umso mehr, wenn der Käufer im Beispiel ein Verbraucher und der Verkäufer ein Unternehmer ist, da dann die Vorgaben des europäischen Verbraucherschutzes zu beachten sind. Daher sieht Gsell in der Wahl nach § 439 Abs. 1 BGB einen Fall einer gesetzlichen Wahlschuld mit ius variandi.257 Der besondere Zweck der Norm als eindeutig käuferbegünstigende Wahlmöglichkeit gebiete es, vom Dogma der Unwiderruflichkeit eine Ausnahme zu machen. Dabei ändere dies nichts am Charakter der Wahl als Gestaltungsrecht. Vielmehr verdiene der Erklärungsgegner, der Verkäufer, hier keinen besonderen Schutz, denn er selbst hat mit dem Ververhältnisse, S. 90; Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, 2016 (2017); MüKo/Westermann, § 439 Rn. 4; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 Rn. 7; BeckOK/Faust, § 439 Rn. 9; Palandt/Weidenkaff, § 439 Rn. 5; Spickhoff, BB 2003, 589 (594); Canaris, Karlsruher Forum 2002, S. 5 (75); Jacobs in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, 371 (375); Skamel, ZGS 2006, 457 (458). 256 Dazu und zum Folgenden: Kapitel 4, S. 181 ff. 257 Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (315 ff.).

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tragsbruch erst die Leistungsstörung hervorgerufen und damit – umgekehrt – den gesetzlichen Schutz des Käufers provoziert. Damit fehle es am Sinn und Zweck einer endgültigen Bindungswirkung des Gestaltungsrechts. Vielmehr muss andersherum der besondere Schutzgedanke zugunsten des Erklärenden zweckmäßigerweise die Möglichkeit zur Korrektur der Wahlentscheidung geben. Dem schließe ich mich an. Die Argumentation löst überzeugend das Problem, dass die Anwendung des § 263 BGB auf den Fall der Nacherfüllung hervorruft. Gsell orientiert sich dabei keineswegs allein an Zweckmäßigkeitserwägungen, deren Reichweite auch angesichts der Übererfüllung der europäischen Vorgaben nicht unumstritten ist.258 Sie misst aber der Zweckmäßigkeit die Bedeutung bei, die bereits an anderer Stelle – maßgeblich zur Frage der Bindungswirkung eines Rücktritts – die Kritik am Dogma der Unwiderruflichkeit der Gestaltungsrechte bestimmt hat.259 Es handelt sich bei der Wahl der Nacherfüllungsvarianten zum einen um eine Alternative zwischen Optionen auf der Ebene des modifizierten Primäranspruchs. Damit steht ein Wechsel zwischen Primär- und Sekundärebene nicht in Rede und die dahingehende Begründung der Bindungswirkung, so etwa beim Verhältnis zwischen Rücktritt und Primäranspruch, greift nicht. Darüber hinaus aber ist das modernisierte Gewährleistungsrecht und maßgeblich auch § 439 Abs. 1 BGB derart dominant vom Gedanken der einseitigen Interessenswahrung des Käufers geprägt, dass man die Bindungswirkung des § 263 Abs. 1 BGB nicht nur als diesem Telos unpassend, sondern gar als völlig entgegengesetzt betrachten muss. Daher ist von einer endgültigen Bindungswirkung der einmaligen Wahl der Nacherfüllungsvariante abzusehen. Richtigerweise handelt es sich um einen Fall eines ius variandi. Dogmatisch lässt sich dieses Ergebnis dadurch rechtfertigen, dass weder am Status der Wahl des Gläubigers als Gestaltungsrecht nach § 263 Abs. 1 BGB noch an der Rückwirkung nach § 263 Abs. 2 BGB etwas geändert wird. Vielmehr wird die rückwirkende Konzentration auf die gewählte Leistung mit gleichzeitiger Rückwirkung wieder beseitigt.260 Richtigerweise ist damit kein völlig freies Hin- und Herwechsel zwischen den Nacherfüllungsvarianten möglich. Begrenzt wird das ius variandi des Käufers schon auf tatbestandlicher Ebene durch §§ 275, 439 Abs. 3 BGB, da der Verkäufer nur die Form der Nacherfüllung zu erbringen hat, die ihm möglich und zumutbar ist. Eine Limitierung der Wechselmöglichkeit finden wir darüber hi258 Eine Berufung auf die Gedanken der Verbraucherschutzrichtlinie wäre zum Beispiel nicht möglich, wenn beide Parteien Unternehmer oder beide Parteien Verbraucher wären. 259 Dazu und zum Folgenden bereits: S. 420 ff. 260 Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (316).

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naus auch in den allgemeinen Schranken des ius variandi, auf die ich am Ende noch eingehen werde. Insbesondere darf die Ausübung des ius variandi dabei nicht gegen Treu und Glauben verstoßen.261 Im obigen Fall soll der Käufer daher ein ius variandi haben und von der Nachbesserung zur Nachlieferung wechseln können. Das wird aber dann nicht mehr möglich sein, wenn sich der Verkäufer beispielsweise auf die Nachlackierung des Gartentors durch den Erwerb entsprechender hochwertiger Materialien eingestellt hat. 2. Die Bindung an die Wahl der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers Eine Ersetzungsbefugnis des Gläubigers ist ein unselbständiges Gestaltungsrecht, dessen Ausübung ein bestimmtes Leistungsgebot durch ein ebenso bestimmtes anderes ersetzt.262 Das Recht zur Umgestaltung der Schuld steht dabei dem Gläubiger zu. Dieser übt seine Befugnis durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Schuldner aus, deren Wirksamkeit sich – wie auch bei der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht – nach den §§ 130 ff. BGB richtet. Ungeachtet des inhaltlichen Unterschieds zur Wahlschuld – der Staffelung der Leistungsgebote und der Bestimmtheit der Schuld – folgt die Bewertung des Gestaltungsrechts grundsätzlich denselben Regeln wie jedes Gestaltungsrecht. Ob damit das Dogma der Unwiderruflichkeit der Erklärung auch für die Ersetzungsbefugnis gilt, wird uneinheitlich gesehen. Dabei stehen sich Vertreter der endgültigen Bindungswirkung263 und solche eines ius variandi264 gegenüber. Richtigerweise wird man wohl von der allgemein durchgesetzen Vorstellung, dass Gestaltungssrechte grundsätzlich Bindungswirkung haben, auch im Rahmen der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers ausgehen müssen. Im Einzelfall265 kann aber die Bindungswirkung entfallen. Eine Anwendung von § 263 Abs. 1 BGB ist nicht möglich, denn es besteht keine Ähnlichkeit266 zwischen Wahlschuld und Ersetzungsbefugnis. Da für die facultas alternativa eine allgemeine gesetzliche Regelung wie 261 Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (317). Beachte auch im Folgenden: S. 442 ff. 262 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 663. 263 MüKo/Krüger, § 263 Rn. 10; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 668, jeweils mit weiteren Nachweisen. 264 Etwa: Leonhard, Allgemeines Schuldrecht des BGB, S. 135. 265 So auch: RGRK/Alff (11. Auflage 1970), § 263 Rn. 7. 266 Anderer Ansicht: MüKo/Krüger, § 263 Rn. 10.

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§ 263 Abs. 1 BGB fehlt, muss man vielmehr die Bindungsfrage an Sinn und Zweck ausgerichtet beantworten. Dabei weise ich auf den grundsätzlichen Unterschied zwischen der Ersetzungsbefugnis des Schuldners und der des Gläubigers hin. Bei Ersterer entfaltet die Erklärung des Schuldners keine Bindungswirkung und die endgültige Änderung der Schuld tritt erst mit Erfüllung bzw. Annahmeverzug ein.267 Damit soll verhindert werden, dass der Gläubiger in die Ankündigung der Ersatzleistung zu viele Hoffnungen setzen darf. Er kann sich erst auf den geänderten Schuldnerwillen verlassen, wenn dieser ihn in die Tat umsetzt. Folgerichtig besteht also bei der Ausübung einer Ersetzungsbefugnis durch den Schuldner ein ius variandi, bis es zum Erfüllungsversuch kommt. Gerade daraus erschließt sich, dass die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers e contrario grundsätzlich bindende Wirkung hat. Denn im Gegensatz zum Gläubiger muss der Schuldner sich hier auf die Erklärung verlassen können. Der Schuldner stellt sich darauf ein, dass fortan die Ersatzleistung geschuldet ist und trifft unter Umständen diesbezügliche Vorkehrungen. Sein Dispositionsinteresse ist nur gewahrt, wenn der Gläubiger grundsätzlich an die Ersetzungsbefugnis gebunden ist. So verhält es sich zum Beispiel, wenn das nach § 843 Abs. 1 BGB rentenzahlungsberechtigte Unfallopfer vom Schädiger eine angemessene Kapitalabfindung nach § 843 Abs. 3 BGB fordert. Nimmt der Schädiger deswegen einen Privatkredit auf, ist es nicht gerechtfertigt, dem Gläubiger die Rücknahme seiner Ersetzungsbefugnis zu gestatten und doch eine Rente zu gewähren. Der Gläubiger ist an seine Ersetzungsbefugnis gebunden und hat kein ius variandi. Freilich können die Parteien der einfachen Schuld mit Ersetzungsbefugnis ein ius variandi vereinbaren.268 Genauso kann sich das ius variandi in Fällen gesetzlicher Ersetzungsbefugnis des Gläubigers aus Zweckmäßigkeitserwägungen ergeben. In derartigen Fällen lebt mit dem Widerruf der Gestaltungserklärung dann die Schuld mit dem ursprünglichen Inhalt wieder auf.269 3. Fazit: Die Bindung an die Gläubigerwahl zwischen Leistungsgeboten Da es sich beim Gläubigerwahlrecht zwischen alternativen Leistungsgeboten um ein Gestaltungsrecht handelt, ist grundsätzlich von einer endgültigen Bindung an die Wahl auszugehen. Dies gilt für die Fälle der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht, die mit § 263 Abs. 1 BGB eine gesetzliche 267 268 269

Dazu bereits: S. 345 ff. So auch: OLG Celle, NJW 1949, 223, 223. Wohl auch: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 668.

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Regelung haben, ebenso wie für die Fälle der einfachen Schuld mit Ersetzungsbefugnis des Gläubigers, deren Bindung sich allein aus teleologischen Gründen ergibt. Die Parteien können in beiden Fällen ein ius variandi vereinbaren. Es ist zudem denkbar, dass bestimmte Fälle nach Sinn und Zweck ein ius variandi erfordern. Dies wird hier für die Wahlschuld der Nacherfüllungsvarianten nach § 439 Abs. 1 BGB vertreten.

VI. Die Schranken des ius variandi Liegt ein ius variandi vor, endet das Wahlrecht des Gläubigers nicht dadurch, dass der Gläubiger einmalig davon Gebrauch macht. Es ist möglich, die Wahl zurückzunehmen und zugunsten einer Alternative zu korrigieren. Welche Reichweite das ius variandi hat, bestimmen seine Schranken. Dabei gelten zunächst die absoluten Grenzen des Wahlrechts. Darüber hinaus endet das ius variandi in der Regel durch ein rechtskräftiges Urteil. Schließlich muss der Gläubiger in der freien Betätigung seines ius variandi die Schranken von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB einhalten. 1. Die absoluten Grenzen des ius variandi Das Wahlrecht des Gläubigers in den Fällen der Wahlschuld, Ersetzungsbefugnis und elektiven Konkurrenz kennt, wie ich bereits ausgeführt habe,270 absolute Grenzen. Dies sind Erfüllung, Unmöglichkeit, Verjährung, Zeitablauf bzw. Verwirkung sowie vertragliche Einigung. Das Wahlrecht des Gläubigers endet unwiderruflich, wenn diese Grenze erreicht ist. Damit erledigt sich auch das ius variandi. Die absolute Grenzziehung des Wahlrechts ist hier freilich gegenüber der Situation vor einer erstmaligen Wahlentscheidung des Gläubigers „näher gerückt“. Das gilt in zeitlicher Hinsicht, wenn man bedenkt, dass Verwirkung, Verjährung und sonstiger Zeitablauf für bestimmte Rechte den Gläubiger zu einem zeitorientierten Handeln zwingen. Das gilt aber in erster Linie für den Akt der Wahl selbst. Wenn der Gläubiger diese bereits einmal getroffen hat, gerät er in einen „Wettlauf mit der Zeit und dem Schuldner“. Denn zum einen ist es dem Schuldner durch die Gläubigerentscheidung für ein Recht bzw. für eine Leistungsoption möglich, in allen Fällen durch die geforderte Leistung Erfüllung herbeizuführen. Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen die Wahlentscheidung materielle Voraussetzung für die Erfüllbarkeit einer oder aller Optionen ist, also verhaltene Ansprüche in der elektiven Konkurrenz, die Leistungsgebote der Wahlschuld und die Ersatzleistung in einer Ersetzungsbefugnis. Zum zweiten verengt sich mit der erstmaligen Wahl des 270

Eingehend dazu: S. 382 ff.

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Gläubigers die schuldrechtliche Beziehung auf das ausgesuchte Recht bzw. das Leistungsgebot. Tritt diesbezüglich ein Umstand ein, der zur Unmöglichkeit und damit zum Ausschluss der Leistungspflicht des Schuldners nach § 275 BGB führt, ist dem Gläubiger der „Rückweg“ zur erneuten Wahl über das ius variandi in der Regel versperrt. Er muss sich dann an die sekundären Rechtsbehelfe halten, die aus der Unmöglichkeit der gewählten Option folgen. Eine Ausnahme bildet insoweit § 265 BGB für die Wahlschuld, auf den ich schon im Kontext der absoluten Grenzen des Wahlrechts hingewiesen habe. 2. Das rechtskräftige Urteil über das Gewählte Das rechtskräftige Urteil beendet – mit Ausnahme der Wahl des Primäranspruchs – als besondere Schranke endgültig das Wahlrecht des Gläubigers und das damit verbundene ius variandi. Die Kraft des Urteilsspruchs gibt dem Schuldner die Verpflichtung zur Erfüllung der Option auf, die Gegenstand der Klage ist. Der prozessuale Anspruch des Gläubigers erlangt damit formelle und materielle Rechtskraft.271 Die gewählte Option des Gläubigers wird rechtskräftig und die konkurrierenden Optionen können in einem späteren Gerichtsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden.272 Dies gilt zunächst für alle Fälle der elektiven Konkurrenz mit Ausnahme der Wahl des Primäranspruchs. Ergeht ein rechtskräftiges Urteil über einen Sekundäranspruch oder die Folgeansprüche eines Gestaltungsrechts, ist der Gläubiger an diese endgültig gebunden. Das ius variandi, sofern es bestand, erlischt damit, da sich der Schuldner endgültig darauf einstellen und die drohende Vollstreckung erwarten muss.273 Ihm ist daher nicht mehr zuzumuten, dass der Gläubiger nach dem Urteil zu alternativen Rechten wechselt. Anders verhält es sich mit dem primären Erfüllungsanspruch. Wie gezeigt, ist dort die Geltendmachung des Anspruchs keine materiellrechtliche Voraussetzung, sondern die ureigenste Befugnis des Rechtsinhabers, von der Ausübungsfreiheit seines subjektiven Forderungsrechts Gebrauch zu machen. Er verlangt also vom Schuldner nur das, wozu der Schuldner sich ohnehin verpflichtet sieht. Da die alternativen Sekundärrechte gerade dem Zweck dienen, die ausbleibende Befriedigung dieses Gläubigerinteresses 271

Zur Unterscheidung: Musielak, Grundkurs ZPO, S. 341 Rn. 560/561. So die heute herrschende prozessuale Rechtskrafttheorie: BGH, NJW 1985, 2535, 2535; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 150 Rn. 5/6. 273 Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 281. Anderer Ansatz von: Erman, JZ 1960, 41 (45), der zugunsten des schutzwürdigen Gläubigers das ius variandi seiner Leistungsstörungsrechtsbehelfe auch nach einem rechtskräftigen Urteil noch weitestgehend zulassen möchte. Allein die Erfüllung durch den Schuldner sei absolute Grenze des freien Wahlrechts auf Gläubigerseite. 272

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Kap. 5: Das Wahlrecht und die Lösung der elektiven Konkurrenz

auszugleichen, kann der Gläubiger auch nach einem rechtskräftigen Urteil über seinen Primäranspruch auf die Sekundärrechtsbehelfe übergehen. Das ius variandi des Primäranspruchs wird also durch ein rechtskräftiges Urteil nicht beendet.274 Erwirkt der wahlberechtigte Gläubiger einer Wahlschuld ein rechtskräftiges Urteil bezüglich seines Anspruchs auf ein konkretes Leistungsgebot, ist es nicht mehr möglich, die alternativen Leistungsgebote zu wählen: Das Wahlrecht erlischt dann ultimativ durch die Rechtskraft des Urteils.275 Haben sich die Parteien zuvor auf ein ius variandi geeinigt oder ergibt sich dies aus besonderen Umständen, erledigt sich das gleichfalls mit dem Urteil. Gleiches gilt, wenn der Gläubiger einer einfachen Schuld mit Ersetzungsbefugnis sich entweder für die Primärleistung oder die Eventualleistung entscheidet und ein rechtskräftiges Urteil erlangt: Er kann dann endgültig nicht mehr von seiner Wahl Gebrauch machen. Keine Grenze des Wahlrechts stellt hingegen die bloße Rechtshängigkeit der Klage des Gläubigers dar. Bis zur Rechtskraft des Urteils kann der Gläubiger von seinem ius variandi Gebrauch machen,276 was auch eine Korrektur der Wahlentscheidung erst in zweiter Instanz nicht ausschließt.277 Der Gläubiger muss dann lediglich die Klage umstellen. 3. Das Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB Beschränkt wird das ius variandi durch den Grundsatz von Treu und Glauben, der in § 242 BGB verankert ist. Der Gläubiger, der durch die Möglichkeit, von seinen Optionen eine auszuwählen und diese Auswahl wieder aufzuheben, eine sehr starke Position gegenüber dem Schuldner hat, darf von diesem Recht nicht in treuwidriger Weise Gebrauch machen. Die Anwendung des Gebots von Treu und Glauben veranlasst zwei grundsätzliche Überlegungen. Zum einen gilt das Gebot, sich nicht treuwidrig zu verhalten, selbstverständlich nicht nur für den wahlberechtigten Gläubiger, sondern auch für den Schuldner. Hier greife ich einen Gedanken der Literatur zum gleichgelagerten Problem der Bindung an die Vertragsaufhebung im CISG auf: Die grundsätzliche Bindung des Käufers an die von ihm erklärte Vertragsaufhebung gegenüber einer Minderung soll beispielsweise nicht greifen, wenn der Verkäufer sich auf dieses Dogma beruft, aber 274

Siehe: RGZ 102, 262, 264. So schon: Kreß, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, S. 255. 276 RGZ 85, 280, 282; 109, 184, 186; aus jüngster Zeit: BGH, NJW 2006, 1198 ff. 277 So für den Rücktritt in der Berufungsinstanz nach vorherigem Schadensersatzverlangen: RG, Warn. Rspr. 1919, 145, 148. 275

C. Die Grenzen des Wahlrechts und das ius variandi

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gleichzeitig die Durchführung der Vertragsaufhebung verweigert.278 Treu und Glauben ist also Maßstab für das Handeln beider Parteien. Des Weiteren lassen sich keine allgemein gültigen Kriterien für die Einhaltung des Gebots nach § 242 BGB finden. Zwar gibt es bestimmte Kategorien treuwidrigen Verhaltens, an denen sich Lehre und Praxis orientieren. So hat der Gläubiger bei der Frage nach seinem ius variandi insbesondere das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens – eine Ausprägung von § 242 BGB – zu beachten.279 Ein abstrakter Maßstab für eben dieses Verbot des venire contra factum proprium ist jedoch schwer zu formulieren: Ab wann ist es aus Sicht des Schuldners treuwidrig, wenn der Gläubiger von seiner Wahl abrückt, eine Alternative wählt und sich so in Widerspruch zu seinem früheren Verhalten setzt? In Betracht kämen für die Frage des ius variandi drei Kriterien: der zeitliche, der quantitative und der qualitative Maßstab. a) Zeitlicher und quantitativer Maßstab Die Korrektur einer Wahlentscheidung im Rahmen des ius variandi muss in zeitlicher Hinsicht beschränkt sein. Dies bedeutet insbesondere, dass der Gläubiger die Wahlentscheidung bzw. Änderung dieser Entscheidung nicht zur Unzeit erklären kann. Daran können wir denken, wenn der Gläubiger den Schuldner zur Leistung auffordert und kurze Zeit danach unvermittelt den Rücktritt erklärt.280 Dann wird dem Schuldner die Möglichkeit genommen, die notwendigen Maßnahmen für die Leistung in Gang zu setzen. Der Gläubiger agiert durch seine Rücktrittserklärung damit zwar im Rahmen der elektiv konkurrierenden Optionen, wechselt aber unzulässigerweise zur Unzeit von der Erfüllungs- zur Abwicklungsebene. In zeitlicher Hinsicht ist auch unterhalb der Schwelle der Verjährung von Ansprüchen an die unzulässig verzögerte und damit verwirkte Ausübung des ius variandi zu denken. Dem zeitlichem Maßstab als Schranke des ius variandi korrespondiert die quantitative Beschränkung. Beispiel: Der Käufer hat für den mangelhaften PKW eine Garage anfertigen lassen und nach erfolglosem Fristablauf diesbezüglich einen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 437 Nr. 3, 284 BGB. Dieser steht in elektiver Konkurrenz zum Nacherfüllungsanspruch 278

Zitiert nach: Wertenbruch, JZ 2002, 862 (866). Zur Typologie allgemein: MüKo/Roth, § 242 Rn. 123 ff. und Rn. 255 ff. Zur Anwendung auf die Fälle des ius variandi: RGZ 109, 184, 187; OLG Karlsruhe, WM 1970, 1126, 1126; Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 280; Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (316). 280 Beispiel des Bundesgerichtshofs im obiter dictum: BGH, NJW 2006, 1198, 1199; unter Verweis auf: MüKo/Ernst, § 323 Rn. 155/156. Zu dieser „Gnadenfrist“ auch: Jacobs, Festschrift für Hansjörg Otto, S. 137 (153). Ebenso: BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 9. 279

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Kap. 5: Das Wahlrecht und die Lösung der elektiven Konkurrenz

nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB, dessen Durchsetzung der Gläubiger zunächst verfolgt. Nach einiger Zeit wählt der Käufer den Aufwendungsersatz. Dadurch ist ihm ein Wechsel zurück zur Nacherfüllung nicht verwehrt; insofern besteht ebenfalls ein ius variandi. Entscheidet er sich nach erneutem Nacherfüllungsverlangen abermals für die Geltendmachung des Aufwendungsersatzes, macht er zum dritten Mal von einem ius variandi Gebrauch. Wie oft – in quantitativer Hinsicht – dieser Wechsel möglich sein soll, ist originär eine Frage von Treu und Glauben. b) Qualitativer Maßstab: Das Vertrauen des Schuldners in die getroffene Wahl Weder der zeitliche noch der quantitative Maßstab stellt für sich ein befriedigendes Kriterium dar, mit dem man die Schranke des Verbots widersprüchlichen Verhaltens nach § 242 BGB bemessen kann. Sie sind einzelfallbezogene Grenzziehungen und taugen nicht allein zu einer einheitlichen Antwort auf die Frage, ab welchem Punkt das ius variandi treuwidrig erscheint. Beide Maßstäbe sind – isoliert betrachtet – zufällig und willkürlich. Was genau ist eine „kurze Zeit“281 bzw. sind „mehrere Wochen“282, die der Bundesgerichtshof sibyllinisch als Schranke der Ausübungsfreiheit des Gläubigers nennt? Ist es möglich, dass der Gläubiger zehn-, zwanzig- oder gar hundertmal zwischen dem Primäranspruch auf Nacherfüllung und dem Sekundärrecht auf Aufwendungsersatz „springen“ kann? Richtigerweise sind daher beide Kriterien nur Teilaspekte eines ganzheitlichen Maßstabs von Treu und Glauben. Diesen bezeichne ich als qualitativen Maßstab. Er berücksichtigt zeitliche und quantitative Erwägungen gleichermaßen und überzieht die Fallkonstellation mit einer zweckmäßigen Bewertung.283 Dabei soll das Ziel eine „einheitliche Bestimmung des Endpunktes des ius variandi“284 sein. Die Grenzziehung ist gleichwohl am Einzelfall vorzunehmen.285 In der Rechtsprechungspraxis und der Literatur zum ius variandi im BGB kann man dazu die überwiegende Tendenz ausmachen, darauf abzustellen, ob der Schuldner sich auf die einmal gewählte Option „eingerichtet“286 habe. Entscheidend ist also ein verstärkter Fokus auf die Schuldnerseite: Musste dieser mit einem erneuten Wechsel „rech281

BGH, NJW 2006, 1198, 1199. BGH, NJW 2006, 1198, 1199. 283 Sie auch: MüKo/Roth, § 242 Rn. 261. 284 Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 283. 285 Ebenso: BeckOK/Unberath, § 262 Rn. 6. 286 So schon: Planck/Siber, § 325 Nr. 2 e); ihm folgend: Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 283; von Olshausen, Festschrift für Ulrich Huber, S. 471 (495); auch die Rechtsprechung: BGH, NJW 2002, 669, 670. 282

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nen“287 oder durfte er zu Recht sich darauf „einstellen“288, dass das einmal gewählte Leistungsgebot bzw. Recht Geltung behalten soll? Dieses Einrichten des Schuldners ist keineswegs nur gegeben, wenn er mit dem Gläubiger eine diesbezügliche vertragliche Abrede getroffen hat. Vielmehr reicht aus, wenn er sich auf die gewählte Option einstellt und dies nach außen dem Gläubiger erkennbar werden lässt.289 So lobenswert der Versuch ist, durch das Kriterium des „Einrichtens des Schuldners“ die Schranke für das ius variandi des Gläubigers zu ziehen, so wenig transparent erscheint es, welche Fälle damit gemeint sind. Man kann anhand der Vielzahl der denkbaren Fallkonstellationen nur vage formulieren, wann der Schuldner sich berechtigterweise auf die Geltung der gewählten Option eingerichtet hat und damit das ius variandi des Gläubigers endet. Drei Beispiele möchte ich nennen. aa) Beispiel: Die Klage des Schuldners Richtigerweise hat der Schuldner sich auf die gewählte Option des Gläubigers eingerichtet, wenn er seinerseits klageweise Forderungen, die sich erst aus dieser Option ergeben, geltend macht. Zum Beispiel fordert der Käufer hinsichtlich des gelieferten mangelhaften Fahrrads vom Verkäufer eine Ersatzlieferung nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB. Das defekte Fahrrad solle der Verkäufer aber erst zurück erhalten, sobald das Ersatzrad eintrifft. Der Verkäufer ist darüber empört, es kommt zum Streit. Noch während der Verkäufer alles Notwendige für die Ersatzlieferung in die Wege leitet, reicht er gegen den Käufer Klage auf Herausgabe des defekten Rads ein. Der Käufer erklärt, nachdem er von der Klage erfahren hat, dies sei ihm „alles zu kompliziert“ und er wünsche nun doch lediglich eine Reparatur des Fahrrads. Hier bildet der Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB eine Schranke für das ius variandi, das der Käufer im Rahmen der Wahlschuld nach § 439 Abs. 1 BGB hat. Denn ein Wechsel zwischen den Varianten der Nacherfüllung ist zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber nur solange möglich, bis sich der Verkäufer auf die gewählte Nacherfüllungsform eingerichtet hat. Dies ist vorliegend der Fall, da der Verkäufer die Klage auf der Grundlage von §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB eingereicht hat. Er gibt damit zu erkennen, dass er im Zuge der Ersatzlieferung auf einen Rückerhalt der mangelhaften Sache baut. Die Klage mitsamt den dazugehörigen Auslagen ist eine Disposition des Schuldners, die dem Gläubiger den erneuten 287 288 289

RGZ 109, 184, 187. Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (317). Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 280.

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Kap. 5: Das Wahlrecht und die Lösung der elektiven Konkurrenz

Wechsel zwischen den Nacherfüllungsvarianten verwehrt. Er könnte sonst der Klage des Verkäufers die Grundlage entziehen.290 bb) Beispiel: Die Zusage des Schuldners Auch die ausdrückliche Zusage des Schuldners, die geforderte Leistung zu erbringen, kann geeignet sein, das ius variandi des Gläubigers zu beenden. Sie muss allerdings ein Angebot ernsthaft in Ausssicht stellen und die Schwelle der bloßen Absichtsbekundung deutlich überschreiten. So verhält es sich etwa, wenn im Fall des defekt gelieferten Fahrrads der Käufer auf eine Ersatzlieferung besteht und der Verkäufer unumwunden erklärt, er werde „schnellstmöglich ein neues Rad liefern“. Das ius variandi, das dem Käufer grundsätzlich einen Wechsel zur Nachbesserung ermöglicht, hat hier seine Schranke im Grundsatz von Treu und Glauben.291 Denn solange der Verkäufer die Ersatzlieferung ernsthaft und nicht arglistig zusagt, muss ihm zumindest die technisch und logistisch notwendige Zeit zur Erfüllung dieser Leistungspflicht eingeräumt werden. Ergeben sich aber Verzögerungen oder Unannehmlichkeiten, die über das erträgliche Maß der Nachlieferung hinausgehen, kann der Käufer zur alternativen Nachbesserung übergehen. Dabei ist vor allem eines zu beachten: Bis zum Ablauf einer angemessenen Nacherfüllungsfrist wird die Ausübung des ius variandi in § 439 Abs. 1 BGB generell unzulässig sein; anderenfalls untergräbt das ius variandi das Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung.292 Nach erfolglosem Ablauf der Nachfrist sind Sekundärrechte eröffnet und auch ein Wechsel zwischen den Nacherfüllungsvarianten möglich. Dieser muss aber den technisch-zeitlichen Mindestaufwand der Nacherfüllung durch den Verkäufer berücksichtigen, sonst verstößt er gegen Treu und Glauben. cc) Beispiel: Die erkennbare Vorbereitungshandlung des Schuldners Unterhalb der Schwelle transparenter Schuldnerhandlungen, die den Gläubiger erkennen lassen, dass sich der Schuldner auf die gewählte Option eingerichtet hat, wird eine Beschränkung des ius variandi auf der Grundlage von § 242 BGB schwer zu begründen sein. Wann freilich die Vorbereitungshandlungen des Schuldners zur Erfüllung ausreichend fortgeschritten 290 Ähnlich zu einem Fall der elektiven Konkurrenz zwischen Rücktritt und Schadensersatz nach früherem Schuldrecht: Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 282; unter Verweis auf das Reichsgericht: RGZ 93, 47 ff. 291 Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (317). 292 Es kommt dann also auf § 242 BGB und das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (noch) gar nicht an. So indes: Gsell, Festschrift für Ulrich Huber, S. 299 (316).

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und vor allem dem Gläubiger hinreichend zur Kenntnis gelangt sind, ist eine schwierige Frage des Einzelfalls. Im Zweifel ist der Schuldner erst durch § 242 BGB vor dem ius variandi geschützt, wenn er zwar nicht in allen Einzelheiten seine Vorbereitungshandlungen für den Gläubiger transparent macht,293 aber zumindest im Ansatz seine Leistungsbereitschaft erkennen lässt und deren Ernsthaftigkeit dokumentiert. Schutzwürdig ist wohl beispielsweise der Verkäufer, der für die im Rahmen von § 439 Abs. 1 BGB geforderte Ersatzlieferung schon einen Spediteur beauftragt hat und diesen Auftrag dem Käufer mitteilt, bevor dieser doch Reparatur der Sache fordern kann. Nicht ausreichend wird es hingegen sein, wenn der Verkäufer lediglich die potentiellen Spediteure um ein jeweiliges Angebot für den Transport der Ersatzlieferung ersucht. Keine noch so fortgeschrittene Vorbereitungshandlung schützt indes den Verkäufer, wenn er dem Käufer jegliche Mitteilung schuldig bleibt oder nur gelegentlich erwähnt, er „überlege es sich“. 4. Fazit: Die Schranken des ius variandi Die absoluten Grenzen des Wahlrechts bilden auch den Endpunkt für das ius variandi. Nach der erstmalig erklärten Wahl einer Alternative besteht für den wechselwilligen Gläubiger allerdings in verstärktem Maße ein „Wettlauf gegen den Schuldner und gegen die Zeit“. In allen Fällen der Gläubigerwahl mit Ausnahme der Verfolgung des Primäranspruchs endet das ius variandi durch ein rechtskräftiges Urteil. Begrenzt wird das ius variandi des Gläubigers ferner durch das Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Maßgeblich ist insbesondere das Verbot des venire contra factum proprium (Verbot des widersprüchlichen Verhaltens). Dabei ist richtigerweise kein rein zeitlicher oder quantitativer, sondern ein dezidiert schuldnerfokussierter, qualitativer Maßstab anzulegen: Der Wechsel von einer gewählten Option zu einer Alternative ist nicht mehr möglich, wenn sich der Schuldner berechtigterweise auf die Wahl eingerichtet hat. Was man darunter verstehen muss, ist eine Frage des Einzelfalls.

VII. Fazit: Die Grenzen des Wahlrechts und das ius variandi Das Wahlrecht des Gläubigers hat Grenzen. Das sind zunächst die absoluten Grenzen, die die Ausübungsfreiheit seines Rechts endgültig beenden. 293 Ähnlich schon: Planck/Siber, § 467 Nr. 2 e); Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 283.

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Kap. 5: Das Wahlrecht und die Lösung der elektiven Konkurrenz

Eine endgültige Grenze des Wahlrechts ist darüber hinaus die Ausübung der Wahl selber, wenn der Gläubiger unwiderruflich hieran gebunden ist. Dabei muss gesichert sein, dass der Gläubiger positiv sein Wahlrecht ausübt. Bindet die Wahlentscheidung den Gläubiger nicht endgültig, liegt ein sog. ius variandi vor. Das ius variandi als Eigenschaft eines Forderungsbzw. Gestaltungsrechts findet man in allen Fällen der Gläubigerwahl. Es muss für jede Variante dogmatisch und teleologisch bestimmt werden. Liegt ein ius variandi vor, kann der Gläubiger seine Wahl zurücknehmen und eine erneute Wahl treffen. Er hat jedoch wiederum gewisse Schranken zu beachten, maßgeblich den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB.

D. Fazit zu Kapitel 5: Das Wahlrecht und die Lösung der elektiven Konkurrenz Die hier untersuchten Fälle der elektiven Konkurrenz, der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers gehen von einem Wahlrecht des Gläubigers aus. Dies ist dogmatisch unterschiedlicher Art. Die Gläubigerwahlmöglichkeit verfolgt zudem unterschiedliche Zwecke. In jedem Fall löst die Ausbübung des Wahlrechts die Vielfalt alternativer Optionen des Gläubigers zugunsten einer Variante auf. Obwohl aus Schuldnersicht vor der Wahl des Gläubigers ein Zustand der Ungewissheit besteht, folgt aus dem Wahlrecht des Gläubigers keine allgemeine Wahlpflicht. Man muss ferner differenzieren, ob die einmal getroffene Wahlentscheidung endgültig ist und somit als absolute Grenze des Wahlrechts taugt oder ob der Gläubiger ein ius variandi innehat und die Wahlentscheidung widerrufen kann, bis eine absolute Grenze erreicht ist. Liegt ein ius variandi vor, hat der Gläubiger insbesondere den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB zu beachten.

Zusammenfassende Thesen Kapitel 1 1. Die elektive Konkurrenz beschreibt die Wahl des Gläubigers zwischen alternativen Forderungs- oder Gestaltungsrechten. 2. Abzugrenzen ist die elektive Konkurrenz von der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers. Dies sind Fälle einer Gläubigerwahl zwischen alternativen Leistungsgeboten. 3. Die elektive Konkurrenz stammt aus der römisch-gemeinrechtlichen Aktionenkonkurrenz. Es handelt sich um einen Kunstausdruck, der ursprünglich eine Konkurrenz von Klagen im prozessrechtlichen Sinne beschreibt. Die elektive Konkurrenz hat als Kategorie der Konkurrenz von Ansprüchen im rein materiellen Zivilrecht überlebt. Sie steht für den Fall, dass von mehreren Ansprüchen nur einer geltend gemacht werden kann. Damit ist sie insbesondere von den Kategorien der echten Anspruchskonkurrenz bzw. Anspruchsnormenkonkurrenz abzugrenzen, die ein Nebeneinander von Ansprüchen mit einer Erfüllungsgemeinschaft ihrer Rechtsfolgen beschreiben. Terminologisch handelt es sich bei der elektiven Konkurrenz von Ansprüchen um ein Überbleibsel aktionenrechtlichen Denkens. Seit der Erfassung der Gestaltungsrechte hat die elektive Konkurrenz nunmehr eine neue Bedeutung im modernen Rechtsverständnis. Sie beschreibt als eigenständige Kategorie die logische Ausschließlichkeit der Geltendmachung von Forderungs- und Gestaltungsrechten gleichermaßen. 4. Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers stammen im Ursprung ebenfalls aus dem römischen Recht. Im Gegensatz zur elektiven Konkurrenz wurden für die Wahlschuld mit §§ 262 ff. BGB allgemeine Regelungen gesetzlich normiert. Die Anwendung dieser Regelungen führt in der Praxis jedoch zu sachlich nicht zweckmäßigen Ergebnissen. Die dogmatischen Unsicherheiten in der Abgrenzung zwischen den drei Fällen der Gläubigerwahl und die praktische „Wertlosigkeit“ der §§ 262 ff. BGB haben zu einer „Flucht“ vor der Anwendung der gesetzlichen Wahlschuldregeln geführt. Die elektive Konkurrenz gewann dadurch trotz einer fehlenden allgemeinen gesetzlichen Regelung zunehmend an praktischer Bedeutung.

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Zusammenfassende Thesen

Kapitel 2 5. Die Fälle der Gläubigerwahl werden traditionell nach der rechtlichen Qualität der konkurrierenden Optionen differenziert. Maßgeblich ist die Unterscheidung der Strukturelemente im Schuldverhältnis: Auf der einen Seite stehen Gestaltungsrechte und Forderungsrechte (Ansprüche), auf der anderen Seite Leistungsgebote, also Inhalte der Forderungsrechte. 6. Die elektive Konkurrenz betrifft dogmatisch die Konkurrenzfälle alternativer Ansprüche, alternativer Gestaltungsrechte und die Alternative des Anspruchs gegenüber dem Gestaltungsrecht. Die Wahl des Gläubigers lautet: „Recht 1 oder Recht 2“. 7. Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers sind Fälle optionaler Leistungsgebote, allerdings mit Unterschieden bezüglich der Rangfolge der Optionen und der Wirkung des Wahlrechts. Die Wahl des Gläubigers lautet dort, dem Duktus des § 194 Abs. 1 BGB entsprechend: „Tun 1 oder Tun 2“.

Kapitel 3 8. Die elektive Konkurrenz, die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers haben eines gemeinsam: Der Gläubiger kann aus verschiedenen Optionen auswählen. Diese Handlungsvielfalt ist gegenüber dem Normalfall einer einfachen Schuld ungewöhnlich, denn dort besteht lediglich die faktische Handlungsfreiheit des Gläubigers, zu entscheiden, ob er seine Option wahrnimmt oder nicht. Auch ist die Optionenvielfalt nicht zu verwechseln mit der Freiheit, eine Wahl überhaupt treffen zu können. Dies entspricht dem sog. monadischen System der Aussagenlogik. Der Gläubiger kann in den Wahlrechtsfällen aus mindestens zwei Optionen auswählen. Diese Verdoppelung bzw. Vervielfachung der Optionen wird nicht durch das monadische System, sondern durch das sog. dyadische System der Aussagenlogik erfasst. 9. Das dyadische System der Aussagenlogik verbindet zwei Optionen des Gläubigers in einem Satz. Es gibt danach sechzehn mögliche Kombinationen, wie zwei Optionen des Gläubigers sich zueinander verhalten können. Diese Kombinationen lassen sich in zwei Gruppen trennen. Die erste Gruppe kennzeichnet, dass in allen acht Kombinationen die Optionen miteinander verträglich sind. Die acht Kombinationen der zweiten Gruppe haben gemeinsam, dass die Optionen sich gegenseitig ausschließen. 10. Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers weisen eine Ausschließlichkeit der Leistungsgebote auf. Da-

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mit sind diese zwingend in die zweite Gruppe des dyadischen Systems einzuordnen. Die elektive Konkurrenz beschreibt die Fälle, in denen sich Rechte in ihrer Ausübung ausschließen. Damit ist auch die elektive Konkurrenz in die zweite Gruppe des dyadischen Systems einzuordnen. 11. Die Ausschließlichkeit der Optionen kann man als Alternativität bezeichnen. Dieser Begriff hat im logischen, etymologischen, juristischen und allgemeinen Sprachgebrauch unterschiedliche Definitionen. Entgegen der mehrsinnigen Bedeutung des Bindeworts „oder“ beschränken sich die hier untersuchten Fälle der Alternativität sämtlich auf die zweite Gruppe des dyadischen Systems. 12. Es gibt qualitative Unterschiede in der Stärke einer Alternativität. Die Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers kennzeichnet stets eine starke Ausschließlichkeit der Optionen, ein Entweder-oder (Kontravalenz). Es gibt auch Fälle elektiver Konkurrenz in der Form starker Ausschließlichkeit (Entweder-oder, Kontravalenz), so im Verhältnis sich ausschließender Primär- und Sekundärrechte. In der elektiven Konkurrenz von Sekundärrechten jedoch besteht lediglich eine schwache Ausschließlichkeit (Exklusion, „oder“), da durch das Fortbestehen des Primäranspruchs im Leistungsstörungsfall nach Fristablauf die Erfüllungsalternative weiterhin Wirkung entfaltet. 13. Im Bereich der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht und der Ersetzungsbefugnis des Gläubigers entsteht die Alternativität der Gläubigeroptionen mit der Begründung des Schuldverhältnisses, dem logischen Ereignis 1. Fälle elektiver Konkurrenz, die bereits mit Begründung des Schuldverhältnisses (Ereignis 1) entstehen, gibt es ebenfalls. Im Leistungsstörungsrecht findet man hingegen aufgrund der Rangfolge der Rechte eine Staffelung der Alternativen. Die Alternativität der Rechte wird dort erst durch eine Transformation des Schuldverhältnisses, das logische Ereignis 2, eröffnet. Durch das Ereignis 2 werden Rechte ersetzt oder die Zahl der Rechte des Gläubigers vermehrt. Die Vermehrung der Rechte ist eine Besonderheit des neuen Leistungsstörungssystems im BGB, da nach Fristablauf die Sekundärrechte neben den Primäranspruch treten. Dies gilt ebenso im Gewährleistungsrecht, da der Nacherfüllungsrechtsbehelf den Primäranspruch nicht ersetzt, sondern lediglich modifiziert. Kapitel 4 14. Das System der Gläubigerrechte im BGB, insbesondere im Leistungsstörungsfall, weist Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum UN-Kaufrecht (CISG), zu den Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts (PECL) und zum wissenschaftlichen Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens

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(DFCR) auf. Vor dem Hintergrund der Debatte um eine mögliche Vereinheitlichung des europäischen Zivilrechts lohnt daher ein Vergleich der Systeme, auch mit Blick auf die problematischen Fälle konkurrierender Rechte. 15. Aus den untersuchten Fällen der entwickelten Systeme lässt sich der Schluss ableiten, dass die Beziehungen zwischen Primäranspruch und alternativen Sekundärrechten stets Fälle elektiver Konkurrenz sind. Demgegenüber kommt es bei der Beziehung zwischen zwei Sekundärrechten auf den Einzelfall an, ob diese kompatibel oder inkompatibel sind, und wenn letzteres, ob eine elektive Konkurrenz vorliegt. Das System der Gläubigerrechte im Bürgerlichen Gesetzbuch 16. Hängt die Fälligkeit eines Anspruchs davon ab, dass der Gläubiger Erfüllung verlangt, spricht man von einem verhaltenen Anspruch. Auch verhaltene Ansprüche können in elektiver Konkurrenz stehen, wie die Haftung des falsus procurator nach § 179 Abs. 1 BGB beweist. Dabei schließen sich zwei gleichrangig primäre Forderungsrechte des Gläubigers, der Anspruch auf Erfüllung und der Anspruch auf Schadensersersatz, in ihrer Geltendmachung aus. 17. Umstritten ist die Einordnung der Wahl des Käufers im Mangelfall bezüglich der Varianten der Nacherfüllung nach § 439 Abs. 1 BGB. Entgegen der überwiegenden Auffassung im Schrifttum handelt es sich um eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht, nicht um eine elektive Konkurrenz. Der speziellere § 439 BGB verdrängt jedoch die Anwendbarkeit der §§ 262 ff. BGB für jene Fälle, in denen die gewählte Variante der Nacherfüllung „gestört“ ist bzw. in denen der Käufer auf seine Entscheidung warten lässt; es gelten die speziellen Prinzipien „Vorrang der Nacherfüllung“ und „Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung“. Zudem ist die Bindungswirkung der Wahl nach § 263 Abs. 1 BGB nicht endgültig. Sinn und Zweck des § 439 BGB gebieten es, dem Käufer hinsichtlich seines Gestaltungsrechts nach §§ 439 Abs. 1, 263 Abs. 1 BGB ausnahmsweise ein ius variandi einzuräumen. 18. Der Primäranspruch und der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3; 281 Abs. 1 BGB schließen sich logisch aus und stehen in elektiver Konkurrenz. Zwischen dem Primäranspruch und dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung besteht wegen des Fristsetzungserfordernisses eine Rangfolge. Erst mit ergebnislosem Fristablauf sind diese gleichrangige alternative Optionen des Gläubigers. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung ist ein verhaltener Anspruch. Der Primäranspruch im BGB wird nach Fristablauf nicht zu einem verhaltenen Anspruch, sondern kann vom Schuldner nach wie vor erfüllt werden.

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Ein Recht, den Gläubiger zur Ausübung seines Wahlrechts zu zwingen, hat der Schuldner nicht. Der Schuldner kann die Schwebelage, die das Ausbleiben der Gläubigerwahl hervorruft, durch das Angebot der Leistung selbst beenden. 19. Der primäre Erfüllungsanspruch und das Rücktrittsrecht schließen sich gegenseitig aus und stehen in elektiver Konkurrenz. Die Möglichkeit, die Erfüllung der Leistungspflichten des Schuldners durchzusetzen, schließt die Möglichkeit, die Leistungspflichten durch ein Gestaltungsrecht aufzulösen und das Schuldverhältnis in ein Rückabwicklungsverhältnis umzuwandeln, logisch aus. 20. Der primäre Erfüllungsanspruch steht mit den übrigen Gestaltungsrechten, der Anfechtung, der Kündigung und der Minderung, in elektiver Konkurrenz. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um ein beendendes oder ein ausfüllendes Gestaltungsrecht handelt. Die allgemein anerkannte Konkurrenz zwischen der Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums und dem Gewährleistungsrecht ist allerdings keine (logische) elektive Konkurrenz, sondern eine (normative) Gesetzeskonkurrenz. 21. Die Gestaltungsrechte stehen untereinander in elektiver Konkurrenz, denn sie schließen sich in ihrer Ausübung jeweils logisch aus. 22. Die Schadensersatzansprüche gemäß §§ 280 ff. BGB stehen nicht in Konkurrenz zueinander. Die Systematik des Gesetzes weist jedem Schaden isoliert einen entsprechenden Anspruch zu, sodass für einen bestimmten Schaden nicht mehrere Ansprüche nach §§ 280 ff. BGB einschlägig sind, sondern stets nur einer. Im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3; 281 BGB werden Fälle diskutiert, in denen der Gläubiger die Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten hat. Dies sind jedoch keine Alternativen im Sinne einer Wahlschuld oder einer elektiven Konkurrenz. In den Fällen abstrakten bzw. konkreten Schadens und kleinen bzw. großen Schadensersatzes handelt es sich vielmehr um alternative Berechnungsmethoden des Ersatzanspruchs. 23. Zwischen den Schadensersatzansprüchen neben bzw. statt der Leistung und dem Rücktrittsrecht besteht keine elektive Konkurrenz. Entgegen der früheren Rechtslage schließen sich die Rechte in ihrer Geltendmachung keinesfalls aus; es besteht eine logische Tautologie. Dies verdeutlicht die Kombinationsregelung des § 325 BGB. Durch die Rückabwicklung des Schuldverhältnisses infolge des Rücktritts ist jedoch ausgeschlossen, dass im Rahmen des Schadensersatzes am Leistungsaustausch festgehalten wird. Daher ist eine Kombination zwischen dem Rücktritt und dem Schadensersatz statt der Leistung zwingend in der Form des sog. großen Schadensersatzes (statt der ganzen Leistung) und der Differenzmethode, nicht aber in

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der Form des sog. kleinen Schadensersatzes und der Surrogationsmethode möglich. Es stellt sich das Problem eines voreiligen Rücktritts. Überwiegend wird dazu und zur Berücksichtigung von Gebrauchs- und Nutzungsvorteilen ein Vorrang der Schadensersatzfolgen gegenüber den Rücktrittsfolgen vertreten. Demgegenüber kann die Aufhebung der Rücktrittserklärung im Rahmen eines sog. ius variandi als Lösungsansatz gesehen werden. Gegen beide Ansätze bestehen Bedenken; sie lassen sich insbesondere nicht auf § 325 BGB stützen. 24. Zwischen dem Minderungsrecht und dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung in der Form des sog. kleinen und des sog. großen Schadensersatzes besteht eine elektive Konkurrenz. Es verbietet sich trotz der tatbestandlichen Nähe des Minderungsrechts zum Rücktrittsrecht eine entsprechende Anwendung des § 325 BGB. Das Minderungsrecht und der Schadensersatzanspruch neben der Leistung stehen hingegen nicht in elektiver Konkurrenz. 25. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung und der Aufwendungsersatzanspruch nach § 284 BGB stehen ausnahmslos, das heißt ungeachtet des Zwecks der Aufwendung, in elektiver Konkurrenz. Dies gilt auch für den Schadensersatz neben der Leistung, soweit eine Kumulation beider Rechte zu einer übermäßigen Entschädigung des Gläubigers führt. Insofern ist die in § 284 BGB angeordnete Alternativität teleologisch zu erweitern. Alle sonstigen Fälle des Schadensersatzes neben der Leistung können mit dem Aufwendungsersatzanspruch kombiniert werden. Frustrierte Aufwendungen können zudem im Hinblick auf ihre Rentabilität einen Schaden darstellen, der über den Schadensersatz statt der Leistung abgegolten werden kann (sog. Rentabilitätsvermutung). 26. Zwischen Rücktrittsrecht und Aufwendungsersatzanspruch besteht keine elektive Konkurrenz. Es sind neben der logischen Einordnung als Tautologie weitere Parallelen zum Verhältnis zwischen dem Rücktritt und dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung zu beobachten. § 325 BGB ist hier entsprechend anzuwenden. 27. Im Verhältnis zwischen dem Anspruch auf das stellvertretende commodum nach § 285 BGB und dem Rücktrittsrecht bzw. Minderungsrecht besteht eine elektive Konkurrenz. Der Anspruch aus § 285 BGB steht hingegen in keiner elektiven Konkurrenz zum Schadensersatz- oder Aufwendungsersatzanspruch. Das gilt entgegen der herrschenden Auffassung auch für den Schadensersatzanspruch statt der Leistung. Die Ansprüche können kombiniert werden; es ist jedoch eine Gesamtschau der Rechtsfolgen gemäß § 285 Abs. 2 BGB (analog) erforderlich.

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Das System der Gläubigerrechte in CISG, PECL und DCFR 28. Sofern gleichrangige Forderungsrechte des Gläubigers nicht kumulativ geltend gemacht werden können, stehen sie in elektiver Konkurrenz. Eine explizite Regelung in diesem Sinne gibt es nur für Rechtsbehelfe bei Leistungsstörungen nach Art. 8:102 PECL und Art. III.-3:102 DCFR, nicht aber für Primäransprüche. Eine elektive Konkurrenz verhaltener Ansprüche entsprechend dem Fall des § 179 Abs. 1 BGB gibt es nicht: Der Vertreter ohne Vertretungsmacht haftet nach Art. 3:204 (2) PECL und Art. II.-6:107 (2) DCFR lediglich auf Schadensersatz, aber nicht auf Erfüllung. 29. Die Nacherfüllungsvarianten der Ersatzlieferung und Nachbesserung nach Art. 46 Abs. 2 und 3 CISG sind alternative Ansprüche, die in elektiver Konkurrenz stehen. Sie sind im Fall einer wesentlichen Vertragsverletzung weder dem Schadensersatzanspruch noch dem Recht zur Vertragsaufhebung vorrangig. Die Varianten der Nacherfüllung gemäß Art. 9:102 (1) PECL und Art. III.-3:302 (1), (2) DCFR sind hingegen alternative Leistungen innerhalb eines einheitlichen, anderen Rechten nicht vorrangigen Sekundäranspruchs auf spezifische Erfüllung. Es handelt sich folglich wie in § 439 Abs. 1 BGB um eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht, für welche die Regelungen der Art. 7:105 PECL bzw. Art. III.-2:105 DCFR gelten. 30. Weder das CISG noch die PECL bzw. der DCFR unterscheiden Schadensersatzansprüche neben der Leistung und Schadensersatzansprüche statt der Leistung. Jeweils besteht nur ein einheitlicher Schadensersatzanspruch, der alle Schäden erfasst. Im Gegensatz zum deutschen Recht kann es daher auch keine elektive Konkurrenz des Primäranspruchs zum Schadensersatz statt der Leistung geben. Vielmehr entfällt der Schadensersatz wegen Nichterfüllung, sobald der Schuldner ordentlich erfüllt. Darüber hinausgehende Schäden kann der Gläubiger jederzeit ersetzt verlangen, so Art. 45 Abs. 2 CISG, Art. Art. 8:102 PECL sowie Art. III.-3:102 DCFR. 31. Der Rechtsbehelf zur Vertragsaufhebung in CISG, PECL und DCFR hat einen Ausnahmecharakter, denn er greift in der Regel nur bei wesentlichen Vertragsverletzungen. Zum Rechtsbehelf auf Erfüllung steht das Recht zur Vertragsaufhebung in keinem Rangverhältnis. Beide Rechtsbehelfe bedürfen zudem einer Erklärung des Gläubigers. Sie schließen sich, wie im BGB der Primäranspruch und der Rücktritt, aus und stehen damit in elektiver Konkurrenz. 32. Der Erfüllungsanspruch und die Anfechtungsrechte im System des CISG, der PECL und des DCFR stehen in elektiver Konkurrenz. Gleiches gilt für das Verhältnis des Erfüllungsanspruchs zur Minderung, welche nach Art. 9:401 PECL sowie Art. III.-3:601 DCFR als Rechtsbehelf des allgemeinen Schuldrechts konzipiert ist. Eine Kündigung ist nach PECL und

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DCFR kein vom Rücktritt zu trennender Rechtsbehelf, sondern dem für einmalige Leistungsverträge und Dauerschuldverhältnisse einheitlichen Recht zur Vertragsaufhebung immanent. Dieses Recht zur Vertragsaufhebung schließt den Erfüllungsrechtsbehelf ebenfalls aus. 33. Die Gestaltungsrechte des CISG, der PECL und des DCFR stehen untereinander in elektiver Konkurrenz. Im Gegensatz zum BGB erfordern die Gestaltungsrechte und der Erfüllungsanspruch zu ihrer Wirkung gleichermaßen eine Erklärung des Gläubigers. Daher stehen, abweichend vom System des BGB, alle Rechtsbehelfe, auch die Gestaltungsrechte, in einem logischen Entweder-oder, einer Kontravalenz. 34. Gemäß Art. 45 Abs. 1 b), 2 CISG, Art. 9:501 (1) PECL und Art. III.-3:701 DCFR besteht bei Vertragsbrüchen jeweils ein einheitlicher Schadensersatzanspruch, der alle Interessen des Gläubigers abdeckt. Logische Konkurrenzen zwischen verschiedenen Schadensersatzansprüchen sind damit ausgeschlossen. 35. Das Recht zur Vertragsaufhebung kann mit dem Schadensersatzanspruch in den Regelungsmodellen des CISG, der PECL und des DCFR kombiniert werden. Es besteht keine elektive Konkurrenz. Durch den von der Dogmatik des BGB abweichenden Charakter der Rechtsbehelfe Schadensersatz bzw. Recht zur Vertragsaufhebung und die andere Ausgestaltung der Rechtsfolgen gelten besondere Regeln zur Kombination der beiden Rechte. 36. Schadensersatz wird nach CISG, PECL und DCFR neben dem Minderungsrecht gewährt: Es besteht keine elektive Konkurrenz. Da es sich jeweils um einen einheitlichen Tatbestand des Schadensersatzes für Schäden neben und statt der Leistung handelt, erfolgt eine Reduktion des Schadensersatzanspruchs auf Schäden, die über den Minderwert der Sache hinausgehen. 37. Eine eigenständige Anspruchsgrundlage für den Ersatz von Aufwendungen wie § 284 BGB kennen CISG, PECL und DCFR nicht. Aufwendungen werden über den Schadensersatzanspruch abgedeckt. Daher besteht auch keine Konkurrenz zum Schadensersatz: Aufwendungsersatz ist ein Teil des Schadensersatzes. 38. Ein Anspruch auf das stellvertretende commodum wie in § 285 BGB ist mangels eines eigenständigen Unmöglichkeitsrechts nicht ausdrücklich in CISG, PECL und DCFR vorgesehen. Für das CISG wird dieser Anspruch aus dem Grundgedanken der Werterstattung von unmöglichen Leistungen nach Vertragsaufhebung hergeleitet. Dies scheint auch für die Modelle der PECL und des DCFR möglich, jedoch nur in den Fällen, in denen sowohl Erfüllung als auch Schadensersatz ausgeschlossen ist. Der Anspruch auf das

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Surrogat ließe sich, anders als § 285 BGB, mit der Vertragsaufhebung verbinden. Im Konzept der PECL gingen beide Rechte sogar zwingend einher. Die gleichzeitige Geltung der Minderung und des Anspruchs auf das stellvertretende commodum wäre jedoch in allen drei Modellen ausgeschlossen. Kapitel 5 39. Der Rechtscharakter des Wahlrechts in den Fällen der Gläubigerwahl ist unterschiedlich. Das Wahlrecht der Wahlschuld (mit Gläubigerwahlrecht) und der Ersetzungsbefugnis (des Gläubigers) ist ein Gestaltungsrecht, das sich allein darin erschöpft, die Konkurrenz der Leistungsgebote (auf wiederum verschiedene Weise) zu lösen. Das Wahlrecht der elektiven Konkurrenz ist lediglich Ausdruck der positiven und negativen Ausübungsfreiheit jedes Forderungs- und Gestaltungsrechts des Gläubigers. Dabei kann bereits die Wahlerklärung gestaltende Wirkung haben (Gestaltungsrecht) oder erst die Erfüllung des Forderungsrechts, zu der die Wahlerklärung den Schuldner auffordert (Anspruch). Bei verhaltenen Ansprüchen ist die Geltendmachung zudem materiellrechtliche Durchsetzungsvoraussetzung für den Gläubiger. 40. Aus dem Wahlrecht des Gläubigers leitet sich keine allgemeine Wahlpflicht ab. Dies folgt aus der negativen Ausübungsfreiheit, die jedem Forderungs- und Gestaltungsrecht innewohnt. Diese Freiheit zu umgehen, ist das Ziel von verschiedenen gesetzlichen Konzepten, die eine faktische Wahlpflicht erreichen. Deren Existenz beweist im Umkehrschluss, dass sich in einem Wahlrecht grundsätzlich keine generelle Wahlpflicht spiegelt. 41. Die Fälle der Gläubigerwahl dienen unterschiedlichen Zwecken. Eine Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht kann aus Schuldnersicht intendiert sein (ökonomischer Zweck), verfolgt in der Regel aber hauptsächlich Gläubigerinteressen (Anpassungszweck, Versicherungszweck, Wahlzweck). Die Ersetzungsbefugnis des Gläubigers dient einem Ersatzzweck. Die elektive Konkurrenz zwischen Primär- und Sekundärrechten verfolgt einen anderen Zweck als die elektive Konkurrenz zwischen Sekundärrechten. Ersteres ist die Wahl zwischen Erfüllungsstadium und Abwicklungsstadium, Letzteres die Wahl zwischen den Formen der Abwicklung des Schuldverhältnisses. Die Zweckbetrachtung des Wahlrechts kann als methodisches Mittel zur Lösung von Detailproblemen der Konkurrenz beitragen, so etwa bei der Frage nach der Bindungswirkung an die einmal getroffene Wahl. Der Telos der Wahl ist aber nicht geeignet, die strukturelle Abgrenzung der Fälle der Gläubigerwahl zu ersetzen. 42. Das Wahlrecht des Gläubigers hat absolute Grenzen, die die Ausübungsfreiheit seines Rechts endgültig beenden. Dies sind Erfüllung, Un-

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möglichkeit, Verjährung, Zeitablauf bzw. Verwirkung sowie vertragliche Einigung. Das Wahlrecht des Gläubigers endet dadurch unwiderruflich. 43. Die Ausübung der Wahl durch eine Erklärung gegenüber dem Schuldner ist eine Grenze des Wahlrechts. Dabei muss es sich um eine positive Wahlentscheidung handeln und nicht bloß um eine Ankündigung der Wahl bzw. eine negative Ablehnung anderer Rechte. 44. Die Ausübung der Wahl ist nur dann eine absolute Grenze des Wahlrechts und damit unwiderruflich, wenn kein sog. ius variandi vorliegt. Das ius variandi beschreibt die Eigenschaft eines Forderungs- oder Gestaltungsrechts, nach der der Gläubiger nicht endgültig an dessen einmalige Ausübung gebunden ist. Die Widerruflichkeit der Wahl ist dabei die dogmatische Grundregel der Rechte: Soweit vertraglich oder gesetzlich begründete Gläubigerrechte nicht auf die erstmalige Ausübung der Ausübungsfreiheit beschränkt sind, haben sie das Merkmal eines ius variandi. 45. Ob der Gläubiger in den Fällen elektiver Konkurrenz an das Recht, welches er gewählt und gegenüber dem Schuldner geltend gemacht hat, gebunden ist, hängt davon ab, ob es sich um einen Primäranspruch oder ein Sekundärrecht handelt. Innerhalb der Sekundärrechte ist zudem zu unterscheiden, ob es sich um einen Anspruch oder ein Gestaltungsrecht handelt und zu welchem alternativen Recht der Gläubiger nachträglich übergehen will. 46. Die Wahl des Primäranspruchs in der elektiven Konkurrenz bindet den Gläubiger nicht. Gleiches gilt für die Wahl des Sekundäranspruchs gegenüber anderen Sekundäransprüchen. Insofern gilt das Grundprinzip des ius variandi. In der Regel bindet auch die Wahl des Sekundäranspruchs gegenüber dem Primäranspruch nicht. Eine gesetzliche Ausnahme davon ist § 281 Abs. 4 BGB für den Schadensersatzanspruch statt der Leistung. 47. Das Gestaltungsrecht in der elektiven Konkurrenz bindet den Gläubiger gegenüber dem Primäranspruch endgültig. Es gilt das Dogma der Unwiderruflichkeit der Gestaltungsrechte. Nach allgemeiner Auffassung wirkt die Gestaltungserklärung auch endgültig gegenüber alternativen Sekundäransprüchen, alternativen Formen der Schadensberechnung und anderen Gestaltungsrechten. Hiergegen sprechen teleologische Erwägungen. Eine Tendenz in der früheren Literatur vertritt daher, das Dogma der Unwiderruflichkeit des Gestaltungsrechts aufzugeben. Die Neukonzeption der Primärund Sekundärrechte durch die Schuldrechtsreform erlaubt jedoch keine nahtlose Fortführung dieses im Ansatz lobenswerten Vorschlags, der ein ius variandi beim Gestaltungsrecht anerkennen will. Der Erfolg dieser Tendenz ist auch angesichts einer fehlenden gesetzlichen Fundierung im modernisierten Schuldrecht und einer langen höchstrichterlichen Rechtsprechungspraxis zweifelhaft.

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48. Da es sich beim Gläubigerwahlrecht zwischen alternativen Leistungsgeboten um ein Gestaltungsrecht handelt, ist grundsätzlich von einer endgültigen Bindung an die Wahl auszugehen. Dies gilt für die Fälle der Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht nach § 263 Abs. 1 BGB ebenso wie für die Fälle der einfachen Schuld mit Ersetzungsbefugnis des Gläubigers. Die Parteien können in beiden Fällen ein ius variandi vereinbaren. Es ist zudem denkbar, dass bestimmte Fälle nach Sinn und Zweck ein ius variandi erfordern. Dies gilt beispielsweise für die Wahlschuld der Nacherfüllungsvarianten nach § 439 Abs. 1 BGB. 49. Begrenzt wird das ius variandi des Gläubigers neben den absoluten Grenzen des Wahlrechts und dem rechtskräftigen Urteil insbesondere durch das Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Dabei ist am Verbot widersprüchlichen Verhaltens ein qualitativer Maßstab anzulegen: Der Wechsel von einer gewählten Option zu einer Alternative ist nicht mehr möglich, wenn sich der Schuldner berechtigterweise auf die Wahl eingerichtet hat. Was man darunter verstehen muss, ist eine Frage des Einzelfalls.

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Sachverzeichnis actio 34 ff. Aktionenkonkurrenz 34 ff., 40, 51 ff., 402 aktionenrechtliches Denken 35, 52 f., 63 Alternativität 127 ff. – Entstehung (Staffelung) 140 ff., 152 ff., 202 ff., 231, 235 – Merkmale 31, 46 – Stärke 121, 136 ff., 236 Alternativobligation 57 ff., 62 ff., 67, 69, 95, 129, 371 siehe auch Wahlschuld Anfechtungsrecht 155, 223 ff., 234, 352, 365, 395, 419 Anspruch – Begriff/Inhalt 39 ff., 52, 82 f., 86 ff. – Forderungsrecht 55, 82 f., 89 ff., 105 – verhaltener 164 ff., 196, 198, 203 ff., 213 f., 220, 258, 290, 321, 353 ff., 386 f., 406 f., 412, 440 Anspruchskonkurrenz 41 ff., 52, 56 – Anspruchshäufung 42 f., 124 f. – Anspruchsnormenkonkurrenz 44, 48, 100 – echte 43, 49, 100 f. Aufwendungsersatzanspruch 306 ff., 315 ff., 331 ff., 387, 391, 412 f., 443 f. – Rentabilitätsvermutung 307 ff., 313, 317, 332 Aussagenlogik 104 ff. Ausschließlichkeit siehe Alternativität Begriffsjurisprudenz 67, 434 Bindung an die Wahl siehe ius variandi

concursus actionum siehe Aktionenkonkurrenz Dogma der Unwiderruflichkeit siehe Gestaltungsrecht dyadisches System 109, 110 ff., 138 – Äquivalenz 117 – Antilogie (Kontradiktion) 121 – Disjunktion (Disjunktive) 84, 114, 131 ff., 266 – Exklusion 118, 132 f., 137, 139, 144, 237, 304, 312 – Implikation 116, 140 ff., 152 ff. 264 – Konjunktion 117 – Kontravalenz 118, 132 ff., 134, 136, 139, 141, 144, 202, 217, 233, 228, 231, 237 f., 255, 267, 303, 312, 318, 326, 330 – Postnonpendenz 119 – Postpendenz 116 – Postsektion 119 – Pränonpendenz 119 – Präpendenz 115 – Präsektion 120 – Rejektion 120 – Replikation 115 – Tautologie 114, 266 ff., 288, 302, 317 – Wittgensteinsche Wahrheitswertetafel 111 f. elektive Konkurrenz – Begriff 36 ff., 51, 56, 82, 99 ff., 201 Erfüllungsgemeinschaft (Erfüllungskonnexität) 45, 49 Ersetzungsbefugnis – Alternativität der Optionen 123, 135 f.

Sachverzeichnis – Begriff 64 ff., 96 ff., 324, 438 f. – Bestimmtheit der Schuld 64 ff., 97, 201 – Wahl als Gestaltungsrecht 97 f., 345 ff. – Wettlauf der Parteien 96 f., 346, 385 f. – Zweck 375 ff. facultas alternativa siehe Ersetzungsbefugnis falsus procurator 72 ff., 155, 156 ff., 164, 167 ff., 355 ff., 408 Flucht in die elektive Konkurrenz 71 ff., 77 ff., 88, 380 Geltendmachung 46, 52 f., 164 ff., 229, 279, 406 f., 412, 424 Gemeinsamer Referenzrahmen (DCFR) 162 f. Gesamtvermögensvergleich 270 ff., 282 ff., 291, 332 Gesetzeskonkurrenz 42, 191, 224 ff. Gestaltungsrecht – ausfüllendes 85, 97 f., 190, 223 230, 233 ff., 343, 345 – Begriff 53 ff., 85 ff., 155 ff., 233 ff., 352, 417 – einbrechendes (beendendes) 85, 190, 215, 223, 233 ff., 343 – initiatives 95 f., 342 ff. – Unwiderruflichkeit 189, 286 f., 301, 381, 417 ff., 425 ff., 432 ff. Gläubigerwahlrecht 34, 66, 77, 80 ff., 89 ff., 94 ff., 100, 104 ff., 121 ff. Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts (PECL) 161 f. Integritätsinteresse 240 ff. ius variandi 171, 175, 189 ff., 193, 195, 198 f., 266, 286 f., 301, 323, 331, 341, 357, 379, 382, 400 ff., 431 ff., 438 f. – Schranken 440 ff.

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Klagenkonkurrenz 35 ff., 40, 52 Klagrecht 38 ff., 63 Kündigungsrecht 228 ff. Leistungsgebote 77, 82, 86 ff., 94 ff., 371, 431 – gestaffelte 97, 105, 134 ff. Leistungsmodalitäten 87 f., 199 Leistungsstörung 140 ff., 155 ff., 159, 224, 376 f., 437 Logik siehe Aussagenlogik Minderungsrecht 115, 137, 229 ff., 234, 237, 294 ff., 327 ff., 335 ff., 353, 415 f., 419, 424, 442 f. – voreilige Minderung 298, 300, 425 ff. monadisches System 106 ff. – monadischer Wahrheitswert 107 ff., 348 – Negation 107, 137, 264, 399 Nacherfüllungsanspruch – modifizierter Erfüllungsanspruch 137, 145, 147 ff., 230, 303, 437 – Nacherfüllungsvarianten 76 f., 148, 170 ff., 435 ff., 445 ff. – Recht zur zweiten Andienung 181, 184 f., 191 f., 212, 219, 446 negatives Interesse (Vertrauensinteresse) 240 ff., 252, 281, 284, 313 f., 316, 318 obligatio (Obligation) 57 ff., 86 ff. obligatio alternativa siehe Alternativobligation Optionen 105 – nicht verträgliche 118 ff. – Optionenvielfalt 105 ff., 363 ff., 383 – Vermehrung 143 ff. – verträgliche 113 ff. partielle Konkurrenz 38 Phänomenologie 138, 245

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Sachverzeichnis

Pendenztheorien 59 ff., 71, 356 positives Interesse (Erfüllungsinteresse) 150, 170, 181 f., 200, 240 ff., 252, 260, 263, 271 f., 281, 284, 307, 313 f., 318, 322, 377, 413 Primäranspruch – Begriff 83 ff., 149 – gleichrangige 164 – nach Fristablauf 78 f., 136, 146 f., 202, 204 ff., 380, 399 f., 409 – spezifische Erfüllung 197 ff., 220 f. – Vorrang 191 f., 193 f., 219, 235, 443 f. Rücktrittsrecht 85, 125, 136 f., 151, 154, 215 ff., 234, 255 ff., 315 ff., 325 ff., 353, 383, 391 f., 396 ff., 407, 415, 418, 420 ff., 424 – Regelungszuständigkeit 257, 261, 265, 269, 278, 315 – voreiliger Rücktritt 280 ff., 287, 401, 403, 420 ff., 424 ff. Schadensersatzanspruch 240 ff., 255 ff., 294 ff. – automatische Schadenberechnung 262 ff., 287 ff. – Differenzmethode 251, 261 ff., 280, 289, 327, 423 – einfacher Schadensersatz (neben der Leistung) 200, 241 ff., 243, 259, 268, 295 ff., 302, 310, 321 – Gebrauchsvorteil 269 ff. – großer Schadensersatz (statt der ganzen Leistung) 249 ff., 259, 262, 264, 273 ff., 280, 288, 297, 415, 423 – kleiner Schadensersatz 249 ff., 254, 262, 264, 273 ff., 280, 289, 297 ff., 300, 355, 401, 403, 423, 424 ff. – konkreter/abstrakter Schaden 251, 290 – normativer Schaden 275, 277, 283 – Nutzungsausfall 271 ff. – statt der Leistung 151, 200 ff., 246 ff., 260, 267 ff., 297 ff., 303,

306, 322, 354, 387, 391, 408, 411 ff., 415 – Surrogationsmethode 251, 261 ff., 280, 300, 327, 423 – Verzugsschadensersatz (neben der Leistung) 154, 243, 246 ff., 260, 268, 295, 321 – Voraussehbarkeit 252, 313 f. – Vorteilsausgleich 274 ff., 322 Schuldverhältnis 80 ff., 89, 101, 140 ff., 343 Schwebelage des Schuldners 204 ff., 341, 356, 358 ff., 369, 371, 382 f., 411 Sekundäranspruch 83 ff. specific performance siehe Primäranspruch stellvertretendes commodum 319 ff., 415 stipulatio 34, 58 f. Streitgegenstand 40, 49 subjektives Recht 38 ff., 82 f., 353, 406 System 105 Treu und Glauben 175, 193, 198, 286, 357 ff., 392, 428, 438, 442 ff. Tun siehe Leistungsgebote UN-Kaufrecht (CISG) 160 f., 180 Verhaltenheit siehe Anspruch Vertragsaufhebung 217 ff., 228, 237 ff., 253, 287 ff., 318, 335, 336 f., 366, 384, 442 f. vollständige Konkurrenz 38 Wahlrecht – Charakter 175 f., 341 ff., 394 ff. – Definität der Wahl 396 ff. – Grenzen 363 ff., 382 ff., 440 f. – Rechtsausübungsfreiheit 348 ff., 361 ff., 403 ff., 413, 418 – Wahlpflicht 357 ff., 369 – Zweck 370 ff.

Sachverzeichnis Wahlschuld – Alternativität der Optionen 122, 134 ff. – Begriff 58, 67 ff., 94 ff. – Kodifikation 67 ff., 77 – Unbestimmtheit der Schuld 62 ff. – Wahl als Gestaltungsrecht 95, 342 ff., 434

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– Wertlosigkeit 68 ff., 77 f. – Zweck 371 ff. Wahrheitswert 104 ff. Wandelung siehe Rücktrittsrecht wesentliche Vertragsverletzung 195 ff., 218, 238, 289, 384 Zweck elektiver Konkurrenz 376 ff.