Die jüdische Solidarität ; Vortrag gehalten im Sefath-Emeth-Verein


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Die jüdische Solidarität ; Vortrag gehalten im Sefath-Emeth-Verein

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T

Die

Jüdische

Solidarität

Vortrag

gehalten im

Sefath- Emeth - Verein

von

Rabbiner Dr. J. Hildesheimer.

Berlin, 1880. Julius

Benzian.

Drud von H. Istowski, Berlin, Gr. Hamburgerstr. 18/19.

236.508 - B.Neu

EMTIONALETE E

RR

TH

TE

OS

Die

Jüdische

Solidarität.

In dem schweren Gottesgerichte, das in der ersten der beiden pentatauchischen nının für die Nichtachtung des Ges jeges angedroht wird, bildet der Schrecken , verbunden. mit Krankheiten,

Unfruchtbarkeit des Bodens,

im Kriege und Flucht der Strafmittel.

vor

den Feinden

Niederlage

die erste Etappe

Erreichen diese Strafen ihren Zweck nicht,

so wird eine vierfache stufenweise Steigerung schwerster Gerichte Gottes vorausgesagt. Damit, sollte man nun glauben, wäre des Jammers äußerste Grenze erreicht, die Misere ließe keine Steigerung mehr zu. Und doch ist's nicht

fo.

„ Und

in das Herz der

von Euch übrig Ge=

bliebenen, so fährt die Schrift fort, werde ich Verzagtheit bringen im Lande ihrer Feinde,

das Geräusch

eines

ver

wehten Blattes wird sie zur Flucht bringen, sie fliehen, wie man vor dem Schwerte flieht, sie fallen und es verfolgt fie Keiner.

Sie straucheln

Andern ,

wie vor

folger da, und

Einer

durch den

dem Schwerte und es ist kein Ver

es wird Euch kein Aufkommen sein,

Euren Feinden".

Aber das ist auch die

solche die furchtbarste Heimsuchung .

lezte,

Enthält

sie

und aber

vor als in

der That so etwas Schreckliches , scheint sie nicht vielmehr durch die früheren Vorverkündigungen elementaren, inneren und äußeren socialen Unglückes sogar noch überboten zu Die Antwort darauf giebt uns die älteste Erklärung

sein ?

unserer Stelle bei

unseren Weisen

die im so befindlich

4

ift .

Sie: fagt ‫וכשלו איש באחיו איש בעון אחיו מלמד שכל ישראל‬ ny. Nicht Einer durch den Andern über

haupt ( ) ‫יש באיש‬s), ‫ ( א‬, sondern Einer durch den Bruder (188) wird straucheln, nämlich durch die Sünde des Bruders (im Geseze, nämlich,

wie der Talmud

1

178),

in Sanhedrin

wenn dieſer

und Schewuoth

beschränkend erläutert, von dem Bruder hätte zurückgehalten. werden können, und dieser es unterließ ( 1 Am

1).

Es sagt danach die Schrift, wenn Euch das Be

wußtsein von der religiösen solidarischen Haftung des Einen für Alle und Alle für Einen abhanden gekommen, wenn die organische Corporation der spy nap in einzelne zusammen Hangslose Individuen

sich zersplittert,

ohne

gegenseitigen

Halt a n einander und ohne bindenden Kitt für einander, dann erst wird kein Aufkommen sein vor Euren Feinden, ‫می شود‬ wenn gegen Euch ein Angriff versucht wird ; ja die bloße Möglichkeit desselben wird schon genügen, die ſo Allein stehenden

in steter Furcht zu halten, die Bewegung eines

Blättchens wird

genügen,

Euch in Kriegesschrecken zu ver

feßen. Mit dieser jüdischen Solidarität wollen wir uns heute beschäftigen . Wir lassen hier ihren h a lachischen Theil, bei Seite, foffen sie vielmehr nach ihrer generellen Natur in's Auge

und

wollen

uns

die Vorschriften

und

Mahnungen

vorführen, welche sie für die verschiedenen Zweige unseres Zusammenlebens enthält ; was wir zu thun haben, um mit der Gewissensruhe treuer Pflichterfüllung vor den Hüter Israels, der nicht schläft und nicht schlummert, hinzutreten zu können :

und

jenes Priestergebet

zu Ihm emporſenden

„Wir haben tren erfüllt, was Du uns be

fohlen ; o ! mögest auch Du Deinen huldvoll verheißenen Segen uns angedeihen lassen und gnaden und liebevoll vom Himmel herabschauen. "

5 Die Verhältnisse, an welche der Jude als Jude heran tritt, find entweder in nere oder Name äußere , erstere, wenn bie concentrischen Kreise, innerhalb welcher er sich bewegt, von der Religionsgemeinschaft , als äußerste Peri pherie, begrenzt werden,

lettere, wenn sie darüber hinaus

gehen, und andere gesellschaftliche Beziehungen betreffen , die wohl mit ersteren durch gewisse Wechselwirkungen überbrückt find,

aber doch ein wesentlich verschiedenes Gepräge haben,

und nicht unmittelbar, sondern nur fassung

von

den

höheren Er

des Judenthumes einen Zusammenhang

mit dem

selben erscheinen laſſen . Die innere Solidarität gliedert und ordnet sich y nach den drei Stufen der engeren Gemeinschaft über SIHOTE haupt, der Familie , der Religions - Gemeinde und der Religions

Gesellschaft ; der Art jedoch, daß

sie allesammt so eng mit

einander

verwachsen sind,

daß

auch Bedürfnisse des einen Kreises für die Pflichtsphäre des engern maßgebend find . I.

Die Familie. Die Familie nun wird durch folgende fünf ver schiedene BESTANDDE unter "PALE Verhältniße ausgemessen, das der Gatten einander, der Eltern zu den Kindern und umgekehrt, der Geschwister , sowie endlich

das

der Theilfa

milien einer mehrgegliederten Familiengruppe, der Brücke zur Gemeinde. die gebietet erstgenannte Verhältniß Für das

jüdische Solidarität,

daß sich jede

der

beiden Ehegatten

nicht mit der Bewahrung persönlicher Religiösität begnüge, sondern auch die des andern in den Kreis ihrer Observanz ziehe. Die Mischna, die so oft mit Einzel mahnungen zu gleich ein allgemeines Princip durchblicken läßt, sagt in dem

beim Eingange des Sabbat citirten Abschnitte : zwei Fragen und eineMahnung soll der Hausherr, - und zwar freundlichst, wie der Talmud ergänzt, --- vor Sabbatbeginn an das Haus personal richten : ,,habt Ihr verzehntet, habt Ihr den das Tragen in gemeinschaftlichen Räumen ermöglichenden oder die Sabbat grenze erweiternden

y bereitet ?

zündet das

Licht an!"

Der Talmud zur Stelle erhebt dies wohl*) schon zur allge meinen Maxime. Welcher biblische Hintergrund, fragt er, liegt dieser Mahnung der Mischna zu Grunde? Das Wort Hiob's : erkenne, daß Friede in Deinem Zelte, hab' Augen mert auf Deinen Haushalt,

daß Du

daher auch die Frau allerdings

die

nicht fündigst .

Hat

erste Verwantwortung

für die korrekt religiöse Häuslichkeit, so hat doch der Mann dadurch keine Abſolution, er soll sie vielmehr, wenigstens im Allgemeinen, unterstügen, ermuntern, und, wenn nöthig liebe ernst rectificiren. voll Eine weit größere moralische Machtsphäre und

daher

Solidarität ist dem Weibe für religiöses Thun und Laffen des Mannes beschieden, weit größer in ihren Erfolgen, weil

der Veranlassungen dazu in dem weit mehrförmigen

und vielverzweigteren Leben des Mannes eine viel größere Anzahl ist, als in dem mehr oder weniger einförmigen und gleichmäßigen Wirken und Schaffen der Hausfrau. Wie ein böses Weib

bitterer als der Tod "

so

ist

ein ächtes

und rechtes jüßer als das Leben. Ihre Liebe kann den Gatten auch darin in magnetischer Anziehung fesseln, daß der häusliche Heerd,

dieser

beſeligende Mikrokosmus

den Makrokosmus, die sogenannte große Welt, mehr erfest,

daß

er gar kein Verlangen nach dieser fühlt,

dadurch vor hundert

gesellschaftlichen

Gefahren

ihm als und

bewahrt

‫* ) ואף שבשלאתות בראש ובר"ן חתרו למצוא בפסוק זה רמז לגי‬ : ‫מצות האלו עכ"ז יש לומר ג"ב שכוונו בזה אל מוסר הכללי הלזה‬

7 aus auchgionsübung geht, feinen Magen Wege wird, Zusammenkünften larerer Religionsübung aus

dem

außer dem Hause koscher hält, seinen Geist der Zweifelsucht und sein Gewer der Erstarrung und Frivolität entzieht,

und ihm hilft,

Stelle dieser zerstörenden Mächte

die

sehen,

eingehende Beschäftigung

edelsten

mit

der

an die

Güter zu

Erziehung

der

Kinder, Studium der heiligen Bücher schriftlicher oder münd licher Lehre oder dergl. mehr.

allenfalls

anderer

Der Talmud

Geistesnahrung und

(Jebam . 63)

erzählt,

Rabbi

Chija habe ein zanksüchtiges Weib gehabt und doch habe er

" Sie ärgert Dich

ihr jede Kleinigkeit, die er fand , gebracht. doch aber so sehr ?" fragte ihn Raw.

„ Es genügt, lautete

Rabbi Chija's Antwort, daß sie uns unsere Kinder erziehen helfen, und uns der Sünde entziehen. “ Wir kommen zur Krone ber Ehe, dem Kinderfegen.

für die physische und tragen ,

das

höchsten irdischen Glücke,

dem

Welch' unendliche Verantwortung die Eltern

braucht

geistige Entwickelung wahrlich

nicht

hier

ihrer Kinder

beschrieben

zu

werden, und könnte am Allerwenigsten in den Rahmen eines Vortrages , auch wenn dieser nur dieser Betrachtung Man sollte nun gewidmet wäre, eingefügt werden . glauben,

daß die Wucht und Tragweite dieser

unveräußerlichsten aller elterlichen Pflichten so

ersten und unmittelbar

gegeben und mit so tiefer Flammenschrift ihrem Herzen und Gewissen eingegraben

sei,

daß sie dieselben keinen Augen

blick aus den Augen verlieren und keinen Moment sich der selben entschlagen

könnten ;

macht man darin namentlich Solidarität ? den

aber

was

für

Erfahrungen

im Punkte der jüdischen

Während jeder Israelit täglich dreimal

obligatorischen Lehrerberuf

jedes

Vaters

schärfe fie ein Deinen Kindern ", sich in Erinnerung bringt, und noch 2-3 Mal die Parallelmahnung „ lehret ſie Eure Kinder

davon zu sprechen ",

beifügt,

während

schon die

8

Mischna ausdrücklich jedem Vater die Pflicht auflegt, seinen Sohn Thora zu lehren, ja die recipirte Boraitha und ein Ausspruch des R. Josuah b. Levi diese Lehrermission auch aufAp den Großvater an o den erstreckt,

während ferner

die erste Erziehung zum Gottvollen, Hohen und Edlen schon von unsern Weisen n . ch mehr der Mutter zur Pflicht gemacht wird , die im Hause lebt, die Kinder stets um sich hat, die ihr mit besonderer Liebe anhängen, so daß von der Höhe ihrer Bildung Herzensgüte und religiösen Sitte ganz

besonders

die Wohlerzogenheit

der Kinder

abhängt,

und angegeben wird, wie dies die Mutter des Königs Salomo mit ernstester Pflichttreue ausgeübt hatte, während hier die Eltern seit Jahrtausenden als die unmittelbaren Hüter der idealsten und

Güter

als die

auf Erden,

Wissen und Wohlerzogenheit

gewissenhaften Gärtner

im

Lustgarten

des

Kinderherzens berufen wurden ; so ist diese persönliche Lehr und Erziehungsaufgabe der Eltern der Gegenwart bis verschwindend rathen, und

wenige Fälle

geradezu

statt die Kinder zur

Sinaioffenbarung

und

zur

Kenntniß

man

Rabbiner

das und

Lehr pensum die Tochter

der

ganzen CASUAL Praxis des

ausnahmslosen

daraus hervorgehenden religiösen Lebens zirt

auf

in Vergessenheit ge=

anzuleiten, redu

weil ja

der

Sohn

kein

keine Rabbinerin werden soll,

auf eine pr homöopathische Dosis einer angeblichen Duinteſſenz , die in der Regel mehr Philosophie als Religion ist, und von der jüdischen gar nichts Specifisches hat. Und mit der Erziehung steht's womöglich noch

weit

schlimmer,

man fürchtet und zittert wie Espenlaub, daß man dem Kinde den Juden anmerke, daß man, wenn das Kind um des

gegenüber der

Sabbathentweihung

der angeblichen Nothlage derselben

beim ein

sich bei

n

oder

Ve

Speisegeseßes willen Einladungen ausschlage denselben à part sege, 20 anstoße ", A schläfert

sein Gewissen Schulbesuch mit

u . f. w.

u . s . w.

So federleicht nimmt es heute namentlich in Großstädten der überwiegende Theil mit der jüdischen Solidari tät der Eltern. Genau correspondirend damit aber ist das so wesent lich gegen früher veränderte Verhältniß der Kinder gegen die Eltern. Wie dem armen Sklaven Potifar's in der Stunde schmeichlerischster Versuchung, als die lüsterne Herrin ihr Auge auf den niederen Knecht warf, und die Feste seines sittlichen Bewußtseins mit Angriffen bestürmte, nach unsrer SANGA sinnigen Agada, das Bild des greifen Vaters den armen und verlassenen, aus Heimath und Fa milie

geriffenen, Jüngling Stand halten ließ in der Stunde Kemender Gefahr ; so war bis auf die neueste Zeit in der Regel auch bei jedem jüdischen Jünglinge das erhabene Bild der Eltern der tiefe unauslöſchliche Eindruck des S Elternhauses und der Erziehung

der Talisman,

der

den

in die fernsten Gegenden verschlagenen, ohne jeden äußeren Halt und Schuß Dastehenden, über die Gefahr hinweghob, und dem Anstürmen feurigster Leidenschaft der

eine gepanzerte " selbstbewußte"

Student, Commis oder Lehrling einer Groß

wie einer Klein

Brust

entgegenstellte.

Heute hat sich

ſtadt, von der Oberhoheit solcher Reminiscenzen „ naiver “ ― der Zeiten in der Regel vollständig " emancipirt," traurigste Beweis ist, daß man die Ausnahmen so aner tennend hervorhebt -, und wie wenig gehört dazu, daß dies

schwache Rohr geknickt, daß es vom Säufeln des leisesten Windes zu Boden geworfen wird, so daß sie fällt

und

nicht

Jsraels ?"

wieder

aufgerichtet wird, die Jungfräulichkeit Doch wozu auch nur weiter schweifen, wo schon

die Heimath und die Jahre sonst pietätsvoller Kindheit Er scheinungen zu Tage fördern,

die uns mit tiefster Trauer und ernstester Sorge für die Zukunft erfüllen müssen ? Oder gäbe es für den denkenden Beobachter etwas Betrübenderes

-

10

und Bed enklicheres als die tägliche Erfahrung, wie Knaben und Mädchen mittlerer Schulen, taum, ja vielleicht noch gar nicht, den Kinderschuhen entwachsen, hinter dem Rücken der Eltern den Sabbath entweihen , die Speisegefeße über treten und in dieser und anderer sittlich- religiösen Beziehung in das unnatürlichste Diplomatenverhältniß zu

den Eltern

treten ? Woher dieje gänzliche Entfremdung der kindlichen Solidarität mit den Eltern im Punkte des Sittlich Religiösen ? Kann fie aber auch nur Wunder nehmen ?

Haben wir es

nicht auch hier, wie überall, mit dem Gegenspiel des Gebens und Reflectirens

zu

befruchtenden Regen

thun, geistiger

und ist's nicht auch bei diesem und gemüthlicher Erfrischung

wie bei dem natürlichen , bei dem, nach unseren Weisen, kein Tropfen in's Meer fällt, dem

nicht

ein

doppelter

aus

tiefstem Grunde entgegenquillt ? Je mehr Eltern ihrer Pflicht gegen ihre Kinder walten desto mehr Pflichtbewußt sein werden ihnen auch diese aus tiefsten Herzensfalten ent ― gegenbringen, aber natürlich auch umgekehrt. Jm Wochenabschnitten wird gesagt, wenn sich Dein Bruder aus Armuth einem an a, d. h. nach der recipirten Ansicht, dem Nichtjuden, der sich nur zu den 7 noachidischen Geboten bekennt, oder gar einem Gößendiener, wie die Tradition das Folgende erklärt, verkauft, so solle Einer der Brüder ihn auslösen . Auch hier hat es die Schrift wohl mit einem Einzelfalle zu thun, der auch für die Halacha Einzelfall bleibt, aber ganz gewiß auch für die Moral mit

der

allgemeinen

Marime,

daß der Bruder in erster Linie verpflichtet ist, d. h . soli darisch dafür haftet , ein das jüdische Pflichtleben des Bruders gefährdendes Verhältniß zu lösen, also sicherlich umjomehr, denselben vor solchen Nothankern der Verzweiflung zu bewahren. Dies führt uns auf das weite Gefilde der geschwisterlichen

jüdischen

Solidarität.

Die Ungleichheit der Brüder naturen zu nivelliren, liegt

11

allerdings nicht im menschlichen Bereiche. Ein Ismael hätte tros größter

brüderlicher Anstrengung so wenig zu

Jak wie Esau

zu

einem Jacob

gemacht

einem

werden können.

Aber ein, dem Sittlich-Religiösen zugewendetes Gemüth des Bruders oder der Schwester zu erhalten, Hindernisse hin wegzuräumen, die sich dem entgegenstellen,

ernste Mitsorge

zu tragen, daß nicht Noth und Verzweiflung dazu führe, mit der ganzen Vergangenheit zu brechen ; dies ist eine so wesentliche Seite der jüdischen Solidaritat, daß sie nicht genug beherzigt werden kann. Nicht immer wird ihr gewissenhaft Rechnung getragen . Gar oft .. löst der Bruder dem Bruder nicht aus" (aus Gewiffensnoth und Gemüthsgefahren) nicht

unserm Gott

Sorge

sein Löjegeld"

und der Verzweiflung) .

aber nur dann eintreten,

(aus

und giebt

den Fesseln

der

Gewissensberuhigung darf

wenn die Brüder nie vergessen,

daß nicht Für zu einem losen Nebeneinander, und Durcheinander einemsieengen geboren,sondern und dzu daß es nicht nur, wie der Psalmist sagt,,,gut und schön“, ſondern unveräußerliche, unabweisliche Pflicht ist, daß Brüder in harmonischer Einheit

mit einander wohnen.

Die äußerste Periferie endlich dieser sich immer mehr erwei € ternden Wellenbewegung bildet die Gemeinsamkeit der Fami lienfamilie d . h. Familiengruppe.

In vielen

Gegenden giebt es noch heut' ein Zauberwort, das eine Zugkraft ausübt, von der man in andern, denen es ab handen gekommen, kaum eine Vorstellung hat. wort heißt,

ichuß ,

jüdischer Adel

Dies Zauber

der Descendenz von

Männern, welche entweder als talmudische Koryphäen ersten Ranges oder als Meteore der öffentlichen religiösen Praxis für die Ewigkeit gelebt haben. weitauf die Portale

Jichuß öffnet dem Dürftigen

der Reichen, verwandelt

rathungen das Verhältniß des Gebenden den

in

sein

Gegentheil,

führt

bei Verhei

und Empfangen -

zu Ehrenstellen

in Ge

Conto

12

-

meinden und hundert andern Prärogativen Gemeinschaft.

der religiösen

Und doch wird die diesem Talisman inne

wohnende Zauberkraft, auch von dessen Besizern, und von den davon Angezogenen so sehr verkannt, innewohnende fittliche Begriff zu waltige Zugkraft kehrt wird .

daß

der hohe ihm.

einer Farçe und die ge

desselben in ihr gerades Gegentheil ver

Die meist auf den Lorbeeren

ihrer verdienst

vollen Ahnen verdienstlos ja oft schänderisch ruhenden Enkel halten den Sichuß für eine ererbte Domäne, und den selbst verständlich in klingende Münze umzuseßenden Respect der Ahnenlosen vor ihnen, als ein Recht, das sie bei den= felben beanspruchen dürfen, ohne irgend welche entsprechende de Leistungen als Aequivalent darbieten zu müssen. Das ist aber für

jeden Vernünftigen

ein ganz unberechtigtes

Anfinnen ; ja das gerade Gegentheil verlangt dieser jüdische Verdienstadel. Der, in deffen Adern folch' adliges Blut freiset, haftet solidarisch dafür , den Glanz des Ahnherrn

durch hervorragende

Religiösität

und

sonstige

Eigenschaften, die den Menschen und den Jehudi insbesondere zieren, womöglich zu erhöhen, keinenfalls aber zum Nieder gange und zum Erblaffen zu bringen. So zieht sich Kreis um Kreis um das Centrum der game, Familie, und steigt me zu Familien co m plegen , zur

auf und erweitert sich Gemeinde.

II.

Die Religions • Gemeinde. Wie Begrenzung

im

politischen der

Familie

Leben , selbst

so im

kann legten

die

enge

weitesten

Stadium nur in dem einfachsten, naturwüchsigsten Zustande der Menschheit genügen, ja die Familie kann sich hier noch weit weniger als dort in sich zurückziehen und gegen Andere abschließen .

Denn

nicht wie dort kann die Familie ganz

13

frei über

die Summe der

vielmehr

sind

diese

in

äußeren Bedürfnisse verfügen ;

der

jüdischen Familie

durch das

e Beschaffung derselben Religionsgefeß gegeben , und die S ist soweit dies überhaupt möglich, unter tausenden kaum

einer einzelnen Familie gegeben .

Sie müssen daher das

patriarchalische oder Familenverhältniß aufgeben,

und sich

zu einer Gemeinde d. h. zu einer religiösen Familien S gesellschaft verbinden. Zur Gesellschaft gehört aber nothwendig Norm ,

die

und

als

GesellschaftsEsse ordnung als äußere befruchtendes erhaltendes Lebenselement

jener Gemeinſinn , welcher dem, engherzigen Familienegoismus entſagt,

und

die Mitglieder

lehrt, sich

nicht

als

bloße

Familienindividualitäten sondern als Glieder DENGUDDARKHEeines Ge meinwesens zu betrachten, dem man mit Pflicht und Liebe verbunden ist. Die Solidarität des Einzelnen in einer jüdischen

Religionsgesellschaft

aber dreifacher Art, die den Institutionen

ist

zu den Einzelnen , zu und zu dem Gemein

wesen als solchem selbst. - Die Bruderpflicht gegen den Einzelnen findet ihren Ausdruck zunächst in der A ASmateriellen Wohlthätigkeit . Dieselbe ist bei aller Anerkennung jedes Aftes derselben dennoch in ihren einzelnen Graden genau geordnet, so daß nach einer Andeutung der beiden betreffenden Bibelstellen sowohl beim Darlehn wie beim Almosen Orts arme den Vorzug

vor denen

anderer Gemeinden

haben .

Aber nicht nur die unmittelbar und materiell, sondern auch. die sonst

auf

unsere brüderliche thätige Theilnahme An

gewiesenen der localen Gemeinschaft dürfen eine Priorität gegen gleiche auswärtige Verhältnisse beanspruchen, wie etwa bei zwei Kranken der heimische. Ist mir auch da rüber seine directe Vorschrift bekannt, so ist doch aus Analogie aus bei eigentlichen Armen Vorgeschriebenen darauf zu

dem

schließen,

da ja die der freundschaftlichen Aufrichtung und

14

Bethätigung

der

Liebe

Bedürftigen,

wie

und Leidtragenden momentan noch weit als erstere, die allenfalls auch über des

Ortes

hinaus

Hilfe

suchen

lich in der That oft suchen .

können

Weit

die Kranken

hilfsloser sind, das Weichbild und

mehr

bekannt

aber

noch

als

dieser logische Schluß zeugt davon die faktische Vereinsbildung zu obigen und ähnlichen jüdiſchen humanen Zwecken in allen alten Gemeinden, durch die die Mitglieder neben ihrer un veräußerlichen allgemeinen glaubensbrüderlichen Ver pflichtung noch besondere Verpflichtung für Vorkommnisse

übernehmen .

Die

Genesis

die

heimischen

und

die Seele

aller dieser Verbindungen ist das Aufgeben des persönlichen ja auch des Familienintereſſes zu Gunsten von Individuen, die nur durch das Band des religiösen im Gemeinwesens Verhältnisse gegenseitiger Solidarität stehen . - Aber nicht nur Einzelne sondern auch Institute des Gemein wesens

machen

ihre Rechte geltend und

unsere jüdische Soldarität,

und

gerade

appelliren

an

hierdurch unter

scheidet sich dieser Grad der Gemeinschaft von der ersteren. Die Familie braucht die persönliche Bedürfnisse ihrer Mit glieder nur von Fall zu Fall nach Bedürfniß zu eine Gemeinde muß die Institutionen

dürfniß bereitstellen. eine

dringenden

unbedingt für

Religionsschule

und

erfüllen,

unabweislichen

jede Nachfrage und jedes Be So muß eine jede Gemeinde

einrichten,

gleichviel

wie

viel

oder

wenige oder ob heute überhaupt Gemeindemitglieder darauf. .‫شد‬ reflectiren. Denn was heute nicht ist, kann morgen sein und eine

wohlorganisirte

und

ächt

jüdisch gesinnte Gemeinde

forgt nicht etwa erst nach Anfrage dafür, sondern ruft diese Anfrage

eben

Jeder Insasse

durch die

angebotene Bereitschaft hervor.

hat nach ritueller Vorschrift ein Recht,

die

Errichtung dieses Gemeindeinstitutes, nicht weniger aber auch aller übrigen vorgeschriebenen Institute zu fordern, und jedes

--

15

-

Gemeindemitglied ist daher solidarisch mitverpflichtet, felben zu

erhalten .

die

Zehn Dinge sind in einer Gemeinde

nöthig, bestimmt die Halacha, und wenn sie fehlen, soll kein Don on barin wohnen, darunter befindet sich die richter . liche Autorität,

Armenkaffe,

angestellter Schullehrer.

Ja

Synagoge, Badhaus und ein traurig,

herzzerreißend ist's ,

wenn eine ganze jüdische Communität kein Bedürfniß nach diesen Institutionen hat, wenn sie theils aus Indifferenz theils aus Ignoranz

(jammervolle Zustände,

die

sich wie

Folge und Ursache verhalten), jede jüdische Pflicht, Sitte und Vorschrift abgestreift. Aber wenn ihre Mitglieder nicht noch außer ihrer eigenen Verwahrlofung auch noch alle Hoffnung für die Zukunft abschneiden wollen, wenn sie wenigstens so viel Respekt vor der Gewissensfreiheit haben, daß sie das Leben nach der Vorschrift den gesegestreuen Juden nicht auch unmöglich machen; so haben sie diese Stätten intellectueller fynagogaler und praktischer Gottesverehrung unbedingt auf recht zu halten, das jüdiſche Gemeinwesen macht sie dafür verantwortlich

und die Geschichte wird dereinst darüber zu

Gerichte fißen.

Ohne aber diesen durchaus nicht bestimmbaren

Termin der historischen Tagsaßung abzuwarten, hat jedes Mitglied dieses Gemeinwesens, so lange es die reale oder auch nur die moralische Macht hat zu wehren und Einsprache zu erheben, die Obliegenheit

für die Intakt- und Correct

haltung dieser Inftitutionen einzutreten, es würde sonst seine. jüdische Solidarität

nach

dieser Richtung

hin

vollständig

verabsäumen. Allein, weder die Vereinigung einzelne Personen unter ein ander noch das Vorhandensein der einzelnen Institute meſſen das ganze Gemeinwesen aus, vielmehr bedarf dies einer wesentlichen. Ergänzung in dem Begriff des Gemeinwesens selbst, der sich 90 nicht in bestimmten Details angeben läßt, sondern in tausend und abertausend Fällen in der Verwirklichung des

-

16

Gesammtzweckes und Beförderung des Gesammtwohles durch absolute Hingebung an dasselbe, der unterbrochenen Selbst verleugnung

und Abweisung jedes Egoismus

geübt

wird .

Die unzähligen hier vorkommenden Ansprüche dieses Gemein wesens an den Einzelnen dürften sich jedoch wiederum unter drei Rubriken subsummiren

lassen,

die freiwillige

Wahrung des Gesammtinteresses für das jeder Privat፡ pflicht , und die Indienststellung bei Berufung zu GBe : meindeämtern. Es gehört aber alles Dieses um gal ischemia was ana deswillen in den Rahmen der jüdischen Solidari selbe überhaupt , die Ausübung

tät weil Jeder verantwortlich ist für die Schäden des Ge meindewohles durch Verabsäumung dieser Pflichten, naments lich aber dafür, daß das böse Beispiel

unsrer Vernach

Lässigung leicht Nachahmung findet, was dann auch unser ― In der freiwilligen unaufgefor

Schuldbuch vergrößert.

derten Wahrung des Gesammtintereſſes und der Hingebung an dasselbe liegt , das eigentliche Lebensprinzip , ja die ein zige Möglichkeit des Gedeihens des Gemeindewesens über haupt, ganz besonders aber des religiösen Gemein wesens.

Denn

andere Gemeinwesen bieten bei

allem

idealen Inhalte doch auch so viel materielles Intereſſe, daß die Zugkraft

des

letteren

allenfalls

die Mangelhaftigkeit

wahrer Bürgertugend erfeßen und wenigstens weniger fühl bar machen kann, der ganz interesselosen religiösen Ge meinde jedoch ist vollständig Licht und Luft geraubt,

wenn

ihr die willige und freudige Selbstlosigkeit geraubt wird . Diese verlangt, sich ungescheut anzubieten , Etwas haltung

zur der

Förderung des Schädigung

Gemeinwohles

desselben

wo

oder

beitragen

zu

man

Hintan können

glaubt, friedlich und freundschaftlich aber in ernstester sitts licher Pflichterfüllung die Stimme zu erheben und nimmer zu schweigen, wenn Unaufrichtigkeit, Unverstand oder religiöser

17

Leichtsinn

die Art anlegt

jährige Eiche

an die zweiunddreißighunderts

der Sinaioffenbarung ;

überhaupt

aber

ein

wachsames Auge auf die Wahrung dieser heiligsten Güter zu haben und keine einschmeichlerische und nie um hundert Entschuldigungen verlegene Gleichgültigkeit in sich einziehen zu lassen. Denn diese ist der erste Spatenstich zum Grabe des warm pulsirenden jüdischen Gemeindelebens. - Auch die

beiden

meinen

folgenden Solidartitäten

nicht

specifisch

jüdisch,

sind

bedingen

wohl im Allge vielmehr

das

Wohlergehen und Gedeihen jeder kleineren oder größeren Genossenschaft, seien dies Vereine, Gemeinden oder ganze

Staaten ; allein, es ist auch hier zu betonen, daß während man dort auch mit dem wohlverstandenen Selbst 2

intereffe ,

indem jedes einzelne Glied

Früchte des von dem Gemeinsein

sichtlich die

abhängigen

allgemeinen

Wohlergehens genießt, rechnen darf, hier die sichtlichen Darf nun Früchte ganz außer Rechnung bleiben müssen . ― aber eine Gemeinde sogar die Forderung an den Einzelnen ihrer Mitglieder stellen, ihren Interessen die Dienste

an

zubieten , wie viel mehr ist sie dazu berechtigt und ver pflichtet,

ihre Mitglieder

an

die

treue Einhaltung ihrer

Pflicht zu mahnen . Zunächst gehört hierher die Des M übung rechtes mit der Verantwortung für den ungünstigen Ausfall der Wahl bei der Unterlassung.

Kann

diese bei Communals, Reichs- oder Abgeordnetenwahlen wohl auch nicht

entschuldigt

aber

noch

allenfalls

damit

beschönigt werden, daß bei dem colossalen Contingent der Berufenen und Berechtigten Einzelstimmen oft von ver schwindend geringer Bedeutung seien, so kann hier in der Regel selbst diese Beschönigung nicht zugelassen werden, gang nur in ganz großen Gemeinden mit erdrückender Bahl der Wähler

larer

Religionsübung

mag

der

aussichts

losen Minorität solch' Verhalten wohl angemessen sein .

18 Hier hat sicher Jeder seine Pflicht zu thun und dem Manne seines Vertrauens, auch wenn die Wahl ohne seine Stimme gesichert

wenigstens das Opfer dieser Wahlminute zu Aber nicht nur diese Personalpflicht sondern auch

ist,

bringen.

wie

jede andere,

pa und

on

die verschiedenen Seiten

ber ‫גמלות חסדים‬ wie 2nmmefenbeit bei ber ‫ הלוית‬, ‫מיתה טהרה‬ non und dergl. muß persönlich eingehalten und nicht durch bezahlte Diener abgelöst werden , wenn nicht diese hehren erhabenen Güter, die schönsten Juwelen in dem Diademe der

alten

map

zur

geist

und

gemüthslosen

materie herabgewürdigt werden sollen , bereits

die

abschreckendsten

müssen diese oben schon

Beispiele

Geschäfts

worüber bekanntlich Daher vorliegen.

unter der Rubrik des Verhaltens

des Einzelnen zum Einzelnen erwähnten Punkte auch vom Gesichtspunkte des Gemeinwesens

als solches

gewissenhaft

eingehalten werden, Jeder ist dabei dem Ganzen verantwortlich um willen seiner jüdischen Solidarität. An Diejenigen jedoch, welche durch das Vertrauen ihrer Gemeindegenossen zur Leitung

der öffentlichen Angelegens

heiten berufen worden, richtet dieſe Gemeinschaft die ernſte Mahnung willig und opferfreudig, mit dem hingebenden zu antworten. Wohl sind bei diesen Ehrenämtern keine Lorbeeren zu

erndten,

Uebeldeutung,

Unannehmlichkeit aller Art,

dem Gemeindeleiter

wohl

aber Verkennung, Miß- und wohl wird auch

nicht Hoheit sondern Arbeit

wortet, wie Gott zu Moses

sagte ;

in

der

überant

jüdischen

Gemeinde ist solches Amt gemäß der bekannten Individualität gerade dieser Genossenschaften ein noch viel undankbare res

" Geschäft"

als

dies in sonstigen Communen der Fall ist,

die genannten Schattenseiten sind hier noch weit potenzirter, und Orden und Sterne hat einen auch nicht zu ver geben .

Aber troß alledem und alledem ist's höchste Pflicht

des Mannes des Vertrauens sich finden

zu

lassen, denn

C

19 auch er haftet vermöge seiner

jüdischen Solidari

tät für

alle Folgen, welche seine Ablehnung nach sich zieht, nicht nur für eine, vielleicht dadurch heraufbeschworene

Gefahr für die jüdischen Interessen, sondern auch für das organisatorische Deficit das von seinem Nachfolger trog gleich gutem Wollen durch deffen geringeres Können ver schuldet wird. Das Bewußtsein, im Dienste des Höchs sten zu

stehen,

die

Verkündigung

des

alten

jüdischen

Weisen, daß der Lohn im geraden Verhältniſſe_zu den mit dem Amte verbundenen Unannehmlichkeiten stehe, wie die Versicherung schen Hause,

daß

jenes Schulhauptes

denjenigen,

welche

aus dem Hillel' sich rein um Gottes

Willen in den Dienst der Gemeinde stellen, das Verdienst der Ahnen zur Seite stehe und ihr edles Werk unsterblich werde, diese Tröftungen können und werden sie über

sein

alles Ungemach hinwegheben, Allen aber, welche in einer oder andern der besprochenen Weisen sich um das Gemein wesen verdient gemacht haben, ruft der my

be allfabbats

lich zu : Gott wird ihnen lohnen, ihnen Schuß und Wohl ergehen zu Theil werden lassen, und all' ihre Sünden ver geben, denn Nichts kann ein so warmer und erfolgreicher Fürsprecher bei Gott sein, als die Wahrung der jüdischen Solidarität. III.

Die Religionsgesellschaft. Wie fich

nun

aber die bürgerlichen Gemeinden, die

Communen, so eifersichtig fie ihre berechtigte Individualität bewachen,

dennoch auch

als

Communalfamilien

zu größeren gesellschaftlichen Vereinbarungen, dem politischen Gemeinverbande des Staates zufammerthun, gerade wie dies die einzelneu Familien, die ebenfalls auf ihrem speci fischen Gebiete ihre Selbstständigkeit bewahren, zu dem Ges

20

meinwesen der Gemeinde gethan, ganz ähnlich erscheinen auch alle Religionsgemeinden verbunden und geeint in der Religions genossenschaft ; derart jedoch, daß auch hier die Gemeinden

bei

der Unterordnung unter die letteren

durchaus nicht vollständig darin aufgehen , vielmehr inners halb ihrer Sphäre autonome Individualität bleiben. Wie die bürgerliche Gemeinde nur dasjenige vom Staate bean= sprucht und erhält, was über ihre Leistungssphäre hinaus geht ;

alles deffen aber nach wie

vor

walten

muß,

was

innerhalb derselben liegt, und ihre eigene Specialität ist ; ganz ebenso verbleiben der jüdischen Gemeinde die unver wie der rückbaren Grenzen der ausschließlichen Rechte wie Pflichten,

und

nur

zur Möglichkeit selbst

wendung der Geldmittel,

bei Auf

den Zweck zu erreichen,

verhilft

ihr die Gesammtgenossenschaft.

Ein einfaches Beispiel wird

dies dort und hier illustriren.

Jede bürgerliche Commune

in Preußen ist verpflichtet, eine Elementarschule zu gründen und entsprechende Lehrer anzustellen. Aber, woher Lehrer nehmen ? Lehrerbildungsanstalten kann nicht jede Gemeinde gründen, die Lehrer werden 1 nur Großstädte machen eine Ausnahme, die die Mittel haben auch Lehrer bildungs anstalten zu errichten, in den Staats anstalten ge= bildet.

auch Kehiloth wohl Religionsschulen T gründen, und sie thaten und thun es wohl alle, gleichviel ob nach

So können

alter Anschauung als Cheder oder nach neuerer

in moderner Religionsschule. Woher aber die jene und die Religionslehrer" für diese nehmen ?

so für Das ist

die Obliegenheit der Religions genossenschaft. Nun ift aber zwar ideell die Parallele ganz richtig, reell aber besteht dazwischen ein himmelweiter Unterschied.

Der Staat

ist eine thatsächliche, in die Erscheinung tretende Potenz, mit den höchst denkbaren Machtmitteln, mit Beamtenthum, ganz bestimmter Organisation und Abgrenzung. Aber die

21

jüdische Religionsgenossenschaft ? nur eine Idee ohne Macht und ohne Spize, ohne Halt und ohne Stüße. Wie kann die reale Gemeinde ihren Halt in ihr haben,

ihr Rüstzeug

ihr entnehmen ? Hängt da nicht Gewisses an Ungewiffem, 8 857 nbn wie sich der Talmud ausdrücken würde ? Alles sehr wahr ;

und

doch

hat's bis in die neueste Zeit

den Gemeinden nicht an Lehrern gefehlt, wenn sie sie brauchten, an Rabbinern, wenn sol che zu installiren waren . DiesStist eines der größten Wunder und eine der größten Gnadenbezeugungen, die wir dem Hüter Israel's zu

verdanken haben .

Welche

menschlichen Vermittler erfor sich aber dabei der Herr in Seiner Gnade ? In erster Linie die selbstlosen opferwilligen Rab Ab biner, die sich in den Jeschiwoth der Ausbildung der Rab binen und derzeitigen Religionslehrer geweiht, ergänzend aber ang makaka Do die Gemeinden jener Rabbiner, und es waren durchaus nicht immer größere,

in denen die Idee

der universellen

Religionsgenossenschaft so lebendig war, daß sie oft die un glaublichsten, ihre weit überschreitenden Opfer zur createdKräfte a th J Erhaltung dieser armen dereirftigen Rabbinen und Religions. lehrer auf dem Altar der Relionsgenossenschaft darbrachten. Ja, in diesen schlichten Bürgern des Gottesstaates lebte in

wunderbarer Großartigkeit

jüdischen Solidarität

der und

große sie

Gedanke

der

fühlten sich ver

pflichtet, mit dem größten Opfer die Fundgrube des großen Meisters, der an der Spiße ihrer Gemeinde stand, für so viele Gemeinden wie irgend möglich, fruchtbar zu machen. Wir stehen hier so recht eigentlich auf dem Boden des by ‫ ישראל ערבים זה בזה‬in engften Sinne ber 2Sorte , unb menn * wir versuchen, die Theile unserer solidarischen Haftung in dieser Sphäre zu gruppiren ; so werden wir sie aus vieren bestehend erkennen, die Solidarität für die Verallgemeinerung der jüdischen

Lehre, des

jüdischen rituellen

-

22

und humanitären Lebens, der jüdischen Ehre und des

jüdischen heimathlichen

der Erläuterung

derselben

können

Bodens.

wir uns

aber

Bei

um so

kürzer faffen, als ja die Objekte allbekannt, und zur Hälfte nur auf Institute hingewiesen zu werden braucht. Unsere Solidarität für

möglichst

allgemeine Kenntniß

der jüdischen Lehre verpflichtet uns, gerade sowie die schlichten Gemeindemitglieder der alten Jeschiwoth die An stalten zur Ausbildung von Rabbinern und Religionslehrern, welche in den Dienst der jüdischen Lehre gestellt, zum Nugen und Frommen aller größeren und kleineren Gemeinden, die ihr Contingent von da unterstüßen. Unsere

beziehen ,

Solidarität für

Leben muß eine

nach besten Kräften zu

jüdisches

rituelles

beredte Fürsprache für die berechtigte

Bitte kleiner armen Gemeindewesen sein, welche allein außer Stande find, die zum

jüdischen Ritualleben unerläßlichen

Institueionen herzustellen, wie die für das Humanitäre aus anregen muß, des alten Wortes eingedent zu sein, daß es drei Erkennungszeichen die Brüderschaft der großen jüdischen Weltloge gebe : Erbarmen, Demuth und Mild thätigkeit. Unsere Solidarität für die

jüdische Ehre mahnt

uns dringend zum Anschlusse an alle jene glorreichen Bestrebungen, welche die Alliance israelite universelle in der praktischen ‫و بی و او‬Seite ihres Programmes verfolgt ; so wie wir uns endlich solidarisch Einer für Alle und Alle für Einen verbinden sollen zur Verbesserung der Lage derer die noch heute das20‫من‬Judenthum auf dem klassischen Boden unsrer heiligen Literatur repräsentiren, jener Stätte, auf welche ‫הל בירידות הממלכה‬ dereinst das Auge Gottes gerichtet war,

vom Anfang des

Jahres bis zu dessen Ende und von welcher nach unseren Weisen auch heute noch die Schechina nicht ganz gewichen ist.

23 Wir haben die jüdische Solidarität sich nach Innen entwickeln gesehen

von Einzelpersonen zur großen Religionsgenossen

schaft, eine Entwickelung jedoch, die wie wir oben schon an gedeutet, in den einzelnen Phasen schon einen Refler auf und

die andere wirft,

von derselben beeinflußt wird,

wie

die Eltern bei der Erziehung des Kindes schon das der= einstige Gemeindemitglied in's Auge faffen müssen, und auch die Gemeinde

nur

dann

eine ächte und rechte ist, wenn

ihre Mitglieder mehr als Synagogenpatriotismus , wenn sie die ganze große religionsgenossentliche Solidarität in ihrer Brust tragen.

Wir haben bis jeßt die

inneren Verhältnisse mit

denen der Jude in Berührung ist, jegt die

äußeren

betrachtet ;

wir müssen

in's Auge faffen, deren er sich nicht

nur um der Menschenwürde im Allgemeinen sondern

auch

um der jüdischen Solidarität insbesondere nicht entschlagen darf.

Denn seitdem vor jest gerade 1800 Jahren

die staatliche Selbstständigkeit Israel's in Trümmer zerfiel, und das Volk, soweit dasselbe nicht vom Schwerte nieder gemäht,

von

wilden Thieren

zur

Schaulust

barbarischer

Völker zerrissen, oder zur unmenschlichsten Knechtschaft ver fauft worden war, zerklüftet und zertheilt in weiter Ferne Schuß und Obdach suchte, seit der fast 2000jährigen Golah kann der Jude fich nie ganz völkerung isoliren,

von der außerjüdischen Be

er muß bald mehr, bald weniger mit

derselben in Berührung treten, kann sich, selbst wenn durch

5.

feindselige Gesetzgebung in Ghetti's eingepfercht, nicht gegen die von außerhalb der Judenthore hinein und über die Mauern hinüberwehende Luft abschließen und muß in einen natürlichen Toyo socialen Prozeß mit derselben treten wenn ge rechtere Jahrhunderte ihm Licht und Luft vorzuenthalten aufgehört haben.

Insofern nun aber der Jude auch hierin

24 fich nie und nimmer seines Judenthumes entschlagen kann vielmehr mit allen Fasern seines Organismus seine j ü dische Pflichtsphäre zu offenbaren hat, dies nimmermehr seinem Plaisir und seiner launenhaften Wahl überantwortet bleiben darf, sondern die Ehre des Judenthums ihre Rechte fordert, für welche jeder einzelne Bekenner solidarisch haftet; so

müssen

uns auch nach dieser Richtung.

wir

hin zum klaren Bewußtsein bringen, was die jüdische Solidarität von uns fordert, was wir hier zu thun haben, um unserer Schuldigkeit getreu nachzukommen.

Die

Gesichtspunkte von denen wir dabei auszugehen haben, find dieselben, in denen jeder Mensch als politische Persönlichkeit auftritt, nämlich als Ortsbürger, als Staats: bürger und als Weltbürger.

IV. Die Ortsgemeinde. Die Obliegenheiten in der äußeren d . h. politischen Gemeinde

nun

können sich

wie

man leicht erkennt von

denen in der innern prinzipiell nicht unterscheiden, und bedürften in sofern gar keiner besonderen Behandlung . Daß wir hier dennoch nochmals darauf zurückkommen,

hat

darin feine Grund, daß das Bedürfniß hier durch neue und noch weit

acutere Momente unterstügt wird.

Auch hier

wird das Feld ausgemessen durch Gemeinsinn , Rechte und Pflichten .

Wir haben es schon erwähnt, daß ohne

Gemeinfinn die besten Gemeinde ordnungen Makulatur sind,

nichts

als

alle Weisheit für eine gerechte und glück

liche Bestimmung und Erhaltung des bürgerlichen Gemein wefens, jede noch so glückliche Abwägung der Pflichten und Rechte umsonst ist , wenn nicht, wie die Solonischen Grund fäße den Gemeinfinn definiren, in bürgerlichen Angelegen= heiten, positiven Strebungen wie Zwiftigkeiten Keiner unbe

25 theiligt ist, wie auch das der beste Staat sei, in dem rcase jeder Bürger das einem Bürger widerfahrene Unrecht als eigene Verlegung empfindet. Je mehr nun aber die unversöhn pic. lichen Nachzügler der mittelalterlichen Furie sich besonders in der leeren Anschuldigung der Grenzen Egoist, kenne

ergehen, der Jude sei jenseits

seiner Religionsangelegenheiten vollständig nur eine Leidenschaft, die für seinen Be

schäftsbetrieb, Schacher, wie sie es nennen , die Verwirklichung eines bürgerlichen Gesammtzweckes lasse ihn kalt und gleich giltig und dergleichen mehr ; desto mehr ist der Jude, noch weit mehr als um seiner persönlichen Ehre, um der jüdischen Solidarität willen verpflichtet, diese bos haften Insinuationen Lügen zu strafen, wohl sich in diesem Eifer für die Beförderung des Gesammtwohles nicht

all

zuviel anzubieten, um nicht wieder zur Unterschiebung gemeiner Motive, - und wann hätten wir es je recht machen fönnen? Veranlassung zu geben, als . wollten wir uns vordrängen,

was

wir wiederum nicht nur um der persön

lichen Scheu, sondern um der jüdischen Solidarität willen vermeiden müssen, wohl aber eine permanente Bereitwilligkeit hintanzusehen,

wenn

er

zu zeigen, alle Privatinteressen einen dem Communalverbande

Dienst leisten kann . Bedingt nun aber diese jüdische Bürgertugend schon eine allgemeine Bereitschaft zur Förderung des öffentlichen Wohles, wie viel mehr muß sie unser Verhalten bestimmen, wenn specielle Aufforderungen

an uns treten ? Sicherlich!

Um dies aber zu können, müssen wir dazu sein.

berechtigt

Wir sind deshalb vor Allem verpflichtet, und deshalb

haben wir diese Pflicht als Vorbedingung zu den übrigen besonders hervor, für unsere Berechtigung d. h. für unsere

Leichberechtigung

mit den übrigen

Bürgern, mit denen wir gleiche Lasten tragen, ohne Furcht 3

26

und ohne Scheu zu kämpfen. Und gehört auch dieses Thema Juden, Stellung mehr inderdas Capitel der staatsbürgerlichen so de wollen wir es doch gleich hier er ledigen,

um uns unten desto kürzer fassen zu können,

ist's

ja auch hier nicht ganz an unrechter Stelle ; und liegt's ja auch in Deutschland

durchaus

noch nicht

in

der Zeiten

Hintergrunde, daß man uns auch für städtische Gerechtsamen, von den besoldeten sowohl wie von den Ehrenämtern , trog Uebernahme

der

allgemeinen und besonderen communalen

Pflichten ausschloß. rückt im Auge

behalten,

Dem gegenüber muß man unver daß

die

Stellung

des

Paria eine ständige Infamie, d. b. eine , die freie fittliche Persönlichkeit

und

Würde

mit Füßen tretende und daher das Wesen der Sittlichkeit und der Menschenwürde Erniedrigung untergrabende sei , die juristische Ehre hingegen die rechtsgeset liche

äußere

Achtung

oder

der inneren Würdigkeit

Anerkennung

einer rechtlichen

Persönlichkeit , wie schon bei dem alten Römern das

erste

dignitas

Rechtsgebot darin heilig

zu

halten .

bestand Läßt

die nun

honestas Jemand

und diese

Infamie , die sonst nur das juristische Brandmal nach den schwersten gemeinsten Verbrechen ist,

ruhig

über sich

ergehen, so ist das seine Sache, worüber er höchstens seiner. Familie verantwortlich ist ; nimmt er aber diese höchste Be leidigung als Jude , um seiner Confession willen hin, so duldet er die Beschimpfung des Judenthums, dieses zieht ihn um seiner iüdischen Solidarität willen

dafür zur Verantwortung und gräbt seinen Namen

mit ehernem Griffel

in

die Schauerliste seiner Ephialtes.

Es ist nicht unsere Aufgabe den Nachweis zu führen, sehr

sich

auch

das

bürgerliche Gemeinwesen selbst

wie durch

27

diese Ungleichheit vor dem Gefeße, durch diese an den Be kenner einer Confession um ihres Bekenntnisses willen geübte Rechtsvorenthaltung vor sich selbst entehrt, wie dies thatsächlich der Fall ist,

und

wie dies von Dohm bis auf unsere be

geisterten Rechtsbeistände im vereinigten Landtage ein ganzes Jahrhundert lang geschehen .

Unsere Sache ist, darauf hin

zuweisen, das wir, wenn wir zu Rechtsbeugungen gegen uns schweigen, einen Verrath gegen das Judenthum begehen, und unsern lauernden Feinden die Waffen in die Hände drücken, uns und mit uns das Judenthum selbst

als der sittlichen

Ehre baar zu erklären ; weder Kränkung noch sonstige Bös willigkeit darf uns irre machen, Solidarität preiszugeben .

unsere

jüdische

Ueber die sonstigen communalen Pflichten brauchen wir nur sehr wenig zu sagen ; alle obenerwähnten poſitiven Argumente gleichwie Argusaugen

der

stets offene

auf unsere bürgerlichen

Blick

auf die

Schwächen

mit

lauernde

und sie hohnlächelnd registrirende Brut der gegen uns Ver schworenen mahnen uns, uns keine Blößen zu mehr alle Bürgerpflichten treu zu erfüllen,

geben, viel

und

wenn zu

Ehrenämtern berufen, dem Judenthum Ehre zu machen . und stets eingedenk zu sein der jüdischen Soli darität. V.

Der Staat. A Alles eben über unser Verhältniß zur Gemeinde Gesagte gilt

wohl

zum Staate ,

im Ganzen und Großen auch für das

modificirt sich

aber

natürlich nach den

Unterscheidungen dieser beiden Institute selbst von einander, und unter diesen haben wir unsere Frage in's Auge zu fassen.

Gemeinde und Staat unterscheiden sich natürlich

wie Specielles und Allgemeines,

aber

auch wie Unmittel

28 bares

und Vermitteltes .

Während das Bedürfniß einer um des schon 12 oben erwähnten

Gemeindeeinheit ,

auch dem Beschränktesten

in

die

Selbstinteresses

willen,

Augen springt,

da in ihrem Frieden auch der unsrige be

gründet ist, wie der Profet Jirmijah den Erulanten zurief, als er ihnen den städtischen Patriotismus im Eril anempfahl ; während sich also dieser Halt jedes Einzelnen an dem Ganzen unmittelbar bietet, so daß Manche glauben könnten, vielleicht wirklich glauben, daß zu diesem Gemeingeiste eine Tugend gar nicht einmal nöthig sei, vielmehr der Egoismus voll ständig ausreiche ; so ist's beim Staatsverbande ganz anders, fast umgekehrt.

Nur in außerordentlichen etwa in Kriegs

zeiten oder in denen elementarer Noth teinzelner Landes mt en h die Solidaritä des Gesam sen striche, denen nur durc staates Hilfe werden kann, nur in solchen außerordentlichen Zeiten

tritt

auch

dem

blödesten Auge die Wohltbat der

Staatsangehörigkeit vor die Augen,

in normalen hingegen

entzieht sich diese Wohlthat so sehr dem allgemeinen Ver ständnisse, daß seit Auflösung des heiligen römischen Reiches bie zur Aufrichtung des profanen deutschen in einem Zeit raume von 65 Jahren die bestgelittenen Hofhistoriker und Hausstaatslehrer

die Staatszerrissenheit

als

ein Eldorado

der Deutschen glorificirten . Es ist außerFrage, die Gemeinde institution ist etwas re a I Verständliches, der Staat aber im Ganzen. und Großen eine Idee , es

ja

noch immer

namentlich in Deutschland, wo

Unterstaaten

und

einen

Oberstaat,

Königreiche und ein Reich mit sehr complicirten staatsrecht lichen Verhältnissen zu einander That

und

daher

auch in der

noch heute der einheitlichen reichsfreundlichen Partei

gegenüber eine sehr starke particularistische giebt.

Daß.

es der Jude hierin erst recht niemals Jedem rechtmachen Wählt er particularistisch, kann, versteht sich von selbst.

29 so

hat

er den Großdeutschen kein Gefühl für ein großes

deutsches Vaterland, gilt der Hintritt an die Wahlurne den legteren, so trifft ihn von Partikularisten der Vorwurf der Undankbarkeit

gegen

Interessen, will

die Förderer

seiner

nächstliegenden

er beiden, der Scylla wie der Charybdis,

ausweichen und bleibt beim Wahltermine zu Hause, so natürlich

absolute Gleichgültigkeit gegen Alles,

seine persönlichen Interessen hinausgeht. Falle

geht's

ihm

Gelegenheiten . Er fehle ausgegeben,

bei

was

ist's über

Und wie in dieſem

hundert anderen staatsbürgerlichen

Wie sich nun aus diesem Dilemma ziehen ?

niemals , als wenn die Partheiparole dahin so daß man ihm keine persönliche

Gleichgültigkeit zuschreiben kann, handle aber in den un ausweichlichen Alternativen nach bestimmten ueber zeugungen, bringe, wenn nöthig, dieser Ueberzeugung Opfer, so

daß

eine auch nur

annähernd

gerechte Beur

theilung seinem Verhalten keinen sittlichen Makel

anheften

fann. So erfüllt er seine Pflicht, und die Anforderung der jüdischen Solidarität. Was unsere Solidarität in Bezug auf die politiſchen Rechte anbelangt, so ist über das bei der Gemeinde Ge sagte hinaus hier besonders von einem hochwichtigen Punkte zu sprechen,

der auch dort wohl vorkommen kann , aber

doch nur in dieser Phase vorzukommen pflegt, G. f. D. seit drei

Decennien

der zwar

überwunden, aber in jezi

gen hochernsten Zeiten, in denen so Manche gegen die Juden agitiren, so daß es gut ist, sich an das nil admirari, über Nichts zu erstaunen, zu gewöhnen , durchaus nicht als bloßes Redeturnier zu erscheinen braucht.

Wir meinen die

Rechtsbeschränkungen einzelner Stände um ihres Juden thumes willen und dem gegenüber Ausnahmestellung Einzelner, theils um ihres Reichthumes, theils ihres Welt rufes,

bei

deffen

Ignorirung

man sich

eben lächerlich

30

machen

würde,

theils

gerade

um deren

Entfrem

dung vom Judenthume willen , " weil sie aus der selben Schüssel mit Andersgläubigen essen ". Wer kennt nicht die Prärogativen

der jüdischen Kaufleute der ersten Gilde gegenüber der Pariastellung der Uebrigen in Ruß ፡

Iand , wer theilt

nicht

die Empörung über die neueste

legislative Intrigue des bisherigen Vasallenstaates Ru mänien gegenüber dem feierlichsten Beschlusse des euro päischen Concertes in dem Berliner Vertrage ? Welches Verhalten muß der Jude, der das Herz auf der rechten Stelle hat, solchen Rechtsungleichheiten gegenüber einschlagen, wenn mit Ausnahmsstellungen be = er gnadet

wird ?

Wie Meyerbeer

der

Courtoisie

der

Wiener Polizei, die ihm liebevoll freien Aufenthalt offerirte, erwiederte :

ich will nicht mehr sein als meine

Glaubensgenossen", wie der österreichsche Minister Graf Stadion im Jahre 1848-49 sogar seinen bekannten freiheitsfeindlichen Collegen Schwarzenberg und Bach, welche ebenfalls

nur gewisse Kasten

mit partieller Emancipation

,,begnadigen" wollten, mit dem drastischen Worte entgegen trat : ,, die Emancipation der Juden wird nur dann eine Wahrheit werden, wenn auch der legte galizische Knoblauchjude die gleiche Rechtswohlthat

genießt ,"

so muß um so mehr

jeder Jude Separatgnaden zurückweisen , und frei willig mit seinen Brüdern Leid und Freude theilen.

Das Opfer ist zwar groß, die Versuchung un

säglich verführerisch,

wer

ihr aber mannhaft

widersteht,

tauscht dafür ein Gut ein, gegen welches jene vermeintlichen Ehrenstellungen nur erbärmliche Rainszeichen sind, er tauscht dafür das höchste Gut der jüdischen Solidarität ein.

Ueber das Verhältniß der letteren zu unseren staats

bürgerlichen Pflichten können wir uns auch hier wie

31

oben kürzestens fassen.



Ihre Forderungen sind hier ebenso.

natürlich wie naheliegend . Seine Schuldigkeit zu thun, mit Gut und Blut bei jedem Appel des staatlichen Bedürf niffes, auf daß man nicht se i n e Unterlassungsfünde dem Judenthum

in

Rechnung bringe, wenn zu

ragenderer Stellung gelangt,

oder

von

im Lehr- , Nähr

oder

hervor

Wehrstande

dem Vertrauen seiner Mitbürger

mit

den höchsten Ehren betraut, die das Volk überhaupt zu ver geben hat, seiner Stellung Ehre zu machen, und seinen weiteren Gesichts- und Thätigkeitskreis zum öffentlichen Wohle, Förderung von Cultur und Wissen 2c. zu verwerthen, das ist einerseits der höchste Kiddusch Haschem, andrerseits aber auch eine Forderung , welche das Judenthum, dem wir die Entfaltung unsrer Kräfte,

gleichviel, ob diese

groß oder klein sind, schulden, an uns stellt, unser Verhalten wird auch hier geleitet von der jüdischen Soli darität.

VI . Die gesammte Menschheit. Mit dem Uebergange des großen Alexander über den Hellespont war die Mauer des alten Barbarenthumes, dem Welt und Vaterland

identische Begriffe

den Grund niedergeriffen, der Weltbürger.

gewesen,

bis auf

Macedonier war der erste

Und als im Laufe der Zeiten nach der Thei

lung der drei damals bekannten Erdtheile unter seine Nach folger sich Europa 11-1200 Jahre · lang, durch endlose kirchliche und politische Streitigkeiten schäftigt,

vollauf mit sich be

von Neuem abgeschlossen hatte, war das Pabst

thum dazu erkoren,

diese

Schranke

wieder niederzureißen

und eine unfreiwillige Verbrüderung war beabsichtigt Nationen anzubahnen.

zwischen

weit

das Umgekehrte

auseinander liegenden

Die Völkerfluth verlief wieder, der

32 Orient blieb aber doch nicht der alte Orient, sowenig, wie Als aber der Dccident der alte Orcident geblieben war. niederländische Postmeister

der

Kaiser Maximilian's 1516

die erste wirkliche Post zwischen Wien und Brüssel spedirte, was allerdings, wie es in einer Urkunde aus jener Zeit Jeder vor mißlich hält,

heißt

konnte, daß

der Kaufleute und

da Niemand sich einbilden anderer Menschen

Briefe

und Sachen so viel Postgeld abwerfen würde, tavon Pferde, Wagen,

Poftillions

und

Postbeamte zu

unterhalten " (v.

Beust in M's. Convers. Lex. s. v.) , da war's mit der Iso

** lirung

aus, und

als

erst die

Schifffahrt

ihren Compaß

hatte und der Steuermann sogar nach Amerika dirigirte, Und seitdem auch die da war schon kein Halten mehr. welche, um mit Horaz zu sprechen, eine weniger. eherne Brust haben, wenigstens den ganzen europäischen Con

jenigen,

tinent eisenschienig durchlaufen können, jo seitdem alles dies tausendfältig überholt ist durch den allen Zeiten und Räumen spottenden und

electrischen Funken ; seitdem find Staatsbürger

Weltbürger

in

ewiger Fluctuation,

nnd wir dürfen.

uns der Frage nicht entziehen, wie haben wir uns als Juden dazu zu verhalten, wie stellt sich das Judenthum. dazu ? Wie fich das Judenthum dazu stellt ? Nun „es erfennt darin unzweifelhaft Anfänge zur Realisirung der messiani schen Vorverkündigung, wo Einer dem Andern hilft, und dem Bruder sagt : jei stark, und jener Friedensliga, in der nicht mehr Volk gegen Volk das Schwert erheben und Wie sich der Jude dazu Kriegshandwerk erlernen wird. zu verhalten hat ? Sympathisch natürlich, lange

aber dies genügt

nicht, wie überhanpt leere Sympathien dem Juden

thume sehr leicht wiegen.

Hier kann selbstverständlich nicht

wie oben immer auch von persönlichen Leistungen die Rede sein, sondern nur von Unterstügung durch materielle. Mittel, wenn wir dies zu thun in der Lage sind .

Vor

33

Allem

ist's

die kräftigste Theilnahme

an den Acten der

Wohlthätigkeit , jenes ersten Erkennungszeichens des Glaubensbruders. Ob die Stoßfeufzer aus Ländern zu uns herüberdröhnen, die wie Holland, England und Frank reich unseren Brüdern die vollste bürgerliche Freiheit ge währt, für

oder aus

einem Lande

wie Spanien ,

an das sich

uns die herzzereißendsten Reminiscenzen knüpfen , und

das noch heute unserem Glauben den Eingang fast versagt ; es ist die leidende Menschheit, der wir die Sünden ihrer mör derischen, wie

die

Geschichte lehrt,

felbst mörderischen, Ahnen

nicht

allerdings

gedenken

noch mehr

dürfen .

Hier

muß uns immer das schöne Wort jenes Tanai vorschweben, der

in

bitterer Armuth lebend,

durch ein von einem

Heiden gekauftes Thier in den Besitz eines vom Verkäufer wohl übersehenen kostbaren Diamanten kam und als seine Schüler ihre Freude darüber ausdrückten , daß er mit einem Male aller Sorgen ledig sei, ihnen widersprach, den festen Entschluß kundgebend, diesen Edelstein zurückzugeben. Denn wie er hinzufügte, selbst wenn der Verkäufer wie wohl an zunehmen, selbst nichts von diesem Schaße wußte, so über ragt mir der Erfolg,

daß der Heide

zu dem Geständnisse.

genöthigt the werde, gelobt requ sei der Gott der Juden ! alle Schäße der Welt. Ueberhaupt ist der Kiddusch-haschem die erha benste Errungenschaft nach Außen,

ihn anzustreben, ist hohes

Verdienst, sich aber der allgemeinen Theilnahme nicht zu entziehen, ist jüdische Solidarität. Aber noch ein anderes allgemein menschliches Problem muß hier besprochen werden, obgleich Sie vielleicht darüber lächeln werden , dies von mir besprochen zu hören, und sich • fragen : auch Saul unter den Propheten ? Ich muß mich nämlich einen Augenblick unwillkürlich in der Börsensphäre bewegen, indem ich von der allgemeinen socialen und bürgerlichen Freiheit sprechen will, die wir, denen, wie

34 jenem Römer,

Nichts Menschliches

fern

liegen soll,

nach

Kräften befördern und deren Verkümmerung verhindern sollen . Wir haben daher die kosmopolitische Aufgabe, bei der wir

allerdings in erster

Linie die Verbesserung des

Looses unserer Brüder im Auge haben, aber nicht bei den selben allein stehen bleiben, alle solche Bestrebungen, soweit wir nicht dabei mit den Landesgefeßen in Collision kommen, materiell, etwa bei Aufnahme von Anleihen zur Durchfüh rung solcher Staatsaktionen, zu unterstüßen, umgekehrt aber folchen Staaten, die noch immer nicht die Stimme des öffentlichen Gewissens hören wollen , durch Zurückweisung brudermörderischen ihres culturfeindlichen. meist auch Planes

auf den

klingenden Profit zu verzichten, dagegen

aber einen Procentsag einzuhandeln, der jenen bei Weitem aufwiegt, daß

es

nämlich noch heute eine wohl nur mora

lische, aber doch unbezwingbare Macht giebt die jüdische Solidarität. Nach diesem Ausfluge nach einem uns unheimischen unserem ur Gebiete wollen wir zum Schlusse zu eigenen, zu dem der Religion zurückkehren. Natürlich meinen wir hier nicht unsere specifische Religion, son dern die Religion, das Religiöse überhaupt, d . h. den Glau ben an einen persönlichen Gott und Anerkennung der da Grat raus resultirenden Pflichten der Menschenliebe, als Liebe m zu den Kindern desselben Vaters, daher Unterordnung unter ferin zielende unverdorbene Gewissen, und daher die ais Gewissenhaftigkeit wie die ursprüngliche Bedeutung diefes Wortes religio ist . Je mehr unsere. Ahnen, theilweise auch noch unsere mitlebenden Glaubens: genossen unter der fanatischen Fälschung dieses hehren höch ften Begriffes zu leiden hatten und haben, desto mehr ist 2 unsere Aufgabe dem Atheismus einerseits wie der römischen oder christlich-socialen

Drachenfaat

andrerseits

gegenüber

35 uns

allen Bestrebungen anzuschließen, die, auf dem Boden.

des Gottesbegriffes stehend, wie ein in verschiedenen Farben brechender Lichtstrahl oder wie die drei einen unerkennbar. ächten

enthaltenden

Ringe liebevoll

einander dulden, die

specielle Confessionalität als eine interne Angelegenheit, die die gemeinsame weltbürgerliche Stellung nicht berühre, jeder einzelnen Confessionüberlassend. Das Judenthum hat ganz be sonders dieses hohe Ziel im Auge, jeder Jude ist besonders verpflichtet, diesen Dienst anzutreten, dies verlangt von ihm die universelle jüdisch • religiöse Soli darität.

* Meine Geehrten ! fen,

das

als

höchstes

Ich habe Ihnen ein Bild entwor Ideal

allerdings

aber auch ein Theil davon ist schon

unrealiſirbar ist,

etwas Großes,

und

mögen wir uns trösten mit dem Ausspruche des römischen Philosophen : in maximis rebus magnum est aliquid atti gisse, in größten Dingen reicht zu haben,

ist's schon Großes,

Etwas er

noch mehr aber mit den Worten in den

Spriichen ber: 23ater ‫לא עליך המלאכה לגמור ולא אתה בן חורין‬ ‫להבטל ממנה‬ Wohl brauchst Du es nicht zu beenden, den noch bist Du nicht Deinige zu thun.

von

der

Pflicht freizusprechen, das